MENERS GROBES
RONNERTATIONS: LEXIKON
eS ‘an
] aE | uR EI RI Ui
— 9
HARVARD
COLLEGE
LIBRA KY
ag. Rh
i Elt UR
a a
= }
HARVARD
COLLEGE
LIBRA Y
Weyers
Großes
Konverſations-Lexikon.
Sechſte Auflage.
Erſter Band.
A bis Aſtigmatismus.
Meyers
Großes
Konverſations— Lexikon.
Gin RNachſchlagewerk des allgemeinen Wiffens.
Sechſte,
gänzlich neubearbeitete und vermehrte Auflage.
Mit mehr als 11,000 Abbildungen im Text und auf über 1400 Bildertafeln,
Karten und Plänen ſowie 130 Tertbeilagen.
Erſter Band.
A ois Aſtigmatismus.
Leipzig und Wien.
Biblivgraphifdhes Inftitut.
1902.
HARVARD
UNIVERSITY
LIBRARY
MAR 141974
Alle Rechte vom Berleger vorbehalten.
Bur fedjten Wuflage von Meyers Konverſations-Lexikon.
—
Seitdem aus dem, Konverſations-Lexikon“, das nach dem urſprünglichen Wortbegriff nur Stoff
und Stütze fiir die Unterhaltung fiber „Staats- und‘ gelehrte Sachen“ in geſelligen Kreiſen bieten
ſollte, ein „Nachſchlagewerk des allgemeinen Wiſſens“ geworden ijt, ſind mit den höhern Anſprüchen
aud) die Pflichten geſtiegen. Das moderne Konverſatlvns-Lexikon großen Stils, wie es von den
Begründern und Herausgebern des Meyerſchen Werkes in jahrzehntelanger Arbeit unter der
wadhjenden Teilnahme von vielen Hunderttaujenden ausgebaut worden ijt, hat längſt aufgehört,
nur ein gejalliges Austunftsmittel fiir die Unterhaltung des Laienpublifums gu fein. Ohne jemals
die Vediirfniffe und die Aufnahmefahigkeit dieſes Publifums, das immer die erfte und legte Vor—
ausſetzung eines jo umfangreichen Unternehmens bleiben wird, aus den Augen gu verlieren, find
Herausgeber und Redaftion unablajfig bemiiht gewefen, den Anhalt des Konverjations -Lerifons
aud) gegen die ſchärfſten Waffen der wiſſenſchaftlichen Kritik hieb= und ſtichfeſt zu machen.
Dieſe unablajfige Arbeit hat uns die Genugtuung verſchafft, dak jelbft die ftreng abgeſchloſſenen
Kreije der Gelehrten, die jonft mit vornehmer Geringſchätzung auf die Popularifierung der Wiffen-
ſchaften Herabjaben, fich dem RKonverfations-Lerifon geöffnet haben, weil ſeine Univerfalitat in der
gleichmäßigen Berückſichtigung aller Sweige dee menſchlichen Wiſſens, feine Suverlajfigfeit, die pein-
liche Ordnung in feiner Organifation und die Möglichkeit raſcher Orientierung in dem Labyrinth
unjers geiftigen Schajfens aud) bem Spegialiften der Wiſſenſchaft volle Achtung abgerungen haben.
Dieſes Ziel ijt freilich nur dadurch erreicht worden, dak es uns gelungen ift, fiir alle Abtei—
Tungen unjers Werkes Mitarbeiter herangugiehen, die felbft wiſſenſchaftliche Autoritäten genug
find, um von vornberein das BVertrauen ihrer Fadhgenoffen zu befigen, zugleich aber auch bie Fähig—
feit haben, die Ergebniſſe ihrer und andrer Forjdhungen in allgemein verftindlicher und an-
jiehender Form dem Auffaſſungsvermögen des Laien angupafjen.
Unjer Werk hat fich die Aufgabe geftellt, ber Vertrauensmann der Familien wie der
Gelehrtenwelt ju fein. Es foll feinen Platz in der biirgerliden Familie wie im Studiersimmer
ded Gelehrten behaupten, aber auch in den Lejefiilen jeder Art zur Benutzung auflieqen und fo
bie Macht und den Troft des Wiffens den weiteften Kreijen gugdinglich machen. Dieje Sendung
hat unjer Werk gum Teil ſchon erfiillt; ed hat tatjachlich in vielen Hotels und Wirtshaujern, dort
in den Leſezimmern, Hier an der Wand itber den Stammtiſchen, feinen Ehrenplatz, um als ober-
ſter Schiedsrichter in allen ftreitigen Dingen gu walten. Um fo mehr fühlt fic der Herausgeber
verpflichtet, das Werf immer weiterer Vervollfommnung zuzuführen.
Vetradhtet man als „Ideal“ des Buches, dak es womöglich über alles Auskunft geben foll,
fo foll und will es fich doch mit dem wirflichen Wiffen, mit den pofitiven, den unerſchütterlich fichern
Werten unfers Wiſſens begniigen und nicht durch Scheinerfolge, auch wenn fie die Augen der Zeit
genoſſen blenden, verfiihren laſſen; es foll das Fliichtige vom Dauernden zu unterſcheiden wiffen,
aud) im höchſten Wogendrang neuer Erjcheinungen die Beſonnenheit bewahren.
Dieſe Sicherheit und dieſe Bejonnenheit des Urteils miiffen fich zur Objeftivitat erheben, wenn
es fich um Dinge handelt, die fich der eraften Forſchung entziehen, oder die noc in irgend einer
Bejiehung ſtreitig find. Diele Objeftivitait muß fich beſonders dem ſchwierigſten aller in den Be-
reich bes Ronverjations-Lerifons fallenden Wifjensqebiete, der Politif, gegeniiber bewahren.
Nachdem alle Verjuche, ein großes engyflopadijdjes Unternehmen in den Dienjt einer politijcen
VI Zur Einführung.
Partei gu ftellen oder gar gum Agitationsmittel einer folchen gu machen, gefdheitert find, ijt daraus
nur die Lehre gu giehen, daß die Frage, ob fonfervativ oder liberal, fiir den Vertrauensmann eines
politijd vieljach gejpaltenen Volfes nicht in Betracht fommen fann, dak das Konverjations-Lerifon
fich vielmehr jeder politiſchen Parteinahme gu entſchlagen und als oe Gefichtspuntt nur das
nationale Intereſſe im Auge gu behalten hat.
Iſt dieje Objektivitat von uns mit höchſtem Ernſt und peintichfter Gewiffenhaftigteit angeftrebt
worden, jo mupten wir uns dod) biiten, der „Unparteilichkeit“ guliebe in Kälte und Trocenbeit
gu verjallen. Much bei aller Kürze ift darauf gebalten worden, dah jeder Artikel leicht lesbar und
verftindlich iſt. Die inhaltsloje Phraſe ijt ebenfo ftreng vermieden worden wie Unflarheit des
Ausdrucks und Unbeftimmepeit der Faffung. Gin bejonderer Wert wurde darauf gelegt, dab die
Beſtimmung und Erlauterung der grundlegenden Begriffe durchweg fo far und durchſichtig
gebalten worden find, daß fich auch der Lefer, dex nur die einfachſten Elementarfenntniffe mitbringt,
mit Neichtigfeit in die Darftellung hineinfindet.
Da das Konverjations-Lerifon die ungeheure Geſamtheit unſers Kulturbeſitzes zuſammen—
faffen foll und will, muß es auf durchaus erſchöpfende Darjtellung in allen eingelnen Fachern des
Wiffens verjichten. Das ijt die Aufgabe der vielversweigten Fachliteratur; aber bie Aufgabe des
Konverjations-Lerifons ijt es, auf feine Lefer anregend gu wirfen und fie gu weiterer Beſchäftigung
mit dem Gegenftande, der jeweilig im Vordergrund ihrer Intereſſen fteht, anguleiten. Dazu helfen
vornehmlich die umfangreichen Literaturnachweiſe, die von jeher den Vorzug unjers Werkes ge-
bildet und gang befonders auc) den Beifall der Fachmänner, die fich ſchnell Aber einen Literatur-
zweig ovientieren wollen, gefunden haben.
Bei dem innern Ausbau unjers Werkes ift gwar die möglichſte Gleichmafigkeit in der Be= .
handlung dex eingelnen Fächer angejtrebt worden, jo dak fich in diejem vielftimmigen Ordhefter
nicht die cine Stimme auf Koften der andern allzuſehr vernehmlich macht. Wher es fonnte nicht
verinieden werden, daß eingelnen Gebieten des Wiſſens andern qegeniiber ein anjdheinend verhalt=
nismäßig grofer Raum angewwiejen worden ijt. Denn das Konverſations-Lexikon foll nicht blo
eine ſyſtematiſche Aufſpeicherung unſers wiſſenſchaftlichen Gejamtbefiges fein, fondern eS joll auc
den Geiſt und die herrjchende Strimung der Zeit, in der es entjtanden ift, widerjpiegeln. Im
19. Jahrhundert find Naturwifjenfchaft und Technif die fiihrenden Mächte geweſen, und zu Beginn
des 20. Jahrhunderts find noch feine WAngeichen dafür gu erfennen, dak jene ihre Führerrolle aus—
geipielt haben, wenn auch allerwärts neue ethiſche und äſthetiſche Intereſſen nach Geltung drangen.
Bei voller Beriicfichtigung dieſer unabwweislichen Tatiache ijt es bas Streben der Redaltion geweſen,
burch cine zweckmäßige Anordnung und Verteilung des gewaltigen Stoffes ein Gleichqewicht zwiſchen
Naturwiſſenſchaft und Technik einerjeits und den Geijteswiffenjdjaften, vornehmlich den hiſtoriſchen
und literariſchen Fächern, anderjeits Herjuftellen und gugleid) den erforderlicjen Naum fiir die Be-
handlung der fozialen Intereſſen zu gewinnen, die im Leben unjrer Zeit ſchnell von größter Bedeu-
tung geworden find, indem fie alle geiftigen und techniſchen Kräfte sugleich in Bewegung geſetzt haben.
Die hier dargelegten allqemeinen Grundjage muften felbjtverftdndlich fiir die Behandlung
der fechjten Auflage des Werfes makgebend fein. Mit der forgfaltigften Bearbeitung aller Artikel
verband fic) das Streben nach immer größerer Ebenmäßigkeit. Die Aufnahme des taglich anwach—
jenden neuen Stoffes ijt durch entiprechende Beſchränkung des heute minder Widhtigen oder Be—
jeitiqung des völlig Veralteten ermiqlidt worden. Trotzdem wird das Konverſations-Lexikon, was
Vollſtändigkeit und Reichhaltigkeit betvifft, in erfter Linie ftehen. Ein wohl vorbereiteter
Arbeitsplan ficherte von vornherein die Berückſichtigung der vielen Umgeſtaltungen, die fic) im
letzten Jahrzehnt auf allen Gebieten der Forſchung, der Technif, des öffentlichen Lebens, dex
Geſetzgebung ꝛc., vollzogen haben. Es iſt überflüſſig, hier auf die einzelnen Fächer ſpeziell ein—
zugehen, da ſie ſämtlich von Grund aus neu zu bearbeiten waren; es ſei aber namentlich hingewieſen
auf die beſonders einſchneidenden Veränderungen, die nach der Schaffung unſrer einheitlichen Ge—
ſetzgebung auf dem Gebiete der Rechtspflege eingetreten ſind. Dabei galt es, einen ausgeſpro—
Senen Standpunkt feſtzuhalten, den der praktiſchen Verwendbarkeit; in erſter Linie mußte
Sur Cinfithrung. Vu
das neue Recht fiir den Laien in möglichſter Ausfiihrlichfeit sur Darſtellung gebracht werden,
wogegen die Ausfiihrungen über nunmehr veraltete Begriffe tunlichſt yu beſchränken waren.
Der Flluftration, die feit dem Beginn unjers Unternehinens einen weſentlichen Beftandteil
des Konverjations=Lerifons gebildet und eine vollſtändige Umwälzung auf dem Gebiete ded Illu—
ſtrationsweſens berbeigefiihrt hat, ijt auch in der neuen Auflage die höchſte Sorgfalt unter erheb-
licher Vermehrung de3 Materials bei entiprechend gejteiqertem Koftenaufwand zugewendet worden.
Die Gejamtsahl der Abbildungen ijt von 10,000 auf mehr als 11,000, die Sahl der Tafeln und
Sonderbeilagen von 950 auf 1100 (mit nahezu 1500 Tafeln) geftiegen, von denen etwa 200 in
reichftem Farbendruck ausgeführt find.
Wn den erprobten Grundjagen der Jl luftrationsmethode ift dagegen auch in der neuen
Auflage feftgebalten worden. Das Konverjations=Lerifon foll fein Bilderbuch sur Befriedigung
einer fliidjtigen Schaulujt fein, jondern auch in feiner Illuſtration denjelben engytlopadijdjen, d. h.
allgemein lehrhaften, gründlich unterridtenden Charafter haben wie der Tert, ohne dabei auf
künſtleriſche Durchführung int eingelnen gu verzichten. Auch in feiner illuftrativen Ausſtattung wird
unjer Werk durch feine äußere Erjcheinung einen Gradmeffer fiir unfern gegenwärtigen Beſitz auf
dem Gebicte der graphiſchen Künſte abgeben, wie der Illuſtrationsplan es auch inhaltlich als ſeine
Aufgabe betrachtet Hat, den Yntereffen, die unjre Seit bewegen, fdjnell gu folgen. So ijt die der
Völkerkunde gewidmete Tafelreihe von 36 Tafeln auf 60 Tafeln gewachjen, und im bejondern
ijt Die Kultur der Naturvilfer, den fich jahrlich mehrenden Ergebniſſen der Forichungsreijen ent-
jprechend, auf einer anſehnlichen Zahl lehrreicher Tafeln veranjdjaulicht worden. Ebenſo hat die
anatomijfd-phyjiologijdhe Gruppe die Ergebniffe der neueften Beobachtungen in den Kreis
ihrer Darjtellung gejogen. Namentlich find die Apparate berückſichtigt worden, mit deren Hilfe
die bedeutendjten Forjchungsergebnifje gewonnen wurden. Eine gründliche Umgeſtaltung, Ver—
befjerung und BVermehrung haben die botanifden Tajeln erfahren: neu in den Arzneiſchatz ein-
geführte Pflangen, neue Induſtrie- und Nugpflangen forderten nicht minder ihre Aufnahme in den
Bilderſchatz des Werkes wie die zahlreichen neuen biologijchen Beobachtungen des Pflangenlebens.
Die goologifden Tafeln haben auch in der neuen Auflage eifrige Pflege gefunden. Wie in
allen iibrigen Gebieten ijt auch bier ein großer Teil Glterer Bilder durch neue erjegt, die Sahl der
Tajeln erheblich vermehrt und in der Anordnung vervollfommt worden. Von den neuen Farben-
drudtafeln haben Aquarienfijde, Enten, Fajanen, Forftinjeften, Majer und Schmetterlinge, Land-
wirtſchafts- und Gartenſchädlinge, Meeresfauna, Süßwaſſerfauna, deutſche Schlangen bejon-
deres Intereſſe.
Die Zahl der geologiſchen Tajeln und Karten ijt um etwa 25 vermehrt worden, die in einer
forgjaltigen Auswahl von Beijpiclen (wie Whjonderung, Bergformen, Eroſion, Erzlagerſtätten,
Höhlen, Meteorjteine, Geologiſche Formationen, die Urmeere) dem in weiten Kreiſen rege gewor⸗
denen Sntereffe an der allgemeinen Grdfunde entgegenfommmen. Auch die 26 Erſatztafeln gue
Paldontologie finnen ihrem Inhalte nach als vollſtändig neu gelten.
In zeitgemäßer Weije erneuert und vermehrt wurden auch die Tajeln zur Phyſik und Meteo—
rologie und die zur Aftronomie, die einen planmäßigen Ausbau erfahren haben. Noch ein:
greifender haben fich in unſerm Illuſtrationsapparat die Fortfdritte der gejamten Tedjnologie,
bejonders auf dem Gebiete dex Maſchinen, Motoren u. dgl., geltend gemacht und eine erhebliche
Permehrung der Tajeln (um etwa 40) erfordert. Beſonders fei hingewieien auf dte Vervollfomme
nung der Werkzeugmaſchinen, die neueſten Erſcheinungen in der Elektrotechnik und dev chemifdyen
Ynduftrie und die Fortfchritte im Berghauwejen, die durch cine Reihe neuer lehrreicher Tafeln
veranichaulicht werden.
Jn den gum Baus und Angenieurwejen gehirigen Bilderreihen führt eine grdpere An—
zahl von neuen Tafeln Typen intereffanter oder fiir das Leben unfrer Beit wichtiger Gebäude vor
(Bank⸗, Bibliothef- und Börſengebäude, Gefangnisbauten, Gerichtsgebäude, Kaufhäuſer, Mu—
ſeums- und Parlamentsgebäude, Tropengebäude). Auch die in neueſter Zeit zu einem wichtigen
Vil 3u ‘mg.
Gegenftand faatlider FEriorge qawordenn Ticbtumege grort
wie 3 BS. Zalipercen, Bi Dhadbwerdarung 1 1 ezugeinen Sibi
ficbtigt worden.
Dee Fracher ber Land- und H cxréwir enen betonbderé mo be
tafien, Handecatien, Berke x wmerivollr. | erbobten ar
baltige Darficllumgen ax’ und haben and er en Off - und 6
Bon deienderet ERXicken it Ine Lange , der die funfierici
det neuen Suflage crtrcjagem werten Td. 32 des J One|
cine bid aul Me menette Zeu casgededre Sen digung Der mater prion
qewitvarten Zatein 1 Serine: Serten, SGenrr i = @) ertebren bat m̊
new gudammengeteLien >) Teĩcha grr Geiaader ipdanerfuntt ax Etelle
qetreten. Gine meccrolr Groitgeng Deut Nes tgtein Berimer Dect
malet x. Die wem exctornommener Sloe faz perbliden Jnbalts de
Teil Sltere Tatela. mem te bt trois Bers aitrae dae moderne gege
jrartendrode Gladicrtcrictce cm? Qrrom?. 2 = ‘atria Bch, Te
jaden wa, oder Re Foe Neches ene S Den —— ——
Sveagionitintetre. Shaman. Toten Eom oe Rerbendrnd . Jinncrij
Girne MELB Meg ner Gace =z uerm S| Gem bie Bilduistaicle,
fadrung cm mocnerhorr, mecerer Gromdricng ti oer Serinch grmodt mi.
aclpradenen lodae*en Arteerie orcad: tit Insien Sap ber Ril firation enigege
dald unteer Neamsdrtem ema andar Geunmoge be ce wer guniehe prio
eidderiangen Oder Noiegscan AaE decquccapenh. ol ememer Sebeutung ja Tite}
Wrunengeteh. Rristostaet, Seamecd: S_ieri. G ethe= Babar, Reformetora f
Seu in urkvm Soarnvictumecector erchelene 1 eographiide Atlas iit Geet
gelogner Sorzen ard Bioor mel o onen Soepclctiad entbelprfadh machen toll S
time Raga nom Sarter hors wert SLertoay eg eb Die derch die Fetes
were Reridangem ehog ocmectenst nour Sime € nme Guba, Denfkh- Opeth, #
Oraterrndeen Gusaen: Sovtcher. Sooctauntate 2 2) bermben dardigeeg coi de
Wateral Ribertem Borat cme Qrach nor mivEiclaichem amb Beftamgengaphit
sepeden wee Sevterting Xt Nataet Sale. Snnwtriciare yam Denfkcbland, 2¢
Weawentl Peano’ Sacteicteterien Bice crcenbemmeg SRebranesfarie be
Mer Open Geokee Choe a 2. etery mice cinatcstiorer wmd come Sethe neve ©
Urverdrtsten Secientirost Inac Airteeonmaplames. dee wmbbered ded f
Maer women Balag: eorteeen Wlcer Nicher mnt Send nocbebeiaee Gam qeaanet
HON Sogetess ci Toen ond Socerr mc? ler SauorBhamd beagegeb’es werder.
Wet dete arise dor Nutecne onoeeet ot ume Sommpesietigns.Gerifon
Wale eer — dare le X Sot at Ace: @ Ao aR bere exile).
Maa Weert me Xt Pron rat honcr ¢-turcrse be Geer abet od
28 Soa Never Par ase rdmer NF om Noe So gene: wed Oem beside
Wom Wet aed Gor hoe gact Ase Sot acter boken «Laer Sad m ecm,
MW BOS Melos ureee atest_oomcts Ne clocmemer J bem Ghresplag
Wad Ne Qs Aw com armas wt pops poe Bacto Rederieung eligemett
AY ° . Maes
Wd 2g AW “see De
yitized by Google
—ñ—i
raze a, lat. A,a, der flangreidjte der Volale (ſ. Laut:
== = ußerordentlich häufig ijt diefer Laut im Sans-
— ~~po er etwa NBProʒ. aller vorlommenden Laute
iacht. Bei den Phoönilern und Hebräern wurde
— — 4 gg 4 — und erhielt die erſte Stelle im
— abet. Die Griechen machten aus Aleph Alpha
22*5. ala Rablyeidyen ift a = 1, aber a = 1000.
<=> = = ha privativum (lat., >beraubendes Wipha«) be⸗
— — net in griechiſchen Wortern eine Berneinung, qleid)
——eultſchen Borfilbe >un«, 5B. Upathie(» Unempfind⸗
= Saar eit«). Das englifde a hat vier verſchiedene Aus⸗
— — chen, am häuſigſten den Lautwert cines langen ¢
_ eines furjen a. — Dad deutſche OE (@) iſt ein im
> SRE “ttelalter aus a mit darübergeſchriebenem ¢ entſtan⸗
ees Seiden, das eigentlich nur zur Bezeichnung des
alauis (f.d.) bienen follte, 3. B. Manner, aber aud)
| SE = andre Sorter —— B. Bar, Rafer.
== — macht die gewöhnliche ehrsſprache meiſt nur
zwiſchen langem a unde einen Unterſchied, z. B.
=~ = hmen und nebmen; das furje ã wird wie das furje e
— = eproden, 4 B. fallen wie bellen. Das fdwedijde A
-z * dunkel, dent o ähnlich. Jn der Mathematik
chnet utan mit a und fiberhaupt mit einem der
= ten Buchſtaben des Alp cine befannte oder
= —— cine unveriinderlice Größe, wabrend die le
_ _ . duchitaben x, y,z unbefannte oder veriinderlice
=== bedeuten. — —
© 2 BE priidt U den Begriff des Erſten aus, z. B. von A bis 3.
— + bh. vom Anfang bis gum Ende. In der Ojfen
rung Johannis wird nad) dem griechiſchen an
= oe! be bank A (Wipba) der Erſte, durch O (2, Omega)
Der Legte, durch beide zuſammen der Begriff des
umfafienden, Ewigen bezeichnet.
P Pere nye
—— A. ober a: — 2— angenommen;
-= i fran. ———— t (Geld) age zu
_. FP. (papier) und L. eta, Brie
ae Ubren - == avance, bie Seite, nad) gedrehi
= werden mus, went die It 3 qeben foll; bei Jahres:
ungen == anno, im Jahre; beim Rennen — aged
— (f. d.); im ital. Fahrplanen — antimeridiano (die Beit bor
- 2 mittags); als roͤmiſcher Vorname A. = Aulus,
” = A d. h. Kaiſer (das um⸗
————— ). Mnf Miingen
aA Milngititte des Landes Bien,
id). Endlich tft a die amtliche Abturzung ~ a die
— iixgumg fiir * — ide Mafein
a. a. = »
a. a. C. G_tnne ante Christum (natam), im Sabre Alphabets
vor Ghriiti Geb | A. Br., 3
Mevers steal 6. Sufl., L bd.
tes,
cf); cal ber Gates bo,
ber
A.
a. a. O. = am angeführten Ort (in Bildyern).
a. c. = anni currentis, des lanfenden Sabres.
‘. A. C, = Abgeordneten = Stonvent (jf. Etudentenverbin-
ungen).
a. Chr. = ante Christum, vor ifti —
a. d. = a dato, von heute an
A. D, = Anno ‘Domini, — Spry —5*
a. D. = aufer Dienſt, 4 — a. D.; auf
Allgemeiner Ai Buridenbund.
Allgemeines Deputierten-Monvent (|. Stu-
=am
E. I. O. U. = Austriae est imperare orbi uni-
(od. imperium orbis universi), »alles Erdreich iſt
untertane, Wahlſpruch des romif = deutſchen
ijers Friedrich TIL; oder Austria erit in orbe ultima
( wird beftebert bid ans Ende der Welt).
f. = anni futuri, finftigen
§. = Alter Herr; A. H. A. , Mite Herren (f. b.).
ad interim (lat.), einſmeüen, voriibergehend;
= Ronjulate atovertejer.
. (auch AA. LL. M.) = Artiam liberalium
Magijter der freien Miinfte (ſ. Magister).
ante meridiem, vormittags; aud) = anno
sel * Erſchaffung dex Welt; tm Geld:
ister, Magifter der (freien) Künſte.
@. 0, = auferordentlid, 5. B. auferordentlicber Brofeffor.
a 0. ¢. = anno orbis conditi, im Jahre nach Erſchaf⸗
fung der Belt.
@. O. D. = Alter Orden der Druiden (fj. Druidenorden).
& Pp. = anni practeriti, vergangenen oder vorigen Jah⸗
ober ~~ . ded laufenden Sabres.
ap. C. = anno ( ei} im Jahre nad Giri
Geburt. * der Erbanung Roms.
a. p. R. c. — anno pee conditam, tm Jahre
A. R. in ber lau n, Budbaltung = alte Rechnung.
— ie ene, ae nig aan hon be mie
a. alten Stils mun m julian
= Mites Teftament. (Soteaber (al
ma = Lerritorium —————
fademifder Turnbund.
* = Wlebemitger Turnverein (j. Turnvereine).
( = anno urbis (conditae), im Jahre nad
Erbauung) der Stadt (Rom).
a. 0. 8. = actum ut su a, geipehen wie oben |. Actum).
a. BS, = anerfannter
Alle mehr als den Anfan angebutaben enthaltenden
gen fowie die Abkur zungen der naturwifjen-
fchaftlichen Uutornamen find an der betr. Stelle des
eingereiht und dort aufzuſuchen (5. B.
- 47; Ag., S. 160).
P>>>s
—
1
VIII Zur Einführung.
Gegenftand ftaatlidher Fiirjorge gewordenen Schubvorrichtungen gegen die elementaren Getvalten,
wie 3. B. Taliperren, Wilbbachverbauung u. a., find in eingelnen Whbildungen und Tafeln beriic-
fichtigt worden.
Die Facher der Land- und H answirt{ daft weifen befonders in den neuen Tafeln Rinder=
raffen, Hunderaſſen, Pferde rc. wertvolle, durchaus erhdhten Anſprüchen genügende und reich—
haltige Darftellungen auf und haben auch eine auf den Obſt- und Gartenausbau ausgedehnte,
illuftrative Neuausſtattung erjahren.
Bon bejonderer Wichtigkeit ijt die Umgeftaltung, der bie kunſtgeſchichtlichen Tafeln in
ber neuen Auflage untersogen worden find. Während das Blluftrationsmaterial zur Urdhiteftur
cine bid auf die neuefte Zeit ausgedehnte Vervolljtindigung ber unfrer geitqendffijden Baukunſt
gewidmeten Tafeln (Berliner Bauten, Wiener Bauten u. a.) erfahren hat, ift bei den größtenteils
neu zuſammengeſtellten 20 Tafeln zur Gejchichte der Bildhauerkunſt an Stelle des leblojen Kontur-
ſtiches eine der plaftijch-malerijden Wirking entiprechende Wiedergabe durch den Holaichnitt
qetreten. Cine wertvolle Ergänzung daju bilden die Tafeln Berliner Denfmaler, Wiener Denk-
miler x. Die neu aufgenommenen Blatter kunſtgewerblichen Inhalts vervollftindigen gum
Teil ältere Tafeln, indem fie der hiſtoriſchen Kunſtinduſtrie bie moderne gegeniiberjtellen, wie die
Farbendrucke Glasfunftinduftrie und Keramik, die Tafeln Buchſchmuck, Medaillen, Schmuck—
jachen u. a., oder fie fiihren durchaus neue Bilderqruppen in unfer Werk ein, wie die vier Tafeln
Brongelunftinduftric, Biichergzeichen, Moderne Tapeten (in Farbendrud), Zinnguß u. a.
Gine vollſtändig neue Erſcheinung in unferm Werk find bie Bildnistafeln, mit deren Ein—
fiihrung ein eigenartiger, weiterer Entwicdelung fähiger Verſuch gemacht wird, dem oft aus-
gejprochenen, lebbaften Intereſſe gerade fiir dieſen Zweig der Illuſtration entgegenzukommen. Inner—
halb unjrer bewährten enzyklopädiſchen Grundſätze haben wir zunächſt zuſammengehörende Einzel—
erſcheinungen oder Kategorien von hervorragender, allgemeiner Bedeutung zu Bildnisgruppen zu—
ſammengeſtellt: Afrikaforſcher, Bismarck-Bildniſſe, Goethe-Bildnifſſe, Reformatoren u. a.
Der in unſerm Konverſations-Lexikon enthaltene geographiſche Atlas iſt Gegenſtand fort-
geſetzter Sorgfalt und Pflege, weil er einen Spezialatlas entbehrlich machen ſoll. Abermals iſt
tine Anzahl von Karten durch verbeſſerte Neuftiche erſetzt worden. Die durch die Zeitereigniſſe oder
neue Forſchungen ndtig gewordenen neuen Blatter (China, Cuba, Deutſch-Oſtafrika, Franzöſiſch-
Hinterindien, Guayana, Kaufafien, Kiautidoubucht u. a.) beruhen durchweg auf dem neuejten
Material, Außerdem ift noch eine Angahl von phyfifalijehen und fulturgeographifden Karten
vorgejehen, wie: Verbreitung des deutſchen Volfes, Andujftriefarte von Deutſchland, Deutſchlands
Welthandel, Deutichlands Schiffahrtsſtraßen, Weltteleqraphennek, Waihrungsfarte der Welt, In—
dijder Ojean, Groker Ozean u.a., ebenjo mehrere Gejdhichtstarten und eine Reihe neuer Stadteplane.
Unvorbergejehene Verinderungen diejes Illuſtrationsplanes, die während des Erjcheinens
diefer neuen Muflage eintreten follten, bleiben nach Bedarf vorbehalten. Cin genaues, fyftema-
tiſches Verzeichnis aller Tafeln und Karten wird dem Schlußband beigegeben werden.
Mit dieſem umjaffenden Rüſtzeug angetan, tritt unjer Ronverjations-Lerifon zum ſechſten
Male feinen Weg durch das deutſche Volf, von Haus gu Haus an, iiberall anflopfend, wo [eben-
diger Wiffensdurft, wo der Drang nach höherer Erkenntnis die Geifter erhebt und die Herzen
erfiillt. Wir dürfen von uns riihmen, dah wir das Befte qewollt und dem deutichen Volfe nad
bejtem Wiffen und Gewiffen aud) das Befte gegeben haben. Unfer Siel ijt erreicht, wenn auch
dieje neue YAuflage unjers „Nachſchlagewerkes des allgemeinen Wiffens” den Ehrenplatz behaupten
wird, den es ich in ſeinem nunmehr ſechzigjährigen Wirken für bie Verbreitung allgemeiner Geiſtes—
bildung errungen hat.
Der Merausgeber.
A.
A, a, lat. A,a, der tlangreichſte der Volale (ſ. Laut⸗
lehre). Außerordentlich haufig ijt dieſer Laut im Sans-
frit, wo er etwa 27 Pro}. aller vorlommenden Laute
ausmadyt. Bei den Phdnifern und Hebräern wurde
dad A Uleph genannt und erbielt die erjte Stelle im
Alphabet. Die Grieden madten aus Aleph Wipha
(A, a); als Zahlzeichen ijt a = I, aber a = 1000.
Alpha privativum (lat., »beraubendes Wipha<) be-
chnet tn griechiſchen Wortern eine Verneinung, gleich
deutſchen Vorfilbe un · 3B. Apathie (⸗ Unempfind
lidhfeit«). Das engliſche a hat vier veridjiedene Uus-
ſprachen, am häufigſten ben Lautwert eines langen ¢
oder eines furjen 4. — Dad deutſche HE (@) ijt ein im
Mittelalter aus a mit darübergeſchriebenem ¢ entjtan-
dened Seiden, das eigentlid) nur zur Bezeichnung des
Umlauts (j.d.) dienen follte, Uh B. Manner, aber auch | |
in andre Worter cingedrungen ijt, 3. B. Bar, Rafer.
Hest madht die gewöhnliche ehrsſprache meijt nur
nod zwiſchen Langem a und e einen Unterſchied, 3. B.
lähmen und nehmen ; das kurze & wird wie das kurze e
—X z. B. fällen wie bellen. Das ſchwediſche &
ingt dunkel, dem o ähnlich. Jn der Mathematil
—— man mit a und überhaupt mit einem der
ten Buchſtaben des Ulphabets eine befannte oder
aes cine unveränderliche Gripe, während die letzten
Buchſtaben x, y,z unbefannte oder verainderlide Gri-
fen bedeuten. —Qn ſprich wörtlichen Redensarten
drückt A den Begriff des Erſten aus, 3. B. von U bis 8,
d. h. vont Unfang bis gum Ende. In der Offen:
barung Johannis wird nad) dem griechiſchen Ulpha-
bet durch A (Ulpha) der Erſte, durch O (2, Omega)
der Leste, durch beide zuſammen der Begriff des All—
umfafjenden, Ewigen bezeichnet.
Abkurzungen.
A. ober a.: anf Wechſeln = alzeptiert, angenommen;
auf frang. Kurszetteln —
P. (papier) und L. (1
rem — avance,
werden mug, wenn die Uhr ſchneller geben joll; bei Jahres⸗
betimmmumgen = anno, im Qahre; beim Rennen = aged
(jf. d.); im ital. Fahrplã 8 Fahrplinen — antimeridiano (die Beit vor
12 Uhr mittags); i römiſcher Vorname A. = Aulus,
ſouſt auf Inſ = Augustus, d. h. Kaiſer (das um-
getehrte A [y) ok Augusta, Staiferin). Auf Diingen
net A die erjte Miinaftitte ‘bed Landes (Berlin, Wien,
Paris). Endlich ift a die amtliche Abtiicjung flix Ar; A. die
Ablurzung fiir Ampere —— Maßein heil.
a. a. = ad acta, gu den A
a. a. C. = anno ante ——— (natum), im Jahre
vor r ehrift @eburt.
Meyers Ronv.=Lerifon, 6. Mufl., 1 Bd.
— t (Geld), im. egeniage § u
bezeichnet die Seite, nach ‘a gedreht
©. = am angeführten Ort (in Büchern).
= anni currentis, des laufenden Jahres.
Abgeordneten = Ronvent (fj. Studentenvesbin:
= ante Christum, bor Chriſti Geburt.
a dato, von tyeute an (j. Dato).
= Anno Domini, im Jahre des Herm (Chrifti).
= außer Dienft, + B. Hauptmann a. D.; auf
terjetteln x. and) = als Debiit
. D. B. = Aligemeiner —— Burichenbund.
. D. C. = Allgemeiner Deputierten-Konvent (j. Stu-
verbin rg en).
é =
. E. Lo . U. == Austriae est imperare orbi uni-
erso (0d . imperium orbis universi), alles Erdreich ift
Deiterceicy untertan«, Wahlſpruch des römiſch⸗ deutſchen
on Friedrich II.; oder Austria erit in orbe ultima
terreid) wird beſtehen bis ans Ende der Welt).
a. f. = anni futuri, fiinftigen
A. H. — Miter Herr; A. H. A. Wte Herren (jf. b.).
a. i, = ad interim (lat.), cininpeilen, voriibergehend;
Ronjul ais Roniulatsverweier.
A. L. M. (aud) AA. LL. M.) = Artiom liberalium
Magister, Dagijter der freien Künſte (ſ. Magifter).
a m. = ante meridiem, vormittags; and) = anno
mundi, im Sabre (nad Eiſchaffung der Welt; im Geld⸗
weſen = al marco.
A. M. = Artium magister, Magijter der (freien) Künſte.
a. 0. = auferordentlid, 3. B. auferordentlider Brofefior.
a. 0, c. = anno orbis conditi, im Qahre nad) Erjdjaf-
jung der Welt.
A. O. D. = Alter Orden der Druiden (|. Druidenorden).
a. p. = anni practeriti, vetqangenen oder vorigen Jah⸗
res, oder anni praesentis, des laujenden Sabres.
A. P. A. = American Protective Association (7. d.).
a. p. C. = anno post Christum, im Jahre nad) Chrijti
Geburt. (nad) ber Erbauung Roms,
a. p. R. c. = anno = Romam conditam, im Jahre
nt
PPP
7
ut
~—
sf
cn).
—
den
——
A. R. in der faufm Buchhaltung — alte Rechnung.
A. SS. = Acta Sanctorum (j. Bollandiſten).
a, St. = alten Stils, Zeitrechnung nad dem julianijden
a. I. = Mtes Tejtament. Kalender (j. Ralender).
A, T. = Mrijona=Zerritorium (Nordamerifa).
A. T. B, = Alademiſcher Turnbund.
A. T. V. = Alademiſcher Turnverein (j. Turnvereine).
a. u. (c.) = anno urbis (conditae), im Qabhre (nad
Erbauung) der Stadt (Rom).
a. 0.8. = actum ut supra, geſchehen wie oben (jf. Actum),
a, B. = anerfannter Berein.
Ulle mehr als den Anfangsbuchſtaben enthaltenden
Abkürzungen fowie die Abkuͤrzungen der naturwifjen-
ſchaftlichen Autornamen find an der betr. Stelle des
Ulphabets eingereiht 1 und dort aufzuſuchen (3. B.
| A. Br., S47; Ag., S. 160).
1
te
A, in ber Mufil der Name cines der fieben Tine |
der Grundffala (Stammtine) des modernen Mufit-
fyitems. Der Gebrauch der fieben erjten Budjtaben
des Ulphabets ale Tonnamen ijt wahrſcheinlich byzan⸗
tintiden Uriprungs und fam tm 9.—10. Jabrb. als
ABCDEFG A in Gebraud (C D und GA als
Halbtonidritte). Spater veridob fich die Tonbeden-
tung der Buditaben im Morgenland um eine Stufe
nad) der Hohe, um Wbendlande (bereits im 10. Jahrb.)
um eine Terz nach der Tiefe, fo dak num die Halbton-
jtufen zwiſchen E F und BC riidten (vgl. »B«). Als
man (im 10. Sabrb.) zur Unterſcheidung der gleich—
namigen Tone veridiedener Oftaventagen durd) die
Form der Buchſtaben tiberging, wabhlte man für die
tiefſte Lage groke Buchſtaben, fiir die nächſt höhere
fleinere und fiir weiter folgende verdoppelte fleine
J 9 zeigte aber bald die Verdoppelung lieber
a, be — ——
durch einen Verdoppelungsſtrich an (a, b, c). Bei
weiterer Ausdehnung des Tonſyſtems gab man noch
höhern Tönen zwei und mehr Striche (Daher die Na—
men: große, kleine, ein⸗, zwei⸗ ꝛtc. geſtrichene Oftave)
und bezeichnete die unter der großen Oftave liegen-
ben Tine mit cinem Strid unter dem groben Bud
jtaben (A = Sontra-A); vgl. Das Rotenbeifpiel:
Doppeltontra A
Dabei redmete man zunächſt immer von A bis G |
in gleicher Form, erjt im 17. Jahrh. fam die Oftaven-
teilungvon CH, ec -hx. auf. Jn Italien, Frant-
reich und Spanien heißt der Ton A jest la; tiber die
zuſammengeſetzten ältern Ramen A, la, mi, re x.
ſ. Solmifatton. Nad) dem eingeftricbenen a (a') wird
in unjern Ordjejtern nod) heute allgemein —I
indem es zu Dem d' Der Oboe eingeſtimmt wird. Über
die Normaltonhöhe desſelben ſ. Stimmung.
& (frany.), in Rechnungen, Preisliſten xc. vor dem |
Preis einer Ware foviel wie »jzu<, ofiir<, 3. B. 30 kg |
A (oder a) 2 WE. (30 kg, deren jedes 2 WE foftet).
1, a, Umlaut, ſ. >We.
Aa Ud, Mad, Ude, Uden, althodd. Aha,
ichwed. A, Din. Aa, » Wafer, Fluß«, das lat. aqua),
Name zablreicer Flüſſe oder Bache in Deutidland und
den angrenjenden Landern, aud in Zuſammenſetzun⸗
gen, 3. B. Fulda (Fuldaha), Nidda (Nidaha), Salzach
(Saljaha). Nennenswert find: die We ftfalifde Wa,
Nebenfluß der Werre, vom Teutoburger Wald, miindet
bet Herford; Die Münſterſche Wa, RNebenfluh der
Ems; die Bodolter Ua, Nebenfluß der Vilten Mſel,
famtlich in Weitfalen; die Sarner Wa in der Schweiz
(f. Sarnen) u. a. Auch im franzöſiſchen Flandern
findet ſich cin Flüßſchen Ma, das bei St. Omer ſchiffbar
wird und bei Gravelines in den Kanal mündet. In
den ruſſiſchen Titſeeprovinzen heißen fo zwei Flüſſe:
die Kurländiſche Aa, die, aus Memel und Muhs
(bet Bausfe) entitanden, von Mitau ab ſchijfbar tit
und teils in Den Weerbufen von Riga, teils (Volderaa)
in Die Diina mündet, und die Hleinere Livlandifde
Wa, die fid) in Den Meerbuſen von Riga ergiest.
tia (Mia), im gried. Mythus Qnfel im fernjten
Diten, Wohnſitz des Wetes, fpater nach Kolchis ver-
legt, oder im ferniten Weſten, Wohnſitz der Kirke.
maligen Ringmauer und die
A -~— aden.
Mad, Fuk in Baden, entiteht bei der Stadt A.
am Giidrande des Schwäbiſchen Jura und miindet
unweit Radolfyell in den Unterſee. Die VU. ijt cin
unterirdijd@er Ubfluk der Donau, die bei Immendin⸗
gen durch Spalten einen Teil ihres Waſſers vertiert-
Mach, Stadt im bad. Kreis Konſtanz, Umt Engen,
im alten Hegau, auf einem fteilen Berge, 547 m ii. M.,
hat eine fath. Kirche, cine Rapierfabrif, 3 Kunſtmühlen
und (1900) 953 Einw. — YL fam 1178 an das Domſtift
Konſtanz und gebdrte von 1300 1805 sur öſterreich.
Landgrafidaft Rellenburg. Am 25. Marz; 1799 fan-
den hier Gefechte zwiſchen Ofterreidhern und Fran
zoſen ftatt. Wm Fuße des Berges und an der Vad
*— Dorf.
chen (franj. Aix-la-Chapelle, lat. Aquae, meiſt
unfleftiert Aquis, Aquisgranum; bierju der Stadt:
plan mit Regijterblatt), die uralte Krönungsſtadt der
deutſchen Könige, Hauptitadt des gleidnamigen Re—
acy pay der preuß. Rheinprovinz und Stadt-
iS, 162 m it. M. liegt im einem Keſſeltal, das von
der Wurm bewäſſert und von
den Vorhdhen des Hohen Venn
umgrenst wird. A. bejteht aus
der innern alten und der dufern
neuen Stadt, wozu nod) neve
Stadttetle auferhalb der ebe-
1897 einverletbte Nachbarſtadt
Burtſcheid fommen. Die met-
iten Straken erinnern mit ibrer
breiten Flucht und modernen
Wappen von Laden.
Gebauden nur felten an das
Wittelatter. Wis die ſchönſten find die Wilhelms-,
| Hodj-, Theater-, Babnbhojs-, Komphaus- und Grofy-
lolnſtraße und die fogen. Griiben ( Templer:, Wleria-
nergraben x.), welde die Mittelſtadt von den ehe
maligen Vorſtãdten trennen, angufithren. Neue fcbdne
Straken find: die Lousbergitrake, die Ludmwigs-,
Monheims- und Heinricsatlee, der Adalbertſteinweg,
der Borgraben x. Von den Pl Agen find ju nennen:
der Große Markt mit der Bronzeſtatue Maris d. Gr.,
der Friedrich⸗Wilhelmsplatz, der Theaterplag mit
dem Reiterſtandbild Kaiſer Wilhelms J. (modelliert
von Schaper), der Münſterplatz, der Bahnhofsplatz
mit dem Kriegerdenkmal von Fr. Drake, der Kaiſer⸗
plag mit monumentalem Springbrunnen, der Hanfe-
| mannplag mit dem Denfmal David Hanfemanns von
. Hoffmeiſter x. Bon den ehemaligen Toren der
Stadt ftehen mur nod) das Ponttor im NW. und das
Waricdiertor im S., zwiſchen A. und dem Stadtteil
Burtſcheid.
lBauwerte. J Unter den kirchlichen Bauwerten ijt
sunddit das Miiniter gu nennen, cin ardyiteftont-
ides Nonglomerat aus den veridnedeniten Berioden
chriſtlicher Baufunit. Der älteſte Teil ijt die byzan⸗
tiniſche Bfalsfapelle Karis d. Gr., cin adtediger,
32 m hoher Bau mit Ruppel. Dieſes Oftogon, das
eigentliche Schiff der Mirde, wurde 796 nad byzan⸗
tiniſchen Muſtern beqonnen, von Meiſter Udo von Meg
vollendet und 805 durch Kapit Leo IIT. eingeweiht.
Die Mofaifbilder, welche die Auppelwölbung beded:-
ten, gingen verloren; nur eins derielben, Die Majestas
Domini mit den 24 Alteſten der Vipofalypie, ijt wieder:
——— worden. Weſtlich von dem Oftogon ſteht
ein Glodenturm, flanfiert pon zwei runden (farolingt:
iden) Xreppentiirmen, die nach der tm Wittelalter
entitandenen gotifden Reliquienfammer führen. Das
34,5 m bobe, 25 m lange und 12,5 m breite Chor, der
zweitälteſte Teil des Münſters, 1353-- 1413 un goti-
(Zam Artikel Aachen.)
— — zum ‚Plan von Aachen‘.
Achtorstrabe
Adalberts Steinweyg
Adalbertstrabe
Alexanderstrabe.
Alexianergraben
Alexianerkloster
Alphonskirche
Aiphonsstrabe
Altdorfstrabe
Alte evang. Kirche (Burtscheid)
Alte Maastrichter Strabe . . .
Alter evangelischer Friedhof.
Au der Schanz
Annastrabe
Aununeiatenbach
Antoniusstrabo. ..... as
Archiv
ee enue
oer ee ee eue
espe ep euesn
Ce ee
Augenheilanstalt .
Augustastrabe
Augustinerbach
Aureliusstrabe
ee eeee
oe eee eee
eee ee wwe
oe eee en ee
Bachstrafe. 2... 6. 06 ee
Badeanstalt, Stidtische .. - .
Rahbnhof, Giiter-
- Jilicher
— Marschiertor .
ee
— Templerbend
Bahnhofsplatz
Bahnhofastrabe
Baracken
Karenstrabe ..
Hau, Grofer
~ Kleiner
Beeckstrabe
Beethovenstrabe
Begainenstrabe
Bellewae ...
Belvedere
Bendelstrabo... 2. .654-.
BendstraGe....
Benediktinerstrafe ..,...-
Bergdrisch .
Bergstraba
Bermarts Theater.......
Bibliothek ....-.ces00>
Bierkeller, ... 5.54 *X
Hischofstrabe
NiiemarcksivruaBe .. 2.4.02 ae
Bleiberger Strabe
Bongard .
Borngagao . 2... ee ee ee ee
Botanischer Garten
Boxgrahen
Brabantatrabe
Branderhof
Hitchel
Burgatrabe
Burtscheid
Burtscheider Strake .
eee ee eee
ee
ee ee
ee
se eee eee
eee ee aeas
ee ee ee ee
one er eee
+e eee eee eueae
«se wee twee
ee eee ee
-*# ee ee wwe
eee ees
seoeeor eo uneeenan
ee ee ee
ose eee ean eae
se eee eoeeee
our uw e nee eee
Ubarlottenstrale.........
Chem. Laboratorium
Chorusplats
Christuskirche
Circus
Circasstrabe
eee er ee eee
eee —
ee *
Dahmengraben
Dammatraie
Denkmal, Hansemann-... -
— Kaiser Wilhelm-.... .
— Karls des Grofen
— Kongreb-..... bed
oper errr e
eee eee owe
se eee
— Krieger-.......-. : 4
Dennewartamithie
Dreifaltigkeitskirche
Duisburger Chaussee .. .
DGppelstrabo .......
Eckenberger Strabe .
Edelstrabe
Edentheater
Fifelstrabe
ee
eeeeest
ee |
B2
cpa
BC2
C2
Ba
BS
cs
C3
C4
C4
A?
2
AS
3
B2
» Karton
Karton
be
BS
, €Dps
| Karten
BS
| 3,4
At
14
p1,2
B4
3
ES
A2
ca
cs
Cl
A2
Al
Al
cs
BS
Kartou
Bi
BL
BS
4
a4
be
BZ
BCS
i Karton
Bi; CD4
be
CD38
bs
' Karton
Karton
cs
| AS
cl
Kartou
C4
C2
BS
Karten
Ch
BUS
D2
C3
cl
DE2,3
C4
Karton
Elf Gecken ..
Filfschornsteinstrabe
Einhardtstrabe .
Eintrachistrabe
Riektrizitatewerko
Elisabethstrabe
Elisenbrannen
Elsabplatz
Elsafstrabo
Emmastrafe ......058585
Esels Gracht
Evangelische Kirehe
— Alte (Burtscheid)
Evangelischer Friedhef, Alter
Eynattener Strabe
Foldstrabe
Feuerwehrkaserne
Fischmarkt
Flatt
Foersterstrabe
Forst
Forsthaus
Frankenberger Strabe.....
— Viertel.
Franziskanerkirche .......
Franziskanerkloster
Franzstrabe
Freundter Weg
Friedensstrabe
Friedrichstrage
Friedrich Wilhclm- Platz...
Friedhof, Alter evangelischer
» Katholischer
eee ere eee
eee oe
ee ee ee ee
eee eee
se eee ewe
....
er —*
ee ee
ee
ee 2
ee
see ee ee ew ee
tee ee eee
GiartenstraBe. 2... ee
Gasanstalt
Gasbornstrahe
Gebrannte Mlible
GeorgstraBbe . .
Gewerbeachule ;
GregorstraBo. 2.6... ee
Grofer Bau
GroGkolnstraia
Griner Weg
Grilnstrabe
Griinthal
Giterbahnhof
ee ee
Gymnastum, Kaiser Karl- ..)
Kaiser Wilbelm-
Real-
Habsburger Allee... 2.0...
Hahnbrucher Strabe
Handelstrabe .
Hangoweiher...........
Hansemanadenkmal
Hansemannplatz
Harskampstrabe
Hartmannstrabe ein
Hasselholg .. 6.0.4.2. 08 5085
Hauptpostamt
Hauptstrabe .. 0... eee es
Heinrichsallee
Heinzenstrate .
Hermannstrabe
Ilerz Jesu-Kirehe
Hersogstrabe. .....-2-.
Hirschgraben
Ilochstrabe
Hifling
Hohenstaufenallee
Hohenzollernallee
Holzgraben
Hospital, [solier-
— Luiseu-
Mariahilf-
— St Boromaus
— St. Elisabeth...
— St. Stephan... .
Hubertnsplats
ore eee wee
+ ee ee wo eee
+s @e ee
ae ee ee wee ewe
ee eee weer wees
ee
Ce *
oreere
Hundekirehhofsratihte
Hitttenwerk
eee ae
eee ewe teen e
Irrenanstalt, Neue
— Stadtische. .
Lsolicrhospital
Meyers Konv.- Lexikon, 6. Ausl., Beilage.
Die Buchstaben und Zablen swischen den Linien 1 Be | bezeichnes dio Quadrate dea Planes,
Ba
C4
132
C3
C4
4
D2
Karton
Ct
ABS
C2
Da
Kartou
Karton
BS
dJakobstor..........-
Jakobstrabe
Jesultenstrabo. 2... 6 eee |
Johanniterstrabe
Josephshihe
Josephskircho
Josxephastift
Judengasse. . 2... ee ee |
Judenkirebhof. .
JOlicher Bahnhof. .
— Straie
JunkerstraBe. 2... 0. eee
Justizgebaude
eee eee awa
en ee
eee
Kaiseralice
Kaiserbad
Kaiserbrannen. . ..
Kaiser Kari-Gymnasiam .. .
Kaiserplatz
Kaiserstrabe ..... . —*
Kolser Wilhelm - Denkm: wl . . |
-Gymnasium . .
see e eer ne eee
Kam
Kamperstrabe
Kapellen
Kapellenstrabe
Kapitelstrabe
Kapuzinergraben
Kapuzinerhauschen
Karlsbad
Karisburg.....+.- cease
Karlsgraben
Karlshaus.........055
Karlstrabe
Karmoliterstrafe ........ [
Karolingerallee
Kaserne....
— None.
Kasernenstrabe ....,
Kasinostraie
Katholischer Friedhof
Kirberichshof
Kirche, Christus-
Dreifaltigkeits-.......
Evangelische
Alte evang. (Bartscheid) .
Franziskaner-
- Hera Jesu-
Josephs-
~- Marien- .
St. Adalbert
St. Foilan
Si. Jakob
- St. Joseph
Si. Kreuz
St. Leonhard
- St. Michael . a
St. Michael (Burtscheid) . |
St. Nikolaus
St. Paul
St. Peter ...
— St. Salvator
- St. Ursula
Kirehplat
Klappergasse
Kleiner Baa...
— Pannenschopp
Kieinkélnstrabe
Kleinmarschlerstrabe
Kleverstrabo
Klostergasse
Klosterplatz
Kloster, Alexianer- |
— Franziskaner-.-...... }
- zum armen Kind Jesu. .
- gam guten Hirten... . |
Knipp.........- te eel
Kochbranneu
Kockerellstrahe
Kélnsteinweg
Komphausbad
Komphausbadstrahe
Kougrebdenkimwal
KongreGstrabe .. .
Kénigin vou — Bail
Konigstor . :
Kiénigstrote
ee —
ee ee |
eee eee
e+e eases epees
serene ewe eee
a ee |
ee see
ae nae
see ew eee
a
ee a 2 2 —
see eens
ee ee
ee ee ene eee
ee er ere
ee *
Pr
—
ee eee
oeveserhanewerid
4
Bt
(4; E4
C4
C4
83
D2
Karton
Cl
AB2, 3
' Karton
DS
C3, 4
p23
D3
cs
C3
| Karton
(4
|
Bi
Bl
BC3
c3
B2
ABS
D2, 3
B2
ng
Bo
C4
R2
B2
c2
Bl
B2
D3, 4
Karton
Al
E2
R2
BS
C4
Karton
Karton
B3
Al
c+
Be
Cl
C4
Karton
cbi1,2
Karton
B2
cpg
D3
Karton
A2,3
A
Namen-Register zum ,Plan von Aachen’.
esse eeeevee
e@ eee
Kapfergasse
Korbrunnenatra$«
Karffirstenetrabe
Kuorbags
— (Bartacheid
Lagerhausstrale.........-
Lavenstein
— a a ea
er ee ee ee ee
Ludwigsplats ..... iin
as eeee
Mariaberg
Mariabrumn.....
Mariabraunnatrabe . .
Mariahilfhospital
Marinshilfstrabe
Marienburg. .
Maricnhéhe
Marienkirche...........
Mariensaale
Markt (Burtach<id)
Maxstrabe ... .
Moelatener Strabe .
Meroder Knipp . .
Merowinger Allee
Meteorvlog. Observatoriam .
Metzgerstrabe a
Michaeisberg .
Michawistrabe . .
Milisariazgarett ..
Minorienstrabe
Mittelsirabe .
Molkervi
Moltkestrabe
Monheimsallee.
Moreilerwe¢
Morgenagasse .
Mostanistrabo
Mogartetrabe
Mihlenberg
ser eeree
“+ eee
ee —
woe eee ewe een
Minator. . 6 ee eee |
MGnsterplats ‘
Museum, Suermondt-
Narskampstrabe
Netteshedas ‘
Newe Irrenanstalt. ... 2...
Nenes Had
Neamarkt
ee ee
Nissaalleo
RCH
Oberstrafe.. 2... ae cp.
Obeervaturiam, Metewrmlaz. . ci,2
Oligebemdengasse .......- C3
(jraniemsirabe ..... mn
Ottestrabe ....-.....5.. ce
Pannenschopp, Kleiner... . gE?
Pariwer Btrabe....-...-.- DEI
ParkstraGe . 2... 02. ee ee CH
Pabstrabe. .. ....-2224-: ci,
Paugespe. ...-..--425- BS
Paalusstrabe. 2... ...-. Karton
Peliserkergaws ...... Cb
Peteretrabe. 2... 2... BCS
Piaffewtarm .......-..-. AI
Pfeilstrafe .....-65,55: ; Ca
Pipinstrabe......-....-. ; ci
Piusstrafe ....... ie be
Potiseidigektion..... -..-j| Karton
Ponelistrabe ...... ° B3
Pontdrisch . 2. ww ew ee B2
Pontstrabe ...-.....-..-. Re
Pontlor...-.6.---- ee ae “| B?
Post- and Telegraphenamt . BS
Pottergafehen.... 2... Al
Pottermiihle ...-... eee] AD
Preabwez... 22... ee ae | Ad
Promenadenstrabe ....... aed
Pyramide,......-...-- | BI
Quirinusbad ........... Karton
Rathaus. ...........-. ; 82
— (Bartscheid). -...-.., ; 4
Realgymuasiam.......-. ' Karton
— ela — * | 83
Reborplatz c2
Rehmviertel . cz
Heichsbank. .....-...4.- Cc
Reiehstrabe............ RCS
Reichwweg .....--.-55. ES
Reimannstrabe ........ c2
Reonmbahn ......-...4.. Karten
Reumontstrabe ......... ; HA
Kheinischer Bahnhof...... cs
Hiehardstrabe ......-... cs
Riogofon .....-...-6-. Ip.
Rittergat Bchontal ....... FA
Robensstrabe ....... . c2
Roehusstrabe..........6. RC?
Roermonder Strabo ...... Al
RolandstraBe. .......... Cl
Rimerstrabe ........-. «3
Roonstrabe. .....0..5.45. Lt
Rosenbad. ....--- 2646s Karton
Rosental ... 2... eee eee BCI
RosstraBe. 2.0. oe es BA
Rota Erde ... 0... cae, F2,3
— — Rahnhef ere ke
Kudolphstrabe... 2.0.65. J Cc
Riweher Strabe........-. Al
Sachsenstrabe .. ...... B2
Salwatorberg...... . Bi
Salvatorpromenade..,... Bl
Salvetorstrabe . 2... 6. wee Hl
Sandkaulstrabo ........- BR
Sandkaultor .. . 6 eee eee he
St, Adalbertkirehe ....... ay
es DS
Elisabethhospital . Karton
Foilankirche .. Be?
Jakobkirchea ........! AS
Johannattel . 2.6. oO
Josephkirche ate ie Saat tk p24
Krouskirehe ......6.4 Bz
Leonhbardkirche .....-. BY
Michaelkirebe ....... ns
— (Hurtacheid). ... 6s, 4
Nikolauskirrbe....... 2
Pauikiechea .....6.6.58! B2
Poterkirche .... ee aes im
Salyntorkirche ....6..% | Bl
Stephanhospital .....- | Karton
Ureolakirebe . 2... 64% he
—— Sie Mia ee ace ° Es
Scheibenstrabe ......-5% Cir
Schildstrabe . ....- ist
Sehlachthof 2.6... ee ee ee Tok
Schlachthofstrabe ,..... + - Tet
Schieifmfible. . ... re ri
Sebloh Frankenberg ......
Sebastianstrabe
ee ewer wwe
(see 6 &£e eee wh
Sc:andehaus.... . ees
Statae Karls des tir nben oe
Steffeusplatz .......
Steffensviertel
se eee eee
eee eer need
eon setve
oe ee eee een eae
Taistrabe .
Taubstumme: .
Technische Hoeasensle —*
Telegraphenamst .
Telegrapheaturm ... —
Templorbend, Bahnhof . eae
Tempiergraben
Theresianum, .
‘TPheresienstrabe
Thomashofstrabe ....
Trappen
Trichtergasse
Trierer Chanssre ......5.
Trimborn
Trimborner Waldchen
Turm, Langer... -..02--
Tarmstraia
Ungarnsira$o......... |
('rsalinerstrabe
Vauelser Strabe.......... |
- Tor
Vereinsstrabe
Viadukt
Victoriaallee
Vietoriabranvet -
Vietorlastrabe
Viehhot d
Viehhofstrabe ..........!
Villa Chawpier .
Dittman
— vom Hofe. ..
Monta
Villenstrabe
Vinzenzstrabe
Vinemt 2. se wwe
Vogelgasse
Wageonfabrik
Wallstrabe
Warmweiersirai«
Weboschule .
Weingartshef .....
Welbe Mithle .. — —4
Wenzeelsirabo .-. 5 6s Hs
Weeplenstrabe
Wlesenstrabe
Wiesental 2 ec e > oe
Wilhbelmatrabe. . ...6 25
Wingertaberg . .
Woichsbongardstrahe .. .
Zeise
PAD IO Tit)
“ollerustrabe
Zoologischer Gartew ......,
ca
4
AS
c2
a
na
Tr
3
C1
nCcS
c4
hes
C3
AN
LER ANeS a
areas,
8 —
J
ae tf 1D) Arps A wid - f age
“ - P I toh ~~ is >
* * Po ta . 3
ie” ~ :
; 3 A D
4 i a ot pe > hale
A — ae oe
j f Sf. > 4
Try ia
ange Tun rf : '
* 9 4
—— ay: A " i
i te e
*
— mt — *
— jaye
A Sobpren olise rn)
: : ‘ig he areas
Tap baa: x ¥s ;
(abla J
by
is c AT,
Bibhiographisches Institut in Lompzig.
.
Mafstab 1:25000
a = —⸗
eter
Karton der tinern Stadt im doppeltern
Mafistab der Biupticarte
Bader von Burtsecheid :
arlebal = 4 Neubad 7 Sofrwert bei
thownhbad 8 Pinscnbad ANXehlofbact
BAretetd = hGoldmiihtendad \Slutsentad
++ Mecktr Stratienbahn
Zum Artikel , Aachen’.
Aachen (Bauwerke, Bevilterung, Erwerbszweige, Bildungsanſtalten).
{den Stil aufgeführt, ſchließt fid) an die Oſtſeite des
Oftogons und interefjiert beſonders durch ſeine 26,7m
boben, 5 m breiten Fenjter, die mit pradtvollen mo-
bernen Glasmalereien geſchmückt find. Mehrere reich⸗
deforierte, gotiſche Rapellen, im Innern reftauriert,
darunter die Rarlstapelle und die Unnalapelle, flan-
fieren beide Seiten des Achtecks und Chors. Die Ent-
fernung von Zeilen einer dritten Bauperiode (18.
Jahrh.), die das damals fdon planlos erweiterte Ge-
biude verungierten, fo der im Zopfſtil wieder auf-
gefithrten Ungarifden Kapelle, die jest den Domſchatz
birgt, fowie geſchmackloſer Stucaturen und iiber-
malungen im ioe und die Wiederheritellung der
Kirche in ihrer urjpriingliden Gejtalt hat fic) der 1849
gegriindete Rarisverein zur Unfgabe gemadt. Yn
der Mitte bes Oftogons bezeichnet eine Steinplatte
fälſchlich die Stelle, an der Kaiſer Karl bejtattet ijt.
Die Grabjtatte ijt indeſſen nod nicht gefunden. Seit
1215 ruben feine Gebeine im ſchönen Karlsſchrein.
(Bgl. Käntzeler, Karls d. Gr. Behälter, Aach. 1858,
und in den Bonner ⸗Jahrbüchern«, Heft 33.) Uber
der vermeintliden Gruft hangt ein großer Kronleud-
ter aus vergoldetem Rupfer, eine funjtvolle Urbeit
des Aachener Meijters Wibert und vom Kaiſer Fried-
rid J. geſchenkt. Außer Karl d. Gr. wurde aud Otto III.
im Miinjter bejtattet. — Reich find die Schätze, die
das Münſter birgt, an Reliquien und fojtbaren Alter—
tiimern, unter legtern das angeblice Hifthorn Karls
d. Gr., der weifsmarmorne, {pater mit Gold plattierte
Kaiſerſtuhl, die pradtvolle, mit Gold iibersogene und
mit Gemmen und Elfenbeinreliefs vergierte Evange-
lienfanjel, ein Geſchenk Heinrids IL., ꝛc. Die Reliquien
werden alle fieben Jahre in der Beit vom 10.— 24. Juli
(julept 1902) dem Volfe gejeigt. Bgl. Quix, Hijto-
riſche —— der Münſterlirche ju A. (Wad.
1825); Debey, Die Münſterkirche zu UW. und ihre
Wiederherjtellung (daj.1851); Sdhervier, Die Miin-
fterfirde zu A. und deren Reliquien (daf. 1853); Flo f,
Geſchichtliche Nachrichten tiber die Machener Heilig-
timer (Bonn 1855); Bod, Karis d. Gr. Pfalzkapelle
und ihre Kunſtſchätze (Nin 1866—67); Keſſel, Ge
ſchichtliche Mitteilungen über die Heiligtiimer der
Stiftstirde gu A. (Köln u. Neuß 1874); Beiffel,
Die Aachenfahrt. Berehrung der Aachener Heiligtii-
mer (Freib. 1902).
Außer dem Münſter bejist W. nod 41 Gotteshaufer,
darunter 10 fath. Bfarrfirchen, 3 evang. Rirden und
eine Synagoge im maurifden Stil. Nur vier diefer
Rirden find mittelalterlichen Urjprungs: die St.
oillans-Bfarrlirde (aus dem 15. Jahrh.), die ſpät⸗
gotiſche Kirche gu St. Baul (nit einer Himmelfabhrt
von Shadow), die Wdalbertsfirde und die Rifolaus-
tirche. Unter den iibrigen find die gotifde Marien—
firche und die tm romaniſchen Stil erbaute Redempto-
rijtenfirche als moderne Bauwerke fowie die Micdaclis-
firdhe (1628 qeweiht) wegen ibres Ultarbildes (einer |
Pieth von Honthorjt) und die neue Yafobsfirde im
romanifden Stil hervorzubheben.
Das hiſtoriſch wichtigite profane Bauwerk Madens
ijt Das an der Stelle der karolingiſchen Kaiſerpfalz im
14. Jahrh. erbaute gotifde Rathaus. Un beiden
Seiten der Nordfront erheben ſich nad) Vernidtung
ibres Dachwerls durch die Feuersbrunjt von 1
zwei jest wiederhergeitellte Tiirme, von denen der eine
(oſtliche), Der gewaltiqe Granusturm, zum größten
Teil nod) der alten Brats angebort.
Das Rathaus zu A. (Yad. 1884); Rhoen, Die fa-
rolingijde Pfalz ju A. (daj. 1889); v. Reber, Der
ql. Reffel, |
3
Geſchoß enthalt das Rathaus den ſchönen, fajt 45 m
langen und 19 m breiten Kaiſerſaal, der einft zur
Ubhaltung der Krönungsfeierlichkeiten diente und
mit Wandgemialden von Rethel und Kehren geſchmückt
ijt. Cine durchgreifende Rejtauration des ganzen
Baues ijt jest vollendet. Bon den iibrigen öffent—
liden Gebsiuden find gu nennen: das Rurhaus mit
grofem Nonjertfaal, das Suermondt-Muſeum, dev
in griedifdem Stil nad) Sdinfels Plänen 1822—24
ausgefiibrte Elijenbrunnen, das Theater, das Regie
rungsgebäude, das gotifde Rarishaus, das ſtädtiſche
Verwaltungsqebiude, das ſtädtiſche Archiv- und
Bibliothelsgebãude rc.
[Vevslferung und Erwerbszweige. J Die Zahl der
Einwohner, die 1799: 23,699, 1867: 67,923 betrug,
belief fic) 1900 mit der Garnijon (cin Fiijilierregt.
Mr. 40) auf 135,245 Seelen, darunter 9354 Evan-
qelifde und 1580 Juden. In der Induſtrie ijt bejon:
ders die Tertilbrandje von hervorragender Bedeu-
tung. 1900 bejtauden dort 159 Fabrifen mit 13,152
Urbeitern, die Spinneret, Weberei, Tuchfabrifation
(78 mit 10,365 Yrbeitern) und Färberei betrieben.
Hauptproduft find namentlid) Herren- und Damen
tude. Demnächſt nimmt die Nadelfabrifation cinen
hervorragenden Rang ein (1900: 29 Fabrifen mit 4022
Yrbeitern), dea ra die Herjtellung von Kratzen,
Mafdinen und ftefjetn, Wagen und Waggons,
Möbeln und Zigarren fowie die Buchdruckerei. Gonjt
jind nod) vorhanden: Fabrifen fiir Samt-, Leinen-
und Pofamentierwaren, Farben, Handſchuhe, Meſſer,
Regenfdirme, feuerfejte Steine, Ton- und Steingut-
waren, Sement, optijde und phyſikaliſche Inſtrumente,
Knöpfe, Gloden, Tapeten, Feuerſpritzen, Cifengiche-
reien, große Brauereien und Brennereien rc. A. ijt
mit vier Bahnhdfen Rnotenpuntt der Staatsbahnlinic
Rd{n-Herbesthal und zahlreicher andrer Linien. Cine
eleftrijche Straßenbahn von 83 kin Betriebslänge jo-
wie ein ausgedehntes Fernſprechnetz (1710 Sprech—
ftellen) erleichtern den Verkehr. UW. ijt ein wichliger
Stapelplatz des preußiſchen Handels. Außer den Cr
zeugniſſen der Tertil- und Nadelfabrifation, mit jtar-
fer liberfecifcher Uusfubr, find namentlid) Wolle, Ge—
treide und Wein, Steinfohlen, Leder, Hol; rc. wichtige
Handelsartifel. Zugleich ijt U. Sitz der A. Münchener
Feuerverſicherungsgeſellſchaft (gegr. 1825 von Hanſe⸗
mann), der Rildvericherungsqeclidatt, ber A. Hön⸗
ener Bergwerksgeſellſchaft und der Altiengeſellſchaft
Pic Vergbau, Blei- und Rinffabrifation zu Stolberg
und in Wejtfalen. Den Geldverkehr vermiticin
Die ReichSbanfitelle (Umſatz 1901: 1153,5 Mill. We.),
die Filiale ber Bergiſch Märlkiſchen Bant, die Aachener
Disfontogefellidaft, die Bank fiir Handel und Ge-
werbe x. Ferner ijt U. Sig einer amtliden Kondi—
tionieranjtalt fowie Berwaltungsjtelle ciner Reihe
berufsqenofjenjdaftlider Orqane und Sit nambafter
ewerblicder Bereinigungen (3. B. des Berg und
Pittenmérnifchen Vereins im Aachener Bezirk, des
Vereins deutſcher Nadelfabrikanten, des Tuchfabri—
tantenvereins ꝛc.).
IAnſtalten, Vehdrden.] Yn Bildungsanſtal—
ten beſitzt A. cine techniſche Hochſchule (1900: 421
Studierende), 2 Gymnaſien, ein Realgymnaſium,
eine Oberrealſchule, eine Lehrerinnenbildungsanſtalt,
eine höhere Fachſchule fiir Textilinduſtrie, eine ge—
werbliche Zeichen⸗ und Kunſtſchule, cine Baugewerl⸗
ſchule, eine höhere Maſchinenbauſchule, eine Fachſchule
fiir Heizer und Maſchinenwärter, cine Taubſtummen—
bildungsanſtalt xc. Daneben beſtehen mehrere öffent⸗
tarolingiſche Palaſtbau (Münch. 1892). Ym obern | lide Bibliotheken und zahlreiche Kunſt- und natur-
1*
4
hiſtoriſche Brivatjammlungen, darunter namentlid
die Stadtbibliothef mit iiber 80,000 Banden, das
Stadtardhiv, das Suermondt-Muſeum (fiir Ulter-
timer, Gemälde und Rupferitide), Das Staditheater,
zahlreiche wiſſenſchaftliche Bereme x. Von Wohl⸗
Aachen (Wohltitigteitsanjtalten, Behörden, Mineralquellen, Umgebung, Geſchichte).
fuloje. Aus dem Thermalwafjer wird aud ein Tafel⸗
waſſer hergejtellt (Verjand jabrlic 3,2 Vill. Flaſchen).
abl der Kurgäſte jährlich über 40,000. Val. Lie big,
ifche Unterſuchung der Shwejelquellen Aachens
(Wad). 1851); Lerſch, Geſchichte des Babes A. (Daj.
tatigfeitsanjftalten find ju nennen: das Maria-
hilffpttal (unter Leiſung von Elifabethinerinnen), die
Ulerianer-Jrrenanftalt, das Vincenzſpital fiir Unbeil-
bare, die Mariannen-Entbindungsanijtalt, die Annun⸗
ialenanftalt fiir weiblide Irre (Mariabrunn und
ariaberg), dad Luiſenhoſpital, die Augenheilanſtalt
fiir Den Regierungsbezirf A., das Urbeiterinnenhojpiy, |
cin Armen- und Warfenhaus 2.
U. ijt Sig Der Regierung, eines Landratsamts (fiir
ben Landfreis A.), eines Landgeridts, ciner Oberpojt-
bireftion, eines foniqliden Polizeipräſidiums, eines
Hauptzollamts, des Stabes der 2Y. Infanteriebrigade
fowie einer Handelsfammer. Die ſtädtiſchen Behör—
den zählen 7 Magijtratsmitglieder und 30 Stadtver-
ordnete. Die ſtädtiſche Jahresrechnung umfafte 1901 :
8,144,000 Nf. in Einnahme und Ausgabe; die Schuld
belief fid) auf 17,7 Will. Me. Der Landgeridts-
bezirk umfapt die 16 Amtsgerichte zu A. Aldenhoven
Blaͤnkenheim, Düren, Erkelenz, Eſchweiler, Eupen,
Geilenkirchen, Gemünd, Heinsberg, Jülich, Malmedy,
Montjoie, St. Vith, Stolberg und Wegberg. — Die
Stadtfarben ſind Schwarz und Gelb.
IMineralquellen.j Die Aachener Mineralquellen
(ſhon von den Romern benutzt) —— zur Klaſſe
der warmen Schwefelquellen. an unterſcheidet
drei Quellgruppen, die am Abhang der das Rat-
haus tragenden Höhe auf der Hof- und Biidel-
jtrafe (obere Gruppe) und der Romphaushadjtrafe
(untere Gruppe) hervorbredjen, ſowie die Ouellen tm
Stadtteil Burtideid. In der obern Gruppe ijt die
miächtigſte und heißeſte (55°) die Raiferquelle (val. die |
chemiſche Unalyfe in der Tabelle bet Yrt. »Mineral- |
wafjer«, VIT) im Gebdude des Kaiferbades, die aufer
ben eignen Bädern und dem Elifenbrunnen and das |
Bad Sur Kodnigin von Ungarn und das Neubad ſpeiſt;
bei Dem Neubau des erjtern in der Edelſtraße wurden
die Fundamente eines von der 6. römiſchen Legion
zwiſchen 71 und 91 n. Chr. in der Nähe der Kaiſer—
quelle erridjteten Badegebäudes ausgegraben. Yn
Berbindung mit dem Kaiſerbad fteht cin Inhala—
tionsfaal. Zu der obern Duellqruppe zählt aud die
Huirinusquelle (50°), die das gleidynamige Bad ver-
fieht. Zu der untern Quellgruppe auf der Romphaus-
badſtraße gehört bie von allen Thermen Aachens
waſſerreichſte, Das Rofenbad und das fiir Unbemit⸗
telte beſtimmte Romphausbad verfehende Rofenquelle
(47,5%); ſehr waſſerreich ijt aud) die Corncliusquelle
(45,7"), bie Das Cornelins- und Karlsbad fpeijt. Im
Stadtteil Burtſcheid befinden fic) 25 Thermen (Koch⸗
falsquellen), Die mehr oder minder nad) Sdwefel-
waſſerſtoffgas riedjen, und von denen 9 zu Heil sweden
benutzt werden, Darunter die Schwertbadaquelle (74,6"),
die heißeſte Quelle von Mitteleuropa, der BVittoria-
brunnen (60"), Der gewöhnlich gum Trinfen benugt
wird, Der Rodpbrunnen (72,5°; vgl. Tabelle bei Urt.
»Mineralwajjers, VIL). UWbrigens befindet fic) dort
aud) cine falte Cifenquelle. Die Thermen werden gu
Badern benupt, aud) getrunken und zerſtäubt ein-
eatmet. Ste wirfen befonders auf das Bfortader-
— und bie Schleimhäute und werden angewendet
fegen Gicht, Hautfranfheiten, Rheumatismus, Unter—
eibsbeſchwerden, Syphilis, Neuralgien, Lähmungen,
Folgezuſtände von Berlesungen und Entzündungen,
Wetallvergiftungen, Rückenmarksſchwindſucht, Sfro-
1870); Derjelbe, Die Thermalfur zu U. und Burt⸗
ſcheid (Daf. 1870); Sdhujter, Die Machener Thermen.
BVerhaltungsregein 2. (3. Aufl., daf. 1876); Reu—
mont, Die Thermen von A. und Burtſcheid (6. Warf,
Daf. 1888); Derjelbe, Winterfuren an Sdwefelther-
men (Wien 1877); Beiffel, Der Madhener Sattel
und die aus demſelben vorbredjenden Thermalqueflen
| (Mad. 1886); »A. als Rurort« (hrsg. von Beiffel,
daſ. 1889); Fromm, Die Literatur fiber die Ther—
men von A. (Daf. 1890).
Umgebung. Rings um die Stadt find vortref7-
lide Promenaden angelegt (Stadtgarten in Verbin—
dung mit einem botaniſchen Garten). Dernahe L ou s -
berg, cin 250m bober Hügel nirdlid von der Stadt,
bietet herrliche Uusfidt. Bom Lousberg, jugletd
einem ergiebigen Fundort fiir Ketrefaften der Kreide⸗
formation, burd einen Einſchnitt getrennt, erhebt fich
der Salvatorberg, mit romaniſcher Rapelle, 1883
bis 1884 in der friihern Geftalt neu aufgebaut. Weiter-
hin bildet der fiber 1000 Heftar große Aachener Wald
(mit Ausſichtsturm) ſchöne Partien. Cin neues, im
Bau befindliches Stadtviertel, iiberwieqend auf Burt-
fcheider Gebiet, umgrenzt die Franfenburg, den
jagenbaften Lieblingsaufenthalt Karis d. Gr. und Fa-
ſtradas, in parfartiger Umgebung.
[Gefeyiehte.] VW. tit im der Römerzeit entitanden ;
feine mittelalterlide Bezeichnung Aquisgrani (Aquis-
granum) weijt auf den Mult des Apollo Granus
bin, den die Romer bei Thermen verehrten. Sdon
unter König Pippin bejtand dafelbjt um 765 cine kö—⸗
niglide Pfalz, an deren Stelle Karl d. Gr. 777—786
einen praidtigen Neubau auffiihren lich, in Dem er
und feine Nadfolger häufig Hof hielten. Erſt 1172
bis 1176 wurde der Ort (die jetzige Altſtadt) auf Ge-
heiß Kaiſer Friedrids L mit einer Mauer umgeberr
und dadurd Stadt. Um 1300 entftand der äußere
Mauerring. Schon 1166 gewabhrte Friedrich I. und
1215 Friedrich IL. A. widhtige Privilegien. Wilhelm
von Holland erteilte 1250 den vom Rate beidlofjenen
Statuten feine Zuſtimmung; Dod) beſtanden als lö⸗
nigliche Beamte Vogt und Schultheiß fort. A. hieß
»des heiligen römiſchen Reiches freie Stadt« und
ſpielte im Landfriedensbund zwiſchen Maas und Rhein
(1351— 87) eine hervorragende Rolle. Bon Ludwig
dem Frommen bis auf Ferdinand I. (813—1531)
wurden hier 32 Kaiſer und deutide Könige gefrint.
1450 ergwangen dic Siinfte durch einen —28 An⸗
teil am Stadtregiment. Die Reformation fand ſchon
früh Eingang, ja 1580 wurde der katholiſche Magiſtrat
verdrangt, worauf 1598 die Reichsacht über UW. aus-
—— und von dem Kölner Kurfürſten Ernſt von
ayern vollitredt ward. Als während des jülichſchen
Erbfolgeſtreites die Proteſtanten abermals die Ober—
hand gewannen, wurden ſpaniſche Truppen unter
Spinola 1614 aus den Niederlanden herbeigerufen
und durch fie das im Sabre vorher erlaſſene Rejtitu-
tionSmandat Raifer Matthias’ volljogen. Die Ber-
lequng der Rrinungen nad Franffurt, die Religions:
ftreitigfeiten und cine große Feuersbrunjt 1656 führ⸗
ten Aachens Berfall herbet. 1801 wurde es durd den
Litneviller Frieden franzöſiſch und Hauptitadt des
Roerdepartenents. 1815 fiel e3 an Preußen. Das
Vistum A., 1802 gegriindet, wurde 1821 aufgeboben
und bei Dem Münſter wiederum cin Kollegiatſtift cine
Aachener Friede — Wale.
geridtet. Bon WU. führen zwei Friedensſchlüſſe den Na-
men. Der erfte Friede von A. beendete 2. Mai 1668
ben fogen. Devolutionstricg (f.b.) Ludwigs XIV. gegen
Spanien. Ludwig XIV. mute fid) mit einigen Städ—
ten Flanderns, wie Charleroi, Douai, Tournai und
Lille, beqniigen, wogegen Spanien die Frande-Comté
zurückerhielt. zweite Friede von A. 18. Oft.
1748 zwiſchen Oſterreich, England, den Niederlanden
und Sardinien einerſeits und Frankreich und Spa—
nien anderſeits abgelditofign. beendigte den Oſier—
reichiſchen Erbfolgefrieg. Oſterreich trat die italieni-
ſchen Herzogtümer Parma, Piacenza und Guaſtalla
an den fpanifden Jnfanten Philipp ab; dafiir erfann-
ten Frankreich und Spanien die Bragmatijde Santtion
Kaiſer Karis VI. an. Wuf dem Aachener Rongreh
(1. Oft. bis 14. Rov. 1818), gu dem die Monarden
von Ojterreid), Rußland und Preußen perſönlich er-
ſchienen, trat Frankreich der Heiligen Allianz bei,
worauf ¢3 9. Dit. die fofortige Räumung feines Ge-
biete3 durch die verbiindeten Truppen und die Feft-
foun der nod) gu jahlenden Kriegskoſten auf 265
ill. Frankf zugeſtanden erbhielt. Ferner erklärte der
Kongreß da8 Grofherzogtum Baden, von dem Ofter-
reid) einen Teil an Bayern verſprochen hatte, fiir un-
teilbar und geftand den Grafen von Hodberg das
Recht der Radhfolge in Baden gu. Val. Sdhjerning,
YW. und feine Umgebung (Mad. 1895); Fiihrer von
Lerſch (6. Mufl., daf. 1900), Thiffen u. a.; Wagner,
Beſchreibung des Vergreviers W. (Bonn 1881); Quix,
Geſchichte der Stadt A. (Wad). 1841, 2 Bde.); Haa-
gen, Geſchichte Achens (daſ. 1874, 2 Bde.); »Feſt⸗
ſchrift zur 72. Verſammlung deutfder Naturforjder
und Ärzte, Machen 1900<; Rhoen, Die ältere Topo-
graphic der Stadt A. (daſ. 1891); Derfelbe, Die
ro ote der freien Reichsſtadt A. (daf. 1894);
Pid, Aus Aachens Vergangenheit (daſ. 1895); » Zeit
ſchrift des Uachener Geſchichtsvereins« (ſeit 1879);
»Aus Aachens Vorjeite, Mitteilungen des Vereins
fiir Runde der Aachener Vorzeit (feit 1887).
Dev Regierungsbesirk A. (fj. Karte »Rheinpro-
vin3<«) unitagt 4155 qkm (75,46 OW?) mit aooo)
614,964 Einw. (148 auf 1 qkm), darunter 24,763
Evangelijdhe, 585,717 Ratholifen und 4325 Yuden,
und bejteht aus den 11 Rreifen:
Rreife |ositon omeilen Einw. Cinw.
auf 1 qkm
Maden (Stadt) . .| 39 071 | 13595 | —
⸗ (Zand). . 330 5,99 127 198 385
Ditten 2... ee 563 10,23 9) 679 161
Grfelenjy . 2. 289 5,46 36 696 127
Gupen . .... 176 3,20 26 083 148
@eilenfirden 2... 197 3,58 26 476 134
Heinsberg . -| 43 4,41 35 BRS 148
oo 318 5,78 42670 134
Malmedy .| 813 14,17 $1502 39
Montjoie - | 362 6,67 17 688 49
Sdleiben 2. 2... 824 14,97 44.839 5
Uber die fünf Reichstagswahlkreiſe des Regierungs-
bejirfs ſ. Karte »Reidjstagswablen«.
re: posed —— | §. Ytadyen Geſchichten.
Aachen: Miindener Feuerverfiderungs:
gefellfdjaft, ſ. Feuerverſicherung.
adl, ſoviel wie Jauche, ſ. Duͤnger u. Düngung.
Aadorf, Dorf im ſchweizer. Nanton Thurgau, an
der Etjenbahn St. Gallen- Winterthur, mit Baume
wollindujtrie und (1900) 2695 Einw.
Wak, hollind. Leichter- und Fiſcherfahrzeug mit
fladem Boden und breitem Steven.
5
MaFos (Wialos), qried. Heros, Sohn des Rend
und der Ygina, der Todjter des Flußgoites Wfopos,
geboren auf der Inſel Onone, wobhin Reus die Ugina
entfiifrt batte, und die fortan ibren Namen trug.
Hier herridte A. fiber das aus Umeifen entitandene
Volk der Myrmidonen (f.d.) fromm, weife und geredt,
cin Liebling der Gitter, die fogar, wie die Menfden,
ihn gum Schiedsrichter ernannten. Nach feinem Tode
waltete er des Ricteranttes in der Unterwelt. Auf
Ygina hatte er cin von einer Mauer aus weißem
Marmor umgebenes Heiligtum (Wafeion), wo die
äginetiſchen Steger die in den Feftipielen qewonnenen
Kränze aufhingen, aud) agonijtifde Feſtſpiele. Von
jeiner Gemahlin Endeis war er Vater des Telamon
und Peleus (Matiden).
frefjord, ſ. Hardangerfjord.
, Seebad, f. Binz.
Malborg (jpr. ot), din. Umt auf der Halbinſel
Jütland, auf beiden Seiten de3 Limfjords, 2902 qkm
(52,7 OWL) mit aor) 128,656 Einw. Die gleid-
namige Hauptſtadt, an der Südſeite des Rim jords
und an der Staatsbabniinie Frederifshavn-BVamodrup,
hat 2 altertiimliche Kirchen, cin altes Schloß, eine Ma—
vigations- und cine Kathedralidule, cine Bibliothet,
ein Muſeum und (1901) 31,457 Einw. Die Induſtrie er-
jtvedt fic) befonders auf Eiſengießerei, Spiritus- und
Tabaffabrifation. 1899 belief fic) Der Umſatz in der
ausländiſchen Schiffahrt auf 184,120 Ton., in der
inländiſchen auf 79,181 T. A. befigt cine Handels-
flotte von (1899) 103 Schiffen mit 6615 T. Die Einfubr
bejteht in Getreide, Tabaf, Petroleum, Cifen und
Manufatturwaren, die Ausfuhr befonders in Brannt-
wein, Hauten, Bieh, Butter, Spec und Ciern. Die
Stadt iſt a eines evangelifden Biſchofs und meh:
rerer Ronfulate, dDarunter eines deutſchen. A. ijt
mit Dem 6,3 km davon jenfeit bes Limfjords liegen—
den Handelsplag Norre Sundby (in Vendſyſſel) durch
zwei Briiden verbunden. — A, ſchon Ende des 11.
a abch. bei Adam von Bremen erwähnt, erhielt 1342
Stadtprivilegien und ijt feit 1554 Hauptort cines
— istums.
(bride, marinierter Aal.
Malbrutieiter, ſ. Yale.
Aalbuch, ſ. Jura (Deutſcher).
Malbutt, |. Scholle.
Male (Muracnidae), Familie dex Rnodenfijdhe aus
der Ubteilung der Edelfiſche (Physostomi) und der
| Gruppe der Apodes (ohne Baudfloffen), fdlangen-
| ihntiche Fiſche mit ſcheinbar nacter Haut, die oft
ſehr fleine Schüppchen enthält, zuweilen ohne Brujt-
floſſen, mit einer ſenkrechten Floſſe vom Rücken bis
zum After. Die Haut umhüllt den Kiemendeckel nebſt
den Kiemenſtrahlen, und nur zwei (oder eins) ſeitliche
Löcher führen zu den Kiemen, ſo daß die A. lange
außerhalb des Waſſers leben können. Die A. ent-
wickeln ſich aus Leptocephalus-Arten durch Meta—
morphoſe. Sie leben als Raubfiſche im Meer und in
den Flüſſen.
Der Flußaal (Anguilla vulgaris Flem.), bis
6 kg ſchwer und 1,25 m lang, mit furjen Bruſtfloſſen
und duferjt zarten Schuppen, die fic) nidjt Deden und
in ber ſchleimigen Haut Zichzacklinien bitden, ijt dunkel⸗
rin, blauſchwarz oder graugelb, am Baude ſtets
Peller, Sein Blut enthalt, namentlid im Silden, cin
ſehr heftiges Gift, Ichthyotoxin, das su den Eiweiß⸗
férpern gehört und, durch cine Wunde ins Blut andrer
Tiere gebradt, ähnlich wie Schlangengift wirft. Der
Wal lebt in tiefem Waſſer mit ſchlammigem Grunde,
beſonders in Bracwaffer, ijt iiber ganz Europa ver-
6 Halen — Maljt.
breitet, feblt aber in den Flüſſen, die mittelbar oder
unnittelbar ing Rafpifde oder Schwarze Meer miin-
den. Er ijt ſehr wanderluſtig, dod) beruht der alte
Glaube, dak er nadhts aufs Land gehe, um Sdneden
und Gewtirm, wohl gar Erbjen ju frejjen, auf Miß—
verſtändnis oder Berwedfelung. Er ijt durd fein
enges Maul auf Wiirmer, fleine Krujter und Fiſche
beſchränkt, überfällt aber auch Fröſche und foll felbjt
Aas nicht verſchmähen. Im Winter halt er, im
Schlamm verborgen, Winterfdlaf. Im Alter von
4— 5 Qabhren wandert er vom Auguſt bis Oftober
(die mannliden U. ſchon früher), hauptſächlich in
ſtürmiſchen, finjtern Nächten, ins Meer. Hier wird
ec geſchlechtsreif, laicht im Dezember und Januar in
mindejtens 500 m Tiefe, und aus den Eiern fdliipfen
die 6 cm langen, ſeitlich zuſammengedrückten, farb-
lofen, durchſichtigen Larven, die bisher als Lepto-
cephalus brevirostris (ſ. Abbildung) bejdjrieben twur-
den. Die alten A. ſcheinen als Tiefſeefiſche nur furje
eit weiter yu leben. Die junge Brut von etwa 7 cm
Vange wird allmablid aalähnlicher, ſteigt nad einem
Jahr, große Hindernijje iiberwindend, fiber Schleu—
jen, fleinere Wehre und, an Felfen emporfletternd, in
*
———————
SMM ys
Leptocephalus brevirostris.
großen Scharen in die Flüſſe und erreidht hier in
1'/e Jahr eine Lange von 65 cm. Alle in den Flüſſen
lebenden A. befipen unentwidelte Geſchlechtsorgane.
Um den jungen Aalen das Wufiteigen in die Flüſſe
ju erleichtern, baut man neben großen Wehren, die
cin untiberjteiglidjes Hindernis bilden, Ualbrut-
{eitern, d. h. aus rohen Brettern mit niedrigen
Ouerleijten pans ee. und mit Ries bedectte |
Rinnen, die mit einer Neigung von 1:5 bis 1:8 aus
dent Oberwaffer in das Unterwaſſer der Mühlen rei |
chen. Bor dem untern tridjterformig erweiterten Ende
wird Reiſig befeſtigt. Dieſe Vorridtungen werden
von der aufſteigenden Aalbrut bereitwillig benutzt.
In den Lagunen von Comacchio an der Pomündung
wird ein Syſtem von Schleuſen und Kanälen im Friih-
jabr der einziehenden YUalbrut geöffnet und begünſtigt
im Herbjt den Fang der 4—5 Jahre alten Y., die fid
jur Uuswanderung anjdiden. Wan fängt den Wal
befonders bei der YUuswanderung ind Meer (Fett-
aal), weil er Dann nicht frit, mit Netzen und Reujen,
den jungen, ſehr gefräßigen Mal aud) mit der Ungel
und totet thn am bejten Durd Wbtrennen des Kopfes.
Die fehr lange anhaltende Reflertitigtcit des Rücken—
marfs, infolge deren fic) die Stücke des toten Aals
lebhajt winden, wird fofort beendigt, wenn man eine
Stricnadel in das Riidgrat ſtößt. Der fettreiche Mal
ijt überall frifd), geräuchert und eingemacht belicbt,
namentlid) waren die angelfadfifden Stamme von
jeher Liebhaber desfelben; Verwilligungen und Frei
briefe wurden oft durch Zahlungen in Aalen geregelt.
Die Klöſter begünſtigten die Anlage von Aalteichen,
und zahlreiche Namen zeugen von der frühern Er—
iebigkeit des Aalfanges (Ellesmore, aia Hof zc.).
Ral. Cojte, Voyage d’exploration sur le littoral
de la France et de |'Italie (2. Aufl., Bar. 1861);
Nitfde, Der Flußaal und feine wirtidaftlide Be-
dDeutung (Dresd. 1886); Linftow, Die Fortpflan-
zungsgeſchichte der A. (Stuttg. 1900); Qeonhardt,
Der gemeine Flupaal (daf. 1902).
Aalen, Oberamtsjtadt im wiirttemb. Jagittreis,
am Rocher, Rnotenpunft der Staatsbahnlinien Rarm-
jtatt-RNirdlingen und A.Ulm, 429 m ii. M. hat eine
evangelifde und eine fath. Rirde, cine Realfdule,
Lateinfdule, ein Denkmal de3 Dichters Schubart, ein
Umtsgeridft, cin Cifendrahtwert (Erlau), Geldſchrank⸗,
Majdinen-, Pianoforte-, Tonwaren-, Schofolade-,
Gold: und Silberwaren-, Rojfer- xc. Fabrifation, Far-
beret, Spinneret und 900) 9058 Einw., darunter
3113 Ratholifen. — A. war ehedem freie Reichsſtadt,
bi es 1802 an Wiirttemberg fam. Die Gefdhidte Der
Stadt fdhrieb Bauer (Malen 1884).
Malefund (pr. ot-), norweg. Handelsitadt, in dem
jum Stift Bergen gehdrigen Teile des Amtes Roms-
dal, 1824 geqriindet, bat (1900) 11,672 Einw. und bil⸗
det den Sentralpuntt fiir die reichen Dorſchfiſchereien,
die an den Küſten der Vogtei Söndmör getrieben
werden. Die Stadt beſaß 1897: 199 Fahrzeuge von
6728 Ton. Der Wert der Cinfubr betrug 1900:
1,916,000 Sronen, der Uusfubr 5,954,100 Nr. (da-
von Fijdwaren 5,058,500 Kr.). A. ijt Sig eines
deutſchen Ronfuls.
Mali Pafda, ſ. Wi 4).
Mall (pr. 0, Jakob, norweg. Politifer, geb.
27. Juli 1773 in Porsgrund, geſt. 4. Aug. 1844, ſtu⸗
dierte anfangs Theologie, ſpäter an mehreren deut⸗
ſchen Bergakademien und übernahm hierauf die Eiſen⸗
hütte ſeines Vaters bet Arendal. Auf der Eidsvolder
Nationalverſammlung (1814) ſowie ſpäter im Stor-
thing (bis 1830) vertrat er eine unionsfreundliche
Richtung. Seine »Erindringer« (Chriſt. 1344 — 45,
2. Ausg. 1859) enthalten wichtige Beiträge zur Vor—
geſchichte der ſchwediſch⸗ norwegiſchen Union 1800 —
1815. Wud) überſetzte er (1838—39) die »Heim-
skringla« (f. d.). — Sein Sohn Hans Jörgen
Chrijtian, geb. 1806, geit. 24. Febr. 1894, war
1846 —77 »Ymtmanne« der Provinz Bratsberq und
qeborte lange ju den einflufreiditen Mitgliedern des
Storthings, wo er 1851— 69 den Vorſitz fiihrte.
Aalmolch (Amphiuma means L., f. die Tafel
»Schwanzlurche I<, Fig. 3), Schwanzlurch aus der
Unterordnung der Derotremen und der Familie der
Aalmolche (Amphiumidae), 1 m lang, aalartiq, mit
furjen, weit auseinander gerückten Füßen, 2 oder
3 Zehen, oberfeits duntel graugrün, unterfeits heller,
lebt in Den Siimpfen des ſüdlichen Nordamerifa, wühlt
ſich aud) in den Schlamm und fann längere Zeit im
Trodnen aushalten. Er wird mit Unrecht fiir giftig
qebhalten.
Malmutter (Zoarces C., Blennius L.), Gattung
der Stachelfloffer aus der Familie Der Schleimfifde
(Blennidae), Fiſche mit verlingertem Leib, fehr klei—
nen, in der Haut jerjtreuten Schuppen, weitem Maul,
verkümmerten Bauchfloſſen, langen, ſchmalen Brujt-
floſſen, ſehr langer Rückenfloſſe und über die Hälfte
des Unterleibes ſich erſtreckender Afterfloſſe. Sie ge⸗
bären lebendige Junge, die ſich in einem aufgetrie—
benen Teile der Eileiter entwideln. Die A. (Aal⸗
quappe, Z. viviparus L.,{. Tafel⸗Fiſche III«, Fig. 2),
20—40 cm lang, bräunlich, oberfeits Duntel 4 edt,
ijt häufig in Nord- und Ojtiee und im Ranal, geht
aud) in die Flüſſe, nährt fid) von Fiſchen, Muſcheln,
Biirmern, Laid. Die A. hat wenig ſchmachaftes
Fleiſch, Die Rnoden werden beim Roden qriin.
Aalporzellan, feines gelbes Borjellan, das in
China von ca. 1650 —1725 fabristert wurde.
Aalquappe, ſ. Ualmutter und Quappe.
Aalraupe (Aalrutte), ſ. Quappe.
Aalſt, Stadt, ſ. Aloſt.
Aalſtrich
Aalftrich, dunkler, meiſt ganz ſchwarzer oder aud
heller Rückenſtreifen bei Pferden und Rindern.
Aalter, Flecken, ſ. Aeltre.
Aaltierchen (Anguillulidae), ſehr kleine Faden⸗
wilrnter (Nematoden), leben meiſt frei, feltener para⸗
ſitiſch; manche vertragen das Austrocknen lange Zeit
und erwadjen bei Befeudjtung wieder aus dem Schein⸗
tode. Gewöhnlich haben fie während ihrer Exiſtenz
im Freien eine andre Form (jogen. Rhabditis) als
fpater, pflangen fic) aber in diefer bereits fort, und
erjt die Jungen der zweiten Generation werden ju
Parafiten (Heterogonie). So lebt 3. B. Rhabdonema
nigrovenosum Rud, alg fogen. Ascaris in den Lungen
bes Froſches und der Kröte und gebiert lebende Junge,
die in Den Darm und von dba mit dem Kot nad
aufen gelangen, um eine Zeitlang frei zu leben. Sm
Innern der gejdledtsreif qewordenen und befrud-
teten Weibden entwideln ſich einige Embryonen, die
ſchließlich Das Muttertier aufzehren und ſpäter als
Usfaridenform durch die Guftrabre wieder in Die
Lunge der Frifde eimwandern. Das Eſſigälchen
(Rietfteralden, Anguillula aceti, A. glutinis
Ehrenb.), 1— 2 mm lang, lebt in verdorbenem Rleijter
und der auf trübem Eſſig fid) bildenden Haut. Das
Weizenälchen (Tylenchus scandens Schn., ſ. auf
Tafel »>Wiirmer I<), bis 5 mm lang, erjeugt das
Gicht- oder Radenforn, ein fleines, verbildeteds
Sanenforn ohne Starfemehl, erfiillt mit Taufenden
von Widen. Bei der Uusfaat verbreiten ſich die Tierchen
im Boden, kriechen an den Weizenpflänzchen hinauf,
dringen in die junge Whre cin und werden ſchnell qe
ſchlechtsreif; die Weibchen legen Cier und ſterben mit
den Männchen ab, zur eit der Reife des Nornes aber
entwickelt fich die junge —— Brut. Der Ge-
nuk radigen Weizens ijt fiir Menfchen und Tiere un-
ſchädlich. Shug gegen das Weizenälchen gewährt
nur reines Gaatgut. Das Stodilden (Stengel-
alden, T. devastatrix Kidin), in Stengeln und
Blattern (nie in Wurzeln) von 34 Pflanzenarten nach⸗
ewiefen, lebt aud) in Roggen (Stodfranfheit),
fer, Buchweizen, Weberfarde, Gartennelfe (Ana—
nasfranfheit) und ridtet oft empfindlichen Schaden
an. Ramentlid) madt eS die Rardenfdpje fernfaul.
Das Luzerneälchen (T. Hafensteini Atihn) be-
wohnt Wurzeln und Triebe der Luzerne und des
Rotflees und bewirkt die Verfiimmerung der Zweige.
Vielleicht handelt es fic) übrigens bei all diejen und
ähnlichen Nranfheiten nur um eine einzige Art von
Tylenchus, der aud) die Ringelfranfheit der Hyazin⸗
thengwiebeln gujufdreiben ijt. Die Riibennema-
tode (Heterodera Schachtii A. Schmidt) bewirlt die
jogen. Riibenmiidigfeit des Bodens. Die jungen,
nod) nicht geſchlechtsreifen Tiere ſetzen fid) im Friih-
jabr in der Wurzelrinde geeiqneter Pflanzen fejt und
entwideln fid). Die Männchen wandern dann aus,
befrudjten die Weibdhen, und dieſe ſchwellen mim an
und erfdeinen an den Wurjeln, deren Oberhaut fie
dDurdbreden, wie Berlen. Im Herbſt friechen die
jungen Tierden aus und verbreiten fic) im Boden,
wo jie iiberwintern. Die Befimpfung geſchieht durch
Fangpflanjen. Vgl. Ofterwalder, Rematoden als
Feinde Des Gartenbaues (in »Gartenflora<, 1901).
Mam (d.. Obnr), älteres holland. Flüſſigkeitsmaß,
= 4 Unfer 3u 2 Steeffan — 155,22 Lit., fiir Bier —
157,25 &., am Rap (Aum) — 143,84 @
Map, das Beſanſtagſegel auf Dreimajtern, wird
mit Dem Wapenfall gehipt.
Mar, altgermanifd, der Udler (adel-ar, mittelhod-
deutſch, der Edelaar), ijt im 17. Jahrb. faſt vollſtän—
7
dig verflungen und wird feit der zweiten Hälfte des
18. Jahrh. als poetiſches Wort fiir Udler gebraud)t.
Mar (hollind., »Ader«), in Siidafrifa * wie
unterirdiſcher Waſſerlauf, in Ortsnamen vorkom—
mend, z. B. De Aar.
Aar, Fluß in der Schweiz, ſ. Aare.
Aarau, Hauptitadt des ſchweizer. Kantons Aar—
gau, 388 m ii. M., am rechten Ufer der Ware, über
Die cine Rettenbriide führt, Knotenpunkt an der Eiſen—
babniinie Zitrid)-Olten, hat avoo) 7995 Einw., ijt
Sig Der Rantonsbehirden, der Kantonsſchule, hat eine
Rantonsbibliothe® von 80,000 Banden, naturwijjen-
ſchaftliche, hijtorijde und ethnologijde Sammlungen,
ein Denfmal des Schriftſtellers H. Zſcholle und zetd)-
net fid) durch rege Gewerbtitigfeit aus. Aaraus
Mefferjduriedewaren, Reißzeuge, phyfifalifde In—
jtrumente, Gloden- und Kanonengießerei ſtehen in
großem Ruf; nicht weniger Sement-, Baumivoll- und
chemiſche Jnduftrie. Der alte Turm Rore, ehedem
ein Ritterjig, ijt durch H. Zſchokles » Freihof von A.«
weithin befannt geworden. — Urkundlich fdon 1267
als ſtädtiſch organifiertes Gemeinweſen begeugt, er-
bielt YW. von Rudolf von Habsburg 1283 Stadtredjt
und ging 1415 bet der Er-
oberung des Uargaus aus
Ojterreidifdem in bernifden
Beſitz fiber. Hier verfammelte
ſich tm Dezember 1797 die
letzte Tagſatzung der alten
Eidgenoſſenſchaft. Vom Upril
big September 1798 ſaßen
bier Die Sentralbehirden der
Helvetiſchen Republif; als
dDiefe nad) Luzern iiberjiedel-
ten, blicb UW. Hauptort ded
neubeqriindeten Rantons Uargau. Val. Boos, Ur—
fundenbud) der Stadt A. (Yarau 1880); »Chronif
der Stadt A.« (daf. 1881); Merz, Das Stadtredt
vor A. (Daf. 1898).
Aarberg, Bezirkshauptſtadt im ſchweizer. Nanton
Bern, auf einem von der Uare umfloffenen Gand-
jteinfelfen, 458 m it. M., an der Eiſenbahn Viel-LyR-
Murten, mit altem Sdlof, ciner Zuckerfabrik und (900)
1380 Einw. Cinjt bedeutend fiir Den Tranfitverfehr.
Aarburg, Stadt im ſchweizer. Nanton Aargau,
Bezirt Zofingen, 405 m it. M., an der Miindung der
; Wigger in die Uare, Knotenpuntt an der Eiſenbahn
Diten-Bern, mit einer Befferungsanjtalt (in der alten
Fejtung), Baunwwollindujtrie und (1900) 2308 Einw.
Aardal (pr. or), Pfarrei im norweg. Umt Nord-
Bergenhus, am Ende des Sognefjords, wejentlic ein
enges Ulpental, swifden den Horungtinden; in dieſem
liegt, oberhalb der Feljenfluft Vettisgjelet, der
Fall Vettisfoß (260 m hod).
Mare (franz. Urole), der mächtigſte ſchweizer.
Nebenfluß des Rheins, entipringt 2243 m und 1879m
hod) in ben Wargletidern (j. d.). Im Handedfatl
iiberwinbet fie eine 46 m Hohe Taljtufe des Hasli-
tals; bei Sunertfirden zwängt fie fid) durch die »fin-
jtere Schlauche- in den Talboden von Meiringen.
Hier nimmt fie rechts den Alpbach, linfs den Rei—
chenbach (f. d.) u. a. auf, flieRt Dann in den Brienzer
See und verlajt diefen nur, um nad lurzem Laufe
burd) das Bödeli in den Thuner See gu miinden.
Aus den Seitentilern de3 Berner Oberlandes fließen
ihr Liitidine und Kander mit Simme gu. Bet Thun
betritt Die U. die ſchweizeriſche Hodjebene, umjdlingt
das auf einer Halbinfel liegende Bern, sieht fich in
vielfachen Windungen durch das »Seeland«, wo ihr
— Mare.
Rappen von Aaran,
8
durch bie Juragewafferforreftion im edfanal
cine Ublenfung in den Bieler See geqeben ijt. Weiterhin
zieht fie fic) am Südfuß des Jura hin, den fie ſchließ⸗
lid), unmittelbar nad Aufnahme von Reuk
Limmat, durchbricht, und miindet bei Koblenz (ober-
halb Waldshut) in den Rhein. Die beträchtlichſten
uflitije ihres Wittellaufes find linfs Gaane und
Si rechts die Grofe Emme. Die A. ift insgefamt
485 km lang, ihr Flußgebiet umfaßt mit 17,617 qkm,
wovon 4850 qkm auf Gletſcher entfallen, ca. zwei
Fünftel des Ureals der Schweiz.
(jor. or), Emil, dan. Lyrifer, geb.
4. Dex. 1800 in Kopenhagen, geft. 20. Juli 1856 als
Stiftsarst in Odenſe. Er fand mit ſeinen »Digte«
(1838) nur wenig Beadtung, während feine ſtark
erotijden »Efterladte Digte« (»Radgelajjene Ge-
Dicte<, 1863) Aufſehen erreqten. Seine »Samlede
Digte« mit Charafterijtif von G. Brandes gab Lieben-
berg Heraus (1877, neue Ausg. 1899).
‘Kargen, ein Ranton der nordlicen perry Neg
im N. durch den Rhein vom Großherzogtum Baden
geidieden, im übrigen von den Rantonen Bafelland,
Solothurn, Bern, Lujern, Jug und Zürich begrenst
und bat cin Ureal von 1404 qkm (25,5 OW).
gehört ndrdlid) der Linie Marau-Brugg-Baden jum
Ketten⸗ und inabey jum Tafel-
jura (Wafferfluh 869m), mit dem
frudtbaren Fridtal ſüdlich der-
felben zum ſchweizeriſchen Mittel-
lande, das bier durch zahlreiche
parallele undflade Taler in frucht⸗
bare Landſchaften gegliedert iſt
(interaargau, Fretamt). Der
Manton zählt 1900) 206,659 Einw.
(147 auf 1 qkm), darunter (ass)
106,351 Broteftanten, 85,835 Ra:
tholifen und 1051 Israeliten. Der Mutterſprache nad
sablte der Nanton 1888: 192,859 Deutſche, 465 Fran:
zoſen und 163 Staliener. Der Unteraargau ijt vorherr-
Rend proteftantifd ; dagegen find Freiamt und Baden
fowie das Frictal überwiegend latholiſch. 95,56 Proz.
des Ureals oder 1341,8 qkm jind Kulturland, davon
882,5 qkm Yider, Wieſen und Weider, 27,8 Rebland,
438,0 qkm Wald. Die Weinlagen entfallen auf die
Jurabezirle (Fridtal, Shingnad und Wettingen), der
Ertrag belief ſich 1899 auf 46,423 hl. 1901 zählte
man un A. 4939 Pferde, 82,116 Rimder (Verner und
Schwyzer Vieh), 26,631 Schweine, 13,546 Ziegen x.;
1899 wurden 18,656 Doppelstr. Rafe produziert. Am
Rhein, befonders in Laufenburg und Rheintelden, ijt
die Fiſcherei cine weſentliche Ernihrungsquelle;
insgeſamt beftehen 24 Fiſchzuchtanſtalten. Die Sa:
linen. ju Rbeinfelden, Ryburg und Kaiſeraugſt lie-
ferten 1898 jufanunen 261,172 Doppeljtr. Sal}.
Wappen des
RSantons Aargau.
Berühmte Herlquellen find ju Baden, Sdhingnad, |
Wildegg und Birmenstorf. Die Hauptinduftriesweige |
bilden die Strobfledteret (ca. 10,000 Berjonen), Ta- |
baffabrifation, Striderei, Fabrifation von Seiden: |
band und Halbwollenftoffen (Bezirke Bohlen, Muri,
Vremgarten). Die geqenwirtige rein demofratifde
Verfaffung, aus der Revifion von 1884 hervor-
gegan en, datiert vom 23. Ypril 1885. Der Große
at als geſetzgebende Behörde, freisweife (je cin Mit-
glied auf 1100 Seelen) gewählt, unterjtellt ſämtliche
von ibm erlajjene Geſetze und andre widtige Erlaſſe
dem Referendum des Bolles, deffen Abſtimmung
sweimal jährlich, im Frithling und Herbſt, ftattfindet.
te voll stehende Gewalt tit dem aus fünf Mitgliedern
beftehenden Regierungérat tibertragen, deſſen Brifi-
Aareſtrup — Aargau.
dent den Titel Landammann führt, während ſein
Stellvertreter der Landſtatthalter iſt. Er wird vom
Großen Rat gewählt, wie das aus neun Mitgliedern
und | bejtehende Obergericht. Organe der Staatsgewalt
find in jedem Bezirk der Besirfsamtmann und das
Bezirlsgericht, beide durch die Gejamtheit der Bezirls
einwobner gewablt. A. hat 11 Bezirke, 248 politiſche
Gemeinden, bildet den 36., 37. und 38. Nationalrats-
freis mit 10 Mandaten und gebdrt militdrifd jum
5. Divifionstreis, in fatholifd-tirdlider Hinſicht jum
Bistum Basel. Hauptitadt ijt Marau. Außer sahl-
reidhen Gemeinde- und 29 Sefundaridulen bat der
Ranton ein Lehrer- und ein Lehrerinnenfeminar und
eine Rantonsjdule, beftehend aus Gymnafium, Ge-
werbe- und Handelsidule. Das produftive Staatsver-
migen betrug Ende 1898 an Altiven 21,883,030 Frank,
an ‘Baffiven 2,827,350 Fr., alfo netto 19,055,680 Fr.
Die Staatseinnahmen betrugen 3,403,162 Fr. Die
Landesfarben find Schwarz, Blau.
Geſchichte. Der A. war cine alte alemannifde
Grafſchaft, die urſprünglich das ganze Gebiet zwiſchen
Reuß und Mare umfaßie, aber durch dieLostrennung
fleinerer Territorien allmählich geſchmälert wurde.
Nad) dent Exldfchen des Grafenhauſes von Lenzburg
a gehörte der A. den Habsburgern, bis ihn die
idgenojjen auf Untrieb des Kaiſers Sieqmund und
des Konſtanzer Konzils 1415 dem geiidteten Her
Friedrich entriffen. Bern nahm den wejtliden T
(Sofingen, Marburg, Marau, Lenzburg), Luzern den
Süden (Surfee) und * den Ojten (Monauer
Umt); das übrige, die Freidmter und die Grafidaft
Baden, wurde als gemeine Herrfdaften von fieben,
refp. adt Rantonen —— In der Reformation
wurde der berniſche UW. reformiert, die Grafſchaft
Baden paritdtifd; die Freiämter blieben fatholifd.
Die Revolution erlöſte 1798 den A. aus feiner Unter-
tanenftellung und wandelte den bernifden Teil in
cinen Stanton A., die gemeinen Bogteien in cinen
Kanton Baden um; der heutige Nanton, mit dem das
im Liineviller Frieden (1801) von Oſterreich abgetre-
tene Fridtal vereinigt wurde, entitand 1803 durd die
Mediationsafte und blühte trog der fonfeffionellen
Verſchiedenheit der einzelnen Landesteile auf. 1814
rettete Der junge Nanton fein Dafein gegen die Herr-
fchaftsgeliijte Berns; dagegen wurde die reprafen-
tative Verfaſſung durd hohen Zenfus, lange Anits
dauern u. dgl. in oligardifdem Sinn abgedndert,
nad der Jultrevolution aber infolge des unblutigen
Aufſtands vom 5.— 10. Des. 1830 demofratifiert (15.
April 1831). Als durd cine am 5. Jan. 1841 vom
Volle fanttionierte Verfaffungsrevifion der bisherige
Grundſatz der Parität der Ronfeffionen, der den an
Zahl ſchwächern Katholifen die gleide Zahl Vertreter
im Groen Rate wie den Reformicrten fiderte, auf-
gehoben und die Bertretung nad der Kopfzahl cin-
geführt wurde, erhob ſich in den Freiämtern ein Auf⸗
ruhr, der indes von den Regierungstruppen nach dem
Gefecht bet Villmergen (11. Jan.) raſch unterdrüdkt
wurde. Infolge dieſes Aufſtandes beſchloß der Große
Rat, die acht Klöſter des Kantons als Herde ded fon-
feffionellen Haders aufzuheben und thr 6'/2 Mill. Fr.
betragendes Vermogen fiir Schul⸗ und Armenzwecke
ju verwenden (13. yan). Die hierin liegende Ber-
letzung derim Bundesvertrag von 1815 ausgeſproche⸗
nen Rlojtergarantie gat su großer Uufrequng in der
Eidgenoſſenſchaft un —— Verhandlungen
in der Tagfagung Anlaß, deren Mehrheit fic 31. Aug.
1843 mit Der Wiederherjtellung der vier Frauenflditer
jufrieder gab, wabrend die nadmaligen Sonder-
Aargletſcher
bundskantone nad) wie vor auf der Herſtellung ſämt⸗
licher Klöſter beſtanden. Bon da an ftand der A. an
der Spige dev antiflerifalen Bewegung in der Schweiz
und jtellte 1844 auf der Tagiagung den Untrag aut
Uusweifung der Yefuiten. Durd) die Verfajjungs-
revijion vom 22. Febr. 1852 wurde dem Bolf das
Recht der Ubberufung des Groen Rates gegeben,
wovon es 1863 bei Anlaß der von der Behorde ge-
planten Emangjipation der Yuden Gebraud madte;
ferner ward durch zwei Bartialrevijionen vom 20.
Sunt 1869 und 24. Upril 1870 die obligatoriſche Volls⸗
abſtimmung nicht mur über Geſetze, fondern aud) über
die Steucranlage und das Budget auf je vier Jahre
eingefiihrt. Da die Regierung nicht nur an allen
Schritten der Solothurner Didsejanjtiinde gegen den
Biſchof Lachat teilnahm (j. Schweiz), fondern aud)
bie Mufhebung der Klöſter Hermetſchwil und Gnaden-
thal fowie des Verenajtiftes Suryad) (16. Mat 1876)
veranlaßte, verweigerten die Ultramontanen mit
Hilfe einer reformierten Minderheit 1877 und 1878
fonfequent jede Staatsſteuer. Die Verwirrung, in
die der fantonale Haushalt dadurd geriet, zwang dic
Barteien zur Annäherung, und durd) einen Kom—
promiß zwiſchen den Ultramontanen und Liberalen
fam eine Verfaſſungsreviſion gu ftande (23. Upril
1885), durd) welde ben Behdrden der Bezug von
Steucrn bis auf eine gewiſſe Hohe ohne Referendum
bewilligt wurde. Val. Bronner, Der Kanton AL,
hiſtoriſch, geo aphid, ſtatiſtiſch —— —
1844—45, 2 Bde.); Miiller, Der WL, ſeine politiſche
Redhts-, Kulture und Sittengefdidte (Zürich 1870,
2¥Bdce.); Rod hols, Aargauer Weistiimer (daf.1877);
»Die Redtsquellen des Panton’ A.« (Daf. 1898 ff.);
»Argovia, Jahresſchrift der Hiſtor. Geſellſchaft des
Rantons A.« (Aarau, feit 1860); »Tafdenbuch der
Hijtor. Gefellfchaft des Rantons A.« (daf. 1896 ff.).
Aargletider, zwei Gletider in den Berner Al—
pen, die von der Finjteraarhornqruppe in das obere
Haslital hinabjteiqen. Der Oberaargletfder,
10,49 qkm, ijt cin 7 km flanger Talgletider zwiſchen
Sidelhorn im S. und Scheuchzerhorn im N. Er endet
in 2243 m Hohe. Der 39 qkm grofe Unteraar-
letſcher bildet fic) aus den Firnen des Finſter- und
Cauttraarboens und der Strahlegg ju einent 17 km
langen Talgletidjer, deſſen Bunge 1879 m bod) liegt.
Die WU. haben durch die naturwifjenfdaftliden Stu- |
bien Hugis (1827) und Agaſſiz' (1840) ein erhöhtes
Intereſſe gewonnen.
Marhue (pr. or), dain. Amt im öſtlichen Teil der
Halbinjel Diitland, 2483 qkm (45,1 OWL) groß mit
(1901) 186,440 Cinw. Die gleidnamige Hauptitadt,
an einer Bucht ded Kattegat, Knotenpuntt an der
Staatsbahulinie Frederifshavn-BVambdrup, ijt Sik
eines evangelijden Biſchofs und mehrerer Konſulate
(darunter eines deutiden), hat eine ſchöne gotifde
Dontfirdhe aus dem 13. Jahrh., ein Gynmafium, eine
Vibliothef, cin Muſeum und 1901) 51,814 Eimw. Die
Induſtrie erjtredt fic) befonders auf Cifengieherei,
Baunwwollmanufaftur, Bierbraueret, Gpiritus- und
Tabatfabrifation. Die Handelsflotte zählte 1899:
72 Schijfe mit 4806 Ton. Im J. 1899 belief fich
ber Umſatz in der ausländiſchen Schiffabrt auf
277,491 &., in der inländiſchen auf 87,926 T. Die
Cinfubr bejteht in Getreide und Futtermittein, Wein,
Petroleum, Salz, Zucker, Tabaf, Manufaftur- und
Rolonialwaren, Cijen, Holz und Steinfohlen, die
Ausfuhr in Getreide, Vieb, Sped, Häuten, Butter,
Eiern und Uujtern. Das Bistum in A. wurde ſchon
um 951 von Raijer Otto J. errichtet.
— Aaſen.
Aarlen, belg. Stadt, ſ. Arlon.
rmühle, ſchweizer. Ort, ſ. Interlaken.
Aarö, Inſel im Kleinen Belt, zum preuß. Kreis
Hadersleben gehörig, durch den 750m breiten Ward -
ſund vom Feſtland getrennt, 11,32 qkm grok, mit
270 Cinw.; nidt gu verwedfeln mit der däniſchen
Inſel Werve (7. d.).
Aaron, älteſter Sohn Umrams und der Jochebed,
aus dent Stamm Levi, Bruder Mirjams und Mofes',
defien Sprecher (bibliſch ⸗Mund, Prophet« ; 2. Mof.
4, 14f.; 7, Lf.) bet Dem israelitiſchen Befreiungs-
und Gefepgebungswert er war. Moſes iibertrug ibm
die erblidje Hoheprieſterwürde, die er durch Unfer-
tigung des goldenen Kalbes und Auflehnung gegen
oſes (4. Moſ. 12, 1) verlegte. Bon feinen Eien
Nadab, Ubihu, Eleafar und Ithamar ftarben die
betden erjten wegen Pflidjtverlesung eines unnattir-
lichen Todes (3. Moj. 10, 1). W. ftarb auf dem Berg
Hor, wo man heute nod fein Grabgewölbe zeigt.
Aaronsſtab, Naronswurygel, ſ. Arum.
Was, die Leichname gejtorbener oder getiteter
Tiere, die fchnell in Faulms übergehen und dadurd
nicht nur lajtig, fondern aud) geſundheitsgefährlich
werden finnen. Früher beqniigte man fid, das A.
durch den Abdecker (f. d.) einſcharren zu lajjen; jest
wird e3 häufig tedjnifd) verwertet. Das Fleifd) der
Riere, die nidt an innern Krankheiten eingegangen
jind, fann roh oder gefodjt an Sdweine, Hunde und
Gefliigel verfiittert werden; Häute, Haare, Klauen
und Hörner, Fett, Knochen finden die gewöhnliche
Verwendung, Cingeweide und Fleifd werden zu
Diinger verarbeitet. Für die Verarbeitung der Ka—
daver, der Abfälle auf Schladthdfen rc. hat de la Croix
in Untwerpen einen Wpparat (Rafilldesinfeftor)
fonjtruiert, der durch Rietſchel und Henneberg in
Deutſchland cingefiihrt wurde. In diejem und abn-
lichen Upparaten (Podewils, Hartmann) werden die
Maſſen unter Drud mit Dampf behandelt, und man
qewinnt eine Leimmaſſe (Boneſize), die als Schlidte
benutzt wird, außerdem Fett und trocdnen Diinger.
Mad) dem Rinderpelt- und Viehſeuchengeſetz find die
Radaver bei Milzbrand, Rinderpejt, Tollwut, Rog
durch anhaltendes Rochen oder auf dhemifdem Weg
unſchädlich zu maden oder nad) Begießen mit roher
Rarbolfiure, Teer oder Petroleum im einer Entfer-
nung von mindejtens 30 m von Gebiuden, 3m von
Wegen und Gewäſſern fo tief gu vergraben, daz die
Radaver unter dem Grubenrand mit einer 1 m boben
Erdſchicht bedect find. Bal. Haefcke, Die techniſche
BVerwertung von tieriſchen Kadavern rc. (Wien 1899)
und Literatur bei ⸗Abfälle«.
Aasblumen, Blumen, die durch ihren Aasgeruch
Fliegen zur Bejtiubung anloden, wie Arazeen (Aram
maculatum u. a.), Stapelien, Ordideen (3. B. Bol-
bophyllum Beccarii) u. a. Bgl. Fliegenblumen.
afen (pr. dſenn, Jar Undreas, norweg. Didter
und Spracforjder, geb. 1813 auf Sindmore, gejt.
25. Sept. 1896 in Chrijtiania, gab als Hauslebrer
eine »Sondmoersk-Flora« mit norwegijden Blumen-
namen heraus, widmete fic) Dent Sammeln und Stu-
dium der Volksdialette (feit 1851 mit Staatsjtipen-
dium) und bildete Daraus Das »Landsmaal« (>Lan-
desfprade«). Seine Werfe dariiber find: » Det norske
Folkesprogs Grammatik« (1848; 2. Aufl. als » Norsk
Grammatik«,1864); »Ordbog over det norske Folke-
sprog« (1850; neue Ausg. unter dem Titel » Norsk
Ordbog med dansk Forklaring«, 1873; al8 Beigabe
Relapse dazu erſchien 1890 —92 dad » Norsk Ord-
og« von Hans Rojs); »Norske Ordsproge« (»Ror-
19 Aasfliege — Abalard.
wegiſches Zprichwõrter⸗Lexilon · 2. Anil. 1861) ſowie Dralel des Apollon. Der Tempel ward erit von Xerres.
bie Gedidhtiammiung »Symra« ¶ ·Fruhlingsblume · | Dann 346 v. Chr. vom den Thebanern im Heiligen
5. Muff. 1875) und bas Drama »Ervingen< (»€rbe«, | Rriege seritdrt, {pater pon Hadrian wieder aufgebaut.
6. Wufl. 1996) in Landsmaal. Ruinen ber Exarchos.
UAasfliege , ſ. Fliegen. Ababde, den Bedida (7. d.) verwandter Volls⸗
MAasjager, cin Menſch, der alles ſchiet, was ihm jtamm in OCberagypten, Senaar und Taffa, 40,000
vor bas Gewehr fommt, fetne Schonzeit adjtet, Mutter- | Köpfe jtart. Sie ſind als Wüſtenführer regelmäßig
yg tom gee! ——— —— und zeichnen ſich durch Ehrlichkeit aus;
Aaskafer (Silphidae Leach), Familie der Kãfer teils ſeßhaft, treiben jie Aderbau. Koblendrennen und
iit meift elighederigen, feulenformigen Fiblern und Sammetn von BWiijtendrogen, die in den Stadten des
ben Hinlerleib meijt ganz bededenden, felten abgeſtutz⸗ Riltals Uniaifigen aud) Handwert und Handel.
ten Flügeldeclen. Dieca. 300 Urten finden fid vorzugs- Wbady, Fleden, ſ. Abbach.
weife in ber gemäßigten Zone, einige augenloje in, Abaco, cine von den Bahamainiein (ij. d.).
Hohlen (Leptoderus). Sie laufen febr fdjnell, fliegen’ Abaco, Evarijta Felice Dall’, Rompontit, geb.
gern und geben in Gefahr eine ftinfende Flüſſigkeit 12. uli 1675 in Berona, geit. 12. Juli 1742 in Miin-
aus dem After. Sie leben von Was oder legen dod | chen als Rammerfonjzertmetiter und kurfürſtlicher Rat,
barin ihre Gier ab; aud) fudjen fie faulende Vege⸗ war einer der gediegeniten Snitrumentalfomponiitert
tabilien, beſonders Pilze, auf; einige verjehren aud) jeiner Beit, deen ¢ (Op. 1—6, Kammer⸗ und
lebendDe Schneclen und Ynfeften oder legen ihre Eier Rirdenjonaten, -Trios und -Ronjerte) um 1705 —30
darin ab. Die Larven tind langlid) oder oval, meift | tim Drud erfdienen. Eine Auswahl derielben enthalt
abgeflacht, mit einem alé Nachſchieber voritiilpbaren | der 1. Bd. der · Dentmaler der Tontunit in Bayern«
Witer. Der A. (Silpha atrata Leach, jf. Tafel »sLand-| WbAad (perj.), Stadt. [(Qeips. 1900).
wiriſchaftliche Schadlinge I+), 11 mm lang, ſchwarz., Abaddon (hebr., »Berderben, Untergang«). didp-
mit Drei erhabenen LangSlinien auf den punttierten | teriſche Bezeichnung (Hiob 26, 6) fiir Totenreidh, Un-
Flügeldeden, legt ſeine Eier unter moderndes Laub | terwelt (Scheol), nad rabbiniiden Sagen die tiefite
ober in Die Erbe; die glänzend ſchwarze, unten weiße Holle; in der Offenbarung Johannis (9, 11) Rame
Larve frifjt, wie bie von 8. opaca L., junge Runtel: |
ritbenpflanjen und ridtet bisweilen großen Schaden
an. Sie verpuppt fic tief in der Erde. Der Toten-
qraber (Necrophorus vespillo Z.), 17,5 mm lang,
mit fajt freisrundem, goldgelb behaartem Thorar
und zwei orangefarbenen Binden auf den abgejtugten,
ſchwarzen Flügeldecken, begräbt Mas, indem er dic |
(Erde unter Demfelben fortidafft. In das begrabene |
Was legt dad Weibchen feine Cier. Die Larve nährt
ſich wie der Kafer von verwefenden tierifden Sub-
ſtanzen und verpuppt fid) unter der Erde.
Sfrahe, dic Raben- und Nebelkrähe.
Aaspflanze, ſ. Stapelia.
Aasporen, ſchwere Form der Schafpoden (j. d.).
Aasicite, die innere (Fleifdh-) Seite von Fellen.
Mastiere, von Was lebende Tiere, die namentlid
in heißen Landern viel sur Befeitigung des Aaſes bei-
tragen, wie Schafale, Hyänen, Geter, Voter x, Dann
aud) Hatten, Spitzmäuſe, Haie, Weißfiſche, Krebſe,
VWaslifer, Aasfliegen ꝛc., Witrmer rr.
Matai, ſ. Glatt 2).
Mb (alfyr. U-bu), in der affyrifdh - babylonifden
Jeit Der Name eines Monats, bei den Yuden feit der
babylonifdjen Gefangenfdaft der elfte Monat des
bilrgerliden Jahres, in unfern Juli und Auguſt fal-
fend. Am 9. Wb wurde 586 v. Chr. und 70 n. Chr. der
Tempel der Yuden und 135 n. Chr. ihr und ibres Feld-
herrn Bar Kochba letztes Bollwerf, die Feſte Bethar,
— Der 15. Ab iſt wegen froher geſchichtlicher
Ereiguifie Freudentag (chamischa assar b'Ab).
(perf.), Waffer.
Wb (faufm.), ab dort (genommen), ab hier (qe
nommen), f. Fret ab.
Aba (Ubaje, Ubbajel, auf der Sinaihalbinfel
Ghaſiz, in Nubien WHE, in den Gallalandern
Woyaja), braune Tider aus Baunnwolle, Kamel:
oder Hieqenhaar, werden im Orient als drmellofer
Rod Betvagen und jum BVerpaden von Tabat benugt.
Aba, uralted ungar. Geſchlecht, dem aud) König
WU. Samuel (1041 --44; val. Randra, A. Samuel,
Wudap. 1891) entftammte; ſ. Ungarn (Gefdidte).
Mba, im Ultertum Stadt im ny der griech. Land
ſchaft Phokis, mit einem Heiligtum und berithmtem
des oberjten der Teufel und ſeiner Scharen.
Abadiden (Abadzen), Bolf, ſ. Tſcherkeſſen.
Abai, Strom in Äbeſſinien, der Oberlauf des
Blauen Nils (. Abeſſinien und Mil).
Abaka, ſoviel wie Manilahanf.
Abaka, afrikan. Volk, ſ. Mittu.
Abakaniſche Verge, ſüdlicher Teil des Kusnez⸗
liſchen Ulatau (f. d.).
Abafanff, Stadt im ſibir. Gouv. Jeniſſeiſt, am
Abakan (linfer Nebenfluß des Jeniſſei), durch Pa—
liſaden befeſtigt, hat 2000 Einw., worunter viele
Verwieſene. Yn der Umgegend alte Grabhügel (»Gra-
ber der Li Katai«) mit Urnen, Goldſchmuck und an-
dern WMetallzeraten. A. wurde von Peter d. Gr. 1707
als Fort angelegt.
Abakus (lat., gried). abax, » Tafel, Platte<), bei
Grieden und Römern eine Tafel oder Brett zum
Wiirfein, zum Aufzählen der
Redhenjteine bei Aufſtellung
einer Redynung und jum
Aufzeichnen mathematijder
Figuren. Qn der Baukunſt
ijt UW. die Decfplatte (a b)
eines Säulenkapitäls als
Verbindungsglied zwiſchen
dieſem und dem das Auf—
lager bildenden Gebälk. Der
U. ijt bei der doriſchen, ioniſchen und toskaniſchen
Säule quadratifd mit qeraden Seitenflaiden. Bei der
forinthifden und römiſchen Saule werden die Seiten-
flichen des A. eingezogen und die Eden abgeſtumpft.
A. bedeutet auch Tiſchplatte.
Abalard (WUbeilard, Ubeillard, Whélard,
lat. Abaelardus), Peter, ſcholaſtiſcher Ehilofoph und
Theolog, der kühnſte Denker des 12. Jahrh., geb.
1079 in dem Flecen Balet oder Palais unweit Nan-
te8 (Daher Doctor Palatinus), gejt. 21. April 1142 in
der Briorei St. Marcellus bet Ehalon. Er jtudierte
ju Baris, nadbem er vorher ſchon Roscelins Schü—
ler gewefen war. Durd) die Bekämpfung des fogen.
Realigmus verfeindete er ſich mit feinem Lehrer Wil
helm von Champeaur, der fic) zuletzt fiir iberwunden
erflairen mute. Wis Lehrer Der Draleftif, fpater aud
ab Abakus.
Abalienation
ber Theologie, zuerſt in Melun, dann in Corbeil, bier-
auf ju Baris auf dem Berge Ste. Genevieve und in
der Pathebratidjule, zog er durd) die Kunſt feines
Bortrags fowie durd dte Richtung feiner Theologie
eine aukerordentlid) große Zahl von Schülern aus
allen Ländern an. Befannt ijt feine Liebe gu He-
loiſe, deren Oheim, der Ranonifus Fulbert, felbjt ign
in fein Haus als Lehrer ſeiner Nichte aufnahm. A., ob-
leid) bereits 38 Jahre alt, entbrannte heftig für das
dine und geijtreide 17 jährige Madden und fand
die glühendſte Erwiderung feiner Leidenfdajt. Er
entfithrte die Geliebte nad) der Bretagne, wo fie im
Haufe feiner Schwejter einen Sohn aan und nad)
dem er fid) mit Helvife vermählt hatte, fehrte diefe in
das Haus des Oheims guriid; leugnete aber die Che,
um YW. an der Erlangung firdhlicder Würden nidt
——— zu werden. Darüber erbittert, ließ Fulbert
. iberfallen und entmannen. Tief gebeugt durch
diefe Schmach, barg fid) U. als Mind) in der Abtei
St.-Denis und bewog aud) Heloife, in Urgenteuil den
Schleier zu nehmen, ting felbjt jedod) bald wieder an,
ju lehren. Yn dem Streit iiber die allgemeinen Be-
qrijfe (universalia) wanbdte er fid) mehr Dem Nomi—
naligmus ju, indem er Dieje Begriffe nur fiir fubjet-
tive Zuſammenfaſſungen, conceptus mentis (daber
wird feine Lehre Konzeptualismus genannt), anfab.
In der Theologie vertrat er offen die rationalijtijde
Richtung, indem er den firdliden Glauben auf all-
emcine Bernunjtpringipien zurückzuführen fudte.
ie Freiheit des Willens faßte er als Grundlage der
Sittenlehre; wie nur aus ihr die Zurechnungsfähig—
feit ber Handlung hervorgehe, fo lehrte er, Dak auch
nur die aus ihr hervorgebende Reue und Buje feli
maden fonnten. Die Synode ju Soijjons (1121)
erflirte feine Anſichten über die Dreieinigfeit fiir ketze
rijd) und verurteilte ifn zur —— im Softer
St.-Meédard. Der päpſtliche Leqat hob dieſe Strafe
auf, und A. kehrte nad) St.-Denis guriid, verließ aber
nad) einiger Zeit diefes Rlojter und erbaute gu Nogent
an der Seine eine Rapelle und Klauſe, Baraflet ge-
nannt, bie er nad) feiner Ernennung jum Abt von
St.- Gilbas-de-Ruys in der Bretagne Heloifen und
ihren Religiofen zur Wohnung tiberlieh. Der Wot
ilhelm von St.-Thierry erneuerte die Beſchuldigung
Der Ketzerei gegen die Schriften Ubilards, und die
Gegner bradten ¢3 dabin, daß das Konzil gu Sens
1140) und, als YW. an den Papſt appellierte, Papſt
noceng IT. feine Lehre verdammten. Peter der Ehr-
wiirdige, Ubt ju Chigny, ſöhnte A., nachdem er feine
Trinitats- und Erldfungstheorie widerrufen, mit fei-
nen Feinden aus. A. lebte hicrauf, ein Muſter klöſter—
lider Zucht, rubig gu Clugny. Als er ſchwer erfranft
war, lief ihn Peter nad der Priorei St. Marcellus
bei —* bringen, wo er bald darauf ſtarb. He-
loiſe, die thm erjt 17. Mir; 1163 im Tode folgte, erbat
fic den Leichnam und lich ihn im Parallet beqraben.
Beider Ufde wurde 1808 in das Muſeum der fran-
zöſiſchen Denkmäler nad Paris gebradt und 1817 in
cinem eigen’ dazu erbauten Grabmal auf dem Rird-
hof Pere -Ladaife beigefest. Abälards lateinifde
Schriften und Briefe hat Wmboife —— und
Duchesne (Par. 1616), zuletzt Coufin (daj. 1849—59,
2 Bde.) herausgegeben. Jn Mignes » Patrologiae
cursus completus«, latein. Ubteilung, fiillen fie Den
178. Band. Die bedeutendjten von feinen Werlen find:
»Introductio in theologiam«, die Ethif: »Scito te
ipsum«, » Dialogus inter Philosophum, Judaeum et
Christianum < (hr8q. von Rheinwald, Beri.1831), »Sic
et none, cine Sammlung dogmatiſcher Widerſprüche
— Abandon. 11
der Kirchenväter, zuerſt von Couſin (Rar. 1836), dann
vollſtändig herausgegeben von Henke und Lindenkohl
(Marburg 1851). Sein Leben Hat W. felbjt in der
» Historia calamitatum mearum« befdjrieben. Bal.
Rémufat, Abélard (Par. 1845, 2 Bde.); Deutſch,
Peter U., ein kritiſcher Theolog (Leip;. 1883); Car-
riere, U. und Heloife, ihre Briefe und Leidensgeidichte
(2. Unfl., Giek. 1853); Dausrath, Peter W. (Leip.
1893); ‘Bicavet, A. et Alexandre de Hales créa-
teurs de la méthode scolastique (Bar. 1896).
Wbalienation (lat.), ſ. Veräußerung.
Abaligẽter Höhle, aud Paplika (Pfajfenlod)
enannt, mte Stalaktitenhöhle beim Dorf YU ba-
iget tm ungar. Romitat Baranya, nordiweftlid von
Finitirden, bejteht aus einer */s m hod) mit Waſſer
gefiillten Eingangshshle und einem 950 m langen
Saal mit den herrlidjten Tropfiteingebilden. Sie
wurde erjt 1768 näher befannt, allein in Felfen ge-
hauene Stufen, Mauerrejte, Menſchen- und Tier-
knochen fowie eine römiſche Urnenbegribnisititte be-
weiſen, daß die Höhle fon in alten Zeiten bewohnt
wurde. 5 kin öſtlich bei Manfa befindet fic) cine zweite
ähnliche Höhle, »Siralylifa« (Königshöhle) genannt.
—— Die U. H. (Wien 1864).
ballino, der große Bandit, Titel eines Ro-
mans und eines danach gearbeiteten Trauer[piels von
Heinrich) Zſcholle (f. d.).
Abalus, cine von Plinius u. a. erwähnte Bern:
jteininfel der Ulten, wahrſcheinlich das Gamland.
Abändern (abarten, variieren), das Ent.
ftehen von Ubweidungen in Form, Größe, Bau, Fär—⸗
bung xc. bei Pflangen und Tieren durch Cinwirfung
innerer oder duerer, teils von der Natur gegebener,
teils fiinftlid) geſchaffener Verhaltnijje. Uber jprung-
** A. (Mutieren) ſ. Mutationstheorie.
banderungsantrag, ſ. Amendement.
Abandon (franz., ſor. abanghong Abtretung, Wuf-
abe, Verzicht), ein ſeerechtlicher Ausdruck mit ver-
chiedener Bedeutung. Das deutſche gan a
braud)t die Bezeichnung U. nur in $861 und bezeichnet
damit das Redht des iderten, in bejtimmten Fal-
len gegen Ubtretung der in Anſehung des verjiderten
— * ihm zuſtehenden Rechte die Zahlung
der vollen ———— zu verlangen. Dieſe
Fälle find: 1) Verſchollenheit des Schiffes, dD. h. wenn
ein Schiff nad Untritt feiner Reife innerhalb einer
bejtimmten Frift weder feinen Beſtimmungshafen er-
reidjt hat, nod) den Beteiliqten Nachridten über das-
felbe zugegangen find; 2) Embargo, dD. h. eine vont
Staat ausgehende Beſchlagnahme oder Feſthaltung
eines Schiffes ; 3) Uufbringung, d. h. Wegnahme durd)
eine friegfiihrende Macht; 4) Unhaltung durd) Ver-
fügung von hoher Hand; 5) Weqnahme durd) See-
rauber. Bei den Fallen unter 2) mit 4) hat die 3ah-
lung jedod) nur zu erfolgen, wenn nicht innerhalb
einer bejtimmten Friſt Freiqabe erfolgt. Die Whandon-
erflirung muß dem Verſicherer innerhalb der YWban-
donfrijt zugehen, muß ohne Bedingung erfolgen, fic
auf den ganzen verſicherten Gegenjtand erjtreden und
ijt unwiderruflid. Unf Verlangen hat der Verſicherte
dem Verſicherer einen Ubandonrevers zu erteilen, d. h.
eine öffentlich beglaubigte Anerkennungsurkunde dar-
über, daß ſämtliche Rechte des Verſicherten durch die
Abandonerklärung auf den Verſicherer übergegangen
ſind. Die Zahlung der Verſicherungsſumme erfolgt
erſt nach — des A. durch entſprechende
Urkunden und nad Ablauf einer angemeſſenen Prü—
fungsfriſt. Bgl. § 861 mit 871 des Handelsgeſetz⸗
buds. — Außerdem fommt die Bezeichnung W. nod
12 Abandonnieren — Abbach.
—————————————— a) Bet beitimmten großen Abart, i. Art. Abarten, ĩ. Abandern.
LExtermefurampen fanm jeder Ditreeder , bat, ha vom — ee ,ruff.Staats-
——— —— von mann, geb. 5. 1821 6. Febr. 1895 m Nijzza,
sex Jubutpticdt befreien, wenn ex binnen drei Tagen beforderte die es Sills Wie canbeas Wieranders I. Er war
murteis gerichticcher oder notariciler Erflarung feme coms Storer 1800 6b ——
SaoRsparten (i. d.) preisgibt (§ 501 bes Handels von 1882—93 Prifident der dritten Abtetlung des
— ). by Rad Emmtritt eines Unfalls hat der Reichsrats 5, Stonisictretae und 1892 einige Rett Beii-
bas Recht, durch Jablung der vollen Ber- ſident des WMuniiterrates.
* — teak er ſich vonalln Abascal, —— Marques dela
aus dem
‘Concordia, geb. 1743 in Oviedo, geft. 30. Juni 1821
— ($ 541 bes Handelsgefepbuchs). ¢) Benn im Madrid, trat 1762 im fpaniichen Heeresdienft,
— —— — — murbe 1796 Gouvemnesr vom Guba und 1804
wabrend der Retic fonig von Peru. Er blied beim Wbfall der Rolonien
en ſind, fo a fag ay chter — —— — —
fiir bie Fracht und feine übrigen en Sampfe gegen Napoleon mit Geld und Sriegsmittetn,
Statt dberiaten(s 616bee Sanbeagcey | | regierte aber fonit fait ſelbſtandig. Indem er die bis-
aatia une das Recht eines Schuldners, poh ss wann er das Sertrauen der Beruaner. FHibrend der
fiber ben Yinipriichen der Glaubiger nur unter wolf Sabre —— Verwaltung (bts 1816) war Rube
idrantung auf ein Sondergut haftet, fich Durch Hi m Peru; den Aufſtãndiſchen m Buenos Wires, Chile
bes Sonderguts von jeder weitern Verantwortlidfeit _ und Neu — 8 A. vielfach nut Erfolg entgegen.
zu befreien. Bgl. Burchard, Art. A. in Baumgart⸗ —— (ari ), Unvermigen, ju geben, oft ver-
a »Hanbdworterbud ded gefamten Verſi bunden mit . dem — zu ſtehen
wejens< (Straßb. 1698); Boyens, Das deutſche —— — leg Bases ec €mpfindung,
Seerecht, Bd. 2 (Leip; 1901). motorifder Str — der —
Abaudonnieren (fran}., jor. changd⸗), a eben, Bewegungen ber eine, fommt bei
veriafjen (val. bas bei ⸗· Abandon · Gefagte). Außer⸗ und berubt auf Billensidimade, be}.
bem fpridjt man nod) von a., 1) wenn agen Schiffs- Durd Cajcad bel plophder Retwesbigtel ——
mann im Auslande durch ſeinen Schiffer ohne Ge “ober eqeniiber energifdem fremden Willen ver-
nehmiqung des Seemannsamts juriidgelafjen wird ſchwindet der Zuſtand, fehrt aber zuweilen bet ſchäd⸗
($71 der Deutichen Seemannsordnung) ; 2) wenn ein | lider Untofuggeition oder Shwadung der Willens⸗
Schiff auf offener See oder an fremder Küſte von | | fraft Durd alls »liebevolle« ——
Schiffer und Mannſchaft verlaſſen wird. Abafiner (Abaſa), Berqvolf in den Mreijen Mai-
Abano Bagni jor. cdanodannji), Marktfleden inder | fop und Batalpaſchinſt der ruſſiſch-kaukaſ. Proving
—— Proving und dem Dijtrift Radua, am Fuß der | Kuban. Sie find verwandt mit den Abchaſen (ſ. d.).
aneiſchen Hügel und an der Eiſenbahn Padua- Abaffi (Mbbafy, ——— perſ. Gewicht von
— —— 5 Sibr, als Münze = 1 türk. Piaſter — 4 Schahis;
beriifmt durch ſeine ſchon den Römern als Fons Aponi Rechnun Fy in atin. = "14 Tilla. Qu Ruf
oder Aquae Patavinae befannten Thermen (gips⸗ land wee es in Georgien) Scheidemünze von 20
haltige Kochſalzquellen von 37-—83"), die aus dem bbate, ital). f. Ubbé. {Ropefen.
Monte Irone entipringen und neun Badeanjtalten —*—— franz., fpr. aba⸗ qur), Fenſter mit 2*
A⸗bautu, Vodlfer, ſ. Bantu. verſehen. —— — (Seller-, Gefingnisfeniter); Ober:
Mbarbanel Abravaneh, Iſal ben — licht, Gewölbfenſter nad unten wirkender Lichtrefleltor
geb. 1447 in Liſſabon, geft. 1508 in Venedig, der be- Abatmen, das Ausglühen der pordjen Rapellen,
riihmtefte Sproß eines vornehmen jiidiiden Geſchlechts auf welden “erst fag Blei abgetrieben wird.
in Spanien. Sein Wiſſen, fein Reidhtum und fein | baton, das von Artemiſia. Konigin von Rarien,
Charafter qewannen ihm die Gunſt Ulfons’ V., Rd- | nad Petriegung der Inſel Rhodos erridtete Sieges-
nigs von Portugal. Wis 1481 Johann IT. ben Her⸗ zeichen, von den Rhodiern fpiter iiberbaut und un-
yea Ferdinand von Braganja aufheben liek, ward | ;ugdnglich gemacht. Auch heißt A. das mit Vorhangen
als WMitveridworer ang ata und mufte nad Ka⸗ verſch —— Chor, das Allerheiligſte in den griechi
ftilien fliehen, wo er ſich in Toledo literariſch beſchäf- ſchen Kirche
tiqte. Bon 1484 bis — Vertreibung der Juden aus — (franj., fpr. dbatt’mang), ſ. Defort.
Spanien (1492) war U. am Hofe Ferdinands des Ka-| Wbanj-Torna (jor. dda-nj-), Komitat im norddft-
tholifden deri rae 1493 fam er nad Reapel, | lidhen Ungarn, am rechten Theifjufer (die 1881 ver-
woſelbſt ifn Ferdinand L und Alfons II. bepiin{tige cinigten Romitate Ubauj und Torna), grenzt an die
ten, fliidytete aber vor Karl VIII. nad Ben Romitate Gömör, Zips, Saͤros, Remplin und Borjod,
warb in Padua beqraben. Er ſchrieb Bibelerflarun: | ijt 3260 qkm (59,2 OM.) fine und bat (1900) 192,258
gen und oo ilofophifde Urbeiten (Rommentar | Einw., darunter 62 Proz. Ungarn, daneben Slowaten
ju Maimonides’ » More, fleinere ſelbſtändige Schrif- | (in ben Bergen) und tein aud Deutiche.
ten u.a.). Iſals Altefter Sohn, JudaLeon(Leo| Abazes, ſ. Uba
Hebrius), Yrst und ——— Freund des Pico Wbba —eS »Vater«), in jüdiſchen und
von Mirandola, verfaßte das einſt vielgeleſene und in altchriſtlichen Gebeten Unrede an Gott (J. Jeſus Chri-
verſchiedene Sprachen —— te Bud »Dialoghi di ſtus), dann in morgenländiſchen Kirchen Titel der
amore«(Ront1535 u.b.). Val Jim mels, Leo Hebriius, Biſchöfe und Patriarchen.
ein judiſcher Bhilofoph der be (Breal. 1886).| Abbach (YW bac), Heden im bayr. Regbez. Nieder-
UAbarim, wn Witertum Name des Gebirges von bayern, Bezirklsamt Kelheim, an der Donau und der
ga (Palajtina), dftlid) vom Toten Meer. Voneinem | Staatsbahntinie Regensbur Augsburg. bat eine
po des Pisga genannten nördlichen Teiles ded- | ſchöne fath. Kirche, Steinbriidhe, Wollſpinnerei und
felben (Nebo) Uberſchaute Mofes das Gelobte Land. | (1900) 1188 Einw. Die Heinridsburg, Geburts-
Abbad ef Motadid — Abbas.
jtatte Kaiſer Heinrichs V., liegt bid auf den mächti—
en Wartturm jest in Triimmern. Das Wildbad
tft cine falte alkaliſch⸗muriatiſche Schwefelquelle, die
pegen Wicht, Rheumatismus, Hautfranfheiten, Uterus:
ident 2c. gebraudt wird. Im naben Oberndorf
ward 1209 Otto von Wittelsbach durd) Kalatin von
gr tp erſchlagen.
bbad ef Motadid, ſ. Abbadiden.
Abbadiden (Abaditen), arab. Dynaſtie, die
1023— 91 zu Sevilla herrſchte. Gründer derſelben
war Mohammed aus dem Hauſe der Abbäd, der
al8 Radi von Sevilla beim Zujammenbrud des Kali-
fats von Cordoba an die Spige der Stadt trat. Er
und fein Sohn UbHbHAd el Motadid, der nach ihm
1042 -69 regierte, unterwarfen eine Anzahl der be-
nadbarten muslimifden Kleinſtaaten und bradten
Sevilla sur hichjten Bliite. Ubbads Sohn ef Mota-
mid (1069 —91) befeste 1070 nod) Cordoba, geriet
aber durch die Fortidhritte der Chrijten unter Ulfons VI.
in Bedriingnis. Der von ihm gu Hilfe qerufene Ulmo-
ravide (ſ. d.) Juſuf ibn —2 von Marolko ſchlug
Alfons bei Salldfa (23. Oft. 1086), beraubte aber
1091, wie die iibrigen Emire, fo aud) den Motamid
der Herrſchaft. Motamid war ein Freund der Künſte
und Wiſſenſchaften und felbjt cin bedeutender Didter.
Val. Dozy, Historia Abbadidarum (Leiden 1846—
1863, 3 Bde.); Derfelbe, Histoire des Musulmans
d’Espagne, Bd. 4 (daf. 1861; deutſch, Leipz. 1874).
Abbadie, Antoine d', franj. Reifender, geb.
1810 in Dublin, gett 19. März 1897 auf feinem
Schloß Abbadia in den Pyrenäen, wurde mit feinent
jlingern Bruder, Urnauld d'A. ged. 1815, in Frank⸗
aa erzogen, unternahm cine Reife nad) Brafilien
und nut jeinem Bruder 1837— 48 die Erforfdung
Ubeffiniens, aud) der Damals wenig befannten fiid-
lidjen Landjdaften Enarea und Raffa. Ihre Reiſe
war mit vielfacen Schwierigfeiten verknüpft; aud
wurden jie in politifde Umtriebe und in den Sturz
der fatholijden Miſſionare ju Adua verwidelt. Mit
reidjen wiſſenſchaftlichen Schagen aller Urt, zahlreichen
altathiopijden Manuſkripten und Bofabularien fehr-
ten fie nad) Frankreich zurück. Den zuſammenfaſſen—
den Reijebericht lieferte Urnauld d'A. in feinem Werk
»Douze ans dans la Haute-Ethiopie« (Rar. 1868,
Bd. 1). Untoine, der bedeutendere der beiden Bril-
der, feit 1867 Dtitglied der Ufademie, veröffent—
lichte außer jerjtreuten Aufſätzen: »Catalogue rai-
sonné des manuscrits éthiopiens« (Bar. 1859);
»Géodésie d’Ethiopie« (1860 —73); » Observations
relatives à la physique du globe faites au Brésil
et en Ethiopie« (1873); » Dictionnaire de la langue
Amarinna« (1881); von der »Géographie de l’Ethio-
pie: ce que j'ai entendu, etc.«, einer bunten Zu—
ſammenſtellung von Mitteilungen der Cingebornen,
Nachrichten andrer Reifender rc., erſchien nur der erjte
Band (1890). Sein Vermögen und die auf feinem
Schloß erridtete Privatiternwarte vermadte er der
franzöſiſchen Alademie.
bbadöna, in Klopſtocks »Meſſias« cin Teufel,
der den Abfall von Gott bereut und ſchließlich beim
— begnadigt wird.
Abba Garima, Ort in der abeſſin. Landſchaft
Tigré, 9km öſtlich von Udua, Mittelpuntt der Schlacht
von Adua oder W., in der am 1. März 1896 die
Italiener eine vernidtende Niederlage durch die Abeſ⸗
finier erlitten ft Ubejjinien).
ſ. Uba.
MAbbafen, dic Ranten cines Fahrwaſſers mit Ba-
fen bezeichnen.
13
Abbalzen, die Balzzeit der Waldhiihner und Fa-
janen beenden.
Abbas (jpr. adsag), 1) OHeim Mohammeds, geboren
um 570 n. Chr. in Meffa, gejtorben um 652 in Medina,
ſchloß fic) erjt furz vor der Eroberung Mekfas (Un-
fang 630) der Gadhe feines Neffen an, genoß aber
troßdem als Oheim des Propheten das größte An—
ſehen. Infolgedeſſen vermochten ſeine Nachkommen,
die Abbaſiden (ſ. Kalifen) den Verfall des Omai-
jaden Kalifats fiir ſich auszunutzen und ſich 750 der
Herrſchaft zu bemächtigen. Ihr Regierungsſitz war
ſeit 763 das von ihnen gegründete Bagdad. Seit der
Mitte des 9. Jahrh. wurde ihre weltliche Madt mehr
und mehr beſchränkt, ftellenweije ganz aufgehoben;
al Oberhiuptern der Religion blieb ihnen einiger
geijtlider Cinfluj, vermige dejjen fie es Ende des
12. Jahrh. wieder zur unmittelbaren Herrſchaft über
Bagdad und Umgegend bradten. Dieſer madte 1258
| die Croberung Bagdads durd die Mongolen ein Ende.
| Einige Mitglieder der Familie retteten ſich nad Syrien
und wurden von bier nad Ugypten qebradt, deffen
| Sultane ihren Nachlommen den Ralifentitel bis zur
Eroberung des Landes durd) die Tiirfen (1517) ge-
laſſen haben. Bal. Weil, Geſchichte der Kalifen
| (Bd. 1—3, Mannh. 1846 —51; Bd. 4—5, Stuttg.
1860 — 62).
2) U. J., der Groke, Schah von Perſien, geb. um
1557, geſt. 1629, Sohn des Schahs Mohammed Cho-
dabende, aus der Dynaſtie der Sefewiden, wurde im
Laufe der innern Wirren, die gu Ende der Regierungs-
zeit feines Vaters Perjien veriwiijteten, von der Pro-
ving Chorajfan jum Herrſcher ausgerufen und 309
fiegreid) 1586 in der Hauptitadt Kaswin cin. Ge-
ſchickt befeitigte er die allzu mächtig qewordenen Ba-
fallen und ſchuf durch cine neue Heeresorganifation
cine zuverläſſige Armee. Mit ihrer Hilfe vertvich er
1597 die Osbegen aus Choraſan, nabm den Tiirfen
Ujerbeidfdan, Schirwan und Georgien wieder ab
(1603— 1607) und eroberte 1623 fogar Bagdad. Jur
Bunde mit den Engländern jerjtdrte er 1622 die blii-
hende portugiejifde Rolonie Ormus; dod) jdheiterten
feine Verjude, den Seehandel felbft in die Hand zu
nehinen. Wahrend er die Sunniten grauſam verfolgte,
| zeigte er fid) gegen die Chrijten tolerant. Er ſchmüdte
das von ihm zur Reſidenz erhobene Ispahan und
andre Städte mit Bradtbauten, belebte den Verkehr
durch Unlage von Straßen und Karawanjeraien und
brachte hierdurch wie durch die energiſche Herjtellung
der öffentlichen Ordnung das Land zu großer Bliite. —
Sein Urenfel A. II. 1642-—67, gewann Kandahar
von den indifden Mongolen zurück, verfiel aber bald
dem Trunf und andern Wusfdhweifungen, fo dah er
weiterhin wenig leijtete. Den Europäern bewies er
ſich fehr geneigt. — Der lepte Herrſcher aus der Dy-
naftie der GSeewiden, U. II., Sohn des Schahs
Tahmasp I., wurde 1732 von dem faktiſch herrſchen⸗
den Oberjeldherrn Tahmasp Kuli Chan auf den Thron
erhoben, ftarb aber ſchon 1736. J
Abbas Paſcha, Statthalter von Agypten, Sohn
von Mehemed Alis jung verjtorbenem Sohne Tufun
undeciner arabifden Beduinin, geb. 1813 zu Dſchiddah
in Hidſchas, geſt. 13. Juli 1854. Jn Kairo erzogen,
erbielt er durch die Gunjt feines Großvaters friih-
jeitig hohe Verwaltungsimter, ward Gencralin{peftor
der Provingen, bald darauf erjter Miniſter und Prä—
fident des Rates von Kairo. Im fyrijden Rriege
(1841) befebligqte er cine Diviſion der agqyptifden
Armee. Ex ward von Mehemed Wii, der im Juli 1848
in Kranfheit verfiel, zu feinem Stellvertreter eingefept,
14
tee per fone Cecor Secaan Soke oer Ania
oe Pore seen i iat “ies
‘he Tie. leer. eet too ant :
IMs) und 1642 befampfte W. mit Erfola die feit lan⸗
en unbotmafigen Häuptlinge von Choraian. Yn
Winnahme von Herat hinderte ihn nur fein plig-
lidher Zod. Sein Altefter Sohn, Mohammed Mirja,
ved 1444 ben Thron von Perfien.
bad: Tuman, Bad im ruffifh-transtautaf.
Moun. Tiflis, 14km nordweſtlich von Achalzych, ſchön
— in ber Schlucht von Oplhe, hat vielbeſuchte
dhwefelquelien (40,6 49%), Militarbad mit Hofpital,
Sternwarte (Lue m f. WL) und 260 Einw.
Abbaſy, |. Vbaifi,
Abbate (Vibate, ital.), ſ. Abbe.
Abban (aud Ausbau), die Verlegung eines
Wauernhols unter Abbruch des alten aus dem Dorf
auf die Heldbmart; auch die Anlage von neuen Bor:
werfen auf größern Gutern. Der A. fommt vielfad
in Berbindung mit ber —— (f.d.) und
ber Murregelung (f. b.) vor und bedeutet einen Über⸗
gang vom Dorfſyſtem gum Hoffyitem (ſ. b.). Der
erfte befannte VW. fam nad) Diy (⸗Geſchichte der Ver⸗
2*
Geuges oe — Der & oe texia Beb-
peden: beget coe Grabs sez ni Ber
i eciige. Ie der
€Ser-z be rc e om
RET EGR E i
0
J
l
Qovrana (clebialis Lurtturort amt Serbad).
Radics, UAbbazia (Bien 1884), Not, Tage:
W (Teiden 1884); Syemere, Der See-
flimattide Bircterfurort WL 1 Stuttg. 1885);
B
atte von Karl Seif in Jena m Ver⸗
bindDung, wurde 1875 Mitinbaber derjelben, iiber-
nahm nad dem Tode von Karl Zeiß die Veitung des
Inſtituts in Gemeinicaft uit deſſen Sohn Roderich
Zeiß und jtellte nak dem baldigen Unstritte des letz
tern das Untern in den Beſitz der 1889 von
ihm begritndeten Karl Zeif-Stiftung. 1884 verband
et fid) mit O. Schott zur Gründung des glastedm-
ſchen Laboratoriums von Sdott und Genojjen in
Jena, und 1891 lief er ſich von feinen Lehramtspflich
ten entbinden. Bei den Verſuchen zur Herjtellung
| neuer optifder Glafer, um praktiſch aus zuführen, was
theoretiſch in der Optif alé nod) erreichbar angejehen
werden mujfjte, wurden Glasforten gefunden, die in
viel höherm Mah als die friihern bei gleichem mitt-
lern Brechungsquotienten verſchieden große Disper:
fion befigen. Für Die Herjtellung von Mifroffoplinien,
aftronomifden Linſen und photographifden Objet:
tiven wurden durch ifn gan neue Wege gangbar
gemadt. Wit Hilfe des von ihm fonftruterten :
Abbée — Wbbinden. 15
denjors löſte er das Problem der Homogenen Im⸗ | juvor der Regierung, bei welder der Gefandte attre:
merjion, das fiir die Vatteriologie von größter Be- | ditiert ijt, das Whberufungs- (Rappell-)Sadpreiben über
deutung wurde. Er entdedte Methoden zur erperi- | geben oder ihr die A. fonjt in amtlicher Weife mit
mentellen Beſtimmung der Brenniweite der Linfen, qeteilt werden. Die A. eines Gefandten ohne ander:
fonjtruierte dad Refrattometer, das Speftrometer und | weitige Erſetzung desſelben bedeutct gewöhnlich den
das Totalreflettometer und gab qrundlegende Urbeiten | Abbruch der diplomatijden Beziehungen (ſ. Abbrechen)
fiber die Bedingungen des Uplanatismus, apodjro- | swifden den betreffenden Mächten und ijt in dev
matijde Syjteme, über mifroffopifde Bilderzeugung, | Kegel dad Ungeiden des unmiittelbar bevoritehenden
liber die Grenje der Leijtungsfabhigteit optijder Sy- Krieges zwiſchen denſelben. — Unter YL. verjteht man
jteme in Bezug auf ihre Auflöſungsfähigleit x. Er | aud) die bet Ausbruch eines Krieges ergehende Auf⸗
ſchrieb: »Neue Upparate zur Befttmmung des Bre- | forderung des Heimatftaates an feine tm Ausland
chungs⸗ u. Zerjtremungsvermigens fejter und flitffi- | fic) befindlichen ber eign ae in Die Heimat zurüch
ger Mdrper« (Jena 1874); »Welche foziale Forderun⸗ zufehren. Bgl. Urtifel 20 des deutiden Staatsange:
gen foll die freiſinnige Volfspartei in ihr Programm | hbrigteitsgefeses vom 1. Juni 1871.
aufnehmen ?« (Daf. 1894). Bal. Seibitrfiung. Abbeſcher Apparat, {. Mikroſtop.
Abbẽe (franj.), urjpriinglid) foviel wie Ubt. Uuf| Abbeville (pr. abo wit), 1) Urrondijjementshaupt-
Grund cines swifden Papſt Leo X. und dem Konig | ftadt im franz. Departement Gonnne, am Fluſſe
rang J. von Franfreid) abgeidlofienen Kontrafts | Somme, Knotenpuntt der Nordbahn, hat eine gotiſche
ftand den Stinigen von Franfreid) das Recht gu, 225 Kirche (St. VBulfran) mit prächtiger Faſſade, eine Sta:
Abbés commendataires fiir fajt alle frangofifden | tue von Lefueur, einen Hafen und zählt (901) 20,309
Abteien zu ernennen. Seit Mitte des 16. Jahrh. führ- Einw., die Flachsſpinnerei, Fabrifation von Segel
ten den Titel VW. überhaupt junge Geijtliche mit oder | tuch, Seilerwaren, Teppiden und Buder, —S
ohne geiſtliche Weihen. Ihre 4 beſtand in und Getreidehandel treiben. A. hat ein College, ein
einem ſchwarzen oder dunkelvioletten Gewand mit naturhiſtoriſches und archäologiſches Muſeum, cine
fleinem Kragen, und ihr Haar war in eine runde Bibliothek, ein Theater und ijt Sitz eines Handels
Haarlocke geordnet. Da von dieſen nur wenige zum gerichts. A., die alte, ehemals befeſtigte Hauptſtadt
Beſitz einer Abtei gelangen fonnten, fo fungierten der Grafſchaft Ponthieu, oo urjpriinglid) der
einige als Hauslehrer, Gewiſſensräte 1c. in angefehe- | Abtei St.-Riquier (Daher Abbatis villa) und wurde
nen Familien, andre widmeten ſich ber Schriftſtellerei. 1180 Stadt. — 2) Hauptitadt der Graffdaft A. im
Erſt mit der Revolution verſchwanden fie aus der | nordamerifan. Staate Siidcarolina, nordweſtlich von
Geſellſchaft. Vielfach wendet man den Titel A. (ital. | Columbia, mit Bahnfreugung, Baumwollhandel und
Wbate) noch in der Unrede an junge Geijtlide an. | (1900) 3766 Einw.
Abbeermaſchine, |. Bein. Wbbiategraffo, Kreishauptitadt in der ital. Pro—
Abbeizen (UW bbrennen), gegofjene oder geqliihte | ving Mailand, am Naviglio Grande und Naviglio di
Metallgegenſtände durch Behandeln mit Säuren von | Bereguardo fowie an der Eiſenbahn Viailand-Mor-
der anbaftenden Orydhaut befreien. A. des Meffings, | tara gelegen, Hat eine Sirde mit fdiner Fafjade,
ſ. Melbbrennen. Spinneret, Viehzucht, Reisbau und (1901) ca. 6000 (als
Abbeofiita, Hauptitadt ded Heinen qleichnamigen | Gemeinde 12,166) Einw. — 1167 wurde A. von Kai—
Reiches Der Eqba in Wejtafrifa, 89 km ndrdlich von | jer Friedrid J. und 1245 von Friedrich I. erobert.
Lagos an der Sflaventiijte, am linfen Ufer ded Oqun, | W. Visconti ſchlug bier 1313 die Guelfen, Giovanni
mit 100—150,000 Einw., worunter mebhrere — de’ Medici 1524 die Franzoſen.
Mohammedaner und einige hundert Chrijten. : Wbbiegen und Abbrechen, zwei Vanipulatio-
|
von einem 2—3 m bohen, 30 km langen Erbdwall | nen bei der Drejjur des Pferdes, um die Beweglich-
und einem 3 m tiefen Graben umgebene Stadt be- | feit zwiſchen Kopf und Hals desfelben und deren Stel-
fteht aus ciner Menge einzelner Ortidaften, die fid — zu verbeſſern.
um iſolierte Granitfelſen gruppieren. Die gewerb⸗ bildungen. Die moderne deutſche Geſetzgebung
fleißigen Bewohner betreiben Weberei und Farberei, unterſcheidet A., die ihrem Hauptzweck nach als Kunſt⸗
vornehmlich aber Ackerbau und Handel mit Palmöl, werke anzuſehen find, d. h. hauptficlich die Befriedi—
das = Teil auf dem ſchiffbaren Ogun nak Lagos | qung des Ajthetijden Gefiihls des Beſchauers be-
verſchifft wird, woher Die Stadt europaifche Induſtrie⸗ sweden, und A. wifjenfdaftlicher oder techniſcher Art
produfte einführt. Seit 1898 ijt A. mit Lagos durch (einſchließlich plajtifder Darſtellungen), die nicht ihrem
eine 75 kim lange Cifenbahn verbunden, die nad | Hauptzweck nad als Kunſtwerke gu betrachten find.
Rabba am Riger weitergefiibrt werden foll. Die nad | Wahrend die lestern nad Maßgabe des Reichsgeſetzes,
Der Zerſtörung des alten Reides Yoruba 1825 von | betreffend das Urheberrecht an Werten der Literatur
Flüchtlingen geqriindete Stadt wurde bald fo mid | und der Tonkunſt, vom 19. Juni 1901 geſchützt wer-
tig, Daf jie 1857 und 1863 die Ungriffe von Dahomé | den, find die erjtern durch das Reichsgeſetz, betreffend
didlagen fonnte. Aus Liberia zuriidtehrende | das Urheberrecht an Werken der bildenden Riinjte, vom
ba bradhten das Chrijtentum, das von den Haupt: | 9. Jan. 1876 geſchützt (vgl. Urheberrecht). Hinfidtlid
lingen zuerſt gefirdert wurde, dod) vertrieb man 1867 | unjiidtiger U. und Darjtellungen vgl. Lex Heinze.
alle europäiſchen Miſſionare, die erjt in neuefter Beit! Abbinden, dhirurg. Operation, durch die Polypen
wieder jurtidfehren fonnten. Jetzt arbeiten in der | des Radens, Ohres, der Naſe und andre fleine Ge-
unter englijder Berwaltung jtehenden Stadt zwei wächſe unblutig entfernt werden. Wan legt einen
engliſche und eine amerifantide Miffionsgefellicaft. | ftarfen Faden aus Seide oder einen Draht um die
Vol. W. Hoffmann, Ubbeofuta (Berl. 1859); Burs | Bais des gu entfernenden Gebildes und sieht die
ton, A.and the Cameroon mountains (Lond. 1863). Schlinge fejt gu. Hierbei wird der Stil der Geſchwulſt
Abberufung, die Zuriidberufung eines Bevoll: | fofort abgeſchnürt, oder die in ihm enthaltenen Blut-
mächtigten von feiten jeines Uuftraggebers. Cine gefäße werden fo ſtark zuſammengedrückt, dak die Ge-
folde, an cinen Gefandten geridtet, beendigt die Ge- ——* abſtirbt und nach einigen Tagen abfällt.
ſandtſchaft an und fiir ſich nod) nicht, ſondern es muß | Grdpere, mit breiter Baſis aufſitzende oder ſchwer zu⸗
16
gängliche Uftergebilde werden (heute faum noch) mit-
tels eines Schlingenſchnürers (Cfrafeurs, f. Dd.) ab-
equetfdt ; val. aud) Galvanofauftif. — Jn der Technif
353 A. das Zuſammenlegen der Teile einer Holz—
fonjtruftion und das Bearbeiten ihrer ————
auf bem Werfplage vor der Überführung auf den
Bau. UW. (Wb pinnen) aud): mit dem Ub bindham-
mer Figuren aus Bled) treiben.
biffe (Abſprünge), kurze, meift jiingere
Baumtriebe, die durd den Cingriff von Tieren vom
Baum abgelöſt werden. Yn Fidten und Tannen wer-
den die A. von Eichhörnchen behufs Ausfreſſens der
Knoſpen hervorgebradt; an Micfern brechen Triebe
an den Bobhritellen ab, die der —— Wotpeion (Hy-
lesinus piniperda) erjeugt bat. Bgl. Abſprünge.
Ubbifitraut 95 —
Abbitte (lat. Deprecatio injuriae), demiitigende
Witte um Verzeihung der zugefügten Chrenfranfung,
im altern dDeutiden Strafverfabren cine ‘Rrivatitrafe,
auf die bet Ehrverletzungen entweder allein oder
neben ciner Geldſtrafe und neben Ehrenerflarung und
Widerruf (7. d.) erfannt zu werden pflegte. Bon der
heutigen Gefesqebung, fo durch das öſterreichiſche und
das deutſche Strafgeſetzbuch, tft die A. beſeitigt; der |
Schweiger Borentwurf eines Strafgefepbucds (1896)
fennt jedod) in Yirtifel 132 die A. als Strafausidlic-
fungsqrund bei iibler Radrede aus verzeihlichem
Jrrtum. Das deutide Strafgeſetzbuch fest bet Belei-
diqungen neben Geldjtrafe, Haft und Gefängnis nur |
in beſtimmten Fallen cine an den Berlesten zu ent-
ridtende Bufe feſt und geftattet nur bei öffentlichen
oder durch Verbreitung von Sdriften, Darjtellungen
oder Ubbildungen begangenen Beleidiqungen eine
befondere Genugtuung fiir den Beleidigten durch df-
fentlide Befanntmadhung ded Strafurteils in Tages-
blittern ꝛc. auf Koſten des Beleidigers. Letzteres gilt
aud) nad dem öſterreichiſchen Strafgeſetz. S. Belei-
diqung.
Ubblafen, Hornfiqnal fiir das Ende der Treib-
jagd. A. der Dampffetjel und Ventile, ſ. Dampfkeſſel
und Sicherheitsventil.
Abblatten, Abnehmen der Blatter von Rilben,
Rartoffein, Kraut x. behufs Gewinnung von Bieh
futter, am unſchädlichſten furs vor der Ernte. Frühes
A. beeintriidtigt den Zuder-, bes. Stärlegehalt.
Abbot (pr. adder), 1) Robert, geb. um 1560, geft.
2. Mary 1618; fet 1615 Biſchof von Salisbury, ftand
in Gunjt bei Jafob J. Er ſchrieb Streitidriften gegen
ben Katholizismus und fiir die fonigliche Gewalt.
2) George, engl. Bralat, Bruder ded vorigen,
geb. 29. Oft. 1562, geſt. 4. Aug. 1633, 1609 Biſchof
von Coventry, 1610 von London, feit 1611 Erzbiſchof
von Canterbury, trug ju der 1610 erfolgten Einfüh—
rung der Epiffopalfirde in Sdottland bei und wirfte
1612 fiir Die Vermählung der Brinyeffin Ctifabeth
mit dem Rurfiirjten Friedrid) V. von Der Pfalz. Un
ter Nari I. verlor er fermen Cinflug.
3B) Charles, Lord Coldejter, ſ. Colcheſter.
Mbbotsford (ivr. avdetsficd), ehemaliqer Landfig
Balter Scotts in Rorburghfhire (Schottland), am
Tweed, unfern der Stadt Melrofe, urſprünglich cin
Bauernhof, den Scott 1811 faufte, und auf dem er
cin gewaltiges Bauwert im mittelalterlichen Schloßſtil
auffiibrte. A. ijt äußerſt romantifd gelegen, enthalt
reiche Sammlungen von Gemilden, Antiquitäten,
Büuchern, Manuffripten und gehört der Urenkelin des
Didters, Mrs. Marwell-Scott. Der anf W. gegrün
dete Baronetstitel Der Familie erloſch ſchon 1847 mit
bem Lode ded letzten Sohnes Walter Scotts. Cine
Abbiſſe — WAbbreviaturen.
Beſchreibung des Schloſſes lieferte BW. Irving im
den » Miscellanies«.
Abbott, Jatob, amerifan. Qugendjdriftiteller,
eb. 14. Nov. 1803 in Hallowell (Maine), geſt. 31.
ft. 1879 in Farmington, war Lehrer und Geijtlid@er
und verdffentlidte an 200 Bande Jugendidrifterr,
unter ibnen Die vielverbreiteten »Rollo Books«. —
Sein Sohn Lyman, geb. 1835 in Rorbury (Maif.),
Geijtlicher, jegt Herausgeber von »The Outlook« in
Rew Port, 54 ein » Life of Christ« (1894), »>Evo-
lution of Christianity< (1896) u. a.
Abbrand, beim Erhigen von Eiſen, Kupfer an
der Luft fic) bildbendes Oxyd (Hammerjdlag); der
Verluſt, den das Metall hierbei erleidet.
Abbrandc, f, Kiedsabbriinde.
Abbrechen, libergang aus einer breitern in etme
idmale Front in der Weiſe, dak die fleinern Abtei⸗
lungen fic) binter eine die urſprüngliche Maridprid-
tung beibebaltende Ubteilung feten. U. cines Ge-
fects, dad Ubjtehen von der Erreidhung des Ge-
fechts zweds vor der Entſcheidung oder nach erreichter
Abſicht unter Beibehaltung der Gefechtsbereitidaft. —
Das U. der —— Beziehungen zwi—
ſchen zwei Staaten iſt gewöhnlich das Vorſpiel zum
Krieg und tritt in der Regel erſt dann ein, wenn
eine Ausgleichung der Gegenſätze auf anderm Wege
nicht mehr moglich erſcheint. Heute wird es vielfach
als moraliſcher Druck benutzt, um einen Staat zum
ai co gu veranlajjen. Der Abbruch erfoigt m
der Weife, daß ber Gefandte feine Päſſe von dem We-
nifter des Auswärtigen juriidverlangt, oder daß Diefer
obne folded Verlangen fie Dem Gefandten zuſtellt,
meiſtens unter Einraͤumung emer Frijt, innerhalb
welder der Gefandte, bei Verluſt der geſandtſchaft
licen Borredte, das Staatsgebiet zu verlajjen bat (7.
—— — A. in Der Reitfunit, ſ. Abbiegen.
| brennen, ſ. Abbeizen; W. des Meffings, f. Gelb-
brennen; val. aud) Bodenmelioration.
| Mbbreviatoren (lat.), Beamte der päpftlichen
Kanzlei, welche die Entwiirfe zu den Bullen fertigen.
breviaturen (lat.), Ubfiirj;ungen von Wortern
oder Silben in der Schrift. Die bejonders haufigen
Abkürzungen der mittelalterliden Handidriften be-
ruben aut bee Sigqlen (litterae singulares) und
den notae Tironianae des romifden Ultertums. Die
älteſten Siglen beftanden aus Dem eriten Budhitaben
des betreffenden Wortes; als fid) die Notwendigfett
jtirferer Ubfiirj;ung, namentlid) in den Rechtshand-
ſchriften, geltend madte, ftellte man die Siglen durch
die zwei oder drei erſten Buchſtaben eines Wortes ber
oder nahm wohl aud neben dem oder den erjten
Buchſtaben des Wortes nod folde aus der Mitte, vor
allem folde, mit denen eine Silbe begann. Die aus
Dem Altertum ftantmenden Siglen hat Th. Momm-
ſen bet Retl, »>Grammatici latini«, Bd. 4 (Leipz. 1864,
S. 265-—352), herausgegeben. Auf die Bildung die-
fer jungern Siglen wirtten bereits die Tironifden
Noten ein. Sie follen von dem römiſchen Didter
Ennius erfunden fein. Der Freigelafjene des Cicero,
Tullius Tiro (f. Tiro), bat fie vervollfonunt, in ein
Syſtem gebracht und erldutert; endlid hat Seneca
eine fyftematifde Sammlung von 5000 Stiid ber-
qejtellt. Sie dienten bauptiidlid zum Nachſchreiben
pon Reden oder Diftaten. Die Schreiber, die in dicier
Geſchwindſchrift qeitbt wurden, hießen Notarii (da-
von unfer ⸗Notar«). Wie ſchnell man dant ſchreiben
fonnte, ijt 3. B. aus einer Yingabe des Dichters War-
tial yu entnebmen, nad) der ſich berechnen läßt, dak
feiss Ubjdpreiber in der Minute neun Berfe fried,
Abbrunjten — Abd.
Lexica Tironiana, d. h. Sammlungen ber Tivoni-
ſchen Noten, find aus dem WMittelalter in ziemlicher det auf die Unfangsgriinde einer Wiſſenſchaft,
Anzahl erhalten; die in ihnen abgebildeten UW. gehen
in threr Mehrzahl gewiß auf das Wltertum *
17
AVE, foviel wie Alphabet (ſ. d.); aud) angewen⸗
Kunſt
Wbebuch, ſ. Fibel. u.
Abchaſen (Aſega), einer der beiden großen
Von neuern Arbeiten über dieſen Gegenſtand ſei nur Stämme der Tſcherkeſſen in der Landſchaft Abchaſien
W. Schmitz, »Beiträge sur lateiniſchen Sprach- und | (ſ. d.), mit den ſtammverwandten Wbafinern (j. d.)
Literaturkunde« (Leip;. 1877) erwahnt. Bei der Bile | früher 125,000 Köpfe ſtark, 1892 aber nach zweimali—
dung der einzelnen Note verfuhr man fo, daß man | ger Wuswanderung in die Tiirfei (1864 und 1878)
aus den WMajusfelbudjtaben, mit denen das betref- | nur 72,500, wovon 60,432 im Gouv. Rutais um
fende Wort geſchrieben wurde, dharafterijtijdhe Teile
entlehnte und diefe Dann möglichſt miteinander ju
einem Suge verband. So geivann man fiir Die Wur- |
| Verwandtidaft (vgl. Kaulaſiſche Sprachen). Weiteres
ſj. unter Tſcherkeſſen.
gel jedes Wortes oder fiir den Stamm der zufammen-
geſetzten Worter cin Zeiden, dem wiederum zur Be-
eichnung der Endungen Hilfszeichen, feien es Buntte,
bien es verfleinerte Bud)jtabennoten, beigegeben wer-
den fonnten. Tironiſche Noten finden fh meijt nur
vereinjelt in Büchern; bisweilen find aber aud ganze
Cobices in folchen gefdrieben. Nach der Form, die
den Abkürzungen gegeben ijt, fann man unterfdeiden
folde, die Durd) Suspenſion (man fest den erjten
Budjtaben und einen oder mehrere diejem folgende,
und dariiber den Abkürzungsſtrich, 3. B. an — ante),
oder die Durd) Rontraftion (man ſetzt ſtets den er-
jten und den letzten Buchſtaben des Wortes, nimmit
auch wohl aus der Mitte des Wortes nod) befonders
kennzeichnende Buchſtaben, und dariiber den Abkür—
zungsſtrich, 3. B.diio — domino) entitanden find. Die
bejte Sammlung mittelalterlicer lateiniſcher Ablür—
zungen findet ſich in Walthers »Lexicon diplomati-
cum« (Gotting. 1747); Chajfant, »Dictionnaire des
abbréviations latines et francaises du moyen-ige«
(5. Unfl., Bar. 1884) und Cappelli, »Lexicon abbre-
viaturarume (Leip;. 1901). In den mittelalterliden
Handidriften, die Werle in den modernen Spraden
enthalten, find viel weniger Abkürzungen als in den
lateinifden choemenbit, We find zudem faſt alle dem
lateinijden Ubfiirzungsfyftem entlehnt. Nod in die
älteſten Drude gingen viele der damals gebraudliden
U. iiber, aber in den legten Jahrhunderten find die-
jelben mit gang wenigen Wusnahmen, wie 2 und x.,
fiir et cetera, villig abgefommen. Nur der Gebrauch,
das ganze Wort durd) feinen Wnfangsbudjtaben gu
bezeichnen, ijt befonders bei Titulaturen, und hier
wieder am meijten in England, nod ſtark verbreitet.
Wis Geſchwindſchrift dient jest die Stenographie (f. d.).
Uber die jegt am gewöhnlichſten vortontmenden W.,
3. B. die in der Muſil, in einzelnen Wiſſenſchaften, in
Handel und Wandel wie im ſchriftlichen Verkehr ein—
geführten, ſ. die einzelnen Buchſtaben »A« (S. 1),
Ba x. und die betreffenden Stellen im Alphabet.
Abbrunften, die Brunftzeit des Hochwildes be-
enden; vgl. Wbgeprunftet.
Abbt, Thomas, philofoph. Sdriftiteller, geb.
25. Nov. 1738 in Ulm, gejt. 3. Nov. 1766 in Biicte-
burg, ftudierte feit 1756 in Halle und wurde 1760
außerordentlicher Brofeffor der Philoſophie in Frank:
furt a. O. Schon 1761 als Profeffor der Mathematik
nad Rinteln berufen, wurde er 1765 gum Regierungs-
und Ronfiftorialrat in Biideburg ernannt. Während
eines kurzen Aufenthalts in Berlin war er mit Men-
delsfohn und Nicolat befannt geworden. Unter feinen
philofophifden, im Geijte der Aufllärungstheorie ab-
gefaßten Schriften breiter Darjtellung find die wid-
ligjten: » Bom Berdienjt<« (Berl. 1765) und »Vom
Tod fiirs Baterland« (Bresl. 1761). Seine »Ver-
mifdten Werfe« wurden herausgegeben von Friedr.
Nicolai (Berl. 1768 —81, 6 Bde.; 2. Aufl. 1790).
Bgl. Pentzhorn, Th. Abbt (Berl. 1884).
Meyers RKonv.-Lerifon, 6 Mufl., L Bod.
*
Suchum Kalé und in dem vom Kodor durchſtrömten
Hochtal Tſebelda und 12,000 im Kubangebiet. Die
Sprache der A. zeigt mit dem Tſcherkeſſiſchen einige
Abchaſien, Landſchaft im rujj. Generalgouv. Kau—
laſien (ſ. Karte »Kaulaſien ·), zwiſchen dem Südabhang
des Kaulaſus und dem Schwarzen Meer, der jetzige
Suchumſche Militardijtritt,7315 qkm gro}, mit43,000
Einw., worunter 28,000 Mingrelier und 14,000 Wb-
chaſen. Etwa 32,000 der Bewohner wanderten nad
den Kriegen von 1864 und 1878 in die Türkei aus.
Das fajt ganz gebirgige Land wird vom Bſyb und
Kodor durdflojjen und von didten Ciden- u. Walnuß⸗
waldern bededt. Mais, Feigen, Granaten, Wein und
Weizen gedeihen, dod) ijt das Land im ganjen eine
von Ruinen erfiillte Wiijte. Jn den Handel fommen
Fudsfelle, Honig, Wads, Buchsbaumholz. Haupt-
ort ijt Suchum Ralé, das, wie Gagri, Pizunda und
befejtigt ijt. Unter den byzantiniſchen Kaiſern
war Ubafjia ein bejonderer Staat; der iefige Fürſt
von U. nimmt im ruſſiſchen Heer einen hohen Rang ein.
— YU. war als Nadbarland von Kolchis (Mingrelien)
den alten Kulturvölkern nidt unbefannt. 550 n. Ohr.
fand das Chrijtentum bier Eingang; die Byzantiner
unterbielten BVerfehr mit W., wahrend die Mongolen-
dane ihre Heere durch dic Bewohner des Landes ver-
ſtärkten. Zwiſchen 735 und 985 herrſchte die Dyna-
jtie Apchaz (Leo J.III. Thewdofel. und 11., Giorgi I.
und IL, Yoane, Adarnaſe, Bagrat, Koſtantine und
Dimitri) über Jmereth (Laziſtan); danach regierten
Bagrat IIL. von Karthli und feine Nachlommen bis
1259 auch iiber Ymereth und Radeth. 1154 heiratete
der ruſſiſche Großfürſt Isjalaf Wistijlawitjd eine
Fiiritentodter der Abchaſen. Seit dem 15. Jahrh.
unter türkiſcher Herrſchaft, wurde A. mohammeda—
niſch. Abteilungen der Abchaſen ſtießen 1809 zu den
Ruſſen bei der Belagerung von Poti, nachdem ſich
ſchon Ende des 18. Jahrh. unter den Fürſten aus
dem Hauſe Charwachidze (Lewan und Safar-Beg)
—— zu Rußland gezeigt hatte. Die Erwer—
bung von YW. durch Rußland begann mit dent Frie⸗
den von Adrianopel 1829. Ruſſiſche Poſten erſtanden
längs des Meeres; 1837— 40 vollzog ſich die Beſitz⸗
nahme des ſüdlichen A. Allmählich wurden die ruſ—
ſiſchen Stationen gegen das re,» hin vorgerückt;
in Die Jahre 1839—42 fällt die Unterwerfung des
nordweſtlichen A., vom Bſyb (oberhalb Pigunda) an.
Dod erjt 1864 war die Befriedung des Landes voll
fommen; feitdem ftarfe Wuswanderung (j. oben).
Abeſchützen, Spottname der Knaben, die im Ge-
folge fabrender Schiiler (Baganten, f. d.) des 14., 15.
und 16. Jahrh. wanderten und fiir dieſe betteln, aud
wohl jteblen (»fdiehen<, Daher »Scitgen«) mußten.
Abd (arab.), Sflave, Knecht, haufig in Zuſammen—
ſetzung mit Namen Gottes, 5. B. Ubdallah, ⸗Knecht
Wottes«, Abd el Mader, »Knecht des Mächtigen«, Abd
er Rahman, »Xnecht des Barmberjzigen«, Wbd ul Wiis,
Knecht des Glorreiden« x. Das hebräiſche Ched
wurde in gleider Weife angewendet.
2
18
Abdachung, die Ubweidung einer Ebene von der
horizontalen Lage; die Abſenkung des Landes gegen |
das Weer hin oder das allmähliche Abnehmen der
Vodenerhebung nad) der Meerestiijte zu.
Abdallah (arab., »SKnedht Gottes<), 1) Vater des
Propheten Mohammed, ſtarb nod vor der Geburt
jeines Sohnes.
2) U. ibn Ali, Obheim der beiden erjten abbaji-
diſchen Kalifen, ſchlug Merwan II. 750 am Gab und
madte damit dem Ralifat der Omaijaden ein Ende
(j. Ralifen). WIS er nad) dem Tode feines Neffen
Abul Ubbas deſſen Bruder Manjur den Gehorſam
weigerte, ward er von defjen Feldherrn Ubu Muslim
754 bet Nijibis gefdhlagen. 764 ließ ign Manſur er-
morben.
8) U. IT., Chan von Bodjara (f. d.), qeb. 1533 als
Sohn Ysfander Chans aus dem Hauje der Sdhai-
baniden (ſ. d.), geſt. 1598, trat 1556 auf, al8 Tran8-
oranien durch innere Wirren (zwiſchen 1500 und 1560
hatte es 9 Herrjder gehabt) und Einfälle nordijder
Nomaden heimgeſucht war. Er jtellte die Rube wieder
her, verleibte 1578 Bald und Badachſchan aufs neue
rangoranien, über das er von 1583 an als Haupt-
dan unumſchränkt gebot, ein und rig, die Bartei-
Friege zwiſchen Seah Wbbas und feinen Rivalen in
Perjien benugend, Herat und Merw an fic, pliin-
Derte Meſchhed und das reide Grab Imam Rizas
und unterwarf auf einige Zeit fogar Majenderan.
Er erridtete Kollegien und Mojfdeen, Narawanferaien
und Spitiler. Mit dem türkiſchen Sultan Murad III.
fudte er die Sefewiden ju vernidten. Wit A. er-
loſch die Dynajtie der Schaibaniden; fein eingiger
Sohn, Wbd ul-Wumen, hatte fich furs vor feinem Tod
erfolglos gegen ihn empört. Die nidjten 186 Jahre
jtand Bodara unter den Aſchtarchaniden (f. d.).
4) U. ibn Jain, f. Whnoraviden.
5) Kalif (Mahdi) 1885—99, ſ. Whdullabi.
Abdallah en Nafafi, arab. Dogmatifer, ſ. Ara—⸗
biſche Literatur.
Abdampf (Uusdampf), der von einer Dampf-
maſchine rc. absiehende verbrauchte Dampf, wird oft
zum Heizen benutst, bet Schiffsmaſchinen zur Gewin-
— Keſſelſpeiſewaſſers kondenſiert.
dampfen (Verdampfen, Abrauchen,
Einengen, Verdunſten, Evaporieren), die
Verflüchtigung eines Löſungsmittels, um eine kon—
entriertere Löſung oder den gelöſten Körper in feſter
Form zu erhalten. Aus waflerigen Löſungen ver—
dunſtet das Waſſer beim Stehen an freier Luft um
ſo langſamer, je kleiner die Oberfläche der Löſung, je
feuchter die Luft, je niedriger die Temperatur iſt, und
je unvollſtändiger die an der Oberfläche der Löſun
gebildeten Waſſerdämpfe durch Luftzug ——
werden. Man gießt daher, um die Verdunſtung zu
beſchleunigen, die Löſung in flache Gefäße oder breilet
ſie, wie in den Salzgärten, in denen Meerwaſſer
verdunſtet, über ſehr große Flächen aus. Auch erbaut
man gegen den herrſchenden Wind gerichtete Wände
aus Dorngeſtrüpp (Gradierwerke) und läßt die zu
verdunſtende Löſung über dieſe Wände herabrinnen.
Sie befeuchtet hierbei alle Zweige, erhält alſo eine
ſehr große Oberfläche, und der Wind, der die Wand
durchweht, führt die gebildeten Dämpfe ſehr ſchnell
fort. Soll cine Flüſſigkeit unter einer Glocke in einem
Gefäß verduniten, fo jaugt man mit Hilfe eines Ufpi- |
rators einen Strom du
mit der Flüſſigleit cine Schale mit fonsentrierter |
Schwefelſäure oder mit Chlorcalcium unter die Glocke,
Chlorcalcium getrocneter |
Luft liber den Hlitffigteitsfpiegel hinweg. Stellt man
Abdadung — Abdampfen.
fo werden die gebildeten Dantpfe von den genannten
hygroffopijden Subjtanjen fofort abjorbiert werden
(Fig. 1). Weſentlich befdhleunigt wird die Verdunjtung
in einem folden Exfiffator, wenn man die Luft
unter der Glode mit Hilfe einer Luftpunipe möglichſt
{tart verdiinnt.
Weitaus in den meijten Fallen verdDampft man
Löſungen bei erhöhter Temperatur, indem man fie in
offenen Bfannen oder Rej-
ſeln durch eine unter Diejen
befindlidje Feuerung er-
higt (Berdampfen mit
Unterfeuer). ——
viele Zwecke geeignete Kon⸗
uate diejer Art, Die
Vootpfanne, zeigt Fig.2.
Grofe Vorzüge bretet die
Heigung mit gefpanntem
Dampf, den man in cinen
Mantel leitet, der den un-
tern Teil der Pfanne um-
gibt, oder in ein Schlan—
genrobr, das in die Pfanne
gelegt wird. Wetzels Ver-
Dampfpfanne (Fig. 3) |
beſteht aus einer halbsylindrifden Pfanne mit Dampf⸗
mantel, in der ein aus Dampfleitungsrdhren gebil-
deter — Körper rotiert, auf deſſen in der
Luft befindlichen heißen Rohren die Verdampfung
ſehr ſchnell verläuft. Selbſtverſtändlich muß man
bei allen Verdampfpfannen für gute Ableitung der
Dämpfe ſorgen. Beſchleunigt wird das Verdamp⸗
fen nicht ſiedender Fiüſſigleilen durch Rühren mit
der Hand oder mittels eines Rührwerkes. Wo die
Berührung mit heifer Feuerungsgaſen nicht nad-
teilig ijt, werden letztere direlt über die zu ver—
dampfende ———— in Flammöfen oder Pfannen
hinweggeleitet (Verdampfen mit Oberfeuer).
Um grobere Verunreiniqung der Flüſſigleit zu ver-
meiden, wendet man Generatorgafe an. Erträgt
die gu verdanupfende Flüſſigleit nicht die Siede
temperatur, oder foll das Unbrennen oder Sprigen
Fig. 1. Abdampfen aber
SaGwefelfaure.
Fig. 2. Bootpfanne.
vermieden werden, fo erhigt man fie meiſt in Ba-
dern, befonders im Waſſer- oder Dampfbad (j. Bad).
Mit großem Vorteil verdampft man Fliiffigteiten,
Die Hohe Temperaturen oder die Einwirkung der
Luft nicht ertragen, im Lluftverdiinnten Raum. Die
hierzu dienenden Bakuumapparate (Fig. 4) be:
fipen einen grofen Hohlkörper a mit Dom b und
Heizſchlange c. Die aus dem Wpparat entweichenden
Waſſerdämpfe gelangen durd) das Rohr d im den
Nondenfator, wo fie durch faltes Waſſer, das aus
Dem ringsum durchlöcherten Rohr e einfprigt, ver-
Dichtet werden. Das geſamte Waljer wird durd eme
Abdampfen
Luftpumpe, die mit dem Rohr f in Verbindung fteht,
ſortgeſchafft. Das Rohr g dient sur Fiillung und h
jur Entleerung des Apparats. Steigt bet zu leb—
hajtem Roden die Fliiffigfeit in den Rondenjator
iiber, fo famunelt fie fic) an dem äußern Rohr und
fann bei i abgelajjen werden.
Der aus ciner verdampfenden Flüſſigleit ſich ent-
widelnde Dampf entweidt gewöhnlich in die Luft;
Rillieux ſchlug guerjt die Wiederbenugung des
Dampfes sum Verdampfen andrer Flüſſigkeiten
ee
Bs ae
Fig. 39. BWegels Berdampfpfanne.
—— —
A— —
vor. Er lkonſtruierte einen Apparat aus drei liegen—
den Zylindern, durch deren untere Hälfte Siederohre
hindurchgingen. In die Siederohre des erſten Zy—
linders wurde Dampf aus dem Dampffeſſel geleitet,
während der zweite und dritte Zylinder mit dem aus
der im erſten Zylinder verdampfenden Flüſſigkeit ſich
entwidelnden Dampf geheizt wurden. Cine Luft-
pumpe ftellte ein Valuum her, fo daß der Siedepuntt
Fig. 4. Baluumapparat.
(Apparate ꝛc.). 19
u verdampfende Flüſſigkeit die Teniperatur dieſes
ampfes angenommen bat. Dann treibt die Luft—
pumpe den Dampf aus dem Raum über der Flüſſig—
| feit in ben hohlen Boden, der Dampf über der Flüſf—⸗
figfeit wird alſo verdiinnt, jwifden den Wanden
| des Doppelbodens erfolgt aber eine Verdidtung, und
| infolgedefjen wird aus der Flüſſigleit lebhaft Dampf
entwidelt, und ein Teil des tm Doppelboden be-
findlichen Dampfes gibt feine gebundene Warme
durd) den Pfannenboden an die Fliijjigfeit ab und
verdidhtet fic) Dadurd) gu Wajjer. Die abgegebene
Warme aber dient zur weitern Entwidelung von
Dampf aus der Flüſſigkeit. Durch fortgefegte Ur-
beit Der Luftpumpe tritt ein gewijjer Bebarrungs-
juitand ein, währenddeſſen fic) cin fonitanter Unter-
ſchied zwiſchen der Temperatur des im Bodenraum
verdidjteten Dampfes und jener der dariiber befind=
lichen Flüſſigkeit herjtellt. Das diefem Syſtem gu
Grunde liegende Pringip ijt durch Piccard weiter
ausgebildet worden. — Sollen beim A. die entwei-
chenden Dämpfe wieder fondenfiert werden, um das
Löſungsmittel nidt verloren gehen ju laſſen (bei
alloholiſchen, atherijden Lofungen), fo wird die Ope-
ration in Dejtillationsgefagen ausgefiibrt, und das
A. verwandelt fic) in eine Dejtillation.
| Qn den Wbdampfapparaten fann die Arbeit in-
termittierend oder kontinuierlich betrieben
werden. Im erjten alle fiillt man die Gefäße mit
Flüſſigkeit und erbigt, bis die gewiinfdte Konzen⸗
tration erreidt ijt, bisweilen unter wiederholtem
Nachfiillen von Fliiffigteit, um zuletzt eine vollſtändige
Füllung des Gefäßes mit fonjentrierter Fliiffigtert
yu erreichen. Bei fontinuierlidhem Betrieb dagegen
fließt bejtindig fonjentrierte Flüſſigkeit ab, während
friſche an einer möglichſt entfernten Stelle des Ge—
fäßes zugeleitet wird. Dieſe Methode ijt beſonders
bei ſehr großen Pfannen anwendbar, in denen man
durch Anbringung von Scheidewänden den von der
Flüſſigleit zurückzulegenden Weg möglichſt verlängert.
Bei Benutzung kleinerer Pfannen werden mehrere zu
einer Batterie vereinigt und terraſſenförmig aufge—
ſtellt. Die ſchwache Flüſſigkeit tritt in die cine am
Ende der Batterie gelegene Pfanne ein und gelangt
| aus einer in die andre Pfanne, bis jie, hinreichend fon-
jentriert, am andern Ende der Batterie abfließt. Da-
bei befindet fic) Die Feuerung unter der ſtärkſten, reſp.
| niedrigjten Pfanne, fo dak die Feuerungsgaſe die
Pfanne mit der friſchen Beſchickung zuletzt bejtreiden.
Das beim Gradieren benutzte Prinzip wird aud
für höhere Temperatur verwertet. Man läßt die zu
verdampfende Flüſſigleit in einen Turm über Kols,
Steingutſcherben od. dgl. herabrieſeln, jo daß fie eine
| große Oberfläche erhält, und leitet beige Luft in den
untern Teil des Turmes. Der aufiteigende Luftitrom
fommt Dann der Fliiffigfeit entgegen, und es wird
cine ſehr energijde Verdampfung erzielt (Glover-
Turm der Sdwefelfaurefabrifen). In einem andern
der verdampfenden Flüſſigkeit hinreichend erniedrigt | Apparat (Ungerers Turm) hangen mebhrere hun—
wurde. Derartige Upparate fanden, weſentlich ver- dert Drabhtjeile oder Ketten von der Decke vertifal
bejjert, feit 1850 bejonders dDurd Tifdbein und | herab, und während die Flüſſigleit an dieſen herab—
Robert in der Sucerfabrifation Verbreitung. Bei | rinnt, jteigen die Feucrungsgaje in dem Turm auf.
Hittingers Syſtem ijteine Ubdampfpfanne mitdop- | Die Abbdampfgefäße beſtehen aus Metall (Eiſen,
peltem Boden durch einen Deckel lufidicht verſchloſ-⸗ Kupfer, Zinn, Blei, Silber, Platin), Glas oder Ton.
jen, und der über der Flüſſigkeit befindliche Raum Sie müſſen mehr flach als tief fein, um die Danrpf-
jteht mit Dem Raum im doppelten Boden durd Röh- bildung gu befördern, und möglichſt diinnwandig
ren in Berbindung, zwiſchen die eine doppelt wir- behufs leidjterer Ubertragung der Warme auf die
fende Luftpumpe — ijt. Der ganze Appa- Fliifjiqfeit. An dieſer Hinſicht find Metallgefäße vor—
rat ijt mit ſchlechten Wärmleitern umgeben und wird iehen, Dod) werden die Metalle (nut Ausnahme
aus einem Dampffeffel mit Dampf gefüllt, bis die i Pa von vielen Flüſſigkeiten angegriffen.
2*
-
bt
0 Atdantung — Abo ef Late.
Du Aeucrung musk moolbhs voltanduse Ber: Gat Nadtecle wad Getobren betrũgerüches Qnverfchr-
brennung des Oeymaterials umd mogiséit voltim-: Ormgen. Sur Yhesemgumg der Nadaver tit die Wb
dige Ubertragung ber Sarme auf die Fliatet qe dederti gegemmarng bawig derdunden mit Gerberci.
fatten. 1 qm fſteũellace lierert. wenm das Sewer Leirrrederei. Soneitye-. Qnadbermedl-, Naihinendit .,
tm Soden erhalten wird, twa 05 kg Damor m Eoudrettetebrifanca x Bol Sebmer, Abdeckerei
ber Minute. Erfabrungsqemay verindtet 1 qm biim- weien iim Ben's >Hendoud der Hogune«. Bo. 2.
nes Aubierblech etwa 15 kg Domp? m der Rmute. Jena 19967; Haeide, De tedtiche Serwendung
wenn der Tempercturunteridned qu beiden Setten von terviden Kadadern x. (wn 1599).
bes Bleches 500 betrãgt. Soll lqm Heizilacde Oskg Wbdeichen, te? gelegene Landitridhe durch Deiche
Tampt m der Minute liefern, fo musk alio dre vor Dodwarer idisen
Ltifereny 16,4” betragen und, da des ñedende Bai- Abd el Mader cher die Bedeutung des Namens
ier 100° bengt, Ber LDamof im der Tampidlange ĩ. Abdde. Sidi el Hadichi Abd el Kader Uled
116,44° heh ſein. was einem Drudvon 1,7 4Mtmofpbare Wabiddin, Araberbauptiing. geb. 1807 mm Der
entipricht. Bollte man mitt Damp? von nur 108’ ar⸗ Ghetna ber Mascara, gett. 25. War 1883 zu Damas
beiten, fo miizte man Die Cberflade Der Damptidlange tus. Als Sprdklina emer Erietterfamilie (WNara
auf 2.qm bringen. Sehr haufig benugt man yum buts), de ihren Stamm bes zu Den Fatimiden juriid
Heijen ber Ubdampipfannen die betwen Gate (Ab- führte. ward A. von einem Sater Sidi cf Mabiddin
bige), Die aud andern Feuerungen, Cien x., ent- jum Vrieſter gebildet. wanderte aber, dom Dei von
werden, und yum Heiyen von Dampfidlangen den Algier bedroht, nach Ratro aus und wurde Hadidn
Tampf, dex in der Damptmafdine bereits Dienite durch eme Erigerfabrt nad Mekta. Rad dem Stur;
qeletitet bat. J Jeline!, Uber Berdampfapparate des Dei 1830 zurücgetebrt und von aufftändiſchen
und tationen (Prag 1882-—83, 2 Tle.); arabtichen Stammen det Wascara jum Emir gewãblt.
Hausbrand, Verdampfen, Kondenjieren und Küh⸗ führte er 1852—47 den Ramo? gegen Me Franjoten.
fen (2. Aufl., Berl. 1900). 1832 — 33 unterwarf er Die Stamme zwiſchen S-
Abdan (Ubdifation), Riederlequng einer cara und dem Weer und ndrgte den franjoftichen
Wiirde, insbeſ. Verzicht eines Herrſchers auf dieMrone General Desmichels yu dem Frieden vom BW. Febr.
(Thronentfagung). Die W., die regelmäßig in 1834. Bald ernenerte er den Krieg gegen die Fran-
einer befondern WUbdanfungsurflunde erflart zoſen, ſiegte 28. Juni 1835 fiber General Tréjel an
wird, ſteht in ber freien Entſchließung des Herrſchers. der Wafta und 25. April 1836 über d'Arlanges an
Durd die U. wird die Thronfolge in derjelben Weiſe der Taina und filbrte den Kleinkrieg fo gliidlicd, dak
wie bei Dem Tode ded Herrfchers erdjfnet, indem der, er ſeine Herrichaft aber Titert und einen Teil der
nächſte Thronfolgeberedhtigte zur Rrone berufen wird. | Provinz Algier ausdehnte. Bugeaud befreite zwar
Der Ubdantende behalt regelmapig den bisherigen die an der Miindung der Tafna eingeidlojjenen Fran-
Titel bei. Cine Zuriidnahme der volljogenen A. ijt zoſen und bradte W. (6. Jult) amt Silak cine Schlappe
nicht worl bei; Dod) ſchloſſen die Franjofen 30. Wat 1837 den
Mbdaffeln, ſ. Bremen (Inſekten). Bertrag an der Tafna, worn A. die Verwaltung der
Abdecker Freiknecht, Fall-, Wafen- oder Provinjen Oran, Titeri und Algier erbielt, mit Mus:
Feldmeiſter, Kafiller, Sdhinder), eine Perſon, nahme der Hauptitadte und der Witidida von Algier.
Die in einem bejtimmten Bezirk das gefallene Bieh Wis er aber 1839 den Krieg erneuerte, mute er
wegzuſchaffen, — und einzuſcharren bat. ſchließlich beim Sultan von Waroffo Zuflucht ſuchen.
Bis 1817 litt der W. an ⸗Anrüchigleit⸗, war unfähig Nach der Riederlage ſeiner Truppen am Jsly( 14. Mug.
* Eintritt in die Zünfte, in das Militär und im | 1844) ſchloß Der auch von der Seeſeite Durch den Erin -
Fhrenjtellen, aber nicht ehrlos. Die W. befaken viel- zen von Joinville eingeſchüchterte Sultan Frieden niit
fach fiir beſtimmte Bezirle Privilegien, wonad ihnen —— und drãngte A. 1847 über die franzöſiſche
egen koſtenfreie Abholung nicht bloß die verendeten, Grenze; hier ward er von den Franzoſen 22. Des.
ondern aud) die »abjtandigen« (j. Ubgeitanden) Tiere gefangen. YW. wurde erjt in das Touloner Fort La-
unentgeltlich iiberlajjen werden muften. Diefes Bann- malgue, Ende Upril 1848 in das Schloß zu Pau tn
recht beſteht auf Grund der Verordnung vom 29. April Béarn und endlich nad Amboiſe gebracht. Ym Ot—
1772 im den öſtlichen Provingen Preußens gegen- | tober 1852 in Freiheit gefest, lies ſich A. zu Bruſſa
wärtig nod und belajtigt die Landwirtidaft nidjt un- | in Kleinaſien und nad) dem Erdbeben von 1855 zu
erheblich. Durch Gefesy vom 17. März 1866 wurde Damasfus nieder; hier nahm er fic bei der Chrijten
den einzelnen Gemeinden das Recht der Brovofation verfolqung im Sommer 1860 der Berfolgten an. Er
auf Ablöſung der Ubdecerprivilegien gewahrt, wo- | lebte von einer franzöſiſchen Penſion von 100,000
von jedod) wegen der Koſten wenig Gebraud gemadt | Frank und fdjrieb ein religids - philofophifdes Bud.
wurde. Rad) der Reichsgewerbeordnung ijt die An- das von Dugat aus dem Arabiſchen iiberjegt wurde
lage einer Ubdederei freigeqeben, aber an die polijei- unter Dem Titel »Rappel a l'intelligent, avis a l'in-
liche Menehmiqung qebunden. Yn vielen Landesteilen différent« (Bar. 1858). Seine Sohne nahmen teils
bejtehen befondere landespolizeiliche Berordnungen. cine franzöſiſche Penſion an, teils traten fie in den
Das Rinderpeſtgeſetz, das Reidsviehfeuchengejes und Dienjt der Türkei. Bgl. Bellemare, A., sa vie poli-
die Inſtruktion zu letzterm enthalten Bejtimmungen | tique et militaire (Bar. 1863); Churchill, LifeofA.
liber ben Tranoport der Tierfadaver und der zu toten- | (ond. 1867); Bidon, A. 1807— 1883 (Bar. 1899).
ben Tiere fowre fiber die Ausnutzung derjelben. Unf Wbd ef Latif, arab. Gelehrier, geb. 1160 in Bag:
Tiere, Die an Seuchen gefallen find und nad den ge- | dad, geſt. daſelbſt 9. Nov. 1231, ſchrieb zablreide
ſetlichen Ueſtimmungen auf befondere Art unfdad- Smriften theologifden, jurijtiiden, logifden und me-
lich befettiqt werden müſſen, bat der A. keinen Unfprud. | diziniſchen Inhalts, worunter ein Werk über Vig ten
Dagegen muß tm Bereich emes Ubdecereiprivilegiums zu eriwabnen, herausgegeben und überſetzt von White
alles Bieh, bey. Fleiſch, was vom menfdjlichen Ge- | (>Abdollatiphi historiae Aegypti compendiume,
mithy ausgeſchloſſen wird, dem A. iiberliefert werden, Oxf. 1800) und bearbeitet von de Sacy (» Relatioa
ſoſern nicht cine Entſchädigung vereinbart ijt. Dies de l'Egyptes, Bar. 1810).
Hbd el Malik — Abdruck.
Abd el Malik, fünfter Kalif der Omaijaden,
Sohn Merwans L, regierte 685 —705. A. war ein
bedeutender Herrider (jf. Ralifen).
Abdera, Stadt im alten Thrafien, öſtlich von der
Miindung des Nejtos an der Miijte, 541 v. Chr. von
Teos aus geqriindet, fam ſpäter unter die Herrſchaft
Philipps von Mafedonien, zuletzt unter die der Romer.
Ruinen auf dem heutigen Rap Buluftra. Ihre Cin-
wobner jtanden int Ruf der Cinfiltigfeit, fo daß der
Name WUbderit zum Spottnamen wurde, objdon
Miinner wie Demofritos, Protagoras und Anaxarchos
aus A. ftanumten. Bei uns ward der Name Abderas
popular befonders durch Wielands Roman » Gefdidte
Der Ubderitens, worin erin ergötzlicher Weiſe die Stadt |
alg den Typus aller Mleinjtadteret darjtellt. Daher
Wbderitismus; Sdhildbiirgertum, Meinjtadterei.
Mbd er Rahman, 1) ibn Abdallah, arab.
Feldherr in Spanien, drang 732 mit ungeheurer
Heeresmadt in Uquitanien ein, ging iiber die Garonne
und Dordogne, vernidtete das Heer des Herzog Eudo
von Uquitanien, ward aber von Karl Martell, Major—
bonus der Franfen, zwiſchen Tours und Poitiers
acihlegen und fiel im Kampf.
2) U. J., Sohn Muawijas und Enkel des Kalifen
Hiſcham aus dem Geſchlechte der Omaijaden, entging
beim Sturz diejer Dynajtie 750 (j. Ralifen) dem Mord⸗
jtahl ber Abbaſiden und entlam unter vielen Ge-
fahren nad) Spanien, wo er ſich rafd) Anhänger er-
warb, den ihm wibderjtrebenden Emir Juſuf und
deſſen Feldherrn Someil 756 bei Mofara bejiegte und
das Emirat von Cordoba begründete. Trogdem er bis
an fein LebenSende gefährliche Empirungen nieder-
juiverfen hatte, vernadlafjigte er nicht die Werke des
ricdens und begriindete die große Mofdee in Cor-
doba. Er jtarb 788. Er war ein hervorragend be-
abter und tapferer, wenn auch rückſichtsloſer und
Bintertijtiger Herrſcher.
3) A. IT. en Näßir (oder Helfer«), Nachkomme
des vorigen. Im Alter von 22 Jahren zur Regierung
gelommen (912), wußte er die Wiiegertriege zwiſchen
rabern, Berbern und Spaniern, die ſeit langer Zeit
Andaluſien verwüſteten, durch eine ebenſo feſte wie
verſöhnliche Politik zu beendigen, die Grenzen des
Reiches gegen die Leoneſen, Kaſtilier und Navarreſen
zu erweitern und den Einfluß Cordobas in Nord-
afrila zu vermehren. 929 nahm er den Kalifentitel
an. Den materiellen und geiſtigen Fortſchritt des
Landes förderte er auf jede Weiſe, ſo daß unter ihm
und ſeinen nächſten robes a das muslimifde
Spanien das ziviliſierteſte und bejtregierte Land der
Welt war. YW. ſtarb 961.
4) Sultan von Maroffo, geb. 28. Rov. 1778,
get im Auguſt 1859, folgte 1823 feinem Obeim
tulet Soliman. Wegen der Zahlung des Tributs
fiir den Schutz gegen Seeräuberei gerict er mit euro-
piifden Madten in Streit, zuerſt mit Ojterreid, das
ihn 1828 gum Verzicht auf den Tribut gwang. 1844
30g er mit 15,000 Mann Abd ef Nader (j. d.) gegen
igerien gu Hilfe. Uber feine Reiter wurden durd
Marjdhall Bugeaud am Ysly (14. Aug. 1844) jer:
jprengt, Tanger und Mogador durd den Prinzen
von Soinville beſchoſſen. ——* darauf unter eng⸗
liſcher Vermittelung mit Frankreich Friede geſchloſſen
ward, ſo dauerte doch die innere Unruhe fort, bis A.
1847 die Kabylen über die Grenze drängte. Sein
Nachfolger war ſein Sohn Sidi Mohammed.
5) Emirvon Afghaniſtan, Sohn Afſal Chang
und Enfel Dojt Mohammeds, geb. um 1830 (oder
erjt 1845), gejt. 3. Oft. 1901, fampfte unter ſeinem
21
| Vater und feinem Oheim Azim Chan mit Gili gegen
den — Emir, Afſals und Azims Bruder
Schir Ali, und eroberte 1866 Kabul, wo Afſal die
Herridaft tibernahm. Wis nad) des letztern Tode
(1867) Azim von Soir Ali 1868 vertricben wurde,
mute 1869 aud A. fliidten, von Sdir Wis Sohn
Jakub Chan gejdlagen. Rupland gewährte ihm cine
Penjion von 25,000 Rubel und wies ihm Samarfand
als one an. Als nad Sdir Wis Sturz und
Tod (1879) der von den Engliindern cingefeste 3 otub
Chan fic) unjuverlafjiq erwies, rief 22. Juli 1880
Lord Roberts ju Kabul W. gum Emir aus. Obwohl
Feind der Englinder, nahm er feit 1880 bedeutende
Jahreszahlungen (1,5, nad andern fogar 3,2 Mill. Me.)
aus ihren Händen an und acigte ſich injofern treu,
al8 er Rußlands Geliijten jtets Riegel vorſchob. Ejjub
Chan, den Sohn Schir Alis, der ſich gegen ihn zu er-
heben verjudte, ſchlug UW. 22. Sept. 1881 und hielt
ihn nieder, bis ſich Ejjub 1887 den Engländern ergab.
Auch Iſhak Chan, der von einer fleinen ruſſiſchen
Penjion gu Samarfand lebt, und deſſen Sohn Ismail
Chan hatten mit ihren 1888—90 gemadjten und im
Herbjt 1899 wiederholten Berfucen, ihren Bruder
und Obeim W. gu ſtürzen, feinen Erfolg. A. galt
in feinen letzten Jahren als cin Förderer der pan-
islamiſchen Bewegung und hat unter Mitarbeit des
gelebrten Radfdputen Sultan Mohammed Chan, der
als Hofmeijter 1895 Naſr Ullah nad) England be-
leitete, eine Selbjtbiographie verfaßt (perf. Original-
andjdrift im Britiſchen Muſeum; engl., Lond. 1900,
2 Bde.). Bei feinem Tode hinterlie® A. fiinf Sine:
Habib Ullah, der fofort die Reqierung antrat, Najr
Ullah, Fath Ullah, den zwölfjährigen Mohammed
Omar und einen dreijihrigen Knaben. Val. Whee-
fer, The ameer Abdur Rahman (Lond. 1895).
Abdẽeſt (perj.), Name der reliqidjen Wafdungen
der Muslims bei Tiirfen und Perſern (ſ. slam).
Mbdias, angeblich einer der 70 Jiinger Chrijti
und fingierter erjter Biſchof von Babylon.
Mbdifation (lat.), Ubdanfung (. d.); abdizie—
ren, abdanfen.
Wbdomen (lat.), Unterleib (ſ. Baud), der Hinter-
leib der Gliederfiiher (f. d.); abdominal, auf den
Unterleib bezüglich.
Abdominales (Baudfloffer), Unterordnung
der Knochenfiſche, ſ. Fiſche.
Abdominalplethora, übermäßige Füllung der
venöſen Gefäße Der Bauchhöhle, findet ſich bei Leber—
erkrankungen, die wie die Cirrhoſe zu einer Behinde—
rung des Pfortaderkreislaufes führen, ferner bei
jtarfer Fettleibigkeit, bei Erſchlaffung der Bauchdecken.
Gewöhnlich ſind Hämorrhoiden die Folge.
Abdominalporen, Offnungen, die bei Rund—
mäulern und Haifiſchen neben dent Wfter aus der
Leibeshihle direft nad außen führen.
| Abdominalfidwangerfdaft,
ſchwangerſchaft, ſ. Schwangerſchaft.
Wbdominaltyphus, ſ. Typhus.
wödruck cin Gebilde, das durch Drud hervor—
gebracht wird und cin Abbild des Driidenden oder ge-
drückten Körpers darſtellt, 3. B. die Erzeugniſſe der
Buchdruckerei, Kupferſtecherkunſt, des Naturſelbſt—
drucks (. d.) ꝛ⁊c., Abdrücke in Relief find vertieft oder
erhaben. Unmittelbare Abdrücke liefern ein verkehrtes
Bild und dienen meiſt nur als Matrizen, von denen
man durch abermaligen A. oder durch Abguß (ſ. d.)
“bie verlangte Form erhält. Bal. aud) Galvanoplaſtik.
Natiirlide Abdrücke von Pflanzen und Tieren
findet man in vielen gefdidteten Steinen; bei ihnen
Bauchhöhlen—
22
iit bie Subſtanz de organiſchen Körpers vollitindig
verſchwunden. Whdriide des innern Hobhlraums von
Schneckenſchalen, Muſcheln xc. nennt man Steins |
ferne (val. Betrefaften). — Am Beitungs- und Heit: |
ſchriftenweſen ift der A. eingelner Artikel, Das find!
ſelbſtändige Darlequngen, die an fich geeiqnet find, |
als Schriftwerfe cin Urbheberredt gu beqriinden, aus
Reitungen unter deutlicher Quellenangabe zwar zu⸗
varia, foweit die Urtifel nicht mit einem Vorbehalt
der Rechte verichen find und der Sinn nicht entitellt
wird. Dagegen tit der YW. von Uusarbeitungen wiffen-
ſchaftlichen, techniſchen oder unterhaltenden Inhalts
unzuläſſig, auc wenn ein Vorbehalt der Rechte fehlt.
Vermiſchte Nachrichten tatſächlichen Inhalts und
Tagesneuigkeiten dürfen aus Zeitungen und Zeit—
ſchriften ſtets abgedrudt werden (Arheberrechtsgeſetz
pom 19. Juni 1901, $18). Rein tatſächliche Mitteilun—
gen, bei denen aud) feine Selbjtindigfeit der Form
und Einkleidung voriiegt, find iiberbaupt nicht Gegen⸗
tand des Urheberredts (ſ. d.). Bal. aud) Berner
bereinfunft (f. d.), Art. 7, in Der Durd die Pariſer
Zuſatzakte (Art. 1, Ziff. IV) abgeänderten Faſſung.
Abdiicens (Nervus a.), äußerer —————
nerv, ſ. Auge.
Abduftoren (lat., Abziehmuskeln) dienen zur
Fortbewegung eines Gliedes von cinem andern ihm
nabelieqenden oder von der Achſe bes Körpers.
Abd ul Aſis (fiber die Bedeutung des Namens
f. Ubd), 1) der 82. Sultan der Osmanen, geb. 9. Febr.
1830, geil 4. Juni 1876, folgte feinem altern Bru-
Der Abd ul Medichid, der ihm gegen das oomanifde |
Hausgeſetz veridont hatte, 26. Juni 1861 auf dem |
Thron. Anfangs wollte er ſich mit Einer Frau
beqniigen, ſchien durch die Beſtätigung des Hatti
iderifs von Gülhane und des Hattihumajuns von
1856 m vorurteilslofe Bahnen einzulenken und fegte
feine Sivilltite von 75 auf 12 Mill. Piaſter herab.
Doch blieben alle Reformen oberfladlid. Was Heer
und Warine von den veridiedenen Anleihen übrig
liefen, Diente jur Verſchönerung der Hauptitadt, zu
Reifen und Jagdvergnügungen des Herrſchers. Ber-
ſchwendung und Sarcnteiticbat wirften bald ebenfo |
verderblich wie friiber. Dabei hatte feine Regie
rung fortwährend nut Schwierigfeiten yu fampten,
wie mit Dem Aufſtand Rretas 1867 — 69, dem Ber
langen Rumäniens und Serbiens nad villiqer Selb.
ſtändigleit, endlich mit dem mohammedaniſchen Fana-
tismus. Nachdem er die verſtändigen Miniſter Fuad
und Walt in den höchſten Staatsännern belaſſen und
1867 eine Reiſe nach Wejteuropa unternommen hatte,
ernannte er 1871 Mahmud Nedim Paſcha jum Groß
wefir, betrieb den Blan, anftatt feines Neffen Murad,
den die osmaniſche Ordnung beſtimmte, ſeinen Sobn
Juſſuf Izzedin zum Thronerben ernennen zu laſſen,
und ließ ſich deshalb in Verhandlungen über einen
Staatsitreich mit ruſſiſcher Hilfe cin. Wabrend er die
Hilfstrafte des Staates vergeudete und fic 1875 vom
ruſſiſchen Botichafter Aqnaticw ſogar verleiten lies,
den Staatebanfrott yu erklären, loderte er Den Ver—
band der Provinyen und ließ die ruffifchen Ugitationen
ewabren, Die 1875 yu Aufſtänden in Bosnien, der
der zegowina und Bulgarien führten. Endlich fam
es 11. Wat 1876 gu einem von den Softas in Kon—
ftantinopel geleiteten Mufitand gegen Mahmud Redim.
A. entließ Diefen, wurde aber in der Nacht vom 2d.
zum 30, Wat 1876 von Huffein Yoni, Midhat, Mehe
mid Rüſchdi, Sulaiman u.a. zur Abdankung gezwun
gen und 4. Juni um Balaft Tideragan ermorbdet. |
881 wurden die nod lebenden Paſchas Midhat, Nurt
ſchaffte Rußland bedeutende
Schwarzen Meer. Die Krim, fiir unabhängig erflart,
Abducens — Abd ul Hamid.
und Mahmud wegen der Ermordung Wi." jum Tode
verurteilt und in die Berbannung nad Taif in Yira-
bien geſchickt, wo fie alle drei, ſchwerlich eines natiir-
lichen Todes, 1884 ftarben. Val. Mitlingen (Os
man Geify Bei), La Turquie sous le régne dA,
1862 —1867 (Brüſſel 1868).
2) Sultan von Maroffo, geb. 1878, Lieblingsfobn
des Sultans Mulei Hafan, dem er 6. Juni 1864
unter großen Schwierigkeiten auf dem Throne folate.
Jn den Beziehungen ju den europäiſchen Mächten be-
reitete ihm feit 1900 namentlid Franfreihs Sudan-
politif fd were Sorgen, weil wegen des fiidafrifans-
iden Krieges auf Englands Hilfe nicht ju rechnen war.
Abd ul Hamid, 1) W. |, 27. Sultan der Osma⸗
nen, geb. 20. Mai 1725, geft. 7. Upril 1789, Sobm
Ahmeds IIT., folgte 21. Jan. 1774 ſeinem Bruder
Wuftafa IIT. zu emer Zeit, wo das binfalige Reich
in der größten Verwirrung war. Die Statthalter vom
Syrien, Agypten und Georgien waren faft unab-
bangig. und mit Rufland war die Pforte m emen
unqliidliden Krieg verwidelt. Der am 21. Yuli 1774
zu Kütſchüt Kainardſchi abgeſchloſſene Friede ver-
bietserweiterungen ant
wurde 1783 von Rußland genommen, und die Pforte
mußte dies 1784 beſtätigen. Auch mehrere Ba
empörten fic); doch wurde Scheid) Tahir 1775 m
Syrien getötet und die aufrithrerifdhen Wameluden:-
beis in Agypten 1786 voriibergehend gebandigt. Ge-
qen Das mit Oſterreich verbiindete Ruland erflarte
1787 A. der fein Heer durch franzöſiſche Offistere hatte
reorganifieren lajien, den Krieg; Diefer begann nit
den Wiederlagen der türliſchen Flotte auf der Hobe von
Minburn (7. und 17. Sunt 1788) und der Croberung
‘von Oticdafow durch Potemlin (17. Dez). 1784 foll
A. Die ihm vom Dei von — geichentte, vorber durch
Seerduber bei ihrer Hetmfehr aus Nantes qeraubte
Aimeée Dubuc de Rivery aus Martinique heimgeführt
haben (j. Mahmud IT.); fein Nachfolger war fein Neffe
Selim III. Val. Aßim Tarichi, A history of Abd
wl Hamed and Selim ILL. (Monjtantm. 1867, 2 Bde.).
2) A. II. der 34. türt. Sultan, sweiter Sohn Abd
ul Wedichids, geb. 22. Sept. 1842, ward 31. Aug.
1876, nachdem fein dilterer Bruder, Sultan Murad V.
als wahnſinnig abgefest worden war, auf den Thron
‘erhoben. Unfangs unter dem Einfluß der Reform
parte: Midhat Fafdas, gab UW. 23. Dey. 1876 Dem
osmanifden Reich eine fonjtitutionelle Berfaffung
nad dem Entwurfe vom 1. unt, lehnte aber die Ern-
miſchung der Großmächte in die tiirfiiden Verhält⸗
niffe ab. Nad Midhats Entlaffung (5. Febr. 1877)
verfiel A. in Den Febler feiner Vorgänger, die Regie:
rung nad Laune oder den Cingebungen mächtiger
Miinjtlinge, wie feines Schwagers Mahmud Dantad
Paſcha, yu leiten. Die Folgen waren wahrend des
Mrieges mit Rupland (1877 -—7%) öfterer Wechſel der
Feldherren und des Kriegsplans und willkürliches
Eingreifen des Balajtes in die Lrieqsoperationen, dav
nad forwährendes Schwanken in der Politif und
wiederholte Miniſterwechſel, wodurd weitere Ber:
lufte außer den tm Berliner Frieden der Türkei auf.
ertegten Ubtretungen verurfacdt, tm Annern die Fi
nanjnot und die Jerriittung ſehr geſteigert wurden.
Erjt 1881 beqann A., von dem Einfluß der Gitnit
linge befrett, mit Hilfe deutſcher Beamten die Reform
der Finanzen und nahm felbjt die Lertung der aus.
wartigen Bolitif in bie Hand, um ſeinen Einfluß ats
Kalif in Weftafien und Nordafrifa zu vergrößern.
Dabei erlitt er cigentlid) nur 1882 in Lignpten cine
Abd ul Kerim — Wbefen.
Niederlage. Val. Le Jeune, Comment on sanve
un empire. Le sultan A. et son wuvre (2. Aufl.,
Par. 1894); Frémont, A.et son régne (daj. 1895);
Hecquard, La Turquie sous A. I Grüſſel 1900);
Dorys, A. intime (Par. 1901; deutſch, Münch.
1902); B. Stern, A. IL. (Budapeft 1901).
Abd ul Kerim Paſcha, türk. General, geb. 1807,
qejt. im Februar 1885 auf Lesbos, madjte den Mili-
tirturfus in Wien unter dem ſpätern Feldzeugmeiſter
v. Hauslab durd, diente in Mefopotamien und r- |
menien, ward 1850 Muſchir, befebligte im Krimkrieg
die anatolifde Urmee, nahnt 1862 unter Omer Paſcha
amt Feldzuge gegen Vtontenegro teil, kommandierte
wabrend ded fretifden Aufſtandes 1867-—68 das
Objervationsforps in Thefjalien, war dann wieder-
holt bald Polizet-, bald KriegSminijter und madte
jid) mit Huſſein Avni Bafda um die Reorganifation
der Armee verdient, indem er cine reguläre Referve
und eine Landwehr ſchuf, die Armee neu und gleich—
mäßig bewaffnete, europäiſche Reglements bet den
Truppen einfiihrte und Kriegsſchulen gründete. 1876
imt Krieg mutt Gerbien ward er jum Serdar efrem
(Oberbefehlshaber) ernannt. Frith gealtert, liek er,
1877 mit dem Befehl iiber die Donauarmee betraut,
ruhig die Rufjen an verſchiedenen Stellen die Donau
überſchreiten und felbjt fiber den Balfan vordringen;
deShalb 23. Juli 1877 vom Rommando abberufen,
wurde er trog der ſchriftlich eingereichten Verteidigung
auf der Inſel Lemnos, ſpäter auf Rhodos fejtqehalten.
bdullah II., Chan von Bochara, f. Abdallah 3).
u.; Bei, Mineralog, ſ. Hammerſchmidt.
Mbdullahi el⸗Teiſchi e8-Saytd, Kalif, geb.
um 1830 in Dar Fur aus dem Stamm der Baggara,
wurde nad) dent Tode des > Wahdi« Mohammed Ah—
ited (22. Juni 1885) defjen Nachfolger, hatte imerjten
Jahrzehnt feiner Regierung viel mit Aufſtänden un-
botmiapiger Uraber, namentlich der vom erjten Mahdi
bevorgugten Dongolaner, ju lämpfen, ſchlug 9. März
1889 den abeſſiniſchen Kaiſer Johannes, hatte aber
mit feinem gleichzeitigen Ungriff auf Agypien leinen
Erfolg. Im Noveniber 1893 bei Agordat von den
Italienern gefdlagen, fand er fein Ende unter Lord
Ritdhener: nad feiner Niederlage bet Omdurman
2. Sept. 1898 ſammelte er gwar in Rordofan 1899
nodmals feine Anhänger und madte einen Vorſtoß
gegen Chartum, wurde aber 24. Nov. von der eng:
uͤſch ägyptiſchen Armee unter Oberſt Wingate bei Om
Debrifat ſüdlich von Dſchedid befiegt und getitet.
Abdullah Mani, in Lyon fiir Ubeffinien und
Marollo hergejtellter geſtreifter Seidenjtoff.
Mbd ul Latif, ſ. Wbd ct Latif.
Mb ul Medſchid, der 31. Sultan der O$manen,
geb. 19. Upril 1823, gejt. 25. Juni 1861, folgte
1. Juli 1839 feinem Bater Mahmud IL. auf dem
Thron. Bon der Gefahr, nad) der Auflöſung des
tiirtifdjen Heeres bei Niſib durch die Ägypter in Kon—
ſtantinopel ſelbſt angegriffen zu werden, wurde A.
durch das Einſchreiten der europäiſchen Mächte be—
freit. Durch den Hattiſcherif von Gülhane (2. Nov.
1839) ak ber von feiner Mutter, der Sultanin-
Walide, die bid zu ihrem Tode (2. Mai 1853) die Ge-
ſchäfte führte, und von Refdhid Paſcha geleitete A.
die Fortführung des vom Vater begonnenen Reform:
werfes an. WIS fic) A. in Krieg mit Ruiland (j. trim:
frieq) verwidelt ſah, erwirften feine europäiſchen
Ratgeber das zweite Staatsqrundgefes des türkiſchen
Reides, den am 21. Febr. verfiindeten Hattihumajun
vom 18. Febr. 1856, der die Uingeftaltung de3 Os—
manenftaates im abendliindifden Sinne vollenden
23
jollte. Häufige Aufſtände beunrubigten befonders
Bosnien und die Herjzeqowina. Scheinbar fah A.,
der fich feit feiner — in bas europäiſche Kon⸗
ert auf Dem Pariſer Kongreß (1856) »Seine Maje-
Hite und »Raifer- nennen lie} und von Zeit zu Beit
jeine Staaten hereiſte, ſeine Macht vermehrt. Mehe—
med Wi von Agypten war 1849, fein Sohn Ibra—
him fdon 1848 gejtorben; von ihren Nachfolgern
Abbas I. (gejt. 1854) und Said drobte teine Gefabr;
Tripolis und Tunis fiigten fid) äußerlich ebenfalls
der o8manifden Oberberrlidfeit ; der mam von Mas-
fat erfannte die Oberhoheit der Pforte an, und die
Araber von Wleppo bis Bagdad wurden unterworfen.
Uber diefe äußerlichen Erfolge mastierten nur dürf—
tig den fortidreitenden BVerfall, den dic Haremswirt-
ſchaft mit ihrer Verſchwendung und die Willens-
ſchwäche des gutmütigen Herrſchers verſchuldeten.
Abd ul men (Abu Mohammed), Grün—
der der mauriſch-ſpan. Dynaſtie der Almohaden, geb.
1101 in Nordweſtafrika, geſt. 15. Mai 1163, war
Schiiler des Berbers Abdallah ibn Tomrut, de3 Stif-
ters der muslimifden Sete Der Moahedun oder Al—
mobaden ju Tinmal an der Sahara. Von Abdallah
u feinem Stellvertreter ernannt, drang er 1125 bis
aroffo vor, ward aber von dem Almoraviden Wi
Abul Hakem geidlagen. Mit neuen Anhängern aus
Tinmal fiegte er bet Uqghmat iiber die Wlmoraviden
und ward nach UWbdallahs Tode 1130 gum Emir al
Mumenin erwahlt. Nad der Einnahme von Fes und
Maroklo bejtieg er 1149 den maroffanifden Thron.
Er breitete feine Herrſchaft über Tunis, Rairuan,
Nordafrifa bis Barka, Sevilla und Cordoba aus.
Abd ul Wahhab, ſ. Wahhabiten.
Abd ur Rahman, ſ. Abd er Rahman.
Abecedarius (neulat.), Abeſchütz, Anfänger im
Lefen; aud) Lehrer des UBC, d. h. nad) veralteter
Methode des erjten Lefens; friiher Spottname der
alles Wiſſen veradtenden Wiedertiufer.
Abecedicren, dic Budjtaben nach dem ABC her-
fagen; die Tonleiter fowie tiberhaupt Noten mit ihren
Benennungen ohne Tert fingen.
A'Veckett (vr. Abedet, Urthur William, engl.
Sehriftiteller, geb. 25. Olt. 1844 yu Hantmerfmith
bei London, verfakte humorijtifde Novellen und Dra-
men untergeordneten Ranges, von denen »About
Town« (1875) 150 Borjtellungen erlebte.
Abegg, Julius Friedrid Heinrich, Krimi-
nalijt, geb. 27. März 1796 zu Erlangen, geſt. 29. Mai
1868 in Breslau, war 1821—26 Profeſſor tm Königs⸗
berg, dann in Breslau. Hauptiwerfe: »Syjtem der
Kriminalrechtswiſſenſchaft« (Königsb. 3 »Lehr⸗
bud) des Kriminalprozeſſes« (Daj. 1833); »Lehrbuch
der Strafrechtswiſſenſchaft⸗ (Neuſt. a. O. 1836).
Abeken, 1) Bernhard Rudolf, Philolog, geb.
1. Dez. 1780 zu Osnabrück, geſt. daſelbſt 24. Febr.
1866, ſtudierte Theologie in Jena, ward 1808 Lehrer
der Söhne Schillers, 1810 Konreltor in Rudolſtadt,
1815 Konrektor und 1841 Rektor am Gymnaſium zu
Osnabrück. Er gab die Werke J. Möſers (ſ. d.) her⸗
aus und ſchrieb: » Cicero in ſeinen Briefen« (Hannov.
1835); » Goethe in den Jabren 1771 1775. (2. Aufl.,
Daj. 1865) u. a.
2) Heinrid, Neffe des vorigen, qeb. 19. Aug. 1809
zu Osnabriie, git. 8. Uug. 1872 in Berlin, jtudierte
1827 —31 in Berlin Theologie, ward 1834 preu-
ßiſcher Gefandtichaftsprediger tn Rom, 1841 in Lon-
don auf Befehl Friedrid) Wilhelms IV. zur Ausfüh—
rung des geplanten evangelifden Bistums in Jeruſa⸗
fem titig, begleitete 1842 Lepſius nad Ägypten und
24
VUthiopien und ward 1848 im preußiſchen Minijterium |
des Auswärtigen angeftellt, dem er feit 1853 als Ge: |
Heimer Legationsrat angebhorte. UW. wurde als Mit: |
lied des Auswärtigen Umts von Bismard mit Bor-
tebe mit der Abfaſſung diplomatiſcher Schriftſtücke
beauftragt, ftand aber aud bei König Wilhelm in
hohem Anſehen. Oft mute er den König auf feinen
Sommerreijen als BVertreter des Auswärtigen Amts
beqleiten und war als folder aud im Qult 1870 zu
Ems tatig. Im Hauptquartier des Königs, dem er
wahrend des Rrieges 1870/71 folgte, fam feine ver-
mittelnde Natur mehrfach zur Geltung. Bon ibm
jtammt die anonyme Schrift gegen die Grajin Habn-
Hahn: »>Babylon und Jeruſalem« (Berl. 1851). Eme
Biographie von W., die durch die Briefe aus dem
Hauptquartier 1870/71 wertvoll ijt, gab jeine Witwe,
Hedwig W., geborne v. Ol fers, heraus (»Heinridh
A. ein ſchlichtes Leben in bewegter Seit<, Berl. 1898).
3) Chrijtian Wilhelm Ludwig von, fadi.
Juſtizminiſter, Neffe von A. 1), geb. 26. Nov. 1826.
zu Dresden, gc dafelbjt 18. Oft. 1890, ſtudierte
1845—48 in Leipzig und Heidelberg die Rechte, ward
1856 Staatsanwalt in Borna, 1858 Bezirfs-, 1863
Uppellationsgeridhtsrat in Dresden, 1866 Rat tm
Juſtizminiſterinm, 1871 Juſtizminiſter und Mitglied
des Bundesrats, 1878 geadelt.
Abel (Hebel, d. b. — Hinfälligkeit; bedeutet
urſprünglich ⸗Sohn« nad dem im Aſſyriſchen erhal⸗
tenen »habal·), der zweite Sohn Adams und Evas,
ber bon ſeinem ältern Bruder, Kain, aus Reid erſchla⸗
gen wurde (1. Mof. 4, 16). Die bibliſche Erzählung
it Durd) die Dichtung der Rabbinen, driftlider Er—
zähler und des Korans vielfach, zum Teil poetiſch, aus
geſchmückt worden. Den Ort der Ermordung Ubels |
jeigt man nod) jest 120 km von Damasfus und nidt
weit davon fein Grab. Die dhriitlichen Gnojtifer |
madten aus UW. einen vermenfdlidten «aon, Ebel
ober Siva, d. 6. glänzender Daud.
Abel, 1) Karl Friedrid, der legte Gamben- |
virtuos, qeb. 1725, geft. 20. Juni 1787 in London,
war 1748 —58 Mitglied der Hoffapelle in Dresden,
feit 1759 in London, wo er mit Job. Chrijtian Bad
bis gu deſſen Tode (1782) Ubonnementfonzerte (die
Bad) WUbel-Monjerte) leitete. A. war felbjt em ange: |
fehener Komponiſt (36 Ouvertiiren Symphonien),
18 Streicbquartette u. a.).
2) Jafob Friedrich von, philofoph. Schrift-
fieller, geb. 9. Wai 1751 zu Vaihingen an der Enz
in Wirttemberg, geſt. 7. Juli 1829 in Schorndorf.
Seit Dem 21. Jahr Profeffor der Philoſophie an der
smilitariichen Bilan sidhule< auf der Solitiide (fpatern
PHohen Rarlsidule« in Stuttgart), wo er Schillers
Lehrer war, wurde er 1790 Profeſſor der praftifden
Philoſophie an der Univerſität Tiibingen, 1793 Päd—
agogiard der wiirttembergifden Gymnaſien u. Schu⸗
len, 1825 Generalfuperintendent in Urach, ſpäter in
Stuttgart. Seine friihern, eflettijd qebaltenen Schrif-
ten bezogen fid) auf Pſychologie, Metapbyiit Moral,
bie fpdtern find mebr reliqionsphilofopbhifden In—
halts: » Pbhilofophifde Unterſuchungen iiber die lesten
Grunde bes Glaubens an Gott« (2. Aufl., Stuttg.
1M20); »*Mustlibrliche Darjtellung des Grundes unfers
Mlaubens an Unſterblichkeit« (Frankf. a. M. 1826). Bal.
Ubders, Jafob Fricdr. U. als Boilofoph (Berl. 1893).
4%) Marl von, bayr. Staatsmann, geb. 17. Sept. |
1754 ju Weglar, geſt. 3. Sept. 1859 m München,
trat 1410 in den bayriſchen Staatsdienft, wurde 1819
Regierungsrat in München, 1827 Rat im Minijterium |
bes Innern und ging 1832 als Reqentichaftsrat nad |
freiſinni
Geſandter zu Turin und 1850 in
ſetzt. Auf
in Die Zweite Kammer gewählt. Bgl. ⸗·A. und Waller-
ſtein· (Stuttg. 1840).
Abel (bibl) — Abel (Zuname).
Griedhenland. 1834 trat er wieder in das bayriſche
Miniſterium des — em, deſſen Berwaltung ihm
1837 erit proviſoriſch. dann endgülti en
wurde. 1840 ibernabm er aud — ber Oi ,
nan Wis Mimiter verleuqnete er feime friibern
Anſichten und ĩichloß ſich tmmer enger
an die olutijten und Ultramontanen an.
Erlaß, der die Kniebeugung berm fatholiidhen Gottes-
dienſt aud) fiir die proteitantiiden Soldaten anord-
nete, madte den Unfang einer Reibe von Mafregeln,
welche die Rechte der evangeliicen Rirche und die re-
ligtdie Gleichitellung verletzten. Er war etfrig bemüht.
die Bundeshefdliifie vom 28. Juni 1832 gegeniiber
Den mit Uberetlung gegebenen ſüddeutſchen Ber.
jaffungen« jtreng durdjufiibren und das Steuer-
bewilligungsredht des Landtags fait wirfungslos zu
madden. Seine Berwaltung nef endlich nidt nur m
der Rammer, fondern aud im Reichsrate lebhafte
Oppofition bervor. König Ludwig zweigte 1846 em
befonderes Rultusminiiterium von ſeinem Rejjort ab,
und als A. feine Zuſtimmung jur Indigenatserteilung
an die Tanjerin Lola Monte; (j.d.) verweigerte, erhielt
ev 17. Febr. 1847 feme Entlajjung, wurde bayriſcher
Ruheſtand ver:
ieb Der Ultramontanen wurde er 1845
4) Niels Henrif, Mathematifer, geb.5. Aug. 1802
im Kirchſpiel Findd im norwegiſchen Stift Chrijtian-
jand, geit. 6. Upril 1829 auf dem Cifenwert Froland
bet Urendal; bezog 1821 die Univerſität Chrijtiania,
bielt fic) 1825—27 tm Ausland, beionders in Berlin
und Karis, auf, wurde nad jeer Rückkehr Dozent
an der Univerfitat und Ingenieurſchule m Chrijnania
und 1828 Bertreter Hanjteens. YW. leijtete ſehr viel
fiir Die Theorie der algebraiſchen Gleidungen, er
ſchuf, unabbingiq von &. G. J. Jacobi und nod
etwas frither als Ddiefer, die Theorie der elliptijden
Funktionen und begriindete die allgemeine Theorie
der Integrale algebraticher Funttionen, beionders
durch fein beriihmtes »VUbeliches Theorem<. Seine
qefammelten Werke find in franzöſiſcher Sprache zuerſt
1839 erſchienen (2 Bde.) und auf Staatstoften voll-
jtindiger von Sylow und Lie herausgegeben (Chriſt.
1881, 2 Bde.). Bgl. Bjerfnes, N. H. A., sa vie
et son action scientifique (Bordeaur u. Par. 1885).
5) Otto, Gefdhichtidreiber, geb. 22. Jan. 1824 m
Slojter « Reichenbad auf dem wiirttembergtiden
Schwarzwald, geft. 28. Of. 1854 in Leonberg, wid-
mete Dahlmann feine Erjtlingsidrift: »Mafedonien
vor König Philipp« (Leip; 1847), tm der er den
helleniiden Urjprung der Wafedonier nadwies. Der
nationalen Bewegung des Jahres 1848 entfprang
feine Schrift: »Das neue Deutiche Reid und fein
| Raifer« (Berl. 1848), und feine Enttäuſchung über
das Berhalten Friedrich Wilbelms IV. fpiegelt fic in
jeiner pojthumen Schrift »Theodat, König der Ojt-
qoten« (Stuttg. 1855) mit ihren Unjpielungen auf
die Gegenwart wider. Nachdem er den preukiiden
diplomatijden Dienjt, in den ihn der Miniſter Hein-
rid v. Arnim gesoaen. 1850 verlajjen hatte, lebte A.
in Berlin als Mitarbeiter an Den » Monumenta Ger-
maniae historicae. 1851 habilttierte er jid fiir Ge-
ſchichte in Bonn. Bon einer von ihm beabjichtigten
großen Geſchichte Kaiſer Friedrichs IL. erfdienen nur
Die einleitende Monographie »König Philipp der
Hobhenitaufe« (Berl. 1852) und das pojthume Frag⸗
ment ⸗Kaiſer Otto IV. und sets sae IL.« (brsg.
von Wegele, daf. 1856). Außerdem ſchrieb er: » Die
Abélard — Abendmabl.
deutſchen Perjonennamen«e (Berl. 1853, 2. Aufl.
1889); »Die deutiden Kaiſerdynaſtien und ihre Be-
jtrebungen fiir Die Einheit und Erblichkeit des Reichs «
(in »>Germania«, Bd. 1, Leipz. 1851) und »Die Le-
gende vom heil. Nepomufe (Berl. 1855).
6)Sir Frederid Uugujtus, Chemifer, geb.1827
in London, wurde Chemifer des englifden Rriegs-
departementS und verbefjerte das von dem Oſterrei—
cher v. Lent angegebene Verfahren der Fabrifation
der Schießbaumwoͤlle. Wud lieferte er Studien über
Wefen und Verlauf der Explofionen und bradte die
Sprenggelatine in cine handlidere Form. 1883 war
er engliſcher Regierungsfommijjar bei der eleftrifden
Uusjtellung in Wien, und bei feiner Heimfehr wurde
er geadelt. Seit vielen Jahren ijt A. allgemeiner
chemifder Ratgeber der Regierung, Beiſitzer der Ar—
tilleriefommijfion, Mitglied des Royal Engineers
Committee und feit 1889 Brijident des Committee
on Explosives. Er fdrieb: »Gun-cotton« (1866);
»On recent investigations and applications of ex-
plosive agents« (1871); » Researches on explosives«
(1875); »The modern history of gun-powder«
(1877); »Electricity as applied to explosive pur-
poses« (1884). Wit Bloram fdrieb er em Handbud
der Chemie (1858 u. öfter).
7) Sigurd, Hijtorifer, Vetter von U. 4), ged.
4. Juni 1837 in Leonberg, geſt. dafelbjt 9. San. 1873,
ſchloß fid) Der Waigichen Schule an, habilitierte ſich
1861 in Gottingen, ward 1868 auferordentlider
Profeffor in Giegen, erfranfte aber ſchon 1869. Er
fchrieb: »Der Untergang des Langobardenreidhs in
Ntalien« (Götting. 1859) und ⸗Jahrbücher des frän⸗
fifchen Reiches unter Karl d. Gr.« (Leip;. 1866, Bd. 1,
768 —788; 2. Aufl. von B. Simfon, 1888).
Mbelard, j. Abälard.
Abélia R. Br., Gattung (oder Gruppe der Gat-
tung Linnaea Gronov.) der Kaprifoliazeen, niedrige
Straucher mit nicht abfallenden, gangen Blittern und
trichterförmig⸗ röhrigen Bliiten, an 1-—3bliitigen,
meiſt adfelitandigen Blütenſtielen. 8 Arten in Aſien,
3 in Merifo, werden z. T. im Kalthaus kultiviert.
Ubelin, Johann Philipp, Geſchichtſchreiber
aus Strapburg, wo er zwiſchen 1634 und 1637 ſtarb;
fchrieb unter den Namen Ubeleus, PHilipp Ur-
fanibdus und Johann Ludwig Gottfried oder
Wothofredus dronifartige Zeitgeſchichten. Wm
befanntejten ijt das von ifm begritndete »Theatrum
europaeume (j. d.), ein Gejdictstalender in Folio,
deſſen zwei erjte Bande A. verfakte. Wie feine andern
Werke tt es mit trefflichen Nupferjtiden von Mi. Me—
rian geſchmückt. Bgl. G. Droyfen, Arlanibaens,
Godofredus, Abelinus (Berl. 1864).
Abeliten, die Mitglieder des Abelsordens (j. d.).
Abelmoschus Medik., Gattung der Malvazeen,
meijt einjabrige, hobe, oft beſtachelte Grauter mit gan-
ah oder qelappten VBlattern, eingeln achſelſtändigen
liiten, ſehr verldngerter, zugeſpitzter Kapſel und
fablen Gamen. 10—12 Urten tn warmern Landern
der Alten und Neuen Welt. A. esculentus Mey.
(Rofenpappel), mit qelben Bliiten, in Ojtindien (?)
heimiſch wird in allen Tropenländern kultiviert. Die
greene Rapfeln (O dro, Ofra, Gombo, Gumbo,
ombro) werden unreif als Gemüſe gegeſſen, auch
mediziniſch wie Althaea benutzt; unentiwidelt macht
man fie wie Kapern cin. Der Stengel liefert jute-
artige Bajtfafer (Bandakai fibre), wird auc) in Nord-
amerifa zur ‘Rapierfabrifation benugt. A. moschatus
Med. (Bijamitraud), 2—2,5 m hod, mit grofen,
gelben, int Grunde dunfelroten Blumen, in Ojtindien
25
heimiſch, wird in allen Tropentindern fultiviert. Die
nierenformigen, fdwarzbraunen Gamen mit erha-
benen, braunen Rippen bilden die Ubelmofdus-
forner (Biſamkörner), die in der Parfiimerie,
als Perlen, in Wejtindien aud gegen Schlangenbiß
we werden. Der Stengel liefert Bajtfafer.
Abelſche Funftionen, ſ. Funttionen.
Abelſche Gleidungen, ſ. Gleichung.
Abelſcher Apparat, ſ. Erdöl.
Abelſches Theorem, ſ. Funlktionen.
Abelsorden, cine 1745 zu Greifswald geſtiftete,
aber bald wieder eingegangene Geſellſchaft, deren Mit—
— (Abeliten) in Redlidfert und Aufrichtigkeit
bel, Dem Sohn Adams, nachzueifern ſich verpflid-
teten. Bgl. »Der Ubelit« (Leip;. 1746).
Wbenafi(Ubnati, von Wapanachki,⸗Männer
des Djtens«), allgemeine Bezeichnung fiir die Mitmaf,
Etſchemin und andre Wigonfinfjtimme in Neufund:
land, Reufdottiand, Neubraunjdweig und Reueng-
land. Bal. Vetromile, The Abnakis and their
history (Mew Y)orf 1866).
Wbenberg, Stadt im bayr. Regbez. Mittelfranfen,
Bezirksamt Schwabach, hat eine evangelijde und eine
fath. Kirche, ein alte3 Schloß, Spigenfloppele: in Gold-
und Gilberdraht und (1900) 1400 Einw. Dabei das
ebemalige Uuguitinerflojter Marienburg.
UWbencerragen, edle3 arab. Geſchlecht in Granada,
das nad Ibn Serradſch, dem Vertrauten des Königs
Mohammed VII. von Granada (1392 —1407), den
Namen WU. erbhielt. Die W. waren mit dem Gefdlechte
der Zegris in Zwiſt geraten und jtanden auch dem
König Ubul Haſſan (gegen 1480) in geheimer Feind-
ſchaft gegenüber. Als nun lepterer von der Liebſchaft
zwiſchen einem der UW. und feiner Schweſter Zoraid:
erfahren hatte, lief er die A. in Die Alhanibra locen
undermorden. Rod heute ay cin Teil der Alhambra
(f. d.) »Saal der A.«. Dieſe (hiſtoriſch nicht bezeugte)
Begebenbheit liegt Chateaubriands Erzablung: 5
aventures du dernier des Abencérages« 3u Grunde,
wonad Jouy das Tertbud) ju Cherubinis Oper
»Die A.« bearbeitete.
Abend (Wejten, lat. Occidens, daher aud Olzi-
dent), die Himmelsgegend, in der die Sonne unter:
geht; aud) die Zeit des Gonnenuntergangs.
bendberg, Berg im ſchweizer. anton Bern,
fiiddjtlid) von Interlaken, 1257 m hod; darauf eine
Molfen- und Luftfuranjtalt (1139 m).
Abendbsrfe, Verjammlung von Birfenjpetulan-
ten außerhalb der durd die Börſenordnung feſtgeſetz⸗
ten Stunden, j. Borie.
Abenddammerung, ſ. Dammerung.
Abendfalter, Abendſchwärmer, |. Schmetter⸗
Wbendland, |. Ofsident. [linge.
UAbendlandifche Mirdhe, dic rdmijd-fath. 8
Abendländiſches Kaifertum, das Weſtrömiſche
Abendlichtnelke, ſ. Melandrium. Reich.
Abendmahl (Nachtmahl, Sakrament des
Altars, Euchariſtie), die allen chriſtlichen Kirchen
und Konfeſſionen, mit Ausnahme weniger Selten,
gemeinſame, aber in Form und Auffaſſung ſehr ver—
ſchiedene, mit dem Genuß von Brot und Wein ver—
bundene Feier des Todes Chrijti und der Wirkungen
deSfelben fiir die Gemeinde. Nach dem erjten Rorin-
therbrief und den fynoptijden Cvangelien cine Stif-
tung Jeſu, der eS bei dem lester Wahl mit feinen
Jüngern (dem Paſſahmahſ) in der Nacht vor feinem
Tod eingeſetzt haben foll, war das A. urſprünglich
eine Gedadjtnisfeier Jeſu und feines Todes. Die
Symbolik der Handlung ſchließt reiche und tiefe Be—
26
ziehungen auf die religidfe Bedeutung diefes Todes
tit fic), wahrend fie an fich cinem rituellen Gebraud
bei Der Paſſahmahlzeit der Yuden entipridt, nämlich
Der dem Hausvater —— Austeilung des von
ihm zuvor gebrochenen Brotes und des Bechers mit
Wein unter beſtimmten Gebeten und Lobpreiſungen.
Feierte das Volf Israel im Paſſah ſeine Befreiung
aus der ägyptiſchen Knechtſchaft, ſeine Erwählung
zum Bundesvolf, fo gibt ſich das A. einerſeits als
cine die Stiftung eines neuen Bundes inaugurierende
Feier, Durd) weldje Der Tod des Stifters als die ge—
ſchichtliche und fortwirfende Urjade eines neuen Ber:
hältniſſes Der Gemeinde gu Gott erſcheint, anderfeits
als Feier der Gemeinſchaft diefer Jiinger untereinan-
der, als ſpezifiſch chriſtliches Liebesmahl (Rommunion).
Wenn trog dieſes iiberall feſtgehaltenen Grundgedan—
fens die Lehre vom W. im Mittelalter und im Refor-
mationszeitalter der Gegenjtand der erbittertiten Lehr-
jtreitiqfeiten geworden iit, fo erklärt fic) dies daraus,
daß es fich in den verſchiedenen Lehraebieten um ein
licfgreifendes Unseinandergehen der Auffaſſungen des
religidjen Gutes felbjt und fener Vermittelung handelt.
Syn Der erjten Gemeinde wurde dieſe Gedadtnisfeier
nuit Den Agapen (ſ. d.) verbunden. Bald genug wurde
das A. aus dieſem Verband und überhaupt aus dem
Rahmen des jüdiſchen Bildes gelöſt und dafiir in Be-
jiehung ju Anſchauungen und Bräuchen gefept, die
den heidniſchen Myſterienkulten angehirten, es er-
ſcheint daher in den älteſten Rirdenordnungen als
eine efoterijdje Feier, von der alle Ungetauften und
unter Kirchenzucht Stehenden ausgefdlojjen blieben
(fj. Saframent). Desgleidjen wurde nad Unalogie
jüdiſcher und heidnifder Opfermahlzeiten der Opfer-
beqriff auf das YW. angewendet und Ps tdhes beqriindet
utit Dem Opfertode Chrijti. Dies geſchah zuerſt aller-
Abendmahl (dogmatijd, kunſtgeſchichtlich).
und geſtaltete die Kommunion trotz Beibehaltung
einiger an die Meſſe erinnernder liturgiſcher Stücke
u einer Gemeinſchaftsfeier um; überali, wo der re—
at Typus gum unverfiimmerten Uusdrud ge-
langte, nahmen aud) die Teilhaber an der Feier die
Elemente felbjt in die Hand. Dagegen charakteriſiert
ſich Luthers U., das er al cin wefentlidjes Glied cines
vollftdndigen Gottesdienſtes betradhtete, als geheim-
nisvolle Uusteilung tiberirdijder Gnadengiiter {dor
dadurch, daß der Geiſtliche Die Elemente jedem ein—
elnen gum Witar hingutretenden Gajt unter jteter
ieberholuing einer die Gegenwart des wahrhaftigen
Leibes Chrijtt bezeugenden Spendeformel darreidt.
Sdon von feiner mönchiſchen Vergangenheit her haf⸗
tete in ifm das Bediirfnis nad einem mündlichen
Genuß des wahren Leibes und Blutes Chrijti, welche
himmliſchen Dinge der Ronfordienformel gemäß fraft
der Cinfepungsworte in, mit und unter den Elemen—⸗
ten gum Genuß vorhanden find und Gottlofen wie
Frommen gefpendet werden. Calvin nahm eine Mittel-
jtellung ein, indem er Chrifti verflirte Leiblidhfeit vom
Himmel herab in geheimnisvoller Weije auf die gläu—
bigen Ubendmah{sgenoffen einwirlen und von ihnen
geiſtlich genofjen werden lief (ſ. Ubiquitit). Wahrend
jeit Den Beiten der Aufllärung felbjt fupernaturali«
ſtiſche Lutheraner mehr in der Weife Calving lehrten,
hat der Rationalismus die Betradtungsiweije Zwing-
li8 wieder aufgenonunen, und wo die Union (jf. d.)
und mit ihr Sibenbmablsgemeinidiatt zwiſchen ge—
bornen Lutheranern und Reformierten eingeführt
ward, da ging man von den Grundſätzen aus, daß
cinmal die tm A. ftatthabende Vereinigung mit Chri-
ſtus und die Aneignung der in ihr befdlofjenen Herls-
iiter eine Tatfade feten, die von den beftehenden
nterfdieden der Vorjtellung tiber den Hergang da-
dings in durdaus ſchwanlkender, meijt alleqorijieren: | bei nicht beriihrt werde, und daß zweitens cine Haupt:
der Weife. Urſprünglich bezeichnete das
(oblatio) fogar bloß die Darreichung der Bedürfniſſe
der Feier, dD. h. der Elemente (Brot und Wein), durch
die Gemeinde; fofort aber wurden diefe Elemente vom
Biſchof durd) ein Dankgebet abermals dargebradt
oder geweiht, und fo hich denn bald das ganze A.
ebenfo Danfgebet (eucharistia) wie Opfer (thysia,
sacrificium). Schon im 3. Jahrh. beseichnete man |
als diejes Opfer ſpeziell den eucharijtifden, d. h. im
A. gegenwärtig gedadten wahrhaftiqen Leib Chrijti.
Je höher in der Folge die Voritellungen von dem
Gewidt und Erfolg des priefterliden Sandeins im
Kultus ftieqen, deſto unwillfiirlider und unvermeid-
licher fegten fic) die mehr oder weniger fymbolifden
Anſchauungen um in den Glauber an ——
ort Opfer bedeutung der Feier in ihrem ſozialen Charatter be—
ruhe. Bal. D. Schulz, Die Lehre vom A. (2. Aufl.,
Leip. 1831); Ebrard (reformicrt), Das Dogma
vom A. und ſeine Geſchichte (Franff. 1845); Rahnis
luther.), Die Lehre vom A. (Leipz. 1851); Riidert,
8 U. (Daj. 1856); H. Schultz, Sur Lehre vom Heil.
U. (Gotha 1886); Grafe, Die neuejten Forjdungen
liber die urchrijtlide Ubendmahlsfeier (Freib. 1895).
Wegen ſeiner grofen gejdidtliden und rituellen
Bedeutung ijt das A. * einer der wichtigſten Dar-
ſtellungsgegenſtände der driftlidjen Run jt geworden.
Erjt rethte man feine Darjtellung in die Zyklen der
Heils⸗ und Paſſionsgeſchichte ein; nachdem das Safra-
ment in der höchſten Steigerung des kirchlichen Be—
griffs anerfannt war, begann man es in grofartiger
aber reale Wirfungen, die von dem eudjarijtifden Leib | Selbſtändigleit auszuführen, indem man von zwei
und Blut ausgehen. Die Ubendmabhlsitreitigteiten des | ganz verfdyiedenen Womenten ausging, entweder vor
Wittelalters, die im 9. (gegen Ratrammus) und im | der Einfegung des Saframents (fo Signorelli im
11. Jahrh. (gegen Berengar von Tours) fpielten, | Chor de3 Doms gu Orvieto, wo aber der iiblide Tif
fiifrten 1215 zur Broflamierung des Dogmas von | entfernt ijt und Chrijtus durch die prächtig bewegte
der Verwandlung der Clemente (Brot und Wein) in | Gruppe der Jünger ſchreitet) oder von dem Augen—
Leib und Blut Chrijti (Transfubjtantiation). Geid- | blid, wo Chrijtus die Gewißheit des Berrats aud-
jeitiq trat die faframentlicde Bedeutung des Ubend- | fpridt. Letzterer Moment fonnte wieder nad den
mabls hinter der fafrifiziellen, d. h. die Rontmunion | Worten der Schrift teils fo gefaßt werden, daß ſich
hinter der Meſſe (ſ. d.), guriid. Die Laien fommuni: | durd gleichzeitiges Ergreifen des cingutaudenden
ierten meiſt nur nod) zu Ojtern, und in den fpatern | Biffens der Verräter fenntlid) machte (fo Undrea del
DN ctrguwherion des Weittelalters wurde ihnen aud) | Sarto im Kloſter San Salvi), teils in der Weife, dah
der Meld) entzogen. Diefen forderten die Huffiten und | das Wort Chrijti allein die geijtige und phyſiſche Be-
die Reformatoren mit Erfolg zurüch, und die legtern | wequng hervorruft (ſ. Leonardo da Vinci). Hierbei
verwarfen aud die Trangfubjtantiation, ohne es in- | luden Bie reidjen pſychologiſchen Motive (beſonders
deſſen zur Übereinſtimmung in den poſitiven An- | der Charakter des Judas Iſchariot) zu individualifie-
ſchauungen ju bringen. Nur Zwingli ging bewußt | render Behandlung ein. Als Bahnbrecher erſcheinen
und fonfequent bis ju dem Gedächtnismahl zurück | nach den mancherlei Verſuchen des Mittelalters Duccio
Abendmabhlsprobe — Aber: ...
di Buoninfeqna mit feinem Bild im Dom zu Siena
und Giotto mit feinem Fresfo in der Rirde der Ma—
donna dell’ Arena ju Padua, beide zu Anfang des
14. Jahrh.; fie folgen in ihrer ſchon ziemlich beweg-
ten Darjtellung dem bibliſchen Beridte. Dagegen hat
Fra Ungelico da Fiefole (im 15. Jahrh.) in dem gro—
fren Bilde des Kloſters San Marco zu Florenz das A.
einfach als cine firdliche Rommunion aufgefakt, an
der er auch die Jungfrau Maria teilnehmen läßt.
Eine Sieblingédaritellung
feftorien Der Klöſter, und fiir Diefen Swed hat Leo-
nardo da Binci das iiberhaupt bedeutendite Bild des
Abendmahls, deſſen Motiv die Ankündigung des Ver-
rats ijt, qegen Ende des 15. Jahrh. in Dem Domini-
fanerflojter der Maria delle Grazie gu Wailand ge-
malt. Unter den Deutfden haben Diirer, Cranah
der ältere, Holbein der jiingere, in neuerer Seit Over—
bed, Schnorr, Cornelius (Glaubensſchild Friedrid
Wilhelms IV.), Heinr. Hef, Wad, Pfannſchmidt, E.
v. Gebhardt, F. v. Uhde, E. Zimmermann u. a., in
Frankreich Dagnan-Bouveret hervorragende Dar-
itellungen des Äbendmahls geſchaffen. Rubens mate |
das U. fiir die Romualdstirde in Mechel (jest in
der Brera gu Mailand) und Nicolas Pouffin in feiner
Darjtellung der fieben Saframente. Bal. Riegel,
Uber die Darjtellung des Ubendmahls, befonders in der
tostanifden Kunſt (Hannov. 1869); Dobbert, Die
Darjtellung des Abendmahls durch die byzantiniſche
Kunſt (Leip;. 1872); Derielbe, Das A. Chrijti in der
bildenden Kunſt bis gegen Schluß de8 14. Jabrhun-
derts (> Repertorium fiir Kunſtwiſfenſchaft «, Bd. 13 ff).
Abendmahleprobe, j. Ordalien.
Abendpfanenauge, ſ. Pfauenauge.
Abendpunkt (Weſtpunkt), der Wutt, in dem
der Himmelsäquator die Weſtſeite des Horizonts
ſchneidet, und in dem zur Zeit der Nachtgleichen die
Sonne untergeht.
Abendröte (Abendroh, cin nach dem Unter—
gang der Sonne über den Abendhimmel verbreiteter,
verſchieden getönter roter Schein. Er tritt beſonders
prachtvoll auf, wenn bei tiefblauem Himmel einige
Wolfen im W. ſtehen. Gehören dieſe zu den geichic
teten Federwolfen, fo erſcheinen fie meijt vor Sonnen-
untergang als bellqraue Streifen mit ellen Rändern,
die fpater goldgelb und darauf feuerrot werden, wah-
rend die Wolfen tm Innern duntelblau oder, wenn
fie die rote Erleuchtung der Rückſeite durchſcheinen
lafjen, purpurrot poses Sg Je nad der tiefern oder
hohern Lage diefer Wolfen gewahrt man verſchiedene
Färbung; einige erſcheinen bereits dunkel feuerrot,
während andre, ſcheinbar Danebenjtehende, nod) gelb
find. Diefelbe Erſcheinung beobachtet man aud als
Morgenrbte; wenn fic die Sonne itber den Hori-
zont hebt, wird die rötliche Färbung immer ſchwächer,
bis fie ſchließlich in die weiße Farbe übergeht. Wenn
bei ſchön blauem Himmel ſich die A. als ſanftes Pur—
purn zeigt und wenige Federwollen am Horizont rot
gefärbt erſcheinen, pflegt ſchönes Wetter zu folgen;
cine weißlichgelbe oder ſehr rote trübe A. bet größten—
teils bededtem Himmel wird ebenſo wie cin ſtarkes
Morgenrot bei bedecktem Himmel als Vorbote von
Regen angeſehen. Val. Dämmerung.
bendroth, Amandus Auguſtus, Bürger—
meiſter bon Hamburg, geb. 16. Oft. 1767, geſt. da—
felbjt 17. Dex. 1842, 1800 Senator, verwaltete 1806
bis 1810 wahrend der franzöſiſchen Invaſion das Amt
Rigebiittel und wurde 1810 Maire von Hamburg.
1814 — 21 verwaltete er wieder da8 Amt Rigebiittel,
liber das er »Rigebiittel und das Seebad Rurhaven«
2
ward bas U. fiir die Re: |
27
(1818. -37, 2 Bde.) ſchrieb, wurde 1825 Polizeiherr,
1831 Biirgermeijter von Hamburg. — Sein älteſter
Sohn, Uuguft, qeb.1798, geſt. 19. dirs 1869, machte
fid) als Mitglied des Ausſchuſſes für den Neuban
Hamburgs nad) dem Brande durch großartige Siel-
bauten und Cinridtung von Waſſerleitungen verdient.
Abendſchulen Schulen, worin junge, tagüber
beſchäftigte Leute abends Nachhilfe zur Fortbildung
erhalten. Als alleinige unterrichtliche Verſorgung
ſolcher Kinder, die den Tag über in Fabriken ar
beiten, iſt die Abendſchule durch die deutſche Reichs
gewerbeordnung vom 17. Juli 1878 (5 135, Abſatz 2)
ausgeidlofjen. Dagegen tritt die Fortbildungs-
fdhule (7. d.) leider noch vielfach als Abendſchule (oder
Sonntagéfdule) auf. Nur in eingelnen Landern (3. B.
Baden: Geſetz vom 18. Febr. 1874) ijt die Benugung
der Ubendjtunden auch fiir diefen Zweck nicht geftattet.
Abendſchuf, ſ. Morgenſchuß.
Abendſtern Geſperos), der Planet Venus,
wenn er nad Sonnenuntergang am Abendhimmel
glänzt; heißt Morgenjtern (Bho8pboros) wenn
er bor Sonnenaufgang ain öſtlichen Himmel erfdeint.
Abenduhr, nur die Nachmittagsſtunden zeigende
Sonnenuhr.
Abendweite, der Bogen des Horizonts zwiſchen
dem Untergangspunkt eines Sternes und dem Weſt—
punft; Morgenweite die Entfernung des Auf—
gangspunkts vom Ojtpuntt. VW. und Morgeniveite a
eines Sterne3 von der Deflination 5 find fiir einen
Beobadtungsort von der Breite p durd die Gleidun
sin a = sin 6: cos ꝙ gegeben, alfo am fleinjten, aleic
der Deflination, fiir den Beobachter am Äquator.
UAbendwind (Weſtwind), der aus Wbend (We-
jten) fommende Wind, bringt in Deutfdland (vom
Weere her) meijt Regen und bewslften Himmel und
mabigt im Sommer die Hite, im Winter die Malte.
Der WU. in Gebirgen heift Bergwind (jf. Wind).
Aben Cera, ſ. Abn Esra.
Aben Ragel, ſ. Aſtrologie.
Wbensberg (das Castra Abusina der Römer),
Stadt im bayr. Regbez. Niederbayern, BVesirfsanit Kel «
heim, an der Ubens, einem Nebenfluß der Donan,
und an ber Staatsbahnlinie Regensburg-Uugsburg,
hat 2 fath. Rirden, Schloß, Amtsgericht, Maſchinen⸗
fabrif, Runjtmiible, Hopfenbau ab (1900) 2202 Einw.
Die dortige Mineralquelle gehört gu den eifen-
haltiq-falinifden Schwefelquellen und wird bei Haut-
franfheiten, Rheumatismus xc. empfohlen. — A., im
WMittelalter (1030-1485) Sig der Grafen von A.,
erjdeint urfundlich zuerſt 1406 als Stadt, ijt Geburts-
ort des bayriſchen Geſchichtſchreibers Johannes Aven⸗
tinud (jf. d.), dem 1861 ein Denkmal daſelbſt erridtet
wurde, und merfwiirdig durd) Napoleons Sieg über
die Oſterreicher unter Erzherzog Ludwig und General
Hiller (20, Upril 1809; vgl. Eqqmiihl).
Abentener (a. d. mittelhowd. Aventiure; died ans
dem franj.aventure, das feinerfetts aus dem mittellat.
adventura ftammt), in Den Rittergeſchichten des Mit-
telalter3 ein den Charafter des Wunderbaren an fid
tragendes Ereiqnis, insbeſ. Bezeichnung der ritter-
lichen Zweikämpfe und fonjtigen gefabrvollen Unter-
nehmungen. Da das Wort W. dann auc den Beridt
fiber foldye Dinge bezeichnete, fo entwickelte fid) hieraus
die Perfonijifation der Frau Uventiure (fpr. avens
thre), bie bet unjern mittelalterliden Dichtern einiger-
maßen die Rolle der Muſen fpielt.
Aber: ... (felt., fpr. dbder-...), Vorſilbe in zahl⸗
reiden walliſiſchen und ſchottiſchen Ortsnamen, be-
deutet »an der Mündung« (3. B. Aberdeen).
28
— ———— f. Acht.
Abe ravon (ips. ssberéwen), Hafenitadt (municipal
borough) m Glamorganjbire (Wales), an der Swan-
jeabai des Kanals von Briftol, mit Supfer- und Zinn⸗
biitte und —— 7553 Einw.
Abercarn (jpr. abbertacn, Stadt in Ronmoutthhire
ag ara 17 i nordweſtlich von —— inmit⸗
ten qr Kohlengruben, mit 91) 12, Cinw.
— Ger atter-), James Hamilton, eriter
Herzog von, geb.21. Jan. 1811, geit. 31. Oft. 1585,
feit 1818 Marquis von Hamilton, war 1846 —59
Oberfammerherr des Prinz Gemahls Wlbert, 1866 —
1868 und 1874 Pp oy von .jrland und wurde
1868 jum Herzog von A. ernannt. Wis Erbe der
Hamiltons —— er den 1548 dem Grafen von
Arran verliehenen Titel Herzog von Chatellerault,
ben jedoch Napoleon IIL 1864 dem aus einer Altern,
aber weiblidjen Linie —— von Ha⸗
— zuſprach. In olgte ihm
ſein Sohn James —— * 24. Aug. 1838.
Lord⸗ Lieutenant der Graff
(ipe. ile oid Sir Ralph, engl.
General, geb. im Oftober 1734 m Sehottland, aus
altem Gej qeit. 28. Mar; 1801. Er trat 1756
in bie Urmee, wurde 1773 Oberitleutnant, pater aber
als Oberjt auf Halbjold geſetzt. Beim Ausbruch des
fra Krieges trat er als Generalmajor wieder
in Dienit, befebligte 1793 unter dem Herzog von Port
in den Niederlanden eime Brigade und dete den
Rückzug fiber die Baal 1795 und 1796 fampite er
in indien gliidlich gegen Die Franjofen; 1797
wurde er Dberbefehishaber in Irland, trat aber 1798
zurück und ging als Oberbefehlshaber nad Schott
land. 1799 zeichnete er fid) in Holland bei
und Egmond aus. 1500 —— ex die ert
Expedition gegen —— gn 1801 mit 16 evi
nad Aghpten, ta 3 bei Wbufir und er-
fodt 21. Marys einen den Sieg fiber die Fran-
zoſen unter Menou, wur —* jelbjt tödlich ver-
wundet. Sein Undenfen wurde durd ein
in der St. Paulslirche zu London geehrt. Bal. » Liente-
nant-general Sir Ralph A., a memoir« (hréq. von
jeinem Sohn, Edinb. 1461). - - Sem Sohn Names,
ged. 7. Rov. 1776, qeit. 17. April 1455, wurde 1607
ins Parlament gewablt, wo er id den Whigs an:
idlof, ward 1644 Wiingmetiter, war 1435 bis Mai |
1540 Sprecher des Unterhaufes und wurde danad
jum Baron von Dunfermiine ernannt.
Aberdare (ivr. sotervax), Stadt in Glamorganfhire
(Wales), am obern Cynon (Rebeniluk des Taff), mit
ber ſchönen Mirde St. Elvan (14. Jahrh.), Roblen-
und Eiſengruben, Erjenwerfen und (1901) 43,357 Einw.
berdare (jor. Aberraty, Henry Auſtin Bruce,
Lord, engl. Staatemann, geb. 16. Upril 1815, geit.
2h, Febr. 1495, ward 1447 Rechtsanwalt in London,
1847 Polizeichef in Merthyr - Tydvil, 1852 Witglied
der liberalen Kartei bes Larlaments. Er war 1862
bid 14464 Unterfiaatefefretdr im Winijterium des In—
ner, 1K64 = fis Bizepräſident des Unterridtsfomi
teed und Mitglied des Mehcimen Rates, 1868 —75
Winijter bes Innern, wurde 1873 unter dem Titel
Lord VW. in bas Oberhaus berufen und Lord-Präſi—
bent Des Geheimen Rates, trat aber ſchon im Februar
1474 mit Gladjtone juriid.
Uberdaregebirge (jor. aberdir., Lord Wher
bare Mange, for. renvfa), Berglette in Oftafrita, die
vom Aquator öftlich vom 36.° ditl. 2. nad) SO. bis
1.° fiidl. Br. eat bis 4100 m aufiteiqt und durd) |
die Flußtäler des Guaſſo Njiro und Mumoni (Duell
Aberadht — Aberdeen.
' fliifie des Tana) vom Kenia getrennt tit. Das A.
wurde von Thourion 1SS3 entDdedt und benannt, Damn
von Atider und IS&T von Gra? Teicfi und Leutnant
Hõhnel durdforidt. Bal »>Eetermanns Witteilun-
— Ergãnzungsbert 99 (18S).
(ec. Sera», 1) Hauptitadt (
—— der nad tbr genanmen —— ti teat
nordiid an der des Dee und beiteht aus
der ichonen Neuitadt und der nordlich gelegenen Alt⸗
itadt, die fich lanqacitredt bts zum Don bin;iebt- In
liegt Die St. Wacharius Aatbedrale. 1366—
L682 extant, woven uur tad — — — Die
— — 1901) 143,722 Seelen. A. bat
Leinen⸗ llen⸗ und Kammwollenfabriken.
Raſchinen⸗ demride, Gummi: u. Ronicrvenfabrifen,
anlagen und 1900: 253 Secidtife mit 104,103 Ton.
Gebalt und 486 Fijcherboote; 335) Schiffe (davon
3036 Sititenfabrer) von 929,964 T. licfen em. Bert
der Einfuhr (bei. Hol;, Leniaat. Getretde) 991,778,
der Ausfubr brinicder Brodufte 1 bei. Heringe umd
Spirituoien) 102,642 Bd. Sterl. Die aus zwei Coil-
leges (sting’s College von 1495 und Wariibal College
von 1593) 1860 entitandene Univerfität zählt 850 Stu-
denten (pgl. ibre Geididte von Bullod, Yond. 1895).
Außerdem beitehen eine Schule fiir Chemie und Acker
bau, Xunitidule, theologtide Schulen der ſchottiſchen
Freitirche und der Katholiken und zwei Gymnajten.
WL tit aud Sig eines deuticen Koniuls. — 2) Stadt im
nordamerifan. Staate Suddafota, Gratidaft Brown.
Babninotenpuntt, mit 190 4087 Emm. — 3) Stadt
im Staate Miſſiſſippi. Graficdhaft Wonroe, am Tom.
— mit Baumwollenhandel und (900) 3434
Einw. 4) Hafenjtadt im Staate Waſhington. Graf
ſchaft Chehalis, an der Miindung des Chebalisturfes
in die Grays-Harbor-Budt des Stillen Tzeans, mit
Holsbandel, Lachstiideret und io%» 3747 Einw. —
5) Bezirk der britiſchſüdafrilan. Napfolonie, in der
Denkmal Marroo, 6850 qkm mit (s91) 6542 Einw., worunter
3108 Beige, 1104 Bantuneger und 2330 Hottentotten.
Beim gleidmamigen Dorf Roblengruben.
Uber (for. abberviny, George Hamilton
Gordon, vierter Graf, engl. Staatsmann, geb.
28. Jan. 1784, geſt. 14. Des. 1860, ſtudierte in Cam
bridge und beretite 1804 Griedentand, von wo er als
_begeriterter | Philhellene zurückkam. Er qriindete die
Uthenian Society und veröffentlichte ͤnterſuchun
gen en über die Topographie von Troja fowie iiber die
rundſätze der Schönheit tn der griechiſchen Baukunſt.
1806 ward A. zum ſchottiſchen Reprajentatwpeer ge-
wählt und hielt ſich tm Oberhaus zu den Tories. 1813
erhielt er den Wuftrag, Ojterreid) fiir den Bund gegen
Napoleon zu gewinnen. Raddem er den Sclachter
von Baugen und Liigen beigewohnt, bewog er Citer-
reid) durch Den BVertrag ju Feplig jum Anſchluß an
die Roalition und wobhnte darauf den Schladten von
Dresden, Leipsiq und Hanau bei. Nachdem er in
Reapel Murat bejtimmt hatte, fic) von Napoleon ju
trennen, ſchloß er fic) 1814 den in Frankreich ein-
riidenden Ojterreichern an, ward einer der englifden
Bertreter auf dem Kongreß ju Chatillon und unter-
—— 1. Juni 1814 in Baris den Vertrag, der die
ourbonen wiedereinſetzte; für ſeine Berdienjte wurde
er gum Biscount Gordon im engliiden Peerage er—
nannt. Er widmete ſich ſeitdem der Landwirtſchaft.
Nachdem er 1828 erſt als Kanzler des Herzogtums
Lancaſter, dann (Juni d. J.) als Miniſter des Außern
in das Miniſterium Wellington eingetreten war, half
Aberdeenſchlag — Aberratio delicti.
er die Ratholifenemanyipation waved wie er aud)
Die Julidynajtie ſofort anerfannte und fid) gegen ein
Cinjdreiten wider Dom Miquel in Portugal erflirte.
Wit Wellington im November 1830 zurückgetreten,
iibernahm er 1834 im Minijterium Peel das Porte—
feutlle Des Krieges und der Nolonien und wurde, als
‘Keel 1841 abermals an die Spitze der Geſchäfte trat,
wieder Miniſter des Auswärtigen. Allmählich zeigte
ſich A., unter dem Einfluß Peels, liberalern An—
ſchauungen zugänglich, indem er die Aufhebung der
Korngeſetze und die wirtſchaftliche Reform unterſtützte.
Im Juli 1846 trat er mit dem Miniſterium zurück.
Seit Peels Tode (1850) anerfannter Führer der Peeli-
ten, bekämpfte A. Die auswärtige Politik Balmerjtons
und übernahm nad) dem Rücktritte Derbys tm Dezem⸗
ber 1852 die Lettung eines Roalitionsminijteriums,
dem auer Mitgliedern der Mittelpartei Ruſſell, Pal—
merſton und Gladſtone angehörten. Unter dieſer Ver—
waltung »trich England (wie A. ſelbſt fagte), in Den
Krimkrieg hinein«, den er felbjt gern vermieden hätte.
Die laue Kriegführung erregte die Hffentlide Meinung
gegen YL, und 29. Jan. 1855 wurde das Miniſterium
geſtürzt. Dod) war A. aud) jest nicht ohne Cinflup,
* ihn die Königin als ihren Lehrmeiſter betrachtete;
nod nad ſeiner Entlaffung erbielt er auf ihren Wunſch
den Hojenbandorden. Val. Gordon, The Earl of A.
(Yond. 1893).
Aberdeenſchlag, j. Rind.
Aberdeenſhire (or. abberdinſchtr), Grafidaft im
nordöſtlichen Schottland, grengt im N. und O. an die
Nordjee, tm S. an Nincardinefhire und Perthjhire,
im W. an Qnverneffhire und Banffſhire und umfaßt
5101 qkm (92,6 OW2) mit 901) 304,420 Einw. (59
auf 1 qkm), Hauptitadt ijt Aberdeen.
Abergavenny (pc. abbergewenni od. edbergénd, Stadt
(municipal borough) in Monmouthfhire (England),
im Tal des Usk, inmitten der Berge, ijt Hauptort
cines widhtigen Bergbau⸗ und landwirtſchaftlichen Be-
zirf3 und bat cine alte, 1882 rejtaurierte Marien—
firche, eine Lateinjdule, ein Irrenhaus und (1901)
7795 Cinw. A. tit das römiſche Gobannium.
Abergeldie Caftle (jvc. abbergeldi topo, ſ. Balmoral.
Abergele (ior. advergete), Seebadeort in Denbigh-
hire (Wales), 1,5 km von der Grijden See, hat mit
Dem an Der Küſte lieqenden Badeort Penſarn (190)
2083 Cinw. Jn der Nähe Gwryd Caftle mit ftatt-
lider Faſſade.
UAberglaube (Afterglaube, lat. Superstitio),
ein BVertrauen auf übernatürliche Vorgiinge, wie es
nicht oder nicht mehr dem herridenden Glauben der
Mehrheit entiprid)t oder über denjelben hinausgeht.
Bielfad) handelt es ſich dabei um Phantaſievorſtel—
lungen, die ciner niedern Rulturjtufe tiberhaupt ent-
ſprechen und daher in den veridiedenen Weltteilen
mannigfade UÜbereinſtimmungen zeigen, bei fortge-
ſchrittenen Bolfern vielfad um ll berlebfel aus einer
diltern, durch neuere Formen erſetzten Religion (Heiden-
tum) oder aus frither berrjdenden Anſchauungen
{Herenglaube). Pſychologiſch betrachtet, erqibt fic als |
Urquell fiir den meiſten Aberglauben das Perfonifizie-
rungsbeditrfnis des menſchlichen Antellefts, dag hinter
allen ihm unerflarliden Naturvorgdangen handelnde
29
götterei, Reliquienverehrung, dem Glauben an die
magiſche Sraft gewifjer Zerentonien, durch weldje dic
vorausgelepten übernatürlichen Mächte gu Hilfstei-
jtungen bewogen werden follen (ſ. Magic), dent Ge-
jpenjterglauben und Spiritismus Borjdub. Der
prafti) dhe A. hofft von der Wirfung geheimer Zei—
den und Seremonien Beiſtand fiir matericlle Zwecke
und bat unter anderm den Glauben an Witrologie,
Chiromantie und Zauberei gefördert. Hierher gebort
aud) der A. an Wunderdoftoren, Amulette, Beſchwö—
rungen, Befpredungen u. dql. Geſchichtlich unter:
ſcheidet man natiirliden und philofophifden
oder gelehrten Uberglauben. Jener ijt bei rohen, un-
—— Völkern heimiſch, dieſer wirft dem rohen
Irrwahn ein ſcheinbar wiſſenſchaftliches Gewand unt.
Abergläubiſche Meinungen ſind oft harmlos, oft aber
gefährlich. Sie machen furchtſam, unduldſam, bis—
weilen fanatiſch. Das ſicherſte Mittel dagegen iſt
uter Vollsunterricht. Val. Schindler, Der A. des
Rittelalters (Brest. 1858); A. Wuttle, Der deutſche
Voltsaberglaube der Gegenwart (3. Bearbeitung vor
E. H. Meyer, Berl. 1900); Pfleiderer, Die Theorie
des VUberglaubens (Daj. 1872); Mannhardt, Diz
prattifdjen Folgen des Uberglaubens (daj. 1878);
Lippert, Chrijtentum, Voltsqlaube und Volfsbraud
(daf.1882); C. Meyer, Der A. des Mittelalters (Baſel
1884); Brunnhofer, Die Quelle des Aberglaubens
(in »RMulturwandel und BVolferverfehre, Leips. 1891);
Lehmann, A. und Zauberei von den älteſten Reiten
bis in Die Gegenwart (a. d. Dän. Stuttg. 1898).
Uberfennung der Ehrenrechte, ſ. Chrenredte.
Aberkios-FJuſchrift, viciqenannte griechiſche
Grabinſchrift eines Uberfios aus der Zeit um 200
n. Chr., von der zwei von W. M. Ramſay in Phrygien
| aufgefundene Bruchſtücke fich im Lateranmufeumn be-
finden. Der traditionellen Unnahme, dak die Inſchrift
von dem im 2. Jahrh. lebenden chrijtliden Biſchof (7)
Uberfios von Hieropolis (nicht Hierapolis) ſtamme,
ijt neuerlicd) mit ſchwerwiegenden Griinden die andre
entgegengejtellt worden, daß es fic) um cin Denfmal
ded religiöſen Synkretismus der Naijergeit, vielleidyt
aus dem Wttistult, handle. Val. G. Fider, Der
heidnijde Charafter der A. (Berl. 1894); A. Diete-
rich, Die Grabjdrift des Wherfios (Leipz. 1896).
Aberklauen, foviel wie Afterklauen.
Aberli, Johann Ludwig, Maler, geb. 1723
in Winterthur, gejt. 1786 in Bern, ätzte cine Reihe
der beliebtejten Schweizer Landſchaften in Kupfer und
ſetzte die Abdrücke Dann in Farbe zum Verkauf an die
Reijenden. Dadurch begriindete A. einen Zweig der
Schweizer Nunjtindujtrie, der erjt durch die Photo—
graphie verdrängt wurde.
Abernethy (pr. abberniihy, Dorf in Schottland,
10 km ſüdöſtlich von Kerth, etnjt Hauptitadt der Pikten—
fonige, aus deren Seit der 24m hohe Rundturm jtammt.
Aberratio (lat., »Abirrung«), in dev Biologie
foviel wie Whanderung, ſ. Wbandern.
Aberratio delicti oder ictiis (lat., > Wbirrung
des Verbrechens, des Stoßes«), Cintritt des Erfolgs
einer vorſãätzlichen rechtswidrigen Handlung bei cinem
andern als dem vom Titer beabfidtigten Objeite,
und zwar veranlaft nicht durch einen Irrtum des
VPerſönlichkeiten fudt, mit denen man Verbindungen | Täters (jogen. error in persona oder objecto), ſon—
antniipfen und unterhandeln fann. Furcht und Eigen: | dern durch äußere Umſtände, 3. B. Ablenkung ded
nutz find die hauptſächlichen Urjaden fiir abergliubi- | Schlages durch einen dazwiſchen tretenden Dritten.
iche Neiqungen, dod) jpielen auch aus dem Trawmleben Mach der allerdings bejtrittenen herridenden Anſicht
abgeleitete Koritellungen cine bedeutende Rolle. Der | ijt der durd) Abirrung herbeigeführte Erfolg dem
theoretifde A. begnügt fic) meijt mit Vorſtellungen Tater nicht zum Vorſatze zuzurechnen, fondern es
religidjer Natur (religtdfer W.); ev leijtet der Ab⸗ bleibt nur etme verjudjte oder fabrlafjig begangene
30 Aberration des Lichtes — Abeſech.
Straftat zu abnden. Nach öſterreichiſchem Recht ijt | in 1 Sef. 300,000 km. Die Uberration der Firjterne
Der Irrtum im Objet fiir die Zurechnung des Ver— | wurde zuerſt von Bradley 1725—27 wabrgenom-
bredjenS gleichgültig, die aberratio ictus jedDod) nur | men und ridtig erklärt. Sie lieferte den erjten direkten
beim Morde. Val. Vorſatz. Beweis der Bewegung der Erde um die Sonne und
Aberration des Lites (Ubirrung des Lidh= beſtätigte die von Römer durd Beobadtungen der Vers
ted), die Erſcheinung, daß wir cinen Stern nidt an | finfterungen der Jupitermonde ermittelte Gefdwin-
der Stelle erbliden, an der er wirflich fteht, fondern | digfeit des Lidhtes. Die Drehung der Erde um ibre
in Der Richtung der Erdbewegung verjdoben. Jit die | Achſe bewirkt auger der jährlichen noc eine täg—
Achſe mos eines Fernrohrs AB (}. Figur) nad einem | lide A. Durch dieſe aber lann ein Stern höchſtens
Fixſtern gerichtet, fo vereinigen fid) Die von dem Stern | um 0,3 Bogenfefunde gegen feinen wahren Ort ver-
fonunenden Lidtitrahlen in dem Punkte m zu einem ſchoben erſcheinen, weil fic) die Erde um ibre Achſe
Bilde des Sternes. Bewegt fid) nun das Fernrohr | fehr viel langfamer bewegt als um die Sonne. Die
parallel mit fic) felbjt im einer 3u den einfallenden | Aberrationszeit, die Zeit, die das Licht braucht,
Lichtſtrahlen ſenkrechten Richtung m‘m, und gwar fo, | um von Blaneten und Rometen zur Erde zu gelan—
dag es Den Weg mim zurücklegt in der Beit, im der | gen, betragt fiir die Cinheit der Entfernungen im
das Licht die Strede o m durchläuft, fo werden fid) | Planetenſyſtem, die mittlere Entfernung der Erde
die am Unfang diejer Zeit bei o cingedrungenen Lidt- | von der Sonne, 497,8 Zeitſekunden. Vgl. Ketteler,
jtrablen, unbefiinunert um die Bewegung ded Fern- Aſtronomiſche Undulationstheorie oder die Lehre von
rohres, gwar inuner nod in Dem namliden Punfte m der W. (Bonn 1873).
deS Raumes vereinigen; aber an diefe Stelle, dieam | Wberration, ſphäriſche, ſ. Abweichung; chro—
Anfang jener Zeit von dem Vittelpuntte des Geſichts- matiſche W., ſ. Udromatismus.
feldeS cingenommen war, wird im Augenblick der Wberraute (aus fat. abrotanum entjtanden), ſ.
Vereinigung der Strablen der feitlic) qeleqene Punft m‘ | Artemisia. gang 1).
ded Geſichtsfeldes getreten fein. Das Bild des Sternes | Wberfee (Sant Wolfgan gſee) ſ. Sankt Wolf⸗
Aberfichan (pr. sdverpiden), Stadt in Monmouth-
fhire(England), mit Kohlen- und Cifengruben, Eiſen—
hütten und (901) 17,768 Cinw.
Abert, Johann Joſeph, Komponiſt, geb. 21.
Sept. 1832 gu pat in Böhmen, Schiller von
Aberration des Lichtes. Rittl und Tomajdel in Prag, 1852 Kontrabaſſiſt der
——— ju Stuttgart, 1867—88 Hofkapellmeiſter.
wird demnach an ciner Stelle Des Gefidhtsfeldes ge- | Er bradjte mit E olg mehrere Opern zur Auffüh—
feben, an der bei rubendem Fernrohr Strahlen, die rung (Anna von Landsfron«, »König Enzio«,
in der Ridtung s‘ o m/ einfallen, ſich vereinigen wiir- | »Ujtorga«, »Cffehardt«, »Die Almohaden«), ſchrieb
den. Der Stern wird mithin vermöge diefer W., ftatt | auch zwei Synuphonien (C moll und » Friihlingsfym-
an jeinem wabren Ort, in der Ridjtung m‘ o 8‘ ge- phonies), eine fymphonifde Dichtung »Kolumbus<,
jeben, und man muß, um fein Bild in die Mitte des | aud) Orchefterbearbeitungen Badider Fugen, Quar-
Geſichtsfeldes gu bringen, die Achſe des Fernrobhres, | tette fowie Lieder und Klavierſtücke.
indemt man dasjelbe um den Winlel mo m‘ dreht, Abertham, Stadt in Böhmen, Bezirksh. Joachims—
in Diefe Richtung einjtellen. Jedes Fernrohr ift aber | thal, im Ergqebirge, am Fuße des Pleßbergs (1027 m,
tatfichlid) in Bewegung, indem eS von der Erde bei mit Ausſichtsturm) gelegen, hat Fabrifation von
ihrer Bewegung um die Sonne mitgenommen wird. | Handfduhen und Spigen und (1900) 2610, als Ge-
Es muß daher jeder Stern, deſſen Strahlen die Erd- | meinde 4004 deutſche Einwohner.
babu fentrecht treffen, in Der Richtung der jeweiligen| Whertillerty cpr. abbertillerd, Stadt in Monmouth-
Bewegung der Erde verſchoben erſcheinen, um einen | ſhire (England), 25 km nordweſtlich von Newport,
Winkel mo m’‘, deſſen Größe bedingt ijt durch das | mit einer gotijden Kirche, Rohlengruben, Bledwal;-
Verhalinis der Geſchwindigleit der Erde zur Geſchwin- werfen und (1901) 21,955 Einw.
Digteit des Lidjtes. Steht der beobadtete Stern im | Aberwitz (Ufterwigs), das Zerrbild des Wiges,
Pole der Ekliptik, fo fdeint derjelbe vermige der U. | d.h. des Scharfjinnes; dabher heifen ausgefliigelte und
imt Laufe cines Jahres um feinen wabhren Ort einen in ein gewiſſes Syftem qebradte, dabei aber Dod) ver-
fleinen Kreis su beſchreiben, deſſen Radius gleich dem nunftwidrige Behauptungen und Lehren (5. B. die
Uberrationswinkel ijt. Diefer Rreis wird von dem mittelalterlide Lehre vom Hexenweſen) aberwigige.
Stern in derjelben Richtung durdlaufen, in der die Aberyſtwith cor. abberiſtith), Hafenitadt (munici-
(Erde fic) bewegt. Cin Stern, dev nicht tm Bole der pal borough) und Seebad in Cardiganibire (Wales)
Ekliptik jteht, beſchreibt ſcheinbar eine Ellipje, deren mit (1901) 8013 Einw. A. ijt Sig des 1872 gegrün—
große Achſe, gleid) Dem Doppelten Uberrationswinfel, deten Univerjity College von Wales, hat eine Latein-
sur Ekliptik parallel ijt, und deren kleine Uchje um fo fdule und einigen Miijtenhandel. In der Umgegend
fleiner wird, je weiter Der Stern vom Kole der Ekliptit Schloßruinen, Bleigruben und -hütten.
abſteht. Liegt der Stern in der Ebene der Ekliptik Abeſche, Hauptſiadt von Wadai im mittlern Su-
ſelbſt, fo ſcheint ev in dieſer nur geradlinig hin und dan, an der von Chartum durch Kordofan und Dar
her zu gehen. Nach den neueſten Beobachtungen be⸗ Fur führenden Karawanenſtraße. Der 1850 ſüdlich
tragt Der Aberrationswinkel 20,47 Bogenſekunden | von der frühern Hauptſtadt Wara gegründete Ort ijt
(Ronftante der Uberration). Nun ijt aber in | jest ein wichtiges militarijdes Aentrum und Haupt-
einem redjtwinfeliqen Dreied mo m‘, deffen Winkel | jig der islamitiſchen Propaganda. Vogel beſuchte W.
bei o 20,5 Sef. beträgt, die Seite o m 10,000mal fo | als erjter Europäer 1856, wurde jedoch ermordet;
groß als die Seite mm‘; folglich muß aud) die Ge- Nachtigal verweilte hier 1873 gegen Dreivierteljahr;
ſchwindigleit des Lidhtes 10,000mal fo groß fein als | Matteucci und Mafari ſahen fte 1890 und fdigten
die Gefdywindigfeit Der Erde. Die Erde legt aber in | ihre Einwohnerzahl auf 20 —30,000.
1 Sefunde 30 kim jurtid, folglid) durcheilt das Licht Abeſech (Abadzen), Voll, ſ. Tſcherkeſſen.
Abeſſinien Gebietsumfang, Bodengejtalt, Bewafferung, Mima).
Abefjinien (Abyſſinien; ſ. Karte » Ygypten rc. <),
Reich im nordöſtlichen Ujfrifa, in Agypten und Rubien
Beled el Habeſch oder Beled ef Habfda, im
abeffinifden Hofitil Uitiopya genannt. Der Name
A. wird abgeleitet von dem Worte Habeſch (Habaſch),
womit die Uraber das Völlergemiſch jenes Berglandes
bejeidnen wollten. Das eigentlide UW. erjtredt ſich
vont 15. bis über den 10.° nördl. Br. hinaus und
vont 40.° öſtl. L. bis zum Wejtabfall des Hochlandes.
Die Unipriiche des Herrjders dehnen fich jest auf fol-
gende Lander aus:
Vander |S.sitom, Cinwobner anf
1 qkm
Wbeffinien (Tigré, Amhara, Go> |
bfjam) 2... ee ee ' 200000 | 2000000 | 10,0
Edoa. . . - « «= «= © 2 2 40000 | 1500000 | 37,7
Land ber Veni Amer u. Nachbarn 70000 100 000 1,7
i 100.000 200 000 2,0
« « nérdliden Somal . . 15.000 | 60 000 4,0
Harar und Nadbargebiete . . 20000 1200000 | 60,0
Xand ber Galla und Sidama . | 160000) 3500000 | 21,8
Sujammen; | 605000 | 8560000 | 14,1
Ferner beanjprucht der Nequs Negeſti das Land Tafa,
die Hochtäler Des Rabat und Dinder, das Beden des
Sebus, das ganje redhte Ufer des Sobat und das
Gebiet zwiſchen Raffa und dem Rudolfiee.
[Vodengeftaltung.] Das Land fteigt aus den
ringsum liegenden Landjdaften im N. und S. all> |
mählich, im O. und W. aber unvermittelt zu einem
äußerſt zerriſſenen Alpenland von 2000 —2300 m
nuittlerer Erhebung auf. Das Innere ijt eine Folge
rasreider, aber meiſt waldlofer Plateaus, auf denen
Mh zahlreiche ijolierte, malerijde FelSmafien mit
fentredjt abfallenden Wänden erheben. Dieſe Ta-
feln bilden ganze Landfdaften oder kleinere Tafel-
berge (Amba) mit ſteil abjtiirzenden Randern, die fie
gu natiirlicden Feſtungen — Der Verwitterung
und Abtragung haben einzelne Teile des Hochlandes
größern Widerſtand entgegengeſetzt und bilden ſo
liber die Tafellandſchaften aufragende gebirgsartige
Erhebungen von alpinem Charatter. Eine folde zieht
ſich an der Nordgrenze von der Landſchaft Semién
durch ganz A. bis in Die Nähe des Hawajfdtals, wo |
fie nod) bis 3u 3500 m anjteigt, um fic dann gegen
W. in die Hodjebene der Galla gu verfladen. Cine
nad) SW. gehende Abzweigung umfaßt im S. den
großen Tanajee und endigt tm dent wenigſtens 3600 m
hohen Talba = Wahagebtrge in den Landſchaften
Matſcha und Godidam. Yor gehören in Semién
und Wogera an der Ras Daſchan (4620 m), Buabit
(4510 m) und Aba⸗Jared (4563 m), deren Wipfel einen
großen Teil des Jabres mit Schnee bedect find. Siid-
wejtlid) von Semien fegen ſich die Gebirge in der
8000 m hohen, gejtajfelten Terraſſe von Wogera fort, |
die ſich allmahlic nad SO. verflacht und fefjelfirmig
das grofe Beden des Tanajees umgibt. Ohne Unter-
bredjung ziehen die Gebirge nad OD. weiter (Guna
4280 m) bis zum trennenden Tal des Abai. Siidlid
von dieſem jteigt aus dem Tſchokplateau der mächtige
Berglegel des VWgfiosfatra ju 4150 m auf, während
der Rollo nahe am Oftrande des Plateaus 4300 m
erreidt. In den ebenfalls gebirgigen fiidlidjern Qand-
ſchaften Raffa und Enarea haben der Nato 3150, der
Egan 3090, der Hotta 3680 m Höhe. Die Hochflächen
find häufig von engen, manchmal jebr tiefen, ſchluch—
tenartigen Tälern durchfurcht, in denen die Flüſſe des
Landed fic) ihr Bett gegraben haben. Wo breitere
Einjdnitte find, bejteht die Hodyebene aus mebhreren
| Wejtilante —
31
iſolierten Plateaus mit ſteil abſtürzenden Wänden,
ſo beſonders im Hochlande von Schoa. Von dem
niedrigen Küſtenſtrich, der teils aus nacktem Fels, teils
aus toven paper bejtehenden Sambara,
aus geſehen, gewährt A. den Anblick einer madtigen
Burg, durd) deren Walle nur wenige Päſſe auf das
eigentliche Hodland fiihren.
Geologiſch ijt U. em von N. nad S. geſtreckter Horſt
aus altfrijtallinijden Gejteinen mit einer Dede von
rotem oder grauem Gandjtein, an Ddejjen Oſt- und
Landfdollen im die Tiefe ge-
junfen find. Aus den Bruchſpalten find vulfanijde
Waffen emporgedrungen, fie haben ſich fiber das
ganze Gebiet ausgebreitet und dem Land cin beſon—
Deres Gepriige verlichen. Zeugen der vulfanijden
Tatigteit find an vielen Stellen meijt in Gruppen
bervorjprudeinde Quellen; die heißeſte, die von Fin-
Fin im fiidliden Schoa, von 76°, die Thermen von
Wanſage am Gumarafluk, einem der bedeutendjten
Badeorte Ubeffiniens, von 32—37°; aud an den
Riindern des Tanafees fteigen zahlreiche Thermen auf.
[Vewafferung.} Die durd A. flichenden Ströme
haben fic) meiſt ein tiefes Bett in die Felfen einge-
ſchnitten und find als echte Gebirgswäſſer nicht ſchiff-
bar. Der bedeutendite Strom ijt der WU bai, der obere
Lauf des Blauen Mils (f. Ril), Dann der Wtbara
(f.d.) mit Dem Takaſeh, ſpäter Setit genannt, und dem
Mareb, ſpäter Chor el Gaſch. Zum Nil fließen ferner ab
der Baro und Bato, Quellflüſſe des Sobat (f.d.). Nad
S. gum Rudolffee ſtrömt der Omo, nad) SD. geben
die Quellflüſſe des Dichubb und de3 Webi Schebehii.
Der Hawaſch entipringt im Guragegebirge und bil-
det auf cine weite Strede die Siid- und Ojtgrenje von
Schoa, um ſchließlich in dem faljigen Whhebaddfec
zu enden. Sm N. entſpringt nod) nahe der Mareb—
quelle der Anſeba, der dem Chor Baraka ſich zuwen—
det. Wit ſtarkem Gefälle und häufig von Rataraften
unterbroden, fiibren die Flüſſe gur S rodengeit wenig
Waſſer, überfluten aber in der Regengeit, oft furdt-
bare Zerſtörungen anridtend, weithin das Flachland.
Von den zahlreichen Seen ijt der bedeutendjte der
Tana (jf. d.), der Duellfee ded Blauen Nils. Südlich
von der Landſchaft Godſcham fendet ihm der große
Dſchabaſchakſee (2440 m) fein Waſſer su. Wn der Siid-
ojtqrenge der Landjdaft Gurage sieht fic) eine Mette
mitemander verbundener Geen bin: Dembel oder
Suai, $0909. Lanting, Abala oder Königin Marghe-
ritafee, Abajaſee, deſſen Abfluß, der Galano Umara,
in den Stefaniejee miindet.
[Klima, Naturprodufte.} Das Klima zeigt qrofe
Gegenſätze; die Ubefjinier unterſcheiden drei Klima-
glirtel: 1) DieRolla(d. h. heißes Land), eine ſumpfige,
mit dichtent Urwald bededte Region, in 1000 —1700m
Hohe bis zur Iſotherme von 20°. 2) Die Woina
Dega, das» BWeinland<«, 1700 —2400 m etwa bis zur
Sotherme von 16° 3) Die Deqa, 3000—4500 m,
beſitzt an Der Grenze des Getreidebaus in 3900 m
i
nod 7°, weiſt aber eine ftarfe nächtliche Abkühlung
auf. Das Klima ijt im Hodland gemäßigt und an-
genehm, auf den hohen Gebirgszügen im Winter ſehr
falt, Schneefille find nicht felten. Qn der Sambara
herrſchen hohe Temperaturen und groke Trodenheit.
Im nbrdliden Hodland fallen Sommerregen, die
Regenzeit wahrt vom April mit Unterbrechungen bis
Oftober, in Schoa von Mitte Juni bis September;
Wondar mit 1125 mm Niederſchlag. Bei der aujer-
ordentlicden Reinheit der Luft erfreuen ſich die Be—
wobner der höher geleqenen Gegenden einer aus-
gezeichneten Geſundheit; nur Katarrhe der Atmungs⸗
32 Abeffinien (Naturprodufte, Bevdlferung).
organe und Sdhwindjudt fowie rheumatifde Übel
werden durch Die falten Winde veranlakt, und in
Schoa qraffiert der Ausſatz. Sehr verbreitet ijt die
Bandwurmplage infolge de3 Genuſſes von rohem
Fleiſch. Gn den heißen Flußtälern und in der Rolla
herrjden Dysenterie, Faulfieber und heftige ner-
vöſe Rranfheiten. — Die Pflanzenwelt findet ihre
Ausprägung tm Anſchluß an die Giederung des
Landes in Klimagürtel. Ju der Gambara fehen wir
Akazien, Kappernpflanzen, Chrijtdorn (Zizyphus),
Tamaristen, faulenfattusartige Euphorbiajzeen, Aas—
pflangen mit prächtigen Blumen, verjtridt durch ma-
leriſche Schlinggewaͤchſe, am Mareb und Tafafeh
dagegen Syfomoren, Adanſonien und Ficus-Yrten,
Tamarinden und Rigelien, wilde Baumwolle, Seſam
und Büſchelmais längs der Flußufer. In der mitt-
fern Region der Rolla beginnt die Vegetation der
Aloepflanzen. Yn 1500 m Hohe erjdeint die fiir A.
fo charakteriſtiſche Rolfwaleuphorbie, die bis 3600 m
Höhe aufſteigt; ihr gefellen ſich in lidten Beſtänden
der Olbaum und die mächtige Adansonia bei. Die
weſtlichen Ubhange jtrogpen von baumartigen Gräſern,
die mit wildem Zuckerrohr, Moorhirſe u. a. haupt-
fichlid) die Savannen jujammenjfegen. Die Woina
Dega führt ihren Namen nad dem Weinjtod, der
bi8 2500 m Höhe geht, aber nad —— der
erſten guten Anfänge durch Krankheit heute kaum
noch gebaut wird. Hier gedeihen Olpflanzen, Hülſen—
früchte, Mais, Weizen, Gerſte und andre Zerealien
ſowie Myrten, Granaten, Zitronen. Auch die Kar—
toffel iſt eingeführt. Kaffee wächſt hauptſächlich im
ſüdlichen A., ſeinem Heimatsland, zwiſchen 1800 und
2300 m Höhe. Echt tropiſche Gewächſe, wie Enſete—
banane und Phönixpalme, ſtehen oft waldartig zu—
a In der Dega, dem gripten Teil
ded Landes, gedeihen bis zu 3900 m nod Gerijte,
Weizen, Einforn, der bandwurmvertreibende Kuſſo
(Hagenia abyssinica). Cin baumartiges Hyperi-
cum und die baumartige Heide bilden in 3500 m Die
Baumvegetation mit ibren zahlreichen Fledten. Jn
dDiefer Hohe beginnt die Region der merfiwiirdigen
Wibarra (Rhynchopetalum montanum), einer Lobe-
liazee, Die an der Grenge des Schnees plötzlich die
orm der Balmen vor Yugen jaubert. Bis hierher
gehen aud) bauntartige Kugeldiſteln (Echinops). Reid
ijt Das Land an mediziniſchen Pflanzen, namentlid
an wurnitreibenden (Hagenia, Moussena); eine Ce-
lastrus-Yrt dient geqen Wedhfelfieber; Ricinus ijt
hiufig. Bambus, Rotang, Syfomoren, der Olbaum,
Alazien liefern Nughol;. — Die Tierwelt ijt nicht
find feltener, Eidechſen und Schildkröten dagegen
haufig. Im Atbara kommt cin Wels vor, der Haujen-
blafe liefert. Bon Inſekten treten Heufdreden und
Termiten oft als Landplage auf, eme Fliege (Tsal-
tsalya) ijt in Der Regenperiode dem Vieh tödlich. —
Von Mineralien gewinnt man Gold vereinjelt aus
fleinern Lagerjtatten, Eiſen in Schoa und Tigré, meiſt
Brauneiſenſtein, Steinfohlen im fiidliden Schoa,
Brauntohlen zwiſchen Dembea und Tichelga, bei An—
fober und aus cinem 20 m midtigen Flöz bet Debre-
libanus, Steinſalz auf der Hochebene Taltal bei Ugame,
Ton bei Gafat.
[Wevslferung.]} Als Ureinwohner de3 abeſſiniſchen
Alpenlandes find die Agau(ſ. d.) anzuſehen, die nod
Heute den Grundſtock der ganzen dortigen Bevdlfe-
rung bilden. Unverfälſcht wohnen fie nod in Der Pro—
ving Ugameder und in der eigentlichen Provinz Agau.
Ihnen nabe ftehen die Falafda (f. d.) und die heid—
nifden Gamant. Uber das Rote Meer drangen fiid-
femitifde Stämme, die Geezvölker, in das Hod-
land vor, bie fic) mit den Agau vermiſchten und die
Herrjdaft über fie gewannen. Vis dritter Typus er-
jdeinen die Gallavodlfer mit negerhaften Zügen,
die von S. her in das Land braden. Aus diefer Ver-
mifdung ging die Bevdlferung Wbefjiniens hervor,
die fid in mehrere Stämme gliedert. Die madtigen
Umbara haben nidt nur die qleidnamige Provinz,
fondern aud) Sdoa tm Beſitz und wohnen jeritreut
in den iibrigen Landesteilen. Die Tigré, mit etwas
ſchärfern Ziigen als die vorigen, wohnen in der gleich⸗
namigen Proving. Sie find mehr mit ſemitiſchen
Volkselementen gemifdt als die Amhara. Bn der
Sambara ziehen nomadiſierend die Schoho umber,
die Steppen zwiſchen Dem obern Setit und obern Ma—
reb bewohnen die Homran. Von groper Bedeutung
find die Galla — welche die Zerrüttung des
altabeſſiniſchen Reiches benutzt haben, um ſich wie ein
Keil zwiſchen Schoa und Amhara und als Wollo—
Galla ſogar ins nördliche Hochland einzuſchieben.
Als ausgeſtorbene, nur noch in den religiöſen
Büchern lebende Urſprache der Abeſſinier gilt die
äthiopiſche oder das Ge'es, die Sprache des alten
axumitiſchen Reiches, die zur Zeit der Einführung
des Chriſtentums im Lande geſprochen wurde. An
ſeine Stelle traten ſchon im Mittelalter Sprachen, die
noch heute geredet werden: das Amhariſche, die
Sprache urſprünglicher Hamiten, die indes eine ſe—
mitiſche Sprache angenommen haben, in den ſüdlich
und weſtlich vom Talaſeh gelegenen Landſchaften, als
Verkehrsſprache aud) weit über die Grenzen Abeſſi—
minder reid: Elefanten, Nashörner, Nilpferde, Büf- niens hinaus, das Tigré und Tigriña, Dialekte
ſel und wilde Schweine bevöllern Woina Dega und
Kolla, Giraffen die ſandigen ſüdöſtlichen Gegenden,
Antilopen in verſchiedenen Arten Gebirge und Ebe—
nen. Löwen ſchweifen in der Samhara und ſteigen im
Hochland bis zu 1800 m empor, Leoparden hauſen
in der Dega wie in der Kolla, der Gepard nur in der
letztern. Hyänen find ſtellenweiſe eine wahre Land-
plage; neben ihnen finden ſich wilde Hundearten,
Ichneumons, Stinkmarder, Honigdachſe, Erdwölfe,
Ratten und Mäuſe. Von Affen gbt es mehrere Ur-
ten, darunter der ſchwarz und weiß gefärbte Guereza,
der im Hochgebirge weilende Tſcheladapavian, der
Silberpavian oder Hamadryas. In großer Menge
ſind Vögel vorhanden, beſonders Geier, Adler und
Falfen, Guinea· und Rebhiihner, Nashornvdgel und
Strauke, legtere in den heißen, fandiqen Landjtriden.
DasRilfrofodil lebt tm Tafafeh, Tanajee, Hawasd)u.a.,
Riefenfdhlangen in den Felsgegenden, Giftidlangen
——— Semiten, in den nordöſtlich davon ge—
legenen Gegenden gefproden, und gwar das Tigrina
(oder Tigrat) im etgentliden Tigré, das Tigré jedoch
nördlich davon; man follte beide aljo pajjender als
Nord- und Süd-Tigré unterfdeiden. Das Amha—
rife, das zur Regierungsfprade erhoben wurde, ijt
die verbreitetite aller femitifden Spraden nad dem
Urabijden. Die Spraden von Gurage und Harar
im GS. find Scweiterfpraden des Yinharifden.
Die Abeſſinier (ſ. Tafel »Afrikaniſche Völker I<,
Fig. 4 u. 5) ſind von mittlerer Größe, die Männer
1,56—1,60 m, bie Frauen 1,45—-1,48 m, gelbbraun
oder Dunfelbraun mit einem Stic ins Rötliche, meiſt
dolidjotephal, die Rafe ijt gerade oder gebogen mit
jtumpfer Spite, Der Mund etwas voritehend, die
Lippen oft wuljtiq, das Kinn etwas fpigig. Der
Körperbau ijt wobhlgebildet; in der Sambara und der
Rolla oft hager. Die grofen, intelligenten Augen
Abeffinien (Kulturzujtand, Uderbau x. , Verkehrsweſen, Stände rc).
werden vor dem grellen Gonnenlidt gern geſchloſſen,
33
Der Uderbau ijt in der Sambara nur in ſehr
was den Geſichtern einen lauernden Ausdruck ver- beſchränktem Mae möglich, die öſtlichen Nollas find
leiht. Wtaquptifde Profile find häufig. Das ſchwarze,
nicht grobe Haar ijt gekräuſelt und wird in mannig-
faden Frijuren getragen. Das Familienleben der
Ubeffinier weijt wenig anmutende Bilge auf. Biel-
weiberei ijt mur bei reidjen Leuten üblich. Die meiſt
ohne Trauungszeremonie geidlofjene Ehe ijt ohne
Schwierigkeit wieder lösbar. Eheliche Treue ijt äußerſt
ſelten. Die Taufe wird in der Kirche vollzogen,
Kinder beiderlei Geſchlechts werden beſchnitten. Der
Abeſſinier ijt arbeitsſcheu und zügellos. Gaſtfreund⸗
ſchaft, Achtung der Frau, Anhänglichkeit der Kinder
an die Eltern, cine vatelarndhatifepe Behandlung der
Dienenden find die einzigen Tugenden dieſes Volfes.
Die geiſtige Rultur fteht auf fehr niedriger Stufe.
Die alte Literatur Uthiopiens (jf. Wthiopijde Sprache)
ijt längſt verfallen; Lefen und Schreiben in amba-
riſcher Sprache ijt ein Privilegium der höhern Klaſſen,
namentlid) der Geijtlicfeit, qeworden. Durch dic
Vemiihungen deutſcher Miſſionare find in London
mehrere Biider, darunter cine Bibel, in amhariſcher
Sprache gedrudt worden. Unter den Riinjten wird
nur eine Art roher Malerei geübt, die Muſik erbhebt
ſich wenig über die der Neger. Die Kleidung beſteht
aus der Schama, einer weißen, baumwollenen Toga,
unter der die Männer bis über die Kniee reichende
enge Beinkleider und eine Leibbinde tragen. Krieger
hängen noch Felle von Schafen und Ziegen über die
eine Schulter, die Anführer ſolche von Löwen oder
Leoparden; fie tragen dazu reichen Silberſchmuck, vor
allem cine Stirnſpange, Akodama. Die abeſſiniſchen
Chriſten tragen als religiöſes Abzeichen um den Hals
das Mateb, eine dunkel blauſeidene Schnur. Kopf
und Füße werden nicht bedeckt, nur die Mohamme—
daner tragen Sandalen. Die Geiſtlichen ſcheren den
Kopf glatt und ſchlingen um dieſen einen Turban von
weifer, roter oder gelber Farbe. Gonnenfdirme find
felbjt bei Dtinnern allgemein im Gebraud. Die
Frauen laſſen um Schläfe und Raden Fledten herab-
hängen. Die Schoanerinnen tiirmen auf ihrem Kopfe
bienenforbahnlide, mit Butter cingefalbte Daarbauten
auf oder {deren den Ropf ganz. Die Weiber der Am—
hara und Tigrener tragen em langes Hemd, das durch
einen Giirtel gufammengebalten wird, cine Sdama,
in Schoa cin iiber den Kopf geworfenes, bis zu den
Haden herabhingende3s Tud) und allerlei Schmuck
am Hal8, an den Obren, Handgelenfen und Fuß—
tndcheln. Die Ungenbrauen werden ausgerifjen und
an ihrer Stelle aus blauer Farbe große Bogen gemalt,
die Uugentlider geſchwärzt, BWangen, Hinde und Füße
rot — Infolge ihrer großen Unreinlichkeit und
des Einfettens ihrer Haare und Körper verbreiten die
Abeſſinier einen ranzigen Geruch. Die Waffen be—
ſtehen in Lanzen, ſichelförmigen Säbeln und langen,
trummen Meſſern, runden, mit Metallbuckeln befdla-
genen Lederſchilden, mächtigen Luntengewehren, die
in neuerer Zeit durch Remingtongewehre verdrängt
werden. Das grobe, ſchlechte Schießpulver bereiten
die Abeſſinier ſelber. Die Häuſer ſind bald roh aus
Steinen aufgeführte Gebäude, bald Lehm- und Gras—
hütten, auch die Wohnungen der Fürſten ſind nicht
viel beſſer, dabei iſt der Hausrat recht primitiv. Haupt⸗
nahrung iſt Fleiſch, meiſt durch eine ſehr ſcharfe
Brithe gewürzt, dazu wird Brot, teils ungeſäuert,
teils geſäuert, gegeſſen. Als Getränk dient Bier aus
Sorghum oder Dagoſa, vor allem aber Detſch, zum
Gären gebrachtes Honigwaſſer, das in Schoa allein
vom König bereitet werden darf.
Meyers Konve⸗Lexikon, 6. Aufl., J. Bd.
wegen ſpärlicher Bevölkerung nur fleckweiſe bebaut,
das Hauptackerland befindet ſich in der Woina Dega,
das in der Dega in aufſteigender Richtung wieder ab-
nimmt (. oben). Pflug, Sidel und andre Geräte find
höchſt primitiv. Das mit Stöcken ausqedrofdene oder
ausgetretene Korn wird in Erdgruben, bis 5 m hohen
Körben und Lehmtdpfen aufbewabhrt und bei jedes-
maligem Bedarf zwiſchen zwei Steinen zerrieben.
Biehsudt bildet cine Lieblingsbeſchäftigung der
Ubeflinier. Rindvieh, worunter eine Spiclart, das
Sangarind, durd) foloffale Hirner ausgezeichnet ijt,
ernibren die wieſenreichen Stride des Hodlandes in
großer Menge; Kamele kommen am bejtenin der Rolla
und Woina Dega fort. Schafe, sum Teil mit Fett-
ſteißen, aud) behaarte, werden bejonders in der Pro—
vinz Begemeder, fleine ausdauernde Pferde, Cel,
Maultiere und Maulefel auf den Hochebenen Nord-
abefjiniens undin den Gallacbenen gesichtet; ſehr ver-
breitet ijt bie Bienenjudt. Jn techniſchen Dingen
zeigt Der Ubeffinier viel Gefdid. Die als Herenmetiter
— Eiſenarbeiter ſtellen Lanzenſpitzen, Säbel⸗
lingen, Pferdegebiſſe, Steigbügel, Pflugſchare u. a.
her; dic Goldarbeiter find eingewanderte Inder, Ure
menier und nubiſche Djaalin. Die Frauen sie
Flechtwerk, jpinnen und weben Baumwolle. Die
Drechsler erzeugen ſchöne Urbeiten aus Horn (ſ. Ta-
fel ⸗Afrikaniſche Kultur II-, Fig. 15); die Gerber
find faſt ebenfo übel berufen wie die Cijenarbdeiter.
Der Handel geht über Zeila und Dſchibuti. An der
Einfuhr (14 Will. Franf) nehmen in erjter Linie
teil Baunuvollenjtoffe mit 7,5 Dull. Fr., Waffen mit
3,1 Dull. und Glaswaren und Berlen mit je 1 Weill.
Fr., wahrend die Ausfuhr (7 Will. Fr.) namentlid
Kaffee, Elfenbein, Gold, Wachs und Felle umfaßt.
Die Verkehrswege, vor allem die Handelsſtraßen
von Seila, Bulbar und Berbera nad) Harar und
Schoa, find verbejjert, ferner ijt der Bau einer Cifen-
bahn von Didibuti nad Harar in Angriff genom-
men und Ende 1900 find die erjten 140 km dem Ber-
fehr iibergeben worden. Cine Teleqraphen- und Tele-
phonlinie verbindet Harar mit Addis Wbeba; weitere
Linien nad) Maffaua und Chartum find geplant.
Ein achttäglicher Poſtdienſt iſt zwiſchen Addis Abeba
und Harar, Dſchibuti und Zeila eingerichtet. Als
Landesmünze dient der Bör (Ber, Mariathereſien⸗
taler), gleich 20 ägypt. Silberpiaſter (Göſch), auch
der altſpaniſche Piaſter mit Zerſchneidung in Hälften,
ferner das Metikal Gold (die Zechine). Daneben gel-
ten als Bahlungsmittel ungemiingtes Gold nad Ge—
widt (dem Wakih von 25,92 g¢), Ratronen, Salzſtan—
en (Umolen, Amulies), die aus Salzlagern des Aſſal—
ae gewonnen werden, Streifen aus Baumwollen—
zeug (1 Gabi gu 4 Gerbab oder dem Bedarf fiir
vier cinfade Kleider — 20 Ellen von 42 engl. Yard),
blaufjeidene Halsſchnüre (Mateb) und Glasperlen (1
Harf zu 40 Rebir — 120 Borjode). Das Maßweſen
ijt nod) unentwidelt.
Das Rolf zerfallt in Wdliqe und Gemeine. Auf
der höchſten Stufe ftehen die Mefunen, zu denen der
Konig, die Statthalter, die Kirchenfürſten, Die hohen
Offijiere und Beamten gehören. Dem geringern
Udel, Moffefo, — die andern Offiziere und Be-
amten an. Die Gemeinen werden von den Kaufleuten,
Handwerkern, Ackerbauern, Jägern und Fiſchern ver—
treten. Die Gliederung der Beamtenhierarchie iſt in
A. ſehr ſtreng und folgerecht durchgeführt. Gegen—
wärtiger Herrſcher Megus) iſt Menelik, bis 1889
3
34
König von Schoa. Cingeteilt ijt das Reich in fieben
Provingen: Begemder und Gondar, Edfdu, Wollo,
Aruſſi, Kaffa, Godſcham, Dſchimma; die fiinf erjten
ſtehen unter einem Ras, die zwei letzten unter einem
Negus. Hauptitadt ijt Addis Ulam (j.d.). Das Recht
wurde in A. von alters her nad dem Fata Negeſt
(Richtſchnur der Könige«) ge{proden. Zwölf Ridter
jind Dem Negus zugleich als StaatSrat beigqeordnet.
Die Strafen find von barbarijdher Strenge. Auch
herrjdt nod der alte Brauch der Blutrade.
Die herridende Religion ijt das jafobitijde, mo-
nophyfitijde Chrijtentum, das aber auferordentlid
jtarf mit heidniſchen, jiidijden und mobammedanijden
Anſchauungen und Feſtſetzungen durchflochten ijt. An
der Spitze jtehen die Ubuna von Amhara, Schoa und
Godjdam, deren erjtere beide den Titel eines Metro—
politen fiihren. Die oberjten Kirdenbeamten miijjen
chelos fein. Großen Einfluß bejist Der Etſchege, der
Beidtvater des Königs, der das Mönchs- und Klo—
jtermefen leitet und fajt alle Rirdengiiter ju eigen
hat. Die Sahl der niedern Geijtlidhen, der Monde
und Nonnen tit gewaltig. Die niedere Geijtlichteit
darf beiraten, aber nur emmal. Von Rirden gibt es
cine augerordentlid) große Zahl. Cine Menge der-
felben ijt in Felſen etngegraben; die vornehmſte ijt
die Metropolitantfirde gu Axum. Kirchliche Feſte find
der Neujahrstag, der 10. Sept., das Maskalfeſt am
26. Sept., Weihnadten, das Fejt der Taufe Chrijti
und das Ojterfejt. Das Qabr 1902 unſrer Heit-
rednung ijt das 7394. der abeſſiniſchen. Jedes Jahr
zerfällt in 12 Monate von 30 Tagen und einen
Scaltmonat. Die fatholijden fowie die protejtan-
tijden (Chrijdona) Miſſionare, die cine Neubelebung
Des ju leerem Zeremoniell herabgejunfenen Chrijten-
tums verjudten, wurden 1885 ausgewieſen, Dagegen
hat die ſchwediſche Miſſion von Maſſaua aus Stationen
in M'Rullo und bei Urtifo angelegt, und in Harar,
Bubaſſa und Gera arbeiten franzöſiſche katholiſche
Miffionare. Neben den Chrijten wohnen zahlreiche
Mohammedaner; einzelne Landſchaften find fajt aus-
ſchließlich von ihnen beſetzt.
Das Lehnsweſen bedingt eine regelmäßige mili—
täriſche Dienſtleiſtung. Das aktive Heer iſt 150,000
Mann ſtark und beſteht aus Infanterie, Kavallerie,
Artillerie (6 Batterien und Gebirgsartillerie), Ver—
pflegungstruppen und Munitionspark, daneben gibt
es irreguläre Heerhaufen zu 50 und 100 Mann.
Diplomatiſch vertreten ſind Frankreich, England und
Italien; die Türkei hat einen Konſularagenten. —
Einen Orden vom Siegel Salomonis mit zwei Klaſ—
jen ſtiftete 1374 König Johannes (ſ. Tafel⸗Orden III-,
Big. 8).— Das Wappen ijt ein mfulierter Lowe, der
in der redjten Pranke cin in cin Kreuz ausgehendes
Septer halt.
Gefhidte.
Ubefjinien, deffen altejte Bewohner der haiti
ſchen Raſſe (mit einem Einſchlag von Negerblut) an-
gehörten, erhielt feine Qultur von Agypten aus. Unter
den libyſchen Bubajtiten war das ägyptiſche Konig
reid) in Berfall geraten; um 840 v. Chr. gelangte
Theben in äthiopiſchen Befig, und um 770 fiibrte der
Athiopifde Aönig Piſanchi fein Heer fogar nad) Unter:
agypten. Tre 25. Dynajtie (um 700 v. Chr.) erfennt
felbjt der Natalog Manethons als athiopifd an; dod
war fie nicht von langer Dauer: 668 verlieen die
durch aſſyriſche Angriffe geſchwächten Nubier Theben.
Nunmehr begann das bis dahin von der höherſtehenden
ägyptiſchen Kultur ſtark beeinflußte Athiopien (Na
pata Reich) ſich mehr mit dem barbariſchen Süden
Abeſſinien (Religion, Heerweſen, Orden ꝛc.; Geſchichte).
und Oſten zu beſchäftigen; der äghptiſche Einfluß ver
ſtärkte ſich wieder, als ein Teil der i ara gur
Beit Pſammetichs L. um 650 v. Chr. nad Nubien aus
wanderte. Im 3. Jabrh. v. Chr. qriindeten griechiſche
Rolonijten an der Küſte den Qonbdelsplog Adulis
(jetzt Ruinen von Zula). Yn früher Zeit wanderten
Araber aus Südarabien cin, das im 1. vorchriſtlichen
Jahrtauſend fogar die Herrfdaft fiber U. erlangte,
hier Semitentum ecinpflangte und Sabäiſch zur
Schriftſprache madte, aber vom 2.—6. nachchriſtlichen
Jahrh. durch abeſſiniſche Könige beherrſcht wurde.
Die Handelszüge der helleniſtiſchen Ptolemäer und
Römer drangen tief ins Land cin. Um 330 n. Chr.
fand da8 Chrijtentum von Werandria her Eingang
und bewirfte einen nod) engern Verkehr mit griech
ſcher Bildung. Und felbjt als die rohen Blemmher im
Gebirgsland öſtlich vom nubifden Ril ihre Raubsiige
begannen und den Weg durchs Riltal zeitweiſe vdtlig
fperrten, gelangten Keime der griechiſch-römiſchen
Ziviliſation ſüdlich nad) Merve, fo daß der öſtliche
Sudan nidjt gon in Barbarei verjanf. Su Reros
Zeiten ſcheint Meroe in Tritmmern gelegen gu haben ;
dafür erhoben fic) zwei Teilreide: dad nubiſche Na—
pata von neuem und das ſüdöſtlich gelegene UTum
(j. d.), Das feinen Wittelpunft unter den kräftigen
abeffinijdjen Bergvilfern fiidwejtlid) von Wdua fand.
Die Bliite der dadurch erzeugten Miſchkultur fällt in
das 4.—7. Jabrh. Um 900 famen aus Urabien ein—
gewanderte Befenner des jüdiſchen Glaubens, bis
1262, auf den Thron. Portugieſiſche Miſſionare
(Ulvarez, Bermudez, Paez, Mende3) wirkten nad) der
Wiederherftellung der dhrijtliden Herrſchaft im Land,
und 1541 ward die Gefabr, dem von den Türken
unterjtiipten Mohammed Uhmed Granj von Harar
ju erliegen, nur durch Portugieſen unter Chrijtoph
da Gama abgewendet, nadjdem fid) feit 1537 in die
verödeten Landjtridje awifden Sdoa und Nord
abeffinien Hirtenſtämme der Balla ergoſſen batten.
Leider tradteten die römiſch-katholiſchen Prieſter,
insbeſ. Die Jeſuiten, fortan nad unbedingter Herr:
ſchaft; Wifons Mende; wurde vom Papjt als Pa—
triard) nad) A. gefdidt und baute mehrere Klöſier.
Aber ſchon 1634 wurden die Römiſchen vertrieben.
und die monophyſitiſche Lehre gelangte durch koptiſche
Geiſtliche wieder zur Herrſchaft; der ſeit 1880 amtie
rende Oberbiſchof von YW. (Abuna) heißt Matthäos
Im 18. Jahrh. wurde der König (Negus «) immer
machtloſer. Anfang des 19. wurde der Schattenkönig
Saglu Denghel zu Gondar durd) den Ras Wii von
Amhara wie cin Gefangener gebalten, wahrend Saba:
gades 1823—31 unabbangiger Gebieter von Tigré
und den öſtlich vom Tafafeh lieqenden Gegenden war.
Nad) der von Ras Mario 1831 gewonnenen Schlacht
herrſchte Ubi¢ in Tigré, in Schoa dagegen Sahela Se-
laffié. Wher 1853 ſtürzte Rajat ({. Theodor), angeb-
lich Der Sohn eines Statthalters von Duara, feinen
Sdhwiegervater Ras Ali und ward Herr von Amhara
(weſtlich vom Talafeh bis zum Blauen Ril). Reliqtdje
Verhältniſſe halfen ihm weiter. Als fic) Rafat der Eop-
tifchen Geiſtlichkeit ficher wufte, zog er gegen Ubié von
Tigré, und diefer unterlag 1854 bei Debrasfi. Kaſai
nabm im Februar 1855 den Titel Theodorus (IL),
Raifer (Negus Regejti, »Rdnig der Könige⸗) von
Athiopien, an. Wud) Sabela Selaſſies Nadfolger,
König Haila Malakot von Schoa, verlor feine Krone
1856. Mun bildeten Tigré, Amhara und Sdoa Ein
Reich. Nachdem er die Cmporung Neguſies von Tigre
1861 unterdriidt hatte, beqann Theodoros durchgrei
fende Reformen des Staates und der Kirche ; durd Ein⸗
Abeſſinien (Entdedungsgejdhidte, Literatur).
85
führung der Monogamie wurde die Sittlidjfeit geho- | eine entſcheidende Niederlage. Wdigrat wurde von
ben. Theodoros 30g die Güter der Kirche cin, ficherte
dagegen der Geiſtlichkeit cin beftinuntes Cinfommen
und lie den Klöſtern gu ihrem Unterhalt ausreidjen-
des Land. 1864 glaubie fid) Theodoros von England
ſchwer verlegt, und engliſche Miſſionare und der Kon—
jul Cameron follten ibm als Geifeln dienen, bid er
pon England Benugtuung erlangt hatte; 1866 lief er
aud) den englifchen Gefandten Raſſam ins Gefingnis
werfen. Und obwohl Theodoros 1867 nur nod) in
feinem Lager bei Debra Tabor über feine Krieger
herrſchte, blieben die Berfudje Englands, die Befreiung
auch Franfreich, das fic) namentlicdh fiir den Bau ciner
der Gefangenen —— zu erwirken, fruchtlos. Im
Oftober d. J. landeten 12,000 Mann englifd-indijde
Truppen unter Sir Robert Napier an der Weſtküſte
Der Unnesleybai im Hafen von Zula. Bon dem fun-
digen Munzinger geführt, fam das Heer glücklich ins
Innere. Theodoros madte aus Magdala 10. Upril
1868 einen Ausfall, lieferte die Gefangenen aus, er-
ſchoß fic) aber ſchon 14. Upril, als die Englinder
um Sturm fdjritten. Yun folgten Sabre mnerer
—— während deren auf Anſtiften des zum
aͤghyptiſchen Gouverneur von Maſſaua ernannten
Munzinger der Chedive 1872 die nördlichen Teile
Abeſſiniens (Bogos und Menſa) anneftierte. In—
zwiſchen hatte Rafat von Tigré den Fiirjten Gobefi¢
von Lajta und Godſcham bejiegt (14. Juli 1871),
A. auger Schoa unterworfen und ſich 21. Jan. 1872
unter dem Namen Johannes (ſ. d.) in Arum gum
Negus Negeſti krönen fafjen. Win 15. Nov. 1875
ward Munzinger bei Auſſa getdtet; 17. und 18. Nov.
fiel bei Gudda Guddi das ägyptiſche Heer Urendroops
und Wrafel Beis gegen Johannes, und 7. März 1876
wurde aud) Hafan, des Chedive Ismail Sohn, mit
20,000 Mann bei Gura vom Kaiſer gefdlagen.
Daraufhin unterwarfen fic) aud) Menelik von Schoa
(1879) und Ras Adal von Godſcham (1880). Seit
Dem Aufftand in Ägypten 1882 und dem Wbfall des
Sudin drobte A. von diejer Seite {eine Gefahr mehr.
Wit dem englifden Admiral Hewett ſchloß Johannes |
1884 einen Bertrag, der ihm freien Handel über Maf-
jaua 3ufiderte. Als aber die Staliencr 1885 Maſſaua
befetten, nahin Johannes cine feindlide Haltung ein.
Sein Feldherr Ras Alula bradte den Ftalienern
26. Jan. 1887 bei Dogali Verlujte bei; aber 9. März
1889 fiel Kaiſer Johannes bei Metemmeh gegen die |
fordert durch den feit 1837 dort angefiedelten Bota-
Mabhdijten.
Sein Reffe Mangaſcha wurde von Menelif (IL) |
verdringt, der mit den Stalienern, die inzwiſchen
Keren und Asmara befest hatten, 2. Wai 1889 das
Biindnis von Utſchalli flog; das von den Ita—
lienern befegte Gebtet wurde als Nolonie Eritrea
anerfannt. Dod jdon tm Frühjahr 1893 wollte fid
Menelif von der italieniſchen Vormundſchaft tos-
maden. Diefes Berlangen wurde von Stalien nidt
wetter beadhtet. Der Befehishaber der ttalienifden
Truppen in Eritrea, General Baratieri, ſchlug 20. De3.
1893 die Mahdijten bei Agordat zurück, eroberte
17. Juli 1894 Kaſſala, riidte Unfang Januar 1895
gegen Coatit vor, eroberte Mangafdas Lager 16. Jan.
bet Senafe, befeste Udigrat und 1. April Wdua in
Tigré Wis die Ataliener im Oftober die Operationen
wieder aufnabmen, räumte Mangaida ganz Tigré
und bat um Frieden. Uber 7. Des. 1895 wurde General
Urimondis Vorhut unter Major Tofelli bet Amba
Aladſchi überwältigt, Wajor Galliano in Makalle
eingeſchloſſen und 20. Jan. zur Ubergabe gezwungen.
Wit 26,000 Mann qriff Baratiert 1. März 1896 die
Stellung Menelifs bei Wdua (j. d.) an, erlitt aber
den Ubeffiniern umzingelt, Eritrea aber nicht ange-
geiifen:; aud) Rafjala wurde bebauptet. Der neue
berbefehlshaber, General Baldijjera, entjegte An—
fang Wai 1896 Wdigrat, und 26. Oft. d. J. ſchloß
Stalien mit dem Menelif den Frieden von Addis—
Abebä, worin es auf die Schugherridaft über A.
verzichtete, Der Negus aber geqen Erſatz der Ver—
pflequngsfojten die (2000) Gefangenen auszuliefern
fic) verpflidjtete. WIS Grenze zwiſchen A. und Eritrea
wurden die Flüſſe Mareb, Belefa und Muna feit-
geſetzt. Außer Rußland fdidten 1897 und {pater
Eiſenbahn Didibuti-Harar (-Wddis-YWbeba) inter-
effiert, und England, dem feit 1901, im Zuſammen—
hange mit der Regelung der Niliiberjdwemmung, die
| Unjtauung des Tſanaſees am Herzen liegt, befondere
Gejandtidaften nad) A. Menelif ſetzte ſeine Crobe-
rungen im Gilden fort, unterwarf 1898 Den Has
Mangaſcha, gab Tigré an den juverliffigern Rags
Wafonnen, {pater an Ras Olié, den Bruder der Kai—
jerin, und bradjte Ubefjiniens Macht auf eine nie ge
fannte Höhe.
IEntdecungsgeſchichte, Literatur.) Den erjten
Nach weis iiber U. (im Mittelalter Wbascia genannt)
bringt das Weltbild des Fra Mauro im Dogenpalait
u edig. Cine wiſſenſchaftliche Darjtellung des
fandes gab auf Grund abeſſiniſcher Quellen zuerſt
1681 Job Ludolfs »Historia Aethiopica«. 1698
bis 1700 durchzog der Franjofe Poncet das Land,
deſſen Berit im 5. Band der »Lettres édifiantes«
(Bar. 1830) abgedrudt ijt. 1728 erſchien die » Voyage
historique« von Lobo (Par.). Die angezweifelte
Reifebejdreibung von Bruce, »Travels in Abyssi-
nia« (Edinb. 1790; deutſch, Leip;. 1792), wurde durch
Lord BValentias (»> Voyage to Abyssinia«, Lond.
1814) völlig beftitigt. Die politifche Miſſion des
Napitins Harris 1841, an der die Deutiden Roth
und Bernag teilnahmen, eröffnete die Kenntnis
Sdoas(»The highlands of Aethiopia«, Yond. 1844;
deutid), Stuttg. 1847, 3 Bde.); Hemprid und
Ehrenberg batten ſchon 1825 das Kiijtengebiet bei
Maſſaua durdforidt, wobei Hemprich dem Fieber er-
lag. Von auferordentlider Bedeutung war die Reife
von Rüppell (»Reijen in A.«, Frankf. 1838 — 40,
2 Bde.). Die Kenntnis des Landes wurde weiter ge
nifer W. Schimper fowie durd die Miſſionare, wie
Sfenberg und Rrapf (»Journals detailing their
proceedings in the kingdom of Shoa<, Yond. 1843)
und Rrapf (Reiſen in Ojtafrifas, Rornthal 1858;
engl., Lond. 1860). Die Rejultate emer deutſchen Ex—
pedition unter v. Heuglin und Steudner finden
jid) in Heuglins »Reije nad A.« (Jena 1868). Die
serge bebandein: UW. Brehm, Ergebniſſe einer
eiſe nad Habeſch (Hamb. 1863) u. Blandford, Ob-
servations on the geology and zoology of Abyssinia
(ond. 1870). Val. ferner die Reijewerte von Combes
u. Tamiſier (Bar. 1835—37, 4 Bde.), Lefebvre (daſ.
1845 —48, 6 Bde.), Ferret u. Galinier (Das. 1847-—48,
2 Bde.); Sapeto, Viaggio e missione cattolica fra
i Mensa, Bogos, e gli Habab (Rom 1857); Mun—
singer, Ojtafrifaniidhe Studien (Schaffh. 1864); A.
d'Abbadie, Douzeans dans la Haute-Ethiopie (Bar.
1868); Robt fs, Meine Miſſion nach A. (Daj. 1883);
die Reijebericte von Plowden (Lond. 1868), Girard
(Rairo 1873), Lejean (Bar. 1873), Raffray (daſ. 1876),
Matteucci (Mail. 1880), Vigoni (daf. 1880), Wine
jtanlery (Lond. 1881, 2 Bde.), Cedi (7. d.), Smith
3*
36
(Lond. 1890), Mafjaja (j.d.); die einſchlägigen Werke
von Baulitidfe (f. d.); Sapeto, Etiopia (Rom
1890); Borelli, Ethiopie méridionale (Rar. 1890);
Miinzenberger, WU. und feine Bedeutung fiir unfre
eit (Freib. i. Br. 1892); Nicoletti-Witimari, Fra
gli Abissini (Rom 1897); Biqnéras, Une mission
francaiseen Abyssinie (Bar. 1897); P. De Qauri-
bar, Douze ans en Abyssinie (Daf. 1898); Wylde,
Modern Abyssinia (Yond. 1901); H. Vivian, Abys-
sinia (Daf. 1901); De Churand, Carta dimostra-
tiva della Etiopia, 1; 1,000,000 (Rom 1894, 6 Blatt).
Bur Geſchichte vgl. nod: Cojti, Storia d’Etiopia
(Mail. 1890); Glafjer, Die Ubeffinier in Urabien
und in Afrika (Münch. 1897); Rrapf, The pre-
sent literature of Abessinia (Anhang jur engl. Aus⸗
qabe fener oben angefiihrten Reije); Schurtz im
Abetti — Abfälle.
Verarbeitung der Rohſtoffe gebildet haben. Wan er-
halt aus 100 kg Roheiſen 70—80 kg Stabeijen, aus
100 kg Stabldrabt 60 kg Nähnadeln, aus 100 kg
Stabeijen 45—60 kg Cijenbled), aus 1 chm Hol; oft
nur 0,5 cbm Furniere, aus 100 kg roher Baumwolle
70—80 kg Garn, aus 100 kg roben Flachsſtengeln
9—15 kg fpinnbaren Fladhs. Die Jndujtrie bemiiht
ſich, dieſe A. möglichſt 3u vermindern, die unvermeid-
licen A. aber in den Kreis der Fabrikationsprozeſſe
zurückzuführen oder anderweitiq lohnend zu verwer—
ten. don vorteilhafter Verwertung der A. hangt nit
| felten dad Gedeihen des Geſchäftsbetriebs ab. Much
| Die öffentliche Gefundheitspfleqe hat an rationeller
Behandlung der W. großes Intereſſe, weil manche
durd) Cinwirfung auf Pflanzen und Tiere ſchädlich
werden, andre durch Fäulnis cinen Herd fiir die Ent-
3. Bande von Helmolts » Weltgefdidhte« (Leipz. 1901). | widelung von allerlet Anſteckungsſtoffen liefern, die
Uber den engliſch-abeſſin. Feldzug vgl. Marfham, Luft, den Boden, das Flußwaſſer und Brunnen ver-
Ahistory of the Abyssinian expedition (Lond. 1869) ; | unreinigen 2c. Zu den widtigiten Ubfallen gehören:
die Werfe von Ucton (daj. 1868), Raffam (daf. Schlacken der Hiittenwerfe, die auf Metalle, zu Stet-
1869, 2 Bde.); Holland und Hozier, Record ot
the expedition to Abyssinia (amtlicder Bericht, daſ.
1871); Rohlfs, Ym Auftrag des Königs von Preu-
Ren in A. (Brem. 1869); Carter, Report on the
survey operations, Abyssinia (Lond. 1869); die Be-
ridte Der Wiifjtonare: Blanc, A narrative of capti-
vity in Abyssinia (Daj. 1868), Stern, The captive
missionary (Daf. 1869), Flad, Zwölf Jahre m A.
(Bajel 1869), Waldmeier, Erlebnifje in A. (daf.
1869). Uber den italienifd -abefjin. Feldjuq: Lu-
jeur, Etudes critiques sur la guerre entre I'Italie
et l’Abyssinie (Par. 1896); Milani, Le armi ita-
liane in Abissinia (Mail. 1896); v. Bruchhauſen
int 1. Beibeft gum » Militar Wodenblatt«, 1897; Ga-
merra, Ricordi di un prigioniero di guerra nella
Scioia (Mail. 1897; deutid, Berl. 1897); Ed. Xime-
nes, Sul campo di Adua (Turin 1897); Baratieri,
Memorie d’Africa (Daf. 1897; franz., ‘Bar. 1899).
| nen, Zement, Glas, Waun, Kieſelſäure, Metallſal—
| jem 2c. verarbeitet werden; Rohlenflein, das zu Bri—
fetts (Preßlohle) geformt wird; Steinfobhlenafde,
aus der man die Darin reidlid) enthaltenen Rofs ge-
winnt; Holzaſche, die als Diinger und zur Gewin—
nung von Laugen benugt wird; ſchweflige Saure,
die aus Hiittenwerfen, Ultramarinfabrifen, Affinier—
werkſtätten 2. entweidt, jest aber meijt auf Schwe-
felfaure verarbeitet wird. Chlorwafferjtoffgas
der Sodafabrifen wird verdidjtet und liefert die Salz—
jaure, weldje die Sodafabrifen sum großen Teil felbyt
zur Darjtellung von Chlorfalf verarbeiten. Hierbet
entjteben wieder Manganlaugen al8 Ubfall, aus
denen man da8 Mangan in einer Form wiedergewinnt,
daß es Don neuem benugt werden fann. Fruher qing
der Schwefel derin den Sodafabrifen benutzten Schwe
felſäure verloren, und die Sodarückſtände bildeten
eine grofe Lajt. Jest werden aus leptern Schwefel
|
i
Abetti, Untonio, Aſtronom, geb. 19. Juni 1846 | und Kalk, an den der Schwefel gebunden war, wieder:
in Görz, wurde 1868 Aſſiſtent, 1877 Udjunft der gewonnen. Die Kiesabbrände der Schwefelſäure—
Sternwarte in Padua und 1894 Direltor der Stern: | —— werden auf Eiſen, Kupfer, Silber, Kupfer—
warte zu Arcetri bet Florenz. Er ijt einer der eifrig⸗ vitriol, Zement und ju Bauſteinen verarbeitet. Aus
ſten Beobachter von Nometen und kleinen Planeten. dem kondenſierten Waſſer der Gasanſtalten ge—
Pt hn a j. Abſchoß. winnt man Ymmonial, und der Teer ijt der Rohſtoff
Abfahrtspunkt, der durch Kreuzpeilung (j. d.) ausgedehnter chemiſcher Betriebe, befonders der Far
nad geographijder Yreite und Lange bejtinunte | benindujtrie qeworden. Der W oll fh weif der Schaf—
Schiffsort, der den Unfangspuntt fiir die Berechnung | wolle wird auf Pottaſche verarbeitet, Bollabfalle
Ded gegißten Beſteds (f. d.) bildet. Abgefahrene | dienen als Filtriermaterial, und wollene Lumpen
Lange und Ureite tit das Bejted des Ubjabrts- | verarbeitet man auf Shoddy, leinene und baumwwollene
puntted; angefommene Lange und Breite ijt | auf Rapier. A. der Gerbercien und Schlächte—
das Vejted des erreidjten Schifisortes. reten bilden das Rohmaterial fiir Leim-, Blutlaugen-
Abfall, die Losſaqung von einer bisher anerfann- | ſalz- und Rnodentobhlefabritation, aud wird aus
ten Verpflichtung ober einer bisher vertretenen An⸗ dem Blut Albumin dargeftellt und der Rücſtand auf
ſchauung. Zu unterſcheſden iſt vornehmlich der poli- | Diinger verarbeitet. UW. aus Zuder-, Stärkezucker—
tifde und der fonfeffronetle WL, je naddem man | fabriten, Bierbraucreten und Branntwein-
jid) von einer polttiſchen oder religiöſen Uberzeugung, | brennereien dienen als Viehfutter; aus der Melaſſe
Regierung, Partet ober Allianz losſagt. Wis Beifpiel | der Zuckerfabriken aber wird der größte Teil des da:
dew politticien Vibfalls oder Ausſcheidens ganzer Lan- | rin enthaltenen Zuckers gewonnen, oder man ver:
Desteile aus bent frithern ſtaatlichen Verband ijt der | arbeitet jie auf Spiritus und gewinnt aus der Schlempe
WU. der Hieherlande von Spanien und als Beiſpiel des | Methylechloriir und Alkaliſalze. Weinhefe und Wein:
relight fredplichen Abfalls die Losfagung der pros | treber liefern Weinjtein, Eſſig, Kaliſalze, Leuchtgas,
teſſantachen Mirde von Rom Hervorjubeben. Bgl. | Frantfurter Schwarz. Val. Abwäſſer.
Wpottate, .. Die ſtädtiſchen W. bejtehen aus den Exfremen-
UAbfatle. Tie bei Verarbeitung der Roh- | ten, dem Stragentehridt, dem Müll und den unreinen
ftotte Nit) ergebenden YL find vielfad) unverainderte | Wäſſern. Der Müll nimmt den Kehricht, Scherben,
Toile derſelben (Hobel-, Sage, Feilfpane), inandern | Lumpen, Wide, Nahrungsmittelreſte rc. auf. Die
Fallen aber Subſtanzen, die von der nugbaren Sub: | Menge der hauslicjen UW. beträgt pro Kopf und Jahr
jtany, wie Die Natur fie bietet, abgetrennt werden | mindejtens 90 kg, mit der Aſche wohl 0,25 —O,35 cbm.
mitijjen, oder Die ſich durch chemiſche Prozeſſe bei der | Ihre gefahrloſe Befeitiqung ijt eine dringende hygie-
Abfallen — Abgangswintel. 37
niſche Forderung. Liber diefe A. f. die Urtifel Wb- | lichen Verſchuldung zurüchzuführen (ſ. Kredit, land—
wiijjer, Exfremente, Mill, auch Mas. Vol. Flee, | wirtfdaftlider). (Mu ffrifden.
Die Fabrifation chemiſcher Produlte aus tieriſchen Wbflauen, Nadlajjen des Windes; Gegeniag:
Abfällen (2. Uufl., Braunfdw. 1880); Fifdher, Die| Abfohlen, der GeburtSalt der Stute.
Verwertung der ftadtijden und Yndujtricabjallitoffe| Abformen, ſ. Abguß.
(Leipz. 1875); Simmonds, Waste products (2. Wbfrageapparate, ſ. Fernſprecher.
Uujl., Lond. 1876); Süßenguth, Jnduftrie der Ub-| Abfuhr (Abführen), ſtudentiſch: Verwundung,
falljtoffe (Seipz. 1879); Bogel, Berwertung der jtad- | die Den Duellgeqner kampfunfähig madt, |. Menfur.
tiſchen Abfallſtoſſe (Berl. 1896). Ubfiihren, das Urbeiten eines Jagdhundes nach
Abfalien, das Vorſchiff vom BWinde fortwenden. | beendeter Stubendrefjur, um denfelben zur Jagd auf
Militäriſch in Djterreid) foviel wie Ubbredjen. dem Feld oder tm Walde ſelbſt weiter absuridten.
Abfallhaufen, |. Kjöllenmöddinger. Abführende Mittel (Larantia, Purgantia,
Abfallrinne, cin ſeichter Graben, der Waſſerquer Rathartifa), Arzneimittel, die angewendet werden,
iiber cine Böſchung gu führen hat und wegen feined | um Stublgang herbeizuführen. an unterſcheidet
jtarfen Gefälls beſonders befeſtigt werden muß. milde Laxantien: Glauber- und Bitterſalz, ge—
Abfallrohr, ſ. Dachrinne. brannte Magneſia, ſalzhaltige Mineralwäſſer, Wein—
Abfangen, Töten eines angeſchoſſenen Stückes ſtein, Kalomel, Schwefel, Manna, Honig, Glyzerin, Obſt
Edelwild durch einen Stich. Geringe Hirſche, Tiere und fette De; fraftiqere Larantien: Rhabarber,
und Rehwild werden durd) einen Stich mit dem Jagd— Rizinusöl, Sennesblätter, Uloe; drajtifde (jharfe)
mefjer (Genidfainger) swifdhen dem Schadel und | Purgiermittel: Yalappe, Roloquinten, Kroton—
dem erjten Halswirbel abgenidt, ftarfe Hirfde und | öl 2c. UW. M. wurden von alters her in ausgedehn-
Sauen durd) einen Stich mit dem Hirſchfänger, bes. | tefter Weife —— ja es iſt zu manchen Zeiten
der Saufeder in die Herzlammer abgefangen. — Ge- (gaſtriſche Schule im 18. Jahrh.) der ärgſte Mißbrauch
ſteinsmaſſen vor dent Herabfallen durch Zimmerung | damit getrieben worden. Sie wirfen, nicht am rech—
bewabhren; hervorbredendes Waſſer ableiten. ten Blak angewendet, oft recht ſchädlich. Es ijt des-
Abfafen, ſ. Faſen. halb die Gewohnheit, regelmäßig jedes Jahr im Früh—
Abfedern, gefangene oder angeſchoſſene Bagel | ling zu laxieren (Maikuren), zu verwerfen. Nament—
durch einen Stich mit einer ausgeriſſenen Schwung- lich iſt vor dem Gebrauch draſtiſcher Tinkturen und
feder in den Hinterkopf töten. Pillen, welche die geſchäftige Induſtrie Dem Bubli-
Abfertigung, die zollamtliche Behandlung ein⸗ kum anbietet, ernſtlich zu warnen. Bei Neugebornen
gehender Waren. Die die Abfertigungsanträge | und ganz kleinen Kindern ſoll man a. M. niemals
der Abgabepflichtigen und die Ubfertiqungsver- | ohne ärztliche Verordnung anwenden; ein Kliſtier
mittelungen der Abfertigungsbehörden oder | von lauem Waſſer (Glyzerin, kleine Spritze von 5 ccm)
Stellen enthaltenden Schriftſtücke heißen Abferti- oder ein Seifenzäpfchen reicht gewöhnlich bet Ver—
gungspapierez; der über das Ergebnis der A. aus- ſtopfung der Kinder aus und ijt ohne alle Gefahr.
geitellte Schein, dann aud die Quittung fiber erfolgte | Ebenfo follten Erwadjene möglichſt mit diätetiſchen
Jollentridtung heißt Abfertigungsſchein. Wud) Mitteln und fonjtiger Regelung der Lebensweiſe aus-
die Feſtſtellung der Steuerpflicht bei mlandifden BVer- | zufommen fuden. A. M. find anjuwenden zur Ent-
brauchsſteuern wird A. genannt. —— ungehörigen ober ſchädlichen Darminhalts,
Abfett, |. Dégras. jelbjt bet heftigen Durchfällen, aud) bei Rubr, weil
Abfindung, diejenige Leijtung, die jemand fraft | man die zerſetzungerregenden Batterien rc. entfernen
Sonderrechts oder fraft befonderer Verembarung an | muf, bevor Heilung ju erwarten ijt. Vielleicht beruht
Statt eines ihm fonjt juftehenden Unteils erhält, oder | auf der Entleerung folder Mifroorganismen der gute
an Statt ihm fonjt iificbenber dDauernder Einnahmen | Erfolg, den a. M. bei atuten Fiebern aufiweijen.
au beanfprudjen hat. Nad) dem deutiden Biirger- führmus, ſ. Sennesinus.
iden Geſetzbuch ijt unter gewiſſen Vorausſetzungen Abfuhrſyſtem, ſ. Crfremente.
cine A. von dem Erſatzpflichtigen gu zahlen: 1) einem; Wbgaben, im allgemeinen Vermögensleiſtungen,
widerrechtlich Verlesten oder m feiner Erwerbsfähig⸗ insbeſ. auf öffentlich-rechtlichem Grunde berubhende,
feit Beſchränkten (§ 843); 2) denjenigen, die gegen | wie Steuern, Bolle, Gebiihren; es famen und fom-
einen infolge einer unerlaubten Handlung Getdteten | men aber aud) lehnsredtliche, grundherrliche und
Unterhaltungsanjpriide Hatten (§ 844); 3) allen | privatredtlicde A. vor. Der Verfaufer emes Grund-
denen, die gegen cinen widerredtlid) Berlesten oder | ſtücks haftet nad Biirgerlidem Gefegbuch, § 436 nicht
Setdteten fraft Geſetzes Anſprüche auf Dienjtleijtungen | fiir Freiheit desfelben von Sffentliden W. und andern
in ihrem Hauswejen oder Gewerbe hatten (§ 845). | dffentliden, zur Cintraqung ins Grundbud) nicht ge-
Ebenfo fann der geſchiedene unſchuldige Ehegatte von | eigneten Lajien. Soweit die djfentliden A. nicht auf
dem als allein fiir ſchuldig erflarten eine UW. verlangen | dem BVorbehaltsqut der Frau lajten, hat bei der all
(§ 1580). Cin unehelides Rind endlid) fann nad | gemeinen Giitergemeinfdjaft der Ehegatte wahrend der
§ 1712 vor dem Erber des Kindsvaters mit bem Be | Dauner der Verwaltung und Nutznießung fiir fie auf-
trag abgefunden werden, der dem Mind als Pjlicht- | zukommen (§ 1385 des Biirgerliden Geſetzbuchs). —
teil qebiibren witrde, wenn es ehelich wäre. Uber dic | Kaufmänniſch wird Abgabe tm Sinne von Tratte ge—
UW. der Geſchwiſter eines Unerben f. Höferecht. — Uber | braudt (f. Wechſel).
W. im Finanzweſen f. Uufwandfteuern. Vgl aud | Abgang, in der Dramaturgie die lesten Worte
Ablöſung. des von der Bühne abtretenden Schauſpielers; wenn
Abfindungsfredit, derjenige Credit, der bei Ver- effettvoll, alsdanfbarer, guter A. bezeichnet. Dann
migensauseinanderfegungen, namentlid) bei Erbtei- | allgemeiner: effettvoller Szenenſchluß, amt Cnde der
lungen, feiten3 des Erben oder Erwerbers eines Ge- | Utte als epigrammatiſche Zuſammenfaſſung der Er-
ſchäfts oder Guted sur Ubfindung von Miterben und | gebniffe der Handlung oder als fpannender Hinweis
jur Zahlung des Kaufpreiſes benutzt wird. Auf diefe | auf das Künftige berechtigt, innerhalb der tte jedod
Yirt des Kredits ijt cin erheblidjer Teil der biuer-| AWbgangswinfel, ſ. Flugbahn. ſtörend.
38
Abgar, Titel der ſyriſchen Herrider des osroeni⸗
iden Reiches zu Edefja (f. d.) in Mefopotamien. Als
Stifter der Dynajtie wird qenannt Orhai bar
Chewja (cigentlid Uryu), 137 v. Chr. Unter den 30
Fürſten tit Der 14. hervorjubeben : YW. Ufoma (der
Schwarze), nad der Sage Sohn Urjhams, eines Bru-
pers des Yirjafiden Tigranes I. von YUrmenien, und
Freund des Uuguitus. Bom Ausſatz ergriffen, foll er
Jeſus brieflich zu fic) eingeladen, diefer aber den Ruf |
abgelehnt und einen fener Jünger zu fenden verjpro-
chen haben. Nach der Himmel fahrt a dann Thomas
Abgar — Abgejonderte Befriediqung.
ex jure crediti«. Das Recht auf a. B. unterfdheidet
jid) von dem Ausfonderungsredt (ſ. d.) Dadurd, dak
die Ubfonderungsberedhtigten nidt Gegenjtinde aus
der Ronfursmajje wegnehmen, fondern nur aus dem
Erlös der fiir ihre Forderung haftenden Gegenftande
vorweg befriedigt fein wollen. Su diefem Swe diir-
fen fie bie Sadjen im Beſitz bebalten und fie der
Zwangsvollſtreckung unterwerfen, fofern eine folde
nidt vom Nonfursverwalter vorgenommen wird.
Sind mehrere Ubjonderungsberedtigte vorhanden,
ſo wird der Erlös unter fie 10 verteilt, wie wenn ein
ben Thaddäus (Uddai) geſandt und dicfer den Konig | Konkursverfahren nicht beſtände; der etwaige Über—
und die Stadt fiir das Evangelium gewonnen haben. |
fahren braudt der Ubfonderungsberechtigte nicht teil⸗
Briefe wurde ſchon 494 vom Papſt Gelajius ausge |
Die Unedhtheit der beiden von Euſebius bewahrten
fprodjen. Die ganze Erzählung ijt die Erjindung eines
edeſſeniſchen Chriſten, der die geſchichtliche ——
ſchuß fließt in die Konkursmaſſe. Am Ronfursver-
oo insbeſ. feine Forderung nidt anzumelden.
Sr muh nur dem Ronfursverwalter von dem Beſitz
| der Sadjen und von feinem Ubfonderungsanfprud
Abgars IX. um zwei Jahrhunderte hinauffdob und | Mitteilung maden, aud) auf Verlangen die Sachen
dadurch feiner Gemeinde ein hohes Ulter zufpreden | vorzeigen und ihre Abſchätzung gejtatten (§ 119, 120).
wollte. Bgl. Lipfius, Die edeffenifche Ubgarjage | Wird auf das Abſonderungsrecht verzichtet, oder der
fritiid unterfucht (Braunſchw. 1880); Matthes, Wbjonderungsberedtigte durd die a. B. nidt voll-
Die edeſſeniſche Abgarſage auf ihre Fortbildung un: ſtändig befriedigt, fo darf er feine Forderung als Kon—
terfudt (Leipz. 1882); v. Gutfdmid in der beim | fursforderung anmelden (ſ. Ronfurs); er muh aber
Yrtifel » Edejja« genannten Abhandlung; Tireront, | dann den Verzicht oder den erlittenen Uusfall (die Aus
Les origines de l'église d’Edesse et la légende d’A. | falléforderung) nadjweijen ($64). Bur abgefonderten
(Bar. 1888); Harnad, Geſchichte der altchrijtlichen | Befriedigung dienen nad § 47 die der Bwangsvoll-
Viteratur, Bd. 1, 2. Halfte (Leip;. 1893). — Die Wh» | jtredung in das unbeweglide Vermögen unterliegen-
arusbilder, die ailteiten Bildnijje Chrijti, nach | den enſtände fiir ——— die Anſpruch auf
ce wunderbaren Porträt, das der Sage nad Jefus | Befriedigung daraus haben. Rad § 48 dürfen Glau-
ſelbſt ſeinem Unhanger, dem Konig A. Ufoma, jue | biger, denen an einem zur Konkursmaſſe gehdrigen
geididt haben foll, gehdren der morgenlindifden | Gegenftand cin durd) Rechtsgeſchäft bejtelltes Bfand-
Kirche an (feit Dem 4. Jahrb.) und find von einem | redt gufteht, daraus wegen ihrer Bfandforderung a. B.
diijtern, finjtern Charatter, ftarr und ſchmerzvoll. verlangen. Diefen Pfandglaubigern jtellt fodann § 49
Cine Urt Oppoſition von feiten Roms bilden die Ve- cine Reihe von andern Glaubigern wegen gewiſſer
ronifabilder (7. D.).
Abgaſe, ſ. Abhitze
Abgebaut, ſ. Abbau.
Abgeben (faufm.), ſ. v. w. traſſieren (ſ. Wechſel).
Abgebrunftet heißt ein Hirſch, der durch die Be—
gattung an Gewicht verloren bat; ſ. Brunft.
Abgefahrene Lange u. Breite, ſ. Abfahrts—
Abgekörte Tiere, |. Viehzucht. punkt.
Abgeordneten-ſonvent (A. C.), ſ. Studenten—
verbindungen.
Ubgeorducter, jede durch cine größere Anzahl
von Genoſſen mit deren Vertretung in der vorgeſchrie
benen Form betraute Perſönlichkeit, insbef. im Sinne
des fonjtitutionellen oder Reprajentativiyitems Mit⸗
qlied einer parlamentarijden Körperſchaft (7. Bolts
vertretung).
Abgepaft heißen gewebte Stoffe, wenn ihr Muster
fiir einen bejtimmten Raum begrenzt ijt.
Abgeriffen nennt man in der Heraldit einen Tier
fopf, wenn nod) ein Stück des Halsfelles mit aus:
gefranftem Rande gu fehen iit, im Gegeniage ju ab
gefdnitten, wo der Rand glatt verläuft.
Abgeſang, ſ. Aufgeſang.
Abgeſchoben haben Wiedertiuer nad Durchbruch
der bletbenden Schneidezähne; ſ. Rind, Schaf.
Ubgefonderte Befriedigung, nach der deut-
ſchen Ronfursordnung (vgl. § 4 und § 47—52) die
Vefriediqung gewiſſer mit einem Pfandrecht oder ähn—
lichem R
— ead Wee oder Ubfonderungsglinu-
biger). Sie erfolgt zwar aus Gegenftinden, die sur
Konkursmaſſe gehoren, aber »unabbingiq vom Kon—
fursverfahren«, d. h. außerhalb diefes ————
Im gemeinen Recht nannte man die a. B. » Separa-
tton« und die Ubfonderungsberedtigten » Separatiften
echt verſehenen Berfonen (die Ubfonde- |
Fyorderungen, 3. B. derjenigen wegen öffentlicher Wb
gaben, Miet- und Pachtzinſen ꝛc. qleich. Außerdem fn-
nen diejenigen, die mit dem Gemeinfduldner in einer
Gemeinſchaft jtehen, wegen der daraus entfprungenen
Forderungen a. B. aus defjen Anteil verlangen, und
erfolgt die Befriedigung der Lehen-, Stammauts-
und F ibeitonmmifglaubiger aus dem Lehen-, Stamm:
ober Fideilommißgut nad den Vorſchriften der Lan-
desgeſetze (§ 51 u. 52). Weitere Abſonderungsrechte
ſind in der GewerbeordDnung (§ 90 u. 100c), im
| Krantenverjicherungsgeies (§ 73, Abſatz 6) und in
dem Reidsqefes vom 5. Mai 1886, betreffend die Un—
falls und Stranfenverjicherung der in land- und forjt-
wirtidaftlicden Betrieben beſchäftigten Perſonen
($ 133), vorgejehen. Das den Rachlajglaubigern und
Vermächtnisnehmern friiher nad) dem (alten) § 43
der Konkursordnung zuſtehende Recht auf a. B. wurde
durch Aufhebung dieſer Vorſchrift beſeitigt, weil die
erwähnten Berfonen durch Beantragung einer Nach—
laßverwaltung oder eines Nachlaßkonkurſes a. B. aus
dem Nachlaß verlangen können. Der frühere Artikel
122 des Handelsgeſetzbuchs, nad) dem die Geſellſchafts—
laubiger am Ronfurs fiber das Vermögen einer
Handelsgeſellſchaft aus dem Gefellichaftsvermigen
abgefondert zu befriedigen waren und von Den ein—
zelnen Gefellichaftern nur wegen des erlittenen Aus⸗
falls Befriedigung beanſpruchen durften, ijt in das
| neue Handelsgeſeßbuch nidt iibergegangen.
Die öſterreichiſche Nonfursordnung regelt die a. B.
($30 ff., 137 ff. und 163 ff.) in ähnlicher Weiſe wie
die Deutide. Jedoch find danach bejondere Mafjen zu
bilden, und liegt die Behändigung der dort » Real:
qliubiger« genannten Ubfonderungsberedtiqten dem
Maffenverwalter ob. Bal. Wott, Das Abſonde—
rungsredjt im Konkurſe (Berl. 1892); Derfelbe in der
Abgefperrte Arbeit
»Zeitſchrift f. Fivilprozeß · Bd. 22, S. 244 ff. 266 jf. —
liber Ubfonderung im Erbredt ſ. Erbredt.
Abgeſperrte Urbeit, das Verleimen ciner Blind-
holgplatte mit je zwei Furnieren auf jeder Seite unter
jedesmaliger Faſerkreuzung, leiſtet großen Widerjtand
gegen Feuchtigleit und Temperaturwechſel, fo daß
Platten von | m Breite fic) nicht werfen.
Mbgeftanden (a bjt indi gq) wurden cinjt dieHaus-
tiere qenannt, die aus irgend einem Grunde fiir den
Wirtſchaftsgebrauch wertlos geworden waren. Auf
abgeſtandenes Bieh beziehen ſich gewijje, nod jet
gültige Gerechtfame der Abdecker.
Abgezogenes Blan, ſ. Indigblauſchwefelſäure.
Abgezogene Wafer, ſoviel wie deſtillierte Wäſ—
Abgieren, ſ. Gieren. ſſer.
Abgiefßen, ſoviel wie Defanticren.
Abgötterei, ſ. Goͤtzendienſt.
— ag terry a j. Rieſenſchlangen.
Abguf, Nachbildung körperlicher Gegenſtände mit
Hilfe von flüſſigen, bald erſtarrenden Subſtanzen.
Die erſte Abformung des Gegenſtandes (durch —*
druck oder A.) ergibt die Matrize (Form), deren
wiederholter A. dem Original völlig gleicht. Man
benutzt zu Abgüſſen gebrannten Gips, Ton, feinen
Sand oder Tripel (nur für feine Metallgüſſe), Schwe—
fel, Siegellack, Legierungen, Guttapercha, Wachs,
Schellack, Leim- und Hauſenblaſenlöſung, gebrannte
Magneſia mit Magneſiumchloridlöſung, Metallfolie,
Seidenpapier ꝛc. Bal. Gießerei, Gips, Stereotypie.
Abhaaren, der ſich im Frühjahr mit Ausfall des
dichtern Winterhaars vollziehende Haarwechſel der
Haustiere. Unvollſtändiges und zögerndes A. iſt be—
dingt durch Krankheiten, ungenügende Ernährung,
falte Stallung, vernadliffigte Hautpflege und Er—
fiiltung, unbejtindiges, faltes Wetter, ſpälen Eintritt
des Frühjahrs 2. Behandlung: leichtverdauliches,
nahrhaftes Futter, Appetit und Verdauung anregende
Arzneimittel und gute Hautpflege.
bhaken, ſ. Ableger.
Abhalſen, einem Jagdhund das Halsband (dic
Halſung) abnehmen.
Abha „die Richtung des Schiffes fo ändern,
daß es mehr ⸗vor dem Winde« ſegelt, daß der Wind
alſo mehr von hinten in die Segel fällt. Auf einen
Gegenſtand a. heißt gerade auf ihn zuſteuern; von
einem Gegenſtand a. heißt ihm ausweichen.
Abhandlung, wiſſenſchaftliche Daritellung ge: |
ringern Umfangs, deren Inhalt, im Gegenfage zur
Erj;ahlung und Befdreibung, feine fonfreten Vor—
ſtellungen, fondern überwiegend abjtrafte Begriffe
bilden. Das Ziel der A. iſt, ein Problem oder einen
Tatbeſtand nach allen Richtungen aufzuhellen und
die Ergebniſſe durch logiſche Beweiſe zu begründen.
Abhang, ſ. Berg.
Abhänge an Orten, wo Menſchen verkehren (d. h.
auf öffentlichen Straßen, Wegen oder Plätzen, auf
Höfen rc.), find derartig gu verdecken und zu verwah—
ren, daß keine Gefahr für andre daraus entſtehen
lann. Zuwiderhandlungen werden mit Geldſtrafe bis
zu 150 WE. oder Haft beſtraft (Reichsſtrafgeſetzbuch,
367, Biff. 12).
Abhangigtcit, cine Urt der Relation (ſ. d.), dic
fiir das Denfen ſich dann zwiſchen irgend welden
Objekten (jeien es äußere Erjdeinungen, jeien es Be
griffe und Urteile) ergibt, wenn mit einer Verände—
rung des einen eine folche des andern notwendig ver-
bunden ijt. So ijt bei einem Schluſſe die Folgerung
von den Briimiffen abhängig (logiſche A.), die Didte
cines Majed ijt abhängig von dem äußern Drud (reale
39
A.). Zum Ausdruck von A. dient das hypothetiſche
Urteil (f. Urteil).
Abhangigfeitspatent, ſ. Patent.
Abhartung, die Gewöhnung der Organismen an
äußere Cinwirfungen, Anſtrengungen und Entbeh—
rungen, die bet Verweichlichung ſchädlich werden fin-
nen. Pflanzen, die in Mijtbeeten, Gewächshäuſern
aus Samen oder Stedlingen herangesogen wurden,
fowie in frojtfreten Raumen iiberwinterte Pflanzen
härtet man ab, um fie im Sommer ing Freie yu brm-
en, indem man fie allmählich mehr und mehr dem
Licht und der Luft ausfest. Man bringt jie Dann, am
bejten bei tritbem Wetter, ins Freie und jtellt fie zu—
nächſt an ſchattigen Plätzen auf. A. ijtaud notwendig,
wenn Pflanzen aus gleichmäßig feudter Warmbhaus-
luft in trodne Zimmerluft zur Weiterfultur gebracht
werden. — Die A.des Menſchen hat fich dem Kräfte—
zuſtande des Yndividuums anzupaſſen. Auf ganz
junge Kinder und Greiſe ſind Abhärtungsmaßregeln
kaum anwendbar, wenn auch jede Verweichlichung
ſorgſam vermieden werden muß. Wo aber A. am
Platz iſt, da gewährt ſie große Vorteile. Die gewöhn—
lichjten Ubhartungsmafregein richten ſich auf Kräf—
tigung der Haut und der Atmungsorgane und be—
ſtehen in kalten Waſchungen und naſſen Abreibungen
des ganzen Körpers in einem warmen Bimmer, kal—
ten Bädern, Duſchen, Tragen zweckmäßiger Kleidung
(ſ. d.), Benutzung eines nicht erhitzenden und nicht
ju weichen Nachtlagers, fleißiger Bewegung im Freien,
auch bet ungünſtigem Wetter, und möglichſt häufigem
Offnen des Fenjters beim Wufenthalt tm Simmer.
Vin Winter foll die Temperatur des Zimmers nidt
fiber 19° betragen. Das Schlafzimmer fet kühl, doch
iſt es nicht rationell, wenn man gewöhnt ijt, am Tage
anhaltend im geheizten Sinumer ju leben, nadts im
ungebeisten — bei offenen Fenſtern zu ſchlafen;
jedenfalls beſorge man morgens das Waſchen und
Ankleiden in einem nicht falten Raume. Die Mus—
fel find beſonders bei fipender Lebensweiſe durch
ſyſtematiſche Inanſpruchnahme (Turnen, Zimmer—
ymnaſtilk 2.) gu kräftigen und abzuhärten, dem ge—
unden Magen ſoll auch die Bewältigung ſchwerver—
daulicher Speiſen zugemutet werden. übermäßiger
| Rajfce-, Tee-, Tabat-, Alkoholgenuß ſind, namentlich
in Dev Jugend, iu vermeiden, entpfchlenswert aber
iſt Die A. gegen Erregungen, wie fie das tägliche Le-
ben fo häufig bringt. Wer den geijtigen Weniden
widerjtandsfahig madt gegen allerlei grofe und fleine
Unbill, gewinnt an Sicherheit vor Crfranfung des
Körpers, und wer den Körper zweckmäßig abhartet,
wird im ftande fein, den Nerven Erheblides zuzu—
mutter,
Abhauben, cinem Jaqdfalfen die den Kopf ver-
hiillende lederne Rappe abnehmen, um ibn auf em
Wild jagen zu laſſen (zu werfen).
Abhira, Volfsitamm, ſ. Ophir.
Abhive (Abgaſe), heiße Gaſe, die aus Feuerun—
gen, Ofer ꝛc. entweiden.
Abholen, ein geſtrandetes Schiff flott machen.
Abholzen, das Fällen des geſamten auf einer
Fläche befindlichen Holzbeſtandes.
Abholzig heißt ein Stamm, deſſen Durchmeſſer
von unten nad oben raſch abnimmt. Bgl. Formzahl.
Abhorrers (joc. abb⸗ hoͤrr⸗ »Verabjdeuende<), Bee
zeichnung einer Partei in England, die unter Kart IT.
jede8 Zugeſtändnis an die Oppofition und die Volks—
| partei, bie fogen. Betitioners od. Vittiteller, zurückwies.
Ubhorreszieren (abborrieren, lat.), verab-
ſcheuen.
— Abhorreszieren.
40 Ab hoste doceri — Abkämpfen.
Ab hoste docéri, {. Et ab hoste doceri. Sidemiten jum König ausrufen liek. Nadhdem er
Abid), Wilhelm Hermann, Geolog und Rei- | drei Jahre iiber einen Teil Israels geherridt, fand
fender, geb. 11. Dez. 1806 in Berlin, gejt. 2. Juli | er in einer Emporung den Tod durch Weibeshand.
1886 in Graz, ſtudierte Naturwiſſenſchaften, wurde Wbingdon Gor. asoingd’s), Stadt (municipal bo-
1842 Profejjor der Mineralogie 3 Dorpat, 1853 Wit- | rough) in Berffhire (England), 7 km von Orford, bei
qlied der Petersburger Ufademte und lebte feit 1877 | der Mündung de3 Od und des Berk- und Wiltfhire-
in Wien. Er bereijte die Lander am Kaukaſus, des fanals in die ¢, bat mehrere Rirden (St. Nicho
armenijden Hodlandes und des nördlichen Perfien | las und St. Helen), eine Lateinſchule, Martthalle, be -
und ſchrieb: »Uber die geologijde Natur des arme- | dDeutenden Handel in Korn und Wal; und (1901) 6480
nifden Hodlandes« (Dorpat 1843); »Beitrage zur | Einw. Bon der im 7. Jahrh. qeqriindeten Abtei be-
Paldontologie des aſiatiſchen Rupland« (Petersb. | itehen nocd unbedeutende Rejte. Dabei das liebliche
1858) ; »Vergleichende geologijde Grundzüge der fau- Dorf Sunningwell, auf defen Rirdtum Roger
taſiſch armeniſchen und nordperſiſchen Gebirge · (daſ. Bacon feine ajtronomifden Beobadtungen gemach
1858); »Sur la structure et la géologie du Daghe- haben ſoll, und Culbam, mit Lebrerjeminar.
stan« (daj. 1862); »Lber eine im Kaſpiſchen Meer |
erſchienene Inſel, nebjt Beiträgen zur Kenntnis der
Sdlammovulfane der Kaſpiſchen Region«(daſ. 1863);
⸗·Geologiſche Beobadtungen auf Reiſen zwiſchen Kur
und Urares« (Tiflis 1867); »Geologiide Forjdun-
gen in den kaulaſiſchen Ländern (Wien 1878 — 87, |
3Bde.). Aus jeinem Nachlaß eridienen: »Geologifde
Fraqmentee (Wien 1887); »WAus faufajiiden wan
Dern« (daſ. 1896, 2 Bde.).
Abies, bei den Römern die Weiftanne; A. Juss.,
Pflanzengattung, f. Tanne; aud) Gruppe der Gat-
tung Pinus Z. (j. d.).
Ubictineen, Ulnterfamilie ber Noniferen (7. d.).
Abictinfaure(Sylvinjdure)C,,H,,O0,, Daupt-
beftandteil des Kolophoniums, frijtallijiert in Blatt
chen, löſt jich in Alkohol, ſchmilzt bet 139° (147°) und
gibt bei Crydation Trimellithjaure, Iſophthalſäure
und Terebinjaure.
Mbigdil (hebr., »Rater ijt Freude<), Gattin des
Nabal zu Wadn bei Karmel, beſchwichtigte David,
als er während feiner Verbannung ihren Mann be-
drobte, und nahm ibn fo fiir fic ein, daß er fie, nad-
dem fie Witwe geworden war, neben Adinoam zum
Weibe nahm. Sie gebar ifm den Chileab, der aud
Daniel heißt. Wud) cine Stieffdhwejter Davids fiihrte
den Namen VW.
Wbigieren ({at., »wegtreiben«), Vieh ftehlen;
UWbiqeat, Viehdiebjtahl.
Abila, Vorgebirge, ſ. Kalpe.
aus der Unterjudung entlajjen und nur infofern
ſprechen, als die vorhandenen Beweiſe die ihm zur
dn- | flart, wesbal
zeſſes bezahlen mute und die Unterjudung, fobald
Abildgaard, Nicolai Abraham, dan. Maler,
eb. 11. Sept. 1743 in Kopenhagen, gejt.4. Juni 1809 |
in Frederilsdal, bildete fic) auf der Ropenhagener |
Vtademie, ging 1772 nad Rom und wurde nad fei- |
ner Rücklehr 1777 Brofeijor, 1789 Direftor der Ula-
Demie. Seine Hauptwerfe, ein Zyllus von hiſtoriſch—
alleqorifden Vildern im Schloß Chriftiansborg, find
1794 durd) Brand zerſtört worden. Ferner malte er
Sjenen aus Oſſian und Shafefpeare und vier Bilder
aus Der »Andria« Ded Tereny (Galerie in Kopen—
hagen). Da er auc) modellierte und an der Alademie
als Lehrer der Ornamentif tätig war, wurde Thor-
waldfen fein Schiller.
Abilene (ivr. edvitini), 1) Stadt in Teras, Graf:
ſchaft Taylor, an der Teras Pacific Bahn, (1900) 3411
Einw.
marft mit (900) 3507 Einw.
AbimeEled (hebr., » Vater ijt KAönig«), 1) Name
eines philiſtäiſchen Königs ju Gerar, vielleicht Wiirde-
name der philtitaifden Herrider im allqemeinen.
A. rechtlich und gottesfiirdtiq, verletzte das Eherecht
Abrahams, entging aber der göttlichen Strafe durch
deſſen Fürbitte (1. Moſ. 20). — 2) Sohn des israe—
lifiſchen Richters Gideon, der, nachdem er feine 70
| Jupiter«), von ——
2) Hauptitadt der Grafſchaft Dicinfon im | ;
djtlichen Nanfas, Bahnfnotenpunft und Produtten: |
Brüder, auer Jotam, getdtet hatte, fick) von den
Ab instantia abjolvieren, cinen Beſchuldigten
ci:
Lait gclegte Straftat nidt hinlanglid dartun. Durch
diefe Entbindung von der Inſtanz, die dem al-
tern deutſchen Strafprozeß eigentümlich war, wurde
der ———— keineswegs fiir ———— er:
er gewdhnlid) aud) die Koſten des Pro⸗
neue Verdadtsgriinde vorlagen, wieder aufgenont-
men werden fonnte. Das moderne Strafprozeßrecht
ſchreibt ſtatt deſſen für den Beſchuldigten koſtenloſe
Einſtellung des Vorverfahrens (Ermitlelungsverfah—
rens oder Vorunterſuchung), falls es aber bis zur
Haupwerhandlung gekommen iſt und in dieſer die
Straftat nicht voll bewieſen werden kann, reine Frei—
ſprechung (absolutio ab actione) vor. Bgl. Ubfolu-
tion, Beweis, Cinjtellung.
Ab intestato erbte nad rimijdem, gemeinem
und Bartifularredt, wer nicht fraft Teftaments oder
Erbvertrags zur Erbſchaft berufen war.
Abingen, tatar. Bolfsjtamm im ruffifd -fibir.
®ouv. Tomsf, am obern Tom, bejonders im metall-
reichen — Koliwan, wo er ſich mit Jagd, Fiſch—
fang und Cifenindujtrie beſchäftigt.
biogénefid (griech.), ſ. Urzeugung.
Abiponen, jest erlojdener Jndianerjtamm (j. Ta-
fel » Wmerifanijdhe Völker I<, Fig. 11) aus der Gruppe
der Guaycuru (f. d.), bewohnte einjt die argentini}de
Provinz Chaco und madte ſich als friegeriidjes Rei-
tervolf den Spantern furdtbar. Ende des 18. Jahrb.
waren fie nod) 5000 Köpfe tart. Val. Dobrizhofer,
Historia de Abiponibus (Wien 1784, 3 Bde.).
Ab irato (lat.), sornig, im Zorn (eigentlich: vom
Standpunfte des Hornigen aus).
Abirrung des Lichtes, ſ. Uberration des Lichtes.
Ubispal, Graf von, f. O'Donnell 3).
Abifumi, Hafenjtadt auf der japan. Inſel Kiuſiu,
1889 dem Fremdhandel erbjfnet.
Abiturient (neulat., »demnadjt Abgehender«),
Schiiler, der cine höhere Schulanjtalt rite, d. h. nad
—— Reifepriifung (ſ. d.), gu verlaſſen gedenkt.
Ab Jove principium (lat., »der Anfang mit
nad einem griechiſchen Vorbild
geprägter Ausdruck, unfer: Der Unfang mit Gott.
Abjudizieren (lat.), gerichtlich abfpreden, ab-
erfennen; Ubjudifation, geridtlide Uberfernung.
Wbjuration, ſ. Abſchwörung.
Abjurieren (lat.), abſchwören, eidlich leugnen.
Abfammen, cine Bruſtwehr durch Herabſchießen
der Erde erniedrigen, um die Deckung für Material
und Perſonal zu vermindern.
Abkämpfen ſagt man beim Hochwild (Abſchla—
gen von Sauen), wenn ein männliches Tier ein
andres nach einem Kampfe vertreibt.
Abfaufsgeld — Ablaß.
Abfaufsgeld, ſ. Abſtandsgeld.
Abklären, ſ. Klären.
Abklatſchen (Klifdieren), einen Abklatſch
machen, in der Buchdruckerkunſt die Vervielfältigung
fleinerer Bildformen (Vignetten) in leichtflüſſiger Me-
tallleqierung oder —— Val. Kliſchieren.
Abklatſchungen, ſ. Waſſerkur.
Abklingen der Farben, der Farbenwechſel der
Nachbilder, die nad Betrachtung leuchtender oder ſtark
beleudteter Gegenjtinde im aekdhloffenen Auge oder
beim Blic auf cine helle Fläche wahrgenommen werden.
Abkneifen, möglichſt hod) »beim Winde« (j. d.)
eln.
“btuiitern, defrepitierende Salze (j. Defrepitie-
ren) erhigen, bis Das mechaniſch eingeſchloſſene Waſſer
entfernt iſt.
Abkochen (Abſieden), dad Roden fejter Sub-
ftangen nuit Waſſer, um fie in irgend einer Weife zu
verandern oder um Ddie in ihnen enthaltenen ldsliden
Stoffe ausjuziehen. Die gu ertrahierenden Stojfe
müſſen qut zerfleinert werden; man fodt über freiem
Feuer oder tm Dampfbad, in offenen Gefäßen oder
im veridlofienen Dampflochtopf (Rapinfden Topf).
Subjtanjen, dic flüchtige Stoffe, 3. B. dtherifde Ole,
enthalten, werden nur nit fiedendDem Wafer über—
goſſen und bleiben im gut verſchloſſenen Gefäß
30 Minuten ftehen. Die durd) das W. erhaltene Fliij-
figteit heißt Abkochung, Defoft, Abſud. Bur
Vereitung eines pharmajeutifden Delolts übergießt
man die zerfleinerte Subſtanz in einer verſchließbaren
Zinnbüchſe mit faltem Waffer, hängt diefe 30 Minuten
in cin Wafferbad, foliert und preßt ab. Cin Teil |
Subſtanz foll zehn Teile Defokt liefern. — Militä—
riſch: die Bubereitung der warmen Mahlzeit im La-
ger oder Viwat.
WbFommen, die Lage der Handfeuerwaffe im
Augenblid des Schuſſes. Dit die Biellinie genau auf
den Haltepuntt gerichtet, fo ijt das A. »gqut«, andern-
falls »rechts⸗, »linfs« wc. Gutes YU. wird bedingt
durd ſcharfes Einſpielen des Kornes auf den Halte-
punft, Atem anhalten, leichten Zug beim Abziehen,
langſames Abſetzen. — A. heißt aud) das Wieder-
flottwerden eines feſtgefahrenen Schiffes. — Uber A.
im Vermeſſungsweſen ſ. Aufnahme, topographiſche.
Abkommkanone, ein Geſchützeinſatzrohr von
fleinjtem Kaliber, wird in Rohre großen Kalibers der
Küſten- und Schiffsartillerie ſo eingeſetzt, daß die
Seelenachſen beider zuſammenfallen. Zwech ijt, bei
Richtübungen die koſtſpieligere Munition zu ſparen.
Abkömmlinge, erate. ſ. Derivate.
Abkreuzen heißt cin Schiff vom Legerwall (j. d.)
frei —— Val. Kreuzen.
Abkühlen, Kühlen, aud Wärmeſtrahlung, Spe: |
zifiſche Wärme, Verdampfung.
Abkühlung des Körpers oder einzelner Teile
desſelben bei ſſarkem Fieber, Entzündung oder Blut-
überfüllung wird durch kaltes Waſſer oder Cis herbei-
geführt. Bei hohem Fieber benutzt man kalte Voll—
bäder von etwa 22°, übergießungen, Abwaſchungen,
mit faltem Waſſer gefüllte Kiſſen und Matratzen und
erreicht hierdurch ſehr häufig eine Herabſetzung der
durch die hohe Körpertemperatur herbeigeführten Ge—
fahren. Mit größtem Erfolg ijt ſolche A. bei Typhus
angewendet worden. Für oͤrtliche Abkühlungen be—
nutzt man Eisbeutel und Eisflaſchen und andre Kühl—
apparate (f. d.). Unter den Kühlapparaten wird die
Haut falt, blaß (unter dem Cisbeutel fann fie fogar
abjterben), der Fortſchritt entzündlicher Prozeſſe wird
gebemmt, die Blutgefäße verengern ſich; auf entziind-
Anſchla
41
lichen Vorgüngen beruhende Schmerzen werden ge—
ringer, die erregte Herztätigleit wird verlangſamt.
Chroniſch⸗ hyperaͤmiſche Zuſlände der Harnrdhren:
und Maſtdarmſchleimhaut, Reizbarkeit und Neuralgie
dieſer Teile werden durch A. gebeſſert.
——— ſ. Abbreviaturen. Die gebräuch—
lichſten A. ſind bei den einzelnen Buchſtaben (Art.
>We, »Ba ꝛc.) und ſonſt an der betreffenden Stelle
de3 Ulphabets verzeichnet.
Ablader, ſ. Befradctungsvertrag.
Ublagerungen, organijde oder anorganiſche
Maſſen, die ein pflanglidjes oder tieriſches Gewebe
durchſetzen und ihm oft cin ganz neues Gepriige geben.
Bei Mollusten und Kruftenticren bilden A. von foh:
lenjaurem Ralf das Gubere Sfelett, aud) beruht di:
RKnodenbildung auf Ublagerung von phosphorjaurem
Ralf im Knorpelgewebe. Krankhafte U. finden jich auch
in natiirliden Pblungen des Körpers (Parnſedimente
in der Blaſe), in Gelenken (harnſaures Natron bei
Gicht), Staubablagerungen in den Lungen. Viele A.
verharren während des ganzen Lebens in demſelben
Zuſtande, manche phyſiologiſche A. werden durch
pathologiſche Prozeſſe wieder entfernt (Knochenerwei—
chung), und manche pathologiſche durch den Stoff⸗
wechſel beſeitigt. — Über geologiſche A. ſ. Sediment.
Ablaktieren, cin Rind von der Mutterbruſt ent⸗
wöhnen; im Gartenbau eine Urt der Veredelung (ſ. d.).
Ublandig heißt Wind, der vom Land auf die See
webht; G ene auflanbdig.
Abilak( In dulgen;), urfpriinglid Nachlaß einer
von der Kirche auferlegten Bupleijtung. Der A. iſt
hervorgegangen aus der Bußdisziplin der alten Kirche
und bezieht ih urſprünglich auf die von der Rirde als
Benugtuungen verhingten Strafen der Siinde. Als
an deren Stelle auch andre qute Werte, Almoſen,
Faſten, Gebete, Wallfahrten rc., als Genugtuung in
qebradt wurden, fam es unter Dem gemein—
famen Cinfluk der germanifden Redtsqewohnbeit
der Rompenfation des Verbrechens durd Geld (Wer-
geld) und. des kirchlichen Glaubens an die Exiſtenz
und Ubertragbarteit iiberverdien|tlider Leiſtungen da-
hin, daß alle Rirchenjtrafen durch Geld abgefauft
werden fonnten. Bald wurde der urjpriin —* Gel—
tungsbereich des Ablaſſes dahin erweitert, daß er ſich
auf den Erlaß aud) der von Gott auf die Sünde ge—
ſetzten zeitlichen Strafen bezog. Bejondern Aufſchwung
nahm das Ablaßweſen durch die Kreu ssiige. Die Teil
nahme an ihnen als ein die Kirche bejonders för—
derndes Werk wurde als Erſatz aller Genugtuungen
angejehen. Es entwicelte fid) die Theorie von der
Befugnis des Papjtes, einen allgemeinen (vollfom-
menen) A. (indulgentiae plenariae) an die Verrich
tung eines beſtimmten religidjen Werkes zu knüpfen.
Die aus der Praxis hervorgeqangene Gewohnheit
wurde dann dogmatijd beqriindet durch Werander
von Hales (jf. d.). Unter den Elenarablajjen nimmt
ſeit 1300 die erite Stelle cin der von Bonifacius VIII.
eingefiihrte Jubiläumsablaß, der urſprünglich
nur alle 100 Jahre wiederfehren follte, bald aber in
jedem vom Papſt beſtimmten Jubeljahr (ſ. d.) ge
fpendet wurde. Bekanntlich qab der durch Tezel (7. d.)
und andre ſchamlos geiibte Ablaßkram den äußern
Anlaß sur Reformation. Den Angriffen der Refor-
matoren gegeniiber belegt das Tridentinum mit dem
Unathema jeden, der leugnet, daß der Rirde mit
der Schliiffelqewalt das Gericht über die Siinden und
damit die Gewalt verliehen fei, dieſelben zu erlafjen.
Da die Reiniqung im Fegfeuer ju den zeitlichen Stra-
fen der Siinde geredjnet wird, jo hat die Kirche, nidt
42
chne den Widerſpruch aud) neuerer Rirdenlehrer,
ihren A. auc) auf das Feqfeuer ausgedehnt. Uber A.
ijt jeither nicht mehr gum Verkauf ausgeboten wor-
den. Dagegen ijt der A. hergebradt — für
beſtimmte kirchliche Handlungen, beſonders als Pri—
vilegium für beſtimmte Orden, Kirchen, Altäre und
Feſtzeiten. Sehr leicht wird es denen, die Rom be—
ſuchen, gemacht, überflüſſigen A. zu verdienen. Der
A. iſt vollfommen oder unvollfommen, auf Zeit oder
dauernd. Seine Wirkung ijt, wenigitens in der Theorie,
aud) gefniipft an die Dispofition, d. h. die qlaubige
und bußfertige Gejinnung, tn der Praxis vor allem
an Die Letjtung der vorgejdriebenen Werte. Bal. Be -
ringer, Die Ublajje, hr Wejen und Gebraud (12.
Aufl., Paderb. 1900); Brieqer, Das Wejen des
Ublajjes am Ausgang des Mittelalters (Leipz. 1897).
Wblafjahr, |. Jubeljahr.
Ablation (lat., »Wegnahmes), die Fortſchaffung
Der durch die Verwitterung geloderten Gejteinsmajjen
dDurd das Waſſer, das Eis, den Wind oder die Sdpwer-
frajt allein (fj. Denudation); im engern Sinne die
Abſchmelzung von Cis und Sdnee an der Oberfläche
der Gletſcher (ſ. d.) — Jn der Chirurgie foviel wie
Amputation oder Exartifulation.
Wblationstheorie, die( heute aufgeqebene) Redhts-
anſicht, nad) welder der Diebjtahl erjt vollendet ijt,
jobald der Dieb die gejtohlene Sache in Sicherheit ge:
Ublativ, ſ. Kaſus. bracht hat. S. Diebſtahl.
Ablauf (Stapellanf), die Überführung eines
Schiffes von ſeinem Bauplatz auf der Werft ins Waf-
fer, vollzieht jid) von der genciqten Ebene des Hellings
aus, nad)dem man unter das Schiff ein qut geſchmiertes
Ablaufgerüſt, den Schlitten, qebradt hat, der Durd |
cine Stoppvorridjtung feitqebalten wird und nad
deren Losjdlagen mit abläuft. Gewöhnlich bewegt |
jid) Das Schiff beim UW. rückwärts in der Ridtung
jeiner Langenadje. Ortsverhältniſſe swingen zuwei—
ten dazu, Das Schiff feitlid) ablaufen gu fajjen, wobei
Kiel und Ufer parallel find. Dem oy fur; vorber
geht die Taufe des Schiffes, die in Gegenwart hod)-
gejtellter Berfonen mit einer Anſprache beqinnt und
nad) Nennung des Namens durd) das Zertriimmern
ciner mit Schaumwein gefiillten Flafche am Bug des
Schiffes (hiufiq durd) Damenhand) beendet wird.
Wabhrend des Ablaufs werden mit Regiſtrierapparaten
Meſſungen der Ablaufsgeſchwindigleit und der ſenk—
vedten Schiffsbewegung gemadt, wobei neben theo-
retiſchen Unterſuchungen aud) der fleinjte Flächendruck
flir jede Ablaufsneigung ermittelt wird, fiir den ein
norntales Ublaufen nod) ficher zu erwarten ijt. Bal.
»WMarine-Rundidaue, 1897 und 1899.
Ablauf (griech. Upothefis), m der Urditettur
das Bermittelungsglied a (ſ. Figur) zwiſchen einer
Ablauf.
etwas vorſpringenden Platte oben und einem Schaft
oder einer Wand mit ganz oder nahezu lotrechten Ober⸗
flächen unten. Der a
geſimſen, Saulenfapitilen u. dgl. haufig angewendet.
Ablaufheber, felogtatice, f. ————
Ablaut, von J. Grimm erfundener Ausdruck zur
Bezeichnung des regelmäßigen Volalwechſels in der
Stammſilbe, namentlich der jtarfen oder ablautenden
Verba, 3. B. binden, band, qebunden, Binde, Bund;
Ablaßjahr — Ablehnung.
laſſen, liek, gelaſſen ꝛc. Die in demſelben Formen-
ſyſtem wechſelnden Vokale nennt man cine Ablaut-
reihe. Der A. erſcheint in ſämtlichen indogermani—
ſchen Sprachen (z. B. lat. frango, »ich breche«, Per⸗
feltum frégi; satus, »geſät«, semen, »der Samen<)
und ftammt aud der Sct der indogermanifden Ur—
gemeinſchaft. Bgl. Hirt, Der mdogermanijde A.
(Strafb. 1900). -
Ablegat (lat.), cin Gejandter des Papſtes an einen
Hof in auferordentliden Ungelegenheiten fowie über⸗
- wird bei Zwiſchen- und Haupt: |
haupt cin Gejandter zweiten Ranges; auf den unga-
riſchen Reichslagen der Vertreter eines Magnaten.
Ablegen, die Schriftform nad dem Druck aus-
einander nehmen und die Lettern in thre Fächer zu⸗
riidlegen; zur Wusfiihrung dieſer Arbeit hat man
aud) Ablegemaſchinen gebaut(j. Setzmaſchine). —
In der Bienenzucht Heit WU. Bienen und Wachs—
gebäude eines volfreidjen Stockes, der nicht ſchwär—
men will oder foll, in zwei Teile teilen. Der neu—
entitandene Stoct ijt der Ableger.
bleger (Wbjenfer), Sweige, die man, um
Pflangen zu vermehren, platt auf den Boden legt,
mit Haten fefthalt (Abhaken) und 3. T. mit Erde be-
dedt. Nachdem fie Wurjzeln gefdlagqen haben, gibt
jede3 audgetriebene Auge cine neue Pflanze, die ab-
gejdnitten und verpflanzt werden fann. Nelfen, Wein-
reben, Roſen, Pappeln und andre Gewächſe, die ſich
leicht bewurjeln, werden auf dieſe Weiſe vermehrt.
Rann man den Zweig nidt auf den Boden biegen,
| fo wird ein ſeitlich mit einem Spalt verſehener Sent-
topf oder cin aus zwei Hiilften zuſammenſetzbares
Gefäß aus Sink angefest. Man veritopft den Spalt
des Topfes mit Moos, fiillt ihn mit quter Erde und
Halt dieſe gleichmäßig feudt. Um die Wurzelbildung
an Dent nut Erde bededten niedergebogenen Zweige
zu befordern, ſchneidet, fpaltet oder ringelt man den-
ftben dicht unter cinem Knoten, dreht thn wohl aud
einmal unt fic) felbjt oder verfieht ihn mit einem den
Saftfluß hemmenden Drabtring. Bei Azalien, Rho-
dodendron, Epacris, Heiden rc. leqt man den Zweig
auf Heideerde, bedeckt ihn mit pordjen Steinen und
| Dann mit Moos oder Sägeſpänen. Jüngere holjartige
Zweige wurzeln unter Glas vom Frühjahr bis zum
Herbſt, junge Triebe von Gehölzen, die man im Juli
einlegt, kann man im nächſten Frühſahr abnehmen,
alte liegen ein, auch mehrere Jahre. Man wendet
dieſe Methode an, wenn andre Vermehrungsmethoden
nicht gute Reſultate geben. — Uber A. in der Bienen-
zucht ſ. Ablegen.
Ablehnung der Übernahme einer amtlichen Tätig—
feit, z. B. der einer Vormundſchaft oder der Tätigkeit
eines Geſchwornen oder Schöffen, darf regelmäßig
nur aus beſtimmten geſetzlichen Gründen erfolgen
Vormundſchaft, Schöffengericht, Schwurgericht).
Von dieſer Selbſtablehnung iſt verſchieden die A. einer
Gerichtsperſon oder eines Sachverſtaͤndigen durch die
Parteien. Unter A. eines Richters verſteht man
nad der deutſchen Zivilprozeßordnung (5342 49) den
Antrag einer Partei, nad) dem der betreffende Richter
in einem bejtinumten Rechtsſtreite nicht tatiq fein ſoll.
Die W., über die vom Gericht gu entſcheiden ijt, darf
erfolgen, wenn cin Fall der Ausſchließung (ſ. d.) oder
wenn die Beſorgnis der Vefangenbeit, d. h. ein rund
| vorliegt, der gecignet ijt, Mißtrauen gegen die Un—
parteilicpfeit Des Richters ju redtfertiqen. Das Ub-
lehnungsrecht jteht in jedem Falle beiden Parteien ju,
darf aber nidjt mehr qeltend gemacht werden, wenn
die Partei ſich trog des thr befannten Ablehnungsgrun⸗
de in cine Verhandlung vor dem Richter cingelajien
Ableitung — Wblofung.
oder bei ifm Anträge gejtellt hat. Der abgelehnte
Richter hat vor Erlediqung des pe rma ab re
nur Handlungen vorzunehmen, die feinen Aufſchub
qejtatten. Die Vorſchriften über die YW. ded Ridters
finden nad § 49 aud) auf die des Gexichtsſchrei—
bers entipredende Unwendung. Yn Ojterreich ijt die
A. der Gerichtsperfonen im Geſetz, betreffend die Ge-
vichtSbarfeit und Zuſtändigkeit pom 1. Aug. 1895
($19ff.), qeregelt. — UW. eines Sadverjtindigen
(j. d.) fann nad) der deutiden Zivilprozeßordnun
($ 406) aud denjelben Griinden erfolgen, die sur A.
eines Ridjters beredtigen. Daf der Sadhverjtandige
im Prozeß als Zeuge vernommen wurde, ijt jedoch fern
Ublehnungsqrund. — Bu den in § 22 der Bilrger-
lichen Strafprozeßordnung fiir die Ausſchließung und
YU. von Geridtsperfonen aufgeſtellten Griinden (vgl.
aud) § 41 ff. der Bw, at fligen § 122
und 124 ber ilitdrjtrafgqeridtsordnung
hingu, da aud), wer in der Sache als Geridjtsherr,
als Unterſuchungsführer im Ermittelungsverfahren,
alg Bertreter der Unflage oder als Verteidiger tätig
geweſen ijt oder als Vorgefester den Tatberidt ein-
gereicht Hat, von der Ausübung ded Richteramtes
traft Geſetzes ausgefdlofjen ijt und abgelehnt werden
fann. Bgl. auch Wilitargeridtsbarteit.
Ableitung, die Wirkung folder Heilmittel, die
franfhafte Stérungen durd Überleiten auf gefunde
Machbargewebe heben follen. Rheumatiſche Schmerzen
werden durch Senjfpiritus, Senfteige, Einreiben mit
Mum, Bepinfeln mit Jodtinftur, Schröpflöpfe, Blut-
egel, Blajenpflajter erheblid) gelindert. Friiber wur-
den bei allen Leiden äußerer oder innerer Organe
Haarſeile, Fontanelle, Moren und dergleiden bar-
barijde Quälereien verordnet. Dest gebraucht man
außer Der A. auf die Haut nod die YW. auf den Darm
(Wbfiihrinittel), auf die Rieren (harntreibende Stojfe)
und auf den Blutfreislauf (7. Aderlaß). — Qn der
Wrammatif ift A. Bezeichnung fiir die Neubildung
eines Wortes, das durch Zufügung gewifjer Ele-
mente ju cinem andern entiteht; val. Wort und Zu—
ſammenſetzung. — Auch foviel wie Differentialquo-
tient, Daber Uoleiiungsreqneng, foviel wie Dif-
feventialrednung.
MblenFungsfarben, |.Sdhubeinridtungen (Tert-
blatt).
Ablepharie (qried.), angebornes oder durd Ver-
wundung erworbenes Fehlen der Uugentider.
Ablejemifrojfop, auf der Wibidade von ajtro-
nomifden Meßinſtrumenten angebradtes Mikroſkop
mit Fadenmifrometer, das fenfredt über der Teilung
des Kreiſes fteht und fehr genaue Ublejungen der Tei⸗
lung ermöglicht. beweis.
Ableugnung einer Urkunde, ſ. Urkunden—
Ablicferungsfdhein, ſ. Auslieferungsſchein.
Abliegender Gaug (Außengang), ESchiffbau.
AG cor. in, Fleden im franz. Depart. Seine:
et- Dife, Urrond. Rambouillet, an der Oriéansbahn,
mit asoh 749 Cinw., befannt durch die Uberrumpe-
lung der 4. Estadron de3 16. preußiſchen Hujaren-
regiments und einer bayrijden Jnfanteriefompagnie
durd) Einwohner und Franctireurs 7. Oft. 1870.
Mblofation (lat.), Vermietung, Berpadtung.
Ablöſchen, heiße, glühende Körper in kaltes Waffer
tauchen, mit Waſſer übergießen, ſpeziell heißen Stahl
zum Zweck der Härtung in kaltes Waſſer tauchen.
Ablsfung, die Beſeitigung einer rechtliden Ber-
pflichtung gegen Entſchädigung, insbeſ. und zwar
tm Gegenfage ju einer freiwilligen Bereinbarung
eine foldje, die auf Grund — Beſtimmungen
43
(der Ablöſungsgeſetze) bei Grundgerechtigleiten, Real-
lajten und Realredten erfolgt. In den meiſten euro-
paifden Ländern ſtand bis m das 19. Jahrh. hinein
der ländliche Grundbefif gum iiberwiegenden Teil
nidt im vollen Cigentum * Beſitzer und Bebauer
desſelben. Außerdem war er mit mannigfaltigen
Laften gu qunften der Gutsherrſchaft, der Kirche, Stif-
tungen, fonjtiger Korporationen und Privatperjonen
beſchwert. Dieſe Lajten werden als Reallajten be-
zeichnet, infofern fie den apc ce Beſitzer ju einem
pofitiven Tun verpflidten, wie die verjdiedenen Fro—
nen, al8 Hand-, Spann: und Baudienjte, dann dic
Zehnten, Befipverinderungsabgaben und Grundzin—
jen aller Urt. Bon diefen werden die ibrem Weſen
nad der römiſch-rechtlichen Servitut nabe ſtehenden
oder mit ihr tibereinitimmenden Grunddienjtbar-
feiten dabin unterjdieden, daß bei diefen die Ver—
pflichtung nur in einem Dulden oder Unterlaſſen be-
jteht. Durch foldje Grunddienſtbarkeiten oder Grund-
eredtigteiten war, abgejeben von der Jagdgeredtiq-
cit und von Weiderechten, weniger der bauerliche
landwirt{daftlide Beſitz als vielmehr da8 Waldeigen-
tum beſchwert, bei diefem jum Teil aus Verleihungen
hervorgegangen, gum Teil aber aud) nur als Uber-
rejt ehemaliger markgenoſſenſchaftlicher Rechte erhal-
ten geblieben. Neben diefen Beſchränkungen der Land-
und Forjtwirtidaft bejtand eine Reihe von gewerb-
lidjen Realredten, bei Denen in der Form von Zwangs⸗
und Bannredten der ausſchließlichen Beredtiqung
ju einem Gewerbebetriebe ein Zwang fiir die Ver—
pflicteten entfprad, ihren Bedarf nur durd Ent-
nabme von dem Beredtigten zu decen. Dieje ver-
jdiedenen Beredtiqungen wurden im Laufe der Zeit
mit Underung von Tednif und Verkehr ju einem
Hemmſchuh der wirtfdaftliden Entwidelung. Ins—
befondere muften die perſönlichen Laſten, bet denen
ehemalige Gegenleiſtungen weggefallen waren, und die
mit Dem modernen Gedanfen der perſönlichen Freiheit
in Widerfprud ftanden, als ſchädlich erjdeinen und
aufgeboben werden (Bauernbefreiung). Nach—
dem bereits Joſeph II. cine Befreiung des Bauern:
ſtandes von den driidenditen Lajten verſucht hatte, qab
die franzöſiſche Revolution den Anſtoß ju umfaſſendern
Reformen, indem auf Grund der von der National—
verfamm{ung in der Nacht vom 4. Aug. 1789 gefaf-
ten Beſchlüſſe die nur im Feudalredt wurzelnden
Lajten ohne Entſchädigung aufgehoben wurden, wäh—
rend fiir andre, die auf ciner Verleihung berubten und
privatredtliden Urfprunges waren, die A. angeordnet
wurde. Wud) in andern Lindern wurden Beidhriin
fungen, Die auf der Guts-, Gerichts-, Bogtei-,
Grund: oder Dienjtherrlichfeit berubten, ohne Ent—
ſchädigung befeitigt, fo 1850 in Preußen Lajten, dte
der freien Verfügung des Grundeigentums im Wege
jtanden und keinen in Geld abſchätzbaren Borteil ge-
währten, wie das Obereigentumsredt der Lehns-,
Grund- und Erbzinsherren, das Cigentumsredt ded
Erbverpadters ꝛc., cine Reihe von Reallajten (insbej.
Fronen) 1848 und 1849 in ſterreich, Bayern x.,
dann in veridiedenen Landern die Jagdrechte als
dringlide Rechte an fremdem Grund und Boden.
In Deutfdland beginnt eine planmãßige Durd-
fiibrung Der A. mit der Stein-Hardenbergiden oe
gebung in Preußen. Nachdem das Edift vom 9. Ot.
1807 mit der perſönlichen Freiheit des Bauernjtan-
des die freie Benutzung des Grundeigentums gewahr-
{eijtet hatte, wurde die A. der Reallajten und Servi-
tuten, be3. deren Requlierung in zwei Cdiften vont
14. Sept. 1811 ins Auge gefekt, aber erſt umfaſſender
44
durchgeführt auf Grund der Gemeinheitsteilungsord—
nungen (fiir Servituten) vom 7. Juni 1821, vom 2.
Märʒ 1850 und ded Ablöſungsgeſetzes (fiir Reallajten)
vom 2. März 1850 ſowie einer Reihe ſpäterer, insbef.
aud) fiir Die nenen Provinzen erlafjener Gefese. Als
ablosbar wurden im Geſetze von 1850 bezeichnet alle
beftindigen Abgaben und Leijtungen, die auf eigen:
tümlich oder bisher erbpadhts- oder erbzinsweiſe beſeſ—
ſenen Grundſtücken oder Gerechtigkeiten haften, wie
Hand-, Spann- und Baudienſte, Abgaben in Kör—
nern ꝛc., — — feſte Geldab-
gaben rc. Ausgeſchloſſen von der A. wurden im weſent⸗
lidjen die Leijtungen an Staat, Kirche, Gemeinde,
welche Die Natur Hffentlicer Pflichten haben, ebenſo
aud) Deidlajten, Bergwerksleiſtungen rx. Zur Stel-
fung des Untrags (Brovofation) auf A. ijt ſowohl
der Verpflictete als der Berechtigte befugt. Der unter
—— von Normalmarktpreiſen ermittelte
einertrag der erechtigung fann durch Barzahlung
des 18fachen Betrages —8 werden. Bur Erleid-
terung der A. wurden (ähnlich auch in andern Län—
dern) eigne Unjtalten als Ubldfungsbanfen, die Ren -
tenbanfen (Gefege von 1850 und vom 17. Jan.
1881), erridtet, welche Die UWbfindungsfummen vor-
ſchoſſen und dafiir vom BVerpflidteten eine Reihe von
Jahren bindurd Zing und Umortijationsquote cin:
ziehen. In andern Landern wurde zu dem Swed
cin eignes, fortidreitend mit der Tilqung wieder ein—
zuziehendes Bapiergeld, die Grundrentenſcheine, aus-
qeqeben. In Sſterreich wurde 1850 fiir jedes Kron—
land die Erridjtung eines eignen Grundentlajtungs-
fondsangeordnet. Die Kapitalsentſchädigung erfolgte
im wejentliden durch Unsfertiqung 5proz. Schuld⸗
veridreibungen, die alle Vorzüge der Staatspapiere
enießen und auf die entlajteten Realitäten und die
fandesfonds hypotheziert fowie unter die Garantie
des Reiches geftellt waren. Bon dem feſtgeſtellten
Jahresertrag aller Reallajten wurde ein Drittel fiir |
Steuererhebungsfoften und Ausfälle der Beredhtiqten
Ablöſungsflächen — Abmadung.
übung unter Anrechnung der Koſten der Zugute—
machung und der Gegenreichniſſe und Unterſtellung
eines angemeſſenen Zinsfußes. In einigen Ländern
hat man die A. unmittelbar durch Zwang herbeigeführt
(Umtsablifung), fo bei einigen Laſten in Bayern
1848, in Oſterreich 1853 und in andern Landern, ferner
in der neuern Zeit in cinigen Ländern bei auf Schutz
waldungen fajtenden Waldgrundgeredtigheiten. Neu⸗
begriindDung von als ablöslich erflirten Berechtigun—
en ijt in Den meiften Landern verboten, Erwerb der-
Ptben durch Verjährung geſetzlich ausgeſchloſſen.
Als Behörden zur Bearbeitung der Ablöſungen
und andrer Auseinanderſetzungsſachen find in emi-
en Staaten die ordentliden Verwaltungsbehirden,
m andern die ordentliden Geridte bejtellt, wabrend
in manden Staaten, wie in Ojterreidh, Preußen,
Sadjen, Oldenburg, Braunſchweig und in verſchie—
denen Staaten Thiiringens, bejondere Behdrden(A u 2-
cinanderfepungsbebirden, Ublojungsfom-
miffionen) damit betraut find. Das deutide Ge-
richtsverfaſſungsgeſetz (§ 14) hat dieſe beſondern Ge-
ridte, denn es handelt fic) dabei aud) unt ridterliche
Entideidungen, ausdriidlid) beibehalten. Qn Preu—
ßen bejtehen die follegialifden Generalfommif -
jionen (eit 1817), als deren Organe an Ort und
Stelle Spesialfommiffarien (Ofonomiefommij-
farien und Ofonomicfommiffionsrate) fungieren. In
einigen Brovingen fungieren jtatt der Generalfom
miſſionen die Regierungen. GStreitigfeiten, die ert
durch das Ubldjungsverfahren hervorgerufen wer—
den, find inerjter Jnjtany von der Veneralfommiffion,
rejp. da, wo die Regicrung deren Funttionen wabr-
nimmt, von einem bejondern Sprucfollegium ju ent:
{heiden. In gweiter und lester Inſtanz gehören fic
vor da Oberlandesfulturgeridht in Berlin. Nur in
Streitigteiten, die fich auf den der YW. zu Grunde fie-
genden Rechtszuſtand ſelbſt beziehen, ijt eine dritte
Inſtanz, das Reichsgericht in Leipzig, gegeben.
Realgewerberechte find durch die deutſche Gewerbe—
abgezogen. Die übrigen zwei Drittel hatte der Ber: | ordnung jum Teil aufgehoben worden. Dann wurde
pflichtete su tragen, falls die Lajten auf emphyteuti- durd) diefelbe die A.angeordnet fiir diejenigen Bwangs-
idjen oder andern Verträgen aus dem geteilten Cigen- | und Bannredte, foweit foldje nicht bereits früher
tum berubten, andernfalls nur ein Drittel, mdem | durd die Landedgejesqebung verfiigt war, bei denen
das zweite Drittel das betr. Kronland iibernahm.
Bei Servituten(Grunddienjtbarfeiten) wurde in
Preuhen, foweit nidt bereits allqemeine Beſchränkun—
|
|
die Verpflidtung auf Grundbeſitz haftet, die Mit—
lieder ciner Rorporation als folche betrifft oder den
ewohnern eines Ortes oder Dijtritts vermöge ihres
gen durch Gefese angeordnet find, die zwangsweiſe Wohnſitzes obliegt (vgl. Bannrecht). Bon widtigen
equiierung auf Antrag zugelaſſen, d. b. eine foldhe Ablöſungsgeſetzen andrer Lander find hervorzuheben
jeitlide und räumliche Ordnung in Umfang und die öſterreichiſchen Patente vom 7. Sept. 1848 und
Art Der Uusiibung, bei der die Servitut nidt mehr vom 4. März 1849, ferner das Patent vom 5. Juli
ſchãdlich wirkte. Beſtimmt bezeichnete Urten, die man | 1853 über die Regulierung und YW. der Holz-, Weide-
als fulturfdadlid) oder ciner quien Bewirtichaftung
fLinderlid) erfannte, wurden als felbjtindig oder ge
legentlich ablostid) erflart, das Brovofationsrect
wurde beiden Barteien (in andern Landern fiir gewiſſe
Rechte nur dem Belajteten) zugeſtanden. Zum Schutz
ded Provozierten (Provofaten), und zwar in den
meijten Landern nur des Belajteten (fo in Preußen
1821, feit 1850 nur nod bei Waldgrundgeredtiq-
feiten), in einigen Landern auc des Beredtigten, wur
den demſelben mehrfach Begünſtigungen jugejtanden,
ſo die Wahl der Art der Entſchaͤdigung (land oder
eld als Ubjindungsmittel), Dann der Art der Be
meſſung des Ublofungsbetrags. Legtere fann erfol
gen: 1) nad) dent Vorteil, der aus der Uufhebung dem
Belajteten erwächſt; 2) nad) dem Nutzungsertrag
oder dem Vorteil, den der Beredhtigte aus der Bered)
tiqung steht, und gwar algdann nad Maßgabe des
Vedarjs oder nad Maßgabe der feitherigen Wus-
und Forjtproduften-VBejugsredte, die bayriſchen Ge-
jeBe vom 7. Juni 1848 und vom 28. April 1872, das
köoniglich ſächſiſche Geſetz vom 17. Mar; 1832 und dic
württembergiſchen a vom 14, Yipril 1848 und
17. Juni 1849 x. Bal. Judeich, Die Grundent-
laſtung in Deutidland (Leip;. 1863); Friedlieb,
Rechtstheorie der Reallajten (Jena 1860); Dandel -
‘mann, YW. und Regelung der Waldgrundgeredtiq-
| feiten (Berl. 1880 —88, 3 Tle.).
Ablifungsflachen, |. Lithoflafen.
Abloten, Ublotinftrumente, ſ. Lot.
Ablozieren ({at.), vermieten, verpadten.
Ablution (lat.), in der katholiſchen Kirche die Ab—
ſpülung des Kelches mit Wein nad dem YWbendmaht,
wobei der Briejter ebenfalls feine Finger nuit Wen
und Waffer abwäſcht oder purifiziert.
Abmachung (Vercinbarung), im Seeverjide-
rungswefen die genaue Beſtimmung des Verlujtes,
Abmagerung —-
den der Verfiderte erlitten hat. Dit das verjiderte
Wut gänzlich verloren gegangen, fo ijt der in der Po—
lice angegebene Güterwert, ſofern derſelbe nidt als
iibermapig hod) nachgewieſen wird, zu erſetzen. Feblt
cine ſolche Ungabe, jo hat der Verſicherer das Ver-
forne nad) dem Anſchaffungs- oder Falturwert ju
bezahlen nebjt den darauf baftenden Wbgaben und
Unfojten an Bord fowie auc) der Verjicherungspramie
jelbjt. Die meiſten Geſetze gejtatten, Sadjen, die fo
vernidtet oder beſchädigt find, dak die Hoffnung auj
Wiedererlangung oder Wiederherjtellung aufgegeben
werden mug, ju abandonnicren (j. d.), d. b. Die
Rechte an denjelben dem Verſicherer zu überweiſen
und dafür die Verjiderungsjumme in Unjprud ju
nehmen. — Bei YW. von Havarie, Casco (das Schiff mit
Subehdr) betrejfend, ijt der Unterſchied zwiſchen dem
Werte, den das Fahrzeug zur Beit des Reijeantritts
hatte, mit Einſchluß der gelamten Wusriijtungs- und
Reparaturfojten und dem Wert oder Erlös des be-
jdhadigten Schiffes vom Verſicherer gu erjegen.
Abmagerung (lat. Macies), der Berlujt an Kör—
perfubjtanj, ijt eme Folge ungentigender Ernährung
und aller gehrenden stranfheiten. Am ſtärkſten wird
das Fett verbraudt, dann die Muskulatur, am wenig-
jten Die lebenswidtigen Organe, 3. B. das Nerven—
injtem. Bei Fettleibigen ſucht man cine A. unter
moglidjter Schonung der tibrigen Gewebe und na-
mentlid) des Eiweißbeſtandes durch die Entfettungs-
furen berbeijufiihren. Su jtarfe WL. verfudt man durch
Wajtturen gu befimpfen.
Abmarfung, die Erridjtung fefter Grenzzeichen
zwiſchen zwei Grundjtiiden. Art und Verfahren der
YL. bejtimmt fic) nad) den Landesgeſetzen oder mangels
joldjer nad) der Ortsüblichkeit. Jeder Grundjtiics-
eigentiimer fann von feinem Nachbar Mitwirkung
bet Der A. verlangen, Die Koſten werden halbiert
(Deutſches Biirgerlides Geſetzbuch, § 919).
Abmarſch, Verlajjen einer Ortlicleit gum Be-
ginn einer Truppenbewegqung. Jn der Taktik bezeich—
net man den aus der Lime entitehenden YL in Rolonne
al »redjts, linfS oder aus der Mitte« abmarjchiert.
Jn der Strategie wird die Flantenbewegung cined |
Heeres ähnlich als »Rechts- oder Links-A.« bezeichnet.
Abmeierung (Abtrieb, Entſetzung, Expul—
ſion), die Austreibung aus dem Beſitz eines Bauern⸗
gutes, zu welcher der Gutsherr, dem ein Obereigen—
tum an letzterm zuſteht, in gewiſſen Fallen gegen den
Bauer (Meier, Rolonen) befugt tit. Die A. darf nie
ohne vorliegende Rechtsgründe jtattfinden. Golde
Fälle find der Nonfurs des Nolonen, ſchlechte Bewirt—
jdaftung des Gutes, Verſäumnis der Nontraltsernene-
rung (Vemeierung), Rückſtand in Zablung von Zin-
jen, Veräußerung de3 Gutes ohne Zuſtimmung des
Gutsherrn und bei nidjterbliden Giitern bisiweilen
aud) das eigne Bediirfnis des legtern. Uber die Zu—
lajjigteit Der YW. und ihre Bedingungen findet jtets
cin formliches rechtliches Verfahren, die Mufholung
(Uufholungs- oder Expulſionsprozeß) ftatt. Sur Ver-
hiitung von Verarmung und Vernidtung der kleinern
Vejiger haben neucre Landesgejepgebungen neben
andern feudalen gutsherrlidjen Rechten auch die A.
(oder Raduzitat), und zwar meiſt ohne Entſchädigung
aujfgehoben, jo die bayrifchen Cdifte vom 28. Juli 1808
und vom 26, Mai 1818 und die preußiſche Verordnung
vom 25. Sept. 1820. Das Meiereirecht wird durd das
Bürgerliche Gejegbucd nicht berithrt (Cinfiihrungs-
acies zum Biirgerliden Geſetzbuch, Art. 63 u. 64).
bmufterung, die Berlautbarung der Beendi-
gung des Dienjtverhaltnijjes von feiten des Schiffers
Ibo. 45
und der aus diejem Verhältnis ausfdheidenden Schiffs⸗
mannidaft. Die A. erfolgt regelmäßig vor dem See-
mannsantte des Hafens, in dem das Schiff liegt. Ging
dies verloren, dann iſt dasjenige Geemannsamt ju-
jtandig, Das zuerſt angeqangen werden fann. Die A.
wird ſowohl m das Seelabrishud des abgemujterten
Schiffsmannes als aud) in die Muſterrolle des Schiffs
eingetragen, zu deſſen st ot er gehörte (Deutide
Seemanngsordnung vont 2. Juni 1902, § 18ff.). Val.
aud Anmuſterung und Muſterrolle. Ym Binnen—
ſchiffahrtsverkehr ſind derartige Bejtimmungen nicht
vorgeſehen (vgl. Binnenſchiffahrtsgeſetz vom 20. Mai
1898, § 21}7.).
Abnabeln, dic Nabelſchnur de3 Kindes nad) ſei—
ner Geburt abbinden und durchſchneiden; ſ. sind.
Abnaki, Indianervolk, ſ. Abenaki.
Abner (hebr., »Vater ijt Leudte<), Konig Sauls
Vetter und Feldhauptmann, kämpfie gegen die Phi—
lijter und rettete nad) Sauls Tod bei Gilboa deſſen
Sohn Ysbofeth die Herrjdhaft iiber Israel. Much be-
freite er die nördlichen Stämme von den Philiſtern
und jtritt qliidlid) gegen David, ging aber, von Is—
boſeth mit Undanf belobnt, ju David über und ward
darauf von Joab ermordet.
Abnicken, j. Abfangen.
MAbunoba, lat. Name des im 3. Jahrh. aud Silva
Marciana genanitten Schwarzwaldes.
Abnormitat (lat.), Ubweidung von der Regel
oder Norm ees Naturtdrpers, emer Erjdeinung zc. ;
vgl. Anomalie.
Abnutſchen, die Mutterlauge aus Kriſtallmaſſen,
den Sirup aus Brotzucker mit der Luftpumpe abjaugen.
Abnutzung, ſ. Abſchreibung.
Abnuthzungsſatz Giebs ſatz), das aus der Forjt-
cinrichtung bervorgebende Maß fiir die jährliche Hieb—
größe Der nächſten Beit. Je nachdem dtefe Hiebgröße
in Flächenmaß oder in Holzmaſſe ausgedriict wird,
unterjdeidet man Flächen⸗ und Mafjenabnugungsjag.
Wo (jvc. ovo; finn. Turku, ſchwed. Torg, »Markt«),
Hauptſtadt des finn. Gouv. YW. - Bjorneborg, liegt ju
beiden Seiten des Uurajofi, der fid) unweit Der Stadt
in den Bottniſchen Meerbujen ergieRt und ihren Hafen
(Bactholm) bildet, durch die Eiſenbahnlinie W. -Toi-
jala mit St. Petersburg verbunden, hat eine jtatt-
lide Domkirche, Hofgeridt, zwei Gymnajien, cine
Reals, cine Navigations- und eine Handelsfdule, In—
jtitut fiir Taubjtumme und (1897) 31,339 Einw. Wi.
bat mebrere Fabrifen, namentlid) Baumwollſpin—
nerei, Tabaf- und Rleiderfabrifen, Maſchinenbau—
anjtalt, Schiffswerften und lebhaften Handel. Der
Wert der Cinfubr (bejonders Cijen- und Stabl-
waren, Steinfoblen, Baumwolle, Wollenwaren, Wei-
zenmehl) betrug 1899: 30,39 Will. finnlind. Wart
(A 80 Pf.), Der der Wusfubr (befonders Holy und
Holzwaren, Dampf- und Torpedoboote, Butter)
13,76 Will. finnland. Mark; 1899 liefen 955 See-
ſchiffe von 365,707 Ton. ein, 933 aus. W. ijt Sig
des Gouverneurs, eines lutheriſchen Erzbiſchofs und
eines deutſchen Konſuls. Die von der Königin Chrijtine
1640 gejtiftete Univerjitat ijt feit dem Brand von 1827
nad Heljingfors verlegt. — VU. ijt befannt durch den
Frieden vom 7.18. Aug. 1743, in Dem Schweden
einen Teil Finnlands (ſ. d.) an Rußland abtreten
mute, fowie Durd) die Ronvention vom 18./30. Aug.
1812, in der Schweden feine Beteiligung am Kampfe
gegen Napoleon J. zuſicherte, wogegen Rußland jeinen
Beiſtand zur Eroberung Norwegens verſprach. Bal.
Bidrag till A. stads historia« (Helſingf. 1884 jf.).
2 km von der Stadt liegt an der Miindung des Yura:
—
46
jofi Schloß Abohus, die älteſte Feſte Finnlands,
früher Arſenal und Gefängnis, jetzt hiſtoriſches Mu—
Aboazen Haly, ſ. Aſtrologie. ſeum.
Abo⸗Björneborg, Gouvernement im ruff. Groß⸗
fürſtentum Finnland, 24,171 qkm (465 OM.) mit
(1899) 440,174 Einw. (eo Sdhweden). Hauptitadt ijt
Abolieren (lat.), tilgen, abſchaffen. (Wbo.
Abolition (lat.), Niederſchlagung der Strafver-
folgung vor erlajjenem Straferfenntnis und dadurd)
von der Beqnadigung im engern Sinn als dem Er-
laf Der rechtskräftig erfannten Strafe unterjdieden.
Die A. ijt entweder ete generelle (abolitio generalis,
publica, Amneſtie, Generalpardon), die einer ganzen
Alaſſe von Berbredhern einer bejtimmten Art, oder
cine ſpezielle, die einem Einzelnen fiir einen bejtimm-
ten Fall ertetlt wird. Brivatanipriide aus dem Ver—
brechen werden durd) die A. nicht aufgehoben. Die
A. ijt m manden Berfaffungsurfunden unterjagt,
in anbdern wefentlid) beſchränkt; in der Wiffenfdaft
wird fie vielfach als unzweckmäßig angefodten (j. Be-
qnadiqung). Dem Kaiſer als foldyem jteht fein Who- |
litionsredt zu. Die reichsgerichtlichen Straffälle find
dem etiwaigen WUbolitionsredte der Landesherren ent-
zogen. Das Ubolitionsredt erliſcht, fobald die Gace
in Der Revifionsinjtan; beim Reichsgericht anhängig
qeworden ijt. Die Reidsgejesqebung hat den in den
Einzelſtaaten bisher
der iiberwiegenden Anſicht) unberiihrt gelajjen. Die
Stellung, welde die einzelnen Bundesjtaaten in der
rage der U. einnehmen, ijt eine ſehr verſchiedene.
Gänzlich ausgeſchloſſen ijt fie im Bayern, Baden und
Hamburg, volljtandig zweifellos ijt die Ungulaffigteit
der A. aber nur in Bayern durd) die Beſtimmung in
Titel VIII, § 4, der bayriſchen Verfaſſungsurkunde
vom 26. Mai 1818. Bgl. hieriiber auger den Lehr-
bitdhern zur Strafprozefordnung aud Heimberger,
Das landeSherrlide Wbolitionsredht (Leipz. 1901).
S. aud) Amneſtie.
Ubolitioniften, die Anhänger einer auf Beſeiti—
gung einer bejtehenden Einrichtung (fo 3. B. der Todes-
ſtrafe) geridjteten Bewegung. In den Vereinigten
Staaten von Nordamerifa Name der ¥bhilanthropen,
die es fid) gur befondern Aufgabe madten, durd) Rede
und Sdrift auf Ubfdaffung der Sflaverei hin—
julvirfen. Schon 1775 wurde in Philadelphia eine
pennfylvanifde Ubolitionsgefellidaft geqriindet und
Benjamin Franflin ju deren Prajidenten erwählt, der
179) im Kongreß die Abſchaffung der Sflaverei be- |
antragte. Im Staat New York trat 1785 eine ⸗Ma⸗
numiſſionsgeſellſchaft⸗ zuſammen, ähnliche Bereine
bildeten ſich in den Staaten Connecticut, Rhode-Is—
land, Delaware, Maryland und Virginia. Die Abo—
litionsbewegung erlahmte infolge der 1790 befdlojie-
nen Wbfdarfung des afrifanijden Sflavenhandels,
lebte bei Gelegenheit des Miſſourikompromiſſes 1820
voriibergehend wieder auf, nahm aber erſt mit dent
Yinfang der 30er Jahre grifiere Ausdehnung an.
Damals begann William Lloyd Garrifon im Verein
mit Benjamin Lundy feine abolitionijtijde Wirkſam—
feit und griindete in Bofton 1. Jan. 1831 die Wodjen-
ſchrift »The Liberatore. Ym 1. Jan. 1832 wurde
daſelbſt die New-England Antislavery Society ge
ftiftet, Die fid) bald fiber alle Nenenglandjtaaten
ausbreitete. Unfang Dezember 1833 hielten die A.
ihre erſte größere Verjammlung in Philadelphia ab,
aus der Dann Die American Antislavery Society
hervorging. Die Emangipationsafte vom 1. Jan.
1863 madjte Der Bewegung cin Ende.
Wbomafus (lat.), der Labmagen der Wiedertiuer.
— Rechtszuſtand Sd
Aboazen Haly — Abortiv.
MAbomeé, Hauptitadt des wejtafrifanifden, unter
franzöſiſchem Schutz ftehenden Negeritaates W., unter
7° nordl. Br. und 2° 8 djtl. L., 325 m ü. DL, mrt
20,000 Einw. Die inmitten einer diirren Ebene,
100 km von Der Riijte, 1610 erbaute, friiber Durch
ihre Menſchenſchlächtereien beriidtigte Hauptitadt des
ehemaligen Reiches Dahomé wurde 1892 von dex
Frangojen unter General Dodds zerſtört. Nach Neu—
ordnung der politijden Berhiltnijje wurde die Stadt
wieder aufgebaut und als Reſidenz von WUgo-li-agbo,
de3 Bruders Behangins, zur Hauptitadt des Teil-
fonigreidhs U. gemadt. Die Stadt wurde in frithern
Beiten von Norris, Burton und Wilmot beſucht.
——— (lat.), abſcheulich, verabſcheuungs⸗
würdig.
Abominarium (lat.), Rituale der Bannformeln.
Abonnement (franz., ſpr. mang), die Vorausbe—
zahlung für den Genuß einer Sache gegen Verringe—
rung des gewöhnlichen Preiſes, namentlich beim Thea-
ter, bei Konzerten, Straßenbahnen, Schauſtellungen,
bei Bücherverleihern, auch beim Mittagstiſch. A.
suspendu (aufgebobenes A.) tritt cin, wenn die Thea-
terdireftion fiir eingelne alle die Abonnenten ihrer
Rechte fiir verlujtig erklärt, wozu fie fid) jedoch vorher
die Befugnis ausbedungen haben muy. — Sm Finanz⸗
wejen ijt A. foviel wie Steuerabjindung, kommt bejon-
ders im Verbrauchsſteuerweſen (ſ. Aufwandſteuern)
vor, ſo bei der franzöſiſchen Weinbeſteuerung, und
dient ſowohl zur Erleichterung der Steuererhebung
als zur Vermeidung beläſtigender Kontrollen rc. fiir
den Steuerzahler, indem die Steuerbehörde mit den
Produzenten oder Händlern ſteuerpflichtiger Waren
Verträge auf beſtimmte Pauſchalſummen ſchließt und
es dieſen überläßt, die Geſamtſumme in Teilbeträgen
auf Verſchleißer und Konſumenten überzuwälzen.
Abonnementbillet, Dauerkarte, Stanmijig)-
farte fiir Theater rc.
Abonnent (franj. Abonné), jemand, der fid) dic
Teilnahme an einem Genuf (Theater, Rongert 2.)
ober den Beſitz eines periodijden Werkes, einer Beit.
ſchrift xc. Durd) Unterzeichnen oder Borausbezahlen
(Ubonnieren) gejicert hat. S. Abonnement.
Abony (pr. adonj), Markt im ungar. Komitat Peſt,
an der Staatsbabniinie Szolnok-Czegled, mit er-
giebigem Feldbau u. (1900) 13,529 ungar. Einwohnern.
Abonyi (jor. adonj), Ludwig, eigentlid Franz
Marton, ungar. Novellijt und Dramatifer, geb.
9. Jan. 1833 in Kis-Terenne, gejt. 29. April 1898 in
Budapeſt, ſchrieb Romane aus dem ungariſchen Volls—
leben: »Erzählungen aus der Spinnſtube-, »Beim
Hirtenfeucr«, »Die Kuh der Witwe- und das Volls—
ſtück: ⸗Das Tuch des armen Burſchen« u. a.
Aboraler Pol, ſ. Achſe (zoologiſch).
Aboriginer (v. Lat.), nad) römiſcher Sage eins
der Urvilfer Italiens (die ab origine, von Anfang
an, das Land bewohnten, alfo gleid) dem griechiſchen
Wort Autochthonen), das urjpriinglic in der Gegend
von Reate, am Fuße der Upenninen wohnhaft, von
da, durch die Sabiner verdrängt, den Unio hinabjog,
die in dem untern Tiberland anſäſſigen Sifuler (ſ. d.)
vertrieb und fid), nun fic) Latiner nennend, dort
niederließ. Als die erjten Könige werden der {pater
als Gott verehrte Janus und Saturnus, der Stifter
des Uderbaucs, genannt, in Ddejjen Regierung die
fpatern Romer das goldene Seitalter verlegten.
Abort, ſ. Wbtritt. haben.
Abortieren (v. lat. abortus), cine Fehlqeburt (f.d.)
Abortiv heißen auf ciner friihen Entwidelungs-
jtufe ſtehen gebliebene, nicht fertig ausgebildete Drgane.
Abortiva — Abraham a Santa Clara.
Abortiva ({at.), ſ. Ubortivmittel.
WAbortivei, ſ. Vole.
Abortivfur, cine meijt gewaltfame Art der Be-
handlung von RKranfheiten, durd die dieje im Anfang
erftidt werden follen. Die Erfahrung hat aber ge-
lehrt, Daf entzündliche Prozeſſe, Lungenentzündun
Typhus ꝛc., ſich durch große Blutentziehungen, ſtarke
Brech- und Abführmittel nicht nur nicht erſticken
laſſen, ſondern daß dem Kranken durch dieſe Mittel
nicht ſelten ſchwer geſchadet wird. Auch Schleimhaut⸗
entzündungen laſſen ſich durch ſtarle Höllenſteinätzun⸗
gen nicht coupieren, und Abortivkuren finden daher
nur nod ſelten Anwendung (3. B. Chinin bei Wechſel⸗
fiebern).
Abortivmittel (lat. Abortiva), Heilmittel, die
eine Sranfheit im Reim erjticden follen (ſ. Ubortivtur) ;
aud) frudjtabtreibende Mittel (Pellentia), ſ.
Fehlgeburt und Frithgeburt.
Abortus ({at.), ag arnt Saba in der Botanif
das Unterbleiben der usbildung gewiſſer Organe
ber Pflanze, 3. B. der Staubgefiige einer Bliite, die
dann durd A. ———— weiblich iſt.
Aboth (Pirke Aboth), »Sprüche der Väter«, der
neunte Traktat der vierten Ordnung der Miſchna(ſ. d.),
eine Sentenzenſammlung der jildiſchen Schriftgelehr⸗
ten des zweiten Staatslebens bis 200 n. Chr., welche
die KRontinuitdt und Autorität der Tradition beweiſen
und praltiſche Weisheitslehren geben foll. Vgl. Strad,
Die Spriiche der Biter (Leipz. 1901).
About (jor. aw), EDmond, franz. Schriftſteller,
qeb. 14. Febr. 1828 zu Dieuze in Lothringen, geft.
17. Jan. 1885 in Baris, beſuchte feit 1851 die fran-
zöſiſche Schule gu Athen, fehrte 1853 nad) Baris zu—
rück und widmete fic) bier ausſchließlich ſchriftſtelle—
riſchen Arbeiten. Schon feine Erftlingswerfe: »La
Gréce contemporaine« (1854, 7. Aufl. 1879) und
der Roman »Tolla Féraldi« (1855) errangen ihm
eine hervorragende Stellung unter den zeitgenöſſiſchen
Autoren. Es folgten die Romane: »Le roi des mon-
tagnes« (1856), »Germaine« (1857) und » Maitre
Pierre« (1858). Cin Aufenthalt m Rom (1858) ver-
anlaßte Die gegen die weltlide Herrſchaft des Papſtes
qeridjtete Schrift »La question romaine« (Briiffel
1859; 2. Aufl., Bar. 1861). Remen Anklang fand er
mit feinen dDramatifden Brodulten; dagegen gewann
er durch feine Erzählungen ftets von neuem die Gunjt
des Publifums. Wir nennen: »Le cas de M. Gué-
rin« (1862); »Madelon« (1863), die ganz befonderes
Aufſehen machte und von Reinhard ins Deutide itber-
fest wurde (Brem. 1873); ſie ſchildert die Ehe eines
geizigen Wucherers mit einer verſchwenderiſchen Kur—
tijane; »Trente et quarante« (1859); ferner die vor-
wiegend didaktiſch qebaltenc Novelle » La vieille roche«
(1865, 3 Bode.); »L'Infime« (1867); »Les mariages |
de province« (1868) und »Le Fellah« (1869), eine
Schilderung Ägyptens, das A. bei Gelegenheit der
Eröffnung des Suejtanals bejudt hatte. A. erfreute |
fich der bejondern Gunjt Napoleons ILL, der ihn aud
u den Hoffeiten nad Compiegne lud. Unter der neuen
rdnung der Dinge nahm er im »Soir« feine Un-
griffe gegen die Ultramontanen wieder auf und fpielte
Den gemäßigten Republifaner, feit 1875 insbeſ. als
Chefredatteur de3 von ihm und Sarcey gegriindeten |
»XIX. Siécles, in dem er einen erfolgreichen Krieg
gegen die Regierung vom 16. Mai 1877 führte. Gein
gegen die ſtandalöſen Erfolge Zolas und andrer Na-
turalijten gericdteter Roman: »Roman d'un brave
homme (1880) fand trog der ehrbaren Tendenz wenig
Unflang. Seit 1884 war A. Mitglied der Alademie.
47
Ab ovo (lat., »vom Ei an«⸗), ſprichwörtliche Re-
denSart, joviel wie vom Uranfang an, entjtanden durch
Horaz' Worte in der » Ars poetica« (Vers 147): »Nec
gemino bellum Troianum orditur ab ovo<, d. h. er
(Homer) beginnt den Trojanifden Krieg nicht mit dem
Doppelet (der Leda, aus dem die Helena hervorging).
Wbpalen, ſ. Leder.
Abpinnen, ſ. UWbbinden.
Abplaggen, oberflächliches Abſchälen von Heide-
boden mit wvtig apne.
Ubplattmafdine, Hobelmajdine zur Herjtellung
Der Abſchrägungen (Platten) an den vier Ranten von
Tiirfiillungen mittels einer rotierenden Wefferwelle,
seer Die Das Arbeitsſtück geführt wird.
bplattung, der Betrag, um den die Rotations.
achſe eines Planeten kürzer ijt ale der Durchmeſſer
des Uquators, ausgedriidt in Bruchteilen des legtern.
Ihre Urjache ijt die Durd) die Umdrehung erjeugte
Sentrifugaltraft. Weiteres ſ. Erde.
Abprefmafdine, ſ. Buchbinden.
Abpricken, ſ. Seezeichen.
Abprobieren, ſ. Grubenexploſionen.
Abprotzen, cin Geſchütz von der Protze, be}.
einen Hinter- vom BVorderwagen abbeben. Das
enteil ijt aufprogen (jum Wbfabren).
bprogiprige, ſ. Feuerſpritze.
Abputz, |. *
A. Br., bei Pflanzennamen Wbfiirjung fiir Wer-
ander Braun (f. d.).
Abraham, |. Hormajdine.
Abraham, Sohn Teracdhs, der Stammovater der
Israeliten. Nad der biblifden Erzählung (1. Mof.
12—-25) wanderte er jugleid) mit Trea Bruders⸗
john Lot aus Meſopotamien in Kanaan ein, ließ ſich
im ſüdlichen Teil des Landes nieder, wo er vertrags-
weife einen Stammſitz gewann, und dehnte im fried-
lichen Verlehr mit den Einwohnern feneWanderungen
bis nad) Agypten aus. Urſprünglich Whram (-hoher
Vater, Vater Urams«) genannt, ward ibm bei der
Verheißung einer zahlreichen Nachlommenſchaft der
Name A.(Völlervater«) beigelegt. Vorbildlich für die
monotheiſtiſchen Religionen ſteht A. am Eingang der
Geſchichte Israels. Im unbedingten Gottvertrauen
verläßt er ſein Vaterland, bewährt im Verklehr Frim-
migleit, Friedensliebe, Uneigennützigkeit, Treue, Hel-
denmut, Barmherzigkeit, Ehrenhaftigleit und ijt be—
reit, ſein glaubensſtarles Wirlen durch die Opferung
Iſaaks, ſeines Sohnes von der Sara (ſ. d.), zu krönen.
175 Jahre alt, ſtirbt A. und wird von ſeinen Söhnen
Ismael (ſ. d.), Den ſeine Nebenfrau Hagar (ſ. d.) thn
geboren hatte, und Iſaak in der Grabhoͤhle Makhpela
bei ſeinen Wohnort Hebron begraben. Yr VW. offen—
bart fic) zuerſt Der Gegenjas des Monotheismus ju
den heidniſchen Raturreligionen; in feiner Geſchichte
ijt Das Anrecht Israels auf Kanaan befundet und
das Bundesseichen der Beſchneidung eingeführt. Die
ſpätere Sage fiigt nod) fabelhafte kulturgeſchichtliche
Verdienſte hinzu (Unterweifung der Agypter in Ma-
, thematif, Witronomie und Philoſophie, Erfindung der
| Duchiabentdeift und Traumdeutefunjt, Gründung
der Kaaba in Weffa u. a.). Uber die fagenhafte Aus—
ſchmückung feines Lebens vgl. Beer, Leber Abrahams
(Leipz. 1859); Griinbaum, Nene Beiträge zur
jemitijden Gagenfunde (Leiden 1893).
Abraham a Santa Clara, cigentlid Ulrich
Megerle, Kanzelredner und volfstiimlicd)-humorijte-
ſcher Schriftſteller, geb. 4. Yuli 1644 in Kreenhein⸗
ſtetten bet Meßlirch m Baden, gejt. 1. Dez. 1709 in
Wien, trat 1662 in das Barfüßer-Auguſtinerkloſter
48
Maria-Brunn bei Bien, wurde nad der Priefterweihe
1666 nad) Maria-Stern bei Tara in Oberbayern ge-
ſchickt, fehrte aber bald nad Wien juriid, wo er als
Frediger großen Beifall fand und 1677 jum Hof-
prediger crnannt wurde. 1682—89 war er in Graj
tätig, Dann wieder in Wien. W. ijt der eigenartigſte
Bertreter der geijtliden Burleste; er war ein tüchti—
ger Seelenhirt, ſchneidiger Wortfiihrer der jeſuitiſchen
Reaftion, ausgezeichneter Uncfdotenerzahler, derb-
drajtiider Schilderer des Wiener Lebens feiner Beit,
Daher tulturbhijtorijd ſehr widtig, ein ebrlidjer Wahr-
heitSfreund, aber marftidreierifd in Wefen und Stil.
Ron feinen Werfen heben wir hervor: »Prophetifder
Willkomm, d. i. Ein Weiffagung von Glück ohn Tide
(Wien 1676); »Huy und Pfuy! der Welt « (daj. 1680);
»Merds Wienn, d. i. des wiithenden Todts umitin: |
dige Befdreibunge (daſ. 1680); »Auff, Auff ibr |
Chrijten!« (daſ. 1683, Predigt wider die Wien be-
drohenden Tiirfen, von Schiller fiir die Kapuziner—
prediqt in »Wallenjteins Lager« benugt, Neudrud
von Sauer, daj. 1883). Das Hauptwert Ubrahams,
in dem feine Starfen und Schwächen am lebhafteſten
und intereffantejten gu Tage treten, ijt »Qudas der
Erb-Sdelm« (Salzb. 1686—95, 4 Bde.; Neudrud
in Auswahl in Kürſchners ⸗Deutſcher National-Ltt.«,
Bd. 40). Seine »Samtliden Werle« erſchienen ju
Paſſau und Lindau 1835—54 in 21 Banden. Bal.
Karajan, Abraham a Santa Clara (Wien 1867);
Serto, Ubraham a Santa Clara (Sigmaring. 1896);
Blandenburg, Studien iiber die Sprache Abra—
hams a Santa Clara (Halle 1897).
Abrahamovics (ivr. «nswitit), David, Ritter
von, Ojterreid). Politifer, geb. 1843 in Galizien, ein
Bole armeniider Ubfunft, ftudierte in Deutſchland
und Frankreich, widmete fid) der Landwirtſchaft und
ward in den galizifden Landtag, 1881 aud) in den
Reichsrat gewabhlt, in dem er fic) dem polnifden Klub
anſchloß. 1893 wurde er zum giveiten, im März 1897
jum erjten Vizepräſidenten und im November nad
Rathreins Riictritt zum Präſidenten ded Whgeord-
netenhauſes A imi Wis ſolcher unterjtiipte er Ba-
deni durch Uufbietung der Polizei in den Reichsrat
und Oftrovierung einer neuen Geſchäftsordnung ge—
qen die Objtruftion der Deutfdhen, die unter ihm 24.
bid 27. Nov. 1897 ibren Höhepunkt erreidjte. Seither
trat er politifd) nicht mehr bervor.
Abrahamsbaum, ſ. Vitex.
Abrafadabra, Zauberwort, da3 man in elf um
j¢ einen Buchſtaben abnehmenden Beilen (fo daß cin
leichſeitiges Sdjriftdreied entitand) auf ein Tafelden
dried, um es als Amulett gu tragen. Der Name
ſcheint von Abraxas (f. d.) abgeleitet zu fein.
Wbram (jor. rem), Stadt in Lancashire (England),
5,5 km filddjtlid) von Wigan, mit Kohlengruben und
Abramis, ſ. Srajje. (901) 6306 Einw.
Abranchiata (Ricmentofe), nad Hurley die
Reptilien, Vogel und Saugetiere, die zeitlebens durch
Vungen, nie durch Riemen atmen.
brandfraut, ſ. Artemisia.
Abrantes, Stadt im portug. Dijtrift Santarem
(Prov. Ejtremadura), am Tejo, über den hier eine
Nettenbriide fiihrt, Nnotenpunft an der Eiſenbahn
Lijjabon-Madrid, in einer an Oliven und Sildfriid-
ten reichen Gegend, hat cin Kaſtell, eine große Rirde
S. Vicente und 1900) 7260 Cinw., die anfehniiden
Produftenhandel mit Lijfabon treiben. 1807 madte
der franzöſiſche General Junot (ſ. d.) von bier aus
fermen glücklichen Angriff auf Liffabon, wofiir ihm
Napoleon den Titel ees Herzogs von A. erteilte.
Abrahamovic; — Abraumfalze.
Abranyi (pr. abranid, Rornél, ungar. Politifer
und Schriftſteller, geb. 31. Dez. 1849 in Peſt als
Sohn des Komponiſten und Schriftſtellers Rornel VL.
des ältern, ftudierte die Redte, trat in den Staats-
dienſt und war 1875 —1901 UWbgeordneter. Er redi—
gierte mebrere belletrijtijdhe Zeitungen, von 1887 —94
den »Pesti NaplO«. Außer Rovellen und Romanen
verbdffentlidte er unter dem Pſeudonym Käkay
Aranyos RN. 2: »Neue Licht- und Sdattenbilder
aus dem ungariſchen ReidStag« (1877); ferner » Rol.
Tiſza« (1877); »Graf Jul. Andraͤſſy⸗ (1878); »Der
König⸗ (1895); »Nationales Ideal- (1898) und
Aufzeichnungen und Reflerionen« (1899), ſämtlich
in ungarifder Sprache. — Sein Bruder Emil, geb.
| 31. Dez. 1850 in Budapeſt, anerfannter Äſthetiker, iit
einer der begabtejten are Didter Ungarns.
| WAbrafion (lat., »Abſchabung«), die abtragende
| Tatigfeit, die das Meer vermige der Brandungswelle
auf das Feſtland an der Küſte ausiibt, tm Gegenſatze
zur Erofion (f. d.), die von flieRendem Wajjer oder
i8 hervorgerufen wird. Die fanft anjteiqende Boden-
flache, bid gu der die UW. vorſchreitet, heist die Wb -
rafionsflade. Jn frühern Entwidelungsperioden
der Erde find ganje Gebirge und Rontinente der A.
zum Opfer gefallen. W. (Deflation) heißt auc die
net die Felfen und einzelne Steine durch kleine,
vom Winde bewegte harte Gejteinspartifel (Sandforn-
den rc.) erleiden (ſ. Taf. · Wüſtenbildungen I<, Fig. 1).
Da, wo heftige, Sandkörnchen mit fortreiRende Winde
vorherrſchend aus einer bejtinunten Ridtung wehen
(Sahara x.), erhalten die Steine auf der dem Wind
ausgeſetzten Seite mit der Beit fleine Rinnen, Schram⸗
men oder aud) polierte Fladen (Sandfdliffe), wäh—
rend die andern Seiten eckig bleiben. Das BVorfom-
men ee Steine (Pyramidal.
efdiebe, Dretfanter) wird daber haufig als ein
—* fiir ben frühern Steppencharakter der Gegend
angeſehen. Bal. Lop.
braftol, ſ. Aſaprol.
Abrauchen, ſ. Abdampfen und Ausglühen.
Abraum, die cine Lagerſtätte nugbarer Minera—
lien bededenden unhaltigen Erd- oder Gebirgsarten,
die weggeräumt werden müſſen, um die Lagerſtätte
zu entblößen. — In der Forſtwirtſchaft das beim
olzeinſchlag im Walde zurückgebliebene geringwertige
Hol; (Reiſig, Späne, Wipfel, Abfallholz, bet Nadel—
hol; 5—10, bei Laubholz 12 —15 Proʒ. des Geſamt⸗
ertrags). Auf Aneignung des Abraums haben die
Leſeholzberechtigten ein Recht.
Abraumſalze, dic leichtlöslichen Salze, im we—
ſentlichen Kalium- und Magneſiumverbindungen, die
das Staßfurter und ähnliche Steinſalzlager bedecken
und als wichtigſte Kaliſalze ausgebeutet werden. Das
Staßfurter Sieinſalzlager enthält die A. beſonders
in ſeinen beiden obern Abteilungen, 1) in der an
40 m mächtigen Carnallitregion, die vorwiegend
aus Carnallit (KCL. MgCl,.6H,O) ſowie aus Stein-
ſalz und Stieferit bejteht, und 2) in der tiefern, an
56m mächtigen Kieferitreqion, die neben voriwal-
| tenden Steinfal; an 17 Proz. Mieferit (MgSO,.H,0)
und 13 Broz. Carnallit enthalt. Das unter diefer fol-
gende eigentlide Steinfalslager qliedert ſich in Die 63m
| mächtige Bolyhalitreqion (91 Bro;. Steinſalz mit
| 7,Rro3. Polyhalit (2CaSO,. MgSO, .K,SO,.H,0) und
1,5 Bros. Chlormagqnefium) und in die tiefere An—
hydritregion, 215 m madtig, die aus reinem, mit
Unhydritidniiren durchſetztem Steinſalz beſteht. —
In der Carnallitregion finden ſich in geringer Menge
aud) Sylvin KCl, Schönit K,SO,.MgSO,.6H,0,
Hbravanel —
Rainit KCL. MgSO,.3H,O. Ferner finden fic) Tachy- |
drit CaCl,.2MgCl,.12H,O, Boracit und Staffurtit
2Mg,B,0,,.MgCl,, Gijenfied, Magqnetfies, Cijen-
qlimmer, Rubidium, Cajium und Brom: Das Vor— |
handenjein dieſer Stojfe zeigt, daß das Salslager
durch Verdunjtung von — entſtanden iſt.
Das Kochſalz hat tics — ausgeſchieden, und die
übrigen in geringerer Wenge vorhandenen und leidt-
loslichen Salze haben fid) in einer Mutterlauge ge⸗
ſammelt, die auf dem Salzlager zur Kriſtalliſation ge—
langte. Auch bei Kalusz in Galizien finden ſich A. (und
zwar Sylvin und Kainit) neben Steinſalz im ſogen.
Haſelgebirge der Triasformation. Uber Gewinnung
u. Verarbeitung der A. ſ. Kaliſalze u. Dünger (Kunſt⸗
dünger). Bgl. Biſchof, Die Steinſalzbergwerle bei
Stapfurt (2. Aufl., Halle 1875); Precht, Die Salz—
induſtrie von Staßfurt und Umgegend (5. Aufl. Staßf.
Abravauel, ſ. Abarbanel. [1891).
Abräxas, cin myſtiſch-theoſoph. Wort, das nad)
Vellermann agyptijden, nad Grotefend pehlewifden
Uriprungs ijt. Nac Irenäus nannte der drijtliche
Gnoijtifer Bajilides (um 130) den Inbegriff der 365
Tagesſchöpfungen (Himmel- oder Geijterretde), d. h.
den ſich offenbarenden Gott |
im Gegenſatze zu dem Gott
an fid, A. oder Ubrafar,
indem Diefer Name nad qrie-
chiſcher Zählung die Zahl 365
ausdrücken ſollie (A = 1, b
=4, r= 100,a—1,s=— 200,
a1, x = 60, zuſammen
365). Daher finden viele Pa⸗
läographen in A. nichts an-
dres als cine bloke Zahlen—
ſpielerei. Das Wort ging mit
ſeiner geheimnisvollen Be—
deutung von den Bafilidia: |
nern ju den Priscillianijten
und allen magiiden und al⸗
chimiſtiſchen Seftierern tiber. |
Wbrarasgemmen(Ubra-
rasjteine), jablreid) vorfommende geſchnittene
Steine, auf denen neben natiirliden Bildern, meiit |
Zuſammenſetzungen aus menfdlidem Rumpf und
Yirmen, Hahnenfopf und Schlangenfüßen, oder an: |
dern vieldeutigen Symbolen das Wort A. oder Abra⸗
jax und andre unverſtändliche Worte in griechiſcher
Schrift vorlommen; in weiterm Sinn aber auc alle
antifen Steine mit rätſelhaften Symbolen. Beller-
mann fdliejt den Begriff der eigentliden Abraxas—
gemmen (bajilidiantide) in fehr enge Grenzen und
unterjdeidet Ubraroiden (mit abweidendem Ty-
pus) und Ubrarajter cheidniſchen Inhalts). Die
eigentliden Ubrarasgemmen (j. obenjtehende Ubbil-
Dung und Tafel »>Gemmen u. Kameen«, Fig. 8) mit
menjdliden Yrmen, Hahnenfopf und Sdlangen-
füßen, in der rechten Hand eine Peitſche, in der lin-
fen einen Kreis oder Kranz mit darin befindlidem
Doppeltreus, ſcheinen den Vajilidianern angugehoren,
andre andern qnojtijden Seften; mande jtammen
aud) aus Dem Heidentum und zeugen fiir den Zu—
fammenhang der Ubrarasgemmen mit alerandrini-
ſcher Theurgte, die meiiten aber wurden erit im Mit⸗
telalter als Amulette gefertigt. Bgl. Matter, Histoire
critique du gnosticisme (2. Aufl., Bar. 1843-—44,
BBde.); Dieterid, Ubraras, Studien (Leipz. 1891);
Bellermann, Verſuch iiber die Gemmen der Ulten
mit Dem Wbrarasbild (Berl. 1817—19, 3 Stiide); |
Barzilhai, Gli Abraxas (Trieft 1873).
Mepers Konv.-Lerifon, 6. Mufl., L Bod.
AEVFACAZE
CA KAWO
Ubrarasgemme.
49
Abrechnung, jede — die das Ergebnis
eines Geſchäfts darlegt und den Umfang der daraus
entſtandenen Forderungen klarſtellt, insbeſ. die Aus—
gleichung wechſelſeitiger Schulden unter Zahlung des
überſchuſſes. Treten mehr als zwei Perſonen in ein
foldjes Verhältnis, daß jeder femme Forderungen zur
Einziehung an denjenigen iiberweijt, dem er jdyul-
det, fo können groke Geſchäfte unter Erjparung von
Rojten und Mühe mit verhältnismäßig qeringen baren
Geldſummen abgemadyt werden. Solde Abrechnungen
(Uberweifungen, Sfontrierungen) werden in großarti⸗
gem Umfange vermittelt durch dag Abrechnungs—
haus oder Clearing-house (j. dD.) in Qondon, dann
durch die dieſer Unjtalt nacgebildeten und feit Februar
1883 in verſchiedenen größern Städten Deutidlands
(Berlin, Frantfurt a. W., Stuttgart, Köln, Leipzig,
Dresden, Hamburg, Breslau, Bremen, Elberfeld) cin:
eer Ubregnungsitellen Der dDeutiden
eichsbank. Un legtern übergibt jeder Teilnehmer
dem Bertreter des Hauſes, von weldem er etwas zu
fordern hat, die betreffenden quittierten Papiere (Ein -
lieferungen) mit je einem die Beträge einzeln auf—
fiibrenden ſummierten Verzeichnis und einem Schema
u Dem nur die Endſumme enthaltenden Emp fangs
efenntnis. Uber diefen Vorgang führt jeder cin
Ubrednungsblatt. Bei der am Pitben Tage jtatt-
findenden zweiten Zuſammenkunft werden die bean-
jtandeten Papiere juriidgeliefert. Uber die bei der A.
jich ergebenden Saldi werden Anweiſungen auf das
Wirofonto der Reichsbank ausgeitellt, wo dieſelben
durch Gutfdrift und Belaftung aus eglichen werden.
Es wurden eingeliefert 1884: 1,98 Mill tite zu 12,130
Mill. Mk., 1900 war dic Summe 5,19 Mill. Stiie mit
29,473 Dill. Me. Val. Rod, Ubredmungsitellen in
Deutſchland rc. (Stuttg. 1883). — Nicht zu verwechſeln
mit dieſer kaufmänniſchen A. ijt Die Kompenſation, d. h.
dDieMufredh nung ciner Veqenforderung des Schuld⸗
ners (Veflagten) gegen die Forderung des Glãubigers
(Klägers), Die wohl auch A. qenannt wird (f. Kompen⸗
jation). Das Bürgerliche Geſetzbuch ſchreibt in § 782
vor, daß Schuldverſprechen und Sduldanerfenntnifje
auf Grund einer A. nicht der Schriftform bediirfen.
Abredhuungsftellen , ſ. Abrechnung.
Abreibungen, falte, ſ. Waſſerkur.
Abreiten (Ubjtichen, Abſtoßen), Wegfliegen
des Unuerhahnes von einem Baum oder einem an:
dern erhöhten Punkte. — Seemänniſch heist cinen
Sturm a.: auf offener Reede nur mit Hilfe ded Anker⸗
geſchirrs abiwettern.
Abrenungiation (lat.), die »Losfagqung« ded
Täuflings vom Teufel; vgl. Exorzismus.
Abrichtung (Dreſſur) des Pferdes, ſ. Reitkunſt
und Fahrkunſt; A. des Hundes, ſ. Hund.
Abricot (fran}., for. -t6), aprikoſenfarbig.
Abrin, j. Abrus.
Abrifz, die in der Form der Polarfoordinaten ge-
ebene Zuſammenſtellung der auf einer triqonometri-
den Station vorhandenen Richtungswinkel und Ent-
fernungen nad den umliegenden ‘Buntten. Cin voll-
Abrogation.
| ftdindiger A. enthalt aud die Nordridtung, unt die
Azimute diefer Punkte bilden zu fonnen. Yn diefer
Form werden Die Meſſungsergebniſſe der preußiſchen
LandeStriangulation verdjfentlidt unter dem Titel:
Ubrijje, Roordinaten und Höhen famtlicher von der
trigonometrijden Ubteilung der Landesaufnahme be-
ftimmten Punkte«.
Abrogation (lat.), römiſch- rechtlicher Ausdruck
für die vollſtändige Aufhebung eines Geſetzes; vgl.
Derogation, Subrogation, Obrogation.
4
50
Abrogieren (lat.), aufheben, abſchaffen; bei den
Rimern: auf die Uufhebung eines Geſetzes, eines
Beidlujjes oder einer Cinridtung auf dew gefep-
mãßigen Weg antragen (vgl. Ubrogation).
Abrolifpediteur , ſ. Spedition.
Abréma Jacq. (Rafaomalve), Gattung der
Stertuliazeen, Strauder oder Bäumchen mit großen
gangen oder gelappten, behaarten Blattern, end- oder
latigegen{tandigen Cymen, roten Blüten und hauti-
en gefliigelten Rapfeln. Bon den beiden bis jetzt be-
annten Yirten wadjt A. angustum L. fil.in Djtindien
und dem Malaiiſchen Urdipel bis Auſtralien und lie-
fert Bajtfajern (Woolet, Comul, perennieren-
der indifder Hanf) ju Striden, groben Geweben
unbd fiir die Bapierfabrifation.
A. Brong., bei Pflanzennamen Abkürzung fiir
UW. Brongniart (jf. d.).
Abrotanum, ſ. Artemisia.
Abrudbanya (Groß⸗Schlatten), Bergſtadt im
ungar. Komitat Unterweienburg (Siebenbiirgen), in
der Nähe des Bajaltfelfens Detunata (f. d.), mit asve
£993 rumanijden und ungar. Einwohnern, die meijt
vom Goldberqbau leben, dejjen ſchon den Römern be-
fannte Hauptfundorte im Uranyostal bei Topdnfalva,
Offenbanya, Zalathna, Verespataf rc. in porphyrarti-
gent Geftein liegen. Jährliche Ausbeute 1070 kg. A.
Ht Sig eines Verg- und Goldeinlojungsamtes. — Ym
10. und 19. Mat 1849 wurde YW. von den Rumänen
fajt zerſtört und die ungarijde Bevdlferung nieder-
ai or
rupt (lat.), abgebroden, zuſammenhanglos.
Abrus L. (faternojtererbje), Gattung der
Leguminoſen, oft fdlingende Sträucher und Halb—
ſtraͤucher mit paarig qgefiederten, mit einer Borite |
endenden Bittern, end- oder achſelſtändigen Trau-
ben und meijt flader Hiilje. 6 Arten in den Tropen.
A. precatorius L. (j. Tafel »Sdaugebilde<, Fig. 1),
windender Straud mit blak rofenroten Bliiten und
ſehr hartſchaligen, erbſengroßen, roten Gamen, mit
ſchwarzem Fleck am Nabel, ijt aus Oftindien iiber
fajt alle Tropenländer verbreitet. Die Samen (Gift-
bohnen) dienen yu Halsbandern, Rojenfranjen, als
Gewicht (Rati), als Semen Jequirity in der Augen—
heilfunde (befonders zur Uufhellung von Hornbhaut:
triibungen), in Nordamerifa aud) gegen Hautfrant-
heiten. In Indien weidt man fie tm Milchſaft von
Calotropis gigantea, zerſtößt fie und forntt aus Der |
Maſſe Nadein, die, durd) die Haut eines Menſchen
oder eines Tiered geſtoßen, ſchnell deſſen Tod herbei-
ſühren. Die Samen enthalten fehr giftiges Abrin,
das aus 2 Ciwethitoffen bejteht, und von dem 0,01 mg,
auf 1 kg Körvpergewicht ins Blut gebracht, tdtet. Dre
Wurzel enthalt Glycyrrhizin, wird argneilic) wie Siif-
hols benugt (indifdes, amertfanifdes Süß—
hols). Die Bewegungen der Fiederblatter fudte man
aud) zur Vorherſage des Wetters zu verwerten (Wet⸗
—2*
Abrüftung (Demobilmachung), dad Über—
gehen aus dem Kriegs- in den Friedensſtand, Auf—
loͤſung der fiir erſtern formierten Truppenteile ꝛc.,
Entlaſſung des einberufenen Perſonals, Verkauf der
überzãhligen Pferde ꝛc. Bal. Mobilmachung.
Mbriltungetonterens, j. Friedenslonferenz.
Abruzzen (j. dic Karten bei» Stalien«), der höchſte
Teil Des jentralen Apennin zwiſchen den Flüſſen
Tronto und Sangro, hauptſächlich vom Uterno, tm
Unterlauf Pescara genannt, entwäſſert. Das ganze
Apenninenſyſtem erreicht in den A. feine größte Hobe,
indent Der Gran Safjo d’jtalia gu 2914 m, der hid-
Abrogieren — Abſalon.
{ten Hohe der ganzen Halbinfel, die Majella zu 2795 m
ſich erhebt. Das Gebirge bejteht aus zwei Parallel -
fetten, von denen die hobere, wildere im O. ſteil zum
Wdriatifden-Meer abfallt, aber aud) die wejtliche im
Velino gu 2487 m anjteigt; gwifden beiden Retten
liegt Die Hodjebene des obern Uterno (ca. 700 m),
wabrend tm W. das Tal des Salto und das Beden
des jest troden gelegten Fuciner Sees (655 m) es
vom romifden Subapennin fdeidet. Das rauhe Ge-
birgsland ijt im Winter monatelang in Schnee ver-
graben. Schöne BViehberden weiden auf den Ber-
gen und in den Tälern. Die Schweine- und Schaf-
sucht ijt erheblid). Getreidebau tritt etwas zuriid, auch
Benbau wird nur an ben Talgehingen getrieben,
und Oliven und Feigen gedeihen nur in den untern
Hiigelland\{daften und ant Adriatiſchen Meer. Die
YU. werden von den Cijenbahnlinien Rom-Avezzano⸗-
Pescara und Terni-Solmona-Hfernia durdichnitten.
Rach dem Gebirge hat diefe Landſchaft des ehemali—
qen Königreichs Reapel den Namen erhalten und zer-
fallt, mit der Proving Molife zu einem Landesteil ver-
einigt, in die Provingen Uquila, Teramo, Chieti und
Campobaffo (Molije) mit zuſammen 16,527 qkm
(300,2 OM.) und von 1,441,551 Einw. Die Abruz—
zeſen find cin Hirtenvolf von patriardalijdher Cin-
—— anhänglich an Vaterland, Religion und Re—
gierung, wenig gebildet (52 Proz. Unalphabeten),
aberglaubijd, muſikaliſch und gaſtfrei. Wis fraftiger,
abgehärteter Menſchenſchlag geben fie trefflide Sol—
daten. Viele Abruzzeſen wandern jabrlid) auf einige
Monate aus, um in den benadbarten Provingen Hir-
ten= und Erntearbeit ju verridten. Das Banditen-
wejen ijt jest ausgerottet. Bgl. Bindi, Monumenti
storici ed artistici degli Abruzzi (Neap. 1889, 2 Bde.).
ot play in Baden joviel wie Wedfelproteit.
Abſalom (hebr., »Bater des Friedens<), dritt-
geborner Sohn Davids, ein ſchöner Mann, wegen ſei—
ner Leutjeligteit beim Volke beliebt, rächte die Schmach
ſeiner Schweſter Thamar an ſeinem älteſten Bruder
Amnon durch deſſen Ermordung und ward deshalb
von David verbannt, aber nad) 5 Jahren als Thron—
erbe anerfannt. Bon Herrſchſucht bejeelt, benupte er
die alte Stammmeseiferjudt Judas und mannigfade
Unjufriedenheit mit Davids Regiment von Hebron
aus jucinem Aufſtand gegen ben Sater. David mute
mit wenigen Getreuen Jeruſalem verlajjen, worauf
YW. von der Hauptitadt und dem Harem ſeines Vaters
Beſitz nahm. Dem Rate Hufais vertrauend, verzdgerte
er gegen den Rat Udhitofels die Verfolqung Davids,
der ingwifden in Madanaim ein Heer fammelte. Ym
Wald Ephraim befiegt, ward A., auf der Flucht mit
jeinem langen Haar an einer Terebinthe hängen blei-
bend, von Joab erjtoden (2. Sam. 13—18). Das
jogen. Grab Ubfaloms im Kidrontal bei Jeruſa—
lem f. Tafel »Wrditeftur II«, Fig. 14.
Ubfalon, dan. Ratgeber Waldemars L und
Rnuts VL, geb. 1128, gejt. 1201, fälſchlich auch Axel
enannt, ward 1158 Biidof von Rosfilde, 1178 aud
Erzbiſchof von Lund, kämpfte ſeit 1159 mehrmals er-
folgreid) gegen die wendijden Seeräuber, erridtete
1167 gur Verteidiqung der däniſchen Küſte an der
Stelle, wo jest Nopenhagen liegt, eine feſte Burg
(poetijd) Urelhus) und zwang 1184 Herzog Bogis-
law I. von Bonunern zur Ynerfennung der danifden
Oberlehnsherrjdaft. Yn Paris qebildet, ordnete er
das däniſche Rirdenwejen, erwirfte die Unnahme bed
feelandifchen Rirdengefeses und veranlate Svend
Aageſön fowie Saro Grammaticus zur Abſaſſung
ihrer Geſchichte Dänemarks.
Abſam — Abſchlagszahlung.
Abſam, Dorf, ſ. Hall (in Tirol).
Abſarii (mittellat., von absus, unbebaut), im
fränliſchen Reiche — Hörigen, denen die Auf⸗
gabe oblag, unbebautes Land urbar zu machen; nach
andern diejenigen Dienſtleute, die ohne mansus (Hufe,
Ackerland) waren.
Abſatz, der Ubergang von Waren aus der Hand
des Produjenten oder Handlers in die des Käufers;
Summe der Waren, die in der Zeiteinheit (Jahr) ab-
gejebt werden. Je mehr mit zunehmender Urbeits-
teilung von den Cinjelwirtidhaften nur bejtinunte
Waren erzeugt, je ausgedehnter die Vertehrsqebiete
und je vielfaltiger die wirtſchaftlichen Beziehungen
und die Bediirfnijje werden, um fo ausgedehnter wird
der U. Freilid) wächſt damit fiir die etngelnen Pro—
—— auch die Schwierigleit, ihre Produktion in
bereinſtimmung zu halten mit den Bedürfniſſen,
bez. mit Der Zahlungsfähigleit der Konſumenten. Es
tritt leicht Uberproduftion und damit Abſatzſt ockun—
gen und Abſatzkriſen (jf. d.) ein.
Abſatzgenoſſenſchaften, Genoſſenſchaften (ſ. d.),
die Den Abſatz von ‘Brodulten oder gewerblichen Er—
zeugniſſen der Mitglieder vermitteln.
Ubjagtrijen nennt man mehr oder weniger um-
fangreiche Stodungen des Abſatzes von Waren, die
auf bem Martte Ribtbare Störungen hervorrufen.
Ihre Entitehung wird durd größere Uusdehnung der
Urbeitsteilung und des Marktgebiets gefordert, da
fie burd) cin unvorbergefehenes oder infolge falfder
Spefulation hervorgerufenes Mißverhältnis zwiſchen
Vorrat und Bedarf (Uberproduftion) bedingt it. Fast
man den Begriff im engern Sinne, ſo ſind A. als
leichartig mnt den Handelskriſen (ſ. d.) anzuſehen.
n weiterm Sinne ſpricht man jedoch ſchon von A.,
wenn entweder 1) eine Überfüllung des Marktes mit
einzelnen Waren cintritt, die fiir dieſe ein Zurückgehen
der Preiſe fowie eine Geſchäftsſtockung in den betref-
fenden Broduftions- und Handelszweigen zur Folge
51
Enthält die Flüſſigleit geldjtes Eiweiß, fo gerinnt dies
beim Sieden und ſchließt dabei in der Flüſſigkeit ent⸗
haltene ungelöſte Subſtanzen ein. In beiden Fällen
tritt mit Dem YL. eine Klärung der Flüſſigkeit ein, und
um folde gu erreichen, fest man der J wohl
Eiweiß zu und kocht auf.
Abſchelferung, ſ. Abſchuppung.
Abſcheren, die Abweichung eines geſchleppten
Bootes aus der Richtung des —9— Schiffes;
durch Legen des Ruders iſt das A. beliebig zu regeln.
Abfden, ſ. Hak. terrecht.
Abſchichtung (Abſonderung), ſ. Eheliches Gü—
Abſchied, die Entlaſſung aus dem Dienſt oder
Amt und die Beſcheinigung einer ſolchen Entlaſſung,
j- B. bei Militärs (ſ. Offizier). — Yin frühern Deut-
ſchen Reiche bezeichnete man mit Reichsabſchied
(recessus imperii) die vom Kaiſer genehmigten und
bet der jeweiligen Entlaſſung des Reichstags vertiin-
deten Beſchlüſſe des Reichstags. Seitdem der Reichs—
tag permanent in Regensburg tagte, fam diefe Ein—
— in Wegfall; ber lebte, fo en. jiingjteRetds-
abjdied datiert von 1654. Die bejte dronologi-
ide Zujammenjtellung der deutſchen Reichsabſchiede
ijt von Sendenberg und Schmauß (Franff. a. M.
1747, 4 Bde.). Die Cinridtung eines folden Wb-
ſchiedes ijt aud) in mandjen deutſchen Einzelſtaaten
adoptiert und bis auf die Gegenwart beibehalten wor-
den, wenigitens infofern, als am Schluß der Seſſion
des Landtags ein Landtagsabjdied publiziert
wird, der, wie 3. B. in Bayern, cine Zuſammen—
jtellung der mit Dem Landtag vereinbarten (»verab-
fchiedeten«) Gefese und den Staatshaushaltsetat ent-
halt. In England vertritt das Parlamentsjtatut,
weldjeS einen wortliden Abdruck aller Gejese und
Beſchlüſſe, aud) der ſchon publizierten, in etner einzi⸗
ar Alte nodmals zuſammenfaßt, die Stelle eines
bichiedes. Endlich bedeutet A. aud) Abſchoß (7. d.).
Abſchlag, foviel wie Preisverminderung; dann
hat, ohne dak weitere Kreife in Mitleidenſchaft gejogen | aud) foviel wie Ausſchlag (ſ. d.) oder jtilles Gutgewidt
werden (fpegielle U.); oder 2) wenn eingelne Gebtete | (j.d.); in Metallgtepereien die abgetrennten Guß—
durd) Verfehrsjtirungen am ordnungsgemäßen Wb-
fas ihrer Waren gehindert find, letztere ſich deshalb
aufitauen, wodurd) rein drtlide Preisfentungen und
Gejdhaftsjtodungen entjtehen (lofale A.). Ste treten
leicht cin infolge von BVertehrsunterbredhungen, 3. B.
bei Kriegen, rafd) cintretenden Zollerhohungen x.
Ubfagpreffe u. -—Wusglasmafdine, — Schuh.
Abſäugen, ſ. Veredelung.
Abſcedieren, Abſcefi, — Abſzedieren rc.
Abſchatz, Hans Upmann, Freiherr von,
Dichter der zweiten ſchleſiſchen Schule, geb. 4. Febr.
1646 ju Würbitz im Liegnitziſchen, geſt. 22. Wpril 1699,
jtudierte in Strahburg und Leiden, bereijte Holland,
Frankreich und Stalien und ward nad) jeiner Riid-
kehr gum Landesbejtallten und BVertreter des Fiirjten-
tums Liegnitz bet den Breslauer Fürſtentagen ernannt.
U. iibertrug Guarinis »Pastor fido« und traf in fei-
nen cignen Gedidten und Spriiden gelegentlic) einen
infadjen und voltstiimlidjen Ton. Seine » Roetijden
berjefungen und Gedidte« erfchienen Leipzig 1704,
cine Uuswahl in W. Müllers ⸗Bibliothek deutjder
Riaffiter de 17. Jahrhunderts<, Bd. 6 (daj. 1824).
Abfdhagung, |. Taration.
Abſchaãnmen, den an der Oberfläche einer fiedenden
Flüſſigkeit fidh bildenden Schaum entfernen. Legterer
entiteht gum Teil dadurch, daß in der Flüſſigkeit ent-
haltene * Teilchen feſter Körper zur Bildung von
Dampfbläschen Veranlaſſung geben, die an die Ober—
fläche jteigen und dabei jene Teilchen mit emporheben.
| nabte und Guptdpfe; in der Miingted nif die Ab—
driide tief gravierter Stempel auf weichem Metall zur
Veurteilung der Stempel oder fiir Sammlungen als
Wbbilder alter Stempel.
Abſchlagen, Segel von den Raaen oder Gajfeln
ablijen. Wis Jägerausdruck ſ. Ablämpfen.
— — — ſ. Altie und Abſchlagsver—
teilung.
Abſchlagsverteilung, die nach der deutſchen
Konkursordnung, § 149, 4 oft bare Mafje vorhanden
ijt, vorgunehmende vorläufige Vericilung. Die dabei
bezahlten ——*— werden Abſchlagsdividende
genannt. Vgl. Verteilungsverfahren.
Abſchlagszahluug (Stitdsahlung, Teil—
zahlung), die zur teilweiſen Tilgung einer Schuld
geleiſtete Zahlung. Jede Zahlung hat, wie überhaupt
jede Leiſtung, die aus einem Schuldverhältnis zu be-
wirfen ijt, jo gu geſchehen, daß der Gegenjtand der
Forderung gang geleijtet wird. Der Schuldner ijt,
wenn eS ſich nicht um verſchiedene, Durd) das Schuld-
verhältnis begriindete felbjtindige Forderungen han-
delt, gu Teiljahlungen nidt beredtigt (Ditrgerlides
Gefesbud), § 266). Wusnahmen find fiir Wedbdjel-
ſchulden (Wedjelordnung, Urtifel 38 u. 98), beim Teil-
urteil (Zivilprozeßordnung, § 401), bei der Aufrech⸗
nung (Biirgerlides Gefegbud), § 389), bei der
Ubidlagsverteitung im Sonfurs (Konfursordnung,
§ 149) und im Zwangsvollſtreckungsverfahren (Yt
vilprosepordnung, § 757) vorgefehen. Abſchlagszah⸗
4*
~
52
lungen finnen übrigens aud beliebig vereinbart
werden; vgl. Abzahlungsgeſchäfte.
Abſchlingern, Abbrechen der Majten durd jtartes
Schwanten (Sdlingern) des Sdhiffes.
Abſchluß, als Börſenausdruck die feſte, verbind-
liche Zuſage ju einem Geſchäft, feſte Bejtellung. Uber
A. der Buͤcher vgl. Budhaltung.
AbjfHhlufprifung, Bezeichnung der mit den Lehr-
planen vom 6. Jan. 1892 m Preußen neu eingefiihr-
ten Briifung nad dem 6. Jabrqang der neunjtufigen
höhern Schulen. Sie ijt Durd foniglidjen Erlaß vom
26. Nov. 1900 aufqeboben.
Abſchmatzen, |. Bodenmelioration.
Abſchmelzſicherung, ſ. Bleiſicherung.
Abſchmiegen, dic Kante eines Gegenſtandes ab-
ſchrägen, ſo daß eine ſchräge Fläche entſteht.
Abſchneiden, einem Heeresteil den Rückzug ver—
legen. YU. bei Beſichtigungen, das Glücken der Vor—
jtellung, »gut oder fdjlecht « a. — Sid a. ſagt manvom
Hunde, der den Riemen, an dem er befeftigt tit, zerbeißt.
Abſchnitt (Seqment), cin Teil emer Linie, einer
ebenen Fläche oder eines Körpers. Ym erjten Fall
wird er durch zwei Punkte 3 im zweiten durch
eine gerade Linie und durch den Rand der Fläche, im
dritten durch eine Ebene und ein Stück der Oberfläche
des Körpers. Uber den Kreisabſchnitt vgl. Kreis. —
Jn der Geländekunde ein durch natiirlide (Ge—
wäſſer, Höhen 2.) oder fiinjtlide Hindernijje zur Ver-
teidiqung geeigneter Geldndeteil. Bei Befejtiqun-
gen werden Ubfdnitte meijt hinter der Hauptvertei—
Digungslinie hergeftellt, um das Feſtſetzen und ſchnelle
Uusbreiten des Ungreifers yu hindern. Abſchnitte in
den Minen find Quermauern mit eifernen Türen,
durch die fid) die Mannſchaft vor dem Rontermineur
zurückzieht. — Uber A. bei We ieren vgl. Uppoint.
Ab duiiren, eine gerade Linie mittels einer ge-
jpannten Sdnur herjtellen, indemt man Die mit Krerde
oder Stohlenpulver gefärbte Schnur anzieht und gegen
die feite Unterlage (Balfen rc.) ſchlagen läßt.
Abſchöpfgerſte, ſ. Mal;.
Abſchoſj Abſchied, Freigeld, Weglaſſung,
Detractus), eine Abgabe, die von in fremdes Gebiet
übergehendem Vermögen erhoben wird. Der A. fam
in zwei Formen vor: 1) als Erbſchaftsgeld (de-
tractus realis, census hereditarius, gabella heredi-
taria, quindena), das von an Ausländer fallen-
den Erbjdhaften und Schenkungen ju entridten war;
2) als Ubfabrts-, Abzugsgeld, Nachſteuer
(detractus personalis, gabella emigrationis), die
von Auswanderern nad der Höhe des von ihnen weg: |
gefithrten Vermögens erhoben wurde. Diefelbe wur- |
zelte in den friibern Leibeigenſchaftsverhältniſſen und
der durch dieſelben bedingtin Redtsgejtaltung. Im
Verkehr zwiſchen deutiden Landern wurden beide Ub- |
qabenarten durch die deutſche Bundesakte aufgeboben, |
und gwar ohne Entſchädigung, aud) wo Private zur
Erhebung berechtigt waren. An Preujen wurde 1822
beitimmt, daß gegen andre Staaten, in denen das
jus detractus nidt mehr zur Anwendung fomme, |
fortan weder A. nod Abfahrtsgeld erhoben werden |
jolle. Rady der Verfaffungsurfunde von 1850 ijt die |
Erhebung von Abzugsgeldern iiberhaupt nidt mehr |
zuläſſig. Aber aud im BVerfehr zwiſchen andern Län— |
Dern find fie metit Durch internationale Bereinbarun-
gen befeitiqt. Das Erbſchaftsgeld wird allerdings
entricdtet, jofern die Steuer nad) Maßgabe der Ge-
ſetzgebung fiber die Erbſchaftsſteuern (ſ. d.) aud von
einheimiichen Erben gu entrichten ijt. Qin tibrigen
triigt Der A. mehr ben Charatter der Retorjion.
Abſchlingern — Abſchuppung.
Abſchrägen, ſoviel wie Abſchmiegen.
Abſch 1, heiße Gegenſtände in kaltes Waſſer
tauchen oder falte Flüſſigleiten zu heißen gießen.
Abſchreckungstheorie, die Strafrechtstheorie
(f. d.) nach der durch Den Strafvollzug andre von der
Begehung von Straftaten abgehalten werden follen.
bſchreiben von Schriftſtuͤcken gilt als mechaniſche
Vervielfiiltiqung, wenn beſtimmt, den Dru zu ver-
treten (vgl. Urbeberredjt und Naddrud). S. aud
Abſchrift.
Abſchreibung, in der Buchhaltung die Verringe—
tung des Soll eines Konto, wie z. B. bei der Ausfuhr
fontterter Waren (ſ. Kontieren); dann die Berichti—
qung oder Rijtornicrung eines unrichtig ein etragenen
Rojtens (vgl. Rijtorno); ferner die im Verzeichnis
des Ynventars (j. d.) einer Unternehmung vorzuneh⸗
mende Verminderung, die im Rapitalwert durch Ab—
nugung oder aud) durch allgemeine Entwertung cin-
qetreten ijt. In der Bilanz erfolgt die UW. entweder
it der Urt, dak die betreffenden Summen auf der
Altivſeite vermindert werden, oder, was sur Beurtei-
lung des Ganges der Unternehmung zweckmäßiger tit,
es bleiben die Anſchaffungsſummen auf der VWhtiv-
jeite unverändert, und es werden denſelben die Ab—
ſchreibungen unter den Paſſiven gegenübergeſtellt. Die
YU. kommt namentlid) bei folden Unternehmungen
vor, in denen grofe fire Rapitalien in Form von Ge
bauden, Wafdinen rc. verwendet werden. Die Ab—
nutzungen derfelben gehören unter die often der
Produftion. Deshalb mu, wenn lestere eine nad:
haltige fein foll, jeweilig aus Dem Ertrag der Unter:
nehmung eine der A. entipredende Summe verfügbar
fein, um nad vollſtändiger Abnutzung die erforder-
lichen Erneuerungen vornehmen zu fonnen (Erneue-
rungSfonds). Cin folder Fonds wird allerdings nidjt
formell ausgejdieden. Seine rechnungsmäßige Be-
riidjidtigung foll cine Gewähr fiir ridtige Gefhafts-
fiihrung ſowie bei gefellidjaftliden Unternehmungen,
wo Teilungen und Auseinanderſetzungen in Frage
fommen, aud) dafiir bieten, daß als Dividenden nidt
Summen verteilt werden, die feine Gewinne find.
Aus dem erwabnten Grunde nennt man in über—
tragener Bedeutung die A. aud) mitunter Umorti-
jation (j. D.). — UW. heißt aud) die im Grundbud
(f.d.) angugebende Trennung des Teiles eines Grund:
jtiids von einem cingetragenen Wrunbdjtiid bei einer
—— dieſes Teiles mit einem Rechte. Der Teil
iſt als ſelbſtändiges Grundſtück einzutragen. Die A.
fann unter Umſtänden unterbleiben (Reichsgrund—
budordnung, § 6).
Abſchrift (NK opie), Urfunde, die den Inhalt einer
andern wiedergibt. Wan unterjdetdet tm rechtlichen
Verkehr swifden der cinfachen und der beqlaubigten
A., Die mit Dem Zeugnis der Ubereinjtimmung mit
der Urſchrift feitens einer hierzu ermächtigten Behörde
oder ſonſtigen Berfon verſehen ijt (ſ. Ropie). Zum
Beweis durd) Urfunden (f. d.) diirfen Abſchriften
regelmäßig nicht verwertet werden. Dod) macht die
deutſche Zivilprozeßordnung (§ 435) cine Uusnahme
mit beqlaubigten Abſchriften bf fen tlic) er Urtunden.
Bal. Ausfertigung.
— Schmieden.
Abſchuppung (Abſchelferung, Deſquama—
tion), ungewöhnlich reichliche Abſonderung der ver-
hornten Zellen des Oberhäuichens (der Epidermis)
von ihrer Unterlage, und zwar in Form kleiner
Schüppchen, als mebhl- oder lleienartiger Staub oder
in größern Fetzen. Meiſt erfolgt A. nad Entzündung
der äußern Haut und reichlicherer Produktion von
Abſchuß — Abfolut.
Epidermiszellen, z. B. nach Scharlach, Maſern, Roſe,
Verbrennungen. In andern Fällen beſteht eine we—
nig auffallende Hautentzündung noch während der
A. fort, und oft iſt die J das einzige Zeichen, daß
überhaupt eine entzündliche Ernährungsſtörung in
der ãäußern Haut beſteht, z. B. bei der ſogen. Pityria⸗
ſis, manchen Formen von Pſoriaſis, bei Syphilis ꝛc.
Auch bei Schwindſucht und Krebslachexie, wo die Haut
welf und trocen ijt, findet jtirfere und ſehr verbrei-
tete UW. ſtatt. Oft läßt ſich chronifde UW. belämpfen
durch ——————— Vaſelin und öfteres Abwaſchen
mit lauwarmem Waſſer. Meiſtens aber ſchwindet die
A. erſt nach Heilung des Hautübels.
Abſchuf, die Menge Wild, die bet einer nachhal⸗
tigen Jagdwirtſchaft jabrlicd) erlegt werden fann oder
foll. Man ſchießt, fofern nicht cine Vergrdferung oder
Verringerung de3 Wildſtandes beabjidtigt wird, fo
vicl Wild ab, wie der jährliche Zuwachs unter VBeriid-
fichtigung des natiirliden Abganges durch Kranfheit
und Raubzeug betriigt. [tiere (jf. D.).
au tiffige (Devexa), Girajfen, Familie der Huf-
Mb + ois ha Ubergang der Linie in eine gedjf-
nete Rolonne, wobei die Marſchrichtung durd eine
Viertelſchwenkung der Unterabteilungen nad der
Flanke verleqt wird.
Abſchwörung (lat. Uhjuration), cidlide Ver—
neinung einer —— auch bisweilen eidliche Re—
nunziation, d. h. Verzichtleiſtung auf cin Recht; im eng:
liſchen Geridtswejen der Schwur eines Berbreders,
binnen beſtimmter Zeit bas Land gu verlaſſen. Ab—
ſchwörungs- oder Ubjurationseid (oath of ab-
juration), der feit Wilhelm IL. in England von den
Beamten geleijtete Eid auf Unerfennung der ftaats-
rechtlich feſtgeſtellten Erbfolge in der Regierung und
auf Vermeidung ciner jeden Vorjdubleijtung fiir die
Nachkommen der Stuarts. Der 1709 der irijden
fatholifchen Geijtlicdfeit auferlegte Abſchwörungseid
wurde 1868 beſeitigt. — A. der frithern Ketzerei ver-
langt Die fatholifde Kirche heute nod von allen nidt
fatholifden Chrijten, die zur katholiſchen Kirche über—
Abſciſſe, ſ. Abſziſſe. [treten.
AbSsdorf, Dorf in Niederöſterreich, Bezirksh.
Tulln, Knotenpunkt an der Staatsbahnlinie Bien.
Gmuünd, mit (890) 1075 Einw.
Abſegeln, im Segeliport die letzte gemeinſchaft⸗
liche Seglerfabrt des Jahres.
Abfehen, j. Aufnahme, topographifde.
Wbfeigern, ſ. Seigern.
Abjender, j. Adreſſat.
Abjengen, ſ. Uppretur.
Abſenker, foviel wie Wbleger.
Abſent (lat.), abwefend. Das Abſent, in Bayern
der Teil des Bfarreinfommens, den ein rejiqnieren: |
Der Pfarrer fid) vorbehalt als cine vom Nadfolger |
an ign gu zahlende Benjion. Whfententijte, Ber: |
eichnis der Fehlenden. Abſentation, UWbjentierung, |
ntweidjung; ſich abfentieren, fic) wegbegeben.
Abſentismus (engl. absenteeism, fpr. -ti-ism, v.
absent, abtwejend), die gewohnheitsmäßige Ubwefen: |
Heit der Großgrundbeſitzer von ihren Bejigungen. Er |
wirtt wirtſchaftlich und ſozial in hohem Maße ſchäd⸗
lich. Die Verwaltung und Bewirtſchaftung des Gutes
bleibt hier Wdminijtratoren und Pachtern überlaſſen.
Bei Verpadtung in vielen fleinen Parzellen ſchieben |
ſich Zwiſchenpachter, Generalpadter oder Ugenten ein,
bie Dem Beſitzer den Berfehr mit Badtern und aud
dad Rififo des Pachtbezugs abnehmen, aber die Meine |
padter oft in rückſichtsloſer Weiſe bedriiden. Der |
Cigentiimer ijt lediglich Rentner, der ſich aller Pflich
u. feidenen Waren zur Anwendung.
53
ten, die mit dem Beſitz verbunden find (Hebung der
landwirtſchaftlichen Technif, Teilnahme an den öf—
fentlidjen Ungeleqenheiten xc.) entſchlägt. Bejonders
ſchlimm find die Zujtinde Dann, wenn der Groß—
ee die Rente im Ausland verzehrt. Das
ort A. jtanumt aus Irland, wo die Halfte bis drei
Viertel des Bodens Englindern gehört, die nidt in
Irland wohnen, aber alljährlich mehrere Hundert
Millionen Mart Rente aus Irland bejiehen. Auch
beim ruſſiſchen Adel ijt der A. häufig, weit jeltener
in Deutfdland, wo in den fieben öſtlichen Provinzen
Preußens, dem Gebiete de3 Großgrundbeſitzes, nur
(14,4 Proz. aller Cigentiimer nicht auf ihren Giitern
wohnen. Der W. fann iibrigens aud) beim Fleinen
und mittlern Bejig da vorfontmen, wo ſich das ſtädti—
ide Rapital cines großen Teiles des Landes bemiich-
tigt hat und es durch Verpachtung nutzbar madt, fo
in Stalien, Spanien, Frankreich, Nordamerifa, aud
in einigen Teilen Wejtdeutfdlands. Die gegen den
U. vorgeidlagenen Mittel: Erhebung von Abſenz—
eldern, ergwungene Reſidenz u. dgl., diirften ſchwer—
id) zum Ziele fiihren.
bſenz (lat.), Whwefenheit (j. d.), Verjaumnis.
Abſenzgelder haben die Domberren ju entridten,
wenn jie während ihrer Reſidenzzeit einzelne Tage
Wbfewdod, ſ. Doct. [abwejend find.
Abfesen (Abſpenen), das Entwobhnen der fau-
genden Jungen von der Muttermild und Gewöhnen
an andre Nahrungsmittel. Fohlen werden abgefest
nad) 12—18, Efel nad 12—20, Schladtfalber nad)
3 Aufzuchtkälber nad) 8—16, Lämmer nad 14—
16, Scladtferfel nad) 3—4, Zuchtferkel nad 6—9,
Riper: nad) 6—10 Woden.
Abſetzende Riper, Gewedc, bei denen der Roper
nur fleine Gratſtücke bildet und dann
unt einen Teil hiher oder tiefer be-
ginnt (ſ. Abbildung). Diefe Webart
lommt in baumwollenen, wollenen
Mbfegenbe
Riper.
Abfieden, foviel wie Abkochen.
Abſinken, bergmänniſch, foviel wie Wbteufen.
Abſinth (Extrait d'absinthe), aus Wermut mit
Unis und Bejtandteilen der Genippifrauter, wie Ar-
temesia mutellina, spicata, glacialis, rupestris, be-
reiteter grünlicher jtarfer Schnaps mit 55 Vol.Proz.
Alkohol, der vorzüglich in Frankreich, meiſt mit Waſſer
vermiſcht, genofjen wird. tibermipiger Genuß erzeugt
bis gu Rrampfen fic fteigernde Nervenreizung mit
fpaterer Lähmung (Whfinthismus). Die Stunde
deS Ubjinths (l'heure de l'absinthe), in Baris
die Beit von 4—6 Uhr nadmittags. Seit Wlfred
De Muſſet heißt der YW. in Baris Muse verte, weil er
die mangelnde Begeijterung erſetzen foll. Bal. Mag—
nan, De l’alcoolisme (Bar. 1874), und cine Thefe
von Leonidoff (Lille 1896),
Abſfis (Abſide), ſ. Upfis. ſſei fern; ſ. Omen.
Absit omen (lat.), cine ſchlimme Vorbedeutung
Abſolũt (lat.), wörtlich ſoviel wie vollendet, ab-
geſchloſſen. In abgeleiteter Bedeutung heißt a. (im
Gegenſatze ju relativ, ſ. d.) dasjenige, was in keiner
Weiſe eingeſchränkt oder bedingt it. Die Einſchrän—
fungen und Bedingungen, die betm Abſoluten weg—
fallen, können entweder nur gedadte oder auch wirk—
lich bejtehende fein, und je nachdem hat aud) das Ab—
folute felbjt cine zweifache (cine bloß logiſche oder eine
reale) Bedeutung. So wird bei der abjoluten Majoritit
von der Vergleichung der betreffenden Stimmenzahl
mit den eingelnen Minoritäten, beim abjoluten Gewidt
von ber Vergleichung deSfelben mit dem Rauminhalt
54
des Körpers abgefehen ꝛc.; dagegen bedeutet abjolute
Herrſchaft die in ihrer Ausübung durch nichts einge-
ſchränkte Herrſchaft, abſolute Harte den Härtegrad,
der jede Zuſammendrückung, abſolute Genauigkeit
die, die jeden Fehler ausſchließt; das abſolute (radi—
fale) Boje ijt das Böſe in voller Ausſchließlichkeit und
im höchſten Grad; abjolute Utome find die unter
allen Umſtänden unteilbaren Bejtandteile der Materie ;
abjolutes Wefen (absolutes Sein, abfolute Subjtan;)
ijt cin infeinem Dajein von feinem andern abhängiges
Wejen. Jn der Wirklichkeit fommt cin Wbfolutes
wegen der Endlidfeit und Bedingtheit aller Dinge
natiirlid) nirgends vor, dod) ſtellt Der Begriff desſelben
cin notwendiges Ideal der menfdliden Vernunft dar,
die fiberall vom Endlichen und Vedingten jum Un-
endliden und Unbedingten jtrebt, wenn es ihr aud
niemals gelingt, von dieſem ausgehend jenes ju be-
reifen, wie der Migerfolg der das Ubfolute an den
nfang ftellenden metaphyfifden Syiteme eines Spi-
moja. Schelling, Hegel u. a. beweiſt. Bol. Metaphyfit.
bfolute tigfeit, ſ. Luftfeuchtigleit.
Abſolute ſik, die Muſik an ſich, ohne Be—
ziehung zu andern Künſten oder zu irgend welchen
außer ihr liegenden Vorſtellungsobjelten, im Gegen—
ſatze zur »malenden« oder »Ddarjtellenden« und zur
Seoprammmuit «.
A —5* Nullpunkt, ſ. Temperatur.
Abſolutes MRulturiand, Bodenfläche, die ſich
nach Beſchaffenheit und Lage nur für eine beſtimmte
Kulturart eignet, abſolutes Uder-, Weide-, Wieſenland.
Abſolutes Maſtſyſtem, ſ. Maßſyſtem, abſolutes.
Abſolution (lat.), Frei-, Losſprechung, insbeſ.
das am Schluß einer Haupwerhandlung öffentlich
ergehende richterliche Erkenntnis (absolutorium de-
cretum), wodurch in bürgerlichen Rechtsſtreitigkeiten
der Kläger mit der erhobenen Klage abgewieſen und
in Strafſachen der Angeklagte von der gegen ihn ge—
richteten Anklage freigeſprochen wird (ſ. Ab instantia
abjolvieren). — In der Kirchenſprache bezeichnet A.
die Losſprechung von kirchlicher und göttlicher Strafe
nad abgelegter Beichte (ſ. d.).
Wbfolutismus (lat.), dicjeniqe monarchiſche Re
gierungsform, bet welder der Herrider unumſchränkt
tit. Die Berfrperung des A. auf dem Throne war
Ludwig XIV. von Frankreich. Den Gegenias zur
abjoluten bildet die fonjtitutionelle Monardic. Erjtere
ijt in Europa mit Ausnahme von Rußland und der
Türkei befeitiqt. Uber StaatSabfolutismus f. d.
Abſolutiften, in der Politik die Anhänger und
Verfechter der unumſchränkten Gewalt des Herricders
lutismus); in religidfer Hinfidht die Anhänger der
Lehre von dem Decretum absolutaum oder Dem un
bedingten Ratſchluß Gottes fiber die Menſchen, nad
dem er von Ewigleit die cinen zur Seliqfeit, die an
dern jur Verdammnis beftimmt haben Poll (Calving
Lehre; vgl. Bradeftination).
Ubfolutorinm (lat.), die in gehöriger Form und
bon Der zuſtändigen Behörde nad vorausgeqangener
Priifung ausgeiprodene Befreiung von einer Ber
bindlichfeit, Verantwortung oder von einem Anſpruch
(befonders im Rechnungsweſen). Bal. aud Abſolu
tion u. Decharge. VW. oder Ubfolutorialpriifung
auch foviel wie Reifepriifung.
Ubfolvieren (lat.), frei-, losſprechen; vollenden,
abfertigen, beenDdigen.
Absonderung(naturwiffenfdaftlid). 1) An
Der Geologie (hrerju Tafel »Wbfonderung der maj
figen Gefteine<) die Serfliiftung oder Trennung der
Abjolute Feudtigteit — Abjonderung.
Geſteinsmaſſen, wie fie ſowohl bei den geſchichteten
(f. Schichtung) als bei den maffigen Gejteinen auftritt.
Bei den erjtern ift die A. teils durch die Urt threr
Entjtehung (jf. Gefteine) bedingt, teil eine Folge Des
{pitern Austrocknens der aus dem Wafer abgeſetzten
Lagen; bei den maffigen, aus feurig-flüſſigem Zu—
jtand erjtarrten Gefteinen bat fie fid) bei Dem Erjtar-
ren Dderfelben gebildet, wobei es aber nod) unentſchie⸗
dent ijt, ob durch Kontraktion, welde die Silikatgeſteine
bet dem Übergang aus dem fliiffigen in den fejten
Aggregatzuſtand erfabren haben mögen, oder, wie
mande Geologen glauben (vgl. Lang, Parallel fafe-
rung und Sdulenabjonderung, Stuttg. 1875), infolge
des innern Druds, der fic) bei der Verfeftiqung und
Der dabei ftattgefundenen Volumenvergrdferung der
Sililatgeſteine in dieſen entwidelt haben müſſe. (Wa-
heres j. Lert auf Riicfeite der beifolgenden Tafel.) —
2) Jn der Mineralogie ungebriudlider Name
fiir Sefretion (ſ. Ronfretionen und WMandeljtein).
3) Im Pflanzenreich find unter den Organen
des Ubfonderungsgewebes Driijen, gangfodr-
mige, mit abjondernden Hellen (Sefretionszellen) aus-
getleidete Hohllanäle (Sefretqdnge) und Extretbebal-
ter, d. h. einzelne oder zu Gruppen vereinigte, mit be-
ſtimmten Stoffen angefiillte Sellen, gu unterſcheiden.
Die Driifen treten auf der Oberfläche der Pflanzen
(Gautdrüſen) oder tm innern Gewebe derſelben
(innere Driifen) auf; im erjtern Fall erſcheinen
jie als flebrige Hautflächen des Stengels, 3. B. bei
Viscaria, der dann als Leimrute fiir auftriechhende
Inſekten dient, oder fie bilden auf den Zähnen der
Laubblitter im Knoſpenzuſtand engbeqrengte Flecke,
deren A. Die jungen Snofpenteile mit einem ſchützenden
UÜberzug verſieht. Oft entitehen durch haarförmige
Ausſackungen der Oberhautzellen ſehr verſchieden ge-
ſtaltete Drüſenhaare, Zotten oder Schuppen, die teils
klebrige oder zuckerhaltige Stoffe, teils ätheriſche Ole
abſondern. Der Geruch vieler Pflanzenteile verdankt
derartigen Drüſen ſeine Entſtehung. Die als Leim—
zotten (Rolleteren) bezeichneten Drüſen der
Knoſpenſchuppen überziehen dieſelben mit einer
Schleim-, Harz- oder Gummiſchicht und ſchützen die
zarten, eingeſchloſſenen Blattteile dadurch vor dem
Einfluß der Kälte oder der Verdunſtung. Zucker—
abſondernde Drüſen bilden Wnlodungsmittel für In—
jeften; beſonders die innerhalb der Blüten ange-
bradten, honigabjondernden Stellen, die Neftarien
(jf. d.), find von grofer Bedeutung fiir die Blüten⸗
bejtiubung (f. d.); dod) kommen auch außerhalb der
Blüuͤte ftebende Honigdriifen vor. Die Driifen der
im Gegenfage zu den Ronjtitutionellen (vgl. Abſo—
inſektenfreſſenden Pflanzen⸗ (f. d.) beſitzen beſondere
Einrichtungen zum Fang und zur Verdauung kleiner
Tiere. Die Spitzen mancher Laubblatter, z. B. von
Calla aethiopica, die Blattzähne von Fuchsia u. a.
fondern Waffer in Tropfenform ab; in der Regel tritt
hierbet das Wafer aus Wafferfpalten, d. h.
grofen, nicht luftfiibrenden Spaltijfnungen, aus.
ud) Der Honig mandjer Neftarien wird durch Spalt-
djinungen (Saftventile) ausgefdieden. Whnliche
Bildungen find aud) die falfabfondernden Drüſen bei
manden Yrten von Saxifraga. Die innern Driifen
jondern in der Regel ätheriſche Ole oder Harz ab und
jinden fic) häufig in lederartigen Blättern fowie in
der Schale vicler aromatiſcher —2 Die ſchlauch—
förmigen Sekretionsorgane Gekretſchläuche)
bilden im Innern der Pflanze blind endende, iſolierte
oder netzartig zuſammenhängende Röhren, deren
Wand von den Sekretionszellen umgeben wird, und
die Harz, OL, Schleim oder Gummi enthalten. Sehr
Absonderung der massigen Gesteine.
— —— — . oT |
x
tr —
CF ate ou NS OE ee
Bacay ON ene
| i
=
1. Kubische und plattige Absonderung des Granits (Wackel-
stein). Madelstein im Riesengebirge.
fi - a —
| 2. Unregelmifpige siulen- und pfeilerférmige Absonde-
rung. Porphyr bei Bozen.
— — —— — aN . So Se. ———
5. Kugelig-schalige Absonderung. Melaphyr bei 6. Bankférmige und prismatische Absonderung.
Winnweiler (Pfalz). Obsidian im Yellowstone National Park der
Vereinigten Staaten.
*
7. Sdulen und Kugeln bei Basalt. Scheidskopf bei Remagen.
Meyers Konv.-Lexikon, 6. Aufl. Bibliogr. Institut in Leipzig. Zum Artikel ,Absonderung’.
Zur Tafel .Absondernng der massigen Gesteine*.
Die Gesteine zeigen da, wo sie in ihrer ganzen Masxe
der Keohachtang meginglich sind, aleo vorzuglich an
stetlen Felawanden, in Waveserrissen, in Steinhrichen
owl andern kinstlichen Anfschlassen, mehr oder we-
niger dentliche Trennune-flichen, die den stetizen
Zasammenhang des Gesteina onterbrerhen and das-
aelbe in verachieden gestaltete Rérper zerlewen. Diese
Trenmnangstlichen oder Absonderungstlichen sind ent-
weder bereits wahrend der Bildung des (resteins ent-
standen and entaprechen dann cinem [ntervall indem
(jesteinsabentz oder einer Anderang in den Bedingun-
gen, anter denen das Gesteinsmaterial sich xusam-
menhanfte ‘man hezeiehmet sie dann gewhhnlich als
Fugen, oler sie haben sich erst nach der Bildung
dew Gesteins darch Schrampfang der Gesteinsmasse
oder dorerh andre, von anfen her wirkende mechani-
oche Vorginge nach and nach entwiekelt und werden
dann Alufte genannt. Die Pagen «Schichtfugen, Ge-
steinsfagen, sind Znsammensetzonesflichen, die fur
die geacrhichteten (resteine (a. Geatrine und Schichk-
tung, charakteristixeh sind. Die Klifte dagegen sind
Trennangstlachen; sie sind entweder eine Folge der
Zasarmmenvichang, welche die geachichteten Gesteine
bei ihrer Anstrocknang oder die Fraptivgesteine bei
ihrer Eretarrong erlitten haben, oder sie sind durch
meechanivehe froek-, Zag- oder Torsions-; Wirkun-
gen entaianden and werden dann als soven. Diaklasen
is. Lithoklasen, der ersten Art von Trennungstlachen,
den Leptoklasen oder Absonderunqaflichen im engern
Sinne des Wortes, vecventthergestellt.
Man unteracheidet folgende Absondernngsformen :
1) Die unregelmibig polyedrische Absonderang. Dic
Cresteinamasee zerfallt durch die Zerkliftangstiachen
in regellos g=staltete, vieleckige, meist seharfkantige
Gesteinssticke, Diese Abeonderangsform findet sich
sowoh] bei Sedimentgestcinen, wie Grauwacke, Kalk-
stein, Quarzit, ala auch bei Eruptivgesteinen, wie
firanit, Porphyr and Diahas, sehr verbreitet.
2, Die sinlenfirmige Absonderung kommt beson-
ders bei Eraplivgesteinen vor. Das Gestein zerfallt
inlanter mehe oder weniger regelmabige, prismatische
Teile, LAnve ond Doarchmesser der Siulen ist sehr ver-
echieden, innerhalb derselben Gesteinsmasse aber ge-
wohnlieh xiemlich gleich. Die Sanlen sind drei- und
mehrmeitiz, am haufigsten sechs- and fiinfseilig: mei-
stens sind sie gerade, selten gehogen, Sie stehen im
allgemeinen senkrecht auf den Begrenzungs-, bez.
Abkihlangsflichen: in (iingen sind sie wie Holz-
acheite r-chiwinklig 2a dem Salband gelagert (s. Tafel
Erosion, Fig. 205 in Decken oder Strémen stehen
sle lotreeht; bei Kappen findet man cine meilerartige
Grappierung (fig, 7)oder cin strahlen{ffirmiges Diver-
gieren, Ot sind die Saalen auch noch quer (frana-
vrreal) zerteilt; diex führt za kurzprismatisehen und
bei Abrunduang der Kanten zu ellipseidischen und
kageligen Abeenderangsformen (Kiasegrotte bei Bert-
riche, Am schéneaten zeigt sich die Siulenabsenderung
am Hasalt: die bekanntesten tnd grolartigsten Vor-
kommnise von Saghenboealt in haropa sind dersegen.
Rietendanm an der Nordkiiste der Grafsechaft Antrim
anf Irland, die Insel Staffa mit der Fingalshthle
(Fig.3), der Schecidskopf bei Remagen (F iq, 7), War-
gotech bei Aussig, Seltener ist die sinlenfiirmige Ab- |
vonderung bei dem Quarsporphyr, wo sie Uberginge
in eine anregelmalig pfelen@rmige oder parallelepr-
pediache geint (fig, 2), hei Obsidian (hig. 6), hel Tra-
ehyt a. Tafel Adsteatalliungen HL, Fig.5), bei Diorit,
Phonelithete, Auch Seclimentgesteine lassen, obschon
viel seltener, eine Sdalenalsonderung erkennen, seo
der tertidre Gips am Montmartre bei Paris, der Bant-
sandstein bei Toalon, viele Toneisensteine : hesonders
da, ¥o Sedimente mit Eruptivgesteinen in Beriihrung
kommen, ist durch die starke Erhitzung und spatere
Abkthlung und Zosammenziehang oft eine deutliche
Sanlenabsonderang in jenen entstunden, z.B.im Bunt-
semistein an der hlauen KRappe bei Eschwege und am
Wildenstein bei Badinzgen, in der Braunkohle de
Meiféner. Aach Gestellsteine von Hochdfen zerfallen
nach einiger Zeit des Gebrauchs in sanlige Sticke.
2 Die kugeiize Absonderung ist haufig mit der
sainleniirmigen verknitpft (Fig. 7), tritt aber zuweilen
erst bet der Verwitterung des (iesteins deatlich her-
vor. Das Gestein erseheint dann aus lanter nub- bix
metergroien Kageln zasammengesetzt, denen haufig
ein konzentrisch-schaliger Ban zakommt, so daB sie
schlieblich in zahlreiche, gwiebellGrmig sich umhal-
lende Schalen zerfallen;Fig.35). Die Kugelabsonderang
kommt hei Basalt, Melaphyr, Diabas and Mineite hau-
fig vor, auch bei Porphyr und Granit; auch die perli-
tische Struktur des Perlits s.d.) gehért in gewissem
“inne hierher, Selten findet sich die kugelige A bsonde-
rung bei Sedimentgesteinen ‘Sandstein, Granwacke).
+. Die plattenformige Absonderung. im ganzender
Sehichtung und Sechieferung sehr dhnlich. Das Ge-
stein zerfallt in parallel gelagerte Platten von ver-
echiedener Dicke; die Flachen der Platten sind meist
eben, selten etwas gekriimmt ‘krummschalige Abson-
derung:. Die Klifte liegen immer parallel der aubern
Gesteinsgrenze, also bei horizontal ausgebreiteten
Decken von Eraptivgesteinen horizontal, in Gangen
parallel dem Salband, Haufig hangt die plattenfr-
mige Absonderung mit ciner Parallel- oder Fluidal-
struktur des Gestcins zusammen, Sie findet sich sehr
oft bei Phonolith (Fig. 4) und Porphyr, aber auch bei
Trachyt, Basalt; bei erstern zeigen die Platten zuwei-
len so dinne Dimensionen (hiitterige Absonderung),
daf sie zum Dachdecken verwendet werden koönnen.
Besitzen die Platten, wie bei manchen Graniten | selte-
ner bei Obsidian), griébere Dimensionen, und sind sie
'insbesondere ziemlich dick im Verhiltnis ru ihrer
Flachenausdehnung, so epricht man auch von einer
bankformigen oder matratzenformigen Absonderung
fPelg. fm, 6).
5) Die kubische oder parallelepipedische, auch
quaderférmige Absonderung jst bei Granit und Sand-
stein sehr verbreitet und bedingt durch drei sich naheru
rechtwinklig schneidende Klufisvsteme, Der Granit
zerfalit haintig in deutlich kubisehe Blicke, die auch
wohl mit dickhankig abgesonderten Gesteinsstiicken
abweehseln und sich ehenso wie diese an den Ecken
und Kanten randen kénnen: Uherginge indie kagelige
Absonderung), wodurch das Ganze an aufeinonderge-
schichtote Wollsicke erinnert ( Wollsackahsonderung).
Zaweilen raht ein grefer, an den Kanten und Ecken
gerundeter Block nur noch vuf ciner kleinen Basis
auf, so dab er darch Siibe in Rewegung gesetzt wer-
den kann (Waekelstein, Schaukelstein, Lottelfels, wa-
eking stone, Fig. 1), Wenn Gesteine mit parallelepi-
pedischer Absondernng bei fortschreitender Verwitte-
rang zerfallen, entstehen an den Abhangen gern An-
hiufungen von Blocken (Felecomeere, Teufelamtih-
fen), wie sie viele Granit- und Dioritherge ( Brocken,
tiesengchirge, Odenwald, Sehwarewald, Fichtel-
gebirge; ubersiehen; sie haben oft die abenteuerlich-
sten Hypothesen tber ihre so leicht erklarbare Ent-
stehung wachgernfen, Bei den Sandsteinen kommt
die quadersirmige Absonderung darch die Verbindung
prismoatischer Absonderung mit den Schichtfugen, die
das eine Klufisystem vertreten, zu stande ‘s. Tafel
Erosion, Fig. 7, und Tafel Bergformen IT, Fig. 3).
Abjonderung — Abſorption.
verbreitet ſind unter andern die Harzgänge bei den
Nadelhölzern, deren Blatter und Zweige in mannig—
fachſter Art von ihnen durchzogen werden. Das aus-
fließende Har; ſchützt bei Verlepungen die Wundjtellen
vor Luftzutritt. In den Extretbehältern ſammeln
ſich ebenfalls Auswurfſtoffe, in andern Fallen aud
Baumaterialien der Pflanze an; fie enthalten Schleim
(Sh leimbeh alter) bei den Rafteen, Malvazeen u.a.,
Har, oder OL Garz- und Olbehalter) bei den
Ringiberageen, Piperazeen, Laurazeen, bet der Aloe,
Gummi (Gummigdnge) bei Cyfadazeen, Sterfu-
liazeen u. a., ferner Gerbſtoff ————
und endlich auch Kriſtalle von oxalſaurem Kalk
EKriſtallſchläuche). Letzterer tritt in Form von
quadratijden oder monoflinen Cinjelfrijtallen, als
Kriſtallſand, in Bündeln flanger, nadelfirmig dinner
Rrijtalle (Raphiden) oder in morgenjternartigen
Drujen auf. Biologijd dienen Gerbjtojfe, Raphiden
und andre Ertrete bei zahlreichen Pflanzen als Schutz⸗
mittel gegen Schnedenfraj. Stranfhafte W. find der
Harzfluß (j. d.) und der Gum miflug (f. d.).
4) Jn Der Phyſiologie verjteht man unter A.
(Sefretion) die Bildung und Ausſcheidung von
Flüſſigkeiten (Sefreten), fei es, daß dieſe Uusfdei-
dung nad außen (Schweiß, Tränen) oder in eine der
Körperhöhlen erfolgt (Magenfaft, Galle), Die W. von
Blutbejtandteilen in die jerdfen Höhlen (Hergbeutel,
Bauchhöhle rc.) hat man frither aud als Trans:
judation, ihre Brodufte (Perifardial-, Bleura-,
Peritonecalfliiffigtit) als Transfudate bezeichnet,
indem man fic) voritellte, daß hier die Blutflüſſigkeit
durch die Gefäßwände gewiſſermaßen hindurchſchwitze,
filtriere oder diffundiere. Indes dürfte zwiſchen dieſen
Abſonderungen und den eigentlichen Sekretionen ein
prinzipieller Unterſchied nicht mehr anzuerkennen ſein.
Die Abſonderungen im engern Sinn (Sekrete) ſind
die Produlte beſonderer Abſonderungsapparate. Sie
enthalten neben dem aus dem Blut ſtammenden
Waſſer eigentümliche Stoffe, die ſich durch chemiſche
Prozeſſe bilden. Letztere verlaufen oft unter Wärme—
bildung in den abſondernden Zellen, die je nach der
Art des Organs zur Bildung ſpezifiſcher Sekretſtoffe
befähigt find. Ber gewiſſen Wbjonderungen, wie 3. B.
in Den Geſchlechtsdrüſen, entitehen neue Formelemente
(Ei und Samenfdrperden) als Umwandlungspro—
bufte Der Driijengellen. Bet manden Sefreten gehen
Die ſpezifiſchen Bejtandteile aus einem Zerfall von
Driijenjellen hervor (Mild, Hauttalg ꝛc.). Die eine
fachiten Ubjonderungsvorridtungen bilden die mit
Blutfapillaren und emer einfachen Zellſchicht verſehe—
nen ferdjen Haute, welche die oben erwähnten Hdhlen-
jliiffigtetten liefern. In andern ijt die ſezernierende
Fläche durch Einſtülpungen, in manden durch Aus—
ſtülpungen vergrößert. Eine eingeſtülpte ſezernie—
rende Fläche bildet eine Drüſe, eine ausgeſtülpte eine
Rotte; erſtere find außerordentlich verbreitet, letztere
finden ſich in den Synovialhäuten. Die Sekretion vie-
ler Drüſen ſteht unter dem Einfluß des Nervenſyſtems.
Dieſer kann bewirken: a) eine Veränderung des Blut-
ſtromes in den Abſonderungsorganen durch Erweite—
rung oder Verengerung der Blutgefäße; b) eine An—
regung der in der Drüſe verlaufenden chemiſchen Pro⸗
zeſſe. Veränderungen der erſten Art kommen durch
Se raitisheme der Gefäßnerven (ſ. Blutbewequng) zu
ſtande, während die andern an die Tätigkeit ſpezifiſch
jefretorijmer Nervenfafern (Ubjonderungs:
55
kreatiſche Saft, die Galle, teils führen fie die betm
Stoffwechſel fiir den tieriſchen Haushalt unbraudbar,
ja ſchädlich gewordenen Stoffe fort (Harn, Schweiß),
teils vermehren ſie die Beweglichkeit der Organe, wie
der Schleim der Bindehaut des Auges, die Gelenkflüſ—⸗
jigteiten, oder fie ſchützen die innere und äußere Ober—
flache des Körpers vor ſchädlichen Einwirkungen, wie
der Schleim der Schleimhäute, der Hauttalg, teils die-
nen jie zur Erhaltung der Art, wie der tieriſche Game
und das Ci. über innere A. ſ. Innere Sefretion.
Ubfonderung im Konkurs, Ubfonderunge-
laubiger, ſ. Abgeſonderte Befriedigung. A. tm
Erbredt, ſ. Erbrecht.
Abſonderungsgewebe, ſ. Abſonderung.
Absorbentia (lat.), ſoviel wie Austrocknende
Mittel. [in Anſpruch, ganz in fic) aufnehmen.
Abſorbieren (lat.), auf- einſaugen; vollſtändig
Abſorptiometer, von Bunſen konſtruierter Appa—
rat zur Beſtimmung der Abſorption von Gaſen durch
ii figteiten. Auch ein von Wiederhold angegebener
Ypparat zur Priifung der Ole, befonders der Schmier-
dle, auf thre Neigung, Sauerjtoff aufzunehmen, be-
jteht aus einer Glasfugel, in der das auf Baumwolle
verteilte OL Der Einwirkung der Luft ausgejept wird.
Die Menge des abjorbierten Sauerſtoffs ergibt fid
aus dem Steigen des Quechkſilbers in emem mit der
Glaskugel verbundenen VBarometerrohr.
Abjorption (lat., »>Cin-, Aufſaugung«). 1) Die
W. der Gaje durch Flüſſigkeiten yt tm allge-
meinen bei niederer Tentperatur größer als bei höherer
und wird febr ftarf Durch den Druck beeinflupt. 1 Lit.
Waſſer verſchluckt bei 15” ſtets 1L. Kohlenſäure, unter
weldhem Drud aud das Gas ftehen mag; da nun
(bet unverinderter Temperatur) die Gasdidte dem
Drud proportional ijt, folgt, daß das Gewicht der
von 1 &. einer Flüſſigkeit verſchluckten Gasmenge in
Dentjelben Verhältnis zu⸗ oder abnimmt wie der Drud,
unter dem Die A. jtattfindet (Henrys Geſetz). —
Cin Raumteil Waſſer abjorbiert bei 15° 727 Raum—
teile Ammonialgas, 450 Chlorwaſſerſtoff, 43,5 ſchwef⸗
lige Säure, 3,25 Schwefelwaſſerſtoff, 1 Kohlenſäure,
0,03 Sauerſtoff, 0,014 Stichſtoff; 1 Raumteil Alkohol
dagegen verſchluckt 3,2 Raumteile Kohlenſäure. Dieſe
Zahlen, welche ausdrücken, wieviel Raumteile eines
Gaſes von einem Raumteil einer Flüſſigkeit verſchluckt
werden, nennt man Wbforptionstoeffijienten.
Aus einem Gemenge von Gaſen abjorbiert eine
Flüſſigkeit fo viel von jedem einzelnen Gas, als dem
Drud (Parttaldrud) entjpridt, den dieſes Gas
ausiiben wiirde, wenn es allein vorhanden ware
(Daltonfdes Geſetz). Daher wird 3. B. die ab-
jorbierte Kohlenſäuremenge nicht vergrößert, wenn
man in den über dem Waſſer befindlichen, mit Kohlen—
ſäure erfiillten Raum cin andres Gas, 3. B. atmo-
ſphäriſche Luft, hineinprept. Die atmoſphäriſche Luft
iit ein Gemenge von 21 Raumteilen Sauerſtoffgas
mit 79 Raumteilen Stickſtoffgas; da aber der Gauer-
jtoff cine größere Ubjorptionsfabigteit befigt als der
Stichſtoff, fo bejteht die vom Wafer abjorbierte Luft
aus 35 Proj. Sauerjtoff und 65 Proj. Stichſtoff.
Dieſes Verhalten ijt wichtig fiir die mit Riemen ver-
jehenen Wajfertiere, welche die un Waſſer absorbierte
Luft atmen. — Wajfer verſchluckt bei 0°: 1,8, bet
15°: 1, bei 20°: 0,9 Raumteil Kohlenſäure. Bern
Erwärmen entweidt daber cin Teil des Gaſes aus
einer gashaltigen Flüſſigkeit, und durd Sieden werden
nerven) gebunden find, die direft an die Drüſen- | die meijten abjorbierten Gaſe volljtindig ausgetrieben.
jellen treten. Die Ubfonderungen dienen teils der | Fejte Körper können Gaje anſcheinend nidt abjor-
Becbauung, wie der Speidel, der Magenfaft, der pans | bieren, jedenfalls nicht in gleichem Verhältnis wie
56 Abjorptionsfabigteit des Bodens — Abjperrung.
Fiüſſigleiten. Mande Metalle, namentlich Silber | Nicht immer ijt das Speftrunt des durch cinen far-
und Kupfer, die tm geidymoljenen Zujtande Sauerſtoff bigen Körper dDurdgegangenen oder ded von ihm zer-
abjorbieren, geben das veridjludte Gas beim Erfalten | jtreuten Lichtes (das UWbforptionsfpeftrum) fo
wieder ab, wobei das aus dem nod fliiffigen Metall | einfach wie bei rotem Glas oder rotem Papier; viele
ſtürmiſch entweichende Gas feine Tropfen des Metalls farbige Stoffe veridlucen von den Strablengattungen
umberjdleudert (Spragen). Beim Gefrieren des des Speftrums nur eine oder mehrere Bartien (> aus-
Wajjers entweicht die abjorbierte Luft in Bläschen, wählende- A.), während fie benadbarte oder da—
die meift im Cis eingeſchloſſen bleiben. Palladium, zwiſchenliegende Partien unangetajtet lajjen; das
das cine Zeitlang in verdiinnter Schwefelſäure als
negativer Pol einer galvanifden Säule gedient hat,
funn das 986 fade feines Rauminbhalts an Waſſer—
ſtoffgas in fid) aufnehmen. Dieſe Crideinung (Ok⸗
tluſion) berubt vermutlich teilweiſe auf einer che—
miſchen Bindung des Waſſerſtoffs und zeigt ſich mehr
oder weniger auch bei andern Metallen. Platin und
Eiſen abſorbieren in der Glühhitze Waſſerſtoff, letzteres
beſonders leicht auch Kohlenoxyd, und halten dieſe
Gaſe dann auch bei gewöhnlicher Temperatur zurück.
S. aud) Adſorption. — Uber die Apparate ꝛc. die in
ber Technif zur A. der Gaſe benugt werden, ſ. Gaſe.
2) Abforption des Lidjtes (und andrer Strablen, |
3. B. der ftrablenden Wärme). Stellt man in,
den Weg der Strahlen eines Speftrums eine dunfel: |
rote Glasſcheibe, fo werden die Farben vom Gelb bis
gum Violett ausgelöſcht. Das rote Glas läßt von |
janttlichen tm weißen Licht enthaltenen Farben nur
Rot und Orange durd, die andern werden von ihm
verfdludt oderabjorbiert, fiir fie ijt dieſes Glas
undurdfidtiq. Aus diejem Grunde erſcheint das
Glas m einem aus dem Rot und Orange des Spef-
trums gemiſchten roten Farbenton. Griines Glas
lat vorzuqSweife Die qriinen Strahlen durd und,
veridludt die übrigen mehr oder weniger vollſtändig.
Farblofes Glas läßt alle im weißen Licht enthaltenen
farbigen Strablen gleich qut durd.
Läßt man das Speftrum auf rotes Papier fallen,
fo bleibt nur das rote Ende des Spektrums ficdtbar.
Die auf die rauhe Papierfläche treffenden Lichtitrahlen
dringen nämlich, che fie Durd) diffuse Zurückwerfung
(j. Diffufion) nad allen Seiten zerſtreut werden, bis
zu einer geringen Tiefe unter die Oberfläche und unter:
liegen bier der YL, welche Der das Papier iibersiehende
Farbſtoff ausiibt; diefer aber Lakt nur die roten
Strablen durd) und verſchluckt alle iibrigen. Daraus
erflart fic, warum dieſes Rapier in weißem Tages:
licht rot erſcheint. Weißes Papier wirft alle im weißen
Licht enthaltenen einfaden Farben m threm ur:
fpriingliden Miſchungsverhältnis juriid. Grau
heißt cine Oberfläche, dte fiir alle farbigen Lidhtarten
cin gleichmäßig geringes Abſorptionsvermögen be-
fibt; fd) wary erideint cin Körper, der alle Strahlen-
qattungen abjorbiert. So erklärt fich Die Mannigfal-
tiqfeit der Rr perfarben (natiirliden Farben)
aus der Lidtabforption; die Farbe eines Körpers tit
die Mifdhfarbe aus denjenigen farbiqen Strabhlen, dte
von dem ihn beleudtenden weiken Licht nad Abzug
der abjorbierten Strablenarten iibriqgeblieben find.
Hiernach fann cin Rorper im durchgelaſſenen und im
dDiffus zurückgeſtrahlten Lichte nur folde Farben
zeigen, die in Dem cinfallenden Lichte ſchon enthalten
find. Im Lidhte der Natriumflamme, die nur einfades
qelbes Licht ausftrablt, ericheint blaues Rapier ſchwarz.
Bei diejer einfach qelben Beleuchtung verſchwinden
iiberhaupt alle Farbenunterichiede; man unterſcheidet
nur nod Hell und Dunfel. Im Lichte der Gas
flamtmen und Kerzen find die gelben Strablen febr
reichlich, Die blauen und violetien verhältnismäßig
weit fparjamer vertreten als im Tageslicht. Es er
jheint daher im Vergleich mit diejem getb.
'
| Speftrum jeigt dann mehr oder minder jablreice,
| bald breitere, bald ſchmälere Ubſorptionsſtreifen,
deren Lage im Speftrum fiir die chemiſche Beſchaffen⸗
heit des betrejfenden Stoffes bezeichnend ijt und den-
jelben von andern ju unterideiden qejtattet (val.
| Speftralanalyje). Der Dampf von Unterjalpeteriaure,
Jod u. a. zeigt in Dem durd fie geqangenen Lichte
zahlreiche ſchmale, dunkle Abſorptionsſtreifen, die in
ihrem Ausſehen mitden Fraunhoferſchen Linien
des Sonnenſpeltrums (j. Farbenzerſtreuung) große
Ahnlichkeit haben. Die Fraunhoferſchen Linien ſind
feine Abſorptionsſtreifen, hervorgebracht durch die A.,
welche die in der Atmoſphäre der Sonne enthaltenen
Gaſe und Dämpfe auf das von dem weißglühenden
Sonnenkörper ausſtrahlende Licht ausiiben (val.
Spektralanalyſe). — 3) A. im phyſiologiſchen
Sinne, ſ. Reforption.
Abſorptionsfähigkeit des Bodens, ſ. Boden.
Abſorptionsgewebe (Abſorptionsſyſtem),
bei Pflanzen die Geſamtheit der Bellen, die zur Wuf-
nahme fliijfiger Stoffe von außen befähigt ſind. Bei
den int Waſſer lebenden Algen und den in nährſtoff⸗
haltiqen Flüſſigkeiten lebenden niedern Pflanzen, wie
z. B. Hefes und Spaltpilzen, dient die gefamte Ober-
Hide der Rahrungsaufnahme, und cin befonderes A.
feblt daber. Dagegen find die Wurzeln der Land-
pflanzen mit einem A. zur Aufnahme von Waffer und
in demſelben gelöſter Nährſalze ausgeſtattet (ſ. Wur—
zel). Bei den höhern Pilzen dient ein vielfach ver—
zweigtes Geflecht von Faden, das Mycelium (ſ. Pilze),
als Vi. Die Schmarotzerpflanzen bilden im Innern
ihrer Nährpflanzen mut A. ausgeftattete Organe aus.
Endlich findet ber der Neinvung (j.d.) mancher Bliiten-
pflanzen die Ernährung des Keimlings auf Koſten
der aufgeſpeicherten Nährſtoffe Durch ein eigentümlich
—— A. ſtatt.
bſorptionshygrometer, ſ. Hygrometer.
Abſorptionskoeffizient, ſ. Abſorption 1).
UAbjorptionspringip nennt man im Strafrecht
den Grundſatz, die Strafen der mehreren Berbreden,
welche durch eine Handlung veriibt wurden, nicht zu
häufen (Kumulationsprinzip), fondern nur das Ge
ſetz anzuwenden, welches die ſchwerſte Strafe androbt,
wodurch die übrigen Strafen getilgt werden (poena
ma ue absorbet minorem).
bſorptionsſpektrum, ſ. Abſorption 2).
Abſpannung Erſchlaffung, lat. Relaxatio),
ein Zuſtand des ganzen Körpers, ſeltener des Muskel—
oder Nervenfyjtems allein, der nad) energiſcher Arbeit
eintritt und Durd) Rube und Nahrungszufuhr ſchwin—⸗
Det; Daucrnde A. it Utonte (7. d.).
Abjfpenen (Abſpänen), ſ. Abſetzen.
Abſperrgitter, ſ. Bienenzucht.
Abſperrung, die Verhinderung des freien Ver—
lehrs. Was die internationalen Beziehungen an—
langt, ſo geſtattet zwar jeder Staat unverdächtigen
Fremden den Eintritt in ſein Gebiet und den Aufenthalt
in demſelben, ebenſo iſt, allerdings unter Beobachtung
der Zoll⸗ und Handelsgeſetze, Verkehr mit Gutern aus
fremden Ländern und in dieſelben geſtattet; dod) iit
nicht nur die Zulaſſung Fremder und ihrer Waren
— ———— —
Abjperrventil — Abſtimmung.
Sache des freien Willens eines jeden Staates, ſondern
in einzelnen Fällen wird auch die A. vom Völkerrecht
gebilligt. Im Kriege namentlich wird jeder Verkehr
zwiſchen feindlichen Bolfern aufgehoben. Den aus—
gedehnteſten Gebrauch von dem Rechte der A. hat in
alten Zeiten Agypten, dann China, Japan und in
neuerer Zeit Paraguay unter Francia gemacht. Uber
die im Yntereffe von Handel und Induſtrie angeord-
nete UW. vgl. Prohibitivſyſtem. Endlid) dient die A.
ur Berhinderiung des freien Verfehrs zwiſchen einer
ohnung, einem Haus, einem Ort oder einer ganzen
Gegend und der Nadbarjdajt, meijt sur Verhinde—
“wie der BVerbreitung von anitedenden Rrantheiten
der Menfden und Tiere. Näheres f. Rinderpejt, Vete
rindrpolijet, Ynfeftionsfranfheiten.
Abfperrventil, ſ. Ventil.
Abſprung (Widergang), Seitenfprung ded
Wildes, um den BVerfolger von feiner Fährte abju-
lenfen. Der Haje macht regelmäßig Widergänge, be-
vor et fic) in fein Lager drückt.
Abſprünge (Abſpliß), verholste, meijt einjährige
und ſchwächliche Seitenſproſſe, die ſich mit ihrer Be—
laubung zu einer dem Wachstum noch günſtigen Zeit
durch einen organiſchen Prozeß von Eichen,
Weiden und andern Holzarten abgliedern. Die Ab—
löſung wird durch cine Korlſchicht an der Gliederungs⸗
ſtelle bewirft. Bal. Abbiſſe.
Abſpüren, das Aufſuchen der Spuren oder Fähr—⸗
ten Des Wildes. Beſonders bei friſchem Schnee (dem
»Reuen«) und nad Regen fann der fihrtenfundige
Niger durd) UW. die Urt und Bahl des Wildes mre
vee Wufenthaltsort ermitteln.
bſtammungsachſe, Sproj einer Pflanze, aus
dem cin ſeitliches Glied hervorgegangen iit.
Abftammungsehre, ſ. — —
Abſtand (Dijtan;), im allgemeinen ſoviel wie
Entfernung. A. zweier Punlte iſt die Länge der fie
verbindenden Geraden; dieſe Gerade iſt die kürzeſte
Linie zwiſchen beiden Puntten, da ihre Lange kleiner
iſt als die Länge jeder andern Linie, die man zwiſchen
dieſen ziehen kann. Geodätiſchen (kürzeſten) UW.
zweier 35. auf einer krummen Oberfläche nennt
man die Länge.der kürzeſten Verbindungslinie, die
man auf der Fläche zwiſchen den beiden Punkten
ziehen fann; die Verbindungslinie ſelbſt heißt eine
eodätiſche (kürzeſte) Linie der Fläche. Auf der
gel ſind die geodätiſchen Linien die größten Kreiſe
(f. Kugel). — Yn der Aſtronomie ijt A. zweier
Sterne der ſie verbindende Bogen eines größten Krei
ſes auf der ſcheinbaren Himmelskugel oder der Winkel,
den die vom Auge nach den beiden Sternen gezogenen
geraden Linien einſchließen.
Abſtändig heißt cin Baum, der abzuſterben be—
ginnt. — Abſtändige Haustiere, ſ. Abgeſtanden.
Abftandsgeld (Abkaufsgeld), die Summe,
die ein Kontrahent dem andern zahlt, um dadurch
vorzeitig von ſeinen Verbindlichfeiten frei zu werden.
Val. auch Abfindung und Reugeld.
Abſtechmaſchine, Vorrichtung zum Zerſchneiden
von Meiallſtangen, röhren ꝛc. in kurze Stücke, beſteht
weſentlich aus einer kurzen Drehbank mit hohler Spin: |
del, Die das Arbeitsſtück aufnimmt und an ſelbſttätig
vorgeſchobenen Meſſern vorbeidreht oder am Kopfe
Meſſer trägt, die unter ſelbſttätigem radialen Vor
ſchub das feſtliegende Arbeitsſtück umkreiſen und ab
ſtechen
Abftecen, nach Maßgabe von Zeichnungen oder
auf Grund arithmetiſcher Vorarbeiten Puntte, Linien,
Winkel, Flächen derſelben in das Feld iibertragen und
appeln, |
57
dort fichtbar maden. Man benugt hierzu diefelben
| Meßinſtrumente, welde fiir die entgegengefesten Auf⸗
gaben der Feldmeß-, Aufnehme- und Rivellierfunit
erforderlich find, Siqnalinjtrumente zum Bezeichnen
von Buntten auf kürzere Zeit Piketts (Markpflöcke,
Pfähle), die im den Boden getrieben, mit Num—
mern u. dgl. bezeidynet werden; Fludtitabe, Ba-
ten, weiter ſichtbare, längere, mit je zwei grellen
Farben abwedjelnd bemalte gerade Stabe oder Stan:
gen; Meßfahnen (Jalons), ähnliche Stangen,
mit bunten Fähnchen verfehen; Signaltafeln, Kreuze
u. v. a.; zur Not Bohnenjtangen mit Strohwifden
oder Wiepen; fiir die Nadt und in Schächten und
Stollen: Lidter, Lampen, Teerjtangen und -Fäſſer
'(Fanale); auf fehr weite Entfernungen die Heltotro-
ven (f.d.), nantentlic fiir hdhere geodätiſche Arbeiten.
Die widhtigen, der Sufunft aufqubewabrenben Punkte
der Gradmeſſung, Triangulation, Landesaufnahme
und des Separations-, Konſolidations- und Verkop—
pelungsverfahrens, der großen Nivellements, bez. der
großen ftaatSiwirtidaftlich - feldmefferifden Arbeiten
verjteint man mit Steinfignalen (Obelisten,
Säulen, Quadern x.). Für ftaatlide Urbeiten ſtehen
alle Siqnale und deren Bodenfläche unter dem Sdu
der Gejepe. Gerade Linien werden abgeſteckt —
Einrichten mit Fluchtſtäben od. dgl.; ſind dieſelben
begrenzt, ſo erfolgt die Meſſung der Länge mittels
Stabe, Kette oder Bandmaß. Zum A. von Winkeln
benutzt man den Winkelſpiegel, Winkelkopf, das équerre
d miroir, Prismenkreuz, den Sertant, Refleftor, die
Buſſole, den Meßtiſch mit Diopterlineal oder Ripp-
regel, vorzugsweiſe (wenn nidt aus einer Zeichnung
unntittelbar abguiteden) den Theodolit oder das Ta-
Hymeter. Man jtellt das Inſtrument fejt im Scheitel-
punkbte ded absujtecenden Winkels auf und verfährt
Dann mit Den einzelnen Schenfeln, dieſelben abvijie-
rend, wie mit Der geraden Lite. Das. von Höhen,
von Brofilen gejdicht mit Hilfe der Mivellierinjtru-
mente. Krumme Linten werden als gebrodene,
dieſe in ihren Elementen, Linienjtiiddhen und Polygon⸗
winfeln abgeſteckt. Für die Abſteckungen von Kurven
beim Waſſer⸗ (Kanal⸗), Straßen⸗ und Eiſenbahnbau
Tunnel) ſind oft große trigonometriſche Vorarbeiten
und umfangreiche Rechnungsarbeiten erforderlich. Die
Kurven, z. B. Kreiſe, Ellipſe, Parabel, Ubergangs—
turven Der Gleiſe, werden vor der Feldarbeit arith—
metiſch oder geometriſch in ihre geradlinigen Elemente
zerlegt. Val. v. Bauernfeind, Clemente der Ver—
mefjungsfunde (7. Aufl., Stuttg. 1890); Jordan,
Handbud) der Vermeſſungskunde (4. Aufl., Daj. 1895
bis 1897, 3 Bde.). Erdarbeiten.
Abſteckung von Dämmen und Einſchnitten, ſ.
Abſteigende Linie, ſ. Linie (Rechtsſpr.)
Abſteigende Zeichen, ſ. Niederſteigende Zeichen.
Abſteigung, gerade, oder Geradabſteigung,
ſoviel wie Geradaufſteigung (vgl. Himmel); ſchiefe
A., ſ. Aufſteigung. der Glieder.
Abſterben einzelner Glieder, ſ. Einſchlafen
Abſterbeordnung, ſ. Sterblichkeit.
Abſtich, das Ablaſſen von geſchmolzenem Roheiſen
Abſtieben, ſ. Wbreiten. [aus dem Hochofen.
Abſtimmung, die förmliche und ausdrückliche
Willenserklärung der Mitglieder einer Verſammlung
oder eines Kollegiums über cine beſtimmte Frage.
Wilt die A. der Bezeichnung einer beſtimmten Perſon,
jo heißt jie Wahl (ſ. d.). Zu einem gültigen Beſchluß
tit Beſchlußfähigkeit, d. h. die Anweſenheit der vor—
ſchriftsmäßigen Anzahl von Mitgliedern, und je nach
dem einzelnen Fall und nach den beſtehenden Vor—
58
ſchriften Stimmeneinbelligteit oder Stimmenmehrheit |
erforderlid. In legterer Beziehung wird entweder |
eine bejtinumte (qualifizierte) Mehrheit, 3. B. zwei
Drittel der Mitglieder, oder abfolute Mehrheit (mehr
als die Halfte ſämtlicher Stimmen) oder nur rela-
tive Mehrheit erfordert. Letztere liegt dann vor, wenn
fich fiir eine Meinung gwar nicht mehr als die Halfte,
aber dod) mehr Stimmen erklären al8 fiir jede ein-
zelne fonitige Meinung. Die YW. erfolgt entiweder
oͤffentlich durch Handaufheben, Aufſtehen von den
Sitzen, Unuseinandertreten, Zuruf (Alllamation), oder
eheim durch Stimmzettel, Stimmtäfelchen oder
chwarze und weiße Kugeln (Ballotage). Eine weitere
Art der öffentlichen A. iſt die durch Namensaufruf,
bei Dem mit »Ja« oder »Rein« geantwortet wird.
Nach der Gefchaftsordmung des deutſchen Reids-
tags find Die Fragen, die zur UW. fommen, fo zu
ftellert, daß fie einfach durch ⸗Ja« oder ⸗»Nein« bee
antwortet werden können. Unmittelbar vor der A.
iſt die Frage zu verleſen. Iſt vor einer A. infolge
einer darüber gemachten Bemerkung der Präſident
oder einer der dienſttuenden Schriftführer zweifel—
haft, ob eine beſchlußfähige Anzahl von Mitgliedern
anweſend fei, fo erfolgt der Namensaufruf. Er: |
flirt Dagegen auf die erhobene Bemerfung oder einen
firmliden Untrag auf Auszählung des Hauſes der
Präſident, dak fein Mitglied des Bureaus fiber die
Anweſenheit der beſchlußfähigen Anzahl von Mitglie-
Dern (199) zweifelhaft fet, jo find damit Bemerfung
und Yntrag erledigt. Die W. geſchieht nad abjoluter
Mehrheit durch Aufſtehen oder Sigenbleiben. Dit
bas Ergebnis nach der Unjicht des Präſidenten oder |
eines der dienſttuenden Sebriftfiibrer aweifelhaft, fo |
wird die Gegenprobe gemadt. Liefert auch dieje |
nod) fein ſicheres Ergebnis, fo erfolgt die Zählung
des Haufes, und zwar, nad engliſchem Muſter,
durd) den fogen. Hammelfprung m der Urt, daj |
die Witglieder, nachdem fie den Saal verlajjen haben,
auf cin — Glockenzeichen durch zwei offen
gelaſſene Türen, diejenigen, die mit ⸗Ja⸗s ſtimmen
wollen, durch die eine, diejenigen, welche mit > Reine
ſtimmen wollen, durch Die andre wieder cintreten und
Dabei gezählt werden. Nur der Prafident und die
Dienjttuenden Schriftführer geben ihre Stimmen nad-
triglih ab. Auf namentliche UW. mit Aufruf ſämt—
lider Witglieder des Reichstags fann beim Schluß
der Beratung vor der Uufforderung zur A. angetra-
gen werden; ein folder Yntrag muͤß aber von we:
nigitens 50 iy arts unterftiigt werden. Rad
Beendigung des Vufrufs wird durch Wiederholung
des Alphabeis Gelegenheit zur etwaigen nachträglichen
A. gegeben. Bei allen nicht durch Namensaufruf er—
folgten Abſtimmungen hat jedes Mitglied des Reichs—
tags das Recht, ſeine von dem Beſchluß der Mehrheit
abweichende A. kurz begründet ſchriftlich dem Bureau
zu übergeben und deren Aufnahme in die ſtenogra
phiſchen Berichte ohne vorgängige Verlefung im
Reichstag zu verlangen.
Rad) der Geſchäfisordnung fiir das öſterreichi—
ide Abgeordnetenhaus jtellt zunächſt der Prä—
ſident die Anweſenheit der zur Beſchlußfähigkeit er—
forderlichen Anzahl von 100 (im Herrenhaus vor 40)
Witgliedern des Hauſes fejt. Jit er über die Beſchluß—
fähigkeit zweifelhaft, fo wird die Bahl der anweſen—
den Witglieder durch Namensaufruf ermittelt. Im
Verlauf der Sitzung ijt der Präſident nur dann ver-
pilichtet, die Beſchlußfähigkeit des Hauſes feſtzuſtellen,
wenn Dies von einem Milgliede des Hauſes ausdriic
lich gefordert wird. Zu einem giiltigen Beſchluß tit, ab
Abjtimmungsapparate — Abſtimmungspoſtkarten.
geſehen von Verfaſſungsänderungen, abſolute Mehr—
heit erforderlich und genügend; bei Stimmengleichheit
gilt die Frage als verneint. Die abändernden Untrage
werden vor dem Hauptantrag, und zwar die weiter
gehenden vor den —* ur A. gebracht. Die A.
erfolgt perſönlich durch uffteben und Sigenbleiben.
Jit Das Ergebnis nach der Anſicht des rifibenten
sweifelbaft, ſo wird die namentliche UW. vorgenommen
(im Herrenhaus jedoch nur dann, wenn aud die Ge-
genprobe erfolglo3 geblieben), aujerdem nur dann,
wenn fie bon mindejtens 50 Mitgliedern begehrt wird
(im Herrenhaus ijt ein Beſchluß des Hauſes erforder-
lid). Das Haus fann aud die geheime UW. durch
Stimmzettel beſchließen.
Bei der Beratung der Gerichtshöfe erfolgen die
Entidheidungen regelmäßig nad der abjoluten Stim-
menmehrheit (Gerichtsverfaſſungsgeſetz, § 194 ff.)
Sur Bejahung der Sduldfrage it nad § 262 der
Strafprozehordnung eine Mehrheit von zwei Drittein
| Der Stimmen erforderlich. Ebenſo iit nad § 322 Ff.
der Militarjtrafgeridtsordnung die Abſtimmung im
| Militarjtrafverfahren geregelt. Die Reihenfoige bei
der A. richtet ſich nad Dem Dienjtalter, bei den
Schöffengerichten und in den Kammern fiir Handels-
jachen nad) Dem Lebensalter: der jiingite ſtimmt zu—
erjt, Der Vorſitzende zuletzt. Wenn cin Beridteritatter
ernannt ijt, jo gibt Diejer feine Stimme zuerſt ab.
Bei der A. der Geſchwornen richtet fid) die W. nach
der Reihenfolge der Uuslofung. Der Obmann jtinumt
zuletzt. Gleiche Grundſätze bezüglich des Strafver-
—** enthält die öſterreichiſche Strafprozeßordnung
vom Jahre 1873. Hinſichtlich des Zivilverfahrens vgh
die § 9—13 ded Geſetzes vom 1. Aug. 1895 (Juris⸗
diftionsnorm) und § 84 des Geridtsorganijation3-
cfepes vom 27. Nov. 1896, Die Reibenfolge bet der
l. Der deutſchen Militargeridte ijt bei den Stand-
und Kriegsgerichten und dem Reichsmilitärgericht ver-
ſchieden geordnet (vgl. Militärſtrafgerichtsordnung,
§ 324 und 87).
UWbftimmungsapparate jur Abſtimmung mit Ja
und Nein, beftehen aus einem rucweije rotierenden
Behälter mit voneinander getrennten ſchwarzen und
weien Kugeln, von denen je die unterite durch Zurück
jiehen eines Hebels frei wird. Die Plage der Ubjtim-
menden find durch Röhren mit dem Wbftinmmumgs-
apparat verbunden, und durch Druck auf einen Ja: oder
Neintaſter wird eine weiße oder ſchwarze Kugel in Be-
wequng gelest. Bei andern YWpparaten wirlt der
Abſtimmende Durd cine Rurbel direlt auf einen Zähl⸗
apparat oder Durdlodt durch Druck auf einen Knopf
den Wahlbogen an einer beſtimmten Stelle. Die
Ubjtimmungsteleqraphen werden eleltriſch be-
trieben. Den erjten, nicht zur Anwendung gelangten
baute de Brettes 1849, bet Dem Apparat von Werner
Siemens (1859) wurde die Abſtimmung auf einen
Papierſtreifen neben den Namen des Abſtimmenden
gedruckt oder durch Kugeln, wie oben angegeben, aus-
eführt. Vgl. Zetſche, Handbuch der elektriſchen
Telegraphie, Bd. 4 (Berl. 1881).
Ubftimmungspoftfarten, Bojttarten, die an
Der Berliner Börſe bei Zeitgeſchäften in Anwendung
fommen. Diejeniqen Waller, die als Selbjtfontra:
benten (Ubernahmsmakler) auftreten, fenden ibren
Auftraggebern am Abende desſelben Tages einen
Schlußſchein über den Abſchluß zu, der Makler erhält
feine Beſtätigung über die Richtigkeit des Schlußſchei—
nes. Zur Vermeidung von Irrtümern werden des—
halb die Engagements mit den Auftraggebern zweimal
im Monat mittels ſogen. A. ſchriftlich abgeſtimmt.
Abjtimmungsteleqraphen — Abt.
AUAbftimmungstelegraphen, ſ. Whjtimmungs-
apparate.
—— ({at.), Enthaltung von gewiſſen Gegen⸗
ftanden des Genuſſes, um einer moralifden oder re-
ligiöſen Pflicht nachzukommen; bei den Ratholifen
insbej. bie Enthaltung von Fleiſchſpeiſen am Freitag
und andern Fajttagen (Abſtinenztagen). — Ym
phyfiologifden Sinn ijt A. Enthaltung von Speife
und Tranf, von Genußmitteln, befonders vom Al—
fohol. —Ubjtinieren, ſich eines Genuſſes enthalten.
Abftofen , ſ. Wbreiten. [namifde Kraft.
Abſtofſung, elektrodynamiſche, ſ. Cleftrody-
Abstractum, cine Arzneiform in den Vereinigten
Staaten, ein alfobholifder Auszug von Vegetabilien,
der mit fo viel Mild suder verdampft wird, daß 1 Teil
des gepulverten Rüchtandes das LHSliche aus 2 Teilen
der angewanbdten Pflanzenſubſtanz enthalt.
Ubitrabhieren (lat.), weg-, absiehen; von etwas
abjehen, es aufgeben; das BWefentlide vom Zufälligen
in der Erſcheinung eines Gegenjtandes abjondern.
Abſtrakt (lat. »abgezogen<), ſ. Abſtraktion.
Abſtrakten (franz. Abrégés), diejenigen Teile des
Regierwerkes der Orgel (ſchmale Holzleiſten oder
Drabhte), die ziehend wirken, im Gegenſatze gu den
driidend wirfenden Stedern (f. d.).
Wbftrafte Zahl (undenannte Zahh, f. Bahl.
Abftraftion (lat., wörtlich⸗Abziehung«) bedeutet
im Gegenfage sur Determination (f. d.) diejenige Gei-
ſtestätigkeit, durch die aus einem Vorſtellungsganzen
(3. B. der Vorjtellung eines Cingeldinges) ein oder
mebrere Bejtandteile abgefondert und fiir fid) gum
Gegenſtande des Denfens gemadt werden. Die W. in
Diejem allgemeinjten Sinn ijt die Grundlage und
Vorausfegung alles Denkens, da dasſelbe von vorn-
herein die Wirklichfeit mur dadurd auffajjen fann,
daß es aus Der unendliden Mannigfaltigteit der Ei—
genfdaften und Beziehungen der Dinge einzelne her»
aushebt und gum Ynbalt fener Begriffe von den
Dingen madt. Weiterhin aber bemächtigt fic die A.
aud) der Vegriffe felbjt und erzeugt aus ibnen neue,
natiirlid) inhaltsärmere Begrijfe. Dabet fann das
Verfahren cin doppelteds fein, je naddem die bloße
Unterſcheidung der Beſtimmungen eines Objetts oder |
Begriffs oder die Vergleichung desfelben mit andern
Veranlajjung ju der abjtrahierenden Begriffsbildung
gibt. Auf dem erjtern Wege der tfolierenden A.
qelangen wir 3. B. zur begrifflichen Beſtimmung der
einzelnen (im eictiichteit verbundenen) Eigenſchaften
eines Dinges ; dagegen kommt die vergleichende A.
vorzugsweiſe bei der Klaſſifikation (f. d.) Der Natur:
Gegen|tinde sur Geltung, indem die Beqriffe der Ar—
ten, Gattungen ꝛc. durch ftufenweife A. des einer
Mehrzahl von Objetten Gemeinjamen entwidelt wer:
den. Es ijt im Wefen der A. begritndet, wenn man
die abjtrafte Betrachtungsweiſe im allgememen als
cine einfeitige anfieht, die dem vollen Inhalte der Wirk: |
lidteit nicht gerecht wird, aber Dod) fann das Denken
nur auf diefem Weg in die Zuſammenhänge der Dinge
allmählich eindringen. Wabhrend alſo im allgemein: |
jten Sinne jeder Begriff abjtratt genannt werden |
finnte, fo wird dod) gewöhnlich dieſe Bezeichnung auf
folde Beqriffe eingeſchränkt, die fid) nicht auf Dinge, |
fondern auf Eigenſchaften, Zuſtünde oder Beziehun—
en von Dingen besiehen, und deren Anhalt aljo nicht
elbjt als cin Seiendes, fondern nur als Beſtimmung
eines Scienden vorgeftellt werden fann. Der Gegen-
jag ijt fontret (f.d.). Bal. Begriff, Generalijation.
Abſtränze, weife, ſ. Peucedanum.
Ubjtreiden, das Fortfliegen eines Raubvogels
8
59
ober eines Federwildes von dent Ort, an dem es vor-
hee actetfen (qejtanden) bat.
bſtreichmeißel (Abſtreichmeſſer), Vorrich—
tungen, welche die arbeitende Fläche von Walzen,
Mühlſteinen rc. durch Abſtreifen rein erhalten.
Abſtreifen, das Abziehen der Haut (des Balges)
von einem Hafen, Fuds, Marder, Iltis, Fifdhotter.
Abſtrich, ſ. Blei.
Abſtrũs (lat.), dunkel, verworren, unverſtändlich.
Abſtumpfen, in der Chemie, ſ. Neutraliſieren.
Abſũd, ſ. Ablochen.
Abſfurd (lat.), der Etymologie nad eigentlich das,
was von einem Tauben kommt, daher, da der Taube
oft etwas ſagt, was gar nicht zur Sache gehört, ſoviel
wie ungereimt, abgeſchmackt. Im engern logiſchen
Sinne verſteht man darunter das, was einen (oft ver—
ſteckten) Widerſpruch enthält. Dieſen klar herausſtellen
heißt »ad ahsurdum fithren« (vgl. Upagoge). Im
weitern Sinne heißt auc) dasjenige abſurd, was einer
— als ausgentadt geltenden Wahrheit wider⸗
bfiiften, ſ. Wuswafden. ſpricht.
Abſynth, Schnaps, ſ. Abſinth.
Abſynthiin, ſ. Artemisia.
Absynthiun, ſoviel wie Wermut, ſ. Artemisia.
Abſyrtides, Inſeln, ſ. Quarnero.
Abſyrtos, im griech. Mythus Sohn des Königs
Aetes von Kolchis, wurde nad der einen Sage von
ſeiner Schwejter zerſtückelt, nad) Der andern von Jaſon
erjdlagen. S. Urgonauten.
Abſzedieren (lat.), weg-, fortgehen; eitern.
Abſzeff (lat. abscessus, aud) Apostema, »Weq:,
Bortgange, Citerbeule, Eitergeſchwulſt), eme
mit Citer gefiillte Höhle innerhalb der Gewebe des
Körpers. Der heife A. entiteht durch intenjive, aber
begrenzte Entziindung in kurzer Beit und verrät ſich
bet oberfladlider Lage durch Rötung und Hitzegefühl
der Haut, namentlich aber durch heftige jtechende oder
flopfende Schmerzen. Beim Aufſetzen zweier Finger
und abwedfelndem Wusiiben eines leichten Druckes
hat der rubende Finger dad Gefiihl der Schwappung
(Fluftuation), die neben den Schmerzen bei tief ge-
ieqenen Abſzeſſen oft das eingige Erfennungsmittel
derſelben ijt. Abſzeſſe können iiberall im Körper vor-
fommen, fonnen nad längerm Bejtehen durch Auf—
jaugen des Inhalts aushetlen. Ofter aber erfordern
jie künſtliche Offnung mit dem Meſſer und können,
wo dies verſäumt wird oder ſchwierig ijt (3. B. in der
Leber, im Gehirn), ju ſchweren Erfranfungen und
zum Tode fiibren. Sie entitehen durch verſchieden—
artige Batterien, die auf irgend weldem Weg in das
Wewebe gelangt, bier Entziindung und Anſammlung
von Citerforperden verurjaden (ſ. Eiter). Dent ge-
genüber entitehen die falten oder Lymphabſzefſſe
durch Verflitifiqung hronifd entziindeter Gewebsteile
bei Strofuloje, Tuberfuloje und ſchweren Ernäh—
rungsſtörungen, fie enthalten eine dent gewöhnlichen
Citer Ahnlide, aus Gewebsſtrümmern bejtehende Fliif-
jigfeit. Rongejtions- oder Senkungsabſzeſſe
jind folche, deren citriger Inhalt Dem Verlaufe von
Sehnen, Mustein, Geffen entlang nad) tiefer ges
leqenen Teilen hin fortidreitet, jo gelangt berm
Pſoasabſzeß der an der Lendenwirbelſäule entitandene
Citer in der Leijtengegend an die Oberflade. Wenn
entzündungserregende Batterien durd den Blutſtrom
von einem Krankheitsherd aus verjdleppt werden, fo
entitehen metaftatifdhe Abſzeſſe.
Abſziſſe, ſ. Koordinaten.
Wht (v. fyr. Abba, »BVater«), aus einem allgemei⸗
nen firdliden Ehrennamen entitandener Titel eines
60 Abt —
Kloſtervorſtehers, der feit dem 11. Jahrh. bet manden |
Orden Guardian, Erior, Reftor rc. heißt. Der A. hat
das Recht der Dissiplin und der Vermigensverwal-
tung. Gewählt wird er, wo nicht bejondere Rechte
entgegenjteben, von den Brofefjen des betreffenden |
Kloſters auf Lebensseit oder, wie bei den Bettelorden,
auf beſtimmte Jahre. Die Weihe geidieht mit Uber- |
reidhung der Inſignien, des Stabes, Ringes, der Mütze
und der Handſchuhe. Cinige ubte, 3. B. die zu Korvei
und Fulda, hatten volle biſchöfliche Gewalt und cigne
Diözeſen, andre (dic infulierten Abte) nur biſchöfliche
Titel u. Inſignien. Von diefen wirkliden (R ——
äbten) find su unterſcheiden die Saifularabte, die
nur die Ubtei und ihr Einkommen als Benefizium er-
halten hatten und fich Durd einen Bitar vertreten laſſen
mußten. Die Zahl derjelben war bejonders in Frank:
reich groß (ſ. Abbe). Yn der friihern Beit gab es aud
Laiendbte, Ritter und Fiirjten, denen dic Einkünfte
cined Rlojters vom LandeSherrn zugewieſen waren.
Kom mendataradbte heifen diejenigen Äbte, welde
die Temporalien (j. d.) genießen, aber feine geiſtliche
Amtsgewalt ausiiben. Den Abten entipreden in den |
Nonnenkldjtern Whtiffinnen, welche die Redhte, die
fie ald Frauen nicht felbjt ausitben finnen, durd einen
Bifar verwalten laſſen. — Qn der protejtantifden
Kirche ijt Der Titel beibehalten fiir die Vorſteher einiger
Stifter (z. B. Lokkum) und hier und da als Chrentitel.
Mbt, brani, Liederfomponiit, geb. 22. Dez. 1819 |
in Eilenburg, geſt. 31. März 1885 zu Wiesbaden,
abjolvierte in Leipzig die Thomasjdule, beqann hier
das Studium der Theologie, ging aber zur Muſik
liber, wurde 1841 Rapellmeijter m Bernburg, im
Herbjt d. J. in Zürich, 1852 in Braunfdweig, wo er |
1855 gum Hoffapellmeiiter ernannt wurde. 1881 trat
ec in Rubejtand und fredelte nad) Wiesbaden iiber. |
Abtrieb.
der die geringſten Anſprüche an den Nährſtoffvorrat
im Boden macht.
Ubtragslaffen. Man pflegt die verſchiedenen
Bodenarten, die bei Herjtellung von Erdeinfdnitten
abgetragen werden müſſen, in eine Anzahl Klaſſen
einzuteilen und zwar mit Rückſicht auf die Werkzeuge,
die zum Abtragen erforderlich ſind. Bodenarten, wie
Humus oder lockern Sand, die einfach mit der Sdhau-
fel abgehoben werden können, bilden die erjte Klaſſe;
Erden, die zweckmäßig mit cinem Spaten abgejtodjen
werden, Die zweite Klaſſe rc.
Ubtreiben(Rupelliere n), Abſcheidung von Gold
und Silber aus Blei durd orydierendes Schmelzen
(j. Blei), auch die Ermittelung de Silbergebalts in
Erzen und hüttenmänniſchen Produften durch das-
jelbe Verfahren. Uber A. im Seewefen f. Drift.
Ubtreibung der Leibedsfrucht, die vorſätzliche,
rechtswidrig herbeiqefithrte Ausſtoßung emes un—
reifen oder noch nicht völlig ausgetragenen Kindes
aus dem Mutterleib oder Tötung eines ſolchen im
Mutterleib, ſei es durch mechaniſche Kunſtgriffe, ſei
es durch innere arzneiliche Mittel (ſ. Fehlgeburt und
Frühgeburt). Das deutſche Strafgeſetzbuch (§ 218ff.)
ſtraft die Schwangere, die ihre Frucht vorſätzlich ab—
treibt oder im Mutterleib tötet, mit Zuchthaus bis
zu 5 Jahren und bei mildernden Umſtänden mit Ge-
fängnis bis zu 5 Jahren und nicht unter 6 Monaten.
Gleiche Strafe trifft auch denjenigen, der mit Ein—
willigung der Schwangern die Mittel hierzu bei ihr
angewendet oder ihr beigebracht hat. Hat der Be—
— dieſes gegen Enigelt getan oder ihr gegen
| Entgelt die Mittel gu der von ihr veriibten A. ver:
ſchafft (fogen. Lohnabtreibung, häufig gewerbsmäßig
betrieben), ſo ſteigert ſich die Strafe auf Zuchthaus
bis zu 10 Jahren. Wurde aber die A. vorſätzlich ohne
Abts Kompoſitionen (mehrere hundert Werke, über- Wiſſen und Willen der Schwangern vorgenommen,
wiegend Quartette fiir Männerchor und Lieder) zeich-⸗ jo tritt Zuchthausſtrafe von mindeſtens 2 bis gu 15
nen fich durch Melodienreidtum, gefallige Harmonie und, wenn dadurd) der Tod der Schwangern herbei-
und leichte Sangbarfeit aus und erlangten sur Zeit |
große Bopularitat. 1891 wurde thm —— —*
ein Denkmal errichtet.
Abtakeln (Abzeugen), einem Schiff die Take-
{ung (ſ. dD.) abnehmen, wenn es außer Dienſt geſtellt
wird, bei Reparaturen, um fein Gewicht ju mindern. |
Das MAufbringen der Tafelung heißt Auftakeln.
Abtei, jedes unter cinem Abt jtehende klöſterliche
Stift mit ſeinem Gebiet; ſ. Abt.
Abteital, ſ. Enneberg.
Abtenau, Marktflecken in Salzburg, Bezirksh.
Hallein, 712 m it. M., am Fuße des Tennengebirges,
über Der Lammer (rechter Nebenfluk der Salzach, mit
Wafferfall und Schluchten, den fogen. Lammeröfen),
mit alter Rirde, Bezirksgericht und (1900) 752, als
Gemeinde 8983 Einw. Ojtlich Der Kurort Zwieſel—
bad mit Bitterwafjerquetle.
Abterode, Dorf im preuk. Regbez. Masel, Kreis
Eſchwege, hat ete alte evang. Kirche, Amtsgericht und
(1900) 873 Einuw.; weſtlich der Weiner.
Abtenfen (Abſinken), Schächte oder Bohrlicer |
durch bergmänniſche Urbeit oder Tiefbohrung her—
jtellen. Bal. Bergbau und Tiefbohrungen.
Abtragen, cinen Leit- oder Schweißhund, der eine |
Fährte richtig qearbeitet hat, vorn aufbeben und von
der Fährte forttragen, damit er auf derjelben nicht
weiter fuche; aud) einen Jagdfallen fo zähmen, dah
ev fid) auf Der Fauſt tragen und ſich das gefangene
Wild abnehmen läßt. |
Ubtragende Frucht, die Pflanze, welche die letzte
Srelle in der Fruchtfolge cinnimmt, gewöhnlich Hafer, |
geführt wurde, Sudthausjtrafe von mindejtens 10
Jabren bis auf Lebenszeit ein. Wud der Verſuch der
A. tit ſtrafbar. Yin Gegenjage zu dieſem fogen. fri-
minellen Abortus jteht der künſtliche, d. h. der
vom Arzt aus therapeutiſchen Griinden ausgefiihrte
Abortus (vgl. Feblqeburt und Frühgeburt). Nad dem
öſterreichiſchen Strafgeſetzbuch (§ 145 ff.) wird
Die verfuchte YW. mit cinfachem Rerfer von 6 Vlonaten
bid zu cinem Sabre, die vollbrachte mit ſchwerem Ker—
fer von 1—5 Jahren bejtraft; zu der gleichen Strate
ijt Der Vater zu verurteilen, wenn er mut an dem Ber-
brechen Schuld trägt. Die Ubtreibung der fremden Lei-
besfrucht wider Wrifen und Willen der Mutter wird,
wenn fie aud) nur verjudt wurde, mit ſchwerem Ker—
fer zwiſchen 1—5, und wenn zugleich der Mutter durch
das Berbreden Vefabr am Leben oder Nachteil an der
Geſundheit verurſacht worden iit, zwiſchen 5—10 Jah—
ren geahndet. — Selbſt die vom Arzt geleitete A. zieht
oft chroniſche Leiden und andre ſchwere Folgen nach
ſich. In manchen Ländern beſteht die Unſitte, daß
ſelbſt verheiratete Frauen die A. vornehmen, um zu
reichem Kinderſegen vorzubeugen. Bal. v. Fabrice,
Die Lehre von der Kindsabtreibung (Erlang. 1868);
Ploß, Zur Geſchichte, Verbreitung und Methode der
Fruchtabtreibung (Leip;.1883); Reich, Geſchichte und
Gefahren der Fruchtabtreibung (daſ. 1892); Lewin
u. Brenning, Die Fruchtabtreibung durch Gifte und
andre Mittel (Berl. 1899).
Abtretung, ſ. Zeſſion.
Abtrieb, beim Kahlſchlagbetrieb das Fällen des
geſamten auf einer Fläche befindlichen Holzbeſtandes;
Abtriebsnugung — Abtritt.
bei der natiirliden Verjiingung Der Hieb, der die
legten alten Samen- oder Schutzbäume fortninnut.
Der A. erfolgt bei einem bejtimmten Ulter des Be-
ſtandes (Abtriebs-, Hiebsalter), und ein Beſtand
iit abtriebSsbediirftiq, wenn der Zuwachs den
wirtſchaftlichen Unforderungen nicht mehr geniigt,
wenn der Bejtand jo licht geworden ijt, daß die Er—
haltung der Bodenkraft in Gefahr gerat. Der Beitand
ijt abtriebs- oder hiebfähig, wenn fein A. die
angrenjenden Beſtände nicht ſchädigt. Der btriebs-
wert tit der durch den A. eines Baumes oder Beſtan—
des wirklich gewonnene Wert. — A. auch ſoviel wie
Abmeierung.
Abtriebsnutzung (Abtriebsertrag), forſt—
wirtſchaftlich der Holzertrag, der durch Abtrieb eines
Holzbeſtandes behufs Beſtandserneuerung durch Holz⸗
nachzucht erfolgt. Den Gegenſatz bildet die Vor—
nugung (Vorertrag), d. b. der Holzertrag, den
weiter wachſende Bejtande liefern. Analoge YWus-
driide find Hauptnupung u Zwiſchennutzung.
Die Hauptnugung entnimmt Stamme, um fie durd
Jungwuchs zu erfesen, die Zwiſchennutzung Stämmie,
deren Fortnahme im Beſtande feine oder nur eine un«
wefentliche Liide hinterläßt (vgl. Durdforjtung).
Abtriebsfdiag, ſ. Samenjdlagbetried.
Abtrift, un Seewejen, ſ. Drift.
Wbtritt, das Gras, welded der Hirſch beim Wuf- |
treten mit feinen Schalen abjdneidet.
Abtritt (Wbort, Appartement, Rommodi-
tit, Rlofett, Retirade, Privé), der zur Unter:
bringung von Borridjtungen fiir Wufnahme der
menſchlichen Exrfremente bejtimmte Raunt oder dieſe
Vorrichtung felbjt. In Sildeuropa, Rupland und
dem Orient bejteht der W. nur aus einem abgeidlof-
fenen, oben offenen Raum mit einem oder mehreren
in Die Erde gegrabenen Löchern ohne Sipgelegenbeit.
Vei uns hat man auf dem Lande nod vielfad feine
Häuschen mit Sipbrett über ciner Grube. Der VW. in
Wohn haäuſern foll fiir die Bewohner leicht erreichbar
fein, Der Raum muß geniigend hell und tuftig, aber
nicht zugig fein, der Fupboden joll aus undurdlafji-
gem Waterial bejtehen. Die Sige erhalten, nament-
lich bei Maſſenaborten, in Kaſernen u. dgl., im Rücken
des Sitzenden cin ſchräg geſtelltes Brett, welches das
Beſteigen der Sitze hindert. Die Trichter ſind ſo
einfach wie möglich zu geſtalten. Die Röhren wer—
den aus emailliertem oder aſphaltiertem Gußeiſen
oder aus glaſiertem Ton hergeſtellt und müſſen recht
ſteile Trichteranſchlüſſe erhalten. Gruben find nicht
zu gh und waſſerdicht auszuführen, unter feinen
Umſtänden unter Dem Wohnhauſe fetbjt und möglichſt
weit entfernt von einem Brunner. Beweglide
Behälter zur Uufnahme der Exrtremente find ent-
weder gewöhnliche Kübel, Eimer u. dgl. oder den Wb-
fallrohren dict angeſchloſſene Tonnen und Metall:
behilter. Bei beiden Ubortarten ijt fiir möglichſt
gründliche Lüftung der Borridtung zu forgen. Sic
erfolgt durch Geben von Zu- und Wbluft von und
nad außen, tunlichſt unter Zuhilfenahme cinerWarme-
quelle zur Regelung und Beförderung des Luftwed- |
4: gegeben (der |
fels, oder Die Suluft wird durch den ni
aljo Dann nicht zu verſchließen ijt), und fraftige Ab—
faugung erfolgt durch einen hoben, erwarmten Sdlot
od. dql. (D'Urcetides Syſtem). Chenfalls fiir
beide Wbortanlagen werden häufig Einridtungen zur
Trennung der fejten von den fliiffigen Ex—
frementen (ehr vollfommen 3. B. beim ffandi-
navijden Lufttlofett) oder sur Desinfettion der Un-
lage getroffen. Oft werden aud) beide Vorfehrungen
61
vereinigt, fo 3. B. bei dem Müller-Schürſchen,
dem Friedrichſchen und dem Siivernfden Kloſett.
Die Desinfeftion erfolgt durd) Cifenvitriol, Aſchen—
lauge, Karbolſäure u. dgl. m. Sehr verbreitet find
die WUbtritte, bei denen die Extremente mit Erde, Wide
oder Torfmull gemijdt werden, fo da Moulefde
Erbdflofett, das Roddaler Ujdhentlofett, das
namentlid) fiir größere Anlagen und ländliche Ver—
hältniſſe geeignete Poppeſche Streukloſett u. a.
Sie bezwecken zunächſt Geruchbeſeitigung, laſſen ſich
aber aud) mit Desinfeltionsvorlehrungen verbinden
(Petrifdhes Pulver). Befonders wird das Torf—
ſtreuſyſtem in neuejter Seit viel bevorzugt. Biel
befjer als dieſe Wbtritte find diejenigen nut Waffer-
jpitlung, Die im der zweiten Halfte des 18. Jahrb.
in England gebräuchlich wurden. Sie befigen einen
Tridter aus emaillierten Gußeiſen oder Stemgut,
Der unten mit Siphon verieben,
alſo jtetS durch Waſſerverſchluß
vom Abfallrohr getrennt iſt. Am
XN ceinlichſten tit das Piedeſtal—
> wajferflofett (f. Abbild.), eine
< X freijtehende, nicht verkleidete Sits-
wa vorridtung mut aufflappbarem
Sibbrett. Der Tricdter beftebt
/f mit Dem Geruchverſchluß (a) aus
AVM einem Stiic qlaftertem Ton oder
VPorzellan. Zur Fortſchaffung der
BWaffertlofett mit Spültaſten
Uusleerungen dient eine Spiilvorridtung, die über
dem Sif an der Wand angebradt ijt und nad der
Entleerung automatijd dDurd einen Schwimmer im
Spiilfajten reguliert wird. Zur Siderung eines un-
gejtirten Betriebes des Wa jjerflofetts muß das mehrere
Rlofette aufnehmende Fallrohr offen iiber Dad ge-
leitet oder möglichſt weit, der Siphon aber eng fem;
andernfall3 fann, wenn das abjtrimende Waſſer den
ganzen Querſchnitt des Fallrohrs einnimmt, der Si-
phon leergezogen und der Waſſerſchluß gebroden
werden, fo daß Die Gaſe ungehindert Durd das Klo—
jett auStreten fonnen. Bei Verjtopfung de3 Abfluß-
rohrs fann das im Beden angefammelte Wajjer zu
einer Verunreiniqung de3 Trinkwaſſers Verantajjung
| geben, und es werden Ddeshalb bejondere Upparate
sur Ubjperrung der Wajjerleitung bei Verjtopfung
des Kloſetts angewandt oder getrennte Leitungen an-
gelegt. — Bei den fiir das männliche Gefdledt emge-
ridteten Piffoiren (Pißanſtalten) muß das Beden,
die Rinne oder Wand, wobhin der Harn abgefithrt
wird, und der Fußboden aus undurdlafjigem Mate—
rial bejtehen. Die betreffenden Behälter oder Wande
werden periodiſch oder Dauernd mit Waſſer befpiilt.
Bees hat 1892 einen Olitand eingefithrt, deſſen vom
Harn getroffenen Teile täglich mit einer Teeröl—
miſchung abgerieben werden. Der Harn läuft in einen
Siphon, in dem eine Olfdhicht den Verſchluß bildet.
62
Diefe Olſtãnde (Olpijfoire) find geruchloſer und billi-
r als die mit Waſſer geipiilten. Bgl. Mollinger,
ndbudh der zwedmäßigſten Syiteme von U.-, Senf-
tuben> und CSielanlagen (2. Aufl., Halle 1867);
aquet, Gerudlofe Unjammlung und Wbfubr
menjdlider Ubfalljtoffe (Heidelb. 1878); Lorenz,
Ubtritts. undSenfqrubenanlagen (Reichenberg 1878);
Klette, Ubortsanlagen (Rarisr. 1881); Sdujter,
Das Exrdflofett-Syitem (3. Aufl. Warau 1892); Rupe |
baum, Wernid und Hueppe, Das Wohnhaus
(im 1g »>Handbud) der Hygiene«, Jena 1896).
btadorf (tided. Dpatov), Marttflecken in Boh⸗
men, Bezirtsh. Leitomiſchl, an der Staatsbahnlinie
Bien - Prag, mit (1900) 2020 deutiden Cinwohnern.
Mbts Glienbabufyitem, j. Bergbabnen.
Abtsröder Hohe, ſ. Rhön.
Abtſtab, ſ. Krummiſtab.
Abtun, das Abgehen angeſchoſſenen oder kranken
Hod)-, Reh- oder Schwarzwildes von einem Rudel.
Abu (arab.), »Bater«, wird zur Bildung vieler
mannlider Eigennamen gebraudt, 5. B. Abul Kajim |
(Bater ded Kajim), Ubu Juſſuf ꝛc. Während in diefen
Ramen VW. das wirflide Verwandtſchaftsverhältnis
beseidynet, bedeutet es in andern foviel wie Beſitzer,
Inhaber, wie in Ubul Feda (Vater der Erldjung), |
Ubu Didahl (Vater der Torbheit), gleid) dem hebraͤi⸗
iden Wb in Eigennamen wie Ubner (Vater des Lich: |
tes, D. h. Der Leudhtende), Ubjalom (Bater des Frie-
dens). Jn diefem Sinne dient es aud) den Heutigen
Urabern jur Bildung jablreider Beinamen, 3. B.
Ubu-burneita (Vater des Hutes, Huttrager), womit |
der Europäer bezeichnet wird, Ubu-jdwarib (Vater
des Schnurrbartes), Ubu-naddara (Vater der Brille,
Brillentriager).
Abu, ifoliertes, qipfel- und jeenreidhes Bergplateau
amt Südende Der YUriwalifette tm wejtlidjen Radſch—
putana (Britiſch⸗Indien), bis 1714 m hod, engl.
Sanatorium und einer der heiligiten Wallfahrtsorte
der Didhaina, mit fiinf Tempein, von denen zwei,
1031] und 1200 n. Chr. erridjtet, gu den ſchönſten
Denfmalern indifder Baukunſt gehören.
Abuam, Hauptort der Daje Tafilelt(Siidmaroffo),
unter 31° nördl. Br., von Catllié (1828) und Roblfs
(1864) befucht.
Abu-arba (> Vater der vier<), arab. Beiname des
altern Piaſters von Carolus II. wie Ubu-medfa
(»Bater der Kanone«) fiir den Saulenpiajter und
Abu⸗nukte (⸗Vater des Punktes«) fiir den Maria—
thereſientaler.
Abu Bekr, 1) mit dem Beinamen es Siddik (»der
Wahrheitsliebende⸗), geboren um 570 in Mekla, geſt.
634, ſchloß ſich gleich bei Mohammeds Auftreten die—
ſem an und ward ſein treueſter Gefährte. Neben der
Tatkraft Omars haben ſein ruhiger und verſtändiger
Rat am meiſten zum Siege des Propheten beigetragen.
Mohammed heiratete 624 Abu Befrs Tochter Wijda
(jf. d.). Nad) Mohammeds Tode (632) ward A. zum
Malifen erwählt (ſ. Kalifen [Die leqittmen Raltfen)).
2) Almoravidiſcher Herrider, f. Almoraviden.
Abu Dawud, arab. Theolog, ſ. Arabiſche Literatur.
Abu Habba, Ruinenjtitte der uralten babylon.
»Sonnenjtadt« Sippar zwiſchen Bagdad und Baby:
lon. Ausgrabung des dortigen Gonnentempels und
Uuffindung des großen Tempelarchivs durd) Raj-
fam 188).
Abu HPammed, Stadt in Nubien, am redten
Nilufer und am nördlichſten Punkte des Bogens, den
ber Strom zwiſchen Berber und Dongola madt. Der
cinjam inmitten Der Wüſte gelegene Ort zieht feine
Abtsdorj — Abul Mla ef Ma'arri.
Exiſten ʒmittel aus der woblangebauten Nilinfel Mo-
— Unusgangspuntt der Karawanen durch den Nil⸗
ogen, jetzt durch Eiſenbahn mit Wadi Halfa (320 km)
und Chartum verbunden.
Ubu Hanifa ibn Thäbit, Stifter einer der vier
orthodoren mobammedaniiden Redhtsidulen, f. Ara⸗
biſche Literatur und Hanefiten. ;
MAbufir, fleiner Ort an der Nordküſte Ägyptens,
23 km norbddjtlidh von Ulerandria, mit Dem es Durd
Eiſenbahn verbunden tit, an der Bai von A., mit
150—200 Einw. verfallenem Kaſtell, Leucdhttunn
und ſeichter, durch Sandbanfe geſchützter Reede. Nord-
Hitlich liegt Die Ynfel A. ſüdlich von A. der 14,000
Heltar grope See von A. (Behéret Maadiye). Der
Ort liegt vielleicht an Stelle deS alten Zephyrion mit
demt Tempel der Arſinoe Aphrodite, nahebei Ruinen
des alten Ranopos. Wuf der Reede wurde 1. Aug.
1798 die groke Seeſchlacht bei A. geſchlagen. Das
von Bonaparte zur Eroberung von ÄAghpten bejtimmte
Heer war 1. Juli 1798 bei Wlerandria gelandet. Wit
13 Linienfdiffen und 4 Fregatten legte ſich Admiral
Brueys 6. Bult auf der Reede von UW. didt am Lande
vor Anker. Der englifde Ronteradmiral Neljon, der
die franzöſiſche Flotte feit Woden vergeblich gefucht
hatte, eridjien 1. Aug. mit 13 Linienjdiffen und 3
Fregatten vor der ägyptiſchen Küſte. Er ſchickte einen
Teil ſeiner Schiffe in den engen, ſeichten Kanal zwi⸗
ſchen dem linken Flügel der feindlichen Linie und dem
Ufer, während die übrigen im Bogen vor der fran—
zöſiſchen Flotte anlerten. Gegen 7 Uhr abends be—
ann die Schlacht, und ſchon vor 8 Uhr waren fünf
—— Schiffe in den Grund gebohrt oder ge—
nommen. Yn Stelle des am Kopfe verwundeten Rel-
jon übernahm Kapitän Berry das Kommando. Hart-
näckig ſetzten die franzöſiſchen Schiffe Die Schlacht die
Nacht hindurch fort. Admiral Brueys fiel; ſein Schiff
LOrient geriet in Brand und flog mit der Befagung
in bie Quft. Nach 3 Uhr morgens endigte die Schlacht
mit der Flucht der nocd iibrigen zwei franzöſiſchen
Linienſchiffe und zwei Freqatten nad) Rorfu. Bona-
parted Flotte verlor die Halfte ihrer Mannſchaft und
3705 Gefangene; die Englander batten 900 Tote unt?
BVerwundete. Qn dem weitern Verlaufe der ägyp—
tiſchen Expedition wurde dic * von A. zweimal
Zeuge von Landſchlachten. Witte Juli 1799 lan-
deten 18,000 Tiirfen unter Mujtafa bei A., wurden
aber von 8000 Franjofen 25. Juli geſchlagen. Am
8. März 1801 landeten 17,000 Englindern unter
Ubercromby, ndtigten den General Friant zum Riid-
jug, eroberten das Fort UW. und nahmen 30 km da-
von eine verſchanzte Stellung. Hier wurden fie 21.
März von Menou angegriffen; aber Ubercromby um-
gins bie Franjofen, und, obwohl er felbjt an einer
erwundung jtarb (28. März), war die villige Räu—
mung Wguptens von den Franzoſen die Folge.
Abul Wia ef Ma’arri, der bedeutendjte arab.
Dichter der nachklaſſiſchen Beit, geb. 973 in dem
nordjyrifden Flecken Ma'arret en⸗No'mãn, geſt. da-
ſelbſt 1057. Cr erblindete als Rind an den Blattern,
jtudierte gleichwohl cifrig in feiner Vaterſtadt und in
Aleppo und wurde 1008 in Bagdad in freigetitige
Kreiſe eingefiihrt, deren Anſchauungen er ſich voll zu
eigen machte und fonjequent weiter entividelte. Seine
Jugendgedichte (»Ssikt es-send«, qedrudt mit emem
von WU. ſelbſt verfaßten Kommentar Betrut 1884, mit
anbdern Nonunentaren Bulaf 1869, Rairo 1886—87,
lithographiert Tebris 1860) zeigen cin jtarfes Streben
nad terachtibec Eigenart, bewegen fic) aber im iibri-
gen bei aller Meiſterſchaft im fonventionellen Gleiſe
Abul Faradſch — Abu Simbel.
und find namentlid) nicht frei von Wnlefmungen an |
Mutanabbi(j.d.). In den Gedichten feines retfern Wl: |
ters Dagegen (>Lusim ma 1a ialsem«, lithographiert
Bombah 1886, und gedruckt Kairo 1891; Auszüge mit
Uberjegung von A. v. Kremer im der » Zeitfdrift der
Deutiden Morgenländiſchen Gejelljdhaft«, Bd. 31—
33, 38), die voll}te religidje und fittlidje Unabbangig-
feit, riidjidjtslofen Freimut, tiefjten Ernjt und einen
erſchütternden Peſſimismus atnien, geht er völlig feine
eignen Wege. Bedeutend find aud jeine Briefe (hrsq.
und iiberjegt von Margoliouth, Orf. 1898, gedructt
mit Ronmmentar, Beirut 1894). Bgl. Rieu, De Abul-
Alae vita et carminibus (Bonn 1843); v. Kremer, |
Uber die philoſophiſchen Gedichte des W. (Wien 1888). |
Abul Faradjd, ſ. Bar Hebrius.
Abul Feda, Jsmail ibn Ali, arab. Fürſt
und beriihmter Gelehrter aus dem Geſchlechte der
jiubiden, geb. 1273 in Damastus, wohin fein Bater
lif Ufdhal, Bruder des damaligen Herrjders von
Hamat, vor den Mongolen geflohen war, geit. 26.
Olt. 1331 in Hamat, fampfte {don 1289-—91 bei
Der Erjtiirmung von Tripolis und von Alkon mit,
tat fid) aber bejonders in dem Sriege gegen Die Mon-
golen bervor und erbielt 1310 die Statthalterſchaft
m Hamat. Obwohl Vajall AUgyptens, ward er dod |
von Ddejjen Beberridern mit der erbliden Sultans-
wiirde beehrt und hod) geadjtet. Er hat eine Welt-
geididte binterlajjen, die bis 1329 reicht und cine
reiche Fundgrube fiir die Geſchichte des Oſtens bietet.
Gie erjdien 1869 in vier Teilen in Ronjtantinopel ;
Fleiſcher gab davon heraus die » Historia anteisla-
mica« (nut lat. Ubderjepung, Leips. 1831), Reisle das
anje Werk mit Uusnahme der anteislamitijden Ge-
chichte unter dem Titel: »Annales muslemici« (mit
lat. liberjefung, Ropenh. 1789—94, 5 Bode.). Wert:
voll ijt aud) eine allgemeine Geographic Abul Fedas,
herausgegeben von Reinaud u. de Slane (Bar. 1840),
liberjegt ms Franzöſiſche von Reinaud (Bd. 1 und
1. Teil des 2. Bandes, daj. 1837 —48, der 2. Teil
von Guyard, daj. 1883), autographiert von Sdier
(Dresd. 1846).
Abul Ghazi Behadur, tatar. Chan und Ge-
fdhidjtidreiber, geb. 1605, gejt. 1664, angeblicer
Spropling der Familie Dſchengis-Chans (j. d.), be-
ſtieg 1644 den Thron von Chiwa und dehnte zwei:
mal die Grenzen feines Landes bis an die Ufer des
Serafidan in Bochara aus. 1663 legte er die Regie:
rung ju gunſten feines Gohnes nieder und begann
im oſttürliſchen Dialeft cine Geſchichte des Geſchlechts
Dichengis-Chans, die, nad feinem Tod von jeinem |
Sohn vollendet, als die glaubwiirdigite Geſchichte
feines Seitalters angefehen wird. Die bejte Wusgabe |
lieferte Desmaiſons (mit fran. Uberjesung und Rom-
mentar, Betersb. 1871-74, 2 Bde.).
Abulie (qried)., » Willentojigtcit<), eine auf Ver-
fangjamung, refp. Hemmung der geijtigen Vorgänge
berubende Willensſchwäche und Entidlugunfabigfert,
fommmt als Symptom bei Melancholie, Hypodondrie
und —— ſchweren Formen der Neuraſthenie vor.
Abul Käſim, Chalaf ibn Was, aud Albu—
kaſis (Abulcaſis), Arzt, geboren gu Zahra bei
Cordoba, geſt. 1106 oder 1107 in Cordoba, war haupt⸗
ſächl ich Chirurg und ſchloß fic an Baul von Ägina
an. fiir die Geſchichte der Medizin ijt fein das ganze
Gebict umfajfendes Werf » Altasrif< widtig. Cine
(unvollitinbdige) lateiniſche Uberſetzung desfelben lie⸗
ferte Grimm (»Liber theoricae... Alsaharavii-,
Augsb. 1519, Wien 1532); der Abſchnitt iiber Chi-
rurgie, der bas Vejte iiber diefen Zweig der Medizin |
63
aus der Araberzeit enthalt, wurde mit lateimifder
Ubertragung herausgegeben von Channing (Orford
1778, 2 Bde.).
Abullonia Gil, fleinajiat. See, ſ. Royndalos.
Mbu Ma'ſchar, arab. Aſtronom, f. Arabiſche
Literatur und Aſtrologie.
Abu - medfa, ſ. Wbu-arba. biſche Literatur.
Abu Merwan ibn Zohr, arab. Arzt, f. YWra-
Mb und an Frengen, mit einem Segelſchiff ab-
wedjelnd iiber een Bug auf die Küſte zu und über
den andern Bug von ihr weg ſteuern. Bgl. Kreuzen.
WUAbundantia (lat.), Berjonijifation des Über—
fluſſes, auf römiſchen Kaiſermünzen thre Gaben aus
einem Füllhorn ausfdiittend dargejtellt. Ihr ver-
wandt ijt die Domina Abundia (altfranz. Dame Ha-
bonde), in Didtungen des Weittelalters: ein gütiges
Weſen, das Gedeihen und Überfluß bringt, wenn es
| mit ſeinem Gefolge (dominae nocturnae) von nadts
offen bhingejtellten Speijen und Getranfen, ohne fie
ju mindern, geniept.
Abu-nukte, j. Ubu-arba.
Abu Nuwae, ciner der größten arab. Didter der
nadflafjifden Zeit, geb. um 750 in Dem perjijden
Ahwas von einer perjijden Mutter (vielleidt war
aud) fein Vater perſiſcher Herfunft), geſt. um 810 in
Bagdad an den Folgen einer Mißhandlung, die er fid)
Durd cin Schmähgedicht zugezogen hatte. Er verlebte
jeine Jugend in Baßra und Rufa, wo er die Vorleſun—
en hervorragender arabiſcher Bhilologen befuchte,
oll aud) cin Jahr lang das unverfälſchte klaſſiſche
Arabiſch in Der Wiijte bet den Beduinen jtudiert haben
und gewann ſchließlich cine feſte Stellung in Bagdad
am Hofe der Nalifen Harun und Emin. A. war ein
genial veranlagter Dichter, aber fittlid) haltlos und
frivol. Seine Lieder zeichnen fic) infolgedeffen zwar
durch fpradliden Wohllaut, Stimmung, Weijt und
Wis aus, aber es feblt ihnen an Tiefe und Ethos,
und der crynifde, oft geradezu rohe Ton, der z. T. in
ibnen herrſcht, wirtt abjtogend. Am beriihmtejten
jind feine Weinlieder (wie er denn dem Weine, neben
der Knabenliebe, aud) tm Leben beſonders gefrint
hat). Wher er ſcheint weder in diejen, nod) in feinen
Lob- und Spottgedidten, feinen Liebesliedern, Ele-
gien und Jagdidilderungen der arabiſchen Poeſie
wirklich neue Wege gewiejen 3u haben. Sein » Diwan⸗
erſchien lithogr. Kairo 1860, gedr. Beirut 1884; die
Weinlieder veröffentlichte Ahlwardt (Greifsw. 1861),
cine Deutide Bearbeitung des » Diwans« lieferte Kre—
mer (Wen 1855). A. wurde früh populär, fo dak
ev ſpäter als Der Held zahlreicher im Bolle lebender
Schwänke und Unefdoten erjdeint (geſammelt u. ge—
dructt Kairo 1865 u.d., lithographiert Bombay 1889).
Abuſchehr, Stadt, ſ. Buſchir.
Abu Schodſcha', arab. Juriſt, ſ. Arabiſche Lite—
Abuſenna, ſ. Acacia. ratur.
Abu Simbel (arab.,⸗Vater der Rornabhre«), vor
den Franjojen J bfamboul genannt, Name mehrerer
Sandjteinfelfen am linfen Nilufer zwijden den Ka—
taraften von Aſſuan und Wadi Halfa, berühmt durd
zwei von Ramſes I, (1324—1258 v. Chr.) angelegte
igyptifde Felstempel, die gu den großartigſten Dent-
malern des äghptiſchen Wtertums gehdren. Sie find
1812 von Burdhardt aufgefunden und 1817 zim
erſtenmal von Beljoni ausgeqraben worden; {pater
mußten fie wiederbholt vom Wüſtenſand befreit wer-
den. Der größere von beiden war dem Wmon- Re
von Theben und dem He- Harmadis von Heltopolis
qeweibt, neben denen aud) Ptah von Memphis und
der König felbjt ihre Rulte Hatten. Vor ſeinem 36 m
64 Abujir —
breiten, 32 m hohen Eingang (i. Tafel » Urditeftur I<,
rig. 6) erheben fid) vier aus dem Felſen gehauene,
20 m hohe Sigbilder Ramſes' IT. ; an dem beiden fiid-
lichen interefjante kariſche, griechiſche und phönikiſche
Inſchriften von Söldnern, die auf ihren Heerzügen bis
hierher gelommen waren. Das Innere, das ſich 36 m |
tief in den Felſen erjtredt, bejteht aus einem qrofen
Pfeilerſaale (nut widtigen Darjtellungen der Hethiter-
friege des Königs), zwei fleinern Salen, drei Rapellen,
in Deren mittlerer, Dem Ullerheiliqiten, die Statuen
der vier im Tempel verehrten Wottheiten ſtehen, ſowie
mehreren Nebengemächern. Wud vor dem fleinern
Tenrpel, welder der Liebesgöttin Hathor und der Kö⸗—
nigin Refretere geweiht war, ftehen fechs iiber 10 m
hohe Riejenjtatuen des Königs und ſeiner Gemabhlin.
Reben dem qrofen Tempel liegt nod eine flee, 1874
entdeckte Feljenfapelle. Yn den Feljen finden fic) nod
zahlreiche Denfinjdriften und Gedächtnisniſchen. Val.
Champollion, Monuments de l'Egypte, Bd. 1
(Bar. 1835 — 45); Lepfius, Denfmaler aus Agyp—
ten, Ubt. 3, 185 — 191 (Berl. 1849—59); Gau, Denk:
miler Nubiens, Tafel 55—61; Diimiden, Der
äghptiſche Felfentempel von A. (Berl. 1869).
bufir, zwei Orte in Agypten, ſ. Buſiris.
Abusive (lat.), mißbräuchlich.
Abiisus, {. Mißbrauch.
Abu Temmam (Habib b. Aus), arab. Dichter,
geb. ca. 807 su Dſchãßim in Syrien, geſt. um 842 in
Moſul, lebte in Agypten, Damastus, Woful und
voriibergehend aud am Hofe zu Bagdad. Er madte
fid) beſonders Durd) die Sammlung der »Hamäſa«
(j. d.), weniger durch ciqne Didjtungen verdtent; fein
» Diwan ijt in Kairo 1875 gedrudt.
Abutig, ägypt. Hafenjtadt und Dampferjtation
amt linfen Rilufer, 24 km fiidlid) von Siut, in ge-
treidereidher Gegend, mit (1882) 10,772 Cinw., Lauter
Fellahs.
Abutilon Gärta. (Schmuckhmalve), Gattung der
Malvazeen, Kräuter oder Sträucher, jeltener Baume
mit meiſt herzförmigen ganjen oder gelappten Blat-
tern, meijt einzeln achſelſtändigen, oft qelben Bliiten |
und zweillappig aufipringender Frudt. Etwa 80 tro- |
Abwäſſer.
piſche Arten. A. Avicennae Gdrtn. (Sida A. L.,
Samtpappel, Baftardetbijd), einjährig, mit
filjiqen Blattern und gelben Bliiten, aus Ojtindien
bis Nordajien und Südeuropa, nad Amerila und
Auſtralien veridleppt, wird in Chma als Faſerpflanze
tultiviert. Bon A. esculentum St. Hil. (Bengio de
Deos) genießt man in Brajilien die Bliiten und un-
reifen Früchte als Gemiije. A. indicum G. Den, in
Indien, fultiviert, licfert Gejpinitfajern. Webrere
andre Yirten werden zu mediziniſchen Zwecken benutzt,
andre, wie A. insigne Planch. (j. Tafel⸗Zimmer—
pflanzen I<), aus Reugranada, mit dunfelroten, heller
gezeichneten Blumen, in vielen Varietäten und Ba-
jtarden, werden bei uns als Winterbliiber in Wann-
haujern und Zimmern fultiviert.
Ubwagiri, ſ. Aleurites.
Mbwarme, die Wärme, die in dem Whdampf (j.d.)
einer Dampfmafdine, in den Abgaſen von Wotorcn
und Feuerungen oder in den heißen Abwäſſern man-
cher Betriebe enthalten ijt. Die A. wird oft mubbar ge-
madt, befonders wird Abdampf yu Heizzwecken und
jum Betrieh der Kaltdampfmaſchine (j. d.) benugt.
Abwartung der Haustiere, ſ. Haustierpflege.
Abwaſchung, ſ. Waſſerkur. — Uber den fird-
lichen Gebraud ſ. Ablution.
Abwäſſer, die den Haushaltungen (Küchenſpül⸗
waſſer, Badewaſſer, Waſchküchenwaſſer, Wasjerflo-
ſetten) und der Straße (Regenwaſſer, Schmutzwaſſer,
Sprengwaſſer) ſowie der Induſtrie entſtammenden
unreinen Wäſſer, beſitzen ungemein veridiedenartige,
aber meiſt ſolche Zuſammenſetzung und Beſchaffen—
heit, daß ihre ſchnelle Beſeitigung oder Reinigung aus
hygieniſchen Gründen dringend notwendig erſcheint.
Sie durchnäſſen den Boden und die Mauern und be—
günſtigen die Vermehrung Krankheiten erregender
Bakterien. Die Hauswäſſer zeigen, wenn das von
den Straßen abfliejende Meteorwaſſer mit ihnen fich
miſcht, große Ubereinjtimmung im Gebalt an ſchwe—
benden und gelöſten fäulnisfähigen Stoffen, gleichviel
ob ihnen die fejten Exfremente aus Wajfjerflofetten
beigemiſcht find oder nidjt. 100,000 Teile A. ¶ mit fe-
jten Ertrementen, IT ohne fejte Extremente) enthalten :
O rganif chen
—— —
feften Kohlen⸗ Spee
|Ridftand) — ftoff | Stidftoff | mat
62,0 22165 | I,516 0,430
{ou ie he -{ 160,7 6504 | 50a 30,350
Durchſchniti . 82,4 41st | 1975 | 5,435
| OL 3,235 0,690 2,030
Or Sarees . : g .
- — {| 91,1 7,046 | 2,040 25,960
Durchſchniti ee 72,2 4,096 | 2,208 6,703
Die Jujammenfepung der A. ſchwankt mit den Jab: |
reszeiten (Ungleidheit des Waſſerverbrauchs und der
atmoſphäriſchen Niederſchläge) und entiprecdend den |
Lebensgewohnheiten an den Wodentagen und in den
Tagesitunden. Für Die Menge Der Hauswäſſer
it Der erfahrungsmäßige BVerbraud an Reinwasjer |
fiir Ropf und Taq maßgebend. Dieſer ſchwankt zwi—
ſchen 10 und 200 Sit, flir 1 Taq, d. h. 8,00 und 73 cbm
fiir Ropf und Jahr. Davon geben etwa 10 Pro}. in-
jolge von BVerdunjtung ab, wahrend die menfdlicen |
YMuswurfitoffe hingufommen, fo daß fic) für Kopf und
Jahr etwa 4,78 74,1 chm ergeben. Jin Durchſchnitt
fann man fiir Tag und Perjon 150 L., d. h. 54,75 chm
UW. tm Sabre, redynen. Dazu kommt das von den |
Straßen abjlichende Sdnee- und Reqenwafjer.
Wan wird defien Menge auf 50 - 75 Pro. der gee |
ſamten Niederſchläge berednen können, d. h. auf
Ritrate | Snaſtoff Schwebeſtoffe
lind gefamt| Chlor | mimes | orga | mse
| Ritrite | ralijde | niſche qefamt
— | 1s — 23,18 lie: | Sto
— | 30,638 — 13,18 33,38 46,56
-- 6,451 Iisa | 17,1 21,30 39,11
— 2,371 5,6 3,68 6,36 10,04
— 24,325 20,6 0,84 27,12 36,96
0,003 | 7,728 10,06 24,18 20,51 44,0v
(0,5 — 0,75) ag ebm, wenn h die Jahresniederfdlags-
höhe fiir den betreffenden Ort in Villimetern und F
die Sammelfläche in Ouadratmetern bezeichnet. Im
allgemeinen fann man 0,6 chm Regenwafjer auf
L qm rednen.
Durd Gojjen, Rinniteine und Randle mit durd-
laffiger Soble hat man fdon frith die A. zu ſammeln
und aus den Stadten zu entfernen geſucht. Cine ein:
heitliche Nanalifation bauten in Deutidland zuerſt
Hamburg (1848) und Witona (1857); Frantfurt a. M.
beqann 1867, Danzig 1869 und Berlin 1873 mit der
Kanaliſation. Jn England, das friiher als Deutid-
land Ranalifation in mehreren Städten beſaß, leitete
man die abgefiibrten A. in die nächſten Flüſſe, und da
England nur fleine Flüſſe bejigt, fo trat eine uner-
traglide Verunreiniqung derfelben cin, die um die
Abwäſſer (Reinigung, Berwertung).
Beit, al8 man in Deutſchland zu fanalijieren begann,
zu rigorojen Makregein gegen die Verunreiniqung der
Wafjerliufe fiihrte. Yn Deutſchland verbot man die
Cinleitung der A. auch in große Flüſſe, und nad dem
Vorbilde von Croydon bei London wurden bei ——
und Berlin Rieſelfelder (ſ. d.) angelegt. Später qa
man, nachdem ſich gezeigt hatte, daß Rieſelfelder der
Bodenbeſchaffenheit oder ber ökonomiſchen Berbiilt-
niſſe halber nicht überall durchführbar find, einer mil-
dern Auffaſſung Raum. Die Flüſſe entledigen fic) der
in jie hineingebradten Schmutzſtoffe nad mehr oder |
nuinder langer Beit und nad dem Durdlaufen einer |
mehr oder weniger groken jtrecle (Sel bftreini-
qunq). Sinfftoffe fallen gu Boden, differente Stoffe
werden in indifferente übergeführt, gelöſte Stoffe wer-
den Dis zur Unauffindbarfeit verdiinnt, durch ae
ſetzung, Flächenattraktion, durch Einwirkung von Bat-
terien, niedern und hdhern Pflanzen befeitigt und die
zahlreichen eingeſchwemmten Batterien durd Abſetzen
oder Abſterben zum großen Teil beſeitigt.
Die Frage, ob A. einer Stadt ohne weiteres in einen
nahen Fluß eingeleitet werden dürfen, iſt von Fall zu
Fall zu entſcheiden und z. B. zu bejahen, wo ein reißen⸗
der Fluß, wie die Iſar bei München, die Schmutzſtoffe
ſchnell hinwegführt, oder wo der Fluß bald ins Meer
mündet, wie Der Tiber. Yn andern Fallen find die A.
vor der Einführung in die Flüſſe gu reinigen. Man
fängt die Schwimmſtoffe mittels — ———— Apparate
ab; Rienſch wendet Rechen an, die durch eine Maſchine
abgekratzt werden, der Schmutz wird auf Transport⸗
bändern fortgeſchafft. Meiſt wird der Schlamm beim
langſamen Hindurchfließen durch Becken mittels Se—
dimentierung entfernt. Frankfurts Klärbecken hat-
ten bei 80 m Lange und 4 m Sdynelligfeit in der Mi-
nute einen Nutzeffekt von rund 80 Proz. Wo die
Sedimentierung nidt ausreidt, muh man Klär—
mittel (Ralf, Eifenoryd xc.) anwenden. Diefe be-
giinjtigen die Abſcheidung der ſchwebenden Stoffe,
ohne indes wefentlich mehr gu erreiden als eine lan: |
gere Sedimentierung; auf die geldjten Stoffe wirfen
Nie wenig cin, dagegegen tdten mance, wie der Ätz⸗
falf, Die Bafterien, wahrend andre, wie Wluminium-
julfat, die Balterien einſchließen und medanifd ju
Boden reißen. Die Sedimentierung ijt ohne nen-
nenswerten bafteriellen Erfolg. Wo Klärmittel viel
Schlamm abjdeiden, wird Diefer, da er fiir die Land⸗
wirtſchaft ziemlich wertlos ijt, febr lajtig, und wenn
Astalt im üͤberſchuß zugeſetzt wird, fo wird zwar qute
Desinfeftion erreicht, aber aus dem gereinigten Waſſer
jcheidet fic) in Fliijjen und Baden ————— Kall
ab, in welchem nuit niedergegangene Schlammreſte
faulen, ſo daß der Übelſtand bisweilen größer wird
als bei Einleitung von nicht gereinigtem Waſſer.
Immerhin dürfen die in den Abwäſſern enthaltenen
Krankheitserreger nicht unberüchſichtigt bleiben, und
jedenfalls dürfen blog mechaniſch geflarte A. in Flüſſe
nur dann eingelaſſen werden, wenn das Flußwaſſer
auf weite Strecken hinab zum Trinken überhaupt nicht
und für Hausgebrauch nur wenig benutzt wird. Kön—
nen A. unter ſolchen Verhältniſſen undesinfiziert in
Flüſſe geleitet werden, ſo muß doch Sorge getragen
werden, daß ju Epidemiezeiten das geflarte Rayer
Desinfiziert werden fann. Dies geſchieht durd) zwei—⸗
jtiindige Cinwirfung von 1 kg Chlorfalf auf 15 cbm
Wafer. Gute Erfolge erzielt man mehrfad mit dem
Trennſyſtem, welched die Kondenſationswäſſer der
Fabrilen, aud) einen Teil ded Regenwaſſers rc. direlt
dem Fluß zuführt. Dadurd wird die Menge der
ju reinigenden A. geringer, und man fann mittels
Meyers Kony. + Lerifon, 6. Aufl., L Bd.
65
Druckluft Terrainſchwierigleiten leicht überwinden
(Shone-Mertens-Syſtem).
Nach dem Verfahren von Röckner-Rothe wer—
den die WL. auf kleinſten Raume mittels in flache Brun⸗
nen eingeſenkler Eiſentürme oder Dome filtriert. Die
A. treten unten in den Brunnen cin und von dort in
den luftleer — Turm bis 6 m hinauf. Hier-
bei filtriert Das Waſſer von unten nad oben durd
jeinen eignen Schlamm bindurd, der durd) Bujak
von Ralf rc. bejdjwert wird. Beim Rohlebreiver-
fahren von Rothe-Degener werden auf 1 chm A.
1—2 kg febr feine3 Braunfohlenpulver und dann
710 — 260 g Eijenfulfat beigemijdt und das Ganze
durch die oben beſchriebenen Rotheſchen Titrme ge-
leitet. Bei diefem Verfahren werden gelöſte organijde
Stoffe bis gu 90 Proz. entfernt, und wenn das gerei-
nigte Waſſer ein Sdinfilter paffiert, fo wird es voll-
fomunen blank. Der Schlamm fault nicht und gibt ge⸗
preft ein gutes Brennmaterial. Das abjliejende Waſ⸗
jer ijt nit mehr faulnisfibig und eignet ſich wegen
feines hohen Gehalts an anorganijdem Stidjtoff sum
Beriejeln von Wiefen x. 1879 fucjte Wler. Müller
UW. durch die Cinwirfung von Balterien (Garungs-
prozeſſe) und nadtraglide Oxydation in drainiertem
Mierelland ju reinigen, und Frankland wandte Filter
an, die abwedfelnd mit Flüſſigkeit und mit Luft ge-
fiillt wurden. Mit diefem Verfahren erzielte man in
mebreren Stadten Maſſachuſetts günſtige Refultate.
Mad Dibdin, der dieje Methoden weiter ausbildete
(biologiſches Verfahren), werden die VW. 24 Stun-
den unter Sauerſtoffabſchluß und Wärmeſchutz in
Faulfammern fid) felbjt überlaſſen und dann unter
Balterienwirfung und Sauerſtoffzufuhr oxydiert.
Man fieht aber aud) von dem Fäulnisprozeß ab und
leitet fofort die Orydation ein in Been, die mit Kols
gefiillt find. Das Waſſer pajjiert cinen Sandfang
und einen Reden und bleibt dann 2—6 Stunden in
den Been ftehen. Nachdem fic) der Nols eingearbeitet
hat, halt er bis 90 Prog. der fuspendierten Stoffe und
56—80 Proj. der organijden Subjtanjen zurück.
Der Geſamtſtickſtoff vermindert fid) um 24—51 Pro}.
Das Wafer erfdeint leicht gelblich, fajt far, und ent-
widelt feinen iibeln Geruch. Die vom Koks guriid-
gebaltene organifde Sübſtanz wird von den Balte—
rien in der Zeit, wo das Filter mit Luft gefiillt ijt, ger-
legt, und fo entitehen nur geringe Wengen Schlamm.
Du Temperatur des Waſſers erhöht ſich um 5°, und
e3 wird viel Kohlenſäure entwidelt. Das gereinigte
Wafjer ijt reid) an Wineraljtoffen und anorgani-
idem Stichſtoff und fann daber ju landwirtſchaft⸗
lichen Zwecken verwertet werden. Leider ſtellt ſich das
Verfahren nod ziemlich teuer, da 1 qm Filterfläche
am Tage nicht viel mehr als 1 chm YW. reinigt. Bet In—
feftionsgefabr muß das gereinigte Wafjer mit Chlor-
falf DdDesinfizjiert worden. Bur eleftrolytiiden
Reinigung der A. ſchlug Webjter vor, den Strom
mittels Cifenelettroden durch Das Waſſer zu leiten.
Die Hauptwirfung beruht woh! auf der Vildung von
Eijenhydroryd, das die fuspendierten Stoffe nieder-
ſchlägt. Vorhandene Bakterien werden nicht getdtet.
Das abfließende Waſſer ijt gut, allein für eine Stadt
von 200,000 Einwohnern werden jährlich über 700
Ton. Eiſen verbraucht. Die meiſten ſonſtigen Ver—
fahren beruhen auf der elektrolytiſchen Chlorentwide-
lung. Hermite ſtellt eine desinfizierende Löſung (Her-
mitin) aus Meerwaſſer oder emer Löſung von Koch—
ſalz und Chlormagneſium mit Magneſiumhydroxyd
dar und leitet die erhaltene Desinfeltionsflüſſigleit
zur Benutzung in die Häuſer.
5
66 Abwajjern
Die Induſtrie liefert A. verſchiedenſter Urt. |
Solche, die nur Schwebſtoffe enthalten, reinigt man
metit in Clãrteichen. A. mit vorwiegend gelöſten mi— |
neralijden Subjtanjen fonnen nur chemiſch gereinigt |
werden, dod) werden fie bisweilen aud nur bis zum |
Beridwinden jeder ſchädlichen Wirkung verdiinnt. |
Mande Reinigungsverfahren ftellen jid) als indu⸗
jtrielle Prozeſſe dar, zu deren Uusfiihrung die Fabri-
fanten Durd die Ronfurren; gezwungen wurden. Dieje
Lrozeſſe liefern dann wieder A., Die aber minder |
ſchãdlich find al3 die uripriingliden. Am ſchädlichſten
jind A. mit hohem Gebalt an faulnisfahigen Gub-
ſtanzen (Starfe-, Zucerjabrifation), da dieſe Durch
Bu dung von Fäulnisgaſen die Luft verpeften und
bie Gewäſſer, in die fie gelangen, in unertraglider
Beije verunreinigen. Wan trennt 3. B. in —
ſabrilen die Fallwäſſer und Kondenſationswäſſer, die
nur geringe Spuren von Zucker oder Ammoniakver⸗
bindungen enthalten, von den übrigen, kühlt ſie und
fann fie Dann ohne weitere Reinigung ablaſſen. Die
viel unreinern Rübenſchwemm- und Waſchwäſſer
werden durch Fanqvorridjtungen von Riibenteilen |
befrett und find dann weiter zu reinigen, können aber
in waſſerreiche Waſſerläufe ohne weiteres abgelaſſen
werden. Fir Die ſchlimmſten A., wie Schnitzelpreß-
Knochenlohlewaſchwäſſer ꝛtc., empfiehlt fid) Riejelung
oder das biologiſche Verfahren. — Für das Studium
der Abwäſſerfrage, Prüfung neuer Methoden und
Auskunftserteilung und ſanitätstechniſche Beratung
auf dieſem Gebiet tit die königliche Verſuchs- und
Prüfungsanſtalt fax Walferverisrgune und)
Ubwafferbefeitigung 1902 in Berlin geqriindet
worden. Bal. König, Die Verunreinigung der Ge-
wiffer (2. Aufl., Berl. 1899, 2 Bde.); Gerfon, Die
Verunreiniqung der Waſſerläufe durch Abflußwäſſer
aus Städten und Fabriken und ihre Reinigung (daſ.
1889); Fadejeff, Die Unſchädlichmachung der ſtäd—
tiſchen Kloalenauswürfe (deutſch von Menzel, Leipz.
1880); Juriſch, Die Verunreinigung der Gewäſſer
(Berl. 1890); Benedict, Die A. ber fabrifen (Stuttg,
1896); Burfhardt, Die A. und ihre Reinigung
(Berl. 1897); Weyl, Flupverunreiniqung, Klärung
der VL, Selbjtreiniqung der Flüſſe (Qena 1897); Bo -
gel, Das Rohlebreiverjahren (Berl.1899); Sd midt-
mann, @utadten, betr. Stadtefanalijation und Ub-
wiifferreinigung (daj. 1900); Dunbar u. Thumm,
Beitrag zum dergeitiqen Stande der Ubwajferreini
qungsfrage mit bejonderer Berückſichtigung der biolo- |
Aſchen — — (Berl. u. Münch. 1902);
Fi Aer. Das Waſſer (3. Aufl., Berl. 1902).
bwaffern, ſ. Auswaſchen.
Abweichen, ſ. Durchfall.
——— (Deklination), der Abſtand eines
Geſtirns vom Aquator, gemeſſen auf dem durch die
beiden Weltpole und den Stern gehenden größten
Kreis, Dem Deklinationskreis; vgl. Himmel. A.
aud) foviel wie Parallaxe. — Sphäriſche A. oder
Aberration nennt man den Fehler der Linſen und
ge?rümmten Spiegel, die von einem Punkt ausge—
a “ge Lichtſtrahlen nicht genau wieder in einem
unfte gu vereinigen. Diefer Fehler rithrt von der |
fugelformigen (ſphäriſchen) Geftalt ihrer Oberflächen
ber und fonnte vermieden werden, wenn man diesen
laden cine andre (elliptiſche oder parabolifde) We
ftalt gabe, was aber bei optifden Anitrumenten nidt |
geſchieht, weil nur Kugelflächen mit der erforderliden |
Menauigteit techniſch beritellbar find. — Chroma
tifde oder Farbenabweidung, ſ. Adhromatis. |
mus. — UW. der Magqnetnadel (magnetifde |
— by.
Deflination, aud Variation), der Winkel, um
den die Ridtung emer horizontal frei fdpwebenden
Magnetnadel vom geoqraphijden Meridian abweidt ;
vgl. Erdmagnetismus. — U. Der Geſchoſſe von der
normalen Flugbahn findet in der Schußebene nad
oben und unten, aus der Schuebene nad rechts und
linfs jtatt und verurjadt die Streuungen. — Im See:
wejen ijt U. (Abweitung) die mit dem Barallel-
kreis zuſammenfallende Rathete im Rursdreied (7. d.).
Mbrweiler, j. Bubne und Prellſtein.
Abweijung der Cage, ſ. Klage und Ubjolution;
Ubweifung eines Untrags, ſ. Untrag.
Abweitung, ſ. Ubweidung (am Schluß).
Abwerfen, das Verlieren des Geweihes der
Hiride und Rehböcke; ſ. Geweih.
Abweſenheit (Absentia) kommt für den Abſchluß
eines Vertrages (ſ. d.), fiir das gerichtliche Verfahren
und ſonſt im Recht mannigfach in Betracht. Nach
§$ 1911 des Bürgerlichen Geſetzbuchs muß fiir cine
volljabrige Perſon, die abwefend oder unbefannten
Uufenthalts ijt, cin Ubwefenheitspfleqer auf-
gejtellt werden, wenn die Sorge fiir deſſen Bermigens-
verhältniſſe dies notwendig erſcheinen läßt (vgl. Ber-
ſchollenheit). Uber das Verfahren gegen Abweſende
im Strafprozeß ſ. Kontumaz.
Abweſenheitéproteſt, ſ. Wechſel.
Abwickelbare Fläche (developpableFläched,
frumue Fläche, die fic) ohne Riſſe oder Falten in eine
Chene ausbreiten läßt, 3. B. die Mantelflache eines
Rylinders oder Regels. Der Inbegriff aller Tangenten
einer Rurve doppelter Kritmnuung (ſ. Lurve), 3. B. emer
Schraubenlinie, bildet ſtets cine folde Fläche, die Kurve
jelbjt height Dann Riidfehrfurve oder Riidtehr«
fante Der Fläche. Bei einer Kegelfläche ſchrumpft
die Riidfehrfante auf einen Punkt (die Spitze) zuſam⸗
men, der bet einer Zylinderfläche im Unendlichen liegt.
Abwidelungsburean, dem Stationsdef unter-
ſtellte deutſche Marinebehirde bei jeder Marinejtation,
bie nad) Uuherdienjtitellung der Schiffe deren Rech—
mungen zu priifen und die riidjtindigen Verwaltungs-
geſchäfte abzuwickeln bat.
Abwiepen, ſoviel wie Abſtecken (f. d.).
Abwracken (Loswraden), cin geſtrandetes
Schiff hin und her bewegen, unt es los zu belommen.
iby, Chrijtoph Theodor, Anthropolog, geb.
25. Febr. 1835 auf Guttenbrunn bei Pfalzburg, geſt.
7. Juli 1885 in Bilin, ftudierte feit 1853 in Bajel
und Göttingen, habilitierte fic) 1858 als Privatdozent
in Bafel, ward 1863 Profeſſor der Unatontie in Bern,
1884 in Brag. Er lieferte viele Unterjudhungen jur
mifvoffopifden Unatomie, eine neue Cinteilung der
Schädelformen (Eury- und Stenofephalen), zeigte
aud, daß die Mikrokephalie cine pathologiſche Bil—
dung ſei (Beiträge zur Kenntnis der Mikrokephalie
int ⸗Archiv fiir Anthropologie⸗, 1873), und wies die
Bedeutung des Luftdruckes fiir alle Gelenfe nad. Er
ſchrieb: »Unterſuchungen fiber die Fortpflangungs
eſchwindigkeit der Reizung im der quergeſtreiften
ustelfafer« (Braunfdw. 1862); »Cine neue Me-
thode zur Beſtimmung der Schadelformen von Men—
ſchen und Siugeticren« (daf. 1862); » Die Schädel⸗
formen des Menjdhen und der Affen« (Leipz. 1867);
Der Bau des menfcdlichen Körpers mit befonderer
Rückſicht auf ſeine morphologifde und phyftologifde
Bedeutung« (daf. 1871); »über das Berhiltnis der
Mikrokephalie zum Atavismus« (Stuttg. 1878); » Der
Bronchialbaum der Saugetiere und des Menſchen«
(Leips. 1880). Mit Fellenberg und Gerwer ſchrieb er:
Das Hodgebirge von Grindelivald« (Kobl. 1865).
Abydos — Abzeichen.
Abijdos, 1) im Altertum Hafenſtadt der Troas
in Kleinaſien, am Hellespont, Seſtos gegenüber, um
700 v. Chr. von Mileſiern gegründet und berühmt
durch die Sage von Hero und Leander ſowie durch
die Brücke, die Xerxes 480 in ihrer Nähe über den
Hellespont ſchlagen lie}. Die Bewokhner von A. jtan-
den in übelm Rufe, leijteten aber dod) Philipp IL. von
Mafedonien heldenmiitigen Widerjtand. W. wurde
196 v. Chr. von den Römern fiir fret erflart und nad-
mals von den Türken zerſtört, die unweit ſüdlich davon
Tidhanal Kalejfi erbauten. — 2) A. (ägypt. Wh dtu),
eine der älteſten und beriihmtejten Stadte Ägyptens,
deren Ruinen fid) oberhalb Girgeh bei den 14 km
wejtlid) vom Nil gelegenen Dörfern Urabat ef Mad-
fune und El Cherbe befinden. Der Stadtgott war
Oſiris, »der Herr der Wejtliden«, deſſen Grab bier
faq und eins der Hauptheiligtiimer Agyptens war.
Es ijt 1898 in dem Hiigel Umm ef Ga'ab durch Amé
lineau wieder aufgefunden worden. Yn feiner Nahe
lagen die Graber der älteſten figuptifcyen Könige der
erjten und zweiten Dynajtie, vielleicht aud) nod aus
friiherer Bett, die ebenfalls von Wmélineau und Fling
ders Petrie entdedt worden find (vgl. Petrie, The
royal tombs of the earliest dynasties, fond. 1900—
1901, 2 Bde.). Seit dem Ende des alten Reichs (etwa
2200 v. Chr.) erridteten fic) in UW. auch Privatleute
ihre Grabbauten oder lichen wenigſtens ihre Leidje
ur Weihung an die heilige Statte ſchaffen; aud) wur-
ces Denkſteine bei dem Oſirisgrab aufgeftellt, welde
ben Berjtorbenen der Gnade de3 Ojiris empfehlen
follten. Bon den Heiliqtiimern der Stadt war bas
größte der von Sethos 1. erridtete Crinnerungstem-
pel, von Strabo das Memnonium genannt, der nod)
jebt erbalten ijt. Er war den —— von
A., Oſiris, Iſis und Horus, ferner dem Ptah von
Memphis, Harmadis von Heliopolis und Ymon von
Theben fowie dem göttlich verehrten Konig Sethos ge—
Weiht, von denen jeder feine Rapelle hatte. Ein zweiter,
von Ramfes I. erbauter Tempel, der wenig nördlich
von dem erjtgenannten liegt, ijt jetzt fehr zerſtört.
Bon dem bei El Cherbe gelegenen altejten Oftristem-
pel von A. find nur geringe Rejte vorhanden. Zahl⸗
reide ägyptiſche Grab- und Erinnerungsſteine find
aus A. in die Muſeen gewandert. A. war auch eine
Hauptkultusſtätte des Gottes Bes (ſ. d.), Der hier nod)
unter Ronitantin cin befudtes Drafel hatte. Val. Ma-
riette, A., description des fouilles (Par. 1869—80,
2 Bode.).
Abyſche Horijontale, ſ. Schädel.
Abyſſinien, ſ. Abeſſinien.
Abyſſiſch (griech.), die größten Tiefen, d. h. das
Innere der Erde betreffend, daher ſtammend.
Abyffodynamifd, durch Kräfte aus der Tiefe,
aus dem Erdinnern wirfend.
Absahlungsgefdafte (Teilzaäahlungs- oder
Ratengefdafte) heißen die Detailgeſchäfte, deren
Beſonderheit darin bejteht, daß die Waren gegen Zah—
{ung des Naufpreifes in (widentlidjen, monatlichen rc.)
Raten, d. h. Teilen der Kaufſumme, abgefest wer-
den. Die A. fiihren gewöhnlich gleichzeitig (daher
aud) der Name: »Abzahlungs bafar«) Hauseinrich⸗
tungsgegenſtände, Belleidungsartifel, Taſchenuhren,
Schmuckgegenſtände, Maſchinen (namentlich Näh—
mafdinen), Bücher, Lofe (ſogen. Ratenlofe) x. Die
A. taudten in Deutſchland zuerſt Unfang der 40er
Yah re des vorigen Jahrhunderts auf; die erjten
Ubsahlungsbafare entitanden in den 50er Jahren,
ire legge Verbreitung datiert feit etwa 1880. Die
große Vermehrung der Wbjahlungsbajare und da-
67
durch hervorgerufene Konkurrenz fiir die übrigen
Detailgeſchäfte in Verbindung mit den Schäden des
Ratenhandels fiihrte in den legten Jahren gu einer
lebhaften Ygitation gegen die U. m Deutfdland
und Ojterreid). Man tadelt die ungebiibrlidje Ber-
leitung gum Rauf, die bet ſchlechter Qualität hohen
Preiſe und die vielfach rigorofen und wuderijden
Vertragsbejtimmungen, namentlid) den Cigentums-
vorbehalt und die Verwirfungsflaujel, die den Ver—
fiufer beredtigen, bei Zahlungsſäumnis des Käu—
fer8 die Ware wieder an fic) gu nehmen, ohne die
gezahlten Raten guriidgeben ju müſſen. Aber aud
andre Mlaufeln, deren Bedeutung der untundige
Käufer nidjt gu iiberjehen vermodte, wurden in den
Verpflidtungsurfunden der Käufer (in den Raten-
briefen und Ratenſcheinen) aufgenommen. Ge—
qen folde benadteiligende Vertragsbejtimmumgen
wendet ſich das deutſche Geſetz über die A. vom 16.
Mai 1894. Danach kann ſich der Verkäufer gwar den
Rückfall des Eigentums bis zur vollſtändigen Zah—
lung ſichern oder bis dahin das Eigentum vorbehal⸗
ten, dagegen ijt die Berwirkungsklauſel, wonach
im Falle des Verzugs des Käufers auch die bereits
bezahlten Raten vom Verkäufer behalten werden dür⸗
fen, für nichtig erllärt. Eine zur Umgehung dieſer
Beſtimmung etwa ſtipulierte Vertragsſtrafe kann,
wenn ſie zu hoch und noch nicht entrichtet iſt, durch Ur⸗
teil angemeſſen —* werden. Auch die ſogen.
Fälligkeitsklauſel, wonach bei Verzug des Käu—
fers ſofort die ganze Reſtſchuld fällig wird, beſteht
nur dann zu Recht, wenn der Käufer mit mindeſtens
zwei aufeinanderfolgenden Zahlungen im Verzug iſt
und der Betrag des Verzugs mindeſtens einem Zehntel
des Kaufpreiſes gleidhfommt. Analoge Bejtimmun-
gen beſtehen auch in Oſterreich nach Geſetz über die
Ratengeſchäfte vom 27. April 1896. A. mit Lotterie⸗
loſen und Prämieninhaberpapieren ſind in Deutſch—
land (ebenſo in Ojterreich) ſirafbar. A. find aud nad)
§ Bia der Deutiden Reidsgewerbeordnung vom Hau-
jierhandel ausgefdlojjen. In Deutfdland fann un-
ter Umſtänden aud) das Wudergejes vom 19. Juni
1893 auf U. Anwendung finden. Val. Cohen, Die
volfswirtidaftliche Bedeutung des Wbjahlungsge-
ſchäftes (Leipz. 1891); Lidtenthal, Das Ratenjah-
lungsjyjtem (Berl. 1891); Fanta, Zur Reforne des
Ratenhandels in Oſterreich (Prag 1892); Lazarus,
Das Recht des Abzahlungsgeſchäftes (Berl. 1898);
Mataja, AUrtifel ⸗»A.«, un »Handwodrterbud der
Staatswifjenfdhaften«, Bd. 1 (2. Aufl., Jena 1898).
Mbsehrung, ſ. Auszehrung.
Abzeichen, bei Haustieren das Auftreten wei—
ßer Haare, dunkler Flecke ꝛc. am Körper. Die weißen
Haare ſtehen am Kopf einzeln (Stichelhaare), bil-
ben kleine Flecke (Flocke, Blümchen) oder einen
dreieckigen Fleck an der Stirn (Stern), einen bis zur
Oberlippe herabreichenden Streifen (Bläſſe), einen
weißen Fleck auf der Oberfläche (Sdhnibbe), oder fie
bedecten den größten Teil des Vorderfopfes (Laterne).
Yn den Füßen unterideidet man weiße Ballen,
weiffe Rrone, weiße Feſſel. Reicht die weiße Fär—
bung bis zur Witte des Mittelfußes, fo tit das Pferd
halbgejttefelt, geſtiefelt dagegen, wenn der ganze
Mittelfuß weiß ijt. Die höchſten Stiefel reichen bis
zum Körper. Flede am haarlojen Waul bilden das
Krötenmaulz ſchwarze Flede an roten, haarlojen
Geſchlechtsteilen entitehen bei Melanoſe. Were Flecke
bleiben aud) als Folge von Wunden und entitehen
durd) Den Koppriemen am Kehlfopf und durch den
Drud des Sattels am Riicen.
5*
68
Abzeichen, militarifde, Unterſcheidungszeichen
an der Bekleidung fiir Waffengattungen, Truppen⸗
teile, ben Rang oder das Dienjtverhaltnis von Mili⸗
Abzeidhen, militäriſche — Abziehſteine.
pedooffiziere und Maſchineningenieure das i
der Maate. Nur Seeoffiziere tragen ſilberne *
pen. Abzeichen fitr Sdynellladefanoniere : Granate mit
tarperfonen. Sdynitt der Uniform, Farbe der Kragen drei Flammen; Geſchützführer tragen den Winkel der
und Aufſchläge, der Udhfelflappen (mit Regiments- | Obermatrojen darunter; Exerziermeiſter Granate mit
|
numuner, Nanienszug, Krone ꝛc.), der Knöpfe und Ve-
fdhlage bilden die Unlerſcheidungszeichen bei Waffen-
wei jolden Winfeln; Rohrmeiſter roten Torpedo mit
infel Darunter; Torpedoinjtrufteure den Torpedo
qattung, Regimentern x. Rangabzeichen in der) mit zwei Winkeln darunter.
Urmee: Gefreite Meine, Obergefreite große Adler—
(Bappen-)ndpfe am Kragen iiber den Sdhultern, alle |
Unteroffijiere Treffen an Kragen und Vufidlage ’
Sergeanten und Feldwebelflafje auferdem große Ad—
ler=(Wappen-)Mmopfe, Feldwebelklaſſe das Seiten-
gewehr der Offiziere. Die Offiziere tragen im gewöhn—
lichen Dienjt Achſelſtücke und bes. Feldbinde, bei be-
fondern Gelegenbeiten Epauletten und bez. Scharpe.
Uchfelitiide und Epauletten haben die qleiden Ab—
zeichen (ReqimentSnummtern 2c.) wie die Achſelllappen
der Mannichaft, bei Feuerwerlsoffiszieren bejteht das
Abzeichen in cinem F, bei Sanitätsoffizieren m einem
Astulapitab. Oberleutnants, Dberjtleutnants und Ge-
neralleutnants tragen dajelbjt cinen qoldenen Stern,
Hauptleute, Oberiten und Generale (der Jnfanterie,
Mavallerie oder Yirtillerie) zwei, Generaloberiten drei
dergleichen, Generalfeldmarjdhalle zwei Sterne mit
darüber gekreuzten Marſchallſtäben. Bei Hufaren,
Ulanen und Truppenteilen in Bayern, Sachſen und
PBiirttemberg lommen Abweichungen in den Abzeichen
der Uniform vor. In Oſterreich beſtehen andre Rang-
abzeichen, und bie Sterne (Dijtinftionsfterne) fipen
porn in ben Rrageneden. Bal. Dienſtauszeichnung.
Rangabseidhenin der Marine. Obermatroje
und Oberheijer u. f. f. tragen auf dem linfen Ober-
armel cinen Winkel von qelbem Tud. Einjährige
ftatt deſſen ſchwarz⸗weiß rotwollene Schnüre. Unter-
offiziere: Bootsmannsmaate unflaren Anler (ein Un-
ler, um den ſich ein Tau windet) in Gold; Feuer—
werfsmaate und Artilleriſtenmaate klaren Unter mit
gekreuzten Ranonenrohren ; Siqnalmaate flaren An—
fer mit gefreusten Flaggen ; Majdhinijtenmaate flaren
Anler nut Zabnrad; Torpedomedanifermaate ebenſo,
dazu ein T im Zahnrad; Hoboiſten klaren Unter mit
Lyra; Feuermeiſtersmaate {laren Anker mit gekreuz—
ten Kohlenſchaufeln; Torpedermaate klaren Unfer mit
Minengefäß gekreuzt; Materialienverwaltersmaate
unflaren Ynfer in Silber; Exerzierunteroffiziere fla-
ren Anker mit gefreusten Gewehren; Obermaate eine
Maifertrone darüber; Abzeichen fiir Matrofendivifio-
nen in Wold und Gelb, fiir Werftdivifion in Silber
und Wei; Feldwebel Maren Anker mit Krone dar-
liber, Dedoffisiere tragen obige Abzeichen auf Achſel⸗
ftiiden aus blauem Tuc. Offisiere tragen als Ab—
zeichen goldene Armelſtreifen: Admirale breite und
ſchmälere, Mapitane bis Oberleutnants zur See vier bis
eine ſchmälere Treſſe; Leutnants eine ſchmale Treffe,
alle Seeoffijiere Dariiber die Kaiſerkrone in Gold. Zabl-
meiſterperſonal Silber ; Sanitatsoffisiere Wold, augers
dem YUotulapitdbe auf den Udhfeljtiiden und Epaulet-
ten. Epauletten der Admirale dide, loſe, brillantierte
Raupen, tm goldenen Halbmond Unter und Adler.
Mapitin dide, lofe Raupen, Sterne als Abzeichen
deo Manges. Mapitanleutnants und Oberleutnant
See diinne, lofe Franfen; Leutnants sur See feine
Franſen. Vebfetitiide: Admirale tragen Gefledht aus
olbenen und filbernen Schnüren mit Schwarz und
Mot durdflodten; Kapitäne Geflecht aus filbernen
Schnüren; Nidhtitabsoffisiere Achſelſtücke aus filber-
nen Sdyniiren durchflochten; Jeugoffisiere und Feuer⸗
werlsoffiziere cin Z und F auf den Achſelſtücken; Tor: |
bzeichen der Reichspoftbeamten. Der dun-
felblaue Rod (Waffenrod) hat orangefarbenen Bor-
ſtoß. Dieje in der preuftiden Pojtverwaltung hiſto
| tijd) gewordene Pojtfarbe wird mut den innigen Be-
ziehungen des Großen Kurfiirjten, des Grinders der
preußiſchen Bojt, gu dem Hauſe Oranien (Orange)
in Berbindung gebradt. Die Streifenfolge (orange,
dunfelblau, orange) am Kragen wiederbolt ſich bei
der Mütze; der Untacbenatientrogen bat Spiegel und
Plattidniire. Sonſtige Abzeichen find em leidter
Degen, Sterne in den KLrageneden, Achſelſtücke, Ko—
farde und Adlerſchild. Der Galaanjug der Bojtillone,
die fiir gewöhnlich febr einfach gefleidet find, wirtt
maleriſch Durd) die breite orangefarbene, mit Sdleife
und Quaſten verzierte Leibbinde. Der Rod zur Gala-
uniform der Beamten (Verordn. vom 16. Dez. 1888)
bat den Schnitt des altbrandenburgifdjen Waffenrods.
Abzeichen, politifde, Seiden, durch die fid
äußerlich die Glieder einer Partei erfennen, oft zu⸗
fallig entjtanden, fo Der Bundſchuh der ſchwäbiſchen
Bauern, der Geufenpfenniq. Stanuneseigentiinidy-
feiten gaben den Wallijern den Laud, den Schotten
Die Dijtel sum Abzeichen. Die Anhänger der Stuarts
trugen einen Eichenzweig, weil fid) Karl II. nad der
Schlacht bei Worceſter in Bis Eiche verborgen hatte.
In Schweden unterfdieden fic) zwei grofe politiſche
Parteien durch Mützen und Hüte. In Frankreich war
ſeit 1789 die Trifolore (blau-weif-rot) das Zeichen
der Progrefjijten, die weiße Farbe das der Rohaliſten
(Bourbonen). Das Veilden war 1815 und ijt nod
jebt Seichen der Bonapartijten. Jn Deutidland wur-
den nad) 1815 die angebliden alten deutiden Reids-
farben: Sdwars-Rot-Golb, dad Abzeichen der Bur-
ſchenſchaft und andrer patriotifder Vereinigungen als
Seiden nationaler Gefinnung, bis ein Bundesgeſeh
vom 5. Juli 1832 den Gebraud der politijden Ab—
zeichen aufer den Landesfarben verbot (ſ. Deuticde
Farben), 1848 vom Bund zu ReidSfarben erflart,
1849 aber wieder aujer Gebraud) geſetzt. Seit der
Warjzrevolution 1848 gilt die.» Blutfarbee Rot als
Abzeichen der Sogialdemofraten und ertrem radifalen
Farteien (der »Roten<). Auch die Tract, der Schnitt
des Haares, des Barted (» Demofratenbirtes) rc. haben
| vielfad) als Abzeichen gedient. Die englijden Roya⸗
lijten des 17. Jahrh. trugen Loden, die republitani-
ſchen Buritaner fdoren ihe Haar (Rundköpfe) fury.
Die beſtimmteſten politifden Abzeichen find immer
Bander, Schletfen, Kolarden.
Abzeugen, foviel wie Wbtaleln (7. d.).
Ubsiehbilder, ſ. Metachromatypie.
Abziehen, die zweite der elemeniaren Rechnungs
arten der Arithmelik, ſ. Subtrallion; cine Flüſſigkeit
liber einer Subſtanz, die flüchtige Stoffe enthält,
deſtillieren; dic Oberfläche von Gegenſtänden glatten,
. B. Holy mit der Ziehllinge; die Grubenräume in
Bergwerken vermeſſen (j. Markſcheidekunſt).
Abziehmaſchine, cine Art Kehrmaſchine, die be-
ſonders auf Chauſſeen und Aſphaltſtraßen zur Rei—
nigung verwendet wird.
Abziehmuskelu, ſ. Abdukloren.
Abziehſteine, ſ. Schleifſteine.
Abzug — Acanthosicyos horrida.
Abzug, im Handel foviel wie Tara, Disagio
ſ. Ugio); Kruſte auf dem geſchmolzenen Blei (i.
fei); A. amt Gewehrſchloß, ſ. Handfeuerwaffen; A.
der Truppen, ſ. Gefecht und Kapitulation. Jim Buch—
drud und Buchhandel ſoviel wie Abdruck, gedrucktes
Exemplar (vql. —
Abzugſchuur, ſ. Geſchützzubehör.
Abzugsgeld, ſ. Abſchoß.
Abzweigmuffe, tleine gußeiſerne Tröge, in denen
ſolche Abzweigungen von einem Kabel vorgenommen
men werden, die dauernden Be—
ſtand haben fol- len. Die Abbil⸗
dung jeigt eime YU. mit abgenom-
menem Dectkel. Durch zylindri⸗
ſche Offnungen werden die Kabel
eingeführt, ihre Enden freigelegt
und durch Klam— mern miteinan⸗
Abzweigmuffe.
der verbunden. Der innere Raum der Muffe wird
mit Iſoliermaſſe egoſſen.
Acacia Willd. (Atazie), Gattung der Legumi—
noſen, unbewehrte, ſtachelige oder dornige Baͤume,
ſelten Kräuter mit doppelt gefiederten oder auf einen
blattartigen Stiel (Phyllodium) reduzierten Blättern,
fehlenden oder kleinen häutigen, ſelten zu Dornen
69
* und Hülſen dienen jum Gerben und Schwarz⸗
ärben, der Stamm liefert Gummi. Bon der aujtra-
lijden A. dealbata Link werden in Siidfranfreid
Bweige geſchnitten, durd) künſtliche Wärme gum Blü—
n gebracht und im Vorfrühling nad dem Norden
verjandt. Ebenſo wird A. floribunda Willd. und A.
dealbata, auf floribunda neptroptt, an der Riviera
verwertet. A. Giraffae Willd. (Rameldorn), 13 m
hober, fehr dider und fer alt werdender Baum in den
trodenjten und heißeſten Gegenden Wfrifas, liefert
äußerſt hartes Holy und ziemlich gutes Kapgummi.
A. arabica Willd. (A. nilotica Da. A. vera C. D.,
Sfant, Sont, Kikar, Babul), f. Tafel »Gerbmate-
vialien liefernde Pflanzen«, Fig. 10. A. horrida Willd.
(Rapfdotendorn, Weißdornakazie), int auper-
tropijden Siidafrifa weitverbreiteter Strauch mit über
10 cm langen, weißen Dornen, liefert den größten
Teil des Kapgummis und dient zu Heden. A. Seyal
Del, (A. fistula Schweinf., Sfoffar), mit langen,
jtarfen, am Grunde ftets aufgetriebenen hohlen, el-
fenbeinweißen Dornen, in denen fie wahrſcheinlich
Umeifen beherbergt (vgl. A. sphaerocephala Cham.
et Schlecht., in Mexilo und Mittelamerifa, bei » Wmei-
| fenpflangen«), in Rubien und Senaar, liefert rötliches
Gummi und bildet mit A. stenocarpa Hochst, (Talc,
Talha, Suaf, Raful), die ähnliches Gummi lie-
fert, auSgedehnte Walder im Gebiete des Wtbara
und der Zuflüſſe des Bahr ef Asrak. A. albida Del.
(Anabaum), ein riejiger Charafterbaum des tro-
piſchen Afrika, deffen lange, weiße Äſte fic) bis zur
Erde herabbieqen und dann wieder emporwachſen.
A. Senegal Wild. (A. Verek Guill et Perrott., Da-
ſchab, Bere), ſ. Tafel »Yndujtriepflangen I<, Fig. 8.
umgewandelten Rebenblittern, kleinen, jahlreiden, | Die Rinde von A.anthelmintica Baill. in Ubefjinien
meiſt gelben Blilten in gejtielten Köpfchen oder Ahren
und etformiger bis linealijder, gerader, gekrümmter
und Rordofan (Mouffena, Maffena, Bajena,
Ubufenna) wird geqen Bandwurm benugt. A, Ca-
oder gedrebter, flader, fonverer oder ftielrunder, bis- | techu Willd., ſ. Tafel »Farbpflanyen«, vig. 3. liber
weilen holziger, sweiflappiger oder nidt nds landre Urten vgl. Albizzia. Webhrere Urten werden
der Hiilfe. Gegen 450 Urten der tropifden oder
tropiiden
ſonders in Afrika und Uujtralien. Die ca. 280 Yirten
mit Phyllodien gehören fajt ausſchließlich Neuholland
an. Mande bilden Walder und beftimmen den Cha-
rafter weiter Gebiete. A. armata R. Br. (Ringu-
rubbdorn), im aukertropifdjen Uujtralien, dient als
Hedenpflanje und gum Befejtigen des Diinenfandes.
A. pycnantha Benth., in Victoria und Siidaujtralien,
mit ſehr gerbjaurereider Rinde (Golden Wattle,
Mimofarinde), liefert auch cine Art Katedu, den |
ripten Teil des auſtraliſchen Gummis und Drechsler—
Dols A. melanoxylon R. Br., riejiger Baum in Siid-
ojtaujtralien, liefert fejtes, ſchwarzes Nutzholz (Black-
wood) und fatedjuartiges Gummi. A. excelsa Benth.
in Oftaujtratien liefert Roſenholz. — A. decurrens
Wilid., |. Tafel »Gerbmaterialien liefernde Pflanzen⸗,
vig. 9; A. penninervis Sieber (Fig. 7), in Neufiidwales
und Ducensland, liefert die Gold wattle und wird
jut Gewinnung der Rinde in Schälwäldern fultiviert.
ieſe Alazien geben 14mal größern Ertrag als unire
Ciden{dilwalder. — A. Farnesiana Willd, (Un-
tillenfaffie), wahrſcheinlich aus Wejtindien, jest
in ben warmern Gegenden aller Weltteile, in Europa
guert in den Farnefifden Garten gu Rom (daber
Der Rame) angepflanjt, cin dorniger Straud) mit
Doppelt gefiederten Blattern und gelben Blütenköpf—
den in endjtindigen Trauben, wird in Franfreid)
und Oberitalien der köſtlich duftenden Bliiten halber
kultiviert, die (fälſchlich) als Kaſſienblüten in der
Bulettbinderei und Parfümerie benutzt werden. Wur⸗
|
ub- als Zierpflangen fultiviert. Vgl. Geemann, Die tn
enden Der Alten und Neuen Welt, be- | Europa eingefiihrten Wfazien (Hannov. 1852). —
Ufazienbaum, unedhte Ufazie, Schotendorn,
j. Robinia.
Académie francaise, ſ. Alademie.
Acadia, Acadian Highlands, ſ. Aladien.
Acafrao, ſ. Bixa.
Acajouhols (ipr. -4Gu-), das Hol; von Anacardium
occidentale (weifes Mahagqonth ols), auch foviel
wie Kailzedraholz; in Frankreich foviel wie Vtahagoni-
holz. Wcajouniiffe, ſ. Anacardium und Seme-
carpus; Ucajougummt und Ucajoudsl, ſ. Ana-
cardium; Acajou femelle, ſ. Cedrela.
Acaléphae,, j. Alalephen.
Acanceh, Ort im merifan. Staate Yucatan, fiid-
öſtl. pon Merida, Bahnitation und Sijalbanfmartt,
mit 0895) 22,916 Einw.
Acanthias, ſ. Haifiſche.
Acanthocephali, ſ. Kratzer.
Acanthodes, ſ. Fiſche.
Acanthopterygii (Stachelfloſſer), Unter—
ordnung der Knochenfiſche, ſ. Fiſche.
Acanthosicyos horrida Welw. (Naras, ſ.
Tafel »Wiijtenpflangen«, Fig. 9), eine Kulurbitazee
in Sildwejtafrifa um die Walfiſchbai, faſt aufrechter,
ſehr äſtiger, blattlofer, jtarrer Straud) mit vielfad)
vergweigten und ineinander gewirrten, bis 12 m lan-
gen Ranfen, paarigen Dornen, armdider, bis 15 m
langer Wurzel und zweihäuſigen Blitten. Sie bildet
auf den Abhängen der Dünen Hecden von 1—1,5 m
Höhe. Ihre unveif bitter, ſpäter angenehm ſchmecken⸗
79
ben, ſehr aromatiſchen Friidte von 10-— 15cm Durd-
meſſer bilden neben den nufartig idmedenden Samen
eine iffe Beit tm Jahr das —
der Eingebornen, die fie auc) trodnen, um fie zu fon-
jervieren. Der Genuß der frifden Frudt erregt bei
dbenjenigen, die nicht daran gewöhnt find, ſiarkes
Brennen im Maftdarm. Der Saft bringt bet 35°
Milch sum Gerinnen. Die reifen Früchte werden aud
viel vom Schafal gefrejjen, der Dadurd) zur Verbrei-
tung Der Pflanze beträgt. Die Samen werden als
butter pits nad) dem Kapland ausgeführt.
Acanthus L.(Barenftlau), Gattung der Ufan-
thazeen, hohe Kräuter oder Straucher mit meiſt qro-
hen, buchtig ausgerandeten und mehr oder weniger
ſtachelig gezahnten Blättern und an-
jebnlidyen, im end- ſtändige Whren
geftellten Blitten mit yz, oft groken und
ſtachelig gezahnten Brakteen. Mehr
a —
aie ao.
alg 20 Yrten im 4 wärmern Vien
und Afrila, aud) im q Mittelmeergebiet.
A. mollis L. (weidhe , oder echte Ba-
renflau; ſ. Abbil—
hod), beſitzt über 50
ſpaltige Blätter mit
Dung), bis 1 m
cm lange, fieder:
buchtig gezahnten,
nicht ſtacheligen
Lappen, weißliche
oder rötliche Blit-
ten und rötlich—
braune, qlanjende
Kapſeln. Ste fin—
det ſich im Mittel⸗
meergebiet und
wurde ſchon im
Acanthus mollis (Gärentlau)
a Bluͤte.
Altertum als ZJierpflanze kultiviert. Früher wurden
Blatter und Wurzeln (Bärenklau) arzneilich benugt.
A. spinosus L., daſelbſt, bat tiefer eingeſchnittene
Blatter mit kurzen, dornigen Zähnen an den fajt drei-
edigen Lappen. A. ilicifolius L., im tropiſchen Wien,
in Sitdojtafrifa und Bolynefien, bededt in der Brac:
Wajjerregion den Strand oft meilenweit. Das Akan—
thushols, aus dem die Alten Statuen verfertiqten,
ſtammte wohl von der Acacia vera und A. arabica
oder cinem andern ftadeligen Boum. Das Akan—
thusblatt fond in ftilifierter Form aud in der
Kunſt, an den Kapitälern der forinthijden und rdmi- |
ſchen Shuler, an den Konſolen der römiſchen Kunſt
und Renaijfance fowie an den Ornamenten ihrer
Frieſe und Geſimſe vielfache Ymwendung. Bei den
mittelaltertiden Ornamenten dienten haufiger die
Heinern, weniger ſchönen Blatter von A. spinosns
zum Muſter.
sql. Die Beiſpiele auf der Tafel-⸗Pflan⸗ geſehene
Acanthus — Acciajuoli,
lai argos des griechiſchen Wanthusorna-
ments ( . 1896).
a cappella (ital.), »im Rapellitil«, mehrſtimmiger
Gefang ohne See ae te Rapelle.
Acapulco, Secjtadt im merifan. Staat Guerrero,
am Gtillen Meer, mit 5780 Einw. (meijt indian.
Mijdhlinge), an einer weiten, von hohen Grani en
umgebenen und gut geſchützten, 45—62 m tiefen
But, in der 500 Schiffe dicht am Ufer ſicher vor
Anker liegen fonnen. Yn der Nabe da3 Fort San
Carlos. Das Klima ijt febr bei, aber nicht ungejund.
Erdſtöße find häufig und zerſtörten 1799 1837
die Stadt fajt villig. A. hatte ſeine Glanzzeit, ald es
1778 das ausſchließliche Recht fiir den Del Des
fpanifden Mutterlandes mit Ojtindien erhielt. Durd
den mexilaniſchen Unabhängigkeitskrieg und Erd-
beben verwüſtet, ijt UW. mit dem Wufbliihen Kalifor—
niens als eine Hauptdampferitation wieder etwas
emporgekommen (Schiffsverlehr 1899 : 548,686 Ton.).
Acarus, Die —— Acarina, Ordnung der
Spinnentiere, ſ. Milben.
Acarya, |. Bhaslara.
Acatenango, erloſchener Vulkan im ſüdlichen
Guatemala, 4150 m hod). Südlich davon Solfataren.
Ace., Abtürzung fiir accepi, id) habe erhalten,
angenonumen.
Bee... f. Wet... oder Bf...
Acca Laréntia (Larentina), in der rdm. Sage
bald Geliebte des Herfules und Gattin des reichen
TuSsfers Tarutius, defjen geerbte —— ſie dem
römiſchen Volle vermachte, bald Frau Hirten
Fauſtulus, Amme des Remus und Romulus; dieſen
adoptiert ſie nach dem Tod eines ihrer zwölf Söhne
und gründet mit ihnen das Kollegium der » Flurbrii-
der« (fratres arvales). An ihrem Grab im Bela-
brum bradten ay pain am 23. Dez. die Pontijices
und der Flamen Quirinalis cin Totenopfer dar, das
die römiſche Gemeinde — Dank fiir thr Vermächt⸗
nis angeordnet hatte. Die sa pe Bedeutung
Der A. tit nicht gu ermittein. Val. Mommſen, Rö—
miſche Forjdungen, Bd. 2 (Berl. 1879).
Accedieren, Weeeleration ꝛc., ſ. UFxe...
Accédo (lat.), ich trete bei, ſtimme bei.
Accelerando (ital., for. attſchee), beſchleunigend,
allmablid ſchneller werdend.
Accent, ſ. Alzent.
Accentor, Flüevogel; Accentorinae, Unterfami—
lie der Sänger (ſ. cdots eri ie
Accentus ecclesiastici ({at.), dic Weifen, die
der Brediger bei gefangahnlider Verlejung der Evan-
gelien- und Epiſielabſchnitte zu beobadten hat. In
ein und demſelben Tone vorgetragen, erhielt die
Weije nur am Ende einer Periode verſchiedene genau
beſtimmte Biegungen. Die A. e. haben fic) in der fa-
tholifd@en und anglifanifden Hochkirche, 3. T. aud) in
den lutheriſchen Antiphonien und Molleften erhalten.
Accépi (lat.), »ich babe —— Accepisse
(Wesepilfe), ~Empfangenhaben«, Empfangſchein.
ceept, Aceh ꝛc., ſ. Alzept, Alzeß xe.
Accessorium (lat.), das Pinzulommende, Hin—
zutretende; Nebenſache, Vetwerk (ſ. Atzeſſion).
Acciaccatiira (ital., {pr. atſcha-, »Zuſammen—
ſchlag«), cine jegt veraltete Verzierung beim Orgel-
und Mlavierfpiel, die im gleichzeitigen Anſchlag der
fleinen Unterjefunde mit einem Wftordton bejtand,
mit fofortigem Wiederloslaffen des Nebentones.
Acciajuoli (Meciajolt, for. atiga-), alte und an—
Delsfamilie, die, unt 1160 aus Brescia in
jenornamente Is, Fig. 4 8, und Meurer, Die Florenz cingewandert, hier durch Handels- und Ban-
Accidens — Wcerra.
fiergeidafte gu qrokem Reidhtum und grofer Bedeu- |
tung gelangte; jie erfofd) 1834. RNiccold U. (geb. |
1310, gejt. 1366), berühmter Feldherr König Roberts
von Reapel, erwarb anſehnliche Beſitzungen in Grie-
chenland; infolgedefjen herrſchten sil A. als Her-
zöge von Athen, Theben und Korinth bis zur türki—
ſchen Eroberung. Bgl. Tanfani, Niccold A. (Flor.
Uccidens, Mecife ꝛc., ſ. Weyzi... (1863).
Accipiter, Dabidt; Accipitridae, familie der |
galfen; Accipitrinae , Unterfamilie derjelben.
Accis, joviel wie Baraquaytee, ſ. Ilex.
Accius (Uttius), L, rom. Dichter, geb. 170
v. Chr. zu Piſaurum in Umbrien als Sohn eines
Freigelaſſenen, gejtorben um 90, erhob die römiſche
Tragödie auf ihren Gipfel. Jn feinen Stiiden, von
denen etwa 50 durd) Titel und Fragmente befannt
find, bearbeitete er nad) griechiſchen Dichtern fait alle
Sagentreife, daneben aud vaterländiſche Stoffe (Vru-
tus und Decius). Außerdem behandelte er gramma-
tiſche, literarhiſtoriſche und antiquarifde Bragen nad
der Mode feiner Zeit in metrifder Form (5. B. in den
» Didascalica« und »Pragmatica« dramatiſche Poeſie
und Biihnenwefen). Die dramatifden Bruchſtücke bei
Ribbed, »Tragicorum roman. fragmenta« (3. Aufl.,
Leipz. 1897), die übrigen in Lucian Müllers »Luci-
lius« (Daf. 1872). Bgl. Ribbed, Die römiſche Tra: |
gödie im Zeitalter der Republif (Leipz. 1875).
Accoͤlti, Bernardo, ital. Didjter, geb. 1465 in
Arezzo, geſt. 1. März 1535 in Rom, Sohn des Hu—
manijten Benedetto A., Kanzlers der Republif
Florenz. Sein glänzendes Talent als Improviſator
und feine ſchwülſtigen, inbaltlofen Gedichte erwarben
ihin bet den bewundernden Zeitqenoffen den Beinamen
l'Unico Aretino (»der einzige Yretiner«). Leo X. er-
nannte ifn jum apoſtoliſchen Sefretir(abbreviatore).
Seine poetiſchen Werfe (Vened. 1519 u. 6.) beftehen
aus vermiſchten Gedidten und cinem Lujtipiel: » Vir-
ginia« (1494), das die Geſchichte Der Giletta von Nar-
bonne (nach Boccaccio, Decamerone III, 9) behandelt.
Val. Guarnera, Bernardo A. (Palermo 1901).
Accoménda (mittellat., von accomendare, »an-
vertrauen«) oder Commenda, die Borlauferm der
heutigen Kommanditgeſellſchaft (ſ. d.), ein mittelalter-
liches Kreditgeſchäft geſellſchaftlichen Charafters, darin
beſtehend, daß ein meiſt in der Heimat verbleibender
Kapitaliſt (commendator) Waren, Geld, Schiff einem
reijenden Unternehmer (tractator, commendatarius)
hingab, der mit Dem anvertrauten Kapital überſeeiſche
Geſchäfte zu machen übernahm.
Accompagnato (ital., fpr. vanjãa⸗, »begleitet «),
techniſcher Ausdruck fiir das mit fortgehender Beglei—
verſehene Regitativ (f. d.).
ceoramboni, Vittoria, Herzogin von
Bracciano, die ſchöne und geiſtreiche Gemahlin
Franceseo Perettis, eines Neffen Sixtus' V. vermählte
ſich 1581 mit dem Mörder ihres Gemahls, dem Für—
ſten Orſini, der aber ſchon 1585 ſtarb. Cin Ver—
wandter des letztern, Ludovico Orſini, ermordete 21.
Dez. 1585 ſie ſelbſt nebſt ihrem Bruder Flaminio,
um ſie ihres Vermögens zu berauben. Sie iſt die
Heldin eines Romans von Ludwig Tied (» Vittoria
A.«). Bgl. Gnoli, Vittoria A. (Flor. 1870).
Accord, ſ. WUfford.
Accouchement (fr}., for. acuſchmang), Entbindung,
Geburtshilfe; Uccoudeur Gor. de), Geburtsbelfer.
Accrescéndi jus (Iat.), ſ. Unwadjungsredt.
Accrescendo (ital., fpr. acreſchendo, abgefiirgt:
accresc.), mujifalijdhe Vortragsbezeichnung, foviel
wie anwachſend, ſtärker werdend.
|
A. rejidiert in Matera) und (901) 4499
71
—*— (jpr. Gdringt'), Stadt (municipal bo-
rough) in Lancaſhire (England), hat eine Kirche St.
Janes aus dem 16. Jahrh., mehrere moderne Rir-
chen, ein hübſches Stadthaus, Rattundrucerei, Baum-
wollſpinnerei, Bleichen, chemiſche Fabrifen, mecha⸗
niſche Werkſtätten und (901) 43,095 Einw. In der
Nähe die Fabrikorte Church (6463 Cinw.) und
Clayton le Moors (8153 Cinw.).
Aceurfius (Uccorfo), berühmter ital. Redta-
gelehrter, geboren um 1182 ju Bagnolo bet Floreng,
lehrte feit 1221 in Bologna, jtarb awifden 1259 und
1263, Berfajjer der fogen. Glossa ordinaria zum
Corpus juris civilis (j. Gloſſe). Bgl. Landsbera
Die Goffe des W. (Leipz. 1883).
Acenaphthen (Uthylennaphthylen) C,,H,,
oder C,,H,(CH,), findet fic) im Steinfoblenteer, ent-
jteht berm Erhigen von Athylnaphthalin, bildet fard-
loſe Nadeln, ſchmilzt bei 95°, jiedet bei 277°, gibt
mit Chromfiure Naphthaljaure C,,H,(COOH),.
Acephala, f. Utepbalen.
Acer, der Ahorn.
Acerathérium Kaup., nashornähnliches Säuge-
tier, ohne Horn, den Tapiren nahejtehend; mit ftarf
entwicelten Schneidezähnen im Ober: und Untertiefer ;
im Oligocdn bis Pliocin der Witen Welt und Nord-
amerifas.
Acerazeen (Ucerineen, Ahorngewächſe),
difotyle, etiva 100 Arten umfaſſende Pflanzenfamilie
aus der Ordnung der
Askulinen, baumartige
Holzgewächſe mit meiſt
wäſſerigem Milchſaft, ge⸗
he igen, gejtielten,
meijt einfadjen, handför⸗
mig gelappten oder un-
paarig gefiederten Blit-
tern obne Nebenblätter
und GSpaltfriidten mit
zwei gefliigelten, nußarti⸗
gen aed then. Die meijten Urten gehören in die
Wattung Acer (jf. Whorn). Vorweltliche A. find aus
dem Tertiär befannt. Vgl. Rar, Monographie der
Wattung Acer, in Englers Jabrbiidern, Bd. 6 —8.
Acerbi (jr. atigersy, Giufeppe, ital. Reifender,
geb. 3. Mai 1773 in Cajtel Goffredo bei Mantua, geſt.
Dafelbjt 25. Uug. 1846, bereijte 1798 als erjter Ita—
liener Sfandinavien bis zum Nordfap und 1826—36
als öſterreichiſcher Generalfonful Unters und Mittel⸗
aignpten. Er verdffentlidte: »Travels through Swe-
den, Finland and Lappland to the North Cape
1798—1799« (Lond. 1802, 2 Bde.; deutſch von Wei-
land 1803) und »Lettere sul Egitto« in der von ihm
1816 in Mailand gegriindeten » Biblioteca Italianae.
renza (jpr. atip-), Stadt im der ital. Proving
Blite von Acer Psendo-
platanus. Durchſchnitt.
Potenza, auf einer Anhöhe iiber dem Bradano, hat
cin Rajtell, cine ſchöne Kathedrale (der oy og vor.
inw.
Acerina, ſ. Kaulbarſch.
Acerineen, ſ. Acerazeen.
Acernns, Sebaſtian Fabian, ſ. Klonowiez.
Acerosae, ſoviel wie Nadelhölzer, ſ. Koniferen.
Acerra (lat.), Weihrauchkäſtchen; in der Huma—
niſtenzeit beliebter Buchtitel für Sammlungen des
Denkwürdigſten aus dem Gebiet einer Wiſſenſchaft,
B. A. philologica (philologiſches Schmucttäſtchen).
Acerra (pr. atig), Stadt m der ital. Proving Ca-
jerta, Kreis Nola, an der Eiſenbahn Rom-Reapel,
Biſchofsſitz, mit einer nad dem Erdbeben von 1788
umgebauten Rathedrale, Sdwefelquellen und (1901)
72
16A43 Coup. — A. erfielt 331 v. Chr. dad romijde |
—————
|
Aectabularia, Algen (Grinalgen).
Acetabalum ({ct.), re Gelenfpfanne tm Beden |
far ben Ropi des Cberichenlels, ſ. Beden. !
Acetai Arhylidendiathylather) C,H,,0, |
eter CH, CH OC,H,), findet ft in durch Kohle fil: |
filation und m alten Benen; es entitebt bei Oryda- |
tom von Alfobol mut Sraunitemm und verdiinnter
— Sete Re eee —
a article Fiifigtet riecht enehm
Geter, exiritend, tne Gewicht 0,201 bei 23°, fcdet |
bri 166°, lich m 14 Tetlen Gaffer, miſchbar mit |
AttoboA, grit ent EFigiaure Uthylacetat und Aldehyd
wut Cfroccigure Eigiãure. U. wirtt idlafbringend
ogratamhten s (juftein).
UcetaldehH, |. 7
Mecetaldozim , |. Aldoxime.
Micetale (LH, (OCH, entſtehen bei Oxy⸗
batson vom Alloholen burd) Beremiqung der Ulfobole |
mart unter Austritt von Waſſer, find in |
Balier wemg, in Allohol und ther leicht löslich und
werten berm Erwãrmen mit Salzſãure in ihre Be-
ftanbterle yeriegt.
MUcttanilid (HNO oder C,H,NH.CO.CH,, cin |
Finda, m dem 1 Atom Waſſerſtoff de3 Wmmonial-
recites Durch Acetyl C,H, O vertreten tit, entitebt beim
Erhitzen von Unilin mut faure oder Thiveffig-
fdure, bildet farb- und gerudjlofe, ſeidenglänzende
Kriitalle, lit Hid — in faltem, leichter m heißem
Bafjer, Ulfohol und Ather, ſchmilzt bei 112°, fiedet
bet 304° und wird als Untifebrin gegen Fieber,
mehr als ſchinerzlinderndes Mittel angewendet, hat
aber bidwerlen fible Rebenwirfungen.
Acetate, joviel wie Eſſigſãureſalze, 3. B. Natrium-
acetat, eſſigſaures Natron.
Aceteffigidure (Acetyleſſigſäure) C,H, 0,
oder CH,.CO.CH,.COOH eine -Retonfiure, findet
jid) an Natrium gebunden im Harn bei Zuckerruhr
Acetabularia —
, tronlauge wieder zerjebt werden (
Acetylbenzol.
des benutzten Efſigs und des jugefesten Ammonials,
woraus ſich der Gehalt an Gfaghaure berechnen lapt.
Aceton (Dimethylfeton, Eſſiggeiſt, Bren; -
effiqgeitit) C,H, O oder CH,.CO.CH, findet fid m
der ausgeatmeten Luft, mm Blut und m Harn, be-
fonder bei 3uderrubr(Ucetonurie), entitebt bet trod-
ner Dejtillation eifigiaurer Salje oder aus Eſſigſaure⸗
Dampfen bei Rotglut, findet ſich daher im rohen Holz⸗
geijt und in den Broduften der trodnen Dejtillation
vieler organiſcher Subjtangen. Reines UW. erbalt man
durch trodne Dejtillation von eſſigſaurem Baryt. Jn
der Technik deftilliert man re estat Stalf und
reinigt das Dejtillat durch Chemifalien und Reftin-
fation. A. bidet eine farblofe Flüſſigleit von ftarfem,
an Effigather erinnerndem Gerud und brennendent
Geſchmack, ſpez. Gew. 0,792 bei 20°; es miſcht fid mit
Bafjer, Ulfohol und Wther, fiedet bet 56° und laßt ſich
leicht entziinden. Wit den Bifulfiten der Witalien bil-
det A. Erijtallijierende Berbindungen, die dDurd Ra-
utzung jur Rei⸗
nigung von robem A.). Durch Chromſäure wird er
ju Ameiſenſäure und Eſſigſäure oxydiert, durch Na—
triumamalgam zu Sfopropylalfobol reduziert. A. löſt
Kampfer, Fette, Schießbaumwolle und ſcharf gedarr—
ten Kopal und dient zur Bereitung von Firniſſen (7.
| Zapon), zur Darjtellung von Sulfonal, Chloroform
und Jodoform, rauchſchwachem Pulver, Zelluloid-
waren. Ucetondle ———— bet der techni⸗
iden Darjtellung von YL.) bejtehen aus Ketonen, Al-
debyd, Rondenjationsproduften des Ucetons r¢., fie
ſcheiden fic) aus dem erjten Dejtillat ab und fommen
al8 leidte (Siedepunft 75 —130°) und ſchwere (130
bid 250°) im Den Handel. Sie dienen jum Reinigen
von Unthrazen. Als geheimer Weingeiſt wurde
A. ſchon von den Udepten mediziniſch benugt und fin-
det aud) jeBt nod) Verwendung bei Schwindſucht und
Reuralgien. Bgl. Beder, Das A. und feine medi-
ziniſche Anwendung (Mühlh. 1867).
Acetonamie , ſ. Acetonurie.
Acetone, ſ. Ketone.
Acetonurie (lat. grch.), bad Uuftreten von Uceton
im Harn bei fieberhaften Rranfheiten, chroniſchen
und entiteht bei Einwirlung von Natrium auf Effig- | Magen: und Darmfranfheiten und bei der Zuckerharn⸗
fauredthylather. Das zuerſt entitehende Broduft gibt | rubr. Das Uceton kommt dann gleichzeitig aud) tm
mit Effighiure Uceteffigdther, aus dem die U. durch Blute vor (Ucetonamie). W. kennzeichnet ſich durch
Berjeifen gewonnen wird. Sie ijt —— zer⸗ | objtartigen Geruch des Atems, weil ein grofer Teil
fallt beim Erwarmen m Kohlenſäure und Uceton. des Ucetons durch die Lunge ausgefdieden wird. Jn
Wceteffighduredthylather (Uceteffigadther) | Berbindung mit A. findet fid aud Diaceturie, d.b.
CHO, oder C,H,.C,H,O, bildet eine farblofe | das Uuftreten von Uceteffighiure im Harn.
Ziuff leit, riecht obſtartig, ſpez. Gew. 1,026 bei 20°,| Acetophenön (Phenylmethylketon, Ucetyl -
ſiedet bei 181", ijt in Waſſer wenig löslich, mit Waſſer- ben zoh) C. H,.O oder C,H,.CO.CH, entſteht beim
dampfen flüchtig, verhält ſich gegen Baſen wie eine
einbaſiſche Saure. Mit alloholiſcher Kalilauge zerfällt
ex in 2 Moleküle Eſſigſäure und Allohol, mut ver- |
Erhitzen von efiiqhaurem mit benjoejaurem Ralf, aud
beim Roden von Benzol mit Ucetyldplorid und Alu—⸗
miniumadlorid. Farblofe, große Kriſtallblätter, riecht
dunnter wäſſeriger Kalilauge in Aceton, Kohlenſäure angenehm aromatiſch, ſchmeckt ſchlecht und ätzend,
und Allohol. Er tauſcht zwei Waſſerſtoffatome gegen | reagiert neutral, ſchmilzt bet 20°, ſiedet bet 202°, ijt
Wifyigruppen um und gibt mit Widehydanumoniat | fehr wenig (Batic) in Barer, mifdbar mit Allohol und
Eyridinderivate, mit Anilin Chinolinderivate x. Ex | Uther, wird als ſchlafmachendes Mittel (Oypnon)
tft für Die chemiſche Synthefe von Wichtigfeit. ewendet.
cetine, Eſſigſäͤureeſter des Glyzerins; aud fon- cétphenetidin, ſ. Bhenacetin.
jentrierte Cifighiure als Ugmittel. | Acétum (lat.), Eſſig; A. aromaticum, aromati—
Acetometer (Ucetimeter, Effigmeffer), von | fdjer Eſſig; A. glaciale, Eiseſſig; A. pyrolignosum,
Otto angegebener Apparat zur Briifung der Stärle Holzeſſig; A. plumbi s. saturninum, Bleieffig; A.
des Effigs, beitebt aus einer an einem Ende zuge vini Weineſſig; A. scillae, Meerzwiebeleſſig.
ſchmolzenen Glasröhre, worin der mit etwas Lagmus eicethi „die Atomgruppe CH,.CO, die in vielen
linttur rot gefärbte Eſſig mit ſehr ſchwacher Upam- Verbindungen vortommt, wie im Aldehyd CH, . COH,
moniaffliiffiqtert fo lange verfegt wird, bis die rote in der Eſſigſäure CH,.COOH x.
Harbe eben in Wau tibergeqangen, der Effig alfoneu-| WeetHlaldehyd, f Aldehyd.
tralifiert iſt. Die Sfala an Der Rohre ergibt die Wenge Acetylbenzoi, ſ. Acetophenon.
| aw
Acetylen — Achäer. 73
Mcetylén (Uthin, Klumegas) C,H, findet ſich
in geringer Menge im Leudtgas, befonders nm Digas,
entiteht aus den Elementen, wenn man den eleftri-
iden Flammenbogen swifden Kohlenfpigen in Waſſer⸗
jtoff ergeugt, beim Erhigen von Chloroform mit Ra-
trium, berm Bebandein von Äthylenbromid mit al-
tobolifder Ralilauge, aus Äthylen, Wifohol- und
Utherddimpfen im gliihenden Rohr, bei unvolljtindi-
er Berbrennung von Lendtgas und wird durd
—J—— von Calciumfarbid mit Waſſer dargeſtellt:
CaC, + 2H,O = C,H, + Ca(OH),. 1 kg Calcium-
farbid liefert etwa 340 Lit. A. Bei der Serfegung
des Calciumfarbids durch Waſſer wird viel Warme
entwidelt; trifft Das Waſſer auf überſchüſſiges Cal-
ciumfarbid, fo entitehen infolge ftarfer lofaler Er—
hitzung benjol- und teerartiqe Produfte, und wenn
fid) Das Gas dabei unter Drud befindet, tinnen Ex-
plojionen eintreten. Sur BVermeidung dieſer Ubel-
ſtände find viele Upparate fonftruiert worden. Bei
dem Upparat von Pintſch fallt das zerfleinerte Kar—
bid durch ein ee auf einen unter Wafjer befind-
lidjen dDrehbaren Roſt. Das entwickelte Gas entweidt
durd) das Wajfer, während das gebildete Kalfhydrat
durd) den Roſt fallt und durd cin am Boden des
VUpparats befindlides Mannloch nad Bedarf entfernt
wird. Das robe U. enthalt geringe Wengen Phos—
phorwaſſerſtoff, Sdwefelwa * Ammoniak ꝛc.
und einen ſchwefelhaltigen Körper, der ihm einen
höchſt unangenehmen Geruch verleiht. Das A. iſt um
ſo reiner, je ſorgfältiger bei der Darſtellung Erhitzung
vermieden wird, und fann durch Chlorfalf leicht ge-
reinigt werden. A. ijt ein farblofes Gas von ange-
nehni ätheriſchem Geruch, fpe3. Gew. 0,008, verflüſſigt
ſich bet O° unter einem Druck von 21,5 Atmoſphären.
Die kritiſche Temperatur ijt 37°, der tritijde Drud
betriigt 68 Atm. Das ſpezifiſche Gewicht des fliijfigen
A. bet O° beträgt 0,45, es erjtarrt bei ſchnellem Ver—
löſt Wafjer fein gleiches Volumen W., Alkohol 6 Vol.,
Uceton 25 Vol., bei 12 Utm. Drud 300 Vol. Es
brennt mit bell leudjtender, ftarf rugender Flamme.
A. ijt fehr leicht zerſetzlich, durch den elektriſchen Fun-
fen oder eine Knallquechſilberpatrone ällt es in
Waſſerſtoff und Kohlenſtoff, und hierbei wird ſo viel
Wärme frei wie bei der Verbrennung des gleichen
Volumens Waſſerſtoff zu Waſſer. Bei gewöhnlichem
Drud pflanzt fic) dieſe Zerſetzung im remem A. nicht
über die nächſte Umgebung hinaus fort, bei einem
Druck von mehr als 2 Utm. explodiert aber die ganze
Maſſe. Viel ſtärker und leichter erplodiert dag fliiffige
UW. Mit 125—2O0 Vol. Luft bildet W. ein erplojives
Gemenge. Die Entziindungstemperatur des A. liegt
bei 480°. Beimenqungen von Äthylen, Olgas machen
A. auch unter höherm Druck unempfindlich gegen
Knallquechſilberzündung, aud die Löſung in Uceton
explodiert nidjt. Mit Waſſerſtoff verbindet ſich A. zu
Athylen, mit Chlor verpufft es im Sonnenlicht, mit
Kalilauge bildet es im Tageslicht Eſſigſäure, auch
polymeriſiert es ſich leicht, indem aus 3 Molekülen A.
1 Mol. Benzol C. H, entſteht. Die beiden Waſſerſtoff—
atome im A. ſind durch Metalle erſetzbar. Die Alkali—
und Erdallkalimetallverbindungen ſind in der Hitze
beſtändig und entwickeln mit Waſſer A. Acetylen—
tupfer und Acetylenſilber, aus ammoniakaliſcher Kup⸗
feroxydul⸗, bez. Silberlöſung durch A. gefällt, find
beſtãndig gegen Waſſer, aber trocken äußerſt exploſiv.
Beim Einatinen größerer Mengen von A. wirkt es
betãubend. Man benutzt A. in der chemiſchen Analyſe
zur Fällung des Kupfers aus ſeinen Löſungen, in der
Technik als Heizgas für Gasmotoren (1 kg Calcium⸗
larbid liefert etwa 2 Pferdeſtunden). Der hohe pyro-
metrifde Effelt der entleuchteten Ucetylenflamme
wurde ausgenutzt zur Ronjtruftion eines Schmelz—
ofens fiir Temperaturen von 1500° und dariiber, em
Ucetylengeblafe fann das Knallgasgeblife erſetzen.
Von Kieſelgur und einem fauerjtoffabgebenden Kör—
per aufgejogenes flüſſiges A. wird als Sprengitoff
entpfoblen. Flüſſiges U. ijt ein Sprengitoff im Sinne
des ReidhSgefepes vom 9. Juni 1884.) Die Stahl-
indujtrie benugt YW. zum Zementieren von Stahl und
um Stahlgeriiten bis gu emer gewifjen Tiefe größern
Gehalt an Kohlenſtoff zuzuführen. Unter einem Druct
von 2 Utm. liefert 1 chm YW. bei Zerſetzung durch
einen eleftrifden Funfen oder einen glühenden Drabht
1 kg ſehr weiden leidten Ruf. Größte Verwendung
findet A. als Leudtgas (jf. d.). E8 wurde 1836 von
Edmund Davy entdedt, als er Raliumfarbid mit
Wafer übergoß (Ralium — Klumia). Willſon ſtellte
es in Amerila im großen aus Calciumfarbid dar
und fudjte 1894 mit Diderjon die Ucetylenbeleud-
tung eingufiifren. Bgl. Tenner, Fabrifation des
Calciumfarbids und des A. und feine Verwendbarfeit
(Schineb. 1896); Bictet, L’Acétyléne (Baf. 1896);
Liebetanz, Handbud der Calciumfarbid- und Ace—
tylentedjnif (2. Aufl. Leip;. 1899); Vogel, Ucetylen-
pare (alle 1901); ⸗Jahrbuch fiir A. und Rar-
id« (daſ., feit 1900); Vato, »A. in Wiſſenſchaft
und Induſtrie⸗ (daſ., ſeit 1898).
Acetylene (Alkine), Kohlenwaſſerſtoffe von der
Formel C,H,,-, mit dreifader Bindung CH=CH,
vereinigen fid) mit Waſſerſtoff im Entitehungsmoment
gu Olejinen, die alsdann m Paraffine tibergehen fin-
nen. Sie werden durch fonjentrierte Schwefelſäure
abforbiert, wobei fid) einige ju aromatifden Kohlen⸗
wafferjtoffen polymerijieren. Mit ammoniafalifden
Löſungen von Silberjaljen und Rupferorydulfalyen
Dunjten und ſchmilzt Dann wieder bei —S81°. Bei 18° |
geben die monoalfylicrten A. wie Ucetylen felbjt fri-
ſtalliniſche Verbindungen.
Acetvlfaticylfaure, foviel wie Wspirin.
AcetHlfaure, foviel wie Eſſigſäure.
Ach, Flu, f. Wa.
Ach., bei Pflanjennamen Ubfiirjung filr Criq
Udharius (f.d.).
Adhadh, |. Hajchiidh. |
caer, einer der vier Hauptitamme des helleni-
ſchen Bolted, der feinen lirjprung von Wd ios, einem
Sohne des Xuthos und Enfel des Hellen, ableitete.
Sie waren den Woliern nahe verwandt und fafen
an verjdiedenen Stellen der qriechiidhen Küſte, fo
in PHthiotis, wo Peleus und Achilleus herrſchten.
Bon da breiteten fie fid) guerit in Urgolis und dann
liber einen grofen Teil des Peloponnes aus, fo daß,
da in der ——— das adhiiifde Königshaus der
Utriden in ganz Griedenland von vorwiegendent
Cinfluk war, bet Homer der Name W., wie der
der Argeier und Danaer, aud) zur Bezeichnung der
Grieden insgefamt gebraudt wurde. Die Dorijde
Wanderung (j. Dorier) madte fajt allen ihren Staa-
tenbildungen im Beloponnes allmählich ein Ende.
Die Bewohner vermifdten fic teils mit den Erobe—
rern. Cin andrer Teil wandte fid) im Verein mit
Aoliern nad) der nordweſtlichen Küſte von Kleinaſien,
wo fie in langwierigen Kämpfen Dardanien (Troas)
eroberten. Die fie verherrlidjenden Sagen und Lieder
jind ſpäter mit andern gu der »Dlias« zuſammen-—
gefaßt worden. Nur in Arkadien behaupteten die A.
ihre Unabhängigkeit und nahmen von bier aus, unter-
jtiigt von Stammesgenoſſen aus YUrgolis, den Jo—
74
niern da8 nördliche Küſtenland (Ägialos) ab, da8
ſeitdem Wdaia (f. d.) genannt wurde. Die zwölf
Achderwein — Achalzych.
waned ſ. Griechifde Weine.
ia (in älteſter Reit Agialos, f. Karte »Wit-
Städte de3 Landed bildeten einen Staatenbund und | qriechenland<), ei Landſchaft des alten Pelopon⸗
jtanden anfangs unter der Herrjdaft von Königen, ne’, auf der Nordfiijte gelegen, fiidlic) von Urfadien,
es Orejtes Nachfommen, deren legter Ogyges war. | ſüdweſtlich von Elis begrenst. Es hat nur im BW.
Auf das Königtum folgte eine gemäßigte Demofratie. | eine größere Strandebene (das Gebiet der Stadt
Den Verwidelungen des iibrigen Griechenlands blie- Dyme), im iibrigen ijt es von Gebirgen erfiillt, und
ben die W., durch die Ubgefdloffenbeit des Landes
begiinjtigt, bis mS 4, Jabrh. v. Chr. meiſt fern, aber
bet Charoneia (338) kaͤmpften fie mit für Griechen⸗
lands Freibeit. Die makedoniſche Herrjdaft wurde
von dem achäiſchen Boll, das von urjpriinglider und
traftvoller Art war, befonder3 hart empfunden. Die
A. benugten deShalb die Thronjtreitiqteiten und andre
Verwirrungen in Makedonien zur Vertreibung der
Bejagungen und zur Erneuerung des im Laufe der
Zeit aufgeldften alten Achäiſchen Bundes (280).
Wrapere — dieſer Bund aber erſt 251,
als Aratos von Sikyon zum Bundesfeldherrn (Stra⸗
tegen) gewählt wurde. Die bedeutendſten Städte des
Peloponnes, wie ſtorinth, Epidauros, Megalopolis
und Argos, auch mehrere Städte des mittlern Grie—
chenland, z. B. Megara und ſelbſt Athen, traten dem
Bunde bei, der bei möglichſter Gleichheit und innerer
Freiheit der cag. age Staaten nad) außen fejt und
einig daſtand.
Strateg, der mit dem Hipparden und Nauarden die
Streitfrafte befebligte und mit den zehn Damiurgen
(Rat&mannen) die regelmäßigen Bundesverjamne-
lungen in Agion zur EntidetdDung über Krieg und
Frieden und iiber Biindnisvertraige zuſammenberief
und Ieitete. Den ganzen Peloponnes fiir den Bund
zu gewinnen, fdeiterte an Spartas und Elis’ Weige—
rung und an der Eiferſucht der Utolier. Yn dem aus-
bredjenden Kampfe jog Aratos den kürzern und rief
Daher den — — König Antigonos Doſon zu
Hilfe. Die Schlacht bet Sellajia (221) entſchied zwar
fiir die A., aber aud) der Achäiſche Bund ſelbſt hatte |
jeine nationale Bedeutung verloren. Erneute Kämpfe
gegen die Atolier (Bundesgenoſſenkrieg, 220 — 217),
Dann gegen Die Römer im Bunde mit Philipp V. von
Maledonien (211— 205), zuletzt geqen die Makedonier,
gegen die fie thre frühern Feinde (ſeit 198) unter-
ſtützten, Streitigfetten Der Bundesjtadte untereinan-
der und der politifden Parteien in den einjelnen
Städten und auf den Tagfagungen, daneben die er-
bittertiten Kämpfe mit Nabis und Madhanidas, den
Tyrannen von Sparta, rieben die Rrafte des Bundes
auf. Während des dritten römiſch-maledoniſchen
Krieges 171—168 blieben die A. neutral, gerieten aber
gerade dadurch in völlige Abhangigfeit von den Sie—
gern, die 1000 Der edelften A. wegen mafedonifder
Sefinnung im J. 167 nach Rom zur Verantiwortung
forderten und fie in Stalien als Gefangene zurück
hielten. Fernere Gewalttaten der Romer reizten die |
W. endlich 146 zur Kriegserllärung. Jor Strateg Kri—
tolaos wurde aber von Metellus bei Sfarpheia, fein
Nachfolger Dios von Mummius bet Leufopetra be-
Der oberite Bundesbeamte war der |
gwar teilS pon den nördlichen Vorbergen des nord-
arfabdifdjen Randgebirges, teils vom Banadjaifon
(Boidias), das fich etwa in der Mitte des Landes
1927 m hoch erhebt und feine Abhänge fächerförmig
egen N. bis ans Meer ausbreitet. Vor den *
tuürzen zahlreiche, meiſt nur zur Regenzeit Waſſer
führende Bäche herunter, die ihre Geſchiebe an den
veränderlichen Ufern ablagern und an der Mündung
meift fleine Deltas bilden. Die bedeutendjten diefer
Gießbäche find der Pieros (Kamenitza), Selinus (jetzt
Fluß von Bojtitia), Erajinos oder Buraifos (Flu
von Kalavryta), Krathis (Wfrata) u. a. Die Gebirge
waren im UWltertum mit dichten Wäldern bedectt und
reid) an Wild, die untern Abhänge und der Küſten—
faum mit Frudtfeldern und Weingärten, an deren
Stelle jest lings der Küſte meiſt Rorinthenpflangungen
getreten jind. Die urjpriinglide Bevöllerung bejtand
aus Soniern, die aber ſpäter den von O. ber ein:
dringenden Achäern weiden mußten. Die von den
erjtern gegriindeten zwölf Stidte: Dyme, Olenos,
Pharä, Patri, Rhypes, Ugion (mit dem Bunded-
heiligtum des Beus), Helife (an Stelle der beiden
letztern ſpäter Yeontion und Rerynia), Bura, Agä,
Hyperafia, Pellene und Tritaia, lagen meiſt an der
Riijte und bildeten eine Eidgenoſſenſchaft fleiner Ge-
meinwefen, die im letzten Jahrhundert der ſelbſtän⸗
digen Geſchichte Griedenlands gu grofer Bedeutung
qelangte (jf. Achäer). Sur Beit der Romer begriff
man unter A. im weitern Sinne das ganze Gri :
fand mit Ausſchluß Theffaliens. — Im bHeutigen
Königreich Griechenland bildet A. einen Nomos mit
(iso 144,800 Einw. und der Hauptitadt Batra.
Achäiſcher Bund, ſ. Achäer.
Achalandieren (franj., for. aſchalangd⸗), Kunden
an ſich ziehen, in Kundſchaft bringen.
Achalm, iſoliert liegender Berg der Rauhen Alb,
701 m bod, mit den Ruinen der gleichnamigen Burg,
ſchöner Ausſicht und ciner Mutterichaters am Ab⸗
hang. Eine Grafidaft A. wird ſchon 603 erwähnt.
chal Teffe, früher Kreis des rujfijd-afiat.
Transfafpifchen Gebietes, ditlich vom Kaſpiſchen Meer,
zwiſchen Dem Bezirk Kraſnowodſt und der Wiifte
fiegt, Norinth, wo eine larmende Tagiagung die For⸗
dDerungen der Homer verworfen hatte, zerſtört, der
Achãiſche Bund aufgelöſt u. ganz Griechenland in eine
römiſche Proving (Wd aia) verwandelt (146 v. Chr.).
Bal. Klatt, Forjdungen zur Geſchichte des Achäi
ſchen Bundes (Gert. 1877); Derfelbe, Chronologiſche
Beitrage sur Geſchichte dee Achäiſchen Bundes (daf.
1883); M. Dubois, Les ligues étolienne et aché-
enne (Bar. 1884), Capes, History of the Achaean
league (Lond. 1888); Freeman, History of federal
government in Greece and Italy (2. Aufl., daf. 1893).
Karakum im N. und Perſien im S., jest Kreis Af dha -
bad genannt, cin Dafenjtrich, der fic) von Kiſil Arwat
als ein 250 km Langer, ſchmaler Landjtrid lings des
Kopet Dagh über Bami, Gök-Tepe, Aſchabad bis nad
Serachs zieht und aud) die Bezirke Attel (Hauptort
Naafa) und Durun (Hauptort Badarden) umfaft.
Zahlreiche Bache entitrdémen dem Kopet Dagh, die,
von den (1897) 92,275 Bewohnern, meiſt Tefingen,
in unzählige Randle gelcitet, in dem vortreffliden
Boden überall itppiges Leben erweden. Hauptbe—
ſchäftigung ijt Viehzucht (Schafe, Kamele, Pferde,
Rinder). Der Bezirk wird in ſeiner ganzen Lange
von der Transkaſpiſchen Eiſenbahn durchzogen.
Hauptitadt iſt Aſchabad (f. d.). Das Gebiet wurde
nad Erſtürmung von Git: Tepe (f.d.) durch Stobelew
1881 in Rußland emverleibt.
Achalzych (georg. Achal side, »Neuſchloß«)
Kreis des ruff. Gouv. Tiflis (Transkaulaſien),
2656 qkm mit (1897) 69,144 Cinw., sur Halfte Urme-
nier, ein Drittel Tataren. Die gleidnamige Haupt-
Achämenes — Achat.
ftadt und Fejtung, links am Poſchowtſchaj, Neben-
flu der Kura, nahe der türkiſchen —— 1029 m
ti, M., hat in der Zitadelle eine ſchöne Moſchee, dic
in cine ruſſiſche Rirdhe umgewandelt und mit einer
höhern Unterridt3anjtalt verbunden ijt, bedeutenden
Handel mit Produlten de3 Uderbaue3 und der Vieh-
dt und (1897) 15,387 Einw. (Urmenier, Georgier,
uden, Ruffen). —- Urſprünglich die Hauptitadt emer
georgiiden Provinz, feit 1579 die von Türkiſch-Ar—
menien, wurde YW. 1828 von Paskewitſch genommen
und Ende 1853 von den Tiirfen blociert. Seit 1846
war A. Kreisſtadt des Gouv. Rutals, dann von Tiflis.
Hamenes (griech. fiir das perj. Hacha manis),
altper}. Name des (vielleidht nur mythifden) Whn-
herrn der über Berjis und Sufiana herrſchenden
Familie der Achämeniden, die mit Kyros die
Herrſchaft über gan; Borderafien erlangten und bis
330 v. Chr. regierten. S. Perſien.
Achamoth, in dem grot. Sytem des Valentinus
(j. d.) und der »Pistis Sophia« die niedere Weisheit,
die als das leidenſchaftliche Weſen der höhern Weisheit
von dieſer abfallt, in Das Reich der Materie verſtoßen,
bier ben Stoff befeelt, Mutter des Weltbildners (De-
miurgos) wird und nad langer, banger, namentlid
in Dem Bude » Pistis Sophia« romanhaft gefdilderter
Wanderung infolge der Erlöſung durch Chriftus
wieder zu Gnaden aufgenommen und in die gottliche
Fülle des Äonenreichs zurückgeführt wird.
odes, foviel wie Achene.
Achaos, ſ. Achäer.
Achard, Fran; Karl, Phyſiler und Chemiler,
eb. 28. April 1753 in Berlin, geſt. 20. April 1821
in Runern, jtudterte Phyſik und Chemie und wurde
1782 Direftor der phyſilaliſchen Klaſſe der Alademie
der Wijfenfdjaften. UW. befchaftiqte fich feit 1786 auf
feinem Gute Kaulsdorff bei Berlin mit dem Anbau
der Runfelriibe und der Gewinnung de3 Zuckers aus
dDerjelben. Nachdem von der Regierung veranlafte
Verjude in Berlin ein spiinttiges Refultat geliefert
Hatten, gewährte der König YW. ein Darlehen von
50,000 Zir. zum Unfauf des Gutes Runern in
Sdhlefien, auf dem 1801 die erjte Runfelriibenguder-
fabrif erbaut wurde. Dicfelbe wurde fpater im Rriege
— 1810 aber ſo weit sates a 5 veo unt alg
ebranftalt dienen zu können. YW. ſchrieb: »Bor-
lefungen fiber Erperimentalphyfit« (Berl. 1791—92,
4 Bde.) und »Die europäiſche Ructerfabrifation aus
Runfelriiben« (Leipz. 1809, 3 Bde.; 2. Mufl. 1812).
Val.S heibler, Ultenitiicde sur Gefchichte der Riiben-
guderfabrifation in Deutidland (Berl. 1875).
Adharius, Crid, Botanifer und Arzt, geb. 10.
Olt. 1757 in Gefle, geſt. 14. Mug. 1819 zu Wadjtena,
raktizierte feit 1782 in Sdhonen, feit 1789 in Wad-
tena, wurde 1801 daſelbſt Profeſſor der Botanif. A.
beqriindete die Syſtematik der Flechten durch feine
Sdriften: »Lichenographiae suecicae prodromus«
(Linfoping 1798); »Methodus, qua omnes detectos
lichenes ad genera redigere tentavit« (Stod. 1803;
Hanib. 1805, 2 Tie.) ; »Lichenographia universalis«
(Gotting. 1810); »Synopsis methodica lichenum«
(Lund 1814).
Aharna, der größte der attiſchen Demen, nörd—
lid) von Athen, weitlid) und penta vom beutigen
Menidi gelegen, durch Ol- und Weinbau beriihmt,
von jablreidjen Roblenbrennern bewohnt, deren Mei-
ler im Barnes lagen. Nach A. heißt cine Komödie
des Ariſtophanes.
Acharnar, Stern a (1. Größe) im Eridanus.
A'chary-zira’, türk. Längenmaß, — 1 cm.
75
Achat (von dem Fluß Achates [Drillo} auf Sizilien
herjuleiten), Mineral, und zwar weſentlich Chalcedon
(aljo mifrofrijtallinifche ticket aurce) mit einer deutlich
Hervortretenden Binderung, bei der die eingelnen La-
en verfdiedene Farbe und Didtigheit zeigen (Fig. 1).
Die einjelnen Lagen find oft fo diinn, dak an hun-
dert auf 1 mm fommen. Die verfdhiedene Farbe rührt
gewöhnlich von Eijen- und Manganverbindungen her;
in den Onyxen wedfeln ſchwarze und weife, in den
Sardonyren rote und weiße Lagen miteinander
- Bandadat
ab; weniger dichte, mehr pordfe Lagen fann man mit
Farbſtoff tränken und künſtlich färben (vgl. unten).
Der meiſte A. kommt aus ſogen. Achatmandeln
(f. Tafel »Mineralien und Geſteine«, Fig. 12), die
in Melaphyr- und Porphyrgeiteinen auftreten. Sie
finden ſich gewöhnlich vereinjelt, in grdperer Menge
namentlich tm Melaphyr bei Oberjtein a. d. Nabe, hier
äußerlich oft mit Griinerde befleidet und im Innern
nicht felten Hohl und mit Amethyſt oder Ralffpat und
— ausgekleidet. Auch aus Uruguay kommen
eit 1834 ſehr viele oft rieſige Mandeln von A., die
fid) dort wefentlic) in Form von Gefdieben finden
ber fogen. brafilifde W.). Bei Oberjtein ſchmiegen
id) alle Chalcedontagen der äußern Wandelform an,
in den brafilijden Mandeln findet ſich im Innern
zuweilen cine Schicht planparalleler, horijontaler La-
gen. Nicht felten werden beim Durchſchleifen die Ka—
nile blofgelegt, durch welche Riefelfiure in den Man-
delraum etngedrungen ijt. Jn dieſem find die einzel⸗
Fig. 2. Triimmeradat.
nen Lagen, von außen nad innen fortidreitend, aus
der wäſſerigen Löſung abgeſchieden, wobei nicht felten
im Innern ein Hohlraum übrigblieb. Vom Monte
Tondo bei Vicenza kannte ſchon Plinius Chalcedon-
kugeln, durch deren durchſcheinende Wände man im
Innern Fliiffigfeit wahrninunt (Enhydros). Zu—
weilen bildet der A. auch die gangartige Ausfüllung
von Spalten in Melaphyr, Porphyr oder anderm
Geſtein. So findet ſich ein vielſtreifiger Bandachat
gangförmig bet Schlottwitz in Sachſen; an einer
76
Stelle iſt die ältere Achatmaſſe dieſes Ganges jer-
triimmert, und die Bruchſtücke find ſpäter durch Sie-
felfaure (Chalcedon) wieder verfittet (Triimmer-
adat, — und Tafel ⸗Mineralien und Geſteine⸗,
Fig. 20). Undre Benennungen, wie Fejtungs-, Ko-
——— x., beziehen ſich auf den zufälligen Ver—
lauf der Zeichnungen; der Moosachat (Baum—
achat, Mokkaſtein, ſ. Chalcedon) enthält ſchwarze
Mangandendriten; der Wolkenachat unregelmäßig
begrenzte wollige Trübungen (Mineraleinſchlüſſe);
der Regenbogenachat zeigt als Interferenzwir—
fung der dünnen Lagen Newtonſche Farbenringe.
Is ländiſcher A. ijt Obſidian, Löhlbacher A. it,
roter Jaſpis oder Eiſenklieſel, mexikaniſcher A. it
Onyrmarmor, orientaliſcher A. ſchön gefärbter
und durchſcheinender A., of;identalifder A. ein
weniger ausgezeichneter A.
Verwendung. Schöne Achate wurden ſchon von
ben Alten als Schmuchkſteine verwendet. Gegenwärtig
verarbeitet man jie ju Reibſchalen, Glättſteinen, Ka—
meen, Ringjteinen, Agraffen, Armbändern, Stoch⸗
tnidpfen, Meſſerſtielen, Schuſſern xc. Durch Brennen
veriindern manche Achate ihre Farbe, und da einzelne
Lagen des Steines porös genug find, um Flüſſigkeiten
poe sar net wibrend andre died nicht tun, jo läßt
jid) A. aud) farben. Erwärmt man A. anbaltend m |
verdiinnter Donig- oder Zuderlijung und fodt ibn
dann in fonjentrierter Schwefelſäure, jo wird der |
aufgefogene Zucker verfoblt, und die poröſe Schicht
farbt fic) ſchwarz, während die undurddringlide
weige Schicht nod heller und glänzender erjdeint.
Durd) verſchiedene Chemifalien lajjen ſich manderlei
Farben erjeugen. Zum Sdleifen des Achats be-
nugt man große Sdleifjteine von Sandjtein, die am |
äußern Umfang ebene Babnen oder Hohl- und Rund-
fehlen bejigen. Das Polieren geſchieht meijt auf
Waljen von hartem Holz, die mit feinem feudjten
Tripel oder Bolus bejtriden werden. Zum Bobhren |
dienen fdynell rotierende Stahlſtifte mit Diamantjtaub
oder Diamantitiiddhen.
U. wird in Yefaterinburg am Ural, in Sdlefien,
Baden, Sadjen, Bihmen, aud in China, Japan und
Pinterindien gefdlijfen, und in der Gegend von Idar
und Oberftein bildet die Achatſchleiferei cine Qn
dujtrie, die fid) urfpriinglid) auf das Borfommmen des
Achats in der Dortigen Gegend jtiigte, und deren An—
fange bis ns Mittelalter juriidgehen. Einen großen
Aufſchwung nahm fie in Der zweiten Hälfte des
18. Jabrh., wo man anfing, Wdhatwaren juerit in
Silber, Dann in vergoldeten Tombak zu faſſen. Nach
1813 entdedte man die Farbenverinderungen der
Steme durd) Brennen, und feit 1819 fennt man in
Dar das Geheimnis des Schwarzfärbens. Seit 1834
entwidelte ſich Die Uchatindujtrie auferordentlid, be
fonders, da die fiidamerifanifden Onyre das Auf—
bliihen der Steinfdyneidefunjt in Baris und Idar ver- |
anlajten. Für Ufrifa werden aus ſtreifigem A. Amu
lette(Oliven, Turmringe x.) gearbeitet. Val. Lange, |
Die Halbedeliteine aus der Familie der Quarze und
Die Gefdichte der Achatinduſtrie (Kreuznach 1868);
Nöggerath, Die Achatindujtrie im Fiirjtentum Bir—
fenfeld (Beri. 1877).
Achates, der treue Gefährte des Äneas auf der
Flucht von Troja; daher fidus A. ſprichwörtlich fiir
treuer Genoſſe.
Achatglaë, buntfarbiges, dem Achat ähnliches
Glas, das erhalten wird, wenn man verſchieden ge
färbte Glasſtücke bis gum Zähflüſſigwerden mitem-
ander erhitzt, Dann umrührt und ſofort verarbeitet.
Achates — Achen.
tjaſpis (Jaſpachath, Halbedelſtein, in dem
durchſichtige Lagen von Chalcedon (Achat) nit un-
durchſichtigen Lagen von Jaſpis wedfeln.
Adhatmandeln, |. Achat.
tſchnecke (Achatina Lam.), Gattung Der
Lungenidneden. Die maurifde W. (A. mauritiana
Lam.), die Rebhbubnidnede (A. perdix Lam.),
16 cm lang und 8 cm Did, kreuzweiſe gejtretft, mut
braunroten, welligen Langsflammen, m Siidafrifa,
und die Zebraſchnecke (A. zebra Lam., ſ. Tafel
Schnecken I<), 16 cm lang, wei, mit welligen, brau-
nen und roten Linien und Langsitreifen, auf Mada-
gastar, gehören ju den größten Landjdneden und
ſchädigen die Gewadfe. Scheibenfirmige Schalenjtiide
von Udatidneden dienen in Ungola als Münze. Ber
un finden fic) einige Meine Yrten, am häufigſten A.
lubrica Brug., 5—6 mm lang, länglich oval, horn-
farbig, durdjidjtiq, mit rotlidem Mundſaum, m
feudhtem Moos, unter Steinen.
my org — Chadem), f. Pariavölker.
, {- Ya.
A (Akeh), in Oberguinea — Vie Unze Gold-
ſtaub = 1,275 g, wird gegen andre Werteinheiten in
Ebrijtiansborg, Kumaſſi x. mit 6 Frank angerednet.
Achelis, 1) Ernjt Chriftian, prot. Theolog,
eb. 13. San. 1838 in Bremen, 1862 Bfarrer ju
Haſtedt, 1875 in Barmen, feit 1882 ordentlider Bro-
feffor Der praftifden Theologie in Warburg. Bon
jeinen Schriften find ju nennen: »>Chrijtusreden<,
Predigten (Freiburg 1890 —94, 3 Bde.); » Zur Sym-
bolfrage« (Berl. 1892); »Lehrbud) der praftiiden
Theologie« (2. Unfl., Leip3. 1898, 2 Bde.), im fiir-
zerer Faſſung als »Grundriß der praftifden Theo-
logie« (3. Aufl., Freib. 1899); »Wndreas Hyperius’
Homiletif und Katechetik, verdeutſcht« (Berl. 1901).
2) Thomas, Ethnolog. und Philoſoph, geb. 17.
Juni 1850 in Gripelingen bei Brenien, jtudierte m
Göttingen und ijt fett 1874 Lehrer am Gymnaſium
zu Bremen. Er ſchrieb: » Die Entwicelung der mo-
| Dernen Ethnologie« (Berf{. 1889); » Die Entwidelung
| Der Ehe« (Daf. 1893); » Uber Vinthologie und Rultus
von Hawat« (Braunfdw. 1895); »Moderne Balfer-
lunde, deren Entwidelung und Aufgaben« (Stuttg.
1896); ⸗»Ethik« (in der Sammlung Göſchen, Leipz.
1898) und » Soziologie« (ebenda, 1899); ——
der Lyrik Goethes« (Bielef. 1900); »Die Wandlun-
gen der PAdagogif im 19. Jahrhundert« (Berl. 1901);
» Die Efitafe in Religion und Kunſt« (daj. 1902) u. a.
Seit 1897 gibt er Das »Archiv fiir Religionswisjen-
ſchaft« heraus (Freib. i. Br.).
Acheldos, bedeutendſter Fluß des nördlichen Grie-
chenland, dem jetzigen Meg dova und dem Unterlauf
des USpropotamo entſprechend, entſpringt auf dem
Pindos, ſüdlich von Metiſovo, durchfließt in ſüdlicher
Richtung ein langes, enges Tal, zuletzt, als Grenz—
fluß der alten Landſchaften Ätolien und Akarnanien,
cine breite fruchtbare Ebene und mündet unfern des
Cinganges zum Bufen von Patras, der Anfel Kepha—
lonia gegeniiber, ins Joniſche Meer. — Jin Mythus
| ijt A. Der Gott diefes Stroms, der Sohn des Oleanos
und der Tethys, der älteſte der 3000 Bruderſtröme
und ihr König. Als er fic) tim Kampfe mit Herafles
um Deianeira (f. d.) in einen Stier verwandelt, bridt
ihm jener cin Horn ab, das er gegen das Horn der
Amalthea wieder eintaufdt. W. war in der ganzen
Griechenwelt verehrt. Er wurde bald als gehörnter
Greis, bald als Meerdrace oder Stier mit menjd-
lichem Geficht und langem Bart abgebildet.
Achen, Fluß, f. Achenſee; vgl. Ya.
Achen —
Achen, Johann von, Maler, der ſeinen Namen
von der Stadt Aachen, dem Geburtsort ſeines Vaters,
erbielt, geb. 1552 in Köln, geſt. 6. Jan. 1615 in Prag,
gina in feinem 23. Jahre nad Stalien, wo er fic) in
Venedig und Rom meijt nad) Tintoretto und Midel-
angelo bildete. Nad) Deutſchland suriidgefehrt, trat
er 1590 in bayrijde Hofdienjte, 1592 in die Raifer
Rudolfs IL. in Prag. VW. gehörte der Ridjtung der deut-
ſchen Malerei an, die dem italieniſchen Manierismus
folgte. Die kaiſerl. Galerie in Wien beſitzt eine Reihe
ſeiner Werke (bibliſche, mythologiſche und Porträte).
Achenbach, 1) Undreas, Maler, geb. 29. Sept.
1815 in Kaſſel, fam mit ſeinem Vater 1823 nad
Diijjeldorf, wo er von 1825—35 Schüler der Aka—
Demtie war und fic) unter Schirmers Leitung gum
Landſchaftsmaler ausbildete, dDaneben aber auch den
Einfluß Rethels erfubr, der befonders auf Achenbachs
Vorliebe fiir cine dramatiſch bewegte Staffage jeiner
Landjdaften eingewirft hat. Nachdem er anfangs
Landſchaften nad rheinijden Motiven gemalt hatte,
lernte er 1832 auf ciner Reiſe nad Holland die Nord-
und fpdter die Ojtice fermen und jog feitdem aud) die
Warinemalerei in den Kreis feines Schaffens. Cine
Marine mit einem Leudtturm (1835) und ein See—
jturm an Der ſchwediſchen Küſte (1836, in der Neuen
Pinafothef zu Minden) find feine erjten Werke diefer
Wattung. Naddem er fid) 1836 in Miinden und
1837 in Franffurt a. M. aufgehalien, wo er unter
andern einen Seejturm mit cinem ftrandenden Schiff
(im Städelſchen Muſeum dafetbjt) malte, madte er
1838 jeine erjte Reife nad Norwegen, dejjen Hod-
gebirge und Fjords abermals ſeinen Stofffreis er-
weiterten. Er nahm dann feinen Wohnſitz tn Düſſel⸗
dorf, wo in den folgenden Jahren die beiden Haupt-
werfe feiner erjten Beriode: der Untergang des
Dampfers Priijident im Cife des Atlantiſchen Ozeans
(1842, in Der Runjthalle zu Karlsruhe) und der Har-
danger Fjord bei Bergen (1843, in der Nunjthalle zu
Düſſeldorf) entitanden. 1843 trat A. gum Ratbholi-
zismus iiber, und in demſelben Jahr unternahm er
cine Reiſe nad) Ntalien, wo er bids 1845 blieb, ohne
dak dieſer Uufenthalt feine von Grund aus realijtifde |
Naturauffajjung wejentlid) beeinflupte. Die Pon—
tinijden Siimpfe (1846, in der Neuen Pinalothek ju
WMiinden), die Syflopenfelfen (1847, im Muſeum ju
Philadelphia), cine Landſchaft von Corleone (1852)
und bie Scylla an der Küſte von Sizilien find die
Hauptfriicte diefer ttalienifden Studien. Bei weitem
mehr al8 diefe beſchäftigte thn in Den 5Oer und 6Oer
Jahren die nordijdje, befonders die niederlandijde
Strandlandjdhaft, Die ihm Die Vorwürfe ju ciner
großen Zahl von Bildern gab, in denen er das Treiben
und Scaffen der Fifder und Seeleute am Strand
oder auf der See in der Nahe der Küſte, oft im Kanipfe
mit Sturm und hohem Seegang, darjtellte. Jn dem
Grad, als feine Gegenſtände immer bewegter und dra-
matifder wurden, entwidelte fic) aud) feine Technik
gu immer ftarferer und reicherer Ausdrucksfähigkeit,
befonders tn der Wiedergabe der Lidjtwirfungen und
Luftitimmungen. Das Hauptwerk aus bicker Beit
feines Schajfens ijt Der Fiſchmarkt in Ojtende (1866,
in Der Berliner Nationalgalerie). Daneben malte er
aud) jablreiche Binnenlandfdaften und Stadtean- |
ſichten, Straßen und Blaise, immer mit darafte-
riſtiſcher Staftage verfehen, in Ol und Aquarell, nad
Motiven vom Yiederrhein, aus Hildesheim, Amſter—
dam (Judenviertel) u.a. In den Ter Jahren fteigerte
ſich dic Tätigkeit Achenbachs gu einer Maſſenpro—
duttion, aus der nur wenige Meiſterwerke, wie z. B.
Achenbach. 77
die Überſchwemmung am Niederrhein (1876), hervor-
ragen. Wit dem Begin der 8er Jahre vertiefte er
ſich wieder ju größerer Rube und Sorgfalt, wofiir
cine Gebirgsmiible und cine Mondnadt (1882), der
hollaindijde Hafen in der Berliner Nationalgalerie
(1883), das Lotjenboot, der Sturm in Ojtende, der
einlaufende Dampfer (1888), cine wejtfalijde Mühle
bei Mondidein cin Zeugnis ablegen. Bgl. Voj,
Undreas YW. (Wien 1896).
2) OS wald, Bruder des vorigen, ebenfalls Maler,
geb. 2. Febr. 1827 in Diifjeldorf, trat 1839 als
Schitler in die Dortige Ufademiie ein und gebdrte ihr
bis 1841 an. Seine malerijde Richtung ſchließt fic
Der Des Bruders an, bei Dem er aud) als Shiller
lernte, Dod) wählte er jeine Motive fajt ausſchließlich
aus Italien, und danad) bat fic) ene mehr roman:
tiſche Naturanſchauung bet ihn ausgebildet. Seit
1845 hat er unablajjig Reiſen nad Bayern, der
Schweiz und Jtalien gemadt, und legteres Land hat
er nad) allen Richtungen dDurdwandert. Die Haupt-
wirtungen feiner Gemalde liegen in Dem koloriſtiſchen
Reiz, in der vollendeten Wiedergabe aller natürlichen
und künſtlichen Lichtwirfungen, in der meiſterhaften
Behandlung der Luft und in der wirkſamen Hinein-
ziehung von Figuren, die auf feinen Bildern eine nod
grohere Rolle ſpielen als auf denen feines Bruders.
r weiß aud Urditefturen mit groper Schärfe und
Menauigteit wiederzugeben, und das italieniſche Volls⸗
leben bat er fo griindlid) fennen gelernt, daß ſeine
mit Figuren ftaffierten Landfdaften zugleich cinen
ethnographijden Wert haben. Seine Hauptwerle
find: Abendlandſchaft bei Uriccia mit dem Cingug
eines Kardinals (1853), nächtlicher Leichenzug in Pa—
leſtrina (Kunſthalle in Düſſeldorf), Pilger aus den
Abruzzen bei Civita Caſtellana vom Sturm über—
raſcht (1861), Meſſe bet den Schnittern in der rö—
miſchen Campagna (1863), Mondnadt am Strande
von Neapel (1864), Rocca di Papa im Albanergebirge
und das Feſt Der heil. Unna in Cajamicciola auf
Jschia (beide in der Dresdener Galerie), der Nemiſee,
Billa Torlonia bei Frascati und der Marklplatz von
Umalfi (1876, beide in der Berliner Nationalgalerie),
Santa Lucia tm Mondenſchein (1878), der Palajt der
Rinigin Johanna bei Reapel (1878, Muſeum zu
Breslau), Gewitterjturm bei Neapel, die vier Jahres—
zeiten nad) Motiven der oberitalienijden Seen (1887),
Bia Appia nuova mit Blid auf den Lateran, das
Blumenfejt von Genzano (1889), die Tempel von
Päſtum, der deutide Friedhof in Rom mit der Cejtius-
pyramide, der Mont Pincio in Rom, Auf der Briide
zwiſchen Albano und Ariccia bei Mondidein. Bon
1866 —72 war U. Lehrer der Landjdaftsmalerei an
der Diifieldorfer Ufademie. Er lebt in Düſſeldorf.
3) Heinrid von, preuk. Staatsmann, geb. 23.
Nov. 1829 in Saarbriiden, gejt.9. Juli 1899 in Pots-
Dam, jtudierte die Rechte, trat 1851 in den praftijden
Juſtizdienſt, habilitierte fid) Daneben aber 1858 als
Privatdozent fiir deutſches Recht in Bonn und wurde
1860 Brofejfor und Oberbergrat dajelbjt. Er be-
gründete bier die ⸗Zeitſchrift fiir Bergrecht ⸗ (Bonn
1860 ff.). Bon Bonn wurde A. 1866, während er
in Das Abgeordnetenhaus cintrat, wo er die frei
fonfervative Partei mitbegriindete, als vortragender
Rat in das preußiſche Handelsminijtertum berufen.
1871 ward er vortragender Rat im Reidsfansler-
amt, 1872 Unterjtaatsjefretiir im Kultusminiſterium
Falls, 1873 Unterſtaatsſekretär im Handelsminiſte—
rium und 13. Mai 1873 Staatsminiiter fiir Handel,
Gewerbe und djfentlide Urbeiten. Mit Bismard, der
78
im Eiſenbahnweſen Sentralijation und Beriidfidti-
gung der Intereſſen der deutidjen Induſtrie wiinidte,
geriet er wiederholt in Differenzen, die 1878 zu dem
Untrag der Erridtung eines Erfenbabnminijteriums
und 40. Mary ju Achenbachs Entlajjung fiibrten; A.
ward Cbherpraitdenten der neuerridteten Pro
ving Weitpreuen und 15. Febr. 1879 gum Oberprii-
fidenten von Brandenburg ernannt. Nachdem er den
Prinzen Wilhelm, jepiqen Ratjer Wilbelm IL, 1885
im Staatsverwaltungsdienjt unterridtet hatte, ward
er 1888 durch Matfer Friedrid) qeadelt. Bon feinen
Schriften find hervorzuheben: » Dad franzöſiſche Berg: |
recht und die Fortbilbung deSsfelben Durch das preußi⸗
ide allgemeine Berggeſetz (Bonn 1869) und » Das
gemeine deutſche Bergredt« (1. Teil, Daf. 1871).
Achene (iat. Achaenium), eine trodenjdalige, nidt
aufipringende Frudt. Näheres ſ. Frucht.
Achenen, ſ. Flachs.
fee, 920 m it. Dt. gelegener, ſchmaler Alpen-
fee in Tirol, Bezirlsh. Schwaz, 7 qkm grok, bis
133 m tief, ndrdlid) vom Unterinntal und 400 m
höher gelegen als dieſes, von fteilen Felsbergen um-
eben (Darunter der wegen feiner ſchönen Ausſicht hau-
fig beſtiegene Unnütz, 2077 m), mit berrlicer blauer
Faͤrbung, der größte und ſchönſte See in Deutſch—
Tirol. ce entfendet cinen Abfluß (den Uden) nad
N. durch das Udental zur Iſar. Die am A. gelege—
nen Gaſthöfe: Scholaſtika, Seehof, Fürſtenhaus (Per-
tifau) u. a., find beliebte Sommerfriſchen. Der See
wird von cinem Dampfboot befahren. Bon der Sta-
tion Jenbach der Suüdbahnlinie Kufſtein -Innsbruck
führt eine Straße und cine 6,4 km lange ſchmalſpu—
rige Lofalbahn (davon 3,5 kin al’ Rabnradbabn)
jum A. Die Strake fest fic) längs des öſtlichen
Ufers nördlich über Udhentirden (341 Cinw., Ge-
nteinde Achenthal) und den Achenpaß nad Kreuth
in Bayern fort.
Achenwall, Gottfried, Statijtifer, geb. 20. Oft.
1719 in Cibing, geft. 1. Mai 1772 zu Gottingen, habi-
litierte fic) 1746 m Marburg als Brivatdozent, wurde
1748 Profeſſor der Philoſophie, ſpäter der Redte in
Gottingen. Er hat juerjt die Statijtif als »Staats-
funde« aufgefaft und im ſeinem ⸗Abriß der neuejten
Staatswiſſenſchaft der vornehmiten europaifden
Reiche und Republifen« (Gotting. 1749) in beſtimmte
orm gebradt.
Acher, ſ. Eliſcha ben Ubuja.
Achern, Bezirksamtsſtadt im bad. Kreis Baden,
an der Acher, in Der Ortenau, 146 m ii. M. Knoten⸗
punft der Staatsbahnlinie Mannheim-Konſtanz und
der Eiſenbahn U.- Ottenhifen, hat eine fath. Kirche,
höhere Bürgerſchule, ein Amtsgericht, Senfen-, Ton—
waren⸗, Stubl-, Hut-, Faßhahn- und Zigarrenfabri—
fation, Seſſelflechterei x. und (900) 8962 Einw. Zu
WU. gehört dte Jrrenanjtalt Illenau (f. d.). A., zuerſt
1050 erwähnt, wurde 1808 Stadt.
Acheron (jest Bhanariotifos), Fluß in der
epirottiden Landſchaft Thesprotia, durchſtrömt einen
ſumpfähnlichen See (Acherusia palus), der zum Hafen
Elda abflieft. In der Mythologie ijt W. cin Fluß
der Unterwelt, in den der Byriphlegethon und Kokytos
ſtrömen, fpater der Hauptfluß, der die Unterwelt um-
grenzt. A. bezeichnet aud) oft dieſe ſelbſt und ibre
Schreckniſſe. Perſoniſiziert iſt A. Sohn der Erde (Gaia),
der Die Den Himmel ſtürmenden Titanen mit Waſſer
verfah und deshalb von Zeus in einen fdlammigen
Fluß vVerwandelt und in die Unterwelt verwiefen
wurde. Val. Uderufia.
Acherontia Atrépos, Totentopf (Schmetterl.)
Achene — Achilles.
Adherifia, Name mehrerer Seen und Siimpfe,
| die, mite den Ucheron, die Mythe der Ulten mit der
Unterwelt in Berbindung bradte: fo em See bet Her-
mione in Argolis; em andrer bet Cuma in Kampanien
Getzt Lago dt Fujaro); befonders aber der 3 km lange
Sumpf m Epirus, den der Uderon (f. d.) durchfließt.
a cheval-Stellung (px. o-jawoll-), eine Truppen-
‘ jtellung ju beiden Seiten eines Berfehrswegs, emes
Dammes x., fo daß die Richtung der letztern die
Frontlinie nahezu ſenkrecht ſchneidet.
„ſJ. Tafel⸗Induſtriepflanzen 1 « (Bambusa).
ilie (gried.), angeborner Wangel der Lippen.
Achill (for. acu, »Wdler<), Inſel an der Weſtküſte
Irlands, von dem feſtländiſchen Teile der Grafſchaft
Mayo durd einen engen Weeresarm (mit eiferner
Briide) qeidieden, 142 qkm (2,6 OM.) mit 4970 Cinw.
Gin wildes Sciefergebirge nimmt den größten Teil
der Inſel em, die tm Slievemore 672 m Hobe erreidt.
Achilléa L. (Sdhafgarbe), Gattung der Rom-
pofiten, nad) Udilleus genannt, der mit der Pflanze
die Wunde des Telephos geheilt haben foll, aus-
dauernde Krauter, feltener Halbjtraucer, mit gezahn⸗
ten, meiſt 1—3fad fiederteiliqen Blattern, merit flet-
nen ebenſträußigen Köpfchen und weißen und gelben
Bliiten. über 80 Urten in der ndrdliden gemäßigten
Zone, befonders der Ulten Welt. A. millefolium L.
| (gemeine —————— in Nord- und Mittel⸗
europa, Nordaſien, Nordamerila, in Neuſeeland und
Südauſtralien eingeſchleppt, mit faſt bis zur Mittel⸗
rippe doppeltfiederſpaltigen Blattern, die gewürzhaft
riechen und bitter jdmeden. Sie enthalten wie die
| Biliiten blaues ätheriſches OL, einen Bitterſtoff (Achil—
fein) und Uconitjdure. Sdafgarbe galt frither als
Mittel geqen Wunden, die durch cijerne Waffen her-
vorgebradt waren (Daher aud) Symbol des Krieges),
ſpäter hatte fie großen Ruf als Mittel geqen Peſt und
BViehiterben. Jn Nordeuropa wurde fie als Bierwürze
angewendet (Feldhopfen, Valhumall). Der friſch
ausgepreßte Saft der Blatter dient bei Friihlings-
furen, aud) benugt man die jungen Blatter als Ge-
müſe und gu Kräuterſuppen und fat die Pflanze
mit Weißllee und Grajern auf Weiden. Jn Garten
benutzt man fie gur Herjtellung von Bierrajen. A.
Ptarmica L. (weifer Dorant, Berufungs-
fraut, Deutfder Bertram, weißer Rainfarn,
Sumpfgarbe), 50 cm hod, mit linienformigen
Blattern, grofen weißen Bliiten, in Garten oft ge-
füllt, auf der nbrdliden Halbfugel, in Nordamerifa
eingeſchleppt, wird al8 Hausmittel benugt und als
Zierpflanze fultiviert. A. atrata L. (ſch wärzliche
Sdhafgarbe), auf den Ulpen, mit weidhaarigem
| Stengel, fiederteiligen Blättern und Bliiten mit wet-
fem Strahl und gelblichweißer Scheibe, bildet mit der
weiffiljiqen A. nana L. und der folgenden das edjte
Genippt der Schweiyer, das als toniſches Mittel
in Gebraud ijt. A. moschata Wulf. (Mofdus-
fdhafgarbe, Yva), auf den Ulpen, niedrig, mit
weigen, großſtrahligen Bliiten, riedt angenehm aro-
matiſch, ſchmeckt brennend gewiirshaft-bitter, enthalt
neben Achillein nod) Jvain, Ivaödl und Mofdatin
und dient zur Bereitung des Ivalikörs.
Achilléa (Dispositio A. Achilleiſches Haus—
qefets), ſ. Albrecht 7).
Achillea, Inſel, ſ. Schlangeninſel.
Achillein, ſ. Achillea,
Achilles, ſ. Achilleus.
Achilles, befannter Trugſchluß des eleatifden
Philofophen Seno oder feines Lehrers Parmenides,
der beweiſen follte, dak alle Bewequng nur ſcheinbar
Adhillesferfe — Achillini.
79
fei. Er behauptete nämlich, ein Gegenſtand, der ſich der Entführung ſeiner Lieblingsſtlavin Brifeis (ſ. d.)
langſam bewege, z. B. cine Schildkröte, könne von | veranlaßt, bilden den Inhalt von Homers »Ilias«.
einem ſich ſchneller bewegenden, z. B. A., nie eingeholt Auf Thetis' Fürbitte verleiht Zeus den Troern den
werden, wenn jene auch nur einen kleinen Vorſprung Sieg, die ins Griechenlager eindringen und die Schiffe
voraus habe; denn während A. die Hälfte des an- zu verbrennen anfangen, währen
fänglichen Zwiſchenraumes zurücklege, gewinne die Seinen vom Kampfe 2
Schildkröte ſchon wieder cinen neuen Vorſprung, da
A. nun abermals erjt die Hälfte des jegigen Ubjtandes
(vor dem ganzen) juriidlegen müſſe, gewinne jene aufs
neue cinen Borjprung u. |. f. ohne Ende. Der Fehler
liegt Darin, daß hier die Möglichkeit, eine Strece in Ge-
danfen ohne Ende ju teilen, als eine wirflide Zuſam—
menſetzung derjelben aus unendlich vielen Ubfdnitten
are wird, was nun mit der Zurücklegung der- |
elben in endlicer Zeit in Widerſpruch gu ſtehen ſcheint.
Ahillesferfe, ſ. Udhillesfehne.
Achillesfehme (Tendo Achillis), dad fehnige Ende
der Wadenmusteln, womit diefe an dem Ferjenfnoden
befejtigt find (f. Tafel ⸗Muskeln«). Sie tft etwallem
fang, 1,5—2,5 mm breit und 5—6 mm Did und trigt
gegen 400 kg. Un ihr ziehen die Wadenmusteln die |
Ferſe nach oben, ihre Zerreißung macht daher das
Stehen und Gehen fofort unmöglich; ihre franfhafte
ire re: wobdurd) die Ferſe Dauernd iiber dem
Boden bleibt, erzeugt den »Pferdefuß«, Der bei zuneh—
mender Verkürzung der A. cin formlider Klumpfuß
werden fann. n bielt friiher Wunden an der Ferfe
fiir befonders gefährlich. Achilles ftarb an den Fol-
gen eines Pfeilſchuſſes in die Ferfe (Daher Udilles-
ferfe foviel wie verwundbare Stelle; vgl. Achilleus).
Achilleus (lat. Wdhilles), der gefeiertite Held
des qriechifchen Heroentums, Urenkel des Reus, Enfel
des Halos, Sohn des Myrmidonentinigs Peleus und
der Meergottin Thetis. Während Homer ihn von fei-
ner Mutter im VBaterhaufe großziehen und mit feinem
Freunde Patroklos aufwachſen läßt, unterridjtet von
Phonir (jf. d.) und Chiron (jf. d.), ſchmückt ſpätere
Dichtung ſeine Jugend mannigfaltig aus. Um ihn
unſterblich zu madjen, falbt ibn Thetis bet Tage mit
Ambroſia und Halt ihn nachts ing Feuer; von Weleud
dabei gejtirt, verläßt fie Gatten und Rind und fehrt
mu den Nereiden zurück. Nod) jiinger ijt die Sage,
ß Thetis ihn durd) Baden im Wafer de3 Styr am
ganjen Körper unverwundbar gemacht habe mit Wus- |
nahme der Ferſe, an der fie ihn hielt. Nad) Thetis’
Entfernung bringt ihn Beleus zu Chiron, der ihn
mit Barenmart nährt und in allen ritterliden und
muſiſchen Künſten unterweijt. Bei Homer folgt A.
fogleid) mit Batroflos und dem alten Phönix der
Aufforderung zum Zuge nad Troja. Nad) fpaterer
Sage bringt a etis auf die Weisfaqung des Kalchas,
Troja forme ohne A. nicht crobert werden, und jeinen
Tod in dieſem Kriege vorausfehend, den Neunjährigen
nad) der Inſel Sfyros, wo er in Weiberfleidern unter
den Töchtern des Königs Lyfomedes aufwächſt und
mit einer derſelben, Deidameia, den Neoptolemos
zeugt; Kalchas verrät den Verſteck, und Odyſſeus mit
Diomedes entlarvt A. durch Liſt: als Kaufmann ver—
kleidet, breitet er vor den Mädchen allerlei Schmuck
aus und legt Schild und Speer daneben, dann läßt
er das Kampfſignal blaſen, und A. greift nach den
Waffen. Bei der erſten Landung der Griechen ver—
wundet er Telephos (ſ. d.) bei der zweiten Kyknos (ſ. d.).
Bor Troja ijt er.der Hauptheld, durch Heras und
Athenes Gunjt und eigne Vorzüge Freund und Feind
iiberragend. Yn den neun erjten Kriegsjahren ijt er
Anführer der Griechen auf den zahlreichen Beute-
jligen in Diellmgegend von Troja. Die Ereigniſſe des
zehnten Jahres, die fein Swijt mit Agamemnon wegen |
A. fich mit den
ern Halt. Qn der höchſten Not
ejtattet er Dem Batroflos, in feiner Riijtung mit den
WMyrmidonen die Troer aus dem Lager zu werfen.
Patroflos fallt von Heftors Hand; die Waffen find
verloren, nur der Leidynam wird nad) heißem Kampf
qerettet. Schmerz und Radedurjt laffen A. den Ha-
der vergeijen. Unf Thetis’ Bitte von Hephajtos mit
neuen, pridtigen Waffen ausgeriijtet, sieht er gegen
Heftor aus, obgleich er weiß, Dak er bald nach dieſem
jterben muß. Scharentweife mäht er die Feinde nieder ;
unter Troja8 Mauern mit Heftor zuſammengetroffen,
jagt er thn dreimal um die Stadt, durchbohrt thn mit
der Lanje und ſchleift den Leichnam am Wagen ins
Lager, wo er ihn den Vögeln und Hunden zum Fra
hinwirft. Dann bejtattet er Patroflos feierlichjt und
ftellt ihnt gu Ehren Leidhenfpiele an. Heftors Leich—
nam gibt er großmütig dem Priamos zur Bejtattung
zurück. Nod) manche Heldentat vollbringt er (ſ. Mem-
non, Penthejileia); da erfiillt fid) Das von thm felbjt
ewählte Geſchick eines furjen, aber rubmretden Le-
8, ftatt eines langen, aber ruhmloſen. Am ffai-
iden Tor traf ihn Upollos Pfeil, oder Paris ſchoß
ihn in die allein verwundbare Ferje im Heiligtum
des thymbraifden Apollo, wohin er fic) unbewaffnet
zur Vermählung mit Priamos’ Todter Polyrena
begeben. Seine Wide wurde neben der des Patroflos
und Untilodos in dem Leidenhiigel auf dem Bor-
ebirge Sigeion beigeſetzt. Bei Homer weilt feine
Seele wie Die aller Berjtorbenen tm Hades. Nad
jpaiterer Sage entfiihrt Thetis den Leichnam vom
Scheiterhaufen nad dem Eiland Leufe an der Donau-
miindung, wo der verflarte Held als Herrjder des
Pontos mit Aphigenia (oder Medeia oder Helena)
vermablt fortlebt. Er hatte jahlreiche Kultitatten,
vor denen die vornehmſte Die auf Sigeion war. Die
Kunſt ftellte A. dem Wres ähnlich dar mit edlen und
gewaltigen Körperformen und mähnenartig empor-
— Haar. Von den nach ihm gewöhnlich
annten Statuen (z. B. A. Borgheſe in Paris) ijt
es zweifelhaft, ob ſie nicht Ares darſtellen.
chillens Tatios, griech. Romandichter aus
Alexandria, im 6. Jahrh. n. Chr., iſt Verfaſſer eines
Romans in 8 Büchern, von den Abenteuern des Lie—
beSpaares Kleitophon und Leufippe, in der Form nicht
ohne Unmut, dod) oft mit qelehrtem Beiwerk iiber-
laden (hrsq. in den »Scriptores erotici graeci« von
Hirſchig, Bar. 1856, und von Herder, Leipz. 1858).
Achillini Gor. at), Aleſſandro, Philojoph und
Arzt, ged. 29. Oft. 1463 in Bologna, geſt. dafelbjt
1512 (oder 1518), lehrte zuerſt in Badua, dann in
ſeiner Vaterjtadt Philofophie und Medizin. Er war cin
qenauer Renner des Ariſtoteles, ſchloß ſich aber in
deſſen Auffaſſung dem Wverrhoismus an. Unter
feinen Schriften liber Bhilofophie (»Opera omniac,
Bened. 1545 u. 1568) ijt die bedeutendjte » De intelli-
gentiis« in 5 Biidern. — Sein Bruder Giov. Fi-
loteo YL, geb. 1466 in Bologna, war Gelehrter und
Didter und ſtarb 1538. Seine beiden Lehrgedichte:
»Il Viridario« (Bologna 1513), in Oftaven, und +1
Fedele« (daf. 1523), in Terjinen, gehiren zu den
literariſchen Seltenheiten. Seine » Annotazioni della
lingua volgare« (Bologna 1536) find cine Satire
auf den toskaniſchen und cine Lobrede auf den bo-
logneſiſchen Dialeft. — Größern Ruf als diese betden
80
erfangte Claudio A., geb. 1574 im Bologna, get.
1640. Er jtudierte hauptſächlich die Rechte in femer
Bateritadt, wirfte dann hier wie in Ferrara und Parma
als Profeijor und trat zu Papit Gregor XV., König
Ludwig XII. und Kardinal Ridelieu m nähere Be-
ziehung. Als Dichter (> Rime et prose«, Vened. 1673)
folgte er der Richtung Marinis.
im, Dorf und Kreisort im preuß. Regbez.
Stade, an der Staatsbabhniinie Wunjtor{ - Bremer:
haven, hat eine evang. Kirche, Synagoge, Umtsgeridt,
Sigarrenfabrifation und (1900) 3076 Einw.
Achiménes Brown, Gattung der Gesneriazeen,
Kräuter mit bejduppten unterirdijden Wuslaurern,
gegenjtindigen Blattern und einjelnen oder gebii-
ichelten, ment roten bis violetten Bliiten in den Blatt-
adjein. Etwa 25 Yirten im tropiſchen Umerifa, von
denen mehrere, wie bejonders A. grandiflora DC.
mit purpurnen oder violetten Bliiten in zahlreichen
Varietäten, A. mexicana Benth. et Hook. (Scheeria
mexicana Seem.) mit großen blauen oder purpur-
roten Bliiten, A. amabilis DC. (j. Tafel »3immer-
pflanzen I1<) bet uns in Warmbaujern ähnlich den
Gloxinien fultiviert werden. Durch Kreuzungen tit
cine Anzahl danfbarer Gartenpflanjen ergielt worden.
Achioti, Farbſtoff, joviel wie Orlean.
irie (gried).), angeborner Mangel der Hande.
lath, alte Stadt tm tiirf. Urmenten, am Nord- |
‘phen, der fid) durch etnfade, aus Zergliederung der
ufer Des Wanſees, Sig eines armenifden Biſchofs,
hieß im Altertum Chelath und war lange die be-
rühmte Refideny der armenifden eae mit mebr |
ſchelãl eddin
als 200,000 Einw. 1226 wurde fie von
Schah, 18 Jahre jpater durch cin Erdbeben zerſtört.
Auch in Der Folge wiederholt verwilijtet (jo 1400 durch
Timur), wurde A. ee immer wieder aufgebaut
und durch Soliman II. fogar ju einer ſtarlen Fejtung
umgeſchaffen, ging aber ſtetig zurück und tit beute
nur ein fleiner Ort mit etwa 4000 Emi.
Achleitner, Arthur, Schriftſteller, geb. 16. Aug.
1858 in Straubing, durchwanderte den größten Teil
Europas, war zeitweilig Redakteur und lebt jest in
München. A. ſchrieb zahlreiche Erzählungen, beſonders
aus dem bayriſchen Volls⸗ und Jägerleben, von denen
wir nennen: »Aus dem Hodland« (Münch. 1892); |
» Vin Gamsgebirg« (Daf. 1893); » Die Dobratfdroje« |
(Stuttg. 1896); » jm grünen Tann«, Schwarzwald—
novellen (Berl. 1896) ; » Der Forſtmeſſias⸗ (Daj. 1897);
esi Gebiet des Grofglodners« (Daj. 1900) u. a.
Achlya Nees v. Esenb., Biljgattung aus der Fa⸗
milie Der Saprolegniageen (j. Buje). Der aus un-
eqliederten, wenig versweigten Schläuchen bejtehende
Achim — Achromatismus.
Achmed, |. Ahmed.
Admim (Ulhmym), anſehnliche Stadt in Ober-
agypten, am redten Rilufer, Dampferjtation, mit
(1897) 28,000 Emuw., meiſt Ropten, unter denen viele
Cbrijten, lebbaften Warten und vielen Baunuvoll-
webercien. Sdon tm Ultertum waren die Weberecien
von A. beriibmt. A. ſteht an der Stelle des altigyp-
tiichen Chente-WMin (Chmin, Sdmin), der Stadt des
(von den Grieden dem Ban gleicgeftellten) Gotteds
Win (j.d.); bet den Griedhen hiek es opolis. Rady
der griechiſchen Sage jollen von U.-Chemmis Danas
und Lynfeus nad Hellas übergeſiedelt fem. In den
alten Grabern von A. find neuerdings pradtige Stiide
antifer Webereien entdedt worden. Bal. Forrer:
Die Gräber- und Tertilfunde von VW. -Panopolis
Straßb. 1891), Die rdmifden und byzantinifden
Seidentertilien aus dem Griberfelde von UL. -Bano-
| polis (Daj. 1891), Die frühchriſtlichen Wltertiimer aus
dem Graberfelde von UL. -Banopolis (daj. 1893).
Acholie (qriecd.), Feblen der Galle; acholiſcher
Stubl, Stubl ohne Galle (7. Gelbjucht).
Achonry (ivr. adenrei), Kirchjpiel und fathol. Bis-
tum m der Grafidaft Sligo (Irland).
Achor, altere Bezeichnung emer kleinen Pujtel der
Schadelbaut, Kopfgrind.
Achorion Schoenleinii Remak (Favuspilz),
Fadenpilz mit jelliggegliederten, reichverzweigten Hy-
yaden hervorgehende Konidien vermehrt. Seine Stel-
lung im Gyjtem ijt unfider. Nad) neuern LUnter-
judungen wird A. fiir eine Sammelart gebalten, die
ſich in wobl unterfdeidbare Arten trennen läßt. A.
lebt parajitifd) in der Haut und erjzeugt bei Menſchen
den Waben-, Kopf- oder Erbgrind, bei Mäuſen und
Ragen ähnliche Hautfranfheiten, die aud auf den Men-
iden übergehen, vielleicht aud) den weifen Kamm der
Kotſchinchinahühner und die Nagel- und Hufgeſchwüre.
Achras Sapota L. (Sapotillbaum, Ris-
pero, Mijpelboom), f. Tafel »Rabrungspflan-
jen III«, Fig. 14.
Achroit, Mineral, farblofer Turmalin.
Achroma (qried.), angeborner oder erworbener,
auf einjelne Stellen beſchränkter Mangel des Haut-
pigments. Die Fede erſcheinen mildweik. Der Zu⸗
jtand ijt obne weitere Bedeutung, der Behandlung
aber nicht zugänglich.
Achromatismus (Achromaſie, gried., »Farb-
loſigkeit⸗), Ablenkung des weißen Lichtes durch Pris
Vegetationsfirper einiger Arten, wie A. prolifera und |
ramosa, bildet, im Waſſer untergetaudt, auf Tier-
und Pflanzenleichen dichte, flocige beri e. A. pro-
lifera Nees v. Es. (j. Tafel »Pilje Ue, io. 3 u. 4)
tritt häufig als Schadling in Fiſchteichen und Fiſch—
brutanjtalten auf, tndem fie lebende Fiſche oder die
Fiſcheier befallt. Früher wurde fie aud) fiir Den Ber-
urjader der Krebspeſt qebalten.
Aechméa Ruiz et Pav., Gattung der Bromelia-
geen, ausdauernde Pflanzen nut becherförmig ſich um⸗
ſchließenden, roſettenartig geſtellten, lederartigen, ein—
fachen Blättern und pradtvollen, forallenartig feſten
Blüten in Riſpen, Trauben oder Ahren. Etwa 40 Ar—
ten, wachſen epiphytiſch auf Bäumen im tropiſchen Süd⸗
amerika. Schöne Warmhaus- und Zimmerpflanzen,
wie A. spectabilis Brongn. mit ſcharlachroten Blü—
ten, A. distichantha Lem. mit rotem Kelch und blauer |
Biiite, A. rhodocyanea Hook. (j. Tafel »Blattpflan
gen Le, Fig. 16).
men und Linſen ohne Zerlequng desfelben im feine
farbigen Bejtandteile. Die dDurd ein Prisma abge-
lenften und zu einem Speftrum ausgebreiteten Son⸗
nenjtrablen werden durch ein zweites ganz gleiches
Prisma, deſſen Schneide nad der entgegengeſetzten
Seite gewendet iſt, wieder an ihre urſprüngliche Sielle
zurückgelenkt und zuſammengeſchoben, ſo daß ſtalt
des Speltrums ein weißer Lichtfleck in der Richtung
der einfallenden Strahlen erſcheint. Um nur die
Farbenzerſtreuung, nicht aber auch dic Ablenkung auf-
zuheben, müßte das zweite Prisma fiir ſich allem ein
ebenſo langes Spektrum entwerfen, dasſelbe aber
weniger ablenfen als das erſte. Nun gibt ein Flint—
glasprisma ein etwa doppelt fo langes Speftrunt wie
cin Mronglasprisma, wenn der Winkel an der Kante
bei beiden gleich groß ijt, jedoch bei weitem nidt
die Doppelte Wblenfung. Ein Flintprisma, deſſen
Winkel etwa halb fo groß ijt wie derjenige des Rron-
prismas, bringt daher zwar ein ebenfo langes Spef-
trunt, aber eine beträchtlich geringere Ablenkung ber-
vor als Diefes und wird, mil ihm in entgegengelepter
Adhromatopfie — Achſe.
Lage vereinigt, die Farbenzerſtreuung desſelben be-
ſeitigen, die Ablenkung dagegen nicht völlig aufheben.
Die Vereinigung beider Prismen bildet ein achro—
nat tf des (farblofes) B Prisma, das auf dem Schirm
einen gur Seite gelenften weifen Lidtfled er:
zeugt. Ahnliches gut fiir Linjen. Infolge der un-
gleiden Brechbarkeit verjdiedenfarbiger Strahlen faßt
cine gewöhnliche Sammellinſe die Strahlen, die von
einem Bunt ausgehen, nicht wieder genau in einen
Punkte zuſammen; die ſtärker gebrodenen blauen
Strahlen vereinigen fic) in cinem der Linfe näher ge-
legenen, die weniger bredbaren roten erjt in emem
entferntern Bunfte. Die Bilder, die eine ſolche Linfe
entwirft, find nidt ſcharf begrenzt, fondern von far-
bigen Saumen umgeben (Farbenabweidung,
dromatifde Uberration), und man gelangte
Daher erjt zu wirllich braudjbaren Linfenfernrohren,
alg es gelungen war, Linfen ohne Farbenabweidung
(achromatiſche Linfen) gu verfertigen. Um die
Farbenzerſtreuung einer Sammellinfe aus Kronglas
(AB der Fiqur) aufzuheben, bringt man unmittel⸗
bar binter fie cine Rerjtreuungdlinfe aus Flintglas
(CD), die nur eine halb fo große Wblenfung, aber
die gleidje Far: |
AC
benjerjtreuung
wie jene her-
. vorbringt, und
gwar beides mm
entgegengefep-
BD tem Sinne wie
Adromatifde Linfe. Wate
wird von der Rronglaslinje in einen Farbenfider
ausgebreitet, deſſen roter Strahl die Achſe in p, deſſen
violetter Strahl jie in v trifft. Durd) die Flintglas-
linfe werden die Strahlen wieder von der Achſe jo weg-
elenft, daß jie, ju cine m weißen Strahl vereiniqt, die
hfe in dem Punkte p’ fehneiden. Die beiden Linjen
miteinander vereinigt, bilden eine achromatiſche
Linfe. Durd das Rufammenwirfen der Krone und
Der Flintqlastinfe erzielt man die Vereiniqung zweier
bejtimmter Strahlen des Speftrums, 3.
Strahles, welder der Fraunhoferjden Linie B ent-
fpridt, und ded violetten Strables G. Waren in den
Speltren des Kron- und ded Flintglaſes die zwiſchen⸗
liegenden Farben in denjelben Verhältniſſen ihrer Wb-
ſtände verteilt, fo wiirden aud) dieſe Strablen fic) mit
jenen beiden genau vereinigen und einen vollfommen
farblojen Bildpuntft resi Dies ijt jedod nicht der
Fall, und daber bleibt nod cine geringe Farbenjer-
ſtreuung übrig, dDieman al8 fefundaresSpeftrum
bezeichnet. Abbe und Schott in Jena haben optiſche
Gläſer hergejtellt, deren Speftren proportionale Far-
benverteilung zeigen und vollfommen farblofe Linfen-
bilder liefern. Dan nennt folde bejonders zu Mikro—
ftopobjeftiven verwendete Linfen apodromatifd.
Achromatopſie (qried.), Farbenblindheit.
Adhroodertrin, p Dertrin.
UAhsbriide , ſ. Eiſenbahnunfälle.
Achsbüchſe (Achſenbüchſe), bei Lofomotiven
und Eiſenbahnwagen cin Ronjtruftionsteil, in dem
cin Zapfen der Radachſen gelagert ijt.
Udhisarimow, Nifolay Dmitrijewithd,
ruff. Belletriſt und Sritifer, geb. 15. (3.) Dex. 1819
in Petersburg, geft. 30. (18.) Ung. 1893 auf feinem
Gute bei Mosfau, erhielt (bi3 1839) feine Mushildung |
auf dem Lyzeum in Zarffoje Selo, trat dann in dic |
. Des roten |
81
ſität und Kunftafademic. Seine erjte, mit Beifall auf-
—— Novelle ijt »Der Doppelgänger« (1850).
on ſeinen ſpätern Romanen find bemerfenswwert:
»Der Spieler«, » Der falſche Name⸗, »>Cin ungewöhn⸗
licher Fall«<, > Das Modell<, »Die Bewohner des Wal⸗
des«, »>Der Mandarin« u. a.
Achſe (Ure, lat. Axis, aud Umdrehungs- oder
Rotationsadfe), in der Mechanif cine durch cinen
Körper qehende gerade Linie, um die fic dieſer fo ber-
umbewegt (fid) dreht oder »rotiert«), daß jeder feiner
Puntte einen Kreis bejdreibt, deſſen Ebene zur A.
fenfredt ijt, und deſſen Mittelpunkt auf der A. liegt.
Da durd) dieje Kreisbewegung jedes Körperteilchen
das Bejtreben erlangt, fid) von der UW. gu entfernen
(SZentrifugalfraft), fo übt es auf die U. einen
Drud aus, der durch cinen gleidjen, aber entgegen-
geſetzt geridteten aufgehoben wird, wenn die Maſſe
des Körpers rings um die UW. gleichmäßig verteilt ijt.
Eine foldje U., auf die fein aus der Umdrehung ent-
{pringender Druck wirkt, heist freie A. Da jedes
um eme freie A. rotierende Maſſenteilchen vermige
der Triigheit in feiner jur A. fenfredten Drehungs-
ebene gu beharren ſtrebt, fo zeigt aud) die freie A. das
Bejtreben, ihre Ridtung im Raum beizubehalten,
und fest Daher einer äußern Kraft, die fie aus dieſer
Ridtung bringen will, einen wm fo größern Wider-
jtand entgegen, je groper die Wudt der Rotations-
bewegung ijt (Stetfheit der W.). — Ähnlich ge
braudt die Geometrie das Wort A. zunächſt bei
Umbdrehungs - (Rotations -) laden oder Körpern, die
dadurch entitehen, daß man ſich eine Linie oder einen
ebenen Fladenraum um eine Gerade, die dann A.
der Fläche oder des Körpers heift, qedreht denft. So
entiteht die Kugelfläche (der Kugelkörper), wenn fid
ein Halbfreisbogen (cine Halbkreisfläche) um den
Durchmeſſer als A. dreht. Im weitern Sinn tit geo—
metrifde A. einer Fiqur oder eines Körpers jede Ge-
rade, um die Die Punkte der Fiqur (Des Körpers) mit
ciner gewiſſen Regelmäßigleit verteilt find (vgl. Sym-
metric). Dement}predend nennt man in der PHY fit
U. eines Magnets dic Verbindungslinie feiner beiden
Pole, U. einer Linfe die Verbindungslinie der Kritm-
mungsmittelpunkte ihrer beiden kugeligen Oberflächen,
A. eines Fernrohrs die gerade Linie, auf der die Krüm⸗
mungsmittelpunkte aller ſeiner Linſen liegen. — Jn
der Rrijtall of Sh i heifen Achſen gerade Linien,
die Durd) Den Wittelpunft eines Kriſtalls gelegt ge—
dacht werden und entweder zu vorhandenen Sym-
metrieebenen fenfredt ftehen oder parallel vorhande-
nen oder möglichen SRrijtallfanten verlaufen. Alle
Teile ded Rrijtalls liegen regelmäßig um die Achſen
verteilt. Die Längenverhältniſſe und die Lage dieſer
Achſen find bezeichnend fiir bie Krijtallformen. Bei
doppeltbredenden Kriſtallen nennt man optifde A.
jede Richtung, nad) der fich in Denfelben die Lichtwellert
nur mit einer einzigen Geſchwindigkeit fortpflanjen.
— Yn der Mafdhinenlehre entipridt die A. im all-
emeinen der geometrifden A. ees Körpers. VW. einer
aſchine, die Durd) deren Hauptteile beſtimmte Mittel⸗
linie (f. aud) Achſen) — A. des Himmels (Welt-
adfe), die gerade Linie, um die fid) der Himmel bei
jeiner ſcheinbaren täglichen Rotation dreht; ihre End-
puntte find der Nord: und Südpol am Himmel (vgl.
Himmel). Die Erdachſe ijt das Stiie derjelben, das
in den Erdkörper fallt; ihre Endpuntte find der irdiſche
Nord- und Siidpol. Da die Weltadfe auf der Ebene
des Aquators und den Ebenen aller mit diefem pa-
Kanzlei des LrieqSminiiteriums ein und befudte, nad): | rallelen reife fentrecht fteht, fo ijt fie zugleich A. des
dem er 1845 biete Stellung aufgegeben hatte, Univer- | Uquators und der Parallelfreife; ebenfo find
Meyers RKonv. + Lerifon, 6. Aufl., J. Bd.
6
82 Achſel — Adht.
die Achſen der Ekliptik und des Horizonts diege-| Adhfenpflangen, die blattbildenden Pflanzen tm
raden Yinien, die ſenkrecht auf der Ebene der Ettiptif | Gegenfage su den biattlofen Zellpflanzen, bei denen
und der ded Horizonts jtehen. Da die Rlaneten und ein Gegenſatz zwiſchen Blatt und Stamm nidt vor-
Someten in Regelidmitten laufen, fo bat bet ihren Arhjenftrahi,j.Lmje [banden ijt.
Bahnen der Uusdrud A. die bet Den genannten Kur-| Wchjenwinkelapparat, j. Rrijtalloptif und Po-
ven übliche Bedeutung. — Uber UW. in der Botanik Achſenzylinder, |. Nerven. lariſation.
ſ. Achſenorgan. — Jn der Zoologie tit die Haupt⸗ Achskilometer, Kilometer.
achſe diejenige Linie, Die man ſich tm Körper ſo ge Achsſcheutel, j. Jad. ois
jogen denft, daß fie den Mund (oralen Pol) und) Acht, im der Rethe der Zahlen die erjte, welche die
die ihm entgegengefeste Stelle des Körpers (abora- dritte Potenz einer fleinern, der Zwei, tit. Diefer und
len Pol) trifft. — Jn der Arditeftur nennt man ähnlicher Eigenſchaften balber galt die U. tm Witer-
U. die gerade Linie, die Durd) Die Mitte eines Ban- | tum fiir eine ebenfo vollfommene Zahl wie die Drei.
werfes oder Bauteiles der Lange (Längsachſe) oder der |
Breite nach (Querachſe) gezogen wird. Durdgebhende,
gebrodjene, gleiche, wechſelnde xc. Achſen find weſent⸗
lid) mitbeſtimmend fiir den Charafter des Bauwerks.
Achſel (lat. Axilla), der äußere Teil der Schul—
ter (j.d.); Achſelhöhle, die Aushöhlung unter der
A. zwiſchen Oberarm und Brujt, wird von diefen, dem
großen Brufjtmustel und dem breiten Rückenmuskel
gebtldet. Große Rervenjtimme und die große Schlag:
ader des Armes treten durch die Udjelbdhle vom
Mumpf jum Arm. Die zahlreiden Lymphdrüſen der
Achſelhöhle erleiden oft Entziindung und Vereiterung.
Das Sefret der Schweifj- und Talgdriijen, der Ud -
ſelſchweiß, riecht ſehr ſtark und zerſetzt ſich leicht
unter Bildung von Ammoniak und flüchtigen fetten
Siuren ; feine iibermapige Ubjonderung fiihrt zu Er-
faltungen, Entzündungen und Furunfelbildung. Zur
Belampfung dienen tiglide kühle Wafdungen, und
jur Uuffaugung des Schweißes trage man einen oft
erneuerten handtellergroßen Bauſch Salicylwatte. Die
wafjerdidten Schweißblatter find verwerflid. — Jn |
der Votanil heift A. der Winkel zwiſchen Sweig und
Blattitiel oder Ujt und Zweig; achſelſtän dig, was
in Diefem Wintel ſteht.
Achſelklappen, Tuchjtiide auf den Schulterteilen
der Montierung; ſ. Bekleidung.
Ahfeimannitein, Badeort, ſ. Reichenhall.
— ae ial j. Achſel.
UAchfeljprofr, |. Jiweig. =
Achſelftücke werden in jedem Dienjt, nur nidt
bei Paraden und befondern Gelegenbheiten, jtatt der
Epauletten getragen. Sie bejtehen bei Generalen aus
breiten goldnen, ſilberdurchwirlten Schnüren, bei
Stabsofngieren aus breiten, jilbernen, ſchwarzdurch—
wirften Sdniiren, bei Haupticuten und Leutnants aus
vier filbernen, ſchwarzdurchwirkten Schnurbreiten.
Achſen (Uren), Mafdhinenteile sum Tragen um-
laufender oder ſchwingender Teile (Mader, Hebel),
jind mit diefen Teilen (durch Längskeile, Drucidrau-
ben, Querjtifte) fejt verbunden und dann felbjt dreh-
bar gelagert, oder fie jind undrehbar befejtiqt, und
die von den A. getragenen Wasdinenteile drehen fic
auf denfelben. Wan unterjdeidet Tragadjen und
Stiipadfen, je nadjdem die jie beanfprudenden
räfte fenfredt oder parallel zur Längsrichtung der
VU. wirlen. Hergeftellt werden die A. aus Stahl und
Schmiedeeiſen mit kreisförmigem oder freisringfir-
migem Ouerfdnitt. A. aus Gußeiſen und Hols wer-
Den jest faum nod) verwendet. Val. Rad und Welle.
Achſenbüchſe, |. Udsbiichfe.
Achſenfarbe, ſ. Dichroismus.
Achſenorgan Achſe), bei ſſamm- und blattbil—
denden höhern Gewächſen jedes Glied, das durch
Spitenwachſtum mittels eines an ſeinem Ende be—
ſindlichen freien Vegetationspunttes ſich verjüngt und
unterhalb dieſes fortwachſenden Endes ſeitlich Blätter
erzeugt. Naheres ſ. Sprofs.
Nach der bibliſchen Erzählung von der Sündflut blie-
ben acht Menſchen iibrig. Dre Griedhen unterſchieden
adt Hauptwinde, und m der chaldäiſchen Aſtrologie
Dienten die acht Orter ded Himmels zur nähern Be-
ſtimmung der —— Die Gallier wählten
fiir thre Tempel die Geſtalt eines Achteds (Oftogons),
und tm Wittelalter wurde diefelbe Fiqur als heilig
beim Bau chriſtlicher Kirden ju Grunde gelegt.
Acht (althodd. Ahta, mittelhodd. achte, Berio
gung<), die Durch Urteil verhängte Friedlojigteit. Der
Geaidhtete (Udter, Berfejtete) war nad germani-
ſchem Recht von der pig aways ausgeſchloſ⸗
ſen. Er durfte und ſollte als Feind des Volles von
jedermann verfolgt und getötet werden. Es war ver⸗
boten, ihm Unterſtützung, Obdach, Unterhalt zu ge—
wabren; die A. ſetzte thn außerhalb der Sippe und der
Familie; feine Frau ward Witwe, feine Kinder Wai—
jen. Wollte er fein Leben retten, fo mufte er fliehen;
er haujte im Walde. Daher hieß er aud) Waldganger
(altnordiſch skoggangr) oder Wolf (altnord. vargr).
Uud das Gut des Friedlofen ward friedlos; ¢3 fiel an
den König oder das Gemeinwejen. Die W. wurde in
der Landes oder Gerichtsgemeinde, ſpäter durd den
Konig verhingt und verfiindet. Wn die ÄAchtung
(Udhtserflarung, Friedloslequng) ſchloß fid) häufig
das Riederbrennen oder Niederreigen von Haus und
Hof des Geächteten durd) die Genoſſen der Geridts-
gemeinde an. In Der franfijden Beit ward die A.
| jum prozeſſualen Zwangsmittel ; der König verhangte
jie über Denjenigen, der ohne Beſcheinigung edter Not,
d. h. ohne Berufung auf geſetzliche Hinderungsqriinde,
auf eine gegen ihn erhobene Klage nicht vor Gericht
erſchien oder nad Fällung des Urteils ſich weigerte, em
Sühneverſprechen absugeben, d. h. die Letjtung der zur
Wiedergewinnung des Friedens erforderlichen Geld-
ſumme zuzuſagen. Der fo Geächtete fonnte ſich inner:
halb Jahr und Tag durch freiwillige Gejtellung aus
der A. löſen. Andernfalls verfiel er Der Oberadt
(Wberadt), d. h. der vollen Friedlofigfeit, die durch
den Udhtbrief befannt gemacht wurde. Der mit Ge-
walt vor Geridt gebradte Achter erlitt nad) ſeiner
Uberfiihrung jtets die Todesjtrafe. Zuſtändig zur Ber:
hängung der Reichsacht, einer A., die ſich über das
ganze Reid) erjtrectte, waren im Mittelalter das Reids-
hofgericht fowie die faiferliden Landgerichte; Beran:
laſſung hierzu bot insbej. die Verweigerung der Heeres-
folge Durch Die ReichSfiirjten, die Wergerung, die Land-
friedensgeſetze zu beſchwören, die Verhängung eines
erſt durch den weltlichen Arm wirkſam zu machenden
Kirchenbannes (ſ. Bann). Späler ging das Recht, die
Reichsacht gu verhängen, an die beiden höchſten Reichs
gerichte, Den Reichshofrat und das Reichskammer⸗
gericht, über. Durch die ſtändige Wahlkapitulation von
171104Art. 20) wurde ihnen jedoch die Zuſtändigleit in
Achtprozeſſen wieder entzogen. Es blieb ihnen nur die
Jnjtruftion des Prozeſſes; die Entſcheidung lag nach
vorber erſtatletem Gutadten ciner » Reidsdeputation<
Achtal — WAciditat.
bei Kaiſer und Reichstag. Die Reichsacht wurde zum
legtenmal 1706, und zwar über Rurfiirjt Mar Ema-
nuel von Bayern, verbangt. Bgl. Brunner, Grund-
jlige Der deutſchen Rechtsgeſchichte (Leipz. 1901).
tal, arab. Dichter, ſ. Arabiſche Literatur.
UAchtbriidertaler, ſ. Achtlöpfige Taler.
Achteck (Oftagon, Oftogon), ein Viele mit |
adt Eden und Winkeln.
Achtel, altered deutides Teilmaß, zuweilen joviel |
wie Walter; im Bergwejen Preußens Lachter
= 10 Yoll von 10 Primen.
Michten, ſ. Acht.
Achtender (Achter), ſ. Geweih.
Achter, der plattdeutſche Ausdruck fiir hinter, z. B.
Achterſteven, ſoviel wie Hinterſteven.
Uchter, ſ. Acht.
Achteraus, hinter dem Hee eines Schiffes; recht
a. = genau in der Heckrichtung; a. holen, das Schiff
mit Trofjen rückwärts von der Stelle ziehen.
Achterbraſſen, die Braſſen (f. d.) des AUdhter-
Achterdeck, ſ. Dect. ſchiffs (7. d.).
Achterfeldt, Johann Heinrich, kath. Theolog,
eb. 17. Juni 1788 in Weſel, act 11. Mai 1877 im
onn, ward 1818 Profeſſor in Braunsberg, 1826 in
Bonn, 1844 als Anhänger der vom römiſchen Stubhl
als Irrlehre verworfenen Lehre von Georg Hermes |
(f. d.), deſſen » Chrijttatholijde Dogmatif« er heraus-
gab, vom Erzbiſchof von Köln fuspendiert.
Achterlaſtig, |. Hinterlajtig.
Achterlicher als dwars nennt man alle Rich—
tungen, die mehr als 90° oder 8 Strid) von der Bug-
ridjtung eines Schiffes abliegen.
Achierliche See, cine Wellenbewegung, die von
hinten auf den Hinterteil des Schiffes zuläuft. Bei
achterlicher See heift: bet ungefähr in der Kursrich—
tung deS Schiffes laufender Wellenbewegung.
Uchtermann, Wilhelm, Bildhauer, geb. 15. Aug.
1799 bei Münſter, gejt. 26. Mai 1884 m Rom, ere
lernte das Schreinerhandwerl und lieferte Schnitze—⸗
reien, Die wegen ihrer Feinheit und Zierlichkeit be-
wundert wurden. Schon 32 Jabre alt und ohne alle
Vorbildung, widmete er ſich der Kunſt. Jn Berlin ar-
beitete er in Den Ateliers von Raud und Tied. Durd
Verfauf kleiner Urbeiten verſchaffte er fich die Mitte!
gu einer Reife nad Italien, wo er bis an fein Lebens-
ende blicb. Gein erited, in Rom ausgeführtes Werf
war cine Bieta, die fich jest im Dom von Münſter
bejindet und in kleinern Nadbildungen verbreitet tit.
Sein umfangreichſtes Werk ijt cine aus fiinf über—
lebensgroßen Figuren bejtehende Kreuzabnahme aus
farrarijdem Marmor (1858 tn Dom ju Münſter
aufgeſtellt). Seine legte größere Urbeit war ein goti—
ſcher Ultar mit dret Reliefs aus dem Leben Chriſti fiir
den Dom zu Prag (1873). Obwobl reid) an Empfin: |
dung, vermodte YW. nicht völlig die plaſtiſche Form ju
beherriden. Val. Hertkens, Wilhelm UW. (Trier 1895).
Achtermannshihe, Berg des Harzes, ſüdweſtlich
vom Broden, 926 m hod, regelmäßiger Hornfels-
fegel mitten im Granit, mit ſchöner Ausſicht.
Achterſchiff, dic hintere Halfte des Schiffsrumpfes.
Uchterwaffer, Sce am wejtliden Miindungsarm
der Oder (Peene) in Pommern, der den nordweſtlichen
Teil der Inſel Ujedom vielfach gliedert, nur durd
eine ſchmale Landenge von der Oſtſee getrennt, etwa
80 qk (1,45 OW?) grog, aber nicht tref ijt.
Achtflächner, von acht ebenen Flächen beqrens-
ter Körper.
Achtfufton , in der Muſik foviel wie in Normal-
tonhöhe, der Notierung entfprechend, f. Fußton.
83
| auteiſen, adtfantig gewalztes Stabeifen.
Achtköpfige Taler, 1728 fiir S.-Gotha-WUlten:
— dem Bilde des Herzogs Friedrid IL, auf
der Riidjeite Dem feiner Sohne geprägt. Der Acht—
briidertaler von 1606 trägt die Brujtbilder der
unmiindigen Söhne des verjtorbenen Herzogs Jo—
hann von GS. - Weimar - Cijfenad.
Adhtiba, Miindungsarm der Wolga, der fid
oberhalb Zarizyn lints absweigt, fic) unweit des
Meeres mit den andern Armen der Wolga vereinigt
und tm Frithjabr bis Zarew ſchiffbar ijt (ſ. Wolga).
Achtum, ſ. Wjtony.
Achtundvierzigflächner, ſ. Kriſtall.
Achtung, das Gefühl, das aus der Vorausſetzung
des perſönlichen Wertes, jet es bei ſich (Selbjtadtung),
ſei es bei andern (A. andrer), entſpringt. Gegenteil der:
ſelben iſt die Verachtung, dad Gefühl, das der Vor—
ausſetzung perſönlichen Unwertes bei ſich ſelbſt (Gelbjt-
verachtung) oder bei andern (Verachtung andrer) ent:
ſtammt. Verbindet ſich die Selbſtachtung mit der Ver—
achtung andrer, ſo entſteht, wenn beide berechtigt ſind,
berechtigtes, find ſie dagegen unberechtigt, unberech⸗
tigtes Selbſtgefühl (Dodmut, Selbſtüberhebung).
Verbindet ſich die Selbſtverachtung mit der A. andrer,
ſo entſteht, wenn beide berechtigt ſind, berechtigte,
ſind ſie dagegen unberechtigt, unberechtigte Demut
Selbſterniedrigung). Die Demut geht, falls die Ge-
ringſchätzung jeiner felbjt nur geheuchelt wird, in
Ductmaufertum fiber. Berbindet ſich die Voraus—
ſetzung des perſönlichen Wertes andrer mit der Bor:
jtellung ihrer iiberlegenen Machtfülle, fo geht die A.
in Ehrfurcht iiber. ment.
Achtung! als militär. Kommando, ſ. Avertiſſe—
Lichtung, ſ. Acht.
Achtijrka, Kreisſtadt im kleinruſſ. Gouv. Chartow,
an zwei Flüſſen, Achtyrla und Guſſeniza (zur Worffla),
und zwei Seen gelegen, gegründet 1642, an der Sumy⸗
bahn, mit einer 1753 gebauten Kathedrale (Darin ein
berühmtes Muttergottesbild), einem Progymnaſium
und (1897) 23,390 Einw., die Fabrifation von Talg,
Lichten, Leder betreiben. Ym Vai findet hier cine bes
Deutende Meſſe (Vieh und Getreide) jtatt.
Achtzehner, ſ. Oftode;.
Achund (perſ.), Name der Prieſter und Religions.
gelehrten in Berjien, Wittelajien und Indien; ent-
ipridt dein Titel Molla in der weſtlichen Islamwelt.
Achyranthes, j.Iresine. Säure, ſ. Eiweiß.
Acidalbumin, Verbindung von Eiweiß mit einer
Acidalia , Sdymetterling, ſ. Spanner.
Acidalins (deutid Havefenthal), Balens,
Humanijt und genialer Kritiker, geb. 1567 in Witt-
jtod, gejt. 25. Mai 1595 in Neiße, jtudierte in Roſtoch,
Greifswald und Helmitedt, war 1590 in Ytalien,
lebte Dann gu Breslau und ging 1595 als Rektor nad
Neiße. Hervorjzuheben find jeme Wusgabe des Bele
lejus Baterculus (Paderb. 1590), die » Animadver-
siones in Curtiume (Frankf. a. M. 1594), »Poe-
mata« (Liegn. 1603), »Centuria prima epistularume
(Hanau 1606), » Divinationes et interpretationes in
comoedias Plauti« (¥ranff. 1607), »Notae in Taciti
opera« (Danau 1607), »Notae in Panegyricos ve-
teres« (in Der Gruterfchen Ausgabe, Franff. 1607).
Val. Udam, Der Neifer Reftor V. A. (17. Bericht
der Bhilomathie in Neiße, 1872).
Acidimetric, ſ. Witalimetrie.
Aecidiomyceétes, ſ. Pilze.
MAciditat (lat.), die Eigenſchaft der Baſen und Al⸗
kohole, mit Säuren Verbindungen einzugehen. Je
nachdem die Moleküle der Baſen und Allohole mit
6*
84
1, 2 oder mehr Säureäquivalenten Galje, refp. Eſter
bilden, nennt man fie einſäurig, ——
Acidite, Eruptivgeſteine mit einem im Gegenſatze
zu den Baſiten höhern Gehalt an Kieſelſäure (etwa
55—75 Proz.). Es entſprechen dieſe Bezeichnungen
den von Bunſen trachytiſche und pyroxeniſche
genannten Geſteinen.
Aéeidium, Fruchtform der Uredineen, ſ. Pilze;
aud) Gattung der Roſtpilze (ſ. d.).
Acidobutyrometrie, Methode zur Beſtimmung
des Fettes in Milch und Molkereiprodukten, beruht
auf der Löſung aller Nichtfettſtoffe in Schwefelſäure
vont ſpez. Gew. 1,820—1,825 unter Zuſatz von etwas
Amylalkohol und ſoll der gewichtsanalytiſchen Fett-
beſtimmung an Genauigkeit völlig gleichkommen, führt
aber ſehr viel ſchneller zum Ziel.
Acidum (lat.), foviel wie Säure; A. aceticum,
Eſſigſäure; A. arsenicicum , Arſenſäure; A. arseni-
cosum, arjenige Säure; A. benzoicum, Bengzoefaiure ;
A. boricum, Borſäure; A. butyricum, Butterfaure ;
A. camphoricum, Kampferſäure; A. carbolicum, Kar-
boljaure ; A. carbonicum, Koblen{daure; A. chloricum,
Chlorſãure; A. chloronitrosum, Königswaſſer; A.
chromicum , Chromſäure; A. cinnamylicum, Simt-
faure; A. citricum, Zitronenſäure; A. cresolicum,
Rrefol; A. formicicum , Umeifenfiure; A. gallicum,
Gallusſäure; A. gallotannicum, Tannin; A. hydro-
bromicum, Bromwaſſerſtoffſäure; A. hydrochlo-
ricum, Chlorwaſſerſtoffſäure; A. hydrocyanicum,
Cyanwafjerjtofffiure; A. hydrofluorosilicicum, stie-
ſelfluorwaſſerſtoffſäure; A. hydrojodicum, Sodwaffer-
ſtoffſäure; A. hypophosphorosum, unterphosphorige
Säure; A. kakodylicum, Katodylſäure; A. lacticum,
Milchſäure; A. molybdaenicum, Molybdänſäure; A.
muriaticum, Chlorwaſſerſtoffſäure; A. nitricum,
Salpeterfaiure; A. nitricum fumans, raudende Sal-
peterfdure ; A. oxalicum, Sleefiure; A. phosphoricum,
Phosphorſäure; A. phosphoricum glaciale, glas-
artige Wetaphosphorjiure; A. phthalicum, Phthal-
ſäure; A. picronitricum, Pitrinſäure; A. pyrogalli-
cum, Pyrogallusſäure; A. pyrolignosum, Holzeſſig;
A. salicylicum, Salicyljfiure; A. silicicum , Kieſel-
faure; A. silicohydrofluoratam, Kieſelfluorwaſſer—
jtofffaure; A. stearinicum, Stearinfaure; A. sub-
sulfurosum , unterjdweflige Säure; A. succinicum,
Bernſteinſäure; A. sulfuricum concentratum , eng-
liſche Schwefelſäure; A. sulfuricum dilutum, ver-
diinnte Schwefelſäure; A. sulfuricum fumans, rau-
chende Schwefelſäure, Nordhäuſer Vitriolöl; A. sul-
furosum, ſchweflige Säure; A. tannicum, Tannin,
Gerbſäure; A. tartaricum , Weinſäure; A. trichlor-
aceticum, Tridjloreffiqfiure; A. uricum, Harnſäure;
A. valerianicum , Baldrianſäure; A. vanadinicum,
Vanadinſäure; A. wolframicum, Wolframfaure.
Acinéta, ſ. \nfuforien.
Acinus , Driijenblasdhen, ſ. Driifen.
Acipenser, der Stir. Acipenseridae, Familie
der Schmelzfiſche (Ganviden), f. Fiſche.
Aciveale (ivr. atisi-), Kreishauptitadt in der ital.
Proving Catania (Sixilien), am filddjtliden Fuß ded
Atna, an der Eiſenbahn Mefjina - Catania, auf ſteil
jum Weer hinabjtiirzendem Lavagrund erbaut, be-
liebter flimatijder Kurort mit heilfraftigen Thermen
(Ucqua Santa Venera, Schwefelkochſalzwaſſer mit
Jodgehalt) und Seebädern, ijt Sig eines Bifdofs,
hat cin Gymnaſium, tedmifde und Kunſtgewerbe—
ſchule. Die Cinwobner, (1901) ca. 26,000, alg Gemeinde
35,418, beſchäftigen ſich hauptſächlich mit Weinbau,
Ugrumentultur, Teigwaren-, Mbbel- u. Lederfabrita-
Acidite — Ackerkulte.
tion. Sudlich von A., nahe der Küſte, erheben ſich Die
ſieben Baſaltklippen Scogli dei Ciclopi (oder Fara-
glioni) mit der ſagenhaften Höhle des Polyphem.
Acis, ſ. Wiis.
—
Acker, früheres Feldmaß in Mitteldeutſchland und
nod gebräuchlich in Surinam. Bal. Flächenmaße.
Ackerbau, Teil der Landwirtſchaft, der ſich auf
die Nutzbarmachung des Grund und Bodens durch
Hervorbringung pflanzlicher Rohſtoffe bezieht. Nur
die Pflanze vermag die unorganiſchen Stove des Boz
dens fiir jid) und zur Ernährung der Tiere nupgbar zu
maden. Die Lehre vom A. (Wqronomie) ſtützt —*
daher auf die Kenntnis des Pflanzenlebens (BH yto -
biologie) und nimmt ihren Uusgang von der Er-
drterung der Wadhstumsbedingungen, d. h. Boden und
Utmofphire, welde die Stoffe und Kräfte fiir die Ent-
widelung der Pflanzen bieten. Sie erdrtert die Kultur⸗
maßregeln zur Dauernden (Melioration) oder zeit⸗
weiligen (Bodenbearbettung, Diingung) Ver-
befferung des Pflangenjtandortes, hat ſchließlich die
Rulturverfahren anjugeben, die während des Kei—
men&, Wachfens und Reifens der Kulturpflangen zur
Ausführung gelangen, um unter den gegebenen oder
verbefferten egal “or von der Boden-
fliche den möglichſt hohen rag von Pflanzen⸗
produtten ju erjielen. Die Lehre vom A. im allge-
meinen wird aud) al8 allgemeiner Pflanzenbau von
dem befondern Pflanzenbau(ſ. d.) unterſchieden. Bal.
Rrafft, Uderbaulehre (7. Aufl. Berl. 1899) ;Rofen-
berg-Lipinfty, Der prattijde A. (7. Aufl., Brest.
1890, 2 Bde.). S. aud) Landwirtidaft.
Ackerbauchemie, ſ. Agrikulturchemie.
Ackerbaugeſellſchaften, ſ. Landwirtſchaftliche
Vereine. lonien.
Ackerbaukolonien, ſ. Arbeiterkolonien und Ko—
Ackerbaulehre, ſ. Ucerbau und Landwirtſchaft.
Ackerbau ohne Vieh, ſ. Landwirtſchaftliche Be-
triebsſyſteme.
Ackerbauſchulen, ſ. Landwirtſchaftliche Lehr—
anſtalten. ſyſteme.
— — ſ. Landwirtſchaftliche Betriebs⸗
Ackerbeete, Abteilungen des Ackers, die durch
das Pflügen gebildet werden. S. Bodenbearbeitung.
Acker llung, Bearbeitung des Ackers fiir die
Saat, Einſaat, Samenunterbringung und Anlegung
von Waſſerfurchen. S. Bodenbearbeitung.
Ackerbohne, ſ. Vicia und Hülſenfruchtbau.
Ackerdiſtel, ſ. Cirsium.
Ackerdoppen, ſ. Knoppern.
Ackerdrofſſel, ſ. Hirtenſtar.
Ackereinteilung, ſ. Feldeinteilung.
Ackererde, der Kulturboden, ſ. Boden.
Ackereule, ſ. Eulen (Schmetterlinge).
Ackerfuchsſchwanz, ſ. Alopecurus.
Ackerfunde, ſ. Erdfunde.
Ackergare, ſ. Boden.
eräte, die Vorrichtungen zur Bearbeitung
des Bodens: Pflug, Egge, Walze, Grubber, Hachgeräte.
—— (agrariſche Geſetze), ſ. Ager pu-
Ackerkamille, Anthemis. blicus.
Ackerkrone, |. Agrostemma (A. Githago).
Uderfrume, ſ. Boden.
Ackerkulte (Feldfulte), bei allen Ackerbau trei-
benden Völlern verbreitete reliqidfe oder aberglaubi-
ſche Gebräuche, die das Gedeihen der Feldfrudt fidern
follen. Sn Gegenden ohne Regenzeiten, tiberjdwem-
mungen rc. handelt e8 fic) meiſt um die Verehrung
einer Erdgittin, welche die Saaten beſchützt, und der
Himmelsgötter, die ihr Wachstum begiinftigen. Die
Aderland — Adermann.
Griechen verehrten in der Demeter (Cere3 der Römer)
und ihrem Giinjtling Triptolemos die Bringer und
Schiiper des Ackerbaues, in der Perjephone (‘Brofer-
pina Der Romer) die Uderfrudht felbjt, die sur Unter-
welt hinabjteigt, um wieder neu emporzufommen.
Die Romer verehrten nicht nur eine ganze Scar von
Göttern und Göttinnen, die jeden emyelnen Wads-
tumsſchritt ded Getreides gu beſchützen Hatten, eine
Seja fiir das begrabene Korn, eine Segetia fiir
die Keimung, einen Nod otus fiir die Knotenbildung,
eine Bolutina und Patella fitr die Knoſpen- und
Speljenbildbung, eine Lacturcia fiir die Samen—
bildung x., fondern man fudte aud) dem Getreide
feindliche Gottheiten, wie die Roſtgöttin Robigo,
durch Opfer an bejtimmten Tagen ju verſöhnen. Die
Prieſterſchaft (Arvaliſche
85
der ſeiner nachmaligen Gattin, ging 1746 nad Danzig
und 1747 nad) Rupland. 1751 warb er in Deutfd-
land eine eigne Truppe, die vornehmlich in Rinigs-
berg, Danzig, Mainz, aud) m Polen und der Schweiz
Vorjtellungen gab. 1764 fam A. mit feiner Gejell-
ſchaft nad) Hamburg, wo er bis ju feinem Tode die
Veitung der Truppe bebhielt, mit Wusnahme der Jahre
von 1767— 69 (der Beit der fogen. Entreprife, wäh—
rend der Lefjings »Dramaturgie« entitand). Wis
Sdaufpicler war er befonders in komiſchen Rollen
tätig. Die Leitung fibernahm nad) feinem Tode feine
Witwe und deren Sohn Friedrich Ludwig Sdrider.
Jn Mosfau hatte U. nämlich 1749 Sophie Char-
Lotte, geborne Biereichel, Witwe des Organijten
Schröder in Berlin, geheiratet. Diese ebenfalls aus.
rider, ſ. d.) fudjte | gezeichnete Schaujfpiclerin war 10. Mai 1714 geboren
durch feierliche Umzüge und Weihen das Gedeihen der | und trat zuerſt 1740 bei der Schönemannſchen Truppe
Feldfrucht ju fidern. Bon diefen Umzügen haben fic | m Lüneburg auf. Von 1742—44 leitete fie eine
bid jest Deutlidhe Spuren in der Einſegnung der Fel- | Truppe, die in Hamburg und Rojtod ſpielte.
der und Feldfriidhte, in den Umgaingen des Mai- | 1746 in Danzig, 1747 in Rubland, 4 ger fie feit
königs (j. Maifeſt), in den Vittgangen gur Heit der
Diirre und Trodenheit, in den Zeremonien zur Frucht⸗
barmadung der Felder und Weinberge (ſ. Gonnen-
fultus) und in der Einſegnung der Alpen (Alpen—
weihe) erhalten. Verſchiedene diefer Gebrauche bei
uns gehen auf da8 deutide Heidentum juriid, im dem
Thor, Freyr und verfdiedene Gottinnen als Beſchützer
des Ackerbaues verehrt wurden und der Nerthus
(Hertha) ähnliche Umzüge gewidmet waren. Auch
Oſter⸗ und Johannisfeuer Hatten deutliche Beziehung
auf die Frudjtbarmadung der Felder und Beſchützung
der Haustiere. Nächſtdem glauben Naturvilfer, day
das Leben der Rulturpflangen durch eine Yirt Damon
perfonifiziert werde. Go verehrten die alten Beruaner
eine Maismutter und eine Rartoffelmutter,
denen fic) bei und eine Rornmutter oder Roggen-
muhme an die Seite ftellt, die im Felde ſchutzend
umgehen und in Peru wie im alten Deutſchland bet |
der Ernte durch Puppen aus Mais- oder Roggen-
jtroh dargejtellt wurden. Dieſen ſchützenden Wott.
heiten ftellten fid) feindlide entgegen, fo der böſe Feind
der Bibel (Matth. 13, 25), der Lold (in Sfandinavien
»Lofis Hafer«) unter das Getreide fit, m Rom der
Dornengott (Deus spiniensis) und die Robigo, die
Dijteln und Brand ſchickten, und bei den germanifden
Stämmen der Roggenhund oder Roggenwolf,
Vilwig, Bilmes-, Binfen- oder Viljenfdnit-
ter, Tauſchlepper x. Den Roggenwolf jehen die
Landieute im Getreide gehen, wenn es tm BWinde
Wellen ſchlägt und die Halme niedergeworfen werden,
ihm ſchreibt man aud) die Entitehung des Mutterforns
(Wolfszahne) gu. Der Bilwitz mäht mittels fleiner, an
den Reber befeitigter Sicheln die beften Halme weg,
und der Tauſchlepper nimmt den Feldern in der trod:
nen Jahreszeit den Tau. Bgl. die Schriften von W.
Mannhardt: Wald-und Feldfulte (Berl. 1875—77,
2 Bde.), Roggemwvolf und Roggenhund (2. Aufl.,
Danjig 1866), Die Korndämonen (Berl. 1868), My—
thologtide Forjdungen (Straßb. 1884); Pfannen-
ſchmid, Germanifde Erntefeſte (Hannov. 1878);
Jahn, Die deutſchen Opfergebriiuce bei Uderbau
und Viehzucht (Bresl. 1884).
Ackerland, Kulturart, bei welder der Boden gum
Anbau von Feldgewadjen benutzt wird.
Ackermann, 1) Ronrad Ernſt, einer der erjten
Schauſpieler de3 18. Jahrh., Mitſchöpfer der deutſchen
Schaubühne, geb. 1. Febr. 1712 in Schwerin, geſt.
13. Rov. 1771 in Hamburg, fam 1740 zur Schöne—
mannſchen Gefellidaft, gehörte dann 1742—44 gu
1749 U. auf fetnen Reifen und blieb bis gu feinem
Lode die erjte Schauſpielerin der Hamburger Biihne.
1780 gab fie die Ackermannſche Geſellſchaft auf und
widmete ihre letzten Lebensjahre der Bildung junger
Schaufpielerinnen. Sie ſtarb 14. Oft. 1792. Mit einer
durch edlen Unjtand gehobenen ſchönen Wejtalt ver-
band fie trefflidje Regitation und ausdrucSvolle WUt-
tion; namentlid) wird ihr Händeſpiel als unnachahm⸗
lid —— Ihre höchſte Meiſterſchaft zeigte ſie in
der Darſtellung des Pathetiſch⸗Tragiſchen und Fein⸗
Komiſchen. Vor ihren beiden Töchlern zeichnete ſich
beſonders Charlotte (geb. 23. Aug. 1757 in Straß⸗
burg, geſt. 10. Mai 1775 in Hamburg) durch Liebens-
wiirdigfeit, geijtige Bildung und mimiſches Talent aus.
O. Miller hat fie zur Heldin eines aud) dramiatifierten
Romans: » Charlotte A.« (Frankf. 1854), gemacht.
2) Rudolf, Ynduftrieller, geb. 20. Upril 1764 in
Sdneeberg, gejt. 30. März 1834 in Findley bei Lon-
don, griindete 1795 in London eine Kunjthandlung,
ſchuf der Lithographie in England Boden und be-
gründete die Literatur der englifden »Annualse, dic
er 1825 mit fetnem »Forget me note erbdjfnete. Er
gab ferner beraus: »The microcosm of Londons
(1808 —11, 3 Bde.), »> Westminster Abbey« (1812,
2 Bde.), »University of Oxford« (1814, 2 Bde.),
» University of Cambridge« (1815, 2 Bde.), »Col-
leges of Winchester, Eton, Westminster« (1816),
» Picturesque Tours« (1820—28), » World in minia-
ture« (1821—26, 43 Bde.) und begriindete das wie
die genannten Werke gut illujtrierte »Repository of
arts, literature and fashions« (1809— 28).
3) Louiſe Victoire, geborne Choquet, franj.
Dichterin, geb. 30. Nov. 1813 im Paris, geft. 3. Aug.
1890 bei Nizza. Ihre philologijden Studien fiihrten
fie nad) Berlin, wo fie ji) 1844 mit Dem Theologen
und Bringenergieher Paul A. verhetratete, der den
franzoͤſiſch-literariſchen Teil der Werke Friedrichs IT.
zur Herausgabe vorbereitete. Nad) dem Tode ded
Gatten (1846) 30g fie fich einſiedleriſch auf einen Land-
fis bei Nizza zurück. Man hat von ihr drei Bande
Didtungen: »Contes en vers« (1855, hauptſächlich
dem Orient und dent griedifden Wltertum entnom-
men; vermebhrte Uusg. 1861), »Contes et poédsies«
(1863) und » Poésies philosophiques« (1874), aujer-
Dem »Pensées d'une solitaire (mit Selbjtbiogra-
phie, 1882). Ihre Didtungen find mit Ausnahme
der Sugendarbeiten auf einen leidenſchaftlich peffi-
mijtijden Ton gejtimmt. Vgl. O. d'Sauſſonville,
| Madame A. (Bar. 1891).
86 Adermannden — Aconitum.
4) Karl Gujtan, ſächſ. Nonfervativer, geb. 10. | liefern den Somal und Zulu cin febhr ſtark wirkendes
April 1820 in Elſterberg (Vogtland), geft. 1. März | Pfeilgift, das Ouabin (Ouabain), mittelafritani-
1901 in Dresden, ftudierte die Rechte, ward 1847 | fden Stämmen das Wabaio, das Taita oder
Ratsaftuar in Dresden, 1849 Wdvofat und Notar, | Guaheligift.
1857 zugleich Syndifus der Dresdener Fondsbirje,| Weofa (⸗Kummerlos«), ſ. Baumfultus.
1865 Gynditus der Sadjifden Bank, 1880 Hofrat| Weoka (jor. afota), 259-—226 v. Chr. König des 315
und Finangprofurator. Seit 1853 Mitglied, feit 1865 |v. Chr. von feinem Grofvater Tidandra Gupta
Borjteher des Stadtvcrordnetenfollegiums in Dres- | begriindeten Magadhareidhs tn ndrdliden Vorder-
den, ward er 1869 in die ſächſiſche Zweite Kammer | indien, machte feine Reqierung durd den tibertritt zum
und gleichzeitig in Den norddeutiden, 1871 in den | Buddhismus (249) und die Förderung diefer Lehre
deutſchen Reidstag gewählt, wo er fid) der deutſchen berühmt. Unter ihm fand das (dritte) buddhiſtiſche
Reichspartei anſchloß, obwobhl er partifularijtifden | Konzil zu Pataliputra (Patna) jtatt. Bon W. find
Anſichten huldiqte; aud) war er einer der Führer der zahlreiche hijtorifde Feljen- und Säuleninſchriften
Schutzzollpartei und Gegner der Gewerbefreiheit. Bon | vorhanden (nit tiberjepung und Kommentar hrsq.
1880—83 war er zweiter Bizepriajident des deutſchen von Senart, Par. 1881—86, 2 Bde.; von Biibler
Reichstags, feit 1891 aud) Präſident der ſächſiſchen in der -Zeitſchrift der Deutſchen Morgenländiſchen Ge-
Zweiten Rammer. 1898 legte er wegen wiederholter ſellſchaft-, Bd. 37, 39, 40,41,43). Val. BW. Smith,
Yngriffe auf fetne kommunale Tatigfeit feine dffent-| Asoka, buddhist emperor of India (Lond. 1901);
lichen Amter nieder und fdied aus dem ſächſ. kandtag. Hardy, Konig W. (Mains 1901).
Ackermäunchen, joviel wie Bachſtelze. Acoela, darmloje Strudeliviirmer (ſ. d.).
UAcermans, j. Wiihlmaus. Acollas cpr. ta, Emile, franz. Rechtsgelehrter
Rdermennig, j. Agrimonia. und Publiziſt, qeb. 25. Juni 1826 in La Chatre, geft.
UAernuf (Crdnujs), ſ. Lathyrus. 17. Oft. 1891 in WSnieres bei ‘Baris, nabm am So-
—— ſ. Feldeinteilung. zialiſtenkongreß zu Genf 1867 teil, wodurch er ſich
rraine, ſchmale Raſenſtreifen an den Gren- nad) ſeiner Rückkehr eine einjährige Gefängnisſtrafe
en der Äcker, durch die viel Land unbenutzt bleibt; | zuzog. Während der Herrſchaft der Kommune 1871
Jie find Brutſtätten fiir ſchädliche Pflangen und Tiere. | wurde er vom Direftorium jum Defan der Pariſer
Ackerſchachtelhalm, |. Equisetum. Nurijtenfafultét ernannt. Gein Hauptwerk iit das
Ackerſchleife Ackerſchlichte), cin hilzernervier- | »Manuel de droit civil« (1869, 3 Bde.). 1878 begrün⸗
ecliger, mit ftarfen, biegjamen Ruten durdflodtener dete er die Monatsfdrift »La Science politique «.
Rahmen, der von zwei Pferden fiber den Uder ge-| Weoncagua, 1) (Cerro de A.) höchſter Berg der
zogen wird, wobei ſich der Führer auf den Rahmen | Kordilleren Siidamerifas, 6970 m hod), liegt unter
jtellt. Die ſchon im Altertum gebräuchliche W. dient | 32'/s° ſüdl. Br. unweit der chileniſchen Grenze auf
jur Unsgleidung von Unebenheiten, sur Zerfleine- | argentiniſchem Gebiet, cin alter, erlofdener Vulkan,
rung von Sdollen, jum Verteilen von Kompoſt oder | den Giiffeldt 1883 bis 6400 m erjtieq. Südlich um
Mergel u. zum oberfladlicjen Unterbringen der Saat. | ihn fiihrt Der Doppelte 4070 und 3967 m hohe Cum-
Ackerſchlichte, ſ. Ackerſchleife. bre= oder Uspallatapaß von Santiago nach
Ackerſchnecke Garten-, Erdſchnecke, Limax Mendoza, über den bereits eine Telegraphenleitung
agrestis L.), cine Art der Lungenſchneckengattung führt und die transandiniſche Eiſenbahn ihren Weg
Eqel{dnede (Limax L.), ijt 4em lang, oben ge- nehmen foll. Bal. Fitzgerald, Highest Andes.
wöhnlich grau oder rötlichgrau, unten weißlich, legt First ascent of A. and Tupungato (Lond, 1899). —
im Herbjt zwiſchen feuchtes Moos, in die Erde oder | 2) Chilen. Proving, grengt im N. an die Proving
unter faulende Pflanzenteile gegen 400 Eier in@rup- | Coquimbo, tm W. an Valparaiſo, tm S. an San—
pen von 10-—30 Stiid, die ſich im Frühjahr oder | tiago, imO.an Argentinien, wo die Unden die Grenze
Derbjt entwideln. Die A. vermag einen meterfangen | bilden, 16,126 qkm mit (1891) 156,636 Einw. Sie
Schleimfaden ju erjeugen und fich an demfelben von | iſt von mebreren Ausläufern der Under durchzogen,
Kräutern ꝛ⁊c. herabjulaffen. Sie ijt cin nächtliches größtenteils fahl und unfruchtbar, hat aber m den
Tier und wird bei feudjter Witterung den Garten- | vom Aconcaguag und vier andern Flüſſen bewaj-
und Feldgewächſen höchſt ſchädlich. —* fängt fie | ſerten Tälern eine herrliche Vegetation; Weizen, Gee
unter mit Schmalz beſtrichenen Brettern und kann milfe, Luzerne, Wein und europäiſche Fruchtbäume
fie auc) durch Schweine oder Enten vertilgen laſſen. gedeihen trefflidh. Born Mineralien wird Kupfer ab-
Die Ketlerjdnede (L. maximus LZ.) ijt afdgrau, | qebaut. A. wird eingeteilt in fiinf Departements:
oft ſchwarz gefledt oder gejtreift, bis 13 em fang, lebt | Betorca, Ligua, Putaendd, San Felipe und Andes.
in Waldern und Kellern und wird wie die VW. gefangen. Hauptitadt jt San Felipe.
Ackerſchwertelwurzel, ſ. Gladiolus. a condition (fran}., for. tongdißſöng), auf Bedin-
Ackerſenf, ſ. Brassica. gung, bedingungsweiſe (»bediw.<), insbeſ. von Wa—
Ackerſpörgel, ſ. Spergula. ren, die der Empfänger im Fall des Nichtabſatzes
Ackertreſpe, ſ. Bromus. oder der Nichtverwendung zurückgeben darf; findet
Ackerveilchen, ſ. Viola. beſonders beim Buchhandel jtatt.
Ackerwagen, ſ. Wagen. Aconin ꝛc., ſ. Alonin rc.
Ackerwalze, ſ. Walje. | Aconitum LZ. (Ufonit, Eiſenhut, Sturm—
Uerwinde, ſ. Convolvulus. hut, Venuswagen), Gattung der Ranunfulageen,
Acne, f. Finne; A. mentagra, Bartjinne; A. ro- | Stauden mit häufig knollig verdicten Rhizomen, hand-
sacea, Kupferausſchlag. foͤrmigen, meiſt tief gelappten Blättern und blauen
Acocanthéra G. Don., Gattung der Apocyna— | oder gelben Blüten in gipfelftindigen Trauben, mit
geen, unbewehrte Sträucher oder Bäumchen mit ge- | fiinfolatteriqer Bliitenhiille, welche die zwei lang-
genftandigen, lederartigen Blattern, dichten Bliiten- gejtielten Honighlatter mit kurzer Platte völlig ein—
rifpen, weißen oder rotlicjen, woblriedenden Bliiten ſchließt, und deren oberſtes Blatt belmforntig tt. Gime
und beerenartigen Früchten. A.- und Carissa-Yrten | 60 Yrten in Europa, Aſien, Nordamerifa. A. Na-
Acontius — Acquaviva.
pellus L. (j. Tafel »Giftpflanjen IT.), mannshoch,
nut dDunfelblauen Bliitén in reichblütiger Traube und
riibenformigem (Napellus, dag Riibchen) Rhizom;
wächſt geſellſchaftlich in der Bergregion des mittlern
Europa bis Siebenbürgen, im Himalaja, in Sibirien.
Alle Teile ſind ſtark giftig, beſonders die Knollen, die
ſcharf rettichartig riechen, ſchwach ſüßlich, aber bald
äußerſt brennend ſcharf ſchmecken, wie die Blätter und
Samen Akonitin enthalten und im 18. Jahrh. durch
Störck in den Arzneiſchatz eingeführt wurden. Un
Pſeudoakonitin ijt beſonders A. ferox Wadllich., aus
dem Himalaja, reich, welches das in Yndien als eins
der ſchrecklichſten Gifte geltende Bikh (Biſh) liefert
und als Pfeilgift benutzt wird; von A. heterophyllum
Wallich. und andern Arten in Oſtindien werden die
RKnollen (Wtee) gegejjen. A. variegatum L., in Ge-
birgswaldern, entwidelt mehrere, aber armbliitige
Trauben und bildet mit A. Napellus einen Bajtard,
A. Stoerkeanum Rchb., mit blauen und weißen Blü—
ten, der als Gartengierpflanje fultiviert wird. A. Ly-
coctonum L. (Wolfseifenhut, gelber Eiſen—
Hut) blüht gelb, fein Rhizom wirtt höchſt narkotiſch,
aber nidjt ſcharf und enthalt Lyfafonitin und Myok-⸗
tonin. A. Anthora L., in den Alpen, mit riibenfir-
migen Knollen und gelben Bliiten wurde bis ing
16. Jahrb. von den Alplern zur Bereitung von Pfeil:
gift benugt. Rad) qriechifdher Mythe ijt A. aus dem
ifer Des Cerberus erwadjen, und auc in der nor-
difden Mythologie ſpielt es cine Rolle. über die Gif-
tigfeit des A. wurde viel gefabelt, und nach Theophraſt
wuchs neben der überaus giftiqen Thora das heilende
Ynthora, das Gegengift des erſtern (Antagonismus
zweier Gifte). Bei Galen werden A. Napellus oder
thm gleidwirfende Urten als Wfoniton und Parda—
liandeS erwähnt. Bei Vergiftungen nut A. tritt
zunächſt Brennen und Taubjein im Mund ein, über
Den ganjen Körper verbreitet fic) Warmegefiihl,
—— Pelzigſein, der Puls wird ſeltener,
kleiner, die Atemzüge werden langſamer, mühſam.
Die Pupille iſt erweitert; ſpäter folgen Schwindel,
Mattigkeit, Kältegefühl, Muskelſchwäche, bis zuletzt
Puls und Atmung ſchwinden und der Tod eintritt.
Bei Ufonitvergiftung ijt ſchleunigſt der Arzt zu rufen
und einſtweilen ſtarkes Erbrechen herbeizuführen. Bal.
Reichenbach, Illustratio specierum Aconiti gene-
ris (eip;. 1823-—27); Laborde u. Duquesnel, |
Des aconits et de l'aconitine (Bar. 1883).
Acontind (Akontios), ſ. Kydippe.
a conto, ſ. a fonto.
Acorus L. (Nalmus), Gattung der Arazeen,
Kräuter mit friechendem Wurzelſtock, zweireihig jtehen-
den, ſchwertförmigen Blättern, langem, blattähn—
lichem Blütenſchaft, walzenförmigen Blütenkolben,
ſchwertförmiger Blütenſcheide und rötlichen Beeren.
Zwei Arten. A. Calamus L., mit fleiſchigem, walzen—
jormigem, geringeltem, auf den Blattnarben punk—
tiertem, blaßrotem, aromatiſchem Wurzelſtock, findet
ſich weit verbreitet auf der nördlichen Halbkugel, im
rößten Teil Aſiens, auf den Philippinen, auf einigen
** des Indiſchen Archipels, in Abeſſinien und an⸗
eblich verwildert im größten Teil Europas und in
dordamerika an Teichen, Flußufern re. Die Frucht
reift in Mittel- und Weſteuropa nicht. Der Wurzelſtock
(Kalmuswurzel, Rhizoma Calami) ijt geſchält,
geſpalten und getrodnet gelblichweiß, ſchwammig,
ſchmeckt ſtark aromatiſch bitterlich, riecht aromatiſch
und enthält ein bitteres Glyfofid, Uforin, und ge:
trodnet etwa 1,5 Broz. gelbes at herifdes OL vom
ſpez. Ger. 0,96 —0,97. Dies ift in verditnntemWUlfohol
87
iemlich ſchwer löslich und wird als Urjneimittel, zu
tifdren und in der Barfiimerie benutzt. Die Wurzel
dient bei atonijder Verdauungsſchwäche, zu Zahn—
pulvern und Badern; fandierter Kalmus ijt etn be-
jonder8 im Orient beliebtes Ronfeft. Berjern und
Urabern gilt die Wurzel als kräftiges Aphrodiſiakum.
Kalmus war fdon in der altindiſchen Medizin, aud)
bei Grieden, Römern und Arabern gebriuchlid. An—
geblich fultivierte Clufius 1574 zuerſt Kalmus, den
er aus Ronftantinopel erhalten, bei Wien, und von
dort foll ſich Dann die Pflanze fehr ſchnell verbreitet
haben. Der ebenfalls aromatijde fleine A. grami-
neus Aif, wird in Japan zur Gewinnung von äthe—
riſchem Ol fultiviert. Gem Rhizom ijt ſehr ölreich
(5 Broz.) und das Of viel leichter in verdiinntem Al—
fobol löslich als das der erjten Art.
Acofta, 1) Jofé de, ſpan. Jeſuit und Gejdidt-
ſchreiber, geb. um 1539 in Medina del Campo, gejt.
15. Febr. 1600 in Salamanca, ging 1571 nach Ame—
vifa, wo er Provinzial feines Ordens von Peru wurde,
und erbielt nad) ſeiner Rückkehr nad) Curopa (1588)
das Reftorat der Univerſität zu Salamanca. Sein
Hauptwerk ijt die »Historia moral y natural de las
Indias« (Sevilla 1591).
2) (Da Cofta) Gabriel, {pater Uriel, Reliqions-
philofoph, geb. um 1590 in Oporto, gejt. im April
1640. Er entjtammte einer portugiejijden Marran-
nenfamilie, ftudierte die Rechte und ward um 1615
— a sts einer Stiftstirde. Seine Zweifel an der
fatholifd = jefuitijden Dogmenlehre fiibrten ihn dem
Studiunt des Ulten Tejtaments gu, und diefes be-
qeijterte ihn fiir die Religion feiner Uhnen, das Juden-
tum, das er mit Dtutter und Briidern in Amſterdam
ffentlid) annahm. Da aber das rabbinijde Buden-
tum mit feinen vom WMofaismus gewonnenen An—
ſchauungen nidjt übereinſtimmte, ſuchte er es durch
Wort und Schrift zu bekämpfen, wofür ihn das Am—
ſterdamer Rabbinat mit dem Bann belegte und der
Arzt da Silva gegen ihn, den Leugner der Unſterb—
lidjfeitSlehre, die Schrift »Tratado da immortalidade
da alma« (Amſterd. 1623) ridjtete. Er verteidigte
feine Meinung im »Examen dos tradicoens Phari-
seas conferidas con a Ley escrita por Vriel Jurista
Hebreo, com riposta a hum Samuel da Silva seu
falso Calumniador« (Amſterd. 1624) und ward auf
die Rage der jüdiſchen Alteſten vom Rate der Stadt ju
einer Geldjtrafe verurteilt. 1633 widerrief er, worauf
er wieder in die Gemeinde aufgenonmien wurde. Auf
Grund neuer Befduldiqurgen jtand er fieben Jahre
unter Dem Bann, bis er fic) endlicd) der Buje unter-
warf. Ym Innern jerriittet, beendete er fein Leben
im Wpril 1640 durd) einen Piſtolenſchuß. Seine
Selbftbiographie (>Exemplar humanae vitae«) gab
PH. Limbord nad einem im Ucojtas Hauſe 40 Jahre
nad) feinem Tod entdedten Ylutograph 1687 und
Volkmann in der »Fejtidhrift sur 250jährigen Ju—
belfeier des Gymmajiums gu St. Maria Magdalena in
Breslau am 30. Upril 1893 « heraus. Bum Helden einer
Novelle (»Der Sadduzäer von Amſterdam«, 1834)
und einer Tragödie (ollriel A.«) madte thn Gutzkow.
& coup perdu (franj., for. tu perdi), aufs Ge-
ratewohl, auf gut Glück.
Acquapendénte, Stadt in derital. Provinz Rom,
auf hohem Bafaltfelfen tiber dem Paglia, Sig eines
Biſchofs, mit ſchöner Kathedrale und (1901) ca. 5000,
als Gemeinde 6432 Einw.
Acquaviva (WU. delle Fonti), Stadt tn der ital.
Provinz Bari, an der Eifenbahn Bari-Taranto, hat
cine ehemalige Rathedralfirde, ci Gynmajiunt, eine
88
techniſche Schule, ergiebigen Wein- und Objthau, Ol- |
berettung und (1901) 10,994 Einw.
Mequt (jor. atwi, das alte Aquae Statiellac), Kreis: |
bauptitadt in der ital. Proving Aleſſandria, an der
Bormida, Knotenpuntt an der Erfenbahn Uleffandria— |
Savona, Sit eines Bifdofs, hat em altes Schloß,
cine fiinfidiffige gotiſche Rathedrale (im 12. Sabrb. |
eqriindet), alte} Stadthaus, Reſte eines römiſchen
Viquabults, ein Gymnaſium, techniſche Schule, Wein⸗ |
bau, Fabrifation von Weinjtein und Möbeln und}
ago) ca. 11,500, als Gemeinde 13,786 Einw. Die
Stadt ijt beriifmt durd ihre ſchon gu Plinius' Zeiten
befannten Schwefelquellen (39—74°), die befonders
ju Schlammbädern benugt werden. Bal. Roffi, A.
e dintorni (Zurin 1901).
Acquirieren, ſ. Ulquirieren.
Acquit (franj., fpr. aci) Quittung, Empfangſchein;
pour a., ſoviel wie den Empfang beſcheinigt, empfan⸗
en. — Beim Billard bedeutet A. das Ausſetzen des
alles (f. Billard).
Acquit & caution (pr. afi-t-a topjéng), in Frank⸗ |
reich etn gegen Siderjtellung der gu zahlenden Ubgabe
fiir joll- und fteuerpflichtiqe Waren ausgeftellter Be- |
gleit}dein, der fiir Den Trangport von Getränken,
Salz, Tabaf xc. im Innern des Landes, dann na: |
mentlich im Beredelungsverfehr große Bedeutung er-
langt bat. Seit 1836 wurde die zeitweiſe zollfreie
Cinfubr von Gegenjtinden zugelaſſen, die in veredel-
ter Form wieder ausgefiifrt werden follten. Dabei |
wurde am Grundjag der Identität feſtgehalten. Die
Durchführung diefes Grundſatzes erforderte bei vielen
Waren eine läſtige Kontrolle, und fo hatte man in|
der Praxis bet einigen wichtigen Urtifeln, insbeſ. bei
Mehl und Eijen, von derjelben Ubjtand genommen
und die Zulaſſung gewabrt, wenn nur iiberhaupt die
entipredjende Menge an fertigen Produften innerhalb
beſtimmter Frijt ausgefiibrt wurde. Infolgedeſſen
entitand eine Urt Ausfuhrprämie fiir heimiſche Er—
zeugniſſe. Getretde wurde tm Sitden des Landes einge-
* um dort dem einheimiſchen Verbrauch zu dienen,
während dafür Mehl aus dem Norden ausgeführt
wurde. Auf Grund von Reklamationen der Inter—
eſſenten wurde 1873 beſtimmt, dak die Mehlausfuhr
nur über diejenigen Zollbureaus ftattfinden dürfe,
liber welche der Weizen eingegangen fei. Dadurd |
hat der A. bei dem Weizen feine Bedeutung verloren.
Dagegen bat er diefelbe noch bet wichtiqen Cifenforten
behauptet. 1857 wurde das Recht, Eiſen zeitweiſe
zollfrei einzuführen, auf Hiittenbejiger und Konſtruk
teure beſchränkt, die Beftellungen aus dem Wuslande
nachweiſen, wobei die Rompenjation durd Ausfuhr
von aus inländiſchem Robjtoff gefertiqten Eifenwaren
pean wird. Dadurd ijt die iibertragung von in
planco ausgeftellten Einfubrvollmadten an Dritte
ermöglicht, wogegen rechtzeitig eine entipredende
Menge jener Waren zur Ausfuhr gelangt. Seit 1870
müſſen Stabeifen und weiter verarbeitetes Eiſen bei
tempordrer Sulajfung unter jollamtlider Kontrolle
wirflic) in die einfubrberedtigte Fabrif transportiert |
werden, und fo beſchränkt fid) Denn der Ucquithandel |
heute tm weſentlichen nod) auf Gießereieiſen. Bal. |
Lexis, Die franjofijden Ausfuhrprämien (Bonn |
1870); _»Enquéte sur l'application du décret du
15 février 1862« (Par. 1867); »Conseil supérieur
Fruchtfleiſch.
Acqui — Act.
= 40,4671 Ur. 30 Acres bilden 1 Yard of land,
| 100 Acres = | Hide of land, 640 — 1 Square Mile
von 258,980 Heftar. Jn den Vereinigten Staaten
ijt ein A. of land — 40,47179 Ur; 640 Acres = 1 Mile
of land oder Section (square mile) von 8 Lots; 36
Sections = 1 Township von 93,247 qkm.
Acredala, ſ. Meiſen.
Acri, Stadt in der ital. Provinz Coſenza, auf einer
Anhöhe über dem Mucone gelegen, hat Wein⸗ und Ol⸗
bau, Baumwollkultur, Bereitung von eingeſalzenem
Fleiſch und Schinken und (von ca. 11,500, als Ge-
meinde 13,944 Einw.
Acria (lat.), ſ. Reizende Arzneimittel.
Acrididae (Feldheuſchrecken), ſ. Heuſchrecken.
Acridin 2c., ſ. Alridin xc.
Acrocephalus, ſ. Schilfſänger.
Acrocomia Mart., Gattung der Palmen, mit
dornigem, oft in der Mitte verdidtem Stamm, fdonen,
Qefiederten Blattern, großen, rutenfirmigen Bliiten-
olben und fugeligen Steinbeeren mit febr dickem
Steinfern. Sieben Arten in Siid- und Mittelamerifa
und auf den Untillen. A. sclerocarpa Mart. (Ma-
cawbaum, Macoya, Macahuba), auf Jamaica,
Trinidad und in Brafilien, tragt dunfle, genieRbare
Früchte, die von den Negern gu Schnitzarbeiten be-
nutzt und zur Gewinnung von fettem Of gemablen
und gepreft werden. Das Fett (Macajabutter)
ift goldgelb, von Butterkonſiſtenz, riedt veildenartig,
ſchmeckt ſüßlich, dient zu Seifen und font namentlid
aus Wejtindien nad) Europa (Palmöl). Die jungen
Blatter werden als Gemüſe gegeſſen. A. lasiospatha
Mart. (Mucuja), in Brajilien, hat genießbares
ebrere Urten werden in Palmen—
häuſern fultiviert. [terqiirtel.
Acromion (lat.-qried.), Schulterhöhe, ſ. Schul⸗
Acronycta, ſ. Eulen (Schmetterlinge).
Acréstichum ZL. (Zeilfarn), Farnkrautgat—
tung aus der Familie der Polypodiazeen, zahlreiche
tropiide, auf Baumen und Felfen wadfende Urten
mit meiſt ungeteilten Wedein, auf deren Riidfeite
dict gedrängt nadte Frudtfapfeln jtehen. A. bar-
batum Karst., in Brafilien, f. Tafel »>Farnel<. Uber
A. alcicorne und ähnliche Urten ſ. Platycerium.,
C8 (jpr. atim), Markt tm ungar. Romitat Komorn,
an der Staatsbabniinie Raab-Romorn, mit SdloR,
Zuckerfabrik, «s90) 4501 ungar. Eimwohnern und
einem Denfmal fiir die im Gefedht bei A. 1849 ge⸗
fallenen Honveds.
Acfady (er. atſchad), Ignaz, ungar. Geſchicht-
ſchreiber, geb. 9. Sept. 1845 in Nagy-Rdroly, war
zuerſt pubüziſtiſch tätig und widmete ſich ſpäter bijto-
riſchen, beſonders finanzgeſchichtlichen, Studien. Er
ſchrieb (in ungariſcher Sprache): »Maria Szechy ⸗
(1885); »Ungarn im Zeitalter der Rückeroberung
Ofens« (1886); —— Finanzen unter der Re—
gierung Ferdinands J.« (1888); —— ſtaatswirt⸗
ſchaftlichen Zuſtände im 16. und 17. Jahrhundert«
(1889); ⸗Geſchichte der Dreiteilung Ungarns« und
Zeitalter Leopolds J. und Joſephs J.« (Bd. 5 und7
der »Geſchichte Der ungariſchen Nation«, Millen—
niums⸗Ausgabe, 1898).
Act (engl., for. adt), in England und Nordamerifa
Beſchluß einer Behörde oder etner ſtändiſchen Körper⸗
ſchaft, z. B. A. of Parliament oder A. of Congress,
du commerce, ete. Admissions temporaires« (daf | cin vom Parlament oder vom Kongreß gefaßter Be—
Acraeidae, ſ. Ufraiden.
Acraspéda, ſ. Medufen.
[1878). ſchluß. Dahin gehört 3. B. die berühmte Schtffabrts-
afte (Navigation A.) von 1651. A. of settlement
Acre (engL., fpr. er, *Uder«), engl. Feldmaß, ent- | heift die Rarlamentsatte, wodurd) die britiſche Thron:
Halt 4 Roods su 40 Square Roods — 4840 OYards | folgeordnung fejtgejtellt wurde, fpejiell aber dad
Acta — Acton.
Thronfolgeqeies, das Wilhelm III. fur; vor feinem
Tode nod) fanftionierte, und wodurd das Haus
VBraunjdhweig-Liineburg-Hannover auf den britijden
Thron berufen wurde.
Acta (lat.), im rim. Rechtsweſen geordnete Nie-
derſchriften öffentlicher Verhandlungen, imsbef. der
von den Magiſtraten, ſpäter den Kaiſern, erlaſſenen
Verfügungen (A. magistratuum, A. principum). A.
hießen auch gewiſſe Gerichtsakten. — Über A. im
heutigen Sinn ſ. Alte.
Actaea L. (Chriſtophskraut), Gattung der
Ranunfulazcen, Stauden mit Heinen weißen Blüten
in furjen Trauben. Bon den 13 Urten tm Europa,
Ujien, Rordamerifa wächſt A. spicata L. (ähren-
tragendes Chrijftophstraut, Schwarzkrauth,
89
deren die fofortige Zwangsvollſtreckung erfolgen fann.
Dahin gehiren die Notariatsinjtrumente und die von
franzöſiſchen Geridten ausgefertigten Erfenntnifie.
A. législatif, eine von den geſetzgebenden Faltoren
beſchloſſene und verfaſſungsmäßig verfiindete Redts-
norm. A. de gouvernement, Maßnahmen der Re-
gierung, gegen die es fein Rechtsmittel gibt. A. re-
spectueux, tm frangdfijden Rechte der formlide An—
trag eines Rindes auf Erteilung der elterliden Zu—⸗
ſtimmung zur Berbeiratung. Uber Bundesatte f.d.
Acting (engl.), vor Offisier$- und andern Titeln,
foviel wie intertmijtifd), jtellvertretend.
Actiniae, ſ. Seeanemonen.
Actinocrinus Mull., Gattung der Haarſterne
mit Fretjelformigem Kelch, der von sablreiden, mit
mit dreizühlig Doppelt gefiederten Blattern, eiformiger radialen Erhdhungen vergierten Platten gebildet ijt;
Bliitentraube und erbſengroßen, ſchwarzen Beeren, | die Ventralfapjel tit in eme lange Wfterrdhre aus:
in Europa und Nordafien und ijt narfotifd -giftig; | gesogen. Die Gattung A. findet ſich in der ſubkarbo—
wird nebjt andern Urten als Zierpflanze fultriert. |
Bon A. racemosa L. in Nordamerifa dient das Rbi-
zom gegen Aſthma und Bruſtleiden.
Acta Apostolérum, die Apoſtelgeſchichte.
Acta consistorii, ſ. Xonjijtorium.
Acta diurna (lat.), im alten Rom die von Cafar
(59 v. Chr.) eingefiibrten amtlicden Verdffentlidungen
Der ⸗Tagesereigniſſe⸗ (aud a. d. urbis oder populi,
und acta publica genannt), die fid) mit Der Beit nad
Art unfrer Seitungen gejtalteter.
Acta Eruditoérum, Name der erjten deutiden
qelehrten Seitidrift, die vom Profeſſor Otto Mende
(j. D.) nad) dem Vorgang des » Journal des Savants«
redigiert und zuerſt 1682 herausgegeben wurde. Das |
Unternehmen, ju dem fic) die erjten Gelehrten jener
al wie Carpjov, Leibniz, Sectendorff, Cellarius,
homafius, Sagittarius, Wagenſeil u.a., mit Mende
vereinigt batten, thronte bald als oberjter Richter fiber
janttlichen Leiſtungen der deutſchen Literatur. Nad
©. Mendes Tod übernahm 1707 fein Sohn Job.
Burfhard Mende und von 1732 an deffen Sohn
Friedr. Otto Mende die Redaftion, der eine neue
Folge unter dem Titel »Nova A. B.« begann. Rad
faſt 100jabriger Dauer ging die Zeitſchrift 1782 ein,
im weldjem Sabre der bis dabin verſpätete Jahrgang
von 1776 erſchien. Zu einem vollitindigen Exem—
plar gehören folgende Bande: A. E., 1682 —1731,
50 Bode.; Nova A. E., 1732—76, 43 Bde.; A. E.
Supplementa, 1692— 1734, 10 Bbde.; Ad Nova A. E.
Supplementa, 1735-57, 8 Bde.; Indices, 6 Bde.;
gufammen 117 Bande.
Acta Pilati (lat.), cin angeblid) von Pilatus ab-
efakter apofryphifder Bericht über die Verurteilung
Sef, der in feiner jetzigen Gejtalt erjt dem 4. Jahrb.
angehirt und den eriten Teil ded Evangeliums des
Rifodemus (jf. d.) bildet. Dod werden angeblich offi-
jielle Uften des Pilatus ſchon im 2. Jahrb. erwabhnt. |
Bal. Lipfius, Die Pilatusatten, kritiſch unterſucht |
(neue Ausg., Riel 1886). [Dijten und Heilige. |
Acta Sanctérum oder Martyrum, ſ. Sollan-
Acte (franj., fpr. adt), tm franz. Rechtsweſen Be⸗
nijden Formation Europas und Rordamerifas. S.
Tafel »Steinfohlenformation I«.
Actinomyces Harz.(Strablenpil), Gattung
niederer Pilze, deren Stellung tm Syjtem nod) un-
fier ijt. Der Vegetationsfdrper bejteht aus einem
farblofen, fadigen Mycel, defjen mitunter an der
Spite folbenfirmig gefdwollene Zweige von einer
— Partie nach allen Seiten ausſtrahlen. Die
ermehrung erfolgt durch Zerfall der Mycelfäden in
einzelne unregelmaͤßige oder konidienartige Teilſtücke,
die zu neuen Mycelien auswachſen. Einige Arten
von A. verurſachen beim Menſchen oder bei Tieren
die Aktinomyloſe (f. d.).
Actinotrocha, ſ. Bhoroniden.
Actinozia, ſ. Strabltiere.
Actio (lat.), in der Recht8fprade der Romer das
Klagerecht, die rechtliche Möglichkeit der angriffsweifen
Privatredtsverfolqung vor Gericht gegen bejtimmte
Ferjonen. S. Kage.
Actio ad exhibendun, ſ. Exhibition.
Actio et reactio (lat.), »Wirfung und Gegen⸗
wirfung«, Formel, die befagt: die Wirfung jeder Kraft
erfolgt nad) zwei entgegengefegten Ridjtungen mit
gleicher Stärke.
Action de jouissance (franz., fpr. atßiong d'ſchui⸗
fangf’), Genußſchein, ſ. Wetie.
Actio Pauliana, ſ. Unfedtung.
Actis testantibus (lat.), nad) Ausweis, Beug:
ni8 der Uften.
Actium, fat. Name von Uftion (f. d.).
Acton (jvc. ate’'n, Wohnſtadt weſtlich vor London
in Middlefer (England), mit (1901) 87,744 Einw.
Acton (pr. idt'n), 1) Gir John Francis Ed—
ward, Minijter Ferdinands [V. von Neapel, qeboren
im Mai 1736 in Bejancon, wo fein Bater, em fatho-
liſcher Englander, Arzt war, geft. 12. Aug. 1811, trat
in tostaniſchen Marinedienft und zeichnete fid) 1775
als Fregattenfapitin bei der Expedition gegen Algier
aus. 1779in neapolitanifde Dienjte berufen, gewann
er die Gunjt der Königin Karoline, wurde Warine-,
dann Kriegs⸗, Finanz- und endlid Premiermunijter.
zeichnung jeder Urt vor Urfunde, die als Beweis- Ehrgeizig und ränkeſüchtig, beeiferte ex ſich der Königin
mittel fiir trgend eine Tatſache, namentlich eine Wil- | zuliebe, Neapel im den — gegen Die franzöſiſche
lensertlärung, dienen foll. Man unterfdeidet: Actes | Revolution zu verwideln. Nachdem 18. Dez. 1792
sous seing-privé (Privaturfunden), die der Aner- | der franzöſiſche Admiral Xa Touche Die Anerkennung
kennung der Parteien bedürfen, um eine rechtliche der Republik und die Neutralitãt Neapels erzwungen
Wirkung hervorzubringen; Actes authentiques (df- | hatte, ſchloſſen A. und die Königin 12. Juli 1793 ein
fentlid) beqlaubigte Urfunden), die aud) ohne Uner- | Biindnis mit England, und A. ſuchte nun die italie-
fennung Perweis aft haben, bid fie in geſetzmäßiger nifden Staaten ju einem Bunde gegen Frankreich ju
Weiſe fiir unecht oder verfälſcht erflart werden; Actes | vereinigen, indem er alle Kräfte des Staats auf die
exécutoires (volljtredbare Urfunden), auf Grund Verſtärtung der Flotte und des Landheeres wandte.
90
Die Regierung fiihrte er namentlid) feit 1794 in|
jtreng abſolutiſtiſchem Sinne. Durd) Bonapartes
Siege bedroht, ging W. gu Brescia (5. Juni 1796)
einen Waffenjtilljtand ein, dent der Friede gu Paris
(10. Oft. 1796) folgte. Aber ſchon 1798 ſchloß ſich
Neapel dem Bündnis gegen die franzöſiſche Republit
wieder an, und auf Nelſons Rat griff das neapoli-
tanifde Heer das franzöſiſche im Kirchenſtaat an.
Nady dem ungliidliden Uusgange des Krieges floh A.
mit Dem Konig nad) Palermo (Dezember 1798). Vis
die Parthenopeiſche Republif 1799 durch den Kardinal
Ruffo geſtürzt wurde, brad) der König auf Uctons
Mat die abgeidlojjene Kapitulation, und A. errichtete
nun ein blutiges Schreckensregiment in Neapel. Der
Friede gu Floreny (28. März 1801) löſte Neapels
Verbindung mit England und beraubte A. des offenen
Einfluſſes. 1804 auf Berlangen Frankreichs vom
Hof entfernt, begab er fid) nad) Sizilien, intrigierte
aber im gebeimen fort; auf feinen Rat verletzte Herdi-
nand IV. den mit Napoleon geſchloſſenen Neutrali-
tat8vertrag, indem er im November 1805 ein ruffijd-
engliſches Heer Landen ließ und dem Ruſſen Lacy den
Oberbefehl iiber femme Truppen gab. A. wurde hierauf
zuriidgerufen und von neuem an die Spige der Ver—
waltung gejtellt, dod) durch den Einmarſch der Fran-
zoſen tm Februar 1806 abermals —
2) John Emerich Cdward Dalberg-A.,
Lord W., geb. 10. Jan. 1834 in Neapel, get. 19.
Juni 1902 in Tegernfee, Entel des vorigen, deſſen
Vater nad feiner Ehe mit einer Todjter des Herzogs
Emmerid Joſeph von Dalberg (j.d.) den Namen Dal-
berg⸗ A. angenommen hatte, war 1859-—66 Mitglied
des engliſchen Unterhaujes und zählte zu den hervor-
ragenditen Geqnern der ultramontanen Bartet unter
den englifden Ratholifen. In diejem Sinne begriin-
dete er 1861 die »Home and Foreign Review<, in
der er 1863 mit dem ungliidliden Verſuch auftrat,
die von ihm wieder an das Licht gezogenen » Mati-
nées royales« als ein Werf Friedrids I. von Preußen
gu erivetjen. Wahrend des Vatifaniiden Konzils ver-
weilte U. in Rom; Friichte feines dortigen Aufent-
halts find feine Schriften »Sendſchreiben an einen
Deutiden Biſchof des vatifanifden Konzils« (Münch.
1870) und » Sur Geſchichte ded vatikaniſchen Rongils «
(daſ. 1871). Im J. 1869 wurde er gum Peer mit
dem Titel Baron A. of Aldenham erhoben; 1872 er:
hielt er von der Münchener philofophifdhen Falultät
honoris causa die Doftorwiirde; 1876 wurde er zum
— Mitgliede der Münchener Akademie er— |
wãhlt. Gladjtones Sdyrift liber die vatifanijden De: |
frete beleuchtete Lord A. 1874 in einer Reihe von |
Briefen, die in den »Times« abgedrudt wurden.
1892— 95 war er Kammerherr der Königin; 1895
wurde er jum Profeſſor der neuern Geſchichte an der
Univerjitat Orford ernannt. Mehrere feiner Schriften
— — — — — — — —— — — — —
Actor — Adal.
Actus (lat.), im rim. Recht jede gerichtliche Hand⸗
lung, dann aud eine außergerichtliche Handlung, an
die rechtliche Wirkungen geknüpft find. Wud) bezetch-
nete A. dad dingliche Recht, über das Grundjtiid eines
andern Bieh ju tretben und mit Wagen ju fabren
(Xriftgeredhtigteit), fowie anderfeits die dieſem Redt
entipredyende Verbindlichkeit (vgl. aud) Grunddienit-
barfeiten). An höhern Schulen heißt Uftus (Rede—
aktus) eine öffentliche Feierlichteit mit Vorträgen,
Geſang x.
Aculeata, die Hautflügler mit Giftſtachel.
Aculéus (lat.), Stachel (7. d.).
Acusticus (Nervus a.), Hörnerv, ſ. Ohr.
Acutus (fat.), ſ. Akzent.
Acvin (or. apwin), in der indifden (vedifden) My⸗
304 8 zwei paarweiſe aujtretende Gottheiten, ver-
gleidjbar den griechiſchen Diosturen. Sie find die
früheſten Lidtbringer am Morgenhimmel, die himm-
liſchen Ärzte, die alle Krankheiten vertreiben; fie
bringen befonders bedrängten Schiffern Rettung.
Man hat vermutet, dak urjpriinglid) Worgenjtern
und Ubenditern diejer Vorjtellung ju Grunde fliegen.
l. L. Myriantheus, Die Acvins oder arijden
o8turen (Mind. 1876); Mannhardt in der
» Reitidhrift fiir Ethnologie«, Bd. 7, S. 312 Ff.
Achanoblepfie (Wtyanoblepfic), ſ. Farben-
Acykliſch, |. Azykliſch. blindheit.
Ad (lat.), ju.
Ada (tiirf.), in gtk Ortsnanten,
bedeutet »Inſel⸗ (3. B. Wda Kaleb).
Ada, Wart im ungar. Konritat Bacs-Bodrog, an
ber Theiß und der Eiſenbahn Sjabadfa-O-Becse, mit
Dampfmiihle und agoo) 12,081 Einw.
Ad absurdum fiibren, {. Ubjurd.
Ad acta (lat.), »zu den Akten⸗, von cinlaufenden
Sdriftitiiden, die einer Behirde ju Maßnahmen fei-
nen YUnla geben; etwas ad acta legen, etwas fiir
abgetan anjehen, einer Bittſchrift rc. feine Folge geben.
Adagio (ital., fpr. adavfgo), mujif. Tempobezeich⸗
nung, die jdon gu Anfang des 17. Jahrb. vorfommt,
hg cigentlid) foviel wie bequem, behaglich, hat aber
ür die Muſik im Laufe der Zeit die Bedeutung vor
langſam und ſehr langſam erbalten. A. it das
eigentliche Tempo breiter Melodieentfaltung, während
Largo, Lento und Grave iibermagig langſam, ge-
waltſam gehemmt erfdeinen und Andante bereits
riijtiger vorwarts fdreitet. Die Diminutivfornt Ada-
gietto bedeutet cin langjames Sätzchen von furjer
Dauer. Bal. Tempo.
Ada Kaleh (> Feitungsinfel«), Donauinjel zwi—
jden Ungarn und Serbien, 2 kim unterhalb Orjova,
mit einem Heinen tiirf. Dorf und den Uberrejten der
ehemaligen Feſtung (aus der Beit Karls VI.). YW. (aud
Neu-Orfova genannt) war friiher Cigentum der
Tiirfei, wurde jedod 1878 infolge ded Berliner Ver—
find von Imelmann ins Deutſche überſetzt, fo die bios trags an ſterreich- Ungarn abgetreten, das A. ſeit⸗
graphiſche Sfizze ⸗George Eliot« (Berl. 1886) ſowie | dem beſetzt halt. Die Bewohner ( Tiirten) treiben Ta-
die Studien: »Uber Die neuere deutſche Geſchichts- bak- und Weinbau fowie Rofentultur, find bis auf
wiffenjdaft« (Daf. 1887) und » Liber das Studium der
Gejdyichte« (Daj. 1396).
Actor (lat.), in rom. Rechte der Kläger, d. b. |
Derjenige, der cine Klage erhoben hatte; dann aud
der Vertreter einer nicht prozeßfähigen Partei bei der
Prozeßführung. Bgl. Klage, Bewerstaft.
Actuarius ((at.), ſ. Uftuar.
Actum (lat.), »verbandelt, gefdyehen«, am Ende
oderam Cingang von Urtunden. Eine häufige Schluß⸗
forme! in Protofollen xc. ijt; »Actum ut supra«, ge
ſchehen, wie oben ju leſen. |
weiteres jteuerfret und vom Wilitardienjt befreit.
Adaktylie (qried.), das Fehlen einzelner Finger,
fommt wie Polydaktylie erblicd) vor.
Adal (Wdel), oftafrifan. Küſtenlandſchaft an der
Tadſchurrabai (j.d.), unter franzöſiſchem Brotettorat.
Dem jteil zu ſchmalem Sandjtrand abfallenden Mee:
resufer mit den Orten Obof, Tadſchurra, Sagallo (jd).
jind erloſchene baſaltiſche und trachytiſche Bulfane auj-
geiedt. Durd) einen Lavajtrom abgedämmt ijt der
Hifalfee (ſ. d.). Die ftellenweife reichliche Vegetation
bietet gute Weidegriinde. Die Cingebornen, die Adali
Adalbert — Wdalia.
oder Adaiel (in Abeſſinien Adal genannt), ein
Stamm der Danafil (7. d.), jtehen nominell unter dem
Sultan von Auſſa. Bgl. Paulitſchke, Die geogra—
phiſche Erforſchung der Adalländer (Leipz. 1884).
Adalbert (Adelbert, »der an Geſchlecht Glän—
ende⸗), 1) A. von Prag (eigentlid) Wojted),
Spoftel der Preuken, Sohn des böhmiſchen Fürſten
Slavnif und gu Magdeburg gebildet, wurde 982 gum
Biſchof von Prag geweiht. 988 begab er fic) nad
Monte Caffino und von da in das aventinifdhe Kloſter
gu Rom. 993 in fein Bistum zurückgerufen, verließ
ev feinen Sprengel von neuem und ſuchte das Chrijten-
tum in Ungarn zu verbreiten. 996 begab er ſich von
Rom aus zum Kaiſer Otto IT. nach Maing und von
da nad Polen gum Herzog Boleslaw, um den dor-
tigen heidnifden Bolfern, namentlid) den Preußen,
das Chrijtentum verfiindigen, ward aber 997 er-
ſchlagen. Geine Leiche ijt im Dom gu Gneſen bei-
geſetzt, von wo fie angeblid) 1038 nad) Prag über—
geführt wurde; bier fand man die Gebeine 1880 in
einer Gruft am Domplatz und begrub fie in der Dom-
firde. Gedächtnistag der 23. Upril. Die Biographien
Udalberts von dent Mind Canoparius und dem Erz—
biſchof Bruno find abgedrudt in den »Monumenta
Germaniae historica«, Scriptores IV (deutfd) von
Hüffer, Berl. 1857). Val. Kaindl in den »Mittei-
lungen des Inſtituts fiir öſterreichiſche Geſchichtsfor⸗
ae Bd. 19 u. 20.
biſchof von Hamburg - Bremen, Sohn des
Grafen S iebridh von Gofed, qeboren um 1000, geft.
16. Marz 1072 in Goslar, trat als Mitglied des Hal-
berſtädter Domijtiftes in den geijtliden Stand und
ward von Saifer Heinrid) TIT. 1043 (oder 1045) zum
Erzbiſchof ernannt. Er war von feingebildetem Geijt
und reinem Lebenswandel, neigte aber ju Stoly und
Citelfeit. Mit dem ſächſiſchen Herzogshaus der Bil-
lunge verfeindet, ſchloß er fic) eng an das Königtum
an. 1053 von Bapjt Leo IX. zum Leqaten im Norden
ernannt, erbielt er die geijtlide Herrſchaft über gan;
Sfandinavien und breitete das eee bei Den
BWenden aus. Seit 1063 mit dem Erzbiſchof Anno
von Köln Vormund des nese oki Heinrich IV.,
wufte er Anno gu verdriingen und den jungen Für—
ften fo yu beberriden, dak er nach 1065 das Reid
allein regierte. Obgleich ihn die Reidsfiirjten im
Januar 1066 auf dem Reichstag zu Tribur vom
Hofe Heinrichs verbannten und zur Niederlegung der
Reichsgeſchäfte nbtiqten, war er dod) ſchon 1069 wie-
der im Beſitz feines friihern Einfluſſes. Seinen Blan,
ein nordifdes Batriardat ju gründen, vereitelte dic
römiſche Kurie; überdies erlitten die Kirche und Wdal-
berts Einfluß tm Ojten und Norden gerade damals
große Verlujte. Sein Leben beſchrieb Adam von Bre-
men (f.b.,S. 94). Bal. Griinhagen, A. von Bremen
und die Idee eines nordijden ‘Batriardats (Leipz.
1854); v. Noor den, Hijtorifdhe Bortrage (daſ. 1884).
3) Erzbiſchof von Maing (1111—37), Sohn eines
Wrafen von Saarbriicen, wurde geijtlich, fand friih
Aufnahme in der kaiſerlichen Kanzlei und erlangte
von Heinrich V., als diefer 1105 —— Vater die
Krone entriß, zum Kanzler gewählt, beim König gro—
ßen Einfluß. Eifrig verfocht er die königlichen Rechte
egenüber dem Papſt, ihm verdankte im beſondern
einrid) den Sieg über Papſt Paſchalis II. beim Rö—
merzug 1111. ‘dur Velohnung zum Erzbiſchof von
Maing ernannt, ward er nun des Kaiſers heftigiter
Gegner. Als er fich mit den aufſtändiſchen ſächſiſchen
Fürſten verband, liek ihn der Kaiſer verhaften und
abſetzen; Dod) wurde A. 1115 durch die Mainzer
91
Biirger befreit und fprad fogar den Bann fiber
Heinrich aus. Fortwährend ſchürte er den Biirger-
krieg; wiederhalte Vertreibung aus Maing konnte ihn
nicht beugen. Auch nad) der Schlichtung des königlich⸗
papjtliden Streites tm Wormfer Ronfordat (1122)
hörten feine Hegereien nidt auf. Nach Heinrids Tode
wirfte er fiir Die Wahl des papjtlich qefinnten Lothar.
Val. Kolbe, Erzbiſchof A. I. von Maing und Heine
rid) V. (Heidelb. 1872).
4) Heinrich Vilhelm W, Bring von Preußen,
Sohn des Pringen Wilhelm, des jüngſten Bruders
Konig Friedrid) Wilhelms III., und der Prinzeſſin
Maria Unna von Hefjen-Homburg, qeb. 29. Oft. 1811
in Berlin, geft. 6. Juni 1873 in Karlsbad. Bom
Konig fiir die Urtillerie beſtimmt, wurde ev 1831 ihr
al8 Kapitän überwieſen, 1839 mit der Fiihrung der
Gardeartilleriebriqade betraut und 1843 nad) dent
Tode des Pringen Auguſt zum Erſten Inſpekteur der
Artillerie ernannt. Allein von früheſter Jugend an
waren ſeine Neigungen dem Seeweſen zugewendet,
und obwohl nur von wenigen Zeitgenoſſen (wie Gnei⸗
ſenau) gefördert, erkannte er ſchon früh in Der Schaf⸗
fung einer preußiſchen Flotte ſeine Lebensaufgabe.
Solange die Beſchränktheit der Mittel auf lange Zeit
die Uusfiihrung feiner Pläne hinderte, fand er Erſatz
in weiten Reiſen, wodurd) er Die fremden maritimen
Einrichtungen fennen lernte. Seine Brafilienfahrt
beſchrieb er felbjt (»>Uus meinem Reijetagebud) 1842
bis 1843<, al’ Manuffript gedrudt Berl. 1847).
Seine feeminnifden Erfahrungen legte er mannig-
fad in Denkſchriften nieder; ſchon 1836 fiihrte er Dem
nse aus, daß Der unbejtrittene Sieg des Dampfes
liber die Segelfraft fiir Preußen die Gelegenheit bite
gur Erlangung einer von vornberein gewaltiqen See-
madt. Bon der Spite einer preußiſchen rines
lommiſſion wurde er durch den Reichsverweſer Erz—
herzog Johann zur Leitung der techniſchen Marine⸗
tommiſſion nad Frankfurt berufen. Nach Berlin
girüchgelehrt, wurde er gum Oberbefehlshaber ſämt—
licher Schiffe, 1853 sum OberbefehlShaber der Marine
und 1854 gum Wdmiral der Küſte ernannt. Als fol-
cher bejtrafte er Die Weqnahme eines preußiſchen Kauf⸗
fabrers dDurd) Rabylen 1856 durd) eine Landung bei
Rap Forres, leitete die Operationen der preußiſchen
Schiffe im däniſchen Krieg 1864 in der Oſtſee und
hob die Marine trotz vielfader Hemmniſſe auf dic
Stufe, auf der Dann das Deutſche Reid) weiter bauen
fonnte. In Wilhelmshaven, um defjen Erwerbung
und Uusbau W. ebenfalls Berdienjte fid) erworben,
jteht fein Denfmal. Bal. Batſch, Admiral Pring W.
von Breuer (Berl. 1890). — Vermählt war Pring
U. feit 20. Upril 1850 mit der gur Frau von Varnim
erhobenen Therefe Eller in morganatijder Che, aus
der ein Sohn ftanunte, Freiherr Udalbert von
Barnim, geb. 1841, gejt. 12. Juli 1860 auf einer
mit R. Hartmann unternommenen Reife in Roſſeires
am Blauen Nil. Bal. Hartmann, Reife ded Frei-
herrn A. v. Barnim durd) Nordojtafrifa (Berl. 1863).
Mdalgifil, ſ. Anſegiſel. Babenberger Fehde).
Adalhard, cin Babenberger (ſ. Babenberg und
Adalia (im Altertum Attalia, ſ. d.), Stadt im
Wilajet Nonia, an der Siidfiijte von Kleinaſien am
Golf von U. herrlich gelegen, wird von zwei byzan—
tiniſchen Mauern umſchloſſen, hat einen guten Hafen,
Handel mit Holz und Pferden, meiſt über Sniyrna
—— Weberei und 25,000 Einw., davon 7000
riechen, 18,000 Türken. Uns römiſcher Kaiſerzeit
hat ſich ein Prachttor des Hadrian erhalten, ferner
ſchöne Bauten aus der Seldſchukenzeit.
92
Adam (hebr.), Menfd, der von adama (Erde) |
Geſchaffene; dann von 1. Moj. 4, 25 an Cigenname
des erjten Menſchen. Nach dem erjten, allgemein ge-
haltenen biblijden Beridt, 1. Mof. 1, 26-—31, der
jeine Ergänzung in der Genealogie, 1. Moſ. 5, 1—5,
findet, ijt Der erite Menſch am ſechſten Tage der Schöp—
fung nad allen andern Lebewefen als das vollendetite,
und zwar Mann und Weib zugleid), tm Ebenbild
Gottes (qottverwandt, mit Bernunft und Sprade
begabt) geſchaffen und zum Herrn der Erde eingefest
worden. Nach dem zweiten fpesiellern Beridt (1. Mof.
2, 7ff.) tit zunächſt der Mann aus Erde, die der
Wottesodem belebte, Dann das aus feiner Rippe ihm
zur Gebilfin beſtimmte Weib (Cova) gebildet worden.
eiden ijt ju Genu und Pflege das Paradies an-
gewiejen, das fie durch Ungehorſam verlieren; nun
jinten fie Durd) Strafurteil m die gegenwärtigen Le-
bensverhältniſſe mit ihrem wedfelnden Schickſal herab,
wie dies ihre Familiengeſchichte zeigt. Die fdlichte
Erjzihlung von der Schöpfung Wdams, wofiir fid
Anklänge bet Perſern und Grieden finden, betont
egenüber den phantaſtiſchen mythologifden Bor-
tellungen des Heidentums und den modernen wiffen-
ſchaftlichen Hypothejen, daß die geſamte Menſchheit
ein und derſelben Schöpferidee das Daſein verdankt,
dad Gepräge der Göttlichkeit trägt und als Einheit nur
eine Beſtimmung hat. Dieſe reliqiss -fittlide Idee
ijt bis jest Durd die Hypothejen der phyfiologifd-
anatomifden Forſchung, der Philologie und Geſchichte
nod) nicht erjdiittert worden. Der einfade Bibel: |
bericht wurde ſpäter, vornehmlich in der jüdiſch alexan⸗
driniſchen Literatur, im Midrafd, bet den ſyriſchen
Chrijten, Den Kirchenvätern, im Talmud und Koran
von jablreiden Sagen und Legenden umgeben, die
alle Udamsfagen des Mittelalters beeinflujjen. Go
bradte man yur Zeit der Kreuzzüge die rote Erde
(terra rossa) von Damadsfus, aus der A. gebildet |
fein follte, als Reliquie heim und fudte bei Hebron
die Spuren feines nachparadiefifden Lebens in riejen-
haften Cindriiden der Felfen, Höhlenwohnungen xe.
Das ſpätere Mittelalter nannte feinen Körper aus
allen Elementen zuſammengeſetzt und bielt thn Fate
einen Inbegriff aller geijtigen und körperlichen Boll
fommenheiten (Weisheit, Gite, Größe, Schönheit,
Adam (Gibliſch x.) — Adam (Zuname).
ſchen Sagenfunde (Leiden 1893); Bez 01d, Die Schatz⸗
höhle (yriſch u. deutſch, Leipz. 1883—88); Dilt-
mann, Das Adambuch (deutſch, in Ewalds »>Qabr-
büchern⸗, Bd. 5, Götting. 1853); Ginsberg, Die
Haggada bei den Rirdenvatern (in der » Monatsfdvift
fiir Geſchichte u. Wiſſenſchaft des Judentums«, 1899).
In der bildenden Kunſt fommen Darjtellungen
von A. allen und in Gemeinfdaft mit Eva ſchon
feit den erjten Seiten der crijtliden Kunſt auf Sar-
fophagen, Goldglijern, Wandgemilden der Rata-
fomben u. a. m. vor und blieben fortan ein bevorjug-
ter Gegenftand aller Künſte. Am meijten wurden die
Szenen vor und nad) dem Siindenfall und die Ber-
treibung aus dem Paradieſe, feltener die Erſchaffung
Adams und Evas und Szenen aus der Zeit nach der
Vertreibung geſchildert. Im ſpätern Mittelalter wur-
den fteinerne Figuren von WL. und Eva beſonders haufig
an Rirdhenportalen angebradt. Bon Meijtern de3 15.—
17. Jahrh., die den Stojf in hervorragender Weiſe be-
handelt haben, find die Briider van Cyc (Cingelfigu-
ren von A. und Eva am Genter Ultar), Mafaccio (er.
treibung aus dem Paradies in der Brancaccifapelle
in Florenz), Hhibertt (Relief mit Sdhipfung und Sun⸗
denfall an den Bronzetüren des Baptijteriums gu Flo⸗
renj, f. Tafel ⸗Bildhauerkunſt VII<), Midelangelo
(die Erſchaffung von A. und Eva und der Siindenfall
an der Dede der Sirtinijdjen Kapelle in Rom), Ref-
fael (Vertreibung aus dem Paradies in den Loggien
de3 Batifans zu Rom), Palma Vecchio (W. und oa
tm Baradies tm Muſeum ju Braunfdweig), A. Dü—
rer (WL. und Eva im Prado-Mufeum gu Madrid), Lu—
fa8 Cranad (Paradies) und Jan Brueghel d. a. (Pa⸗
radieS) gu nennen. In der modernen Kunſt ijt A.
allein und nit Eva ebenfalls häufig Gegenjtand der
Darjtellung geweſen, weil die Gefdichte von A. und
Eva den Riinjtlern die erwiinfdte Geleqenbeit zur
Behandlung des nadten Körpers gab. Bon Werken
der Malerei find A. und Eva tm Faradies von Vz v.
Schwind (nad Haydns » Schipfung«, im Wiener Hof-
operntheater), die Bertreibung aus dem Paradies von
A. Cabanel (Maximiliancum ju Miinden) und das
verlorene Paradies von F. Stud, von Werken der Pla-
jtif die Statue des UW. von UW. Hildebrand (Muſeum
u Leipzig), das erjte Begräbnis (A. und Eva mit der
Kraft r.); nod) Luther in den »Tifchreden< lat ihn | Leiche Abels) von L. E. Barrias, A. und Eva von
meilenweit fehen und hören, alle Tiere an Stérte iiber- | P. Breuer (f. Tafel »Bildhauerfimjt XIX«, Fig. 2)
treffen x. Das ſpätere Menfchengefdlecht wurde als | und der Zyflus von zehn Gruppen: die erſten <
eine Entartung diefes vollfommenjten Urwejens an- | iden von G. Eberlein, hervorzuheben. Val. Büttner,
geſehen u. dgl. Als Repriifentant der Gattung be- | A. und Eva in der bildenden Kunſt bid Michelangelo
zeichnet A. in der bibliſchen Sprache (Upojtelgefd. 17, | (3. Aufl. Leipz. 1889); Breymann, A. und Eva in
26) Die gefallene Menſchheit in ihrer jiindigen Ent- | der Kunſt des chriſtlichen Altertums (Wolfen. 1893).
widelung, ihm gegenübergeſtellt wird daber Chrijtus,| Adam, 1) Robert, engl. Architelt, ged. 1728 in
der Anfänger und Reprifentant der erneuten Menſch- Kirkcaldy, geſt. 1792 in London, bildete fich auf der
heit, als Der »neue A.« Rad) einer andern Ridtung | Univerſilät m Edinburg, bereijte Jtalien und Dalma-
hin aber bezieht unfer Sprachgebrauch in og erie | tien, war 1762—68 Architelt des Königs. Seine be-
Wortern A. auf die uripriingliche fittliche Unfdhuld | deutenditen Bauwerke find: die Reddleſton Hall bei
der Menſchen. In den qnojtifd-ebionitifden Syjtemen | Derby, das Regijter-Houfe, dad Univerſitätsgebäude
ijt A. Kadmon der himnilifche Menſch, der Urmenfdh, | und die St. Georgsfirde in Edinburg. Er ſchrieb:
der reine Ausfluß aus der Gottheit, Darum beinahe | »The ruins of the palace of emperor Diocletian at
otigletdh. — Gin großer Teil der neuern Natur: |
orjder redet von einem mebhrfacen Urfprunge des |
Menſchengeſchlechts, von ⸗Koadamiten«, wahrend dic
neuerdings von Ymerifanern wieder aufgenommene
Theorie des Iſaal de la Peyrere (1655), dah 1. Moſ. 1
die Erfchaffung der Heiden, 1. Moſ. 2 aber die des
Stanunvaters der Kaulaſier berichtet werde, »Braada- |
miten« anninunt, fid) auf die Bibeljtelle ftiigend, dah
Kain ein Weib von den » Töchtern des Landes < genom: |
men. Val. Griinbaum, Reue Beitriige zur femiti- |
Spalatro« (Lond. 1764, mit 71 Qupfern).
2) Sir Frederid, engl. General, geb. 17. Quni
1784, geſt. 17. baa 1853, auf der Urtilleriefdule
ju Woolwid ausgebildet, madte unter WUbercromby
Die Feldzüge in den Niederlanden und Ägypten mit
und riidte bis 1812 jum Oberjt auf. Bon 1806 —11]
focht er auf Sijilien, 1812 und 1813 im Spanien, wo
ev bet Ulicante und Ordal ſchwer verwundet wurde.
1814 ward er Generalmajor; bei Waterloo fomman-
Dierte er Die Brigade, die den legten Ungriff der Garde
Adam (Zuname).
Napoleons juriidjdlug. Bon 1817—-22 war er Be-
febishaber der Truppen in Malta, 1824—31 Lord-
Oberkommiſſar auf den Joniſchen Inſeln. 1830 zum
Generalleutnant befirdert, war er von 1832 —37
Gouverneur von Madras und wurde 1846 General.
Bal. v. Reumont, Zeitgenoſſen, Bd. 2 (Berl. 1865).
3) Charles Udolphe, frang. Komponiſt, geb.
24. Yult 1803 in Paris, gejt. Datel 3. Mai 1856,
Sohn de8 als Mavierpidagog angejehenen Louis
A. (qeb. 1758 in Miittershols nn Elſaß, gejt. 8. April
1848 in Paris, 1797 —1843 Profeſſor am Ronferva-
tortum, Berfajjer Der »Méthode de piano«, 1802;
deutſch von Cerny, 1826), wählte gegen den Willen
des Baters dic Mujif als Rebendberut und erwarb fic)
die Mittel zum Studium durd Privatunterridt und
Rompofjition von Romanjen xc. Dod) wurde er ſchon
1817 ing Konſervatorium —— und genoß
einige Zeit den Unterricht Boieldieus. Seit 1829 trat
ex als Opernfomponift an die Offentlichkeit, hatte aber
entideidenden Erfolg erjt 1836 mit feiner 16. Oper:
»Der Pojtillon von Longjumeauc. Ihr folgte bald
cine Rethe ähnlicher Werke tm leichten fomifden Genre,
wie »Der Brauer von Prejton«, »Die Rofe von Pe⸗
ronnec, »Der König von Yvetot«, »Giraldae, »Die
—— Puppe« u. a., durch die ſich A. einen ehren⸗
vollen Platz unter den Komponiſten der Neuzeit er-
rungen hat. Biel Glück machte aud fein Ballett »Gi-
seller. UW. wurde 1844 zum Mitglied des Inſtituts
ernannt. 1847 gritndete er in Paris ein Opernthea-
ter, bas infolge der Februarrevolution zu Grunde
gins 1849 wurde er an Stelle feines Vaters jum
ehrer der Rompofition am Konfervatorium ernannt.
1897 wurde ihm ju Longjumean ein Denfmal (Biijte)
erridjtet. Er fdrieb: »Souvenirs d'un musicien«
(Par. 1857) und »Derniers souvenirs« (daſ. 1859).
Bgl. Rougin, Adolphe A. (Par. 1876).
4) Lucien, franz. Gelehrter, hervorragender Renner
der amerifanijden und der finnifd-tatarifden Spra-
den, geb. 31. Mat 1833 in Nanch, ftudierte Redts-
wiſſenſchaft, war 1857—60 Beamter in Cayenne,
dann in Montmiedy, Epinal, Nancy und wurde 1883
Priijident des Uppellationsgeridts ju Rennes. Außer
einigen politifdjen und literarbijtorifden Schriften
veröffentlichte er eine gujammenfaffende Darjtellung
der »Bofalharmonie« im Finnifd-Tatarifden oder
Uralaltaifden in »De l'harmonie des voyelles dans
les langues ouralo-altaiques« (Bar. 1874) fowie eine
mandſchuriſche und tunguſiſche Grammatik; ferner
verſchiedene Schriften über allgemeine Linguiſtik, z. B.
»Du genre dans les diverses langues« (1883); na⸗
mentlid) aber reorganifierte er die » Bibliothéque lin-
guistique américaine« und gab eine Reihe auf die
Yndianerfpraden bezüglicher Urbeiten heraus.
5) Paul, frang. Romanjdriftjteller, geb. 7. Des.
1862 in Baris, ftammt aus einer flandrifden Offi-
rhe eager dod) ſtand bereits fein Bater als Poſt⸗
ireftor des faiferticen Haufes unter Napoleon IT.
in franzöſiſchen Dienjten. Sein erjter Roman: »Chair
molle« (1885), führte zur Unflage wegen Immora⸗
litãt, aber das Gericht fprad A. frei. Es folgte »Soi«
(1886), die Pſychologie einer unglücklich verheirateten
Frau, und der Novellenband » Le Thé chez Miranda«
(1886, mit 3. Moréas), mit dem W. an die Spige der
ſymboliſtiſchen Schule trat. Bon feinen gablreidjen
weitern Romanen, die er in zwei Serien, »Les vo-
lontés merveilleuses« und L’Epoque«, einteilt, find |
die bemerfenSwertejten: »>Robes rouges« (1891), eine
Satire auf die Geridtswelt; »Le mystére des foules«
(1895, 2 Bde.), Roman de3 Boulangismus in der |
93
Proving; der Biihnenroman »L’année de Clarisse«
(1896); »La bataille d'Uhde« (1897), eine fingierte
Kriegsgeſchichte; »Lettres de Malaisie< (1897), eine
phantaſtiſch⸗ſatiriſche Unsmalung des Kolleltiviſten⸗
jtaats der Sufunft. Dit »La Force« begann A. 1899
cine auf gründlichen Studien berubende, fret erfun-
dene Familiengeſchichte, die unter Napoleon I. anfangt.
Die Fortjegungen »L’Enfant d’Austerlitz« (1901)
und »La Ruse« (1902) fpielen unter der Rejtauration
und der Qulimonardie. Der hijtorijde Roman aus
Byzanz: » Basile etSophia« (1900), zeigt neben glans
gender Schilderung mand unſchöne tibertreibung.
Adam, Miindener Malerfamilic. 1) Ulbredt,
Schlachten- und Pferdemaler, geb. 16. Upril 1786 in
Nordlingen, gejt. 28. Aug. 1862 in München, ging
1804 als Ronditorgebilfe nad Niirnberg und madte
dort feine erjten künſtleriſchen Studien bei bem Direk⸗
tor ber Zeichenſchule Chrijtoph Swinger. Seit 1807
bildete er ſich in München durch Kopien nad den al-
ten Niederländern, bejonders nach Wouwerman, und
fand Dort in dem General Grafen Froberg einen Be—
ſchützer, der es ihm ermiglidte, den Feldzug Napo-
leons gegen Djterveid) 1809 mitzumaden. In Wien
nahm thn Pring Eugen von Leudtenberg in feine
Dienjte, bet dem er in Mailand tätig war, und den
er aud) auf dem Feldzuge gegen Ruwland begleitete.
1815 fiedelte UW. wieder 29 Deiinden über und ent
faltete von da ab eine äußerſt fruchtbare Titigteit in
Reiterbildnifjen, Pferdeporträten, Sport- und Jagd-
ſzenen und in —— aus den Napoleoniſchen
Kriegen, von denen eine Epiſode aus der Schlacht bei
Abensberg (1826, in der Berliner Nationalgalerie)
und bie Schlacht an der Mosfwa (1835, in der Mün—
dhener Reſidenz) die hervorragendjten find. Weitere
Stoffe gaben ihm die kriegeriſchen Ereigniſſe feit 1848
in Oberitalien, wo er ſpäter die Schladjtfelder beſuchte
und Terrainjtudien madte, mit deren Hilfe er unter
anderm die Schlachten von Cujtogza und Novara (in
der Neuen Pinafothek zu München) malte. 1851 unter-
nahm er eine Reiſe nad) Ungarn, weil ibm der Raifer
von Ojterreid) den Uuftrag zu mehreren Darſtellun—
gen von Schlachten, unter andern der bei Temesvar,
erteilt hatte. Geine letzten größern, unter Dtitwir-
fung feines Sohnes Franz entitandenen Gemälde
waren: die Erjtiirmung der Diippeler Schangen (in
der Neuen Pinafothef) und die Schlacht bet Zorndorf
(im Maximilianeum zu München). A. hat auch zahl-
reiche Steinzeichnungen ausgeführt. Cr hinterließ
eine Selbſtbiographie, die H. Holland mit Ergänzun⸗
en und den — ————— fetner Söhne unter dem
itel: »>Wlbrecht A. Aus dem Leben eines Schlach—⸗
tenmaler$< (Stuttg. 1886) verdffentlidte.
2) Benno, älteſter Sohn de3 vorigen, Tiermaler,
geb. 15. Juli 1812 m München, gejt. 9. März 1892,
zeichnete fic) befonders durd) Darjtellung der jagd⸗
baren Tiere und Jagdhunde in fiqurenreiden Kom—
pofitionen (Hirſchjagd, Fuchshetze, Sauhag, Halali)
und der HauSstiere aus. — Sein Gohn Emil, geb.
1843, Schüler feines Oheims Franz, dann von Por⸗
taels in Brüſſel, malt vorzugsweiſe Pferdebilder, Rei—
terporträte und Jagdſzenen.
8) Franz, zweiter Sohn von A. 1), Schlachten⸗
und Pferdemaler, geb. 4. Mai 1815 in Mailand, geſt.
30. Sept. 1886 in München, war Schüler und Mit⸗
arbeiter feine3 Vaters, bis er feit 1849, wo er mit
ſeinem Bruder Cugen einen Teil des öſterreichiſchen
Feldzuges in Oberitalien mitmadte, zu felbjtindiger
Tätigkeit qelangte. Die von den Briidern dort ge-
madten Studien erſchienen unter Dem Titel: » Cre
94
innerungen an die Feldzüge der öſterreichiſchen Armee
in Stalien 1848 und 1849« in 24 von Franz U. litho-
rapbierten Blaittern, die von einem vierten Sohn
Mibredht Adams, Julius (1821—74), der Lithograph
war, gedrudt wurden. 1851 begleitete Fran; A. ſeinen
Bater nad Ungarn, wo er unter anderm die Motive
gu den Bildern: Schafherde an der Theiß, Sdhijfs-
fibre und Wallfabrer m einem Schiffe fand. Der
Strieq von 1859 tn Oberitalien bot ihm die Stoffe zu
den Bildern: die Strake zwiſchen Solferino und Va—
leggio am Tage der Schlacht vom 24. Juni und Ge-
fecht zwiſchen öſterreichiſchen Ulanen und piemonte-
jijchen Dragonern. In den 60er Jahren entitanden
einige Bilder aus dem Feldzuge Napoleons gegen
Rufland. Zu höchſtem Aufſchwung gelangte feme
reiche Begabung fiir die Sdilderung wildbewegter,
dramatiſcher Szenen in feinen figurenreichen Darjtel-
lungen aus dem deutſch-franzöſiſchen Rriege von |
Adam de la Halle — Adamberger.
Adam von Bremen (Adamus Bremensis), Ge-
ſchichtſchreiber, wahrſcheinlich aus Oberſachſen ftam-
mend, wurde 1069 von Erzbiſchof Adalbert zum Dom -
jdolajter ernannt. Jn saline »Gesta pontificum
Hammenburgensium« gab er auf Grund gelehrter
Forſchung und mündlicher Mitteilungen de3 Dänen—⸗
finigs Sven Ejtrithjon die Geſchichte ded Erzſtifts und
der nordifden Miffion bis 1072. Das 3. Buch ent-
halt die auch fiir die Reichsgeſchichte wertvolle Ge-
ſchichte ded Erzbiſchofs Udalbert (j.d.2). Das 4. Bud:
»Descriptio insularum Aquilonis«, enthält iiber
Dänemark, Sfandinavien und Rußland widhtige Nach—
ridten. Rach einer von Bartholin im Kloſter Sord
aufgefundenen Handſchrift wurde das Werk zuerſt von
Undr. Sever. Vellejus (Vedel) herausgegeben (Kopenh.
1579). Beſte Ausgabe ijt die von Lappenberg im dei
» Monumenta Germanicae« (Bd.7, 1846; deutſch von
Laurent + Wattenbad, 2. Wufl., Berl. 1888). Bal.
1870/71. Die erjte und zugleich qenialjte ijt der 1873 | Giinther, U.v.B., dererite deutfide Geograph (Prag
fiir Den Herzog von Sachjen-Memingen gemalte Un- | 1894); Bernard, De Adamo Bremensi geographo
griff franzöſiſcher Ravallerie auf deutſche Infanterie Adamas (lat.), der Diamant. (Bar. 1895).
bei Floing wahrend der Schlacht bet Sedan (cine) Adamadua, Reich in weſtlichen Sudan (VUfrifa),
Wiederholung von 1879 in der Berliner National: | zu Sokoto gehdrig (f. Karte »Kamerun«), zwiſchen
galerie). Es folgten: eine Epifode aus der Einnahme | 11. und 6.° ndrdl. Br., umfaßt eine Zahl von Fulbe-
von Orléans (in Der Neuen Pinafothef gu München), ftaaten fiidwarts bis zum Mbam. Wus der welligen,
ein Wefangenentransport nad der Schlacht bei Sedan | qrasbededten Gneisebene erheben jid) sum Teil an-
(1880) und der Reiterangrijf der Brigade Bredow ſehnliche Granitgebirge mit ſeltſam gejtalteten Gipfetu,
bei Mars-la-Tour (1886, Berliner Nationalgalerie). | wie nördlich vom Binue das Mandaramaffiv, füdlich
4) Eugen, Bruder des vorigen, dritter Sohn von | Ulantifa (2700 m) und Gendereberge (3000 m). Leg:
UW. 1), geb. 1817, geft. 1880 in München, behandelte | tere bilden mit den nad) ©. fic) fortiegenden Hdhen-
als Sdladtenmaler bejonders friegerifde Epiſoden zügen die Waſſerſcheide zwiſchen Binue, Logone (zum
und Genreſzenen, ju denen er während des ttalieni+ | Tjadfee), den Quellflüſſen des Sangha (zum Rongo),
ſchen Feldzuges 1848 und 1849 die Studien geſam- de3 Mbam (zur Bat von Biafra) und des in weitem
melt hatte. Er bielt fich bis 1856 in Htalien auf und) Bogen jum Binué flieRenden Katſena. Der Binué
malte feitdem in Minden Bilder aus dem Rriegs-, | empfiingt bier rechts den Mao Kebbi und Gongola,
Volls- und Jagdleben. Bal. »>Das Werk der Miin- | links Faro nebjt Tuffa. Das Klima tit feudt, die
chener Riinjtlerfamilie A.« (Reproduftionen, mit Tert | Vegetation tropifd. In den Gavannen mit Baobab,
von Oolland, Nürnb. 1890). Giraffenafazien, Butterbiumen u. a. find Elefanten
Adam de la Halle (cigentlih de le Hale), frang. | haufig. Ungebaut werden Reis, Mais, Weizen, Sefam,
Dichter u. Komponiſt, genannt le Boſſu (der Budelige) Baunvwolle, Jndigo, Ingwer; Vieh und Gefliigel find
d'Arras, wiewohl er nidt mifgeitaltet war, geboren | reidlich vorhanden. Blet, Eifen, Kupfer werden von
um 1235 in Arras, entjagte dem theologifden Stu- | den Cingebornen gewonnen und bearbeitet. Die Be-
dium, um gu beiraten, und begleitete 1283 Robert IL, | vilferung befteht aus heidniſchen Negern, über die
Grafen von Artois, nad) Neapel, wo er 1286 oder | von NW. hereingedrungene mobannnedanifde Fulbe
1287 ftarb. A. bat cine größere Anzahl von Liedern, | herriden. Der Handel mit den als Tribut von den
Rondells Motetten u. zwei Singſpiele hinterlaſſen, die im S. wobhnenden heidnijden Negerhauptlingen ge-
älteſten nicht getjtliden Dramen aus Franfreid. Das | lieferten Sflaven jteht in voller Blüte. Hauptitadt tit
eine: »Le ju Adan ou de la fuellie« (»Das Spiel | Nola, von ihm abhängig find Ngaundere, Banjo,
Adams oder das Sptel tr der Laube«), vom 1. Mai Kontſcha, Ribago u.a. Denham qelangte 1824 nur
1262, ſchildert die perfimlichen Verhäliniſſe des Dich- | bis zur Grenje, qliidlider war Barth 1851, Flegel
ters mit ſatiriſchen Ausfällen auf deſſen Mitbürger
von Arras. Das andre iſt ein Schäferſpiel mit ein—
gelegten Volksweiſen, »Le jeu de Robin et de Ma-
rion<, ſehr anmutig, zuerſt in Neapel aufgefiihrt, dann
nad) dem Tode des Dichters in Arras wiederholt und,
wie es ſcheint, nod) hundert Jahre fpater tn Angers
alljährlich gefpielt. Wdams »(Eavres compleétes« ſind
herausgegeben von de Coujjemater (Bar. 1872), die
Dramen aud) von Rambeau (Marburg 1886). Adams
Candons und Bartures gibt R. Berger (Halle 1900,
Bd. 1) beraus. Über YW. als Nomponiiten handelt
bereiſte 1879 und 1882 das Land, das Zintgraff 1889,
Morgen 1891 und 1893—94 v. Udtrig und Baf-
jarge durchzogen. Der größere öſtliche Teil von A.
qehort der deutſchen, der fleinere weſtliche mit Jola
der engltiden Intereſſenſphäre an. Bgl. Paſſarge,
Adamaua (Berl. 1895).
MAdamberger, Unt onie, Schauſpielerin, geb. 30.
| Des. 1790 in Wien, geit. daſelbſt 25. Dex. 1867, bit
dete fid) unter Leitung des Didters H. J. v. Col-
lin zur Schauſpielerin aus und war feit 1807 am Dof-
| burgtheater tm Fad) der tragifden und naiven Lieb-
Lavotr tm »Recueil de motets francais«, Gd. 2 | haberinnen tätig. Sie fpielte unter andern die Haupt-
(Bar. 1884). Eme Neubearbeitung des Schaferipiels | rollen in den 1811 und 1812 in Wien aufgefiihrten
bejorgte W. Tappert (Berl. 1884). A. ijt aud) der | Trauer+ und Lujtipielen Th. Körners, der fic) mit
Held etner Oper: »Adam de la Halle«, von Ernjt | thr verlobte. 1817 30g fie fic) von der Bühne guriid
Frank (1880); Bal. . Guy, Essai sur la vie et les
ceuvres littéraires du trouvére Adan de la Hale
(Bar. 1898); Derielbe, Bibliographie critique du
trouvére (daf. 1900),
und verheiratete jid) mit dem Numismatifer J. C
Yrneth (f.d.). Val. Laten dorf, Liebes- und Liedes⸗
grüße an A. A. (aus Körners Nachlaß, Leipz. 1885);
v. Ja den, Th. Körner und ſeine Braut (Dresd. 1896).
HAdamello — Adams.
Adamello, Gruppe des ſüdlichen Zuges der Rä—
tijden Alpen an der Grenze von Südtirol und Ita—
lien (f. Karte »Tirol«), beyteht aus einem mächtigen
Tonalitmaffiv (mit gewaltigem Firnfeld), an das ſich
langgejtredte Felskämme und plateauartige Gebirgs-
maſſen anſetzen. Das Quelltal der Sarca (Val di Ge⸗
nova) trennt von Dem Hauptmaffiv des VW. Den fächer⸗
artigen Stod der Brefanella. Neun Spitzen ragen
iiber 3400 m empor, Darunter ‘Brefanella (3564 m),
Udamello (3554 m), Care Wito (3465 m). Bon
Den zehn Unterfunjtshiitten, die Wusgangspuntte der
Bejteigungen in Der Gruppe bilden, ijt die Mandron⸗
oder Leipziger Hiitte (2441 m) hervorjubheben. Der
A. wurde 1864 guerjt von Bayer erreicht und durd)-
forjdt. Bgl. Bayer, Die U.-Prejanella-WUlpen (Er-
gänzungsheft a » Betermanns Witteilungen«, 1865).
Adamin, Mineral, baſiſch arjenfaured Zink, su-
weilen mit Robalt und Kupfer, fleine rhombijde Rri-
jtalle und firnige Uggregate, gelb, rot und grün,
qlasglangend, durdideinend; Harte 3,5, ſpez. Gew.
4,3. Fundorte: Laurion, Rap Garonne und Chaiiar-
cillo in hile.
Adamiten, Name einer angeblid im 2. Jahrb.
hervorgetretenen gnoſtiſchen Sefte, die ihren Gottes-
dienjt nadt, Weiber und Manner gemeinſchaftlich,
abgehalten haben foll, um fo Adam und Eva ähnlich
u werden. Gleiden Namen fiihrt eine vom radifalen
Valdenfertum beeinflupte Frattion der Taboriten. Sie
vertraten die Notwendigleit eines vollitindigen Bru-
des mit der Rirdenlehre, jteigerten Den Rommumis-
mus — bis sur Weibergemeinfdaft und follen
fic), völlig entfleidet, bei nächtlichen Tänzen groben
Ausſchweifungen ergeben haben. Die zuerjt um 1787,
dann wieder 1848 im Chrudimer Kreis aufgetretene,
als adamijtijd und kommuniſtiſch verfeperte Bewe-
gung ſtand mit den taboritijdhen Schwärmern in fei
nem nadweisbaren Zufammenbang.
Adamkiewicz jpr. tewitia), Albert, Mediziner,
geb. 11. Aug. 1850 in Jerkow (Prov. Poſen), ſtudierte
in Königsberg, Breslau und Würzburg, wurde 1875
Oberarzt für Nervenkranke in der Charité zu Berlin,
1880 Profeſſor in Krakau und ſiedelte 1890 nach Wien
liber. Er gab eine empfindliche Reaftion auf Eiweiß
an, entdedte das Syjtem der Schweißnerven und die
»bilateralen Funftionen«, den Kreislauf der Ganglien-
gellen und die RNervenfdrperden und arbeitete iiber
Die Gefäße im Rückenmark und verlingerten Maré,
liber Den Gebirndrud, iiber Rranfheiten des Riiden-
marfs, tiber dad Gedicdtnis, das Doppel-Ich und
nantentlid) fiber Heilbarfeit des Krebſes. Er ſchrieb:
»Der Blutfreislauf der Ganglienjelle« (Berl. 1886);
»Tafeln gur Orientierung an der Gehirnoberfläche«⸗
(2. Uufl., Wien 1894); »Die Natur und der Nahr:
wert des Peptons« (Berl. 1877); » Die Sefretion des
Sdweihes« (daf. 1878); » Die mechaniſchen Blutſtil⸗
lungsmittel Der verlegten Urterien+ (daj. 1872); » Die
Rückenmarksſchwindſucht« (Wien 1885); » Die degene-
rativen Rranfheiten des Rückenmarks⸗ (Stuttg. 1888);
»UÜber den padymeningitijden Prozeß im Rücken—
mart«(Wien 1890) ; » Unterjudchungen iiber den Krebs «
(daſ. 1893); » Die Funftionsjtirungen des Großhirns⸗
(Berl. 1898); » Die Kreislaufitérungen in den Orga-
nen des entralnervenfyitems< (daf. 1899); »Die
Grofbhirnrinde als Organ der Seele« (Wiesb. 1902).
Adams, Fleden im nordamerifan. Staat Maſſa—
chuſetts, Grafidaft Berfhire, am Hoojac, mit Baum-
woll- und Papierfabrifen und (900) 11,134 Einw.
Adams (pr. dvdims), 1) Samuel, nordamerifan.
Staatémann, geb. 27. Sept. 1722 in Bojton, geſt.
95
daſelbſt 2. Oft. 1803, war Naufmann und feit 1765
Mitglied der Leqislatur von Wafjachufetts. Wis
Sprecher bet den Mectings tatig, die anti-englifde Be—
wegung in den Kolonien in Gang zu bringen, und
1774 als Ubgeordneter von Majjadufetts in den De-
legiertenlongreß * drang er hier alsbald auf
den Kampf mit England und wirkte beim ——
kommen der Unabbangigteitserflirung mit. Waſhing ⸗
tons Beſtrebungen fiir Erweiterung der Macht der
Bentralregierung trat er entgegen und ſchloß fic) der
Bartei der Demofraten an. 1789—94 belleidete er
den Pojten eines Gouverneurs von Maſſachuſetts und
trat 1797 vom öffentlichen Schauplah ab. Bal. Wells,
Life and public services of Samuel A. (Boit. 1865,
3 Bde.); Morfe, Samuel A. (daſ. 1884); Hosmer.
Life of Samuel A. (daſ. 1885).
2) John, sweiter Präſident der Vereinigten Staa-
ten von Nordamerifa, geb. 31. Olt. 1735 3u Brain:
tree (jest Quincy, Maſſachuſetts), geſt. 4. Juli 1826,
erdjfnete feine politiſche Laufbahn damit, dak er in
mehreren Sdjriften die Rechte der Nolonien mit Wärme
und Sadfenntnis Darlegte. 1774 als Bertreter von
Maſſachuſetts in den erjten Kongreß von Philadel—
phia gewabit, war er bei der Unabhängigkeitserklä—
rung vom 4. Juli 1776 beteiligt. Nachdem er die Kon⸗
jtitution von Maſſachuſetts hatte abjajjen belfen, fam
er Ende 1779 zur Anknüpfung von Friedensunter—
handlungen mit England nad Paris, dann als Ge-
jandter nad) Holland, wo er durch Unterhandlungen
und Sdjriften Kabinett und Bolf fiir die Sache feines
Vaterlandes gewann. Bon dort fehrte er 1782 wieder
nad Paris zurück und bradte hier, von Franflin, Jef⸗
ferjon, Jay und Laurens unterſtützt, den Frieden mit
England glücklich gu ſtande (3. Sept. 1783). Jn den
Rampfen um die UnionSverfafjung war er einer der
Führer der föderaliſtiſchen (antijentralijtifden) Bar-
tei; trogdem berief thn Wajhington als Vizepräſident
an feine Seite, und nad) deſſen Rücktritt wurde er
trot Der Gegenbejtrebungen der Untifsderalijten 1797
jum Präſidenten der Union erwählt. Durd die Maf-
regeln, die er zur Erhaltung der Neutralitat der Re-
publif Frankreich geqeniiber ergriff, namentlich durch
ſeine Fremden- und Aufruhrakte bei der demokrati—
ſchen Partei, die Anſchluß an Frankreich verlangte,
mißliebig geworden, unterlag er bei der Neuwabhl
1801 ſeinem Gegner Jefferſon. VU. trat in dad Privat⸗
leben zurück und ſtarb auf ſeinem Landgut Quincy.
Unter ſeinen Schriften tit bejonders die Defence of
the constitution and government of the United
States« (1787, 3 Bde.) hervorzuheben. Seine fimt-
lichen Werke mit Biographie (Life and works of
John A.«, Bojton 1850—56, 10 Bde.) und die » Fa-
miliar letter sof John A. and his wife Abigail, dur-
ing the revolutions (Mew Yorf 1876) wurden von
jeinem Enfel Charles Francis A. (ſ. unten 4) heraus-
qeqeben. Bal. J. O. und C. F. Wdams, Life of
John A. (Boſton 1871, 2 Bde.); Morſe, John A.
(Daj. 1884); Chamberlain, John A. (daj. 1898).
3) John Quincy, ſechſter Prajident der Ber-
cinigten Staaten, Gobn des vorigen, geb. 11. Juli
1767 in Braintree, gejt. 23. Febr. 1848, begleitete
feinen Bater 1778 nad) Frankreich, dann nad Holland
und England, trat 1791 als Anwalt auf, ging als
Geſandter 1794 nad) Dem Haag und 1797 nach Ber-
lin. Unter Sefferfons Brajidentidaft als Anhänger
Der föderaliſtiſchen Grundjage feines Naters 1801
abberufen, widmete er fid) wieder der Udvofatur und
wurde 1802 in den Senat von Wajjadufetts, 1803
in Den Senat der Union gewählt. Wis Verteidiger der
96
eqen England erlajjenen Embargoalte mit feinen |
Qrarteigenoffen gerfallen, lebte er in Zurückgezogen⸗
Heit, bis ihm unter Madiſons Prafidentidaft 1809
der Gefandtidaftspoiten in Petersburg tibertragen
wurde. Nachdem er 24. Dex. 1814 mit Gallatin und
S. Clay den Frieden von Gent abgejdlofjen und
dann als Gefandter in London fungiert hatte, ward
er 1817 vom Präſidenten Monroe sum Staatsſekretär
deS Auswärtigen ernannt, nad Monroes Riicttritt
aber im War; 1825 zum Präſidenten der Union er-
wiiblt. Schon vorber war A. ins Lager der Anti—
fideralijten (Zentralijten) iibergetreten. Da feine
Verwaltung in der äußern Politif Unglück hatte, un-
terlag er 1828 bei der Priifidentenwah! gegen Jackſon.
Er jog fich deShalb zunächſt aus dem —28 Le⸗
ben zurück, ward aber 1831 wieder ins Reprajentan-
tenhaus gewählt, wo er eine unabbangige Stellung
einnahm. Bon feinen Sdriften find die » Briefe über
Schleſien« (juerjt im »Portfolio«, Philad. 1803;
überſetzt von Frieſe, Brest. 1805) aud) in Deutfdland
befannt geworden. Bgl. »Diary of John Quincy A.«
(or8q. von C. F. Udams, Philad. 1874—77, 12 Bde.)
und die Biographien von Seward (Rew Yort 1853),
Yofiah Outncy (Bojt. 1858), Morſe (daf. 1882)
und Stoddard (New Port 1887).
4) Charles Francis, nordamerifan. Juriſt und
Staatsmann, Sohn des vorigen, qeb. 18. Aug. 1807 |
in Bojton, gejt. 21. Nov. 1886. Raddem er al8 An⸗
walt und Publiziſt ſich befannt gemacht, jtellte ihn
1848 bie Freibodenpartei als Kandidaten fiir die Vize⸗
prifidentidaft auf. Seit 1859 als Bertreter von Maſ⸗
ſachuſetts im Kongreß, ward er 1861 von Lincoln gum |
Gefandten fiir London ernannt, wo er viel dazu bei-
getragen bat, den während des sig’ rel, op leiniy -
1865) drohenden Bruch zwiſchen England und der
Union abjuwenden. Ym Winter 1871/72 war er Mit⸗
lied ded Genfer Schiedsgeridts in dem Alabamaſtreit.
Gr qab die binterlajjenen Papiere feines Grofvaters
und Baters (j. oben, 2 u. 3) heraus. Seine Biographie |
ſchrieb fein gleidnamiger Sohn (f. unten: Wdams 8).
5) Willtam, einer der bedeutendjten erbauliden
Sehriftiteller Englands, geb. 1814, get. 1848 als
Vilar ju St. Peter in Orford. Seinen Ruf gründete
er Durd) die »Sacred allegories« (oft aufgelegt).
6) John Cound, Ujtronom, geb. 5. Juni 1819 in |
Laneajt bet Launcejton in Cornwall, geſt. 20. Jan.
1892 in Cambridge, ftudierte dajelbjt, begann 1841
Unterjudungen der Unregelmäßigleiten m der Be—
wequng des Uranus und berechnete zuerſt Maſſe
und Bahn des ſtörenden Planeten (vgl. Neptun).
1858 wurde A. Profeſſor in Cambridge. Er ſchrieb:
»An explanation of the observed irregularities in
the motion of Uranus« (ond. 1846); » Lectures on
lunar theory «, hréq. von Sampjfon (Daf. 1900). Seine
»Scientitic Papers« gibt Udame heraus (Bd. I, Cambr.
1896, mit Biographte von Glaiſher; Bd. 2, 1900).
7) Charles Rendall, nordamerifan. Hijtorifer,
qeb. 24. Jan. 1835 in Derby (Vermont), ftudierte an
Der Univerſität von Michigan, der er fett 1867 als
Brofeffor der Geſchichte angehörte, wurde 1885 Prä—
jident der Cornell -Univerfitat (Athaca) und 1892 Prä—
fident Der Unwerſität von Wisconfin in Madiſon.
Er fdprieb: »Democracy and monarchy in France«
(Rew Port 1874; deutſch. Stuttg. 1875); »The rela-
tions of higher education to national prosperity «
(Rew Yjorf 1577); »Manual of historical literature «
(3. Aufl., daf. 1889); »Christopher Columbus« (daf.
1892) und gab » Representative British orations«
(Daf. 1884, 3 Bde.) heraus.
Adamsapfel — Adamsthal.
8) Charles Franci8, vollswirtſchaftlicher und
politiſcher Schriftiteller, Sohn von A. 4), qeb. 27. Mai
1835 in Bojton, bis 1890 Präſident der Union-
Pacific - Eiſenbahngeſellſchaft; ſchrieb: » Railroads,
their origin and problems« (Rew Y)orf 1878); » Life
of Richard H. Dana- (daſ. 1890, 2 Bde.); »Three
episodes of Massachusetts’ history« (Daf. 1892,
2 Bde.); »Massachusetts, its historians and its
history« (Daf. 1893) und die Biographie ſeines Ba-
ters: »Charles Francis A., by his son« (Daf. 1900).
Udamsapfel (Paradiesapfel, jüd. Esrog,
Pomum Adami), die Frudt von Citrus Pomum
Adami Risso, cirund bis birnfirmiq, mit bijabn-
lichen Narben und Wuljten der goldgelben Sehale,
ijt nad) dem Talmud die Frudt, von der Adam tm
Paradies gegen Gottes Gebot fojtete. Er wird mit
dem aus Palmwedeln, Weidens und Myrtenzweigen
bejtehenden, auf die alte Heimat deutenden Feſtſtrauß
von den Juden am Laubbhiittenfeft während des Frith-
ottesdienjteds unter Ubjingung von Pſalmen benutzt.
Der A. wird aus Korfu, Siiditalien und Parga am
Adriatiſchen Meer mit einem die ridtige Art der Ein—
jammlung verbiirgenden Sertififat eines Oberrabbi-
ners verjeben, zugleich mit jungen Blattern der Dattel-
palme verjandt. * Vollsmund heißt A. aud der her⸗
vortretende obere Teil des männlichen Kehlkopfes, fo
genannt, weil ein Stück des genoſſenen Apfels dem
Adam in der Kehle ſteclen geblieben fein foll. Vgl Citrus.
Adamesbriide, 23 km lange Reihe von Sand—
bänlen und Felſen zwiſchen der Inſel Rameswarant
an Der indiſchen Küſte und der Inſel Manaar an der
Riijte von Ceylon. Drei feidhte Hauptfaniile, von denen
der Pambamfanal auf 4 m Tiefe ausqebaqgert tit,
führen bindurd ; eine Eiſenbahnüberbrückung der Den
Wolf von Manaar im N. nahezu fperrenden A. wird
— Die Brahmanen nennen die A. Brücke des
dma, der auf ihr fein Heer nad) Ceylon hiniiber-
führte. Bgl. Walther, Die U. und die Korallenrijfe
der Palfftrake (Ergänzungsheft 102 zu ⸗Petermanns
WMittetlungen«, 1891).
Adamefeigen , j. Ficus.
Adamsia, {. Seeanemonen.
Adams Motor, ſ. Gastraftmafdine.
Adamsnadel, Pflanze, ſ. Yucca.
Adamspif, Name cines von Buddhiſten, Brah-
manen und Wohammedanern fiir heiliqg qehaltenen
Berges auf Ceylon, der fic) auf der innern Hodebene
(Neura Ellya) der Inſel unter 6° 51‘ nördl. Br. und
80° 35 öſtl. L. zu 2260 m Hohe erbhebt, von den
Singhalefen Samanala Rand (»Verg des Gottes
Saman«) qenannt. Auf der 21 m langen und 10m
breiten Fläche feines fahlen Gipfels, die von einer 1 m
hohen Mauer umgeben ijt, ftebt cin Tempel, unter dem
eine 1,45 m lange und 0,5 m breite Bertiefung, wahr-
ſcheinlich durch Nachhilfe von Menſchenhand, die Form
einer rieſigen Fußſpur hat, welche die Buddhiſten
Sripäda (⸗Fußſtapfe des Glückes«) nennen und fiir
die Fußmarke ihres Religionsſtifters halten. Sie wird
von einem reid) mit Edeliteinen beſetzten Goldrand
eingefaßt. Die Mohammedaner verehren den A. weil
fie in jener Vertiefung die Fußſpur Adams erfennen,
der hier, 1000 Jahre lang auf einem Fuße ſtehend,
den Verluſt des Paradieſes beweint haben ſoll. Noch
andre Tempel und Unterkunftshäuſer für die Tau—
ſende der Pilger ſind auf dem Berg errichtet.
Adamspreffc, |. Schnellpreſſe. Jahrh.).
Adamsfpiel, ſ. Franzöſiſche Literatur (12. 18.
Adbamesthal iſchech Adamov), Dorf in Mäh—
ren, Bezirlsh. Brünn, an der Zwittawa und der
Adana — Adäquate Reise.
Staatsbahnlinie Wien- Prag, mit neuer gotifder
Kirche, Villen, Majdinenfabrif, Dampfidige und (1900)
792 meijt tſchech. Cinwohnern. Ojtlich, bei Kiritein, aus-
gedehnte Kalkſteinhöhlen mit prähiſtoriſchen Funden.
dana, türk. Stadt im ſüdöſtlichen Kleinaſien, am
ſchiffbaren Seihun (Saros) in der frudtbaren Rilifi-
ſchen Ebene, hat als Schlüſſel zu Den Tauruspäſſen
cine hobe jtrateqijde Bedeutung und war deshalb
nod) in ——— (1839) lange der Gegenſtand des
Kampfes zwiſchen der Türkei und Ygypten. Im Al⸗
tertum wetteiferte A. mit dem nahen Tarſos an Größe
und Macht. Die jetzige Stadt, Hauptort des gleich—
namigen Wilajets (mit den Liwas Itſch Ili, Merſina,
Adana, Kozan und Dſchebel Bereket, 39,900 qkm
Areal und 422,400 Einw.), ijt qut qebaut, mit Mer-
fina durch Eiſenbahn verbunden, befitt cine antife
Briide iiber Den Saros und gilt 60,000 Einw. (viele
Yirmenier), die Handel mit Wolle, Baumwolle, Ge-
treide, Wein und Objt treiben.
Adangbe, Ort im deutſchen —— (Weſt⸗
afrifa), am Hahofluß, mit 7— 8000 Einw.
Adanfon (pr. adangping), Michel, Botanifer, geb.
7. Upril 1727 zu Wir m der Provence, geſt. 3. Aug.
1806 in Baris, bereijte 1748 —53 das Senegalgebiet
und fdrieb » Histoire naturelle du Sénégal« (Bar.
1757 ; Deutich, Brandenb. 1773 u. Leipz. 1773). Sein
Wert »Familles des plantes« (Par. 1763, 2 Bode.),
in neuer Bearbeitung u. d. T. »Méthode nouvelle
pour apprendre à connaitre les différentes fa-
milles des plantes« (Daj. 1764, 2 Bde.), enthilt
viele neue Entdedungen. Er ſchrieb aud) über den
Ujfenbrotbaum und über die Osyillatorien, machte
1751 den Sitterwels zuerſt befannt, deſſen Schläge
er mit Denen Der Leidener Flaſche verglid), und wies
wohl gue auf Strandverjdiebungen an der Küſte
bin. Bon feinen Sehriften erjdienen nod): »Cours
d'histoire naturelle fait en 1772« (Bar. 1844-45,
2 Bde.); »Histoire de la botanique et plan des fa-
milles naturelles des plantes« (2. Aufl., Daf. 1864).
Im Jardin des plantes ju ‘Baris wurde 1856 feine
Marmorjtatue aufgejtellt. Bgl. Cuvier, Eloge his-
torique (Bar. 1819).
Adansonia L., nad Undanjon benannte Pflan—
— der Malvazeen, Bäume in Afrika und
uſtralien mit gefingerten, drei- bis neunzähligen
Blättern, aus den Blattwinkeln herabhängenden ein—
zelnen Blüten, länglicher, nicht aufſpringender Frucht
mit holziger Schale, mehligem Fleiſch und zahlreichen
nierenförmigen Samen. Bon den drei Arten ijt A. |
digitata Z. (Uffenbrotbaum, Baobab in Weſt—
afrifa, Mb uju in Ojtafrifa, Mowana in Siidafrifa,
Vinka in Mittelafrifa, Dinna, Tabaldie tm Su-
dan, jf. Wbbildung) 12—22 m hod, mit Stamm: |
umfang von 47 m und mehr, bildet einen ungeheuern,
halbfugeligen, mit feimem untern Rande den Erd-
boden beriibrenden Wipfel von 38-—48 m Durd)- |
mejjer und trägt an fajt meterlangen Bliitenitielen
roke weiße Bliiten. Den größten Teil des Jahres
freht Der Baum aber fahl, nur behangen mit qrau-
braunen, melonenähnlichen, bis 45 em langen Früch—
ten. Der durd) Cadomojto 1454 befannt gewordene
Baum erreicht ein fehr hohes Witer, das nach Cin: |
zeidynungen der erjten Europäer, welche die Gegend
etraten, auf mehrere tauſend Jahre berechnet wurde.
Der Uffenbrotbaum tit in troptiden Wfrifa heimifch,
wird in Indien und Siidamerifa fultiviert. Er ijt
fajt überall ein Gegenjtand der Verehrung fiir die
Cingebornen; in Wejtafrifa dient er den Negern zur
Wohnung und als Begraibnisplag fiir Zauberer; in
Mevers Konv.« Lerifon, 6. Aufl., J. Bo.
97
Oftafrifa beherbergt er Herden von Kleinvieh in fei-
nem meijt hoblen Stamm. Aus dem febr leidten
weiden Holze machen die Neger Fahrzeuge. Die Blät⸗
ter (Lalo) werden gegeſſen, fie follen die iibermapige
Sdhweiabjonderung verhindern; das fauerlidye
Hrudtmart liefert kuͤhlendes Getränk. Der fehr zähe
Baſt dient ju Striden und als Bapiermaterial. Die
——
Duerſamitt
ber Frucht.
Adansonia digitata (Affenbrotbaum).
Rinde enthilt Adanſonin, deſſen Wirkung der des
Strophantings entgegengefest ijt. B. Gregorii Fr.
Miill., in Nordaujtralien, hat furggejtielte Bliiten
und faures Frudtmart (Saurequrfenbaum).
Adaptation (lat.), ſ. Unpajjung. A. des Auges,
die Unpajfung an verjdiedene Helligkeitsqrade; ſ.
Geſicht.
Adaptieren (lat.), anpaſſen, anbequemen.
Adaption (lat.), Anpaſſung (j. d.); mittelbare
——— fremden Werkes in der Weiſe, daß
das neue Werk im Verhältnis zu dem benutzten ein
Erzeugnis von ſelbſtändiger Cigenart ijt (Utilijation,
Yrrangement). Das Reigegeier, betrejfend das Ur-
heberrecht an Werfen der Literatur und Tonkunſt vom
19. Juni 1901, enthalt in § 13 den Grundſatz, daß
die Freie Benutzung eines fremden Werles zuläſſig ijt,
wenn dadurch cine eigentümliche Schöpfung hervor-
ebracht wird, unbefchadet jedoch Der ausſchließlichen
efugniſſe, die Dem Urheber nad) § 12 zuſtehen (val.
Urbeberredt). Nach der Berner übereinkunft, betref⸗
fend die Bildung eines internationalen Verbandes
zum Sdube von Werfen der Literatur und Munit
(Yirtifel 10), gehört zu Der unerlaubten A. cine nicht
enehmigte indirefte Uneignung eines ſolchen Werkes,
jofern fie lediqlid) die Wiederqabe im derfelben oder
einer andern * mit unweſentlichen Anderungen,
Zuſätzen oder Abkürzungen darſtellt, ohne im übrigen
die Eigenſchaft eines neuen Originalwerkes zu beſitzen.
Adaptiv (lat.), ſ. Anpaſſung.
Adäquät (lat.), volllommen angemeſſen, überein—
ſtimmend. Cin Begriff tit a., wenn er das Weſen
deſſen, was er bezeichnet, volljtandig ausdriidt; eine
Erfenntnis, wenn fie der Beidvattenbeit ihres Ge-
genſtandes genau und vollitindig entſpricht.
Adäquate Reize, ſ. Sinne.
7
Adar —
Adar (v. affyr. Monatsnamen Adda-ru ſtam-
ntend), fedjjter Monat des jiidifden Mondjahres, in
unfern Februar oder März fallend. UW. {deni oder
Beadar, der alle 19 Jahre fiebenmal sur Ausglei—
Gung des Mondjahres mit dem Gonnenjahr einge-
fchaltete 13. Monat. Der 13. A. ijt als Fajten-Ejther
(Taanith esther), der 14. als Purimfeſt bejtinunt.
Rad) der Sage war der 7. A. der Geburts- und
Sterbetag Moſes'.
Adare, Kap (ivr. dvix), Nordojtipise von Viftoria-
fand unter 71° 18’ ſüdl. Br. und 171° öſtl. L.; hier
fiberwinterte 1899 die engliſche antarftijde Expedi⸗
tion unter Bordgrevint (7. d.).
Ad arma (lat.), »zu den Waffen«, ans Werk!
Adarme, friiher ſpaniſches und nod) fiidamerifan.
Gewidt, — Vie —* = 36 Granos Silbergewicht.
A dato (lat.), ſ. Dato.
Mdauli (engl. adowly), Hohlmaß in Bombay; bei
Getreide (aud) Pehli, engl. paily) —4 Sihr = ‘16
Parah; bei Reis — 7'/2 Sthr; bet Salz — 2/21 Parab.
Ad bene placitum (lat.), nad) Belieben.
Ad bestias (lat., »3u den Tieren<), tm Altertum
die Todedsjtrafe, bet welder Der Verurteilte den wilden
Tieren vorgeworfen wurde. Der Uusdrud galt aud
von den Gladiatoren, die um Lohn mit wilden Tieren
lämpften und daber Bestiarii hießen.
A. D. C., bei Pflanzennamen Abkürzung fiir
UW. De Candolle (jf. d.).
Ad calendas graecas, Witzwort des Kaiſers
Auguſtus von faulen Schuldnern. Die Griedjen hat-
ten inſofern feine calendae (der Monatserjte, bei den
Römern Zabltag), als ihre Seitrednung mit der rö—
miſchen nicht ſtimmte; ene Vertrdjtung »auf die grie—
chijden calendae« bedeutete alfo ſoviel wie »auf den
—
Adda (lat. Addua), linfer Nebenfluß des Bo, ent⸗
fpringt am Paß Ulpijella in den Ratijden Wlpen
(2238 m), durchfließt das Fracletal, tritt, nachdem fie
mehrere Schluchten paffiert bat, in das Beltlintal und
ergießt fid) bei Colico m einem fumpfigen, raſch vor-
riidenden Delta in den Comerfee (7. d.). Bei Lecco
verläßt die U. Den See an feinem Siidojtende, bildet
nod) die kleinen Seen von Pescate und Diginate, tritt
hier ſchiffbar und fiſchreich in die lombardijde Ebene,
fpeijt mehrere Randle (Marteſana, Muzza) und mün—⸗
det bei Porto Stanga oberhalb Cremona in den Po.
Die Lange des Fluſſes betragt bis sur Mündung in
den. Comerfee 130, vom Austritt aus demfelben
180 km, wovon 50 km ſchiffbar. Die wichtigiten Ne-
benfliijje find (linfs) Der Brembo (f.d.) und Serio. —
An der U. fiegten 11. YWug. 490 die Ojtqoten unter
Theoderich tiber Odoafer, 10. Mai 1796 bei Lodi die
Franzoſen unter Bonaparte über die Ojterreider.
Addax, Mendesantilope, ſ. Untilopen.
Addénda (lat., »Hinzuzufügendes«), Zuſätze.
Adder, foviel wie Kreuzotter.
Adderley (pr. dover), Sir Charles Bowyer,
j. Rorton.
98
Addictio in diém (lat.), die bei einem gegen:
jeitigen Bertrage getroffene Nebenbeſtimmung, wo-
nad) Der Vertrag fiir den veräußernden Teil nicht
qelten foll, wenn jich innerhalb einer bejtimmten Zeit
cin Dritter findet, der das Geſchäft unter vorteithaftern
Vedingungen cingugeben bereit ijt. Nach dem öſter
reichiſchen allgemeinen bürgerlichen Geſetzbuch ($ 1083,
1084) wird die A. dann als Rejolutivbedingung be
handelt, wenn das Rarfitiid iiberqeben wurde, an
Addiſon.
Addiermaſchine, Abdierſtift, ſ.Rechenmaſchine.
Addiktion (lat.), gerichtliche Zuſprechung. Bgl.
Adjiudikation.
Addington (pr. doding’'n), Henry, ſ. Sidmouth.
Addington Park, Schloß, ſ. Croydon.
Wddis Abeba (Adhis Ubaba, Udi Abbas,
friiher Finfinni), widtigite Stadt Sdoas und bis
1901 Reſidenz des Nequs Menelif von Ubeffinien,
in Der Landidaft Sdoa, 3000 m ii. M., 1885 er⸗
baut, hat in der Mitte einen von Palifaden umgebe-
nen ‘Balajt des Herrjders und einen grofen, täglich
vielbefudjten Martt. Die amphitheatralijd von Bers
gen umgebene und von zahlreichen Gebirgsbaiden
—— Stadt wächſt nach dem Ausſterben An—
lobers (1892) ſchnell und ſoll bereits 50,000 Einw.
—— Karawanen gebrauchen wegen der ſchwierigen
ge bis zur Küſte 2 Monate. — Hier wurde 26. Olt.
1896 Der Friede zwiſchen den Staliencrn und Menelif
geſchloſſen (ſ. Ubeffinien, S. 35).
Addis Alam, ſeit 1901 Reſidenz des Herrſchers
von Abeſſinien, liegt etwa 60 kim wejtlic) ded bisheri⸗
gen Regierungsjipes Addis Ubeba, immitten alter
ldungen, jedoch in wafferarmer Gegend. Der
Grund zur Verlegung der Hauptitadt war weniger
politijder Urt, als dak infolge von Waldverwüſtung
um Addis Ubeba, wo die europäiſchen Bertreter und
RKaufleute vorläufig verblieben, angel an Bau- und
Brennholz eingetreten war.
Wddifon (pr. dovivn), Jofeph, engl. Dichter, Ge-
lehrter und Staatsmann, geb. 1. Mai 1672 zu Milston
in Wiltfhire, geft. 17. Juni 1719 in Holland Houſe,
jtubierte feit 1687 in Orford Theologie und zeichnete
ſich ſchon bier durch Abfaſſung lateiniſcher Verſe aus.
Durd den Schatzkanzler Montague und den Lord
Somers erhielt er zur politijden Uusbildung ein Jah⸗
resgebalt von 300 Pfd. Sterl., worauf er Frankreich
und Stalien bereijte. Der Tod König Wilhelms be-
raubte ibn dieſer Unterjtiigung, jedoch erwarb er fid
Ruf und die Gunjt der Whigs durd cin Gedicht auf
die Schladt von Blenheim: » The Campaign « (1704).
A. begleitete 1705 Lord Halifar nad Hannover, wurde
durd) deſſen Verwendung Unterſtaatsſekretär und ging
mit dem Vizekönig Warton nad Irland als Setretar
der Regierung. Bedeutenden Wnteil nahm er an dem
von ſeinem Jugendfreund R. Steele herausgegebenen
»Tatler« (»Der Blauderer<), der erjten moralifden
Wodenfdrift, nod) mehr an dem »Spectator«, den er
hauptſächlich ſchrieb. 1713 wurde fein Trauerjpiel
»Cato« aufgefithrt, formell eine ftarre Unwendung
frangofijd -flafjifcher Kunſttheorien, mbaltlid eine
Verherrlidung der Whigpolitif, daher beflatidt. In
Derfelben Zeit nahm A. an Steeles wefentlid poltti-
ſcher Zeitſchrift >The Guardian« teil fowie an dem
» Whig Examiners. 1714 begleitete er den Vizelönig
Grafen Sunderland wieder als Sefretir nad Irland,
1716 hetratete er die verwitwete Gräfin von Warwich.
Dem Poften eines Staatsfefretirs, den er 1717 er-
hielt, entfagte er 1718 tranfheitshalber, bebielt aber
eine Benfion von 1500 Bid. Sterl. Er ward in der
Weſtminſterabtei beigeſetzt. A. zeichnete ſich durch Ror-
rektheit aus, durch eine wohltemperierte Freiheitsliebe,
durch cine deiſtiſch angehauchte Feinſinnigleit. Jn li—
terariſchen Streitigleilen mit Steele und Pope
zeigte
er manchmal die Eitelleit Der Beit; Den meiſten Rut
und Danf aber gewann er durch den Humor feiner
ſittenſchildernden Eſſays, der nod) Didens befrudtete.
Seine Schriften, Darunter »Evidence of the chris-
dernfalls als Suspenfiwbedingung. Bal. Bedingung. | tian religion«, famen feit 1721 in Qondon öfter her-
MAddieren (lat., »hinzufügen«), ſ. Wddition.
aus (bejonders ſchätzenswert in Bohns »Standard
Addijonjde Krankheit — Adel.
Library«, 6 Bde.), wurden aud) faſt ſämtlich ns
Deutide überſetzt. Die -Essays« erfdeinen immer
wieder in Neudruden, gum Teil als Schulbiider; cine
Uberſetzung lieferte S. Auguſtin (⸗Beiträge zum Zu—
ſchauer und Plauderer«, Berl. 1866). Bol. Aikin,
The life of A. (Sond. 1843, 2 Bde.); Macaulay,
Critical and historical essays<«, Bd. 2; Thaderay,
English Humorists of the XVIII. Century; Mafd-
meter, Addiſons Beiträge ju den moralijden Wo: |
chenſchriften (Berl. 1872); UW. Hanfen, A. som lite-
rer kritiker (Mopenh. 1883); Courthorpe, Joseph
A. (Mond. 1884); Vetter, Der Spectator als Quelle
der »Disfurje der Maler« (Frauenf. 1887).
Addiſonſche Mrankheit, ſ. Nebennieren.
Addition (Summation, lat.), die erjte der vier
Spezies oder Hauptrednungsarten der Arithmetik.
Sie lehrt, mehrere gegebene Zahlen, die Summan-
den (Wddenden, Poften), gucinander addieren,
d. b. eine neue Sahl, ihre Summe, bilden, die eben-
joviel Einheiten enthalt wie die gegebenen Zahlen zu—
jammen. Das Zeichen fiir die A. tit +, gelejen plus;
3. B. wird die Summe von 12 und 17 gefdrieben:
12 + 17 und ijt gleid) 29, kürzer: 12 + 17 = 29.
Für die WU. gilt Das fommutative Geſetz, d. h. dic
einzelnen Gummanden oder lieder ciner Summe
lönnen beliebig untereinander vertaujdt werden, ohne
daß fich Der Wert der Summe ändert, z. B. 5345547
—74345— 15. Ferner gilt das aſſoziative
Geſetz, d. h. man kann beliebig viele der Summanden
zu einer Teilſumme zuſammenfaſſen, dann von den
noch übrigen Summanden wieder beliebig viele zu
einer Teilſumme u. ſ. f, die Summe der ſo entitehenden
Teilſummin ijt jtets gleich der Summe der urſprüng—
lichen Summanden. 3. B. iſ3 + 5 + 7 + 8 = 23,
anderjeits 8+ 7 = 10, 54—8 —13 und 104+ 13
wieder — 23. Will man mehrere Summanden ju
einer Teiljumme zuſammenfaſſen, fo ſchließt man ihre
Summe in Klammern ein, 3. BV. 34+5+7+4+8
= (38 + 5) + (74+ 8) = (8 + 7) + (56 + 8); Das
aſſoziative Geſetz ſagt daher aus, daß bet Bildung
einer Summe das Setzen oder Weglaſſen von Klam—
mern ohne Einfluß auf das Ergebnis iſt. Will man
prüfen, ob man die Summe einer größern Anzahl
von Summanden richtig gebildet hat, ſo wiederholt
man Die YL, nachdem man die Zahlen anders an—
geordnet hat, oder man faßt erjt cingelne Der Gunt-
manden gu Teiljummen zuſammen und addiert dann
diefe Teiljummen, oder man wendet die Neuner-
probe an, Die freilid) auch feine unbedingte Sicher—
heit gewährt (ſ. Neun und Elf). Bal. Krönig, Neue
Methode gur Vermeidung von Redhenfeblern (Berl.
1855). Urſprünglich werden bei der
UW. alle Summanden als pojitiv vor-
ausgejebt, man fann aber aud) den
Begriff der A. fo verallgemeinern, daß
. / p man negative Summanden zuläßt,
J, vgl. Regative Sahlen. Die Geome-
. trie fennt eine A. der geraden Linien.
4 Man denft fid) dabei die gerade Linie
ibrer Lange und Ricdhtung nad ge-
geben und betrachtet zwei ſolche gerade Linien (Strecden
oder Beftoren) al8 gleich), wenn fie gleiche Lange und
gleiche Richtung haben. Zwei ſolche Streden AB
und AC (jf. Figur) addiert man, indem an den End-
puntt B der cinen AB eine Gerade BD fet, die nad
Größe und Ricjtung mit der andern AC überein—
jtimmt; AD ijt dann die qeometrifdhe Summe
von AB und AC.
Udditional (lat.), zuſätzlich.
99
MAdditionalafte (franj. Acte additionnel, » Zu-
fagatte«), Zuſatzvertrag zu einem Staatsvertrag, Nad:
trag ju einer Verfaffungsurfunde, insbeſ. das Geſetz
vom 22. April 1815, das Napoleon I. bei fener Riid-
kehr von Elba in Form eines Zuſatzes gu den Kon—
jtitutionen des Maijerveids gab. Diefe A. dnderte die
Verfaſſung des Kaiſerreichs, indem es eine erblice
Pairslammer und eine Deputiertenfammer mit fünf—
jähriger Wahlperiode bewilligte und die geſetzgebende
| Gewalt dem Raijer und beiden Kammern zuſammen
juries.
Mdditionsmafdine, ſ. Rechenmaſchine.
Additionsprodukte, chemiſche Verbindungen,
die durch Vereinigung zweier Subſtanzen entſtehen,
ohne daß andre Atome oder Moleküle eintreten oder
ausgeſchieden werden. Bei der Bildung von —
bromid aus Alkohol wird Waſſer ausgeſchieden:
C,H,0 + HBr=C,H, Br + H,0, bei Bildung von
VUthylenbromid aus Wthylen findet Wddition ftatt:
C,H, + 2Br=C,H,Br,.
Additive Cigenfdaften, phyjifalifde Cigen-
ſchaften eines Gemiſches, die fid) aus den betreffenden
Eigenſchaften der Bejtandteile des Gemiſches bered)-
nen lajjen: die Maſſe, dad ſpezifiſche Volumen, das
ſpezifiſche Brechungsvermögen. Auch die Eigenſchaften
der Salzlöſungen laſſen ſich durchgängig auf additive
zurückführen.
Se a
Addata, Fluß, ſ. Adda.
ModduFtoren (lat, An ziehmuskeln), dienen zur
Annäherung, Herbeiziehung (Wddultion) eines Glie—
des an ein andres oder an die Achſe des Körpers.
Adebar (Adebär), im Niederdeutſchen der Storch,
beſonders als Kinderbringer, Glücksbringer.
Adeciduata, ſ. Säugetiere.
A découvert (franj., fpr. vetuwir, »ungedeckt«)
verfaufen, Wertpapiere oder Waren ——— ohne
ſie zu beſitzen.
Adel, ſoviel wie Jauche, ſ. Dünger und Düngung.
Adel, Landſtrich in Ojtafrifa, j. Adäl.
Adel (von adhal, das Geſchlecht, die Herkunft,
zuſammenhängend mit éthel, Erbgut), bevorzugter
Stand, der ſich in allen europäiſchen Ländern, mit
Ausnahme von Norwegen und der Türkei, vorfindet.
Der deutſche A. war in der germaniſchen Urzeit em
Weburtsjtand, vor den Freien durch hdheres Wergeld
(jf. d.) ausgezeichnet. Er fete fic) gufammen aus den
Mitgliedern derjenigen Geidledter, aus denen man
die Könige, die Fürſten, die Priejter zu nehmen pflegte.
Im fränkiſchen Reide war neben dem altgermani-
fdjen, Durch die Geburt begriindeten Geſchlechtsadel
der friinfijdhe, auf der Ehre des Rriegsdienjtes be-
ruhende Dienjtadel, der fid) aus den foniglidjen Be-
antten, den Biſchöfen und Grofgrundbefigern bildete.
Im Laufe des Mittelalters verſchmolzen Gejdledts-
und Dienjtadel zu cinem Stande, dem freien Ritter-
jtande. Die Bugebhdrigkeit gu dieſem Stande jepte
auger der edlen Abſtammung den Beſitz einer adligen
Grundherrſchaft fowie ritterltdhe Heeresfolge voraus.
Eine bevorzugte Stellung innerhalb des Standes
nahmen die Fiirjten und Grafen cin. Aus dem freien
Ritterjtand entwicelte ſich der fpater fogen. hohe A.
(j. Reichsritterſchaft). Dagegen ging der jogen. niedere
A. aus dem Stande der a a itter, Der Winijte-
rialen oder Dienjtmannen hervor. Die Minijterta-
Lem waren Dienjtleute des Königs und der Groen,
die ausſchließlich tm Hofdienjt, als Reifige oder als
höhere Aufſichtsbeamte Verwendung fanden. Jeder
Miniſteriale, der ein gewiſſes Alter erreicht hatte,
7*
100
fonnte die Belehnung mit einem Benefizium verlan-
en. Dierdurd wurde die Annäherung des unfreien
Shittertiandes an den freien Ritterjtand gefirdert. Jn
ihrer Eigenſchaft als Ritter traten die Miniſterialen
trotz ihrer Unfreiheit unmittelbar biter den Stand
der freien Ritter (»Herren«) und gingen fclieflich in
ihm auf, nachdem fid im 13. und 14. Jahrh. ihre
Unfreiheit verloren hatte. Aus belehnten Cigenleuten
hatte fich ein freier Lehnsadel entwidelt (vgl. Schrö—
der, Lehrbuch der deutſchen Recht
eLehnsadels« innerhalb dieſes einheitliden Standes
lebte der friihere Unterſchied von freien und unfreien
Rittern nod) fort. Die Ritterfdaft, urfpriinglid ein
Gemijd) von Beburts- und Berufsjtand, wurde all-
mählich von dem Erfordernis »ritterlider Lebens—
weiſe⸗ unabhängig und fo ju einem Geburtsftande.
Ritter war nicht nur derjenige, Dem die »Schwertleite«
erteilt war, jondern aud) derjenige, der durch tonig-
liches Diplomt oder durch Promotion bet einer jurijtt-
iden Fakultät die Eigenſchaft eines Ritters erworben
hatte. In ſpäterer gett trat eine Scheidung zwiſchen
hohem und niederm A. cin. Zum hohen A. gehörte,
wer die Reichsſtandſchaft beſaß, d. h. Sts und Stimme
(sessionem et votum) auf den ReidStagen hatte. |
Die Reichsſtandſchaft fonnte, fofern fie fid nicht auf
unvordenfliden Beſitz ſtützte, nur durd) faiferliche
Verleihung erworben werden. Dem Kaiſer verblieb
Dies Recht bis zur Auflöſung des Reidhes. Dagegen
war die Uusiibung der das Wefen der Reichsitand-
ſchaft ausmadenden Rechte feit der sweiten Halfte des
17. Jahrh. auger von dem Erwerb fiiritenmapiger
ober graflider Reichsgüter jowie der Einlaſſung ju
einer ſtandeswürdigen Steuer in einem beſtimmten
Kreis aud) von der Einwilligung des Rurfiirjten-
folleqiums, de3 Reidsfiirjtenrates, der Grafenbant,
d.h. von dem Konſens des Reichstags, abhängig. Der
niedere A., der feine Reichsſtandſchaft belay. ſchied
ſich in den Reichs- und Landesadel. Die Mitglieder
des Reichsadels waren im Beſitze der landesherrlichen
Gewalt und hatten als Reichsunmittelbare den per—
ſönlichen Gerichtsſtand vor den höchſten Reichsgerich—
ten ſowie dad Recht der Autonomie (ſ. d.). Der Lan—
desadel war nicht reichsunmittelbar, vielmehr der
Landeshoheit unterworfen.
Privilegien, Titulaturen rc. des deutſchen Adels.
Von den einſtmaligen ſtaats-, lirchen- und privat—
rechtlichen Privilegien des Adels ſind, abgeſehen
von der dem hohen A. ausſchließlich zukommenden
Reichsſtandſchaft, hervorzuheben: die Schriftſäſſigleit,
d. h. das Recht, nicht vor einem Gericht unterer In—
ſtanz Recht zu nehmen; Steuer-, Zoll- und Militär—
freiheit; Vorrecht auf gewiſſe Amter, z. B. beim Reichs
lammergericht; Siegelmäßigkeit, d. h. das Recht, einer
Urkunde durch Beidrückung des adligen Siegels die
Wirkung einer öffentlichen Urkunde beizulegen; Kir—
chenpatronat und Patrimonialgerichtsbarkeit, ſofern
der Adlige begütert war; in Ojterreich fiir Ritter und
Herren die Fabigheit, landtaflige Giiter ju erwerben
und die mit Dtejen Gütern verbundenen fogen. Do
minifalredte (3. B. das Jagdrecht) auszuüben; Be
freiung vom kirchlichen Aufgebot; Autonomie, d. b.
das Recht, m gewiffem Umfange nicht nur fiir die
ciqnen Nachkommen und Erben, fondern aud) fiir
Dritte verbindliche Normen fiber Familienangeleqen-
heiten feſtzuſtellen; cin ausſchließliches Recht auf den
Gefdledtsnamen und das Geſchlechtswappen; die | lun
ausſchließliche Fähigleit zum Erwerb von Lehen und die §
eſchichte, § 42). |
Nur im der Unterfdheidung der »Cdlen« und des |
Adel (Deutſchland und Ofterreid).
der Landjtandfdaft; Ehrenvorrang vor den ig oa
lichen (vg! bie Pradifate weiter unten und Titel). Bei
einigen Diefer Rechte wurde nod — daß der
Adlige eine beſtimmte Anzahl von Ahnen (ſ. d.) auf⸗
weiſen konnte.
Die RheinbundeSatte und die Verfaſſungen der
neuentitandenen Staaten verringerten allenthalben
die Vorrechte des Adels oder hoben jie, wie in Weſt⸗
falen, auf. So fommt 8, daß wirflide Vorredte
heutzutage nur dem Hoben A. zuſtehen. Diejer Hobe
W. umfaßt die Familienangehorigen der ſouperänen
Fürſtenhäuſer und der mediatijierten Familien, die
frither im Beſitze reichSunmittelbarer Territorien wa-
ren und Reichsſtandſchaft hatten. Jn Unfehung der
letztern war in der deutfden Bundesatte vom 8. Juni
1815 bejtimmt, daß aud) die Mediatijierten künftig ju
Dem hohen A. in Deutfdland gerednet wiirden, und
daß ihnen Das Redjt der Ebenbürtigkeit (j. d.) mit den
| regierenden Häuſern bleiben follte. Ferner follten die
beſchnitten und nur das Redht der erblichen
Mediatifierten und ihre Familien die privilegiertefte
Untertanenflajje, namentlich im Unfehung Der Be-
jteuerung, bilden; ihre nod) bejtehenden Familien—
verträge jollten aufredt erhalten werden, und es follte
ihnen aud) fortan die Befugnis zujteben, fiber ihre
Giiter und Familienverhaltniffe autonomijde Unord-
nungen gu trejfen. Endlich follte dem hohen A. em
privilegierter Geridhtsjtand, die Befreiung von aller
| Militdrpflichtigteit, die Uusiibung der Gerichtsbarkeit
in erjter und, wo die Beſitzungen groß genug, auch in
zweiter Inſtanz, die Forjtgeridtsbarfeit, Ortspolizei
und Aufſicht in Kirchen- und Schulſachen zuſtehen.
Allein dieſe Rechte ſind in den —— ſehr
itglied⸗
ſchaft in der Erſten Kammer ijt den Mediatifierten in
allen Staaten mit Zweilammerſyſtem erhalten wor-
den. Der privilegierte Geridtsjtand und die eiqne Ge-
ridtsbarfeit (wenigitens in jtreitigen Rechtsſachen)
find durch die Deutichen oder öſterreichiſchen Juſtiz
geſetze vollſtändig bejeitiqt. Dagegen ijt die Befreiung
von der Militärdienſtpflicht tm Reichswehrgeſeß auf⸗
recht erhalten. Hinſichtlich der Autonomie (ſ. d.) des
hohen Adels beſtimmt Art. 58 des Einführungsgeſetzes
zum Bürgerlichen Geſetzbuch, daß in Anſehung der
—— — und der Güter der vormals
reichsſtändiſchen und ſeit 1806 mittelbar gewordenen
Häuſer ſowie der ihnen diesbezüglich durch Beſchluß
der vormaligen deutſchen Bundesverſammlung oder
vor dem Inkrafttreten ded Bürgerlichen Geſetzbuches
durch Landesgelets gleichgeſtellten Hauser die Bor-
ſchriften Der Landesgefege und nad deren Maßgabe
die Vorfdriften der Hausverfaffungen unberührt
bleiben, und daß dad Gleiche aud) zu gunſten des vor-
maligen Reichsadels und Dderjenigen Familien des
landſäſſigen Adels gilt, die vor Dem Inkrafttreten
des Viirgerlichen Gejesbudes dem vormaligen Retchs-
adel durch Landesgeſetz qleicdhgeitellt worden find. Da-
qegen hat der niedere A. heutzutage, abgeſehen da-
von, dah in eingelnen Staaten, wie 3. B. m Bayern,
nur Udlige ein Familienfideikommiß (f. d.) beſitzen
fonnen, feine befondern Rechte mebr.
Die Stufenteiter der iibliden Pradifate (Titu-
faturen) ijt sur Beit folqende: Der cinfache Edel⸗
mann bis zum Freiherrn aufwärts erhalt das Prä—
difat »Hodwobhlgeboren«, der Graf »HModgqeborens ;
die Haupter der ——— * Grafenfamilien er-
hielten durch Beſchluß der deutſchen Bundesverſamm—
q vom 13. Febr. 1829 das Prädikat ⸗-Erlaucht«;
— Der vormals reichsſtändiſchen, jetzt ſtan⸗
Errichtung von Familienfideilommiſſen; das Recht desherrlichen fürſtlichen Familien erhielten durch Be—
Adel (Frantreid), Stalien).
ſchluß der Bundesverſammlung vom 13. Aug. 1825
den Titel »Durdlaudt« ; tm Bereich der öſterreichiſch⸗
ungarifden Monardie fiihren die ſämtlichen Mit—
glieder folder Familien, foweit in ihnen die Fürſten—
wiirde fiir alle Dejzendenten erblich ijt, das Praditat
»Durdlaudt«. Die Häupter der iibrigen fürſtlichen
Familien können den Titel >Durdlaudt« nur dann
fiibren, wenn er ausdrücklich verliehen ijt. Viele folder
Titularfiirjten haben nur das Priadifat »Erlaucht«.
Hinfidtlid) der erbfolgenden Söhne beftehen feine
fejten Regeln; fo fiihrt 3. B. der altefte Sohn des
giiriten Bismard die Grafenwitrde und den Titel
Hochgeboren«, der älteſte Sohn, reſp. Erbfolger des
Fürſten Havfeld-Wildenburg die Titel »Pring« und
Fürſtliche Gnaden«.
Unlaplic) der Cinfithrung des Biirgerliden Geſetz⸗
buchs ijt jtreitig geworden, ob das Udelspradifat sum
Samiliennamen tm Sinne dieſes Geſetzbuches gehört
oder nidt. Wer 3. B. an Kindes Statt angenommen
wird, erbalt nad) $1758 den Familiennamen des An—⸗
nehmenden. Die ridjtige, von Staudinger und Gohm
vertretene Unjicht (gegen v. Bülow, Kriicdmann, Opet,
Pland, Rehbein) qeht dabin, daß das legtere zutrifft.
Rimmt Herr v. Müller jemand an, fo heift der An—
qenommene nur Müller. Der A. ijt ein Titel, ein
Prädilat, und darum etwas Ojfentlichredtlidjes , der
Rame etwas Privatrechtliches. Am Wdelsrecht hat
dad Bürgerliche Geſetzbuch alfo nichts geändert. Unter-
jagt der Mann nad) der Eheſcheidung feiner allein
fiir ſchuldig erflirten Frau die Fortfiihrung ſeines
Ramens (§ 1577), fo verliert fie aud) das Adelsprä—
difat, aber nicht, weil es mit demt Ramen ein Ganges
bildet, fondern weil die Frau durd) dieſe Unterjaqung
aus der Familie, die dieſen Titel hat, ausfdjeidet. Die
Ausführungsgeſetze sum Bürgerlichen Geſetzbuch von
Braunſchweig, Heſſen, Lübeck und den beiden Mecklen⸗
burg beſtimnien ausdrücklich, daß das Recht zur Füh—
rung des Adels ebenſo privatrechtlich qeidiitst fein
joll, wie §12 ded Bürgerlichen Geſetzbuches das Recht
unt Gebraud eines Namens gegen Mißbrauch oder
jtreitung ſchützt. Daj durd) Chelidfeitserflirung
oder Unnahme an Kindes Statt der A. nur unter
Hinzutritt landesherrlicher Beſtätigung erworben
werden kann, ſchreiben ausdrücklich die mecklenburgi⸗
ſchen Ausführungsgeſetze zum Bürgerlichen Geſetz—
buch und das Heſſens vor. Das lippiſche Ausfüh—
rungsgeſetz verlangt Genehmigung des Landesherrn
nur für übertragung des Adels durch Annahme an
Kindes Statt.
Die verſchiedenen Maffen ded niedern Adels.
Wie im vormaligen Deutſchen Reiche gibt es aud
jet nod) verſchiedene Klaſſen des niedern Udels, jedod)
obne bejondere praftijde Bedeutung. Bn Ojterreid
oi es 4. B. nod) die ſechs alten Klaſſen ded Reiches :
itulargrafen, Reidsfreiherren oder Barone, Edle
oder Bannerherren, Ritter, Edle von, auf oder zu,
endlid) Udlige mit dem Lradifat »von«. Das Wuf- |
rücken in eine höhere UdelSflajje und der Erwerb des
Adels iiberhaupt von feiten cines Biirgerliden er-
folgen durd) Verleihung des Adels oder einer höhern
Klaſſe durdy einen Landesherrn. Der W., der fich auf
eine foldhe Verleihung — heißt Briefadelz; die
darüber ausgeſtellte Urkunde heißt Wdelsdiplom
oder Adelsbrief (ſ. d.). In Deutſchland kommen
ſeit Kaiſer Karl IV. Verleihungen des niedern und
des hohen Adels vor, und das Recht dazu gehörte
vormals zu den Reſervatrechten des Kaiſers, d. h. zu
den Rechten, die ſich der Kaiſer in allen deutſchen
Landen vorbehalten hatte. Ubrigens hatten oder be-
101
haupteten viele Filrjten bas Nobilitationsredt
(Redt, den A. gu verleihen). Endlich erbhielten feit
dem Anfang des 17. Jahrb. viele fleinere Fiirjten
und felbjt Familien des niedern Adels, 3. B. die
Wrafen von Schönborn, das Nobilitationsredt auf
Grund eines laiſerlichen Privilegiums, des Balatinats
oder der Nontitive (ſ. Pfalzgraf).
Gegenwärtig fteht das Recht, den W. zu verleihen,
jedem ſouveränen Fürſten zu; dod) bedarf der Unter-
tan der Genehmigung feines Landesherrn, um den
ifm von cinem frembden Herrſcher verliehenen YU. fiih-
ren ju fonnen. In Bayern, Wiirttemberg und Ojter-
reid) werden nur die immatrifulierten Gejdledter (7.
Udelsmatrifel) alg adlig anerfannt. Der A. wird
bald al8 ein auf die ehelichen Nachlommen tibergehen-
des Recht erteilt (Geburts- oder Erbadel), bald
nur an die Perſon des Veliehenen gefniipft (Per-
jonenadel!). Un diefen letzten ſchließt fid) Der Ver-
Dienjtadel an, db. h. cin Individual- oder perfin-
lider U., der von felbjt mit einer Wiirde oder einem
Amte verfniipft ijt. Sur Heit des alten Deutiden
Reiches Hatten die Biſchöfe und Erzbiſchöfe einen fol-
den perjintiden und gwar hohen A., während die
Wiirde eines Doftors der Rechte die meijten Redhte
des niedern Udels gab. Das Reichskammergericht in
Weblar behauptete einen Unjprud auf den erbliden
U. fiir jeden nidtadligen Ynhaber einer Kammer-
gerichts⸗Beiſitzerſtelle. Auch gegenwartig fommt in
einzelnen deutſchen Staaten etm niederer Verdienjt-
adel vor, 3. B. in Ojterreid) bei langgedienten Ojji-
jieren. In Bayern gewahrt der Beſitz ded Militär—
Mar Jofeph-Ordens und des Bivilverdienjtordens der
bayrijden Krone und in Wilrttemberg die Ver-
leihung des Rronenordend den perſönlichen A., und
in Preußen pfleqt den biirgerlicjen Rittern des
Schwarzen Udlerordens ein UdelSdiplom verliehen zu
werden. Cine andre Art, den YW. zu erwerben, iſt die
Verjahrung. Bu dem Berjabrun Sadel zählen
ſolche Familien, die nad) cinem unvordenfliden (ca.
100jährigen) unbejtrittenen, wenn aud) unberedtiq-
ten Gebraud) des WdelSpradifats die UdelSqualitat
erlangt haben.
Stelung ded Adels im Auslande.
Wn Franfreid trat der Unterſchied zwiſchen hohem
und niederm A. nidt fo ſcharf bervor wie in Deutſch—
land; dod) redynete man die Princes, Ducs, Marquis,
aud) einiqe Comtes und Vicomtes jum boben, die
iibrigen Gdelleute gum niedern UW. Zum niedern A.
gehirte aud) die fogen. noblesse de la robe (die Wit
lieder der hohen Gerichtshöfe und Barlamente). Die
Revolution hob den Erbadel 1790 auf; Napoleon I.
fiihrte ihn 1806 und 1808 wieder cin; nad) der Fee
bruarrevolution fprad) die proviforifde Regierung
durch Defret vom 29. Febr. 1848 die Abſchaffung
aller frithern UdelStitel aus. Seitdem ijt der A. nicht
förmlich rejtituiert worden. Bal. de Mailhol, Dic-
tionnaire historique et héraldique de la noblesse
francaise (Bar. 1895—97, 2 Bde.).
Yn Italien bildete ſich der A. ähnlich wie in
Deutidland aus. Der A. geht nebjt dem ungeteilten
Bairiequt nur auf den älteſten Sohn iiber. Es gibt
dort cine Menge fleiner Parzellen, deren Beſitzer ge-
wöhnlich den Titel Conte (Graf) oder Marchese
(Marquis) fithren. Größere Grundbefiger find tm
RNeapolitanijden die Duchi und Principi. Im ehe-
maligen Rirdenftaat ijt eine befondere Adelsklaſſe
durd) die Cinverleibung von Geſchlechtern in die Mu-
nizipalitat entjtanden. Außerdem wurde der YW. da-
durch erteilt, daß der Papjt cinem Beſitztum den Rang
102
einer Baronie rc. beilegte oder einen nidt auf den
Beſitz, fondern die Familie gegriindeten Adelstitel
mittels Breve erteilte. Erworben wurde der A. mit
Genehmigung des LandeSherrn durd) den Rauf eines
Gutes, mit dem ein Titel verbunden ijt. Mißbräuch—
lid) wurde die Zahl der Conti durd) die Bererbung
ded ehemals rein perſönlichen Titels der Conti pala-
tini ſehr erweitert. Der perſönliche A. war mit ge-
wiſſen Umtern und Würden verbunden, 3. B. mit der
Prilatur, den höhern Militärgraden, den oberjten
Stellen bei den Regierungsbehirden, mit der Ordens-
ritterjdaft. Ein Rardinal teilte feinem eignen Ge-
ſchlecht den A. mit.
In Spanien gibt es hohen und niedern A. Jenen
bilden die Granden (früher Ricos Hombres, d. h. reidje
Leute), deren es dret Klaſſen gab, jede mit befondern
Prärogativen, die aber unter der Herrſchaft des Kon—
oe ee ſämtlich befeitigt worden find, und
ie fogen. Titulados (Wetitelte), als Duques, Mar-
queses, Condes, Vicecondes und Barones, Die alle
mit Grundbefig ausgeſtattet fein mitjjen, der Majo-
rat (mayorazgo) ijt. Der niedere A. befteht aus den
Hidalgos (eigentlid) Hijosdalgo, d. b. Söhne von
etwas), deren Zahl fehr grok ijt, da fich jeder fiir einen
Hidalgo ausgqeben darf, der fein bürgerliches Gewerbe
treibt (vgl. Hidalgo). Nach der Reſtauration wurde
1875 das königliche Recht wiederhergejtellt, Grande-
zas de Espaiia und Udelstitel zu verleihen. — Ähn—
lich find die UdelSverhaltniffe in Portugal, wo die
Fidalgos die unterjte Adelsklaſſe bilden.
In nd Wt wird die Gejamtheit des britifden
hohen Wdels, die Beerfdaft, mit dem Namen
Lords oder aud) Barone bezeichnet, weil jeder, aud)
der Herzog, Lord oder Baron tit. Der Titel »Baron«
fam mit den Normannen (1066) nad England und
bezeichnete damals einen Kronvajallen. Der Titel
Viscount (Vice-Comes) iſt ſeit Heinrid VI. (1440)
als UdelSbezeidhnung gqebraudlid. Die Würde des
@rafen (Earl) war urſprünglich an den Beſitz eines
gewiſſen Landſtriches geknüpft; aber ſchon unter Kö—
nig Johann ſind die Grafen nichts als die erſte Klaſſe
der Barone, ohne Grafenamt, ohne Grafſchaft, wenn
auch mit großem Grundbeſitz. Seit mehreren Jahr—
hunderten wurden die Grafen durch Urkunden (letters
patent) ernannt, indent die Krone den Titel von cinem
Landbefis, Dorf oder Familiennamen hernahm. Der
Name Markgraf (Marquess , Marchio) bezeichnete
cigentlid) einen Grafen, der an den Grengen (von
Schottland und Wales) befehligte; feit 1386 war er
blofer Chrentitel. Marquiſate wurden durch Urkun—
den ertedt. Die herzogliche Würde hat Cduard III.
cingefithrt, Der 1337 ſeinen älteſten Sohn, den Schwar-
gen Bringen, jum Duke (Herjoq) von Cornwall er-
nannte. Als Rechte des hohen Adels find hervorzu—
heben: Die Peers find vom Arreſt wegen Sdulden
fret und fonnen tm Zwilprozeß, 3. B. wegen Ridht-
erſcheinens vor Gericht, nicht fiir geſetzlos erflart
werden. Die Durdhfudung und Verhaftung eines
Peers ijt nur beſchränkt zulaͤſſig. Sie werden bei Kri-
minalverbreden nur von Standesqleiden abgeurteilt,
als Geichworne geben fie thre Ausſprüche (verdict)
nidt auf Cid, fondern auf tbr Ebremwort. Sdmahun-
en gegen cinen Beer werden befonders qeahndet. Er
iſt als erblicher Rat des Königs befugt, vom König
jum Bortrag Gehör zu verlangen. Er vertiert feinen
. nur durch Berurteilung ne biirgerlichen Tod
(attainder) oder Ausſterben. Der Rang der einzelnen
Peers derſelben Klaſſe rictet fic) in der Regel nach
dem Alter. Der Erzbiſchof von Canterbury jtebt als
Adel (Spanien und Portugal, England 2¢.).
Lord-Primas von ganz England an der —* der
Peers. Das wichtigſte ——— für alle Lords
von England aber iſt der erbliche Sitz im Oberhaus.
Außer den erblichen Lords gibt es noch Lords durch
gewiſſe Amter; die Erzbiſchöfe und Biſchöfe ſind Lords
thrent geiſtlichen Umte nad und ſitzen wie der Lord—
Rangler im Oberhaus. Auch die höchſten Richter, der
erjte Beamte mehrerer Städte u. a. fiihren den Titel
Lord. Als niedern A. fann man die Gentry gelten
laffen, wenigſtens ihre erjte Rlafje, die Baronets,
deren Standeswiirde forterbt, während fie bei allen
andern nur perſönlich ijt. Die Baronets fegen ihrem
Namen das Wort Sir, das immer mit dem Tauf—
namen und häufig mit dieſem allein, aber niemals
mit Dem Familiennamen allein verbunden wird, den
Namen ihrer Frauen das Wort Lady vor und führen
ein Wappen. Die Wiirde wurde von Yafob I. und
Kart J. eingefiihrt und wird jest aud) ausgezeichneten
Gelehrten, Militärs xc. von der Krone verliehen. Nicht
erblich iſt die Würde der Knights oder Ritter. Die
wahrſcheinlich von Eduard J. geſchaffene Würde des
Knight Banneret, die nur auf dem Schlachtfelde
verliehen wurde, ſtand der aller andern Knights
voran; ſie iſt aber ſchon ſeit langer Zeit nicht mehr
verliehen worden. Wud) die Knights führen das Wort
Sir vor dem Taufnamen und thre Frauen den Titel
Lady. Die nächſte Wilrde, Esquire, gebührt heut-
zutage von Rechts wegen nur den Ablömmlingen
adliger Familien, die cin Wappen fiihren, aber feinen
Titel haben, ferner gewiſſen höhern Hofbeamten oder
Offijieren vom Hauptmann aufwarts, den Doftoren
der Rechte und der Medizin, den Mitgliedern der
Royal Academy u. a.; faktiſch fiihrt diefen Titel aber
jeder Gentleman (f. Esquire).
Jn Holland wie in Belgien gibt es gwar einen
Wdelftand, der ſich in Grafen, Barone und Ritter
teilt, Der aber obne politiſche Bedeutung ijt.
In der Schweiz, wo zur Beit der Befreiung von
Der öſterreichiſchen Herrſchaft ein A. ganz in deutſcher
Weiſe beſtand, geſtaltete er ſich ſpäter in ein Patriziat
um, das, aus reichen Bürgerfamilien ſich bildend, in
einzelnen Kantonen cine ariſtokratiſche Regierungs-
form begründete, während in andern die Demofrati-
ſche Verfaſſung unangetaſtet blieb.
In Dänemark hat der A., der aus dem Herzog
von Holjtein -Gliidsburg, cinigen Grafen, Baronen
und niedern Wligen bejteht, nod) einzelne Vorredte
(Jaqd-, Patronatsredt r.).
YUnders in Sdhiweden, wo der AW. alB der erjte
Stand bedeutende Borredte hat. Der ſchwediſche A.
teilt fic) tn Dret Klaſſen: a) Herrar, Herrenftand, zu
dem Die Grafen und Freiherren gehören; b) Riddare,
Ritterjtand, ju dem diejeniqen Geſchlechter gehören,
die erweifen finnen, daß emer oder mehrere threr
Vorfahren cine Reichsratsſtelle gehabt; c) Swenner,
die einfachen Edelleute ohne Titel. Jedes adligqe Fa-
milienbaupt bat nad erreichtem 24. Lebensjabre
Sutritt zum Reichstag. Der ſchwediſche A. tft im all-
gemeinen arm, weil er eS verſchmäht, ſich an fommer-
stellen u. induſtriellen Unternehmungen zu beteiligqen.
Jn Norwegen ward der A. durch das Reichsgrund—
geſetz vom 4. Nov. 1814 gang abgeſchafft und völlige
Gleichheit aller Norweger vor dem Geſetz begriindet.
Jn Bolen war der W. feinem Urfprunge nad)
reiner Kriegsadel. Daher bejtand hier friiber fein
Unterichied zwiſchen hohem und niederm A. Fürſten⸗
und Grafentitel waren von auswärtigen Dynajtien
verliehen und beqriindeten durchaus keine Vorrechte
Die Udligen heißen Siladecicen.
Adelacr — Adelaide.
Yn Rufland war der A. urſprünglich an Grund-
beſitz geknüpft. Knjäſe und Bojaren bildeten den
die übrigen Udligen den niedern A. Peter d. Gr.
befeitigte diefen alten A. “nic bei a von Rang-
tlafjen, wodurd) alle Standesvorgiige lediglich mit
faijerliden Dienjtverhaltnifjen verbunden wurden.
Die niedern ee geben nur perfinlidjen, die
höhern erbliden A. Legterer wird erworben durd
Verleihung von feiten des Kaiſers, durch Beforderung
gum Offiziersrang im Militdr- und zur achten Klaſſe
un Zivildienjt und durd) Deforation mit einem ruſſi⸗
fden Orden. Perſönlichen A. haben fonjtige Zivil-
beamte von Offijiersrang.
Qu Ungarn unterfdied man früher zwiſchen
ras ar und gewdhnlidem A. Wahrend jene
—— ich auf dem Reichstag erſchienen, war dieſer
Abgeordnete vertreten. Ihre frühern Vorrechte
ſind jetzt im weſentlichen aufgehoben. Der titulierte
A. iſt in Ungarn ſehr ſpät —— worden (her-
ezeg = Fürſt, grof, bard). Der neuernannte A.
wurde häufig mit Lehnsgütern verjehen, von denen
er einen Bunamen erbielt; außerdem exijtiert nod)
ein | geringerer Briefadel ohne Grundbejig.
Sind nun aud) nad dem Borjtehenden die Bor-
rechte ded Adels allenthalben beſchränkt und vermin-
dert worden, fo bat er dod) aud) nod) heutzutage eine
nidjt — ¢ Bedeutung, die namentlich darauf be-
rubt, daß ibm (in Deutſchland freilid) nur dem hohen
YU.) eine bevorzugte Stellung in der Bolfsvertretung
eingerdiumt * daß die höhern Hofdargen eine Prä—
rogative des Adels find, und daß er fich faft überall
im Bejige der höchſten Staats- und Militärämter ju
behaupten gewußt bat. Aber ebenfo gewiß ijt es, daß
die Ausſchließung der Bürgerlichen vom Hofdienſt,
von den höchſten Staatsämtern und von den höhern
Offiziersſtellen ſowie die mit dem Geiſt und der Bil-
rong be rer Zeit nicht vereinbaren adligen Vorurteile
die Haupturjaden einer gewiſſen Abneigung gegen
den U. find, die man zuweilen bei den iibrigen Stan-
Den findet, umd die 1848 fo ſcharf Hervortrat, dap
man faft itberall auf eine ginglide Uufhebung des
Adels drang, die in den fogen. deutfden Grundredten
aud) wirflid — wurde. Während die
einen den A. als einen notwendigen Vermittler zwi—
ſchen Fürſt und Volk aud) nod) unfrer Zeit empfehlen,
fpredjen die andern das Gegenteil aus. Dod) hat
man neuerdings wiederholt aud) in Deutſchland das
grortbejtehen des WdelS als wünſchenswert bezeich
net, weil ein durch Reidjtum und —*
lung von der Regierung unabhängiger Stand den
politiſchen Intereſſen des Volfes beſonders zu dienen
berufen und befähigt ſei, was freilich von einem
bloßen Hof- und Dienſtadel nicht zu erwarten ſteht.
l. v. Strantz, Geſchichte des deutſchen Adels
(2. Aufl. Baldenb.1851,3 Bde.); Liebe, Der Grund⸗
adel und die neuen BVerfafjungen (Braunſchw. 1844) ;
v. Maurer, Uber das Wefen ded älteſten UdelS der
deutſchen Stämme (Miind. 1846); Gneift, W und
Ritterſchaft in England (Berl. 1853); Heffter, Die
Gonderredte der jouveranen und der mediatifierten
Häuſer in Deutſchland (daf. 1871); Griinhuts » Zeit-
ſchrift für Privat- und öffentliches Redt«, Bd. 5 u. 6
(Unfjage von Mejer, Befeler und Gierfe fiber den
age . und die Geſchlechtsgenoſſenſchaft); Rofe,
A. Deutſchlands und feine Stellung im Deut-
ſchen Reid) (Berl. 1883); G. Meyer, Lehrbuch des
deutſchen Staatsrechts (5. Aufl., Leipz. 1899) und die
Gothaiſchen »Genealogifden Taſchenbücher · darun-
ter das ⸗Taſchenbuch der adligen Häuſer⸗ (feit 1900).
103
— (px.-lax), norwegiſch⸗ dän. Seeheld, ſ.
eler.
Adelaide, Fluß im ſüdauſtral. Nordterritorium,
nimmt rechts den Margaret auf und mündet, weit
hinauf ſchiffbar, in die Wdambai bir mtg 9 Die
an feiner Mündung angelegte Niederlaſſung Escape
Cliffs wurde bald fiir Batrreriton aufgegeben.
Adelaide, Hauptitadt des britifey-aujtral.Staats
Siidaujtralien, unter 34° 57’ ſüdl. Br. und 138° 38°
öſtl. L., ſchön gelegen am Fue des Mount Lofty und
beiderjeits des wajferarmen, Hier gu einem großen
Beden aufgeddinunten Torrensflufjes, über den fünf
Briiden führen, 9 km nordöſtlich von feinem Hafen
Port Udelaide (fj. d.), Knotenpunkt von fiinf Cifen-
bahnen (ju den Seebädern Semaphore und Glenelg,
(Sle ele NOTES, 7
Lageplan von Adelatde.
ins Jnnere, nad) Melbourne), mit Balajt des Gou-
verneurs, Rathaus, Generalpojtamt, Regierungs-
gebäude, mebhreren ſchönen Banfgebiuden, Yrren-
anjtalt, Hofpital, Barlamentsgebaude, anglitanifder
und fath. Rathedrale (außer 28 andern Rirden), Syna-
oge, mehreren Klubhäuſern, ſchönem botanijcen
trten. Die Stadt hat Gas- und Waſſerleitung,
zählt mit den durch die breiten Parflands getrennten,
durd Pferdebahnen verbundenen 27 BVororten avow
162,094 Ginw., darunter 6000 Deutide. Die In—
duſtrie ijt im Aufblühen, der febr bedeutende Handel,
ber fajt Die ganze Kolonie und die Nachbarſtaaten ver-
jorgt, wird gefdrdert durch eine Handelsfammer, Ge-
werbefammer, Börſe und 9 Banfen. Bon Bildungs-
jtatten find gu nennen die Univerfitat mit Biblio
und Mufeum, Sternwarte, 4 Colleges, Mufitatade-
mie, 2 Mujterfdulen. Es erjdeinen 5 tägliche und
21 andre Beitungen, darunter eine deutſche. Die
Stadt ijt Sig des Gouverneurs, der Regierung und
des Parlaments, des Obergeridts, eines fatholifden
104 Adelaide —
Erzbiſchofs, eines anglifanijden Biſchofs und eines
deutſchen Konſuls.
Adelaide, franz., eigentlich aber ital. Form des
Namens Wdelheid.
Adelaide-Inſel, antarktiſche Inſel, weſtl. von
Grahamland, unter 67° 15* ſüdl. Br. und 68° 20°
weitl L., 1832 von Biscoe entdectt.
Adelantado (ipan.), ein ⸗Avancierter«, Obert,
Statthalter; Ehrentitel.
Adelbert, j. Udalbert; A., cin Babenberger, ſ.
Urt. »Babenberg<e und »Babenberger Febhde«.
Adelboden, Gemeinde im Engitligental, zum Be-
zirk Frutigen des ſchweizer. Nantons Vern gehörig,
1357 m i. M., wm N. des Wilditrubel, mit (1900) 1569
Cinw., befudter Luftturort. tiber das Hahnenmoos
(1954 m) führt ein Bergpfad nad An der Lenk tm
Oberfintmental.
Udelborft, holland. ——— für Seefähnrich.
Adelegg, Bergzug im württemberg. Donaukreis,
öoſtlich von Jsny, ein Ausläufer der Algäuer Alpen,
im Schwarzen Grat 1118 m hod.
Adeler (aud Udelacr), Curt von, ar
dan. Seeheld, geb. 16. Dey. 1622 in Brevik (Nor-
wegen), geft. 5. Nov. 1675, hieß uripriinglid C. Si—
vertfen, trat 1637 als Secfadett in niederländiſche
Dienite, fainupfte 1642—61 in der venezianiſchen Flotte
mit Auszeichnung gegen die Tiirfen und ward 1663,
nad feiner Rückkehr in die Heimat, zum däniſchen
Generaladmiral und BVizeprajidenten des Admirals—
rats ernannt. Bald darauf unter dem Namen W. in
den Udelftand erhoben, ſchuf er in wenigen Jahren
cine vorzügliche Flotte, erlaq aber als Oberbefehls
haber der däniſchen Secmadt fury nad Ausbruch
des Srieges mit Sweden einer anjtedenden Kranlk—
Heit. Sein Leben beſchrieb Bruun (Nopenh. 1871).
Adelfelchen (Adelfiſch), ſ. Renke.
Adelheid (altdeutid) Adalheit, »ſtrahlend an
Geidledt«), weiblicher Name. Merkwürdig find:
1) Gemahlin Kaiſer Ottos I. (feit 951), Tochter König
Rudolfs I. von Burgund, geb. um 931, geſt. 16. Dez.
999 im Kloſter Selz im Elſaß, war zuerſt mit Lothar,
dem Sohne König Hugos von Italien, vermählt, ſollte
nad) deſſen Tode (950) den Sohn Berengars II. von
Jvrea, Udalbert, Hetraten, nahm aber ju Otto J. thre
Zuflucht. In der Reichsqeidichte Deutſchlands und |
Ilaliens hat fie unter den Drei Ottonen, namentlicd |
wihrend der Unmündigkeit Ottos IIT. (983—996), als
Reichsregentin eine bedeutende Rolle gefpielt. Bal.
Biefebredht, Geſchichte der deutſchen Kaiſerzeit,
Wd. 1 u. 2.
2) Udelatde Eugénie Louife von Orléans,
Todter des Herjogs Ehilipp von Orléans, jiingere
Schweſter des Königs Ludwig Philipp, qeb. 23. Aug.
1777, geft. 80. Dey. 1847, ward nuit ihrem Bruder
durd Frau v. Genlis erzogen, mubte 1792 aus Frank
reich fliidhten und fand bis 1814 Zuflucht in Belgien,
der Schweiz und Deutſchland. 1814 febhrte fie nad
Frankreich zurück und madjte das Haus thres Bru
ders, dads Palais Royal, zum Sammelpuntte der libe-
ralen Partei. Nach der Julirevolution 1830 verfodt
fie cifrig die Unnabhme der Krone durch Ludwig Philipp.
Adelheidsdenare, Silbermünzen der fachfifden
Kaiſerzeit, die auf dem Avers cin Kreuz nebjt Namen
und Titel Kaiſer Ottos (III.), auf der Rückſeite ein |
Kirchengebäude mit der Umſchrift »ATALHEID«
(aud) in andern Formen des Namens) nae Sie
wurden 991 -—995 gepriigt, als Adelheid (. A
Bormiinderin ibres Enfels war.
Adelheidequelle, |. Heilbrinm.
Adelsbrief.
Adelholzen, Wildbad in Oberbahern, ſüdlich von
Traunſtein, 3 km von Bergen an der Staatsbahn-
linie Miindjen-Saljburg, 640 m ii. M., hat drei erdig-
alkaliſche falte Quellen, die bei chroniſchem Magen-
fatarrh, Rheumatismus ꝛtc. Anwendung finden. Bgl.
Sauer, Führer in und um A. (Münch. 1874).
Adeli, Landidaft an der Sflaventiijte Weſtafrikas,
in Der deutſchen Kolonie Togo (j. d.).
Adélieland, antarftijdes Land, zwiſchen 66 und
67° fiidl. Br., 1388 und 144° öſtl. &., ein Teil von
Wilfesland (j.d.), 1000 —1200 m hod, wurde nit dent
wejtl. Davon liegendDen Clarieland 1840 von Du-
mont d' Urville entdedt. S. Rarte » Siidpolarforjdun-
Adeljaweine, |. Algierſche Weine. [qen«.
Adelnau (poin.Odalanow), Kreisjtadt im preuß.
Regbez. Poſen, an der Bartſch, hat cine evangeliſche
und cine fath. Rirde, Untsqeridt u. 1900) 2310 Einw.
Adelphismus (v. gried). adelphos, Bruder), Ver⸗
briiderung; Adel phie, Verwadjung derStaubfaden.
Adels (flowen. Bojtojina), Marftfleden in
Strain, 548 m ii. M., auf dem Sarjtplateau und an
der Siidbahn, Sig einer Bezirfshauptmannjdaft und
eines Bezirksgerichts, mit einer Dampfſäge und cise
1709, als Gemeinde (1900) 3636 meijt flowen. Ein—
wohnern. Nordiwejtlid) davon der Schloßberg (676m)
mit den Ruinen der Burg YW. und die beriihmte
Wdelsberqer Grotte. Der vordere Teil derjelben
war ſchon fett 1213 befannt, der größte Teil iſt aber
erjt 1818 entdeckt. Der Eingang liegt 19 m tiber dem
Fluſſe Boif, der ſich hier in die Grotte ſtürzt und nad
einer Strede von 800 m unterirdiſch verſchwindet.
Die Grotte ijt bisher auf 4172 m zugänglich gemacht;
ihre Ridtung geht von SW. nad) RO. Der tiefite
Punkt am Cintritt der Poik ijt 514 m, der höchſte
(577 m it. M. Die Temperatur betraigt 9—11° Die
Grotte fann auf einer 2561 m langen Rollbahn be-
fabren werden und wird tim Sommer täglich eleftrifd
beleudjtet. Der jtollenartige Gang erweitert fid) ju-
nicdhjt sum Großen Dom mit qrotesfen Tropfitem-
qebilden; ſeitwärts biervon befindet fich dic alte Grotte
mit vielen Inſchriften. Die 1818 entdeckten Raume
enthalten die Ferdinandsqrotte, den Tanjfaal,
in Dem jahrlid) am Pfingſtmontag das Grottenfeit
qefeiert wird, das Belvedere, den Kalvarien-
berg, den grofartiqiten Teil, 58 m hod, mit den
Triimmern von vielen Hundert zum Teil riefiger
Siiulen, das Grab, einen Stalaqmit von 16 m Um—
fang, u. a. Andre Grotten in der Nähe von A. find:
die Magqdalenengrotte, berithmt als der erfte
Fundort des Grottenolms (Proteus anguineus), die
Poikhöhle, durch welche die Poik ihren unterirdifden
auf nordiwiirts fortfest, die Grotten von Otok und
Klanina, die Höhlen von Luegg (f.d.). Bal.
SH midl, ZurHdhlenfunde des Karites (Wien 1854),
und deffen » Weqweifer« (2. Aufl. daf. 1858); Kraus,
Höhlenkunde (daf. 1894).
Adelsbrief (Wdelsdiplom), die Urfunde, die
einem Neugeadelten sum Beweiſe der Adelsverleihung
erteilt wird. Dieſe Diplome werden in Fraftur auf
Pergament gefdrieben, von dem LandeSherrn, der
jie erteilt, eigenhändig unterzeichnet, und es wird
ihnen in alter Weiſe das in einer Metallkapſel ver-
wahrte Siegel angehingt. Dag in ben verfdiedenen
landeSfiiritlichen Kanzleien Deutidlands fowie Ojter-
reids gebräuchliche Formular der Adelsbriefe iſt im
weſentlichen dasſelbe, das vor vier Jahrhunderten
elheid 1) unter den Kaiſern Siegmund und Friedrich TT. in
Gebrauch war. Der ſo erworbene Adel heißt Brief—
adel (jf. Wel, S. 101).
Adelsheim — Ademtion.
Adelsheim, Amtsſtadt im bad. Kreiſe Mosbach,
an der Seckach, 278 m ii. M., Knotenpuntt der Eiſen⸗
bahnlinien Heidelberg-Wiirgburq und Jagſtfeld-
Ojterburfen, hat eine evangelifde und eine fath.
Rirde, 3 Schlöſſer, UmtSgeridt, Bledwarenfabri-
fation und (1900) 1428 Einw.
Mdelsfrone, in der Heraldif cin mit Perlen und
Edelſteinen bejegter Goldreif mut adt perlentragen-
den Spigen, von denen fiinf
ſichtbar jind (f. Abbildung).
Die eigentliche A. ijt die alte
Königskrone, bet der auf dem
Reif swifden vier Blattern,
pon denen drei fidjtbar find,
Berlen jtehen. Die Berlei-
hung der A. auf dem Helm in Udelsdiplomen bildete
ſich als Vorrecht des Udels in der zweiten Halfte des
16. Jahrh. aus.
_ Adselsmatrifel, in Bayern, Wiirttemberq und
Oſterreich amtliche, von befondern Behsrden geführte
Regijter, in die ſich alle adligen Geſchlechter des Landes
eintragen laſſen müſſen. Nur die timmatrifulierten
Geſchlechter werden amtlid) als adlig anerfannt. Jn
Bayern ijt die A. durch Edift vom 28. Yuli 1808
eingefithrt, und zwar nur eine Perfonal matrifel.
Die württembergiſche U. ijt angeordnet durd
Defret vom 15. Yan. 1818. Sie zerfallt in eine Per—
fonal- und Realmatrifel. In erjterer werden die per-
ſönlichen Verhältniſſe, in ber Realmatrifel Rittergiiter
und folde Beſitzungen eingetragen, auf denen ehe—
mals eine Reichs - oder Kreistagsſtimme rubte.
Adelspradifat. Dic Pripofition »von« vor dem
— — —
> =) Me
— —— as
Adelskrone.
Familiennamen bezeichnet urſprünglich lediglich den
Wohnſitz, die Herrſchaft oder die Gerichtsbarkeit, wie
Herzog von Sachſen, Graf von Stolberg. Bei den
Bewohnern der mehr bevölkerten Städie hatte der
Wohnort nidts perſönlich Kennzeichnendes, aufer bei
Familien, die, aus andern Städten iibergefiedelt, ſich
nad ihrem alten Wohnort fdrieben. Perſonen, die
ben rittermäßigen Wdel erwarben, ſchrieben ſich nur
dann von cinem wirklich vorhandenen Orte, wenn fie
mit ifm belehnt wurden, was nad 1400 nur nod
felten vorfam. Geit dem 16. Jahrh. wurde den Neu:
geadelten, wenn fie dic entſprechende Tare bezahlten,
ein fingierter Ort8name als Pradifat verliehen. Erſt
um 1630 wurde es üblich, Den Neugeadelten einfach
em »von« vor den Fantiliennamen ju ſetzen, was in
ber Folge aud) ältere adlige Familien taten, die ſich
nidt von einem Orte fdhrieben. Wo dies unterblieb,
entftand mit der Beit der Arrtum, dah die betreffende |
Familie den Udel abgelegt hatte. Einige Ausnahmen
bejtehen nod) heute, fo die Rnigge
das A. nicht angenommen haben.
namen find in Ojterreich ſtark im Schwange geblieben.
Wn den Uferbezirken der Nordſee gibt es aud) zahl—
reiche bitrqerlidje Familien, die ihrem Namen die Prä—
pojition »von«, in Holland »van«, vorfesen, ohne als
adlig gelten ju wollen; aud) das »de« ijt in Holland
nidt Das YL, jondern der Urtifel (3. B. de Dobbeler,
» der Spieler). Vielmehr ijt dort das UW. » Jonkheer«.
Die unbefugte Unnahme eines Adelsprädikats sieht
nach Dem deutſchen Strafgeſetzbuch ($360, Nr. 8) Geld⸗
ftrafe bis su 150 We. oder Haft bis zus Woden nad ſich.
Adelsprobe, urfundlicder Racheoeis der adligen
Abjtammung ; f. aud) Ahnen (Whnenprobe).
UAdelsvorfdub (Erzfall, Bonanja), ershal-
tige Teile, die auf gewiſſen Erzlagerſtätten ſtrichweiſe
vorfommmen und ringsum von ergleeren, fogen. tauben
Streifen beqrengt werden. Val. Erzſäule.
und Pflugk, die |
ie fingierten Orts- |
—
105
Adelung, 1) Johann Chrijtoph, deutider
Grammatiker und Lerifograph, geb. 8. Aug. 1732 in
Spantefow bei Unflam, geſt. 10. Sept. 1806 in Dres-
den, ſtudierte Theologie in Halle, war 1759—61
Profejfor am evangelt{den Gymnaſium zu Erfurt,
gab aber fein Amt auf und widmete fic) in Leipzig
literariſchen Arbeiten. 1787 wurde er als Hofrat und
Oberbibliothefar nad Dresden berufen. Wdelungs
grammatiſche Regeln, die namentlich in der Lehre
vom Sag recht verdienſtlich find, haben lange eit die
deutſchen Schulen beherridt. Seine hauptſächlichſten
Were in diefer Hinjicht find: > Grammatifd-tritifdhes
Worterbud der hochdeutſchen Mundart« (Leipz. 1774
bis 1786, 5 Bde.; 2. Aufl. 1793— 1802, 4 Bode.);
»Deutſche Spradlehre fiir Sdulen« (Berl. 1781);
»Umſtändliches Lehrgebäude der deutſchen Spradje<
(Leipz. 1782, 2 Bde.); ⸗Uber den deutſchen Stil«
(Berl. 1785 —86, 3 Bde.; 4. Aufl. 1800, 2 Bde.);
»Anweiſung sur Orthographie« (Leip. 1788, 5. Aufl.
1835) und die Zeitidrift »Magazin für die deutſche
Sprache« (daf. 1782—84, 2Bde.). Auf alle Spraden
ber Erde follte fic) fein Werf »PMeithridates, oder all-
gemeine Spradjenfunde« (Berl. 1806, Bd. 1) erjtrecen,
das von Yoh. Sev. Vater fortgefest und vollendet
wurde. Eine Frucht feiner Studien zur ſächſiſchen
Wefchidjte war das »Directorium diplomaticum<
(Meigen 1802), wahrend er das Studium des Mittel-
lateinifden durch ſeinen vielfad) bereicherten Auszug
aus Ducange »Glossarium manuale ad scriptores
mediae et infimae latinitatis« (Halle 1772 —84,
6 Bde.), die Gelehrtengeſchichte Durd feine Fortiepung
ju Jöchers »Gelehrtenterifon« firderte.
2) Friedrid von, Sprad: und Geſchichtsforſcher,
Neffe des vorigen, geb. 25. Febr. 1768 in Stettin,
geſt. 30. Yan. 1843, jtudierte in Leipzig Rechtstunde
und Philofophie, lebte fpater in Riga, Dann in Peters⸗
burg, wurde hier 1801 Direftor des deutſchen Thea-
ters, 1803 Lehrer der Groffiiriten Nifolaus und
Michael, 1824 Direftor des Orientalifiden Ynitituts.
Aus feinen Studien iiber die auslindifden Quellen
fiir die Geſchichte Rußlands gingen die Werke her-
vor: »Siegmund Freiherr von Herberitein« (Petersb.
1818), »Auguſtin Freiherr von Meyerberg und feine
Reife nach Rußland« (daf. 1827) und ⸗Kritiſch-literä⸗
riſche Uberjicht Der Reifenden in Rußland bis 1700«
(daſ. 1846, 2Bde.). Unter feinen linguiſtiſchen Schrif-
ten find hervorjuheben: »Überſicht aller befannten
Spraden und threr Dialefte<« (Petersb. 1820) und
„»Verſuch einer Literatur der Sanstritiprade« (daſ.
1830; 2. Aufl. u.d.Z. » Bibliotheca sanscrita«, 1837).
Adeémar pr. ade), 1) Geſchichtſchreiber des 11.
Jahrh., qeb. zu Chabannais in Ungouléme, im Klo—
iter St.Wartial su Limoges qebildet, ſpäter Prieſter
in Angoulẽme, ſchrieb eine Geſchichte der Franfen
bis 1028 (hrsg. in den »Monumenta Germaniae
historica«, IV). A. jtarb, wahrſcheinlich auf einer
Wallfahrt nad dem Heiliqen Lande, 1029 oder 1030.
2) U. von Monteil, Biſchof von Ruy (Siidfrant-
reich), ein kluger und ritterlider Prälat, nahm, nad.
dem er ſchon einmal das Heilige Land befucht hatte,
1095 auf der Kirchenverſammlung zu Clermont als
der erjte Das Kreuz aus der Hand Papſt Urbans I.
und ward von ihm zu ſeinem Legaten während des
Kreuzzuges ernannt. Er nahm an diefem im Heere
Raimunds von Touloufe teil und ſtarb nad der Cin-
nahme von YUntiodia 1. Aug. 1098,
Aedemone, ſ. Aeschynomene.
Ademtion (lat.), Weqnahme, Entziehung einer
Sade; Ademtio civitatis, Entziehung des Bürger—
106 Aden —
Adenium.
recht, Ausſtoßung aus dem Staatsverbande, biirger- | Hunter, Account of the British settlement of A.
lider Tod; A. libertatis, Beraubung der Freibeit;
wegen A. (Widerruf) des Legats ſ. Vermächtnis.
n, 54 qkin große, ſeit 1839 den Engländern
gehörende Halbinſel an der Südſpitze Arabiens, unter
12° 46 nördl. Br. und 45° 5’ öſtl. L., hängt mit dem
Feltlande durd einen 1233 m breiten Fladlandjtreifen
—— (f. Blan). Sie beſteht aus einem ſteilran⸗
‘gen erlojdenen Bulfan, der im Dſchebel Scham-
ſchan zu 531 m aufiteigt. Wm Ojtabhang liegt, von
ye ——— Felsmaſſen umgeben, die Stadt
., 87 mil. M. gegenitber der befeftigten Inſel Sirah.
Die Hafenftadt (>Steamer-point<) ltegt nordweſtlich
davon an der von Bergen umſchloſſenen Bai Tuwaji.
A. war ſchon im Ultertum (als Adana) und nament-
lich im Mittelalter ein widhtiger volfreider Handels⸗
plag, geriet aber ſpäter in Verfall; 1838 war die Ein—
wobnerjahl auf 600 —— Die Engländer er-
jtiirmten die Halbinfel 9. Jan. 1839, befejtigten fie
— — —— ead
ma =
— —
Lageplan von Aden
ftarf und madten fie zu einem äußerſt wichtigen Stiip-
puntt fiir den indiſch⸗ oſtaſiatiſchen Seeverfebr. Auch
Die Ausfuhr von Kaffee, Harz, Federn, ‘Perlen, Hau-
ten und Fellen ijt bedeutend und betrug 1889/90: 52,2,
1897/98: 44,3 Will. WME, die Einfuhr 42,8, bey. 54
Mil. We A. mit Scheid Othman und Perim hatte
1891: 44,079 Cimw., Darunter 23,998 Araber, 8631
Inder, 7364 Somal, 2271 Curopéer, meijt Eng
lander. Seit Eröffnung des Suesfanals hat fic) dre
Bedeutung der Stadt, die den Emgang jum Roten
Weere
Flottenſtation tit, von der aus der Eingang ju jenem
Meere blodiert werden fann, ungemein gehoben. Der
vollfonumenen Ausnutzung der Lage jteht zur Zeit
nur nod) die Schiwierigfeit der Süßwaſſerbeſchaffung
—— Quellen fehlen gänzlich, und das Trink—
waſſer muß teilweiſe durch Dejtillation von Seewaſſer
beſchafft werden, wenn die durch die Römer in die
zog Heinrich
ar nicht beherrſcht, aber eine höchſt wichtige
Cond. 1878).
Abdenalgie (griech.), Drüſenſchmerz.
Adenanthera L., —— Leguminoſen,
wehrloſe Baume mit doppeltgefiederten Blattern, wei⸗
ßen oder gelben Blüten in adbfetitandigen oder an Den
Bweigenden rifpigen, ahrenformigen Xrauben und
linealiſchen Hülſen. Bon den dret Urten wächſt A.
pavonina ZL. im tropifden Aſien und Afrika, wird
in Umerifa angebaut. Hol; ijt als Rorallen-
hol; im Handel, die glingend roten Gamen (Moral -
lenerbfen, Condor) werden als Zierat getragen,
aud) gegefjen.
Adenan, Fleden und Kreisort im preuß. Regbez.
Koblenz, in der Eifel, an der Staatsbahnlinie Rema-
—— oa eine evangelijde und cine fath. Kirche,
dwirtſchaftliche Winterſchule, Amtsgericht. 2 Ober-
förſtereien, Tuchfabriken und (1900) 1684 Einw. Qn
Adenet (jpr. na, »derfleine Udam-«), altfrany. Did-
ter De3 13. Jahrh., mit dem Beinamen le Roi, was
man als Sapellmeijter (roi des ménestrels) deutet.
€r war —— Brabant und wurde vom Her-
und defjen Sohn Jean befdiigt,
machte den letzten Kreuzzug im Gefolge des Gra
Gui de Dampierre mit und lebte dann in Paris am
Hofe der Rinigin Maria, der Todter feines erjten
Beſchützers. 1297 finden wir ihn wieder am Hofe ded
Grafen von Flandern. Wir haben von ihm vier grö—
here Dichtungen; dret davon find Neubearbeitungen
alter Vollsepen, nämlich »Ogier«, » Berte« (neubeard.
von R. Bérié, Bar. 1900), »Buevon de Commar-
chis« ; Die vierte, cin YWbenteuerroman, »Cleomades«.
A. ijt ein fehr glatter nnd formgewandter Didter.
Seine Werke find herausgegeben von Scheler (Brüſſ.
1874, 3 Bde.), mit Ausnahme des »Cleomades<, den
van Hafjelt herausgab (daj. 1865, 2 Bde.). Bal. Bovy,
A. le Roi et son cuvre (»Annales de la Société
d’archéologie de Bruxelles« , 8d. 10 —12, 1898).
Wdenie (griech.), Krankheitszuſtand, mit Schwel⸗
lung der Lymphdrüſen, und zwar bald der einen, bald
der andern, bald vicler Gruppen gleichzeitig. Bal.
Pfeudoleufamie, Lymphom.
Adenin (Uminopurin) C,H,N, findet fid im
tieriſchen Sellfern als Spaltungsproduft der Nuflein-
ſäure, wird aus Banfreas, auc aus Teeblattern dar-
— farbloſe Blättchen mit 3 Molekülen Waſſer,
chmilzt bet 3603650 unter Zerſetzung, löſt ſich in
Waſſer, verhält ſich wie eine Baſe (Nukleinbaſe) und
gibt mit ſalpetriger Säure Hypoxanthin C. H. N O.
Adenitis (griech.), Drüſenentzündung.
Adenium . et Schult., Gattung der Apo⸗
cynazeen, unbewebrte Fettgewächſe, mit häufig un-
formlich didem Stamm, etwas fleiſchigen Blattern,
anſehnlichen Bliiten in didten Dichajien und ſpreizen⸗
den oder juriidgebrodenen zylindriſchen Teilfrüchten.
Fünf Arten im tropiſchen Afrika und Arabien. A.
obesum Roem, et Schult., mit unförmig verdidtem
Stamm, nadten, mit ciner Blattrofette endenden
| eae und oleanderähnlichen Bliiten, wird bis 3m
hod) bet emem Durchmeſſer von 1 m, findet fic an
| der Nähe die Hohe Acht (ſ. d.) und die Niirburg.
elfen gebauenen, von den Engliindern wiederber- der Ojttiijte Ufrifas, im Somalland, am Weißen Ril,
geſtellten Sijternen verjagen. Die Halbinfel mit dem | auch tm tropijden Arabien. Hier bededt das A. die
ndrdlid) davon auf dem Fejtlande geleqenen Schutz- Felswände mit einem Rofenflor. Am Ugallafluſſe
ebiet (etwa 21,000 qkm mit 184,000 Einw.) ijt der | dient der Gaft der Pflanze zum BVergiften der Wan—
rajidentidaft Bombay unterjtellt. Kabel verbinden qimaifijde. A. Boehmianum Schinz., ein 2 m ober
U. mit Bombay (1650 Seemeilen entfernt, Reiſe fiir | Straud mit een. verfebrt-cifirmigen Blattern und
den Danwpfer 5—7 Tage), Suez, Sanfibar und Port pfirſichroten Blüten, wächſt in Siidwejtafrifa. Den
Natal. A. ijt Sig eines deutſchen Konſuls. Bgl. | Milchſaft benugen die Cingebornen zur Bereitung
Adenoid — Aderlaß.
von Pfeilgift (Ed ujagift), welded ein heftiges Her3-
gift, das Glyfofid Edujin, enthält.
Adenoid (qriech.), drüſenähnlich, ſ. Adenoma.
Wdenvidve Vegetationen des Najen-Raden-
raumes, Wudherungen der lymphatiſchen Wpparate
der bintern und obern Rachenwand, kommen befonders
bei Rindern vor und bilden fich bet Erwadfenen meijt
zurück. Erreichen die adenoiden Vegetationen cine
gewijje Gripe, fo verlegen fie die hintern Naſen—
Dffnungen, dadurch wird die Nafenatmung erfdwert,
Die Kinder find geswungen, durch den Mund zu atmen,
fie fdmarden deSwegen in der Nacht und Halten den
Mund gedjfnet. Da die normale Filtration der Luft
durch die Rafe wegfallt, fo erfranfen foldhe Kinder
leicht an ———— und da die erſchwerte
Atmung ihre Uufmerffamfeit in Anſpruch nimmt,
ſind ſie oft in der Schule unaufmerkſam, denkfaul, be—
ſonders wenn die adenoiden Vegetationen die Euſta—
chiſchen Röhren verlegen und ſo auch Schwerhörigkeit
zur Folge haben (Aprosexia nasalis). Man kann
manche Erkrankungen, das nächtliche Aufſchrecken, das
Bettnäſſen in einzelnen Fällen, auf a. V. zurückführen,
bez. nach deren Beſeitigung ſchwinden ſehen. Die Be—
handlung ijt eine operative, die kleine Operation ijt
meijt ohne Gefahr. Val. Halbeis, Die adenoiden Ve-
getationen des Nafen-Radhenraumes (Münch. 1892).
Adendma (Wdenoid, griedh., Dritfen-
eſchwulſt), eine Geſchwulſt, die aus übermäßigem
chstum von Drüſen hervorgeht, kommt in den ver-
ſchiedenſten Drüſen und auf Schleimhäuten (3. B. als
Naſen-, Magen-, Maſtdarmpolyp) vor und iſt meiſt
gutartig. Aus dem A. kann ſich Krebs entwickeln.
Adenophora Fisch, (Drüſenträger), Gat—
tung der Kampanulazeen, Stauden mit abwechſelnd
oder wirtelſtändigen einfachen Blättern und niden-
den blauen Blüten in lodern Trauben oder Rifpen.
Etwa 10 Arten in Mittel- und Ojteuropa und im ge-
mapigten Teil von Aſien. A. liliifolia Ledeb., 1 m
hod), wird, wie auch einige ſibiriſche Arten, als Garten-
zierpflanze fultiviert.
AdenofFlerofe (qried.), die gleichmaßige Infil⸗
tration der Lymiphdriijen bet konſtitutioneller Syphilis.
Adephagie (qried.), Frepiucht.
Adeps (lat.), Fett, Schmalz; A. lanae, Wollfett;
A. benzoatus, Benzoeſchmalz; A. suillus, Schweine⸗
ſchmalz.
Adepten (lat.), bet den Alchimiſten die Meiſter,
diejenigen, die Den Stein der Weiſen gefunden hatten;
bie weniger Vorgeſchrittenen hießen Wichimijten, die
Sdhiiler Bhitofopher.
der, in Der Unatomie foviel wie Gefäß (f. d.),
bejonders Blutgefäß (Wrterie und Bene). In der
Geologie Mineraljefretion in fehr diinnen Spalten.
Über Blattadern ſ. Blatt. Yn der Elektrotechnik cin
mit einer Schicht ifolierender Maſſe überzogener Kup⸗
ferdraht eines Rabels.
Aderbeidſchän, ſ. Wierbeidfdan.
Aderbein, |. Krampfadern.
Aderfigur, ſ. Geſicht.
MUAderfiftel (UderlaRfijtel, Wderfropf) entiteht
107
Aderhaut, ſ. ——
Aderhautentzündung (Chorioiditis), eine
Augenkrankheit, die in zwei Hauptformen: der cite-
rigen A. (Chorioiditis suppurativa) und der nicht
eiterigen U.(Ch.exsudativa), auftritt. Bei lesterer
findet man im Wugenhintergrunde belle und dunfle
Flecke. Die Kranken Flagen zuerſt über Flimmern
vor den ay und ſehen die Gegenſtände verbogen,
jpater fann die Sehſchärfe beträchtliche Einbuße erlei-
den. Die Urſache tft meiſt in einer Wilgemeinerfran-
fung ju fudjen (am häufigſten Syphilts, dod) aud
Tuberfuloje, Rheumatismus u. a.). Die Behandlung
Hat fic) vor allem gegen das Ullgemeinleiden zu rich⸗
ten. Die citerige A. verläuft viel ſtürmiſcher unter
Flockenbildung im Glasfirper metjt mit fdnellem
libergreifen des citerigen Prozeſſes auf den Ciliarfir-
per (Tyelitis, f. d.) und auf die Iris (Qritis, f.d.).
Es fann zur vollfommenen BVereiterung des Auges
fommen GPanophthalmitis), im weniger bert
gen Fallen tritt Schwund des Auges ein (Augen—
phthiſe, ſ. Uugenvereiterung). Die Behandlung
fann nur eine Linderung der Beſchwerden der Rran-
‘fen erreiden, oft muß das erfranfte Auge entfernt
werden. tiber UW. bet hochgradiger Kurzſichtigkeit f.
Kurzſichtigkeit.
rholz, im Gegenſatze zu Hirnholz (ſ. d.) ge-
ſchnittenes Holz, deſſen Schnittfläche dem Laufe der
Faſern parallel liegt.
Aderknoten, j. Krampfadern.
Wderfrebs, ſ. Blutſchwamm.
Aderkropf, ſ. Aderfiſtel.
Aderlaf; (Phlebotomie, Venaesectio), die
kunſtgemäße Eröffnung einer Vene, meiſt der Vena
mediana in der Armbeuge, um ſchnell dem Körper
cine größere Quantität Blut gu entziehen. Man läßt
den Batienten ſich leqen oder ſetzen, umſchnürt den
entbliften Oberarm mit einer Binde, bis die Benen
jtart anfdwellen, und öffnet dann die Bene durch
einen fleinen Schnitt mit der Lanzette. Um das Aus—
fließen des Blutes gu befordern, läßt man den Kran-
fen einen Stock abwechſelnd fejt erfaffen, drehen, die
Finger fdlicken und öffnen, Damit durd) die ſich zu—
famunenziehenden Muskeln das Blut mehr in die ober-
flächlichen Hautvenen getrieben werde. Sind 100—
150 com Blut abgelafjen, fo löſt man die Binde, ver-
ſchiebt die Haut etwas, reinigt den Arm und befejtigt
eine aſeptiſche Rompreffe mit einigen Bindentouren.
Der Arm muss dann etwa 24 Stunden rubig gehalten
werden, und der Verband wird erjt nach dret Tagen
entfernt. Der A. ftand ſchon bei den alten indifden
Vrzten in ausgedehntem Gebrauch, und Hippofrates,
Celfus, Galen iibten ibn, in Bibel und Talmud ijt
er erwähnt, bis vor 50 Jahren wurde fajt jeder Menſch
mehrmals tm Jahre zur Ader gelaffen. Für die Het-
lung afuter Entziindungen, befonders des Gehirns,
jowte fiir lebensgefährliche Blutitanungen (bei Lun—
genentzündung, Herzfehler) blieb der A. aud) bis in
die neuere Beit cine febr beliebte UWbleitung. Der Ge-
braud) des Uderlafjes ijt aber gegen friiher einge—
ſchränkt worden, injofern man nur Kranke, aber nidt
bet Bferden und Rindern nad dem Aderlaß (jf. d.) mehr Gefunde zur Uder lift. Val. Bauer, Ge-
meijt infolge von BVerunreiniqung der Aderlaßwunde. ſchichte der Wderlajje (Mind). 1871); Gumpredt,
Durch Entziindung der Gefäßwand bildet fid) cin | Tedynif der ſpeziellen Therapie (2. Aufl. Jena 1900).
Blutpfropf, die Bene ſchwillt nad) dem Kopfe hin zu
Uderlak bei Haustieren. Bei Pferden und
einem diden, harten Strang an, und es entſteht eine | Rindvieh läßt fic) am bejten die große Halsvene (Droſ⸗
Citerfijtel. Tierärztliche, bisweilen operative Behand- | felvene) öffnen. Umi ihre Lage ſichtbar zu maden,
lung ijt erforderlich.
Aderflügler, |. Hautflitgler.
Adergeflerht , |. Gejledt.
ſchert man am untern Ende des obern Halsdrittels
oberfalb der Luftröhre die Haare (nicht unbedingt
ndtig) und bringt die Ader dadurch gum Anſchwellen,
108
Aderlaßfiſtel — Adiabatiſche Expanſion.
dajy man um den Hals cine Schnur feſt anzieht, oder | die Glasplatte nicht, ſondern bildet auf ihr abgerun-
daly man die Finger geqen die Bene andriidt. Bei | dete Tropfen wie Waſſer auf einer fettiqen Oberfläche.
Rindern wird bisweilen nod an den Mildhadern (die | Ym erjtern Fall tit die W. des Waſſers zum Glas größer
vont Euter am Bauche nad) vorn siehenden Benen)
gur Ader gelajjen, bei Schafen aud) unter dem Auge,
am Schwanz, an der Rinnlade. Bei Schweinen wird
cin Stück vom Schwanz weggenommen oder man
ſchneidet quer über den Rücken der Ohrmuſchel cin;
beim Hund wird die Halsader benugt. Den Pferden
läßt man höchſtens 3—4, gewöhnlich nur 1,5—2,5 kg
Blut ab; dem Rindvieh bei einem ftarfen W. 2,5 ke
(gewöhnlich nur halb ſoviel und lieber wiederholt);
einen Haustieren 70-—250 g. Das Nadhbluten
wird dadurch verbindert, daß man eine Stecnadel
durch beide Wundriinder ſticht und um diefelbe einen
Faden oder Schweifhaare widelt. Der A. wird aud
bei Tieren jetzt feltener angewendet als früher.
Aderlaß an Bäumen nennt man das Aufritzen
der harten Hinde von der Krone bis zur Wurzel, um
Dem durch fie cingeengten Stamm etn gedeihlideres
Wachstum zu verfdjaffen. Man wendet es bei dünn
und fpindelig gebliebenen Stämmen an, die am obern
Teil eine Menge Holztriebe entwideln, auch bei fol-
den, die im Verhältnis zu ihrem Alter zu wenig
Fruchtholz maden. Wirkſam ijt weniger die geringe
Saftentziehung als vielmehr der durd) den Schnitt
erzeugte drtliche Reiz, der eine reichlichere Stoffzufuhr
an den betrejfenden Stammſtellen zur Folge hat.
Aderlaffiftel, ſ. Aderfiſtel.
Adernkratzer (Nutenreifer), Tiſchlerwerkzeug
zur Herſtellung der nutartigen Furchen, in die bei
eingelegter Arbeit die Holzadern eingeleimt werden.
Auch benutzt man dazu einen dem ſtellbaren Nut- |
hobel nadgebauten Udernhobel oder cine der Qua⸗
drierſäge aͤhnliche Adernſäge.
Mderno, Stadt in der ital. Provinz Catania (Si⸗
gitien), amt fiidwejtliden Fuge des Atna und an der
Sifenbabn Catania -Ripojto, hat cin normannifdes
RKajtell, Rejte antifer Bauten (vom alten Wdranon),
ein Theater und (901) 25,859 Einw.
Aderpil;, ſ. Merulius.
Aderpreſſe, ſ. Tourniquet.
Adersbach (Ober- und Nieder-W.), Dorf in
VBohmen, Besirtsh. Braunau, an der Quelle der Met-
tau, nabe der preußiſch-ſchleſiſchen Grenze, bat ein
Schloß mit Bark, Flachsſpinnerei und (1890) 906, bez.
754 deutſche Einwohner. Dabei die merfwiirdige
Sandjteingruppe der Adersbacher Felfen oder
Steine (4 km lang und bis 2 km breit), die durd
die Einwirkung des Wajfers durchfurcht und in zahl—
lofe, bis 65 m hohe, ſäulenartige Quadern jerfliiftet
worden ijt, Die nach ihren zum Teil auffallenden For
men mit allerlet Namen belegt wurden. Als Fort
ſetzung ſchließen fich ſüdöſtlich von A. die Felfen von
Wekelsdorf(ſ. d.) an. 10 km fiidlich von A. liegt
Der »veritcinerte Wald« von Radowenz (durd Rie
ſelſäure verſteinerte Stämme von Uraularien).
Aderſchwamm, ſ. Merulins.
Adet (arab.), das Gewohnheitsrecht der Moham—
medaner (jf. Scheriat).
Adhärenz (lat.), Anhänglichteit, Anhang.
Adhärieren (lat.), anhangen, anhaften; über a.
im juriſtiſchen Sinne ſ. Adhäſion.
Adhäſion (lat. Anhangkraft, Flächenanzie—
hung), die Kraft, die Das Aneinanderhaften zweier
mitemander in Berithrung gebrachter Körper bewirkt,
im Gegenſatze zur Kohäſion oder dem innern Zu—
ſammenhang der Körper. Waſſer zerfließt auf einer
reinen Glasplatte und benetzt fie; Quediilber benetzt
als die Kohäſion der Waſſerteilchen unter ſich, wäh—
rend im zweiten Fall die Kohäſion des Quechſilbers
feine UW. gum Glas oder die Kohäſion des Waſſers
feine A. gum Fett tibertrijft. Feite Rorper haften bei
inniger Berührung aneinander, befonders dann, wenn
der cine Körper anfangs fliifjiq war und durch Ber-
dunſten oder Erjtarren fejt geworden ijt. Hierauf
beruht das Sdreiben und Malen, dad Leimen, Kitten
und Löten. Chen gefdliffene Glas- oder Metallplat-
ten haften aneinander nidt blo} dDurd A., fondern
vorzugsweiſe Durd) den Luftdrud (fdeinbare A.).
Val. Kapillarität. — Jn der pad hah he nennt
man A. die Verldtung oder Verwadjung der Weid-
teile untereinander durch cin auf Dem Wege der Ent-
jlindung (adhäſive Entzündung) neugebildetes
gefdbbattiges Bindegewebe. — Jin Rechtsweſen ijt
. die dltere Bezeichnung für Anſchließung (f.d.), Ad—
häſionsprozeß diejenige fiir das UnidlieRungs-
verfahren. Wuf dem Gebiete des Völlerrechts wird A.
Der Beitritt eines dritten Staates zu einem Staats-
vertrag genannt (jf. Atzeſſionsvertrag).
Adhafionsbahuen (NR cibungs bahnen),Cijen-
bahnen mit gewdhnliden Schienen; f. Cijenbahn-
fyjtemt. Fahrzeuge.
Adhäſionsgewicht, ſ. Bewegungswiderſtand der
Ad hastam (lat.), zu öffentlicher Verſteigerung
(Subhaſtation), ſ. Hasta.
hemar, Alphonſe Joſeph, Mathematiker,
geboren im Februar 1797 in Paris, geſt. daſelbſt 1862
als Privatlehrer der Mathematik, ſchrieb mehrere Ele-
mentarbücher ſowie unter dem Titel⸗Cours de mathé-
/ matiquesal'usage de l'ingénieur civil« (Bar. 1832—
1856, 14 Bde.) eine Anzahl von Handbüchern über
verſchiedene Teile Der remen und angewandten Ma—
thematif. Sn feinem Werf »Révolutions de la mer«
(Bar. 1842; 3. Aufl., daf. 1874) behauptete er, die
Eiszeiten wiederholten ſich periodifd) und wanderten
von der einen Erdhälfte zur andern.
Adherbal, Konig von Numidien, Sohn des Mi-
cipfa, Enfel des Majinijja, wurde nad der Ermor-
dung feines Vruders Hiempfal durch feinen Better
Jugurtha ju einer Teilung des Reidhes gezwungen,
in Der er Den ärmern öſtlichen Teil des Landes erhielt
(115 v. Chr.), dennoch aber von Jugurtha befriegt,
in Cirta eingeſchloſſen und, naddem die Romer ver-
qeblid) Vermittelung verſucht batten, zur Ubergabe
genötigt und ermordet (112 v. Chr.).
Ad hoe (lat., »fiir dieſes⸗), Bezeichnung fiir eine
ju einem ganz beſtimmten Swed bejonders getroffene
Einrichtung. So wird cine Volksvertretung a. h. ein
berufen oder cin Beamter a. h. bejtellt, wenn es fich nur
um Erlediqung cines einzelnen Gegenjtandes handelt.
Ad hominem demonftricren, ctwas nach der
Anſchauungsweiſe und Faſſungskraft emes andern,
insbeſ. etwas recht handgreiflich beweijen od. erflaren.
Ad hond6rem (lat.), ehrenhalber, ju Ebren.
Adhue (lat.), bis jest, noch; a. sub judice lis est,
die Streitfacde tit nod) unentidieden, ſchwebt nod.
Adiabate (qricd.), ſ. Dructurven.
Adiabatiſch (v. griech. a, nicht, und diabasis,
Wechſel) heißt cin Borgang, der ohne Wbgabe oder
Aufnahme von Warme verläuft.
Adiabatiſche Expanſion, Ausdehnung einer
Luftmaſſe, ohne daß Wärme zugeführt oder entzogen
wird, kommt in Frage bei der Wolkenbildung in auf-
jteigenden Luftſtrömen. Fällt bei der adiabatifden
Adiabene
Expanſion aus der Luftmaffe dad in ihr dampfförmig
enthaltene Waffer als Regen oder Schnee heraus, fo
nennt man die weitere Zujtandsinderung pſeudo—
a diabatiſch und bei —— Darſtellung des
Vorganges die ſich ergebende Kurve Pfeudoadia-
bate. Bal. W. v. Bezold, Zur Thermodynamif der
Atmoſphaäre (Sigungsberidjte der Berliner Ufademic
Der Wijjenfdaften, 1888).
Wdiabene (fpr. Chadiab), Landſchaft im nörd—
licen Ufiyrien, am grofen Zab (Lytos) gelegen, feit
Dem 1. vordrijtliden Jahrhundert genannt, deren
Fürſten meijt Bajallen der parthijden, voritbergehend
aud der armeniiden Könige, ſchließlich von Septi-
mins Severus bis auf Jovtanus Roms waren.
Adiantum L.(Rrullfarn, Daarfarn), Farn-
frautgattung aus der Familie der Polypodiazeen, zier⸗
liche, meiſt tropifdhe Gewächſe mit zwei- bis dreifach
gefiederten Wedeln (ſ. Abbildung) und auf nad unten
umgeſchlagenen braunen
Lappden des Randes
ftehenden Fruchthäufchen
(a). A. Capillus Veneris
L. (gemeines Frauen—
Haar), mit wageredtem,
friedhendem Wurzelſtock,
bis 0,5 m hohen, bellqrii-
nen Wedeln auf zarten,
rötlich ſchwarzbraunen,
länzenden Stielen, an
ae ae Mauern und Fel-
jen in Siideuropa, Aſien,
Ufrifa, Umerifa, auf den
Sandwichinſelnꝛc. wurde
fritherals Frauenhaar
(Herba capilloruam Ve-
neris) arjneilid) benugt
vo — —— und war ſchon bei griedhi-
a Fruchthäufchen. ſchen und römiſchen Arz—
ten in Gebrauch. Viele
Arten von A. find Warmhaus- und Zimmerpflanzen,
Die 3. T., wie namentlid) A. cuneatum Langsd. et
Fisch, aus Siidamerifa, tin großen fiir die Butett-
binderei fultiviert werden.
Adiaphon (qried., -unveritimmbar«), aud Ga-
belflavier genannt, cin 1882 von Fifder u. Fritzſch
in Leipzig fonjtruiertes neues Rlavierinjtrument, bei
dem Stahigabeln die tongebenden Medien find. Das
Inſtrument Hat wegen der jtumpfen Klangfarbe ſei—
ner Tone feine Verbreitung gefunden.
Adiaͤphora (gried)., »nicht zu Unterſcheidendes«)
heißen nad) Dem Vorgange der Stoifer in der Ethik
Dinge und Handlungen, die weder als Güter nod
als übel, bez. weder als qut nod) als ſchlecht ju be
zeichnen find, fo Dak in Bezug auf die erjtern fo wenig
Grund vorliegt, jie zu begehren als fie ju verabſcheuen,
in Bezug auf die lestern das Tun und das Laſſen
gleicherweiſe ftatthaft find. — Der fogen. adiapho-
rijtifde Streit entipann ſich über » die Mitteldinge,
die man ohne Verletzung göttlicher Schrift halten
mage, infolge des Leipziger Interims 1548, in dem
Melandthon und feine Freunde in die Beibehaltung
der biſchöflichen Qurisdittion und gewiſſer fatholijder
Kultusgebräuche eingewilligt Hatten, wahrend Fla-
cius u. a. Darin eine Verleugnung des evangelifden |
Glaubens fahen. Der mit Heftigkeit geführte Streit
— Adipid. 109
Speners Schule handelte es ſich um die Zuläſſigkeit
von Spiel, Tanz, Theaterbeſuch u. dgl., was jene als
Mitteldinge verteidigten, dieſe aber, indem fie den Be-
qriff UW. iiberhaupt verwarfen, fiir des Chrijten un-
würdig erflairten. ſtrahlen.
Adiatherman (griech.), undurchläſſig fiir Wärme—
Adickes, Franz, Oberbürgermeiſter von Frank—
furt a. M., geb. 19. Febr. 1846 in Harſefeld bei Stade,
jtudierte 1864 —67 in Heidelberg, München und
Göttingen die Rechte, trat in den Staatsjuſtizdienſt,
machte den franzöſiſchen Krieg 1870/71 mit, wurde
1873 gum Beigeordneten von Dortmund, 1877 zum
zweiten Biirgermeijter von Witona und 1883 zum
berbiirgermeijter daſelbſt gewählt. Er erwarb fid
um die Neugejtaltung der Stadt und die Selbitverwal-
tung der Proving Schleswig Holſtein große Verdienfte.
1890 wablte ihn Frankfurt a. M. zum Nadfolger
| Miquels als Oberbiirgermeijter. Er ſchrieb: » Zur
Lehre von den Redhtsquellen« (Gdtting. 1872); » Bur
Lehre von den Bedingungen« (Berl. 1876) u. a.
Aedicila (lat., »ausden«), Tempel, Kapelle,
Nifche, Ahnenbilderſchränkchen.
A, Diet., bei Bflangennamen Abkürzung fiir
Ulbert Dietrid, geb. 1795, geſt. 1856 in Berlin
(»Flora regni Borussici« , 1833-44, 12 Bde.).
Wdiew (jranj., fpr. adjs), »mit Gotte, lebewohl,
deutſch formiert ade, fo jest wieder Don Dichtern und
in Der höhern Sprade gebraucht.
Adige (pr. adivfpe), ital. Name der Etſch.
Adigetto (jor. -ofHetto), ſchiffbarer Kanal in Ober-
italien, Der bei Badia von der Etſch ausgeht, die Bro:
vinz Rovigo durchfließt und in den Bo di Levante
mündet.
Adighe, einer der beiden Zweige der Tſcherkeſſen.
Adika (Dikafeth, ſ. Ditabrot.
Adilen (Aediles, v. lat. aedes, Tempel), rim.
Beamte, die zuerſt 493 v. Chr. zugleich mit den Volls—
tribunen aus der Plebs gewählt und jenen als We:
hilfen bet Ausübung ihrer Redjte, namentlich der Kri—
minalredtspjleqe, beigeordnet, allmählich aber von
ihnen unabhangig gemadt wurden. Su diefen zwei
plebejifden YW. famen 367 ebenfo viele zunächſt nur
aus den Patriziern gewählte, kuruliſche (curules) ge-
nannt, weil ſie vor den plebejijden A. die mur den
höhern Wagijtratsperjonen zukommende Ehre ded
kuruliſchen Stuhles voraus hatten. In der Stufen—
folge der Ämter ſtand die Ädilität zwiſchen Quajtur
und Prätur. Die ſich hauptſächlich auf die ſtädtiſche
Verwaltung erjtredende amtliche Wirkſamkeit ſämt—
licher A. beſtand in der Überwachung des Handels—
verkehrs, in der Aufſicht über Die Straßen, die öffent—
lichen Bauten und auch die Sitten und Götterver—
ehrung und ſpäter (bid 22 v. Chr.) beſonders im der
Ausrichtung von Spiclen, durd) die fie fich der Weg
3u Den höhern Unitern bahnten. Uber die Grundſätze
threr Amtsführung namentlid fiir den Marftverfehr
pileqten fie beim Antritt cin Edift (Edictam aedili-
cium) zu verdffentliden. Der Wirkungskreis der A.
wurde unter Den Kaiſern immer mehr beſchränkt, be—
fonders durch den Praefectus urbi, bis ihre Würde
im 8. Jahrh. ganz aufhörte. Bal. Labatut, Les
édiles et les meeurs (Bar. 1867); Derſelbe, L'édit
des édiles (Daj. 1879).
Ad infinitam (lat.), in’ Unendliche.
Adinole, Kontaktgeſteine von Tonſchiefern an Dia:
ſchied zuerſt die ſtrengen Lutheraner von den Melan— bas, mit relativ hobem Natrongebalt (bis 10 Proz.),
thontanern und wurde erjt durch die Ronfordien- | leicht ſchmelzbar, weſentlich Quarg - Ulbitgemenge.
forme! beendigt. Jn einem zweiten adiaphorijtijden
Streit swijden den Orthodoren und den Pietijten aus
Ad interim (lat.), unterdejjen, einſtweilen.
Adipid (adipHs), fett, fettig.
110 Adipinjaure — Adjutant.
Udipiniaure Hexrandifaure) C,H,,0, oder — fiir das ſtarke (mit unbeſtimmtem
CO,H(CH,),.CO,H entitebt bet Orydation der Fette Artilel) und das ſchwache A. (mit beſtimmtem) ent-
mit Salpetertdure. aus Jodproptonjdiure mit Silber | widelt (em blinder Mann, der blinde Mann; blinde
bei 140”, buldet farbdloie, in Wasjer, Alkohol und Wther | Manner, die blinden Manner ꝛc.). Hiermit hängt es
ldoliche Nevitalle. ſchnilzt Det 148° und ijt fliidtig. fammen, daß im Neuhochdeutſchen auc) em Uinter-
WMdipecire | fran;.. we. 4), Letchenfett. chied swifden dem attributiven und dem pradi-
Wdipesinas (qroew.). allgemeine Hypertrophie ded | fativen W. bejteht, dem erjteres, von verein zelten
Fettge wedeo. altertümlichen Redeweiſen (ein Gulden rheiniſch, unſer
a dirittiira (itel.). ſ. Adrittura. Bater ſelig u. dal.) abgefeben, ftets mit Rafusendun-
Wdirwds Tichai, Jus. ſ. Rhyndakos. en verſ cheint (ent blinder Mann, der blinde
Adirondackgebirge, cin Hauptglied ded nord- n x¢.), legtered aber derfelben immer ermangelt
appalachtſchen Gedirgerpitems (j. Uppaladen), nimmt | (der Mann ijt blind, die Manner find blind).
den ndrDincher Tetl des New Yorfer Staatsgebiets cin| Adjoiut (frany., jor. Hiding), Amtsgehilfe, nament-
und erdedt fich mit norddjtlicher Streichung feiner | lid) Des Maires (Biirgermeijters); Adjunkt nad der
Meborucken aus den Talern des Champlainſees, des Gemeindeordnung der bayrijden Pfalz.
Mohawt umd des Lorenzſtromes bis 1641m (im Mount Adjoue, Teig aus geſtampften Dattein, Handels
Warey oder Tawahus). Tiefe Schluchten und Täler | artifel in den Häfen des Perſiſchen Meerbujens.
(Yujadle Chasm), gegen 1300 malerifde Seen (Sa-| Wdjudifation (lat.), die Begriindung oder liber-
ranac , Naquette-, Thateaugay-, Sdroon-, George: | tragung eines dinglichen Rechts durch Ridteriprud,
See) und dichter, vielfad nod) fehr urjpriingli im römiſchen Recht befonders die ridjterlide Zuerten⸗
Waldwuchs maden das Vebirge ju cinem Der beliebte- | mung eines Rechts im Teilungsprozeß, die der Ge-
ſten ameritaniſchen Ausflüglerziele, —* Magnet- meinſchaft ein Ende macht. A. heißt endlich die gericht⸗
enſteinlager (det Ticonderoga, Crown Point, Wu- | lide Überweiſung des Cigentums an emem jwangs-
jable, Ehateaugay) yu einem widtigen Bergbaurevier. | weife verfauften Grundjtiid, die jest regelmäßig durch
a dneestion (frany., fpr. disteepiong), nad) Be-| den Zujdlag an den WMeijtbietenden erfolgt. So—
twden. aul Gnade oder Ungnade. weit dariiber cin befonderes Zeugnis erteilt wird,
Aditio hereditatis (lat.), ſ. Erbſchaft. fonumt dafiir die Bezeichnung Adjudikationsbrief
Ditia, ur der indiſchen (vedifden) Mythologie die | oder Refognitionsjdein vor. Val. 3wangsvoll-
eben © oone Dee Aditi, Dd. b. Der Freihett. Ste find | ftredung und Zuſchlag. — Auch das Völlerrecht fennt
wadriweind urſprunglich mit den Ameſcha Spenta die U. als ſchiedsrichterliche Zuerlennung eines von
Dow Viveria identiſch. Dre Annahme Oldenbergs (»>Re- zwei oder mehr Staaten beanjprudten Gebietes oder
on Dow Wedae), Dak fie urfpriinglid Sonne, Mond Gebietsteiles.
WAD Planeten veprdfentieren, ijt vielfach bejtritten WdjudiFationsbrief , ſ. Udjudifation.
woydou. Pre hochſten von ihnen find Varuna und Adiudikativ (lat.), juerfennend. [iprechen.
Weta GL Bgl Roth, Die bichften Gitter der A ieren (lat.), geridtlid) guerfennen, jue
wr sOon Wolter (ut der > Yeitidrift der Deutſchen Mor- ft (lat.), Umisgebilfe; adjungieren, ber
Wwelandnwen Wefellidart«, Bd. 6, 1865); Darme- | fiigen, beiordnen; im amtliden Spradgebraud »als
Metes Ovuazd et Ahriman (Bar. 1877). | Gebilfen (A.) beftellen«. Friiher wurde einem dienit-
Aoditaus (lat), bet Den Romern der Wufjeher unfähig gewordenen Beamten (Geiitliden, Lebrer:
vein Coumpols, an dem nicht ein befonderer Briejter Emeritus) oft cin A., bisweilen mit der Ausſicht au?
Aen war, aud) Der Die Reiniqung des Tempels Nachfolge (cum spe succedendi), beigegeben, Der aus
. Yad, {beio ende Diener. dem Amtsgehalte zu befolden war. Ym ffandimavi-
Wedja peut lat), antiegend, angrensend; Anwohner. ſchen Norden, wie ehedem in Deutidland, führen aud
WPpetties (lat), Ubergebot bei er ſonſt jiingere Lehrer höherer Schulen den Titel A.
WeoietHivam (Nomen adjectivam), Cigen- Wdjunftion (lat, -Hinzufügung ·), eine Art der
HO atiowert. Wermwort, wurde von den Gramma: — (f. d.).
teevene Doe eriumne noch nicht wie jest als beſon⸗ unta, ind. Dorf, ſ. Adſchanta.
Devye Wet angeteben, Den VMusdrud »Epitheton., | — (neulat.), in Richtigleit bringen, be—
wore Mae hiteauihbe + Adjectivame und unjer Bei- ridtigen (3. B. eine Rechnung); ausgleiden, beilegen,
move tetne Wu tube Uberſebung iſt, bat zuerſt Ariſto- z. B. einen Streit; abgleichen, übereinſtimmend ma-
tied ebomdl VWeſ den griechiſchen Granunatifern | hen, eichen (Daher UW djujtieramt, Cidamt); cin In—
ridety Dan bas Cpatbetow eine Der Klaſſen, in die fie ſtrument mittels einer Feinjtellidraube (MD jujtier-
Dae Bomen aber bſtantivum gerlegten. In neue | ſchraube) genau cinjtellen; tm Viingwejen das Be-
Hoy ee Bat Me Mdogermaniſche Spradwitfenfdhaft richtigen des Gewidtes der gu prägenden Platten (7.
ve boty Ba dae WE ed Dae Subjtantivum in der Tat Münzweſen); aud) Schußfertigma der Artillerie
Wet by stl cones geweſen ſind; Dod tft Die Geſchlechts- geſchoſſe; einkleiden, ordentlich anziehen.
dnnng Bean Bnbnantwum beſchränkter als beim | Adiuſtierſchraube, ſ. Adjuſtieren.
Wo getang (Romparation) ijt von Haus aus! Adjutänt (lat.), ein dem Truppenbefehlshaber zur
Wee dem le@term etqem, und das VL. kann gwar ftets | Beſorgung ded Bureaudienjtes und zur Unterjtiigung
* aninn aber das Subjtantivunt im der im ausübenden Dienſt beigegebener Leutnant. Bon
AWE neht Ofte weiteres um VL werden. So kann der Brigade aufwäris ** man die Adjutanten
(we Hulſihen aud dem WM efrere einfach durch Vor (GHauptleute, Stabsoffiziere) zur höhern Wdjutan-
pl ee Deo Mititvle Dae Subjtantivum oder Freie- | tur, gu Der aud) die perſönlichen WDdjutanten ded
EH OEE Her Den, dagegen muß an dad Wort »Meijte, Monarden, fürſtlicher Perſonen, des Kriegöminiſters,
Maun man CO EE ein M. verwandeln will, Die Silbe | des Generaljtabsdefs der Urmee und andrer Chefs
Thats Mebangt Werden: »geiſtig · Wud) das Barti- hoher Behdrden gehdren. Die Wdjutanten des Kriegs
CEO THE UTE Era tte att dem VL. eins gewefen, nur herrn, General- und Fliqeladjutanten, ſind
Es HAO UE webreren Begehungen Dem Charatter | Generale, bes. Stabsoffiziere. Ral. Borowi fi, Hand
Ne Weeds gemadbert. Im deuſſchen hat fic) cine | bud) fiir Den Wdjutantendtenjt (Berl. 1891).
Adler.
‘sappy jayiay unz “Mizdiay ut payysuy sayosiydeisforyqrg
ny ‘9 ‘uoyixaTy-"auoy saahay
* vi JS GOAGIAM “EL — * Gilſoiae smoene) 49; Peaas sausau
4D ‘Epeu %, “(snygeyey uoipued) sa;pegnty ‘sa ;peYyosi 4 “pl %, “(snpeydaroonay snygeyeyy) saypeaas eur '
Aa i —— smorneph 454pr ——— — *, *Gopyonaysap eXdsepyy) arAdaepy ‘OL — * EGEnsoontaq smjgezids) saypesdwey ‘Gg — * “(sypeptdio20 smjaezids)
8), *(xepne eynby) sappezuemyYyrsi{ay ‘9 — * ‘(eyeuuad eynby) sa;pessamz “g — %, “(stpeyuayso epinby)
ot, ſeupriuod eyinby) aL py sayy .a[JaH ‘sap peasy as “¢ ‘, ‘(snjgeuejam epinby) say pessruoy °
“9D ‘Ul
ioe i 8 — Mr “(RpRIOSE) etinby) aT Ppespyriqeyy ‘z - — deat feieeeie ag
Jajpeuaddays *
“ek
——
Adjutant — Abler.
, Bogelart, ſ. Marabu.
t (lat.), Gebilfe, ſ. Hilfslehrer.
Adjuvantia (lat.), Arzneien, die man andern
zuſetzt, um deren Wirkſamkeit gu —
Ad latus (lat., »jur Seite⸗), Beirat, Beiſtand;
Offiziere a. 1. ſind in Ojterreid) als Beirat, in Ruß—
land als Pomoſchtſchnik (Gehilfe) den fomman-
dierenden Generalen, eventuell auch zur Stellver-
tretung zugeordnet.
Adier chierzu Tafel ⸗Adler«), Gruppe aus der
Unterfamilie der Buſſarde (Buteoninae) und der Fa-
milie Der Falfen (Falconidae), große, gedrungen ge-
baute Raubvigel mit befiedertem Kopf, bohem, am
Grunbde geradem, gegen die Spitze gekrümmtem
Sdnabel, nadter Wadshaut, fajt gerundeten Flügeln,
mittellangem, fraftigem Lauf, oft mit Loderm Sdjenfel-
aefieber (Sofen, und ftarfen Krallen. Das Weibdhen
Ht größer und meijt ſchöner als das Mannden. Die
A. * ſen in der Regel nur friſchen Raub. Sie be—
wohnen die ganze Erbe und finden fid am häufigſten
in Den warmern Gegenden und im Wald, einjelne
find Gebirgs-, andre Steppenbewohner, und mande
leben an Küſten oder Binnengewäſſern. Die größern
Arten find bei uns Stand- und Stridvigel, die fleinern
wandern. Sie bauen auf bervorjpringender Fels-
platte, in Baumfronen, tm Notfall auf fladem Boden
thren Horjt, der auf langen, ſtarken Knüppeln rubht
und fejt qeididtet ijt. In der Nahe dulden fie fein
zweites Baar. Das Weibdjen lent meijt nur 1 oder
2 Gier und jeitigt fie in 4—5 Woden. Männchen
und Weibdhen zeigen fid) gleid) beforgt wm die Brut.
Die Jungen ſtreichen mehrere Jahre eingeln umber,
ebe fie fid) an einem bejtinumten Ort anjiedeln. Jn
der Gefangenj daft dauern manche Wdlerarten aujer-
ordentlid) lange (104 Jahre).
Der Steinadler (qemeiner, fdwaryzer,
brauner, Raudfupadler, Goldadler, Aquila
chrysaétus L., Fig. 1), bis 95 cm lang, 2m und
dariiber breit (Weibden), dunfelbraun, am Raden
und Hinterhals rojtbraungelb, der Schwanz an der
Wurzelhälfte weiß, dann ſchwarz gebändert oder ge—
flectt, an der Endhälfte ſchwarz. Se Färbung wwedhpelt
mit dem Alter. Er bewohnt die Hodgebirge und
grofien Waldungen Europas und Aſiens, Nordafri—
a8 und Nordamerifas, horitet im bayrifden Hod)-
ebirge, in Ojtpreufen, felten im Riefengebirge, viel
ufiger in Den ſchweizeriſchen und öſterreichiſchen
Ulpen und in Siidofteuropa. Auf dem Zug erfdeint
er vereingelt in gang Deutfdland. Er lebt und jagt
paarweife und wird namentlid) dem Kleinvieh febr
gefährlich; aud) ſtößt er bisiveilen auf Kinder und
reift felbjt Erwadjfene an. Was verſchmäht er nidt.
ridlungene Haare und Federn fpeit er als Gewölle
wieder aus. Das Weibden leqt 2—3 weißliche oder
qriinlidgraue, grau und briiuntich geflecte Cier. In
Annerafien ridjtet man den A. sur Jagd auf Füchſe,
Wolfe, Untilopen ab. Die Unterſchwanzdeckfedern
(Wdlerflaumen) und die Krallen werden in Tirol
und Bayern als Schmuck getragen; die Wongolen
benugen die Schwingen ju Fächern, zur Befiederung
der — und als Opfergabe. Der Königs- oder
Kaiſeradler (A. melanaétus L., Fig. 2), 86 cm
fang und 2,2 m breit, ijt dDunfelbraun, mut bellerm
Kopf und Raden, großem weißen Fleck auf den Schul
tern und grauem, ſchwarz gebändertem Schwanz. Er
bewohnt als Zugvogel Sudoſteuropa und Aſien bis
111
er auf dem Zug in Deutſchland und ſterreich; er
jagt hauptfadlid) kleineres Wild. Der Horſt jteht auf
Baumen, in der Steppe auf dem fladen Boden. Die
Eier find weiß, violettgriin, blak purpurrot oder hell-
braun gefledt. Als Beizvogel leiſtet er nicht die Dienſte
wie der Steinadler. Schreiadler (gefleckter A.,
Rauchfuß-, Gänſe- oder Entenadler, A. po-
marina Brehm, fig. 3), 65—70 cm lang und 1,7—
1,85 m breit, faffeebraun, im Raden und unterjeits
heller, bewohnt Mittel- und Siideuropa, als Brut-
vogel Ojt- und Mitteldeutſchland, weilt bei uns vom
Ypril bis September, einzeln aud) im Winter, lebt in
feudjten Laubwaldern, jagt Fröſche, Schlangen, Na-
qer, in Der Brutzeit auch Vogel, junge Hajen und frift
Aas. Er nijtet auf hohen Bäumen und legt 2 weife,
blaßbläulich gefledte Cier. Der Steppenadler (A.
orientalis Cab,, Fig. 4), von der Gripe des Raifer-
ablers, braun, auf den Flügeln mit breiten rojtfarbe-
nen Binden, bewohnt Ojteuropa, Wittelajien, befon-
ders Die Steppen, geht bts Indien und China, briitet
ausnahmsweife aud) im djtliden Deutſchland. Der
Swergadler (Hieraaetus pennatus Gm., A. pen-
nata Rehw., Fig. 5), 51 cm lang, 121 cm breit, braun,
unterſeits hellgelblich und braun geflect, mit gelblid)-
weifer Stirn und weißem Sdulterfled, bewohnt Siid-
europa, Nordafrila, Siidwejt- u. Mittelafien, erſcheint
ſehr felten in Deutfdland, lebt ſtets paarweiſe, jagt
hauptſächlich kleine Vogel, nijtet in Laubwaldern in der
Nahe größerer Flüſſe und legt im Mai 2 gelblide oder
hellgriintide, gelb oder rot gefledte Cier. Der Keil—
ſchwanzadler (A. audax Gray, Fig. 6), 100 em
lang, 230 em breit, ſchwärzlichbraun, braun geflect,
bewohnt Wujtralien, raubt fleinere Känguruhs und
Schafe, frist aber aud) Aas. Er horjtet auf Baumen,
und das Weibden legt 2 runde, rauhſchalige Cier.
Der Habidtsadler (Bonellis Udler, A. fas-
ciata Vieill., fig. 7), 78 cm lang, 155 cm breit,
oberjeits braun, unterjeits wei mit ſchwarzen Schaft-
jtvidben, auf dem Schwanze mit Dunfeln Duerbinden,
bewohnt Siideuropa, Nordiweftafrifa, Indien, befon-
ders waldlofe Gebirge, und nährt fid) von fleinen
Säugetieren und Bogeln. Er ijt der gefürchtetſte
Feind der Hiihner und Tauben. Der Horit ſteht auf
Felſen. Der Schopfadler (Spizaétos occipitalis
Gray, ig. 8), 50—52 em lang, 120—130 cm breit,
dunfelbraun, mit aufrichtbarem Schopfe, findet fid
weitverbreitet in Ufrifa und ijt tim Weſen unferm
Habicht vergleicbar. Er horjtet auf Bäumen und
legt 2 fajt runde, bleide, rotbraun — Eier. Der
Kampfadler (S. bellicosus Levaill., Fig. 9), 86 em
lang, oberjeits afdqraubraun, unterjeits weiß, fait
flecdenlos, mit Fliigelbinde und gebändertem Schwanz,
ijt weit verbreitet m UWfrifa und wohl der gewaltigſte
Raubvogel des Gebietes. Er niftet auf den höchſten
Bäumen und auf Felsvorjpriingen. Die Harpyie
(Harpyia destructor Z., Jig. 10), 1 m lang, mit
jebr fraftiqem Körper und grofem Kopf, ijt an Kopf
und Hals qrau, unterfeits wei, an Flügeln und
Oberbrujt ſchwarz, bewohnt Merifo, Vittelamerita
und Brafilien, lebt ay in wajjerreiden Waldern
und wird wegen ihrer Räubereien fowte wegen ihres
als Schmuck hochgeſchätzten Gefieders eifrig verfolgt.
Bur Unterfamilie der Weihen (Milvinae) gehört
der Schreiſeeadler (Haliaétus vocifer Gray, Fig.
11), 70 em lang, braunrot, nur an Ropf, Hals,
Oberbrujt und Schwanz, Wantel und Schwingen
jur Wongolet und lebt in Cbenen, ſelbſt im baumloſen bläulichſchwarz, lebt in den Urwäldern Afrikas an
Steppen und in der Nahe von Ortſchaften, ſtreicht im
Winter bis Indien und Ubeffinien ; ſehr ſelten erſcheint
—
|
roßen Strömen, meijt paarweife, und erregt durd)
lige Schönheit und feine laute Stimme allgememe
112
Bewunderung. Er nährt ſich von Fiſchen und Aas,
horitet auf hohen Baumen oder Feljen und leqt 2—3
weiße Cier. Der qemeine Seeadler Ceiid:,
Ganfeadler, Stetngeier, Bein- oder Stein-
bredher, Weißſchwänziger U., H. albicilla L.,
Fig. 12), bis 95 cm Lang und 2,5 m breit, bräunlich-
gelb, an Oberriiden und Mantel duntel erdbraun,
mit weißem Schwanz, bewohnt Europa, Nordafien,
Ygupten, nijtet bei und im Küſtengebiete der Oftſee,
erjdheint im Winter auc) im Binnenland und gebt bis
Andien und Nordajfrifa. Außer der Brutzeit lebt er
ziemlich eſellig, jagt auf Waſſervögel und Fiſche und
frißt po Was. Er nijtet auf Felfen, Bäumen, Ge-
büſch, im Röhricht und auf dem Boden und legt 2—3
weiße, oft braun geflecte Eier. Auf Sizilien wird er
gegeſſen. Der weißköpfige Seeadler (H. leuco-
cephalus L., fig. 13), 85 cm lang, 211 cm breit,
dunfelbraun, an Kopf, Oberhals und Schwanz blen-
dend weiß, mit ſchwarzen Schwingen, bewohnt Rord-
amerila, verfliegt ſich aber bisweilen nach Europa.
Der Fiſchadler (Flußadler, Blau-, Weiß—
fuß, Weißbauch, Fiſchraal, Pandion haliaétus
L., Fig. 14), 56 em lang, 164 cm breit, ijt auf Kopf
und Nacken gelblichweiß, ſchwarzbraun gejtreift, ſonſt
braun, am Unterkörper weiß, der Schwan; ſchwarz
und braun gebändert. Er bewohnt Europa, Nord-
und Mittelaſien, qeht im Winter bis Sitdafrifa, In—
dien, Yujtralien, Senfeeland, weilt bet uns vom Upril
bis Oftober, nährt fid) von Fifchen, nijtet auf hohen
Bäumen und legt 3—4 weiße, qrau oder rojtfarben |
gefleckte Cier. Er ijt fiir die Teichwirtſchaft fehr ſchäd⸗
lid) und wird deshalb iiberall eifrig verfolgt, nur in
Amerila ſchützt ihn der Uberglaube.
Symbolifhe Vedeutung des Adlers.
Wn der Mythologie bedeutet der A. gewöhnlich
bie Sonne. Der mächtige mythifde W. der Inder,
Garuda, ijt dad Rof des Gottes Wiſchnu, das Son-
nenroß, durch feinen Glanz ſiegreich tiber alle Un—
geheuer. In der —— und deutſchen
thologie wird die Geſtalt des Adlers mit Vorliebe
von finſtern Dämonen
oder doch von Gott
(Odin), der in der fin⸗
jtern Nacht oder der
windigen Wolfe ver-
borgen ijt, angenom⸗
men. Der Sturmriefe
Hräſwelgr ſitzt in Ad⸗
lergeſtalt am Ende des
Himmels und bläſt den
Wind über alle Völler.
Auf der Welteſche Ygg⸗
draſil beobachtet ein VU.
alles, was geſchieht.
Als Zeus ſich zum
Kampfe gegen die Ti—
tanen rüſtet, bringt thm
der A. ſeinen Pfeil, wes-
halb Seus thn gu fei-
nem Feldzeichen nahm.
Er hält den Donnerkeil
des Zeus in ſeinen Klauen und verkündet den Helden
—
1
'
Rbmifde LegionBadler.
bald den Sieg, bald die hichite Macht. Der qriechifche
U. tft der König der Vogel und gleich Zeus ein
Spender von Licht, Frudhtbarfeit und Gliid. Folge:
rect wird mun der YW. aud) Der Bote des Yeus und
verfiindet den Willen Gottes. Wis Sinnbild der
Gdtter wird der A. aud) Sinnbild der Unſterblichkeit
und der menſchlichen Seele, die jid) nad) Dem Tod
Adler (iymbolifde Bedeutung, Heraldiſches)
emporjdwingt. Auf ähnliche Weife wurde der A.
Sinnbild der irdifden Macht. Sdon bei den
Perjern war er das Königszeichen. Jn Europa fiibrte
thn Wlerander als königliches MUnz- und Wappen-
—* ein, und die Diadochen folgten ihm hierin.
us dent ptolemaifden Agypten bradte ihn Dftavian
nad Rom als kaiſerliches pen. Bei der Wpotheofe
der Kaiſer verjinnlidte cin vom Scheiterbaufen em-
porjteigender YW. die Aufnahme des Abgeſchiedenen
unter Die Gotter. Fir alle Yugurien war der A. von
iinjtiger Borbedeutung. Auch in der drijtlichen
Symbolif bat er Verwendung gefunden; dem Cvan-
—— Johannes — der A. als Symbol göttlicher
egeiſterung. Vgl. Sittl, Der A. und die Weltkugel
als Uttribute des Reus (Leipz. 1884). — Als Feld-
zeichen der Legion (ſ. d.) wurde der A. mit erhobenen
M igetn durch Marius (104) eingefiihrt. In der
Republif von Silber, aber mit goldenem Bligbiindel
in den Strallen, bejtand er in der Kaiſerzeit ganz aus
Gold (Fig. 1—3). Auf dem Marjd ijt fein Play an
der Spige, in der Schlacht hinter der erjten Kohorte,
im Lager in ciner Rapelle neben dem praetorinm, wo
er religidfe Berehrung genoß. Sein Verluſt bedeutet
die Auflöſung der Legion.
[PHeraldifses.} Da man dem VW. im Mittelalter
eine Reihe vorzüglicher Eigenſchaften: Verjüngungs⸗
kraft, Freigebigkeit, Mut, nachrühmte, wurde er von
Fürſten und LandeSherren jum Wappen gewabtt,
jo von den Raifern, den Herzögen von Bayern, Böh—
men, Sdlejien und Djterreich, den Königen von Polen,
| Den Marfgrafen von Brandenburg. Nad Einfiihrung
der Wappenbricfe wurde der A. zum verbreitetiten
Wappenbild. Der A. der neuern Heraldif hat ge-
wihnlid een eingigen, zur Rechten gefehrten Kopf
mit ausgeſchlagener 335 liegt auf dem Rücken mit
vorwarts gelehrtem Vaud, ausgebreiteten Flügeln,
geſpreizten Füßen und Klauen und fogen. krauſem
Schwanz. Der in manchen Wappen erſcheinende ge—
ſtümmelte A. (bet Den Franzoſen alérion) ijt der
untern Teile Der Beine und des Schnabels beraubt.
Der deutſche Reidsadler war urſprünglich ein⸗
köpfig und ſoll von Karl d. Gr. nach ſeiner Krönung
in Rom zum Symbol ſeines Reiches erhoben worden
ſein; nachweiſen läßt er ſich auf der Reichsfahne
zuerſt unter Otto II. Der Doppeladler, mit dem
einen Kopf und Hals rechts, mit dem andern links
ewendet, findet fid querft 1325 auf einer unter
udwig dem Bayern geidlagenen Reichsmünze. Dod
führte Der Kaiſer nur emen cinfaden A., ſchwarz in
Hold; aud) bas Siegel der Goldenen Bulle von 1356
trägt einen einfachen A. Erſt unter Siegmund, von
1433 an, wurde der Doppeladler beſtändiges Wappen-—
jeichen Der Deutfdjen Kaiſer, während der römiſche
König den einfaden A. führte. Bgl. Römer-Büch—
ner, Der deutfide A. nach Siegeln geſchichtlich er—
läutert (Frankf. 1858); Hobhenlohe-Walden-
burg, Sur Geſchichte des heraldiſchen Doppeladlers
Etuttg. 1871); E.Gritzner, Symbole und Wappen
des alten Deutſchen Reiches (Leipz. 1902). Nad Auf—
löſung des heiligen römiſchen Reiches 1806 nahm der
| Maifer von Oſterreich den Doppeladler fiir ſeine Mon:
archie in Anſpruch (7. Tafel »Ojterreidhifd) angarifde
Länderwappen⸗). Rufland entlehnte 1472 unter
Awan Bajiljewitid den Doppeladter vom bysantini-
ſchen Kaiſertum, das ihn feit Der Teilung ded römiſchen
Reiches führte. Der A. des jepiqen Deutfden Rei-
ches ijt einlöpfig, rechtsſehend, Schnabel, Bunge und
Klauen rot, ohne Zepter und Reichsapfel, auf der Bruſt
der preußiſche Wappenſchild mit dem Stammwappen
Adler —
der Hohenzollern; um den Schild ſchlingt ſich die Mette
des Schwarzen Udlerordens. Uber dem Ropfe des
Reichsadlers ſchwebt die deutſche Kaiſerkrone mit flie-
genden Bändern. Der Kaiſer führt den Reichsadler
in ſeinem Wappen in goldenem Schilde (ſ. Tafel
»Deutfder Reichsadler rc.« bei Artikel⸗Deutſchland⸗
mit Tertblatt). Urfpriinglich Reichsadler ijt der preu-
ßiſche A., der den Deutſchen Rittern von Raijer
Friedrich IT. verliehen wurde und ihnen verblieb, als
Siegmund den Doppeladler fiir das Reid) cinfiihrte.
Ex erjdheint rechtsſehend, Schnabel, Fange und Krone
olden, Sunge rot, mit geen Kleeſtengeln auf den
—* und goldenem Namenszug R auf der Bruſt
wappen-«, Fig. 3). Auch
ejien, Ojtfriesland und
— — —
. Tafel ⸗Preußiſche Provin
Brandenburg, Poſen,
6. Lubed.
Adler in deutſchen Stäbdtewappen.
Wie 4. Aachen.
viele deutſche Stadte, befonders die, in denen die deut-
{hen Rafer des alten Reiches rejidierten oder gekrönt
wurden, 3. B. Aachen, Franffurt a. Vt. (Fig. 4 u. 5),
GoSlar, fiihren den A. im Wappen; andre, dar-
unter Friedberg, Lübeck (Fig. 6), Den Doppeladler.
Sonjt führen den A. nod) das Kinigreid) Polen (einen | j
weißen gekrönten UW. in rotem Felde), die Bereinigten
Staaten von Mordamerifa, Merifo u. a. (f. die Tafeln
»BWappen I—IV«). Yn Frankreich wurde der A. durch
Napoleon I. gum Symbol des Kaiſerreichs erhoben,
nad ſeinen Sturz beſeitigt, von Napoleon III. wieder
hergeftellt und 1870 abermals entfernt. Dieſer Na-
poleonifde A. hatte natürliche Gejtalt, mit Blitzen in
t dngen und zum Aufſchwung bereit. Der A.
ift aud) das Zeiden der Fahnen und Standarten der
preußiſchen, djterreidifdjen und ruſſiſchen Heere und
mebrerer Ritterorden (ſ. Wd{erorden). — liber Be-
deutung des Wortes A. val. Yar.
Adler (jpan. Aquila), Munzbezeichnung, f. Eagle.
Adler Erlitz, iſchech. Orlice), linter Nebenſiuß
der Elbe in Böhmen, entiteht bei Tiniſcht durch Ver—
—— zweier Quellflüſſe, der Wil den A. (in den
eldern entſpringend) und der Stillen A. (vom
—* Sdmeegebirge), miindet, 82 km fang, bei
iggrätz.
Abier, 1) Friedrich, Architelt und Kunitidrift-
ſteller, geb. 15. Olt. 1827 in Berlin, ſtudierie unter
Strad an der Berliner Bauafademie und unternahm
dann grofere Reifen bis nad Griechenland, der Tiir-
lei und Meinafien. Die gewonnene Uusbildung ver-
Wertele er als Lehrer an der Bauatademie und ted)-
nifden Hochſchule und in Kirchenbauten, von denen
die Chrijtustirde, die Thomastirde in Berlin (1864
bis 1868), die Clijabethtirde in Wilhelmshaven, dic
Paulsirde in Bromberg und die Erldjertirde in Se-
tufatem ju nennen find. A. hat ſich als Forſcher um
die Geſchichte der alten und mittelalterlidjen Baulunſt
dienſte erworben, um eritere durch ſeine Beteili—
Ung an den Ausgrabungen su Olympia, wo er im
ftrage bes —* von Griechenland das Muſeum
sur Bergung der Funde entworfen hat, um leptere
Revers Ronv « Lerifon, 6. Aufl., L Wd.
DEY bee Sep
ORES
Ae J
a Js
5. Fyrantfurt a. M.
Adlerberg. 118
durch die Werke: »Mittelalterliche Baditeinbauwerte
des preupifden Staats« (Berl. 1859—98), »Bau-
—— Forſchungen in Deutſchland« (daſ. 1870
is 1879, 2 Tle.) und durch Unterſuchungen über die
Dome von Regensburg und Straßburg. Wud) als
vortragender Rat im Miniſterium der öffentlichen Ur-
beiten hat fid) U., bis er 1899 in den Rubejtand trat,
verdient gemadt. Bon feinen literarifden Urbeiten
find ferner anzuführen: »Andreas Sdliiter, Leben
und Werfe« (Berl. 1862); »Die Weltitadte in der
Baufunjt« (2. Aufl., daf. 1872); »>Der Felfendom und
die heilige GrabeSfirde zu Jeruſalem« (daj. 1873);
»Das Mauſoleum zu Halifarnag« (daſ. 1900) und
feine Aufſätze in den amtlidjen Berichten über die
Ausgrabungen in Olympia.
2) Guido, Mufifgelehrter, geb. 1. Nov.
7 1855 in Eibenſchütz (Mähren), ftudierte
in Bien (zugleich am Ronjfervatorium),
promtovierte 1878 gum Dr. juris und 1880
‘mit der Ubhandlung »Die hijtorifden
Grundklaſſen der abendlindijden Muſik
bis 1600« gum Dr. phil. und habilitierte ſich
1881 mit der »Studie gur Geſchichte der
Harmonies (iiber den Faurbourdon, Wien
1881) al8 Privatdozent fiir Muſikwiſſen⸗
{daft an der Wiener Univerſität. 1885
wurde er ———— der
Mufifan der deutſchen Univerſität in Brag,
1898 als Nachfolger Hanslicks ordentlicher Profeſſor
für Muſik an der Piener Univerjitat. Er ſteht dafelbjt
an der Spite cined mit erhebliden Mitteln ausgejtat-
teten mujifwiffenfdaftliden Qnijtituts. 1884—94 re-
dDigierte er mit Spitta und Chryfander die » Viertel-
jahrsſchrift fiir Muſikwiſſenſchaft⸗ gab 1892—93 eine
Auswahl der mufjifalijden Werke der Kaiſer Ferdi-
nand ITT., Leopold L. und Joſeph J. heraus und leitet
ſeit 1894 die von der Regierung unterſtiltzte Heraus-
gabe der »Denfmiiler der Tonfunjt in Ojterreid)«.
3) Georg, deutider Sogialpolitifer, geb. 28. Mai
1863 in Poſen, ftudierte in Berlin und Freiburg i. B.,
habilitierte fid) 1886 al8 Privatdozent der National-
dfonomie zu Freiburg i. Br., wurde 1893 als aujer-
ordentlider Profeſſor nad) Basel berufen, wo er fiir
die Regierung 1894 den erjten Geſetzentwurf über
obligatorijde Verjiderung der Urbeiter gegen die
Folgen der Urbeitslojigtett verfaßte, ging 1899 an
das Orientaliſche Seminar nad) Berlin und erbielt
1900 cinen Ruf nad Riel an die Univerſität und an
die Marineafademic. Er ſchrieb: »Geſchichte der erjten
ſozialpolitiſchen Arbeiterbewegung in Deutfdland<
(resi. 1885); » Die Grundlagen der Karl Marxſchen
Kritik der beftehenden Vollswirtſchaft· (Tiib. 1887);
»Die Frage des internationalen Arbeiterſchutzes«
(Miind). 1888); Ȇber die Wufgaben des Staats an-
geſichts Der YUrbeitslofigkeit« (Tiib. 1894) ; »Geſchichte
des Sozialismus und Kommunismus« (Leipz. 1899,
Bd. 1); »Die ſoziale Frage⸗, im 7. Bande von Helm-
olts ⸗·Weltgeſchichte⸗ (da}. 1900); »Die Zufunft der
ſozialen Frage⸗ (Jena 1900) u. a. Neuerdings hat
YU. Den Gedanfen der ——— Alters⸗ und In⸗
validenverſicherung des Mittelſtandes verfochten.
Adlerbaum, Adlerholz, ſ. Aquilaria.
Adlerberg, WladimirFeodorowitſch, Graf,
ruſſ. General, geb. 18. Nov. 1790 in Wiborg, geſt.
20, März 1884, Sohn eines Oberjten aus der ſchwe—
diſchen Familie Suvebelius, die 1684 unter dem Na-
men A. in den Weljtand erhoben wurde, trat 1811
ins Heer, machte die Feldzüge von 1812--14 mit und
ward 1817 Udjutant und BVertrauter des Großfürſten
8
114
Adlercreug — Adlerorden.
Nifolaus, in deſſen Gefolge er 1828 als Stabschef Mdicrorden. 1) Der weike Mm Rakiem?, ur-
dem tiirfifden Fels beiwobnte. 1833 ward er Ge- ſprünglich em polniider
—— — des Pojtwejens | tit uralten
neralleutnant, 1841
(bis 1856), 1843 General Der Anfanterie, 1847 in
ben Grafenjtand erboben und — tire Sa aa
jerlichen Haufes (bis 1872) und Ordenstangler. Auch
unter CUlerander 1. bebielt er perſönlichen Einfluß.
Winiiter bes laiſerlichen Hauſes ward 1872 jem älte⸗
fter Sobn, Ulerander Bladtmirowitid, Graf
WL. (geb. 13. Mai 1818, geft. 4. Oft. 1488), General
Winiiterpott jivetter
Sobn, Ritolaus Wladimirowitid, Graf, geb.
1819, gejt. 25. Dez. 1692 in München, General der
nfanterie t, war 1866 —81 Ge-
“olerereny, ari Johann, Gref, ſchwediſch
finnland. Feldherr und Politifer, geb. 27. April 1757
in Siala (Finnland), geit. 21. Aug. 1415 m Stod-
holm, nabm als Offizier 1788 - Sheed bran Sa
Be
Hh
eigentliche
ihm die Rufjen in mehreren Gefechten —
ren ge my Unteritiipung fdhwedtiderients ——
jed Spatiommer den aed cai
19. Rov. die Ronvention von O
— ————— verpilichtete.
Seit Unfang 1809 in S m, ex ſich an
ematlhertes Stren;
— Adler rubt. Es wird an emem breuen delblauen
bet mur Gxer emne
Uriprungs, wurde 1706 vee au:
IL. ernenert und 1815 m der polntiden
ung om rufitichen Saifer aif Simig vox Bolen fart
den eriten Des Reiches erfldrt, Durch bas orgentiche
Statut vom 26. Aebr. 1832 aber m dar Redbe Der ri -
ſiſchen verſeßt, wo er als ber dritte rangurt. Das
Band itber ie rechte Schulter getragen. dazu em gol-
dener Stern mit der Devije »Pro fide, rege et lege«
Für Den Glauben, den das Geietz · um em
Kreuz tm Mittelſchilde auf der Bruit. Der Orden
verietht ben erblichen Mdel. — 2) Der fdwarje W,
edly apse ying ——
— ne ee aes
‘und verleibt den Erbadel. Das
betetliqte
der Thronrevolution vom 13. War; und verhaftete , (
bnlid er, |
adfolger Marl Xu ernannte ibn 1810 sum Staats-
rat, 1811 =~ Weneral und erhob ibn 1814 in den
— egen war ſein Verhältnis zum
Py 2 sot (f.d.), deſſen Generalftabs-
acu er — des Herbſtfeldzuges der Nordarmee
Napoleon (1813) ſowie während des kurzen
es in No en (1814) war, namentlich vor
öllerſchlacht bei Leipzig, durch militäriſche Mei—
ch Sveridiedenbeiten getriibt.
ferdollar (Udlerpiajter), der merifan. Peſo
duro von gefeplic) 27,0643 g und 9027,» Taufendjtein
Feinheit = 4,504 WE des Talerfußes, befonders in
Ojtajien verbreitet.
UAdblerfarn, ſ. Pteris.
Adlerfifd (Sciaena aquila Risso), Stachelfloſſer
ber Umberfiſche (Sciaenidae), 2 m lang, filberqrau,
auf Dem Rücken braunticdh, am Bauche heller, | Tebt qe
fellig tm Wittelmeer und im öſtlichen Utlantifden
Oyean, erideint aud in der Oſtſee. Er gibt ein ftar
§
es
tes, orgeltonartiges Geräuſch von fid. Sein Fleiſch
war ſchon im Vltertum febr geſchäßzt.
Adierflanmen, |. Adler, S. 111.
Adlergebirge, ſ. Bohmiſche Kämme.
35 AUloeholz und Aquilaria.
oftelets, Stadt in Bdhmen, Besirlsh. Rei-
denon, am UAdlerfluß und der Bahnlinie Chlumetz-
Wittelwalde, hat cin gräflich Kinslyſches Schloß mit
Part, cine Realfdrule, cin Begirfsgeridt, eine qrofe
Vederfabrif, Sdhubwarenfabrif, Bierbrauerei, Jucker
fabrif, Miihlen, Weberet und Farberet, Cifenguejeret |
und (1900) 4920 iſchech. Einwohner.
Adlertal ſchön
mit Burgruine,
Enwohnern.
ſtlich Der im
terbraneret und (i900) 1052 tſchech.
oe Warftileden Pottenſtein
Wuitav IV. adolf (7. d.). Deifen
Ordensjyeuben tit
blaues achtiprgiges Kreuz nut Adlern ia ben Sintein
und der Namenschiffer F. R. (Fridericus Rex) mr
Een Schilde (i. Tafel ⸗Orden I, Jig 20). Der
rden wird an cinem orangefarbigen Band fiber die
line Schulter getragen. Dazu gebdrt auf der Brujt cin
; Sthermer adits ex Stern (71g. 22) unt ſchwarzeni
Adler tn on arbenem Feld und der Deviie >Suum
cuigque« (> }edem das Seine<). Die Kette bejtedt aus
Udiern mit Donnerteilen und vierfad Ra:
und mens zug umidlungen von blauem Band und der De-
oss Schilde. Die Ritter find zugleich Grogtrenge
roten Adlerordens. Bei Fejten roter Samtmantel.
YL. Schneider, Das Bud vom A.
(Bert. 1870); Heng jt, Die Ritter ded ſchwarzen Adler⸗
ordens (bai. 1900). — 3) Der rote A., unter Dem
‘Ramen Ordre de la sincérité 1705 vom
Erbprinʒen
Georg Wilhelm von Brandenburg geitiftet, ward 1792
zum giweiten preußiſchen Orden erhoben und umfakt
5 Klaſſen in 40 Ubjtufungen. Die Inſignien find etn
weiß emailliertes adjteciges Kreuz, auf defjen weißem
Mittelſchild fic) vorn der gefrinte rote Adler, auf der
Kehrſeite die Chiffer F.W. mit dariiber gefepter Krone
befindet (f. Tafel »Orden I<, Fig. 13), und das von
allen Klaſſen, nur in verjdiedener Grdpe, an einem
weiß gewajierten Bande mit breiten, en
Streifen und ſchmalen weifen Randern getragen wird.
Die Groffreuse tragen cin adtipipiges mutt Dier
goldenen, rot emaitlierten Adlern m den und
einen Golbdjtern; Die Rette beiteht aus 25 Gliedern
von gefrinten Schilden und goldenen, durch Schwert
und Septer gefreugten Kränzen. Die Ritter der eriten
Klaſſe tragen aufer dem Kreuz am Kordon auf der
linfen Bruſt einen filbernen adtipigigen Stern mit
Dem roten Udler, auf deſſen Bruit das hohenzollern
fiche Wappen mit der Umſchrift »Sincere et constan-
tere (Aufrichtig und ftandbhaft«) fic) befindet; die
—* weite Klaſſe teilt ſich in ſolche mit und ohne Stern.
ttern der dritten Klaſſe kann eine am Ring über
dem — zu tragende Schleife, Rittern der drei
erſten Klaſſen eine Verzierung von Eichenlaub
geben werden, wenn ſie zuvor niederere Grade gehabt
beides nur Preußen. Für im Feld erworbene Ver—
dienſte wird der Orden mit Schwertern verliehen. Er⸗
hält der Betreffende eine höhere Klaſſe dieſes Drbens,
fo werden bie Schwerter am Ringe der Klaſſe —
gen. Die Ritter erſter Klaſſe tragen das Or
zeichen an einem breiten Band um die Schulter, die
ber zweiten Klaſſe um den Hals, die der dritten und
vierten Mlajfe an fdmalerm Band im RKnopflod.
J
Wdlerpult — Ad marginem.
1900 wurde Dem Orden cine Rote WUdlerorden-
medaille affiltiert, Die Unteroffizieren Der Leib-
fompaqnie des 1. Garderegiments verliehen wird.
Bgl. LX. Schneider, Der rote W. (Berl. 1868);
Hoftmann, Der preußiſche Rote A. (daf. 1879). —
4) Beier W, ferb. Orden, gejtiftet 22. Febr. 1882
vom König Milan I. sur Erinnerung an die Profla-
mierung des jerbifden Königtums, in fiinf Klaſſen
und mit Statut 23. Jan. 1883 verjehen. Die Defo-
ration bejteht in einem von einer Königskrone iiber-
ragten, weiß emaillierten, dDoppelfdpfigen, gefrinten
Wdler mit goldenen Fängen, beleqt mit einem ovalen
roten Mittelſchild mit weiß emailliertem Kreuze, zwi⸗
ſchen deſſen Armen ſich vier goldene Feuerſtrahlen
befinden. Aus der Krone flattern hinter den Adler—
köpfen blaue Bänder
herab. Der ovale Mit⸗
telſchild des Reverſes
zeigt das — ge⸗
krönte onogramm
MI und darüber cin
blaues Band mit der
ferbijden Legende:
»22. Februar 1882<.
Die fiinfte Klaſſe tragt
die Deforation von
mattem Silber. Die
beidenerjtenGradetra-
gen einen Brujtitern
von Gold, achtitrabli
und dDiamantiert, aut
dem der Orden liegt.
Das Ordensband ijt
rot mit gwei ſchmalen
lichtblauen Streifen
(j. Tafel »Orden I<,
Fig. 27). — 5) Der
von Kaiſer Marini-
lian 1. Jan. 1865 ge:
itiftete merifanifde
A. ift fett Maximilians
Tod erlojden.
Adlerpult, das an den Lettnern der mittefalter-
lichen Rirden angebradte oder aud) felbjtindig ge
braudte Pult gum Vorleſen der Evangelien, das von
einem Adler mit ausgebreiteten Fliigein als Dem
Symbol des Cvangelijten Johannes getragen und
in Metallquy oder Holzſchnitzerei ausgefiihrt wurde.
Solde Udlerpulte aus der romanijden und gotifden
Beit finden fic) nocd 3. B. in Den Domen yu Halber-
jtadt, Aachen (ſ. Ubbildung), in St. Severin zu Rodin,
im Germanijden Mujeunt zu Nürnberg.
Adlersfeld, Cufemia von, geborne Grafin
Balleſtrem, Sdriftitellerin, geb. 18. Aug. 1854 in
Ratibor, lebte in Hirſchberg und Brestau, veröffent—
lichte feit 1876 cine Reihe von Novellen, mehrere
Bande Gedidte und die Romane: » Lady Melujine«
(Berl. 1878), »Heiderdsiein« (Brest. 1880), » Violet «
(Dresd. 1883), »Die Falfner von Falfenhof« (daj.
1890), » Die weißen Roſen von Ravensberg« (Leips.
1897), Die Humoresfern »Romtefje Kathe« (Daf. 1894,
10. Aufl. 1899) u. a. Außer einigen Unthologien und
Überſeßungen gab fie aud die Brachtwerfe: » Am
Glanje der Krone. Fürſtinnen aller Zeiten und Lain
der« (Berl. 1880) und »\ Maria Stuart « (Hamb. 1889)
fowie genealogijhe Schriften und mit H. Lingg
»Staldenflinge. Balladenbuch zeitgenöſſiſcher Did
ter« (Gresl. 1883) heraus. Sie lebt, feit 1884 mit
dem Major von A. verbheiratet, in Zürich.
Adlerpult (Dom gu Machen).
115
Adlershof, Dorf im preuß. Regbez. Potsdam.
Kreis Teltow, unweit der Spree und an der Staats-
bahnlinie Berlin⸗Königswuſterhauſen, hat eine evang.
Kirche, eine chemiſche Fabrik, Filz- Cmailleidilder:,
Elettrodraht-, Wellbled-, Holzleiſten⸗ und Fahrrad⸗
fabrifation und (1900) 8006 Einw. YW. ijt Gemeinde
feit 1879.
Udlershorft, Dorf bei Bromberg, ſeit 1893 sur
Gemeinde Schwedenhöhe (ſ. d.) gehörig.
Adlerſparre, Georg, Graf, ſchwed. Feldherr
und Politiker, geb. 28. März 1760, geſt. 23. Sept.
1835 auf Gujtafsvif (Wermland), geriet als Ritt-
meijter während des Strieges 1788—-90 in ruffifde
Gefangenſchaft, nahin 1793 feinen Abſchied, war 1797
bis 1801 Mitherausgeber der inhaltreiden Zeitſchrift
»Lisning i blandade Imnen«, fampfte als Brigade:
def 1808 an der norwegifden Grenge mit Auszeich⸗
nung, ging indeſſen bald ins Lager der Gegner Gu-
jtav IV. Adolfs (j. d.) über und gog nach Veröffentli—
dung einer ſcharfen Broflamation (7. März 1809) mit
einer größern Truppenabteilung nad Stodholm, um
den Konig 3u entthronen. Dod) war dejjen Ubjepung
bei feiner Unfunft (22. März) fdon erfolgt. Bon
Rarl XIII. hierauf sum Staatsrat ernannt und in
den Freiherrenjtand erhoben, bradte er die Verhand⸗
fungen mit Bring Chrijtian Auguſt von Holftein-
Auguſtenburg über deſſen Wahl gum fdwedifden
Thronfolger jum Abſchluß und gelettete ifn 1810 nad
Stodholm. Durd) defjen pligliden Tod fowie durd
die Regierungspolitif sum Austritt aus dem Staats-
rat bewogen, war er 1810-24 Landes hauptmann
der Proving Sfaraborg. 1812 erfoigte feine Befir-
Derung jum Generalmajor, 1816 feine Erhebung in
ben Gretenitand. Die Herausgabe der widtigen Quel⸗
lenjammilung »Handlingar rérande Sveriges äldre,
nyare och nyaste historia« (Stodh. 18380 — 33,
9 Bde.) gog ihm 1831 cine Geldjtrafe wegen Pregver-
gehens ju. Vol. Sjdgren, Georg A. (Stodh. 1881).
— Sein älteſter Sohn, Kart bales Say qeb. 1810,
geſt. 1862, verdjfentlidte mehrere Gedichtſammſun—
gen fowie die biographifden Urbeiten: »Historiska
tidstaflor ur Sveriges nyare historia« (Stodh. 1850,
5 Bde.); »Anteckningar om bortgangne samtida«
(daf. 1859-62, 3 Bode.).
Adlerſteine (Geoden, Uétiten, Klapper—
ſteine), Eiſenſtein- oder Mergelkonkretionen von ver-
ſchiedener, meiſt ſphäroidiſcher Geſtalt, ſchaliger Strut:
tur und mit lockerm Kern, der ſich von den äußern
Schichten abgeſondert hat, ſo daß die Steine klappern.
Sie hatten einſt großen Ruf (Plinius); der Aberglaube
läßt ſie in Adlerneſtern entſtehen und ſchreibt ihnen
heilende (auch magiſche) Kräfte zu. Sie finden ſich,
zumal in Jura- und Kreideſchichten, ziemlich häufig.
Adler und Antindus (Aquila et Antinous),
Sternbild am nördlichen Himmel, enthalt drei in ge—
rader Linie ftehende Sterne, von denen der mittelſte
(a, Altair, Utair) erſter Größe ijt. Bal. Taf. » Firjterne
de3 nördlichen Sternenhinimels<, mit Tertbeilage.
Adlervitriol , tupferhaltiqer Cijenvitriol.
Adlerweibchen, ſ. Jungfraucnadler.
Ad libitum (lat.), nad Belieben; ſ. Libitum.
Adlich, tiirf. Goldmünze von 1827 ju 12 Guruſch
= 8,345 WE, feit 1843 nur 17'/2 Piaſter — 3,143 WE.
Adliswil, Dorf im ſchweizer Ranton Zürich, Be-
zirk Horgen, an der Sihl u. der Sihltalbahn, mit Sei-
denweberei, Baumwollſpinnerei u. 1900) 4691 Einw.
Ad manus proprias (lat.), zu eignen Handen.
Ad marginem (lat.), an den and (Bemerfung)
bei Schriftitiiden xc.
8*
116
Adwmetos, im griech. Mythus Sohn des Pheres |
und der Periflymene, Konig von Phera in Theffalien,
Teilnehmer an der falydontiden Jagd und am Urgo-
nautengug, ein Jahr lang Dienjtherr des Apollon.
Dieter t von den Moiren, A. mit dent Tode ju
verſchonen, falls ein Angehöriger freiwillig fiir ibn
jtiirbe, was feine Gattin Witeitis (f. d.) tat.
Admination (neulat.), Bedrohung.
Adminiftration (lat.), Verwaltung, insbejondere
Staatsverwaltung; in der Landwwirtidaft der Wirt-
ſchaftsbetrieb im Uuftrag und fiir Rechnung des Guts-
beſitzers durch Beamte (Udminijtratoren, ſ. Landwirt-
ſchaftliche Unternehmungsformen).
Adminiftrativ (lat.), zur Verwaltung gehörig,
von den Verwaltungsbehörden ausgehend; admi—
niſtrative Verſchicung, in Rußland die ohne
vorherige gerichtliche Unterſuchung angeordnete Ver⸗
bannung.
Adminiſtrativjuſtiz (Verwaltungsrechts—
pflege), die Entſcheidung von Rechtsfragen aus dent
Gebiete des Sffentliden Rechtes und von Privatredts-
jtreitigfeiten, die aus befondern Zwedmapig«eits-
qriinden den Berwaltungsbehdrden zugewieſen find,
durch die letztern. Derartige Sachen jind 3. B. BWaf-
ſerrechtsſachen, Gewerbeja u. dgl., die man aud
alg adminijtrativ-fontentidfe Saden be—
zeichnet. In neuerer Heit ijt fiir Die Verwaltungs-
rechtspflege meijt em befonderes Berwaltungsitreit-
verfahren cingefiibrt worden (jf. Berwaltung und
Contentieux administratif).
MAdminiftrator (lat.), Verwalter, d. h. cin Bevoll-
madtigter, der frembde Giiter im —— des Eigen⸗
tiimers oder ſonſtiger Berechtigter, z. B. der Glau-
bigerſchaft im Konkurs (a. massae, bonorum), ver-
waltet; im Kirchenrecht zeitweiliger Berwalter eines
Rirdenamtes, insbef. einer vafanten Pfarrei; dann
der vom Papſt bejtellte Berwalter eines Bistums
sede impedita, d. h. wenn es durch gewaltjame Fern-
haltung des Biſchofs ohne Regenten ijt; in Deutſch⸗
land ehedem Titel der Verwefer von friiher katholiſch
gewefenen Erz⸗ und Hodjtiftern, von den Rapitein
ewãhlter (pojtulierter) protejtantijder Fürſten; im
rühern Staatsredt foviel wie Regierungsverwefer.
Adminiftrieren ({at.), verwalten; fiir Rechnung
eines andern ein Gefdaft leiten; austeilen, fpenden
(}. B. das Saframent).
Admirabel (lat., franj.), bewundernswiirdig.
Admiral, Sdymetterling, ſ. Eckflügler.
Admiral (v. arab. amir, »Oberbefehishaber«<, mit
lat. Anhängſel alis und Kreuzung des fran}. amiral
mit admirandaus, einem ehrenden Beiwort fiir hoch—
gejtellte Perſonen im WMittelalter), Oberbefehishaber
jur See. Diejer Titel wurde durd die Mauren zuerſt
in Spanien gebréudlid und fam in England 1216,
in Franfreid) 1248 in Gebraud. Heute unterfdpeidet
man denGrokadmiral, den Admiral, den Bize—
und Den Konteradmiral mit den Rechten und Siel—
lungen eines Gencralfeldmarjidalls, Generals, Ge-
neralleutnants und Generalmajors. Früher führte
der A. neben Dem Befehl über die ganze Flotte zu—
qleid) Den iiber das Gros. Der Vizeadmiral befehligte
Die Borhut, der Ronteradmiral die Nachhut. Eng
land hat den Rang eines Lordgrofadmirals und eines
A. of the fleet, Rußland den Generaladmiral. Sn
Holland heift der Konteradmiral Schout- bij - nacht,
weil ihm friiher die Sicherheit der Flotte bei Nacht an-
vertraut war. Der englifde Ronteradmiral heißt Rear
A. Die Wdmirale führen zum Zeichen ihres Momman
dos an Bord Flaggen (Flaggoffiziere). Diefe Wd- |
Admetos — Admiralitatsrat.
miralsflaggen (j. Tafel » Deutfce Flaggen · bean-
fprudjen Salut als Ebrenbeseiqung. Das Schiff, wor-
auf ein A. den Befehl führt, heißt Flaggſchiff (ſ. d.).
Admiral, mit Rotwein bereiteter Eierpunſch.
Admiralitat, die oberite Behdrde cingelner Ma-
rinen. Ym Deutſchen Reid fiihrte bis 1889 der
Chef der A. den Oberbefehl nad) den Unordnungen
des Kaiſers und leitete die Berwaltung unter Verant-
wortlidfeit Des Reichslanzlers. Dest führt der Kaiſer
den Oberbefehl, die Verwaltung beforgt das Reichs
marineamt. jn England gibt es einen Board of Ad-
miralty mit 6 Lords, von denen der First Lord dent
König und dem Parlament verantwortlid ijt. 3u den
Geſchäften gehdrt nur die Leitung, BVerwaltung und
Ergänzung der Kriegsflotte. Jn den Vereinigten
Staaten von Nordamerifa ijt der Prajident der
oberjte Befehishaber der Marine; er ernennt den Se-
cretary of the navy. Jn Jtalien liegen dem Marine-
miniſterium die Verwaltung der Kriegsmarine, die
Geſetzgebung fiir die Handelsflotte, die Fiſcherei und
die Seepolizei, Invaliden⸗ und Schulweſen der feemiin-
nijden Bevolferung ob. Der fran zöſiſche Minijter
der Marine und Kolonien hat einen ähnlichen Wir-
kungskreis, teilt jid) mit dem Handelsminijter in das
Beleuchtungs- und Betonnungswefen und leitet die
Militir- und Zivilverwaltung der überſeeiſchen Ko—
lonien. Qn Ojterreidh bejteht eine Marinefettion
deS Kriegsminijteriums unter einem Vizeadmiral.
Rufland hat ein Marineminijterium.
Udmiralitatsgerict, der einer Admiralitit
oder cinem Marineminiſterium beigeordnete Geridts-
hof, der entweder in Friedenszeilen über Streitig-
feiten Der HandelSmarine, 3. B. im Havariejaden,
Strandungsfillen ꝛc., als höchſte Inſtanz entideidet,
oder in Kriegszeiten über internationale Streitfalle,
„. B. hinfidtlid) der Redhtstraftigfeit und des Bra-
ches einer Blodade, hinjidtlid) Der Geſetzmäßigkeit
der Wegnahme von Sdiffen ꝛc., befindet. Für die
leftgenannten Streitfille bejteht in Deutſchland eine
eigne Gerichtsbarkeit, die fogen. Prifengerihts-
barkeit (j. d.).
Admiralitatsinfelu, Inſelgruppe des deutſchen
Bismarck-Archipels (ſ. Karte ⸗Bismarck-Archipel«),
zwiſchen 2—3" ſüdl. Br. und 146 —1480 öſtl. @,
meiſt flein und flach, von Korallenriffen umgeben,
einzelne jedoch hod) und bergig, 2276 qkm grok. Die
Grohe Udmiralitatsinjel, 1952 qkm, tit teils
bergiq, teils eben, mit iippiger Vegetation bededt ; pon
Den fleinern find Jeſus Maria (170 qkm), Lowinjel
(43qkm) und St. Gabriel (22 qkm) die bedeutendjten.
Auch die Ecdhiquierinfeln (50 qkm), die Eremiten-,
Unachoreteninfeln u. a. im W., zuſammen 162 qkm,
werden gu den YW. geredynet. Die Ddunfelbraunen,
fraushaarigen Bewohner (ſ. Tafel »Wujtralier xc. I-,
Fig. 12 u. 13) find durchſchnittlich 1.5 —1,6 m groß.
Die U. wurden juerjt 1616 von Sdhouten geſehen,
Carteret qab 1767 der großen Inſel den Namen, der
{pater auf die ganze Gruppe iiberging. Sie wurde
1885 mit den übrigen Bejigungen der Neuguinea-
Kompagnie unter deutſchen Schutz geſtellt.
Admiralitätepolice, ſ. Admiralſchaft.
UAdmiralitatsrat, cine vom Kaiſer einberufene
Kommiſſion von Seeofiizieren, Schiffs- und Wafdi-
nenbauingenicuren und hdhern Verwaltungsbeamten
jur Beratung ſchwieriger Fragen der Organifation
oder Der Tedhnif, löſt ſich nach Erfiillung ſeiner Auf—
qabe wieder auf. Als Titel entipridt A. dem Regie-
rungSrat. Höhere Stufen find der Wirkliche A., der
Geheime U. und der Wirklide Geheime A.
Admiralfhaft — Adolf.
Admiralſchaft, früher ein Verband, in den zum
——— Schutze mehrere eine gemeinfdaftlide
eiſe machende Kauffahrer traten. Sie wählten für
die Reiſe einen Admiral. Ihm hatten die Mitglieder
der Sozietät pünktlich Folge zu leiſten, und Zuwider-
handlungen verpflichteten zum Erſatz des den andern
daraus erwachſenden Schadens. Der Vertrag hieß die
Admiralitätspolice. Ward ſolchen Kauffahrtei—
ſchiffen von der Regierung ein Kriegsſchiff zur Be—
ſchützung mitgegeben, ſo nannte man dies Convoi,
mit Convoi fahren; den Vertrag darüber Zeyn- oder
Admiralſchiff, ſ. Flaggſchiff. Seynbrief.
Admiralſtab, dem Generaljtab (j. d.) entipre-
chende Marinebehirde, deren Chef, cin Vizeadmiral,
unmittelbar bem Kaiſer unteritellt ijt; die Geſchäfte
de8 Udmiraljtabs umfaſſen die Entwidelung der See-
jtrategie und Seetattif, die Flottenfiihrung im Rriege,
die Vorbereitungen für den Seekrieg, die militäriſche
Verwendung der Auslandſchiffe. Seeoffiziere werden
auf längere Zeit in den YL. fommandiert. Jährliche
Wdmiralftabsreifen fiihren ſtrategiſche Aufgaben
unter Bereifung de3 angenommenen Kriegsſchau—
plage Durd).
Admiralſtabsoffizier, meiſt cin Rorvettentapi-
tin des Udmiraljtabeds, gehört zum Stabe der Divi-
fion eines Geſchwaders und führt deren Admiral⸗
ſtabsgeſchäfte.
miranten, Inſeln, ſ. Amiranten.
Admiſſarius (lat.), Zuchthengſt, Beſchäler.
Admiſſion (lat.), Zulaſſung; Admiſſions—
dampf, bei Expanſionsmaſchinen der während der
Volldruchperiode (A.) aus dem Keſſel in den Zylinder
ſtrömende Dampf, deſſen Druck, die Admiſſions—
pannung, aus dem Indilatordiagramm ſich ergibt.
Admission temporaire (franj., ſor. ißjong tang:
pordr’, » zeitiweilige —— in Frankreich die Ge-
—— zollfreier Einfuhr von Waren für den Fall
r Wiederausfuhr; vgl. Veredelungsverkehr.
Admittãtur (lat., »er oder es werde zugelaſſen«),
Zulaſſungsſchein.
Admodiation (lat.), die Verpachtung eines Gutes
mit allen dazugehörigen Gerechtigkeiten; Dann die ver⸗
tragsmäßige Vergebung öffentlicher Urbeiten von fei-
ten der Staatsverwaltung an einen fadjverftindigen
Unternehmer.
Ad modum Minelli, ſ. Dinell.
Mdmonieren (lat.), warnend erinnern, mahnen,
zurechtweiſen; Wdmonition, Ermahnung, War-
nung, bejonders als Disziplinarmaßregel.
mont, Marttileden in Steiermarf, Bezirksh.
Liejen, 646 m ii. M., im weiter Ennstal an der
Staatsbahniinie Umijtetten-Selsthal ſchön gelegen,
bejudte Sommerfriſche, mit beriihmtem, 1074 geqriin:
detem Benediftinerftift (ad montes, d. h. am Ge-
birge, genannt), das, 1866 teilweiſe abgebrannt, feit-
dent wieder aufgebaut wurde, einer Badeanjtalt,
einem Senfenwert, einer Dampfſäge, Holzhandel und
Altarbild von Witomonte und zwei 70 m hohen, go-
tijden Tiirmen fowie cine Bibliothel, die in einem
ſchönen, mit Fresfen von Ultomonte ausgeftatteten
Saale 80,000 Bände, 1000 Handjdriften und 800
Ynfunabeln enthilt. Yn der Nahe die dem Stift qe-
hörigen Schlöſſer Röthelſtein und Kaiſerau, die Wall-
fabristirde Frauenberg und öſtlich von A. dad Ge—
ſäuſe (ſ. d.). Auch werden von YW. der große Buchſtein
(2224 m), das Sparafeld (2245 m) rx. beſtiegen. Bal.
Rienaft, W. und feine Umgebung (3. Aufl., Ling
1895); Widner, Geſchichte des Benediftiner|tifts A.
117
—* 1876 —80, 4 Bde.); Derſelbe, Kloſter A. und
eine Beziehungen zur Kunſt (Wien 1887), zur Wiſſen⸗
ſchaft und zum Unterricht (Graz 1891).
Ad nauséam usque (lat.), bis jum Elel.
Adnexe (lat., »Anhängſel, Zubehöre«; vgl. Un-
ner), tm mediziniſchen Spradgebraud alle ſeitlich von
der Gebarmutter im fleinen Becken liegenden Ge—
ſchlechtsteile, alſo namentlid) die Tuben, Cierjtice,
Die breiten Mutterbänder ꝛc.
Aduominaler Kafus, ſ. Kaſus.
Ad notam (lat.), sur BVemerfung, zum Vermerk.
MAdnoticren (Unnotieren, lat.), aufzeichnen, an:
merfen. Udnotanda, Anzumerkendes; Mdnotata,
Unmerfungen; Udnotation, Anmerkung.
Adnes., bei naturwiſſenſchaftlichen Namen Ab—
türzung fiir Adanſon (j. d.).
Ado, Heiliger, geb. 799 in der Champagne, gejt.
16. Des. 874, als Benediftiner in der Ubtei Ferrieres
gebildet, wurde 850 Erzbiſchof von Vienne. Er ſchrieb
ein Martyrologium und das »Chronicon de sex
aetatibus mundi«, eine Hauptquelle fiir die Geſchichte
der fränkiſchen Ronige (hrsg. in den »Monumenta
Germaniae historica« I).
Ad ocũlos (lat.), vor Wugen; a.o. Demon deh :
ren, etwas fo deutlid) erflaren und darlegen, dak man
e8 gleichſam vor den Augen hat.
olf (entitanden aus dem got. Utaulf), 1) A.
von Raffau, deutſcher König, Sohn de3 Grafen
Walrant von Naſſau, geboren unt 1255, gejt. 2. Juli
1298, ein tapferer und gebildeter Ritter, ward ned
dem Tode Rudolfs von Sabsburg von den Sturfiir:
jten 5. Mai 1292 zum Könige gewahlt, naddem er
ſich Durd) driidende Verſprechungen ju ihren gun:
jten aller Macht beraubt hatte. Wibredt (fj. d. 1)
von Ojterreich, Rudolfs Sohn, unterwarf ſich ihm
nur fdeinbar, die Städte miztrauten dem »Pfaffen-
fonig«. Gegen Frantreid verbiindete er ſich mit Konig
Eduard L. von England. Um ſich die fiir dad könig
lide Unjehen notwendige Hausmadt gu qriinden,
erhob er Unjprud) auf die Mark Meißen und da3
Oſterland als erledigte Lehen, faufte dem mit feinen
Söhnen Friedrid) und Diezmann in Hader lebenden
Wlbrecht dem Entarteten (j. d. 14) von Thiiringen die
Nadfolge in Thiiringen ab und unternahm 1294 —
1296 swei Feldzüge gegen Thitringen, dod) ohne Er-
folg. Dagegen eroberte A. Meifen und das Oſterland.
Die Kurfürſten organijierten jest den Aufſtand gegen
den König und festen ihn in Maing formell ab. Al—
bredht von Ofterreich ward sum Nachfolger auserſehen;
bei Göllheim in der Rheinpfalz fam es 2. Juli 1293
ur Sdladt, wo A. fiel. Seine Leiche wurde im Rlojter
ofenthal, 1309 in der Kaiſergruft gu Speier bet-
efest. Val. Roth, Gejdichte des römiſchen Königs
vi 1. (Wiesb.1879); Domeier, Die Ubjepung Wdolfs
von Rajjau (Berl. 1889).
{[PHolftein.] 2) UW. IL, Graf von Holftein, aus
dem Hauje Schauenburg, folgte 1128 ſeinem Vater
(1900) 1306 Einw. Das Stift umfaßt cine Rirde mit | Adolf J. in der Grafidaft, verlor, als nad) Kaijer
Lothars Tode Konrad LIT. das Herzogtum Sachſen
an Albrecht den Baren verlieh, als Lehnsmann der
Welfen fein Land und erbielt es erjt 1142 wieder.
1143 aud) Herr in Wagrien qeworden, firderte A.,
unterſtützt vom Miſſionar Vicelin, Chrijtentum und
ermanijde Kultur. Das eben erjt wiederhergejtellte
Wibed mußte er 1158 Heinrid) Dem Lowen abtreten.
1159 begleitete er Friedrich Barbaroſſa nad Stalien,
leijtete 1164 Heinrid) dem Lowen gegen die Obotriten
Heeresfolge und fiel 6. uli bei Verchen (in der Nähe
von Demmin).
118 Adolf (fürſtliche Perjonen).
VII itei | J 6) Ergbifdhof von Mains, geb.
25 " ee 808 ——— 1958, gen 6. tebe. on Urenkel des Königs Wdolf
ryt ye Wht pr —— —— von Rafjau wurde 1371 Bifdof von Speier und
— Or incite gathent iq, | verdriingte 1373 von einem Teile des Rapitels gum
und der Prinzeſſin Katharina von —— ängte, ——
i ä IV. Er Erzbiſchof von Maing erwählt, eit eg
folgte 1427 ſeinem ältern Bruder, Heinrich IV Erzbi
Hi —* in ce onder ben Bene —— = —— und berben Papjten ——
— ingialh irae it. 14 ning fei inzug, ftand fortan an der Spige der
Hiding op ic bnilge Ruane oeh vernatetie ober ble| Pcferpariel watt coke fie ble Wheaniem bs er
da jean Gat 1 iſti ſtifti itoriums; am 24. Jan. 1390 ſtiftete er
————— mi et appa ———— ig —— — Val. Friedensburg, Land-
—— teines Gciaiebis ix G leswig: raf Hermann IH. von Heffen und Erzbiſchof A. J.
der Mannesſtamm feines Geſchlechts in Schleswig: grat dheins Gitarbucy 1980.
Poljtein (j. d.). . 7 ~~ ; =2 e. 7) A. Geor — Fürſt zu
gonad Bat eat ad lod bd hd — ——— 1. Aug. 1817 in Biide-
eee — te Uke ack Dhce burg, gejtorben daſelbſt 8. Mai 1893, regierte feit 21.
—e— F ürſtlichen '1860, {ehlof fic) 1866 vreußen an; jeit 1844 war
fiom a * i Soup ea ———— — ra Genin Hermine von Walded ——
— Sian | i f in älteſter Sohn, Georg. Sein vier—
— like Bi lume See Eee ¥ — * Oe abe if (rb 80. uli 1859), vermählt mit
wads —— * zoe foals or to Berbindung Kaiſer Withelms Il. Schwejter Vittoria, —— vont
— San Sider Ya i i ürſ {demar (geſt. 20. März 1895) fiir ſeinen
— Devdctoen. om Georelebe —— —— Alexander zum Regen⸗
Welfen durchzuſetzen. Im Gegenſahze zur te er eine | ten des Hiirjtentums Lippe ernannt, verwaltete das
* Mena Sten re Gast Pins gb red her Fürſtentum bis zur Entideidung des Erbjtreits zwi⸗
——— i Linien Schaumburg-Lippe und Lippe-Bie-
den er 12. Juli 1198 in Aachen krönte. va Wid Ballipp —8 OU Bin) peace —— ideo —————
—— 1905 — eden Neate Wegen des | Schiedsgerichts vom 22. Suni 1897 nad yh über.
— com Sak Sue : ig: Polftein.] 8) Herjog von Schles⸗
La —— ——— —— — ——————
ant, ie —— — Bruno —— und burgiſchen Hauſes, geb. 25. Jan. 1526 in sheer a
cae eae tanat oii dy Bhili it. 1. Oft. 1586 in Gottorp, Sohn des Königs ried⸗
ey ah pecan tr I cen — —* 1544 mit ſeinen drei
—— at it et hee usaseTicactirva oven Briidern die ſchleswig-holſteiniſchen Lande und erhielt
Ont a iebrich TI it Des 1 i Anteil. Schon vorber hatte er dem
weber beB GR es ubcobinien f — €iber ales Sark — 154 Moris und vor Meg
—— —— te tact th ett 290 in Neuß. beigeſtanden; 1556 erbielt er das Bistum rie i
Se eecia’ wi, Gatidot i idhs- 155 t a er dic Dithmarfden und teilte deren
— wa — Gand angel Bruder Johann und ſeinem Neffen,
gap ii By Sropger oq von Luxem- Rönig Friedrid IT. Cr vermählte —— ——
TA. : ‘ ped | * aT ns * a on
pore on 24. Yuli 1817 * —5221 — a Tochter Ehilipps des Großmütigen
Dem er in öſterreichiſchem ilitärdienſt gejtanden, | F ; @. Friedeich, Mdnig vor
Sein rie Gettin, @ifabds Tome tes weitere Sheree oa te ane 1710 auf Gottorp, geſt.
Serhttiince Stunt tee % oi | 12. Febr 1771 in Stodholm, Sohn Herzog Chrijtian
Groffiirjten Michael, ftarb Anfang 1645 nad) faum | 12. Febr. —— rg harry
injabriger ¢ 3 fei t Prine | Auguſts von Holjtein-Gottorp, |
cinjabriger Ehe. Aus ſeiner zweiten Ehe mi u —— ————
i ii 5 der Erb: Biſchof von Lübechk, 17% t |
zeſſin Welheid von Deſſau (1851) ftammen Aa labios uel Weles Ulin tee
i : 1893 mit tums filr den unntiindige
pring Wilhelm (geb. 22. Upril 1852, feit tit | tur way tek tik eee
* eden fin otibe Ca BB rie rar pr | —— — “a —2 Reichstag zum
und die Prinzeſſin Hilda (ge 5. Nov, langen : finbertofen Sinine eriebrach T(t b.)
Beidwidtiqung dee reoolatondeen Bewegung von | qewawte, seit 1744 mit Lute Ulead. Sxtelte
1048 Wage @. Leto on oc Gpibe einer deutidhen | riedrid Gr., verhetratet, ftand er völlig unter
Bria — * — eh id aoe ipiiter ane | oon Cini bicker Stace, aber — *
itefeinbtiche ‘Bolitit cin. 1866 6} Diterreich, | Fiiritin, deren wenig erfolgreiche Politik nach feiner
heitsfeindliche Politi cin, 1866 hielt er zu Djterreich, Fürſtin, de — far becker Gees:
fein Bufludhtgort wurke Won 29, Sept. 1867 feof ex | lecung femmes fesgtthen Rechte fabete, ibe sbi
cin Sufludtsort wurde. Am 22. Sept. 7 ng | glic Bgl enh a
hen ei i , lichen Demütigungen feitens der a
mit vreußen einen Vertrag, der ihm eine U bfindungs | perſön
ſumme von 8,5 Will. Tir. zuſicherte und lebte hier herrſchen e 1766 Beitabe 8
Teunue joule auf Sobenburg ——
Taunus fowie auf Hohenburg in ern. S zur Fe a ‘ Setina® TL
8oöſterreichiſcher Schweſter Eliſabeth war die Mutter Katharinas
Sohn ward 1889 öſterreichiſcher General. Seit 1889 Schweſ 2 — ————————
Regent in Luxemburg für den ſchwererkrankten nie- | — aig rege patch : { —
derländiſchen König Wilhelm III., folate — | em a aa
23. Rov. 1890 als Grokberjog von uremburg, ſah S . 18s W401). ——
—5 F on ote 7 | ben), odbores bosiee Toe ont 1889, ward 1653
Yinfang Upril 1902 feinen Sohn Wilhe m S deg richall, 1657 voriibernebend Statthalter in
halter gu ernennen. Bal. Kolb, A. Großherzog von Reichsma P antares tee
Suuremburry (Wiesb. 1897). Preußen, follte nad teitamentariider Verfiiqung f
Adolf Friedrich — Adoxa moschatellina. 119
ne3 Bruders Karl X. Gujtav (j.d.) Mitglied der Vor- Val. Greve, De Adonide (Leipz. 1877); Mann-
mundſchaftsregierung Karls XI. werden, wurde aber | Hardt, Untife Wald- und Feldfulte (Berl. 1875);
1660 vom Reidsrat und Reidstag nicht bejtitigt | Baudiffin, Studien gur ſemitiſchen Religionsge-
und 1664 zur Unterjeidnung einer Cntjagungs- ſchichte, 1. Heft (Leip;. 1876).
urfunbde ate Adoniſcher Vers Qdonius), antifes Me—
Adolf Friedrid, engliſcher Pring, Herjog | trum, eine logaödiſche (j. d.) Dipodie, von der Form
von Cambridge, j. Cambridge 1). 6. B. Pallas honores, rojiger Morgen);
Adolfhafen, geräumiger, guter Hafen in Kaiſer dient meijt als Sdluj der Sapphiſchen Strophe.
Wilhelms-Land, ſüdlich vom Huongolf, unter 7°44’| Wdonisrdsdyen, ſ. Adonis.
ſüdl. Br. u. 147° 44/ öſtl. L., 1884 von Finſch entdedt. | Wdony, Markt im ungar. Komitat Weifenburg,
Adolfsdor, ſchwediſch-pommerſche Goldmiinje | an der Donau und der Eiſenbahn Stubhlweijenburg-
von 10,5 Wtf. Wert. Pals, Dampfſchiffſtation, mit Bezirksgericht, Hol3-
Adonai (hebr., der Name Gottes, Plural von ie und (1890) 4426 ungarifdjen und deutiden
Udon, »Herre, mit dem Suffix der erſten Perſon des Cinwohnern. Hier foll die rdmifde Stadt Vetus
ea eager Fürwortes). Die Yuden fpreden
dDiefen Ramen tiberall aus, wo in der Bibel der vier-
——— Gottesname JHWH (j. Jehova), deſſen
wirkliche Ausſprache unbekannt iſt, ſteht, und deſſen
Konſonanten meiſt mit den Vokalen von A. oder
Elohim (jf. d.) punktiert find. Vgl. Dalman, Der
Gottesname A. (Berl. 1889).
Adoni, Bezirlshauptſtadt im Diſtrikt Bellary der
britiſch⸗ ind. Präſidentſchaft Madras, an der Cifen-
bahn Madras -Vellary, mit verfallenem ort und
(1891) 26,243 Cinw.
Adonis L. (Udonisrisden, Teufelsauge),
Gattung der Ranunfulageen, benannt nad) Adonis,
aus dejjen Blutstropfen die Pflanze erwuchs, ein- Wdoragl (neulat.), bei Tieren: in der Nahe des
oder mehrjabrige Kräuter der nördlichen gemäßigten Mundes gelegen.
|
Salinum gejtanden haben.
Bone der Alten Welt, mit fiederteiligen Blattern, ein Adoration (lat.), Wnbetung (j. d.).
:
MAdoptianigmus, dic Lehre de3 Elipandus, Er3-
biſchofs von Toledo, und des Felix, Biſchofs von Ur—
gelles (Geit 818), wonach Chrijtus gwar feiner gitt-
liden Yatur nad der wirkliche Sohn Gottes, aber
feiner menfdliden Natur nad) als Sohn von Gott
Nur angenommien (adoptiert) fein foll. Die lebhaftes
Yrgernis erreqende Lehre wurde von der fränkiſchen
Rirde auf mehreren Synoden verdammt und durd)
Karls d. Gr. Schwert unterdriict.
Udoptieren (lat.), an Kindes Statt annehmen;
allgemein: anerfennen, billigen, fic) an⸗ oder zueignen.
doption, |. Unnahme an Kindes Statt.
eln gipfeljtindigen Bliiten und geſpitzten Sdlick- | Adorf, Stadt in der ſächſ. Kreish. Zwickau, Amtsh.
Priidhten. A.autumnalis Z., mit blutroten, am Grunde | Ol8nig, an der Eljter, Rnotenpuntt der Staatsbahn-
mit cinem ſchwarzen Fed gezeichneten Blumenblät⸗ linien Reichenbach Eger und Chemnitz -A., 482 m
tern, A. aestivalis Z., mit mennigroten, an der Baſis i. M., hat cine evang. Rirde, ein Amtsgericht, Runjt-
violettſchwärzlich gefledten Blumenblittern, und A. | weberei, Baumwollweberei und -Spinnerei, Stide-
vernalis Z., nut gitronengelber Blumenfrone, finden | rei, Fabrifation von Perlmutterwaren und Blas-
fid) in Deutfdland befonders auf Ralfboden, werden | injtrumenten und (1900) 6328Einw. A. erfdeint ſchon
als Rierpflangen fultiviert. Kraut und Wurzeln ent- | 1293 als Stadt. 1768 durch Feuer zerſtört.
halten ein Glyfojid, Udonidin, das auf das Hers, Wdoffieren (franj.), mit dem Rücken anlehnen;
wirft. Man benugt Wdonisblatter und Wdonidin arz⸗ abfdrigen, abdaden. Wdoffiert heift ein Vorblatt,
neilid) wie Digitalis, fie wirfen ſchneller als dieſes und wenn es feine Riidfeite der Ubjtammungsadfe zukehrt.
ſtärker auf den Darm, aber ohne kumulative Wirkung. Wdoucieren (franj., fpr. -dup-, —— mil⸗
Mdonis, im griech. Mythus cin Jüngling von | dern«, aud anlaſſen, tempern), oberflächliches
ſprichwörtlich gewordener Schinheit, Sohn des Theias | teilweifes Cntfohlen von Eiſenguß durch Glühen in
oder Kinyras und deſſen eiqner Todjter Myrrha oder | einer Umbiillung von fauerjtoffhaltigen Rirpern, wie
Smyrna. Als der Vater, des Frevels innegeworden, | Cifenoryd, Braunjtein rc. Geht der entfohlende Pro—
mit dem Schwerte die Todjter verfolgt, wird fie in | zeß durch das ganje Stück hindurd), fo erhalt man
einen Myrrhenbaum verwandelt, aus dejjen berjten- | ſchmiedbares Gußeiſen. Bgl. Anlaſſen.
der Rinde A. entſprang. Uphrodite iibergab das Rind | Adour (jpr. ada, fat. Aturius), Fluß in Siidfrant-
ber Perſephone, die e8, von feiner Schönheit beriictt, | reid), entipringt am Col du Tourmalet im Depart.
nicht wieder herausgeben wollte. Auf Zeus' Entideid | Oberpyrenden, durdjtrdmt das reigende Campantal,
verweilte U. zwei Drittel des Jahres bei Uphrodite, | die dicht bevilferte Ebene von Tarbes und die Gand-
ein Drittel bet Perjephone. Noch cin Jüngling, wurde flächen der Landes, wendet fic) dann in großem Bogen
er auf der Jagd von einem Eber tddlid) verwundet. | ſüdweſtlich und miindet, an Bayonne vorbeifliejend,
UW. (d. h. Herr) ijt eigentlich cin ſyriſch-phönikiſcher bei Boucau-Neuf in den Viscayifden Meerbujen.
Raturgott, ein Bild der nad furjer Blüte immer wie- | Vis 1579 ergoß ſich dev Fluß 30 km weiter nördlich
der erjterbenden Vegetation. Sein Kult ſcheint fic) | ind Meer. Bei St.-SGever wird der A. ſchiffbar. Seine
ſchon frith bei den Griechen verbreitet zu haben; unter | Lange betriigt 335 km; feine Hauptzuflüſſe find rechts
den Ptolemiern fam er nad) Ägypten, in dev Naifer- | der Vero8 und die Midouje, lints der Gabas, Luy,
zeit nad) Rom. Sein Fejt (Wdonia), an dent fic) be- | Gave de Ran, die Bidouze und Nive.
fenders Die Frauen beteiligten, fiel teils in den Friih-| Adoxa moschatellina L. (Bijamfraut,
ling, teils in den Hochſonimer; in jenem Fall wurde Mofdustraut), einzige Urt der Familie der Udora-
erjt fein Bild mit maßloſen Trauerbezeigungen bejtat- | geen, mit fleiſchigem, ſchuppigem Wurzeljtod, jarten,
tet, unt es dann mit ausgelajjenem Jubel wieder ju | langgejtielten, mehrfach geteilten Grundblattern, zwei⸗—
holen, im andern folgte der Feier des Lebenden die | blitterigem Stengel und fajt wiirfelformigem Bliiten-
Vejtattung. Cine befondere Rolle jpielten bei dent Feſte köpfchen mit 5 —7 Bliiten. Das ſchwach nad) Moſchus
dieWdoni Sgarten, Gefäße mit fiinjtlicd getriebenen | riechende mehrjährige Pflänzchen wächſt in Gebiijden
und fdnell welfenden Pflanzen; fie waren aud) ſprich⸗ in der nördlichen gemäßigten Sone und wurde früher
wörtliche Bezeichnung für alles ſchnell Vergängliche. | arsneilid) benugt.
120
Ad perpetiam memoriam (lat.), 3u immer: |
wahrendem Andenken.
Ad pias causas (aud) ad pios usus, lat.), »3u
frommen Zwecken«, namentlid) jum Bejten der Ar—
men, Rirden, Sdulenre., Forme! bei Vermächtniſſen.
Adqueſt (at., »Erworbenes<), ſ. Errungene Giiter.
Adra, Stadt in der fpan. Proving Almeria, Bezirk
Berja, an der Miindung des Fluffes W. oder Rio
Grande ins DMittelmeer, mit Bleiberqwerfen, Zucer-
plantagen, einem Hafen und (1897) 9210 Einw.
Udragantin, |. Bajjorin.
Adraha, Stadt, ſ. Edrei.
Adrammeled, cine Gottheit der Sepharviter, de-
ren Kultus diefe, als fie von Sargon nad) Samarien |
verpflangt wurden, ebendort beibebielten. Er bejtand |
wie ber be3 Unammeled darin, dak man Kinder
mit Feuer verbrannte (2. Kön. 17, 31). A. fcheint bier-
nad mit Molod) verwandt gu fein. Die (jyrifche?) |
Stadt Sepharvaim hat mit der babylonifden »Son-
nenjtadt« Sippar (ſ. Ubu Habba) nidts gu tun. —
A. hieß aud ein Sohn des affyrifden Königs San—
herib, ber im Verein mit feinem Bruder Sarezer 681
v. Ebr. im Tempel des Nisrod feinen Vater ermordete
(2. Rin. 19, 37). — Ferner ijt ein Teufel in Klopſtocks
»Meffias< Wdrameled benannt.
Adrampti, Stadt im türkiſch-leinaſiat. Wilajet |
Chodawendifjér, 8 km vom gleidnamigen Meer- |
bufen, auf Befehl des Kaiſers Alexios an Stelle des |
alten Udrampyttion 1100 erbaut, von großen Oibaum-
pilanjungen umgeben, mit 6200 Em.
Adramypttion, griech. Hafenjtadt in Myfien, an-
eblich vom Bruder des Kröſos von Lydien gegründet,
pater von Uthenern und Deliern befiedelt, 1100 n. Chr.
von dem tiirf. Seeräuber Tzachas verwiijtet. Rejte |
13 km fiidwejtlid) vom heutiqen Adramyti.
Adraͤr (U.-Tmarr), Daſe in der wejtliden Sa-
hara unter 19° nördl. Br. und 12° wejtl. L., 300 m
ii. M., in den Talern mit reidlidem Baumwuchs.
Unter 21° nördl. Br. befindet fic) ein großer Süß
waſſerſee, Den 12,000 Menſchen umwohnen. Gerſte,
Weizen, Mais, Hirſe und Waſſermelonen werden
angebaut; wichtig tit der Dattelhandel (ca. 150,000
Dattelpalmen). Gezüchtet werden Namele, Schafe, |
Biegen, Pferde und Budelrinder. Die Bevdlferung |
beiteht aus jtarf mit Arabern vermifdten Berbern,
Tuareg und Negern. Hauptort und Knotenpunkt des
Rarawanenhandels ijt Sdingeti mit 30,000 Einw.;
Wadan mit 12,000 Einw., Walata mit 8000 Einw.
A. tretbt bedeutenden Handel, namentlid mit Gal;
aus der Sebcha Iſchil. Die Dafe beſuchten 1850 Banet,
1860 Vincent, 1879 Soleillet; fie liegt in der fran-
zöſiſchen Intereſſenſphäre. Bgl. Bonelli, El Sahara |
(Wadr. 1887).
Udraftcia (qried)., »Ddie Unentrinnbare«), Bei
name Der Nemeſis (7. d.).
MAdraftos, im gried. Mythus König von Urgos, |
flob, von Amphiaraos vertrieben, nad Sifyon zu
feinemt mütterlichen Großvater Polybos, deſſen Thron
er erbte. Mit Amphiaraos ausgeſöhnt, kehrte er nach
Argos zurück. Auf Befehl des Orakels, ſeine Töchter
einem Eber und einem Löwen zu vermählen, gab er
Die Deipyle dem Tydeus, die Argeia dem Polyneiles
(f. d.), Die heimatsflüchtig nachts vor dem Palaſt des
A. gufanumengetroffen waren und die Haute jener
Tiere als Bekleidung trugen. Um Polyneifes wieder |
in fein Reich eingufegen, veranlakte UW. den Sug der
fieben Fürſten gegen Theben; er allein rettete ſich mit
Hilfe feines göttlichen Roſſes Arion. Zehn Jahre
darauf führt er Die Söhne der Gebliebenen, die Epi-
Ad perpetuam memoriam — Adreßbureaus.
gonen, su einent zweiten Zuge gegen Theben, erobert
und zerſtört es, verliert aber feinen Sohn Uigialeus
in der Schlacht und ſtirbt vor Gram auf der Riidfehr
in Megara, wo er, wie aud in Athen und Sifyon,
al8 Heros verehrt wurde.
Ad referendum ((at.), in Der Rechtsſprache: zur
Veridterjtattung, 3. B. einen Vergleich a. r. annehmen.
Ad rem (lat.), zur Gace.
Wdreffant (franj.), Brieffdreiber.
Wdreffat, Empfänger ciner Pojtfendung oder
eines Telegramms, die vom Wbfender auf dem Ver—
jendungsgegenjtand mit Namen bezeichnete Perfor,
Firma, Behörde ꝛc., welder der Gegenftand aus-
gehändigt werden foll. Die Bevollmadtiqung Dritter
tit zuläſſig (ſ. Voſtvollmacht). Gewöhnliche Brief-
ſendungen dürfen außer an den Adreſſaten an andre,
zur nähern Bezeichnungec. in der Aufſchrift (ſ. Adreſſe)
bezeichnete Perſonen, z. B. auch an den Hotelwirt, aus⸗
ehändigt werden. In Aufſchriften wie: an A zu
Banden des B, an A absugeben an B, an A fiir B,
an A unter oder per Adreſſe Des (aux soins de, care
of, c/o) B gilt A ſowohl als B als A. Wenn ein VW.
feine Sendungen auf Grund einer fdriftliden, in
Preugen mit 1 Me. ſtempelpflichtigen Erklärung ab-
holt, fet es am Schalter, fei es durch Schließfächer
. Poſtabholungsfächer), fo iſt die Poſt fiir die richtige
Beſtellung nicht verantwortlich und zur Prüfung der
Legitimation des Abholers nicht verpflichtet. Im
Reichspoſtgebiet hat der A. kein ſelbſtändiges Recht
auf Uushandiqung; ſolange fic) der Gegenſtand im
Gewahrſam der Poſt befindet, jteht nur dem Mbsfender
das Recht gu, fiber den Gegenjtand zu verfiigen; ct-
waige Erſatzanſprüche find daber vom Abſender geltend
ju maden. Bal. Poſtgeſetz, erliiutert von Dambad
(6. Aufl., Berl. 1901). — Im Wechſelverlehr ijt A.
foviel wie der Bezogene; vgl. Trafjieren und Wedel.
Adrefbuch (Adreßkalender), cin Verzeichnis
der Bewobhner einer Stadt, der Beamten eines Landed
(jf. Staatshandbuch) oder der Mitglieder gewiſſer Be-
rufé= oder Gefellichaftstiaijen, wobei diefelben nad
Namen, Titeln, Berufsgweigen und Wobhnungen,
meiſt unter Beifügung allgemeiner topographiſcher,
ſtatiſtiſcher und adminiſtrativer Mitteilungen, auf—
geführt ſind. In neuerer Zeit haben die Adreßbücher
für einzelne Induſtrie- und Handelszweige größere
Ausdehnung gewonnen. Aus der großen Zahl der—
artiger Radvidlagebiicher find anjufiihren die von
Leuchs in Nürnberg (⸗A. europäiſcher Exportge—
ſchäfte«,A. aller Vander der Erde⸗ in vielen Banden),
Regenhardt in Berlin, Fleifdymanns ⸗A. ded Welt-
handelS« (Leips. 1891 — 93, 3 Bde.), das von Unnede,
Rentzſch u. a. herausgeqebene »A. deutſcher Export:
jirmen« (daf. 1883 —85, 4 Bde.; neue Folge 1897)
und deren ⸗Reichsadreßbuch deutider Induſtrie- und
Handelsfirmen« (daſ. 1892—93, 2Hde.), das »Deut-
iche Reichsadreßbuch⸗ (2. Aufl., Berl. 1901, 2 Bde.),
Walendes ⸗Exportfirmenadreßbuch des Deutſchen
Reichs, Oſterreich Ungarns und der Schweiz «(3. Aufl ,
Leipz. 1896, 3 Vde.), das »Export-Handadrehbudh«
(8. Jahrg., Berl. 1901), das » Ojterreidhifche Reichs
Induſtrieadreßbuch« (Teſchen 1900), in England die
von Kelly (> Directory of merchants, manufacturers,
and shippers of the world«, zuletzt 1902) u. a. Bal.
A. der Adreßbücher, Verzeichnis von Fach- Handels-,
Stadte-, Länderadreßbüchern der Welt« (7. Jabrg.,
Leip;. 1902) und Mahlaus » Wdrefbiider = We.
Adrekbureans (Adreßkontore, Nachwei—
ſungsbureaus), Anſtalten, die ſich mit der Lieſe—
rung von Adreſſen aller Berufszweige und Stände
Adreſſe -
in allen Ländern befajjen und die Adreſſen geſchrieben
auf Kuverten, Karten, Klebezetteln oder in Lijten xc.
abgeben. Gelegentlid) werden wohl aud) Anſtalten,
Die fid) Der Stellenvermittelung (j. Stellenver-
mittelungsbureaus) und dem Urbeitsnadweis (jf. d.)
widmen, als YU. bezeichnet.
Adreſſe (franj.), die Aufſchrift (»Anſchrift«) bei
Poſtſendungen und Teleqrammen. Zur A. gehören
alle °Ungaben, welde bie Beforbderung und Uushandi-
an den Adreſſaten (ſ. d.) ficheritellen follen. Bei
un
—J—— muß ſich die A. auf der Außenſeite,
bet Paleten außerdem auf der zugehörigen Batet-
adreſſe befinden, bei Telegrammen muß jie getrennt
vom Text und der Unterjdrift aufgeführt werden.
Die A. muß den Beſtimmungsort und den Udrefjaten
in fo bejtimmter Bezeichnung enthalten, dak jeder
Ungewißheit vorgebeugt wird. Bei Pojtiendungen
— Orten ohne Woitanitatt ijt in Der YL. außer dem
Beſtimmungsort nod diejenige Poſtanſtalt angugeben,
von der aus die Vejtellung bewirft werden oder dic
Ubholung erfolgen ſoll. Bei Briefen nad) dem Wus-
lande wird zweckmäßig in der A. Die Sprache des Be—
ſtimmungslandes oder wenigitens lateiniſche Schrift
angewendet; bei Briefen nad) Rufland ijt das Gou-
vernement, bet ſolchen nad den Bereinigten Staaten
von Umerifa der Staat und womöglich aud) der
Kreis (county, parish) dem Beſtimmungsorte hinju-
jufiigen. Die Freimarten müſſen auf den Sendungen
jtets oben rechts aufgeflebt werden. Bei Briefjen-
Dungen nad Berlin ijt die Nummer der Bejtellpojt-
anjtalt, 3. B. Berlin W. 35, anjugeben. Über die A.
auf pojtlagernden Sendungen ſ. Bojtlagernd. Auf
der Außenſeite gewöhnlicher und eingefdriebener
Brieffendungen fonnen auger der A. des Empfdngers
die U. Des Ubjenders jowie weitere Angaben, die nidt
die Eigenſchaft einer brieflidjen Mitteilung haben,
und Ubbildungen angebradt werden, fofern die Auf—
ſchrift deutlid) und Raum fiir die Stempelabdriice rc.
bleibt. Bei Paleten muß die A. möglichſt unmittelbar
auf der Umbiillung angebracht werden; ijt dies nicht
mdglich, fo ijt eine haltbar befeftiqte Fahne aus Pappe,
Hol; u.dgl. anguwenden. Bei Telegrammen ijt die
Unwendung einer abgetiirgten W. (» Drahtanfdrift-),
die vorher ſeitens des Empfängers mit der Tele-
graphenanitalt feines Wohnortes vereinbart worden
tit, gegen eine Jahresgebühr von 30 Mark zuläſſig.
Der Inhaber darf diefe U. in den fiir ihn bejtimmten
Teleqrammen an Stelle des vollen Namens und be}.
der Wohnungsangabe anwenden lafjen. Telegramme
an Empfanger in Berlin ohne abgefiirste A. milſſen,
wenn fie durch Fernfprecher zugeſprochen werden
follen, vor der YW. YUmt und Nummer des Fernfpred-
anſchluſſes enthalten.
Im politijden Sinne heißt W. cine Zuſchrift,
worin Bitten, Bejdwerden, Vorſtellungen oder fon-
ſtige Rundgebungen gewiffer Geſinnungen, Grundſätze
oder Anſichten enthalten ſind. Adreſſen werden von
Verſammlungen oder Körperſchaflen, namentlich par-
lamentariſchen, an die Staatsregierung oder an eine
beſtimmte Behörde oder an ein ſonſtiges öffentliches
Organ gerichtet. Auch pflegen die Wähler nicht ſelten
in einer A. ihrem Abgeordneten ein Vertrauens- oder
Miftranensvotum ju erteilen. Die A. ijt em Wusdrud
der Unerfennung, der Villiqung oder Mißbilligung
und unterjdeidet ſich Dadurd von der Petition, die
unmittelbar etwas verlangt, und der Refolution,
die nur Wünſche und Unidauungen jum Wusdrud
bringt. Jn manden Verfajjungsurfunden ijt den
Kammern der Krone gegeniiber das Adreßrecht
121
ausdriidlid) eingeräumt. Die Verfaſſung des Deut.
ſchen Reiches enthalt cine folde Beſtimmung nidt.
Nad) der Geſchäftsordnung des deutichen Reichstags
wird der Antrag, eine U. an den Kaiſer zu ridjten,
wie ein andrer Antrag behandelt. Beſchließt der
Reichstag, die Borberatung des vorgelegten. Adreß⸗
entwurfs einer Kommiſſion zu iiberweifen, fo wird
dieſe aus dem Priijidenten des Reichstags als Bor-
fipendem und 21 von den Ubteilungen des Reichstags
zu wählenden Mitgliedern gebildet. Liegt cin Ent-
wurf einer YW. nicht vor, fo ijt diefer von einer in glei⸗
cher Weiſe zuſammenzuſetzenden Kommiſſion auszu—
arbeiten und dem Reichstag zu unterbreiten. Soll
die U. durch cine Deputation iiberreicht werden, fo
beſtimmt der Reichstag auf Vorſchlag des Präſidenten
die Bahl der Mitglieder, weld legtere dann durd das
Los gewählt werden. Der Präſident ijt Mitglied
und alleiniger Wortfiihrer der WdreRdeputation.
Adreſſen find im parlamentarijden Leben namentlid
al8 Erwiderung einer Thronvede gebräuchlich.
Adreffieren, etwas an jemand ridten, überſchrei—
ben, binweijen, empfeblen.
Adreffalender , ſ. Adreßbuch.
Udreffarte , Geſchäftskarte.
AdrefhFontore, ſ. Adreßbureaus.
Adrefſpartei, ungar. politiſche Partei im Reichs:
tage von 1861, die unter Dedf die namentlich auf
Wrederherjtellung der Verfaſſung und der Geſetze von
1848 geridteten Wünſche des Volfes in einer Adreſſe
an den König gum Wusdrud bringen und damit fid
zu BVerhandlungen bereit erflaren wollte, während
die Beſchlußpartei unter K. Tisza die Wiederher-
jtellung jener Geſetze durch Reichstagsbeſchluß be:
antragte. Die vom Reichstag 1861 und 1865 be—
ſchloſſenen Adreſſen rühren von Deal her.
Adrefrecht, ſ. Adreſſe.
Adrett (v. franj. adroit), geſchickt, nett.
Adria (dic), foviel wie Adriatiſches Meer.
Adria, 1) Dijtriftshauptjtadt in der ital. Brovin;
Rovigo, am Kanal Bianco und der Cijenbahn Ro-
vigo-Chioggia gelegen, hat eine ſchöne Rathedrale
(der Biſchof von A. refidiert in Rovigo), ein Gym-
najium und 1901) 15,678 Einw., die ſich mit Seiden-
fpinnerei und Berfertiqung von Flechtwaren beidiaf-
tigen. Zur Römerzeit lag A., Stadt der fieben Meere
enannt, in Laqunen nahe dem Weer, dem es den
—— gegeben hat; jetzt iſt es infolge Vorrückens des
Podeltas 22 km vom nächſten Küſtenpunkt entfernt.
Urſprünglich eine Gründung der Etrusfer, wie Aus—
grabungen ergeben haben, ward A. (oder Hatria)
von den Galliern erobert und fant infolgedejjen. —
2) (Madria) Stadt in Picenum, ſ. tri.
Adrialinie, |. Dampfſchiffahrt (Tertbeilage).
Adrian (or. edrian), Hauptitadt der Grafſchaft Le-
nawee im nordamerifan. Staate Michigan, am Raijin,
Adrianopel.
Bahnknotenpunkt, mit College, Bahnwerkſtätten,
Mühlen und (1000 9654 Einw.
Adrian, Name mehrerer Päpſte, ſ. Hadrian.
Adrianopel (tiirl. Edirne, bulg. Odrin), Wi—
lajet der europ. Türkei, zwiſchen Schwarzem, Mar—
mara- und Agäiſchem Veer, dem Wilajet Salonifi
und Djtrumelien, zählt auf 38,900 qkm vtwa 1 Weill.
Einw. (darunter 253,000 mohammedaniſche Tiirten,
485,000 orthodore und mohammedaniſche Bulgaren,
220,000 Griechen, 30,000 Armenier, 15,000 moham-
medanijde Zigeuner, 3500 orthodore Ulbanejen) und
jerfallt in 6 Sandſchals.
Udrianopel, befejtigte Hauptitadt des gleich—
namigen Wilajets (j. oben) in widtiger, beherviden-
122 Adrianopelrot — Adjdanta.
ber Lage an der Miindung der Tundfda und Arda | ijt einformig und arm an Budten, im NW. fumrpjige
in die Mariga, 49 m ii. ML, an der Orientbahn Bel- | oder von Lagunen begleitete Flachfiijte. Die Oſtküſte
qrad-Ronjtantinopel (mit Abzweigung nad) Dede- Dagegen ijt zerriſſen, felſig, jteil und umſäumt mit
agatid), hat enge, krumme, ſchmutzige Strafen. Be— | ciner didjten Nette von zahlloſen größern und kleinern
merfenswert find: die prachtvolle Moſchee Sultan langgeſtreckten Felſeninſeln und Riffen. Bedeutendere
Selims II. (16. Jahrh.), die von den griechiſchen Kai- Flüſſe, die in das Adriatiſche Meer münden, ſind nur
fern herrührende Michaelisbrücke und der 600 Schritt der Bo und die Etſch, die gleich den andern von den
lange Bajar Wi Pafdas. A. hat 71,000 Einw. (dare | Alpen kommenden Gewäſſern fortwahrend Land an
unter 23,000 mohammedaniſche Tiirfen, 30,000 ortho: | der Küſte anfegen. Die iibrigen aus Italien fonrmen-
Dore Griedjen und Bulgaren, 6000 Wrmenier, 8000 | den Flüſſe find faum mehr als Küſtenflüſſe, ebenfo
Yuden), geringe Induſtrie, befonders Weberei, Fabri- | die wenigen Zuflüſſe von der djtlichen Halbinfel: Na—
fation von Teppiden, Saffian und Ouittenfonfeft, | renta, Drin und Vioſa. Wis ein Teil des Mittel-
ijt aber Mittelpuntt des thraliſchen Handels. Der in | meeres beſitzt aud) die Adria den fehr hohe Sal3-
Der Nähe gewonnene Wein gilt als der bejte im der | gehalt desjelben. Der Grund des Meeres iſt in der
Türkei. U. ijt Sig eines griechiſchen Erzbiſchofs, von Nahe der Pomündung Schlamm, an der ijtrifden und
zwei bulgarifden und einem armenifden Biſchof und | dalmatifden Küſte Sand, Ralf und Ton, mit zabl-
eines deutidjen Vizekonſuls. — Wdrianopels älteſter reichen Muſcheln bedeckt. Die hauptſächlichſte, aber
Name ijt Uskudama (byzantiniſch aud) Orejtia) ſtets ſchwache Strömung geht an der dalmatiſchen
als Hauptitadt der thraliſchen Beſſier. Vom römiſchen Küſte von SO. nad) RW. und fehrt langs der italie-
Kaiſer Hadrian, der die Stadt verſchönerte, erbhielt fie | niſchen Küſte zurück. Ebbe und Flut jind ſchwach wie
ihre jebige Benennung (Hadrianopolis). In ihrer | im Mittelmeer; die Flut erreicht nur eime Hobe zwiſchen
Nähe fieqte Ronftantin d. Gr. 3. Juli 323 iiber feinen | 0,3 und 18m. Bon den Winden ijt der befanntejte
Mitlaifer Licinius und ſchlugen die Weſtgoten 9. Aug. | die Bora (j. d.). Gefährlich fiir die Schiffahrt ijt aud
378 den Kaiſer Valens. Nad) ihrer Eroberung 1361 | der Schiroffo. Die Fiſcherei ijt namentlich auf Thun-
durd) Murad I. war fie bis zum Fall Konſtantinopels fife, Sardellen, Matrelen, Meeraale bedeutend. Be-
1453 Refidens der osmaniſchen Sultane; jest nod) | riihmt find die Auſtern von Venedig; aud) Haie, Del-
heißt fie zweite Hauptitadt. Qin ruffifd)-tiirtijden | phine und Seehunde finden fid) juweilen cin. Yn
Kriege wurde A. 20. April 1829 durch den Feldmar- | Rovigno ijt eine biologijde Station. Pola ijt Haupt-
ſchall Diebitſch Sabalkanſty crobert, worauf 14. Sept. | friegshafen der k. u. k. Marine. Der widtighte See-
d. J. unter preußiſcher Bermittelung der Friede zu hafen ijt Triejt; Venedig hat fic) feit Crdjfnung der
A. geſchloſſen wurde. Die Pforte erhielt alle von den Brennerbahn wieder gehoben. Ungarn tut viel zur
Ruſſen in Bulgarien und Rumelien gemachten Er- Hebung von Fiume. Wusgangspuntt fiir den Pojt-
oberungen zurück. Der Pruth und von deſſen Miin- | und Pajjagiervertehr nad —R iſt Brindiſi. Einen
dung an das rechte Donauufer wurden als Grenze Kriegshafen erſten Ranges beſitzt Oſterreich an der
zwiſchen Rußland und der europäiſchen Türkei feſt- Südweſtküſte von Iſtrien in Pola, kleinere in Spalato
eſetzt, wogegen das ganze Küſtenland des Schwarzen und Cattaro, Italien in Venedig und Ancona. Den
eeres, von der Miindung des Ruban an bis zum Poſtdampferverlehr zwiſchen Den Hafen der Adria ver:
Hafen St. Nifolaus, Kaulaſien, der größte Teil des mitteln viele Linten des Oſterreichiſchen Lloyd, der
Paſchalils Achalzych, diefe Stadt felbjt und das Fort | ungarifden Wodrialinie, der Navigajione Generale
Wdhallalafi den Ruſſen verbleiben follten. Die Mol- Italiana und der Puglialinie. Deutſche Dampfer der
dau, Walachei und Serbien blicben unter tiirfifder | Levantelinie und der Slomanlinie beſuchen die Haupt-
Hoheit, erhielten aber eine von Rufland verbiirgte ae qelegentlidh. Bgl. Wolf und Lukſch, Phy—
Verfaſſung. Auch trat die Pforte den von den Groh: ſiſche Unterjudungen im Adriatiſchen und Siziliſch—
mächten 6. Yuli 1827 und 22. März 1829 iiber Grie- | Joniſchen Meer (Wien 1881); Sd weiger-Lerden-
denland gefaßten Beſchlüſſen bei. Für die feit 1806 | feld, Die Adria (daſ. 1883); Kriſch, Die Fiſcherei
von ruſſiſchen Kaufleuten erlittenen Berluite erbielt | im Wdriatifchen Meer (Pola 1899). Karten: ⸗Ge⸗
Rußland 1/2 Mill. Dufaten; die 10 Will. Dufaten | neralfarte in 4 Blattern nad den Aufnahmen der
ſtriegsentſchädigungskoſten wurden auf 7 Will. herab- öſterreichiſch-ungariſchen und der italienijden R riegs-
geſetzt. Zum gweitenmal wurde A. 20. Jan. 1878 | marines, 1:350,000 (3uletzt 1895, Triejt) u. »Küſten⸗
von den Ruſſen befest und am 31. dafelbjt der vor- | farte vom hydrographiſchen Amt der k. u. k. öſterrei⸗
läufige Wajfenftilljtand swifden Rufland und der chiſchen Krieqsmarine« (1890 ff, 6 Bl., 1:180,000).
Türkei unterzeichnet. Adritttra ( eigentlich adirittura, ital., »qeradezu,
Adrianopelrot, ſ. Türkiſchrot. direkt⸗), cin im Wechſelverkehr in verſchiedenem Zu—
Adriatiſches Meer (Adria, ſ. Karte »Mittel- | ſammenhange verwendeter Ausdruck; fo fiir das
meerlinder«), im Wtertum Mare Hadriaticum (aud Wechſelgeſchäft, das ohne Vermittelung cines Maklers
Mare Superum), der die apenninifde von der Balfan- | unmittelbar jwifden Dem Nehmer und Geber des
halbinjel ſcheidende Teil des Mittelmeeres, in dem Wechſels geſchloſſen wird; ferner fiir den Wechſel, der
dasſelbe fic) Dem Herzen von Mitteleuropa am meiften | direft auf den Ort lautet, wo durch Überſendung des
nabert, fo daß von Diefem cine natiirlide Straße nad) Wechſels cine Schuld getilgt werden foll; ferner mug
dent Orient geſchaffen ijt. Die nur 72km breite Meer- | der Deckungswechſel, durch weldyen der Trajfat (ſ. Wed:
enge von Otranto verbindet das Adriatiſche mit dem fel) vom Trafjanten die Decdung einzieht, direlt auf
Joniſchen Meer. Die Tiefe ijt verhältnismäßig ge- den Regreßpflichtigen und dejjen Wohnort gesogen fein.
ring; fie beträgt im S. 1000 m und erreicht gwijden Adſchanta (Ajanta, Wdjunta), Dorf in brie
Brindiji und Cattaro das Maximum von 1590 m, tiſch- ind. Staate Haidarabad, nördlich von Cllora
verringert fid) aber gegen N. bald auf 200, weiterhin (ſ. d.), berühmt durd die in den Fels cingehanenen
auf 50m. Das nördliche Ende bilden die Volfe von | 24 Klöſter und 5 Tempel der Buddhiſten, deren Wände
Venedig und von Tricit, weld) legterer durch die Halb- | mit Hresfogemalden versiert find. Ihre Aushöhlung
infel Yitrien von dem Guarnero oder Golf von Fiume geſchah zwiſchen 200 v. Chr. und 600 n. Chr. Bal.
qetrennt wird. Die Wejtfeite des Udriatifden Meeres | Burge, Buddha rock temples of A. (Lond. 1879).
Adſchmir
— Adula. 123
Adſchmir (Ajmere), Hauptitadt des britiſch-ind. .tigt dad elektriſche Iſolalionsvermögen. Auch in Flüſ⸗
Territoriunis Adſchmir-Merwara (ſ. d.), ander Eiſen- ſigkeiten gelöſte Körper (Salze, Farbſtoffe) können
bahn Bombay-VUgra, durch Zweigbahn mit der Linie | durch feſte Körper adſorbiert werden.
Bombay-Kalfutta verbunden, am Fuße des befeſtigten
Taragarhberges (870 m), mit (1901) 75,759 Einw.
Cs Hindu, fayt 2/s Mohammmedaner). A. ijt von einer
jtarfen Mauer mit fünf ſchönen Toren umgeben und
enthalt alte Prachtbauten, wie das Grabmal des von
Hindu und Wohammedanern verehrten Heiligen
Khwaja Sahib, an dejjen Fefttage an 20,000 Pilger
in Die Stabt ſtrömen, mit einent ſilbernen Bogen iiber
dem Eimgang und mebreren Mofdheen aus weißem
Marmor. VL. ijt Sig der britifden Verwaltung, hat
zwei Hdhere Lehranjtalten (Adſchmir- und Mayo-Col-
lege, letzteres für Den Radjdputana-Wdel bejtinumt),
unterirdiſche Wajjerleitung aus dent fiinjtliden See
Ana Sagar und bedeutenden Handel mit Salz, Baum-
wolle, Mohn, Mandejterwaren fowie jtarfen Geld-
verter. — A., 145 n. Chr. (?) qeqriindet, wurde 1559
von Ufbar feinem Reid) einverleibt, feitdem Lieblings-
reſidenz Des Großmoguls; 1756 bemiidtigten ſich die
Marathen der Stadt, die, fait ganz zerſtört, 1818 von
den Briten beſetzt wurde und danach fich ſchnell hob.
Adſchmir-Merwara, britijd-ind. Territorium
in Radſchputana, rings umgeben von Tributarjtaaten,
zwiſchen 25" 30’—26° 45’ nördl. Br. und 73° 53’—
75° 22° Oftl. &., umfakt 7021 qkm mit (1901) 476,330
Cinw. (Darunter etwa 70,000 Mohammredaner, 2500
Chriſten). Die hihern Klaſſen find Radjdputen. Der
cingiqe nennensiverte Flug ijt der Banas. Zwei Drittel
des von Ausläufern der Uravalifette durchzogenen
Landes ijt Witite; von 97,558 Heftar Ackerland wer-
den 28,159 Heftar künſtlich bewäſſert. Hungersyot
ijt häufig. Haupttulturen: Weiser, Baumwoile, Ol-
jcaten. Viehſtand 1891: 138,266 Rinder, 56,156
Büffel, 206,177 Schafe und Ziegen. Hauptitadt ijt
Adſchmir (ſ. d.). A. wurde 1818 von den Briten in
eae genommen und jteht unter dem politifden Agen⸗
ten für Radfdputana, der dem Generalgouverneur
von Yndien untergeordnet ijt.
Adscriptus glebae (lat.), an den Grund und
Boden gebunden, ohne Freiziigigheit, ein Leibeigner,
cin Höriger.
MAdfheren, ju den Weitqrufinern gehöriger Volfs-
ftamnt, (1891) 59,495 Köpfe ftarf, ime ruſſiſch-trans
laulaſ. Gouvernentent Rutais.
_ Adffribieren (lat.), zuſchreiben, zueignen; Wd-
jfription, Zuſchreibung.
Adforption (lat.), die Eigenſchaft feiter Körper,
Die fie umgebenden Gafe an ihrer Oberflaide gu
verdichten; jeder Körper bedeckt fid) an der Luft oder
in einem andern Gas mit einer verdidteten Gasſchicht,
die Durd) Wdhafion fet an ihm haftet und nur durd
re in oder Putzen mit Alkohol, geglühtem Tripel,
Nohlenpulver rc. entfernt werden fann. Diese A. hängt
bon der Größe der Oberfläche des Körpers ab und
seigt ſich befonders bei pordfen Körpern (Holzkohle), |
well die Innenwände der unzähligen feinen Höh—
lungen cine auferordentlid) große Oberfläche bieten.
So verfdludt friſch geqliihte Buchsbaumkohle 35
Rauntteile Kohlenſäure und 90 Raumteile Ammoniak.
Durch die Verdichtung des adforbierten Gafes findet
Erwirnuing jtatt (ogl. Byrophore und Feuerzeuge
Obereiners Feuerzeug)). Viele Körper adforbieren
Waſſerdampf aus der Luft und verdidten ihn yu
Waſſer; feſte Körper werden dadurch feucht und zer—
fließen endiich in Dem Waſſer, z. B. Pottaſche, Chlor
caleium (hygroffopifdhe Körper). Die auf Glas
In feuchter Luft fid) bildende Waſſerhaut beeinträch—
Udftringieren ({at.), zuſammenziehen, jtopfen.
Udjtringierende Mittel (Adstringentia, zu—⸗
fammengtehende Urgneimittel) gehen mit den
eiweigartigen und ———— Gewebsbildnern feſte
Verbindungen ein und bewirken dadurch eine Zuſam—
menziehung der Faſern der tieriſchen Gewebe. Durch
Fällung der Eiweißſtoffe des Blutes und gleichzeitige
Verengerung der kleinen Blutgefäße, deren glatte
Muskelfaſern durch a. M. zur Kontraktion angeregt
werden, ſtillen ſie kleine Blutungen (blutſtillende
Mittel, Styptika). Bei Hautfranfheiten mit ver-
jtartter Ubjonderung der Hautfläche (Verbrennungen,
Aufliegen rc.) bringen a. M. das in den Sefreten der
wunden Flächen enthaltene Eiweiß zur Gerinnung,
erzeugen Dadurd) einen ſchützenden überzug und be-
ſchränken andernteils die franfhafte Sefretion. Ähn⸗
lid) werden a. WM. bei Blutiiberfiillung, Ratarrhen,
Eiterflüſſen u. oberflächlichen Geſchwüren der Schleim—⸗
haute angewendet. Zu ſtark und zu lange angewendet,
a fie bie Schleimhäute und können Entzündung
und Zerjtirung der Gewebe herbeifiihren. Am wid
tigſten ijt das Tannin, dann Wbfodungen der Eiden-,
Ulmen-, BWeiden- und Chinarinde, von Kampeſche—⸗
hol; ꝛc. Rino, Ratedhu, die Ratanhawuryel rc., ferner
eſſigſaures Blei (Bleizucker), Eiſenchlorid, Kupfer: und
Zinlvitriol, jalpeterjaures Silber (Hdllenjtein) aun.
Als Styptifa anwendbar find vornehmlid) Gerbſäure
und Gitenchlorid.
Ad turpia nemo obligatur, lat. Spridwort:
»Zu Schindlidem ijt niemand verpflicdtet«.
Adia (Udb6a, Uddswa), ſchmutzige, enggebaute
Stadt im Lande Tigré in Wbeffinien, unter 14° 10°
nördl. Br., mit 3000 Einw., vielen Kirchen, darunter
Die Dankestirde fiir die Siege tiber Aqupten; bedeu-
tender Fabrifplag fiir Baumwollenſtoffe und Haupt-
jtapelplag fiir ben Handel mit der Küſte. — Hier
jiegte 1. März 1896 Konig Menelif über den italieni-
ſchen Oberbefehishaber Baratiert: General Dabor-
mida fiel, die Generale Urimondi und Ulbertone, der
gu weit Dorgedrungen war, Oberjtleutnant Galliano,
1800 andre Offijiere und Mannſchaften gericten in
Gefangenſchaft und 50 Gefdiige gingen verloren (val.
Ubeffinien, S. 35).
WMdudtuFer (Aduatuci), —— Völkerſchaft im
belgiſchen Gallien zwiſchen Maas und Rhein, Ab—
kömmlinge der Cimbern und Teutonen, wurden 57
v. Chr. von Cäſar unterworfen, betciligten ſich aber
54 und dfter an Aufſtänden der ihnen benadbarten
Eburonen und Rervier. S. aud) Tungrer.
Mdiier (Häduer), Völlkerſchaft im lugqudunen-
ſiſchen Gallien swifden Loire und Sadne, jtand ſchon
vor Cajars Heit mit den Romern int Freund{dhafts-
bund. hr Streit mit den benachbarten Sequanern
rief Urioviftus nad Gallien, der die A. unterwarf;
nad ihrer Befreiung durch Cäſar genoſſen fie deffen
Gunjt. Ihr Wufitand unter Julius Sacrovir (21
n. Chr.) wurde von dem Legaten C. Silius leicht be-
wiiltigt; unter Kaiſer Claudius erhielten fie als erjte
—— Völlkerſchaft das ius honorum. Ihr höchſter
aq ſtrat hieß vergobretus. Hauptitadt war Bibracte
oder Auguſtodunum (Autun); andre Orte: Cabillo—
num (Chalon-fur-Sabne) und Noviodunum oder Ne⸗
virnum (Revers).
Adufe (arab.), Scellentromme!, Tamburin.
UDdiila, mächtige Gebirgeqruppe der Gneisalpen-
zone der Ojtalpen (f. Alpen), zerfällt durch das Bal
124
Mefocco, den Bernhardin und das Hinterrheintal in
Die Gruppe des Rheinwaldhorns im BW. und N. und
in die Kette des Tambohorns im O. und S. Das
Rheinwaldhorn erreidt im Piz Valrhein 3398 m;
an feinem Ojtabhang entipringt aus dem Zapport-
gletider der Hinterrhein. Bedeutende Vipfel ind hier
nod) das Güferhorn (3393 m), der Bogelberg (3220 m)
und das Fanellahorn (3122 m). Nach R. gehen zwei
im BVerlauf fich fpaltende Hauptzüge, welche die Berg:
täler Lugnez und Safien einfaſſen, nad) S. zwei, das |
Bal Calanca einſchließend. Die ſüdlich gerichtete
Tambofette gipfelt im vergletiderten Tambobhorn
(3276 m) und verliert am Bak von San Jorio (1656 m)
den Hodgebirgsdharatter. Das Rheinwaldhorn be-
ſtieg zuerſt der Difentifer Rater Blac. à Specha (1789),
das Tambohorn J. J. Weilenmann 1859.
Mdular, Mineral, f. Orthoklas.
Adulation (lat.), Schmeichelei.
MdAlis (jet Zulah), griechiſche, zur Ptolemiier-
gett bliihende Hafenjtadt am jesigen Annesleygolf de3
oten Meeres, ſüdlich von Maſſaua, die Elfenbein,
Stlaven, Felle und Schildpatt ausfiihrte. Cine zweite
Blütezeit erlebte UW. unter den Königen von rum,
fiir Deren Staat es Hafenplas war. Im 6. Jabhrh.
fand hier der Qndienfahrer Kosmas das fiir die alte
Geographie jener Gegenden wichtige Monnmentaum
Adulitanum, eine Inſchrift des Ptolemãos IT. Euer-
getes. Bal. Ufritanifdye Wtertiimer.
Adullam, alte fanaanit. Stadt, im Gebicte ded |
Stammes Juda, befannt durd die HdHle, in der fid |
der Sage nad (in Wahrheit war es cine Burg) Da-
vid vor Saul verbarg. Nach der Tradition ijt es die
Höhle bei Charetiin unweit Bethlehem. Doch lag A.
wahrſcheinlich bet Der Ruine Yd el-Mije. — Wdulla-
miten war in England 1866 wahrend der Debatten
liber die Reformbill ber Spigname von cinigen Miß—
vergniigten der liberalen Bartei (Lord Elcho, Robert
Lowe ꝛc.), Die mehrfad mit den Konfervativen ftimm-
ten und den Sturz des Miniſteriums Rujjell-Gladjtone
herbeifiibrten.
Adulter (lat.), Ehebrecher; Adult era, Ehebredhe-
rin; adulterteren, chebreden, verfaliden; Adul—
teration, Berfalidung; Adulterium, Ehebrud;
Udulterinus, tm Ehebrud erzeugtes Rind.
A dar (ital. La maggiore, fran3. La majeur,
engl. A major), in Der Muſik foviel wie A mit großer
Ter}; A dur-Wfford — a cise; A dur-Tonart
mit Drei vorgeseidneten Kreuzen, ſ. Tonart.
Aduröl, cine photographiiche Entwicklerſubſtanz,
beiteht aus Monodlorhydrodinon.
Advaita (janstr.), Richtdualismus, Monismus.
So heißt das VBedantajyitem (f. Andifche Philofophie),
infonderheit in der ftreng moniſtiſchen Geſtalt, die thin |
der qroke Lehrer Canfara (um 800 n. Chr.) qeqeben
hat, während die Lehre des Rämänudſcha (12. Jahrh.
n. Ebr.), nad der das all-cine Brahma in ſich felbjt
Clemente der Vielheit tragt, als vicishta-advaita
(qualifijierter Nichtdualismus) bezeidnet wird. Bal. |
Thibauts Cinleitung zu feiner Uberjegung der >» Ve-
dinta-Sitras« (»Sacred Books of the East«, Bd.
34, Yond. 1892).
Ad valorem (lat.), nad) dem Wert, gebräuchlich
von nad) dem Werte der Waren bemejjenen Zöllentſ. d.).
Ad valvas curiae (lat.), an den Rathaustiiren |
(namic) anjufdlagende Vefanntinadung).
Advent (lat., »Ankunft«), die Vorbereitungszeit
auf die Werhnadtsfeier, im der griechiſchen Mirdhe 40 |
Tage umfajjend, in der lateiniſchen mit dem vierten |
Sonntag vor Weihnachten beginnend, der jugleich |
Adular — Advocatus diaboli.
als Unfang des Rirdenjahres gilt; urfpriinglid, und
in der fatholifden arihe nod) heute, eine Fajtenjeit ;
nachweisbar feit dem 6. Jahrh.
Udventiften, religidje Sette in ben Vereinigten
Staaten von Nordamerifa und in England, die an
ein in nächſter Zeit fommendes tauſendjähriges Reid
laubt, das mit Chrijti Wiederfunft in fidtbarer Ge-
—* beginnen foll (vgl. Chiliasmus). Der Gründer
der Sekte, William Miller (geb. 15. Febr. 1772 in
Pittsfield, Maſſachuſetts, geſt. 20. Dez. 1849 in Low
Hampton, Rew York), ſcharte ſeit 1831 in Rew VYork,
Maſſachuſetts, Maine rc. viele Unhanger (Mille-
riten) um fic) und fagte den —— Welt
zuerſt für März 1843, dann 1844 vorher. Nad) dieſen
Mißerfolgen trat eine Spaltung in mehrere Sekten
(Evangelical Adventists, Advent Christian Church,
Seventh-Day Adventists, Life and Advent Union
und Age-to-come Adventists) ein, Die nur in einigen
Punkten ihres religidfen Befenntnijfes voneinander
abweiden, wie 3. B. über die Uuferjtehung der Böſen,
liber Unjterblidfeit u. a. Jede der oben aufgefiibrten
Abteilungen unterhalt wenigitens cine Zeitſchrift, aud
ſonſt ijt die publiziſtiſche Tätigkeit der A. fehr rege.
Ihre fonjtige Organifation ijt mit wenigen Ausnab-
men ziemlich loſe; ihre Rirden beſitzen ſehr wenig
Eigentum, ihre Prediger finden ihren Lebensunter-
halt fajt ausſchließlich außerhalb ihres geiſtlichen Be-
rufs. Die Seventh-Day Adventists (Sabbatarier,
Sabbatijten), die den jüdiſchen Sabbat feiern und
jtreng mäßig leben, treiben durch Wanderlehrer überall
| eine jtarfe und gut —— Propaganda (deutſches
Hauptorgan: »Herol
der Wahrheit«). Die europai-
ſche Generalfonferens hatte 1901: 7700 Mitglieder,
gu denen die 3 deutſchen BVereiniqungen (40 Prediger,
63 GWemeinden) 2033 ftellten. Jn den Vereinigten
Staaten zählte man 7 Unionfonferenzen mit 65,000
Wliedern. Val. Dresbach, Die protejtantifden Set-
ten der Coes: (Barm. 1888). -
Adventivbiloungen , |. Vildungsgewebe.
Adventivfuofpe, |. Knoſpe.
Adventivivursgel, |. Wurzel.
Adventizgut, |. Pekulium.
Adverbaler Kaſus, ſ. Kaſus.
Adverbium (lat.) Umſtandswort, Beſtim—
mungswort, wortlid »der beim Verbum ſtehende
Redeteil⸗, der die Bedeutung desſelben näher beſtimmt,
z. B. »fchlaf wohl«. Der Name A. ijt cine Uberfegung
der von den alexandriniſchen Grammatikern ded Ulter-
tums herrithrenden Bezeichnung Epirrhema. Ihrer
Entitehung nad find die meijten Adverbien urfpriing:
lic) Rajus von Subjtantiven, die aber nicht mebr a's
jolcbe empfunden werden, 3. B. swunderbareriweije-,
sabends«. Yn jeder Sprache finden fid) gu allen Rei:
ten lebendige Rajusformen im Ubergang jum A. be-
qriffen, bei und heute 3. B. »ftehenden Fujes« u. dg.
Adverſarien (lat.), bei den Rdmern foviel wie
Kladde, Brouillon; aud) cin Konzeptbuch, insbef. (ſcit
dem 15. Jabrh.) cine Sanuntung von Notizen fiber
Geqenitinde der Grammatif, Bbhilofophie re.
Dverfitat (lat.), Widerwärtigkeit, Mißgeſchidck.
Advertiser (engL., for. dodwertaijer), Anzeiger, Name
engliſcher Seitungen.
Advocati ecclesiae (Defensores, Actores ec-
clesiae , lat.), ſ. Kirchenvogt.
Advocatus diaboli (lat.), Teufelsadvolat, Be—
zeichnung deſſen, der beim Kanoniſationsverfahren
(j. Heilige) von Amts wegen Bedenten gegen die Hei-
ligſprechung anjubringen bat. Die Verteidigung
iibernimmet ibm gegeniiber der advocatus dei.
Ad vocem — Yéroflinojfop.
Ad vocem... (fat.), »zu dem Worte ...« (ijt zu |
| Bec 1602 in Delft, gejt. 1658, cin ausgezeichneter
bemerfen, dabei fallt mir etn),
fran}. & propos.
Advofat (lat.), Rechtsbeijtand, Sadwalter, friiher
aud) Bors und Fürſprecher genannt ; eigentlich, wer
neben einer Partei vor Geridt auftritt, im Gegen-
fage zum Brofurator oder Anwalt (vgl. Anwalt und
Redtsanwalt).
Advofatenbirne, ſ. Persea.
Advofatenfammer, ſ. Anwaltslammer.
ähnlich gebraucht wie
125
Aelſt Gr. an, 1) Evert van, niederländ. Maler,
ertreter des Stilleben= und Blumenfades, deſſen
| Bilder aber felten find. — 2) Willem van; Neffe
und Sdjiiler des vorigen, geb. 1620 in Delft, geſt.
1679 in Umijterdam, malte ebenfalls Stilleben mit
länzendem Rolorit, befonders mit Friidten, toten
Vögeln und Gefäßen aus Rrijtall, Gold und Silber.
Meltre (fpr. altre, Walter), Flecken in der belg.
Provinz Ojtilandern, Yrrond. Gent, an der Eiſen—
AUdvofaten-Kurrentientarif, in Ojterreich der | bahn Briijjel-Ojtende, unweit ded von Gent nad
Rame fiir die Gebiihrenordnung der Udvofaten. Bur | Briigge fiihrenden Kanals, mit Holz-, Butter- und
Zeit gilt der UW. vom 11. Dez. 1897 mit Ubanderung | Leinwandhandel und (1900) 7265 Cinw.
vom 16. Rov. 1898.
Aér (lat. u. griech.), Luft, atmoſphäriſche Luft; viel-
Advofatiir (lat.), Rechtsanwaltſchaft; Wirkungs- — etzungen: Aërobat, Aëronautiku. a.
kreis eines Rechtsanwalts (ſ. d.).
Advozieren (lat., »herbeirufen<), als Rechtsan⸗
walt Prozeſſe führen.
(pr. ed, Sir John Miller, brit. General,
qeb. 1819 in Rent, gejt. 26. Aug. 1900, trat 1836 in
ndim, ſ. Durdliijtungsgewebe.
Aérides Zour. (Quftblume), Gattung der Or-
Hidazeen, mit fleijdigen Luftwurjeln an Baumjtim-
nen baftende Bewohner feudjter Walder im warmen
Ujien, mit zweizeiligen, ſchmalen, lederartiqen Blat-
die Urtillerie, madjte den Rrimfrieq und den Kampf | tern und grofen, pradtvoll gefiirbten Bliiten in lan-
gegen die Sepoys als Generaladjutant der Yrtillerie | gen, hängenden Trauben, jeltener in Rijpen. Bon den
nut, nahin 1863—64 am Feldjug in Ufghanijtan teil | 15 Urten werden A. odoratum Lour., mit 30—45 cm
und ward 1870 Direftor der Urtillerie im Kriegs—
minijtertum, 1875 Generalmajor und Gouverneur
der Militarjdhule in Woolwid, 1879 Generalleutnant
und 1884 General. 1882 war er Generaljtabsdef
Wolſeleys während des agyptifden Feldzuges und
darauf bi 1886 Gouverneur von Gibraltar. Er ſchrieb:
»The defence of Cawnpore in Nov. 1857« (Lond.
langen Trauben, wei, und rot gefledten, jehr wobhl-
ri den Blüten, u. a., in Warmhäuſern hiltiviert.
Arius, Presbyter zu Sebajte in Pontus (um
| 355), veranlapte cine Rirdhenjpaltung, weil er, ob⸗
wohl ſelbſt Asket, das gebotene Fajten, die iiber-
ſchätzung der Eheloſigkeit, die Fiirbitte fiir Die Ver—
jtorbenen, aber aud) die geijtliden Vorrechte der Bi-
1858); »A review of the Crimean war in the winter | ſchöfe als der freien Suttlidfeit widerſprechend be-
of 1854—1855« (1860); »Sitana, a mountain cam- | fampjte. Weil die Protejtanten ähnliche Vorwiirfe
paign in 1863« (1867); »The British Army in 1875« | gegen die katholiſche Rirde erhoben, gab man ihnen
(1875); »Recollections of a military life« (1895). |
Adynamte (qried).), Kraftloſigleit, Schwäche.
AdbHton (qriech.), das Allerheiligſte von griechiſchen
Tempeln und Rirden, in das nur die Priejter ein-
treten dDurften; ſ. Tempel.
itation, ſ. Beiladung.
Medon, im griech. Mythus Todjter des Randareos |
von Milet, Gemabhlin des Zethos von Theben, Mutter |
des Itylos. Reidifd) auf den Kinderreichtum ihrer |
Sdhwagerin Niobe (j. d.), will fie deren Altejten Sohn |
ermorden, titet aber verjehentlic) ihr Rind. Reus
vberwandelt die Verzweifelnde in die Nachtigall, dic |
ihren Sohn immer beflagt. Nad) Späteren ijt ihr
Gatte der Künſtler Polytednos zu Kolophon in Ly—
Dien. Als fie ihr Eheglück fiber das der Hera ftellt, |
erregt diefe zwiſchen dem Baar einen Kunſtwettſtreit,
den Kegernamen Werianer.
Aërobãt (gried)., »-Luftwandler<), Seiltinger;
jpottweije foviel wie Ideolog.
Aérobien (griech.), niedere Organismen, die ohne
asförmigen oder in Waſſer geldjten Sauerſtoff nidt
eben finnen, im Gegenjage ju den Unaerobien,
die nur bei völliger Abweſenheit von freiem Gauer-
jtoff leben (obligate Unaérobien) oder wenigitens
auch bei völligem Sauerſtoffmangel gu leben vermögen
(fakultative Unaérobien).
Aërobomben (griech.⸗franz.), ſ. Qufttorpedos.
Aérodynami (qricd.), ſ. Aeromechanik.
Aërodynamiſches Paradoxon, die von Clé⸗
ment und Deſormes 1826 beſchriebene Erſcheinung,
die ein in einen Trichter gelegtes Papierfilter zeigt,
wenn man verſucht, es hinauszublaſen. Durch den
in dem A. mit Heras Hilfe ſiegt. Polytechnos rächt Luftſtrom wird die Luft zwiſchen Trichterwand und
ſich durch Schändung ihrer Schweſter Chelidonis. Wis Papier teilweiſe mitgeriſſen, es entſteht ein luftver-
ſie mit dieſer dem Polytechnos den eignen Sohn Itys dünnter Raum, und der äußere Luftdruck preßt das
zur Speiſe vorſetzt, werden ſie alle in Vögel verwan⸗
delt. der Mann in einen Pelikan, A. in cine Nachti-
gall, Chelidonis in eine Schwalbe.
Mela (pr. ata), Piz d', f. Err, Piz d’.
Aelen cpr. Men), ſchweizer. Ort, ſ. Wigle 1).
Melfric (pr. &-), Name von vier angeljadj. Kirchen⸗
männern, deren Perſönlichkeiten und Werke häufig
verwedfelt werden: 1) Wbt von Malmesbury, am
Ende des 10. Jahrh., dem cin nicht mehr vorhandenes |
Werf: »De naturis rerum«, beigelegt wird. —- 2) A.
von Canterbury, ein pradtliebender, kriegeriſcher
Derr aus einer edlen Familie Kents, Biſchof in Wile |
ton und 995 Erzbiſchof von Canterbury, was er bis
zu feinemt Tode (16. Nov. 1006) blieb. — 3) Erzbiſchof
von York, 1023—51, mit dem Beinamen Butta. —
4) U., der Mönch und Schriftſteller in der nationalen
Sprache, ſ. Angelſächſiſche Sprade und Literatur.
Papier an die Tridterwand.
Meroe (Arrö), din. Inſel, fiidlid) von Fünen,
jum Amt Svendborg gehörig, 92 qkm (1,60%.) mit
(1901) 12,509 däniſch fpredjenden Einwohnern, cin
hügeliges, frudjthares und waldlofes Land. A. ge-
hörte friiher zu Schleswig, wurde aber 1864 an Diine-
mart abgetreten. Hauptorte find Aeroeskjöbing
und Marjtall (ſ. d.). Nicht gu verwedjeln mit
Aarö (j. d.).
Mérogamen (qricch.), foviel wie Bhanerogamen,
weil bei thnen die Bejtiubung der Narbe an freier
Luft erfolgt.
Aërokarpie (qricd.), Eigenſchaft der Pflanzen,
die Frucht in der Luft zu entwickeln, im Gegenſatze zu
Geokarpie (j. Erdfrüchtler).
Aëroklinoſkop (qried.), Sturmwarnungsſignal
an der Küſte, cin Hober Pfahl mit Querarm, deſſen
126 Aérolithen
nad R. weifende Halfte rot, die fiidlide wei} ange-
jtrichen ijt. Steht der Arm horizontal, fo ijt fein
Sturm ju befiirdten, das Wetter ijt aber um fo drohen-
Der 3u erwarten, je hier das ſüdliche Ende des Quer—
armes aufgejogen ijt.
Aérolithen (qried., »Luftiteine<), Meteorjteine.
Méromechanif (griech, Bueumatif), die Lehre
von dem Gleichgewicht (Wéeroftatif) und der Bewe—
qung der luftformigen Körper oder Gaſe (Wero-
dynamif).
Méronantif (qricd.), Luftſchiffahrt; Merona — t,
fabrt.
— f
onautiſches Objervatorium, ſ. Luftſchiff⸗
Aérdpe, im griech. Mythus Tochter des Katreus
von Kreta, Gemahlin des Utreus (j. d.), Mutter des
Agamemnon und Menelaos, wurde wegen Buhlſchaft
mit Thyeſtes ins Meer geworfen.
Mérophon (griech.) von Ediſon erfundenerSignal-
apparat, der die menſchliche Stimme auf größere Ent-
fernungen hörbar madt. Er bejteht aus einem groken
Spradrobhr mit telephonifd)-phonographifder Platte.
Wird gegen legtere geſprochen, fo öffnen und ſchließen
ihre Schwingungen ein Ventil in der durd den Balg
ay Tönen gebradten Pfeife und gwingen den tönen⸗
en Luftitrom, jene Sdwingungen ju wiederholen,
mithin in feinem Rlange gleichzeitig die Artikulation
der menfdliden Stimme wiederjugeben. Gewiſſe
Worte find auf 6—7 km Entfernung Hirbar. — Auch
foviel wie Harmonium.
Aérophor (griech.), cin Turbinenventilator (von
Treutler u. Schwarz in Berlin) mit Waſſerbetrieb zur
Reinigung der Luft in gefdloffenen Raumen; aud
ein Utmumngsapparat fiir Taudjer. Bal. Refpirations-
apparat. ſchiffahrt.
Aéroplan (griech.), Flugmaſchinentypus, ſ. Luft⸗
Aéroffop(gried.), von Pouchet angegebener Appa⸗
rat zur Unterſuchung von Luft auf ihren Staubgehalt,
bei dem ein Luftſtrom gegen eine mit einer Miſchung
aus Traubenzucker und Glyzerin überzogene Glas—
platte getrieben wird. Die Platte fängt die Staub-
teilden auf, die nad) Durdhgang einer bejtimmten
Menge Luft durd) den Upparat mifroffopifd gezählt
und näher unterfudt werden.
Aéroftat (fran;., v. Griech.), der Luftballon.
MéroftatiF (qried).), ſ. Ueromedjanit.
Méroftation, ſ. Luftſchiffahrt.
Aëroſtatiſche Preſſe, |. Auslaugen.
Aẽëroſtatiſche Wage, |. Archimediſches Prinzip.
Aéroftier (franz., (pr. acroſtje), Luftſchifferſoldat.
Aërotaxis (griech.), der beſtimmende Einfluß, den
die Luft, bez. deren Sauerſtoff, auf die Bewegungs⸗
richtung von Organismen übt. Gewiſſe Balterien u. a.
ſammeln ſich an Orten höherer Sauerſtoffſpannung
an; andre fliehen nach den Orten geringſter Sauer—
ſtoffſpannung.
e (griech.) Utmungsturen (ſ. Qne
halationskuren und Pneumatiſche Kuren).
Mérothermotherapie(qricd).), Cinatmung heifer
Luft zu Heilgweden.
onometer (qried.), cine von Pflüger er-
fundene Borridtung jum Meſſen der Spannung der
im Blute vorhandenen Gaje.
MUérotropismus (griech.), Beeinfluffung der
Badstumsridtung von Pflanzenteilen (5. B. Wur-
— Wétius.
Knotenpunft an der Eiſenbahn Uachen - Antwerpen,
hat cine gotiſche Pfarrfirde aus dem 14. Jahrh.,
eine Staats-Rnabenmittelidule, cin biſchöfliches In—
jtitut St. Joſeph, Brauereien und (1900) 6956 Einw.
In der Nahe iiberrejte eines Turmes aus der Romer:
jeit. — A., im Wittelalter cine Baronie, wurde 1507
gum Marquijat und 1533 zum Herzogtum erboben.
Aerſſen (pr. arfier), Francois van, Herr von
Sommelsdyk, niederl. Staatsmann, geb. 1572,
ejt. 27. Dex. 1641, wurde friih der niederlandijden
ſandtſchaft su Baris beiqegeben und 1598 Gejandter
in Paris. Nad) dem Tode Heinrichs IV. (1610) feines
Pojtens enthoben (1613), wurde er der Feind Olden-
barneveldts (jf. d.), Dem er feine Entlajjung zuſchrieb.
Unter den Prinzen Morig und Friedrich) Heinrich half
A. lange die Beziehungen der Republif jum Aus—
lande leiten. Er wurde 1620 mit einer auferordent -
lichen Geſandtſchaft nach Venedig geſchickt, ſpäter wie-
derholt nach England und Frankreich: Richelieu ſchätzte
ihn hoch.
Meted, im griech. Mythus Sohn des Helios, König
von Aa (Kolchis), Vater der Medeia (ſ. d.).
Aethelney (Ucthelings-Ey), Burg in Somer-
fet zwiſchen Gomerton und Taunton, von wo aus
Ulfred d. Gr. die Befreiung Englands von den Nor:
mannen begann.
Aétion, griech. Maler, vermutlich der fleinafia-
tijden Schule angebdrig, ein Zeitgenoſſe Wleranders
bd. Gr. und berühmt durd ein Gemalde, das den König
mit Rorane im Brautgemad darjtellte, cin Gegen-
jtand, den nad) Lufians Bejdreibung aud) Soddoma
behanbdelt hat.
Aẽtios, quied. Arzt aus Amida in Mefopotanien,
im 6. Jahrh. n. Chr. faijerlider Leibarzt in Konſtan⸗
tinopel, verfafte einen Abriß Der qefamten Heilfunde :
slatrica«, in 16 Biidern. Davon wurden verdffent-
lit: Bud) 1—8 in der Aldina 1534, Bud 9 in den
»Anecdotac de Muſtoxydes und Schinas (BVened.
1816), Bud 12 von Coftomiris (Par. 1892), Bud 7
(Uugenheilfunde) mit deutider überſetzung von Hirid-
berg (Leip. 1899), Bud) 16 von Zervos (daf. 1901).
Cine Ausgabe ded 16. Buches haben auch Bagel und
Wegideider ju Virchows 80. Geburtstag vorbereitet.
étiten , ſ. Udleriteine.
Métings, 1) U., Fiilhrer der jtvengen Urianer (Ano⸗
möer), f. Urianifder Streit.
2) A., Feldherr und röm. Patrizier unter Honorius
und Balentinian III. der letzte tapfere Verteidiger des
abendlindijden Reiches, geboren um 395 yu Duro-
jturum (jest Silijtria) in Niedermöſien, gejt. 454,
Sohn des Reiteranfiihrers Gaudentius, ſchloß ſich in
den Kämpfen nad Honorius’ Tode zuerjt an defjen Ge⸗
beimjdreiber Johannes an, dann an Valentinian III.,
der unter Vormundſchaft feiner Mutter Placidia durch
| Den oftrdmifden Kaiſer Theodofius IT. tm Wejten als
Kaiſer cingefest wurde. Am faiferliden Hofe gu gro—
jem Cinfluk qelangt, führte er qliidliche Kriege gegen
die Weſtgoten, Franfen und Quthungen und ergwang,
nachdem er 432 vor Bonifatius (f. d.), dem Statt-
halter von Afrila, hatte weidyen müſſen, feine Ernen⸗
nung jum Batrizier, Konſul und Oberfeldherrn. Seit-
dem lag 20 Sabre lang das Schictfal des Reiches in
A.' Hand. Gleich tüchtig als Diplomat wie als Feld-
| herr, wußte er Die barbariſchen Bilfer im Zaume yu
zeln) durch Die atmoſphäriſche Luft, insbef. durd deren | halten und fogar den Qntereffen Roms dienftbar yu
Sauerjtoff. Bal. Durchlüftungsgewebe.
Mérozoen griech.), foviel wie Uérobien.
Aerſchot (ivr. ars-dor, Aarſchot), Stadt im der
belg. roving Brabant, Arrond. Lowen, am Demer,
madjen. Er ſchlug die Burgunder , unterdriidte den
immer von neuem ausbredenden Aufſtand der galli⸗
ſchen Bauern (Bagaudae), webrte mit Erfolg den
Einfällen der Wejtgoten und ſchlug (445) den Fran-
Aétomorphen — Affen.
fenfinig Clodio an der Somme. Die glorreichſte Tat
des YU. war der Sieg, den er 451 in Gemeinſchaft mit
Dem König der Weſigoten, Theoderich, auf den Kata—
launifden Feldern (bei Troyes) fiber Uttila, den Hun-
nenfonig, gewann. Auch als 452 Uttila Oberitalien
verheerte, wandte er mit geringen Streitfraften grö—
peres Unbeil von Stalien ab. Dennod gelang oh
Eunuchen Heraclius, in der Seele des ſchwachen Va—
lentinian YUrgwohn gegen A. zu erwecken; als A. fiir
jetnen Sohn die verſprochene Hand der Kaiſerstochter
Eudokia forderte, jtief ihm der Kaiſer fein Schwert
in die Brujt (454).
Aẽëtomorphen, nad Hurley die Raubvögel.
Aétosaurus ferratus Fraas (gepanzerte
Vogeleidechſe), foffiles Rrofodil aus dem mittlern
Keuper (Stubenjandjtein) bei Stuttgart. Es war etwa
050,66 m lang und mit Knochenplatten bededt; im
Sfelett und bejonders am Schädel mande Beziehung
gu den Vögeln. Bal. Fraas, A. (Stuttg. 1877).
Afandjjew, Alexander Nikolajewitſch, ruff.
Mythenforjder, geb. 23. (11.) Bult 1826 im Gouv.
Woroneſh, get. 5. Oft. (23. Sept.) 1871 in Mostau,
ftudierte in Wosfau Recdhtswifjenfdaft, war 1849—
1862 daſelbſt Beamter am Hauptardiv des Auswär—
tigen, Daneben aber vielfad) literariſch titig, befon-
ders auf dem Gebicte der ruffifden BollSiiberliefe-
rung. Seine Hauptwerfe find: »Die poetifden Na-
turanjdjauungen der Slawen« (Vosfau 1866 — 69,
3 Bde.), eine rt jlawifder Mythologie, eine SGammee
tung ruſſiſcher Vollsmärchen (2. Mui, daf. 1873,
4 Bde.), »Ruſſiſche Kindermärchen« (2. Aufl. 1886,
2 Tle.); außerdem ſchrieb er zahlreiche Abhandlun—
gen: »Hexenmeiſter und Here« (1851), »Die zoomor⸗
phiiden Gottheiten der Slawen⸗ (1852) xc.
Afan de Rivera, Udille, Marcheſe, ital. Ge—
neral, geb. 19. Jan. 1842 aus einer fpanifden Fa—
127
| Affeftionswert (Uffettionsintereffe, Ge-
fühlswert, Pretium affectionis), der bejondere
(höhere) Wert, der einer Sade oder einer Leijtung
von feiten einer bejtimmten Perſon vermöge indivi-
ducller Gefiihle und Neigungen beigelegt wird. Bgl.
Intereſſe und Schadenserjag.
Affen (Simiae, Pitheci, hierzu Tafel » Wjfen I—
Vic), fälſchlich Vierhänder (Quadrumana) ge-
nannt, bilden mit Dem Menſchen die erjte Ordnung
der Säugetiere, die Primaten, und find unter allen
Lieren dem Menſchen körperlich und geijtiq am ähn—
lichſten. Der Schädel erſcheint tieriſcher durch die jtarfe
Ausbildung der Kiefer- und Muslelleiſten, ex ijt in
| dec Jugend menſchenähnlicher, weil die Miefer weit
weniger als im Wer privalieren; ſpäter beträgt der
Geſichtswinkel bei den veridiedenen Yrten 60, 45 und
nur 30°, gegeniiber Dem des Menſchen von 80—85°.
Die Naje geht ohne Abſatz in die Lippe über und tritt
nur bei Semnopithecus nasica betraidtlid aus dem
Geſicht Hervor. Die Zähne nähern fic) denen ded
Menſchen, dod) findet fic) niemals eme geſchloſſene
Zahnreihe, vielmehr ragen die Eckzähne aud) bei den
hodjten A. jtarf hervor, und zwiſchen ihnen und den
nächſten Zähnen ijt ſtets cine derartige Liide, daß beim
Schluß der Miefer die Echzähne nicht auf-, fondern
nebeneinanbder qreifen. Die Augen ftehen naber bei-
einander als beim Menſchen; dad mäßig große Or
ijt ſtets ohne Ohrlappden. Wie der Daumen läßt ſich
gumeijt aud) die groke Bebe den andern vier gegen-
überſtellen (Greiffup). Die vordern Gliedmajen
find oft länger als die hintern ; leptere find ebenfowenig
wie das Becken fiir den aufredten Gang geeiqnet, da
fie, wie aud) die Muskulatur, zu — —8 Trotz⸗
dem erheben ſich die A. gelegentlich zu aufrechter Stel⸗
lung, müſſen ſich jedoch dabei ſtützen; ihr Gehen ijt
| (aud) bei den höhern A.) ſehr unbehilflich. Die haupt-
milie, trat 1860 als Urtillericleutnant in die neapo- ſächlichſte Ortsbewequng bejteht im Klettern, dag fie
litaniſche Armee, känipfte am Bolturno und in Gaeta! mit Hilfe ihres Greif- oder Wickelſchwanzes vorzüglich
fiir Die Bourbonen, trat darauf in das italienifde | ausgebildet haben. Der Körper ijt bis auf eingelne
Heer und riidte 1888 sum Generalinjpeftor der Ar— Stellen des Gefidhts, der innern Hand und ded Ge
tillerie, 1896 zum Generalleutnant auf. Geit 1890 ſäßes mit Haaren bedeckt; die haarloſen Stellen ; eigen
Mitglied der Deputiertenfammer, ward er 1896 zum | oft auffallende, rote oder blaue Färbung. Das Gehirn
Unterjtaatsfetretir tm Rriegsminijterium und 1898 | hat einfadere Windungen und ijt aud relativ leichter
gum Minijter der öffentlichen Urbeiten ernannt, trat | als beim Menſchen. Die Mustulatur ijt bei vielen
aber nad) wenigen Woden wieder zurück. | Urten äußerſt fraftig. Die Spigen der Finger und
Uffabel (lat.), geſprächig, umganglid; Affabi- | des Greifſchwanzes find mit ſehr feinem Gefiihl beqadt.
lität, Umganglidfeit, Leutſeligkeit. Auch der Geruchsſinn ijt gut ausgebildet. Die ſeeliſchen
Affaire (franz., for. affar’), Angelegenheit, Vorfall; Eigenſchaften der A., beſonders thr Talent gu geſchick—
Geſchäft; Gefecht; a. d'amour, Liebeshandel; a. d'hon⸗ ter Nachahmung, find ſehr entwickelt. Der »Sprache ⸗
neur, Ehrenſache, Zweilampf.
Affe (Inſtrumenh), ſ. Storchſchnabel.
Affectiones der Heiligen Schrift, Kunſt—
ausdruck der alten lutheriſchen Dogmatik zur Bezeich—
nung der Eigenſchaften, durch welche die Bibel als
göttliches Buch von aller ſonſtigen Literatur zu unter⸗
ſcheiden fein follte. ſ. Affektieren.
Affektation (lat.), erkünſteltes Weſen, Ziererei;
Affekte, ſ. Gemütsbewegungen.
Affektieren (lat.); den Schein von etwas zur
Schau tragen; fic) zieren; affettiert, gekünſtelt, ge-
ſucht, geziert.
Affektion (lat.), das paſſive Verhalten einer Sache
oder Perſon von außen kommender Einwirkung ge—
genüber; dann Zuneigung, Gunſt, inſofern dieſe ein
von dem geliebten Gegenſtand abhängiger Gemüts—
der VW. Hat man in neuerer Zeit cin genaueres Stu-
dium gewidmet (Garner, Die Spradye der A. deutſch
von Marfhall, Leipz. 1900). — Die A. freſſen vor-
zugsweiſe Früchte, aud) Inſekten; in der Gefangen-
ſchaft gewöhnen fie fich meijt an die Speijen des Men—
ſchen. Sie bringen die Nahrung mit den Händen oder
dem Greiffdwange zum Munde. Das Weibden wirjt
in Der Regel nur em Junges und faugt es an den
| Zitzen der Brujt. Unter den A. finden ſich Mono-
gamiſten und Polygamrijten ; jene leben vereingelt, dieſe
| bilder aus Familten bejtehende Scharen, die das
älteſte Männchen anfiihrt, zumeiſt leben fie auf Bäu—
men. Gie find fajt nur auf die Heike Sone beſchränkt
und überſchreiten nirgends den Verbrettungsfreis der
Palmen; am ndrdlicjten wohnen die Mafafos (Inuus
ecaudatus) von Nordafrifa und Gibraltar. In der
zuſtand ijt. Daber die friiher beliebter Uusdriide: | Gefangenſchaft find die A. febr hinfallig und geben in
in A. nehmen, foviel wie liebgewinnen; affettio=| nidt langer Zeit an Erfranfungen der Lunge und
niert, gewogen, geneigt. — Jn der Medizin foviel | des Magens zu Grunde; im ganzen halten fid) die dev
wie franfhafte Veranderung. Alten Welt beſſer als die Der Neuen Welt.
128
Die lebenden A. (25 Gattungen mit über 230 Wr:
ten; wegen der foffilen ſ. unten) bringt man in 3—
5 Familien unter.
1. Familie: Rrallenaffen (Arctopitheci, Hapa-
lidae). Niedliche Äffchen mit meift dichtem Wollpels,
langem, bebufdjtem Schwanz und rundlichem Kopf,
platter Nafe mit feitliden Rafenlidern und vorſtehen⸗
den, oft mit Haarpinfeln geſchmückten Ohren. Finger
mit fpipen Krallennägeln, nur die große Behe mit
Plattnagel; Daumen den andern Fingern fehr wenig
oder gar nidt entgegenjtellbar. Meiſt wenig größer
als cin Eichhörnchen; gefellig auf Baumen von Früch⸗
ten und Inſelten febend, zähmbar und eßbar. Jn
den tropifden Wäldern Sildamerifas. Nur Hapale
mit fiber 30 Urten; hierher unter andern H. jacchus,
Seidenaffe, H. leonina, Löwenäffchen, H. rosalia,
Rotelajffden (Tafel V, Fig. 3).
2. Familie: Breitnafen, Plattnafen (Platyr- |
rhini, Cebidae), mit breiter Rajenfdeidewand und |
daher weit voneinander getrennten Rafenlidern). |
Wile Finger mit Ragen; Dawmen nie vollfommen
gegenitellbar, fann aud) feblen; der Schwanz ijt ge-
wohnlich fehr lang, nur felten gum Greifen geeignet.
Mehrere Urten haben am Bungenbein eine weite
Knochenblaſe, die mit dem Kehlkopf in Verbindung
jteht und die Stimme verjtirtt. Namentlich ijt dies bet
nm Briillafjen (f. d.) der Fall. Ausſchließlich ameri-
laniſche A., Daher aud W. Der Neuen Welt ge
nannt. Meiſt fleiner als die U. Der Ulten Welt, we-
niger wild und lebhaft, leichter zu zähmen. Die 10
Gattungen mit etwa 80 Urten bringt man in zwei
oder mehrere Unterfamilien: a) mit ſchlaffem Schwanz
(Pitheciina), bierher Brachyurus, Kurzſchwanzaffe
(Scharladhgefidt, B. calvus, Tafel V, Fig. 1), Pithe-
cia, Schweifaffe (Satansajfe, P. satanas, Zottelaffe,
P. hirsuta, Tafel VI, Fig. 3 u. 4), und Nyctipithe-
cus, Nachtaffe (Mirifina, N. trivirgatus, Tafel VI,
dig. 5); b) mit Greif- oder Wickelſchwanz (Cebina),
hierber Ateles, Rlanumeraffe (Goldjtirnaffe, A. Bart-
lettii, Tafel V, Fig. 4), Lagothrix, Wollaffe (qrauer
Wollaffe, L. Humboldtii, Tafel V, Fig. 2), Mycetes,
Briillajfe (M. niger, Tafel VI, Fig. 1), Cebus, Roll-
ſchwanzaffe (Napusiner, C. capucinus, Tafel VI,
vig. 2), und das Totenfdpfden (Chrysothrix sciurea,
Tafel V, Fig. 5).
3. Familie: Sdmalnafen (Catarrhini), mit
ſchmaler Nafenfdeidewand und daher dicht nebenein-
ander jtehenden Rajenlidern. Dem Menſchen am
ähnlichſten; dies gilt auc) fiir das Gebiß, Das freilid
nod) nit ftarfen Eckzähnen und ſchräg nad vorn ge-
jtellten Schneidezähnen verfehen ijt. Das Geficht merit
linn behaart, jedod) an Lippen, Rinn und Baden
Bärte bildend, zuweilen mit Badentafden und Geſäß—
ſchwielen. Beine lang und dünn; die Füße meiſt voll-
ſtändiger entividelt als Die Hinde, an denen der Dau-
men zuweilen nur cin Stummel ijt; Finger und Zehen
famtlid) mit Nageln. Schwanz nie cin Greif- oder
Wickelſchwanz, haufig kurz oder fehlend. Die Schmal—⸗
najen find die A. der Alten Welt. Qn der Jugend
Jind jie jehr gelehrig, im Alter ſehr traftig, verteidi-
gen fie fid), indem . Stöcke und Steine als Waffen |
enugen. Drei Unterfamilien: a) Die Hundsaffen
(Cynopithecina), sum Teil mit Hundegefichtern, d. b. |
nut bervorragender Schnauze, Badentafden und
Schwänzen, alle mit Geſaäßſchwielen. Sieben Gattun: |
qen mit fajt 70 Arten; bierher unter andern Cyno- |
cephalus, Pavian (Hamadryas, C. hamadryas, Wan-
drill, C. mormon, und Dril, C. leucophaeus, Ta-
fel LV, Fig. 1—3), Cercopithecus, Meertatse (Mohren⸗
Affenblume — Affenſtein.
affe, C. fuliginosus, Tafel IIT, Fig. 4), und Macacus,
Wafato (Mafat, M. cynomolgus, und Magot, Inuus
ecaudatus, Tafel IV). b) Die Schlankaffen (Sem-
nopithecina), mit langen Sdwangen und runden Ge-
fidhtern, ohne vorfpringende Schnauze und Baden-
tajdjen. Nur zwei Gattungen (mit etwa 40 Arten),
Colobus, Stummelaffe (Guereja, C. guereza, Ta-
fel ILL, Fig. 3), und Semnopithecus, Sdlantajfe (Gul-
nan, S. entellus, Budeng, 8. maurus, Tafel IT,
Gig. 1 u. 2). c) Die menfdenahnliden U. oder Un-
thropoiden (Simiina, Anthropomorpha), alle ohne
Bacentaſchen und Schwanz, fajt alle ohne Geſäß—
idwielen. Nur die 4 Gattungen (mit 12 Urten) Go-
rilla, Gorilla (Tafel ID), Troglodytes, Schimpanſe
(Zafell), Pithecus, Orang-Utan (Tafel D, und Hylo-
bates, Gibbon (Lar, H. Lar, Tafel I).
Den letztern jteht der foffile, von Dubois auf
Java entdedte, in mander Hinfidt febr menfdjen-
ähnliche Pithecanthropus nabe. Rejte anthropomor-
pher UW. fennt man aus dem Tertiär, und ebenda
finden fid) aud) Rejte von W., die fic) an die heute
lebenden anfdliefen. Solche unde find ſowohl in
Curopa al aud) in Umerifa und Ufien gemadt wor-
den, und ganz bejonders widtig find die auf Mada—
gastar gefundenen foffilen A., die auf der einen Seite
Die echten UW. mit den Halbaffen zu verbinden fdeinen
und auf Der andern Seite geeignet find, eine Briide
zwiſchen den A. der Ulten und der Neuen Welt zu ſchla⸗
en. In den Knochenhöhlen Brafiliens hat man neben
ejten von Hapale, Mycetes, Cebus 2c. aud eine aus-
gejtorbene Urt von bedeutender Gripe, Protopithe-
cus, gefunden. In der älteſten Tertiärzeit bewohnte
ein Malako das ſüdöſtliche England und Frankreich,
doch ſcheint er den indiſchen näher geſtanden zu haben
als den jetzt auf dem Felſen von Gibraltar hauſenden.
In der mittlern Tertiärzeit fanden ſich menſchenähn⸗
liche A. (Pliopithecus, Dryopithecus (f. Lafel »Zer-
tidrformation III.), Troglodytes) in Ditindien, Süd⸗
und Mitteleuropa. Bgl. Wudebert, Histoire natu-
relle des singes (Bar. 1800); Schlegel, Monogra-
phie des singes (eid. 1876); Hartmann, Die
menſchenähnlichen A. (Seipz. 1883); Denifer, Re-
cherches anatomiques et embryologiques sur les
singes anthropoides (Par. 1886); Broca, Mémoires
sur le cerveau de l'homme et des primates (daf.
1888); Selenfa, Studien iiber Entwidelung und
Schadelbau der Menſchenaffen (Wiesbad.1898 — 1900,
3 Hefte; Heft 4 von Walfhoff, 1902).
Affenblume, |. Mimulus.
Affenbrotbaum, ſ. Adansonia.
Affenfelle, ſchwarze, lang, diinn- und glatthaa-
rige Felle ohne Grundwolle aus Wejtafrita, Java,
Siidamerifa (Sdeitelaffen vom Teufelsaffen, fel-
tener vom Budeng) und qraugeperite mit dunfel braun-
rotem Riicenjtreifen von ebendaher (Perlaffen von
der Diana), dienen zu Muffen und Deden. Die Felle
der afiatifden Mampbergiege (f. Ziege) kommen ſchwarz
gefärbt (Affenziegen) als Jmitation der Sdeitel-
affen in Den Handel; fie befitsen Wollhaare.
Affenhelm, ſ. Helm.
Affenmenſchen, ſoviel wie Vitrofephalen.
Affenpinſcher, ſ. Hund.
Affenſpalte, cine dic Mittelrinne des Gehirns in
der Gegend des Scheitels faſt ſenkrecht kreuzende, nach
beiden Seiten laufende Furche, die bei den Affen ſtär—
fer ausgeprägt iſt, beim Menſchen aber nur ausnahms⸗
weiſe (infolge einer Nichtentwickelung der innern obern
Scheitelwindung) deutlicher hervortritt.
Affenſtein, ſ. Bezoar.
2. Schimpanse (Troglodytes niger). ‘io. (Art. Schimpanse,)
Meyers Konv.- Lexikon, 6. Aufl. Bibliogr. Institut in Leipzig. Zum Artikel ,Affen.
Affen Il.
MAS
1. Gorilla (Gorilla gina), Ari. Gorwta. 2. Lar (Hylobates lar). ! Art. Grbbom,
le
Affen Ill.
1. Hulman (Semnopithecus entellus). %,9. (Art. ScMenkage. — 2. Budeng (Semnopithecus maurus). ! 4».
(Art. Schankage.) — 3. Guereza (Colobus guereza), ‘yo. (Art. Stommetage.) — 4. Mohrenaffe (Cercopithecus
fuliginosus). "Js. (Art. Meerkatee.)
Meyers Kony.- Lexikon, 6. Aufl. Bibliogr. Institut in Leipzig. Zum Artikel ,Affen.
oe a D ee ig — — — —
wT MY) emepnr oa — josuw ¢ !, “(snFpomoud) snowy) yeueW >
- (weeny wy eg WGnarudo nat snfeqdaroudy) Id B- “Ne (wouuou snyeydaroudy) IIIApurx —⸗ *, “(seXupewey snyeydarouty) sekapemeyy “|
‘Al YoY
1. Scharlachgesicht (Brachyurus calvus). 44. (Art. Kursschwanzage.) — 2. Wollaffe (Lagothrix
Humboldtii). 4a. (Art. Wottoge.) — 3, ROteldffchen (Hapale rosalia), ‘9. (Art. Seidenage.) — 4. Gold-
Stirnaffe (Ateles Bartlettii). 44). (Art. Alommeroge.) — 5, Totenképfchen (Chrysothrix sciurea). ‘6.
(Ant, Totenkip/chen.)
Meyers Konv.- Lexikon, 6. Aufl. Bibliogr. Institut in Leipzig. Zum Artikel Affen’,
Mores ey USANA enodayyd AN) CUNT W og Coder ay) OM URS BPA) APPEL AIIOEZ "p eeimayen wy)
arurſes Cau) appesueyesg E v eenuſonde⸗a snqa-) appesautzendey ¢% veered “My adu sapaoAw) ayperiosg ft
TA uouv
Affenthal — Afghaniſtan.
MAffenthal, Dorf im bad. Kreis Baden, Amt Bühl,
Gemeinde Eifenthal, hat Unbau von Rotwein (YU f fen-
thaler) und (900) 350 Einw.
Affenziegen, ſ. Uffenfelle.
Mier, foviel wie Halbaffen, Lemuriden.
Affettudso (ital.), mujifal. Bezeichnung, foviel
wie gemütvoll, mit viel Wusdrud (und freiem Bortrag).
ffiche (frany,, for. Aſch), eine öffentlich, möglichſt
auffallig angeflebte Kundmachung, cin Anſchlagzettel
(i. Yinidlag). Uffidenfdriften, f. Plafatidhriften.
Affichieren (franz., fpr. chie⸗), einen Zettel an-
ſchlagen, etwas zur Schau tragen.
Wyfidavit (v. lat. affido, in der mittelalterlichen
Rechtsſprache: ich beſchwöre), im engl. Redht eine
ſchriftliche Erklärung, die vor einer autorijierten Per-
fon (einem ridterlidjen Beaten, »Commissioners,
Notar, Ronful) unterzeichnet und deren Ynhalt vor
dieſer Perſon befdworen wird; dann die gerichtlich ab-
ebene u. eidlich bekräftigle Erllärung eines Schiffs⸗
Pibrers, daß er auger den in den —— ver⸗
zeichneten Gegenſtänden keine Fracht an Bord habe.
Affiliation (lat.) -Unnahme an Sohnes oder
Rindes Statt«, UWdoption; in der Freimaureret Wuf-
nabme einer bereits fonjtituierten Loge fowie eines
cinzelnen Maurers in eine andre Loge; bei religidjen
Orden Uufnahme von Laien, die fic) dabei nicht auf
die Ordensregel, fondern nur que Bibeung eines
frommen Lebens oder aud) gur Beforderung der Or-
Densinterefjen in ihren Kreiſen verpflichten; über—
haupt Bezeichnung fiir eine befonders enge Verbin-
dung. Wffiliterte Gefellfdaften find Vereine
mit einheitlider Tendenz, die in organifder Verbin-
dung zueinander ſtehen; Durd) die modernen Vereins-
geſetze meiſt unterjagt. Wud) ſpricht man in demſelben
inne von Medaillen und andern Auszeichnungen,
die einem Orden »affiliiert⸗ find.
AUffiniernng (Uffinage, Uffination), die Ab—
ſcheidung von Gold und Silber aud ihren Legierungen,
befonders die Scheidung mit Schwefelſäure, welde
Kupfer und Silber löſt und Gold ungeldjt lapt. Bal.
Gold und Silber.
Affinität (lat.), Verwandtſchaft durd) Heirat,
Schwägerſchaft (f.d. und Ehehindernijje). A. tm chemi.
ſchen Sinne, ſ. Chemifde Verwandtidayt. Sexuelle
W., in der Botanif, ſ. Fruchtbarkeit.
Affirmation (lat.), Bejahung, Beſtätigung; Ge-
genſatz der A. ijt Die Negation (j. d.); affirmatin,
bejabhenb.
129
mit dem König und erfannte 1848 die Februarregie-
rung an. Er fand feinen Tod, als er imt Juniaufjtand,
um Frieden zu jtiften, die Barrifaden bejtiegen hatte.
Bgl. Cruice, Vie de Denis Auguste A. (Par. 1849).
Affrettando (ital.), beſchleunigend (stringendo);
affrettato, bejdjleunigt (pid mosso).
Affricata (lat.), ſ. Lautlehre.
Affrico, {. Africus.
Uffront (franj., fpr. frng), Schimpf, Beleidigung.
Affrös franz. affreux), abſcheulich, ſcheußlich.
Afghaniſche Sprache und Literatur, ſ. Af⸗
ghaniſtan, S. 131.
Afghaniſtan (Drangiana und Ariana der
Ulten, von den Cingebornen Urlajat, »Stannm-
fand«, genannt; f. die Karten »Zentralafien« und
»Perjien«), das norddjtlide Iran gwifden Yndien,
Belutſchiſtan, Bodara und Ferjien. Das durch die
—— afghaniſch⸗indiſchen Grenzgebiete unter
britiſche Verwaltung und eine Verſchiebung der Nord⸗
weſtgrenze gu gunſten Rußlands auf 624,000 qkm
beſchränkte Gebtet liegt zwiſchen 30 — 37° 45! nördl.
Br. und 61—72° djtl. L. A. iſt reid) an Ultertitmern
aus griechiſcher und bubddbijtifder Zeit (Nabultal,
Tal von Peſchawar, Bamian).
—————— . A. iſt ein nad SW. und
MN. fid) abdachendes Hodland, im RO. von dem
maffigen Hindukuſch (Tiratſchmir 7750 m) erfiillt
mit feinen Ausläufern nad W.: Sefid Roh (Roh-i-
hiffar 4525 m) und Baropamifus (2612 m) lings
des Nordufers de3 Herirud, Roh-i- Baba (5140 m),
Sija Koh lings dejjen Sitdufer. Vom Hindutufdh
zweigen fic) auc) Retten nad) S. ab: cin zweiter Sefid
Roh (Sifaram 4760 m) an der indifden Grenje, die
weiter fiidlid) Dem Kamm der weftliden Guletman-
fette folgt. Rad) SW. ftrablen dieſe Gebirgszüge
fächerförmig aus, den zahlreichen Flüſſen die Richtung
anweiſend. Von den Hauptpäſſen an der indiſchen
Grenze gehören jetzt zu A. nur noch der Chaiberpaß
(2081 m) zum Kabul, der kürzeſte und meiſt benutzte,
weiter ſüdlich der Paiwarpaß (2600 m), der Sar—
wandi (2286 m), nod) fiidlidjer Der Kodſchak (2200 m),
der fiber das Chadſcha Amrangebirge nad Piſchin
fiihrt und von Ulerander d. Gr. benugt wurde. über
den Hindukuſch gehen der Chawak (3550 m), von
Ulerander d. Gr. und Timur durdjogen; der Kalu
(Madjdhi fof, 3500 m) nad) Bamian, durd) den
Didengis-Chan, Nadir Schah und Leutnant Sturt
(1840) zur Probe mit Urtillerie gogen. Die Fliiffe
Affix (lat., »WAnfiigungs), die am Anfang oder | find nur fiir die Bewäſſerung ded Landes nutzbar.
Ende eines Wortes angehängten Silben, die den
Begriff deSfelben näher bejtimmen, 3. B. Alich« in
weiblich⸗ Bgl. Sprade.
Der bedeutendfte ijt der Hilmend, der wie Chaſchrud,
Fararud und Harud in den großen Hamunſumpf im
S. fich ergieBt. Der Kabul fließt ſüdöſtlich zum In—
Affizieren (lat.), Cindrud maden auf etwas, er- | dus. Alle diefe Fliifje entipringen am Siidhang de3
qreifen, rithren ; in Der Medizin : franfhaft verändern.
Affluieren (lat.), hingufliejen, -jtrimen; Af—
fluens, Zufluß, Überfiuß.
Wheto: Phlangengattung ſ. Asphodelus.
Affre or. of), Denis Auguſte, Ersbifdof von
Paris, geb. 27. Sept. 1793 in St.-—Rome de Tarn
(Aveyron), geſt. 25. Juni 1848, ward 1818 Profeſſor
der Theologte am Seminar von St.-Sulpice, 1821
Generalvifar ju Lucon, 1823 3u Amiens und erwarb
ſich große Verdienjte um Cinridtung und Hebung von
Volfsfdhulen, Bildung der Geijtlidjen und um die
ſinanzielle Verwaltung der Diözeſe. Seit 1834 als
Dontherr und Titularvifar in Baris lebend, ward er
1840 Erzbiſchof dafelbjt. Bisher ein eifriger Galli-
faner, zerfiel er in Der Frage der Unterridtsfreiheit
Meyers Konv.= Lerifon, 6. Aufl, L Wd.
Hinduluſch und feiner weſtlichen Fortſetzungen. Erſt
weſtwärts, dann nordwärts ziehen Herirud, der in
ſeinem Unterlauf die Grenze gegen Perſien bildet,
und Murghab; fie verlieren ſich im Turfmenen-
gebiete. Der Amu Darja bildet einen Teil der Nord-
renze. Das Klima iſt vorherrſchend trocken; die
Jahrestemperatur iſt im Gebirge niedriger als im
benachbarten Indien (jtrenger Winter mit Schnee⸗
jtiirmen); die Tiefliinder zeigen Extreme der Hike
(bis 50° im Schatten). Un Mineralien tit A. reid.
Wold findet fic) im Sande des Kabul, cine Goldgrube
ijt nenerdings bei Kandahar eröffnet, aud) die Gebirge
im MNO. ſcheinen goldreich. Der Hindukuſch hat Wdern
von Gilber, Kupfer, Zinnober, Blei, Untimon, Zink,
Schwefel; Eiſen und Kohle find mehrfach gefunden
worden, Steinſalz in Menge; Badachſchan vt wegen
9
130 Afghanijtan Gevöllerung, Ackerbau, Viehsucht, Jndujtrie u. Handel, Staatsverfajjung 2¢.).
feiner Rubinen beriihmt. Die Vegetation hatin den
höhern Striden ganz europaifden Charafter. In den
Waͤldern find die Pinusarten, Maulbeeren, Tamaris-
fen, Weiden, Platanen und Pappeln die gewöhnlichſten
Baume; viele unfrer ſchönſten Zierpflanzen wachſen
wild; fehr häufig find Stinfajant (Asa foetida) und
Rbabarber. Jn be Tierwelt beqeqnet man Lowen
und Leoparden, Tigern, Wolfen, Baren, Hyänen,
Schatalen; im fiidliden A. dem Kiang, einer befon-
dern Art wilder Efel, im NO. Wifen.
Die Bevölkerung foll 4,550,000 Köpfe betragen.
Sie gehört zur großen iraniſchen Volferfamilie und
beſteht aus einer Anzahl von Völlern, vereinigt durch
den Islam und die politiſchen Erfolge im 18. Jahrh.
Die Afghanen ſind nach ihrer überlieferung Ein—
wanderer aus Syrien, wohnten zuerſt im W., zogen
im 7. Jahrb. n. Chr. oſtwärts und haben heute Kan—
dahar und die bier cinmiindenden Tiler zu Haupt-
fipen. Gie nennen fic felbjt Bafdtun (Mehrzahl
Paſchtaneh) und ſcheiden fic) in eine weſtliche, djtliche
und indifde Ubteilung. Die legte qehdrt ganz, die
zweite zum Teil gu Britiſch-Indien. Bon den zahl—
reichen Stämmen ijt der Der 800,000 Köpfe zählenden
Durant, bejonders zwiſchen Herat und Kandahar,
der herrſchende, feitdbem Achmed Sdah 1747 aus
dieſem damals Ubdali genannten Stanume fid zum
Herrſcher unter dem Titel Duri-Duran (> Perle des
Jahrhunderts«) aufwarf. Noch ſtärker, nad andern
nur 600,000 Köpfe, follen die Ghilzai fein, die das
Hodplateau nördlich von Kandahar einnehmen, öſtlich
zur Suleimanfette und nordwärts gum Kabul fic er-
ſtrecken. Qn ihrem Gebiet ziehen die Nafir umber,
wahrſcheinlich eingewanderte Belutiden. Die Ju—
fuf sai (700,000 Köpfe) bewohnen ein großes Gebiet
nördlich von Peſchawar. Fajt ganz unter britijder
Botmapfigleit jtehen die Rafar (200,000), KRhattak
(100,000), Utman Rel, Ufridi, Oralzai und
Sdinwari. Die Ufghanen find groß und fdlant,
mit ſchwarzem Haar und meijt blafjer Hautfarbe.
Die einjticigen Baditeinhaiujer mit plattem Dad
find im Innern ohne Tiſche und Stühle; Zelte, deren
Boden mit didem Fil; oder wollenen Decen belegt
iit, fiibren die nomabdijierenden Stämme. Siel-
weiberei ijt qejtattet, Die rau aber mehr geadtet als
bet den wejtlichen Mohammedanern. Der Afghane
ijt auSdauernd und unerjdroden, cin geborner Rrie
qer, —* im Angriff, aber aud leicht entmutigt,
verräteriſch, treulos und unerſättlich in der Rache.
Von den nicht afghaniſchen Völlerſchaften find die be—
deutendſten die Tadſchik (f.d.) als anfaffige, Aclerbau
treibende Bevölkerung, in den Stadten Handwerfer.
Vermutlich find fie die urfpriinglichen Bewohner und
in ihrer äußern Erideinung den Afghanen ähnlich.
Gie find eifrige Sunniten. Dagegen find die in den |
Städten als Raufleute, Ärzte, Schreiber wohnenden
Kiſilbaſchis Schiiten, ein ſchöner, körperlich und
geiſtig den Afghanen überlegener Menſchenſchlag,
denen nebſt den Tadſchik und den über das ganze
Land als Geldwechſler und Großhändler verſtreuten
Hindki (Hindu) A. alles verdankt, was es an Reich—
tum beſitzt. Auch gibt es als Landarbeiter, Barbiere,
Muſiker zahlreiche ſunnitiſche Dſchat. Die Geſamt—
zahl dieſer Vollsſtämme wird auf 1/2 Mill. geſchätzt.
Von entidieden mongoliſchen Typus find die nocd faſt
vollig unabbingigen Hazara im ſchwer zugänglichen
Hinduluſch und thre Nachbarn, die Wimal, beide Sun-
niten, zuſammen 200,000 Seelen. Jn den ſüdbſtlichen
Verglandidhaften und am Hilmend wohnen Belutiden.
Ackerbau und Viehzucht find Hauptbeſchäftigung.
Weizen bildet meiſt die Hauptnahrung, auferdem
baut man Gerſte, mehrere Linſenarten, in den heißern
Strichen Reis, Zuckerrohr, Baumwolle, Tabak und
die Dattelpalme, in den kühlern Aprikoſen, Birnen,
Apfel, Walniſſſe und Wein, der hier einheimiſch tit.
In den niedern Gegenden erntet man zweimal im
Jahre. Die Viehzucht beſchäftigt ſich vornehmlic mit
den teils weißen, teils braunen oder ſchwarzen Fett-
ſchwanzſchafen. Die Kühe ſind ſehr milchreich, ihre
Produlkte bilden einen wichtigen Teil der Nahrung.
Kamele beider Arten werden überall gezogen, das ein-
höckerige ijt einheimiſch. Jagdhunde werden in mehre⸗
ren Gegenden gezüchtet. Die In duſtrie iſt unbedeu—⸗
tend. Die frühere Teppichweberei in Herat hörte durch
die Auswanderung der Weber nach Birjand 1863 auf.
Nennenswert iſt die Erzeugung von Seide, meiſt zu
einheimiſchen Verbrauch, von Filzen, Zeugen aus
Wolle, Ziegen- und Kamelhaar, von Schafpelzen, die
in bedeutenden Mengen im Pandſchab verbraucht
werden, und von Roſenkränzen (in Kandahar), die
beſonders nad) Mekla gehen. Der Handel bewegt
ſich bei Dem Mangel an ſchiffbaren Flüſſen und Fabr-
itraken auf den uralten Karawanenſtraßen von Perſien
nad Herat, von Bochara nach Herat und Kabul, vom
Pandſchab nad) Kabul oder Kandahar. Als ein Uber-
bleibjel alter Zeiten ziehen die Povinda (jährlich 7000
Männer mit 35,000 KRamelen) in großen, militäriſch
organifierten Narawanen witGen Synbien, Chorafan
und Bodara und dringen felbjt bis Aſſam und
Rangun vor. U. führt nad Indien namentlich Bolle,
Pferde, Seide, Früchte, Pelzwaren, Farbſtoffe, Asa
foetida aus und empfängt Baumwollen⸗, Wollen-
und Seidenwaren, Suder, Tee, Indigo, Gold- und
Silbertrejjen, Schärpen, Lederwaren u. a.; 1891
empfing Indien von Kabul fiir 208,637, von Tirah
und Badjdnur fiir 102,621, von Randabar, Sewejtan
und Relat fiir 384,314 Pfd. Sterl. Waren und fiihrte
dorthin fiir 469,870, be3. 104,456 und 1,617,468 Ryd.
Sterl. Waren aus, wahrend Bochara 1889 Waren
fiir 0,46 Mill. ein- und für 0,71 Will. Pfd. Sterl. aus-
führte. Der Povindahandel ijt zum größten Teil
Tranfithandel und durd die Davon erhobenen Durd-
—— fiir UW. wichtig. Allgemeine Geldſorten,
aße und Gewichte gibt es nicht, zumal der Handel
vielfach auf Warentauſch beruht, auch die Abgaben
oft in Erzeugniſſen bezahlt werden.
Staatsverfaſſung und Verwaltung. UA. iſt
eine unumſchränkte Monardie unter einem Emir,
erblich feit 1862 in Der Nachfommenjdaft Doſt Mo—
hammeds; dod) bejteht darunter cine militäriſche
Yrijtofratie und innerhalb diefer cine Anzahl Feiner
Republifen, die nur durd) ihre Trennung ju be—
herridben find. Die gewöhnliche Cinteilung in fiinf
Provinzen: Rabul, Ghasni, die Hochtäler fidlich
von Rabul, Randabhar, der Siidojten, Seiſtan,
der Siidwejten des Landes, und Herat oder das Tal
des Herirud, find zugleich Cintetlungen nad hiſto—
riſchen, geographifden und politiſchen Gefichtspunt-
ten. Die Einfiinfte des Emir, aus einer Grundſteuer,
Durdgangs-, Ein- und Ausfuhrzöllen und den mith:
jam eingetriebenen Abgaben bejtehend, follen ſich auf
30 Mill. WUE. belaufen, wovon ein großer Teil in na-
tura gejablt wird, angeblid) 8's Will. We. auf das
| Heer verwandt werden, das fett 1869 nad europat-
ſchem Muſter organijiert und dejjen Geſamtſtärke auf
50,000 Mann nut 123 Geſchützen zu ſchätzen ijt. In
der Rechtspflege gilt neben dem Koran ein alted, robes,
ungeſchriebenes Gewohnheitsrecht, das Pukhtunwali.
Haupiſtadt und Reſidenz des Emir ijt Kabul.
Afghaniſtan (Sprade, Literatur; Geſchichte).
Die afgbanifdhe Sprache, die fic) ſelbſt als
Paſchtu (nad englijher Schreibung Pushto oder
Pushtu) bezeichnet, tit nad) Trumpp und Spiegel
eine jelbjtindige Sprade, die cin Wtittelglied zwiſchen
Indiſch und — bildet, nad) den neuern For-
ſchungen von Hübſchmann dagegen eine edht iraniſche
Sprade, die nur in il apg jpater Beit tm
Wortidas, in der Flerion und in der Syntar von
Yndien aus ftart becinflugt wurde, wie fid) 3. B. die
fiir alle iranijdjen Spraden charafterijtijde Gejtal-
tung der Ziſchlaute aud) im Afghaniſchen findet.
Bal. die umfajjenden grammatiſchen und leritalijden
Urbeiten Ravertys (»>Grammar of the Pushtos, |
8. Mujl., Yond. 1867; »Dictionary«, 2. Aufl., daj. |
1867, und »Pushto manual«, 2. Yufl., daf. 1889); |
Belews Grammatif und Lerifon (beides daf. 1867) |
und die durch wiſſenſchaftliche Haltung ausgezeichnete
»>Grammar of the PaSto, or language of the Af-
ghans« (Daf. 1873) von Trumpy, ſowie Hübſchmanns
»Iraniſche Studiene (im 24. Bd. der -Zeitſchrift fiir
vergleichende Sprachforſchung«). Die Spradje jer-
fallt in verſchiedene Dialefte. WS Schrift dient cine
Ubart des arabijden Wlphabets. Die Literatur
ijt in ihrem Geiſte durch den Islam, in ihren Formen
durchweg durch perſiſche Vorbilder bejtimmt. Cin
Bild derſelben geben die Sammelwerke von Dorn
(»Chrestomathy of the Pushtu«, Petersb. 1847),
von Raverty (⸗&The Gulshan-i-Roh, being selec-
tions prose and poetical«, 2. Aufl., Lond. 1867;
»Selections«, daſ. 1867) und Trumpp in der » Zeit-
ſchrift der Deutiden Morgenländiſchen Geſellſchaft«
(Bd. 21 u. 23). Cine Sammlung afghaniſcher Volfs-
lieder veröffentlichte James Darmejteter in »Chants
populaires des Afghans, recueillis« (Bar. 1889—90,
2 Tle.). Viele afghanifche Texte find nenerdings in
Dehli herausgegeben, 3. B. »The poetical works of
Abd ur Rahmans (1882) u. »> Mulla Ahmad’s Mirat-
ul-Muslimin« (1888).
[Gefdidte.] Die Linder, die dad jetzige A. bilden,
waren cinjt meijt von arifden Bolfern bewohnt, die
pon A. aus nad) Indien vordrangen, und bildeten
im perjijdjen Reich) die Brovingen Drangiane,
Ureta und Uradofia. Die legte Landſchaft hieß
aud) Paktyike nad den Hirtenjtimmen der Paktyer
oder Bachtan, wie fic) ihre uns unter dent perſiſchen
Namen Afghanen befannten Nachkommen nod) nen-
nen. Wlerander d. Gr. eroberte UW. 330-329 v. Chr.
und qriindete hier Die Stadte Wlerandreia Areion
(Herat) und Wlerandreia YUradoton (Kandahar). Die
herrſchende Religion war die des Zarathuſtra. Seit
dem 3. Jahrh. v. Chr. gehörte der größte Teil von
VW. gum Bartherreid), ſeit 226 n. Chr. gum mittelper-
ſiſchen Reich der Sajaniden; nur die ndrdliden und
bjtliden Landjdhaften wurden ihnen von den griechiſch⸗
indijden und qriedijd - battrijden Rinigen jtreitig
gemadt. Bon Südweſten her breiteten fic) die Pach—
tdn oder Ufghanen mehr und mehr aus und fiibrten
die nod) jest bejtehende Stammesverfafiung em: das
Volk teilte ſich in Stämme mit einem Chan als Ober-
baupt, dieſe in Geſchlechter und diefe in Unterabtei-
lungen, mit Malits, Muſchirs und Spingeprah (Weif-
bart) an der Spite. Der Stamm wie die cingelnen
Ubteilungen heifen Uluß. Die Dirgha, die Gefamt-
heit der Familienhiupter, gleichzeitig aud) das Geridt,
ftand iiber den Chanen. an 7. Jabrh. wurde A. von
den Urabern erobert und zum Islam befehrt ; es jtand
mit Dem von den Yrabern eroberten Teil von Yndien
unter einer Statthalterſchaft. Sdon 812 erfolgte die
erjte Auflehnung der arabijd-indijden Statthalter |
131
(in Herat der Gamanide Blyas) gegen die Ralifen,
und e8 bildeten fic), freilid) immer nur auf kurze Zeit,
ſelbſtändige Reidje. 1001 eroberte Mahmud aus der
962 gegriindeten Dynaſtie der Ghasnawiden gan;
A.; Dod) zerfiel deren Reich ſchon 1186. Wud) die
folgende afghanijde Dynajtie der Ghoriden be-
hauptete nur die Herrſchaft über Hindojtan, die den
Afghanen erjt durd) Baber (Schlacht bet Panipat)
1526 entrijjen wurde (1540 — 55 herrſchten feds
lieder der afghaniſchen Dynajtie Sir nadeinander
liber Bengalen), naddem A. felbjt 1215 von den
Chwaresmiern unterworfen war; nur in Herat biel.
ten fid) Malifs aus der Familie Kurt 1245 —1389.
Erſt im 17. Jahrh. gelangte, naddem Kabul und san:
Dabar gum indijden Mogulreid), Herat gu Perjien
gehört hatte, wieder cine afghaniſche Dynajtie zur
Regierung und beherrjdte 1722 —29 auch Perfien.
Nach der Ermordung Nadir Schahs von Perſien qriin-
Dete UHmed Schah Wbdali aus dem Geſchlechte der
Durrani 1747 ein Ufqhanenreid), das von Chorajan
im BW. bis Serhind im öſtlichen Pandſchab, vom Orus
im N. bis gum Indiſchen Ojean im S. reidte. In—
neve Streitigfeiten fiibrten bald ju Teilungen und zu
fremder Einmifdung. Schah Schudſchah, cin Entel
Uhmeds, fonnte fid) nur in Herat gegen Dojt Mo-
hammed, den Kabul und Randabar fett 1826 bejest
haltendDen Sohn des Wejirs Payinda Chan und Bru-
der de3 mit Demfelben Amte betrauten Fath Chan aus
Dem die Weſire von A. liefernden Geſchlechte der Ba-
ratjai, behaupten und rief 1838 die Hilfe Englands
an. Yin Friibjahr 1839 riidten 9000 Englander aus
Indien in A. ein, bemächtigten fid) 21. April Ran-
dahars, 23. Juli Ghasnis und festen 7. Aug. Schu⸗
dſchah in Balabijjar, der Königsburg von Kabul,
wieder cin; nad) ciner neuen Niederlage ergab fid)
Dojt Mohammed 5. Nov. 1840 den Englandern. Uber
durch den Uufitand Ufbars, eines Sohnes von Dojt
Mohammed, wurden im November 1841 außer Sdu-
dſchah aud) die Europäer (unter andern General Mac
Naghten, der Reijende Wlerander Burnes) in Kabul
ermordet. Das englijde Heer von 6000 Mann, das
ſich in einem befeſtigten Lager bei Rabul behauptet
hatte, fand auf dem Rückzug durd) den Chaiberpah
mit Den Frauen und Rindern der in Kabul getdteten
Europäer durd Hunger, Kälte und die Mordſtreiche
der fanatifden Bevdlferung den Untergang. Nun
unternahm Gouverneur Cllenborough 1842 einen
neuen Feldjug gegen W. Die Generale Pollod und
Mott drangen durd) die Gebirgspäſſe, ſchlugen Wfbar
und befreiten die Geiſeln und Gefangenen. Das flade
Land wurde verwiiftet, Kabul und Iſtalif verbrannt.
Nachdem die Englander Dojt Mohammed in Ra:
bul als Herrider eingeſetzt batten, febrten fie nad
Yndien zuriid. Dojt Mohammed befiegte darauf Ko—
handil Chan, der Kandahar beberridte, und unter-
warf 1862 Herat, jo daß A. wieder vereinigt war;
mit den Engländern ſchloß er 1855 und 1857 neue
Vertrage und erbielt bis gu feinem Tode (9. Juni
1863) Jabrgelder. Gegen ſeinen zum Thronfolger be-
jtimmten Sohn Schir Uli Chan lehnten fic defjen
Brüder Azim und Uffal auf; nachdem beide Kabul
cingenommen und 10. Mai 1866 Sdir Ali geſchla—
gen batten, lie fic) Uffal 21. Mai als Emir von A.
ausrufen und wurde von England anerfannt. Rad)
feinem Lode (Dft. 1867) —— Azim zu Kabul.
Den Süden und Weſten von A. hatte indes noch Schir
Vi inne; er wurde aber 17. Jan. 1867 bei Kabul ge-
idlagen und mute nad) Herat fliehen. Bon hier aus
gelang es ifm mit Hilfe von Bald, im September
9*
132
1868 Kabul zu nehmen und im September Azim bei
Ghasni ju befieqen. Uffals Sohn, Abd er Rahman,
verjudte 1869 a wiederjucrobern, wurde aber zur
Flucht nad Turfijtan genötigt. Nun erjt wurde Sdir
Wii vom indifden Vizelönig Lord Mayo im Mar;
1869 anerfannt und ihm Hilfsgelder angele Durd
innere Reformen, Loderung der Lehnsverbdnde,
Bwingen der Vaſallen und Verbiindeten zur Heered-
folge reizte Schir Wii die Ultnationalen zum Wider-
jiand. WIS fid) dieſem fogar Shir Alis Sohn, Jakub
(Chan, der ſeit 1871 in Herat herridte, anſchloß, wurde
ev 1874 in Kabul gefangen genonmmen und Whdallah
Dſchan zum Thronerben ernannt; Herat wurde 19.
Jan. 1875 von den Truppen Sdir Wis befest. Dod
ſuchte Schir Wii sur Sicerung feiner Herrjdaft und
jum Schutze gcse die Rujjen in Turfijtan bei Eng: |
land um ein Schutz⸗ und Trugbiindnis nad; die da—
nals liberale englijde Regierung lehnte dies ab. Schir
Wii empfing nun, als die Englander im Februar 1877
Duetta befepten, den ruſſiſchen Gefandten General
Stoljetow 23. Juli 1878 in Kabul mit auffallendem
Entgegenfontmen, wogegen er den oe Ge⸗
ſandien Sir Neville Chamberlain an der Grenze beim
Fort Alimusjid beleidigend zurückwies. Daraufhin
überſchritten die Engländer 21. Nov. 1878 in drei
Heeresſäulen die Grenze, die erſte unter General
Browne im Chaiberpaß, die zweite unter General Ro⸗
berts im Kurampaß und die dritte unter Biddulph
von Quetta aus. Schir Wli verlies Mitte Dezember
Kabul, fete den aus der Haft befreiten Jafub Chan
al8 Regenten ein und floh nad) Turtijtan. Dod) war
Rußland nicht geneigt, einen Krieg mit England zu
beginnen. Jn der Verbannung ftarb Sdir Wii 21.
Febr. 1879. Inzwiſchen hatte Browne 20. Dez. 1878
Dſchelalabad beſetzt, Roberts den Paiwarpaß erobert
und die Ufghanen im Chojt-Tal gefdlagen, Stewart
von Quetta aus 8. Yan. 1879 Kandahar eingenom-
men. Qafub Chan ſchloß deShalb 19. (26.) Mai 1879
u Gandamaf einen Bertrag, worin er gegen einen
A abresgebalt von 60,000 £71d. Sterl. die von Yndien
nad A. fiihrenden Päſſe an England abtrat, ihm die
äußere Bertretung Ufqhanijtans übertrug und in Ka—
bul einen britifden Gejandten aufzunehmen verfprad.
Major Cavagnari zog 24. Juli 1879 in Kabul ein
und wurde vom Emir ehrenvoll aufgenommen; aber |
ſchon 3. Sept. wurde er mit feinem Gefolge (67 Ber-
fonen) von meuterifden Soldaten und Cinwohnern
ermordet. Sofort riidte General Roberts von neuem
in A. cin. Qafub Chan erjdien 27. Sept. in ihrem
Lager bei Kuſchi, wurde zur Ubdanfung veranlaft
und nad) Indien gebracht. Nachdem Roberts die af-
ghanifden Truppen und die wilden Ghiljai tiber- |
wunden hatte, rückte er 12. Oft. in Kabul ein und lief
die Radelsfiihrer hängen, die aufſtändiſchen Land: |
fcdhaften verwiijten. Uber 10. Dez. mute fid) Roberts |
nad dem befejtiqten Lager von Schirpur zurüchziehen.
Nad) dem Cintrejfen von Verſtärkungen unter Gene-
ral Bright beſetzte er 27. Dez. mit 10,000 Mann Ka—
bul von neuem. Obwohl nun 12,000 Mann von Ke-
ſchawar in Unmarjd waren, 9000 Mann in Manda-
har und 9150 Mann im Kuram-Tal ftanden, braden
tiberall newe Aufſtände aus. Yn Ghasni wurde 1880 |
Jakubs kleiner Sohn Muſa = Emir ausgerufen | englifde Sahlung fortenpfing.
und Mohammed Chan gum
ormund- Regenten er: |
Afghaniſtan Geſchichte).
den Bergſtämmen am Hindukuſch gum Herrſcher aus—
gerufen wurde, erkannte auch England ihn an. So
wurde auf einer Verſammlung afghaniſcher Haupt-
linge ju Kabul Abd er Rahman (f. d. 5) 22. Juli
1880 zum Entir von U.gewahlt. Inzwiſchen aber war
Eijub Chan, den fein Bruder Jafub jum Gouverneur
von Herat ernannt hatte, Ende Juni mit 12,000 Mann
und 36 Gefdiigen geqen Kandahar geriidt. Dte ein-
heimiſchen Truppen des englandfreundliden Wali
Sdir Wi von Kandahar liefen davon, und General
Burrows’ englijd -imdijde Brigade wurde 27. Juli
bei Rujdl-i-Nafhud von Ejjub faft aufgerieben; der
Reſt floh nad) Kandahar, wo General Primroſe mut
5000 Mann und 18 Gefdiigen 10. Aug. von Ejjub
eingeſchloſſen wurde. Nun marfdierte eral Ro-
bert mit 10,000 Mann, 8000 Mann Lagertrof und
4000 TranSporttieren von Kabul nad Relat in Ghil-
jai (23. Uug.), 50g deſſen na oe — 1200 Mann
an ſich und riidte 31. Aug. in Randabar ein. Ejjub, der
am 23. Mug. die Belagerung aufgehoben hatte, wurde
15 km nordivejtlich am Baba Wali mit 20,000 Mann
1. Sept. von Roberts volljtandig gefdlagen und floh
nad Herat. Die Englinder räumten Kabul, wo fid
nun Abd er Rahman befejtigte, und im Wpril 1881
aud) Randahar, wo Mohammed Haſſim Stattbhalter
wurde. Dicjer ward fdon 26. Juli 1881 von Ejjub,
der in Herat feine Streitmacht wieder organifiert hatte,
bei Karez⸗i⸗Alta bejiegt. Ejjub bemächtigte fid) Kan—
dahars, —— aber 22. Sept. bei den Ruinen des
alten Kandahar dem Heer Abd er Rahmans; 4. Oft.
ward Herats Befagung von Anhängern des Emirs
vertrieben. Ejjub mute auf perſiſches Gebiet fliid-
ten. Nunmehr war Wbd er Rahman, der aud in
Herat zum Entir ausgerufen wurde, Herr von ganz
U. unter engliſchem Schutz. Dafiir fob Rufland
feine Grenge von Merw her und auf dem Bamirpla-
teau immer weiter vor und gwang A. 13. Febr. 1886
gur Hergabe von Penfdhdeh, 28. Yuli 1887 zur Wb-
tretung des Gebiets swifden dem Kuſchk und Mur—
geet. Den Emir tried dies natiirlid in die Urme
— 2. Ott. 1893 nahm er Sir Mortimer Du-
rand in Rabul auf. Nad) dem zwiſchen England und A.
12. November 1893 abgefdloffenen » Durand Ugree=
— (vervolljtinbdigt durd das —— 03
Ibereinfommien vom 11. März 1895) erfannte YL. die
Beſetzung von Tidaman durch die indiſche Regierung
an, trat Teile von Schugnan und Rofdan an Rup-
land ab, gab die Anſprüche auf Swat, Bedſchur, Tidi-
tral und Wasirijtan ju gunſten Englands auf und
erbielt dafiir, außer ciner Erhihung der Penjion um
die Hilfte, Usmar und Wadan. Am 9. April 1895
verzidhtete die indiſche Regierung auf Rafirijtan; fo-
fort veriviijteten Die Truppen des Emirs das Land
furdtbar, Um den britifden Einfluk auf A. den Ruj-
jen gegenüber, die im November 1899 Herat befesten
und Friihjabr 1900 eine ſtändige diplomatifde Agen—
tur in Kabul planten, gu fidern, wurde zur Fort-
fiibrung der Quettabahn nad) Kandahar ein Tun-
nel durch die Chodfda Umrunberge gebaut und in
Nutſchaman cine Station erridtet. Nad dem am
3. Olt. 1901 erfolgten Tod Abd er Rahmiins folgte
ihm fein Sohn Habib Ullah (geb. 1872), der die
{iteratur.] Bol. Bellew, A. and the Afghans
nannt, bis er 19. April 1880 von den Englindern | (Lond. 1879); Derjelbe, The races of A. (daf. 1880);
befiegt und Ghasni ecingenommen ward.
Abd er Rahman, der Sohn Uffals und Enel Doſt
Mohammeds, der bisher unter ruffifdem Schutz in
Samarfand gelebt hatte, in Badadfdan und von
|
{8 nun! Yate, Northern A. (daf. 1888); Spiegel, Erani-
ſche Ultertumsfunde (Leipz. 1871); Yaworftij,
Reife der ruff. Gefandtidaft nm UW. und Buchara 1878
bis 1879 (deutſch, Dena 1885); Rosfofdny, A.
27PY
21snapUDs
ct ~
4
4 "Bi. veneve *
—— 2
~ ~ ) a -'
“
(uoses gran PUP TE OnOs an Tals) OOF oooe
* 0005-0004
Yu pmeN
—
* 000 O00z
* WO-008E ay ooh OOF
Moero we OE = 005. | ‘\
woyssasdoppery, | enzo |
MseLONW UT |
LAVPUStlapealy, Pun -uUsyon
4a,amoig
00000088) QUISTEN
“AWALSASSSUILAAD | Ss.)'Tel 4 i
VAIUVAV —
or
diadion wy MOASUL Saypsrydesgonqrg
‘avg varrv/ AUOY Scasipe
; Kes 2 eM iy 1 4 Feu tty
e “ y*.> “= NIHSNT NaMOSlaatagyy
ia
“ee
ve no Ye
y Google
ae ae b=
Manes f 022) 4
—— ml
Sf
" ay - * .
Ne 7 = var . : -
oe: — =, << Tt, sab
4 rn ‘ — la " — —R an. r
* Tay Ss * ALG |
J J ¢ {a Q ® :
~~ ' is - a *
J a” = t
“ 7 A J elon 3
‘ * 4 * te
ae ⸗
: = \
pan
el ng,
io 728.078
—
bal LHIISHIEGN AHISILINTOd
VAIUAV
— — — — — —
09 os
....
Xu
VY eer ung Fadia] ur yoyNsu] soypstydesporqrg WV 9 “woprey-aucy sad
134 Afrika (Kiijten, Halbinfetn,
alles Feſtlandes und cin Siebzehntel der Erdober-
fläche cin.
Unter allen Erdteifen hat A. die geringjte Gliede-
rung; feine Küſtenlänge beträgt nur 27,638 km
(1 km Küſte auf 1067 qkm Yreal, in Europa 1 km
Küſte ſchon auf 278 qkm Areal), wovon auf das
Mittelmeer 6254, auf den Atlantiſchen Ozean 10,840,
auf den Indiſchen Osean 8584, auf das Rote Meer
2960 km entfallen. Diefe geringe Riijtenentwide-
lung erweijt fid) als verkehrsfeindlich, da fie Den Zu—
ang in das Innere erſchwert. Die Beſchaffenheit der
Sititen ijt wechſelnd. Steilküſte herrſcht am Roten
Meer, ebenſo vom Rap Guardafui bis zum wquator,
dann wieder von Der Delagoabai bis nördlich von
Rapitadt. Felſige Strecen kommen aud) an der Küſte
von Riederquinea, ferner jzwifden dem Gabun und
den Calabarfliijjen vor. Auch Oberquinea fällt ftreden-
weife ſteil ab, ebenfo der Nordwejten fowie der Norden
(Rif in Maroffo bi Rap Bon, Tafelland von Barta).
Die dazwiſchen liegenden Strecen find flad, fandig,
fumpfig, fo das Nildelta, die Küſte an den beiden Syr-
ten und der Sahara zwiſchen Wadi Draa und Sene-
gal. Die ganze Oſtküſte Ufrifas vom Äquator bis
um Gululand umſäumt ein breiter, flacher Streifen
bia gum Rande ded innern Hodlandes, befonders
breit aber ijt der Tieflandjtreifen an den Riijten von
Tripolis und Seneqambien fowie Teilen von Guinea.
Cigentlide Halbinſeln bejigt A. nidt. Das große
orn bes Somallandes, die Tafel von Barta, die
Landvorjipriinge von Tunis, Tanger, Rap Verde haf:
ten mit breiter Bafis am Feftlandsrumpf. Nur nit
wenigen breiten, weit geöffneten Buchten qreift das
Meer in das Land cin. Den Nordrand gliedern dic
Große und die Kleine Syrte oder Golf von Babes,
den Wejtrand der riejige plu Wolf von Guinea
mit den Baien von Benin und Biafra, den Ojtrand
die Delagoabai, die Mafjanfanibai und der Golf von
Uden mut der Tadfdurrabai. Das Rote Meer läuft
in den Spipgolf von Sue; aus. Sehr unbedeutend
find an der Südweſtküſte Die Walfiſchbai und Angra
Pequena, an der Küſte des Raplandes die Tafelbai,
Falſche Bai und Moſſelbai.
Im Cinflang mit der geringen Gliederung des Kon:
tinents ſteht feine Urmut an Ynfeln. Der Rordtiite
feblen fie fajt gänzlich. Im Atlantiſchen Ozean haben
wir Madeira, die Kangariſchen und die Napverdifden
Inſeln, Fernando Fo, Sao Thomé, Unnobom, St.
Helena, Ujcenjion und Trijtan da Cunha. Auf der
Oſtſeite trejffen wir die Romoren, Madagasfar, dic |
drittgrößte Inſel der Erde, die Mastarenen (Réunion, |
Mauritius, Rodrigues), die Amiranten, Sefdellen,
Mafia, Sanjibar, Kemba, Sofotora, endlich in hoben |
Breiten Neuamjterdam, St. Baul, die Crojzet- und
Stergueleninfeln.
Vodengeftaltung.
Wie in der horijontalen Gliederung zeigt W. auch |
in Der vertifalen eine große Gleichförmigkeit auf weite |
Sireden. Die aufgewuljteten Ränder der ſüdlichen
Hodtafel, Bulfantegel am Rand und im Innern des
RKontinents und die Faltengiige des WUtlas ſchließen die
hidjten Erhebungen ein. Die mittlere Höhe Ufrifas
berednet H. Wagner auf 650 m, wahrend Aſien eine
folde von 900 m, Europa von nur 300 m aufweijt.
Der Silden ijt bedeutend höher als der Norden. Auf
das hohe Tafelland im S. mit 1200 m mittlerer Hohe
folqt das Becen des Ngami mit 900 m, bas Gam
befital an den Rictoriartillen mit gegen 800 m, die
Waſſerſcheide zwiſchen Sambeſi und Kongo mit 1100
bis 1300 m, das Kongobecken mit 400 m, die Waſſer-
Inſeln, Bodengeftaltung).
{decide gegen den Schari mit 500m, das Tſadſeebecken
mit 270 m, die Sahara mit 500 m, die Depreſſion
der Libyfden Wiijte mit —20 m. Nod) groper ijt
der ye a zwiſchen dem Often und dem Weſten.
Faſt alle großen Höhen Ufrifas liegen im O. des 25.
Langengrades. Yur W. erreidjen 4000 m nur der Vik
von Kamerun und das Utlasgebirge; der erhdhte Weſt-
rand der Siidtafel erhebt fid) bloß zu 2000—2500 m.
Cine Linie von Sao Paolo de Loanda nad Kaſſala
fcheidet den hohen Teil Ufrifas im SD. von dent nies
drigern imt WW. Wie Aſien ona aud A. Depref-
fionen (Vodenfenfungen unter dem Meeresſpiegel).
Die wichtigiten find: die der algeriſchen Schotts (Schott
el Melrhir —31 m, Schott Gharja —21 m), die am
Nordrande der Libyfchen Wiijte (die Dajen Aradſch
—70, Siwah —-30, Uttiah —20, See Sittra —25 m),
das Birfet el Kerun im Fayiim (—43 m), der Uijal-
fee (—174 m), der See Wlalebadd fowie die Salz-
jteppe Deqhed (—61 m) am Ojtrande von Abeſſinien.
Bei Betradhtung der orographijden Verhält—
nijfe fajjen wir zunächſt das Atlasſyſtem, dann die
Tafellander der Sahara und des Sudän, endlicd die
des fiquatorialen zentralen, des ojtafrifanijden und
fiidafrifanifden Hochlandes ins Auge.
Der Utlas (f. d.) zerfällt in Wlgerien in drei Teile,
den Rleinen Atlas oder Tellatlas im N., das Hoch—
land der Schotts und die ſüdliche Nette de3 Großen
oder Saharifden Atlas, während in Tunis und Ma—
roffo die Steppenhodlandsjone ausſcheidet. Wo die
fiidlide algeriſche Randfette fid) qeqen NW. wendet,
ninunt der Hobe oder Maroftaniiche Atlas jeinen An⸗
fang. Seine höchſte Erhebung iſt der Dſchebel Aja—
ſchi (4500 m), nad) Thomſon der Tamjurt (4700 m),
während der Tellatlas im Dſchebel Lalla (2308 m)
die fiidliche Nette tm Chelia (2310 m) gipfelt. Zahl—
reiche Päſſe fiihren meijt in bedeutenden Höhen über
das Gebirge. Barallel im S. wrt i ijt Der Anti⸗
atlas. Wahrend das Utlasgebirge dem euraſiſchen
Faltenfyitem angehört, * das iibrige A. ganz den
Charakter eines ungeheuern Tafellandes. Die Plateau⸗
tok der Sahara (fj. d.), fait fo groß wie Europa,
urchziehen ifolierte Bergzüge, gewaltige Hdbenmaj-
five, die Oberfläche beſteht aus fleinern Flächen von
Felsblöcken (Charaſchaflandſchaften), nacten barten
Hochflächen (Hamadas), Kiesiteppen (Serirs), Dit-
nenregionen (Erg), endlich aus Steppen, Oaſen und
Rulturfand. Der Charafter der weſtlichen Sahara ijt
der einer Hanada, dic Durd) Diinenregionen geteilt
ijt. In der Witte der Sahara erheben ſich maffige
Berglandſchaften; die von Tibeſti (2700 m) und deren
Ausläufer bilden die Scheide zwiſchen der wejtliden
Sahara und der Libyſchen Wüſte. Der Boden der
legtern jtcigt vom Mittelländiſchen Meere gegen S.
ſtetig an, fo dak Rufra 3. B. ſchon in 490 m Seehöhe
liegt. Wm Nordrande der Libyſchen —* findet ſich die
Depreſſion, in deren Nordweſten das Wüſtenland zu
dem Plateau von Barta anſteigt (400 —600 m). Der
ſüdöſtliche Teil Der Libyſchen Wiiite bildet cine jteinige
Hochebene mit einigen Dafen. Oſtlich vom Nil erſtreckt
jid) die Wüſtentafel als Arabiſche Wüſte bis sum
Roten Meer; fiber ihre 500 —1000 m hohe Fade
erheben ſich mehrere anſehnliche Bergzüge (Dſchebel
Sebara 2280, Um Delpha 2180 m). Kulturland findet
ſich nur in den zahlreichen Dafen (ſ. d.), die aber zu—
ſammen fajt fo qrof wie Süddeutſchland find.
Im S. des Saharagebietes dehnt fich die Plateau—
zone des Sudan im YW. zwiſchen 5'/2 und 14°, im O.
zwiſchen 92 und 161 2° ndrdl. Br. aus. Die Senle des
—** teilt ihn in zwei Hälften. Der Charafter
“|
—
J
Mevers Kone las
iu Biche Karte 05 wierpuine
— a —
ar eet Tie —
*
~~ 8 8 —*
— tay
—-
Bergen Yyoe ra 7
br 4 4 * —— Samy
’ when 7 2 2 =
BASENGKH
— Py my 8
——
aha
SE. Grex,
3
| ven ¢
dmv pe ae fy)
a * Nahodne Ne 4S
3 2* —— A ame
ie NSE “Harte bu vn
‘iad a asks
Oo — — yaa a oe *
er ; wa, Dyterma thungti
: ry Cant — — Veta tay Fix
£ NTU ity Lai — wes ————— *
rade hf Mien *\ L o- b
8 —* wie! * “YS:
ft
je
— Gan gefl a X *
3 J —B 4 t 3 X —V — —
* 3 of 4 aA
—* Shy Baargn denen? * ‘ \ f
4
4
’
— on >
MOSM 4: DES)
fon \ 8 Sencha
> oC —
—* F mado 8
. LN pee .
sb 2 — —*
Teuad yee F
aa eee Ontemga
BEUTSCH- -stio
OWES
Mavers Kane Larceon O Must
Bibliogra phische
“, AQUATORIAL-AFRIKA.
MaSstab 1:13000000.
— —
Europaischer Kolonialbesitz:
| Deut «ch [uscarr] Franzésiech
. i Bvitineh
: ‘ 7
* “aa pert -
—
rade Pearce
ey ——
—*
Crambe
— > f me
5 ESM P
a E 2 -
_Tabora ;~4
The
re
X 0
—— 20
* hie oO il
{ AO — pads =<; a
‘hk = .
. * *
———
aloe A
er ——
MAMET vo
— Qe
Dy t fi Aigrctre | —
. q
stitut in Letpaig Zum Artikel , Afriha’
Afrifa (Bodengejtaltung, Flüſſe).
des Gebietes ijt im allgemeinen der ciner hügeligen
Landſchaft, im W. fogar der einer Ebene, deren Sdhutt-
maſſen eingelne Granit+ und Gandjteinmafjen durd-
bredjen. Das durchſchnittlich 400 —570 m hohe Hügel⸗
fand erbebt fic) ju grifern Hihen im Dfdebel Marra,
Dent Hauptgebirge Dar Furs (1830 m), tm Mendif
ſüdlich vom Tſadſee (2000 m), tm Saranda (2100 m)
bei Jafubu und in den Genderebergen (3000 m) ſüd⸗
lid) von Jola.
Siidlid) der Cinfenfung des Binué- und Sdhari-
tales breitet fid) Das Gquatoriale Zentralafrifa
im BW. des mächtigen Seengebietes aus, das wefent-
lid) mit dem Flußgebiete des Kongo zuſammenfällt.
In feinem ndrdlidjen Teil durchſchnittlich 800m hod,
erreicht es in ſeinem — vom Kongo durchſtröm⸗
ten Becken nur eine Durchſchnittshöhe von 400m. Den
Wejtrand des Plateaus vom Golfe von Benin bis zur
Miindung des Coanjza bilder mit der Küſte parallele
Höhenzüge, die aber von der Coanja - bis zur Ogowe—
mündung bogenfirmig nad) O. suriidtreten. Sie find
bis 1800 m hod); im duferiten Nordweſten erhebt fid
jedod) der ifolierte vullaniſche Gebirgsſtock des Name:
run bis 4075 m.
Das oftafrifanifdhe Hodland ijt das höchſte
und maffigite des Erdteils. Yn einer geſchloſſenen
Rone von meiſt tiber 1000 m Höhe steht es vom
ffafee nad) N. und erreicht erjt bei fiaua das
Meer. Zwiſchen RKilimandfdaro und Kongo 1200 km
breit, nimmt es nad S., nod) mehr aber gegen N. ab.
Das oftafrifanijde Tafelland wird von zwei Steil-
randern im ©. und im W. begrenst. Der djtlide ijt
befonders ſcharf ausgeprägt in Ubeffinien, dad von
200— 800 m pliglicd) gu 2000— 3000 m aufiteigt.
Das Hodland ijt durch Brudjlinien zerſtückelt, die m
den beiden Hauptridtungen RRW.— SSO. (ery-
thriijde Rictung) und SSW. —NNO. (Somatrid-
tung) auf weite Strecen durch das Land ziehen. Aus
Dicjen Briiden find vulkaniſche Waffen gu hohen
Gipfeln aufgeltiegen, von denen im Bereid) des ojt-
afrifanifden Grabens der Renia 5600 m, der Kilima—
ndjdaro 6010 m, der Meruberg 4460 m, der Gurui
3473 m, der Rungwe 3100 m erreidjen. Auch die
Ränder des großen jentralafrifanijden Grabenbru-
ches weiſen bedeutende Erhebungen auf, den Kirunga,
3475 m, und den gewaltigen Gebirgaitod des Run-
foro, iiber 5000 m Höhe. Aus ciner Barallelfpatte ijt
Der 4280 m hohe Clgon (Majawa) emporgedrungen.
Rad N. dacht fid) das Hochland zum obern Nil, nad
BW. gum Kongobecken ab.
Das ſüdafrikaniſche Tafelland, cin Fiinftel
Ufrifas ausmadend, erſtreckt fich vom tief eingeſchnit—
tenen Tale des Sambeft bis zur Südſpitze Wfrifas.
Hier herriden die Hodfladen von 1000 —1200 m
ii. M. vor, die terraſſenartig und ſteil von den Küſten
des Utlantifdyen und Indiſchen Ozeans aufiteigen.
Bon der WMiindung des Dranjeflujjes sieht fid) rings
unt die Südſpitze cin ſchmaler, niedriger Küſtenſaum,
pon dent zum Plateau des Hochlandes drei Randfetten
emporitcigen. Sie fiihren in ihren einzelnen Teilen
verfdiedene Namen. Gut ausgeprigt —* ſie indes
nur vom Olifant bis zum Sundayfluß. Die erſte
dieſer Terraſſen (80 —100 m Höhe) trägt Berge von
1000 —1500 m, Die zweite, die Grohe Rarroo (f.
Karroo), ragt wie eine Fejtungsmauer empor und ijt |
nur auf den fdlundartig gedffneten Päſſen yu er: |
reidjen. Ihre Kammhöhe betragt 1200— 1500 m, |
erreid)t aber im Seven Weels Poort 2325 m. Die
dritte Stufe erſcheint in ihrem wejtlidjen Teile nur |
von der Siidjeite aus als Gebixer ~ Charafter
135
nad O. hin deutlider ausgepriigt ijt. Sie fteigt im
Kompahberg gu 2440 m, im Champagne Cajtle und
Mont-aur-Sources ae ge og gu 3160 m,
be3. 3400 m, im Spigfop und in der Mauchſpitze bei
Lydenburg ju 2220, bez. 2660 m und fest fich bis
jum Siidufer des Limpopo fort. Weſtlich von dieſen
midtigen Randgebirgen breitet fic) das Hochland der
Burenjtaaten aus, das nad MN. gu in das 1200 —
1500 m hohe Tafelland der Matabele iibergeht. Nad
M. gu fallt letzteres ſteil zum Sambeſi ab, während
nach der Küſte zu weite Terraſſen den Abſtieg bilden.
Das große Gaſaland öſtlich vom Limpopo iſt eine
einzige weite Ebene. Nach W. ſenkt ſich das Plateau
ju Dem abflußloſen Gebiete des Ngamibeckens, an das
lic) fiidlich Die Kalahari (j. d.) anfiigt. Im W. wird
dieſe Cinjenfung abgeſchloſſen durch den aufragenden
Steilrand der afrifanijden Tafel, der vom Dranje
bis gegen den Nunene sieht. Cine Terrajjendildung
hat nur der nördliche Pil Dort folgt auf cine die
ganze Weſtküſte entlang laufende, 50 km breite Niijten-
terrafje eine zweite von 600 —700 m und cine dritte
von 1100 — 1200 m mit ecingelnen bedeutenden Er-
hebungen (Ontotato 2300 m).
Die Inſeln find fajt ſämtlich gebirgig, meijt aud
vulfanijder Natur, fo die im Atlantiſchen Ozean ge-
legenen; im Indiſchen Ozean find fie häufig von Ko—
rallenriffen umfaumt, wie die Romoren, auf denen
fid) ein tatiger Bulfan von 2250 m Höhe befindet.
Madagastar wird von einem 1400 m hohen Tafel-
lande durchzogen, das nad S. auf 1100—1200 m,
nad) Jt. auf 800 —900 m berabjinft, tm Unfaratra-
ebirge aber zu 2680 m aufiteiqt. Die Maslarenen
ai ſämtlich vulkaniſch, die Amiranten dagegen Ko—
ralleninſeln. Die Küſteninſeln tragen durchaus den
Charafter des Feſtlandes, aud) das im Dſchebel Hag—
gier (1419 m) gipfelnde Sofotora erjdheint nur als
eine Fortſetzung des öden Somallandes.
Fliiffe und Seen.
Die klimatiſchen Verjdiedenheiten in Verbindung
mit Dem Bau des Bodens bedingen in U. große Ge-
genidige in den hydrographiſchen Verhältniſſen. Das
tlasſyſtem gejtattet nur die Bildung einer Küſten⸗
flüſſe, wie Medjerda, Scheliff, Muluja, Sebu, Tenfift,
und zahlreicher waſſerarmer Binnenflüſſe, die teils
in Salsfiimpfen fic) verlieren, teils, wie Wadi Draa
und Gagiet el Hama, den Ozean zuweilen erreicen.
Im regenreiden Tropengiirtel dagegen beſitzt A. eine
große Bahl madtiger Strdme und ausgedehnter
Binnenjeen und fteht an Waſſerreichtum keinent ane
dern Erdteil nad. Das Mittelmeer erreidt mur der
Mil, während zahlreiche Flüſſe in den Utlantijden
und Indiſchen Ozean münden. Der Nil (j.d.) bat
unter den Flüſſen Ufrifas mit 5900 km den längſten
Lauf, fein Stromgebiet umfaßt 2,803,000 qkm. Das
abeſſiniſche Hochland entwäſſert nad W. zum Mil,
nad O. und SDH. flieRen Hawaſch, der Webi Schebeli
oder Doboi und der Dſchubb, diefer mit einem Strom-
ebiet von 196,000 qkm. Bom Kenia fonunt der
Tana, vom Kilimandſcharo der Pangani, legterer,
wie Wami, Rufu und Rujfidſchi, auf deutſchem Ge-
biet, während der Rovuma (Stromgebiet 145,000
qkm) defjen Südgrenze bildet. Der bedeutendite Fluß
Der Ojttiijte ijt fe Sambefi, der ein Ureal von
1,330,000 qkm entwäſſert, während der ihm parallel
fließende Ofavango, ſpäter Tioge und Botlele ge-
nannt, nad) Durdfliejung des Ngamiſees in fleinen
Seen und Sümpfen fic) verliert. Die Ojtfiijte erreidt
der weit fleinere Sabi mit einem Delta, und weiter
ſüdlich fiihrt Der Limpopo oder Inhampura die
136
Gewiifjer aus cinem Stromgebiet von 400,000 qkm
nabe sur Delagoabai. Vom Kranze des Naphodlandes
fommen nur Küſtenflüſſe, wie der Tugela in Natal,
der Grohe Fiſchfluß im Rapland, wabhrend ſich die
auf Dem innern Gehänge der Umwallung entfprin-
enden Gewäſſer gum Oranjefluß (960,000 qkm)
race: der ſich in Den Atlantiſchen Ozean ergieft.
Die Flußbetten von Deutſch-Südweſtafrila führen
als bloße Regenflüſſe ſehr ſelten Waſſer, während der
Die Nordgrenze bildende SMunene (137,000 qkm) ſtän⸗
dig Wafer enthalt. Der Weſtküſte ſtrömen ferner gu
der Coanza in Angola (149,000 qkm) fowie der
mächtige Rongo, emer der Riefenjtrdme der Erde,
deſſen Beden 3,960,000 qkm umſchließt, und der cine
Anzahl großer, meijt ſchiffbarer Flüſſe in ſich auf-
nimmt. Die in den Golf von Guinea ſich ergießen—
den Flüſſe, wie der Oqgowe und im deutſchen Kamerun:
gebiet Riong, Mbam, Kamerun, find von weit geringe-
rev Größe und Bedeutung. Der Riger aber, der m
Denjelben Golf miindet, feat fic) mit einem Strom-~
ebiet von 2,092,000 qkm als Dritter den Riefen-
trömen Ufrifas sur Seite. Dabei ijt feine Waffermenge
an der Deltamiindung größer als die Des Nils, Dod)
bedeutend geringer als die des Kongo. Bon den zahl⸗
reidjen Stiftenflatien der Guineafiiite find der Bolta
und der Comoe die bedeutendjten. Die Quellen des
Rio Grande, Gambia und Senegal befinden ſich in
eringer Entfernung voneinander. Faſt ſämtliche
lüſſe find nur ſtreckenweiſe ſchiffbar, da Stromidnel-
len ihren Lauf wiederholt unterbrecdhen. Am günſtig—
ſten geſtellt find —* und Kongo; bei letzterm liegt
die Sperre unweit der Mündung.
Seen. Das oſtafrilaniſche Tafelland enthalt gt
reidhe Seen und Siimpfe, lestere vielfach als Rejte
fdhrumpfender, abfluglofer Seen, wie den Schirwa—
oder Milwafee im O. des Schire, den Mifwafee, den
Banagweolofee, den Manjarafee, den Natronjee und
ben Stefanieſee. Bulfanifden Urſprungs find die
meijten oſtabeſſiniſchen Seen und der Jipeſee am Ki—
limandjdaro, andre liegen in langen Mrabenverjen-
fungen, wie der Nyaſſa, Tanganjifa, Kiwu, Wibert
Edward- und Albertſee. Die Meereshihe betriigt bei
dem Tanafee in Ubefjinien 1755 m, dem Naiwaſcha
1860 m, Bictoria Nianſa 1190 m, Albertſee 680 m,
Albert Edwardjee 900 m, Tanganijita 814 m, Rifwa
800m, Nyaija 520m. Un Größe tiberragt der Victoria
Nianfa wut 68,000 qkm Flade alle andern; auf ibn
folgen der Tanganijita mit 40,000 qkm, der Nyaſſa mit
27,000 qkm, der Rudolffee mit 9000 qkm, der Moero
mit 5200 qkm, der Albertſee mit 4500 qkm, der Tana-
und Vibert Edwardſee mit je 2980 qkm. Die meiſten
der oftafrifanifchen Seen find von Flüſſen durchzogen,
der Nyaſſa felbjt iit Der Quellfee des Schire, wahrend
der Tanganjifa durd den Luhiga zuzeiten zum Kongo
entivaifert. Abflußlos find der Rudolfſee und die
fibriqen in Dem Graben fiidlid) Davon liegenden klei—
nern Seen. Im nördlichen Tieflande liegt in 244 m
Meereshdhe der flache Tfadfee, bei Niedrigwaſſer
27.000 qkin, bet Hochwaſſer das Doppelte betragend.
Oitlid davon in Wadai liegt die große Fitri Lagune |
und ſudöſtlich von Diefer in irmi die Iro Lagune.
Dem Kongogebiet gehören der ——— und der
Leopold II. See an. Qn Siidafrifa finden wir nur
ſeichte Beden, wie den Ngami - und Soafee, ähnliche
Bildungen aud im O. des abeffinifchen Hodlandes, |
wie Mantina - oder Buturlinefee, Hoga + und Dembal-
fee, Aſſal- und Wb Hebaddfee u.a. Yn Nordafrila sieht |
ſich in Ulgerien und Tunis die Kette der Schotts hin.
Bon dem Gefamtareal Virifas entfallen auf das
Afrita (Geen,
Geognojtiicies).
Zuflußgebiet des Atlantiſchen Ozeans 10,541,000 qkm
(36,05 Proz.), auf das des Mittelländiſchen Meeres
4,351,000 qkm (14,88 Bro}3.), auf das des Indiſchen
Ozeans 5,403,000 qkm (18,48 Proz.) und auf das
abjluflofe Gebiet 8,940,000 qkm (30,50 Bro3.).
Geoguoſtiſche Befdhaffenbeit.
Die geologiide Durchforſchung Ufrifas hat mit der
topographifden Aufnahme nidt gleichen Scritt ge-
alten. Immerhin lafjen die gewonnenen Ergebniffe
Die Grundzüge des Bodenbaues erfennen, fie zeigen
vor allem den Gegenſatz zwiſchen dem erdgeſchichtlich
jungen Faltungsgebirge des Utlasfyjtems und dem
alten ftarren Rumpf frifas, der feit Dem Aus
gang des Paläozoikums eine Stdrung durch Falten-
bildung nicht mehr erlitten hat. Erſt in jiingerer Fert
find beide Teile zuſammengewachſen.
Das Utlasgebiet (fj. Allas) befigt enge Be-
jiehungen zu den in der Tertiärzeit gebildeten euro-
paifden Faltungsbigen, sur bätiſchen Kordillere und
dem YUppennin. Der Innenrand ded Utlasbogens
wird bezeichnet durch cine Reihe vulfanifder Bildun-
en von Der tuneſiſchen Inſel Galita bis zu Den Cha-
Prinadinfeln im W., Bafalte, Tradyte und Pbono-
lithe, die einen Teil des fabylifden landes bri
Dellys aufbauen. Wn diese ſchließt fich cin archaifches
und altpaläozoiſches Gebirge aus alten Schiefern.
Gneis und Granit, dad nabe der Miljte bis yur Stroke
von Wibraltar verlauft. Als dritte Zone Gane rote
Sandijteine und Ronglomerate des Rarbon und Perv
und als vierte Sone bis sur Sabara, wo das Gebirge
mit einem Steilrand abbricht, erheben fic) die ſtart
gefalteten Ketten des Mreidefalfgebdirges, Die im S
von Oran durch Gebirge des Sura erſetzt werden.
Zwiſchen den Faltenfatteln find ausgedehnte tertiare
Vildungen, eocine Nummulitenlalle wie aud jin-
qere Tertiärſchichten zur —— — Der
Varallelismus der Sireichrichtung .—- BSB.
lommt aud in vielen Langstilern gum Ausdruckh
Das Utlasgebiet hat mannigfade Erslageritatten, tre-
fert ſchönen Warmor und vt reid) an Steinſalz. Wn-
ſehnliche Schiwefelablagerungen wurden wohl durch
ſchwefelwaſſerſtoffreiche Quellen erzeugt, und nok
| heute befigt Ulgerien in ben Hammam Westutim Ther -
men (95"), Die gu den heißeſten Der Erde gebdren.
Das nordafrifanijdhe Wijtenplateau be-
qinnt fiidlid) vom Atlas und erjtredt fic) von der
atlantiſchen Küſte bis zum tiefen Grabeneinbruch
Des Moten Meeres. Cigentiimlic ijt fiir das Wüſten
ebict die horijontale Lagerung madtiger paldoyzoi-
cher Schichtenreihen über aufgeridtetem kriſtallini
ſchen Grundgebirge fowie dad ii ifende Auftreten
der ebenfalls horizontal qelagerten mittlern Kreide
formation iiber betden. tiche, triadiſche und zu
raſſiſche Sedimente fehlen vollſtändig. Das kriſtallini⸗
ſche Grundgebirge, aus Gneis, Glimmerſchiefer, Chlo-
ritſchiefer in Verbindung mit Granit, Syenit. Dtorit
und rotem Borphyr bejtebend, ſetzt den arabiſchen
Gebirgszug an der Küſte des Roten Meeres zu
ſammen und steht ſich in wechſelnder Breite bis tn Dae
Wegend von Verber. Auch an vielen Orten der Sa—
hara wird die Sedimentdede vom Grundgebirge, merit
Wranit, durchbrochen; fo tritt in Adrar und Schingbet
Mranit unter ſalzführendem Sandjtemgebirge berver,
und ähnlich ſcheint das öſtlich gelegene Hochland Ba-
dan qebaut su fein. Sandjteine, nag von Kallen
und untergeordneten Tonfdiefern, in denen Leng ber
Tenduf Roblenfalf-Petrefatten auffand, find hier dee
herrichenden Gejteine; fie ſchließen nicht felten Steen -
ſalzlager ein, fo befonders cin widtiges Lager in der
Afrika (Geognojtijdes).
großen Einſenkung El Dſchuf (»Leib der Wiijte«),
welded das reine, wenn auc) ſchwarz gefärbte Krijtall-
fal; von Taudeni liefert. Devoniſche Meeresfoſſilien
und Steinfohlenpflangen find aus der Gegend von
Murſuk, Rhat und ſüdlich von Temaffinin befannt;
hier jind neben mehr untergeordneten Ralfiteinen (bei
Murſuk) und Tonen mit Steinfals (bei Mofen)
ſchwarze Sandjteine verbreitet, die im Hochlande von
Tibeſti und in Borku auf buntem Marmor liegen;
bas Devon erjtredt ſich von Hier aus bis nach der
diirren Tintümnawüſte, die fich tiber der Kallſtein—
platte von Kanem erhebt, fowie bis nad) Bagirmi
öſtlich und Sofoto wejtlid) vom Tſadſee, deſſen Ufer
von jungen Süßwaſſerkalken umſäumt werden.
In Dar Fur und Rordofan treten neben Graniten
und Gangquarjiten Gneife und frijtallinifche Schiefer-
ejteine und in den ausgedehntern Berggebieten aud
Shyllite und fornige Kalke auf. Die Sdidten find
liberal ſtark disloziert und fteil aufgeridtet. Zwiſchen
cingelnen Bergqruppen, den Rejten eines abgetragenen
mächtigen Faltengebirges, dehnt ſich eine weite Chene
aus ſchwarzem, ftart tonigem Boden aus.
Wabhrend fic) das Verbreitun —— der palãozoi⸗
ſchen Ablagerungen von W. ia . hin verſchmälert,
verhalten jid) die Sedimente der Rreide umgefehrt.
Vom Sitdrande de3 algerijden Utlas fallen cenomane,
turone und fenone Kreideſchichten mit etwa 40° nad
der Wüſte hin ein, nehmen dort eine horizontale Lage
an und verbreiten fid) nad S. in dad fteinige Wüſten⸗
plateau der Hamadas, wo der ſchwarze devonifde
Sandjtein unter ihnen hervortritt. Die größte Fläche
bedecken Turon und Genon, beide von der gleiden
Entwidelung wie im ſüdlichen Wlgerien; Cenoman
erſcheint unter der jiingern Rreide nur als ein fe maler
Saum im S. und in der Gegend von Tripolis, wo
die von dem Phonolithfeqel des Taful iiberragten
Ghurianberge ganz aus Kreide beftehen, tritt aber
recht ausgedehnt weiter im O. auf als cine mächtige
Folge von Sandjteinen mit verfiefelten Stammen,
al8 der fogen. Nubiſche Sandftein. Bon Esneh
reicht er 10 Breitengrade ſüdwärts bis Chartum, wo
fid) bas Grundgebirge unter ihm hervorhebt. Seine
Hauptverbreitung fallt auf das linke Nilufer; nur in
einzelnen Lappen qreift er aud) auf dad rechtsſeitige
Gebiet tiber, und am arabifden Gebirge zieht er fid
in ſchmalem Saume nordwarts. Uber dem Cenoman
folgen in fonjentrifden Bogen, tmmer mehr dem
Nildelta fic) nahernd, die Schichten der obern Mreide
und von Siut bis gum Mofattam die des eociinen
Nummutlitenfalfes. Die niedern Plateaus der Land-
enge von Sue} fest dann ein miociiner, verſteine—
rungSarmer Sandjtein zuſammen und die Küſte als
jüngſtes marines Gejtein der Meereskallſtein, defjen
Bildung nod fortdauert. Die Talfohle des Nils und
die weite Ebene Unterägyptens ijt vom Nilſchlamm
bedeckt, einem dunkel aſchgrauen Lehm, reid) an Sal—
und organijden Stojffen. Mit Wusnahme der |
en
dpitatluvien lafjen ſich die genannten Bildungen auc
nad O. und W. bis in die Wüſte verfolgen. Nur der
Nummulitenkalk fehlt an der Seite ded
gänzlich, und jiingeres Tertiärgebirge mit Schwefel—
ablagerungen und der Rorallenfalf der Küſte folgen
dort unmittelbar auf die Kreide. In der Libyſchen
Wiifte reicht die Nordgrenje des Sandſteins bis zur
Dafe von Dadhel, öſtlich von Theben, nördlich davon
der Streidefalfitein bis sur Kleinen Daſe; dann folgt,
wie im Niltal, der Nummulitenkalk und dieſem (in
der Daje Siwa) Gips und Steinfal; fiihrender Ton
und cin jiingerer Tertiärkall. Die Natronfeen der
oten Meeres |
bis zum Lande der Gomal und auf der Inſel So—
137
Makariuswiljte gehören der Zone des Tertiärgebirges
liber dem Nummulitenlalk an. Diefer felbjt retdt
nod) nad) Barfa hinüber, dann tritt er erjt in Al—
gerien wieder auf; aus dem Innern Afrilas ijt er
bisher nod) nidt befannt. Rad) alledem erſcheint die
Wiijte nidt als ein einförmiger Sandozean, fie baut
fic) vielmehr aus einer Reihe von terrajjenformig iiber-
einander aufiteiqenden Blateaus auf, die im N. vor-
herrjdjend aus Ralfjtein, im S. aus Sandjteinen ge-
bildet find, und über die fic) granitiſche Gebirge er-
heben, bier und da (in Tripolis und im W., in Wdrar
und Sdinghit) durdbroden von phonolithifden,
bafaltifden und trachytiſchen Gejteinen. Die jtetig
wirfende Verwitterung der Gefteine liefert loſen Sand,
den die Winde in Die Niederungen zujammentreiben
und gu Diinenreiben aufgehaiuft haben. Bei der Re-
genarmut dieſer Sone ent}tehen fo jene furdtbar diir-
ren, glühenden Hodjebenen, die Hamadas, und zwiſchen
ihnen glühend heiße RiedDerungen; nur, wo in den
Tälern und Talfejjeln die Unterlagen, auf denen ſich
das Waſſer jammelt, zu Tage treten, gibt es natiir-
lide Quellen.
Im fidlidhen A. (fj. die geologifde Karte bei
Art. ⸗Kapkolonie«) treten Granit und frijtallinifde
Sdhiefer, zuſammenhängend im O. und W., vereingelt
an der Südküſte, als Unterlage einer mächtigen
Schichtenfolge von Sedimenten der Rapformation
auf; ihr der Küſte paralleler fongentrijder Verlauf
bewirlt das terrafjenfirmige Unjteigen des Kaplandes.
Die meijt marinen Vildungen, Gandjteine, Sdiefer
und Kalke, von devonifdem bis farbonifdem Ulter,
find im S. ſtark gefaltet, weiter nördlich dagegen hori-
zontal gelagert. Daritber liegen ungeftirt die Bil-
Dungen dDerNarrooformation, Gandjteine, Schie
fertone und Songlomerate, die etwa vom Karbon bis
sur obern Trias abgelagert worden find und weite
y afeliladhen bilden. Un der Baſis der Rarrooforma-
tion liegen die oberfarbonijden, an 400 m madtigen
Eccaſchichten, die, wie die qleichalterigen Taldir-
ſchichten Borderindiens (vgl. Ujien), aus graublauen
Tonen mit eingebetteten größern Bliden und Ge-
riflen von Granit, Gneis, Quarzit und Tonſchiefer
bejtehen und jedenfalls cine Glazialbildung darjtellen.
Die jiingern Stufen der Rarrooformation, die ſich
bis nad Deutſch⸗Oſtafrila fortſetzen, wo ſie im N. des
Nyaſſaſees und aud) im Küſtengebiet auftreten, ent—
ſprechen Der permiſchen und triadiſchen Formation
und enthalten cine an die untern Gondwanaſchichten
Indiens erinnernde Flora und Fauna, aber niemals
marine Organismen. Mächtige, ausgedehnte Lager
und Deden von Eruptivgeiteinen (Porphyr, Wela-
phyr, Diabas) find der Narrooformation eingefdaltet.
BenterfenSwert find, bejonders in dem vom Baal-
fluß durchſtrömten Griqualand, die cigentiimlicden,
mit granitartigem Grus und ferpentinabntidjen Tuff
mafjen angefiillten kraterähnlichen BVertiefungen, dte
wegen ihres Gehalts an Diamanten vielfach durd-
ſucht worden find.
Auch ndrdlid vom Oranjefluk, im Beden ded
Sanrbefi und bis gu den großen Aquatorialjeen, ja
fotora, ebenfo am obern Rongo, am untern Niger
und felbjt nod in dem Gebirgslande von Oberguinea
und Senegambien treffen die Reifenden allenthalbern
auf Granit und kriſtalliniſche Schiefer, 3. T. über—
lagert von horizontal geſchichteten Gandjteinen, die
meijt den Gandjteinen Der Rarrooformation nabe-
zuſtehen deinen.
Meereshildungen jiingern Alters als Trias beglei-
138
Afrika (geologifde Entwickelungsgeſchichte).
ten mehrfach als Saum die Küſte, greifen aber aud | baſaltiſche Geſteine und trägt in ihrem nordiweftliden
tranSqredierend mit Schicdten des Dogger und Malm | Tetle nod) vier tätige Bulfane. Die Masfarenen und
tiefer m dad Land hinein. Dem Jura entfpreden
marine Ublagerungen an der Küſte von Moſambik,
im Küſtengebiet von Deutfdh - Ojtafrifa und bei Mom-
bas im ©.; ebenda finden fich aud) als Neofom er-
fannte Rreidefedimente und über dieſen oberkretazeiſche
Bildungen, die Mafondeidicten, deren Ublagerung
im Cenoman begann. Zum Reofom werden aud die
fogen. Llitenhage- Series in der Algoabai gejtellt, in
denen Schidten mit Landpflanjen und ſolche mit
Meeresfondylien wedfeln; als Gault oder Cenoman
qelten die nur 8—10 m it. M. geleqenen foffilreidyen
Sandſteinbänke von den Eloby-Ynfeln in der Corisco-
bucht und Ublagerungen bet Moſſamedes fowie ver-
einzelte Borfomminifje an der Küſte von Natal. Nicht
ſicher beſtimmt find ähnliche Ablagerungen an der
Küſte von Senegambien. Wher auch jungltertiäre und
quartire marine Ublagerungen find von vielen Stellen
am Strande des Fejtlandes befannt geworden; fo be-
jigen im S. von Deutſch-Oſtafrika die fogen. Mikin—
danijdidten eine große, weit binnenwärts reichende
Verbreitung. Von jiingern Ublagerungen im Jnnern
des Landes find bejonders die Süßwaſſerkalle aus
der Umgebung der großen Seen, vom mittlern Sam-
befi und aus der Nalahariwiijte, ferner die Alluvien
der Flüſſe wegen ihrer oft enormen horizontalen Ber-
breitung, Dann aber aud) die Lateritbildungen, d. h.
unter Dem Cinfluk des tropiſchen Klimas entitandene
die meijten Inſeln des Atlantiſchen Ozeans find vul-
fanijder Entitehung. Cingehender unterjucht find
von den Utlantifden Inſeln namentlich die Azoren
mit noc tätigen Rratern auf den Inſeln San Miquel,
Fayal u. a., fowie die Kanaren, unter den letztern
insbeſ. Tenerife mit dem mächtigen Pik, Gran Ca—
naria, Fuerteventura, Lanzarote und Palma mit der
berühmten Caldera und dem Baranco, ausgezeichnet
durch einen Kern von alten Eruptiogeſteinen.
Werfen wir nach den gegebenen Tatſachen einen
Rückblick auf die aeatentiae Entwidelungs-
geſchichte Afrikas, fo finden wir cine auffallend
roße Verbreitung des Urgebirges, der kriſtalliniſchen
Schiefer und des Granits, und wir diirfen woh! ane
nehinen, da zur Zeit der Bildung des Ubergangs-
gebirges große Teile Ufrifas als Urgebirgsinſeln tiber
Dem Weer hervorragten, in deren Umkreis ſich die
————— Geſteine ablagerten. Aber ſchon mit
dem Ende des jüngern Paläozoikums bildete ſich ein
roßes — ängendes Feſtland (Indoafrila)
— T. niemals wieder vom Meere bedeckt
wurde. Yn Siidafrifa begleitete eine der großartigſten
Porphyreruptionen dieje Hebung. Die Flora des
Steinfohlengebirges fiedelte fid) auf dem neuen Fejt-
land an, und in einer ſpätern Beit folgte cine Fauna
3. T. riefiger Reptilien tm S., ebenjo ijoliert pon der
Reptilienwelt Europas, wie es damals der afrifanifche
cifenreiche tonige Serjesungsprodufte der verſchieden- Rontinent war. Eine lange Zeit der Rube fcheint ge-
artigſten Gejteme, zu erwabnen.
n dem Aufbau von YW. beteiligen fic) ferner jung-
eruptive Gejteine. Wan fennt folde aus den weit
lichen Küſtenländern, von Moſſamedes und nament-
lid) von Oberquinea in grofer Ausdehnung; aud
folgt ju fein. Erſt mit dem Lias, als etwa die Bil—
dung des Heutigen Indiſchen Dzeans ihren Anfang
nahm, beginnt eine Zeit der Senkung; fie betraf, ab-
efehen von der tiefern Eimfenfung des Indiſchen
scans, anfinglid) nur den äußerſten gegenwärtigen
von Senegambien und aus der weſtlichen Sahara Küſtenſaum im NW.; vom Ende der juraffiichen Beit
(Hodland von Wdrar) werden Bafalte und Trachyte
erwabnt. Ant Golfe von Biafra, auf Fernando ‘Bo
und Sao Thomé erheben fic) auf granitiſcher Bajis
Baſalte und Trachyte zu anſehnlichen Bergen; aud
das Ramerungebirge beiteht aus Bafalt. iter im
Innern enthalt das Wdamduamaffiv jungeruptive
Weiteine. Ferner finden fid) Bafalte und Trachyte,
3. T. in obfidianartiger WUusbildung, am Kilima—
ndjdaro, am Kenia und am Nordende des Nyaſſa
und Tanganjifa, vor allem aber in Abeſſinien, wo
alttertiare vulkaniſche Maſſen gewaltige Lavafelder
geliefert haben. Jünger find die doleritiſchen und
trachytiſchen, von Obſidian und Bimseſtein begleiteten
Laven an den Gehängen des öſtlichen Randgebirges
und im Küſtenlande ſüdlich von Maſſaug bis zum
Aquator. Yn dieſem liegen zahlreiche Bulfantegel;
einer von ihnen, der Vulkan von Erteadi an der Da-
nafilfitjte, war 1861 nod) tätig. Auch im Annern
des Kontinents ijt die vullaniſche Tätigkeit feinesivegs
abgeſchloſſen, aus den Bruchfpalten im O. haben ſich
und aud) das Land um den Südabſchnitt des Rudolf
ſees weijt rezente Ausbrüche auf. Auf friibere vul
laniſche Tatiqfeit deuten auch die heißen Quellen, be-
fonders Schwefelquellen, im Damaraland, in Natal,
Transvaal, bei Tete und bei Tanga. Ebenfo wie A.
der bereits in Der Tertiärzeit begonnenen vulfanijden
Tiitigfeit feine höchſten Höhen im O. und BW. ver:
dantt, fo find auch die meiſten feiner Inſeln vulfani-
ſchen Uriprungs. Auch die qroke Inſel Madagasfar,
die vorberridjend aus Granit und Gneis befteht, an
der Weſtlüſte aber aud) juraſſiſche und tertiäre Meeres-
ablagerungen befipt, enthalt in groper Ausdehnung
an finden wir aber den ganzen Norden in Senlung
7s apt fo daß die jiingern Glieder der Kreide weit
tiefer nad) S. reidjen als die Altern. Sm O. erhob
ſich Damals das Urabiide Gebirge als weit nad N.
voripringende Halbinfel mit zahlreichen tiefen Fjorden,
in die Das Rreidemeer eindrang. Daß aud) der Siiden
und Ojten Afrilas gleichzeitig cine Senkung erfubr,
beweijt die Umſäumung der Küſte Durch einen ſchma—
len, wenn aud) ftellenweife unterbrochenen Streifen
von marinen Gebilden. Die Beſchränkung des Num—
mulitengebirges auf das Küſtenland des Atlas, auf
Barfa und das nördliche Agypten deutet auf eine der
Senfung folgende neue Hebung, die ſchließlich mit
der Auffaltung des Atlasſyſtems ihren Höhepunkt
erreidte. Die nun beginnende Zeit der trachytiſchen
und bajaltijden Eruptionen war fiir A. eine Zeit
qrokartiger, aber partieller Hebungen und Senfun-
‘gen, in deren Folge das Meer wieder in viele Budten
von N. her eindrang, fo in Algerien. Zu gleicher
Zeit erlangten die Süßwaſſerſeen im Innern des
im N. des Tanganjifa die Virungavulkane erhoben,
Siidens wie ded Nordens ihren größten Umfang und
ſetzten fich Die Süßwaſſerkalke ab, in deren Witte wir
gegenwärtig die Seen ſinden. Etwa am Ende der
ertiärzeit war Afrikas Geſtalt in threm geqenwir-
tigen Umriß vollendet, wenn aud) im N. und O. das
langſame Anſteigen des Kontinents noch fortdauerte.
Spater erſt entſtand neben andern ausgedehnten
Bruchbildungen die Grabenverſenkung des Roten
Meeres und damit der faſt vollſtändige Abſchluß gegen
Aſien. Yn der Küſte Oſtafrikas wechſeln ſäkulare
Hebungen und Senkungen, wie die Korallenbildungen
unter anderm zeigen, in hiſtoriſcher Zeit erfolgte eine
poſitive Strandverſchiebung.
Afrika (nutzbare Mineratien, Mima).
[{Nugbare Mineralien.] An mineralijdhen Shien
ijt W. nicht arm. Es finden fid) Diamanten im Rap-
land (Kimberley), Smaragde in den Zubarabergen
am Roten Meere, Tigeraugen am Oranjefluß und
fonjtiqe Edelfteine in Zentralafrifa und Madagasfar.
Wold ijt befannt aus Wejtafrifa, wo es in den Allu—
vien an der Goldküſte, vor allem aber im den durch
ihre Goldwäſchereien weitberiihmten Ländern Bam-
139
felbjt auf der Ebene nod Frojt vor. Ym Ynnern ded
Raplandes treten ebenfalls oft heftiger Froit und
Schnee cin. Bal. die »Tentperaturfartes bei Art.
»Lufttemperature, mit Tertblatt.
1) Tropifdes Wejtafrifa. Jn Seneqambien
und Sierra Leone gibt es nur zwei Jahreszeiten: die
trockne, friſch angenchm und gefund, insbeſ. an der
Riijte, und die naſſe, unerträglich und ungeſund fiir
buf und Bure gewonnen wird, aus Damara- und den Europäer. Nad) dem Aquator hin ninunt die
Namaqualand, aus Siidafrifa (Natal, Witwatersrand | Regenhäufigkeit (ebenfo die Gewitterhäufigkeit) und
und andre Gebiete in Transvaal) und Sofala, wo die | die Regenmenge rajd) gu (St. Louis 422 mm, Sierra
Goldgewinnung jest durchſchnittlich jährlich Will. | Leone 4300 mm). Wabhrend der ganzen Dauer der
ME. betriigt, aus Rordofan und aus Ubeffinien. Sil- Regenjeit gewährt Senegambien einen gleichförmigen
ber und Mupfer finden fid) befonders in Siidweftafrifa, Anblick in jeder Hinjidht. Die mittlere Temperatur
nördlich und fiidlid) vom Oranjefluß, Kupfer in Dar | ijt itberall fehr nabe bei 27°, die Schwankungen find
Fertit und Ef Hofra fiidlid) von Dar Fur, in Mor- | fehr gering. Die Luft ijt nahezu fonjtant mit Feud),
dofan und in Waroffo, Blei und Zink in Ulgerien, | tigteit gefattigt. Die Regen fallen im Überfluß, und
Eiſen fajt im ganzen Erdteil, namentlid) bei den Bas | die Flüſſe überſchwemmen die Riederungen. Die Gee
tofa am Sambefi, fowie rings um die grofen Seen
und in Ujanga an der Djttiijte, auch im Berglande der
Bari (Magnetetfentager in den frijtallinijden Sdjie- |
fern). Steinfohle wird im Rapland ausgebeutet ; aud) |
bei Pieter-Marikburg in Natal, bei Tete am Gam-
befi und am Nordende des Nyaffajees Hat man Roh: |
lenflöze erſchloſſen. Steinfal; fommt auger an den
bereits genannten Stellen im S. von Maroffo und
jonjt nod) vielfad) in der Sahara, in den Nilländern
und Abeſſinien, in Ungola, in Benquella, am Sam-
beji, in Den Salzpfannen Siidafrifas fowie in Mada-
gaskar vor. Marmor wird in ausgezeichneten Varie—
ſäten in Algerien und Tunis, Wlabajter in Ägypten
ewonnen. Vortreffliche Baujteine find der Nunrmu-
ttenfalf, aus dem die Byramiden von Gizeh qebaut
find, und der nubiſche Sanditein (ſ. oben, S. 137), der
in Der Talenge von Cdfu das Material fiir die Bauten
Dberiighptens geliefert hat. Bal. die Karte »Borfom-
men der nutzbaren Mineralien in Siidafrifa« bei Ar—
tifel »Rapfolonie«.
lima.
U. ijt cin ausgeſprochen tropiſcher Erdteil, fajt ganz
beherrjdt von den Paſſaten beider Hemijpharen. Nur
die ndrdlidjten und ſüdlichſten Gebietsteile reiden |
nod) in die jubtropijde Zone hinein. Der Regen: |
reichtum in der YUquatorialjone zwiſchen den betden
Paſſaten, die Reqenarmut in den Pafjatgebieten wie
aud) in den fubtropijden Zonen, der feudte, an Wald
und Weideplätzen reiche Sudan und die ausgedehnten
Wüſten und Steppen des Nordens und Siidens jtehen
mitetnander in ſchroffem Gegenſatz. Im BWinter it
der niedrigite Luftdrud an der Guineatiijte etwas
nördlich vom UAquator zu fuchen, daber Nordojtwinde
iiber Der Sahara und dem Sudan; im Sommer liegt
der niedrigite Quftdrud an der Südgrenze der Sahara,
Daher die Reudhtigtet des Suddn und die Regenarmut
der Sahara. Die Regen wandern in A. mit der |
Sonne von N. nad S. und wieder zurück von S. nad
R., fo daß wir in den dquatorialen Gegenden Gebiete
mit Ddoppelter Regenzeit innerhalb des Jahres an-
treffen. Der Wärmeäquator mit 27,5° mittlerer Jah: |
restemperatur läuft etwa 5° nördlich vom YAquator |
hin. Im Utlasqebiet erfolgen allwinterlid) Schneefälle, |
in Ubeffinien meift nur in der Hihenlage tiber 2500 m |
und im übrigen YW. ausſchließlich auf den höchſten
Berggipfeln. Cwiger Sdnee und Gletſcherbildung
find auf die höchſten Berge Kenia, Kilimandſcharo
und Runforo beidrantt. Jn den Tropen trifft der
Froſt in die trodne Zeit; aber im Großnamaland ijt
dices Eis vom Mai bis Juli häufig, ebenfo fommt
* auf dem Plateau des Damaralandes bis gum Tſchobe,
witter find zahlreich, die Vegetation iſt im Maximum
ihrer Kraft. Mäßige, an der Küſte friſche Winde, mit
Windjtillen wedfelnd, wehen aus wejtlider Richtung.
Mit der Herrſchaft des Nordojtpafjats tritt die trodne
Jahreszeit ein, wobei die Temperatur unter dem Cin-
fluß djtlider Wide im Annern rafd, an der Küſte
langfam ihren höchſten Stand erreidht. Die mittlere
Jahreswärme beträgt in St. Louis 23,4, in Fodor
28,1, in Wediné 28,7 und in Bafulabé 27,6°; von
Dezember bis Quni ijt das Land fonnendurdgliibt,
Mitteltemperatur des heißeſten Wonats (Wpril) in
Mediné 33,5° Die Temperaturidwanfungen nehmen
nad) O. hin ftarf gu, Maxima iiber 40° find im
Innern häufig. Wis Extreme wurden beobadytet in
St. Louis 8 und 45° Das Klima von Ober- und
Niederquinea fteht unter der Herridaft der Siid-
winde, die tim ſüdhemiſphäriſchen Winter am leb-
hafteiter wehen. Landwinde jind von Januar bis
Mai an häufigſten. ls Jahresertreme find hier
durchſchnittlich 15 oder 37° 3u erwarten; am wärmſten
find April und Dezember, am kühlſten Auguſt und
September. (Jahresmittel: Mifahihe [470 m] 25,7,
Lagos 26,6, Ufajja 25,5, Ramerun 25,2, Baliburg
the m] 18,0, Wabun 24,5, Loanda 23,6°; Regen-
dhe: Miſahöhe 1638, Lagos 1760, Alaſſa 3655,
Kamerun 4016, Baliburg 2743, Gabun 2272, Loanda
820 mm. Sehr hohe Niederſchläge weijt der Weſtfuß
des Kamerunberges auf, dort Bibundi mit 10,485
mm (1897) ber reqenreid)jte Ort Ufrifas. Die Kiijten-
qebiete des Golfes von Guinea haben zwei Regen-
jeiten, indem beim niedrigiten ndrdliden Gonnen-
jtand in der Regel eine Unterbrechung der Regenzeit
eintritt. Südlich vom Äquator ijt die Küſte unter
dem Einfluß der andauernden Südweſtwinde und
des falten Meeresſtromes reqenarm, teilweije fajt
reqenlos. Cine bemerfensiwerte Ciqentiimlidfert des
Riunas ijt ber Harmattan, etn febr trocner, feinen
Staub mit fich fiihrender Ojtwind, der von November
bis März auftritt. Die tropifden Sommerregen wer-
ben durch die Kalahariwüſte von den Winterregen
des Raplandes getrennt.
2) Das Klima des tropiſchen Ojtafrifa unter-
ſcheidet fic) von Dem der Weſtlüſte durch höhere Wärme
(welder Gegenſatz ſich nad) S. hin nod ſtetig verſchärft)
und durch Den Reqenreidtum, der bejonders durch den
Südoſtpaſſat, der von den warmen Meeresſtrömungen
reichlid) Waſſerdampf erhalt, bedingt wird. Cin Ge—
biet extremer Erwärmung bilden die ſüdlichen Küſten
des Roten Meeres. (Mitteltemperaturen und Regen-
hohe: Maſſaua 30,3° 222mm, Gondar 19° 11251nm,
Sanjibar 26,3° 1623 mm, Warangu [1560 m] 17°
140
Afrifa (Pflanzenwelt).
1100 mm, Tanganjifafee 24,8° 1268 mm.) Wuf der | Das Klima des aufertropifden Silbafrifa mit Be-
anzen Oſtſeite Ufrifas bis zur Südſpitze und im
Innern bis gegen die Weſtküſte herrſchen Sommer—
regen. An der Küſte von WMaffaua zeigt ſich eine
doppelte Regenzeit, von Ende November bis April
und von Mitte Juni bis Ende Auguſt, wobei der
Juli außerordentlich gewitterreich iſt. Auf den nörd—
lichen Hochebenen Abeſſiniens beginnen die Regen im
Juli und dauern bis Oktober. Gewitter und Hagel—
fall find häufig. Qn Abeſſinien find während der
Regenjeit die Flußtäler überſchwemmt und alle Ver-
bindungen unterbroden. Die ſüdlichen Hodebenen
haben zwei Regengeiten: vom Yuli bis September
und im Februar und März. Wud im Somallande
ibt es eine Doppelte Regenzeit, im allqemeinen vom
Stpril bis Juli und vom Oftober bis Desember. In
Sanſibar fallen die größern Regenmengen vom März
bis Wai, die kleinern vom Oftober bis Dezember;
faſt regenlos ijt ber Septentber. Weiter nad S. hin
nimmt die Regenzeit immer mehr ab, wobei die Jah:
resſumme geringer wird.
3) Nordafrifa. Nördlich vom Sudän liegt die
umfangreidjte Wiijte unfrer Erde, die Sahara.
Yn der Nordgrenje derfelben liegt tm Winter relativ
hober Luftdrud, daher ein Ubilienen der trodnen Luft
nad Innerafrika. Ym Sommer liegt hoher Luftdrud
auf dem Wittelmeer und dem Wtlantijden Ozean,
niedriger an der Nordgrenze des Sudan, daber find
nördliche und norddjtlide Winde vorherridend, dic |
urjpriinglid) feudt find, aber raſch fic) vom Satti- |
gungspunkt entfernen, da fie in warmere, trodne Ge-
genden bineinweben. Zuweilen, insbef. im Friihjabr,
weben in der Sahara auch fiidliche Winde, die, wenn
riidfichtiqung der geographiſchen und wirtidaftliden
VBeziehungen (Botting. 1888).
Pflanjenwelt.
Die Pflanzenwelt Ufrifas gliedert fic in ——
pepe wire 1) die Zone immergriiner .
höl ze Nordafrifas, die von der atlantijden und der
WMittelmeerflora beherrſcht wird; 2) der nbrdlide
Wiiftens und Steppenqiirtel in der Sahara, der
Libyiden und Nubiſchen Wüſte fowie in Kordofan
und den Somalländern; 3) das tropifde Gebict
nit Regenwäldern und Gavannen, nördlich und fiid-
lid) vom Aquator (etwa bis zum 17.° nördi. Br. und
bis zum 24.° ſüdl. Br.); 4) das ſüdliche Wiijten-
und Steppengebiet in Siidafrifa; 5) die ſüd—
lide Zone retort td bated Gehölze im Rapland.
Das nordweſtliche A. mit den Azoren, Madeira und
den Kanaren ijt der Sig ciner ausgepragten atlan—
tifden Flora mit immergriinen Erilazeenſträuchern;
einzelne Bejtandteile der Vegetation, wie Tamarisfen,
fleiſchige Euphorbien und cine Dattelpalmenart (Phoe-
nix Jubae), erweijen jedod) dDeutlid) Den Sufammen-
hang mit Der fibrigen Flora Ufrifas. Auch in Marokfo
und Ulgerien herrjdt nod) der atlantiſche Charafter,
dod) treten hier mehr und mehr Elemente der Mit -
telmeerflora (jf. d.) auf, indem 3. B. in den niedri-
gern Teilen Ulgeriend Beftinde von Oliven, Korkeichen
und Zwergpalmen tonangebend werden; von Nadel⸗
hölzern find die Wleppoftefern und eine Sedernart
(Cedrus atlantica), die bis 1900 m aufiteigt, am
meijten bemerfenswert. Auf den Großen Utlas geht
fein einziges Charafterqewids Madeiras und der
Nanaren iiber; cin Kranz verfiimmerter Eichen bildet
fie ftarf auftreten, an den Ufern des Mittelmeeres hier bei 2400—2700 m Hobe die Baumgrenge, über
hohe Wärme und Trodenbheit bringen. Die Ober-
fläche Des Wiijtenbodens fann fich iiber 70° erwarmen.
Völlige Regenloſigkeit diirfte aud) in der Sahara nidt
herrſchen. Die hichjte Temperatur der Sahara liegt
wahrſcheinlich ndrdlid) vom Wendefreis, wobei Ex—
treme vorfommen Diirften, Die fiber 50° fliegen.
Das Klima Agyptens bildet den Nbergang von der
Sahara zu den Wittelmeerlindern. Charafterijtiid
fiir Das Nima der an das Wittelmeer ftohenden
Lander find reqenarme Sommer und Beſchränkung
Der Niederſchläge auf den Winter oder Friibling und
Herbſt. Die regqenlofe Seit dauert in Wlerandria
nahezu 8 Wonate (April bis Witte Oktober), auf
Madeira (Mitte Mat bis Witte Oftober) und an der |
algertichen Küſte nur 5 Monate, an der maroffanijden
Küſte aber 6 —7 Monate. Die Regenmengen nehmen
von N. nad S. und im ganzen aud) nad) W. bin ab.
Im allgemeinen find die
mäßig gering. Bemerfenswert find die Wüſtenwinde
Rordafrifas, Samum, in Ygypten Chamſin genannt,
die ſchwere Sfaub- und Sandwolfen aufheben und
die Temperatur bis 50° und dariiber erhiben.
4) Siidafrifa zeigt hinſichtlich feines Klimas
einen Gegenſatz zwiſchen W. und O. Der Weſten ijt
(wegen der kalten Meeresſtrömung) kalt, der Oſten
(wegen der warmen Meeresſtrömung) warm, tm BW.
tit Der Sommer troden, der Winter feudt, nad O.
hin werden die Sommerregen vorherridend, im BW.
größte Bewölkung im Winter, kleinſte im Sommer,
un ©. umgekehrt. Während an der Südküſte die
Temperatur nidt unter den Gefrierpuntt finft, fom
men im Innern jtarfe Fröſte vor. Die Regenmengen
find metitens gering (Jahresſummen: Kaplandfiijte
36, Siidfaplandfiijte 48, Napland-DOjten 65, Nama-
qua 24, Natal M4, Inneres etwa 40cm). Bal. Dove,
egenmengen verhältnis⸗
}
welder fid) alpine Formationen mit vielfachen euro-
päiſchen Anklängen entwideln. Yn der Steppenregion
herrichen hartblatteriqge Steppengrifer, Darunter Die
als Halfa ausgeführte Stipa tenacissima, Wermut:
arten und Salzpflanzen (Salfoleen). Weiter öſtlich
tragen die Kyrenaifa und der nördliche Küſtenſaum
Aghptens nod) die immergriinen Buſchbeſtände der
Wittelmeerfora, während die Ufer des Nils eine lang-
qejtrectte Nulturoafe inmitten dev Wüſte darjtellen.
Klimatiſch bildet die Wüſtenzone Ufritas den
weſtlichen Abſchnitt des reqenarmen Gebietes, dad fich
von der Sabara fiber Urabien bis jum Indus er-
ſtredt; auch floriſtiſch bejtebt zwiſchen den aſiatiſchen
und afrikaniſchen Teilen dieſes Gebietes ein naher
Zuſammenhang. — ganz vegetationsloſe
Strecken finden ſich in der Sahara auf felſigem, mit
Geröll bedecktem Boden oder auf Flugſand; in den
Salzwüſten feblen wenigitens Halophyten felten. Im
übrigen entwidelt fid) in den trodnen Flußbetten
(Wadis) und den Oafen eine mannigfaltige Pflanzen⸗
declke; beſonders an den Rändern der Talſohlen treten
nicht ſelten heckenartige Beſtände von Astragalus,
Nitraria, Calotropis und zahlreichen Gräſern in wir-
rem Durdeinander auf. Schilfrohr und Tamaristen
ragen bisweilen hod) über die Köpfe Der Kamelreiter
fort. Charafterijtijd) ſind ferner blattlofe Giniter-
ſträucher (Retama), die Salſolazee Traganum, Rolo-
quinten (Citrallus Colocynthis), mehrere aus dem
ndrdliden Suddn cingedrungene YUfasienarten u. a.
Manche Wüſtenpflanzen zeichnen ſich durch eiqenartige
Anpaſſung an ihren Wohnort aus (ſ. Wüſtenpflan⸗
yen). Der Hauptdharatterbaum der Oajen ijt die
Dattelpalme (Phoenix dactylifera), deren Südgrenze
ungefabr mit der der Sahara zuſammenfällt; aufer
ihr Dringt nur nod) eine cingige andre Balmenart ~
Afrifa (Pflangenwelt).
(Hyphaene Argun) aus dem Tropengebiet in die
Nubijde Wiijte ein. Sporadiſch kommt in cingelnen
Dafen die Euphratpappel (Populus euphratica) vor.
Yn die Wüſtenzone ſchließt ſich ſüdwärts in Kor—
dofan ein Grasſteppenland an, in das zahlreichere
Elemente der tropiſchen Wald- und Savannenflora,
wie vor allent die gabeläſtige Dumpalme (Hyphaene
thebaica), cintreten. Wud) an der ojtafrifanifdjen
Riijte, in Den Somallindern, entwideln fic) über einer
diirftigen Strandvegetation befonders an den Gebirgs-
tereaffen cigenartige Vegetationsformen der Wiijten-
jteppe, wie fleifdyiqeRandelaber-Euphorbien, Aloe⸗ und
Ufazienarten, cine giftitropende Upocynee (Adenium)
mit feqelfirmigem Stamm und fpdrliden, blatt-
biifdeltragenden Aſten u. a. Beide Gebiete liegen
bereits in Der Tropenjone.
Das afrikaniſche Tropengebiet zeichnet ſich durch
beſonders hohe Temperaturen und geringere Nieder⸗
ſchlagsmengen vor den gleichnamigen Teilen Aſiens
und Amerikas aus, wes
niger bunt und mannigfaltig erſcheint. Dazu kommt
der einſchränkende Einfluß der Gebirgsentwickelung.
Walder von echtem Tropendarafter treten vorzugs—
weife im dem zentralen Seengebiet fowie in Guinea
und im nördlichen Kongogebiet auf. Wit einzelnen
Bäumen, wie befonders dem Baobab (Adansonia
digitata), der Delebpalme (Borassus flabelliformis)
und der weiter nad N. qreifenden Duntpalme (Hy-
phaene thebaica), durchſetzte Gavannen find fiir den
Sudan, das ſüdliche Rongogebiet und die vom Sam-
befi durchſtrömten Lander charafterijtijd. Für die
Tropenwelt Guineas ijt die Olpalme (Elaeis gui-
neensis) Harafterijtijdh, deren Verbreitungsgqebiet bit-
lid) bis gur Waſſerſcheide des Nils und Kongo, fiid-
lich bis Angola reicht. An der Loangoküſte beſtimmen
beſonders Schopfbäume, wie Pandanus candelabrum,
das Landidaftsbild; weiter landeinwarts wächſt hier
die Heilfraftiqe Kolanuß (Sterculia acuminata). Am
obern Nil, im Nigergebiet und am Rongo bilder die
Papyrusitaude (Cyperus Papyrus) und der durd
fein leidjtes Hol; ausgezcidnete Umbatidjbaum (Her-
miniera elaphroxylon) dichte Uferbeſtände. Galerie-
wilder begleiten die oft von Seeroſen geſchmückten
Flußläufe; ausgedehnte Savannen und Sumpfland—
ſchaften durchſetzen in vielfacher Abwechſelung die ge—
ſchloſſenen Baumformationen. Die Bradt tropiſcher
Lianen und Epiphyten entfaltet ſich am reichſten in
den Urwäldern des feuchten Weſtens in der Nähe des
quators. Dic Küſten werden vielfach von Mangrove-
wãldern umfiumt.
Eigenartig hebt ſich von der tropiſch-afrikaniſchen
Pflanzenwelt die der Gebirgsregion in Abeſſinien, auf
den Kamerunbergen und am RKilimandfdaro ab. In
erjterm Lande breiten fid) in den tiefern Lagen Ber-
treter der immergriinen, mittelmeeriſchen Buſchfor—
mation (Erica arborea, Juniperus procera u. a.)
aus, die aud) auf den dquatorialen Gebirgen Afrikas
wiederfehren und hier, je weiter nach S., defto mehr
von Pflanzen der Rapflora (Calodendron, Podo-
carpus, Protea) abgelijt werden; iiber Dem Straud-
— liegt zwiſchen 2000 und 2500 m die baumloſe
eqaregion, in welder der Raffeebaum (Coffea ara-
bica) und der ein vorgiiglides Bandwurmmittel Lie-
fernde Rujjo (Hagenia abyssinica) ihre Heimat haben.
Die bei 83000—3500 m beginnende Hod)gebirgsregion
ijt von Pflanzen beſiedelt, deren nüchſtverwandte Sip-
pen teils in Südafrila, teils im Mittelmeergebiet und
Drient einheimiſch ſind. Auf dem ſchneebedeckten Ki—
Aimand{daro beginnt über der Steppe des Miijten-
{b aud) die Vegetation we: |
141
Gebietes cine bis 1000 m anjteigende Buſchwaldzone,
dann folgt bis 1800 m frudtbares Rulturland, dar-
liber bis 2000 m wwiederum cin Giirtel hoher Ge-
büſche, den bis 3000 m didter Urwald mit zahlreichen
Farnen ablojt; bet 4500 m beginnen jtraudlofe Gras—
fluren, von deren Bliitenpflanzen Senecio Johnstoni
am höchſten fteigt; höher hinauf finden fic) nur nod
Mooſe und Fledten.
Ein Übergangsgebiet swifchen der tropijden Flora
und der des Raplandes fonunt an der afrifanijden
Djtfiijte swifden der Delagoas und Wigoabudt zur
Uusbildung, indem fic) hier tropijde Formen, wie
Cyfadeen, fleiſchige Cuphorbien, cine Dattelpalme
(Phoenix reclinata) u. a. mit chrafterijtifden Kap⸗
pilangen, wie Podocarpus, Widdringtonia, Calo-
dendron u. a., miſchen.
Von der Siidgrenge des Baobab unter 18° fiidl. Br.
imt BW. und 24° im O. erjtrect fid) das regenarme
Steppen- und Wüſtengebiet Siidafrifas fajt
bis zur duferiten regenreidhern Siidede des Crd-
teils. Die Steppenwüſte bey Ralahari bictet ftellen-
weife ein Bild qrauenvoller Ode; nur nad reidlidern,
in Uusnahmejahren eintretenden Niederſchlägen be-
dedt fid) Der Boden mit einer rt Wafjermelone
(Acanthosicyos horrida), deren Früchte Menſchen
und Bieh eine willkommene Erfrifdhung gewähren.
Die tiberwiegende Vegetation der Kalahari bilden
Dornſträucher und Gräſer; eine ihrer jonderbarjten
Pflanzenformen ftellt die Gnetagee Welwitschia mi-
rabilis bar, deren tief im Gande ftedender Stamm
an feinem verbdicten, freien Ropfende mur zwei rieſige,
——— und zerriſſene Blätter ee Reich⸗
lichere Grasfluren, hier und da auch Waldbeſtände
von WUfazienarten zeichnen die Oranjeſtromkolonie und
Transvaal aus, während vom Oranjeflu die nad S.
anjteigende Hochfläche meijt nur kümmerliche Buld-
formationen von Heidearten und zahlreiche Stroh-
blumen (Helichrysum, Eriocephalus u. a.) hervor-
bringt. Cin fdymaler, von der Viiindung des Oranje-
bis gum Olifantflu und den Bwartebergen reichender
Landſtreifen, die während der Trocdenperiode trojtlofe
und vorzugsweiſe mit Dorn{traudern (Acacia deti-
nens, Giraffae u. a.) befegte Rarrooregion, überzieht
ſich nach Regenfällen in furzer pet mit einent reichen
Bliitenflor von Belargonien, Oralideen und einer
Reihe fleiſchiger Staudengewadfe.
Die Zone immergriiner Gehölze des Kap—
Landes beſchränkt fid) auf die Südweſtſpitze Ufrifas
und geht nur an der Oſtküſte allmählich in tropifde
Formationen fiber. Hochwälder mit Riefenftimmen
von Podocarpus, Elaeodendron, Crocoxylon, Curti-
sia u. a. zieren vorzugsweiſe Die Südlüſte zwiſchen Dem
Gaurif= und dem Krommefluß und die untern Gee
hinge der Onteniquaberge. Die tibrige Flora des Nap-
landed zeichnet fic) durch eine außerordentlich große
abl hier allein vorfommender Proteazeen, Erifazeen,
Pelargonien und Suffulenten, wie Mesembryanthe-
mum u. Aloé, aus, Niedrige Buſchbeſtände von bläu—
lidgriiner Farbe bedingen den vorherridenden Cha-
rafter Des Landidaftsbildes, Das nur an den Schluch—
ten der Bergabhänge hihere Baumformen aufweijt.
Unter den afrifanijden Inſeln befigen die Kap—
verden cine Flora, die cine Witteljtellung zwiſchen der
atlantifden und der ſenegambiſchen einnimmt. Tri-
jtan da Cunha ſchließt fic) floriſtiſch am meijten an
Siidafrifa an, während Aſcenſion und St. Helena
eine ozeaniſche, in ihren Erzeugniſſen vom Crdteil
unabbingige Flora bejigen. Auf Wadagastar fom-
men tropiſche Formen, wie hohe Pandanusarten, rie-
142
Afrifa (Tierwelt).
fige Bananen (Ravenala), Palmen (Raphia Ruffia), | Verhaltniffein Klima, Bodengejtaltung und Pflanzen⸗
tautſchulliefernde Apozyneen (Vahea) u. a., ju iippi- | Dede bedingen eine fehr weile Verbreitung der ein—
gerer Entfaltung als jelbjt auf dem Fejtland. Cine | zelnen Tiere innerhalb der Athiopijden Region, Dod)
nidt unbedeutende Zahl von Gattungen (gegen 100)
ijt auf Der Inſel endemiſch, fo daß dieſe mit den
|
lajjen fid) aud) bier Unterabteilungen nachweiſen,
nämlich die oftafrifanifde, weftafrifanifde, fiidafrifa -
Mastarenen und den Sefchellen als cin befonderes | niſche und madagaſſiſche Subregion (Näheres ſ. Athio—
Florengebiet zuſammengefaßt werden fann; die Ver—
wandtſchaft der Pflanzenwelt, teils mit Siid- und Djt-
afrifa, teils mit Indien, bildet ihren widtigiten Cha-
rafterzug. Bon den Mastarenen zeichnen ſich Réunion
und Rodriguez durch großen Reidjtum an Farnen,
Darunter auc) mehrere Baumfarne (Cyathea), aus,
Auf den Sejchellen iit eine Fächerpalme (Lodoicea
Sechellarum) mit jebr langfam (etwa 10 Sabre) rei-
fenden Früchten einheimifd.
Die Sahl der in W. einheimiſchen Rulturpflan-
zen erjdeint geringer als die Aſiens; aud find meh—
reve in A. weitverbreitete Nutzgewächſe, wie die Ba—
nane, mehrere Yamswurzelarten (Dioscorea), die
Erdnuj (Arachis) u. a., als eingefiihrt zu betradten.
Unter den Getreidearten afrifanijden Urſprungs ſteht
die Mohrenhirfe (Andropogon Sorghum) obenan. Jn
Abeſſinien wird als Brotfrucht vielfad der Tef (Era-
grostis abyssinica mit Der Stammform E. pilosa)
gebaut, defen Früchte in andern afrifanijden Län—
Dern aud an wild wadjenden Pflanzen geſammelt
werden. Bon der Regerbirje (Pennisetum spicatum
Keke.) und der Daquija (Eleusine coracana) ijt die
afrifanijde Sectuntt zweifelhaft; dagegen find Die
Erdbohne (Voandzeia subterranea) und Die Kaffee—
biiume (Coffea arabica und liberica) ſicher urſprüng⸗
lidje Erzeugniſſe des afrifanifden Bodens.
Tierwelt.
Der afrifanijde Continent mit den ihm zugehörigen
Inſeln gehört zwei tiergeographifden Regionen an,
der paldarftifden und Der äthiopiſchen, doch ijt nur
der nbrdlichite Teil Ufrifas bis zum Wendekreis nod
ur erjtern und gwar yu deren mittellindifden
Subregion gu zählen. Die Fauna Nordafrifas
zeigt in ihren weſentlichen Zügen eine große Uberein-
———— mit ſüdeuropäiſchen Typen, was durch
eine in verhältnismäßig junger Zeit noch vorhanden
geweſene Landverbindung zwiſchen Spanien und
Marokko ſowie zwiſchen Tunis und Sizilien ſich er—
tlären läßt. Charalteriſtiſche Säugetiere Nordafrifas
ſind Magot, Schwein, Hirſch, Damhirſch, Schaf,
Siege, beſtimmte Antilopen, Springmaus, Alakdaga,
Stachelſchwein, Bär, Dachs, Stinkmarder, Wolf,
Schakal, Wüſtenfuchs, Zibetlatze, Genette, zahlreiche
Fledermäuſe, Spitzmaus u.a. Unter den Vögeln
ſpielen einige Geierarten und ferner eine große An—
zahl von Sumpfvögeln, Flamingo, Ibis, Pelikan,
eiher die Hauptrolle. Auch die übrigen Tierklaſſen
ſchließen ſich der paläarktiſchen Fauna an. Daneben
geiat ſich cin Einſchlag athiopifder Form, wie Löwe,
Zeopard, die von S. cingewandert fein fonnen, erjterer
war nod) in hiſtoriſcher Zeit bis nach Europa, 3. B.
Grichenland, verbreitet. Bon den afrifanifden Inſeln
ehören Wadeira, die Nanaren und Azoren dieſem
Faunengebiet an, das bejonders m den Vögeln deut
lich ausgeprägt ijt.
Dem jum paläarktiſchen Faunengebiet gehörigen
Norden ſteht der ganze übrige Nontinent als die
&thiopifde Neqton gegeniiber, cine der beitbe
grenzten zoologiſchen Regionen.
wiſchen beiden tiergeographiſchen Bezirlen bildet die
Sahara, die in ihrem nördlichen Teile der paläarkti
ſchen Region angehört, ſüdlich aber der äthiopiſchen.
Die auf weite Strecken hin gleichen phyſilaliſchen
|
|
|
piſche Region). Bon dieſen ijt die madagaffifde
Subreqton am bejten differengiert und vielleicht
jogar als eigne Region ju betrachten. Bejonders
charafterijtifd) find fiir UW. die Säugetiere; als Re-
prajentanten der echten afrifanijden fauna fonnen
von dieſer Klaſſe qenannt werden der afrilaniſche Ele-
fant, das afrifanijde Rhinozeros, das Flußpferd, das
Barjenfdwein, zahlreiche Untilopen, die fid) in ihrem
Vorfommen auf die cingelnen Teile Ufrifas verteilen,
und von denen fpegiell eine Anzahl auf den Siiden be-
ſchränkt ijt; ferner der ajritanifihe BPiljfel, in mehreren
Arten unterjdieden, die Giraffe, die ebenfalls in meh-
reren Arten vorfommenden Zebras, das Erdferfel,
von den Magern die Stadelmaus, der Springhaje,
von den Qnfeftenfreffern die Familie der Rohrrüßler
und der Goldmaulwurf, von den Raubtieren befon-
Der3 Lowe und Hyiine und der fiidafrifanijde Erd-
wolf, jablreide Fledermäuſe, hauptſächlich Früchte
freſſende Vampire, von den Affen Paviane, Meerkatzen
und vor allen Gorilla und Schimpanſe. In den Fluß;⸗
miindungen der tropifden Weſtküſte find die Fiſch—
ſäugetiere Durd) den Qamantin oder Manati vertreten.
Meben dem Vorkommen von vielen auffallenden
Saugetieren i die äthiopiſche Region nidt minder
ausgezeichnet Durd) das Fehlen jonjt weitverbreiteter
und aud im ndrdlidjen YW. gum Teil vorfommender
Tiertypen; folde find die Baren, die Hirſche, die Zie⸗
en, die Schafe, die echten Ochſen und die eigentliden
Schweine. Bemerfenswert ijt bei den Gaugetieren
Ufrifas die erjtaunlide Häufigleit einzelner Urten,
und gwar befonders der grofen Pflanzenfreſſer, der
Elefanten und der Flubpferde. uch die Untilopen-
arten ſowie die Zebras finden fid) meijt in grojen
Herden. Minder charafterijtijd als die Säugetier—
fauna ijt Die Bogelwelt Ufrifas. Dod) finden fid
aud unter dieſer mance dieſem Weltteil und ſpeziell
der äthiopiſchen Region eigentiimlide Gruppen, fo
die Piſangfreſſer und die Maufevdgel, und von andern
@ruppen find zahlreiche Gattungen fiir A. charafte-
riſtiſch, ſo unter ben Nashornvögeln, Fruchtdroſſeln,
Fliegenfängern, Würgern, Krähen, Staren, Raub—
vögeln; zu den befanntejten afrilaniſchen Vogeltypen
zählen die Webervögel, die Perlhühner, der Sefretir-
Dogel, bejtimmte Bapageien, wie der graue Papagei,
und Der afrifanijde Strauß. Bon den größern Bogel-
qruppen feblen in A. hauptſächlich Zaunfdnige, Baum-
laufer, Spechtmeifen, edhte Faſanen. Für die tiber-
wiegende Mehrzahl der europäiſchen Wander hug)
vögel ijt A. das Winterquartier; im allgemeinen
halten ſich dieſe Zugvögel allerdings an die Küſten—
lander Afrikas, allein nicht wenige dringen aud) bis
ins tiefſte Innere des Erdteils vor, indem ſie die
Aquatorialländer als Winterquartier wählen. Im
allgemeinen hält ſich die Zugſtraße für europäiſche
Vögel an den Verlauf des Nils, und die Wanderer
verteilen fic) von den Flußrändern aus iiber das Land.
Bon den Reptilien find cine Reihe von Schlangen,
wie Die zweiſtreifige Rieſenſchlange, die afrifaniide
Die Verbindung Brillenſchlange, die Dornviper u. a., fiir A. charalle—
rijtifd), ebenjo von den Eidechſen die Warane, das
Chamileon und beſtimmte Ringelecdhjen; von Am—
pbhibien findet fic) ausſchließlich in A. Die zu Den Kröten
gebdrige, cine eigne Familie bildende Gattung Dacty- *
Afrikanische Volker I.
a . Monbuttn.
, — ak uw Mann. a. 4
‘ Schulineger.
*| Abessinier, Mann und Frau.
~'| Hottentotten, Mann aiid 1
8. Betschuanen- Madchen, ~ ae as
v. Akka. —
| “11 | Busehmann, Mann wand Fram
12. Hova yon Madayaskuy th es
1. Suaheli you Sansibar, —
= Somal, Mann Fran —
15. Bagirmi-Knabe. | a pal ,
Meyers Kons -Lerihun. © Aut, Ketlage
Digitized by Google
[odie\h bodine cro3)
hbun anßl / — D————
— *
ev fas nal sno ttotienttoH | ord baw wast usiqed |
dtibo bill - it
.
i awyiZ mor oto 4
ed 0
vealed srdttel wot
soy A md wd
wuestnH soidnZ ot
Sygstoxnud 1
: la wf
sor furs uusl / Lim ‘ein feral et
Het be wage
Stnderundin
tlie ©
-
ayeesth Wak BD cmedee eh ob A eee Me
Digitized by Google
Afrifa (Bevdiferung, Rajjen).
lethra. Charalteriſtiſche Fijche Afrilas find die Gat-
tungen der Mormyriden und Gymnardiden, ferner
Die Sitterwelfe und vor allen der afrifanijdhe Shlamm-
fii, Protopterus annectens, der in der trodnen
Jahreszeit in einer Sclammfapfel einen Gommer-
ſchlaf halt. Unter den Landſchnecken finden ſich die
Yirten der Gattung Achatina, deren BVerbreitungs-
miittelpuntt A. Darjtellt, Die größten überhaupt exiſtie⸗
renden Landſchnecken, die bis 20 em meſſen. Unter
den Inſelten ſpielen Termiten und Weſpen cine Haupt: | manche Ahnlichkeit miteinander haben.
143
Südweſten Afrilas bis 19° ſüdl. Br. zurückgedrängl.
Sie zerfallen in die eigentlichen mittelgroßen Hotten-
totten (Taf. I, Fig. 6 u. 7) und in das Jägervolt
der weit kleinern Buſchmänner (Taf. II, 10 u. 11).
Db ibnen die Zwergvölker Sentralafrifas, von denen
die licht anger Alta (Taj. 11,9) höchſtens 1,5 m
Größe haben, nabeitehen, ijt unjicher. Die zweite
Gruppe umfaßt die Bantu und Suddanneger, die, ob-
wohl phyſiſch vielfach voneinander abweidend, dod
Bu den
rolle; von den afrifanijden Käfern ragt der maidtige Bantu gebdren alle an der Ojttiijte Ufrifas vom
Goliath hervor; als läſtige Blage erſcheint der neuer- Nap bis an den Yquator und den 55.° nördl. Br.
dings von Siidamerifa nad A. verjdleppte Sandfloh; wobnenden Stämmie, darunter die kriegeriſchen Sulu
aus der Wurmfauna ijt beſonders befannt der beriid-
tigte Guinea- oder Medinawurm, der befonders häufig
an der Goldfiijte vorfommt und im Unterbautbinde-
ewebe des Menſchen ſchmarotzt. Unter der niedern
beet deS ſüßen Waſſers finden fic, foweit hierüber
bisher Unterſuchungen vorliegen, gemäß dem fosmo-
politijden Charatter diejer Formen Tiere identijd
oder nabe verwandt mit europadifden Arten.
Cine ganz ao pal Fauna weijt die madagaf-
ſiſche Subregion auf, Madagasfar, die Mastarenen,
Seichellen und Comoroinjeln umfaffend (jf. Athiopiſche
Region). Im übrigen vgl. zu dem ganzen Abſchnitt
Die tiergeographiſchen Karten bei den Yirtifeln » Sauge-
tiere, Bogel und Reptiliene.
Vevdllerung.
(Taf. 1, 14), der treuejte Typus der Raſſe, die durch
ihre gewerbliche Gefdhiclichteit beriihmiten Betſchuanen
(Zaf. II, 8), die ſchon mit Semitenblut vermifdten
Suabheli (Taf. IL, 13), die Rongovilfer (Taf. 1, 13), die
Mpongwe (Taf. 1, 1 u.2) und die von O. eingedrunge
nen fan (Taf. I, 9) am Gabun u. a. Die Sudan—
neger bewohnen den ganzen nördlichen Teil vom Se—
negal Durd) den Sudan hindurd. Am reinjten bat ſich
der Typus erhalten bei den Wolof (den » Schwarzen<
im Gegenjage zu den Fulah, den »Gelben«) zwiſchen
Senegal und Niger; zu den echten Suddnnegern gehö—
ren ferner die Kru an der Pfefferfiijte, die Mandmgo,
Sonrhai, Haujja, am Niger und Binue die Koto (Taf.
I, 8), die Bewohner von Bagirmi (Taf. I, 15), Dar
| Fur (Taj. L, 11) u. a. Zwiſchen den Negern und am
Gier ju die Tafel Afritaniſche Bolter Tu. Ie, mit Ertldrungs- Rande des Regergebiets figt cine Reihe von Völlern,
blatt, umd ⸗Afritaniſche Kultur l, mit Ertlarungsblatt, u. UL, Ute.) in Der Witte ftebend zwiſchen Negern und mittellän—
U. lennzeichnet ſich als cin Raum grofer Vilferver: |
fchiebungen. Scarfe natiirlide Grenzen, welde die
BWanderungen der Volfer gu hemmen vermodten, fehe
len im Innern Afrilas, und jelbjt die Wüſten üben cine
fondernde Wirfung nur in befdranttem Mak aus.
Trog der Sahara find die Neger cin bedeutendes Miſch⸗
cement der — von ganz Nordafrila. Der
Gebirgsbau und das Flußſyſtem ſind beide nicht be⸗
fähigt, der Vilferverbreitung ſtarle Hinderniſſe ent⸗
——— Dazu waren, mit Ausnahme der
neice alle andern Bolfer Ufrifas Natur- oder Halb- |
turvilfer, unjtet in jeder Beziehung und Darum der |
Vermiſchung, Vernichtung oder umgejtaltenden Er
neuerung im höchſten Maß ausgefest. Cine Abwande⸗
rung über See hat vor dem Eingriff durch Europäer,
die zahlloſe Neger nach Amerila verpflangen nir⸗
—— ſtatigefunden, denn die nautiſchen Leiſtungen
Afrikaner verharrten auf niedriger Stufe und er-
hoben fic) nicht iiber Den Bau einfader Ruderfanoes.
Der Nord: und Nordojtrand jtanden durd die Yn: |
naberung an Aſien und Europa der unſtigen Cur-
wirfung fremDder Siviliiation offen. Siber je weiter
wir uns von Diefer entfernen, dejto mehr verdunfeln
fid) Die Geſittungszuſtände Afrilas, bis wir an der
Siidipipe in den Vuidimdnnern cin Boll auf niedrig
fter Multurjtufe finden. Nord- und Ojtrand emp-
fingen Die meiiten fremden Einflüſſe, ja fremde Völ—
fer, wie denn ſelbſt Malaien auf Madagaskar ſich me-
derliejen. Die Bewegung von O. nad W. bat aber
fhon vor Der Musbreitung nachweisbar aftatifder
Cinwanderer geherricht.
Den Kern der farbigen Bevilferung Afrilas (ſ. die |
Ethnographiſche Marte · beim Art. · Menſchenraſſen ·)
bilden Die hellerfarbigen Hottentotten und Buſchmän⸗
ner, die älteſte Bevolferung ded Erdteils, und die
dunlelfarbigen Bantu und Sudanneger, deren Wohn⸗
ſihe den weitaus größten Raum einnehmen.
Die Hottentotten, einſt weitverbreitet durch ganz
A. fiidlid) vom Kunene und Sambeſi, find jeht in den
diſchen Hamiten, die lodenbaarigen nubifden Bal-
fer, Die dritte große Gruppe, die ſprachlich in eine
wejtlide Ubteilung, die Fulah, und eine öſtliche, die
Nubier, zerfallen. Su legtern gehören insbef. die ech-
ten Nubier (Taf. L, 12), die das Niltal von Ujjudin bis
Wadi Halfa bewohnen, und wahrſcheinlich aud die
faffeebraunen Monbuttu (Taf. IL, 1) im S. des Uelle
nebjt den nördlich Davon wohnenden Niam-Niam
(Taj. IL, 2) und dem Qagervolf der Sdhuli (Taf. II, 3)
norddjtlid) vom Albertſee. Bon Der mittelländi—
iden Raffe tit in UW. der hamito ſemitiſche Stamm
vertreten durch die ägyptiſche, die Libyide und die
ithiopifche Familie (Hamiten) und die Yraber nebſt
den Vewohnern von WMmbara und Tigré (Semiten).
Sur ägyptiſchen Familie qehdren die chriſtlichen Kop⸗
ten (af. L, 6 u.7) tm untern Niltal ſowie die moham⸗
medanijden Fellahs (Taf. 1, 5), bei der ſich der alt:
ägyptiſche Typus viel weniger rein erhalten hat, ferner
die Berber (Taf. I, 10) in den Utlaslandern und in
den Oafen der Sahara. Über dieſe Berber hat fic
erobernd durch ganz Nordafrifa, dieſem fein Gepräge,
ſeine Religion und ſeine Sprache aufdrückend, der
ſemitiſche Stamm der Araber (Taf. 1, 3 u. 4) ergoſſen.
Zwiſchen thnen figen am ganzen Nordrande dic eben
falls ſemitiſchen Juden, die fic) bier blutrein erhalten
haben. Als dritte ſchließt man an Me vorigen wegen
threr entfernten Spradverwandtidaft im R. von
Vbeffinien die Bedſcha oder Biicharin, die Bogos im
Mebirgslande, nordivejtlid) von Maſſaua, und die
ſüdweſtlich davon wobhnenden Sobo oder Schobho, die
Agau im Quellgebiete des Tafaieb, die Falaſcha, die
Danafil am Roten Weer, die Malla zwiſchen Abeſſi
nien und den mittelafrifaniiden Seen und die Somal
(Zaf. I, 14 uw. 15) tm ganzen Ofthorn Afrilas bis
um Didubbfluk. Endlich qebdren jut Den ſemitiſchen
zöllern nod die eigentlichen Abbeſſinier (Taf. II. 4
u. 5). Die malaiti de Rajfe wird auf Wadagaslar
durch das berrichende Boll der Howa ( Taf. 11, 12) vere
treten, wabhrend die Safalaven den Vantuvdlfern bei-
144
Afrika (Sprachen, Religion, Gewerbe rc.; politiſche Verhältniſſe).
zuzühlen find. Die Jndogermanen endlid) haben be- | feit geraumer Zeit eingefest und arbeitet an der Küſte
reits größere Kolonien gegriindet, fo namentlid) in| wie im Innern auf zabhlreidjen Stationen.
Wlgerien, dem Kapland, den Burengebieten, und figen |
vereinjelt an allen bedeutendern Küſtenpunkten.
Die Sprachen der afrifanijden Bolter seigen cine | su Den nomadifden Hirtenvdl
Gewerbe. Zu den Jagdvölkern gehdren die
Buſchmänner und viele Völker des — Kernes,
ern Die Raffern,
qripere fundamentale Verſchiedenheit, als wir nad) | Maſſai, Somal, Galla, die Tuareg der Wüſte, aber
der körperlichen Ähnlichteit der Ufrifaner erwarten |
follten. Näheres ſ. Afrilaniſche Spradjen.
Der Einfluß aſiatiſcher Kultur kommt in A. mehr-
fach zum Ausdruck, ſo hat die Kenntnis der Eiſen—
bereitung ſicherlich mit manchem andern aus Agypten
und Weſtaſien ihren Weg vom Norden nad) dem Sits |
den genommen. Edt ägyptiſche Urbilder der Formen
von Werlzeugen, Muſikinſtrumenten u. a. finden wir
bei den ſüdlichſten Stämmen des Erdteils, und ma-
terielle und geijtige Kultur jteht nad) dem Innern ju
höher als in den mehr peripherifden Landfdaften.
Der Charafter der eingelnen Völker ijt auker-
ordentlid) verfdieden, wenngleid) fid) fiberall gemein-
jame Grundzüge erfernnen laffen, die aud) in der
ãußern Erſcheinung bervortreten, fo in der Tatowie-
rung, dem Wusbredjen oder Spisfeilen der Zähne, der
Bejdneidung, dem Vergieren der Lippen und Oren,
der kindiſchen Freude am Pug durch Glasperten, Arm⸗
und Beinringe, im Haupthaarpug u. a. Der Haus-
bau ijt nur im Gubddn höher entwidelt, gemeinhin be-
jtehen die Wohnſtätten aus Stroh- und Lehmbiit-
ten. Was die Familienverhaltniffe antlangt, fo
herrfdt fajt durd) ganz A. Polygamie; meiſt zeugt
die Bahl der Frauen fiir den Reichtum de3 Mannes,
denn die Frau wird gefauft und ijt Urbeiterin,
wenn aud) bei einigen Bantuvblfern die Frauen eine
bevorgugte Stellung ecinnehmen. Unter vielen Bol-
fern gilt als Erbfolgegefes, daß nad) dem Tod cines
Hauptlings nidt fem Sohn nadfolgt, fondern der
Bruder oder der Schweſterſohn des Berjtorbenen.
Die Sflaverei ijt cine uralte Inſtitution; die meijten
Sflaven find aber KrieqSgefangene oder fie find ge-
jtoblen, felten —— verfauft. Dieſe große
Unſicherheit der Exiſtenz hat unter den Negern zur
Blutbrüderſchaft geführi.
Religion. Wo nicht der Islam und an einigen
Funften das Chriſtentum Eingang gefunden haben,
herrſcht fajt fiberall roher Fetifddienjt. Einigen Völ—
lern ſcheint jede religiöſe Vorſtellung, jede Ahnung
von einer Fortdauer des Daſeins zu fehlen, ſo den
Buſchmännern; dagegen ſchlachten die Kaffern den
Geiſtern ihrer Vorfahren (Amahlozi) Opfer. Verbun—⸗
den mit dem Glauben an eine Fortdauer nach dem
Tode, finden wir darin eine Erklärung vieler Züge
der Grauſamkeit, des Hinſchlachtens von Sklaven,
ſelbſt der Frauen, des Mitgebens von Speiſe und
Tranf rc. Gegenſtände des religiöſen Glaubens find
böſe und qute Geijter, die unter Der Gejtalt von Tie. |
ren und Götzenbildern aller Urt verehrt werden, und
denen man Opfer, ſelbſt Menfdenopfer bringt. Die |
Priejter find zugleich Arzte, Bahrfager und Zauberer,
bei den Kaffern und Hottentotten wenigitens Regen:
mader. Dede Kranlheit, jeder Tobesh
Hererei jugefdrieben, und Gottesurteile werden an-
gerufen. Diefem rohen Heidentum gegeniiber bewirft
der Islam einen Fortidritt in der Gefittung der
Reger. Er ijt bereits fiber den ganzen Norden, dann
im Suddn und in Ojtafrifa verbreitet. Das Chri-
all wird der |
aud) bie Damara und Namaqua und ein groper Teil
der Fulbe. Die Halbnomaden, wie die Schua
(Uraber) im Sudin, ziehen in der trodnen Beit mit
ihren Herden umber und bebauen zur Regenjeit das
weld. Cin großer Teil der Bevdlferung lebt aber von
Uderbau, der oft mit Viehzudt, bei einigen Volfern
nur mit der Zucht von Hiihnern und Hunden, ver-
bunden wird. Beridiedene Hirfearten, Durra, Dochn,
Mais und Maniok find mit der Erdnup die widhtig-
jten und verbreitetiten Pflanzen ded tropifden UW. Nur
im S. und N. findet aud) Unbau des europäiſchen
Getreided ftatt. Bon In duſtrie zweigen finden wir
fajt überall bie Töpferei; nidt fo allgemein ver-
breitet ijt Die Nunjt, Haute gu gerben und ju ver-
arbeiten, wohl aber die, Matten zu fledten. Der Ror-
Dofaner wie der Batola, der Ovambo und der Be-
wohner des Sudan wifjen aus Erzen Eiſen und Stahl
zu gewinnen, der Ovambo u. a. aud) das Kupfer, der
——— der Goldküſte das Gold. Weberei und Fär—⸗
berei find auf cingelne Gegenden beſchränkt; berühmt ijt
Rano im Sudan durd Weberei, Farberei, feine Leder-
waren, geſchätzt die Goldſchmiedearbeit der Aſchanti,
und vielfad) wird die einheimiſche Baumwolle ver-
arbeitet. Kunſterzeugniſſe, Waffen, Geriite rc. ver-
idiedener —— Völler zeigen die beifolgenden
Tafeln ⸗Afrikaniſche Kultur 1— I<; weiteres auf
den Tafeln ⸗Afrikaniſche Witertiimer« (S. 156),⸗Ge⸗
rate, Wohnungen der Naturvöller«, »~Raudgeriites re.
Politifdhe Verhaltniffe.
(Bgl. bie Karte eMfrita, politiſche Überſicht«, bei S. 133.)
Als die erfte geordnete Staatenbildung Ufritas
tritt uns Ägypien entgegen. Unter den Bharaonen
eu hoher Macht und Bliite qelangt, fiel es nadeinan-
cr in Die Hinde der Perfer, Wleranders d. Gr. und
jeiner Nadhfolger, endlid) der Romer. Dieſe dehnten
ihre Herrjdaft aud) iiber den gangen Nordrand aus,
an Dem vorber die phinifijden Rarthager ein madti-
ges Reid —— hatten. Auf die Herrſchaft von
Rom folgte die von Byzanz, bis in der Mitte des
7. Jahrh. die Uraber ganz Nordafrifa iiberfluteten
und felbjt nad) S. bis fiber die Sahara hinaus Staa-
ten bildeten. Ihre Herrjdaft wurde aber im größten
Teile Nordafrifas Unfang des 16. Jahrh. durch die
Tiirfen vernicdtet. Wud) an der Ojtfiijte ſetzten fich
die Uraber Ende des 15. Jahrh. bis über Mombas
hinaus feſt. Am Sambefi bejtanden zu jener Zeit die
méadtigen Staaten Mocaranga und Wonomotapa.
Damals braden aud) die Galla von ihren Wohnfigen
amt obern Tana hervor und drangen nad N. bis nad
Wbeffinien und Oberagnpten, nad W. bis zum Ulerewe
vor, wo fie bas Reid) Nittara griindeten, das fpater
in Die Reiche Uganda und Unjoro zerfiel. An den
Ufern des Kongo fanden die Vortugieſen ein großes
Königreich, das ebenſo ſchnell aufblühte, als es wieder
verfiel. Südlich vom mittlern Niger errichteten die
Mandinka im 13. Jahrh. das große Reidy Melli, das
im 15. Jahrh. unter die Herridaft der Sonrhai fam,
die fic) bis zum Tſadſee erjtrectte, aber ſchon 100 Jahre
ftentum, vor Mitte des 7. Jahrh. iiber ganz Nord- ſpäter durd) die Herrſcher von Marofto zerſtört wurde.
afrifa verbreitet, danach durch Den Islam unterdriidt, | Unfangs des 19. Jahrb. bradjen die Fulbe vom Sene-
hat fic), freilich in febr verderbter Form, nur bei den gal er als Eroberer in den Sudan ein und gründe—
Kopten in Ägypten und in Ubeffinien erhalten. Die
Miffion (atholiſche und evangelifde) hat hier ſchon
ten hier cine Unjahl mächtiger Reiche, von denen einige
nod) heute beftehen. Alle Diefe Lander Huldigen Dem
~(lamo®) Oitogratio® 1S
| ee’ Wiad ximshdooaD &e
9 El vi l $21
om i— A de y ib aia re
paps. shoe! bs
- Ss Wie
144 Afrika (Sprachew Wetiniav Aba. ¢
(Zum Artikel Afrita.}
Inhalt der Tafel ,Afrikanische Kultur I.
Ostafrikanische Kunsterzeugnisse.
1. Koptschmuck (Wanjamwesi). 17. Bemalter Schild (Massai).
2. Peitsche (Somal). | 18. Schwert (Massai).
3. Stirnschmuck (Wasika). 19. Schwert (Watnta).
4. Kriegsschmuck (Massai). 20, Wasserflasche (Somal).
5. Kriegsmaske (Wasika). 21. ButtergefiB (Soma).
6. —— 22. Geflochtenes Körbechen (Somal).
Palle — 23. Schiisseldeckel (Uganda),
8. Halsschmuck (Somal). 24. .4
9. Franenschmuck (Somal). gy | Betiseh (Syssre, Wayne).
10. Knieglocke (Massai). 20, Periicke (Uganda).
11. Armbinder (Suaheli). 27.
12. Nashornkeule (Massai), 28. Tongefiifie (Cdschidsehi).
13. Beinschmuck aus Affenfell (Massai). 29.
14. Tasche mit Muscheln (Somal). 30. Tontopf (Ugogo).
15. Wasserschépfer (Stabeli). 31. Speiseschiissel mit Deckel (Soinal).
16. Wasserkalebasse (Suaheli). $2. Matte (Somal).
Mawece Kemer. - Lexikon 2% -bed., Betinge,
—
—
pam
—
Z
Vv
—
oO
WY
—
=
ws
*
—
—
—*
Afrikanische Kultur Il.
Gb ids
“145. "
eit ers ae
é
x5
~
Me
£
AX
st
—
qd >
UK
TNL
<=.
——— — — > - =
1. Amulett von Kafferndoktoren. -- 2. Kopfschmuck eines Hererwetbes 3. Dolch der Marutse
4. Koptbedeckung der Lattuka, Lango und Schull. 5. Schurz cines Barweibes 6. Wurfeisen der Lur.
7. Amulett aus Ubudschwe ts. auch Pig. 1h 8. Geachoitstes Holrgetaé mit Deckel aus Guinea,
Meyers Konv.-Leckon, 6, Aufl. Bidliogr. Josttut in Leipzig Zum Artiket Aliika',
AAW
Ll} f
*
9. Zieraxt aus dem Manganjagebict. 10. Amulett aus Ubudschwe (s. auch Fig. 7), — 11. Geschnitzte
Keule aus Lunda 12. Schwert in Scheide vom Gabun. — 13. Messingstab der Ogboni-Neger von Lagos. —
14. Frauensandale aus Kano. -- 15. Schmuckkamm aus Abessinien.
16. Korbschiisseln aus Kuka. — 17. Stilett
in Scheide und Wurtholz aus Dar Fur.
Afrika (politifcye Verhältniſſe).
Islam, nur Ubeffinien hielt am Chriftentum, wenn
aud) an einem wenig reinen, feft. aber von
einheimiſchen Staatenbilbungen bis auf unfre Tage
ſich erhalten hat, das geht langſam, aber fider in den
Kolonialbeſitz der enropaifden Mächte fiber. Wahrend
nod) vor furjem der fiberwiegende Teil Ufrifas im
unbejtrittenen Beſitz barbarijder oder halbbarbari-
ſcher Bolter war, iſt —— die Teilung Afrikas
in ber Hauptſache vollzogen, find die Intereſſenſphären
abgegrenst.
Politifhe Cinteilung Afrikas.
. Auf
Gebiete Eston. | eostterun om
I. Einheimiſche Staaten,
Marotto (ohne Tuat und die
WAR). 2 ww et tw 439240; 8000000 18
Mbeffitien 2. 1 1 ee 540000 | 4000000 iA
Bibesla 2 a te te a 85 350 767 500 g
Sujammen: | 1064590 | 12767500 | 12
Il. Rolonien und Be:
figungen,
Algerien (obne Sahara) 477913 | 4774042 10
UE 6. ose 99600 | 1906000 19
Algeriſche Gabara. . . . . 819857 50000 0,2
Mauriide SHuggediete . . — 8800000 | —
Wilitdrterritorium des Sudan
Glfenbeinffifte . . . ... 823000 | 2250000 7
DPabomé . . 2. ww ee 152000 | 1000000 7
Frranjofifd-Guinea . . . . | 224000) 1500000 7
Framofiidh«Rongo . . . .
WMilitdrrerritor. bes Tfadjees . }3000000 | 10000000 | 3
Franzoſtſche Somalfiifte. . . | 120000 200.000 2
Madagastar und Dependenjen 501967 | 2244872 4
Réunion. 2. 2 1 2 ew ee 1 980 173192 | 8&7
ROM. oe ek we 1606 67000 4—0
Mavyotta . . « «= « o « 2 366 | 18000 50
St. Paul und Neu⸗Amſterdam 730 — —
Kergueleninſl 2414 — —
Frankreich — | gTors000 | —
@emBla wa sees 1069 4B
Gierra Leone 2. 2... 719000 275.000 3,8
@oldfiifte. . 2... wee 187900, 10000 8
Yagoé und Soruba . . . . 52000, 3000000 58
Gebiet der Rigergefellfdaft und
Rigertiften Protettorat. . | s9s000 | 24000000 27
Raptotonie mit Betiduanen:
land und Walfifdbai. . . 746333 1590980, 2
Zrantvacl . . . . 2... 308500 | 1043075 3
Chem. Oranje. Freiftaat. . . | 131070 0703 =o
@Pondolam’ . . . 2... 10470 120000 14,3
Wafutolanb. . . . ... $1490 263 600 8
Betidhuanen> Proteftorat . .
— ee 1665310) 1350000 Os
Brit. Jentralafrifa-Protettorat J
Ratal und Sululand 70800 929970 13
@enfidlar. . . 1. 1 sw a 2M 210000 82
@Pritifm-Oftafrifa. . 2... T0000 | 2500000 3
Uganda « Proteftorat 150000 | 1000000 6,1
Somalfifte ....... 176000 1 000 0,3
@oletra . . . 2 2 «2 3579 12000 «68
Mauritius und Dependensen 2812 409300 «143
Gantt Helena. 2 . 123 98) = 80
Gifeenfion. . 2... ww RS 444 5
Zriflan ba Cunba. . . . . 14 70 04
Grofidritannien: | 5219891 |) Sk6O0 166 7a
Wage 2 2 es ew wt th 87200! 2200000 | 23
Mamerun. .. 2... ee 493600 | 93500000 7
Deutich⸗ Siidweftatrifa 830 960 200 000 0.9
Deufa-Oftefrifta. . . . . | M1100!) A108 000 6
Deut{gtand: | 2352K00 | 14806000 | 6
Mevers Rony, Leriton, 6. Mufl., 1. Vo.
bild
145
Auf
Gebiete | BRilom. Renbiterung Mf
Mabeira 2 ww tee 815 1394040 | 164
Kapverdiſche Inſeln $851 114000 | 30
Guinea 2. ww we ee 37 000 200 000 6
Sao Thomé. . . . . 929 85000 | 37
Brincios 3. ok ee we 151 4100 | 27
Gugola . 2 1 6 ew ww 1815460; 4180000 3
Mofambil (Freiftaat v.Oftafrifa) 768740) 3120000 4
Portugal: | 2129685| 7787140 | 3,7
Militdrpoften in Maroffo . . 35 11008 | 314
Rie: be UNO ee ke i ow 188 600 — —
Aanariſche Inſeln... 7273) s94521 | 46
Fernando Po . . 2. we 1998 25000 | 13
Annobom. . . . . 2. se 17 3000 | 176
Rio Muni 2... we. 25 600 | — =
Spanien: | 223528 | - —
i ee 247 300 829516 i,3
Somalfiifte. 2. 2... 181293 | 210000 1
Stalien: | 428593! 599516 1s
Ggopten 2° 2. | 994300! 9821045 | 10
Tripolié und Warfa. . - | 1083400 | 1000000 1
Tirtei: | 2027700 | 10821045 | 5s
Rongofaat 2252780 |14—30 i.| —
Eine genaue ziffernmäßige Darjtellung der Bertei-
lung des Areals und der Devatterung Erdteils
auf Die einzelnen ſtaatlichen Gebiete läßt fid) nicht
eben, da Die von den europäiſchen Mächten bean»
pruchten Gebiete nod nidt fidher abgegrenst find.
Der einginge ſelbſtändige Staat Nordafritas ijt jept
nur n roffo; mit Mühe vermag die Türkei
ihren Beſitz in Tripolis vorlaufig noc feſtzuhalten.
Südlich von Maroffo hat Spanien einen langen Ril»
ſtenſtrich erworben und feine Intereſſenſphäre aud in
bie Sahara hinein ausgedehnt. Jn der Sahara woh:
nen nomabdijierende Staͤmme, die es zu einer Staaten-
nidt bringen fonnten. In dem dicht bevöl⸗
ferten Sudan finden wir aber Deipotien von an⸗
fehnlichem Umfange; dod) ftreben bier Franjofen,
Englander und Deutſche mit aller Kraft nad Er—
weiterun ger Yntereffeniphairen bis tief ind Innere
hinein. Yin der Weſtküſte ijt in Liberia cin Staat freier
ve, durd) Nordamerifa gegriindet worden. Ym O.
hat Ubeffinien feine Unab igteit Italien gegenüber
erhalten und deſſen —— am Roten Weer uit
Waffengewalt eingeidriintt, wibrend England durd
weitgehende Abmachungen, aud mit Deutidland, ſich
die Freiheit der Bewegung bis ins Niltal ficberte und
fo ben Anſchluß feines oſtafrilaniſchen Territoriums
mit Aqupten vorbereitete. Yn das Kongogebiet haben
ſich Frankreich, der Durd Die Rongotonferens yu
Berlin geſchaffene Kongoſtaat und Portugal getetit.
Siidlich und Hjtlich davon ijt alles and in den Han-
den von Portugal, — —— und Deutſchland. Die
Regierung wird in allen einheimiſchen Staaten in
mehr oder weniger deſpotiſcher Weiſe geführt, nur
beſchränkt durch gewiſſe Gewohnheitsrechte. Die mei⸗
ſten Reiche find durch Eroberung entſtanden; Daher
hat ſich haufig cin bevorzugter Stand und damit cin
Feudalfyitem ausgebildet. Sebr weit verbreitet fine
den wir Dad Regiment erblicher Hauptlinge, fone
in Dorfgemeinden, fo dak ganze Landjtriche am Ril,
im Suban, in Jentralafrika und weiter nad S. ohne
größern ftaatliden Berband leben. Dod) bat zuwei⸗
| len, wie bei den Hottentotten und den Vundavdlfern,
außere Gefahr ju grifern Vundesgenoifenichaften ge
- filbrt. Diefe Zerjplitterung mußte cine Befegung durd
lu
_— 8 8 © 8 ow
146
Europäer ungemein erleidtern. Die Inſeln find jest
fãmtlich im Beſitz europäiſcher Mächte. Val. die » lber-
ſicht der geſchichtlichen Ereigniſſe feit 1884« (S. 154f.).
Die re famtlider Sewobner Ufrifas läßt fid
natiirlid) nur anniibernd bejtimmen. Für den bet
weitem größten Teil find wir auf Vtutmapungen an-
gewieſen. Nad) Supan fommen auf 1 qkm in Nord-
afrifa 7 (in Tunis 13, in Tripolis 1) Cinw., in der
Sahara 0,9, in der nordtropijden Zone 10 (im mitt-
fern Sudan 18, in Nordojtafrifa 7), in der fiidtropi-
ſchen Zone 4 (in Ungola 9, in Deutſch-Südweſtafrika
0,2) und im auertropifden Siidafrifa 3 (in Swafi-
und Tongaland 4, im ehemaligen Oranje - Freijtaat
1,6), in gang A. 5 Einw. Die Gejamtbevdlferung
wird mit influ der Inſeln auf 168 Mull. berechnet.
Handels: und Verkehrsverhältniſſe.
{[Pandel.] Die vornehmiten Erzeugniſſe Ufrifas,
die in Den Welthandel gelangen, find Palmil, Palm⸗
ferne (von der Wejtfiijte), Ropra, Kolosöl, Rautfdut,
Elfenbein, Kaffee, Harze, Strauffedern, Diamanten
und Gold (meiſt aus Siidafrifa), Gewiirgnelfen (von
Sanjibar), Farb- und Schmuckhölzer. Das Kapland,
Natal, Ugypten und Algerien führen Wolle u. Baum-
wolle, die beiden leftern aud) Getreide aus, Mauri—
tius, Ugypten, Réunion und Natal Zuder, das Trans-
vaal Gold, das Kapland Diamanten, Maroffo Getreide
und Bieh; Elfenbein klommt aus vielen Ländern. Der
Silavenhandel iiber See ijt gum grogen Teil un: |
terbunden, Dauert aber im Innern nod vielfad un-
geſchwächt fort. Jn Bezug auf den internationa-
ten Handel nimmt A. unter allen Erdteilen die nie-
drigite Stelle cin, von dem auf 66 Milliarden Mt.
geſchätzten Wert desfelben fommen auf A. nur 1'/2
WMilliarde. Den Außenhandel vermitteln faſt aus-
ſchließlich Europäer.
[Wertehrdwefen.] Ym transozeaniſchen Verkehr
wurde A. bis gegen die Mitte des 19. Jahrh. nur von
Segelſchiffen erreicht, die Dampfſchiffahrt hierher hat
ſich erſt viel ſpäter ausgebildet. England unterhält
nach dem Kapland die Union-Caſtle-Linie nach St.
Helena, Kapſtadt, Port Elizabeth, Eaſt London, Natal,
Delagoabai, den portugieſiſchen Häfen der Ofttiijte.
Mad) der Wefttiijte Ufrifas, den Guineahafen bis
Loanda gehen die Dampfer der British and African
Steam Navigation Company und der African Steam-
ship Company von Liverpool und Hamburg fiber
Rotterdam und Gran Canaria, wahrend die Ojttiijte
von der British India Steam Navigation Company
ſüdlich bis Delagoabai angelaufen wird. Bortugqal
hat cinen reqelmagigen Poſtdienſt durd) die Dampfer
der Empresa nacional de Navegaciio nad den portu-
iefifchen Hafen der Weſtküſte und durd) die Empresa
nsulana nad den Azoren eingeridtet. Die franzöſi—
ſchen Dampfer der Messageries maritimes und der
Compagnie Havraise laufen Ganjibar, Madagastar,
Réunion, Mauritius und die Sefdellen an. Un der
Wejthiijte verbinden zwei franzöſiſche Linien Bordeaur
und Marjeille mit den Hifen Senegambiens und Free:
town fowie mit Franzöſiſch-Kongo; im RN. werden
Maroffo, Ulgerien und Tunis von franzöſiſchen Li-
nien von Warjeille und Port Bendres aus befudt.
Nad) dem Sirs führt von Untwerpen eine belgifde
Linie. Deutidland hat feit Jahren eine Verbindung
mit Der Wejtfiijte bis Kapſtadt durd) die Woermann-
linie, die zahlreiche Häfen bis Loanda mit Hamburg
verbindet. Die Ofttiijte von Uden bis Durban befahrt
die Deutfde Ojtafrifa-Linie, und die Dampfer der
Utlaslinie und der Oldenburg-Portugiefifden Reede-
ret verfehren swifden Hamburg und Maroffo. Im
Afrifa (Handel,
Verfehrswejen).
Mittelmeer werden Wlerandria, Port Said und int
Roten Meer Suez von deutiden, englijden, franzöſi—
iden, Bfterceichitcher italienijdjen und äghptiſchen
Dampfern beſucht, Guatin auc von britifden, Maſ⸗
jaua von italienijdjen und britifden, Dſchibuti vor
franzöſiſchen. Tunis-Goletta und Tripolis haben ita-
lienijde und franzöſiſche Verbindung. — Das afri-
fanijde Cifenbahnnesg ijt nod) befdrantt. Ins—
geſanit umfaffen die Bahnen in Algerien und Tunis,
ut der Kapkolonie bis hinauf nad) Britijd)-Betidua-
nenland, in Natal, den ehemaligen Burenjtaaten,
Deutſch⸗Südweſtafrila, Rhodejia, Deutfd)- und Brie
tifd)-Ojtafrifa, die Delagoabahn, die Kongobahn, die
Senegalbahu, die ägyptiſchen Bahnen, die Strede
Majffaua-Saati, die portugiefifden Bahnen in Weſt⸗
| und Djtafrifa und die Bahnen auf Mauritius und
| Réunion rund 20,000 km. Im Bau find jablreicde
| Verlingerungen diefer Bahnen. Cijenbahnen jmd um
| fo notwendiger, als nur der Rongo, der Niger⸗Binuẽ
und der Sambeſi-Schire brauchbare Waſſerſtraßen
bieten. Nil und Senegal tragen ebenfalls Dampfer,
andre Strime fonnten jtredenweife benugt werden.
Deutſche Dampfer befahren neben fremden Booten den
Tanganjita u. Nyafjajee. Die Teleqraphenlinien
| in gang A. haben eine Linge von (1898) 160,065 km,
Rabel verbinden den Erdteil mit allen fibrigen. An den
Endpuntten der Dampfſchiffs- u. Cifenbahniinien tritt
der afrifanifde Charafter der Verkehrsmit—
tel gu Tage. Yn Nordafrifa bis gum Sudan dient
das Ramel als Reit- und Lajttier, in Siidafrifa ijt der
mit 10—24 Debfen bejpannte ſchwerfällige Wagen das
bewahrte Transportmitte!. Pferde und Maultiere ver-
wendet man in Siidafrifa meijt nur bei den ſchweren
Poſtkutſchen. In BWejtafrifa ijt der Reititier ein febr
viel verwendetes Reifentittel, aber nur in den von der
Tfetjefliege freien Gegenden. Jn Nordojtafrifa find
Reijen gu Pferde und zu Kamel möglich, im mittlern
Ojtafrifa werden fie durch den Efel erſetzt. In Lunda
und Loango ijt als Reifemittel die Tipoya, eine Sänfte,
ebriudlid. Gepäck und Warenlajten müſſen aber
Bier, wie im ganjen jentralen A., mit Trigerfarawa-
nen befirdert werden. Bedingt durd) die Natur des
Landes haben fich beſtimmte Rarawanenjtraken aus,
ebildet. Yn Nordafrifa haben fich die Züge derjelben
in Den letzten Jahren merflid) verjdjoben. Der Handel
von Wadai geht nidjt mehr über Kaua und Murſut,
jondern durch die Libyſche Wüſte fiber die Dafen Kufra
und Wudjdila nad) Bengafi. In der wejtliden Sa-
Hara sieht eine grofe Karawanenſtraße von Timbuktu
iiber Fubeni nad) Tafilet und von da zur Küſte. Für
den Saljhandel aus den Ratronfeen in Fezzan und
aus Vilma bejtehen Stragen nad Tripolis, nad dem
mittlern und djtlidjen Taudeni, nach den wejtliden
Teilen der Sahara und des Sudan. Aus dem Wejten
führt die große Pilgerſtraße nad Meffa. Bon Sofoto,
Wurno und Kula ziehen Handelsſtraßen nad dem
Niger und VBinué und nad) Timbultu. Bon W. her
führen drei Strafen ing Innere Ufrifas: Loanda-
Malanſche-Kaſſandſche-Kimbundu und weiter ser
Reid) des Muata Janwo, Venguella-Bihé zur Waſſer⸗
ſcheide zwiſchen Kaſſai und Sambeſi, endlid) von Mof-
ſamedes nad) dem Rubango-Quellgebiet und dem
obern Sambefi. Bon O. geht die Route Bagamoyo-
Mpwapwa-Tabora ing Land, fie fpaltet ſich in meh—
rere Routen, die den Bictoriafee und den Tanganjifa
erreidjen. Die Strede Tanganjifa-RNyangwe bildet
das Mittelglied zwiſchen den öſtlichen und weſtlichen
Routen. Qn Siidafrifa endlich fiihrt eine große Han-
delsſtraße von Kimberley Durd) das Betſchuanenland
[Zam Artikel Afrika.)
Register zur Karte ,Forschungsreisen in Afrika‘.
Die Buchstaben und Zahlen zwischen den Linien | 3,4 I bezeichnen die Gradfelder der Karte.
— — —U—
d'Abbadie 1843..........) Fad Felkin und Wilson 1879
oe EFS Mey er,H., 1887,1889, 1898 * 1894 | A2
d'Albéca 1891. eens a, acuta Ct Ferrandi 1891,........+-. G4 Minutoli 1820...... El
Aliun - Sal 198263 . seeeeee | ABS Fischer (G. A.) 1883/86... . . V5 Mizon 1883/92... . «1... D4,5
Anderson, A, A. 1864/80 . E7 Fischer eobald) 1899 .... Bl Mohr 1870. .......... E6,7
Anderson, B, 1868........ AB4 Fiatters 18S0/81.......... 1,2 Montell 189192,....... .| BCS
Andersson, C, J. 1851/59... . | D6,7 Flogel 188084........4. CbD3,4 | Monteiro 183182.....-... F6
d'Andrada "1881. aes mia aot Fé Foucauld J883/84........- Bl Morgen 1889/91. ......... D4
Antonelli 1883 ......-... G38 Foureau 1890...... Cl,2 Moustier, s. Zweifel.
Arnot 188586..........6. EA Fouresu und Lamy 1898) 1900. CbD2,4 | Mallens 1873 . — G6
Ascherson 1876. ........45 EF2 Fournenn 1889/91 .......- D4 MungoPark1795/97 ABS, “1805; 1806) BC3
Aubry 1889385 .......+5- FG3, 4 | v. Frangois 1888/90 BC3,4, 1891 | DE6 | Munzinger 1861/71........ FG3
Austin 1900 2.2... 6.4 e eee Ft Francois u. Grenfell, s, Grenfell Nachtigal 186974... ..... . | DEI3
Baikie 1854... .6..2265- cD4 — u. Wissmann, s. Wissmann. Nachtigals Diener 1873... . . DEA
Baines 1861/71 .......--. DEG, 7 | v. Fritsch 1863 .......... A2 Nilsen - Lund 1887 . eee Gi
Baker 1864 .....- 04205 ra Gallieni 1880 .... ....-. ABS O'Neill 1881/84 ........-. F6
Halfour 1880. .. . . s van Géle 1886... 2.0... DE4 | Oudney 1822 .,........-. | Ds
Barth, Heiprich 1845 . ; Fe Gendron 1899/1900. ...... | D5 Overweg 1850/52... = ..... D3
— — 184546 DEI, 1856/55. B-D2,3] Gentil 1897 .........5-- | D3,4 } Panet 1850 ............ A2,3
v. Barth 1876 —8 1876. — Karton | Gessi 1876........ — (ee Passarge 1893/04 D4, 189698 . | E6,7
Bastard 1896/99 . oes Gi Gibbons 1899/1900...... E5, 6 Paulitschke 1885 ......... G3,4
Bastian I8ST7 2... 2. ee ee DS Girand 1883.......... , EF6 Pearce 1899. 2.2... ee ee | ¥F6
Baumann 188692... ...... C4, EPS] Gétzen, Graf von 18%... . . EFS Peters 188990,.......... | FG5S
Bent 1801 .....-50- eee ¥6,7 Gouldsbury 1881... .... Au. 4 Petherick 1862/)63.........
Bernsmann, s. Bohm, Grandidier, A. 1868)70..... | G6,7 Pigott 1889 ....-.... eo PS
v. Beurmann 1860/63 ...... D-F2,3] Grandidier, G, 1898/09, 1001 Gi Pogge 1875 ........ E5, 6
Binger 1887/89 ......---+. Ba, 4 Grant, s. Speke. Pogge u.Wissmann, s. Wissmann.
Bébhm und Bernsmann 1877. . | D6,7 Greeff 1880... we eee C4 Pohle 1885 ..0e sc eesene bi
Bohm, Reichard u.Kaiser 1883/84 | E5,6 | Gregory 189293 ......... FS Pombeiros 1806. ......... E5, 6
Bohndorff 188083 .......-- EA Grenfell und v. Francois 1885 | DE4,5 | Prout 1875/76........--. EFs
Bonchamps 1897 ........ . r4 Grogan 1899 .......4-.+5. EFS Prayssenaere 1859/4 ..... ‘ Fs
Bornhardt 1895),97 ........ F5,6 Gruner 1895. ......... . | BC3,4 | Purdy 1873;76........+.. EF2, 8
Rottego 189597. ......-..- *4 Gabteldt 1879/75 ....... 2.) CDS Ragazzi 1887 .....-.6-6+ G4
Bottego-Grixoni 189293 .... G4 Habn 1866...-..-...-.. D6,7 | Rath, s. Hahn.
Bourg de Bozas 1901/1902... | FG4 Hahn und Rath 1857 . D6, 7 Rebmann 1G47 we cc cvsess FS
Bowrel 1860 .........-- A3 Hartert u. Staudinger 1885.86 - C3, 4 Reichard, s. Béhm.
Brazza, Giacomo di 1885. ...| D4,5 | Hartmann 1900.......... | D6 Reif 1860 2... eee ee eee A2
Brazza, Savorgnan di 1878/82. D5 Hath 18GB 16 sec | Ga.4 Révoil 1880/83 .......--. GH3, 4
Brenner 1867 ........+4-+ PG4,5 | v. Heuglin 1856.76 - ... | EF8,4 | Richardson 1877........-.- Gi
Bricebetti- Robecchi 1890/91 . . G4 Hildebrandt 1872/73 . 3508 FG8 Richardson, J. 1850. ......) C2,3
Browne 179896. ......... E2,3 | Hodister 1800,.......... E4,5 | Roget 1890 ......-5-505 | FA
Bruce 1772 ........+.- ° F3 v. Hobnel und Teleki 188788. | F4,5 Rohlfs 1862/64 B-D1,2, 1865,67 CD14
vV. Bash 1015 2 svc csaees A2 Holub 1873/79. .......54+ E7,8 — 1869/79 DEI,2, 188081 . F3
Buchner I878/81 ......-..- DES, 6 | Hornemann 1798......... DE2 Roseher 1860 ........--:. Fé
Bu Derba 1858.........- C1,2 | Hostains d'Ollone 1899 ..... B4 Rouvier 1886 .......6555 5 D5
Bu-el-Moghdad I861...... A? Houlder 1576.. | G6 Russegger 183799 ..... ~+-]| P28
Buot und Bernard 1900, .... D+ Hourst 1830688 BC3 Rutenberg 1877/78 .....56 +> G6
Burekhardt 1819/14. ....... F2,3 Hiibner 1670.......... Ei Schinz 1885.....+.5 ..... | DEST
Burin, s. Colonien. Ivens, 3, Capello, Schmidt 1886 .........-.+| G6
Burton 1854.......65555 G3 | Jackson 188990 ......... F4 Schnitzer, s. Emin,
Barton und Speke, s. Speke. James 1885 ......--0+-- G4 Seliran 188590 .......+..- | CD4
Bittner 1885 ........... D7 Janssen 1889 ........0554 BA, 5 Schuver 1881/83 ......... | Pad
Caillié 1824 AS, 1827/28 . AB1-3 | Johnston 188990,....... | Fs Schwelnfarth 184486 ...... EF?2-¢
Cameron 1873/75 oe agees DES, 6 | Julien 1899 .......-4-.-. FA Schynse 1891 .......5- ae FS
Capello und Ivens 1877/79. D5,6 | Junker 1875 EF, 1876.....) F3,4 Selous 187888 ......6.... EF6
— — 188495 ......646- D-F6 ee | eeerare ee er es RF¢ Serpa Pinto —— Sate eas D-F6, 7
Garon 186T 1. ce vecsease BS Kaiser, s. Béhm. Sharpe 1890. Sree EF4
Cavendish 1897. .........- Ft Kandt 1898/1902 . 2... .-. EFS Silva Porto 185258 ....... EF6
Cecchi und Chiarini 187880. .| FG3,4 ] King 1886........ act G3 Simony 1888 ....... A2
Chanler und v. Hébnel 1892 . | F4,5 Kirby 1884 ........... ° B4 Smith 1894/95 PGs, 1690/1900 . F4
Chavagnac 188] ......... Bl Kling 188890 ........... C4 Soleillet I874...... ; C2
Chiarini, s. Ceechi. Klunzinger 1863/75. ....... Fr Speke 1855 2.6.6 eee eee G3
Cholet D4,5 | Knothe 1888...........- EF? Speke und —— 1883 . : — —
{| CD2,3,] Krapf 184552........... F5 Speke, Burton, Grant 4,
Clapperton 1822/26 a. 1826/27 .)| “og"s"] Kramp 1701..........-. yo | Stanley 1871 FS, IST4/77. « | DEA, 5
Clarke 1887 ..........., ‘ ET Kund und Tappenbeck 188589 | DE4,5] — 188789 .....-.-- +++ | EFS 5
Colomb 1856/57. ......... cl Laing 18956........... B2,3 Staudinger, s. Hartert.
Colonien und Burin 1860 ...] Cl,2 Lander 1826.30 ....... -.| C34 Stecker 1881/82..... ...+) FGS4
Colston 1875 2.2... -054. rs Langheld 1897 ........ ‘ F5 v. Stein 190] . 2.2... 00s ee D4
Comber 1880 .........-. DS Largeau 1875 ......-00.:5 cl Steinticker 1888. ......+-- di
Crampel 1888/91 .,....... |) DE4,5 ] Le Marinel 1890........, E5, 6 Steudner 1861/63 ......... F3
Dants 1898/1900 ......... F5 Lenz 1874/80 ......-.+.. BOCl-4 | Stewart 1879 2... 6.6... 06: F6
v. d. Decken 186065 ...... {| PG4,5 | Le Roux 1901 ........ | F8,4 Stocker 1888 ...... oee--| BY,8
Decoeur und Baud 1895 .... | BC3,4 ] Linck 1900 ..........-. F3 Stuhlmann, « Emin.
Delbrel 1899 ......., eve Bl Livingstone 1841/49. ...... | DE6-8 | Tappenbeck, s. Kand.
Deleommune 1888/89 ...... ES 1853/56 D-F5,6, 1859 F6, 1867/73 | EFS,6 ] ‘Teleki, s. v. Héhnel,
Denham 1822/24...... ...+ | OD2,3 | Lagard 1891/92 FG4,5, 1894/05 (4 Thomson 18794........6- EF4, 5
Doelter 188081..........|Karton | Lupton 188183 ..........) EF4 Thomson, Jos, 1888....... Bl
Donuls 1887 2... ce eee ee A2 Macdonald 189708... 2.2... F4 Traversi 1886......-++.+. ¥F4
Doyle 1891 ....046.05+..+] FOOT Maclaud 1899........... AS, 4 Vineent 1860 ......, —XR a2
Dromard 1898/1#00 ...... . B4 Mage 185980. . . ABS Voeltzkow 1889/95... .... G5-7
Du Chailia 1865 ,........ CDS Magyar 1851 ........4.-. DES,6 | Vogel 185456.......-.-- C-FS, 4
Duyeyrier 185960 Cl, 1860/61 | CD1,2 | Maples 1881... ........ | FPG6 | Wellby 1999............| Fé
Dybowski 1891.......... DE4 Marchand 1897/99 er ecener | B-G4 Weillsted 1834, ........., H3
Ellis 18625....... ..+. G6 Mardochée 1858 ........- B2 Wilkinson 189)......--.. El
Elton 1870...... 2 EF7 Marno 1880 .......... BRF4 Wilson, s. Felkin,
Emin (Schnitzer) 1877/89... . F4 Mason 187677 ...... -... | EFS,4 | Wissmann ou. v. Frangois 1885 | DES
Emin und Stuhlmann 1891/92. | EF4,5 | Matteucei 1880/81 ....... CDS,4 | Wissmann u. Pogge I88L82..) DES
Eggers 1899..... teeecevas DES Mauch 1866/72 ......... | EP6,7 | Wolf 1885/86 DES, 188889 ..) Ca,4
Ensor 1875/76........... EFS Mayo 1882.......+e00-: D6 Zeaner 1889. .......-.+55 cD4
v. Erlanger and Neumann 1900 | FG4 [| Mechow 1880.......-..-- DS Zintgraff 188889... .+| D4
Erakine 1872/75.........5 Fi Ménard 1891/92.... .... | Bd Zweifel und Moustier 1879 .. | ABI
Meyers Konv.- Lexikon, 6. Aufl., Briluge Digitized by Google
he Ubersiche der
Fors«chung-ereisea in Afrika.
Chroneloegi«
Nord westefrika, TAbvad .. 141 äM bo Ls
17%—9T ama | Barth. Metered -. 1m rt Maples el —*
Mange Pork 4 2 | Lepees is4S Fr? Woeetaas a r. gee AP 1
7. Bach }**% Aa Rartes .. ta tre | ONev) _ js-l 4 a)
Osdoey 1ss? ir Speke i= 3 Maro pz I~
Leeohsa . ere 24 8 6CIve,3 —*2 Lat --36 «EA Miraaé jw Er
f iwet—2) Crh ‘Tmemeere ———— pele Os ry Mice .. i ta Ia Cx
Gieypatee 1 1 27 «Cala Pt Beurmane .. ive -23 DELS | Kétm, Kei-tacd ©
Cam 4 ist Ai Soadmer. . . 1s i — 4 F3 Kaiser. . a4 OE A
’ + tweet oe API Moaagirnere tb") —71 Fi52 Piseber . iat a 12
Laing. 25 —% «=e, yo] Petherek - lait — 63 ra] Brame. Ga .. bem t, >
Laader... . eee CA, 4 a aad dsrant os | F235 (prenfeil ¢. Frac: nts pes DFAS
1444 DEI janeinger .. . 184.3 —T3 P2 Kuad, Tappes ek 1* DES
Herth, Hesarirh . Iso Bg | Beker -..-.--- 14 14 W resmaaa. +. Prone. Ah Lek
Pamet......... 18269 AZ’ Sehweinferth . . int“ EPI4 Arnot 12s 6 r%
Richardsos, J — C23 | Robtts lee 79 D-PIL2 | Weif.-...-.-. ims -™§ DES
(perweg. . 1 —52 mM fie 1* 1 Fa Kouviwr . . padi Ds
Haikie 14 CIM Hildebrand: . ... . 2-3: PGS Sebundt ... 4 28
Vogel... ... 184-54 ¢-ER,4 | Party . 1A73—76 | EP? 3 | van Gele . . lk — DES
Calomb . Lae 7 8 Coltos sid F3 v. Héboel a Teleki xsi | P65
Ka Derba . 1a C1. Waehy ....---: 1475 «4 Meyer, H..... LAs Tse FS
Wartortee . 1s Re Enasor 1774 EF? Delecmmone .... [swe sy ES
1he 40 Ci Proat........ Ist5—36 » EFS | Crampel......- lwes—vl DES
TEE =:+ + ‘ lw 61 CD12 1873S EF? Janmen a) EA. >
Mage j 1859 AS Junker . 1876 F3,4 | Pigoe: . or) F3
— — | 18464 ABS | 1977-43) EF4 | Jackson a9 ra
Hoarrel ....... | Fay AS Ascherson...... 1876 Er? Jobaston a er a
Ualonles «. Barina . 1 ci,2 Qeeal.....-.-. 1834 r4 Peers . [ona ie! Fus
Vincent .. 1 A? Mascn . |) 1896—77 0s EFS. ¢ | Pournvesa Lax'y —] (4
Meh... Lee moe} ’ Fein (Sebesioger). . | 1807-9 F4 Chobe . . Ls! Tm. %
Ko -el-Moghdad . . 1881 A2 Cenehl a Chlxrind. | ISTi—*) , PG3,4 | Hodister...... - wie) BAS
Aliwn - Sal ae 1m aR AKG Folkin o, Wiles ixvy | EPS ia Marinei ....-.- lee) ES, 6
v, Pritweh 2... 1643 A? falfionr 1 Roget .....+: ia) KA
Reblf ..... j, 162 44 BDI,2 | Marve sia Eva | Sharpe........ Imm; EF
"et 19-67 CD14 | Botuder® .... . . | 120-5 EA Dybowski inv DEA
Anderson, B. . | eGo AIM Reéevoll .... 2 aes , leer —St «265134 | Ferrandi....... 121 —
Nachtigal . 1969—74 DEI-9 | Stecker ......-. Pexi—Sz £153 4 | Sebyuse 1*1 *
Nachtigals Diener 1873 DEA | Lupton .-..--- | Isi—k3 «BFA | Emoim uw Stublicane $1Sv1—92 EFAS
Boieiliet .. 2. | | 1874 02 Schaver 1818 4 Lacard 1r4.
Largesa ...... 1835 cl Antonelli ...... | ia Ga Beumans . . . jai eS
y. Barth . 1876 Karton | Aubry ...-.--- 1663-85 £G4,4 | Chaler w v, Hohnel 182 F4.5
Zweifel u. Moustier 1879 ABA Heath ........ 1 G3,4 | Gregory ..... lair? —90 rr
lam ..... 1879- Bia James . 2... ee 18 14 Graf v. Gowen... oe | EPS
Gallieni ... 2... 1880 ABS Paaliteehke .... - 1 G3,4 | Bornmbards...... ise5—9s 736
Doeler........, 1980-81 Karton | King .---.---- ios) (4 Langbeid — 1*87 rs
Flatters .......- jos 1.2 Traversi. .. 2... 1 F4 Macdonald... .. 17 — fon Fé
Matienori ...... 10k] «6cnea. 4 | Bagarti....--- 1887 134 Dante .......- 1st — fee ES
Fiegel .. jeeo—" «6CcDs, 4 | Wylde... ..--. 1H F2.3 | Kendt ........ I8ee—)4%2 EFS
Charagnac .... . 1881 BI Bricebetti-Robecchi | 1800-91, G4 Grogan ...... avs EFS
fiouldabury..... 151 An.4 Battego-Grizond.. 1sv2—94 G4 Jalen ....... levy BA
Foucauld ...... 1883—84 BI Smith, D...... 1bV4--85 FG Gibbons . layo—lhe EDS
Kirby... .... 14 he Béttego ......-.- [eo —97 14 Hart u —— 9 Lies L4
Hartert, Bandinger 1885—86 (3,4 | Bouchamps..... 1897 re v. Mteip .. 2... boul Los
Hebran..... 188590 CI4 Cavendish... ... 1897 74
Haomaon ...... 1 R54 ce Marchand ...... 1807—9 F-34
Cars ....... | 1667 | BS Wellby....... 1890 F4 = Sidafrika. —
Deouls ....... 1487 | A2 Smith 1899 —le 4 Livingstone tres — D-F6-8
Binger.. . 1k*7_ 89 3, 4 v. Erlanger a Neu- | | Andersson, C. J. InSl 59 , 6,7
Kand, Tappe mhoek | 1867—#e D4 mann ....... 1900 FG4 Habs und Rath .. —* D6, 7
Simony — 1 AQ Linek. 22. ee ee ix «=O 1 Ellie 2-2-4 - es 1862—85 | G6
Thomeon, —— — 1 Bl Le Houz....... 1991 3. 4 Anderson, A. A. Tatrg- EG
WE 6 iss ae ae 1eK8 80 ' Ca.4 | Boorg de Bosas.. 1001-1002) ruq | Haba .-.--.-- 16 KT
“intgraf. 2.2... . IKHK— 89 "TG ; et a oe Hi Th oe?
xusg * > ae Zentralafrika. Be el ee oe
Jaamer. ss... Isso cag | Pombeiros..-.-. } 1806 | HS | Hobner ....... Into | ET
Morgen ....... ee) | D4 Montelro.....-- 1831 —a2 F6 Motr.......-- 1870 r4, 7
Fourean....... ime; + on, 2 | See es IR4s—73 | DAFS6 | Sibree 0... 1870 7
dAlbéon....., 1K9} Cs Krapf 1k45—52 F5 Erskise ....... 1WK72--75 a
Ménard... mi) ag Le eee “it Ps | Mulless ...--.-- ae | oe
Minoan ........ ! tmyi1-92 | pe Magyar .--..-- 185], DES.6 | Holub .......- 1873—79 | ETA
Montell ....... isst—oe | pecs | Silva Porto .... Iks2—53 ERG | Houlder......- | 1876 Gs
Move, Biccccss) 104. . ae Pee: 3 isb7 | DS | Bohm. Bergemann | In77 | DMF
Passarge 35 “earned 1804.94 D4 Speke, Burton,Grant 1857 —63 Et4,5 } Richardson .... - 1857 a7
Lagerd .... | seua—os | cg = Boeeber..-->-- 16) | PG | Rutenberg . 17778 GB
Decwur u. Baad . . 1105 Ol] pena 4. Decken .... | 1860-65 PG4,5 | Selous... .... 1875-5 OES
Gruner. ....... 1895 EE gee NO6h- 41 ; DES, 7 | @ Andrade. ... - - — 12—
Hourst........ 1896 so en ns | 106s CLS | Batuer cree Tea DT
Gent) .......- 1897 Da, 4 Brenoet ....--. 1667 ¥G4.5 | Pohle...-.-.-- 18 D7
Delbrel........ | agg Bt {| 18 ik a FS Sehing......-.- 18 DES,
Dromard. 199% 1900 BA Stanley er a ee 1hie— 47 D-P4,5 Clarke —— — 1*7 ET
Pourvau u. Lamy . 1M Tee Cpe . | R87 —HD EFAS Nilsen - Land 1*7 GT
Fischer, Tb. .... re Bl Cameron... 6.651 12 DES, 6 Knothe a chet a at 1885 7
Hostains ue. sad mM Gibfeldt..... I873—75 | CDS Steinadcker...... PRAM D7
Meclaud...... 1899 AS. 4 Lems .. ss ee eee TRi4 ce Stocker ......5. Teas E78
* * Pogge .....+-- teas ES, 4 Voeltzkow. ..... 189--95 Gi-7
v. Barth. ..... 7 DS Bemt ...+ece-: inet ! Fé, T
- Nordostafrika. Dapetle u. vena j) 187779 D5, 6 Doyle 18] | Pe?
— ae eae 1701 F2 ; “"}) 184-85) DFS |v. Prangois ..... 189t 6} OS
— — 1373, S| Serpa Pinte. 1878 79 | D-F6,7 | Wilkinson... .. . Ino E7
TOWNE 1703-4 | F285 Buchner... 1875-81 DES 6 | Passarge . 2... - Ce ee 3
Hortemang . . . ies Loke2 Hrazza, 8. di 1878— 82 1 Finstard 2... 44. js}. 99 Gi
Vourchbardst ..... win—l4! Fa Stewart : 1R79 —* in 9D ti
Miputoil F 184} El Thomson [R79 —84 EF4,5 Grandidier, G. . 1 Lol Gi
Wellsted . . 1k44 | OS Comber ...... } RAO DS Fegera..-..... [a DES
Raweeyger...... , 37-39 F243 tireweff 2... ue. a LO C4 Ilartmann...... lnw , OM
At — x Na
£ —
i i —ñ 32 X
~ — e
—X⸗
OOOOOO RE) Qups guy
amautaãucy sanz stg
VUMIYUAV
NASIAUSONAHOSUOS
NOLLSOLLHOLM did
09 ae rs
Digitized by Google
MY’ pen wey AT MRL Ld 1 GL ca) Rk bond
W
— eer
W'VAEWAD NM a *X* we
> “
‘
. ‘i
3
Maw b repen Hy
HOD AH — R
Ty
7 4
1) j + Nui \
le 7
* * V TPR) — —
“may , a A 9* A — ——————— — >
¢ ied de - — — — — —
A bs m
‘ ;
i Pay A pees bad hdl f . ™~
——4 J —* ite ny 0
a } — 7 i “as Sens Y \ .
f wo . “ , .
, : , ™ } ‘ i "4 *
‘ 0 OT Nona (| ‘ —
Ad bt - ‘ = *
7 th -
— wy] ‘ ; ‘
⁊ J r 7 4
| — 1 9 & *
— *
* ee »
het Baty ’
gn | :
putes oo neon ang | oe > 4s ‘ *
fit —— wadoy 2* onb
Ota +— ww 0. if «a 8 a XRR ust { 2
7ed by Google
Afrika Entdeckungsgeſchichte).
nach Schoſchong und weiter zum Sambeſi. Dieſer
Route folgt die dort jetzt ſchon weit vorgeſchrittene
Eiſenbahn. An allen dieſen Verkehrsſtraßen befinden
ſich wichtige Märkte.
Die Geldforten und Tauſchartikel ſind in A.
ganz eigentümlicher Art. Der in Oſterreich noch immer
geprägie Mariathereſientaler mit der Jahreszahl 1780
gilt an der Weſtküſte bis tief im Innern des Sudan
und in Sanſibar; an der ganzen Oſtlüſte und in Abeſ—
jinien die indijde Rupie, in Deutſch- und Britiſch—
Ojtafrifa ſeit kurzem aud) die von der Deutſch- bez.
Britijd Oſtafrikaniſchen Geſellſchaft geprägten Rupien
(. Tafel ⸗Münzen VI«). Goldmünzen werden nur
in den europäiſchen Kolonien als Zahlungsmittel an-
enommen. Reber. dem von Europäern verbreiteten
[de hat einbeimifdes Eiſengeld weite Verbreitung,
am Saari in Form diinner Platten, am obern Kongo
in Form von Haden, am Wibertfee in Form von Speer-
ſpitzen. Rupfergeld in Form von Kreuzen ijt im Rongo-
becten verbreitet, die Kaurimuſchel gilt tm gangen weſt⸗
lichen Sudan, Sal; in Stangen im fiidliden Gudan
und Ubeffinien, Baumwollenzeuge, Glasperlen, auc
Eiſen- und Meſſingdraht find das Geld vieler Teile
Wnnerafrifas. Dazu fommen nod Gewehre, Muni—
tion u. a. Überall fudjen die Hauptlinge Soll gu er-
heben, fet es in Sflaven oder in Waren, und cifer-
ſüchtig jtreben mance Stämme der Küſte, ihr Han-
delsmonopol ju wabhren, indem fie den Europäern
das Bordringen ins Innere verivehren.
Entdeckungsgeſchichte Afrikas.
(Hiergu die »Rarte ber Forjdungsreijenc, mit Negifterblatt, und
Portrattafel oMfritaforjder I ou. Lhe.)
Sdon die alter Wg ypter unternahmen Biige
nad) den Negerlaindern 5 ae und nad) dent
Oſthorn des Erdteils. Konig Necho beauftragte 600
v. Chr. phöniliſche Schiffer, UW. vom Roten Meer aus
zu a sr was ihnen aud) gelang. Phöniker
Hatten übrigens jdon von 1100— 950 an der Wejt-
fiijte Maroffos von Elmehaſſen bis zum Draa 300
Rolonien begriindet. Von Karthago aus drang um
470 der ältere Hanno mit einer Flotte bis über
Sierra Leone hinaus vor. Von Griechen bringen Nach—
ridjten fiber den Rontinent Herodot, Eratojthe-
nes, Hippard, vor allem aber Rlaudios Btole-
mäos, der das genaueſte Bild von A. im Altertum
entwarf. Er ftellte die Lehre von dem »Mondgebirge«
und den »Rilquellfiimpfen« auf. Rimifde Heer-
führer zogen Durd) bie Sahara (Alius Gallus, Sue: |
tonius Baullinus, Septimius Flaccus, Cornelius
Balbus, Julius Maternus), und Kaiſer Nero ent-
fandte cinige Offiziere den Nil aufwarts. Das Wiſſen
Der Alten von UW. wurde ein Erbe der Uraber, deren
roße Geographen es anſehnlich erweiterten, fo Maf-
Adi (947), Ibn Haulal (976), Obeid ef Bekri, der
1067 die erjte Geographic der Regerliinder ſchrieb,
Idriſi, der das arabiſche Wiſſen tiber A. aud farto-
—— niederlegte, Jon Chaldun, Ibn al Wardi,
bulfedã (1273—1332), Bakui, Leo Africanus
(1492 —1526), Jon Batutä, der den Sudan und
die Ojttiijte bereijte, u. a. Den Kirchenvätern und Ge-
lehrten des frithen Mittelalters galt Innerafrika
al8 Wüſtenei voller Untiere und menſchlicher Mißge—
jtalten. Gebr viel trugen zur Erfenntnis Afrilas ita.
lieniſche Raufleute im 13. und 14. Jahrh. bei, die
gang Nordafrifa durchzogen und den heimatlichen
artographen (Marino Sanuto, Giovanni Leardo,
Fra Mauro u. a.) unſchätzbares ‘al lieferten.
Das Verdienjt, dic wahre Küſten feſt⸗
147
geſtellt zu haben, gebührt den Portugieſen. An—
geregt von dem Infanten Heinxich dem Seefahrer
(1416-—60), ſchritten die portugieſiſchen Expeditionen
immer kühner am Weſtrand Afrikas nach S. vor.
1434 wurde Kap Bojador umſegelt; 1456 umfuhr
Ludwig Cadamoſto das Kap Verde und gelangte
bis zum Gambia, 1472 wurden Sao Thomé, Unno-
bom und Principe erreicht. 1484 drang Diego Cio
(in Des deutſchen Ritters Behaim Begleitung) an der
Wejtliijte weit iiber Den Kongo nad S. vor. Barthol.
Diag entdedte 1486 die Südſpitze. Schon 1498 wurde
das Rap von Basco da Gama umjdifft, die Ojttiijte
VUfrifas befahren und von Melinde aus endlich Indien
erreidt. 1503 langte Saldanha am Rap Guardafut
an; 1520 erreicdhte man Ubeffinien, 1541 fant Ejteban
da Gama bis Sues. Englander, vor allen aber Hol-
lander, {pater aud) Dänen, griindeten Handelsplage
an den Küſten Oberquineas und riffen den Handel an
fid). 1682 legte Brandenburg Faltoreien an der Gold-
fiijte an, die aber 1720 an Holland verfauft wurden.
1697 ſetzten ſich die Franzoſen am Senegal feſt.
Die Verarbeitung des Wiſſens über A. im
16., 17. und 18. Jahrh. war eine ſehr rege. Die wich—
tigiten Werke aus diefer Reit find die von Pigafetta
(1591), Marmol del Carvajal (1573—79), Alvarez
(1533), Cauche (1651), Flacourt (1658), Suchelli,
(1712), Dapper (1668), Ludolf (1681), Boncet (1712),
Lobo (1728) u. a. Cine kritiſche Bearbeitung der Karten
von A. nabmen die franzöſiſchen Geographen del’ Isle,
vor allen aber Bourguignon d'Unville in Ungriff.
| Unter den Forjdern der Folgeseit feien unter vielen
andern genannt: Shaw (Maroffo), Peter Kolbe (Kap⸗
| land), Adanſon (Genegambien), Bruce (Abeſſinien),
Patterſon (Siidafrifa), Sparrmann und Thunberg
(Rap). Seit 1788, dem Griindungsjahr der African
| Association, ward die Erforjdung des Erdteils fyjte-
matiſch in Angriff genonunen. 1873 wurden durch
die Griindung der Deutfden Gefellfdaft sur Erfor-
jung Uquatorialafritas die Kräfte und Mittel ded
deutſchen Volles, 1877 durch Konjtituierung der Brilf-
ſeler Snternationalen Ufritanifden Aſſoziation die
Mitarbeit der gangen jivdilifierten Welt su gemeinſamer
Forſchung in A., zur Bekämpfung de3 Sflavenhan-
dels und zur Bivilijation des afrifanijden Feſtlandes
lonzentriert.
Neuere Forſchungsreiſen im Nilgebiet.
Bon der Nor dküſte war der Weg nad) dem Innern
von A. durd) den Lauf de3 Rils von der Natur vor-
gezeichnet. Den Nil aufwarts follte 1788 Ledyard
| tm Wuftrag der African Association dringen; er jtarb
| in Der Libyfdjen Wüſte. Gliidlider war 1792 W. G.
Browne, der Dar Fur erreidte. Die franzöſiſche Offu-
pation von Ägypten (1799) veranlajte die Reijen
v. Waldeds, Hamiltons, Denons, Girards im obern
Niltal. Wn der Erforſchung des obern Nilgebietes
beteiligten fid) ferner Burdbardt (1814—17), Li-
nant (1827), Rujfeqger und Kot] dy (1836—38),
Werne (1839—41). Min Bahr ef Ubiad (Weißer Nil)
unternahmen J. Knoblecher feit 1849 und F. Mor-
lang feit 1859 bemerfenswerte Reijen; ferner Brun
Rollet 1848—51, Cuny, der 1857 nad) Dar Fur vor-
brang; J. Betherid 1848—63, die Gebriider Boncet
feit 1860, Giovanni Mia ni, der 1860 bis 2°30‘ nördl.
Br. tam und 1871—72 eine Reife bis gu den Mon—
buttu ausfiihrte; Undrea de Bono 1861, der Mardefe
Untinori 1860—61, Ulfred Peney 1860 —61, Guil-
faume Lejean feit 1861, Frau Tinné mit ihrer Tod.
ter Alexine 1862—63, van Pruyfjenaere aus Briigge
1863 u. a. Die Expedition Theodor v. Heuglins,
10*
148
an der Steudner, Th. Kinzelbach, M. Hanfal und
Schubert teilnahmen, und der fic in Neren Werner
Munzinger anſchloß, ging 1861 bis an die Nord-
grenze Abeſſiniens, wo fie ſich trennte; Heuglin durd-
reiite mit Steudner und Schubert Abeſſinien und fam
erjt im Juli 1862 nah Chartum, von wo Munzinger
und Kinzelbach einen Vorſtoß nad Wadai vergeblid
verſucht hatten. Rad dem Tode von Steudner und
Schubert fehrte die Expedition 1863 heim. Wdalbert
v. Barnim (Sobn de3 Prinzen Wdalbert von Preußen)
retite mit Rob. Hartmann von 1859 an in Nordojt-
afrifa und ftarb 1860. Am Blauen Nil drangen
1869 und 1870 Ernit Marno, Wilhelm v. Harnier
aber bid GonDdoforo vor und fam 23. Nov. 1861 auf
der Büffeljagd ums Leben. Sam. White Baker, der
icon 1861 Die Zuflüſſe des Utbara in Abeſſinien er-
forict batte und 1862 von Chartum aus bis Gondo- |
foro retite, wo er mit Spefe (j. unten) zuſammen⸗
traf, brad, durch dieſen zur Nilforſchung angeregt,
nach S. auf und entdedte tm Mar; 1864 den Mwutan
(Wilbert Niania). Bruyffenaere bereijte eile des
Gebietes zwiſchen Dem Beißen und Blauen Nil, Klun⸗
singer beqann feine Forſchungen am Noten Meer, Biſ⸗
ion und Slaſſich retiten am Utbara. Georg Sh wein-
furth befuchte 1864 die Landſchaften am Roten Meer
und erforidte feit 1868 die Landichaften der Didur,
Por, Riam-Riam und Monbuttu. Er drang bis
3° 35‘ nordl. Br. vor, fand den leile, entdeckte das
Swergvolf der Alla jowie einen anthropoiden Uffen
und febrte 1871 Durd das nod unerforidte Dar
Fertit zurück
Weitere Aufſchlüſſe brachten die Feldzüge des Che-
diveim Sudan. Dar Fur wurde erobert, aufgenommen
und erforidt (Pfund. Purdy, Coljton, Gordon, Prout)
und die Aqnptiiden Grenjen im S. bis nabe an die Nil⸗
jeen vorgeſchoben. Den Nil aufwarts dehnten feit 1874
die ãguptiſchen Generaljtabsoffiziere ihre Aufnahmen
aus (Long, Chippendall, Wation, Linant de Belle-
fonds, Geſſi). R. Geffi und Maſon befubren den
Wwutan und jtellten femme Umrandung feit. Im Dienjt
Agyptens erforidte fett 1877 der Deutiche Schniger |
(Emin) die Gebtete weitlidh vom obern Ril und durd-
30q das Vand der Bari-, Latula⸗, Sculi- und Madi-
ſtamme; unter, der ſchon 1876—78 Die obern Ril-
lander durchforſcht hatte, dDrang 1880-—83 in Die
Lander der Niam-Niam und der Monbuttu bis an
den Uelle und Bomofandi vor. Bohndorff beretite
Dar Fertit. Cafati foridte 1882 in den Niam-Niam-
lindern. Der Mufitand de3 Mahdi feste den Forſchun⸗
gen in dieſen Gebicten ein Biel. Nad der Bernid-
tung der Mahdiherrſchaft 1897 wurde das obere Nil-
gebiet wieder von R. ber zugãnglich. Inzwiſchen hatte
die franzöſiſche Expedition Mardand vom Kongo |
her 1898 Faſchoda am Nil erreicht, mußte den Blog
jedoch räumen und ging dann den Sobat und Baro
aufwarts nad O., wabrend Bondhamps 1897 ver-
geblich veriudht batte, den Ril von Abeſſinien ber zu
erreichen. Der Sobat wurde 1899 von Marie und
Capper befabren; diefen Fluß aufwarts ging ferner
Auſtin mit Bright, fie drangen bts zum Rudolffec
vor und febrten nad N. yum Baro juriid. Lind
fiibrte 1900 geologiſche Unterfudungen m Rordofan
aus; am Blauen Nil waren Crosby und Le Nour
tatiq. De Dafengruppe tm BW. des untern Rils wurde
porwiegend ju arddologifden Sweden beſucht, ded-
leichen Myrenaifa und die Cale Siwah. Turd die
ridhung dieſes Gebiets zeichneten fich aus: Boutin.
gem, Gailliaud, Letorjyec, Drovetti. Rananti, Della Cella,
OS Bacifico (1817), Pacheco (1824), Minutoli (1820),
Afrika (Forſchungen im Rilgebiet und im ndrdlidjen Ufrifa).
Hosfins, Hamilton (1852), Rohlfs (1869) und Stein-
dorff (1899). Die Daſen am Ril erforidte Gerhard
Rohl Fs (1872—73) im Begleitung von Zittel, Jor⸗
danund Aſcherſon. Sdhweinfurth erforjdte Char-
qeh, Rohlfs und Steder (1879) da8 vom DO. Her
früher nicht erreidjte Rufra; Camperio durchzog 1881
Syrenaifa.
Forſchungsreiſen im nördlichen Afrika.
Der Deutſche Hornemann ging 1798 von Kairo
fiber Murjul nad dem Sudéan, wo er jtarb. Nach thm
zogen 1817 Ritdhie, Lyon, Depon und Belfort geqen
* zan, wo die Expedition nad) dem Tode Ritchies ſich
au tsite Glücklicher waren 1822 die Englinder H ud -
pag f Denham, Clapperton, die nad Bornu und
in die Haujjajtaaten vordrangen. Major Laing ge—
| langte 1825 von Tripolis über Inſalah nad Timbuftau,
wurde aber auf der Riidreife ermordet. 1849 entiandte
die englifde Regierung eine Expedition nad bem Sar-
dan unter Ridardjon, Overweg und Barth.
Richardſon, dann Overweg (1853) jtarben in der Rabe
von Stufa, nur Barth fehrte nad) 5'/s Jahren iiber War
und Tripolis mit hodwidtigen Ergebnijjen im die
| Heimat juriid. Vogel aber, der 1853 nadigejendet
‘wurde und nad) Barths Heimreiſe feine Foridungen
weiter fortiegte, fiel gu Wara in Wadat 8. Febr. 1856,
| ein Opfer des Fanatismus. Um fein Schidjal feſtzu⸗
itellen, wurden v. Beurmann und Gerhard Rohlfs
ausgeſandt. Erſterer ging von Bengaſi tiber Bilma
nad Sufa, beſuchte Satoba, wurde indes in Wadai
im Februar 1863 ermordet. Gerhard Rohl fs be-
| fudhte 1861 zuerſt das weſtliche Marokfo bis jum Wadi
Draa und der Oafe Tafilet, gelangte 1864 über den
Atlas nad) Tafilet und Tuat und wendete ſich über
| Ghadames nad Tripolts (29. Dez. 1864). 1865 ver⸗
ſuchte er vergeblidh, fiber Murſul in Wadat einzu⸗
| Dringen, wandte fic) num nad Kuka und von da über
| Den Riger nad) Lagos zur Miljte (1867). Dem Ita⸗
liener Matteucci gliidte 3 1880—81, von Guafin
| fiber Dar Fur, Wadai, Bornu und Kano zur Riger-
miindung ju —— Buonfanti reijte 1881 83
pon Tripolis ũber Kula, Nano, Timbultu nad Lagos.
Um dem Sultan Omar von Bornu Geſchenke des Ad
nigs Wilhelm I. von Preußen gu fiberbringen, rũſtete
Guſtav Nachtigal 1869 cine Expedition in Tripo-
lig aus. Zugleich mit ihm brad Ulerine Tinné nad
S. auf, wurde aber fchon unfern Murſuk von den
Tuareg ermordet (Juni 1869). Radtigal aber unter-
nabm eine Reije zu den Tibbu, deren Land (Tu oder
Tibeiti) er als der erjte Europäer erforjdte. Halb
veridmadtet und beraubt, langte er nod glücklich int
Januar 1871 in Kula an. Jn den beiden folgenden
Jahren erforidte er Borqu, Bodele und Bagirmi,
dann Wadat, durchquerte Dar Fur 1874 und gelangte
von ba glücllich an den Ril.
Tunis uw. Algerien erforidten Bory de Saint-
BVincent, der 1840-44 die Exploration scientifique
de l' Algérie leitete, franzõſiſche Heerfiibrer (Cavaig-
nac, Réliffier, Durrieu, Duboc, Chevarrier, Dubos.
quet), Berbrugqger, Coffon (Botanifer), Mares, Bonne-
main, Defor, Cider von der Linth, Wimpffen, Tiraut,
Rebatel, de Colomb, dann Colonieu und Bouvin, die
nach Gurara vordrangen. Duvehrier unterfudte
jeit 1859 die algeriſche Sabara, Ghadames, Ghat und
das Land der Tuareg. Weiter forſchten bier Robi Fs,
M. Wagner, Solerilet, der 1874 Inſalah befudte,
Largeau (1875), Wucapitame, Flatters u.v.a. Ber-
geben’ ſuchten Dournaur-Dupéré und Joubert von
Wigerien nach Timbuktu vorzudringen, der Deutidhe
v. Bary verlor 1877 fein Leben in Mir anf dem Wege
Afrikaforscher I.
Heinrich Barth. David Livingstone,
Geboren 16, Februar i521 in Hamburg, gestorben 25. November 1465 Geboren 19. Marz 1415 im Blantyre, gestorben 1. Mai 1873
! in Berlin. in Afrika,
Gerhard Rohlfs. Georg Schweinfurth.
Geboren 14, April 1531 in Vegesack, gestorben 2% Juni 1996 Geboren 29, Dezember 1456 In Riga.
in Godesberg.
Meyers Konv.-Lexikon 6. Aufl. Bibliogr. Institut in Leipzig. Zum Artikel ,Afrika'.
Afrikaforscher II.
Gustav Nachtigal Henry Morton Stanley.
Geboren 3. Februar 1534 in Eichstedt bei Stendal, gestorben Geboren 24. Januar 1841 bel Denbigh in Wales.
1® April 1885 am Bord der Miwe auf der Hibe von Kap Palmas.
Emin Pascha (Eduard Schnitzer), Hermann von Wissmann.
Geboren 20. Mira 1540 in Neibe, ermordet 20. Oktober 1892 Geboren 4, Beptember 1653 In Frankfurt a 0,
In Afrika,
Ajrifa (Forjdungen im Norden, Vordringen vom Nordweſten).
nad den Rillindern, Rrauje —— 1878 Tripolis.
In Algerien und Tunis machten Lameſſan, Leroy,
Riviere, Fallot, Barabom, Campon, Mayet rc. natio-
naldfonomijde Studien; hier arbeiteten aud die Deut⸗
fdjen TH. Fifer, W. Robelt und R. Fitzner.
Die Unterjudungen der Shotts durd) Roudaire,
Stade u. a. bradten widtige geographijde Ergeb-
niſſe. In der algerijdjen Sahara erforidte Foureau
die Landſchaft Mader und das Tademait - Plateau,
ferner 1895—96 Die tunejijdj-algerijde Sahara und
dDurdquerte 1899 mit Lamy die — über Wir auf
der Barthiden Route gum Tadfee.
In Maroklo forjdten Lempriére (1789), Olaf
Agrel, Ali Bei ef Abaſſi (1803—1805), Rintgen, der
Englander Gray Yadjon (1804), Graberg v. Hemſö
(1815—23), Cojjon, Didier, Keating, Vidal, Botteler,
Schott (1835), Barth, ire i Lambert, de Murga
(1863), Ridardjon, Rohlfs, Gattel (1865), Balanja,
Beaumier. Hooker, Maw und Ball (1870), Noll,
v. Fritſch, J. Rein und Rod) haben das Land
naturwiſſenſchaftlich erforjdt und aud) De3 Portes,
Francois, Parifot (1877), Décugis, Duro, Leared
Materialien im Lande geſammelt. Widtige Daten
bat ferner Leng geliefert, der 1880 von Maroffo
iiber Timbuftu glücklich gum —— gelangte. Fou-
cauld wanderte als Jude verfleidet 1883—84 über
den Atlas nad) Siidmarolfo; de la Martiniere un-
terfudjte bie Rejte der Romerherrjdaft. Oueden-
feldt forjdte 1880 —81 und 1883 in Maroffo, 1884
in Ulgerien, 1885—86 abermal3 in Maroffo, 1887
am Rap Jubi und 1888—89 in Tripoli und Tunis.
Doult landete zwiſchen Rap Bojador und Rio Oro,
durchſtreifte als Gefangener der Uled Delim die weftlide
Sabara bis sum Wadi Draa und wurde 1889 auf der
Retje nad) Timbuftu ermordet. Duveyrier fonnte
1885 Die Höhe von Fe bejtimmen. Foucaulds Fuß—
ftapfer folgte 1888 Jofeph Th ompfon, der den Utlas
tm Teluetpak iiberidritt und das Quellgebiet der
Draatributdre erreidte. Die Unlage einer engliſchen
Faktorei bei Rap Juby und die Beſitzergreifung der
Küſte am Rio Oro durd) Spanien firderten die Rennt-
nis der Küſte wie der niidftliegenden Dafen. TX.
Fiſcher führte 1899 und 1901 widtige Forſchungen
vom Küſtengebiet bid zu den Utlasvo en aus und
erfundete ben Lauf des Tenfift und Um-er-Rbia.
Delbret ging 1899 von Fes durd) das Wadi Inaun
ur algerijden Grenge. Die franzöſiſche Expedition
ames nd drang über Tidifelt bis Uin Salah vor.
———— forſchte 1899 im Gebiete des Um⸗er⸗
ia.
Vordringen bom Nordweſten.
Von W. aus wurde zunächſt die Löſung des Bro-
blems des Niger in Ungrijf genommen. Houghton,
Watt und Winterbottom drangen nur wenige Meilen
tief in Das Binnenland Wejtafrifas. Der Sdhotte
Mungo Part erforfdte 1795—97 und 1805—1806
unter grofen Gefahren den Niger von Gambia aus
und verlor bei Buſſa fein Leben. Auch Peddie, Camp-
bell und Cowdrey (1815) erlagen am Senegal dem
Klima, be Gray und Dodjard famen (1816 —21) bis
Galam. Der —— Mollien gelangte 1818 von
Senegambien aus bis Timbo und entdeckte die Ouellen
des Senegal, Gambia und Rio Grande. Clapper-
ton drang 1826 von Benin bid Sofoto vor, wo er
1827 jtarb, nur fein Diener Lander fehrte mit den
—— nach England zurück. Lander erreichte
ſpäler mit ſeinem Bruder John von Badagry an der
Stlavenküſie aus den Niger bei Buſſa und verfolgte
den Strom bid ju feiner Miindung, 1832 fubr er
149
um zweitenmal im Dampfboot unter Laird den
iger jtromaufwarts. Die erjte fidjere Runde von
Timbultu bradte der Franjofe Caillié, der im
Bettlergewand 1824—28 ganz Nordwejtafrifa durd-
jog, Timbuktu beſuchte und gliidlid tiber Marotfo
hermfehrte. Unter Oldfield wurde bis 1834 die Er—
foridame des untern aa fortgeſetzt. Durch die Er:
gebniſſe der Barthſchen Reije angeregt, erfolgte fpater
(1854) nod) eine englifde Expedition unter Baifie
nad) dem Tſchadda (Binuẽ), auf der Jola nahezu er-
reidht wurde. Der Deutide Flegel unternahm vom
Niger aus eine Reife nach Sofoto, drang dreimal nach
Adamaͤua vor und entdectte die Duclle des Binué. Bom
Senegal aus verjudjte man wiederholt, zum obern Ri-
ger vorzudringen, jo 1841 unter Thomſon nad Timbo
und 1843 u. 1846—47 unter Raffenel. Leopold Panet
reijte 1852 von St. Louis iiber Wdrar nad Mogador
und Jon Moghdad (1861 auf demfelben Weg) durd
die weſtliche Sahara. Von Senegambien aus er-
forjdten Hecquard 1853 Futa Dſchallon, Bascal 1859
Bambuf und UW. Lambert 1860 Futa Dfchallon,
Braoudyec 1858—59 Futa, Mavidal Senegambien,
Aliun Gal und Bourel 1860 Walata, H. Vincent
1860 Udrar, Sdhijfsleutnant Mage und Marinearzt
Ouintin 1863—66 das Nigergebiet von Sanfanding
bis Sequ. Jn neuejter Zeit haben die Franjojen thre
Herrjdaft vom Senegal aus bis an den Niger aus-
gedebnt. Die Expeditionen von Gallient (1880)
und DesSbordes (1881—82) verliefen nidt gliid-
lid. Bayol erforjdte 1881—82 Futa Dſchallon, wo
aud) Gouldburys Expedition 1881 eintraf. Diejelbe
Landſchaft befudten 1879—80 die Franjofen Aimé
Dlivier und Gaboriaud. Biittifofer madte 1886—
1887 in der Negerrepublif Liberia wertvolle Unter-
judungen. In einem 1884 nad) Bamafo am obern
Niger geſchafften Dampfboot wurde diefer Fluß 1887
bis Timbultu befahren. Colin durdpreijte 1883—
1884 das Gebict swifden Bafel und dem Faleme,
Lenoir forſchte snildsen dem obern Gambia und dem
Caſamanze. Wud) die militäriſchen Operationen der
Oberjten Frey (1885—86), Gallieni (1886—8s),
deS Rapitins Urdinard (1888—89) u. a. forderten
die Renntnis Seneqambiens. Zu gleicher Zeit durch⸗
querte Rapitin Binger das Wandinfaland vom
obern Niger bis zur Goldfiijte, von wo ihm Treid-
Laplene entgegenfant. 1890 erreichte Leutnant Jaime
Roriume bet Timbuktu; nad Waſſulu gingen von
Gierra Leone der britifdhe Kommiſſar Garrett und
von Rap Palmas der franzöſiſche Kapitän WMonteil,
während Rapitin Ménard von Groß-Baſſam itber
Rong nad) Safhala in der Landſchaft bier es 9 ing,
aber 1. Febr. 1892 ermordet wurde. Das Tal des
Faleme wurde durch Leclerc erforidt; 1897 erfolgte
| die Grensfeftlequng gegen Sierra Leone. Den Niger
abwarts von Bonnie bis Alaſſa befubr als Erjter
1896 Schiffsleutnant Hourjt; größere Strecken des
Stromes wurden darauf befahbren 1897 durd
Cheviqné von Timbultu bis Jmentabonaf, 1899
von Bammafo bis Say durch Baillaud, der
dann das ganze Nigerfnie durdquerte, und durch
Grandrye von Kuliforo bis Say. Jin Rigerbogen
waren 1896—97 Boulet und Chanoine tatig,
lesterer ging 1898—99 durch Moffi und Gurma nad
Say, wo er fid) mit Boulet gu einem Vorſtoß jum
Tſadſee vereinigte. Um 14. Juli 1899 ermordete die
meuternde Expedition den ihr nadgefandten Oberjt-
feutnant Rlobb, wurde aber durch Pallier entwaif-
net und nad dem Tod ihrer Führer von Jolland
jum Tfadfee geführt. Die unbefannte Küſtenſtrecke
150
—— Grof-Baffam und Liberia, die Frankreich
nfang 1890 anneftiert hatte, bereijten fur; danach
Quiquerrez und de Segonzac, wobei erjterer feinen
Tod fand. Der Grengfluk Cavalli wurde 1899—1900
burd Hoſtains und d'Ollone erforjdt.
Bur Erforjdung der Guineafiijte, von Dahomé
und Ujdanti wurden jablreiche Crpeditionen unter-
nommen. Ridet bereijte 1812—13 und Bowdid
1817—18 Widanti, Adam 1823 Dahomé, Freeman
und Chapman 1838—43 Dahomé und Aſchanti;
ebenjo jeit 1840 Forbes und Norris Dahomé, Cruid-
fhant 1850 die Goldfiijte, Hornberger und Brutidin |
1853 die Slavens und Goldküſte, Borghero 1862
Dahomé, Bonnat 1866—68 Wjdanti. Winwood |
Reade drang 1868—70 bis Farabana vor, Anderſon
gelangte 1868 bis Mufardu, Ramjeyer und Riihne |
wurden 1870 in Aſchanti in Gefangenſchaft qehalten.
Blyden forjdte 1872 in Sierra Leone; auch der eng:
liſche Feldzug gegen Aſchanti (1873) bradjte der |
Wiſſenſchaft manchen Gewinn. 1875—76 jtellte
Bonnat ſeine wertvollen Forſchungen am Volta an.
Im deutſchen Togogebiet forſchten ſeit deſſen Beſitz⸗
ergreifung durch Deutſchland 1884 Hugo Zoller, 1886 |
Pater Baudin, 1887 Henrici, feit 1888 im Auftrage
der deutidben Reichsregierung Wolf und v. Fran-
cos. Legterer Drang von Bagida über Salaga in |
das Gebiet von Moſſi unter 11° 28’ ndrdl. Br. vor. |
Wolf legte die Station Bismardburg an und madte
von bier aus zahlreiche Vorſtöße. Leider jtarb Wolf
ſchon 26. Juni 1889 auf einer Reije nach Dahomé. |
Leutnant Herold, dem der Botanifer Biittner bei-
gegeben wurde, griindete Miſahöhe. Hauptmann
Kling durdforfdte das Hinterland von Togo. G.
A. Rraufe Drang von Salaga 1886 bis Wagadugqu |
und 1887 ſogar bi3 Duenja, nahe dent 17.° nbrdl. Br., |
vor. Die BVerwidelungen zwiſchen Dahomé und
Frankreich hatten einige fleinere Reifen zur Folge,
fo Die Befahrung des Wheme über Abome hinaus |
durch Ballot in emem Ranonenboot und die genaue
Beſtimmung der Lage der Stadt durch Bayol. Im
Hinterland von Togo waren Gruner und v. Car-
nap 1894—95 tätig neben den Expeditionen von
Lugard und Decoeur, ferner machten wichtige Auf—
nahmen €. Baumann, Graf von Zed, v. Dö—
ring und ——
Die Quellen des Niger zu entdeden, gelang 1879
Mouftier und Zwei el von der Gunineaküſte aus. |
Der Riger, in deſſen Delta franzöſiſche Offigiere, wie.
Kapitän Brognard de Corbiqny feit Ende 1862,
Charles Girard 1866 und 1867 u. a., mit fartogra-
phifchen Aufnahmen beſchäftigt waren, wurde land-
einwärts durch den britifden Leutnant Glover auf-
genommen. Durd die energiſche Ugitation R. Fle—
gels wurde 1884 in Hamburg die Deutide Binue-
gefellichaft mit einem Rapital von 500,000 Mart
geqriindet. Wher Flegels Gefährten, mit denen er
1885 Hamburg verließ, erfranften; Flegel felbit ſtarb
11, April 1886, naddem fein Zweck, das reiche Gebiet
fiir Deutſchland zu erwerben, durch die Royal Niger |
Company vereitelt worden war. Wajor Vlacdonald |
befubr den Kebbi, einen nördlichen Nebenfluß ded
Vinue, in einem Dampfer 1890. Ym Nigerdelta
foridjte 1895 Copland-Crawford; 1897 bereijte
Vandeleur Vida und Alorin. Bom Niger her
brang der Wiffionar Robinfon 1895 nad Kano
vor und febrte nad Lofodfda juriid, während Wal.
lace von Mano über Sofoto nad) Gomba am Niger |
und Buſſang nad W. ging. Die Biſchof Tugwel lice
Expedition drang 1900 bis Kano vom Niger her vor. |
1
Afrifa (Foridungen in Oberquinea).
Rapitin Burton und der Botanifer Mann un-
terfuchten 1859-—62 das Ramerungebirge. Weitere
Forſchungen jtellten hier 1872—73 Reidhenow,
Buchhotz und Lühder an. Aud Grenfell, Rok
und Comber erforjdhten die Umgebung der Kamerun⸗
bai. Die Belipergreifung Kamerun durd Deutid-
land erweckte neue Tatigfeit. Un die Reiſe de3 Polen
Rogozinſti ſchloſſen fic) die von Zöller, Johnſton,
der Schweden Valdau und Knutſon (1885), vor allem
aber die Expeditionen der 1887 vom Reich ausge—
ſandten Reifenden Zintgraff und ber beiden Leut-
nants Rund und Tappenbed. Leider jtarb Tap-
penbed bald, aud) Kund mußte ſchwer verletzt heim⸗
fehren. Zintgraff legte mit Leutnant Zeuner die
Barombiſtation an und drang 1889 bis Ibi am
Binuẽ vor. Leutnant Morgen reiſte 1889 über die
Jaundeſtation bis Ngila und iiber den Wham am
Sannaga juriid zur Küſte und brad tm Mai 1890
jum Binue auf, den er unter 10° öſtl. L. erveidte.
int der Küſte bon Kamerun nahm der deutſche Kreuzer
Habicht Vermeffungen vor, das Ramerunbeden und
jeine Zuflüſſe nahm 1885—90 Bauinfpeftor Sdhran
auf. Seutnant Ra mi fay madte 1892 wertvolle Auf⸗
nabmen tm Ganagagebict; 1893 ging v. Stetten
durch das Wuteland nad Udamaua. Der BWettbe-
werb um das Hinterland veranlakte die Ausſen-
dung franzöſiſcher, Dann aud) deutſcher Expeditio-
nen. Mizon durchzog Adamaua von Yola über
Ngaundere und Kunde zum Sangha, während
Maiſtre von O. über Lame nad Garua am Binue
maridierte. Bon groper Bedeutung wurde die
deutſche Expedition unter v. Ucht ritz und Paſſarge,
die, von Yola ausgehend, nördlich bis Marrua, im S.
bis Ngaundere gelangte. Topographiſche Aufnahmen
machten ferner v. Beſſer, v. Stein, Dominik,
Preuß, v. Carnap, Conrau, Plehn, Nolte,
Glauning und v. Shimmelpfennig; geologiſch
arbeiteten Anochen hauer und Eſch.
Die Gabunmündung u. die nod ſüdlichern Ogowe⸗
muündungen unterjudte feit 1856 Du Chaillu und
drang 1864 bis in das Land Aſchango vor, wo er das
merfwiirdige Zwergvolk der Obongo fennen lernte.
Ebenfalls rm Ogowegebiet foridten 1861 Griffon du
Bellay und Serval, 1864 Genoyer und 1866 Walfer,
1867 die Franjojen Aymes und Barbedor; um die
Küſtenaufnahmen madte ſich dort de Langle verdient.
1873 bereijten wieder Walfer und Sdulje, dann
de Compiegne und Marde den Ogowe, undLen 5
beqann an diejem Strome feine Tatigfeit. Die 1873
in Berlin geqriindete Deutich-Ufritanstche Geſellſchaft
entſandte unter Güßfeldt cine Expedition, die 1873
bi 1876 die Loangoküſte Durdforidte. Foureau
gelangte 1898 von Ueſſo am er zum Come und
untern Ogowe, während Oswald 1900 die Sciff-
barfett des Ogowe unterjudte.
Savorgnan de Brazza (1877 jf.) fand die
Quellflüſſe des Ogowe auf, erreidte den Nongo und
durchforſchte fpater mit Mizon das Vebiet zwiſchen
den beiden Flüſſen. Auch —8* Bruder war hier
tätig. Crampel erforſchte das Hinterland von
Gabun und Ogowe und verſuchte 1890 von Ubangi
jum Tſadſee durchzudringen, dod) wurde die Expe-
dition völlig aufgerieben. Run übernahm Vrazza
die Führung einer neuen Expedition, mit der er 1892
am Sangafluß aufwärts marfcierte und in Comafa
unter 3° 40’ nördl. Br. mit Mizon zuſammentraf,
der den Niger und Binue aufwarts gezogen war und
jid) Dann ſeitwärts gewendet hatte. Die Mörder
Crampel$ wurden durch Dybowſti von der Station
Afrika (Forjdungen im Kongogebiet).
Bungui am Ubangi aus gezüchtigt. Mit großer
Energie —* die Franzoſen ihren Weg zum Tſadſee
fort. Die Waſſerſcheide zwiſchen Ubangi und Schari
erkundeten Hanolet und van Calſter; Gentil,
dann Behagle drangen bis in das Scharibecken vor,
während Clozel 1893—95 vom —— aus zum
Logone gelangte. 1897 befuhr Gentil den Schari
mit einer Dampfpinaſſe bis zum Tſadſee, bagegen
wurden die Expeditionen unter Cazemajou, der
1898 Sinder erreidt hatte, unter Behagle und ded
diejem folgenden Bretonnet 1899 durch Rabab,
den Ufurpator von Bornu, vernidtet. Inzwiſchen
waren die Erpeditionen unter Jolland von W. her
und unter Foureau und Lamy 1900 von R. her
am Tſadſee cingetrojfen, Rabah wurde gefdlagen und
fiel, aud) Lanty blieb; die BVerbindung mit Gentil
fonnte hergejtellt werden. Darauf unternahm Prins
eine Reife sum Sultan Snuffi von Dar Runga. Das
franzöſiſche Rolonialreid) in Weftafrita war zuſam—
mengefdweift.
Forfdungen im Rongogebict.
Die Mündung de3 Stromes wurde zuerſt 1486
entdedt; einen Gerjud), den Fluß weiter hinaufzu—
gehen, madte aber erſt Tudey 1816, ihm folgten
1848 Ladislaus Magyar, 1863 Burton auf kurze
Streden. Living{tone hielt den 1867 von ihm ent-
deckten Quapula fiir den Oberlauf des Nils, doch wies
Cameron 1874nad, daß die Nilfeen niedriger liegen
al8 der Qualaba bei Nyangwe. Erjt Stanley jtellte
burd) feine Fahrt von Nyangwe bis Boma (5. Nov.
1876 bid 8. Aug. 1877) fejt, dak der Lualaba mit
dem Kongo identifd fei. Die ſüdlichen Zuflüſſe des
Stromes waren ſchon ſeit langer Zeit befannt, ohne
daß freilich ihr Zuſammenhang mit dem Kongo —
wire. Schon 1796 hatten Pereira und 1798 Lacerda,
1802—11 aud) die Pombeiros Petro und WUntonio
Joſé das ſüdliche Kongobecken durdjogen. Zum
Reide des Muata Yamvo waren Graga 1843—46
und Ladislaus —— 1850 —51 vorgedrungen.
Livingſtones Entdeckungen von der Waſſerſcheide
des Sambeſi durch Lunda nach Angola (1852—54)
und am Moéro- und Bangweoloſee (1867 und 1868)
wurden durch ſpätere Reijende vervollftindigt. Lur
fam nur bis Rimbundu, aber Pogge fonnte 1875
ſichere Radhridjten tiber dad Lundareid) gewinnen,
nad ifm Budner —— Schült marſchierte
1878—79 ben Tſchikapa aufwärts und gelangte als
erjter Europter bis Mai Munene am Raffat (6° 53‘
fiidl. Br.). Capello und Ivens erforſchten 1877
bid 1879 den Oberlauf de3 Kwango, Tſchikapa und
Kaſſai. Bo $e brad) 1880 mit Leutnant Wiff-
mann von YUngola auf und gelangte bis Nyangwe,
von wo Wiſſmann die Durdquerung de3 Kontinents
bis Sanfibar vollendete, während ‘Rog ¢ 1884 nad
Loanda juriidfehrte, leider aber bald darauf ſtarb.
Seine Urbeit nahmen 1884 die Leutnants Schulze
und Sind, Wolf als Anthropolog und der Bo—
tanifer Bilttner auf. Major Medow, ein andrer
Gendling der Ufrifanijden Gefellidaft, drang den
Kwango entlang gegen N. vor. Stanley legte im
Uuftrage der Bnternationalen Ufrifanijden Aſſo—
iation Stationen am untern Kongo an, Drang den
ongo aufwärts bis zum Aruwimi vor und entDdedte
1882—83 bie Seen Leopold I. und Mantumba,
deren Verbindung miteinander und mit dem Kongo
Grenfell 1886 und Bentley 1887 fejtitellten. Die
feblende Verbindung zwiſchen Oberlauf und Miindung
der Rufliiffe bradten die nun folgenden Forjdungen.
Wiffmann ftellte 1884 mit Wolf, Frangois und
|
151
Mik (ler die Verbindung des mächtigen Kaſſaĩ mit dem
Hauptitrom fejt. Wolf befuhr 1885—86 den Sanfuru
bis 6° ſüdl. Br., den Lulongo befubren 1885 Grenfell
und Francois, den Lupori 1886 van Gele. Den Ober-
lauf des LQualaba und feiner Zuflüſſe fowie die Reiche
Mſiris und Raffongos erforfdten 1883-84 Böhm
und Reidard, 1884—85 Capello und Ivens,
1886—88 Urnot. Bon Leopoldville gingen Rund
und Tappenbed 1885 nad O. und gelangten nad
Uberfdreitung de Kwango, Kuilu und Raffai gum
Lufenje(Qfalla). Wiffmann durdquerte 1886 —87
vom Stanley Bool aus gum zweitenmal den Ronti-
nent, wobei er das Land der Baluba gritndlid) durd)-
forjdjte. Den Lubilafd oder Boloko befubr Janſſen
1889 bis 4° 27/ fiidl. Br. Bon den redhtsfeitigen
Rufliiffen wurden durch Hanſſens 1884 der Mongalla
und Itimbiri, durch Grenfell 1885 der Ubangi und
Ilimbiri, durch Baert 1886 und Hodijter 1889 der
Mongalla erforſcht; van Gele drang 1888 fiber die
Songoftromfdnellen de3 Ubangi bis 23° öſtl. L.
vor, und Stanley verfolgte den Uruwimi bis nahe
an feine Ouellen. Damit war cine Anknüpfung an
die Forſchungen von Schweinfurth, Qunfer u. a.
eſchaffen und die Uéllefrage geldjt. Bon andern
Forſchungen feien nod) erwähnt die von Müller,
Pagels und Gleerup 1883 —86 am Mittellauf des
Kongo und die von Bentley, Crudgington, Johnjton,
Pedhuel-Loefde, Chavanne, Dandelman, Comber cm
Unterlauf. Bon Franzöſiſch-Kongo aus arbeiteten
hier aufer Brazza nod) Guiral, der 1881 von France⸗
ville den Stanley Pool erreidjte, Rouvier, der 1886
von Bragjaville gum Ubangi jog, Cholet, der 1889
den Ganga bid 4° nördl. Br. befubr, und Crampel,
der ebenfalls am Ubangi foridte. Rartographijd
wurde der Rongo aufgenommen von Leng, Baumann,
Rouvier u.a. Ym Königreich Rongo madte VBajtian
1857 ethnologijde Gtubien. Der Portugieje Serpa
Pinto durdquerte 1878f. von Bibé aus lings des
Sambefi den Erdteil, cin wiirdiger Nachfolger von
Welwitid (1853 —65), Duparquet (1868), feiner
Landsleute Travaſſos Valdez und J. Monteiro (1858
bi8 1873) und Vorläufer von A. de Paiva und
van Beth (1885 —86), welche die wejtliden portu-
ieſiſchen Brovingen durchforſchten. Heſſe und der
Across von Uzes unternabmen eine Forſchungsreiſe
in das Rongogebiet, Rapitiin Stairs eine folde nad
Katanga, flat aber 1892 auf der Rückreiſe ju
Sdhinde. Die Expedition des Ratanga-Syndifats unter
Hodifter wurde von den Urabern vernidtet, wahrend
van Rerdhoven einen gliidliden Vorſtoß vom Kongo
nad) dem Uélle und nad) Wadelai machte. Auf dem
Marſch aus dem GSeengebiet zum Rongo wurde
Emin Paf da 23. Oft. 1892 von Urabern zu Kinena
ermorbdet, dagegen gelang es 1894 Graf v. Götzen,
den Urwaldgiirtel vom Rivufee her nach Kibonge ju
burdfdreiten. Den Rongolauf zwiſchen Nyangwe
und der Lufugamiindung erforjdten 1895 Mohun
und Hinde, während Braffeur 1896 die nod un-
erforſchten Streden des Qualaba und Luapula, der
Quellflüſſe ded Kongo, befubr. Ende 1896 unter-
judjte Rerdel, ein Mitglied der Ratanga-Exrpedition
Lemaires, die Hihlen am Lufira. Cinen neuen
Weg von Uganda. zum Kongo fand 1898 Lloyd,
der von Toru * den Urwald zum Ituri mar—
jdierte und diefem bis zur Diindung folgte. Den
ganjen auf des Quapula nahm Weatherley auf,
nadbdem er den Bangweolofee umfahren hatte. Vom
Mbomu, einem Ubangizufluß, — Liotard zum
Bahr el Gazal vor und durchforſchte die Waſſerſcheide
152
m Ril. Im Gebiete des Leopold IT.-See3 war
acqueé tatig, der den untern Lubenge, das Gebiet
im ©. des Sees und die Lander der Kundu, Baboma
und Babele erfundete; Bolle drang im Dampfer
ben Luhenge nocd etwas weiter hinauf. Bei der Cr-
forjdung der Flüſſe Lohoro und Lulabu fand
Schiötz Rolonien anthropophager Zwergſtämme.
Eine Durdquerung WUfrifas führte Mardand 1897
bi8 1899 aus, der von Loanda iiber Brazzaville zum
obern Ubangi, dann iiber Land in das Flupgebiet
des Bahr el Gazal ging, fiinf Monate in Fafdoda
weilte und nad) dem Zwiſchenfall mit England den
Gobat und Baro aufwirts fubr, wm über Land
Addis Ubeba und ſchließlich Dſchibuti gu erveiden.
Im Flußgebiete des Sangha forſchten 1897 v. Car—
nap-Ouerheimb, 1898—99Rud. Blehn, der lei—
der 24. Nov. 1899 fiel, und 1900 —1901 Freiherr
v. Stein, ferner Unfang 1900 der Franzoſe Jo bit,
der den linfen Zufluß Lifuala aufnahm. Cine
Reife an der Ojtgrenge des Kongoſtaates fiihrten
Sillye und Siffer 1900—1901 aus.
Forſchungsreiſen im Siiden,
Die Rolonialpolitif Hollands lick vom Rapland
aus lange Zeit wenig fiir Die Renntnis des Innern
—— rit 1777 fonnte Gordon den Oranjefluß
en m und Batterfon 1778 deſſen untern Lauf.
Mit dem Erideinen der Englander wurde das anders.
Barrow und Lidtenjtein Drangen, jener zu den Kaf—
fern, diefer su Den Betiduanen, ns Innere vor. Evan-
gelifde Miſſionare ließen fid) feit 1807 tief im Innern
nieder, fo die Englander Campbell, Moffat, Philip,
milton, Ray, die Deutiden Hahn, Rath u.a., denen
id) Burdell, Thompjon, A. Smith, Steedman, Rapi-
tin Ulerander (Entdecder des Damaralandes), Har-
ris und fpater Anderſſon anjdlofjen. Durch die Wan-
derung der Buren feit 1835 wurden bisher unbefannte
Lander eridlojjen. ager, wie Gordon Cumming,
der Schwede Wahlberg, Gaffiot (1851), Galton, Fr.
Green (1852), Southerland, drangen tief ing Land,
amt bedeutungedoliiten aber wurden die Reiſen des
Miffionars David Livingitone. Er erreichte 1849.
den NRgamifee, Durdquerte 1853 —56 den Silden des
Kontinents von Loanda bis Ouillimane, erforfdte
1858—64 bas Gebiet des Sambeſi, entdedte dabet die
Seen Ryaffa und Schirwa und durchforſchte 1868 —73
das ganje große Gebiet um die Seen * Tan:
anjifa, Moero und Bangweolo. Yn Curopa ver-
chollen, traf er in Udſchidſchi den zu feiner Uuffindung
(1871) entfandten Stanley und jtarb, bis ans Ende |
als Forſcher tatiq, 1873 in Mala am Bangwweolo.
In feine Fubitapfen traten Baines und Chapman
(1858 jf.), Grout, Rretidymar, de Froberville, Döhne,
Cafalis, Hardeland, Nofaphat und Theophil Hahn,
Wangemann (1866 f.), Calderwood, Baldwing, An—
derſſon, die von Der Walfiidhbat bis an den Sambeſi
ogen. Fritſch durdwanderte 1864—66 den Oranje
Freiſtaat und Betſchuanenland, Bleek erforidte die
fiidafrifaniiden Spraden. Das Reich Mofilitatfes
— Mauch wiederholt, ging 1872 bis zum
Sambejt und entdecte dabei die Ruinenſtätte Sim
babje. Hier forfdten aud 1869 Mohr und Hiibner,
dann Krönlein, Thomas, Griesbad), Button, Me
renjfy, wahrend Vincent Ersfine den untern Lauf
des Limpopo, namentlid) deſſen Mündung auffand
(1868 —75). In neuefter Zeit (1872 ff.) forſchten in
Siidafrifa Clton, Berthoud, Cohen, Rope, Oates, |
Ernſt v. Weber, Lady Barker, Stevenfor, Morton, |
Salgrave (1876), Depeldjin (1879). Der Böhme
Emil Holub durdwanderte dreimal, 1872 —74, |
Ajrifa (Forſchungen im Siiden und Ojten).
1875—76 und 1886 —87, das Betiduanenland bis
iiber ben Sambeſi hinaus. Aurel Sdhulje drang lings
des Tidhobe nad) W. bis gum Nubango vor. Die Cin-
fart in den Limpopo wurde 14. Upril 1884 durd)
einen Dampfer erjwungen. Sd ing durd)freugte 1885
bis 1887 Deutfd)- Siidwejtafrifa von S. nad) N. bis
jum Runene und nad O. sum Rgamifee. Paiva d'Yn-
drada, Browne und Donnel madten Reiſen in das
Gafaland; die Ziige von Selous (1887-89) beſtätig⸗
ten Den Goldreichtum de3 Mafdonalandes. Lloyd be-
reijte ben untern Kubango, Wookey die Kalahari und
Clarfe das Bafutoland; Stoder bejtieg einige der
höchſten Gipfel im Rathlambagebirge. Nördlich vow
Sambeſi und wejtlid) vom Roafiarce erforjdte mod
Sharpe 1889 und 1890 ein nod) nie zuvor betretenes
Gebiet; Francois reijte 1890 vom Damaraland jum
Nyaffajee, 1890—91 gum Tidobe. Umfaſſende Rei-
jen vom Rap jum Sambefi fiibrte 1895—98 Pen—
ther aus. Hartmann durdforjdte 1895 das Kao-
fofeld, Qugard und Paſſarge das Betjduanen-
fand bis zum Ngamifee. Gibbons, Reid und
Bertrand arbeiteten im Flupgebiete des Sambeſi
und im Barotielande. Bom Sambeji aus durdquer-
ten 1895 Ufrifa Miot, dann Descamps undChar-
gais. Foa erforjdte 1896 Tidipata und Mafanga
am Sambefi, wo er Goldfelder entdedte, wandte ſich
darauf nad) N. in das Rongogebiet und durdquerte
den Erdteil nad W. Um Ruando und Sambefi waren
1897 Gibbons, Quide und Stevenfon-Ha-
milton, erjterer durchzog das Quellgebiet des Sam-
beji und Kongo und erreidte im Mat 1900 den Wer-
jen Nu. Baum fiihrte 1899 cine Expedition vom
Runene gum Gambejt, während Marl Peters und
dann Sdlidter die Statte des alten Simbabje auf-
ſuchten. Die begweifelte Verbindung zwiſchen den
Ofavango- und Tidobefiimpfen jtellte Percy Read
feft. Leutnant Eq gers ging 1899 von Grootfontein
zum Ofavango, Undrade unterfudte den Kevefluß in
Bengquella, Grandjean den Komati an der Citfiiite.
PForfdungéreifen im Often. Die Yufeln.
Ron der Ojtieite Ufrifas war 1789 Lacerda nach
der Reſidenz des Cazembe gezogen, ſpäter (1831)
Montairo und Gamitto, wahrend Guillain die Küſten
erforjdte. Moſambik erforfdte Peters. 1843 beretite
Krapf und feit 1846 J. Rebmann die Suabelifiijte,
jie zogen Erfundigungen tiber die Sdyneeberge und
Uquatorialjeen ein, leidjen Erhardt. Erjt 1856 fF.
entdedten Burton und Spefe den Tanganjifa und
18607. Spefe und Grant den Ulerewe, den Quell—
fee des ils.
Im dquatorialen Ojten wurde durch deutiche For-
ſcher ein weites Gebiet erſchloſſen. Baron v.d. Deden
drang 1861 und 1862 mit Thornton bis an den Ki—
limandſcharo vor, den er auf einer zweiten Reife mit
Kerſten bis zur Höhe von 4300 m erjtieg. Leider
wurde der verdienjtvolle Forſcher 1865 bet Bardera
am Didubb ermordet. Sein Begleiter Brenner beretite
das Land der ſüdlichen Galla, während Kinzelbach ju
Makdiſchu im Somalland 1868 dem Fieber erlag.
Um Livingjtone aufzujuden, ging 1873 Cameron
von der Ojtfitite nad Üdſchidſchi, umfeqelte Den Tan—
ganjika und Drang von bier bis Ungola durch. Stan-
ley maridierte 1874 von Sanjibar gum Victoria
Nianfa, den er umfubr, zog von hier durch Uganda
jum Albert Nianfa und erreidte den Tanganjifa,
den er gleichfalls befubr, worauf er ſeine Fahrt den
Lualaba abwarts jur Rongomiindung vollendete.
Die Landidaften am ndrdliden Nyaſſa erforidten
Elton und Cotterill (1877), Young befubr dicien See,
Afrifa (Forſchungen im Ojten).
zahlreiche Mijfionare, Wilfon, O'Neill, Clarke, Smith,
—* Hore (1879—80), Craven, Hildebrandt, Raff⸗
ray, Denhardt und Fijder, die an der Ojttiijte ar-
beiteten, der ungliidlide Whbé Debaize (1878) und
K. Johnſton, Marno und Sendlinge der Ynternatio-
nalen Ufrifanijden Aſſoziation (Crespel - Cambier,
Macs, Wautier, Dutrieur, Popelin, v. d. Heuvel,
Carter u. a.), fie alle arbeiteten riijtiq an der Ent-
jleierung Ojtajrifas. J. Thom ſon, der auf feinen
Foridungen am Nyaſſa und Tanganjifa (1878—80)
den Rifwafee entdeckt hatte, reijte 1884 zwiſchen Mi-
limandidaro, Renia und Victoria Rianta und ent-
dedite Das Uberdaregebirge ; die Gebriider James zogen
von Berbera bis Bavi am Webi, Johnſton verwerlte
fajt cin halbes Jahr am Rilimandfdaro, fonnte aber
nur bis 4940 m Höhe gelangen, wogegen Hans
Meyer nad dreimaligem Verſüch 1887, dann 1888
mit
Purtideller die höchſte Spike des Berges erjteiqen
fonnte und den erjten Gletider Ufritas entdedte. Bor
Meyer hatte Graf Teleki 1887 den Kilimandfdaro |
bejudt, Dann den Renia bejtieqen und im N. den |
Rudolf- und den Stefaniefee entDdedt. O'Neill ftellte
feft, daß Der Schirwajee feinen Abfluß hat. Zur Be-
freiung der Durd) die Mahdijten abgeſchnittenen For-
ſcher unter, Emin, Cajati, Lupton wurden 1886
mehrere Expeditionen entjandt. Fifder fonnte nidt
iiber den Victoria Nianfa vordringen, dod) gelang
es Junfer 10. Dez. 1886, Sanſibar ju erreidjen.
Stanley zog mit emer großen Erpedition den Kongo
hinauf bis jum Aruwimi und dann diefen aufiwarts
jum Wlbertfee, von dem er nad nodmaligem Rück⸗
marſch zum Kongo mit Emin und Caſati 18. Mai
1889 nad) Bagamoyo abmarſchierte. Peters zog 1889
am Tana aufwairts gum Baringofee und fehrte, da
Emin bereits an der Küſte war, über Uganda zur
Küſte zurück. Die Britijd-Ojtafritanijde Gefelliceatt
fandte zu demfelben Swed 1889 Swayne, Jadfon und
Pigott den Tana aufwärts. Die — einer Ex⸗
pedition nach dem Victoria Nianſa übernahm Ende
1891 Baron v. Fiſcher, der aber 2. Juli 1892 in Nje—
geſi am See ftarb, während der in Mpwapwa erfrantte
Borchert die Leitung feiner Expedition dem Grafen
von Schweinitz überlaſſen mupte. Die Inſel Uferewe
im ſüdöſtlichſten Teile des Victoria Nianja unterſuchte
im Upril 1891 der Miffionar Dermott. Eine von dem
Umerifaner WUjtor Chanter, der bereits 1890 einen
Jagdzug nad) dem Kilimandſcharo unternommen
hatte, ausgerititete Expedition ging unter diefem und
v. Höhnel von Lamu aus, um den Rudolfſee und den
Renia gu erforjden. Den Lauf de3 Tana nahm 1890
Rapitin Dundas auf. Baumann jog Unfang 1892
von Tanga durd) die Maffaijteppe zum Victoria
Nianja und entdectte unterwegs den großen Salzſee
Ejaſſi und den fleinern, ebenfalls ſalzigen Manjarafee.
Die Uberfiihrung eines Dampfers zum Nyaſſaſee
leitete 1892 Wiſſmann mit Bumiller, wahrend Emin
Pajdha mit Stuhlmann über Tabora jum Victoria
Nianfa und in das Quellgebiet des Dturi ging und
dann in das Rongogebiet vordrang, wo er ermorbdet
wurde, wahrend Stuhlmann mit reidjen Ergebnijjen
zur Küſte zurückkehrte.
Dank dem großen Fleiß und Eifer der deutſchen
Offiziere, Beamten und Reiſenden gehört Deutſch—
Oſtafrika jest zu Den topographiſch am beſten erforſch—
ten Gebieten Afrilas. Aus der großen Fülle der Rei—
ſen ſeien hier nur genannt: die Expedition des Gou—
umann, wobei er durch den Aufſtand der Ara⸗
ber in drohende Lebensgefahr geriet, endlich 1889 mit |
|
153
Reife des Grafen von GS hen 1894 zum Rivufee und
von dort sum Kongo, des Oberjtleutnants v. Trotha
1896—97 durd) die Majffaijteppe zum Bictoriafee und
die Forfdungen Ramfays im Quellgediete des
Ragera. Um Kilimandſcharo waren Bolfens und
Lent 1893—94 wifjenidaftlid) titig, doch wurde
lepterer ermordet; Hans Meyer unternahm 1898
nodmals eine Beſteigung de3 Kibo, entdeckte mehrere
neue Gletider und fiihrte die Unterfudjung des Ber-
gee gum Abſchluß. Das airangigebiet ee 1896
13 1897 Werther. Im Nyafjagebiet — *
hardt geologiſche Aufnahmen und wies das Bor-
fommen der Steinkohle nad); daſelbſt führten Fül le—
born und Gig biologiſche Beobachtungen aus. Seit
1898 ijt Randt am Rivujee und im Swifdenicen-
gebiet mit widtigen Forſchungen befdiaftigt. Wert-
volle Ortsbeſtimmungen bradte die Rendelerpedition
1899— 90 unter Koöhlſchütter und Glauning.
werner madten topographijde Unufnahmen Lang-
held, Hermann, Johannes, Engelhardt,
Prince, Stadlbauecr, Bethae, v. Writtwig,
v. Veringe, Rannenberg, P.Capus,P.Adams,
Th. Meyer, Wallace u. a. Die Fauna des Nyaſſa—
und Tanganjifafees wurde 1895—97 und 1899—
1900 durd) Moore cingehend unterjudt.
Wm Tana madte 1894—95 G. Den hardt wiſſen⸗
ſchaftliche Sammlungen. ©. Neumann erreidte
1896 ben Rudolfſee von S. her und verfolgte def-
jen Ojttiijte bis Randile. Sd bller reijte 1896—97
in Uganda. Die erjte Bejteiqung des Kenia fiihrte
Madinder 12. Sept. 1899 aus, jie ergab eine Hohe
von 5520 m. Rolb, der feit 1894 im Gebicte titig
war, wurde djtlid) vom Rudolffee durd ein Nas-
horn getötet. Auſtin erforjdte das Land zwiſchen
dem Baringofee u. Mount Elgon. Jn Uganda führte
Macdonald große Reijen vom Wibert -Cdwardjee
bis gum Rudolfſee aus, dort war ferner Johnſton
tätig, Der fiber den Semliki nad) W. vordrang und
auf dem Rückmarſch den Runforo bis zu 4500 m er-
jtieg. Das Gebiet gwifden dem Victorias und Nai-
watdagebiet wurde Ende 1899 von Gorges erfundet.
Den Miijtenrand des Somal- und Gallalandes
nahm Rapitin Guillain auf (1846—48). Burton
30g 1853 mit Stroyan, Spefe und Herne bis Harar;
der Pater Léon des Uvanders zog Erfundigungen
iiber Das Innere der Gallas und Gomallinder cin
(1858). Später (1871) erforjdjte Kapitän Milles die
Geqend um das Rap Gardafui, und 1874 erlag
Haggenmader den Streiden wilder Galla, naddem
er einen Vorſtoß bis Harar vom I. her ausgeführt.
Nad der Eroberung von Harar durd) die Agypter
(1875) wurde dieſes (1882) von Baron John Müller
und Sacconi beſucht; Giulicttt war daſelbſt 1881 er-
ntordet worden. Révoil forſchte 1877—78 an der
Nord: und Dittitjte des Somallandes, ebenfo 1875
Hildebrandt. Seitdem fic) die Franzoſen in Obof, die
Italiener in Aſſabbai feſtgeſetzt, erforſchten italieniſche
Reiſende (Antinori, Cecchi, Martini, Chiarini, Graf
Antonelli 1880—82) Schoa und die angrenzenden
Gebiete, von wo auch 1882 der Franzoſe Soleillet
nach Kaffa und Enarea vordrang. v. Hardegger und
Paulitſchke gingen 1884 von Zeila nad Harar und
erforjdten die Gallas und Somalländer. Hier madte
aud) 1892—93 Graf Salimbeni geographifde Stu-
Dien. Die in Sdhoa weilenden Traverji und Ynto-
nelli erforjdten den Suaifee, Uubry beendete 1882
feine geologiſchen Forſchungen zwiſchen Hawafd, Ubai
und Omo, Borelli beretite 1885—88 das ſüdliche
verneurs v. Sdele 1893—94 gum Nyaffafee, die | Äthiopien und erforjdte den Omoflu bis 7° 22
154
ndrdl. Br. Bon Obia unternahm Bricdhetti-Robecdhi
cine Reije bis nabe an das Rap Guardafui, und 1890
madte der italienifche Hauptmann Baudi de Vesme
von Berbera cinen Uusflug ins Gomalgebiet. Die
Expedition des Pringen Ruspoli zum Rudolfice ſchei—
terte durch die Feindfeligteit der Somal, die auch Fer⸗
randis Marſch nach Bardera am Dſchubb, freilich
vergebens, ju hindern fudten. Leutnant Nurſe unter-
nabm im Oftober 1890 cine Reife su politiſchen Sweden
pon Dunfaraita nad Bulbar. Graf von Wicken burg
fiihrte cine Jagdreiſe durch Schoa und Kaffa gum
Rudolfjee aus. Donaldfon-Smith ging 1894—
1895 von Berbera jum Webi Schebeli, dann zum
Rudolf- und Stefaniefee und kehrte 1899 —1900 in
das gleiche Urbeitsgebiet zurück. Mit einer jtarten
italieniſchen Expedition brad B. Botteqo 1895 von
Brava nad) Lugh am Dſchubb auf, legte dort cine
Station an und erreidjte von dort quer durd das
Borana-Gallaland den Rudolffee, wurde aber 1896
von Ubefjiniern im Gallaland erjdlagen, nachdem
ex wichtige Forſchungen ausgefiibrt und den Nach—
weis Der Omomündung in den See erbradt hatte.
Den See erreichte ferner 1896 von Berbera aus über
Lugh der Englander Cavendifh; ebendabin 3 im
Sunt 1899 der ruffifdhe Graf Leontiew mit abeſſini—
fchen Truppen und unterfudte den Lauf de3 Omo.
Die Kenntnis der Geographie de3 Ojthorns wurde
weiter gefordert durch die Reiſen 1894 von Main-
waring 1895, von Elliot, Pring Czetwertinski,
Humpelmayr, Baron Nolde und Graf Kreutz,
die bis gum Rudolf- und Stefaniefee vordrangen,
1898 von Weld-Blundell, der von Berbera jum
Blauen Ril —F 1899 von Wellby, der über den
Rudolfſee zum Sobat ging, und von Bulatowitſch,
der die Waſſerſcheide — Omo und Sobat er—
forſchte. Die Engländer Whitehouſe, Harriſon
und Butler reijten durch das abeſſiniſche Hochland
um Stefaniefee und fiber den Varingofee dann nad
ombas. Die Expedition v. Erlanger und Neu-
mann durchforſchte zoologiſch 1900 die Gebiete ded |
Hawaſch und des Webi Sdhebeli und wendete ſich vom
Ubbajafee nordwärts nad Wddis Ubeba.
Ubeffinien bejudten 1805—10 Salt, 1821—25
die Deutſchen Hemprich und Ehrenberg, 1832 —33
Rüppell, 183443 Jienberg, Krapf und andre Mij-
fionare; 1837 lief fich hier Der Naturforſcher Schim-
per nieder, 1838 —48 forſchten bier die Brüder d'Abba⸗
die, 1839, 1842 —44 Rochet d'Héricourt, 1840 —42 |
Ferret und Galinier, van Bele, 1841 Harris, zu Be⸗
qinn der 40er Jahre Parkyns, Trémeaur, 1851 Sa-
peto, 1852—-53 Th. v. Heuglin, 1854—61 W. Mun—
ginger 1861—63 v. Heuglin, Steudner und Kinzel⸗
ad. 1860 —62 beretite S. Baler die Landidaften
am Atbara. Der englijde Belbjus gegen Kaiſer
Theodor (1867—68), an dem aud Rohlfss teilnahm,
rief viele Schriften iiber Ubeffinien ins Leben. Qn den |
7Oer Jahren forſchten hier Untinori, Piaggia, Raff-
ray, Mitdhell, Reinifch, Rohlfs und Steder. Schwein: |
furth machte 1891 botanijche Forfdungen fildlid von
Wafjaua; in der Rolonie Eritrea wurde 1890 —91 ein
Ureal von 10,000qkm in Hamafenu. Senhit vermefjen.
Die Anfeln. Uber die Ranarifdhen Infeln
verdjfentlidten Bory de Saint-Rincent, Dupetit-
Thouars, Leopold v. Bud, Barfer, Webb und Berthe-
lot, v. Fritih, Hartung, Löher, Hand Meyer, Die |
A. v. Humboldt folqten, eine Reihe nambafter Werte.
Liber Madeira ſchrieben Schacht, Mafon, Eders—
berg, Hochftetter, Smyth u. a. Die Rapverden er-
forſchte geologifd) Dolter, auf Fernando Bo reifte |
Afrika (wichtige Ereigniffe feit 1884).
1886 Baumann, 1896 P. Juanola. Für die Er-
forjdung Madagaskars haben Lequével de La-
combe, rnay, Barbié du msc Ida Pfeiffer,
BW. Cis, —— Alfred Grandidier viel getan.
Andre Forſcher, die dieſe Inſel bereiſten, find: Dupré,
Lacaille, Sachot, M'Leod, Pollen, Lacaze, Sibree,
Mullens, Laillet, Bordier, Hildebrandt, Aude
Alluaud (1895), Colin (1896—99) u. a. r
die Maskarenen berichteten Flemyng, Rouſſin,
Draſche, Pajot, 1887 Corteſe, Roblet, Nielſen-Lund,
1888 Ranſome und MeMahon, 1889 Catat, Foucart
und Le Maiſtre. Auf Sokotora waren 1898 Bent,
dann Grant und Forbes tätig. — Bgl. die hrono-
logiſche Überſicht der widtigiten Forſchungsreiſen in
UW. auf S. IL des Tertblattes zur Karte bei S. 147.
Erjt 1884 ijt Deutſchland in W. mit den übrigen Rolo-
nialmadten erfolgreich in Wettbewerd getreten. Wir
geben deshalb im folgenden eine Zuſammenſtellung der
fa
widtigern Sreiguifie ont pet Geſchichte Afrikas
1884. 21. Jan.: übergang der dem deutſchen Konſul in
Tunis guftehenden Gerichtsbarleit anf die von Frantreid
eingeſetzten Geridjte. — 8. Febr.: Tod Ketſchwayos ju
Ejhowe. — 26. Febr.: Vertrag zwiſchen England und
Portugal iiber die Rongomiindung. — 27. t.: Lon
doner Nonvention fiber Transvaal. — 24. April: un⸗
gen der — F. A. E. Lüderitz in Südweſtafrila durch
ismard unter deutſchen Schutz geſtellt. — 5. Juli: Togo
unter deutſchen Schuß geſtellt. — Deutſche Flaggenheißun ⸗
en (G. Nachtigal): 14. Juli an der Kamerunmündung, 21.
uli in Bimbia, 23. Yuli in Klein-Batanga, 7. tes
Angra Pequena, 28. Aug. in Hidory Town. — 11. :
Baſtaards von Rehoboth unter deutſchem Sous. — 15.
Nov. : Eröffnung der Berliner Kongotonferens. — 21. Nov.:
Bertrag von K. Peters mit Nguru. — 20.22. Dey. Deut⸗
ſche Kriegsſchiſfſe Bismard und Olga vor Kamerun.
1885. 5. Qan.: Englijdes Protettorat fiber die Küſte bes
Pondolandes. — 26. Jan.: Chartum von den Mahdiſten
erobert. — 6. Febr.: Maffaua, Beilul und Gubbi von
Italien beſetzt. — 26. Febr.: Unterzeichnung der General-
afte der Berliner Kongokonferenz. — 27. Febr.: Saifert.
Sdhupbrief an die Deutjh-Lftafcitanif de ellſchaft. —
18. April: Der Konig der Dicholof unter dem Schutz Frant-
reid. — 26. Mai: Die Agnpter räumen Harar. — 27.
Mai: Sultanat Witu unter deutſchem Shug. — 5. Juni:
Die Nigerdijtritte unter britijder Oberhoheit. — 10. Juni:
Gefecht bet Moſchi. — 22. Juni: Tod des »Mahdi« Mo⸗
mined Ahmed in Omdurman. — 5. Aug.: Portugals
oteftorat fiber Dahomẽ. — 30. Sept. : Britiſch⸗Betſchua⸗
nenland Srontolonie. — 17. Dez.: Franzöſiſches Protettos
rat fiber Madagastar. — 24. Dez.: Bertrag zwiſchen
prantreidh und England über Abgrenzung Kameruns.
1886. 10. Quli: Freibrief der Royal Niger Company. —
2. Mug.: BVertrag zwiſchen England und Deutfdland übe:
Mbgrengung Nameruns. — 30. Sept.: Sofotora von Eng⸗
land beſetzt. — 29. Oft.: Abgrenzung zwiſchen der deut⸗
ſchen und englifdjen Intereſſenſphäre in Oftafrifa (Sanfi-
bar). — 30. Dez.: Deutſch-portugieſiſcher Vertrag fiber
die Sildgrenje bon Angola.
1887. 10. Qan.: Menelif von Schoa erobert Harar. Eng⸗
land tritt die Muſchahinſeln an Frankreich ab. — 23.
März: Samory unter franzöſiſchem Protettorat. — 29.
Mars: Ambasbai und Victoria der deutſchen Kolonialver-
waltung übergeben. — 14. Mai: Sululand englijd. —
24. Mat: Senyid Bargaldh von Sanfibar überläßt die Ver—
waltung der Küſte zwiſchen Wanga und Mipint der Bri-
tiſch⸗Oſtafrilaniſchen Geſellſchaft. —6. Juli: Freundſchafts⸗
vertrag zwiſchen England und Tongaland. — 14. Sept.:
Die Nene Republik als Diſtrilt Vrijheid mit der Sildafrita=
niſchen Republit vereinigqt. — 22. Des. : Portugal vergichtet
auf da8 Proteftorat ber Dahomé und riumt Whydbab.
1888, 11. Febr.: — Freundſchaftsvertrag mit den
Matabele. — 20. März: —— Frantteichs mit
den Futa Dſchallon. — 8. Mpril: Bertrag zwiſchen San—
ſibar und ber Deutſch-Oſtafrilaniſchen Geſellſchaft fiber
das Miljtengebiet ſüdlich vom Umbafluß. — 25, April: Tod
Afrika (widhtige Ereigniffe feit 1884; Literatur).
Seyhid Bargaids von Sanjibar. — 29. April: Stanleys
Rujammentrejien mit Emin, — 18. Juli: Tieba von Kene⸗
dugu unter frauzöſiſchem Shug. — 25. Juli: Britijde
Nuterefieniphiire in Siidafrita bis gum Gambefi. —3. Sept. :
Die Buitig-Ofafitan — erhiilt Hoheitsredte.
Dez.: G ut lagt OSman Digna bei Suafin.
1889. Januar: 533 Frankreichs über Kong. —
8. Febr.: Sultan von Obbia unter italieniſchem Schutze.
Maärz: Johannes von Abeſſinien fällt bei Metem⸗
meh. — 2. Mai: —— von Utſchalli zwiſchen Italien
und dem Negus Menelit I. — 8. Mai: Wiſſmann ſchlägt
Buſchiri bei Bagamoyo. — 8. Juli: Erftitrmung Banganis.
— 11. Oft.: Manga von Uganda sieht wieder in Mengo
cin. — 15. Olt.: Die Britiſch⸗Südafrilaniſche hag
erhält cinen Freibrief fiir 25 Jahre. — 22. Olt.: Küſte
zwiſchen der Nordgrenge bon Witu und der 5.
von Kiſmaju unter deutſchem Schutz. — 15. Nov.: Italiens
Proteltorat über die Küſte zwiſchen Warſchelh und der
Didubbmiindung. — 6. Dez.: Sultan von Auſſa unter ita⸗
lieniſchem Schutz. — 14. Dez.: Hinrichtung Buſchiris.
1890. 9. Marg: Niederlage Bana —— von —— —
6. April: Segu Siloro von den Franzoſen beſetzt
Pak Vertrag zwiſchen —— — und England —ES
chaft im MN. des Tana beſeitigt und britij
* chaft dort und fiber Sanſibar anerfannt; in
ber Folge andy engliſche —— iiber üganda
2. Juli: Deflaration zur jera latte der Briiiveler Anti=
ſtlavereilonferenz. — 5. Mug.: Abgrengung der *
und franzöſiſchen Intereſſenſphüre am Niger. — 3. O
Dahomẽè willigt in franzöſiſches Proteltorat über Porto
Novo und Bejesung von Kotonu. — 26, Dez.: Bertrag
Mangas von Uganda mit Lugard von der Britifd-
DOftafrifanifden Gelellidaft.
1891. 1. Nan.: Deutſchland nimmt bie Küſte Deutſch-Oft⸗
efeties in Befi gegen Zahlung boy 4 Mill. Mt. an San-=
— 18. Febr.: Tofar von ben quptern guriiderobert.
— F ati u. is. April: Teilung des *2 Nord⸗
oſtafrila in eine engliſche und cine — Einflußſphäre.
— 14. Mai: Engliſches Protettorat fiber Nyaſſaland. —
28. Mai: Bertrag zwiſchen England und Portugal fiber
die ſüdöſtliche Angolagrenze. Elfenbeintilite zwiſchen Ca-
vally und St. Andreas franzöſiſch. — 11. Quni: Engliſch⸗
portugieſiſcher Vertrag über Britifd-Sentralafrita. — 17.
Aug.: Niederlage Zelewſtis im Ubehe durd Awawa Ma-
—* — 13, Olt.: Portugieſiſche Kolonie Moſambil in
ben Freien Staat bon Oſtafrika verwandelt. — Dez.: Er—
—* Mſiris durch den belgiſchen Kapitän Bodſon.
1892. Jan.: Tod Tewfik Paſchas. — 1. Febr.: San—
oo Sreihafen. — 30. Mai: Konig von Uganda unter
ber Schußherrſchaft der Britiſch Ojtafritanijden Geſell⸗
ſchaft. — 20. Oft.: Ermordung Emin Paſchas ju Kinena.
— 17. Nov.: Die Franjojen unter Dodds er
homé. — St. Paul und Amſterdam in franzöſ. Befig.
1898. 22. Febr.: Englands Beſitzungen am Nyaſſaſee zur
Kolonie Britiſch⸗entralafrika erllärt. — 14. April: Ver—
trag zwiſchen Deutſchland und Großbritannien iiber dic
Weftgrenjse Kameruns (Rio del Rey). — 12. Juli: Ablom⸗
men zwiſchen England und Frantreid) fiber Aufteilung
Oberquineas. — 17. Quli: Kaſſala von den Jtalienern den
Mahdiften entrifien. — 25. Quli: Deutſch— — Ver⸗
trag über das Kilimandſcharogebiet. — 1. Nov.: Rieder=
lage Lobengulas am Bembeſi. — Sieg der Jialiener über
bie Mahdijten bei Agordat. — 15. Nov.: Deutih-englijdyer
Vertrag iiber Hinterland von Kamerun (bis gum Tad).
1894. 10. Jan.: Die Franjofen in Timbuftu. — 15. März:
Ablommen Wwiſchen Deutſchland und Frankreich über Oſt⸗
grenze von Kamerun. — 5. Mai: Vertrag zwiſchen Grop-
britannien und Stalien fiber Abqrengung tm Gediete des
Golfes vonAden. — 12. Mai: Grengvertrag zwiſchen Groß⸗
britannien und dem Rongoftaat. — 17. ani: Die Ita⸗
liener in Kaſſala. — 19. Juni: Englands Sdhubherrvdaft
itber dad Gebiet der Britiſch-Oſtafritaniſchen Geſellſchaft
(Uganda = Protettoral). — 10. Aug.: Grenjvertrag zwi⸗
ſchen Frankreich und Siberia, — 14, Mug. : Lbereinfommen
—— Frankreich und dem Kongoftaat (Talweg ded |
bomo und Waſſerſcheide zwiſchen Rongo und Ri). —
Sept.: Pondoland aur Kapfolonie. — 9. Sept.: Unter-
werfung Hendrif Witboois unter Deutidland. — 30. Oft.:
155
Gouverneur v. Sdhele befiegt Rwawa Mahinya bei Kui-
renga. — 10. Deg. : Swaſiland unterm Sdug Transvaals.
1895. 1. San.: — Pretoria Komatipoort (Delagoa-
Bahn). — 21. Abereintommen givifden Frantreid
und England * ihre Grenzen im Norden und Oſten von
Sierra Leone. — 1. April: Die Italiener in Adua. — W.
April: Tongaland rented Schußgebiet. — 1. Mai: Bri-
tiſch⸗ Maſchonaland »Rhodefiac. — 15. Juni: Oftafrita
zwiſchen Tana und Dſchubb bis Uganda imter britijdem
—* Oſtafrilaniſches Protettorat). Britiſche Kronen⸗
pe e Betſchuanenland zur apfolonie. — Nov.: Nörd⸗
Betſchuanenland britiſches Schutzgebiet. — 7. Dez.:
Die Italiener unter Tofelli bet Amba-Aladſchi gefdlagen.
— 29. Dej.: Einfall Dr. Jameſons in Transvaal.
1896. 1. Jan.: Krügersdorv. — 1. März: Baratieri bei
Adua qeidlagen. — 30. Mai: Madagastar franzöſiſche
RKolonie. — 30. Juni: Unyoro und —— britiſchem
Schutz. — 21. 7: —— —— Hinterland von
Sierra Leone. Aug.: ultan von Sanſibar.
— 31. —* Sanſibar und — »Gajt Africa Protecto⸗
rate<. — 23. Gept: Dongola von der 20 Bie? ate ton
Armee den Derwiſchen entriffen. — 26 riede Don
Addis⸗Abeba zwiſchen Italien und 3
1897. 4. Juni: Abfommen zwiſchen Abeſſinien und Eng—
land über rengung Britiſch⸗Somallands (England
verzichtet auf tT). — 19. Ott.: Deutſch⸗franzöſiſches
Abfommen apd 4g Togos. — 17. Dej.: Sulu⸗
land au Natal. — 25, Dez.: Kaſſala von englijd-dgypti-
chen ruppen bejebt.
1898. 7. Mpril: Riederlage der Mahdiſten bei Nakheila
am Wtbara. — 14. unt; Abfommen zwiſchen England
und Frankreich fiber thre Intereſſenſphären von der Weſt⸗
tiifte bis gum Tſadſee. — 2. Juli: Kongobahn von Ma—
tadi gum Stanley Pool. — 19. Quli: Selbjtmord des
Waheheſultans Kwawa Mahinya. — 2. Sept. : Einnahme
bon Omodurman durd) die englijd = <igy yptiſche Armee. —
9. Gept.: Gefangennahme Gamorys durd) Gouraud.
1899. 21. März: Sudän-Abklommen zwiſchen Frantreid
— land. — 8. Juni: Mbanderung der Brüßeler Anti⸗
-Meneralatte Bp seating der Zulaſſung von Spiri-
—* in Afrila. — uni: Die Ländereien der Royal
Niger Company an Me tit. Regierung. — 9. Oft: Ulti⸗
matum der Burenrepubliten an England; 11. Oft.: Beginn
ded Sildafritanifden Krieges. — 21. Olt.: Niederlage Ra⸗
bahs durd die uy ngofen bei Kuno am Sdjari. — 14. Nov.:
= elung der deutid-englijden Grenje Togos (Gamoa-
Abfommen). — 24. Nov.: Tod Abdullahis bei Om Debrilat.
1900. 1. Jan.: Britiſche Proteftorate Northern und Sou—
—— Nigeria. — 19. Jan. Osman Digna von Englän—
geſangen. — Jan.: Die Franzoſen fegen Ahmar
Santhe al’ Gultan von Bornu cin. — März bis Suni:
pgr seer —— in Kumaſſi durch die Aſchanti. —
Rabahs bei Kuſſeri. — 25. Mai: Dent=
—— über Poſtdampfſchiffsverbindungen mit
faite — 2. Quni: Tod Gamorys. — 10. Sept.: —
ſches Reichsgeſetz über dic Schutzgebiete. — 10. Ott.:
trafttreten der laiſerlich deutiden Berordnung liber bad
Bergweſen in Deutjd = Oftafrita.
1901. Auguft: Tod Fadelallahs von Bornu. Sultan der
Micourtins bei Benadic unter italieniſcher Oberhoheit. —
19. Dez.: Uganda-Eiſenbahn am Ujer des
Nianfa angelangt.
1902. 31. Mai: Ende des Südafrilaniſchen Krieges: die
Delegierten der Buren unterjeidnen in Vereeniging die
von Ritdener und Milner geftellten Friedensbedingungen.
[Riteratur.] Für die Kenntnis Afrilas bilden die
Berichte der oben angefiihrten Forjdungsreifenden
die Hauptquelle. Für die frühern Perioden vgl. Pau—
litſchke, Die Ufrifaliteratur von 1500 —1750 (Wien
1882). Werfe emeinen Snbalts: Ritter, Ufrifa
(1. Teil der »>Erdhunde«, 2. Aufl. Berl. 1822); Res
clus, Nouvelle géographie univ erselle, Bd. 10—13
(Par. 1885 —88; davon in neuer Bearbeitung durd
Oneſime Reclus: »L’ Afrique Australe«, 1901);
Hahn, Ufrifa, eine allgemeine Landestunde (Leip.
1901); Reane, Africa (in Stanfords Nompendien,
des Bictoria
156 Afrifana — Ajrifanijde Altertümer.
Yond, 1895, 2 Bde.); Heawood, Geography of ſiert durdh megalithifde Grabbauten von ber
Africa (daſ. 1896); Greswell, Geography of Af- | Art der in Fig. L—9 wiedergegebenen. Die Trili-
rica south of the Zambesi (dai. 1892); Sir H. O. | then (Fig. 9) find auf Tripolis und die Cyrenaica be-
Johnſton, British Central Africa, north of the | ſchränkt, wabrend Wlgerien und Tunis iiberreid) an
Zambesi (2. Aufl. daſ. 1899); Hartmann, Die Dolmen, Menhirs und Steintreifen (Fig. 1,
Nigvitier (Berl. 1876); Ratzel, Voltertunde, Bd. 1 2 u. 4) find; fie zählen dort nad Zehntauf
(2. Aufl. Leipz. 1895); Futterer, A. in feimer Bee Die Dolmen bejigen teils den fogen. feltiiden Typus,
deutung fiir die Goldproduftion (Berl. 1894); Stro- teils haben fie die Form der Bajzina und der Schu⸗
mer v. Reidenbad, Die Geologie der deutſchen ſcha (Fig. 5 u. 6). Yn den Steinfreijen finden fid
Schubgebiete in A. (Munch. 1896); Vel tie, The par-
tition of Africa (Yond. 1895); Sanderfon, Africa
ix the nineteenth century (daf. 1898); Deville,
lartage de l'Afrique (Bar. 1897); van Ortroy,
Conventions internationales définissant les limites
actuelles des possessions ete. en Afrique (Brüſſ.
ISON, enthalt die amtlichen Wetenjtiide fiber Grenz—
regulierungen feit 1841); H. H. Qobniton, History
of the colonisation of Africa by alien races (2. Aufl.,
Wambr. 1902); Zimmermann, Die europäiſchen
Nolonien (Berl. 1896 —1901, Bd. 1— 4). Sdhurg,
Afrila (im 3. Bd. von Hefmolts »Weltgefdidte«).
Sur Entdedungsgejdichte: Die in den Artileln
»Numidiene, »Tunise re. angefiihrten Schriften über
die Geſchichte der betreffenden Lander im Altertum;
Paulitſchte, Die geographiſche Erforſchung des
afrilaniſchen Kontinents (2. Aufl., Wien 1880);
Jones, Africa. History of exploration from Hero-
dotus to Livingstone (Mew Vort 1875); Wan,
ltinéraire suivi des principaux voyageurs del’ Afri-
que (Briijf. 1880); White, The development ot
Africa (2. Aufl. ond. 1892); Umlauft, UW. in farto-
qraphifder Darjtellung von Herodot bis heute (Wien
1887). Spezialwerfe: Rofder, Ptolemäos und die
Handelsitrajen in Zentralafrifa (Gotha 1857);
Kunjtmann, UW. vor der Ankunft der Portugieſen
(Miind. 1853); Wappäus, Unterſuchungen fiber
die geographiiden Entdeckungen der Vortugieſen unter
Heinrich dem Seefahrer (Götting. 1842); Santarem,
Recherches sur la priorité de la découverte des
pays situés sur la céte occidentale d'Afrique (Bar.
1842). — Uber die Fortſchritte der Afritaforidung
beridjten die folonialen und geographiſchen Zeitſchrif
ten der in Betracht fommenden Staaten.
Karten von YW. licferten Habenicht (Spesialtarte, |
1:4,000,000, 12 Blatt; 3. Aufl., Gotha 1892), Riepert
(» Bolitifdhe Wandfartee, 1:8,000,000, 4. Aufl., Berl. |
1890), Berghaus (⸗Phyſilaliſche Marte, Gotha 1890),
die Handatlanten von Stieler 1: 7,500,000 (im Erjder-
nen), Debes (1898), Andree (1902) je 1: 10,000,000;
» Afrique, publié par le service géographique de
lArmée<, 1: 2,000,000, 63 Blatt (Bar. 1891, wird
furrent gehalten; Reduftion in 6 Blatt., 1:8,000,000,
daj. 1894); Stanford (»Library Map of Africae,
1: 5,977,382, 4 Blatt, Lond. 1892); Friedrid), »Han-
dels und Produftenfarte von A.« (Leipz. 1902).
Afrifana, weier Baumwvollenitoff mit Leinwand-
bindung und 28 Ketten- und 24Schußfäden auf lem.
Ketten= und Sdufgarn Nr. 20 engl.
frifander (Ujrifaander), in Siidafrifa Be-
zeichnung fiir einen dort gebornen Weißen. Der Afri—
tander-Bond (Bund«) wollte urſprünglich dem
Wahlſpruch »Wfrifa den Ufrifanern« (gleichviel ob
niederdeutſchen oder englifden Urfprungs) sum Siege
baufig Blde von der Form, die Bia. 8 zeigt. Cine
| weitere Art von nordafrifanifdhen Ultertiimern find
die Hoblengriiber, die Hanuat, mit ihren verſchiede⸗
nen Unterarten: den cigentliden Hanuat, den Vit
el Sadjar (Steinfammern, Fig. 7) und den Habr
el Relab (Hundejtille). Sie alle find aus dem an-
| jtehenden Fels herausqearbeitete Hohlräume mit hori-
zontalem oder fenfredjt von oben verlaufendem Ein⸗
gang. Die lepte Art von altertiimliden Bauwerten
in Nordafrifa find Kaſtelle von länglich vierecigem
Grundriß mit abgerundeten Eden, 30 — 45 m lang,
24—30 m breit, aus madtigen Bloden veridiedener
Größe ohne Mörtel aufgemauert. Das Innere iit
mit Erde bis gu einer gewifien Hdhe ausgefiillt, fo
| bab bie berftebende Mauer den auf den Erdaufwurt
jtehenden Berteidigern als Bruſtwehr diente. Rings
um das Ganze läuft in der Regel ein tiefer Graben.
Dieſe Raftelle find bisher nur in Tripolis und Barta
fonjtatiert worden, ebenfo wie die Senam genannten
Trilithen (Fig. 8 u. 9), in Denen man mit groper Wahr⸗
ſcheinlichleit ebenfalls Grabbdentmaler zu ſehen bat.
Uber die Erbauer und das Ulter Defer nordafri-
laniſchen Ultertiimer wei man nichts Beſtimmtes.
Die in Küſtennähe häufigen, mit Inſchriften verjebe-
nen Grabplatten find ſicher altberberifchen oder liby⸗
iden Urjprungs; mit groper Wahrſcheinlichkeit aud
| die andern Bauten, felbjt die Dolmen und Menhirs
vont feltijden Typus. Die jiingiten find nadweis-
lich in römiſcher Beit erridtet worden. Auch die Se-
nam baben eine Nadbearbeitung unter rdmifdem
Einfluß erfabren.
(iiber die Altertümer Ägyptens ſ. ÄAgypten.) Der
Nordoſten Ufrifas ijt ebenfalls ſehr reid an alten
Bauwerken; man kennt deren in Nubien, dem Senaar,
in Ubeffinien und Rordofan. Yn Nubien gehoren
dahin die Ruinen von Kerman und Defufah in
der Rabe des Nils im Dar Dongola, die fehr an den
Vylonenſtil Ägyptens erinnern. Ähnliche Bauten,
Dolgqa, finden ſich vielerorts zwiſchen Aſſuan und
Berber; ſie gehören verſchiedenen Zeitaltern an. Reſte
von chriſtlichen Kirchen und Klöſtern finden ſich im
ganzen nubiſchen Niltal und in Abeſſinien. Die be—
fanntejten find die von Sobah am Blauen Nil ober-
halb Chartum, die monolithiſchen Kirchen von Lali—
bala in Ubefjinien und die berühmten Trümmer—
jtatten von Wdulis und Axum an der Annesleybai.
Eine wirkliche große Stadt bilden dann die Grabbau-
ten am Dfdebel Maman zwiſchen Kajjala und
Maſſaua; fie haben eine gewiſſe Ahnlichkeit mit den
jardinifden Nurhag. Vor den angebliden Ruinen
von Mandera zwiſchen Atbara und Blauem Ril
unter 14° 40 fiidL. Br. ſteht es nod) nicht feit, ob fie
nicht etwa nur ag qeformte Felſen find.
Jn Südafrika ijt befonders Mafdonaland reid)
verbelfen, beswedt aber feit den lester Jahren nur | an alten Bauwerfen. Das betanntefte find die Ruinen
Die Starfung der niederdeutichen Bevdlferung in Siid- | von Simbabye (Fig. 10—13), zu denen in neuer
afrita. S. aud) Buren und Kapfolonie. | Seit die Ruinen von Matindela, Metemo, Chilonga,
Afrikaniſche Ultertiimer (hierzu Tafel » Wfri- | Nhami, Chiburwe und Dhlo-Dhlo oder Nambo gee
laniſche Ultertiimer<). Der Nordrand Ufritas, von | treten find. Die weitere Erforfdung des Landes wird
Maroffo bis zum Plateau von Barla, ijt haratteri- | ſicher nod) andre Bauwerlke erbringen. Jn dem neuer⸗
Afrikanische Altertiimer.
& Trilith, Kyrensika. 6 Grabbau (Schascha), 4. Steineetsung, Algerion. 5. Grabbau (Bazina), 9. Trilith, Tripolitanien.
Alerrien. Algcrien.
~ 1& Aggriperien
- —
11, Rondbau , Simbabye.
jeechuiteter Blefantensahn , Nenin
14. Ateinring, SOd- und
Ostafrika.
1% Skulpter aus
Simbebye.
14. Steieringe euf
17. Stelubell, Kleenblech, Ufpe,
Bronsenee blo gethopt, Benin Tt. Dronaeplatte , Nenlin 7. Steinkammercrab. Aler rien, Tunte
Meyers Kon. -Lestkon, 6. Aufl Bidliogr. Institut in Leipzig. Zum Artikel Afrikan, Altertdmer,
158
König Juba von Numidien, beendet durd) Cäſars
Sieg bei Thapjus 46 v. Chr. Die ———
Reitgenofjen (»Bellum Africanum«) pflegt Cäſars
Schriften beigegeben zu werden. Vgl. Ch. Tiſſot, La
campagne de César en Afrique (in ben » Mémoires«<
der YUfademie der Inſchriften, Bd. 31, 1884) und
»Géographie de l'ancien Afriques, Bd. 2, S. 721 f.
——— Pferdehaar, ſ. Crin végétal.
Afrikaniſche Sprachen. Afrika bietet in ſprach⸗
licher Beziehung, wie bei dem am wenigſten von
höherer Kultur durchdrungenen Weltteil nicht anders
zu erwarten ijt, das Bild emer außerordentlichen Ber-
fliiftung. Erſt im neueſter Beit ijt es der Sprach—
forſchung (Bleek, Lepſius, Fr. Müller, Th. Hahn u. a.)
gelungen, auf Grund des reichen von Entdedungs-
reijenden (wie Barth, Munzinger, Schweinfurth,
Nachtigal u.a.) und namentlid von Miffionaren (wie
Büttner, Chrijtaller, Endemann, H. Hahn, Iſen⸗
berg, Nolbe, Rolle, Rrapf, Krönlein, Moffat, Steere,
Wuras u. a.) gefammelten, teilweife aud fdon zu
Grammatiken und Worterbiidern verarbeitetenfprad-
lichen Materials —— die nord⸗ und ſüdafrika⸗
niſchen Sprachen der Eingebornen in abſchließender
Weiſe gu klaſſifizieren. Dagegen laſſen ſich die zahl—
reichen, gänzlich verſchiedenen Sprachen Innerafrilas
noch nicht mit Sicherheit in irgend einen größern
Sprachſtamm einreihen. Von “a por Wichtigleit
ijt Die Zugehörigkeit der meiſten Sprachen Siidafritas
u dem groken Gpradjtamm der fogen. Bantu-
J——— Dieſe in grammatiſcher Sesichung hod)
entwidelten Spraden, die nad) Norden gu bis weit nad
Hentralafrifa hineinreichen und in drei Hauptgrup-
pen jerfallen (j. Bantu), zeichnen fid) namentlid) durch
die höchſt harafterijtijden artifelartigen Vorſätze aus,
fo in den Ramen der Ba-futo, der — J———— der
Uma-fulu, der Ama-xoſa (Kaffern), der Ma-tonga,
Ma-hloenga x. Einen gang andern Bau eigen da-
gegen die übrigens in rajdem Ausſterben begriffenen
talefte der Hottentotten und die mit denſelben
durd) das häufige Vorfommen von Schnalzlauten
verwandte, gleidfalls dem Erlöſchen nahe Sprade
der Buſchmänner. Außerdem gehört die Haupt-
fpradje der Inſel Madagasfar, das Malagaſſy,
dem malaiifd-polynejtiden Spradjtamm an, von
dem ſich aud) die Spradjen der gegeniiberliegenden
Küſte von Moſam bil beeinfluft zeigen. Cinen faum
minder weit als der fiidafrifanijde Bantuſtamm, aber |
_ ten hält er fiirnad) Silden abgedriingte Verwandte der
jetzt größtenteils über jebr diinn bevilferte Geqenden
verbreiteten Sprachſtamm bejigt Rordafrifa in den
hamitifden Spraden (j. a
lichſte, die Sprache Der Galla ſüdlich von Abeſſinien,
an Die nordöſtliche Bantuſprache, das Kiſuaheli,
Direft angrengt. Andre hamitijdhe Sprachen ziehen
jih bis an den Golf von Uden und das Rote Meer
bin, und nordwärts reicen fie mit manden Ilnter-
bredungen bis nad) Oberagypten; von hier aus er-
jtrecen ſie fic) als Spradjen der Berber und andrer
nomadijierender Wüſtenſtämme quer durch ganj
Nordafrifa bis an die Weſtküſte bin. Gm Altertum
gehörte diefem Sprachſtamm aud die durch geſchicht—
liche Bedeutung hervorragendſte Sprache Ufrifas, das
Altägyptiſche, nebſt ibrer ebenfalls ausgeſtorbe—
nen Tochter, dem Koptiſchen, an, außerdem die
Sprachen der Libyer, Numidier und andrer Völ—
fer Nordafrifas und der Kanariſchen Inſeln. Schon im
Altertum gab es an der nordafrifanifden Küſte auch
bedeutende nordjemitifche (phinifijde) Niederlaſſun—
gen; durch den Islam hat fic) cine ſüdſemitiſche
Sprade, das Urabijde, tiber den ganzen nörd—
miten), deren ſüd⸗
Ajrifanijdes Pferdehaar — Afrikaniſche Sprachen.
lidjen Küſtenrand fowie fajt über ganz Äghpten ver-
breitet und ijt in rafdem BVordringen nad Silden gu
beqriffen. In Ubefjinien herrfden ebenfalls fiidfemi-
tiſche Sprachen, von dem jest ausgeltorbenen, durch
jeine alte Literatur hervorragenden YUthiopifden
abjtammend. Bon den jentralafrifanijden
Spraden find die bis jest befanntejten die der Wo -
lof am Rap Verde, der Fulbe (Bul) öſtlich davon
bis gum Tſadſee hin und etwa von 1O—20° ndrdl. Br.
jildwejtlid) davon das Mandinfa und andre Man-
defpraden, im Yiederlande von Sierra Leone das
Temne und Bullom, am Kap Palmas das Kru,
weiter öſtlich an Der Guineafiijte Die nabe miteinander
verwandten Spradjen O df di (Licht) bei den Ujdanti,
Ga in Ufra, Ewe in Dahomé, Jowwuba, Efik und
das ferner jtehende YOo; dann tm Innern ſüdöſtlich
von Timbuftu das Sonrhai, ſüdöſtlich hiervon das
weitverbreitete Hauſſa, wegen feiner hamitifden
Elemente von Lepjius u. a. fiir einen wejtliden Aus—
läufer des hamitiſchen Stammes gebalten, djtlid vom
Hauſſa das Ranuri in Bornu, nördlich hiervon das
Leda oder Tibbu, fiidlid) vom Kanuri dasL ogone,
Wandala u. a., weiter öſtlich das Bagirmi, nord:
öſtlich hiervon die Mabajprade in Wadai, öſtlich
hiervon das Kondſchara in Dar Fur und weiter
ſüdlich das Tumale, die ſechs letzten nach Lepſius
miteinander verwandt; endlich in Oſtafrika die Gruppe
der Niljpradjen, Dinfa, Bari, Sdhilluf, Bongo
und Oigob, und weiter ſtromabwärts die Sprachen
der Barea und der ſchon dem Witertum befannten
Nu bier oder Ruba. Wile dieſe Sprachen oder Sprad-
Gruppen zeigen wenigſtens in betrejf ihres Wortſchatzes
nidht die geringjte Verwandtidaft, weshalb Fr. Miller
fie fiir ebenfo viele ſelbſtändige Urſprachen halt. Die
Fulbe (Bul) und die Mubier halt er zugleich ihrer
natiirliden Merkmale wegen fiir von den übrigen
zentralafrilaniſchen Stammen, als reinen Negerval-
fern, gejdiedene Raſſen und nimmt an, daß die beiden
erjtern fowie die Bantuvolfer aus einer Vermiſchung
mit Den aus Wien eingewanderten Hamiten hervor-
gegangen feien. Dagegen halt Lepfius zunächſt aus
anatomifden Griinden alle einheimifden afrifanijden
Rajjen fiir verwandt und fudt insbeſ. bet fajt famt-
lichen jentralafrifanifdhen Sprachen nachzuweiſen,
dah bicketben ibrem Grunddarafter nad, namentlid
in betreff der Klaſſeneinteilung der Subjtantiva, mit
den Bantuſprachen identifd jeien; bloß die Hottentot-
Hamiten, mit denen fie fpradlid) die Unterideidung
der Geſchlechter gemein haben. Jedenfalls herridt
daritber allgemeine Übereinſtimmung, daß zwiſchen
den Hamiten und Semiten einerſeits und allen übri—
gen afrilaniſchen Völkern anderſeits ſowohl ſprachlich
als namentlich kulturgeſchichtlich eine tiefe Kluft liegt.
Nur erſtere beſitzen eine alte Schrift, Literatur und
Geſchichte; was ſich bei letztern von Literatur findet,
beſchränkt ſich auf der neueſten Zeit angehörige drijt-
liche Erbauungsbücher, Bibelüberſetzungen u. dgl.
und einige Sammlungen von Volkserzählungen und
Tiermärchen. Bal. die ⸗Sprachenlarte ⸗ und Kölle,
Polyglotta afrikana (Lond. 1854); Laſt, Polyglotta
afrikana orientalis (daſ. 1886); Fr. Müller, Grund—
riß der Sprachwiſſenſchaft, Bd. 1 (Wien 1876 —77);
Derjelbe, Die dquatoriale Spradfamilie in Zentral-
afrifa (daſ. 1889); Lepfius, Nubiſche Granrmatif,
mit einer Einleitung fiber die Biller und Spraden
Ufrifas (Berl. 1880); Cuſt, Sketch of the modern
languages of Africa (Mond. 1884, 2 Bde.); » Hett-
ſchrift fiir die afrilaniſchen Spraden« (hrsg. von Wiitt-
Afrikaniſche Truppen — Wfterpfand.
ner, Berl. 1887— 90, 3 Bde.); ⸗Zeitſchrift fiir afri-
fanifdje und ozeaniſche Spradjen, mit befonderer Be-
riidjidtiqung der deutiden Kolonien« (Hrsg. von
Seidel, daf. 1895 ff.).
Afrikaniſche Truppen, dic Truppen ded 19.
franz. Urmeeforps, die leidjte Jnfanterie, Frembden-
regimenter, Chaffeurs d'Afrique, Zuaven und die
eingebornen Turfos, Spabhis, im engern Sinne nur
bie beiden letztern. [fhe Weine.
Ufrifanifde Weine, ſ. Kapweine und AUlgier-
Mfter (Anus), dic hintere Uusmilndung des Darm-
fanalé (j. Darm). Rranfheiten des Ufters fommen
häufig vor. Ungeboren ijt die Verſchließung des
Ufters (atresia ani), wobei feine Darmentleerung
cintreten fann. Unter ben erworbenen Rranfheiten
deS Afters find die Hamorrhoiden (f. d.) die gewöhn—⸗
lidjten. Entzündungen ded Ufters entitehen durch
den medanijden Reiz, den harte Unfagftiide einer |
oder harte Rotmaffen auf dad Darme |
A. aud) rein nervös als echter Pruritus auftreten.
Kliſtierſpri
ende ausüben, durch verſchluckte Fiſchgräten, Sted-
nadeln, Objtterne, Knochenſtückchen u. DgL., die in der
Nähe des Afters ſich einbohren oder die Schleimhaut
daſelbſt verletzen; ferner durch Eingeweidewürmer,
durch Fortleitung der Entzündung des Diddarmes
oder der Umgebung auf den A., jo namentlid) der
tuberfuldjen Veränderungen am Maſtdarm und um
denfelben herum. Diefe Entzündungen find mit bren-
nenden und driidenden Schmerzen im A. und mit
unaufhörlichem Stubldrang verbunden, der nad
jtattgefundener Entleerung nicht weſentlich erleidtert
wird. Die ſchwächſten der genannten Reige verurfaden
cine fatarrbalijde Abſonderung, die — Wund⸗
werden der Haut ſehr läſtig werden kann. In höhern
Graden kommtes zur Geſchwürsbildung, und es können
Fiſtelgänge (Anusfiſtel, Maſtdarmfiſtel) ent—
ſtehen. Geſchwüre kommen namentlich beim weiblichen
Geſchlecht vor, hier auch nach ſyphilitiſcher Anſteclung.
Sie bewirken oft fo ſtarle Verengerung (strictura
ani) ded letzten Darmabjdhnittes, daß die Entleerun
unmöglich wird. Sn folden Fallen, und wenn na
Einklemmung eines Bruches ein Teil des Darmes
branbdig entartet iff, legt man einen künſtlichen A.
(Rotfijtel, Darmfijtel, Anus praeternaturalis)
an, indem man die geöffnete Darmſchlinge mit der
Bauchwand vernäht. Solche Darmfiſteln können auch
bei chroniſchen Bauchfellentzündungen, eingeklemmten
Briiden r., durd Perforation von Darmgeſchwüren,
Schuß⸗ und Stichwunden su ftande kommen. Krebs
fomunt im A. ſtets als Geidwiir (Ranfroid) vor; vgl.
aud) Majtdarmfijtel, Maſtdarmkrebs 2x.
WUfterbildungen , joviel wie Neubildungen.
' — die Brunft der Rehe im Dezember;
Afterbürge (Nad biirge), der Bürge eines Bür⸗
en; er ſteht un allgemeinen — Schuld des letztern
im gleichen Verhältnis wie dieſer zur Hauptſchuld
(j. Biirgidaft).
Afterdolde, foviel wie Trugdolde, j. Bliitenftand.
Ufterdriifen (Unaldriifen), in oder am After
miindende Driijen, die eine fette, —— riechende, oft
ſtinlende Maſſe abſondern, wie bei Raubtieren, Nage—
tieren, Amphibien, Inſekten. Das Sekret dient zur Un-
lockung des andern Geſchlechts oder zur Verteidigung.
Mande von dieſen Sekreten werden als Arzneimitlel
(Moſchus, rope ay oder Parfiim (Ribet) hs
Ufterfratt (Wundfein, Frattjein, Wolf,
— * oberflächliche Hautentzündung am After,
wobei die Haut gerötet, feucht, etwas rauh iſt und
beim Gehen, überhaupt bei jeglicher Reibung brennen⸗
159
den Schmerz verurſacht. A. entſteht gern bei fetten
Perſonen, die leicht ſchwitzen, beim Reiten und bei
kleinen Kindern infolge von Verunreinigung mit Harn
und Kot. Es wird verhütet oder beſeitigt durch wieder-
holte Waſchungen mit kühlem Waſſer oder mit Blei-
waſſer. Weniger zu empfehlen ſind Streupulver, wie
Bärlappſamen.
Afterfrühlingsfliegen (Perlidae Leach.), Fa—
milie der Falſchnetzflügler (ſ. d.), gu Der Die Uferfliege
(Perla Geoffr., {. d.) gehört.
MAftergallwefpen , ſ. Gallwejpen.
Uftergetreidve, ſ. Ufterforn.
Aftergrumt, ſ. Grumt.
Ufterjucten (Pruritus ani), lajtige Empfindun
am Wfter, die bei Entziindung der äußern Haut (P
Ufterfratt, Yuden), bei Hanworrhoiden (j. d.), bei ge-
wiſſen Ronjtitutionsfranfheiten, 5. B. Diabetes, bei
Rindern aud) durch Cingeweidewiirmer, die abends
Wanderungen unternehmen, auftritt. Ferner fann
Afterkamille, ſ. Anthemis.
Afterklauen (Aftern, Afterzehen, Aber—
klauen, beim Rotwild Oberrücken, beim Schwarz-
wild Geäfter), die beiden Zehen hinten an jedem Fup
der Huftiere, die den Boden nicht berühren und nur
ausnahmsweiſe ſo groß werden wie die Hauptzehen.
Afterkorn Ginterfrucht, Aftergetreide,
Hintergetreide), geringwertigere Getreidekörner,
die beim Reinigen der Frucht von der Marktware
ausgeſchieden werden. Verwerflich ijt die Verwendung
von A. gu Biehfutter, weil die beigemengten Unfraut-
famen den Tieren oft ſchädlich werden, auch feimfahig
durd) den Darmfanal in den Diinger wandern und
dem Acker wieder zugeführt werden. A., von dem
das Unfraut nicht gu ſcheiden ijt, muy, wenn es feine
giftigen Samen (Rade rc.) enthilt, vor der Verfütte⸗
rung gefdroten oder ſtark gedämpft werden; ſchäd—
lides A. gehört auf den Kompoſt.
Aft ſtalle, ſ. Pſeudomorphoſen.
Afterlehen (Subfeudum) ijt das durch den Vaſall
weiter verliehene ehen. Der Uftervajall (vasallus
secundus) war Lehnsmann des erjten Vaſallen (va-
sallus primus), wie diefer Lehnsmann ſeines Herrn
(be3 dominus). Dieſer (der Oberlehnsherr) hatte,
went das Recht ſeines Vaſallen (de Unterlehnsherrn)
in Weafall fam, die Wahl, einen neuen Unterherrn
einzuſchieben oder den Afterlehnsmann als unmittel⸗
baren Vaſallen anjunehmen.
Uftermicte (Untermicte) ijt nad dem Biirger-
lidjen Geſetzbuch 8 549, ohne die Erlaubnis des Ber-
mieters nidt zuläſſig. Berweigert der Vermieter die
Erlaubnis, fo fann der Micter das Mietsverhaltnis
unter Cinhaltung der gefeslicjen Friſt fiindigen, ſo—
fern nidt in der Perjon des Dritten etn widtiger
@rund — Selbſt wenn der Vermieter die Er—
laubnis zur Aftervermietung erteilt bat, muß der
Mieter fiir cin etwaiges Verſchulden des Ufternrieters
bei dem Gebrauche * Sache jenem gegenüber auf⸗
kommen. Zwiſchen dem Aftervermieter und dem
Aftermieter beſteht ein wahres Mietsverhältnis, nicht
aber auch zwiſchen Vermieter und Aftermieter.
Aftermooſe, ſ. Lebermooſe.
Afterpacht Unterpacht), dasſelbe Rechtsver-
aig beim Pacht wie die Aftermiete (ſ. d.) bet der
iete.
Afterpfand (Pignus pignoris, Subpignus), das
von einem Pfandglaubiger an einen Dritten (After⸗
pfandgliubiger) wetter verpfindete Bfand. Das
Ufterpfandredt bejteht in der Befugnis, das
160
Pfandrecht des erjten Pfandglaubigers jum wed der
cignen Befriediqung an deſſen Stelle geltend gu machen.
Afterporen, Driifendjfnungen vor dem After der
Afterporen
Ufterraupen, |. Blattwejpen. [Cidedjen.
Afterſchaft, ſ. Federn.
Rosen} Familien der Gliederfpinnen.
Ufterunternehmung, Zwiſchenunternehmung,
bei der jemand gegen fejte Vereimbarungen fiir den |
cigentliden Unternehmer gewijje Ausführungen über⸗
nimunt und bierfiir jelbjtandig Lohnarbeiter cinjtellt.
Aftervaſall, ſ. Afterlehen.
Afterwitz, ſ. Aberwitz.
Afterzehen, ſ. Afterklauen.
Afterzwang, übermäßige und ſehr ſchmerzhafte
Kontraktion der Afterſchließmuskeln durch Reizung
der Schleimhaut des untern Maſtdarmes.
ee Meg iy’ Berg, f. Awaſalſa.
Afzelius, 1) Adam, Votanifer, geb. 8. Ott. 1750
eu Larf in Weftgotland, gejt. 20. Yan. 1837 in Up⸗
ala, ging 1792 nad) Sierra Leone, verlor hier durch
Die Franzoſen feine wertvollen Sammiungen, wurde |
1796 Gejandtidaftsfetretiir in London, fehrte aber |
1799 nad Upſala zurück und erbielt 1812 die Bro-
feijur Der Materia medica. Er fdrich: »Genera |
plantarum guineensiume (Upſala 1804), »Stirpium |
in Guinea medicinalium species novae« (daj. 1818), |
»Stirpium in Guinea medicinalium species cog-
nitaes (Daj. 1825) und gab die Selbjtbiograpbie
Linnes (deutſch, Berl. 1826) heraus.
2) Urvid Auguſt, ſchwed. Dichter und Alter-
tumsforjfder, geb. 6. Mai 1785, gejt. 25. Sept. 1871
in Enfdping, wo er als Pfarrer feit 1828 lebte, haupt⸗
ſächlich befannt als Mitherausgeber der Sammlung
altſchwediſcher Bolfslieder: »Svenska folkvisor fran
forntiden« (f. Geijer). [(Argentum).
Ag, in ber Chemie Zeichen fiir 1 Utom Silber
Ag., bei naturwiſſenſchaftl. Namen Abkürzung
fiir eagortts (f. b.).
tiga, mafedon. Stadt, ſ. Edefja 2).
Ugacieren (franj., fpr. agag-), auf pifante Weife
anregen und berausfordern.
Agada, ſ. Dapgaba. ; :
Agades, verddete Hauptitadt der Daje Wir (f. d.),
Reſidenz des Sultans vom Stamme der Kelowi. Die
Cinwobhner, friiher 50,000, jest nur nod 7000, er-
deugen beriihmten Käſe und treiben bedeutenden
Sal;
banbdel.
adir (YU. ne-Qrir, »Feltung ded Raps<), Ha-
fenjtadt an der atlantifden Riijte von Marofto, 10km
nördlich von der Miindung des Wadi Sus, friiher der
bejte Hafen diefer Küſte, jetzt aber verwahrloſt, mit
alter Sitadelle, verfallendDen Wauern und 1000 Einw.
Die Portugieien legten hier gum Schutz ihrer Fiſcherei
um 1500 das Fort Santa Cruz an und erbauten
{pater eine Stadt um dasjelbe, die, 1536 von Maroffo
erobert, ju einem widtigen Handelsplatz emporblithte.
Dod) wurde der Hafen ſpäter geſchloſſen, und A.
deſſen Stelle jegt Mogador einnimmt, hat nur nocd |
alé Sollamt fiir die aus Der Sahara fommenden Waren |
egagropilae, ſ. Bezoar. Bedeutung.
gai, Udolf, ungar. Humoriſt, geb. 31. Mar;
1836 in Janfovac, Begriinder (1868) und Redafteur
des politijchen Wigblattes »Borsszem Janké«, Wit-
lied der Kisfaludy Geſellſchaft; ſchrieb auch zahlreiche
*—* fiir den ⸗Peſter Lloyd« u. a.
—— Meer, f. ÄAgeus und Archipelagus.
Agala e (griech.), dad Fehlen der Milchſekretion
bei Wöchnerinnen, beruht auf unvolllommener Ent⸗
— Agäon.
widelung der Milchdrüſen, Schwächlichteit, Blut⸗
armut, — ar oder ftarfen Gemütsbewegungen.
Agallode-Blindbaum (pr. -10f4-), |. Excoecaria.
Agallodjehols (jpc. Aoſch⸗), ſ. Alocholz.
Agalmatolith (griech, »Schmucſtein⸗; Bild-
ſtein, chineſiſcher Speckſtein, Bagodit), Mi—
neral, beſteht aus Kieſelſäure, Kali, Tonerde und
Waſſer, ijt derb, gelblich- oder grünlichgrau, aud
fleiſchrot, digriin, matt oder ſchimmernd, kantendurch⸗
ſcheinend, fuͤhlt ſich fettig an, ſpez. Gew. 2,7—2,9,
Härte 253, findet ſich beſonders in China und wird zu
Kunſtſachen, Götzenbildern, Gewichten ꝛc. verarbeitet.
Agãm (griech.), ſoviel wie agamiſch, insbeſ. Be—
zeichnung fiir Die Weibchen folder Tiere, die ſich par-
thenogenetijd fortpflanjen (ſ. Barthenogenejis).
Agameé, sur Proving Tigré gehörige Landſchaft im
nordojtlicken Abeſſinien. Sauptitadt ijt Adigerat.
Agamedes, beriihmter Baunreijter der altqried.
om wie fein Bruder Trophonios (ſ. d.).
gamemnon, Sobn des Atreus und der Aërope,
Enfel des Pelops, Urenkel des Tantalos. Von Thyejtes
aus Mylenã vertrieben (j. Utreus), fliidjteten er und
jein Bruder Menelaos nad Sparta ju Konig Tyn-
dareos und vermählten fid mit deſſen Toöchtern, Mene-
laos mit Helena, A. mit KAytämneſtra, die ihm die
Lichter Iphigeneia und Eleftra und den Sohn Oreſtes
gebar. Nad) Wiedergewinnung von Mykenä breitet
er feine Herridaft fo aus, daß ihm als dem mächtigſten
Fürſten Griedenlands nad) Helenas Entführung
durch Paris der Oberbefehl in dem Rachezuge gegen
Troja ——— wird. Er allein ftellt 100 Schiffe
außer 60 den Arkadern geliehenen. über Iphigeneias
Opferung in Aulis ſ. Iphigenie. Bor Troja erſcheint
A. bei Homer als einer der tapferſten Helden; jedoch
bringt er über das Heer ſchweres Unheil, indem er
durch feinen Ubermut Achilleus zum Zorn reizt. Als
er nad Trojas Fall mit der ihm als Beute zugefalle-
nen Kaſſandra (f. d.) heinfehrt, wird er von Waifthos,
dent Bublen der Klytämneſtra, beim Mahl erſchlagen.
Undre laſſen die auf Kaſſandra eiferſüchtige, auch
iiber Sphigencias Dpferung grollende Gattin thm beim
Bad ein Netz tiberwerfen und den Wehrloſen mit dent
Veil tdten. Seinen Untergang und feine Rächung
durch Oreſtes (f. d.) behandelt Aſchylos in der » Drejtie«.
A. wurde vielfad als Heros, in Lafonien unter dem
Namen des Zeus W. als dthonifder Reus verebrt.
amen (Agamidae), familie der Eidechſen pus
der Unterordnung der Didjiingler, oder die Gruppe
der beiden Familien Baumagamen (Lequane,
Iguanidae) und Erdagamen (Humivagae), dann
cine Gattung der Erdagamen: Agama Gray, von der
41 Urten in großer Jndwiduenjabl von Sildojteuropa
durd) gang Vifrifa und Siidweltajien bis Indien vor-
fontmen. Die Siedleragame(A.colonoramDaud.),
35 cm lang, mit feuerrotem Kopf, gelb geiprenfelter
Kehle und jftahlblauem Körper und rotem Sdwany,
lebt an der Goldküſte.
Agami, |. Trompetervogel.
Agamiĩe (griech.), Chelofigteit; agamif ch, ehelos.
AUgamomonssie (qried.), Vorkommen von zwitte⸗
rigen und geſchlechtsloſen Bliiten auf derielben Pflanze.
Agaña (ivr. anja, Stadt der amerif. Marianen-
inſel Guam (f. d.).
Aganippe, im griech. Mythus Todter des Fluß⸗
qottes Permeſſos oder Termejjos, die Nymphe der
tfenquelle U. am Helifon.
RU gaon, Sohn des Uranos oder des Pofeidon und
der Gäa, einer der Hefatondeiren (ſ. d.), nad Homer
von den Gdttern Briareds (der »Wuchtige«)
Agapanthus
enannt. Als Hera, Bofeidon und Wthene den Zeus
eſſeln wollten, rief Thetis A. zu Hilfe, worauf jene
von ihrem Borhaben abjtanden.
Agapanthus L’ Héit. (Sd mudlilie, Qiebes-
blunte), Gattung der Liliazeen, Kräuter mit fnol-
ligem Wurzelſtock, grundſtändigen, langen, breit li-
nealen Blattern, vielblumiger Dolde, blauer oder
weiger Bliite, dreifantiger Rapfel und gefliigelten Sa-
men. Drei Urten in Rapland und Natal. A. umbella-
tus L’ Hérit. (1. Tafel »Zierpflanjzen I<, Fig. 17), mit
80 cm hohem Bliitenfdjaft und blauen Bliiten, wird
als Zierpflanze fultiviert und frojtfret überwintert.
a (v. griech. agapé, »Liebec, Liebes-
male), die gemeinjamen Mahlzeiten der erjten
Chriſten, die gur Darjtellung und Betitiqung der
bie Gemeinde verbindenden Liebe gehalten wurden
und in der Feier des Ubendmabhls (f. d.) gipfelten.
Als abendliche und geſchloſſene Verſammlungen er-
regten ſie den Argwohn der Heiden, verloren aber
auch in der Kirche an Anſehen, ſeitdem ſich das Abend⸗
mahl von ihnen abgelöſt hatte, um mit dem Morgen⸗
*2* verbunden zu werden. Die allmählich zu
rien· und Krankenſpeiſungen herabgeſunkenen oder
u Gaſtmählern entarteten UW. wurden ſeit dem 4.
Sabrh, abgeſchafft. In der neuern Beit haben die
Herrnhuter die Liebesmabhle wieder erneuert.
Agapitus, Name zweier Päpſte: 1) A. L, ein
Romer, gejt. 22. Upril 536, wurde 3. Juni 535 Papſt
und 636 von dem Oſtgotenkönig Theodahad vergeb-
lid) nad) Ronjtantinopel gefdidt, wm vom Kaiſer
Sujtinian Frieden ju erbitten. Dod) veranlafte er
dort die Ubfegung des der Ketzerei verdächtigen Pa—
triarden Anthimos.
2) U. IL, ein Romer, 946—-955 Papft, ſtand mit
dem deutiden König Otto J. mindejtens feit 948 in
freundlicen Beziehungen, lehnte aber unter dem Ein⸗
fluß des Rom beherrſchenden Patricius Wiberid) 951
Ottos Gefud, ibn jum Kaiſer zu krönen, ab.
Agar-Agar, aſiat. Algen, die getrocknet oder zu⸗
bereitet in Form von federſpuldicken, leichten, geruch⸗
und gefdymadlofen, hautigen Sdliuden von meijt
3—20 cm Lange in den Handel fommen. Ceylon-
moos (Jaffnamoos), von Ceylon und Java, be—
jteht aus getrodnetem und gebleichtem Sphaerococcus
(Gracilaria) lichenoides Ag., gibt mit 50 Teilen
Waſſer cine Gallerte. UW. von Makaſſar und Java
ijt getrodnetes Eucheuma spinosum Ag., gibt mit
17 Teilen Waſſer eine Gallerte. UW. von Japan
(veqetabilifdher Fifdleim, japanifdhe, oft-
indifdhe Haufenblafe, Haithao), aus Gelidium
corneum Lamex., Gelidium cartilagineum Gaill. x.
durch Kochen mit Wajjer, Zerſchneiden und Trodnen
der Wallerte gewonnen, gibt mit 200 —300 Teilen
Wajfer cine Gallerte. UW. dient in der Heimat als
Nahrungsmittel, fam 1840 als Heilmittel nad Europa
und wird jetzt in Der VUppretur, im der Küche und
Konditorei als Erſatz der Rnodengelatine, als Ber-
fälſchungsmittel von Fruchtgelees (mikroſkopiſch nad:
weisbar durch die Gegenwart von Meeresdiatomeen,
die Dem VW. anhaften) und zur Kultur von Bakterien
benutzt. Hauptbejtandteil it die peftinartige Gelofe,
deren gallertbildende Kraft 6—1LO mal groper ijt als
bie der Gelatine. A. quillt in faltem Wafer, löſt fid
beim Sieden, die Löſung erjtarrt beim Erfalten ju
Gallerte, die haltbarer ijt als tierifde.
UAgardh, 1) Karl Udolf, Botanifer, geb. 23.
Jan. 1785 gu Bajtad in Sdonen, geſt. 28. Jan. 1859
in Rarlftadt, war 1812-—34 Profeljor der Botanif
und Ofonomie in Lund, wurde 1816 Pfarrer im St.
Meyers Aonv.«Lexikon, 6. Mufl., L Bd.
— Agaricus. 161
Peterslojter dajelbjt und 1834 Bifdof in Karlſtadt.
Als Mitglied des Reichstags und des Erziehungskomi⸗
tees (1826 — 28) gewann er großen Einfluß auf das
ſchwediſche Erziehungsweſen. Jn feiner »Synopsis
algarum Scandinaviae« (Lund 1817), dann in den
»Species algarum« (daſ. u. Greifsw. 1823 — 28,
2 Bde.) und den »Icones algarum europaearum<
(Leipz. 1828—35) gab er dem Syitem der Algen eine
neue Gejtalt, das er in feinem »>Systema algarume
(Lund 1824) vollſtändig ausgefiihrt darjtellte. Außer⸗
dem fdjrieb er: »Essai de réduire la physiologie
végétale A des principes fondamentaux« (Lund
1828), »Essai sur le développement intérieur des
plantes« (Daj. 1829).
2) Jakob Georg, Botanifer, Sohn des vorigen,
geb. 8. Dez. 1813 in Sind, qejt. dafelbjt 17. Jan. 1901,
war 1854—79 Direftor des botanijden Gartens in
Lund. Er beqriindete eingehender als feine Vorginger
die Syjtematif der Meeresalgen auf deren morpholo-
gifden Uufbau und die anatomifde Struttur; ſchrieb:
»Species, genera et ordines algarum« (Lund 1848
bis 1880, Bd. 1— 3); »Algae maris Mediterranei
et Adriatici< (Bar. 1842); »Analecta algologica«
(und 1892 —99).
Agaricus Fr. (Blätterſchwamm, Blatter-
pils), Pilzgattung aus der Ordnung der ——
myceten und der —* Der Agarilazeen (Blätter⸗
ſchwämme), Pilze mit häutigen, weichen Lamellen,
die nach der Farbe der Sporen, dem Vorhandenſein
oder Fehlen von Ring und Schleier in zahlreiche Un-
tergattungen geteilt werden. — Bur Untergattung
Hypholoma FY. mit dunfelpurpurnen Gporen, ge-
farbtem, jtarrem Stiel und am Hutrand zurückbleiben⸗
dem fajerigen Sdleier gehdrt ber angenehm riedjende,
aber widerlid) bitter ſchmeckende, giftige Sd wefel-
fopf (Büſchelſchwamm, A. fascicularis Huds.,
j. Tafel »Pilze I<, Fig. 12), der in dichtem Rafen an
alten Baumjtiden wächſt. — Duntel gefarbte Sporen,
einen Ring am Stiel und freie, dem Stiel nidt an-
—— Lamellen hat die Untergattung Psalliota,
ie von eßbaren Arten den Champignon (A. cam-
pestris L., ſ. Tafel »Pilze I<, Fig. 13), den Wie
fenfd)wamm (A. pratensis Schaff.), Den Schaf—
champignon (A. arvensis Schdjf.) und den Wald-
dampignon(A.silvaticus Schaff.) umfaßt (f.Cham-
pignon). — Braune oder oderfarbene Sporen und
einen Ring am Stiel hat die Untergattung Pholiota,
zu welder der an Baumſtämmen lebende Stod-
; chwamm (A. mutabilis Schajf.), mit qebucdeltem,
zimtbraunem Hut, jteifem, fduppigem, braunem Stiel
und erjt weiem, dann braunem, verſchwindendem
Ringe, gezählt wird, und der fettige Schuppenpilz
(A.adiposus Baésch.), der als Barayjit an Waldbaumen
eigentiinilide Zerfepungserideinungen tm Hol; ver⸗
urſacht (j. Tafel ⸗Pflanzenkrankheiten I<, Fig. 9). —
Bon den Arten der Untergattung Clitopilus mit rofa
gefärbten Sporen, herablaufenden, am fleiſchigen Stiet
angewadjenen Lamellen wird der Mufferon (A.
prunulus Scop., ſ. Tafel » Pilse I<, Fig. 11) als Speiſe⸗
ſchwamm geſchätzt, der friſch einen mehlartigen Gerud
hat. — Bon den zahlreichen Untergattungen mit wei-
fen Sporen find die Arten von Pleurotus leicht durch
mufdelfirmigen, ſeitlich geſtielten oder jtiellofen Hut
erfennbar, wie der eRbare, an Laubbäumen wadfende
Budenpils oder sade | (A. ostreatus Jacg.),
mit erjt ſchwaärzlichem, Dann braunem, endlich gelb-
lidhem, exzentriſch gejtieltem Hut und oberwärts ver-
didtem, am Grunde behaartem Stiel. — Bei den
iibrigen Untergattungen ijt der Stiel immer zentral
11
162 Agaricus albus — Agaſſiz.
angebeftet. — Bei der Untergattung Collybia feblen | Sdeide umgebenem Stiel. Eßbar und (jdon bei den
die allgemeine Hiille und der Ring, der Stiel ijt for: | Alten) ſehr geſchätzt ijt 5) der Naiferfdwamm (A.
pelig, der Hut flad, und die Lamellen laufen nidt | caesareus Scop.), mit orangerotem oder gelbem, mit
herab; dazu ijt Der eRbare Ragelfdwamm(A. escu- —— weißen, hautartigen Reſten der Hülle be-
lentus Wulf.) zu zählen, der einen etwas bittern Ge- | dedtem Hut und gelben Lamellen, Ring und Fleifd.
idmad hat und an Wegen und auf Triften vom; Agaricus albus und A. chirurgorum, j. Po-
Frühling bis Herbjt truppweiſe wächſt; fein ocergel- | lyporus.
ber oder bräunlicher, etwa 2 cm breiter Hut ſteht auf Agarifazeen(Blaitter{dwamme), Familie der
didem, hohlem, tonfarbenem Stiel. — Die Unter- | Hymenomyceten.
gattung Tricholoma unterjdeidet fid) von Collybia| Agarizin (Uqarifusfdure C,,H,,0,+H,0)
efonders durch den fleiſchigen Stiel und angebeftete, | findet fic) im Lärchenſchwamm, bildet em farb-, ge—
am Stiel ausgqebudjtete Lamellen; allgemeine Hiille ruch- und geſchmackloſes, mifrofrijtallinijdes Pulver,
und Ring feblen ebenfalls. Bon eßbaren Urten der- löſt fic) in 130 Teilen faltem und 10 Teilen heißem
felben find ju nennen der Maifdwamm (A. gra- Weingeiſt, wenig in Wther und faltem Waſſer, ſchmilzt
veolens Pers,), mit ungefledtem, grauem oder braun: | bei 140° und wird gegen ſtarke Nachtſchweiße benugt.
gelbem Hut, und der Romonafdwamm (A. Pomo- | Starfe Doſen töten durch Lähmung des Utmungs-
nae Lenz), mit gefledtem, weißgelbem bis braungel- | zentrums und des Herjens.
bem Hut und ausgerandeten, miteinem Zahn am Stiel| Wgafeen, der Kudu, ſ. Untilopen.
angewadfenen Lamellen. — Bei der Untergattung| Wgafias, griech. Bildhauer aus Cphefos, der den
Armillaria fehlt nur die allgemeine Hiille, und die | beriihmten Borgheſiſchen Fechter (ſ. d.) geſchaffen bat.
Lamellen laufen herab. Bom Hallimaſch (A. mel- Agass., bet naturwiſſenſchaftlichen Namen Wb-
leus L., ſ. Tafel »Schmarotzerpflanzen II«) bildet türzung fiir Ugajfis (7. d.).
das Mycelium die Rhizomorphaſtränge (ſ. Rhizo-| Agaſſiz cor. -f oder qs), 1) Ludwig Johann
morpha) und erjeugt bet Nadelhölzern den Erdfrebs Rudolf, Raturforfder, geb. 28. Mai 1807 gu Mottier
(j. D.); Der Frudjtfdrper hat einen bis 10 cm breiten, | im Ranton Freiburg, geit. 14. Dex. 1873 in Rew
in ber Mitte gebuctelten, braungelben bis ſchwarz. Cambridge, jtudierte in Bitrid), Heidelberg und Mün-
braunen, baarig beidyuppten Hut, mit einem Zahn | chen Medizin und vergleichende Unatomie, wurde
berablaufende Lamellen und cinen bräunlich-gelb⸗ 1832 Profeſſor in Neuchätel, ging 1846 nad RNord-
licen Stiel mit hangendem, flodigem Ring. — Zur Un: amerila und erbielt bier die Profeſſur der Zoologie
tergattung Lepiota mit allgememer fduppiger Hülle, und Geologic in New Cambridge, wo er das Muſeum
Die mit der Hutoberfläche feſt verwachſen bleibt, gehirt | fiir vergleidende Zoologie begriindete. 1865 unter-
der wobhlidmedende Barafolfdwamm (A. pro- nahm er eine Forſchungsreiſe nad Brafilien und 1871
cerus Scop., |. Tafel ⸗Pilze I, Fig. 12), mit gebuckel⸗ eine Tieffeeerpedition nad dem Siidatlantijden und
tem, 7—25 cm breitem, weifem oder briuntidweigem | Stillen Ozean. Bon feinen Schriften find hervor-
Hute, defjen dice Haut in jahlreidje qraubraune, dad | zuheben: » Pisces etc., quos collegit et pingendos
ziegelartige Schuppen zerreißt und einen am Grunde | curavit Spix, descripsit A.« (Münch. 1829—31, mit
folligen, brauniduppigen, bis 30 cm hoben Stiel | 91 lithographijden Tafel); » Recherches sur les pois-
bat. — Bei der Untergattung Amanita löſt fid) die | sons fossiles« (Neudat. 1833—42, mit 311 Tafein;
allgemeine Hiille von der Hutoberflaide ab. Bon gif- | mit &K. Bogt und Dejor); » Monographie des poissons
tigen Arten qehdren dahin: 1) Der in Waldern hau- | fossiles du vieux grés rouge, ou systéme dévonien
jige PerlenſchwammigraueFliegenſchwamm, | des iles britanniques« (Soloth. 1844 —45, mit 41
A. rubescens Fr.), mit bräunlichem, ritlidjem oder | Tafeln); »Description des échinodermes fossiles de
lederfarbenem, 7—12 cm breitem Hute, der mit vie- | la Suissee (Neuchãt. 1839—42; mut 35 lithoqraphi-
len fleinen, weiken, mebligen Warzen befest ijt und | ſchen Tafeln; mit Valentin und Defor); »Monogra-
von einem oben verdiinnten, 5-10 cm hohen, wei: | phie d’échinodermes vivants et fossiles« (Daf. 1838
licen oder rötlichen, feiniduppigen Stiel — bis 1842, mit 62 Tafeln; unvollendet); »Etudes cri-
wird. 2) Der in Wäldern fehr verbreitete Flieqen- | tiques sur les mollusques fossiles« (daf. 1840—45,
pil; (A. muscarius L,, ſ. Tafel »Pilze I<, Fig. 11), | Lief. 1—4, mit 115 Tafeln); »Iconographie des co-
mit orange> oder feucrrotem, 7—18cm breitem Hute, | quilles tertiaires« (Daj. 1845, mit 15 Tafein); »Mé-
deſſen im feudjten Zuſtande flebrige Oberfläche mit moire sur les moules des mollusques vivants et
vielen Diden, weifen Warzen bedect ijt und weife La- | fossiles« (daf. 1840, mit 12 Tafeln). 1837 formu-
mellen bat; fein am Grunde fnolliger Stiel ijt weif, | lierte A., Durch Charpentier angeregt, feine Gletſcher
ſelten gelblich und trägt einen fduppig gerandeten | theorie, die zu der Annahme einer Cisseit führte. Die
Ring. Der Pil; wurde friiher aryneilid) benugt und | Refultate femer Urbeiten fiber die Gletſcher (mit De—
diente den Bewohnern Ojtjibiriens und Ramtjdatfas | for u. a.) bradten die »Etudes sur les glaciers«
zur Bereitung eines beraufdenden Getriints (Mu- | (Neudat. 1840, mit 36 Tafeln; deutſch, daf. 1841)
amor), das jest durch Branntivein verdriingt ijt; | und das »Systéme glaciaire« (mit Guyot und Defor;
ein Ahnliches Getränk ſcheint auc die in der nordifden | ‘Bar. 1847, mit Wtlas). Ferner find nod) yu erwäh⸗
Sagengeſchichte Hfter erwahnte Berſerkerwut ver⸗ nen: » Principles of zoology« (mit Gould, Bojt. 1846;
anlaft zu baben. 3)Bantherfdwamm(A.panthe- | deutid, Stuttg. 1850); die »Contributions to the
rinus DC.), mit bréuntidem, auch grünlichem oder | natural history of North America« (Boſt. 1857,
blaulidem, am Rande gejtreiftem, 7- -12 em breitem, | Bd. 1 u. 2); »The structure of animal life« (New
mut Warzen beſetztem Hut, einer wuljtiqen, odergelben | York 1866, neue Ausg. 1874); »A journey in Bra-
Scheide am Grunde des Stieles und fciefem, un- | zile (daf. 1866, neue Ausg. 1886); »Scientifie re-
regelmafigem Ring. 4)RXnollenblatterfdwamm sults of a journey in Brazil« (daf. 1870). Bal.
(A. phalloides Fr., ſ. Tafel ⸗Pilze I<, Fig. 3), mit | »Louis A.' Leben und Briefe« (hrsg. von ſeiner Winve
erſt glockigem, dann ausgebreitetem, ſchmierigem, Eliſabeth Cary A.; deutſch von Mettenius, Berl.
weißem, blaßgelbem oder blaßgrümem Hut und am | 1886); Marcou, Life, letters and works of Louis
Grunde Molligemt, von ciner teilweiſe verwachſenen A.« (Lond. 1896, 2 Bde.).
Agates blanches
2) Ulerander, Sohn des vorigen, geb. 17. De}.
1835 in Neuchatel, Nadhfolger feines Baters in New
Cambridge und Griinder der zoologiſchen Station in
Newport (Rhode⸗Island), arbeitete namentlid über
Edinodermen, Duallen und Fiſche Umerifas, über
Entwidelung der niedern Tiere und über Tieffeefauna.
Er fdjrieb: >Embryology of starfishes« (Boſt. 1865);
»North American acalephae« (Cambridge 1865);
»Revision of the echini« (1872, 2 Bde.); »North
American starfishes« (1877, Unatomie und Embryo-
logic); »On the development of the flounders«
(1878); »Young stages of osseous fishes« (1878);
»Embryology of the ctenophora« (1874); »Three
cruises of the U. 8. coast and geodetic survey
steamer Blake 1877 —1880« (1888, 2 Bde.). Mit
feiner Mutter Eliſabeth C. A. ſchrieb er: »Seaside stu- |
dies in natural history« (neue Ausg., Boft. 1882).
Agates blanches (franz., fpr. agar’ blangſch'), ling:
lichrunde, achatähnliche Glasforallen, dienen als
Taufdurittel an der Riijte von Guinea, Ungola, Gorée.
Agatha (Ugathe, qricd., »die Gute, Gütige«),
Heilige, nad) der Legende die Todjter vornehmer El-
tern gu Catania oder Palermo, ward, weil fie als
Chrijtin die Bewerbungen de3 Statthalters Ouintia-
nus zurückwies, in cin ——— gebracht, wo ſie
aller Verführung widerſtand und nach grauſamer
Marter 5. Febr. 251 im Kerker ſtarb. Die Legende
ward mehrfach dichteriſch, auch maleriſch behandelt.
Agathardides, griech. Grammatiler des 2. Jahrh.
v. Chr., aus Knidos, lebte in Alexandria und verfaßte
umfũngliche Werke über Geſchichte und Geographie von
Europa und Aſien, in denen er namentlich aud) die
Geſchichte Weranders und der Diadodjen bis auf feine
Beit behandelte, eine Beſchreibung des Roten Meeres
und der angrengenden Lander in fiinf Büchern u. a.
Fragmentſammlung in Millers »Fragmenta histori-
corum graec.«, Bd. 3 (Par. 1849), und »Geographi
graeci minores«, Bd. 1 (daſ. 1855).
Agathaumas, gehörnter Dinoſaurier aus der
obern Kreide von Nordamerifa.
Agathias, mit dem Beinamen Scholaſtikos,
griech. Dichter und Gefdidtidreiber, um 530 — 582
i. Chr., aus Myrina in Utolien, lebte feit 554 in Kon—
jtantinopel als Advolat. Durch jeinen »Myflos«, cine
jtofflid) geordnete Sammlung cigner und zeitgend{fi-
ſcher Dichtungen in acht Büchern, ijt er Mitbeqriinder
der griechiſchen Anthologie qeworden, die nod) 101 Epi-
ramme von ihm enthalt. Vollſtändig erhalten ijt
cine Brofop fortfegende, trog der ſchwülſtigen Dar-
ftellung als Hauptquelle wertvolle Geſchichte der Jahre
552-—558 in flinf Büchern (rsq. von Niebuhr, Bonn
1828, und Dindorf in den »Historici graeci mino-
res<, Bb. 2, Leip;. 1871).
Agathis Salish. (Dammarfidte), Gattung der
Roniferen, immergriine, hohe, harzreiche Baume mit
an ben fajt wirteligen Yijten meiit zweizeiligen und
oft paarweife zufammengeriidten, breiten, fladen, am
Grunde jtielartig zuſammengezogenen, lederartigen
Blattern, merit didsiichen Bliiten und kugel-eiförmigen
Zapfen mit breit gefliigelten Samen. Bier Arten auf
den Malaiijden Inſeln, den Philippinen, Fidſchiinſeln,
Neufeeland rc., aud) im norddjtliden Uujtralien. A,
australis Salish. (Qaurifidte), ein ſchöner, bis 60m
hoher Baum im nördlichen Uuitralien und auf Neu—
feeland. Zweige und Äſte des Baumes ſtarren von
Harztröpfchen, und unten am Stanun und in der Erde
am Wurzelſtock ſammelt fid) das Har; in Knollen bis
gu 50 kg. Man jindet große Maſſen in der Erde an
Stellen, wo friiher Kauriwälder jtanden. Es kommit
— Agathofles. 163
von Neuſeeland als Kauriharz (Raurifopal) in
den Handel. Ein ähnliches Harz liefert A. ovata
Moore in Reufaledonien. Das Hol; gleicht unferm
Tannenbol;. A. Dammara Rich., + Patel Induſtrie⸗
pflanzen I<, Fig. 4 und Text; D. robusta Moore, in
Queensland, liefert Möbelholz. Wehrere Urten wer-
den als Zierpflanzen fultiviert. :
ga 9, Bayi von 678—681, bielt 680 ein Konzil
gu Rom ab, auf dent die abendlandijden Biſchöfe die
monotheletijde Lehre verdammten; er beanfprudte
allgemeine ee die Feſtſetzungen der rb-
mijden Rirde in Glaubensfaden und bewirfte, dah
das 680 zu Konſtantinopel qehaltene fechjte allgemeine
(Trullanifde) Kongil den Befdliijjen gegen die Mono-
theleten beitrat.
Agathodamon, griech. Genius des ländlichen Se-
gens, befonders ded Weines, dem man nad) dem Mahl
einen Beder ungemiſchten Weines weihte, ward mit
einer Scale in der Rechten, Mohn und Whren in der
Linfen oder mit dem Horn der Umalthea abgebildet.
Seine Genofjin ijt die Agathe Tychẽ. Ihr entſpricht
der rimijde Bonus Eventus (jf. d.).
Agathofles, Tyrann von Syrafus, geb. 361
v. Chr. gu Therma in Sizilien, gejt. 289, Sohn eines
Töpfers, der unter Timoleon nad Syrafus über—
fiedelte, erlernte zuerſt das Handwerk feines Baters,
nahm dann aber rie — und erwarb ſich durch
ſeine Beredjamfeit und Tapferteit die Gunſt des Da-
mag, eines vornehmen Syrafujiers. Nad) deſſen Tode
(333) heiratete er feine Witwe und wurde dadurd)
Herr eines groken Vermögens. Mehrfache Verſuche,
die Herrſchaft der oligardijden Partei ju ſtürzen,
miflangen ihm; er wurde zweimal aus Syrakus ver-
bannt, aber nad) dem Sturje der Oligardie juriid-
) gerufen und317 gum Feldherrn ernannt. Aus Fliidt-
lingen und Abenteurern bildete er fic) cin ihm blind-
lings ergebenes Heer, befeitigte die reichern und an-
ejebenern Viirger teils durch Ermordung, teils durch
Rerbannung, und machte fic) fo gum unbeſchränkten
Herrn von Syrafus. Dann aber jtellte er die Ord-
nung in der Stadt wieder her, ordnete dad Finanj-
wefen und ſchuf ein zahlreiches, wohlgeübtes Heer und
eine jtarte Flotte. Nachdem er fajt ganz Sigilien er-
obert hatte, geriet er 312 mit den Rarthagern in Streit.
A. wurde 311 am Himerafluk gefdlagen und dann
in Syrafus belagert. Um fic) aus diejer Bedrängnis
zu befreien, durchbrach er 310 mit 60 Schiffen die
den Hafen blocierende Seemacht der Narthager und
fegelte nad Ufrifa. Dort ſchlug er die überraſchten
Karthager wiederholt und eroberte die meijten ihrer
Städte, als die Erfolge feiner Gegner in Sizilien feine
ſchleunige Riidfehr nbtiq machten (307). Es gelang
ihm, feine Macht ſich wieder gu fidern, deſto ungiin-
jtiger gejtalteten fid) fiir ihn die Verhaltnijje in Ufrifa.
Sein eignes Cingreifen änderte nichts an der vers
zweifelten Lage des guriidgelaffenen Heeres; er gab
den Krieg Dort auf und entfloh beintlid) nach Sizilien.
(Das Heer, das ex wegen des Fehlens einer Flotte
nidt hatte mitnehmen fonnen, ergab fic) den Rartha-
gen nachdem eg feine beiden Oberbefehlshaber, des
. ciqne Söhne, ermordet hatte. Die Kunde hiervon
verſchaffte feinen fizilianifden Gegnern, an deren
Spitze Deinotrates ftand, anjehnliden Zuwadhs. Um
gegen dieſe freie Hand gu bekommen, ſchloß A. B05
Frieden mit den Karthagern, beſiegte jene, gewann
den Deinokrates fiir ſich, — mit deſſen Hilfe
ganz Sizilien, nannte ſich König und war der mad)-
uͤgſte und reichſte Herrſcher in der weſtlichen Hälfte
des Mittelmeers. Sein Abenteurerleben gab er darum
11*
164
nidt auf. Er tniipfte mit den Diadodhen Beziehun—
en an und unternahm Streifzüge gu Wafer und zu
Sand, in Stalien und im Adriatiſchen Meere. Bor
ſeinem Tod aber gab er die Herrfdaft, nachdem fein
Gobhn A. von einem Enfel des A. getdtet worden war,
dem Bolfe zurück. Außer feinem Bruder Untandros
ſchrieben auch feine Zeitgenoſſen Timäos und Kallias
des A. Biographie. Bgl. R. Schubert, Geſchichte
des UW. (Bresl. 1887); Preisler, Zur Geſchichte des
YW. (Brinn 1890).
Agathon, gricd. Tragifer aus Uthen, geboren um
445 v. Chr., der durd Schonheit, Reidtum und Bil: |
dung ausgezeichnete Freund des Curipides und Fla-
ton. Letzterer verewigte das Gajtmahl zur Feier ſeines
dramatifden Sieges 416 durd) fein ⸗Sympoſion«;
mit erjtermt weilte er am Hofe des Archelaos von
Matedonien, wo er um 402 gejtorben gu fein ſcheint.
Wieland hat ihn jum Helden feines Romans »A.«
gemadt. A. führte manderlei rhythmifde und muſi⸗
falijde Neuerungen ein, war aud) der erjte, Der in
jeiner Tragödie »Anthos« (» Die Blumec) den Stoff
nicht Dem Wythus entnahm, fondern frei erdidtete.
Sein Stil war zierlich und geziert nad dem Muſter
des Sophijten Gorgias. Die Vruchitiide feiner Dich:
tungen in Nauds »Tragicorum graec, fragmenta«
(2. Aufl., Leipz. 1889). Vgl. Ritſchl, Opuscula,
Wd. 1 (Leip. 1866).
Agathophyllum, ſ. Ravensara.
Agathésma Willd. (Woblqerud), Gattung
der Rutazeen, immergriine Strauder mit Meinen,
flachen oder fajt Dreifantigen Blättern, an der Spite
der Zweige in Dolden oder Köpfchen jtehenden, weijen
oder rdtlidjen Bliiten, etwa 100 Arten in Sildafrifa,
von denen mehrere als Sierpflanjen tultiviert werden.
Agãtiſche Inſeln (Agaten, ital. Egadi), Jnfel-
qruppe nabe der Weſtküſte von Sizilien (ſ. Narte »Si-
jilien«), zuſammen 43,2 qkm (0,8 OM.) groß mit
(1901) 6414 Einw. Die größten find: Levango (j.d.)
im N. Faviqnana (j.d.) im S., Marittimo (j.d.)
im BW. Zwijden Levanzo und Sizilien liegt die Klip—
peninfel Formica. — Bei Favignana erfodten die
Romer unter P. Valerius Falto 241 v. Chr. über
die Rarthager den Seeſieg, der den erjten Puniſchen
Krieg beendigte. {Weile, = 3 Berri — 5001 m. |
Agatich (perf. Farfang), die bisherige titrfifde |
Wgan, Volfsitamm in Ubeffinien, sur athiopijden |
Familie der Hamiten gehörig, die Ureinwobhner ded |
abeſſiniſchen Alpenlandes, die nod) heute den Grund: |
jtod der ganjen dortigen Bevölkerung bilden, unver-
falfdt aber nur in der Proving Agaumeder und in
Der cigentliden Proving A. wohnen ; dod wird iiberall,
wo unter Der fultivierten Bevdlferung Tigré und Am⸗
bara herrjden, Wl. oder Hamtinga (Hamra) gejproden.
Agaue, im griedh. Mythus Todter des Kadmos
und Der Harmonia, Gemahlin des Edion und von
Diejem Wutter des Bentheus (f. d.).
Agave L., Gattung der Amaryllidazeen, Gewächſe
mit qrojen, rojettenformig gejtellten, fleiſchigen, dornig
qejabnten oder dünnern ganjrandigen, bisweilen be-
wimperten Blättern, hohem Bliitenfdaft und fande
laberartiger Uliitenrijpe mit febr zahlreichen glocken—
formigen, honigqreiden und ſchön duftenden Blüten.
50 Arten m WMerifo, dem ſüdlichſten Teil Nordame—
rikas und in Südamerika. A. americana L. (Ma-
quer, Meth), in Merifo, fam aus Siidamerifa 1561
nad Europa, ijt fiber alle tropifchen und fubtropi
ſchen Gegenden, auc fiber gany Siideuropa (nördlich
bis Bozen) verbreitet, jum Teil verwildert. Sie hat
1—3 m lange, oft iiber 20 cm breite, graugriine
Agathon
go
leicht, gelblichweiß, glänzend, ftirfer und elaſtiſcher
— Agde.
Blatter, treibt im Alter von 6—10 Jahren einen über
10 m hoben Blütenſchaft mit gelbgriinen Bliiten und
jtirbt nad) dem Reifen ihrer dattelartigen Friidte ab,
während zahlreiche Wurzelſchößlinge, die man que
Bermehrung benutzt, hervortreiben. Bei uns in Ge-
widshaufern gelangt die A. oft erjt nad) 40—60 Jah-
ren zur Blüte (hundertjabhrige Uloe). Sie wurde
jdon von den alten Merifanern angebaut. Gobald
jid) der Blütenſchaft zeigt, ſchneidet man die Gipfel-
tnofpe heraus, fo dak cin Reffel von 0,5 m Durchmeſ⸗
jer entſteht. Diefer fiillt fid) 1— 6 Monate lang täg—
lid) mit zuckerreichem Safte, Der nad) der Gärung m
ledernen Gaden den Bulque, das Rationalgetrin€
der Werifaner, darjtellt. Cine Pflanze liefert bis
1100 kg Saft. Durd Röſtung der Knoſpe und der
jlingjten Blatter und Garung erhält man den febr
alfobolreicen Mescal. Die flanze wird als Hecien⸗
pflanze und gur Befeſtigung von Flugſand angebaut.
Die Blatter enthalten cine ſ -feite Rater Bitafa fer),
die auf cinfadje Weife gewonnen wird. Die Wurzel
benubt man in der Heimat arzneilich. Die Blatter wer -
den gegefien, Dienen aud) zum Daddeden, ihre Dor-
nen als Nägel, ju Pfeilfpiben, die Blütenſchäfte gu
Langenjtangen x. A. rigida Mill. (Chelem, Hene«
quen, Sacci, f. Tafel »Faferpflangen II«, Fig. 5),
in Yucatan, tultiviert in Wejtindien und Deutſch Oſt⸗
afrifa, liefert den Sifalbanf. Wud) von andern Arten
werden Faſern gewonnen, und von einigen wird der
wie bei A. americana gewonnene Saft, naddem er
vergoren ijt, sur Gewinnung von Branntwein dejtil-
liert. A. heteracantha Zuce. (Artle, Iſtle), im
norddjtliden Merifo, in Teras und Rew Mexico, wird
zur Gewinnung von Fafern (Tampifofafer) fulti-
viert; aud) andre Arten liefern dieſe Faſer. A. vivi-
para L., mit jebr reidlider Bildung junger Pflanzen
in Den Udjeln des Bliitenjtandes, ijt in Ojtindien ver-
wildert, licfert ben Bombay-Aloehanf. Yn Weſt—
indien zur Fafergewinnung fultivierte Ugaven werden
als Rerratto bezeichnet. Sei uns werden viele Urten
(A. atrovirens, ſ. Tafel »Zierpflangen I<, Fig. 8) als
Sierpflangen gezogen und frojtfrei tiberwintert. Bal.
Terracciano, Primo contributoad una monogra-
fia delle A. (Reap. 1885); iiber A. americana: Da-
nielli im »Nuovo Giornale botan. italianas, 1885.
Agavefafer (VWilochanf, Pita, Domingo-,
Tampifo-, Rampefde-, Siſalhanf, Hene-
quen, Bombay-Aloehanf, Rerratto, Mexican
fibre, Mexican grass), aus den Blättern mebhrerer
vearten in Umerifa, Ojtindien und Algerien, ähn⸗
wie die Flachsfaſer gewonnene Geſpinſtfaſer, ijt
al8 Hanf, barter und weniger biegſam als Manila-
hanf, widerjtebt Der Näſſe und erlangt unter Waſſer
jogar cine geſteigerte absolute Feſtigleit. A. dient zur
Herſtellung von Tauen, die viel ſtärker und elaftijder
als hinfene find und nicht geteert zu werden brauden,
aud) ju Breitfeilen fiir Bergwerfe, zu Pactiidern,
Kaffeeſäcken, Teppiden, Rapier und als Yndiafafer
zu Boljterungen.
Agde (ivr. ago’), Stadt im franz. Depart. Hérault,
YUrrond. Béziers, am Fluß Hérault, 4 kim von feiner
Miindung ing Mittelmeer, Knotenpuntt an der Siid-
bahn, am Fuße des erlofdenen Bulfans von St.-Loup
(Mont d'V..), hat eine alte Kathedrale, Handelsgeridt,
ollege, hydrographiide Schule, Hafen und (190
8626 Einw., die Küſtenhandel, Fiſcherei, Schiffbau,
Seeſalzbereitung, Fabrifation von Seilerwaren u. a.
betreiben. A. ijt Das alte Agatha, urfpriinglid) cine
Kolonie Der Maffilier, und war bis 1790 Bijdofsfig.
Agdiftis — Agens.
MAgdiftis , Beiname der Nybele (ſ. d.).
Age (Urin), duntelgelbes, butterähnliches Fett,
wird von merifanijden Yndianern aus einer Sdild-
laus (Coccus axin) bereitet, die fie in Blantagen auf |
Schinus molle ziidten. Es riedt angenehm, arnifa-
ähnlich, bildet an der Luft eine orangerote harte Rrujte
und auf der Haut nach rt des Kollodiums cine Mem-
bran und wird deshalb in Merifo in der Medizin be-
nupt. Die A. bejteht aus Glyzeriden der Laurinſäure
und der Urinfadure C,,H,,O,. Legtere überzieht ſich
an der Luft mit cinem Hautden und erjtarrt in diin-
nen Schichten volljtindig. Dabei verwandelt fie fid
in Fy mer und amorphes Aginin.
Aged (engl., for. ebſcd), f. Alt.
eladas, griech. Bildhauer, Haupt der pelopon-
neſiſ Schule, lebte wahrſcheinlich feit 515 v. Chr.
in Urgos, ſchuf Erzbilder de3 Zeus, des Herafles und
ciner Muſe, mit Bortiebe aber Ehrenjtatuen fiir die
Sieger in den Kampfſpielen. Daß Polyflet, Pheidias
und Myron feine Schiiler geweſen feien, beruht auf
einer unbegriindeten tiberlieferung.
Agelastica, {. Blattfifer.
Agen, ſ. Fads.
gen (ivr. afhing), Hauptitadt des franz. Depart.
Lot-et-Garonne, rechts an der Garonne, an der Or-
leans⸗ und der Südbahn, hat eine Rathedrale, eine
{chine Hangebriide und einen Uquaidult des Seiten:
tanals der Garonne, der hier den Fluß mit 23 Bogen
iiberfept, Metallgicherei, Fabrifation von Tuch, dhemi-
ſchen und pharmazeutifden Broduften, Handel mit
Vieh, Pflaumen xc. und (901) 20,879 Einw. WL. ijt
ar des Prifelten, cines Biſchofs, eines Uppell- und
Uffifenhofes, cines Handelsgeridts und hat ein Ly-
scum, cine Normalſchule, Handelsfdule, eine Biblio:
thet, cin Mufeum und Archiv. Es ijt Geburtgort des
aie Joſeph Scaliger, des Naturforjders Lacé:
pede und des Dichters Jasmin. — Im Altertum war
YW. (Aginnum) Hauptitadt der Nitiobriger, ſpäter der
Landſchaft Agenais in Guienne.
Agence Havas, |. Havas, Agence.
Agéende Se renogenen v. fat. agenda, · was
etan werden foll«), in der alten Kirche Bezeichnung
Fie ſämtliche qgottesdienjtlide Handlungen, im Vittel-
alter insbeſ. fiir die Mejje und das Offizium, diente
als Name eines die firdliden Gebete, Unypraden und
Seqnungen zuſammenfaſſenden Budes, vor der Re-
formation äußerſt felten (ein folded hieß im Dtittel-
alter sacerdotale, manuale, rituale), häufiger in den
Reformationstirden, die jedoch ihre Vorſchriften fiir
den Gottesdienjt meijt unter bem Namen der Stirden-
ordnungen gegeben haben. Unter den lutherifden
Ugenden und Kirdenordnungen des 16. Jahrb. ſchlie⸗
fen fic) einige eng an die fatholijden Gebräuche an,
wie die Brandenburger Rirdenordnung von 1540,
bie öſterreichiſche A. von 1571; andre, wie die herzog—
lid) preußiſche Kirchenordnung von 1525, die braun:
ſchweigiſche von 1528 ꝛc., jtellen fic) ganz auf den von
Luther in der »Formula missae« (1523) eingenom-
menen Standpuntt, während die wiirttembergifden
Rirdenordnungen von 1536 und 1555 fowie die
Pfälzer Don 1554 2c. ben fatholifden Ordo missalis
gänzlich verlajjen und durch radifalere Umgejtaltung
ded Gotteddienjtes cin reformiertes Gepriige erhalten.
In der reforniierten Kirche unterſcheiden * die Kir⸗
chenordnungen des 16. Jahrh., je nachdem ſie einen
mehr Zwingliſchen Typus (ſo die Züricher und die
Baſeler, beide von 1529) oder einen mehr Calvini—
ſchen (wie die verſchiedenen Genfer von 1536 und
1541 xc.) tragen; in den deutſch⸗reformierten Kirchen
165
| ordnungen zeigt fid), wie in der Kirchenordnung ded
Pfalzgrafen Friedrich von 1563 und den heffijden
| von 1566 und 1573, eine lutheranifierende, rejp. unies
rende Tendenz. Ebenfalls aus einer Vermittelung zwi⸗
ſchen der reformierten und lutherifchen Gottesdienſt—
ordnung ijt das vielfach auf alttirdlide Gebräuche
zurückgreifende »>Common Prayer Booke«, die angli-
fanijde U., hervorgeqangen (val. Unglifanijde Rirde).
Gegen den Schluß des 18. Jahrh. tauchen in den pro-
tejtantifdjen Kirchen Ugenden auf, die einen von denen
der Reformationszeit abweidenden, dem Geijte der
Aufklärung und des Rationalismus fic anpafjenden
Eharatter tragen. Die Rückkehr gu den Gottesdienjt-
ordnungen des 16. Jahrb. beginnt mit der preußiſchen
U. feit 1816 (vgl. Ugendenjtreit), und nad dem BVor-
bilde Preußens erfolqte aud) in den andern evangeli-
ſchen Landestirden Deutidlands cine Rückbildung zu
den alten agendarifden Formeln, fo 3. B. in Wiirt-
temberg durch das Kirchenbuch von 1843, in Bayern
durd den Entwurf einer A. von 1857, in Sachſen durch
den Entwurf einer U. fiir die evangeliſch-lutheriſche
Landesfirde von 1878 xc. Val. Ridter, Coangelifde
RKirdenordnungen des 16. Jahrhunderts (Weim. 1846,
2 Bde.); Jacoby, Die Liturgif der Reformatoren
(Gotha 1871—76, 2 Bde.); G. Rietidel, Lehrbuch
der Liturgif, Bd. 1 (Berl. 1900). — Allgemein be:
deutet A. aud) foviel wie Notizfalender.
Ugendenftreit, cin Streit, der fid) an die Ein—
fiihrung der preufifden Hofagende 1816, bez. 1822
knüpfte. Es beteiligten ſich dDaran nidt nur die be-
deutenditen Theologen, wie von entgegengefepten
Standpunften aus Sdleiermader und Auguſti, fon-
dern aud) König Friedrich Wilhelm IIL. felbjt. Bor
Sdleiermader wurde namentlic& das epiffopale Recht
des Königs, liturgifdhe Unordnungen gu treffen, an-
geariffen. Der 1826 fiir bie Unionsfirde entſchiedene
. gab den nächſten Anlaß zur Bildung der altluthe-
rifdjen Rirde. Vol. Union. — Als nad langer Bor-
bereitung der preußiſche Oberkirchenrat 1893 einen
Entwurf ju einer neuen, verbefjerten und vermehrten
Gejtalt der Ugende herausgab, erhob fid) nicht nur
von feiten der gejamten liberalen Theologie wegen
der Stellung, die dem Apoſtolikum bei Taufe, Ron-
jirmation und nad den Befdliijjen der Generalfyno-
dalfommiffion aud) bei ber Ordination eingeräumt
wurde, fondern aud) von feiten liturgiſcher Wutori-
täten der lebhafteſte Widerſpruch dagegen. Dennod)
wurde 10. Rov. 1894 die neue Agende mit einigen
unweſentlichen Modififationen durd) dic außerordent⸗
lide Generalfynode einſtimmig angenommen (Rir-
chengeſetz vom 18. Juni 1895).
enefte (griech.), unvollfommence oder unterblie-
bene embryonale Bildung von Organen oder Körper⸗
teilen; aud) Unfrudtbarfeit der Frauen.
Agenor, Name mehrerer mythijder Helden der
Griechen. 1) Sohn des Pofeidon und der Libya,
König von Phönikien, Vater des Madmos und der
Europa, fandte nad) Entfiihrung der Europa (j. d.)
durd) Zeus feine Sohne aus, fie gu ſuchen. Da er
ihnen die Heimfehr ohne dieſe verboten, ließen fie ſich
an veridiedenen Orten in der Fremde nieder.
2) Einer der tapferiten Helden der Trojaner, Sohn
des Untenor und der Theano, Unfiihrer bem Sturm
auf das griechifde Lager, ward nadmals von Neop-
tolemos getitet.
Agens (lat., »wirkend«, Mehrzahl Agenzien),
im allgemeinen foviel wie wirlende Ürſache oder Kraft,
ſpeziell eine Kraft, wie die chemiſche Verwandtſchaft, in⸗
folge deren verſchiedenartige Stoffe Verbindungen mit⸗
166
cinanbder eingehen, oder die Rohajion, welde die Teile
ein und desſelben Körpers zuſammenhält und dejjen
Feſtigkeit bedingt. Jn der Chemie aud) Körper, jofern
fie cine Wirkung hervorbringen, Agenzien.
Agent (lat., »cin Handelnder<), Bezeichnung fiir
Gefcdaftsvermittler der verſchiedenſten Art; Agen—
tur, Agenturgeſchäft, Agentſchaft, Agentie,
Bezeichnungen fuͤr den Geſchäftsbetrieb eines Agenten.
Dem Haupt- oder Generalagent, der den ganzen
Geſchäftsbetrieb unter fich hat, jtehen Unter- oder
Spejsialagenten fiir cinzelne Geſchäftszweige oder
bejtinrmt abgegrenste räumliche Gebiete sur Seite.
Man fpridt von Hofagenten, welche die Privat:
intereſſen cines fiirjtlichen Hofes wahrnehmen; von
diplomatifden Ugenten, die im Uuftrag einer Re-
gierung fiir dieſelbe im Uuslande tatig find; von
eheimen UAgenten, im Gegenfage zu den dffentliden
genten, wie Geſandten, Ronfuln; von Konſular—
agenten, d. bh. von Privatbevollmadtigten der Ston-
juln, die mit Genehmigung des Reidstanglers die
Geſchäfte Der Ronfuln fibernehmen können, die feine
obrigfeitliden Befugniſſe vorausjepen; von Reidhs-
banfagenten, die den Reid@sbantagenturen,
bd. h. Bantnebenjtellen, die von einer Zweigniederlaſ⸗
jung der Reichsbank refjortieren, vorjteben; von Ver= |
fiderungsagenten,Gilteragenten,Auswan: |
dDerungsagenten, Börſenagenten, Export-|
agenten x. Befondere Vorſchriften gelten fiir die |
Verjiderungs- und Auswanderungsagenten. Erjtere
haben die Erdjfnung, bes. die Schließung ihrer Agentur
innerhalb Der nächſten acht Tage der zujtindigen Be: |
hörde anzuzeigen (GewerbeordDnung, § 14), leptere
find durch das Geſetz über das Auswanderungsweſen
vom 9. Juni 1897 im Intereſſe Der Allgemeinheit
einer Reihe von Beſchränkungen unterworjen. BWeit-
aus die widtigite Rolle unter allen Ugenten fpielen
die Handlungsagenten. Während bisher die
Redhtsverhiltnijje der Handlungsagenten tiberaus
ſchwanlend und teilweife verworren waren, da es an
einer geſetzlichen Regelung derfelben feblte, hat das
neue Handelsgefesbuch vom 10. Wat 1897 durch die
$ 84—92 das fiir unfer modernes Geſchäfts- und
Wirtidafisteben unentbehrlide Inſtitut der Handels-
agenten eingehend geregelt. Danad verjteht man unter |
einem Dandelsagenten, wer, ohne als Handlungs-
qebilfe angeftellt su fein, ſtändig damit betraut tit, |
fiir Das Handelsgewerbe eines andern Gefchafte ju
vermitteln oder im Ramen des andern abzuſchließen
($ 84). Sein Geſchäft gilt als Handelsgewerbe im
Sinne des § 1, Abſ. 2, 8. 7, des Handelsgefepbuches. |
Vom Handlungsgebhilfen (ſ. d.) unterfdeidet er ſich
dadurch, daß er nicht Ungeitellter eines andern, fon-
dern felbjtandiger Geſchäftsmann ijt; vom Handels-
mafler (ſ. d.) dadurch, dak er in emem ftandigen
Vertragsverhiltnis ju dem Geſchäftsherrn fteht; vom |
Kommiſſionär (j. d.) endlich Dadurd, dak er ſeine Ge-
ſchäfte nicht tm eignen Ramen, fondern als Bevoll-
mächtigter im Namen des Geſchäftsherrn abſchließt.
Deshalb tragt der Handlungsagent aud das Riſilo
feines Unternehinens und die often desfelben, wie
er auch fiir gewöhnlich Dem Geſchäftsherrn gegenüber
weder das Delfredere wegen des dritten Kontrahenten,
nod) Ddiefem gegeniiber die Haftung fiir rechtzeitige
und richtige Lieferung übernimmt.
Die Pflichten des Handlungsagenten gegenüber
dem Geſchäftsherrn beſtimmen ſich in erſter Linie
nad) dem zwiſchen beiden abgeſchloſſenen Dienſtver—
trag liber Die Geſchäftsbeſorgung, dem fogen. Agen
turvertrag, auf Den die Bejtimmungen der $611 ff.
Agent.
und 675 des Bürgerlichen i Sg Unwendung
jinden. Das Handelsgejesbud) jelbjt aber beſtimmit
nod, daß der Handlungsagent bet feinen Verrid)-
tungen mit der Gorgfalt eines ordentliden Kauf—
manns die Intereſſen ſeines Geſchäftsherrn wahrzu⸗
nehmen, ihm die erforderlichen Nachrichten zu geben
und namentlich ihm von jedem Geſchäftsabſchluß un-
verzüglich Anzeige zu machen bat (§ 84). Bejonders
ijt hervorzubeben, daß er fid) iiber die Zablungs-
fabigteit des Gegenfontrahenten ju vergewiijern und
hierüber guverlajfige Uustunft ju erteilen bat. Neben
jeiner Tatigleit fiir den Geſchäftsherrn jteht ihm jeq-
liche Tatigteit, alſo ſogar der Betrieb eines Ronfur-
renzgeſchäfts (andrer Anſicht Cofad, Handelsredt,
S. 239, Stuttg. 1900), frei, wenn und ſoweit da-
durch das Intereſſe feines Geſchäftsherrn nicht verletst
oder doch becintridtigt wird. Dit er nur mit der
Vermittelung von Geſchäften betraut (Vermitte-
lungsagent im Gegenfage jum Abſchlußagen—
ten, der beredhtigt ijt, im Namen des Geſchäftsherrn
abzuſchließen), fo wird die Genehmigung des Geſchäfts⸗
herrn angenommen, es fei denn, daß Derjelbe nach
RKenntnis vom Abſchluß dem Dritten unverzüglich die
Ublehnung des Geſchäfts erflart (§ 85).
Ebenſo bejtimmen fic aud) die Rechte des Hand-
{ungSagenten in erjter Cinie nad) dem Wgenturverirag.
Im eingelnen beſtimmt das Handelsgejesbud noch,
dah er Mangelanjeigen, Zurverfiigungjtellungen,
Vorſchlãge tiber Anderung der Lieferungsmodalitaten
und ähnliche Erklärungen entgegennehmen, Zah—
lungen annehmen, nachträgliche —— — aber
nur bei ausdrücklicher Ermadtiqung hierzu gewãhren
darf (§ 86). Für ſeine Tätigkeit hat er Anſpruch auf
eine Vergütung, die fogen. Proviſion oder Kom—
miſſion. Erworben iſt dieſer Anſpruch aber erſt
dann, wenn durch ſeine Tatigheit ein Geſchäft gu
ſtande gelommen, oder wenn der Geſchäftsherr
grundlos die Ausführung desſelben unterlaſſen bat.
er Bezirksagent, d. h. der ausdrücklich fiir einen
beſtimmien Bezirk beſtellte Handlungsagent, hat An—
ſpruch auf Proviſion auch für die in ſeinem Bezirk
ohne ſeine Mitwirkung durch den Geſchäftsherrn oder
fiir dieſen geſchloſſene Geſchäfte, die ſogen. direkten
Geſchäfte. Die Abrechnung über die zu zahlende
Proviſion findet im Zweifel am Schluſſe jedes Ka—
lenderhalbjahres ſtatt. Hierbei farm er einen Bücher⸗
auszug über die durch ſeine Tätigleit zu ſtande ge—
tommenen Geſchäfte, bes. über die direkten Geſchäfte
. oben) fordern, nicht aber lann er, nach einer Ent-
ſcheidung des Reidsgeridhts vom 12. Yan. 1900,
Einſicht m die Handlungs- und Gefdajtsbiider for-
dern. Beendigt wird der Ugenturvertrag durch Ublauf
der Zeit, auf die er gefdlofjen, durch Aündigung feds
Woden vor Yolauy eines Nalendervierteljahres oder
beim Borliegen eines wichtigen Grundes, woriiber dad
Ermeſſen des Richters enticheidet, ohne Cinhaltung
einer Kündigungsfriſt. Bgl. Jaenſiel, Das Redt der
YUgenten und Makler, 1. Heft (Berl. 1899); Ammer
wahr, Recht der Handlungsagenten (Wrest. 1900).
In Oſter re ich nennt man — ⏑ ——
jene Perſonen, die auf Grund beſonderer ſtaatlicher
Erlaubnis all die Geſchäfte vermitteln, bez. führen
dürfen, die nicht beſtimmten Perſonen vorbehalten
ſind. Unter Militäragenten verſteht man Per—
ſonen, die nach Ablegung einer Prüfung vom General⸗
| fommiando ermächtigt werden, als Parteivertreter vor
Militärbehörden aufjutreten. Börſenagenten end—
lich nennt man in Wien eine gewiſſe Gattung von
Wechſel⸗, Geld- und Aktienmallern. Ju England
i
und den Vereinigten Staaten verjteht man unter
Agents provocateurs — Ageſilaos.
167
zwiſchen den Patriziern, welde die oceupatio als Pri—⸗
U. eine Perſon, die gleichzeitig unferm Ugenten, Kom- | vileg anjahen, und den Plebejern, dann zwiſchen der
miffionar, Mafler und Faltor ent{pridt. Commercial
agents (Handelsagenten) nennt man nicht jurijtifd
gebildete Perſonen, die infonderheit fic) mit der Re-
ulierung von Nachlaß⸗ und Konkursſachen befafjen.
Rn Franfreid verjteht man unter U. nidt nur den
fiir einen bejtimmten Fall Bevollmadtigten (manda-
taire), fondern aud) den in dauernder Weiſe im Dienſt
einer privaten oder dffentliden BVerwaltung Unge-
jtellten (fonctionnaire), wie 3. B. Agents de change,
Wedhfelagent, Agents forestiers, Forjtbeamte, Agents
judiciaire du trésor, Regierungsjistal 2.
Agents provocateurs (franj., fpr. aſchang pro:
wotatir), meiſt Gebilfen der geheimen Polizei (»Lod-
ſpitzel ·), die politiſch verdächtige Berjonen, ſich in
deren Vertrauen einſchleichend, zur Offenbarung ihrer
Geſinnung, auch wohl ſelbſt zur Begehung ſtrafbarer
Handlungen veranlaſſen, um ſie der Beſtrafung zu
ilberliefern. Der Agent provocateur ijt als Anſtifter
(j. d.) jtrafbar, wenn fein Vorſatz auf die Herbeifith-
rung einer ftrafbaren Handlung geridjtet war; der
weitere Zwech feines Tuns ſchützt ibn nicht vor ftraf-
redjtlider Berantwortlicdfeit. l. Heilborn, Der
Agent provocateur (Berl. 1901).
engia Stefani (pr. adig-), ſ. age essing
Agengzien (lat.), ſ. Ugens. (bureaus.
Ager, Abfluß des Utterjees, miindet nad 27 km
fangem Laufe bei Lambad in die Traun, führt der-
felben bic Gewäſſer des Utter, Mond⸗, Zeller- und Fu⸗
ſchelſees gu und nimmt bei Vöcklabruck die Bddla auf.
Ageratum L. Gattung der Nompofiten, Kräuter
oder Striuder mit ebenſträußigen lodern oder did-
ten Bliitenrifpen, in Brajilien, Mittel- und Nord-
amerifa. A. conyzoides L., in den wärmern Gegen-
den der ganzen Welt, einjährig, mit blauen Bliiten,
wird wie die ausdauernde A. mexicanum Sims. in
mehreren Varietäten in Garten fultiviert.
Ngéeri, zwei Verggemeinden ded ſchweizer. Rantons
Bug: Oberaigeri (1900: 1878 Cinw.) am Nord-
ufer, Unterdgeri (2589 Einw.) am untern Ende
des fifchreidjen, 7 qkim grofen Ugerifees (auf ihm
Dampfidiffahrt), 728 m ii. M., der durd) die Lorze
in den Zugerſee entwäſſert wird. Jn Unterägeri be-
fudjte3 Sanatorium fiir ftrofulife Rinder. Südöſtlich
vom Gee liegt ber Morgarten (f. d.).
Ager publicus ({at.), im alten Rom die Stants-
dominen, die aus den den befiegten Feinden ab-
—— Ländereien (gewöhnlich ein Drittel) ge-
ildet worden waren. Teile dieſer Ländereien wur-
den bisweilen einzelnen Bürgern oder neubegrün⸗
deten Kolonien als feſtes Eigentum überwieſen (ager
privatus assignatus) oder aud) von den Quäſtoren
unter ber Bedingung verfauft, dak der Staat Grund-
cigentiimer blieb und ihm eine wirkliche oder aud) nur
nominelle Abgabe (vectigal) gejahlt wurde (ager
— vectigalisque oder quaestorius); der größte
eil verblieb den alten Cigentiimern, aber nidt als
freies Eigentum, fondern als abgabepflichtiges Staats:
land (a. p. stipendiarius); die unter Verwaltung des
Staats behaltenen Teile wurden von den Seatac
verpadtet. Bon unfultiviertem Lande gejtattete der
Staat vorläufige Befiserqreifung (occupatio) und
Nutznießung (usucapio) gegen eine Abgabe und unter
Vorbehalt der Wiedereinziehung ; folded Land fonnte
vererbt und veräußert werden, follte aber nie in
Cigentum übergehen und hieß possessio. Dieſe Cin-
ridjtung führte ſchon in den erjten Zeiten der Republit
nidt mehr bloß patriziſchen Nobilitat und den unbe-
mittelten Biirgern, die nicht nur Anteil an dem neu-
erworbenen A. p., fondern aud) durchgehende Bertei-
{ung der vorhandenen possessiones verlangten. Cine
Reibe von Udergefegen (leges agrariae) brachten
feine Abhilfe; felbjt bas wohltätige Gejeg des Gaius
Licinius Stolo (366 v. Chr.), dad den Höchſtbeſitz an
A. p. auf 500 iugera (31 28,2 Yr) feſtſetzte, verlor auf
die Dauer feine Wirfung. Der infolge der großen
Kriege und der umſichgreifenden Latifundienwirt-
jdaft dDrohende Untergang des Bauernjtandes und
die gunehmende Verarmung der Kieinbiirger veran-
laßten die beiden Gracden Tiberius (133) und Gas
jus (123) (f. Gracdhus) gu neuen Ugrargefepen, welde
die Aufteilung des vorhandenen A. p. und der, 500
iugera iiberjteigendDen possessiones an arme Biirger
jum fejten, unverfiufliden, mit einer Staatsabqabe
belafteten Beſitz bezwedten; aber nad ihrem Tode
famen die zwar durd) Volksbeſchlüſſe qenehmigten
Geſetze infolge des Widerſtandes der Nobilität und
andrer Schiwierigfeiten nidt sur Durchführung. Viel-
mehr wurde ſchließlich Das Staatsland den Anhabern
al8 abgabenfreies Brivateigentum überwieſen, fo daß
fiir Wit nationen nur ber eigentlicdje A. p. verbfieb.
In der Kaiſerzeit gab e3 in Italien fajt feimen A. p.
mehr; was davon nod vorhanden war, fiel allmählich
Dem faijerlidjen Fiskus ju, ebenfo der A. p. in den
Provinzen, der befonders fiir Ufjignationen an Vete-
ranen verwendet wurde.
Agershus, norweg. Umt, f. Alershus.
Ageſaͤndros, gried). Bildhauer, ſ. Laofoon.
Agefildos, jpartan. König, Sohn des Urdhidamos,
geb. 444 v. Chr., geft. 360, einer der am meiſten be-
wunbderten Feldherren des Altertums, folgte in der
Regierung feinem altern Bruder, Agis (401), nad-
dent er dejjen Sohn Leotydhides mit Hilfe des Damals
miidtigen Lyfandros verdrängt hatte. Um die grie—
chiſchen Städte wieder von Perſien zu befreien, Rte
U. 396 mit 8000 Dtann nad) Kleinaſien iiber, er-
oberte einen Teil Kleinaſiens und ſchickte ſich eben an,
in das Herz der perſiſchen Monarchie cingudringen,
als er nad) Griechenland zurückbberufen wurde, weil
die Athener, Argeier, Korinther und Thebaner auf
Anſtiften der Perſer den Spartanern den Krieg ers
flirt hatten. Auf dem Marſche nad dem Peloponnes
traf A. in Böotien auf ein feindliches Heer, das ihm
den Weg verlegen wollte, und ſchlug dasſelbe in der
Sdladt bet Roroneia (394). Dann fehrte er nad
Sparta guriid, rubte aber nidt, fondern leitete die
Feldzüge feined Volles aud) in den nächſten Jahren,
befonders während des fogen. Rorinthifden Krieges
(j. d.). In den Sdhladten bei Leuftra und Manti-
neia filbrte er nidjt den Oberbefebhl, rettete aber zwei⸗
mal, 370 und 362, dDurd) Diut und Befonnenheit
das von Epameinondas ſchon bedrobte Sparta, er-
fannte den nad der Schladt von WMantineia ge-
ſchloſſenen Frieden nidt an und wollte fid) 361 an
der Spite eines geworbenen Heeres in Agypten die
Mittel fiir die Erneuerung des Krieges beſchaffen.
Er unterjtiigte Den Konig acho bei feiner Empö—
rung gegen den Perjerfinig, dann, mit dieſem zer—
fallen, feinen Better Reftanebos (II.), erfranfte aber
auf der Riidfehr und ſtarb. Bon Statur unanſehnlich
und an einem Fue lahm, hatte A. wegen feiner gei-
jtigen Vorzüge und feiner fpartanijden Sittenjtrenge
viele Bewunderer. Sein Leben ijt von feinem Freunde
ju ununterbrodjenen erbitterten Kämpfen zunächſt Xenophon, von Plutarch, Corn. Nepos und Diodor,
168
unter den neuern Gefdhidtsforidern von Hertzberg
(Halle 1856) und A. Buttmann (daſ. 1872) be-
ſchrieben worden.
genus, miythiſcher König von Uthen, Sohn des
RKandion, Enfel ded Kekrops, entriß mit Hilfe feiner
Briider Pallas, Rifos und Lyfos den Söhnen feines
Oheims WMetion, die feinen Vater vertrieben hatten,
Attika wieder und erbhielt die Oberherrjdaft. Selbjt
aber von feinem Bruder Ballas und dejjen Söhnen
gejtiirst, wurde er von feinem Sohne Thefeus (j. d.) |
wieder auf den Thron gcleyt. Wis Thefeus, um Uthen
von dem ſchmählichen Tribut zu befreien, den es an
Minos ju jahlen hatte (jieben Jünglinge und fieben
Jungfrauen, f. Minotauros), nad) Kreta jog, ver-
fprad) er dem Bater, int Falle gliidlicher Riidtehr das
ſchwarze Segel des Schiffes mit einem weifjen zu ver-
taufden, vergaß es aber, und A. ſtürzte ſich in Dem
Wabhn, daß Thefeus umgefommen fei, in das Meer,
das von ihm den Namen de3 Ägäiſchen erhalten.
haben foll. Uber feinen Sohn Medos von der Medeia,
j. Medeia.
bung, bet Erfranfung der Sungenfdleimbaut, der
————— und gewiſſer Gehirnteile.
Ageus — Aggregatzuſtände.
Agevole ſital.,ſpx.abſchew⸗ Muſ.), beweglich, leicht.
Agfa-Verſtärker, Präparat zum Kräftigen zu
dünner photographiſcher Negative, beſteht aus Rhodan⸗
quedjilber - Doppelſalzen.
Agger (lat.), der Damm, inSbef. im rimijden Be-
lagerungswejen der in gerader Linie an einen Punkt
der feindlidjen Mauer gefiihrte, allmählich bis zur
Höhe derjelben anjteigende Sturmdamm.
Agger, Fluß im preuß. Regbez. Kiln, entſpringt
im Sauerländiſchen Gebirge, ijt 51 km weit flößbar
und miindet unterbalb Siegburg rechts in die Sieg.
Ugglomerat (lat.), aneinander Gehäuftes, aus
loder jufammengefiigten oder aud) wohl loſe neben-
einander liegenden, befonders edigen Triimmern be-
jtehendeds Gejtein, alfo foviel wie Allumulat (f. d.);
dann aber aud) cin Ronglomerat (f.d.), deſſen Trüm—
mer vulkaniſcher Natur find, an Ort und Stelle ver-
fittete Bomben und Lapilli.
AUgglomerationsfyftem, ſ. Muſeunmsgebäude.
Agglomerieren(lat.),;ujanumenballen,anhaufen.
AUAgglutination (lat., »Verflebung<), die Bereini-
qung der Rander von Schnittwunden durch eineSchicht
von gerinnender Flüſſigkeit (»plaſtiſcher Lymphe«),
wird unterſtützt durch Naht und Klebmittel (Agglu—
tinantia), z. B. Heftpflaſter, Kollodium ꝛc. YW. heißt
auch der Vorgang, der darin beſteht, daß in Bakterien
fulturen bei Sug von Blutjerum die einzelnen Bat-
terien klebrig werden und zu fidtbaren Flodden und
Häufchen fic) zuſammenballen. Befonders deutlich
ijt Die WL, wenn die Bakterienkultur mit dem Serum
eines von derſelben Bafterienart infizierten Indivi—
duums vermifdt wird; darauf berubt die diaqnojtifde
Bedeutung der A. Weiteres ſ. Immunität. Val. Köh—
ler, Das Agglutinationsphänomen (Jena 1901).
Ugglutinierende Sprachen find ſolche, die Wor
ter gum Swed des Beziehungsausdrucks an andre
Worter anfiigen, ohne daß cs, wie in den fleftieren-
den Sprachen, ju einer fejten Verſchmelzung kommt.
Cine fejte Grenze zwiſchen diefen beiden Spradgat-
tungen iſt freilich nicht su ziehen.
qravieren(lat.), eridweren, ſträflicher maden;
Ugqravation, Cridwerung, z. B. der Schuld, Strate.
gregat (lat., Anhäufung, Unfammlung:),
ein durch Vereinigung getrennter Teile entſtandenes
Ganzes. Insbeſondere wird jeder Körper als ein A.
aus voneinander getrennten (diskreten) Stoffteilchen
Wolekülen) angeſehen.
gregãten, difotyle Pflanzenordnung aus der
Ubteilung der Sympetalen, charatterifiert durch dicht
gedrangte, oft fopfige Blütenſtände, vier- bis Fiimf-
qliederige Bliitenfreije, häufig zum Schwinden nei—
gende oder als Pappus ausgebildete Relde und unter-
ſtändigen, mebrtetliqen, aber ecinjamigen Fruchtkno—
ten, begreift die Familien Valerianazeen, Dipſa zeen
und Kompoſiten.
+ 32226 , Unhaiufung, Haufwerk.
Aggregatzguftande. Nad dem Verhalten der
Körper gegen Zug: und Druckkräfte unterfdeidet nian
fejte, fliiffige und gasfirmige Körper. Feſte
Körper beſitzen Kohäſion und Verſchiebungselaſtizität,
d. h. zur Zerreißung oder Geſtaltänderung (Ver—
drillung) ijt eine endliche Kraft notwendig, und die
Geſtaltänderung wird beim Nachlaſſen der Kraft wie-
der riidgingig, falls die Stärke der Kraft cinen ge-
wiſſen Betrag, die Clajtizitatsqrenje, nicht überſchrit⸗
ten hatte. Flüſſige Körper bejiten wohl Kohäſion
Ugenfie (qried.), Mangel der Geſchmacksempfin⸗ (3. B. ijt gum Zerreißen einer Waſſerſäule cine Kraft
n
von ntindejtens 150 kg auf 1 qem Duerjdnitt er-
forderlid), wenn feitlide Rontraftion [Ouerjdnitts-
verminderung] verbhindert wird), dagegen ijt die Efa-
ſtizitätsgrenze der Flüſſigleiten —O, jie gejtatten nicht
die geringjte Dauernde elajtifde Deformation. Gaſe
bejipen aud) feine Kohäſion, dehnen fid) vielmehr
unter Einwirkung der fleinjten Kraft, ja felbjt obne
ſolche aus, ſoweit ihnen Raum geboten wird (Expanſiv⸗
vermigen). Die fejten Körper können ftarr, bart,
weich oder halbflüſſig fein; die Flüſſigkeiten zäh und
leichtflüſſig. Bei diejen beiden Körperklaſſen fann
man ferner ifotrope (amorphe) und anifotrope (fri-
jtallinifche) unterfdeiden. Die meijten Stoffe fommen
in drei (enantiotropen) WModififationen vor, von
denen cine felt, die andre flüſſig, die dritte gasförmig
ijt, und deren jede bei geqebenem Druc innerhalb
wijjer Temperaturgrengen bejtindig (jtabil) ijt (3. B.
Gis, Wajjer, Dampf). Nad der Vlolefularhypothefe
jollen dieſe WModififationen aus gleich befdaffenen
Wolefiilen bejteben und fic) nur dadurch voneinander
unterjdjeiden, daß Die Molelüle in veridiedener Weiſe
saggregiert« find, daher der Name A. Es foll aud
notwendig jeder Körper in drei und nidt mehr Wg
gregatzuſtänden auftreten. Dem entgegen hat O.
Le * ann (1876) nachgewieſen, daß es Körper gibt,
die mehr als drei A. beſitzen (z. B. ſalpeterſaures
Ammoniak hat zwiſchen O und 168° vier feſte Zu—
ſtände, f. Enantiotropie), und dak es Griinde gibt,
anzunehmen, daß Die Moleküle der Modifilationen
nicht gleich ſind. So beweiſen die Eigenſchaften der
flüſſigen Kriſtalle, daß die optiſchen Eigenſchaften
durch die Struktur der Moleküle bedingt ſind, die
optiſchen Eigenſchaften der Modifilationen zeigen aber
bedeutende — fomit müſſen die Mole-
küle verſchieden ſein. Die Analogie der Uggregat-
zuſtandsänderungen mit der Umwandlung ſogen.
Molelularverbindungen (3. B. kriſtallwaſſerhaltiger
Salze), die Exiſtenz beſtimmter, vom Drud abban-
giger Unuwandlungstemperaturen, die Bindung und
Entbindung von Wärme bei der Umwandlung, die
Uberfiihlungs- und Uberbhigungserideinungen x.
weiſen darauf bin, daly die Berfchtedenheit der Mole-
fiile in veridjiedener Größe Derjelben befteht. Nun
-ergeben aber die Molekulargewichtsbeſtimmungen
gleiche Größe des chemiſchen Moleküls in den verſchie⸗
denen Aggregatzuſtänden, fomit muß unterſchieden
werden zwiſchen phyſikaliſchen und chemiſchen
Aggregieren — ügidius a Columnis,
Molekülen, von welden erjtere als lofe Magrepate
der legtern gedeutet werden. Die fogen. drei A. eines
Körpers werden deshalb als phyſitaliſch-poly—
mere Modififationen desfelben bezeichnet (ſ. Iſo—
meric). Bgl. O. Lehmann, Molekularphyfil (Leips.
1888, 2 Bde.) und »Annalen der Phyſik⸗· 1900, Bd. 2.
Aggregieren (lat., »;ugejellen<), einen Offizier
einem Truppenteil, dejjen Uniform er triigt, zuteilen
behufs Gebaltssahlung x. Bei diefem tut er Dienjt
wie die andern Offiziere, oder er verfieht cine Dienjt-
jtellung außerhalb Der Truppe.
Aggreffion (lat.), Ungriff; aggreffiv, angrei-
fend, anfallend; angriffsweiſe.
Aggriperlen, ſ. Ufritanifde Ultertiimer.
Aggitein, wobhlerhaltene, maleriſche Burgruine
an der Donau in Riederdjterreidh, Bezirksh. St. Pöl⸗
ten, als Raubnejt wiederholt zerſtört.
ny stg Dorf im ungar. Komitat Gömör, mit
490 Cinw., fiidlich von Rojenau, berühmt durd die in
triafijdem ee eee UggtelelerLropf-
ſteinhöhle, aud) Baradla (»dampfender Ort«)
enannt (ſ. Tafel ⸗Höhlen I+, Fig. 5 u. 6). Sie
t cine Lange von 8500 m (wovon 5798 m auf den
Hauptarm entfallen), bejteht aus der fdjon feit Jahr⸗
Hunberten befannten alten und der neuen, von Adolf
Schmidl 1856 entdedten Höhle, ijt reid) an Tropf-
jteingebilden, enthalt Gänge, große Hallen, Sale und
mebrere Hiigel (Moriah, Libanon) und wird von
einem Bade durdjtrimt. Früher hatte fie nur einen
1 m hohen und 1,5 m breiten Eingang; 1890 wurde
cin neuer Ausgangsſchacht (5 Stunden vom Cingang)
hergeftellt, wodurd) die eit der Durdwanderung
von 16 auf 8 Stunden verfiir3t wurde. Wan nennt
jie Baradla, weil bei großer Differenz gwifden der
Hbhlen- und der niedrigern Lufttemperatur aus dem
Schlunde Diinjte emporjteigen. Außer Fledermaujen,
Fröſchen und Krdten lommen in der Hdble feine le—
benden Tiere vor, dagegen werden viele Tierknochen,
meiſt von urweltliden Höhlenbären, ebenfo aud
Menfdhentnoden, Topfiderben und Geräte gefun-
den. Val. Sieqmeth, Die Uggteleter Tropfſteinhöhle
{Eperies 1890).
Agha (mongol., »alterer Bruder<), friiher Titel
der tiirf. Offiziere bid zum Major, jest nur nod) Titel
der nicht sur Efendiklaſſe gehörigen Bürger und Un-
terbeamten. Im Hofjtaate des Sultans führt der
oberjte Eunuch des faiferlihen Harems den Titel
Kyslar⸗Aghaſſi (+ Herr fiber die Madden«) oder Dar:
us⸗Saãdet· Aghaſſi (⸗Herr des Haufes der Wonne«,
Dd. h. des kaiſerlichen Harems). Die Bureaudiener
auf der Hohen Pforte und in den Miniſterien führen
den Titel A., ebenſo die Unteroffiziere und die Unter-
leutnants in der Armee; der Titel wird dann, ebenfo
wie Efendi, Dem Cigennamen angehédngt, 3. B. Ahmed⸗
A. Militäriſch bezeichnet der Titel Kol⸗Aghaſſi (» Herr
des Fliigels<) Den Rang gwifden Hauptmann und
Major, Udjutant - Major.
Wghani (Kitab al-aghadni, »Bud der Ge-
fiinges) heißt ein hervorragendes arabijdes Sammel⸗
wert, verfakt von Ubul Faradfd Uli el Ißpa—
Hani (geb. 897 oder 898 in Ispahan, gejt. 967 in
Bagdad), der nach feiner ciqnen Uusfage 50 Jahre
lang daran gearbeitet hat. Die Bedeutung des Wer-
fe liegt auf poetiſch-muſikaliſchem Gebiete. Da es
aber aufer den ⸗Geſängen« zahlreiche Gloſſen gram-
matijden Ynhalts, wertvolle Biographien und aus-
führliche Nachrichten fiber das arabijde Altertum
enthalt, ſtellt es zugleich eine reiche Fundgrube ar-
chãologiſcher, biitoritdher und grammatiſcher Beleh-
169
rung dar. Wusgabe begonnen von Koſegarten (mit
lat. Uberſetzung, Greifsw. 1840), vollſtändig gedructt
in 20 Bon., Bulaf 1868—69, dazu Supplement von
Briinnow (Leiden 1888), Indices von Guidi (mit an-
Dern, daſ. 1900). — aus den A. gab Sfalhani
heraus (Beirut 1888, 2 Bde.).
Aghatſch (tiirf.), in zuſammengeſetzten Ortsna-
men, bedeutet » Baume.
UAghlabiden, arab. Dynaſtie in Nordafrita, von
den abbafidifden Ralifen eingeſetzt, aber tatſächlich
unabhängig, eroberte 827878 Sizilien, wurde 910
von den Fatimiden (jf. d.) geſtürzt.
Agiaden (Agiden), ſpartan. Herrſchergeſchlecht,
Rigiãloso, j. Achaia. j 8 1).
Rigide, j. Ygis. lI. Sats 1)
Lgidi, Ludwig Karl, Staatsredjtsgelehrter,
ge. 10. Upril 1825 in Tilfit, geſt. 20. Rov. 1901 in
erlin, war vom März bis November 1848 als Pri-
vatſekretär preußiſcher Miniſter, dann in der Preſſe
tätig, 1850-—51 Redafteur der »Ronjtitutionellen
—— und habilitierte ſich 1853 in Göttingen als
Dozent de3 Staats -, Rirdyen- und Völkerrechts; 1856
ward ihm von König Georg V., weil er in einem Pri—
vatbriefe der »vaterlindifden Hoffrungens Erwäh⸗
nung getan, die Venia docendi fiir Staatsredt ent-
jogen. 1857-59 war er Brofefjor in Erlangen, 1859
publizijtifd fiir das Minijterium Hohenzollern⸗Auers⸗
wald tätig und fdrieb, naddent er Non 1858 Die
befannte anonyme Schrift »Suum cuique; Dent-
ſchrift ber Preußen« herausgegeben, die Flugſchrif—
ten: »Preußen und der Friede von Villafranca« und
oDer deutide Rern der italienifden Frages. Im
Oftober 1859 ward er Profeſſor am afademifden
Gymnafium in Hamburg, ſchrieb 1866 die Brofdiire
eWoher und wobhin?«, ward 1868 Profeſſor der
Rechte in Vonn, begleitete im Auguſt 1870 int Kriege
egen Frantreid) an der Spige einer Scar Bonner
Nothelfer die zweite Urmee, ward 1871 Wirklicher
Legationsrat und vortragender Rat im Auswär—
tigen Amte des Deutſchen Reichs, leitete befonders
das Preßweſen, leqte aber 1877 diefes Umit nieder
und wurde Honorarprofeffor der Redte an der Ber-
liner Univerſität. Bon 1867—68 war er Mitglied
des norddeutſchen Reichstags und des preufijden Ab⸗
—— 1869-—71 wieder Mitglied ded
eichstags, von 1873 ab des Ubgeordnetenhaujfes,
wo er 3ur freifonfervativen Bartei gehörte. YW. ſchrieb
nod: » Der Fiirjtenrat nad) dem Liineviller Frieden«
(Berl. 1853), ⸗Aus dem Jahr 1819« (Hamb. 1861),
Aus der Vorzeit des Zollvereins⸗ (daj. 1865), » Die
Schlußakte der Wiener Minijterfonferens«( Berl. 1860),
Fret Schiff unter Feindes Flagge«- (mit Klauhold,
Hamb. 1866) und gab nit diejem 1861—71 das
»Staatsardiv. Sammlung von WUftenjtiiden zur Ge-
ſchichte ber Gegenwart« heraus (fortgefest von H. v.
Kremer-Auenrode u. a., feit 1881 von H. Delbriid).
digidianifde Konftitutionen (Ugidianen,
Egidianen), Gefesbuc für die päpſtlichen Staaten,
unter Innocenz VI. durd) den Kardinal Albornoz
(f. d.) gegeben; val. Rirdenjtaat.
digiding a Columnis (Eqgidio de Colonna,
nad jeinem Geburtsort Rom aud Wgidius Ro-
manus), Scolaftifer, wegen feiner tiefen Gelehr—
fantfeit Doctor fundatissisimus genannt, Sdiiler des
Thomas von Uquino, dann Ergieher Philipps des
Schönen von Franfreid), ward 1296 Erzbiſchof von
Bourges ; ſtarb 22. Sept. 1316. Er wurde früh Wugu-
jtiner, war ein fonfequenter Realijt und verſuchte die
auguitinifde Lehre fcholajtij gu behandeln. Unter
170 Agieren — Aginetiſche Runjt.
feinen zahlreichen Werlen findet fich das Buc »De fritherm Macht wieder. Spater wurde A. abwedfeind
regimine principum·, dag er fiir jemen fonigliden eine Beute der Watedonier, der —— Attalos.
Zoglmg geſchrieben bat. bid es zuletzt unter romiiche Herrichaft
eren (lat.), wirfen, handeln; als Schauipieler Die alte Pauptitadt lagander Beit:
auftreten. (Gewandtheit. fitite in emer breiten, en Ebene. efã hr an
ung
{ dat.), inf, gewandt; Agilitat, Flintheit. der Stelle der heutigen Stadt A. (1896: 4851 Cimw.},
Agilita (ital, tor. artai-), Beweglidfeit; con a.,als war aber von weit bedeutenderm Umiang ale dieſe.
mufifal. Bortragsbeyidhnung: lebendig.bebend idnell. Sie beiak außer eimer Reede een fiinitliden sertegs-
Agilotfinger, daltejtes bayr. Her eidlecht, und einen Handelshafen, deren Molen nod jest mobi -
vernntlich franfifder Herfunft, fett der Witte des erhalten find. Sonit zeugen nur wenige Saulemreite,
6. Jahrh. qenannt. Ihrer Herrſchaft wurde 788 unter cine Fille von Scherben alter Tongefahe und tm Den
Taffilo II. durch Karl d. Gr. ein Ende gemadt. Felsboden cingeientte Grablammern von ihr. Das
S. (Geididhte). bedeutendite Dentmal des alten VW. find die etwe
Aegilops, {. Triticum. 214 Stunden öſtlich von der Stadt anf 190 m hohem
mtoé, im qrieh. Dinthus Sohn des Doros,
Geſeßgeber der alifden Dorer, Vater des Dymas
und Pamphylos, Udoptivvater des Hyllos (7. d.), Der
Stammpater der drei doriſchen Phylen der Dymanen,
Pamphyler und Hylleer.
Migina, im griech Mythus Mutter des Hatos (j.d.).
na, Inſel, ſüdweſtlich von Athen im
Golf von & (jf. unten), in Form eines Dreieds,
45 qkin grofj, mit (406) 8231 Cimw. und anfebn-
lider Shwammfijderei, fonit ohne Bedeutung. Die
qebirgige (bts 540 m), nur tin NW. leichter zugäng⸗
lidje und von zahlreichen Rlippen umgebene al ut
jewt a ohne Bewaldung und fait ohne fließen⸗
bes ec. Der metit aus Kalk bejtehende Boden
ijt fleintg und mager, jedoch bei forqiamer Behand-
lung fir ben Unbau von Gerjte, Wein, Mandeln,
Feigen und Ol wohlgeeignet; auferdem liefert er treff-
lichen Tbpferton und gute Baujteine.
Die Inſel, urfpriinglid) Onone genannt, erbielt
nad) ber Sage den Ramen A. von der gleidnamigen
Todjter bed Flußgottes Aſopos, die hier Dem Zeus
den Aalos gebar. Lepterer herridte fiber das Ge—
ſchlecht der achäiſchen rmidonen, die älteſte Be-
vilferung der Inſel, die der Sage nach bereits Schiffe
jimmerte und mit Segein verfah. Später wurde A.
von Epidauros aus durch Dorier beſetzt und foloni-
fiert, und die junge Kolonie, inmitten des Saroniſchen
Golfs und rivaltiierender Seejtaaten gelegen, wett-
etferte in Schiffahrt und Handel mit der Mutterſtadt,
bis fie ſich um 550 v. Chr. von deren Oberherridaft
befreite. Bon nun an hob ſich A. immer madtiger und
qelangte in Der sett vor den Perferfriegen ju qroker
Ulfite. Die Geſamtzahl ihrer damaligen Bevilferung
wird zu Mill (wovon 470,000 Sflaven) angegeben.
Die Aginetifden Ton. und Erzwaren, Salben u. dgl.
jlanden in hohem Ruf. Das altefte hellenifdye Miiny-,
Wah und Gewichtsſyſtem ging von A. aus, Mit den
Vithenern, mit denen fie aus Handelseiferfucht bereits
einen Strieg gefuhrt hatten, wetteiferten ſie an Tapfer—
feit in den Schlachten gegen die Perſer, gegen die
fie BO Tri¢ren aufftellien und in der Schlächt bei
Salamis den erften Preis der Tapferteit errangen.
In den Olympifden Spicten trugen die Söhne edler
Mefdlechier Aginas zahlreiche Siege davon, die Pin—
dar verherrlichte; und die bildende Kunſt, insbef. dic
Erzbildnerei, gedieh auf der Inſel zu einer Vollendung,
De wir nod) jest bewundern (ſ. Aginetiſche Kunſth.
Rady den Berjerfrieqen lebten zwiſchen R. und Athen
die Eiferſucht a 9 Handeloncid wieder auf, die
Inſel mute fid) der Nebenbublerin 455 unterierfen
und wurde 451 nad) Bertreibung der alten Cin
wohner mit attifchen Moloniften behedelt. Vyfandros
fiibrte gwar nad Athens Demütigung 404 aus Thy
reotis Die zerſtreuten UÜberreſte der Vertriebenen zu
Größe und Bauart dem
nãchſten kommt, und deſſen (1811 aufgefundene)
Sugel gelegenen »stãs Kolonnis« genannten Ruinen
des berũhnmten doriſchen Athenetempels, der an
Theſeustempel in Athen am
—— ãltern, ſtrengen Stils jetzt den Agine⸗
tenſaal der Glyptothek in München zieren (weiteres
ſ. Aginetiſche Kunſt). Ym ſüdöſtlichen Teil der Inſel
ſtand ehemals auf dem 534 m hohen Gipfel eines
Berges das Heiligtum des Zeus Panhellenios, ein
einfacher, von einer halbkreisförmigen Mauer um—
ebener Altar, an deſſen Stelle jetzt eine Kapelle des
Beil Elias getreten ijt.
na, Golf von, im Altertum Saronifder
tigi
Weerbuſen, zwiſchen dem griech. Fejtland und dem
Peloponnes (Attila und Argolis). Bon ſeinen Inſeln
ſind Ugina (ſ. d.) und Salamis (j. d.) die bedeutend-
jten. Zu beiden Seiten ragen die Vorgebirge Sunton
(Nap Nolonnas) und Stylläon (Kap Sfyli) herein.
Agincourt, Schlacht bei, ſ. Azincourt.
Agincourt qpt.aſqangtũur, Jean Baptiſte Louis
Weorge Serour d’, Runithijtorifer, geb. 5. April
1730 in Beauvais, geſt. 24. Sept. 1814 in Rom, war
erjt Ravallerieoffizier, bereijte Dann zu Kunſtſtudien
England, die Niederfande und Deutſchland und hielt
ſich ſeit 1778 meijt in Italien auf. Wngeregt durd
Windelmann, fudte er in feinent Hauptiwerk die
Kunſtſchöpfungen des Wittelalters bis sur Höhezeit
der Renaiffance der bisherigen rein arddologifden
Uehandlungsweife des Gegenftandes ju entjieben
und felbjtindiq als Momente von Bedeutung fiir
das Studium der Äſthetit und der Kulturgeſchichte zu
betrachten. Das erjt nad) ſeinem Tode vollendete
Wert ijt betitelt: »Histoire de l'art par les monn-
/ments depuis sa décadence au IV. sidcle jusqu'a
son renouvellement au XVI.« (Bar. 1812— 23,
6 Bde. mit 325 Mupfern in Fol.; deutſch von Duajt
u. d. T.; »Sammlung der vorzüglichſten Dentmaler
der Malerei, vorzugsweiſe vom 4. bis gum 16. Jahrh.«,
Berl. 1840, 2 Quartbde. Tafel und cin Band Tert).
Aginẽtiſche Munft. Unter den ältern griechiſchen
Kunſiſchulen hat die auf der Inſel Agina (f. d.) bis
gegen die Mitte des 5. Jahrh. v. Chr. bliihende friih-
jeitig einen hohen Ruf erlangt. Sie hatte ſich bejon-
ders an der Darjtellung von Kämpferfiguren, die den
ss in den Kampffpielen gu Ehren aufgejtellt
wurden, geiibt und gibt Daher Mejtalten, in denen
mannliche Kraftfülle mit naturaliſtiſcher Scharfe und
| nod) ohne ideale Schinheit sum Ausdruck gelangt.
Mustein, Adern, die Verbindung der Gliedmaßen
find febr genau — Neben dieſem Ratu-
alismus überraſcht aber die Strenge, mit der das
alte Geſetz der Symmetrie beibehalten wurde. Die—
ſelbe Grundidee der Kompoſition beherrſcht z. B. beide
um 475 entſtandene Giebelgruppen des Athene—
rid, aber Die Inſel erreichte kaum den Schatten ihrer | tempels in Agina. Sie wurden 1811 aufgefunden,
Aginin — Agio.
durch Thorwalbdfen reftauriert und von dem bayrijden |
Kronprinjen Ludwig erworben, ſpäter in die von ihm |
erbaute Glyptothet in Miinden verjest. Bon den 22
urfpriinglid) vorhandenen Figuren find 10 des Weſt-⸗
iebels (ſ. Tafel »Bildhauerfunft III«, Fig. 1) voll:
tändig, die 11. in Fragmenten erhalten; von denen
des Oſtgiebels ſind 5 und viele Trümmer übrig. Wei-
tere Rejte find durch die 1901 von A. Furtwingler
auf Rojten der bayrijden Regierung veranjtalteten
Uusgrabungen aufgefunden worden. Beide Gruppen
jtellen Kämpfe vor Troja vor, in denen Athene die
griechiſchen Helden ſchützt. Sie bildet den Mittelpunkt
Der Darjtellung, beide Wale in faft itbereinftinunen-
der Erſcheinung. Im weſtlichen Gebel fehen wir den
über der Leiche des Achilleus entbrannten Rampf,
wobei Odyſſeus die Trojaner abwebrt; im öſtlichen
Xelamon und Herafles den gefallenen Dilles gegen
Laomedon fdirmend, eine Sjene aus dem friibern
Kampf zwiſchen Griedhen und Troern. Während fid
in ber hebevoll genauen Naturbeobadtung an diejen
Marmorbildern cin wefentlidjer Fortſchrilt der grie-
chiſchen Kunſt zu erfennen gibt, zeigen alle iibrigen
Merkmale nod den alten naiven Stil der vorber-
yehenden Epoche, in der die helleniſche Kunſt zuerſt
en Verſuch madte, fich cinerfeits der Einflüſſe orien:
taliſcher Volfer, anderfeits des jtrengen und ftarren
Kultſtiles gu entledigen. Daher nod jenes dharatte-
riſtiſche Lächeln in den emporgezogenen Mundwinteln,
die ſchief ſtehenden, ag “a ugen, der Mangel
an Lebendigfeit in der Bewegung der Körper, vor |
allem jedod) das Feblen des Uusdruds der Seelen-
jtimmung im Antlitz. Die Teilnehmer des Rampfes
bewahren cin rubig mildes, freundlidjes Weſen. Nur
im Ojtgiebel zeigt ſich an einem der Gefallenen, welche
die Eden an beiden Giebeln ausfiillen, der Berfuch,
den Ausdruck des Todesſchmerzes in den Zügen wie- |
Derjugeben, wie der Ojtgiebel überhaupt eine etwas
vorgeldrittencre Stufe der ———— zeigt, die
wohl der Vorſtellung entſprechen dürfte, die wir uns
von den hervorragendſten Künſtlern Aginas, Kallon
(j. d.) und Onatas (ſ. d.) gu machen haben. Die Fi—
uren des Tempels waren an den Gewandſäumen,
aren, Augen und andern Details bemalt, Haare,
Waffenſtücke ꝛc. teilweiſe aus Metall angeſetzt. Unter
den ältern Künſtlern ijt nod) der Bildſchnitzer Smi—
lis hervorzuheben. Bal. J. M. Wagner, Bericht
über die äginetiſchen Bildwerke (hrsg. und mit kunſt⸗
eſchichtlichen Anmerkungen begleitet von Schelling,
uͤbing. 1817); Brunn, Uber das Alter der ägine⸗
tijden Bildwerle (Sigungsberidte der bayrifden Ala⸗
demie der Wijfenfdaften, 1867); KR. Lange, Die
Rompofition der Ugineten (Leipz. 1878); Schildt,
Die Giebelqruppen ju Agina (daſ. 1895).
Aginin, ſ. Age.
Agio (franj., for. äſchio, ital. Aggio), Aufgeld,
früher auch Überſatz genannt, der Betrag, um den
der Preis (Murs) einer Geldſorte den Nennwert der-
jelben überſteigt. Den Betrag, um den diefer Preis
hinter Dem Nennwert zuriidbleibt, nennt man Dis-
agio (Ubsuq). Dit der Preis pleid) dem Rennbetrag,
fo ftebt die Geldjorte pari. YW. und Disagio werden
in der Regel in Progzenten vom RNennbetrag, bei
Miinzen bisweilen aud im abjoluten Betrag aus-
gedriidt. Zuweilen wird aud das A. mit plus (+),
das Disagio mit minus (—) bezeichnet. Cine Ab⸗
weidhung de3 Kurſes vom Nenngebalt entitand friiber |
durch eine fislaliſche —— des Münzregals,
wenn man gu einem leichtern Münzfuß liberging, |
d. h. aus alten Münzen eine größere Sahl neuer mut |
| werden, wenn dem emittierenden Staate volles
171
leider Benennung priigte, die ebenfo wie jene gefeb-
ides Zahlungsmittel waren. Infolgedeſſen wurden
fiir Zablungen nach außen nur die ſchwereren Miin-
zen verwendet und fiir dieſe beim Umtaufd gegen
neve Münzen ein VW. entridtet. Die gleide Wirtung
fonnte cine durch den Verlkehr bewirfte allmähliche
Verſchlechterung der Münzen haben. Heute bildet ſich
ein A. einmal durch die Verwendung verſchiedener
Metalle zu Kurantmünzen, dann durch Emiſſion von
Papiergeld. Hat ein Land Doppelwährung, ſo wird,
wenn der Weltmarktpreis eines der Währungsmetalle
jteigt, die Miinge, deren Metall höher geidagt wird,
ein A. erhalten. So hatte in Frankreich vor 1848
Gold gegen Silber cin VW. von 1/2 Broz. 100 Frant
in Goldmünzen waren fo viel wert wie 101'/2 Fr. in
Silbermiingen. Nad) 1849 gejtaltete fid) das Ber-
haltnis umgefehrt (vgl. Wahrung). Wud in Silber:
wahrungslandern fonnen Goldmiingen, wenn diefel-
ben in befdrintter Menge ausgeprägt und an Staats:
fajfen gum fogen. Rajjenfurs angenommen oder ge:
wohnbheitsmapig tarifiert werden, bei einer Anderung
des Goldpreifes ebenfowohl U. wie Disagio erhalten.
Überhaupt ijt das A. eine Folge davon, daß cine be-
jtimmte, nur in verhältnismäßig befdrintter Menge
vorhandene Geldforte fiir bejtinumte Swede befonders
eſucht wird. WIS Mitte der 7Oer Jahre in Deutfd:
and bei ungiinftiger Zahlungsbilang Gold fiir diz
Wusfubr | England und Amerika begehrt wurde,
bezahlte man dasfelbe mit einem YW. von 1 Proj. Go
wurde aud) die franzöſiſche Ausſtellung von 1878 ju
einer Urſache, Den Murs der zum Beſuch derjelben
ony a franzöſiſchen Münzen zu jteigern. Weit größer
als bei Münzen ſind die Kursſchwankungen bei dem
Papiergeld (ſ. d.) Für dasſelbe fann A. geyabt
{Ts
trauen gefdentt und das nur in befdrantter Menge
vorhandene Papier fiir Mufbewahrung und Verſen—
dung von Geld gejudt wird. Dod findet bier das
A. ſchon bald cine Schranke in der Verbeſſerung der
Transporteinridtungen, der Geld- u. Kreditanjtalten
oder aud) in der Geneigtheit zur Mehremijjion. Weit
häufiger als ein A. tritt bei Dem Papiergeld cin Dis-
agio cin, wenn dasſelbe in einer im Verhältnis zum
Staatstredit und sum Verlehrsbedarf zu grofen Menge
ausgegeben und infolgedejjen entwertet wird. Hat
nun das Bapiergeld Swangsfurs, fo dak es fiir die
Preisbemejjung dient, fo fpridt man nicht von einem
Disagio des Papiergeldes, fondern von einem A.,
das fiir Münze gezahlt wird. In Ojterreid-Ungarn
wurde lange Ra fiir Silber UW. gezahlt; war z. B.
in Wien Silber gu 120 notiert, fo waren 100 Guld.
Silber gleich 120 Guld. Rapier. Infolge der Silber:
entwertung der neuern eit ijt diefes A. verſchwun⸗
den, an feine Stelle aber dasjenige des Goldes (gegen
Silber und Papier) getreten. Yn Stalien und im
Nordamerifa wurde das Disagio des Papiergeldes
(1 Doll. Gold ftand 1864 auf 2,80 Doll. Rapier) durd
Uufrahme der Barzahlung befeitigt.
Jn einem andern Sinne beseidnet man aud) als
A. den Betrag, um den eine Geldjorte eine fiir ge-
wiffe Rechnungen übliche Summe iiberjteigt. Go er-
hielt man in Frankreich friiher fiir Lkg Feingold, aus
dem 34444/o Frank ausgepraigt wurden, 343444 Fr.
indem 10 Fr. zur Dedung der Pragefojten guriid:
bebalten wurden. Den in Prozenten bemeſſenen Über⸗
ſchuß Des Goldpreijes iiber 343-4,44 (feit 1877; 3437)
Fr. nennt man ebenfalls WU. Ahnlich ijt es bei Dem
Silber, für das als Cinheit 218,89 Fr. angenowmen
werden, während aus 1 kg Feinjilber 222*/o Fr. aus-
172
emünzt werden. — Endlich ſpricht man aud) von einem
. der Bedfel, Cffetten und Altien, wenn deren
Kurs fiber pari jteht. Jn vielen Landern wendet man
jedoch ftatt WM. die Bezeichnung » Priimies an (prime
im Gegenfas ju perte in Frankreich, premium im
Gegenſatz zu discount in England).
ion, Küſtenſtadt im alten Udaia, feit 373 Sik
Agion — Agiſthos.
Agiaden (Agiden) oder Euryſtheniden, angeb—
lich ein Sohn des Euryſthenes. Auf ihn führt die
Tradition die —————— Heloten zurück.
2) UW. II. (I.) Sohn des Archidamos, regierte 427
bis 397 v. Chr. Nachdem er 426 und 425 die Pelo⸗
ponnefier bei ihren Einfällen in Uttifa befehliqt hatte,
führte er 418 den Krieg gegen dad mit Athen verbiin-
ber achãiſchen Bundesverjammlung beim Tempel des | dete Argos und fiegte bei Mantineia. 415 nahm er
Reus Homagyrios, mit zahlreichen Heiligtitimern, von | den fliichtigen Allibiades auf und beſetzte auf ſeinen
denen aber infolge haufiger Erdbeben nichts erhalten Rat 413 Deteleia in Uttita, verfeindete ſich aber mit
ijt. Rejte bei Voſtitſa, das jest wieder W. heißt.
Agioffop (qried.), Upparat jur Erjeugung von
Rebelbildern.
iotage (fran}., for. afsiotdty’) nennt man den
Betrieb von Spefulationsgefdiften, die lediglid aus
Preisſchwankungen im Geld-, Waren und Effelten⸗
geſchäft Borteil yu ziehen fuden, namentlich folde
Spefulationen, die fic) unfolider und felbjt unred-
lider Mittel, wie der Verbreitung falſcher Gertidte,
Sdeinoperationen, trügeriſcher Reflame 2c. bedienen,
unt die Rurfe künſtlich ju treiben und ju driiden. Die
A. ift alfo in diefem Sinne gleidbedeutend mit dem
Betrieb verwerflicher Differen zgeſchäfte und wird des
wegen aud) oft ſchlechthin als Wind- und Schwin—
delhandel (in England stock-jobbery) bezeichnet.
Fite Die Zwecke der A. vorzüglich qeeiqnet find die—
jenigen an der Borie gehandelten Gegenjtinde, deren
Freije häufigen Schwanfungen unterliegen (Altien
neugeqriindeter Unternehmungen, die fogen. »inter-
nationalen« Bapiere xc., Waren mit ſtark wechſelnder
Produltion oder Zufuhr, wie Getreide, Spiritus, Pe
troleum x.). Der Ugioteur, in Paris Coulissier
(f. Kuliſſe), in London Jobber (f. d.) genannt, d. h.
derjenige, welder fid an der Borie gewerbsmäßig der
A. widntet, hat um fo mehr Hoffnung auf Gewinn,
je mehr er durch groken Rapitalbefis in den Stand
geſetzt ijt, Die Kurſe su beherriden und die Maſſe der
fleinen Börſenſpieler durch wirfliche Käufe und Ver—
fiiufe in ſolche Bewegung zu ſetzen, die Den eignen
im geheimen betriebenen Abſichten am günſtigſten
ſind. Gegen die A. richtet ſich das Börſengeſetz von
1896, das den Börſenterminhandel in verſchiedenen
Wertpapieren und in Getreide und Mühlenfabrika—
ten unterſagt, ſowie die Rechtſprechung, die in neue: |
iter Beit Differenzgeſchäfte als nidjt fMagbar erflart.
Ral. — —
gir (v. altnord. &, »Waſſer⸗, got. ahwa, alſo
Der »Waſſermann«), in der nord. Mythologie der
dãmoniſche Beherrider des Meeres, war nad ſpäterm
Mythus der Sohn de3 Riefen Fornidtr. Er heift
aud Gymir und Olér und fein Wohnort Hlésey
(jest Läſſöe im Kattegat). Seine Gattin ijt Ran, der
die Ertrunfenen angehdren. Beide haben neun Toh
ter, Die ebenfo wie Dic Mutter den Sdhiffenden ge
fährlich find. Der »Schrecenshelm« Wgishialmr, |
den in den Mythen Fafnir trägt (von dem ihn Si-
gurd erbeutet), hat, wie es ſcheint, mit Ä. nichts zu
tun, fondern Wort und Borjtellung find wabhridein:
lid) von den Angelſachſen entlehnt (angelf. egesa, |
» Schreden«).
Agira ‘vr. adisiro), Stadt in der ital. Provinz Ca
an ber Eiſenbahn Catania-Santa Caterina, mit
Burgruine, Schwefelbergbau und (i901) 17,738 Cinw.,
ijt das alte A¢yrion und Geburtgort des Diodorus |
*igirin, Mineral, ſ. Uugit. [Siculus.
Ugiriperten, ſ. Afrilaniſche Ultertiimer.
Agis, Name mehrerer Mdnige von Sparta: 1) A.L.,
der fagenhafte Stammvater ded Königshauſes der
ihm und wurde die Urſache von feiner Flucht zu den
Perjern. 405 nahm A. an der Belagerung von Athen
teil, führte nod) einen gliidlicen Rrieq gegen Cis
und ftarb 401; ihm folgte fein Bruder Ageſilaos.
3) A. III. (II.), Soon Urdidamos’ III., König
338—331, verſuchte, wãhrend Alexander d. Gr. in
Aſien vordrang, Griechenland von der maledoniſchen
Herrſchaft zu befreien, unterlag aber bei Megalopolis
und fiel 331 im Kampfe gegen Antipatros.
4) A. IV. (III.) folgte 245 v. Chr. ſeinem Vater
Eudamidas II. Weil damals Sparta ganz in Verfall
eraten, faßzte A. den Plan einer Herſtellung der Ly-
rgiſchen Einrichtungen. Von einigen angeſehenen
Männern, ſeinem mütterlichen Oheim Ageſilaos und
Lyſandros unterſtützt, hatte er dagegen an ſeinem
Mitfonig Leonidas II. einen heftigen Gegner. Ly-
ſandros beantragte 242 ein Geſetz, wonach die auf
700 zuſammengeſchmolzenen Spartiaten durch Muf-
nahme der tüchtigſten Periölen und Fremden auf die
Zahl von 4500 gebracht und unter dieſe alle Lände—
reien Lafoniens ju gleidjen Teilen durch das Los ver-
teilt werden follten. Leonidas und die Ephoren, die
dieſen Geſetzen entgegentraten, wurden abgeſetzt und
verbannt, und der glückliche Fortqang des Unterneh—
mens fdien völlig gejichert, als der Eigennutz des
Ugefilaos, der Ephorys qeworden war, alles verdarb.
Diefer verzdgerte die Musfiihrung der Udervertetlung,
und als U., der die fpartanifden Hilfsvilfer dem
Achãiſchen Bunde hatte zufiihren müſſen, in die Hei-
mat juriidfebrte, hatte ſich beim Bolfe, das feine Hoff⸗
nungen auf die Reform getäuſcht fab, die Stimmun
ju ſeinen Ungunſten gedndert. Leonidas wurde mei
Sparta zurückgerufen und bemiidtigte fic) wieder der
Gewalt; W. wurde von treulofen Freunden verraten,
dem Geridt tiberliefert, sum Tode verurteilt und eilig
erdrofjelt (241). Dasfelbe Schictfal erlitt aud) feine
Grokmutter Urdhidameia und feine Mutter Ageſi—
jtrata. Die tragiſche Geſchichte des A. ijt von Elut-
ard) in einer Biographie wirfungsvoll dargejtellt,
ſpäter von dramatiiden Didtern bearbeitet worden,
am bejten von Alfieri.
gis, bei Homer der von Hephäſtos verfertigte
Schild des Zeus, mit Troddein und in der Mitte das
Haupt der Borgo (j. Gorgoneion), deſſen Sdiittein
Blitz und Donner und alle Sdhreden erregt. Nur
jeinen Lieblingstindern Apollon und Athene leiht fie
Beus. Spiiter jtehendes Attribut der Wihene qewor-
den, wird die A. als ſchuppiges oder zottiges Fell mit
Sdhlangen umſäumt und das Gorgoneton in der
Witte dargeftellt, das bald als Brujtpanyer der Gdttin
Agia (io dient, bald über Schultern und Riiden herabhängt,
tania (Sijilien), Kreis Nicofia, unweit des Salfo, |
bald ſchildartig über den linfen Arm gefdlagen tit. —
Die Bedeutung des Sdhildes oder Schutzes iit nod
in Der Redensart sunter der Agide (d.b. dem Schutze)
jemtandes« erhalten.
Hgifthos, im griech. Mythus Sohn ded Thyejtes
und deſſen eiqner Todter Belopia, qewann nad Er—
mordung des Atreus (ſ. d.) Die Herridaft von Wye
fend, wurde aber von Ugamemmon daraus vertrieben.
Agitation — Agnes.
Während deffen Ubwefenheit in Troja verfiihrte er
fein Weib Klytämneſtra und ermordete mit ibr den
heimgefehrten Ugamenmon. Dejjen Gohn Orejtes
dj. d.) rachte an A. den Tod des Baters.
Agitation (lat.), Aufregung, Treiberei; Anregung
der Majje yur Teilnahme an einer gewijjen Bewegung,
3 B. an einer Wahl (Wahlagitation). Cine W.
wird regelmäßig durch öffentliche Reden in Verſamm⸗
lungen und durch die Preſſe, durch Flugblätter, Ver—
teilung von Wahlzetteln u. dgl. betrieben.
Agitato (ital., fpr. abdfgi-), aufgeregt.
Ugitator (lat.), jemand, der et irgend einem
Gebicte qeijtiger Tätigkeit, namentlich in der Politik,
die Meinung der 5 Maſſe bearbeitet.
Aegithalus , Beutelmeiſe, ſ. Meiſen.
Agitieren (lat.), fiir etwas tätig ſein, die Menge
dafür zu gewinnen ſuchen.
Aglaͤia, cine der drei Grazien (ſ. Chariten).
Aglaophamos, der griech. Sage nach Vorſteher
der von Orpheus geſtifteten Myſterien zu Leibethra in
Thralien, in die er den Pythagoras einweihte. Lobed
wãhlte den Namen als Titel jeines gegen Creuser ge-
ridteten Werkes » Aglaophamus, sive de theologiae
mysticae Graecorum causis« (Mdnigsb. 1829, 2 Bde.).
Aglauros (MU graulos), wie ihre Schweſtern
Herje und Pandroſos urſprünglich eme Göttin länd—
licher Fruchtbarkeit, in der attiſchen Sage Tochter des
Kekrops, ſtürzte fic) in einem Kriege zur Rettung des
Vaterlandes von der Burg; in dem ihr heiligen Hain
am Nordfuß der Wfropolis leiſteten die jungen Athe—
ner den Fahneneid. Nach andrer Sage verfielen A.
und ihre Schweſter Herſe in Wahnſinn und ſtürzten
ſich von der Akropolis, weil ſie ein von Athene ihnen
anvertrautes Käſtchen, worin der junge Erichthonios
(j. d.) lag, trotz deren Verbot gedjfnet.
Aegle Correa, Gattung der Rutageen, ſehr nahe
verwandt mit Citrus, dornige Baume mit dreizähligen
Blattern, Bliiten in Trugdolden oder Rifpen und
orangeähnlichen, kugeligen Früchten mit barter Rinde.
Zwei Yirten. A. Marmelos Correa, in Djtindien, wird
wegen feiner woblidmedenden und woblriedenden
Früchte tultiviert, oft in die Nähe der Hindutempel
gepflangt. Die Früchte werden friſch gegeſſen, fommen
unreif und getrodnet (Velaniiife) nad Europa und
werden argneilid) benugt. Aus den Fruchtſchalen wer-
den Doſen gefertigt und aus den Blüten ein Parfüm.
Migle (Wigle, die »~Glaingende<), im gried. My-
thus Die ſchönſte unter den Najaden, von Helios Mut⸗
ter Der Chariten (jf. d.).
Aeglefinus, j. Scellijifd.
Aglei (Akelei), Pflanzengattung, f. Aquilegia.
Agliardi (pr. ajay, Antonio, päpſtlicher Diplo-
mat, geb. 4. Sept. 1832 in Cologno (Bergamo), jtu-
dierte fanonifdes Recht und Theologie, war 12 Jahre
Pfarrer in der Diözeſe Bergamo, bis er vom Papſt
beauftragt wurde, cinen irifchen Biſchof nad Kanada
gu begleiten. Nach feiner Riidfehr ward A. zum Se-
fretiir Der Propaganda in Rom ernannt. Leo XIII.
fandte ifn 1884 unter Ernennung jum Ergbijdof von
Cãſarea in partibus infidelium nad Indien, um fiber
die Dortige Herjtellung der kirchlichen Hierardie zu be-
ridten, und A. ging 1887 von neuem dabin, um das
mit Portugal abgeſchloſſene Ronfordat auszuführen.
1887 wurde er jum Gefretir der auferordentlidjen
firdlidjen Angelegenheiten, 1889 gum päpſtlichen
Nunzius in München ernannt und 1892 in gleider
Cigenfdaft nad) Wien verſetzt. Als er ſich 1895 in
Ungarn in den dortigen Rirchenftreit einmiſchte, be-
ſchwerte fid) die ungarifde Regierung fiber ign; A.
173
wurde daber 1896 abberufen und jum Rardinal un?
Erzbiſchof von Ferrara ernannt.
glossa (Zun — Unterordnung der
Fröſche, auch eine Gattung der Kleinſchmetterlinge.
Agloſſie (griech.), angeborner Mangel der Zunge.
Agnadello (pr. anja), Dorf in der ital. Provinz
Creniona, Rreis Crema, mit (1901) 2086 Cinw., be-
fannt durch den Sieg Ludwigs XI. von Franfreid
liber Die Benezianer (14. Mai 1509).
Agnano (pr. anjano), chemaliger, feit 1870 wegen
feiner Gefahrlidfeit als Malariaherd ausqetrocneter
See (130 Heftar), 8 km wejtlid) von Neapel, der
cinen der eingeſtürzten Rrater des Dortigen vulfani:
ſchen Gebietes fiillte. Um fiidlidjen Eingang in das
ehemalige Geebeden fliegen die Schwefeldunſtbäder
von San Germano und die Hundsgrotte (f.d.).
Uguaten (lat., »~Hingu-, Nachgeborne«) nennt
man Diejenigen, weldje von einem bejtimmten Men—
ſchen in allen Geſchlechtern (Generationen) durd einen
Wann abjtanrmen. Sie gehen regelmäßig den andern
Nachfommen jenes Menſchen (den Rognaten) vor
bei Nadfolge in Lehen, Familien-Fideifom-
miß und Landeshobeit (f. d., aud) Thronfolge)
und gingen im altern rdmifden Rechte dieſen iiber-
Haupt in der Erbfolge vor.
Wguathie (qricd).), angeborner Mangel der Kiefer.
Agnes, 1) Heilige, nach der Legende eine ſchöne
römiſche Chrijtin zur Zeit Diofletians, wurde, weil
fie Die Che mit dem Sohne de3 römiſchen Stadtprafetten
ausidlug, in ein dffentliches Haus gebradt, blieb aber
aud) da unverfebrt und wurde als Zauberin ent-
hauptet. Shr Sinnbild ijt ein Lamm. Yn der vor
der ‘Porta ‘Bia ben gelegenen Uqnestirde werden
21. Jan., am Gedächtnistage der Heiligen, die Läm—
mer geweiht, aus deren Wolle die Fallien zur In—
veſtitur neuer Biſchöfe verfertigt werden.
2)U. von BP vit ou, Gemablin Kaijer Heinrids III.
Todter Wilhelms V. Herzogs von Guienne, 1056—62
Vornriinderin ihresSohnes, Konig Heinrichs IV., hatte
anfangs den Bapjt Viftor II. dann die Biſchöfe Giin-
+ von Bamberg und Heinrich) von Ungsburg ju
atgebern, ward aber von herrſchſüchtigen Großen
ezwungen, mehrere Herzogtiimer an fie gu verleihen.
a Wat 1062 ward ifr Sohn durd Anno von Kiln
u. a. entführt. Danad nahm fie in Rom den Sdleier
und ftarb dafelbjt 14. Dez. 1077. Val. Seipoldy,
Die Regentidaft der Kaiferin W. von Poitiers (Berl.
1887); Meyer v. Knonau, Jahrbücher des Deut:
ſchen Reiches unter Heinrich IV., Bd. 1 (Leipz. 1890).
3) U. von Meran, Todter des Herjogs Berthold
von Meran, vermablte fid 1196 mit Philipp I. Uu-
quit von Franfreid), obwobhl dejjen Sdeidung von
der däniſchen Prinzeſſin Ingeborg durch Papft Cö—
leſtin ITT. fiir ungültig erklärt worden war. WIS ſich
Philipp weigerte, Ingeborg wieder als Gemahlin an-
zunehmen, ſprach Papſt Innocenz III. über das un-
mittelbare fonigliche Gebiet in Frankreich Das Inter—
dift aus (Januar 1200), und dies wirkte fo auf das
Volk, daß Philipp, trotz feiner Liebe gu Y., Ingeborg
al feine Gemablin anerfennen mute. A. ftarb 1201
in Poiſſy. Ihre zwei Kinder wurden fiir rechtmäßig
erflart. Shr Schickſal ijt dramatiſch behandelt worden
von Ponfard, Gujt. Pawikowſti und Franz Niſſel.
4) Derjogin von Meran, cine fagenhafte Ge-
ftalt, die mit Der Geſchichte der » Weiken Frau« (j. d.)
auf der Plaſſenburg in Zuſammenhang gebracht wird.
UW. foll die Gemablin des Grafen Otto von Orla-
miinde und nad) deſſen Tode (1293) die Geliebte des
Burggrafen Albrecht des Schönen von Niirnberg ge-
174
wefen fein. Die Gemahlin Ottos gehdrte zwar dem Ge-
ſchlechte der Grafen von Meran an, hieß aber Beatrix
_ und fonnte ſchon darum nicht die Geliebte Albrechts
fein, weil fie die Schweſter ſeiner Großmutter war.
5) A. von Ojterreidh, Todter des deutſchen Kö—
nigs Ulbredt I., geb. 1281, geſt. 13. Mai 1364, ver-
maͤhlt mit Kdnig Undreas ITT. von Ungarn (gejt. 1301).
Nad der Ermordung des Vaters (1308) lebte fie meijt
in Dem an der Statte Des Mordes erbauten Nonnen-
flojter Königsfelden. Die zeitgenöſſiſche Geſchichte
fennt fie als Vermittlerin zwiſchen ihrem Bruder Leo-
pold (dem Glorwiirdigen) und den Eidgenoffen. Bal.
v. Liebenau, Lebensgejdidte der Königin A. von
Ungarn (Reqensb. 1868; Urfunden dazu 1869).
6)A. v ony öhmen, Todter Przemyſl Ottafars IL,
geb. 1269, geft. 1296, wurde 1278 mit König Rudolfs
von Habsburg gleidmamigem Sohn verlobt, 1284
verheiratet; fie iſt die Mutter Johanns (PRarricida),
des Mörders ſeines Oheims Albrecht I. (f. d. 1).
7) A. Sorel, ſ. Sorel.
UAgnefenrollen, in der Schaufpielfunjt friiher Be-
zeichnung fiir gewiſſe Mädchenrollen, nad der Ugnes
in Molieres »Schule der Frauen« einer fehr naiven
Perſon, der es aber an der angebornen weibliden
Schlauheit nicht fehlt. In Deutſchland braudte man
dafiir aud) den Namen Gurlirollen, nad der Gurli
in Kotzebues »Yndianer in England<.
Aguetendorf, Dorf und Luftfurort im preuf.
Regbez. Lieqnig, Kreis Hirſchberg, am Riefengebirge,
530 m il. M., hat Glasidleiferet, Holswarenfabrifa-
tion und (1900) 732 Cinw. Yn der Nähe die Bis-
marckhöhe (714 m), die Schneegruben, das Hobe
Rad rc. Im Winter Hörnerſchlittenfahrt.
Aguethlen (Sjent-Ugotha), Markt im ungar.
Kontat Grop-Rofelburg (Stebenbiirgen), mit befeſtig⸗
ter evang. Kirche, 2 gried). Rirden, 2 Dampfmiiblen,
Spiritusfabrif, Bezirksgericht und (seo) 3210 Cinw.
gui, ind. Gott, Perſonifikation des Feuers (Lat.
ignis), im Beda (f. d.) cine der höchſten Gottheiten,
wurde nad dem Rigveda von Mataricvan, einer Art
Prometheus, ju den Menſchen geholt. Seitdem fann
Agnefenrollen — Wgoni.
Agnone (jr. anjone), Stadt in der ital. Proving
Campobafjo (Molife), Kreis Yfernia, 806 m ii. W2.,
mit Weinbau, Sandfteinbriiden, Ol- und Teiqwaren-
fabrifation, Glocengieferet und (1901) ca. 5600, als
Gemeinde 9793 Einw.
Agnoſtizismus (griech.), cine beſonders von Hur:
{ey und Herbert Spencer ausgebilbdete, mit bem trans.
jendentalen Idealismus (Neulantianismus) ver-
wandte Ridtung der neuern englifden Philofophie,
die fic) nur mit dem fiir unfern Berjtand fider Er—
fennbaren, b. h. dem Endlicen, in der Erfahrung
— — beſchäftigt, dagegen das Nichterklennbare,
3. B. den letzten Grund der Dinge, Daſein und Weſen
Gottes ꝛtc., von der philoſophiſchen Betrachtung grund⸗
ſätzlich ausſchließt. Der A. unterſcheidet ſich daher
vom Atheismus dadurch, daß er die Gottheit nicht
feugnet, fondern nur befennt, nichts darüber wiffen
zu fonnen. Agnoſtiker, die Anhänger dieſer Rich—
tung. Vgl. Groſſe, H. Spencers Lehre von dem
Unerkennbaren (Leipz. 1890).
Agnoszieren (lat.), anerkennen (als richtig).
Aguus Dei (lat. »Lamm Gottes⸗), Benennung
Jeſu Chriſti nach Joh. 1, 29; in der latholiſchen Liturgie
ein Gebet, das vom Prieſter während der Meſſe fury
vor der Kommunion geſprochen wird, beſteht in dret-
maliger Wiederholung der Worte: » A. D., qui tollis
peccata mundi, miserere nobis« (»>D Lamm Gottes,
weldes Du die Siinden der Welt hinwegnimmſt, er-
barme did) unſer!«), Das letzte Mal mit den Schluß⸗
worten: »da nobis pacem« (»qib uns Frieden«). Es
bildet in Der mufifalifden Mele den letzten (ſechſten)
Sag. Außerdem heißen A. D. aud) die aus den über⸗
bleibjein der Ofterferzen in Rom verfertiqten Lamm-
bilder, die Der Papſt im erjten Sabre jeiner Regierung
und fodann alle fieben Qahre um Ojtern weiht und
verteilt. Überhaupt ijt A. D. das als Symbol Chriſti
— mit der gr tee verjehene Bud des
ammes auf Fahnen, Medaillen rx.
Agnus scythieus, ſ. Baranetz.
Agogik (v. qried. agoge, pag Beitmag),
in Der Muſik die Lehre von den Abſtufungen der
er aus zwei geriebenen Hölzern immer wieder erzeugt Temponahme als Mittel des ausdrudsvollen Vor—
werden. Als Gott des Opferfeuers ijt er Bote zwi- trags. Val. Riemann, Muſikaliſche Dynamif und
iden Gidttern und Menjden, bei Nacht Bekämpfer WU. (Hamb. 1884).
der Finjternis, Beſchützer der Unfiedelungen. Qn der Agomegebirge , ſüdweſtlichſter, bis 840 m hober
brahmanifden Periode ijt A. mit andern alten Git- Ausläufer des Upofjogebirges in Deutſch-Togo, mit
tern in Die Stellung eines untergeordneten Welt- | der 1890 angelegten Station Miſahöhe an der Strafe
hüters guriidgedringt worden. Bal. UW. Kuhn, Die
Herabkunft des Feuers und des Göttertranks (2. Ubdr.,
Giitersl. 1886); Hol g mann, A. nad den Voritellun-
gen de8 Mahabharata (Strakb. 1878); L. v. Schrö—
der, Upollon-W. (in der » Zeitidrift fiir vergleichende
Spradforidung<, Bd. 29, S. 193 ff., 1888).
Uguietenberg , ſ. Zwolle.
Agnition (lat.), in der Rechtsfprache foviel wie
Anerfennung, msbef. diejenige einer Behauptung des
Prozeßgegners, eines Anſpruchs, emer Urtunde als
das, woflir fie ausgegeben wird. Für die geridt-
lide Unerfennung ijt der WUusdrud »Refognition«
von Rlein- Popo nad Galaga. S. Karte ⸗Togo«.
Agon (qriedh.), Rampf, Wettfampf jeder Art. Die
Grieden unterjdieden bei ihren Feitipielen drei Urten
von Ygonen, gumnifde, die ſich auf Leibesiibun-
gen, bippifde, die fic) auf Fahren und Reiten be-
jogen, und mufifde, die Muſik, Didtfunft und
yan} zum enſtand hatten. Griechiſche Agone wa-
ren bei den Römern ſchon in den letzten Zeiten der
Republik häufig; in der Kaiſerzeit wurden ſie wie die
großen griechiſchen Spiele in mehrjährigen Perioden
gefeiert. Bis in die legte Beit des Witertums hielt
Nid) der vierjährige fapitolinifde A., 86 n. Chr.
(f.d.) uüblicher. Im Erbredt bezeichnete man friiher | von Domitian gejtiftet, und die hiermit verbundene
alg A. die Unnahmeerflarung des Bermadtnisneh-
mers begat Des ihm gu teil qewordenen Vermächt⸗
niffes. Bgl. Unerfennung.
Agno dive. anjor, Fuh, f. Fraſſine.
Agnoẽten (qried., » Nidhtwiffende«), Unhanger des
alerandrinifden Diafons Themiftios; ſ. Monophyfi- |
ten. Linie, weldje die Orte verbindet, deren magnetiſche
Aguoémen (lat.), Beiname; ſ. Name.
Sitte der Dichterfrimung fand das ganze Wittelalter
hindurch Nachahmung. Als Berfonijitation wurde
der A. als Athlet mit Halteren (ſ. d.) oder mit Palme,
Binde und Kranz dargeſtellt. — Im griechiſchen
Rechtsverfahren ijt A. foviel wie Prozeß, Rechtsſtreit.
Agone (Null⸗Iſogone), auf Landkarten eine
Aguomination (Unnomination, lat.), f.Bar- | Deflination gleich Null ijt; vgl. Erdmagnetismus.
onontafie.
UAgoni, j. Alſe.
Agonie — Agra.
MAgonie (qricd., »Mampf«), Todestampf; ſ. Tod.
Agoniſt (qriech.), Wettfimpfer; Agoniſtik, die
zum Swed des Wettfampfes getriebene Gymnaſtik, ſ.
{qon.
Maonothéten (griech.), bei ben Griechen die Ver—
anjtalter fowie die Borjiger und Leiter bei Den Wett-
ſpielen (f. Ugon), die aud) die Preiſe austeilten.
HUgophonie (qriecd)., » Mecerjtimmes), bei der Aus⸗
fultation der Stimme wabhrnehmbare Verſtärkung der-
felben mit eigentiimlicem Bittern (Medern). Wan
hort diefelbe bei pleuritijden Exjudaten.
Aegopédium L., Gattung der Umbelliferen,
Stauden mit zwei- bis dreifad) gedreit-gefiederten
Blättern und großen Dolden. Zwei Urten. A. Poda-
graria L. (GGeißfuß, Gierfd, Ganfeftrengzel),
int gemäßigten Europa und Aſien, mit friechender
Wurzel, wächſt als Unfraut in lidten Waldern, Gär—
ten, an Heden 2. und war friiber gegen Podagra im
Gebrauch, die jungen Sprojje geben ein fpinatartiges
Bemiije.
Agora (qriech.), in den griech. Stiidten der Markt,
auf dem ſich Der Geſchäftsverkehr wie das politifde
und religidie Leben fonjentrierte, oft aud) die Volls—
verſammlung felbjt.
Agorafritos, qricch. Bildhauer von Paros, Lieb-
lingsſchüler ded Pheidias, mit dem er mehrere Werke
—— gearbeitet haben ſoll, fo dag 10 Ellen hohe
id Der Nemeſis in Rhamnus, von der Teile der
Baſis mit Relicfdarjtellungen aus der Helenafage
neuerdings dort aufgefunden worden find, cine Sta-
tue Der Gbttermutter in Uthen u.a. Yom allein wur-
den zugeſchrieben die Erzbilder des Zeus und der
Athene in Koroneia.
ne hing: “rah ried)., »>Marktmeijter<), cine den
römiſchen Wdilen ähnliche, mit Geridtsbarteit aus-
geſtattete Behirde in qriechifden Staaten zur Uber-
wadung des Warttverfehrs.
Agoraphobie (griech.), ſ. Platzangſt.
Agordo, Dijtriftshauptort in der ital. Provinz
Pelluno, im Tale des Cordevole in den Dolomit-
Alpen, mit Rupferbergbau und -Hiitte, Bergſchule
und (1901) ca. 740, alé Gemeinde 2862 Einw.
Rgospotamoi(> Zicgenfluj<), im Ultertum Name
eines Flüßchens auf der thrakiſchen Cherfones, fiid-
lid) von Kalliupolis (Gallipoli), Lampſakos gegen—
liber. Un feiner Miindung fand 405 v. Chr. die
Schlacht ftatt, welche die Macht Uthens gänzlich brach
(j. Beloponnefifder Krieg).
Agofta, Stadt, ſ. Auguſta (Sisilien).
Agoftino Veneziano, f. Muſi.
Agots, ſ. Cagots.
oult (fpr. dg), Marie de Flavigny, Gri-
fin d', unter dem Bjeudonym Daniel Stern be-
fannte franz. Sdriftitellerin, geb. 31. Dex. 1805 in
Frankfurt a. M., gejt. 5. März 1876 in Paris, war
die Todter des Vicomte de Flaviqny, eines fran-
175
der Verbindung mit Lifzt, die Dann ebenfalls gewalt⸗
fam gelijt wurde, find ein jung verjtorbener Sohn
und zwei Töchter hervorgeqangen, von denen Blan-
dine (ingwijden gejtorben) ſich mit Emile Ollivier,
Coſima juerjt nut dem Bianijten Hans v. Bülow,
ſpäter mit Ricard Wagner vermählt hat. Der zuerſt
im Feuilleton der »Presse« erfdienene Roman »Ne-
lida« (1845) von A. enthalt leicht verbhiillte Selbjt-
befenntnijje iiber jene Verbindung und die Urſachen
des Bruches. Nad der Februarrevolution trat fie
als politiſche Schriftſtellerin auf; die hierher gehöri—
gen Werfe find beſonders die » Lettres républicaines«
(1848), in denen fie die Zuſtände unter der Regie—
rung Ludwig Philipps einer herben Kritik unterzieht,
und die »Histoire de la révolution de 1848« (1851
bis 1853, 3 Bde. ; neueſte Aufl. 1880), welde dagegen
die Menſchen und die Ereigniſſe der betreffenden Heit
Lin das giinjtigite Lidt rückt. Nod vor der legtern
| Schrift erjdienen ihre »Esquisses morales et poli-
tiques« (1849, zuletzt 1880; deutſch, Berl. 1862),
jedenfalls ihr bejted Werk. Ferner veröffentlichte fie:
»Histoire des commencements de la république
| aux Pays-Bas, 158]—1625<« (1872), wofiir fie einen
Preis der Akademie erhielt. Wus ihrem Nachlaß er-
ſchien: »>Mes souvenirs, 1806—1833« (1877), worin
fie ſehr anmutig die Gefdicte ihrer Jugend (dDarun-
ter aud) cine Be eqnung ntit Goethe in Frankfurt)
erzãhlt. Bgl. A. — miter, Profils contemporains.
Mme. d’A. (Bar. 1867).
Agout (ipr. ga, linfer Nebenfluß de3 Tarn im
ſüdweſtlichen Franfreid, entipringt am nordwejtliden
Hange der Monts de l'Eſpinouſe, nimmt rechts den
Dadou auf und miindet nad 180 km langem, viel-
gewundenem Laufe unterhalb St.-Sulpice-la-Pointe.
A, Gr., bei Pflanzennamen Abkürzung fiir Ufa
Gray (j. d.).
Agra, Hauptitadt der gleidnamigen, Divifion
(26,259 qkm mit (1901) 5,248,121 Einw. und 6 Diftril
ten) der britiſch ind. Nordweftprovingen, unter 27° 10°
nördl. Br. und 78° 5’ öſtl. L., 204 m i. M., rechts
an der Dſchamna, iiber die eine grofartige Cifen-
babnbriide führt, hat cine mittlere Tentperatur von
25,5°. A. liegt in bem gropen Bogen, den die Didamna
hier nad O. macht, in der Tiefe des Bogens das Fort,
ſüdlich Davon die Rafernen der Garnijon und nord-
| Wejtlid) Die Regierungsgebäude, dazwiſchen das weit
| befjer als in andern indifden Stadten gebaute Duar-
tier Der Cingebornen. A. ijt reid) an monumentalen
Prachtbauten, ſämtlich im reinjten mauriſchen Stil.
| Die widhtigiten find der groke Balajt Shah Dſche—
hangirs mit der Uudienshalle und die Moti Mas-
dſchid (> Perlenmofdees), aus pradtigem, weißem
| Marmor mit drei Kuppeln, beide in dem von rotem
Sandjtein erbauten Fort, die große Dſchama Mas-
dſchid, Die Hauptmoſchee im NW. der Stadt, und vor
allem der Tadſch (Tadfdmabhal), »cin Traum in
zöſiſchen Offiziers, der während der Emigration | Marmors, das Kleinod von A., am rechten LU fer, das
Marie Bethmann, aus dem befannten Franffurter | Maufoleum Schah Dſchehans (1628 —58) und feiner
Vanfierhaus, geheiratet hatte. Sie erhielt ihre Er- | Gattin, mit weithin ſichtbarer Nuppel von 18,8 m
ziehung yu Baris im Rofter des Heiliqen Herzens Durdmeffer, woran 20,000 Urbciter 22 Jahre unter
Jeſu, vermählte fic) 1827 mit dem Graten d'A. und Leitung des in A. begrabenen Baumeijters Auſtin
lebte fpater, naddem fie fid) von ihrem Gatten ge- | von Bordeaur gearbeitet haben follen. Ym Ynnern,
trennt hatte und in ein intimes Verhältnis yu Franz umſchloſſen von einem zart in Marmor ausgefilhrten
Liſzt getreten war, längere Zeit auf Reifen in der | Gitterwerf, jtehen zwei Kenotaphe, die wie dic Wände
Sah weiz, wo fie mit George Sand zuſammentraf, in| reich mit Blunien aus koſtbaren Steinen und mit an-
Deutidland und Ytalien. Ihre Todter Claire | mutigen Ornamenten gefdmiidt find. Umgeben ijt
Chriftine, geb. 1830, wurde die Gattin des Schrift- | das aus weißem Marmor ausgefiihrte und auf einer
jtellers Guy de Charnacé und hat felbjt unter dem | 18 m hohen Elattform rubende Gebäude von cinem
Peudonym de Sault fich literariſch verfudt. Wus | geräumigen Garten, in dem ficd ein flanges, gerad-
176 Agraffe — Agrarier.
liniges Gaffin mit zahlreichen Springbrunnen be- lerieſtraße mit bem Runjt- und Gewerbemuferm. der
jindet. Gegeniiber am linfen Ufer liegt das Maufo- pradtige Zringblatz (mit Springbrunnen und den
leum Yhtimad-ud-Daulas, des Weſirs Didehangirs, Bujten von Chr. Frangepan, Juriſich, Shiavone und
ein ebenfalls reichgeſchmückter Warmorbau, und Clovio) mit dem Gebdude der ſũdſlawiſchen Ufademic
& km entfernt bei bem Dorfe Sifandra das pradtige , das aud das Nationalmujeum und cine Germalde-
Grabmal Ufbars. Bon modernen Gebiuden jind galerie enthalt. Nebenan jteht das dhemijdhe LVabo-
nennenSwert ein College, das Zentralgefingnis, das ratortum und dor dieſem das Standbild des Heil.
Gerichtsgebãude, das Waiſenhaus der fatholijden | Georg (von Fernforn). Der größte Rlag ijt der Lini-
Miffion und zwei Mirchen. Die Stadt Hat mit der verjitatsplag mit arf und der Franz Joſephs-Umi-
@arnijon i901) 188,300 Eimw. (*'s Hindu, 's Mo- verjitat. Jn der Rabe de3 Bahnhofs erhebt ſich das
hammedaner, einige Taujend Chrijten), ftarfe Jn- neue Villenviertel. A. zählt avoy 57,689 Cimw., mit
dujtrie in Schuben, Pfeifen, Goldtreſſen und ſchönen Militar 61,002, tretbt bedeutenden Wein- u. Getreide-
Mofaifarbeiten fowie lebhaften Handel mit baum: , handel, bat etme entwidelte Induſtrie (befonders fiir
wollenen. Teppiden, Goldtrejjen und bearbeiteten Tabaf, Leder- und Leinenwaren x., insqefanut 37 Fa⸗
Steinen, wogegen Tabak, Getreide, Salz, Baumwolle brifen mit 3147 Yrbeitern), tit Sig des Banus, eines
eingeführt werden. Den Handel fordern die bier ju- | romijd-fatholijden Erzbiſchofs. der Landesregierung
fammentaufenden Eiſenbahnen und die ſchiffbare eines General- und Honved⸗ Diſtriltslommandos, der
Dſchamna. AW. befigt vier Colleges und ijt Sig der Septemviral- und Banaltafel und jablreicher Behdr-
oberjten Divifionsbehirden. — Unter dem Lodbhi- | den fowie einer Handels- und Gewerbefammer; der
fonig Nizam Ystander (1488 —1517) ward A., da- | Univerjitat (1874 erdjfnet, 1901: 829 Studierende)
mals nod) cin Dorf, Reſidenz; 1526 wurde es von fehlt die mediziniſche Fafultat. Ferner hat UW. 3 Se-
Baber genommen, der es jedod) wieder an die Ufgha- minare, 7 Mittelidulen und 22 Volfsidulen, etme
nen verlor. Erſt Ufbar befepte es 1559 dauernd und | fiidflawifde Ulademie der Wiſſenſchaften (feit 1867),
machte es zur Hauptitadt. Schah Dſchehan J. (1632 cine Landesmufifafademie, eme Univerfitats- und
bis 1656) erridtete die oben genannten Pradtbhauten. | mehrere andre Vibliothefen, ein Rationalmujeunt, die
Uber ſchon Aurangzeb (1656 —1706) verlegte die Re- | Strofmayer-Vildergalerie, einen botanifden Garten,
jidens nad) Dehli, und nad) feinem Tode wurde die | Parfanlagen (Park Warimir) und eine ſehr hübſche
Stadt von den Dſchat, Perſern, Ufghanen rc. verwiljtet, Umgebung. Taglid) erſcheinen neun Zeitungen. —
bis bie Oitindifde Rompagnie fie 1803 den Mahratten | Der Begriinder des Vistums und der KRaprtelftadt
nahm. Wabhrend des Sepoyaufſtandes 1857 wurden | war Ladislaus I. der Nag 3 (1094). Nachdem die
die Englander in dem Fort belagert, aber bald entjegt. | alte Unjiedelung von den Mongolen Unfang 1242
Mgraffe, cine mit Halen und Ofe gu ſchließende zerſtört war, baute Béla IV. die Stadt neu auf und
Vorrichtung gum Feithalten eines jujammengerafften | erbob fie zur foniglichen Freijtadt. Zwifden der Alt⸗
Gewandes, aud) foviel wie Brofde, Fibula, Spange; ſtadt (Napitel) und der Oberſtadt tobte indes jahr⸗
dann ein gebogener Halter, der die Gardinen juriid- hundertelang Fehde; erjt die Tiirfengefabr verjdhnte
ninimt; aud) chirurgiſches, gangenformiges Inſtru⸗ die Parteien. Wahrend der Türken chaft fptelte
nent gum Zuſammenhalten der Wundränder. UW. die Rolle einer vielbedrohten —— Der
Agram (froat. Zagreb, d.h. »hinterdem Berge<, | neue Aufſchwung datiert vom J. 1867, als A. das
ungar. 34 grb), froatijd-flawon. Komitat, grengt im | politiide Zentrum von Sroatien und Slawonien
W. an Stetermart und Strain, im S. an das Komitat wurde. Um 9. Nov. 1880 und im Dezember 1901
Wodrus-Fiume und Bosnien, im O. und N. an die | wurde A. durch Erdbeben ſchwer heimgefudt. l.
Komitate Vt a und Belovdr, bez. Warasdin, 7211 | »>Monumenta historica liberae regiae civitatis
qkm (130,9 | Wm) grok, bat (1901) 476,928 meiſt fath. | grabiae«, hrsg. von Tfaltié (Bd. 1—3: Diplomata
Einwohner (Rroaten). Sig des Romitats ijt Ugram. | 1093-—1526, Ugram 1889—97); Führer von Hart-
Agram, Hauptitadt des Königreichs Rroatien- mann (daj.) und Lihl (Darmſt. 1897).
Slawonien, finiglice Freiſtadt, legt am Fuge des | Agrammatiemus (qried.), ſ. Alataphaſie.
Sljemegebirges, unweit der) Agra-Moſaik, eine in Ugra in Jndien geilbte
Save, ijt Knotenpunft der Za—⸗ Tedhnif ded Plattenmofails, bet der die Farbenfläche
gorianer Bahn, der Babhnen | de3 Mujters aus farbigem Material (meijt Halbedel-
nad Budapeſt, Brod, Fiume, | fteinen) ausgejdnitten und zuſammengefügt wird.
Steinbriit, Samobor u. Ban- Agraphte (griech.), Verlujt der Schreibefähigleit,
jalufa und gerfallt in drei ge- die ohne Lahmung der Hand bei gewiſſen örtlichen
jonderte Stadtteile: die amphi- Gebhirnfranfheiten gleichzeitig mit dem Verluſt der
theatralijd) qebauteDberjtadt Sprache auftreten fann. Bgl. Aphaſie.
mit dem Palais des Banus, MWgrarbanfen (v. lat. ager, Uder), Banten fiir
Regierungsgebäuden, swei Kir⸗ landwirtidaftlidjen Kredit; ſ. Banten.
chen, dem LandeSnationalthea»| WAgrarfrage, |. Landwirtidhaftspolitif.
terunddereinepradtvolleWus- Agrargefesqebung, der Teil der Geſetzgebung,
fidjt gewahrenden Strohmayer - Promenade liegt auf | der fid) auf die Regelung des ländlichen Grundbeliges
dem Hügel Grit, auf den eine Bergbahn hinauffiibrt. | bezieht. Val. Landwirt}daftspolitit.
DieMapitelftadt mit dem erzbiſchöflichen Palais und Wgrarier, politifde Partet in Deutidland, welde
dem nad) Dem Erdbeben (1880) rejtaurierten gotiſchen die Yntereffern der Landwiriſchaft vertritt. ore Ane
Dom (von 1099) ninemt den obern Teil des Ubhanges | fänge weijen auf eine Verſammlung bin, die auf An—
cin, Wogegen Die moderne untere Stadt fic in co regung von M. A. Riendorf (gejt. 1878) und Elsner
bene halbfreisfirmig ausdehnt. Wittelpunft der- von Gronow im Mai 1869 in Breslau während der
felben und des Verlehrs ijt die Hauptſtraße Ilica und | dortigen Wanderverfammlung der deutſchen Land-
der Jellachichplatz. Auf letzterm erhebt fid) das in Er; und Forſtwirte ftattfand und zunächſt das Erſcheinen
xgoſſene Reiterſtandbild des Banus Jellachich (von | der »Deutſchen Landeszeitung « zur Folge hatte. In
Fernlorn). Bemerlenswert ijt ferner die Maria Ba- | den Wahllämpfen traten die A. zuerſt 1874 hervor.
BWoppen von Agram.
Agrarijdhe Gejese — Agricola.
Yn den Tagen vom 22.—24. Febr. 1876 fand in
Berlin eine fonjtituierende Verjammlung » Deutfder
Steuer> und Wirtidaftsreformer« ftatt, welden Na-
men die A. feitdem offiziell angenommen haben, und
jtellte folgende Brogrammpuntte auf: Befeitiqung
der in det Grund-, Gebäude- und Gewerbejteuer lie-
genden Doppelbejteucrung, Börſenſteuer, Freihan-
Delapolitif, Uufhebung der Differentialzölle, Staats-
bahnſyſtem, oe von Reichspapiergeld unter |
Vejeitiqung der Banfvorredte, Umgeſtaltung der
Uttiengefepgebung, der Gewerbeordnung, des Unter-
ſtützungswohnſitzgeſetzes, Beſchränkung des bauer-
lichen Erbrechts und der Verſchuldungsform. Politiſch
ſchloſſen ſich die A. der konſervativen Partei an. Die
urſprünglich ſtark betonte freihändleriſche Richtung
wurde infolge der zunehmenden ausländiſchen Kon—
furreng ſeit 1879 verlaſſen; vielmehr verbanden ſich
die A. mit den Vertretern induſtrieller Schutzzölle und
haben 1879, 1885, 1887 und wieder in der jüngſten
Heit eine lebhafte Tatigheit fiir Cinfiihrung, bes. Er—
höhung der Getreide-, Vieh- und Holzzölle enthaltet.
Ugrarijde Tendengen vertritt in jin ee Beit beſon⸗
der8 der Bund der Landwirte (ſ. d.). Bal Stephan,
Die 25jährige Tatigteit der Steuer- und Wirtſchafts-
reformer (Werl. 1900).
Agrariſche Gefewe (Leges agrariae, »VUder-
aciepes) der Romer, ſ. Ager publicus.
gtarmeteorologic, die Unwendung der Me—
teorologie fiir Swede der Landwirt{daft. Bal.
BWollny, Forjdungen auf dem Gebiete der Ugri-
fulturphyfif (Heidelb. 1878 ff.); Doudaille, Météo-
rologie agricole (Montpellier 1893).
rpolitif, das Berhalten der ſtaatlichen Ge-
ſetzgebung und Berwaltung in Bezug auf den land-
wirtſchaftlichen Boden und den ländlichen Grundbefig,
ſ. Landwirtſchaftspolitik.
Agrarverfaſſung, die rechtliche Ordnung der
Grundeigentumsverhaltnijje eines Landes. S. Land⸗
wirtſchafispolitik, Hofſyſtem; über die agrariſchen
Geſetze der alten Römer ſ. Ager publicus.
rarzölle, die auf Erzeugniſſe der Landwirt—
ſchafti gelegten Zölle (ſ. d.), insbeſ. Getreidezölle und
Viehzölle (jf. dieſe Urtifel).
Agrate, Marco, ital. Bildhauer um 1500, hat
ſich befonders befannt gemacht durd) die Marmor—
jtatue des 9 Gundenen Heil. Bartholomaus im Dom
ju Mailand, der, cin Bud) lejend, feine abgezogene
Haut auf den Sdhultern trägt. Wegen der genauen
Durdbildung der anatomiiden Details fand das
Werf feiner Beit lebhaften Beifall, wofiir auch die
prahleriſche Inſchrift ſpricht: »Non me Praxiteles,
sed Marcus finxit Agratcs« (»Nicht Praxiteles bil-
dete mid), fondern Marco A.«).
Agraulos, ſ. Aglauros.
Agraviãdos (ſpan., »VBeeintridtigte, Mißver—
arg ed Name der Wbfolutijten in Katalonien, die
jeit November 1826 auftraten und von der apojtoli-
ſchen (päpſtlichen) Partei insgeheim unterſtützt wur-
den. Im Auguſt 1827 erhoben ſich die A. und for—
derten äußerſten Abſolutismus in Kirche und Staat,
ſelbſt die Inquiſition; doch wurden ſie in mehreren
Gefechten verſprengt und die Gefangenen teils zum
Tode, teils zur Deportation verurteilt.
UAgreda, Bezirkshauptſtadt in der ſpan. Provinz
Soria, wichtiger Straßenknotenpunkt am Nordab-
| Romponijten fiir die lutheriſche Rirde,
hange der Sierra Moncayo, am Flüßchen Queiles,
mit (1897) 2852 Einw.
Agrégé (de l'université, franj., fpr. -42), außer⸗
orbdentlidjer Brofejfor, Hilfslehrer.
Meyers Aonv.+ Lerifon, 6. Aufl., L Bb.
177
Agréments (franj., fpr. -mang), in ber Mufif fo-
viel wie Vergierungen (j. d.).
AUAgrefti, Ui berto, ital. Didter und Literarhijto-
rifer, qeb. 24. Oft. 1844 in Neapel, wo er als Univers
fitdtslehrer lebt; verfaßte die Dramen » Raffaello e
la Fornarina« (1863), »Giulia Alpinola« (1864),
»Guglielmo Tell« und »Eponina« (1865), bas dra⸗
matiſche Jdyll »Torquato a Sorrento« (1873), außer⸗
dem »Studj sulla commedia italiana del secolo XVI«
(Reap. 1871) u. a.
Agri, Flup in der ital. Proving Potenza, ent-
fpringt in den Maddalenabergen und miindet nad
136 km langem Lauf in den Golf von Tarent.
Agricola, Udermans, ſ. Wühlmaus.
ricdla, Gnius Julius, rim. Staatsmann
und Feldherr, des Geſchichtſchreibers Tacitus Schwie⸗
gervater, geb. 40 n. Chr. zu Forum Julium (Fréjus)
im narbonenfifden Gallien, gejt. 93. Wis Anhänger
deS Veſpaſian in den Patrizierſtand erhoben und 77
um Konſul ernannt, jtellte er als Statthalter in
ritannien von 78 an die vielfad) gejtirte Ruhe her
und gewann die Briten nad) und nad) fiir römiſche
Sitten. Yn glücklichen Kämpfen eroberte VW. das Land
bis an die Fava (Tay), wurde aber nad) dem glor-
reiden Sieg am Berge Graupius iiber die Kale—
donier und nachdem fetne Flotte die ganze Inſel um-
fabren hatte, 85 von dem mißtrauiſchen und neidiſchen
Kaiſer Domitian abberufen. Tacitus hat ihm in der
beriifmten Biographie ein unverginglides Denfmal
eſetzt. Bgl. x. Urlichs, De vita et honoribus
colae (Würzb. 1868).
UAgricdla, 1) Ulerander, deutſcher Komponiſt
des 15. Jahrh. (ca. 1440 —1506), von dem zahlreiche
Rompojitionen (Meſſen, Motetten, Chanjons) in
Dructen Ketruccis und handfdriftlid erhalten find.
UW. lebte an den Höfen gu Mailand, Wantua und
jtand ſeit 1491 im Dienjte Philipps des Schönen, mit
dem er nad Spanien zog, wo er ſtarb.
2) Rudolf, eigentlich Roelof Huysmann,
Humanijt, geb. 23. Aug. 1443 in Baflo bet Groningen
(Daher Friſius genannt), geſt. 28. Oft. 1485 zu
Heidelberg, ftudierte in Lowen und Faris, lebte feit
1473 in Stalien, fehrte 1480 in die Heimat zurück,
war 1482 im Wuftrag Groningens zur Erlediqung
eines Rechtsſtreits ein halbed Jahr am Hofe Maxi—
milians I. in Briiffel und wurde 1483 durch Bers
mittelung Johanns v. Dalberg (f. d.), feines Freun—
des von Italien her, nad) Heidelberg berufen. VL. ijt
einer Der Begründer des deutiden Humanismus,
allerdings i burd) perfinliches Wirten als durch
jeine Schriften. Die legtern find: »De inventione
dialectica libri IIc. ateiniſche Uberfepungen griechi⸗
{cher Werke, Briefe, dDarunter der an Barbirianus:
»De formando studio«, Reden und Gedichte, größten—
teilS gefammelt von Wlard in »R. Agricolae lucu-
brationes« (Köln 1839, 2 Bde.). In den legten
Lebensjabhren lernte er nod) das Hebräiſche; aud) in
der Theologie fowie in der Muſik und Malerei war
er erfabren. Bgl. v. Bezold, R. Agricola, Rede
(Mind. 1884); Ihm, Der Humaniſt Rudolf A.,
fein Leben und feine Schriften (Paderb. 1893).
3) Martin, Mufitfdriftiteller und einer der erjten
eboren um
1486 in Gorau, 6 10. Juni 1556 als Kantor und
Muſildirektor in Magdeburg. Von ſeinen muſilaliſchen
Schriften find hervorzuheben: »Ein tur; deudſch Mu—⸗
ſica« (Wittenb. 1528), »Muſica figuralis deudſch«
(daſ. 1529, 2. Bearbeitung 1545), »Muſica choralis
deudſch· (daſ. 1533), ⸗Muſica inſtrumentalis deudſch⸗
12
vi Agn iecosiss — Socio
Qrche® G-icscas xed ccmem Tad ⸗
pienes - Mew ae wm retaes 1. 1557 -
6 Georg. opeacicse Sauer, der Gecrizeier P=
neucce Dismecsionpe ant MeeBurse. oct. 24 BME;
106 = Ganhes. oft 271. Row. 1555 m= Coes.
wer 193+ - 22 Sicticre mm Sedan, tuber Der =
Yrsge mms Css Seu, wurde 1527 tes =x
Swatew orie!, 3 aber 1541 nad Obes. ro e
+a dex Beserscce und Bem Serhan gcc xx?
‘piter Stet-sto us und Dirraccmcsser wurte. 2
belerte Ben S207 gt emer cu? cuipere Mets:
grussden Urier Secbung der Wrmerchew. lider ‘mz
»Erincume gar Somgtent< (Berl 1757) — Seime
Geom Emits. eteree Rolient toed. 1722 =
Sisbent. ort 175) me Seriz), war ane geichasir
—
cna
Azri édecumates jcicticnd). Yendichaft m
roan, de SS Dee Aer ober Doma bee
mow dem cure ued em Dreicd
Pellets Dewce come Secs Der cere Domsu. Me andre
der Ober- an? Wietrben bes gee Sanrtheh Stldcic
me mer, le GS vom der Pomsz oberbalb Segens
Tors es om bem Neos ber Nbermbrobl gag. In Gltefier
Sect meres Pee Geormder vom Seiten, befonders
for £on Umtertudeensen der €rdarten fom mon f-3
tr fe Mos Des 1K. Yabrh mut femens. Eoenio r:
0 per chet es rotionelien beu*Sen Bers 5aes
mms ber ecte, ber mrt (fad pom der Theory zur
Srerms Gierrng Er ite: »De orta et cansis
suvv-rraneorum:« (Boe 1546 w 155-1, »De re me-
talivae (Det. 159) w 1561; deri als » Serameris-
buch-«, Bel. 1557 w 1621), »Sermannus, oder Ge:
tyridee uber ben Bergban · ¶dertich vom Zchrudt. dai.
jm). Some mmereloctiiden Schrriten eridienen
goammelt u. d. Z.: ⸗De natura fvssiliam< Saiel
1657, beutiG von Lebmenn, Areaberg 1505 —13,
4 Bite). Bol Seder, Tue Aineralogen Georg W
unb &%. W. Serner (Aretberq 1419); Zaube, in Ben
Mrmteilungen bed Berens titr Geichichte der Deut:
iden tn Hothmen«, Bd. 911572); Jacobi, Der Mi-
neralog Georg A. und fan Berbhaltmis zur Briien-
idhatt ferner Jett / Serdau 1664); 3. Hofmann, Dr.
Georgtus A. (Wlauchau 144%).
by Johann, eigentlich SGnitter, aud nak fei-
nem Geburtéort Cisieben Magister Ielebius genannt,
. 20. April 1494 (1492), gett. 22. Sept. 1566 in
in, ftubierte und lehrte in Wittenberg, wo er ſich
eng an Luther anſchloß, ben er 1519 nad Leipzig
begleitete. 1525 richtete ex Die Kirche zu Franffurt
a, M. ein, war 1526-46 Brediger und Lehrer ju
Wisleben und ging 1540 alé Hofprediger Joachims IL
und Weneraliuperintendent der Warf nad Berlin.
In etnen beftigen (ben fogen. antmomtitiidjen) Streit
mit Luther unb Welandthon verwidelte ifn feine
Wehauptung, bak im Neuen Bunde das Geſetz nicht
mehr gepredigt werden Diirfe, weil die rechte Buje
aue bem Glauben fommen miiſſe. Rod größern
Vinitol gab er durch Die Holle, die er bei Bearbeitung
und Cinfiihrung bes —— Interims (fj. d.)
{pielte. Underſeits war A. cin ausgezeichneter Bre-
biger, trefilidjer Viederdidhter, tüchtiger afademijder
Lehrer und fleifiger Schriftiteller. Seine Sammiun
von beutidjen Sprichwörtern mit Erfldrung (quer
hochbeutſch 1529) fidjert ihm aud) in der deutſchen | dori
Viteraturgeldidjte einen Play. Wal. Mawerau,
Johann Vi (Wert, 1HH1); Latendorf, Ugricolas
Sprichwörter (Sdywerin THE).
ATCe. bectt em wurden mad deren Aus
menberun? <= 1. icbrd EGt. von Sucoen emoge-
mown: Dod meres te mur ipérinh bepolfert. Der
Scone Sencicn pericco te dem romiben Reach an
Domitian beorme wo ber des Ames (OD. &
-qciperrter SScq<). Dem Trojan und namentinh Ha-
Drum meter cmebeutm 1 Limes) G mer a.
550 km lang, teclmece Doppelt und dreifach umd be
itand m der nordliden Haltte aus emem Grdwall
wit emem Graben Doror. m der ĩũdlichen ans einer
Stemiditiima, mit Roitellen, Wadttirmen und
boden jeugen pon der frũübern Sultur. 234 n
—— die Alemannen ihre Angriffe auf dies rd
ride Grenzland und iegten fie fo lange fort, dis fie
fich feiner nad Aurelians Tode (275) volljtandig be-
madtigt batten. Vol Hiibner, Rouriiche
in Weiteuropa (Berl. 1890) und das tm Auftrag der
Reidhstimestommifiion von O. v. Sarweh und Hetiner
bearbeitete Werf » Der o iſch rãtiſche Lames
des Römerreichs · (Heidelb. 1895 ff.).
(griech. Ufragas), eine der größten
und herrlichſten Stadte des Altertums, auf der Süd⸗
küſte Sizilien’. Durch eine doriſche Nolonie von Geia
aus 581 v. Chr.
eqriindet, bededte A. Die ganze
Terraſſe zwiſchen Flüſſen Hopias (jest Fare
Drago) und Ufragas (Fiume di San Biagio). Zur
—— Beit, Ende des 5. Jahrh. v. Chr. hatte
fiber 20,000 Biirger und tm ganzen an 200,000
Cinw., beberridte cin quer Sizilien bis zur
Nordküſte bei Himera ſich erjtrecdendes Gebiet und
führte Feſtungsmauern von 12 km Linge und fo-
loffale Prachttempel auf. Die befonders durch Aus
fuhr von Wein und Schwefel und durd Gewerbe
in plattbeutider Wundart, Wagbeb. 1528; dann | reid) gewordenen Biirger entfernten ſich früh von der
Sitteneinfalt; Bradtliebe und üppigleit,
aber aud) Kunſtſinn und Gajtfreundidaft waren
Hauptzüge der Ugrigentiner. Die Berfaijung war
vorherridend demokratiſch, mit Beibehattung alt-
Hy) Johann Friedrich, Mufifer und Muſit- doriider Form. Unter mebhreren, die fich von Feit
rifiſteller, geb. 4. Jan. 1720 in Dobitiden bet zu Zeit gu Tyrannen aufwarfen, nennt die Geidichte
Viltenburg, geſt. 1, Dey. 1774 in Berlin, war als | mit Abſcheu den Phalaris (um 670 — 554), riibmend
Stubent der Rechte in Leipzig J. S. Bachs Schüler
und lebte fett 1741 tn Bertin, Detreuntet mit Quang.
1761 wurde er gum Hoffomponiften und 1759 ale
Nachſolger Grauns sum Kapellmeiſter Friedrichs II.
ernannt, Der iides ſeine Muſit nicht liebte. Seine Kom
politionen tallentſche Opern, lirchliche Kantaten 2X.)
blieben Mannftript. Wie Schriftſteller wurde er be-
fant durdy feine Polemik gegen Marpurg (Bleu
donym Clibrio) und feine tiberfepung von Tofis
aber Den Theron (488 — 472). Die Epoche ded Rer-
falls der Stadt datiert von der gräßlichen Zerſtörung
durch die Rarthager 406; danach erreichte UL. feine
vorige Blüte nie wieder. Zwar als Timoleon nod
S40 Roloniften aus Belia herbeifithrte, hob es fid
von neuem, mufte aber 514 die a von Sy⸗
rafus anerfennen. Zu Anfang der Puniſchen Kriege
war in W. die Niederlage der farthagifdyen Sriegs-
vorrite. 262 wurde es deshalb von den Romern
Agrifol — Agrifulturphyfik.
nad) fiebenmonatiger Belagerung jum erjtenmal |
erobert, fam wedfelnd in die Macht der Rarthager
und wieder in die Der Römer, bei weld) letztern es ſeit |
210 verblich. UW. wurde nun wieder eine widtige
Stadt und blieb e3 bis gum Untergange ded weſt—
römiſchen Reiches. 828 n. Chr. fiel es in die Hände
der Saragenen, die fic) bis 1086 im Befig der Stadt
behaupteten. Debt liegt an der Stelle derjelben das
moderne Girgenti (f. d.). Die gropartigen Tem—
pelruinen der Griechenſtadt erjtrecen eA ſüdlich
vont heutigen Ort faſt bis jum Weer und gewähren,
meijt dem 5. Jahrh. v. Chr. angehörend, ein voll-
ſtändiges Bild antifer Tempeleinridtung. Am bejten
erhalten find der fogen. Tentpel der Concordia, im
vollendeten doriſchen Stil, der vollſtändigſte und herr |
lidjte Tempel Siziliens, 42 m lang, 19,6 m breit,
mit 13><6 Säulen, und der etwas Fleinere fogen.
Tempel der Juno Lacinia. Der Tempel ded Jupiter
Olympius, der größte, aber nie vollendete Tempel
Siziliens (111 m fang, 55,7 m breit und 37,3 m hod) |
und der eingige, deſſen Name geſichert iſt, jetzi ein
moſphäriſchen —— nutzbar zu machen, in Be—
gewaltiger Trümmerhaufe, hatte 14><7 halb ein-
emauerte Säulen von 3,5 m Durchmeſſer und 17 m
ange und im Innern der Cella eine Reihe riejiger
Raryatiden. Wud) vom Tempel de8 Hephajtos, des
Herafles, der Diosturen, des Asklepios fowie von den
Kloalen ded Baumeijters Phaar haben fid) Reſte er-
halten. W. war der Geburtsort des Bbhilofophen
Empedofles. Val. Serradifaleo, Antichita della
Sicilia, Bd. 3 (Palermo 1836); Sdubring, Topo-
qraphie von Akragas (Leipz. 1870).
Agrifol (lat.), der Ugrifultur, dem Landbau ge-
widmet, Darauf bezüglich.
Agrifolit, Mineral, ſ. Kieſelwismuterz.
Wgrifultur (lat.), Uderbau.
phorſãure bei der
tigen find, während fiir die Stickſtoffanreicherung,
— ane (Uderbaudemie), dieLehre
von
1 Raturgefepen des Feldbaucs, im weiterm
und ijt in die Landwirtſchaftswiſſenſchaft aufgegan—
Sinne die Lehre von den chemiſchen Erjdeinungen
bei Der Entwidelung der landwirtſchaftlich widtiqen
pflanglicjen und tierifdjen Organismen.
Die Geſchichte der A. fallt in ihren Unfiingen
mit Der Geſchichte der Naturwiſſenſchaften zuſammen.
pu einer felbjtindigen Wiſſenſchaft wurde fie durd
umphry Davy (»Elements of agricultural che-
mistry«, Lond. 1813, deutſch 1814) erhoben. Ber—
nard Balijjy von Chapelle -Biron (1499) erfannte
ſchon Die löslichen Bodenſalze fiir die Bodenfrudt-
barfeit als maßgebend, wabrend Jethro Tull (1740)
die fein zerteilte Erde als Pflanzennahrung bezeichnete
(Tullismus). Dann folgten die Arbeiten von
Hermbſtädt, der wie die rationellen Landwirte Thaer,
Schwerz, Burger, Schönleutner, Fellenberg u. a. auf
dem Boden der Humustheorie jtand, nad) der die
Pflanze ihre Nährſtoffe dem Humus entnehmen foll,
der fid) beim Verweſen organifder Subſtanz bildet.
Sprengel lieferte gwar fdjon 1828 den Nachweis, dak
der Humus nur eine Vermittlerrolle fpielt; aber erjt
1840 jtellten Wieqmann und Polſtorf endgültig fejt,
dag die im Pflanzenkörper vorhandenen Elemente
ausnahmslos von außen aufgenommen werden
müſſen. Gleichzeitig erſchien —— Organiſche
Chemie in ihrer Anwendung auf Agrikultur und
Phyſiologie⸗, und vor diefem Werke datiert eine neue
Epoche der A. Liebiq betonte vor allem die Bedeutung
der fiir die Ernährung der Pflanzen widtigen Mi—
neraljtoffe, die int Boden nur in beſchränkter Menge
vorhanden feien und endlich erſchöpft werden müſſen,
wenn nidt volijtindiger Erjag fiir die in den geernteten |
Früchten dem Boden entzogenen Stoffe jtattfindet. .
179
Er warnte vor foldem »Raubbau<, fand jedoch) mit
feiner neuen Theorie fehr viele Geqner, und namentlich
wollten mehrere Ehemifer dem Stichſtoff, als wefent-
licher hea escapee höhern Wert beilegen als
den Mineralftoffen. ie BVerjude von Lawes und
“Gilbert zu Rothamjted in England (HertforDdfhire)
ſchienen fiir die Stidjtofftbeorie zu ſprechen;
allein Liebig zeigte, daß fie nur zur Beſtätigung feiner
Lehre dienten. Die Beit des Kampfes lieferte eine
Fülle der wertvolljten Arbeiten (Wiegmann und
Poljtorf, Salm-Horjtmar, Knop x.), und namentlid)
hat Bouſſingault, der eine Muſterwirtſchaft in Bechel⸗
bronn im Elſaß leitete, ſehr viel zum Ausbau der A.
arn Der Streit fand feine Ausgleichung in der
rfenninis, dah alle Nährſtoffe für die Pflanzen von
qleicher spare: Wir und daß Mali und Bhos-
üngung vor allem ju beriiciid-
bejonders nad) den Forſchungen Hellriegels, das Ver-
migen der Hiilfenfriidte (Lupine, Erbje ꝛc., Stid-
itofffammler), mit Hilfe von Batterien den at-
tracht zu ziehen iſt. Auf Liebigs Anregung wurde
auch die Tierchemie in Angriff genommen und durch
Haubner, Henneberg und Stohmann, Grouven,
G. Kühn, Biſchoff, Voit und Pettenkofer mächtig ge—
fördert. Der von letzterm konſtruierte Reſpirations—
apparat ermöglichte eine genaue Verfolgung der che—
miſchen Vorgange im tieriſchen Körper, und fo ge—
langte man in der Fütterungslehre zu mancher wid
tigen Erkenntnis, die ihre Vervollſtändigung durch
Erforſchung der Verdaulichleit der Futternährſtoffe
und der Geſetze des tieriſchen Stoff- und Energie—
wechſels anſtrebt. Yn dem Make, wie der Standpuntt
Liebigs durch die gegenwartige wiffenfdaftlide Er-
fenntni8 als gu cinfeitig chemiſch erfannt wurde, hat die
U. als felbftindige Disziplin an Bedeutung verloren
gen. Bal. Liebig, Die Chemie in ihrer Unwendung
auf Ugrifultur und Phyfiologie (9. Aufl. von Zoller,
Braunſchw. 1876); Bouffingault, Die Landwirt-
ſchaft in ihrer — zu Chemieꝛc. (deutſch, 2. Aufl.,
Dalle 1851, 2 Bde.; Supplemente 1854 und 1856);
©. Wolff, Die naturgejepliden Grundlagen des
Uderbaus (3. Uufl., Letp;. 1856, 2 Bde.); Derfelbe,
Die rationelle Fiitterung der landwirtſchaftlichen
Nutztiere (7. Uufl., Berl. 1899); Mulder, Chemie
der Ackerkrume (deutfd), Leipz. 1862, 2Bde.); Mayer,
Lehrbud) der A. (5. Uufl., Heidelb. 1901 f., 3 Bde.);
Sade, Lehrbuch der A. (Leipz. 1888); Biſchoff
und Boit, Die Gefege der Ernährung der Fleiſch⸗
freſſer (daſ. 1860); Henneberg und Stohmann,
Beiträge zur Begründung einer rationellen Fütterung
der Wiederkäuer (Braunſchw. 1860—64, 2 Bde.;
»RNeue Beiträge«, daſ. 1870—72); Dietrid und
König, Zuſammenſetzung und Verdaulichfeit der
Futterſtoffe (2. Aufl., Berl. 1891, 2 Bde.); Ber-
thelot, Chimie végétale et agricole (Bar. 1899,
4 Bde.). Reitidriften: ⸗Jahresbericht itber die Fort-
ſchritte auf dent Geſamtgebiete der A.« (Berl. 1858 ff.,
brag. von Hilger und Dietrich); » Die landwirtſchaft⸗
liden Verſuchsſtationen · (Hrsg. von Robbe frit 1859,
Berl.); »Zeitidhrift fiir das landwirtidaftlicde Ber-
ſuchsweſen in Ofterreid)« (Wien, feit 1899); »Bieder-
manns Zentralblatt fiir A.« (Leipz., feit 1872).
AgrifulturphyfiF, dic Lehre von den phyfitali-
ſchen CErjdeinungen in der Landwirtidaft. Bal.
Wollny, Forjdungen auf dem Gebiete der A. (Het-
delberg 1878 —97, 20 Bde.); Hollmann, Phyfit
12*
oa
180 Agrifulturftaat
(4. Uufl., Berl. 1900); Lautenfdlager, Lehrbud |
der Phyſik fiir Landwirtidhaftsidulen (daſ. 1897);
Weber, Leitfaden der Phyſik (2. Aufl. Stuttg. 1898).
Agrifulturftaat, ein Staat, deſſen Bewohner ſich
vornehmlich mit Uderbau beichaftigen, im Gegenjage
gu Dandels- und Induſtrieſtaaten.
Ugrifulturfyitem, foviel wie Phyſiokratiſches
Syjtem (jf. d.).
Agrilus, ſ. Prachtläfer.
Agriménſor (lat.»Feldmeſſer«). Die römiſchen
Feld⸗ oder Ackervermeſſer (aud gromatici genannt,
von groma, das Mefinjtrument, ein Doppeltes Diop- |
terlineal), deren Kunſt von den Römern bei dem Auf⸗
ſchlagen des Lagers und der Verteilung der Landereten
don früh geiibt wurde, bildeten gegen den Wusgang |
der Republif hin, als ihre Tatigfeit durch die Unlequng
von Wilitarfolonien und ſpäter durd die Reichs-
vermefjung vom Staate ftarf in Uniprud genonunen |
wurde und demgemäß thre Bedeutung wuchs, eine
eigne Rorporation und waren in der Kaiſerzeit feft
angejtellte Regierungsbeamte. Sie beforgten die Ver-
—— und Kataſtrierung, die Setzung der Grenz⸗
ſteine, die Anfertigung von Grundriſſen und Flur⸗
regiſtern. Ihre Dis ziplin, in der Kaiſerzeit in beſondern
Schulen gelehrt, ging in ihrem geometriſchen Teil
auf Heron von Alexandria cae und batte damit
jurijtijde und religidje Saige aus der römiſchen Au—⸗
qurallehre verbunden. Bon der hierher gehörigen
Viteratur, die im 1. Jahrh. n. Chr. anhebt und bis
in’ 6. Jahrh. reidht, ijt weniq und aud) dies ver-
jtiimmelt auf uns gelommen. Huger Sertus Julius |
Frontinus (jf. d.) find von Sdriftitellern, von deren |
Werlen ſich Rejte erhalten haben, Balbus, der altere |
und ny oe Hyginus, Siculus Flaccus, Marcus.
Junius Nipſus, Innocentius und Agennus Urbicus
ju nennen. Die bejte Ausgabe der »Scriptores gro-
matici« haben Blume, Lachmann und Rudorff (Vert.
1848—52, 2 Bde.) geliefert. Vl. Cantor, Die rö—
miſchen Ugrimenjoren (Leip. 1875); Stöber, Die
römiſchen Grundſteuervermeſſungen (Mind. 1877);
Brugt, Le dottrine giuridiche degli agrimensori
romani (Padua 1897).
Agrimonia L. (Odermennig, entitanden aus
A.), Gattung ber Roſazeen, Stauden mit unterbro- |
chen gefiedDerten Blattern und ährigen Blütenſtänden.
Etwa 10 Urten in den ndrdliden gemäßigten Kli—
maten und auf den Gebirgen der Tropen. A. Eupa- |
toria L. (A. officinalis Lam., gemeiner Oder: |
oder Udermennig, Leberflette, Stetnwury, |
Heil aller Welt, Hetlandstee), im Europa, |
Nordafien, Nordamerifa. Das Kraut riecht angenehm,
ſchmeckt zuſammen ziehend bitterlich, etwas gewürzhaft
und ijt ein altes Volksheilmittel.
Ugrinion (friiber Vradori), Hauptort einer
Eparchie im gried). Nomos Ufarnanien und Ätolien,
im HW. vom gqleidmamigen See (80 qkm) und an
ber Eiſenbahn $i serioner, ein Wittelpuntt des qrie-
chiſchen Tabafhandels, mit (806) 6733 (Gemeinde
9609) Einw. Angeblich das alte Agrinion, das aber
wobl ndrdlider lag.
Agrion, ſ. Waijerjungfern.
Agridnia (griech.), von Frauen gefeiertes Nachtfeſt
des Dionyſos m Ordomenos. Dre Weber fuchten
ben Mott, bis e& hick, er fet gu den Muſen entfloben; |
dann folgte ein Wahl, bet dem man fich Durd Ratfet |
unterbielt. Coren andern Braud, dah der Dionyfos- |
pricfter Frauen aus dem Minyergeſchlecht mit ſeinem
Schwert verfolgte und die Eingeholten tdten durfte, |
tnüpfte die Sage an die Todhter des Minyas Leufippe, | Enfelin des
— UAgrippina.
Arſinoẽ. Allithoẽ oder Allathoe. die, als Berachteria:
nen de3 Gottes in Wahnſinn —— Leukippes Sobr
ſchlachteten und dann von den Bakchen verfolgt m
Fledermãuſe verwwandelt wurden.
Agriétes , j. Sdnellfafer.
Agrippa, rom. Vor-, ipater Beiname. Berũhmt
find: 1) Narcus Vipianius A. Freund, Feldberx
und Schwiegerſohn des Kaiſers Muguitus, war 63
|v. Chr. geboren, ftand, obwohl nidt von vornehmer
Abkunft, mit Oftavian im vertrautem Berfehr, be-
glettete thn nad der Ermordung Cajar3 nad Ron,
wurde ſein Ratgeber in allen wichtigen Ungelegen-
hetten und batte den Hauptanteil an den Siegen, die ~
Oftavian zur Alleinherrichaft führten, aud) an dem
entidetdenden bet Altion (31), fiir den er Die Flotte
neu organijiert und geübt hatte. Auguſtus vertied
ihm die höchſten Chrenitellen und bedeutungsvolliten
Berwaltungsamter und vermablte ihm nad des War
celluS Tode ſeine Tocter Julta. Mit ibm war A.
zweimal Stonful und tat viel fiir die Verſchönerung
der Hauptitadt und die Gefundbeitspflege ihrer Be-
wobhner; Bader (Rantheon), Waijferleitungen und
Wege trugen bier ſeinen Namen, aber aud) im den
von ihm verwalteten Brovingen bat er zahlreiche
Bauten ausgefiibrt und die dann von Auguſtus m
einer dffentlichen Halle ausgefiibrte Weltfarte vor-
bereitet. €r jtarb 12 v. Chr. Agrippas Todter aus
jeiner erjten Ehe, Vipjania, wurde ſpäter Gemablin
deS Tiberius; mit der Julia zeugte er drei Söhne,
C. Cajfar, L. Cafar und A. Pojtumus, und zwei
Töchter, Agrippina, ſpãter Gemahlin des Germanicn,
und Julia. Eine charatterijtiide Biljte von A. it
1792 in Gabii gefunden worden, jest in Baris. Bal.
Frandjen, M. Vipjanius A. (Ultona 1836); Motte,
Etude sur Mareus A. (Gent 1872).
2) Menenius Lanatus, f. Menenius Ugrippa.
Agrippa von Rettesheim, Heinrid Corne-
lius, Schriftiteller, Arzt, Bhilofoph und berithmter
Schwarzkünſtler, Pint 14. Sept. 1486 in Köln, gejt.
18. Febr. 1535 in Grenoble, führte ein abenteuerliches
Leben. Wegen feines Lobes der Rabbala erfuhr er
ſchwere Rerfol ungen, wurde {pater im Heere Raifer
Marimilians —————— und erhielt ſchließlich bei
der Mutter König Franz' J. von Frankreich die Stet -
lung eines Leibarztes, ward jedoch, weil er Luthers
Partei gegen die Monde genommen hatte, abermals
von diejen angefodten und zur Fludt qendtigt. Wis
Pbhilojoph hat fic A. hauptſächlich durch die Schrift
»De incertitudine et vanitate scientiarum<« (Ridin
1527), in Der er Die Wiifenfdaft fiir triigerifde Vor—
fpieqelung der Schlange und den ſchlichten Glauben
an das Wort Gottes als eingigen Weg zur Wahrheit
erflart, fowie Durd fein Hauptwerk: »De occulta phi-
losophia« (zuerſt Köln 1510, umgearbeitet 1533), be-
fannt gemacht, in Dem er eine Platoniſch-chriſtliche
Theojophie lehrt. Qn der Kunſt, fich in den Befig der
Kräfte Der höhern Welt zu fesen und durd diefe die
niedere ju beherrſchen, bejteht nad ihm die Magie
oder die erhabenjte Philoſophie und vollendetite Wers-
heit, die als Herrſchaft liber die irdifchen Dinge natiir-
| liche, fiber die Geſtirnwelt himmliſche und über die
Geiſter- und Dämonenwelt reliqtdfe Magie ijt. Geme
Schriften eridienen zu Lyon 1550, 2 Bde., und 1600
(deutſch, Stuttg. 1856). Bal. H Morley, Life of
Cornelius A. (ond. 1856, 2 Yde.); Siqwart, Meine
Schriften, Bd. 1 (Freiburg 1881).
Agrippina, 1) A., die iltere, Tochter ded M.
Vipianius Wgrippa (f. Ugrippa 1) und der Qulia,
ugujtus, Gemabhlin des Germanicus,
Agrippinijde Geburt — Wguado.
dem fie neun Rinder geboren hat, ausgezeichnet durch
edlen und hodyhersigen Charatter, aber unfiibig, ihren
leidenſchaftlichen Sinn ju beherrjden. Nach dem Tod
ihres Gemahls, den fie, feine Anſtrengung fdeuend,
auf feinen Feldzügen begleitet hatte, fam fre bei Livia
und Tiberius in den Verdacht, fiir ihre Rinder nad
Der Herrſchaft ie jtreben, und beſchleunigte durch ibre
Riidjidtstofigteit ihren Untergang. Bon Sejanus
verleumbdet, von Tiberius auf die Ynfel Pandateria
verbannt, mute fie zwei ihrer Sohne der Urglijt Se—
jans gum Opfer fallen fehen und jtarb 33 n. Chr. felbjt
den Hungertod. Nur einer ibrer Sohne, der nach—
malige Raifer Gajus Caligula, iiberlebte fie. Die
fipende Statue im fapitolinijfden Mufeum gu Rom
(j. Tafel »Bildhauerfunft V«, Fig. 9) gilt ohne A 4
nilgenden Grund als ihr Bildnis. Bal. Graber, 2
mijde Kaiſerfrauen (2. Uufl., Berl. 1880, S. 221 ff.).
2) A. die jiingere, Todter des Germanicus und
der vorigen, braihte e8, nachdem fie vorher an Cn.
Domitius UWhenobarbus und Paffienus Crijpus ver-
Heiratet geweſen, durch die niedrigiten Riinjte dabin,
bay Kaiſer Claudius, ihr Oheim, fie gur Gemahlin
nahm, um fo ihren Sohn erjter Ehe, den nadmaligen
Kaiſer Nero, auf den Thron ju erheben. Danad
wurde Claudius von ihr vergiftet und Rero als Kaiſer
ausgerufen. Uber aud) diefem wurde ihre Herrſchſucht
bald unbequem,; nad dem vergeblidjen Verſuche, fie
mittels eines dazu hergeridteten Schiffes gu ertrinten,
ließ er fie (59 n. Chr.) in ihrem Landhaus ju Bauli
durch Goldaten ermorden. Ihren Geburtsort, Op-
pidum Ubiorum, erweiterte A. durch Unfiedelung von
Beteranen (50 n. Chr.), und ihr gu Ehren wurde er Co-
lonia Agrippinensis oder Agrippina (din) genannt.
Ihr Bildnis ijt in einer Statue aus Cervetri im La-
teran erhalten; die beriihmte ſitzende tm Rational-
mujeum gu RNeapel ijt ihr mit Recht abgefprocden wor-
den. Val. Stabr, Ugrippina (2. Wut, Berl. 1880).
iniſche Geburt, Fußgeburt, ſ. Geburt.
Agronom (griech.), ⸗Ackerbaukundiger«, insbeſ.
wiſſenſchaftlich gebildeter; Agronomie, Lehre vom
Ackerbau (f. d.).
Agronomiſche Flachlandsaufuahme, |. Geo-
logiſch aqrononufde Flachlandsaufnahmen.
Agropyrum Garin. (Queche), Gattung der Gra-
mincen, 32 meijt ausdauernde Yirten in allen gemãßig⸗
ten Ländern. A. repens Beauv. (Triticum repens L.,
Hundsweigen, Pädengras, Sweden, ſ. Tafel
»Griijer (Ve, Fig. 7), mit weithin kriechendem Rbi-
gout, in ganz Europa, Nordajien, Nord- und Siid-
amerifa fehr verbreitet, auf Uderland ſchwer zu ver-
tilgended Unkraut, deſſen ſüßlich ſchmeckende, mannit-
haltige Wurzelſtöcke als Rhizoma graminis arzneilich
benutzt wurden. A.junceum Beawe, wird an ſandigen
Riijten zur Befejtiqung der Diinen angebaut. Queden-
wurzeln enthalten 3 Bros. Frudtzuder und 6—8 Pro}.
Triticin, aud) bejigen fie echeblid
muß fie kompoſtieren, um fie unſchädlich gu madden.
Agrostemma L., Gattung der Karyophyllazeen,
graufilzige und zottige Kräuter, mit linealiſchen Blat-
tern, roten Blüten u. harter Kapſel ohne Scheidewände.
Zwei Arten. A. Githago L. Kornrade, Rade,
YUderfrone), in Europa, Aſien, Wmerifa, Auſtra—
lien, nur auf Kulturland, befonders in Getreide. Die
ſchwarzen, nierenformigen, hiderigen Gamen (jf. Ta-
fel >Samenformene, Fig. 16) enthalten giftiges Sapo-
nin und müſſen deshalb durd Reiniqungsmafdinen
aus dem Getreide entfernt werden. Durch Röſten
follen die Samen entgiftet werden.
UAgroftéographie (qricd.), Beſchreibung der
en Dungwert. Man |
[Griafer.
181
Agrostis L.(Windhalm, Straußgras), Gat-
tung der Grantineen, Gräſer mit vielfad verdjtelter
Rifpe, gegen 100 Arten, befonders in der nördlichen
gemapigten Bone. A. vulgaris With (qemeines
Strauggras, fleine Meddel, ſ. Tafel »>Grijerl«,
Fig. 6), mit nad dem Verbliihen offener Riſpe, ijt auf
dem Ddiirrjten Land ein gutes Triftgras. A. alba
Schrad. (A. alba L., Fioringras, Eleine Quecke,
ſ. Lafel »Grafer I«, Fig. 7), mit pyramidaler, ſpäter
zuſammengezogener Rijpe, in Europa, Aſien, Nord-
afrifa und Nordamerifa, wächſt auf feuchten Wiefen,
Mooren und bildet als Untergras cinen jarten, did-
ten Raſen, der trefflidjes Rindviehfutter bietet. Ge-
braudSwert des im Handel vorfonunenden Samens
= 11 Proz., häufig mit der fiir Wiefen geringwerti-
qen Aira caespitosa verfiljdt. A. spica venti L.
(Windhalm, Sdling-, Taugras, große Med-
Del) ijt ein lajtiges Unfraut des Sandbodens und
wird vor der Ausſaat durch mehrmaliges Umadern
befampft. A. canina LD. (HDundsftraufgras), auf
moorigem Boden, ijt cin Futtergras zweiter Klaſſe.
A. rubra L. (Derdengras) und A. scabra Willd.
(Paargras) find in Nordamerifa als Futtergräſer
eſchätzt. A. nebulosa Boiss. et Reut. (j. Tafel »Grii-
ex Ve, ig. 11), mit überaus garter Riſpe, in Spa-
nien, wird fiir Trodenbufetts fultiviert.
Agrotis, Sdmetterling, ſ. Culen.
tiimen (Agrumi, »v. ital. », fauer), die
aus Italien fommenden Mics, Seinen 2c.
Agrypnie (griech.), Schlaflofigfeit (7. d.).
Agſtein (Agtſtein), veraltete Bezeichnung fiir
Bernſtein und Gagat; orientaliſcher A., ſ. Umbra.
tia (Volcano de U., »Waſſerſpeier«), erloſche⸗
ner Vulkan im mittelamerikan. Staate Guatemala,
ſüdlich von der Stadt Antigua, cin von Obſidian—
majjen umfdloffener Trachytfegel von 3700 m Höhe,
mit cinem Rrater von 27 m Durdymeffer, erhielt fei-
nen Ranten von einer ungeheuern Waſſermaſſe, die,
wahrſcheinlich bei Schneeſchmelze, Durd einen Bruch
der Kraterwand ausjtrintte und Ult-Guatemala (Vieja
Guatemala) zerſtörte. Nordweſtlich davon der 4261 m
hohe, tatige Bolcano de Fuego (⸗Feuerſpeier «).
Agiacate, ſ. Persea.
Agiiadilia (pr. -viujy, Departement im NW. der
nordamerifanijd -wejtind. Sunjel Buerto Rico (ſ. d.),
mit 99,645 Einw. (wovon nur 14 Proz. Farbige). —
Die gleidmamige Haupiſtadt, an der Weſtlüſte, ijt
Seehafen und Sig eines deutiden Vizelonſuls, mit
(1899) 6425 Cinw., ſtarker Ausfuhr von Kaffee, Zucker
und Tabat.
Aguado, Wlerandre, reider Vanier in Paris,
geb. 29. Juni 1784 in Sevilla als Sprößling einer
angefehenen Sudenfamilie, gejt. 14. April 1842 in
Faris, gehörte sur Zeit der franzöſiſchen Invaſion in
Spanien zur Harte der Afranceſados, zeichnete fid
in mehreren Gefechten aus und jtieq gum Oberiten
und Udjutanten Soults. Nach dem Sturge des Raijer-
reichs nahm er feinen Abſchied und beqriindete in Pa—
rid cin Bankgeſchäft, das fich bald zu cinent der erjten
emporjdwang. Er negojiierte mehrere ſpaniſche An—
leiben, was ibm die Ernennung jum Marques de
la Marismas del Guadalquivir durd Ferdi-
nand VIL. einbradte, ebenjo aud) die griechiſche Un-
leihe von 1834. Die von feinem Haus ausgeqanges
nen Bapiere wurden Aguados genannt. Er hinter-
lief} bei feinemt Tod ein ungeheures Vermögen und
eine ausgezeichnete Gemäldegalerie, deren Hauptiwerfe
Wavard in cinem umfangreichen Prachtwert (Bar.
1839 — 47, 4 Bde.) beſchrieben hat.
182
gas Calientes, fidbmerifan. Binnenitaat, ert
1853 aus Teilen von Zacatecas gebildet, zwiſchen
21° 34‘ und 22° 20° ndrdl. Gr., von den Staaten
Bacatecas, San Luis Potofi, Jalisco und Guanajuato
umidiloffen, bat 7692 qkm und G90) 101,910 Einw.
(50,478 mannlice und 51,432 weiblide). Als Teil
bes merifantidhen Hochlandes ift er in Der Hauptiace
Hodebene (etwa 1600 m i. WL); befonders im NRO.
erheben fic) aber wild yerfliiftete Gebirgsletten (Sierra
be Laurel 3001 m, Serra de Pinal), Abzweigungen
ber bitlidhen Sierra Madre. Der frudtbare Bo
trägt viel Weizen, Mais und Hiilfenfriidte, in den
heißen weſtlichen Talern auch Zuderrobr. Der Berg:
bau iit im Rüclgange (1599 nur mit 762 Virbeitern).
~ Bie gleidmamige Hauptitadt (1900 m ft. M.)
iit Rnotenpunft von vier Bahnen, hat 11 öffentliche
Plage, 1S Mircden u. Mapellen und (190) 30,052 Cimw.,
bie Baumwollweberet und Gartenbau treiben. Bon
ber ehemaligen Biiite der Stadt zeugen das ſchöne
Muni yipalgebdude, das Gefangnis, die Markthallen rc.
Die nad ihren warmen Cuellen (bis 40°, die bedeu—
tendite Baiio la Contera 37,5°) benannte Stadt halt
ju Weihnachten eine große Meſſe.
Agudios Eiſenbahnſyſtem, ſ. Bergbahnen.
Agueillon, Gorges d' tive. grt dagajong), ſ. Evo-
lena.
eſſeau (pr. aggefio), Henri Francois d’,
Aguas Calientes — Aguti.
Tode verdifentlidten, €r3ab
lungen >Home influence« (deutich, Leibz 1858) umd
» Mother's recompense « ¶ deutſch. Daf. IXX). Weitere
Schriften ſind: »Women of Israel«, »The Jewish
faith<, »> Woman's friendship< (deutid, dai. ISHU), Dae
Novelle » The vale of cedars or the martyr« ¶ deutſch
Cidenb. 1857) u. a., die alle jartes poetiſches Gefuhl
und warme Begeijterung fiir den Glauben ihrer Bater
befunden, dabei aber echt chriſtliche Moral predigen.
Aguilas cor. agias), Stadt in der fpan. Proven;
Murcia, Bezirt Lorca, am Fuh eines ms Wittelmeer
voripringenden Felſenberges und an der Eiſenbahn
Yorca-U. gelegen, mit Fort, 2 Hafen, Shmeljshitter
und (1897) 12,381 Cinw., die bedeutenden Uusiubr-
handel mit filberbaltigem Btei, Eiſenerz, Schwefel
Eſparto und Feigen betreiben.
Aguilera (ir. agueroa, Ventura Ruiz, fpan.
Dichter, geb. 2. Nov. 1820 in Salamanca, geit. 1. Juli
1881, ftudierte Medizin, wurde in Madrid journa.
lijt und ſpäter Direftor des archäologiſchen Mujeums.
Durd ſeine volf{stitmlichen »Cantares«, denen er » Ecos
nacionalese und »Elegias« folgen lich, beqritnDdete
er feinen Ruf als Dichter. Legtere wurden in fait alle
europãiſchen Sprachen überſetzt (ins Deutide von Fa—
| ftenrath im »> Bud meiner fpaniiden Freunde«, Bd. 2,
| Leip3. 1870). Ebenſo großen Anklang fanden die Ge
| Dichtiamimiungen »Armonias y cantares« (1865),
Sangler von Franfreid), geb. 27. Rov. 1668 in Li- | »Inspiraciones« (1866) und +E! libro de la patria:
moges, geit. 9. Febr. 1751, entftammte einer alten | Baladas y cantares« (1869). Weniger bedeutend ſind
parlamentarijden Familie, wurde 1690 Generaladvo- die »Satyrase und die realijtiiden, balbirontiden
fat und 1700 Generalprofurator beim Parlament zu Hirtengedidte feiner » Arcadia moderna« fowie ferme
Paris. Wegen feiner Verdienjte um die Reform der
Rechtspflege und um Wabhrung der Freiheiten der
allitanifen Kirche gegenüber papitlicen Bulle
‘nigenitus wurde er 1717 unter der Regentichaft des |
Herjogs von Oridans Kanzler von Frankreich. Cin
fein und humaniſtiſch qebildeter Mann, neigte er jum
Janſenismus. Sein Wideritand gegen die Mißwirt⸗
fchaft des Kardinals Dubois hatte feine Entlaſſung
1722 yur Folge. Er erlangte 1727 dDurd Den Mardt-
nal ‘Fleury ſeine Amter wieder. Wegen Altersſchwäche
trat er 1750 ale Mangler juriid. Seine gefammetten
Schriften (Bar. 1759 80, 13 Bde.; 1865, 2 Bde.)
erſchienen deutſch von Weber (Leipz. 1767, 8 Bde.).
Bal. Boullée, Histoire de la vie du chancelier d'A.
(Bar. 1849); F. Monnier, Le chancelier dA. (2.
Aufl., Daf. 1464).
Wguilar pr. agilar, 1) Bezirkshauptſtadt in der
ſpan. Proving Cordoba, am Cabra und an der Eiſen—
bahn Cordoba-Walaga, unweit der fiſchreichen Seen
Hofiar und Rincon gelegen, bat cin maurifdes Kaſtell,
Die Kloſterkirche Santa Clara nut wertvollen Gemal.
ben, Wein u. OÖlbau und (ise7) 13,329 Einw. Jn der
Nabe entipringen Salyquellen. 2)(V. De Campdo)
Fleclen in Der tpan. Proving Palencia, im obern Tale
des Pijuerga, an der Cijenbabn Benta de Baños—
Santander, mit Schlofruinen, cinem alten Rtofter,
beriihmten Jahrmärkten und (807) 1575 Einw.
Aguilar ivr. agitar, Grace, engl. Schriftitellerin
Brofaerzablungen: »Proverbios ejemplares« (186-4)
und » Proverbios comicos« (1870). Eme Sammlung
| finnig -ftimmungsvoller BWeihnadtslieder bietet die
»Leyenda de Noche-Buena« (1872; deutid von Fa.
jtenrath, Leip; 1480). A. weiß in feinen Didtun
gen gliibendDe Baterlandsliebe und wehmütige Mage,
warme Vegeijterung und feinjinnige Betradtung jum
voetiſchen Ausdruck yu bringen. Bon feinen fu
Vierjeilern find viele Vollsbeſitz geworden. Eine toe
ſamtausgabe feiner Werle erſchien 1873 in Madd,
cin Band ausgewablter Gedichte 1880.
imalDo (pr. aginaloo), Fiibrer der aufitindijden
Filipinos, ſ. Philippinen.
Agulhas, Kap (ir. «ities, Nadelfap), 139 m
hod, mit Veuchtturm, Südſpitze von Afrila (34°51 15"
ſüdl. Br. und 2O° öſtl. L.), an Der Miijte des Kaplandes
Unmittelbar davor die Ban l A. die fic, 100-140 kam
breit, vom Sap der Guten Hoffnung bis zum Grofen
Fiſchfluß hingieht und den Kapſtrom (YL. -Current) nad
S. ——
Agulhasſtrom, |. Indiſcher Osean.
Aguontum, j. Viens.
tigufa, Inſel, ſ. Favignana.
| UAguftos, Stadt, ſ. Niaujta.
Aguti (Guti, Steiftier, Dasyprocta /W.), Gat
| tung der Ragetiere aus der Familie der Meerſchwein
| hen (Caviidae), unterjegt gebaute Tiere mit —
ſpitzſchnauzigem Kopfe, lleinen, runden Obren,
aus ſpaniſch judiſcher Familie, qeb. 2. Juni 1816 in Stummelſchwanz, langen, dreizehigen Hinter- und
Hadney bet London, geſt. auf emer Reiſe nad Bad etwas kürzern, vierzehigen Vorderfüßen und ftarten,
Schwalbach 16, Sept. 1847 in Franffurt a. M. Sie | breiten, bufartiqen Rrallen. Sie leben in Südamerila
war von Jugend auf von febr ſchwächlicher Gefund- | und auf den Untillen. Der VW. (Goldhafe, D. Aguti
bett, Die durch trübe Erfabrungen nod mebr eridiit LL.) tit 40 cm lang, gelbrot, ſchwarzbraun geiprentelt,
tert wurde. Wit 12 Jahren vollendete fie fon ein findet fic) in Guayana, Surinam, Brafilien und Nord:
Trama: »Gustavus Wasa«. Nore weitern Sdriften, «peru, sum Teil febr häufig, fann in Suderrobrpilan-
von denen die meiiten in zahlreichen Auflagen erſchie yungen und Gemuſegärten lajtig werden. Die Jagd
nen, bebandein vor zugeweiſe häusliche Erziehung und auf den VL iſt ſchwierig, da er nur nadts fein Lager
miitterliche Liebe. fo namentlich die beiden, nad ihrem verlaäßt; das Fleiſch iit wenig geichagt.
—ñ—i 77> . ._--
— —4
ZIM we
etergep bog were — 217 —
⸗ lal een — eee Teer
Time a »vuuaa 5 rye VOU :
Sr ee — uanylasy {
' '
eee . = 3 ‘ 3 4 so eRol eT , —
— an, * . — — PR a ee ; “ooo QOO TEE TIS TMS
F ed |
— —
' . ° \ of = *
ne — 7, oa a Xa Ld AOY
x were . 3 * che ‘errr: ——
* * nae mene ,
tear fog = Vea ® *2 * * — " 2 eu :
- — — J— * * 4 a
J “uy seeegy . sank io Oe od
Av ———— e. — *“ —N⸗*
¢
— pyr rf ere Wty
ee woke — Ne
* 1a bine «yp *
ow Ww
say
wt § — a KR ee eg a Oe
— 9 ewe iste
ne INET atau: . “50 mses O veer
zx erent “ * “Sh . . ‘ ‘ a til * “were id
2n.2 oe SINONVad iw . 9 . * — f ene. s z : a * —
oc an eas s Ne: ; : : , *
22 — [vee Cf
ft —
Le -_ mae 4 * on : b ; * pt ” a
Vivubid oo . ‘ “ti 5: is n> CoN — —
. — is -_ . % —— — — — —
ow ee ene 4h — ily *y Yew es ucers s iat — Ene *
·— s — ya
wiWVev ON “Sei
eee ds
1
waey otal ‘ —
34 ** ies *8 en
eee eee ek ER eee
ase. oF = =
x tte Ore
ase a cm :
i *. * pat —— *
* 2 — v A we” eee a - i 7 , i a RY of * — aan
2*4. e* Nip : eee bee , * —* *
er > . m™, eM] faces a of ee A nes “6
~ — PY as ‘ on 7 \ . . . a . -
Ca ae Gs wee wee. SS :
‘Brdwy a vansoy saqospydesdongg Lrg ‘uaprag auoy ssihipe
sey ——— LW Veg = 6
= 0
“A
21
= 7 he “e ig : seal
ee F —— ay a wy a f =
: es ee ee p** TAMAR Re
* — — F —
[ —
oe oe Do “If *
‘i 1 roy ‘ P ai
Se lesul — ⸗
Agyia — Agypten.
Hid, Hauptitadt einer Eparchie im griech. No-
mos Lariſſa (Theffalien), am Siidhange des Kiſſavos
(Dfja), mit (see) 2422 Cinw.
yieus, Beiname des Upollon (ſ. d.) als des
Gottes der Straßen und Wege.
Agylla, pelasgijder Name der Stadt Cäre (f. d.).
Hnie (qried).), Unbeweibtheit; agynifd, in
otanif joviel wie ohne Piſtill.
Aghpten (hierzu Karte »Aqypten, Dar Fur und
Ubefjmtien«), ehemals ein großes felbjtindiges Reid,
jebt ein unter Der Hoheit des tiirfijden Sultans und
unter englijder Oberaufjidt von einem Bizefinig
regierter Staat in Rordafrifa. Der Name ijt griechi⸗
iden Urfprungs, aber von ungewijjer Bedeutung;
nad) Brugid ware das qried). Aigyptos entjtellt aus
Hele Ptah, »Haus de3 Geijtes des PBtah«. Der eine
intifdhe Name war Kemet (ſchwarzes Land); diefe
chwarze Erde, die, vom Nil angeſchwemmt, den
fruchtbaren Talboden bildete, jtand im ee gu
dem angrengenden Te Teſcher (das Rote), der Wiijte.
Bei den Hebriiern hie A. Mafar (im Dual Miſ—
raim), it perſiſchen Keilinſchriften Mudhraja. Der
heutige arabifde Name ijt Mafr, der türliſche Gipt
(der abgefiirgte griechiſche, Daber Gipti, die Ropten,
die unzweifelhaflen Nachtommen der alten Ygypter).
I. Das heutige Agupten.
Yn feinem jesigen Umfang liegt VW. zwiſchen 31° 35’
und 21° 53’ nördl. Vr. (Wadi Halfa) und 23° 45/ und
35° Stl. L. Wn der Küſte des Roten Meeres reidt dic
Grenze jedod) bis zu 18° 2 nördl. Br. (Ras Kaſar),
wo eS an die italienifde Intereſſenſphäre ſtößt. Im
W. wird WT. begrenzi von der Libyſchen Wikjte und
Parla, im N. vom WMittelmeer, im O. von Türkiſch—
Ufien, den Golfen von Suez und WUfaba und dent
Roten Meere. Die Grengen des Reiches find fehr
wechſelnd gewejen. Unter den Pharaonen reichte es
zeitweilig bis 700 km ſüdlich von Syene. In der Folge
aber beqrijf es nur das Niltal bis gum erjten Rata:
raft. Die Eroberungen Mehemed Wis und feiner
Nachfolger dehnten das Reich immer weiter nad S.
aus, das bald Iubien, Rordofan, Dar Fur und den
iibrigen Sudan fiidlid) bis zum Gomerfet-Ril und
Albertſee, weſtwärts bis gum 21.° öſtl. L., fodann
eine Ungahl von Orten an der Gomalfitjte (Geila,
Berbera u. a.) und Harar umfapte, cin Ureal von
2,986,900 qkm, das durch den Aufſtand des Mahdi
1882 auf 994,300 qkm in dem angeqebenen Umfange
zuſammenſchmolz.
Vodengeftaltung.
Das Land ijt gum großen Teil unfrudtbare Sand⸗
und Steinwiljte, fo daß von dem ganzen Gebiet vom
WMittelmeer bis Wadi Halfa nur 27,688 qkm fultur-
fähig find, wovon 16,070 auf Unterigqypten, 11,589
auf Oberägypten entfallen, während das iibrige,
namentlich der zu Aſien gehörige Teil auf der Sinai-
Der
Halbinfel fajt dDurdjaus wüſt ijt. In dem fic lings |
deS Nils hingiehenden Tieflande bildet den Unterqrund
Fels oder Sand, den eine 10--12 m mächtige Schicht
frudtbaren Schlammes bedeckt: ein ſchmaler, im un-
tern Zeile nirgends iiber 30 km, im obern ſelten
mehr als 7 km breiter Streifen Landes, der durd
feine Fruchtbarkeit die geringe Ausdehnung erſetzt.
Dieſes eigentliche A. ie allt nad) feiner natiirliden
Beſchaffenheit in zwei eile, Ober- und Unterägypten.
Unteraiqypten, da8 Rildelta, das vom Mittelmeer
bis Kairo reicht, erhebt fic) nur wenige Fuh über dic
Meeresfläche und ijt großenteils ein Gefdent des
Stromes, wie es ſchon Herodot genannt hat. Es ijt
183
eine fteinlofe Ebene, die zu den ergiebigiten Getreide—
ländern der Erde gehirt. Im N. hat es eine bogen-
formige Begrenzung durd das Mittelmeer an emer
270 km langen, febr fladen Küſte. Seine grifte
Wusdehnung von N. nad) S. beträgt 171 km. Gan;
—— ſteigt ſanft von N. nach S. an; *
einen Breitengrad kommen kaum mehr als 14 m
Steigung längs des Stromes. In Oberägypten
(Sa'ĩd), von Kairo bis Wadi Halfa beim zweiten
Katarakt fic) erſtreckend, muß man der höher werden-
den Ufer wegen den natürlichen UÜUberſchwemmungen
des Nils durch Kanäle zu Hilfe kommen, um die
ſegensreichen Fluten auch den entferntern Gegenden
des Uferlandes zuzuführen. Bon UWjjudn an ſtrom—
abwiirts richtet Das Niltal fic) in der geringen Breite
von 4—6 kin juerjt gerade nad R., wird aber ftellen-
weife durch hervortretende Felswande fehr cingeengt,
fo namentlic) am Dſchebel Selſeleh (Rettenberg), wo
er nur 1 km Breite hat. Später erweitert fic) das
Tal, namentlid von Nenneh ab, am linker Ufer bis
gum Fayiim, das gleidhfalls als cine Schipfung des
Stromes anjufehen ijt. Das Rildelta wird von Ster=
anbdria bis im die Nähe von Rairo und Suez von
jiingern Zertiairbilbungen umſäumt, und gwar von
pliocanen — — im W. und ſehr ver-
jteinerungsreidjen oberpliocdinen Ralfen (Rorallen-
falfen) im ©.; unter legtern treten miocine und Ab—
fagerungen der obern Sreideformation, am Roten
Meere hier und da auc) paläozoiſche Schidten und
auf grojen Strecten friftallinijde Gejteine hervor (7.
Ufrifa, S. 137). Bon Kairo aufwirts umidliejen
den Nil Höhenzüge, die, bis 350 m aufjteigend, zu—
weilen bis hart an den Strom voripringen. Sie be-
ftehen auf beiden Seiten aus verſteinerungsreichem
eocinen Nummulitenkalk, dem fid) von Siut auf⸗
wärts Mergel, kalkige und ſandige Geſteine der obern
Kreide anſchließen. Bon Selfeleh an herrſcht der ceno-
mane quarzreiche nubiſche Sandjtein, bis bei Wijudn
eit vom Roten Meer weſtwärts ftreidender großer
Gebirgszug von Granit, Gneis und Glimmer) diefer
mit untergeordnetem Syenit, Diorit und Porphyr,
der fogen. Urabijde Gebirgszug, ſich wie cin mächtiger
Querriegel vorſchiebt, A. und Nubien ſcheidend. Durch
dieſes —*** das ſich bei einer Breite von vielen
Silometern bis tief in das libyſche Sandmeer hinein
erſtreckt, hat ſich der Nil im erſten Rataraft den Weg
ebrodjen. Zu beiden Seiten der Uferberge beginnt
Bie Willte. Die Arabiſche Wüſte am rechten Ufer
bejteht tm W. aus Nummulitenkalk, dann aus Sand-
ſtein und endlid) nad) dem Roten Meere zu aus frijtal-
liniſchem Gejtein und weijt zahlreiche, tief eingeſchnit⸗
tene Tiler und kühn geformte Felsmajjen von groß—
artigem Gharafter auf. Jim Mittel 500—1000 m
hod), jteigt fie im Djdebel Un Sidr und im Duchan
gu 2100 m, im Djdebel Um Delpha ju 2180 m Hohe
auf. Gie hat im nodrdliden Teil einige Quellen und
eine anſehnliche Rraiutervegetation, die obern Hoch—
flächen entbehren jedod) jedes Pflanzenwuchſes. In
30—40 km Entfernung von der Küſte fällt fte ſteil
que Roten Meer ab. Weit trojtlofer nod) als die
rabiſche ijt die Libyf de Wüſte, eine riejige Hoch—
flice fiidlid) von der Dafe Dadel aus nubijdem
Sandſtein, nördlich von diefer aus Nummulitenkalk
und jiingern tertidren Meeresablagerungen bejtehend,
ohne größere Täler und hervorragende Wipfel, ſteinig
und durdaus waſſerlos; in ihrem öſtlichen Teil wird
fie von einem Daſenzug unterbroden, der von S.
nad N. aus den Dafen Chargeh, Dachel, Fara-
frah, Babharieh und Siwah (j. diefe Urtifel) u. a.
184
Agypten Bewãſſerung, Klima).
beſteht. Wir begegnen hier einer Reihe beträchtlicher Kairo 7,5 m. Cin Zuriidbleiben hinter der normalen
Depreſſionen. Das find die Daſen Siwah — 30 m,
Aredſch —70 m, Uttiah —20 m, der See Sittrah
—25 m. Auch der Birfet Karin im Fayum liegt
48 m unter dem Meeresjpiegel.
Charafterijtijd ijt Der mfolge der Nilüberſchwem—
mungen fid) abjesende Schlanum, der einen großen
Teil Der Sohle des Niltals bedeckt und insbeſ. zur Ent-
jtehung des Deltas Verantajjung geqeben hat. Der-
jelbe bildet eine feine tomige, etwas falfbaltige, faft
gur Hälfte ihres Gewidts aus organifden Subjtan-
zen bejtehende Maſſe, die getrocknet ſehr hart wird und
von jeher aur Biegelbereitung benugt wurde. Im
Delta wechſeln mit ihr ditnnere, aus Sand bejtehende
Lagen. In den wüſten Hjtlidjen Regionen bejteht der
UÜberſchwemmung (fiir unfer Zeitalter 8 m) um mur
1 m bat in Oberagypten bereits Diirre und Hungers
not im Gefolge, aber ſchon 50 cm mehr fann furcht-
bare Verwiijtungen im Delta anridten. Mit Hilfe
von Ziehbrunnen (Schadufs), von Schipfradern (Sa-
fine) und hydraultiden Maſchinen jowie mit Dampf⸗
pumpwerfen bringt man das Rilwajjer aud) in der
Trodenjeit zuweilen durch mehrere Etagen felbjt auf
höher geleqenes Terrain, wobin die Uberjdwemmun-
gen nidt gelangen. Das ganje fulturfaibige Land ijt
durd Dämme in ungeheure Baſſins eingeteilt, im
die Das befruchtende Waſſer durch Randle unter der
Obbut befonderer Ingenieure eingefiihrt und fo lange
auf einer gewifjen Hobe gehalten wird, bis die gehörige
Sand aus mifroffopijd flemen Korallen{dalen (Bryo- | Menge Nilſchlamm abgefest ijt. Die Vinge Der Be
joen), Dod) finden ſich aud) marine Mujdheln vor. | wafjerungsfandle wurde 1890 auf 16,770 km
Vewafferung.
Der einzige Fluß Ägyptens ijt der Nil, der in das
Land mit dem zweiten oder Großen Kataraft bei Wadi |
Halfa cintritt. Roch einmal ſtürzt er zwiſchen der
Inſel Elephantine und der Inſel Philä fiber zahllofe
Klippen zwiſchen Felswänden dahin und teilt ſich da-
bei in viele YUrme, die bei hohem Waſſerſtande 20 In—
jel umſchließen. Bei niedrigem Wafferitande hat er
auf dieſer Strede eine Breite von 1000 —1200 m.
Weiter ndrdlid) im ruhigen Laufe dabhinjtrdmend,
verengert er jid) wieder, jo dak er bei Theben nur
eine Breite von 400 m hat, die aber bei Stut wieder
bis zu 800 m wächſt. Bei Deriit geht linfs der Jo-
fephsfanal (Bahr Yusuf) ab und folgt im ſeinem
350 km langen Lauf dem Fuße der libyiden Berg-
fette bis zur Schlucht El Lahun, durd) die er in das
_ Favyilm tritt, das er in vielen Urmen bewäſſert. 22 km
unterhalb Kairo, wo das Tal fic) zur Ebene erwei-
tert, teilt fic) der Hier °/s Stunden breite Strom am
Batn el Bagr oder Kuhbaud in zwei Hauptarme:
der cine, der bolbitifde der Ulten oder der von Raſchid
(Rojette), geht nad NW., der andre, der alte phani-
tifche oder Urm von Damiat (Damiette), nad) RO.
Das zwiſchen beiden Armen fic ausbreitende Delta
wird von zahlloſen Verbindungstandlen der Nilarme
quer Durdjogen. Im Anſchluß an den Bahr Yusuf
wurde von Deriit nad Siut der Ybrabhimfanal und
von Siut bis Sohag der Sohagiyetanal erbaut. Der
WMahmudiehfanal, aus dem Roſettearm von Fua nad
Wlerandria (j.d., S. 304) ausgebend, ijt der widtigite
des Mildeltas. Sur Requlierung der Riliiber-
ſchwemmungen find in Oberägypten große Baſſins
angelegt, und 1898 wurde mit Der Herſtellung eines
großen Nilreſervoirs durch Dammbauten (barrage)
bei Aſſuãn und Siut beqonnen. Der Damm bei Aſſuãn
foll Den Wafferitand des Nils 106 m über Meereshöhe,
d. 6. 20 m liber Niedrigwaffer, halten; er ijt mit einer |
Schiffahrtsſchleuſe verjehen. Bei Siut wird ein jogen. |
offener Staudamm von 822 m Lange erbaut, der die
Waſſerzufuhr fiir den Ibrahimkanal in Mittelägypten
regeln ſoll. Die Ruinen der Inſel Philä werden durd |
jtarfe Damme gegen eine Uberflutung geidiigt. Qn
Unteragypten wird das Ranalnes ftetiq weiter aus-
gebaut, wie aud) am Siifhwaffertanal und bei Suey |
neues Vand der Kultur gewonnen wird. Das Un- |
ſchwellen des Stromes beginnt bei Ujfudn Ende Juni,
bet Kairo Anfang Juli und erreidt in Der erjten Halfte
des Citobers den höchſten Stand. Die darauf folgende
Abnahme iſt fo langiam, da der Fluß erit April,
Wai und in den erjten Nunitagen des folgenden Jah—
re8 feinen niedriqiten Stand erreidt. Die Flutampli-
tide betragt bei YUijudn 15 m, bei Theben 8,5 m, bei
| angegeben, die Zabl der Dampfpumpen auf 500, die
| der Saliye auf
me oe Die Der Schaduf auf 70,000.
Gin willfitrliches Nberfluten des Landes iſt jest gan;
ausgeſchloſſen; A. hat aufgehört, zur Beit ber Ril
ſchwelle wie ehemals ein großer See ju fein.
Ständiger Ouellen entbehrt der größte Teil des
Landes ganz. Wineraliide Quellen finden ſich m
dem Ouertal zwiſchen Koſſeir und Kenneh und nabhe
der Miijte des Roten Meeres, dann bei Kairo (Heluan),
befonders aber im Oajenjug, deſſen Quellen cijen-
oder ſchwefelhaltig und grofenteils Thermen find.
Seen bejigt Min ziemlich groper Bahl. Ym Qn-
nern find die bedeutendjten der faljige Birfet Rariin
am Wejtrande des Fayiim (26,000 Heftar), die Bit-
terjeen (30,000 Heftar) auf der Landenge von Sue;
und die fleinen Natronjeen (jujammen 6000 Heftar)
ſüdöſtlich von Wherandria. Anſehnlicher als diefe
Binnenjeen find die vom WMittelmeer meijt mur durch
cine ſchmale, ſandige Landzunge getrennten falzigen
Lagunenjeen, worunter folgende die bedeutendjten
jind: Der Birket Mariut (der alte Mareotis) bei Uler-
anbdria, der feichte WMaadich oder See von Mbufir,
der Edkuſee, jest fait wafjerleer, der gleichfalls ſehr
ſeichte Burlos, fiſchreich und mit vielen Inſeln, und
Der Menjaleh, der größte von allen, 67 km lang,
durchſchnittlich 33 km breit und 1—1,5 m tief, mut
vielen Inſeln, fifehreid) und vom Suesfanal durch⸗
jdjnitten. Merkwürdig find endlid) nod) die erjt in
neuerer Heit genauer befannt gewordenen unter:
irdiſchen Waſſerbecken im wejtliden Dajenzug, die
fon im Ultertum jum Bobren arteſiſcher Brunnen
BVeranlaffung gegqeben haben. Seit der englifden
Offupation wird fleihiq an der Trocdenlequng der
5420 qkm qrofen Lagunen an der Rordfiijte des
Deltas gearbeitet.
ftlima,
Das Lima Ägyptens jteht ganz unter dem Einfluß
der nahen Gabara. Wabhrend des Sommers bildet
ſich infolge der ſtarlen Erwärmung einer ausgedehn-
ten Landmaſſe tiber derfelben cin Gebiet geringen
Luftdruds, in das ſchwerere Luftmajjen aus den peri⸗
| pherifchen Gebicten einitrimen, fo daß in A. ndrdliche
Winde vom Mittelmeer her vorherriden. Sie bringen
Kühlung und Feudhtigfeit und geben in Unteragypten
wahrend der überſchwemmungszeit im Muguit und
| September Veranlaſſung ju Rebelbildungen. Wab-
| vend des Winters treten entgegengefegte Verhältniſſe
cin; über der Sahara entjteht ein Hoddrudgebdiet, die
Luftmaſſen fliefen aus der Libyſchen Wülſte feitlid
ab und verurſachen im Niltal ſüdliche Luftitrdmungen.
In Der Übergangszeit vom Winter jum Somuner zeigt
ſich eine sroke Revellofigteit der Windridtungen; in
Agypten (Rima, Pflanzenwelt).
dieſe Beit fällt bas Wehen des gefürchteten Wiljten-
windes Chamſin, deſſen Gluthauch eine exzeſſive
Trodenheit verurſacht. Der Name bedeutet ⸗fünfzig«,
da der Chamſin befonders innerhalb der 50 Tage
nad) der Friibjahrsfonnenwende auftreten foll. Be-
dingt durch dieſe Verhältniſſe und den Stand der
Sonne finden wir cine fortidreitende Erwärmung
der Luft von der Küſte des Wittelmeers nad) Ober-
figypten. Die mittlere Jahrestemperatur betragt in
Wlerandria 20,6°, in Kairo 21,3°, in Koſſeir am Roten
Meer 24,6°, in Kenneh 26,5°, in Theben 29° Der
fiiltejte Monat hat in den drei erjtqenannten Orten
14,4, 11,9 und 18,3°, Der wärmſte 26,2, 29,1 und 29,4°
aufzuweiſen. Unter den Gefrierpuntt fallt das Ther-
niometer iim Niltal nicht (vereingelt wurde 1867 das
Zuckerrohr in YW. durch Nachtfröſte befchadigt); der
tiefjte Stand der Temperatur ijt in den Wonaten
Dezember, Januar, Februar im Delta + 2°, in
Ratro + 5°. Da zufolge der nahen Wiijte die Bewöl—⸗
fung febr gering ijt (Ulerandria hat eine mittlere Be-
wilfung von 24 Proz., Rairo von 19 Proz.), fo er—
folgt in der Nadt eine bedeutende ————
lung, und die Differenz zwiſchen der Tag- und Nacht⸗
temperatur betriigt oft zwiſchen 20 und 80°. Selbſt
in Oberigqypten ſinkt in diefen Monaten das Thermo-
meter um 5 Uber morgens bis auf 5° berab. Wus-
nahmsweiſe ijt gu Alexandria, Rofette und bis Atfeh
1833, 1855 zu Kairo und 1887 im Rildelta Schnee
efallen. —— fommt Eisbildung in den das
elta begrenzenden Wiijten und in der Oafe Siwah
nad gefallenem Tan und bei jtarfem Rordwind vor.
Im fiidlicen W. ijt die Atmoſphäre außerordentlich
troden, und dieſe Trockenheit wird durch die um das
Hriihlingsaquinoftium eintretenden Siidojtwinde und
bejonders Durd) Den erwähnten Chamfin bis gu einem
unertriigliden Grade gefteigert. Feuchter wird die
Utmojphare, je mehr man fid) dem Mittelmeer nähert.
Die Niederſchläge find fajt ausſchließlich Winterregen.
Im Sommer breitet fid) Dagegen ein gang remer
Himmel fiber dem Land aus, und Regenniederſchläge
find, bejonders in Oberäghpten, eine feltene Erſchei—
nung. Dod) hat man ju Kenneh und Theben und
fogar in dem ſehr trodnen Südoſten mehr oder weni-
ger heftige Regengüſſe beobadtet. Wn der Nordküſte
reqnet es vom Oftober bis März und April haufig,
in den übrigen Monaten aber ftellenweife gar nidt.
Die regenreiditen Monate in Wlerandria find der
November nit 24 Prog. und der Dezember mit 27
Proz. Die Jahresſumme des Niederjdlags beträgt
in Wlerandria 210, Port Said 92, Ysmailia 52,
Rairo 32, Sue} 26mm, weiſt alſo ein ſtarkes Ubflauen
nad O. und S. auf. Das Klima agyptens ijt, ab-
—— von den niedrigen ſumpfigen Strichen an der
titite Des Roten Meeres, im allgemeinen geſund und
gilt infolge ſeiner warmen, trodnen und ——8 rei⸗
nen Luft als wohltätig für Lungenkranle und ſolche,
die an Blutarmut, Dyskraſie und Rheumatismus lei-
den. Gefährlich dagegen ijt das Klima fiir die, welde
mit organijden Hersfeblern, ftarfer nervojer Reizbar⸗
feit oder Unterleibsvollbliitigfeit behaftet find oder ju
Rongejtionen nad) dem Kopf und gu Durdfillen
neigen. Unter den endemijden Rranfheiten find Aus—
fas und Elefantiajis nicht jelten; eine wahre Plage
bilden in der heißen Jahreszeit Ruhr und Uugenent-
—— Fieberepidemien find tm Delta, beſon—
ders in Werandria, häufig, dagegen kommen Wedjel-
fieber in der Umgebung von Kairo und in Ober-
ägypten felten vor. Die Pejt, die 1834 und 1835 in
Kairo 75,000, in Wlerandria 45,000 Perſonen hinweg-
185
rajfte, iſt verſchwunden, die Cholera trat 1883 jum
legtenmal auf.
; Pflanzenwelt.
AÄ. gliedert ſich pflanzengeographiſch in fünf Haupt-
gebiete. Die Mittelmeerflora bildet im Nildelta
einen ſchmalen Küſtenſtreifen, der im W. und O. an
Breite bedeutend zunimmt. Jn dem weſtlichen Ab—
ſchnitt zeigt ſich ein Einſchtag von Arten der kyrenäi—
ſchen Flora; im O. nehmen dagegen die Anklänge an
die Flora Syriens und der Sinaihalbinjel ju. Die
Pflanzen der Wüſtenregion befiedeln die reqen-
armen, nur in Den Cinjenfungen etivas feuchten Pla—
teaulandſchaften Libyens, des Vithmus von Sue; und
die Gebirgstette öſtlich vom Ril bis zur Sildgrenge
des Landes. Die Vegetation geigt Hier vorwiegend
halbfugelig sujammengedrangte Wudsfornen, jtarfe
Reduftion der Blattflächen, dichte Haarbefleidbung und
häufige Dorn- und Stadelbewayfnung (j. Wiijten-
pflangen). Im Vergleich mit der ägyptiſch-arabiſchen
Wüſte ijt die Libyſche auffallend artenarm. Jin S. des
Wiljtengebietes nimmt die Flora eine größere Zabl
von Yirten aus den Steppen Nubiens auf, wahrend
im N. mehr Übereinſtimmungen mit der Pfianzenwelt
der Sinaibalbinjel vorfommen. Jn höhern Gebirgs-
lagen treten aud) Wediterrantypen auf. Die Küſten—
region am Roten Meere (erythraijde Rone) hat eine
Diirftige Flora. Auffallend erjcheint das Wuftreten
der jtrandDbewohnenden Avicennia officinalis (Ver-
benajee), die innerhalb der Flutmarfe ausgedehnte,
waldartige Dickichte bildet und der tropifden Man—
qroveformation (fj. Lebendiggebirende Pflangen) an-
qehirt. Das Niltal felbjt bejigt nur wenige ihm
eigentiimliche Urten. Seine Flora bejteht teils aus
Feuchtigkeit liebenden Pflanzen tropijden Urjprungs,
teilS aus Yirten, die tm Mittelmeergebiet oder auch
bis Witteleuropa weiter verbreitet jind. Auch das
Fayiimbeden mit adht ausſchließlichen Arten reiht
jid) Diefer Region an. Jn den Daſen ſchaffen die
unterirdijden Waffervorrite im Verein mit dem Bo-
den und Klima der Wüſte gang eigenartige Vedingun-
en des Pflanzenlebens. Die wild wadjende Flora
Beitebt teils aus Pflanzen der Wiijtenrander, wie 3. B.
den Roloquinten (Citrullus Colocynthis), dem milch⸗
faftreiden Oſcharſtrauch (Calotropis procera) oder
der Zwergmimoſe (Prosopis Stephaniana), tetls aus
Gewächſen feuchter Standorte, wie Cyperus Mundtii,
dad cine weitere afrifanijdhe Verbreitung befigt, teils
endlich aus Halophyten. Mande Dajen bewohnende
Pflanzen find Eimwanderer, die fich ftreng an den
bewaifjerten Kulturboden halten und vorzugsweiſe der
Mittelmeerflora entitammen. Bon Getreidepflangen
werden in A. vorwiegend Weizen, Gerjte, Durra und
Reis gebaut. Auch eine Kleeart (Trifolium alexan-
drinum), Indigo, Baumwolle und andre in warmen
Klimaten verbreitete Nutzpflanzen werden vielfad) an-
ebaut. Uralt ijt die Kultur der Dattelpaline, des
Ibaums und des Weinſtocks. Auch Dumpalnien
(Hyphaene thebaica), Balanites aegyptiaca, deren
Früchte auc) in Mumiengräbern gefunden find, und
zahlreiche Obſtbäume (Arten von Citrus, Prunus,
Punica, Ficus, Morus, Ceratonia, Zizyphus u. a.)
werden in Garten gejogen. Als Rughols geſchãtzt
wird beſonders der Suntbaum (Acacia nilotica), zur
Olgewinnung werden die Rizinusſtaude (Ricinus
communis) u. a. benupt. Wud an Gemüſe- und Ge-
wiirspflanjen ijt fein Wangel.
Eme eigenartige Erjdemung in der ägyptiſchen
Pflanzenwelt ijt das allmabhlidhe Uusfterben einiger
uralter Rulturpflanjen. Der Papyrus fonunt am
1=5
séern Bieurn und Beihen Ril wild vor und fand
ef xod zur Zeit der franzonſchen Offupation ver-
emyft ber Damictte.
ber eñatrichen Lotosblume (Nelumbium speciosum),
—— vttomat, in 8.85
— * nachgewieſen. Von
SGrãberiunden, die Hortittides — ſind
folgende Kilanzen ju nennen: Lein, Weizen, Gerite, |
Zenfel, Eintorn. Tef (Eragrostis abyssinica), Exd- |
manbel (Cyperus esculentus), Dattelpalme, Dum: |
palme und Yirqunpalme(Hyphaena Argun) Oibaum, |
Badol
der, Sptomore, Ricinus, Bafjermelonen, Mi- ſchreden
musops, Balanites acgyptiaca, Sapindus emargi-
natus, Feigen, Seinbeerenlerne. Granatapfel, Acacia
nilotica, Zwiebeln veridiedener Urt, Cidar (Calo-
Shweinfurth, Flora Aqnptens (im 2. Bande der
Denfidriften bes — ee ju Stairo).
Dem Charafter feiner —— nach * A.
großenteils nod) zur mittellandijden Provin
palãarttiſchen Reiches, wobei aber beſonders i in
4 bas äthiopiſche Element bereits cine ate
olle fpielt, fo dak ſich die soogeographiidie »Gqup
tiie Zone · (Heuglin) mm etme n und cine ae
aqupti che jerlegen lat. Un Saugetieren tit Die :
ziemlich arm, unter den Raubticren ijt das an ae
lichite Die geitreifte Dydne. Sehr häufig ijt der Scha-
fal nebjt einigen verwandten Arten, wie Der Nilfuchs,
der rotftreifige Huds und der zierliche grofobrige
Fenef. Seltener find Luchs, Sumpfluds, Wildfage, |
Genettfage und Stinftier. Unterägypten gehirt di
Pharaonsratte (Ichneumon) an. Bon den Untilopen, |
welche die Wüſte bewohnen, ijt die häufigſte, die aud |
dem Riltal fid) zuweilen nähert, die Dorcasantilope ;
im Riltal und tm der Wüſte häufig ijt der ägyptiſche
Hale, Charaftertiere der ‘ite aus der Gruppe der |
Nager find die Djerboa oder Springmauje, in —
igen Gegenden lebt der Klipppachs (Hyrax). Nicht
—* ſind Igel, während das Stachelſchwein faum
——————
mehr anzutreffen ijt. Bon Fledermäuſen gehört eine
Unjahl eigentuͤmlicher Arten A. an. Affen fehlen im
cigentliden A. Bon den Haustieren iſt das widtigite
das Kamel; ihm reihen fic) an Eſel, Nilſchaf, Ziege
und Pferd. Die Bogelwelt Aqnptens, — 360 |
Arten umfaffend, enthalt infolge des Winterjuges febr |
viele europdifdhe Urten. Bon einheimifden 84
find ju nennen der große weißlöpfige und Obren-
qeier, der kleine MaSqeier, einige Adler- und Falfen-
arten und der in Dörfern und Stadten haufende
Schmarotzermilan, ferner der Wiedehopf, der Noah-
rabe, die Aqypttide Nachtigall und der Steinſchmätzer,
der in Sden, fteiniqen Wüſtentälern und in Feljen lebt.
Charafterijtiidhe Wiijtenvigel find die Sandhühner;
einheimiſche Watvigel der Brachvogel, der Kuhreiher,
bie beiden Silberreiher, der Spornfiebig, der ägyp—
tiſche Reqenpfeifer, der Marabu, die Rilgans. Unter
den Reptilien tft der größte Reprafentant das nod
in Oberäghpten vorfommende Rilfrofodil, alg Land-
frofodil wird die ari emai außer⸗
dein enthalt die Wüſte noch zahlreiche weitere Eidechſen,
in Den Häuſern finden fic) die Geckos, auf Bäumen
das Shamateon; — ift W. ais Land der Schlan-
qen, deren es etwa 20 Arten enthalt, darunter die
giftige Urillenfdlange und die Hornviper. Bon Am—
phibien feblen gänzlich die Schwanzlurche, wahrend
Agypten (Tierwelt; Areal und Bevditerung).
die Froidlurche durch ihre Individuen zahl ——
tit im Nil beionders reid) vertreten die
Familie der Welle, Darunter der Zitterwels, charafte-
riitiicd tit Der Flõſſelhecht. In fener Mollustenfauna
— we a ee Dod
dem Nil entlang aud Formen des tropiſchen
ile oe gewandert. Unter den Inſelten zeigt A. neben
ſpe ʒiell afrifaniichen Formen aud viele fideuropaiiche,
unter den Käfern tit berũühmt der beilige Billenfafer
(Atenchus sacer), der Scarabaeus Der Ulten, unter
den iibrigen Jnjeften nebmen Die erite Stelle die Heu-
ein, die heute nod m A. wie im fibrigen
Nordafrila eine Landplage find.
Areal und Bevölkerung.
Rad dem Zenſus von 1897 betragt die
Einwohner AgyptenS im fetmem jepigen
Bi der
mfange
3 9,811,544 Seelen, die fich auf die cinjelnen admint-
: ftrativen Vesirte wie folgt verteilen :
Gouvernorate und —— 1. Juni 1897
| Rannlid | BWeidlia
—— ‘Suiemmen
Unterdgopten:
Gouv. airo . . 2. . | 302857 267205 70 O62
+ Slerenbria | 168500 ' 151167 319 766
» Damiette . | 22921 20830 43751
+ ort Cald u. Ranal 29760 20419 50179
2.) QE. Sa ee | 125%, 12376 24970
> Gf Arif® . 8586, 8405 16991
Final - Halbinjel | 4479-4822 9301
Mudirieh Beberah . . . | SIS8Ss 312341 631225
> Cherties. . . | 374752! 374378 | 749190
. Datablieh. . . 367643 380065 736708
> Gbarbieh . | @51731 , 645925 1297656
s Raliubied . | 186250 «185215 | 371465
+ Menufieh. . . | 433798 430408 864206
Oberdgypten: |
Mudirieh Siut . » | 994957) 388463 | 782720
s Beni: Suef - . | 15979) IOS | 31444
. Fapim + ) 188048 | 182958 | 371006
s Gieh . . . © | 204598 197106 | 401634
s Minied . 279995 | 268637 S48 632
Girgeh. 349625 | 338386 688011
=» Seneh . . . . | B74484 | 396973) 711457
s Nubien. . . . | 118739 | 121643 | 240382
Gouv. Dongola . 25950 | 30476 | 56426
» Guafn. 2. 2. 8729 6984 15713
Daje Siwah . 2... 3000 | 2200 | 5200
Sufammen: , 4990008 | 4831087 | 9821045
Richt mit inbegriffen in obiger —— iſt die
Inſel Thaſos, im Privatbeſitz des Chedive und von
einem dqyptijden Gouverneur verwaltet.
Die Einwohnerzahl des alten A. betrug nad prie-
ſterlichen Angaben unter den Pharaonen gegen 7 Will,
die in mehr als 18,000 Stadten und größern Orten
wohnten. Herodot qibt zur Beit der größten Bevdlfe-
rung unter Umafis 20,000 Stadte an. Nad) Diodor
wurden unter dem erjten Ptolemäer iiber 30,000 Orte
gezählt und ebenfovtel nod) sur Zeit jenes Berict-
eritatters. Joſephus zählt zu Neros Zeit 7a Mill.
Einw., wobei er die Bevilferung von Alexandria, die
ju Diodora Reit allein 300,000 betrug, nicht mitrech⸗
net. Sur Beit der franzöſiſchen Oftupation (1800) foll
A. 2,514,000 Einw. gebabt haben, in feinem größten
Umfange hatte es 17/2 Mill. Bon der Gefamtbevilfe-
rung waren 1897: 6,484,450 ſeßhaft, 246,529 Be-
duinen und 112,574 Srembe, naämlich 38,208 Grie-
den, 24,457 Italiener, 19,560 Englander und eng-
lifche Untertanen aus Malta und Andten, 14,172 Fran-
zoſen, 7115 Ojterveicher und Ungarn, 1281 Deutide
(in Nairo 487, in Ulerandria 472, in Bort Said 241),
auferdem Belgier, Spanier, Ruſſen, Schweizer, Bo-
Agypten (Bevitterung, Religion, Vollsbildung, Ackerbau).
fen, Rumänen, Niederländer, Amerikaner rx. Dieſe
Bevöllerung ijt in Unter- und Oberägypten auf dem
Kulturlande dict angefeffen. Hier lieqen auch die qro-
fen Stadte, Die 1897 folgende Einwohnerzahl batten:
Kairo 570,062 (1902: 534,726), Wlerandria 319,766
(1902: 310,587), Tanta 57,289, Port Said 42,095
(1902: 39,866), Stut 42,012, Zagaſik 35,715, Man-
jura 34,997, Medinet ef Fayitm 31,262, Damiette
31,288, Mehalla el Kobra 31,100, Damanbhur 27,236,
Keneh 24,364, Schibin ef Rom 20,512, Minieh 20,404
Cinw. Die Bevdlferung Ugyptens ijt ein Gemiſch aus
verfdiedenen Rationen. Die fajt reinen Ubfommlinge
der alten Yigypter find die Kopten (f. d.), die, etwa
600,000 an Zahl, vornehmlid) in ben Städten des
mittlern A. ſitzen. Den bei weitem größten Teil der
Bevöllerung bilden die Fellah (Fellachen), 635,600,
Die vielfach mit den Cinwanderern und Eroberern ge-
mifdten Nadhfommen der alten Agypter, eine arme,
unter Arbeit und Abgaben faſt erliegende Menſchen—
klaſſe. In etwas beſſerer Lage befinden ſich die Fellah
in den Städten, wo jie Gewerbe und Kleinhandel trei-
ben und öfters zu Wohlhabenheit gelangen. Ein ganz
andres Bolf find die BedDuinen, 236,000, die gum
fleinern Teil anſäſſig leben, gum größern Teil in 75
Stämmen (25 in Unterdighpten, 23 in Oberägypten,
4 in El Ariſch) nomadifieren. Gleicher Ubjtammung
find die Araber, 25,300, das vorherridende Element
der Bevdlferung der grofen Stadte, wo aud) die mei-
ften Urmenier(10,450), Qevantiner (30,000) und
Franken leben. Die fehr verhaßten Yuden verjdwin-
den fajt unter der Bevölkerung. Zigeuner treiben
hier wie überall ihr Geſchäft als Getielilider, Seil-
tinger x2. Weitere VBolfselemente find die Ababde
(19,525), die Nubier oder Baratra (180,000) und
bie Reger des Sudan (140,000). Vorherrſchend
bei der ganjen Bevölkerung ijt die arabiſche Sprache;
die Regierung verfehrt in diefer mit ihren Untertanen,
in franzöſiſcher Spradje mit den Frembden, in tiir-
liſcher mit der Pforte.
Religion. Der bet weitem gripte Teil der Be- |
187
die unter den Ropten mit Erfolg wirfen, und durch
die engliſche Kirchenmiſſion in Kairo (feit 1882). Bon
der 1897 gezählten Bevolferung waren 8,977,702
Mohammedaner, 731,235 Chrijten, 645,775 Ortho-
dore, 61,051 Römiſch Katholiſche, 24,409 Protejtan-
ten und 25,200 Juden.
Volksbildung. Die geijtige und wiſſenſchaftliche
Uusbildung fteht nod —— ſehr niedrigen Stufe.
In den nur von Knaben beſuchten Elemenlarſchulen
(Anhängſeln der Moſcheen oder Privatunternehmun⸗
gen) wird notdürftig Leſen und Schreiben (Rechnen
nur ausnahmsweiſe) gelehrt und der Koran aus—
wendig gelernt. Ende 1894 beſtanden 8913 Schulen
mit 196,610 Zöglingen, davon waren Knabenſchulen
(dreiſtufig) 8763 mit 166,340 Schülern, und gwar
92 Regierungs- oder Watufidulen (mit den Mofdeen
verbundene) mit 9204 Sdiilern, 108 Miſſionsſchulen
mit 7133 Sdiilern und 8613 Privatidulen, Frei—
ſchulen u. a. mit 151409 Sdiilern. Bon Wittel-
jdulen fiir Stnaben gab es 28 mit 4393 Schiilern,
davon 3 Regierungsjdulen mit 673, 24 Mijfions-
ſchulen mit 3741 und eine Brivatidule mit 30 Sdii-
lern. Für die Madden bejtanden 1894; 95 Elemen:
tarjdulen mit 13,443 Schülerinnen. Die 271 ge-
qriindete hohe Schule der Moſchee Cl Azhar gu Kairo
it Die bedeutendjte des Orients und jugleid) Haupt:
itz des mohammedaniſchen Fanatismus. Gegenjtinde
des Unterrichts find indes faſt nur Religions⸗ und
Geſetzeslehre. Als Fachſchulen wurden von der Re—
ierung errichtet eine polytechniſche Schule, 2 Rechts⸗
chulen, eine philologiſche und arithmetiſche Schule,
eine Kunſt · und Gewerbeſchule, Medizinalſchule, Acker⸗
bauſchule, Entbindungsſchule, Marineſchule und eine
Schule für Ägyptologen, die ſich auf das ägyptiſche
Muſeum zu Bulat ſtützt. Außerdem unterſtützt die
Regierung 2 Vorſchulen in Alexandria, 1 im Kairo,
1 Seminar, 2 Mädchenſchulen, 3 Induſtrieſchulen,
23 Munizipalfdulen und eine Blindenanjftalt. Whn-
lide Einrichtungen wie in Kairo bejtehen aud in
Ulerandria, Siut und Rench. Die Ropten haben ihre
vilterung befennt ſich zum funnitifden (orthodoxen) | befondern Schulen: eine höhere Schule in Kairo,
Islam, deffen ay aN aber die Beduinen nidt | auperdem an verfdiedenen Orten 11 Elementarfdyu-
t
beobadten. Chrijten ſind allein die Kopten (ſ. d.) und
die Frembden (Armenier, Griedhen, Htaliener, Fran:
zoſen r.). Das Chrijtentum wurde hier bereits in den
erjten Jahrhunderten unfrer Zeitrednung eingefiihrt,
dod) find von den ſchon damals geqriindeten jabl-
reichen Klöſtern nur nod die an den Ratronfeen und
Drei weitere zwiſchen dem Mil und dem Roten Meer
libriggeblieben. Die Maſſen der Kopten find jafobi-
tiſche Chrijten, Monophyjiten oder Cutydianer und
ftehen unter dem Patriarchen in Wlerandria, etwa
25,000 jind Protejtanten oder Ratholifen. Die qrie-
chiſch⸗ orthodoxe Kirche fteht unter einem gu Kairo
rejidierenden Popen und Patriarden von Ulerandria,
W., Rentapolis und Uthiopien. Die Matholiten haben
einen Erzbiſchof in Wlerandria, einen apoſtoliſchen
Vilar fiir Zentralafrifa jowie einen folden in A. und
einen apojtolifden Deleqaten fiir Urabien. Die Arme—
niet haben Gemeinden in Wlerandria und Kairo; in
legterer Stadt rejidiert ihr Biſchof. Die katholiſche Mif-
jion befteht hier ſchon ſeit den Zeiten König Franz' L,
Der den Orden der Briider vom Heiligen Land ein-
feste und unter fein Broteftorat jtellte. Die Katho-
lifen haben jest mehrere Rirden tn Wlerandria und
Kairo fowie Kapellen in Jemailia, Suez u. a. Die
protejtantijde Kirche ijt in A. durch dret Miſſionen
vertreten, durch bie Schulen der englifden Mik Wha-
tely, durch die amerifanifden unierten Presbyterianer,
len, Davon zwei fiir Madden, während in den isla—
mitifden Schulen nur Knaben unterridtet werden.
Sehr bedeutend ijt die Tätigkeit mehrerer religidjer
Geſellſchaften auf dem Gebiete der Schule. Die fran-
zöſiſche katholiſche Miſſion (ſ. oben) wie die protejtan-
tijden Geſellſchaften haben zahlreiche Schulen an ver-
ſchiedenen Plätzen erridtet. Die qriechijd-fatholifce
Gemeinde bejigt cin Lyzeum in Wlerandria und 2
Elementarjdulen fiir Knaben und eine fiir Mädchen.
Die Staliener haben in Rairo das Collegio italiano
und mehrere andre Sdulen geqriindet, cine deutſche
Rirdenjdule beſteht in Wlerandria, ein deutſches Pri—
vatgyumafium und Handelsjdule in Rajuleh bei
Wlerandria, cine Mittelfdule in Kairo in Verbindung
mit der evangelifden Kirche. Bon wiſſenſchaftlichen
Unjtalten bejtehen cin Ynjtitut in Wlerandria, die
Société Khédiviale de géographie ju Rairo, eine
Sternwarte ju Abbaſijeh bei Kairo. Bon den 29 Hei-
tungen Ygyptens erſcheinen 10 in arabijder Sprache
(aud zweiſprachig) 9in franzöſiſcher, 5 in italieniſcher,
3 in griechiſcher Sprache.
Crwerbéverhiltnifie, Grundbefig.
Hauptquelle der Ernährung im A. iit der Acker—
bau, fiir den der alljährlich vom Nil fiberflutete Bo-
den trefflid) qeeiqnet tit. Das Rulturland zerfällt in
wei große Klaſſen: Landereien, die durch die Uber-
———— ſelbſt bewäſſert werden, dicfogen. Raye,
188
und Landereien, die als su Hod) gelegen von der lüber⸗
ſchwemmung nidt erretdt werden fonnen und des-
halb künſtliche Bewäſſerung erfordern, die fogen.
Scharaki. Auf den Rayeländern findet in der Regel
nur eine Ernte ſtatt, in —— im Februar, in
Mittelägypten im März, im Delta im April. Dagegen
erzielt man auf den Scharaliländern drei Ernten: die
erjte mit der Winterfultur, die zweite mit der Sommer⸗
fultur, die Dritte mit der —— um die Zeit der
Nilſchwelle. Zu den ausſchließlichen Winterkulturen
Schitwi) gehoren Weizen, Gerjte, Saubohnen, Lin—
jen, Klee; Sommerfulturen (Seſi) find Baumwolle,
Zuckerrohr, Indigo, Reis r., faſt ausſchließliche Herbjt-
fultur (Nabari oder Nili) Mais. Jn gang A. find
von der Kulturjlade 20,3 Proj. mit Weizen, 15,2 Pro}.
mit Klee, 14,1 Prog. nit Baumwolle, 12,3 Pro3. mit
Saubohnen, 11,2 Proj. mit Mais, 8,5 Pro. mit Gerjte
und 7,9 Prog. mit Durra bejtellt. Mehrmals bepflangt
werden 24 Proj. (30 in Unters, 16 in Oberigypten).
Der Vaun- und BWeinfultur find in Unteragypten
2169, in Oberäghpten 1504 Heftar gewidmet. Im
Delta herrjden Orangen- und Zitronenbäume vor,
im Rildelta Feigenbiume. Von Dattelpalmen zählte
man in Oberigypten 2,355,122, in Unteräghpten
1,097,552, deren jahrlider Ertrag auf 100,000—
120,000 Tonnen Datteln angegeben wird. Bon den
Früchten, deren man mehr als 20 Arten fennt, wer-
Den Die meiſten im Lande felbjt verbraudt; die Aus—
fubr betraigt an 800,000 De. jährlich.
Die Bodenbejtellung ijt, abgeſehen von den Giitern
ded Chedive und großen Privatbejigungen, wo mo-
derne landwirtſchaftliche Mafdinen und Werkzeuge
Eingang gefunden haben, höchſt primitiv, die Uderge-
riite find nod Diejelben, die uns Die UWhbildungen aus
der älteſten Pharaonenzeit zeigen. Der Bauer war, wie
in allen iSlamitifden Staaten, nidt Cigentiimer, jon-
dern nur Pachter, dod) war er im Beſitz feines Grund⸗
jtiides gefichert, folange er die Pacht bezahlte. Die
agyptiſchen Herrider fammelten ju Recht oder Unredt
einen enormen Grundbeſitz in ihrer Hand, die Tidift-
lils, Die 1878 in Staatsdomänen verwandelt und den
europäiſchen Mächten fiir ihre gemachten Darlehen
verpfindet wurden. Diefe Domänen umfaften |
31. Dft. 1891: 178,747 Seftar, wovon 77,020 direkt be-
wirticaftet wurden, 53,719 waren verpadtet, 15,068
Heltar Urbeitern überwieſen und 32,950 Heftar un-
bebaut. Sie liegen hauptfadlich in Unteriigypten,
während die friiher im Brivatbefig des Chedive ſich be-
findenden, 212,000 Heftar umfajjenden Dair Sanieh,
die 1898 an em Konſortium verfauft wurden, meijt
Oberiiqypten angehiren. Cin bedeutender Teil von
Grund und Boden gehört den Mojdeen und Schulen.
Dieſes Watuf ijt von den Englindern fiir die Offupa:
tionsfojten beſchlagnahmt. Ein großer Tetl des Grund-
beſitzes tit in Den Händen von Gefellidaften, nament-
lid) Der Guesfompagqnie, ferner von Großgrundbe—
figern, deren nicht bedeutende Zahl fic) fortwahrend
vermindert. Den Reſt von 1,042,114 Heftar bebauen
die Fellah als Pachter kleiner Parzellen, doch können
fie durch Zahlung des ſechsfachen Betrags der Ab—
gaben, die ſich auf etwa cin Fiinftel des Bodenertrags
belaufen, in den erblichen Beſitz dea Landes qelangen.
Der mittlere Pachtzins ſteigt von 100 Frank pro Hef
tar in Unterdgnypten bis 200 Fr. in Oberägypten.
Die Uderbau tretbende Bevdlterung belduft fic auf
2,049,643 Seelen. Dem Ucerbau verdanft das Vand
fajt ausſchließlich feine Exportfähigkeit. Die englifde
Verwaltung hat daher mande Erleichterungen der
ſchwer bedriidten Fellah und Meliorationen geſchaffen,
Agypten (Grundbeſitzverhältniſſe, Viehzucht, Bergbau, Induſtrie, Handel).
Verſuchsanſtalten zur Einführung beſſerer Nultur-
methoden angelegt und Darlehnstajjen begründet.
Jn der Viehzucht iiberragt Oberigypten relatiw
etwas das Delta, dort ijt die Rinderjudt, hier Die
Schaf- und Ziegenzucht etwas ftarfer. Wan geht qut
eformte Rinder, Viiffel, langobrige und kurzohrige
siege, Safe mit und ohne Fetiſchwanz und mit
wolligem Blies, einhiderige Kamele, die im alten VL
felten waren, von fdiwerer, ausdauernder Rajje, wobl-
gebaute Ejel, Maulefel, Pferde (um 1800 v. Chr. ein⸗
geioet) von gwar nidjt ſchöner, aber braudbarer
aſſe, und viel Gefliige!, insbeſ. Tauben maſſenhaft,
deren Kot zur Düngung verwendet wird, während
der der Vierfüßer als Brennmaterial ju dienen hat.
Bei Matarich, ndrdlid) von Rairo, wird Straußen-
udt betrieben. Der Hund treibt fid) in Unter- und
ittelagypten herrenlos umber, erjt in Oberagypten
findet er Gebieter. Rach ciner Schätzung von 1900
hatte A. 80,000 Pferde, 350,000 Rinder, 300,000
Büffel, 1 Mill. Schafe und Ziegen, 40,000 Kamele,
120,000 fel und 10,000 Maultiere. Un Urbeitsvieb,
befonders Rindern, macht fid) Mangel fiihlbar.
Bergbau. Un Metallen ijt A. nicht reich. Marche
von den Ulten ausgebentete Gruben, wie die Rupfer-
qruben ju Didebel Halala und die Smaragdgruben
gu Dſchebel Zumurud und Saberae, ſcheinen erſchöpft
ju fein. Blei wird am Dſchebel Ruſſas abgebaut.
Aus den Natronſeen und den Bitterſeen Unterägyp—
tens werden jährlich 8 Will. kg Natronſalze gewon⸗
nen. Die 8 fraatlicen Salpeterwerfe licfern jabrlich
| 700,000, die 12 Salinen 150,000 kg Salpeter, be3.
Salz. Am wertvolljten aber find der pradtvolle rote
Porphyr, aus dem fo viele Runjtwerke hervorgeqan-
gen find, qriiner Marmor, Granit und der vortreff-
lidje Wlabajter tm O. von Beni- Suef. Plaſtiſcher
Ton liefert das Waterial zu den beriihmten pordjen
Waſſerflaſchen, Bfeifenfopfen u. a.
Die In duſt rie tit unter Beteiligung von fremdent
und cinheimifchem Kapital in fortidreitender Entwide-
lung beqriffen. Durch verſchiedene Geſellſchaften wur-
den Sucerfabrifen, Rafjinerien, Brennereien, Dampf-
| jlegeleien, eine Biindhdlydhen- und cine Papierfabrif,
Dampfmühlen, ferner Baumuvollendl- und andre Ol⸗
prejjen, ————— 600 Brutöfen, in denen
jährlich etwa 6 Will. Eier ausgebrütet werden, an-
gelegt. Bemerfensivert ijt der große Aufſchwung der
SHiqarettenfabrifen, die hauptiadlich für Deutidland
arbeiten, Der Möbeltiſchlerei und der Schuhmadheret.
Yn erjter Stelle fteht die 3ucerfabrifation. Die Bro-
duftion von 17 Fabrifen lieferte 1901: 100,000 Ton.
Suder aus 900,000 T. Suderrohr, deren Kultur
80,000 Feddan in Anſpruch nahm. In Kairo beſtehen
1000 Webſtühle für Baumwollenzeuge und 500 für
halbſeidene Stoffe. Die beſten Handwerker finden ſich
unter den Kopten, Griechen und Armeniern, die grobe
Baumwollenſtoffe, halbwollene blaue Zeuge fiir die
Fellah, fupferne Gefäße, feine Körbe und Matten aus
Binſen, Wollendecken, Goldſtickereien, Poſamenten und
in Neneh und andern Orten Oberägyptens treffliche
poröſe Tonkrüge (Kulla), in Stut und Aſſuan zier⸗
liche Gefäße herſtellen.
Handel und Verkehr.
Der Handel, der durd) die Erdffnung des Suez—
fanals eine fühlbare Einbuße erfabren hatte, bat fid
feit Der engliſchen Offupation merflid) qeboben. Der
Wert des gefamten Wufenhandels betrug 1900;
32,488,423 ägypt. Pfd., wovon auf die Einfubr
14,112,370, auf die Yusfubr 16,766,610, auf die
Durdhfuhr 1,022,726 und auf die Wiederausfubr
Agypten Gerlehr, Münzen ꝛc.; Staatsverfaſſung und Verwaltung).
586,717 ägypt. Pfd. entfielen. Eingeführt werden In—
———— aller Urt, insbeſ. Gewebe und Ron-
feftionen, Metallwaren, Mafdinen, Steinfohlen, Che-
189
(engl. 1,248) kg, der Rantdr oder Kuß je nad der
Ware 86—100 Ofen. Der Chedive verfiigte 1. Aug.
1875 die Unnahme des metrifden Syjtems fiir alle
mifalien, Rolonialwaren; die Ausfuhr begreift in der | Ungelegenheiten der Verwaltung.
Hauptſache die oben genannten Erzeugniſſe des Acker⸗
baues, die fait ganz ihren Weg fiber Wlerandria neh:
men. Den weitaus größten Unteil am Handel mit A.
bat England, das an der Einfuhr mit 45,3, an der
Ausfuhr mit 55,7 Pros. beteiligt ijt, dann folgen die
Liirtei, Franfreid), Ojterreid)-Ungarn, Rupland,
RNordamerifa.e Der Großhandel ijt ait ganz im den
Händen von Europdern, die bier aud cine Ungahl
von Banten erridtet haben, wie die Anglo-Egyptian
Banking Co., Commercial Bank of Alexandria,
Banque Franco-Egyptienne, Impériale Ottomane,
Crédit Lyonnais, Bank of Egypt, Société Immobi-
liére, Land and Mortgage Bank u. a.
Der Sdhiffsverfehr det fic im wefentliden
mit Dem Werandrias, da derjenige in Port Said und
Suez fajt nur Tranfitverfehr durch den SGuegtanal
und ber in Guafin und Roffir von wenig Bedeutung
ijt; der Tonnengehalt der auSsflarierten Schiffe be-
trug 1900: 2,364,672, davon entfielen auf Dampfer
2,199,327. Die ägyptiſche Handelsflotte bejteht aus
1500 Fahrzeugen, darunter 16 Dampfer auf dem
Mittellandijden und dem Roten Meer und 40 auf
Dem Nil. Die Cifenbahnen hatten 1900 cine Lange
von 3392 km ; davon find die wichtigſten Linien Nairo-
Ulerandria (211 km), Rairvo- Suez (246 km) und
Rairo-Uffudn. Auf ſämtlichen Eiſenbahnen wurden
11,312,000 Pafjagiere befirdert. Die Chauffeen und
Landjtraken batten 1899 cine Linge von 1995 km.
Die Telegraphen hatten 1900: 3510 km Linien,
15,101 km Driihte und befirderten in 312 Ämtern
3,288,662 Depeiden. Wlerandria ijt dey rhe
von 5 Rabeln, 2 gehen nad La Baletta auf Malta,
je 1 nad Sitia at reta, nad) Larnata auf Cypern
und nad Port Said. Die tiberlandlinie bon England
nad) Oftajien folgt der Cifenbahn über Kairo nad
Suez. Die Pojt hatte 1900: 912 Ämter und Land-
pojtjtationen, durch die 13,604,000 Briefe und Pojt-
tarten, 9,341,000 Drudfaden und Warenproben und
456,000 Bojftanweijungen mit 341,1 Mill. We. be-
firdert wurden. Außer den durch den Guezfanal
ehenden Poſtdampfern befirdern die Poſt 6 mit
Steranbria verfehrende Dampferlinien, darunter die
ägyptiſche Chedivié. Cin deutider Generalfonful re-
Fibiect in Ratro, Konſuln in Ulerandria, Damiette,
Rairo, Port Said, Suez; —— oder Konſular⸗
agenten in Kenneh, Luxor, Manſurah, Siut, Tantah
und Zagãzig.
Münzen. Die Einheit bildet der Piaſter (Gerſch).
Das ägyptiſche Pfund — 20,75 Mt. ijt in 100 Piaſter
und 1000 Djdr-el-Gerfdh qeteilt; man rechnet aber
den Piajter zu 40 Bard (adda, Medini) von 2/2
guten Aſpern fowie nad) Wariatherefientalern und
anbdern fremden Währungen, wofür amtlide Tarife
bejteben, im Grokhandel auch nad Beuteln (Mis) gu
500 Biajtern. Man hat Goldmiingen: das ägyptiſche
Pfund (+L. E.<, Sequin), 50 und 25 Gurufd), ferner
4 Silber-, 3 Bronje- und 1 Rupfermiinge. Papier—
get? gibt es nicht. Utere Make und Gewidte: fiir
angen der Bif oder Dirda in 5 Größen, als Feld-
ma der gewöhnliche Feddan — 59,29 Ur, fiir Hobhl-
mae der Urdeb von verſchiedener Größe. 1 Derhem
oder Dramm — 3,088 (nad) engl. Quelle 3,120) g iſt
Die Cinheit der Gewidte, 12 D. — 1 Ofieh (Ackiſih);
der Rottel der Regierung hat 15 Ofieh — 444,73 (engl.
449,28) g, Die gewöhnliche Ola 400 Derhem — 1,235
‘ Staataverfaffung und Verwaltung.
WU. ijt ein Tributarjtaat der Hohen Pforte unter
abjoluter erblicher Herrſchaft (Brimogenitur) eines
Fürſten, der feit 26. Juni 1867 den Titel Chedive
(Vizetdnig) und Hobeit führt und ſich Chedive von W.,
Souveriin von Nubien, de3 Sudan, Rordofans und
Dar Furs nennt. Durd die 1882 erfolgte engliſche
Offupation ijt die Gewalt des Chedive weſentlich be-
ſchränkt worden, namentlich durch die Berwaltung
der Staatsſchuld feitens einer europiifden Kommiſ—
fion und Stellung der Armee unter einen englifden
General. Un die Hohe Pforte hat der Chedive jahr-
lich 665,041 ägypt. Pfd. zu gablen, bei welder jegt
aud) die Genehmigung gum Bau von Panjerfchiffen,
der friiber gejtattet war, cingubolen ijt. Das Mini-
jterium bejteht aus 6 Departements, fiir Juſtiz, Fi-
nangen, Inneres, öffentliche Urbeiten und Unterridt,
Strieg und Marine und fiir auswirtige Ungelegen-
heiten. Dieſe Miniſterien find ——— gypter
beſetzt; ein Oberkommiſſar der Hohen Pforte gehört
dem Kabinett gleichfalls an. In allen ——
ſind indes viele der höchſten Anmter mit Europäern
il inSbef. im Finangminifterium, im Ganitats-
dienſt, bei den Hffentliden Arbeilen, im Cifenbabn-,
Pojt-, Telegraphen- und Zollwefen. Cingeteilt wird
das Land adminijtrativ in reigbhde! | kab mit 6
Wouvernoraten und 6 Mudirich3, erdgypten
mit 2 Gouvernoraten und 8 Mudirichs und Sudan
mit 6 Brovingen. Die Eimteilung in Gouvernorate
oder Mohafizate bejteht nur fiir 8 Städte, die in ihrer
Verwaltung von dem iibrigen YW. villig unabhingig
find. Wn der Spite jeder der Mudiriehs oder Pro—
vingen fteht ein Mudir; ihm zur Seite cin Diwan,
fein Stellvertreter, oder Wakil, ein Chefingenieur, cin
Obermedizinalrat, dem aud) das obligatorifde Impf—
weſen unterjteht, cin Rendant (Saraf) und ein Po—
lizeibureau. Unter dem Mudir ftehen die Kreisver-
walter (Rajdif) und die Rantonverwalter (Nazir cl
fism), von Benen die Dorfvoriteher (Schẽch ef Beled)
und die Borfteher der Duartiere der Städte (Schech
el Tume) refjortieren. Der Mudir verwaltet die Pro—
ving in adminijtrativer, finangieller und politifder
Beziehung und entſcheidet auch in allen Rechtsſachen,
die nicht in die Kompetenz des religiöſen Gerichts,
dem ein Kadi vorſteht, fallen. Eine der wichtig—
ſten Obliegenheiten des Mudirs iſt die Eintreibung
der Steuern. Der Sitz aller Zentralbehörden ſowie
die gewöhnliche, nur periodiſch mit Alexandria wed-
felnde Reſidenz des Chedive ijt Kairo. Amtsſprache
ijt Arabiſch.
Redhtspflege. Zur Zeit beſtehen in W. nicht we-
niger als vier getrennte Weridtsbarfeiten: 1) die ge-
mijdten Tribunale fiir alle Biviljtreitjaden, bei denen
die cine Partei cin Europäer ijt, 2) die einzelnen
Ronfulargericdte fiir alle ftrafbaren Handlungen der
Europäer, 3) die cinheimifden Tribunale fiir Zivil-
und Straffaden der Cinheimifden, 4) dad Mehfemeh,
weldes die auf den ‘Berfonaljtatus der Einheimifden
fic) beziehenden Fragen nad dem Scheriat, dem reli
giöſen Geſetz des Islam, entideidet. Die Muftis find
die Redjtsgelehrten und Erklärer der islamitiſchen
Rechtsſatzungen. Die Mudirs und Kadis (f. oben) find
Die eigentlichen Richter. Mufti und Kadi gehören gum
Stande der Ulema, der Gelehrten. Unter Said Paſcha
erfdien cin Gefegbud, El Ranun, eine wunderlide
199
Verſchmelzung von religidfem und weltlidem Rechts
wejen. Spater wurden Ridterfollegien nad) moder-
ner Faffung, Handelsgeridte rx. eingefest. Die erjt
vor wenigen Jahren eingeridteten gemijdten Tribu-
nale werden auf 5 Sabre ernannt, jie find internatio-
naler Natur und ohne Kontrolle irgend welder Art.
Finanzen. Die heillofe Wirtidaft der frithern
Chediven jerriittete die Finangwirtidaft auf das
auferite, wahrend fie von den armen Cingebornen die
qroften Opfer verlangte. Bon den Steuern fommen
befonders drei in Betradht, die Grundfteuer (Sdharag),
die Einfommenjteuer (Werfo) und die Marktſteuer
(Himl). Die Grundfteuer wird nidt erhoben von den
friibern Privatgütern des Chedive, jest Staatsdomii-
nen (Tſchiftlils), die 178,747 Heftar ausmaden, in
ermafigter Weiſe von den ſogen. Ibadiyeländereien
(15,068 Heftar), die Urbeitern zur Urbarmadung mit
vollem Cigentumsredt verlieben find (f. oben). Die
lepigenannten Ländereien find die drei erjten Jahre
fteuerfrei und zahlen von da ab 10 Proz. Hauptſächlich
lajtet die Grundjteuer auf den fogen.Regierungsqrund-
ſtücken (Arãdi ef Mirine), die alle Jahre neu abgeſchätzt,
nad) der Giite des Bodens in drei Klaſſen geteilt wer=
ben und fiir den Feddan (44,5 Ur) in Unteragypten |
20 —125, in Oberdgnpten 25—70 Piajter zu zablen |
haben, wabrend der gu zahlende Sehent in Unter: |
digypten auf 10, 18, 26, m Oberagypten auf 8, 14, |
20 Piafter feitgejest tit. Die Cinfommenjteuer, von
den Handwerfern, Baſarinhabern und Kaufleuten zu
jablen, betragt 4—20 Proz. Durd) die englifde Ver⸗
waltung wurde die Marftjteuer von den auf die ftad-
tijden Märkte zum Berfauf gebradten Landespro-
duften, dDurdidnittlid 1/2 Proz., nebjt mehreren an-
dern drückenden Steuern neuerdings abgeſchafft, eine
Herabjepung und gleichmäßigere Berteilung der
Wrundjteuer in Angriff genommen, das unfrudtbare
Yand durd) die fogen. Tawaliffommifjion von der
Beſteuerung ausgeſchieden, die Fronarbeit, die dem
Staate jährlich 400,000 ägypt. Pfd. (zu 20,7 Me.)
cintrug, 1890 aufgehoben und riidjtindige Steuern
der Jahre 1889 und 1890 im Betrage von 619,000
digypt. Pfd. erlafien. Die Finanglage hat fid) unter
Der engliſchen Regierung fehr günſtig entwidelt. Im
J. 1900 ergaben die Einnahmen 11,663,000, die Uus-
gaben 11,104,000 ägypt. Pfd. wabhrend dem allgemei-
nen Refervefonds 484,850 Pfd. überwieſen wurden.
Trog der {don unter ägyptiſcher Reqierung bedeu-
tenden jährlichen Uberfdiijje ijt die Staats{duld
jtetiq qewadjen, Es wurde dabher cine aus den Be-
vollmadtigten ſterreich Ungarns, Englands, Frant-
reichs, Italiens, Deutidlands und Ruflands bejte-
hende Commission de la caisse spéciale de la dette
publique in Rairo eingeſetzt, welche die Staatsſchuld gu
verwalten hat. Dieſe Schuld be sifferte fic) 31. Juli 1901
auf 103,438,580 Pfd. Sterl., wozu nod) die Mulaba-
lahſchuld, cine innere Zwangsanleihe, dic in 50 Jabres-
raten von 150,000 dqypt. fd. gu tilgen tit, und die
Zinſen der 1875 von England angefauften Suesfanal-
aftien im Betrage von 393,858 agypt. Pfd. fommen.
Heer und Flotte. Die reguläre Urmee unter
Befehl eines englifdjen Generals umfaßt rund 12,500 |
Mopfe und gwar: Hägyptiſche Bataillone, 6012 Mann,
5 ſudaneſiſche Bataillone, 3795 Mann, 1 Mavallerie-
requnent, 773 Wann, 6 Batterien, 861 Mann, 2 Ra-
melforps, 304 Mann, zuſammen 11,745 Mann. Die
aftive Dienſtzeit beträgt 6 Jabre und 5 Jahre bei der
Polizei, welde die 1. Reſervellaſſe der ÄArmee bildet.
Die Polijei, ju der aud) Muslinder angeworben wer-
den, ift, abgejeben von Fleinen WUbteilungen am Suez—
Agypten (Finangen, Heer und Flotte, Wappen rc.; dad alte Agypten: Spradye).
fanal x¢., in 4 Divifionen feſt orgqaniftert, die mit 39
Offizieren, 1391 Mann fiir Oberagypten, 52 Offi zie
ren, 1910 Mann fiir Unteräghpten, 25 Offizieren,
1227 Mann fiir Rairo und 19 Offizieren, 653 Wann
* Alexandria (zuſammen 6250 Wann) beſtimmt
ind. Die Stärke der engliſchen Beſatzungs—
truppen beträgt etwas über 3000 Mann, gegliedert
in 3 Bataillone Infanterie, 1 Estadron Kavallerie,
1 Batterie Urtillerie, 1 Kompagnie Genie; außerdem
an Offizieren des Generaljtabes, Wdminijtration 2c.
etwa 200 Köpfe. Bal. Bingate, Mabkdiism and the
Egyptian Sudan (Yond. 1891). Die von Mehemed
Ali geſchaffene, aber ſchon m feinen lesten he Foi
jabren vernadlajfigte Flotte zählt 2 Qadten des
Vizefonigs, 3 Transportdbampfer, 3 Depeſchenkreuzer,
14 Hecrad-Fluffanonenboote, 11 Riijtenwadtdamp-
fer, 4 Segler und 1 Schlepper.
Das Wappen des Vizefonigs ijt cin blauer runder
Schild, darin ein jilberner wadjender (die Spigen nad
lints fehrender) Halbmond, qefiillt mit drei ſilbernen
Sternen. Der breite Rand des Schildes ijt abwedfelnd
mit einem Stern und je zwei abgewendeten Halbmon:
den belegt (j. Tafel » Wappen IV «, Fig. 12). Die Rriegs-
u. Handels flagge ijt rot mit weißſem Halbmond und
fiebenjtrabligem weißen Stern (j. Tafel ⸗Flaggen I<).
Il. Das alte Agupten.
Die Ubjtammung der Agypter ijt nod in tiefes
Dunfel gehüllt und wird wohl aud) niemals gan;
aufgefldrt werden. Die Aqypter felbjt zweifelten nicht
daran, dak fie in ihrem Vande ureingeſeſſen feien
und nannten fid) kurz die ⸗Menſchen⸗ (romet), waih-
rend fie im Unterfdied von fic ihre djtliden Nach-
barn, die femitifdjen Bewohner Syriens und der Sinat-
halbinfel als ‘amej, die fiidliden Reger im obern Nil⸗
tal alg Nehsej und die Libyer im eiten als Temeh
bezeichneten und als beſondere Raſſen bildlid qenau
dharafterifierten. Die Wiſſenſchaft hat dagegen fejt-
geſtellt, daß die altägyptiſche Sprade in einem ver-
wandtidaftliden Verhaltnis zu den fogen. ſemitiſchen
Sprachen Vorderafiens und Ubefjiniens, zu gewiſſen
ojtafrifanifden Spraden (Bifdari, Galla, Somal)
und den fogen. Berberfpraden Nordafrifas jteht, und
daß fid) die alten ÄAghpier, ebenfo wie ihre modernen
Nadfommen, in ibrem Augern und ihrem Körper—
bau gleich jtarf von den aſiatiſchen Semiten wie von
den Negern Ynnerafrifas unterjdieden. Es ijt nun
nicht unwahrſcheinlich, daß in einer fernen Urzeit das
Niltal eine Negerbevilferung beſeſſen hat; von Aſien,
vermutlid) von Urabien aus, fant dann ein femiti-
ſcher Beduinenſtamm, ähnlich wie auc im 7. Jabrb.
unfrer Seitrednung, ing Land, eroberte es und über⸗
trug feine Sprache auf das ecingefeijene Bolf. Qn
chee Weife haben fic) ſemitiſche Beduinen-
ſchwärme aud) nad) Nord- und Ojtafrifa ergofjen
und dort bie Berber{praden und die ojtafrifaniiden
Spraden geſchaffen. Unders erflart neuerdings Georg
Schweinfurth die Abſtammung der Ygupter.
Die Spradhederalten Wqypter jtebt uripriing-
lich den ſemitiſchen Spraden verwandtidaftlid) nabe.
Dod hat fie ſich bereits in der Gejtalt, wie fie in den
| dltejten uns erhaltenen Terten vorliegt, weit von jenen
entfernt und weiſt in Den Lauten, in der Wort und
Sapbildung und im Wortſchatz erhebliche Unterſchiede
auf. Diefe Ubweidungen find vielleicht fo zu erflaren,
daß Die Ureinwobhner des Niltals von den Eroberern
wohl die Sprade annahmen, aber ifr dod) eine ge-
wiſſe Eigenart aufgepriigt haben. Die älteſten äghp⸗
tiſchen Sprachdenlmäler gehen bis in das vierte Jahr⸗
Agypten (Religion der alten GWgypter).
taujend v. Chr. zuriid, ausgeſtorben ijt dad Agyptiſche
erjt im 17. Jahrh., vielleidht fogar nod) fpiter. Die
Sprache hat während der vieltaufendjabrigen Dauer
ihres Bejtehens wejentlide Underungen erfabren.
Man unterſcheidet jest folgende Hauptperioden der
ägyptiſchen Spradje: 1) das Altägyptiſche, das in
den fogen. Pyramidenterten (fj. Pyramiden) und in
Den Terten des alten Reiches vorliegt und als gelehrte
Niteraturjprade bis in die römiſche Zeit hinein ver-
wendet worden ijt; 2) die Volksſprache des mitt-
lern Reides, dic in verſchiedenen Handfdriften aus
Diefer Beit (Dem Papyrus Wejtcar, dem medizinifden
Papyrus Chers u.a.) erhalten ijt; 3) das Neuadgyp-
tiſche, die Vollsſprache des neuen Reiches, die uns
aus den jabhlreiden Papyrushandjdriften diejer Pe-
riode befannt iſt und feit Der 20. Dynajtie aud) in
offiziellen Inſchriften zur Verwendung gefommen
ijt; 4) Das Demotiſche, die in einer eigentiimliden
Schrift iiberlieferte Volksſprache der faitifden und
griechiſch-⸗römiſchen Zeit; 5) das Koptiſche, die mit
— Schrift geſchriebene Sprache der chriſtlichen
gypter. Die unter 1—4) angeführten Idiome ſind
ohne Volale geſchrieben (ſ. Hieroglyphen), nur aus⸗
nahmisweiſe läßt ſich die Stelle erkennen, wo der alte
Votal ſtand. Im Koptiſchen find dagegen auc) die
Volale bezeichnet; daher iſt dieſes Idiom grammatiſch
am klarſten erkennbar und gibt uns vielfach auch die
Mittel an die Hand, die Vokale der alten Wörter un—
efähr gu bejtimmen. Cine gefonderte Vetradtung
r ältern Spradjperioden hat zuerſt Udolf Erman
in feiner » Neuägyptiſchen Grammatik⸗ ( Leipz. 1880),
in der » Spradye des Rapyrus Wejtcar« (Gdtting.1889)
und in der ⸗Agyptiſchen Grammatif« (2. Uujl., Berl.
1902, fiir Unfinger) durchgeführt und damit die
ägyptiſche Philologie weſentlich gefördert; er hat aud
das Verhältnis des Ägyptiſchen su den ſemitiſchen
Spradjen Genauerfejtge}tellt (Zeitſchrift der Deutſchen
Morgenländiſchen Geſellſchaft⸗, Bd. 46). Durch dieſe
und andre Arbeiten ijt fiir Die Kenntnis der Wortbil-
bungs- und Formenlehre fowie fiir die bes Satzbaues
in den Hauptiaden eine fejte Grundlage allmablid
ewonnen worden. Dagegen feblt es nod an einem
drterbud), das über den gefamten ägyptiſchen Wort-
fdas, fo weit er in bieroglyphifder und bieratijder
Schrift (ſ. Hieroglyphen) erhalten ijt, Aufſchluß gibt.
Rwar find die altern Worterbiider, vor allem das
von witb herausgegebene »Hieroglyphifde Wör⸗
terbud)« ( Leipz. 1867—-82), von groptem Rugen ge-
wejen, aber es mangelt ihnen dod die Volljtindig-
feit; aud) gewähren fie feinen Überblick über das
Vorfommen Eines Wortes in den verjdiedenen
Spradperioden. Die Vearbeitung eines neuen ⸗Wör⸗
terbud)s der äghptiſchen Sprade«, das das gejamte,
bisher befannte Spradjmaterial bebandeln und dem
geſchilderten Mange! abbelfen foll, ijt jest tm Gange.
liber Schriftwefen und Literatur ſ. Hiero-
glyphen.
Religion.
1) Die Gitter. Trog der Menge von religidfen
Terten, die aus dem alten VW. erhalten find, wiſſen wir
von den ägyptiſchen Göttern verhältnismäßig nod
wenig. Wit Siderheit lat fic) fagen, dak urjpriing-
lich jede Ortſchaft ihre eigne Sdupgottheit beſaß, an
die fic) Die Bewohner mit Bitten wandter, und deren
Wunjt fie Durch Opferqaben zu gewinnen fudten.
Von diefen ſtädtiſchen Göttern fennen wir fehr viele:
Utum, den Gott von Heliopolis-On; Ammon, den Gott
von Theben; Chnum, den Gott der Kataraltengegend
von Aſſuan; Sobel, den Gott der Seelandfdaft
191
Fayiin. Haufig find e3 aud Göttinnen, die als lokale
Wottheiten verehrt wurden: fo Hathor, die Göttin von
Dendera; Reith, die Göttin von Sais, u. a. Häufig
atten die Schutzgötter nicht cinmal eigne Namen,
fondern hießen kurzweg nad dem Ort, in dent fie
ihre Kultjtatte hatten; fo hie der Ortsheilige der ober-
äghptiſchen Stadt Edfu »der Cdfuijde<, die Gittin
der Deltajtadt Bajt (Bubaſtis, ſ. d.) »die von Bajt«.
Meiſt war die Mufgabe diefer lofalen Schutzpatrone
mit der Gorge iiber ihre Stadt erjdopft. Dod) gab es
aud einige, die nod) bejondere Befugniſſe hatten und
jogar im großen Weltgetriebe cine Rolle fpiclten.
So war der thebaniſche Ammon und gewiß aud) der
Min von Koptos cin Erntegott, der den Feldern
Hrudtbarteit jpendete, Sobef war cin Wajjergott und
Thout, der Heilige von Schmun (Hermupolis), war
ein Mondgott, der die Zeiten und die Ordnung der
Dinge — hatte und deshalb auch als Er—
finder ber Sprache und Schrift, als Gott der Gelehr—
jamfeit angefehen wurde. Gewann cine fleine Stadt
an Macht und erlangte fie die Oberherridaft iiber cin
größeres Gebict, cinen Gau oder gar cine Roalition
von @auen, fo nabm aud) der Machtbereich ihres
Gottes gu, der »ſtädtiſche Gott« wurde zum Gaugott
oder zur Staatsgottheit. So ijt ſchon in vorgeſchicht—
lider Heit der in Ombos verehrte Set gum Sdug-
berrn von Oberaghpten, Horus von Behtet (in Unter-
agypten) gum Patron des Deltareids geworden, und
in geſchichtlicher Zeit ſehen wir den Ammon (j. d.) all-
mählich zum Nationalgott des ägyptiſchen Weltreichs
werden. Richt felten wird es aud) vorgefommen fein,
daß bie Bewohner einer Stadt auswanderten und fic
anderswo niederliejen; dann nabmen fie ihren Hei-
ligen mit fid) und bereiteten ifm an ihrem neuen
ohnort cine neue Kultſtätte. Auf diefe Weiſe find
vermutlid) in vorgeididtlider Zeit mande unter-
ägyptiſche Gitter, wie Horus von Behtet und Reith
pon Sais, in Oberägypten eingedrungen. Oft fab
man aud) wohl, wie ſtark ein Heiliger eines andern
Ortes feine einde beſchützte und mit Wobhltaten
überhäufte, und entſchloß fic) deshalb, ihm gleidfalls
ein Haus zu bauen. Neben den lofalen Gottheiten gab
es nun nod) eine beträchtliche Bahl niederer Gotter,
Dämonen und Geijter, die Einfluß auf den Menſchen
batten, ihm bei beſtimmten Gelegenheiten niigen oder
ſchaden fonnten, und die man fic) darum günſtig zu
jtimmen fudte. Ru ihnen zählen 3. B. die verſchiede—
nen Geburtsgöttinnen, die Den Frauen in ihrer ſchwe—
ren Stunde Beijtand leiſteten, der Toilettengott Bes
u. a. Bisweilen hat man aud befonders angefehene
Menſchen nad ihrem Tod als Heilige verebrt und
al8 Götter betradtet, 3. B. den Heiligen Imhotep
(f. d.), einen Weifen der Beit des Königs Bojer, ferner
den Umenhotep (jf. d.), Sohn des Hapu, einen Heit-
genofjen des Königs Umenophis LIT. Wud der ſpäter
allgemein als Totengott angejehene Ojiris tt wohl
cin uralter Rinig, der nad jeinem Tode fiir heilig
ehalten, und dejjen Grab in Abydos vom ganjen
olfe verebrt wurde (j. unten). — Schon frühzeitig
t man aud) in YL. über die Entitehung der Welt, den
f der Gejtirne, den Wedel von Tag und Nacht
nadgefonnen und ijt in naiver Weife zu dem Glau-
ben qefontmen, dak iiberirdijche Mächte die Welt er-
jdaffen haben, ſich als Gejtirne offenbaren und den
Lauf der Natur lenfen. Die Erde war ein Gott Geb,
der Himmel die Gittin Mut; in den Urgeiten waren
beide vereint, bis fie Der Luftgott Schow voneinander
trennte, indem er die Himmelsgittin mit feinen Ar—
men in die Hdhe hob. Die Sonne war ein Gott Re,
192
ber in feiner Barke bei Tage auf dem Himmelsozean
fubr, während er in der Nacht feine Fahrt auf einem
entipredenden Gewäſſer in der Unterwelt fortfeste.
Eine andre Anſchauung ſtellte fic) Den Lauf der Sonne
unter dem Bild cined Miſtkäfers (Scarabaeus, f. Pillen⸗
dreher) vor: wie dieſer cin Fleines Kügelchen, mm das
er fein Gi gelegt, vor fid) herrolle, fo ſchiebe aud) ein
großer Rafer das runde Gonnengejtirn vor fic) ber.
Jn die grohe Menge von Gottheiten Hat man nun
an vielen Stellen Ordnung gu bringen verſucht. Am
belicbtejten war das Syjtem, daß man die verfdiede-
nen, an einem Ort oder in mehreren Radbarplagen
verehrien Gitter gu Familien zuſammenbrachte. So
wurde 3. B. in Theben, das aus mehreren Ortidhaften
mit verfdiedenen Heiligen zuſammengewachſen war,
Ammon als Hauptgott verehrt, bem man die Göttin
Wut als Gemahlin und den als Mondgott angefebhe-
nen Ehons als Sohn beigefellte; in Memphis trat zu
dem Sdubpatron der Stadt, Dem Gotte Ptah, die
Göttin Sechmet als Gemabhlin und der Gott Nefertem
als Gobn; in Elephantine, an der Südgrenze Agyp-
tens, wurden neben dem Hauptgott Chnum nod zwei
Wittinnen, Satis und Anukis, gejtellt. Befonders
haben fic) um die Ordnung der Gotter die Theologen
der uralten Stadt On-Helivpolis bemiiht. Sie ftellten
cine Neunheit von Göttern zuſammen, an deren Spitze
der Lofalgott Utum trat; dann folgten die tosmo-
qonifden Wottheiten Schow mit feiner Gemabhlin Tef-
nut, der Erdgott Geb mit ber Himmelsgöttin Itut;
der Gott Ofiris mit feiner Gattin Iſis und der
Schutzherr von Oberäghpten Set mit einer Göttin
Namens Rephthys. Den Gott Utum als den hidjten
der Gitter identifigierte man weiter mit bem Sonnen-
gotte Re und dem gleidfalls als Gonnengott auf-
gefaßten Horus, »dem im Horizont befindlidene (j.
Harmachis). Diefe theologijden Unfdauungen von
Peliopolis haben eine fehr weite Verbreitung im
Lande gefunden; vor allem wurde der Glaube, dah
der Lofalbheilige mit Dem Gonnengott eins fei, all-
emein angenommen, und dDemgemak wurden die ver-
diedenen Lolalgötter nur fiir befondere Erſcheinun—
en Re erflart. Auch ſonſt wurden Gottheiten des
Goͤtterkreiſes von Heliopolis mit lofalen Heiligen iden-
tifiziert: fo wurde der alte Totengott Anubis, der
Herr der Wejtlichen«, mit Ofiris zuſammengeſtellt,
bie Göttin Hathor als eines Weſens mit Iſis auf: |
gefaßt. Hierdurch ijt cine große Verwirrung in das
ägyptiſche Pantheon gefommen, die niemals durch
ein einheitliches theologijdes Syſtem befeitiqt worden |
ijt. Der Verſuch Amenophis' IV., die Lehre von He-
liopolis, daß alle Gdtter nur befondere Formen des
Re feien, in die Praxis umzuſetzen und den Kultus
der Sonne allgemein einzuführen, ijt febr ſchnell ge-
ſcheitert (ſ. unten). Die Vorſtellungen, die man
ſich von den Göttern machte, waren ſehr roh und er—
innern ſtark an den Fetiſchdienſt, in dem nod heute die
Regeritimme Ufrifas befangen find. So wurde der
Bott von Bufiris in cinem Pfahl, Min von Roptos
in einer Steinfaiule, Neith von Sais in einem Schild
utit zwei aufgenagelien Bfeilen verehrt. Andre Git-
ter batten ihren Wobniig in Bäumen. Das Gewöhn—
liche aber war, dak man fid) die Gottheit als ein Tier
dachte. So war Ammon ein Widder, Thout ein Ibis,
Horus cin Sperber, Sedmet eine Löwin, Baſtet eine
Kage, Die Schutzgöttin von Buto cine Schlange, die
von Redeb cin Geier. Die Weltgdtter und aud) Oſi—
rig wurden als Menſchen aufgefaht. Hierdurd ijt
man wobl veranlaht worden, aud) den lofalen Fe-
tiſchgöttern vielfach menſchliche Geſtalt zu verleiben,
Agypten (Religion, Bautunjt der alten Ägypter).
indem man bem Gotte den Kopf de3 ihm Heiligen Tie-
reS auffeste: fo wurde Thout mit einem Ibiskopfe.
Horus mit dem Kopf cines Sperbers, Sechmet mit
einem Liwenfopfe rc. Dargejtellt. Das von der Gott-
heit befefjene beilige Tier, das viclfad) wie Der Apis
(ſ. d.) an befondern Abzeichen tenntlid) war, wurde
im Tempel gehalten; erjt fpiter wurden alle Erem-
plare derjelben Gattung fiir gdttlid) angefeben und
dementſprechend behandelt.
2) Der Unfterblidleitsqglaube. Auch in den
Anſichten von dem Schickſal des Menjden nad) dem
Tode find die Ägypter niemals gu einer einheitlicen
Auffaſſung gelangt. Allgemein wohl herrfdt nur der
volfstiinlide Glaube, daß der Menſch weiterlebt, wenn
ihm die Bedingungen gu feiner Exijtens gewährt wer-
den. Er muß Speiſe und Trant zur Nabrung haben,
fic) wie im Leben pugen und ſchmücken formen und
Waffen gu feiner Verteidiqung gegen etwaige Feinde
befiten. Dieſe notwendigen Gegenjtinde werden ibm
denn aud) ins Grab mitgegeben oder durch Gebete,
die bon den Hinterbliebenen gefprodjen werden follen,
auf übernatürliche Weife ber chaiit. Im Jenjeits, das
man gewöhnlich in den Wejten verlegt, gibt es em
frudjtbares Gelände, eine Urt elyſäiſcher Gefilde, in
dem die Toten wie einft auf Erden die Flur bewäſſer⸗
ten, ſäeten, pitfigten und ernteten, und wo das Ge-
treide fieben Ellen hod) wuchs. Wie die Lebenden jtan-
den aud) die Toten unter dem Sdhupe der heimifden
Götter, die fiir ibr Wohl und Wehe forgten; nur in
einzelnen Stadten waren fie befondern otengotthei⸗
ten anvertraut, z. B. in Memphis dem Gotte Sokaris
ober dent Wiijtengott Unubis, dem »Herrn der Weſt⸗
lidhen«, Den man fic als Schalal vorſtellte. Wn der
Spite der Toten ſtand der mythifde König Ojiris,
defjen Grab in Abydos fag, und mit bem der jewei-
lige verjtorbene König identifiziert wurde. Später
nahm man an, dah jeder Menſch cing mit Dſiris
werden finne, und dak Ofiris iiberbaupt der größte
Totengott fei (ſ. Ofiris). Cine andre Lehre nahm an,
dak die Ubgejdiedenen als leuchtende Sterne an den
Himmel verfest wiirden. Auch meinte man, dak der
Menſch cine Seele habe, dic nad) dem Tode ſelbſtän—
dig weiterlebe, Sie habe die Geſtalt cines Vogels und
finne bei Tage frei in der Welt umberfliegen, miifje
aber bei Nacht, wo draußen böſe Geſpenſter umgeben,
in bas Grab juriidfehren. Auch fonjt war es ein
Lieblingsqedanfe der Agypter, daß Der Tote verfdie-
dene Gejtalten annehmen und fid) mit Hilfe von Zau⸗
berjpriichen in alle migliden Tiere oder Pflanzen
(Schwalbe, Sperber, Widder, Lilie) verwandeln fonne.
Dagegen haben die Ägypter den Glauben an eine
Seelenwanderung nidt beſeſſen. — An der älteſten
Zeit wurden die Leichen in hodender Stellung, ſpäter
wie im Sdlaf ausgejtredt ins Grab gelegt. Nachdem
im alten Reidje die Idee Play gegriifen hatte, daß
die Forterijtens des Menſchen von der Erhaltung fei-
nes Körpers abhängig fei, fing manan, dDurd Ein—
balfamierung die Seinen vor Serjtirung ju fdiigen
(ſ. Mumien). Die Cingeweide und andre edle Teile
wurden aus dem Körper entfernt und in befondern
Krügen (ſ. Ranopen) beigefest.
Runft und Handwerf.
(Gierzu bie Tafel »Altagyptiſche Malereic.)
1) Baukunſt. An der ägyptiſchen Baulunjt (7.
Tafeln »Urditeftur l< und ⸗Bauſtile I<) tritt ein un-
— kräftiger, feſter und ernſter Charalter hervor,
er in Verbindung mit koloſſaler Größe auf den Be—
ſchauer einen überwältigenden Eindruck macht. Cha-
ratterijtifd fiir die äghptiſche Urdhiteftur find Die
Altagyptische Me. «i
- -
~~ -— =
-—- =~ =
- @ - =
=—- -
~ =
—
a
~—— =
~ =
Chr. Van emi te
chenke, Urn 1 iy J—
dem ay. pti hen Konig thre Gesche Ai wrrenaethes Bead
tringen
‘ito he Hinpilinge
wl ie —— Auf.
v *\ of
‘ed by Google
. 2
e
€
(sas. az
—— —
Pre
“é
‘ ’
> yet’ ® e i
wn @ Por ppm ———— ——
ete > epted citer
a Ai
”
A ” mars ~ “Ww MA
4 heey teh” |
a alee bie
LA
5
E
Hin
He
!
;
-
‘
:
2
z
5
af beſondere Erideinun- Hi verfept wiirden.
* Teed . i Gottheiten deg Menſch cine Seele habe, di
wiles ton Heliopolis ntit fofaten Heiligen iden· diq weiterlebe. Ste habe die Gejtalt
Wihert: fo wurde der alte Totengott Unubis, dex forme bei Tage frei or der Welt um
om fer Detiiden<, mit Ojiris jufammengeitellt, | aber bei Nacht, wo draußen bdfe Ge
Otte Hathor als cincs Wejens mit Ais auf⸗ in das Grab zurücktchren. Wud fc
Dierdurd iit cine groge Verwirrung in das | Lieblingsgedanfe der Hgypter, dah der Be
—— —— durch | —— annebmen dy rm Dilfe
theologijfdes Sytem befeitigt worden priichen in alle migli
Berjud Umenophis' IV., die Lebre von He- (Sehwalbe, Sperber, * Lilie) verr
Dak alle Goler nur beſondere Formen des | egen haben die Äghpter den Gla
im die Praxis umzuſeßen und den Kultus Seelemmanderung nicht bejefien. — Sn —
eingufiibren, tft febr ſchnell ge | Seit wurden die —** in hodender Steflas
). —- Die Vorjtellungen, die man | wie im Schlaf ausgeſtredt ins Grab gele
Mottern machte, waren fer roh und er | im alten Reidhe die Voce Platz geguiffe
osnert @a den Fetifddienst, in dem nod heute die dic Fortexiſtenz des Menſchen von er
nabs wey en find. So wurde der mes Körpers abhängig fei, fing mawan,
Moet) von m cinem Bfohl, Win von Moptos | balfamierung die Leiden vor Yerft
to ature Gietridule, Reith von Sais in einem Schild ({. Mumien). Die Eingeweide und
ee ene oe werefrt. Undre GOt- wurden aus dem Körper entfernt and
ip it Bikonen. Dai Gewdhne Mriigen (. Ranopen) beigeſetzi. —
abe aber war. dah mon ſich die Gouhen als cain Tier Stunft und Handwerk,
» So war Bannon cin Widder, Thout cin Idte (Sterja dic Tafel oMletguptije Maleretey
t, Sedine cine Lhwin, Botte cme 1) Baulunjt. Qn ber dghptifden Ba
Sdugabtiia non Bute ene Gailenge, dic Tafetn »Urchiteitur I< und — Dauftile Ne) ri
er. Die Beligdtice umd auch Oji- | qemein fraftiger, fejter und ernſter
alé Menſchen autyetait. Hiertweh if der in Verbindung mit foloffaler Gel Re al
veranlafjt worder, aud den lofelen Ae ſchauer cinen iiberwiltiqenden E am
vielfad) menfdiiche Geftali gu oevieifen, volterijtijd fiir die äghptiſche
tr
⁊
aw
iby Google
A\tigyptische Malerei.
igy
phe *
> nv 41
axe .
oe
Nubische Hauptiinge bringe n dem agyptischen Konig ihre Geschenke
Biililiew
Mevers Konr. Le riko Ar uft, apetabe te « In in Leipeig.
Digitized by Google
Agypten GBaulunſt, Bildhauerkunſt der alten Woypter).
veridiedenartigen Formen der Trager (Pfeiler
und Siule), die fic) bereits in ben Schöpfungen des
alten Reiches nadhweijen laſſen und fich mit nidt we-
jentliden Underungen bis in die griechiſch-römiſche
Seit erhalten haben. Neben dem einfachen vierecigen
Wfeiler finden wir den adtfantigen Pfeiler und die
jogen. protodorifde Säule. hr Schaft hat 16 leidt
ausgehöhlte (fannelierte) Seiten und rubt auf einer
runbden Fußplatte, wahrend eine vieredige Kopfplatte
(Wbafus) den Ubergang zur Dede vermittelt. Weit
häufiger als Der Feiler ijt die abgerundete Säule.
Wahrend jener aus dem Felfenbau entitanden ijt, ijt
dieſe aus Dem Holzbau hervorgegangen. Ihr Vordild
ijt vielleicht Dic hölzerne Stütze, die mut allerlei Blumen
verziert war. Die agyptijde Säule erhebt fic) auf ciner
runden Bajis und geht nad oben in ein Kapital iiber,
auf dem die Kopfplatte ruht. Bei der Gejtaltung der
Saulen find drei Pflanzen bevorzugt worden: eine
Lotusart (Nymphaea lotus), der Papyrus (Cyperus
papyrus) und die Dattelpalme. Bald entſpricht die
Siule einem cinfaden Pflanzenſtengel, bald jtellt fie
mebrere durch Bander zuſammengehaltene Stengel
Dar; das Kapital zeigt entweder die geſchloſſene Knoſpe
oder die geöffnete Blüte. So haben wir entweder ein-
fade Blumenſäulen oder Biindeljaulen, Saulen mit
geſchloſſenem (snojpen-) oder ore (Bliiten-)
Napttal, ju denen Dann nod die ſchönen Palmen—
ſäulen treten. — Bon agyptifden Privatbauten
ijt nur wenig erhalten geblieben, da fie aus hidjt
vergdnglidem Material, Lehm oder lufttrodnen Bie-
geln, erridjtet waren. Das Bauernhaus war wohl
ebenjo einfach wie heutzutage und enthielt faum mehr
als einen ojfenen Hof, in dem fic) die Familie bei
Tag aufhielt, und an den ſich ein paar dunfle Sdlaf-
räume und Biehjtalle ſchloſſen; cine Treppe führte vom
Hof aus auf das flache, von Palmſtämmen gebildete
Dach, auf dem fic) häufig nod ein paar kleinere Ge-
mächer befanden. Auch in den beſſern Wohnhaufern
(i. Tafel ⸗Wohnhaus I<) bildete der Hof den Mittel⸗
puntft; auf feiner Riidjeite erhob fic) eine von Säulen
qetragene Halle. Bon hier aus fiihrte eine Tür in
einen mehr breiten als tiefen Saal, und binter dieſem
Jag cine jdymale, tiefe Halle, die wohl als Speifegimmer
gedient haben mag. Dann folgten nod weitere Räume,
wibrend fic) ſeitwärts die Frauenwohnung, Gemader |
fiir Die Dieneridhaft, Küche, Vorratsräume und Stale
anſchloſſen. Auch die Königspaläſte weiſen diefelbe
Anordnung der Räume, nur in größerm Maßſtab
auf. — Bon den zahlreichen äghptiſchen Tempeln,
die dem Kultus der Götter geweiht waren, kennen wir
bisher nur einen aus dem alten Reiche, das von Mi-
nig Ha-en-wojer (5. Dynajtie) erbaute, dem Son-
nengott geweihte Heiligtum von Ubu Gurab bei Rairo.
Much von den Tempeln des mittlern Reides find uns
nur wenig Rejte erhalten geblieben, unter andern die
Triimmer des Labyrinths (fj. d.), die aber deutlich
darauf hinweijen, daß fie ähnlich angelegt waren wie
die Der ſpätern Beit. Bon den Tempeln des neuen |
Reiches fornen wir uns ein Hares Bild maden. In
der einfachſten Form entjprad das Gotteshaus dem
biirgerlichen Wohnhaus und enthielt diefelben Haupt-
raume wie dieſes. Die von zwei Reihen von Sphinxen
(j.d.) eingefabte Straße fiihrte zu zwei großen Wauer-
tiirmen, Dem fogen. Eylon, zwiſchen denen das Cin-
qangstor lag. Durd) dieſes gelangte man in einen
offenen sg der mit Saulenballen umgeben war; an
ihn ſchloß ſich ein gleichfalls von Säulen getragener,
breiter Saal, der meijtens dreiſchiffig angelegt war,
und binter ihm lag bas Allerheiligſte, die eigentlide
Meyers Konv.-Leriton, 6. Mufl., I. Bd.
193
Wohnung des Gotted, in dem das Kultbild aufgeſtellt
war. Ojt liegen vor dem Allerheiligſten nod) mehrere
Siile, aud) jeitlid) find nod) Räume angeiegt. Viele
Tempel find nicht nad) einem einbheitliden Srundplan
erbaut, fondern allmählich entitanden und weifen da-
her cine fomplisiertere Form auf als dig hier qeidil:
derte (3. B. der Tempel von Luffor, der große Tempel
von Rarnaf). Die Felfentenipel dagegen weiden in der
Unlage von den fretitehenden nidt ab. Die Innen—
räume find mit religidjen Darjtellungen geſchmückt;
nur die offenen Höfe und die Außenwände zeigen
weltliche Bilder, 3. B. Kriegsdarſtellungen, Feſtzüge.
Die Tempel der Spätzeit pind von denen des neuen
Reiches nur wenig veridieden. — Auch die Gräber
—— von dem hohen Stande der altägyptiſchen
ufunjt. Es find urjpriinglid) einfache Bauten mit
rechtecliger Grundfläche und ſchrägen Wanden, fogen.
Majtabas (j. d.), die aus Biegeln oder Kallſtein—
bliden aufgefiibrt wurden. Wud) das Königsgrab
der älteſten Seit war eine foldye Majtaba, aus Ben ſich
erſt ſpäter die Pyramide (ſ. d.) entwickelt hat, die dann
bis gum Anfang des neuen Reiches das typiſche Kö—
nigsgrab blieb. Bielfad wurden die Graber aud in
Felſen angelegt, namentlid) an Stellen, wo der Wü—
jtenboden feinen Blab fiir freijtehende Bauten bot.
Auch die Königsgräber des neuen Reiches find Feljen-
raber, die aus langen Norridoren und Galen be-
ſtehen und oft, wie 3. B. im Grabe Sethos' J., 100 m
ut Den Berg hineinfiibren.
2) Bildbauerfunjt und Malerei. Was in
der aypttidven Vildhauerfunjt (j. Tafel »Bildhauer-
tunjt I<) zunächſt unfre Bewunderung fordert, iſt die
techniſche Geſchicklichkeit der Kiinitler: aus Granit,
Diorit, Nalfitein und andern ſehr harten Gejteinen
find die Statuen mit meifterhafter Präziſion gemeijfelt
und auf das jauberjte geglättet. Das Geſicht ijt meijt
mbividuell gejtaltet, wahrend die Körperformen jde-
matiſch bebandelt find. We Statuen, in figender,
hodender oder ſchreitender Stellung, haben eme ſich
jtet3 qleidjbleibende fteife Haltung: Kopf und Rump;
ind jtreng ſymmetriſch gqebildet; nur bet den Armen
und Beinen hat man fic) geringe Freiheiten erlaubt.
Es herrſcht bier, wie in der Kunſt aller primitiven
Biller, das »Geſetz der Frontalitat«, das erjt von
den Grieden in der Blütezeit ihrer Plajtif durd-
broden worden ijt. Die dltejten Statuen zeigen nod
eine gewiſſe Unbebolfenbeit; aber bereits tn Anfang
der 4. Dynajtie nahm die Kunſt einen fdnellen Auf—
ſchwung und erreidte in der 5. Dynaſtie ihren Höhe—
puntt. Diefer Blütezeit qehbren die berühmten Sta:
tuen des Rahotep und femer Frau, des Dorfichul yen
alle tm Muſeum von Kairo) und des Schreibers on
Louvre an. Bon den Statuen des mittlern Reides
halten die meiſten einen Vergleich mit denen der al:
tern Beit nicht mehr aus; doch finden fich unter ihnen
aud) ſehr gute Werke namentlich der deforativen Kunſt,
i: B. die ſchönen, frither den Hylſos zugeſchriebenen
Spbinre, die Statue Umenembets ILL. in Rairo u. a.
Dasjelbe läßt jid) von den Werfen des neuen Reidhes
jagen: während in den Statuen der Privatleute das
Geſicht mehr und mehr in ntichterner Weise idealiſiert
und das Hauptgewidt auf die Wiederqabe der fom-
pligierten Daartradt, der modiſchen Gewander, der
mannigfaden Schmuckſachen gelegt wird, finden jid)
unter Den Yirbeiten Der Großplaſtik Stiide allereriten
Ranges: die lieqenden Lowen, die Amenophis IIT. in
einen nubiſchen Tempel weihte, find von unveraleid-
lider Grdfe der Auffaſſung; die Königsſtatuen Ran-
| fea" IL. und- Harembebs, der Kopf der Gottin Wut
Ee
194
und des Mondgottes Chons (beide aus Karnak, im
Mufeum von Kairo) verdienen aud) neben den altern
Werten Bewunderung. In der 20. Dynaftie verfiel
die Runjt, unt dann Mit der Äthiopenzeit unter YUn-
lehnung an ältere Werte nod) eine fraftige Nachblüte
zu entfalten.~— Das Verſtändnis der äghptiſchen Re-
lief, bet Denen man Flachrelief und Hoblrelief (Koil—
anaglyph, ſ. d.) unterſcheidet, wird dem Laien durch die
eigentiimlide Art der Zeichnung ſehr erſchwert, die,
in vorgeſchichtlicher Zeit entſtanden, wie eine heilige
Überlieferung allezeit bewahrt worden iſt. Danach
wird bei der menſchlichen Figur der Kopf von der Seite,
das Auge dagegen von vorn gezeichnet; die Schultern
werden von vorn, Beine und Füße wieder von der
Seite gegeben; bei der Wiedergabe des Rumpfes wird
die hintere Kontur von vorn, die vordere von der
Seite gezeichnet. Wud) das Unvermögen, perjpeftivi
ſche Verfiirzungen wiederjugeben, gab Anlaß ju be-
frembdliden Darjtellungsweijen. Weit befjer find die
Zeichnungen von Tieren gelungen, auf deren nature
etrene Wiedergabe die gg ſehr viel Liebe und
orgfalt verwendet haben. Auch bei.der Darjtellung
fremder Bolfertypen ijt das nicht felten Humorvolle
Charatterifierungstalent Der ägyptiſchen Meiſter gu
bejter Entfaltung qefonunen. Die Bliitezeit des ägyp⸗
tijden Reliefitils fallt tx die 5. Dynajtie; wenn aud
in fpaterer Beit der Typenſchatz der darjujtellenden
Szenen fic) jtarf vermehrt hat, fo hat man dod in
der Feinheit der Reliefbehandlung nie wieder die Voll-
fontmenheit von damals erreidjt. In der 18. Dyna-
jtie macht fid) in Der Zeichnung eine freiere, realijti-
ſchere Richtung geltend, die unter Amenophis TV. gu
Uuswiichfen fiihrte und darum in der Folgeseit wie-
der verlajjen wurde. Sehr lebbaft, wenn aud) wenig
überſichtlich find die Schlachtdarjtellungen auf den
Tempelwanden der 19. und 20. Dynaftte. Auch im
Relief abmt man ſeit der Athiopenzeit wieder bie Bor-
bilder des alten Reiches nach, tednifd) mit großem Er-
folq, aber ohne die unmittelbare Frijde und Natür—
lidhfeit der alten Stiide. Géamtlidje Reliefs waren
farbiq. — Die Maleret tft in der Urt der Zeichnung
von der Der Reliefs nicht unterfdieden; man brachte
farbige, auf Stud gemalte Wandbilder nur an, wo
das Material fiir Reliefs ungeeiqnet war. Bal. bei-
folgende Tafel und Tafel »Ornamente I<, Fig.6—15.
3) Kunſthandwerk. Durdaus Bollendetes hat
das agyptiſche Kunjthandwerk geleiſtet. Ansbefondere
haben fich dic Goldſchmiede und Metallarbeiter die voll-
fommenjte Herrſchaft über das Material angeeiqnet
und ibren Werfen einen Reis der Form verliehen, wie
er nur auf cinem Höhepunkte materieller Kulturent-
widelung vorfommt. Hauptſächlich herrſchen Pflanzen⸗
ornamente vor, bei denen ſtiliſierte Lotos und Papy—
rus die Hauptrolle ſpielen. Beiſpiele ägyptiſcher Kunſt⸗
fertigleit ſ. auf den Tafeln »>Gemmen« (Fig. 10, 12,
16), ⸗Grabmäler⸗ (Fig. 1), »Softiime I< (Fig. 1—3),
»WMufifinftrumente III« (Fig. 13), »Ringe« (Fig. 1,
2, 4), »>Schiffstypen Ie (Fig. 1).
Geſchichte Agyptens.
Wigypten im Ultertum.
[Seitresuung der alten Mgypter.] Das Kalen—
derweſen ijt ſchon in ſehr frither Zeit in A. geord-
net worden. Wan begann das Jahr mit dem Tag,
an dem Der Ril ju jteigen anfing, und zählte von
einer Uberſchwemmung zur andern, der bäuerlichen
Beſchäftigung folgend, dret Jabhresseiten: die Uber-
ſchwemmung, die Beit ded Sproffens der Saat und
die Erntezeit. Ujtronomijd wurde der Jahresanfang
Agypten (Malerei, Kunſthandwerk der alten Ägypter; Geſchichte: Zeitrechnung).
durch eine gute Beobachtung feſtgelegt. Man hatte
nämlich geſehen, daß der Tag, an dem die Nilüber—
ſchwemmung in der Regel eintrat, zuſammenfiel mit
dem Taq, an dem der hellſte Fixſtern, der Sirius
(ãgyptiſch Sothis), zuerſt wieder in der Morgendam-
merung fidjtbar wurde. Die Seit von einem ſolchen
Friihaufgang jum andern betrug 3654/4 Tage, fiel
aljo fajt genau mit dem aftronomifden Gonnen-
jabr zuſammen. Im biirgerliden Leben hat man
ſich freilich in alter Beit dieſes Jahres nicht bedient.
Man redynete hier nad) 12 Monaten ju je 30 Tagen,
denen man am Jahresſchluſſe nod) fiinf Sdalttage
hinzufügte, um nicht allzuſehr von dem natiirlicben
Jahr absuweiden. Da aber diejes Jahr um einen
Vierteltag kürzer war als das ajtronomijde Strtus-
jahr, fo entfernte fid) der Neujahrstag des biirger-
liden Jahres von dem Striusneujahr (20. Jult) alle
vier Jahre um einen vollen Tag. Erſt nad Ablauf
von 1460 biirgerlidjen Jahren fonnten beide Neu—
jabrStage wieder gujammen gefeiert werden. Trog
dieſer Schwierigheiten ijt aber erjt unter der rdmifden
Herrſchaft, endgültig ſogar erſt nad) Cinfiihrung des
Chriſtentums, das Siriusjahr von 3659 Tagen an
bie Stelle des biirgerliden Jahres von, 365 Tagen
— Auch cine feſte ÄAra haben die Ägypter nicht
eſeſſen. Sie beſtimmten die zeitlich feſtzulegenden
Ereigniſſe nad den RegierungSjahren der Könige.
Um nun ju wiſſen, wann ein friiherer König regiert
hatte, fithrten die Briejter der Tempel große Later,
in denen die Namen der Herrider famt der genauen
Dauer und widtigen Creignijjen ihrer Regierung
verjeidnet waren. Bon big Unnalen ijt nur das
Bruchjtiid eines einzigen erhalten geblieben, der aus
der 5. Dynaftie ſtammende Stein von Palermo. Auf
derartigen Unnalen beruben die größern Regenten-
verzeichniſſe, von denen wir leider aud) mur ein ziem⸗
lid vollſtändiges bejiben, den im Turiner Muſeum
befindliden Ronigspapyrus. Er enthalt die Ramen
von etwa 220 Rinigen, von Menes, dem erjten indi-
ſchen Herrider, bis zur Hylſoszeit; bet jedem war die
Dauer feiner Regierung angegeben. Whnlidjer Art
find auc) die verſchiedenen Königsliſten, Die auf
Grab« oder Tempelwanden cingemeifelt waren (Kö—
nigSlijte von Abydos, Karnal, Saffdra), ſowie die
wertvollen Verzeichniſſe der ägyptiſchen Könige, die
uns von bem Geſchichtswerke des Manethos (ſ. d.)
erhalten geblieben ſind. Die Manethoniſchen Liſten
haben lange Zeit als die Hauptquelle der ägyptiſchen
Chronologie gegolten, doch hat man jetzt von ihnen
nicht viel mehr als die ſehr praltiſche Einteilung der
ägyptiſchen — in 31 Dynaſtien beibehalten. Da
das vorhandene Material fein vollſtändiges Verzeich⸗
nis aller ägyptiſchen Herrſcher bietet, fo ijt eine genaue
Chronologie unmöglich. Man ijt darauf angewiefen,
ungefähr die Zeiträume auf Grund der Daten der
Denkmäler, des Turiner Papyrus, der vorhandenen
Genealogien abzuſchätzen. Einige aſtronomiſch be—
rechnete Zeitangaben bieten für dieſes ſchwankende
Gebäude feſtere Stützen; ſo iſt auf Grund von ſichern
Nachrichten über den Aufgang des Sirius das ſiebente
Regierungsſahr Senwofrets III.auf 1876—73 v. Cor,
das neunte Jahr Umenophis' J. auf 1545-—42, die
Regierung Thutmoſis' III. auf 1515—1461 (nad
andern 1503-—1449) berechnet worden. Weitere An—⸗
haltspuntte bieten die gleichzeitige Regierung Ame—
nophis' IV. von A. und Burnaburiaſch' I. von Ba-
bylonien; lepterer hat um 1400 regiert, banad muß
erjterer um 1415— 1390 angefept werden; ferner
wiſſen wir aus der Bibel, day Scheſchonk I. (Sijat
Agypten (orgeſchichtliche Zeit rc. bis 2200 v. Chr.).
gur Zeit Rehabeams (928) den Tempel von Jeruſalem
epliindert, und endlid) auf Grund ber griedifden
Reecticlecece, daz Pſammetich I. um 663 den a yp.
tijden Thron bejtieqen hat. — Unfre Sabeeszah en
fiir die ägyptiſche Gefdidte find meijt ungenau und
finnen fiir die dltere Beit felbjt um Dabrhunderte
ſchwanken. Man teilt die ägyptiſche Gefdidjte der
beſſern Überſicht halber in mehrere Berioden, die
»Reiche⸗ oder »eiten⸗ genannt werden; daneben
geht die Manethoniſche Dynaſtieneinteilung.
1) Die vorgeſchichtliche Zeit Ägyptens, welche
die ſpätere Überlieferung mit einer Herrſchaft der
Götier und Halbgitter auszufüllen ſucht, läßt ſich
nur in den Grundzügen wiederherſtellen. Als ſicher
darf gelten, dak das Land urſprünglich fein einheit⸗
liches Reich bildete, ſondern in eine Reihe kleiner felb-
ſtändiger Fürſtentümer zerfiel. Sie wurden von Her-
igen regiert und haben fid) in den Gauen oder
omen CBrovingen) nod) in bijtorifder Zeit erbal-
ten. Aus dieſen Kleinjtaaten haben fic) dann all
mählich zwei Reiche entwidelt: das Nordland, deſſen
Gebict das heutige Nildelta bis in die Gegend von
Rairo umfagte, und das Giidland, das fid) von
Rairo aus bis gum kleinen Kataraft pon UWfjudn er-
jtredte. Der König des Nordlandes, der auf dem
Haupte die »rote« Krone trug, refidierte in der Stadt
Vebhtet (dem heutigen Damanbfir) im wejtliden Delta.
Hier war aud die Hauptfultusjtitte des Horus, des
Schutzheiligen des Nordlandes. Der König de3 Sild-
landes, deſſen Schmuck die ⸗3Wweiße« Krone bildete,
hatte feinen Sig in Ombos (auf dem wejtliden Ril |
ufer, etwas nördlich von Luffor), wo ber Gott Set
als Schützer dieſes Landesteils verehrt wurde. Aus
den Kämpfen, die beidbe Staaten miteinander fiihrten,
ing ſchließlich Der Norden ſiegreich hervor. Es ent-
tand cin einheitliches ägyptiſches Reid mit der Haupt-
}tadt On (Heliopolis), die aud) der geiſtige Mittelpuntt
wurde, und deren Prieſterſchaft auf die Vusgeitaitun
der ägyptiſchen Religion einen maßgebenden Cinflu
ausgeiibt hat (f. oben). Das Reich von Heliopolis hatte
aber feinen Dauernden Bejtand, es löſte fic) wieder
auf, und die friihere Zweiſtaaterei trat von neuem
ein. rarer Rinige herrjdten in Dep (Buto)
unweit der Wittelmeerfiijte, oberägyptiſche in Nechen
(Dierafonpolis) im Süden. Die Schlangengöttin von
Dep war die Schutzgöttin des Nordreidjes, der Geier
von Nechbet (qegeniiber von Nechen gelegen) die des
Siidens. Wud) jest fam es wieder zu Kämpfen zwi—
iden beiden Ländern; die Hierafonpoliten befiegten
ſchließlich ihre nordägyptiſchen Geqner und fdufen
ein neues Cinheitsreid. In dieje vorgeſchichtliche
Periode gehören mehrere Nefropolen, die in Ober-
daypten fett 1895 entdeckt worden find (Ballas,
haiwe u. a.); aud) der große Sphinx von Gizeh ijt
vielleicht dieſer Beit zuzuweiſen.
Die in A. während der erſten Dynaſtien vorhan—
dene Kulturſtufe erſcheint als höchſte Entwicke—
lung der jüngern Steinzeit, da unter den Ar—
tefatten jener Zeit kunſtvoll gearbeitete Steinkrüge,
Vaſen aus Marmor, Figuren aus Bergkriſtall, Por⸗
phyr und Granit, Scheiben und Tierfiguren aus
195
polen, rechtwinkelige, aus ungebrannten Bachſteinen
aufgebaute und mit engen Niſchen fiir die Toten aus-
gejtattete Gruben. Daf der neolithijdjen Kultur Äghp⸗
tenSeine iltere Steingcit vorausgegangen ijt, wird
bezeugt durd) die Wuffindung von roh zugehauenen
Feuerſteinwerlzeugen, Feuerjteinlamellen und mit
Schlagmarken verjehenen Steinfernen in dem Wüſten⸗
ebiet weſtlich und ditlid) vom Niltal. Uber die Be-
timmung jener Steinartefafte, die man wegen ihrer
Form als Efelshufe begeidnet, ijt nichts Naheres
befannt. Man begegnet in den Diluvialablagerungen
Vgyptens nicht felten Steingeriiten, die dem Sdhaber
und dem Faujtitein von Chelles aufs genauejte
entipreden. Wud) gu Theben, Tid) und Abydos find
Werkzeuge des palaolithifden Menfden a
worden. Bgl. Shweinfurth, Über den ürſprung
der A ypter (»>BVerhandlungen der Berliner anthro-
pologijdjen Gefellidhaft«, 1897); be Morgan, Re-
cherches sur l'origine de Egypte (Rar. 1898);
E. Fraas, Unthropologiides aus dem Lande der
Pharaonen (im »Rorrefpondengblatt fiir Unthropo-
logic«, 1898); Henning, Die nenejten Forjdungen
iiber die Steinjeit und die Beit der Metalle in VU.
(>Globus«, Bd. 72 u. 74).
2) Die ältere gefhidtlide Zeit (1.und2. Dy-
najtie), vor 2700 v. Chr. Der erjte ae Der viel⸗
leicht aud) A. wieder geeinigt bat, ijt Menes. Er
refidierte in This (Oberagqypten) und foll Memphis,
die ſpätere Hauptitadt des Reiches, und das Heiligtunt
ihres Hauptgottes Ptah geqriindet haben. Sein qro-
hes, aus Ziegeln gemauertes Grab hat man bei Na-
Ade, in der Nähe von Ombos (f. oben), wiedergefun-
en; die Grabjtatten ſeiner Nadfolger, vielleidt aud)
einiger feiner Vorgänger, liegen bet Abydos, unweit
von This. Sonſt wiffen wir von den Herrjdern dieſer
Zeit nur wenig.
3) Das alte Reid (3.—6. Dynajtie), etwa 2700
bis 2200 v. Chr., ijt eine Zeit großer materieller und
fiinjtlerifder Bliite. Die Reſidenz wird nad Mem—
phis verlegt, und bier haben fic) die Könige aud) ihre
gewaltigen Graber, die Byrantiden, erridtet. Die
altejte uns befannte ijt die Stufenpyramide von
Saffdra, das Grab ded Königs Zoſer (3. Dynajtie),
dem Manethos iiberhaupt die Erfindung des Baues
mit bearbeiteten Werfiteinen zuſchreibt. Die drei
größten Byramiden rühren von den erjten chern
der 4. Dynaſtie (Cheops, Chefren, Mykerinos) her.
Die Byramiden der 5. Dynajtie liegen bet Abuſir,
die der 6. bei Saffdra; die lesten find von befonderer
Bedeutung, da fie fehr wichtige religiöſe Sdriften,
die ——— enthalten. Um die Byra-
miden herum liegen die kleinern Grabbauten der
Großen, die uns mit ihren zahlreichen Inſchriften
und bildlichen Darſtellungen ein klares Bild von dem
Staate des »alten Reiches- und ſeiner Kultur vor
Augen ſtellen: an der Spitze ſteht als abſoluter Herr-
ſcher der Pharao, von dem eine bis ins Feinſte ge—
gliederte Beamtenſchaft abhängig iſt. Auch nach außen
entfaltete das Königtum ſeine Macht: auf der Sinai-
halbinſel wurden Kupferbergwerke angelegt und gegen
| die Nomaden dieſer Gegend Kriegszüge unternommen;
Grauwackenſchiefer eine hervorragende Stelle einneh⸗ im S. wurde gegen die Nubier gekämpft und Han—
men, während Gegenſtände aus Metall nur ſpärlich
angetroffen werden. Auf einer Linge von 800 km
ke jid) in W. längs des Nils neolithifde Wert-
uge, dDarunter Formen, die den europäiſchen voll-
ommen analog find und 3. T. aud) die in Europa
weitverbreitete Muſchelung des Feuerjteins aufweiſen.
In Oberagypten unweit Abydos finden ſich Nefro-
delszüge bis in den Sudan und auf dem Seewege
nad dem Weihraudlande Punt (etwa an der Somal-
fiijte) ausgeführt. Auch die Kunſt jtand in hoher
Blüte (ſ. oben). Unter der 6. Dynajtie erlahmt die
Königsmacht, die Gaufiiriten treten felbjtindiqer auf.
Schließlich löſt fic) Der Staat in mebrere Fiirjten-
tiimer auf, die ſich gegenfeitig die Herrſchaft jtreitig
13*
196
madden (Dynaftien 7—11). Aus dieſen Kämpfen
geben ſchließlich die Fürſten von Theben ſiegreich her-
vor und vereinigen Ober- und Unteraigypten wieder
su einem Reide.
4) Das mittlere Reid (12.—14. Dynaftie), 2000
bis 1700 v. Chr., eine neue Beit der Blüte, die fic
in zahlreichen Bauwerken äußert. Die abjolute Mon-
ardie der Pyramidenzeit ijt veridwunden, W. ijt ein
Agypten Geſchichte: 2000 bis 663 v. Chr.).
der neuen Seit berührt. Amenophis IV. verſuchte
an die Stelle der alten Religion die Berehrung einer
ein zigen Gottheit, des Sonnengejtirns, einzuführen;
viele der alten Götter, befonders die thebanifden,
wurden fanatijd verfolgt, ihre Bilder und Namen
ausgetilgt. Dod bald nad) dem Tode dieſes Königs
bradjen innere Wirren aus, in denen die neue Relt—
qion wieder abgefdhajft wurde. Mit Harembeb, der
Feudaljtaat, in Dem neben dem Könige die groken | die Ordnung wiederheritellte, fam eine neue Dynajtie,
Lehnsbherren felbjtindig hervortreten. Diefe verrin- | die 19., zur Herridjaft. Mittlerweile war im nörd—
| lichen Syrien ein neues Reich, das der Cheta (Hethi-
qerte Macht des Herridertums tritt ſchon äußerlich in
dent wefentlid) kleinern Grabbauten hervor, die in der
Nähe der Reſidenz (in der 12. Dynajtie fitdlich von |
Memphis bet Dabjdur und Lift und im Fayfim)
erbaut wurden. Die Fürſten — ſich ihre Gräber
in den heimatlichen Gauen an. Nach außen wird die
Herrſchaft über das untere Nubien feſt begründet,
aud) mit Syrien und den Inſeln des Mäiſchen
Meeres find enge Handelsbeziehungen gepflegt wor-
den. Von den Königen find drei, Namens Senwojret,
zu erwähnen, in denen das Urbild ded griechiſchen
Sefojtris (ſ. d.) zu erfennen ijt. Wmenembet III.
(12. Dynajtie) ijt der Erbauer de3 berithmten Laby-
rinths (ſ. d.). Unter der 13. Dynaftie hielt ſich A.
nod) eine Zeitlang auf der Hohe jeiner Madt; dann
aber trat eme Periode de3 Verfalls cin (14. Dynaftie).
Schließlich wurde das Land von einem afiatifden |
| Die Nachfolger Ramſes' LIT. wurden ein Spielball
Volfe, den Hyffos (ſ. d.), erobert und längere Beit
beherrſcht. Allmählich gelang es den thebanifden
Fürſten, die zuerſt Bafallen der Hykſos geweſen waren,
ihre Kräfte zu ſammeln; fie erlangten die Hervidaft
in Oberägypten, und König Amoſis (17. Dynajtie)
verjagte ſchließlich die Feinde aus dem Lande.
5) Das neue Reid (18.—20. Dynajtie), 1550—
1100 v. Chr., die Epoche der ägyptiſchen Grokmadt.
Schon von dem erjten Könige der 18, Dynajtie, Thut-
moſis L, wurde Nubien bis in die Gegend von Don-
gola unterworfen und unter eine feſte agnptifde Ver-
waltung gejtellt; er unternahm ferner einen großen
Feldzug nad Aſien und drang bis jenfeit des Euphrat
vor. Der eigentlide Beqriinder der ägyptiſchen Welt-
madht iit aber Thutmofis IL. (um 1500 v. Chr.), eine
der fraftvolljten Erſcheinungen der ägyptiſchen Ge-
ſchichte. Er eroberte Syrien und madte es zur —
tiſchen Provinz. Jn ganz Vorderaſien wurde W. die
Vormacht, und ſelbſt auf die griechiſche Welt übte die
aãgyptiſche Kultur ihren Einfluß aus, wovon die Funde
in Den Gräbern der myleniſchen Zeit und die Pa—
läſte von Tiryns und Kreta ein deutliches Zeugnis
ablegen. Die Herrſcher der großen Reiche Meſopo—
tamiens, Babylonien, Aſſyrien und Mitani (am
obern Euphrath, traten mit A. in enge Beziehungen
und jcdidten Dem Pharao Geſchenlke. Durd bie Tri-
bute der unterworfenen Bolfer floffen ungeheure
Reictiimer in das Land, befonders nach Theben, das |
jet zur Reidhshauptitadt geworden war. Das ganze |
Staats: und Volfsleben wurde durd diefe neuen Ber-
haltniije von Grund aus unrgeitaltet. Der von Thut-
|
mojis IIT. angebabnte Verkehr mit den aftatijden |
Königen hielt unter ſeinen Nadfolgern, namentlid
unter Amenophis III. und IV. (um 1400 v. Chr.), |
nod an. Der Fund von El Amarna (f. d.), Der emen |
Teil des ägyptiſchen Staatsarchivs enthält, bat die
Diplomatifden Schreiben der fremden Herrider an
die Pharaonen zu Tage gefördert und gewabrt inter:
effante Einblide in die internationalen Beziehungen
Dicier Bett, Die namentlich in gegenſeitigen Hetraten
und Seidenfiendungen jum Ausdruckkamen. Schließ—
lich wurde aud) das religtdje Gebtet von dem Geiſte
ter), entitanden, das feine Macht aud) auf die dqnp
tiſchen Bejigungen auszudehnen fudte. Sethos L
und Ramfes IT. (j. d.) Hatten langwierige Kriege mit
ihnen gu fiihren, bid es jdlieslich gu einem Friedens
ſchluſſe kam, in dem das cigentlide Palajtina im
ägyptiſchem Beſitze belajjen wurde, während die ndrd
lichen Gebiete dem Hethiterreide tributpflidhtig wurden.
Ramjes’ IL. Nachfolger, Merenptah, hatte einen großen
Angriff libyſcher Stämme, die, mit Seeriubern von
Den Küſten und Inſeln des Mittelländiſchen Meeres
verbiindet, in dad wejtlide Delta eingefallen waren.
Dann fam es wieder zu Viirgerfriegen, anus denen
die 20. Dynajtie bervorging. Ramfes TT. (um 1200
v. Chr.) Lampfte mit Gliie gegen die Libyer und gegen
einen Anſturm fremder Bolfer, der fid von Kleinaſien
her zu Wajjer und ju Lande gegen A. gerichtet hatte.
in den Handen der madtigen thebanifden Oberprie
jter, die ſchließlich mit Herihor den Thron bejtiegen
(um 1100 v. Chr.).
6) Die Beit der Fremdbherrfdaften (21.—
25. Dynajtie), 1100—663 v. Chr. Die Hohenprieiter
herrſchten nicht lange fiber das ungeteilte A. In
Tanis (ſ. d.) erhob ſich eine neue (21.) Dynaijtie, dic
ſich mit Den Hohenprieſtern verjdwagerte, fo dak ta-
nitijde Pringen die einträgliche Würde des Hohen
prieſters von Theben erlangten. Nubien madte ſich
ſelbſtändig, vielleicht unter den Nachlkommen der the-
banijden Briejter; aud) Paläſtina ging dem Reiche
verloren. In dieſe Zeit fallt die Croberung Fala:
jtinas durch die Hebräer. Neben den Kriejtern waren
die Söldner die ſtärkſte Madt im Staate; namentlich
Condottiert libyſchen Stammes, die fich im djtlichen
Delta angefiedelt hatten, fpielten eine große Rolle.
Einer derjelben, Scheſchonk J. (ſ. d.), der m Bubaſtis
reſidierte, ſtürzte die Könige von Tanis und machte
ſich ſelbſt * Ulleinherrider. Sein Verſuch, die
ägyptiſche Vormadt in Palajtina wieder aufzurichten,
blieb trog feines Sieges iiber Rebabeam von Quda
(f. d.) 930 v. Chr. ohne Erfolg. Unter feinen Nad-
folgern (22. Dynajtie) verfiel der Staat wieder und
löſte fic) in einzelne Fürſtentümer (23. und 24. Dy—
najtie) auf. Dieſe Wirren benugten die in Napata
(j. d.) refidierenden nubifden (athiopijden) Könige,
um die Herrſchaft über A. gu gewinnen. Sie traten
als die Vertreter des alten orthodoren Aquptertums,
als Schiiger der äghptiſchen Nationalitat gegen die
Fremden auf und wurden aud von den oberdqnpti-
iden Brieitern und vom Boilf als ſolche anertannt
Durd die Beſiegung des Voldhoris von Sats (24. Dy-
najtie) wurde ganz A. unter Gabafon (j. dD.) äthio—
piſcher Beſitz und dadurd) das Reich der 18. Dynaſtie
wiederbergejtellt, das von Der Mittelmeerfiljte bis in
den Sudan gereidt hatte. Als die Uthiopier (25. Dy
naſtie) verſuchten, aud) in Syrien die Grofmardts-
plane Thutmojis’ IIL. wieder aufzunehmen, famen fie
mit den Aſſyrern in Ronflift. Die bejtindigen Ber-
fudje Sabatons und feiner Nadfolger (Sebidos und
Agypten (eſchichte: 663 v. Chr. bis 640 n. Chr.).
Taharta), die ſyriſch-paläſtinenſiſchen Fiirjten gegen
das aſſyriſche Reid) am Tigris aufzuwiegeln und mit
Truppen ju unterjtiigen, hatten icicle zur Folge,
Daf der Aſſyrerkönig Aſarhaddon (j. d.) 670 v. Chr
mit einem großen Heere in A. erjdien, Memphis er-
oberte und Taharka zwang, nad Uthiopien gu fliehen.
YL. wurde aſſyriſche Proving, die einheimiſchen Fürſten
wurden in ihren Herridaften als aſſyriſche Vaſallen
belajjen. Mebhrere von den YUthiopiern unternommene
Verſuche, die Ujfyrer aus dem Lande gu verjagen,
icheiterten. Erjt als die Aſſyrer infolge von Unruben
im cignen Reide —— wurden, ihre Truppen⸗
macht aus dem Niltale zurüchzuziehen, machte ſich
Pſammetich von Sais, ein Verwandier des Uthiopier-
hauſes, jelbjtindig und jtellte ein einbeitlides ägyp⸗
tiſches Reich wieder her, 663 v. Chr.
v. Chr. Unter
Nadfolgern (Neco 610—594, Pſammetich II. 594—
588, Apries 588 — 569, Amaſis 569 — 526) erlebte
197
Jin J. 343 wurde es aber von dem Perſerkönig Ochos
suriiderobert und fiel nad) dem Sturze des Perſer—
reichs 332 Ulerander d. Gr. ju.
8) Die qrichijdh-rimifdhe Herrji daft,
332 v. Chr. bis 640 n. Chr, (vgl. dad Nebentirtden
auf der Karte des Heutigen A., bei S. 183). Alexander
ſetzte die Politik der Perſerkönige fort und fdonte als
Nadfolger der Bharaonen die Sitten und Kulte des
Lande8. Das von ihm geqriindete Alexandria (j. d.)
wurde bald der Mittelpuntt de3 Welthandels und der
—— Weltbildung. Als nach Alexanders Tode
8 maledoniſche Reich derfiel, fam VW. an Ptolemäos,
den Sohn des Lagos, der 305 v. Chr. den Königstitel
annahm. Unter ihm und feinen Nadfolgern, den
Ptolemãern (805—30 v. Chr.), wurde A. nod einmal
| Der Sig eines glingenden Königreichs und zeitweilig
7) Die Spatzeit (26.—30. Dynaſtie), 663—332 | der bliihendjte und madtigite Staat der Welt. Wäh—
|
ſammetich (663 —610) und feinen | rend in Werandria die griechiſche Kultur gepflegt
wurde, blieb im Binnenlande das altägyptiſche Weſen
bejtehen, und als Pharaonen erridjteten die Ptolemäer
das Land cine neue Bliiteseit. Durd die mit Griedhen- | den ägyptiſchen Gottheiten Tempel in altem Stil.
land angefniipften Serbindungen hob fic) der Handel ;
von Amaſis (ſ. dD.) wurde den Grieden die Deltajtadt
Naufratis eingeräumt, die bald der widtigite Dandels-
plag des Landes wurde. Die Künſte nahmen einen
neuen Aufſchwung. Bereits die orthodoren Äthiopier
hatte angefangen, die Borbilder der flafjijden Pe—
riode der Agyptiiden Kunſt, des alten Reiches, nach—
zuahmen und die altern Formen wieder zu verwen-
den; dieſe altertiimelnde Richtung htelt nocd unter
bieten, in der Literatur, der Orthographie der In—
idriften, dem Titelwefen, hervor, fo dak man Ddiefe
Nach außen hin entfaltete das Reid) zuweilen erfolg—
| reid) feine Macht, erwarb Kyrene, Kypros und cinen
Teil von Syrien, geriet aber ſchon fett dem 2. Jahrb.
unter den Einfluß und bald unter die Botmäßigkeit
Roms, zumal die Königsfamilie durd) Sittenlofigfeit
und Zwietracht fic) ſchwächte. Nach dem Tode der
Kleopatra wurde A. 30v. Chr. dem römiſchen Reid
einverleibt, fiir das es als Rornfammer widtig war,
: und von Auguſtus zur faijerliden, von einem Vize—
der 26. Dynajtie an und trat aud) auf andern Ge- | finig (praefectus) verwalteten Domine gemadt.
Das äghptiſche Wejen wurde aud) von den Römern
geſchont, namentlich unter den erjten Kaiſern wurden
cit in gewijjem Sime mit Recht die »ägyptiſche den ägyptiſchen Gittern nod) neue Tempelbauten
4
Renaijjance« nennen fann. Während Wijyrien mit
dem neu aufitrebenden babylonijden und medifden
Reich um die eigne Exiſtenz lämpfte, ſuchte Redho die
ſyriſche Provinz wiederzugewinnen. Er rückte in
Ralaitina ein, befiegte Den König Joſia von Juda
bei Megiddo (609 v. Chr.) und fepte ſich in den Beſitz
de3 Landes. Doh ſchon 605 wurde er von Nebufad-
nejar von Babylonien bei Karkemiſch am Euphrat
eſchlagen und verfor die auswärtigen Eroberungen.
ud) ein neuer Verſuch des Apries, den ägyptiſchen
Einfluß in Syrien zu befeſtigen, ſcheiterte; er unter—
ſtützte die Juden gegen die Babylonier, fonnte aber
die Eroberung Jeruſalems durch Nebuladnezar (586)
nicht verhindern. Jim J. 568 zog Nebuladnezar ſelbſt
nad A. und zwang den Pharas Amaſis, endgültig
auf Syrien zu verzichten. 525 wurde des Amaſis
Nachfolger Pſammetich III. von dem Perſerkönig
Kambyſes (ſ. d.) bei Peluſium beſiegt und YW. dem
Perſerreich als Satrapie einverleibt. — Die Perſer—
fonige (27. Dynaſtie) traten als Nachfolger der ein—
heimiſchen Herrider auf, ließen die alte Religion un—
erridtet, aber auf die Dauer fonnte die ägyptiſche
Kultur dem Griechentum nicht mehr jtandhalten. An
den innern Kämpfen im römiſchen Kaiſerreich hat A.
wiederholt lebhaften und entſcheidenden Anteil ge—
nommen, und auch an gelegentlichen Verſuchen, die
alte Selbſtändigleit wiederzuerlangen und das römi—
ſche Joch abzuſchütteln, hat es nicht gefehlt. 268 n. Chr.
wurde Unterägypten von dem Heere der Königin
Zenobia von Palmyra (j. d.) in Beſitz genommen,
aber ſchon 270 durd) den Feldherrn Probus dem
Reiche zuriiderobert. Das Chrijtentum fand ſchon
im 1. Jahrh. in A. Eingang, angeblid) durch den
Evangelijten Markus, den Stifter des VBistums
Wlerandria; dod) wurden die alten Götter erjt all-
mählich verdrängt und der Iſiskultus in BHUa evit
um die Mitte de3 6. Jahrh. unter Juſtinian auf-
qehoben. Unter dem Cinflup des von öden Felsfetten
und Wüſten eingejdlojjenen Landes fame in YW. das
Einjiedler- und Kloſterleben unter dem Heil. Antonius
von Theben auf. Wud) die dhrijtlid —— Ge⸗
lehrſamkeit wurde eifrig gepflegt, und A
angetaſtet und ſuchten das Land auf alle mögliche
Weiſe gu heben. So liek Darius zur Förderung des
Handels den ſchon von Necho begonnenen Kanal vom
Mil sum Roten Meere vollenden. Trotzdem verjudten
die Agypter immer von neuen, ihre Selbjtandigfeit
uriidjugewinnen. So ficlen fie nach der fiir die
erjer unglücklichen Schladt von Marathon unter
cinent gewiſſen Chabaſch ab und vertrieben die per-
ſiſchen Befagungen, wurden aber von Xerres bald
wieder unterjod)t ; aud) ein js weiter, von den Athenern
unterjtiigter Mufitand unter Jnaros und Amyrtaios
(463) hatte keinen Erfolg. Erſt als das Perſerreich
mehr und mehr verfiel, erlangte W. noch einmal (400
bis 343) feine Fretheit wieder (28.— 30. Dynajtie).
exandria
bald ein Hauptſchauplatz der über das Verhältnis der
göttlichen und menſchlichen Natur in Chriſtus ſich ent⸗
ſpinnenden dogmatiſchen Kämpfe. Die Eingebornen
ſchloſſen ſich meiſt der für ketzeriſch erllärten Partei
der Monophyſiten an, erwählten ſich einen eignen
Patriarchen und bekämpften die orthodoxe Kirche
unter den vom Kaiſerhof ernannten Patriarchen von
Alexandria aufs heftigſte.
Seit der Teilung des römiſchen Reiches (395) eine
Proving Oſtroms, teilte A. den Verfall dieſes Reiches.
Raubzügen von Athiopien und Arabien aus wehrlos
preisgegeben, wurde es 619 durch die Perſer unter
dem Saſſaniden Chosroes II. bis an die Südgrenze
durchzogen. Wenige Jahre nach ihrem erfauften Ab—
198
Haypten Geſchichte: Mittelalter und Neugeit).
zug wurde 63640 von Amr, dem Feldherrn des Kalifen | nichtete 1. Mir; 1811 die Mamelucen, organijiertenad
Omar, erobert, wobci die monophyſitiſchen Einwohner
(Ropten) aus Hak gegen Byzanz Vorſchub leijteten,
und nur Alexandria cine längere Velagerung aushielt.
Ggypten im Mittelalter und in Der Newgeit.
Nad) dem Siege des Aslam (640 n. Chr.) war das
Chrijtentum jeder Gewalttat preisgegeben, und die
koptiſche Bevölkerung fant in gänzliche Ohnmacht.
A. wurde im Namen der Kalifen (658 —750 Omai-
jaden; 750 —868 Abbaſiden) durd) befondere Statt-
halter verwaltet. 868 warf ſich Der Statthalter Ach—
med iin Tulfin zum unabbingigen Sultan von YW.
auf. Nachdem 905 das Land wieder unter die Herr-
ſchaft der Ubbajiden gekommen war, rif 935 der
Statthalter Mohammed el-Ichſchid die Herrſchaft an
fid). 969 fam mit Muizz die Dynajtie der Fatimiden
auf den Thron, unter denen das Land eine große
Bliite erreichte. Muizz qriindete die neue Hauptitadt
Kairo und nannte ſich Kalif von A. Nach glanzvoller
Herridaft mußten die Fatimiden 1171 Dem Kurden
Saladin weichen, der die Dynaſtie der Ej ubiden be-
qriindete. Dieſe beherridte aud) Syrien, und unter
thr blühte Der Handel von Ulerandria auf. Der Kalif
Nedſchem Eddin verteilte den größten Teil des Landes
unter feine aus gefauften Sflaven bejtehende Leib-
wade, die Mameluden, als Lehen, und von diefen
wurden die Bewohner des flachen Landes völlig ju
Leibeiqnen herabgedriidt. Wis 1248 Konig Ludwig IX.
von Frankreich bet feinem Verſuch, A. zu erobern, in
die Gefangenſchaft des Ralifen Moadham fiel und
dieſer, ohne die Mamelucten ju befragen, mit dem Konig
cinen Bertrag ſchloß, ward er 1250 von der Leibwade
ermorbdet und von ihr Muizz Eibet gum Sultan er-
hoben, mit dem die mameluckiſche Dynaſtie der Bah—
riten beginnt. Einige Sultane, wie Bibars J.
(geit. 1277) und Näſſir (geſt. 1341), herridten kräftig
und erfolgreich; meijtens aber waren fie von den
Mamelucenentiren abhängig, die das Land riidjicdts-
los auspreften. Beſonders traurig war die Lage des
Landes unter der zweiten ticherfeffiichen Mamelucten-
Dynajtie (feit 1382), unter welcher die Mamelucen
Emporungen, Sewalttaten und Greuel aller Art be-
gingen; fie festen die Sultane nad) Willkür ab und
ein und bedriicten Die Einwohner auäfs ichredlichite,
bis der tiirfifdhe Sultan Selim J. 1517 das Qand er—
oberte und in eine titrfifde Provinz verwandelte.
Der vom Sultan als Statthalter eingeſetzte Paſcha
war freilid) von den 24 Mameludenbeis abhangig,
welche Die Miliz befebligten, die reichen Staatseintiinfte
einzogen und nur einen Tribut an den Paſcha zahlten.
Das Land wurde durch deren Mißwirtſchaft fait zu
Grunde geridtet. Schließlich machten fich einige Beis
gan} unabhängig, und zwei derfelben, Murad und |
brahim, teilten fic) in die Herrichaft Ägyptens, als
General Bonaparte 1798 mit einem franzoͤſiſchen Heer
in Ubufir landete und die Mameluden bei den Pyra—
miden ſchlug (7. Agyptiſche Expedition der Franjofen).
Vonapartes Plan, ſich Agypiens, des Schlüſſels yum
Crient, yu bemächtigen, ſchlug zwar fehl, und nad
Menous Riederlage bei Abukir (21. März 1801) ſuch—
ten Die Mameluden, von den Engländern unterſtützt,
die friihere Macht wiedersugewinnen. Nach dem Wb-
jug der Englander (1803) erlagen fie jedod dem
Albaneſenkorps, dad der Sultan nach W. geididt hatte,
und 1805 ward deffen Befehishaber, Mehemed Uli,
Statthalter.
Neue Heit (19. Jabrhundert).
Mit der Wirklſamkeit Mehemed Alis begann ein
neues Beitalter in der Geſchichte Aghptens. Er ver-
|
europäiſchem Muſter cin ftehendes, durch Konſtription
erga Heer und ſchuf cine Kriegsflotte. Die Koſten
ejtritt er aus ben Steuern, die er den Cinwohnern,
namentlid) den Bauern (Fellahs), auflegte: außer
einer Ropfiteuer (8'/a Mill.) wurden alle Fabrifate
und Brodufte bejteuert. Bis 1833 wurde jedem Fellah
jeine ganze Ernte um einen von der Regierung fejt-
geſetzten Preis abgefauft und ihm dann um einen
höhern Preis jo viel Getreide wieder verfauft, wie
er gum LebenSunterhalt und zur Wusfaat braudte.
Nad 1833 nahm die Regierung von der Ernte nur
jo viel, wie Die Steuern betrugen, ſchrieb nun aber
den Bauern vor, was und wieviel jie an Getreide,
Baumwolle, Jndigo xc. bauen follten. Baumwolle
und Yndiqo wurden fiir Monopole erflart und nur
von ber Renerinn verfauft. Durd) umfangreice
Damm- und Ranalbauten vermehrte Mehemed li
den kulturfähigen Boden, forgte fiir Ordnung und
Rube tm Innern und reformierte die Verwaltung auf
Grund einer 1829 mit Notabeln gepflogenen Beratung.
Er ernannte viele Chrijten gu Beamten und fdictte
junge Uraber und Tiirfen gu ihrer Uusbildung nad
Europa. Uuch qriindete er Schulen und Inſtitute aller
Urt. Die dujere Macht Ugyptens breitete fen Wdoptiv-
ſohn Ibrahim Paſcha aus, indem er 1816—18
einen Teil von Urabien (die Landſchaft Hidſchas mit
den beiligen Städten Meffa und Medina) unterwarf,
bie Wahhabiten bejieqte und von 1822 an die Länder
am obern Ril (Nubien, Senaar, Kordofan) zinspflich
tiq machte. VIS die Pforte Mehemed Wii das fiir die
Hilfe gegen die aufſtändiſchen Griedhen und fiir die
dabei gebrachten Opfer (Navarino 1827) begebrte Ra-
ſchalit Damastus fiir Ibrahim verweigerte, lies er
dieſen 1831 in Syrien ecinriiden. Naddem Ibrahim
jogar in Mleinafien eimgedrungen war, wurde WMebe-
med Uli durd das Ginichreiten Ruplands zum Frie-
den von Kutahia gezwungen (14. Wai 1833), worin
er den lebenslingliden Beſitz Syriens erlangte. In
einem neuen Rriege gegen die Türkei qlaubte Mehe-
med Wii Durd) den Sieg von Niſib (24. Juni 1839)
und den Übergang der türkiſchen Flotte sur ägyptiſchen
die erjtrebte vollige Unabhängigkeit erreidt zu haben.
Dod) die Quadrupelalliany uplands, Englands,
jterreidhs und Preußens (15. Auli 1840) fprad fic
fiir Die Herjtellung des frithern Zuſtandes aus, und
eine britiſch-öſterreichiſch-türkiſche Flotte ſchritt m
Syrien mit Gewalt cin. Bon dem befreundeten Frant-
reich tin Stiche gelaſſen, unterwarf fid) Mehemed Wi
und ſchloß mit dem Sultan 13. Febr. 1841 einen
BVertrag, worin er auf Syrien verjzichtete, die Ober-
hobeit des Sultans anerfannte, fem Heer auf 18,000
Mann zu ermäßigen und ein Drittel der Eintiinfte
alg Tribut gu jablen veriprad und dafiir die erbliche
Herrſchaft tiber A. und die Erwerbungen am obern
Mil zugeſtanden erbhielt. Er widmete ſich nun wieder
mit Fifer der Rultivierung des Durd die koſtſpieligen
Kriege ausgefogenen Landes, indem er einen pie
Nildamm erbaute und Straßen anlegte. Dod verfiel
er in Geijtestranfheit, fo dak mit Genehmigung der
Pforte tm Juli 1848 Ibrahim Bafda die Regierung
iibernahm. Diefer jtarb aber ſchon 10. Nov. 1848 und
12. Mug. 1849 aud) Mehemed Wii.
Sein Enfel Ubbas Pafda, der ihm folgte, ver-
ringerte die Marine, fegte die fibermapig bohen Ge-
halte der Beamten herab und befeitigte das Monopol
wefen. Die Pforte unterjtiigte er mit Truppen und
Schiffen im Krimkrieg und erbielt dafiir eimige Bu-
geſtändniſſe, 3. B. das Recht über Leben und Tod.
Agypten Geſchichte: 19. Jahrhundert).
Ihm folgte 14. Juli 1854 fein Oheim Said Paſcha,
Mehemed Alis fechjter Sohn. Er gab den Baumwoll⸗
und Getreidehandel fret und führte fiir bie Finanz—
verwaltung eine Rontrolle ein, belajtete aber durch
feine Baulujt, Reifen nad Curopa und feine Frei-
gebigfeit das Land mit Sdulden. Nach feinem Tode
(18. Jan. 1863) folgte der Sohn Dbrahims, Js mail
Paj dha. Diefer betrieb mit befonderm Eifer den ſchon
von Mehemed Wli geplanten, aber durch die von Eng-
land geleitete P forte verbinderten Bau de3 Suegfanals.
Mit Hilfe Napoleons IIT. wurden endlich 1864 alle
Hinderniffe befeitigt, und der Bau des Kanals in
Ungriff genommen. JBsmail jtellte zahlreiche Fellah
op Frondienjt und bradte bedeutende Opfer. Um
ie zerrütteten Finanzen regeln gu Helfer und einige
Reformen des Geridtswefens, der Fronden 2x. zu be-
raten, berief er 1866 wieder eine Notabelnverfamm-
lung von 75 Mitgliedern, dod) ohne Ergebnis. Durd
Geidenfe an den Sultan und die einflußreichſten Per-
fonen des türliſchen Hofes erreichte Ismail fiir A.
die Einführung der linearen Thronfolge. Neue Zu—
eſtändniſſe erlangte er während des kretiſchen Auf—
tandes durch den sal vont 5. Juni 1867, nament-
lich Den Titel Che dive (ViseFdnig) ſtatt Wali (Statt-
halter). Er ftrebte nun nad völliger Unabhängigkeit,
vermehrte Heer und Flotte, befudte die —*
Höfe und knüpfte mit ihnen Verhandlungen über die
Aufhebung der Konſulargerichtsbarkeit und Neutrali⸗
fierung des Suezkanals an, der am 16. Nov. 1869
unter koſtſpieligen Feierlidfeiten erdffnet wurde. Da
verlangte der tuͤrliſche Großweſir Uli Paſcha die Uus-
lieferung der Panzerſchiffe und der Biindnadelgewehre,
die Reduftion des Heeres auf 30,000 Mann und die
Cinjtellung des Verfehrs mit den auswirtigen Mad-
ten; auch jollte der Chedive ohne Genehmigung des
Sultans feine Anleihen aufnehmen und feine neuen
Steuern ausfdreiben. Da der Chedive felbjt von
Frankreich feine Hilfe zu erwarten hatte, mußte er ſich
unteriverfen. Dod) wufte er eS nad einem Beſuch
in Ronjtantinopel (1872) durch freigebige Gefdente
bei Abd ul Aſis 8. Juni 1873 zu erreiden, dak der
Ferman vom 5. Juni 1867 erneuert und ihm völlige
Unabbangigfeit der Juſtiz und Berwaltung, das
Recht, Verträge mit fremben Staaten abzuſchließen,
Unleihen aufjunehmen, die Starve des Heeres zu be-
ftimmen u. a. m. wieder eingeräumt wurden; dafitr
follte er einen jährlichen Tribut von 3 Mill. Mek. be-
zahlen. 1875 traten nad Uufhebung der Ronfular-
gerichtsbarleit die neuen Gerichtshöfe, an der Spige
ein oberſtes Gericht zu UWlerandria, ins Leben, um die
Streitigfeiten der Cinheimijchen mit den Fremden
und dieſer unter fich zu entſcheiden. Im Silden madte
Ismail anſehnliche Croberungen. Der Gouverneur
von Mafjfaua, W. Munzinger, bemächtigte fid) 1872
der Bexirfe Bogos und Menſa im Norden von Abeſ—
finien. 1874 wurde Dar Fur (durd) Sobehr), dann
Dar Fertit, die Somalſtädte Zeila, Berdera u. a. und
das Land Harar befett.
Bald ließ ſich dic Durch die foftipielige Verwaltung
und die Verſchwendung des Chedive verurjadhte Zer-
riittung der Finanjen nicht mehr verbergen. Darum
verfautte Ismail 1875 jeine Suezfanalaftien fitr
4 Mill. Pfd. Sterl. an England und erbat jid von
dieſem cinen tüchtigen Finanzmann; dod) ridtete der
Generaljahlmeijter Cave nichts aus, da Ismail gu
feiner Sparjamfeit zu bringen war. 1876 wurde die
Zahlung der Zinſen fiir die Schulden fuspendiert und
die verjdiedenen Unteihen ju einer mit 7 Proj. gu
199
doppelt erhoben, den Beamten fein Gehalt, den Lie—
feranten feine ee bezahlt; tropdem mußte
England mit einem Vorſchuß für Bezahlung der
Zinscoupons an die meiften englijden Glaubiger cin-
treten. Der ungliidlide Krieg mit Ubeffinien 1875 —
1876 (Riederlagen bei Gudda-Guddi und bei Gura),
der Aufſtand Sulaiman’ (de Sohns von Sobebr)
in Dar Fur und die Beteiligung des Chedive am ruj-
ſiſch⸗ türliſchen Kriege mit 6000 Mann fteigerten die
finangjielle Bedriingnis. Gemäß einer Verembarung
mit den Weſtmächten wurden tm Auguſt 1878 Nubar
Paſcha gum leitenden, der Englander Wilfon gum
inang- und der Franzoſe Blignieres zum Bauten-
minijter ernannt; der Privatqrundbefif des Chedive,
die Daira, wurde zur Verzinſung und Tilgung der
Sdulden herangesogen. Durd eine Revolte der ent-
laſſenen Offiziere (18. Febr. 1879) entlediqte fic) der
Whedive Nubars und ſetzte tm April Wilfon und
Blignieres ab; er verweigerte die Zinszahlung der
unifigierten Sdhuld und juspendierte ihre Tilgung.
Nun verlangten die Mächte von ihm die Abdankung;
und als er te ablehnte, ward er 26. Suni 1879 vom
Sultan abgefegt und fein Sohn Tewfit Pafda
gum Chedive ernannt. Der Ferman von 1873 wurde
aufgehoben und der von 1841 hergejtellt; dod) gz-
jtattete der Sultan die Lech ny hl Boll- und
— en, die ſelbſtändige Verwaltung der
Finanzen und die Errichtung eines Heeres von 18,000
Mann gegen einen jährlichen Tribut von 75,000 tiirt.
Pfd. Die Regelung der Finanjen wurde einem eng-
liſchen und einem franzöſiſchen Kommiſſar iibertragen,
die aud) die Zahlung der Zinſen wieder aufnahmen
und das Budget ins Gleichgewicht bradten, nicht
ohne Bedriidung der mit Steuern belajteten Cin-
wobner und Tafregelung der fid jelbjt bereichernden
Beamten; aud wurden zahlreiche Offiziere entlaffen,
ohne dak ibnen der riidjtindige Sold ausgezahlt
wurde. Die Hierdurd veranlakte Unjufriedenheit
benutzte die Militärpartei unter dem Oberjten Arabi
bereits 1881 gu einigen Revolten, durd) die fie den
ſchwachen Chedive gwang, den Premierminiſter Riay
Paſcha, der fic) der Vermehrung des Heeres wider:
feste, gu entlafjen und eine Notabelnfammer ju be-
rufen. Diefe Erfolge ermutigten Urabi Pafda, der
int Februar 1882 zum ſtriegsminiſter ernannt wurde,
bie Abſchaffung der europäiſchen Finanzkontrolle und
bie Befeitiqung aller europäiſchen Beamten gu for-
dern. Da der Chedive jid) Haltlod zeigte und der
Sultan nidt einfdhritt, fo proflamierte fic) Urabi
Paſcha als Haupt der Nationalpartei, die das Bolt
von allem Drud befreien werde, und reizte Den Pöbel
fo gegen die Fremden auf, daß es 11. Juni 1882 gu
blutigen Exzeſſen in Wlerandria fam. Als die Ubel-
tiiter nicht beftraft wurden, beſchoß die engliſche Flotte
unter Udmiral mour 11. Yuli die von Urabi neu
befejtigten Forts. Die Untwort war ein furdtbares
Blutbad unter den Europäern, deren Häuſer meift
in Brand geftedt wurden. Nun fandte die englifde
Regierung et Landheer unter Wolſeley nad A.;
Ulerandria wurde beſetzt (14. Bull) und das ägyp⸗
tiſche Heer unter Urabi 13. Sept. bei Tell ef Kebir in
die Flucht gefdlagen. Die Empörer wurden nad
Ceylon verbannt und Tewfif Paſcha unter dem Schutz
englifder Truppen, die in A. blieben, wieder in die
Herrſchaft eingefest. Cinen empfindliden Berlujt
atte Der Aufſtand Urabi Paſchas fiir A. inſofern zur
Folge, als tm Sudän der Mahdi (f. d.) das —
äghptiſche Heer unter Oberſt Hicks Paſcha 4. Nov
verzinſenden Schuld unifiziert. Die Steuern wurden | 1883 bei Kaſchgil vernichtete. Die Ägypter riiumten
200
1885 aud) die Plätze am Roten Meer: Kaſſala, Me-
tanuna und Senaar. Gordons Verſuch, den Sudan
wiederzugewinnen, ſcheiterte; von England nidt recht⸗
zeitig unterſtützt, fand er 26. Jan. 1885 in Chartum
ſeinen Tod. Wud nad dem Tode des Mahdi (22. Juni
1885) wurde cine Wiedereroberung des Sudan nidt
verſucht; Wadi Halfa blieb die fiidliche Grenzſtation,
und die engliſch-ägyptiſchen Truppen in Suafin be-
ſchränkten fic) Darauf, die Angriffe Osman Diqnas
zurückzuweiſen. Underjeits gelang es den Englän—
bern, bie ägyptiſchen Finanzen durch umjidtige und
ſparfame Verwaliung zu ordnen. Mit Zuſtimmun
der Mächte wurde 1885 eine Anleihe von 9 Mill.
Pfd. Sterl. aufgenommen, welche die Zahlung der
Entſchädigungsgelder für die 1882 erlittenen Ver—
mögensverluſte ermöglichte. Die teilweiſe von eng—
liſchen Offizieren befehligte bewaffnete Macht wurde
auf 53000 Mann vermindert; dazu kamen 6000 Mann
Gendarmerie und 2000 Mann engliſche Beſatzung.
Hierdurch wurde 1885 ſchon ein erheblicher Überſchuß
erzielt, Der ſich mit jedem Jahre mehrte und eine Er-
letchterung der Steuerlajt gejtattete. Cine 1889 ge-
plante Ronverticrung und ZinSreduftion der privi-
legierten Schuld fcheiterte an Dem Widerjprud Frank-
reichs, das fic) fiir feine Verdriingung aus A. rächen
wollte, naddem aud) der 1887 zwiſchen England und
der Pforte abgeſchloſſene Vertrag über die Regelung
der ägyptiſchen Verhältniſſe und die Dauer der eng:
liſchen Offupation vereitelt war; ebenjowenig gliidte |
den Englindern der Verſuch, dem Land cine Ver—
fajjung ju geben.
Der plötzliche Tod des Chedive Tewfif (7. Jan.
den erwiinjdten Vorwand, die Räumung AÄgyptens
vor neuem ju veridhieben. Der junge Chedive judte
ji) im Januar 1893 der driidenden und aud) bei
der Bevöllerung trop der finanziellen Erfolge une
beliebter englifden Oberherridaft zu entziehen. So-
und des C
1892) und die Thronbeſteigung ſeines 18jährigen
Sohnes Abbas I. Hilmi gaben den Engländern
Agypten (eſchichte: 19. Jahrhundert; Literatur).
hat, nicht an eine villige Unglijierung Yignptens. Er
erjtrebt die Entwidelung des Bafallenttaates nur nach
der Seite von Handel und Uderbau (durd »Wgrar-
hanbdel«) und legt Wert auf eine dementiprechende
techniſche Heranbildung des Volfes; eine fogen. all-
gemeine Bildung (Kenntnis des Englifden 2.) fet fitr
die groke Maſſe wertlos.
Im J. 1896 beſchloß England, die Wiedererobe-
rung des 1885 verlornen agyptiiden Suddn in Un-
riff gu nehmen. Unter General Ritdener wurde unt
di Halfa ein 12,000 Mann jtarfes Heer zuſammen⸗
gezogen. Raddem eine Feldeijenbahn nilaufwarts
gebaut worden war, befiegte das Heer die Derwiſche
7. Suni bei Firleh und eroberte Dongola. Berber
wurde 12. Sept. 1897 erreidt, und die Borhut der
Derwiſche 7. Upril 1898 bei Nafheila am Wtbara ge-
ſchlagen. Jn der Nahe von Omdurman, am Zuſam—
menfluß des Blauen und Weißen Nils, wurde das
anglo-agnyptijde Heer 2. Sept. 1898 von 35,000 Der-
wiſchen unter Fihrung Ubdullabis (f. d.) ſelbſt an:
eqriffen: der Mahdismus erlitt cine ſchwere Nieder-
age. Kitchener beſetzte die Hauptitadt Omdurman und
drang den Weißen Nil aufwarts bis Faſchoda vor,
das die Expedition de franzöſiſchen Majors Mar—
hand 10. Juli bejegt hatte, aber auf energiſches Ber-
langen Englands räumen mußte. Wud aus dem
Gebtet nördlich von WUbeffinien zwiſchen dem Weißen
und Blauen Ril wurden die Derwiſche 26. Dez. 1898
vertrieben; und Lord Cromer erflarte 6. Jan. 1899
in Chartum, der Sirdar Kitchener werde das Land
felbftcidig als Bertreter der Königin von England
hedive regieren, wobei des letztern Einfluß
nichts gu bedeuten habe. Da Abdullahi 1899 met
einer neuen Sdar von Anhängern aus NKordofan
| und Dar Fur gegen Chartum vordrang, liek Kitchener
im November 1899 den Oberjten Wingate gegen den
Kalif vorriiden; dieſer traf ihn 24. Nov. bei Om
fort aber fete der engliſche Agent in Kairo die Ere |
nennung des englandfreundlichen Ria; Paſcha sum
Minijterprajidenten durch, und die engliſche Beſatzung
wurde unt 2000 Wann veritirft. Der Miniſter des |
WMuswartigen, Lord Roſebery, ſchrieb an Lord Cromer,
den Reorganifator des ägyptiſchen Finanjwejens, daß
die Zurüchziehung der englifden Truppen aus A.
unmoglid fei, da fie nur den Rückfall des Landed in |
die Verwirrung herbeifiibren wiirde; Witte 1899
jtanden in A. 4404 Mann, die gum größten Teil im
Laufe des Vurenfriegs aus dem Nillande gezogen
werden mupten. Sur Siihne fiir cine mipfallige
Die engliichen Offiziere mußte der Chedive fofort den
Debrifat ſüdlich von Dſchedid: der Kalif fand hier
mit fajt allen femen Emiren den Tod. Osman Digna,
der allein entfommen war, wurde 19. Jan. 1900 ge-
jangen genommen. Hierdurch war der Beſitz ded
Subddin fiir A. gefichert.
Die dgyptifden Finanjen gejtalteten ſich unter der
engliſchen BVerwaltung günſtig. Obwohl 1899 und
1900 Die Riliiberfdhwemmungen ungeniigend waren
und Daher die Grundjteuer cinen erhebliden Ausfall
aufzuweiſen hatte, betrugen dod) die Cinnahmen 1900
6 Well. Bid. Sterl. mehr als 1899.
Literatur, .
Wltertum. Unter den Werken über VW. iit vor allen
die durch die franzöſiſche Expedition hervorgerufene
ußerung (im Januar 1894 in Wadi Halfa) fiber |
Unterjtaatsiefretiir des Krieges, Maher Paſcha, ent- |
lajjen. Als er darauf an die Stelle von Riaz Paſcha
Nubar Paſcha berief, mupte er einen engliſchen Beirat
tr Dem Minijtertum des Innern zulaſſen. Auf Ver-
langen Englands jegte die Regierung im Februar
1895 einen befondern Gerichtshof etn zur Aburteilung
von Vergehen, die fid Cingeborne gegen englifde
Offistere und Soldaten zu jdhulden fommen laſſen
wiirden. Nad) Rubars Riictritt (November) wurde
der ganz unter engliſchem Einfluß ftehende Muſtafa
Fehmi —** intiterprajident. —— Be—
miibungen iit aud) die Reiſe zuzuſchreiben, die der
Chedive Mitte Juli 1901 nach Konſtantinopel unter-
nahm, wo man fid fiber die den Qungtiirfen in WL.
gewabrte Gajtfreundidhaft beſchwert gefühlt hatte.
Trotzdem denft Graf Cromer, wie er mehrfach betont
»Description del'Egypte« ju nennen, die das Alter⸗
tum, den jetzigen Zuſtand und die Naturgeſchichte
des Landes behandelt (f. Agyptiſche Erpedition der
Franzoſen). Hieran fliegen fic) in Bezug auf Ulter-
tumsfunde die umfajjenden KLublifationen dev fran-
zöſiſch-toskaniſchen (die »>Monumenti dell’ Egitto e
della Nubiac, 3 Bde., von Rojellini, und die »Mo-
numents de I'Egypte«, 4 Bde., von Champollion)
und der preußiſchen Erpedition (die » Denfmaler aus
YW. und Wthiopien« von Lepjius, Berl. 1849—59,
12 Bde.) fowie die Bilderwerfe von Gau, Young,
Caillaud, Perring, die >Monuments égyptiens« ded
Leidener ägyptiſchen Muſeums (Hrsg. von C. Lees
manns, Lerd. 1839-76), die Don der Mission archéo-
logique francaise au Caire veröffentlichten »Mé-
moires« und die Urbeiten des 1883 in England ge-
qriindeten Egypt Exploration Fund und des damit
in Verbindung jtehenden Archaeological Survey of
Agyptia — Ägyptian.
Egypt (hrsg. von F. L. Griffith). Da die Ugupto-
logie nod ene verhältnismäßig junge Wiſſenſchaft
ijt, veralten Methoden und Anſchauungen febr ſchnell;
von den ältern Werfen find heute nur nod wenige
maßgeblich, und aud) von der neuern Literatur ent-
ſpricht nicht alles dem g enwärtigen Stande der
Forjdung. Für die Werdidhte des alten YW. fom-
men in Betradht: Ed. Meyer, Gefdhichte des Alter—
tums, Bd. 1 u. 2 (Stuttq. 1884—93); Derjelbe,
Geſchichte de3 alten YW. (Bert. 1887); W. Wiede-
mann, Agyptiſche Geſchichte (Gotha 1884—88, 2
Bde. und Supplement); Derfelbe, Geſchichte des al-
ten Ä. (Ralw u. Stuttg. 1891); G. Steindorff,
Blütezeit des Pharaonenreids (Bielef. 1900); C.
Niebuhr, YAgypten (in Gelmolts »Weltgeſchichte«,
Dd. 3, Leipz. 1901); Maſpero, Histoire ancienne
des peuples de l'Orient classique (Par. 1895—99,
3 Bde.); Petrie, History of Egypt (Lond. 1894
bis 1896, Bd. 1 u. 2); Mahaffy, History of Egypt
under the Ptolemaic dynasty (Daj. 1899); Milne,
History of Egypt under Roman rule (daf. 1898);
fiber bie Beziehungen Agyptens gu Palajtina unter:
ridtet W. Mar Miller, Ufien und Europa nad
altagyptifden Denkmälern (Leipz. 1893). Dre ägyp—
tifde Kulturgeſchichte behandelte Wilkinſon m
The manners and customs of the ancient Egyp-
tians« (2. Aufl. von S. Bird, Lond. 1878, 3 Bde.)
fowie in dem » Popular account« (2. Muff, daſ. 1871),
vor allem A. Erman in feinem treffliden ⸗A. und
ägyptiſches Leben im Altertum⸗ (Tiibing. 1885—87,
2 Bde.); aud Brugſch in der »Agyptologie« (Leips.
1889). Über die Religion der alten Haypter val.
Renouf, Vorleſungen iiber Uriprung und Entwide-
{ung der Religion der alten Ägypter (a. d. Engl,
5h 1881); A. Wiedemann, Religion des alten
. (Miniter 1890); Tiele, Geſchichte der Religion
im Witertum, Bd. 1 (Gotha 1895); G. Majpero,
Etudes de mythologie et d’archéologie égyptien-
nes (Par. 1893—98, 3 Bde.), fowie die metjten der
qenannten geſchichtlichen und kulturgeſchichtlichen
Werke; iiber die ägyptiſche Kunſt insbeſ.; Perrot und
Chipiez, Histoire de l'art dans l'antiquité, Bd. 1
(daſ. 1882; deutid) von Pietſchmann, Leipz. 1883);
Mafpero, Archéologie égyptienne (Bar. 1887;
deutid) von Steindorif u. d. T.: »Agyptiſche Munijt-
Nes Leipz. 1890). Der philologtid-hijtorifden
andforidaing
fic) feit der Entzifferung der Hieroglyphen durd)
Champollion die ganze agyptologijde Schule feiner
Nachfolger gewidmet (f. Hreroglyphen). Cine » Zeit:
ſchrift für ägyptiſche Sprade und Witertumsfundes,
beqriindet von Brugſch, jest von Erman und Stein-
dorff herausgegeben, erſcheint feit 1863 in Leipzig;
ähnliche Fachzeitſchriften in Franfreid) und England.
Die Naturgeſchichte des Landes tit ———
in den großen Werfen von Ehrenberg und Rüppell,
durch Bruner (»Agyptens Naturgeididte und An—
thropologie«, Erlang. 1848) fowie von R. Hartmann
(Naturgeſchichtliche Skizze der Nilländer«, Berl.
1866), die geologiſchen orbailtniife jind von Fraas
Aus dem Oriente, Stuttg. 1867), Janfo (> Das
Ita Des Nils«, Budapejt 1890) und Blandenhorn
(>Geologie Ugyptens«, Leips. 1901), die Pflanzenwelt
durch Schweinfurth und Aſcherſon behandelt worden.
Uber die Heutigen Verhältniſſe Agyptens val. |
Lane (j. d.), Manners and customs of the modern
Egyptians (deutſch, Leip3. 1856); v. Kremer, Ä.,
Foridungen iiber Land und Volf (daſ. 1862, 2 Bde.);
G. Stephan, Das heutige W. (daſ. 1872); Liittte, |
der äghptiſchen Schriftdenkmäler hat
201
| Vgyptens neue Zeit (daf. 1873, 2 Bde.); Klunzin—
er, Bilder aus Dberdi ypten (Stuttg.1877); Ebers,
-in Bild und Wort (daſ. 1880; der Text allein heraus⸗
gegeben als »Cicerone dDurd das alte und neue W.<,
da}. 1886, 2 Bde.); Wmici, Essai de statistique gé-
nérale de I'Egypte (Rairo 1879, 2 Bde.); »Recense-
ment général de l'Egypte, 1. juin 1897« (Kairo
1899, 3 Bde.) und »Dictionnaire géographique de
lV’ Egypte< (Daf. 1900), beide Werke herausgegeben von
UW. Boinet Bey; >Britains work in Egypt« (€dinb.
1892); Th. Neumann, Das moderne A. mit befon-
Dever Rückſicht auf Handel und Volkswirtſchaft (Leip3.
1893); v. Firds, Agypten 1894, ſtaatsrechtliche Vers
hältniſſe, wirtidaftlider Zujtand, Verwaltung (Ver.
1895— 96, 2 Bde.); Willcods, Egyptian Irriga-
tion (2. Wufl., Qond. 1899); Reifehandbiider von
Meyer (in »Mevers Reifebiider«), Baedefer, Murray
(ond.), Bénddete (Guide Joanne, Par.).
Karten: »Survey of Egypt«, 1:30,000 (5 Blatt,
1889); »Unteraigypten« 1: 25,000 (20 BL, Militir.«
qeogr. Ynjtitut, Wien 1899, nod nidt im Han-
del); Uudebeau, Souter und Colani, Carte de
la Basse-Egypte et de la province du Fayoum
1:200,000 (6 Bl., 1897); »Rairo«, Provinzkarten,
herausgegeben vom Miniſterium der öffentlichen Ar—
beiten, 1: 100,000 (im Erjdeinen beqriffen) ; Spezial⸗
‘aufnabmen von Sdweinfurth : Fayũm (Zeitſchrift
| der Geſellſchaft für Erdfunde«, Berl. 1886), Natrontal
| (ebenda 1898), Riltal von Farſchut bis Rom-Ombo
(>Petermanns Mitteilungen«, 1901, Teil 1). Wis
uͤberſichtskarte die auf YU. fallenden Blatter der Carte
de l'Afrique 1:2,000,000 (Service géographique de
larmée, Par. 1900 —1902).
| Uber die neuere Geſchichte Äghptens val. Bune
jen, Agyptens Stelle in der Weltgeſchichte (Hamb.
1844—57, 5 Bde.); Weil, Geſchichte des Abbaſiden⸗
talifats in A. (Stuttg. 1860, 2 Bde.); Quatremere,
Histoire des Sultans Mamlouks (Sar. 1837—41,
4 Tle.); Paton, History of Egyptian revolution
from the period of the Mamalukes to the death of
Mohammed Ali (2. Wufl., ond. 1870, 2 Bode.);
Cufieri, Storia fisica e politica dell’ Egitto delle
prime memorie de suoi abitanti al 1842 (lor.
1862, 2 Bde.); Rausler und Woerl, Die Kriege
von 1792—-1815 in Europa und A. (Freiburg 1842);
— —— Histoire de Méhémet Ali (Par. 1855—
1858, 4 Bde.); iiber die neuejte Zeit: Malortie,
Egypt, native rulers and foreign interference (2.
Aufl. Lond. 1883); Vogt, Die kriegeriſchen Ereig⸗
niſſe in A. 1882 (Leipz. 1882); Royle, The Egyp-
_ tian campaigns 1882-—1885 (Lond. 1886, 2 Bde.);
Plauchut, L’Egypte et l’occupation anglaise (Yar.
11889); Refener, W. unter engliſcher Offupation
(Berl. 1896); Cameron, Egypt in the nineteenth
century (fond. 1898); UW. S. White, The expan-
sion of Egypt under anglo-egyptien condominium
(daſ. 1899); Bréhier, L’'Eeypte de 1798 a 1900
(Bar. 1901); Milner, England in Egypt (6. Aufl.,
Yond. 1899); Dicey, Story of the Khedivate (daf.
1902). Bibliographiſche Hilfsmittel: Jolowiez
Bibliotheca aegyptiaca (Leipz. 1858, Supplement
1861); Bring Jbrahim Hilmi, The literature of
Egypt and the Soudan (Lond. 1888, 2 Bbe.); Harte
‘mann, The arabic press of Egypt (daf. 1899).
uAgyptia (franz. Toiles égyptiennes), weißer
Baumwollenſtoff mit Leinwandbindung und 32 Ket⸗
ten- und 34 Schußfäden auf 1 cm. Garne: Kette
Mr. 32 engl., Schuß Nr. 26 engl.
diahptian, ſchwarze Wedgwoodware.
|
202
Agyptiſchblau, fine blaue Farbe, die in Alex—
anbdria erfunden und von Veſtorius in Buteoli her—
ejtellt wurde. Sie befteht aus Calciumfupferfilifat
‘a0. CuO. 4810, und wird erhalten durch Zuſammen—
ſchmelzen von Ralf, Sand, Kupferſpänen und ſchwe—
feliaurem ali. Sie wird durch Schwefelammonium
nicht geſchwärzt und iſt fehr widerftandsfabig.
Agyptiſche Uugenentziindungl, ſ. Uugenent-
giindung. =”
MUgyptifde Bohne, |. Nelumbium.
Rgyptiſche Chlorofe, ſ. Anchylostomum.
Agyptiſche Erpedition der Frangofen (1798
bis 1802). Nad) dem Frieden von Campo Formio
(17. Dft. 1797) plante Napoleon Bonaparte cine Un-
ternehmung gegen Uqypten. Dor Bwed war, den
Glanz feines Namens m den Augen der Franjofen
gu erhöhen, Frankreichs Herrſchafi auf dem Mittel⸗
meer ju beqriinden und ihm eine jtarte Stellung auf
Dem Wege nad) Ojtindien gu ſchaffen. Um den ebr-
Beizigen Feldherrn aus Frantreid) zu entfernen, gab
as Minijterium feine Zuſtimmung zu der Expedition.
Die tiidtigiten Generale, ferner eine Anzahl Gelehrte,
Künſtler und Tedhnifer begleiteten Bonaparte. Am
19. Mai 1798 verließ er mit 15 Qinienfdiffen, 14 Fre-
qatten, 12 RNorvetten und 25,000 Mann auf 400
Fransportidiffen den Hafen von Toulon und erſchien
9. Juni vor Malta, das fid) 13. Juni ergab. Um
1. Juli landeten die Franjofen bei Ulerandria, das am
2. Juli genommen ward. Cine arabifde Proflamation
Bonapartes verfiindete den Einwohnern Befreiung
von der Mamelucenbherridaft und fiderte ihnen Wdh-
tung vor ihrer Religion und Sitte gu, da er felber ein
uter Muslim fei. Der Mamelucdenbei Murad ward
ei Chébréiije 13. Yuli gefchlagen und fein verjdanj-
tes Lager bei den Byramiden 21. Yuli erjtiirmt. Wm
25. Juli zogen die Frangojen in Kairo cin. Allein die
Vernidtung der franzöſiſchen Flotte bei Ubutic (f. d.)
1. Aug. zerſtörte die Hoffnungen Bonapartes. Zu—
nächſt ſchlug er einen Aufſtand zu Kairo nieder (21.
bis 24. Oft.) und rückte dann mit 12,000 Mann dent
in Syrien fid) fammelnden tiirfifden Heer entgeqen
(im Februar 1799). Nad dem Falle Jafas (6. Mary)
traf er 16. März vor St.-Qean d'Aere (Wffa) ein.
Deſſen Verteidigung durch Dechezzar Paſcha und den
engliſchen Admiral Sidney Smith, —— und Peſt
nötigten ihn, obwohl er 16. April am Berge Tabor
cine tiirfiiche Entſatzarmee unter Abdallah Paſcha
ſchlug, 17. Mai die Belagerung aufzuheben. Mit ſei—
nem auf die Hälfte zuſammeng chmolzenen Heer
nach ÄAgypten zurückgekehrt, vernichtete er bei Ubutir
25. Juli ein türkiſches Heer, das dort gelandet war,
und hatte ſo ſeine Herrſchaft aufs neue befeſtigt, als
ihm die bedrohlichen Verhältniſſe in Frankreich den
erwünſchten Vorwand gaben, heimgulehren. Er über—
gap bei feiner heimlichen Abreiſe (23. Aug.) den Ober:
efebl an Kleber; diefer ſchlug 20, Marz 1800 bei
Matarijeh (Heliopolis) den Grofwefir Yuſuf Paſcha,
ward aber von etnem Tiirfen in Rairo ermordet (14.
Suni). Der Oberbefehl fam darauf an Wenou. Am
1. Mary 1801 erſchien die englijde Flotte unter Uber-
cromby vor Werandria; am 21. ward Menou bei
Ubufir gefdhlagen. Ru gleider Seit landete cine neue
tiirfifche Flotte, und der Großweſir bedrohte von Sy—
rien ber Natro, während alle Berfuche des Udmirals
Gantheaume, von Franfreid aus friſche Truppen und
Vorrate nad Agypten ju ſchaffen, ſcheiterten. Nach
wiederholten Kapitulationen der Unterbefehlshaber
mußte aud) Menou 2. Sept. 1801 in Alexandria auf
freien Ubjug mit Waffen und Gepid mit den Eng-
Agyptiſchblau — Ahab.
ländern abſchließen und erreidte Frankreich im No-
vember 1801 mit dem größten Teile der wiſſenſchaft⸗
liden Sammlungen. Im ganzen famen etwa 18,000
Mann Soldaten nad Franfreid) zurück.
Als Eroberungsjzug und als Berjud, Englands
Herrfdaft an einer wunden Stelle angugreifen, war
| die ägyptiſche Expedition verungliidt; aber auf dem
Gebiete Der Wiffenfdhaft find ſelten größere Eroberun-
gen gemadt worden. Die agyptifde Baukunſt ward
Jebt erjt in ihrer Größe erfannt, und der Schleier lüf⸗
tete fid), Der biSher fiber einem großen Teile der Ge-
ſchichte und Geographie Agyptens gerubt hatte. Die
wifjenfdaftliden Refultate Der Expedition find nie-
dergelegt tr der »Description de l’Egypte, ou Re-
cueil des observations et des recherches pendant
l’expédition de l’armée francaise« (Lar. 1809—13;
2. Uusq. 1820—30, 26 Bde. u. 12 Bde. Rupfertafeln).
Val. be la Jonquiere, L'Expédition d'Egypte
(Sar. 1898—1901, Bd. 1—2, Berdjfentlidung des
franzöſiſchen Generaljtabs); die »Mémoires« von
Verthier (daj. 1827) und Reynier (daf. 1827);
Raybaud, Histoire scientifique et militaire de
l'expédition frangaise en Egypte (daſ. 1830 — 36,
9 Bode.); Shneidawind, Geſchichte der Expedition
der Franzoſen nach Aqypten re. (Zweibr. 1830, 3 Bde.);
Burgoyne, Navaland military operations inEgypt
1798 —1802 (Lond. 1885).
ptiſche Finfternis, ſprichwörtlich geworde-
ner Unusdrud nad 2. Mof. 10, 22, wo bei der
lung der über Ugypten verhängten Plagen die Rede it
von der drei Tage lang währenden » diden Finſternis ·
Ugyptijder Kanon, ſ. Kanon.
Rgyptijde Schrift , ſ. Hieroglyphen.
RUgyptijdes Korn, ſ. Gerſte.
Ugyptifcdes treuz, ſ. Antoniuskreuz und Kreuz
—A (griech.) Renner der äghyptiſchen Ulter-
timer; Ugyptologie, agyptifde Wltertumstunde ;
weiteres f. YUgupten, S. 190 ff., und Hieroglyphen.
Rgyptos, im griech. Mythus Sohn de3 Belo’,
Swilltngsbruder des Danaos, Croberer des Landed
der Melampoden (⸗Schwarzfüße«), das er nad fich
Agypten benannte. Val. Danaos.
Agyrion, Stadt, j. Ugira.
Wgyrten, bei den Griechen herumziehende Bettel-
priciter und -propheten; am beriidtigtiten waren die
logan. Metragyrten oder Galli (jf. d.).
guitifde (agyptifde) Tage, die Tage der
alten Kalender, an denen Wderlajjen, Retfeantritt und
andres widerraten wurden, meijt zwei in jedem Monat.
Whab (hebr., »Vatersbruder<), König von Israel,
Sohn des Omri, 918 — 897, nach neuerer Annahme
874 — 853 v. Chr., behauptete die von ſeinem Bater
erworbene Machtſtellung. Wit Phönilien ftand er in
freundſchaftlicher Verbindung und vermablte fid mit
Sebel, der Tochter König Ethbaals von Sidon; auch
mit dem Reiche Juda knüpfte er cin Familtenbiindnis
an, indem er feine Todter Uthalja mit König Joram
verheiratete. Er herridte iiber die Moabiter und Am⸗
moniter, befiegte Den Rinig Berrhadad von Damastus,
zwang ihn gum Frieden von Aphel und webrte, mit
ihm vereint, einen Angriff der Aſſyrer (Schladt bei
Narfar) ab. Er befdrderte den Handelsvertehr, legte
Stadte an und baute ſich auf einer Anhöhe m Der
Ebene Jesreel einen prächtigen Palaſt, das »elfen-
beinerne Haus«. Da er aber feiner Gemablin ju Ge-
fallen in feiner Hauptitadt Samaria den phinifijden
Gottheiten Baal und Ujtarte Tempel erridten liek,
| erregte er bie Propheten und ihren Fiibrer Elia gegen
| jid). A. vertrieb die Prieſter Gottes ; aber infolge emer
Ahaggar — Ahlqpiſt. 203
Diirre und Hungersnot erhob fid) das Vol, erfdlug! Wblefeldt, Elife, Grafin, geb. 17. Nov. 1788
die Baalspriejter, und A. mußte den Propheten die | auf Langeland, gejt. 20. März 1855 in Verlin, Toch—
Rückehr gejtatten. Jn einem zweiten Kriege mit Da- | ter des Grafen Friedrid von A. (1760 —1832),
mastus fiel der Konig bet Ramoth. Dom folgte fein | feit 1810 Gemabhlin des Freiforpsfiihrers v. Lützow,
Sohn Ahasja.
MAhaggar (Hogar), Landfdaft in der mittlern
Sahara, zwiſchen 24—26° nbrdl. Br. und 4—6? öſtl. L.,
von einem von RW. nad) SO. jtreidhenden, 600—
1200 m hohen Plateau (Atakar⸗n-A.) mit den im
Winter ſchneebedeckten Swillingsgipfeln Watellen und
Hitena durdzogen, von denen nad S. der aus zahl—
Injen Wadis entitehende Tin Tarabin abjlieRt. Wm
nördlichern Tifedejtgebirge zieht Der Wadi Ighargar
voriiber. Hauptort ijt Jdeles an der Karawanen—
{trae von Inſalah nad) Usben. Die Daſe ijt der
Dauptiig der räuberiſchen UW. -Tuareg, die hier 1881
die Erpedition Flatters vernidteten.
Ahanta, Landſchaft der brit. Kolonie Goldtiijte
(j. d.) in Wejtafrifa.
Ahas (hebr., ⸗Beſitzer«), Konig von Juda, 742—
727, nad andrer Zeitrechnung 734—715 v. Chr. rief,
bedrangt von Edomitern und Philijtern und zugleich
durch die Könige von Israel und Damastus ange-
qriffen, den affyrifden König Tiglath-Pilefar zu Hilfe,
mbdem er ihm alle Schätze Des Tempels und des Kö—
nigSpalajtes ſchickte. Tiglath-Pilefar unterwarf aud
VU." Feinde, zwang ihn jelbjt aber, ihm in Damastus
gu huldigen, Tribut gu zahlen und aſſyriſchen Götzen—
ienjt in Jeruſalem einzuführen.
Ahafiten (Untiodianer), Bezeichnung der Ver-
fechter des Jus territoriale circa sacra, d. 4 der un-
umſchränkten Gewalt des Landesfürſten in firdlicen
Dingen, von der cinjt die Könige Ahas und Untiodos
einen iibertriebenen Gebrauch madten. Vorzüglich
wurden Thomas Hobbes, der in dem Buch »De cive⸗
ſolche Macht in die Hand der Fürſten legt, und ſeine
Anhänger A. genannt.
Ahasverus (eigentl. Achaſchweroſch), 1) die
hebräiſche Form des Namens Xerxes (. d.). — 2) S.
Ewiger Jude.
aus, Kreisſtadt im preuß. Regbez. Münſter, an
der Ua, Knotenpunkt der Eiſenbahnen Dortmund-
Enſchede und Borken-A., hat eine evangelijde und
eine fath. Kirche, ein Schloß, Wmtsgeridt, Jutelpm-
nerei und -weberei, Holsidyuh-, Tabat- und Zünd—
warenfabrifation und (1900) 3930 Einw. Die Stadt
ehörte bis 1400 einem Wdelsqefdledt, fam dann an
83 Bistum Münſter, fiel 1803 dem Fürſten von
Salm-Salm ju und 1813 an Preußen.
Ahauſen, Dorf, ſ. Auhauſen.
MF, ſ. Uba.
Ahl, rdtlid)brauner, eiſenhaltiger Sand und Sand⸗
ſtein, aus Dem bier und da der Boden in den ebenen
Heideflächen in Jiitland u. Schleswig-Holitein bejtebt.
Ahlbeck, Dorf im preuß. Reghe3. Stettin, Mreis
Ujedom-Wollin, an der Ojtice und der Staatsbahn-
linie Swinemiinde-Heringsdorf, hat eine evang.Rirde,
cin fehr befudtes Seebad und (1900) 2000 Einw.
Ahlbeere, ſ. Johannisbeerſtrauch.
Ahlden, Flecken im preuß. Regbez. Lüneburg,
Kreis Fallingboſtel, unweit der Aller, hat eine evang.
Kirche, cin Amtsgericht, Fabrilation von Rohgelatine
und (1900) 851 Einw. — Das dortige Schloß be—
wobnte 1695 —1726 König Georgs I. von England
geſchiedene Gemahlin Sophie Dorothea (daher Prin—
zeſſin von A. genannt, ſ. Sophie) als Gefangene. |
Ahle (Pfriemen, Ort), ge Stablwert-
zeug jum Steden von Löchern, Wusreiben von Bohr-
löchern, Rorrigieren von Schriftſatz 2¢.
begleitete ihren Gatten gur Bildung des Freiforps nad)
Breslau und dann aud ins Feld, wo fie die Berwun-
deten aufopfernd pflegte. Infolge ihres Verhältniſſes
ju Smmermann fied fie gütlich von Liigow. Mit
jenem lebte fie in einem Landhauſe bei Diijjeldorf,
lehnte aber die Vermahlung mit ibm entidieden ab.
Rad Immermanns anderiweitiger Berlobung 1839
trennte fie fid) von ifm und lebte bis an thr Ende ju
Berlin. Val. Ludmilla Aſſing, Gräfin Eliſa von A.
(Berl. 1857); E. v. Hohenhaufen, Beriihmte Lie-
beSpaare (2. Aufl., Leipz. 1895).
Ahlel Havif , ſ. Pariavölker.
Ahlen, Stadt im preuß. Regbez. Münſter, Kreis
Beckum, an der Werſe und der Staatsbahnlinie Wu—
ftermarf-Hamm, bat eine evangeliſche und 2 kath.
Rirden, Synagoge, Amtsgericht, Maſchinenbau, Rod)-
geſchirrfabrikalion und (900) 6565 Cinw.
Ahlfeld, Johann Friedrid, nambafter Kan—
zelredner der jtreng lutherifden Ridtung, geb. 1. Nov.
1810 gu Mehringen im Anhaltiſchen, geyt. 4. Mary
1884 in Leipsiq, ward 1834 Gymnaſiallehrer in Zerbjt,
1837 Reftor in Worlig, 1838 Paſtor in Alt⸗Alsleben,
1847 in Halle, 1851 an der Nifolaifirde gu Leipzig
und trat 1881 in den Ruheſtand. Verfaſſer ciner gro-
pen Anzahl vielbenugter und oft aufgeleqter Predigt-
jammlungen, dDarunter: » Predigten tiber die evange-
liſchen Berifopen< (12. Aufl., Halle 1892) und »iiber
die epijtolifden Peritopen« (5. Uufl., daf. 1899) ; ſchrieb
aud —— fürs Volk« (7. Aufl., daſ. 1898).
Bal. »Friedrid) A., ein Lebensbild« (Halle 1885).
wet n, Ernjt, Pſeudonym, ſ. Benedict3fon.
A thei ſ. Siitland.
Ahlkirſche, ſ. Lonicera und Padus.
AHiqvift, 1) Auguſt Engelbert, finn. Sprad-
forfder, geb. 7. Uug. 1826 zu Nuopio in der Land-
{daft Savolar, gejt. 20. Nov. 1889 in Helfjingfors,
ſtudierte daſelbſt Philoſophie und Philologie, wid—
mete ſich dann namentlich der Erforſchung der
finniſchen Sprachfamilie und wurde 1863 Profeſſor
der finniſchen Sprache und Literatur an der Univer—⸗
fitat i Helfingfors. Um das Finniſche zur Sdrift-
und Landesfpradje ju erheben und eine finnifde Na-
| tionalliteratur zu ermigliden, gründete er 1847 Die
Zeitſchrift »*Suometare, fiir die er (unter dem Pſeudo—⸗
nym Offanen) wertvolle Beiträge lieferte. Er be-
| icaiftigte fich Dann vorzugsweiſe mit Der Sprade der
Wotjaten (7. d.), deren Grammatik er ſchrieb (» Wotisk
| crammatik«, Delfingf. 1856), und bereijte Dreimal
Nordrußland und Sibtrien zu ſprachwiſſenſchaftlichen
Forſchungen, deren Ergebnis er in dem »Verſuch
einer ——— Grammatik« (Petersb.
1862) und den beiden Werken: »Die Ktulturvöllker der
weſtfinniſchen Spradjen« (daf. 1871, deutſch 1875) und
» Liber die Sprache der Nordojtjafen« (Helſingf. 1880)
niederlegte, während er unter dem Titel » Unter Wo-
are und Ojtiafen« (daf. 1883) feine Reifeeindriide
eſchrieb und zahlreiche fleinere ſprachwiſſenſchaftliche
Arbeiten in verſchiedenen Zeitſchriften veröffentlichte.
Sein wichtiges Werk: »Uber den Bau der finniſchen
Sprache« (Helſingf. 1877), blieb unvollendet. A. hat
aud) Unterſuchungen fiber den Urſprung des finni-
| fdjen Epos »Ralewala« (zulegt 1887) und finnijde
| Gedichte unter dem Titel »Sikeniii« (> Funfen«) ver-
öffentlicht und Schillers⸗Glocke⸗, »Kabale und Liebe«
iu. a. ind Finniſche übertragen
204
Ahlsdorf — Ah
med Sah.
2) Alfred Guftav, ſchwed. Hiftorifer, geb. 17. ſchloß A. mit Ojterveid) 11. Nov. 1606 den (meHrmmals
Juni 1838 auf der Inſel Oland, geft. 26. März 1881 | erneuerten) 20jährigen Waffenjtilljtand von Sitwa⸗
in Berid, 1864 als Dozent in Upjala, ſpäter als | torof, wodurd) der friihere Yujtand im weſentlichen
Gynmajialoberlehrer in verjdiedenen Städten tätig, | hergejtellt, Oſierreich aber jum erjtenmal als qleich-
hat das Ergebnis jeiner ſchwediſchen und auslindt- | beredhtigte Macht anerfannt wurde. Durd) den Frie—
ſchen Archivforſchungen in zahlreichen wertvollen Bei- den von 1612 bejtitigte U. den Berjern die Eroberur-
irdgen zur Geſchichte Schwedens tm Reformations: |
jeitalter niedergelegt. Die wichtigſten find: »Om oro- |
ligheterna i Smaland och Vestergitland 1529«
(preisqefrint, Upj. 1863); »Om aristokratiens for-
hAllande till konungamakten under Johan II" rege-
rings (Daj. 1864—-66, 2 Bde.); die Monographie » Ka-
rin MAnsdotter« (Stoch. 1874); »Konung Erik XIV*
sista lefnadsdr« (2. umgearb. Aufl., Daj. 1878).
Ahlsdorf, Dorf im preuj. Regbez. Merjeburg,
Mansfelder Gebirgstreis, an einer eleltriſchen Klein—
babn, hat cine cvang. Rirde, Kupferſchieferbergbau
und (1900) 2624 Einw.
AHlwardt, 1) Wilhelm, Orientalijt, geb. 4. Juli
1828 in Greifswald, jtudierte daſelbſt und in Git-
tingen orientaliſche Spradjen und ijt feit 1861 Bro-
feijor der orientaliiden Spraden ju Greifswald. Er
ſchrieb: » Uber Poeſie und Poetik der Uraber« (Gotha
1856), »Bemerfungen fiber die Edtheit der alten
arabijden Gedichte⸗ (Greifsw. 1872), gab beraus
» Shalef elahmars Qaſſide⸗ (daf. 1854), den » Diwan
des Ubu Nowas« (Daf. 1861, Heft 1, Weinlieder),
»The divans of the six ancient Arabic poets«
(ond. 1870), » Unonymte arabifde Chronif« (Greifsw.
1883) u.a. Sein Hauptwerf ijt das bedeutende ⸗Ver⸗
zeichnis der arabijden Handidriften der fonigliden
Bibliothet zu Berlin« (1887 — 99, 10 Bde.).
2) Hermann, antiſemitiſcher Ugitator, geb. 21.
Dex. 1846 in Krien bei Unflam, befucdte das Seminar | wurden von den Oſterreichern
in
einer Berliner Gemeindejdule. An Reden und Fluq-
idriften trat er heftiq geqen die Juden auf und wurde |
penfioniert. Dagegen wurde er 1892 und 1893 zum
ReidStagsabgeordneten gewählt. Wegen der Beſchul—
ranienburg, ward 1866 Lehrer und 1881 Reftor |
gen Ubbas' I. Die prächtige Mofdee feines Ramens
zu Ronjtantinopel erbaute er in fieben Jahren mut
‘einem Aufwande von mehreren Millionen.
2) U. IL., 21. Sultan der OSmanen, geb. 1642, geſt.
6. Febr. 1695, Sohn Ibrahinis (qejt. 1648), ward nab
ſeines Bruders Soliman II. Tode von den Janit ſcha⸗
ren 1691 auf den Thron erhoben, eine dichteriſche.
melandolifche Natur; 19. Aug. 1691 wurde fein Heer
unter Mujtafa Köprülü bei Slanfamen durd den
Marfgrafen Ludwig Wilhelm von Baden geidlagen.
3) i UL, 23. Sultan der OSmanen, geb. 1673,
geſt. 1736, Sohn Mohammeds IV. (qeit. 1687), ge—
langte nad) Abſetzung feines Bruders Mustafa IT.
1703 auf den Thron. 1709 fliidjtete Karl XII. von
Schweden mit den Triimmern feiner bei Poltawa ver-
nidteten Urmee nad) Bender am Dnjejtr und tried
die Bforte zum “7% gegen Rußland. Am Pruth
ward 1711 Peter d. Gr. eingeſchloſſen; aber die Be—
itechlichfeit deS Großweſirs Baltadſchi bewirfte 12.
Juli einen ihm giinjtigen Frieden. A. jegte zwar
Baltadidi ab, ratijizjierte aber 1712 den Vertrag und
nötigte 1714 den inzwiſchen nad Demotifa bei Wdria-
nopel gebradten Karl XIT., fein Land ju verlaſſen.
Den Venezianern nahm der Großweſir Damad Ali
Kömürdſchi 1715 Morea. Allein bet Peterwardein
verlor 5. Uug. 1716 Ali gegen Prin, Eugen Sieg
fund Leben; Temesvdr (13. Oft.) und das Banat
—— Verluſte.
die durch Schulenburgs glückliche Verteidigung Kor—
fus (19. Aug.) nur geſteigert wurden. Der neue Groß⸗
weſir Chalil wurde 16. Aug. 1717 bei Belgrad gänz—
lid) geſchlagen, und im Frieden von Poſcharewatz
(21. Juli 1718) trat UW. das Banat, Nordierbien mut
Belgrad und die Kleine Walachei an Oſterreich ab.
digung (in den beiden Schriften » Judenjlinten «, 1892),
bck die Löweſche Waffenfabrif den Staat durch Liefe-
a idlechter Gewebre wiſſentlich betrogen habe, zu
5 Monaten Gefiingnis verurtetlt, fepte er dennoch
ſeine Unflagen gegen die Auden, daß fie das deutſche
Boll ausbeuteten, die Behdrden ſchädlich beeinflußten,
im Reichstag und in Verſammlungen fort. Schließlich
ward er von einem Teil der Antiſemiten verleugnet
und aus der Deutiden Reformpartet ausgeſchloſſen.
Er ſchrieb nod: » Der Vergweiflungsfampf der ari—
ſchen Boller mit dem Judentume (Berl. 1840); » Der
id eines Juden«( 1891); -⸗Jüdiſche Taltif <( 1891) u.a.
Ahm (Tierce), die din. Ohm fiir Wein und
Branntwein, —4 Anker, im Großhandel ju 20 Viertel
von 8 Potter = 154,579 Vit. angenommen. Auch fo-
viel wie WH ming (jf. d.).
Ahmadpur, zwei Städte im britifd-ind. Tributar-
jtaat Bahawalpur (Pandſchab), die eine mit (1801)
98.44 Einw. (6240 Mohammmedaner, 3602 Hindu), die
andre (fiidlidjere) mit (1891) 4203 Einw. (2381 Hindu,
1822 Wobhammedaner).
AUHmed (> der Preiſenswerte⸗), Beiname des Bro-
pheten Mohammed, dabher haufiqer mohammedanijder
Berfonenname, insbeſ. mebrerer Sultane:
1) A. J., 14. Sultan der Osmanen, geb. 1589 in
Magnesia, geſt. 22. Nov. 1617, bejtieq nad) dem Tode
jcines Baters Mohammed IIL. 1603 den Thron, ſetzte
den 1593 begonnenen Krieg gegen Kaiſer Rudolf I.
fort; alg fic) der gleichzeitige Krieg mit den Berfern,
die Eriwan und Kars eroberten, ungiinitig wandte,
einige Ordnung; Fejtungen wurden gebaut, die erite
A., m Wollujt verfunten, überließ die Berwaltung
den Wejiren. Trogdem fam in das Steuerwefen
tiirftiche Drucerei errichtet. Deshalb wird Whmeds
Regierung als der Unfang des fiir die türkiſche Ge-
ſchichte wichtiqen Zeitalters der Cinfiihrung euro-
| patider Einrichtungen in das osmaniſche Heid be-
zeichnet. Gegen Ende feiner Herridaft entbrannte
der Krieg mit den Perſern (Schah Husain) von neuem.
Gleichzeitig erhoben ſich die mit Den Neuerungen un-
| jufriedenen Janitſcharen; obwohl A. ihnen Weſir
und Miniſter opferte, wurde er zur Abdankung ge—
| nbtigt (30. Sept. 1730) und ſtarb 1736 tm Gefang-
nis, wabhrideinlid) Durd Gift. Bal. Kruſinſki,
Prodromus ad tragicam vertentis belli Persici his-
toriam (Leopolis 1734); Ranke, Die Venezianer m
Morea (Werfe, Wd. 42).
Whmed ibn Hanbal, Stifter ciner der vier ortho
dDoren Seften des Aslam, f. Urabiide Literatur.
Ahmed ibu Zeni Dahlan, arab. Gelebrter, ſ.
Arabiſche Literatur.
Ahmed Shah, Begriinder des Reiches der Afgha⸗
“nen, geboren um 1724, gejt. 1773, Sobn des Seman
Chan aus dem Stanrme der Ubdali, begleitete als Stab-
trager (Aſaberdar) Nadir Schah auf feinen Feldsiigen.
Rad Nadirs Ermordung (1747) ward er von den
Hauptlingen jum Herrider von Afghaniſtan erhoben.
Er nahm den Ehrennamen Dor Doran (> Berle der
Beit<) an, wonad) fein Stamm fowie die Afghanen
Ahmed Wefif Paſcha — Ahnen.
überhaupt Durrani sea wurden, unteriwarf
1748 die Galtida, eroberte Ghazni, Kabul, Dſche—
lalabad, beſetzte Labor und Multan und zwang den
Statthalter bes Pandſchab zur Tributsahlung. Dann
nad) W. jid) wendend, nahm er 1749—50 Herat und
Niſchapur und unterwarf Chorafan und Geijtan.
Nachdem er durd) Vertrag mit Ahmed Schah von
Dehli das Pandſchab nebjt den öſtlich ——
Provinzen bis Sirhind beſetzt hatte, verleibte er 1752
aud Kaſchmir ſeinem Reich ein. 1756 und 1760 plün⸗
derte er Dehli und ſchlug 6. Jan. 1761 die Marathen
bei Panipat. Er hinterließ jeinem Sohne Timur Schah
cin großes Reich, das jedod) ſchon im zweiten Biertel
des 19. Jahrh. in die Gewalt des Weſirgeſchlechts der
Barakzai geriet.
Ahmed Wefif Paſcha, türk. StaatImann, qebo-
ren um 1818 in Sonjtantinopel, gejtorben im Suni
1891, Sohn eines gum Islam iibergetretenen Grie-
chen und einer Jüdin, wurde feit 1834 zu Baris im
College Ste.- Barbe ergogen; in die Hetmat guriid-
efehrt, erhielt er cine Unjtellung im Überſetzungs⸗
| einen Parſi⸗ und 3 Hindutempel und cine große Her-
ureau, defjen Chef er bald wurde. Seit 1847 gab er
ein ſtatiſtiſches Jahrbuch iiber die Türkei Heraus (»Sa-
laamé, ou Annuaire de l'Empire ottoman<). Ende
1847 wurde er jum Rommijjar der Pforte in den
Donaufiirjtentiimern ernannt und war 1851— 55
Gefandter in Perjien, dejfen Bündnis mit Rugland
er verhinderte. Nad) feiner Rückkehr ward er Mitglied
des Staatsrats und des hohen Kriegsrats. Nady
er 1857 kurze Seit reformfreundlider Juſtizminiſter
und 1860—61 Gejandter in Paris oa ie war, wo
er ſich Durch jeinen Einſpruch gegen die ſyriſche Expe-
dition die Ungunſt des Hofes jujog, wurde er Vorjtand
des Miniſteriums der frommen Stiftungen, madte
jih aber durch Einjdreiten gegen Mißbräuche unbe- |
liebt und wurde 1863 abgeſetzt. Run widmete ſich A.
al8 » Cinfiedler von Rumili Hiſſar⸗ gelehrten Studien.
Moliere überſetzte er ins Türkiſche und ſchrieb ein geo—
graphiſches Handbuch fiir Bolfsfdjulen. 1877 er-
nannte ibn Abd ul Hamid IT. gum Prafidenten der
erjten türkliſchen Deputiertenfammer. Während des
Strieges war er Generalgouverneur von Wdrianopel,
Februar bis Upril 1878 Bremierminijter (Friede von
Santo Stefano) und ging daraufals Wali nad Bruſſa,
wo er 1882 wegen fener Strenge abgeſetzt wurde.
Ahmedabad, Hauptitadt des gleichnamigen Di-
jtrifts (9896 qkm mit (1891) 921,712 Einw.) in der
nördlichen Divijion der britiſch-ind. Prajidentidaft
Bombay, unter 23° 2 nördl. Br. und 72° 48’ öſtl. L.,
am linfen Ufer des Sabarmati, Rnotenpuntt von drei
Eiſenbahnen nad Ugra, Bombay und der Halbinfel
Gudſcharat, umgeben von einer befejtigten Mauer mit
14 Toren. A. Ht beriihmt durch feine Pradtbauten,
bet denen ſarazeniſche Kunſt mit der der Hindu und
Dſchaina harmonijd) jufammenwirtte. Es enthalt
15 beriihmte Mojcheen, darunter die von Ahmed Schah
erbaute Dſchama Masdſchid, die »>Cljenbenmofdee<,
aus Marmor mit eingelegten Verzierungen aus Clfen-
bein, Silber, Edeljteinen und Perlmutter, ferner (als
Hauptort der Didaina in Gudſcharat) 120 Djdaina-
tempel, dDarunter den reid) mit Säulen aus weißem
Marmor und koſtbaren Juwelen geſchmückten Hathi-
ſinghtempel, die prächtigen Bauten an dem großen
tiinjtliden Kankariaſee, in der Nähe prachtvolle
Grabdenkmäler, Brunnen. Die Bevölkerung (1891:
148,412) beſteht aus Hindu (67,8 Proz.), Wobant.
medanern (21,2 Proj.) und Dfdaina, die eine an-
ſehnliche Induſtrie in Seidenweberet mit Gold- und
Silberbrofat, Baumwollweberei (4 Fabrifen mit |
205
Dampfbetried), fehr ſchöner Holzſchnitzerei, Papier,
Töpfer- und Zinnwaren betreiben. Die Garnijon
liegt abjeits der Stadt. A. hat ein Urienal, 18 Re—
gierungs> und Miſſionsſchulen (4 fiir Madden),
100 Sdjulen der Brahmanen, 2 Bibliothefen, em
Hojpital, ein Irrenhaus, eine Unjtalt fiir Ausſätzige
und ein Aſyl fiir Tiere (Bandfdrapol). — Im 17.
Jahrh. die ſchönſte und reichſte Stadt Hindojtans mit
900,000 Cinw., bliibend dDurd) Handel und Gewerbe,
eviet A. unter der Herrjdaft der Marathen im 18.
—5* — in Verfall, erholte ſich aber, ſeit die Briten
die Stadt 1817 in Beſitz genommen haben.
Ahmednagar, Hauptort des gleidynamigen Di-
jtrifts (18,215 qkm mit [1891) 888,755 Einw) in der
Zentraldivijion der britijd)-ind. Präſidentſchaft Bom-
bay, unter 19° 5’ nördl. Br. und 74° 55 dtl. L.,
durd Zweigbahn mit den Linien Bombay-Allahabad
und Bombay-Madras verbunden, ijt von einem ver-
fallenen Erdwall umgeben, meijt aus ungebrannten
Siegeln erbaut, hat ene Menge Mojdeen (jest viet-
fad) Regierungsgebäude), cine amerifanifde Rirde,
berge (Dharmjala). Außerhalb der Stadt das jfeit
der Einnahme durd die Englander halbzerſtörte Fort.
Die Cimwohner (1891: 41,689, meiſt Hindu) trei-
ben Baumwoll- und Seidenweberei, Fabrifation von
RKupfer- und Mefjinggeidirr, Teppichen (jahrlid fiir
112,000 Pfd. Sterl.), aud) Getreidehandel.
Ahming, Sfala in Fuß oder Dezimeter am BVor-
und Hinterjteven, gibt den Tiefgang des Schiffes an.
Whu, Johann Franj, Sdulmann, geb. 15. De},
1796 in Aachen, gejt. 21. Uug. 1865 in Neuf, ert
Kaufmann, dann Ratafterqeometer, endlid) Lehrer,
julept (1843—63) an der Realfdule zu Neuf. Ber-
bie des feiner Reit weitverbreiteten -Praktiſchen
Lehrganges der franzöſiſchen Sprachee (1. Kurſus,
Rodin 1834, 223. Wut. 1901; 2. Kurjus, daj. 1840,
52. Wufl. 1898), Dem ähnliche Lehrbiider der eng-
liſchen, hollindijden, italienijdjen Sprade folgten.
In der Methode folgt UW. dem Borgange Seiden.
jtiiders (j. d.), indem er mit Beijpielen beginnt und
nadber die Regeln gibt.
Ahnen (althodd. ano, mittelhodd. an), im engjten
Sinne Grofeltern, dann iiberhaupt Borjahren. Der
Beweis der A. (Ahnenprobe) war eine widtige In—
jtitution des auf die Geburtsſtände begriindeten ger-
manijden Redts. Die aus nidt ebenbiirtiger te
hervorgegangenen Kinder waren in verjdiedenen Be-
jtehungen ungiinjtig geſtellt, namentlid) ſukzedierten
jie nidjt in Die Lehen. Nur der Sohn war ebenbiir-
tig, deſſen Bater und Mutter aus ebenbiirtiger Ch:
—— waren. Der Sachſenſpiegel ſchreibt
daher durchweg den Beweis von vier A., alſo der
beiden Großelternpaare, vor. Wud) fiir das Kampf—
gericht war die Ahnenprobe erforderlich, weil jeder
nur ſeinen Genoſſen kämpflich anſprechen fonnte. Unter
der Herrſchaft des Sachſenſpiegels waren dieſe Ver—
hältniſſe fo ſtreng geordnet, daß die mit einem Dienjt-
weib erzeugten Kinder eines freien Herrn den Adel,
die mit einer Bauerntochter erzeugten Kinder eines
Ritterbürtigen den Heerſchild (j. d.) verloren. Etwa
von 1400 an wurde dieſes Recht laxer gehandhabt.
Schon gi, oars erteilte Befretungen vom
Zwange der Ehenbiirtigteit. Durch die Vegriindung
des nidt feudalen Brictadels verlor die Uhnenprobe
viel von threr frühern Bedeutung, anderjeits aber
wurde von Dem Lehnsadel, um die »neugebadenen«
Edelleute von den Orden, Domſtiftern, Ritterfpielen re.
auszuſchließen, eine inumer ftrengere Uhnenprobe (ju
206
8, 16 und 82 ebenbiirtigen A.) eingefiifrt. Jn ee
fien und in der Lauſitz galt bis in die neuejte Bett
nur der »vierfdildiqes, d. h. Der von vier ebenbiir-
tiqen Gefdledhtern abſtammende Edelmann als voll-
berechtigt. Wer an den vier A. Mangel litt, fonnte
feinen redjten Edelmann an Ehren verlepen, nicht
egen ihn Zeugnis ablegen; er war in keinem Chren-
Cebit gu brauchen, fur; er war der adligen Brivi-
legien nicht teilhaftig. Jedes Fiirjtentum der genann-
ten Brovingen hatte eine Ritterbanf, die von dem
Fürſten, refp. Dem Landvogt mit einem Marſchall
und zwölf Beiſitzern befegt wurde; außerdem fun-
gierte bet Dem Ritterredt em Herold. Bor diefem Ge-
ridjtShofe wurden die A. erprobt und Ehrenhändel
im Zweilampf ausgefodten. Die Brobenden führ—
ten Die gemalten Sdilde ihrer vier UW. vor, die von
Ungehidrigen der betreffenden vier Geſchlechter be-
jdworen werden mußten. Die ſchleſiſche Ahnenprobe
war aljo cine rein heraldijde. Sim übrigen Deutfd-
land bediente man fic) bei den UWhnenproben der
UHnentafel(f. unten), in der ſämtliche zu beweijende
A. mit Bors und Zunamen fowie dem ridtiqen Wap-
pen aufgefiibrt und die Filiation urkundlich nad-
gewiefen fem mupte. Unter der Filiationsprobe
verjteht man nämlich den Nachweis, daß alle in der
Uhnentafel als Chegatten aufgefiihrten Berjonen in
rechtsgültiger Ehe gelebt haben, und dah die in der
Uhnentafel aufgefiibrten Kinder ehelich erzeugt find.
Hierzu mußte Dann nod) der Beweis der Ritterbiir-
tigfeit fommen. Als Beweismittel wurden neben den
Kirchenbüchern auch Grabjteine, Leidhenpredigten und
das eidlide Zeugnis jweier Cdelleute angenommen.
Da dieje Uhnenproben den Weg in die reiden Pfriin-
den Der Domfapitel und der adligen Stifter bahn-
ten, bielten vorjidtiqe Väter oder Freier nod tm
18. Jahrh. ſehr darauf, fid) nad) den A. des andern
Teiles gu erfundigen, ebe fie fic) in ein Eheverlibnis
einließen. Mit der Safularijierung der Kirchengüter
im Anfang de3 19. Jahrh. verloren die Whnenproben
den legten Reſt threr rechtlichen Bedeutung. Nur fiir
den Emtritt in das Domfapitel gu Olmütz, fiir den
preußiſchen Johanniter-, den Deutiden, Maltefer-,
den bayriſchen St. Georgs- und einige andre Orden
jowie fiir Die Kammerherrenſtellen ijt Heute nod eine
Ahnenprobe erforderlich.
Unter Uhnentafel, vom Stammbaum (f.d.) wohl
ju unterideiden, verjteht man cine Aufſtellung der
viiterlicen und mütterlichen A. einer her aera, "sa
jonlicfeit nad folgendem Sdema:
() Grofvater © Grofmutter [ Grofvater O Grofmutter
O Sater
O Mutter
Oo
Dies wiirde eine Uhnentafel zu vier U. fein. Wird
dDiefelbe nod weiter zurückgeführt, fo entitehen Uhnen-
tafeln von 8, 16, 32, 64 u. ſ. f. A., da ſich Durd
Hinjufiigung einer weitern Generation die oberjte
Ahnenreihe muner verdoppelt.
UhnenFultus, ſ. Manendienit.
Uhnenprobe , ſ. Wohnen.
Ahnfrau, die Ahnmutter, Stammmutter eines 4
Geſchlechts; in der Sage ein Geſpenſt, das ſich anf
gewiſſen Schlöſſern, den Tod eines Familienmitglieds
vorberverfiindend, ſehen läßt (7. Weiße Frau). So
jollte das Ericheinen der Melutine (f. d.) den Tod
eines aus der Famille der franzöſiſchen Könige ver: |
fiindiqen. Ahnliches knüpft fid) an die Schlöſſer und
Familie Der Hobhenjollern, aber aud an andre fiirit-
lidje und adlige Familien. |
Ahnentultus — Ähnlichkeit.
Ahnlichkeit, im allgemeinen die UÜbereinſtimmung
mehrerer Dinge in mehreren oder den meiſten ihrer
Merkmale, im Unterſchiede von der Gleichheit oder
der völligen Übereinſtimmung mehrerer Dinge in
allen ihren Merkmalen. Je weniger weſentlich die
tibereinjtimmenden Merfmale an Dingen jind,
dejto zufälliger ijt ihre A. Ob wir jedod an zwei
Objeften eine A. finden oder nidt, hängt aud) mit
davon ab, unter welchem Geſichtspunkt wir fie ver-
leichen; Dinge, die in einer Hinſicht ähnlich find,
Onnen in andrer Hinſicht Gegenſätze bilden.
Der Begriff der A. ijt vornehmlid) in den Natur-
wifjenfchaften und in der Vathematif von Bedeutung.
Die Klaſſifikation der Lebeweſen geht von deren
oder der lbereinjtimmung im Organbau aus; die
phyfiologijden und phyjitalijden Wiffenfchaften aber
ſuchen aus der YW. (Unalogie) der Erjdeinungen und
Wirkungen die dieje bedingenden allgememen Natur:
efese ju erfennen. Obwohl die A., die beſtimmte
Lier und Pflanzenarten untereinander und mit thren
Erzeugern befigen, in vielen Fallen von Blutsver-
wandtſchaft oder gemeinfamer Wbjtanmrung herrührt,
fo gibt es dod) aud) eine Durd) gleiche Erndhrungs-
—* und Lebensbedingungen erzeugte phyſiologiſche
und morphologiſche A. Anpaſſungs-AH, die 3. B.
viele Waſſerpflanzen und Tiere der verjdiedeniten
Familien einander äußerlich gu nähern ſcheint (ſ. An—
paſſung). Durch dieſe gufammenfiihrende oder
konvergente Züchtung iſt z. B. die A. zwiſchen
Erdwiirmern, Blindwühlen, Amphisbänen und Bimd-
ſchlangen entjtanden, alſo bei Lieren, die zu febr ent-
fernt jtehenden Klaſſen gehoren, ebenfo wie es m
äußern Bau fehr iiberemjtinnmende -Maulwürfe«
unter Beutlern, Nagern und Inſeltenfreſſern gibt.
Auch die natiirliche Ausleſe bringt infolge des Schupes,
den gleidfirmige Farbung mit dem Hintergrumde
ewährt, Y. in Färbung und Zeichnung der Tiere
ervor (f. Schutzeinrichtungen). Nod ftrengere A
bis in Cinjelheiten der Gejtalt, Färbung * Zeich⸗
nung, ruft die Mimifry (ſ. d.) bet gar nicht ver-
wandten Tieren ms Leben. Der Syitematifer, der
die natiirlide Berwandtidaft der Organismen er-
qriindet, muh Daher jtreng die Gleichwertigkeit (G o-
mologte) der ähnlichen Leile von der bloRen phy -
fiologifden W.(Unalogic) unterideiden. Sofmd
die Flügel der Vogel und Fledermäuſe als Umbil—
bungen Der vordern Extremität unteretnander und
mit den vordern Schreit-⸗, Grabs und Ruderbeinen
der Amphibien, Reptilien und Saugetiere homologe
Bildungen, die Schwingen der »flieqgenden Drachen«
al8 von falfchen Rippen geſtützte Hautgebilde und die
Flügel Der Ynfetten, die emen gang andern Urſprung
haben, nur analoge Bildungen. Jn der Pflanzen
welt entitehen unter anderm durch Fleiſchigwerden des
Stengels und Riidbildung der Blatter überraſchende
. unter Angehörigen gar nicht miteinander ver-
wandter Bflanjenfantilien (3. B. Kafteen und Euphor⸗
bien). Uber ſchützen de A. ſ. Mimikry und Sdhup-
einrichtungen. J
In der Mathematik verſteht man unter VW, daß
zwei Figuren dieſelbe Geſtalt, aber verſchiedene Größe
haben. Das Zeichen der A. ijt M (cin liegendes s,
vom lat. similis, »ahnlich⸗). Zwei ebene gerad-
linige Bielede find ähnlich, wenn ſie gleichviele Seiten
haben, und wenn man die Seiten des einen der Reibe
nad den Seiten des andern fo zuordnen fann, daß
das Verhältnis der Langen je zweier aufeinander fol-
gender Seiten und auerdem der Winkel zwiſchen
dieſen Seiten bet Dem einen Viele genau fo grof tit
1, Bergahorn (Acer pseudoplatanus), blihender Zweig; la (ruchtbare Zwilterblite; 1b mannliche Blite ohne
Kelch- und Bidtenblitter; 1c Frucht; 1d Triebspitze mit Knospen. — 2. Spitzahorn (Acer platanoides),
Zweig mit Frucht; 24 Blite.
Meyers Konv.- Lexikon, 6. Aufl. Bibliogr. Institut in Leipzig. Zum Artikel ,Ahorn.
Ahorn Il.
a}
Fe 3/1)
4
4}
“h
My)
i
~ p>,
——
|
3. Blihender Zweig des weissen Ahorn (Acer dasycarpum); 3a. Frucht. — 4. Zweig mit Friichten des
eschenblatterigen Ahorn (Acer Negundo); 4a. Zweigstiick mit Bliten.
Hhnlidhfeitspunft — Ahorn.
wie bei den entſprechenden Seiten des andern. Zwei
entſprechende Seiten der beiden Vielecke ſtehen dann
ſtets in demſelben Verhältnis zueinander, und die
Flächeninhalte der Vielecke verhalten ſich zueinander
wie die Quadrate von irgend zwei entſprechenden Sei-
ten. Zwei ähnliche ebene Vielecke, z. B. die Fünfecke
ABCDE und A’'BCD'E (j. Sigur), fann man
ftets fo legen, dak die Verbindungsiinien entſprechen⸗
der Eden (hier AA’, BB’ x.) alle durch einen Bunt
8 gehen. Je zwei entipredjende Seiten (A B und A’ B’,
BC und BC x.) find dann gueinander parallel, und
die Wbjtinde
des Punftes 8
von irgend zwei
entſprechenden
Eden (z. B. 84
und SA’) ver—
halten fid) wie
zwei = entpre-
chende Seiten.
Wan nennt in
diefemt Falle die
Vielecke ähnlich liegend, und der Punt S Heit,
wenn er auf der Verbmdungslinie je zweier entſpre—
chender Eden liegt (j. Fig. Lu. IID, ihr innerer, wenn
er auf der Verlängerung diejer Verbindungslinie liegt
(j. Sig. Iu. ID, ibe äußerer Ähnlichkeitspunki.
Hat man cin beliebiges geradliniges Viele und wählt
irgend einen Punkt S zum Whnlicheitspuntt, fo fann
nian beliebig viele ähnliche und ähnlich liegende Biel-
ede fonftruicren, indem man 8 mit allen Eden des
Vieleds verbindet, auf einer diejer Verbindungslinien
eine Ede des ähnlichen Vielecks beliebig wählt und
dann die Seiten durch Ziehen von Parallelen zu den
Seiten des urſprünglichen Vielecks ermittelt. In der—
ſelben Weiſe kann man zu jeder räumlichen Figur
beliebig viele ähnliche und ähnlich liegende konſtruie—
ren, aber auch zu jeder krummen Kurve oder Ober—
fläche; die Kurve z. B. hat man ſich dabei als ein
Vieleck mit unendlich vielen Eden zu denfen.
— — ſ. Ähnlichkeit.
Ahnung, die auf unbeſtimmten Gefühlen be—
ruhende Erwartung entfernter oder gufiinftiger Er—
eigniſſe. Empiriſche Beweiſe für die Exiſtenz eines
il wunderbaren » Uhnungsvermigens« feh-
len oder laufen darauf hinaus, dak unbeſtimmte Er-
wartungen, naddem ihnen die Ereigniffe (zufällig)
recht gegeben haben, nachträglich für UW. ausqegeben |
werden. Golde Erwartungen treten oft mit grofer
fubjeftiver Gewißheit auf und find ſcheinbar gang un:
motiviert, in Wahrheit aber entipringen fie aus be-
jtimmten pfydologifden Urjaden; es ijt bann aud
fein Wunder, daß fie teilweife in Erfüllung gehen,
fofern nämlich die ſubjeltiven Urſachen der »Ahnun—
qen« zugleich den geahnten Erfolg bewirfen (Todes-
abnungen Stranfer), — In der Bhilofopbie haben
Jacobi und Fries dem auf die Erfabrung beſchränkten
Wiffen die überzeugung von der Realttat der iiber-
jinnliden Ideale als U. entgegengejept. Weiterhin
qebraudt man das Wort A. aud) für eine nod nicht
völlig abgeflirte und auf Beweiſe gejtiigte Crfenntnis
einer Sache.
Aho, Juhani (cigentlid Johan VBrofeldt), finn.
Schriftſteller, Schöpfer der modernen Kunſtproſa der
finniſchen Sprache, geb. 1861 zu Jiſalmi in Savolals,
Pfarrersſohn, — war Mitbegründer der jetzt
verbotenen freiſinnigen jungfinniſchen Zeitung ⸗Pui⸗
viilehti«< (1889) und machte mehrere Auslandsreiſen
nad Paris, Florenz xc. Seine gleichzeitig in finniſcher
207
und ſchwediſcher Spradje erſcheinenden Werfe find
die Volfsbilder: »Rautatie« (ſchwed. »Jernbanen<),
»DA far képte lampan«, »Muuan Markkinamies<
(»>Marknadskarlan«, 1884); »Hellmannin Herra«
(1886; »Patron Hellman«, deutſch, Berl. 1899);
»Esimerkin yuoksi« (» Fir exemplets skull«, 1886);
»Maailman murjomas (»Fredlis«, 1894); Die No—
vellen: »Helsinkiin« (1889), »Till Helsingfors«
(1893); » Yksin« (1890), »>Ensame (1890); die Sfij-
en: »Lastujac (»Spdinor<, »Späne«, 1891— 99, 4
de.); »Enris« (1899—1900, 2 Bde.); die modernen
Romane: »Papin tytiir« (1885), »Priistens dotter«
(1892; deutid): » Ellis Jugend«, Berl. 1899); »Papin
rouva« (»Priistens hustrue, 1893; deutſch: ⸗Ellis
Ehe«, daſ. 1896) und der hijtorifde Roman »Panu«,
Sdhilderungen der legten Zeit er Rämpfe des Chrijten-
tums und des Heidentums in Finnland (1898, 2 Bde. ;
deutſch, Leips. 1899).
Ahoi! feeminnifder Unruf: » Schiff a.!«, » Boot
a.!« foll die Aufmerkſamlkeit tery sect erreqen.
Ahorn (Acer L., hierzu Tafel⸗Ahorn J und L<),
Gattung der Ucerazeen, Baume oder Sträucher mit
ungeteilten, gelappten oder gefiederten Blättern, Blü—
ten in Rifpen, Trauben, Dolden rc. und gefliigelten
Früchten. Ctwa 100 Arten in der nördlichen gemä—
pigten Sone.
1) Dte Trauben oder Rifpen bildenden Bliiten er-
fdeinen nad) Entfaltung der einfachen Blatter: Der
tatarifde U. (A. tataricum L.), in Siidojtenropa
und Borderafien, Straud) oder fleiner Baum mit
anjen Blattern, weißen Blüten und roten Friidten,
—* Der gemeine Bergahorn (weißer,
jtumpfblatteriger U., Syfomore, A. pseudo-
platanus Z., f. Tote I, Fig. 1), in Mittel- und Siid-
europa, in Borderafien, metjt in Gebirgen, hat qrofe,
meijt dret-, aud) fiinfteilige, ftumpflappige Blatter
und Bliiten in hängenden Trauben. Ciner unfrer
ſchönſten Baume, 30m hod, mit ausgebreiteter Krone,
vollendet fein Hdhenwadhstum mit 100, erreidt aber
ein Alter von 500 Jahren; er bildet in der Schweiz
Wilder, tritt bet uns nur eingefprengt auf und jteigt
in den Bayrifden Wlpen bis 1500 m. Vorzüglicher
Ulleebaum. Sein fejtes, feines, glänzendes, hellgelb-
liches oder rötlichweißes Hol; dient zu feinern Holz—
arbeiten.
2) Die doldentraubigen Blüten erſcheinen mit oder
fur; nad) Den einfaden Blattern: Der Spitzahorn
(A. platanoides L., ſ. Tafel I, Fig. 2), in Europa,
Vorderajien, mehr in der Ebene, hat fiinf- und fieben-
teilige, fpiplappige Blatter, wird 30 m hod), erreicht
fein hohes Ulter, hat griberes Holz, zientlich zucker—
reichen Saft und wird, wie der vorige, in mebreren
Ubarten fultiviert. Wus den Maſern fdneidet man
die Ulmer Bfeifenfipfe. Der Rucderabhorn (A. sac-
charinum Wangenh.), Waldbaum im atlantifden
Nordamerifa, fiber 30 m hod, in den Blattern une
ferm Spigaborn ſehr ähnlich, liefert qutes Nutzholz
(qemaferte Stiide bilder das Vogelaugenhol;),
ottafde und zuckerreichen Saft, der im Frühjahr
durd) Unbohren de3 Stamnes gewonnen und auf
Zucer verarbeitet wird (j. Zucker). Der Zuckerahorn
ijt das Nationalemblem Ranadas. Der Feldabhorn
(nordifder Mafholder, Kreuzbaum, Maß—
eller, A. campestre Z.), in Mitteleuropa und im
Mittelmeergebiet, meijt tn der Ebene, ſteigt in den
Bayrijden Alpen bis 800m, baum⸗ und ftraudartiq,
oft mit jtarfer Rorfbildung, hat fleinere drei- und
fiinflappige Blatter und hartes, zähes, oft ſchön ge—
maſertes Sols, das vielfach verarbeitet wird. Der
208
franjdjifde Ul. (A.MonspessulanumZ.), im Mittel: |
meergebiet und am Rhein, mit dreilappigen Blittern, |
deren Abſchnitte meijt ganzrandig und ſtumpf find, |
ijt ein beliebter Zierſtrauch.
8) Die Bliiten erjdeinen lange vor den cinfachen, |
unten bell blaugriinen Blattern: Der weiße A. (A.
dasycarpum Ehrh.. j. Tafel I, Fig. 3), in Nord: |
amerifa am Obio, 30 m hober, ſchöner, rafch wad |
fender Baum mit flinftetligen, am mittelſten Abſchnitt
qelappten, unterfeits “ap Blättern und dol-
digen Blüten, quter Alleebaum, liefert aud SZuder.
Der rote A. (A. rubrum L.), in Nordamerifa, Cha-
rafterpflange der Swamps, mit dreilappigen Blattern,
die ungleich gefagt, bisweilen cingefdnitten find, und
roten Blüten, eins der ſchönſten Ziergehölze.
4) Bliiten diöziſch, Blumenblatter fehlen, unpaarig
qejiederte Blatter: Der efdhenblatterige W. (A.
Negundo L., ſ. Tafel I, Fig. 4), im atlantijden Nord-
amerifa, mit meijt fünfzähligen Blattern, ſchnell wach—
fender, 15 m hoher Ulleebaum, der aud mit weiß
panadierten Blattern ſehr verbreitet ijt. Seinen Saft |
verarbeitet man am Red River auf Zuder. Kali |
fornifder A. (A californicum C. Koch), im pazi⸗
fiſchen Nordamerifa, mit meijt dreizähligen, unterjeits |
filsigen Blattern, der ſchnellwüchſigſte Alleebaum.
horngewadje, ſ. Acerazeen.
Ahovaibaum, ſ. Thevetia.
Ahr, linker Nebenfluß des Rheins in der Rhein: |
provin;, entſpringt auf der Eifel oberhalb Blanken⸗
heim, fließt mit vielen Windungen von SW. nad) RO. |
und ergieft ſich unterhalb Sinzig in Den Rhein. Sie
ijt 89 km lang. In dem romantifden Tale der YW.
(Ahrgau) wachſen die Uhriveine (j.d.). Vgl. Stein-
bach, Führer in das Uhrtal (6. Uujl., Neuw. 1897).
Ahrbleichart Whrbleider), ſ. Ahrweine.
Mhrden (GGrasährchen, lat. spicula) und
thre, ſ. Bliitenjtand.
Uhrenberg, Johann Yacob, finnlindifd-
ſchwed. Romanfdriftiteller und Urditeft, geb. 30.
Ypril 1847 in Wiborg, ſtudierte in Heljingfors, dann
an Der Runjtafademie in Stodbolm, machte Stu-
dienreijen ind Uusland, befleidete feit 1877 verſchie
dene Staatshaudmter und ijt jest erjter Staatsardi-
teft, aud) als Urdhitefturmaler tätig. Er veröffent—
lichte Reifeidilderungen: »PA Studieresor« ; Novellen
und Erzählungen: » PA friimmande botten« (1880),
» Hemmas (1887), » Hihuliter« (1889, 2. Aufl. 1898),
»Osterut« (1890), »Anor och ungdom« (1891), die
Romane: »Med styrkans riitt« (1899), »Rojalister
och Patrioter. En sommarsaga fran 1788« (1901),
»Stockjunkarne (1892; deutid), Halle 1895), »Fa-
miljen pà Haapakoski« (1893), »VAr Landsmann«
(1897); ferner Schilderungen Oſtfinnlands: »Frin
Karelen« (1894), und Sfijjen: » Bilder, minnen och
intryck« (1895), u. a. Seme Schriften wurden teil-
weije ing Deutſche, Engliſche, Däniſche, Franzöſiſche,
Ruſſiſche überſetzt.
Ahrendſee, Oſtſeebad, ſ. Brunshaupten.
Ahrenuleſe, das Aufſuchen der bei der Ernte auf
dem Felde liegen gebliebenen Uhren, womit arme
Leute jich einen Heinen Erwerb ju verſchaffen pflegen.
Moſes empfahl den Kindern Israels, »nidt alles qe-
nau aufjulejen« (3. Mof. 23, 22). Dod) wird die YW.
als fiir Die Landwirtſchaft ſchädlich von den neuern |
Gefeggebern verboten. — Qn der Literatur ijt A.
(aud) Nadlefe, lat. Spicilegium) eine Sammlung |
von Gedidten oder Sentenjen.
threnlilie, Uhrenrinfe, ſ. Narthecium.
tihrenmonat, j. Auguſt.
Ahorngewadje
— Ahriman.
Ahrens, 1) Heinrich, Rechtsphiloſoph, geb
14. Juli 1808 in Knieſtedt bet Salzgitter im Hanno
verjden, geſt. daſelbſt 2. Uug. 1874, ſtudierte in Gor-
tingen, wo er begeijterter Unhanger &. Chr. Frieder.
Krauſes (ſ. d.) wurde. Durd ſeine Habilitationsfdrijt
»De confoederatione germanica« (1830) beim Bun:
destag mifliebig geworden, Heteiligte er ſich im Ja—
nuar 1831 an dem Putſch in Gottingen und flob mit
ſeinem Genojjen Raujdenplatt nad Velgien und dann
nad Baris, wo er 1833 Borlefungen iiber die Deutiche
Philofophie jeit Rant hielt, aber ſchon 1834 dem Ruf
alg Profeſſor der Philoſophie an die Univerjitat zu
Brüſſel folgte. Von feinem Heimatliden Wahltreis
wurde er 1848 in das Franffurter Barlament ge
walt. 1850 wurde er als Profeſſor nad Graz 1859
nad Leipzig berufen. Durd ihn wurde Lraujes Per
loſophie nad Franfreid, Belgien, Spanien und Sũd
amerifa verpflan3t. Er ſchrieb: »Organifche Staats-
lehre auf philofophifd-anthropologifdher Grundlage«
(Wien 1850, Bd. 1), fein unvollendetes Hauptwert;
»Cours de droit naturel« (Bar. 1838; 8. Aufl.
Leip;. 1892, 2 Bde.; deutid u. d. T.: »Naturrecht«,
6. Aufl., Wien 1870—71, 2 Bde.); ⸗Juriſtiſche En-
zyllopädie⸗ (Daj. 1855-—57), die ins Italieniſche
uſſiſche und Polniſche überſetzt wurde.
2) Deinrid Ludolf, Philolog, geb. 6. Juni 1809
in Helmjtedt, qeit. 25. Sept. 1881 in Hannover, ftu-
dDierte 1826 —29 in Gottingen, habilitierte ſich 1829
dafelbjt, wurde 1830 Kollaborator am Gittinger Gym-
naſium, 1831 Lehrer am Padagogium in Ilfeld, 1845
Direftor des Gymnajiums ju Lingen, 1849 des Vy
zeums in Hannover und trat 1879 in den Rubejtand.
Seine wiſſenſchaftlichen Hauptwerfe find: »De grae-
cae linguae dialectis« (Gdtting. 1839—43, 2 Bde
neu bearbeitet von R. Meijter: » Die griechiſchen Dia
leftee, daſ. 1882-89) und »Bucolicorum graeeo-
rum reliquiae« (Leip3. 1855—59, 2 Bde.). Seine
»Sleinen Sdriften« wurden von Häberlin heraus
gegeben (Bd. 1, Hannov. 1891).
hrensböck, Fleden im oldenburg. Fürſtentum
Lübeck, an der Eiſenbahn Gleſchendorf-⸗A., bat cine
evang. Rirde, Umtsgeridt, Oberfiriterci, Maſchinen
und Lederfabrifation, Weberei, Spinnerei und case
1749 Cinw. Das friiher holjteinijde Umt UW. gehörte
bis 1867 zu Preußen.
UAbhrensburg, Dorf in der preuj. Proving Schles
wig-Holjtein, Sreis Stormarn, an der Hamburg-
Liibeder Eiſenbahn, hat eine evang. Rirde, Wants
eridht und (1900) 2087 Einw. Dabei das gräflich
Schimmelmannide Gut W. mit Schloß.
Abhrenshoop, Dorf im preuß. Regbez. Stralfund,
Kreis Franjzburg, auf der Halbinjel Darß, bat ein
Seebad und 200 Einw.
Ahrental, |. Tauferer Tal. [der Ahr.
Ahrgan, Gebirgslandſchaft in der Eifel (j. d.), an
Ahriman, in der von Zoroajter geitifteter Natio-
nalreliqion des alten Iran der Name des böſen Brin:
zips. YU. ijt Die in Den ſpätern perſiſchen Religions-
büchern auftretende Namensform; die griechiſchen
Schriftſteller kannten den böſen Geiſt ihrer perſiſchen
Nachbarn unter dem Namen Areimanios; im Send-
avejta fommt nod die vollere Ramensform Unro-
mainy us (böſer Geijt<) vor. Qn den Gathas, dem
älteſten Teile des Zendavejta, wird er nur einmal
ausdriidlid) qenannt, dod) ijt ſchon in denfelben die
Rede von den » beiden Geijtern<, die einander in Ge-
danfen, Worten und Werken entgegengefest find und
die quten und bdjen Wefenheiten geſchaffen haben.
Nad Dem 19. Rapitel Des Bendidad hat VW. cinen
Ahrweiler
vergeblidjen Verſuch gemadt, den Zoroaster (Jarathu⸗
ftra) gum Wbfall von Ormuzd (f. d.) gu verleiten.
Dem Gebote des U. find nad dem Hendavejta alle
andern böſen Getjter untertan, und die »ſchlechten
Geſchöpfe⸗: Giftid@langen, Raubtiere, Ratten, Maufe,
Ungegiefer, find von ihm geſchaffen. Sai Spiegel,
Eraniſche Ultertumsfunde, Bd. 2 (Leipz. 1873);
J. Darmefteter, Ormazd et Ahriman (Bar. 1877);
Tiele, Geſchichte der Religion im Wtertum, Bd. 2
(Gotha 1898).
Abhriveiler, Kreisjtadt im preuß. Regbez. Koblenz,
an der Uhr und der Staatsbahnlinie Remagen-Wde-
nau, at eine ſchöne Lath. Rirde , eine Synagoge,
Lrjulinerinnenflojter mit Erziehungsanſtalt, hobere
Biirgerjdule, Weinbaufdule, Nervenheilanjtalt,
Anisgericht, Oberforjteret, Rotweinbau, befonders
bei dem zur Stadtgemeinde —— Walporzheim,
und (1900) 5116 meiſt fath. Einwohner. Unfern der
Badeort Neuenahr (jf. d.). — W., ſchon 893 er-
wähnt, fam 1246 an das Erzſtift Köln und erbielt
1240 Stadtrecht.
Ahrweine, im Uhrtal im preup. Regbez. Koblenz
gebaute Weinforten, werden bis Ahrweiler auf fanf-
ten Hügeln, von dort an auf febr ſteilen Schiefer—
bergen —— Der Rebſatz beſteht größtenteils aus
fpdtem Burgunder, in den geringern fagen des Unter⸗
abrtals wird aud) Friihburgunder mit Borteil an-
ebaut. Das Ureal des UWhriveinbaues umfaßt 920
ttar. Man baut faſt ausſchließlich (618 auf May—
ſchoß, Red) und Dernau) Rotweine, die, entſprechend
der friibern Berbreitungsweije, bei der ein Hellrit-
lider Wein gewonnen wurde, al8 UHrbleidarte
(Whrbleider) in den Handel kommen. Sie befiten
eine —— dunkel blaurote Farbe, Süßigleit
und Blume, bisweilen etwas erdigen Geſchmack, viel
Körper und dem Burgunder ähnliche, angenehme
Milde, ſind aber nicht ſehr haltbar. Ausgezeichnet
durch Feuer und Blume iſt der oe due
(Domley, Girfammer), die Krone der A. Nächſtdem
werden beſonders Bodendorf, Heimersheimerbderg,
Wadenheim, Ahrweiler, Land, Witenahr geſchätzt.
Man benugt die Uhrtrauben aud) vielfach gur Verei-
tung von Schaumwein.
Ml (engl., fpr. d-b3u), ein vor Topp und Tafel
(f. d.) —— Schiff.
Ahumada, Pedro Giron, Marques de las
Amarillas, Hergog von, fpan. General und
Staatsmann, geb. 1788 in Gan Sebajtian, geſt. 14.
Mai 1842 in Madrid, ward 1806 Offizier in der
finigliden Garde und —* im Unabbangigteits-
fampf widtige Dienjte. Nad der Riidtehr Ferdi—
nands VII. zog er fid), als gemäßigter Ronjtitutiona-
lift verdächtig, auf feine Giiter guriic. Nad dem Aus—⸗
brud der Revolution wurde er 19. März 1820
Kriegsminiſter, trat jedod, von den Radifalen an-
gefeindet, im Auguſt wieder zurück. Ferdinand VII.
ernannte ifn 1833 in feinem Tejtament um Mitgliede
des fiir die Reit Der Minderjährigleit east Tochter
ernannten Regentſchaftsrats, und die Königin-Regen⸗
tin erhob ihn gum Hergog von A. Unter Toreno iiber-
nahm A. 1835 das Portefeuille des Krieges. Wher
feine Entwiirfe fdeiterten an der finangtellen Be-
drängnis und an der Unfähigleit fener Untergebenen.
Von der Preffe wegen Nepotismus angegriffen, legte
er fein Amt nieder. 1836, nad) Wiederaufrichtung
der Konjtitution von 1812, verließ er fein Baterland,
tebrte aber fpéiter nad) Madrid zurück.
Ahunavairya (Honover), Name ded heiligiten
Gebcetes der Rarjen, das, in der Zendſprache abgeralit,
Meyers Ronv.- Lerifon. 6. Mufl., L Bo.
209
mit ben Worten yatha ahd vairyd beginnt (daber die
Bezeichnung A.) und aus 21 Wortern bejteht. Bal.
Haug, Die U.-Formel (Münch. 1872).
ynramasba, ſ. Ormuzd.
Ahus pr. o-hus), Flecken im ſüdlichen Schweden,
in Chriſtianſtad, nahe der Mündung der Helged,
an der Eiſenbahn V.-Ehriſtianſtad, bildet den Hafen
der Stadt Chriſtianſtad und iſt Sitz eines deutſchen
Vizekonſuls. — Hier 1027 Schlacht zwiſchen Knut
d. Gr. und Olaf Haraldsſon.
Ahwas, einſt bedeutende Stadt in der perſ. Pro⸗
vinz Chuſiſtan, am Karun, deſſen Schiffbarkeit hier
Stromſchnellen unterbrechen, ſüdlich von Schuſch—
ter, war Reſidenz des letzten Partherkönigs, Urta-
ban IV. (bis 226 n. Chr.), und auch ſpäter nod) un-
ter Den Arabern durch ihren Handel bliihend, geriet
aber feit Dem 10. Jahrh. in Verfall und ijt jest ein
armlider Ort von etwa 2000 Einw.
Mi, ſ. Faultier.
Mi, franj. Stadt, f. Wy.
Aiamat, Regervolf, ſ. Felup.
Miantien, f. Aias 2).
Aias (lat. Ujar), Name gweier Helden im Tro-
janiſchen Rriege: 1) U. DerRleine, Sohn des Dilens,
König der Lofrer. Rad) Homer fampft er, flein von
Gejtalt und leicht gerüſtet, aber ein ſchneller Laufer
und vorzüglicher Speerwerfer, immer in ben Vorder⸗
reihen. Wuf der Heimfahrt liek thn die grollende
Uthene an der Südoſtſpitze Eubdas ſcheitern, weil er,
wie Spiitere angeben, nad Trojas Fall Rafjandra
von ihrem Ultar wegriß und dabet das Gotterbild um-
warf. Die Lofrer verehrten ihn als Heros und ließen
in der Schladtreihe jtets cine Stelle fiir ihn offen.
2) U. der Grofe, Sohn des Telamon, dabher der
Telamonier genannt, Konig von Salamis, nad Achill
der tapferjte im griechiſchen Heer, an Haupt und
Schultern alle tiberragend. Cr bejteht mit Heftor den
Zweilampf und rettet die Leiche Achills; als aber
deffen Waffen nicht ihm, fondern Odyſſeus zugeſpro⸗
den werden, gibt er fic) Den Tod. Nach ſpäterer Sage
wurbe er itber die erlittene Schmach raſend und er-
ſchlug die Herden des Heered, die er fiir feine Geqner
hielt; sur Beſinnung gefommen, ſtürzte er fid) in dad
ihm von Heftor gefdenfte Schwert. Aus feinem Blut
entſproß die Burpurlilie, auf deren Bliitenblattern
man den Rlageruf »Ai Wie erfermen wollte. Sein
Ende behandelt Sophokles’ Tragödie »YW.« Jn Sala-
mi3 hatte er als QandeSheros einen Tempel und das
Feit ber Miantien. Uuch in Uther wurde er verehrt;
nad ihm hieß eine der attifden Phylen »Aiantis«.
Mibling, Fecen und Bejirfshauptort im bayr.
Beg bes, Oberbayern, an der Glon, der Staatsbahntinie
2 stirchen-Rojenheim und der eleftrifdhen Bahn .-
Feilenbach, 481 m it. M., hat 2 fath. Rirden, Schloß,
Amtsgericht und (1900) 8246 Einw. Das dortige Sol-
bad bereitet Bader aus Mutterlauge mit Moorſchlamm
* Gelenferjudate, rheumatiſche Neuroſen rc. Auch
ſind zwei eiſenhaltige kohlenſaure Kalkwäſſer vorban-
den. Bgl. Krebs, Moorbad A. (Münch. 1900).
Micard (pr. atar), Jean, franz. Dichter, geb. 4. Febr.
1848 in Toulon, Sohn des qleidnamigen Geſchichts—
profejjors, trat zuerſt 1867 mit den » Jeunes croyan-
ces« vor die Offentlicdfeit, denen 1871 »Les rébel-
lions et les apaisements« folgten, madjte fic) jedoch
itt weitern Kreiſen erjt durch die »Poémes de Pro-
vence« (1874) und »La chanson de l'enfant « (1876)
befannt, weldje beide Werke von der Ufademie gekrönt
wurden. Nod groper Unerfennung fand das pro-
venjalijde Jdyll »Miette et Noré<« (1880). Sein
14
— icard.
Midvad —
~
agung des
im Drud und 1899 mit Exfolg auf ber Slee |
der Comédie francaise. In »Jésus« (1896) ſchildert
er das Leben Jeju in emfacer, aber wohlgeformter |
Bersiprade. Unter ſeinen Romanen find hervorzu⸗
: »Le roi de Camargue<« (1890), L’ame d'un |
enfant« (1898) und »Tatac (1901), die ritbrenbde ,
Geſchichte einer wadern alten Jungfer.
Aichach, Besirfsamtsitadt tm bayr. Regbe ——
bayern, an der und der Staatsbabnlime Reqens-
burg - Au burg, 450 m i. M., Gat 4 tath. Sixchen, |
Umtsgeridt, Bierbrauerei, Gerberei, 2 Kunſtmühlen
und (1900) 2576 Einw. — UW. wurde 1208 jur Stadt
erhoben, 1634 von den Schweden, 1704 von ben |
Diterreichern jeritort. Unfern itand ebedem die Burg |
Aichen, |. Cichen. Wittelsbach (7. d.). |
Aichmak, frither Flitifigheitsma’ fir Ben, = |
tam, |
Aigueperie.
Aide-toi et le Ciel t'aidera inte Hilf dir
— vik ene a aasirrsba ant» Uſchaft
wurde.
en von 1827 und Die fiir die Bourbonen verhangnis-
volle Oppojition der 221 Deputierten. Nac der Yuli-
revolution lojte fie fid) 1832 freiwillig auf.
Midin (U.Gizelbiffar), Sauptitedt emes Liwas
im türt. Wilajet A. (mit den Liwas Ismir, Saruhan,
U., Denizli und Menteidhe, 55,900 qkm groß, mit
1,396,500 Einw.), in Memafien, liegt m der Talebene
des Waander unweit der Statte des alten Tralles und
— — — A.
ſteht durch Eiſenbahn mit Smyrna und Dineit in Ver⸗
| 1 und bat ſchöne Moſcheen, mehrere Kirchen.
Maroquinfabrifation u. Baumwollkultur fowie Aus⸗
fubr von Baumwolle, Feigen, Cliven, Trauben.
Midoiomanie( gried.),franthajterGeidledtstricb.
Migen, 1) Schloß mit Kart, j. Saljburg (Stadt). —
0,25 Biertel = 4 Schoppen; m Franffurt a. M. — 2) Mart m —— Bezirksh. Rohrbach, am
1,798 Lit. in Hanau = 1,865 L. Rad der Mide von
50 2. wird aud
wertet. Die jachftiche Widfanne Bier halt 18 Dres- |
dener Kannen = '/s er.
Aichmetall, meijinggelbe Legierung aus 60 =| | ftratenferjtift Slag! mit gotiſcher Ri
i 38,2 Zink und 1,3 Eiſen, ijt auf dem Bruce
tabl ãhnlich, ſehr bart, widerjtandsfabiger als Eiſen,
lait at fh falt und heiß bearbeiten, dient gu Zapfen⸗
erm 2.
iba figuriertes Gewebe fiir Tiſch u. Gartendeden,
mit 24 Setten- u. 24 Schußfäden auf 1 cm. Garne:
Kette u. tear Baum-
wollenjwirn Rr.8 engl.
Die Farben wechſeln 1
rot, lcremefarbig. Die
Muſ wird her⸗
vorgebracht durch zwei
ſtraminartige ——
die übereinander li
und nach Form des
fters bald auf die —
bald auf die linke Wa⸗
renſeite acht wer-
rsa . Den *2*8 Sein:
ag zeigt Die Abbildun
Aide (franj., for. dv’), Gebilfe, —
Partner; A. de camp (fpr. tang), Adjutant.
MAidvé, Hamilton, engl. Dichter und Roman-
idpriftiteller, geb. 1830 in
niers und einer Tochter des Udmirals Sir George
Collier, ward in engliſchen Schulen erzogen, jtudierte
in Bonn, war 1845 — 52 Offizier und lebt jeitdem
als Literat. Wuf ein Bandden en: »Eleonore,
and other poems« (1856), folgte eine Reihe von No-
vellen und Romanen, unter andern: »Rita« (1859),
»Carr of Carrlyon« (1862), »>The Marstons« (1868),
»Penruddocke« (1873), »Poet and peer« (1880),
» Passages in the life ofa lady in]814—1816«(1887),
eJane Treachel« (1899), »Snares of the world«
(1901). Gedichtſammlungen erſchienen unter den
Titeln: »The romance of the scarlet leaf and other
poems« (1865) und “Songs V without music« (1882,
3. Aufl. 1889). Wud tm Drama verjudte er fic
(A Nine Days’ Wonder«, 1874; » Philips, 1877).
Bidagewebe.
Aides (frany., for. av’, Beibilfen«), friibere Be- Jacques Delille.
Montpenfier.
zeichnung fiir gewiſſe Abgaben oder Steuern.
junger Wein am Mittelrhein ge⸗ | und an der
—
——
ris, Sohn eines Arme⸗
Siidab: des Bohmerwaldes , an der Großen Mud!
[tretsbabn Urfabr-W. gelegen, bat em
Vesirtsgeriht, Leinweberei und (1900) 1864 Cou.
| SUdlid von A. liegt das 1218 gegriindete Prdmon-
u. Bibliothet.
le (ive. Sgt), 1) (beutidh Aelen)
fm, ect ce mton Binabt, —
der Miindung der Grande Cau im die Rhone und an
| der Eiſenbahn Billenenve-St.-Maurice, mit Sdlok
_Gymmafium und Induſtrieſchule. Barfettfabrit, Spar-
nerei, Weinbau (Morne). Marmorbriiden und *
3911 —— geſchützt und jum Winteraufen
VL. miinden die taler in Das
2) — 4 fran3. Stadt, ſ. Laigle.
sad gn Yale.
Migner, Jojeph Matthaus, Maler, —— 18.
Jan. 1818 in Wien, geit. 18. Febr. 1886 m V
— bei Wien durch Selbitmord, bildete ſich bei
um Waler aus und erwarb ſich bald durch —*
A einen geachteten Namen. Seine
an der Revolution von 1848 führte ſeine
zum Tode herbei, er wurde jedoch auf hohe Firiprade
adigt und bradte Dann mebrere Jahre auf Retien
ju. Seme manniliden Bortriite fejjelten beſonders
durch feine Charafterijtif und breiten, energifden Bor-
, fetne weibliden durch poetiſche, empfindfame
uffaffung und Durd den ſchwärmeriſchen Ausdruch
tle twerle find die Bildniſſe des Raifers Fran;
Joſeph und der Katferin Elijabeth und der Dichter
Lenau (im Yrrenbaus gemalt), Grillparjer, Halm
und Feudtersleben.
Aigonal (jor. sgted, Mont, ſ. Cevennen.
Aigrette (franj., jor. agrete’), der federige, an der
Spipe mander Samen befindliche Büſchel (SGamen-
trone, Pappas); der Federbuſch auf dem Ropfe man-
cher Vogel ; Daber ein Kopfputz aus aufrecht jtebenden
weißen rn, cin ähnlicher Schmuck auf Baldachin,
ar oder Dem Kopfe der Bferde.
Hi (fran}., fpr. &g-), erbittern.
Migueperfe ivr. ig pers), Stadt im franz. Depart.
Buy-de-Dome, Urrond. Riom, an der Lyoner Bahn,
bat eine gotifde Kirche mit Gemalden von Mantegna
und Gbirlandajo und (vo: 2196 Einw., die Tuch
und Hite anfertigen; Geburt8ort von L' Hopital und
Rin der Rabe bie Ruinen ded Schlofies
Higuesmortes — Ailly. 211
Wignesmorted (pr. ag⸗ mort), Stadt im franz. Chalotais (daſ. 1900—1902, 3 Bde.). — Sein Sohn
Depart. Gard, Urrond. ———— von Salzſümpfen Armand, Herzog von A., geboren um 1750, geſt.
unigeben, an einer Zweiglinie der Lyoner Bahn, 4 km | 4. Mai 1800 in Hamburg, war 1789 Mitglied der
vom Mittellandijden Meer (Golf von A.) entfernt, | Rationalverfammlung und gebdrte ju den erjten, die
* mittelalterliche Feſtungsmauern, ein Standbild | fic) mit dem dritten Stande vereinigten und auf die
udwigs des Hetligen und (i901) 4233 Einw., die | Privilegien ded Udels verzichteten. Cr ward als Gene-
Sodafabrifation, Fiſcherei und Handel betreiben. —
In A. ſchiffte fic) Ludwig der Hetlige 1248 und 1270 | ber Schreckenszeit mußte er indeſſen fliehen.
u ſeinen Kreuzzügen etm; Hier batten Karl V. und! Aigun (Sadaliyan Ula, dinef. Hei-lung-
i I. 1538 etme Unterredung. Bon A. fiihrt der | fiang), dhinef. Stadt in der Mandſchurei, rechts am
Ranal La Grande Robine als Fortfegung des | Umur, 30 km unterhalb Blagowje/dtidenit, mit
Ranals von VBeaucaire gum Hafen Grau du Roi} 15,000 Einw., jegt ganz unter ruſſiſchem Einfluß.
mit Geebad. Bgl. Pietro, Histoire d'A. (2. Unfl. | Die mit Palifaden umgebene, unregelmapig qebaute
1849); Martins, A. (2. Aufl., Montpellier 1875). | Stadt hat ſtrohgedeckte Lehm- und Hiegelhaujer, eine
Miguitre (franj., jor. agiie), cin zierliches Känn- Zitadelle, iſt Sig eines Gouverneurs und treibt an-
den mit Sdnabel, Henfel und Fuß, anfangs mit ſehnlichen Handel mit Getreide, Biegeltee, Ol, Senf,
Becken oder fladem Unterjag, diente sum Gervieren | Knoblaud, Tabak. — A. ward urfpriinglich als Ver-
des Waffers bei Tafel. Dieſe Kännchen wurden meift | bredjerfolonie und jugleid) als Gegengewidt gegen
aus Edelmetall, Bronze, Zinn angefertigt und in der | die ruffijden Unfiedelungen am andern Ufer angelegt.
Renaijjanceseit mit reidjer Ornamentif und figiir- | Hier wurde 16. Mai 1858 der Vertrag geſchloſſen,
lichen Darftellungen in getriebener oder gegojjencr | durch den Rupland das linfe Amurufer Bis jum Cin-
Urbeit verjehen (j. Tafel » Zinngqupwaren Me, Fig. 6). | tritte des Uſſuri und von da ab das ganze Land auf
Miguille (franj., fpr. agwij’, »RNadel«), Bezeidynung | dem rechten Ufjuri- fer erbielt.
von Berggipfeln in den Weſtalpen, insbeſ. der gacigen, | Wifen, Hauptitadt der Grafidaft U. im nordame-
pyramidalen Spigen in der Montblancgruppe, dar- | rifan. Staate Sitdcarolina, Bahnſtation öſtlich von
unter die A. verte (4127 m), UW. du Geant (4010 m), Auguſta und flimatifder Qurort, mit 900) 3414 Einw.
A. d'Urgentiere (8901 m) x. Den Namen Uiguilles Aikin pr. wn), Lucy, engl. Didterin und Schrift⸗
rouges führt die an der Nordjeite bes Chamonirtales | jtellerin, geb. 6. Nov. 1781 im Warrington, geft.
eqeniiber vom Montblane fid) bis gu 2966 m er⸗ 29. Jan. 1864 in Hampijtead bei London, Tochter des
— Bergkette. Schriftſtellers John A., erhielt durch dieſen eine
Aiguillon qpr.Agwijongh, 1) Stadt im franz. Depart. gediegene klaſſiſche Bildung und widmete ſich in der
Lot-et-Garonne, Arrond. Ugen, am Lot, nahe an Fol e bejonders dem Studinm der —— Ge⸗
ſeinem Zuſammenfluß mit der Garonne und an der ſchichte und Literatur. Ihr erſtes Werk waren die
Südbahn, mit römiſchen Mauerreſten und (1901) 1565 | poetifden ⸗Epistles on women« (1810), Die vielen
(al8 Gemeinde 2988) Einw., die bedeutendDen Tabal- | Beifallfanden. Später folgten Werte meiſt hijtoriiden
und Hanfbau betreiben. A., das alte Acilio, wurde | Charafters, wie: »Lorimer« (eine Erzählung, 1814);
1345—46 von Johann dem Guten vergebens belagert, | »Memoirs of the court of Queen Elizabeth« (1818
dagegen 1370 von Guedclin eingenomimen und 1599 | u. 6.); »>Memoirs of the court of James I.« (1822);
jum Dergogtum erhoben. Bgl. Alis, Histoire de | »Memoirs of the court and reign of Charles Le
la ville d'A. (Agen 1895). — 2) (L'A.-ſur-Mer) (1833); »Memoirs of Addison« (1843). Nad) ihrem
Flecken im franz. Depart. Vendée, Urrond. Fontenay, | Tod erjdhienen » Memoirs, miscellanies and letters«
an der Miindung der Lay in den Utlantijden Ozean, | (1864) und ihr VBriefwedjel mit W. E. Channing aus
mit Muſchelzucht, Fifderei, einem Hafen und (1901) | den Jahren 1826 —42 (1874).
1887 Einw. Die 5 km lange Landjunge von U. (mit! Wila, Stadt, ſ. tana.
Leudjtturm) trennt gegenwartig den Ort von der hie⸗ Ailanthus Desf, (auf den Moluffen Ailanto,
nad benannten Budt von A. (Anse de l'A.). Baum des Himmels), Gattung der Simarubazeen,
nee ({pr. dgwijong), Urmand Vignerot | hohe Baume mit gegenjtindigen, unpaarig gefieder-
Dupleffis Ridelieu, Herzog von, franz. Mini- | ten Blattern, kleinen polygamifden Blüten in reich—
jter, geb. 1720, geſt. 1782, erbielt 1756 das Gouverne: | verjweigten, endjtandigen Riſpen und zuſammen—
ment der Bretagne. Hier madte er fic) allgemein | gedriicten, einſamigen Miigelftiichten. Ctwa 7 Arten
verhaft, ward von dem Ddortigen Rarlament wegen in Ojtindien und Ojtajien. A. glandulosa Desf.
Veruntrenung dffentlider Gelder angeflagt und 1768 | (Gstterbaum), in China, ein ſehr ſchnellwüchſiger
auf Choifeuls Veranlaſſung abgerufen. Yn Paris Baum mit großen Blattern, gelblidweifen, holunder-
erwarb er fic) raſch die Gunjt der Dubarry und nahm ähnlich — Bliiten und braunrötlichen Früch—
in der wüſten Geſellſchaft des Königs eine der erſten ten, wurde 1751 aus China nach Europa gebracht
Stellen ein. Das Pariſer Parlament erhob trotz des und iſt jetzt als Parkbaum in der nördlich gemäßigten
Widerſpruchs des Königs den Prozeß wider WU. von | Zone und in ſubtropiſchen Mebieten verbreitet. In
neuem und verurteilte ibn gu einer entehrenden Strafe, | Siideuropa benugt man thn aud) jum Binder von
und die Barlamente der —— ſchloſſen ſich dem Küſtenſand. Die Blätter ſind das Futter der Raupe
an. Der Streit wurde ſo heftig, daß der Kanzler des Ailanthusſpinners (ſ. Seidenſpinner); das
Maupeou 1771 die Parlamente gewaltſam aufloöſte Hol; dient zu feinen Tiſchlerarbeiten.
und eine neue Gerichtsorganiſation einführte. Wäh- Ailinglabad, Inſel, ſ. Marſhallinſeln.
rend dieſes Streites war A. an Stelle Choiſeuls zum Ailly cpr.ajv, Peter von (Petrus de Alliaco),
Miniſter des Auswärtigen und des Krieges ernannt ſcholaſt. Philoſoph, geb. 1350 in Compiegne, geſt.
worden. Im Einverſtändnis mit der Dubarry leitete 1426, Lehrer und Kanzler in Paris, Kardinal, Führer
er nun die Angelegenheiten Frankreichs bis zuin Tode der Reformpartei auf den Konzilen zu Piſa und
des Königs. 1774 wurde er entlaſſen und vom Hofe | Konſtanz, behauptete die UberordDnung des Konzils
verbannt. Bgl. Marion, La Bretagne et le duc | iiber den Papſt. Er ſchloß fic) in ſeinen »Quaestiones
d’A. (Bar. 1898); Pocquet, Le duc d’A. et La’ super libros sententiarum« (Straßb. 1490) dem
14*
ral in der republifanijden Urmee angejtellt, während
214
Airey (pr. ied, Ridard, Lord, engl. General,
geb. 1803, geft. 14. Sept. 1881, wurde 1821 Fähnrich
und riidte bis 1852 zum Oberjt auf. 1854 Quartier:
meijter der engliſchen Truppen im Rrimfrieg, hatte
er wegen der mangelhaften —& für die Belage—
rungstruppen von Sebaſtopol Vorwürfe zu erdul-
den, von denen er ſich 1856 vor einer Unterſuchungs⸗
fommifjion reinigte. Schon 1854 gum Generalmajor
beférdert, wurde A. 1862 ———— 1871 Ge—
neral. Nachdem er 1870 —76 Gouverneur von Gi-
braltar qewefen war, erbielt er Den Titel Lord A.
Airol, pear hs rae ein dunkel grau-
qriines, geruch- und geſchmackloſes, in Waffer unlös—
liches Pulver, wird bet Wundheilung als Streupulver
und Bajta benugt. Die Wundflächen färben fic bei Be-
handlung mit A. qelb bis rot, die Umgebung braunrot.
Airolo (deutſch Eriels), Dorf im ſchweizer. Nan-
ton Teffin, 1179 m ii. M., am ſüdlichen Eingang des
Gotthardtunnels, Bahnitation, mit 1900) 1632 Einw.
Sommeraufenthalt ital. Tourijten. Hier 24. Sept.
1799 Treffen zwiſchen den Ruſſen und den Franjofen,
durch weldjes Suworow den libergang fiber den St.
Gotthard erzwang. A. wurde 28. De}. 1898 durch
einen Felsſturz vom Saffo Roffo teilwerfe verſchüttet.
Airy cipc. dev, Sir George Biddell, Ujtronom,
geb. 27. Jult 1801 zu Alnwick in Northumberland,
geſt. 4. Jan. 1892 in London, ftudierte in Cambridge,
wurde 1828 Profeſſor und Direftor der Stermwarte
Dafelbjt und war 1836—81 Direftor der Sternwarte
in Greenwich. 1872 wurde ihm die Ritterwiirde ver-
lichen. Er ſchrieb: »Gravitation, an elementary
explanation of the principal perturbations in the
solar system« (ond. 1834, 2. Wufl. 1885; deutſch
von Hoffmann: »Die Gravitation<, Leip;. 1891);
»Six lectures on astronomy, delivered at Ipswich
Museume« (1851 u. ö.; deutſch, Berl. 1852); » Alge-
braical and numerical theory of errors of obser-
vations« (2. Aufl. 1875); »On the undulatory
theory of optics« (2. Muff. 1877); »Atmospheric
chromatic dispersion, as affecting telescopic obser-
vation, and on the mode of correcting it« (1869);
» Notes on the earlier Hebrew scriptures« (1876);
»Sound and atmospheric vibrations« (2. Aufl.
1871); » Treatise on magnetism « (1870; deutſch von
Tietjen, Berl. 1874); »Numerical lunar theory«
(Yond. 1886). Seine »Autobiography« gab Wilfrid
Yiry heraus (Lond. 1896).
Airys Spiraten, |. Kolarifation des Lichts.
Ufford — ais. cisis.eis; Ais moll-Ufford —
ais.cis.eis; Ais moll-Tonart (ital. la ¢ [diesi)
minore, fran}. la ¢ |diése] mineur, engl. A [sharp) | t
Baris in eine Erziehungsanſtalt gebradt. Durd ihre
minor) mit fieben vorgezeichneten Kreuzen, ſ. Tonart.
Aifance (fran}., jor. ajangh’), Leichtigkeit, Behaglich
feit; Wohlſtand. Aisances, Cabinet d’aisances, Ab—
tritt, Kloſett.
Aiſch, linfer Nebenfluß der Regnitz in Franten,
font vom franfiiden Landriiden (der Hohen Leite)
bet Burgbernheim und miindet ndrdl. von Forchheim.
Aiſcha, cine der Frauen de8 Prophelen Moham
med, Todter des Ubu Ber (f. d. 1), die Mohammed
unt 620 tm Alter von faunt 7 Jahren fid) verlobte
und 624 heiratete. Durd ihr munteres, kluges Weſen
wurde fie die Favoritin Mohammeds, nad dejien
Tode fie durch thre genaue Bekanntſchaft mit dem
Vropheten großen Cinflup auf weite Kreiſe der Gläu—
bigen erlangte. Sie nugte ibn unter anderm aus
durch leidenichaftliche Rante gegen den ibr verhaßlen
Airey — Aijtulf.
zum Ralifen erwählt wurde. Yn der fogen. Kamels
Potadht (656) gefangen genommen, wurde fie von Ali
ungefraintt nad) Dieffa entlafjen. Später lebte jie
zurückgezogen in Medina, wo fie, als »Mutter der
Gläubigen« hodgeehrt, 676 jtarb.
Aiſeau cor. ajo), belg. Ort, ſ. Charleroi.
WMislingen, Fleden im bayr. Regbez. Schwaben.
Bezirfsamt Dillingen, hat eine fath. Pfarrkirche, ein
Satoh und (1900) 1098 Einw. Dabei das 10 km Lange
Wislinger Moos.
Misne (pr. an), Fluß im nördlichen Frantreid, die
alte Axona, entfpringt tm Urgonnenwald bei Baube-
court, ftrimt erſt nordweſtlich durd) die Departe:
ment3 Marne und Urdennen, dann weſtlich durch das
qleidjnamige Departement und einen Teil de3 De-
partement8 Dije und mündet oberbalb Compiegne
linfS in die Dife. Die Lange betrigt 280 km. Dic
widhtigiten Rebenfliifje find die Wire (rechts) und Beste
(linf8). Bis Condé erjesen der Urdennenfanal und
der Seitenfanal der U. als Schiffahrtslinien den
Flußlauf; von dort an bis zur Miindung wird aud
die A. auf 56 km Lange befahren.
Misne (jpr. dn), Departement im nördlichen Frank⸗
reid), umfaßt einen Teil der Ale de France und der
Picardie, iftnad dem Fluß A. (ſ. oben) benannt, wird
im RN. von Belgien und dem Depart. Nord, im O. von
den Departement Urdennen und Marne, im S. von
Seine-et-Marne, im W. von Dife und Gomme be
qrengt und hat ein Areal von 7427 qkm (134,8 OW.)
und (1901) 535,583 Einw. (72 auf 1 qkm). Das De-
partement jerfallt in filnf Arrondiſſements: St.
Duentin, BVervins, Laon, Soiſſons und Chateau-
Thierry. Hauptftadt ijt Laon. Val. Poquet, Le dé-
partement de l'A. (aon 1869); Matton, Diction-
naire topographique du départ. de l'A. (daf. 1871).
Misputte, Stadt, ſ. Hajenpoth. ;
Aiſſauas, angeblide Sette mohammedanijder
Fanatifer, die gum Beweis ihrer religidjen Ehſtaſe,
welche fie ſchmerzlos und giftfeſt machen foll, Bangen,
Lippen, Bunge, Arme rc. mit allerlet Waffen durch
ſtechen, Feuer freſſen x. Dieſe meiſt aus Marofto
ſtammenden Leute wollen Ausläufer der arabiſchen
Aſſaſſinen (ſ. d.) fein, allein ihre Produltionen find
mehr oder weniger Gaufeleien. :
Aiffe, Mademoifelle, eine der ſympathiſchſten
und poetifditen Gejtalten de3 18. Jabrh., geboren
um 1694 in Tſcherkeſſien (Daher ihr Name A. oder
Haidde), geſt. 13. März 1733 in Paris. Angeblich
Ais, in Der Dtufif das durd 2 erhdhte A. Ais dur- |
fürſtlicher Abkunft und auf einem Pliinderungsjuge
von Tiirfen qeraubt, ward fie um 1698 von dem
franzöſiſchen Botidafter in Konſtantinopel, Grafen
von Ferriol, auf dem Sflavenmarft gefauft und nad
blendende Schönheit und ihren Geijt tibte fie bald
großen Einfluß aus, wenn fie aud) den Anforderungen
‘der Moral nicht immer entfprad. Cine rithrende
Treue bewabhrte fie dem Chevalier d'Aydie, der fie,
da er ein geijtliches Amt befleidete, nicht deiraten
durfte. bre Beziehungen gu den beriihmtejten Ber-
ſonen der Zeit verleiben ihren Briefen an Mad. Ca—
landrini ein großes Intereſſe; diefelben find jucrft
1787 mit Unmerfungen Boltaires, zuletzt 1846 von
Ravenel herausgegeben und feſſeln durch thren leben:
digen und grajidfen Stil. Bouilhet hat fie zur Heldin
eines Dramas gemacht (1872), ebenfo Dejour (1898).
Bal. Courteault, Une idylle au XVIII. siéele.
M"« A. et le chevalier d'Aydie (Macon 1900).
Miftulf (Wjtolf), König der Langobarden 749—
Ali (j.d. 1), deſſen Feinden fie ſich anſchloß, als er 656 | 756, eroberte das sum griechiſchen Katjertum geborige
|
Hino — ire.
und mit Binfen verfleidet. Töpferei, Metallbereitung
find den A. unbefannt; als Boote dienen ausgehöhlte
Stämme. Fifdfang und Jagd mit grofen Hunden
(den rag Haustieren außer Ragen, Hiihnern,
Enten) find Hauptbeſchäftigung; der Uderbau (Hirje,
Bobhnen, Tabaf) tit gering. Cin Staatsweſen {deinen
fie nie entwidelt ju haben. Cinige Werkzeuge und
Geräte der A. geigen die Tafeln -Aſiatiſche Kultur⸗
Tafel 1, Fig. 3; UI, Fig. 20), »Geriitee (Tafel I,
Fig. 50 u. 52) und ⸗Kunſt der Naturvilfer« (Tafel J,
vig. 1). Val. Unutfdin, Der Bolfsftamm der A.
(ruff., Mosfau 1876); v. Siebold, Ethnologifde
Studien fiber die U. (Supplement gur » Reitfdrift fiir
Ethnologie«, 1881); Sdheube, Die UW. (Yofohama
1882); Ghamberlain, The language, mythology
and geogr. nomenclature of Japan (Tokio 1887);
Batdelor, The Ainu of Japan (Lond. 1892); Ma-
critdie, The Ainos (Leiden 1893).
Mino, weiblide Gejtalt in Kalevala (jf. d.).
Min Salah (Inſalah, Inçalah), Hauptort
— * Tuãt (f. d.).
n
8, Ruinen, ſ. Bethſchemeſch.
Win , befejtigte Stadt in Algerien, End-
ftation der Bahn Oran-UA., 1280 m ü. W., mit (ave)
16,163 Cinw. (nur 122 Franjofen), die Viehzucht
und Ausfuhr von Halfagras treiben.
inSworth (pc. ensiorth), 1) William Harri-
fon, engl. Romanfdriftiteller, qeb. 4. Febr. 1805
in Mandejter, gejt. 3. Jan. 1882 in Reigate (Sur-
rey), Gobn eines Rechtsanwalts, verdffentlidte, nod)
minbderjabrig, den Roman »Sir John Chivertone,
der ihm das Lob Walter Scotts eintrug, dann unter
Beifall die Romane: »Rookwood« (1834) und » Crich-
ton« (1837). Die romantijde Diebesgeſchichte » Jack
Sheppard« (1839) wurde mehrfad in England und
Frankreich dDramatijiert. Bewegt er ſich hier äußerlich
in den Bahnen Scotts, fo wird ſpäter Victor Hugos
»Notre-Dame de Paris« fein Borbild fiir pſeudo—
hijtorijde Romane, wie: »The tower of London«
(1840),»Old Saint Paul's« (1841), » Windsor Castle«
(1843), deren effetthajdende Tedjnit dem Melodrama
abgelaujdt ijt.
2) Billiam Francis, engl. Arzt, Geolog und
Reijender, Better des vorigen, geb. 9. Nov. 1807 in
€reter, gejt. 27. Nov. 1896 in London, ging 1827 als
Arzt nad) Paris, durchforfdte die Auvergne und die
Pyreniien in geologiſcher Beziehung, leitete nad fei
ner Riidfehr in Edinburg die Herausgabe des »Jour-
nal of natural and geographical science<« und
hielt Borlefungen iiber Geologic. WIS 1832 und
1833 in England und Irland die Cholera wiltete,
widmete er ae Dem Studium diejer nfpeit und
veröffentlichte cine vielbeſprochene Schrift: »On pesti-
jential cholerae. 1835 wurde er der Euphrat-Ex-
pedition unter Oberſt Chesney beigegeben und bereijte
auf der Riidfehr Rurdijtan, den Taurus und Klein—
afien. 1838 mit Raſſam und Th. Ruffell wieder nad
dem Orient gefdidt, drang er 1840 tiber Moful bis
ay den Neftorianern vor. Er veröffentlichte fiber feine
teiſen: » Researches in Assyria, Babylonia and Chal-
daea« (Lond. 1838); » Travels in Asia Minor, Meso-
potamia, Chaldaea and Armenia« (1842, 2 Bde.);
» Travels in the track of the 10,000 Greeks« (1844);
» A personal narrative of the Euphrates Expedition«
(1888, 2 Bde.) und »River Karun an opening to
British commerce« (1889). Auch gab er einen »⸗IIlu-
strated universal Gazetteer« (neue Aufl. 1869) und
das von Doré illujtrierte Werf » Wanderings in every
clime« ( Lond. 1872) heraus.
213
Aintab, Stadt im Wilajet Wleppo, 105 km nörd⸗
lid) von Wleppo, mit Baumwwoll- und Lederindujtrie,
anfehnlidem Zwiſchenhandel, alter Burg und etwa
43,150 Cinw. (meijt Turfmenen, 6000 Urmenier und
1200 Grotejtanten). A. ijt Hauptitation der nord-
amerifanifd - evangelifden Miſſion.
Air (franj., fpr. ax), Dtiene, Haltung, Unjtand;
vornehmes Unfehen; in der Muſik foviel wie Lied,
Geſang, wie das italienifde Aria; aud) Bezeichnung
von Qnjtrumentalmelodien, bef. foweit dieſe nicht
einem —— (A. de danse) entſprechen. Bal. Arie.
Wir (Usben), Gebirgsland in der fiidliden Sa—
bara, gwijden 16 — 20° ndrdl. Br. und 7—10° sft. L,
das fic) in den von N. nad S. giehenden Bergen von
Timge (1550m) fowie den Gebirgen Baghſen (1350 m)
und Eqbhellal iiber die 650 m Hohe Wüſtentafel erhebt
(f. Karte bet Guinea), Die Tiler find zum Teil mit
Vegetation bededt. Niederſchläge erfolgen nur int
September und Oftober, dann allerdings in Gejtalt
un —— Regengüſſe. Strauße, Gazellen, Löwen,
— ale, Wildſchweine ſind nicht ſelten. Die Be—
wohner, etwa 50 —60,000 Seelen, cin Gemiſch von
Berbern und Negern, verfertigen Lederwaren und
treiben Salzhandel (von Bilma). Als Geld dienen
rat ty und Baumwollenſtreifen. Die bedeutendjten
Orte find Tintellujt und die bereits 1460 gegriindete
uptftadt Ugades (j.d.). UW. wurde von Barth und
rin v. Bary erforjdt.
Aira L. (Sd miele), Gattung der Gramineen,
einjährige zarte Gräſer mit feinen Riſpenzweigen.
6 Arten in Europa, Nordafrika, eine in allen gemäßig⸗
ten Ländern. A. caespitosa L(gemeine od. Raſen—
ſchmiele, f. Tafel ⸗Gräſer I<, Fig. 6), mit fladen,
raugen Blattern, bildet auf leichtem, feuchtem Boden
dichten Raſen, ijt aber trotz des anjehnliden Ertrags
ein Futtergras dritter Klaſſe. A. canescens L., ſ.
Weingaertneria. A. flexuosa LZ. (Daferfd miele),
auf trodnem Gandboden und fandigen Triften, ijt ein
utes Weideqras. A. pulchella L. (j. Tafel »GriaijerV«,
ig. 12), A. elegans Gaud. und A. caryophyllea L.
werden fiir Trodenbufetts fultiviert.
Miravati, Sanstritname des Rawi, ſ. Jndus.
Aird (pr. xr), Thomas, ſchott. Didter und
Seriftiteller, geb. 28. Wug. 1802 zu Bowden in
Rorburghfhire, gejt. 25. Upril 1876 in Edinburg,
ftubdierte dajelbjt, wurde Journalijt und fdrieb »The
old bachelor in the old Scottish village« (1845,
neue Ausg. 1857), eine Sammlung von Erzahlungen
aus dem fdottijden Bolfsleben. Seine » Poetical
works« (darunter das popular gewordene >The
devil’s dream «) erſchienen in Cdinburg (5. Aufl. 1878).
Wirdrie (pr. adr, Stadt (municipal burgh) in
Lanarfihire (Schottland), 15 km djtlid) von Glasgow,
mit (1901) 22,288 Cinw., liegt mitten tm ſchottiſchen
Steinfohlendijtrift und bildet das Zentrum einer
qrokartigen Cifenindujtrie.
Wire (pr. ke), 1) Stadt im franz. Depart. Landes,
Urrond. St.-Sever, am Wdour und der Siidbahn,
Biſchofsſitz, hat eine Rathedrale (12. Jahrh.) und ivory
2657 Einw. YL, ehemals Vicus Julii, die Hauptitadt
der YUturer, ward ſpäter Reſidenz des Gotenfinigs
Wlarid) I. — 2) Befejtigte Stadt im franz. Depart.
Pas-de-Calais, Urrond. St.Omer, an der Lys und
an der Vereinigung dreier Randle, an der Nordbahn,
hat cine ſchöne Kirche, St.-Pierre, mit hohem Turm,
abrifen fiir Nigel, Leder, OL, Handel mit Getreide
und Mehl und (901 5366 (als Gemeinde 8458) Einw.
A., im 7. Jahrh. geqriindet, gehörte gu Flandern
und wurde 1713 an Frankreich abgetreten.
214 Hirey —
Airey (or. ied, Richard, Qord, engl. General,
geb. 1803, geſt. 14. Sept. 1881, wurde 1821 Fähnrich
und riidte bis 1852 zum Oberjt auf. 1854 Ouartier-
meijter Der englijden Truppen im Krimfrieg, hatte
er wegen der mangelhaften Fürſorge fiir die Belage-
rungstruppen von Sebajtopol Vorwürfe zu erdul-
den, von denen er fic) 1856 vor einer Unterludjungs-
fommiffion reimigte. Schon 1854 = Generalmajor
befordert, wurde A. 1862 Generalleutnant, 1871 Ge-
neral. Nachdem er 1870 —76 Gouverneur von Gi-
braltar geweſen war, erbielt er den Titel Lord A.
Airol, Wismutoxyjodidgallat, ein duntel grau—
riines, geruch⸗ und geſchmackloſes, in Waſſer unlös
iches Pulver, wird bei Wundheilung als Streupulver
und Paſta benutzt. Die Wundflächen färben ſich bei Be—
handlung mit A. gelb bis rot, die Umgebung braunrot.
Mirolo (deutſch Eriels), Dorf im ſchweizer. Kan-
ton Teffin, 1179 m it. M., am fiidlichen Eingang des
Gotthardtunnels, Bahnjtation, mit (1900) 1632 Einw.
Sommeraufenthalt ital. Touriften. Hier 24. Sept.
1799 Treffen swifden den Ruſſen und den Franzoſen,
durch welches Suworow den iibergang fiber den St.
Gotthard erjwang. UW. wurde 28. Dez. 1898 durd
einen Felsſturz vom Saſſo Roſſo teilweife verſchüttet.
Airy (ipc. ey, Sir George Biddell, Aſtronom,
geb. 27. Juli 1801 zu Alnwick in Northumberland, |
Aiſtulf.
zum Kalifen erwählt wurde. In der fogen. Kamels
tach (656) gefangen genonunen, wurde fie von Whi
ungefrintt nad) Mekka entlafjen. Später lebte fie
juriidgesogen in Medina, wo fie, als »Mutter Der
Gläubigen« hodgeehrt, 676 ftarb.
Mifeaw (vr. ajo, belg. Ort, ſ. Charleroi.
Mislingen, Fleden im bayr. Regbez. Schwaben.
Bezirksamt Dillingen, hat eine fath. Pfarrkirche, ein
Soh und (1900) 1098 Einw. Dabei das 10 km lange
Wislinger Moos.
Misne (pr. dv), Fluß im ndrdlidhen Frankreich, die
alte Axona, entfpringt tm Urgonnenwald bei Baube-
court, ſtrömt erjt nordweftlid) dDurd) die Departe-
ment3 Marne und Urdennen, dann weſtlich Durd das
qleidnamige Departement und einen Teil des De-
partement8 Oiſe und mündet oberhalb Compiéqne
linlS in die Dife. Die Linge beträgt 280 km. Die
wichtigſten Nebenflüſſe find die Uire (rechts) und Reste
(links). Bis Condé i Sp der Urdenmenfanal und
der Seitenfanal der U. al’ Sdiffabrislinien den
Flußlauf; von dort an bis zur Mündung wird aud
die A. auf 56 km Linge befahren.
Wisne (jr. dw), Departement im nordliden Frank⸗
reid), umfaßt einen Teil der Ile de France und der
Picardie, iftnacd dem Fluß A. (ſ. oben) benannt, werd
im N. von Belgien und dem Depart. Rord, im O. vor
qeit. 4. Jan. 1892 in London, ftudierte in Cambridge, | den Departements Urdennen und Marne, im S. von
wurde 1828 Profeſſor und Direttor der Sternwarte | Seine-et-Marne, im W. von Oife und Somme be-
Dafelbjt und war 1836—81 Direftor der Sternwarte | qrengt und hat ein Areal von 7427 qkm (134,8 DW)
in Greenwich. 1872 wurde ihm die Ritterwiirde ver- und (1901) 535,583 Cinw. (72 auf 1 qkm). Das De-
lieben. Er fdrieb: »Gravitation, an elementary | partement jerfallt in fiinf Arrondiſſements: St
explanation of the principal perturbations in the | Quentin, Bervin8, Laon, Soiſſons und Chateau-
solar system« (Lond. 1834, 2. Aufl. 1885; deutſch Thierry. Hauptitadt ijt Laon. Bgl. Boquet, Le dé-
von Ooffmann: »Die Gravitation«, Leipz. 1891); | partement de l’A. (Laon 1869); Matton, Diction-
»Six lectures on astronomy, delivered at Ipswich | naire topographique du départ. de l'A. (daf. 1871).
Museum< (1851 u. ö.; deutich, Berl. 1852); »Alge- |
braical and numerical theory of errors of obser- |
vations« (2. Aufl. 1875); »On the undulatory
theory of opties« (2. Aufl. 1877); »Atmospheric |
chromatic dispersion, as affecting telescopic obser- |
vation, and on the mode of correcting it« (1869);
» Notes on the earlier Hebrew scriptures« (1876);
»Sound and atmospheric vibrations« (2. Aufl.
1871); » Treatise on magnetism (1870; deutich von |
Tietjen, Berl. 1874); »Numerical lunar theory«
(Yond. 1886). Seine »Autobiography« gab Wilfrid
Airy heraus (Lond. 1896).
Airys Spiraten, ſ. Lolarifation des Lichts.
Als, in der Wufif das durch 2 erhöhte A. Ais dur-
Akkord — ais.cisis.eis; Ais moll-Wfford —
ais. cis. eis; Ais moll-Tonart (ital. la ¢ (diesi]
minore, franj. la /diése] mineur, engl. A {sharp|
minor) mit fieben vorgezeichneten Kreuzen, ſ. Tonart.
Aiſance (franj., jor. djangh’), Leidhtiqheit, Behaglich
feit; Wohlſtand. Aisances, Cabinet d'aisances, Wb
tritt, Kloſett.
Aiſch, linfer Nebenfluß der Regnitz in Franten,
fomimt vom franfijden Landriiden (der Hohen Leite) |
bei Burgbernheim und miindet nördl. von Forchheim.
Aiſcha, cine der Frauen de3 Propheten Moham-
j ſtechen ’
med, Tocter des Ubu Befr (ſ. d. 1), die Mohanrmed
um 620 im Alter von faum 7 Jahren fich verlobte |
und 624 beiratete. Durch thr munteres, kluges Weſen
wurde fie die Favoritin Mohammeds, nach deſſen
Tode fie durch thre qenaue Belanntidaft mit dem
Propheten großen Einfluß auf weite reife der Gläu⸗ Bal.
bigen erlangte. Sie mugte ibn unter anderm aus, Me
durch leiden}chaftliche Nante gegen den ihr verhaßten
Wii (jd. 1), deſſen Feinden fie fid) anſchloß, als er 656 | 756, eroberte das sum gri
Misputte, Stadt, ſ. Hajenpoth.
Aiffanas, angeblice Sefte mohammedaniider
vyanatifer, die gum Beweis ihrer religidjen Efftafe,
welche fie ſchmerzlos und giftfeſt machen foll, Wangen.
Lipper, — Urine rc. mit allerlei Waffen durd-
uer frefjen x. Diefe meijt aus Maroffo
jtammenden Leute wollen Ausläufer der arabijden
Aſſaſſinen (f. d.) fein, allein ihre Brodultionen find
mebr oder weniger Gaufeleien.
MAiffe, Mademoifelle, eine der fympathifdjten
und poetijditen Gejtalten des 18. Jahrh., qeboren
um 1694 in Tſcherkeſſien (Daher ihr Name A. oder
Haidée), geft. 13. März 1733 in Paris. Angeblid
fiirftlider Ubfunft und auf einem Plünderungszuge
von Tiirfen geraubt, ward fie um 1698 von dem
franzöſiſchen — in Konſtantinopel, Grafen
von Ferriol, auf dem Sklavenmarkt gefauft und nad
Baris in cine Erziehungsanſtalt qebradt. Durd ire
blendende Schönheit und ihren Geijt übte fie bald
großen Einfluß aus, wenn fie aud den Unforderungen
der Moral nicht immer entiprad. Cine riibrende
Treue bewabhrte fie dem Chevalier d'Aydie, der fie,
da er ein geiſtliches Amt befleidete, nicht beiraten
durfte. Dore Besiehungen zu den berithmtejten Per:
fonen der Beit verleiben ihren Briefen an Mad. Ca-
landrini ein großes Intereſſe; diefelben find juerft
1787 mit Unmerfungen BVoltaires, julept 1846 von
Ravenel herausgegeben und feſſeln durch ihren leben-
Digen und grajzidfen Stil. Boutlhet hat fie sur Heldin
eines Dramas gemacht (1872), ebenfo Dejour (1898).
Courteault, Une idylle au XVIII. siécle.
A. et le chevalier d'Aydie (Macon 1900).
Aiſtulf (Wjtolf), Kinig der Langobarden 749 —
iſchen Kaiſertum gehörige
Ai. — Ajaccio,
Exarchat Ravenna und bedrohte Rom. Auf den Hilfe-
ruf ded Bapjtes Stephan III. belagerte der Franfen-
finig Pippin 756 den A. in Pavia und mang ibn.
der römiſchen Kirche Genugtuung ju leijten. Als A.
dennod Rom belagerte, wurde er 756 von Pippin
genötigt, die fränkiſche Oberhoheit anguerfennen.
Ait., Abkürzung fiir BW. Miton ¢. d.).
Aitel, Fiſch, ſ. Ddbel.
Aitken cor. ete, Sir William, Mediziner, geb.
23. Upril 1825 in Dundee, gejt. 25. Juni 1892, ſtu⸗
dierte in Edinburg, wurde 1848 Projeftor in Glas.
ow, 1855 pathologifder Unatom in Scutari, 1860
Brofeffor an der Army Medical School. Er führte
das Thermometer in die engliſche Praxis ein und
ſchrieb: » Handbook of science and practice of me-
dicine« (1858, 7. Aufl. 1890); »The growth of the
recruit and young soldier« (2. Aufl. 1887); »On
the doctrine of evolution in its application to pa-
thology« (im »Glasgow Medical Journal«, 1885*—
1886); »On the animal alcaloids« (2. Wuff. 1889).
Miton (pr. en, William, Botanifer, geb. 1731
bei Hamilton in Sdottland, gejt. 1. Febr. 1793 in
Kew. Er war feit 1759 Borjteher des botanifden
Gartens ju Rew, den er gu dem reichſten der Welt er-
hob. Sein »Hortns Kewensis« (Lond. 1789, 3 Bde. ;
2. Aufl. 1810 —13, 5 Bde., hrsg. von feinem Sohn
und ——— William Townsend A. 1766—1849)
enthält die Befdreibung von 6000 Pflanzen mit faft
500 neuen Arten.
Aitzema, Lie we (Leo) van, niederlind. Ge-
ſchichtsforſcher, geb. 19. Rov. 1600 zu Doffum in
Friesland, geſt. 23. Febr. 1669 im Haag, ftudierte
Politif und Staatswifjenjdaften und war 30 Jahre
Refident der hanfeatifden Städte im Haag. Er lie-
ferte ein wichtiges Duellenwert fiir die Beit von 1621
bi8 1668, betitelt: »Saken van staat en oorlogh, in
ende omtrent de vereenigde Nederlanden« (Haaq
1655 —71, 15 Bde.; daſ. 1669 —72, 7 Bode.).
MiwalyF (qried. Ryd oni), —— im türk.
Wilajet Chodawendikjar in Kleinaſien, am Buſen von
Edremid, bis 1821 eine rein griechiſche Stadt, wurde
von den Türlen wegen Teilnahme am Befreiungs—
fampfe verwiljtet, fpdter aber wieder aufgebaut und
zählt jebt 20,774 meijt griech. Einwohner. A. hat
ein @ymnafium und treibt Olivenzucht, Olhandel und |
| — verbreitete Pflanzenfamilie aus der Ordnung der
Schiffbau.
Aiwas, Name chriſtlicher, meiſt armeniſcher Die-
ner im Haushalte türliſcher Großen, denen alle Ar—
beit obliegt, die der muslimiſche Diener verſchmäht.
Der A. gelangt durch ſeine große Unterwürfigleit oft
gu bedeutendem Vermögen.
Miz (pr. ats oder a8), 1) (W.-en-Provence) Arron⸗
diffementShauptitadt im franz. Depart. Rhönemün—
dungen, liegt nördlich von Marfeille, an der Lyoner
Bahn und zerfallt in einen alten und in einen neuen
Stadtteil, beide durch den ſchönen Cours Mirabeau
(mit mehreren Fontänen, von denen eine die Statue
des Königs René trägt), qetrennt, dann in die nord-
Hjtliche und weſtliche Borjtadt. Erwähnung verdienen
die alte Rathedrale St.-Sauveur (10.—17. Jahrb.)
mit reichem Portal und einem von act antifen Säu⸗
len —— Vaptijterium, die gotiſche Rirde St.-
Yean de Malte (aus dem 13. Yahrh.) mit Grabmilern
der Grafen von Provence, das Stadthaus mit altem
Uhrturm und das Gerichtsgebäude. A. zählt «901
23,955 (als Gemeinde 29,418) Einw., beſitzt Fabri⸗
fen für Bement, Seife, Kerzen, Mehl, Teigwaren,
Hüte u. a. und ijt ein wichtiger Handelsplatz fiir
Olivendl, eingemadte Früchte und Wein. Das Bade-
,|terbau. A. ijt
215
etablijjement, da8 vor zwei warmen Duellen (von 21
und 37°) verſorgt wird, enthalt einen rimifden Un—
ib eines Ergbifdofs, eines Wppell-
hofs und eines Handelsgeridts, hat drei Fakultäten
(1409 erridtet, mit 1899/1900; 250 Studierenden),
cin Lyzeum, eine Rormaljdule, cine Kunſt- und Ges
werbeſchule, cine Bibliothef pon 120,000 Banden und
1200 Manuftripten, ein arddologijdes Muſeum nebſt
Wemiildegalerie und ein naturgeſchichtliches Muſeum,
eine Gewerbefammer, ein Rranfen- und ein Irren⸗
haus. — A. ward 122 v. Chr. von dem Ronjul Ser-
tiu8 Calvinus wegen der dort entdedten warmen
Duellen —— und nad) ihm Aquae Sextiae be-
nannt. sjtlid) von A. erfodt Marius 102 v. Chr.
den Sieg über die Teutonen und Umbronen. Im
Mittelalter war es Reſidenz der Grafen, von 1501 an
Sit des Parlaments der Provence. A. ijt Geburtsort
des Hijtorifers Mignet, des Moralijten Bauvenarques
und der Botanifer Adanſon und Tournefort.
2) (A.les Bains) Stadt im franz. Depart. Sa-
voyen, Arrond. Chambéry, nahe dem Ojtufer des
See$ von Bourget, 258 m il. M., Knotenpunkt an der
Lyoner Gifenbabr. mit (1901) 5437 Couw., ijt berühmt
durch feine warmen Sdpwefelquellen (45 und 46°),
die unter bem Namen Aquae Domitianae und Gra-
tianae ſchon zur Zeit der Romer befannt waren und
hauptfidlid) in Dufdenform (mit Frottierung und
Maſſage) bet Kheumatismus und Hautfranfheiten qe-
braudt werden. Die Zahl der Kurgäſte beträgt jahr-
lich etwa 12,000. Bon rimifden Uitertiimern find
der fogen. Bogen des Campanus (3. oder 4. Jahrb.
n. Chr.), die Ruinen des Dianatempels und eines rd-
mifden Bades erhalten. Bal. » Aix-les-Bains, Guide
publié par la Société médicale d’A.« (Bar. 1900).
Aix, Fle d' (pr. i dds oder oa), Inſel an der franz.
Riijte, in Der Meerenge Pertuis d'Antioche des Atlan—
tifdjen Ozeans, gum Depart. Riederdarente, Arrond.
Rodefort, gehdrig, 129 Heftar groß, mit jtarfen Be—
fejtiqungswerten, Leudtturm und (ison 406 Einw.
eae Fiſchern). — Auf der Reede von A. iiberlieferte
id Napoleon 15. Yuli 1815 den Englindern.
Miz-(a-Chapelle cpr. Gs oder 48 (a ſchapãl), franz.
Name von Yaden.
Aizoazeen, difothle, etwa 420 Arten umfaſſende,
vorzugsweiſe im ſüdlichen Ufrifa und in der warmen
entrojpermen. Der gwifden Kelch und Fruchtbliit-
tern liegende Blattfreis bleibt einfad) und bildet ſich
ju Staubgefifen aus, oder er zerfällt durd) Spaltung
in viele Glieder, die ſich teils als Blumenbliitter, teils
alg Staubblitter ausbilden. Einjährige Kräuter,
Stauden oder Halbjtriuder. Die W. jerfallen in
Molluginoideen, meijt Steppens und Wüſten—
pflanjen, Fifoideen und Mefembrianthemeen.
Aja (ital.), ſ. Ujo. J
Mjaccio (fpr. ajattigo), Hauptſtadt der Inſel Korſila,
an dem herrliden Golf von A., an der Weſtküſte der
Inſel, in einer fruchtbaren Chene (Campo d'Dro) ge
legen, Unsgangspuntt der Eiſenbahn nad) Baſtia, hat
einen weiten, durch eine Zitadelle verterdigten Hafen.
Unter den Gebauden verdienen die ſchöne Nathedrale,
das College Fefd) mit Mufeum und Vibliothef und
Wrabfapelle der Familie Bonaparte, dann das Ge—
burtshaus Napoleons I. Erwähnung. Wn Dent:
malern befipt U. die Marmoritatue Napoleons J. als
Erjten Konjuls, das Monument der Familie Bona—
parte (Der Raifer gu Pferde, umgeben vor feinen vier
Briidern) und das Standbild Generals Whba-
tucci. A. zählt avo: 20,946 Cinw., die Fabrifa-
216
tion von Zigarren, Teiqwaren, Schiffbau, Rorallen-
und Sardellenfijderet und Handel mit Holz, Wein
und Ol treiben. Sm Hafen find 1899: 629 Schiffe
mit 195,372 Ton. eingelaufen. A. ijt Sig eines Pra-
feften, eines HandelSgeridjts und (fet bem 6. Jahrb.)
eines Bifdofs und hat ein College und zwei Normal-
ſchulen. RNeuerdings ijt es klimatiſcher Kurort, na-
mentlich Winteraufenthalt fiir Bruſtleidende gewor⸗
den; vgl. die Schriften von Biermann (Hamb.
1868), Gerber (Zür. 1883), Lang (Wien 1894).
AjahliKeman, türk. Streichinſtrument mit einem
Fuk, etwas fleiner alS das Cello. Bgl. Remanged.
MAjalbert (pr. aſchalbar) Jean, franz. Wdvofat und
Sehriftiteller, geb. 1863 in Levallois-Perret bei Paris,
kämpfte fiir Die Abſchaffung des Privilegs der Ad—
vofatur und wurde deshalb 1893 von der Barifer
Udvofatengilde zeitweiſe ausgeidlojjen. Er debiitierte
in Der Literatur mit den dem Bolfsleben entnomme⸗
nen realiſtiſchen Gedidten »Sur le vif« (1886), ließ
den naturalijtijden Roman » Le P’tit< (1888) folgen,
jdrieb nach cinem YWufenthalt in Deutfdland inter-
efjante » Notes sur Berline (1894), beteiligte ſich mit
Cifer am Feldzuge fiir die Revifion des Dreyfuspro-
zeſſes und ſammelte feine geharnijdten Artilel dar-
liber in den Büchern »Sous le sabre« (1898) und » Les
deux justices« (1899). Sein Hauptiwert ijt der Thea-
terroman »La Tournées< (1901). Für bad Thédtre
Libre dDramatifierte er mit großem Erfolg Goncourts
iiberaus naturalijtijde » Fille Elisa« (1891).
Ajaton, jum Stamm Dan gehörige Levitenftadt
Palajtinas. 8 nahen Tal fand die Schlacht Joſuas
egen fünf kanaanitiſche Könige ſtatt, wobei Jojua der
Sonne ——— gebot (Joſ. 10, 12). Jetzt Jalo.
Ajan (Ujansf), Ort in der ruſſiſch-ſibir. Küſten⸗
proving, am Ochotſtiſchen Meer, 1845 angelegt, friiher
Hafenort, feit Ubtretung Wlastas an die Bereinigten
Staaten von Amerika faft gan verddet.
ree ind. Dorf, ſ. Wdfchanta.
Mjas, ehemals widhtiger, jest verfallener Handel3-
blag tm türk. Wilajet Adana (RKleinajien), an_ der
Bucht von Ulerandrette. Bor der antifen Stadt Ägeä
find nur geringe Trümmer übrig.
Ajafoluf!, Dorf im tiirtijd-fleinafiat. Wilajet
Uidin, unweit der Miindung des Menderez, um S.
von Smyrna, mit 2793 Einw., bemerlenswert wegen
der Trümmer des alten Ephefus. Die ftarfen Fluß—
anidwenmungen haben die Küſte feit Dem Altertum
um mehr alg 5 km vorgejdoben. Der Name A. ijt
verderbt aus Hagios theologos, der Bezeichnung fitr
Ajax, ſ. Yias. den Evangelijten Johannes.
Wjingo, See in Weſtafrika, ſ. Aſingo.
Ajmere, ind. Stadt und Territorium, ſ. Adſchmir.
WjuaceSFs (pr. ajnarjors), Bad im ungar. Komitat
Gömör, 271 m ii. M., an der Staatsbahnlinie Fiilet-
Mistoles, mit fdhweflig-alfalifder Quelle, zwei erdi-
gen Eiſenſäuerlingen, der Burgruine Hajnacsfd und
670 ungar. Einwohnern.
Ajo (ital., fpan. Uno), Hofmeifter, Erzieher; in
der weibliden Form Wja (jpan. Uya), Kinderfrau,
Erzieherin. Frau Aja, der ſcherzhafte Beiname der
Mutter Goethes, ijt aus dem Vollsbuch von den vier |
Haimonsfindern entlehnt, deren Mutter diejen Namen |
führte.
a jour (frany., for. ſhar), gu Tage, durchſichtig;
von Rechnungsbüchern x.: bts auf den laufenden |
Taq in Ordnung. a. j. gefaßte Edeliteine find
folde, bei denen die Faſſung den Stein nur an
Kanten fejthalt, feine Rückſeite fret und unbededt, ihn
alfo durchſichtig läßt (ogl. Edelſteine).
Ajahli Reman — Ajwaſowſkij.
aà jour· Arbeit, Durchbruch in Weißſtickerei (7. d.)-
à jour-Stoffe, durchſichtige, durchbrochene Ge-
webe, aus Seide oder feinen Baumwollengarnen, mit
leinwandartigem Grund, während auf den dDurd-
ſichtigen Stellen vier Faden gujammendrehen, fo daß
Locher im Gewebcent-
—— (fj. Ubbild.). Die
ULL baby —— — —=
ſterung ijt geſtreift eee =5
oder farriert. Bur 2558 3hbe —
Herſtellung durchͤroo. =
dener Gewebe ligt STE
man audinGetteund Sfhikdbdbdhd ro iF =
Schuß nad mehreren A jour-Gemebe.
wollenen Faden meh⸗
reve baunuvollene folgen und zerſtört ſpäter die eme
Fadenforte burd) Karbonifierung. Die Bindung ijt
dann nur Leinwand.
Ajowanfriidte, ſ. Carum.
Ajtony (aud) Udtum oder Odtum), reicher
ungar. StammeSfiirit, ber zur Beit ded Heil. Stephan
längs der untern Maros cine faft unabbangige Stel-
lung einnahm und, um Stephan zu trogen, den Kai—
jer von Byzanz als Oberherrn anerfannte. 1028 wurde
er von Stephan gejdlagen und getötet. Sein Ge-
ſchlecht erhielt ſich tm Banat (ſ. d.) nod bis 1350.
Ajuda, Stadt in Wejtafrifa, ſ. Whydab.
Ujuthja (UWjuthaja, Quthia, »die unbeficg-
bares, auch Rrung-Rao, »alte Hauptitadt<), friiber
Dauptitadt von Siam, auf ciner Ynfel ded Menam,
unter 14° 20 nördl. Br. Die alte Stadt mit Hun—
derten von Tentpeln und ricjigen Buddhaftatuen aus
Kupfer, Silber und Gold wurde 1766 zerſtört; die
Trümmer find von Tropenwald iiberwudert. Die
neue Stadt hat 600 Klöſter (davon 40 leer ftebend)
und 50,000 gewerbtätige Cinwobner.
Ujwafowffij, 1) Gawriil Ronftantino-
witfd, ruſſ. Orientalijt, qeb. 22. Mai 1812 in Feo-
dofia auf der Halbinfel Krim, aus armenifder Familie,
jtudierte im Kloſter der Mecitarijten gu St. Lazarus
bet Venedig, wirkte dann dafelbjt alg Lehrer der orien-
taliſchen Spraden, der Philoſophie und Theologie,
wurde 1848 Stubdiendireftor am armenijden Kloſter
zu Baris und gründete fpdter Das neue armenijde
Kloſter zu Grenelle bei Paris. Er ſchrieb in arme-
nifcher Spradje einen » Abriß der Geſchichte Ruplands «
(Vened. 1836) und eine ⸗Geſchichte ded tiirfifden Rei⸗
dhes« (Daj. 1841, 2 Bde.). Wud) war er Hauptmit-
arbeiter an UWuchers großem armenifden Worter-
bud) und gab cine armeniſche wiſſenſchaftliche Seit-
ſchrift: »Pozmaweb« (»Bolybhijtor<), und eine arme⸗
niſch⸗ franzöſiſche Revue: »La colombe du Massis«
(Par. 1855), heraus.
2) Jwan Konſtantinowitſch, ruff. Marine-
maler, Bruder des vorigen, geb. 7. Juli 1817 in Feo-
dDofia, geit. Dafelbjt 2. Mai 1900, war feit 1833 Schiller
der Betersburger Ufademic, bildete fid) Dann weiter
unter Tanneu und dem Sdladtenmaler Sauerweid
(qeit. 1844) und bereijte cinen großen Teil Europas
und des Drients. Jn feinen —— zeigte er eine
glückliche Erfindungsgabe, eine große Virtuofitat in
der Wiedergabe der Töne des Waſſers und der Be—
wegung der Wellen ſowie eine elegante Pinſelführung;
aber fajt immer ſtrebte er nad) glänzendem, oft kraſ⸗
fem Effelt in der Beleudtung, wodurd fein Kolorit
qrefl und unbarmonijd wurde. Die Darjtellung der
aufgeregten Elemente gelang ibm weniger ald die des
rubigen Meeres. Bu den bedeutendjten feiner Effeft-
bilder gehiren: Wondideinlandidaft in der rim,
| Sonnenaufgang in Venedig, Gonnemuntergang ant
WF — Afademie.
Schwarzen Meer, Anſicht von Kertſch, Gonnenauf-
ang über Dem Meere, die Schöpfung und die Siind-
Pat (Die beiden leftern im Muſeum der Eremitage
gu Petersburg), Konjtantinopel im Mondſchein und
andre aus dem Raufafus und Armenien.
MF, ſ. Calotropis.
ME (tirt.), in zuſammengeſetzten Ortsnamen oft
vorfommend, bedeutet » wei.
Akäba (Utabet el Misrie), türk. Hafenort mit
Rajtell an der äußerſten Spipe ded Meerbufens
von A., ded norddjtliden Armes de3 Roten Meeres,
und am Giidende des Wadi ef Urabah, an der Stelle
des alten Ylana (j. d.).
Wfademie (qried). Axadyuca, lat. academia),
Anſtalt zur Beförderung wiſſenſchaftlicher oder künſt⸗
leriſcher Studien. Urſprünglich führte den Namen
die Schule Platons, die ihn von dem Garten des
Akademos, einem mit Anlagen verſehenen, an der
nördlichen Seite der Stadt Athen gelegenen Platz, emp⸗
fing, in dem jener ſeine Vorträge zu halten pflegte.
Die erſte Gejtalt derſelben (347—270 v. Chr.), die
fid) nod) hauptſächlich an die Werle ded Stifters hielt,
wird al8 Gltere (oder erjte) A., die Darauf folgende,
Deren Griinder Urfefilaos (316 —241) fic Dem Sfep-
tizismus näherte, als mittlere (oder zweite) A., die
von Sarneades (214 — 129) begriindete, die Dem
Probabilismus huldigte, als newere (oder dritte) U.
bezeichnet (j. Blaton). Unter den ſpätern Platonifern,
die wieder gum Dogmatismus — unter⸗
ſcheidet man nod cine vierte A., deren Haupt Phi—
fon von Larijja (unt 80 v. Chr.) war, und eine filnfte,
Heqriindet durch Untiodos aus Usfalon (um 50), der
die Platonifche mit den peripatetifden und ſtoiſchen
Lehren verſchmolz und dem Eklektizismus und Neu—
platonismus den Weg babnte.
Im neuern, durd Cicero und die fpatern Romer
vorbereiteten, ~ Renaiſſancezeit in Ftalien ausgebil-
deten Sinn ijt WU. entweder cine hd bherelnterridts-
anjtalt oder, und gwar nod biufiger, eine Gelebr-
tengefellfdaft. In der erjten Bedeutung ijt U.
oft joviel wie Univerſität. Ym Unterfdied von der
Univerjitdt verjteht man unter A. aud) eine Unjtalt,
die jum Bortrag nidt aller Wifjenfdaften, fondern
nur einer einzelnen oder mehrerer beſtimmt oder aud
fiinjtlerifden Studien gewidmet ijt. Eine folde Lehr-
anjtalt war 3. B. bid 1902 die A. gu Münſter in Wejt-
falen (bid dahin mit zwei Fatultaten), und nod jest
gehören das Lyceum Hosianum in Braunsberg und
Die acht fnigliden Lyzeen (Alademien fiir Theolo-
gie und Philoſophie) in Bayern hierzu; ferner die
Rrieqsafademien gu Verlin, Miinden, die Mili—
tirafadentien in Wiener-Neujtadt, Wien r., die Ma-
rineafademien in Riel, Fiume; die Berqafade-
mien zu Freiberg, Klausthal, Leoben, Peibram,
Schemnitz x.; die Forftafademien gu Freiburg,
Tharandt, Ujdhaffenburg, Hohenheim, Münden,
Eherswalde rc. ; die Wfademien fiir Landwirtſchaft
gu Hohenheim, Poppelsdorf r.; die Handelsata-
demien ju Wien, Gray, Trieſt ꝛc. (vgl. die betreffen-
den Urtifel: Kriegs⸗, Marine-, Bergafademie, Forjt-
ſchulen, Landwirtſchaftliche Lehranjtalten, Handels-
ſchulen ꝛc.). Hierher gehiren ferner die Alademien der
bildenden Künſte (ſ. Kunſtakademien). Endlich ijt
nod) der Muſikakademien gu gedenlen (ſ. Konſer⸗
vatorium), worunter man teils wirflide höhere Lehr⸗
anſtalten fiir Mufit, wie die Royal Academy of music
dhervorgegangen aus der 1710 geqriindeten Academy
of ancient music), teils Inſtitute oder Geſellſchaften
zur Pflege der Tonfunft veriteht. Hu leptern gehiren
217
unter anbdern die 1669 gegriindete Académie royale
de musique (jest Große Oper) in Baris, die A. fiir ita:
lieniſche Opernumifif (1720 gegriindet, Durd) Handel
beriihmt), die Accademia filarmonica in Bologna u. in
Verona, die Singafademie in Berlin, die Muritatade-
mien in Briiffel, Stodholm rc. Cin Mittelding zwiſchen
Schule (Gymnaſium) u. Univerſität bildeten früher die
jog. akademiſchen Gymnaſien und die Ritter—
akademien (j.d.), die jetzt meiſt zu einfachen Gymna-
ſien umgeſtaltet oder, wie aud) das alademiſche Gym⸗
nafium in Hamburg (1883), gang eingegangen find.
Das Vaterland der Ufadentien un Sinne von Ge-
lehrtenvereinen ijt ber Sache nad das gräziſierte
Agypten mit Werandria (wo das Mufeion tatfid-
lid) eine U. von hoher Bedeutung war), dem Ramen
und der ganzen Cinridtung nad Jtalien. Wm Hofe
Cofimos de’ Medici gu Floren entitand um 1470
eine Blatonifde i) Yn der Spike diefes nicht feſt
organifierten Vereins ftand der berühmte Platonitfer
Marjilius Ficini, mit deſſen Tode fid) (1521) die A.
auflöſte. Vielleicht fdjon einige Jahre friiher hatte
ji) an dem Hof Wifons' V. gu Neapel um Antonio
Veccadelli Ranormita ein Kreis von Gelehrten zu
einer A. vereinigt, in der namentlid Laurentius Balla
und Giov. Pontano (daber Accademia Pontaniana)
hervorragten. Diefe A. wählte ſchon auswartige Mit-
glieder und Ehrenmitglieder. Der A. von Neapel folgte
egen 1498 die gu Rom als Accademia antiquaria.
Ihr Griinder war Jul. Bomponius Lätus, der Hu-
manijt und Ujtrolog, ifr Hauptzweck Erforfdung der
italienijden Ultertiimer. Auch ſie knüpfte auswartige
Verbindungen an, mufte ſich aber, weil einzelne Mit⸗
glieder vom Papjt Paul IT. wegen angeblicer Ketzereien
verfolgt wurden, in die Verborgenheit zurückziehen und
dDauerte als geheime Geſellſchaft mur bis 1550. Erſt
unter Benedift XIV. lebte fie 1742 wieder auf. Bon
qrifter Bedeutung fiir die Entwidelung der italieni-
chen Sprache und iteratur ward die Accademia della
Crusca (eigentlich »Rleien-W.«, weil fie die Sprade
reinigen wollte wie das Mehl von der Kleie), die Der
Dichter Grazzini im Oftober 1582 gu Floreng qriindete.
Sie wurde Vorbild fiir die franzöſiſchen Ufademien
u. fiir die deutſchen i eg oa ig des 17. Jahrb.
ſowie fiir die zahlreichen Ufademien oder Gefellfdaf-
ten der Wiſſenſchaften (Sozietäten). Über die italie-
niſchen Alademien der ſpätern Heit f. unten (S. 219).
Das Guftitut de France gu Paris.
Unter den allgemeinen Wlademien gebiibrt den
unter den Ramen Institut de France zuſammen—
gefaiten Ufademien zu Paris die erjte Stelle. Die
nfdnge bejtanden in einem $rivatverein fiir die
Pflege der franzöſiſchen Sprache, der fich feit 1629 bei
Valentin Conrart verjammelte. Rardinal Ridelicu
erweiterte diejen Verein (2. Jan. 1635) gur Académie
francaise, die amt 10. Juli 1637 ihre Sitzungen be-
gann und von Unfang an, wie heute nod), 40 Mit-
qlieder zählte. Bier von ihnen —— von Colbert
1663 den beſondern Auftrag, die Abfaſſung und Re—
daktion der Inſchriften auf den öffentlichen Denk—
mälern ju leiten. Dieſe Konmiſſion, La petite Aca-
démie genannt, erhielt 1701 den Namen Académie
royale des inscriptions et médailles und ein Reqle-
ment, wonad) die Bahl ihrer Mitglieder auf 40 feſt—
gele t und der Kreis ihrer Titigfeit auf Geſchichte.
äologie und Philologie ausgedehnt wurde. Em
Defret des Regenten vom 4. Jan. 1716 dnderte den
bisherigen Namen um in Académie royale des in-
scriptions et belles-lettres. Die Académie dcs
sciences wurde 1666 durch Colbert den beiden bis-
218 Afademie (das Ynjtitut de France, die Berliner U. der Wiſſenſchaften ꝛc.).
herigen Ufademien hingugefiigt, 1699 neu gegliedert
und 1785 erweitert. Eine finiglidje U. der Bildhauerei
und Malerei (de sculpture et de peinture) war
fdjon 1648 von Mazarin erridtet und 1655 von
Ludwig XIV. beſtätigt worden. Als —“ Ein⸗
richtungen wurden dieſe Ufademien durch das Dekret
des Konvents vom 8. Aug. 1793 aufgehoben, aber
bereits 25. Oft. 1795 durch das Direftorium als In-
Sie beſchäftigt fic befonders mit einem » Dictionnaire
de ]’'Académie des beaux-arts«, wovon 5 Bande er⸗
fdjienen find, mit Gutadten und jablreidhen ‘Erete-
verteilungen. — Die fünfte Rlafje, die Académie
des sciences morales et politiques, zählt 40 ordent-
lidje, 6 freie, 6 fremde und 48 forrefpondierende Mit⸗
glieder. Sie hat auch verjdiedene Preiſe zu verteilen.
Die Ufademien Deutſchlands und ice.
stitut national — mit einer Gliederung
in drei Klaſſen, die Napoleon I. 1803 gu vier Klaſſen
ertweiterte. Seit 1806 heißt Der Gefamtname Institut
de France, je nad) der Regicrungsform de3 Landes
mit Dem Zuſatz royal, impérial oder national. Die
alten Namen Académie frangaise, Académie des
inscriptions et belles-lettres, Académie des sciences
wurben wieder eingefiibrt und als vierte Ubteilung
die Académie des beaux-arts Hingugefiig. Als fiinfte
A. trat 1832 auf Guizots Veranlaſſung die Académie
des sciences morales et politiques hinzu. Unter—⸗
einander find dieſe Alademien dDurd eine Anzahl ge
meinfdaftlider Cinridjtungen verbunden. Jedes
ordentlide Mitglied des Ynjtitutd bezieht einen Jahr⸗
ehalt von 1500, ber Sefretiir jeder Klaſſe von 6000
ant. ede Klaſſe verſammelt fid) getrennt von
den itbrigen; nur einmal im Jahre, jept 25. Oft.,
lommen in feierlicher Generalverjammlung alle Glie-
der ded Inſtituts zuſammen. Die Sipungen de3 In—
jtituts finden im Balais de l'Inſtitut ftatt. Val. Wucoc,
L'Institut de France. Lois, statuts et réglements
(Par. 1889); Graf de Franqueville, Le premier
siécle de l'Institut de France (daj.1895—96, 2 Bde.).
Die erjte Rlajje, die Académie francaise, mit
ihren ziemlich treu bewahrten urjpriingliden Statu-
ten und 40 Mitgliedern (les quarante immortels), be-
baut als ihr ausſchließliches Feld franzöſiſche Sprache
und Literatur; tbr Hauptwert ijt das große » Diction-
naire de l’Académie« (juerjt 1694, 7. Aufl. 1878).
Durd die zahlreichen jährlich verteilten Preife fiir
verdienjtvolle Werfe übt die A, auf die Literatur einen
bedeutenden Einfluß aus. Überdies ſteht ihr eine
Anzahl von Preifen fiir edle Taten zur Verfiiqung.
Bal. Mesnard, Histoire de l’Académie francaise
(Rar. 1859); Rouxel, Chroniques des élections a
l' Académie francaise (2. Aufl., daſ. 1888); »Les
Registres de l’'Académie de France, 1672—-1793«
(Daj. 1896, 3 Bde.). — Die sweite Rlajje, die Aca-
démie des inscriptions et belles-lettres, beſchäftigt
ſich mit der Geſchichte, Archäologie und laſſiſchen
Literatur. Sie hat 40 ordentliche, 10 freie, 8 aus⸗
wiirtige, 50 forrefpondierende Mitglieder und verfilgt
iiber eine Anzahl 3. T. betradtlider Breife. Unter
ihren Urbeiten ftehen die von den Benediftinern iiber-
fommene »Histoire littéraire de la France«, der
» Recueil des historiens de France« und das »Cor-
pus inscriptionum semiticarumé obenan. Bal. Des «
jardins, Comptes rendus des séances, etc. (Bar.
1858). — Der dritten Klaſſe, der Académie des
sciences, find Naturgeſchichte, Phyſik, Chemie und
Mathematif sugewiefen. Sie bejteht aus 68 ordent-
lichen, 10 freien, 8 auswartiqen und 100 forrefpon-
dierenden rin re und jerfallt in elf Seftionen
von je ſechs Mitgliedern (zwei beſtändige Sefretire
ſtehen außerhalb der Seltionen). Die veröffent⸗
lit: »Comptes rendus hebdomadaires des séances«
und »Mémoires«. Bgl. Maindron, L’Académie
des sciences (Par. 1887).-— Die vierte Klaſſe ijt die
Académie des beaux-arts. Gie befteht aus 41 ordent-
licen, 10 freien, 10 fremden und 40 forrefpondieren-
Den Witgliedern, die fic) in fiinf Seftionen qliedern.
Unter den Deutf den Ufademien ijt zuerſt zu men-
nen die U. der Wiffenfdaften ju Verlin. Sie
wurde unter Dem Namen »Sosietit der Wiſſenſchaf⸗
ten« 1700 von Friedrid I. nad Leibniz’ großartigem
Plane gejtiftet, aber erjt 1711 erdjfnet. Leibniz war
ihr erjter Prafident. Unter Friedrid) Wilhelm T. zu—
rückgedrängt und verfiinumert, wurde fie durch Mau⸗
pertuis unter Friedrid) I. ganz nad franzöſiſchemn
Wtujter reorganijiert und erhtelt, mehrmals verandert,
24. Jan. 1812 ihre jepige Verfaffung. Nad) derjelben
zerfallt fie in vier Seftionen, die phyfifalifde, mathe-
matifde, philoſophiſche und hiſtoriſche, die fich zu zwei
Klaſſen, gu einer mathematiſch-phyſikaliſchen und
einer philoſophiſch-hiſtoriſchen, zuſammenordnen.
Jede dieſer Klaſſen hat zwei auf Lebenszeit gewählte
Sekretäre, die in den —** abwechſelnd je ein
Vierteljahr me" | den Vorſitz flibren; ihre Beſoldung
betriigt 1200 Wt. Die Mitglieder find tetls ordent-
liche (ca. 50, mut je 600 Wet. befoldet), tetls ausmar-
tige, Ehrenmitglieder und Korrefpondenten. Die YL
veröffentlicht (jeit 1811 in ununterbrodener Reibe)
eine Auswahl threr Ubbandlungen, anfangs unter
dem Titel: » Miscellanea Berolinensia«, fpater, von
1770 an, alg » Mémoires de l'Académie royale des
sciences et belles-lettres 4 Berlin«, Dann als ⸗·Ab⸗
handlungene, während die »Monatsberidte< fitryere
Nachrichten von den Sitzungen geben. Die Verteilung
der Jahrespreife geſchieht am Geburt8tag thres Griin-
ders Leibniz. Sowohl durd den Ruhm ihrer Mit⸗
—— (Schleiermacher, die Brüder v. Humboldt, die
rüder Grimm, v. Savigny, Böckh, Ritter, Lach—
mann ꝛc., um der Lebenden nicht gu gedenken) als
burd Zahl und Bedeutung der von ibr veranlaften
und gefirderten Werle (»Corpus inseriptionum grae-
carum«, »Corpus inscr. latinarums, »>Monumenta
Germaniae historica«, die Werfe des Uriitoteles,
Friedrichs Dd. Gr., »Commentaria in Aristotelem
graeca«, »Mants geſammelte Schriften « xc.) ijt Die Ber⸗
liner VU. dem Barifer Inſtitut m jeder Weiſe eben
biirtig. Bgl. Harnad, Geſchichte der finiglich preu-
ßiſchen A. der Wiſſenſchaften zu Berlin, im Auftrag
Der A. bearbeitet (Berl. 1900, 3 Bde.; Ausgabe in
1 Bd. 1901). — Sodann verdient unter den deutiden
Die 1759 geftiftete UW. der Wiffenfdhaften ju Minden
eine ehrende Erwähnung. Sie erbielt, nachdem fie
anfangs meijt auf vaterlandifche Geſchichte befchrintt
geweſen, aus welder Epoche die wertvollen »Monn-
menta Boica« ſtammen, 1809 einen allgemeinern
wiſſenſchaftlichen Wirkungskreis und wurde 1829 in
| Drei Klaſſen gegliedert: eine philofophiid-philologifdhe,
hijtorifde und mathematiſch⸗phyſikaliſche. Sett Grün⸗
dung (1858) einer mit ihr verbundenen ⸗Hiſtoriſchen
Kommiſſion« (f. dD.) Durd) Maximilian LL. ijt die ure
fpriinglide Ridjtung auf Geſchichte wieder beſonders
belebt worden. Ihre Abhandlungen erſcheinen unter
dem Titel: »Abhandlungen der Bayriſchen A.«, denen
frither ſich febr —— Gelehrte Anzeigen⸗ zur
Seite ſtellten; ſeit deren Eingehen bringen ⸗Sitzungs
berichte Notizen und aud Abhandlungen. — Die
»Ronigliche Sozietät⸗, nachher »Gefellichaft der Wiſ⸗
ſenſchaften · in Gottingen wurde 1742 auf Ulbredt
Afademie (Deutſchland, Ojterreid), Ausland).
v. Hallers Betrieb gegründet und 1770 zweckmäßiger
fonftituiert. Sie bejteht aus drei Klaſſen, einer ma-
—5 phyſilaliſchen und hiſtoriſchen. Seit 1752
gab fie heraus: ·Commentarii Societatis«, feit 1772
»Novi Commentarii Societatis«, fodann »YUbband-
lungen«. Außerdem hat fie fid) verdient gemadt
durch Griindung und Erhaltung der älteſten unter
den nod) bejtehenden literariſch-kritiſchen Zeitſchriften
in Deutidland, der »Gittingifden gelehrten An—
gcigen, feit 1741. Andre deutſche Whademien find:
i¢ »Königliche A. gemeinniigiger Wiffenfdaften« zu
Erfurt (1758 geqriindet), die »>Oberlaufiper Gefell-
ſchaft der Wiſſenſchaften⸗ gu Görlitz (feit 1779) und
als die jüngſte Die ⸗Königlich ſächſiſche Gefellfchaft
der Wiffenfcaften« gu Leipzig, 1. Juli 1846 ers
öffnet, die fic) vornehmlich bilot iſche, bijtorifde,
mathematifde und ———— licker feta
en zur ——— geſtellt hat, aud) größere wiſſen—
chaftliche Arbeiten aus dieſen Gebieten unterſtützt.
Die Mitglieder (aus dem Königreich Sachſen und den
ſächſiſchhüringiſchen Staaten gewählt) ſind teils or-
dentliche, teils außerordentliche und zerfallen in zwei
Klaſſen, eine philologiſch-hiſtoriſche und cine mathe-
matifd -phyfifalifde. Ihre »Wbhandlungen« fowie
» Beridte< fiber die Sitzungen erfdeinenim Druck, und
jivar feit 1849 die beider Klaſſen gejondert. Sdjon
1768 war in Leipzig von dem Fürſten Joſeph ler.
Jablonowſti die — arith Sablonowffijde Gefell-
ſchaft ber Wiſſenſchaften⸗ peftifiet deren neun Mit⸗
lieder jetzt agli Mitglieder der Königlichen Ge-
Peiticatt iſſenſchaften find (f. Jablonowſti 2).
Unter den Utademien Ofterreids ijt die »Böh—
miſche Gefellfchaft der Wiſſenſchaften in Prag, die
als Brivatgejelljdaft 1769 gegriindet und 1785 als
ftaatlide Rorporation anerfannt wurde, die älteſte (ihre
Geſchichte ſchrieb Kalouſek, Prag 1885). Jn einem
Gegenſatze gu dieſer jetzt tſchechiſch nationalen Alademie
wurde 1891 in Brag von Privatleuten die »Gefell-
ſchaft sur Forderung deutfder Wiſſenſchaft, unit
und Literature gegriindet, die nicht regelmäßig wiſ⸗
fenfchaftliche Mitteilungen veröffentlicht, fondern nur
wifjenfdaftlide Unternehmungen und künſtleriſche
Intereſſen unterjtiigt. Die »Raijerlidje U. der Wiſſen⸗
jdhaften« gu Wien, fon von Leibniz in Anregung
ebradt, wurde durch Patent vom 30. Mai 1847 ge-
tiftet. Sie zerfällt in zwei Klaſſen, eine philojopbitey-
philologifche und hiſtoriſche und eine mathematifd-
naturwiſſenſchaftliche (ihre Gefdhidhte ſchrieb Alf. Hu-
ber, Wien 1897). Uukerdem find zu nennen: die 1825
eqriindete ungarijde UW. 3u Budapejt, die »Siid-
lawifde A. der Wiſſenſchaften« in sof —— (1861)
und die A. der Wiffenfchaften gu Krafau (1872).
Ufademien des Auslandes.
Das Vaterland der neuern Alademien, Italien,
erbielt bald nad) der Entitehung der oben erwähnten
eine große Anzahl von Wfademien. Sie leqten ſich
einen meijt Eifer und —— bezeichnenden
Namen bei, z. B. Accesi, Silenti, Ardenti, Infiam-
mati, Gelati xc., beſchäftigten ſich aber Der Mehrzahl
nad) nur mit der Bearbeitung der Mutterſprache und
mit poetifden Ubungen, oft recht dilettantenhafter
Art, und gehören unter die Rubrik der befondern
Wfademien. Eine allgemeinere Richtung hatte die nod
jetst in Anſehen jtehende W. gu Floren; ebenfo die
A. gu Mailand, jest fonigliches Inſtitut (Istituto
Lombardo di scienze), das (jeit 1820) »Memorie«
erfcheinen läßt, und die »Accademia delle scienze«
3u Genua. Auperdem find nod) gu nennen die A.
der Wiſſenſchaften zu Turin, 1757 als Privatverein
219
egriindet, 1783 zur »Rdnigliden U.« erhoben, die
ecademia dei Lincei in Rom, begriindet 1603, von
Bedeutung feit 1609, ſpäter mehrmals erlofden und
wieder ing Leben gerufen, erjt 1870 feit ber Bereini-
gung Roms mit Ftalien neu belebt. Gie erbielt
1883 von der italienifdjen Regierung die offizielle Un-
erfennung als »A. der Wiffenfdaften« und bette in
den Palazzo Corjini fiber, defjen bisheriger Beſitzer
ibe bedeutende Sammlungen juwandte. Ferner die
»Königliche A. der Wijfenidaften« in Neapel, ge-
gritndet 1780; die »Königliche A. der Wiſſenſchaften ·
in Lucca (jett 1585) und Palermo (jeit 1750);
das finiglidje »Istituto Veneto di scienze< in Be:
nedig (feit 1806); die Wfademien ju Catania, Mef-
fina, Rovigo, Piftoja, Siena ua.
In Frankreich befteht — den Ufademien des
Inſtituts (ſ. oben) nod eine Anzahl von Wfademien
in den Hauptitddten der alten Departements, welde
die Einridtung gelehrter Gefellidaften haben und
»>Mémoires« verd}fentliden, iiber die in Der »Revue
des sociétés savantes« und, feitdem Dieje eingeqangen
ijt (1882), in den » Bulletins du Comité des travaux
historiques et scientifiques« beridtet wird. Hervor⸗
—— find die gu Lyon (ſeit 1700), Caen (1705),
rfeille (1726), Montauban (1744), Touloufe
(1782), Bordeaux (1783) ꝛc. im ganzen gegen 30.
Daneben fiihren jedod) auch die yom (16) Brovin-
zialbehörden für das öffentliche Schulweſen Frant-
reichs (in Aix, Beſançcon, Bordeaux, Caen, Cham-
, Clermont, Dijon, Grenoble, Lille, Lyon, Mont-
pellier, Nancy, Paris, Poitiers, Rennes, Touloufe)
den Titel⸗A.« In Spanien iſt die von Philipp V.
1713 gegritndete »Real Academia espaiiola« ju
Madrid, in Portugal die 1779 vom Herzog von
Lafdes geqriindete, 1834 und 1840 reformierte und
1851 neugegliederte » Academia Real das Sciencias«
gu erwähnen. In den Riederlanden wurde »Het
Koninklijk Nederlandsch Instituut« im Auguſt
1808 al8 jtaatlidje Rorporation geqriindet von Konig
Ludwig Bonaparte, 6. Upril 1816 erneuert von Rd-
nig Wilhelm J. von Oranten, 26. Oft. 1851 durd) die
naturphilofophifde Abteilung einer »>Koninklijke A.
van Wetenschappens erjegt, womit 23. Febr. 1856
nod eine fiterarijde Ubtetlung verbunden wurde.
Außerdem gibt e8 in den Riederlanden nod eine gri-
—— Anzahl von Privatgeſellſchaften. Belgien be—
itzt eine »Académie royale des sciences, des lettres
et des beaux-arts« in Brüſſel, berdorgeqangen
aus einem dafelbjt 1769 von dem Grafen Cobensl,
sera en, Minijter der Kaiferin Maria The-
refia in den Iiederlanden, gejtifteten literariſchen Ver-
ein. Diefer Verein fonjtituterte fid) 1773 als ſtän—
dige Gefelljdaft mit dem Titel » Académie impériale
et royale des sciences et des belles-lettres«. 1794
durd) die Revolution aufgeldjt, ward fie 1816 vom
König Wilhelm I. der Riederlande als » Académie
royale ete.« wiederhergeftellt; 1832 wurde die Klaſſe
der fchinen Künſte hinjugefiigt. Vgl. »Centiéme anni-
versaire de fondation, 1772 —1872« (Briifj., 2 Bde.) ;
Mailly, Histoire de l'Académie des sciences, etc.,
de Bruxelles (Daj. 1883, 2 Bde.); » Académie royale.
Notices biographiques et bibliographiques« (1887).
In Rufland ijt die »Raijerliche A. der Wiſſen⸗
fdhaften« gu St. PeterSburg gu nennen, gu der
unter Wolfs und Leibniz' Beirat ſchon Peter d. Gr.
den Blan entworfen hatte, iiber deren Griindung er
jedod) ftarb, fo daß die Eröffnung derjelben (1725)
erjt unter Ratharina J. ftattfand. Unter Peter II.
geriet die U. in Berfall, hob fic) unter der Kaiſerin
220
Anna, ſank dann wieder, bis fie Durch Elifabeth von
neuem gehoben wurde. Erforſchung der afiatijden
Spradjen und griindliche Renntnis des Ojtens ijt das
Hauptverdienft der PeterSburger W. Sie befigt eine
bedeutende Sammlung von Manujtripten, eine große
Bibliothel, verſchiedene Mufeen (zoologiſches, zooto—
miſches, botaniſches, mineralogiſches und aſiatiſches)
und ein Miingfabinett. Seit 1841 ijt die 1783 ge—
riindete ⸗A. fiir ruſſiſche Sprache« mit der Raifer-
iden A. der Wiſſenſchaften verbunden. 4 Pe—
farflij, Geſchichte der kaiſerlichen A. der Wijjen-
ſchaften in St. Petersburg (rujj., Petersb. 1871—
1873, 2 Bde.). Mud in Warſchau bejteht eine Ge-
ſellſchaft der Wiſſenſchaften und Künſte (gegriindet
1824). Befondere Verdienjte um Sprachwiſſenſchaft
erwirbt ſich in dem finnifden Helfingfors die »So-
cietas scientiarum Fennica«.
Jn Sdhweden gibt es mehrere Ufademien, von
denen das von Benzelius 1710 in Upfala gejtiftete
»Collegium Curiosorum« al8 die älteſte angeſehen
werden fann. Aus diejer bald aufhirenden Geſell—
8 entwickelte ſich die Upſalenſer Geſellſchaft der
Wiſſenſchaften (» Upsala Vetenskapssocietet«), deren
erjte Sigung 17149 jtattfand. Sie bejteht nocd heute;
Schwedens vorzüglichſtes naturwiſſenſchaftliches In⸗
ſtitut, die A. der Wiſſenſchaften (» Vetenskapsaka-
demien«), wurde 1739 geſtiftet, und eine andre be—
deutende A., »Vitterhetsakademien+, wurde 1753
fiir die Humanijtifden Wiſſenſchaften eingeridtet,
deren Namen man 1786 in »Vitterhets-, Historie-
och Antiquitetsakademiens, d. h. eine A. fiir die
hiſtoriſchen Wijfenidaften, dnderte. Sdwedens be-
Deutendjte Gejelljdaft ijt »Svenska Akademien«,
geſtiftet 1786 von Gujtav III. mit gleichen Aufgaben
wie die franzöſiſche A.; Die Anzahl der Mitglieder ijt
nur 18. (Bgl. Ljunggren, Svenska Akademiens
historia 1786-1886, Stodh. 1886.) Su erwähnen
ijt nod) »Vetenskaps- och Vitterhetssamhiillet«
(Gefellfchaft der Künſte und Wiſſenſchaften) in Go-
tenburg (finigl. Defret 1778). Norwegen bejipt
die » Videnskabs-Selskabet« ju Chrijtiania (1857
gegeiindet) und die » Kon; clige Norske Videnskabers
elskab« ju Drontheim (gejtiftet 1760 vom Biſchof
Wunnerus); Dinemarf endlich cine A. der Wiſſen—
ſchaften (Kongelige Danske Videnskabernes Sel-
skab) in Ropenbagen, die 1743 vom König
Chrijtian VI. zum fonigliden Inſtitut erhoben wurde.
Grofbritannien und Jrland haben weniger
alademiſch fonjtituierte Gejellidhaften fiir die Befir-
derung allgemeiner Wiſſenſchaft, dejto mehr Vereine
(societies), die bejondere Zweige des menjdliden
Wiſſens pflegen. Die Royal Society in Qondon
(begriindet 1662), die Royal Society m Edinburg
(jeit 1783) und die 1782 beqriindete Royal Academy
of science ju Dublin pflegen fait ausſchließlich dic
mathematijden und Naturwiſſenſchaften. Auch in
Bukareſt befteht feit 1866 eine A. der Wiſſenſchaften.
Bur altejten VW. in den Vereiniqten Staaten
von Rordamerifa gab B. Franflin 1743 durd
die Schrift »A proposal for promoting useful know-
ledge among the British plantations in America«
den Anſtoß und griindete 1744 die » American philo-
sophical Society«. Nad) einiger Beit ging fie ein,
lebte jedod) 1769 unter dem alten Namen in Phila—
delpbia wieder auf und befteht nod heute. Sor |
foigten 1780 die »American Academy of arts and
sciences« zu Bofton, 1818 das »Lyceum of na-
tional history«, das jeit 1876 »New York Academy
of aciences« eit, und ähnliche Anſtalten ander-
|
j
|
Afademie (Ausland; Internationale Vereinigung der Ufademien).
wart’. »The National Academy of sciences« zu
Wafhington, 1863 durd den Kongreß inforporiert,
unterſucht und erdrtert wijjenfdaftlide Fragen, die
ihr von den verjdiedenen Regierungsdepartemrents
vorgelegt werden; gu erwähnen ijt nod) die »>Smith-
sonian Institutions, gegriindet 1846 in Der Bundes-
auptitadt. Unter threr Obbut jteht feit 1858 das
Rationalmufeum in Wafhington. Sie unterjriigt
wijjenfdaftlide Unterfudungen mit Geld und ver
Offentlicht »Annual Reports« feit 1846 u. a.
In Ufien bejtehen afademijdh fonjtituierte Gefell-
ſchaften für allgemeine Wiffenfdaften, z. B. im Kal—
futta die Royal Asiatic Society (gejtiftet 1784);
in Batavia die Geſellſchaft ber Wiſſenſchaften und
Künſte (erridtet 1778); in Bombay, Rolombo
und Sdanghai Zweiggeſellſchaften der Royal
Asiatic Society xc. Als eigentlide Ufademien fornnen
im Orient jedod) nur die innerhalb des tiirfifchen
Reiches bejtehenden beiden Inſtitute, die faijerl. -~End-
schtimeni danisch« in Ronjtantinopel (feit 1851)
und das » Institut Egyptien« Said Bajdas in Alex⸗
andria (jeit 1859), gelten. — Jn bea bade bas
ben jich aud) Geſellſchaften gebildet, die Royal Socie-
ties in Sydney, Melbourne, Hobart u. a.
Cin auf einer Verjammlung in Leipjiq 1893 be-
—— Kartell der Alademien von Wien und
ünchen und der Gelehrten Geſellſchaften von Göt—
tingen und Leipzig bezweckt ebenſowohl, gemeinſam
wiſſenſchaftliche Arbeiten aya gr lg wie wiſſen⸗
fdhaftlicde Unternehmungen ing Leben gu rufen. Die
fartellierten —— machen ſich regelmaßig
Mitteilung über ihre Unternehmungen uns fenden
Delegierte gu Verjammlungen, in denen gemeinfame
Ungelegenheiten beraten werden. Golde Verfamun-
lungen find feit 1893 regelmäßig in einer der be-
treffenden Städte abgebalten worden. Befakt bat
jid) das Kartell bisher unter anderm mit der Her-
ori des Thesaurus linguae latinae, ber zu er—
deinen angefangen bat, und der Uusgabe einer ma-
thematijden Enzyklopädie, mit der Ynordnung vor
Schweremeſſungen in Ojtafrifa, wie mit dem mter-
nationalen Natalog der Naturwiſſenſchaften. Es hat
bisher größere Bedeutung fiir die mathematifd-phy-
ſiſche Klaſſe ald fiir die phtlofophifd)-hijtorifde gehabt-
Bon diejem Kartell und eimigen einzelnen hervor—
ragenden wiſſenſchaftlichen Bert Onlidfeiten ijt aud der
Unjtof zur Griindung der Jnternationalen Vere
einigung der Ufademien gegeben worden. Aut
€Eimladung der Berliner A. * der Londoner Royal
Society fand eine Konferenz von Beriretern der be—
deutendjten Utademien der Welt im Oftober 1899 zu
Wiesbaden ſtatt. Vertreten waren Berlin, Göttingen,
Leipzig, London, München, Paris (A. des sciences),
Petersburg, Wafhington und Wien. Das Ergebnis
der Beratungen war der Beſchluß, eine internationale
Vereinigung der hauptſächlichſten Alademien der Wels
gu gründen gu dem Swed, wiſſenſchaftliche Unter-
nehmungen von allgemeinem Jnterejje, Die von einer
oder mehreren der verbundenen Körperſchaften emp—
fohlen werden, in Ungriff gu nehmen und ju for-
dern und um den wifienidattliden Verlehr der vere
ſchiedenen Linder ju erleichtern. Nonjtituiert wurde
formell dieſe Bereiniqung (Association internatio-
nale des Académies), die 17 Alademien und gelehrie
Gefelljdhaften umfaßt (auker den oben erwaihnten nods
die Accademia dei Lincei ju Rom, die zu Umijter-
dam, Brüſſel, Kopenhagen, udapeft, Stodholm, dia
Académie des inscriptions et belles-lettres und die
A. des sciences morales et politiques ju Bari), im
Afademieftiide
Juli und Unguft 1900 zu Paris, wo aud im April 1901
ibre erjte ee ee Bon den
Beſchlüſſen, die hier gefaht wurden, feien nur erwahnt
Die betreffs der gegenfeitigen Verleihung von Hand-
ſchriften und Urdivalien, einer vollſtändigen Wus-
gabe der Schriften Leibnis’, cines volljtindigen Ber-
zeichniſſes aller erſcheinenden naturwiſſenſchaftlichen
— — —— und einer Realenzyklopädie des Islam.
Akademien fiir befoudere Wiffenfdaften.
Inter den Wfademien fiir befondere Wiſſenſchaften
Ftehen die fiir Adela: Uk be Prag Die älteſte
Der Sprachfritif gewidmete A. ijt die von Aldus Pius
Manutius ju Venedig 1495 erdffnete, die über ab-
judrudende Rlafjifer und Verbeſſerung des Terted
abrer Werke beratidlagte. Die widtigite fiir italieni-
{che Sprache und Spradforidung iſt die bereits (S.
217) erwabhnte Accademia della Crusca oder Aca-
edemia furfuratorum in Florenz. Jn Madrid ftif-
tete Der Herzog von Escalona 1714 eine A. fiir fpa-
niſche Sprache, die 1713 mit mehreren Privilegien
au einer fdniglichen Anſtalt erhoben wurde (j. oben).
Eetersburg erbhielt 1783 ebenfalls eine A. fiir ruf-
ſiſche und afiatifde Sprachen, die jest mit der A. der
Wiſſenſchaften verbunden iſt. Cin ähnliches Inſtitut
beſteht in Peſt ſeit 1830 fiir die ungariſche Sprache.
Für Altertumskunde find mehrere Alademien
tatig. Fir die Erforſchung der etruriſchen Altertümer
wurde zu Cortona in Italien die Accademia etrusca
1727 errichtet, die ſehr ſchätzbare Urbeiten geliefert
Hat. Reichliches antiquariſches Material ftand den
italieniſchen gelehrten Bereinen jur Verfiiqung. So
itiftete fiir Die in Herculaneum und Pompejt aufge-
fundenen Denfmalerin Neapel der Minijter Tanacci
1755 die hereulaniſche WU. Gegenwärtig befigen
bie meiiten bedeutendern Stadte Englands und Frant-
reichs Bereine fiir Ultertumstunde. Über die Wlade-
mien und Gefellidhaften, die ihre Tatigheit fpesiell
der Gefdidte und der eel hb widmen, f.
Hiſtoriſche Gefelljdhaften und Geographijde Gefell-
ichaften.
Auch das Gebiet ber Naturwiffenfdaften be:
arbeiten mit Erfolg jablreiche Utademien. Die Royal
Society in London, anfänglich ein Rrivatverein we-
niger Naturforſcher, wurde von Karl IT. 1663 als ⸗Kö⸗
nigliche privileqierte Gefellfdaft« inforporiert. Welt-
beriihmtheit erlangte fie zuerſt unter dem Vorſitz New⸗
tons (1703). Sie gibt die ebenfo befannten wie wid-
tigen » Philosophical Transactions« beraus. Mud die
ſchon erwabnien Royal Societies in Edinburg und
Dublin widmen fid hauptſächlich der pars, a Na⸗
turwiſſenſchaften. Außerdem find bier aus dem Aus⸗
land ju nennen: die »Société de physique et d'his-
toire naturelle« in Genf; die » Academia operoso-
rum« in Laibach (qeqritndet 1693, reftauriert 1781);
die »Accademia delle scienze« in Padua (geſtiftet
1520, erneuert 1770); die ⸗Kaiſerliche Geſellſchaft fir
Mineralogiec in Petersburg; die ⸗ Alademiſche Ge⸗
ſellſchaft naturhiſtoriſcher Freunde« in Mosfau; die |
1603 beqriindete » Accademia dei Lincei« in Rom
4f. oben, S. 219). Weitered ſ. Naturwiſſenſchaftliche
Vereine. — Für Medizin war dieLeopoldinifde |
U. Der Naturforſcher 1652 von J. L. Banſchius in Wien |
unter bem Namen » Academia naturae curiosorum «
geſtiftet, die fpdter gu Ehren der Kaiſer Leopold J.
und Rarl VIL den Namen » Academia Caesarea Leo-
poldino-Carolina Germanica naturae curiosorum«
annabm und feit 1808 thren Wiittelpunft in Bonn,
— UAfalephen. 221
fermo (1645), Genf (1715), Madrid, Liffabon
(1780), Petersburg (1799), Baris (1820).
Val. Achmet d’Hértcourt, Annuaire des sociétés
savantes (Par. 1865—66, 2 Bde.); Stöhr, Ufa-
demiſches Jahrbuch (Leipz. 1876 u. 1877); Miiller,
Die wiſſenſchaftlichen Vereine u. Geſellſchaften Deutſch⸗
lands im 19. Jahrhundert. Bibliographie ihrer Ver-
öffentlichungen feit ihrer Beqriindung (Berl. 1884).
Akademieſtücke (aud Ufademien), die Zeich—
nungen der die Kunſtſchulen befuchenden Schüler,
meijt Darjtellungen von Köpfen, Füßen, Händen und
andern Körperteilen fowie des ganzen menfdliden
Körpers, die ſowohl nad lebenden (Alten) als nad
in Gips geformten Borbildern und Vorlegeblittern
ausqefiibrt werden.
kadẽmiker (qricch.), Mitglied ciner Ufademie.
Akademiſch, auf cine Utadenric (Univerſität) be-
jliglich; 3. B. alademiſcher Senat, afademijder Biir-
qer, afademifde Studien, Würden, afademifche Frei-
eit, alademiſche Geridtsbarfeit (ſ. Univerſitäten).
Auch allgemein: gelehrt, ſchulmäßig. Daher parta-
mentariſch — von praftijd oder aktuell. In
der Kunſttritik fdyulgerecht, regelmäßig, mit dem
Nebenſinn: fteif, pedantifd.
kademiſche Vlatter, Organ des Kyffhäuſer⸗
verbandes der Vereine deutſcher Studenten (Berlin,
ſeit 1886); ſ. Studentenverbindungen.
Akademiſcher Turnverein (A. T. V.), ſ. Turn⸗
vereine und Studentenverbindungen.
Akadien (engl. Acadia, franz. l'Acadie, von
indian. cadie, d. h. Fundjtitte), der alte Name fiir die
atlantijden Küſtenprovinzen Ranadas und insbej.
fiir Neuſchottland. Seit 1604 von Franjofen beſie
Delt, wuds die Rolonie langſam und zählte 1687
erjt 900 Köpfe. Nad) den Kriegen gwifden England
und Frankreich wurde A., deſſen Bewohner nut den
ihnen verbiindeten Qndianern hartnadiq gegen die
Englander fimpften, im Frieden von Utrecht 1718
an legtere abgetreten, Doch kämpften die Aladier nod
lange gegen Die neuen Befiper, und ſpäter wanderten
5000 nad Louifiana, Georgia rc. aus, wihrend 2000
zwangsweiſe entfernt und m Neuengland a
wurden. Man ſchätzte 1858 die Bahl aller Aladier
auf 95,000, davon 30,000 in Neubraunfdweig, 20,000
in Neufdottland, je 15,000 auf den Inſeln Cape
Breton und Prin; Edward, 8000 an der Rordfiijte
der Baie des Chaleur, der Rejt auf den Magdalenen-
infeln, in Qabrador, auf St.- Pierre und Miquelon.
Val. Moreau, Histoire de l'Acadie francaise (Par.
1873); Rameau de Saint-Pere, L’Acadie (daj.
1889). — Ucadian Highlands heißen die beiden
Hoöhenzüge, Die Neufdottiand durchziehen, ein fiid-
lider granitifder und ein nördlicher friftalliniicher
(Cobequid Mountains). S. Uppaladen und Neu:
Akajouholz ꝛc., ſ. Ucajoubhol;. ſſchottland.
Akalai, Negerſtamm, ſ. Balelai.
Akalephen (Scyphomedufen, Acalephae),
Ubteilung der Cdlenteraten, den Norallenpotypen am
nächſten verwandt. Bon den Hydromedufen unter
ſcheiden fie fic) außer Durd die Entwidelung durd)
mande Cigentiimlicdfeit tm Bau, fo 4. B. durch den
Velip der Magenfäden (Gaftralfilamente),
beſonders aber Sud das Veblen des musfuldjen
Randfaums (Velums). Die A. find in ber Regel ge—
trennten Geſchlechts. Aus den Ciern entwidelt Re
nur ausnahmaweife (1. B. Pelagia, ſ. Tafel »We-
duſen I<) direft Die Meduſe, fonft ein Bolyp (das
Dann in Nena und Dresden, feit 1878 in Halle hatte. Scyphiftoma), der ſich der Quere nad vielfad ein⸗
Undre medisinifde Ulademien befinden fid) in Pa⸗ ſchnürt (Strobila) und gulegt in eine Menge ganj
222
fleiner Medufen (Eph yren) zerfällt; es bleibt jedoch
oft ein Reft übrig, der nach einiger Zeit von neuem
in derjelben Weije Meduſen liefern fann; aud fann
fid) Das Seyphijtoma nod durd Rnofpung vermeh-
ren. Gelten bleiben die A. —— als Polypen
feſtgewachſen (Lucernaria). Bgl. Meduſen.
ali (ind.), die Verehrer des WLAL, d. h. des zeit⸗
lofen höchſten Weſens, eine Klaſſe zelotiſcher, friege-
riſcher Geiſtlicher bei den Silh. Bgl. Trumpp, Die
Religion der Sikhs (Leipz. 1881). :
anjaru, {tart veridilfter Fluß in Uquatorial-
afrifa, ent{pringt am Ojtrande des Ufrifanifden Gra-
bens, fließt auf der Grenze zwiſchen Ruanda und
Urundi und bildet nad feiner Vereinigung mit dem
Nyawarongo den Kagera (f. d.).
Akanthazeen (Akanthusgewächſe), difotyle,
etwa 1400 Arten umfaſſende Pflanzenfamilie der tro⸗
piſchen und ſubtropiſchen Zone, aus der Ordnung der
Tubifloren, von den verwandten Familien beſonders
durch das fehlende Endoſperm des Samens verſchie—
den. Kräuter oder Sträucher, ſelten lleine Bäume mit
egenſtändigen Blättern und in Ähren oder Trauben
flebenden Biiiten.
Afanthion ſ. Schädel.
Akanthit, Mineral, ſ. Silberglanz.
Akanthodier, ſ. Fiſche.
Akauthokephalen, ſ. Kratzer.
Akanthopterygier (Stachelfloſſer), Unter—
ordnung der Knochenfiſche, ſ. Fiſche.
Akanthos (jest Hieriſos), Stadt am ſchmalſten
Teil der Landzunge Alte auf Chalkidike, am Strymo-
niſchen Meerbuſen, erlangte Berühmtheit durch Xer-
xes, der hier einen Kanal graben liek, damit ſeine
Flotten nidt den Berg Uthos umſchiffen mußten. Der
nod) erfernnbare Streifen heißt nod jest Provlita
(Durchſtich«).
Akanthõo ſis (griech.), Vermehrung des Hautpig⸗
ments Dunkelfãrbung) an ſymmetriſchen Stellen
des Körpers, wobei die Hautpapillen (auch der Zunge)
wachſen, ſo daß ſich Haut und Schleimhäute wie
Samt anfühlen, während Haare und Nägel trocken
und brüchig werden. Meiſt bildet ſich ſpäter Krebs aus.
—— ewächſe, ſ. Alanthazeen.
anthusholz
Akanthusornament f. Acanthus.
Akapuie (qried., »~Raucdlofigteit«), ſ. Bergkrank⸗
Afariafis, ſ. Milbenſucht. heit.
Afarnanien, dic weſtlichſte Landſchaft des alten
Hellas (f. Karte ⸗Alt-Griechenland«), ein wald⸗ und
weidereides Bergland, im ebenen Often durd den Ache⸗
loos von YWtolien, im N. durch den Ambratiſchen Golf
von Epiros gejdieden und im BW. und S. vom Yoni-
ſchen Weer befpiilt. Stadte waren Stratos, Alyzia,
Ynaftorion, Aktion (Actium), Oniadd. Die Ufar-
nanter trieben meiſt Viehzucht und qliden in Cha-
rafter und Sitten mebr ibren barbarijden Nachbarn
in Epirus als den Griedhen, denen fie erit feit dem Belo-
ponnefifdjen Rriege näher traten. Griechifde Sprache
und Sitter nahmen fie erjt feit dem 7. Jahrh. von
den an ihren Küſten angefiedelten forinthijden Rolo-
Mali — Akbar.
einigte U. wieder mit dem byzantiniſchen Reidhe, writ
dem eS unter die Herrjdhaft der OSmanen fam. Bal.
OberhHummer, A., Umbrafia x. tu Ultertarrne
(Mind. 1887). — Gegenwärtig bildet W., mit Wt o -
lien (j. d.) vereinigt, einen Nomos des Königreichs
Griedenland, der ndrdlich an die Romen Yirta umd
Triftala, weſtlich und ſüdlich an das Meer, öſtlich an
den Nomos Phthiotis und Phokis grenzt und auf
7489 qkm (136 OW.) Fläche see) 170,565 Ein.
(23 auf 1 qkm) zählt. A. gerfallt in fechs Eparchien
und hat Miſſolunghi zur Hauptitadt.
Mfdrocecidien, dic durch Milben an Pflanzen
hervorgebradten Gallen; ſ. Gallen.
Wfarodomatien , ſ. Domatien.
Akaroidharz (Votanybaibar;, Nutthary
Erdfdellad), Harze mehrerer Urten der Pflanzen—
gattun
australis und arborea, bildet flade, — 4 cm Dice
Stiide, bisweilen von Handgröße, zeigt deutliche Refte
von Struftur und ſchließt unverharztes Gewebe cir.
ijt rotbraun, gibt einen orangeroten Strid), riecht
ſchwach benzoeartig und ſchm
ähnlich. Das gelbe Harz von X. hastilis bildet rund⸗
liche oder längliche, kleinere oder größere Stücke, tt
auf friſcher Bruchfläche dem Gummigutt ähnlich, über⸗
zieht ſich an der Luft mit einer tief rotbraunen Schicht.
riecht benzoeartig, ſchmeckt aromatiſch, etwas ſüßlich
und enthält ebenfalls organiſierte Beimengungen.
Beide gre löſen ſich in
halten
aldehyd und Tannol, das gelbe Harz aud) Simt-
ſäure und Styracin. Sie dienen zur Darſtellung von
Siegellack und gefärbten Firniſſen, die am Licht nicht
verbleichen und ſich gum Anſtreichen der Fenſterſchei⸗
ben photographiſcher Dunkellammern eignen, ferner
zur Darſtellung feinerer Seifen, Pikrinſäure, Bara-
fumarfiure, zum Leimen feinerer Papiere ꝛc. UW. wurde
im 18. Jahrh. als Magenarznei tn England benutzt.
techniſch erjt ſeit etwa 1840 in England und feit 1860
auf dem Rontinent.
Xanthorrhoea. Motes YW. ſtammt von X.
unangenehm zimt⸗
{fobol und Äther; fie ent.
arafumarfiure, Benzoeſäure, Paraoxybenz⸗
Mfaftos, ſ. Peleus.
Akatalektiſcher Vers, ſ. Katalexis.
Akataphaſie (Agrammatismus, griech.), das
Unvermigen, Saige grammatiſch gu formen, Sym—
ptom bei gewiſſen
bei hochgradigem Schwachſinn.
irn- und Geiſteskrankheiten ſowie
Akathiſtos (griech. snidt im Sitzen⸗), im der
ried). Viturgie eine Hymme auf die Jungfrau Maria,
ie am Gonnabend vor dem Sonntag Qudifa die
Nacht hindurd ftehend gefungen wird.
Mfatholifen (qried)., »Nictfatholifen«), von der
römiſchen Kurie, friiher allgemein (bejonders in Ofter-
reid) und Bayern) gebrauchte Bezeichnung der nicht⸗
latholiſchen Chrijten, namentlich Der Brotejtanten.
Akazie, j. Acacia und Robinia (unedte A.).
Wfazienbliiten, die Bliiten des Schwarzdorns.
Prunus spinosa.
Akaziengummi, ſ. Gummi arabicum.
MAfbar, der Grohe Ubu l-fath Didalal ed-
din Mohammed), Großmogul von Indien, geb.
nijten an. Im übrigen zeichneten fie fid) durch große 14. Olt. 1542 in Amirkot, geſt. 15. Ot. 1605 in Agra.
Treue und Energie aus und hielten in Kriegszeiten folgte feinem Bater Humayun 23. Febr. 1556, die
feſt zuſammen. Üls alte Feinde der Utolier fanwften | erjten drei Sabre unter der Vormundſchaft ſeines Wee
fie {pater fiir Philipp LIL von Mafedonien gegen Rom, | firs Beiram. Jn glücklichen Kriegen erward er im ©.
teilten aber nad) der Eroberung Norinths das —*
meine Schickſal Griechenlands. Im Mittelalter be—
Bengalen und Behar, im S. Malwa und Teile des
Defhan bis an die Godaweri, weſtlich Gudſcharat und
mächtigten fid) die Normannen von Htalien aus de8 | Sind, im N. Kaſchmir (1586). Durd eifrige Organi-
Landes, und Roger, Konig von Sizilien, nannte fic | fation gelangte fein großes Reid) unter thm gu emem
Fürſt von A. und Utolien«. Kaiſer Undronifos ver-
nie wieder erreidten Wohlſtande: der Stenernertrag
Whe — Affa. 223
belief fid) auf 345 Mill. ML. im Jahre. Gläubiger MWfers-Douglas (jor. eters-ddggiia, Uretas, engl.
Woslim, war er dod duldjam gegen andre Religto- | Staatsmann, geb. 21. Oft. 1851, ftudierte in Oxford,
nen und pflog gelehrte Disputationen mit Hindu und | wurde 1875 Rechtsanwalt in London und 1881 als
Jeſuiten; eine feiner Frauen (Hauptfrau war feine | Mitglied der fonfervativen Partei ins Unterhaus ge-
Baſe Raqyah Sultan Begam) ſoll Chrijtin gewefen | wählt. 1885 und 1886 —92 war er Ratronagefetretir
fetn. Das Denfmal über feinem Grab in Sifandra bei | im Sdhagamt; 1891 wurde er jum Mitglied des Ge-
feiner Reſidenz ae ijt cin’ der größten Bauwerfe | hetmen
jeiner Art. Nad
ats und 1895 3um First Commissioner of
olger war fein Sohn Dfdihangir. | works (Miniſter der öffentlichen Wrbeiten) mit Sig
Bal. v. Noer, Kaiſer A. (Leiden 1880 — 85, 2 Bde.). und Stimme im Kabinett Salisburys ernannt.
WFé, Ruinenjtitte in Yucatan, zwiſchen Merida
AFershus (Ugershus), Amt im norweg. Stift
und Jzamal, die Charnay (1881) fiir eins der älteſten Chrijtiania, am Chrijtianiafjord, 5321 qkm(96,6DM)
Toltefenwerfe (100 Jahre alter als Urmal) hilt.
Akeh, Gewicht, ſ. Acheh.
nut (1900) 115,113 Einw., umfaßt die drei Vogteien
Ufer und Follo, Nedre und Ovre Romerike.
Akelei (Aglei), Pflanzengattung, f. Aquilegia.| Wbhiffar, 1) tiirf. Stadt, ſ. Kruja. — 2) Stadt
_ Wen, Stadt im preuß. Regbez. Magdeburg, Kreis | im tiirfijd) -fleinafiat. Wilajet Widin, norddjtlid von
Kalbe, an der Elbe und der Staatsbahnlinie Kdthen- | Smyrna, wohin ere Eiſenbahn führt, mit 12,000
A., hat 2 evang. Rirden, ein altes Rathaus, Hafen, | Cinw., das alte Thyatira, wo cine der ſieben in der
Anitsgericht, Fabrifation ätheriſcher Ole, Eſſenzen Offenbarung genannten drijtlicjen Mirden ſtand. Die
(Romershaufenjdes Augenwaſſer) und von Sprit, | Umgegend hefert Baunuvolie und Farbjtoffe. — Bei
Dampfmühle, Schiffbau, Schiffahrt und (1900) 7358 | W. ſchlug Valens 366 n. Chr. den Ufurpator Broco-
meiſt evang. Einwohner.
Aken, Hieronymus van, ſ. Boſch 1).
Akenſide (or. erngaiv’), Mark, engl. Dichter und
Arzt, geb. 9. Nov. 1721 in Newcaſtle upon Tyne,
gejt. 23. Juni 1770 in London, ftudterte, unterſtützt
von der Geſellſchaft der Diſſenters, Theologie in
burg, dann in Leiden Medizin. Sein Lehrgedidt » The
ins | ftaub = 3,60
pius (einen Berwandten Julians), Sultan Murad
1425 den Fürſten von Widin.
MFhmim (WEHmym), Stadt, f. Admin.
Ati, ſ. Blighia.
Ati (engl. — im brit. Guinea 4/16 Unze Gold⸗
Akiba, Ben Joſeph, Sdiiler Rabbi Cliefers
pleasures of imagination« (1744) fand Durd Bradt | und Rabbi Nadum Gimſos, ward nad einer in Un—
Der Sprade und Ernjt der Empjindungen aufer- | wiffenheit verbradten Jugend durd jahrzehntelangen
ordentlichen Beifall. In einer raeigy panier rajtlofen Cifer der einflußreichſte jüdiſche Gelebrte tn
zeigte er fid) als Schiiler Milton’. Er wurde 1751 | 2. Jahrh. n. Chr., der, während er ſeinem Lehrhaus
Milglied des finiglidjen Kollegiums der Ärzte zu in Bue brat vorſtand, felbjtidipferijd und vorbild-
London, ſpäter Letbargt der Königin und verfapte | lich den jiidifden Traditionsjtoff fyjtematijierte und
mediziniſche Schriften, unter denen eine lateinifde | ordnete. Seine Urbeit »Mifdna des Rabbi A.« ijt die
liber die Dysenterie (ond. 1764) geriihmt wird. Die | Grumblage der Mifdyna (j. Talmud) geworden. Fälſch—
erjte volljtindige Ausgabe feiner poetijden Werke er⸗ | lid) find ihm beigelegt das fabbalijtijde Werk » Sefer
ſchien London 1804. Bal. Bude, Life, writings and | Jezira« (ſ. Jezirah) und »Otiot oder Wlphabet ded
genius of A. (Yond. 1832); Dyce, Memoir, in der | Rabbi A.« Bm Aufſtand gegen die Romer (132—
Ausgabe von 1834, abgedrudt in der Aldine Edi- | 135) nahm er fiir Bar Roda (jf. d.) Partet und ſtarb
tion der Werfe 1886. den Märtyrertod. — Ben AU. ijt der Name eines
Wfephalen (Acephala, griech, »Ropflofe<«), Mu- | Oberrabbiners in Gublows »Uriel Ucojtac, der den
ſcheln (ſ. d.); auch kopfloſe Mißgeburten. Wirkliche Sprud im Munde fiihrt: »Wlles ſchon dagewefen.«
Akephäalie fommt nidt vor, es fehlt den WU. nur das} Widopeiraftif (qriech.), foviel wie Whupunttur.
Gebirn, und jie heißen Daber bejjer Unentephalen.| Wkinefis (qried.), motorijde Lähmung.
Akephaliſch (qvied.), topf-, anfangslos, 3.B.von| Akinẽten, |. Algen.
Büchern, deren Anfang nicht mehr vorhanden ijt. Akir, Fleden in Paläſtina, f. Ekron.
Afephaloi (qried.), j. Monophyfiten. MHS (Acis), Sohn des Faunus (Pan) und der
kerhielm (ir. oterjeim, Gujtav Samuel, Frei- | Nymphe Symäthis, ward als bevorzugter Licbhaber
herr von, ſchwed. Staatsmann, geb. 24. Juni 1833 | der Galatea von dem Syflopen Bolyphem mit einem
in Stodbolm, gejtorben dafelbjt 2. April 1900, war Felsſtück zerfdmettert. Galatea verwandelte das un-
1854—68 al8 Offizier, Minijterialbeamter und Diplo⸗ ter dem Felfen hervorflieRende Blut in den Fluß A.,
mat titig, ſtimmte auf dem Stindereidstag 1865— | der durch die Kälte feines Waſſers berithmt war; wabr-
1866 fiir Den neuen Repriifentationsentwurf und war ſcheinlich ijt Darunter der Fiume Freddo (falter
jeit 1870 ununterbrodjen Mitglied der Erſten, beg. | Fluß«) zwiſchen Taormina und Catania auf Sizilien
Sweiten Reidstagstammer. 1874 jum Finangmint: | ju verjtehen.
jter ernannt, verzichtete er ſchon 1875 auf diefes Unt | Akiurgie (qried.), die Lehre von den blutigen
und beſchränkte ſich in den nächſten Jahren auf eine | Operationen, |. Chirurgie.
eifrige Tätigkeit tm Reichstag, namentlid) bei den dads , Bwergvolf Ynnerafrifas, das zuerſt von
Reidsiduldens und Bankweſen betrejfenden Brogen. Sdweinfurth beobadtet wurde. Die A. wohnen in
Seit Mitte der Ber Jahre Anhänger der ſchutzzöllne- | eingelnen Kolonien inmitten andrer Stiimme am Ober-
rijdjen Bewegung, ward er im Juni 1889 Minijter des | auf des Aruwimi und am Nepolo, nennen ſich felber
Unswartigen fowie einige Monate ſpäter Bildts (f.d.1) | Efé, werden aber von den Monbuttu A., von den
Nadfolger als Staatsminijter und Minijterprijident. | Gandeh Titi-Tifi, von den Monfu Moriu und
Cine 1891 von ihm privatim gehaltene Rede, im der | von den Mabode Afifi genannt. Sie find 1,30—
er fic) ciner verjtedten militäriſchen Drohung gegen | 1,50 m gro}, haben cine rotlidjbraune, mit rötlichen
Norwegen ſchuldig gemadt haben follte, rief dort etme | Haaren didjt bedectte, faltenreide Haut, was ihnen ein
joldje Grbitterung bervor, dah er ſeinen Abſchied nahm. greifenhaftes Uusfehen gibt, een verhältnismäßig
Später gehirte er gu den Führern der Hodfonjerva- | großen Kopf auf ſchwächlichem Halſe, ſtark vorſprin—
tiven der Erjten Kammer. gende Stiefer, langen Oberlörper, abſchüſſige Schul—
224
tern, Hãngebauch, sierlidhe Hinde, aber grobe Füße
und gehen meift völlig nadt. WIS echtes Jägervoll
fiihren fie Bogen und Pyeit (den fie vergiften) auferjt
eſchickt und werden als Krieger von den grdpern
O suptlingen, an deren Hofen viele leben, fehr geſchätzt.
Ihre Hiitten find flein, bienenforbfirmig; oft leben
fie aud) gang ohne folde in haufiger Ortsveränderung.
Val. Urt. »>Zwergvilfer« u. Tafel »Afrilaniſche Völ⸗
fer ITe, Fig. 9.
Akka (in der Bibel Ulfo, im Mittelalter Saint-
Jean d'Acre), uralte Hafenjtadt in Palijtina, ijt
Hauptitadt eines Liwa des Wilajets Veiriit, Sig eines
griechiſchen Erzbiſchofs, hat verfallene Befeſtigungen,
6 Moſcheen, einen wohlverſehenen Baſar und 10,400
Einw. (darunter 1800 Chrijten). UW. war bisher der
Hafen- und Ausfuhrplatz fiir das fruchtbare Gebiet
imt BW. des Hauran, wird aber wegen der Verfandung
ſeines Hafens von Haifa iiberfliigelt. Der Handels-
verfebr belief fid) 1901 auf 4,759,162 Fr., davon ent-
fielen auf die Ausfuhr 2,888,670 Fr., auf die Cin-
fubr 1,870,492 Fr. — A. war als Aklo cine Stadt
der PHonifer, gehirte gu Tyros, jtand um 1400 unter
agyptijder Oberhoheit und blühte als Handelsjtadt
jur Zeit der Eroberung des Landes durd) die He-
briier, die fie gum Stammgebiet Aſcher ſchlugen; um
700 unterwarf fie ſich Sanherib und ward um 650
mit Uſhu gufammen durd) Aſſurbanipal gezüchtigt.
Unter der Herrſchaft der Ptolemäer erhielt die Stadt
den Namen Ptolemais, wurde 69 v. Chr. durch
Tigranes von Armenien belagert und kommt bereits
im 2. Jahrh. n. Chr. als Biſchofsſitz vor. Bur Beit
der Kreuzzüge erhob es fic) zu Glan; und wurde, 1104
von den Rreusfahrern erobert, Sammelplas der
fränkiſchen Flotten. Es erhielt dDamals den Namen
Saint-Jean d'Ucre von einer jest verfallenen
Dauptfirde ded Heil. Johannes. Naddem VW. 83 Jahre
unter chriſtlicher Herrſchaft geftanden, ward es 1187
von Saladin genommen, 1191 aber im dritten Kreuz—
ug von ben Chrijten abermal3 erjtiirmt. Seitdem war
. Hauptjig der Johanniter, bis 1291 der ägyptiſche
Ralaunide Chalil die Stadt eroberte; damnit hatte die
Franlenmacht in Syrien ein Ende. 1517 fiel A. in
bie Hande der Tiirfen. Un dem Widerjtand, den in
U. 1799 Djezzar Pafda und Sidney Smith 61 Tage
lang leijteten, fdeiterte Bonapartes Blan der Erobe-
rung Syrien8. Ybrahim Bafda nahm A. 27. Mai
1832 mit Sturm, und durd den Frieden von Kutahia
(14. Mai 1833) blieb e3 in Den Händen des Bize—
fonigs Mehemed Wii. Infolge des Vertrags vom Juli
1840 aber ward A. von der engliſch-öſterreichiſch-tür⸗
liſchen Flotte zwei Tage lang bombardiert und 4. Nov.
sur Ubergabe gezwungen.
Akkadiſch, jovicl wie Sumeriſch (f. Sumerer). Ws
geographifder Name bejeidnet Allad Rordbabylo-
nien im Unterfdjied von Sumer oder Siidbabylomen.
Akkal, ſ. Drujen.
Akkaparement (fran}., fpr. mang), der wucherhafte
Muftauf (ſ. d.) von Waren und die wucheriſche Her—
beifiibrung des Steigens oder Fallens der Waren:
preife und Wertpapiere (in Frankreich als Bergehen
—— Utfapareur (jpr. Be), wucheriſcher Auf—
ufer.
WFferman (altilaw. Bj éig or od, »>Weifenburge),
Kreisjtadt im ruff. Gouv. Befjarabien, am Liman des
Dnijejtr, hat 8 Rirden (darunter eine alte griechiſche),
cine Synagoge, Sollverwaltung, Lichte- und Seifen-
fabrifen, Fiſchſalzereien in der Nähe, einen Hafen fiir
Dampfſchiffe, die den Verlehr fiber den Liman nad) |
| und jid) nicht in einem Land erhalten fdnnen, wo die
Owidiopol vermitteln, Wembau und (1997) 28,308
Akka — Wfflimatifation.
Einw. (Ruffen, Grieden, Urmenier und Yuden). Der
Kreis A. baut in großem Umfang Wein. — Hier
tand einſt die milejifde Rolonie Tyras. Wahrend der
dlferwanderung zerſtört, ward die Stadt fpater von
den Genuefen unter Dem Namen Mauro Cajtro
wieder aufgebaut und 1484 von den Liirfen erobert.
Die Ruſſen nahmen A. zu wiederbolten Malen, zuletzt
1806. Yin 6. Oft. 1826 wurde hier zwiſchen Rußland
und der Pforte ber Bertrag von A. geſchloſſen.
deffen Nichterfiillung feitens der Pforte den ruſſiſch
türkiſchen Krieg von 1828 sur Folge hatte.
Akklamation (lat.), sok bejonderS der des
Peifalls, der Freude. Bei den Rimern gab es ftehende
Formeln der U. bei Triumphen, Vermahlungen x.
Unter den Raifern wurden lange, gefangartiq vorge-
tragene Ufflamationen voll der niedrigiten Schmeiche⸗
leien üblich. Auch wir haben ftebende Alllamationen
des Beifalls und des Tadels, ſo das franzöſiſche Vive!
und A bas!, das engliſche Hipp Hipp Hurrah! und
For shame!, das bei Den Deutſchen übliche Vwat!
und Bereat! Bravo! x. Auch Beſchlüſſe und Wahlen
geſchehen »durd A.«, indem bei zweifelloſer Einmü—⸗
tigfeit einer Verſammlung der Vorſitzende den zur
Beſchlußfaſſung ſtehenden —E— fiir angenontmen
erflirt, falls fein Widerfprud dagegen —
Akklimatiſation, die Gewöhnung lebender Weſen
an die klimatiſchen Einflüſſe eines ihnen fremden Ortes
mit neuen meteorologiſchen Verhältniſſen. Die ver-
ſchiedenen Pflanzen und Tiere beſitzen ſehr un—
gleiches Ufflimatifationsvermigen. Mande find auf
enge Gebicte angewiejen, nur den bier berridenden
fpejiellen Verhaltniffen angepaft, andre gedeihen auc,
wenn fie in Lander mit erheblicd) abweidendem Klima
gelangen. Pflanzen und Tiere haben tm Laufe fehr
langer Heitraume große Wanderungen ausgefiibrt,
und man fann im allgemeinen annehmen, daß fie fo
weit borgedrungen find, wie die klimatiſchen Verhält⸗
nifje gejtatteten. Der Verbreitung der Pflanzen und
Tiere find von der Natur aber aud) andre als flima-
tijde Grenzen gefest, und wenn man fie in weit emt-
leqene Gebtete mit abnlidem Klima wie tr den Gren}.
gebieten ihres natiirliden Vorfommens bringt, fo ge
Deihen fie 7 vortrefflid. So war in einer friibern
Epoche der Erdgeſchichte das Pferd in Wmertfa ver-
breitet, ftarb Dann völlig aus, wurde aber im Mittel-
alter mit foldem Erfolge wieder eingefiihrt, dak es
jebt in groken Herden verwildert dort lebt. Ahnliches
gilt fiir Pflanzen, die vor der Eiszeit in Mitteleuropa
vorhanden waren, dann zu Grunde gingen und jest,
von neuem eingeführt, febr gut gedethen. Rord-
amerifanifde Brangen find zu uns und europäiſche
nad Uujtralien gelommen, und ftellenweife mußte die
heimifde Flora vor den Fremdlingen zurückweichen.
Ugaven und Opuntien haben fic) in Siideuropa, Eri-
geron canadense, Oenothera biennis x. in Nord-
deutidland eingebiirgert. Chenfo ijt die Schopfwachtel
in Frankreich, die —— Wachtel in Irland, das
rote Rebhuhn in England eingebürgert; viele amert-
laniſche Fiſche stichtet man jest in Europa, umgefehrt
europadijde in Nordamerila und Auſtralien. In letz⸗
term Erdteil gedeihen Star, Hänfling, Budfink, Lerche,
Drojjel, und in Nordamerifa verdrangt der Sperling
die dort hetmifden Singvögel, Jn allen diefen Fallen
handelt es fid) aber um eine Uberfiihrung in ähnliche
Klimate, und es wurden nidt ſehr große Unforde-
— an die Ufflimatifationsfihighett qejtellt. Miß⸗
erfolge ergaben fic) trogdem 4. B. bei Bilangen, bie
völlig auf Bermehrung durd) Samen angewiejen find
Afflimatijation (der Pflanzen, de3 Menſchen, Alklimatiſationskrankheiten).
Inſekten fehlen, die allein die Befrudtung vermitteln.
Auch chemiſche und phyſikaliſche Berhaltniffe des
Bodens8, Mangel an geet netem Futter bei Tieren rc.
haben bisweilen die Einbiirgerung verhindert. Die
A. von Pflanzen wird fehr begünſtigt, wenn fie wie
laubabwerjende Gehölze, Knollen- und Swiebelge-
wade tm Winter in einen Ruhezuſtand geraten. Die
Grenje, die auc) hier gezogen ift, wird nod) bedeutend
liberfdritten, wenn man dic Pflanzen gegen die Cin-
wirkungen ded Winters und Friihlings ſ 4 Viele
Gehölze, Stauden, Knollen und Zwiebeln, jelbjt ge—
wiſſe J5 laſſen ſich bei uns im freien Lande durch
Einbinden oder Bedeckung hinreichend ſchützen, von
andern nimmt man die Zwiebeln, Knollen, Wurzel—
ſtöcke im Herbſt aus der Erde und überwintert ſie
froſtfrei, von andern im freien Land erwachſenen
Pflanzen erntet man im Herbjte ben Gamen, bewahrt
dieſen geſchützt auf und fat ihn im Frühjahr wieder
aus. Hier fann man nidt von A., nicht einmal von
Cinbiirgerung fpreden. Es ijt aber aud) beobachtet
worden, daß cingebiirgerte oder durch künſtlichen
Schutz erhaltene und ſorgfältig gevitegte Pflanzen tm
Naufe der Generationen guriidgehen, ſchwächlicher
werden, verlümmern. C8 liegt wohl faum ein Bei-
fpiel vor, dah fic) Pflanzen im Laufe der Genera-
ttonen an ein neues, erheblich abweidendes Rima
gewodhnt Hatten, widerſtandsfähiger qeworden waren,
während allerdings, wie aud) bet Lieren und Men—
ſchen, oft cine Ynderung des Habitus erfolgt.
Die mehrfad behauptete absolute Ufflimatijations-
fähigleit des Menſchen ijt durd feine Tatſache er-
wiejen. Der Menſch ertragt leidjter als das Tier
flimatijdhe Unterfdiede, weil er fid) durch Wohnung
und Mleidung ſehr wirkſam fdiigt und feine Lebens-
weife dem neuen Mima anpaft. Wieviel in diefer |
Hinſicht gefdehen fann, beweijt namentlid die Stati- |
{tif der tropifden Urimeen (f. unten). Immerhin ge- |
jtaltet fic) dad körperliche Befinden und nod mehr
Die Leijtungsfabhigkeit des Menſchen am günſtigſten
in Dem Klima, dem dad Individuum nad feimer Wb-
ftammung angebirt. Wie BVolferwanderungen aus
hijtorijder Zeit betreffen nur die Unfiedelung in einem |
Lande, defjen Mima dem der Heimat der Muswanderer
ähnlich tft. Anderſeits haben die Erfahrungen bei
Wuswanderern in tropijde Gegenden, befonders Afri⸗
fas, gelehrt, dak Der Europäer unter giinjtigen Ver—
hältniſſen und bei geniigender Vorſicht eine Zeitlang
dort aushalten fann, dak aber von einer wirklichen
W. nur felten die Rede ijt. Selbſt fiir fubtropijde
Gebiete ijt der Beweis ciner vollen VW. des Nordländers
nod nidt erbradjt. Der Deutſche gedeiht in Algerien
fo gut wie irgendwo in der Dlivenregion, und dod
liberwiegt felbjt in den fiihlern Gebieten die Zahl der
Todesfälle die der Geburten bedeutend. Betrachtet
man das Schichſal der dritten Generation als ent-
ſcheidend, fo ijt zu bemerfen, daß es felbjt in Ugypten
nidt gelang, ein paar ſüdeuropäiſche Familien von
liingerer Dauer aufzufinden. Die feit 1821 in Chile
cingewanderten Familien find, ſoweit fie fid) unver-
miſcht erhalten haben, fajt ſämtlich ausgeſtorben. Dieſe
Tatſache erklärt, warum Vandalen, Ojt- und Weſt—
goten ſo ſchnell zu Grunde gingen, nachdem ſie ſich
un der Olivenregion angefiedelt, warum die Lango—
barden nur nodrdlid) ded Upennin dauerten, und
warum von der Normannenarijtofratie in beiden Si-
gilien nad) fo furzer Zeit jede Spur verſchwunden ijt.
Soweit die Erfahrung und die beſonders von fran-
zöſiſchen Forſchern gemadten Beobachtungen reichen,
ijt eine A. an kältere Klimate durchaus zu ermög⸗
Meyers Konv.-Lexilon, 6. Aufl., J. Bd.
225
lichen. Beſonders fommt dabei ju Hilfe, daß der
Menſch ſich gegen die Kälte eher fdiigen fann als
gegen die Hike, und anderfeits wirkt die Kälte auf den
rganismus an fic) bei weitem weniger ſchãdlich. Bon
den int 70er Kriege verwendeten afrifanijden Truppen
find trog der jtrengen Wintermonate nur ganz wenige
erfranft. Auch Reger, die beliebig lange in nördlichern
Klimaten leben, zeigen faſt ausnahmstos eine bedeu⸗
tende Unpaffungsfabigteit. Biel fdjwieriger gejtaltet
fid) die U. an heiße Klimate. Unfangs fdeint der
Cinwanderer nicht belajtigt zu werden, fein Ausſehen
und Gebaren bilden emen auffallenden Gegenfag zu
der Gupern Erjdeinung der ſchon lange an dem tro-
pijden Wohnorte weilenden Landsleute. Uber nad
Woden oder Monaten ſinken die Leiſtungsfähigkeit
und die Kriifte, es tritt cine Ubfpannung ein, die Funk⸗
tionen Der Haut und der Leber jteigern ſich, während
Ernährung und Blutbereitung an Cnergie verlieren.
Sehr aiinftig wirtt eine gcitweife Unterbredung der
A., fei es durch Cintritt kühlerer Jahreszeit, durch
eine Seereiſe oder durch Aufenthalt an hochgelegenen
Punlten. Tritt ſolche Unterbrechung nicht ein, fo
ſteigern ſich die angedeuteten Störungen, und es tre—
ten rebel ea agg, a (Akklimatiſations—
krankheiten) em. Unter günſtigen hygieniſchen und
individuellen Verhältniſſen machen erheblichere
Geſundheitsſtörungen wohl erſt nach mehrjährigem
Aufenthalt bemerkbar, oder fie bilden wohl auc Uber-
änge zur Gewinnung einer neuen, etwas verjdobenen
leichgewichtslage des individuellen Geſundheitszu⸗
ſtandes, womit alsdann die A. erreicht ijt.
Bei der Veurteilung diejer Borginge muß man
bie Bedeutung des Elimatifdhen Moments
als Krankheitsurſache in gemapigten Himmels-
ſtrichen in Betradt ziehen. Der Friihling wird woh!
durch allju fdjnelle —— der Blutfülle, der
Sommer durch Verminderung der Eßluſt, der Herbſt
durch relativen Blutmangel und der Winter durch
große Anforderungen an die Atmungswerkzeuge und
an die Organe des Blutumlaufs kränklichen oder ſchad⸗
haften Körperkonſtitutionen gefährlich; indes ſind doch
nur wenige Krankheiten tatſächlich als Witterungs-
krankheiten aufzufaſſen, und namentlich erzeugen auch
die extremſten Wetterſchwankungen niemals Cpide-
mien in der dem Klima angepaßten —— Iſt
aber letztere noch anderweitigen gemeinſamen krank⸗
machenden Lebensbedingungen unterworfen, ſo zeigt
fic) die Einwirkung der Witterungsſchwankung oft nut
enormer Heftigfeit. So wideritebt der Soldat am Un-
fang des Feldzugs, folange Enthehrungen, Strapa-
jen rc. nod) nicht die Blutmifdung und Sirfulation,
ie Widerjtandsfahigkeit der ſonſtigen Körperorgane
verändert haben, den Sdwanfungen und Unbilden
des Wetters vortrefflid), während ſelbſt kleine atmo-
ſphäriſche Schwankungen die Entſtehung zahlreicher
Krankheiten veranlaſſen, ſobald das Gleichgewicht der
Ernährung — ijt. Dann treten nad einem ein—
zigen Nadtfrojt, nad) einem jtarfen Regenguß nidt
mehr leichte Ratarrhe und Rheumatismen, fondern
heftige Lungen- und Hersbeutelentsiindungen, ſchwere
epidemiſche Dysenterien, mafjenhafte Typhen, tödliche
Hirnhautentgiindungen auf, die eine vorber jedem
Wetter — bietende Truppe dezimieren können.
Yn allen Tropenklimaten und bei jedem dort leben-
den Europäer tritt friiher oder ſpäter eme Berminde-
rung der Blutbildung mit ihren Folgen hervor, und
diefe Anämie tit um fo ausgebildeter, je mehr pojitive
Schädlichkeiten (Uberarbeitung, ſchlechte Pflege, ernſte
Krankheiten, beſonders Ruhr) vorhanden ſind. Fahle,
15
226 AFflimatijation (Tropentrantheiten, hygieniſche Mafnahmen, Utflimatijationsvereine).
wad8artige Bläſſe, Hervortreten der Knochen, Ber-
lujt jeder lebhaften rofigen Färbung, allmabhlices
Gintrodnen des Fettpoljters unter der Haut findet
man aud bei Perſonen, die gar nicht von wirklichen
Rranfhetten heimgejudt wurden. Während aber dieſe
Erſcheinungen nur die Folge eines Rückganges der
Blutbereitung mit gleidsettiger Herabſetzung des
Waffergehalts im Blut und entſprechender Cntlajtung
des Herzens und des Lungenfreislaufes jind, gibt es
aud anamiſche Zuſtände, inter denen als —* der
Krankheit eine wirklich fehlerhafte Blutmiſchung ſteht,
die unaufhaltſam zur tiefen Zerrüttung und zum Zer—
fall bes Körpers führt. Geht die Bildung derartiger
Uniimien nod mit größern Blutverlujten einbher (wie
bei Der Rubhr), fo tritt bald direfte Lebensgefahr ein.
Von einer Steigerung der Widerjtandsfahigteit nord-
europaijder Cinwanderer in die Tropen gegen deren
ſpezifiſche Krankheiten fann nidt entfernt die Rede
fein, tm Gegenteil ftetgert ſich Die Geneigtheit gu Er—
franfungen mit Dem Aufenthalt in den tree Bon
den Kranfheiten, die als fpejielle Tropenfrant-
Heiten den Reucinwandernden gefahrlid) werden,
find aufer Ruhr (Dysenterie) und Malaria
das Gelbfieber, Leberfranfheiten, Cholera,
Veriberi, Boden und die Peſt hervorsubheben.
Wan fann zwar nicht zahlenmäßig angeben, wieviel
Prozent der Cingewanderten von diejen durch Para-
fiten bedingten Kranfheiten befallen werden, doch ſteht
im allgemeinen fejt, bak befonders in den h cif feu ch -
ten Gegenden jeder in fiirzerer oder langerer Beit
Diejen Epidentien einmal verfällt. Abhängig iſt die
Infektion von den jeweiligen brtliden Berhaltnifen,
den Hygienijden Maßnahmen und der Widerjtands-
fabigtert bes Organismus (Dispofition).
Neben lepterer find zur Fernbaltung einer An—
ftedung und iiberbaupt zur Erreichung der A. die
hygieniſchen Maßnahmen Baer 4 pe
von höchſter Wichtigheit. Gewiſſe = wurden aud)
fon, folange Rolonien erijtieren, befolgt, dod hat
fich erjt in neuerer Zeit ein ſelbſtändiger Wiſſenszweig
iiber dieſe Dinge herausgebildet. Wis widtige Regeln
der Tropenhygtene gelten: abfolutes Fernhalten vom
Bodenanbau mittels eigner Kirperanjtrenqung, Er-
richtung Der Wohnung auf fieberfreiem Baugrund,
event. Herjtellung emes folden durch Aufhöhung
und Drainage, Fernhaltung ungefodten Waſſers aus
der Nahrung, Erſatz desfelben — priiparierte Ge⸗
tränke (ohne oder mit nur leichtem Alkoholgehalt),
Vermeidung ungewohnter, mangelhaft gelochter Spei—
jen, Regelmäßigkeit in ber Lebensweiſe, große Mäßi—
gung im Geſchlechtsgenuß, prophylaktiſcher Gebrauch
von Chinin in der Fieberſaiſon. Die Kleidung hat
ſich den tropiſchen Verhältniſſen anzupaſſen. Anfangs
Erfolg, gang verwerflich ijt aber, vor dem Betreten
der Tropen zunächſt mehrere Monate in ſubtropiſchen
Wegenden ju verweilen. Der Ankömmling langt dann,
durch Flimatifde Unforderungen bereits erjchdpft, am
Bejtimmungsort an und erliegt nun dem eigentlichen
tropifden Klima um fo fdyneller.
Wie bedeutend die Erfolge hygieniſcher Maß
find, geigt die Statiftif der tropriden Yirmeen. Bon
den europaifden Soldaten der hollandijd-oftindijcben
Armee ftarben 1819—28 während eines heftiqen Krie
qe3 und unter dem Wilten der Cholera jährlich 170,
von den Eingebornen 138 auf 1000. Dagegen jtar-
ben 1869—78 während ded Atſchinkrieges und ſchnell
aufeinander folgender Cholera-Epidemien von euro
piifden Soldaten 60,4, von Eimgebornen 38,7 auf
1000 und in Dem Jahrzehnt 1879— 88, obgleich Krieg
und Cholera fortwiiteten, von den Europaiern nur
30,6, von den Gingebornen 40,7. Ähnliche Zablen
gibt die englifde Statijtif. Jn der indiſchen Armee
\tarben von europäiſchen Soldaten 1800— 1830: 84,6,
1830—56: 57,7 auf 1000, Dagegen 1869-78: 19,24
und 1879 — 87 nur 16,27 auf 1000. Auch bier ſteht
die Sterblicdfeit der europäiſchen Goldaten zur Zeit
hinter derjenigen der ajiatifden Truppen weit zurüch
Auf Jamaifa ftarben 1820—36 nicht weniger als
121 europäiſche Soldaten, aber nur 30 Negerjoldaten
auf 1000, 1879—87 bagegen 11,02 Europaier und
11,62 Reger.
Die Akklimatifationsvereine, die neue Pflanzen
und Tiere einjufiihren ſuchen, lieferten bis jest meijt
nur interefjante naturwiſſenſchaftliche Ergebnijfe. Es
find große Hoffnungen gewedt, und mit vielem Eifer
ijt an zahlreichen Orten gearbeitet worden, aber Die
praftijden Refultate find ſehr gering. Wirklich wert-
voll war die Cinfiihrung der italientiden und
tijden Biene und mander Fiſche, wahrend die .
fude mit den neuen Seidenſpinnern nod zweifelhaft
blieben. Auch die Einführung auslindijder Stuben-
vögel ijt erwahnendwert, weil diejelbe zur Schonung
der heimiſchen Singer beitrigt. Bon allen Ufflimati-
fationSvereinen ijt die Société d'acclimatation m
Paris mit ihren Filialen in Ulgerien, Nancy, Grenoble,
unterjtiigt durch die Marine und die Rolonien und
begiinjtigt burd das Klima Franfreidhs, am beften
jituiert; fie erdjfnete 1860 auf einem Terrain von
20 Heftar einen VWfflimatijationsgarten und publiziert
ihre Ergebnijje im »Bulletin de la Société d’accli-
matation«. Ähnliche Vereine entitanden in den Rieder:
landen, in Palermo, Berlin, Mosfau, im Nord-
amerifa und Auſtralien. Im WMittelalter haben fic
die Mince große VBerdienjte um die A. erworben,
und fiir Spanien baben in ähnlicher Weiſe die Uraber
gewirtt. Bal. Hehn, Rulturpflangen und Haustiere
tritt felbjt bet vollfontmener Rube Tranſpiration ein, | (7. Aufl., Berl. 1902); Simonnot, De l’acclimate-
mit Der Ubnahme des Blutwaffers aber wird felbjt | ment des Européens dans les pays chauds (1. inter-
anhaltende forperliche Anſtrengung nad einiger Zeit | nationaler mediziniſcher Kongreß. Bar. 1867); Bir -
ohne iibergroge Hauttitigfeit ertragen, wenn die dow, Uber Altlimgtiſierung Verſammlung deutſcher
Haut nicht dauernd verweichlicht, ſondern nach und
nach mehr exponiert wird. Nicht zu häufige Bäder,
Abreibungen und Übergießungen find empfehlens-
wert. Dre Nahrung foll allméablich fticftoffirmer
werden. Anfangs vt den heimiſchen Gemüſen und
Früchten gegeniiber Vorſicht geboten, ſpäter follten
Ne immer mehr das Fleiſch erſetzen. Wlfoholreicde
Getrinfe find ſchädlich. Neben geiſtiger Tätigleit und
geiitigen Vergniigungen find mit vorfdreitender UW.
Mdrperbewegungen und felbjt Körperanſtrengungen
im Freien in immer grdferm Make vorzunehmen.
Naturforſcher und Ärzte in
trahburg 1885); Jouf-
ſet, Traité de l’acclimatement et de l'acclimata-
| tion
—* 1884); Buchner, Dispoſition verſchiedener
Menſchenraſſen gegenüber den Infeltionskrankheiten
Hamb. 1888); Magelſſen, Abhängigkeit der Krank⸗
heiten von der Witterung (deutſch, Leipz. 1890);
Stofvis, Uber vergleichende Rajfenpathologie und
die Wideritandsfahiqteit des Europäers in den Tro-
pen (Berl. 1890); Bastian, Klima und A. nad eth-
nifden Gejidtspunften (daj. 1889); Rohl ftod, Arzt⸗
licher Ratgeber fiir Oftafrifa und tropifde Malaria:
[berall verbiirgt die allmahliche Steigerung den bejten | gegenden (daf. 1891); Scheube, Die Krankheiten der
Akkludieren — Akkord.
varmen Länder (2. Aufl., Jena 1900); F. Plehn,
Beitrag zur Pathologie der Tropen ꝛc. (in Virchows
Archivp⸗, 1892); Schellong, A. und Tropenhygiene
‘Jena 1894); Aßmann, Das Klima (daſ. 1884).
WFF(udieren (neulat.), anſchließen (cinem Schrei⸗
ben). Akklüſum, Anſchluß, Beilage.
Akko, Stadt, ſ. Ula, S. 224.
WFfolade (fran;., ⸗Umarmung«), die Reremonie
bet Aufnahme der Ritter m einen Orden, wobei der
Broßmeiſter den Aufzunehmenden umarmte. — Jn
der Buchdruckerei Klammern von größerm Umfang.
WEFommobdation (lat., » Unbequemung.:), im all-
meinen Das Bejtreben, das eigne Berbalten den
Wiinjden, Gewohnheiten und Shwadbeiten andrer
gemäß einguridjten; insbef. in der Didaltif die Her-
ablaſſung des Lehrers gu dem Standpuntte des Schü—
fers. Die Theologie hat die A. bei der Uuslequng
der Bibel ju Hilfe genommen, um anjtipige Aus
ſagen Derfelben ju verteidigen oder ihren Widerfprud |
gegen Dogmatif oder Vernunft exegetiſch überwinden
u fonnen. — U. Des Auges iſt die Cinjtellung des
uges auf verſchieden weit entfernte Geſichtsobjelte.
Obne eine folde wiirden die Rephautbilder nur fiir
beſtinumte Sehweiten ſcharf fein. Die U. wird beim
Menſchen und den —— Tieren durd Kriimmungs-
ainderung, bei eigen Tieren durch Lageveriinderung
der Strijtalllinfe herbeigefiihrt. Bgl. Geſicht. Das Ut-
fommntodationsvermigen ninunt normaleriveife mit |
Den Jahren gleichmäßig ab. Ju den 40er Jahren ijt
es nicht mehr grof genug, um unſer Auge bequem
auf Gegenſtände, die ca. 25 cm von ihm entfernt find,
einzuſtellen. Es ijt dDeshalb feinere Naharbeit, Lefen
fleinen Drucks xc. unmöglich oder dod) beſchwerlich
(beginnende Altersſichtigkeit, Weitſichtigkeit,
Bresbyopic). Krankhaft find die Lähmungen
des Uffommodationsvermigens, wie fie bei Bleid
ſüchtigen, bei Sypbilitifern, ena bei Gebirnerfran-
fungen, bei Verlesungen, nach Diphtherie, nad) Wurjt-,
Fleiſch-⸗, Käſevergiftungen, bet Diabetes u. a. vor-
fontnen. UWlfommodationsfraimpfe, die das
Auge kurzſichtig erſcheinen laffen, fommen hauptſäch—
lich nach Kontuſionsverletzungen, bei Hyſterie, bei
Überanſtrengung vor. Die Behandlung der Störun—
gen des Uffommodationsvermigens hat lediglid) die |
Lrfadje gu beriidfictiqen, das fehlende Ulfommoda-
tionsvermigen fann durch Brillen erſetzt werden.
Uffommodationsbreite , ſ. Gejicdt.
UFfommodationstheorie, |. Deſzendenztheorie.
Akkommodationsvermögen,.Atkommodation.
Akkommodement (franj., fpr. mang), Ausglei—
chung von Differenzen; Vergleich, z. B. eines zah—
lungsunfibigen Schuldners mit ſeinen Gläubigern.
— — (lat.), anbequemen, anpaſſen;
zurichten, zubereiten; ſich fügen; ſich vergleichen.
Akkompagnement (franz., ſor. adongpan mang, ital.
accompagnaménto, »Begleitung«), in Muſilſtücken,
die für Soloinſtrumente oder Geſang geſchrieben ſind,
die mehr nur harmoniſch und rhythmiſch ſtützenden
übrigen Stimmen (Orcheſter-A. eines Soloſtücks,
Riavier-W. und Lieder rx.), beſonders im 17. und
18. Jahrb. die auf Grund einer bezifferten Baßſtimme
ausgefiifrte Begleitung am Klavier, der Orgel (Ge:
neralbaf). Akkompagnieren, begleiten; Uffom-
pagniſt, friiher bejonders der Generalbafjpieler.
ord (franj. accord, »Ubereinjtimnumgs), in
der Muſik ein Zuſammenklang mehrerer Tne (Har-
monie). Die altere Muſiltheorie (bid gu Ende des
16. Jahrb.) fah im UW. nur das zufällige Zuſammen—
treffen Der Tine verſchiedener Stimmen. Dod) wies
227
bereits Zarlino (»Istituzioni armoniche«, Bened.
1558) auf die grundlegende Bedeutung de3 Dur- und
Mollaffords hin. Durd die um 1600 auffommende
Generalbaßbezifferung (ſ. d.) bildete fich erjtmalig
eine Urt Schematiſierung der migliden Zuſammen—
flange durd) die bald allgemein angewandten Ab—
fitrzungen fiir die paufigiten Formen der WUWtfordbil-
bung. Anſchließend an die Generalbaßziffern wurde
jeder Bujanunenflang nad) den Biffern benannt,
Die ihn fordern, dabei aber (wohl anſchließend an
SZarlinos Aufweiſung) die aus Ter; und Quinte be-
—— am häufigſten vorlommende Bildung, welche
| Die Generalbaßbezifferung unbezeichnet ließ, Dreiflang
| (Armonia perfetta, Harmonie parfaite, engl. Com-
mon chords) benannt. Der durd) cine 6 verlangte,
aus Terz und Quinte bejtehende A. hieß der Sert-
afford, der durch cine 2 verlangte, aus Sekunde, Quarte
und Gerte bejtebendDe Sekundakkord, der durch 7 ver-
langte, aus Terz, Quinte und Septime bejtehende
Septimenafford x. Durch J. RH. Rameau (> Traité
de l'harmonie«, Bar. 1722) wurde an Stelle diefer
rein ſchematiſchen, an die Begifferung anlehnenden
Ufforddbenennung, bet der nidt einmal Zarlinos
Unterfdeidung de3 Dur- und Mollakkords fenntlid
war und pe — B. h df einen Dreiflang auf h
vorjtellte, eine Gruppierung der Ufforde nad
ihrem harmoniſchen Sinne verjudt. Seine
Lehre von der »Umfehrung der Wlforde«, die 3. B.
ceg,egceund gce als verfdiedene Lagen desfelben
Uffords betradhtet, wurde ſchnell allgemein anerfannt ;
dod) blieb die Generalbafterminologie und -beziffe—
rung tropdem in allgemeinem Gebraud), und die newe
Lehre wurde an diejelbe angefiipft, derart, dak nun
3- B. alle Sertafforde und Duartiertafforde als Um—
fehrungen von Dreiflangen betracdtet wurden, ebenfo
alle Ouintfertafforde, Terzquartfertatforde und Se—
fundafforde als Umfehrungen von Septimenafforden.
Wis Grundafforde (Accords fondamentaux) galten
nunmebr alle aus übereinander gejtellten Terzen ge-
bildeten, der Dreiflang, Septimenafford, Nonenafford
und bei den Schematifern des ausqehenden 18. Jahrb.
aud) nod) der Undezimen- und Terzdezimenalkord:
Je nachdem
F
man die hier
notierten Al⸗ —
korde mit dem “——— af — —
einen oder 7 eu B
anbdern der — —— Schlüſſel lieſt, hat man
einen A. ganz andrer harmoniſcher Bedeutung vor
ſich, z. B. in dem Dreiklang einen Durakkord, Moll-
afford oder verminderten Dreiflang, in allen Fällen
aber nad) der damit gegebenen Faſſung der Lehre
einen Grundafford. Soweit man nun irgend cinen
Zuſammenklang durch Oftavverfesungen einzelner
Line auf einen ſolchen Grundakkord zurückführen
fonnte, erfannte man ihn als eine Umkehrung eines
joldjen, aud) wenn 4. B. fiir Den Undezimen- oder
Terzdezimenafford der cine oder andre der mittlern
Tine feblte. Für den damit inaugurierten niicter-
nen Sdematismus darf Rameau nidt verantwort-
lich gemadt werden; derſelbe fommt vielmehr auf
Rechnung feiner qeijtlofen Nadfolger J. A. Sorge
(1745 ff), J. BH. Kirnberger (1774), J. H. Knecht
(1792f.). Leider wurde nur von wenigen Zeitgenoſſen
eine andre, viel wichtigere, in Rameaus »Traité« ſtiz—
ee Lehre verjtanden, nämlich die Lehre von der
Bedeutung der Wfforde fiir die Logif des Sages, deren
Fundament die Ubleitung der diffonanten Ak—
jforde von den fonfonanten ijt. Rameau weif
15*
228 Afford — Akkumulator.
nichts von gleichberechtigten Dreillängen auf allen | Akkord (franj3.), in der Rechtsſprache foviel wie
Stufen der Tonleiter, —— führt vielmehr die | —— Vergleich, Vereinbarung. Im Konkursver⸗
Sfala auf die Elemente dreier fonfonanten Wfforde | fahren der Vertrag, durd den einem jzablungsunfahi-
suriid, nimlid der Tonifa, Dominante u.Gub- gen Schuldner von feinen Gliubigern cin Radia’
Dominante. Derverminderte Dreiflang h d f ijt für bewilligt wird oder Rahlungsfrijten eingeräumt wer-
ibn in C- Dur eine rag weet Form des Domi | den; ferner wird aud der Zwangsvergleid (f. d.)
nantaffords mit Septime (jtatt ghdf), und fitr hdfa | mandmal A. und das gur Ubwendung der Ronfurs-
ninumt er in C⸗Dur ebenfo cin Fehlen des eigentliden | erdffnung dienende Ausgleichsverfahren (ſ. d.) Ufford-
Wrundtons g an, fieht aber in A-Moll in der Bildung | verfahren genannt.
einen D-Mollakford mit hingugefiigter Unterter; h.| WFfordarbeiter, landwirtfdaftlide, fF
Nur J. Fr. Daube (⸗Generalbaß in drei Alkorden«, Landwirtſchaftliche Betriebserforderniſſe.
1756) bat Rameaus Aufweiſung der Tonifa und der| WFordion (griech.), ſ. Biehbbarmonifa.
beiden Dominanten als Grundpfeiler dertonalenHar-| Wfordlohn, ſ. Arbeitslohn.
monif beqriffen, und erjt Gottfried Weber (Verſuch Wfordpaffage, in der Muſik ein ſchneller Gang
einer geordneten Theorie der Tonfesfunjt«, 1817 ff.) | durd) die Tone ees Alkords im —— zu der
nahm einen neuen Anlauf zum Ausbau der Lehre die melodiſchen Zwiſchenſtufen berührenden Tonleiter-
von der Bedeutung der Akkorde, indent er die Ufford- paſſage; vgl. Arpeggio.
—— von der Generalbaßbezifferung emanzi⸗ a (bei den — N tran), Stadt an
pierte und die Bezeichnung de3 Duraffords durch einen | der Goldfiijte (Wejtafrifa), unter 5° 31‘ nördl. Br.
großen und die des Mollakfords durd einen fleinen | hat etwa 16,000 Cimw., darunter nur wenige Eurv—
Buchitaben (C,c) zum Ausgang nahm. Die Weberſche | pier, ijt der bedeutendjte Handelsplag an der Gold-
VUfforddijfrierung wurde dann unter andern von Ot- | fitjte, Sif eines deutſchen Konſuls und war, feit 1850
tingen (»Harmoniefyjtem in dualer oni He britijd, bis 1875 Rejideng des Gouverneurs der Gold-
1866) und Hugo Riemann (⸗Skizze ciner neuen We- | küſte. — A. wurde 1862 durd cin Erdbeben fajt gang
thode der Harmonielehre«, 1880) aufgenomumen und zerſtört. Das friihere Negerreich W. bildet jetzt einen
weiter ausgebaut. Wenn aud) nicht um die UWffordbe- Fel der Goldfiljtenfolonie.
nennung und Chiffrierung, fo dod) um die Erflarung
der Ufforde madhte ſich rer. tis (» Traité complet de
la théorie et de la pratique de l’harmonie«, 1844)
verdient. Die nunmehr geflirte Lehre von der Be⸗ zen ihrer Gendung oder ihres Auftrags zu vollsieben-
deutung der Alkorde unterſcheidet zunächſt fonjonante | den Handlungen iibernchmen. Go affreditiert dic
und diſſonante Ufforde. Ronfonant find nur der Dur- Staatsregierung diplomatifde Perfonen gum Behuf
WfFreditieren (franj.), jemand beglaubigen oder
durd cin Vollmadticdretben die Gewahrieijtung fir
die von ciner bejtimmten Perſon innerhalb der os
afford und der Mollatford. Diffonante Ufforde find | der Uusridtung allgemein diplomatifcher Funttionen
nur 3u erfliren als Umgejtaltungen irgend welder Art oder beftimmter Aufträge an auswartigen Hdfen und
von fonfonanten, haben alfo nicht einen primiren, | Regierungen. Die damit Betrauten, Botfdafter, Ge-
ſondern einen abgeleiteten Sinn. Die Hauptgruppen, | jandte ꝛc., pflegen die besiigliden Beqlaubiqungs-
in die man die diffonanten Wffordbildungen ſcheidet, ſchreiben (Uffreditive) dem auswirtigen Staats-
find: 1) Dur- oder Mollaftorde, denen etn dijfonie- | oberhaupt in der erjten Audienz (WUntrittsaudien;)
render (d. h. ein ihnen fremder Ton) hingugefiigt ijt | perſönlich gu fiberreiden. — Ym faufminnifden Lc
(3 B.ceg|b,ceg|a,ceg|h; fis| ace x.) oder | ben verjteht man unter Uffreditierung dad Verſchaffen
aud) nod) cin vierter, ja fiinfter Ton (gh d/ fa, | von Kredit durd Empfehlung, insbef. die Ausſtellung
ghd|facx.). 2) Durafforde oder Mollafforde, in | cines Utfreditivs oder Kreditbriefs (f. d.).
Denen an Stelle cines feiner Tone cin Nachbarton cin-| WFreszengredht, ſ. Unwadfungsredt.
geſtellt ijt, ſei es, daß er nodjauseinervorhergehenden | Wtrimination (lat.), Unjduldigung, Unflage.
Harmonie beibehalten ijt, um fic erft fpiter in dem | Akkulieren (franz., for. atta), in der Bolte nicht
i | mw Altordton fortzubewegen (Vorbhalts- | weit genug vorgehen; fich gu weit aufs Kreuz des
ft el | e—f afforbde, vgl. Beifpiel 1), oder dak von | Pferdes ſetzen.
he le einem Wffordtone aus ju einem Nach⸗ Akkum, hebr. Ablürzung pon »Wbodath kocha⸗
gg g bartone fortgefdritten wird (durd)- | bim umafjalot« (Kultus der Sterne und Sternbilder)
Re le gehende Dijfonanjen, vgl. Beifp. 1). | und »Obed fodabim umaſſalot« (Diener der Sterne
3) Durafforde oder Mollafforde, in | und Sternbilder — Gdgendiener), eine Erjindung
denen ein Ton chromatiſch veriindert ift (alterierte UE- | der Benfur fiir die urjpriinglicen Lesarten der tal-
forde), 3. B. cegZ, pacer. 4) Das gleichseitige | mudiſchen Literatur: Uboda jara (Götzendienſt), Goi,
Auftreten mebrerer der unter 1—3 aufgewiejenen BVer- | Nodri u. a. (Nichtjude). Senfurfreie Ausgaben und
ainderungen im Dur- oder Mollafford. Nähere Nach— Handidriften fennen dieſe Bezeichnung nicht. Bal.
weife der allmählichen Entwidelung f. bei H. Rie- Strad, Cinleitung in den Talmud (Leip3. 1901).
mann, Gejdichte der Mujiftheorie rm 9.—19. Jahr- WFFumulat (lat.), aus lofen Triimunern bejtehen-
hundert (Leipz. 1898). des Gejtein (vgl. Agglomerat), im Gegenfage zu den
Mit A. (Stimmwerh) bezeichnete man aud friiher | aus verfitteten Triimmern bejtehenden Breccien und
cine Gruppe von Ynjtrumenten derfelben Familie von | Ronglomeraten (jf. d.).
verfdiedener Größe und Tonlage (in Sopran-, Wit, | umutlation (lat.), Un-, Aufhãufung.
Tenor- und Baßlage), wie folde tm 16. Jahrb. fiir! Akkumulative Vererbung, ſ. Erblidfeit.
den injtrumentalen Bortrag von Gefangsfompofitio-| Wfumulator (lat., »>Sammier«, Rraftfamm-
nen ſich herausgebildet hatte. Cin ſolcher A. iſt z. B. ler, Kraftſpeicher), von Sir W. G. Armſtrong
unſer Streichquartett. Qn der Violin⸗ und Lauten- erfundener Apparat, in dem Druchwaſſer fiir bydrau-
literatur Des 17.—18. Jahrh. verſteht man aud) un— liſche Maſchinen mit unterbrochenem Betriebe (Hebe-
ter A. (accord) Die ju Anfang einer Kompoſition ge- | mafdinen, Preſſen rc.) durd eine fontinuierlich arbei-
* Anweiſung fiir cine ausnahmsweiſe vorge- tende Pumpe aufgeſpeichert wird, um für die kurze
chriebene Stimmung (scordatura) des Inſtruments. Arbeitszeit jener Maſchine eine deſto intenfivere Vers
Affumulator (elektriſcher Stromſammler).
ſtung zu geſtatten. Bei dem Gewidtsatlumula:
tor (ig. 1) iſt à ein Zylinder, in dem ſich cin Kolben
b bewegt. Deſſen oberes Ende trägt eine Platte c, an
der mittels ae en d die Platte e hängt, die am
Bylinder geführt it und die Belaftungsgewidte f
aufnimmt. Bei g ijt die Rohrieitung nad) der Pumpe
und den Urbeitsmajdinen (hydraulifde Preſſen,
Krane, Aufzüge rc.) angefdloffen, durch die das Waf-
jer ein- und austritt. Hat der Kolben feine höchſte
Stellung erreidt, Dann wird durd) eine felbjttatige
—————— Pumpe ausgerückt. Bewährt hat ſich
bei den Akkumulatoren ein Druck von ungefähr 50
Atmoſphãren —= 50 kg auf 1 qem. Bei einem A. der
befdriebenen Ronjtruftion
bleibt der ausgeiibte Druc
immer fonjtant, wenn man
nidt etwa die Belajtung
ändert. Goll fic) aber der
Drud des Betriebswafjers
entſprechend dem jedesmali-
gen Widerjtande der Ar—
eitsmaſchine variieren laſ⸗
fen, fo benutzt man Alklumu⸗
latoren, bei denen man mit
Hilfe einer Steuerungsvor⸗
richtung verſchiedene Waſſer⸗
preſſungen erreichen kann.
Das —* des hierhin ge-
eee ffumulators von
Deinrid in Brag berubht
darauf, dak cin fonjtantes
Belaſtungsgewicht auf einen
roßen oder einen fleinen
olbenquerfdnitt oder auf
die Differens beider wirffant
gemadt wird (Differen-
tialaffumulator). Man
verjieht aber auch die Ar—
beitsmafdinen jelbjt mit
mehreren Rolben von ver-
ſchiedenem Ouerfdnitte, dic
nad Bedarf cingeln oder zuſammen zur Wirfung fom-
men. Die oft außerordentlich ſchweren Gewidte der
Uffumulatoren haben manderlei Nachteile, insbeſ.
verurjadjen fie bisweilen bei ſchneller Urbeit heftige
Stöße und geben damit die Méglichfeit von Zerſtö—
rungen in der Unlage. Diefer übelſtand wird ver-
mieden bei den Dampfaflumulatoren, bei denen
jtatt des Gewidtes ein grofer, in cinem Zylinder
dicht anfdliehend beweglider Kolben vorhanden ijt.
Diefer jteht mit dem Kolben des Waſſerzylinders in
Verbindung und befommt den ndtigen Dru durd
Dampf, der in feinen Zylinder eingelaffen wird. Jn
ähnlicher BWeife benugen ein elajtifdes Drudmittel
die Luftdrudaffumulatoren. Bei dem A. von
Prött u. Seelhoff (Fig. 2) tritt Drudwajjer durch a
in den Waſſerzylinder D und bringt den Rolben C
und mit ibm den Kolben B gum Stetgen. Hierdurd)
erhält die in A eingeſchloſſene Luft eme Spannung,
die bet bape erage, er von B wie eine Gewidts-
belajtung wirkt. Zur Erzielung größerer Gleichmafig:
feit wird A febr groß gemadt und durd) r mit vier
großen Luftkeſſeln verbunden. Soll eine verhiiltnis-
miapig ſchnelle Zu⸗, bez. Abnahme de3 Druckes erzeugt
werden, fo wird r abgeſperrt. Die Luft in A erhält
ewöhnlich cine Spannung von 50 Utmofpharen, und
die Fläche des Kolbens B fajt zehnmal groper als
die von C ijt, fo betragt der Wafferdrud 500 Utmo-
ſphären. Zur Verbhiitung de3 Entiveidens von Luft
h
UDR EAE
VV
Gewichtsaltu—
mulator.
Fig. 1.
229
enthält A etwas Glyjerin (bis ww), das durd G
eingefiillt wird. Die Zugitange p und der Arm m
Dienen gum Wusriiden des Akkumulators beim höch—
i — Zur Vermeidung von Stößen ſetzt
id) der finfende
Rolben auf höl⸗
gerne Bufferrin-
ge h auf. Rin-
nen die Alkumu⸗
latoren nicht an
frojtfreien Orten
aufgejtellt wer-
den, Dann wird
dem Betriebs-
waſſer zur Ber-
hinderung des
Einfrierens
meiſt Glyzerin
oder eine andre,
den Gefrierpuntt
herabſetzende
Subſtanz juge-
ſetzt. Alkumula⸗
toren finden Ver⸗
wendung zum
Betriebe von hy⸗
drauliſchen He—⸗
bemaſchinen (in
Geſchäftshäu⸗
fern, Fabrik⸗ u.
Hafenanlagen,
Diittenwerfen
2¢.), Don hydrau⸗
liſchen reſſen
in OF, Bapier-,
—— Pulver⸗
fabrilen ꝛc.), von
hydrauliſchen
Schmiedepreſſen,
Nietmaſchinen ꝛc.
Val. Ern ſt, He-
bezeuge (3. Aufl., Berl. 1899, 3 Bde.); Uhland,
Hebeapparate (Jena 1883); Breslauer, Kraft- und
Hebemafdinen (Leip;. 1900); Robin fon, Hydraulic
powerand hydraulic machinery (2.Yujl.,Lond.1893).
Affumulator (Sammler, ſekundäres gal-
vanijdes Element, Qadungsfiule), elettro-
chemiſcher Upparat zur Aufſpeicherung von Strom:
arbeit behufs ihrer fpdtern Verwendung an beliebigent
Orte. Der U. wurde 1850 von Wilhelm Siemens
und unabbingig von ihm von Sinjteden erfunden,
aber erjt 1859 im einer fiir Die Tedjnif braudbaren
Form von Planté Hergejtellt. Cin Alkumulatorele—
ment bejteht aus zwei Bleiplatten, von denen die poji-
tive (4) mit braunem Bleifuperoryd (PbO,) tiber-
pogen ijt, wabrend ſchwammig aufgelodertes Wei (Pb)
ie Oberfläche der negativen (—) bildet; beide Plat.
ten werden in cinem mit verdiinnter Schwefelſäure
(H,SO,) gefiillten Gefäß einander gegenübergeſtellt.
Gewöhnlich ſtellt man eine größere Anzahl Platten
jo in ein Gefäß von Glas, Ebonit oder mit Bed) aus-
geqojjenem Holz, daß jede + Platte gwifden zwei
— Platten fteht, alfo ftets cine — Platte mehr vor-
handen ijt als + Platten. Fig. 1 (S. 230) zeigt in
ſchematiſcher —— von oben drei Uffumu-
latorzellen mit je fieben Blatter, von denen die
drei pojitiven mit dicen, die vier negative mit zarten
Linien ausgejzogen find. Wuf der einen Seite der aellen
werden die pojitiven, auf der andern die negativen
230
durd) angelitete Bleijtreifen b miteinander verbunden,
fodann durd einen Draht die + Platten der einen an
die — Platten der andern — (Schaltung
hintereinander oder in Serie) oder, wenn man
bie mittlere Zelle herumdreht, die ſämtlichen + BPlat-
ten und die ſämtlichen — Platten zuſammengeſchaltet
(Schaltung nebeneinander oder parallel).
Verbindet man die + Platten einer Zelle mit den
—Patten durch cinen Draht, fo durchfließt diefen
ein Strom in der Richtung von jenen 3u diejen. Er
erlegt die Schwefelfaure in Waſſerſtoff (H,) und den
durerejtSO,, von denen letzterer ſich, der Stromrid-
tung in der Flüſſigkeit oe, an die —latte
begibt und Bleijulfat (PbSO,) bildet: Pb + SO, —
PbSO,, wahrend der Waſſerſtoff zur + Platte gebt
und dort das Weijuperoryd PhO, ju Oryd PbO re-
duziert, das Dann ebenfalls Sulfat bildet:
PbO, + H, + H,SO, = PbSO, + 2H,0.
Die Flüſſigkeit verliert alfo die zur Sulfatbildung
nötige Schwefelſäure, und der A. tit vollſtändig ent-
laden, fulfatifiert, wenn alles Superoryd in Sul-
fat iibergegangen ijt. Ehe es aber bis zur Halfte auf-
— iſt, wird durch Abnehmen der Drabhtver-
indung der Strom unterbrochen. Um den A. in den
J— b
——
Drei Attumulatorzellen.
Fig. 1.
anfingliden Zuſtand ante verbindet man
die + Platten der Hellen mit dem pofitiven, Die
—latten mit dem negativen Pol einer Dynamo-
mafdine oder einer galvanifden Batterie und leitet
deren Strom bhindurd. Dann wandern H, und SO,
in entgegengelepter Richtung, es bildet fi) wieder |
Superoryd an der + Platte, während an der — Platte
Wei auftritt: PbSO, +H, = Pb+H,SO,. Boll:
ſtändig fulfatijierte Wfumulatoren laſſen fic) nicht
wieder laden, weil bei ihnen beide Platten mit einer
zuſammenhängenden dicen, den Strom nidt leiten
en Schicht von Bleifulfat bededt worden find. Um
Den YW. gu formicren, die + Platte mit Superoryd
(aftive Mafie), die —Platte mit ſchwammigem
Blei yu überziehen, ftellte Planté die Bleiplatten in
die Saure, Lud den A. in immer längern Zwifden-
räumen und entlud thr wieder, lich thn aber dazwi—
ſchen längere Zeit geladen jtehen. Das vorhandene
Superoryd hatte dann Beit, feme Unterlage in Blei—
oryd (PbO) zu veriwandeln, indem es felbjt in folded
liberging. Das Oryd verband fic) mit der Schwe—
felſäure zu Sulfat, und diefes fonnte bet erneuter
Ladung wieder in Superoryd verwandelt werden.
Faure überzog die Platten mit einem Brei aus Blei
— (PbO) und verdiinnter Schwefelſäure, der beim
aden das Sulfat bildete, oder bedectte fie mit Dien
nige (Pb,O,), die mit Schwefelſäure angefeudtet war,
und fdidte einen Strom bindurd:
Pb,O, + 2H,SO, = PbO, + 2PbSO, + 2H,0.
Die fo erhaltene aftive Maſſe pflegt nicht ſehr feſt an
Den Platten zu haften. Fällt fie heraus, fo bilden,
wenn die Flatten bis zum Boden des Gefäßes rei
chen, die herabgefallenen Teilchen Kursidhlup, und der |
| Bwifden die Platten
mit Rippen verjehen, die nad
Akkumulator (elettrijdjer Stromſammler).
Strom in der Belle bleibt dauernd geſchloſſen. Dann
aber tritt bald Sulfatijierung ein, und da Der Strom
wegen des geringen Widerjtandes der Belle fehr ſtart
ijt, werden Die Platten bald unbraudbar. Wan ver-
meidet dies, indem man die Platten auf Glasprismen
jtellt ober mittels gweier najenartiger Unfage am
Rande der Gefäße aufhingt. Weil aber dad Glas by-
qroftopifd ijt, breitet fid) die Schwefelſäure auf der
Innen- und Mupenfeite der Gefäße aus, und diefe
müſſen daber ftets auf ifolicrende Porzellanfüße, die
wie die Iſolatoren der Telegraphendrähte cmen vor-
fpringenden Rand haben, gejtellt werden. Gefdhieht
Dies nicht, fo bildet
der Erdboden, mit
dem die Platten in
leitendDe Verbindung
fommmen, einen dau⸗
erndenStromfdlup,
der den A. langſam
entladet.
Big. 2 zeigt eine
Belle mit fieben Plat-
ten der Uffumulato-
renfabrif gs
fellfdaft in Berlin
(friiher Hageni.W.).
Fig. 2. Atlumulatorgelle ber
Uftumulatorenfabrif Att.⸗Geſ. in
Berlin.
jind Glasrbhren ge—
jtellt, die Deren Be-
riihrung verbindern,
nian fept fie aud) wohl auf Zapfen, die auf Bleijtrei-
fen befejtiqt find, um fie gegen Umfallen zu fichern.
Zwei zwiſchen die äußerſten Platten und die Glas-
wand gejtedte Bleifedern driiden die Platten gegen
die Glasröhren.
Die Platten find Seclenplatten, Gitterplat-
ten oder Maffeplatten, je nachdem fich die aftive
Maſſe gu beiden Seiten eines sie Bleiferns, oder
in den Maſchen eines negartiqen Gitters, oder in einem
Rahmen von Hartblei (Antimonblei) befindet. Die
Platten des abgebildeten Utfumulators ſind Seelen-
platten, die — Platten Gitterplatten. Jene werden
außen weiter werdende
—
Zellen bilden, in
welche die Formie⸗
rungapajte geftri-
chen wird. Sofann
jie fic) beim For— “4 hs
menanbwem ite oped SS x
—
mit der Zeit her⸗
ausfilt, fmd <a_©, A
durd) Die dftern SO. F a a
Ladungen und “<a as
Entladungen Die Fig. 8. Correndfhes Bitter.
Oberfliden der :
Platten felbit fo weit in aftive Maffe verwandelt, daz
dieſe Berlujte {eine Bedeutung mehr haben. Fig. 3
zeigt ein Stück dDer Gitterplatten von Correns.
Sie bejtehen aus quadratijcden Feldern, die auf bei-
den Seiten um die halbe Quadraticite verjegt find,
jo daß auf die Quadratmitten der Riidfeite auf
der Vorderfeite fallen. Der Querſchnitt der prisma-
tifchen Stabe bildet cin Dreied, defjen Spitze nad
innen liegt. Wn ihren RKreujungspuntten find fie
durd) Bolen verbunden.
Yn den Endplatten einer offenen Wffumulatoren-
batterie muß ftets freie Cleftrizitiit vorhanden fein,
die, fobald betde miteinander durch cinen Leitungs-
Affumulator (elektriſcher Stromfammier).
draht verbunden werden, in diefen den eleftrifden
Strom treibt. Dazu mus fie eine gewiſſe Kraft, die
Spannung (elettromotorifde Kraft), befipen.
Der Spannungsunterfdied erreidjt beim oe ches
nen A. feinen größten Wert von 2,5 Bolt, aber
beim Entladen erjt langjam bis auf 1,8 Volt, dann
raſcher nod) weiter. Jit die Spannung auf 1,8 Bolt
herabgegangen, fo muß die Entladung unterbroden
werden, wenn der A. nicht geſchädigt werden foll.
Den Grad der Eniladung bejtimmt man durd) Mef-
fung ber Ubnahme derSpannung mittels eines Volt-
meter8 oder durch cin Urdometer, da während der
€Entladung die Säure verdiinnter wird. Ym gelade-
nen A. betriigt ibr foegifiicyes Gewidt 1,18—1,2. Das
Prodult aus der in Volt gemefjenen Spannung in
bie in Umpere ausgedriidte Stromitiirfe ergibt die
eleftrijde Urbeit, die in Voltampere oder Watt
ausgedritdt wird. Dieje bei der Entladung erhal-
tene eleftrifdbe Urbeit ijt geringer als die zur Ladung
verbrauchte, der A. ijt mithin nicht volljtindig re-
verfibel. Rad) Dolezalel erfliirt fid) dies durch das
Uuftreten vonKonjzentrationsjtrimen, die swi-
ſchen den Platten, der weniger fonyentrierten Säure,
in deren Boren und der fonjentrierteren auferhalb
der Platten freifen. Um diefe Rongentrationsunter-
ſchiede foviel wie möglich zu vermeiden, fest man die
nad vollendeter Ladung eintretende Entwidelung von
Sauerjtoff und Waſſerſtoff eine — fort und
bewirkt dadurch eine weitgehende Mi
ſigteitsſchichten. Das
durch Zuſatz von Waſſerglas, der eine Ausſcheidung
von gelatinöſer Kieſelſäure bewirkt, dürfte mithin
ſchädlich ſein, wenn es auch bei transportabeln
Atkumulatoren das aufen der Säure ver-
hindert. Den Birkungsgrad (Güteverhält—
nis) eines Alkumulators nennt man das Ber-
Haltnis der bei der Ladung aufgewendeten Elet-
trizitätsmenge oder eleftrifden Urbeitsleijtung
u Der bei der Entladung wieder zuriiderbaltenen.
ie Eleftrizitdtsmengen werden in Ampereſtun⸗
den, die Urbeitsleijtungen in Wattitunden ge-
meffen. Bei einem Verſuche von Heint wurde ein
U. mit einer Stromjtirfe von 40 Ampere und
einer mittlern Gpannung von 2,28 Bolt wib-
rend 40 Stunden geladen und während 3,02
Stunden mit 48 Umpere und 1,89 Bolt (im Mitte!)
entladen. Der auf die Elektrizitätsmengen bezogene
Wirkungsgrad war alfo:
48.3,02 145 Mmpereftunden
oe ge ee = 0,907 oder 90,7 Bro3.,
der auf die geleijteten Wattitunden bezogene dagegen:
189.48.3,02 274 Wattftunden
TS — 0,153 oder 75,3 Proz.
Der nad Wattſtunden berechnete idan muß
der lleinere fein, aber er allein fann der Berechnung
der Vetriebstojten ju Grande gelegt werden. Das in
Ampereſtunden gemeffene Produft aus der zuläſſigen
höchſten Stromitirfe in Beit heißt die Rapazitat
des ULtumulators. Da die Spannung fid) nur wenig
ändert, fo erbalt man die in einer bejtimmten Beit
ausgegebene eleftrifde Urbeit, wenn man die Kapazi—
tit mit der Spannung multipliziert. Die Lebens-
dauer des Uffumulators hängt hauptſächlich davon
ab, daß er rechtzeitig immer wieder geladen, und daß
—— Kurzſchluß vermieden wird. Die Lebensdauer
er Platten wird erhöht, wenn zu ihrer Herſtellung
Blei und Bleiſalze von großer Reinheit verwendet
werden. Die Beimiſchung von Glyzerin, Leim, Pflan-
acnalfaloiden rc. gur Paſte erhöht die Kapazität des
231
Uffumulators, aber auf Koſten der Lebensdauer. Die
Elektrizitätsgeſellſchaft Gelnhauſen bereitet die Paſte
ihres Bleiſtaubakkumulators, indem ſie Blei durch ein
Dampfſtrahlgebläſe tropfen läßt, den erhaltenen Blei-
taub mit Schwefelſäure anmacht und dem erhaltenen
ei cinen indifferenten pordjen Körper zuſetzt, ebe
er in die Rippen ihrer Seelenplatten geftridjen wird.
Um von einer Uftumulatorenbatterie nad Bedürf⸗
nis Bellen zu⸗ und abjdalten zu können, benutzt man
Zellenſchal—
ter (Fig. 4u. 5).
——
ertafel iſt für
jede Zelle eine st q L?
qrifjere Kon— 7 3 £
tattplatte aufge- aS 7 OS /K —
Je
fest und mit thr i
leitend verbun⸗ 1)
den. Das cine
Ende der Ver⸗
brauchsleitung ig. 4. Schema eines Zetlen—
ijt an das letzte fdalters,
Rontattitiid (6,
Big. 4) gelegt, das andre liegt an der Achſe cines He-
bel8 mit Handgriff, in Fig. 5 an einen Meffingring,
auf Dem Dauernd ein mit der Udfe verbundener Ron-
taft fdleift. Swifden den Rontaftplatten find ebenfo
viele fleinere villig ifolierte Platten angebradt. Der
fdhung der Flüſ⸗ Handgriff bewegt aufer dem Schleiffontatt einen qabel-
Gelatinieren der Säure formigen Hebel ZK (Fig. 4), deffen flauenformige
|
Enden ebenfoweit wie zwei benadbarte Kontaftplat-
ten voneinander abjtehen. Z ijt durch den Eboniteinjag
‘ 3B —
*8*
Fig. 5. Zellenſchalter.
ivon K ifoliert. In der gezeichneten Stellung des
Hebels geht der Strom durch die Bellen 6, 5,4, 3
und durch K zur Verbraudsteitung. Soll nun 3 aus-
geidhaltet werden, fo wird K nach tints gefdoben und
onunt auf das blinde Rontattitiid zwiſchen 3 und 4,
während zugleich Z auf 4 riidt. Nun geht der Strom
durch die 3 en 6,5 und 4, Durch Z nach K und durd
den Neufilberwiderjtand zwiſchen beiden, der fo grok
ijt, daß Kurzſchluß nicht eintreten fann.
Uffumulatoren dienen in Laboratorien sur Strom-
lieferung, namentlich fiir ftarfe Ströme, feciar zum
Betriebe kleinerer Beleuchtungsanlagen oder sur Be-
leuchtung von Bahnwagen, aud) als bewegende Kraft
eleltriſcher Bahnen, dod kommt man davon je länger
je mehr ab. Dagegen unterſtützen ſie die Dynamo—
maſchinen, die eleftrifde Bahnen, Hebezeuge, För—
dermaſchinen ꝛc. antreiben, namentlich in der Lieferung
der zum Anfahren nötigen großen Kraft, indem ſie
als Pufferbatterien zugleich etwa auftretende
Stromſtöße aufnehmen oder Ungleichheiten ausglei-
den und fo einen gleichmäßigen Gang der Dynamo-
mafdine ermöglichen. Zu diejem Behufe ſchaltet man
fie Den Maſchinen parallel. Sie verhiiten ferner bei
eleftrifdjen Bahnen den Spannungsabfall in den
232 Affurat —
Sdhienen und beugen dadurd) dem Austritte der ſchäd—
lidhen vagabundierenden Ströme vor. Gie ermög—
lichen den Betrieb einer Beleuchtungsanlage mit Hilte
einer Wajjertraft, die Tag und Nacht läuft und eine
Dhnamomajdine treibt, die wahrend des Tages die
Uffirnulatorenbatterie ladet, bei Nacht mit bicker jue
fantmen die dDoppelte Anzahl Lampen fpeijt, als durd
die Wafferfraft allen unterhalten werden könnte. Auch
finnte man die ungleichmäßig einſetzende Kraft des
Windes gu Beleudtungs- oder Bewegungszwecken
ausnutzen, indem man, fo oft die Windjtarfe aus-
reicht, mit Hilfe einer Dynamomajfdine eine Akkumu—
latorenbatterie ladet, aus der man dann nad Bedarf
die Energie wieder eninehmen fann. Val. Heim,
Die Uffumulatoren fiir ſtationäre eleftrifde Untagen
(3. Aufl., Leipz. 1899); Shoop, Die Sefundirele-
mente (Halle 1895—96, 3 Tle.); Derfelbe, Handbuch
der eleltriſchen Aklkumulatoren (Stuttg. 1898); Elbs,
Die Wffumulatoren (3. Aufl., Leipz. 1901); Zacha—
rias, Die Wffumulatoren (2. Aufl., Jena 1901);
Sieg, Die Uffumulatoren (Leipz. 1901); Doleza-
fef, Die Theorie des Bleiaftumulators (Halle 1901).
Akkurãt (lat., ital.), qenau, ſorgfältig, pünktlich;
Utfurateffe, Genauigteit, Sorgfalt, Piinttlidhfeit.
Uftufativ, ſ. Kaſus.
Akline (Nuͤll-Jfokline, magnetiſcherüqua—
tor), auf Landfarten eine Linie, welche die Orte ver-
bindet, deren magnetiſche Jnflination gleid Null ijt;
vgl. Erdmagnetismus.
Mme (qriech.), 1) Gipfel; Höhepunlt, Kriſis einer
Kranfheit ; 2) ſ. Finne (Hautfranfheit).
MEF-Metidhet, Stadt, ſ. Simferopol.
MAFmit, Wineral, f. Augit.
Afmolinff, Proving des ruſſiſch-zentralaſiat.
Generalgouvernements der Steppe, 594,673 qkm mit
(1897) 678,957 Einw., wovon 349,000 nomadijierende
Rirgifen. Der nördliche Teil ijt Steppe und wird vom
Irtiſch, vor defjen Nebenfluß Aichim und mehreren
in abfluflofen Salzſeen endenden Flüſſen durchzogen;
der mittlere, hügelige und faſt allein bewohnte Teil
ijt reid) an Supfer, Steinfobhlen und etwas Gold, der |
fidliche mit Dem wieder in Salsfiimpfen endigenden
Sary-Su und Tſchu iſt grofenteils erfiillt von der |
Steppe Belpat-Dala. Hauptitadt ijt Omſte(ſ. d.). —
A., die Dauptitadt des Kreiſes A. (128,052 qkm
mit 184,297 Einw.), bat 3 Rirden, 5 Schulen, an-
ſehnlichen Rarawanenhandel nad Tafdfent und Bo-
dara und (1897) 9557 Einw.
Wfna - Sugatag, Bergwerk, ſ. Sugatag.
Mune (qriet.), Hautfranfheit, foviel wie Finne.
Ads, der Odenburger Eimer, — 71,075 Lit.
Wfoimeten (qriech., »Schlafloſe⸗), cine Rongre-
gation von Winden in dem um 460 gegriimdeten |
Kloſter Studion bei Ronjtantinopel, die, m mitein:
ander abwedfelude Chore geteilt, Tag und Nacht un
unterbrodenen Gottesdienſt bielten.
Akoin (Diparaanifylmonoparaphenetyl- |
quanidindlorbydrat), weißes frijtallini{des
ulver, löslich in Waffer, dient zur Erzeugung loka⸗
ler Anäſtheſie befonders bei Augenkranlheiten.
Wfolhuer, nordamerifan. Bolf vom Stamme der |
Rahuatl, das um 1150 in Anahuae eimwanderte und |
mt den einheimiſchen Chichimefen verſchmolz. Sie
beqriindeten einen bliibenden Staat mit der Haupt: |
ftadt Tezeuco, der ſpäter in Mexiko aufging; als ihr
berühmteſter König wird Netzahualpilli (geſt. 1470) |
genannt. Bgl. Merito (Geſchichte).
Alkoluthen (griec., -Begieiter«), in der alten Kirche
jiingere Kleriler, die den Biſchof begleiteten und die
Akquirieren.
Geſchäfte der heutigen Kirchendiener und Chorknaben
ju verſehen hatten. Daher die Symbole der Alboluthen
weihe: Leuchter und Weinkinnden. Das Unt beſteht
nur noch nominell in der Stufenleiter der Weihen als
Durchgangspunkt zum Prieſter und bezeichnet die
höchſte der vier niedern Weihen.
Akoluthenleuchter, zwei niedrige, meiſt aus
Meſſingguß gefertigte Leuchter, mit denen die Wfo-
lutben (j. d.) oder Wtinijtranten den Prieſter zum
Altar begleiteten.
Wfominatos, Midacl fried. Gelehrter, Bruder
des Nifetad Wfominatos (jf. Rifetas 1), qeboren wm
1140, gejt. 1210 gu Chonda (Rolojfa) in Phrygien, in
Ronjtantinopel unter Euftathios, dem fpatern We-
tropoliten von Theſſalonike, flaflifd) qebtldet , wurde
um 1175 Metropolit von Uthen und zog ſich nach der
Cinnahme Uthens durd) die Franfen auf die Inſel
Reos juriid, wo er fein Leben beſchloß. Seine fiir die
Kenntnis der Zuſtände in Uttifa wertvollen Schrif
ten (Homilien, Briefe, Reden, Gedichte) wurden vor
Lambros herausgegeben (Athen 1879—80, 2 Bde.).
Val. Elliffen, A. von Chona (Gotting. 1846).
fonin, ſ. Wfonitin.
Wfonit, ſ. Aconitum.
Ufonitin C,,H,,NO,,, Wlfaloid, findet ſich in den
Wurzelknollen und Blättern verſchiedener Aconitam-
Arten, beſonders von Aconitum Napellus (bis 1,25
Proz.), bildet farblofe Kriſtalle, ijt geruchlos, ſchmedt
ſtark bitter und ſcharf und erzeugt auf der Zunge
——— Prickeln, ijt in faltem Waſſer faum, m
Ulfohol ſchwer, in Uther leichter löslich, ſchmilzt ber
198°, reagiert alfalijd, bildet mit Säuren frijtalli-
ſierbare Salze und fpaltet fic) bei anhaltendem Roden
mit Wafjer in Pifroafonitin, Benzoeſäure, Ejfia-
ſäure und Ufonin C,,H,,NO,. A. ijt überaus giftig
u. wird als Arzneimitiel bei Neuralgien (Trigeminus
neuralgie) und bei rheumatiſchen Fieberzuſtaͤnden be:
nutzt. 0,0025 g lann Vergiftungserjdeinungen, O.
0,002 g Den Tod eines Erwachſenen herbeifuͤhren; wird
in Andien jum Vergiften grofer Raubtiere benutzt.
Ufonitjaure (Cquifetj/aure) CHO, oder
CO,H.CH,.CO,H.C.CO,H. CH findet fic im &rant
von Aconitum, Ritteriporn, Schafqarbe, Runfelriiben.
Zuckerrohrſaft, in Schachtelhalm (Equisetum), ent-
jteht unter Uustritt von Wafer aus Ritronenfaure
C,H,O,, bildet farb- und geruchloje Rrijtalle, ſchmeckt
jauer, löſt fid) leicht in Wafer, ſchmilzt bei 191° und
zerfällt Dabet in Itakonſäure C,H,O, und Cohlenſäure.
Jor Uthylejter ſchmeckt bitter und riecht falmusartig.
Mfontios (Acontius), f. Kydippe.
a fonto (ital.), auf Rechnung, auf Ubfdlag. a £
ftellen oder ſchreiben heißt cine empfangene 3ab-
lung auf die laufende Rechnung ſetzen, fie gutſchreiben.
af.-Sablung, foviel wie Teilzahlung auf cine
Schuld.
Akorie (griech. Apleſtie), Ausbleiben des Sat-
tigungsgefühls nach dem Eſſen, kommt bei ſchweren
Gehirnkrankheiten, Hyſterie und Geritestranfheiten vor
und veranlaßt Uusbildung der Freßſucht. VW. entſteht
nad) Durdjdneidung des 10. Hirnnervenpaares.
Aforiperten, ſ. Uirifanifde Wltertiimer.
Akoemiemus (qried;.), beseichnet im Gegenſatze
zum Atheismus, d. h. derjenigen Lehre, die cine » Welt
obne Gott «, eine ſolche, die einen » Gott ohne Welt « ſetzt.
d. b. Die Welt fiir einen bloßen weſenloſenSchein erflart.
Wfotyledonen (qried., »Samenlappentofee), int
Juſſieuſchen Pflanzenſyſtem die Kryptogamen.
Akquirieren (lat.), erwerben; Ufquifition, Er-
werbung.
Wfragas — Afron.
a Stadt, ſ. Ugrigentum.
Ufra (Acraeidae), Familie ber Xagfalter,
Schmetterlinge mit vollſtändig ausgebildeten Vorder⸗
beinen und haͤufig zur Hälfte unbeſchuppten Flügeln,
ſind artenreich in allen Tropenländern vertreten.
Acraea Igati auf Madagaskar, ſ. Tafel ⸗Schmetter⸗
linge L«, Fig. 9.
franier, ſ. Wirbeltiere.
WAfraspeden , j. Meduſen.
WFratos, in Athen verehrter Damon des un-
gemifdten Weines, cin Gefährte ded Balchos.
Afratothérmen (griech.), indifferenteHeilquellen;
ſ. Mineralwajjer.
Akreyri (Akureyri, din.O fjord), Stadt auf Js—
land, am Eyjafjord an der Nordküſte, neben Reyfjawit
Der bedeutendjte Handelsplag der Inſel, mit 605 Cinw.
WFribie (qried.), Genauigteit, Sorgfalt.
bometer (qricd.), Inſtrument zu genauer
Meſſung fleiner enjtande.
Afridin C,,H,N, cin Anthrazen, deffen eine mitt-
flere CH-Gruppe durch Stichſſtoff erſetzt ijt, findet
ſich tm Steinfohlenteer und wird bem Rohanthrajen
durd) Schwefelſäure entzogen; es entiteht beim Er-
Higen von Diphenylamin mit Ameiſenſäure und
Chlorzink. Hierbei entiteht zuerſt Formyldiphenyl-
amin, dag unter Verluſt pon H,O in A. ilbergebt.
CoHs/ | SCH, = CH | CH, 4H,0.
CHO ‘CH
A. bildet farbloje Rrijtalle, löſt fic) in Allohol und
Uther, wenig in Waijer, feine Löſungen fluoreszieren
Hlau, ſchmilzi bei 110°, ijt flüchtig, ſehr beſtändig, erregt
auf der Haut jtarfes Brennen; Staub und Kimpte
reizen Die Utmungsorgane heftig. Mit Säuren bildet
<8 gelbe Salje. im €rbigen von Diphenylamin
amit Benjoefiure und Chlorzink entiteht Phenyl—
afridin C,,H,(C,H,)N. Die Diamidoafridine find
ausgeiprodene Farbitoffe (Weridingelb, Akridin—
orange) und erjeugen namentlid auf Seide ſchön
fluoreszierende Farbungen, find aber nicht febr lidt-
et. Bon den Diamidophenylafridinen gibt das
Benzoflavin auf tannierter Baumwolle, Wolle
und Seide cin ſchönes Gelb. Hierber gehört aud das
CHhrysanilin, das bei der Darjtellung von Fuch—
fin als Nebenprodulft erhalten wird und den Haupt-
bejtandteil des Phosphins bildet. [ichen.
Afridophagen (gried.), Inſelten effende Men-
Wfrifios, im gried. Mythus König in Argos,
Urenfel des Danaos, Vater der Danaé (jf. d.), durch
Deren Sohn Perſeus (j. d.) er, wie ein Orakel geweis⸗
ſagt, das Leben verlor.
frit, ſ. Fruchtzucker.
Akroamaͤtiſch (qried.), »was zum Anhören ein-
—— ijt<, >was durch Hören vernommen wird.
kroamatiſche wurden von Spätern die ſtreng wiſſen⸗
ſchaftlichen Schriften des Ariſtoteles genannt, weil in
ihnen Urijtoteles jid) Hfter an ⸗Hörer ⸗ wendete, und
weil viele Derfelben fiir mündliche Vorlejungen be-
jtimmt oder aug folden entitanden waren. So fam
£8, dafein afroamatifder Bortrag ein wiſſenſchaft⸗
dider war im Gegenfage gum gemeinfafliden. Dept
verjteht man unter afroamatifd@er Lehrform
gewöhnlich die Art des Unterrichts, bei welcher die
Schüler nur zuhören, im Gegenſatze zu der erotema—
tiſchen — —— und katechetiſchen
Methode der eigentlichen Schulen, wo die Schüler ge
fragt werden. Die afroamatifde Lehrform findet da
ibre Stelle, wo e3 mehr auf Mitteilung von Kennt⸗
nijjen als auf Ubung der geijtigen Kräfte anlommt.
233
Akrobaten (gried., »Hodgiinger<, Luftkünſt—
ler), qumnnajtifde Riinjtler, die * geſpanntem Seil,
auf Stuhlpyramiden, rollenden Kugeln und Walzen
äquilibriſtiſche Künſte ausführen.
kroblaſten (griech.), ſ. Monofotyledonen.
Akrochordon griech.), kleine geſtielte Geſchwulſt
an der Haut des Dalles und Rumpfes; auch cine kleine
Warze oder hypertrophierte Talgdrüſe am Mugentid.
Akrodont heißt cin Sahn, der auf dem Rande des
mies —* iſt, wie bei vielen Eidechſen.
— e (griech.), Die Hochätzung (j. d.).
Akrokarp (griech.), ſ. Mooſe. wn
Akrokephalie (qriedh., Oxylephalie, »Spig-
jhidel<, aud Pyrgokephalie, ⸗Turmſchädel«),
Schädelform, bei der die Schädeldecke zuckerhutförmig
in die Hohe geht. A. ijt die wahrſcheinliche Folge
gleichzeitiger vorzeitiger Verwachſung der feitliden
Kreuznähte und der hintern Pfeilnaht.
oferannia (Reraunia, jetzt Tſchika), cin
bis zu 2045 m anjteigendes Ralfgebirge im nordweſt⸗
liden Epirus, nad RW. in cine lange Halbinjel und
in ba8 Ufroferaunifdhe Vorgebirge (Rap Glojja
oder Linguetta) auslaufend, das mit dem Fejtlande
die Budt von Uvlona (Balona) bildet.
Afroforinth, die Burg von Korinth (jf. d.).
Akrolein (Akrylaldehyd, Wllylaldehyd)
C,H,O oder CH,.CH.CHO entſteht bet Oxydation
von Allylalkohol, bet Deſtillation von Glyzerin mit
Raliumbdifulfat und bei Serfefung der Felte durch
Hitze (beim Ausblaſen eines Talglichtes). Es ijt
eine farblofe, brennend ſchmeckende Fliiffigfeit, riecht
unerträglich ſtechend, ſpez. Gew. 0,841 bei 20°, ſiedet
bei 52°, brennt mit leuchtender Flamme, löſt ſich in
2—8 Teilen Waſſer, miſcht ſich mit Alkohol und Uther
und geht an der Luft durch Oxydation ſchnell in Wry! -
fdure(Bropenfaure)C,H,O, oder CH,.CH.COOH
liber, Die Der Eſſigſäure ähnlich riecht, bei 7° ſchmilzt
und bei 140° fiedet.
Afrolithen (qried., »an den Enden von Stein«)
nannte man in der griedh. Kunſt Holsbilder, deren un-
befleidete Teile (Ropf, Hande und Filipe) aus Marmor
gebildet waren. Bgl. aud) Goldelfenbeinkunſt.
Wfromegalte (qried., »Vergrdperung der Körper⸗
enden«), feltene Erfranfung des Sfeletts mit franf-
haftem Riefenwuds, befonders der Hände, Füße und
des Gefichts, befteht hauptſächlich in einer Verdickung
ber Rnoden dieſer Körperteile. A. beginnt meijt im
jugendliden Alter und fommt bei Männern und
Frauen vor. Rad unbedeutenden nervöſen Beſchwer⸗
den, beginnen Hande und Filipe, namentlic) in den
Endgliedern der Finger und Zehen, größer, plumper
und ungefdidter, »tagenartig« ju werden; Rafe und
Kinn vergrößern ſich; die Lippen werden wuljtig auf-
geworfen, das ganze Geſicht erhält einen plumpen, oft
rotesfen Uusdrud. Nach 3—5 Jahren erreidt das
eiden jeinen Höhepunkt. Auch Bruſtbein, Rippen,
Wirbelfiule, Herz, Nieren, Gehirn und der Hirn-
anhang (Hypophyſis) werden vergripert. Wis Urjade
ninunt man eine trophijde Störung vorzugsweiſe der
Knochen, weniger der Weidteile, an. Einer Behand-
lung tjt A. nicht gugdinglid. Bgl. Sternberg, Die
YU. (Wien 1897). [qiirtel.
Mfromion (griech.), Sculterhihe, ſ. Sdulter-
— — (griech.), Gedicht, worin jeder
Vers mit dem Endbuchſtaben des vorhergehenden be-
innt. Ufromonofyllabifon, Gedidt, worin das-
—* mit den Silben der Fall iſt.
Akron (jpr. Ares), Hauptſtadt der Grafſchaft Sum⸗
mit im nordamerifan. Staat Ohio, 48 km ſüdlich von
234 Afronyktijd
Cleveland und am Obio-Eriefanal, der hier in ben vom
Cuyahogaflug geſpeiſten Schleufen bedeutende Waſ⸗
ferfra dietet, mit Rornmiiblen, Kautſchuk-, Woll-
und Mafdinenfabrifen, Jrrenanftalt und (1900) 42,728
Einw. Richt fern finden fid) Naturgas, Kohle und
feuerbejtandige Mineralfarben.
Akrounktiſch (qried.), in den Beginn der Nacht
fallend (von dein bei Sonnenuntergang erfolgenden
Auf⸗ und Untergang der Gejtirne gebräuchlich).
Mfropoalid Atropole, pe »DOberjtadt«),
Burg, Feſte. Durch folde Utropolen, hod) gelegene,
durd) Natur und Kunſt befeitiqte und die Stadt und
Umgegend beberridende Burgen, die gewöhnlich
aud nod) Tempel in ſich ſchloſſen und als Zufluchts⸗
ſtätten Dienten, waren in der Regel die anjehnlidern
griechiſchen Stadte geſchützt. Am berühmteſten find
die Alropolen von then (vorzugsweiſe A. genannt),
Theben (Kadmeia), Korinth (Akrokorinth), Meſſene durchwehten Ei
(Ithome), Argos (Lariſſa), Pergamon.
Akroſe, ſ. Fruchtzucker.
Akroſporen (griech.), durch Abſchnürung auf Ba-
ſidien ſich bildende Sporen (f. d.).
Akroftichon (griech.), Gedicht, bei dem die An—
fingSbudjjtaben der Verſe (Zeilen) zuſammengereiht
ein Wort oder einen Satz bilden.
Akroftolion (griech.) die mit Bildwerlen verzierte
Spitze am Vorderteil der altgriechiſchen Schiffe.
oterien (griech.), im weitern Sinn bei den
Ulten die äußerſten Teile eines Gegenjtandes, 3. B.
die Schnabel der Schiffe, die Fliigelenden der Nite; im
: engern Sinn
die an den
hichiten und
tiefiten Bunt-
ten der Giebel
angebrad)-
ten, zur Ber-
dedung der
Firſtziegel u.
Dachrinnen
dienenden,
unten nach
der Neigung des Daches abgeſchrägten, oben hori-
—— Platten, die teils unversiert blieben, teils als
Interlagen ſymboliſcher Aufſätze, wie Leiern bei einem
Tempel des Upollon und Greife bet einem Tempel
Der Uthene, dienten. Wn deren Stelle traten in der
ſpätern Zeit vegetabilifde, befonders dem Blatte der
Fächerpalme nadgebildete Ornamente (Balmetten),
die als Auflöſungen der Eden des Giebcldreieds
dienten und an den Traufen cin halbes, an den Firiten
ein ganzes Blatt enthielten. Dies, fowie auf welche
Weiſe die Ralmetten wieder durch kleinere, elaſtiſch
gebogene Blatter und ſpiralförmig gewundene Ranken
mit den A. vermittelt wurden, zeigt der Traufziegel
vom Tempel des Theſeus in Athen (Fig. 1) und der
Stirnziegel vom Tempel der Artemis zu Eleuſis
(Fig. 2). Dieſe kurzweg A. genannten architeltoniſchen
Verzierungen wurden aus Marmor, häufiger aus be—
malter Terralotta hergeſtellt. Wud) in dem aus der
Hons ro Runjt abgeletteten römiſchen und Renaij
anceftil hat man die A. als Bekrönung von Gebäude
giebeln beibehalten und verſteht darunter gewöhnlich
die ganzen, aus Godel und Balmette beitehenden
WUuffage. Die auf Sarfophage und in der Kunſtindu—
trie (3. B. auf architeltoniſch qehaltene Möbel) über—
tragenen A. dienen gleichfalls sur Charafteriftif von
ate)
Atroterien.
faldefyd, |. Atrolein [Endungen.
lalfohol, ſ. Uilylalfohol.
— Akſakow.
MfrHljaure, ſ. Utrolem.
Akſaͤkow, 1) Sergej Timofejewitid, ruff.
Seériftiteller, geb. 1. Oft. (20. Sept.) 1791 in Ufa,
ejt. 12. Mai (30. Upril) 1859 in Mosfau, befuchte
ag @ymnajium in Rafan, Dann feit 1805 die Dafel bit
neuerridtete Univerſität und begab fid) 1808 nad
Petersburg, wo er bei der Kodisifationstontmifjion
cine Stelle als Überſetzer befleidete, bis er 1812 nad
Mostau zuriidtehrte und 1816 fid auf fein Erbgut
im Goud. Drenburg zurückzog. Nachdem er 1826 wie-
der nad) Mosfau ibergefiedelt war, tibernahm er bier
eine Stellung als Benfor, gab aber 1832 aud) diefes
Untt wieder auf und wurde zwei Jahre darauf In—
fpeftor, ſpäter Direftor des Feldmeßinſtituts. 1839
nahm er fener angegriffenen Geſundheit halber ſeinen
Abſchied und widmete fid) fortan ganz der Literatur.
Die liebenswiirdigen, von einem fiinitleriiden Haud
ſchaften feines Welens fpiegein ſich
in allen feinen Schriften wider. Sein Hauptwert ijt die
»Familiendronif und Erinnerungen« (Most. 1856;
deutſch von Raczynſti, Leipz. 1858), cin Meiſterſtüd
einfacher, gemüwollerSchilderung ruſſiſchen Familien⸗
ſtillebens, cin wahrhaft klaſſiſches Werk ruſſiſcher Lite-
ratur (Bruchſtücke davon erſchienen bereits 1846 im
»Moskovskij Shornik«). Diejelbe anmutige Darjtel-
{ung und warmeTonfirbung, verbunden mit aufmert-
famem Blick fiir das gebeime Leben und Weben der
Ratur, atmet aud fein erjtes Werk » Mufseicnungen
fiber Das Ungeln« (Most. 1847) fowie die ·Aufzeich⸗
nungen eines Jãgers des Gouvernements Crenburg «
(Daf. 1852) und dte » Erzahlungen und Erinnerungen
eines Jägers · (Daf. 1855). Eine Fortfepung der ⸗Fa⸗
milienchronik⸗ bilden die ebenfalls vortrefflichen »Rim-
Derjahre Bagrows, des Enfels« (Most. 1858). Wus ſei⸗
nem lepten Lebensjahre ſtammen nod » Die Schmetter⸗
lingsjammlunge, »Der Wintermorgen<, »Das Zu-
fammentreffen mit den Martinijten« und die Novelle
Nataſcha⸗. Wffafows —— Werke find 1887
in Petersburg in 6 Banden erjchienen.
2) Ronjtantin Sergejewitſch, gleichfalls nam-
hafter ruſſ. Sdriftiteller und Dichter, älteſter Sobn
des vorigen, geb. 10. April (29. März) 1817 auf dem
Gute Akſalowo (Gouv. Orenburg), gejt. 19. (7.) Deg.
1860 auf der Inſel Bante. Er bezog 1832 die Unt-
verſität in Mosfau, wo er literarhiſtoriſche Studien,
Philofophie und fremde Sprachen trieb und 1841
nad Verteidiqung fener Differtation »>Lomonoffow in
der Geſchichte der ruffifchen Literatur und Spradec
(erjt 1847 erſchienen) Den Magiftergrad erwarb. Vor
1846 an war A. einer der tätigſten Mitarbeiter aller
Zeitſchriften flawopbhiler Ridtung und der Chorfiihrer
der flawopbhilen Bartei. Am deutlichiten treten ſeine
Anſichten fiber die vermeintliche Miſſion der Slawen
im Rulturleben der Boller hervor in den Sdriften:
Das Leben der alten Slawen überhaupt und der
Ruffen insbefondere«(Mosf. 1852) und» Bemerfungen
zur neuen adminiftrativen Organifation der Bauern
in Rupland« (Leipz. 1861). Bemerfenswerter als fein
Luftipiel » Fiirjt Lupowicfij <(Leip;. 1857 ; 3. Aufl. dal.
1861), feine Dramatifde Parodie ⸗Oleg vor Ronjtan-
tinopel « ( Petersb. 1858) und feine eiqnen lyriſchen Ge-
dichte, Die infolge der Zenſurverhältniſſe evit nach und
nad in den letziten Jahren veröffentlicht wurden, find
feine Ubertraqungen einiger Gedichte von Schiller und
von andern wefteuropaijden Didtern. Bon einer auf
5 Bande beredneten Gefamtausqabe feiner Werke find
bisher nur 3 Bände (Bd. 1: ~iitoriide Schriften,
Mosf. 1861; Bd. 2 und 8: ⸗Philologiſche Sehriften«,
daf. 1875 — 80) erfichienen.
Akſchehr — Akte.
8) Iwan Sergeiewitſch, Bruder des vorigen,
Schriftſteller und Slawophile, geb. 8. Olt. (26. Sept.)
1823 auf dem Gute Nadeſhino (Gouv. Ufa), geſt. 8.
Febr. (27. Jan.) 1886 in Moskau, beſuchte bis 1842
Die Petersburger Redtsfdule und wurde dann im
Mosfauer Senat und 1848 beim Miniſterium des
Innern angejtellt. 1852 verliek er Den Staatsdienſt
und widmete fid) der Journaliſtik; bod) der zweite
Band feines »Moskovskij Sbornik« bradte ihm das
Verbot cin, Herausgeber oder Redafteur einer Reit-
ſchrift 3u fein. Er bereiſte Dann 1853 im Auftrage
der Ruſſiſchen Geographiſchen Geſellſchaft ane
land; ſeine 1858 herausgegebenen »Unterſuchungen
fiber den Handel auf den Jahrmärkten der Ufraine«
(vgl. Bodenjtedts » Ruffifdhe Fragmente<, Leipz. 1862)
wurden preisgekrönt. Nachdem er fic) 1859 wieder
bie ndtige Erlaubnis erwirft hatte, wurde er Heraus-
eber mebrerer flawopbhiler Zeitungen, die jedoch ſämt⸗
id) verboten wurden: des »Den’« (» Der Tage, 1861
bis 1865), der »Moskva« (1867 bis Oftober 1868),
des » Moskvié« (> Der Mosfauer<) u. a. 1874 wurde
ex Direftor ciner Mosfauer Privatbanf. Wegen einer
zur Zeit des Berliner Kongreſſes im Slawijden Ko—
mitee gehaltenen Rede aus Moslau ausgewieſen, lebte
WL. einige Monate auf dem Lande im Gouv. Wladimir.
Seit November 1880 gab er in Mosfau die ſlawo—
phile Beitung »Rus’« (»>Rupland«) heraus, bis ihn
int Fruͤhjahr 1885 körperliche Schwäche zur Uufgabe
jeiner ſchriftſtelleriſchen Tatigteit swang. Seine Werte
wurden von feiner Frau, Todter ded Dichters Tjutt-
fchew (f.d.), herausgegeben ; auferdem erfdienen von
ihm zwei Bande Briete und eine Sammlung Gedidte.
Akſchehr (⸗weiße Stadt), das alte Philomelium,
Stadt im tiirf. Wilajet Ronia in Meinafien, am Nord⸗
fuß des Sultan aug), mit 6—8000 Einw. Jn A.,
wo der gefangene Sultan Bajefid ftarb (1403), be-
finden ſich bemerfenSwerte Seldfdufenbauten.
Akſerai, fleine Stadt im aſiatiſch-türk. Wilajet
Konia, ſüdöſtlich des Tug Tſchölil, 1060 m hod, halb-
wegs zwiſchen Kaiſarieh und Konia gelegen, mit 2500
meiſt türk. Eimwohnern; Handel nut Salpeter.
Ff, j. Yrum.
Akſun(⸗Weißwaſſer⸗, chineſ. Bin-fu-tfdou),
Stadt im chineſ. Turkiſtan, unter 41° 7 nördl. Br.
und 80° 81° öſtl. &., ijt von einer Mauer mit 4 To-
ren umgeber, foll 16 Mofcheen, 5 Medrefjen, 6 Ka—
rawanferaien und 50,000 Einw. türkiſcher Raſſe,
Nachkommen der alten lliquren, haben, die vorzüg—
lide Baumwollenzeuge (Bas), Leder, Sattel, Baume
und Metallwaren fabrizieren fowie Edelſteine be-
arbeiten, die Durd) gan —** gehen. Auch wird
hier die Silbermünze (Tankeh) für die Provinz ge—
prägt. YW. hat eine chineſ. Garniſon, iſt Knotenpuntt
des Karawanenverkehrs zwiſchen China, Rußland,
Oſt⸗ und Weſtturkiſtan, Kaſchmir, Ladaf und Indien
und Sitz des Gouverneurs (Tautai) der vier Städte
(A., Krutſcha, Karaſchar und Utſch-Turfan). — Die
Stadt, früher Sitz eines ſelbſtändigen Chanats, wurde
1716 durch ein Erdbeben faſt zerſtört, 1867 von
Jakub Beg beſetzt, 1877 aber von China zurück—
erobert. Beſucht wurde A. von Kuropatkin 1876 77,
von Prſchewalslij 1885 —86, Carey 1885 —86 und
von Younghusband 1886.
({at.), im ee Handlung, Verrichtung,
3. B. feierlicjer U., VW. der Geredhtigteit; Daher: von
etwas U. nehmen, eine Sade ut Brototoll nehmen
(um fie demnächſt als Beweis ju gebrauden), allge-
mein: fid) etwas genau merfen. — Jnsbefondere tm
Drama ein Hauptabsdnitt der Handlung. Inſofern
235
jede dramatiſche — drei Unterabteilungen:
Auseinanderſetzung oder Expoſition, die Spitze oder
die Höhe der Verwickelung und die Löſung oder
Kataſtrophe, zerfällt, wäre die Einteilung in drei Akte
die naturgemäßeſte. Da indes die Entwickelung im
Verhältnis zur Expoſition und Kataſtrophe bei weitent
der reichhaltigere Teil iſt und ſich meiſt nicht in einen
A. zuſammendrängen läßt, ſo zerfällt ſie in den
—* ern Stücken in der Regel wieder in drei Teile,
o daß Das Ganze aus fiinf Alten beſteht. Nach Frey:
tag entſprechen die fünf Akte im weſentlichen den fünf
Hauptteilen des Dramas: Einleitung, Verwidelung,
Höhepunkt, Umkehr, Ratajtrophe, innerhalb deren die
dret dDramatifden »Momentee angebradt find: Das
erregende Moment am Schluß der Cinleitung, das
tragifde Moment nad dem Höhepunkte, das Moment
der legten Spannung vor der Ratajtrophe. Jeder
einzelne A. foll fiir fid) cine Urt Ganzes bilden, zu—
gleig aber aud) wieder cin lied, das erjt in Ber-
indung mit andern Gliedern, d. h. mit den übrigen
Uften, einen lebendigen Organismus ausmadt. Mehr
alg fiinf Ute kommen felten vor. Die Einſchnitte
nad jedem Uft, unpaffend Zwiſchenakte genannt,
wurden in frühern Jabrhunderten oft durd Zwiſchen⸗
fpicle ausgefüllt, nod jest häufig durch Muſik. Jn
ältern deutſchen Stiicen iſt der Uusdruc A. wörtlich
durch Handlung wiedergegeben; in andern findet
man Aufzug, dod) wurde der Vorhang am Alt—
ſchluß erjt tis etwa der Witte des 18. Jahrh. nieder-
qelafjen. — Jn der bildenden Kunſt verjteht man
unter A. ſowohl die Stellung, in die man ein lebendes
Modell bringt, um Studien danad gu madden, als
aud die Danad gefertigte Zeichnung. Solder Stu-
dien, die als Vorbereitungen fiir größere Rompo-
fitionen angefertigt find, beſitzen wir nod cine grofe
Anzahl, von der Hand beriihmter Meijter (Ditrer,
Raffael Michelangelo u. a.). Zur Erleidterung der
Wltjtudien fiir Künſtler, denen es an Gelegenheit gu
Studien nad) dem lebenden Modell fehlt, dienen die
See eee ee Rod u. Rieth, Der W., 100
Modelljtudien (Berl. 1894—95); PB ei fer, Der Kinder⸗
aft, 50 Blatt (daf. 1896); Bovi, Malerifche Rinder-
afte (Stuttg. 1897); Roth, Der Altſaal (2. Aufl. daſ.
1898); Rod), Fretlidjt, 50 Modelljtudien (Berl. 1900).
Aktãon, griech. Heros, Gohn des Ariſtäos und
der Uutonoé, Todter des Kadmos, von Chiron (f. d.)
zum Sager gebildet, wurde von Artemis im einen
Hirſch verwanbdelt, weil er fie im Bade belaufdt, oder
weil er fid) ſeiner Fertigteit im Weidwerf gerithmt
hatte, und von feinen eignen 50 Hunden auf dem
Berge Kithäron zerriſſen. Die Hunde fudten dann
ihren Herrn überall und wurden erjt von Chiron,
der ihnen fein Bild geigte, beſchwichtigt. Wan jtellte
fein Bild auf Bergen und Felfen auf jum Schutz
gegen Die verderbliden agar oy der Hundstags-
bike. Wahrſcheinlich war er felbjt Sinnbild der zur
Hundstagszeit hinwelfenden Natur, wie die 50 Hunde
der 50 Hundstage. Die Kunſt hat fein Geſchick häufig
Dargejtellt. Am befannteften ijt die antife Marmor-
ftatuette im Britiſchen Muſeum (vgl. Wobild., S. 236).
Akte (iat, eine iiber einen wichtigen — ent.
enommene Urkunde, insbeſ. Staatsurfunde, 3. B. in
eutſchland die Bundesatte (ſ. d.), in England die
Parlamentsafte. Unter Uften (acta, gesta) verjteht
man die Sammlung der auf eine gewiſſe Ungelegen-
heit, 3. B. cine Prozeßſache, bezüglichen Schriftſtücke.
Die emgelnen Gattungen der Uften werden nad der
Stelle, wo fie geführt werden (3. B. Ratsatten, Ge-
ridtSatten, Landtagsatten), vorzugsweiſe aber nad
236 Akte — Aftie und Aktiengeſellſchaft.
ihrem Gegenſtand (z. B. Prozeßalten, Zivilprozeh- | Aktenadhibierung ſtatt. Werden verlorne oder
alten, Alten der ag Gerichtsbarkeit, Grund- beſchädigte Alten (ſoweit möglich) wiederhergejtellt,
aften, Hypothelenalten, Nachlaßakten, Berfonalatten) | fo ſpricht man von Uftenredinteqration. Wf-
benannt. Den von Staatsbehörden angelegten (Of- | tenmapig oder aftenfundig nennt man einen tr
fentliden) Uften fest man die Manual-, Hand- | den AUtten beurfundeten Borgang. Das altere Pro-
oder Privatakten der Parteien und Sadwalter ent- a leqgte auf die Alten ganz beſondern
egen. Der Uniwalt einer Partei ijt beredhtigt (deut- tt, indem es den Ridter verpflidtete, nur Akten⸗
dhe RechtSanwaltsordnung, § 32), diefe Handatten jo material bei jeiner Entſcheidung ju berückſichtigen
lange zurückzubehalten, bis er von ihr wegen feiner | (>Quod non est in actis, non est in mundo<), etm
Gebiihren und Uuslagen befriedigt ijt Uttenreten- | Grundiats, der jedoch im modernen Geridtsverfabren.
tion). Je naddem der Utteninbalt allgemeine Un- | das durch das Prinzip der Miindlicfeit beberrjdt
elegenheiten oder ſpezielle Fälle betrifft, wird zwiſchen wird, aufgegeben ijt. CErflarte der Ridter in dem
— l-und Spezialakten unterſchieden. Man frühern bine ratty ee dak alles fiir Den betreffen-
ben Prozeßabſchnitt Erheblide zu den Alten gebradt
fei, fo wurde dies Alten ſchluß genannt, demqemay
jpridt man aud) im gewöhnlichen Leben nidt ſelten
davon, daß die Ufter liber einen Gegenjtand geidloj-
fen feien, fobald er vollitindiq flargejtellt it. S—
Ad acta (legen).
Wfte (sGeitabes), 1) ſüdöſtliche Landzunge der
Halbinfel Chalfidite swijden dem Singitijden und
dem Strymonifden Meerbufen, deren duperite Spige
der Berg Uthos (f. d.) bildete. — 2) Name der Ort-
fiijte ber Argoliſchen Halbinjel, dann aud der ganzen
Halbinjel. — 3) Teil von ttifa (7. d.).
Akten, ſ. Alte.
Akteneinſicht (Inspectio actorum), die Durch—
fidt von Ulten behufs Kenntnisnahme von ihrem
Inhalt. Ein Recht darauf ſteht regelmäßig nur fol-
den Perjonen zu, die ein beredtigtes Intereſſe Darar
haben. Es gibt aber auch öffentliche Regijter, vor
denen jedermann Einſicht nehmen darf, dabin gehö—
ren unter anderm die StandeSregijter, die Handels⸗
regijter, die Lijte von Genojjen einer eingetragenen Ge-
nojjenfdaft, das Schiffsreqtiter und die vom Reids:-
patentamt geführten Rollen fiir Patente, Gebrauds-
mujter und Warenbezeichnungen. Nad) der deutſchen
Bivilprojefordmung (§ 299) dürfen von den Prozeß⸗
aften auger den Larteien nur folde Perſonen Cin-
ſicht nehmen, denen der Gerichtsvorſtand dieſe mit
Rüchlſicht auf ihr rechtliches Intereſſe gejtattet. Dieſe
Vorſchrift gilt nad § 72 der Konkursordnung auch
fiir Die Cinfidt der Nontursaften. Im Strafver-
Altdon (Britiſches Mufeum in London). fahren bat der Beſchuldigte nur ein beſchränktes Recht
auf A., das er zudem, wre Der Privatflager, nur durch
pilegt bie Uiten zweckmäßig in der Weife einzurichten, feinen Berteidiger ausiiben fann. (Strafprojepord-
daß Die zu einem Aktenband (Witenfassifel) qehdrigen | mung § 147, 194, 425.)
Stiide in hronologifder Ordnung zuſammengeheftet ftenverfendung, im frithern Prozeßverfahren
und die Blatter, feltener die Seiten mit fortlaufenden | die Verſchickung der im einem Zivil- oder Kriminal-
Zahlen verjeben (foliiert, paginiert) werden. In ein: prozeß gefiihrten Wtten behufs der Erkenntnisfällung
jelnen Landern, 3. B. in Ojterreid), find aud nod | an einen Schöffenſtuhl oder an cine Jurijtenfatultat
vielfach die ungebefteten oder fogen. Settelatten ge- an Stelle der Unrufung eines Redtsmittelgericts-
brãuchlich, Die in den Umidlag oder bet größerm Befondern Ruf hatten hier die Hofgeridte ju Witten
Umfang tn einen Sarton loſe cingelegt werden. Das berg und Dresden, die Schöffenſtühle gu Leipzig.
erjte Uttenblatt enthalt häufig cin Inbaltsverjeidnis Magdeburg und Halle fowie die Juriſtenfakultäten
(YU ftendefiqnation, Rotulus), und jeder Faszikel ijt | yu Seipsig und Wittenberg. Jn Preußen, Bayern
regelmajiq mit einem Umſchlag (Teftur) verfeben, | und Oſterreich wurde die A. ſchon gegen das Ende
worauf das Rubrum, kurze Ungabe des Inhalts, fo | des 18. Qahrh. befeitiqt und fpater in den meiſten
benannt nad) ber friihern Gewohnheit, dasfelbe mut | deutſchen Staaten tetls ganz abgeſchafft, tells febr
roter Tinte gu ſchreiben. Händigt eine Parte ihre | beſchränkt. Endgültig befeitigt wurde die A. durdy
Dandatien an die Gegenpartei oder an das Gericht | die neuen —— Juſtizgeſetze im J. 1879.
aus, fo nennt man died Uftenedition, und iiber | Attie und Aftiengefellfdaft. Die Ultien-
fdvictt ein Untergeridt feine Alten an das ibm vor. | gefellfdaft ijt nad) dem Handelsgefesbud eine
geſetzte Obergericht, fo heißt dies Alteneinſendung, Handelsgeſellſchaft, bet der ſich (im Unterſchiede
die auf Veranlaffung ded letztern geſchehen fann (we gegen Die andern Urten von Handelsgeſellſchaften)
tenavofation). Werden den cine Sache betreffen. | ſämtliche Gefellfchafter (Uftionadre) nur mit Ein—
den Alten andre mit ibr in irgend einer Verbindung | lagen beteiligen, ohne perſönlich weiter fiir die im
ſtehende Alten, 5. B. des beſſern Verſtändniſſes hal. | Namen der Geſellſchaft eingegangenen Verbindlich-
ber, beigelegt, fo findet Wltenadjunftion oder | feiter yu Haften. Das durd diefe Einlagen in Geld
fas rT F
SJ j /
NMI fief
—
⸗
Aktie und Wktiengefellfdhaft (tie, Dividende 2.)
vder in andern Gegenjtinden (j. Upport) sufammen-
— bez. gezeichnete Rapital(Grund-,Stamm-
ftienfapital) ift in eine feſte Anzahl von An—
teilen (Wftien) zerlegt. Mit diefen Unteilen find
aud) die Anzahl der Unteilredte und das Ultien-
fapital fejt gegeben, während die Anzahl der Mit—
glieder wedjeln fann. Die Firma der Gefellfdaft foll
in ber Regel cine Sadjfirma und dem Gegenjtande
der Unternehmung entlehnt fein; fie muß die Be-
zeichnung »Altiengeſellſchaft« enthalten. Als reine
Kapitalgeſellſchaft, bei welder die Perſönlichleit voll-
ſtändig m den Hintergrund tritt, wird die Uftien-
gejellidjaft (befonders in Frankreich) im Gegenfag zur
offenen Handelsgefellidhaft aud als anonyme Ge:
ſellſchaft (société anonyme) bezeichnet. Außer gum
Vetrieb von Handelsgeſchäften können ſolche Gejell-
ſchaften aud fiir Swede gemeinniigiger und gefelliger
rt erridtet werden und find aud in dieſem Falle
Handelsgefellfdhaften. Bon dem Grundfapital gu
unterſcheiden ijt das im Laufe ded Betriebes ver-
dinderlide Geſellſchaftsvermögen, deſſen attive
Vejtandteile aus indujtriellen Unlagen, Grundſtücken,
ausitebenden Forderungen, Wertpapieren, barem
Gelde rc. bejtehen, und an weldem jeder Aktionär im
BVerhaltnis ſeines WUltienbefipes zur Geſamtheit der
ausgegebenen Aktien Anteil hat. Bei Ermittelung
Desfelben ijt jedod) nicht, wie bei Aufſtellung der
Vilan;, das Grundfapital unter den Pafjiven in Wb-
pus é bringen. Wn diefes Vermögen fonnen fid
ie Gliubiger, deren Anſprüche bet einer etwaigen
Liquidation denen der Aktionäre vorgehen, wegen
ihrer Befriediqung halten, während der einzelne
Altionär mit feinem Privatvermigen fiir Gejell-
ſchaftsverbindlichkeiten weiter nidt haftet. Cine Ber-
pflichtung zu weitern Geldzahlungen außer der Ein⸗
lage fann den Aktionären nicht auferlegt werden, wohl
dagegen (nad dem Handelsgeſetzbuch vom 10. Mai
1897) durch Statut die Verpflichtung gu wiederkeh—
renden, nicht in Geld bejtehenden Leijtungen, 3. B. bei |
Riibenjuctergefelljdhaften gu Riibenlieferungen.
Uftie, Dividende, Refervcfonds rc.
Tiber die erfolgten Einzahlungen der Altionäre
werden Dokumente ausgegeben, welde Uftien (ure |
ipriinglid) holländiſche Form des lat. actio, fran.
Actions, engl. Shares), aud) Wftienbriefe oder
=fcheine heißen, wenn die Unteile voll eingezahlt
find, und Qnterimsfdeine, Qnterimsquit-
tungsbogen, Jnterimsaltien, wenn nur Raten-
ablungen auf den gezeichneten Uftienbetrag geleijtet
—* Die Aktien foOnnen ſowohl auf den Inhaber
als aud) auf cine bejtimmte Perſon (Nominativ-,
Namensaktie) ausgeſtellt werden. Jn lesterm
Falle werden fie in das Uftienbud (Uttienlifte)
eingetragen. Um ju bewirken, daß kleinere Leute von
der Veteiliqung an Uftienunternehmungen ſich mög—
lichit fern balten, und dak der Wohlhabende vor dem
Erwerb von Uftien das Unternehmen vorjidtig prüfe,
wurde 1884 bejtimmt, daß die Uttien auf einen Be-
trag von mindejtens 1000 We. (frither bei Namens-
aftien 150, bei Jnhaberattien 300 Mt.) geitellt werden
müſſen. Jedoch find Namensattien gu einem geringern
Betrag, aber nidt unter 200 Mt. (Kleinaftien),
zugelajjen, und zwar dann, wenn die Ubertragung
er Uftien an dic ——— der Geſellſchaft ge-
bunden ijt; aud) fann die Ausgabe von Meimaftien
vom Bundesrat genehmigt werden im Fall eines
befondern örtlichen Bedtirfnijjes fiir ein gemein—
nütziges Unternehmen fowie fiir den Fall, daß fiir
ein Unternehmen das Reich oder cin Bundesſtaat oder
237
ein Provingial-, Kreis- oder Umtsverband oder cine
ſonſtige Offentlide Rorporation auf die Altien cinen
beftimunten Ertrag bedingungslo3 und ohne Zeit:
bejdjrantung gewabrieijtet hat. Dieſe Beſtimmungen
a aud —8 Interimsſcheine. Altien fSnnen von
m Inhaber nicht geteilt oder teilweiſe auf dritte Per⸗
ſonen übertragen werden. Die Inhaberaktien finnen
nach geleiſteter Vollzahlung ganz in der Art wie die
Inhaberpapiere überhaupt auf andre Perſonen über—
tragen werden. Die übertragung der Namensaktien
erfolgt, wie bei Weehfeln, durch) Indoſſament, und
war, jofern nichts andres beſtimmt ijt, ohne dah cine
Sinwilligung eingeholt gu werden braudt. Dod muß
der Ubergang des Cigentums auf cine dritte Perſon
angemeldet und im Uttienbuch vermerft werden, da
im Verhaltnis sur Geſellſchaft nur diejenigen alsCigen-
tiimer gelten, die in dieſem Buche verzeichnet ſind.
Jedoch fann aud bet auf Namen lautenden Uftien
die Ubertragqbarfeit fiir die Zeit des Beftehens der Ge-
fellfdaft im Statut ausgeſchloſſen (3. B. durch Bei-
fiigung der Klauſel »nidt an Order« auf den Alktien—
ſcheinen) oder beſchränkt werden (3. B. durch das Er-
fordernis der Rujtimmung der Gefellfdaft). Die
Interimsſcheine, die auf den Namen des Wftien-
zeichners auszuſtellen und im Uftienbud) cingutragen
jind, werden nad erfolgter Vollzahlung gegen di:
Altie jelbjt (die fogen. Definitivaltice) umgelauſcht.
Für jede Aktie wird entweder fiber jede einzelne Zah—
lung je eine Ouittung mit fortlaufender Nummer
erteilt, oder eS wird nur ei Quittungsb “4 aus:
gefertigt, auf weldem die einzelnen nad Bedarf ein:
eforderten Ratenzahlungen vermerft werden. Die
Raterimatdeine, auf denen nad) geleijteter Boll-
zahlung die Aushändigung der tie ausdrücklich zu—
gelidert wird, nennt man aud Aktienpromefſfen
oder ſchlechthin Bromeffen. Bei Gnbaberattien
durften bis 1884 nad Einzahlung von wenigitens
40 Proz. aud Ynterimsfdeine oder Promeffen
auf den Inhaber ansgejtellt werden, die man
Aktienzertifikate nannte. Im Gefelljdhaftsvertrag
war gu bejtimmen, ob und unter welden Bedingungen
die erjten Reider nad) diefer Einzahlung von der
weitern Haftung entbunden feien. Das Uftiengefes
vont 18. Juli 1884 unterfagt dagegen jede Entbindung
bor — des vollen Nennbetrages ſowie die Aus
abe von Altien vor dieſem Zeitpunkt. Säumigkeit in
t Cinjahlung des eingeforderten Altienbetrages sieht
flir Den gulept im Aktienbuch eingetragenen Bejiger
die Verpflidtung gu Verzugszinſen nad fid. Auch
fonnen Ronventionaljtrafen feytgefegt und endlid die
in den Handen der ſäumigen Zabler befindliden In—
terimsfdeine in Gerfall erflart werden GRaduzie—
rung). Bei Verjiderungsgeiellidhaften, die nicht
das ganze Grundfapital gum Geſchäftsbetrieb nötig
haben, wird der nicht eingezahlte Vetrag(Garantic-
fapital genannt) fees Dinterlequng von Sidt-
wechſeln ſichergeſtellt. Uber Kommanditaktien val.
Kommanditgeſellſchaften, über Aktienhandel ſ. Börſe.
Der alljährlich zu ermittelnde Anteil am Reinertrag,
der an die Uftiondre nad) Maßgabe ihres Altienbeſitzes
als (gewöhnlich in Prozenten ausgedriidte) Divi-
Dende zur Verteilung gelangt, wird gegen Cinliefe-
rung der den Wien für eine Reihe von Jahren bei-
gegebenen Dividendenfdheine (oft auch Zinscou-
pons genannt) ausgesablt, nad deren Verbraud gegen
Einreichung de3 Talons ein neuer Couponbogen ver-
abfolgt wird. Bei etwaigen BVerlujten der Unter:
nehmung diirfen Dividenden fo lange nidt zur Ver—
teilung kommen, als der Gefamtbetrag der Cinlagen
238
(Uttienfapital) nicht wieder bis gu feiner vollen Hobe
ergaingt ijt. Dementipredend ijt aud) das Grundfapi-
ta
Aftie und Aktiengeſellſchaft (Crridtung, Verwaltung).
ſchei der verſchiedene wichti
—————— enthalten ber
aben
ad hierauf
in ber Bilanz unter die Raffiven gu jtellen. Zur | erfolgter Unmeldung bei dem Regijtergeriht beruft
Deckung folderVerlujte ijt ein Refervefonds(Riid-
Lage) gu bilden; in denfelben ijt einzuſtellen: 1) von
dent jabrliden Reingewinn mindejtens der 20. Teil
fe * als der Reſervefonds den 10. oder den im
eſell
bei Errichtung der Geſellſchaft oder einer Erhöhung |
des Gefamtfapitals durd) Ausgabe der Uftien fiir ſonſtige Berm
Hern als den Nennbetrag erzielt wird. Vgl. wenn die Geſellſchaft cine Vergiitung fiir Auslagen
einen pe
HandelSgefepbuc), $262. Zuweilen ijt den Altionären
durch Zinsgarantie Dritter ein feiter Zins als Divi-
Dende zugeſichert. Dit dann der wirflid oe Ge-
winn groper, fo nennt man den rſchuß desſelben
über jenen feſten Zinsſatz Extra- oder Super—
dividende. Oft wird auch ein Teil des —— Ge⸗
winnes dazu verwendet, fiir auf Grund übernom—
mener Zinsgarantien gewährte —— Riiderjas
ju leiſten. Im übrigen fann eine Pinimalverjinfung,
da die Höhe der Dividende vom wirfliden Crgebms |
der Unternehmung abbangt, nidjt verfprodjen werden.
Die Zahlung von Ubfdlagsdividenden (aud
» Zinjen«), d. h. von vorlaiufigen, vor Feſtſtellung der
Jahresrechnung erfolgenden Zablungen auf wabr-
ſcheinliche Gewinnanteile, denen nad) der deftnitiven
Jahresbilanz die Reſt- oder Superdividende.
folgt, ijt, fofern fie nicht aus dem geniigend angewad)-
fenen Refervefonds erfolgen kann, nidt geftattet, da
nur verteilt werden darf, was fic) nad der jährlichen
Bilanz als verwendbarer reiner Uberjduy =.
Dagegen finnen Bau jinfen(j.d.) bedungen werden.
ng. Werwaltung.
Notwendiges Erfordernis fiir die Errichtun
einer Altiengeſellſchaft tit der Gefellidhaftsvertrag (aug
Statut oder Statuten genannt), durd den alle
Verhältniſſe der Geſellſchaft nach innen und aufen
geregelt werden. Derfelbe muß enthalten die Bezeich—
nung der Firma und des Gegenjtandes der Unter-
nehmung, dann Angaben über die Höhe des Grumd-
fapitals und der Aktien fowie fiber deren Urt und
Bahl, ferner über die Zufantmenfegung des Bor: |
jtandes, iiber Die Form der Berufung der General:
verjammiung und der gefellidaftliden Befanntma-
dungen. Der Inhalt des Gefellidhaftsvertrags iit
durch wenigitens fiinf Berfonen, vow denen eine jede |
mindeſtens cine Altie übernehmen mu, in geridt- |
licher oder notarieller Verhandlung fejtzujtellen. Der |
Bertrag wie aud ſpätere Ynderungen desielben find.
in das Handelsregijter aufzunehmen (Regijtrierungs: |
swang), dod) ijt vor der Emtragung, durd) weldje die |
Gefellidhaft juriſtiſche Perſönlichkeit erlangt, feſtzuſtel⸗
len, daß das ganze Grundkapital gezeichnet ijt, und daß
mindeſtens 25 Prog, des Nennbetrags und im Fall
einer Ausgabe der Uftien fiir cinen höhern als den
Reunbetrag auc diefer Mehrbetrag eingezahlt find.
Bei der (in der Praxis in der Regel vorfonmmen:
den) Simultangriindung, d. b. emer ſolchen, bei
Der famtliche Allien Durd) die Griinder übernommen
werden, gilt mit der Übernahme die Geſellſchaft als
diefes die Generalverjammlung jur Beſchlußfaſſung
fiber die Errichtung der Geſellſchaft. Beſonderes gilt
fiir die fogen. qualifizierte GriindDung. Bon einer
folden fpridt man, wenn Uftiondren ein bejonderer
chaftsvertrag bejtimmten höhern Teil des Ge- | Vorteil
famtfopitals nidjt tiberfdjreitet; 2) der Gewinn, der | barem
wenn vorbandene oder berjujtellende Ynlagen oder
— wird, wenn Einlagen, die nicht in
Ide beſtehen, angerednet werden foller,
ensſtücke übernommen werden ſollen.
übernehmen ſoll. Hierüber ſowie überhaupt über die
Gründung vgl. Handelsgeſetzbuch, § 181 Ff.
Für die Beſorgung der Angelegenheiten der Geſell⸗
ſchaft, die Verwaltung des Vermogens und Führung
der Geſchäfte derſelben find DretOrqane vorhanden:
1) dic Generalverfammlung (. dD.) als Willens-
organ; 2) der Mufjidtsrat (}. d.) alS Rontroll-
organ und 3) der Vorjtand (Direftion, Direftoren)
als Uusfiibrungsorgan, beſtehend aus einer oder meh⸗
reren befoldeten oder unbefoldeten Berjonen (Altio—⸗
naire oder Dritte), der die Geſellſchaft qeridtlic und
außergerichtlich vertritt, diejelbe Durd) die in ihrem
Namen abgeſchloſſenen Rechtsgeſchäfte beredtigt und
verpflidtet und im Handelsregiſter eingetragen wer-
den muß. Durd) ibn wird die Generalverſammlung
berufen, foweit nidt nad) dem Gejeg oder Dem Ge—
ſellſchaftsvertrag aud) andre Berjonen dazu befugt
find. Er hat Sorge zu tragen, daß dic erforderlichen
Bücher der Geſellſchaft gefiihrt werden, und bat bin-
nen bejtinunter Friſt fiir jedes verflofjene Geſchäfts
jabr eine Bil eine Gewinn > und Verluſtrechnung
ſowie einen Bericht fiber den Vermögensſtand und die
Verhältniſſe der Gefellfdaft dem Aufſichtsrat und der
Generalverjanunlung vorjulegen. Den Mitgliedern
de Vorjtandes ijt ebenfo wie den perſönlich battenden
Gefellfdhaftern einer Kommandit-Aktiengeſellſchaft
unterfagt, ihrer — Geſellſchaft RAonkurrenz zu ma⸗
den. Ihre Beſtellung iſt jederzeit willkürlich wider-
ruflich, unbeſchadet der Gehalts⸗ und ſonſtigen An—
ſprüche aus dem der Beſtellung zu Grunde liegenden
Dienſtvertrage, dagegen iſt eine Beſchränkung der
Vertretungsbefugnis Dritten gegenüber unwwirfjam.
Mehrung, Minderung des ſtapitals.
Das Grundlapital bleibt in der Regel bis zur Auf⸗
ldfung der Gefellfchaft unverändert. Cs fann durd
Riidforderung der Einlagen nicht vermindert werden,
da die Uftiondre fein Recht hierauf haben, fondern
diefelben, folange die Geſellſchaft beſteht, nur emen
Anſpruch auf den reinen Gewinn haben, der nach Ab⸗
zug der Vetriebs- und Verwaltungsfojten fowie der
um Refervefonds zu binterlegenden, zur etwaigen
—— und Tilgung von Anleihen gu verwen⸗
denden und als Vergütungen an die Mitglieder von
Vorſtand und Aufſichtsrat zu zahlenden Summen
ſ. aber Handelsgeſetzbuch, § 245, Wf. 1) als verteil-
r fibriqbleibt.
IErhöhung ded Grundfapitals’. Prioritäten.]
Reidt das isis eg Uftienfapital zur vollſtaͤn⸗
digen Ausführung oder zum Betrieb der Aktienunter⸗
errichtet. Bei der Sufseffivgriindung, bei der nehmung nicht ju, fo farm, da die Wftiondre über den
nidt alle Uftien von den Gritndern iibernommen Betrag ibrer Aktien binaus zu Beiträgen nidt ver-
werden, hat der Errichtung der Geſellſchaft die Feſt— | Ptictet find, die Beſchaffung neuer Napitalien ent-
fiellung des Bertragsinbalts fowie die anton, bad weder dadurch erfolgen, daß das Grundfapital dDurd
nod) iibrigen Ultien durch Dritte vorherzugehen; diefe | Ausgabe neuer Uftien vermehrt wird, oder da Schuld⸗
Zeichnung, ju der die Griinder cine öffentliche Auf- obligationen ausgegeben werden. Unt ju verbilten,
jorderung (Brofpeft, Blan) ergeber lajjen, hat | dak die Emiffionstatigfeit zur Erzielung von Gritn-
durch ſchriftliche Erfldrung auf dem Zeichnungs- | dergewinnen alljufehr ausgedehnt werde, darf eine
Aftie und WAftienfapital (Erhdpung und Berminderumg de Kapital).
Erhbhung des Grundfapitals nidt vor der
vollen Einzahlung desfelben erfolgen. Für Berjide-
rungsgejellidaften, bei denen die ſtaatliche Beauf-
fichtigung einem Mißbrauch jteuert und das Grund⸗
fapital vorwiegend dazu dient, als Referve in dem
Palle benugt ju werden, wenn durd die laufenden
Pramien die entitandenen Schäden nicht gedeckt wer-
Den, fann ber Gefellidaftsvertrag ein andres bejtim-
men. Für die neu auszugebenden Uftien (die alten
ULtiondre find zur Übernahme der neuen Uttien nicht
verpilidtet; wohl dagegen si ell ein Bezugsrecht
auf Diejelben, wenn nidt in Beſchluß itber die
——— des Grundkapitals ein andres beſtimmt iſt)
fann die Leiſtung eines höhern (nicht aber aud eines
eringern) als des Nennbetrags feſtgeſetzt werden. Die
Beri er Der neuen (jungen) Altien jind ebenfo wie die
Der frühern Mitglieder der Gefellfdaft und —
amt Gewinn und Verluſt nad Verhältnis des Nenn-
betrags ihrer Aktien teil. Steht das Unternehmen
giiniig, fo können die newen Wftien leicht iiber pari
egeben werden. Der dadurd ergielte Gewinn (Unter:
ſchied zwiſchen Preis und Rennbetrag) fließt Dem Re-
jervefonds ju. Bei weniger giinjtigem Stande der
Unternehmung und mangeindem Bertrauen de3 Pu—
blikums ijt bie Weiellichatt jedoch gendtigt, den ſpätern
Emiſſionen, um deren Abſatz — gewiſſe Vor⸗
rechte vor den zuerſt ausgegebenen Uftien, die man
Stammatftien (actions originairement émises, or-
dinary shares, original shares) nennt, einzuräumen.
Sie erhalten etwa vor den legtern einen beſtimmten
Prozentſatz von dem zur Verteilung gelangenden Ge-
winn, wabhrend die Stammattien erjt an dem ver-
bleibenden Rejt einen Unteil erhalten, oder es wird
ihnen aud wohl bei der Liquidation ein Vorzug an
dem nach Abzug der Paffiva noch übrigen Gejell} hafts-
vermögen vor den Stammattien gewährt, während
ihre Inhaber im RMonfursfall allerdings ebenfo-
wenig zur Maſſe liquidieren können wie die der letz—
tern. Mitunter wird aud den Beſitzern folder Altien
ein ausgedehnteres Stimmrecht als denen der Stamm-
aftien in der Generalverſammlung eingerdumt. Begen
Diefer Vorredte nennt man folde Uttien Brioritats-
aftien,Stammprioritatgaftien, Brioritats-
jtammaftien, Stammpriorititen, aud oft
tur; Prioritäten (actions privilégiées, preference
shares, preferred shares). Bon denjelben find wohl
gu unterjdeiden die Brioritétsobliqationen
(aud fur; Brioritaten, frither oft fälſchlich Prio—
ritätsaktien genannt), die auf den Inhaber aus-
—— Schuldſcheine der Geſellſchaft ſind und gern
geben werden, wenn die Ausgabe weiterer Altien
wegen des niedrigen Kurſes der bereits emittierten
als untunlich oder bei gegründeter Ausſicht auf Di—
videndenerhöhung, an der Die neuen Altionäre An—
teil haben würden, als unvorteilhaft erſcheint. Mit
dem Ausdruck Priorität ſoll angedeutet werden, daß
der Reingewinn zunächſt zur Verzinſung dieſer Obli-
gationen verwendet wird, ehe die Aktivnäre davon
etwas erhalten. Zuweilen wird auch den Inhabern
dieſer Prioritãten ein ausdrückliches Pfandrecht an dem
Immobiliarvermögen der Geſellſchaft beſtellt; als—
dann ſind dieſelben bevorzugte Gläubiger. Ein Kün—
digungsrecht iſt ihnen in der Regel nicht zugeſtanden.
Dre Altien unterſcheiden ſich von den Obligationen
dadurch, daß die Inhaber der letztern nicht Milglieder,
ſondern Gläubiger der Geſellſchaft find. Sie beziehen
einen feſten Zinsbetrag, den ſie auch zu fordern be—
rechtigt ſind, wenn das Unternehmen keinen Rein—
gewinn abwirft. Oft ijt ihnen cin Kontrollrecht ein⸗
239
geräumt. Das durch Emiſſion der Obligationen auf-
gebrachte Kapital gehört nicht zum Grundkapital und
wird in der Regel während des Beſtehens der Geſell—
daft unter Uufitellung eines Tilgungsplans durd
mortijation wieder heimgezahlt. Bgl. v. Strom.
bed, Uber Prioritatsjtammattien (in Bufhs ⸗-Archiv
für Theorie und Praxis des Handelsrechts«, Bd. 33,
1876); Meili, Die Lehre der Prioritatsaltien (Zür.
1874).
(Germinderung des Grundfapitals. UAmortifa:
tion.J Zu einer Berminderung des Grundfapitals
fonnen Berlujte, dann aud der Umjtand Veranlaſſung
eben, dak das ganze urſprünglich vorgeſehene Ultien-
‘apital gum Betrieb der Unternehmung nicht ver:
wendbar ijt, dak erzielte hohe Gewinne eine Cin:
ſchränkung (Reduftion) unter Rückzahlung beſtimmter
Klaſſen von Altien geſtatten, oder daß cine allmähliche
Tilgung wegen fpatern unentgeltlichen Heimfalles an
cine dritte Perſon (3. B. an den Staat bei Cifen-
babnen nad) Ublauf der Konzeſſionsdauer in Frant-
reid) und Ofterreich) erforderlich ijt. Bei Berlujten und
bei einer teilweifen Rückzahlung des Grund-
tapitals A ernst hed eines Teiles der bereits ein⸗
ezahlten Beträge oder »Liberierungs der Interims—
—— von weitern Einzahlungen) kann der Nenn—
betrag der Aktien durch Abſtempelung herabgeſetzt
werden, oder es werden, insbeſ. wenn der Nennbetrag
ſonſt unter den geſetzlich zuläſſigen herabſinken follte,
mehrere alte Aktien »zuſammengelegt«, d. h. unter
Kaſſation derſelben durch eine neue Jedoch darf
eine teilweiſe Zurückzahlung nur erfolgen auf Beſchluß
der Generalverſammlung, der, ſofern nicht weitere
Erforderniſſe aufgeſtellt ſind, durch eine Mehrheit
von drei Viertel des in derſelben vertretenen Grund-
fapitals gefagt fein mu, fowie unter Beobachtung
der gefeblichen Beſtimmungen, die sur Wahrung der
Intereſſen der Gläubiger erlajjen find. Gind ver-
ſchiedene Gattungen von Uftien ausqeqeben, fo bedarf
eS gu Dem von der gemeinfdaftliden — *
lung gefaßten Beſchluß der Zuſtimmung einer be—
jondern Generalverſammlung (Sonderverſammlung)
der benachteiligten Uftiondre. Die Aktiengeſellſchaft
darf eigne Uftien im geſchäftlichen Betrieb, fofern
nidt eine Nommiffion gum Cinfauf ausgefithrt wird
(Interimsſcheine aud) Dann nidt), weder erwerben
nod jum Pfande nehmen (in Verſatz nehmen, be-
lehnen). Dagegen ijt eine Umortifation eines
Teiles der Altien auf dem Wege der Ausloſung,
d. h. Rückzahlung des Unteils ant Grundfapital mit
Raffierung der Uftienbriefe, zuläſſig, fofern fie unter
—— der fiir die Zurückzahlung oder Herab—
ſetzung des Grundkapitals maßgebenden Vorſchriften
(Siderjtellung der Gläubiger) erfolgt. Ohne Be—
spent derſelben darf die Geſellſchaft ihre Altien
nur aus dem nad der jährlichen Bilanz ſich ergeben—
den Gewinn und nur in dem Fall amortijieren, daß
died durch den urfpriingliden Geſellſchaftsvertrag
oder Durd) einen den letztern abändernden, vor Aus—
gabe der Uftien gefaßten Beſchluß zugelaſſen ijt. Bu
unterjdeiden biervon ijt die Mortifitation (ſ. d.),
die bisweilen aud Umortijation genannt wird. An
die Stelle von zur Rückzahlung ausgelojten Uttien tritt
bi8weilen der Genußſchein (franz. action de jouis-
sance). Der Ynbaber desfelben bezieht nidjt mehr die
feſtgeſetzten Dividenden (fogen. infer), bleibt aber
im iibrigen im Zweifel im Beſitz aller Rechte des
Uftionars; insbef. ijt er gum Bezug der Superdivi-
Dende berechtigt. Bet Auflöſung der Geſellſchaft und
erfolgender Vermbgensverteilung wird ibm bei Be—
‘att extcigg: teat Ser om Geeliact
sere; ies set 6 eek Sex Eee set
ms6é. Sen GiexbeSeet oe Femi. Oeceo
2 surt ExSiimay tes Roafares. Ser $e emex S-
ter Bectat be Dice 3 Ter ter Sea
feprisss exeeét.* 2 mae, er Becher pees ees ‘ore
4 gett = Set per tos Benj er
Séelier sue meSr sade eit. it
Bee Roctees pe ecient; ¢ tart Stim i be
‘ Sez ener Bear soe ee Enz:
— — — wets aan"
4. — ee eee
cogemrt tema ara, pom bos G tor Glee:
222 yy Suh Sevéugeran; —
mi gexym ane c, Er 2 . mie
tezeqen ber Seren ater Eee = 2x
Orn’, wn 4) Gerace wed coors eters Liderz
bart Erlemtrs cul Beereber ber Ber
beborte, pean bu Ge = Gee Sr reacemr cae Oaxd
lunge ober Unterie~ cuca 55-2. maér. tars Su
des Grmermmoll 17: 5st rd. 9S. Soryens cok
Berne tet Beegiad, § 42.
Les fermines cnet ex‘. tten BS ee 1S
mict nad T-irar: Seer Sulton weer Bs A oeire
nod ferteiias Sree Bum’! 2.cmtenomécacts tet:
tet, je5ou tm Sjteree Bex Gyicuc- cer mite ocr AD
gs Gerufexsee Geecocfeumecog ere Ee: Sri
Saad eanel: Seteee® mani bees Dectten: tiniest Sexist 3a
Sperrjahry und uncer Ledunyz ihoebenter Beroad-
—— und itren· zet Acederumoen durch OÄcarer
| Erfolgt ne Wufictung emer Girl‘ aah
—— —
durch (Fpahiony mit emer anbdern, is vt
bas Bermogen berielten fo lange getrennt px vermeil:
ten, bis thre Zchulden — Gb
Uttiengeleflidaft entipridt emem ——
ſchaftlichen Bedirins, folange fie mds durch eine
beffere Unternefmungstorm eriegt werden fann. fair
biefelbe ift bie Kapitalbeſchaffung eine praftiid unbe-
idjranfte, viele fletne Qapttalien werden fur iolche
Hwede veremigt, benen ein zelne Arafte nicht gewach
fen find. Bre ſchon frühzeitig ber Bergbhau durch
Wilbung don Muren (i. d.), fo tind heute uberbaupt
viele grote, widhtige Unternehmungen ( Habnen ) durch
erlegung in icra ermdglidt worden. Tie Altie
— aud weniger Bemittelten die Veteiligung an
ſchaften, beren — eine unberechenbare tit.
Geſahrliche umfaffende Riſiklos lonnen geteilt, Meme
Summen datan gewagt werden, da im ungünſtigen
Falle nur die —— en verloren gehen. Das Altien⸗
fapttal ift Dem individuellen Reize sur Minderun
Verzehrung entsogen, iberhaupt von allen S Sadlaien .
und ufdlligfetten individueller Natur getrennt, und
eo cignet ſich deshalb die Uttiengefellidaft im we-
ſentlichen mehr fiir ſolche Unternehmungen, die auf:
cine lingere Dauner berednet find. Dagegen ijt das
Viftrenwelen aud) mit bedenflidjen Schattenfeiten und
Wefahren verfniipft. Das Uttienfapital fann nidt be⸗
hiebiq qednbert werden, wenn aud) {ibertragungen ju
anbern weclen ober :4ufiihrungen aus Erlibrigungen
alé wunſchenswert erideinen, Iſt die Tispofitions-
ſahiglen ber Betriebolertung allzuſehr befdranft, ſo
feibet Der UWetrieh an Sdpwerfilliqfett und fann auf
often der Rentabiliat zu febr g elaͤhmt werden. Wird |
derfelben dag enen ein freierer —— gelaſſen, ſo
entſpricht ihe fein gentigendes Maß von Verantwort
bGfet anf Juecsfe. and cit wen Ine Gecried
enmen
pez Seng per Fer da nesetbe Der der
enyes SSomicer oe umd
fers Se es Sees Sede Oot. Die Se
soe Ges —
trvteiecers nim; Degegen iran
welen gute Dome: ieee. wean os eh —
mm teSendes ꝛe bamdet. wees dee Arden itreng
trve® em Tetuger wed moat vow iebeell verémderiideca
Sonypemharen ebbdmci: Ct. eum fermer come Derma?
:
ri der Setrudeiamag
Sberbauct mS: mogisch ware.
Zw Cxtetdung ber seliidartten mr dex
ee sarees See mak Dee 2 eee ae
d Foigendes Bild
20vder earaerea
Geieliceten
cor istl. . = bre Ss
GI—M™. 2. LMS 316 2s
1-*1—@) . 1681 1691 le
i aera aw 270.90 Lie
Wl. 2 ee — 1) Wise Os
127 79.89 O63
<r 6 ren Os:
ar bd B26 Os
Ce 161 Boiss Ls
5906. as Sree 182 Rss — — las
ME ses Ga 4 S047 | Lse
|. 329 4342 lee
1 wt —— we S4so Las
1000 «wc ws 261 HMOse ls
| Se ae 138 | 18.260; le
Geſchichte, Gef Gefeagebung, Staatéanffiat.
Die Uttiengefellidaft entwidelte fic tetls aud der
italieniſchen Staatsglaubigervereinen, teils aus i
delsgeſellſchaften, die fid) unter ſtaatlicher Privil
rung in Holland, England, Frankreich und sa
fand in Anlehnung an die Reederei gebildet batten.
Erjtere waren Bereiniqungen von Perfonen, die das
von ihnen au —— Kapital dem Fistus als Dar⸗
leben gaben. Staat jtattete fie mit Rorporations«
redten und Privilegien aus. Sie hießen — oder
montes, die Anteile der Mitglieder loca, luoghi. Ein
befanntes Veifpiel yh die 1404 errichtete Bant des Heil.
, Georg in Genua. Die 1694 — Banl von
England ſollte nur bis zum Betrage des der Regie
rung —— Darlehens von 1,200,000 Pfd. Sterl.
Schulden machen dürfen, für weitere Schulden waren
——
Aktie und Aktiengeſellſchaft (Gejdidte).
241
die Altionäre nad) Maßgabe ibres Aktienbeſitzes per- bejtimmungen einzuhalten hatte. Dies Geſetz wurde
ſönlich haftbar. Unabbangig von diefen Glaubiger-
vereinen nahmen einige Seehandelsvereine alftienredt-
lice Verfaſſung an und erbielten ihr befonderes Recht
Durd) eigne ftaatlicde Privilegien (octroi). Vorzüg—
lic) qab der liberjeciide Handel zur Griindung folder
privilegierter Uftiengefell{daften unter dem Titel von
Handelsfompagnien (f. d.) Veranlaſſung, fo der Eng:
liſch Oſtindiſchen (1599), der Gollandifdr-Ditindifchen
(1602), der Holländiſch-Weſtindiſchen (1621), der
engliſchen Südſeekompagnie, der franzöſiſchen Com-
pagnie des Indes occidentales (1628), der Com-
pagnie d’occident (1717), die zuerſt Inhaberaktien
ausgab, u. a. Cine hervorragendere Bedeutung ge
wannen aber die Uftiengejellfchaften mit der modernen |
Anderung der Technik und des Verkehrsweſens, dic |
mehr Gelegenheit zur ——— Unternebmun-
gen geſchaffen hat (Fabriken, Bergbau, Eiſenbahnen,
erſicherungsweſen). Uber wie zur Zeit der Handels⸗
fompagnien (Südſeeſchwindel in England, Laws Un—
ternebmungen in Frantreid), fo boten auch die Cigen-
tümlichleiten Des Aktienweſens in Der neuern Heit ein
weites Feld der Betätigung fiir Spiele und Gewinn-
fucht, Ubervorteilung und Schwindel.
Die Quelle diejer Ubelftande fucht man meiſt im
Wftienredt und deſſen Entwidelung. Nad Renaud |
laſſen fich in Der Gefchichte der Altiengeſetzgebung zwei
Ridtungen unterjdeiden. Die eine, welche auf dem
curopdijden Rontinent vorherridt, betradhtet die Al—
tiengeſellſchaft als eine neue Rechtsbildung, die nur
als Ganzes tätig ijt, deren Mitglieder in keinem obli-
qatorijden Verhältnis unter ſich fteben und den Ver-
einsgläubigern nicht haftbar find. Die Mitgliedſchaft
ijt iibertragbar, die Yusgabe von Inhaberaktien ge-
ftattet. Die andre Richtung ijt Dem englifd-nord-
amerikaniſchen Recht eigentuͤmlich. Diefelbe betrad-
tet, von bejondern Privilegien abgefehen, die Vereine,
Deren Napital von mehreren Durd) Aktien zuſammen—
gebracht ijt, als Gejellidaften im Sinne des Zivil—
geſetzbuchs, bet denen alle Genoſſen folidarijd fiir
Die von den Vertretern der Geſellſchaft in deren Namen
eingegangenen Verbindlicfeiten haften. Hiernad ijt
Die mit folder Haftung unverträgliche Inhaberaktie
nicht geſtattet.
Beſonders interefjant ijt nun die Entiwidelung des
durch cin andres vom 24. Juli 1867 aufgehoben, das
nur Die eine Art der Sociétés anonymes zuläßt, die-
jelben vom Erfordernis jtaatlicher Genehmigung be-
freit, dagegen jur Verhiitung von Mißbrauch dic glei-
chen Beſchränkungen anordnet wie das erjtere Geſetz
(qeringjte Mitgliederzahl 7 Perſonen; geringjter Be-
trag Attien und Uftienanteile 100 Frank, wenn das
Rapital nicht größer als 200,000 Fr., fonft 500 Fr.;
Zeichnung des ganzen Kapitals und Einzahlung von
25 Proz.; genaue, von einer zweiten Generalverjamme-
lung gu genehmigende Einſchätzung der Sadeiniagen
ſowie der fiir einzelne Dlitqlieder ausbedungencn Bor-
teile als Bedingung fiir Entitehung der Geſellſchaft;
Verkäuflichkeit der Altien als Nontinativaltien nad
Cingablung von 25 Proz. ihres Nennwertes; die Ge-
neralverjanumlung fann, wenn dies ftatutenmafig
zuläſſig, auch die Ausgabe von Anbaberaftien be-
ſchließen, fobald 50 Broz. des Rapitals eingezahlt find,
dod) bleiben die erjten Zeichner und weitern Inhaber
der Uftien nocd) zwei Sabre lang fiir den Reſt haftbar.
Eine RNovelle vom 1. Aug. 1893 hat diefe Betriige
auf 25, bez. 100 Fr. ——— das ganze Kapital
muß gezeichnet ſein, und
ei Aktien von 25 Fr. an
| muk der ganze Nennwert, bei foldjen von LOO Fr. an
VUftienredts in Franfreih und England. Yn Frank⸗
reid) gab es ſchon feit Dem 17. Jahrh., vorgiiglid |
aber in Den erjten zwei Jahrzehnten des 18. Jahrh.
jablreidje Aktiengeſellſchaften mit befchrantter Haf—
tung, mit der Generalverjammlung als höchſtem
Vereinsorgan mit durch den Altienbeſitz bedingtem
Stimmrecht und mit dem Rechte der Ausgabe von
Inhaberaktien als »negoziabler Ware«, die ſpäter,
jedoch nur vorübergehend, verboten wurde. Eigen—
tümlich iſt dieſen Geſellſchaften die Lig ae 79 vy og
Wbhingigkeit von der Regierung mit ſtaatlicher Uber-
wadung. Neben den privilegierten Rompagnien bil-
Deten fic) im 18. Jahrb. auch Privatgeſellſchaften, die
durd Anwendung von Rechtsflaujeln fic beſchränkte
Haftbarfeit zu fichern ſuchten. Dod) ftellt ein Geſetz
von 1793 ausdriidlich die Forderung der Staats-
qenehiniqung auf. Nachdem das Recht der Aktien—
geſellſchaften (sociétés anonymes) im Code de com-
merce gevegelt worden war, und zwar unter Vefreiung |
der Kommanditgeſellſchaft auf Wftien von der jtaat-
lichen Bewilliqung, qeitattete cin Gefes vom 23. Mai
1863 neben denfelben auc) die Société A responsa-
bilité limitée, fiir die Staatsqenehmiqung nidt er
forderlid) war, die aber gewiſſe gefeblidje Normativ-
Meners RKonv. - Lerifon, 6 Mufl., L Bo.
müſſen wenigitens 25 Proz. davon eingezahlt fein).
Sn England fithrte der Südſeeſchwindel mit fei-
nem Börſenſpiel zum Erlaß der Bubble Act vont
18, Aug. 1720. Nachdem vorbher zahlreiche nicht pri-
vilegierte Geſellſchaften fic) qebildet hatten, die fid) der
jolidarifden Haftung durch Uusqabe von Ynbhaber-
aftien gu entziehen fudjten, wurden jest alle nicht von
Der Rrone durch Freibriefe oder vom Parlament ins
forporierten Gefelljdaften unterdriidt und die Grün—
dung neuer Vereine mit Ausſchließung der Solidar-
haft verboten. Das Jahr 1824 brachte ein neues
Griindungsfieber. Infolgedeſſen wurde 1825 die ge-
nannte Ute aufgehoben, und es trat das gememe
Recht fiir Uftiengefellidaften wieder in Kraft. Das
Eiſenbahnweſen mit den an dasfelbe qetniipften Miß—
bräuchen gab Veranlaſſung sum Geſetz vom 5. Juli
1844, dasfelbe jtellte fiir alle andern als die durch
königliche Freibriefe oder Durd das Barlament infor-
porierten Rapitalgefellidaften die Solidarhaft wieder
her (joint stock companies without limited liabi-
lity). Dod) wurden feit 1855 wieder Erleidterungen
gewährt. Die Joint companies’ Acts von 1856 und
1857 gejtatteten allen Bereinen (jedod den Banken
von 1858, den Verſicherungsgeſellſchaften von 1862
ab), fid) als Joint stock companies with limited lia-
bility 3u fonjtituicren. Weiter ging die Companies’
Act vom 7. Aug. 1862, nad) der ſich jeder Verein von
wenigitens fieben Perſonen mit oder ohne Zerlegung
jeines Vermigens in Kapitalanteile (shares) fret bil:
den fann. Es wurden gejtattet Kapitalvereine: 1) mit
unbeſchränkter Solidarhaft (company unlimited hav-
ing a capital divided into shares); 2) mit auf die
Anteile beſchränkter Haftung (company limited by
shares); 3) mit einer bejtimmt beqrengten , fiber den
Betrag der Ultie hinausgehenden Haftung oder Nach-
ſchußpflicht (company limited by guarantee and hav-
ing a capital divided into shares), Bei befdrint-
ter Haftbarfeit miijjen Firma und Ungeigen mit dem
Beiſatz »limited« verjehen fein. Die Staatsaufjidt
ijt nur eine reqreffive, direfte Regierungseinmiſchung
jindet nur auf Antrag eines Teiles der Altionäre jtatt.
War durd) diefes Geſetz die Inhaberaltie nod) ver-
boten, jo wurde fie Durd die Companies’ Act vom
| 20, Aug. 1867 fiir Geſellſchaften mit beſchränkter Haft-
16
242
barfeit unter der veers ogy Sard vollen Einzahlung
ded Altienbetrags gejtattet. Auch fann das Handels-
amt die Errichtung von Gefellichaften mit beſchränk—
ter Haftbarfeit und mit Ausſchließung der Dividenden-
sahlung zu gemeinniigigen Zwecken erlauben. End-
lid) qejtattete Die Companies’ Act vom 15. Aug. 1879
allen Geſellſchaften nut Solidarhaft, fic) in foldje mit
beſchränkter Haftbarteit zu verwandeln. Dagegen
bleibt bei Notenbanfen, mit Uusnahme der Bank von
England, die volle Haftbarfeit bejtehen. Die Griin-
bung erfolgt einfach durch Vereiniqung von wenig-
jens fieben Perſonen und durch Cintragung beim
Regijtrierungsamt. Cine Uufbringung des Grund-
lapitals wurde nicht gefordert, fo daß alfo Die Zeich—
mung von je einer Altie gu 1 Pfd. Sterl. feitens der
jieben Gritnder genügte. Drei Gejese vom 18. Aug.
1890 betrafen cingelne Punkte des Aktienrechts; fo er-
höhte eines derfelben die Haftung der Direftoren und
Griinder, Grundlegende Anderungen bradte (nach—
Dem die Act von 1898 eber als cin Riidfdritt zu be-
cidynen war) die Companies’ Act vont 8. Aug. 1900.
ie Erlaubnis gum Geſchäftsbetrieb (nidt zu ver-
wedfeln mit Dem Certificate of incorporation) wird |
erjt nad Zeichnung de3 im Profpeft und Statut ge- |
nannten Minimalfapitals und nad Cingahlung von |
5 Proj. erteilt. Weitere Underungen betreffen dic
Behandlung der Sadeinlagen, den Griindungsauf-
wand, die Ernennung des Verwaltungsrates, die erjte
Generalverfammlung, die Prüfung der Geſchäfts—
biidjer u. a.
In Deutfdland gab es zwar aud) friiher Gejell-
ſchaften mit ähnlichen Cinridtungen wie die heutigen
Altiengeſellſchaften, fo die Aqlauer Tudtompagnie
(1592-1620), die 1719 in Wien geqriindete Orien-
taliſche Rompagnie fowie einige unter Friedrid IL. in |
Preußen ing Leben gerufene Gefellfdaften; dod waren
die meiſten Gefellidaften Staatsanjtalten mit privaten |
Vermigenseinlagen, erridtet auf Grund verlichener
Spezialprivilegien (Oftrois). Nun madte der Eiſen-
bahnbau den Erlaß allgemeiner gefeslider Beſtim—
mungen nötig, fo in Preußen des Eiſenbahngeſetzes
vom 3. Nov. 1838, des Geſetzes über Aktiengeſell—
jdhaften vom 9. Nov. 1843, des öſterreichiſchen Pa
tents vom 26. Nov. 1852. Eine allgemeine Regelung
trat Durd) das Handelsgefepbud) cin, das wie Die
frühern Geſetze am Erfordernis jtaatlider Genehmi-
qung (fiir Ervidtung von Gefellichaften, Statut, Ab—
anderung desfelben, Auflöſung der Geſellſchaft durch
Vereinigung mit andern rc.) feſthielt, jedoch den Lan—
desgeſetzen die Befugnis zugeſtand, hiervon abzuſehen.
Demeniſprechend wurde die Genehmigung nicht ge—
fordert in den Hanſeſtädten, in Oldenburg und Sach—
ſen, während ſie in Württemberg und Baden nur für
beſtimmte Geſchäftsbetriebe aufrecht erhalten wurde.
Doch wurde der Konzeſſionszwang für das Deutſche
Reich durch Geſetz vom 11. Juni 1870, ebenſo der
Unlerſchied zwiſchen Altiengeſellſchaften, die Handels
geſchäfte treiben, und den übrigen (Zivil) Aktiengeſell⸗
ſchaften, die früher durch Landesgeſetze geregelt wur⸗
den, aufgehoben.
Erjag fiir die Staatsgenehmigung ſollten gewiſſe
Normalipbeſtimmungen bei der Errichtung bieten.
Diſe geſetzlichen Kauelen erwieſen fic jedoch in der
Gründerperiode, 1870 —73, in der allein in Preu
fen 843 Mefellichaften mit 2484 Will, ME. errichtet
wurden, als Durdaus unzulänglich, und der Wunſch
nad Reformen war nur ju beredtiqt.
Die Reformbejtrebungen sielten teils auf Wie. |
|
|
Aftie und Aktiengeſellſchaft (eſchichte).
weiterung der Staat8aufjidt ab. Ferner wurde vor-
geidlagen, Die Altiengeſellſchaften möglichſt durch
öffentliche Unternehmungen (Staatseifenbabnen, Ge-
meindeanſtalten) gu erſetzen, während von andrer
Seite größere perſönliche Verantwortlichkeit der Griin-
der und Geſellſchaftsorgane, volle Offentlichkeit, Weg⸗
fall ſtatutariſcher Vorbehalte für Gründer und erite
Zeichner, Erweiterung der Individualrechte der Al—
tionäre, Ermöglichung einer ſchärfern Kontrolle xc.
gefordert wurden. Nicht alle Vorſchläge ſind unbe—
denklich. Die Geſchichte des Altienweſens beweiſt, daß
Schwindel und Mißbrauch bei den verſchiedenſten ge—
ſetzlichen Regelungen vorkamen. Laſſen ſich dieſelben
auch durch geſetzliche Reformen zum Teil mindern und
befeitigen, ſo wird dod) das Publikum ſelbſt durch He:
bung der wirtſchaftlichen Einſicht und Förderung einer
— Gefhaftsmoral das Widtigite zur Beſſerung
eitragen miifjen. Das deutfde Uftiengejes vom 18.
Juli 1884 bejtrebt fid, 3. T. nad dem Vorgang
des ungarifden von 1875, die Mängel der feitherigen
Geſetzgebung dadurd) zu befeitigen, Daf es unter Klar—
ſtellung des Gründungshergangs und Kennzeichnung
der Gründer die letztern verantwortlich macht, daß es
die Pflichten des Aufſichtsrats ſchärfer präziſiert, ſeine
Verantwortlichkeit erweitert, über cine Reihe von Ge-
genſtänden ausſchließlich die Beſchlußfaſſung der Ge—
neralverſammlung vorbehält, den Mehrheitsbeſchluß
derſelben möglichſt unverfälſcht zum Ausdruck brin⸗
en und den Äktionären Gelegenheit zur eignen Brii-
ng der Sadlage verjdhaffen will, dak es ferner dic
Minoritätsrechte, infoweit eS fid) um Berufung einer
Generalverjammiung oder der Einſetzung von Revi-
joren bebufs Priifung des Griindungshergangs oder
der Geſchäftsführung bandelt, in erweitertem Umfang
jur Unerfennung bringt, die Haftung bei nicht voll ein-
gezahlten Altien ausdehnt, dDurd) neve Beſtimmungen
iiber die Bildung eines Rejervefonds eine größere Si-
cherheit für Unternehmen und Beteiligte ju erzielen
judjtrc. Auf Zuwiderhandlungen gegen die geſetzlichen
Vorſchriften find jtrengere Strafen geſetzt, insbeſ. aber
ijt noch allgemein mit Strafen bedrobt, wer in öffent⸗
liden Befanntmadungen wiſſentlich faliche Tatjaden
vorjpiegelt oder wahre entitellt, um zur Veteiliqung an
einem Aktienunternehmen zu bejtinumen, Dann wer in
betrügeriſcher Ubjidht auf Täuſchung berechnete Mittel
anwendet, um auf den Kurs der Aktien cingutwirfer.
Das neue Handelsqeieybud vom 10. Mai 1897 (im
Nraft feit 1. Jan. 1900) enthalt feine prinzipiellen
| YUnderungen des bejtehenden Redtsjtandes, es bringt
nur einige Verbeſſerungen. Es jorgt 3. B. fiir größere
Unabbangigfeit der Reviforen und erweitert deren
Unfgaben bei der Priifung des Griindungsherganges.
Endlich) verſucht das Birjengefes vom 22. Juni 1896
durch verjdiedene Bejtimmungen über die bdrjen-
mäßige Behandlung der Wertpapiere (über Zulaſſung
der Aktien gum Börſenhandel, Kursfeſtſtellung, Emij-
jion tc.) das Publikum vor Benachteiligung zu ſchützen.
Daß aber hierzu ſelbſt die beſten Geſetze allein nicht aus-
reichen, haben die Ereigniſſe des Jahres 1901 gezeigt.
Eine bedeutſame Einſchränkung der freiheillichen
Entwidelung der Uttiengefellfatten bringen zwei
neuere Geſetze. Nad dem Hypothefenbantengejes vom
13. Juli 1899 bediirfen Uttiengefellfdaften und Nom
manditgefellfdaften auf Uftien, bet Denen Der Gegen⸗
jtand des Unternehmens in der bypothefarifden Be-
leihung von Grundſtücken und der Ausgabe von
Schuldverſchreibungen auf Grund der erworbenen
Hypothefen bejteht, sur Wusiibung ihres Gefdafts-
Ddereinfilhrung der Staatsgenehmigung, teils auf Er⸗ betriebs der Genehmigung des Bundesrats (bes. bei
%
Aftie und Aktiengeſellſchaft Geſchichte; Literatur).
lofal beſchränktem Gejdhaftsbetriebe der Landesregie⸗
rung) und unterjteben ſtaatlicher Aufſicht. Ebenſo ijt
ftaatlicde Rongeffion und eine intenfive Staat8auffidt
vorgeſchrieben fiir Gejellfchaften, die ſich mit Verjide-
rungen beſchäftigen. Zum Betriebe der veridiedenen
Arten der Lebensverjiderung, der Unfall-, Haftpflict-,
Feuer und Hagelverjiderung darf die Erlaubnis nur
an » Verjiderungsvereine iar Gegenfeitiqtcit« und an
Aktiengeſellſchaflen erteilt werden. (Bete, betr. die
privaten Verjiderungsunternehmungen vom 12. Mai
1901, in Rraft feit 1. Jan. 1902.)
Uber die Den Uftiengefellfdaften nae verwandten |
Geſellſchaften mit beſchränkter Haftpflidt
f. Handelsgeſellſchaft.
Yn Ofterreid (Cisleithanien) find der Konzeſ—
ſionszwang wie überhaupt die diesbezüglichen 2
jttnrmungen des Handelsgeſetzbuches nod) in Kraft.
Das im Verordnungsweg erlajjene Altienregulativ
vont 20. Sept. 1899 (das fid) aber nur auf neu yu
qriindende induftrielle Aktiengeſellſchaften begieht)
verbleibt beint Konzeſſionszwange, trifft aber ver-
ſchiedene Neuerungen; fo * es Reviſoren beim
Gründungshergang ein, enthält Beſtimmungen über
Sacheinlagen x. der Mindeſtnennbetrag der Altie
iſt auf 200 Kronen feſtgeſetzt. Ungarn hat den
Konzeſſionszwang 1875 beſeitigt. Bei der Zeichnung
find 10 Proz., vor der Konſtituierung 30 Proz. bar
einzuzahlen. Der Zeidner tit fiir 50 Proz. fo lange
haftbar, bis ein neuer Beſitzer im Altienbuch einge-
—— iſt. Inhaberaktien können vor der Vollein—
zahlung ausgegeben werden, doch iſt auf dem Schein
die tatſächlich eingezahlte Summe anzugeben. Kom—
manditgeſellſchafien auf Uftien find nicht zugelaſſen.
Belgien (eſetz vom 18. Mai 1873, abgedndert 22.
Mai 1886) hat das Uttienwefen ähnlich geregelt wie
Frankreich (j. S. 241). Als Befonderheiten find her-
vorzuheben, dak aud) Ouotenaftien (Ausſtellung
der Vftie auf cine Duote am Unternehmen jtatt auf cine
fete Summe) zugelaſſen find, daß die Obligations-
inhaber die widtigiten Sdriftitiide einſehen dürfen
und in der Generalverjammlung beratende Stimmen
haben. Die Erridtung ciner Geſellſchaft erfolgt auf
höchſtens 30 Jahre, dod) ijt Brolongierung zuläſſig.
In den Niederlanden ijt nad dem Wetboek van
koophandel vom 20. April 1838 fiir Errichtung lönig⸗
liche Genehmigung erforderlid, ebenſo in Schweden
(Verordnung vom 6. Oft. 1848) für die Statuten.
In Ftalien Gandelsgeſetzbuch von 1882) finnen
Handelsgeſellſchaften als Aktiengeſellſchaften qebildet
werden. Sivilgefellidaften finnen fid den geſetzlichen
Beſtimmungen über Aktiengeſellſchaften unterwerfen.
Notwendig iſt Vollzeichnung des Grundkapitals und
Einzahlung von drei Zehnteln. Höhe der Aktien unbe-
ſchränkt. Inhaberaktien find erſt nad Volleinzahlung
zuläſſig. Königliche Genehmigung iſt nicht mehr, wie
früher, erforderlich. Die Schweiz dagegen (Obli—
gationenrecht vom 14. Juni 1881) läßt Inhaber—
aftien nach Einzahlung von 50 Proz. ju. Spanien
Geſetz vom 22. Aug. 1885) gibt ſeinen Uftiengejell-
ſchaften cine Sonderitellung, indem diejelben nur als
eine befondere Art der fommmergiellen Handelsgefell-
ſchaft angefehen werden. Wusgabe von Inhaberaktien
ijt erjt nad) Einzahlung von 50 Pro}. der jtatutarifden
Cinlage zuläſſig. Die Altionäre haben feinen großen
Giniluh auf die BVerwaltung, die durd) Mandatare
beforgt wird; die Generalverſammlung ijt nur fiir
243
währt den Uftionaren einen umfangreiden Schutz.
Rur —— Altien können Inhaberaktien ſein.
Das mexikaniſche Geſetz vom 1. Yan. 1890 (als
Teil des neuen Handelsgeſetzbuches) fordert Reqijtrie-
rung und regelmäßige Berdffentlidung der Bilany,
Jn den Vereinigten Staaten Nordamerifas
iit Die Geſetzgebung fiber WUftiengefellfdaften Sache
der Cinjelftaaten; nur ausnahmsiweife werden von
der Bundesregierung Norporationsredte fiir beſon—
dere — verliehen. Früher war die Bildung von
Geſellſchaften dadurch erſchwert, daß die Rechte einer
juriſtiſchen Perſönlichkeit je nur durch ein beſonderes
Geſetz unter großen Koſten verliehen wurden. Erlangte
Privilegien waren jedoch übertragbar; fie wurden m-
folgebeften ein Gegenſtand de3 Schachers jum Borteil
fiir einflußreiche Verſönlichkeiten. Heute ijt überall
die Erridtung geftattet, fofern mur den im Geſetz ge-
nannten Bedingungen geniigt wird. Bisweilen find
Mindeſtbeträge fiir Bie ftien, aber aud) Höchſtbeträge
fiir bas Grundfapital feſtgeſetzt. Rmänien hat
durd) Gefes vom 31. März 1900 fein Uftienredt res
formiert, inSbef. die Beſtimmung getroffen, dak nur
ein Drittel ber BVerwaltungsratsmitglieder rumä—
nifder Nationalitat fein miifjen. Fiir Bulgarien
gilt das Handelsgefes vom 12. Jan. 1898.
[iteratur.) Val. Endemann, Das Recht der
Ultiengefellfdhaften (Heidelb. 1873); Primker, in
Endemanns »Handbud) des Handelsrechts⸗, Bd. 1;
Renaud, Das Redht der Altiengeſellſchaften (2. Aufl.,
Leip3. 1875); Auerbach, Das Uftienwejen (Frankf.
1873); Keyßner, Die Aktiengeſellſchaften ꝛc. unter
dem Reichsgeſetz vom 11. Juni 1870 (Berl. 1873);
Hoeland, Die Organe der Uftiengefellfdaften (Jena
1886); Hergenhahn, Berufung und Tätigkeit der
Generalverſammlung der Aktiengeſellſchaften (Berl.
1888); Derjelbe, Der Vorſtand der Aktiengeſellſchaft
(Leipz. 1893); Welti, Die Organijation der YWftien-
getell chaft (Siirid) 1890); Simon, Die Bilanjen
der Uiftiengejellfdaften (3. Wufl., Berl. 1899); tiber
Bejteuerung: Simon, Die Staatseinfonunenjtener
der Wftiengefellidaften rc. in Preußen nad) dem Ge-
ſetz vom 24. Juni 1891 (daſ. 1892); Herrfurth,
Die Kommunglabgabenpflicht der Altiengeſellſchaften
(daf. 1886). Uber Rritif und Reformvorjdlige val.
Gareis, Die Borie x. (Berl. 1874); » Schriften des
Vereins fiir Sozialpolitif«, Bd. 1 u. 4 (Leipz. 1873
u. 1874); Liwenfeld, Das Recht der ftiengefell-
ſchaften (Berl. 1879); Ochelhäuſerx, Die Nadteile
des Aktienweſens x. (daj. 1878). Uber das Geſetz
vom 18. Juli 1884 val. die Rontmentare von Boldern-
dorjf (Erlang. 1884), Ring (2. Uufl., Berl. 1892),
Eſſer (5. Uujl., daf. 1890), Veierſen und v. Pechmann
(Leipz. 1890), Rayfer (2. Aufl., Berl. 1891), Her-
ow (daf. 1891). tiber das neuefte Hecht val.
eyl, Handbuch des deutſchen Altiengeſellſchafts—
rechts (Freib. 1896); R. Lehmann, Das Recht der
Altiengeſellſchaften (daf.1898); Kin ner, Das deutſche
Utienredt (Berl. 1899); R. u. F. Effer, Die Altien—
ejellfdaft (2. Aufl., daf. 1899); die Lehrbiicher des
B anbelBredjts von Cofad (5. Mufl., Stuttg. 1900) u.a.
sRommentare zum Handelsgeſetzbuch⸗ von Staub (7.
Aufl. Berl. 1900); Keyßner und Simon, Altien—
geſellſchaften (5. Uufl., daſ. 1900); RieRer, Die Neue-
rungen im deutſchen Aktienrecht (daſ. 1899). Stati—
ſtiſches: Salings ⸗Börſenjahrbuch« (Berl.), ⸗Jahr⸗
buch der Berliner Börſe⸗, »Handbud) der deutiden
— — und Verminderung des Kapitals ſowie | Uttiengefellidaften«, Jahrbuch (Leipz.), fiir Oſter⸗
nderung und Auflöſung der Geſellſchaft kompetent. reich-Ungarn der ⸗-Kompaß, finanzielles Jahrbuch-
Das portugieſiſche Geſetz vom 28. Juni 1888 ge⸗ Wien); Zeitſchriften: der ⸗Deutſche Ofonomijt«, » Der
16*
244
Viftionaire, Holbheims »Monatsfdhrift fiir Altien—
redi<; »Compte général de l'administration de la
justice, ete,« (feit 1825); »L’écopomiste frangais«
Pariſer Wocenfdrift); Sfinner, The stock ex-
change yearbook and diary (ond.); »The Econo-
mists (Vondoner Wodenfdprift).
MUftienpromeffen, ſ. Yitie ꝛc., S. 237.
WFtine (qriedy.), Intenſität der Sonnenjtrahlung.
Attintahafen, von RNordenffjdld 1878 entdedte
Wai der Taimyrhalbinſel gegenüber der Taimyrinſel.
Aktinien, ſ. Seeanemonen.
Aktiniſche Strahlen, die chemiſch wirlſamen
Strahlen des Sonnenſpeltrums; ſ. Licht (chemiſche
Wirkung ded Vidi).
Aktinoelektriſche Sricheinungen, ſ. Lidjtelet-
triſche Erſcheinungen.
Artinvelektrizität, die durch Licht und Wärme—
ſtrahlen in einigen Kriſtallen, wie Bergkriſtall, her—
pap aie Elektrizität.
ftinograph (griech. »Strablenfdreiber<), ein
von Bouillet erfundenes Inſtrument zur Beſtimmung
dev Dauner des Sonnenideins mit Hilfe von pho-
tographifdem Papier, ijt durch den Sonnenſchein—
autographen (f. d.) erfept worden. Auch ein Inſtru—
ment zur Beſtimmung der chemifd wirfenden Kraft
der Strablen verfdiedener Lichtquellen.
Artinographie (qricd.), Photographie mit Rdnt-
qenitrablen.
Aktinolith, Mineral, ſ. Hornblende.
Aktinolithſchiefer, ſ. Hornblendefels.
ftinometer (qricc., »Strablenmejjer«), von
Verſchel 1834 erfundenes Inſtrument jur Meſſung
der erwaärmenden Kraft der Sonnenſtrahlen. Gleichen
weden Ment Sauſſures Heliothermometer und
ouillets Borbeliometer (ſ. d.. Sur Meſſung der
Sonnenſtrahlen benugt man jetzt meiſt cin Thermo:
ureter mut geſchwaͤrzter Kugel, Me in einem luftleeren
Gefaß stedt; da aber die Schwärzung nicht unverin
Ver Angſtroms Rondenfationspyrdbeliometer,
dem neueften und beſten VUpparat, wird der cine von
zwei ganz Abnltden, Minnen, einſeitig geſchwärzten
Wetallſtreifen der zu meſſenden Strablung ausgeſetzt.
der andre, durch einen Doppelſchirm gegen de Strah
lung geſchutzt. wird Dard einen eletirochen Strom
erwarun. Wird die Stronütarke fo reguliert. Dak die
Erwarmung der beiden Streifen gleich wt. fo rit aud
Me Stradlunqsenengic gleich Der Mand den eleftrriden
Strom gugehudrten Energie. A. deißt aud em von
Vonllet angegedenes Inſtrument pur Wertung der
mddtlader Barmeitradlung Gi. Ardrroſtop und der
Whimagrapd (fh.
Wftimemerph greed... tradttge derkt eee
Btute Me fed durch mindeiteno geet Edenen ot pre
aerdudirco gle Wine tele laitt wie ale rogel
mas gen Bite
WAftinemofeic, vor BoUmger 1877 erfannte
cErdantung am Sirabienp.g a Actinemvoes, i. d.d.
Neen Raenge nadeg ante Bouin's: bton mt
Siogemt Wis a8 tanMoritrey Romer. 2 Boon
Wwe. zu er?.r vnen fad. BWreanco sur det Ate kre
Shae ow > A rewer Mr te eter eect aut der
Weesieea Nae Bao Bid eoouter &
SQdeck Whtrtesinfeens | beers Soovlan
SR NT Lm stars Ae BUNA Petigemse
a. 7 . >. . ** . “ * . *
ove Ba Ns wee: est .aen n* am
ON of. tr Wc Peeeses tit beet Acces ms
Ward 22d doe me be eee See Ate oar, xȊ
WMeedD = arte dw Rose *“Stutoam. Doles 3
Aftienpromefjen — tion.
YU. beim Rind am häufigſten als Kiefergeſchwulſt
(Winddorn), Holzzunge oder Rachenaftinom i.
beim Schwein in den Halslymphdrüſen auf. im
Rind ijt jede Beule am Unterkiefer verdächtig; ber
Rückgang des Nährzuſtandes tit die Bunge gu unter>
ſuchen. ließlich köͤnnen die Tiere nicht mehr kauen,
weshalb baldiges Anmäſten und Schlachten zu em-
pfehlen iſt. Thomaſſen hat bei Kühen das Jod als
ſpezifiſches Heilmittel erkannt (Jodtinktur in die
Krankheitsherde eingeführt und zugleich Jodlalium
innerlich). Operationen allein führen ſchwer gum Riel,
da ſich Die Pilze meiſt nicht gründlich beſeitigen laſſen
und neu wachſen. Um ſo größer iſt die Bedeutung
der Prophylaxis; vor allem ſind die Stallgeräte ſorg
fältig gu reinigen und die beim Schlachten der Tiere
gefundenen Rranlheitsprodufte unſchädlich gu bejetti-
gen. — Beim Menſchen fommt die A. hauptſächlich
in Gejtalt von Eiterungen in der Umgebung de3 Mun⸗
des, Dor der Wirbelfiule, nm den Lungen, im Darm
und deſſen Umgebung vor. Jn dem entleerten Citer
finden fid) die Altinomycesdruſen als fleinjte gelbe
Körnchen. Auch entiteht brettharte Sdwellung in
der Umgebung des Pilzherdes (Hol; gel chwulſt cm
Halſe). Die A. ijt eine fehr ernjte Rranfheit, doch
werden Die aftinompfotijden Herde nach kürzerer oder
langerer eit ausgejtohen, amt fdnelliten tn Fallen,
die fick) auf Kopf und Hals beſchränken. Schwerer
find die Falle in der Qunge und im Unterleib. Die
Behandlung muß etne chirurgijde fem, dock lajjen
ſich Die Geſchwülſte häufig nicht ganz und bei tieferm
Sige gar nicht exjtirpieren, und man unterjtiigt des -
halb den chirurgijden Cingriff durch Sod. Eine direfte
lbertraqung der A. von Tieren auf Menſchen war
wenigitends nicht immer nadweisbar, Dagegen wird
der PU; durch Einbohren von Getreidegrannen, 3. B.
beim Serfauen von Ahren x., in die Schleimhaui ded
Wundes, in Ne Wandeln, or den Darmfanal und
durch boble Yabne eingeimpft. Auf dem Lande fomumt
derlich blerbt, erbalt man damit keine abſoluten Werte. |
daher A. baufiger vor Erntelrankheit) als in Mr
Stadt. S. Madurafuß. Bgl. Ponfich, Die A. des
Menſchen (Berl. 1882.
Mftion (lat.), Handlung, Tarigher ; Rechtsmittel.
Klage G. Actio); Gefedt, Treffen; Gebardenfptel ;
fritber auc allqemeine Benennung von Theaterjtiicen,
Dauber ber Musdrud Haupt. und Staatsaltionen
i. DL); in Der Hettfunit Me Art und Weiſe ber Be
wegung des Vierdes, beionders m den ſchnellern Gang
arten «bobe, runde. face, lenbte oder ichwere WL).
Aktion (Actinm, jest wieder A. friiber Akriſi.
tm Altertum em Borgebdirge der griech. Landſchaft
Atarnanten, am Eingengem den Umbrafiiden Golf,
mut einem Tempel des Yipollon, der jett 425 Bundes
beiliatum Mr Alarnanen war. und emer flemen Ort
idatt. we hd Antentus vor kr Schlacht gegen ct
taman lagzerte. be amt 2. Sept. 31 p. br. das Schictjal
Noma mood. Cttebren bore sis) Mann Aug
rell, 2 ce) Never od vs) Qrogehdeve, Viateams
umd Riespetra Tuo kann Augrols, 12,000 Meter
. Ast den Act Nicopatres wablte
Antonine den Rome? sur See. Nod ypoetrimneem
Nome mR Marco. ONorizze Waal, dard ge
.eette Veeecorien metres Ycite m Vnteem
SS.cdtime. Posdelo®soo R.ccpetra mit thren boaters
NT Stet bee Vienne cco lcetee GO) Satie.
end No Mets itr foe, Bor der Seog fair CF
‘stom emDccayn, Dae tombe merece weber
Po der toe ox? Ne WD tre Ruccche ad ergad
S2 Nees KR seo ds so toe Heer gchagert war,
—
gieabkts CMsrae ke Sih Ad ee a:
aioe 8
Aktionär — WAFujtif.
rrenerte den alten Tempel de3 Upollon Aktios, wäh—
rend er die dort feit alters von den Alarnaniern ge-
feierten Spicle in erweiterter Gejtalt nad) Nifopolis
verlegte. Schon 435 v. Chr. Hatten bet A. die ag eh
in ciner Seeſchlacht über die Rorinther gefiegt. Weiter
ſiegte bei A. der türkiſche Admiral Chaireddin Barba-
at 28. Sept. 1538 iiber die Flotten der Spanier,
Des Papſtes und Venedigs.
Wftionar (franj.), Attienbeſitzer.
AFftionator (neulat.), Kiger; Matkler;altionie-
ren, geridtlid) belangen.
Aklionsradius (Dampfitrede), der Seeweg
in Scemeilen (ju 1,85 km), den Kriegsſchiffe mit ölo—
nomijder Fahrgeſchwindigkeit (meiſt 10 Seemeilen)
ohne Rohlenerganjzung juriidlegen können. Der A.
ijt abhängig vom Gebrauchszweck der Schijfe, vom
Alter der Maſchinen und Keſſel, von der Grope der
Bunfer (Rohlenraume). Den grdpten A. haben die
roßen Kreuzer: in Der deutiden Marine Bring
—— (6720 Seemeilen), in der engliſchen Powerful
(15,000), in der franzöſiſchen Gloire (10,000), im der
ruſſiſchen Roffija (19,000), in der nordamerifanijden
Columbia (19,000 Seemeilen). Linienſchiffe haben
einen A. zwiſchen 3000 und 6000, Küſtenpanzerſchiffe
bis zu 2000, Fleine Kreuzer zwifden 8000 und 9000,
Torpedoboote etwa 2000 Seemeilen.
Aktionsſtröme, cleftrijhe Ströme, die bei der
Tätigkeit der Muskeln und Nerven in diefen entitehen.
Wftionsturbine, ſ. Waſſerrad.
Aktionszeutren der Atmoſphäre, nach Teiſ—
ſerene de Bort jene ausgedehnten ſtändigen Gebiete
hohen und niedern Luftdrucks, durch deren Lagever—
ſchiebungen und Intenſitätsänderungen die verſchie—
denen —E für verſchiedene Gegenden
bedingt werden. Beſonders wichtige A. ſind das Luft—
drucknaximum über den Azoren, das Gebiet niedern
Luftdrucks bei Island, das Luftdruckmaximum über
Sibirien ſowie dasjenige über dem Indiſchen Ozean.
Die Luftdruckſchwankungen an den Azoren und bei
Island weiſen in den metiten Fallen einen völlig ent:
gegengefesten Charafter auf, während die ent{predjen-
Den Rabhlenwerte von den Azoren und Gibirien auf-
fallend iibereinjtimmen. Ferner beobadtet man an
den Underungen de3 Barometers fiber dem Indiſchen
Ozean und über Sibirien den entgegengefesten Sinn.
Hinſichtlich der Niederſchläge haben rid ähnliche Be-
ziehungen ergeben, die bejondern Wert fiir Broqno-
jen ——— Zeit beſitzen (ſ. Wettervorherſage).
Aktiſteten (griech.), Partei der Monophyſiten
(j. d.), Die Den Leth Chriſti fiir »unerſchaffen« hielten.
Aktiv (lat.), tätig, wirlſam; im Dienjte ftehend.
lg aftiven Militärdienſtſtand gehören alle
ilitdrperjfonen des Friedensjtandes ſowie die aus
dem Beurlaubtenjtand zum Dienſt Cinberufenen und
int Kriege freiwillig Eingetretenen bis sum Tag ihrer
Entlajfung. Aktive Drenjtzeit, die Dienjtzeit bet
der Fahne im Gegenſatze ju der im Referve-, Land-
webr- und Landjturmverhaltnis. Aktivität, Tatig-
feit, Wirkfamfeit.
(fat., WEtiven), die pofitiven Beſtandteile
eines Vermögens im Gegenjage gu den Paffiva, den
Sdulden, durd) deren Abzug fic) die Bilanz (ſ. d.)
ergibt; alſo Grundjtiide, Mobilien, Waren, bares
Geld, auhenjtehende Forderungen, weld) lestere vor-
zugsweiſe mit gemeint find, wenn jemand ein Geſchäft
emit allen Uftiven« iibernimmt. Das Verzeichnis
der U. und Paffiva, das nad) dem Gandelagefesbudh
($39 ff.) jeder Kaufmann alljährlich aufzujtellen hat,
heißt Ynventar. Werden in ciner Vermögensmaſſe
— — — — — — — — — — — — — — — —— —— —— —— —— —— — — —
9
245
die U. von den Paſſiva überwogen, fo befindet fie fid
im Zuſtande der Inſuffizienz oder Inſolvenz; das
gum Zweck der Cinleitung des Nonfurjes foldhenfalls
aufzunehmende Verzeichnis wird Status qenannt (ſ.
RKonfursmaffe). Rechnungsmäßig werden in der Bi-
fanz unter Den Paſſiven alle Soll-Pojten, nidjt nur
eigentliche Schulden des Eigentümers oder Unternel-
mers aufgefiihrt, demgemäß bei Aktiengeſellſchaften
aud) Grundfapital und der Refervefonds (ſ. Altie ꝛc.,
S. 238).
Aktivgeſchäfte, im Bankwejen diejenigen Ge-
ſchäfte, die fiir Den Geſchäftsinhaber ein Guthaben be-
riinden, wie die Disfontierung von Wechſeln, das
ombardgeſchäft, die hypothefarifden Darlehen ꝛc.
Den Gegenfag zu den Altivgeſchäften bilden die Paſ—
fivgefd afte, d.h. folche, aus denen Verpflidtungen
erwadfen, wie 3. B. die Annahme von Depofiten,
die Uusqabe von Bantnoten, Pfandbriefen x. Bgl.
Banten.
Aklivhandel betreibt cin Volf, wenn es Aus⸗ und
Einfuhr jelbjt beſorgt. Den Gegenſatz ju demfelben
bildet Der Baffivhandel, d.h. derjenige Handel, bei
dem ein Volk ſich von Fremden feine Erzeugniſſe holen
und feinen Bedarf an fremden Waren herberfiihren
lift. Visweilen verjteht man unter A. auch den Handel,
der eine Forderung an das Ausland begründet (Aus—
fubrhandel), unter Baffivhandel den, aus dem einem
Land eine Schuld an andre erwächſt (Cinfubrhandel).
Uftivftand, der wirkliche Vejtand, 3. B. eines Ver-
migens, einer Forderung, eines Heeres ꝛc.
Aktivum, die tätige Form des Verbums (jf. d.).
Aktivvermögen, —* wie Aktiva (ſ. d.).
Aktöl, milchſaures Silber, weißes, geruchloſes
Pulver, löſt ſich in Waſſer, wirkt ſtark antiſeptiſch und
wird zum Gurgeln und zu Spülungen, auch bei
Zahnkrankheiten benutzt.
Aktor (lat.), Kläger, Aktorium, Klagevollmacht.
Aktſche, Nebenbezeichnung des türk. Bara (j. d.).
Aktualität (franz.), gegenwärtige Wirklichkeit oder
Bedeutſamkeit, Zeitbedeutung.
Aktuar (lat. Actuarius), Beamter, der bei Be—
hörden die Protokolle rc. anfertigt; ſ. Gerichtsſchreiber.
Aktuell (lat.), wirklich), gegenwärtig, von unmittel-
barer Bedeutung (f. Wirklich); daher a. fein, auf der
Tagesordnun —
Aktuelle ergie (kinetiſche Energie), ſ.
Aktus (lat.), ſ. Actus. Energie.
Akuminaten (Condylomata acuminata), ſ. Feig—
Akupreſſũr (lat.), ſ. Blutung. ſwarzen.
Akupunktüũr (lat. ⸗Nadelſtich«), Einſtechen forg-
fältig gereinigter feiner Nadeln in frante Körperteile,
meiſt zu Unterſuchungszwecken (Wkidopetrajtif).
Die UW. des Herzens mit zwei Nadeln und eingeſchal—
tetem eleftrijden Strom (Eleftropunftur) ijt als
Mittel sur Abhaltung des Todes bei Chloroformver—
iftungen entpfohlen worden. Die A. joll zuerſt von
Chineien und Japanern ausgefiihrt worden fein. Im
17. Jahrh. wurde fie in Europa befannt, tit aber aus
der modernen Medizin fo qut wie verſchwunden.
Akureyri (Stadt), ſ. Wfreyrt.
MFuftiF (qried.), die Lehre vom Schall (jf. d.), be-
trachtet die Geſehe der Fortpflanzung und Zurüch⸗
werfung der Schallwellen, die Erzeugung von Schall⸗
ſchwingungen durd Pfeifen, Saiten, longitudinal und
tranSverjal fdwingende Stäbe, durd Blatter und
Bloden, die Schwingungsverhiltnijje und abjoluten
Schwingungszahlen der muſikaliſchen Tine, die In—
terferen; der Schallwellen, die Entitehung der Stöße
und RKombinationstine, die Zuſammenſetzung der
246 Akuſtiſch — Alzent.
Klänge aus einfachen Tönen — endlich
— UL.) die pe omg der Stimme und den
Vorgang des Horens. liber die Geſchichte der A. f.
Rhye Bal. Helmbholg, Die Lehre von den Ton-
empfindungen (5. Ausg. Braunfdw. 1896); Tyn-
dall, Der Schall (3. Aufl. daf. 1897); Blaferna,
Die Theorie ded Schalles in Beziehung zur Mufit
(Leip}. 1876); Radau, Die Lehre vom Schall (2.WMufl.,
Miind. 1875); Rayleigh, Die Theorie des Schalles
(deutſch, Braunfdjw. 1880, 2 Bde.); Melde, Utuftit
(Leip;. 1883); Bellner, Vorträge iiber A. (Wien
1892, 2 Bde.); Q. Riemann, Populäre Darjtellung
der A. in Beziehung zur Muſik (im Anſchluß an Helm-
hols, Braunſchw. 1886); Jonquieère, Grundriß der
muſikaliſchen A. (Leipz. 1898). S. aud) den folgen—
den Artilel.
Akuſtiſch, der Aluſtik (ſ. d.) entſprechend, nennt
man einen Raum, wenn tn ihm Rede, Geſang ꝛc.
liberall qut und deutlid) gehört werden. Dies ijt der
Fall, wenn die Schallwellen weder in der freien Fort⸗
pilanjung vom Erjeugungsorte zum Obre de3 Hörers
durch Hindernijfe oder ungünſtig refleftierte Wellen
geſtört, noch durch falſch behandelte Wände, zu viel
Stoff tm Raum rc. »verſchluckt« werden. Buverlaffige
Regeln fiir die akuſtiſche Gejtaltung von Raumen gibt
es nod nicht. BWertvolle Winkle enthalten: Sturm-
höfel, Die Akuſtik de3 Baumeiſters x. (2. Aufl.,
Dresd. 1898); Derjelbe, Sentralbau oder ——
(daſ. 1897); Orth im »Handbuch der Architeltur«,
8. Teil, 6. Band (2. Aufl. Darmſt. 1891). Val. aud
Rhode, Theorie der Schallverbreitung fiir Baukünſt⸗
ler (Berl. 1800); Canghaxs, Uber Theater oder Be-
merfungen über Ratafuftif (daſ. 1810); Orth, Die
Vfujtit großer Räume (daf. 1872); Lache z, Acous-
tique et optique des salles de réunions (2. Aufl., Bar.
1879); Favaro, L’acusticaapplicata (Turin 1882).
Akuſtiſche Bewegungserſcheinungen. Cin
zylindriſcher Reſonator, der auf den Ton einer Stimm⸗
gabel abgejtimmt ijt und vor der Miindung des Refo-
nanzkäſtchens der Stimmgabel an Fäden hangt, wird
Akuſtiſches Realtionsrad.
feiner Mündung die Luftidhidten abwedfelnd aus
und cin. Beim Austreten übt die Luft einen a he
aus, und diefer ijt größer al8 die entgegengeſetzte Wir⸗
tung beim darauffolgenden Hineintreten der Luft, wer!
beim Wustritte die Luft nicht nur horizontal fort-
geſtoßen, fondern aud) Luft von feitwwarts angeſaugt
und tn der Richtung der austretenden Luftmaſſe writ-
geriffen wird.
Akuſtiſche Erideinungen am Flammenbo-
gen, f. Flammenbogen.
Pitanitese Telegraphie, ſ. Teleqraph.
Mufti} dhe Wolfe (atujtifde Triibung),durdh
ungleichmäßig verteilten Waſſerdampfgehalt der Luft
erjeugte Serjtreuung der Ujtrablen durch Bre-
dung, bedingt Undurddringlidfeit der Luft fiir
Sdhallfignale auf weitere Entfermingen. Bei Tage
wird der Schall viel weniger weit gehört als bei Nacht,
weil im erjtern Fall der Schall durch die zahlreichen
Suriidwerfungen, die er an den ungleich erwärmten
und deswegen ungleid) didten Luftſtrömen erleidet,
geſchwächt wird, während er fic) in der gleichmäßig
erwarmten Nadtluft ungebindert fortpflanzt. Nebel⸗
fiqnale, die an den Riijten zur Warnung der Seefah-
rer Durd) Dampfpfeifen oder große Sirenen gegeben
werden, find bei nebeligem Wetter oft viel weiter zu
hören als bei flarer Luft, weil legtere Durd die Gon-
nenjtrahlen ungleid) erwarmt und dadurd) fiir Den
Schall weniger pte abe ijt. Diefelbe Urſache be-
dingt als optiſche Wolle Luftipieqelungen. Nad
Tyndall (1873) entipridt optifde Triibung aluſtiſcher
Stlarheit und optijde Klarheit aluſtiſcher Triibung
(j. Atmoſphäre).
Mt (lat), ſcharf, fpigig, heftig. Ulute Krank—
heiten haben cinen furjen Verlauf von etwa 2-—4
Woden, im Gegenjage zu den hronifden, lang:
Wierigen Kranfheiten, Die monate- oder jabrelang
dDauern. Sehr viele Rranfheiten verlaufen bald afut,
bald chroniſch.
Mfyab, Hauptitadt de3 Regbez. Arakan und des
Diftritts A. (37,621 qkm mit (se: 416,305 Camp.)
der britijd-ind. Provinz Birma, an der Miindung
des Ruladanflujjes, unter 20° 7 nördl. Br. und 92"
56’ öſtl. L., hat einen quten Hafen mit ſehr bedeuten-
der Ausfuhr von Reis (1900: 91,688 Ton.), Haiuten,
Hörnern, Petroleum, gefaljenen Fiſchen, Betelnüſſen.
Zollhaus, Hofpital, 2Kirchen. Die Bevöllerung( 1891 :
37,938), nur ju einem Viertel weiblichen Geſchlechts,
befteht aus Buddhijten, Mohammedanern, Hindu und
etwas iiber 1000 Chrijten. — A. ijt feit 1826 britifd,
Sits deS Chief Commiffioner der Proving und eines
deutſchen Konſuls.
Akyanoblepſie (griech.), ſ. Farbenblindheit.
Akylas, jüd. Proſelyt, ſ. Aquila.
Akzeleration (lat.), Beſchleunigung (j. d.).
Akzent (lat. accentus, bei den Griechen prosodia,
| *Beigefang«), m der Grammatif die Bet onung und
die zur Bezeichnung derjelben üblichen Zeichen (Al—
zente). Die griechiſchen Atzente wurden von dem
angejogen, wenn man die Stimmgabel sum Tönen alexandriniſchen Grammatifer Ariſtophanes von By-
bringt. Er wird abgeſtoßen, wenn man thn geniigend | zanz (3. Jahrh. v. Chr.) erfunden. Für den A. gibt
verſtimmt. Befeſtigt man vier leidte, fugelformige | es im Griechiſchen drei Beichen: die oxeia prosodia(‘),
Refonatoren an den vier Armen eines leichten, auf | »der ſcharfe oder Hodhton« (accentus acutus); die
einer Spige ſchwebenden Kreuzes, fo daß fie ihre Miin-
bareia prosodia (*), »der gefentte oder Tiefton« (ac-
Dungen Horijontal und tangential nad) der gleichen centus gravis), und die perispomene prosodia (>),
Richtung fehren (ſ. Wbbildung), fo gerat der Apparat | »der gewundene U.«, nad der Geſtalt des Zeichens
tit Dem Der Richtung der Miindungen entgegengeſetzten (accentus circumflexus), womit ein gedebnter, ſich
Sinn in Drehung, fobald man ihm den Rejonany
erjt hebender und dann fenfender Ton bezeichnet
fajten einer gleichgeſtimmten Strmmgabel näheri. wurde. Auch die alten indiſchen Grammatifer find
Wenn nämlich cin Refonator tint, fo ſchwingen an | die Erjinder eines Syſtems von Alzentzeichen, die fie
Afsentuierte Buchſtaben -
jedod nur in den vedifden Schriften sur Anwendung
bradten. Sie unterjdjieden einen »gehobenen Ton«
(udatta), einen »ungehobenen Ton« (anuditta) und
einen »tonenden A.« (svarita), der als cine Rombi-
ration eines höhern mit cinem tiefern Ton befdrieben
wird. Der griechifche wie der indifde A. driidten die
muſilaliſche Hohe oder Tiefe des Tones aus. Dagegen
beruht in den neuern europäiſchen Sprachen der A.
meiit of mehr oder weniger lauter Ausſprache der
Silbe, aljo auf der Yntenfitat de3 Tones. Den mufi-
talifden A. haben wir Deutſchen vornehmlid als
Sabton, der von dem Wortakzent wohl zu unter-
fcheiden ijt; fo hat 3. B. in dem fragenden »wirflid ?<
die zweite Silbe cinen höhern Ton als die erjte, die
ibrerjeits ft arfer betont ijt und den Wortakzent trägt.
Nach der Stellung des Hod)- und Haupttons im Worte
hat man ju unterjdeiden zwiſchen Spraden mit freier
Betonung, in denen der A. an feine beftimmte Stelle
im Worte gefeffelt ijt, und foldhen, in denen er eine
fejte Stellung im Wortforper einnimmt. Bu den
erjtern gehört 3. B. das Ruſſiſche, gu den legtern 3. B.
das Laleiniſche, wo der UW. regelmäßig auf der sweit-
oder drittletzten Silbe fteht, das Deutfde und das
Tſchechiſche, wo ihn die Stammſilbe, gewöhnlich die
Anfangsſilbe, und das Polniſche, wo in die vorlepte
Silbe trigt. In Sprachen, in denen die Tonſtärke vor-
waltet und der A. auf den Anfangsſilben ruht, haben
die nachfolgenden ſchwachtonigen Silben im Laufe der
Zeit ſtets ſtärlere lautliche Verluſte erlitten, z. B. neu-
ochdeutſch der vorderjte aus althochdeutſch fordardsto.
gl. Brugmann, Grundrij der vergleidenden
@rammatif, Bd. 1 (2. Mujl., Strakb. 1897); Sievers,
Grundzüge der Phonetif (5. Aufl., Leipz. 1901).
GSR” Uber bad in »Mevers Ronverfations-Leritone auf man⸗
den Stichwörtern verwendete Betonungsyeiden f. bie Be
merfung beim Art. »>Musfpracec.
In der Mufif verjteht man unter A. die Hervor-
hebung einjzelner Tine durch größere Tonjtirfe und
(geringfiigige) Dehnung. Regelmipige Akzentträger
find die Schwerpuntte der Motive, die unjre Noten-
ſchrift durch den Taktſtrich fowie (in zufammengefepten |
Taftarten) durch Unterbredhung der Querbalfen der
Achtel, Sechzehntel rc. anzeigt. Dod erfolgt deren
Alzentuierung nidt plötzlich, ruckweiſe, fondern ift die
Wipfelung des Dem Wuftatt ufommenbden crescendo;
reicht das Motiv mit einer —— weiblichen Endung
fiber den Taktſtrich hinüber, fo ijt fiir dieſe das dimi-
nuendo die felbjtverjtindlide Vortragsweife. Diefer
aus der TaftordDnung fic) ergebenden grundlegenden
Ufsentuierung fteht gegenüber die Alzentuierung ein-
ne Tine aus melodijdhen Griinden (Gipfelnoten
er Melodie) oder aus harmonifden Griinden (Diffo-
nanzen, moDdulierende Tine) fowie die ſtärlere Be-
tonung der Wnfangsnoten der Motive, die einzelne
hellere Lichter aufſetzen. Bal. die Urtifel »>Tatt, Rhyth-
mif, Phrafierunge. WS Name einer Verzierung ijt |
A. foviel wie Vorſchlag (jf. d.).
Akzentuierte Buchſtaben, im Buddrud alle
Buchſtaben mit einem Wfjent oder Ausſprachezeichen
(alfo nicht blog a, &, A, & x., fondern aud fran}. ¢,
fpan. fi, ſchwed. 4, dän. o, poln. a, tſchech. &, F u. a.).
Aktzepiſſe, ſ. Accepi.
Akzept (lat., »angenommen«), die auf einen ge—
zogenen Wechſel (ratte) gebrachte Erllärung des He.
gogenen (Trajjaten), bez. auch des Notadrefjaten, dah
er den in Dem Wechſel enthaltenen ————
annehme (»atzeptieres). Der Bezogene wir ro be
al8 Akzeptant jedem rechtmäßigen Inhaber des
Wechſels felbjtindig und wechſelmäßig zur Zahlung
Akzeß. 247
der alzeptierten Summe verpflichtet. Als Form ge—
nügt nach der deutſchen Wechſelordnung die einfache
Zeichnung des Namens, bez. der Firma auf der Bor-
derſeite des Wechſels; üblich ijt es, das YW. quer über
den linfen Teil desſelben (die Anfünge der Zeilen) gu
ſchreiben, oft mit dem Zuſatz sangenommene, aud
wohl unter BWiederholung der Verfallzeit und der
Summe. Die Wiederholung der Summe in Buch—
ftaben ijt in allen Fallen dem Akzeptanten gu em—
pfeblen. agg des Datums der Wtzeptation ijt
nur ndtig bet Wedjeln, die eine gewiſſe Zeit nad
Sicht, d. h. von der Vorzeigung (Prijentation) zur
Unnahme an gerednet, fällig werden. Dit das WL.
falfd) oder gefalfdt, fo bleiben gleichwohl Indoſſant
und Ausſteller wechſelmäßig verpflichtet. Wird das
A. verweigert oder auf cinen Teil der Wechſelſumme
beſchränkt (Teilafgzept), fo fann der Prajentant
Proteſt (ſ. d.) mangels Annahme erheben laſſen. Rad
kaufmänniſchem Sprachgebrauch verſteht man unter
A. aud den atzeptierien Wechſel. Übrigens pflegt
man auch die Annahnie eines anderweitigen gezogenen
Wertpapieres von ſeiten des Bezogenen (Adreſſaten,
Aſſignaten, Traſſaten) A. gu nennen, fo namentlich
die Annahme eines Checks oder einer Bankanweiſung.
Akzeptabel (lat.), annehmbar.
Akzeptant, im — * derjenige, der auf
einen Wechſel cin Alzept (ſ. d.) ſetzt.
Akzeptanten, kirchliche Partei, ſ. Janſenismus.
Akzeptation (lat.), »Unnahmes eines Auftrags
ur Zahlungsleiſtung, insbeſ. berm Wechſel (ſ. Akzepl).
. per onore (ital.), »Ehrenannahme« bei Wechſeln
(jf. Wechſel). Akzeptationskonto (Akzepten—
fonto, Trattenkonto), das Konto, auf dem Aus—
ſteller von Tratten entweder ſchon nach Empfang des
Aviſes oder nad erfolgter Annahme debitiert werden,
während nach erfolgier Einlöſung der Tratte das
Kaſſenkonto Laſten des Akzeptationskontos zu kre—
ditieren iſt. Alzeptationstredit, dad Vertrauen,
das ein Kaufmann dadurch genießt, daß die von ihm
ausgeſtellten Wechſel bis gu einer beſtimmten Sunme
ohne vorausgegangene Deckung alzeptiert werden.
Atzeptationszeit, die gcieeta vorgefdrieben:
Friſt, in der ein Wechſel dem Bezogenen zur Unnahine
prijentiert werden und diefer fich iiber Unnahme oder
Nidtannahme erklären muh.
Akzepteinholung, ſ. Poſtauftrag.
Akzeptieren (lat.), annehmen, namentlich einen
präſentierten Wechſel. Val. Alzept.
Akzeptilation (lat.Empfangseintragung«), f.
Quittung.— Ju der Dogmatik ijt A. die von Duns
Scotus und von den Urminianern verteidigte Lehre,
| Daf Die von Chrijtus geleijtete — zwar nicht
an ſich ausreichend geweſen, von Gott aber als ge—
nügend angenonimen worden fei; ſ. Chriſtologie.
Ufseptprovifion, die Vergiitung (meiſt — Vs
Pro}3.), die Bankhäuſer dafür berechnen, daß fie Trat-
ten alzepticren, die auf Grund bewilligten Kredils
| (de3 Alzeptationskredits) auf fie qezogen werden ; dann
die Dem — ———— zu zahlende Vergütung,
wenn derſelbe nicht zur Zahlungsleiſtung gelangt, weil
der Bezogene oder ein andrer Intervenient gezahlt hat.
Akzef (lat.), Zutritt, Zugang; Anwartſchaft;
insbeſ aber die Zulaſſung junger Juriſten zur prak⸗
tijden Ubung bet einem Gericht oder einer Berwal-
tungsſtelle. Utzeffift, ein fo Zugelajjener, bei man-
den Geridten aud) Uustultator oder Auditor Que
horer) qenannt; überhaupt Anwärter, einer, der An—
warticdaft auf eine Unftellung hat; in Ojterreid) auch
Benennung fiir Militdrbeamte im Leutnantsrang,
248 Akzeſſion — Alabama.
wie Medifamenten- (Apotheker⸗), Kaſſen-, Verpfle- | Alzipieren (lat.), empfangen, annehmen.
oe und Rechnungsakzeſſiſt. Alziſe (Assisia, Accisia, Cisa, daber früher aud
fxeffion (lat. accessio, »Beitritte), Zuwachs, Ziefe), Bezeichnung fiir verfdiedene verbrauds- und
jur Hauptiade nod) Hinzukommendes (ſ. Anwach- verlehrsſteuerartige pare namentlid) aber fiir
jung). Früher aud) foviel wie Regierungsantritt, | im Jnland erhobene indirefte Uufwandjteuern von
Thronbejteiqung. | feilgebotenen Verbrauchsgegenſtänden, und zwar als
Akzeſſionsvertrag, vilferredtlidh cin Vertrag, Fabrikakziſe am Erzeugungsorte der ju beſteuern—
durd den cine Macht dem jwijden andern Mächten den Waren, als Torakziſe beim Cingang in einen
abgeidlofjenen Bertrag mit gleiden Redten und! bewobhnten Ort erhoben. Der Name findet ſich heute
Pflichten wie die Vertragidliegenden beitritt (ſ. Wd- nur nod in England (Excise), in Rupland und den
Hifion); dann die Vereinbarung, durd welde die Re- Niederlanden. Jn Baden und Wiirttemberg ijt »der«
gierung oder cin wefentlider Teil der Regierungs- | Immobilienalzis cine Abgabe von Liegenjdafts-
redjte an einen andern Staat tibertragen wird, obne | tibertraqungen.
daß cin völliges Aufgehen oder eine eigentlide Cin-
vericibung ftattfinde. So ijt 3. B. durch die Akzeſ—
ſionsverträge vom 18, Juli 1867, 24. Nov. 1877 und
2. ai 1887 Die ganje Verwaltung des Fiirjtentums
Wal
jeine ciqne Gejegqebung bebalten hat.
Utseffitt, |. Nen ie
Meszéffit (lat. accessit, »er ijt hinjugefommens),
bei ————— zweiter oder Nebenpreis.
Alzeſſo 1. hingutretend, -fommend.
Akzeſſori Beltandmaiten eines Gejteins, dic
in ihm befindliden Nontretionen, Sefretionen
und Einſchlüſſe fremdartiger FelSarten. Akzeſſori—
jhe Bejtandteile, dicjeniqen Gemengtetle eines
Geſteins, die nicht weſentlich gu ihm gehören. Bal.
Gejteine. Ufzefforifde Bliitentertle, die aufer
Steld)-, Blumen-, Staub- und Frudtblattern vor
handenen Bliitenteile, wie Nebenfrone, Neftarien rc.
Atzeſſoriſche Knoſpen, in der Blattadjel neben
oder iiber Dem Achſelſproß entitehende Knoſpen.
Akzidens (lat. accidens), das Verinderlide, Zu—
jallige an einem Ding tm Gegenfage ju dem unver-
dnderlidjen Wejenstern, der Subjtany (j.d.). Wile ſinn⸗
lid) wahrnehmbaren Cigenidaften gehören gu den Al—
ziden sien, da fie den Gegenſtänden nur unter beſtimm—
ten Bedingungen jufommen. Noch weitergehend faßt
Die moniſtiſche Metaphyſik die endliden und verging:
lichen Cingeldinge ſelbſt als bloße alzidenzielle Modi—
ſilationen od. Erſcheinungsweiſen der unendlichen, der
Erſcheinungswelt ju Grunde liegenden Subſtanz auf. |
Akzidentalen Akzidenzien, lat.), in der Muſit
joviel wie Verſetzungszeichen (7. d.).
WFsidentalien (lat., »{ufilligteiten<) find Jn
halisbejtandteile eines Rechtsgeſchafls, die weder zu
ſeinem Zuſtandelommen notwendig jind (essentialia,
substantialia negotii, weſentliche Crfordernijje), nod
mangels befonderer Bartewwereinbarung von der
Rechtsordnung als vorhanden angenommen werden
(naturalia negotii, ergãnzbare Bejtandteile), fondern
jedesinal befonderer —* ung durch die Vertrag
ſchließenden bedürfen, um
abreden).
Alzidentell (lat.), zufällig, außerweſentlich, was
leiner beſtimmten Regel unterworfen iſt.
Akzidenzen (lat.), im Gegenſatze zum Werk⸗ und
Seitungsdrud der Druck von Wertpapieren, Altien,
Rechnungsformularen, Tabellen, Preiskuranten, Bir
fularen, Programmen, Etifetten rc. Dieſe Druchſachen
werden häufig mehrfarbig und mit Golddruck und
unter Anwendung verſchiedener graphiſcher Manieren
ausgeführt, und gwar meiſt durch beſonders geſchulte
Akzidenzſetzer und-drucker und auf Aktzidenz
maſchinen, ſ. Schnellpreſſe.
zien (lat.), zufällige Nebeneinnahmen,
im firdliden Vermögensrecht ſoviel wie Stolgebiih
ren (f. D.).
eltung ju haben (Neben
Al, in der Chemie Zeidjen fiir 1 Utom Aluminium.
M1, ſ. Morinda. Deutet »bunt<.
Mla (tirt.), in zuſammengeſetzten Ortsnamen, be-
Mla (lat., »Fliigel«), tm Heere der rdmifden Re-
f auf Breujen libergeqangen, wabrend jenes | publif bis zur Crteilung des Biirgerredts an die
italiſchen Bundesgenoſſen, 89 v. Chr., das je einen
Flügel der Schlachtordnung bildende Kontingent der-
jelben, deffen Geſamtbetrag fiir ein fonjulariides
Deer (2 Legionen) ca. 10,000 Fußſoldaten und 1800
Reiter war. Die Infanterie jeder A. zerfiel m 10 Ko—
horten und hatte Drei römiſche Oberoffiziere (pracfecti
socium), unter denen Die ——— Offiziere
(praefecti cohortium) ſtanden. Im engern Sinne
bezeichnet A. eine Abteilung der Bundesreiterei zu je
300 Mann in 5 Turmen, in der Kaiſerzeit, wo die
Reiterei aus den Provinzen ausgehoben wurde, Ab—
teilungen von 500 Mann in 16 oder 1000 Mann in
24 Turmen; die Befehlshaber hießen praefecti equi-
tum. Im römiſchen Haufe hiek A. jeder der beiden
Seitenraume im hintern Teil des Atriums; bier ftan-
den bei Witaliedern Der Nobilitat in kleinen Schrei—
nen die Wadsmasfen (imagines) Der Vorfabren.
Wla, Stadt in Siidtirvol, Besirfsh. Rovereto, an
der Etſch und der Südbahnlinie A.-Kufſtein, mit
Grenzbahnhof gegen Stalien, hat ein Bezirksgericht.
Hauptjollamt, Gymnaſium, bedeutenden Wembau,
Seidenraupengudt, Scidenfpinneret, Samtfabrifa-
tion, Holz⸗ und Rajehandel und (1900) 4933 ital, Cin:
wobner.
Ala. , Abkürzung fiir Alabama (Staat).
Mela (or. sta), Piz d', ſ. Err, Piz d’.
Wlaaf (niederdeutidh), hod auf! hod!
a la baisse (jranj.), ſ. Baiſſe.
Wlabama (VU. River, indian. »Hier ruben wir«),
Fluß im —— nordamerilan. Staat, bildet
ſich aus den ſüdappalachiſchen Gebirgsſtrömen Cooſa
und Tallapooſa und vereinigt ſich mit dem Tombig—
bee jum Mobile River (j. d.), bis Wetumpfa, 600 km
von der Mobilebai, ſchiffbar. Wn feinen Ufern wur-
den viele foffile Tierrejte (Hydrarchus) gefunden.
Alabama (abgekürzt Ala.), ciner der Siidjtaaten
der nordamerifan. Union (jf. Rarte » Vereinigte Staa-
ten, djtlides Blatt «), swifden 30" 10‘— 35° nördl. Br.
und 84" 53°— 88° 35‘ weſtl. L., 135,320 qkm groß
und umgrengt von Miſſiſſippi, Tennejjee, Georgia,
Florida und Dem Golf von Werifo. Den norddjt-
lichen Teil durchziehen ſüdappalachiſche Gebirgswälle
(Choccolocco-, Loofout-, Racoun⸗, Red Mountains)
bis 630 m bod) und reid) an Eiſenerz- und Roblen«
| lagern. Hier find die Wirtſchafts- und Nulturverbalt-
niſſe ähnlich wie in den nördlichen Unionsitaaten
und Wetreidebau, Bergbau und Induſtrie ſtark ent-
wickelt. Der mittlere Feit ijt hügelig, etwa 100 m
hod), gum Teil nod) Kohlenland (am Big Warrior
River), vor allem aber durch eine breite Zone reichen
| fretazetidhen Kallſteinbodens (den fogen. Blad Belt
Alabama —
oder Schwarzen Giirtel) ausgezeichnet. Bon Natur
mit berrlidem Waldwuchs von Eichen, Rajtanien,
Hifory:, Nuß- und Tulpenbäumen, Magnolien, Bla-
tanen, Pappeln, Tupelos, lang- und furjnadeligen
Stiefern 2. bejtanden, ijt dieſe Gegend durch die Kultur |
Die Hauptitatte des Baunnvollbaues geworden, mit |
ſtark iiberwieqender Negerbevilferung. Den Silden |
ninimt eine Niederung ein, die, teils jandig und mit
ee Riefern (Pinus australis, P. cubensis,
P. taeda) bewadjen, teils ſumpfig und hobes Röh—
ridjt (Canebrafe) mit Sumpfzypreſſen und Zwerg—
palmen tragend, die Hauptititte der Terpentingewin-
nung und Holzſchlägerei ijt. Der allgemcinen Ab—
Dadjung des Landes gegen S. entſpricht der Lauf der
Flüſſe, von denen mur Der mächtige Tennejjee (ſ. d.)
das Gebiet in nordweſtlicher Richtung verlagt, wäh—
rend der Mobile River (ſ. d.) ebenjo wie der Escambia,
Choctawhatdee und Chattaboodee (an der Grenze
gegen Georgia) ſämtlich unmittelbar in den Merifa-
nifden Golf miinden. Die 56km im das Staatsgebiet |
cingreifende Mobilebai ijt ein ſeichtes Haff; dod hat |
man durch Ausbaggerung ein 7 m tiefes Fahrwaſſer
bis gu dem Gemates Mobile (j. d.) geſchaffen. Bon
der Bodenflide find 312,000 Heftar Kohlenfläche,
7 Dull. Heftar Waldland, 3,3 Vill. Heftar Rulturland,
1,160,000 $eftar mit Baunwwolle und 1,080,000 |
Heftar mit Mais bebaut. Das Klima ijt im allge-
meinen gefund, die Sonumer find aber lang und heiß,
und int S. fowie im den Flugniederungen find Ma-
lariaficber häufig. Die Temperatur ſchwankt im Som-
mer zwiſchen 15 und 40°, im Winter zwiſchen —27
und + 28° Schnee fällt im N. reichlich. Die jähr—
lice Regenmenge beträgt im Durdfdnitt 1250 mm
(Mobile 1640 mm, Montgomery 1130 mm). Die
Bevölkerung zählt (900) 1,828,697 Seelen (gegen
1,513,017 im J. 1890, oder 20,9 Bro3. Zunahme), wo-
von 916,764 mannlide, 911,933 werblide, 1,001,152
Weife, 827,545 (45,2 Pro3.) Farbige und nur 177
Indianer, 58 Chinejen und 14,592 im Ausland
Geborne. Die Bevöllerungsdichte betriigt alfo nur |
13,5 auf 1 qkm, und in den (6) Städten von fiber
4000 Einw. wobnen nur 7,3 Proj. der Bevblferung.
Sdulfinder gibt es (898) 567,110 (312,660 weiße
und 254,450 farbige); fiir Den höhern Unterridt
forgen 8 Rolleges mit 118 Lehrern, 1543 Sdhiilern,
105,800 Bibliothefbanden und 108,779 Doll. Cin-
fiinften. Die Staatsuniverjitat befindet fid in Tus-
calooja. In A. erſcheinen 231 Zeitungen. Baum-
wolle erjeugte A. 1900: 1,005,313 Ballen, Mais
29,355,942 Bujhels, Weizen 916,351 B., Hafer
4,480,754 B., Bataten (1890) 4,339,170 Bufhels. Wn
Bich zählte man: 133,546 Pferde, 132,321 Maul-
tiere, 511,080 Kinder, 171,799 Schafe und 1,5
Mill. Schweine. Der umfangreide Bergbau und
Hiittenbetrich forderte 1899: 7,484,763 Ton. Kohle,
2,098,621 T. Eiſenerz und (1897) 947,831 T. Roheiſen.
Wn Gold wurden 1793 —1898 nur 260,841 Doll.
zur Münze qebradt, an Silber nur470Doll. Die Jn
dujtrie hat fid) in den letzten Jahrzehnten ſehr ent:
wicelt und ijt bejonders bedeutend in Eiſen und Stahl
ſowie im Maſchinenbau (Birmingham, ſ. d.), in Ziegel
brennerei und Tonwaren, in Baumwolle, in Sage
werfen und Getreidemiiflen. Cijenbahnen gab es
1899: 6479 km, Schiffahrtsſtraßen 3200 km, Tele-
raphenlinien (806) 6567 km. Hauptfeehafen und
Oeabelgvla ijt Mobile (f. d.), Hauptausfuhrgegen-
jtande find Baumwolle, Holz, Kohle, Terpentin und
Har}. Das jteuerbare Cigentum wird 1899 auf 266,2
Mill. Doll. veranfdlagt, die Staatseinnahmen be-
249
| tragen (1898) 2,283,875 Doll., die Musgqaben 2,208,632
Doll., die Staatsſchuld 9,5 Mill. Doll. — Nad der
Verfaſſung von 1868 ruht die geſetzgebende Gewalt
in Den Handen eines Senats von 33 und eines Ab—
geordnetenbaujes von 100 DMitgliedern, von denen
erjtere auf vier, leBtere auf zwei Jahre gewählt werden.
Der Gouverneur, die obern Staatsbeantten und ſämt⸗
liche Richter werden vom Volfe gewählt. Im Kongreß
ijt UW. durd) neun Repriifentanten vertreten. Die
Staatsmilis ijt 2322 Wann jtarf. Hauptitadt ijt
Montgomery.
Gel dhidtlides. Das Gebiet von A. bildete an-
fangs einen Teil des fpanifden Florida. 1698 landete
aig ti P)berville in der Ubjicht, zwiſchen Frank—
reid) und dem Miſſiſſippiland eine nähere Verbindung
herzuſtellen, nidt weit von der Stelle, wo jest Mobile
liegt, was 1702 die Erridtung eines Forts dafelbit
zur Folge hatte. Bis 1800 —— jedoch wenig zur
Koloniſierung des Landes. Nach dem Unabhängig—
ae gehörte der größte Teil von A. ju Georgia.
Dies überließ aber 1802 alles Land weſtlich vom
Chattahoodee der Union, die daraus und aus dem
zwiſchen Dem Perdido und Miſſiſſippi gelegenen Teil
von Wejtflorida ein Gebiet bildete. Hieraus wurden
1817 zwei Territorien gejdieden, wovon das öſtliche
nad feinem Hauptfluß Wiabama genannt, das weſt—
lide gum Staat Miſſiſſippi qefidlagen wurde. 1819
nahm das Territorium cine Ronjtitution an und trat
1820 als Staat in die Union ein. 1861 fagte ſich A.
von der Union LoS und ſchloß ſich der ſüdlichen Kon—
foderation an, deren Sentralgewalt anfangs in A.
ju Montgomery tagte. 1868 ijt W. wieder als voll.
beredtigter Staat in die Union aufgenommen wor-
den. Val. Pidett, History of A. (1851; neue Ausg.,
Ytlanta 1896); Hillyard, The new South, its re-
sonrces and attractions (Valtimore 1887); MeCal—
ley, Report on the valley regions of A. (Mont-
gomery 1896 — 97, 2 Vde.).
Alabamafrage, Streitfrage zwiſchen den Ver—
einigten Staaten von Nordamerifa und England,
veranlaßt dDurd) Den Schaden, den Gaperidife Der
ſüdlichen Konfdderation wahrend des Sezeffionstriegs
dem Handel der nordamerifanijden Union zugefügt
atten, fo befonderS die in Liverpool ausgeriijtete
Wlabama unter Kapitin Semmes, die endlich
19. Juni 1864 von dem amerifanifden Kriegsſchiff
Rearjarge bet Cherbourg zerſtört wurde. Nady ihr
wird der ganze Streit YW. genannt. Die Regierung
der Vereinigten Staaten von Nordamerifa erblicte
nämlich in Dem Verfahren Englands, das nichts ge—
tan hatte, um das Yuslaufen Der fiidlichen Piraten⸗
ſchiffe aus englifden Hafen ju verbiiten, einen Neu—
tralitätsbruch und verlangte Erſatz fiir allen durch
die Alabama und ähnliche Schiffe angerichteten direften
und indireften Schaden. Nady Beendiqung des Se—
zeſſionskriegs beqannen die Verhandlungen über dieſe
* die nicht ſelten eine ſo ernſte Form annahmen,
daß ein Krieg zwiſchen den Vereinigten Staaten und
England auszubrechen drohte. Beide Mächte ſetzten
endlich eine gemeinſame Kommiſſion im Februar 1871
nieder, und das Ergebnis ihrer Arbeiten war der
Vertrag zu Waſhington vom 8. Mai 1871, demzu—
folge cin internationales Schiedsgericht die Wlabama-
jorderungen Nordamerifas gegen England priifen
follte. Dieſes tagte feit Januar 1872 in Genf und
bejtand aus fünf Berjonen, ernannt von den Ver—
einigten Staaten (Ch. F. Wdams), England (Sir
A. Codburn), Italien (Graf Sclopis, Prayident), der
Schweiz (Stämpfli) und Brafilien (Baron Itajuba).
Wlabamafrage.
Alabandin — Wlagon.
le-Monial (f.d.). In ihren Versiidungen verfehrte
jie mit Jeſus als ihrem Berlobten, der fie nrit Lieb-
fofungen fiberjdiittete und ihr den Auftrag erteilte,
mit Hilfe des Jeſuiten La Colombiere die Andacht
jum Allerheiligſten Herzen zu jtiften. Sie ftarb 17.
ft. 1690 und wurde von Pius IX. 1864 feliq qe
fproden. S. die Urt. »Heiliges Her; Dejuc und »Ge⸗
ſellſchaft des Heiliqen Herjzens Jeſu⸗ Vgl.Languet,
Leben der gottfeliqen Marg. Mar. A. (1729; deutſch.
Regensb. 1864, 2 Bde.); Bougaud, Histoire de la
bienheureuse Marguerite-Marie (10. Wufl., Bar.
1900); » Vie et uvres de la bienheureuse M. etc.<
(3. Aufl., Daf. 1901). [fientaler.
250
England erfannte den Grundfab an, dak eine neue
trale Macht fiir den Schaden verantwortiich fei, den
cin in ihren Häfen ausgeriiftetes und bemannteds
Schiff einer befreundeten Macht zufügt. Die Ber-
einigten Staaten verzichteten Dagegen auf die Ent-
ſchädigung fiir die Durd) Die Kaper indireft zugefügten
Verluſte, worauf im September 1872 das Schieds-
gericht zu Genf den Vereinigten Staaten eine Entſchädi—
gun sſumme von 3,229,166 Pfd. Sterl. (15 Will.
Doll) zuſprach. Bgl. Semmes, The cruise of the
Alabama and Sumter (Mew Yorf 1864); » Official
correspondence on the claims in respect to the
Alabama« (Lond. 1867); »American opinions on
Alabama« (Rew Yorf 1870); Bluntſchi, Opinion
impartiale sur la question de la Alabama (Berl.
1870); Geffden, Die A. (Stuttg. 1872).
Alabandin, Mineral, foviel wie Manganblende.
Wlabafter, Name zweier Mineralien (benannt
nad) Der Stadt Ulabajtron in Oberägypten, in deren
Nähe das eine fich haufig findet), nämlich de3 durch—
ſcheinenden Ralffinters und de Hellfarbigen didten
Gipſes. Jener, der Ralfalabajter (Onyrmar-
mor, ſ. d.), ift ein junges, nod) täglich entitehendes
Gebilde der Höhlen in RKalfgebirgen und jtellt ein
milchweißes, aud) weins und honiggelbes, zuweilen
qeitreiftes oder gefledtes, durchſcheinendes Gejtein dar,
das harter als Gipsalabajter ijt, in Stalaftiten und
Stalaqmiten vorkommt (Höhle auf Untiparos, bei
Cajtleton, Baumannshöhle) und fid am ſchönſten als
Sinter in den Badern von San Filippo in Tosfana
erjeugt, Wo man das faſt ſiedendheiße Quellwaſſer
liber Hobhlabgiijje von Bildwerkfen laufen läßt, die
jid in 1—4
der Dann, abgehoben, das Bild als genaues Relief
darſtellt und ſchöne Politur annimmt. — Gipsala—
bajter ijt durchſcheinend, ſchneeweiß, aud) qrau und
gelblic), oft geadert, gewolft. Er kommt fajt jtets
mit körnigem und blatterigem Gips in großer Bere |
onaten mit ſchneeweißem A. ausfiillen, |
Wiad, bei den Urabern der halbierte Mariathere-
Ala Dagh (>bunter Berg<), Gebirge in Turkiſch⸗
Urmenien, im R. des Wanjees, 3520 m hod. Un ſeinem
Nordhang entipringt der öſtliche Euphrat (Murad).
werner Name verſchiedener Verqqruppen in Kleinaſien.
Aladja Dagh, Berg in Urmenien (zwiſchen Kars
und Wlerandropol). Hier befiegten 15. Oft. 1877 die
Ruffen unter Lazarew und Heimann die Tiirfen un-
ter Mufhtar Paſcha.
Aladjas, bei der Landbevilferung in Smyrna
und im Wilajet Widin beliebter, rot, blau, ſchwarz
qelb, weiß gejtreifter Baumwollenſtoff Ds Wejten,
Unterfleidern, Bettwajde, aus Garnen Rr. 6 —21
hergeſtellt.
ladro ſtaſtriota, Prinz gJohannes (Juan)d,
alban. Prätendent, geboren in Spanien, angeblicher
Nachkomme einer Tochter Sfanderbegs (f. d.), früher
diplomatiſcher Agent Spaniens im Haag, erließ An—
fang Februar 1902 von Paris aus einen Aufruf an ſeine
albaniſchen Landsleute, ohne Anſehen des Befennt-
niſſes national -albanifche Vollsſchulen in Albanien
zu gründen. Wm 3. März folgte cin Aufruf des al-
baniſchen Ausſchuſſes in Rom, A. als Führer der
national - albaniſchen Bewegung anzuerkennen; An⸗
fang April trat in Neapel ein Kongreß zuſammen,
breitung vor, fo bei Salzburg, Hallein, bei Richels- um eine italieniſch-albaniſche Propaganda einzu—
Dorf in Heſſen, Liebenburg bei Hannover, von vor⸗ leiten. Die Rechte Aladros werden bejtritten von den
trefflicher Qualität bei Volterra in Oberitalien, im | Neapolitanern Marcheſe Uuletta Rajtriota und Baron
Ural xc. Wegen feiner geringen Härte (2) wird er nur | Foffacena, die in mannlider Abfolge von Standerbeg
ju Vaſen, Nippgegenftanden, Geräten und Tiſchplat- abzuſtammen vorgeben. Ende April war die Ugita-
ten benugt. Der ganz weiße, dalbdurchſichtige A., tiom fiir W. i Albanien bereits lebhaft im Schwange.
ohne Fede und Streifen, wird auf der Drehbant be- | Alagua (pr. alannja), Dorf in der ital. Provinz No⸗
arbeitet, geſchliffen und poliert. Er verliert leicht, vara, Kreis Barallo, im oberſten Sefiatal am Fup der
aud) Durd Waſchen mit Waffer, den ſchönen Glanz. Monte Roſagruppe, beliebte Sommerfrifde, mit (ven
der fid) nur durd) neues Polieren wiederberitellen 250 (als Gemeinde 633) Einw. deutſchen Stammes.
lat. Bal. Schmid, Die modernen Marmore und) Wlagdas, Staat Brafiliens, am Allantiſchen
A. (Wien 1897). Ojean, tm M. und W. von der Provinz Pernambuco,
Alabaſterglas (Opalglas, Reis- oder Reis | im S. von Bahia und Sergipe begrenst, hat offiziell
jteinglas), hefelfiurereidhes Glas, das durch mifro- 58,491, nach Canijtatt 3 nur 27,592 qkm Fläche
ſtopiſch fleine ungeſchmolzene Teilchen der Glasſub⸗ mit (1990) 511,440 Einw. Der 75 km breite Küſten-
ſtanz opalifierend tft und vielfad) gefirbt wird. Man | jtric ijt fandig und fumpfig, mit vielen Lagunen; dad
jtellt es Dar, indem man von dem geſchmolzenen Glas | bergige, watbreidhe Vinnenland wird von vielen
einen Teil in Waſſer abjdhredt, dann wieder in den
Hafen bringt, bet möglichſt niedriger Temperatur |
ſchmelzt und das Gemiſch, bevor es nod) vollſtändig wo etme Eiſenbahn nad Jatoba führt. Das Mima iſt
flar qeworden ijt, verarbeitet. Man benugt es zu heiß und feudt; Cholera und Fieber herrjden tm
Lampenqloden und Luxusgegenſtänden. Flachland. Brodufte find Baumwolle, Zucker, Tabat,
Alabafterpapier, ſJ. Eispapier. Kaffee, Bau- und Farbhiljer und viel Ipekakuanha.
Wlabafterzement, ſ. Gips. Die Ynduftrie beſchränkt ſich auf Zucker- und Sprit-
Alabastrum, ſ. Snojpe. fabrifation, den Bau von Ktüſtenfahrern u. a. Den
a la bonne heure (fran}., fpr. a fa bonne’), »zur Handel beherridt England. Selbſt der befte Hafen,
guten Stunde⸗ , vortrefflich! fo ijt's recht meinetwegen! | der der Hauptſtadt Maceisd (f.d.), ijt mur eine ſchlecht ge-
Alacoque (pr. tom, Marguerite Marie, geb. ſchützte Reede. DieStadt W. hat nur nod 4000 Einw.
22. Juli 1647 in Lauthecourt bei VBerosvres (Bour⸗ lagon, rechter Nebenfluß des Tajo, entipringt
ogne), widmete ſich ſeit 1671 ſtrenger Askeſe als | im Kaſtiliſchen Scheidegebirge und mündet, 180 km
tonne im Kloſter der Saleſianerinnen ju Paray- | lang, oberhalb Uledntara.
!
Flüſſen durchzogen; aber nur der Säo Francisco tt
fiir größere Fahrzeuge bis Piranhas ſchiffbar, von
à la grecque — Alana.
a la grecque (fran}., fpr. gre, »auf griechiſche
Art«), moderne Bezeichnung fiir die rechtwinkelige
Form Der altorientalijden fogen. Mianderverzierung
Berglerung A la greeque.
(j. Ubbildung und Tafel »Ornamente I, Fig. 25
bis 28). Bal. Mäander.
a la hausse (fran}.), ſ. Hauſſe.
Wlai, Gebirge im fiidliden Teil der ruffifd - zen-
tralafiat. Broviny Ferghana, das durd) das Tal ded
vom Alaiplateau fommenden Rifil-fu (Oberlauf
des Surdab) von dem thm parallelen Transalai-
gebirge geidieden wird. Während letzteres nad N.
jteil zum Flußtal abfallt, brettet fid) der VU. fiidwarts
in8 Famirplateau aus. Der hichite Gipfel des Trans-
alai ijt Der 7000 m Hobe Pif Kaufmann, der ded A.
der 6000 m hobe Pil Baba. S. Marte » Zentralafienc.
Mlain (jor. aling, ſ. Alanus ab Yniulis.
Wlais (pr. ald, Wrrondifjementshauptitadt im
franz. Depart. Gard, am Gardon d'Alais, am FuF |
Der Cevennen, Knotenpunkt an der Lyoner Bahn, hat |
cine alte Rathedrale, em Handelsgeridt, ein Lyzeum,
eine Bergidule, eine Mineralquelle und (1901) 18,568
(als Gemeinde 24,940) Einw., die Bergbau auf Stein-
fohlen, Eijen, Blei, Zink und Asphalt fowie Cijen-
und Stabhlwerfe, Seidenjpinneret und Seidenhandel
betreiben. — Jn A. ward 27. Juni 1629 cin Friedend-
vertrag gwifden den Hugenotten und Ludwig XIII.
abgeidlojjen, wodurd) jenen das Edift von Nanted
beſtätigt wurde. Ludwig XIV. erridtete hier 1694
ein Bistum, das 1801 aufgehoben wurde.
Wlajuela (pr. quela), Hauptitadt der Provinz A.
(1889 : 52,608 Einw.) im mittelamerifan. Staat Cojtas |
rica, nuit 10,000 Cimw., ijt mit Puntas Urenas (ſ. d.)
durch Strake, mit Puerto Limon durd Eiſenbahn
verbunbden.
Alafananda, Fluß, ſ. Ganges.
Alakdaga, ſ. Springmäuſe.
Ala⸗kul (⸗bunter See<), zwei Seen in der ruſſiſch⸗
zentralaſiat. Provinz Semiretſchenſt, 96 km öſtlich
vom Balchaſchſee. Der öſtliche größere A., auch Wij dh -
ful genannt, liegt unter 46° nördl. Br. und 81°
öſtl. L., 237 m it. M., und ijt 59 km fang, 43 km
breit, iiber 4 m tief und 2046 qkm gro. Der wet: |
liche UW. oder Saffyf-ful, vom vorigen dDurd cine
21 km breite, ſumpfige Landenge getrennt, die aber |
ein beide Seen verbindender Flußlauf durchzieht, ijt
43 km fang, 16 km breit und 523 qkm grok. Beide |
Seen find jalziq und wenig fifdreid.
Wlalie (qried)., »Sprachlofigteit«), Sprachverluſt
durch Lahmung der Sprachwertzeuge.
Wlalfomend, antifer Ort aut Athala, deffen Rui-
nen fic) auf dem 380 m hohen Berg YUetds auf dem
Iſthmus in der Mitte der Inſel erhalten haben.
Alalus (lat.), dernod Sprachloſe, cine von Haeckel
angenommene Zwiſchenſtufe vom Wnthropoiden zum
Menſchen.
Alamak, der Sterny(2. Größe) in der Andromeda.
Alaman, Lucas, merifan. Staatsmann und Ge: |
ſchichtſchreiber, geb. 1775 in Merifo, geſt. 2. Juni |
1855, vertrat die Kolonien in den at, ial Cortes,
febrte aber 1823 nad) Iturbides Sturz heim. Als
Minijter des Auswärtigen und des Innern befdrderte
er Induſtrie, Uderbau und Vollsſchulweſen. Uber-
zeugt von der Notwendigleit einer ſtarken Regierung
251
fiir Mexilo, unterſtützte er Santa Yna und übernahm
unter ihm 1853 das Miniſterium des Auswärtigen;
aber feine Politi war jest durchaus reattionar. Er
ſchrieb: »Disertaciones sobre la historia mejicanas
(Merifo 184449, 3 Bde.) und » Historia de Mejico«
(Daf. 1849 —52, 5 Bde.); von einer Gejamtausgabe
jeiner Werke erjdienen bisher Bd. 1 u. 2 (daf. 1900).
Wlamana, Fluß, ſ. Hellada.
Alamannen Völlerſchaft, ſ. Wemannen.
Alamanni, Luigi, ital. Didter, geb. 28. Ott.
1495 in Florenz, gejt. 18. Wpril 1556 in Umboije,
Spripling einer angefehenen Familie, floh nad Ent-
deckung Der Verſchwörung gegen den Kardinal Giu-
liano dei Medici, in die er verwidelt war, über Vene—
dig nach Franfreid (1522). Als Floreng 1527 feine
Freiheit wiedergewonnen hatte, fehrte er dahin zurück.
Nad dem Sturz der Republif (1630) begab er fic
abermals nach Baris. Hier ſchrieb er die meijten feiner
Werke, und feine alljcitige Bildung und Geiwandtheit
erwarben ihm da8 Bertrauen und die Unterſtützung
Franz' J. und Heinrids I. Alamannis Ruhm als
Didter beruht vorzugsweiſe auf ſeinem didattijden
Gedicht iiber den Qandbau: »La coltivaziones (Par.
1546 u. b.), eine der vorzüglichſten Nadahmungen
der »Georgicac Vergils in der italienijden Literatur.
Seine epiſchen Gedichte: »Girone il Cortese« (Par.
1548) und »L’Avarchide« (flor. 1570), eine frojtige
Nachahmung der »Ilias«, find gegenwärtig fo gut wie
vergefjen. Seine fleinern Gedidte (»Opere toscanes,
Lyon 1532, 2 Bde.) gehören zu den beſſern ihrer Heit.
Eine Sammlung der »Versi e prose di Luigi A.«
mit Biographie gab P. Raffaelli heraus (Flor. 1859,
2 Bode.); vgl. ferner: G. Naro, Luigi A. e la colti-
vazione (Syrafus 1897); ©. Corfo, Un decennio
di patriottismo di Luigi A. (Palermo 1898).
famébda, Stadt in der Grafſchaft A. in Ralifor-
nien, an der Bai von San Francisco und dev Hen-
tral -Bacificbahn, mit (1900) 16,464 Einw.
a la mode (fran}.), nach Der Mode, modiſch. —
Monsieur A la mode ijt Der in ſatiriſchen Flugblattern
und Gittenfdilderungen gebraudte Spottname fiir
cine infolge der Verwilderung durd) den Dreißigjäh—
rigen Krieg au —— Stutzertracht, die aus einer
phantaſtiſchen ubertreibung der kriegeriſchen Tracht
ſeit etwa 1625 entſtanden war und zumeiſt von Aben⸗
teurern und Glücksrittern getragen wurde, die am
Kriege nicht teilnahmen. Em breitfrempiger, phan-
taſtiſch geformter Hut, weitbauſchige Hoſen, tief nieder⸗
getrempte Stulpen der Stiefel, flieqende Bander und
Schleifen an allen Teilen der cacy beers aufwarts
edrehte Schnurrbartſpitzen find die Merfmale dieſer
Tracht, die fic bis um 1650 erbielt. Außer auf Flug—
blattern finden ſich Darjtellungen des Monsieur a la
mode auf Stiden von Ubraham Boſſe und Jacques
Callot (j. Tafel ⸗Koſtüme III«, Fig. 5). Ciner der
eriten, der diefe Uusfchreitungen literarijd) belämpfte,
war der Kaplan Ellinger in der Schrift-Allmodiſcher
Rleyder-Teufel« (Franff. a. M. 1629). Später wurde
der Begriff a La mode auch auf die Nachäfferei fremd-
ländiſchen, insbef. franzöſiſchen Weſens in Tracht,
Sitte, Sprache und Geſinnung ausgedehnt, wofür
das Epigramm Fr. v. Logaus bezeichnend ijt:
»A la mode- leider, à la mode-Sinnen;
Wie ſich's wandelt außen, wandelt fich’s aud innen.«
Alamos (Real de los W.), Stadt im merifan.
Staat Sonora, swifden den Flüſſen Fuerte und Mayo,
mit Gold- und Gilberminen und 6197 Einw.
tifana (UWila, Elath), im Ultertum Hafen- und
Handelsjtadt am Älanitiſchen Meerbujen (Golf
252
von Ufabah) de3 Roten Meeres, wurde diwd) David |
crobert. Hier riijtete Salomo cine Handelsflotte nad
Ophir aus. Um 750 v. Chr. wurde es den Syrern
untertinig. Unter den Römern bewahrte VW. feine
Wichtigleit als HandelSplagy und war Standquartier
der 10. Legion, in den erſten Jahrhunderten der chriſt⸗
lichen Zeiftrechnung Biſchofsſitz. 630 erfaufte es den
Schutz Mohammeds. Heute Akaba.
Aland Merfling, Idus Heck.), Gattung der
Karpfen (Cyprinidae), Fiſche mit mäßig geſtreck—
tem Leib, ſchief geſpaltenem Maul, hinter dem Ende
der Rückenfloſſe beginnender Afterfloſſe. Der A.
(Schwarznerfling, Rohrkarpfen, Kühling,
Rottel, J. melanotus Heck.), 50-—55 em lang und
bid 3 km fchiwer, mit grauſchwarzem, goldig qlanjen-
Dent Riiden, goldfarbenem Kopf, an Riiden- und
Schwanzfloſſe qrauviolett, an den itbrigen Flojjen
rot, jindet fid) in Seen Europas und Nordweſtaſiens,
auch im Meer, lebt von Gewiirm und Kerbtieren,
viclleicht aud von Eleinen Fifchen, und laidjt im Wai.
Er geht ſchwer an die Ungel, wird aber leicht mit
Regen gefangen. Sein Fleiſch ijt grätig, aber Dod
eſchätzt. Cine Barietit, der Goldnerfling (Orfe,
Sot -, Goldorfe), ijt in Den Teiden von Dinkels—
bühl 3u Hause, findet fic) aud) in der Regnitz, Peg—
nig, Rednitz und Wörnitz, im Rhein und Main und
fonuntals unedter Goldfifd fiir Springbrunnen: |
baſſins, Wquarien rc. in den Handel. A. heißt auch |
der Fraucnnerfling ded Donaugebietes.
Wland, linfer Nebenfluß der Elbe in der preuß. Bro-
vin; Sadjen, entfpringt unfern Werben an der Elbe,
vereinigt ſich vor Seehaujen mit der Bieſe, ijt 38 km
weit ſchiffbar und miindet bei Scnadenburg im Han: |
Alander, ſ. Stint. [ndverjden.
Alandsinfeln pr. otands.), gum finn. Gouv. |
Fbo-Bjdrneborg gehörige Jnfelgruppe im Bottniſchen
Weerbufen, befteht aus einer großen Ynfel, dem ſogen.
Feſtland Wand, etwa 80 bewobhnten Inſelchen und
vielen Klippen und Schären, die zuſammen 1426 qkm
mit 18,413 Einw. umfaſſen und 1809 von Schweden
an Rußland abgetreten wurden. Dieſe Inſeln ſchlie—
ßen zum Teil den Bottniſchen Meerbuſen und haben
mehrere ſehr gute Häfen, die der ruſſiſchen Schären—
ſlotie zur Hauptitation dienen. Die Einwohner, nad
Abſtammung und Sprache Schweden, nähren ſich von
Ackerbau, Viehzucht, Fiſcherei (Strömlinge Clupea
Harengus minor} werden jährlich gegen 6000 Ton. |
verſchickt) und Jagd auf Seevigel und Seehunde. Als
Waldbäume fommen Tannen, Fichten, Virfen, Haſel⸗
büſche und Erlen vor. Die Hauptinfel, Wland, hat.
640 qkm Areal und 10,000 Einw. Auf ibe erheben
jit) 100— 150 m hoch der Ordallsflint, der Getaberg |
und der Asgärdaberg, rote Granitmajfen. Whnen- |
hügel (Metdengraber) finden fic) an mehreren Stellen, |
die größten bet Godby. Die einzige Stadt der Inſel,
Mariehamn, hat 1s97 756 Einw. Auf ibe liegt |
aud Kaſtelhohm, mit der Ruine eines ehemals be- |
fejtigten Schlojjes. — Die zu Beginn der Regierung |
Nitolaus’ LL. angelegte Fejtung Bomarfund ward
1854 wabhrend des Krimkrieges von den BVerbiindeten
ju Waſſer und zu Land angeqrijfen, mute 16. Aug.
nad) ſechstägigem Bombardement fapitulieren und
wurde bierauf fofort geſchleift. Dem Barifer Frieden
(30. Mary 1856) gufolge darf Rußland die Inſeln
nicht befejtiqen.
Wlanen (Alani, fälſchlich Albani), fein germani-
ides, fondern ſarmatiſches Nomadenvolf in der Steppe |
nordlid) vom Kaſpiſchen Meer und vom Kaukaſus bis
gum Tanais, wurden 65 v. Chr. von Pompejus be- |
Aland — Alarcon.
kämpft, beunrubigten unter den Flaviern die römniſche
Reichsgrenze und wurden unter Hadrian durd) den
Feldherrn und Militärſchriftſteller Arrian im Zaum
— Marcus Aurelius hielt ſie mühſam in ihren
renzen; Tacitus (275 n. Chr.) ſchloß mit ihnen Ver⸗
träge. 370 wurden fie von Den Hunnen unterworfen ;
ein Teil floh in Den Kaukaſus (Ojjeten), ein andrer
vercinigte fid) mit den Weſtgoten und fodt mit ibnen
bei Udrianopel 378 gegen Kaiſer Valens; der größte
Teil de3 Volfes ſchloß ſich dem Zug der Hunnen an.
Die U., die in Pannonien faken, nahmen 405 an
Radagais’ Cinfall in Stalien teil, gingen mit Ban-
Dalen und Sueven über den Rhein und die Pyrenäen
und griindeten 411 in Lufitanien (Portugal) ein
Reid); dort unter ihrem Fiirjten Wddac von dem Weſt⸗
qoten Wallia befiegt, fiedelten fie mit den Vandalen
429 nad Ufrifa über. Ein Teil der W. bejak unter
VWetius Balentia (Valence an der Rhine) und fodt
451 bei Catalaunum mit gegen die Hunnen; andre
ſaßen bei Organs und in der Bretagne. Cin eben-
falls ‘aus Gallien nad) Stalien vordringender Haute
A. unter Beorgus wurde 464 bei Bergamo von Ri-
eimer geſchlagen.
Alanin (Wmidopropionfiure) C. H. XO, oder
CH,.CH.NH,.COOH entſteht aus Aldehydammoniat
bei Cinwiriug von Cyanwaſſerſtoff und Chlorwaſſer⸗
ſtoff, aus Chlorpropionſäure und Ammoniak, bildet
farbloſe Kriſtalle, iſt löslich in Waſſer und Alkohol,
ſchmeckt ſüß, ſchmilzt bei 255°, gibt mit ſalpetriger
Säure Gärungsmilchſäure.
Alanine, ſoviel wie Amidoſäuren.
LRlanitiſcher Meerbuſen, ſ. Yana.
Alaͤnt, Pflanzengattung, ſ. Inula.
Alantika, Berg in Adamäua (j. d.).
Alantkampfer, ſ. Helenin.
Alanus ab Inſülis (eigentlich Alain, for. alüng),
ſcholaſtiſcher Philoſoph, geboren um 1114 wahrſchein⸗
lich in Lille, Ciſtercienſermönch, ſeit 1151 Biſchof von
Yurerre, gejt. 1202 oder 1203 in Citeaur, ſeiner Biel:
feitigfeit wegen Doctor universalis qenannt. Unter
jeinen Schriften find die fiinf Bücher »De arte sive
articulis fidei catholicae« am befanntejten, in denen
er Die Hauptlehren der chrijtliden Kirche gegen die
Angriffe mit Berjtandesqriinden verteidigt. Bon
feinen poctijdjen Werfen find der »Anticlaudianus«
(Bened. 1582, Untiwerp. 1611 u.d.), eins der beriihm-
tejten Gedichte Des Wittelalters, und das »Doctri-
nalealtum, sive Liber parabolorume hervorzuheben.
Seine Schriften find gum Teil geſammelt von de Viſch
(Untwerp. 1650). Bal. Mt. Baumgartner, Die
Philoſophie des Wlanus de Anjulis (Munſter 1896).
Alaotra, größter See der Inſel Madagasfar in
der Provinz Antſihanaka, unter 17° 30 ſüdl. Br. und
48° 30° bjtl. L., 42 km fang, 6—7 km brett, 820 m
ii. M., im einer ſumpfigen Ebene und durch Den Ma—
ningory nad O. in den Indiſchen Ozean entiwaffert.
Wlapajew/ff, Stadt im ruſſ. Gouv. Berm, Kreis
Werdoturje, jenfeit des Uralgebirges, auf dem lin:
fern Ufer Der Neiwa, mit ase7) 8652 Cinw., ijt durch
ſeine Cifenindujtrie befannt und liefert jabrlid ca.
9 Mill. kg Gufeifen und tiber 60,000 kg Rupfer.
YW. iit 1704 geqriindet.
Wlappalli, ind. Hafer, ſ. Alleppi.
Wlapurin, reinites waſſerfreies Wollfett.
Alarcön, verfallene Stadt in der fpan. Provinz
Cuenca, Besirf Motilla del Ralancar, auf einem Felfen
am Siicar, mit 2 ftattliden Rirden u. (1897) 732 Einw.
Alarcon, Don Pedro Untonio de, nambafter
fpan. Dichter, Schriftiteller und Politifer, qeb. 10. Mary
Alarcon y Mendoza — Alarid).
1833 in Guabdiz, gejt. 19. Juli 1891 in Baldemoro
bei Madrid, Sohn verarmter adliqer Eltern, beſuchte
Das theologifche Seminar feiner Baterjtadt, wandte
ſich jedoch frith der Schriftitelleret ju, griindete in
Guadix, Cadiz, Granada und Madrid fatirijde Zeit: |
jdriften und Beitungen mit revolutiondrer Tenden; |
und verdffentlichte nebenbei zahlreiche Novellen, Er-
zählungen und Gedidte, die augerordentliden Erfolg
hatten. Einer jeiner erſten Berjuche, betitelt »La
Noche-buena del Poetac (»Didter-Weihnadte), er-
lebte fiber 100 Wuflagen. Die warme, natiirlice
Empfindung, der humorijtifde, leicht fatirijde und
dod gefiihlvolle Ton darin, die jubjeftive Sdreib-
weife, Die auf Selbjterlebtes hindeutet, haratterijieren
dieſe wie alle feine fpdtern Yirbeiten. 1859 madte er
als Freiwilliger den ſpaniſchen Feldzug in Marokko
mit, trat nach feiner Rückkehr als Abgeordneter feiner
Bateritadt fiir die Cortes als Liberaler wieder in dads
politiſche Leben ein, wirfte nad der Schladt bei Al—
colea (1868) fiir Die Wiederherjtellung der verfajjungs-
mapigen Monarcdhie unter Alfons XI., wofiir lep-
terer ihn gum Staatsrat ernannte. Seit 1877 gehörte
er Der fpanifcen Wfademie an. Die damals empor-
fonunende Generation talentvoller Novellijten, Ro-
manſchreiber und Rritifer, die auf den Naturalismus
von Sola ſchwor, begann Wlarcons fröhlichen, lebens—
wahren Realismus als falſchen Idealismus gu be-
fampfen. Das Leste, was er herausgab, cine Geſchichte
jeiner Werke: »Historia de mis libros« (1884, 5. Aufl.
1889), offenbart den bittern Schmerz, mit weldem
die an feinen Werfen geiibte Rritif ibn erfiillt hatte.
Seine Gedichte ervichienen unter dem Titel: » Poesias
serias y humoristicas«. Ein dramatijder Verſuch:
»El hijo prodigo« (1857), mißlang. Seine kritiſchen
Feuilletons, politifden und literarijden Inhalts
(»Cosas que fuerons, »Juicios literarios y artisti- |
cose), feine Reijeberichte (»De Madrid a Napolese,
» Viajes por Espaiias), feine Darjtellung des marof: |
taniſchen Feldzugs (> Diario de untestigo dela guerra |
de Africa«, 2. Aufl. 1880, 3 Bde.), vor allem aber |
feine Novellen und Romane jind echt national und |
geben in ihrer Geſamtheit cin ebenjo treucs und lebens: |
wahres wie buntes Bud der heutigen fpanifden Ge- |
fellidaft. Cine jtattlide Bahl von Novellen und Ge: |
ſchichten erfdien unter den Sanunettiteln: »Amores |
y amorios«, »Cuentos amatorios«, »Historietas |
nacionales«, »Narraciones inverosimiles«. Hervor-
—— ijt Die durch ſchallhaften Humor gewürzte
rzählung »Sombrero de tres picos« (deutſch als
»Dreiipip< in Reclams »Univerſal-Bibliothek«) und
die moralijierende Novelle »El escandalo«. Cine
Auswahl aus feinen Werfen (> Obras escogidas«) in
16 Banden, mit Viographie, eridien Madrid 1874 in
der »Coleccion de Exscritores Castellanos«. Ausge—
wählte Novellen überſetzte Lili Laufer (Stuttg. 1878).
Nach feinent Tod erſchien Projaijdes und Poetijdes |
alg: »Ultimos escritose (1891). Cine Gejamtaus:
gabe in 19 Bänden folgte 1899.
Wlarcdn hy Menddja,\ uan Rui; de,fpan.Dra-
matifer, qeboren gegen Ende des 16. Jahrh. zu Taseo
in Merifo aus vornehmer Familie, fiedelte um 1622
nad Madrid iiber, wo er eine Anſtellung bet der Ober-
verwaltungsbehirde der weftindijden Befigungen
erhielt, jtarb aber ſchon 1639. A. ijt der legte große
Dramatifer der altipanifden Nationalbiihne. Seine
Hauptitirfe liegt tm Charafterdrama (comedia de
costumbres). Bedeutendſte Leijtungen auf dieſem
Felde ſind: » La verdad sospechosa« (deutſch in Rapps
» Spanifdem Theater«, Bd. 7, Hildburgh. 1869; das
253
Driginal pon Corneilles »Menteur<), »Las paredes
oyen«, »Examen de maridos«, »Todo es venturas.
Faſt ebenfo werden einige Stiice aus der heroijden
Wattung geriihmt, namentlid) »El tejedor de Sego-
Via« (deutſch von Schad im »Spanijden Theater«,
Frankf. 1845) und »Ganar amigos« fowie die Zauber⸗
lomödie »La prueba de las promesas«. 20 Stiide er-
idienen als »Comedias« (Teil 1, Madr. 1628; Teil 2,
Barcel. 1635). Neue Musgaben lieferten Hartzenbuſch
(Madr. 1852) und Garcia Ramon (1884, 2 Bde.);
Uuswahl in 2 Banden (Barcel. 1887). Seine Bio-
graphic ſchrieb Guerra y Orbe (Madr. 1871).
Wlard (pr. auér), Delphin Jean, franj. Violin-
virtuos, geb. 8. Marz 1815 in Bayonne, geſt. 22. Febr.
1888 in Baris, erbielt von 1827 an feine Uusbildung
am Pariſer Konfervatorium unter Habeneds Leitung
und war 1842—-75 als Nadfolger Baillots Biolin-
profeſſor am Ronjervatorium und feit 1858 aud
faijerlider Soloviolinijt. YW. war nicht nur cin her—
vorragender Lehrer (ſeine »BViolinfdule« fteht in
hohent Anſehen), fondern aud) ein tiidtiger Kompo—
nijt fiir fein Snjtrument (Ctiiden, Duos, Konzerte 2.)
und ein gepricjener Kammerniuſikſpieler.
Alärich, 1) A. J. Häuptling der Wejtgoten, (an-
geblid)) aus dem Gefdledte der Balten, geboren
jenfeit der Donau um 370 n. Chr., geſt. 410, aria-
niſcher Chrijt, fiihrte die Weftqoten mm Winter 395
durd) Thrafien gegen Konjtantinopel, dann durd den
Engpaß von Thermopylai nad Griedenland. Athen
wurde gepliindert, Rorinth verbrannt und die Belo-
ponnes veriviijtet. Der Oberjeldherr des weſtrömiſchen
Reiches, Stilicho, nötigte ihn endlich, indem er bei
Korinth landete und ihn nad) Urfadien und Elis
driingte, gum Rückzug nad Epirus. Daraufhin er-
nannte der ojtrémijde Kaiſer Areadius 396 YW. gum
Statthalter von Illyrien (magister militum per Illy-
ricum). Am 18. Nov. 401 fiel A. in Oberitalien cin,
belagerte Uquileja, machte Ende Februar 402 bereits
die Umgebung von Mailand unſicher, belagerte ver:
geblich Ravenna und erlitt bei Hajta eine Schlappe.
Bon Stilichos Unterfeldherrn Saulus wurde A.
6. Upril 402 (Ojterjonntag) bei Bollentia und fur;
danad bei Verona gejdlagen, worauf er über die
Juliſchen Ulpen nad Illyrien entfam. Zur Wusfiih-
rung feiner illyriſchen Pläne gegen Byzanz zog Sti—
licho 405 A. durch überlaſſung von Illyrien auf ſeine
Seite; 407 erzwang ſich A. von Noricum aus eine
Zahlung von 34/2 Dill. ME. WS der Gof zu Ravenna
jedod) nad Stilidos Crmordung (23. Aug. 408)
andre Saiten aufzog, brad A., dem es haupfſächlich
unt Die Anerkennung der reid) dotierten Wiirde cines
Magister militum 3u tun war, von neuen in Stalien
ein und 30g im Winter 408 vor Rom; durch unge:
heure Rontributionen erfaufte die belagerte Stadt
Sdonung. Als fic) aber die mit Kaiſer Honorius
angeknüpften Unterhandlungen zerſchlugen, erfdien
YW. 409 wieder vor Hom, dem er durch Cinnahme
Ojtias die Zufuhr abjdnitt, und ſetzte den bisher heid-
niſchen, nunmehr arianiſchen Stadtprafeften Priscus
Attalus als Gegenlaiſer cin; dieſer ernannte A. zum
Magister utriusque militiae und deſſen Schwager
Yitaulf (f. d.) gum Comes domesticorum equitum.
Als aber UW. mit Wttalus bald zerfiel, entthronte er
ibn (Sommer 410), verhandelte ergebnislos mit Ho—
norius und erjdien ſchließlich zum drittenmal vor
Rom; die Tore der Stadt wurden in der Nadt des
14. Aug. durd) Slaven der frommen Proba geöffnet,
und die Goten drangen ein; nun erfolgte eme dret-
tägige, von Brand und Mord begleitete Plünderung.
254
A. 30g dann nad) Rampanien, veriviijtete Nola und |
ging nad) Unteritalien, von wo aus er Sizilien und
Mra erobern wollte. Unter Borbereitungen gu diejem
Zug ftarb er 410 in Confentia (Cofenza); der Sage
et beftatteten ihn die Goten im Bette des abgelet-
teten Fiuſſes Bufento. Sein Nadfolger als Konig
der Weftgoten war AUtaulf. Val. Köpke, Die An—
ſänge Des Königtums bei den Goten (Berl. 1859);
Simoni8, Verſuch einer Geſchichte des UW. (Götting.
1858); Riegel, A. der Balte (Offenburg 1871);
Ciden, Der Kampf der Weftgoten und Romer unter |
UW. (Leips. 1876); R. Meller, Stilicho (Berl. 1884).
2) U. IL, Sohn Eurichs und der Ragnadild, 485
bis 507 König des weſtgotiſchen Reides, wurde, ob-
wohl er den 486 nad) Toulouje gefliichteten römiſchen
Statthalter Syagrius dem Franfenfinig Chlodwig
Alarm — Alaska.
den nordweſtlichſten Teil des Kontinents, vom 51.
bi8 711/2° nördl. Br. (Point Barrow) und 130—171"
weftl. 2., und qrengt im N. an das Nördliche Cismeer,
im W. an bas Beringmeer und den Stillen ODzean und
imO. an Britiſch Nordamerika. Die Grenge gegen Das
letztere verläuft vom Bortlandfanal (55° nordl. Br-)
auf Dem Kamm des Miijtengebirges, aber nidt über
56 km vom Meer entfernt, bis zum Cliasberg, pon
Dort Den 141. Meridian entlang jum Eismeer. Bon
der Hauptmajje swifden 60 und 712° nördl. Br.
und 141 und 168° weſtl. & sieht fid) nad) SD. der
Wleranderardipel (f. d.) mit Dem angrenzenden fjord=
reichen Riijtenjtrid) und nad) SY. die Halbinfet
UW. und die UWléuten (f. d.).
toriums bilden nod die Inſeln des Beringmeeres,
St. Lorenz, Nunivak, St. Matthew und die Pribiloff—
Einen Teil des Terri-
auggeliefert hatte und feine fatholijden Untertanen | infeln. Das real betrigt 1,530,000 qkm, die Bee
unter anderm durch die Lex Romana Visigothorum
vont 2. Febr. 506 (»Breviarium Alarici«; galt nod
lange in Südfrankreich) gu gewinnen bemüht war, 507
von dieſem angegriffen und bei Bouglé in der Nähe von
Poitiers befiegt und getdtet. Mit jeinem und der ojt-
gotifden Königstochter Thiudiqotho Sohn Amala—
vid, fiir den bis 526 fein Gropvater Theoderid
d. Gr. reqierte, und der Dann durch feine Vermählung
mit Chlodwigs Tochter Chtotdhildis die Einmiſchun
der fatholijden Franfen unter Childebert ——
beſchwor (Schlacht bei Narbonne), erloſch 531 (3u
Barcelona) das Geſchlecht der Balten.
Wlarm (franj.), der plötzliche Ruf ju den Waffen
bei unerwartetem Ungriff oder zum ſchnellen Ab—
marjd nad dem Ularmplag. Das Signal wird
durd) Trommel oder Trompete (Generalmar fd)
oder durch Ubfeuern eines Geſchützes (Alarmiſchuß)
qeqeben. Alarmierung, der plötzliche Angriff auf
feindlide Borpojten zweds deren Ermiidung, der Er-
fundung des Feindes ꝛc.
Wlarmapparate, ſ. Lirmapparate.
Alarni, Fulberto, Pſeudonym, ſ. Arnulfi.
Alaſan, Nebenfluß der Kura (f. d.).
Alaſchehr (»bunte Stadt«), Stadt im tiirf. Wila-
jet Uidin in Kleinaſien, 118 km öſtlich von Smyrna,
mit dieſem Durch Cijenbahn verbunden, am nördlichen
Fuh des Tmolos, das alte Philadelpheia, ijt nod
teilweife von der alten Mauer umfdlofjen, mit 22,000
Cinw. (darunter 3000 Griechen), die ftarfen Getreide-,
Tabal- und Baumwollbau treiben. — Die Stadt fiel
als letzte unter Den Städten Rleinajiens 1390 in die
Gewalt der Tiirfen.
Alã fiaga (> die gewaltig Cinherititrmendens), zwei
weiblide germanijde Gottheiten, die erjt neuerdings
durch in Vritannien gemadte infdriftlide Fumde aus
der Römerzeit befannt wurden. Sie waren Beglei-
tevinnen des Hinmelsgottes Tius und find mit den
Walküren der nordiſchen Götterſage ju vergleichen.
Ihre Namen waren Beda (»die Sdrecerin«) und
Fimmila (odie Beweglide«); fie waren daher woh!
urjpritnglid) Berfonififationen de3 Windes. Bal.
Th. Siebs in der » Seitidrift fiir deutide Philolo
gies, Bd. 24, S. 433 Ff.
Wlasta (Aliaska), Halbinfel an der Nordweſt—
vblferung (1900) 63,592 Seelen. Das fiidliche A. wird
vont Küſtengebirge durdjogen, das in Den Gipfeln
yairweather (4483 m), St. Elias (5520m), Wrangell
(5338 m) und DtcRinley (6241 m) feine größte Hobe
erreidht, dann nad) SW. umbiegt und in den Aleuten
feine Fortjepung findet. Cine Reihe tätiger Bulfane
(Iliamna 8678 m) und die neu entitandenen Inſeln
Bogoslow (1797) und Grewing! (1881) legen von
der unterirdijden Tätigkeit Zeugnis ab. Das nörd—
liche A. ijt größtenteils Hiigelland. Die bedeutenditen
Flüſſe des ſüdlichen A. find Stifine, Tafu, Ohilfat
und Copper River, die dem Utlantijden Dzean zu—
fließen; Durd) Das nördliche A. ſtrömen der madtige
Yufon und der waſſerreiche Kusfoquim zum Bering-
meer, der Noatak und Colville zum Cisineer. Das
‘Klima der an den Stillen Ozean grenzenden Rii-
ſtengebiete ijt durch verhältnismäßig warme Winter,
kühle Sommer und ftarte Niederſchläge ausgezeich
“net (Mitteltemperatur in Gitta 6,5°; Niederidlige
| 2100mm), an den Küſten des Beringmeeres herrſchen
| miedrigere Temperaturen, geringere Niederſchläge,
| aber haujige Nebel, das Innere hat ein fontinentales
Rlima, ftrenge Winter und warme Sommer mit gee
ringen Niederfdligen. Holy, Pelgtiere, Fiſche und
Mineralien bilden den Reidjtum des Landes. Wit
Ausnahme der von ewigem Sdnee und mächtigen
Gletidern bededten Gebirgshiinge ijt fait das ganze
Vand bis 67° ndrdl. Br. von einem jufammen-
hängenden Walde bededt, deſſen Hauptbejtandteile
veridiedene Nadelhölzer find (Sitfatichten, Hemlock⸗
und Baljamtannen, Riefern, im SO. aud die ge-
ſchätzte gelbe Seder, Chamaecyparis nutkaensis),
während Laubbiljer (Birken, Erlen, Weiden, Bap:
peln) nur eine untergeordnete Stellung einnehmen.
Der Reidtum an Pelstieren (Seeotter, Bairenrobbe,
Landotter, Biber, Silber-, Kreuz- und Rotfuchs,
weifer und blauer Eisfuchs, ſchwarzer und brauner
Bir, Sumpfotter, Marder, Bijamratte, Bielfraf,
Luchs und Wolf) it neuerdings fehr zurückgegangen,
| Dagegen liefert die Fiſcherei, namentlid der Lachsfang.
nod große Erträge. Am widtigiten find in jüngſter
Beit die —E geworden; beſonders Gold
wird feit 1881 in ſtets zunehmender Menge gewonnen,
ferner Silber und Kupfer. Steinkohlen, Eiſenerze
fiijte Nordamerifas, jum Territorium Alaska der und andre Mineralien finden ſich an verſchiedenen
BVereinigten Staaten gehörig, gebirgig und bejonders Stellen, werden aber nidt ausgebeutet. Unter der
auf der Südoſtſeite jtart gegliedert, erjtredt jid) von | eingebornen Bevölkerung befinden fic) (nad dem
dem großen Ilianmaſee unter 591/29 nördl. Br. bis | Zenſus von 1890) 12,784 Estimo, 4739 Tlinfit,
jur Vleuteninfel Unimaf unter 55° nördl. Br. | $441 Wthabasfen oder Tinne, 968 Wléuten, 951
Alaska, Territorium der Bereinigten Staaten Tſimſchian und 391 Haida. Naddem der Koſal
von Nordamerifa (f. die Karten bei Art. »Nord- Deſchnew bereits 1648 und Bering 1728 durd die
amerifae und das Tertfirtden auf S. 255), bildet Beringitrafe gefahren waren, fah und befudte Gwos-
Alaſſio — Mlatau.
dew zuerſt die gegenüberliegende el i 730). Seine
CEntdedung wurde durd Bering und Tſchirilow (1741)
und fpater von Cool (1778) weiter verfolgt. Russland
ergriff Beſitz von dem neuentdeckten Gebiet, und die
1799 geqriindete Ruſſiſch-Amerikaniſche Pelzkom—
pagnie monopolijierte Jagd und Handel, bid A. 1867
gegen Zahlung von 7,200,000 Doll. an die Vereinigten
taaten abgetreten wurde. Cine Territorialregierung
mit dem Stig in Sitfa wurde 1884 eingeridtet. Zu
ungeahnter Bedeutung gelangte WU. durd) die 1896
255
1886); »Report on population and resources of A.
at the eleventh census 1890« (Wajhington 1893);
Dall, A. as it was and is, 1865 —1895 (Daf. 1896);
De Windt, Through the gold fields ofA. to Bering
straits (Mew Yorf 1898); Scidmore, Appleton’s
Guidebook to A. and Northwest-coast, ete. (daſ.
1899); Bruce, A, its history and resources (2.
Aufl., daſ. 1899); Heilprin, A. and the Klondike
(daf. 1899); Swineford, A., its history, climate,
and natural resources (daj. 1898); Burroughs
7
be PRET
Rarcte von Alasla.
erfolgte ———— Goldfelder ace in dem
benadbarten fanadijden Gebiet ant Klondike (ſ. d.),
dann aber auch in A. felbjt. Cin lebhafter Durd-
Sverfehr entwidelte fid) auf den Hauptzugangs-
—* en, vom Lynnfanal über den Dyea- und Tote
ß jum obern Yufon und von der Mündung des
Pibes aufwarts yu der raſch aufbliibenden fanadijden
Stadt Dawfon (j. d.). Qn kürzeſter Beit entitanden
neue Orte, wie Dyea, Sfagway, Circle —
und die Bevöllerung der ältern (Sitfa, ngell,
Juneau) ftieg ſchnell an. Neue Dampferlinien wurden
eqriindet, und die ſchwierigen Paßübergänge vom
——— aus bereits 1899 durch Eiſenbahnen über⸗
wunden. In neuerer Zeit ſind auch Touriſtenfahrten
nad A. ſehr in Aufnahme gekommen. au H. Ban-
croft, History of the Pacific States of North Ame-
rica, Bd. 28: Alaska (Gan jyrancisco 1886); Elliot, | l
An arctic province: A. and the Seal Islands (Yond.
u. andre, A., giving the results of the Harriman
A. Expedition (Lond. 1902, 2 Bde.).
Wlaffio, Stadt in der ital. Proving Gena, Kreis
Wibenga, an einer Meeresbucht und an der Cijenbahn
Genug- Nizza, klimatiſcher Winterfurort, hat eine ted),
niſche Schule, einen Hafen, Seebäder, Schiffbau, See—
fiſcherei und (ison ca. 4400 (als Gemeinde 5630)
Cinw. Bgl. Sdneer, A. und feine Umgebung
(Wiesbad. 1886).
Alaͤſtor (griech.), Rachegeiſt, der den Frevler rajt-
los verfolgt und in ſeinem Geſchlecht fortwirkt.
a la suite (jpr. wit’), ſ. Offizier.
» Bild), |. Dovel. |
Wlatan (⸗ buntes Gebirges), Name von vier Ge-
birgszügen im der ruſſiſch zentralaſiat. Broviny Se-
—— von denen drei ſich um den See Iſſykkul
ager, während der vierte, nördlichere, Die Grenze
gegen das chineſiſche Ili- oder Kuldſchagebiet bildet.
256 Alatri — Alaun.
Am Nordufer des Jifyt-ful erhebt ſich, den See in | Lauge verſetzt man mit ſchwefelſaurem Rali oder mit
jeiner ganjen Lange begleitend, der Rungei- VW. und | Chlorfalium, wobei fid) Eiſenchlorür und ſchwefel—
Diefem parallel, durch die engen Tiler des in Den See ſaures Rali bilden. Letzteres verbindet fic) mit Der
jlieRenden Tſchu und deS zum JIli giehenden Tichilif ſchwefelſauren Tonerde zu A., der aus der umgerührten
gqetrennt, der Transilenfifde A., der zum Flital Lange als Alaunmehl fich abjcheidet. Dies wird
abjtiirst. Cin beide Retten in der Mitte verbindendes | auf Zentrifugalmajfdinen ausgewafden und zur voll.
Querjoch erreicht im Talgarnyn -tal -tidefu 4679 m. ſtändigen Reinigung von Eiſen umfrijtallijiert. Hau.
Die mittlere Kammhöhe it 2000 m, die Schneegrenze | fig wird A. aus Ton dargejtellt, den man glüht und
beginnt bei 3400 — 3570 m. Uns Wejtende ſchließt nut heifer Schwefelſäure behandelt. Das Prodaft.
jid) das Ulerandergebirge an, ans Ojtende der Tien aus ſchwefelſaurer Tonerde und Kieſelſäure beftebend.
jdan, von Dem aud) der das Südufer des Iſſyk-kul wird ausgelaugt, die Lauge mit ſchwefelſaurem Salt
begleitendDe Terskei-⸗A. ansgeht. Der Djungari- verjest rc. Aus Kryolith und Baurit jtellt man Ton
jdye A., unter 45° nördl. Br., hat cine mittlere Höhe erdenatron und aus dieſem Durd) Behandeln mit
von 1950 m und erbebt fic bis 3 3400 m. Der ge: Kohlenſäure reine Tonerde dar, die in Schwefeljaure
jamie A. wurde 1840 von Schrenck, 1857 von Seme- | geldjt wird 2.
now und 1859 von Golubew genauer durchforſcht. Ralialaun enthalt 9,05 Proj. Kali, 10,83 Broz.
Wlatri, Stadt in der ital. Provinz Rom, Kreis Tonerde, 33,71 Proj. Schwefelfaiure und 45,51 Pro3.
Froſinone, im Hernifergebirge, Biſchofsſitz, mit fyflo- | Waſſer; er bildet große, oftaedrijde, farbloſe Kriſtalle
pifden Mauern, Tuch⸗ und Tapetenfabrifation und
ison) ca. 6400 (als Gemeinde 15,322) Einw. Jn der
Nahe das Kartäuſerkloſter Trijulti und eine große
Stalattitenhibhle.
AlatHr, Kreisftadt im ruſſ. Gouv. Simbirjf, an
der Sura, die hier den fiir die Flößerei von Bauholz
widhtigen Fluß A. aufnimmt, und an der Eiſenbahn
Wosfau-Kajan, nit Rathedrale, Kreisſchule, lebhaftent
Getreides und Holghandel und (1897) 11,086 Einw.
Alauda, Yerde; Alaudidae, Familie der Sper-
lingsvbgel.
faun (lat. Alumen, Salialaun) Al,380,,
K,S0,+24H,0, Doppelfal; von ſchwefelſaurem Kali
und ſchwefelſaurer Tonerde, findet fic als Berwit-
terungsproduft auf Alaunſchiefer und in vulfanijden
Wegenden auf Kali und Tonerde haltenden Gejteinen,
auf Die dem Boden entitrimende ſchweflige Säure
eingewirft hat; aller im Handel befindlice A. ijt aber
fiinjtlich Dargeftellt. Manche verwitterte Lava liefert
beint Auslaugen fofort cine Alaunlöſung (Reap oli-
tanifder A.) Alunit oder Alaunſtein, der mit
Quarz den Ulaunfels bildet, bejteht aus einer Ver—
bindung von A. mit Tonerdehydrat und gibt nad
dem Erbiven beim Auslaugen mit Waſſer eine Wlaun-
löſung, die nad) Dem Verdampfen (durch Cifenoryd)
rötlich gefärbte würfelförmige Kriſtalle Römiſcher
A. von Tolfa) liefert. Wichtiger find der Alaunſchiefer
und die Alaunerde. Erſterer iſt ein von Schwefellies
Pk
a-@, .
‘
}?
b,
,
=.
ap
by
“Ol
| PR ee
ki ft
Na
0B)
8*
i
|
i if
%
‘ll
ul y 1
cps
&
¥
Revees:
<<"
AMC) os
WA
Wy,
J
Tye
Veh
ARDY ach Re Re
durchdrungener fohlehaltiger Tonjdiefer, die Alaun—
erde cin mit Scwefelfies und Bitumen gemengter
Ton. Man läßt diefe Erye 2—3 Jahre in Haufen |
verwittern, wobei fic) aus dem Schwefellies Freie
Sdywefelfaure und ſchwefelſaures Cifenorydul bilden.
Vepleres verwandelt ſich an Der Luft großenteils in
baſiſch ſchwefelſaures Cifenoryd, wobei abermals
Schwefelſäure frei wird. Die freie Schwefelſäure zer—
jest den Ton (kieſelſaure Tonerde) und bildet ſchwefel—
ſaure Tonerde. Reicht die Verwitterung nicht aus,
ſo röſtet man die Erze, um ſchwefelſaure Tonerde zu
bilden. Wud) benutzt man aus Zinkröſtöfen ent—
weichende ſchweflige Säure zum Aufſchließen von
Alaunſchiefer. Die vorbereiteten Alaunerze werden
ausgelaugt, worauf man die Lauge, die ſchwefelſaure
Tonerde und ſchwefelſaures Eiſenoxydul enthalt, ver—
dampft. Sehr eiſenreiche Laugen geben zunächſt
Kriſtalle von Eiſenvitriol, und daher find viele Alaun—
werfe zugleich Bitriolwerfe. Berm Verdampfen ſchei
det ſich baſiſch ſchwefelſaures Eiſenoryd (Bitriol—
ſchmanh) ab, das auf rote Farbe verarbeitet wird.
Die vom Vitriol getrennte Mutterlauge oder die ur-
jpriingliche eifenarme, nur durd) Abſetzen geklärte
Alauntriftalle.
(j. Abbild.) vom ſpez. Gew. 1,024, ſchnieckt ſüßlich zu—
ſammenziehend, reagiert ſauer, wird an der Luft trübe
durch Aufnahme von Ammoniak (nicht durch Waſſer⸗
verluſt), iſt unlöslich in Alkohol, während 100 Teile
Waſſer loſen
bei 0° 3,9 Teile | bei 40° 30,9 Teile | bei 80° 134 Teile
10° 95 = 50° 44,1 90 209,58
20° 15,1 60° 66,6 - 100° 357.5
30° 22.0 = 70° 90,7 « |
A. ſchmilzt bei 92° in feinem Kriſtallwaſſer und wird
bet 100° waſſerfrei. Bei ſchnellem Erbhigen blaht er
ſich ftarf auf und hinterläßt pordjen qebrannten
A., Der fic) febr langiam in 30 Teilen Waſſer löſt.
Erhitzt man ihn ftirfer, fo zerfallt er in ſchweflige
Siure, Sauerſtoff. Tonerde und ſchwefelſaures Mali
Weil der A. fauer reagiert, zerſetzt er viele Ultramarin:
jorten. Verfest man Alaunlöſung mit Ralilauge, but
Tonerde fic) dauernd ausſcheidet, fo entiteht neu—
traler A.: K,80,AL3S0,AL,0,H,. Aus der Yd-
ſung dieſes Salzes fallt bet 40° unldslider WL:
-K,SO,, AL, 880, 2A1,0,H,, dev einen fitnitlicben Minit
Alaun, fonzentrierter — lava.
darſtellt. Aus Alaunlöſung mit wenig »neutralem
A.« frijtallifiert bei gewihnlider Temperatur nor-
mater U. in Wiirfeln (kubiſcher A, Würfelalaun),
bei höherer Temperatur aber oftaedrifder UW. Glüht
man A. mit 3uder und lait das Braparat in einem
verfdloffenen Gefaif erfalten, fo entzündet es fic,
fobald es an die Luft fommt.
Ummoniafalaun Al,3SO,(NH,),SO,+24H,0
findet fich felten in Der Natur; man bereitet ihn wie
Ralialaun, verſetzt aber die Löſung der ſchwefelſauren
Tonerde mit fdwefelfaurem Ammoniak. Er enthält
3,89 Proz. Ammoniak, 11,9 Proj. Tonerde, 36,1 Bro}.
Schwefelſäure, 48,11 Broz. Waſſer, verhalt fic) wie
Ralialaun, hinterläßt beim Giihen aber reine Ton-
erde. Sein ſpezifiſches Gewicht ijt 1,620, er ſchmilzt
bei 94°, 100 Teile Wafer löſen
bei 09 5,2 Teile | bei 40° 27,9 Teile | bei 20° 103,0 Teile
10° 91 = | 50365 = 90° 187,68 =
209 13.6 ⸗ 60° 515 = 100° 422,90;
20° 19,3 « 70° 72,0 «
Beim Erhitzen mit pulverigem gelöſchten Kalk ent-
widelt er Ummoniak.
Natronalaun ijt leicht löslich, wird aus ſchwefel—
faurer Zonerde und Natriumſulfat dargeftellt und
verwittert an Der Luft.
A. dient zur Bereitung von Farben und Farblacen,
in Der Färberei zur Darjtellung von Rotbeize aus
Bleizuder, in der Weifgerberet, gum Leimen de8
Papters, zum Färben der Goldwaren, gu ſchwer ver-
brennliden Unjtriden, gum Harten des hing sar
Klären von Waffer und Talg, als Zuſatz gu Brot
um fdledte3 Mehl verwendbar zu maden, als faul-
niswidriges Mittel, sum Wufbewahren von Fellen,
Häuten, in der Medizin als fs a Mittel,
als gebrannter A. gum Beizen, als blutſtillendes Mit-
tel und als Zahnpulver. Wo bei der Verwendung des
Alauns nur ſein Tonerdegehalt in Betracht kommt,
iſt er erſetzbar durch ſchwefelſaure Tonerde (konzen⸗
trierter YL, ſ. d.), dod) kriſtalliſiert A. leicht und iit
DeShalb leichter rein ju erhalten. Deutſchland produ-
ziert jährlich etwa 84,000, Ojterreid) 31,000 Btr., die
Gejamtproduftion mag fic auf 200,000 Itr. begiffern.
A. war den Alten nidt befannt, das Ulumen des Pli-
nius war Eiſenvitriol und enthielt höchſtens ſchwefel⸗
ſaure Tonerde. Geber aber fannte UW. aus Rocca in
Mefopotamien, und im 13. Yahrh. bejtanden bei
Smyrna und im Neapolitanijden Waunfiedereien,
die Ulaunfels verarbeiteten. Ym 15. Jahrh. griin-
deten Genuefen Alaunwerke auf JIschia, und in der
erjten Hälfte des 16. Qahrh. wurde bei Schwemſal
A. fabriziert. Libavius und Agricola befdrieben dic
Darjtellung de3 Alauns aus Wlaunfdiefer und gaben
an, daß man die Lauge mit gefaultem (ammoniaf-
haltigem) Urin verſetzte (alfo Ummoniafalaun fabri-
— Die chemiſche Natur des Alauns wurde 1797
durch Chaptal und Vauquelin feſtgeſtellt. Bal. Se—
ger, Die techniſche Verwertung Schwefellies führen⸗
ber Schiefer und Tone der Stein- und Braunlohlen⸗
formation (Neuwied 1869).
Alaun, fongentrierter (falifreier Ulaun,
löslicher Alaun, Uluminat), mehr oder weniger
reine fdwefelfaure Tonerde. Alum-cake (Alaun—
fuchen) entiteht bei Einwirkung von Schwefelſäure
auf Ton (fiefelfaure Tonerde) und enthalt ſchwefel—
faure Tonerde u. Kieſelſäure. Alumina-alum (ZT on-
erdealaun), cine Miſchung von Alaun mit ſchwefel⸗
faurer Tonerde, entfteht bet Behandlung von Ulu-
nit mit Schwefelſäure. Diefe Präparate werden wie
Wlaun benutzt.
Meyers Konv.= Leriton, 6. Aufl., J. Bd.
257
Alaun, vporöſer, ſchwefelſaure Tonerde, die im
Moment des Erjtarrens ihrer fonjentrierten Löſung
durd) Einriihren von doppeltfohlenfaurem Natron
Cinfotge von Kohlenſäureentwickelung) pords gewor-
en ijt.
Wlaunbeize, ſ. Eſſigſaure Tonerde.
Alaune, Doppelfalye, die analog dem gewöhn—
lichen Alaun Al,380,,K,SO, + 24H,0 jujammenge-
jegt find und dieſelbe Rrijtallform haben. Indem das
Ralium durd Natrium, Lithium, Cäſium, Rubidium,
Thallium, Ammonium oder organijde Ununonium-
radifale erſetzt wird, entitehen Natronalaun, Ammo—
niafalaun xc. Un Stelle des Aluminiums fann Eiſen,
Mangan oder Chrom treten, wodurd) Cijenalaun,
Chromataun, Manganalaun gebildet werden. Cnd-
lid) fann Schwefelſäure durch Selenſäure erſetzt wer-
den. Unter Kali- oder Ammonialalaun verſteht man
ſtets das tonerdehaltige, unter Eiſen- oder Chrom-
alaun das fali- oder ammoniafhaltige Doppelfal;.
Tonerde- und Eiſenalaune find farbios, Mangan-
alaune amethyſtfarben, Chromalaune rotviolett. Er-
jtere find ſehr beitindig, Chromalaune geben beim
Löſen in heißem Waſſer amorphes griines Salz, Eiſen⸗
und Manganalaune zerfallen durch heißes Waſſer in
ihre Beſtandteile.
Alaunerde (Alaunton), braune Erde, die aus
Braunfohle, Ton und (oft in Zerſetzung begriffenem)
Schwefelkies beſteht, findet fid) weitverbreitet in der
Tertiirformation, befonders in Brauntohlentagern
bei Freienwalde, Schwemſal, Bornſtädt, Mansfeld ꝛc.,
, | und dient zur Bereitung von Wlaun.
Alaunerze, ſ. Ulaunfdiefer und Wlaunerde.
WAlaungerberei, f. Leder.
Alauniſches Gebirge, ſ. Waldaigebirge.
MAlaunfuchen, ſ. Alaun, fonjentrierter.
Wlaunleim, mit Wlaun verjester Leim, dient ju
fraftiqer Lcimung ded Papiers.
Alaunmehl, ſ. Alaun.
Alaunſchiefer (Vitriolſchiefer), an Schwefel—
lies und kohligen Teilen reicher Tonſchiefer, infolge
Verwitterung Eiſenvitriol und Alaun enthaltend, bil⸗
det beſonders im Silur, Devon und Kulm Lager von
zuweilen beträchtlichem Umfang, fo in Sfandinavien,
bei Saalfeld, Gräfenthal, im Fichtelgebirge, in Schle—
ſien ꝛc., wird auf Alaun verarbeitet. Sehr bitumen-
reicher A. ijt brennbar (vgl. Brandſchiefer).
Alaunſpat (Alaunſtein), Mineral, ſoviel wie
Alunit.
Alaunton, ſ. Alaunerde.
laute, ſ. Brüllaffe.
lava, ſpan. Provinz, die ſüdlichſte und größte,
aber am wenigſten bevilferte der drei basliſchen Pro—
vingen (vgl. Basten), grengt im N. an Viseaya und
| Guipujcoa, im O. an Navarra, im S. an Logroiio,
im BW. an Burgos und Hat cin real von 3045 qkm
| (55,3 OM.). Die Bevdlferung betrug 1897: 94,622
Einw. (31 auf 1 qkm). A. hat zwei Gerichtsbezirke. Die
Dauptitadt iit Vitoria.
Wlava, Miquel Ricardo de, fpan. General und
Diplomat, geb. 1771 in Vitoria, gejt. 1843 in den
Bädern von Bareges, diente anfangs auf der Flotte,
dann im Heer, ſchloß fic) 1808 den Franzoſen an,
trat aber nad) der Schlacht von Ulbuera 1812 auf die
Seite der Englinder. Wellington ernannte ihn nad
der Exrjtiirmung Vitorias zum General. Nach der
Rückkehr Ferdinands VII. wurde er wegen liberaler
Gefinnung eingefertert, aber auf Drängen Welling-
ton’ befreit und als fpanijder Gefandter nad) Dent
Haag geſchickt, jedod) 1819 ald verdächtig abberufen.
17
258
1820 fdjlof er fid) der Revolution an und wirfte fiir
WBiederaufridtung der Konjtitution von 1812. Der
Rache Ferdinands entjog er ſich durch die Flucht, bis
er von der Königin Chrijtine guriidgerufen und 1834
zum Bair erhoben wurde. Nachdem cine neue Revo-
lution der fpanifden Regierung die Ronijtitution von
1812 aufgedrungen hatte (Auguſt 1836), verlie® A.
den Staalsdienſt.
Mlb, f. Ulp und Elfen. [Deutfder.
Mlb (Schwäbiſche A., Rauhe A.), f. Jura,
Alb, swei Nebenflüſſe des Rheins in Baden: 1) die
fidlide U., die im Schwarzwald am Südfuß ded
Feldberges entfpringt, cin ſchönes Tal durchfließt und
bei Wibbrud miindet. — 2) Die nbrdlide U., die
von der Teufelsmühle im nördlichen Schwarzwald
lommt und unterbalb Rnielingen den Rhein erreidt.
Alba, Tagelied (ſ. d. u. Provenzaliſche Literatur).
Alba (lat., von albus, »weik<, Ulbe), ein bid zu
den Füßen reidendes, um die Hüften gegürtetes Är—
melgewand von weißer Leinwand, das, eine Nach—
bildung der römiſchen Tunifa, ſeit Einführung des
Chriſtentums als Staatsreligion
das WUmtstleid der Geiſtlichen
, ‘wurde und fid in Form und
/ Sdhnitt durd) das ganze Wittel-
alter unverändert erbielt (j. Ub-
bildung). In der griedhifden
Rirde wird es durch das feidene,
meijt farbige Stidarion vertre-
ten. Die anglifanijde Kirche hat
die U. beibehalten, die lutheriſche
bier und da beim Abendmahl.
Weil die Tauflinge in der alten
Rirde ebenfalls ein weißes Ge-
wand (Taufhemd oder Wafer:
hemd) mit Beziehung auf Offend.
Joh. 6, 11 trugen, beift der alte
Zaufjonntag (Sonntag nad
Ojtern) Dominica in albis, der
weife Sonntag. Auch zum Krö—
nungsgewande der deutſchen
Kaiſer gehörte cine ſeidene A., wie fie nod jest unter
den Kronungsinfignien in der Schaglammer der Hof-
Wien aufbewahrt wird.
Geiftliger in ber
Alba,
burg zu
Aiba, 1) Kreishaupiſtadt in der ital. Proving Cue |
neo, rests am Tanaro und an der Eiſenbahn Wejjan-
dria-Cavallermaggiore, Sig eines Biſchofs, mit Ka-
thedrale, Gymnaſium, Weinbaufdule, Weinbau, Sei-
denfpinneret, Handel mit Wein, Bieh und Trüffeln
und (1901) ca. 12,800 (alg Gemeinde 13,900) Einw.
A. ijt Das alte A. Pompeia, GeburtSort des Kaiſers
Pertinar. — 2) (Mi be) uralter Ort in der ital. Pro—
vin; Uquila, am Fuß des Velino, in der Rabe des
ehemaligen Fuciner Sees, mit etwa 400 Einw., das
A. Fucentia der Romer, welded als Mufenthaltsort
vornehmer Gefangener (3. B. de3 Perjeus von Ma-
fedonien und des Syphar) geſchichtlich befannt ijt.
Nod jest fieht man die kytlopiſchen Mauern der alten
Stadt, Reſte emeds alten Tempels xc. Zwiſchen A.
und Tagliacozzo (bei Scurcola) fand 1268 die ge—
wöhnlich nad) Tagliacozzo (f. d.) benannte Schlacht
jtatt. Bal. Bromis, Le antichita di Alba Fucense
(Rom 1836).
Alba, Fernando Alvarez de Toledo, Her-
30g Don, fpan. Feldherr und Staatsmann, geb. 29.
ft. 1507 in Piedrabita, geſt. 11. Dex. 1582 in Liſſa—
bon, ftammte aus einem der vornehmſten Haufer
Spanien$. Durch feinen Grovater, den Eroberer
von Navarra, im die ſoldatiſche Laufbahn fdon 1523
Alb — Alba.
eingeführt, ftieq er ſchnell gu den höchſten Rangftufen
auf. 1533 ward er General und 1537 DOberfelDberr
der faiferliden Heere. Als folder wurde er durch
feine Erfahrung in politijden und zumal in nuilita-
riſchen Dingen den jpanifden Herrjdern unentbehr-
lid), Denen er, felbjt ebenfalls religids-national fa-
natiſch, treu ergeben war. Im Kriege äußerſte Um—
und Borjicht beobadtend, erreidte er in Den meiſten
Fällen feine Ziele. Cr erwarb fid) bald das un—
bejdrantte Bertrauen Karls V. Qn dejjen viertem
Kriege gegen Frankreich (1542) verteidigte er Kata—
lonien und Navarra. 1546 befebligte er tm Sd&mal-
faldijdhen Krieg unter Karl V. das kaiſerliche Heer,
unterwarf die protejtantijden Städte Süddeutſch—
lands, jiidtigte Den Herzog Ulrid) von Wiirttemberg
und trug ju Karls Sieg bei Miihlberg (1547) das
meijte bei. Dem Kriegsgericht, das den Kurfürſten
Johann Friedrich von Sachſen jum Tode verurteilte,
präſidierte A. und riet dem Kaiſer, das Urteil ſofort
vollziehen zu laſſen. Dagegen gelang es ihm 1552
nicht, den Franzoſen Metz wieder zu entreißen. Glück
licher focht er in Italien gegen die vereinigte papft-
liche und franzöſiſche Armee, die er 1555 wiederbolt
ſchlug. Rad) Karls V. Abdankung (1556) beſetzte er,
al8 Philipp I. mit Papſt Raul IV. in Streit geriet,
den Kirchenſtaat, mute jedod auf Befehl ded Konig’
Frieden ſchließen und alles Eroberte zuriidgeben. Wis
Der Bilderjturm in den Riederlanden den Zorn Phi—
lipps IT. erregte, ward A. 1567 jum Generalfapitan
der Riederlande ernannt und trat von Stalien aus
mit 10,000 Mann Rerntruppen den Marſch nach
Brüſſel an. Er hatte den Uuftrag, den Aufruhr ftreng
zu unterDdriiden ; Dementipredend war fein Auftreten.
Bur Bejtrafung der Teilnehmer an den Unruben
ſetzte er den »Rat der Unrubene ein, im dem er an«
fangs felbjt den Borji fiihrte. Taufende wurden
Durd) jenes Gericht, von deſſen Urteil keine Uppella-
tion galt, zum Tode verurteilt, unter ihnen als die
vornehmſten Häupter des Adels die Grafen Egmond
und Hoorn. Die Gegner Albas hatten anfangs we—
nig Erfolg. A. ſchlug das Heer Ludwigs von Naſſau
bei Jemmingen in Friesland (21. Juni 1568) und
zwang aud) im Herbſt d. J. den in Brabant ein-
gedrungenen Wilhelm von Oranien sum Riidjug. Run
leqte er Dem Lande ſchwere Wbgaben auf. Wis die
hartejte wurde die Ulfabala betradtet, d. h. die For-
derung, daß Der zehnte Teil von dem Naufprets aller
beweglidjen Güter als Steuer entricdtet werden follte.
Die Strenge, mit der die Durdhfiihrung diefer Mahe
regel verſucht ward, wurde die Urjade fiir einen
neuen Ausbruch des Aufſtandes. Die Einnahme der
hollandijden Seefeite Briel durch die Waſſergeuſen
(1. April 1572) hatte den Ubfall des gejamten Nord-
wejten zur Folge. Wilhelm von Oranien drang in
Brabant ein, während deſſen Bruder Ludwig Mons
und Valenciennes im S. befeste. VW. mußte die neuen
Abgaben widerrufen, erfocht aber ſonſt glänzende Er-
folge. Wons wurde zurückerobert, Oranien mute
jit) nad) dem Norden zurückziehen; aud bier fielen
Zütphen, Naarden und Haarlem in die Gewalt der
Spanier. Indes wollte der König den Frieden in den
Miederlanden, feiner reichſten Geldquelle, wiederber-
ing €r berief deShalb A. suriid (1573) und er-
efte ihn durch den mildern Don Luis de Requefens.
A. wurde vom Konig mit Ungnade empfangen und
fogar vom Hofe verbannt. 1580 ward er aber beauf-
tragt, Portugal, worauf Philipp II. Erbanſprüche
erhob, zu erobern. Auch diefen Auftrag filbrte er raſch
und glangend aug, ftarb aber zwei Sabre fpater. Row
Albacete — Albanejen.
tm UWlter von 74 Jahren beſaß er die Rüſtigkeit eines
jungen Mannes. Sein Wuchs war grof, feine Haltung
ſtolz, felbjt dem Könige gegenüber, der YWusdrud des
Gefichts hart; fein ganzes Außeres verfiindete den Fa-
natifer. Bgl. Dergogin von Verwid und Ulba,
Documentos escogidos del archivo de la casa de
A. (Madr. 1891); Wrrue, Campafias del Duque de
A. (Zoledo 1879, 2 Bode.).
Wlbacéte, ſpan. Provinz im ehemaligen König—
reid) Murcia, grenzt im N. an Cuenca, im ©. an
Balencia und licante, im SO. und S. an Murcia,
im SW. an Granada, im W. an Jaen und Ciudad
Real und hat cinen Fladenraum von 14,863 qkm
(270 OM.). Die Bevblferung betrug 1897: 233,005
Ginw. (16 auf 1 qkm). Die Proving umfaßt 8 Ge-
richtsbezirke. Hawptitadt ijt UWlbacete.
Wlbacétte, Hauptitadt der gleichnamigen fpan.
Provinz (j. oben), in weiter Screen am Balajote,
Der durch den Nanal Maria Criftina mut dem Dricar in
Berbindung jteht, Cnotenpuntt an der Cijenbahn Ma-
Drid-VUlicante, 700 m ii. M., hat Reſte von Befeſti—
ungen in Der Oberitadt, cine Normalidule, cinen
Birtus fiir Stiergefechte, zahlreiche Meſſerſchmieden,
eine anjehnulide Meſſe (im September) und (1897)
21,637 Einw. A. ijt Sig des Gouverneurs und
eines Uppellationsgeridts.
Alba de Tormeds, Bezirkshauptſtadt der fpan.
Proving Salamanca, am Tormes und an der Cifen-
bahn Plajencia-Ujtorga, mit dem Stammſchloß der
Herzöge von Ulba, groper fteinerner Briicte und 807)
$203 Cinw.
Alba longa, die Mutterjtadt aller latinifden
Stadte und aud Roms, lag auf einer fid »lang«
bin erjtrecdenden Terraſſe über Dem Albanerſee, wie
man gewöhnlich annahm, am Abhang des heutigen
Monte Cavo am Oſtufer des Sees, während dic neueſte
Forſchung ſich für das Weſtufer, und zwar für die
Lage des heutigen Caſtel Gandolfo, entſchieden hat,
wofür die Benennung der Billenanlage unterhalb
des Weſtufers Albanum (jest Albano) ſpricht. Ge—
gründet der Sage nad) von Ascanius, dem Sohne |
des Aneas, 300 Jahre vor Rom, wurde fie zuerſt
von (16) Königen, die alle den Beinamen Silvius
trugen (das Verzeichnis ijt mythiſch), ſpäter von Dit-
tatoren beberrjdt und war lange Zeit der Vorort de3
Latinijden Bundes. Der Verrat de3 Diftator3s Met-
tus Fujfetius führte zur Zerſtörung der Stadt durd
die Rimer, die ihre Einwohner auf dem Cdlifden
Hiigel anjiedelten.
Wlban, felt. Name fiir Schottland (ſ. d., Gefdichte).
Wlban, der Heilige, erjter Märtyrer in Britan-
nien, unter Diofletian.
WAlbana, Stadt, ſ. Ulbania.
Wlbanaginm (nittellat. jus albanagii, franj.
Droit d'aubaine, »Fremdlingsrecht«), das friihere
landesherrliche Recht auf cinen Teil vom Nachlaß der
im Lande veritorbenen Fremden; f. Fremdenrecht.
Albane, B., Pjeudonym, ſ. Caro 2).
MAlbanergebirge (ital. Colli Albani, Monti La-
ziali, ſ. Rarte »Umgebung von Rom«), ein 18 km
ſüdöſtlich von Rom fich aus der Ebene erhebendes
pulfanifdes Ringgebirge von 60 km Umfang. Der
Ring ijt an drei Stellen durdbroden, im O. wie im
NW. durd) die Meteorwajjer, im SW. durd drei
jiingere rater, die jetzt von den Herrliden Seen von
Ulbano und Nemi und der entwäſſerten Ebene von
Yriccia eingenommen find. In der Mitte des alten
Kraters hat ſich ebenfalls ein jiingerer Cruptionsfegel
gebildet, der Monte Cavo (Mons albanus im Wlter-
259
tum), 956 m hod), deffen Rrater im Vollsmund Han-
nibals Lager genannt wird. Auf feinem Gipfel ftand
der Tempel des Jupiter latiaris, bas Bundesheiligtum
der Latiner. Das U., gum größten Teil mit Wein:
und Olivenpflanjungen und Kajtanienwaldern bededt,
bildet cine beliebte Sommerfriſche und wird wegen
feiner landſchaftlichen Reize viel beſucht.
Albauerſee, ſ. Albano.
Albanerſtein, ſoviel wie Peperin, ſ. Baſalte.
Albaneſen (albaneſ. Schkipetaren, d. h. Fels—
bewohner, türk. Arnauten, griech. Urbaniten,
ferb. Urbanafi), ein Vollk von iſolierter Stellung
unter den Indoeuropäern, das als Nachkommen der
einſt viel weiter verbreiteten alten Illyrier angejehen
wird und vor allem in der weſtlichen Balfanhalb-
infel von Montenegro bis Griedenland, etiva bis
39° ſüdl. Br., und von der Adria bis zur Linie Niſch-
Usfiib-Monaftir, wenn aud in den Grenzgebieten
zwiſchen andern Völkern zerjtreut, fowie in ——
ruchteilen in Siiditalien und Sizilien, Slawonien,
Beſſarabien und Kleinaſien heimiſch ijt. Ihre Gefamt-
zahl wird nach ſehr unſicherer Schätzung auf 1,900,000
angegeben, von denen die Haupfmaſſe (1,115,000)
im beutigen Wlbanien (dem alten Illyricum und Epi-
rus) ote! und der Religion nad 790,000 moham⸗
medaniſche, 85,000 rmitd -fatholijde und 240,000
orthodore A. zählt. In Witferbien und int ſüdlichen
Montenegro hat eine ftarfe Miſchung mit ferbijden
Elementen jtattgefunden, wahrend in Mittelalbanien
die U. fich am reinjten erhalten haben. Nad Grie-
chenland und dem Griechiſchen Archipel wanderten
die A. im 14. und 15. Jahrh. Im Peloponnes bilden
fie 12,6 Pro}. der Bevdlferung und madden tiberhaupt
etwa cin Zehntel (250,000) der Bewohner Grieden-
fand8 aus. Dod find die griechiſchen A. mehr oder
minder in der Hellenijierung begriffen und gebdren
ſämtlich gur griechiſch orthodoxen Rirde. Nad Ita—
lien wanderten A. im 15. und 16., zuletzt im 18.
Jahrh. Ihre Zahl beträgt etwa 100,000. Nad O jter-
reich kamen A. aus Nordalbanien im 18. Jahrh.
und finden ſich heute in den flawonifden Dörfern
Herkovtſe und Nilintſe bei Mitrovig, in der Vorjtadt
Borgo Erijszo bei Zara fowie in Iſtrien, dod) find
die —— bereits ſlawiſiert.
In aug auf die Körperbeſchaffenheit zer—
fallen die A. im zwei durch den Schlumb getrennte
Stimme, die Gegen im R. und die Tosfen im S.
Beide können fic untereinander nur ſchwer verſtän—
digen und haſſen cinander. Es ijt auffallend, dak
blonde Haare und graue Augen bejonders bei den
üdlichen Tosfen vorlommen, im M. aber dunfle Ge—
jichtsfarbe herridt. Nach den wenigen Schädelmeſ—
jungen find die ndrdliden A. bradyfephal, während
die ſüdlichen dDolidofephal fein follen. DerBildungs-
zujtand der U. iſt überaus niedrig. Eine Sehrijt-
jprade fehlt ihnen. Das Gefühl nationaler Zuſam—
mengehörigleit ijt bei den in der Türkei wohnenden
A., Bie wegen der die Serjplitterung begünſtigenden
LandeSnatur in vicle Heine Stämme jerfallen, nod
wenig entivicelt, wihrend die im YWusland wohnen-
den eifrig national « politifde Bropaganda treiben.
Fortwahrende Stammesfehden und die fonfejfionelle
Verſchiedenheit lieken und lajjen das Nationalbewujt-
jein nur in Fallen gemeinjamer Gefahr auffommen.
Selbſtſucht, Not und eine Art patriotiſcher Anhäng-
lichleit an alte Sitten erzeugten fortwährende Wut
requng gegen die türliſche Regierung, fehrten ſich aber
aud — gegen andre Völker, wie Montene—
griner und Griechen, was ſich 1878 in der Bildung
17*
260
ber — albaneſiſchen Liga äußerte. Die tiir-
fijhe Regierung benutzte die wobhlbefannte Kriegs—
tüchtigkeit des Volfes als cin geeignetes Mittel, um
in allen Brovingen des weiten Reiches nicht ſowohl
die Ordnung als den Defpotismus ju ftiigen. Damit
entzog fie zügleich Dem Lande die bejte Widerjtands-
fratt Dak cs den A. an edlen Zügen nicht feblte,
zeigten die Hydrioten der griechiſchen Inſeln. Georg
Kaſtriota, ihr qefeierter Volfsheld, war miitterlider- |
paganda werden überdies einige bejonders erfundene
jeitS fein Albaneſe, fondern Slawe.
Jn vielen Teilen Wlbaniens, namentlid) im Ge-
birge, üben die Türlen nur cine ſcheinbare Herrſchaft
aus, denn in Wirtlicfeit regiert jeder Stamm ſich
ſelbſt. Mit dem Wali (Gouverneur) ſtehen bloß einige
Stämme durch eine Mittelsperſon, den Bululbaſchi,
in Verbindung. Jeder Stamm bildet eine kleine Son—
derrepublif, in welder Der Rat der Alteſten über alle
Dinge von nicht allgemeiner Widhtigteit Beſtimmun—
gen trifft. Im allgemeinen entideidet das Herfommen
Adet), über folde Ungelegenheiten aber, De das Woh! |
des ganjen Stammes betreffen, die Vollsverſamm—
{ung (Ruvent), ju der jedes Haus cinen Bertreter
jendet. Nur der im Inland veriibte Diebjtahl wird
bejtraft, jener tm Ausland wird qebilligt, da er den
Rationalwohljtand bereidert. Unabjidtlide Tötung
sieht Geldjtrafe, vorſätzliche die Blutrade nad ſich,
desgleichen Verleumdung, —— Schändung,
Ehebruch. Die Blutrache wird nad) den ungedrud—
ten Beſtimmungen des uralten Geſetzes Leg dukagji-
nit ausgeiibt und fordert fdredlide Opfer; auf jie
entjallen 25—75 Bro}. aller Todesfalle. In der
Familie iit der Mann unumidrintter Herr. Das
Weib sieht oft mit in den Kampf. Berlobung, Hod)-
zeit, Ehe zeigen nod) viele Spuren altbarbarijder
Gebriude, wie Brautfauf und Brautraub. In den
religidjen Unfdauungen aller Stämme hat fid) nod
ſehr vicl Heidnifdes erhalten. Die Tract wedfelt |
nad den Stämmen, bejteht aber meijt in roter oder |
weifer Mütze und Turbanfdal, knopfloſer, weiger
Weſte, weißer Fuſtanella, weißen Beinfleidern (ſ. Ta-
fel »Bolfstradten II«, Fig. 23 u. 24). Immer tit der |
Ulbanefe bewajfnet. Hauptbeſchäftigung find Vieh—
zucht und Uderbau. Die Hauser aus Hols und Lehm
gleichen denen griechiſcher Bauern oder find wegen der
durch Die Blutrache bedingten Unſicherheit fenjterlofe,
feitungsartige Steinbauten mit Schießſcharten. Die
A. jingen viel umd gut; es gibt unter ihnen Erzähler,
Sanger; das Vollslied tit m der Regel elegiſch. Der
Tan; ijt die Wlbanitifa, verwandt der griedijden
Romaifa. VW. werden zuerſt von dent Geographen
Ptolemaus erwähnt, als deren Hauptitadt er Alba—
| jtarf Degeneriert. Das Nomen fann einen na
Albanejer Hemd — Albaneſiſche Sprache und Literatur.
teilen laſſen. Im eigentliden Wlbanien bildet Der
Fluß Schkunib die Grenge zwiſchen beiden ; die Dialefte
der tm Königreich Griechenland und in Italien leben⸗
den Ulbanejen tragen den tosfifden Charafter. Im
allgemeinen find die gegiſchen Mundarten die alter:
tiimlicern. Die Schreibung der albaneſiſchen Sprache
iſt bei dem Mangel einer Schriftſprache ſehr ſchwan—
kend; die Toslen wenden meiſt griechiſche, die Gegen
lateiniſche Buchſtaben an; in der Druckerei der Bro-
Seiden verwendet. Die albaneſiſche Sprache tit zwei⸗
fellos cine indDogermanifde, und gwar ſteht jept felt.
daß fie einen befondern Zweig neben Ariſch, Griechiſch.
Stalijd x. ausmadt. Nächſtverwandt mit ihr mar
Die im Altertum bereits untergegangene Sprache der
Meffapier (ſ. d.). Die Unterſuchung des Albaneſiſchen
wird weſentlich erſchwert durch die zahlreichen Lehn⸗
wörter, die aus dem Latein, den romaniſchen und
ſlawiſchen Sprachen (die türkiſchen find leicht erlenn⸗
bar) eingedrungen ſind; um ihre Ausſcheidung haben
ſich beſonders Milloſich und Guſtav Meyer verdient
gemacht. Auch das Neugriechiſche hat beigeſteuert. be-
ſonders in den toskiſchen Dialekten. Eine wiſſenſchaft⸗
liche Analyſe des geſamten albanefijden Wortvorrats
gibt G. Meyers Ewmologiſches Wörterbuch der alba⸗
neſiſchen Sprache- (Straßb. 1891). Die Flexion tit
eĩtell⸗
ten Yrtifel annehmen, wie im Rumäniſchen und Bul-
gariſchen, in welde Sprachen dieſe Eigentümlichtkeit
vielleicht aus dem Wibanefifden eingedrungen ijt.
Yon Literatur fann höchſtens bei den Wibancien
Staliens die Rede fein, die, von italieniſcher Kultur
angeregt, mehrfach verjudt haben, die Mutterſprache
dichteriſcher Broduftion dienjtbar gu machen. Beriihmt,
aber faum mehr erreidjbar, ijt das » Leben der Jung:
frau Wariae von Varibobba (Rom 1762); aus dem
19. Jahrh. ijt vor allem ju nennen Gerolamo de Rada,
der als Dichter (»Poesie albanesi«, Coriqliano - Ca-
labro 1872-—84) und als Sammler von Bolfslicdern
(»Rapsodie di un poema albanese-, Flor. 1866) der
rupmivollen Vergangenheit feines Bolles fein Leben
geweiht hat und 1683—86 eine albanejifde Beit
ſchrift: » Fiamuri Arberit« (» Die Fahne Ulbaniens<),
herausgab. Bal. Dora d'Iſtria, Gli serittori al-
' banesi dell’ Italia meridionale (Palermo 1867), und
G. Stier, Die Ulbanejen in Stalien und ibre Lite-
ratur (in Der ⸗Allgemeinen Wonatsfdrift«, 1853,
S. 864 ff.). Die rimifde Propaganda bat eine An⸗
zahl Erbauungsidriften in den Sfutarmer Dialett
nopolis nennt. Die Landſchaft, m der jie wohnten,
hieß {pater tm gegifden Dialeft Urberia oder Yrbin,
woraus das moderne griedijde Urbaniten und das |
Bgl. G. v.
türtiſche Arnauten hervorgegangen ijt.
Hahn, Albaneſiſche Studien (Jena 1854); Derjelbe,
Reiſe durch das Gebiet des Drin und Wardar im 4. |
1863 (Wien 1870); Fallmerayer, Das albaneſiſche
Element in Griedentand (Miind. 1857—60, 3 Tle.);
G. Meyer, Ejjays und Studien sur Spradgeididte
und Bolfsfunde (Berl. 1885); Diefenbad, Boller:
funde Citeuropas, Bd. 1 Darmſt. 1880); Erber, La
colonia albanese di Borgo Erizzo (Raqufa 1883);
W. Degrand, Souvenirs de la Haute-Albanie (Par.
Albanefer Hemd, ſ. Fuſtanella. (1901).
Albaueſiſche Sprache und Literatur. Die
albanefifde Sprade wird in einer grofen An—
abl von Mundarten gefproden, die fic) amt pafjend
liberfesen laſſen, fo ſchon 1664 Bellarming »Dottrina
cristiana«. Aus dem eigentlichen Albanien, wo einige
turfijicrende Poeten, wie Nezim Bei, gewirkt haben,
find Bolfslieder und Marden gefannmelt worden m
den Werfen von Hahn, Dozon (Der auch cine Uber-
ſetzung verdffentlicht bat: »Contes albanais« , Bar.
1881) und in der »AAfanxy péliooae von Witlos
(Wier. 1878), woraus G. Meyer im ⸗Archiv fiir Lite-
raturgeididte« (Vd. 12, 1883) die meiſten überſetzt
hat, ferner neuerdings von H. Pederſen (⸗Albaneſiſche
Tertes, Leipz. 1895; deutſche Uberfegung: » Sur alba:
neſiſchen Vollslunde⸗, Nopenh. 189s). Um die Rennt-
nis des griechiſchen Albaneſiſchen hat fich befonders
Reinhold (» Noctes pelasgicae«, Wthen 1855) verdient
gemadt. In neuerer Zeit ijt unter den Literaten Al—
baniens am tatigiten Konſtantin Kriftoforidis aus
Elbafjan, der die Schöpfung einer albaneſiſchen Schrift⸗
ſprache anjtrebt. Er hat außer mebreren Unterridts-
biidhern cine albaneſiſche Grammatik des toskiſchen
jten in Die gegiſchen und in die tosfi{den ein- Dialefts (Nonjtantin. 1882) und Uberjegungen des
Albani — Albanien.
Meuen Tejtaments und von Teilen des Ulten ver-
fat. — Eine Vibliographie aller auf a. S. u. L. bezüg⸗
lichen Erideinungen findet man in G. Meyers > bt
mologiſchem Wörterbuch⸗, S. 516 ff. Genannt ſeien
bier: Blandus, Dictionarium latino-epiroticum
(Rom 1635); Lecce, Osservazioni grammaticali
nella lingua albanese (daj. 1716); v. Hahn, Alba—
neſiſche Studien (Jena 1854); Roſſi, Vocabolario
italiano-epirotico (Rom 1866); Derjelbe, Vocabo-
lario della lingua epirotica-italiana (daf. 1875);
de Rada, Grammatica della lingua albanese (Flor.
1870); Mikloſich, Albaniſche Forſchungen (Wien
1870 —71, 3 Oefte); Dozon, Manuel de la langue
chkipe ou albanaise (Par. 1879); Jungg, Ele-
menti grammaticali della lingua albanese (Sfutari
1881); B. W., Grammaire albanaise (Lond. 1887);
G. Meyer, Ulbanejifdhe Studien (Wien 1883 — 96,
5 Hefte); Derjelbe, Albaneſiſche Grammatik (Leipz.
1888); Pisto, Kurzgefaßtes Handbud) der nord: |
albanefijden Sprache (Wien 1896).
Wlbani, 1) reiche rim. Familie, die, ſeit Giovanni
grancesco A. 1700 als Clemens XI. den päpſtlichen
Stuhl bejtieg, hohe Wiirden in der Kirche befleidete
und 1852 erlofdh. Kardinal Aleſſandro A. (1692
bis 1779) begriindete 1758 die 1866 von dem Für⸗
jten Aleſſandro Torlonia (geſt. 1886) angefaufte und
jetzt deſſen Erben gehörende Kunſtſammlung der
Billa Albani in Rom, die durch Winckelmann eine
der Ausgangsſtätten fiir das Verſtändnis der antifen
Plaſtik wurde. Aus den aud) jest nocd zahlreichen
Kunſtſchätzen der Villa, von denen viele nad Frant-
reid) entführt und 1815 nad München verfauft wur-
ben, find hervorjuheben: der bogen{pannende Amor,
eine Marmorjtatue der Wthene otis, ein Relief mit
Dem Ubjdied des Orpheus von, der Curydile, das
ig se einer Marmorjtatue Äſops, die Karyatide
Der
von Stephanos, da8 Brujtbild des Untinoos in Relief;
das Dedengemilde de3 Parnaſſes von R. Mengs re.
Die zahlreichen antifen Reliefs gab Zoega heraus.
2) Francesco, ital. Maler, geb. 1578in Bologna,
ejtorben daſelbſt 1660, bifbete tid) anfangs bei Dem
Shiederlander Calvaert und ſpäter unter Lodovico
Carracci. A. hat zahlreiche, im Geijte der Schule der
Carracci gehaltene Ultarbilder geſchaffen. Am liebjten
malte er jedod idylliſche Gegenftiinde der antifen
Mythe oder Darjtellungen, wie jie ihm die gleichgeitige
Schäferpoeſie, namentlid) Taſſos und Guarinis, an
Die Hand gab (daber fein Beiname »Anakreon der
MWalerei«). Er foll von feiner sweiten Gattin zwölf
Kinder von folder Schinheit gehabt haben, dak dieſe
ihm als die geeignetiten Modelle fiir ſeine Venus,
Galatea-, Umormen- und Engelsgejtalten dienen
fonnten. Boll fonniger Heiterfert und Anmut find
aud) die Landfchajten, die oft einen wejentliden Teil
feiner Bilder ausmaden.
3) Matthias, der altere, vorzüglicher Geigen-
bauer, geb. 1621 in Bozen, gejtorben dafelbjt 1673,
Schüler von Stainer; fein berithmterer Sohn Mat—
thias arbeitete einige Sabre bei den Meijtern des
Biolinbaues in Cremona und ließ fid) Dann in Rom
nieder; Inſtrumente von ibm aus den Jahren 1702
und 1709 werden fajt den Amatis gleichgeftellt.
Albania, im Ultertum Name einer Küſtenland—
ſchaft in Rautafien, die fic) zwiſchen dem Kaſpiſchen
Meer und Yberien ſüdwärts bis zum Kyros (Kur)
erjtredte und von den Ulbani bewohnt wurde. Leg:
tere waren Nomaden, gute Vogenfdiigen und Reiter,
ehrlich und von einfaden Gitten. Dent Bomrpejus |
thener Kriton und Nifolang, cine Uthletenitatue |
261
| traten fie 65 v. Chr. mit 82,000 Kriegern entgegen.
Jor Reich, deſſen Hauptitadt Albana am Kaſpiſchen
Weere war, wurde erjt im 10. Jahrh. durch tiirtijd-
tatariſche Stämme gejtiir;t.
Albanien, cin mehr ethnographiſcher als geogra—
phiſcher Begriff, der das ganz oder hauptſächlich von
Wlbanefen (j.d.) bewohnte Land, d.h. dic türkiſchen
BWilajets Stutari, Janina und Teile von Koſ—
jowo und Monaftir, zwiſchen Montenegro im M.,
Griedenland im S., Mafedonien im O., dem Adria—
tijden Meer im W., umfaßt. Außerdem wird ge-
wöhnlich aud) der griechiſche Süden und Ojten von
Epirus ju A. gerednet. Mit Wusnahme des 3. T. ver:
fumpften Küſtengebiets und ciniger größerer Niede—
rungen und Beden iſt W. ein ſehr ſchwer Zugängliches,
daher vielfach noch von unabhängigen Stämmen be—
wohntes Gebirgsland. Näheres ſ. Türkiſches Reich.
Geſchichte. Im Altertum hieß A. Illyrien, und
ſeine indogermaniſchen Bewohner, die Illyrier hießen,
aber (nad) Carl Pauli) Thrafer waren, während der
Name Wibanefen (Albani) auf einen fleinen Gau be-
ſchränkt blieb, waren als wild und kriegeriſch gefiird)-
tet. Die griechiſch-⸗maledoniſche Periode hindurch
waren die Illyrier, obwohl ſie es niemals Zu einer
größern ſtaatlichen Einheit brachten, der Schrecken
aller Radbarvilfer: ſelbſt empfindliche Niederlagen
ihrer Fürſten Bardylis und Kleitos durch Philipp
(358 v. Chr.) und Alexander (335) fonnten A. nicht
dauernd bändigen; durch frechen Seeraub machten
ſich namentlich die Urdiaierfiirjten Pleuratos und
Agron von Skodra (Skutari) läſtig. 230 v. Chr. be—
ann die Unterwerfung des Landes durch die Römer.
— erhoben —* an den Küſten; Apollonia
(Polina) ward der Sitz der Wiſſenſchaften, Dyrrha—
chion der des Handels. In den Gebirgen aber er—
hielten ſich Die alte Sprache und das alte Bolf. Jn
der Völkerwanderung verſchwand aud in A. die rö—
mifde Herrſchaft. Gu Barbarei fiihrten A. die im
7., 8. und 9. Jahrh. eindringenden flawijden Bolter
zurück, durch Die cin groper Teil der Bevölkerung na-
mentlid) im Norden Fawifiert wurde. Um 870 ward
Ochrida (das alte Lydnidos) die Reſidenz cines Bul-
garen. €rjt nad) dem Sturz der Slawenbherrjdaft
(1018) nabmen die Rejte der alten Bevöllerung wie-
Der Beſitz vom Lande. Nach Niederwerfung des Wuf-
jtandes der Bulgaren zog 1042 der Statthatter Mi—
chael Paphlago von Dyrrhachion mit 60,000 Alba⸗
neſen gegen die Serben. Auf die Eroberungsfahrten
der Normannen unter Robert Guiscard (1081—1101)
folgte bie Herrfdaft der Dejpoten von Epirus aus
dem Hauſe der Romnenen (bis 1318); danach gelangte
A. wieder in die Hände der Byzantiner. 1343 eroberte
der Serbe Stephan Duſchan A., Thejfalien und Ma-
fedonien und nannte ſich⸗Kaiſer⸗. Nach feinem Tode
wollte Nifephoros, der Sohn des letzten epirotijden
Defpoten, A. unterwerfen, ward aber (1357/58) von
den Ulbanefen getötet; teilweife fiel nun A. in die
Gewalt ded — Deſpoten Simon, während
leichzeitig Giinos Wajas im Süden und Petros Ljo-
chas (geſt. 1374) im Norden ſelbſtändige Herrfdaj-
ten begriindeten. In dieſe Beit fallt Der Beginn der
grogen albaneſiſchen Wanderung: in Uttifa, Theſ⸗—
jalien und der Peloponnes erjtanden albanefijde
Pflanzſtädte, die fpiter den Türken tapfern Wider-
ſtand leijteten. Schon um 1380 ftritten die Albaneſen
mit den Slawen, Ungarn und Venezianern vereinigt
fiir das Evangelium gegen den Islam; in der Schlacht
auf dem Amſelfelde (6. Juni 1389) verblutete der
Kern des albanefifdjen Heeres. Nad) dem Tode Jo—
262 Albano — Albany.
hann Spatas (1400), der cin Bierteljahrhundert die
Stadt Arta jelbjtindig se hatte, eroberte Karl I.
Tocco von Kephalonia A., mußte aber Janina an
Sultan Murad abtreten und deffen Lehnshoheit an-
erfennen. Damit begann die Mohammedanifie-
rung Ulbaniens. Die Glanzzeit Nordalbaniens, das
1250 zur fatholijden Kirche iibergetreten war und
um 1368 jein Abhängigleitsverhältnis ju Serbien
eldjt batte, tniipft jid) an den Namen Slander:
* 3 (f.d.), der 25 Sabre lang (1443 —67) mit
Denmut und Glück gegen die Tiirten klämpfte, wäh—
rend fein Schwiegervater Arianites Topia den Siiden
ſchirnite. Nach Sfanderbegs Tod webhrten ſich die
Ulbanefen nicht mehr flange gegen die Tiirten: die
Verteidiqung von Sfutari (1478) ijt ihre letzte größte
Waffentat. Durd den 1479 zwiſchen den Tiirfen und
Venezianern gefdlofjenen Frieden ward A. türliſche
Proving; nun wanderten aud aus dem Norden zahl—
reide Bewohner aus, meijt nad Italien. Seit der
Mitte deS 17. Jahrh. griff der Islam in W. mehr und
mehr um fid). Auch drängten ſich die Albaneſen bald
jum türkiſchen Rriegsdienjt und bildeten, zumal nad)-
dem die Janitidaren ju Haustruppen herabgefunten
waren, den Kern der Armee; die tapferjten tiirfifden
Heerführer waren meijt Ulbanefen. Auch gu den |
höhern Biviljtellen des titrfifdjen Reiches gelangten
vornehme Ulbanefen inmnter häufiger. Wis 1770 die
Rufjen den Aufſtand der Griechen gegen die Türken
anfadjten, bediente fid) die Bforte der Albaneſen, die
ihrem Haß gegen die Grieden Lauf ließen. Damals
bradte Uli (j. dD. 3) VON Janina nad und nad
gang A. und einen großen Teil der umliegenden Bro-
vinzen unter feine Herridaft. Alis 40jähriger Kampf
jur Befeſtigung feiner Defpotie hatte das wilde Bolt
i fer an das Kriegsleben gewöhnt, dah, alS nach des
Defpoten Stur; (1822) die griechiſche Revolution aus:
brad), es die neue Gelegenheit ju Raub und Plün—
derung mit Cifer ergrif. Die mohammedaniſchen
Albaneſen traten auf die Seite der Tiirfen, die chrijt-
lichen, befonders die in den ſüdlichen Gebirgen woh—
nenden Armatolen und Rlephthen (namentlid die
Sulioten), auf die der Griedhen. Yn dieſem langen
Kanrpfe nit ihren mohammedanifden Briidern gin-
gen die chriſtlichen Albaneſen größtenteils zu Grunde.
ach der Schlacht bei Navarin (1827) wendete ſich
die Tatenluſt der Albaneſen gegen die Türken. Unter
Arslan Bei und Muſtafa Paſcha von Skutari erho—
ben ſie ſich, begünſtigt durch den Krieg der Pforte
mit Rußland, den gleichzeitigen Aufſtand Daud Pa—
ſchas in Bagdad und die Unbotmifigteit Mehemed
Alis von Agypten. Da erſchien Refdid Paſcha nah
Abſchluß des Friedens von Wdrianopel 1829 mit dem
ganjen türliſchen Deer. 1831 flammte die Empörung
nod cinmal auf; als Mustafa aber von Reſchid Pa—
ſcha bei Rerlape geſchlagen war, muften fic) die Alba—
nefen wieder unterwerfen. Cin abermaliger Uufitand
der mohammedaniſchen Vevilferung * ſich ſeit
1843 in A. infolge der angeordneten Truppenaus
hebung über die Gebirgsgegenden von Rumelien bis
nach der Bulgarei aus. Omer VPaſcha aber ſchlug die
Ulbanefen 1444 bei Raplanty und bei Kalfandelen |
und eroberte Priſchtina. Cin neuer Wufitand im
Sommer 1847 wurde bald unterdriidt. 1879 wider:
feften ſich die ndrdliden Stämme der Ulbanefen den
durch Den Berliner Frieden feitgefepten Wbtretungen
von Teilen Ulbaniens an Serbien und Montenegro, |
wurden aber 1880 und nad abermaliger Erhebung |
1881 von Derwiſch Paſcha unterworfen. 1887 fan
ben aus Anlaß der neuen Grundfteuer Unruben in
A. jtatt; ſolche wiederholten fic) aus Griinden Der
Blutrade, Grenjitreitereien x. von Jabr yu Jahr:
nod) Unfang 1902 jtellte Chemji Paſcha zu Diafovo
nur mit Muͤhe die Rube wieder her. Bezeichnend tit
e8, daß fich ein Fiihrer der jungtiirtifden Bewequna,
Ismail Kemal Bei, von Brüſſel aus lebhaft mit der
Löſung der salbanifden Frage beſchäftigt; und na-
tional⸗ albaniſche Tendenzen verfolgt Aladro Kaſtriota
(f. d.), ein angeblicher Nachkomme Skanderbegs. Bal.
die Geichicdhtstarten bei Vrt. »Tiirfifdes Reich< ; Lite
ratur bei ⸗Albaneſen«.
Albano (A. Laziale), Stadt in der ital. Brovin;
und dem Kreis Rom, ſüdöſtlich von Rom, im herr
lidber Lage nahe am Wlbanerjec, durch Eiſenbahn mit
Rom und der Kiijte verbunden, hat cine Rathedrale,
mehrere Villen mit Garten, Weinbau und (1901) ca.
8000 (als Gemeinde 8461) Einw. Bon den Bau:
trümmern des klaſſiſchen Altertums finddie Über⸗
reſte der Villen des Pompejus und Domitian, des
Pompejusgrabes und des ſogen. Grabmals der Ho-
ratier (im etrusfifden Stil, ſ. Tafel »Urchiteftur IV <,
rig. 9) am bemerfenswertejten. YW. ijt Rardinalbistunt.
2 km fiidlid) von A. Keg Ariecia (f. d.) Unfern im
M. erhebt fic) Cajtel Gandolfo (j. d.), und 3 km nord-
öſtlich ſtand im Wltertum Wiba longa (j. d.), die
| Mutterjtadt Roms. — Der Ulbanerfice (Albanns
i lacus, Lago di Albano oder Lago di Cajtello),
ein vulkaniſches Maar, am Weſtfuß de3 Monte Cavo,
| 293 m ii. M., gelegen, bildet ein elliptijdes Becken
| (3,7 km lang, 2 km breit) voll frijtallhellen Waſſers,
| hat eine Tiefe bis 156 m und iſt febr fiſchreich. Ka—
jtanienwald und Weinpflan ungen bedecken feine z. T.
hohen und ſchroffen Ufer. Der Spiegel des Sees wird
durch einen Abzugskanal reguliert, den der römiſche
Feldherr Camillus während der Belagerung von Veſi
306 v. Chr. durch den Felſen hauen ließ, und der noch
heute wohlerhalten ſeinen Zweck erfüllt. Er tit über
Im breit, 2—3 m bod und 1200 m lang. — Bei A.
bricht der grünlichgraue Albanerſtein (Reperin,
ſ. Baſalte), der in den ältern Zeiten Roms zum Bauen
verwendet wurde, S. Karte »Uimgebung von Rom.
Albansquiden, Goldmünze des Ritterſtifts St.
Alban in Maing von 6's Me. Wert.
Albanh (jor. send, 1) Küſtenbezirk der öſtlichen
Napfolonie, mit 4364 qkm und (1891) 23,335 Einw.
(9359 Werke, 11,003 Bantu und 2973 Hottentotten),
trefflicher Bodenfultur, Schafzucht und jtarfer Aus—
| fubr von Wolle, *8 Leder und Stroh zur Hutflech⸗
terei. Hauptort tit Vrahamstown. — 2) Schiff—⸗
| barer Fluß in Britiidh -Nordamerifa, auf der Grenye
zwiſchen Ontario und Keewatin, entſtrömt als Cat
Yafe River dem Cat Lale, eriveitert fich mehrfach ju
| Seen (St. Jofephsice) und miindet bei Fort A. in de
Jamesbucht der Hudſonbai.
Wlbany (or. doweni), 1) Hauptſtadt des nordameri⸗
fan. Staates New Port, unter 42° 40 nordl. Br., am
Hudjon (der bis hierher fiir Heine Seeſchiffe fahrbar
ijt, und in den Hier Eriefanal und Champlainfanal
eintreten), 230 km oberbalb New Yort, Rnotenpuntt
von fiinf Eiſenbahnen, mit (1900) 94,151 Einw. Dre
filtere Stadt hat enge, die Neujtadt breite, ſtattliche
Strafen. Bemerfenswert find das Rapitol, cin Gra-
nitbau im Renaijfanceftil, mit 96 m hohem Turm,
die marmorne State Hall, die fatholifae Mathedrale,
Rathaus, Börſe. Jn 1566 Gewerbsbetrieben erzeug—
ten 1900: 12,389 Yirbeiter Waren tm Werte von
24,992,021 Doll., dDarunter 21 Giehereien und Ma—
idinenbauanitalten, 10 Brauereien, 44 Drudereien,
Maly-, Schuh-, Rleider-, Udergeriit-, Tabaffabri-
Wlhany — Albedo.
fen 2c. Getreide, Vieh, Rohle und Hol; find Haupt-
handelsartifel. Von wijjen{daftliden 4 nitituten be-
finden fic) in A. die 1852 inforporierte Redts- und
Medizinfdhule, Sternwarte (Dudley Obfervatory),
Staatsbibliothef (320,000 Bande), Lehrerfeminar,
Mufeum und das 1791 geqriindete A. Ynjtitute. Das
Zuchthaus ijt Mujteranjtalt und wird einzig durd
die Arbeit Der Gefangenen unterhalten. Die —8*
verſorgung geſchieht aus dem 8 km weſtlich gelege—
nent Renſſelaerſee. Das ſteuerbare Eigentum betragt
69,032,734, die ſtädtiſche Schuld 2,619,380 Doll. YW.
wurde von den Holldndern 1623 als Fort Orange
— erhielt ſeinen jetzigen Namen 1624 durch
ie Engländer und ijt ſeit 1798 Hauptſtadt des Staates
New Yorf. — 2) Hauptitadt der Graffdaft Linn im
nordamerifan. Staat Oregon, am Willamette und
an der Eiſenbahn nad Ralifornien, mit «900 3149
Einw. — 3) Hauptitadt der Grafſchaft Dougherty im
Staat Georgia, am ſchiffbaren Flint, Bahninotenpuntt
und Baumwolleverſendungsplatz und hat (1900) 4606
Einw. — 4) Hafenjtadt an der Siidfiijte von Weft-
aujtralien, am Princeß Royal Harbour, der mit dem
Ring George-Sund in Verbindung jteht, mit Perth
durd) Cijenbahn verbunden, hat 2 Forts, einen Leucht-
turm und (1900) 3250 Einw. A. war früher Dampfer-
ftation, jetzt ijt es cine befuchte Gefundheitsjtation.
(ant) (fpr. ãlbent oder dodéni), 1) Quife Marie
Karoline oder Wloyfia, Grafin von, Todter
des Prinzen Gujtav Adolf von Stolberg-Gedern, geb.
1753, gejt. 29. Jan. 1824. Geit 1772 mit dem eng-
liſchen Rronpratendenten Karl Eduard Stuart fin-
derlo3 und unglücklich vermablt, entfloh fie in ein
Kloſter, lebte aber ſpäter und feit dem Tode de3 Prä—
tendenten (1788) in Florenz öffentlich mit dem Did:
ter Ulfieri, der fie in feiner Selbſtbiographie verherr-
lidte. Sie wurde neben Ulfieri in der Kirche Santa
Croce zu Floren; beigefept. Val. v. Reumont, Die
Grajin von YW. (Berl. 1860, 2 Bde.); »Le Porte- |
feuille de la comtesse d’ Albany, 1806 —1824+ (hr8q.
von Pélijfier, Par. 1902). Briefe der Grajin von VU. | wie die
an Ugo Foscolo und des Wbbate Luigi di Breme an |
die Gräfin gaben Yntona-Traverfa und Biandini
heraus (Rom 1887).
2) Leopold George Duncan Ulbert, Her-
Dg von, vierter Sohn der Königin Vittoria von
opbritannien, geb. 7. Upril 1853, feit 27. April
1882 vermählt nut Bringeffin Helene von Walded,
gejt. 28. Mar; 1884 in Cannes. Ihm folgte als
Herzog von A. fein nadgeborner Sohn Karl |
Duard, geb. 19. Juli 1884, feit 31. Juli 1900
— Sachſen-Koburg-Gotha.
263
Biſchofsſitz; danach benannt die Sierra de A., ein
gum Iberiſchen Gebirgsſyſtem (f. d.) gehörender Ge—
ings.
Albategnius (Albatenius), ſ. Albattäni.
Albãti (lat., »weiß Gekleidete ⸗· vgl. Alba [Ge-
wandh), in der alten Kirche Bezeichnung ſowohl der
Geiſtlichen als der Neugetauften. Aus gleichem Grunde
a aud) die Bußbrüderſchaften des 14. Jahrh. in
Stalien, Frantreid) und Spanien A., ital. Biandi.
Albatros (Diomedea L.), Gattung der Schwimm⸗
— aus der Familie der Sturmvögel (Procella-
riidae), große, traftiqe Vogel mit furzem Hals, großem
Kopf, langem, jtarfent, vorn gekrümmtem Schnabel,
langen, ſchmalen Fliigeln, jtarfen, furzen, dreigehigen
Schwimmfüßen und kurzem Schwanz. Sie finden
ſich in den fiidliden Meeren, im Stillen Ojean, aber
aud) nördlich bis Kamtſchatla. Kapſchaf (D. exu-
lans L., ſ. Tafel a apa 2), 11m
lang, 3—4,25 m breit, ijt, mit Wusnahme der fdwar-
xen Schwingen, gang wei, bewohnt die Weltmeere der
ſfüdlichen Halblugel. ſtreift aber bis zum Beringmeer
und folgt den Schiffen Hunderte von Meilen weit.
Er frißt alles, was auf den Wellen ruhig dahintreibt,
Kopffüßer, Weichtiere und Aas, und niſtet auf cine
ſamen Inſeln des Großen und Atlantiſchen Ozeans.
Das Neſt enthält nur cin weißes, 12 cm langes Ei,
von dem fic der briitendDe Vogel nidt leicht verſcheu—
den lat. Sein Fleiſch ijt kaum genießbar.
Wlbatrof - Expeditionen, jcit 1883, ſ. Mari-
time wiſſenſchaftliche Erpeditionen.
MAlbattani (latinifiert Ulbateqnius oder Alba—
tenius), cigentlid Mohammed ibn Didabir
al Battani, der größte Ujtronom der Uraber, ge-
boren ju Harran in der zweiten Hälfte ded 9. Jahrh.,
jtarb 929 oder 930. Seine ajtronomifden Beobad-
tungen hat er größtenteils gu Raffa in Mefopotamien
angejtellt, weshalb er aud) Mohammedes Aractensis
heißt. Er berechnete die Linge des Sonnenjahrs auf
865 Tage 5 Stunden 46 Minuten 24 Sefunden, fo-
xzentrizität ber Gonnenbahn und erfannte
dabei die Bewegung des Upogiums; auch lieferte er
fehr genaue Tatetn fiir die Bewegung der Planeten.
werner hat er großes Verdienjt um die Trigonome-
trie, in Der er zuerſt ftatt der Sehnen die Sinus ge-
braudjte. A. befannte fich, wie es ſcheint, gum har—
ranijden Sabaismus. Das »Opus astronomicum«
von A. hat Nallino zu verdffentlicen begonnen (arab.
Tert, Mail. 1899). Val. Chwolfohn, Die Sjabier
(Petersb. 1856, 2 Bde.).
Albay, Hauptitadt der gleidnamigen Proving
(4107 qkm mit (1899) 247,075 Einw.), auf der Halb-
reda, Joſé Luis, |pan. Politifer, geb. 1825 | infel Camarines der Pbilippineninfel Luzon, 3 km
bei Cadiz, lief ſich in Madrid als Wdvofat meder und
erwarb ſich Anſehen durch Verteidiqung der liberalen
Preſſe. Er ijt der Begründer der »Revista de Es-
pafias. 1862 ward er sum fpanifden Gejandten im
Haag ernannt. Spiiter wirfte er fiir die Randidatur
des Königs Umadeus, ward darauf Gefandter in
von der Bai von U., wo ein Hafen; (ses) 34,000
Einw. Im N. der frither gefiirdtete Vulkan A. (El
Mayon, 2374 m).
(be, fleiner Weißfiſch.
Albe, Stadt, f. Ulba 2).
Albẽdo (lat., »die Weife«), nach Lambert das
Liffabon und nad der Thronbejteiqung Alfons' XII. Verhältnis der von einem beleudteten Körper nad
Präfett in Madrid. Wis Minijter des Unterridts | allen Ridtungen diffus ausgeſtrahlten Lidhtmenge zu
und der öffentlichen Urbeiten im Miniſterium Sagajta | der auffallenden Lidhtmenge. Nach Zöllner ijt die
machte er ſich durch Reformen verdient. A. des weißen Papiers 0,7, d. h. weißes Papier wirft
Alba regia, ſ. Stuhlweißenburg. 0,7 der auffallenden Lidtitrahlen zurück; bei frifd
Albarelli, zylinderförmige Upothetergefie aus | gefallenem Sdnee ijt die A. 0,78, bei weifem Sand⸗
Fayence oder Wajolifa, bisweilen mit arabijder In-⸗ jtein 0,24, bei feuchter Ackererde 0,08. Willer gibt fiir
{drift, wurden in Spanien, ſeit dem 16. Jahrh. aud) | den Mond 0,17, Merkur 0,19, Venus 1,00, Mars 0,29,
in Stalien gefertigt. Nupiter 0,82, Saturn 0,96, Uranus 0,80, Neptun 0,69
{barracin, Hesirtshauptitadt in der fpan. Bro- | als Wert der U. an. Val. G. Müller, PHotometrie
ving Teruel, am Guadalaviar, mit aso7 1910 Cinw.; | der Gejtirne (Leip3. 1897).
9
—
64
Albedyll, Emil Heinrichkudwig von, preuß.
Albedyll — Albergati Capacelli.
Albenga, Kreishauptſtadt in der ital. Provinz
General, geb. 1. Upril 1824 zu Liebenow in der Mark, Genua, an der Meerestiijte nahe der Mündung der
geſt. 13. Suni 1897 in Poisdam, ward 1843 Offi—
Fier, madjte 1848 den däniſchen Krieg mit und wurde
1862 zur Abteilung für die perſönlichen WAngelegen: |
heiten im Kriegsminiſterium (Militärkabinett) fom-
mandiert. Seit 1868 Oberſt, war er im Kriege von
1870/71 wieder dem Militärlabinett zugeteilt, deſſen
Chef er 1871 proviſoriſch, 1872 definitiv wurde.
Durch ſeine 18jährige Verwaltung dieſes einflußrei—
den Unites wurde er in weiten Kreiſen befannt. 1873
wurde er zum Generalmajor, 1876 zum Generaladju: |
tanten, 1879 jum Generalleutnant und 1886 jum |
General der Kavallerie befirdert. Kaiſer Wilhelm IL. |
fibertrug ifm 1888 da’ Nommando des 7. Armee—
forps, von dem er 1893 juriidtrat.
Albemarle, franz. Stadt, ſ. Aumale.
Albemarle, Herzog von, ſ. Monck.
Albemarle (ipr. Aubemarth, engl. Grafentitel, vom
Konig Wilhelm TT. 1696 femem 1669 in Geldern
gebornen Giinjtling Urnold Joojt van Keppel
verlichen. Diejer trat fpater in holländiſche Dienjte,
führte das niederländiſche Heer im Spaniſchen Crb-
folgefrieg und jtarb 30. Mai 1718. — Der ſechſte Graf
von A. George Thomas Keppel, geb. 13. Juni
1799, gejt. 21. Febr. 1891, diente feit 1815 im der
Armee, im Der er bis 1874 jum General aufriidte,
und unternabm, gum Teil im Intereſſe der Regie:
rung, größere Retjen, die er in »A journey across
the Balkan« (Yond. 1830) und » Narrative of a
journey from India to England« (daſ. 1834, 2 Bde.)
beſchrieb. Wud) gab er die fiir die engliiche Geſchichte
des 18. Jahrh. widtigen » Memoirs of the marquis
of Rockingham and his contemporaries« (Lond.
1852, 2 Bde.) heraus und verdffentlidte ſeine Selbjt- |
biographie unter dem Titel: » Fifty years of my life«
(da}. 1876, 2 Bde.; 3. Aufl. 1877). — Ihm folgte als |
jiebenter Graf von A. fein Sohn Billiam Coutts
Keppel, qeb. 1832, geſt. 28. Aug. 1894, der als Vis-
terhaufes war und 1876 mit dem Titel Lord Aſh—
Centa und an der Eiſenbahn Genua- Nizza gelegen,
hat ene rdmijde Briide, mittelalterliche Mauern und
Tiirme, cine Rathedrale aus dem 13. Jabrh., eme
Tauffapelle (ehemals römiſcher Tempel), en Gom-
naſium, tit Biſchofsſitz und gat (1901) ca. 4220 (als
Gemeinde 6248) Einw. — YA. ijt das antife Albium
Ingaunum, Geburt8ort des Kaiſers Broculus.
(ber, alter deutſcher Name fiir ‘Bappel.
Alberche (jor. -vertige), rechter Nebenfluy des Tajo
in Spanien, entipringt im Gebirge von Uvila, um-
fließt Die Sierra de Gredos und miindet nad einem
Laufe von 175 km bei Talavera.
Alberdingk-⸗Thym (jor. -toim, 1) Joſephus
Ulbertus, niederland. Schriftſteller, geb. 13. Mug.
1820 in Amſterdam, gejtorben dDafelbjt 17. Mar; 1889,
war zuerſt Raufmann, widmete fic) aber ſchon früh—
zeitig dem Studium der Literatur und Kunſt und
wirkle feit 1876 als Brofejjor der Kunſtgeſchichte an der
Runjtafademie ju Umiterdam. Ws iiberzeugter Ka—
tholif war er Anhãnger der romantijden Sule. Sei-
nen erjten Gedidten (1844) folgten mebrere Samm-
{ungen, Darunter » Het Voorgeborchte«( 1853). Seine
veridiedenen Erjahlungen erjdjienen gefammelt als
»Verspreide verhalen in proza« (Umjterd. 1879—
1884, 4 Bde.). Als Literarhijtorifer trat er hervor
mit »De la littérature néerlandaise a ses différents
époques« (1854) und mit Studien iiber Bondel, dem
er in feinen moraliftijd -literarbhijtorifden Skizzen
»Portretten van Joost van den Vondel« (1876) cin
Denkmal fegte. Als literarifder und kunſthiſtoriſchet
Stritifer entfaltete er in Der von ihm 1855 beqriindeten
fatholifden Seitidrift »De Dietsche Warande« (ſf. un⸗
ten 2) eine frudjtbare Tatigfeit. Sein Leben beſchrieb
Jan ten Brink in» Onze hedendaagsche letterkun-
digen« (Lief. 7, Amſterd. 1885) und van Der Duys
(daſ. 1889); eine Biographie auf Grund feiner Briefe
veröffentlichte feine Tochter Catharina A. (daf. 1896).
count Bury feit 1857 fonfervatives Wtitglied ded Un: |
ford ins Oberhaus berufen wurde. Er war 1855— |
1859 Leiter der Indianer-Angelegenheiten in Ka—
nada, 1859 Schatzmeiſter des foniglichen Haushalts, |
1878 — 80 unter Beaconsfield und 1885 — 86 unter
Salisbury Unterjtaatsfefretdr im Kriegsminiſterium.
Ulbemarlefund, cin bis 22 km breites und
90 kin langes, feidtes, von den Flüſſen Rasquotanf,
Chowan, Roanofe und Alligator gebildetes Haff an
der Küſte Ded nordamerifan. Staates Nordcarolina,
jteht nordwärts mit dem Curritudfund, ſüdwärts mit
dem Pamlicoſund in natiirlider Verbindung und
wird wie dieſe durd eine ſchmale Nehrung (die der
Schiffahrt gefährliche Rap Hatteras-Nehrung) vom |
Meer getrennt. Nur durd) die Offnungen des Pam—
licofundes (f. D.) mit ihm zuſammenhangend, tit es
ebenfo wie der Curritudjund fajt ausgeſüßt, aber ſehr
fiſchreich. Von den umgebenden Sümpfen find der
Dismal Swamp (jf. d.) jowie der Ulligator Swamp
}. T. entwajfert und in Kulturland verwandelt; durd
erjtern fiibrt ein Schiffabristanal zur Chefapeatebai.
Wlbendorf, Dorf und Walljahrtsort im preuß.
Regbez. Breslau, Kreis Neurode, am Cedron, mit
18 Loren (nad den Toren von Jerujalem benannt),
hat eine ſchöne, dem Tempel des alten Jerusalem
nachgebildete Kirche mit swundertatigem« Marien:
bild, einen Nalvarienberg, cin Standbild des Barons |
von Djterberg, ded Wriinders der Kirche, und (1900) |
1513 Einw. Val. Zimmer, Ulbendorf ( Bresl. 1898). |
2) Baul, Hijtorifer, Bruder des vorigen, geb. 21.
Oft. 1827 in Amſterdam, zuerſt Gymnaſiallehrer m
Maajtridt, feit 1870 Univerfitatsprofejjor m Lö—
wen, einer der belgifden Hauptvertreter der vlämiſch⸗
fatholijden Geſchichtſchreibung; er verdjfentlichte:
»M. Aurelius Cassiodorus en zijne eeuw« (Yimijterd.
1857, 2. Aufl. 1858); »H. Willibrordus, apostel
der Nederlanden« (Ddaj. 1861; deutide vermehrte
Ausg., Münſt. 1863); »Karel de Groote« (daſ. 1867;
deutſche vermehrte Ausg., Münſt. 1868); »De vroo-
lijke historie van Ph. van Marnix« (Löwen 1876;
fran}., Brüſſ. 1876 ; deutſche Bearbeitung, Köln 1882);
»Spiegel van nederlandsche letteren (Léwen 1877,
2 Bde.); »De gestichten van liefdadigheid in Bel-
gié van Karel den Groote tot aan de Ife eeuwe
Amſterd. 1883, preisqefrdnt; deutſch, Freib. i. Br.
1887); »De Faustsage in de Nederlandsche let-
teren« (Gent 1890). Geit 1887 ijt er Herausgeber der
von jeinem Bruder begriindeten Zeitidrift »Dietsche
Warande« (Gent), die fett 1900 den Titel » Dietsche
Warande en Belfort« führt.
Alberes, Mont (jvc. mong-4-albar), Hitlicfter Aus⸗
faufer Der ——— ſ. Byrenden.
Albergati Capacelli (jor. AIchel, Francesco,
ital. Luſtſpieldichter, geb. 29. April 1728 in Bologna,
qeit. 16. War; 1804 in Zola. Aus emer alten Pa—
trijierfamilie jtammend, widmete er feine eit und fein
Vermögen gang der Pflege der dDramatijden Kunſt.
Unter feinen jest vergefjenen Luſtſpielen (vollſtändige
Sanunlung, Bologna 1801) find die bejten » Ll saggio
Albergen — Albersdorf.
amico<«, »Il ciarlador maldicente« umd »I pregiu-
dizi del falso onore«. Gein »Nuovo teatro comico«
(Bened. 1774) enthalt auc Überſetzungen. Ex ſchrieb
aud) »Novelle morali« (Bened. 1779). Bal. Masi,
La vita, i tempi, gli amici di F. A. (Bologna 1878).
Albergen, ſ. Uprifojenbaum.
Albergine, ſ. Uubergine.
a (ital.), Herberge, Gaſthaus.
Albert, Cugenio, ital. Geſchichtſchreiber, ged.
1. Oft. 1817 m Padua, geft. im Juni 1878 in Vichy, ſtu⸗
dierte in Bologna u. Padua, lebte feit 1836 in Floren;
und trat ſehr friih mit Dem Werk » Guerre d'Italia del
rincipe Eugenio di Savoia« (Flor. 1839; 2. Ausg.,
Zur. 1840) hervor, das umfajjende militäriſche Rennt-
niſſe und hiſtoriſche Bildung erfermen ließ. Außer—
dem veröffentlichte er: » Vita di Caterina de’ Medici«
(1838), »Relazioni degli ambasciatori veneti al
senato« (1839) und cine italienifde Bearbeitung von
Leos ⸗Geſchichte der italienifden Staatens ; ferner gab
ex Galileis Werke mit Kommentar (1843 ff.) heraus
und lieferte jablreide Artilel im das »Archivio sto- |
rico italiano«. 1843 begriindete er Das »Annuario |
storico universale«. In jeinen Schriften vertrat A.
die liberale Ridtung; als er aber 1859 eine Floren:
tiner Profeſſur nicht erbielt, trat er auf die Seite der
reaftioniren Dppojition gegen die Regierung. In die-
fem Sinn ijt aud) fein lepte3 Wert: »Il problema
dell’ umano destino« (1872, 3. Aufl. 1879), abgefaft.
Alberich, Elfentinig, ſ. Elfen.
Alberich, 1) A. J., rim. Gewalthaber, feinem
Ramen nad fränkiſcher oder langobardiſcher Abkunft,
ſchwang fic) gum Darfgrafen von Spoleto auf, ver-
mählte jid) mit Marozia, Todjter der Römerin Theo-
Dora (f. d.), und lämpfte 916 tapfer und erfolgreid
en die Sarajenen. Er nabm nun aud in Rom
neben Papſt Johann X. eine bedeutende Stellung cin,
foll aber nad ſpätern Chronijten zuletzt aus der Stadt
vertrieben worden fein.
2) U. IL, Sohn de3 vorigen und der Marojzia, ver-
trieb 932 ſeinen Stiefvater, König Hugo von Italien,
aus Rom, ließ feine Mutter cinferfern und herridte
22 Jahre ty Se Hilfe des Boles als »Fürſt und
Senator aller Römer« iiber die Stadt und die Papite.
König Hugos wiederholte Ungriffe auf Rom webrte
er ab, und aud deſſen Nad olger Berengar fowie
dem DdDeutiden König Otto L., deſſen Wunſch, in Rom
—— ju werden, er 951 ablehnte, geſtand A. keinen
influß auf die römiſchen Verhältniſſe zu. Er ſtarb
954, nachdem er die Römer hatte ſchwören laſſen,
ſeinen Sohn Octavianus zum Papſt (Johann XII.)
zu wählen, um ſo die geiſtliche und weltliche Herrſchaft
in einer Hand gu vereinigen.
Alberich von Biſenzun, ſ. Wleranderjage.
Albernbaum, ſoviel wie Pappel (Silberpappel).
Alberõoni, Giulio, Kardinal und ſpan. Staats-
miniſter unter Philipp V. von Spanien, geb. 21. Mai
1664 in Fiorenjuola, gejt. 16. Juni 1752, Sohn eines |
für Gemilts- und
Weingärtners, wurde juerjt in der Schule der Barna:
biterminde zu Piacenja, dann durd) den päpſtlichen
Bizelegaten von Raverma in Rom zum Geijtlicen er-
en. Der gewandte und feingebildete junge Abbé
409
fom dann durd) Entpfehlung in die Umgebung des |
Herzog von ‘Karma, der ihn bald gu allerlei diplo-
matiſchen Geſchäften braucdhte und endlid) gum Ge- |
ſchäftsträger in Madrid ernannte. Jn diefer Cigen-
{daft gelang es ihm 1714, die Vermahlung Poilipps V.
mit Elifabeth Farnefe (f. Elijabeth), der Nichte des Her-
8 von Parma, ju ftande ju bringen. Die Folge
bier Heirat war der Stury der bisher am fpanifden
265
Hof allmächtigen Prinzeſſin Oriini und Ulberonis Er-
hebung zum Ratgeber der Königin, die ihn 1717 gum
Weinijter madte, naddem er vom Papjt sum Rardi-
nal ernannt worden war. Bon jest an regierte U. im
Cinverjtindnis mit der Königin unumſchränkt. Jn
jeinent fleinen, durch ungeheure Fettleibigkeit entftell-
ten Körper lebte ein eijerner Wille, ein ſchmiegſamer
Geiſt und cine unermüdliche Urbeitstraft. Er ordnete
| Die Finanzen, brachte das Heer auf 100,000 Mann,
die Kriegsflotte auf 70 Linienſchiffe, liek aus Dem Aus⸗
land geſchickte Werkmeiſter und Handwerker als Lehrer
fitr Die Spanier fommen, errichtete Fabrifen und ver-
befjerte dic Wajferitraken, gründete Seemannsfdulen
und Magazine und reinigte die Juſtizpflege von ibren
ſchreiendſten Ubeljtinden. Als ihn die Königin Elija-
beth, die ihren von der fpantiden Thronfolge aus-
geſchloſſenen Kindern auswärtige Throne —2
wollte, zu einer abenteuerlichen Politit zwang (es galt,
Mailand, Neapel, Sizilien und Sardinien für das ſpa—
niſche Königshaus zurüchzuerobern), rüſtete A. eine
mächtige Flotte und cin ſtarles Heer und liek 1717 Sar-
dDinien, 1718 aud) Sizilien bejegen. Gegen diefe Uber-
riffe Spaniens wurde aber die Quadrupelallianz zwi⸗
iden England, Frankreich, ſterreich und Holland ge:
ſchloſſen. SpantefB Seemacht wurde (22. Aug. 1718)
beim Rap Paſſaro von der englifden Flotte unter Byng
fajt gänzlich vernictet. Wud) Frankreich erflarte bald
darauf (1719) den Krieg und ſandte cin Heer fiber die
Pyreniien, wihrend die Viterreicher in Sizilien Fort-
{dritte machten und die Englinder in Galicien lan—
Deter. VW. wurde auf Undringen der Verbiindeten am
5. Dez. 1719 aller Ymter enthoben und angewiejen,
binnen 8 Tagen Madrid, binnen 3 Woden Spanien
zu verlajfen. Er begab fid) nad) Stalien, wurde aber
vom Papſt Clemens XI. mit einem Prozeß bedroht und
hielt fic) DeShalb zunächſt in einem Stofter bei Bologna
verborgen. Rach dem Tode Clemens’ XI. (1721) nahm
er feinen Sig im Konklave cin und beterligte fich an
der Wahl des neuen Papjtes, Innocenz XIII., der ihn
feine Gunjt guwendete. Clemens XII. ernannte ihn
1734 jum Legaten von Ravenna und Venedift XIV.
zum Legaten von Bologna. Rad) dreijahriger Ber-
waltung diefer Broving zog fic) A. nach Piacenza zu⸗
riid. Sein rieſiges Vermögen fiel größtenteils an
Philipp V. von Spanien. Bal. »A. Lettres intimes
de J. M.A. adressées au comte J. Rocecac (br8g. von
E. Bourgeois, Par. 1893); Roufjet, Histoire da
cardinal A. (Haag 1719); Berfani, Storia del car-
dinale Giulio A. (Biacenja 1862); Brofeffione,
Giulio A. dal 1708 al 1714 (Padua 1890); Derjelbe,
Il ministero in Spagna e il processo del cardinale
Giulio A. (Zurin 1897).
Albers, SohannFriedrihdHermann, Medi-
ziner, geb. 19. Nov. 1805 in Dorjten bei Weſel, get.
11. Mat 1867 in Bonn, ftudierte feit 1823 in Bonn,
habilitierte fich daſelbſt 1829 als Dozent, ward 1831
Brofeffor und begriindete in Bonn eine Heilanjtalt
Rervenfranfe. 1856 wurde er Di-
reftor des pharmafologijden Rabinetts in Bonn. Er
lieferte cinen »Atlas der pathologifden Anatomie«-
(Bonn 1832 — 62, 287 Tafeln mut Fert).
Alberſchweiler, Dorf im deutſchen Bezirk Loth-
ringen, Kreis Saarburg, an der Roten Saar und der
Eifenbahn Saarburg-V., hat eine fath. Kirche, Dber-
förſterei, Lungenheilanjtalt und (900) 1574 Einw.
Albersdorf, Kirchſpiel im preuj. Regbez. Schles⸗
wig, Kreis Siiderdithmarjden, an der Staatsbahniinie
Neumiinjter-Toinning, hat cine evang. Rirde, Stabl-
bad, Glasfabrif (Chrijtianshiitte) u. (1900) 4409 Einw
266
MAlbersweiler, Dorf im bar. Regbez. Pfalz, Be—
jirfgamt Bergzabern, am Queich und der Eiſenbahn—
linie Landau⸗Zweibrücken, hat eine evangelifde und
cine fath. Rirde, ein Forjtamt, Weinbau und (1900)
2143 Einw.
Albert, 1) Fluß des britifdh-aujtralifden Staats
DHucensland, 1856 von Gregory entdedt, entiteht an
der Grenje gegen das fiidaujtralifde Nordterritorium
aus mehreren Quellflüſſen, heißt zuerſt Gregory, dann
Barkley und ſchließlich A., entſendet weſtwärts einen
Zweig zu dem ihm parallel fließenden Nicholſon und
mündet 50 km unterhalb Burketown in den Golf von
Carpentaria. Die verjandete Mündung ijt Dampfer-
jtation. — 2) Divifion der Kapkolonie tm RN. vom
Dranjeflug, im S. von den Stormbergen begrenzt,
6889 qkm ntit (1891) 66,671 Cinw. (8203 Weiße, 6653
PBantuneger, 1815 Hottentotten). Haupterwerbssweig
ijt Schafzucht. Hauptort ijt Burghersdorp an der
Bahn von Eajt London nach Aliwal North, mit «991
1793 Einw. — 3) (pr. albar) Stadt im franz. Depart.
Somme, Urrond. Péronne, an der Uncre, Knotenpuntt
an der Nordbahn, mit lebhafter Induſtrie, nament-
lid) Baumwollſpinnereien und -webereien, Zucter-,
Feilen- u. Mafchinenfabrifen, und (1901) 7105 Einw.
Albert (foviel wie Wdalbert Pher Wibredt, lat.
Albertus), 1) U. Der Grofe (Albertus Magnus),
Graf von Volljtadt, genannt Doctor universalis,
geb. 1193 ju Lauingen in Schwaben, geſt. 5. Nov. 1280,
jtudierte in Badua, trat dann in den Dominifaner-
orden und lehrte in verſchiedenen deutiden Klöſtern,
feit 1230 3u Baris, wo er eine Seitlang aud) an der
Univerfitat den theologiſchen Lehrſtuhl innehatte, ward
1254 Provinjial feines Ordens in Deutſchland, 1260
Biſchof ju Regensburg, leqte 1262 diefe Würde nieder
und widmete fid in Köln ausſchließlich den Wiſſen—
ſchaften. Jn Lauingen und auf der Sdhwabentor-
briide in Freiburg i. Br. wurde ihm ein Denkmal er-
ridjtet. Das Staunen feiner Zeitgenoſſen über den Um—
fang feines Wiſſens, namentlid) aud) in der Chemie,
Phyſil und Mechanik, fpridt fic) in den Sagen aus,
die UW. zum Zauberer und Vertreter der Magie maden.
Seine naturwifjenfdaftliden Werke find meiſt Zu—
ſammenſtellungen der Forſchungen desUrijtoteles, und
auch feine philofophifd-theologijden Werke zeigen ihn
vdllig von Urijtoteles beherrſcht, deſſen entidheidende
Bedeutung fiir lange Zeit von ihm begründet wurde.
Nur in der Botanif trat er als felbjtindiger Forſcher
auf. Seine Schriften wurden (nidt vollſſändig) her-
ausgeqeben von Jammy (Lyon 1651, 21 Bde.; da-
nad Par. 1890 —98, 38 Ude.). Sein »Compendium
theologicae veritatis« (zuerſt NUrnb. 1473) war im
15. und 16. Jahrh. in zahlloſen Drucken verbreitet,
ebenfo die apofryphen Schriften: »Liber secretornm
Alberti Magni de virtutibus herbarum« (deutſch,
Reutling. 1874) und »De secretis mulierum et vi-
rorum«. ine kritiſche Ausgabe des 18. Rapitels der
» Historia naturalis« beforgten neuerdings E. Meyer
u. Jeſſen (»De vegetabilibus libri VII«, Berl. 1867).
Seine »De sacrosancto corporis domini sacramento
sermones« gab &. Jacob heraus (Reqensb. 1893),
jeine »Orationes super IV libros sententiarum« N.
Thoemes (Berl. 1893). Vol. Siqhart, UWlbertus
Magnus (Regensb. 1857); Joel, Verhaltnis Wiberts
bd. Gr. su Maimonides (Bresl. 1863); d'Aſſailly,
A. le Grand (Bar. 1870, Bd. 1); v. Deriling,
e
bertus Magnus (Köln 1880); Bad, Des Albertus
Magnus Verhaltnis zu der Erkenntnislehre der Grie-
) hann, geb. 23. April 1828 in Dresden, geſt. 19. Juni
tique sur la philosophie d'A. le Grand (Griiff. 1881). |
chen x. (Wien 1881); van Weddingen, Etude cri-
Albersweiler — Albert.
2) UW. I. (Wlbredt), der 18. Ergbifdof von
Magdeburg, jtammte aus dem thüringiſchen Gra-
—— Käfernburg (j. d.), ward in Paris und
Bologna gebildet, 1200 durch die Gunjt Junocen z TIT.
Dompropit yu —— und 1205 als Unhanger
König Philipps Ersbifdof von Magdeburg, 1206 pom
Papſt qeweiht. Der Reubau des am 20. Wpril 1207
durch Feuer zerſtörten Domes tit fein Hauptwerk. Rad
Philipps Ermordung half A. Otto IV. sur Unerfen-
nung in ganz Deut}dland und begleitete ihn 1209
nad Stalien. Als 1210 Otto der Bann traf, mußte
ihn U. trog allen Sträubens in Deutidland verfiin-
digen, worauf er 1212 die Wahl de3 Staufen Fried-
ric) IT. zum Konig betrieb. Deshalb traf ibn die Acht
und fein Webiet jarelange Bertoilitumg durd die Wel-
fen. 1222 ernannte Friedrid IL. ihn als Grafen der
Romagna ju feinem Stellvertreter in Oberitalien;
fortan [ebte er meijt in Stalien und bemiibte ſich um
Wufrechterhaltung des Friedens zwiſchen Kaiſer und
Papſt. Er jtarb 15. Oft. 1232.
3) A. von Poffemiinfter, qenannt Behaim,
d. h. Der Böhme, aus einer adligen Familie der Ober—
pfal;, um 1180 — 90 geboren, gejt. 1259, unter In⸗
nocen3 ITT. und Honorius III. als Sadjwalter an der
papjtlicen Kurie tätig, ward 1212 Domberr in Paſ—
fau, 1226 Urdidiafon von Lord und wurde 1239
von Gregor IX. nad) Deutſchland gejandt, um den
Bann gegen Friedrid) IL. gur Geltung ju bringen.
Auch auf dem Konzil ju Lyon 1245 war er dann als
Defan von Paſſau anweſend und betricb die Wahl
eines Gegenkönigs. Seine 3. T. im Original erhal-
tenen Miſſivbücher (hrsq. von Höfler in der Biblio-
thef des literarifdyen Vereins zu Stuttgart, Bd. 16,
1847) gewähren einen Einblic in feine rückſichtsloſe,
den lesten Staufen überaus ſchädliche Ugitation. Bat.
Sdhirrmader, UW. v. Pojjemiiniter, gen. der Böhme
(Weim. 1871).
4) Bifdhof von Riga, Beqritnder der deutſchen
Kolonie Livland, aus dem bremiſchen Rittergeſchlecht
der Uppeldern qebiirtig, war Domberr in Bremen
(als ſolcher 1189 pice und wurde 1199 Biſchof
von Livland. Er fiihrte 1200 ein ftattlides Pulger-
heer auf 23 Schiffen nach der Miindung der Diina,
wo er 1201 die Stadt Riga qriindete. Durd Heran-
jiehung neuer Bilger, fiir die er von Bapjt Inno—
cen3 IIT. völligen AÄblaß erwirtte, jtarfte er die Ro-
lonie und verbreitete Das Chriſtentum unter den Cine
qebornen. Dreigehnmal reijte er nad Deutſchland,
von wo er fic) mehrere Male nad Jtalien beqab, und
juriid nad Livland, das er bis 1207 Dem Chrijten-
tum und Dem deutſchen Volk eroberte und J. April 1207
von König Philipp als Lehen des Deutidhen Reiches
empfing. Auch Semgallen eroberte er und errichtete
hier cin Bistum. Uber Ejthland geriet er erjt mit dem
ingwifden geqritndeten Orden der Ritterſchaft Chrijti,
Dann mit bem König Waldemar von Danemart in
einen langen Streit. 1224 unterwarf er fic) aud died
Land und ernannte feinen Bruder Hermann jum
Biſchof. 1225 erhob ihn Kaiſer Friedrich II. gum Für⸗
ſten, fein Bistum zur Mark des Reiches. Er ſtarb
17. Yan. 1229 in Riga. Bal. KR. v. Schlözer, Live
land und die Anfänge deutſchen Lebens im baltifden
Norden (Berl. 1850); R. Hausmann, Das Ringen
der Deutiden und Dänen um den Beſitz Eſthlands
Al⸗ | bis 1227 (Leip;. 1870).
Fürſten Der neuern eit.
5) König von Sadfen, Sohn des Königs Jo—
1902 ju Sibyllenort in Sdlefien, ward unter Lei-
Albert (Fiirjten der neuern Zeit).
tung des protejtantifden Geheimrats v. Langenn er-
ogen und jtubdierte feit 1845 in Bonn Rechts- und
Staatswiſſenſchaften, betrat darauf die militäriſche
Laufbahn, nahm 1849 als Hauptmann an dem Feld-
us in Schleswig - Holjtein teil, erhielt 1851 als |
berjt und bald als Generalmajor die Fiihrung einer
Infanteriebrigade, einige Jahre fpater die einer Di-
vifion und wurde Dann Kommandeur der gejamten
Infanterie. Im Feldjug von 1866 befebligte er die
ange faidjifde Armee; anfangs dem 1. öſterreichi⸗
den Urmeeforps (Clam -Gallas) gugeteilt, kämpfte
A. bei Miindengrag und Gitſchin. In der Shladt
bei Königgrätz fanb er auf dem linfen Flügel der
öſterreichiſchen santa und verteidigte Broblus
34h gegen die Elbarmee. Nad Griindimg des Nord-
— Bundes befehligte er das 12. (ſächſiſche)
Armeelorps des deutſchen Bundesheeres. Unter ſeiner
Führung nahm dieſes im Kriege gegen Frankreich 1870
zuerſt entſcheidenden Anteil an der Schlacht bei Gra—
velotte (18. Aug.). Hierauf wurde ihm der Oberbefehl
über die aus dem Gardekorps, dem ſächſiſchen und
4. Armeekorps gebildete vierte (oder WMaas-) Armee
iibertragen, die, auf Dem Marjd von Metz nad Cha-
fons begqriffen, den redjten Flügel der großen Rechts-
ſchwenkung nad) Norden bildete, bei Buzancy das
Rorp3 Douay, bei Nouart und Beaumont das Korps
Failly zurückwarf und den Sieg bei Sedan erfedhten
half. ließlich beteiligte ſich mit ſeiner Armee an
der —— von Baris und nahm durd einen
Urtillericangriff den Mont Avron. Rad) dem Rriege
wurde er Generalfeldmarfdall und Generalinfpefteur
der erjten Urinecinfpeftion. Er folgte 29. Oft. 1873
feinem Bater auf dem Thron. Geit 1853 war er mit
der Pringeffin Carola (geb. 5. Aug. 1833), Tochter
des Prinzen Gujtav von Wafa und der Prinjeifin
Quife von Baden, finderlos vermählt. Bal. Haffel,
Mus dem Leben de8 Königs A. von Sadjen (bisher
2 Bde., Berl. 1898 —1900); v. Schimpff, König A.
fünfzig Jahre Soldat (4. Wufl., Dresd. 1893).
6) U. (Ulbredht) Kaſimir Auguſt, Herzog
pon Sadjen-Tefdhen, Sohn Friedrich Unguits I.
(IIT.) von Sadjen-Polen, geb. 11. Juli 1738 gu Mo—
ritzburg bei Dresden, get. 11. Febr. 1822 in Wien,
trat 1759 in das öſterreichiſche Heer und wurde 1760
Generalleutnant. Durd) feine Vermählung (1766)
mit der Erzherzogin Chrijtine, der Todjter Raifer
Frang’L. und der Maria Therefia, erhielt er als Lehen
das Fürſtentum Teſchen in Öſterreichiſch-Schleſien.
Er bekleidete 17685 80 die Gubernatur Ungarns und
1780—90 gemeinſchaftlich mit ſeiner Gattin die Gene⸗
ralſtatthalterſchaft in den öſterreichiſchen Niederlan—
den. Im Kriege mit Frankreich befehligte A. 1792 das
Belagerungsheer vor Lille, mußte jedoch die Belage- |
rung aufheben und, mit Beaulieu 6. Nov. bei Jemappes
geidia en, Belgien räumen. Nachdem er 1794 als
eich sfeldmarjdall gemeinfam mit den Preußen unter
Graf Mo lendorf operiert hatte, verließ er 25.Mai 1795
bas Heer und lebte feitdem in Wien. Seiner Gemahlin,
die 1798 finderlos ſtarb, ließ er 1805 in der Wiener
Augquftinerfirde durch Canova ein vielbewundertes
Denfinal erridten. Er verwendete große Summen
auf feine Bibliothef und feine an Handzeichnungen
berühmter Meister (Dürer, Raffael, Rubens) und
Rupferjtichen reiche Kunſtſammlung, Uibertina ge-
nannt, die ſpäter als Fideilommiß an den Erzherzog
Karl, an deſſen Sohn, den Exsherjog Albrecht, und
nad deſſen Tod an Karls Enel, den Erzherzog Fried-
rid), iberging. Daraus verdffentlichte Förſter » Litho-
graphiſche Ropien von Originalhandzeichnungen«
267
(Wien 1830—42); photographifdhe Nadhbildungen von
Jägermeyer (daj. 1863 — 66), UW. Braun in Dornad
(1090 Handzeichnungen), Schinbrunner und Meder
(Bien 1895—1900); vgl. Schinbrunner, Die
Ulbertina (daſ. 1887). Um Wien erwarb fid YW.
durch die »Ulbertinifde Wajferleitung« Verdienſte;
fein Standbild fteht im Feftfaale des neuen Rathauſes.
Bal. UW. Wolf, Marie Chriftine, Erzherzogin von
Djterreich (Wien 1863, 2 Bde.); v. Vivenot, Herzog
A. von Sachfen-Tefdhen als Reichsfeldmarſchall (daj.
1864—66, 2 Bde.); Malder, Herzog A. zu Sadjfen-
Teſchen 1738 —1766 (Daf. 1894).
7) U. Franz Auguſt Karl Emanuel, Pring
von Sadfen-Roburg-Gotha, Gemahl der Kö—
nigin Biftoria von Gropbritannien, zweiter Sohn des
Herzogs Ernjt von Sadjen-Roburg-Gotha, geb. 26.
Aug. 1819 im Schloß Rofenau bei Roburg, geſt. 14.
Des. 1861, widmete fic) feit 1837 in Bonn jtaats-
wijfenfdaftliden und geidhidtliden Studien. Der
Plan ju fener Vermahlung mit der Königin Vittoria
von England, die U. bet einem Befuch im Mat 1836
fennen lernte, ging von dem Konig Leopold I. von
Belgien aus und wurde, naddem der Pring eine ita-
lieniſche Reife gemacht hatte, bet einem neuen Beſuch
Ulberts in England im Herbjt 1839 verwirklidt. Yin
15, Oft. d. J. fand die Verlobung und 10. Febr. 1840
die Vermählung in London ftatt. Der Bring ward
naturalijiert und erbielt ein Jahreseinfommen von
30,000 Pfd. Sterl., wurde Ritter de3 Hofenband-
ordens, Großmeiſter de3 Bathordens, Feldmarfdall x.
und erbielt 1857 den Titel »Prince Consort of Her
most gracious Majesty«. €r trat in den Geheimen
Rat ein, wohnte den Audienzen bei, welche die Köni—
gin den Minijtern gab, und nahm von allen widtigern
Staatsſchriften Renninis. Wellingtons Vorſchlag, A.
ſolle ihm im Oberbefehl über das Heer nachfolgen,
lehnte er 1850 ab, um nicht ſeine Stellung als ver—
trauter Ratgeber der Königin durch die itbernagine
eines verantwwortliden Amtes gu gefährden, wirtte je-
dod nad) Wellingtons Tode bet den Reformen im
Militärweſen mit. BVoritbergehend wurde woh! feine
Einmiſchung angegrijfen, namentlid) 1854, wo man
ihn mit Unredt ruſſiſcher Sympathien beſchuldigte.
liberhaupt vermied er es, öffentlich feinen Einfluß auf
die Staatsgeſchäfte geltend gu maden, wiewohl er,
feiner Stellung und Begabung entipredend, in der
Stille eine bedeutende politiſche Tatigteit entfaltet hat.
Unerfannt wurde diefe Tätigkeit befonders auf dem
Gebiete der Wiffenfdaften und Künſte. Um die Uni-
verſität Cambridge, deren Kanzler er feit 1847 war,
hat er fich große Berdienjte erworben. Bonihm riihrte
aud der Blan gu der erjten Weltausſtellung in London
1851 ber. Die Urmenfdulen und die Beſſerungs—
anjtalten fiir jugendlide Verbrecher nahm er unter
feinen Schutz, forgte fiir die Wohnungen der drmern
Klaſſen, gab der induftrielen Entwidelung Unrequng
und trug durch die Anlage einer Mujterfarm in Wind-
for (vgl. G. F. v. Sd midt, Die Meiereien des Prin-
zen Y., Milind). 1865) sur Hebung des Ackerbaues und
der Viehzucht bei. So gelang es ihm mit der Beit, die
gegen ihn anfänglich qehegten Borurteile ju befeitiqen
und qroge Bopularitat ju ed si Sein infolge
eines typhojen Fiebers erfolgter Tod erregte allgemeine
Trauer, und die königliche Witiwe hielt ſich danach, fo-
weit ihre Regierungspflichten es zuließen, von der
Offentlichleit fern. Zahlreiche Denkmäler, dem Wn-
denfen des Prinzen geweihte Inſtitute rc. bringen ſeinen
Namen auf die Nachwelt. Seine Reden erſchienen in
» Addresses delivered on different public occasions
268 Albert — Alberta.
by H.R.H. Prince A.« (ond. 1857) und »The prin- | mechaniſche Zuridtung von Autotypkliſchees zur
cipal speeches and addresses of H. R. H. the Prince | Förderung des Kunſt- und Illuſtrationsdrucks bet.
Consort« (mit Notizen der Königin, daj.1862; deutſch, 3) Eduard, Chirurg, geb. 20. Jan. 1841 ju Senf-
Brem. 1863). Bgl. Grey, The early years of the | tenberg in Böhmen, gejtorben dajelbjt 26. Sept. 1900,
Prince Consort (auf Veranlaſſung der Königin, | jtudierte in Wien, wurde 1873 Profeſſor der chirur⸗
4. Unfl. 1869; deutſch, Gotha 1868); Bauli, Auf— giles Klinik in Innsbruck, 1881 Profeſſor in Wien.
ſätze zur engliſchen Geſchichte (Keipz. 1869); das im | Er arbeitete beſonders über Fieber, tieriſche Warme
Auftrag der Königin verfaßte Werk von Sir Theodor und Mechanik der Gelenke, ſchuf eine Reihe neuer
Martin: »Life of H. R. H. the Prince Consort« chirurgiſcher Methoden und ſchrieb: »Beiträge zur
(Lond. 1876 —79, 5 Bde.; deutſch, Gotha 1876—81); operativen Chirurgie⸗ (Wien 1878—80); ·Lehrbuch
die Aufzeichnungen der Königin: » Leaves from the | der jpegiellen Chirurgie« (5. Aufl., daf. 1898, 2 Bde.);
journal of our life in the Highlands« (hr8q. von | »Diagqnojtif der chirurgiiden Kranfheiten« (8. Vlufl.,
Helps, Lond. 1868; deutſch, Braunſchw. 1868). daj. 1900); »3ur Theorie der Sfolivie« (da}. 1890);
8) A. Bring gu Sadjen-Ultenburg, preuf. | »Der Mechanismus der ffoliotijden Wirbelſäule«
General, qeb. 14. Upril 1843 in Miinden, geit.23. Mai (daj. 1899); »Cinfithrung in das Studium der Urdhi-
1902 auf Schloß Serrahn (Medlenburg « Schwerin), | teftur der Röhrenknochen« (daſ. 1900); »Beitrage sur
Sohn des Kringen Eduard (1804 —52), Vetter des | Renntnis der Ojteompelitis« (mit Rolisfo, daj. 1896);
Herjogs Ernit von Sadjen- Ultenburg, war 1861— | Bgl. Habart, Eduard A. Gedenfblatt (Wien 1900).
1865 Leutnant im 5. preußiſchen Ulanenregiment, trat| Wibert (pr. albär), 1) Ulerandre Martin, ge:
fodann in ruſſiſche Dienfte und ftieg bis gum General | nannt A., fran. Sosialijt, geb. 27. Upril 1815 m
a la suite des Kaiſers auf. Nachdem er aus dem ruſſi- Bury (Oiſe) als Sohn eines Bauern, geit. 29. Mai
ſchen Dienjt geidieden war und fic 6. Mai 1885 mit | 1895 in Creil, war Mechanifer in Baris, wo er 1840
der Prinzeſſin Marie von Preugen, Witwe des Prine | auc ein populäres Blatt: »L’Atelier<, gründete. An
zen Heinrich der Niederlande, vermählt hatte, wurde | der Februarrevolution 1848 nahm er etfrigen Unteil
er gum preußiſchen Generalmajor a la suite der Ure | und ward als Vertreter ded Yirbeiterjtandes zum W.t-
mee, 1889 jum Kommandeur der 3. Gardefavallerie- | qliede der provijorifden Regierung ernannt, 4. März
brigade ernannt und 1891 als Generalleutnant a la Wrajident der Kommiſſion fiir Erridtumg von Ratio-
suite gejtellt. Nad dem Tode der Prinjeffin Marie | nalwerftitten und im Upril in die Nationalverjamm-:
(20. Suni 1888), die ihm zwei Töchter qebar, vermablte | lung gewählt. Wegen feiner Teilnahbme am Uttentat
er fich 13. Dey. 1891 mit der Prinjeffin Helene von | vom 15. Mai 1848 verhaftet, wurde er gu lingerer
Medlenburg - Strelig (geb. 16. Jan. 1857). Gefangenſchaft verurteilt und geriet in Vergeſſenheit.
Wlbert, 1) Heinrich, Liederdidter und Kompo⸗ Wahrend der Belagerung von Baris 1870 war er
nijt, geb. 28. Juni a. St. 1604 gu Lobenjtein im Bogt- | Mitglied der Barrifadenfommiifion und von 1871—
land, gejt. 6. Oft. 1651 in Königsberg, jtudierte in | 1894 Waterialinipeftor der Gasgefellidaft in Creil.
Leipzig Die Rechte, Dann Muſik unter ſeinem Oheim | 2) Eugen d’, Pianijt und Komponiſt, geb. 10.
Siig in Dresden, ging 1626 nad Königsberg i. Pr., Upril 1864 in Glasgow als Sohn eines bei Ultona
wo er 1631 Organijt an der Domfirde wurde. Seine | qebornen Mujfiters franzöſiſcher Abkunft und einer
Gedidte, die er alle felbjt in Muſik geſetzt hat, find deutſchen Mutter, erhielt den erjten Muſikunterricht
jum größten Teil Kirchenlieder, von denen cinige nod | von ſeinem Bater, feine weitere Ausbildung aber
jest im Gebrauch find; femme wenig zahlreichen welt- durch Ernſt Bauer u. a. in der National training
lichen Lieder zeichnen fid) durch anmutige Leidtig- school gu London und 1881 als Mendelsfohnjtipen-
feit aus. Sie erſchienen (mit einigen ſeiner Freunde | diat durch Hanns Richter und Liſzt. Nod in demfelben
Dad und Roberthin) geſammelt m ſeinem berühm- Jahre begann A. jeine pianijtiide Nubmeslaufbahn,
ten »Poetiſch⸗ muſilkaliſchen Luſtwäldlein⸗ (Königsb. | die ihn bald in die erjte Reibe der lebenden Miavier-
1648), cine Auswahl mit den Mufifbeilagen, in den ſpieler jtellte. Durd) zwei Konzerte und eine Suite fiir
»Neudrucken deutider Literaturwerfe« (hrsg. von L. Klavier, eine Symphonie, eine Ouvertiire, ein Cello-
H. Fticher, die Mujifbeilagen von Eitner, Halle 1883 konzert, ferner durd zwei Streidquartette, hübſche
bis 1884). Dem Einfluß des WMaufifers A. war vor Lieder und die Opern »Der Rubin« (1893), »Ghis⸗
allem die vollstümliche Sangbarfeit Der Gedichte Des ~mondi« (1895), »Gernot« (1897), »Die Ubreije«
Königsberger Kreiſes zuzuſchreiben. (1898), »Rain« (1900) ſowie durch das Chorwerk⸗Der
2) Joſeph, Photograph, geb. 5. März 1825 in Menſch und dad Leben« machte er ſich auch als Rom-
München, geſtorben daſelbſt 5. Mai 1886, beſuchte poniſt einen Namen. A. war 1892 —95 vermählt
die polytechniſche Schule, die Alademie in München, mit der Klavierſpielerin Tereſa Carretio (j. d.); 1895
—— 1850 ein photographiſches Atelier in Augs⸗ vermählte er ſich mit Der Sängerin Hermine Fink.
urg und ſiedelte 1858 nad München über. Er Seinen Wohnſitz hat er in Frankfurt a. M.
wandte die Photographie zuerſt sur Vervielfaltiqung Alberta, Dijtrift der Dominion of Canada (ſ. Karte
von Handzeichnungen und Rupferjtiden an (Kaul | bei Ranada⸗ ) grenzt tm B. an Vritijd-Columbia,
bad, Schwind, RethelS Hannibaljug u.a.). Wud)! im N. an Wthabasea, tm O. an Sasfatchewan und
lieferte er photographifde Nadbildungen von Werfen Aſſiniboia, tm S. an den Unionsjtaat Montana und
ber Miindener Pinafothef. Er vervollfommte den enthalt 259,000 qkm mit (1900 65,876 Cinw. Sm
Lichtdrud, nad ihm Albertotypie, Wibertypie ge- W. ijt es waldiges Feljengebirgsland, das den Rody
nannt, und benugte ibn zur Verbeſſerung des photo: | Mountain Part von Banff mit jeinen heißen Quellen
chromiſchen Berfahrens der Gebriider Ducos de | fowie die widtiqen Rohlenlager von Ynthracite und
Dauron. — Sein Sohn Eugen A., geb. 26. Mai | Lethbridge umſchließt, im O. aber Buſch- und Gras
1856 in Augsburg, griindete in München eine Kunſt- prarie, die fic) befonders am Nord-Sastathewan
und Berlagsanjtalt zur Berwertung feiner Erfin- als anbaufähig erwiejen hat. Im O. und S. bedarf
dungen ex liefert in Kupfer geätzte Hochdrucklliſchees Uderbau und Sieh sucht der lünſtlichen Bewäſſerung.
für die Buchdruckpreſſe, Heliogravüren xc. und trug Das harte Winterklima wird durch den föhnartigen
durch Erfindung der Citochromie ſowie durch die Chinookwind etwas gemildert. 1891 gab es 31,970
Albert Edward-See — Albertustaler.
Pferde, 145,658 Rinder, 16,057 Sdhafe und 5103
Schweine. Hauptort ijt Edmonton.
Albert
Ngéſi, ſ. Karte »Deutſch-Oſtafrika«), See in Zentral⸗
afrifa, ſüdlich vom Äquator und vom 30.° öſtl. L.
durchſchnitten, liegt im großen afrikaniſchen Graben,
nad) Lugard 988 m, nad) Kandt 900 m ii. M. Das
meergriine Wajjerbecten bat mit rund 4000 qkm
lade eine unregelmäßig kreisförmige Gejtalt und
wird im ©. und W. von den Steilhangen de Ur—
idieferplateaus begrengt. Din S. delat ſich die weite
flade Ebene des Rutſchuru aus, im N. hängt der See
durch cinen ſchmalen Kanal mit einem weiten kleinern
Becken, dem Kafuru- oder Ruifamba⸗See, zuſammen.
Jin N. erhebt ſich die gewaltige Bergmaſſe ded Run—
foro, an deſſen Weſthang der Ausflüß des Sees, der
Semilifi, nach N. zum Albertſee (j. d.) ftrdmt. Der
Wafjeritand des Sees war früher weſentlich höher,
nach Grogan ſchrumpft er jetzt ſchnell zuſammen.
{berti, 1) Leon Battiſta, ital. Künſtler, geb.
18. Febr. 1404 in Venedig, geſt. 1472 in Rom, aus—
gezeichnet als Architelt, Maler, Kunſtſchriftſteller, zu⸗
leich aber auch als Dichter, Antiquar, Philoſoph,
echaniler (Erfinder einer Camera obſcura) und
Muſiler, von ſeinen Zeitgenoſſen wegen ſeiner alles
unifaſſenden Bildung ein »enzyllopädiſcher Menſch⸗
genannt. Seine lateiniſche Komödie »Philodoxios«
galt anfangs fiir ein antifes Werf. Jn der Malerei
find feine Verſuche einer wiſſenſchaftlich durchgeführten
Perjpeftive bedeutend; als Architelt ragt er durch Ver⸗
ſtändnis des Damals erſt wieder geſchätzten Vitrun her: |
vor und unterſcheidet fic) von den Zeitgenoſſen durch
ein jtrenges Fejthalten an den Gefjegen des römiſchen
Goward: See (Muta Nfige, aud |
269
4) Konrad, Pjeudonym, f. Sittenfeld.
Wlbertina, Name der KinigSberger Univerijitit,
geqriindet vom Herzog Albrecht I. von Preußen, auc)
Der vont Herzog Albert von Sachſen-Teſchen begrün—
deten Kunſtſammlung in Wien (ſ. Albert 6, S. 267).
Albertinelli, Mariotto, ital. Maler, geb. 13.
Olt. 1474 in Florenz, geſt. 5. Rov. 1515 daſelbſt, war
Schüler Cofimo Rojjellis, ſchloß fic) aber mehr an
Fra Bartolommeo an und war mit diefem gemein-
ſchaftlich tätig, was unter anderm eine mit jenem
gemalte Himmelfahrt Maria (Berliner Muſeum) be-
zeugt. Seine Hauptwerfe find die edle, qrofartig font
ponterte Heimjudung in den Uffizien, cine Vertiindi-
~~ Der Alademie gu Florenz und cine andre in
der Münchener Pinafothef fowie eine Madonna mit
sa im Louvre ju ‘Paris.
Ulbertiner, Münze, |. Wlbertustaler.
Wibertinerinuen, ſ. Wibert- Verein.
Albertiniſche Linie, dic jiingere, im Königreich
Sadjen regierende Linie des Hauſes Wettin. Bee
qriindet von dem 3 Sohn Friedrichs des Sanft⸗
mütigen, Albrecht, der bei der Teilung von 1485
Meißen erhielt, erlangte ſie 1547 die den Erneſtinern
von Sarl V. entriſſene Kurwürde (j. Moritz), 1697
be en Den Ubertritt zur fatholijden Kirche die pol-
niſche Krone, die fie bis 1763 behauptete, und be-
fam 1806 von Napoleon im Frieden zu Pofen den
Rdnigstitel.
Albertis, Maria d', ital. Reijender, geb. 21. Nov.
1841 in Voltri (Proving Gena), geſt. 22. Sept. 1901
in Saſſari, madte 1860 Garibaldis Feldzug in Si—
| jilien mit und widmete fid) von 1871-—78 der Er-
forjdung von Neuguinea, befonders in zoologiſcher
Stils. Cr war Priejter und Doktor beider Redte. | und ethnographifder Hinjicht. Bei feinem viermaligen
Seine arditeftonijchen Hauptwerfe find die Kirche Beſuch der Inſel erforjdte er 1872 den äußerſten
San Francesco in Rimini, die Faſſade von Sta. Maria Nordiwejten, 1875 die Yuleinjel an der Südoſtküſte
Novella und der Palazzo Rucellai in Floreny. Er ijt und den Unterlauf des Flyfluſſes, den er 1876 und
der bedeutendſte Humaniſt unter den Künſtlern. Seine 1877 bis zur zentralen Gebirgskette verfolgte. Er ver—
ſchriftſtelleriſchen Hauptwerle über Kunſt find: »De öffentlichte darüber: »Alla Nuova Guinea. Cid che
picturas (zuerſt Bajel1540) und » De reaedificatoria«
(flor. 1485). Seine »Opere volgari« gab Bonucci
(Flor. 1843—49, 5 Bode.), die kleinern funittheoreti-
iden Schriften Janitidel (Wien 1877, mit Uberjegung
und Erlaiuterungen) heraus. Vgl. Paſſerini, Genea-
logia e storia della famiglia A. (Flor. 1869, 2 Bde.); |
Mancini, Vita di L. B. A. (daf. 1882); Sdu-
mader, Leon B. A. und feine Bauten (Berl. 1899).
2) Friedrid Auguſt, Geolog, geb. 4. Sept. 1795
in — frit. 12. Sept. 1878 in Heilbronn, trat
1809 in das Vergtadettenforps zu Stuttgart, wurde
1828 Verwalter der von ihm begriindeten Saline Wil-
helmshall, 1853 Verwalter von Friedridshall, und
teufte 1854—59 den Friedridshaller Schacht ab, durch
deſſen Vollendung der Schwerpuntt der wiirttenbergi-
{hen Salsproduftion von Wilhelmshall nach Fried-
ridshall verlegt wurde. Auch fiihrte er die Dampf-
heigung beim ——— ein. Seit 1870 lebte er
in Heilbronn. Erſchrieb: » Beitrag zu einer Monogra-
phie des Bunten Sandſteins, Vtujdelfalts und Reus |
pers und die Verbindung diejer Gebilde ju einer For-
mation« (Stuttg, 1834); »Halurgijche Geologies (dai.
1852, 2 Bbe.); » Uberblict über die Triags« (Daj. 1864).
3) Luigi, ital. Didter, qeb. 1822 in Florenj, ſchrieb
lyriſche Gedichte und zahlreiche Luſtſpiele pie Aine
lor. 1875), deren erjtes » Il Conte e l’Ostiere« (1845)
und deren bejtes » Pietro l'operajo⸗ ijt; dazu »Asmo-
deo, fantasia drammaticas (1885), deſſen erjte Auf—
fiibrung (1887) ju lebhaften literarijden Erdrterun-
gen Anlaß gab.
ho veduto e cid che ho fatto« (Meapel 1880), gleid-
seit in englijder Überſetzung (ond., 2 Bde.).
{bertit, cin Mineral ähnlich dem Aſphalt, ſ. d.
Wilbert Lea City (ivr. li pitty, Stadt im ſüdlichen
Minnefota, Grafidaft Freeborn, Bahnknotenpunkt,
mit Siegeleien, Produftenhandel u. (1900) 4500 Einw.
Albertotypie, |. Albert 2 (S. 268), u. Lichtdruck.
Albertſee (Miwutan Rjige; f. Rarte »YAqua-
torialafrifa«), großer, von SW. nach NO. geſtreckter
See in Zentralafrifa, 680 m ii. We, ijt 150 km lang,
durchſchnittlich 30 km breit und umfaßt 4500 qkm.
Das blaue Waſſer des Sees fiillt eine tiefe Graben-
jenfe, deren Rander im W. 500 m, im O. 300 m auf-
jteigen. Auf der Goble dieies Grabens jtrdmt der
Semlifi, der Abfluß des ſüdlichern Wibert Cdward-
Sees (j.d.), in Den See, an der Nordſpitze mündet von
D. als Abfluß des Victoria-Sees (ſ. d.) Der Victoria-
Nil (Mivira) ein, nahe dabei erfolgt der Ausfluß des
Sees als Somerfet-Mil oder Bahr-el-Djchebel, der tm
Großen Graben nach N. flieht. Der Nordteil des Sees
jdjeint bedeutend tiefer als Der Siidteil gu fein. Der
See wurde 1864 von Baker entdedt.
Albertus Maguus, ſ. Wibert 1 (S. 266).
Ulbertustaler (Wibertiner, Kreuztaler,
Burgundertaler), Silbermiinge, feit 1598 in den
habsburgijden Niederlanden nad dem Reidsfupe
von 1559 gepragt, und gwar sum Gebalt von 242
Grin, 95/4 aus der feinen Mark, wurde befonders in
Ojteuropa beliebt, im 18. Jahrh. in Braunidpweig,
| Ungarn, Holjtein, Preußen xc. geprägt. Zuletzt wurde
270
nod in Rurland und Livland nad Ulbertustalern ju
4 Ort = 3 Ulbertusgulden gu 30 Ulbertus-
grofden gerednet. 9°/s diefer U. — 14 Tir. preuf.
Albert-Verein , Landesfrauenverein vom Roten
Kreuz unter dem Proteftorat der Mdnigin im König—
reid) Sadjen, 1867 von der Kronprinzeſſin Carola
geqriindet und nad) ihrem Gemahl König Albert be-
nannt, forgt gemeinjamt mit dem Landesnrinner-
verein vom Roten Kreuz fiir die Sicherjtellung der
der freiwilligen Rranfenpflege im Königreich Sachjen
jufallenden Kriegsleijtungen, bildet im Frieden dem—
entipredend Schweftern (Ui bertinerinnen) aus
und bietet feine Hilfe im Frieden allerlei gemein—
niigigen Werfen, bejonders der Gemeindefranfen-
pfleqe. Wutterhaus ijt das Carolahaus in Dresden.
Bweigvereine beftehen in allen größern Orten des
Königreichs.
Albertville (pr. albarwih, Arrondiſſementshaupt⸗
ſtadt im fran}. Depart. Savoyen, 1835 durd) Ber-
einigung der Städte Conflans und LHöpital ge
bildet und nad König Karl Wibert benannt, am Arly
gue Sere) und an einem Fliigel der Mont Cenis-
abn gelegen, ijt Durd cin Fort und Batterien be-
fejtigt, bat ein altes Schloß, eine Strafanitalt, eine
Normalidule, Schieferbriicde und (1901) 5078 Einw.
Wlbérus, Erasmus, Dichter und Gelehrter,
geboren um 1500 in Sprendlingen (zwiſchen Darm⸗
ſtadt und Franffurt), geſt. 5. Mai 1553 als General:
juperintendent in Satcustenbara, ging 1518 nad
Wittenberg, wo er Luthers befondere Suneigun
eno, und war dann an dielen Orten ebrer un
rediger. A. gehört gu den rilftigiten Streitern fiir
die Reformation, deren Sache er in zahlreichen Schrif-
ten vertrat. Seine poetiſchen Werte find: ⸗Das Bud
von der Tugend und Weisheit« (Franff. 1550 u. ö.),
das 49 (teils andern nadgebildete, teil aud) felbjt-
erfundene) Fabeln enthalt, die er zur Darjtellung
feiner Unfidten über Kirche und Staat benutzt (mit
Quellennachweiſen herausgegeben von Braune, Halle
1892), und »Geijtlicdhe Lieder«, von denen nod) jept
mande in Gefangbiichern zu finden find (neue Aus—
gabe von Stromberger, Halle 1857). Unter feinen
Brofafdyriften ijt am bedeutendjten » Der Barfiifer-
monde Culenfpiegel und UWlforan«, mit BVorrede
Vuthers (Wittenb. 1542), ein ſatiriſcher Auszug des
Buches » Liber conformitatum« des Bartholomius
de VPiſis (1385), worin die Ähnlichkeit des heil. Frangis-
fus mit Chrijtus durd die abenteuerlichſten Wunder
dargetan werden follte. Val. Schnorr von Carols:
feld, Erasmus A. (Dresd. 1893).
Albesdorf, Dorf im deutſchen Bezirk Lothringen, |
Kreis Chateau -Saling, hat eine ath. Kirche, Wmts-
gericht, Oberfiriterei, Waifenhaus u. (1900) 562 Cinw.
Wlbfuk, ſ. Drudenfuß.
Albgeſchoß (Albſchoß), ſ. Hexenſchuß.
Albi, Hauptitadt des franz. Depart. Tarn, auf
einer Anhöhe am linfen Ufer des Tarn, iiber den zwei
Brücken nad der Vorjtadt Madeleine fiihren, an der
Südbahn und Oriéansbahn gelegen, hat eine gotiſche,
einſchiffige Rathedrale (1277 1512 erbaut) mit ſchö—
nem Bortal und vieredigem Turm, einen fejtungs-
ähnlichen erzbiſchöflichen Balajt, ein Denfmal des
Seefahrers Lapéroufe, ein Lyzeum, eine Normalfdule,
cine Bibliothef, cin Muſeum, eine Irren- und Taub-
jturmmenanjtalt und (1901) 18,262 (als Gemeinde
22,571) Einw., die Fabrifen fiir Leinen-, Wollen- und
Baumwollenzeuge, Hilte, Aniseſſenz rc. unterhalten.
U. tit Sig des Brafetten, eines HandelSgerichts und feit
1678 eines Erzbiſchofs. — VL, das alte Albiga, war im
Albert-Verein — Wlbinos.
Mittelalter Hauptſtadt einer Grafſchaft (Wl bige ois,
ſ. Die Geſchichtslarte von Franfreid) und ein Hauptſitz
der Albigenſer (f. d.), die Von ihr den Namen führten.
Albigan, altdeutider Gau, ſ. Algäu.
Albigeénſer, —— die Einwohner der Stadt
Albi und ihres Gebietes Albigeois, wo ſich ſchon gegen
Ende des 12. Jahrh. die Lehren der unter dem Namen
der Katharer, Patarener oder Publikaner belannten
Häretiler verbreiteten; Dann Geſamtname Der ſüd—
franzöſiſchen häretiſchen Gemeinden, aud der Wal—⸗
denſer. 1208 gab die Ermordung des päpſtlichen Le-
aten Peter von Caſtelnau Anlaß zu den von Papft
Innocenz ILL. betriebenen, von Sinton von Montfort
qeleiteten entſetzlichen Albigenſerkriegen, im de
nen Siidfrantreid) grauenhaft verwiijtet wurde, be-
fonders das Gebiet des den Ketzern geneigten Rai-
mund VI. von Toulouje. Béziers wurde erftiinnt
und die gegen 20,000 Seelen jtarfe Bevdlferung er-
mordet. Graf Raimund ward ſeines Landes fiir ver-
lujtig erfldrt und das Kreuzheer mit Bollsiehung des
Urteils (1211) beauftragt. Nad) Beſiegung Raimunds
und feines Betters Peter von Uragonien wurde der
Graf von Montfort mit Languedoc belehnt, fiel aber
ſchon 1218 vor Touloufe. Nad) dem Tode des Grafen
Raimund VI. (1222) fegte deffen Sohn Raimumd VIL.
den vom Vater ererbten Kampf fort, bis aud) der K-⸗
nig von Franfreid) des Papjtes Partei ergriff. Da
ſchloß er unter demiitigenden Bedingungen Frieden
(1229), und die gleidjeitig ju ** errichtete
päpſtliche Inquiſition vollendete die gewaltſame Be—
tehrung des Landes. Der Seftengeijt aber wucherte
insgeheim fort, fo in Biemont, wobhin viele U. aus
der Provence geflohen, die als Waldenſer im 13. und
14. Jahrh. im Gegenfage zur Kirche verharrten. Bol.
K. Schmidt, Histoire et doctrine de la secte des
Cathares ou Albigeois (Strakb. 1849); Beyrat,
Histoire des Albigeois (Bar. 1880—82, 2 Bode.).
Der Verjweiflungsfampf der A. ijt der Gegenjtand
des epifchen Gedidhts »Die A.« von Rifolaus Lenau.
Wlbigevis (jr. aa), franz. Landſchaft, ſ. Albi.
mint caida age (fpr. -binja), ſ. Bernina.
Albin, Mineral, ſ. Apophyllit.
Albinagii jus (lat. Albinagium), Seimfalls-
rect, ſ. Albanagium und Fremdenredt.
Wibini, Franz Jofeph, Freiherr von, deut-
ſcher Staatsmann, geb. 14. Wai 1748 in St. Goar,
geſt. 8. Jan. 1816 in Dieburg, Sohn des furbdhmi-
ſchen Kammergerichtsaſſeſſors Rafpar A. (1788 in
den Freiherrenſtand erhoben), trat 1770 in fürſtbiſchöf⸗
lid) würzburgiſche Dienjte, 1775 in das Reichsfam-
—— und ward 1787 als Reichsreferendar des
Mainzer Erzbiſchofs nach Wien geſandt. 1790 wurde
* furmaingifder Hofkanzler und Miniſter, wohnte
| 1798 dem Kongreß ge Rajtatt bei, ſtellte ſich 1799
an die Spige des Mainzer Landjturms und ward,
als Dalberg Großherzog von Franffurt geworden
‘war, deſſen Minijterprajident. Später trat A. im
öſterreichiſche Diente.
Albinismus, Sujtand der Wibinos (ſ. d.).
Wlbinoni, Tommafo, ital. Opernfomponiit,
geb. 1674 in Benedig, gejtorben dafelbjt 1745, ſchrieb
149 Opern, ijt aber hiſtoriſch bedeutſam durd ſeine
/Rammerfonaten und Sinfonien fiir 3—7 Inſtru—
mente, denen J. S. Bad) die Themen zweier feiner
| Fugen entnahm.
=
{binos (v. jpan. albino, weißlich Ralerlaten,
weiße Reger, Dondos, Weißſüchtige, lat.
Leucaethiopes), Menſchen mit bellweifer oder rofig
durchſcheinender Haut, feidenartigen, weißen Ropf-
Albinovanus —
Bart- und Sdhambaaren, blak rojenroter Iris und
tiefroter Bupille. Der Augapfel der W. ijt in fteter
gitternder Bewegung, fie fehen am beften in der Däm⸗
merung, und alle jind kurzſichtig. Im allgemeinen
von mittlerer Größe, find fie von ſchwächlicher Kon—
ftitution. Wan findet fie in allen Klimaten und un-
ter allen Menfdenrajjen, am häufigſten aber unter
den Nedern. Jn einigen Gegenden find fie cin Gegen-
ftand des Ubjdeues, weshalb fie ſich in unbewohnte
Gegenden juriidsiehen und dort beijanumen leben, fo
daß man Ms als eine befondere Nation oder Raſſe
betradjtet hat. Der UlLbinismus (Leufithiopie,
Leufopathie) beruht auf mehr oder minder volljtin-
digem Mange! des Pigments in der Malpighiſchen
Schicht der Haut fowie auf Pigmentmangel im der
— ens und Gefäßhaut des Auges, die deshalb
hellrot (Blutgehalt) erfdeinen; er ijt ſtets angeboren,
fommt ſporadiſch, auch erblich, vor und ijt unbeilbar.
Er findet ſich aud) bei Tieren (Naninden, Mäuſe,
Raben, Tauben, Sdhwalben x.). Die weihen Elefan-
ten und die ijabellfarbenen Pferde find cine an Ulbi-
nismus angrengende Varietät. Der partielle ULbi-
ni8mus, der angeborne teilweife Pigmentmangel, ijt
häufiger bei Europäern beobadhtet (weike Flede); er
fann aud vererbt werden. Bal. Mansfeld, tiber
das Wejen der Leufopathie oder des Albinoismus
(Braunfdw. 1823).
Albinovanns, Redo, rim. Didter, Freund des
Ovid, feierte die Taten des Germanicus (16 n. Chr.
in einem Epos, von dem nur ein {chines Brudjtiid
(in Bahrens’ »Fragmenta poetarum latinorum«,
Leips. 1886) erhalten ijt.
{binus, Decimus Clodius, aus edlem Ge-
idledht, wurde von Commodus gum Statthalter Bri-
tannien8 ernannt, von Septimus Severus als Cä—
far anerfannt, dann aber nad) Niederwerfung des
Peſcennius Niger von ihm 197 bei Tournus in der
Nähe von Lyon bejiegt und getitet.
Albion, feltijder, jest nur noch poetiſch gebrauchter
Name der gropbritann. Inſel (England und Sdott-
land), kommt feit Dem 6. Jahrh. vor.
Mibion, 1) Stadt im Staate New Port, Grafſchaft
Orleans, am Eriefanal und der New Yorf- Sentral:
babn, mit (1900) 4477 Einw. — 2) Stadt in Diichiqan,
Grafſchaft Calhoun, fiidlid) von Lanſing, mit College,
Uderbaugeritefabrifation und (1900) 4519 Einw.
WUlbionmetall, mit Sinn plattiertes Blei.
Albionpreffe, cine in England zuerſt von Cope
erbaute und dort nod) heute benutzte Handdruckpreſſe
fiir Budhdrucer.
Wlbis, Bergtette im ſchweizer. Ranton Zürich, ein
16 km langer Molajjeriiden, der im 918 m hobhen
Bürglen jeinen Gipfelpuntt, im 873 m hoben litli
(Uto) feinen Schlußpfeiler hat (7. Zürich). ber den
Albispaß (793 m) bewegte fic) ehedem der ganze
Verlehr von Zürich nad Zug und dem Vierwaldſtaͤtter⸗
fee. Win Weſtfuße des A., bet Hauſen, die Kaltwaſſer—
heilanſtalt Albis brunn, 630 mii. M., 1839 angelegt.
Albis, rim. Name der Elbe (7. d.).
Al bisogno (ital., fpr. vijonnjo), tm Notfall (bei
Notadrefjen auf Wechſeln).
WUlbiffolafpigen, benannt nad dem Städtchen
Ulbiffola bei Genua, den Genueſer Spigen ähnlich.
Albiſtãn, Städtchen von etwa 6500 Einw., un-
weit der Duellen des Dſchihãn, im Liwa Maraſch des
ajiatijdy-tirt. Wilajets Haleb (Wleppo), 66 km nidrd-
lid von Maraſch, in ebener Gegend.
Abit (wegen feiner weißen Farbe fo qenannt, aud
Natronfeldj pat), Mineral der Feldipatgruppe (vgl.
Albofarbonlampe. 271
Feldſpat), findet fic in fury ſäulenförmigen (eigent-
lider A.) und in tafelformigen Rrijtallen (Beriflin),
aud) derb in firnigen Uggregaten. Er ijt farblos,
bisweilen grün oder braun, glasglinjend, durchſich—
tig bis kantendurchſcheinend, findet ſich auf Bangen,
Klüften und Drujenraumen von ältern Eruptivgestei-
nen (Granit, Diorit xc.) und Tonſchiefer, bildet aud
häufig einen Bejtandteil dieſer Felsarten und von
Gneis. Fundorte: St. Gotthard, Tirol, Elba, Hirſch—
a in Schleſien 2.
Ibizzia Durazz., Gattung der Lequminofen,
unbewehrte Baume oder Straiuder mit doppelt ge-
fiederten Blattern und jablreiden Fleinen oder wenigen
großen Blattdhen, weißen, gelben oder roten Bliiten
in fugeligen Köpfchen oder zylindriſchen Ähren und
breiten, geraden, fladgedriidten Hiilfen. Uber 50
Arten im tropijden und fjubtropijden Ujien, Ufrifa
und Auſtralien, in Umerifa eingefiihrt. A. lophanta
Benth. (Acacia lophanta Willd.), 3—4 m hober, ſehr
ſchnell wadfender Baum mit gelben Bliiten, m Siid-
Wejtaujtralien, mit gerbſäurehaltiger Kinde und fapo-
ninbaltiger (10 Broz.) Wurzel, wird als eine der be-
liebtejten Zimmerpflanzen fultiviert. A. Lebbek Benth,
(Acacia Lebbek Willd., Sirisakazie, Lebbad-
baum), im tropifden Afien und YUfrifa, ein in Ygyp-
ten ſehr beliebter Alleebaum von groper Lebensfraft,
liefert wertvolles Holz (in Bengalen Girfa, Si—
riffa), Gummi und Gerberrinde. A.Saman Fr. v. M.
)) Regenbaum, Guango), in Mexiko und Siidante-
rifa, 20 m hod) mit mächtiger Krone, durch die nadts
der Regen hindurdfallt (weil die Fiederblättchen fic
zuſammenlegen), wadjt jebr ſchnell, liefert Nutzholz
und fleijdige Sdoten, cin ſehr majtendes Futter fiir
Weidevieh. A. Julibrissin Boiv., Baum mit rofen-
roten Bliiten im tropijden und fuptropifden Wien
und Ufrifa, in Siideuropa als Schatten- und Rier-
pflange fultiviert, liefert qutes Nutzholz, die aroma-
tifchen Blatter werden als Tee benust.
Wiblafferdam, Stadt in der niederländ. Proving
Siidpolland, 5 km ndrdlid von Dordredht, an der
Miindung der Alblas in den Maasarm Noord, mit
Schiffswerft und (900) 5293 Cinw.
Albock, j. Rente.
Alboĩd, vernideltes Britanniametall.
Alboin, König der Langobarden, entidied 551
eine mörderiſche Schlacht gegen die Gepiden gu gunſten
ber ———— heiratete um 555 Chlotoſuintha,
Tochter Franlenkönigs Chlotar, folgte 561 ſei—
nem Vater Audoin, ſchloß 565 ein Bündnis mit den
Awaren, ſchlug 566/67 die Gepiden, deren Konig Kuni—
mund er tötete, und drang, Von zahlreichen germa—
niſchen Scharen begleitet, uͤber den Predilpaß Oſtern
568 in Italien ein, deſſen nördlichen und mittlern Teil
außer Rom und Ravenna er eroberte. Am 4. Sept. 569
nahm er Mailand, 572 nach dreijähriger Belagerung
Pavia und machte es zu ſeiner Reſidenz. A. wurde 572
(Ende Mai oder Anfang Juni) auf Anſtiften Roſa—
mundens, der von ihm gur (zweiten) Ebe gezwunge—
nen Todter Runimunds, die bei cinem Gelage in Ve—
rona aus ihres Baters Schiidel hatte trinfen müſſen,
von Ulboins Waffentriiger Helmedis und ihrem Vubh-
len Beredeo ermordet. Seine Todter aus erjter Ehe,
Albſuinda, die mit Rofamunde nad) Ravenna ge-
fliidtet war, wurde mit Dem langobardijden Königs—
ſchatze nad) Ronjtantinopel gebradt. Alboins Nad-
folger wurde Herzog Kleph aus dem Stamme Beleos.
Val. Hartmann, Geſchichte Italiens im Mittelalter.
Bd. 2 (Gotha 1900).
Albofarbonlampe, ſ. Leuchtgas.
272
Albolith, ſ. Zement.
Albona, Siadt in Iſtrien, Bezirksh. Piſino, 320m
ii. M. Sig eines Bezirlsgerichts, hat alte Stadtmauern,
cin Rathaus, Muſeum, Ol-, Wein und Kajtanienbau
und (1890) 2404, al8 Gemeinde (1900) 10,968 italie⸗
niſche und ferbo-froat. Einwohner. 3 km ſüdöſtlich
liegt Der Hafen von A., Porto Rabaz. Weſtlich von
A. Braunfoblengruben.
Alboni, Marictta, Operniangerin (Wit), geb.
Albolith —
26. März 1826 ju Cejena in der Romagna, geit. 23. |
Suni 1894 in Sille d'Avray bei Baris, erhielt ihre
Ausbildung durch die Gefanglehrerin Bertolotti und |
durch Roſſini in Bologna, fang feit 1843 mit ſchnell
fteigendent Erfolg an der Scala in Mailand, in Wien,
Petersburg und London, wo fie mit Jenny Lind wett-
eiferte, und wurde 1847 Mitglied der Stalienifden
Oper ju Paris. 1854 verheiratete fie fid) mit dem Gra-
fen Pepoli, trat aber auch in der Folge, bis zum Tode
desſelben (1866) nod) bisweilen öffentlich auf. 1877
ciratete fie fid) gum giweitenmal mit einem fran-
* chen Offizier, Namens Ziéger. Wud) als Schau—
pielerin leijtete fie Ausgezeichnetes.
Al⸗borãt, |. Borat.
Albornoz, UN qidius, Nardinal, geb. 1300, Spa-
nier aus vornehmem Geſchlecht, geſt. 24. Aug. 1367
in Viterbo, trat in die Dienjte des Königs Wlfons XI.
von SKajtilien, ward 1339 Erzbiſchof von Toledo,
faimupfte mit —— vor Tarifa und Algeſiras,
flüchtete aber vor Alfons' Nachfolger, Peter dem Grau-
ſamen, ju Papſt Clemens VI. nach Avignon, der ihn
1350 gum Kardinal ernannte. Nad) den Durd) Rienzi
im Rirdenftaat erreqten Unruben bejtellte ign Inno⸗
cen VI. 1353 sum Legaten und Generalvitar in Sta-
lien. UW. unterwarf die unbotmäßigen Burgherren in
Unnbrien, der Sabina und Tuscien, ftellte nad Rien-
zis Tode (8. Oft. 1354) in Rom die papjtlide Uuto-
ritdt wieder her und bewog durd Erteilung der Bita-
riatSredte viele Dynaften der Romagna fowie mehrere
Stidte, wie Bologna, zur Unerfennung der papjtliden
Herrſchaft. Er ordnete die Verwaltung des Kirchen⸗
ſtaates und gab ihm neue Geſetzbücher (die »Ygidia: |
nen«, ſ. Yigidtanijde Ronjtitutionen). So ermiglicte |
er Papſt Urban V. 1367 die Rücktehr nad Stalien.
Val. Burm, Kardinal A. (Paderb. 1892).
Albow, Mi dail Nilowitid, rujj. Scriftiteller,
aus der Schule Dojtojewifijs, qeb. 20. (8.) Nov. 1851
in Retersburg als Sohn eines Geijtliden, ſtudierte
daſelbſt die Rechte und trat als friibreifes Rind fdon
mit 13 Jahren in einem Petersburger Blatte mit dem
literarijchen Verſuch ⸗Aufzeichnungen eines Keller
bewohners« hervor. Sein Hauptivert tit die Erzählung
»Der Tag der Abrechnung⸗ (»Den’ itoga«, 1879). |
Eine Sammlung feiner Erzählungen (+Povésti i |
razskazy «) eridien 1884 (2. Aufl. 1887), ſpäter (1888) |
»Filip Filipyé« und ⸗Am brennenden Ofen« (>Kak |
goréli drova«).
Albraune, foviel wie Ulraune, ſ. Mandragora.
Albrecht (joviel wie Udalbert oder Wibert, »der
an Geſchlecht Glänzende⸗), Name zahlreicher deutider
Fürſten und fiirjtlider Perſonen.
Uberſicht nach ben Landern.
Deutſche Abnige 1, 2 | Meifien 13, 14.
Bayern 3—5. | Ofterrei 15 —18.
Brandenburg 6 — 9. i Preufen (GHerydge) 19, 20.
Braunigmeig 10, (Bruen) 21, 22.
Medlendurg 11, 12. Sachſen 23, 24.
Deutſche Ringe.) 1) V.L, HerzoqvonLiter:
reid, Rudolf von Habsburgs älteſter Sohn, qeboren
unt 1250, geſt. 1. Mai 1308, ward 1283 von feimem
Albrecht.
| Vater mit den Herzogtümern Ojterreidh und Steier-
mart belehnt, die cr trefflich verwaltete. Seine Wahl
jum Nachfolger auf dem Raijerthron fonnte Rudolf
| nicht erreidjen, al8 aber König WDdolf (j.d. 1) 1298 ab-
qejest wurde, nahm A. die Wahl an Udolfs Stelle an
und jog mit cinem Heer an den Rhein, wo er ſeinen
Wegner 2. Juli bei GoM heim ſchlug; Wdolf fiel in der
Schlacht. Hierauf lief fic) U. von neuem wählen und
ward im Auguſt 1298 zu Maden gefrént. Obwohl
aud) er wie jeine Vorganger den Rurfiirjten große
Zugeſtändniſſe hatte madjen müſſen, trat er als Herr—
ſcher entidieden auf, hielt jtreng auf Herjtellung des
Vandfriedens, ſtrebte danach, die Nachfolge im Reiche
ſeiner Familie zu ſichern, und verband ſich deshalb
mit Philipp dem Schönen von Frankreich. Die vier
rheiniſchen Kurfürſten, unzufrieden mit der erſtark⸗
ten Königsmacht und unterſtützt von Papſt Boni—
facius VIII., empörten ſich gegen A., wurden aber
mit Hilfe Der Reichsſtädte, denen der König die Wb-
ſchaffung der Rheinzölle sufiderte, unterworfen. Durd
Verzicht auf Atalien verſöhnte er fic) aud mit dem
Papſte. Weniger glücklich war A. bei den Unterneh—
mungen zur Stärkung feiner Hausmacht. Zwar er-
langte er 1306 die Wahl feines Sohnes Rudolf jum
König von Böhmen nad dem Erlöſchen der Premy-
| fliden, derfelbe jtarb aber fdjon 1307, und num wurde
von der Gegenpartei Heinrid) von Kärnten zum Kö—
nig gewählt. WIS Rechtsnachfolger Adolfs (7. d. 1) ver-
folgte er die Unterwerfung Thüringens, aber fein Heer
wurde 1307 bei Luda unweit Altenburg gejdlagen.
Sein Neffe Johann (Parricida) verlangte von thm
vergebens aud) nad Erlangung Der olljabrigteit
die Uuslieferung der ihm von femem Vater Rudolf,
Albrechts Bruder, zugefallenen ſchwäbiſchen Haus-
bejifungen. Mehrere Ritter verſchworen ſich mit Jo—
hann gegen den König. Als A. 1. Mai 1308 von
Bruck nad Rheinfelden ritt, richteten es die Ber-
ſchwornen ſo ein, daß ſie bei der überfahrt über die
Reuß angeſichts der Habsburg mit dem König allein
über den Fluß vorauskamen; hier wurde er von ihnen
niedergeſtoßen. Aus ſeiner Ehe mit Eliſabeth, Toch-
ter des Grafen Meinhard von Tirol, hinterließ A.
fünf Söhne und ebenſo viele Töchter. Bal. Michel⸗
jen, Die Landgrafſchaft Thüringen unter den Köni—
gen Adolf, Albrecht und Heinrid) VIL. (Nena 1860);
Miide, A. J., Herzog von Vjterreid) (Gotha 1866);
DHenneberg, Die politiſchen Begiehungen zwiſchen
Deutſchland und Frantreic unter A. J. (Strakb.1891 ).
2) U. IL, als Herzog von Oſterreich U. V., geb.
10. Aug. 1397, geft. 27. Ott. 1439, war nod Kind,
als fein Bater Albrecht IV. ftarb und ibm Ojterreih
als Erbe zufiel. Während feiner Minderjährigkeit
verwalteten feine drei Obeime, zuerſt Wilhelm der Ar⸗
tige (bis 1405), Dann Herzog Leopold der Dide und
zuletzt Ernjt der Eiſerne von Steiermarf, unter fort:
wabrenden Streitigteiten feine Erblande. 14 Jahre
alt, durch Undreas Blan, ſpätern Biſchof von Frei—
jing, und den biedern Reinpredt von Walle trefflich
erzogen, tibernabm er 1411 felbjt die Regierung und
_vermédblte fic) 1422 mit Kaiſer Siegmunds Tochter
und Erbin Elijabeth. Wis Sieqmumd 1437 jtarb, er-
langte YL. die Rrone von Ungarn und 1438 aud die
von Bohmen durd freie Wahl der Landjtinde. Yim
18. März 1438 ward er sum deutfden König ge-
wählt; ex berief cinen Reichsſtag und ſchloß jid im
Streit zwiſchen dem Papſt und dem Baſeler Konzil
der kurfürſtlichen Neutralität an. Dod hinderten
Titrfenfriege und Unruhen in Ungarn den tatkräf⸗
tigen König an weitern Taten. Trogdem hat der
Albrecht (Bayern, Brandenburg).
Nürnberger Reichstag von 1438 ein Landfriedens-
geſetz gejdhaffen, das den Unusgangspuntt fiir die ſpä—
tere Reichsreform bildet. A. ſtarb 27. Oft. 1439 in
Langendorf (zwiſchen Wien und Gran), auf dem Heim-
wege von cinem Huge gegen die Tiirfen, und ward in
Stublweienburg beigeſetzt. Erjt nad jeinem Tode
ward ihm ein Sohn, Wladislaw Pojthumus, geboren |
(22. Febr. 1440). Val. Kurz, Oſterreich unter Konig
U. IT. (Wien 1835, 2 Bde.); Ultmann, Die Wahl
Albrechts I. gum römiſchen König (Berl. 1886).
{[Vayern.] 3) U. LIL, Herzog von Bayern-
Miinden, Sohn des Herzogs brsit eb. 27. März
1401, gejt. 29. Febr. 1460, wurde in Brag erzogen,
lernte um 1430 die ſchöne Augsburgerin Agnes er⸗
nauer (ſ. d.) kennen und nahm fie 1432 mut ſich auf
ſeine Burg in Straubing; aber fein Bater liek fie in
Albrechts Ubwefenheit zum Tode verurteilen und 12.
Dft. 1435 in der Donau ertriinfen. Kaiſer Sieqmund
verſöhnte Bater und Sohn, A. Heiratete 1436 cine
Braunſchweiger Pringeffin und folgte 1438 feinem
Bater in der Regierung. Durd Reform der Klöſter
erwarb er fid) Den Beinamen de3 Frommen.
4) UW. IV., der Weiſe, Herzog von Bayern,
Sohn Albrechts III., des Frommen, aus der Linie
Miinden-Straubing, geb. 15. Dex. 1447 in München,
eit. 18. März 1508, anfangs gum geijtlicjen Stande
— ——— ſtudierte in Italien und ward nach dem
Tode ſeines ältern Bruders, Johann LT. (1463),
und dem Verzicht Siegmunds (1467) als alleiniger
einer der i aig und umfidtigiten Fürſten
rzog
Sones, ein Freund der Künſte und Wiſſenſchaften.
Bor allem vergrößerte er fein Territorium: er faufte
die ReidSherridaft Ubensberg, eroberte Landshut |
mit Burghaufen und gewann aus der Erbſchaft feines |
Vetters, Herzog Georgs des Reidhen von Bayern-
Landshut, 1503 andre 14 Stidte und 33 Markt—
fleden. Dod) verlor er nach dem verieerenden Erb-
folgefrieg (1504—1505) große Gebiete an den Kaiſer
und dad pfälziſche Haus. Nach Sieqmunds Tode (1501)
mupte WU. feinen jiingern Bruder als Mitregenten an-
nehmen. Überzeugt von den Nadteilen einer gemein-
ſchaftlichen Regierung, erridtete er 1506 bas bayri-
{che Hausgrundgeſetz (Pragmatijde Santtion), woe |
durd) die Erbfolge nad dem Rechte der Erſtgeburt
bejtimmt ward. YW. binterlieR drei Söhne und fiinf
Tidter von feiner Gemabhlin Runigunde, Todter
Kaiſer Friedrid)s IT, Bgl. Silbernag!, A. IV. der
Weise, Herzog von Bayern (Münch. 1857); Haffel-
holdt-Stodbeim, Herzog A. IV. von Bayern und
jeine Beit (nur Bd. 1: 1459-— 65, daf. 1865).
5) A. V., der Großmütige, Herzog von
—— , Sohn des Herzogs Wilhelm, geb. 29. Febr.
1528, geſt. 24. Oft. 1579, folgte, 1546 mit der Tod)-
ter des KLönigs Ferdinand, Anna, vermählt, 1550 fei-
nem Bater in der Regierung, beqriindete die Kunſt—
fanunlungen in München, berief Muſiker (Orlando
di Laffo), Maler und Kupferjtecher an feinen Hof, ent-
widelte Bradt und Lurus und belajtete fic) mit un-
—— Schulden (24/2 Mill. Gulden), obſchon er das
d durch Uuflagen driidte. Unter jeſuitiſchem Cin-
flu trat er dem Luthertum feindlich entgegen. Bal.
Riippredt, Herzog A. V. von Bayern und feine
Stinde (Miind. 1883); Rimmermann, Die bilden-
ben Stiinjte am Hof Herzog Wibredts V. von Bayern
Straßb. 1895).
{Brandenburg.] 6) A. J. (Adelbert), der Bar
oder Der Schöne, Markgraf von Branden:
burg, Sohn Ottos ded Reiden von Ustanien oder
Unhalt und Eililas, der Tochter des Herzogs Magnus
Meyers Rono.«Lexikon, 6. Mufl., I. Bd.
273
von Gadfen, aus dem Billungiden Haufe, geboren
um 1100, gejt. 18. Nov. 1170 in Ballenjtedt, folate
1123 ſeinem Bater in deſſen Allodialbeſitz und Reichs—
amtern und ward vom Herzog Lothar von Sadfen
jum Markgrafen der von ihm eroberten Oſtmark und
er Lauſitz erhoben und nad deſſen Königswahl 1125
feierlid) mit dieſen Gebicten belehnt, die er aber in-
folge feiner Fehde gegen den Markgrafen Udo der Nord-
marf ſchon 1131 durch königlichen Spruch wieder ver-
lor. Dennod) blieb A. dem Kaiſer treu und beglei-
tete ifn 1132 nad) Stalien. Dafitr erbielt er 1134
die erlediqte Nordmarf, welde das den flawifden
Völlerſchaften nad und nach entriſſene Gebiet am
linfen Elbufer umfafte. Wit rajtlofem Cifer widmete
fic) nun A. der Germanijierung de3 Landes und der
— — der Wenden gum Chriſtentum. 1136 er-
oberte er die Priegnitz, erwarb von dem Wendenfiir-
ſten Pribislaw in Brandenburg die Zauche und ward
jum Erben von deſſen übrigem Fürſtentum (Havel—
land) ernannt. 1138 ſchloß er ſich dem neugewählten
Staufer König Konrad IIT. an und ward nad der
Achtung Heinrichs des Stolzen mit Sachſen belehnt.
Dies konnte er indeſſen nicht behaupten und mußte
ſogar ſeine Erblande verlaſſen und zu dem König
Konrad flichen. Im Frieden zu Frankfurt a. M. 1142
verzichtete A. auf das Herzogtum Sachſen, erhielt da-
fiir ſeine Erblande und die Nordmark als reichsun—
mittelbares Lehen und wurde vielleicht ſchon damals
Erzkämmerer. Nam betrieb er mit großem Erfolg die
Beliedelung des Wendenlandes durch niederlindifde
Rolonijten und fam, nachdem er 1147 einen Rreuj-
jug gegen die Wenden befebligt, 1150 durch Bribis-
laws Tod in den rg Brandenburgs und des Havel-
landes, worauf er ſich dDauernd, wie bisher fdon
gele entlid), Marfgraf von Brandenburg nannte.
pe ai er 1150-—52 im einer Fehde mut Heinrid
dem Löwen Plötzkau erworben, ſchlug er 1157 einen
Wufitand Jaczos, eines Verwandten Pribislaws, nie-
Der. Nun jtellte er die Bistiimer Havelberg und Vran-
denburg wieder her, führte den Pramonjtratenferorden
in die Mart ein und begriindete Dadurd den Sieg des
Chrijtentums. Er baute deutfde Stadte und begitn-
jtigte Die Einwanderung ded niedern deutiden Wdels,
der neben den niederländiſchen Bauern aud) das platte
Land bald den Wenden entriß. Der Marfgraf blieb
aud) dem Kaiſer gegeniiber fajt unabhängiger oberjter
Grund⸗, Geridts- und Kriegsherr, er telte das Land
in BVogteien, und feine Beamten, vor allem feine Vigte,
verwalteten dad Land nad) deutſchem Recht und deut-
ſcher Sitte. So madhte er die ſlawiſche Mark zu einem
deutſchen Lande. 1162 wobnte er der Zerſtörung Mat-
lands bei, fiimpfte 1164 mit Heinrich Dem Lowen gegen
die Obotriten und gehörte 1166—69 dem Fiirjten-
| bunde gegen Heinrid) an. Er hinterlies zwei Töchter
und fieben Sihne, von denen Otto ihm m der Mark
| Brandenburg folgte, Bernhard Anhalt und {pater
das Herzogtum Cadhfen, Dictrid) die Giiter ſeiner
Wrofmutter Eilifa und Hermann die ererbten orla-
mündiſchen Giiter erbielt. Sein Enfel Albrecht IL,
der Sohn Ottos L., regierte itber die Wark 1205 —20.
Bgl. v. Heinemann, YW. der Bar (Darmſt. 1864).
7) A. I. Rurfiirjt vonVrandenburg, wegen
feiner ritterlidjen Taten Achil les genannt, der dritte
Sohn de Kurfürſten Friedrid) I. von Brandenburg
und der ſchönen Elifjabeth von Bayern, geb. 9. Nov.
1414 in Tangermiinde, gejt. 11. März 1486 in Frank⸗
furt a. M., war in militdrifder, diplomatiſcher und
ſtaatsmänniſcher Beziehung der hervorragendſte deut-
ſche Fürſt des 15. 334 Schon bei Lebzeiten des
18
274
Raters 40g er vielfach, beſonders in einem Kriege gegen
Bohmen, die Uugen auf fic. Nad) de3 Vaters Tode
1440 erbielt er Dad Filrjtentum Unsbadh. Im In—
tereffe der weitern Uusbildung der fiirjtliden Macht
gegen die Reichsſtädte war er vielfeitig tätig und wurde
namentlid) nit Dem Damals madtigen Ritrnberg we-
gen der von ihm beanſpruchten burggräflichen Redte
in Krieg verwidelt; er tat ſich zwar aud) bier durch
perſönliche Tapferteit hervor, dod) behauptete die Stadt
im Frieden 1453 ihre Unabhangigfeit. Simmer im
engen Anſchluß an die kaiſerliche Gewalt und fie fraf-
tigend und bebend, fudte er im Gegenſatze gu feinen
Mitfiiciten, Die gleichfalls ihre Macht ju verjtirten
ſuchten, feine territoriale Madt gu erhdhen. Durd
Ausdehnung der Befugniſſe und der geographifden
Geltung des alten burggrafliden Landgeridhts jtrebte
er dDanad, fic) gum Herzog von Franfen ju machen.
Als folden erfannte ibn der Papſt, dem er fich mehr-
fach verpjlidtet hatte, an. Dod M pee er bieriiber in
Streit nut Herzog Ludwig dem Reichen von Bayern
und deffen Verbiindeten, Pfalzgraf Friedrid) und Kö—
nig Georg von Böhmen, und diefer Streit gewann
um fo mehr eine allgemeine Bedeutung, als die Macht
Bohmens unter Georg Podiebrad unendlich gewad-
jen war, und Georg ſich in die innern Parteilämpfe
mit der Abſicht mifdte, Die Raiferfrone fiir fid) zu ge-
winnen, A. aber Die durch Heiraten mehrfad geſtütz—
ten Hoffnungen feines Haufes auf Böhmen und Un-
arn zu verwirklichen tradtete. Weder kriegeriſche
—8 noch diplomatiſche Bemühungen a allen
Seiten löſten die ſchiefen und ſchwierigen Situationen,
in Die nicht nur Die Fiirjten, fondern auch Kaiſer und
Reich fowie der Papjt gerieten. Dieſer belegte 1466
fogar A., als er eine — ———— ſeiner Tochter mit
einem Sohne Georgs betrieb, mit dem Bann. Erſt der
Tod des Königs Georg (März 1471) brachte cine ge
wiſſe Klarung der einander durchkreuzenden politiſchen
Parteiverhältniſſe, und kurz vorher (1470) war A., der
ſchon 1464 von ſeinem kinderloſen Bruder Johann
das Fürſtentum Bayreuth geerbt hatte, infolge des
freiwilligen Rücktritis ſeines Bruders Friedrich IT.
zugleich Kurfürſt von Brandenburg geworden, ſo daß
ieſes Land und die fränkiſchen Beſitzungen des Hau-
ſes Hobhengollern durd ihn wieder — * Herr⸗
ſcher vereinigt waren. Emer der glänzendſten Reichs-
tage (ju Regensburg 1471) ſchien das faijerlide Un-
ſehen aufs neue ju befejtigen, und aud in Bran:
denburg gelang es A., die Pommern 1472 ju Prenzlau
gu einem Vergleich zu zwingen, in dem fie zwar Stet-
tin behielten, die brandenburgiſche Oberlehnshoheit
aber anerlannten. Von großer Bedeutung für die
Mart wurde, da nach vielfältigen Streitigkeiten
das Recht des Landesherrn zur Sieuerauflage recht⸗
lich anerkannt wurde, von nod) größerer aber das von
A. mit femen Söhnen vereinbarte, nod) heute viel-
fad) mifverjtandene »Achilleiſche Hausgeſetz« (dispo-
sitio Achillea) 1473, wonad die Marfen, nicht nur
das eigentliche Kurgebiet, ungeteilt nad dem Rechte
Albrecht (Brandenburg).
Heinrids von Glogau ftreitig madte, fid) verbiindete,
al8 die Pommern aufs neue die Waffen erhoben und
der Deutſche Orden die Gelegenheit fiir günſtig erach⸗
tete, ſeine Anſprüche auf die Neumark wieder geltend
ju madden. Die Ohnmacht des Reides unter Fried-
rid) III. trat der ſſawiſchen Bedrängung gegeniiber
gu Lage. Dock gelang es W. 1478, nachdem er in der
Mart ein verhiltnismapig fehr großes Heer zuſammen⸗
ebradt, die Bommern wieder zur Unerfennung der
CS esbeakireiiics Lehnshoheit und zur Abtretung
von 14 Schlöſſern und Städten, im fogen. Rrofjen-
iden Erbfolgetrieg aber, als Matthias durd die Tiir-
fen bedroht wurde, den Herzog Johann I. von Sa-
gan 1482 zur Ubtretung des Fiirjtentums Krojjen
mit Züllichau, Sommerfeld und Bobersberg F zwin⸗
gen. Seine letzte Tat war 1486 die Wahl Marimi-
lian8 jum rimifden König in Franffurt a. M. Wh
war ciner ber ſchönſten Männer feiner Zeit, in allen
ritterliden Ubungen Meijter und von einer folden
Stärke und Gewandtheit, dah er in Turnieren ſtets
Sieger blicb. Seine pridtige Hofhaltung und vie-
len Kriegszüge batten aud ihn mm Schulden ge-
jtiirgt, aber im Gegenjage gu feinen Zeitgenoſſen hatte
er alS einer der tiidtigiten Finanzmänner fie auch
bezahlt, ja er hinterließ jeinem Rachrolger fogar einen
Scag. Bal. »Das Kaiſerliche Buch des Markgrafen
YW. Uchilles, vorfurfiirjtlidhe Periode 1440 — 1470«
(hrsg. von Hdfler, Bayr. 1850) und »turfiirjtliche
Periode 1470 —1486« (br8q. von Minutoli, Bert.
1850; Nachträge xc. von Wagner, 1881); »Ouellen-
fammlung — Geſchichte des Hauſes Hohenzollern«,
hrsg. von Burkhardt, Bd. 1 (enthaltend ⸗Das funfft
merctiſch Buech des Churfürſten A. Wcdhilles<, Jena
1857); Franklin, A. Achilles und die Nürnberger
(Berl. 1866); »Politifde Korreſpondenz des Kurfür⸗
jten A. Uchilles< (1470—86), brdg. von Priebatſch
Leipz. 1894-98, 3 Bde.).
8) Ersbifhof von Magdeburg und Rur-
fiirjt pon Mainz, gewdhnlid U. von Branden:
burg genannt, sweiter Sohn des Rurfiirjten Johann
Cicero von Brandenburg, geb. 28. Juni 1490, geſt.
24. Sept. 1545 in Uidakerourg, jtudierte in Frant-
furt a. O., wurde geijtlid) und ſchon 1513 Erzbiſchof
von Magdeburg und Udminijtrator des Vistums Hal-
berjtadt, 1514 Erzbiſchof und Kurfürſt gu Maing und
1518 Kardinal. Um die für Bezahlung de3 Pallunns
aufgenommene Schuld abjutragen, übernahm YL
gegen Überlaſſung der Hilfte des Ertrags den Ber-
trieb Des von Leo X. verfiindeten neuen Ablaſſes, wo⸗
bei fein Ugent, der Dominifaner Texel, Luther den
Anlaß gu den 95 Thefen gab. Dadurd) geriet der
@inner der Humaniſten (1518 fam Hutten an feinen
Hof) von vornberein in einen Gegenſatz jur lutheri⸗
iden Reformation, obwohl er fic) ſelbſt an der Stritif
der Papſtkirche beteiligte. Nod 1530 in Augsburg
redete er jum Frieden und vermittelte 1534 nut Her-
309 Georg von Sadfen zwiſchen den protejtantifden
it
lirjten und Dem römiſchen König Ferdinand. 1538
der Erjtgeburt vererbt, die franfifden Lander in zwei trat er dem fogen. Heiligen Bunde gegen den Sdhmal-
Teile an jiingere Sihne verliehen werden follten. Bald
darauf fibertrug A. die Statthalterfdaft der Mart
ſeinem älteſten Sohne, Johann, und 30g als Reids-
felDberr 1474 gegen Rarl von Burgund, indes ohne
fitr fich oder fiir Das Reid) Erfolge ju erringen. Un—
ermeßliche Gefabren fiir das Reich und im befondern
fiir U. entitanden, als König Matthias von Ungarn
felbjt Schlejien und Mähren eroberte, mit Konig Wra-
Dislaw von Bdhmen und mit Herjog Hans von Sa-
gan, der einer Todter Albrechts dad Erbe Herzog
faldijdjen bet, was ebenjo wie die rechtswidrige Hin-
richtung feines Günſtlings Hans v. Schönitz Luther yu
einer febr beftigen Schmähſchrift wider A. veranlafgte.
Gegen tibernahbme feiner Schulden (500,000 Gulden)
bewilliqte UW. feinen protejtantifden Untertanen tm
Stift Magdeburg freie Religionsiibumg und verließ
gleichzeitig feine ieblingareftbeng Halle; ſpäter riet er
dem Staifer zur Gewalt gegen die Protejtanten, nahi
den 1540 qgejtifteten Nefuitenorden ald erjter deutſcher
Fürſi in Maing auf und beteiligte ſich ſcharf an der
Albrecht (Vraunfdweig, Medlenburg, Meißen).
Bekämpfung des Proteftantismus. A. war ein Freund
Der Wiſſenſchaften und Förderer der Künſte (jein von
ihm bei Lebgeiten bejtelltes Grabmal ſ. Tafel »>Grab-
mialer«, Fig. 13); die Stiftstirde in Halle und den
Dom in Maing ſchmückte er mit Kunſtwerlen. Bal.
May, Der Kurfürſt, Kardinal und Ergbijdof A. II.
von Mainz (Münch. 1865 —75, 2 Bde.); Schum,
Kardinal A. von Maing und die Erfurter Kirchen⸗
Brandenburg und das Neue Stift gu Halle 1520—
1541 (Main; 1900).
reformation (Halle 1878); Redlid, Rardinal A. von |
275
15. Ung. 1279, iibernahm mit 16 Jahren zugleich fiir
feine Briider die Regierung (1252). Yn unaufhor
liden Fehden mit der Stadt Wolfenbiittel, Erzbiſchof
Gerhard von Maing, den Biſchöfen von Hildesheim
und den Marfgrafen von Meißen fudjte er fein Ter
ritorium abjurunden. Am 27. Oft. 1263 bei Wettin
von den Sihnen des Marfgrafen Heinrid von Meißen
gefangen, faufte er fic) erjt nad) 1/2 Jahren 103;
1265 madjte er cine Heerfahrt geqen die heidniſchen
Preußen. Bei der Teilung der — B——
Länder 1267 erhielt er Braunſchweig-Wolfenbüttel,
9) A., ſpaͤter genannt Ulcibiades, Markgraf fein Bruder Johann Lüneburg und Hannover. Er
von Srandenburg-Bayreuth, Sohn des §
grafen Kaſimir von Brandenburg, eb. 28. März 1522
mt Ansbach, geſt. 8. Jan. 1557 m Pforzheim, wurde
rf | war mit Elijabeth von Brabant (gejt. 1261) und ſeit
1263 mit Wdelheid von Montferrat vermiablt.
[Medienburg.] 11) VW. 11., Herzog von Medlen-
unter Vormundjdaft feines Obeims, Varfgrafen | burg, Sohn des Fürſten Heinrid) I. von Medlen:
Georg von Ansbach, erzogen und erbhielt 1541 das | burg, geb. wm 1317, geft. 19. Febr. 1379, der Ahn—
Fürſtentum Bayreuth. Bon lebhaftem, giigellojem | herr des gegenwärtig herridenden medlenburgijden
Temperament, ju rohen Vergniiqungen und Wus- Hauſes, regierte feit 1329 zunächſt unter Vormund—
ſchweifungen geneigt, widmete er ae dem verwegens ſchaft, iti von Kaiſer Karl IV. gum Herzog er:
jten und wildejten — und wußte ſich durch hoben (8. Juli 1348), 1358 Graf von Schwerin und
Tapferteit und lockere Sitten die Anhänglichkeit ſeiner wirkte viel fiir Die Landbefriedung im nordöſtlichen
Söldner zu erwerben, verlor aber nach und nach alle Deutſchland. Neben den in der Kölner Konföderation
Achtung bei ſeiner Familie und ſeinen Standesgenof- | (1367) geeinten Hanſeſtädten nahm er am Kampfe
fen; ſein proteſtantiſches Befenntnis hinderte weder gegen Waldemar von Dänemark teil. Er war ver—
ſeinen politiſchen Parteiwechſel, nod gab es ibm ſitt- maͤhlt mit Euphemia von Schweden, dann mit Adel—
lichen Halt. Schon 1543 warb er eine Scar Reiſiger
und folgte dem Kaiſer in den franzöſiſchen Krieg. Im
Schmallaldiſchen Kriege zuerſt auf faijerlider Seite
fechtend, 30g er feinem Freunde Herzog Moritz zu
Hilfe, geriet aber 2. März 1547 bei Rochlitz im fur- |
ſächſiſche Gefangenfdaft, aus der ihn die Schlacht bei
Mühlberg befreite. Dann belagerte er unter dem neuen
Kurfürſten Mori von Sachſen die Stadt Magdeburg
und ſchloß 1552 den Bund des legtern mit Frank
reid) zum Schutz der Protejtanten und zur Befreiung
der vom Raijer gefangen gebaltenen Fiirjten. Er felbjt |
trat Dem Bunde gegen den Kaifer nicht bei, verjuchte
vielmehr auf eigne Faujt durch verheerende Fehde-
züge Gewinn an Land und Leuten gu machen; weder
Der Friedensſchluß von Paſſau nod die kaiſerliche Acht
fegte feinen Unternehbmungen ein Biel. Nachdem er
wieder in den Dienjt des Naifers getreten, ſchlug er
4. Nov. 1552 den Herzog von Aumale bei St.- Rico-
lag und nahm ihn gefangen, war bei der Belagerung
von Met und deckte Dann den Abzug des faijerliden
Heeres. 1553 erneute A. ſeine Raubzüge in Franfen;
alle Verſuche des Kaiſers und befreundeter Fiirjten
heid, Grifin von Hohnſtein. Val. Liſch, UW. II. und
und der norddeutide Landfriede (Scher. 1835).
12) U. IL, Bring von Medlenburg, Sohn
des Dorigen und der Euphemia, Schweſter des Königs
Magnus Erikſon von Sdweden, ward 30. Rov. 1363
jum König von Schweden gewählt, tonnte ſich
aber gegen Konig Magnus II. Eritſon und deſſen Sohn
Halon nur mit Mühe behaupten. Wis er nad) Dem
| Tode des Reichstruchſeſſen Bo Jonſſon (1386) felbjt
die Reichsgewalt iibernehmen wollte, lehnte fic) der
Adel gegen ihn auf und wählte Margarete von Dine:
marf zur Herrjderin. UW. wurde 24. Febr. 1389 bei
Axelwalde gefdlagen und mit jeinem Sohne gefangen.
Wargarete zwang ihn zur ies, fener Schlöſ⸗
fer und entließ ihn erjt im Juni 13895 durd) Verntit-
a der Hanja aus der Gefangenfdaft. Er jtarb
30. März 1412 im Kloſter Dobberan. Bal. Liſch,
U. IIL, Herzog von Medlenburg (Schwer. 1835).
(Meiffen.] 13) UW. L, der Stolze, aus dem Hauſe
Wettin, Marlgraf von Meißen 1190—95, Gohn
und Nadfolger Ottos des Reichen, geb. 1158, geſt.
24. Juni 1195. en ſeinen Vater, der den jiin
gu gütlicher Beilequng der Anſprüche Ulbredhts waren | gern Sohn, Dietrid), zum Landeserben bejtimmte,
an deſſen Starrjinn geſcheitert, und auf Bitte der Bi- empdrte er fid), nahm ibn 1188 gefangen und folgte
ſchöfe von Bamberg und Würzburg verbiindete fic | ihm, naddem Kaiſer Friedrid J. die Freilaſſung be-
jogar Rurfiirjt Morig von Sachſen mit andern Filr- fohlen hatte, 1190 in der Markgrafſchaft. Wher gegen
jten gegen ibn. Bon ihrem Heer wurde A. 9. Juli | jeimen aus Paläſtina guriidgefehrien Bruder Dietrid
1553 bei Sievershauſen und 12. Sept. bet Braun: (ſ. d.), der, unterſtützt vom feinem Sdpwiegervater,
ſchweig geſchlagen. Seine Beſitzungen wurden erobert,
die Feſte Plaſſenburg (22. Juni 1554) genommen und
geſchleift und A. geächtet. Er floh nach Frankreich,
von wo er zwar auf erhaltenes ſicheres Geleit wieder
juriidfebrte, aber auf Verhandlungen, zu denen er ſich
jetzt bereit zeigte, mochte niemand mehr eingehen, und
mitten in neuen Verſuchen, durch Kampf vies Qain-
der wieder gu gewinnen, ſtarb er in Pforzheim bei
feinem —— bem Marlkgrafen von Baden, ohne
männliche Erben. Val. Voigt, Markgraf A. Ulei-
biades (Berl. 1852, 2 Bode.).
dem Landgrafen Hermann von Thiiringen, Anſprüche
auf die Warf madte, mute er ſich aufs neue ver-
teidigen. Bei Reveningen gefdlagen, entfam A., als
Mind) verfleidet, nad) Leipzig und verjudte vergeb-
lid) Den Durd) die Erneuerung der Bruderfehde er-
wedten Zorn Kaiſer Heinrichs VI. in Italien gu be—
ſchwichtigen. Der Fortfegung des Bruderfampjfes
machte fein Tod eim Ende, der ihn gu Krummen
hennersdorf bei Freiberg ereilte.
14) U. IL., Der Entartete (Degener), aus dem
Hauſe Wettin, alteiter Sohn Heinrichs des Erlaudten,
[Wraunfdweig.] 10) WU. der Grofe, aud der geb. 1240, gejt. 19. Nov. 1314, Landgraf in Thü—
Lowe, Herzog von Braunſchweig und Liine- | ringen, 1288—93 Marfqraf von Meiffen. VW. er:
burg, Sohn Herzog Ottos des Rindes und der Mark: | hielt durch die Landerteilung von 1265 Thiiringen
grafin Mathilde von Brandenburg, geb. 1236, geſt. | und die ſächſiſche Pfalz, fein Bruder Dietrich die Mart
18*
276
Landsberg und das Ojterland, wahrend der Vater
jelbjt im Befig der Mark Meigen und der Mieder-
lauſitz blieb. UW. war feit 1254 vermählt mit Margarete,
Tochter Kaiſer Friedrichs II. und fiir die Mitgift ward
dem Hauſe Wettin das Pleißnerland verpfändet.
Seine Leidenfdaft fiir Kunigunde von Cifenberg
wang feine edle Gemablin, die Mutter jeiner Kinder
Heinrich, Friedrich, Diezmann und Agnes, 24. Juni
1270 vor der Bublerin von der Wartburg ju fliehen
und nad) Franffurt zu geben, wo fie 8. Aug. d. J.
ſtarb; der älteſte ihrer Söhne verſchwand 1283 in
Schleſien. A., 1274 mit Kunigunde vermählt, ließ
den mit ihr erzeugten Sohn Apitz durch den Kaiſer
legitimieren, wollte ihm Thüringen zuwenden, ſeine
in erſter Ehe gebornen Söhne dagegen mit dem Pleiß—
nerlande (dem Erbteil ihrer Mutter) und der Pfalz
Sachſen abfinden. Ein Krieg der Söhne gegen den
Vater war die Folge. Der Tod ihres Oheinis Dietrich
(1284) und Heinrichs des Erlaudten (1288) mehrten
den Stoff des Zwiſtes, und Friedrich nahm feinen |
Vater A. in offener Schladt gefangen (1288). Durd
den Vertrag ju Rochlitz (1. Jan. 1289) wieder in Frei- | der
geiſtlichen Stand verlajfen, erbielt er 1599 die Hand
Heit gejept, verfaufte Y., was ihm von Meigen nod
qcblieben war, an feinen Neffen Friedrid) Tutta und,
als nad) deffen Tode 1291 Friedrid) und Diegmann
ſeines Todes an den König Wdolf von RNajfau (f. d. 1),
der aud) Meißen und Ojterland als durch Friedrid)
Tuttas Tod heimagefallene Lehen betradtete, aber eben-
foweniq wie fein Nach folger Albrecht I. von Habsburg |
den Beſitz gu erzwingen vermodte. A. hatte fid nad)
Kunigundens Tod (1290) zum drittenmal mit Elifa-
beth von Arnshaugk verheiratet ; diefe wurde 1299 die |
Schwiegermutter ihres Stieffohns Friedrid) und ver- |
ſöhnte Bater und Sohn. Zuletzt trat A. gegen ein
Sahrgeld aud) Thitringen an Friedrid) ab und 30g
ſich nad) Erfurt suriid. Val. Wegele, Friedrid) der
Freidige und die Bettiner fener Zeit (Nördling. 1870).
{Ofterreim.} 15) U. I1., Der Weiſe oder Lahme,
Herzog von Oſterreich, Sohn des Königs Albrecht J.,
geb. 1298, geſt. 20. Juli 1358, gelangte mit ſeinem
Bruder Otto 1330 zur Regierung aller habsburgiſch
djterreidifden Lander, die er durd) das Erbgut feiner
Gemahlin Johanna, die Grafſchaft Pfirt und einige
Stidte, vermehrte. 1335 erwarb A. Kärnten und
rain, deren Beſitz er gegen Johann von Böhmen
behauptete. Wit den Eidgenoſſen führte et mehr—
jährige Kriege. Seit dem Tod Ottos (1339) alleiniger
Regent der öſterreichiſchen Länder, bewies er dem
Kaiſer Ludwig trotz der päpſtlichen Bannbullen Treue
bis an deſſen Tod. Im Kampfe Karls IV. mit ſeinen
Gegenlöni en verhielt er ſich vermittelnd neutral.
Seine Vander beherrſchte er feſt und klug. Kärnten
und Krain erhielten eine neue Landesordnung. Vor
ſeinem Tode hatte er cin Hausgeſetz erlaſſen, demzu—⸗
folge ſein älteſter Sohn, Rudolf, als Regent und Vor—
mund ſeiner Brüder das unteilbare Erbe verwalten
ſollte. Bgl. Kurz, Oſterreich unter Herzog A. IT.
(Ving 1819); Frieß, Das ſoziale Wirken Herzog |
Albrechts II. (> Jahrb. der Leo - Gefellidhaft«, 1899).
_ 16) YX TIL, mit Dem Zopf, Herzog von Literveidh, |
Sohn des vorigen, geboren Ende 1449, geſt. 29. Aug.
aus. 1860
1395 auf Schloß Larenburg, jtand anfänglich mt
feinen Brildern unter der Vormundſchaft Rudolfe IV.
Als Diefer 1365 ſtarb und ein zweiter Bruder, Friedrid,
ſchon 1362 im Tode voraufgeqangen war, fiihrte A.
mit Dem jiingern, Leopold, die Regierung, bis Zwiſtig⸗
feiten unter Den beiden 25. Sept. 1479 cinen Teilungs-
vertrag gegen das Hausgeſetz Albrechts II. (f. oben)
Albrecht (Ojterreid).
veranlagten. Demyufolge erhielt U. das cigentliche
Oſterreich, während Leopold Steiermart, Kärnten
Krain, Tirol und die ſchwäbiſchen Beſitzungen belam.
Wis Leopold 1386 in der Schlacht bet Sempach ge
fallen war, führte A. den Srieg gegen die Cidgenojjen
als Vormund der Neffen fort. Seme Reqierung war
wobltitig fiir bas Land, Künſte und Wiſſenſchaften
bliibten auf. UW. war ein tiidtiger Bathematifer.
Für Wiens Verſchönerung, fiir die Erweiterung umd
Erhaltung der 1365 geqritndeten Univerjitit tat er viel.
Som folgte jein Sohn Albrecht IV. (bis 1404). Bal.
Kurz, Ojterreidy unter Herzog VW. LIT. (Ling 1827).
17) A. (Wilbert) VIL, Sa Wiese. Erzherzog
von Oſterreich, ſechſter Sohn des Kaiſers ————
lian V., geb. 13. Nov. 1559, geſtorben im Juli 1621
in Briijjel, ward am Hofe Bbilipps II. von Spanien
ergogen und widmete ſich dem geijtliden Stand. Er
wurde 1577 Rardinal, 1584 Erzbiſchof von Toledo,
war bis 1596 Bizefonig von Portugal und ging
darauf als Statthalter in die fpanifchen Niederlande,
wo fein mafvolles Weſen viel zur Wiederbefeſtigung
der fpanifden Herrfdaft beitrug. Nachdem W. den
der Infantin Sjabella, der 32jährigen Todter Eoi-
lipps, die ihm die Niederlande als Brautſchatz zubrachte
jeine Lander beſetzten, 1293 Thitringen fiir den Fall
| follten, wenn die Ehe finderlos bliebe. Die Hoffnung,
daß aud) die abgefallenen niederlindifden Brovingen
mit der Beſtimmung, dah fie an Spanien zurückfallen
ſich fo gewinnen lafjen wiirden, ſchlug jedoch febl. A.
mupte mit Morig von Naſſau um Nieuport fampfen
und Drei Sabre lang Ojtende belagern, bevor eres 1604
bezwang. 1609 ſchloß er einen Waffenſtillſtand auf 12
Jahre. Bal. Dubois, Histoire d'Albert et d'Isa-
belle (Bruͤſſel 1847).
18) U. Friedrid) Rudolf, Erzherzog von Oiter-
reich, dltejter Sohn de8 Erzherzogs Karl, qeb. 3. Aug.
1817, gejt. 18. Febr. 1895 in Yrco, trat 1837 im den
Wilitdrdienjt, riidte 1840 zum Generalmajor, 1843
zum Feldmarfdallleutnant und 1845 jum fomman-
Dierenden General in Ojterveid) ob und unter der Enns
und in Salzburg auf. Infolge der Bewequng vom
13. März 1848, wo er den Befehl zum Gebraud der
Feuerwaffe gegen das Bolf gab, legte er feine Stelle
nieder und beqab fid) zum Heere Radeglys nad Ita—
lien. Rach dem Gefedhte von Santa Lucia (6. Wai),
an Dem er in hervorragendem Maße beteiliqt war,
erbielt er cin Kommando bei dem Korps des Feld—
zeugmeiſters d'Aſpre und fodt bei Gravellona, Mor⸗
tara und bei Novara, wo jeine Divifion den Feind fo
lange aufbielt, bis die iibrigen öſterreichiſchen Streit.
kräfte heranriiden fonnten. Nad) Beendigung des
Feldzugs ward er zum Oberbefehlshaber des 3. Armee⸗
forps in Bdhmen und zum Gouverneur der Bundes—
feitung Mainz ernannt; 1851 erbielt er den Boften
eines Generalqouverneurs und fonmandierenden
Wenerals in Ungarn, den er erjt 1860, als das abfo-
lutijtijee Regiment in Ungarn cin Ende fand, ver-
lich. Cine vertraulide Miſſion an den Berliner Hof
im Frühjahr 1859, wm fiir den bevorjtehenden tta-
lienifden Krieg Preußens Unterjtiigung oder dod
beſtimmte Zuſagen ju erwirfen, hatte femen Erfolg
qebabt; eine ähnliche Miſſion 1864 fiel nicht beſſer
61 war A. Kommandant des 8. Armee—
forps in Bicenga, wurde dann Feldzeugmeiſter und
1863 Feldmarſchall, der letzte, der tin öſterreichiſchen
Deere dieſen Wang befleidete. 1866 befebligte er das
Heer in Italien, erfodt den Steg bei Cuſtozza 24. Juni
und erbielt nad Königgrätz an Stelle Benedels den
Cbherbefehl gegen die Preußen, als der Waffenjtill-
Albrecht (Preußen).
jtand eintrat. Un die Spike der nad dem Krieg ein-
eſetzten Reorganijationsfommiffion gejtellt und zum
Senrrefiatectioc der Armee ernannt, erwarb fid) UW.
um die Neubildung des öſterreichiſchen Heeres große
Verdienjte. Seine Fiirjorge fiir die Urmee duferte fid
in mehreren Stiftungen, teils fiir mittellofe Offiziers-
tichter, teils zur Unterſtützung bediirftiger Offiziere
mit zinsfreien Darlehen (Wibredt-Fonds). Als Mi-
litarjchriftiteller trat er auf mit »Wie foll Ojterreichs
Heer beſchaffen fein?« (1868) und »Über die Berant-
wortlidfeit im Krieg · (1869, ins Engliſche und Fran-
zöſiſche überſetzt). Kaiſer Franz Joſeph bediente fic in
vielen wichtigen Angelegenheiten ſeines Rates. Sein
von der öſterreichiſchen Wehrmacht aus Anlaß des kai⸗
ſerlichen Regierungsjubiläums gewidmetes und von
Zumbuſch gegoſſenes Standbild wurde 21. Mai 1899
vor dem Palais A. in Wien enthüllt. Seine mannig-
faltiqen Bejipungen umfaßten zuſammen ein Areal
von 2070 qkm (36 OW); fie gingen nad feinem
Tod an feine Neffen, die Erzherzöge Friedrid) und
Rarl Stephan, tiber. A. war rt 1844 vermählt mit
Hildeqarde, einer Todter König Ludwigs I. von
Bayern, die am 2. Upril 1864 ftarb. Seine altere Tod-
ter, Maria Therefia, ijt feit 18. Jan. 1865 mit Herzog |
Philipp von Wikrttemberg verbheiratet; die jiingere,
Mathilde, — Brandwunden. Vgl. Teuber,
Feldmarſchall Erzherzog A. (Wien 1895); Emmer,
Feldmarſchall Erzherzog UW. (5. Uufl., Salzb. 1899);
v. Dunder, desql. (Wien 1897); Strobl, Cujtoza
daſ. 1897); v. Seudier, Betradhtungen über den
— 1866 in Italien (2. Aufl., daſ. 1896).
IBreufzen.J 19) A., letzter Hochmeiſter des Deut⸗
ſchen Ritterordens und erjter Herzog von Preu—
Ren, geb. 16. Mai 1490, geft. 20. März 1568 in Ta-
piau, widmete fid) als jiingerer Sohn des Marfgrafen
Friedrich von Unsbad) dem geijtliden Stand. Er
wurde 1511 vom Deutſchen Orden in Preufen, der
die Berbindung mit einem Ddeutiden Fürſtenhauſe,
das zugleich Durd) Albrechts Mutter Sophie mit dem
polniſchen Königshaus eng verwandt war, zu ſchätzen
wußte, zum Hochmeiſter gewählt. Allein Polen be—
ſtand trotz der Verwandtſchaft auf dem ewigen Frie—
den von 1466 und forderte vornehmlich von A. den
Lehnseid, den dieſer ebenſo beſtimmt verweigerte.
Unter den auch auf Bolen laſtenden politiſchen Ver—
hältniſſen und unter fruchtloſen Verhandlungen Al—⸗
brechts bei vielen Höfen um Waffenhilfe verzögerte
ſich die Entſcheidung, bis endlich 1519 der Krieg aus—
brad, der den fchon ſchwer gedriidten Handel ded
Ordenslandes tief ſchädigte, das Land verwüſtete und
1521 mit einem Waffenitilljtand auf vier Jahre und
der Einſetzung eines Schiedsgeridts endigte. Cin
Ausweg bot fich erjt, als W., Der 1522 in Miirnberg
von Undreas Ojtander fiir die Reforntation gewonnen
war, aufLuthers Rat beſchloß, den Ordendjtaat Preu⸗
fen in cin weltliches Herzogtum gu verwandeln, die
Reformation einjufiibren, und als der König von
Polen fiir dieſen Gedanten gegen Unerfennung einer
Lehnshoheit gewonnen wurde. Am 8. April 1525
wurde zu Srafau der Vertrag geſchloſſen, in dem A.
Vreußen als ein erblides Herzogtum ju Lehen nahm,
und auf dem Landtag, der fury darauf in Königsberg
gehalten wurde, erflarten fich alle Stände fiir Die An—
erfennung de3 neuen Herjzogs und fiir die Unnahme
der Reformation. A. ſetzte an die Durchführung fei-
nes Werfes alle Rraft. Sofort erjdien eine neue |
277
gewirtte Reichsacht Hatten feine andre Wirfung, als
daß Diejer, jett 1526 mit Dorothea, Todjter des Königs
Friedrich I. von Dänemark, vermablt, die Einführung
ber evangelijden Lehre und die Befeſtigung feiner
Herrſchaft durd) weltlide Verwaltung um fo eifriger
betrieb. Dod) erregte er Durch die Unjtellung vieler
Wuslinder gerade in den obern Stellen fowie durd
das notwendige BVerlangen nad neuen Steuern, die
nad der Verfaffung fait allein von den Städten ge:
tragen werden muften, großes Mißfallen. Nament—
lid) forderte er da8 Schulweſen. Jn allen Stadten
legte er lateiniſche Schulen an, griindete 1540 das
Gymnaſium zu Kdnigsberg und 1544 die Univerſität
(»Ulbertinas) dafelbjt. Deutiche Schulbiicher (ate:
chismen rc.) ließ er auf ciqne Koſten drucken, und den
Leibeignen, die fich Dem Lehrgeſchäft widmen würden,
gab er die Freiheit. Er ſelbſt wurde tief in die theo—
logiſchen Streitigkeiten hineingezogen und führte mit
einer großen Zahl von Gelehrten überhaupt einen
ausgedehnten Briefwechſel. Seine letzten Regierungs⸗
jahre wurden ihm durch kirchliche und politiſche Zer—
würfniſſe vielfach verbittert. Der Streit des Melan-
chthon heftig anfeindenden Königsberger Profeſſors
Oſiander wurde ſchließlich ein politiſcher, der fiir den
lebhaft auf Ojianders Seite teilnehmenden Herzog
ernjte Verwidelungen herbeifiihrte. Auswärtige Strei:
tigfeiten feblten nicht, Übergriffe der Hofpartei, fo des
agijters Funcke, andauernde Geldverlegenheiten, vor
allem aud) der Rampf um die vorausfidtlid) nad
Wibrechts Tod eintretende vormundſchaftliche Regie
rung {diirten die Mißſtimmung, und fie erreidte thre
Hohe, als U., körperlich und getitiq gebrochen, mehr
und mehr fid) von einem abentenernden Ausländer,
Slalich, beherrſchen lies. Fajt das ganze Land ftand
dem Fürſten feindſelig gegenüber. Die Stände ſuch—
ten Hilfe in Polen. Dieſes, der Gelegenheit zur Ein—
miſchung froh, ſandte 1566 eine Kommiſſion nach
Königsberg, welche die landesherrliche Gewalt lahm
legte, die Rechte und Bedürfniſſe der Städte überſah
und dem Adel die Regierung des Landes aud) fiir
die Zeiten der Vormundſchaft zuwies. Abhängig von
der neu eingefesten Regicrung, verlebte UW. ſeine letz⸗
ten Tage in tiefem Nummer. Seine zweite Gemahlin,
Anna Maria, aus dem Hauſe Braunſchweig, ftarb 16
Stunden nad ibm. 1891 wurde das Standbild des
Fürſten in ee i. Br. enthiillt. Bgl. Mind-
fleifd, Herzog A. und die Reformation in Preuken
(Danj. 1880); — ———— Herzog A. von Preußen
(Daj. 1890); Haſe, Herzog A. und fein Hofprediger
(Leipz. 1879); Joadim, Die Politit des letzten Hoch⸗
meiſters in Preußen (daſ. 1392 95, 3 Bde.).
20) U. Friedrich, zweiter Herzog von Preu—
ßen, Sohn des vorigen und ſeiner zweiten Gemahlin,
Anna Varia von Braunſchweig, geb. 29. April 1553
in —— eſt. 27. Aug. 1618 in Fiſchhauſen,
wurde vortreff if erzogen und ſchon 1568 mit 15 Jah⸗
ren regierender Fürſt unter Vormundſchaft der Ober-
riite aus der feit 1566 herrſchenden felbjtjiictigen und
fanatiſch lutheriſchen ſtändiſchen Partei, die im Bunde
mit der Geiſtlichkeit, voran der ſamländiſche Biſchof
Heßhuſius, den jungen, verwaiſten, jeder Stütze be—
raubten Fürſten ſo tyranniſierte, daß er bald nach
ſeinem 1571 erfolgten Regierungsantritt in Trübſinn
verfiel und ſchließlich völlig teeny Foon Wm
14. Oft. 1573 wurde W. mit Maria Eleonore von
Jülich⸗Kleve vermählt, die ihm neben andern Rindern
Rirdenordnung, und die Verſuche des Deutſchen Or- | zwei Töchter, Anna und Cleonore, gebar. 1577 wurde
den, A. wieder zu verdrängen, fowie die beim Kammer: | der nächſtberechtigte Erbe, Marfgraf Georg Friedrid
gericht in Deutidland 1531 gegen den Herzog aus- |
voy Brandenburg-Wnsbadh-Bayreuth, gum großen
278
Rerdruf der Oberriite und Stände, vom König von
Polen jum Wdminijtrator von Preugen ernannt;
ibm folgte 1603 Kurfürſt Joadim Friedrid, dann
1608 Johann Sigismund, die fid) beide mit den ge-
nannten Töchtern A. Friedrichs vermählt batten.
Nach A. Friedrichs Tode wurde Kurfürſt Johann
Sigismund Herzog und erfolgte der lange vorbereitete
Anfall Preußens an Kurbrandenburg.
21) FriedrichHeinrich A., Pring von Preu—
pen, vierter Sohn des Königs Friedrich Wilhelm III.
und der Königin Luiſe, geb. 4. Olt. 1809, geſt. 14.
O.t. 1872, trat 1819 in die preußiſche Armee, tr der
er 1852 Meneral der Ravalleric wurde. 1865 wurde
ex zum Inſpekteur der dritten, Urmeeabteilung er-
nannt. Im Kriege 1866 gegen Oſterreich befebligte er
das Kavallerieforps der erjten Urmee und wohnte den
Sdhladten bei Münchengrätz, Gitidhin und König—
grag bei. Bei Beginn des Krieges gegen Frantreid
1870 erhielt er das Rommando der der dritten Urmee
zugeteilten 4. Ravalleriedivijion und ward nad der
Einſchließung von Paris beauftragt, die Einſchlie—
pungsarmee nad Silden gegen die franzöſiſche Loire-
armee ju Ddeden, worauf die Divijion fid) an den
Operationen des Generals von der Tann, des Grof-
herjogs von Medlenburg und des Pringen Friedrid
Karl bid zur Beendigung des Loirefeldzugs rühm—
lichſt beteiligte. Nach Beendigung des Krieges ward
Prinz A. zum Generaloberſten ernannt. Aus ſeiner
1830 mit der Prinzeſſin Marianne, Tochter des Kö—
nigs Wilhelm J. der Niederlande (geft. 29. Mai 1883
in Reinhardshaujen bei Erbad), eingegangenen, 1849
—— Ehe find hervorgegangen der Pring Al—
vecht von Preußen, Regent von Braunſchweig (ſ. Al⸗
brecht 22), und Alexandrine, geb. 1. Febr. 1842, ver-
mablt 1865 mit Herzog Wilhelm von Medlenburg-
Albrecht GPreußen, Sadfen).
regiment Mr. 73 nad ihm benannt. Er vermählte
rid 19. Upril 1873 mit der Prinzeſſin Marie (qeb.
2. Uug. 1854, geft. 8. Oft. 1898 gu Kamenz t. Sahl),
Todter des Herzogs Ernjt von Sadfen-Witenburrg,
aus welder Che drei Prinzen entſproſſen find.
[Sagfen.] 23) U. IIL, Der Beherzte (Albertus
Animosus), Herjog von Sadjen, jiingerer Sohn
des Rurfiirjten F ebridh deS Sanjtmiitigen von
Sachfen, geb. 17. Juli 1443, gejt. 12. Sept. 1500,
Stifter der albertinifden, jest königlich ſächſiſchen
inte, wurde 1455 mit feinem ältern Bruder, Ernit,
durd) Rung von Raufungen aus Altenburg ent-
führt (j. Sächſiſcher Bringenraub), lebte dann am
Hofe Kaiſer Friedrids IIT. gu Wien und wurde 1464
mit Bedena (Sidonic), der Todjter Georg Podte~
brads von Böhmen (geſt. 1510 in Tharandt), ver»
mählt; dod) war ſeine Bewerbung um die böhmi—
ſche Krone nad feines Schwiegervaters Tode, 1474,
ohne — Nach des Vaters Tode (1464) regierten
die beiden Britder Ernſt und A. gemeinſchaftlich, bis
der Anfall Thüringens an Meißen (1483) Anlaß zu
dem Leipziger Teilungsvertrag (26. Aug. 1485)
gab. A. erhielt Meißen und zahlte ſeinem Bruder
100,000 Gulden zur Hälfte bar, zur Hälfte durch
Abtretung des Amtes Jena. Mit der Teilung trat
zwiſchen beiden Linien eine Spannung ein, die 60
ſpäter unter Albrechts Enkel Moritz zum Bruch
führte. Den Habsburgern treu ergeben, ward er von
Kaiſer Friedrich TT. jum »gewaltigen Marjdall und
Bannertriger« ernannt, fodt 1475 gegen Karl den
Kühnen von Burgund und fiihrte 1480 und 1487
das Reichsheer gegen Konig Matthias von Ungarn,
richtete aber, vom Kaiſer ungeniigend unterſtützt.
nichts aus. 1488 zog er zur Befreiung des von den
Biirgern ju Briigge gefangenen Maximilian I. gegen
Schwerin (f. d.), Witwe feit 1879. 1853 vermählte er | dad rebellifde Flandern; dieſer übertrug thm die
fic) morganatiſch mit Rojalie (geb. 1820, geft. 6. März | Statthalterjdhaft der Niederlande, und jum Lohn fir
1879), Todjter des Generals v. Rauch, die zur Gräfin deren Bewältigung erhielt er, wie bereits 1483 die
von Hohenau erhoben wurde. 1901 tft ihm gu Char⸗ Eventualbelehnung mit Jülich und Berg, ſo 1198 gegen
lottenburg cin Denfmal errictet worden. Verzicht auf eine Schuldforderung von 250,648 Gul-
22) Friedridh Wilhelm Nifolaus A. Pring den die Wiirde cines erblichen Potejtaten und ewigen
von Breufen, Sohn des vorigen, geb.8. Mai 1837, | Gubernators von Friesland, das er jedod) erjt mit
ward 1860 Major, 1861 Obert, madte den Feldzug Wajffengewalt unterwerfen mußte. Wahrend er eines
in Schleswig 1864 im Hauptquartier des Bringen Landtags wegen nad Leipzig eilte, erhoben ſich die
Friedrich Karl mit, avancierte 1865 jum General- Frieſen und belagerten feinen zurückgelaſſenen zweiten
major und wohnte 1866 als Kommandeur der J. ſchwe⸗ Sohn, Heinrich, im Franefer. AW. entſetzte Heinrich,
ren Ravalleriebrigade tm Kavallerieforps der erjten | ſtarb aber nach der Bes wingung Groningens in Em—
Armee den Schladten bet Stalig, Schweinſchädel den. In Sachſen verbefjerte er Juſtiz und Polizei.
und Königgrätz bet. Jin Kriege geqen Franfreich 1870 Dresden war feit der Teilung Albrechts Reſidenz
befebligte er die 2. Gardefavallericbrigade, machte die (vorber hielt er fic) meijt in Tharandt auf). Seine
Schlachten bei Gravelotte und Sedan mit und fties | häufige Abweſenheit und die Aufwendung grofer
24. Dex. mit feiner durd 3 Bataillone und 3 Batterien Summen fiir den Dienjt des Kaiſers madten un bei
verſtärkten Brigade zur erjten Urmee des Generals | den Standen unbeliebt. Gein Teftament (eigentlich
v. Manteujfel. Für die Operationen an der Sonume | ein mit Zuſtimmung feiner Söhne Georg und Heinrich
im Januar 1871 mit dem Oberbefeht iiber ein aus fowie eines landftindifden Ausſchuſſes ju Maaſtricht
2 Ynfanterie- und 2 Kavallerieregimentern beſtehen- qemadter und 12. Dey. 1500 vom Kaiſer beſtãtigter
des Detachement betraut, nahm er Anteil an der | Erbvertrag vom 18. Febr. 1499) ijt der erſte Verſuch.
Schlacht bei St.-Quentin (19. Jan.). Nad) dem | die Primogeniturerdfolge in Gadfen einzuführen.
Friedensſchluß ward er gum Generalleutnant und | Georg follte danad) im den meißniſch-thüringiſchen
Nommandeur der 20. Divifion, 1873 jum General Erblanden, Heinrich in Friesland des Vaters Nad-
der Ravallerie und KRommandeur des 10. Urmeeforps folger fein. Für den Fall, dak einer fein Land ver»
in Hannover befirdert und 1883 zum Herrenmeijter | lore, follte der andre ihm ein Stiid von dem feinigen
deS Yohanniterordens erwählt. Kad) dem Xode des | cinréumen. Seinen Namen trägt die von ihm be-
Herzogs Wilhelm von Braunidiweig wurde er 21. Oft. gonnene Albrechtsburg in Meißen, vor der fich fet
1885 von der braunſchweigiſchen Landesverfammiung | von Hultzſch entworfenes Erzſtandbild erhebt. Bal.
jum Regenten gewahlt und iibernahm 2. Nov. die | Langenn, Herzog A. der Beherzte (Leips. 1838);
egierung des Herzogtums. 1888 wurde er jum Ge- | Sperling, W. der Beherzte al8 Gubernator Fries-
nevalfeldmaridall und Generalinjpefteur der 1. Ur- | lands (daj. 1892). (j. Ulbert 6, S. 267.
meeinſpeltion befördert; 1889 wurde dad Filfilier- | 24) UW. Rafimir, Herzog von Sadjen-Tefden,
Albrecht — Albrechtsorden.
Wlbredht,1) mittelhochdeutſcher Dichter der zweiten
älfte Des 13. Jahrh. verfaßte den fogen. ⸗Jüngern
iturel«, cine freie Fortſetzung von Wolframs »Ti-
turel«. Das dunfle, abjtrus-gelehrte Werk umfaft
liber 6000 Strophen; bei den Zeitgenoſſen beliebt, ijt
es fiir den modernen Geſchmack ungeniehbar gewor-
den. Kunſthiſtoriſch wertvoll ijt die Schilderung des
Graltempel3. Suerjt gedrudt 1477, neuerdings her-
ausgegeben (mangelhaft) durch Hahn (Quedlind.
1842). Bgl. Zarnde, Der Graltempel. Borjtudien
i einer Ausgabe des Jüngern Titurel (Leip3. 1876);
ordling, Der jiingere Titurel (Witting. 1897).
S. Ulbredht von Sdarfenberg.
2) Sophie, Didterin und Schauſpielerin, geb.
1757 al8 Tochter des Mediziner3 Baumer in Erfurt,
ejt. 1841 in Hamburg, Freundin Schillers, mit dem
a 1784 in Frankfurt und ſpäter in Dresden gufam-
mentraf. Bgl. Minor, Sdiller, Bd. 2, S. 220 ff.
(Berl. 1890). ;
3) WilhelmEduard, ausgezeichneter Germanift,
eb. 4. März 1800 in Elbing, gejt. 22. Mai 1876 m
eipzig, ward 1825 auerordentlidjer, 1829 ordent-
licher Brofeffor der Rechte im Königsberg. 1830
foigte er einem Rufe nad Gottingen als Nadfolger
Eihborns, wurde jedod) al8 Mitunterzeichner der
Proteftation der »Gittinger Sieben« gegen die Wuf-
hebung des Staatsgrundgeſetzes durch —E—
vom 14. Dez. 1837 ſeiner Stelle entbunden und ge-
ndtigt, Gittingen ju verlafjfen. Später fand er in
Leipzig cine Freijtitte, wo er, 1840 gum ordentliden
Broven or, 1863 zum Gebeimen Hofrat ernannt, bis
gu feiner Penfionterung (1868) wirtte. Seine (einjige)
Sehrift: »Die Gewere, als Grundlage des Altern deut-
{chen Sachenrechts⸗ ( Königsb. 1828), hat auf die Ent-
widelung der germanijtijden Rechtswiſſenſchaft her⸗
vorragenden Einfluß geübt und ijt als Muſter wifjen-
ſchaftlicher —— anerfannt. A. war unter den
BVertrauensmiannern, die der Bundestag 1848 mit der
Abfaſſung eines Verfaſſungsentwurfs fiir Deutſch⸗
land beauftragte, und wurde von einem hannöverſchen
Wahlbezirk in die Nationalverſammlung gewählt, aus
Der er jedoch ſchon im Auguſt 1848 —* austrat.
Vol. Stobbe, Wilh. Eduard A. (Leipz. 1876).
4) Jakob, ſ. Albrechtsleute.
Albrecht von Halberſtadt, mittelhochdeutſcher
Dichter, verfaßte um 1210 unter Landgraf Hermann
von Thüringen als Scholaſtikus der Propſtei Jecha⸗
burg bei Sondershauſen eine deutſche Nachdichtung
von Ovids »Metamorphojen«; dod) tit dieſelbe, mit
Ausnahme fleiner Bruchftiide, nur in einer jpatern
car pon eg py G. Wickram (zuerſt Maing 1545)
vorhanden. Bal. Bartſch, A. und Ovid im Mittel-
alter (Quedlinb. 1861).
Ai t bon Johaunsdorj, deutſcher Minne-
jinger, aus einem ritterlichen Geſchlecht Bayern’,
didjtete um 1190. Seine Gedichte find abgedructt in
Des Minnefangs Friihling« (hrsg. von ——
und Haupt, 4. Aufl. Leipz. 1888); eine anſprechende
Charafterijtif des Didters gibt G. Freytag im 1. Band
feiner » Bilder aus der deutiden Vergangenheit.
Albrecht bon Kemenaten, deutſcher Dichter des
13. Jahrh., dem man vier Epen in 18zeiligen Stro-
phen aus dem Kreiſe der Dietridfage, »Goldemar«,
»Sigenot«, » Eden Wusfahrt« und »BVirginale, zuge⸗
ſchrieben bat. Dod ijt UW. nur als Berfaffer des
eGoldemar« bezeugt, von dem nur wenige Strophen
vorliegen. Wile vier Gedichte find herausgegeben von
Zupitza ⸗Dietrichs Wbenteuer von A.« (⸗Deutſches
Heldenbuch⸗, 5. Teil, Berl. 1870).
279
Albrecht von Scharfenberg, mittelhoddeutider
Dichter des 14. Jahrh., frither mit Albrecht 1) (f. d.)
identifiziert, ſchrieb verfdiedene Didtungen, die nur
in Auszügen des Ulrich Filetrer (ſ. dD.) erhalten find.
1. Spiller, W. und der Didter des Jüngeren
Titurel EZeitſchrift für deutſches Altertum«, 1883,
Bd. 27, S. 158 if.).
Ulbredtsberger, Johann Georg, Komponiſt,
geb. 3. Febr. 1736 in Rlojterneuburg bei Wien, get.
7. März 1809 in Wien, fam als Chorregent ded
RKarmeliterflojters nad Wien und wurde 1772 Hoj-
organijt und 1792 Rapellmeijter der Stephansfirde.
U. war ein feiner Beit geſchätzter Komponiſt bejonders
firdlicher Werfe, aber aud) von Ordjejter> und Ram-
mermujif, und ein gejudjter Lehrer der Kompoſition
(Beethoven war einige Heit fein Sdiiler). Seine theo-
retijden Schriften (⸗Anweiſung zur Rompojition<,
1790; »Generalbafidule«, 1792, u.a.) gab J. v. Sey-
fried (Wien 1826, 3 Bde.) geſammelt heraus.
Albredhtsburg, |. Meigen.
Albrechtsleute Evangeliſche Geſellſchafth,
eine den Methodiſten verwandte Selte, geſtiftet von
Jakob Albrecht, geb. 1. Mai 1759 in Pennſyl—
vanien. Dieſer, urſprünglich Lutheraner, durchzog
feit 1796 mehrere Staaten Nordamerifas als metho-
diſtiſcher Bußprediger und organijierte 1800 feine An—
hanger in Rlaffen, wurde 1803 als Haupt und Lehrer
anerfannt und leitete die Sefte bis zu ſeinem Tode
18. Mai 1808. Seit 1816 nannten fic die Anhänger
dDerfelben (lange Zeit meiſt Deutſche) Evangelical
Association of North America. Dogmatiſche Diffe-
renjen fiihrten 1891 gu einem Schisma, durch welded
das Wadstum der A. geſchädigt wurde. 1895 zählten
fie 110,095 Mitglieder mit 982 Reiſe- und 400 fej.
haften Bredigern. Yn Deutfdland bejtanden 1900:
218 organifierte Gemeinden mit 8773 Mitgliedern.
Val. Plitt, Die W. (Crlang. 1877); Yaeklel, History
of the Evangelical Association (Bd. 1, Clevel. 1892;
deutſch, Stuttg.).
Ulbrechtsorden, 1) finiglic ſächſ. Orden, geſtif—
tet von Konig Friedrid) Auguſt II. 31. Dez. 1850 fiir
Verdienſt um den Staat, biirgerlide Tugend, Wiſſen⸗
fchaft und Kunſt, bejteht aus Großkreuzen, Romtu-
ren erfter und zweiter Klaſſe, Offizieren und Rittern
erjter und zweiter Klaſſe. Das Yeiden ijt cin golde—
ned, längliches, weiß emaillierted Kreuz mit Krone
und mit emailliertem Mittelſchild, auf der Vorderſeite
das erhabene Bild de Herzogs Ulbredt im Gold,
darum ein blau emaillierter Rand, in dem die Worte:
»Albertus Animosus« ftehen; auf der Rebhricite das
ſächſiſche Wappen und im blauen Rande die Jahres—
abl 1850. Durd die vier Wintel zieht ſich ein griiner
Sie cians Die Ritterfreuge zweiter Klaſſe find von
Email nuit filberner Einfaſſung. Das OffizierSfreus
hat die Form ded Ritterkreuzes erjter Klaſſe mit Krone
und wird auf der Brujt angejtedt getragen. Grof-
freuje und Romture erjter Klaſſe tragen einen acht—
edigen Silberjtern. Das Ordensband ijt dunfelgriin
mit weißen Randftreifen. Affiliiert iſt dem Orden
das Albrechtskreuz von Silber. S. Tafel »Orden Ic,
Fig. 1. — 2) Anhaltiniſcher Hausorden Ul-
bredtS des Bären, geftiftet 18. Rov. 1836 von
den Damaligen drei regierenden Herzögen, in fünf
Klaſſen: Großkreuze, Kommandeure erjter und s weiter
Klaſſe und Ritter erjter und zweiter Klaſſe zerjallend.
Die Deforation ijt ein ovaler goldener Reifen, in dem
der Bar nit Krone und Halsband auf einer Mauer
nad links aufiteigt; unter der Ofe das adsfanifde
Wappen, auf dem Reifen die Devife: »Fiirdte Gott
280
und befolge feine Befehle«, auf dem Revers: »Al⸗
brecht der Biir, regierte 1123—1170«. Die Deforation
der obern vier Klaſſen unterſcheidet fid) durch die
Gripe, die der Ritter zweiter Klaſſe ijt von Silber.
Großkreuze und Rommandeure erjter Klaſſe tragen
dazu einen filbernen Stern, erftere achtſpitzig mit
einem ſchwarzen Baren in der Mitte, lestere in Form
eines Kreuzes, deſſen Arme durch einen goldenen
Rautenkranz verbunden ſind. Das Band iſt grün
mit ponceauroter Einfaſſung. Für vor dem Feinde
Orden in allen Klaſſen
S.
geleiſtete Dienſte wird der
mit goldenen Schwertern am Ringe verliehen.
Tafel ⸗Orden I<, Fig. 8.
Albreda, Hafen und Handelsplatz in der brit.
Rolonie Gambia (Wejtafrifa), am redten Gambia: |
ujer, mit 7000 Einw. Die dortige franzöſiſche Faktoret |
wurde 1857 gegen Portendid an England abgetreten.
Albret, ——— dD’, f. Johanna d'Albret.
Albris, Piz, ſ. Languard.
Albrizzi, Teotochi Iſabella, Gräfin, geb.
1763 in Korfu, geſt. 7. Sept. 1836 in Venedig, Ge⸗
mablin des venezianiſchen Patrizier$ Untonio Marin,
in zweiter Che des Staatsinquiſitors Giufeppe YL, |
jtand im WMittelpuntte ded literarifden und künſtle—
riſchen Lebens, war Befdiigerin und Freundin Ugo
namhafter Kunſtwerle x2. Ähnliche Urten von Al—
Foscolos und Canovas, deſſen Werke fie herausgab,
und durch ihr Talent, ihren Geiſt und ihre Schönheit
allgemein gefannt und bewundert. Sie veridffentlidte
eine »Vita di Vittoria Colonnae und anziehende
»Ritrattic (Brescia 1807). Cine Auswahl ihres
Briefwedjels gab Barozzi (Flor. 1872) heraus.
Albruna (d. h. die mit der Runentraft oder Zauber-
funjt Der Elben begabte), cine deutſche Seberin, die |
von Tacitus (»Germania« VIII) erwähnt wird und
wahrſcheinlich zur Zeit ded Auguſtus lebte. Derjelbe
Eigenname beqegnet im Ultnordifden als Ulfriin.
ibrunpat, j. Binne.
MAlbucafis, ſ. Ubul Kafim.
Nlbreda — Albuñol.
Albulabahn, sur Zeit höchſte (1823 m) und ſchwie⸗
rigite Gebirgsbahn in Europa, begonnen 1898, ver-
bindet Thuſis im Rheintal mit St. Moritz im Enga-
din. Ausgedehnte Unwendung finden ſchraubenför⸗
mige Hebungstunnel und Kebhridleifen. Spurweite
1m; weitere Zablenangaben ſ. Gebirgseifenbabnen.
Album (lat.), bei den Rimern eine weiße Tafel,
auf der das zu allgemeiner Renntnis ju VBringende
in ſchwarzer Schrift öffentlich ausgejtellt wurde, wie
die Edifte der Prätoren, die Verzeichniſſe der Sena-
toren, der Geſchwornen u.a. Ym ſpätern Mittel-
alter bejeidjnete man mit Dem Ramen A. ein Bud
weifer, sufammengebefteter Blätter, das den Swed
hatte, Einzeichnungen von Perſonen, aud) Spriiche
und Sentenjen aufzunehmen: die Gedenfbiider , wie
jie ſchon in mittelalterlichen Klöſtern zur Einzeichnung
der Gäſte auflagen, die Wappen ⸗ und Emblemen⸗ oder
Deviſenſammlungen der Renaiſſance, namentlich aber
die Stamm- oder Geſellenbücher, wie fie im Zeitalter
des Humanismus Studenten, Gelehrte und Riinftler
anlegten, und deren Rame die Benennung A. awd
bald verdrängte (j. Stammbiider). Das Wort A.
dient aud) als Titel fiir poetijde Unthologien (meiſt
illujtriert), fiir Sammlungen von Zeichnungen nam-
hafter Künſtler oder von Stiden, Photograpbien
bums in der Bedeutung von Sammlung oder Aus⸗
wahl bilden Das Briefmarfenalbum und dads
Muſikalbum.
Albuẽra, La, Dorf in der ſpan. Provinz Badajoz,
mit (1897) 823 Einw. Hier ſiegten 16. Mat 1811 die
vercinigten Englinder, Spanier und Portugiejen |
| weiffirpern der Sellen. Sie find in Waſſer und Salz⸗
unter Beresford iiber die Franzoſen unter Soult.
—* ſ. Abul Feda.
Albufeira (jpr. era), Stadt im portug. Diſtrikt
Faro (WUigarve), am Atlantiſchen Meer und der Eiſen—
bahn Liſſabon-Faro, mit Hafen, Fort, Fiſcherei und
(1900) 5784 Einw.
Wlbufera, Strandice in der fpan. Provinz Ba-
lencia, 22 km lang und bis 7 km breit, 85 qkm qrof;,
durch eine mit Seefiefern bededte Landzunge vom
WMeere getrennt, reid) an Waſſervögeln und Fiſchen.
Albufera, Herjog von, ſ. Suchet.
Albuginéa, die weiße Augenhaut, ſ. Auge.
Albiigo, Biljgattung, ſ. Cystopus.
Albüla, 1) Paß und Fluß im ſchweizer. Kanton
Graubünden. Der Paß (2315 m), zwiſchen den Hoch—
gebirgsgruppen des Piz Keſch und des Piz d'Err ein—
gefentt, verbindet Ponte im Oberengadin mit Vergiin
im YWibulatal und bat erjt 1865 eme Fabritrake er-
halten. Cine Eiſenbahn von Thufis fiber Bergiin
nad St. Morig ijt im Bau (ſ. Albulabahn). Bei dem
Vergwirtshaus Weifenftein beginnt in ca. 2070 m
Hohe der Fluß A. dejjen oberjte Talſtufe (ſ. Bergin)
von ber folgenden durch eine tiefe Schlucht getrennt
ijt. Nad Aufnahme des Davos und Oberhaibjteiner
Rheins zwängt fid) derfelbe durch eine zweite wilde
Schlucht (j. Schyn) und mündet unterhalb Thufis in
den Hinterrhein. Seine Linge betrigt 36 km. —
2) Fritherer Name des Tiber (jf. d.).
Mlbumafar, |. Ujtrologie.
Mlbamen , das Sameneuveij;, ſ. Same.
Albiimen ovi siccum, getrodnetes Hühner⸗
WUlbumin, ſ. Eiweiß. leiweiß.
Albuminate (Albuminkörper), die Eiweißlör—
per (f. d.), auc) Die Verbindungen von Eiweiß (Al⸗
bumin) mit Baſen (7. Eiweiß).
Albuminoĩde (griech.), Eiweißlörper, welche dic
Gerüſtſubſtanzen der Tiere bilden, der hiſtologiſchen
Gruppe des Bindegewebes im weiteſten Sinn an—
gehörend. Sie bilden die Grundſubſtanz, in welche die
Zellen eingelagert ſind, und entſtehen aus den Ei—
löſungen unldslich, meiſt auch in verdünnten Säuren
oder Alkalien faum löslich. Hierher gehören Rolla-
gen, Keratin, Elaſtin, Spongin, Fibroin, Amyloid
und Albumoid.
Albuminpapier, ſ. Mig Bese Papier.
Albuminurie (qried.), ſ. Eiweißharnen.
WMlbumoide (griech.), Eiweißlörper, die als Ge-
riijtfubstangen gum Bindeqewebe gebdren, aber fein
Glutin liefern und gegen Verdauungsſäfte febr wi-
derſtandsfähig find.
Wlbumofen (griech.), Spaltungsprodufte der Ei-
weißlörper, entitehen aus dieſen durch Erhitzen unter
Drud, bei Einwirkung von Säuren oder Verdauungs
fermenten und int tiertichen Stoffwechſel. Sie befi
nod die chemiſche Struftur des Eiweiß, geben dieſel
ben chemiſchen Reaftionen im engern Sinn, fonnen
aber nicht foaquliert werden, find viel löslicher und
können weniger leicht ausgefalyen werden. YL. find
Vejtandteile vieler Nährpräparate.
Albunéa, im rim. Wythus die weisjagende
Nymphe einer ſchwefelhaltigen Ouclle bet Tibur, fpa-
ter fiir cine Sibylle gebalten.
Albuñol (pr. -bunjsd, Bezirfshauptitadt im der
fpan. Broving Granada, mit einem 3 kin fiidlid
am Wittelmeer — Hafen, Wein und Obſt—
bau, lusfubr von Wein, Rojinen und Mandeln und
(997) 7451 Einw.
Albuquerque
Albuquerque (pr. téte), Hauptitadt der Grafſchaft
Bernardillo im nordamerifan. Staat New Mexico,
am Rio Grande und der Santafébahn, mit Handel in
Häuten und Wolle, hat in feinen beiden Teilen, Ult-
und Neu-A., (900) 7919 Einw.
Wlbuquerque (pr. -tete), Uffonfod', derGrofe
qgenannt, beriihmter portug. Kriegsheld, geb. 1453 in
Wihandra bei Liſſabon, geſt. 16. Dez. 1515. Ym
finigliden Balajt erzogen, trat er ſehr frith in den
Seedienjt Portugals und zeichnete fic) 1480 in den
Riimpfen bet Otranto gegen die Tiirfen aus. Als die
auf Walabar gegriindeten portugiejifden Rolonien
von den eingebornen Fürſten bedroht wurden, fandte
König Emanuel d. Gr. zu ihrer Verteidiqung W. und
feinen Better Francisco d'A. 1503 mit drei Scijfen
nad Indien. Nachdem A. feine Uufgabe gelöſt und
eine reidje Gewürzfracht eingenommen batte, febrte
er nad Portugal zurück. 1506 ging er jum zweiten⸗
mal nad Ojtindien. Die von Venedig aufgehepten
Sarajenen in ihrem eignen Land angreifend, er-
oberte A. 1507 die Inſel Sofotora am Eingang des
Arabiſchen Meerbujens und fperrte dadurch die alte
Handelsſtraße der Venezianer und Genuefen nad
Indien. Der Cinfprud des Vizekönigs Ulmeida zwang
A. 1508 zur Riidfehr nad) Rananor, der damaligen
Hauptniederilajjung Portugal’. Dort übergab ihm
auf Befehl des Königs der alte Ulmeida 1509 fein
Amt als Vizefdnig von Yndien. Go mit der höchſten
Macht befleidet, beſchloß A., die Herrjdaft Portugals
möglichſt weit über die Küſten Ufiens auszudehnen.
Nad einer mißlungenen Unternehmung gegen Kali-—
fut eroberte er 1510 Goa, 1511 Malakla und unter-
warf Ceylon. 1513 unternahm er einen Bug gegen
Urabien, madte einen vergebliden Sturm auf Uden
und bemächtigte fid) 1515 der Inſel Ormus, die eine
Hauptitiige der portugiejijden Macht in Ujien wurde.
Dieſe Erfolge wirkten weithin: die Könige von Pegu
und Siam und der Schah von Perjien fudten die
Freundſchaft Ulbuquerques. A. war ein ftattlicder
Wann, gebildet, ſtreng und eigenwillig, aber aud
felbjtlo3, wahrhaftig, tapfer und freigebig. Während
er nod) auf Ormus fiir Portugal Siege erfodt, wurde
er infolge von Verleumbungen abgeſetzt und cin neuer
Vizelönig ernannt. Ehe er fid) nad) Portugal ein-
ſchiffen fonnte, ftarb er auf feinem Schiff auf der
Meede vor Goa. Sein natiirlider Sohn, Bras d'A.,
ijt Verfafjer Der »Commentarios do grande Affonso
d'A.« (Lijjab. 1557; engl. hrsg. von Gray Bird in
den Verdjfentlidungen der Hafluit Society, Lond.
1875—83, 4 Bde.). Bal. Stephens, A., and the
early Portuguese settlements in India (Lond. 1892);
»Cartas de Affonso de A.«, Briefe Wlbuquerques
(hrsg. von der Ufademie der Wiſſenſchaften in Liffa-
bon, Liſſab. 1884 ff., 2 Bde.).
Alburnum (lat.), Splint, f. Hol}.
Alburnus, Weißfiſch.
Alburnus major, {. BereSpataf.
Alburquerque (pr. zécte), befeſtigte Bezirlshaupt⸗
ſtadt in der fpan. Provinz Badajoz, unweit der por-
tugiefifden Grenze, mit Dem Stammſchloß der Her-
—— gleichen Namens und (1897) 7438 Einw.
{bury (jr. aiber), Stadt des britiſch⸗ auſtral.
Staates Neufiidwales, am rechten Ufer de3 Murray,
auf dem bei Hod wafer Dampfer bis hierher gelangen
fonnen, und iiber Den bier zwei Briicen fiihren, da-
von eine fiir die Eiſenbahn Melbourne-Sydnev, hat
Hofpital, Kloſter, höhere Schule, in der Umgegend
jtarfen Getreide-, Tabaf- und Weinbau, etwas Gold-
bergbau und (1900) 5500 Einw.
281
Albus (Weikpfennig), filberne, unter Kaiſer
Karl IV. 1360 übliche Scheidemiinge in Kiln, Trier,
Maing, zum Unterfdied von den hupfernen (jdwar-
jen) Münzen Wittpfennig (denarius albus) ge
nannt. Der — A., vielfach verſchlechtert, war
anfangs = Batzen — 6'/2 Pf. Konv.M., 80 —
1 Speziestaler. Der Räderalbus (auf dem Revers
ein Kreuz in einem Ring) in Maing war — 4 Fett-
männchen oder 32 Heller. Wm Mittelrhein dem
Reidhsgeld angepakt (Reid salbus), galt er 2 Krew:
zer nod) alS Rechnungsmünze in Bafel bis 1850.
Die heffiiden U. (Heffenalbns),— 12 Heller, waren
1814—83 im 14*/s-Talerfufy gepragt; ein YW. — 10,74
Alea, Wilf; ſ. Alcidae. [Pf. preuß.
Aleacer dbo Sal (jpr. altaßer bu fan, Stadt im
portug. Dijtrift Liſſabon (Proving Ejtremadura), in
ungejunder Gegend am Gado, mit bedeutendem Salz⸗
handel und (1900) 2712 Einw. — A. das römiſche Sa-
lacia, war der Gegenftand heftiger Kämpfe zwiſchen
/Mauren und Chrijten. Geburtsort des Mathema-
tifers Pedro Nunes.
Alcäiſche Verſe, ſ. Alläiſche Verſe.
Alcalaͤ (arab.,⸗Kaſtell«), Name vieler Ortſchaften
in Spanien. Darunter: 1) A. de Chisbert, Stadt
in der —* Proving Caſtellon, Bezirk San Mateo,
an der Cifenbabn Balencia- Barcelona, uniweit ded
Mittelmeers, mit Tabaffabrifation und so) 6392
Einw. — 2) U. de Guadaira, Stadt in der fpan.
Proving Sevilla, Bezirk Utrera, am Guadaira und
an der Eiſenbahn Sevilla-Carmona, mit einem mau-
riſchen Rajtell und (1897) 8930 Einw., Unsgangspuntt
des nad) Sevilla fiibrenden Aquädults. — 3) A. de
Henares (fat. Complutum), Begirfshauptitadt in
der fpan. Proving Madrid, am Henares und an der
CifenbahnMadrid-Saragojja, hat eine qotifde Haupt-
firdhe, einen Palaſt des Erzbiſchofs von Toledo (gegen⸗
wärtig Staatsardiv), ein Colegio (San Ildefonſo,
ehemals Univerſität) mit ciner Rapelle (Darin das
ſchöne Grabmal des Rardinals Jimenez), cine Sa-
vallerieſchule, Leder⸗ und Seifenfabrifation, Weberei
und (1897) 10,548 Einw. Die Stadt ijt Geburtsort
de3 Cervantes. Die 1509 vom Kardinal Jimenez ge-
jtiftete Univerfitat wurde 1836 nach Madrid verlegt.
Die Vibliothef derfelben enthalt das Original der hier
edrudten »Romplutenjijden Bibel«. —- 4) UW. del
fo, Flecken in der fpan. Proving Sevilla, auf einer
Unhdhe am rechten Ufer des Guadalquivir, 10 km
oberhalb Sevilla, mit Witertiimern aus der Rimer-
und Maurenjeit und (897) 2973 Einw. — 5) W. de
— Wlcdntara.
los Gazules, Flecden in der fpan. Proving Cadis,
Bezirk Medina-Sidonia, am Barbate, mit s97 9972
Cinw. — 6) U. la Real, Bezirkshauptſtadt in der
fpan. Proving Jaén, auf einem Plateau gelegen, bat
(1897) 15,409 Cinw., die Wein und Gemüſebau und
Wlealde, ſ. Allalde. Wollwäſcherei betreiben.
Alcamo (xvr. a0), Kreishauptſtadt in der ital. Pro⸗
ving Trapani (Sizilien), an der Eiſenbahn Palermo—
Trapani, mit Zinnenmauern, Kaſtell, alten Palajten
und Rirden und (1901) 51,809 Einw. — Die Stadt, ara-
biſchen Urſprungs, ftand frither auf dem Monte Bo-
nifato und ward erjt unter Friedrid) I. 1233 am
jetzigen Platz angelegt.
Hicanis (fpr. -tanjids), Bezirklshauptſtadt in der fpan.
Proving Teruel, am Guadalope und an der Eiſen—
babn Buebla de Hijar-VU., mit einem Colegio und
(1897) 7474 Einw.
Wiledutara (arab., »Briides), 1) Besirfshaupt-
ftadt im Der fpan. Proving Caceres, am Tajo, hat cin
Kloſter (San Benito), Stammfig des Ordens von
282
A. (f. unten) und (1897) 3224 Einw. Eine fine, von
Raijer Trajan erbaute Briide von 6 Bogen (188 m
fang, 55 m hod), mit emem Triumphbogen in der
Mitte, führt tiber den Fluk. — 2) Bad) in der Nähe
von Lijjabon. Am 25. Aug. 1580 fiegten hier die
Spanier unter dem Herzog von Alba über die Portu-
giejen unter Untonio, Prior von Crato.
Alcdutara, Orden von, einer der drei alten
fpan. geijtliden Ritterorden, ward als Wajfenbrii-
derſchaft 1156 von den Briidern Barrientos, die von
der fajtilifden Grenzfeſte San Julian del Pereiro
ans tapfer gegen die Mauren kämpften, geftiftet und
von Papjt Wlerander IIT. 29. Dex. 1177 gu einem
geijtliden Ritterorden erhoben. Bom König Ferdi- |
nand II. von Rajtilien und von Bapft Lucius III.
1183 mit Freiheiten und Privilegien ausgeſtattet,
ward er unmittelbar der Aufſicht des päpſtlichen Stub-
les unterjtellt und zur Berteidigung des drijtliden
Glaubens und jum ewigen Rriege gegen die Mauren
verpflicdtet. Seit 1213 batte Der Orden ſeinen Sif
in A. und nannte fid) nad) diefem ihm vom König
Alfons IX. von Raftilien geſchenkten Orte. Später
infolge innerer Serwiirfnifje in Verfall geraten, wurde
cr erjt Durd) Den Grofmeijter Don Quan de Zuñiga
(1479) wieder gehoben. Ferdinand V. vereinigte 1494
die Broßmeiſterwürde mit der Krone Spaniens. Bis
zur franzöſiſchen Offupation 1808 befa der Orden
37 Romtureien mit 53 Stadten und Dorfern. Nach
der Rejtauration erbhielt er die Güter nur zum klein—
jten Teil — Zuletzt war er ausſchließlich mili—
tãriſcher Verdienſtorden. Das Zeichen ijt ein golde-
nes, grünes Lilienfreus, an griinem Band um den
Hals, in Seide gejtidt auf dem Rod und dem wei-
fen Mantel —— Die Ritter hatten ihre adlige
Ablunft durd vier Generationen nachzuweiſen, pote: ,
daß in ihrer Familie weder Yuden nod Mauren wa-
ren. Die Republif hat 1872 den Orden aufgehoben,
König Wifons XII. ihn 13. Yan. 1874 wieder ein:
eführt. Bgl. »Difiniciones de la orden y cavalleria
e A., con la historia y origen della« (Madr. 1663).
Wlearas, Besirfshauptitadt in der ſpan. Proving
Wlbacete, am ube ber Sierra de A. eines ſchroffen
Kallgebirges, das im Cerro de Ulmenara 1802 m |
erreicht, hat cin Rajtell, Rejte einer antifen Waſſer—
leitung und (1897) 4762 Einw. Jn der Nähe Zint-
bergwerfe, Schmelzhütten und eine große Mejjing-
fabrif (zu San Quan de A.).
Alearrajzas, ſ. Kühlkrüge.
Alcatquen, golddurchwirkte Gewebe, die im Orient
über Den Diwan gebreitet werden.
Alcazaba (Cerro de A.), einer der höchſten Gipfel
der fpan. Sierra Revada (jf. d.).
Mleaszar, ſ. Allaſar.
Aleazar de San Juan (or. hhuam, Bezirkshaupt⸗
jtadt in der fpan. Provinz Ciudad Real, Knotenpuntt
an der Eiſenbahn Madrid-VWlicante, mit (1997) 10,675
Einw., die Sdhofoladen-, Seifen-, Salpeter und Bul: |
verfabrifation betreiben.
Alcea, {. Althaea.
Alcédo, Cisvogel; Alcedinidae, Familie der Met:
Alces, das Elen. [tervigel.
Wleeft (Alkeſt) heift der Held in Molieres »Mi—
janthrop«, daher aud) Bezeichnung fiir einen Men:
Alceſte, ſ. Alleſtis. [fchenfeind.
Wleefter pr. afer oder Golfer), Ruinen einer Rö—
merjtadt, ſ. Biceſter.
(‘pr. aofier ober Golfter), Frederid Beau
damp Seymour, Lord, brit. Admiral, geb. 12.
Upril 1821 aus einem Seitenzweig der Hertfords,
Alcantara — Alchimie.
geſt. 30. März 1895, trat 1834 in die Marine, zeich⸗
nete fid) 1852 im Sriege gegen Birma aus, ward
um Kapitin befdrdert und diente wihrend de3 Krim⸗
ieges auf der Ojtjeeflotte. 1868—70 war er Bri-
vatſekretär des MarineminijtersChilders, wurde 1870
Konteradmiral, 1872 Lord der Admiralität, fom-
manbdierte 1874-77 das Kanalgeſchwader und 1880
bis 1883 als Vizcadmiral das Mittelmeergeſchwader.
Während der Flottendemonjtration vor Dulcigno
1880 fiibrte er Den Oberbefehl über die Schijfe aller
Mächte. 1882 kommandierte er das englijde Gee
ſchwader vor Wlerandria, bombardierte 11. Juli die
Forts der Stadt, beſetzte fie 14. Juli und leitete im
Auguſt die Uberfiihrung der britijdhen Truppen nad
Wmailia am Suezfanal, den er beſetzte. Er erbielt
dafiir die Peerswürde und cine Nationaldotation fo-
wie die Befdrderung jum Wdmiral. 1883— 85 war
er nodmals Lord der Admiralität.
Alchariſi, ſ. Jüdiſche Literatur.
Alchemilla L. (}rauenmantel), Gattung der
Roſazeen, meijt ausdauernde Kräuter, felten niedrige
Straiuder mit gelappten oder gefingerten, oft eins
qeidnittenen Blattern und meijt ebenſträußigen klei⸗
nen, gelblidjgriinen Bliiten. Bon den ca. 30 Virten
wächſt die Mehrzahl in Gebirgen Siidamerifas, einige
finden fid) in Der gemiafigten Bone der Ulten Welt
und in den Hodgebirgen des tropijden Ufrifa. A.
vulgaris L. (Marienmantel, Sinan), in Europa
und Nordajien, A. alpina Z., in den europäiſchen
Hodgebirgen, Nordeuropa und Nordamerifa, wird
als Gartenjierpflanye fultiviert.
Alchimie Uidymic, Uldemic), ein aus dem
arab. Yrtifel al und dem Worte Chenrie (7. d.) zu⸗
ſammengeſetztes Wort, heißt alſo nur »die Chemiee ;
man bezeichnet aber feit Begründung der wiſſenſchaft⸗
lichen Chemie als A. die chemifden ejtrebungen der
frithern Zeit, und gwar vorzugsweiſe die auf Die Ver—
wandlung der Metalle, auf das Goldmaden, gerich⸗
teten Arbeiten. Die Geſchichte der A. iſt mithin ein
Teil der Geſchichte der Chemie bis dahin, wo WUber-
qlaube und Betriigerei cine Afterwiſſenſchaft ſchufen,
mit der Die Chemie nidts mehr zu tun hatte.
Viele Sagen verſetzen die erjten Anfänge der A. in
die älteſten Zeiten unfrer Gejdidte: Moſes, ferme
Schweſter Mirjam, Hiob, aud) Kleopatra und Jo—
bannes der Täufer werden von den Uldimijten den
Udepten (jf. d.) zugezählt, und die Entitehung des
älteſten ſchriftlichen —* der Goldinacderfunit,
der » Tabula smaragdinas, wird in das 3. Jahrtau-⸗
fend vor Chrijti Geburt juriiddatiert. Der Berfaijer
dDiefes genauen Rezepts jum Goldmaden, das freilich
abjolut unverjtindlic) ijt, Hermes Trismegiſtos (da⸗
her aud Hermetifde Kunſt foviel wie A.), war
indes hichjtwabhrideinlid) der Briefter Hermon, der
100 n. Chr. in Äghpten lebte; dennoch ijt die Ent-
ftehung der A. wohl in die Zeit zurüchzudatieren, als
bei den Bhdnifern die Wetallbearbeitung m Bliite
ftand. Die Gewinnung der WMetalle aus Erjen, de-
ren Beſtandteile man nicht genau zu erforjden ver⸗
modte, und die allgemeine Ähnlichteit Der Metalle
untereinander fiihrten die unter dem Cinfluk der
Vehren ded Ariſtoteles (ſ. Chemie) jtehenden Forjder,
welde die Gewinnung der Metalle nicht als eine
Abſcheidung aus den Erzen, fondern als eine Um—
wandlung der letztern in Metalle betradteten, auf
den Gedanfen, aud das Gold durch Umwandlun
irgend eines Körpers ju erzeugen. Zufällige, falf
gedeutete Beobadtungen ließen die Darftellung des
Goldes als möglich erjdeinen: ja, vielicicht glaubten
Alcidae — Alcock.
einige Forſcher, wenn fie ein hellgelbes, goldähn⸗
liches Produkt erhielten, das geſuchie Geheimnis ge-
funden zu haben, und das Gerücht eines einzigen
elungenen Verſuches mußte ſtets die Zahl derer, die
aS mit der Sache beſchäftigten, erheblid) vermehren.
Dieſe erjte Periode der A. ſchließt mit der VBernid-
tung der alerandrinifden Bibliothef ab, und als man
100 Sabre ſpäter wieder gu den chemiſchen Urbeiten
—— waren nur noch Einzelheiten über die
rbeiten der vorarabiſchen Zeit bekannt, die, phan—
taſtiſch ausgeſchmückt, Wünſche als Tatſachen hin—
ſtellten und ſo die Verſuche, dasſelbe Ziel zu erreichen,
erechtfertigt erſcheinen ließen. Hierin und in der
ortdauernden Herrſchaft der Ariſtoteliſchen Lehren
haben wir den einfachen Schlüſſel zu der auffallenden
Tatſache, daß ſich mehrere Jahrhunderte hindurch
die erleuchtetſten Geiſter ſämtlicher Nationen mit der
Aufgabe, Gold zu machen, beſchäftigen konnten.
Die —— — Richtung kam zuerſt in die
A. durch die Anſchauung, es gebe einen Stoff, der
alle Körper in Gold verwandle. Dieſen Stoff nann-
ten die Alchimiſten Magifterium(Stein der BWei-
fen, Roter Löwe, Großes Elixir, Rote Tink-
tur), während Geber, der größte Chemifer feiner
Beit, einen Stoff, der alle Kranfheiten heilen follte,
ebenfalls Magijterium nannte. Dieſe tibereinjtim-
nung des Namens fiihrte gu der Unnahme, daß ein
Stoff beide Eigenſchaften vereinige, daß er alle Kör—
per in Gold verwandle, und daß er alle Kranfheiten
ile. Wie der Stoff, den jene Alchimiſten ſuchten,
eſchaffen fei, dariiber waren die Meinumgen fehr ge-
teilt, er follte, auf geſchmolzenes Metall geworfen,
dasſelbe in Gold verwandeln, und zwar fein 10+, fein
100-, ja fein 1000faches Gewicht. Geber war der
Repräſentant der A., wie fie fid) unter den Urabern
bid zum 9. Jahrh. ausqebildet hatte; von jener eit
an verbreitete fid) das Studium der A. über alle
Sander, und die Gefdidte nennt viele Namen, die
fiir die Entwidelung der Chemie von Bedeutung wa-
ren, aber ſämtlich unter Dem Banne der aldimijti-
ſchen Anſchauungen ftanden. Bu ihnen gehirt Rai-
mundus Lullus, der nur deshalb Gold maden
wollte, um es gu einem ſtreuzzuge gegen die —
bigen ju verwenden, und die wunderbarſten Reful-
tate erhalten haben wollte, dann der Biſchof Albert
von Vollftadt, genanntUlbertus Magnus, der
in feinem Werf iiber A. deutlid) fagt, er habe gefun-
den, daß die Verwandlung in Gold und Silber mög—
lid) fei, und gleichgeitiq nut ihm Arnold Baduone,
enannt Urnoldbus Villanovus, und Roger Baco.
n die Genannten reiht fid) im 15. Jahrh. Bafilius
Valentinus, ein verdienjtvoller Chemifer, der be-
hauptete, der Stein der Weiſen könne 10—30 Teile
unedlen Metals in Gold verwandeln. Seit dem 15.
Jahrh. fing die Betrügerei an, im der A. eine her-
vorragende Rolle gu fpielen. Der Franzoſe Le Cor,
der als Goldmader vom Konig Karl VIL. von Frant-
veid) gum Finanzminiſter und Münzmeiſter erwählt
war, betrieb feine Goldmacherei in der Weiſe, dak er
mit Dent Stempel des Königs falſche Münzen ſchlug
und in Umlauf fete. Dann fommt die Kaiferin Bar-
bara, Witwe des Kaiſers Siegmund, die Kupfer und
Urfenif zuſammenſchmolz und die fo erhaltene weike
Legierung als Silber verfaufte; ſpäter in England eine
Reihe don Perfonen, die fich auf den Wunſch des Königs
Heinrich VI. mit der VW. befdhaftigten und das Land mit
falfdem Gold überſchwemmten. Kaiſer Rudolf 1. war
Mäcen der fahrenden Uldimijten, und feinem Beiſpiel
folgte Kurfürſt Auguſt von Sachſen mit feiner Ge-
283
—— Anna von Dänemark. Yn Berlin trieb Thurn⸗
get jer unter. Kurfürſt Johann Georg fein Unweſen.
anbdt in Hamburg entDdedte bei feinen Urbeiten dic
Darjtellung des Phosphors, Bwttger fand als Ge-
fangener in Sachſen die Darjtellung de3 Porzellans.
Im 17. Jabrh. nahm das Treiben der Alchimiſten
allmählich ab; Spuren finden fid) nod) vereingelt, fo
im Unfang des 18. Jahrh. die Gefellfdaft der Buc-
cinatoren, die ihren Sentralpunft in Nürnberg
hatte, und am Ende dedsfelben Jahrhunderts die Her-
metifde Geſellſchaft, an deren Spite Kortum in
Bodum, der Verfajjer der »Jobſiade«, ftand (val.
E. Schultze: » Das leste Uuffladern der A. in Deutſch⸗
land vor 100 Jahren. Die Hermetiſche Geſellſchaft
von 1796-—1820<«, Leip;. 1897). Gegenwärtig bat
die A. allen Boden verloren, und folange nicht nad-
ewiejen ijt, daß die chemiſchen Elemente feine ein—
den Stoffe, fondern Verbindungen und bis jest
nod) nidt befannter Körper find, fann von künſtlicher
Ergeugung von Gold feine Rede fein. Bgl. Kopp,
Die A. in älterer und neuerer Zeit (Heidelb. 1886,
2 Boe.); Sch mie der, Gefdichte der A. (Halle 1832);
Bauer, Chemie und . in Ojterreich bis gum beginnen-
den 19. Jahrhundert (Wien 1883); Berthelot, Les
origines de l’alchimie (Bar. 1885); Schäfer, Die
U., ihe dqyptifd -qriechijder Urfprung (Berl. 1887).
Alecidae (Uifen), Familie der Schwimmvögel.
Wleibe (Ulcides, gried. Ulfeides), Beiname
des Herafles, als Enel des Alleus oder Alkäos.
Alcindus, arab. Philoſoph, f. Wi Kindi.
Aleindus, ſ. Wifinoos.
Alciopidae, ſ. Ringelwiirmer.
Aleira, Besirfshauptitadt in der fpan. Proving
Valencia, auf einer Inſel des Juͤcar, an der Eiſen—
bahn Madrid-Balencia, mit (1897) 19,566 Einw., die
Reis, Rucerrohr und Siidfriidte tultivieren und Sei-
denraupenzucht betreiben. — Die Stadt war im Alter⸗
tumt cine Rolonie der Rarthager und unter der rdmi-
fen Herrjdaft wie zur Maurenzeit fehr bliihend.
Mlelyde (pr. -tiaid’), alted brit. Königreich, ſ. Schott⸗
land (Geſchichte).
Aleobaga (pr. -bafa), Stadt im portug. Dijtritt
Leiria (Proving Eftremadura), mit (1900) 2306 Cinw.,
berühmt durd ihre pradtvolle Cijtercienferabtei, die
1148 von König Ulfons I. gejtiftet, 1810 von den
Franzoſen in Brand gejtedt und gepliindert wurde,
wobet auch die koſtbare Bibliothet gu Grunde ging.
Das Kloſter war das reichſte in Portugal; die monde
mupten Edelleute fein. Bn der Kirche find die Grä—
ber der Könige Ulfons I. und Alfons III., Pedro I.
und ſeiner Geliebten Snes de Caftro.
Wleo (pr. aot), Sir Rutherford, engl. Diplo-
mat und DOrientalijt, geb. 1809, gejt. 2. Nov. 1897,
ftudierte Medizin, war 1832 — 37 Arzt bei dem eng-
liſchen Hilfsforp3 in Portugal und Spanien und fett
1844 Konſul in dinefifden Handelspliten. 1858
wurde er gum Generalfon{ul, 1859 gum bevollmäch⸗
tigten Dtinijter in Japan ernannt; 1865 —-71 war
er Gejandter in Pefing. Er fdrieb: » Notes on the
medical history and statistics of the British legion
of Spain« (1838); »Elements of Japanese grammar«
(1861); »Familiar dialogues in Japanese, etc.«
(1863); »The capital of the Tycoon: a narrative of
three years’ residence in Japan« (1863, 2 Bde.),
eins der bejten Werte fiber japanifde Zuſtände, und
»Art and art-industries in Japan« (1878). Bal.
Mi die, The Englishman in China during the Vic-
torian era; as illustrated by the career of Sir R. A.
(Lond. 1900, 2 Bde.).
284
Aleoforado, S oror Marianna, portugNonne, |
eb. 22. Upril 1640 in Beja, gejtorben dalelbjt 28. |
Rial 1723, berithmt durch fünf Briefe an ihren Ge: |
fiebten Noel Bouton de Chamilly, Grafen von Saint: |
Léger, ſpätern Marſchall von Frantreich, die diefer in
franzöſiſcher Überſetzung als » Lettres portugaises«
(Rar. 1669) verdffentliden liek. Die leidenſchaftliche
Glut der Gefiihle leqten den Vergleich des ſpäter als
»Lettres d'une religieuse« fiber 50mal neu aufge-
feqten umd in alle Rulturipraden überſetzten Werkes
mit Heloifens Briefen an Abälard nabe. Cine deut> |
ſche uüberſetzung (⸗Briefwechſel emer portugieſiſchen
Nonne«) erſchien Rotenburg 1788, eine ſpaniſche von
Pero Perez (Madr. 1894); eine engliſche von Edgar |
Prejtage (Lond. 1893). Um Wiederherjtellung des ver-
lornen Urtextes des ald Meijteritite der portugieſiſchen
Literatur im 17. Jahrb. geltenden Werkes haben fich |
verjchiedene Gelehrte bemiiht. Bal. Luciano Cor-
deiro, Soror Marianna, a freira portugueza (Liffab.
1890); Claudia De Campos, Soror Marianna (daſ.
1893); B. Bazan, La Eloisa Portugueza (1894).
Aleohol, Ylfobol. A. absolutus, wajjerfreier Ul-
fohol; A. sulfuris, Schwefelkohlenſtoff; A.vini, Alkohol.
Wicoléa, Wirtshaus in der fpan. Proving Cor-
doba, am Guadalquivir, iiber den eine Brücke führt,
und an der Eiſenbahn Madrid-Cadiz. Hier 28.Sept.
1868 Sieg der Empörer über die Truppen der Köni—
gin Sabella.
Wieor, Stern, ſ. Bar, Großer. [qeSpreis.
Al corso (ital.), zum laufenden Murs, jum Ta-
Wleott, 1) Amos Bronjon, amerifan. Sdhrift-
fteller, geb. 1799 in Wolcott (Connecticut), gejt. 1888
in Bojton, war Lehrer, Literat und Philoſoph und
galt lange als Haupt der Tranfsendentalijtengruppe
pon Concord, an deren Organ »The Dial« er Mit-
arbeiter war. Seine Scriften find: »Conversations
with children on the Gospels« (1836), »Tablets«
(1868), »Concord days« (1872), » Table talk« (1877),
»R. W. Emerson, philosopher and seer« (2. Aufl.
1888), »New Connecticut, autobiographical poem«
(1887) und »Sonnets and canzonets« (1882). Bal. |
Sanbornu. Harris, A. Bronson A., his life and
philosophy (Boſton 1893, 2 Bbde.).
2) Louiſa May, Todter des vorigen, qeb. 29.
Nov. 1832 in Germantown, Vorort von Ehiladelphia, |
geſt. 6. Marz; 1888 m Concord, war Lehrerin und
Mranfenpflegerin und verdffentlidte, nachdem fie mit |
dem Gedichte »Thoreau's flute« (1863) Aufſehen er: |
reqt, einige Bande » Hospital sketches« und »Camp |
and fireside stories«. Wit dem Roman Little |
women« (1867) eröffnete fie cine Reihe von Jugend⸗
erzählungen, die fid) bis auf die Gegenwart großer
Beliebtheit erfreuen. Bal. Cheney, Louisa M. A.,
her life, letters and journal (Yojton 1889), und Wire.
M.S. ¥ orter, Recollections of Louisa A. (daf.1893).
Wleoy, Bezirkshauptſtadt in der ſpan. Provinz
Alicante, maleriſch am Fue der Sierra Mariola am
gleichnamigen Küſtenfluß (aud Serpis) und an
der Eiſenbahn Gandia-A. gelegen, Mittelpuntt einer
tippigen Huerta, mit bedeutender Rapierfabrifation
(inSbej. Siqarettenpapier), Tuch- und Flanelliveberei, |
Baunuvollipinnerei, Färberei u. so) 31,099 Cinw.
Aleſuth (Michut, for. aluijchut), Großgemeinde im
ungar. Romitat Weikenburg, unweit der Bahnitation |
Biesle, Wohnſitz des Erzherzogs Jofeph, mut ſchönem
Schloß, Parl, Muſeum, Bibliothek, Muſterwirtſchaft
und (1900) 1843 ungar. Einwohnern.
Aleudia, Stadt auf der fpan. Inſel Mallorca, |
Bezirt Jnca, im RO. auf einer Landzunge zwiſchen zwei
Alcoforado — Aldehyd.
MeereShuchten, mit ehemaligen Befejtiqungswerfen,
einem wenig bejudten Hafen, Schafwollproduftion
und (1897) 2718 Einw. Bon den in der Rabe geleqe-
nen Strandjeen ijt der eine durch cine engliiche @-.
ſellſchaft entwäſſert worden.
Alcudia, Manuel de Godoy, hf —
Alcuinus, |. Wituin. |i. Godoy.
Aleyonaria, {. Rorallenpolypen.
Alcyone, helliter Stern der Plejaden (Ff. d.).
Aldabrainfelu, vier fleine Koralleninſeln im
Indiſchen Osean, nordijtlid der Romoren, unter 9°
25’ fiidl. Br., 143 qkm groß, engliider Beſitz und
von Schwarzen bewohnt, die im Auftrag cines Pach⸗
ter8 ergiebigen Gdildfritenfang treiben.
Mldan , rechtsfeitiger Nebenfluß der Lena im oft-
ſibir. Gouv. Jakutſt, entfpringt auf dem Jablonowoi⸗
gebirge, fließt zwiſchen thm und dem das linfe Ufer
eqlettenden WUidangebirge nad R., nimmt rechts den
| Unyf, links die Maja auf und mündet nad 1860 km
langem Lauf, wovon 1000 km ſchiffbar, bei Kaminſtoi.
Mldéa (jpan.), aus dem Urabijden ftammende Be-
zeichnung fiir Dorf oder Weiler, findet fid) in vielen
faniidher Ortsnamen; in Portugal und Brafilien
dafür Uldeia, 3. B. Aldeia Gallega (ſ. d.).
Aldebãran, Stern a (1. Größe) im Stier, mit
rötlichem Licht, gehört gur Gruppe der Hyaden.
Aldeburgh (Aldborough, fpr. adrbIrv0), Hafen:
jtadt (municipal borough) und Seebadeort in Der
engl. Grafſchaft Suffolt, bat (901) 2405 Einw., die
Fiſcherei treiben; Geburtsort des Didhters Crabbe. In
der Nähe L ei jt on mit Kloſterruine aus dem 14. Jahrb.
Wlbegonde, Philipp von, f. Marnir.
Al er (auch Alde Grave, eigentlich Trip—
penmaker), Heinrich, Maler, Goldſchmied und
Kupferſtecher, geb. 1502 in Paderborn, geſtorben um
1560 in Soeſt, wo er tätig war, bildete ſich nad Al—
bredjt Dürer, deſſen Zeichnung er befonders in femen
zablreichen Kupferſtichen (ca. 300) nachabmte. Unter
— Gemälden ſtehen ſeine lebensvollen, wenn aud
in der Farbe etwas trocknen und harten Bildniſſe
obenan, die fic) in der herben, ſtrengen Charafteriftif
ebenfalls an die Unsdrudsweije Diirers anſchließen.
Solche Bildnifje, die fein Monogramm
und Jahreszahlen tragen, befinden fich in
den Mufeen zu Breslau (1535) und Braun: G
ſchweig (1541) und in der Galerie Liechten⸗ Q Mtde-
jtein in Wien (1544). Bn feinen techniſch grever.
vorzüglichen, aber fiinjtlerijd) wenig ge-
ſchmackvollen Kupferſtichen behandelte er Stoffe ans
Dem Alten und Neuen Tejtament, aus der Mythologie
und mit befonderm Glück das Sittenbild (zwei Folgen
von Hochzeitstänzern) und das Portrit (Bifbnifie der
Wiedertiufer). Bon dauerndem Wert find feine im
Stil Der Renaifjance gebaltenen Ornamentitiche (Vor⸗
lagen fiir Dolchſcheiden, Schmuchſachen x.), von de-
nen 41 in Lidtdruden von Obernetter (Münch. 1876)
erſchienen. A. gehört zu den fogen. Kleinmeiſtern.
MldehHd Acetaldehyd. Athylaldebhyd,
Wthylidenoryd, Wthanal)C,H,O oderCH,.CHO,
findet fic) im Borlauf von der Spiritusreftiftfation,
in den Dejtillationsproduften der vergornen Runtel-
riibenmelajje, aud im Wein und Objtwein, entitedt
bet Orydation von Alkohol, bei trocdner Deftillation
von eſſigſaurem mit ameijenfaurem Ralf, bei Einwir⸗
fung von Waſſerſtoff im Entſtehungsmoment auf
Ucetyldlorid oder Ejfighiureanhydrid, beim Erhitzen
von Ycethlen mit Waſſer auf 325° und wird darge-
jtellt, indem man Wlfohol mit Chromſäure behandeit.
Das Deftillat wird in atherifder Loöͤſung mit Ammo—⸗
Aldehyddhlorid — Wlderney.
nriaf gefaittiqt und das ausgeſchiedene Aldehydammo⸗
nial mit verdiinnter Schwefelſäure deftilliert. Tech—
niſch wird A. aus dem Borlauf der Spiritusfabrifen
Durd) fraftionierte Dejtillation gewonnen. Er bildet
eine farbloje Flüſſigleit vom ſpez. Gew. 0,8, riecht
atherartig erjtidend, miſcht ſich mit Wajjer, Alkohol
und r, ijt höchſt flüchtig und fehr leicht entgiind-
lich, fiedet bet 20,8°, brennt mit leudtender Flamme,
reagiert neutral und oxydiert fid) an der Luft ſchnell
au Eſſigſäure C,H,O,. Er bildet mit Ammoniak
frijtallijierendes Uldehydammoniat, ebenfo mit
faurem ſchwefligſaurem Natron eine frijtallifierende
Berbindung. Setzt man ju A. etwas Ammoniak und
dann jalpeterjaures Silber, jo bedeckt fic) dad Gefäß
mit einem fdinen Silberfpiegel. A. ijt Alkohol C,H,O
minus Waſſerſtoff, daber der Name: Al(cohol) dehyd
(rogenatus), und durch Waſſerſtoff im Entitehungs-
moment wird er ju Ulfohol redugiert. Wan benupt
A. gur Darjtellung von Teerfarben, Krotondloral
und Gilberjpiegeln und als Zuſatz ju Frudtathern.
Bei Gegenwart von Spuren fremder Beimengungen
bildet UW. ſehr leicht polymere Modijifationen. Unter
O° entfteht Metaldehyd (C,H,O),, der farbloje,
bei 112 — 115° jublintierende Nadeln bildet und, an-
Haltend auf 60° erwirmt, fid in A. und Paral
dehyd (C,H,O), verwandelt. Dieſer entiteht wie der
vorige, aber bei gewöhnlicher Temperatur, bildet eine
flare, farbloje Flüſſigkeit, riecht ätheriſch erſtickend,
ſchmeckt brennend kühl, ſpez. Gew. 0,994 bei 20°, ſiedet
bei 124°, erſtarrt in der Kälte kriſtalliniſch und ſchmilzt
Dann wieder bei 10,5°. Er miſcht fic) mit Alkohol und
Uther, lojt fich in kaltem leichter alsin warmem Waffer
und dient als {dlafmadendes Urjzneimittel und zur
Linderung von Atemnot.
Aldehydehlorid, ſoviel wie Uthylidendlorid.
Aldehyde, cine Klaſſe hemifder Verbindungen,
die aus Ulfoholen durch Uustritt von Waſſerſtoff ent-
fiehen und durd) Aufnahme von Sauerſtoff m die
au dem Allkohol gehiorige Säure fibergehen: Alkohol
C. H.O, Aldehyd C,H,O, Eſſigſäure C. H.O, Einige
A. kommen in der Natur vor (Cuminaldehyd im Ro—⸗
miſchkümmelöl, Zimtaldehyd im Zimtöl), am häufig—
ſten entſtehen A. durch Orydation der Alkohole:
CH,.CH,.0H + 0=CH,.CHO + H,0, bei Deſtilla- :
| Ronigen ernannt, dann von den Freigutsbejigern ers
tion des Kallſalzes einer organijdenSaure mit ameijen-
jaurem Stalf: ‘Bropionfaurer Ralf gibt mit ameijen-
ſaurem Ralf Bropionaldehyd und fohlenfauren Ralf
Ca(C,H,.COO), + Ca(H.COO), = 2C,H,.CHO +
2CaCO,. Auch entſtehen fie aus einem Saureanhydrid
285
werden, vielleidht wird die von den Pflanzen aufge-
nommene Kohlenſäure zuerſt gu Formaldehyd redu-
iert, aus Dem dann durch Polymeriſation Zuder ents
fat Underfeits hat man die Lebenstatiqfeit des
Protoplasmas auf das Vorhandenfein von Widehyd-
qruppen (CHO) zurückzuführen gefudt.
Aldehydgriin (WU nilingriin) C,,H,,N,S,0 ent-
jteht bei oe von Rosanilin mit Uidebyd und
Schwefelſäure und des violetten Prodults mit unter-
ſchwefligſaurem Natron in faurer Löſung. Griines,
amorphes Pulver, löslich in Schwefelfiiure enthalten-
dem Alkohol, wurde vor Entdeckung des Jodgrüns
in der Färberei vielfach auf Seide, Wolle und Kattun
(als Tannat) benutzt.
Aldeia Gallega (A. G. do Ribatejo), Stadt im
portug. Diſtrikt Liſſabon (Proving Eſtremadura), an
einem bis gum Tejo ſchiffbaren Flußarm, mit Fijd-
und Salzhandel und (1900) 8129 Einw.; Ausſicht auf
die Bai von Liffabon.
Wldenburg, Titel eines Reichsgrafengeſchlechts,
das Anton, ein natiirlider, aber vom Kaiſer legiti-
mierter Sohn des Grafen Unton Giinther zu Olden-
burg und Delmenhorſt (geſt. 1667), 1653 begriindete.
Durd) Charlotte Sophie (geo. 1715, gejt. 1806), Erb-
todjter des Reichsgrafen Anton IL, fam der Beſitz,
dad aus der Herridaft Kniphauſen, der unter däniſcher
—— ſtehenden Herrſchaft Varel und oldenburgiſchen
Guütern beſtehende gräflich aldenburgiſche Fideilom—
miß, ant die jiingere weſtfäliſche Linie der Reichsgra—
fen von Bentine (j. d.).
Aldenhoven, Flecken und Wallfahrtsort im preuß.
Regbez. Uachen, Kreis Jülich, an der Staatsbahniinie
Aachen-Jülich, hat cine fath. Kirche, ein Amtsgericht
und (1900) 1127 Einw. — Wm 1. Marz 1793 ſchlugen
bier die Ojterreider unter dem Pringen Joſias von
Roburg die Franzoſen unter Dumouriez; 2, Oft. 1794
ſiegten legtere unter Dourdan über die Oſterreicher
unter Clerfayt.
Aldenobſt, nordamerifanijdes Backobſt.
Alderman (ſpr. addermin; angelſächſ. Aldorman,
Alteſter«), im Angelſächſiſchen Vorſteher einer Ge-
noſſenſchaft, beſonders aber Titel der Oberbeamten
der Kreiſe oder Grafidaften (shires) und der Wite-
jten (senatores) des Reidjes, die, anfangs von den
wählt, in den Vollsverſammlungen (witena-gemot)
ſtimmten und in Kriegszeiten Die Miliz ihrer Graf-
—* zu führen pflegten. Nach der däniſchen Er—
oberung wurde der Name durch den der däniſchen
oder dem Chlorid eines Säureradikals bei Einwirkung
von Waſſerſtoff im Entſtehungsmoment: Acetylchlorid
gibt Athylaldehyd CH, .COC! + 2H =CH,.COH +
Cl. Die A. beftehen aus einem Wfoholradifal und
der Utomgruppe CHO, 3. B. Ucetaldehyd CH, .CHO.
Sie find filichtigqe, farbloje, angenehm riechende Flüſ⸗
ſigleiten, ſehr leicht orydierbar und durd große Be—
weglidjfeit des Molelüls ausgezeichnet; ſie bilden mit
ſauren ſchwefligſauren Alkalien und mit Ammonialk
kriſtalliniſche Verbindungen, aus denen durch Deſtilla—
tion mit Säuren oder Allalien der Aldehyd rein ge—
wonnen werden kann. Durch Natriumamalgam wer⸗
den fie bei Gegenwart von Waſſer gu Ulfoholen redu⸗
jiert, mit ftarfer —— geben ſie zur Hälfte eine
Säure, zur andern Hälfte den entſprechenden Alko—
hol. Aus ammonialaliſcher Silberlöſung ſcheiden die |
A. metalliſches Silber ab, das die Gefäßwandung
Jarls (Carls) verdrängt. Jest bilden in den Städten
Großbritanniens und } T. aud) in denen der Ver
einigten Staaten von Nordamerifa die Aldermen
den vierten Teil des Stadtrats, an dejjen Spike der
Mayor (in London, York und Dublin Lord-Wayor)
jteht, Der aus den Wldermen auf ein Jahr gewählt
wird, während diefe jelbjt von den Stadtverordneten,
welche die iibrigen Drei Viertel des Stadtrats bilden,
in London aber direft von den Wabhlberedtigten eines
jeden Stadtviertels (ward) gewählt werden. (Qn den
Vereinigten Staaten heißen bisweilen aud alle Stadt-
ratsmitglieder A.) Sie führen die polizeilidje Ober-
aufſicht liber Den Dijtrift, den fie vertreten. Die drei
älteſten unter ihnen jowie die, welche bereits die Wiirde
des Mayors befleidet haben, find zugleich Friedens-
ridjter.
Wldernevy (jr. Giderni, franz. Uurigny, dag alte
ſpiegelnd befleidet. A. fpielen vielleicht im Leben der | Arica oder Riduna), engl. Felſeninſel im Kanal, an
Pflanzen und Tiere eine Rolle. Traubenzucker fann | der franzöſiſchen Küſte, weſtlich vom Rap de la Haque,
als ſechsfach polymerijierter Formaldehyd aufgefaft | die ndrdlidjte der englijden Kanalinſeln, 7,9 qkm
286 Alderfhot — Aldobrandiniſche Hochzeit.
groß mit (1901) 2062 Einw., die einen aus dem Eng: | war und ſich feit 1818 in der vatifanijden Bibliothel
lifchen und Franzöſiſchen gemiſchten Dialeft ſprechen, befindet. Die dargeftellte Szene (f. Ubbild.) wird dabin
ſteht unter dem Gouverneur von Guernfey und er- | gedeutet, daß der Künſtler den Wugenblid geſchildert
eugt vortrefflide Mild und Butter, das Prodult einer | hat, wo die Braut durch Aphrodite oder grit (die
jondern Yrt kleiner Kühe. Weſtlich davon find ge- | Gittin der Überredung) im Haufe ded jungen
fährliche Rlippen, the Caskets genannt, mit 3 Leudjt- | vorbereitet wird, diejen, Den vor Der Tiir ded Ge-
tiirmen. Cin groper Zufludts- und Kriegshafen bei machs figenden, mit Efeu bekränzten, balbbefleide-
dem Dorf Braye, auf der Nordjeite der Inſel, ijt nie | ten Diingling, im Thalamos (dem Brautgemad) zu
vollendet worden, und fein 1200 m flanger Sdug- empfangen. Dieſer Erklärung hat K. Robert (im
damm ijt cin Spiel der Wellen. Hauptort ijt St.-Wnne
(im Innern). Der Kanal zwiſchen W. und dem Map de |
la Hague, Race von A. qenannt, ijt wegen der Starke |
und Schnelligleit feiner Put ſchwierig ju befabren.
Wlderfhot (pr. Diderſchod, Stadt m =
(England), 22 km djtlid von Baſingſtole, neben dem
1854 erridteten ftehenden Lager emporgewadjen, mit
1901) 30,974 Einw. Das Lager befteht aus zwei Grup-
pen von Gebäuden, dem fogen. North: und South-
Camp (jest Marlborough- und Stanhope - Lines ge-
nannt); in legterm Die Ullerheiligenfirde und der
fonigliche Bavillon. Der Exerzierplatz dehnt fic) 4 km
weit im N. des Hiigels Caejar's Camp aus, auf dem
die Reiterjtatue des Herzogs von Wellington (von
Wyatt) jteht.
{dien (langob. Aldiones), bei ben Bayern und
Langobarden die Bezeichnung der Horigen (j. d.).
(dinen, Druciwerfe aus der Offizin der Bud |
druderfamilie Manutius (f. d.) gu Venedig (15. und)
16. Jahrh.), nad) der aud) eine gefillige moderne
lateinijche Schriftgattung benannt wird.
Pdini, Untonio, Graf, ital. Staatsmann,
gee. 27. Dey. 1755, gejt.5. Oft. 1826, war in Bologna
vofat und Profeſſor der Rechte, nad aa
|
|
|
|
der Cisalpinijden Republif Priifident im Rate der
Ulten, dann Witglied der Regierungsfommiffion.
1801 wurde er sum Ditglied des ebenden Rats
der Republik Stalien ernannt, 1803 infolge feiner
Zwiſtigleiten mit Melzi entlaffen, nad der Erridtung
des sate Stalien aber von Napoleon gum Gra-
fen und Winijter ernannt. Nad Napoleons I. Sturz
lebte er in Mailand, im Vertrauen der öſterreichiſchen
Regierung. Bgl. Sanolini, Antonio A. ei suoi
tempi (flor. 1864 — 67, 2 Bde.).
{dobrandini, florentin. Familie, von Papſt
Clemens VIII. yur Fiirjtenwitrde erhoben. Sal—
vejtro A., berühmter Rechtsgelehrter, geb. 24. Nov.
1499 in Florenz, ward 1531 als Geqner der Medici
aus Florenz verbannt, trat in päpftliche Dienjte und
jtarb als Udvofat des Fisfus und der apojtolijden
Kammer in Rom 6. Juni 1558. Bon jeinen Söhnen
war ber jiingite, Ippolito A., als Clemens VIII.
(1592 —- 1605) Bapjt; Giovanni wurde 1570 Kar—
dinal; Pietro jeichnete fich als jurijtiider Schrift:
teller aus. Des legtern Sohn Pietro (geb. 1572 in
Rom) ward mit 22 Jahren Kardinal und leitete wäh—
rend der Regierung feines Oheims Clemens VIII. die
politifcen Ungeleqenheiten des Kirchenſtaates; er ſtarb
1621 als Erzbiſchof von Ravenna. Nod) mebhrere U.
wurden Kardinäle oder ſonſtige Wiirdentriiger; die
DHauptlinie des Geſchlechts erloſch 1681 mit Ottavia, »Hermes«, 1900, 1V., S. 6577.) cine andre gegentiber-
Todjter des Wiorgio A., Fürſten von Roſſano. Die geſtellt, die ſich vornehmlich auf die auffällige Erſchei⸗
Wiiter des Hauſes fielen an die Borgheſe und Pamfili, nung des Bräutigams gründet. Neben der zuredenden
eine Seitenlinie der erſtern führt Den Titel Fürſt A. Aphrodite und der ts von ihr ſtehenden ſalben
Aldobraudiniſche Oochzeit, ſo genannt nach ſpendenden Charis iſt auch der sSiingling eine gittliche
dem erjten Bejiger, ein antifes — (nad Verſon, der Brautführer Hymendos, der, auf der
cinemt ausgezeichneten griechiſchen Borbilde), das, in Schwelle figend, des Augenblicks harrt, wo die Braut
der Wie der Mirde Santa Maria Maggiore su Rom in feierlidem Hochzeitsjug aus dem Elternhaus in
in den chemaligen Garten des Mäcenas 1606 auf. das Haus ded jungen Gatten geleitet werden foll. Auf
gefunden, zuerſt tm Bejig des Rardinals Aldobrandini | der rechten Seite jind die Borbereitungen gum Hod
“PHONG Wopyva ‘uroye) y}9' God aPjpurquoagogy ys ag
Aldol — Aldrovandia vesiculosa.
itszuge bargeftellt: die Zitherſpielerin, die Sflavin,
ie Den Dedel vom Thymiaterion (Räucherbecken) ab-
hebt, und die mit emer Blatterfrone gejdmiidte Nym⸗
pheutria (die Brautfiihrerin). Auf der linten Seite
fieht man auf hohem Unterjag das Weihwaſſerbecken,
aus dent die Braut beim Verlaſſen des jungfrauliden
Gemachs beiprengt werden foll. Cine gelungene Nach⸗
ahmung findet fic) in Muſeum gu Berlin, eine gute
Kopie aud) im Univerfitétsmujeum zu Halle. Ral.
butterfaurealdebhyd) C,H,O,
Badttiger, Die U. H. (Dresd. 1810).
Alol (Or »
oder CH,.CH(OH).CH,.CHO entjteht aus Aldehyd
CH,.CHO bei Einwirkung falter ag durd) Kon⸗
denjation, ijt farb- und geruchlos, dickflüſſig, miſch—
bar mit Waſſer und Alkohol, fiedet bei 9O —105° und
zerfällt bet 135° in strotonaldehyd und Wafer.
Aldoxime, ſtichſtoffhaltige Produfte der Einwir—
kung von Hydroxylamin af Widehyd, flüchtige Flüſ⸗
ſigkeiten, die mit Säurechloriden Nitrile bilden. Acet—
—— C,H,NO oder CH,.CH.NOH riecht ſchwach
aldehydartig, miſcht fic) mit Waſſer, Wlfobhol und Ather,
fiedet bei 115°, gibt mit Säuren Hydrorylamin und
Aldehyd.
Aldr., bei naturwiſſenſchaftlichen Namen Ubfiir-
jung fiir U. Wldrovandi (j. d.).
Wodrid (fpr. Golbritig), Thomas Bailey, ameri-
fan. Sdpriftteller, geb. 11. Nov. 1836 in Portsmouth
(New Hampihire), war erjt Kaufmann, dann Mit-
arbeiter an mebreren Seitidriften in New Yorf und
ſpäter Redafteur von »Every Saturday« und »Atlan-
tic Monthly« in Bojton, wo er zur Zeit lebt. Bon
feinen poetiſchen Werfen find zu nennen: »The ballad
of Babie Bell« (1858), »Pampinea« (1861), »Cloth
of gold« (1874), »Friar Jerome's beautiful book«
(1881). Seine Brofajdriften bejtehen aus den No—
vellen »Out of his head« (1862), »The story of a
bad boy« (1870; deutſch, Leipz. 1875), » Marjorie
Daws«, »Prudence Palfrey« (deutſch, Daj. 1874);
» The Still water tragedy<, Reiſeſchilderungen, Hu-
moresten xc. Sein Drama »Mercedes« (1884) wurde
mit Erfolq gegeben. Geine »Complete poetical and
prose works« erjdienen in 8 Banden (Boſton 1897).
Wldridge, Ira (or. aird Gtorinfg), Schaufpieler,
ein um 1805 am Senegal geborner Reger, follte wie
fein Bater Miffionar werden und ging ju dem Behuf
1825 nad) Glasgow, folgte aber bald feiner ſchon
frither erwadten Neigung zur Bühne und debiltierte
1826 an einem fleinen Theater Londons als Othello,
der in der Folge neben Macbeth, Ricard IIL, Shy-
lod, Mohr im »Fiesco« u. a. gu feinen beliebtejten |
Partien gehirte. Bis 1852 jpielte UW. in den Provin—
zialſtädten Grogbritanniens und unternahm darauf |
mit einer von ihm geleiteten Schauſpielergeſellſchaft
eine Reiſe nad) dem Feſtland, wo er in allen Haupt: |
ſtädten mit grofem Beifall auftrat. 1857 als Mit-
glied des Coventgarden-T heaters engagiert, vermodte
YW. nidt, Dauernd gu gefallen. Er fiihrte dann ein
Wanderleben in Rugland, Ungarn und Franfreid
und ftarb 7. Aug. 1867 in Lod; (Bolen). Sein Spiel
ſchloß fich in Der Darjtellung leidenfdaftlider Erregt-
heit an die ſtark realijtijdje Manier der englifden
Schaujpieler an, dod) wußte er aud) die weichern
Seelenjtimmungen jum Uusdrud zu bringen.
Widringen (Ultringer, aud Aldringer), Jo—
hann, Graf, taijerlider General im Dreifigjabrigen
Striege, qeb. 10. Dez. 1588 in Diedenhofen, gejt. 22.
Juli 1634. Aus adliger Familie jtammend, be-
qleitete er einen vornehmen Herrn auf Reiſen durd
teuropa, die in aud) an die Barifer Univerjitit
287
| bracdhten. 1606 erjdjeint er als⸗Doppelſöldner · in ſpa⸗
nijden Dienjten, ward 1611 Fähnrich, 1618 Haupt:
mann im erjberzoglid) tirolijden Landbheer, 1621
faijerlicjer Unterbefeblshaber, 1624 Hoffriegsrat und
Weneralfriegstommifjar. Mit einigen Regimentern
verteidigte er 11.— 24. April 1626 den Briidenfopj
bei Defjau gegen Ernſt von Mansfeld und ward da:
fiir 1627 ReidSfreiherr. Nachdem er 1628 Mecklen—
burg fiir Wallenjtein in Beſitz genommen hatte, wurde
er von Ferdinand I. nad der Lombardei gejandt,
wo er an der Eroberung von Mantua (18. Juli 1630)
teilnahm und fic) des Herzogs Schätze und Bibliothet
aneignete, Die er {pater ſeinem Bruder, dem Biſchofe
von Sedau, vermadte. 1631 gum Feldzeugmeiſter
befördert, zwang er den Herzog von Wiirttemberg,
jid) Dem Kaiſer ju unterwerfen, und vereinigte fid
nad) der Schladt bei Breitenfeld mit Tilly in Heſſen.
Nad Tillys Tode mit dem Oberbefehl über das ligi-
| ftifche Heer betraut und 10. März 1632 in den Reichs⸗
eo erboben, kämpfte er mit Wallenjtein bei
lirnberg. Wis Feldmarjdall operierte er 1633 mit
den Spaniern unter dem Herzog von Feria in Bayern
und Sdiwaben gegen Horn und Bernhard von Wei-
mar. Er lie} fig endlid) von der Hofpartei gewinnen,
Wallenjtein entgegen ju handeln, ohne ihn aber, wie
ihm aufgetragen war, in Pilſen gefangen gu nehmen.
Im Sommer 1634 mit der Wufgabe betraut, die
Schweden von der Mitteldonau und aus der Ober-
pfalz ju vertreiben, fiel er bet der Verteidigung ded
liberganges fiber die Siar bei Landshut. Seine Schwe⸗
fter und Erbin vermählte fid) mit dem Grafen Clary;
ihre Nadfommen fiihren den Namen Clary-A. Val.
Brohm, Johann von VW. (Halle 1882); Hallwid,
Joh. A., cin Brudjtiid aus feinem Leben (Leipz. 1885).
Wldrovandi, Uliſſe, Zoolog, geb. 11. Gept.
1522 in Bologna, gejt. 1. Mai 1605, ftudierte feit
1539 in Bologna die Rechte, Dann in Pija Philo—
fopbie und Medizin und wurde 1549 als angeblider
Hiretifer in Rom eingeferfert und bis zum Tode ded
Papjtes Raul ILL gefangen gehalten. Nac feiner Be-
freiung widmete er fic) Dem Studium und der Sdil-
derung der antifen Statuen, ſammelte Pflangen und
Hilde und ward 1561 Dozent der Arzneimitlellehre;
1568 qriinbdete er in Bologna einen botaniſchen Gar-
ten. Für fein zoologiſches Werk, in dem er reidjhal-
tiges Material unter Beriidjidtiqung der Unatontie
zu ordnen fudjte und sablreide naturbijtorijde No-
tigen gujammenbradjte, bebandelte er felbjt nur die
Vogel, Inſelten und niedern Tiere; die übrigen Bande
gaben Uterverius, Dempjter und Bartholomaus Unv-
rojinus heraus. Das Werk eridien unter folgenden
Titeln: » Ornithologiae libri XII « (Bol. 1599- - 1603,
3 Bde.; zuletzt daſ. 1861); »De animalibus insectis
libri VII- (daſ. 1602, zuletzt 1638); »De reliquis
animalibus exsanguinibus libri IV« (daj. 1606, zu—
lest 1654). Die iibrigen Bande erſchienen 1613-42.
A ſcheint aud) zuerſt em Herbarium im heutigen Ginn
angelegt ju baben und ſchrieb: »Dendrologiae nata-
ralis libri Il« (Bol. 1668; 3. Wufl., Frankf. 1690);
»Pomarium curiosum« (Bol. 1682). Val. Fantug zt,
Memorie della vita di Ulisse A. (Mol. 1774).
Aldrovandia vesicul6sa L., Drojerajee, wur-
zellos ſchwimmende Waſſerpflanze, in Queensland,
ngalen, Oberitalien, Südfrankreich, bei Rybnik,
Krakau, in Litauen, mit fadenförmigem, wenig ver—
zweigtem Stengel und kleinen, quirlſtändigen Blät⸗
tern. Dieje beſien einen am Ende mit langen Wim-
pern beſetzten Stiel und cine mujdelartig sweiflappige
und mit reigbaren Borjten bejegte Sprette, die fich,
!
288
Albus Manutius — Alecfandri.
. B. durd cin Inſelt gereizt, sufammentlappt. Die | mia giovinezza«, in ber fic) finnige Träumerei mit
einen weißen Bliiten ſtehen einzeln im den Blatt- feuriger Hingabe an die Sade der nationalen Unab-
achſeln, die Frucht iit eine fiinfflappige Kapſel. S.
Tafel ⸗Inſektenfreſſende Pflanzen«.
loud Manutius, ſ. Manutius.
Ale (engl., fpr. ei), ſ. Vier.
Wléa, arfad. Stadt im Gebiet von Stymphalos,
hängigkeit des Vaterlandes verbindet. Tief empfun-
den Tb die »Lettere a Maria« (1848). Nachdem A.
1848 bei der proviforijden Regierung Venedigs tatig
—— und dafür in Mantua eingelerlert worden war,
nit einem Tempel des Dionyſos, dem alljährlich ein |
Feit mit Kultbrauden, die an Menſchenopfer erinner⸗
| e la Fornarina« (1858) erſchienen die bedeutiame Qan-
ten, qefeiert wurde. Reſte bei Bugiatt.
Aléa jacta est (lat., »der Wiirfel ijt geworfens),
Ausruf Cajars, als er, den Rubicon überſchreitend,
den Biirgerfrieg begann; nad andern rief er viel-
mehr » Der Wiirfel fei
ofpda 6 xifos, ein
nanbders. Später bat Ulric) v. Hutten das Wort als
Wahlipruch übernommen, ſowohl lateiniſch als deutſch:
»Ich hab's gewagt.«
Wleduder, Hicronymus, Kardinal, geb. 13.
Febr. 1480, geit. 1542, jtudierte anfangs Medizin,
dann in Badua Theologie und alte Spradjen. Papſt
Wlerander VI. madte thn 1501 gum Sekretär feines
Sobnes Cefare Borgia und gebraudte ihn gu diplo-
matijden Sendungen. Seit 1508 war A. Brofeffor des
Griecdhifchen an der Univerfitat gu Baris und wurde
1513 ihr Reftor. Bom Fürſtbiſchofe von Lüttich 1515
zum Rangler ernannt, zeichnete er fid) in Der Verwal-
tung aus, wurde 1517 Bibliothefar Papſt Leos X.,
entwarf mit Ed die Bannbulle gegen Luther, wurde
1520 als päpſtlicher Nunzius nad Deutidland ge-
fcidt und fegte auf Dem Reidstag zu Worms (1521)
die Uchtserfldrung gegen Luther durd. 1524 gum
Er biſchof von Brindiſi ernannt, befand A. ſich 1525
als päpſtlicher Legat bet Konig Franz J. und wurde
mit dieſem in der Schlacht bei Bavia qefangen. 1531
erfcien er abermals in Deutidland als Nunzius des
Papjtes mit dem Auftrag, eine friedlicje Uuseinander-
ſetzung der Ratholifen und Proteſtanten zu verhindern.
Dod) vereitelte der Religionsfriede ju Niirnberg den
Hauptswed feiner Miſſion. Auch eine dritte Sendung
1538 hatte weniq Erfolg. 1538 wurde A. gum Kar—
dinal erboben. Sein » Lexicon graeco-latinum« (far.
1512), das bejte feiner Heit, ijt jest eine bibliographi- |
ſche Seltenheit. Außerdem edterte A. mebhrere griechi
ſche Autoren und lieferte cine griechiſche Grammatik.
Auch als Dichter erlangte er Ruf. Für die Reforma—
tionsgeſchichte ſind ſeine Briefe (abgedruckt in Fried—
rid), Der Reichſstag von Worms nad den Briefen
Wleanders, Münch. 1872, und in Brieger, Quellen
u. Forſchungen zur Gefdichte der Reformation, 1. Teil :
A. und Luther 1521, Gotha 1884) widtig. Val. Jan—
fen, U. am Reichstag ju Worms (Riel 1883); Ral lo ff,
Die Depefdhen des Nunzius A. vom Wormer Reidstag |
(itberjetst rc., Halle 1886); Friedensburg, Legation
Uleanders 1538-1539 (Numyiaturberidte;
Sit auf griechiſch dvep- |
Sitat aus einer Komödie Me: |
otha |
eqleitete er Dod) aud ferner die weitern Schickſale fei-
nes Baterlandes nuit begeijterten und wirfungsvollen
Geſängen. Neben der harmlojen Dichtung » Raffaello
zone »Le citta italiane marinare e commercianti«
(1856) und +I] Monte Circello« (1858), und 1859,
furg vor Dem Ausbruch des Krieges mit Ojterretd,
das poefievolle » Triste dramma«. Rad vollfommen
ungeredtfertigter abermaliger Gefangenſchaft m Jo⸗
fephitadt febrte A. nach dem Friedensidluy in fem
Vaterland juriid, wurde Mitglied des Parlaments.
1864 Profeſſor der Withetit in Florenz und Mitglied
des Senats (1873). Bon Didtungen hat er nod »1
sette soldati« (1861) und den » Canto politico< (1862)
gegen Pius LX. verdffentlidt. Cine volljtindige Mus.
gabe der »Canti di A. A.« (7. Aufl.) eridien Florenz
1889; eine Uuswahl in deutider Überſetzung von
Kitt (Baſ. 1872). G. Trezza veröffentlichte den »Epi-
stolario di Aleardo A.« (Verona 1879). Bgl. Roi} o,
La vita e i canti di A. A. (2. Aufl. Foffano 1900).
Wledtico, ſ. Italieniſche Weine.
Aleatõo riſch (v. lat. alea, Würfel), auf das Würfel⸗
ſpiel bezüglich, gewagt. Aleatoriſche (gewagte) Ber-
träge find ſolche, bei denen Gewinn oder Verluſt von
dem Eintritt oder Nichteintritt zulünftiger ungewiſſer
Ereigniſſe abhängig gemacht iſt. Gemeinrechtlich zähl—
ten dazu: Spiel, Bette, Doffnungstauf, Verſiche
rungsverträge aller Art, Lotterie, Leibrente x. Das
deutſche Bürgerliche Geſetzbuch kennt keine beſondere
Kategorie der aleatoriſchen oder gewagten Verträge.
Bal. jedoch Spiel und Wette.
nr ass “tg Griqore, ruman. Dichter und
Staatsmann, geo. 1812 in Tirgoviſti in der Walachei.
geſt. 1886 in Butarejt, jtudierte am Kollegium St.
Sava in Bufarejt, trat unter Ulerander Ghilas Re-
gierung in die Armee, nahm aber nad 3 Jahren
mit Dem Range eines Offiziers feinen Ubfdied, um
als Schriftiteller und Bolitifer fiir die Oppofitions-
partei 3u wirfen. Seine politiſchen Satiren und Fabeln
gewannen ihm rajd) Bopularitat. Befonders aber trug
er durch feine Dichtungen » Das Jahr 1840<, worn
er in ſchwungvollen Worten die Wiinide des Landes
ausiprad, zur Erwedung der Geijter bei. Unter der
Regierung G. Bibescus (1842 — 48) angeftellt, blieb
er tm Minijterium tatig, ward unter Wlerander Cuſa
1893, 2 Bde.); »Journal autobiographique du car-
dinal Jérome A.« (brsg. von Omont, Bar. 1895). |
Whedrdi, Uleardo, Graf, ital. Dichter, ged.
4. Rov. 1812 in Berona, geſtorben dafelbjt 17. Juli
IS78, jtudierte zuerſt Boilofophie und Naturwiſſen
ichaften, danach Rechtswiſſenſchaften, bewarb fic) aber,
politiid verdächtig, vergebens um eine Anſtellung im
Staatsdienit. Auch feine poetiſchen Werte konnten ihrer
nationalpolitijden Tendenzen halber 3. T. erjt lange |
nad ihrer Entitehung gedrudt werden. Das Gedidt
»Arnalda« (1842) war zwar nod frei von folden |
Tendenzen; Dagegen finden fie ſich ſchon reichlich in
den »Prime storie« (1845), Die erit 1857 erfdeinen |
fonnten. Aus derfelben eit ftammt »Un' ora della
Kultusminiſter fowie kurze Zeit aud) Fimangminijter.
1860 wurde er zum Mitgliede der fogen. Zentralfom-
miſſion, endlid) L866 von König Karl J. gum Mitgliede
des Seneralfomitees der Theater ernannt. Seine poe-
tijden und profaifden Werle erſchienen gefanumelt
u.d.Z.: »Meditatii, elegi, epistole, satire si fabule«<
(Bufar. 1863).
Wlecfandri, Vafile, rumin. Dichter, qeb. 1821 in
der Moldau, gejt. 1890 in Paris (auf ſeinem Land-
qut Mirceſti in der Moldau beigelegt), wurde 1834—
1839 in Baris ausgebildet, war nad feiner Riidtehr
ein cifriger Witarbeiter an dem 1840 von Cogal-
niceanu geqritndeten, aber ſchon 1842 unterdriidten
journal »Dacia literarae und übernahm 1844 mit
jenemt und Negruzzi die Leitung des rumäniſchen und
franzöſiſchen Theaters in Jaſſy, fiir das er eine Reihe
von Lujtipielen (Jaſſy tm Karneval«, » Die Dorf-
hodjeits, > Madame Kiritza in Jaſſy · xc.) ſchrieb. Seit
Alecjandrie — Alemannen.
289
1848 verweilte er wegen ſeiner Beteiligung an den deren Körner er fraß, wurden zur Antwort geordnet.
Aprilunruhen längere Zeit in Paris und ward 1857
Mitglied des Diwans fiir die Verfaſſungsangelegen⸗
heiten,, dann 1859 bis Mai 1860 Minijter des Wus-
wirtigen. Seitdem Iebte er meijt auf jeinem Land-
gute, bis er 1885 als Gejandter nad Baris ging. Er
ſchloß ſich Der von der jogen. Junimea geqriindeten
Revue »Convorbiri literare« an, in Der feine bejten
Yirbeiten erſchienen. 1874 truq er bei dem von der
Gejellichaft der romantiden Spraden zu Montpellier
veranjtalteten Wettfampf mit ſeinem obgelang auf
Die lateiniide Raſſe den Preis davon. Alecſandris
lyriſche Dichtungen find ſtimmungsvoll und äußerſt
formagewandt, feinen Dramen feblt e3 an Leidenſchaft
und eben. »Ovidine (deutſch von Stern, Hermannit.
1886), »Fintina Blandusiei«, »Despot-Voda« ern-
teten trogdem auf dem Rationaltheater Bulareſts Bei⸗
fall. Große Beliebtheit erlangten feine wahrend des
ruijtid-tiirfiiden Krieges 1877/78 verfakten Kriegs-
lieder, und verdienjtvoll ijt feine Sammlung rumä—
niſcher Vollslieder und Sagen (einige deutid von W.
v. Ropebue: »Rumäniſche Vollkspoeſie«, Berl. 1857).
Seine »Opere« erjdienen ju Bufarejt 1873—76 in
7 Banden, jeine Bühnenſtücke 1875 in 4 Banden. Ge-
Dichte Ulecjandris in deutider Überſetzung finden ſich
in der Sammlung »>Ruminijde Dicdhtungen« von
Carmen Sylva (hr8g. von Mite Kremnig, 3. Aufl.,
Bonn 1889). S. 305.
WMlecfandrie, rumin. Stadt, ſ. Ulerandria 1,
Wledramiden, oberitalien. Fürſtengeſchlecht, def-
fen Ahnherr, Martgraf Aledram J., 933—948 urfund-
lid) begeugt ijt. Bon ihm ftammen die Marfgrafen
von Bajto, von Saluzzo, von Montferrat u. a. ab.
Aleiptes (qried)., »Cinjalber«), in den altgriedi-
ſchen Gymngſien derjenige, der vor und nad der
libung mit Of einrieb oder gum jwedmapigen Ein: |
reiben anleitete, auch derjenige, der Uthleten die ndtige
LVebensweije, namentlich die pafjende Diät, angab. Bei
den Romern waren Aliptae Sflaven, die im Bade |
frottierten und falbten. Iatraliptae find in fpiiterer |
Beit Ärzte, die Maſſage anwendeten und dadurd)
—— kräftigen, blühenden Körperhabitus herzuſtellen
uchten.
Alẽeko Paſcha (Fürſt AlexkanderVogorides),
titrf. Staatsmann, geboren um 1825 aus altbulga⸗
riſchem Geſchlechte, das mit griedhifden Familien aus |
Dem Fanar vielfad —— war, Sohn ded Für⸗
jten Wlerander von Samos, bildete fic) 10 Jahre lang |
in Wejteuropa, trat dann in den tiirfijden diplomas |
tiſchen Dienjt und war Botſchafter in Wien, als er
1877 vom Grofiwejir Edhem Paſcha nad Konjtanti-
nopel berufen wurde, um fid) gegen die Unflage der
Verlesung türkiſcher Staatsinterefjen zu verteidiqen.
A. legte feinen Poſten nieder und ging nad Karis in
fretwilliqe Berbannung. Bor Mat 1879-— 84 war |
er Generalgouverneur von Ojtrumelien.
Alẽkſin, Kreisjtadt im ruff. Gouv. Tula, an der |
Ofd und der Eiſenbahn Syfran-Wijasma, hat 4 Kir—
chen, Talgfiedereien, Gerbereien, Handel mit Brettern,
* Hauten und 1897) 2268 Einw.
(éfto (gried)., die »nimmer Rajtende«), eine der
Erinnyen (}. d.). ,
Alẽktovogel, ſ. Webervigel.
Alektryomachiĩe (griech.) Hahnenkampf, ſ. Huhn.
Alektryomantie (qried.), »Hahnwahrſagung«,
Wahrſagung aus dem Freſſen der Vogel (j. Augurn).
Man jog eine Kreislinie, ſchrieb die Buchjtaben des
Ulphabets darauf, leqte auf jeden cin Norn und ließ
den hineingeſetzten Hahn frefjen. Die Budhjtaben,
Meyers Ronv.+Lezifon, 6. Aufl., L Bd.
In ähnlicher Form nod heute in Rußland gebräuchlich.
Aleman, Mateo, ſpan. Romanjdriftiteller, ge-
boren um 1550 in Gevilla, war lange Beit berm
Reichsſchatz angeſtellt, entiagte infolge eines drgerliden
RechtShandels feinem Yant und wanderte um 1609
nad) Merifo aus, wo er wahrſcheinlich ftarb. Sein
Hauptwert ijt Der durch treffliche Sittenidilderumg
und vorzügliche Darjtellung ausgezeichnete Schelmen⸗
roman »Vida y hechos (od. Aventuras y vida) del
picaro Guzman de Alfarache, atalaya de la vida
humanas (1599), defjen erjter Teil ſogleich 3, inner:
halb der nächſten 6 Jahre nod) 26 Auflagen und
liberjepungen ing Franzöſiſche und Italieniſche er-
lebte. Der gitnjtige Erfolg veranlafte einen litera-
riſchen Freibeuter zur Herausqabe eines unedjten zwei⸗
ten Teiles, der 1603 in Barcelona eridien, während
der echte zweite Teil von A. ſelbſt erſt 1605 in Balen-
cia veröffentlicht wurde. Cin verſprochener dritter Teil
ijt nie erjdienen. Der Roman, der aud) in ſtiliſtiſcher
Hinſicht cin Meijterwerk ijt, wurde in fajt alle Spra-
den iiberjest, von Rafpar Ens 1623 ſelbſt ing Latei-
nijde. Die älteſte deutſche Überſetzung lieferte Agidius
Albertinus: »>Der Landſtörzer Gusman von Alfa—
radee (Miind. 1615, 2 Tle.), wozu ein dritter Teil
von Freudenhold fam (daſ. 1632); eine neuere bejorgte
Gleich (Magdeb. 1828, 4 Bde.) im Anſchluß an ge
ſages franzöſiſche, gelürzte Bearbeitung (Par. 1772).
Die bejte Ausgabe des Originals findet jid in Band3
von Rivadeneyras » Biblioteca de autor. espaiioles«
(Madr. 1846), wo aud der unechte zweite Teil ab-
gedrudt ijt; Einzelausgabe Barcelona 1885.
Mlemannen (Alemanni, beſſer Alamanni), cine
Vereinigung germaniſcher Stämme und Stammes-
iplitter, vertrieben die Romer aus ihren Beſitzungen
am obern Rhein und an der obern Donau. 213 er—
focht Raijer Caracalla iiber fie am Oberrbhein cinen
Sieq; 234, unter dem Kaiſer Ulerander Severus,
fielen fie von neuem in das Zehntland ein und wur-
Den erjt 236 von Maximinus iiber die Grenze juriid-
qetrieben. Wher ſchon 253 iiberidritten fie, 300,000
Mann ſtark, den Rhein, zogen pliindernd durd Gallien
und fiber die Ulpen und drangen bis Mailand vor.
Kaiſer Gallienus trieb fie zurück, fonnte aber die An⸗
fiedelung alemannijder Scharen am Oberrbhein nidt
hindern. 270 brachen fie, mit Marfomannen vercint,
abermals in Stalien ein, ſchlugen den Kaiſer Uurelia-
nus bei Mailand und Piacenza, wurden aber fdlieh-
lid) 271 bei Fano und Pavia befiegt. Probus jagte
fie 275 fiber die Schwäbiſche Alb und den Necar zurück
und fudjte die Grenge durch Lager und fejte Werke
(276) 3u ſichern; aber gleich nad) jeinem Tode (282)
fiel 283 das Land diesjeit Des Rheins, der nunmehr
Grenze ward, und wejtlid) von der Iller wieder in
die Hande der A. Conjtantius errang tiber die A.
zwei Siege bei Langres und Vindoniſſa. Selbſt des
Nulianus groker Sieg bei Straßburg (357) hatte
ebenjowenig die erwarteten dauernden dolgen wie die
Siege der Kaiſer Valentinian (368 bei Solicinium im
Schwarawald) und Gratian (378 bei Yrgentaria in
der Nabe von Rolmar). Seit der Mitte des 5. Jahrb.
waren die A. im Beſitz des Maingebiets, Sdwabens,
der Schweiz und des Elſaß. Ws jie ndrdlic in das
Land der ripuarifden Franfen eindringen wollten,
bejiegte fie Der Franfenfinig Chlodwig 496 im obern
—* entriß ihnen das Maingebiet und unterwarf
ſie der fränkiſchen Oberhoheit. Ein Teil der A. floh
und erhielt von dem Ojtgotentinig Theoderid) Wohn⸗
fige in Ratien, von wo aus fie 553 einen verbeerenden
' 19
290 Alemanniſche Geſetze — Wlencon.
Einfall in Italien machten. Beim Verfall der Dynaſtie »Réflexions surlestyle« und andere, höchſt geiſtreiche
der ſtarolinger entſtand ein Herzogtum Aleman- Schriften, denen er vorzüglich ſeinen ſtiliſtiſchen Ruf
nien, das, von Burkhard geſtiftet, im 10. und 11. verdankt. Yn der Philoſophie neigt er zur Stepps;
Jahrh. bedeutend war, aber 1096 unter die Häuſer er wird zu dem Glauber gedriingt, dak es aufer uns
Staujen und Rabhringen geteilt wurde. Die Zährin⸗ nidts qebe, was dem, das wir wahrzunehmen mei
ger erbielten Thurgau, Zurichgau, Margau und Bur- | nen, ent{prede. Weder von der Materie nod von dem
qund, die Staufer das eigentlidje Schwabenland oder | Geijt haben wir nad) ihm eine deutlide Vorſtellung,
den oftrheinijden Teil Wemanniens. Letzteres hieß | dod) ſcheint die Verbindung der Teile in den Orga-
ſeitdem allein Alemannien, ſpäter Sdhwaben. l. nismen eine bewußte Intelligenz zu erfordern. Als
Stalin, Wirtembergiſche Geſchichte, Bd. 1 (Stuttg. | »Freidenter« mußte er von ſeiten der Theologen hef—
1841); Haas, Urjujtinde Wemanniens (Erlang. | tige Unfeindungen erfahren, die ihn aber Dod) nicht
1865); Hollander, Rriege der U. mit den Römern | vermodten, dem Rufe Friedridjs IL. nod) dem der
(Strakb. 1874); Dahn, Germanifde Studien (Berl. | Kaijerin Katharina LI. von Rufland gu folgen. Wis
1884); Bacmeifter, Wemannifde —— Menſch von offenem, uneigennützigem Sinn, hat er
(Stuttg. 1867); v. Schubert, Die Unterwerfung der | durch fein unglückliches Liebesverhaͤltnis zu der geiſt⸗
A. unter die Franfen (Strakb. 1884); Birlinger, | reichen, aber unbejtindigen L'Eſpinaſſe Teilnahme
Rechtsrheiniſches Ulamannien (Stuttg. 1890). eingeflößt. Gefammelt find jeine vermiſchten Schriften
Alemanniſche Gefeve, das älteſte Vollsrecht der | herausgegeben als »(Euvres philosophiques, histo-
Ulemannen (f. d.), in zwei lateinijden Rechtsaufzeich⸗ riques et littéraires« von Baitien (Bar. 1805, 18
nungen erhalten; die ältere, ber Pactus Alamanno- | Bde.), von Didot (daj. 1821, 16 Tle. in 5 Bdn.) und
rum, jtammt aus dem Ende deS 6. oder Unfang des | in Auswahl von Condorcet (»(uvres. Sa vie, ses
7. Jahrh.; die jiingere, die Lex Alamannorum, wurde | cuvres, sa philosophie«, neue Ausg., daj. 1852).
unter der Regierung des Königs Chtotar IV. (717— | »CEuvres et correspondances inédites de d'A. « gab
719) auf einer wahrſcheinlich unter dem Vorſitz des Ch. Henry (Wbbeville 1887) heraus. Seine Biogra-
Herzogs Lantfrid L. (gejt. 730) abgehaltenen Stam- | phie ſchrieb J. Bertrand (Kar. 1889).
mesverjammlung beſchloſſen. Kritiſche Ausgabe von Alembic (Wlambif, arab.-franj.), der Helm der
&. Lehmann in den »>Monumenta Germaniae hist.«, | alten Dejtillationsapparate.
Seft. I, Bd. 5 (1888). Alembrotſalz, ſ. Quedfilberdlorid.
Alemanniſcher Dialekt, ſ. Deutſche Sprache. Alemtejo (fpr. alengtelchu, »jenfeit des Tejo<), die
Alembert (pr. alangdar), Jean Lerond d', Philo⸗ größte, aber am ſpärlichſten bevöllerte Proving Por⸗
foph und Mathematifer, 9 16. Rov. 1717 in Paris, | tugals, gwifden Beira und Ejtremadura im N. und
gejtorben daſelbſt 29. Oft. 1783, Sohn der Frau v. | Ulqarve tn S., 24,390 qkm (443 OM.) grog mit (1900
Tencin und des Yngenieuroffiziers DeStouches (Brur | 413,531 Einw. (17 auf 1 qk); umfaßt die Diftritte
ders des Dichters), trat, 12 Yabhre alt, in die Pen- Beja, Evora und —— Hauptitadt Evora.
ſionsanſtalt des College Mazarin. Anfänglich ſtu—⸗ len, Längenmaß, ſ. Aln.
dierte er Theologie, ſpäter die Rechte, wurde Advolat, Welem cpr. dew, ſchweizer. Ort, ſ. Aigle 1).
wenbdete fid) aber bald den mathematifden und phyfi-| Wlencar, Joſe Martiniano de, brafil. Sdrift-
laliſchen Studien ju. 1741 als Mitglied in die Pari- | fteller, geb. 1830 gu Fortalesa in der Proving Ceara,
fer Ufademie aufgenommen, war er feit 1772 viele geſt. 12. Dez. 1877 in Rio de Janeiro, ſtudierte die
Sabre deren ſtändiger Sefretir. Jn dem »Traité de | Rechte, widmete fid) dann der üterariſchen Tatigheit
dynamiques (Par. 1743; bejte Ausg., daſ. 1759) vers und Politif und war {pater Barlamentsdeputierter,
öffentlichte er das nad) ibm benannte Prin zip, wel- | 1868—69 SJujtigminijter. Seine Schriften (82 Bande)
ches zur Berechnung der einem ftarren Körper durd | beſtehen in einer Unjahl von Romanen, als deren
geqebene Kraftimpulje mitgeteilten Bewegung dient vorzüglichſte gelten: »Llracema«, » Minas de Pratas,
und ausjagt, daß Strafte, welche die tatſächlich erzeug- »Tronco do Ipé«, »O Guarany« (6. Aufl. 1889, ns
ten Bewegungen hervorbringen wiirden, in entgegen- | Italieniſche und Englijde überſetzt). Sie behandeln
geſetzter Ridjtung auf den Körper wirtend, nut den | Stoffe aus der Geſchichte Brafiliens und aus dem
gegebenen Kräften im Gleidgemidt ſein müſſen. Das | Stadt- und Landleben, beſonders auf indianifde Uber-
d'Alembertſche Pringip gejtattet die Löſung der Unf | lieferungen gejtiigt. Die Scilderumg der tropifden
gabe, bie Bewegung emes ftarren Körpers, d. h. etnes Natur wird mit Redt gerühmt. In ſpätern Werfen,
Syſtems von unendlic vielen, ftarr miteinander ver: | wie »Pata de gazela<«, »Luciolac, ⸗,Diva« ⁊c., abmt
bundenen Majjenpunften, auf die Bewegung eines | er die Franzoſen nad. Für die Bühne ſchrieb er das
cingigen Maffenpunttes zurückzuführen. — D'Wlem- | Lujtipiel: »*Der Damon der Families u. a.
beris zahlreiche Abhandlungen auf dem Gebiete der| Alengon (fpr. alanghong), Hauptitadt des frany.
reinen und angewandten WMathemati€ find geſammelt | Depart. Orne, an der Sarthe, Knotenpuntt der Weſt⸗
in ben »Opuscules mathématiques« (Bar. 1761— | babn, bat eine gotiſche Kirche (Notre-Dame), cin Stadt~
1780, 2 Bde.). Von den eraften wandte fic) A. haus mit zwei Tiirmen vom alten Schloß der Herzöge
aud) ju andern Wifjenstreifen, ſpäter dazu durd | von A. (j. unten) und (1901) 16,590 Einw. Die Fa-
vielfache Streitigheiten veranlaft. Außer den »>Mé- | brifation der ebemals beriihmten Alenconſpitzen (ſ. d.)
langes de littérature, d'histoire et de philosophies | ijt im 19. Jahrh. ſehr juriidgegangen, um fo bedeuten⸗
(Bar. 1752, 56 Bde., und 1770, 5 Bde.) verdffentlidte | der aber ijt die Baumwollfpumeret, Bardent> u. Lein⸗
ev die durch Scharffinn und Klarheit ausgezeichneten weberei, Fabrifation von Keſſeln und Drainrdbren,
»Eléments de philosophie« (Daf. 1759). Mit Diderot | Berarbeitung von Quargtrijtallen(Diamanten von
unternahm er Die Herausgabe der großen »Encyclo- | YW.) au Schmuckſachen. Auch wird in der Uingebung
pédie« (Par. 1751-80, 33 Bde.), gu weldem Werk treffliche Pferdezucht betrieben. A. hat cin Lyzeum,
er Die Cinteitung, eine Cinteilung und fyjtematifde | cine Normalfdule, eine Spitzenſchule, ein Muſeum,
Uberficht der Wiſſenſchaften nad Bacon (neuer Ub- | eine Bibliothef, cine Gewerbelammer, cin Kranken⸗
drud, daf. 1894) und die mathematifden Urtifel | und cin Qrrenhaus und ijt Sis ded Präfelten und
ſchrieb. Ferner verfafte er »L’art de traduire, die | eines HandelSgeridjts. — Die alten Herzöge von W.
Alenconjpigen
waren ein Zweig de8 fonigliden Hauſes Valois und
jtammten von Karl IT. von Valois, der 1322 von ſei⸗
nem Bater mit der Grafidaft A. belehnt wurde und
1346 bei Crecy fiel. Das Pairieh —— ward je⸗
dod) erſt 1414 für des Stammvaters Enfel Johann IL.
errichtet, der 1415 bei Azincourt fiel. Als mit Karl IV.
1525 das Haus A. erloſch, gab König Marl IX. dads
Herzogtum ſeinem jüngern Bruder, Franz, nach deſſen
Tod 1584 es wieder an die Krone zurückfiel. Hein-
rid) IV. überließ es pfandweiſe Dem Herzog von Würt⸗
temberg, der es 1608 an feinen Sohn vererbte; von
dieſem faufte es Maria de Medici 1612 fiir die Rrone
guriid. Ludwig XIV. verlieh den Titel A. 1710 fei-
nem Entel, dem Herzog von Verry, und Ludwig XVI.
1774 feinem altejten Bruder, dem Grafen von Pro—
vence. Gegenwärtig führt der zweite Sohn des Her-
zogs Ludwig von Nemours, Pring Ferdinand Philipp
aus dem Haus Orléans (geb. 1844), den herzoglichen
Titel von A.
Alenconfpitzen (jucrjt »points de France« ge-
nannt), durch Reichtum und Schönheit der Muſter
und vollendete Ausführung berühmte Spitzen (ſ. Ta-
fel »>Spipen<), werden ſeit 1665 auf dem Schloſſe
Louray bei Alençon genaht, wohin Colbert Urbeite-
rinnen aus Venedig berief, um die Spitzeninduſtrie in
Frankreich eingufiihren. Bal. Mad. DeSpierres,
Histoire du point d’Alengon (Par. 1886).
Aleph, Anfangsbuchſtabe des hebräiſchen und phö⸗
nififden Alphabeis; aud) Zahlzeichen fiir 1.
Aleppo (arab. Haleb), Hauptitadt de qleidnami-
gen afiatifd -tiirt. Wilajets, das, den ndrdliden Teil
von Syrien und den nordiwejtliden Teil Mefopota-
miens umfafjend, in die Liwas Maraſch, Urfa u. Haleb
qeteilt ijt. Die Stadt fiegt 380 m fi. DL. und 300 km |
nordojtlidh von Damastus, in einer frudjtbaren, vom
fiſchreichen Steppenfluß Kuweik (Kukl) bewäſſerten
Talebene, die ſich gegen S. und O. in die Wüſte verliert,
und war vor dem Erdbeben von 1822, das zwei Drit⸗
tel Der Stadt zerſtörte, die drittgrößte Stadt ded titrfi-
ſchen Reiches. Sie hat einen Umfang von etwa 12 km
und beſteht aus der Altſtadt (Medine) und mehreren
Vorſtädten, von denen drei von past cp bewobnt wer-
den, und ijt Sits eines deutſchen Konſuls. Die Straßen
tragen morgenländiſches —— ſind jedoch gut ge⸗
pflaſtert und enthalten viele Spitzbogendurchgänge.
Die meiſt einſtöckigen Häuſer, aus Quadern feſt er-
baut, haben im Innern jum großen Teil ein ſtatt⸗
liches Ausſehen. Ziemlich in der Mitte der Stadt er-
hebt fic) auf einem etwa 65 m hohen, vielleicht künſt⸗
lichen Hügel, die Stadt beherridend, cine alte Feſte
mit 20 m hohem Turm; am Fuh des. Hiigels ſteht das
Serail deS Gouverneurs. A. zählt 127,000 Cinw.,
darunter 20,000 Chriften (meiſt unierte Griedjen mit
cinem Metropoliten) und 5000 Yuden. Die jiidijde
Gemeinde von A., unter der fid) zahlreiche Wechſler
und Bantiers befinden, ijt nadhjt der von Damastus
bie bedeutendjte in Syrien und bewohnt ein eigned
Stadtviertel (Bahſita). Jin RN. der Stadt liegt eine
große Raferne fiir die Garnifon. Das Klima von
. iit tm allgemeinen gefund (vgl. aber den Artilel
»Uleppobeule<), im Winter rauh, und die Stadt ijt im
ganjen Orient berithmt a ihrer lieblichen Garten
und Objthaine. Cine antife Wafjerleitung führt der
Stadt 11 km weit Trinfwaffer ju. Die Lage im Kno—
tenpuntt aller Handelsjtragen, die vom Mittelmeer
nad ©. führen, machte A., das heute mit dem —
YWlerandrette (jf. d.) Durd) cine 160 km lange Fahr⸗
ſtraße verbunden ijt, von jeher su einem Haupthandels-
zentrum de8 Orients; es bildete ſchon vor Jahrhun—
291
derten den Stapelplatz fiir europäiſche, levantiſche, in⸗
diſche und perſiſche Waren. Win ſchwunghafteſten war
der Handel Aleppos vor der Auffindung des Seewegs
nach Indien, während und nach der Zeit der Kreuz—
züge, wo die Genueſen und Venezianer ihre Haupt-
niederlagen Hier batten. Auch heute ijt er, obwohl
beträchtlich zurückgegangen, immer nod) lebbaft; er
befindet fic) jetzt fajt ausſchließlich in den Händen der
ſehr rührigen und durchweg wohlhabenden einheimi-
ſchen Chriſten (Griechen und Armenier) und euro—
päiſcher Handlungshäuſer. Der Hauptverkehr beſteht
in der Einfuhr von Zeugen und Manufakturen, Ko—
lonialwaren und leichten Tuchen. Zur Ausfuhr ta-
men 1899: einheimiſche Stoffe (ca. 3,25 Mill. Mt.),
Schafwolle (2,6), Kupfer (1,5), Helle und Leder (1,5),
Schafbutter (1,08), Rofons (1,75), Süßholz (0,8), Pi⸗
jtagien (0,5 Dill. ME.), gegen 5000 Ton. Getreide rc.
berei und Färberei find feit der lester Urmenier-
verfolgung ſehr zurückgegangen, dDagegen hat fic) die
Gerberei entwidelt. Ctwa 34 km nordweſtlich von
A. fliegen die Kal’at Sim’in genannten Ruinen des
im 5. Jahrh. erbauten beriihmten Kloſters des Heil.
Simeon. — UW. war um 1400 v. Chr. die Hauptitadt
der Landjdaft »Nuchaſhſhe«, die unter mebhreren
Gaufiirjten ftand, wird als Chalman zuerſt in den
Inſchriften Salmanajfars IT. erwähnt, der es 854
v. Chr. bejepte und hier dem Ramman opferte, und
erlangte dDurd) Palmyras Sturz (273 n. Chr.) al8
Handelsplatz große Bedeutung. Von Seleufos J. Mi-
fator, der Die Stadt verſchönerte, jtammt ihr Name
Verda, der ihr bis gur Eroberung der Uraber 636
blieb, Dann aber dem fyrifden (Chãläb, bei Ptole-
mäos Chalybon, fpiter) Haleb, italianijiert A.,
wieder weiden mupte. Wahrend der Kreuzzüge qriin-
deten die Seldſchulen hier cin Sultanat, das 1117
wieder unterging. 1260 wurde dic Stadt cine Beute
des Mongolen Hulagu, 1400 Timurs. 1516 durd)
Sultan Selim 1. in die Gewalt der Titrfen geraten,
wurde fie gur Hauptitadt eines Bafdalifs gemacht.
WAleppobeule (arab. habb essene, »Jahresbeulec),
in Syrien, Perſien, Ägypten, befonders in Wleppo,
am frat und in Wefopotantien vorfommende,
vielleidht anjtedende Hauttrantheit, die bet Eingebor⸗
nen bejonders im Geſicht auftritt und in Der Bildung
von Knoten bejtebt, die fic) langfant gu großen, ſchmerz⸗
haften Gefchwiiljten entwideln. Dieſe vereitern all-
mählich, bededen fic) mit einer dicen Rrujte und füh—
ren zu fiirdjterliden Entitellungen. Man zerjtirt die
Anſchwellungen durd Ugungen und durd) das Gliih-
eifen. Die Urjade ijt unbefannt. Ähnliche Krankhei-
ten fontmen bet den Yrabern (Visfrabeule, Dehli-
beule, Zibanbeule, Frina, Chabb, Sabara-
efdwiir), auf Umboina (Winboinabeule), in
Sibirien (Jasva) und Ungarn (Polfolvar) vor.
Wleppofiefer (Wieppofidte), ſ. Kiefer.
Wher, Paul, Philolog und Poet, geb. 9. Nov.
1656 gu St. Veit im Luremburgiiden, geft. 2. Mai
1727 in Ditren, trat 1676 in den Jejuitenorden und
war ſeit 1703 Reftor der Gymnaſien in Köln, Aachen,
Miniter, Trier und Jülich. A. verfaßte den »Gradus
ad Parnassum« (Köln 1702; zuletzt von Friedemann,
4. Aufl., Leipz. 1842, 2 Bde., und von Kod, 8. Aufl.,
daf. 1880) fowie zur Aufführung auf Gymnaſien la-
teinijde und beuttidhe Tragodien.
ercehol;, |. Fitzroya.
Alerheim, bayr. Dorf, am Ries, zwiſchen Donau-
worth und Ottingen, merfwiirdig durd) den Sieg der
Franjofen und Heſſen unter Enghien iiber die Bayern
unter Mercy, der Hier fiel, 3. Ylug. 1645.
19*
— Alerheim.
292
Alért — Aleurites.
Wiért (franj., v. ital. all’ erta, »auf der Hut<), | unter Michelangelo und baute Rirden, Biller und
aufqewedt, munter.
leſchki (friiher Dnjeprowſh),
fiidrujj. Gouv. Taurien, am Dujepr, gegründet von
den Griechen im 10. Jahrh., mit ase7 9119 Einw.,
Die hauptſächlich Obſt- (Urbujen) und Gemüſebau
fowie Fiſchfang treiben.
Wlefia, die ſehr alte und fejte Hauptitadt der
Mandubier in Gallia, die Cäſar nad) hartnäckiger
Verteidiqung durd) Vercingetorir 52 v. Chr. eroberte
und jerjtirte. Rejte bei dem Dorf Aliſe Ste.-
Reine, am Fue ded Berges Uurois, unweit Sémur
(Cdte-d'Or). Auf der Spitze des Berges lie Napo-
leon III. 1865 cine Koloſſalſtatue des BVercingetoriz
von Millet errichten mit der aus den Rommentaren
Cajars entlehnten Ynfdrift: »La Gaule unie, for-
mant une seule nation, animée d'un méme esprit,
peut défier l'univers«.
Wleffandria, ital. Proving in Piemont, grengt
im N. an die Proving Novara, im O. an Pavia, im
S. an Genua, im BW. an Cuneo und Turin und hat
einen Flächenraum von 5052 qkm (91,7 OW.) mit
(1901) 811,833 Einw. (160 auf 1 qkm). Die Bro-
vin; jerfallt in die ſechs Kreiſe: A., Ucqui, Aſti, Ca-
fale Monferrato, Novi Ligure und Tortona. Haupt-
jtadt ijt Aleſſandria.
Wleffandria, Hauptitadt der gleichnamigen ital.
Proving, mit dem Beinamen della Paglia (d. b. von
Stroh, weil dieStadtmauern nad der Landesfitte aus
mit Stroh durdfnetetem Lehm aufgeftiget wurden),
in einer Ebene zwiſchen der Bormida und dem Ta-
naro, Durd) den die Umgebung rafd unter Wafjer
ejest werden fann, Rnotenpuntt an der Bahn Turin-
Baa ijt cine der ſtärkſten Fejtungen Italiens. Un—
ter den ſechs Plagen ijt die große, quadratijde Piazza
Reale in der Mitte der Stadt, unter den Paläſten der
foniglide und das Stadthaus mit grofem Theater,
unter Den 15 Rirden die neue Rathedrale (1823 er-
baut) bemerfenSwert. Am linfen Ufer des Tanaro
liegt Die Zitadelle (1728 erbaut), gu der cine ſchöne,
gededte Brücke fiihrt. Die Bevdlferung beträgt «901
ca. 35,000 (alg Gemeinde 71,298) Seelen. A. bat ein
Lyzeum, Gymnaſium, eine techniſche Schule, ein tech⸗
niſches Inſtitut, einen großen Campo ſanto, ein Sie—
chen⸗ und ein Irrenhaus, Zuchthaus und Fabrifen
fiir Maſchinen, Möbel, Schirme, Hüte, Goldwaren,
Ol und Bier. Zugleich ijt die Stadt reger Handels-
plag und unterbalt zwei altberiibmte, nod jetzt ſehr
beſuchte Meffen. Ste ijt Sig eines Biſchofs, eines
Präfekten und de Kommandos ded IL. Korps. — A.
wurde 1168 mit Unterjtiigung der gegen Friedrid
Barbarojja verbiindeten lombardijden Städte erbaut
und dem Papſt Wlerander IT. zu Ehren benannt.
Durd feine Lage im Knotenpuntte der Strafen von
der Lombardei nad dem obern Piemont und Genua
war es ſtrategiſch widjtig. 1707 wurde es vom Prin-
jen Eugen erobert, darauf vom Kaiſer Joſeph I. an
Savoyen iiberlafjen. Nahe bet A. wurde 14. Juni
1800 die Schladt von Marengo (j. d.) geſchlagen und
in A. Darauf der Waffenjtilljtand zwiſchen Bonaparte
und den Oſterreichern geſchloſſen. 1849 wurde A.,
aud) jetzt mod) die ftirfite Fejtung Piemonts, nad
der Schladt von Novara den Hjterreichern voriiber-
qebend als Pfand des Friedend iibergeben. Bal.
Graf, Die Griindung Weffandrias (Dresd. 1887);
Borromeo, Origini e liberta dei comuni, che fon-
darono A. (Ylefjand. 1892 -- 93, 2 Bde.).
Aleffi, Galeazzo, ital. Architelt, geb. 1512 in
Perugia, geſtorben daſelbſt 31. Des. 1572, bildete ſich
Kreisſtadt im |
Valäſte in Gera (Santa Maria di Carignan, Ka-
lazzi Sauli, Briqnole, Spinola, Serra), Aſſiſi und
ailand im Stile Der Hodhrenaijjance.
Wleffio (alban. Ljeſch, das antife Lissos), Riijten-
jtadt im türk. Wilajet Shutari, unweit der Drinmiin-
dung, Sif eines im naben Kalmeti refidierenden ta:
tholtiden Biſchofs, mit malerijder Burg und 3000
(‘/s tath.) Cinw.; Sterbeort Standerbegs (f. d.).
a l'estompe (fran}., jpr. -fténgp’), mit Dem Wiſcher
Alet (Wlat), Fiſch, ſ. Döbel. gezeichnet.
Wletheta (griech.), Wahrheit; auch Perſonifilation
derſelben und als ſolche Tochter des Zeus; Uletho-
phil, ſoviel wie — Wahrheitsfreund.
— ——
Aletſchgletſcher, cin im ſchweizer. Kanton Wal⸗
lis auf der Südſeite Der Jungfrau in das Rhöne—
tal herabſteigender Gletider, der größte Europas
(24 km lang mit ciner Geſamtfläche von 169,45 qkm).
ilber ſeinen Riiden geht der Weg zur Jungfrau.
Durd drei folofjale Firnmulden (Großer Uletid-
firn, Jungfraufirn, Ewigſchneefirn)genährt.
jteigqt der Cisitrom in grokem Bogen talabwarts
und heißt im Gegenfage gum Mittlern und Obern
A., die von Der rechten Seite in ihn miinden, der
Grofe U. Auf dem Ojtrande des Gletſchers liegt in
2367 m Hobe der Merjelenfee, der durch emen
Kanal nad) dem Vieſcher Gletſcher abjliekt, während
die Waffer des Aletſchgletſchers durd die reißende
Maſſa der Rhine zugeführt werden. Das nordiwejt-
lid) liegende — (4182 m) iſt Der zweit⸗
höchſte Gipfel der Berner Alpen, im Yumi 1859 von
dem Englinder F. F. Tudett vom gqifdborn aus
uerjt erjtiegen (j. Finjteraarborn). Gegenwirtig er-
fiat die Bejteiqung meijt vom Hotel Bellalp, das
am Südweſtfuß ded Aletſchgletſchers in 2052 m Höhe
liegt S. Karte ⸗Gletſcher«.
fenaden, thefjal. Adelsgeſchlecht, das jeinen Ur⸗
{prung von dem Herafliden Aleuas ableitete. Sie re-
idierten in Larijja. Wabhrend der Perjertriege ſchloſſen
jie fich Den Perſern, ſpäter, durd) die Tyrannen von
Phera in ihrer Macht beſchränkt, Makedonien an.
Aleurites L., Gattung der Cupborbiajeen,
Baume mit wedjeljtindigen, großen, ganjen oder
dreilappigen Blittern und lodern, weitversweigter
Bliitenrijpen. Drei Arten. A. moluceana Willd. (A.
triloba Forst., Candlenufbaum), em Baum m
den Tropen und Subtropen der Alten Welt, auf den
Untillen und in Brafilien, vielfad) angebaut, 9 —
12 m bod, mit graben, weiflid) bebaarten Blattern,
fleinen weißen Blüten und fleijdigen olivengriinen
Früchten, deren zwei Samen fleinen Walnüſſen glei-
chen. Diefe werden von den Polynefiern als Leucht-
material benugt. Sie enthalten 22,6 Pro}. ftidjtoff-
haltige, 6,8 Proz. ſtickſtofffreie Subjtang und 62 Bros,
fettesOl(Banlulbl, Refunedl, Ruluidl,Land-
walnußöh); dies trodnet an der Luft, ijt geniefbar
und dient aud) in Der Malerei. Die Preßkuchen (7.
Oltuden) benugt man als Viehfutter und Diinger.
A. cordata Mil.- Arg. (Tungbaum), ein Baum
in China und Japan, dem tropijden Siidojtafien, auf
Bourbon, Sanjibar, Wejtindien und den BVereinigten
Staaten angebaut, liefert trodnended fette3 Ol (chi-
neſiſches Holzöl, Tungdl, if i
in Japan Abwagiri, Yani-giri), das in China
in febr grofer Menge als Brenndl, sum Wajjerdidt-
maden des Holzes, zum Lactieren der Möbel, zu den
chineſiſchen Laclarbeiten, aud arzneilich benugt wird.
Kalt gepreßt ijt es hellgelblich, wird mit der Beit übel ⸗
Aleurometer — Alerander.
riechend, erjtarrt am Licht und wird bei beginnendem
Sieden gallertartig.
Wleurometer (qried.), von Boland angegebener
Upparat zur Priifung des Weizenmehls auf feine
Tauglidfeit zum Brotbaden, mint bie Uusdehnung,
Die Der aus dem Mehl abgeidiedene Kleber beim Er-
higen auf 150° erfährt. Diefer Upparat ijt von Sellnid
verbejjert worden (Artopton). Bgl. Farinometer.
Aleuron (Uleuron-, Proteinfirner, Kle—
bermehl), aus einem Eiweißlörper bejtehende farb-
loſe oder rot, blau, gelb xc. gefarbte, rundlide, eiförmige,
aud) polygonale Körner von 0,001—-0,05 mm Durd)-
meffer, finden fic) betrachtlid) in Hlreiden Samen (Rici-
nus (jig. 1—4), Umbelliferen); doch feblen fie wohl
fcinem Samen. Sie enthalten bisweilen als Einſchlüſſe
Globoide, d.h. rundliche Gebilde (Fig. 1—3), die etm
in Wafjer unlösliches Magnefia- und Kalffal; in Ver-
bindung mit Phosphorſäure und einem organifden
1. 2. 3. 4.
Fig. A. Sellen mit Aleuronkörnern (aus dem Endo⸗
fperm von Ricinus). 1. Frifh in bidem Glyzerin. 2. Qn vers
biinntem Glojerin. 3. Jn Glojerin erwärmt. 4. Rad Bebanbd-
lung mit Jodalkohol und Sdwefelfaure.
Radifal enthalten, und Kriftalloide, d. h. Protein-
jubjtang von frijtallahnlider Form (Fig. 2 u. 3).
Meiſt fommen Globoide und Krijtalloide zuſammen
in Demfelben Broteinforn vor. Einſchlußfreie Protein⸗
forner reagieren wie Protoplasma, enthalten fein Fett
und löſen ſich ftetS in falihaltigem Waſſer unter Hin-
terlafjung eines dünnen Häutchens. Die Protein-
forner entitehen erjt bei Dem Reifen des Gamens und
enthalten die Hauptmajje der vorhandenen Eiweiß—
jtoffe. Bei der Keimung werden fie wieder aufgeldjt.
Wlenuronat, aus Weizenfleber, dem Ubfallprodutte
ber Starfefabrifation, hergeftelltes Präparat, enthalt
ca. 70 Broz. Eiweißlörper, ſchmeckt ciqentiimlid fan-
dig, ijt qut verdaulid) und fann dem Brot, Kartoffel-
und Mehlſpeiſen zugeſetzt werden, um ihren Nährwert
zu erhöhen. Bgl. Plagge u. Lebbin, Unterfudun-
gen liber das Goldatenbrot (Berl. 1897).
Wlenftija, Gruppe von 14 Salzſeen im ſibir.
Gouv. Tomſt, Bezirk Barnaul, aus denen jährlich
über 200,000 Bud Sal; gewonnen werden.
Mléuten, cine sum tensitorinw Alasla (j. d.) der
Bereinigten Staaten gehdrige Inſelkette, die fic) in
einem 1750 km langen Bogen von der Halbinjel
Alasla zwiſchen 163-—-187° djtl. LQ. und 51-—55°
nördl. Br. nad) W. erſtreckt, mit den ruſſiſchen Kom—
modoreinſeln das Beringmeer vom Stillen Ozean
ſcheidet, Nordamerila aber mit Aſien brückenartig ver⸗
bindet. Es ſind ohne die kleinen Klippen 150 Inſeln,
deren Flächeninhalt 37,840 qkm beträgt, und dic
1890 von 967 Wleuten, 734 Mijdlingen und 520
Weißen bewohnt wurden. —— werden die A. in
die —E im ©. mit Unimat, der größten
derielben (3610 qkm), Unalasta (3090 qkm) und
Umnak, ferner in die Vier-Berginfeln, die An—
drejanowſki-Inſeln mit Utla, die Ratten> und
die Naheinfeln mit Uttu. Der Hauptort ijt Un-
alasta auf der —— Inſel mit a00 428 Einw.
Sämtliche Inſeln ſind vulfanijden Uriprungs; nod
tãätig find die Vullane Schiſchaldin (2720 m) auf Uni⸗
293
maf und Makuſchin (1700 m) auf Umnak. Nördlich
von Umnak ijt die BogoSlowinfel 1796 aus dem Meer
———— Sämiliche Inſeln haben bis auf nie—
drige Weiden und Erlen feinen Baumwuchs. Das
Klima ijt rauh und feucht (Unalaska: Jahr 3,3°, Ex—
treme —18° und 25°; 1050 mm Regen). — Die
Ureinwobner (ebenfalls Uléuten qenannt; f. Tafel
»WUmerifanifde Volfer Ie, Fig. 1) find ein Zweig der
| Estimo (j. d.). Auf ihren Charatter hat der ruſſiſche
Einfluß umgejtaltend eingewirkt; ehedem lebhaft und
tapfer, find fie jeBt fanft und neigen zur Triigheit.
Kleidung, Wohnung und Zubereitung der Nahrung
find ebenfalls den Ruſſen entlehnt, die fie aud) zum
riechiſchen Glaubensbeferninis befehrt haben. Ihrem
Spoil Wenjaminow verdanten fie die Cinfiihrung
von Sdulen. Hauptbeſchäftigung ijt die Jagd auf
Seetiere, die fie in fleinen, ungemem ſchnellen Booten
(Baidarten) geſchickt su erlegen wiffen. Sore Bahl ijt ſeit
dem 18. Jahrh. fehr juriidgegangen, ihre materielle
Lage hat fid) aber fett Erwerbung der Inſeln durd
die BVereinigten Staaten qehoben. Die Sprache der
Uleuten ijt agglutinierend und erinnert aud) in ihrer
Wortbildung durd) Suffire an die uval-altaifden
Spradyen ; aber es fehlt ihr die Volalharmonie. Gram-
matiſch behandelt wurde fie von Wenjaminow
(Petersb. 1846) und Fr. Miller (Grundriß der
Spradwifjen{daft«, 2. Bd., Wien 1882). Bal. aud
Pfizmaier, Die Sprade der Uleuten (Wien 1874).
— bic im Herbjt 1741 von Bitus Bering entdectte
Ynjelqruppe war bis 1867 ruffifd und fam damals
mit den iibrigen ruffifd -ameritanifden Befigungen
an die Bereinigten Staaten.
Alentriden, ſ. Projtitution.
Alexander (qried. Wlerandros, »der Männer—
befdiigendes), Name zahlreicher Fiirjten. Hier find
behandelt: 1—38 Herrider de3 Ultertums, 4—11
Päpſte, 12—24 Fürſten der neuern Zeit.
Herrider ded Witertume.
1) UW. der Große, Rinig von Mafledonien
(hiergu die Rarte ⸗Reich Wleranders d. Gr.«), der
qrifte Eroberer aller Zeiten, Sohn des Königs Phi—
lipp und der Olympias, einer Todjter des Wakiden
Neoptolemos von Epeiros, war um die Zeit der Herbit-
nachtgleiche 356 v. Chr. qeboren; er ſtarb 323. Sein
erjter Erjieher war Leonidad, ein Verwandter der Kö—
nigin und ein Mann von ftrengen Sitten, dann von
feinent 13. Jahr ab der berühmte Philoſoph Ariſto—
teles. Diefem qebiihrt der Ruhm, in dem leidenidaft-
liden Knaben den Gedanfen der Gripe, jene Hobeit
und Strenge des Denfens gewedt gu haben, die feine
Leidenfdaften adelte und feiner Kraft Maß und Be—
wußtſein gab. Sein Borbild war Udhilleus. Wie
dDiefer den Patroklos, fo liebte er feinen Jugendfreund
Hephajtion. Boll Tatendurjt flagte er bei den Siegen
jeines Vaters, daß dieſe ihm nichts gu tun übriglaſſen
würden. In ritterlichen Ubungen übertraf er alle.
Die erſte Waffenprobe legte A. durch die Unterwerfung
der abgefallenen Mäder (einer thrakiſchen Völkerſchaft)
ab; die Schlacht bei Chäroneia (338) wurde durch
ſeine perſönliche Tapferkeit gewonnen. Philipp war
ſtolz auf ſeinen Sohn und erfannte in ihm den Voll—
ender feiner kühnſten Plane und anaes Hoffrungen.
Spiiter jedod) jtirten die Verſtoßung von Wleranders
Mutter Olympias, Philipps Heirat mit einer zweiten
Gemahlin, Kleopatra, umd die Buriidjepungen und
Kränkungen, die U. ſelbſt erfuhr, das gute Cinver-
nehmen zwiſchen Vater und Sohn.
ad) Der itary Tur yk beſtieg A. im Herbjt
336 den Thron von Waledonien unter ſchwierigen
294
Nlerander (WU. der Groje).
Verhiltniffen. UWttalos, der Oheim der Königin Mleo- | iiber den Halys nad) Rappadofien gegen die Kililiſchen
patra, fudjte die Krone dem neugebornen Sohne der | Tore vor und erreidte, da das Hier aufgejtellte per-
Kleopatra ju iibertragen, um felbjt die Herrſchaft in | fife Heer abjog, ohne Kampf Tarjos, wo er infolge
jeine Hand zu befommmen. Die Grieden bereiteten | eines falten
eine Erhebung vor. Mit Energie und Umſicht über— |
wiiltigte A. alle Gefahren. Attlalos, Mleopatra und
ibr Rind wurden getitet. A. felbjt eilte nad Theffa-
lien, durchzog Die Thermopylen und riidte in Theben
cin. Die Uthener ſchickten Gejandte entgegen. A. ver-
ieh ihnen und allen Hellenen; dod) mußten fie Ge-
fandte nad) Rorinth ſchicken, wo in einer allgemeinen
Verfammiung der Krieg gegen Perfien beſchloſſen und
UW. als Oberbefehlshaber der Hellenen anerfannt
wurde. Nur die Spartaner verweigerten den Beitritt.
Darauf wandte ſich W. gegen die ariſchen Nach⸗
barn im Norden, um dort während ſeiner Abweſenheit
die Grenze ju ſichern; er überſchritt im Frühling 335
den Hämos (Valfan), drang in da8 Land der Tribal-
ler bis an Die Donau und iiber diefe in Das der Ge-
ten ein und zwang ſowohl die Triballer gum Frieden
als aud) die unrubigen Illyrier und die mit ihnen
verbiindeten Taulantiner. s Geriicht, A. fet im
Kampfe gegen die Illyrier gefallen, veranlaßte einen
neuen Mufitand in Griedenland, namentlid in The-
ben und Athen. Wber pliglich ftand A. mit 20,000
Wann FuRvolf und 3000 Reitern vor Theben, das
nad der Ablehnung des friedliden Unerbietens Wler-
anders im Sturm erobert und dem Erdboden glei
gemadht wurde; nur Pindars Haus und Nachkommen
wurden verjdont. Den iibrigen griedhifden Staaten
ward Amneſtie ju teil.
Nachdem Wntipatros mit einem Heer von 13,500
Mann jum Reichsverweſer in Mafedonien bejtellt wor-
den war, brad Y., als Oberhaupt ded helleniſchen Bun-
des, mit Dem Beginn des Friihlings 334 sum Zuge ge-
gen Perjien auf, um für die Zerſtörung der griechiſchen
Heiligtümer Rade ju nehmen. Ein Geer von 30,000
Mann Fubvolf und 5000 Reitern (darunter nur 7000
Wann ju Fuß und 2100 Reiter von den hellenifden
Bundesgenoſſen) ſchien ihm ju geniigen, nachdem
Der Sug der 10,000 die Schwäche des großen Reidhes
offenbart hatte. Bei Seſtos fegte das Heer nach Aſien
liber, er felbjt bei Elaos, um die Statte von Troja
. befuchen und dort su opfern. Yim Granifos traf
. auf ein von perjifden Satrapen zuſammengebrach⸗
tes perſiſches Heer von 40,000 Mann, sur Hälfte Rei-
terei, und befiegte es nad) einem erbitterten Rampf,
im Dem er nur durch feinen Freund Mleitos gerettet
wurde. Dieſer Erfolg entichied nidt nur über das
Schidjal des feindlichen Fußvolles, griechiſcher Söld⸗
ner, die niedDergehauen wurden, fondern aud ganz
Kleinaſiens. Die Oligardien und Tyrannenherridaf-
ten, auf die fic) in Dem griechijden Stadten die perſi—
{che Herrſchaft ſtützte, wurden ohne Schwierigfett ge—
ſtürzt und in Demofratien verwandelt, die 400 Schiffe
jtarte perſiſche Flotte Durch Verfdliefung aller afia-
tifchen a ee qendtigt, fid) nad) Samos zu⸗
rüchzuziehen. Die Seele des Widerftandes war der
von dem Berferfinig in Sold genommene Griede
Wenmon, der fich aber bei der Verteidiqung von Hali-
farnajjos von der Vergeblichfeit fener Unternehmum-
* auf Dem Feſtland Üüberzeugen mußte, weshalb er
elbſt die Stadt anzündete und mit der perſiſchen Flotte
nad) den griechiſchen Inſeln ging; ſeinen Plan, von
da aus cinen Sug nad Maledonien ju unternehmen,
verhinderte fein Tod. VW. marfdjierte, nachdem er fid
in Den Vefig der Küſte geſetzt hatte, landeinwärts nad
Phrygien und bielt in deſſen Gauptitadt Gordion
Winterrajt. Dann unterwarf er Raphlagonien, rückte
ordnung, wo der Großlönig ftand, und nad) einem
|
ades im Kydnos erfranfte, jedod) von
jeinem Arzt Philippos gerettet wurde.
eingwiiden hatte der Perferfinig 5—600,000 Mann,
darunter 100,000 wohlbewaffnete aſiatiſche Fußſolda⸗
ten und 30,000 griechiſche Söldner, aufgeboten und
ſtieß bet Iſſos auf A. Diefer griff das in dem engen,
unebenen Tale des Fluſſes Pinaros zuſammengepreßte
perſiſche Heer fofort an (im November 333): er felbjt
warf jid) auf das Zentrum der perſiſchen Schlacht⸗
itzigen Handgemenge, in dem die Umgebung ded
areios meiſt niedergemadt wurde, ergriff dieſer die
Flucht, in die auch das übrige Heer mit fortgeriſſen
wurde. Das ganze perſiſche Lager mit ungeheuern
Schätzen ward Alexanders Beute; ‘elbft Dereing
Mutter Sifygambis, feine Gemabhlin Stateira und
wei Töchter wurden — Unbekümmert um
areios, deſſen Anerbieten, ihm Perſien bis zum
Euphrat abzutreten, er ablehnte, nunmehr zur Er-
oberung des ganzen Reiches entſchloſſen, wandte ſich
A. gen Süden, um die Küſten zu beſetzen und die ihm
immer unbequeme perſiſche Flotte vom Feſtland ab-
zuſchneiden. Tyros fiel erſt nach ſiebenmonatigem
hartnäckigen Widerſtand (im Auguſt 332), auf dem
Wege nad Ägypten wehrte ſich Gaza zwei Monate
lang, das Land ſelbſt übergab der Satrap Mazales
ohne Schwertſtreich. Die Bevöllerung, der perſiſchen
Herrſchaft längſt überdrüſſig, leiſtete nirgends Wider-
ſtand, zumal da A. den heimiſchen Religionskultus
durch Opfer und Gebete ehrte. Von Memphis fuhr
er den Nil hinab und legte in der Nähe des weſtlichen
Nilarms bei der Inſel Pharos den Grundſtein zu
ſeinem größten und dauerndſten Denkmal, zu der
Stadt Alexandreia. Als er dann einen Zug nach dem
Heiligtum des Ammon in der Libyſchen Wüſte unter-
nahm, begrüßten ihn die Prieſter als den Sohn des
Gottes, verkündeten ihm, daß er die Welt beherrſchen
werde, und verliehen damit ſeinem Blane der Welt-
herrſchaft die göttliche Weihe.
Erſt jetzt, im Frühjahr 331, ſuchte A. wieder den
Perſerkönig, der ein neues Heer geſammelt und in
Aſſyrien aufgeſtellt hatte, auf, überſchritt ungehindert
den Euphrat bei Thapſalos und den Tigris bei Bed-
jabde und traf im Herbjt 331 bei Gaugamela,
univeit von Urbela, auf den Feind. Dort fam es
1. Oft. zur Entſcheidungsſchlacht. Wieder errang A.,
mit Der Phalanx das feindliche Zentrum durchbrechend,
den Sieg. Dareios felbjt entfam mit 8000 Wann
nad Efbatana. Dem Perſerreich war der Todesſtoß
—— Babylon ergab ſich, Suſa wurde mit leichter
ihe genommen, nach mühſeligen Märſchen auch
Perſepolis und Paſargadä, wo dem ſiegreichen Heer
unermeßliche Beute jufiel. Die alte Königsburg ließ
er in Flammen aufgehen jum Seiden der Silhne der
Verheerungen der Perſer in Griechenland und des
Endes ihres Reides. Ende Upril 330 nahm er die
Verfolgung des Dareios auf, der auf diefe Kunde von
€Efbatana nad den kaſpiſchen Toren floh, aber, che
ev fie nod) erreidte, von dem baftrifden Satrapen
Beſſos, der felbjt nach der Krone ftrebte, ermordet
wurde (tim Juli 330). YW. fand mur nod feine Leide.
Rad dem Tode des Dareios fahen die Völker Per-
fienS in A. ihren legitimen Herrn, und die meiften
perſiſchen Grofen ſchloſſen fid ihm an. Um fo mehr
| qlaubte fid) A. verpflicdtet, bes Dareios Tod an feinen
| Mbrdern ju rächen, die den Widerſtand in den nord-
‘
|
-ed by Google
70 7% nO
ee ee — —
W) REICH
» |ALEXANDERS DES GROSSEN |
— bearbeitet von Cart Wolf.
. Malistal | 24000000
*
s
———r- oo — ——
|
* J
1
= — —
b — —
Meyers: konr Locckon, 6 Aufl. Bibliographischos Institut in Leipai
Nlerander (A. der Große).
Bftliden Provingen fortſetzten. Er durchzog und un-
terwarf dic Gandidaften Hyrfania, Ureia, Drangiana,
Gedrojten, Urachojien, erreidjte Baltrien und be-
mächtigte ſich jenjeit des Oxus auch des Beſſos, den
er hinrichten ließ. Dann ſchreckte er durch überſchrei⸗
tung des Jaxartes die dortigen nomadiſchen Völler⸗
tämme, warf den Aufſtand des Spitamenes in Gog-
tana nieder und beſchäftigte ſich bid in Den Anfang
des Jahres 327 hinein mit der Ordnung der eroberten
Lander und feiner durd) die Befiequng des perfifden
Königs neu gewordenen Stellung. Geine Wufgabe
gegen Hellas fiir geldjt haltend, ſchickte er die grie-
—6 Bundestruppen von Efbatana nad Hauſe;
namentlid) aber glaubte er, nunmehr den Orient und
Oksident gleich behandeln ju miljjen, umgab fich mit
perfijdem Brunt und vermählte fic) felbft mit der
Tochter des Baktriers Oryartes Roxane. Dieſe Politif
erregte aber bittere Unzufriedenheit unter feinen Male⸗
doniern, die bei dem Prozeß des Philotas, des Sohnes
des Parmenion, feines erprobten Feldherrn, ſchon im
J. 330, Dann bei Dem des Rallijthenes (327) jum
Ausbruch fam; beide lie} er Hinridten, den Parme⸗
nion durch Meuchelmord befeitigen.
Der Wunſch, das mit den Neuerungen ungufriedene
Heer durd) neue Erfolge an fic) zu feffeln, durch das
Wunderland Yndien bis an das öſtliche Meer vorzu-
dringen und den in ihm durch feine Groftaten wad-
gerujenen Gedanten der Griindung einer Weltmon-
ardie der Verwirklichung näher zu führen, trieb A.
od der Unterwerfung Indiens fort. en
de 3827 brad er mit 120,000 Mann von Battrien
fiber Weranbdreia am Baropamijos nad dem nord-
wejtliden Indien (Pandſchab) auf und erreichte nad
vielen heftiqen Kämpfen den Indus im Frühjahr 326.
Streitigheiten zwiſchen den beiden Königen jenjeit
des Stromeds erleicdterten ihm den Weitermarjd;
Taxilas übergab fic) ihm fofort, Poros, der Beberr-
{cher des Gebietes zwiſchen dem —— und Ale⸗
ſines, wurde durch cine große Schlacht im Mai 326
bejiegt und durd) die Milde Wleranders fiir ifn gee
wonnen. So fam A. bid gum Hyphafis. Dort aber
weigerten fid) die erſchöpften Truppen, nad dem
Gangesgebiet gu folgen. Alle Bemühungen Wleran-
der blieben erfolgios er mufte umfehren (im Herbſt
826), ſuchte fic) aber wenigſtens nod) die Lander bis
um Yndusdelta zu unterwerfen, indem er auf einer
{otte Den Hydaspes, Akeſines und Indus bis zur
Miindung hinunterfubr, redts und links von dem
Landheer begleitet, iiberall ſiegreich, wo fic) ihm die
Völler nicht freiwillig ergaben. Darauf 30g er mit
dem größten Teil des Heered in der Nahe der Küſte
nad) Gedtofien und auf einem 60tägigen mühſeligen
Marſch durch deffen Wüſte nad Rarmanien, wo Kra-
teroS, Der mit Dem andern Teil eine mehr nördliche
Ridtung genommen hatte, und Nearchos mit feiner
Flotte zu ihm ſtießen (Ende 325), und fehrte von da
nad Sufa juriid. Hier war die Anweſenheit des
Herriders, der alles auf feine Perſon gejtellt hatte,
dringend notwendig. Den Ausſchreitungen feiner
Statthalter madte er rajd cin Ende. Schwieriger
war es, die angefangene Verſchmelzung des Abend—
und Morgenlandes ju vollziehen. Er felbjt nahm
eine zweite (Stateira, Tochter de3 Dareios) und dritte
Ufiatin gur Frau und vermählte gegen 80 feiner
Grofjen und iiber 1000 andre Makedonier mit Per-
ferinnen; als er aber auch dem Heer durd Cinreihung
von Berjern jeinen mafedonijden Charafter nahm,
meuterten die Beteranen; bei Opis fam es gum offenen
Uufitand, den A. nur mit Mühe dämpfte (324), und
295
er hielt 8 fiir zwechmäßig, 10,000 alte Soldaten in
die Heimat gu entlafjen und fie dDurd) neue Mann—
ſchaft, die ihm Untipatros zuführen follte, gu erſetzen.
Grofe Erbitterung, namentlich in Griechenland, er-
regte endlid) die Forderung der Vergötterung feiner
Perjon, eine Folgerung jeiner Auffaſſung von der
Hoheit der neuen Stellung. Wher er fetste feinen
Willen durd und fand nod) Zeit, räuberiſche Völler
niederzuwerfen und fiir Hebung des Handels und
Verkehrs durd Straken, Foridungsreijen, Hafen-
bauten und Stadteqriindungen gu jorgen. Insbeſon—
dere trug er fic) mit dem Blan einer großartigen Nolo-
nijation an der Oſtküſte des Perſiſchen Golfs und einer
Umſchiffung Urabiens, um Ygypten gur See mit dem
Euphratland ju verbinden. Schon war der Tag der
Abreiſe der Flotte unter Nearchos beftimmt, als der
König nad einem dem Nearchos gegebenen Abſchieds⸗
mahl an einem Fieber erkrankte, deſſen Stärke, da er
ſich nicht ſchonte, von Tag zu Tag zunahm. Im
Suni 823 ereilte ifn der Tod, im 32. Jahre ſeines
Lebens. Seine einbalſamierte Leiche wurde erſt nach
zwei Jahren mit unermeßlicher Pracht von Ptolemäos
nad) Ugypten übergefülhrt und in Memphis beſtattet,
ſpäter m Wlerandreia in cinem ihm eigens erbauten
Xempel beigeſetzt. Da A. feinen regierungsfahigen
Nachfolger wl foentbrannte fofort nad feinem
Tod unter jeinen ebrgeisigen Feldherren der heftigſte
Zwiſt, in dem Alexanders Haus zu Grunde ging und
jein Reich zerfiel. Gleichwohl hatten feine —
Eroberungen die Folge, daß Vorderaſien der grie—
chiſchen Kultur erſchloſſen wurde und ſich, nad Be-
ſeitigung der Schranken, die bis dahin die einzelnen
Staaten getrennt hatten, mit der griechiſchen Welt
verſchmolz, und dak aus diefer Verſchmelzung die
RKulturperiode des Hellenismus hervorging.
U. wurde ſchon bet Lebzeiten durch die bildende
Kunſt verherrlidt wie fein Held vor ihm. Er felbjt
foll ein Edift erlaffen haben, daß ihn fein andrer als
Upelle3 malen, fein andrer als Pyrgoteles in Stein
ſchneiden und fein andrer als Lyjippos in Cry em
follte. Dod ſpricht die große Ver —— ilder
in der alten Welt bafitr, daß diefes Cdift feine Be-
adtung fand. Auf uns gefommen find jedod nur
wenige. Als die feine Bilge (aud) die Ungleid)heit der
Halsmusfeln) am treuejten wiedergebenden Büſten
gelten die im Louvre (1779 bei Tivoli gefunden), die
durch bie asa ejichert ijt, eine in der Samm⸗
lung ded Grafen ch und eine im Britijden Mu-
ſeum; idealijiert find eine fapitolinifde Biljte, zwei
Marmorjtatuen, eine in Paris, die andre in Miinden,
und cine berfulanenfijde Reiterſtatue aus Bronje.
Un feinen Namen fnitpfen fic endlid) cine beriihmte
Marmorbiifte in Floreng, der »fterbende A.« (nad
einigen ein Gigant), und da8 größte uns aus dem
Ultertum erhaltene Mofaif (7. Wleranderjdladt).
Fälſchlich ijt der in Konſtantinopel befindliche Sarto-
phag ({. Tafel »Grabmiler<, Fig. 6) nach A. benannt.
Bal. Miller, Numismatique d’ Alexandre le Grand
(Kopenh. 1855); v. Lützo w, Münchener WUntifen
Münch. 1861); Stark, Zwei Alexanderköpfe der
Sammlung Erbach u. des Britiſchen Muſeums (Leipz.
1879); Koepp, über das Bildnis Alexanders d. Gr.
(Berl. 1892); Ujfalvy, Le type physique d'Alex-
andre le Grand (Par. 1902). Die berithmtejten Dar-
jtellungen aus der neuern Kunſt find ein Fresto ded
Soddoma (die Hochyeit Wleranders mit Roxane) in
der Farnefina zu Rom; die Wleranderfdladten von
Lebrun (im Louvre zu Paris), der Alexanderzug, ein
Relief Bhorwaldfens (fj. d. und Tafel »Bildhauer-
296
funjt XIV«, Fig. 1) und der Tod Wleranders von K.
v. Piloty in der Berliner Nationalgalerie.
Alexanders Leben und Taten find von mehreren
Alerander (römiſche Kaiſer, Päpſte).
ſamkeit der Mutter unzufrieden waren, ermordet. Bal.
Porrath, Der Kaiſer WU. Severus (Halle 1876).
3) Oſtrömiſcher Kaiſer, folgte ſeinem altern Bruder,
jeiner Begleiter, wie Oneſikritos, Kalliſthenes, Rleit- Leo VI., 912 als Bormund fiir defjen unmiindigen
archos u. a., bejdricben worden. Aus folden rhe- Sohn Ronjtantin VIL, ftarb aber ſchon 913.
toriſch gefärbten und nicht immer juverliffigen Ge: |
ſchichtswerlen haben Diodor, Curttus und Troqus
VPompejus (im Auszug bei Juſtinus) geſchöpft, wah-
rend Arrian und meiſtens auch Plutarch den von
ihnen allein für glaubwürdig erklärten Erzählungen
des Lagiden Ptolemäos und des Ariſtobulos aus
Kaſſandreia ſowie des Nearchos gefolgt ſind und alſo
unter den Quellen fiir Alexanders Geſchichle die erſte
Stelle einnehmen. Doch läßt ſich aus dieſen Werken
über A. mit einiger Sicherheit nur das Militäriſche
feſtſtellen, die Organiſation des Heeres und die auch
durch neuere geographiſche Forſchungen aufgeklärten
Feldzüge. Dagegen fehlt es faſt ganz an Material
über Alexanders Ideen und Ziele, ſeine politiſchen
Organiſationen und Pläne; die Entwickelung ſeines
Charafters und Geiſtes während ſeiner Heldenlauf—
bahn bleibt in völligem Dunkel. Die Fragmente ſeiner
gleichzeitigen Biographen wurden von Geier (⸗Alex-
andri M. historiarum scriptores aetate suppares«,
Veip3. 1844) und Diibner (in der Ausgabe YUrrians,
Par. 1846) gejammelt. tibrigens wurde A. aud
frühzeitig der Mittelpunkt einer reidgejtalteten Sage,
die bereits im ſpätern Altertum, namentlich aber von
ben mittelalterlidhen Dichtern des Ubend- wie des
Morgenlandes mit Borliebe bearbeitet wurde (ſ. Uler-
anderjage). Bgl. Frankel, Die OQuellen der Uler-
anderbijtorifer (Bresl. 1883); Droyjen, Gefdicdte
Wieranders d. Gr. (5. Unfl., Gotha 1898); Joubert,
Alexandre le Grand (far. 1889); Hertzberg, Die
aſiatiſchen Feldzüge Wleranders d. Gr. (2. Uufl., Halle |
1875); Kaerſt, Forjdhungen zur Gejdidte Alexan
ders d. Gr. (Stuttg. 1887); Jurien de la Gra-
vitre, Les campagnes d’Alexandre (Bar. 1883—
1884, 5 Bde.); Bolling, Wleranders d. Gr. Feldzug
in Zentralaſien (2. Aufl., Leipz. 1875); Qauth, W. in|
Agypten (Miind). 1876); Geiger, Wleranders Feld-
züge in Sogdiana (Neujt. a. H. 1884); H. Droyfen, |
Unterjuchungen über Weranders d. Gr. Heerwefen |
und Kriegführung (Freib. i. Br. 1885); Schwarz,
Uleranders d. Gr. Feldzüge in Turtijtan (Münch.
nach Auffſtellung eines neuen kaiſerlichen Gegenpapites,
1893); Yord v. Bartenburg, Kurze Überſicht der
Feldzüge Wleranders d. Gr. (Berl. 1897); Roepp,
A. d. Gr. (Bielef. 1899); Wheeler, A. the Great
(ond. 1900).
2) UW. Severus (der Strenges), römiſcher
Raijer von 222-235 n. Chr., volljtindigq Marcus
Uurelins UW. Severus, vor ſeiner Thronbefteiqung
Ulertanus, 208 in Phdnifien geboren, von ſeiner
Hlugen Mutter Julia Mamäa forgfaltig erzogen, wurde
von feinem Getter, Kaiſer Elagabal, um die allge
meine Mißſtimmung ju befeitigen, 221 sum Cajar
ernannt und 222, nad Ermordung Elagabals, zum
Kaiſer ausgerufen. Die Regierung fiihrien anfangs
feine Mutter, der beriihmte Juriſt Ulpianus als pra
toriſcher Präfelt und cin Kronrat von Senatoren. |
Er jelbit hatte den beften Willen und cinen edlen,
ſchwärmeriſchen Charatter, aber ed feblte ihm Energie
und Feſtigkeit, und fo hat er weder im Innern nod
nad) außen hin viel erreicht. Nur die Berjuche des
neuen Berierfonigs, Yrtarerres, fein Reich nad We
jten ju auszudehnen, bat er zurückgewieſen (232-
Papfte.
4) U. L, nad) ſpäterer Uberlieferung rim. Biſchof
105 — 115, ftarb als Märtyrer.
5) U. I., Papſt 1061—73, vorber Anſelm, aus
Baggio im Mailandijden, ein eifriger Unhanger der
cluntacenjijd@en Reform, lebte eine Seitlang am Hofe
Heinrichs III., wurde 1056 oder 1057 Biſchof von
ucca und 1. Oft. 1061 im enjage zu Dem deut⸗
{den Hofe durd) die auf Hildebrands Betreiben er-
folgte Wahl der Kardinäle auf den päpſtlichen Stubl
erhoben. Die laiſerliche Partei ftellte thm den Biſchof
Cadalus von Parma als Honorius I. geqeniiber.
Mit diefem kämpfte U. 1062 wn Rom, jog fich dann
nad Lucca zurück, wurde aber 1063 durch den von
dem Ddeutiden Hofe nad Italien geſchickten Biſchof
Burdard von Halberjtadt als rechtmäßiger Bapit an-
erfannt und behauptete, auf dem Rongil zu Wantua
1064 unter Mitwirfung Unnos von Köln beſtätigt.
Rom gegen feinen Widerjadher. Seine durdhaus un-
ter Hildebrands Einfluß ſtehende Regierung hat die
auf die Reform der Kirche und auf thre Emanzipation
von weltlidjer Gewalt abjsielenden Vejtrebungen mad-
tig gefordert. Heinrids IV. Verlangen nach Scheidung
von jeiner Gemahlin Berta lehnte A. 1069 ab und
lud Unfang 1073 den Konig jur Verantwortung we-
gen Simonie und andrer Bergeben nad) Rom, ftarb
aber 21. April. Bgl. Delarc im der »Revue des
questions historiques<, Bd. 43.
6) A. ILL, Bapjt 1159—81, vorber als Kardinal
Roland von Siena Kanzler Hadrians IV. ein etfriger
| Bertreter der hierarchiſchen Anſprüche, trat ſchon 1157
auf dem Reidstag zu Bejancon dem Kaiſer Friedricd I.
entgegen und wurde daber, als er nad Hadrians Tode
7. Sept. 1159 von der Mehrheit der Kardinäle zum
Papſt gewählt ward, von Friedrich nicht ancrfannt,
der fic fiir Den Gegenpapſt Biftor IV. erflarte. A.
in Pavia 1160 abgefest und gebannt, verband ſich mit
den aufrühreriſchen Lombarden, floh aber nad) dem
Fall Mailands 1162 nad Franfreidh. Bon Frantf-
reich, Sijilien und Spanien anerfannt, kehrte er, da
Paſchalis IL, fein Unhang wuchs, 1165 nad Rom
— Nad ſeiner Verbindung mit dem lombardi—
König Heinrich II. von England zwan
chen Städtebunde, der ihm zu Ehren die neuerbaute
Stadt am Tanaro Aleſſandria benannte, wurde er
1167 in Rom durch den Kaiſer angegriffen und mußte
nach Benevent fliehen. Doch ſtellte der Untergang des
kaiſerlichen Heeres Durch die Veſt fein Anſehen ber, und
nad) der Schladht bei Legnano (f. d.) fam in Benedig
| 1177 der Friede mit A. und ein Waffenſtillſtand mit
den Lombarden ju ftande. Friedrid) opferte den drit-
ten Gegenpapjt Calirtus ILL, erfannte A. an und
wurde vom Bann gelöſt. Im März 1178 nach Rom
zurückgelehrt, erlie UW. tm Mar; 1179 auf einem La-
teranfongil fiir alle Zulunft giiltige Beitinunungen
liber Das Verfahren bei der Papſtwahl. Er ſtarb 30.
Aug. 1181. A. gehört gu den hervorragenditen Bap-
ſten des Wiittelalters und hat die Idee der Oberherr⸗
lichfeit Des Bapittums iiber jede weltlide Macht ihrer
Verwirklichung bedeutend näher gefiibrt; aud den
er zur Kir⸗
233) als er Dann aber am Rhein die Grenze ſichern chenbuße fiir die Ermordung Thomas Beets. Bal.
wollte, wurde er 235 in der Nahe von Mains von den | Reuter, Geichichte Uleranders IIT. (Leips. 1860 —64,
Soldaten, dre mit feiner jtrengen Zucht und der Spar- | 3 Bde.); M. Meyer, Die Wahl Wleranders LT. (Gat-
Alerander (Papjte, Fiirjten der neuern Beit).
tingen 1872); »Rolands, nadmals Papſtes Wleran-
bers III. Sentengen« (hr8gq. von Giet!, Freiburg 1891).
7) A. IV., Papſt 1254 —61, vorher Reginald, Bi-
fehof von Oſtia und Belletri, ein Neffe Gregors IX.,
voll hierardijder Unipriide, aber ſeiner Stellung
nicht gewadjen. Im Streit mit Manfred von Sizi—
lien gedemiitiqt, mußte er, felbjt von den Biſchöfen
verlajjen, aus Rom fliehen und ftarb 1261 in Viterbo.
8) U.V., Rapjt 1409 —10, vorher Pietro Filargis,
—— in Kandia, war Profeſſor in Paris, wurde
iſchof von Vicenza, 1402 Erzbiſchof von Mailand,
1404 Kardinal und 1409 nad Abſetzung Gregors XII.
und Benedifts XLT. vom Konzil zu Piſa gum Papſt
ewählt, fand aber nur bei einem Teil der Chrijten-
—* Anerkennung. A. ſtarb, 70 Jahre alt, 3. Mai
1410, nach dem Glauben der Zeitgenoſſen von ſeinem
Kanzler, nachmaligem Papſt Johann XXII., ver- |
giftet. Bal. Renieris, Der helleniſche Papſt A. V.
(qried)., Uthen 1881); Kötzſchke, Ruprecht von der
falz und das Konzil gu Piſa (Dijj., Jena 1889).
9) UW. VI., Papſt 1492— 1503, vorber Kardinal
Rodrigo Borgia, geb. 1430 oder 1431 im Jativa bei
Balencia, gejt. 18. Aug. 1503, ſtudierte anfänglich die
Rechte, wurde dann durd) feinen Oheim Papjt Calix—
tus JIT. 1456 zum Kardinal und 1458 zum Erzbiſchof
von Valencia erhoben. Er führte auch als ſolcher ein
wüſtes Leben. Die ſchöne Vanozza de Cataneis war
ſeine anerfannte Konkubine und gebar ihm drei Söhne
und eine Tochter; auch aus andern Verbindungen hat
er Kinder gehabt, und nod als Papſt ward ihm ein
Sohn geboren, den er durch cine Bulle vom Jahre
1501 —— Rad Innocenz' VIII. Tod erfaufte
er die Liara und ward unter großen Feſtlichkeiten
26. Aug. 1492 gefrint. Klug, kräftig, umſichtig und |
berechnend, war er zugleich maßlos ehrgeizig und hab: |
fiidtig, treulos und ſchamlos, qraufam und wolliijtig. |
Gein Siel war die Erhebung feines Hauſes, der Bor—
qia (j. d.), zu eter madtigen Dynajtie; daher war er
tief verflodten in die verwickelten politijden Kämpfe,
Deren pte. damals Stalien war. Trotz Uler-
anders Gittenlojigteit und Entartung dauerte der po-
litiſche Einfluf der Kirche unter ihm fort. A. entſchied
den Streit gwifden Spanien und Portugal über die
Keilung der Reuen Welt (vgl. Demarfationstinie).
Unter i Regierung wurde die Bücherzenſur ver-
ſchärft und Savonarola 1498 als Refer verbrannt.
Gein Tod wurde nidt durdh Gift, wie man geglaubt
hat, ſondern durch das römiſche Fieber herbeigeführt.
Bgl. Gregorovius, Lucrezia Borgia (3. Aufl.,
Stuttg. 1875); Leonetti, Papa Alexandro VI (Bo: |
fogna 1880, 3 Bde.); Clément, Les Borgia (Par.
1882); Höfler, Don Rodrigo de Borja und jeine
Söhne (Wien 1888); Paſtor, Geſchichte der Papite,
Bd. 3 (Freib. 1895). Die Rettungsverjude von Olli-
vier (Bar. 1870), Kayſer (Reqensb. 1878) und Nemec |
(Ragenf. 1879) find ohne jeden wiſſenſchaftlichen Wert.
10) U. VIL, Papjt 1655—67, vorher Kardinal |
Habio Chigi und wahrend der Friedensunterhandlun-
en gu Münſter und Osnabrück Nungius in Deutſch—
Dd, wurde durch Franfreidhs Einfluß 7. Upril 1655
gewahlt. 1661 beſtätigte er die von feinem Vorgän—
er Imocenz X. ausgefprodjene Verdammung von |
int janfenijtifden Lehrſätzen. Später geriet A. mit
Ludwig XIV. in Streit: weil er ſich weigerte, für eine
durch feine korſiſche Leibwache dem franzöſiſchen Ge-
ſandten in Rom, Derjog von Créqui, 20. Aug. 1662
gefügte Veleidigung Genugtuung zu geben, beſetzte
— Avignon und Venaiſſin und drohte, in Jia—
lien ſelbſt einzufallen. YW. verſprach in dent ſchimpf—
297
lichen Vertrag zu Piſa (1664), die Leibwache aufzu-
löſen und cin Denfmal mit einer Inſchrift über den
Borfall Po erridten, und fandte feinen Neffen Sigis-
mondo Chigi im Juli 1664 nad) Fontainebleau. Er
ee 22. Mai 1667. Unter thm wurde Rom vielfach,
o namentlid) durch die Kolonnade vor der Beters-
lirche, verſchönert; UW. war felbft Dichter und Freund
der Künſte und Wijfenidaften. Cine Sammlung fei-
ner Gedichte erfdien Baris 1656. Val. Sforza Pal—
{avicino, Vita di Alessandro VII (Brato 1839).
11) U. VIIL., Papſt 1689—91, vorher Pietro Otto-
boni, Bijdof von Torcello und Brescia, geb. 1610 in
Venedig, gejt. 1. Febr. 1691, erhielt von Ludwig XIV.
Uvignon und Venaijfin zurück. Gegen die vier Artikel
von 1682, weldje die gallifanifden Kirchenfreiheiten
feſtſtellten, fepte er dem Kampf feines Vorgängers
Innocenz XI. fort. Durch Unlauf der Biicherei der
Königin Chrijtine von Schweden bereidjerte er die
Bibliothel de3 Vatikans mit fojtbaren Handjdriften.
Giirften Der nenern Heit.
{Wnbalt.] 12) U. Karl, legter Herzog von An—
halt-Bernburg, Sohn des Herzogs Wlerius Fried-
rid) Chrijtian aus deſſen Ebe mit Friederife von Hef-
ſen⸗Kaſſel, get. 2. Marg 1805, gejt. 19. Aug. 1863.
Seit 1834 9 polly ſeines Vaters, vermählte er fich
80. Oft. d. J. mit der Prinzeſſin Friederife von Hol-
jtein-Gliidsburg (geb. 1811, gejt. 10. Juli 1902), der
er 1855 unter dem Titel einer Mitregentin die Regie-
rung Des Landed iibertrug, das 1863 an den Herzog
von Anhalt⸗Deſſau fiel.
{Vulgarien.} 13) U. J. Firjt von Bulgarien,
j. Dartenau, Graf von.
[PHeffen.] 14) U. Ludwig Georg Friedrid
Emil, Pring von Heffenund bei Rhein, dritter
Sohn de8 Großherzogs Ludwig IT. yon Heffen-Darm-
jtadt, geb. 15. Juli 1823 in Darmjtadt, gejt. 15. De}.
1888, jtand 1840—51 in ruſſiſchen Dienjten und zeich⸗
nete fid) in Den faulafifden Kämpfen aus, zuletzt als
Kommandeur der gefamten Artillerie. Seit 1852 als
Brigadegencral im öſterreichiſchen Heere, tat er ſich
1859 bet Montebello und Solferino hervor. Seit
1863 lebte er meijt in Darmſtadt oder Heiligenberg
—— ſeiner Wefigung im Odenwald, wo er
id) vornehmlich mit der Or * ſeines großen Münz⸗
tabinetts beſchäftigte, das er ſelbſt beſchrieb (Darmſt.
1854— 56, 3 Bde.). Im J. 1866 führte er das aus
den wiirttembergifden, bayrifden, hefjen-darnjtid-
tijden und naſſauiſchen Truppen und aus 12,000
Hjterreidern zuſammengeſetzte 8. Bundesarmecforps,
fonnte fid) aber erjt nad) den ungliidlidjen Gefechten
von Laufad und Ufdaffenburg und dem Verluſt der
Mainline mit den Bayern veremigen. Nach den Nie—
derlagen bei Tauberbijdofsheim, Werbad und Gerds-
heim (23.—25. Juli) löſte fid) Das Norps auf. Val.
die von ihm veröffentlichte Rechtfertiqungsidrift:
»Feldzugsjournal des Oberbefehishabers des 8. deut-
ſchen — (2. Aufl., Darmſt. 1867).
Seit 28. Oft. 1851 war A. morganatiſch mit Julie
(qeb. 12. Nov. 1825, geſt. 19. Sept. 1895), Der Todj-
ter des ehemaligen polniſchen Kriegsminijters Grafen
Mori von Haule, vermabhlt, welche der Großherzog
zur Pringeffin von Battenberg erhob. Die Kinder
aus dieſer Ehe fiihren den Namen Pringen und Prin⸗
zeſſinnen von Battenberg (f. d.).
{Rumianien.] 15) WU. Johann L, Fiirjt von
Rumänien, geb. 20. März 1820 in Hujdh aus der
Bojarenfamilie Cufa (Kuza), gejt. 15. Mat 1873 in
Heidelberg, wurde in Baris erjogen, ftudierte in Pa—
via und Bologna, wurde Statthalter von Galag und
298 Alerander
Ubteilungsdirettor im Minifterium de3 Innern und
verſchwägerte fid) mit den einflupreiden Sturdzas
durch die Ehe mit einer Todter de3 Bojaren Rofetti.
1848 ward er als Glied der patriotijden Partei
nad) dem Einmarid der Ruffen verhaftet, entfam aber
nad Wien. Rad dem Abmarſch der Ruffen nahm er
im beimifden Heer Dienfte: anfangs Wdjutant des
Fürſten Vogorides, ftieg er [pater gum Oberiten auf.
Pei den Verfajfungstimpfen war er Wortfiihrer der
UnionSpartet. 1857 Mitglied de3 Diwans, wurde er
im Oftober 1858 dem General Georg Ghifa als zwei⸗
ter Hetman beigegeben und verjah nad) Vogorides'
Abgang die Stelle eines Kriegsminiſters. Am 29.
Dan. 1859 wurde er in Jaſſy und 17. Febr. in Bu-
fareft zum Hojpodar gewählt und als A. Johann I.
jum regierenden Fürſten der beiden vereinigten Filr-
jtentitmer ausgerufen, aber erjt Ende 1861 von der
Pforte anerfannt. Die Einbeit gu begriinden, berief
er im Januar 1862 beide Rammern nad Bufareft
und fepte cin gemeinſchaftliches Minifterium ein. Sein
Streben nad) abſolutiſtiſcher Zentralijation erregte
bald Unzufriedenheit, obwobl ſich A. durch Aufhebung
der Leibeigenſchaft und Verteilung von Ländereien an
die Bauern Verdienſte erwarb. Sriidende finangielle
Mot liek das Mißvergnügen im Lande wadfen; aud
Kammeraufldfungen wirften nidts. A. verſuchte 14.
Mai 1864 einen Staatstreidh, indem er einen Senat
und Staatsrat einſetzte, fonft aber abjolut regierte;
dod) vermochte er nidjt Die materielle Not zu lindern.
Am 22. Febr. 1866 zur Abdankung gezwungen, lebte
A. meijt in Wien und Wiesbaden. am ai 186
folgte ibm Rarl von ig oan
{Rufland.} 16) A. Jaroslawitſch Newfflij,
Großfürſt von Rugland, geb. 1218 in Wladi-
mir, gejt. 14. Nov. 1263 auf der Riicreije vom Hofe
des Tataren-Grokdans, erbhielt, als fein Bater, Groj-
fürſt Jaroslaw II. von Nowgorod, 1236 den Thron
von Susdal bejtieg, dad Filrjtentum Nowgorod, fiegte
1240 an der Rewa (Daher fein Beiname Rerwffij) über
die Schweden und fimpfte auf dem Peipusſee gliid-
lich gegen Die livländiſchen Deutſchritter. Nachdem er
1247 il Vater gefolgt war, wurde er 1252 durch
den Tod feines Bruders Undreas aud Groffiirjt von
Wladinir, wo er nad feinem Tod auch beigeſetzt wurde.
Der Plan Innocenz' IV., 12561 die Ruffen in den
Schoß der fatholifchen Kirche überzuführen, fcheiterte
an Uleranders Standbhaftigfeit. Tan galt A. unter |
die größten Heiligen der ruſſiſchen Kirche; Peter d. Gr.
erbaute ibm 1712 das YW. Newſtij-Kloſter (ſ. d.) und
jtiftete 1722 den Alerander Newffij - Orden (jf. d.).
17) U. I. Pawlowitſch, Kaiſer und Selbjt-
herrfder aller Reußen, geb. 23. (12.) Des. 1777 |
in Petersburg als älteſter Sohn de3 Großfürſten Raul
undfeiner zweiten Gemahlin, Maria Feodorowna von
Wiirttemberg, geſt. 1. Dey. 1825 in Taganrog, ward
durch den freifinnigen Sehweiger Laharpe nad Rouj-
feaujden Grundjagen erjogen. Weich und fentimen-
tal, zeigte ſich A. woblwollend und fiir Ideale be-
geiſtert, aber aud) ſchwach und unbeftiindig; 1793
wurde er mit Der Bringeffin Elijabeth von Baden ver-
mählt. Wis er Durd die Ermordung feines Vaters
Paul J. 23, Mar; 1801 auf den Thron gelangte, war
866 | nidtet. °
er, obwobl er weder von bem Morde gewußt nod) ibn
gebilligt hatte, doch anfangs von Ruͤchſichten auf die
örder Subow, Vahlen und Bennigſen abbingig; |
{pater erlangte das »Trimmvirat« Stroganow, No
wojfiljow und Adam Czartoryiſti bedeutenden Ein-
flu. Wabrend der erjten Jahre feiner Regierung war
ex bejtrebt, dad Finanzweſen yu ordnen, die geiftige |
(Rufland).
Bildung gu fordern und bas Los der Leibeiqnen
— 8 Eſthland, Livland und 2 ues
unter ihm die Leibeigenſchaft aufgeboben und cine
Bauernordnung nad liberalen Grundjaigen einge
fithrt. In der auswwirtigen Politik zeigte ſich A. fried-
fertig, erneuerte den Seevertrag mit England und
ſchloß Frieden mit Frankreich, mit dem gemeinſam er
auf die deutſchen Angelegenheiten großen Einfluß aus-
übte. Napoleons Eroberungsſucht führte jedoch bald
einen Bruch herbei. A. trat 1805 der Koalition gegen
Frankreich bei; nad der Schlacht bei Mujterlig zog ex
jtd) nad) Rußland zurück, erneuerte aber 1806
Kampf ju qunften Preugens. Bis über die Memel zu—
rückgedrängt, vermittelte A. nad der Zuſammenkunft
vom 25. Juni 1807 (auf dem Niemen) den Frieden von
Tilfit. VW. liek fic) von Napoleon fiir den Gedanfen
einer gemeinjamen Qeitung der europäiſchen
—— gewinnen; dafür gab er ſeinen preußi
ndesgenoſſen preis. In Erfurt (Oktober 1808)
wurde der Bund erneuert und A. der Beſitz Finnlands
und der Türkei verſprochen. Nachdem 1809 Finnland
beſetzt worden, begann A. einen Krieg gegen die Pforte.
Indes die Verlegung ruſſiſcher Intereſſen durd Ra-
poleon veranlagte 1812 einen neuen Bruch. Unfangs
ſchien Rufland unterliegen gu miijjen, und nad der
Einnahme von Mosfau wurde A. nur durd Freiherr
vom Stein umgeſtimmt. Die Friedensanerbietungen
Napoleons wurden juriidgewiefen, der religidfe und
nationale Fanatismus der Ruſſen wadgerufen und
das franzöſiſche Heer auf jeinem Rückzug faft ver-
non Befreiungstrieg tibte U. als der mäch
tigite unter den verbiindeten Herridern großen Em-
flu aus: auf die militäriſchen Operationen, die ſcho
nende Behandlung Frankreichs und, nach Wufgabe
ſeines urjpriingliden Plans, Bernadotte als
ein zuſetzen, auf die Rückführung der Bourbonen. Bein
Wiener Kongreß war er für Cintradt und Ordnung
unermüdlich titig. Er ſetzte die Unerfennung der New
tralitat Der Schweiz und die republifanifde Selbjtin-
digfeit Der Joniſchen Inſeln durd; Bolen, das ihm
zugefallen war, gab er eine freijinnige Verfaſſung.
ee dem Einfluß der großen Begebenheiten dieſer
Seit und auf Anregung der ihn damals in ihre Myſtil
ziehenden Juliane v. Rriidener (ſ. d.) entitand bei dem
chrijtlich-frommen Kaiſer der Gedante einer Hei ligen
Allianz (jf. d.), die Den Frieden der Welt auf emer
von den jeitherigen politifdhen Bündniſſen abweiden-
den Grundlage fejtitellen follte, aber nur die Hand-
habe fiir die politiſche Realtion wurde. Durch die Un—
jufriedenheit der Völler erjdredt und mit Mißtrauen
erfüllt, bot UW. Die Hand, mit Den Aufſtänden auch den
politijden Fortidritt ju unterdriiden. In Rujland
wurden die Senfur und die ſtrengſte Uberwadung der
Büchereinfuhr wieder eingefiibrt, die Wiſſenſchaft,
Literatur und der Unterricht gefeſſelt, Unterſuchungen
wegen demagogiſcher Umtriebe cingeleitet, die Frei-
maurerlogen und Miſſionsgeſellſchaften unterdriidt.
Daly fic) der Geift des Widerjtandes dennod nidt
bannen lief, verbitterte Das franfhaft erregte Gemilt
deS Kaiſers, der teils in den Berjtreuungen emes glin-
zenden, ilppig-fronmmeinden Hofes, teils in religidjer
Myſtik Befriedigung fudte. Wis der griechiſche Auf⸗
jtand ausbrach, war das ruſſiſche Voll den Glaubens-
verwanbdten zugetan; A. aber mifpbilligte ibn, weil er
nur eine dtuflebmung gegen den rechtmäßigen Ober:
berrn fei. Der Tod femer eingigen natürlichen Todter,
die furchtbare Überſchwemmung, dic 1824 Petersburg
heimſuchte, endlich die Furcht vor einer ruffifd - pol-
niſchen Verſchwörung gegen das Haus Romanow er
14am & &
a Se
ta: ae]
Alerander — Wleranderorden, 301
(6 Alexander (qried.Ulerandros), Name mehre | Alexander Yannai, König und Hoherprieſter
di rer gried). Schriftfteller. 1) A. Atolos (der Ytolier), | von Judäa, Sohn des Johannes Hyrtan, folgte fei-
i Didter, aus Pleuron in Ytolien, um 285 v. Chr. in | nem Bruder Johannes Ariſtobul I. 105 v. Chr., er—
a Ulerandria an der Bibliothef mit der Ordnung der | weiterte durch fortwährende Kämpfe fein Gebiet, er-
ls Tragddien und Satyrdramen beſchäftigt, ſpäter (um | regte aber als rückſichtsloſer Sadduzäer, Wolliijtlin
ged 275) am Hofe des Untigonos Gonatas von Mafedo- | und Tyrann den Hah de3 Volfes. 49 Jahre alt, ſtar
ibe nien, wurde als Tragbdiendidjter zur fogen. Pleias er 77 v. Chr. am Fieber, naddem er feiner Gattin
% gerechnet; von feinen fleinen Epen, Epigrammen und | Salome Wlerandra die Regierung iibertragen hatte.
ini Elegien find einige Bruchſtücke erhalten (bei Meinete,| Wlegander von Bernay, ſ. Wicranderfage.
®& Analecta Alexandrina, Berl. 1843). Wlezander von Hales, namhafier Scholaſtiker
ta 2) A. Polyhiſtor, aus Milet, Grannmatifer aus | de3 13. Qahrh., lehrte, im Kloſter Hales bet Glou-
Ru der pergamenijden Schule, tam unter Gulla als | cejter gebildet, in Paris jeit 1222, trat {pater in den
'e Srionbpetompencx Sflave nad Rom, woer, ie ali Franzislaneroden, feines Sdarfjinnes wegen Doctor
Lehrter | i
—
¢ 82 v. Chr. das Bürgerrecht erhielt und als irrefragabilis genannt; jtarb 27. Aug. 1245. Er war
(er grokes Unfehen genof. Ciner feiner Schüler war | der erjte Scholaſtiker, der die gefamte Philoſophie des
@ der Grammatifer Hyginus. Außerſt vielfeitig, wenn | Urijtoteles fannte und fiir die chriſtliche Theologie
tf aud) obne Selbjtindigfeit und Kritik der Forjdung, | verwandte. Sein Hauptiwerf ijt *Summa universac
ſchrieb er zahlreiche, bejonders Hiltortidy-geogeaphttche theologiae« (Bened. 1576, 4 Bode.).
Werle, bloke Sammlungen von Exjzerpten. Unter! Wleganderardipel, jum Territorium Alasla
den erbaltenen Fraqmenten (bei Müller, Fragmenta | der erg Staaten gehdrig, swijden 54°40’ und
histor. graecorum, Bd. 3) find bejonders wichtig Die | 59° ndrdl. Br., 36,782 qkm groß und von Tlinfit-
aus der Schrift iiberpie Juden durd) Zitate aus Poni Indianern bewohnt. Hauptinjein Bring von Wales,
verſchollenen jüdiſchen Schriftſtellern. Baranow mit Sitfa, der Hauptſtadt des Terrikoriums,
3) UW von Uphrodifias in Rarien, vorzüglicher Tſchitſchagow, alle hod) und dict bewalbdet.
Erklärer des Urijtoteles, Daher der »ECreget« ſchlecht. Wlezanderfeld, j. VBiclig.
hin genannt, lehrte unter Septimius Severus und| Alexanderkette (Alexandergebirge), Gebirge
Caracalla (zwiſchen 198 und 211 n. Chr.) in Uthen | in den ruſſiſch-zentralaſiat. Brovingen Sir Darja
Philoſophie. Obgleid) Peripatetiter, zeigte er fich doch | und Semiretidventt unter 43° nördl. Br., ſtreicht pom
im der Erlaiuterung der Urijtotelijden Lehren als
jelbjtinbdiger Denfer. Bu Ausgang des Mittelalters
ſchloſſen fic) viele Gelehrte in der Auffaſſung des Uri-
jtotele3 ifm an, die fogen. Ulerandriften. Un—
ter ſeinen Ronunentaren gu den Werfen de3 Wrijto-
teleS ijt der befanntefte der zur ———— (hrsg.
von Bonitz, Berl. 1847; von Hayduch, daſ. 1891).
Außerdem befipen wir von ihm einige felbjtindige
Schriften.
4) UW von Tralles, Arzt, um 550 n. Chr. in
Rom tätig, ijt Verfaſſer eines mediziniſchen Sammel⸗
werkes (Therapeutica⸗) in 12 Biichern (mit Uber:
ſetzung J Spy Puſchmann, Wien 1879, 2 Bde.). | Wlademie (für 280 griechiſche Geiftliche), ein geiitlides
Wlexander, 1) Sir James Edward A. of Seminar und nimmt unter den Klöſtern Ruflands
Weiterton, engl. Offizier und Reijender, geb. 1803 | den dritten Rang ein. Hauptfirden find die erjt 1790
in Sdottland, gejt. 2. Upril 1885 in Wefterton auf der | vollendete Dreifaltigteitstirde, die in cinem filbernen
Inſel Wight, madte 1825 den Krieg gegen Birma Sarfophag die Überreſte de8 Heiligen enthilt, und
mit und 1829 in Diebitſch' Hauptquartier den Feld- | die ältere Kirche Maria Verkündigung mit sahlreiden
zug gegen die Türkei, bereijte Dann Perjien und Siid- | Grabern berithmter Perfinlidfetten, darunter Su—
amerifa. 1834 fimpfte er fiir Dom Pedro in Por- | worows. Nad) dem Mlojter findet alljahrlid (30. Aug.
tugal, 1836—37 bereiſte er von Rapjtadt aus die | a. St.) eine große Wallfahrt ftatt.
Gebiete ndrdlid) vom Oranjefluß bis Damaraland.| Alexander RewfFij- Orden, ruſſ. Orden, ward
Dann widmete er 7 Jahre der Erforjdung von Neus | 1722 von Peter d. Gr. gejtiftet und 1725 von Katha-
braunfd@weig, nahm am Krimfrieg teil und 1863 am | rina I. zuerjt verlieben. Er hat nur eine Klaſſe und
Kriege gegen die Maori auf Neujeeland. 1838 wurde | wird nur an Ferjonen mit Generalmajorsrang ver-
er jum Sitter gefdlagen und 1882 gum General er: | liehen. Das Ordenszeichen ijt ein goldenes, rot email-
nannt. Er ſchrieb: »Travels from India to Eng- liertes, achteckiges Kreuz, in Der Mitte mit dem Bilde
land« (Qond. 1827); »Travels through Russia and des beil. Werander Newſtij im Harniſch gu Pferde
the Crimea« (1830, 2 Bde.); »Expedition of dis- | und auf der Riidfeite die gekrönte Chiffre des Heiligen;
covery into the interior of Africa« (1838, 2 Bde.); | in den vier Winkeln find vier goldene sweifdpfige Adler.
»Life of the Duke of Wellington« (1840, 2 Bde.); | Wetragen wird der Orden an einem ponceauroten,
»L’Acadie, or seven years’ explorations in British | breiten, über der linfen Schulter nad der redten
North Americas (1849); »Incidents of the last | Hiifte gu hängenden Bande nebjt einem ——
Maori-Ware (1863) u. a. ; | jilbernen Ordensjtern mit der gefrinten Chiffre de
2) Bernhard, ungar. Philojoph und WHjthetiter, heil. Werander: S. A., umgeben von der Ordensdevife
eb. 13. Upril 1850 m Budapejt, lebt dafelbjt als | »Fiir die Urbeit und das Vaterland« im goldenen
— or an der Univerſität. Seine Hauptwerke find: | Buchſtaben auf rotem Reifen. Für Waffentaten wird
eDie Ydee der Geſchichte der PBhilofophiee (1878); | das Kreuz von Schwertern durdquert. Das Ordens-
» Leben, Entwidelung und Philoſophie Rants« (1881); feſt ijt der 30. Uuguit a. St.
» Der Peſſimismus des 19.hahrhunderts«, »>Schopen-| Wleganderorden, 1) bulgar. Militärverdienſt⸗
Hauer und Hartmann« (1884). | orden, gejtiftet 1879 von Fürſt Wlerander I. in fünf
69.° öſtl. L. His gum Weftende des Dffyt-ful und er-
reidht tm Semenow 4802 m Hidbe.
Alexanderland, antarttijder Küſtenſtrich unter
68° 43° ſüdl. Br. und 70—75° wejtl. &., wurde 1821
von Bellingshaujen entdeckt.
Alexan Newſkij-Kloſter, cin berühmles
Kloſter su St. Petersburg, von Peter d. Gr. 1710 dem
ruffifden Nationalhelden (j. Wlerander 16) gu Ehren
geqriindet, am Ojtende der Stadt und des Newſtij—
profpefts an der Newa geleqen. Es enthalt auper
dem cigentliden Kloſter zwölf Rirden, die Wohnung
des Metropoliten von St. Petersburg, eine geiſtliche
2
302 Aleranderjage
Klaſſen: Großkreuz, Komturkreuz erfter und zweiter
Klaſſe und Ritterkreuz erſter und zweiter Klaſſe. Das
Ordenszeichen ijt cin achtſpitziges, weiß emailliertes
Kreuz, zwiſchen deſſen Urmen zwei goldene, mit dem
Griff nach unten geſtellte Schwerter ſich kreuzen. Im
Mitlelſchild befindet fic) auf dem Avers der bulgari—
ſche Löwe im roten Feld, umgeben von griinem Rei⸗
fen, auf dem in Cyrilliſcher Schrift »Za Chrabrost«
(Für Dienjte«) fteht; auf dem Revers befindet fid
Der Namenszug des Fiirjten und auf dem Reifen:
»fylirjt von Bulgarien, 1879.. Das Großkreuz tragt
nur der Fürſt; Das Komturkreuz hat emen Brillant-
reifen um den Mittelſchild und je die erjten Klaſſen
cine Strone fiber dem Kreuze. Das Band ijt hellblau
gewäſſert und an den Randern filbergejtreift. —
2) Bulgar. Verdienjtorden, geftiftet 25. Dez. 1881
von Wlerander J. in fünf Graden mit einfader Be-
zeichnung erjter bis fiinfter Klaſſe. Die Deforation
jteht in cinem qoldenen, bei der fiinften Klaſſe fil-
bernen, weiß emaillierten, achtedigen Kreuz mit emem
roten Mittelſchild, der in goldener Cyrillifder Schrift
die Legende »Sanft Ulerander<, im Ringe m golde-
nen Budjtaben die bulgarifde Leqende » W Jami Bog«
»Gott mit uns«) tragt und unten zwei verbundene
Lorbeerzweige zeigt. Der Revers des Mittelſchildes
— Wlerandra.
im 12. Jahrh. didteten (hrsg. von Midelant, 1846).
Nad) den zwölfſilbigen Verſen dieſes Werkes hat viel-
leicht der Alexandriner feinen Ramen erhalten.
Uber die franzöſiſchen Didjtungen aus dent Kreije Der
YU. val. P. Meyer, Alexandre le Grand dans la
littérature francaise du moyen-Age (Bar. 1886,
2 Bde.). Hauptfidlid dem Hijtorifer Curtius ſchlie⸗
fen ſich an das lateinijde Epos des Walter von Cha-
tillon oder Lille, das aus dem Ende des 12. Jahrb.
ſtammt (zuletzt 86 von Müldener, Leipz. 1863),
und Das deutſche Gedicht des Rudolf von Ems (7. d.),
das vor 1250 verfaft tit. Bon fpatern deutiden Faſ⸗
jungen find nod) gu nennen die Bearbcitung deS Ul-
rid) von Eſchenbach (ſ. d.) um 1284, des Ojterreichers
Seifried um 1352, etme gereimte Uberjesung des Wie
lidjinus von Spoleto (lat. aus d. J. 1236), die um
1444 verfagte, Dann vielfad) gedrudte Brofa ded
Dr. Hartlieb. Das nod dem 13. Jahrh. angehörende
altenglifde Epos von Ulerander (in H. Webers » Me-
trical Romances«, Sd. 1, Edinb. 1810) beruht auf
der anglonormannijden Dichtung des Euſtache von
Rent. Die griechiſche Überlieferung hat aud) in der
entidjiedenjten Weife auf den Orient gewirft, ijt je-
dod) bier teilweife mit freien Erfindungen durchſetzt
worden. Die Perjer nehmen bier cine der erjten Stel-
trägt dag Datum des Friedens von Gan Stefano: | len cin; fie maden den Wlerander ju einem Sobn
210. Februar 1878«. Bei den drei erjten Klaſſen ijt | des Dareios, wie ihn die Ugypter zu einem Sohn des
das Kreuz von einer Krone überragt. Der Stern der | Rectanabus gemadt haben. Schon Firdofi hat die
zwei erſten Klaſſen ijt von Silber, achtſtrahlig und | Sage in ſehr beftimmter Gejtalt; unter den ſpätern
jeigt den obigen Wittelidild. Cine ſechſte Klaſſe, ganz
von Silber, tit dem Orden affiliiert, ebenjo Medaillen
aus Gold, Silber und Bronje, als Auszeichnung fitr
BVerdienjte jeqlider Urt. Das Band ijt rot.
Wleranderfage. Das wunderbare Element |
in den Sriegssiigen Wleranders d. Gr., ſeine Veriih- |
rungen nit neuerjdlofjenen Nationalititen und der
tragiſche Reis feines achilleiſch dahinſchwindenden Hel-
denlebens haben frühzeitig die Bildung einer reichen
Sage veranlaft. Die älteſte Niederſchrift derfelben,
die wir fennen, ijt die griediticie unter Dent angeb- |
lidjen Uutornamen des Aſopus oder ded Rallijthe-
nes (hrsq. von Müller, Par. 1846; von Meuſel,
Leip;. 1871), die in Agypten im 3. Jahrh. n. Chr.
entitand(vgl. Sader, Rfeudofallijthenes, Halle 1867)
und durch armeniſche, fyrifdje 2c. überſetzungen im
Morgeniande verbreitet wurde. Ym Wbendland wur-
den dieſe Sagen hauptiaidlid in der lateinifden Be-
arbeitung des Julius Valerius (um 300, Ausg.
Bearbeitern ragt bejonders Nijdmi hervor (ogl.
Bader, Nizamis Leben und Werke und der 2. Teil
des Nizamiſchen Alexanderbuches, Leip;. 1871; engl.
Wusg., Lond. 1873). Bon den Perjern gelangten
Stoff und Gejtaltung der Sage ju andern Wobham-
medanern, Die Wlerander unter dem Djulfarnein,
d. h. Dem »Zweigehörnten«, des Korans verjteben,
beſonders ju Tiirfen und Hindu, weld) legtere in äl⸗
terer Beit merfwiirdigerweije feine Erinnerung an
Ulerander bewahrt haben (vgl. Spiegel, Die YL bet
den Orientalen, Leip. 1851; Nol dele, Beiträge
Geſchichte de3 Uleranderromans, Wien 1890). ilber
die A. im allgememen handelt Carraroli, La leg-
genda di Alessandro Magno (Mondovi 1892).
Wleraudersbadb, Vadeort im bayr. Regbez. Ober-
franfen, bet Wunſiedel, tm Fidtelgebirge, 584 m
i. M. Die Heilquelle, ein —— erdiger Eiſen⸗
ſäuerling, ijt wirlſam gegen Nervenfranfheiten, Men-
ſtruationsſtörungen, Rheumatismus wx. Die erſte Ein⸗
von Kübler, Leipz. 1888) und in einem einige Jahr—
hunderte ſpäter angefertiqten Uuszug daraus (»Epi- |
tome Julii Valerii<, Ausg. von Sader, Halle 1867)
gelefen. Winder widtig it die fogen. »Historia de
preliis«, die cin Archipresbyter, Leo, im 10. Jahrb.
in Unteritalien verfaßt bat (brég. von O. Ringerle,
Vresl. 1884, von Landgraf, Erlang. 1885). Die Sage
wurde vont Epos des Vittelalters mit befonderer
Borliebe behandelt. So ſchrieb in Anlehnung an Ju⸗
lius Balers der Franko⸗Provenzale Ulberid von
Biſenzun (wahrſcheinlich Briancon oder vielleidt
Pijancon unweit Gap) Ende de3 11. Jahrh. ein Ge-
dicht liber Wlerander, bon dent Paul Heyfe (>Roma-
nijde Inedita⸗, Berl. 1856) ein Fragment entdect
hat. Nad) diejer Vorlage ijt Dann eta wn 1130 das
deutſche Uleranderlied des Pfaffen Lamprecht (7. d.)
qedidtet. Um 1160 wurde Alberichs Werf in fran:
ange zehnſilbigen Berjen bearbeitet, und hieran
chloß ſich mit umfangreichen Erweiterungen und
Fortſetzungen Der Alexanderroman von Lambert le
Tort und Alexandre de Paris aus Bernay, die nod |
'
ridjtung de3 Bades riihrt vom Marfgrafen Ulerander
(1782) ber. Außerdem hat YW. noc cine Kaltwaſſer⸗
beilanjtalt. Unfern das Granitlabyrinth der Luijen-
burg (j. d.). Bal. F. K. Müller, W. und feine Heil-
mittel (2. Uufl., Leipz. 1890).
Alexanderſch „Name des umfangreichſten
aus Dem Altertum erhaltenen Moſaiks, das 24. Oft.
1831 im Haufe des Fauns ju Pompeji, wo es den
Fußboden einer Exedra bedectte, gefunden wurde und
ſich jest im Nationalmufeunt gu Heapel befindet. Es
ijt 6,3 m lang und 3,8 m brett und foll aus andert-
halb Millionen Marmorijtiften zuſammengeſetzt fein.
Es jtellt in nod vorbandenen 22 Figuren und 16
Pferden (cin Drittel des Bildes ijt unkenntlich) ete
Schlacht gwifden Werander und Dareios, wabhridem-
lid Die bei Iſſos, dar. Der Rompofition foll ein von
Kaiſer Veſpaſian nad) Rom verſetztes Gemälde der
alexandriniſchen Malerin Helena zu Grunde liegen.
Alexanderzug, ſ. Thorwaldſen.
Alexandra, {. Kaſſandra.
Alexandra, Königin von England, ſ. Eduard VIL.
UAlerandraland — Alexandria.
rang ary tread friiherer Name ded fiidlidern
Teiles A sir ys Nordterritoriums (f. d.).
Alexa Mil, ſ. Kagera.
Alexaudre, Rabbi Uaron, berühmter Schach—
ſpieler (⸗Vater A.«), geb. um 1766 gu Ho ant
Main in aus einer Rabbinerfamilie, geſt. 16.
Nov. 1850 in London; fdjrieb: »>Encyclopédie des
échecs« (Bar. 1837), »Collection des plus beaux pro-
blémes d’échecs« (1846; deutſch, Leip3. 1846) u. a.
Alexandreia, j. Wlerandria. Auch antifer Name
ded igen — (j.d.).
leganbdre- el, }. Parmoniunt.
Alexandresen, rumiin. Didter, ſ. Alecſandresku.
(JSstenderiin), der bejte, aber ver-
nachläſſigte türk. Hafen in Syrien, fiidlid) am Golf
von A., der norddjtlidjten, von griinen Bergen um-
gebenen Budht des Mittelmeeres, ein aufbliihender Ort
— R *
—
TAA
— * ys, \
SA
303
5936 Bantuneger, 1623 Hottentotten). Der gleich—
namige Hauptort hat 381 Einw.
andria, ägypt. Gouvernorat, öſtlich und fiid-
lid) von der Proving (Mudirieh) Beherah, nbrdlid
vom Mittelmeer begrengt, wejtlid) ſich in die Libyſche
Wüſte erjtredend, hat mit der Daje Siwah 83,202
qkm Fläche bei einer Kulturflide von 180,4 qkm
mit (1807) 319,766 Einw. (168,599 männlich, 151,167
weiblid). Das Gouvernorat zerfällt in vier Dijtrifte
der Stadt U. und den Dijtrift Ramleh.
ee Marg: (Ulerandreia), cine von Wleran-
der d. Gr. 331 v. Chr. an Stelle des ägyptiſchen Ha-
fenortes Rafote gegriindete und nad) thm benannte
Stadt an der title von Unteraigypten, jabrhunderte-
lang cine der glänzendſten Großſtädte des Alter—
tums und als Pylegerin der Wiſſenſchaften beriipmt.
Sie nahm den fandigen Streifen swifden dem Meer
Plan des alten Alerandria.
mit 6850 Eimw. (davon zwei Drittel orthodore Grie-
chen), — als Ein⸗ und Ausfuhrhafen fiir Aleppo
(j. d.) und Nordſyrien; Sig eines deutſchen Vizekon⸗
ſuls. Jn A. verfehrten 1899: 589 Schiffe von 397,038
Ton. A. ijt Station frangofijder, djterreidhijder, digyp-
tifdjer englifdher Dampferlinien. Der ijt
bedeutend; Wert der Cinfubr 1901: 48,6 Me.,
der Ausfuhr (Getreide, Vieh, Wolle, Rofinen, Man-
dein, Piſtazien, Feigen, Rofons, Baumuvolle, Gall-
—* Sandel fteig —** pg yo F an
tetgt t. — YL ward jum An⸗
denfen an Wleranbers Gre he Iſſos (333 v. Chr.)
eis. Upcil 10a Clon * ad des enannt.
ier 13. Upril 1 i äghpti
ed Alis über die — eat
legandri, rumin. Didter, ſ. Ulecjandri.
nbdria, halbwollener gemujterter Damen-
Hleiderjtojf mit 34 Retten- und 20 Schußfäden auf
lem. Garne: Kette Baumwollenzwirn Rr. 60 engl.,
Schuß Weft Nr. 30 engl.
tia, Divijion der Rapfolonie, an der Al—⸗
goabai, 2453 qk mit (1891) 9978 Einw. (2419 Weiße,
und dem Strandjee Mareotis ein und war vom Bau-
meijter Deinofrates angelegt. Dhr Umfang betrug
an 16 km. Die vorliegende Inſel Pharos war mit
dem Fejtlande durd einen miidtigen, 7 Stadien
(1290 m) langen Damm (Heptajtadion) verbunden,
welder Den Hafen in cine weſtliche (Cunoftos) und
eine öſtliche Halfte (den fogen. Groen Hafen mit
dem abgetrennten Königlichen Hafen und der Inſel
Untirrhodos) teilte. Dieſe Hafen find nod) die der
jetzigen Stadt U.; das tief umd feſt begriindete Hepta⸗
ſtadion iſt durch die vom Meer angeſchwemmten Ge—
rölle ju einer etwa 600 m breiten Landzunge ge—
worden, die Raniile aber, weldje die Häfen eden
verbanden, find — angefüllt. Auf der Oſtſpitze
der Inſel Pharos erhob ſich, von Soſtratos unter
Ptolemäos J. und I. im 8. Jahrh. v. Chr. erbaut,
der berühmte, 160 m hohe Leuch tturm, deſſen Licht
auf 300 Stadien (60—60 km) den Schiffen ſichtbar
war (vgl. Adler, Der Pharos von A., Berl. 1901).
Das pridtigite Quartier der Stadt war das fogen.
Brudeion oder Bafileia, das den Großen Hafen
von U. einſchloß und alle zur königlichen Reſidenz ge-
304
horigen Bauwerke umfaßte. Hier ftand dad welt-
berühmte Muſeion, der Brennpuntt des geiſtigen
Lebens fiir mehrere Jahrhunderte, mit der grofen,
angeblich 700,000 Rollen ſtarken Bibliothel (vgl. Alex⸗
andriniſche Schule); weiter nordöſtlich das Kaiſa—
reion und davor die ſogen Nadeln der Kleopa—
tra, zwei ſchlanke Obelislen aus dem 16. Jahrh.
v. Chr., von denen der eine ſeit 1878 in London, der
andre feit 1880 in New York fic) bejindet. Weiter
jolgten der Poſeidontempel, das Theater, die Paläſtra
und die Den Groken Hafen im O. begrengende Halb⸗
infel Lodias, die als Ufropolis diente, mit emem |
fonigliden Palaft, dem Urtemistempel und dem Ar⸗
jenal. Im GS. des Brucheions ftand das prunfvolle
Gymnajion und oſtwärts davon, vor dem Kano—
postor, der groge Hippodrom. Ym SW. der Stadt
lag das Serapeion, nächſt dem Rapitol in Rom
das pradtvollite Gebäude feiner Art in der Damals
befannten Welt (mit einer zweiten wertvollen Biblio-
thef von 300,000 Rollen), in dejjen weiten Räumen
gu Unfang ded 4. Jahrh. n. Chr. ein römiſcher Prä—
feft, Pompejus, ju Ehren des Kaiſers Diofletian eine
impojante Säule erridtete, die nod) heute, Pom—
pejusfaiule benannt, mitten unter Schutthügeln
aufredt ſteht, cin riejenbafter Monolith aus rotem
Granit von 20 m Höhe und 2,5 m Durdmeffer. Sie
ehört jur forinthijden Ordnung und erreidt mit
Fußgeſtell und Knauf eine Geſamthöhe von fajt 32 m.
Den WMittelpunft der gefamten Stadt bildete der un-
geheure Platz, auf dem ſich die beiden fiber 30 m brei-
ten Hauptitraken Alexandrias rechtwinfelig ſchnitten;
Reihen groker Schutthaufen, einzelne Gaulen und
jablreide Ziſternen deuten nod) jetzt den Lauf diefer Yay
Hauptſtraßen an. Im W. lag die große (unterirdifde) |
Wraberjtadt (Nefropolis), bis gu dem fogen. Bade |
Der Kleopatra fic erjtredend. Die Hunderte der
nod) immer vorhandenen Zijternen zeugen nod heute
von der Gripe des alten UWlerandrien. Unter den
aufgetiirmten Schuttmaſſen mögen nod) anſehnliche
Reſte der großen Vorzeit verborgen liegen; mit vielen
Der alten Marmor- und Granttwerfe hat ſich Rom
ausgeftattet und nadmals Byzanz, über andre flutet
das Meer. UW. beſaß cine hochentwickelte Induſtrie,
namentlich in Glas, Bapier und feinen Stoffen, und
ein ſeltſames Gemifd) von Völkern war bier zuſam⸗
mengedrangt: Grieden (die Mehrzahl), Ägypier und
zahlreiche Juden, die den Often der Stadt bewobhn-
ten; daneben Leute aus allen Gegenden der Damals
befannten Welt, Schwarze und Weife, die der Han-
Del oder Die Sflaverei hierher fiibrte, endlid) als Be-
feblende Romer. S. Literatur, S. 305.
Das heutige Ulerandria,
(Diergu der Stadtplan.)
Das jegige A. (arab. Jstanderieh), befeftigter
Haupthafen und erjte Handelsitadt, nächſt Rairo die |
größte und bliihendjte Stadt Yiguptens, liegt aufeinem
Sandjtreifen swifden dem Meer und dem fumpfigen
WMareotisiee, zum größten Teil die ſchmale Landzunge
zwiſchen Port Vieux (Ofthafen) und Port Neuf (Weit-
bafen) bededend, unter 30° 2’ nördl. Br. und 48° 58’
Ot. L. 13 m i. M., wird auf der Landfeite von einer
alten, durch zahlreiche Forts und Baftionen flanfier-
ten Wauer umgeben, während den Hafen das Fort
Napoleon und cine Anzahl von Forts auf den vor-
fpringenden Landipigen nebjt Strandbatterien ver-
teidiqen. Das Klima (14,9-- 26,8") wird durch die |
See gemildert, febr laftig ijt der vom Wind auf- |
qewirbelte Staub. Waſſer liefert der Mahmudieh-|
fanal, der von Mehemed Ali aus dem Nilarm von |
Alerandria (dgyptifche Stadt).
Rofette zugleich als Schiffahrtslanal 20 m breit und
6m tiefangelegt wurde, aber immer mehr verſchlammt.
Daneben gibt es eine Menge Bijternen. A. beſteht aus
dem Tiirfenviertel auf der Landzunge, dem Franlen⸗
quartier tin S. Davon und dem Wraberviertel tm BW.
und zwiſchen den beiden Häfen. Bon den legtern ijt
der wejtliche jest allein widtig. Cr bejteht aus einem:
dugern, 3,5 qkm 5— 5—20 m tief, und einem im-
nern, durch einen Volo von erjterm getrennten Hafen,
9—11 m tief, an deſſen Oſtſeite fid) das Urjenalbaf-
jin mit Schwimmdochk befindet. Ein mächtiger Wellen-
breder ſchließt den Hafen nad N. und . und en-
Digt mit einem Leudtturm. Fünf weitere Leuchttiirme
erbeben fig) an andern Buntten. Die mobanrmeda-
nijde Stadt hat ungepflajterte Strafen, ijt Daber im
Winter äußerſt ſchuutzig, die Haufer find meijt nie
drig. Der vizekönigliche Palaſt, RAs et Tin, die Ka—
fernen, das Arſenal, der Palaſt des Gouverneurs,
das Gebäude der Polizeidirektion find ſämtlich Werte
Mehemed Alis. Das Franfenquartier, deſſen Mittel-
puntt der say A Mehemed Wilt (aud Play der Kon—
juln) mit Der Reiterjtatue Mehemed Wiis und zwei
Fontänen ijt, enthalt 4 latholiſche, 3 proteitantitdhe,
3 griech. Kirchen, 1 toptijde, 1 maronitiſche, 3 Syna-
gogen, mebrere Theater und cine Anzahl iéoner Bri.
vatbauten. Hier bat fic) ein völlig europäiſches Leben
entivictelt, die Rubs und Bereine ( >» Deutider Berein«)
haben bier ihren Sig, und bier liegen aud) die euro-
paiidhen Spitiler (deutſches Diakoniſſenhaus). An ihn
ſtößt der ſchöne Hffentlide Garten, Ginenet en Nuzha
oder Jardin pastré. A. hatte 1902: 310,587 Einw.
Die Stadt vermittelt fajt den gangen Außenhandel
ptens; 1900 betrug die Cinfubr 14,1, die Musfubr
16,7 Mill. ägypt. Pfd. Lewtere bejtand in erjter Lime
in Baumwolle, Baunnwollenfamen, Zucker, Bohnen,
Weizen, Wolle, Zwiebeln, lebenden Wachteln, erſtere in
Baumwollenſtoffen und-Garnen, Schuhwaren, Bau—⸗
holz, Tabal, Rohſeide, Eiſen und Stahlwaren, Stem-
foble, Olivenöl, Bier, Branntwein, Seife, Juteſäcken.
Die Eröffnung des Suesfanals hat Alexandrias Han-
del nicht unwelentlid beeintradtigt. Es liefen 1900:
2830 Schiffe von 2,375,619 Ton. ein und 2784 Schiffe
von 2,364,672 T. aus, meiſt englifde, dann franjd-
ſiſche, türkiſche, öſterreichiſche. Bon A. laufen .
liſche, franzöſiſche, öſterreichiſche und äghptiſche Pott
Dantpferlinien jowie vier Eijenbahnitrange aus, nad
Rairo, Rofette, Ramleh und El Mels (qrofartige
Steinbrüche); Teleqraphenfabel gehen nad Malta,
Rreta, Cypern und Port Said. Die Uberlandtele-
graphentinie zwiſchen Europa und Oftafien geht von
bier iiber Kairo nad Suez. In VW. bejteben acht
Banken: die Bank of Egypt, Anglo-Egyptian Ban-
king Co., Crédit Lyonnais, Banque Franco-Egyp-
tienne, Impériale Ottomane, Société Immobiliére,
Land and Mortgage Bank, Cassa di Sconto e di
Risparmio. Bon Wohltätigleitsanſtalten bejtehen fiinf
von Europäern gejtiftete und unterbaltene Mranfen-
häuſer, äghyptiſche fiir die Eingebornen, insbef. fiir die
Truppen. VW. bat eine Marine und eine Militärſchule,
ein College der Lagarijten, ein italientides Lyxeum,
je cine Schule unterbalten die Deutſchen, die fdotti-
ſche und Die griechiſche Kirche, die apojtolijden Urme-
nier und Bie Yuden; auferdem gibt ¢3 viele andre
Schulen, darunter fechs für Madchen, und eine Sffent-
liche Bibliothet. UW. iit Sig eines Gouverneurs, von
16 Konſuln (Darunter ein deutidher Berufsfonful),
eines fatholtichen Erzbiſchofs, des Marineminifte-
rium, eines Appellationsgerichts, der Direction gé-
nérale des ports et des phares, einer Polizeiprafettur,
G , | kere Hopital v3
ALEXANDRIA. ont C2
Mafstab 1: 31000 Baknhitr raré
a FE ee Fe ee
Bdree ES
Boulevard de Ramich ¥3
Deutaher Verein Dp!
Port Ada ci
de (ine Phare DEI
Helalich D1
Kam ed Denas EF4
Napoleon D3
Rus et Tin A2
* Nilsele G2
Pricdhot Arabischer D4
°° * Sted chrivtt G3
Gouraneurs Pad bz
Harem Kn
Migyxntrom BS
Judenkuvhhat F3
Aittahvomben A4S
Aan ed Dek va
Aopt Airvhe ES
Leucktturm A2
- ¢ Alter DEI
Mahmudich Kanal DGS
Marine Amt ¢c2
Mehemet Ali Plats Ds
Mola ABS
Moschece Atul Abba nz
Muascurn ra
Nadel der Mropatra Es
Osterr Ungar js Jat ES
Oat lichen Haren pr2
tare del Eqglise D3
Pultrct Direktion pn?
eles tar Saul DS
forte de Moharren Bg 4
ile Noactte GS
Fost Es
Pvarantane Alte FG2
. Neue AS
Mua ct Tin Pal Big
ANorrnuacher Ture gS
Rue dela P“ de Roecte EGY
Rue dara coa⸗
Setlachtheus ez
Pigl ra
eater Abbas Mirn D3
Ol - + Stainia Es
Roun alpalast ba
Wasser Nraervew réa
Weethicher Halon AB24
Zollamst ce
Mevers Kony Lerikon ,6 Aufl Wubhograptiaches hoetitut in Lemanig Soe Arndcl Uerandrea *
Digitized by Google
Alerandria — Wlerandriner.
der Intendanz fiir dad Quarantäneweſen und hat feit
1890 aud) einen Munizipalrat, in dem feds euro-
päiſche Raufleute figen. Das 1895 erdffnete archäo—
logijdhe Mujeum birgt umfangreide Sammlungen.
Außerhalb der Mauern, den Mahmudiehlanal entlang,
ziehen ſich reigende Villen hin, aus denen aud) das
9 kin djtlich liegende Ramleh fajt ausſchließlich bejteht.
Gefdhidte. Die Ptolemäer wählten W. gur Haupt: |
ftadt ihres neuen Reiches, und unter ihrer Regierung
hob es fic) gu einer der blühendſten Städte des Alter⸗
tums entpor, groß durch Handel, beriihmt als Sif der |
Wiſſenſchaften, aber aud als Sif einer durd) iiber-
ſchwenglichen Reichtumgenährten grenzenloſen Sitten-
lofigteit berüchtigt. Wis Cäſar 48 v. Chr. nad Pom—
pejus’ Ermordung in YL. erſchien, entitand eine Em—
pirung des Bolfes, gegen die fid) die Rimer unter
heftigen Kämpfen neun Donate lang in der Kinigs-
jtadt (Vrudium) bebaupteten (Wlerandrinifder
Krieg); cin Brand verjzehrte damals den größten Teil
Der berühmten alerandrinijden Vibliothet (j. oben). |
Mud) im Rdmerreid ftand A. nur Rom felbjt an Grope |
nad) und war der Hauptitapelplag, wo fic) Der orien-
talijdje Handel vereinigte. Die wiſſenſchaftliche Be—
Deutung Alexandrias madte es aud) zu einem Haupt-
ſitz des Chrijtentums; die heftigiten Kämpfe zwiſchen
dieſem und dem Heidentum und zwiſchen den chriſt—
lichen Parteien ſchädigten die Blüte der Stadt. Ver—
nichtet wurde aber A. als Hauptſtadt Ägyptens
und herrſchender Handelsplatz durch die Araber, die
unter Führung Amrus die Stadt nad) 14monatiger
tapferer slate pe im Dezember 641 eroberten.
Die Fejtungswerle wurden geſchleift; der grebte Teil
der Stadt blieb zwar verfdont, fie erhob ſich aber
nidjt wieder gu der frühern Gripe. Wis das Ralifat
felbjt in Bersall geriet, erklärte fid) der Statthalter
Ahnied 868 fiir unabhangig und qriindete die kurz—
lebige Dynajtie der Tuluniden (bis 904); nad) der
eggs rridaft der Ubbajiden bis 933 madten
id) wieder die Ichſchid(id)en faſt unabhängig. Sdon
919 waren jedod) YW. und Mittelägypten durd) cin
Heer ded ſchiitiſchen Mahdi Obcidallah eingenomnien
worden ; 50 Jahre ſpäter fiel aud) Fojtat in die Hinde
diefer neuen nordafrifanifden Dynajtie der Fatimi-
den, Ward zu ⸗Kairo« eriveitert (969) und fortan Re-
nag Shes aber fam mehr und mehr berab. Genuefen
und BVenegianer, die es zum —— des in⸗
diſchen Handels auserforen, ſchützten es allein nod) |
vor größerm Verfall; der aber trat unvermeidlich cin,
als 1498 der neue europaifd-indifde Handelsweg um
Afrila entdedt wurde. Vom alten A. hatte fic) bis zu
Edriſis Zeit (12. Jahrh.) numer nod cin groper Teil
der Denkmäler erhalten. Erſt die Herrſchaft der Tür—
fen (ſeit 1517) gab ihm den Todesſtoß; jogar die unter
den Tuluniden entitandene Stadt der Araber, die
durch ihre fid) rechtwinkelig durdjdneidenden Gaſſen
cinem Schachbrett glid) und zahlreiche Prachtgebäude
einſchloß, wurde der Erde qleid) gemadt. Yn triim-
merbaftem Zuſtand befand fid na nod, als es durch
Bonaparte in der Nacht vom 1. zum 2. Juli 1798
erjtiiont ward. Bis Oftober 1801 blieb es in den
Hiinden der Franzoſen. Wis Mehemed Wi 1806 die
Statthalterei Ugyptens iibernahm, hatte UW. kaum
7000 Einw. in clenden Lehmbiitten; ex wurde der
Schöpfer deS neuen UW. Im J. 1882 wurde die Stadt
infolge der Empörung Arabi Paſchas arg heimgejudt :
11. Juni war fie Sdauplag einer blutigen Berfol-
gung der Europäer durch den aufgehesten Pöbel, und
da Urabi Paſcha die Forts neu befeſtigte, ward fie 11.
Suli von der engliſchen Flotte unter Seymour be-
Meyers Ronv.>Lerifon, 6. Aufl., L Bd.
— — — — — — — — —
305
ſchoſſen, worauf fie von den Ägyptern in Brand ge-
jtedt und gepliindert wurde, bis die Englander fie
14. Juli beſetzten. Bgl. Dimitſas, Gefdichte Wer-
andriens (qriedh., Uthen 1885); riety Alexan-
drie et la e-Egypte (Par. 1886); Neroutſos⸗
Bey, L'ancienne Alexandrie (daj. 1888).
legandria, andre Stiidte dieſes Namens: 1)
(UWlecfandric) Stadt im rumän. Kreis Teleorman
(Waladei), am Vedea und der Cijfenbahn Rojiori-
Smardioaſa, mit 13,675 Cinw. — 2) Stadt in der
ſchott. Grafidaft Dumbarton, am Leven, mit Bleiden,
Kattundruckereien, Farbereien u. (1891) 7796 Einw. —
3) Hauptitadt der Grafidaft A. im nordanterifan.
Staat Virginia, am Potomac und am Ausgang de3
Chefapeate-Ohiofanals, mit Ufademie, Brauerci, Ger-
berei, Seehandel in QandeSproduften und (1900) 14,528
Cinw. — 4) Stadt in Indiana, Grafidaft Madifon,
norddjtlid von Yndianopolis, mit Bahnkreuzung,
Glasfabrifation und (900) 7221 Cinw. — 5) Stadt
in Louijiana, Rapidesdijtrift, als Bahniibergang und
Sciffahrtsitation am Red River fowie als Baum—
wollmartt widtiq, mit (i900) 5648 Einw.
Wlerandria Troas, Stadt, j. Esfi Stambul.
Alexandrija, Kreisjtadt im ruff. Gouv. Cherjon,
am Ingulez, mit Talgfiedereien, Seifen= und Lichte—
fabrifen, Getreidehandel und aso ) 14,002 Einw.
Alexandrine, Friederife Wilhelmine A.
Helene, Großherzogin von Mecklenburg-Schwerin,
* 23. Febr. 1803, geſt. 21. April 1892, war die
odjter Des Königs Friedrich Wilhelm III. von Preußen
und Der Königin Luiſe und vermablte fic) 25. Mai
1822 mit dem Erbgroßherzog, ſpätern Großherzog
Paul Friedrid) (qejt. 7. März 1842).
Wlexzandriner, aud Zwölfſilbner genannt,
Vers franzöſiſchen Urjprungs, welder aus zwölf Sil-
ben beſteht, gewöhnlich mit dem Endreim verjehen ijt
und durch eine 5, (j.d.) in Der Mitte in zwei Vers.
lieder von je ſechs Silben zerlegt wird. Jedes der
eiden Versglieder hat zwei Akzente: einen accent
mobile (d. h. bewegliden Alzent) auf einer der erjten
vier Silben (ganz ee auf der fiinften) und einen
accent fixe (Dd. h. feſten Alzent) auf der ſechſten Silbe.
Das älteſte Gedicht, welches dieſen Vers aufweiit,
ijt Die -Reiſe Karls d. Gr. nad Jeruſalem und Rone
jtantinopel« aus dem Ende de 11. Jahrh. Nach—
m der Vers lange beliebt geweſen, fam er fiir line
gere Heit, pom 14.—16. Jahrh., aus der Mode; er
wurde erjt in der Beit der ‘Blejade von Baif und Du-
bartas wieder gu Ehren gebracht und ijt ſeitdem der
beliebtejte aller franzöſiſchen Verſe. Neuere Dichter,
zuerſt Undré Chénier, dann die Dichter der roman:
tiſchen Schule, haben dem Vers cine freieve Bewegung
gegeben, indemt fie gelegentlid) nidt nur die Schluß⸗
paufe des Verſes vernadlaffigten (j. Enjambement),
jondern aud) den Akzent vor Der Cäſur und dieje felbjt
urtidtreten ließen. Golde Berje, die fomit nur dret
frente (gewöhnlich auf der vierten, adjten und zwölf—
ten Silbe) agen, werden romantifde A. ge
nannt. Den Ramen A. fiihrt man gewöhnlich auf
den Umſtand zurück, daß der vielgelejene Wlerander-
roman gegen Ende des 12. Jahrh. in zwölfſilbigen
Verſen abgefaßt war; dod) ijt dies nicht recht mit dent
Ausdruct rime alexandrine, der in einer Überſetzung
des Hohen Liedes aus demt 14. Jahrh. gebraucht wird,
in Emmflang ju bringen. Der Name W. kommt erjt im
16. Jahrh. auf (bet Sean Le Maire und Marot).
Vorſchriften fiir das Leſen der franzöſiſchen A. und
cine freilicd) etwas gefiinjtelte Unalyfe thres Rhythmus
gibt Becq de Fouquieres, Traité général de
20
306
versification francaise (Bar. 1879). Bgl. Trager,
Geſchichte des franz. Alexandriners (Leipz. 1889).
Von Frankreich aus verbreitete ſich Der A. über
Holland, Deutſchland und England. Im Deutſchen,
wo derſelbe bei der rhythmiſchen Beſtimmtheit der
Sprache um vieles ſteifer erſchien, erhielt er nament⸗
lich durch Opitz cine faſt uneingeſchränkte, über alle
Dichtungsgattungen ſich erſtredende Herrſchaft und
behauptete dieſelbe das 17. und 18. Jahrh. hindurch,
bis Klopſtock durch Einführung der antifen Metra und
Lefjing durch den fünffüßigen Jambus fein Reid
jtiirgten. Seitdem ijt Der A. als cine Reminiszenz des
Zopfſtils mifadtet qewefen und fam nur ausnabms-
weiſe (3. B. nicht obne Wirfung in fleinen Luſtſpielen
bet Milner und Jmmermann) in Anwendung. Erſt
in neuerer Zeit wurde er uns durch Riidert (in ſeinem
Lehrgedicht · in »Roſtem und Subrab« rc.), ſpäter
durch Freiligrath, Geibel u. a. wieder peer und
legtern gelang es Dadurd), daf fie neben der Haupt:
zäſur nod andre Berseinfdnitte anbradten und Una-
päſten umd Spondeen wechſelvoll cinjtreuten, teils
aud, indem fie (nad) Dem Vorgang franzöſiſcher Dich-
ter) Strophen bildeten, in welchen der A. mit dem
vierfiigigen Jambus wedfelt, dem einformigen Me-
trum grofere Mannigfaltigfeit und einen beweglidern
Charafter gu verleihen. ng felbjt ſchildert den
U. in Dem befannten Gedicht »Der A.« (»Spring’ an,
mein Wüſtenroß aus Ulerandria!<).
2 — Bibliothek, |. Alexandriniſche
Schule.
Alexandriniſche Munft nennt man nad der
Hauptitadt des Ptolemäerreichs die neue Blüte qrie-
chiſcher Kunſt, die Diefe nad) dem Tod Wleran
d. Gr. vornehmlid in Unteraigypten, Syrien und
Siidfleinafien erlebt hat. Sie offenbarte ſich am glän⸗
jendjten in monumentalen Stadteanlagen und in im-
pofanten Eingelbauten (Tempein, Badern, Saulen-
jtraken, Gymnaſien, Bibliothefen, Marfthallen ꝛc.),
liber Die wir bid jest nur durch literarijde Uberlicfe-
rungen unterridtet find, da nod) feine Uusgrabungen
in grofem Maßſtabe mit Erfolg verſucht worden find.
Eine finnlide Borjtellung von dent auf Prunk und
jtarfe maleriſche Wirkung geridteten Weſen der aleran-
driniſchen Kunſt gewinnen wir aus einer Reihe von
Warmorreliefs, ¥ erratotien und Werfen der Klein⸗
funjt, die zuerſt von TH. Schreiber in Leipzig unter
einheitlichem Gefichtspuntt gewiirdigt worden find.
Dana) ijt die a. K. cine Erſcheinung, die bem moder-
nen Barodjtil entfpridt. Ihr Urjprung ijt aus dem
Hervortreten üppigen Privatlebens ju erfliren, dad
allmählich sur Ausbildung ciner genrebaften, fiir das
Wohnhaus arbeitenden Kunſt führte, und aus der ju:
nehmenden Freude an der Natur, einem dem moder⸗
nen Empfinden verwandten Intereſſe an der Schön—⸗
heit Der freien Ratur, an dem Walde, an dem Hirten-
und Scbaferleben. Charalterijtifd ijt die Dem antifen
und modernen Barod cigentiimliche Materialkünſtelei,
die Verwendung foftbarer Stoffe von Edelinetall, Edel-
jteinen und von Glas und Elfenbein fitr die Wand-
deforation, ebenfo wie fiir Die Bilbhauerei, die fic) bid
jur Unfertiqung ganzer Statuen aus Edelſteinen und
ſelbſt aus farblofem Kriſtall verſtieg. Die Einkehr der
ſtunſt in das Vollstum, die Darſtellung von Figuren
und Szenen aus dem Straßenleben, Bie Daraus er-
wachſende Genremalerei find cin weiteres Element
diefer Barodtunjt. Der Hauptfattor, der den Stil-
umſchwung bewirfte, die immer ftirfer und allgemei-
nev werdende Naturfreude, führte in ber Dichtung zur
Entitehung des Idylls und de3 Romans, in der bil-
Alerandrinifde Bibliothe—f — Alerandrinijde Schule.
denden Mimjt zur Landfdaftsmaleret und zu citer
befondern Art landſchaftlicher Rumdploftif, die allerlei
ur Gartenausfidmiidung gefdhaffen bat. Eine be-
Pr nbers ſchöne a et Pradtreliefs, die in rei⸗
cher Umrahmung die Wände fdmiidten, waren ge-
tricbene Brongearbeiten mit reidem landſchaftlichen
Hintergrund, von denen wir nod) Marmornadhbil-
dungen in Brunnenreliefs im Palazzo Grimant in
Venedig und in Reliefs tm Palazzo Spada in Rom
befipen. Bon letztern ijt der ſchlafende Endymion mit
jeinem Hunde, der die herabſchwebende Selene be-
merft, aud in modernen Nadhbildungen viel verbrei-
tet. Die Terrafotten von Ulerandria, von denen daz
Berliner Mujeum cine Anzahl bejigt, enthalten ein
reiches Material zur Kenntnis der alerandrinijden
164 und Kunſt. Namentlid) find es merfwiir-
bige iſchungen europdifder und afrifanifder Multur.
Als in Ulerandria die Miſchung griechiſcher und äghp⸗
tiſcher Gottheiten vor fic) ging, = es, letztere in gre
chiſchen Foren und dod mit rafterijierung threr
frembden Heimat F gejtalten. Ein Hauptwerl diefer
Richtung ijt die Gruppe des Nils im Vatikan (Wbbil-
dung f. »Mil<). Erjeugnijje alerandrinifder Malerei
aus ſpäterer, nachchriſtlicher Beit find uns in Mu-
mienbildniffen (jf. d.) erhalten. Bgl. Th. Sdrei-
ber, Die Wiener Brunnenreliefs aus dem Palazzo
Grimani (Leipz. 1888); Derjelbe, Die helleniſtiſchen
Reliefbilder (daj. 1889—94) und Ulerandrinijde To-
reutif (in den »Abhandlungen der faidfifchen Geſell⸗
fchaft der Wiſſenſchaften⸗, daf. 1894); Briidner im
der » Berliner philologifden Wochenſchrift ⸗ 1890.
Alexandriniſche Philofophie, dicjenige Pbi-
loſophie, die fid) in Wlerandria durch die Verſchmel⸗
sung griechiſcher Philoſophie mit orientalifder Weit-
—— bildete. Sie erſcheint im letzten vorchriſt⸗
lichen und im erſten chriſtlichen Jahrhundert einerſeits
als jũdiſch⸗alexandriniſche, aus der Verbindung Pla⸗
toniſch⸗ ſtoiſcher und jüdiſcher, anderſeits als neu⸗
pythagoreiſche, aus der Erneuerung angeblich Pytha⸗
oreiſcher und orientaliſcher Weisheit entſprungene.
Rit dem Ende deS 2. Qahrh. n. Chr. als neuplato-
nifde Schule durch Vermahlung Platonifder Philo—
fopbie und morgenlindijder Emanationslehren. Der
bedeutendjte in der erjtgenannten ijt der Jude Pilon,
Griinder der sweiten in Figulus. Die letzt⸗
enannte verdanlt ihren Urſprung dem Ammonios
Saftas (ſ. Neuplatonismus). Bgl. Vache rot, His-
toire critique de l'école d'Alexaudrie (Lyon 1846
big 1851, 3 Bde.).
Alexandriniſcher Dialekt, ſ. Griechiſche Sprache.
Alexandriniſcher Kodex (Codex Alexandri-
nus), ſ. Bibel.
Mecaubrinties Krieg, |. Ulerandria.
Alexandriniſche Schule, qangbare Bezeichnung
einer fortlaufenden Reihe mitentihattlider Vejtre-
bungen, die, durch die Freiqebighcit Der Ptolemäer be-
griindet und gefdrdert, in Alexandria ihren Sig batten
und cine fiber 700jährige Geſchichte durchliefen (etwa
von 300 v. Chr. bis 300 n. Chr.). Die Baſis derſelben
war das Mufeion, eine großartige Unftalt tm Stadt-
teil Bruceion, worin die Gelehrten als Penfiondre
auf Staatsfofter den Studien lebten und lebrten.
Zum gemeinſchaftlichen Gebraud der Gelehrten dien-
ten zwei ebenfalls von den Ptolemäern angelegte
Bibliotheken, die mit Dem Muſeion verbundene
und die im Serapeion, im Stadtteil Rafotis, aufge
ftellte, die bald alle durch fie ſelbſt veranlaßten Bücher⸗
ſammlungen wegen ihrer Reichhaltigleit übertrafen.
Um 250 v. Chr. betrug die Geſamtzahl der Rollen
Alexandriniſches Zeitalter — Wlerei.
in ber erſten Vibliothet bereits 490,000, in der zweiten
42,800. Durd) dieje Verhältniſſe wurde Werandria
fchon unter den erjten Ptolemäern der Sammelplatz
und Bildunggort der beriihmtejten Gelehrten dama—
liger Zeit und blieb jabrbundertelang troy mancher
Stdrungen ein Haupiſitz aller wiſſenſchaftlichen Tatig-
feit. Zwar verbrannte bei der Belagerung Uleran-
drias durch Julius Cäſar (47 v. Chr.) die 700,000
Rollen betragende Miujeionsbibliothef; dod) wurde
der Schade zum Teil durd Untonius erfest, welder |
Kleopatra die 200,000 Biinde zählende VBibliothel von |
Pergamon fdentte. Bis Ende des 2. Jahrh. n. Chr. |
war die a. S. die erjte Der Welt, und die beriihmte: |
jten Ärzte, Philofophen, Mathematifer, Ujtronomen, |
Philologen und Theologen jener Zeit erbielten dort |
ihre Bildung. Das Chrijtentum bradte eine Störung
in die heidniſch-griechiſche Uberlieferung ; aber Der |
eigentlide Berfall begann erjt mit dem 3. Jahrh.,
alg Caracalla das reid) fundierte Ynjtitut des Mu⸗
feions aufhob und die Benjionen der Gelehrten einzog.
807
den BVorjtehern diejer Schule find Pantänus als der
erjte uns befannte, Clemens und Origenes als die
rößten und einflußreichſten ju nennen. Cregetijde
—— mit kühner Spelulation verbindend,
hat die a. S. den Schwerpunkt des chriſtlichen Glan-
bens einerjeits in fpefulativen Bejtimmungen und in
der Metaphyfif der Gottes- und Logoslehre geſucht,
anderſeits aber dabei ſtets die fittliche Freiheit des
Menſchen betont und darin eine edht griechiſche Erb-
{daft bewahrt. Origenes und feine Nachfolger galten
Daher über ein Jahrhundert lang als Borbilder aud
für das wiſſenſchaftlich zunächſt unfrudtbare Ubend-
land. Erſt allmählich entfernte fic) dieſes von der fo
gewieſenen Linie, und in demſelben Make wurde aud)
tm Orient die ältere a. S. teils durd die jiingere, von
Uthanajius und Cyrillus repriifentierte, wefentlid
orthodore, teil durch die fogen. Antiocheniſche Schule
(7. d.) zurückgedrängt, welch letztere ihr namentlich in
Bezug auf ſtreng wiſſenſchaftliches Verfahren über—
legen war. Bgl. Vacherot, Histoire critique de
Verderblider noch fiir die alttlaffijde Gelehrſamleit l'école d’Alexandrie (Lyon 1846—51,2Bbde.); Bigg,
war Die Unduldfamfeit der chriſtlichen Batriarden,
pon denen der fanatiſche Theophilos 390 unter Theo⸗
doſius d. Gr. aud) das Serapeion mit feinen wiſſen⸗
ſchaftlichen Schätzen verbrannte. Dod wurde aus
den geretteten Trümmern cine neue Bibliothel ge-
griindet; auch ſammelten fic) nad und nad) wieder
qelehrte Manner, befonders Rechtslehrer und Ärzte,
umd während die römiſche Welt in Europa den Bar- |
baren erlag, frijtete fic) bier die Wiſſenſchaft wetter.
Juſtinian ſchloß zwar die heidnifden Philofophen-
ſchulen; aber Urijtoteles und Blaton herridten fort
in den chriſtlichen Schulen. Die lesten Rejte grie-
chiſcher Bildung gingen bei der Eroberung und Zer⸗
ftdrumg Wlerandrias durd) die Uraber gu Grunde
(642). Die Vibliothef war jdon vorher nad Ron: |
jtantinopel verjdleppt worden. Nun trat an Stelle |
Der griechiſchen die arabiſche Wiſſenſchaft: der Kalif
Motawakkil rief Mitte des 9. Jahrh. in Alexandria
eine Alademie ins Leben. Mit dem Sturz der arabiſchen
Herrſchaft in Ägypten verloſch auch dieſe Flamme
wieder. Vgl. Parthey, Das alexandriniſche Mu—
ſeum (Berl. 1838); Weniger, Das alexandriniſche
Muſeum (daſ. 1875). — iiber die Leiſtungen der
alexandriniſchen Schule auf poetiſchem wie anf wiſſen⸗
ſchaftlichem Gebiet ſ. Griechiſche Literatur.
Auch die Ju den, deren ſich zur Beit des Auguſtus
gegen cine Million in Ägypten befanden, hatten fic)
tn Ulerandria frühzeitig mit griechiſcher Sitte, Sprache
und Gelehrſamkeit befreundet. Hier entftand die qrie-
chiſche Uberfepung des Ulten Tejtaments (f. Septua-
qinta), bier bildete fic) aud) cine jiidijde Theologie,
welche die griechiſche Bhilofophie mit den heiligen
Büchern des Judentums durch allegorifde Unslegqung |
in Übereinſtimmung ju bringen fudte (j. Werandri- |
nije Philoſophie). Auf ähnliche Weiſe entwidelte
ſich das Chriſtentum in Alexandria, das ſich um
ſo unumgänglicher mit der dort gepflegten Philoſophie
in Verbindung ſetzen mußte, als eine wiſſenſchaftliche
Auffaſſung und Begründung bei der herrſchenden
Bildung der chriſtlichen Religion zu ihrer Empfehlung
notwen ig war. Auf dieſe Weife entitand hier zuerjt
durd philofophifde Entwidelung der in den hiſto—
riſchen Grundlagen des Chrijtentums liegenden Ideen
eine chriſtliche Wiſſenſchaft, die ben bedeutendſten Cin-
fluß auf die Kirche ausgeiibt hat und unter dem Namen
der alerandrinifd@en Theologie befannt iit.
Yhren Wittelpuntt bildete die Katechetenſchule in
Werandria, deren Bliite in das 3. Jahrb. fallt. Unter
The Christian Platonists of Alexandria (Orf. 1886).
Alexandriniſches Heitalter, joviel wie Uleran-
driniſche Schule (jf. d.).
Wlerandriften, dicjenigen Anhänger des Urijto-
teles im Wittelalter, die Dem Wlerander von Aphro—
diſias (f. UWlerander 3, S. 301) in der Meinung folgten,
daß nad) Urijtoteles nur der weltordnende gittlice
Geiſt unjterblich fei, ——— zu den ſogen. Aver⸗
rhoiſten, die mit Averrhoes (ſ. d.) behaupteten, Ari—
ſtoteles habe die Unſterblichkeit der dem ganzen Men—
—— gemeinſamen Vernunft gelehrt.
Alexandrit, Edelſtein, ſ. Chryſoberyll.
Alexandröpol (früher Gumri), Kreisſtadt im
ruſſ. Gouv. Eriwan (Transkaulaſien), amt Arpatſchai
und der Eiſenbahn Tiflis⸗Kars, Feſtung und geräu—
miger Waffenplatz fiir 10,000 Mann, hat 5 Kirchen,
Maddhengymnajfium, 6 Rarawanjeraien, bedeutende
Seidenindujtrie und (1897) 30,735 Einw. Hier 30. Ot.
1853 Sieg der Ruſſen über die Tiirten.
Alexandros, griech. Name, ſ. Wlerander u. Paris.
Wlexdndrow, sreisjtadt im rujj. Gouv. Wla—
dimir, an der Säraja, Rnotenpuntt an der Eiſenbahn
Mosfau-Yaroflaw, mit berühmtem Frauenflofter,
Stahlfabrifen und 1se7) 6848 Einw.
Alexaͤudrowſtk, 1) Kreisjtadt und kleine Feftung
im rufj. Gouv. Jefaterinoflaw, am Dnjepr, unter-
halb feiner alle, an der Eiſenbahn Charfow-Seba-
jtopol, mit 2 Rirden, Synagoge, Kreisſchule und
(1897) 28,434 Cinw. — 2) Kreisſtadt im ruff. Gouv.
Urdangel, unter 69° nördl. Br., am Nördlichen Cis-
meer, das hier infolge der Wirkung des Golfftroms
das ganze sae cisfrei ijt, wurde 1895 auf Beran-
laffung des Gouverneurs Engelhardt angelegt und
6. Dult 1899 feierlid) eingeweiht. — 3) (Wleran-
drowſti Pojt.) Seit 1855 bejtehende rujj. Anſiede—
{ung im oſtſibiriſchen Küſtengebiet, an der Kaftriesbai,
der Inſel Sachalin gegeniiber, mit gutem Hafen,
Hofpital, Magazinen und lebhaftem Handel. Dabei
die Militarjtation Ra ftries.
Alexei, 1) U. Michailowitſch, zweiter Zar von
Rupland aus dem Hauſe Romanow, Gohn und Rad
folger Midails Feodorowitſch, geb. 10. März 1629,
ejt. 29. San. 1676, fam 1645 unter der Leitung
Primes Erziehers Morofow sur Regierung. Du
Erridtung eines tüchtigen Heeres, in Dem Ausländer
cine Rolle fpielten, ſchuf er fic) cine bedeutende Macht;
indeſſen hatte der Sar beim Beginn und gegen das
Ende feiner Herrjdaft mit imnern Unrujen zu
20 *
308
fampfen. Der Streit um Meinrupland, deſſen ortho- |
dor-griedifde Einwohner, inSbej. die Rofafen unter |
dem Hetman Bogdan Chmelnizkij, den Shug des |
Saren gegen bie Boten anriefen und 1654 die Bot: |
mãßigleit bes Zaren anerfannten, ndtigten A. ju |
einem langjabrigen Krieg mit Polen; durch den Frie⸗
den von Undruyjowo (1667) gewann YW. die Ufraine |
bis jum Dnjepr. Yin Kriege mit Schweden (1655— |
1658) eroberte A. zwar einen grogen Teil Livlands
und Ingermanlands, mußte thn aber im Frieden von
Kardis (21. Juni 1661) juriidgeben. Dafiir unter-
warj er Sibirien, Daurien und das Amurland und
unterdriidte Den Aufſtand der Doniſchen Koſalen
(1672). Während ſeines letzten Jahrzehnts forgte A.
für die innere Organiſation ſeines Reiches. Zugleich
tnupfte er politiſche und merfantile Verbindungen mit
China, Perſien und den europäiſchen Staaten, na—
mentlid) mit Holland, an. Durd ihn fam das ruf-
ſiſche Geſetzbuch »Uloshenie« ju ftande. Sem Nach⸗
jolger war fein Sohn Feodor; dicjem folgte fem
Stiefbruder Reter d. Gr.
2) U Petrowitſch, der alteite Sohn Peters d. Gr.
und der Eudoria Vapuchin, geb. 28.(18.) Febr. 1690,
gejt. 7. Juli (26. Juni) 1718, geriet frühzeitig unter
den Einfluß der altruffijden Partet, die Den Reformen
des Zaren wideritrebte. Beter gab ihm jettweilig |
auslandifde Erzieher und forderte ifn wiederholt rae
entweder den Sinn ju ändern, oder der Thronfolge
ju entſagen und ins Kloſter su gehen. A. erflarte
ſich gu lesterm bereit. Wis aber Peter feine siweite
Reiſe ins nördliche Europa angetreten hatte, entfloh
A. 1717 nad Wien und von da nad Neapel. Über
redet Durd den Gardehauptmann Rumjanjow und
den Gebeiiurat Toljtoi lehrte A. gwar juriid, fand
aber Gefangnis und jtrengeds Geridt. Der Ulas vom
14.(3.) Febr. 1718 fprad Alexeis Ausſchließung vom
Thron fiir alle Zeiten aus, und nad näherer Unter-
ſuchung lief der Sar aud) A. auf Hochverrat anflagen
und ifm das von 127 Ridtern einjtimmig geſprochene
Todesurteil voriefen. Balb darauf ftarb A., wahr-
ſcheinlich an den Folgen der Folter. Rad) andern
Nachrichten foll er im Gefängnis enthauptet oder ver-
giftet worden fein. Smmermann hat die Geſchichte
lexeis in Der Trilogie⸗ Alexis · dramatiſch bebandelt.
A. hinterließ von ſeiner Gemahlin Charlotte Chriſtine
Sophie, Prinzeſſin von Braunſchweig-Wolfenbüttel
(geſt. 1715), cine Tochter (geſt. 1728) und einen Sohn,
den nadmaligen Kaiſer Peter II. Bgl. UW. Briidner,
Der SZarewitid A. (Heidelb. 1880). Urfunden über
A. veröffentlichten Jeſſipow und Pogodin in der
Zeitſchrift der Geſellſchaft fiir ruſſiſche Geſchichte und
Allertümer · ( Most. 1861).
Alexejew, Jewgenij Iwanowitſch, ruff. Ad⸗
miral, geb. 1843, beſuchte die Marineſchule und machte
an Bord des Kriegsſchiffes Warjag eine Weltumſe—
gelung mit. 1867 wurde er Dem Chef des ruſſiſchen
Geſchwaders im Ägäiſchen Weer beigegeben, 1875
und 1876 begleitete er Den Großfürſten Ulerei Alex—
androwitſch auf deſſen Seereifen im Mittelländiſchen
Weer und tlantifden Ojean. Von 1883 -- 93 Ma—
rimeattadé bei der ruffifdhen Botſchaft in Baris, be-
febliqte U. wahrend ded japaniſch chineſiſchen Krieges
1894 - 95 das neugebtidete ruſſiſche Geichwader tm
Stillen Ozean, beſetzte Kort Urthur und Talienwan.
Bum Bizeadmiral und Gehilfen des Marine-General-
ſtabschefs befdrdert, wurde er 1898 Chef von Kwang:
tung, nabm an der Pazifikation Chinas durd die ver-
vilndeten Wadte 1900 -1901 bervorragenden Unteil
und tit jept Chef der ruſſ. Flotte im Stillen Ojean.
Alerejew — Alerios.
Alexianer, aus Laienbriidern beitehende GenoF-
fenjdaft, fo — nad ibrem Shugpatron, dem heil
Ulerius (f. d.). Entitanden tm 14. Jahrh., gur Seit
des Schwarzen Tode3, widmeten ſich die WL der Sran-
fenpilege und der Bejtattung der Toten (daher aud
Loliharden [f. d.] genannt). Sie beitehen bier umd
dort nod heute, ihr Haupthaus iit das Kloſter Maria
berg in Machen, ihre Zahl in Deutidland etwa 230.
Alexie (gried.), Berlujt der Fabtgteit zu leſen bei
erhaltenem Sehvermigen, Symptom von Hirnfrant-
beiten, meijt verbunden mit Aphaſie (7. d.).
Wlezifafos (griech.), Unbeilabwehrer, Betmame
des Apollon und Herafles.
Alexinac (jpr. nay), Stadt im ferb. Kreis Krusevac.
an der Woravica und der Cifenbahn Belgrad- Wis,
mit einem Untergymnaſium, Geridt und as%6) 5431
Einw. Im Kriege 1876 hatte A. nad der Einnahme
durch die Türken ſchwer ju leiden. Yim nahen Berg⸗
gipfel Rujewica das (1880 errichtete) Denfmal fur
Die in Diefem Rriege gefallenen Ruſſen.
Alexine, ſ. J\mmunitit.
MAlextos, Name mehrerer byzantin. Kaiſer: 1)äA. I.
Komnenos, Kaiſer 1081—1118, Neffe des Raiiers
Saal Komnenos, geb. 1048, geſt. 15. Aug. 1118, zeich⸗
nete ſich als Feldherr unter den Kaijern Michael VIL.
Dufas und Nifephoros Botaniates aus, flob darn
aber vor den Nachſtellungen des lestern zum Heer,
wurde bon dieſem jum Kaiſer ausgerufen und ent:
thronte den Nifephoros (1081). Mit den Seldichufen
ſchloß er einen ungiinjtigen Frieden, um ſich mit aller
Madt gegen den Normannenherzog Robert Guiscard,
der in Das Reid) eingefallen war, gu wenden. Gegen
dieſen verbiindete er fid) mit Den Venezianern, denen
er reiche Handelsprivilegien verlieh, und mit dem
deutſchen Kaiſer Heinrich IV., wurde aber bei Durazzo
geidlagen. Robert drang num fieqreich bis Wate-
Donien vor, mupte aber 1082 nach Stalien jzuriid-
febren, worauf fein unter ſeinem Sohn Boemund
urtidgelajjenes Heer von YU. fajt vernichtet wurde.
Robert erneuerte 1084 den Ungrijf, ſtarb aber ſchon
1085, worauf fein Heer Hheimfehrte. A. kämpfte 1088
bis 1091 gegen die Petidenegen, die iiber die Donan
vorgedrungen waren, und nahm darauf den Sel-
dſchulen eine Reihe von Inſeln und Küſtenſtädten im
Kleinaſien ab. Gegen dieje Feinde ſuchte er aud bei
Bapjt Urban IT. und den abendlandifden Fürſten
Hilfe; als aber 1096 die Kreuzfahrer im griechiſchen
Reich erſchienen, fanden fie nicht die gewünſchte Auf—⸗
nahme. A. nötigte ſchließlich die vor Konſtantinopel
erſchienenen Fürſten, ihm den Lehnseid zu leiſten;
doch entſprangen aus dieſem Verhältnis Zwiſtigkeiten
und Gefahren fiir fein Reich (ein neuer Carfall Boe—
munds 11071108 wurde glücklich abgewebrt), Die
nod) nicht beigelegt waren, als A. ſtarb. Im Jn:
nern des Reiches, das er in gany zerrüttetem Sue
jtand vorfand, ftellte er die Ordnung ber, verbeſſerte
das Heerwefen und die Finanjen, begiinitigte die
Kirche und verfolqte die Reser (Paulicianer und Bo—
gomilen). Sein Leben befdrieb feine Tochter Anna
Mominena (f. Anna 6) in Der »Alexias«, Bal. Cha-
landon, Essai sur le régne d'Alexis 1 Comnéne
(Bar. 1900).
2) U. IL, Romnenos, Sohn Kaiſer Manuele,
Kaiſer 1182— 83, folgte 13jabrig fetrem Vater, wurde
durch deſſen Better Undronifos (j. d. 1) ermordet.
$) A. UI. Ungelos, Kaiſer 1195 —1203, ent-
thronte feinen Bruder Iſaal Ungelos und fiihrte
darauf cin unriibmlicdes Regiment. Während der
Velagerung von Konſtantinopel durd die von Iſaals
Aleripharmafa — Alfieri. 309
Sohn Alexios herbeigefiihrten Rreusfahrer und Vene- | quellen find der ULerishbrunnen, cine fohlenfiure-
gianer 1203 floh er aus der Stadt, fudjte in Rein | reiche Stahlquelle (9%, dic ausſchließlich zum Trin—
ajien feine Herricerredte geltend ju maden, wurde | fen, und der Selfebrunnen (8°), der nur zum
aber von feinent Schwiegerjohn Theodor Lasfaris in | Baden benutzt wird. Außerdem find Einridtungen
ein Kloſter ju Nikäa gefperrt, wo er ſtarb. gu Molfen- und Kaltwafjerfur, Fichtennadel- und
4) U. IV., Ungelos, Matfer 1203 —1204, Sohn Solbädern, Kuren mit Cleftrizitat 2. vorhanden. YW.
ded Iſaakl Ungelos, floh nad) deſſen Entthronung genießt Ruf bei Frauenfranfheiten und wurde 1810
durch Alexios III. nad Venedig. Er bewog durd groke | vom Herjog Uleris von Anhalt eingeridtet. Qn der
Verjprechungen die dort ———— Kreuzfahrer, Nähe der Ramberg (ſ. d.) und das Eiſenhüttenwerl
—— mit den Venezianern zur Befreiung ſeines
ters gegen Ronjtantinopel zu ziehen. irklich
wurde YW. nad) der Flucht Wlerios’ IT. zuſammen
mit ſeinem Vater Iſaak auf den Thron erhoben, doch
fonnte er den vor der Stadt gebliebenen Kreuzfahrern
jeine Veriprechungen, namentlich die Vereinigung der
riechiſchen mit der römiſchen Rirde, nicht erfiillen.
Daher erneuten dieſe die Belagerung, und dabet wurde
A. entthront und getitet.
5) U. Komnenos, Enkel ded Kaiſers Undronifos
Komnenos, griindete nad) der Cinnahme von Kon—
ftantinopel durch die Franken 1204 tm nordöſtlichen
Kleinaſien cin eignes Reid) mit der Hauptitadt Tra-
pejunt. Sein Enfel Johannes nahm den kaiſerlichen
Titel an, und feine Nachfommen haben als Kaiſer
von Trapejunt (Trebijonde) — bis Sultan Mo⸗
hammed II. 1461 auch dieſes Reich vernichtete.
Alexipharmaka, bei den griech. ÄArzten Mittel ge⸗
gen Gifte; enthielten ätheriſche Ole, Opium, Mofdus.
— (griech.), männlicher Vorname, bedeutet
»Helfer<.
Alexis, neben Antiphanes der fruchtbarſte und
bedeutendite Dichter der mittlern attiſchen Komödie,
aus Thurti, wm 392 v, Chr. geboren, erreidte ein
Ulter von 106 Jahren und foll auf der Biihne als
befriin;ter Sieger gejtorben fein. Geinem fangen
Leben entiprad die Menge der von ihm verfaften
Stiide, deren Zahl auf 245 angegeben wird. Die er-
haltenen zahlreichen Fraqmente zeigen nicht geringen
Wig und eleqante Sprache (hrsg. von Kod in »Comi- Poſſenreißerei, Gaulelet, Hinterlijt, Ubervorteilung,
corum atticorum fragmenta«, Bd. 2, Leipz. 1884). | Betrug (Ul fanjzerei); perſönlich: Poſſenreißer, Er}:
Wlexis, Willibald, Pſeudonym, f. Haring, Wilh. ſchalk, Phantaſt; davon alfanjen, triigen und narren.
Wlexis (or. atetgig», Paul, franz. Sdhriftiteller,| Wlfarabi, ſ. Farabi.
eb. 10. Juni 1847 in Wir, geft. 29. Juli 1901 in| Mlfaro, Bezirfshauptitadt in der fpan. Proviny
Triel (Seine-et-Dife), war ein jiingerer Schulfamerad | Logroiio, am Fluß Alhama und an der Eiſenbahn
Bolas im College ju Aix und folgte ihm nad voll- | Tudela-Bilbav gelegen, hat (1897) 5808 Cinw.
endeten Rechtsjtudten nad Karis, um ſich der Lites| Wlfedena, Stadt m derital. Proving Uquila, Kreis
ratur 3u widmen. A. gehörte zu den fiinf Naturalijten, | Solmona, an der Eiſenbahn Solmona-Iſernia, mit
die mit Bola den Novellenband »Les Soirées de Mé- | (1901) 2240 Einw., das antife Aufidena im nördlichen
dan« (1880) herausgaben, der al8 Manifeſt der neuen | Samnium, von dem neuerdings Rejte der Ringmauer,
Sule galt. A. ift dem Borbild Zolas, dem er die | der Strafen und eine ausgedehnte Nefropole zum
wertvolle biographiſche Skizze »Emile Zola, notes Vorſchein gefommen find. Bgl. Mariano, Aufidena,
d'un ami« (1882) widmete, allein bis ang Ende ge: | ricerche storiche ed archeologiche (Rom 1901).
tren geblieben. Auf der Bühne debittierte er mit dem | Whfeld, Kreisjtadt im preuß. Regbez. Hildesheim,
Ginafter »Celle qu’on n’épouse pas« (1879), den | an der Leine und der Staatsbahnlinie Elze-Kaſſel,
die Comedie Francaije 1898 wieder aufnahm. Gein | hat eine gotifche evangelijdhe und eine fath. Rirde,
bedeutendjtes Bühnenwerk ijt der dreiaftiqe, höchſt ein altertitmlides Rathaus, ein evangeliſches Schul⸗
gewagte »Monsieur Betzy« (1890, mit Méténier). | lehrerjeminar, Realprogymnajium, Amtsgericht,
Sein erjter Roman: »La fin de Lucie Pellegrin« | Oberfirjterei, Reichsbanknebenſtelle, Fabrifation von
(1880), war cine abjdredende Krankheitsgeſchichte. Rapier, Bapier- und Zementwaren, Leijten, Wagen-
Maßwvoller und gehaltvoller ijt »>Madame Meuriot« | tud x., Eiſengießerei und Majdhinenbau, Handel mit
(1890). Qnterefje erregte der auf Gambetta anfpie- | wildben Tieren und Kanarienvögeln und (1900) 5411
lende Roman »Vallobrac (1901), deffen Stoff A. Einw. In der Nahe der Schlehberg mit ſchöner
aud) in einem binterlajjenen Drama behandelt hat. | Ausſicht. Vgl. Theele, Die Stadt U. (HildesH. 1886).
Untoines epochemachendes Théitre Libre wurde mit| Wlfent, galvaniſch verjilbertes Neujilber.
Wleris’ ironiſchem Einatter »Mademoiselle Pomme< | Wlfheim, ſ. Asgard.
(1888) eröffnet. Wlfieri, 1) Vittorio, Graf, einer der beriifm-
Alexiobad, Bade⸗ und Luftfurort im anhaltiſchen tejten neuern ital. Dichter, geb. 17. Jan. 1749 in Aſti.
Teil des Harzes, im Selfetal, 325 m it. M2, am der | geft. 8. Olt. 1803 in Florenz, ftanunte aus einer febr
Eiſenbahn Gernrode-Harygerode. Die beiden Heil- | angefehenen und wohlhabenden Familie. Er ſchlug
Magdefprung. Val. Rothe, A. als Stahlbad rc.
(Berl. 1883).
Wlexishafen, Hafen in der Ujtrolabebai (Kaiſer
Wilhelms-Land), unter 5° 6 fiidl. Br. und 145° 45°
öſtl. L., mit enger, aber ſicherer Einfahrt.
Alexius, einer der populärſten Heiligen, deſſen
Legende zum Volksmärchen geworden ijt (bet Grimm,
Bd. 2, S. 295), Sohn eines reiden Römers, foll wm
410 unerfannt im Haufe feineds Vaters ald Vettler unter
der Treppe lieqend gejtorben fein. Urſprünglich grie—
chiſch und ſyriſch, ijt die Legende im Abendland, wohin
fie jedoch erſt im 10. Jahrh. gelangt zu fein ſcheint,
oft poetiſch dargeſtellt worden, zuerſt in Frankreich
(wahrſcheinlich von Thibaud de Vernon, 11. Jahrh.).
Acht —— mittelhochdeutſche Behandlungen der
Legende gab Maßmann heraus (⸗Sankt Alexius' Le-
bene, Quedlinb. 1843). Bal. Goethes »Briefe aus
der Schweiz<; »>Romania«, Bd. 18, S. 299.
Wilexochten, |. Immunität.
Alfa (Hatfa), f. Efparto.
Alfadir (Wifodr, nord., »Allvater«), f. Odin.
Mifani, Auguſto, ital. Schriftſteller und Didter,
geb. 17. Nov. 1844 in Florenz, wo er als Stadtrat lebt;
verfahte die burleste Gedichtſammlung »Gente alle-
gra, il ciel l'aiuta⸗ (Flor. 1873), gab ausgewibite
Briefe der Heil. Katharina von, Siena (Turin 1877)
heraus und ijt aujerdem durd) viele volfstiimliche
Sdriften befannt.
Alfanz (Alef an z), altes deutſches Wort, foviel wie
— —— — — — — — — — — — — —
emer ſehr nadlaffigen Erjiehung anfangs Die |
militãriſche Laufbahn ein. Nachdem er dann 1767—
772 den größten Teil von Europa durdhreijt hatte,
ex cme Seitlang in gãnzlicher Untatigfeit in
Dann er eifrig an ju ſtudieren, lernte
und verjudte ſich in eignen Urbeiten. Er
ife zur Seamnailihen Didtiomn: 1775
trat er mit Dem mif Trauerjpiel » Cleopatra «
1776 begab er ſich nad Tostana, um reines
Alföld — Alfons.
Banucci, Mail. 1869). Eine volljtindige Ausgabe
der >Opere< Ulfieris erſchien —— (1805 —15) im
22 Banden; eine neue in 12 den, Rom 1902 ff.
die »Tragedie« gab Milanefi neu heraué (Flor. 1855,
2 Bde.); »Il Misogallo, le Satire e gli Epigrammi-<,
Renier (Daj. 1884); »Lettere edite e inedite di A «
ab Mazzatinti heraus (Tur. 1890). Bal. Cento-
anti, io sulla vita e sulle opere di A. (j¥lor.
1842); Teza, Vita, giornali e lettere di A. (Daf.
Malientidh zu lernen. Jn Florenz lernte er die ſchöne 1861); sabrié, Studi alfieriani (Daj. 1895); Ber-
und getitvolle Grafin Luije von Albany (jf. d. 1),, tana, Vittorio A. (Tur. 1902); Reumont, Die
Gemahlin des englifden Bratendenten Karl Eduard Grajm von Albany (Vert. 1860); Heyje, Italieniſche
Stuart, fennen, mit der er cin edles Freundſchafts- Dichter, Bd. 1 (daſ. 1889, ungen).
t ß. Zugleich erfüllte 2) Cefare, Mardhefe di Sojtegno, ital
ihn das Studium der altern — * Schrift- Staatsmann. geb. 1796 in Turin, geſt. 16. April 1869,
namentlich des Dante und Machiavelli, ganz Verwandter des vorigen, widmete ſich der diplomati⸗
republilaniſchen Ideen, denen er in allen ſchen Laufbahn. war ſardiniſcher Legationsſekretär mm
aiſchen Paris, im Haag, in Petersburg, Berlin und Floren;
ſemen ien und in mehreren ſeiner proj
Sehriften den kräftigſten Ausdruck gab. Nach dem und lebte ſeit 1825 wieder in Paris, wo fein Vater
Gefandter war. Marl Albert berief ibn 1831 nad
Tod: des Praitendenten lebte A. mit deſſen Wittwe, |
Turin, wo er jih den Ratrioten Cavour, Balbo und
pom Der er fich feitdem nicht wieder trennte, in Baris, |
bis ihn die Ereigniſſe von 1792 vertrieben und aus Azeglio anſchloß. Wis Prajident der Reformlommiſ⸗
ſion madte er fic) namentlid) um die Reform des
cinem Freunde der Revolution ju deren und Frant-
reichs erbittertitem Geqner madten, wie der erjt zehn höhern Unterridts verdient; auc erbielt er den Auf—
Jahre jemem Tod erichienene »Misogallo< be⸗ trag, eine fonjtitutionelle Berfafjung fiir Sardinien
weiſt. Er jiedelte mit der Al nad Floren; über ausjuarbeiten. Sm Sommer 1848, nad) der Wieder
und beſchãftigte fic) ctfrigit mit Studien. Ubermafi- lage von Cuſtozza, ward er an die Spige des Wim
es Urbeiten zog ihm ein Siechtum — die letzten ſteriums berufen, trat aber, von Gioberti heftig be
re verbradte er in finiterer rũtsſtimntung fimpft, bald zuriid; vom Oftober 1848 — 56 war er
und von allem Berfebr mit der Welt abgefondert. | Bijepriijident, von 1856 bis Ende 1860 Präſident
Seine Afche rubt in Santa Croce zu Florenz, wo feine des Senats. Val. Berti, Cesare A. (Rom 1877).
Freundin ihm ein ſchönes Marmordenfmal von Ca: 3) Carlo Ulberto, Marcheſe di Sojteguo,
noda erridten lief. Ulfieris Werke find fehr zahlreich; Sohn des vorigen, geb. 30. Sept. 1827, gejt. 18. Dez
die Dramatifden beſtehen in 20 Tragödien, der fogen. 1897, beteiligte fid) als Bubliziit unter der Leitung
T odie (Melotragõödie⸗Ahbele⸗, im der er die Balbos und Cavours an der ſardiniſchen Reform⸗
Muſil nut der Tragödie ju verbinden ſuchte, und bewegung, war 1857—70 Mitglied der Deputierten
ſechs Romddien. Yn der Tragddie gilt A. den Ita- fammer und wurde dann zum Senator ernannt. Jn
lienern nod) heute, neben Manzoni, als ihr gr er, | der innern Bolitit gemäßigt liberal, gehört er infoige
den franzöſiſchen Tragifern ebenbiirtiger Didter. ſeiner nahen Besiehungen ju franjofiiden Staats
Dieſen Ruhm verdant er aber nicht emer wirflid mannern und Gelehrten ju den Gegnern des Drev
dichteriſchen Begabung, fondern vorjugsweife dem bundes. W. war der Hauptbegründer der »Scnola
fittliden Ernft und der auf Erwedung jtarfer und di scienze sociali« ju Florenz, Die zu Ehren ſeines
mannlicher Gefiible wie echter Baterlands- und Freie Baters » Istituto Cesare A.« genannt wurde. Er bat
heitsliebe absiclenden Tendenz feiner Tragddien. Er zahlreiche, meijt politiſche Abhandlungen veröffentlicht.
ſtrebt immer nad dem Erhabenen und wählt zu fei-| Alföld, große niederungar. Tiefebene, ſ. Ungarn.
nen Helden mit Vorliebe Charaftere von ftarrem He Alfons (althodpd. Wdaifuns. foviel wie » der an
roismus. Seine Blane find in Nachahmung der ane Geſchlecht Auszuzeichnende⸗«, ſpan. und ital. ULF onfo,
tifen Tragddie von höchſter Einfadbeit und entbehren portug. Affonſo), Mannesname.
alles fdjmitdenden Beiwerfs, wie er denn aud) die [Mdnige von Aragonien und Navarra.} 1) A. L,
Babl der handelnden Perjonen auf das denfbar qe: 1105—34, der Mann der Shladten (el Batalla-
ringite Maß gu beſchränken fuchte. Dadurd erhalten dor), weil er in 29 Sdladten fieqte, Sanchos V.
ſeine Stücke cine Malte, Steifheit und Trockenheit, die Sobn, folgte feinem Bruder Redro L. Sein Berjud,
ihrer Bilhnenwirtung Eintrag tum. Ju dieſen Eigen- als Gemabl Urracas, der Tochter Alfons VI. von Kar
ſchaften ſtimmen feine Sprache und feine Verfififation. | itilien, nad) deffen Tode das Reid) an fich zu bringen,
U'fieris Lujtiptele ftehen den Tragddien bei weitem ideiterte an der Feindidaft der eignen Gemablin.
nad. Sie haben fajt alle ene ausgeſprochene poli Glücklicher war er den Wauren gegeniiber. Er ex
tiie Tendeny, find febr diirftiq in der Erfindung, oberte 1118 Saragoſſa und machte es ju feiner Re
ohne fomifde Kraft und zur Aufführung völlig un- | fideny, nahin Daroca und Calatayud mit Sturm und
—— Ral. Novati, Studi critici (Tur. 1889). | drang durch Valencia und Murcia bis Granada vor.
son Ulfieris übrigen poetiſchen Werlen find am met: | In den Gebirgen von Balencia errang er einen ent
ſten feine Satiren, ſechs Oden und em Epos: »L'Etru- ſcheidenden Sieg itber die Mauren (1126). Wher wah
ris vendicatas, hervorjubeben. Unter feinen Brofa- | rend der Belagerung der Grensfefte Fraga vom maur
ſchriften tft feine bis fury vor feinem Tode fortgefiibrte | riſchen Statthalter m Balencia iiberfatlen (7. Sept.
und fehr aufridtig geidyriebene Selbjtbiographie, ein | 1134), entfam er, verwundet, nur unit Mühe in das
Rujter ihrer Gattung, zu erwãhnen (deutſch von Hain, | Kloſter San Juan de fa Petia und ftarb hier adt
Leipz. 1512, 2 Bde.). Die übrigen find meiſt politi: | Tage danach finderlos. Cin bleibendeds Verdienſt er⸗
ſchen Jubalts. Wan hat von W. auch mebrere Uber- | ward er fic) durch Begünſtigung des dritten Standes.
fepungen aus bem Griechiſchen und Lateinifdjen, dare | 2) A. IL, Grofneffe des vorigen, Sohn Raimunds
unter eine fehr gelungene des Sallujt (new brég. von | von Barcelona und der Todter Konig Ramiros, Fe
F
*
mit jenen
Alfons (Uragonien und Navarra, Ujturien, Kaſtilien).
tronella, 1162-—96, war beliebt als Schützer ber ſtãn⸗
diſchen Freibeiten und der öffentlichen Sicherheit ſowie
alg Winner der Troubadoure, eroberte von Navarra
die Grafidaft Roufjillon, erwarb aud einen Teil der
Provence durd) Erbrecht; ſtarb 26. April 1196.
3) U. IIL, der Praidtige, Sohn Peters LT,
1285-—91, bewilligte den Standen auf dem Reids-
tag gu Saragoſſa 1288 die fogen. Unionsprivilegien,
wonad) der Konig nur mit Einwilligung des Juſticia
und der Cortes gegen cin Wtitglied der Stände ein-
ſchreiten, diefe aber alljahrlid) gujantmenfommen und
filr die nächſten zwölf Monate den finiglidjen Rat
erwiblen durften. Er befiimpfte Rajtilien fiir die
Ynfanten von Cerda (ſ. d.) fowie Frankreich, Neapel
und den Papſt als BVerbiindeter feines Bruders Jakob
von Gigilien. Unt die Rube nad) augen herzuſtellen,
ſchloß er 1291 gu Brignoles mit Frankreich Frieden,
ftarb bald dDarauf finderlos und hinterließ feinem Bru-
der Jakob IT. den Thron.
4) U. IV., der Giitige, 1327—36, Sohn und
Nadfolger Yatobs IT., geriet wegen eciniger feiner
zweiten Gemahlin Eleonore gemadten Schenkungen
mit den Ständen in Streit, in dem er unterlag.
5) A.V. der Großmütige (als König von Nea—
pel und Sizilien A. L.), Sohn und Nachfolger Ferdi-
nands des Geredjten, 1416 —58, bejtieq, 15 Jahre
alt, den Thron. Bon Johanna I. von Neapel gu
Hilfe gerufen, befiegte er 1421 deren Feinde und be-
mãchtigte fid) Caracciolis, des ihm feindlichen Lieb-
lings der Königin. Diefe erflarte nun U. feiner Un-
ſprüche auf RNeapel fiir verluftiq und adoptierte Lud⸗
wig von Anjou (1423). VW. behauptete fid) nur im
Beſitz weniger Plage, ſetzte aber zehn Jahre lang un-
enturutigt den Kampf fort. 1435 erlitt er cine ſchwere
Niederlage zur See und gerict felbjt in Gefangen{daft.
Ullein der Tod der Ninigin gab ihm nidt nur dic
Freiheit wieder, fondern ermiglidte ibm aud) die Er-
neuerung des Kampfes, in dem er 1442 vollftindig
objiegte. Er regierte Mug und wohlwollend, wenn
er aud) gu Pradtliebe und Wolluſt neigte, und ſtarb
27. Juli 1458. Jn feinen Erbjtaaten folgte ihm fein
Bruder Johann IL, König von Navarra, in Neapel
fein vom Papſt legitimierter Sohn Ferdinand. Als
Freund der Wiſſenſchaften nahm A. die aus Ronftan-
tinopel fliidjtenden Gelehrten auf.
. {Rdnige von Afturien.] 6) WIL, dberNeufde(el
Casto), 792—842, Entel Alfons L., eines Sprdflings
Reklareds, der fic) in dem Kantabriſchen Gebirge gegen
die Mauren behauptet hatte. U.’ IL. Geſchichte iit durd-
aus ſagenhaft, ficher nur, daß er feine Herrjdaft über
G@alicien und das Land bis an den Duero ausdehnte.
Oviedo erhob er gu einent wiirdigen Königsſitz und
qriindete ben Wallfahrtsort Santiago de Compojtela.
7)U. TIL, derGroße, 866—910, folgte, 14jabrig,
feinem Bater Ordoño aud) in Leon und Galicien, er-
warb durch Vermählung mit Jimena die Graffdaft
Navarra, ſchlug die Mauren, befeste Coimbra und
ſchob die Südgrenze bid gum Duero vor. Der durd
diefe Rriege veranlaßte Abgabendruck hatte 888 eine
Empoirung zur Folge. Cin Jahr vor feinem Tode (999)
teilte ex fein Reich unter feine drei Söhne, zwiſchen
denen aber endlofe Erbſtreitigleiten ausbraden, in
benen die Rrifte des Landes nuglos vergeudet wurden.
{Rinige von Raftilien.] 8) A. VI., 1072—1109,
folgte feinem Bruder Sando IIL, der ihn aus dem
von feinem Bater Fernando ihm verliehenen Reich
Leon und Ujturien vertrieben hatte, nad) deffen Er-
morbdung in der Herrfdaft tiber Rajtilien, Galicien
und Leon, teilte 1076 mit dem König von Uragonien
311
Navarra, eroberte 1085 Toledo, unterlag aber 1086
in der Schlacht bei — und ſtarb, nachdem auch
fein einziger Sohn, Gandjo, 1108 bei Ueles gefallen,
1109, indent er feine Todpter Urraca zur Nadfolgerin
beſtimmte. Seine Regierung war weiſe; er fiihrte
eine gute Rechtspflege ein, gab den Stadten große
Redte und begriindete in Spanien das rimijd)-hier-
archiſche ———
9) UW. VIL, Raimundez, 1122—-57, aud als
U. VIIT. bezeichnet, war der Entel de3 vorigen, aus
Urracas erjter Ehe mit Raimund von Burgund. Als
ſechsjähriger Knabe gunddjt in Galicien gum König
ausgerufen, bald aud in eon und Kaſtilien anerfannt,
behauptete fic) U. gegen feinen Stiefvater und bebielt
bei der — 1127 die väterlichen Lande; mur ſei—
nen Anteil an Navarra trat er an Aragonien ab. Er
nannte ſich fortan Kaiſer von Spanien. Unter ſeiner
Regierung löſte ſich Portugal, das bis dahin ein Lehen
— geweſen, ab und gewann ſeine Unabhängig—⸗
leit. Dafür erfocht er gegen den Islam glänzende Siege.
1147 wurden die Mauren zurückgedrängt, Calatrava,
Almeria fielen, und von den übrigen drijtliden Für—
ften unterjtiift, erfocht A. bei Jaen einen neuen glän—
zenden —— die Mauren. Er ſtiftete den Ritter—
orden von St. Julian, ſpäterhin von Alcantara (ſ. d.)
enannt. Bei feinem Tod, 1157, teilte er abermals
cin Reid) u. hinterließ feinem Erjtqebornen, Sando,
Kajtilien, feinem gweiten Gohn, Ferdinand, Leon.
10) UW. VIII. der Edle, Sohn Sandos TL,
1158 —1214, vermählt 1170 mit Eleonora, Todter
Heinrichs I. von England, erfodt glänzende Siege
gegen die Mauren und drang 1193 bis Wlgeciras
vor. Dagegen erlitt er 1195 bet Wlarcos cine ——
Niederlage, in deren Folge auch wieder innere Kriege
ausbrachen. Erſt 1212 fonnte er wieder die Sierra
Morena iiberfdreiten und erfodt mit Hilfe ſämtlicher
andrer chriſtlichen Fürſten Spaniens itber die Mauren
bei Las Navas de Tolofa einen Sieg, der die Haupt-
urjade des Berfalls des maurijden Reides auf der
Pyrendenhalbinjel wurde. Unter groken Riijtungen
jtarb er 1214.
11) U. IX. von Leon, Sohn Ferdinands IL,
wurde durch feine Vermahhing mit Berenguela, der
Tochter Alfons VIII., der — der endgültigen
Vereinigung von Kaſtilien und Leon. Bei ſeinen Leb-
zeiten allerdings ſtand er faſt beſtändig mit Raftilien
in Fehde. Wis aber Alfons' VIL. Sohn Heinrid (1.
jtarb und Berenguela die fajtilijde Krone erbte, be-
rief fie ihren Sohn Ferdinand (fj. d.) gu ſich und
dantte gu deffen gunjten ab. Zwar widerjeste ſich
U. diefer Ubmadung, aud ernannte er bei jeinem
Tode (1230) feine Todjter gu feinen Erben. Beren-
quela aber wufte dieſe gum Verzicht gu bewegen und
vollendete damit die Bereiniqung der Reidje.
12) U.X., der Ajtronom, der Weise (el Sabio),
Sohn Ferdinands IT. des Heiligen, geb. 1221, fam
1252 —82 in Kaſtilien und Leon zur Herrſchaft und
erlangte 1257 die deutſche Königskrone, obgleid er
Deutſchland nie befucht hat. Unlerſtützt von Arago—
nien, Katalonien und Valencia, ſchlug er die Mauren,
eroberte Jerez, Medina Sidonia, San Lucar, Cadi
einen Teil von Ulgarbien und vereinigte Murcia nut
Rajtilien. Dod) belajtete er das Vol mit ſchweren
Steuern und beſchwor 1275 durd) die ——
daß nicht die Söhne ſeines älteſten Sohnes, Ferdinand,
ſondern ſein zweiter Sohn, Sancho, ihm auf dem
Throne folgen ſollte, einen Bürger herauf, da
der —28 Konig Philipp IIL. ſich ſeiner Schwe⸗
ſter Blanfa, der Witwe Ferdinands, und ihrer Kinder
312
annahm. Als ſchließlich A. zu gunſten feiner Enfel |
eine Teilung des Reiches vornehmen wollte, empörte
ſich Sancho mit den kaſtiliſchen Großen und entthronte
1282 A., der im April 1284 in dem einzig treu ge—
bliebenen Sevilla jtarb. UW. ijt Der Schöpfer der fa-
ſtiliſchen Proſa. Er beendiqte die von Ferdinand ITT.
beqonnene Geiesfammiung » Leyes de las partidas«,
die 1348 allgemeines Landrecht wurde. Um die Stern:
funde madte er ſich hodjverdient durch Verbeſſerung
der Etolemaifden Blanetentafein, die nad ihm die
Vifoniiniiden (f. Ulfonfinifde Tafeln) qenannt wur-
den (1252). Ferner liek er die erjte allgemeine Ge—
idhichte von Spanien in fajtilifdher Sprade (» Cronica
general<) zuſammenſiellen und eine allgemeine Welt-
geſchichte (»Grande e general historia«) beginnen,
von Juden das Ulte Tejtament zu Toledo ins Spa-
nifche überſetzen und die öffentlichen Urfunden in der
Landesſprache abfaſſen. A. ſelbſt war Didter und
Schriftſteller; unter ſeinen Werke ragen die in ga-
licifcher Sprache geſchriebenen »Cantigas de 8. Maria«
(qedrudt 1891) bervor. Die lönigliche Wlademie ver-
anjtaltete eine Ausgabe feiner »>Opusculos legales«
(Madr. 1836). . Buffon, Die Doppelwahl des
Jahres 1257 und das römiſche Königtum A.' X. von
Rajtilien (Minit. 1866).
13) U. XI., 1312 —50, König von Rajtilien und
Leon, war beim Tode feines Baters Ferdinand IV.
ein Sabr alt. Rad einer wild bewegten Bormund-
ſchaftszeit ergriff 1325 A., laum 15jabrig, die Regie:
rung jelbjt, }tellte durch blutige Strenge (daher Rä—
der genannt) das fonigliche Unfehen und die Rube
im Lande her, ſchützte die Grenzen und madhte Mo-
bammed V. von Granada tributpflicdtiq. Als diefem
aus Afrila Hilfe fam und die Mauren Tarifa bedrob-
ten, brad A. mit einem madtigen Heere von Sevilla
auf und fdjlug fie am Flüßchen Salado 30. Oft. 1340
aufs Haupt. Rad zwei Siegen der kaſtiliſchen Flotte
fiel cine Menge feſter Plage Granadas, danunter Al—
geciras, feitdem der Hauptſtützpunkt der Unterneh—
mungen der Chrijten gegen Ufrifa. Bei der Belage-
rung von Gibraltar jtarb A. an Der Peſt 1350. Wis
Geſetzgeber begiinitiqte UW. die Städte, dente aber
gleichzeitig Den Ginfluk der Krone auf fie erheblich
aus. VW. war auc) Schriftiteller und Dichter (El
libro de la Monteria«, gedrudt 1877). Die epifche
Reimdronif »Poema de Alfonso Onceno« (gedrudt
1863 u. b.) iit aber nidt von ihm.
[Reapel und Sizilien.J 14) A. IL, König von
Neapel und Sizilien, Sohn Ferdinands L., geb.
1448, geit. 19. Nov. 1495, unterſtützte 1469 Robert
Malateſta von Rimini gegen den Papſt und Venedig
und eroberte 1481 das von den Türken genommene
Ctranto wieder. Am 25. Jan. 1494 folgte er feinem
Vater in der Herrſchaft, war aber gewalttätig und
zügellos. Jnfolgedeffen fam es bei dem Einfall
aris VIII. von Franfreich in Neapel zu Aufſtänden;
um das Land feiner Dynaftie zu retten, entfagte A.
im Januar 1495 yu guniten feines Sohnes Rr erbi.
nand IT. der Rrone.
[Kinige von Portugal.) 15) A. J. der Erobe-
rer, eriter König von Portugal, 1139 —85, geb. 1110,
Sobn Heinrids von Burgund, des erjten Grafen von
Portugal, folgte diefem 1112, entriß 1128 feiner Mut
ter Therefia von Kaftilien die Regentſchaft, ſchlug die
Wauren bei Ourique 25. Juli 1139 und liek ſich auf
dem Schlachtfelde gum König von Portugal ausrufen. |
Er berief die erjten Cortes nach Lamego (1143), die
mit ihm die Thronfolqeordnung regelten und die Un
abbiangigtett Portugals von Leon und Kaſtilien aus |
Alfons (Meapel - Sizilien, Portugal).
riefen. 1144 erlangte A. die Anerlennung feines RS-
nigtums durd Papft Lucius J. Dann eroberte er mit
Hilfe zufällig qelandeter Kreuzfahrer 25. Olt. 1147
Liſſabon, fpater ganz Galicien, Ejtremadura und Et-
vas und belagerte Badajos. König Ferdinand von
Leon ſuchte die fajtilifde Oberhoheit tiber Portugal
wiederberjujtellen; dabei geriet A. in Gefangenfdaft
und erbielt erjt nad) Suriidgabe der eroberten Grenz⸗
qebiete feine Freihett wieder. Nachdem er nod 1184
bei Santarem einen Sieg über Das Heer des Juſſuf
Jon Jakub errungen, jtarb er6. De}. 1185 in Coimbra.
16) A. IL, der Dice (el Gordo), 1211—23, Entel
des vorigen, Sohn Sanchos [., verteidiqte Portugals
Selbjtindigheit qeqen Leon und lämpfte qliidlich gegen
die Mauren, wabhrte feine Unabhängigkeit saree
Papit und ndtigte, als der Erzbiſchof von Braga gegen
A. Bann und Ynterdift ausjprad, diejen zur Flucht
ing Ausland. Er forderte die Entwidelung freier
ſtädtiſcher Gemeinwejen, gab mit Hilfe der Cortes von
Coimbra (1211) die erjten allgemeinen Reichsgeſetze
und ordnete Finanzen und Verwaltung.
17) U ILL, der Wiederherjtetler (el Restau-
rador), 1245-79, jweiter Sobn de3 vorigen, ver
drängte mit Hilfe des Mlerus 1245 feinen Bruder
Sando Il. von der Herridaft und gewann durch
jtrenge Geſetzlichleit die Liebe feines Bolfes. Den Man-
ren entriß er 1251 Ulgarve vollends und legte ſich Den
Titel eines Königs dieſes Landes bei. Er befdrderte
den Unbau und die Bevdlferung feines Reiches. Die
Macht der Ritterorden ſuchte er zu beſchränken, ebenſo
die Der Geijtlichfeit, weshalb ibn ‘Bapjt Gregor X. in
den Bann tat. Er ftarb 16. Febr. 1279.
18) U. IV., Der Kühne (el Osado), 1325 — 57,
Sohn des Königs Diniz, empörte ſich gegen diefen
wegen der Bevorzugung feines Halbbruders Ujfonio
Sande; und verſöhnte ſich erit 1324 mit dem Bater.
Unter ſeiner Regierung fuchten ein Erdbeben (1344)
und eine Veſt (1348) Portugal ſchwer heim. Mit fei-
nem Sobn und Nachfolger Peter jerjiel er Dadurd,
daß er Defjen Geliebte, Ines de Cajtro (j. dD. 1), ers
morden liek. Peter verſchob zwar feine Rache bis nach
dem Tode ſeines Baters, bielt aber dann ein furdt-
bares Strafgeridt iiber dejjen Ratgeber.
19) A. V., der Ufrifaner, Sobn Cduards L,
geb. 1432, gejt. 28. Mug. 1481 in Cintra, regierte von
1438-81, anfangs unter Vormundſchaft feiner Mat -
ter Eleonore von Aragonien, {pater ſeines Oheims
Dom Pedro, feit 1448 felbjtandig. Unter A. Regierung
trat Das bisher unbedeutende Bortugal in den Bor-
dergrund: unter ibm beqannen die großen portugic
ſiſchen Entdechungen, die 1455 fich ſchon bis zum Gril-
nen Borgebirge erjtredten. A. aber dachte nur an
Eroberungen in Waroffo: er landete 1458 vor Ceuta
und nahm dad fejte Allazar, 1470 Arzilla und das
jtarfe Tanger. Diefe Plage bildeten fortan ein Boll-
werk gegen Die maurijde Wacht. Wit Jobanna, der
angeblichen Tochter Heinrichs IV. von Kaſtilien, ver-
lobt, fuchte er gegen Ferdinand den Natholijden und
Mabella Erbanipritche auf Kaſtilien geltend gu ma-
chen, wurde aber in Der Schlacht bei Toro (1. Mar;
1476) geichlagen und mufte im Frieden ju Alcacevas
(147%) allen feinen Anſprüchen auf Raftilien und
Yeon entiagen. Dartiber wurde er ſchwermütig und
beſchloß, ing Kloſter zu gehen; auf dem BWege dabin
jtarb er. A. war mehr Ritter als Feldherr und König,
aber von reinen Sitten und em Freund der Wiſſen⸗
idjaften. Unter ihm erfdien 1446, auf Betreiben ded
Regenten Dom Pedro, die fiir Rortugal hochwichtige
Yifonfinifdhe Gefesfammilung (Ordenagdes
Alfonfine — Alfred.
do Rey D. Affonso V), die von Alfons IT. bis auf
Ulfons V. erlajfenen Gefege und vieles aus dem Ge-
wohnheitsrecht enthaltend.
20) A. VI. geb. 1643, gejt. 12. Sept. 1683 in Cin-
tra, folqte feinem Bater Johann IV. 1656 unter Bor: |
mundſchaft feiner Mutter Luiza de Gugman, die aud
nad feiner Volljahrigkeit die Regentſchaft su behaup-
ten ſuchte, da A. rob, ungebildet und gemeinen Ber-
nügungen bingegeben war. Auf Veranlaſſung des
oa ajtello-WMelhor erflarte ſich A. jedod 1662
fiir —— und entfernte die Mutter vom Hofe,
überließ aber die Herrſchaft faſt ganz dem umſichtigen
Caſtello⸗Melhor, unter deſſen Verwaltung das portu-
gieſiſche Heer, vorzüglich durch Friedrich v. Schom⸗
rq, glücklich gegen die Spanier unter Don Juan
D'Yujtria fodt, den es bet Almexial (1663) und bei
Villavicofa (1665) befiegte. 1666 vermählte fic) A.
mit Maria Franzisla Eliſabeth von Savoyen. Diefe
aber, von A. vernadlaffigt, verband fic) mit des Kö—
nigs begabterm Bruder Dom Pedro, ftürzte mit Hilfe
Sdombergs A. 23. Nov. 1667 und zwang ihn sum
Verszicht auf die Rrone und zur Uufldjung ihrer Ehe.
A. wurde 1669 auf die Ynjel Terceira verbannt.
[Spanien.} 21) UW. XIL, Rinig von Spanien,
Sobn der Königin Iſabella II., geb. 28. Nov. 1857,
eft. 25. Rov. 1885, wurde nad Vertreibung feiner
tter aus Spanien (September 1868) im Therefia-
num ju Wien und in England erzogen und durd
Iſabellas Verzicht 3u feinen gunſten (25. Juni 1870)
Erbe der Thronanſprüche der jiingern bourbonijden
Linie, fiir Die fid) nad) dem Sturge ded Königs Ama—
deo cine immer mächtigere Partei namentlich unter
den gemäßigt⸗ liberalen Generalen und Politifern bil-
dete; 1874 jtellten fic) Der General Martine; Campos
und Canovas del —— an die Spitze der Partei,
und erſterer rief 30. Dez. 1874 A. in Katalonien zum
König aus. W. landete 9. Jan. 1875 in Barcelona
und bielt 14. San. in Madrid feinen Einzug, wo er
Canovas jum Minijterprafidenten ernannte, 9* durch
ein gemapigt-fonfervatives Regiment die Herrſchaft
des jungen Königs mehr und mehr befejtigte. In
erjter Ehe war der Konig feit 23. Jan. 1878 mit feiner
Coufine Maria de las Mercedes, Tochter des Herzogs
von Montpenfier, vermählt, die aber ſchon 26. Juni
1878 jtarb; in zweiter Ehe heiratete er 29. Nov. 1879
die Erzherzogin Maria Chrijtine von Oſterreich, die
ibm zwei Thobter gebar. Obwohl zwei Uttentate auf A.
(26. Oft. 1878 durd Oliva, 30. Dez. 1879 durch Gon-
gales) unternommen wurden, gelang es A. dod), feine
Herrſchaft immer fejter gu begriinden und aud frühere
Gegner feiner Dynajtie gu gewinnen. Rad) augen
** er Spaniens Anſehen und Einfluß zu heben
und ſchloß ſich deshalb an Ojterreid) und veutſchland
an. So ſtattete er 1883 dem Kaiſer Wilhelm J. einen
Beſuch ab und empfing bald darauf den Gegenbeſuch
des deutſchen Kronprinzen. 1885 zeigte er während
des Wiltens der Cholera in Spanien Tatkraft und
Wut und trug dazu bei, daß der Streit mit Deutſch—
land um die Rarolinen friedlich beigelegt wurde. Er
jtarb indes nod in diejem Jahr im Schloß Bardo an
der Schwindjucht. Seine Witwe Maria Chrijtine über⸗
nahm die Regentidaft suerit fiir ibre ältere Todter,
Mercedes, Dann, naddem fie 17. Mai 1886 eimen
Sohn, Ulfons XIIL, geboren, fiir diefen.
22) WU. XIII. König von Spanien, geb. 17.
Mai 1886 nad) dem Tode ſeines Baters Alfons XIL,
jtand zunächſt unter der Vormundſchaft femer Mut. |
ter Maria Chrijtine und trat, 17. Mai 1902 miindig
erflart, die Regierung an.
313
23) U. von Bourbon, Jnfantvon Spanien,
naar Sohn des Ynfanten Don Juan und jiingerer
Bruder des fpanifcdhen Kronpratendenten Don Karlos,
geb. 12. Sept. 1849 in London, trat 1869 in das piipjt-
lice 3uavenforps, vermablte fid 1871 in Heubad mit
Maria das Neves, Todter des Infanten Dom Miquel,
ging 1873 nad Spanien, um die karliſtiſchen Scharen
in Ratalonien zu fommandieren, und fiel wiederholt
in Rajtilien ein. Dod verlie er tm November 1874
pliglich infolge eines Zwiſtes mit feinem Bruder den
Kriegsſchauplatz. Er lebt feitdem in Ojterreid.
{fonfine, Dorf in der ital. Proving Raverma, am
Senio und an der Eiſenbahn Ferrara -Rimini, mit
Gymnaſialſchule, Getreide-, Hanf- u. Weinbau, Vtiih-
len und (1901) ca. 8000 (al Genteinde 10,309) Cinw.
U. ijt der Geburtsort des Dichters Vincenzo Monti.
ffonfinifde Gefesfammiung, ſ. Ulfons 19).
Alfonfiniſche Tafeln (Tabulae Alphonsinae),
ajtronom. Tafeln, die auf Koſten Alfons' X. von Ka-
jtilien Durd den Rabbiner Iſaak Uben Said, genannt
Haſſan, und andre Ujtronomen 1252 bearbeitet wor-
den jind. Gedruct wurden dieſe im Mittelalter wegen
ihrer Genauigteit fehr hochgeſchätzten Tafeln zuerſt
1483 durch Radtolt in Benedig (wiederbolt 1493,
1521, 1545), 1488 in Augsburg.
Wlfonfino, jpan. Goldmiinge von 25 Peſetas, ge-
feplich */10 fein, — 20,25 We.
WAlfortville (jpr. forwit), ſ. Maijons - UWlfort.
Alfraganus, ſ. Ferghani.
Alfranf, ſ. Solanum.
Al (angelſächſ. Aelfred). 1) U. Der Große,
Konig von England, jüngſter Sohn König Ethel-
wulfs, geb. 849, gejt. 28. Oft. 901, ward als fiinf-
jabriger Knabe vom Bapit Leo IV. in Rom zum Kö—
nig gefalbt. Zwei Jahre ſpäter befuchte er nut ſeinem
Vater Rom jum sweitenmal. Rad) deſſen Tode folq-
ten zunächſt Alfreds filtere Briider; dod) nahm A. jet
866 cine ——— Stellung im Reich ein. 871
folgte er feinem Bruder Ethelred als König von Wej-
jer. €r itbernahm die Regierung unter den traurig-
ſten Verhältniſſen: die Normannen drangen bis in
das Hers von Weſſex vor; der Uderbau lag danieder,
die Halfte ber Dirfer und Städte, der Rirden und
Klöſter in Aſche. Zwar ſchloß W. 872 einen Vertrag
mit den Rormannen, diefe erneuerten aber trogdem
ihre Einfälle; Mercia und die benachbarten Reiche, zu⸗
legt aud) Wejjer (878), gingen an fie verloren. Gpi-
tere romantijde Sagen berichten, daß A. ſich Darauf
einige ae in BWildniffen und Sümpfen verborgen
abe. Sider ijt, dak der König nicht aufhorte, die
rtreibung ber Diinen im Wuge zu bebalten. Jn
dem Waldgebict swifden dem Barret und der Thone
verfdangte er fid) mit ſeinen Gefährten zu Uethelney,
fammelte Dann die Edlen und das Boll von Somer:
fet und riidte mit feinem Heere gegen Athandune (Ed-
dington bei Wejtbury), wo er im Wat 878 einen glan-
genden Sieg gewann. Die Folge davon war, daß der
Dinenfiirjt Guthrum, dem A. Oftangeln belie}, das
Chrijtentum annahm. Nun begann fiir England cine
friedlichere Beit. Wher U. riijtete gugleich sur Ubwebr
neuer Ungriffe, indent er ſich cine eigne Flotte ſchuf,
ſchlug 885 cine normannijde Flotte, die in Rent lan-
dete und Rodejter angqriff, zurück und wurde aud) in
den blutigen Kämpfen der Jahre 894—897 der unter
Führung Haftings abermals eingefallenen Norman:
nen ſchließlich Herr und zwang jie zum Abzuge. Des
Königs Sorge war nun darauf gerichtet, die Wunden
zu heilen, welche die lange Kriegsnot dem Lande ge—
—— hatte. Dabei erſt zeigie ſich Alfreds ganze
314
Mrdfe. Er ernenerte- die Einteilung des Landes in
Gaue (Shires) und Hundertidaften, forgte fiir gewiſ⸗
ſenhafte Handhabung der Rechtspflege, ſammelte die
* von Kent, Mercia und Weſſex, fügte neue Hing
und ſchuf fo cin Gefepbud, das gum Teil die Grund-
lage des ſpätern common law wurde (vgl. Turf, The
}
|
1
|
|
Al fresco — Algarotti.
Lilfrie, ſ. Uelfric (S. 125).
Alfried, Jan, Pſeudonym, ſ. Lact, Job. Jak. de.
Alfter, Dorf im preuß. Regbez. Köln, Landfreis
Bonn, an der Kleinbahnlinie Köln-Bonn, hat einte
* Kirche, cin Schloß und (1900) 2385 Einw.
{furen(Darafora), älteſte Bewohner der Jnfel
legal code of A. the Great, Halle 1893). Mit qleichem | Celebes, die jet nur nod deren mittlern, nördlichen
Gifer forgte U. fiir Hebung der wirtſchaftlichen Ver- und öſtlichen Teil fowie die Moluffen, bejonders Dſchi—
haltnijje. Der Uderbau wurde begiinitigt, Stadte und
Dorfer wurden neu geqriindet, London aus den Trüm⸗
mern wieder hergejtellt. Ebenjo bemüht war der Kö—
nig, Handel und Sdiffahrt gu pflegen, und feiner be-
jondern Fiirjorge erfreuten ſich Rirden und Klöſter.
Auch die vaterländiſche Literatur begiinjtigte A. in
jeder Weife; er felbjt überſetzte, durch feinen Freund
Aſſer, Biſchof von Sherborne, vorgebildet, Orojius’
Weltchronif, Vedas Kirchengeſchichte, Boethius’ Schrift
vont Trojte der Philoſophie, Gregors Paſtoralregel
ind Ungelfichfifde. Daneben war YW. in der Bau- und
Schiffbaukunſt, in Gold- und Silberarbeit erfahren;
er jelbjt erfand einen Stundenmeffer. Hauptquelle fiir
Alfreds Gejdidte ijt die Biographie Aſſers, heraus-
geqeben von Wife (Def. 1722) und in den »Monu-
menta historica britannica« (fond. 1848). Geine
Werle wurden herausgegeben von Bosworth (Lond.
1858, 2 Bde.). Bal. Pauli, König A. und feine
Stelle in der Gefchichte Englands (Berl. 1851); Weiß,
Geſchichte Alfreds d. Gr. (Schaffh. 1852); Hughes,
A. the Great (fond. 1878 u. 6.); »A. the Great.
Chapters on his life and times« (Daj. 1899); Plum⸗
mcr, Life and times of A. the Great (Cambr. 1902).
2) U. Ernft Ulbert, Herzog von Sadjen-
Koburg-Gotha, geb. 6. ~~ 1844 in Windjor,
qejt. 30. Juli 1900 auf Schloß Rojenau bei Noburg,
weiter Sohn de Pringen Ulbert und der Königin
iftoria von Grofbritannien und Irland, wurde 1862
zum König von Griedenland erwählt, lehnte aber
die Wahl ab. 1866 wurde er zum Herzog von Edin-
burg und Grafen von Kent und Ulſter erhoben, ver-
mählte fid) 23. Jan. 1874 in Petersburg mit der Groß⸗
fiirjtin Daria, einziger Tochter des Raifers Wler-
ander IT. von Rupland. Qn der britifchen Marine
avancierte er 1886 jum Wdmiral. In der deutichen
Yrinee befleidete er feit 1888 den Rang eines Generals
der Infanterie. Nach dem Tode feines Oheims, ded
Herzogs Ernſt II. (22. Aug. 1893), iibernahm er die
Herridaft im Herzogtum RKoburg-Gotha. — Sein ein«
ziger Sohn Wilfred, geb. 15. Olt. 1874, ſtarb vor
dem Sater 6. Febr. 1899 in der Heilanjtalt Martins-
brunn bei Meran. Da der nächſte Erbe Herzog Al—
freds, fein jiingerer Bruder, der Herzog von ——
(j. d.), fiir fic) und feine Deſzendenz zu gunſten der
von cinem nächſtjüngern Bruder Ulfreds abſtammen⸗
den Linie Wiband verzichtet hatte, folgte als Herzog
—
auf Grund des Thronfolgegeſetzes vom Juli 1899 fein |
Neffe, der Herzog von Wibany, als Rarl Eduard
(j. d.) unter Vormundſchaft des Erbpringen Ernſt ju
Hobhenlohe-Langenburg. Bon den vier Töchtern, die
A. hinterließ, vermählte fid) die älteſte, Prinzeſſin
Maria, mit dem Kronprinzen von Rumänien, dic
pweite, Prinzeſſin Vittoria, nit dem Großherzog Ernit
Ludwig von Heffen, von dem fie 1902 geſchieden
wurde, die dritte, Prinzeſſin Ulerandra, mit dent Erb-
sae Ernjt zu Hohenlohe.
Al fresco, {. Freskomalerei.
Alfreton (pc. dufreven), Marltſtadt in Derbyſhire
(England), 18 km nördlich von Derby, inmitten eines
Vergbaureviers, mit der gotifden St. Martinsfirde,
Strumpfwirlerei und ago: 17,505 Einw.
lolo und die Nadbareilande, bewohnen. Sie find Ma—⸗
laien, aber ftarf mit Bapuablut verſetzt, haben die Ge—⸗
fidjtS;itge und das Haar der Papua, find grok, ſchlank
und am Körper bebaart, aber von hellerer Farbe als
die Malaien. In der Kultur ftehen fie ſehr niedriq.
Sie wohnen in Pfahlbauten, find Ropfidger und Rar
nibalen und treiben Uderbau, Pferde- und Rinder-
—— Ihre Sprache zerfällt in mehrere Dialefte.
ußer in der Landſchaft Minahaſſa (Nord-Celebes)
find die A. nod) famtlidh Heiden. Bal. v. Baer, Uber
Papua und UW. (PeterSb. 1859); Kükenthal, For—
fhungSreije in die Molulfen (Frankf. 1896).
Algarbien , joviel wie Ulgarve (i. d.).
Algaͤrdi, Aleſſandro, ital. Bildhauer und Yir-
chitelt, geb. 1602 in Bologna, get 1654 in Rom, be-
ſaß gwar große Gewandtheit in Pednif und Erfindung,
war jedod) von den Febhlern der Damaligen Mijdung
von Plajtif und Malerei nicht frei. Hobles Bathos und
heftiqe Affelte lenn zeichnen ſeine Werke. Sein bedeu⸗
tendſtes Werk ijt das folojjale Relief: Leo, den Attila
von feinem Suge gegen Rom guriidbaltend, in der
Peterskirche zu Rom. Bon feinen Bauten jind die
Jqnatiusfirde und die Villa Pamſili in Rom die ber:
vorragenDdjten.
Algarithmus, ſ. Algorithmus.
Algaröba, das Holz von Prosopis alba, auch
eine Varietät der Linſe.
Algarobilla, farbſtoffreiche Hülſen, wie A. von
Guyacan von Caesalpinia melanocarpa; A. von Ar⸗
gentinien von Acacia guayensis; chileniſche A. von
Caesalpinia brevifolia. Letztere find 3—5 cm lang,
1— 2,5 cm breit, gelb big Dunfelbraun und entbhalten
68 (ohne Samen 80) Proz. Gerbjtoff und dienen
jum Gerben.
Algarotpulver, ſ. Untimondlorid.
Aigarotti, Francesco, Graf, ital. Schrift⸗
fteller und vielfeitiqer Gelebrter, geb. 11. Dez. 1712
in Venedig, gejt. 3. Mai 1764 in Pifa, trat ſchon in
einem Ulter don 20 Jahren als ein Kenner der ſchönen
Wiſſenſchaften wie der Unatomie und Phyſil m Baris
auf. Hier verdjfentlidte er 1733 feinen »Neutonia-
nismo per le Dames, der bereits fein ganzes Ge
idic fiir elegante Bopularijierung wiſſenſchaftlicher
Fragen zeigte. Der bis 1739 wabrende Uufenthalt
in Paris der Berfehr mit Voltaire, der Marquiſe du
Chatelet und andern hervorragenden Franzoſen gab
jeiner Bildung und feinen Arbeiten cimen durchaus
franzöſiſchen —*8 1739 machte A. mit Lord
Baltimore eine Reiſe nach Petersburg und lernte
auf dem Rückweg Friedrich II. in Rheinsberg fermen,
der ihn nach ſeiner Thronbeſteigung an ſeinen Hof
einlud und ſpäter gum Grafen und Kammerherrn
machte. Für —8 ILI. von Sachſen kaufte er Ge—
mialde, darunter die Holbeinſche Madonna. Nachdem
er abwechſelnd in Berlin und Dresden gelebt, kehrte
er 1754 nach Venedig zurück und ſtarb in Piſa, wo
Friedrich d. Gr. ihm etn Grabdenfimal im Campo fanto
ſetzte. Am bedeutenditen ijt A. in feinen Briefen, den
»Lettere sulla Russia«, den poetiſchen Epiſteln (zu⸗
erjt 1759) und den eleganten Gelegenbeitsbriefen. |
| sablreiden Ubhandlungen beſchäftigte er ſich in fein
ies tae}
‘here 4 pinger’
Kosmarina 9
‘8 Lamiunatrw
Digitized by Google
rrisfertt ob
los eon,
7
*
*
—
*
*
hd
bs.
t
Algen Il.
4. Euastrum crux meliten-
sis, aus zwei symmetri-
3. Kopulation und Auxosporenbildung einer schen Halften bestehende
Diatomee (Frustulia). einfache Zelle.
A Rerilbrong der Zellen bei geSffucten Bchalen (+),
m dic vereinigte Plasmamasae, c Farbstoffkirper,
RB Auxosporen (a) zwischen den leeren Schalen (s)
der kopulierenden Individuen, k die spiter abge-
stoBenen Kappen der Auxosporen.
1, Gloeocapsa.
A einfaches Individaunm; Bh — E wile-
derholte Zweitellangen in mehrere In-
dividuen, welche kolonieuweise ver-
einigt bleiben.
2. Kieselskelett von
Pleurosigma angulatum.
a b c
5. Kopulation von Spirogyra.
“La, b Aufstilpungen sur Vorbereitung der Ko-
pulation. LL. a biniiberschliipfender, b hindber-
geechlipfier Protoplasmakirper,
7. Vaucheria sessilis.
a Schlanchende; b Proteplas-
ma Ansammiung zur Schwarm-
sporenbildung; ¢ Austritt der
Schwirmapore; d dieselbe nach
dem Austritt.
8. Entwickelung von Pandorina.
L. Kolonie im vegetativen Zustand. TL Ko-
10. Befruchtung von Vaucheria. lonie, deren Zellen al+ nackte Schwiirmer
A Stick der Sechlanchzelle mit Antheridium (a) aus der ¥erschleimten Hiille austreten. IL. og
und Oogonium (og); B getffnetes Oogonium, dan IV. Kopulation der Gameten. V. Eben ent-
einen Schleimtropfen (si) ansstéit; C Spermato- standene und VI ausgewachsene Zygo«pore,
soiden mit 2Wimpern; D Ansammiung der Sper- aus der durch Zellteilung die jange Kolonle
matozoiden am Eingang des Oogoniam. hervorgeht.
11. Fadenstiick eines
Oedogonium.
* Spermatozviden.
12. Fadensttick eines Oedo-
i ; .
wae gonium mit zu Oogonien
: L Habitus der Alge. IL Scbirm nach Fortnahme seiner i
19. Lithothamnion Vorderhiilfie, IIL Gamete. IV. Kopnlation der Gameten. \ angeschwollenen Zellen og
fasciatum. ¥. Entwickelung des Schirmes. 12 und Zwergminnchen m.
9. Bau und Fortpflanzung von
Acetabularia.
Meyers Konv.- Lexikon, 6. Aufl. Bibliogr. Institut in Leipzig. Zum Artikel ,Alger’.
Algen Ill.
17. Eizelle aus dem Oogonium
von Fucus vesiculosus, von
Spermatozoiden umschwairmt.
16. Antheridien tragende
| Haare aus einem Conceptacea-
— 4
pe lum von Fucus vesiculosus
ef —
=.
14. Gametenbildung von Ectocarpus{siliculosus. ~
L. Zweig mit reitem, eben sich entheerendem Gameten-
behailter, LL. Kinaelne weibliche Gamete. IL Welt
liche Gamete von sablreichen miinalichon Gameten
mech warmt,
13. Sargassum natans mit kugel-
fSrmigen Schwimmblasen. |.
18.Oogonium aus einem Concep-
taculum von Fucus vesiculoses.
15. Thallusstick
von Fucus vesiculo- Spermothamnion hermaphroditum.
sus mit 2Schwimm- 20, Thallusast mit Anthe- 21. Thailusast mit weiblichem
blasen und auszahl- —ridien (an) und weibli- Organ nach der Befruchtung.
teichen Concepta- chem Organ mit Prokarp K Sporenhanfen, unterhall Zetifade m
kein = bestehenden g und Trichogyn t. ale Mulle dew Cystokarpes
Fruchtstinden.
fa
22 Refruchtung einer 23. Befruchtungsorgan und
Floridee (Nemation). Cystokarp ciner Floridee ‘ : ;
@ Kary va +t sit haar form germ (Lejolisias, 24. Blatt von Chara mit Geschlechtsorganen.
Tr be pri Awe ee mit Ae hee gf Rernign mat Pel begen, & Ag. 2° A. Rin Blauthooten mit Anthendi m @ ond (higentnim opl
teliem an der Mp tae, daeet phy radio. ¢ Lorie mit Cretcharp 200 Zewel Viettrn sue der Wand dee Antheridiam 250. Bie
ootem Creve Sperenation, tem aue dem cine | fs — adent ue hel mit Meoutriam m) enue dem Anther.idinm. 340
deneo Yer tt an tae Treety bet. Ban badteoettie kk mot “yer eatomeidem, eArker vergrigert 25 BL
et aharcetet Daher bin Spe rematice ad
Algarve — Algen.
5
31
finniger Weife mit naturwiffenfdaftliden und künſt- General- und der Marinefontmandant des Campo
lerifdjen Gegenjtinden. Geine »Saggi sopra le belle | be Gan Roque, d. h. des nad) der Stadt San Roque
arti« ( deutſch von Raspe, 1769) find durd) lebendige | (j. d.) benannten Grenzbezirks gegen @ibraltar. —
Kunſterfahrung wertvoll ; feine Gedichte find anmutig. | Hier faßten die Mauren bei ihrem
Cinfall in Spanien
Die bejte Uusgabe feiner Werke (mit der Biographie | 711 zuerſt fejten Fuß und bebielten die Stadt bis ju
pon Midelejfi) erfdien Venedig 1791—94 in 17
Bänden.
Algarve (arab. El Gharb, d. h. »gegen Abend
gelegenes Land⸗), die ſüdlichſte und kleinſte Provinz
von Portugal mit dem Titel eines Königreichs, qrengt
im RN. an die Proving Wlemtejo, im O. an Spanien,
wird im S. und W. vom Meer befpiilt und ijt 4850
qkm (88 OW.) grof mit (1900) 254,851 Einw. (52 auf
1 qkm). Die Proving bildet nur einen Dijtrift und
hat Faro zur Hauptitadt. — A. umfapte anfangs
aud) die ſpaniſche Südkülſte und die gegenüberliegende
Nordafrikas. Um 1212 ervberte Sando I. einen Teil
des damals nod) unter maurifder Herrſchaft ftehenden
Landes mit der feſten Stadt Silves; aber erſt 1251
vollendete Ulfons IIL. die Eroberung Ulgarves. Zwar
beanf{prudte Spanien eine Urt von Oberhobheit fiber
das Land, dod) 1253 ward U. als befonderes König—
reid) mit Portugal vereinigt. B Lv. Malan, Rei
durch Das Königreich UW. (Frankf. 1880).
Algän (Wig au), der ſüdweſtlichſte, vom der obern
Iller durchfloſſene Teil des bayriſchen Regicrungs-
bezirls Schwaben mit den angrenzenden Landſtrichen
Württembergs und Tirols, eiwa der alte Albigau,
woraus der jetzige Name entſtanden iſt. Der W. iſt
von den Algäuer Alpen, einer nördlich zwiſchen
Rhein und Fernpaß gelagerten G der nördlichen
Kallkalpen (ſ. Alpen, geographiſche Einteilung, und
Karte »Tirol«), erfüllt. Außer der Iller haben bier
noch die Flüſſe Ill, Bregenzer Ach, Argen, Wertach
und Lech ihren Urſprung. Die Verbindung zwiſchen
den Tälern des Lech und Inn vermiittelt die ——
die von Füſſen aus die Alpen im Kniepaß und der
Ehrenberger Klauſe durchſchneidet, ſich bei Naſſereit
teilt und teils nad) Landed, teils hinab nad) Inns⸗
brud fiifrt. Die Bevblferung treibt befonders Wald-
und Felbwirtidaft umd ſorgfältige Wiejentultur. Cine
vorzügliche Rindviehraſſe ijt nad) dem A. benannt.
Val. Waltenberger, Orographie der Algäuer Al—
pen (2. Unfl., Uugsb. 1881); Derfelbe, Fithrer durd
YW. (8. Aufl., Jnnsbr. 1896); Baumann, Gejdidte
des Allgäus (Kempt. 1881—95, 3 Bde.); Refer,
Gagen, Gebriude und Spridwirter ded Allgäus
(val. — a 2 Bde.).
¢, |. Untilopen.
A —* (arab., »Wiederherjtellung<), ein Zweig
der allgemeinen Writhmetif (7. d.), früher aud Arith-
metica divinatoria (erratende) qenannt, beſchäftigt
fid) mit der Beſtimmung unbefannter Grifen aus
Gleichungen von befonderer Beſchaffenheit, den al ge-
braijden Gleidhungen. Daher ijt WU. die Lehre von
den algebraifden Gleichungen (ſ. Gleidung). Dod
ijt Der Spradgebraud) ſchwankend, und vielfad) ver-
jteht man unter A. itberhaupt das Rednen mit Bud)
jtaben, gebraudt mithin das Wort A. als gleichbedeu⸗
tend mit theoretijder oder allgemeiner Urithmetif.
Wlgebraijd heißen alle Gripen, die durch alge-
braiſche Gleichungen beſtimmt find.
Algeciras (jpr. algerfiras), Bezirlshauptſtadt in der
jpan. Proving Cadiz, am gleidmamigen Golf de3 Mit-
telmeeres (aud) Golf von Gibraltar genannt) und an
der Eiſenbahn Bobadilla-AU., hat einen durd) Forts
verteidigten Hafen, eine Wafjerleitung und cso7
| an
ihrer Eroberung durch Wlfons XI. von Kaſtilien 27.
ärz 1844. Bei W. fiegte 6. Juli 1801 die franzö—
ſiſche Flotte fiber die englifde, 12. Juli diefe über die
vereinigte franzöſiſch⸗ fpanifde.
Algemeſi cpr. alge-), Stadt in der ſpan. Brovin;
Valencia, Begirf Aleira, unfern des Jucar und an der
Eiſenbahn Almanſa-Valencia gelegen, mit 897) 8026
Cinw., die Produftion von Peis. Wein und Caca-
huetes, einer gur Olbereitung verwendeten Piſtazien⸗
art, betreiben.
Algen (Algae, hierzu Tafel »Wigen IIII«),
Pflanzenklaſſe aus der Ubteilung der Thallophyten,
ein oder vielzellige, ftets Chlorophyll enthaltende,
meijt int Waſſer lebende, bliitenlofe Gewächſe, deren
Rirper feine Unterjdeidung von Stengel, Wurzeln
und Blittern erlaubt. Bei cingelliqen WL. bejteht
jede3 Individuum aus einer einzigen Sette, wiibrend
bei ob talg eg mehrere Sellen gu Zellfäden ver-
einigt find. Bet andern A. find gabhlreide ellen
flãchen · oder forperfdrmig vereinigt, und der Thallus
nimmt dann oft bet anfebnlicder Größe cine jtraud)-
oder blattartige Gejtalt an, die Organe der hihern
Pflanzen in der Form nadahmend. Der Körper diejer
U. beſteht aus ziemlich gleichen, runden oder sylindri-
ſchen, bisweilen parendymatijd vereinigten Bellen,
die ftetS Chlorophyll enthalten. Dies tritt meiſt in
befondern Farbftofffsrpern (Chromatophoren) auf,
und wo es ſich allein findet, ijt die Ulge rein griin.
Bei vielen W. find aber dem Chlorophyll andre —*
ſtoffe beigemengt (ſ. unten).
i der —— — Fortpflanzung der A. ver⸗
ſchmelzen entweder membranloſe Geſchlechtszellen
(Gameten) miteinander und bilden die erſte Zelle
(Zygote) einer neuen Pflanze, oder die Befruchtung
findet an einem weibliden Geſchlechtsapparat (Pro—
farp) jtatt, der fic) in cin empfangendes Organ (Tri⸗
chogyn) und ein die Sporen ergeugendes Organ
(Rarpogon) gliedert. Erjtere Fortpflangungsart ijt
allen gefdjlectlidy fid) vermehrenden A., nuit Uns
nahme der Florideen, gemeinjam. Die beiden ver-
ſchmelzenden Gefdhledtszellen ftimmen vollfommen
iiberein (Sfogameten), oder fie unterſcheiden fich als
männlich (Spermatojzoiden) und weiblich (Cizellen).
Die Iſogameten können fic) in beweglider Form als
BPlanogameten (Paarungsfdwiirner) vereinigen;
andernfalls verfdjmelzen fie in unbeweglidem Bu-
jtande (als Uplanogameten), indem der Inhalt
einer Selle in cine zweite ebenfolde iibertritt und
die beiderjeitiqen Plasmakörper fid) vereinigen. Die
ungeſchlechtliche Bermehrung der A. findet durd
vegetative Aweiteilung, vorzugsweiſe aber Durd) Vil-
Dung beweglider, —— verſehener, membran⸗
loſer Bellen (Jooſporen oder Schwärmſporen),
im andern Fallen aud) durch unbewegliche Dauer—
ſporen (Akineten) oder durch Verjüngung des Zell—
inhalts entſtandene, unbewegliche Fortpflanjungs-
zellen (Aplanoſporem ſtatt.
Die ſyſtematiſche Gliederung der A. in natürliche
Gruppen : nod nidt abgeſchloſſen, die folqende Cin-
teilung ijt Daber nur al8 etme vorläufige ju betradten.
1. Ordnung: Blaugriine UW. (Cyanophyzeen),
enthalten in ibren Rellen neben dem Chlorophyll nocd)
12,778 Cinw., die lebhafter Handel mit Steinfoh- | einen blauen Farbjtoff, Phykocyan, und erſcheinen
len, Leder und Getreide treiben. Yn A. refidieren der | blaugriin, ſchwärzlichgrün oder violett. Yhren Bellen
316
z
gallertartig gelodert. Reben einyelligen Formen, die
Hioliert leben oder zu Kolonien verbunden biciben,
fommen einfade und verzweigte Zelliaden vor. Ge
formigen Arten durch Heri
Arten fonnen Dauerzellen (Sporen) bilden, die nad
einer Ruhezeit zu neuen Faden ausfermen. Die Fa-
den Der Oscillaria-Urten, die in idnmupigen Baijern
und Mo i
eigentiimliche, pendeinde ungenans. Auf feuch
ter Erde trifft man nicht ſelten die olivgrünen Schleim⸗
flumpen von Nostoc. Die Ericeimung der Baffer-
bliite wird meijtens durch Cyanophyjeen verurjadt,
ig tm ungeheuern Wengen
verſchwinden.
2. —— Kieſelalgen (Diatomeen, Ba—
zillarien
). Bon wenigen farbloſen Arten abgeſehen.
enthalten die Zellen der Kieſelalgen Chlorophyll und
einen gelbbraunen Farbſtoff Diatomin), die in dem
Protoplasma an geformte Farbſtoffträger gebunden
find. Gin typiſchet Zelllern ijt ſtets vorhanden. Die
Zellwand beſteht aus zwei ungleichen Schalenhälften.
die fo jtart mit Kieſelſäure durchſetzt find, daß beim
Gliiben ein volljtandiges Miefelitelett der Zellwand
riidbleibt, das alle Formeigenheiten der Zellwand
is zu Der feinjten Zeichnung der zierlichen Oberflãchen⸗
ſtulptur aufweiſt (Fig. 2). Die Diatomeen leben als
iſolierte apie oder fie find zu band- oder ſcheiben⸗
—— lonien vereinigt; manche ſind in Gallert⸗
ſcheiden eingeſchloſſen, andre ſitzen auf Gallertſtielen
an einer Unterlage feſt. Die beiden Schalenhälften der
— ſind fo aneinandergefügt, wie Deckel und
odenſtück einer runden Pillenſchachtel. Die Seite, an
der die Schalenränder übereinandergreifen, heißt die
Gürtelbandſeite, die andre, meiſt reichlicher ge-
ichnete Seite Schalenſeite. Die Vermehrung er-
—* durch Zweiteilung, wobei jede Tochterjelle eines
der ungleichen Schalenſtücke der Zellwand als Mitgift
befommt, um dasſelbe durch Ausbildung eines neuen
Bodenſtückes zu ergdinjen. Da ſich dieſer Teilungs
vorgang ſehr oft wiederholt, ſo müſſen Die Nachfom-
men derjenigen Tochterzelle, die das fleinere Schalen⸗
ſtück als Mitgift erbielt, in der einen Linie zuletzt
merflich fleiner werden, als die Mutterzelle war. Die
—— dieſer fMeinen Nachlommen auf das
urjpriinglicde Größenmaß erfolgt durch Vildung von
Vergrößerungsſporen (Wurofporen, Fig. 3).
Die Hellen werfen die ftarcen Schalen ab und wad
jen, in eine Gallerthülle eingebettet, zu Der urſprüng—
lidhen Größe aus, um dann neue Schalen aus zubilden.
Meiſtens legen fic) bei der Uurojporenbildung zwei Zel⸗
len in gemeinſamer Gallerthiille aneinander Fig. 3).
Bisweilen tritt vor dem Uuswadjen cine Verſchmel—
zung der beiden fchalentofen Zellleiber ein (Fig. 3 A),
ein organg, der an die geſchlechtliche Fortpflan zung
andrer Vi. erinnert. Viele fretlebende Arten seigen
ſchwimmende oder gleitende, der Längsachſe parallele
Fortbewegung. Die Diatomeen leben auf und in
feudter Erde, im Süßwaſſer und im Weere, fie neh—
men an der ‘Blanftonbildung der Gewäſſer hervor-
ragenden Unteil (vgl. Tafel »Meeresilora« und » Sil:
wafferflorac). Die wideritandésfaibigen Kieſelſchalen
gi ſich maſſenhaft im Grundſchlamm der Gewäſſer,
e fommen foſſil in diluvialen und tertiären Lagern
pon der Mächtigkeit vieler Meter als Bergmehl.
Haute biden, führen
die die Tberjlãche
der dfjer bededen, um nad furyer Bett wieder zu
Algen (Cinteitung).
Rolieridiefer, Tripel, \nfuforienerde, Rie-
ielgur (i. d.) vor, B be Bum m Bohmen. Ed-
ſtorj in der L Heide, in Tostana, Sibirien,
Lappland. Alluvial ſind die noc fortwadienden Dea-
tomeenlagen, auf denen Teile von Beriin und Lomigs-
berg i. Br. ruben. Sur Beitimmmung der Herfunft vou
: @uano ermittelt man die in Demielben vorfomunenden
Diatomeenarten. Wud) bet Agar⸗Agar klennzeichnen
die anbaftenden Diatomeen be Herfunft der Sare.
Pleurosigma und Surirella dienen als Erobeobjctte
fiir Me Krüfung von WM
3. Ordnung: Jodalgen(Conjugatae). Die merjt
ſehr zierlich — Jellen der 2 (ita. 4)
trager, die nur obne Beimiſchung eines
Feige geliet. — ber tow
if cfarbt. ‘ lonsforper on:
jugateen —* aus einer einzigen Selle (Desmidia-
ceae, Bandalgen) oder aus unverjweigten Faden
gleichwertiger Sellen (Zygnemaceac). Die Bermed-
rung erfolgt durch Zweiteilung der Sellen. Daneden
beſteht eine geichlectlide Fortplanjung, die auf Ber-
ſchmelzung zweier gleichartiger Sellen berubt. Fir
Die 3u Den Zygnemazeen gehorige Spirogyra tt dieſet
alg Stopulation —— Vorgang in Fg. 5 im vier
verſchiedenen Vhaſen, Ia, b, a,b, dargeſtellt. Die
durch die Reridhmeljung gebildete 3yg ote oder Zy⸗
goſpore fiberwintert und feimt im Frith
neuen Faden aus. Die Desmidiazeen leben mehr ver-
einzelt zwiſchen andern A. in Torffüumpfen, die 3nq-
nemajeen bilden in Suüßwaſſerteichen und Graben oft
groke icblammig - fchaumige Batten.
4. Drdnung: Griinalgen(Chlorophyceae), qrime
W., die bet Der ungeſchlechtlichen Vermehrung wre bet
der geſchlechtlichen Fortpflanzung Schwärmer bilden,
nadte Zellen, die mit wimperartigen Bewegungs
organen, fogen. Cilien, erititet tind. Die Gruͤn⸗
algen bilden feine einbheitlide Gruppe. Wan unter
ideidet Bimperalgen (Volvocineae), Me aud im
vegetativen Sujtande Cilten tragen; Kugelalgen
(¥rotofoffoideen), die aus rundlichen Einzelzellen
ohne Cilien bejtehen oder verſchieden geitaltete Jell⸗
tolonien bilden (Fig. 6); Schlauchalgen (Sipho-
neae), deren Vegetationsforper emen verpweigten, im
Innern gänzlich ungegliederten Schlaud darjtellt;
Fadenalgen(Confervaceae), die aus einfachen oder
verzweigten Sellfaden oder aus Sellflachen gebildet
find. Die Budung der ungefdledtliden Shwarm-
fporen ijt fiir Die gu den Siphoneen gebdrige Van-
cheria m Fig. 7 dargeſtellt. In dem feulenformig
angeſchwollenen Ende eines Fadenaites g em
Tel des lebenden Brotoplasmas ab. Derjelbe bildet
_ cine einzige Schwärmſpore, die fich, nachdem fie durch
| eine Offnung im der Band des Schlauched frei gewor-
den. vermittelit ihrer —— paarweiſe geſtellten
Cilien im Waſſer fortbewegt. Zur Ruhe ob sity
umgibt fic die Schwärmſpore mit einer neuen Mem:
bran und wächſt gu emem neuen Schlauch aus. Bet
| der Befruchtung, die die geſchlechtliche Fortpflanzung
einleitet, verſchmelzen in manden Fallen zwei men
branloſe, mit Cilien verjehene Geſchlechtszellen (Ga-
meten), Die an Geftalt und Größe nicht wejentlid ver-
ſchieden find, muiteinander (tjogame Gameten-
fopulation bet Pandorina und Acetabularia, Fig.8
u.9). Bein oogamen Vefrudtungsvo unter:
fcheidet man einen weibliden Gameten (Ei, Do} pbhare)
und einen männlichen (Spermatoyzoid). Die Gi
werden im Oogonium, die Spermatojzoiden im
Algen (Cinteitung).
Antheridium gebildet (Fig. 10, 11 u. 12). Bei Van-
cheria ftehen Untheridium und —— neben⸗
einander auf demſelben Faden; bei Oedogonium wer-
den tonnenfirmig aufidwellende Bellen cinjelner Fä⸗
den gu Oogonien, wahrend die Spermatojoiden aus
Bellen andrer Faden hervorgehen. Man fann alfo
bier weiblide und mannliche Faden unterjdeiden. Die
legtern find bei einigen Arten fehr furs und werden
dann, wie in Fig. 12, als Swerg mann den bezeich—
net. Die Griinalgen leben meijt mehr ifoliert —*
andern Pflanzen im Waſſer oder auf feuchter Erde,
nur einige Arten Der Siphoneen und Konfervazeen
bilden bisweilen größere Anſammlungen. Mande
iibergiehen Holzwerl oder Feljen in der Nahe von Ba-
chen, wie 3. B. die Veildenjteinalge (Chroolepus ioli-
thus), deren Körper aud) nad dem Cintrodnen den
Beildengeruch behalt. Die Sdneealge (Sphaerella
nivalis), eine Rugellage, ruft auf dem ewigen Sdynee
Der Hochgebirge und des Hohen Nordens bisweilen
blutstroprenartige Färbung hervor.
Den Siphoneen ſchließen ſich die vom Silur bis zum
Tertiär vorfommenden Daktyloporen an, die in
den alpinen Triasfalfen fehr verbreitet find und durch
ihre Ralfaus{dheidungen in manden Wblagerungen
felSbildend auftreten. Hierher gehört Gyroporella (Li-
banon, Zugſpitze, ſ. Tafel »Triasformation I, Fig. 2).
5. Ordnung: Braunalgen (Tange, Phaeo-
phyceae) enthalten in ihren Sellen neben Chlorophyll
cinen braunen Farbſtoff (Phylophaein) und erjchei-
nen deShalb Heller oder dunfler gelbbraun. Neben
utifroffopiid) kleinen Formen mit fadenartigem Kör⸗
per fonumen reidgegliederte Formen von bisweilen
riefigen Dimenjionen vor (Makrocyſtis). Der friif-
tige, haufig lederartige Körper der Brauntange, die
ausnahmsios Meeresbewobhner find, zeigt die Wejtalt
von Bändern, Strängen, geſägten oder handformig
eteilten Blattern, die direft nut einem wurzelartigen
Haftorgan am Meeresqrunde befejtigt find oder von
cinent einfachen oder verzweigten zylindriſchen Stamm⸗
teil über Den Boden emporgehoben werden. Wn dem
Laube ciniger Urten, wie Fucus und Sargassum
(Tafel ILL, Fig. 13 u. 15), werden Schwimmblaſen ge-
bildet ; ſchwimmende, losgeriſſene Teile von Sargassum
(Tafel J. Fig. 1) haben gu den Fabeln vom Sargajjo-
meer Veranlaſſung gegeben (vgl. Sargassum). Un—
geſchlechtliche Vermehrung wird durd) Schwärmſporen
vermittelt. Gejdlechtliche Fortpflanzung ijt nur bei
cinem Teil Der Braunalgen beobadtet worden. Sie
jdpreitet von der Kopulation gleider beweglicher Ga-
meten durch alle Stufen zur Befrudtung eines un-
heweglichen Eies Durd) ein Spermatozoid. Cinen
Ubergang zwiſchen den iſogamen und oogamen Bor-
gangen zeigt 3. B. Ectocarpus (Fig. 14). Männliche
und weibliche Gameten treten als Schwärmer von
gleicher Gejtalt und Größe aus dem Gametenbebhilter
hervor. Wabhrend aber der weibliche Schwärmer feine
Beweglichleit fehr bald verliert, behalten die Sperma-
togoiden ihre Cilien Langer und umſchwärmen das ſich
feſtſetzende Ci, unt mit ihm gu verſchmelzen. Die hochjte
Stufe des oogamen VBefruchtungsvorganges zeigt
Fucus (Zafel I, Fig. 16—18). Die Gejdledts-
organe ftehen bier in einer grubigen Vertiefung (Con-
ceptaculum). ‘Die in einem onium gebildeten
Dojphiren jind nur pafjiv beweglid. Die Spermato-
joiden, die in bejondern Untheridien gebildet werden,
find vielmals fleiner und mit Cilien verjehen. Das
befrudtete Ci wächſt gu einer neuen Pflanze aus.
6. Drdnung: Rotalgen(Blittentange, Rhodo-
phyceae, Florideae) enthalten in ihren Sellen neben
317
dem Chlorophyll einen roten Farbſtoff (Phyloery⸗
thrin) und erjdeinen dadurch pradtvoll rofens oder
braunrot, bisweilen auch violett oder bläulich gefärbt.
Shr BVegetationstirper ijt mit wurgelartigen Haft
—— feſtgeheftet und entwidelt — Formen
e Fäden, fein zerteilter Blätter, welliger
——
Bander oder ſiebartig durchbrochener Haute (Tafel I).
Sie find mit wenigenWlusnahmen(Batrachospermum,
Lemanea) Weeresbewohner. Bei ciner Gruppe, den
Korallineen, wird der Körper durch Cinlagerun
von foblenfaurem Ralf forallenartig fejt (Tafel IL,
Hig. 19). Einige Korallineen können ausgedehnte Kall⸗
biinfe (Rulliporenbdanfe) aufbauen. Auch fojfile
Nulliporen find vom Qura bis zum Tertiär befannt.
Lithothamnion bildet Felfen auf Sigilien. Die un—
geſchlechtliche Vermehrung der Florideen erfolgt durd)
pafjiv beweglide Brutzellen, die meijt gu vier aus
einer Mutterzelle hervorgehen eratraineteny Der
VBefrudtungsvorgang unterſcheidet fid) von demjeni⸗
gen der Braun- und Griinalgen weſentlich Dadurd,
Dak die mannliden Ganteten (Spermatien) feine Cilien
tragen, und daß die zu befrudjtende weiblide Belle,
das Profarp, nach der Vefrudtung mit der Mutter⸗
pflanze in Berbindung bleibt und zu einer Sporen-
frudt (Cyjtofarp) wird, deren durch Sprojfung er-
zeugte Sporen erjt den Urjprung neuer Pflanzen
bilden. Bur Vermittelung der Befrudjtung dient ein
mit Dem Profarp verbundenes Empfaingnisorgan
(Zridhogyn). Profarp und Trichogyn bilden das
Rarpogon. Die Figuren 20—23 (Tafel ILD) geigen
Die Uusbildung dieſer Organe im einigen ſpeziellen
Fallen. Die Fufageen und Florideen bilden die haupt-
ſächliche Vegetation der Meere und erreichen gum Teil
riejige Dimenfionen, wie Laminarien und Macro-
cystis-Urten (bis 800 m lang), ſchwimmen auf hober
Gee oder leben an den Feljen der Küſte feſtgewachſen,
wo jie vielen Seetieren zur Nahrung und gum Auf⸗
enthalt bienen. Cine Darjtellung der unterſeeiſchen,
formen> und farbenpradtigen Uigenvegetation gibt
Die beifolgende Tafel I. Auch in den corwelitiben
Perioden, vom Ubergangsgebirge bis gum Tertidr,
waren die Meere reid) an folden Gewächſen (gt die
Abbildung von Phycodes circinnatus auf der Tafel
»Rambrijde Formation«, Fig. 11).
7. Ordnung: Urmleudteralgen (Characeae)
jind friſchgrün gefärbte Wafferpflanyen, deren Vege—
tationsfirper emen fehr regelmafigen Uufbau zeigt.
Cin am Grunde bewurjzelter Sproß mit unbegrengtem
Spigenwadstum erhebt ſich aufredjt im Waſſer und
tragt an den durd) Internodien getrennten Knoten
je emen Ouirl von Blättern mit begrengtem Wadhs-
tum, Ddie gleidfalls in Snoten und Ynternodien ges
teilt und regelmäßig versweigt find. Die Verzwei—
gung des Sprojjes geht von Seitenſproſſen aus, die
in der Udhjel bejtimmeter Quirlblatter entipringen und
in ihrem Aufbau den Bau deF Haupiſproſſes wie-
derholen. Cine ungeſchlechtliche Vermehrung durd
Schwärmſporen findet tm Gegenfage ju den Griin-
algen bei Den Charazeen nicht jtatt. Die Organe der
eſchlechtlichen Fortpflanzung find Antheridien und
ogonien, die an den Blättern entſpringen (Tafel III,
Fig. 24). Die Antheridien find rote Kugeln, deren
äußere Hiille von acht regelmapigen, dreiedigen Plat-
ten gebildet wird (Fig. 25 Aa), die bet der Reife aus-
einanderfallen (Fig. 25 B) und den Inhalt freilajjen.
Der letztere bejteht aus mehreren Büſcheln langer, von
emeinjamem Stiel (Manubrium) getragener Zell⸗
Fiber (ig. 256 C), die im jeder Helle cin ſchraubig
gewundenes Spermatojzoid mit zwei Cilien enthalten
318
Algenib — Algerien.
(Fig. 25 D E). Die Oogonien bejtehen der Haupt: | wurden gleidseitig die Konjugaten gründlich morpho:
jade nad aus einer gropen Hauptzelle, die von filnf
ſchlauchförmigen, in jpiraliger Richtung ſich anlegen⸗
den Sellen umrindet wird (Fig. 25 Asp). Auf ihrer
Spite bilden dieſe Bellen cin Krönchen (Fig. 254),
das die Stelle bezeichnet, an der den Spermatozoiden
ein Zugang zu der Zentralzelle gegeben iſt. Der
Inhalt der letztern ſtellt das gu befrudtende Ei dar.
Durd die Befrudtung wird dasfelbe gur Oojfpore,
die fich mit einer feftern Hiille umgibt und nad einer
Rubepauje ju einer neuen Pflange ausfeimt. Von
fofjtlen Charazeen find vorzugsweiſe die jpiralig ge-
jtreiften Sporenfrüchte (Gyrog oniten) in Muſchel—
falf> und Tertiärſchichten erhalten.
Vor den Meeresalgen werden mande jung als Ge-
miije veripeift; einige liefern argneiliche oder technifde
Handelsartifel (Ugar-Ugar, Carrageen). Die am
WMeeresitrand ausgeworfenen Algenmaſſen werden
als Diinger benugt, an den englijden und franjdji-
ſchen Küſten werden fie auf Jod und Allaliſalze ver-
arbeitet. In Süßwaſſerfiſchteichen beeintridtigen bis-
weilen gewiſſe A. die Bewegungsfreiheit der jungen
Fiſchbrut. Cigentlide Paraſiten, die als Sdhadlinge
andrer Pflanzen auftreten, find unter den A. ‘eh
felten, Dagegen leben mehrere Urten als harmlofe Be-
wohner in den Rorperhdhlen andrer Gewächſe. Soldhe
endophytifdhe Lebensweife fommt am häufig—
ſten bei blaugriinen A. vor, Nostoc Gunnerae und
Anabaena Azollae find regelmajige Bewohner vor-
gebildeter Höhlungen der Gunnera- u. Azolla-Urten.
Wud) bei Mooſen (Blasia und Anthoceros) tritt cine
Cyanophyzee als Endophyt auf. Im Körper gewiffer
nicdever Tiere find regelmapig grime Algenzellen ein⸗
gelagert, eS handelt ſich dabei um eine Vergeſellſchaf⸗
tung ju gegenfeitiqen Nugen (Symbiofe). Die Alge
findet in Dem Tierforper einen gegen äußere Gefabren
gelcoiipten Wohnraum und wird durd denfelben mit
Waſſer und Nährſalzen verjorgt. Das Tier gewinnt
aus den Stoffwedielprodutten der Ulge einen Teil der
fiir feine Ernährung ndtigen organifden Subſtanzen.
Im Körper der Flechten (}. d.) ſind in ähnlicher Weiſe
A. mit Pilzen zur Symbioſe vergefellfdhaftet.
Die wiſſenſchaftliche Erforſchung der A. iſt in be—
ſonderm Wake von der Verbeſſerung der Unter—
ſuchungsmethoden und der optifden Hilfsmittel im
Laufe des 19. Jahrh. abhängig geweſen. Während
bis gegen Mitte dieſes Jahrhunderts die Forſcher,
unter denen Harvey, Kützing, Agardh hervorragen,
ſich mit der rein formalen Beſchreibung und grob—
ſyſtematiſchen Bearbeitung der A. — mußten,
gelang es ſpäter mit Hilfe beſſerer Mikroſtope, auch
die Fortpflanzungserſcheinungen und die Entwide-
lungsgeſchichte der einzelnen Formen aufjufldren und
den innern Zuſammenhang dieſer Erjdeinungen in
den verſchiedenen Ubtetlungen ju erſchließen. Jn einer
Meihe muſtergültiger Urbeiten verdffentlidte nod in
Den 40er Jahren Haigeti erafte Forſchungen über die
ungeſchlechtliche Vermehrung und das Wadstum der |
A. Braun lieferte 1850 zahlreiche Beitriige zur Bio—
Logie Der ——— und gab wenige Jahre
ſpater eine muſterhafte Wachsſstumsgeſchichte der Cha-
razeen. 1853 beſchrieb Thuret den Vorgang der ge—
ſchlechtlichen Befruchtung bei Fucus. Bon Cohn
wurde 1855 Die feruelle Sporenbildbung bei der Faden-
alge Sphaeroplea beobadhtet. Jn einer Reihe trefflider
Vrbeiten gab Bring sheim in dem gleichen und dem fol-
genden Jahrzehnt Aufſchluß fiber die Entwidelungs-
geſchichte und Die Sexualität der Vaucheria, der Ddo0-
gonien, Koleochaeten und Volvocineen. Bon De Bary
logifd bearbettet. Bon Thuret und Bornet wurde die
merfwiirdige Embryologie der Florideen feſtgeſtellt.
Diejen grundlegenden —— folgten in der
neuern Zeit zahlreiche Arbeiten über alle Gruppen
der WU. Die wichtigſten Tatſachen der Morphologie
und Entwickelungsgeſchichte der A. find in Goebel s
Grundzügen der Syjtematif und fpegiellen Pflangen -
morphologies (Leips. 1882) zuſammengefaßt worden.
Literatur. J. G. bal GEE Species, genera et
ordines Algarum (Lund 1848—80, Bd. 1—3);
Kützing, Phycologia generalis (Leipz. 1843), Spe-
cies Algarum (Daf. 1849) und Tabulae phycologi-
cae (Nordhauſ. 1846 —71, 19 Bde.); Rabenhorijt,
Flora europaea Algarum (Leip3. 1865—68); Bolle,
Desmids of the United States (Gethlebem 1884);
Solms-Laubad, Die Rorallineen des Golfed von
Neapel (Leip;. 1881); Harvey, Phycologia britan-
nica (ond. 1871); Derjelbe, a ha australica,
Bd. 1— 5 (daf. 1858—63); Reine, Wigenflora der
weſtlichen Ojtice (Miel 1889); Derjelbe, Utlas deut-
ſcher Meeresalgen (Berl. 1889—91, Heft 1 u. 2);
Kjellmann, Handbok i Skandinaviens hafsalg-
flora (Stodh. 1890, Bd. 1); De Toni, Sylloge Al-
garum (Padua 1889— 92, Bd. 1, 2 ff.); »Srypto-
amenflora von Sdlefien« (2. Bd., 1. Wbt.: Sußwaſ⸗
—— von Kirchner, Berl. 1878); Raben horſt,
ptogamenflora, Bdo.2: Meeresalgen Deutſchlands
und Ojterreids, von Hauck (2. Unfl., Leipz. 1883
1885); Bd. 5: Die Charazeen, von Migula (daf.
1897); Hansgirg, Prodromus der Wigenflora in
Böhmen (Brag 1893).
Algenib, der Stern a (2. Größe) im Perſeus; aud
der Stern y im Pegaſus.
Algenpilge, Hauptabteitung der Pile (f. d.).
Alger (pr. 440, franz. Name der Stadt Ulgier (7.d.).
Algerien (hierju Karte »Wlgerien, Marolfo und
Tunis), franz. Kolonie an der Nordküſte von Wfrifa,
zwiſchen Maroffo und Tunis, dem Mittelmeer und
der Sahara. Während die dftliche und wejtlide Gren
gegen Tunis und Maroffo auf eine gewiſſe St
feitgelegt ijt, iſt Die füdliche gang unbejtimmt und wird
von den Franzoſen immer weiter in die Sabara vor-
geſchoben. Im allgemeinen fann der 30. Breitegrad
als Suüdgrenze bezeichnet werden, von Ghadames an
der Grenze von Tripolis bis nördlich von Gurara,
einer Dafe Tuats. Innerhalb dieſer Guferiten Uns-
dehnung bat A. 797,770 qkm Flächeninhalt.
[Wodengeftaltung.] Die 1000 kin lange Küſte zeigt
eine wenig gegliederte, fteile und felfige Linie mit
cingelnen Maps und verhältnismäßig wenig guten
Safer. Die nennenSwertejten Küſteneinſchnitte find
die Golfe von Oran und Arzeu, die Bai von Algier
und die Golfe von Bougie, Collo, Stora und Bone.
Hinter der Küſte erhebt id) meijt gebirgig, dod aud
von eingelnen Ebenen durdbroden, das in drei qut
gejonderte Teile serfallende Land: im N. das Tell,
das gebirgige, mit frudtbaren Tälern durdjogene
RKulturland, in der Mitte die Steppenregion mit
den Salsiitmpfen (Scotts), im S. endlid) die Ga-
bara mit ihren Dafen. Bon der Küſte nad S. vor-
dringend, begeqnet uns zuerſt Der Kleine Atlas. Er
zerfällt in eine Reihe von Heinen, parallel mit der
Riljte ftreidenden Gebt —** von denen die
eine in der Landſchaft p's ylien im Dſchebel Lalla
| 2308 m, die andre, das Setifgebirge, im Dſchebel
| Babor 1908 m erreidt. Die Mittelzone der Schotts
ift cin Blateauland von 800 —1100 m Hobe, deffern
Südrand der Sabharifde Utlas bildet, der im Dſchebel
Meridian ȴ OGreeuwich
—
ALGERIEN, [reg
MAROKKO UND TUNIS.) 4 {9 — : :
Mafistab 1: 9500000 Sevy PGe a A ~ tat .
a ——⏑ü— ——— SP, J . *
Die Hauptstadte sind unterstrichen.
——
IV
— —ñ— ey ann i
is | .
— ot Onan. P
s ve. Kamme da 1 9
Nin Merke ‘nthe:
KUSTENLANDER
ALGERIEN uno TUNIS. |
Mafistah 1 5S O00 000
~~
— am
Meridian ¥ 0 Greenwich
Merers Kony Lerthon 6 Auft
ao *
‘4 7 tue .
Moun totpe Ry
aD .
rr el |
Ol othr J
oo
— —e⸗s
-
if
Doped? TA.
——⸗ ase
( a ey
ean } Se A
7 —* 0
* —E ——
a = \
— — — —
mw
Zum Artihtel _Algerien’
gitized | Google
Algerien Bodengejtattung, Fliijje, Lima, Pflanzen- und Tierwelt, Bevöllerung).
Wuré zu Höhen von 2310 (Dſchebel Schelia) und
2806 m (Djdebel Mhammel) oT Zwiſchen die
eingelnen Gebirgszüge drängen fic) meijt hultivierte,
fruchtbare Ebenen, wie die Metidſcha bei Ulgier,
eine 95 km lange, im Durchſchnitt 15 km breite, wenig
wellenfirmige “Pe an Deren Giidjette der Utlas
teil emtporjteigt. Rad innen ſchließt fid) an das
fateauland zwiſchen dem 17. und 23. Meridian eine
Vorterraffe, die bei Brejina 833 m, bei El Ughuat
780 m bod) ijt und nad S. und ©. ſich allmablid
abdadt. Danach dehnt fic) nad O. cine weite, heife
Tiefebene, an der Südgrenze 162 m, bei El Wad
135 m, bei Tuggurt 50 m, bei Bisfra 125 m iiber
dem Meeresfpiegel, im Sebcha Melrir 31 m unter den
Meeresfpiegel hinabreicdend. Das von den Bergen
in die Tiefe gefiderte, meijt unter einer undurchläſſi—
gen Schicht jtehende Grundwafjer ijt an vielen Orten
durd) arteſiſche Brunnen erſchloſſen worden und hat
zahlreiche fruchtbare Dafen ind Leben gerufen. 867
runnen fordern 263,000 Lit. in Der Mimute. Uber die
Hilfte der Rolonie, den ganzen Silden zwiſchen dem
80. und 40. Parallelkreis, nimmt endlich die Ul geri-
fhe Sahara ein, in der nur einzelne Dafen (Biled
ul Diderid, El Wad, Tuggurt, Wargla, Kur) den Un-
bau des Bodens gejtatten. Näheres über den geolo-
giſchen Bau Ulgeriens f. Art. »Afrika«, S. 136, 139.
(Hliffe.] Faſt alle Flüſſe, die vom Atlas in das
Mittelmeer fließen, Durdhbredjen in tiefen Quertälern
bas Gebirge, maden bedeutende Krümmungen und
haben im Unterlauf cin geringes Gefiille, beſitzen da—
her fummphige Ufer und enge, dfters verfandete Vtiin-
dungen. Kein cingiger Fluß ijt ſchiffbar. Die meiſten
flieBen von S. nach N., wovon nur der Sdheliff cine
bemerfenSwerte Ausnahme madt. Die bedeutendſten
Flußläufe zum Mittelmeer find: die Sebuſe (Rubri-
catus), die Budfdima und der Mafrag, die in den
Golf von Bone miinden, der Wad el Kebir (Rumel),
Der wiederbolt unter Felfen veridwindet, der Gum-
mam (Gatwah), der einen der bedeutendſten Quer—
riiden des Utlas durdbridt, dann der Sahel, Bubcrak
(Niſſah), der Difer, Harrad und Mazafran, der
Scheliff (f. d.), der zwiſchen Dem Kap Ivi und Mofta-
anem miindet; die Malta und endlich im W. die
afna. Die Flüſſe Ulgeriens haben eine ganz bejon-
dere Bedeutung gewonnen, feitdbem man angefangen
hat, jie in gropartigem Maßſtabe zur Bewäſſerung
gu verwenden. Das Shftem der riefigen Wehrbauten
(Barrages), wahrſcheinlich zuerſt von den Karthagern
angewendet, verfiel unter der Tiirfenherridaft, wurde
aber feit 1843 wieder in Tätigkeit geſetzt. In jüngſter
Beit wurden große Untagen am Scheliff, Sig u. a. O.
hergeftellt. Die vom fiidliden Whhang des Ytlas ab-
fließenden Gewäſſer miinden in Salzſümpfe (S ch ot t 8)
oder verjiegen im Sande. Die größten Salzſümpfe
find: Sebdha Melrir, Schott «3 Saida, Schott el
Schergui und Sdott ef Gharbi. Moräſte finden ſich
namentlid) bet Bone, um Oran, in der Ebene Tlelat
und im S. von La Calle.
Itlima, Pflangen: und Tierwelt.] In A. laffen
fich Drei parallele Klimazonen unterjdeiden: 1) Das
nördliche Gejtade mit den angrengenden Bergen
(Tell), Mtittelmeerflima mit vorherridenden Nord-
wejtwinden, verhaltnismapig trodnen Sommer und
feudten Wintern. Die Reqenmenge ninunt von BW.
nad D. zu (50—84 em). 2) Die Dodebenen, fon-
tinentaleres Rima mit warmen Gommern und fehr
falten Wintern. Deder Winter bringt Sdnee und
nicht felten cine Ralte von —10°; der meijte Regen
fallt im Friibjabr. 3) Die Sahara, mit febr heigen
319
Sommern und relativ kühlen Wintern, fehr groper
Trodenheit; Regenmenge am grojten im Mat. Die
—— iſt der europäiſchen Bevöllerung ge—
ſundheitlich am zuträglichſten. Im Juli beginnt die
roße Hitze und mit ihr eine Trockenheit, gegen die
—* der überaus reichlich fallende Nachttau nichts
vermag. Nur an der Küſte kühlt die Meeresbriſe die
Atmoſphäre auf kurze Zeiten ab. Nicht ſelten, insbeſ.
im Frühjahr, tritt ein ſtarker Wüſtenwind mit ſchwe—
ren Staub⸗ und Sandwolfen auf, und die Tempera—
tur fann 50° iiberfchreiten. Bon Ende Oftober bis
Anfang Upril währt die Regenzeit. Die Temperatur-
marina erreiden an der Miijte felten 40°, und weiter
landeinwärts, in Bistra, 48°, dabei find die Wärme—
ſchwankungen außerordentlich grok. Die Sahara ijt
zwar reqenarm, aber im Winter find Regenfiille nicht
bebe felten. Dabei find die Schwankungen der Regen:
menge fehr grof (Ayata 62 und 267 mm).
Die Pflanzenwelt Ulgeriens zeigt den Charalter
der Mittelmeerplora. Auf dem gut bewäſſerten fultur-
fähigen Tell entwicelt fich cine reiche endemiſche Pflan⸗
zenwelt, die lebbaft an die ded ſüdlichen Spanien er-
innert, wahrend unter den Kulturgewächſen die Dattel-
palme und der Dlivenbaum auftreten und auf den
Feldern Weizen, Mais und Tabak, in den Garten
neben den Siidfriidten (Agrumi) aud die mitteleuro-
paifden Gemüſe in tippiger Fülle qedeihen. Das Utlas-
gebirge bietet wenig eigentiimlide Formen. Die durch
das ganze Gebiet verbreiteten Nadelhölzer (die atlan-
tiſche Seder, Pinus halepensis, Juniperus oxycedrus
und phoenicea), Rajtanien, immergriine Eiden (Quer-
cus ilex und Q. coccifera) und $wergpalmen (Cha-
maerops humilis) bilden die Walder, denen fid) die
»*Maquis« genannte Formation immergriiner Sträu⸗
der anſchließt, während die Gipfel alpine Formen
curopiifden Anklanges bedecen. Bemerkenswert ijt
eine bis zum maroffanifden Utlas vordringende Ko-
nifere, Callitris quadrivalvis , Die gu einer fonjt nur
in Uujtralien vertretenen Gattung gehört. Auf dem
Hodlande der ⸗Schotts« breitet fich cine wohl charal⸗
terifierte Steppenflora aus. Neben Salfolageen, Atri-
plex- und Artemisia-Yirten erreichen bier Die Grãſer
einen hohen Wuchs, unter denen Macrochloa tena-
cissima (alfa), das fiir die Bapierfabrifation aus-
eführt wird, wirtſchaftlich se ijt. Die an die
üdliche Abdachung des Grofen Utlas ſich ng gta
Steppe zeigt einen Begetationsdaratter, der ſich an
den des andalufifden Tafellandes anſchließt, Dann aber
allmablid in das Florengebict der Sahara überführt.
Die Tierwelt Ulgeriens gehört der paläarktiſchen
Region und gwar der mittellandifden Gubregion an,
beherbergt aber auc) manche Tiere, die der fiidlidjern
äthiopiſchen Region entitammen. Bon größern Säuge⸗
tieren finden fic) in den Gebirgen des Tell und ded
Vtlas noch Lowen und Leoparden, häufiger find Hyfine,
Schafal, Sumpfluchs, das wilde Mähnenſchaf, der
berberifde Uffe, cine Gazelle, das Ichneumon und
mebrere giftiqge Sdlangen.
[Vevslferung.} Umjang und Bevilferung der Ko-
lonie betrugen nad) den lepten Erhebungen (1901):
"4 Bew. auf
Departements | OKilometer | Bewohner | 1 DIL
Migier 2 2 ee, | 170772 1640 985 9,6
Ronftantine . 2... | 191 748 1990 992 10,4
Oran . : 116 438 | 1107354 9,5
Sujammen: | 478958 | 4739331 | 9,9
Davon find: 4,480,456 franzöſiſche Untertanen
(358,045 Franjofen, 57,044 Yuden, 4,065,367 Mo-
320
hammedaner) und 245,641 Fremde (155,124 Spa-
nier, 38,730 Staliener, 23,864 Waroffaner, 2397
Tunejen und 25,526 andre Fremde). Die Bahl der
Deutiden nimmt nur durd Suwanderung, nament-
lidh von Elfah-Lothringern, ju, da die Geburtsziffer
bei ihnen immer nod) binter den Sterbefallen guriid-
bleibt, während bei den Frangofen, bei denen das
jriiher auch der Fall war, fic) [don cin Geburten-
überſchuß Herausjtellt. Vim beſten gedeihen in A.
Spanier, Italiener, vor allen aber Juden (Gebur⸗
ten 48—57, Sterbefiille 24 — 28 auf Taufend), fo
daß man ſchon fagt, A. werde cin neues Paläſtina
werden. Uber nod rafder wächſt die einheimiſche mo-
mmedanijde Bevilferung. Sdon daraus ergibt
ich, Daf VU. weder Betriebs⸗ nod) Beficdelungsfolonie
it. Zwiſchen den ECingebornen und Fremden bejteht
cine ticfe Kluft: Sitten, Sprache, Religion, Geſchichte,
Traditionen, alles trennt die Muslims von dem ver:
haßten Rumih (Chrijten). Abgeſehen von fleinern
Stämmen und Raffen gehoren die Cingebornen
zwei verſchiedenen Bolfern an: den Urabern und
Verbern (jujammen etiva 300 Staimme). Die er-
tern, Die Beduinen, nennen fic felbjt Uraber und
ind edjte Nomaden, meijt Nachkömmlinge der dritten
arabijden Invaſion im 11. Jahrh., die ihre Namen
und Stammbaume unverfaljdt erhalten haben. Ein
Teil von ihnen hat fic) aber ſchon mit den autodtho-
nen berberifden Stammen vermiſcht. Die UWraber
(ca. 3 Will.) bewohnen gum großen Teil das Tell,
aber aud) in der Gabara find fie zahlreich vertre-
ten. Im Tell treiben fie Uderbau und ig ara in
der Sahara ausſchließlich die legtere. Sie leben in
— oder Reiſerhütten (Gurbis). Die ſeßhaften
ingebornen in den Städten find fogen. Mauren
(ca. 2 Mill.), die fich felber Hadar, Hausbewohner,
nennen, im Gegenfage gum Hal bit eſchſchäar, dem
Reltbewohner, dem Beduinen. Sie find em Miſchvoll
aus den verſchiedenſten Elementen. Qhren Lebens-
unterhalt fucjen fie im Rleinhandel, vorzüglich aber
als Handwerfer. Die Rabylen find unjtreitig die
echten Nachlommen der alten Berber, zählen gegen
700,000 Köpfe und bewohnen größlenteils die Pro—
vin Konſtantine, jenes alte Numidien, wo ihre Vor-
fahren fo viel Sabigfett im Kampf mit Romern und
Rarthagern entiwidelten. Cie haben bis heute die |
alte berberijdje oder libyſche Sprache bewahrt, die fie
mit arabijden Schriftzeichen ſchreiben, feit fie Mus—
lims geworbden find. Der Kabyle wohnt in Dérfern,
treibt Uderbau und cin wenig Induſtrie, iſt arbeit-
jam, febr mäßig, abergläubiſch, fanatijd und barba-
riſch, Dabet ſchmutzi
mehr geneigt, —8
als der Araber; er läßt ſeine Kinder franzöſiſche Schu—
len beſuchen und nimmt begierig Verbeſſerungen tm
Uderbau und Handwerk an, wird indeſſen mit den
Curopdern —— verſchmelzen wie der Araber.
Kleinere Stämme in VW. find: die Biskrih, Berber
aus den Daſen des Ziban, ein po Völlchen, das
die Wajjer-, Padtrager und Haustnedte der Städte
liefert; Die gleichfalls berberifden Mzabiten oder
Beni Mjab aus den Oafen an den Grenzen der Sa:
bara (gegen 30,000). Sie haben den Kleinhandel in
Händen, ebenfo die Fleiſcherei, den Betrieb der Hffent-
lidjen Bader x. Bet den europäiſchen Grokhandlern
haben fie unbegrenzten Mredit. Sie gebdren feiner
der vier funnitifden Seften ded Islam an, fondern
verwerjen gleid den Wahabiten Urabiens die Sunna
(Tradition) und mifpbilligen die Heiligen«(Marabut-)
Verehrung. Die Türken, die bei der Croberung |
und geizig. Bet alledem ijt er |
dhe Einrichtungen anjunehmen, |
Algerien (Bewohner, Religion, Unterridtswejen, Bodenerzeugniſſe).
Ulgeriens durch Franfreid) der herrſchende Volfs-
jtamm waren, wurden Durd) die franzöſiſche Regte-
rung jur Unswanderung geswungen. Die wenigen
Neger ftammen aus dem Ynnern von Ufrifa und
leben meijt alg Tagelihner und Dienjiboten in den
Stadten. Die Yuden, unter den Dew mifbandelt
und unterdriidt, Durd) die Frangofen aber mit allen
biirgerliden Rechten ausgejtattet, nehmen immer mehr
franzöſiſches Weſen und Tradt an. Trog ibrer ge-
ringen Bildung den Mauren im Handel iiberlegen,
erwerben fie ſchnell Reidhtum, werden aber von den
Eingebornen bitter gehaßt.
Da der mohammedaniſche Kultus aufs engſte mit
dem bürgerlichen Leben verflochten iſt, ſo fand ſich
die frangodfjijde Regierung veranlaßt, die vorhande-
nen religiöſen Inſtitutionen nicht nur ju reſpeltie—
ren, ſondern aud) als Regierungsmittel zu benutzen.
Eine ihrer erſten Maßregeln war darum die, ſämtliche
Moſcheengüter der eroberten Territorien für Staats-
gut ju erklären und alle Koſten des Kultus zu über⸗
nehmen. i an agg Ungelegenheiten der Muslims
leiten zwei —* An der —* der latholiſchen
Kirche ſteht der Erzbiſchof von Algier, dem zwei
Biſchöfe beigegeben * auch beſteht in Algier ein
5* und em kleines Prieſterſeminar. Die Unge-
enheiten der proteſtantiſchen Kirche leitet Dad Ron-
fijtorium in Algier. Für das Volksſchulweſen iit
injoweit geforgt, dak in jeder Gemeinde ſich gegen-
wärtig wenigitens eme Vollsſchule (etwa 1200) be-
findet. Wuferdent gibt es Rinderbewabhranjtalter, die
meijt von geijtliden Brüderſchaften geleitet werden.
Auch beftehen Sdhulbibliothefen und fir Erwachſene
Ubendturfe, von höhern Lehranjtalten 3 Lyzeen (in
Ulgier, Oran und Konjtantine) und 11 Lrogymna-
ſien, endlich eine mediziniſch pharmazeutiſche Sule,
eine Rechtsſchule, cine naturwijjenidaftliche und cine
philoſophiſche Schule und 3 Lehranjtalten fiir dad
Urabijde in Ulgier, Oran und Ronjtantine, in Ulgier
cine Runjtidule, cin Obſervatorium und eine djfent-
liche Bibliothet. Die ganze Rolonie bildet einen Ala⸗
demiebezirl. Von Zettungen erjdeinen im der Rolo»
nie 92 (Davon 25 in Algier, Darunter täglich »Le
Moniteur del’ Algérie« und » La Vigie Algérienne«),
einige in frangodjijder und arabijder Sprache. Algier
und Oran befiben Gefellidhaften fiir Geographie und
Ultertumsfunde.
| [Bodenergengniffe.] Als Hindernis des raſchern
Aufſchwungs der Kolonijation ijt bas Kollektiveigen⸗
| tum der arabijden Stämme gu bezeichnen. Wan hat
zwei — zu unterſcheiden: die pri⸗
vate Koloniſation, di
te Land durch Ankauf erwirbt,
und die offizielle, die auf dem Syſtem der Konzeſſio⸗
nen berubt. Tro der furdtbaren, jährlich wieder-
fehrenden Heujdredenplage ijt A. bereits cin bedeut-
ſamer Ronfurrent auf dem Getreideweltmarft gewor⸗
| den. Wit Uderbau, Viehzucht und Weinbau beſchäftig—
ten fic) 1901: 8,675,000 Berfonen, wovon 209,500
Curopder und 3,465,500 Emgeborne waren. Dennod
find nur 2 Broz. der Oberfläche Wigeriens lan dwirt-
fdhaftliden Sweden gewidmet. Cin Heltar unter
Bebauung liefert bei Europdern 9, bei Eingebornen
6 Btr. Die mit Rornfriidten bebaute Fläche betrug
1901: 2,907,519 Oeftar und lieferte einen Ertrag von
22,538,066 dz. Davon entfielen auf Weizen 1,317 419
Heftar u. 9,142,766 dz, auf Gerjte 1,454,398 Heftar
und 12,073,994 dz. Biel geringer ijt die Bedeutung
der Kultur von Hafer (393,035 dz), Mais, Hirie,
Roggen. Von gang auferordentlidhem Erfolg vt der
Gemiifebau gefrint worden, der fid) vornefnuich auf
Algerien (Induſtrie, Handel und Vertehr).
die Metidſcha beſchränlt. Gemüſe wie Friidte gehen
nicht nur nad Frantreid), fondern aud) nad En 2
land, Deutfdland, ja bis Petersburg. Der Taba
bau wurde erjt 1844 von den Kolonijten eingefiihrt,
enwärtig bildet er ſchon einen ſehr widtigen Aus—
Prbrartitel: 1901 wurden 7,732,300 kg von 8574
Heltar geerntet. Eine der wichtigſten ———
ijt das Halfa (j. Eſparto), dad nahezu eine Speziali—
tat der Rolonie genannt werden fann; es wurden da⸗
von 1890 auf 1'/2 Mill. Heftar 105,282 Ton. geerntet,
wovon 72,854 T. im Werte von 7,292,114 Fr. ins
Ausland, befonders nad) England, gingen. Wm wid-
tigiten ijt aber fiir Die Rolonie der Weinbau gewor-
den, Der 1901, auf 151,877 Heltar betrieben, einen
€rtrag von 5,563,000 hl ergab (j. Ulgierfde Weine).
Die Rahl der Dattelpalmen wird 1901 auf 2'/s Mill.
angegeben; die Olproduftion ergibt ca. 500,000 hl.
Der Viehſtand war friiher cin wenig höher; 1901
zählte man 200,000 Bferde, 147,000 Mautltiere,
265,000 Efel, 193,000 Ramele, 993,000 Rinbder,
6,724,000 Sdafe, 8,563,000 Biegen und 82,000
Schweine. Bon diefem Viehſtand beſindet fich nur ein
febr fleiner Teil in dem Beſitz der Koloniſten. Das
algerijde Pferd ijt ſchlank, leicht und nervig, da
hauptſächlich als Renner und gu militarifden Zwe
braudbar. Die Regierung unterhilt drei Landesge-
ſtüte. Bei den Urabern im —— finden ſich nur
minder edle Raſſen von * ; aber ſeit 1852 bat
man angefangen, die arabijden Stämme gur Verbeſſe⸗
rung der Pferdezucht gu veranlaffen. Zum Transport
dienen in UL. Kamel, Efel und Waultier, denen das
trodne und heiße Klima gut belommt. Sdafherden
machen den einzigen Reidjtunt der fiidlichen, den duper:
jten Gaum der Wiifte bewohnenden Stämme aus. Der
uptmartt fiir die Wolle jener Wüſtenſtämme ijt Ron-
ftantine. Die Rinder find fleiſch- und mildarm, die
Schafe dagegen durch Cinfubr edler Stämme bedeu-
tend verbetjert. Sdyweine wurden erjt feit der franzö⸗
ſiſchen Eroberung nad A. verpflanzt. Der bedeutende
Viehſtand geftattet eine anfebnlide Uusfuhr nad
Frankreich und den Mittelmeerländern. 1879 griin-
deten Barifer Naufleute auch cine Geſellſchaft sur Auf⸗
gucht von Straufjen in A. Jn den Siimpfen der Pro-
ving Oran werden viele Blutege! gezüchtet. Die Fi fh e-
rei der edlen roten Koralle tdesants febr in ihren
Ertrigen. Der Fiſchfang an der Miijte ijt jest nur nod
Franzoſen und Einwohnern von A. geftattet; der Er-
trag an Fiſchen und Rorallen belief fid) 1894 auf
2,907,219 Fr. Die Waldkultur Ulgeriens bejindet
fic) bei weitem nicht in dem Zustand, welchen die treff-
liche Naturbefchaffenheit des Waldbodens erwarten
ließe. Es find bieran vornehmlid die Waldbriinde
ſchuld, welde die Uraber teils aus Böswilligleit, teils
um ihrem Bieh cin wenig Weide zu verſchaffen, an-
ridjten. Die mit Waldern, Gehölzen und Buſchwerk
bededte Fladje wird auf gegen 3 Mill. Heltar ange
geben, Davon waren bejtanden mit Eichen 1,028,093
Hekltar, mit Tannen 753,631, mit Redern 35,267, mit
Thuyas 88,000 Heftar. Der Ertrag an Hol; und Halfa
aus dem Forſtgebiet erreidjte 1901: 1,570,800 Fr.
Mineralien. Mit Unsnahme von Gold finden
fic) alle Metalle, namentlid) Eiſen, Blei, Silber,
Kupfer, Bink, dod) erſchweren die Unmöglichleit der
Verhiittung bei dem Mangel an Kohlen und unge-
niigenden Berfehrsjtrajen einen ergiebigen Abbau.
mt Departement Algier find die bedeutendjten Eifen: |
| km. Die wichtigſte Kunſtſtraße ijt die, welche Wedea,
und Stupferminen die von Mujaia, Gumah, Didebel
Tmulga, Miliana, Blida und Tenes; in Ronjtantine
bie Rupferqruben von Win, Barbas, die Cifenminen
Meyers Ronv.«Lezifon, 6 Aufl. L Bd.
321
von Yin Mofrah, Dſchebel Unini, die Blei- und Silber-
gruben von Kefum Thebul, Bu Taleb, die Untimon-
ruben von El Hammimat und Senſa, die Dued:
ibers und Zinfgruben von Jemappes und Guelma;
in Oran die Blet- und Silbergruben von Gar Rub-
ban, die Gruben von phosphorfreiem Cijen in Beni
Saff und Cemerata, fiir die 1879 ein eigner Hafen,
Merja Si Ahmed, gebaut wurde. Onyrmarmor bridt
man bei Oran, durdfidtigen fogen. orientalifden
Wlabafter bet Uin Jefbalet, vorzüglichen weißen am
Dichebel Filjilla, Marmor zu Bildhauerwerken bei
Tolfila; 1878 wurde bei Kleber (Arrond. Oran) der
ſchöne rote Marmor der Alten (giallo antico) wieder
aufgefunden. Salz wird aus Salsfeen und als Stein-
fol (bei Milah, El Kantara, Wargla) gewonnen. Wud
Schwefel, Magneſia u. Porzellanerde jind vorhanden.
Bon grofer Bedeutung find die Phosphatlager von
—— Bone, Tebaſſa ꝛc., die Ausbeute an
Phosphat betrug 1901: 270,000 Ton. Die Förde—
rung von Eijenerjen betrug 498,000 T. Von Mine-
ralquellen fennt man iiber 100; die Ruinen von
Badebaffins und Tempeln, die man in der Nahe diejer
Duellen hãufig antrijft, deuten darauf hin, daß ſchon
die Römer die Wirkſamleit derſelben gefannt und fie
benugt haben. Am beriihmteften find tm Depart. Al⸗
ier Die heißen Ouellen von Hanumam Meluan und
tite Righa, im Depart. Oran die heiße Quelle
von Bains de-la-Reine, vor allen aber in Konſtan⸗
tine Die von Hammam Wastutim (95°).
[Yaduftrie, Handel und Verlehr.] Die gewerb⸗
lidje Tätigleit, die im Wittelalter bedeutender war,
beſchränkt fic) jest bei der einheimiſchen Bevdlferun
im Tell und in den Küſtenſtädten fait ausidhlichlig
auf Bereitung von Maroquin, Teppid)-, Muſſelin⸗
und Seidenweberei. Für die Bewohner der Sahara
waren von alters her das Weben wollener Gewänder,
die Kultur des Dattelbaums und der Vertrieb diefer
Erzeugniſſe die Hauptquellen de3 Erwerbs. Die Ka—
bylen der Gebirge tretben Uderbau und Viehzucht,
daneben Wollweberei, Holsidnigerci, Wattenfled-
ten x¢., aud) etwas Bergbau, namentlich auf Cifen,
das fie teilS gu Uctergeraticdaften, teils ju Waffen ver-
arbeiten. Faſt bei allen diefen Stämmen finden fic
Miihlen und Olprejjen. Bei der europäiſchen Bevdl-
ferung bat fid) cine bedeutendere Induſtrie nod nidt
entwideln fnnen, nennenswert find die Weinlelterei,
die Tabat- und Zigarrenfabrifation, Sdyneide- und Ol-
miiblen. 1894 waren in 16,456 gewerbliden Anſtal⸗
ten 43,957 Urbeiter beſchäftigt. UW. bildet feit 1851 mit
Franfreid ein cingiges Zollgebiet, und fo fieqreid hat
legtered Die auslãndiſche Konkurrenz befampft, daß von
dem Geſamthandel des Jahres 1899 im Betrage von
635,3 Dull. Fr. nicht weniger als 631,90 Mill. auf den
Verfehr mit dem Mutterland entfielen. Die Cinfuhr
betrug 1899: 309,9 Will. Fr. (Baumwollengewebe,
Wetallwaren, ——— ferner Kohle, Kaffee,
Zucker, Seife, Bauholz und alle andern Induſtrie—
produfte). Die Ausfuhr betrug 325,4 Mill. Fr.; fie
beſteht in Wein 141,32, Tieren 36,8, Getreide 42,5,
Tabaf 12,9, Häute und Felle 11,3, Wolle 10,9, Halfa
7,5 Will. Fr. Der Unteil Deutidlands am Handel
betrug 1,1, bes. 4,2 Mill. Fr.
Für den innern Verkehr hat die Regierung erſt
jeit 1879 mehr getan, namentlid) in Der Rabe der
Küſte. Die Linge der Straken des Staated beträgt
8507, Der Departements 524, der Gemeinden 26,588
Blida, Bufarif und Duera mit Algier verbindet. Die
erjte Cifenbahn wurde 1862 von Algier bis Blida
21
322
erdjfnet. Ym Betrieb war 1901 in A. ein Sdienen-
nef von 3023 km Linge, auferdem 28 km Yndujtrie-
a tae (ju Den —— Saljwerfen und nad den
Minen von Kef um Thebul). Diefe Eifenbahnen find
von vier franzöſiſchen Gefellfdaften unter einer ſtaat⸗
lider. Zinsgarantie von 6 Proz. erbaut worden. Jn
der Hauptiade find die Bahnen Küſtenbahnen, nur die
Linien von Arzeu nad Win Sefra und von Philippe-
ville nad) Bistra reichen tiefer ins Land. An letztere
foll fich die vielbefprodjene Sabarabahn anſchließen sur
Durdquerung der Wüſte fiber Min Salah nak Tim-
buftu. Die weitern Dampfverbindungen ſollen fiinf-
tig Durd) Tramways hergejtellt werden. Wile Haupt-
orte der Unterdiviſionen ſind mit der Divifionshaupt-
ſtadt und dieſe Hauptſtädte wieder mit Ulgier durd
Telegraphen verbunden ; die Telegraphenlinien Hatten
1901 cine Lange von 10,379 km, fie befirderten durd
488 Amter (1899) 1,900,486 Depefden im innern,
59,440 Depejden im internationalen Berfehr und
186,264 Dienftdepefdjen. Die Poſt hatte 590 Wmter,
4,988,426 fr. Einnahmen und (mit der Teleqraphie)
6,082,601 Fr. Sr oes Drei unterfecijde Kabel
verbinden ſeit 1879 Marſeille direft mit Ulgier. Gegen-
wärtig vermitteln fieben franzöſiſche Dampfidijfs-
ejelljchaften die Berbindung mit Marfeille und Cette,
paniſche Schiffe fahren zwiſchen Alicante und Balen-
cia und algerijden Hafen, die aud) von den englijden
oſtwärts gehenden Dampfern regelmäßig angelaufen
werden. Der widtigite Hafen tit Ulgier, nadjtdem
Bone, Philippeville, Bougie, Scherſchel, Tems, Mo-
jtaganem, Oran und Nemours. Jn Wigier (f.d.) be-
beben 5 Banfen, cine Handelslammer und in den
größern Orten Ronfulate. Der Schiffsvertehr betrug
1899 in den 17 Hafen Wlgeriens: im Eingang 3631
Schiffe von 2,617,635 Ton., davon 2206 öſiſche
von 1,607,251 T.; im Ausgang 3960 ¢ ie von
2,868,123 T., Davon 2525 franzöſiſche von 1,839,825
T. Seit 1889 ijt die Schiffabrt zwiſchen Franfreid und
algerifden Hafen franzöſiſchen Schiffen vorbehalten.
Die HandelSmarine beftand Ende 1899 aus 745 Schif-
fen von 19,564 T.
[Werwaltung.} An der Spite der Regierung ftebt
feit 1871 ein Generalqouverneur, der, ju Algier reft-
Dierend, Zwil⸗ und Militargewalt in feiner Berfon
vereinigt und hinſichtlich der politifdjen Verwaltung
vom franzoſiſchen Miniſterium des Innern, in allen
andern Angelegenheiten von den betreffenden Minijte-
rien abhängt. Für Zivilangelegenheiten ſteht ihm ein
aus den höchſten Beamten und hervorragenden Bür⸗
gern zuſammengeſetzter Rat sur Seite. Die drei De-
partements Algier, Oran und Konjtantine zerfallen
jedes in ein Territoire militaire und ein Territoire
civil; legteres wird wieder in Yrrondiffements ein-
qeteilt, während das Territoire militaire in Divifio-
nen und Subdivifionen gerfallt. Das Territoire civil
hatte 1896 eine Bevilferung von 3,873,278, das
Territoire militaire eine foldje von 556,143 Seelen.
Die arabifde Bevöllerung bildet nod) Duars und
Ferkas (Gemeinde), Uls (Stämme) und Urralifs (Ver—
einigungen von mehreren Stämmen). Die Streit-
frdfte beſtehen aus einem Armeekorps (XIX.), das
3 Infanteriediviſionen, 3 Ravalleriebrigaden, 1 Ar—
tilleriebriqade, 1 Meniebataillon, 1 Trainesfadron und
1 Legion Gendarmerie hat. Diefe Truppen find meiſt
fran zöſiſche Soldaten, gemiſchten Charatters find 4 Re-
gtmenter Buaven und 1 Regiment Frembdentegion,
wahrend 3 Regimenter Turfos und 3 Spabisregi-
menter aus Cingebornen (Mohammedanern) beftehen.
unterſtellt. Nur gewiffe nad dem
Algerien (Verwaltung, geogr.-jtatijt. Literatur; Geſchichte).
befteht eine Art Miliz, ein Mufgebot von cingebornen
Reitern. Die Juftigverwaltung zerfällt zuvör—
derjt, jedod) nur fiir ein zelne Fille, in die Abteilungen
fiir Europäer und fiir Eingeborne. Im allgemeinen
aber find alle Bewohner, ohne Unterjdied der Natio-
nalitat und des Glaubens, den franzöſiſchen Geridten
oran {traffallige
Bergehen, die in dem franzöſiſchen Geſetzbuch nicht
vorgejehen find, fommen vor die Kadis. Die fiir die
europadijde Bevdlferung beftehenden Geridte find
gang auf ähnliche Weije wie im Mutterlande gujam-
— — ——— beſtehen in Algier und
Oran. Die Finanzlage der Kolonie ijt wenig be—
friedigend. Einſchließlich der Koſten für das Militar
hat das Mutterland fortwahrend Zuſchüſſe ee maden,
in den legten Jahren zwiſchen 75,4 und 86,3 Will. Frank
jährlich, von 1830 —87 im ganjen 3660,8 Will. Fr.
Nad dem Budget fiir 1901 wurden die Cinnahmen
mit 55,314,144 Fr., die Musqaben mit 55,237,675 Fr.
veranfdlagt. Bon den Steuern zahlen die Koloniſten
pro Ropf 85,15, die Eingebornen nuv 7,70 Fr.
IGeographiſch· ftatiftife Literatur.) Bal. »-Ex-
ploration scientifique de l’ Algérie pendant les an-
nées 1840 — 1842« (Par. 1844ff., 31 Bde.); »Ex-
posés de la situation del’ Algérie« (jabriid); »>Grand
annuaire commercial, industriel, administratif, etc.,
de l’Algérie et la Tunisie« (jabrlid); Hanoteau
und Letourneur, La Kabylie (Par. 1873, 3 Bde.);
Niox, Algérie, géographie physique (Daf. 1884)
und Géographie militaire. Algérie et Tunisie (daf.
1890); v. Malgan, Drei Jahre im Nordwejten von
Ufrifa (2. Uufl., Leipz. 1868, 4 Bde.); Sh wary, A.
nad 50 Jahren franzöſiſcher Herrſchaft (daf. 1881);
Houdas, Ethnographie de l'Algérie (Par. 1886);
BVillot, Meurs, coutumes et instructions des in-
digénes de ]' Algérie (3. Aufl. Wigier 1888); Leroy.
Beaulieu, L’Algérie et la Tunisie (2. Aufl. Bar.
1897); Lescure, L’agriculture algérienne (daſ.
1892); Bignon, La France en Algérie (Daf. 1893);
Unton, Franzöſiſche Uqrarpolitif in A. (Seipz. 1893),
Béquet u. Simon, L’Algérie. Gouvernement, ad-
ministration, législation (Bar. 1883, 3 Bde.); Penſa,
L' Algérie, organisation politique et administrative
(Daf. 1894); Wallermé, L’organisation gouver-
nementale de l’Algérie (Daf. 1901); Vaſt, L’ Algérie
et les colonies francaises (Daf. 1901); die Schriften
ded Generals E. Daumas (f.d.), Reifehandbilder von
Pieffe, Conty (franz.), —— (Murray, engl.) u. a.
Karten: Carte topographique de l'Algérie (dépdt
de la guerre), 1: 50,000, feit 1884 im Erſcheinen;
Carte administrative des voies de communications,
Départ. de Constantine, 1 : 4,000,000, amtlid; fer-
ner Karten von Langlois (1884), Gaultier (1887),
Levaffeur (1889), Lacofte (1889); qeologifde Rarten
von Pomel u. Pouyanne (1892, 4 Bl.) und Gaultier,
1 : 800,000 (Bar. 1892).
Geſchichte.
A. iſt das alte Numidien. In der römiſchen Zeit
bildete nur der öſtliche Teil Die Provinz Rumidten,
der weſtliche qehirte zur Proving Wauretanien. Das
Land befand fic) Damals in bliihendem | pr und
hatte vicle volfreide Städte, allein 123 Biſchofsſitze
Aber dDurd die verwiiftenden Einfalle erit der Ban-
dalen, Dann der Uraber wurde diefe Kultur zerſtört;
die gum Islam tibergetretenen Berber wurden die
herridjenden Einwohner. Um 935 grilndete der ara-
biſche Fürſt Zeiri auf der Stelle ded alten Icosium
t die Stadt Ul Dſcheſair, das jepige Wigier. Seine
Die Geſamtſtärte beträgt 55,149 Mann. Wujerdem |
Nachkommen herridten im Lande bis 1148, nad
Algerien (Gejdidte).
ihnen bis 1269 die Ulmohaden von Maroffo. Dann
gerfiel das Land in mebhrere Gebiete. Bu dem be-
tenditen, Dem Königreich Tlemfen unter den Ziza—
niden (Sioniten, Zianiden), qehirte Ulgier. Geit dem
15. Jahrh. beqannen die Küſtenbewohner Seeräuberei
ju _treiben. Schon ferdinand der Ratholifde 4
gegen fie; Rardinal Ximenes nahm 1509 Oran un
gia (Bougie) und erridjtete vor dem Hafen der
1510 eroberten Stadt Algier cin Rajtell. Dem Emir |
der Mitidſcha. Selim Eutemi, tam der islamiſche Les |
bier Dorul Barbaroſſa 1515 gu Hilfe; nad Er-
mordung Gelims madte er fid) gum Herrjder von
A., Tenes und Tlemfen. Nad) femem Tode (1518)
ftellte ſich fein Bruder Chaireddin Barbaroffa
1519 unter die Lehnshobheit der Bforte und trieb mit
türliſchen Hilfstruppen die Spanier aus ihrem Inſel⸗
, eroberte 1533 aud) Tunis und wurde mit feinen
Schiffen der Schrecken der Chrijten im Mittelmeer.
Raijer Nari V. vertrieb zwar 1535 die Piraten aus
Tunis, mute aber 1541, naddem er 20. Ott. mit
370 Schiffen und 30,000 Mann in U. gelandet war,
wieder abziehen, weil cin Uniwetter fem Lager und
viele Schiffe zerſtört hatte. Go dauerten die Raub-
jlige fort. Die — Korſaren eroberten im
16. Jahrh. alles Gebiet bis zur Grenze von Marollo,
außer dem ſpaniſchen Oran. Innere Kämpfe ent-
ſtanden, ſeitdem die türliſchen Janitſcharen in A. 1600
das Recht erhalten batten, cinen »>Dei« gu wählen,
der neben dem Paſcha des Sultans jt follte.
Mehrere Ungriffe der Englander und Hollander auf
A. (1655, 1669 und 1670) blieben erfolglos; ebenſo⸗
wenig bermodten die Franjojen durch drei Bombar-
dements Wigiers (1682, 1683 und 1687) die See-
rãuberei ju unterDdriiden. Der Dei Ybrahim eroberte
1708 aud Oran. Deſſen Nadfolger Baba Uli ent-
richtete feinen Tribut mehr nad Nonjtantinopel. A.
bildete feithem cinen SolDdatenjtaat unter dent von
den Janitſcharen gewablien Dei, dem ein Diwan oder
Staatsrat von 60 Beamten yur Seite ftand. Boriiber-
ehend wurde Tunis 1757 von algerijden Truppen
eft. Nachdem die Spanier 1775 ihre legte vergeb-
liche (Von BW. Dalrymple beſchriebene) dition
gegen A. unternonumen und das 1732 von neuem
eroberte Oran 1791 wieder verloren batten, fonnte
ſich dad algeriſche Raubnejt die ſchwächern driftliden |
Mächte tributér maden. Erjt nad den Stiirmen der
Revolutionstriege ſchritt man ein. Der amerifanifde
Kommodore Decatur ſchlug 20. Juni 1815 bei Car-
tagena die algerifde Flotte und erzwang die Unver-
leplichteit Der Unionsflagge. Wis darauf der Dei
23. Mai 1816 die Mannidaft von 359 italieniſchen
Schiffen, welde die Erlaubnis jum Rorallenfijden
ertauft batten und unter britijder Flagge in Bone |
lagen, hatte niedermetzeln laſſen, bombarbdierte eine |
engliſch⸗ niederlãndiſche Flotte unter General Ermouth |
WUlgier und erzwang 28. Aug. die Freilaffung von
1211 Chriftenfflaven. VWber Ab 1817 wagten fid
algerifdje Seeräuber wieder bis in die Rordfee und
nahmen Schiffe Der Mächte weg, die ihnen weder
Tribut nod Gefdente bewilligt hatten. So zahlte nod)
1829 das Königreich beider Sigilien jährlich 24,000
Viaſter Tribut, und gu ähnlichem batten fic) Portugal,
Tosfana, Sardinien, Schweden und Dainemart, Han-
nover und Bremen verjteben müſſen; felbjt England
hatte bei jedem Nonfulwedjel ein Gefdent von 600
Pid. Steril. gu machen. Die Gefangenen verficlen,
wenn fie nidt ausgeldjt wurden, der Sflaverei.
BWiederholte Berlesungen der franzöſiſchen Flagge
und 1823 bie der Wohnung des franzöſiſchen None |
323
fularagenten eggs fdjon die franzöſiſche Regie-
rung gegen ſeit 1818 regierenden Dei Hujfein
gereizt, als dieſer 1827 von Franfreid) fiir Getreide,
das algerifde Juden 1798 wabhrend der agyptijden
Expedition geliefert hatten, zu viel forderteund wegen
des Wusbletbens einer Untiwort den franzöſiſchen
Konſul Deval tätlich beleidigte. Cin franzöſiſches
Gefdwader nahm den Konſul auf und begann, da
| der Dei dad franzöſiſche Ultimatum ablehnte, 12. Juni
1827 die Blodade; der Dei lie dagegen die gur Ko—
rallenfifderet bei Bone gegriindeten franzöſiſchen
Riederlaffungen zerſtören. Da die frangdiitche Res
ierung einen auswartigen Erfolg zu erzielen wünſchte,
— ließ fie 26. Mai 1830: 75 Kriegsſchiffe unter Ad⸗
miral Duperré mit einem Landbheer von 37,500 Mann
unter General Bourmont (auf 400 Transportidiffen)
von Toulon auslaufen; die Flotte warf 13. Juni in
der Budt von Sidt ef Ferrud) weftlid) von WUlgier
Unter. Die Franjzojen erjtiirmten 19. Juni das Lager
des Dei. Nachdem das Raiferfort im S. der Stadt
4. Juli in die Luft gefprengt und Ulgier von der Land-
jeite cingejdlojjen war, fapitulierte der Deid. Juli;
ihm wurden fein Privatvermögen und die freie Wahl
jeines Wohnorts augerhalb Ulgeriens gewährt. Ulle
| Titrfen wurden nad) Smyrna transportiert, den
| tibrigen Cinwohnern Udtung der Religion und des
Cigentums, Freiheit des Handels und der Gewerbe
zugeſichert; die Sflaverei der Chrijten, alle Tribute
der curopiifden Staaten und alle Monopole wurden
flix immer abgefdafft. Das Land freilid) mubten
die Franjofen erjt erobern, und ſchon 23. Juli ſtießen
fie bet Blida auf einen vom Bei von Titteri veran-
lakten Unfitand. Sdon war indes Oran durch ——
gewonnen und Bone beſetzt, als der Sturz Karls
durch die Julirevolution eine Stockung in den fran-
zöſiſchen Unternebmungen verurjadte; Bourmont
verließ 2. Sept. A. Ronig Ludwig Philipp fandte
darauf den Marſchall Claugel als Gouverneur nad)
WU. Diefer beqann fofort die Eriveiterung des Gebiets
durd) Streifziige in das Innere und Rolonijations-
verfudje, wurde aber fdon 1831 abberufen, da er
eigenmiidtigerweife Bone und Ronjtantine an den
Bei von Tunis abgetreten hatte. Sein Nachfolger,
General Berthesene, verwirrte durch iibereilte Neue-
rungen und — durch Ronjfisfationen und Seque-
jtvattonen die Bevilferung: Rabylen oder Berber,
Araber und Tiirfen (Qulugli), ftatt fie durch kluge
Politif voneinander gu trennen, zu qemeinjamem
Widerjtand. Unter dem Gouverneur Savary (De-
zember 1831 bis März 1833) wurde zwar Bone er-
obert; aber in Oran erbhob fic) der Emir von Mas-
cara, Ubd ef Rader (f. d.)) Savarys Gewaltitreide
bradjten bald gang A. in Uufitand, fo dak er endlicd
abberufen und zur Verantwortung gejogen wurde.
Eine von der Kammer eingefeste Kommiſſion ent-
ſchied fic fiir Die fernere Behauptung Algeriens; cine
Ordonnan; vom 22. Juli 1834 verordnete, das ere
oberte Gebiet folle fortan ⸗franzöſiſche Beſitzungen
im Norden Afrilas⸗ heiken. Cin Generalgouverneur
jollte mit Dem militäriſchen Oberlommando zugleich
die Verwaltung führen und unter dem Rrtegsmini-
jtertum ftehen. Für die Juſtiz wurden Tribunale
erjter Inſtanz ju Algier, Bone und Oran, ein Ober-
tribunal und ein Handelsgeridht gu Algier eingeſetzt
und cin Generalprofurator ernannt, der das einhei⸗
miſche Recht priifen und mit der neuen Juſtizverfaſſung
in übereinſtimmung bringen follte.
Es traten nun geordnetere Zuſtände ein. Mit Abd
el Rader fam 26. Febr. 1834 der erjte Friede ju jtande,
21°
324
worin der Emir den Konig der Franjofen als Lehns-
herrn anerfannte. Der Friede dauerte aber nidt
lange. General Tréjel verlor 28. Juni 1835 die
Schlacht an der Mata gegen den Emir. Marſchall
Clausel, der im Auguſt 1835 auf den friedfertigen
Drouct d'Erlon als Gouverneur folgte, zerſtörte tm
Dezember Wbd el Raders Reſidenz Mascara und ſchlug
ifn mebrere Male; dod fein Bug gegen Konſtan—
tine (im November 1836) miflang: durd) Hunger,
Kälte, Krankheit und die Waffen Uhmed Bets wur
pon 8000 Wann iiber 5000 aufgerieben. Während
General Bugeaud 30. Mai 1837 unweit der Tafna
Den zweiten Frieden mit Abd ef Rader ſchloß, bereitete
Damrémont einen zweiten Ungriff auf Konſtantine
vor, das, naddem Damrémont 12. Oft. gefallen war,
13. Oft. vom General Grafen Balée erjtiirmt wurde.
Run wurde die franzöſiſche Herrſchaft nad bejtimmtem
Plan und möglichſt friedlich ausgqebreitet und bier-
durch die fajt unblutige Einnahme von Stora, Milah
und La Calle (1838 — 39) fowie die Bernicdtung der
Macht Uhmed Beis erreidt. 1839 erneuerte Abd el
Rader feine Feindjfeliqfeiten und predigte tiberall den
sore Krieg« gegen die Franjofen. General Bu-
qeaud, feit 1841 mit dem Oberbefehl gegen ihn be-
traut, ermildete Den Feind und bejtad ſeine Unhanger.
Mascara wurde 30. Mai 1841 beſetzt, im Oftober Abd
el Kaders legtes Bollwert, Saida, zerſtört, und nad-
dem 30. Jan. 1842 Tlemfen und 9. Febr. das feſte
Tafrua gefallen waren, fliidtete der Emir auf ma-
roffanijdes Gebiet. Im Sommer 1842 erjdien er
pon neuem, und wenn aud feine Einfälle meiſt zuriid-
ewiejen wurden (1843 nahm der Herzog von Yumate
cine Smalab, jein Lager, durch fibertalh, fo fand er
doch in Maroffo inumer wieder Verſtärkungen. Frank⸗
reid) fab fic) Daber 1844 gendtigt, Maroffo den Krieg
ju erfliren. Das maroffanijde Heer, deffen Borhut
Abd el Kader bildete, wurde 14. Aug. 1844 am oa
Daly von Bugeaud entideidend geſchlagen. Da gleid-
zeitig cin franzöſiſches Gefchwader unter dem Bringen
von Joinville an der maroffanifcen Küſte erſchienen
war, 6. Uug. Tanger und 10. Yug. Mogador bom-
bardiert und 16. Aug. die vor letzterm Seven lieqende
Inſel erobert hatte, fo fam unter englifdher Bermit-
telung der Friede gu ftande, wonad) Maroffo Ubd el
Kader feinen Vorjdub mehr leijten durfte. Lewterer
erdffnete wiederum den Flemen Krieg in YL, verſuchte
1847 Waroffo ju erobern, wurde aber vom Sultan
Abd er Rahman 11. Dex. geſchlagen und auf fran-
zöſiſches Gebiet gedriingt, wo er 22. Dex. vom General
Lamorici¢re gefangen genommen wurde.
Bugeaud hatte 1845 aud cine Zivilverwaltung ein-
gerichtet; die Drei Provingen Algier, Oran und Kon—
jtantine erbielten je einen Konſeil mit cinem Direftor
an der Spige. Die franzöſiſche Nationalverjammiung
bejtimmte 1848, daß A. vier Deputierte wählen folle,
und ſchickte einige Urbeiterfolonien dabin, die aber
nidt gedeihen wollten. Nach dem Staatsftreid) vom
2. Dey. 1851 wurde Lambeſſa zur Deportationsfolo-
nie fiir politifde Verbredher auserfehen. Der Krieg
gegen Die Emgebornen dauerte inzwiſchen fast ohne
Interbrechung fort, da die Franjofen jest an die Er-
oberung Rabyliens gingen. 1851 erboben fic fait
alle Gebirgsſtämme zwiſchen Dſchidſchelli, Philippe⸗
ville und Milah; General Saint-Wrnaud beſiegte tn-
nerhalb 80 Tagen ſämtliche Empörer in 20 Treffen
und 6 Sdlacten. Ym Dezember 1852 wurde unter
dem Yeneralgouverneur Randon (1852-58) die Dafe
Laghuat im S. Ulgeriens in Beſitz qenommen, der
mächtige Stamm der Beni Mzab ftellte fid) unter
Algerien (Geſchichte).
franzöſiſchen Schutz; 1853—54 wurden die Dafen-
landidaften von Tuggurt und Wadi Suf beſetzt, ferner
die Uled Sidi Scheich und die Daſe Wargla der fran-
zöſiſchen Herricaft unterworfen. Die Feldzüge von
1856 und 1857 vollendeten die Bezwingung der Ka-
bylen; feitdem war die Grenze des franzöſiſchen Ge-
bietes bis an Den Rand der Gabara vorge|doben.
1858 wurde die Nolonie unter cin Miniſterium fiir A.
und Die Kolonien gejtellt; Dies wurde aber bereits
Ende 1860 durd cin Militirgouvernement (Peliſſier.
dann Mac Mahon) erjest, dem ein BVizeqouverneur,
ein Generaldireftor fiir Zivilgeſchäfte, ein Miniſterium
fitr Juſtiz, Schul- und Kirchenweſen fowie cin Kon—
ſeil zur Beratung des Budgets zur Seite ftanden.
Da die Verhältniſſe der Rolonie ungiinjtiq waren, jo
beſuchte Napoleon IIT. im Upril 1865 felbjt U. Die
militãriſchen Obrigfeiten (bureaux arabes) verjtanden
die materiel und ſozial gedriidten Emgebornen nicht
u bebandein; der Wangel an Berleh qen, der
Pr angatitde Schutzzoll au} die Produfte der Kolonie,
die Formalitäten und Sdreibercien der Burcaufratie
bewirften, daß Der Wohlſtand der algerifden Bevilfe-
ao guriidging. Durd freundlicen Verkehr mit den
Urabern und eine vielverheifende Proflamation fudte
der Kaiſer der Unjufriedenheit zu begegnen. Aber
bei den Reformen fam man über Anläufe nicht hinaus.
Während des deutſch-franzöſiſchen Krieges (1870/71)
mußte die Regierung A. von Truppen faſt entblößen;
Dod erfannten die Hale pee zu fpat dieſe Gunjt
der Umſtände. Erſt im Wpril 1871 nahm der Wuf-
ftand im S. von UW. größere Ausdehnung an und
wurde 1872 vom Generalgouverneur Gueydon unter-
driidt. So gab die Republif ihre Abſicht, A. cine reine
Rivilverwaltung ju geben, einftweilen auf; 1873—79
hatte General Changy das Generalqouvernement inne.
dem 1875 ein aus Rivilbeamten bejtehender Conseil
supérieur beigegeben wurde. Erſt 1879 wurde in
Ulbert Grévy ein —— eingeſetzt, deſſen
Gewalt ſich bioß auf den Küſtenſtrich, ein Neuntel des
algeriſchen Gebietes, beſchränkte; die Stämme der
Araber und Berber blieben unter militäriſcher Ge—
walt. Während der Beſetzung von Tunis (1881) er⸗
hob fic) nod cinmal im BW. ein kühner Hauptling, Ba
Umema, und fiigte durch Überfälle den Franzoſen
und den europäiſchen Rolonijten Verluſte yu. Geit-
dem war Rube in A. bis Ende der Wer Jahre.
Die antifemitifhe Bewegung in Frantreih
pflanzte fic) leicht nach A. über, weil in der arabiſchen.
teilweiſe auch der europdifden Bevöllerung Mißſtim⸗
mung gegen Die Juden entitanden war, die gwar durch
dag tibereilte Defret des jiidifchen Mitgliedes des Gou-
vernements der nationalen BVerteidiqung, Crémieur,
vom September 1870 en bloc naturalijiert worden,
aber auf ihrer niedriqen Rulturjtufe fteben geblieben
waren und forifubren, Die Bevdlferung durch Wu-
cher ausjubeuten. Es fam deshalb 1897 und 1898
Unruben der Uraber. 1898 wurde der Untifemit
ar Régis, ein naturalijierter Staliener, Maire der
Stadt Algier und das Haupt der franzöſiſchen Vnti-
femiten, mont, algeriſcher Deputierter. Die fran-
zöſiſche Regierung berief den Generalqouverneur Le—
pine ab und ernannte Laferriere zum Generalgouver⸗
neur. Als Ddiefer den Maire abjegte, wurde Régis
vom Gemeinderat jum Ehrenmaire ernannt; dod
flaute allmablich die antiſemitiſche Bewegung ab, feit-
dem Jonnart, der furge Heit darauf Generalqouver-
neur war, mit feinem Brogramm: den eingebornen
und den europadijden Teil der VBevdlferung getrennt
zu verwalten, aber unter einer verjdhnenden Ober-
Algesheim
dearly Layer so durchgedrungen ijt. Auch wurde
durch Geſetz vom 20. Dez. 1900 fiir A. ein felb-
ſtändiges Budget gefdaffen. Unter ſolchen Ausſichten
trat 30. Juni 1901 der neue Generalgouverneur Ré-
voil fein Umt an; nad der anfiinglidjen Verwöhnung
des Berberiums und dent mit 1871 einfependen Ge-
genjtiid ijt man nun zur vermittelnden Politik des
gefunden Menfdenverjtandes iibergeqangen.
Val. fiir die römiſche Beit die bei Art. »Numibien«
angegebenen Werke; fiir die ſpätere Geſchichte vgl.
pis den ailtern Werken von Scepper (Antw. 1554,
fatein.) und Laugier de Taffy (Amſterd. 1725): Du-
prat, Essai historique sur les races anciennes et
modernes de l'Afrique septentrionale (Bar. 1845);
Fagnan, L’Afrique septentrionale an XII. siécle
{RKonjtantine 1900); Rotalier, Histoire d'Alger
et de la piraterie des Turcs (Par. 1841, 2 Bode.);
@rammont, Histoire d’Alger sous la domination
turque, 1515—1830 (bdaj. 1887); Mercier, His-
toire de l'Afrique septentrionale, Berbérie (daſ.
1888 —90, 3 Bbe.); Fillias, Histoire de la con-
quéte et de la colonisation de l'Algérie, 1830 —
1860 (daj. 1860); Heim, Geſchichte der Kriege in Al⸗
ier (Königsb. 1861, 2 Bde.); Uult-Dumesnil,
tion de l'expédition d'Afrique en 1830 et de
la conquéte d’Alger (2. Uujl., Bar. 1869; enthalt
aud) die frühere Gejdichte de3 Landes); Nettement,
Histoire de la conquéte d' Alger (2. Unjl., da. 1867);
Waffarel, L’Algérie; histoire, conquéte et colo-
nisation (daſ. — Rouffet, Les commence-
ments d'une conquéte: L' Algérie 1830-—1840 (daf.
1887, 2 Bde.) und La conquéte de l’Algérie, 1841
bi3 1857 (daj. 1889, 2 Bode.); La Martiniere u.
Lacroir, Documents pour servir a l'étude du Nord-
Ouest Africain (Lille 1897, 3 Bde.).
Algesheim, Stadt, ſ. Gau-Vigesheim.
Wigefie (qriech)., f. Wigie.
meter (qricd)., ⸗Schmerzmeſſer · von
Björnſtröm angegebene Kneifzange mit Sfala, an
ber die Stellung der Schenlel abgelefen werden fan.
Man fat cine emporgehobene Hautfalte mit der Sang
und erhöht den Drud, bis Schmerz empfunden wird.
Das A. geftattet, die Schmerzempfindlichkeit verfdie-
dener Körperteile nad) Gewichtsgrößen zu bejtimmen.
Alghero, Kreishauptſtadt in der ital. Provinz
Saſſari, an der Weſtküſte der Inſel Sardinien und an
der Eiſenbahn A.-Saſſari gelegen, mit lleinem Ha-
fen, alter Kathedrale, Gymnaſium, nautiſcher Schule,
Zuchthaus, iſt Sig eines Biſchofs und mehrerer Kon-
ſulate (darunter eines deutſchen) und zählt (1901) ca.
9700 (als Gemeinde 10,779) Einw., die Weinbau und
Rorallenfijcherei treiben. In der Nahe find fehenswerte
Grotten (vg!. Cojta, Alla grotta di A., Mail. 1889).
Algie (Algeſie, qricch.), „Schmerz« im allgemet-
nen oder nur folder Schmerz, fiir den man im Leben
eine Urfache nidjt gu finden vermag. S. Nervenſchmerz
und Rervenfranfheiten.
Algier (frany. Ulger, fpan. Urgel, arab. Ul
Didejair, d. h. die Shad das alte Icosium, im
Mittelalter bei den Arabern Mesrana genannt),
Hauptſtadt der franz. Kolonie Algerien und des De—
— YL. (j. unten), erſter Driegs und Han-
elsplatz derjelben, liegt hart am Miltelmeer unter
86° 47‘ nördl. Br. und 3° 31° öſtl. L., an der Weſt⸗
feite eines —— halbmondförmig gegen S. ein⸗
etieften Golfes, zwiſchen Rap Matifu wm O. und der
ointe Pescade im W., und an dem ins Meer abfal-
lenden Nordhang eines 402 m hohen Gebirgszugs.
Die Stadt ijt von bliihenden Ortſchaften, Villen und
325
Garten umgeben und bildet ein ziemlich qleidfeitiges,
vom Weer aufiteiqendes Dreied, defjen Spitze in
124 m Höhe die Kasba, die alte — der Deis, jetzt
Raferne, bildet. Der ſchon 1525 von Chaireddin Var-
baroffa angelegte Hafen, der 95 Heftar groß ijt, wurde
1836 von franzöſiſchen Ingenieuren ausgebaut und
unter Napoleon ILL. durch zwei Steindämme von 700
und 1235 m Linge geidiipt. Seinen Abſchluß int N.
erbilt da Hafenbeden durch cinen aus dem 10. Jahr.
— <Algier.
Umgebung von Algier.
jtammenden Berteidiqungsdamm, der das Slot der
Marine mit dem Fejtland verbindet. Neuejtens wird
aud) die ——— des Hafens gegen S. geplant.
Am Nordende befindet fic) da3 Marinebafjin. Der
mit Dodd verfehene und durd) mehrere ftarfe Werke
Geidiigte Hafen verntag 40 Kriegs- und 300 Han-
delsſchiffe aufzunehmen. Bom Hafentai fiihren Frei
treppen und fabrbare Straßen hinauf auf den Boute-
vard de la République, den eigentlichen Glanzpunkt
der Stadt, eine pradjtvolle, 2000 m lange Terrajje.
Sie ruht auf einer doppelten Reihe von Bogen (ca.
350), deren Hallen gu Verlaufsladen benugt werden.
Un diejent Boulevard liegen die palajtartigen Gebäude
ber Bant, der Poſt, der Juſtizpalaſt rc., am Ende des-
326
felbert bie Place de Gouvernement, der ſchönſte Plas
der Stadt, mit ciner Reiterftatue de3 Herzogs von Or-
leans, dem erzbiſchöflichen Palaſt, einem ältern mau-
riſchen Prachtbau, der Moſchee Dſchama el Dſchedid.
Etwa in der Mitte des Boulevard de la Republique
offnet ſich nach W. die große Place Breſſon mit dem
Nationaltheater. Dicht beim Gouvernementsplatz liegt
die kleine Place Bruce mit dem Winterpalaſt des Gou-
verneurs und der fatholijden Rathedrale. Vor dem Tor
Bab ef Uẽd im N. liegt die er pe g Vorjtadt, auf
ber Siidjeite die Vorſtadt Agha und wweiterhin das
Dorf Muftafa, cine reizende BVillenfolonic, wo aud
der Gouverneur feine Sommerreſidenz hat. Die be
liebtejte Promenade bildet aufjer Dem Boulevard de ta |
République der Jardin Marengo hinter dem Lyzeum.
WIS Hauptitadt der Nolonie ijt A. Sif des General: |
gouverneurs, eines Präfelten, des Kommandos ded |
19. Urmeeforps, der oberjten Behirden fiir die Rolo: |
nie, die Rroving und das Arrondiſſement A., vieler |
Konſuln, aud) eines deutſchen Berufstonfuls, eines
Tribunals erjter Inſtanz, Handelsgerichts, eines fa- |
tholiſchen Erzbiſchofs, eines proteſtantiſchen Ronfijto-
riums ſowie der höhern Geiſtlichen der Muslims und
Juden. A. beſitzt verſchiedene latholiſche Kirchen, eine
proteſtantiſche und eine engliſche Kirche, mehrere Sy-
nagogen und 22 Moſcheen und kleinere Bethäuſer,
darunter al8 älteſte und ſchönſte die Dſchama el Kebir.
Un wiſſenſchaftlichen Anſtalten befipt A. eine Militär⸗
Algiers — Algonkiſche Formation.
Algiers (pr. svfgirs), Vorſtadt von New Orleans
(f. d.), am gegeniiberliegenden Miffiffippi - Ufer.
Algierſcher Bak (Secpah, Türkenpaß, Mit -
tellandijder Bag, fran}. Marque), der Bak, wel⸗
chen die Schiffe berjenigen Staaten ldfen und an Bord
mit fic führen muften, die mit den Barbaresfenftaa-
ten (f. Berberei) Vertrige abgeidilofien batten. Erſt
jeit 1830 mit der Eroberung Algiers durch die Fran-
zoſen hörte die Seeräuberei Der Barbaresten im Mittel -
meer und damit auch die Notwendigfeit de3 Paſſes arf.
Metall, ſ. Britanniametall.
A Weine, in Algerien gewonnene Weine
Die Weinberge liegen auf Hügeln und Abhängen, und
man gewinnt aus Bordeauxreben die Adeljaweine
mit 11 Broz. ba” und betriictlidem Gerbjaiure-
gepallt, außerdem ee mit 12 Proʒz. Al⸗
obol. Val. Berniard, L’Algérie et ses vins (Bor-
deaux 1888—92, 3 Bde.); Qerour, Traité sur la
igne et le vin en Algérie et en Tunisie (Daf. 1894,
2 Bde.); Evesque, Les vins d’Algérie (daf. 1902).
Wiginfaure (Tangſäure), aus Meeresaigen
Laminaria) durd Roden mit Waſſer entitehende
Subjtang, die bei Gewinnung von Jod als Rebenpro-
dukt entiteht, dient als Uppreturmittel.
Dabai, 45 km breite, ſchutzloſe Budt an der
Siidojttitjte des Raplande3, 690 km vom Map der
Guten Hoffnung ; an der Weſtſeite liegt Port Clizabeth-
Algodonalesbai, Budt des Großen Ozeans an
afadentie und vier Hochſchulen (fiir Rechte, Medizin | der dhilen. Küſte unter 22° 5 ſüdl. Br., mit dem Ha-
und Pharmazie, mathematiſche und Naturwiſſenſchaf⸗ fen Tocopilla, Verſchiffungsplatz fitr die reichen Kup⸗
ten, Literatur mit einer orientalijden Seftion und | ferqruben der —— (jabrlid) 6000 Ton.).
cinemt öffentlichen Kurs fiir die arabifde Sprady). | Igodonit, Diineral, ſ. Urfenfupfer.
Die Mohammedaner haben eine Medreffe. Uukerdem, Wigol, der Stern 4 im Sternbilde de3 Perjens,
bejteben cin Lyzeum, zwei Lehrerjeminare, eine Hffent- | bemerfenSwert durch ſeinen 1667 von Montanari ent:
lide Bibliothet, Sternwarte, Hiſtoriſche Geſellſchaft, dedten, 1782 von Goodricke genauer unterjuchten Licht-
Geſellſchaften für Kunſt, Ugrifultur, philanthropifde
Zwecke, zwei Theater, Waiſen- und Armenhäuſer,
Militär- und Zivilhoſpitäler. Es erſcheinen mehrere
franzöſiſche und arabiſche Zeitungen. Die Zahl der
Einwohner betrug 1838: 30,395 (darunter 18,400
Eingeborne), 1901: 97,400 (32,893 Franzoſen, 10,822
Juden, 26,702 Eingeborne, 26,983 Fremde, darunter
6393 naturaliſierte). Die Induſtrie befindet ſich nod) |
in Den Anfängen, dagegen ijt A. der wichtigſte Han⸗
delsplatz der Kolonie, in dem zahlreiche Straßen des
Binnenlandes und zwei Eiſenbahnlinien von Oran
und Konſtantine
unterſtützt Durch fünf Banfen und eine Handelsklam—
mer; jieben franzöſiſche Dampfergefellidaften vermit: |
teln Den Verlehr mit Marfeille und Cette, eine ſpa⸗
niſche mit Ulicante und Valencia, drei Rabel fiibren |
nad Marſeille hinüber. 1898 liefen 8151 Schiffe von |
6,867,342 Ton. cin und aus, mag franzöſiſche. Aus⸗
pe nr Der Handel wird
wedfel: 60 Stunden behãlt er feine größte Helligteit
2. Größe, dann ſinkt er in 4,5 Stunden zur 4. Größe
berab, um in abermals 4,5 Stunden wieder bis
auf feine urfpriinglide Helligleit zuzunehmen. Dieſer
Lichtwedfel wird durch die Verdedung de3 UW. durch
einen wenig leudjtenden Begleiter erzeugt. Bgl. » Fix:
jterne« (Veränderliche Sterne).
Wlgolagnie (griech, Wolluſtſchmerz), f. Se
xualpſychologie.
Algoma, Hafenort in Ontario (Kanada), am
North Channel des Huronenſees, Station einer Zweig⸗
linie Der Canadian Pacificbahn, anglifanifder Bi⸗
ſchofsſitz, mit 1901) 3633 Einw.
Algonkin, allgemeiner Name fiir cine große
Gruppe von Indianerſtämmen, die früher einen be-
deutenden Teil des Gebiets von Britifd-RNordamerifa
und der BVereinigten Staaten innehatten, qegenwarti
aber mur in einigen Stämmen (Ubenafi, Blacfeet, kn,
Odſchibwã, Menomoni rc.) fortbeftehen, wabrend die
gefaeet werden Getreide, Wein, Vieh, Bolle, Leder,
Erze, Tabak, Gemiife, Objt, Olivendl. RNeuerdings übrigen teils gang verſchwunden, teils auf cine geringe
ijt A. aud ald klimatiſcher Kurort febr in Aufnahme | Anzahl, oft mir wenige Familien, —— —
gekommen, der tin Winter (Durchſchnittstemperatur zen find (ſ. Indianer). Heute ſchätt man ihre Zahl
12°) zahlreiche bruſtleidende Europäer anlodt. Bgl. auf 95,600 Köpfe (gegen 250,000 im 17. Jahrh.). Der
O. Schneider, Der flimatifche Kurort A. x. (Dresd. Hauptheld ihrer Mrytbhen ijt Der Gott Glufap, nad
1869; weitere 2 Bände, 1872—78, enthalten aud | Brinton der Gott der ſchlauen Kriegführung. Die
SAHilderungen aus der Proving); Reiſehandbücher | Sprachen ſämtlicher Stämme der W. bilder cinen be-
von Bieffe (Bar. 1891), Dalles (2. Unfl., Wigier | fondern Sprachſtamm, der nad G. v. d. Gabeleng mit
1888), Harris (9. Aufl. Lond. 1898), Mevers Reife- dem Rahuatl (Aztelenſprache) in Merifo verwandt ijt.
bücher: »>Riviera, A. r.< (5. Uufl., Leips. 1902). Bgl. Leland, Algonquin legends of New England
Das Departement W, der mittlere Teil der fran- | (Lond. 1884); F. Miller, Uber den Bau der Al—
zöſiſchen Kolonie Algerien, umfaßt 170,801 qkm mit gonkinſprachen (Wien 1867); Pilling, Bibliography
(1901) 1,640,985 Einw. und jerfallt in fiinf Urrondifje- | of the Algonquian languages (Wafhingt. 1891).
ment$: Oridangsville, Miliana, Ulger, Tizi⸗Uzu und Algonkiſche Formation (Algonkium, Prä—
Medea. — Uber die Geſchichte ſ. Ulgerien. ;tambrium), eine im ebemaligen Gebiete der Algon⸗
Algorithmus
tlin⸗Indianer auftretende Ubteilung der paldogoi-
{cen Formationsgruppe, die, aus einer 6000 m mad-
tigen Folge von halbfriftallinijden Gejteinen und
Hlajtijden Schidjtgefteinen bejtehend, das archäiſche
Grundgebirge vielfad) disfordant iiberlagert und felbjt
wieder bon dem Rambrium, meijt aud) disfordant,
iiberlagert wird. Derartige Schichten fennt man aus
der Tiefe des Grofen Cañon des Colorado in Uri-
ma, vom Huronſee und beſonders vom Sitdufer des
fe Superior. Jn lefterer Gegend fonrmen in der
obern algontifden Formation miadtige Lager von
Diabas und Gabbro, die oft in Chlorit-Hornblende-
jdiefer umgewandelt find, von Quarzporphyr, Bor- | S
phyrit, Melaphyr und Melaphyrmandeljtein (dieſe zu⸗
weilen reich an gediegenem Kupfer und Silber) vor.
Schichten der algonfijden Formation find ferner nach⸗
gewieſen im ſchottiſchen Hochland, im NW. von Irland,
in Unglefey, in den Malvern Hils rc., wo fie als rötliche
oder braune Sandijteine, als Glimmerſchiefer, Phyllite,
Tonſchiefer, Quarzite, Grauwadenjandjtein und Kon⸗
glomerate mit eingelagerten diabasartigen, oft in Chlo⸗
rit- und Hornblendeſchiefer umgewandelten Eruptiv-
gefteinen disfordant zwiſchen der Gneisformation und
dem Rambrium lagern, dann in Sfandinavien (die
Dalafandfteine res und die an15—16,000 m
madtigen Sparagmite swifden Jenttland und Mjöſen⸗
fee), ferner in der Bretagne, in Böhmen (Graphitoid
führende Tonfdjiefer, fogen. Przibramer Sdiefer
und Grauwadenfandfteine mit Diabafen) und ſchließ⸗
lid) im Erggebirge und Bogtland, im Fidtelgebirge
und Ojtthitringen, wo die algontfijden Phyllite, Ton⸗
{djiefer, raldiefer, Chlorit- und Hornblendefdie-
r 2. fonfordant zwiſchen den azoiſchen und fambri-
den Sdidtenreifen, * ſcharfe Abg ung egen
diefe, auftreten. Organiſche Rejte find ack id) aus
Rordamerifa, Grobritannien und der Bretagne be-
fannt. Gie beſchränken fid) auf Wurmipuren, auf
Ubdrilde de3 Zweiſchalers Hyolithes, der Urmfiifer
Discina und Pine a, auf Rejte von Rorallen (Ar-
chaeocyathus) und Stromatoporiden, auf Radiola-
rien und vereingelte Trilobiten. Der Wusdrud Al—
gonfium wurde zuerſt von Walcott 1890 —
mus (Algarithmus), abgeleitet von
dem des arab. Mathematiklers Mohammed Ben
Muſa Ulfaresmi, gejt. 820, im Mittelalter Rechnung
nad dem damals durd) die Uraber befannt geworbde-
nen deladiſchen (indifden) Zahlenſyſtem, jest jedes be-
ſtimmten Regeln unterworfene aay en ag
A raphie (Uluminiumbdrud, Wlumino-
graphic), der zuerſt von Scholz in Maing 1892 aus-
geführte Drud von Uluminiumplatten als Erjag-
mittel de8 lithographifden Steins. Die Technil unter-
ſcheidet fic wit wefentlid) von der des Steindruds.
Die Aluminiumplatte wird geſchliffen, mit verdiinnter
Säure angeätzt, mit Waſſer gewaſchen und getrodnet.
Die Zeichnung wird dann mit lithographiſcher Kreide
oder Tuſche, auch mittels Umdrucks darauf gebracht
und mit einer Miſchung von Gummiarabikum und
Phosphorſãure geist. Der Drud erfolgt in Stein-
drudprejjen, in denen die Platten auf gußeiſernen
Bliden — werden, oder auf Rotations-
mafdinen, deren Drudyylinder die dünnen Platten
fich leidjt anpaffen lafjen. Zum Auftragen der Farbe
dienen Waljen mit Gummiüberzug, im übrigen un-
terjdjeidet ſich die Drudbehandiung nidt von der des
Steindruds und — die Herſtellung bedeutender
Auflagen. Ein beſonderer Vorteil der Aluminium⸗
platten liegt in ihrer großen Leichtigleit, fie eignen ſich
für künſtleriſche wie fiir klartographiſche und merfantile
— Alhambra. 327
lithographiſche Urbeiten, aud) fiir Photolithographie
und Tonplatten gum Farbendrud. Bal. Weilandt,
Der Uluminiumdrud (Wien 1902); Wilbert, Das
Aluminium in feiner Verwendung fiir Flachdruck. Die
YW. (Halle 1902).
Wlgringen, Dorf im deutiden Bezirk Lothringen,
Kreis Diedenhofen, an der Cijenbahn Hayingen-A.,
hat eine fath. Rirde, Bergbau und Hiittenindujtrie
und (1900) 5230 Einw.
A Cil (fpr. gwanil; arab. Wa ſĩ l), im Spaniſchen
Titel des mit der Ausübung der Juſtiz Betrauten.
Es git Alguaciles mayores, weldje die Juſtiz in einer
Stadt als erblidjes Lehen ausiiben oder von der Mu—
nizipalitat dazu berufen worden find, und Alguaciles
menores oder ordinarios, die untern Diener der Juſtiz
und Polizei. Dieſe erjcheinen bei Feierlidjfeiten in alt-
fpanifdjer Tracht und beritten. Frither hießen fo aud
die Urteilsvollitreder der Inquiſitionstribunale zc.
Algumin, rotes Sandelhol;.
Algyogy-Wlfalu (fpr. aldjodji, aud) Feredö—
Gyoͤgh genannt), Bad im ungar. Komitat Hunyad,
356 m it. M., mit Cifenquellen, Schloß, Ackerbau—⸗
fcjule und (1900) 1091 rumän. Einwohnern.
Alhagi Desv., Gattung der Lequminojen, ftarre,
fehr vergweigte, dDornige Straudjer mit fleinen eins
fadjen Blattern und roten Bliiten in achſelſtändigen,
armbliitigen Trauben und linealifden Hiiljen. Drei
Arten in Saibrugland, Griedenland, Aghpten u. Ujien.
A. Maurorum Med. (Uthagiftraud, Mannaklee)
und A. Camelorum Flach bedecken weite Streden
und gehiren in den vorderafiatijden Steppen und in
Agypien zu den auffallendjten Vegetationstypen. Aus
ihren Zweigen ſchwitzt die perfiidge Manna aus.
Alhama (v. arab. EL Hammam, foviel wieWarm-
bad), Name mehrerer Badeorte in Spanien, darune
ter: 1) BegirfShauptitadt in der fpan. Provinz Gra-
nada, am Nordfu der Sierra de UW. gelegen, mit
Schwefelquellen (45°) und «i897 7410 Einw.; einſt
widtige Feſtung und Sdhaplammer der Könige von
Granada, denen fie 1482 entrijfen wurde, hat 1884
durch Erdbeben gelitten. — 2) Badeort in der fpan.
Proving Murcia, Bezirk Totana, an der Eiſenbahn
Murcia -Lorca, mit Sdwefelquellen (89 — 42°) und
(1897) 7901 Einw. — 3) Badeort in der fpan. Proving
Saragoffa, Bezirk Uteca, am Jalon und der Cijen-
bahn Madrid -Saragojja, mit warnten Mineralquel⸗
fen und (1897) 1559 Einw. — 4) Stadt in der fpan.
Proving Ulmeria, Bezirk Canjayar, am öſtlichen Ab—
hang der Sierra de Gador und am Rio Ulmeria, mit
Mineralquellen und (1897) 4480 Cinw.
Alhaͤmbra (die >rote<, namlich Fefte), cinjt maur.
Fejtung und Königsburg, das herrlichſte Denkmal
arabifder Baukunſt in Europa, öſtlich von Granada,
am Darro auf einer von Garten und Parkanlagen
umgebenen pos ae gelegen. Die erjten Bauanlagen,
aus dem 9. Jahrh. ftammend, wurden von Moham—
med I. (1232 -—72) und Mohammed IT. ausgebaut.
1273 = die Hauptmafje der Fejtung, die Bradtbau-
ten und innern Deforationen aber erjt im 15. Jahrh.
vollendet. Karl V. zerſtörte einen grofen Teil der A.,
um ibn durd) einen unvollendet gebliebenen Palaſt in
ſchwerem Renaiffanceftil zu erſetzen. Die Schloßanlage
gruppiert jich um zwei mit Baffins, Fontinen und
Siulenhallen geſchmückte offene Hofe. Hobe, einfache,
jinnenbefrinte Mauermafjen ſchließen die A. nad
außen ab; unter den vier Loren zeichnet fic) nur das
hufeiſenförmig gewölbte Tor der Gerechtigkeit
durch reiche UrabeSfen aus. Durch dieſes Tor gelangt
man auf die Plaza de los Algibes (⸗Platz der Bijter-
328
nen«), die weftlid) burch die Alcazaba, die ehemalige
itadelle, mit zwei Titrmen, dDarunter die eine herr-
liche Ausſicht gewährende Torre de la Vela (>Turm
der Wache<), öſtlich von dem Palaſt Karls V. beqrenst
wird. Nördlich davon liegt das eigentliche ——
Königsſchloß. Man betritt zunächſt den 22 m breiten,
40 m langen Myrtenhof, deſſen Schmalſeiten von
einer Säulenhalle eingefaft werden. Dem Cingang
entgegengeſetzt, an der MNordjeite, liegt hinter emem
Veſtibül in dent gewaltigen, vieredigen Comaresturm
der Saal der Gefandten, ein Quadrat von 11 m,
auf drei Seite durch Fenſterniſchen erweitert, mit
Stalaktitenkuppel. Am beſten erhalten find die öſtlich
von dem genannten Hof gelegenen Räume, und zwar
der Löwenhof, ſo genannt nach der auf zwölf
Löwen von ſchwarzem Marmor ruhenden Fontäne,
der Saal des Gerichts, der Saal der beiden
Schweſtern (zwei Marmorplatten des Fußbodens),
die nach der berühmten Familie der Abencerragen
(ſ. d.) benannte Halle (ſ. Tafel »Urdhiteftur VII-,
Fig. 3), Der Vorhof der Moſchee (Fig. 4), endlich eine
Rethe von Baderaiumen. Dieſe Raume jind die ſchön—
jten und glingendjten des Schloſſes, an ihren Wand-
badhen und ftalaftierten Ruppeln mit einer unerſchöpf⸗
lichen Pract buntfarbiger Ornamente iiberdedt. Die
fpanijde Regierung liek neuerdings die A., die bis
1845 als Settung und Staatsgefiingnis diente, ftil-
emäß rejtaurieren; 1890 wurde fie Durd) Brand be-
Hidigt. Vgl. außer W. Irvings befannten »Er-
zablungen von der A.« und den ältern Prachtwerlen
liber die Denkmäler arabiſcher Baukunſt in Spanien
von Murphy (Lond, 1816) und Girault de Prangey |
(Par. 1839): O. Jones, Plans, elevations, sections
and details of the A. (Lond. 1848, 2 Bde.); Jung-
handel, Die Baufunjt Spaniens (Dresd. 1889—93) ;
Uhde, Baudenkmäler in Spanien u. Portugal (Berl.
1889— 92); Borrmann, Die A. (daf. 1900).
Alhambravafen, drei im 16. Jahrb. in der Al—
hambra gefundene Bajen aus gelblich emaillierter
Fayence mit goldgelben, weißen und blauen Orna-
menten in maurifdem Stil, von denen nur nod eine
1,36 m Hobe, aus dem 14. Jahrb. ftammende in Spa-
nien vorhanden ijt.
Alhandal, f. Citrullus.
Alhazen, ſ. Witronomie.
Alhenna, ſ. Lawsonia.
Alhidade (arab. al ‘idade, »Lineal, Zeiger am
VUjtrolabium<), Teil an Mehinftrumenten, der den
Bewegungen des meffenden Fernrohrs folgt und yum
Wblefen der Winkel am Kreiſe Nonien oder Sdrau-
benmifroffope trägt. Bisweilen bildet die A. einen
Vollfreis (Wl hHidadentreis), der fic) konzentriſch
jum Teilfreis beweat.
Mli, 1) A. ibn Ubi TAlib, der Neffe und Adop⸗
tivſohn und einer der dltejten und treueſten Anhänger
des Propheten Mohammed und durd) feine Gattin
Fatima (f. d.) fein Eidam, qeboren um 600 n. Chr. gu
Mefta, ward nad) der Ermordung Othmans 656 gum
Kalifen gewählt, fand aber nur in einem Teile des Rei-
des Unerfennung. VWiida (j. d.), die mit A. verfein-
dete, intriqante und rachſüchtige Witwe Mohammeds,
erhob jid) mit mehreren Groen im Bunde gegen WL,
ward aber von dieſem 656 in der »>Ramelidlacht« bei
Basra gefdlagen und gefangen genommen. Auch der
Omaijade Moawija (f.d. und Malifen), feit 639 Statt-
halter von Syrien, verweigerte A. den Geborjam. Es
entbrannte on erbitterter, blutiger Krieg, deſſen Aus⸗
gang nod ungewiß war, als A. 22. Yan. 661 von
bret charidſchitiſchen (puritanifden) Seftterern über⸗
Alhambravajen — Ali.
fallen und tödlich verwundet ward und 24. Jan. ſtarb.
A. ragte Durd) Tapferfeit und Frimmigleit hervor
und beſaß Beredſamkeit und Geijt, entbehrte aber der
politijden Einſicht und der Rafdbheit des Handeins.
Seine Unhinger betradteten ihn, den Schwiegerſohn
des Propheten, als dejfen allem beredtigten Rad-
folger; ihre Bartei, die Schiiten (ſ. d.), die »Legiti-
mijter des Yolame, wurde jabrbundertelang niet
miide, fiir femme Nachfommen, die Aliden, das Ka—
lifat in Unjprud gu nehmen. Beſonders auf perfi-
ſchem Boden nahm die Verehrung des U. einen ſchwär⸗
meriſchen Charafter an, fo dak er ſtellenweiſe geradezu
vergittert wurde und felbjt die Geſtalt Mohammeds
verdunfelte. Gein Grab in Rufa ijt die Hauptwall-
fahrtsſtätte der Schiiten. Nachkommen Alis (⸗Sche⸗
rife⸗, d. h. Edle) regieren bis heute in Südarabien
und Mella (unter osmaniſcher Oberhoheit), in Oman
und in Maroffo. Die Fatimiden (f. d.) leiteten un-
rechtmäßigerweiſe ihren Urfprung von A. ber. Die
unter feinem Ramen laufenden Spriiche (brSq. und
iiberjept von Fleiſcher, Leipz. 1837, u.a.) und Gedichte
(gedrudt Bulaf 1835 u. 6.) find nicht authentiſch.
2) A. Bei, Sultan von Agypten, qeboren um 1728
in Abchaſien, geftorben im April 1773, als Qnabe
von Sflavenhindlern an den ägyptiſchen Mamelucen-
häuptling Ibrahim Kiaya verfauft, ſchwang fid, von
dieſem 1748 freigelaſſen, zum Mameluckenbei auf umd
wurde nad Ibrahims Tod (1757) deſſen Nachfolger.
Verdrängt, errang er 1766 die Herrſchaft wieder und
jugleid die Unabbingigteit von der Pforte als Sul-
tan von Ygypten. Cr eroberte Meffa und mit dent
ebenfalls gegen die forte rebellierenden Scheich Daher
1771 faſt ganz Syrien. Schon war er Herr von Da-
mastus, alg fein von der Pforte bejtodener Udoptiv-
john Mohammed Bei nach Yigypten guriidging und
U. zur Fludt nad Syrien ndtigte. Hier von Scheid
Daher unterftiist, fieqte A. 1772 über die Titrfen,
eroberte Tripolis, Untiodia, Jerufalem und Jaffa
und riidte 1773 mit 30,000 Mann gegen Aqypten
vor; aber in der Schlacht von Salabie bet Gaga wurde
er von feinem Schwiegerſohn Ubu Dabab gefangen
und ftarb bald dDarauf an feinen Wunden.
3) Paſcha von Janina, geboren wahrſcheinlich 1741
zu Tepeleni in Wlbanien aus der zum Stamme der
Tosfen gehörigen Familie der Hiſſas, geft. 5. Febr.
1822. Nad dem Tode feines Baters Boh Bei, Herrn
von Tepeleni (1754), von fener Mutter Chamfo im
Kampf um das bejtrittene Erbe zu einem riicfichts-
lofen Rrieger exzogen, übernahm er 1766, feine Mut⸗
ter gum Rücktritt bewegend (daß er fie ſpäter vergiftet
habe, ijt nicht erwiejen), ſelbſtändig die Herrſchaft.
Für die im Kriege gegen Rußland und Ojterreid) ge-
leijteten Dienfte wurde YW. 1787 von Wbd ul Hamid 1.
= Paſcha von Triffala in Theffalien ernannt. 1788
mächtigte er ſich Der Stadt und ded Gebiets von
Janina, 1789 aud eines großen Teils von Virta, YW
herrjdte grauſam, aber kräftig, unterdriidte die biu-
tigen Fehden unter den Ulbanefen und behandelte,
religids Duldfam, die Chrijten mild. Rad der Un-
terwerfung der Gultoten (1803) lief er fid) von der
Pforte gum Oberjtatthalter von Rumelien erheben.
Er beherrjdte Ulbanien, Epirus, Thejjalien und das
fiidlidje Mafedonien feit 1807 unabhängig von der
Pforte, die er jährlich Durd einen bejtinumten Tribut
befriedigte. England, Frankreich und Rufland bat-
ten ihre Generalfonfuln an feinem Hof, einem be
fejtiqten Palaſte bet Janina. Sein Heer ſchäßte man
in Der Blüte feiner Macht (1815 —20) auf 100,000
Mann in jablreiden Kaſtellen. Sultan Mahmud
Alia Capitolina — Alicante.
ächtete ihn im Juli 1820 und ſchickte Y8mail Pacho Bei
mit 5000 Mann gegen ihn. Da die albanefifden Füh⸗
rer, die durch Gefdjenfe an fich gu feffeln fein wach—
fender Geis (in feinem Palafte * man 10 Mill.
Gulden in barem) ihn hinderte, zum großen Teil
von ihm abfielen, wurde A. in Janina ———
und mußte vor Churſchid Paſcha, Jsmailsꝰ achfolger,
aus Mangel an Lebensmitteln 10. Jan. 1822 kapitu⸗
lieren. Durch Churfdid in ein Landhaus im See von |
Sanina gelodt, ward er 5. Febr. ermorbdet. Bal.
Davenport u. Hunt, Historical portraiture of
leading events in the life of A. (Lond. 1823); Rint-
cifen, Gefdidte des osmaniſchen Reides, Bd. 7.
4) Mehemed Emin A. (Wali) Paſcha, tiirt.
Staat8mann, geb. 1815 alg Sohn eines Beamten
in Ronjtantinopel, gejt. 6. Sept. 1871 3u Erenfent
in Kleinaſien. Unf Empfehlung Reſchid Paſchas 1830
im UÜberſetzungsbureau des Auswärtigen Amtes an:
geſtellt, wurde er 1835 zweiter Geſandtſchaftsſekretär
in Wien, 1838 Geſandtſchaftsrat und war, nach einem
kurzen Aufenthalt als Unterſtaatsſekretär in Ronjtan-
tinopel, 1840—44 Geſandter in London. Unter Re-
{hid Paſchas Großweſirat war A. Minijter des Wus-
wiirtigen 1846-—-52. Dann eine furje Zeit felbjt
Großweſir, fiel er fdjon im Oftober 1852 in Ungnade
und ward Statthalter in Smyrna, dann in Brujja.
Wahrend des Strimfrieges im Oftober 1854 guriid:
berufen, erhielt er auch DieSmal unter Reſchid Paſcha
als Großweſir die Leitung der auswärtigen Politif und
nabm jeit Mar; 1855 ju Wien an den Verhandlun-
gen über die vier Garantiepunkte teil. Geit Juli 1855
zum zweitenmal Großweſir, prafidierte A. der Diplo-
matenkommiſſion, aus deren Verhandlungen der am
21. Febr. verkündete Hattihumajun vom 18. Febr.
1856 hervorging, ein Rompromiß zwiſchen dem Drän⸗
gen des mit den tiirfijden Verhältniſſen nicht ver—
trauten Europäertums und dem auf die Erhaltung
des mohammedaniſchen Staatsweſens gerichteten Tür⸗
fentum. Da ſelbſt Dem aufgeklärten A. der in Dem
Hatt ausgejprodene Grundſatz der Gleichberechtigung
aller Untertanen ohne Rückſicht auf die Religion wi-
derjinnig erfdeinen mußte, blieben die widerjtrebend
—— Konzeſſionen auf dem Papier. Auch bei
en Verhandlungen des Pariſer Friedens vertrat A.
mit Mehemed Djemil Bei entſchieden und gewandt die
türliſchen Intereſſen; doch die Feltfepungen fiber die
Donaufiirjtentiimer rc. bereiteten der Pforte Schwie⸗
rigfeiten und veranlagten 1. Nov. 1856 Wis Riid-
tritt. Indes blieb er Mitglied des Großen Rates und
Minijter ohne Portefeuille; aud) ward er nad dem
Tode Reſchid Paſchas im Januar 1858 gum dritten-
mal, freilid) nur fiir kurze Zeit, Großweſir. Interimi-
ftiid) hatte er das Gropwefiramt und zum vierten-
mal wirklich vom Auguſt bis November 1861 inne,
worauf er wieder das Minijterium der auswirtigen
Ungelegenheiten iibernahm. Mit dem Großweſir Fuad
Pa fubr er in dem Streben nad ausfiihrbaren
Reformen fort: Fuads fon im September 1865 ge-
madter Vorſchlag, durd Cingiehung der Moſchee—
güter (Wakuf) der Finangnot des Staates absubelfen,
wurde 1868 wenigſtens teilweife ausgefiibrt, nad-
dem A. im Februar 1867 sum fiinftenmal Großweſir,
Fuad Pajda Miniſter des Uuswartigen geworden war.
Während des Sultans Reiſe sur Pariſer Uusjtellung
(im Sommer 1867) führte U. die Regentſchaft und war
auch weiterhin die Seele Der von der Pforie betriebe-
nen Reformtatigtcit; den erneuten Unabhängigkeits
geliijten Äghptens trat er 1869 erfolgreid) entgegen.
tilia Capitolina, ſ. Jeruſalem.
329
lianus, 1) A., genannt der Taltifer, gried.
Schriftſteller, ſchrieb in Rom im Anfang des 2. Jahrb.
n. hr. nad alten Quellen eine »Talttf«, die Haupt-
quelle fiir Die Kenntnis der Elementartattif der Ho-
plitenphalany in der helleniſtiſchen et (rq. mit
deutſcher berſetzung von Köchly und Rüſtow: »Grie-
chiſche Kriegsſchriftſteller⸗ Teipz. 1855).
2) Claudius A. der Sophiſt, aus Präneſte bei
Rom, lebte um 200 n. Chr. Bon ſeinen in griechi—
ſcher Sprache verfaßten Schriften bejigen wir: »Ber-
miſchte Geſchichten⸗ (» Varia historias), in 14 Bii-
gern, aber nur tim Auszug (hrsg. von Perizonius,
Leiden 1701), und » Tiergefdhidten« (»De natura ani-
malium<), in 17 Büchern (hrsg. von Schneider, Leipz.
1784; Jacobs, Jena 1832), beide ebenjo reichhaltige
und durch die Benugung verlorner Schriftſteller wert-
volle wie planloſe Sammlungen von Merfwiirdigteiten
des Menſchen⸗ und Tierlebens. Gefanttausgabe von
Herder (Par. 1858 u. Leips. 1864 — 66).
Alias (lat., »ander3, auf andre Weife«), die an-
dDeriveitige Bezeichnung, die jemand neben der ihm
ebiihrenden annimmt. Go pilegt die Kriminalpolizet
rbrecher, welche ſich verſchiedene Ramen beilegen,
mit ihren Familiennamen und unter Hingufiigung des
a mit ihren angenommenen Ramen ju 4
z. B. »Müller a. Brand, a. Neumanne. Die An—
nahme eines anderiveitigen Namens ijt an und fiir
fid) nicht verboten, wie dies ja aud 4. B. von Schau—⸗
fpiclern zuweilen gefdieht. Sm amtlichen Vertehr muß
aber immer der eigentliche Name mit einem ent-
fpredjenden Zuſatz fortgefiihrt werden, 5. B. » Weill
ler, qenannt Meunier«.
aliasta, j. Wlasta (Halbinjel).
Alibert (pr. vin, Jean Louis, Baron, Medi-
jiner, geb. 12. Mai 1766 in Billefrande (Aveyron),
gejt. 4. Nov. 1837, war Profeſſor in Paris und Ober:
ar3t im Hoſpital St.-Lowis. Schrieb: »Sur les fiévres
pernicieuses ou ataxiques intermittentes« (Bar.
1799, 4. Aufl. 1820); »Description des maladies de
la peaus (Daj. 1806 —27 ; deutſch von Miller, Tiibing.
1806); »Précis théorique et pratique sur les ma-
ladies de la peau« (2. Uufl., Bar. 1822, 2 Bde.);
»Physiologie des passions« (Daj. 1825; neue Ausg.
1861, 4 Bde.; deutſch von Scheidler, Weim. 1826).
Mi (fat., sanderswo, an cinem andern Orte<).
Wenn bei Kriminalunterfuchungen der Bejduldigte
ſein A. nachweiſen, Dd. h. dartun fann, daß er ſich
zu der Zeit, als die ihm zur Laſt gelegte Straftat be—
angen wurde, an einem andern Ort als dem ihrer
ehung befunden habe, fo ijt damit die Unmöglichleit
feiner Täterſchaft und mithin feine Unſchuld dargetan.
Der Beweis des YW. fann aud im Hivilprojze eine
Rolle ſpielen, — gegenüber der Behauptung des
außerehelichen Beiſchlafs.
fibundr (türt., ⸗Brunnen Alis«), Markt im
ungar. Komitat Torontdl, weſtlich von Pancſova,
mit 900) 4628 Einw. und Bezirksgericht, —* an
einem Gebiet (700 qkm), Ddejjen ndrdlide Halfte
das größte ungariſche Gumpfgebiet (WLlibundrer
Sumpf) ijt, 3u defjen Entwäſſerung mehrere Kanäle
dienen, wogegen der fiidlidje Teil (im Temefer Komi-
tat) Die Délibldter (die größte ungarifde) Gand-
wiijte bildet. Geit furgem werden Berfude zur Be—
pflangung der Wüſte mit Bäumen und Reben gemadt.
Alicante, jpan. Broving, der ſüdlichſte Teil des
taligen Königreichs Valencia, grenzt im N. an
die Broving Valencia, im O. und SO. an das Mit-
telländiſche Meer, tm W. an Murcia und Albacete
und bat einen Flidenraum von 5660 qkm (102,8
330
OM.). Die Bevöllerung betrug 1897: 451,174 Einw.
(79 auf 1 qkm). A. gehört Daher gu den am didte-
jten bevöllerten Gebieten Spaniens. Die Proving
umfagt 14 Gerichtsbezirke. Hauptitadt ijt Wlicante.
Wlicante, Hauptitadt der gleidnamigen fpan.
Proving (f. oben), liegt in der Küſtenebene am Fuh
eines ſieil abfallendDen, von einer alten Ritadelle
(Santa Barbara) gefrénten Felsbergs, befigt einen
trefflicjen, von zwei grogen Molen eingefaften Ha-
fen mit Leudjtturm und {diner Raipromenade, ift
Ausgangspunkt der Eiſenbahnen nad Madrid und
Murcia und hat in neuerer Reit nad Uuflaffung der
Hejtungswalle ein modernes Ausſehen erlangt. A. hat
cin groped Stadthaus, ein Theater, ein Inſtituto
(höhere Bürgerſchule), eine Schiffahrts- und Zeichen⸗
ſchule und zãählt 1897) 49,463 Einw. An indujtriellen
Ctablijjements gibt e3 ein Cifen- und Stahlwerk, eine
roße Labaffabrif, zwei Petroleumrafjinerien u. a.
Soncicntwert find die neuen Marfthallen. Der
Haupterwerbsjweig der Bewohner ift der Tranfit-
handel. 1899 betrug der Schijfsverfehr 3083 Han-
delsſchiffe von 2,018,001 Ton. Der Wert der Ein-
fubr (Cabotage eingeſchloſſen) belief fid) 1899 auf
63,5, jener der Uusfubr auf 81,1 Mill. Peſetas. Die
wichtigſten Einfubrartifel find: Fäſſer und Fakdau-
ben, Greintoble, Petroleum, bearbeitetes Eiſen und
Stockfiſch; Unsfubrartifel: Blei, Süßholz, Unis, Man-
deln und Safran, bauptfidlid aber Wein (1899:
988,176 hl). In lepterer 35* iſt namentlich
der zum Teil in der Umgegend (beſonders am erwähn⸗
ten Berge) wachſende Alicantewein zu erwähnen,
ein ſchwerer, ſüßer, wegen feiner dunleln Farbe Vino
tinto genannter Wein, der insbeſ. gum Farben an-
derer Weine verwendet wird. Der Weinbau von A.
dDatiert aus den Zeiten Karls V., der Reben vom Rhein
hierher bringen ließ. A. iſt Sif eines Gouverneurs
und mebrerer auswärtiger Ronfulate, aud) ened deut-
ſchen. — A., Dad Lucentum ber Römer, wurde 718
von den Mauren erobert, durd Ferdinand ITT. dieſen
wieder entriffen und 1304 an die Krone von Yrago-
nien abgetreten. A. hatte mehrfade Belagerungen
und Beſchießungen ju bejtehen, fo 1709 und 1812
durd) die Franjofen und 27. Sept. 1873 durd) die
föderaliſtiſchen Aufſtändiſchen von Cartagena.
Wlicantefoda, ſ. Soda.
Wlice Maud Mary, Großherzogin von Heffen,
geb. 25. Upril 1843, geft. 14. Dez. 1878, zweite Tod)-
ter der Königin Vittoria von Grofbritannien und
des Pringen Wibert, vermählte fid) 1. Juli 1862 mit
bem Prinzen Ludwig von Heffen, der 1877 als Qud-
wig IV. Großherzog wurde. YW. war eine geiſtig hoch⸗
begabte, feingebildete Fürſtin von ernjtem Charatter,
die in Kranfen- und Armenpflege unermüdlich tätig
war (f. Alice⸗ Verein) und fiir Ltteratur und Wiſſen⸗
ſchaft lebhaftes Intereſſe zeigte. Bal. »A., Großher⸗
zogin von Heſſen. Mitteilungen aus ihrem Leben
und aus ihren Briefen« (5. Aufl., Darmſt. 1884);
»A., Grand-duchess of Hesse. Letters to her Ma-
jesty the Queen« (ond. 1884, neue Ausg. 1897).
Wlice- Verein, Landesfrauenverein vom Roten
Kreuz im Großherzogtum Heſſen, 1867 von der fpa-
tern Großherzogin Ulice geqriindet, mit dem Landed:
mannerverein sur freiwilligen Krankenpflege berech⸗
ligt, widmet fid) im Frieden ausgedehnter gemein-
nuͤtziger Tatigteit: Schwelternausbildung, Rranfen-
hausunterhaltung, Gemetndepflege, Frauenbildung,
Hebung der weibliden Erwerbstatigteit rc.
Wlicuri, |. Liparifde Inſeln.
Wliden, die Nachlommen des Kalifen Wii (f. Ali 1).
Alicante — A limine.
Mili el Fepahani, arab. Sdriftiteller, ſ. Ughani.
Alienation (lat.), Entfremdung, Entiujerung,
Veräußerung, Entwendung; Alienatio mentis, Ger-
a ae
Alien - Bil, ſ. Fremdenredt.
Aliéni juris homo (lat.), Menſch frembden
Rechts, ———— römiſchen Rechts für eine
in der väterlichen Gewalt oder in der Sklaverei be-
findlide Berfon, im Gegenfage ju homo sui juris,
einem Menſchen von redjtlicher Selbjtdndigfeit.
Wligarh, Hauptitadt des gleichnamigen Dijtrifts
(6063 qkm mit (1891) 1,043,172 Einw.) der britiſch⸗
ind. Nordweftprovingen, unter 27° 56’ nördl. Br. und
78° 7’ öſtl. &., an der Eiſenbahn Agra - Dehli, hat ein
jtarfes Fort, ein College, große Werlſtätten fiir Voſt⸗
wagen und mit dem benadpbarten R oil (891) 60,370
Cinw., darunter 38,253 Hindu, 22,504 Mohamme⸗
Wlighieri, ſ. Dante Wlighieri. daner.
Aliguement (franz., fpe. alinj'mang, »Richtſchnur,
Richtung«), in der Aſtronomie das Aufſuchen der
Sternbilder am Himmel nach einer Sternkarte durch
erade Linien von einem belannten Sternbild aus.
rlängert man z. B. die durch die beiden Hinterrader
—— Bären (8 und a) gezogene Linie nad) oben⸗
hin um das Fünffache, fo trifft man auf den Polar:
tern, Diefer liegt wieder ungefähr in der Witte zwi⸗
ken aim Grogen Biren und fin der Raffiopeia x. —
Methode des W. nennt man dic von Mäſtlin an-
geqebene Methode der Orisbeftimmung eines Gejtirns
als Durchſchnittspunkt zweier größter Rreije, deren
Lage durd) befannte Sterne beſtimmt ijt. Man fuche
zwei Sternpaare auf, von denen jedes mit dent ju
beſtimmenden Gejtirn auf einer geraden Linie liegt,
was mit Hilfe eines gefpannten Fadens leicht aus-
geführt werden fann, und ermittelt aus den Roordi-
naten ber befannten Sterne rechneriſch diejenigen des
gefudten Gejtirns. — Yn der Meßkunſt das Beijtim-
men von Punften in einer Linie, die im Felde bereits
durd) zwei Punkte feftgelegt ijt (vgl. Abſteclen) —
Beim Militar die tm voraus durd) Punkte bezeichnete
Frontlinie, in der Truppen fic) aufftellen oder fic
we follen.
Alima (Mifeneh), rechtsſeitiger Nebenfluy des
untern Kongo, in Franjdfifd-RNongo, entipringt auf
dem Plateau Akukuja nabe den Ogowequellen, flict
an den franjdfijden Poſten Didié, WU. und Lefati, wo
fie {chiffbar wird, voriiber und miindet unter 1° 32°
ſüdl. Br. in den Kongo. Der Fluß wurde 1878 von
Brazza entdedt und 1883 bis zur Miindung von
Ballay aufgenommen.
Alimentation (lat.), Ernährung, Verpflegung.
Unterhalt; Wlimentationstlage, Alimenta—
tionspflidt, f. Unterbaltspflidt.
Alimente (lat., »Rahrungsmittel<), wiederfeh-
rende Leijtungen, die gewiffe Berfonen einander ent-
weder jum notbdiirftigen oder ſtandesgemäßen Lebens⸗
unterhalt su gewähren verpflidtet jind. Dieje Une
terhaltspflicht fann auf Willenserklärung, —*
oder unerlaubter * beruhen. Weiteres |.
Unterhaltspflicht. Uber OW. im Verſicherungsweſen
ſ. Rückverſicherung.
Alimentieren (lat.), einen verlöſtigen, fiir ſeinen
Unterhalt forgen (ſ. Alimente und Riidverficerung).
limine (judicii), »von der Schwelle« des
richts oder einer fonjtigen Behörde) weg, kurzweg
juriidweifen, ohne bak über die Sache verbanbdelt
wird. Hierzu war das Geridt nach früherm Recht
vielfad befugt. Nad) der deutſchen Sivilprosehord-
nung darf aud eine mangelhafte Klage nur nad
Alimoſch — Alismazeen.
mündlicher Verhandlung durch Urteil abgewieſen wer⸗
den, der Vorſitzende muß hierzu (nad § 216) einen
Alimoſch, ſ. Geier. Termin beſtimmen.
Alin, Ostar, ſchwed. Hijtorifer, Staatsrechts⸗
lehrer und Staatsmann, geb. 22. Dez. 1846 in Falun,
geſt. 31. Dez. 1900 in Stodholm als Univerſitätsrektor
von Upſala, war daſelbſt ſeit 1872 Dozent, ſeit 1882
ordentlicher Profeſſor der Geſchichte und Staatswiſſen⸗
ſchaften, unterrichtete 1881 in Karlsruhe die ſpätere
ſchwediſche Kronprinzeſſin Viltoria von Baden in
ſchwediſcher Literatur und Geſchichte und ward 1893
von der Upfalaer Qurijtenfatultit gum Ebrendottor
ernannt. Im Provingiallandtag von Upſala (feit
1884) fowie al sie gr der Erjten Reidstagstammer
1888 — 99) erwarb fic) A. ſchnell cine ——
tellung. Er gehörte ſeit 1890 der Verfaſſungs-
lommiſſion des Reichstags, dem 1895 infolge der Ju⸗
ſpitzung der Unionsfrage ernannten »Geheimen Aus⸗
ſchuß⸗ 1895 —98 dem zwecks Revifion der Unions⸗
verfaffung tagenden ſchwediſch⸗ norwegiſchen Komitee
an und führte den auf nationalfdhwedt{dy-tdiulgoline:
riſchem Standpuntt ftehenden redjten Fliigel der Ron-
fervativen. Auch auf wiffenfdaftlidem Gebiet hat
U. Hervorragendes geleijtet. Außer vielen größern
Ubhandlungen (befonders in » Historisk Tidskrift<)
verdjffentlidjte er die Hiftorifdjen Urbeiten: »Bidrag
till svenska rAdets historia under medeltiden«
(prei8qetrint, Upſ. 1872); »>Om svenska ridets sam-
mansittning under medeltiden« (Daf. 1877); »Sve-
riges historia frin fldsta tid till vära dagar«,
Bd. 3 (umfapt die Zeit 1520—1611; Stodh. 1877—
1878); >Ofversikt at 30 driga krigets historia« (Daf.
1878); »Minnen ur Sveriges nyare historia«, Bd. 12
(umfakt die Zeit 1828—44; Upſ. 1881 und Stodh.
18938, 2Tle.); »*Svenska riksdagsakter 1521—1544«
(mit ©. Hildebrand, Stodh. 1887); »Carl Johan och
Sveriges yttre politik 1810—1815« (Bd. 1, daſ.
1899); »Tronféljarevalet 1810« (daf. 1899); »Fér-
handlingarne om allianstraktaten mellan Sverige
och Ryssland 18124 (Upf. 1900); »Svenska statsra-
dets protokoll i frigan om firbundet med Ryssland
1812« (Daf. 1900); »Sveriges och Norges traktater
med frimmande makter« Bd. 8 (umfaft die Beit
1868—77, Stodh. 1900). Bon feinen ſtaatsrecht⸗
lichen Urbeiten feien, neben dem epodemadenden Werk
»Den svensk-norska unionene (Stodh. 1889—91,
2 Bde.), qenannt: »Sveriges grundlagar etc.« i
1891, 4. Aufl. 1900); ⸗Zur auswärtigen Minijter-
frage in Schweden-Norwegen« (anonym, Leip. 1896 ;
bia ſchwed., engl. und fran3.); »Unionskomiténs
resultat« (Stodh. 1898); »Fjerde artikeln af freds-
traktaten i Kiel 1814« (daſ. 1899). Geine uniond-
olitiſchen Anſchauungen haben in Rorwegen viel
iderſpruch erregt, dagegen im Ausland und bei jiin-
gern ſchwediſchen Staatsrechtslehrern, wie Rellén (ſ. d.)
und Varenius (ſ. d.), lebhaften Anklang gefunden.
Ein aufrichtiger Bewunderer deutſcher Geiſtesbildung,
hat A. den erſten Band von G. Droyſens ⸗Guſtav
Adolf⸗- ſowie Rankes »Wallenſtein« ins Schwediſche
übertragen. Vgl. Barenius, O. A. Nagra minnes-
ord (Stockh. 1901).
Mlinéa (lat. a linea), in Drud und Sdrift cin
neuer Abſatz, cine neue Zeile. Auch eingelner Satz in
Gefesparagraphen od. in einer Reihenfolge v. rs
Wlingsas (jpr. 08), Stadt im ſchwed. Lan Elfs—
borg, am Lillé und nahe der Mundung de3 Safved
in Den See Mjörn, an der Eiſenbahn Stodholm-Go-
tenburg, bat Baumwollweberei, Brauerei, Gerderei
und (1899) 3210 Einw.
331
Wlinit, als feines Pulver von den Farbenfabriten
vorm. Friedr. Bayer u. Romp.-Elberfeld in den Han-
del gebradter Bacillus Ellenbachensis, der, mit Waſ—
fer angeriihrt sum Befeudten des Gaatgutes verwen-
det, ohne Stidjtoffdiingung durch Löſung de3 unld3-
liden Bodenftidjtoffs und durd Bindung des Luft:
eget bie Körnerernten der Halmfriidte erhihen
oll. itber den Wert des Wlinits find die Anſichten geteilt.
Alioth, der Stern ¢ (2. Größe) im Groen Baren.
Wliphatifde Reihe, in der — Chemie
die Reihe der Fettkörper (ſ. d. und Kohlenſtoff).
Aliptae, ſ. Aleiptes.
Aliquauter Teil, ſ. Aliquoter Teil.
Aliquid haeret (lat., »etwas bleibt hängen«),
Verkürzung des Sprichworts: »Audacter calum-
niare etc.« (f. d.).
Wliquoter Teil, cin Teil des Gangen, der cine
Anzahl mal genonnnen das gu teilende Ganze gibt.
Seder andre Teil —* heißt cin aliquanter
Teil. So find 3, 5, 7 aliquante, 2, 4, 8 aber ali-
quote Leile von 16.
Wliquotfliigel , ſ. Klavier.
Wliquottine (Nebentine, Beitine), die har-
monifden Obertine (f. Schall) von Saiten, Bfeifenre.,
fo genannt, weil fie erflingen, wenn die Saite oder
die in einer Pfeife enthaltene Luftfiule ſich durch ru-
bende Knotenpuntte in ſchwingende Unterabteilungen
gerlegt, bie aliquote eile der Gaiten- oder ag
dnge find. Sore Schwingungszahlen verhalten fic,
diejenige des Grundtons des Semunpenden drpers ⸗
1 gefebt, wie die Reihe der natitrliden Zahlen 2, 3, 4,
5 2., oder wenn man den Grundton mit c bezeichnet,
fo find die zugehörigen A. c,, Z,, Cy, €y, Ze, (Dz), Cy, dy,
ey (h) &s (Zis5), —83 hy, ¢,%. Die eingellammerten
tenbezeichnungen geben die U., deren Schwingungs⸗
gablen 7+, 11+, 18, ldmal fo grok find als diejenige
Grundton8 c, nur anndbhernd wieder, da biete
Tone in unſerm Muſilſyſtem nicht vorfommen.
Aliscans (Alyscamps, fpr. alistang, lat. Elysii
campi), der Name eines mit heidniſchen u. chriſtlichen
Steinſärgen bededten Feldes an der Rhone, univeit
Arles (jf. d.). Die Sage hat hierher die Kämpfe des
Guillaume d'Orange mit den Sarazenen verlegt. Die
Chanfon W., die dieſe Kämpfe erzählt, iſt eme der
tenditen aus dem altfranzöſiſchen Vollsepos und
von Wolfram von Efdenbad in feinem »Willehalm«
nadgedidtet. Sie ijt herausgegeben von Gueſſard und
de Montaiglon (Par. 1870) u. von Rolin (Leipz. 1894).
Aliſe Sainte-Reine (jpr. alif pangt’ «iw, ? Aleſia.
Alisma L. (Froſchlöffel), Gattung der Alis—
mazeen, ausdauernde Waſſerpflanzen. A. Plantago
L. Gaſſerwegerich), in Graben und Teichen der
gemafigten Zone beider Halbtugeln, mit langgeftiel
ten, cilangettliden,, aus dem Waſſer ————
en,
Blattern, reidbliitiger Rijpe und rötlichen
enthalt ſcharfen Saft und
wurde früher argneilid
benutzt. Die ſtärkereiche
Wurzel, die durch Trod-
nen ihre Schärfe verliert,
wird von den Kalmücken
gegeſſen.
— ——— (Baf-
ſerlieſche, Froſchlöf—
felpflanzen), monofo-
tyle, etwa 60 Arten um⸗ grate von Alisma Plantago.
faſſende Familie Der ge-
mapigten und warmen Zone aus der Ordnung der
Helobien, Sumpfpflangen mit gitternervigen Blit-
332 Nlijo —
tern und typiſch dreizähligen Blüten (ſ. Ubbildung,
S. 331), die aus einem dugern feldjartigen und einem
innern blumenblattartigen reife, feds bis unbe-
jtimmt vielen Staubblittern und ebenfoviel Frucht—
blattern bejtehen. Bgl. Budenau, Index criticus
Butomacearum, Alismacearum etc. (Orem. 1868).
Wlifo, rdmijdes, von Druſus 11 v. Chr. angelegtes
Rajtell in Bejtfalen, wurde nad Varus' Niederlage von
den Deutſchen erobert und 16 n. Chr. von den Rdmern
—— Solange die Römer im Innern Ger-
maniens friegten, war ihnen A. jtets — denn es
ſicherte die Heerſtraße auf dem rechten Ufer der Lippe.
Die 1899 von Schuchhardt auf dem Unnaberg bei
Haltern an der Lippe aufgededte römiſche Nieder—
laſſung wird jest mit guten Griinden fiir A. gebalten.
Aliſon (jpr. anim, 1) Sir Urdhibald, engl. Ge-
ſchichtſchreiber, geb. 29. Dez. 1792 in Kenley, geft.
23. Mai 1867, jtudierte in Edinburg, wurde 1814
Advolat, trat 1822 in den Staatsdienſt und-wurde
1834 Sheriff von Lanarfibire. Nachdem er fic durd
jeine juriftijden Werfe: »The principles of the cri-
minal law of Scotland« (Edinb. 1832) und » Practice
of the criminal law (daj. 1833) in England befannt
qemadt hatte, wurde er durch jeine »History of
Europe from the commencement of the French
revolution to the restoration of the Bourbons«
(daj. 1833-42, 14 Bde.), von der zehn Uuflagen
erjdienen (zuletzt 1860, 14 Bde.), aud) im Wusland
beriihint; fie wurde ins Franzöſiſche und Deutſche
(Leip;. 1852 —53, 8 Bde.), ins Arabiſche (Malta 1845)
und Hindojtani überſetzt. Bom fonfervativen Stand-
punft aus betradjtet jte die Geſchichte als cine Mette
von Wirkungen, worin fid) das Walten der Borjehun
ojfenbart. Son demfelben Standpunft aus —*
A. jahrelang in »Blackwood's Magazine« hervor—
ragende Erſcheinungen der Tagesgeſchichte; cine Uus-
wahl diefer Aufſätze erſchien als » Political and histo-
rical essays« 2 3 Bde.). Außerdem ſchrieb A.:
»Principles of population« (1840), worin er die
Malthusſche Theorie belämpft; »England in 1815
and 1845« (1847); »The life of the Duke of Marl-
boroughs (1847; deutſch von Biilau, Leip;. 1851); |
»History of Europe from the fall of Napoleon to
the accession of Louis Napoleon« (2. Aufl., Edinb. |
1865, 8 Bde.) und »Lives of Lord Castlereagh and
Sir Charles Stewart« (1861, 3 Bde.). 1852 wurde |
A. gum Baronet und 1853 von Orford zum Ehren:
doltor der Redjte ernannt. Val. ſeine Setbjtbiogra-
phie: »Some account of my life and writings«
(Edinb. 1882, 2 Bde.).
2) Sir Urdhibald, Sohn des vorigen, engl. Ge-
neral, geb. 21. Jan. 1826 in Edinburg, trat 1846 in
die Urmee, nahin am Rrimfrieg teil, beqleitete 1857
Lord Clyde als Generalftabsoffisier nad Synbien, vers
lor bet Lafhnau einen Arm, befehligte im Aſchanti—
frieg unter Wolfelery die europäiſchen Regimenter und
1882 in Agypten eine Brigade. Wis Generalleutnant |
führte er 1882 83 das Kommando fiber die britifden |
Truppen in Ägypten und war 1885 auf furze Beit
Generaladjutant der Ylrmee. 1893 nahm er den Ab—
ſchied. Er ſchrieb: »On army organisation« (1869).
Wlifonbill, ſJ. Bandbill.
Milius, &., Stilo Braconinus, um 150 —70 |
v. Chr., aus Lanuvium, römiſcher Ritter, der wiſſen—
ſchaftliche Begriinder der lateinifchen Sprad- und
Ultertumsfor}dung, indem er auf die dltejten Sprach⸗
Denfmaler juriidging und fie fommentierte. Seine
Schiller waren Cicero und Barro. Vol. Meng, De
Aclio Stilone (Qeips. 1888).
Alizarin.
Aliwal North, Bezirk der Kapkolonie, vom ehe-
maligen Dranjeftaat durch den Oranjefluß geſchiedert.
3380 qkm groß mit (so) 9960 Einw., worunter
4662 Weiße, 4416 Bantuneger und 882 Hottentorters.
Der gleidnamige Hauptort am Oranjefluß ijt durch
Eiſenbahn mit dem Hafen Eajt London verbunden
Alizarin (von Alizari, einer Sorte Srapp,
Krapprot)C,,H,O, oderC,H,.CO.CO.C,H OH),
Farbſtoff, findet fic) rm Krapp als Zerſetzungsproduft
der in der frifden Wurzel enthaltenen Ruberythrin-
ſäure, Die Durd) Fermente in WU. und Zucker gejpalterr
wird. A. wurde 1826 von Robiquet und Colin ent-
dedt, und 1868 erfannten Gräbe und Liebermann
das A. als ein Dioryanthradinon und griindeten dar-
auf die künſtliche Darjtellung aus Anthrazen C,,H,,.
Dieſe erjte Syntheſe eines Pflanzenfarbſtoffes it fir
die Induſtrie und für die Landwirtſchaft mancher
Länder ſehr bedeutungsvoll geworden. 1869 brachte
Perlin das erſte künſtliche A. (¶ Tonne) in den Handel,
und 1898 führte Deutſchland 9320 Ton. A. im Wert
von 16,874,000 Wf. aus. Zur Darjtellung von A.
orybdiert man Unthrazen mit hromfaurem Kali und
verdiinnter Sdhwefelfaure gu Unthradinon C,,H.0,,
behandelt dics mit raudender Schwefelfaiure und fall
aus dem erhaltenen Gemiſch von Gulfofauren mit
tznatron juerjt anthradinonmonojulfojaures, dann
bet vollſtändiger Neutralijation anthradinondijulfo-
jaures Patron. Erſteres wird auf A. verarbeitet,
wahrend letzteres bei gleider Behandlung Flavopur-
purin und Iſopurpurin liefert. Das anthradinon-
monojulfofaure Natron liefert beim Erhitzen mit
Upnatron und etwas dhlorfaurem Kali unter hohe
Drud auf 180° Wlizarinnatrium C,,H,O,.ONa +
NaOH =C, ,H,0,(ONa), + 2H. Aus der Ldfung der
Schmelze wird das WU. durd) Säure gefallt. Cs wird
mit Wafer gewaſchen und als 10—20pro3. Paſta m
den Handel gebracht. A. bildet rötlichgelbe Prismen,
ſchmilzt bei 290°, fublimiert in orangeroten Nadein,
iöſt ſich leicht in Ailkohol und Äther, wenig in heißem
Wafer, mit dunfelroter Farbe in fongentrierter Schwe⸗
felſäure, mit purpurroter in Ulfalien. Die Lojungen
werden durch Alaun und Zinnſalze rot, Durd Eiſen⸗
oxydſalze ſchwarzviolett, durd) Chromſalze violett-
braun gefällt, und auf dieſer Eigenſchaft, mit Metall-
oxyden gefärbte Verbindungen einzugehen, beruht
ſeine Anwendung in der Färberei und Zeugdruckerei,
wo es den Krapp mehr und mehr verdrängt hat. Eine
Ldfung von A. in Eſſigſäure gibt mit Salpeterſäure
frijtallijierbares Nitroalizarin C,,H~NO,)O,, dad
als Alizarinorange jum Farben von Baumwolle
und Wolle benugt wird und beim Erhigen mit Gly—
zerin und Schwefelſäure Wlijarinblau (Diory-
anthbradinondinolin) C,,H,,NO, liefert. Died
bildet metallglingende, blauviolette Nadetn, ſchmilzt
bei 270°, ſublimiert bet höherer Temperatur und (dit
ſich in Allohol und Benzol, faum in Waſſer. Da es
durch Sinfitaub, Traubenjuder x. entfarbt wird, an
der Luft aber fic) regeneriert, fo eignet es fid) zur
Küpenfärberei. Es dient befonders jum Rattundrud.
Uligarinpulver (Alizarinkarmin) ijt alizarin—
monofulfofaures Natron, es gibt auf Wolle mannig:
fade Nuancen, von denen die ſcharlachroten gegen
Licht und Luft abfolut beftindig find. Salpeterjaure
bildet mit A. Phthalſäure, beim Glühen mit ZJinkſtaub
entitebt Unthrazen. Unter dem Namen Alizarin—
farbjtoffe find viele Farbſtoffe im Handel, die ſich
nidt von Anthrazen ableiten, wohl aber in der Ron-
ftitution Dem A. ähnlich find und fich wie dieſes in
der Färberei verwenden laſſen.
Alizarinbraun — Alkalimetrie.
Alizariubraun, ſ. Anthragallol.
Alizarinorange, ſ. Alizarin.
Alizarinſchwarz, ſ. Naphthazarin.
Alizarintinte, ſ. Tinte.
Aljubarrõta (jor. alſchu⸗ Dorf im portug. Diſtrilt
Qeiria (Prov. Ejtremadura), mit (900) 3438 Einw.
Hier erfimpfte 14. Aug. 1385 Johann I. von Por-
tugal gegen den taſtiliſchen König Johann I. die Un-
abbingigheit i (jf. Batalha).
iF (Alea L.), Gattung der Schwimmvögel aus
der Familie der Ulfen (Alcidae), Bagel mit walzen-
formigem Leib, furgen, weit nad hinten eingelenften
Beinen, dreizehigen Schwimmfüßen, mittellangem
Schnabel, langſpitzigen, ſehr kurzen oder verfitmmer-
ten Flügeln und kurzem Schwanz. Die Alken bewe-
gen ſich auf bem Lande ſchwerfällig, fliegen ungeſchickt,
ſchwimmen aber pfeilſchnell und erbeuten tauchend
allerlei Seetiere. Die Gattung iſt in der arftifden
Zone durch mehrere Arten repräſentiert und in ſehr
großer Individuenzahl vorhanden. Bei drohender
Gefahr ſuchen die Vögel Schutz durch Tauchen und
Schwimmen. Wertvoll ſind Eier, Federn und die nod
nicht flüggen, von Fett ſtrotzenden Jungen, die ein—
—55 — werden. Man erflettert die Klippen (Vogel—
erge), auf denen die Vögel brüten, und erſchlägt fie.
Wud) breitet man Netze auf der See aus und ſcheucht
die Vögel durch Schüſſe auf. Der Tordalk (Wife,
Cisalf, A. torda L., f. Tafel »>Sdwinunvigel VI«,
vig. 1), 42 cm lang, 70 cm breit, wei, am Ropf,
Hals und an der Oberfeite ſchwarz, bewohnt nament-
lic) die Lofoten, briitet vereingelt auf Helqoland, er-
fcheint im Winter an den deutiden, hollandijden und
franzöſiſchen Küſten, nijtet in Felfenrigen und unter
Steinen und legt ein in Firbung und Zeichnung viel-
fad) variierendes Ci. Der Rieſen- oder Brillen- | false
alt (Geyrfugl der Isländer, A.impennis L., ſ. Ta-⸗
fel »Schwimmpögel Vi<«, Fig. 2), 90 cm lang, mit
verfiinmmerten Fliigeln, auf der Oberjeite ſchwarz, an
der Kehle ſchwarzbraun, unterfeits weiß, ijt feit etwa
1840 ausgejtorben. Er briltete auf den Färöerinſeln
und fam aud) an die deutſche Küſte. Wm häufigſten
war er auf den Schären vor Island und Neufund-
land und auf der Funkinſel, wo die Vogel nod im
17. Jahrh. majjenhaft erfdlagen und eingeſalzen
wurden. Spiiter erlegte man fe der Federn halber.
Das cingige Ci, weldes das Weibden legte, war 120
bis 130 mm fang, grauweiß, dunkel gefledt. Der-
artige Eier werden jest fehr teuer bezahlt (6000 Wit.).
1. Blafius, Zur Gejdidte von Alca impennis
(+ Journal fiir Ornithologie«, 1884).
Wlfaheft (arab.), nad) Paracelfus das Univerjal-
{dfungsmittel fitr alle Stoffe.
Alkäiſche Verfe, drei nad dem griech. Lyriker
Alläos benannte antife Metra: der elf ilbige, be-
ftehend aus ciner Unafrufis, einer trochaijden Di-
podie, cinem Daftylus und einer fataleftijden tro-
daifden Dipodie mit der Zäſur vor dem Daltylus;
der neunjilbige, cine Anakruſis —— iſche
Dipodien; der zehnſilbige, zwei Daktylen und cine
troddijde Dipodie. Der verdoppelte et bildet mit
und dritten die alkäiſche Strophe:
— — — — — — — — —7
Dieſe Strophe war neben der ſapphiſchen die beliebteſte
des lyriſchen Liedes der Griechen.
Alkalde (ſpan. alcalde, v. arab. alqadi, -Richter«),
in Spanien Titel bes Vorſtandes einer politiſchen Ge-
333
meinde, des Vorſitzenden des Wyuntamiento (ſ. d.),
zugleich Friedensrichter, der in Bagatellſachen end-
gültig entſcheidet und in Kriminalfällen die Vor—
unterſuchung leitet.
Alkaleszenz, das Ulfalijchicin eines Körpers; al-
falijde Reaklion: das Vermögen, mit Säuren Salze
Alkali, ſ. Alkalien. zu bilden.
Alkaliblau, ſ. Anilinblau.
Alkalien, die Oxyde und Hydroxyde der Wifali-
metalle, alſo namentlid) Rali und Natron (Kalium—
und Ratriumoryd, reſp.-Hydroxyd). Die Araber
nannten Wali den löslichen Beſtandteil der Pflanzen:
ajde, der bei See- und Strandpflangen wefentlid aus
fohlenfaurem Natron, bei Landpflangen aus foblen«
jaurem Mali bejteht. Wis man im 18. Jahrh. dieſe
beiden Salze unterjdjeiden gelernt hatte, gewann
man foblenjaures Natron welentlid) aus WMineralien,
foblenjaures Kali aus Pflanzen und nannte daber
lepteres vegetabilifdes, erſteres mineralijdes
Alkali, bis Klaproth 1796 entdedte, daß Kali auc
im Mineralreid) vorfommt. Als feuerbeftindige Kör—
per wurden fie {don von den Urabern fire A. ge-
nannt jum Unterſchied von dem ſehr ähnlichen, aber
flüchtigen foblenjauren Ummoniak (flidtiges Al—
fali). Diefe drei A. braufjen beim rgießen mit
Säuren (entwickeln Kohlenſäure) und wirken viel we-
niger energiſch als die aus ihnen mit Hilfe von Ätzlalt
Dargejtellten Hydroryde. Man unterjdied daher aud
milde (Pottafde, Soda) und ätzende oder fau-
ſtiſche A. Die A. find farblos, in Wafjer leidt lös—
lidh, zerſtören Pflanzen- und Tierſtoffe (wirken ätzend),
ſchmecken kauſtiſch, bläuen rotes Lackmus und braͤunen
Kurkuma; ſie fällen die ſchweren Metalle aus ihren
—— als Oryde, Hydroxyde, reſp. Kohlenſäure⸗
ie meiſten Salze der A. ſind in Waſſer löslich.
lkalimetalle, die aus den Alkalien dargeſtellten
Metalle: Kalium, Natrium, Rubidium, Cäſium, Li-
thium; fie beſitzen volllommenen Metallglanz, find
bet mittlerer Tentperatur fehr weich, bis auf Rubidium
leichter als Waſſer, orydieren ſich an der Luft ſehr
ſchnell und zerſetzen Waſſer ſchon bei gewöhnlicher
Temperatur unter Entwickelung von Waſſerſtoff. Sie
müſſen unter ſauerſtofffreien Steinöl aufbewahrt
werden. Die Oxyde und Hydroxyde fowie die Kohlen⸗
faurefalze find die Wlfalien.
Alkalimetrie, Verfahren zur Enmittelung ded
Gehaltes der Pottaſche —————— Kali, der Soda
an kohlenſaurem Natron, des Äßnatrons an Natrium-
hydroryd x. Sebr widtig ijt aud) die alfalimetrifde
Beſtimmung de3 Ammoniaks, nicht nur fiir die Ana—
lyſe von peeps fondern auch fiir die Be-
ſtimmung des Stiditoffgebalts vieler Körper, deren
Stictitoff leicht in Ammoniak iibergefiihrt werden fann.
Man bejtimmt den Ulfaligehalt —* durch Maßana⸗
lyſe, indem man ermittelt, wieviel Maßflüſſigleit er-
forderlich ijt zur Neutraliſation der Löſung emer ab-
ewogenen Menge der zu unterjucdenden Subjtan;.
Sua mbdifatoren dienen Phenolphthalein, Lackmus
oder WMethylorange. Cine Umfehrung der A. ijt die
Ucidimetrie, d.h. die Beſtimmung des Gehaltes von
Séuren, indem man ermittelt, wieviel Maßflüſſigleit
von beſtimmtem Gebalt zur Neutralijation einer be-
ftimmten Säuremenge erforderlid ijt. Zur Analyſe
von Ammoniakſalzen verfest man diefe nuit überſchüſ⸗
figem Kaliumhydroxyd, dejtilliert das Wnumoniak in
eine mit überſchüſſiger titrierter Schwefelſäure beſchickte
Borlage und titriert nad beendeter Dejtillation die
nicht neutralijierte Schwefelſäure. Bal. Glafer, Die
Indilatoren der Ucidimetrie und A. (Wiesbad. 1901).
334
nett Erden, ſ. Erdalfalimetalle.
Alkaliſche Laugen, Löſungen des Kalium- und
Natriumhydroxyds.
Luft, ſoviel wie Ammoniak.
Alkali Meaktion, |. Baſen.
Alkalvide (Pflanzenbaſen), in mancher Hin-
ſicht den Ulfalien ähnliche (Daher der Name), oft durch
jtarfe Wirfungen auf den tierijden Organismus aus-
ezeichnete Pflanzenſtoffe, die aus Kohlenſtoff, Waſſer⸗
toff und Stickſtoff beſtehen und meiſt aud) Sauerſto
enthalten. Sie find weitverbreitet im Pflanzenreich,
aber ſehr ungleichmäßig verteilt. Bei den togamen
fehlen fie ganz, unter den Monokotyledonen finden ſich
VU. eigentlich nur bei den Roldifazeen (Coldicin, Be-
ratrin, Jervin), befonders reid) an Ulfaloiden find die
Papaverajeen, Solanajeen, Ranunfulajeen, St
nazeen und die Rubiazeengattung Cinchona. A. fin-
den ſich auch bei Leguminoſen und Umbelliferen, felten
bei Kompoſiten und Labiaten. Pflangen der gleiden
Familie enthalten oft diefelben oder einander ähn—
lidje A., wabrend diefelbe Bafe mur felten in mebhre-
ren Pflangenfamilien auftritt (Berberin). In einer
Pflanze finden fich bisweilen mehrere U., die Dann
unter fid) ifomer find oder nur geringe Dijferengen
in ibrer Zufammenfepung jeigen. Am häufigſten
finden fid) A. in Früchten, Samen und Rinden, und
zwar an Apfelſäure, Gerbſäure xc. oder an den be-
treffenden Pflanzen cigentiimlide Säuren (China-
jiure, Mefonjiure) gebunden. Wenige A. find fltid-
tige, wafferbelle, intenfiv riedende, in Allohol, Uther
und Chloroform, meijt aud) in Waffer lösliche Fliiffig-
feiten; die meiſten find feft, farb- und gerudlos,
ſchmeclen bitter, find nicht oder nur in febr fleinen
Wengen unzerſetzt fublimierbar, frijtallijieren, find
in Wafjer ſchwer oder gar nidt, in Allohol, viele aud
in Uther, Bengin, Amylalkohol, Chloroform leidt
löslich. Die meiſten A. find tertiäre Bafen, einige find
ſelundäre Amine oder Ummoniumbafen, fie reagieren
jtarf alfalifd) und geben mit Säuren fejte, geruchloſe,
in Ulfohol leidter als in Waſſer und Äther lösliche
Salze. Ulfalien, alfalifde Erden und Ammonial fal-
len Die U. aus ihren Saljen, ebenfo werden fie durch
Gerbſäure, Bhosphormolybdanfaiure, Raliumaquedfil-
berjodidD, Raluunifadmiumjodid und Kaliumwismut—
jodid gefallt; fonjentrierte Säuren färben mande
eigentumlich und oft fehr ſchön. Die meijten A. find Ab⸗
fonmuilinge des Pyridins, Chinolins und Iſochinolins.
Cinige, wie Hyqrin, find Pyrrolidinabfommilinge, und
aud die Oragine fcheinen unter den Ulfaloiden vertreten
zu fein (Morphin, Roden). Endlich fennt man aud
Purinablömmlinge (Kaffein und Theobromin) und
aliphatiſche Aminoverbindungen ( Asparagin, Betain).
Seitdem die Konſtitution der A. erfannt ijt, gelang
auch die Syntheſe einiger A. (Coniin 1886, Figo.
nellin, Urecolin ꝛc.). — Yur Darjftellung der flüch⸗
tigen A. dejtilliert man die Begetabilien mit Ralf
oder Natronhydrat im Dampfitrom, wobei das in
den Pflangen enthaltene Allaloidſalz serfest wird und
das Allaloid felbjt fid) mit Den Wafjerdampfen ver-
flüchtigt, neutralijiert das Deftillat mit Schwefelſäure
und ertrabiert aus dem Verdampfungsrückſtand des-
jelben das Allaloidſalz mit Ätherweingeiſt. Die nidt
flildhtigen A. werden mit angefduertem Allohol den
Pflanzen entzogen, mit Allali aus dem filtrierten
Uusjuge gefallt und dann gereinigt. Welche Rolle
die A. im Leben der Pflanzen ſpielen, ijt nicht befannt,
man hat fie als Ufjimilationsprodufte betradtet, fie
ſind aber vielleicht aud) Zerfallsprodufte von Ciweif-
forpern. Der Chinarindenbaum gedeiht in unjern Ge: |
‘
Alkaliſche Erden — Alfane.
wächshäuſern, erzeugt aber ohne gu kränleln fein Chi⸗
nin, aud) ijt Sdierling in Schottland frei von Contin
Die meijten UW. bilden den wirffamen Bejtandteil
von Urgneimitteln (Chinin in der Chinarinde.
Utropin in der Belladonna ꝛc.), finden fic Darin aber
in fehr geringen und oft ſchwanlenden Mengen, fo
daß die Wirkung des Begetabils felbjt cine viel wentger
fidjere ijt als Die dDeS reinen Wlfaloids. Mande Eflan-
jen enthalten aud) Subjtanjen, die ſtörende Neben-
wirfungen hervorbringen, und deShalb iſt Die Be-
nugung der reinen A. als Urgneimittel ſehr allgemein.
Dore Wirkung ijt hauptſächlich auf das Nervenfyitem
eridtet, einige wirten ſtark narfotijd, Kolain bewirtt
ofale Anäſtheſierung, wihrend Curarin die motort-
ſchen Nerven lahmt, Strydnin tetaniſche Rontraf-
tionen erjeugt und Chinin antipyretijd wirlt. Strych⸗
nin, Ufonitin, Coniin, Curarin u. a. gehören zu der
tiirfiten Pflanzengiften. Auffallend ijt der Gegen-
at in der Wirkung mander UW. (Untagonismus).
So hebt Utropin die giftigen Wirfungen des Mor—
phins auf und umgefebrt, aber das Atropin bindert
nidt die ſchmerzſtillende Wirkung des Morphing.
Vergiftungen mit, Allaloiden erfordern fdler-
nigite ärztliche Hilfe, Überführung de3 Giftes in un-
lösliche Form durd) Darreidung von Tannin und
pes Pagal aus dem Rdrper. Die Nach—
weifung der A. bei Giftmorden gelingt in den mei⸗
ften Fallen. 1803 gewann Derosne aus Opium em
»Opiumſalz«, das wohl unreines Worphium war,
1805 jtellte Sertiirner reine3 Morphium dar, aber
erjt 1817 erfannte er deſſen baſiſche Eigenſchaften.
Bald darauf entdedten Pelletier und Caventou Strych
nin und Brucin, Cindonin und Chinin, und 1835
waren fdon etwa 30 A. befannt. Bgl. Rictet, Die
Pflanjenalfaloide (deutſch, 2. Uufl., Berl. 1900);
Dupuy, Alcaloides (Briijjel 1887—89, 2 Bde.);
Guareſchi, Einführung in das Studiam der A.
deutid), Berl. 1896—97); Briihl, Die Pflanzen⸗
alfaloide (mit Hjelt und Aſchan, Braunjdw. 1900);
Springer, Der Ulfaloid-Nachweis (Bresl. 1902).
WiFaluretifa (griech.), Heilmittel, die Whjon-
derung eines allalireichen Urins bewirfen, wie Al⸗
falien, Mineralwäſſer von Bilin, Wildungen, Biddy,
mande Objtarten xc. Sie follen die Bilbung barn
faurer Steine im Nierenbeden und in der Harnblafe
verbiiten. [Xiteratur.
Alfama ef Fahl, arab. Dichter, f. Arabiſche
Alkamenes, griech. Bildhauer, einer der bedeu-
tendjten Schiiler des Bheidias, foll nad Pauſanias
wabrideinlid) irriger Ungabe fiir ben Seustempel in
Olympia den Entwurf sur wejtliden Giebelgruppe,
bie Den Kampf der Kentauren und Lapithen darjtellt
(Zeile davon ſ. Tafel »Bildhauertunit IV-, Fig. 1 w
2), ——— ſchuf zahlreiche Götterbilder, meiſt
fiir ſeine Vaterſtadt Athen, fo die des Hephajtos, des
Ares und Dionyfos, letzteres aus Gold und Elfen-
bein. Seine Upbhrodite fiegte iiber des Ugorafritos
Statue, die dieſer als Nemes nad Rhamnus jtiftete.
Er war bis um 402 v. Chr, tätig.
Alfamil, Sultan von Ägypien, ſ. Ramil.
MlFanioc-ang,CharlesSatentinorhange,
franz. Mlavierfpieler und Komponiſt, geb. 30. Nov,
1813 in Baris, geft. dafelbjt 29. März 1888, Schüler
Zimmermanns und Dourlens am Konſervatorium.
lebte als angejehener Pianift und Lehrer in Baris.
Von feinen tiberwiegend fiir Clavier beſtimmten Kom-
pofitionen find die weit ausgefiibrten zwölf Etdden
Op. 39 hervorzuheben.
WiFane, foviel wie Grensfohlenwafferitojfe.
Alkanna — Alkibiades.
Alkanna Tausch, Gattung der Borraginazeen,
fleine, raubbaarige Stauden, oft mit rot färbender
335
AlFermes, ſ. Kermes.
Alkeſtis (Alceſte), im griech. Mythus Tochter
Wurzel, —— Blättern, meiſt blauen Blit- | des Königs Pelias von Jolkos, der gelobt hat, fie nur
ten in beblätterten Wickeln und ſtark gekrümmten,
warzig rauhen oder ſtacheligen Nüßchen. Etwa 30
Arten in den Mittelmeerlandern. A. tinctoria Tausch,
nuit fhwargvioletten Blumen, wird angebaut, liefert
die Ulfannawuryel (rote Shlangenwuryzel),
die aus Ungarn, Sleinafien und der Liirfei in den
Handel fommt; fie enthalt bas Ulfannarot (f. d.)
und dient zum Rotfärben von Olen, Pomaden, Li-
foren 2. ot Lawsonia.
Alfannarot(Ul tannin, Undufin, Anchuſa—
faure) C,,H,,0,, Farbſtoff in der Wurzel von Al-
kanna tinctoria, ijt amorph, dunkel braunrot mit
metallifdyem Refler, löslich in Alkohol, Äther, fliid-
tigen und fetten Olen, nidt in Waſſer, erweidt unter
100°, bildet mit Alkalien und Erdalfalien blaue, in
Waſſer lösliche, mit Metallfalzen unlösliche Verbin—
dungen, gibt beim Glühen mit Zinkſtaub Methyl-
anthrajen. A. wird wie Alkannawurzel benutzt; mit
U. getränktes Papier verwendet man in der chemiſchen
Analyſe wie Lacdmuspapier.
Alkannawurzel, ſ. Alkanna und Lawsonia.
Alkannin, ſ. Wifannarot.
Alkäos, berühmter griech. Lyriler, aus Mytilene
auf Lesbos, bliihte um 600 v. Chr. als älterer Zeit⸗
genoſſe der Sappho. Einem der edelften Geſchlechter
angebirig, war er Vorkämpfer der Udelspartei gegen
die Tyrannen feiner Vaterjtadt (Melandros , r⸗
ſilos u.a.). Deshalb verbannt, belämpfte er nad
dem Sturze der Tyrannenherrſchaft den vom Volfe
um Staatslenfer berufenen weifen Pittakos, ſeinen
Pi ern Parteigenoſſen, geriet aber bei dem Verſuch,
die Rücklehr gu erzwingen, in die Getwalt des Gegners,
ber ibm großmütig vergieb. Rad dem Urteil der
Alten waren die in äoliſcher Mundart abgefabten
Gedichte des A., nach dem dad befannte alkäiſche Bers-
mak (f. Wfaifde Verſe) benannt ijt, von hoher Schön⸗
heit, voll feuriger Leidenjdaft und männlicher raft.
Sein Nadahmer war der Römer Horaz. Bon den
gebn Biichern feiner Didtungen: Hymnen, politifdjen
iedern, Dem Hauptbeftandtetl der Sammlung, Trink⸗
und LiebeSliedern, find mur geringe Brudjtiide er-
age (qejammelt in Bergls »Poetae lyrici graeci«,
bd. 3, 5. Uufl., Leipz. 1900 ff.).
AlFaptonurie (qried.), die Entleerung eines blaf-
fen Harns, der fid) an der Luft, befonders bei alfa-
lifer Realtion tiefer braun färbt, redugierend wirtt,
aber nicht gärungsfähig ijt. Das vermeintlide Al—⸗
fapton eines foldjen Harns ijt Uroleucinfiure, aud
Gehalt de3 Harn an Bren;tatecdhin und Homogentifin-
jaure fann YU. bedingen.
Wifaresmi, arab. Mathematifer, ſ. Algorithmus.
Alkarſin, ſ. Kakodyl.
Alkãſar (ſpan. aus arab. al kassr), Schloß, Palaſt.
Alkaſar Kebir, ſ. Kafr ef Kebir.
Altkathoos, int griech. Mythus Sohn des Pelops
und der Hippodameia, erlegte den Löwen, der den
Sohn des Megareus von Megara getötet, und erhielt,
nachdem er fig durch die Dem Lowen ausgefdnittene
Bunge gegen den Unfprud) eines andern als Boll-
bringer der Tat erwiefen, Euächme, die Todhter des
Kdnigs, als Gattin und die Thronfolge in Megara.
D feine Töchter Uutomeduja und Peribda ijt er
Grovater de3 Jolaos und Aias.
WiFeFengi, |. Physalis.
Alken (Alcidae), f. WIE.
Alkene, ſ. Olefine.
dem zu vermählen, der einen Wagen mit Löwen und
Ebern beſpanne. Dies vollbrachte Admetos (f. d.)
mit Hilfe Apollons, der fogar von den Moiren er-
langt, Udmetos folle vom Tode befreit fein, wenn ein
andrer freiwillig fiir ihm fterbe. Als ihn tödliche
Krankheit befallt, ftirbt UW. fiir ifn, wird aber von
Perfephone zur Oberwelt guriidgefendet oder von
Herakles dem Hades entriffen (fo in Euripides’ Tra-
gödie »U.«). Bgl. Diffel, Der Mythos von Admetos
und A. (Brandenb. 1882); Ellinger, Alceſte in der
modernen Literatur (Halle 1885).
WiFibiaded, beriihmter athen. Staat8mann und
Feldherr, geboren um 450 v. Chr. in Uthen, get.
404, Sohn des Keinias, der fid) in den Perjerfriegen
hervorgetan, und der Deinomadhe aus dem Geſchlechte
der Ulfmaoniden. Nachdem er feinen Vater fehr friih
in Der Schlacht bei Roroneia (446) verloren, leitete
Perifles, ihm durch) die Mutter verwandt, feine Er-
fepung. Dod) waren die Huldigungen, die {don frith
Cee chönheit, feinem Reichtum, feiner geijtiqen
iberlegenheit dargebradt wurden, feiner Charatter-
bildung nicht forderlid; UW. war fdon als Jünglin
voll Anmaßung und ohne Selbjtbeherridung, un
bas Streben feine3 Lehrer’ Sokrates, feine Leiden-
chaften und feinen Ubermut gu zügeln und ifn gu
ttlidem Ernſt gu erziehen, blieb erfolglos. Dabei
war er, wenn er wollte, von bezaubernder Liebend-
würdigleit und ein tapferer Soldat; in dem Sriege
egen Potidäa, in dem er feine erjte Waffenprobe ab-
eqte (432), rettete ifm nur die Uufopferung ded
Sofrates das Leben, welchen Dienſt ihm A. 424 bei
Delion vergalt. Yn das politifde Leben trat er nad
dem Tode de Mleon (422) ein, ohne fefte Grundſätze,
aud) bier in feinem glithenden Ehrgeiz nur darauf
bedadjt, eine Hervorragende Rolle ju fpielen, daher
ein Gegner des Damals an der Spite ſtehenden arijto-
kratiſchen und fpartanerfreundliden Nilias. Indes
fein Blan, nad) deſſen Frieden (421) Sparta im
Peloponnes ju ifolieren, fdheiterte, da e8 den Gegen-
bund bei Mantineia (418) befiegte. Glänzendern Er-
folg verfpracd) das Unternehmen gegen Syratus, dad
das athenifdje Voll, von Egejta um Hilfe gebeten,
bejonders auf des A. Betreiben beſchloß; die um:
faffendjten Riijtungen wurden gemadt, A., Ritias
und Lamados follten die Fiihrung übernehmen.
Schon fag die Flotte im Piraeus zur Ausfahrt bereit,
da beſchuldigten ihn feine Gegner der Urheberſchaft
der frevelhaften Berjtitmmelung der Hermenfaiulen
(10/11. Mat 415), die ganz Uthen in die größte Er-
regung verfeft hatte, und aud) der Entiweihung der
eleufinifden Myſterien durch ſpöttiſche Nachahmung.
ſtühn und entſchloſſen forderte UW. ſofortige Unter—
ſuchung, aber das Volk beſchloß Vertagung der Klage,
und YW. ſegelte mit der Flotte ab. Schon hatte er in
Sizilien Die Städte Naros und Catana beſetzt und
boftte die Sigilier ganz auf feine Seite gu bringen,
al8 er Durd) Die Salaminia abberufen und nad Uthen
vor Geridt geladen wurde, wo feine Feinde inzwiſchen
bie Unflage wegen —— der Myſterien nut
mehr Erfolg erneuert Hatten. A. ſah unter den ver-
änderten Verhältniſſen feine Verurteilung voraus,
er floh von der Salaminia in Thurii nad dem Pelo-
ponnes und vernahm in Elis, daß die Uthener ihn
zum Tode verurteilt Hatten, fein Vermögen ein—
grsoger und der Fluch iiber ibn ausgefproden fei.
eidenſchaftliche Rachgier beftimmte nun fein Tun;
336
Athen follte erfahren, wie gefährlich er als Feind fei,
um dann in höchſter Not ihn als Retter und Herrn
zurückzurufen. €r begab fid) nad) Sparta und ſetzte
¢8 bier durch, daß die Unterjtiigung der Syrafufier,
welche den Untergang der athenijden Expedition
ur Folge hatte, und die Beſetzung von Defeleia
foie der inn de3 Seefrieges gegen Uthen mit
perfijder Hilfe beſchloſſen wurden. A. felbjt ging
412 als fpartanifder Befehlshaber nad Kleinaſien,
bradte die Bundesgenofjen gum Wbfall von Uthen
und ſchloß das Biindnis mit Perſien ab. Bald aber
madte die Eiferfudjt der fpartanifden Heerführer
fowie der Verdacht, als treibe er sweideutiqes Spiel,
feine Stellung unbaltbar; er floh su dem perjifden
Statthalter Tiffaphernes und wußte diefen ebenſo
gegen das nun ibm verfeindete Sparta wie vorber
gegen Athen —— fualeis fniipfte er mit
den athenifden Oligarden Verhandlungen an und
qab fid) ben Schein, den Umſturz der Demofratijden
Verfaſſung in Athen und die “race einer oligar-
chiſchen Regierung ju betreiben. Dieſe erfolgte auch
411, dod erfannte die Flotte in Samos fie nidt an
und berief ihrerſeits den UW. an ihre Spige. Sofort
ſchlug und vernidjtete er die fpartanifde Flotte in den
Schlachten bei Abydos (411) und bei Kyzikos (410),
eroberte Dann die widtigiten Plage am Hellespont,
Chalfedon, Seltymbria und Byzanz und jiderte die
athenifden Befigungen am Schwarzen Meere. 407
fehrte A. in die Heimat zurück und wurde, vom Boll
im Triumph vom Piräeus nad Uthen gefiihrt, unter
feierlicher Zurücknahme des friiher gegen ihn aus-
eſprochenen Fludes und Urteils sum unbeſchränkten
ldherrn gu Waſſer und gu Lande ernannt. Seine
hlreichen Feinde verſtummten zunächſt, aber als fein
Interfeldberr Untiodos gegen jeinen Willen in jeiner
Ubwejenheit mit der Flotte bet Notion (407) eine
Schlacht mit Lyfandros gewagt hatte und gefdlagen
worden war, erhoben fie jid) von neuem und erwirt-
ten feine Abſetzung. Tief gekränlt begab fic) A. frei-
willig in die nnung nad der Thrakiſchen Cher⸗
ſoneſos und machte von ba aus vor der entideidenden
Schlacht bei Agospotamwi die atheniſchen Flotten-
führer auf ihre nadteilige Stellung aufmerffam, obne
Dak jedod fein Rat befolgt worden wire. Nad) dem
all Uthens fliidtete er vor dem Hak der Spartaner
aus Thrafien ju Pharnabazos, um durch diejen gu
König Artaxerxes ju _gelangen und mit perfijder
Hilfe Uthen von der fpartanijden Herridaft gu be-
freien. Die Spartaner ay pe dDeshalb den Bhar-
nabajo8, ibn aus dem Wege zu räumen; in dem
phrygiſchen Fleden Meliffa fiel er 404, ein heimatloſer
Flüchtling, durch Mörderhand. Seine Biographie
ſchrieben Plutarch und Cornelius Repos. Heyſe hat
A. zum Helden einer Tragidie gemadt. Bon den
zahlreichen bildlichen Darjtellungen, die im Altertum
wegen feiner Schinbeit von ihm qemadt worden find,
ijt feine auf uns gelommen. Bal. Hergberg, WL,
dev Staatsmann und Feldherr (Halle 1853); Folle,
Rettungen des VW. (Emden 1883—86, 2 Tle.); Houf-
jaye, Histoire d’Alcibiade (Bar. 1873, 2 Bde.).
Alkidamas, griech. Rhetor und Sophiſt, aus Eläa
in Kleinaſien, lebte um 400 v. Chr. zu Athen, Reben-
bubler des Iſokrates, gegen den feine Rede »De so-
phistis« gerichtet ijt; unecht ijt eine zweite Rede : » Odys-
seus« (mit Untiphon hrég. von Bla, 2. Mufl., Leipz.
1881). Bal. Bahlen, Der Rhetor A. (Wien 1861).
Mi Mindi (Aleindus, Alchindi, eigentlid Abu
Suffuf JalubJbon ORhal alMindi), berühmt als
Mathematifer, Arzt, Ujtrolog und Philoſoph, geboren
Alfidamas — Alkmäon.
in Basra um die Wende des 8. Jahrh., geſtorben um 873
in Bagdad, wird von den Urabern als der eigentliche
Begriinder ihrer Bhilofophie angejehen und hurgweg
al8 »der Philofoph« bezeichnet, mußte aber alS Ratio-
nalijt und Freidenfer viele Verfolgungen erleiden.
Von feinen 34 philofophifden Sdriften, die er neben
ablreidjen andern verfagte, amd in denen er befor:
er8 das »Organon« des Ariſtoteles fonumentierte,
hat fid) wenig erhalten. Bgl. Flügel, W., qenannt
der Bhilofops der Uraber (Leipz. 1857); Lorh, Ww
al8 Ujtrolog (daſ. 1875).
Alkine, foviel wie Ucetylene.
Alkindos, im griech. Mythus Konig der Phäaten.
Vater der Naufifaa, nahm den gejtrandeten Odyſſeus
freundlid) auf und lief ihn Herm geleiten. Wud die
YUrgonauten fanden bei A. Schutz und Hilfe.
(Fiphron, griech. Rhetor, im 2. Jabrh. n. Chr...
ijt Verfaſſer einer durd) reine Sprade und gefdymad-
volle Form ausgezeichneten Sammlung von 118 fin⸗
ierten Briefen tn 5 Biidern, in denen Fiſcher, Land⸗
eute, Rarafiten und Hetären fich unterhalten. Befon-
dered Intereſſe haben fie, weil viele Motive der neuern
attifden Romiddie, namentlid den verlornen Stiiden
des Menander, entlehnt find. Neuere Ausgaben von
Meinefe (Leipz. 1853), Herdher (in »Epistolographi
graeci«, Par. 1873), Sdjepers (Groning. 1902).
Wlfmaar (Ulfmar), Stadt in der miederland.
siren Nordholland, am Nordholländiſchen anal,
otenpunft an der Eiſenbahn Amſterdam - Helder,
liegt zwiſchen troden gelegten Moräſten und bdietet
ein Mufterbild hollandijder Sauberfeit. Sehenswerte
Gebäude find die 1470—98 erbaute Laurentiusfirde
und das Stadthaus (mit Mufeum), beide im gotifden
Stil; ferner hat die Stadt cine hihere Bürgerſchule.
eine Bibliothef und ein Theater. A. hat ago) 18,373
€Cinw., die age und bedeutenden Handel mit
vortrefjlidem Safe, Vieh und Getreide treiben. —
1573 wurde U. von den Spaniern vergeblicd belagert.
Zwiſchen dem franzöſiſchen General Beans ory er
derzog von ¥)orf wurde bier 19. Oft. 1799 die Kon⸗
vention abgejdlofjen, nach der die Ruffen und Englan-
der Holland räumten. 4 kin weſtlich lag das von den
Spaniern zerſtörte Stammſchloß der Grafen Eqmont.
Wikman, griech. Lyrifer, aus Sardes in Lydien,
fam als Sflave nad) Sparta, wo er freiqelajien wurde
und {pater das Biirgerredt erhielt; er bliihte um 650
v. Chr. W. ijt Begriinder der dorifden Kunſtlyrik.
inbdem er Die — Nomenpoeſie verließ und
in mannigfa Rhythmen Hymnen, Päane, Bar-
thenien, Beltauggelange ꝛc., aud) erotijde Lieder dich⸗
tete, fiir deren Erfinder er galt. Bon den geringen
Reſten feiner ſechs Bücher Gedichte ijt der bedeutendite
das auf einem äghptiſchen Papyrus gu Paris freilich
triimmerbaft erbaltene Barthenion. Sammlung der
Fragmente in Bergl[s » Poetae lyrici graeci«, Bd. 3. —
Race ihm ijt benannt der Alkmaniſche Vers, ein
afataleftiider oder fataleftijder daltyliſcher Tetra⸗
meter. Der leftere bildet, mit vorangehendem Hera-
meter verbunbden, die von Horas (Oden I, 7 u. 28,
Epoden 12) nadgeahmte Ulfmanifde Strophe
WlFmaon, 1) tm gried. Mythus Sohn ded Am—-
phiaraos und der Eriphyle, Bruder des Amphilochos.
in Urgos. Amphiaraos (j. d.) hatte beim Ausbruch
u dem Feldzuge gegen Theben feinen Söhnen geboten,
Pinen Tod an der Mutter gu rächen. Wis die Söhne
der vor Theben gefallenen Helden (die Epigonen) eine
zweite Heerfahrt gegen Theben riifteten, veranlaßte
riphyle, durch das foftbare Gewand der Harmonia
(f. d.) bejtodjen, ihre Signe gur Teilnabme an dem
Alkmäon — Alkohol.
Bug. A., gum Oberhaupt gewählt, erobert und zer⸗
ſlört Theben. ——— ermordet er die Mutter,
verfällt aber alsbald in Wahnſinn. Phegeus von
Pſophis in Arladien entſühnt ihn und gibt ihm ſeine
Tochter (Arſinoe oder Alpheſiboia) zum Weibe, der
er die Kleinodien der Harmonia ſchenkt. Dem aufs
neue in ag Verfallenen heist Upollon ein Land
gu fuden, bei der Ermordung der Mutter nod
nidt von der Gonne befdienen war. Wn der Mün—⸗
Dung des Udjeloos fand er neu angefdwemmtes Land
und Heilung. Er baute fic) hier an und beiratete
Rallirrhoe, die Tochter de3 Flußgottes. Um diefer die
Rleinodien der Harmonia ju ————— zog er nach
Pſophis und erhielt fie unter dem Vorgeben, fie
Gott in Delphi zu weihen, wurde aber, als ein Diener
den wahren Sachverhalt verriet, von Phegeus’ Söhnen
ermordet. Zu Pſophis hatte er ein heilig gehaltenes
Grabmal, in Theben genoß er Heroenverehrung.
2) Urenfel des Neſtor, der nach der Einwanderun
der Dorier in den Peloponnes von Meſſenien —
Uthen flüchtete, der Stammvater des berühmten Ge-
ſchlechts der Alkmäoniden (ſ. d.).
WlFmaon, Arzt aus Kroton in Unteritalien, Schü⸗
fer de3 Pythagoras, lebte um 520 v. Chr. Er ſchrieb
ein Werf » Peri Physeos«, von dem Stobaus, Pſeudo⸗
Galen und Plutard) philofophifde Fragmente erhal-
ten baben. A. fann al8 Begriinder der vergleiden-
den Unatomie betradtet werden. Er ftellte zuerſt das
Prinzip wiſſenſchaftlicher Forſchung auf und zog
Schlüſſe nur aus der unmittelbaren ————— der
Natur. Durch anatomiſche Unterſuchungen entdeckte
er den Zuſammenhang zwiſchen Gehirn und Sinned-
organen (Entdeckung des Sehnerv3, der Cujtadi-
ſchen Röhre), erflarte den Uusfall an Sinnesfunttio-
nent Durd) Unterbredjung der Leitung zwiſchen Ge-
hirn und Endorganen, ftellte Exrperimente an, um ju
ptiifen, ob der Game aus dent Riicenmarf jtamme,
und unterfdied zuerſt Urterien und Benen. Bol.
Unna, De Alemaeone Crotoniata (in Peterſen,
»Hiftorifd- philologijdhe Studien«, Hamb. 1832);
Kühn, De Alcmaeone (in »Opuscula academica.,
Bd. 1, Leipz. 1827); Rayferling in der ⸗Zeitſchrift
fiir kliniſche Medizin«, Bd. 43 (1901).
Alkmãoniden, altadliges Geſchlecht in Uthen, das
jeinen Urjprung auf Alkmäon (j. d. 2) zurückführte.
Als die ſchroffſten Vertreter der Standesrechte wider-
jepten fie fid) Dem Verſuch Kylons, eine Tyrannen-
herrſchaft in Uthen cinguridten, auf das entſchiedenſte,
und der Alklmäonide Megakles liek fogar die Un-
finger des entflohenen Tyrannen niedermegeln, felbjt
die, welche fic) an die Ultare der Gitter geflüchtet hat-
ten (640 v. Chr.). Für diefen »Rylonijden Frevel«
wurde das ganze Geſchlecht der UW. verfludt und aus
Uther verbannt, und wenn ihnen aud) in der Reit
des Solon die Rückkehr gejtattet wurde, fo ijt dod) jene
Blutſchuld nocd) mehrfach von den Gegnern der A.
benutzt worden, um thre nodmalige Vertreibung aus
der Stadt gu fordern. Mit Peijijtratos ſtand das da-
malige Haupt der Familie, der zweite Megalles, der
Gemahl der reichen Todjter des Tyrannen Kleiſthenes
von Sifgon, Ugarijte, in wedfelnder Begiehung; je
nachdem er fic) gu der —— Partei der Paraler
oder ju der ſtrengen Adelspartei hielt, begünſtigte
oder vertrieb er den Tyrannen, bis deſſen Sieg bei
Pallene (538) die A. nötigte, die Stadt zu verlaſſen.
Durd den glangenden Neubau des durd eine Feuers-
brunjt gerjtorten Apollontempels in Delphi gewannen
jie fid) die Gunſt dev dortigen —— und durch
dieſe die Unterſtützung der Spartaner; Unzufriedene
Meyers Konv.⸗Lexikon, 6. Aufl., J. Vd.
337
aus Attila ſammelten ſich um ſie, und ſo gelang es
dem Sohne des —— Kleiſthenes (ſ. d.), die Herr⸗
ſchaft der Peiſiſtratiden zu ſtürzen und — ong der
Demokratie in Athen gu werden. Nad) den Perſer—⸗
friegen verſchwinden die A. aus der Gefdhidte. Pe—
rifled war durch feine Mutter Ugarijte, eine Nichte
deS Mleijthenes, mit den A. verwandt; deshalb ver-
langten 431 vor Beginn des Peloponnefifden Krie-
es bie Spartaner die Uusweifung der A. wegen ded
tylonifdjen Frevels. Auch des Alkibiades tter
Deinomade war aus dem Gefdledte der A.
Alkmene, Todter des Eleftryon von Myfena,
Gemahlin de3 Umphitryon (j. d.), vow diefem Mutter
dem | des Dphifles, von Reus, der fic) ihr in Amphitryons
Gejtalt qenaht, Mutter des Herafles. Nad ihrem Tode
wurde a auf Zeus’ Befehl durd) Hermes nad dem
Elyfion gebradht und dort mit Rhadamanthys (j. d.)
vermählt. Wl Stammmutter der Herafliden wurde
U. in Theben und Athen verehrt. .
Alko A erst, Uthylattohol, Uthyloryd-
hydrat, Uthanol, Methylfarbinol, Wein—
eijt) C,H,O findet fid im Harn und in den Mus—
eln des Menſchen 24 Stunden nad dem Tod, im
Harn der Diabetifer (in Form von Eſtern), in Blat-
tern, Reimpflangen, in unreifen Früchten mander
Umbelliferen, in humusreidem Boden, in der Utmo-
ſphäre, in Gewäſſern (1 g in 1 chm Regenwaſſer),
als der beraujdjend wirfende Bejtandteil in den ge-
ornen Getrinfen (daber alfoholifde Getrainfe: Wein,
Bier, Objtwein, Met) und reiner in den aus dieſen
ewonnenen Dejtillaten. Er entſteht meijt aus Trau-
enjuder, der unter dem Einfluß von Hefe und andern
Pilzen in W. und Kohlenſäure zerfällt. Jn unver-
legten Upfeln, Kirſchen rc. bildet ſich A. beim Auf—
bewahren unter Abſchluß der Luft. A. entiteht, wenn
man Äthylen C,H, in_fongentrierter Schwefelſäure
löſt und die gebildete Äthyiſchwefelſäure mit Wafer
fodjt. Da fi Athylen ini Leuchtgas findet, ſo hat
mam letzteres mit Schwefelſäure gewaſchen, um das
WUthylen gu gewinnen, und mithin aus Steinfohlen
A. dargeltellt (Mineralfpiritus). Wud bei Be-
handlung von Widehyd mit Natriumamalgam entjteht
A., in geringer Menge bei trodner Dejtillation von
Hol cies im Holsteer und im Methylalfohol). Von
praltijder Bedeutung ijt nur die Darjtellung des Al⸗
fohols durch Gärung guderhaltiger Flüſſigkeiten, die
man aus zuderhaltigen, haufiger aus ſtärklemehlhal—⸗
tigen Rohmaterialien bereitet (ſ. Spiritus). Spiritus
ijt mit Wafjer verdiinnter A., aus dem durch Refti-
| fifation hodgradiger Spiritus (Sprit) mit 90 — 95
Proj. A. gewonnen wird, der bei Deftillation über
qebranntem Ralf, wafjerfreiem Nupferfulfat oder Ba-
— wajjerfreien U. (Alcohol absolutus) liefert.
A. ift cine farblofe, leicht bewegliche, angenehm rie-
dende und brennend ſchmeckende Fliiffigtert vom ſpez.
ew. 0,789 bei 20°, 0,806 bei 0°, erjtarrt bei —130,5°,
jiedet bei 78,3°, brennt mit blauer, wenig leudtender
Flamme, sieht begieriq Waſſer an, miſcht ſich mit
Wafer unter Warmeentwidelung und Volumvermin:
derung (j. Alkoholometrie), löſt Brom, Dod, Ulfalien,
Sehwefelalfalien, Fette, Harze, ätheriſche Ole, Seifen,
Alkaloide, Ammoniak, Chlorwaſſerſtoff xc. und bildet
mit einigen Körpern frijtallinijde Verbindungen, in
denen er die Rolle von Krijtallwajjer fpielt. Vit Naz
trium bildet er Natriumäthylat. Jn der Hike zerfällt
fein Dampf in Waſſerſtoff, Kohlenoxyd und Kohlen—
wafferjtoffe. Reiner VW. verändert fic) nicht an der
Luft, bei Gegenwart von Platinmohr wird er aber
bei gewöhnlicher Temperatur ju Wldehyd, Eſſigſäure,
22
—— — — — — — — — — — — — —— — — — —— ss — —
338
Acetal, Umeifenfaiure orydiert. Verdiinnter A. bildet
an der Luft unter Einwirtung eines Ferments Effig-
fiureC,H,O,. Saures chromſaures Kali oder Braun:
jtein und Schwefelſäure orydieren UW. gu Aldehyd.
Chlor wirkt energifd auf A. ein, bildet eine Reihe von
Subjtitutionsproduften und als Endglied derfelben
Chloralhydrat C,C]HO.H,O. Mit Chlorwaſſerſtoff
entiteht Uthyldlorid, mit Nobphosphor Uthyljodid,
mit Sod und Ulfali Jodoform. Chlorfalf liefert bei
Deftillation mit U. Chloroform, rote raudende Sal-
peterſäure gibt bei Gegenwart von Quechſilber oder
Silber knallſaures Salz. Miſcht man W. mit fongen-
trierter Schwefelfiiure, P ee t Äthylſchwefelſaãure,
und bei der Deftillation geht Uther iiber. Wenn man
aber Alloholdampf durch jiedende Schiwefelfiiure (165°)
feitet, fo zerfällt er in Uthylen und Waſſer. Schwefel⸗
ſäureanhydrid bildet Rarbylfulfat. Organifde Sau-
ren bilden mit A., namentlid) bei Gegenwart von
Salzſäure, zuſammengeſetzte my (€jter). Diefe
Reaftionen laſſen die vielleitige Verwendbarteit
des Allohols erfennen. Er dient als Löſungsmittel
(Zinfturen, Firniffe, Parfüme, in der Färberei und
Riibensucerfabrifation, zur Bereitung von Extralten),
zur Darjtellung von Soda, Pottaſche, Teerfarben und
vielen andern Braparaten, dann gum Füllen von Ther-
mometern, zur Regeneration der Olgemälde, zur on-
ſervierung fäulnisfähiger Subſtanzen (anatomijde
und zoologiſche Präparate in A.), als Desinfeftions-
mittel (fon bei Homer werden die Wunden mit ftar-
fem Wein gewaſchen, desinfiziert), als Brennſpiritus,
Leuchtmaterial (Spiritusgliiblampen), jum Betrieb
von Motoren und in den gegornen Getrinfen und
Den Daraus bereiteten Deftillaten als Genufmittel.
Uber die Wirkung des Wlohols auf den men{d)-
liden Organismus haben im Laufe der Beit die ver-
ſchiedenſten Meimungen einander abgeldjt. Während
man friiher dem A. direft erregende, ſtärkende und be-
lebende Wirkungen zuſchrieb, erflart man heute durch⸗
weg dieje Wirkung als Folgen von Lähmungen. Die
Anregung der geiftigen Funttionen (Geſprächigkeit,
raſche Ideenverbindung rc.) berubt auf einer Lähmung
gewiffer Gebirnteile, ijt bedingt durch dent Fortfall von
Hemmungen, die Angſt vor dem Publifum fallt beim
Reden fort, der Soldat wird mutiger. Die anfdei-
nend qrifjere Muskellraft nad Ulfoholgenuf ijt da-
durch bedingt, da der Nüchterne gern feine Kräfte
ſchont, der Truntene feine Rückſicht auf Schaden nimnmit.
Das ———— iſt nicht durch eine vermehrte Bro-
duftion von Wärme hervorgerufen, ſondern eine Läh—⸗
mung der kleinern Gefäße der Haut bewirkt vermehr⸗
ten Saft warmen Blutes aus dem Körperinnern.
Daher wird durd a — Gaben die Temperatur des
Körperinnern herabgefest; darauf beruht ¢3, bah Be-
trunfene leidter se aah wie Nüchterne. Auf die
Herz- und Atemtätigkeit wirft A. nur gang voriiber-
qehend anregend. Große Quantitäten ergeugen den
Rauſch und ſchließlich die volle Betruntenheit, Bu: |
ſtände, bei denen die lähmende Wirkung des Alkohols
vor allem zu Tage tritt. Abſoluter A. wirkt ſchon in
fleinen Dofen ätzend. Bei anhaltendem übermäßigen
Genuß von A. entiteht der als Alkoholismus be-
zeichnete Zuſtand, bet dem zunächſt der Verdauungs-
apparat leidet und trog geringer Nahrungszufuhr eine
bedeutende Fettanfammiung ftattfindet. In welder
Weife der A. diefe Wirfungen hervorbringt, ijt nod
nicht feſtgeſtelltz im Magen erzeugt er zunächſt eine
Qefteigerte Ubfonderung des Magenfaftes, aud) foll
ev Die Bewegung ded Dagens anreqen, und fo erflirt
ſich das Warmegefilhl im Magen, die Unterdriidung
Alkohol (Verwendbarteit, Wirtung auf den menſchlichen Organisms, Geſchichtliches).
des Hungergefiihls fowie der giinjtige Einfluß, den
cine geringe Menge A., nad) dem Eſſen genommren.
auf die Verdauung ausiibt. Der U. wird im Orga-
nismus orydiert und ſchützt, wie Fette und Roble-
hydrate, das Körpereiweiß vor der Rerfesung. Er wirtt
alfo als Sparmittel, aber er tut DieS nur bei eiweiß—
reicher Koſt, bei der erheblich größere Mengen A. qut
vertragen werden als bei ſchlechter, eiweißarmer Koſt.
bei der, abgeſehen von andern Schãädigungen, allmäh⸗
lid) fortſchreitender Verfall eintritt, wenn A. anbal
tend in größerer Menge genoſſen wird. Faßt man alle
Erfahrungen zuſammen, ſo iſt augugeben. dak em
mäßiger Genuß des Allohols cine Reihe von Vorter-
len bietet. Cin Heiner Schnaps, beſonders nut einem
aromatifd bittern Bujak, bat fid) nad dem Genuß
fetter Speifen wobl bewahrt. Dem Armen erſetzt der
Branntiwein da3 Gewiir;, und bei napfaltem Wetter
ſchafft der UW. dem durch bedeutende forperliche Unftren
gung abge/pannten und ermildeten Arbeiter eme ge-
wiffe — Erregung und erhöhte Leijtungsfabigter,
bie aber nur ſcheinbar ijt, und daher aud nur vor
iibergehenden Erfolg haben fann; andre Mittel, 3. B.
warmer Kaffee, erreichen dasſelbe, obne die ad
gungen des Ulfohols herbeisufithren. Allen Borteilen
geqeniiber fteht die fehr große Gefabr des Mißbrauchs
Der wefentlid) dadurch herbeigefiihrt wird, daß dee
durch den A. hervorgerufene Errequng bald einer um
fo größern Erfdlaffung Plas madt, fo daß dad Be-
dürfnis, abermals zu trinfen, erwacht (f. Truntfudt).
WS Urgneimittel wird A. meijt in der Geſtalt
von Wein oder Kognak benugt. Bon der Darreichung
de3 Ulfohols bei ſchwerern Rranfheiten ijt man mehr
und mehr juriidgefommen. Als Genußmittel ijt der
jelbe aud) fiir den Kranken von grofer Bedeutung.
WIS Heilmittel ijt dagegen nidt viel vom VL. gu ex
warten. Jedenfalls jollen größere Doſen nur bet afut
fieberhaften Kranfheiten, Lungenentzündung, Gelent-
rheumatismus ⁊c., verabreidt werden; ãußerlich dient
er gu Waſchungen bei profufen Schweißen (Hand- und
Fußſchweißen), gu Emreibungen bei torpiden Ent:
jlindDungen, jur Anregung und DeSinfeftion ſchlech
ter Wundflächen, zu Cinfprigungen in gutartige Ge
ſchwülſte und zur Verddung von Deamprebern, Cine
durd) Anwendung von A. auf Haut und Schleim
hãuten hervorgerufene Gefiiferweiterung und ver:
jtarfte Zufubr von arteriellem Blut geftattet die bal-
terienfeindliche, auffaugende und die Ernãhrung bef
fernde Wirkung des Blutes bei manden ——
u benutzen, deshalb verwendet man nenerdine
l. lolal bei Rotlauf, Zellgewebsentzündung, Bahn:
fleiſchatrophie x. — Ym Hebräiſchen und Arabiſchen
heißt Der Spießglanz Al-kohl, tm Mittelalter wurde
Aleool jedes ſehr feine Pulver benannt, dann das
Subtilſte der Dinge, alcool sulfuris, Schwefelſäure,
daher aud) Alcool vini, Branntwein. Raimundus
Lullus ſpricht von der Verſtärkung des Weingeiſtes
durch Deſtillation über Pottaſche, und als vorzügliches
Heilmittel nannte er ihn consolatio ultima corporis
humani (de3 Menfdjen lester Troſt). In der late
ſchen uͤberſehung von Gebers Schriften beift er aqua
vitae (aud) vitis), spiritus vivus, bei Bayilius Ba-
lentinus spiritus vini. Der Name VW. fam im 16.
Jahrh. in Gebrauch (vielleicht aus vinum alcalisa-
tum, durch Deftillation fiber Allali verjtarfter Wein—
qeijt). 1796 jtellte Lowitz wafferfreien UW. dar, und
1808 ermittelte Sauſſure feine Rufammenfegung.
Geiftiqe Getränle wurden ſchon in den älteſten Seite
bei febr vielen Vilfern aus guder- oder ftirferedt-
haltigen Pflanzenſtoffen, aus Honig oder Mild durch
Alfoholate — Alfoholometrie.
Girung bargeftelt (vgl. Bier). Über Geſchichte und
Riteratur der Spiritusfabrifation ſ. Spiritus. Bal.
Rofenfeld, Der Einfluß des Ulfohols auf den Or-
—— (Wiesbad. 1901); Rauber, Wirkungen
Allohols auf Tiere und Pflanzen (Leipz. 1902).
Alfoholate, Verbindungen des Allohols mit Me-
wee
Alfohole, chemiſche Verbindungen, die fid) dem
Athylalkohol (Weingeiſt) vielfad ahnlich verhalten.
Sie entſtehen aus Kohlenwaſſerſtoffen, indem cin oder
mehrere Waſſerſtoffatome derjelben durch Hydroryl
OH) vertreten werden. Je nad) der Zahl der OH-
ruppen im Molelül unterjdeidet man eine, zwei⸗ und
mehrivertige A. und nad Stellung des Hydroryls
im Molefiil primare, ſekundäre und tertifire U. Am
bejten befannt find die einwertigen primiren A., gu
denen der Athylallohol gehört. Sie enthalten die Gruppe
—CH,.OH unbd leiten aS von Methylalfohol CH,.OH
ab, indem in der Gruppe CH, 1 Utom H durd 1 Al⸗
toholrabdifal at 4 wird. So entitehen Äthylalkohol
CH,.CH,.OH, Propylalfohbol CH,.CH,.CH,.OH x.
Die gsweiwertigen primären A. werden Glyfole —
nannt, das einfachſte Glied iſt das —
CH,.OH.CH,.OH, zu den dreiwertigen gehört
Glyzerin (CH,.OH.CH.OH.CH,.OH), ju den vier⸗
bis jed)Swertigen der Erythrit, Urabit und Mannit.
Die cinwertigen U. find farblofe, —** Flüſſig⸗
feiten, bei höherm Molekulargewicht feſte, kriſtalliſier—
bare Körper, die zwei und dreiwertigen find ebenfalls
meiſt flüchtig und fliiffig, dod) ijt Glyzerin bereits
err ig unter gewöhnlichem Luftdrud nicht
deftillierbar. Die höherwertigen A. find feſte, kriſtalli—
ſierbare Körper. A. ſind neutral, verbinden ſich aber
mit Säuren unter Austritt von Waſſer ju zuſammen⸗
eſetzten Äthern (Eſtern) und bilden mit Baten Alko⸗
indem der Waſſerſtoff des Hydroxyls durch
etall vertreten wird. Bei der Oxydation liefern die
primiiren A. Aldehyde (Äthylallohol C,H,O —2H—
Aldehyd C,H,O). Der Aldehyd nimmt Sauerſtoff
auf und liefert eine Säure mit gleicher Anzahl von
Kohlenſtoffatomen (C. H.040-Eſſigſäure . H. O,).
Die Gruppe (H. OH wird alſo erſetzt durch die Gruppen
—CHO und — COOH. Die fefundaren A. enthalten
die Gruppe —CH.OH — und entitehen, indem im
Methylalfohol 2 Utome H durch Ulfoholradifale er-
fest werden. Sfopropylalfobol ijt CH,.CHOH.CH,.
Sie geben bei Orydation Ketone (durd) Übergang
der pe —CH.OH — in die Gruppe — CO) und
zerfallen dann in Gauren mit einer gerin Un:
zahl von Roblenftoffatomen. Die tertiiren Wl. ent-
halten die Gruppe = COH und entiteben aus Methyl-
alfobol, indem 3 Atome H durch Ultoholradifale erjest
werden. Tertidirer Butylattopot ijt CHs— COH.CH,.
3
Sie liefern direlt Säuren mit einer geringern Anzahl
von Kohlenſtoffatomen und bilden weder Aldehyde
nod) Ketone. A. entitehen aus Halogenwaſſerſtoff⸗
fiureeftern durch Behandeln mit Silberoryd, aus
Atherſchwefelſäuren durd tochendes Wafer, aus mehr:
ſäurigen Alloholen durd) Reduftion mit Jodwaſſer—
jtoff, aus primären Aminen durch falpetrige Saure.
Durch Redultion von Aldehyden, bez. Säurechloriden
und Säureanhydriden entſtehen primäre A., durch
Reduktion von Ketonen ſekundäre. Zinkallkyle
mit Säurechloriden tertiäre, mit Aldehyden fehm-
Alkoholfaktor, ſ. Wttenuation. [Dare A.
Alkoholiſieren, ſehr fein pulvern, auch trocknen
mit Hilfe von Allohol. übergießt man einen feuchten
Körper mit Ulfohol, fo reißt diejer das Waſſer an
Sere
¢
339
fid), und ba verdiinnter Allohol viel flüchtiger ijt als
Waffer, fo erfolgt das Trocknen ſchneller.
(foholismus, ſ. Allohol und Trunlſucht.
Alkoholmonopol, ſ. Branntweinſteuer.
Alkoholometrie, die Lehre von der Beſtimmung
des Alloholgehaltes in Flüſſigleilen. Es gibt fein
Mittel, den Wifohol aus ciner Fliiffigteit mit quan-
titativer Genauigteit abzuſcheiden, um ihn direlt wägen
u können. Da aber Allohol ſpezifiſch leichter ijt als
ffer, fo fann man aus dem ſpezifiſchen Gewidt
einer Flüſſigleit ihren Ulfoholgebalt berechnen, falls
fie nicht andre Stoffe enthalt, die ebenfalls auf dad
ſpezifiſche Gewidt cinwirfen. Wein und Bier kann
man alfo nicht mit dem Urdometer auf ihren Alkohol⸗
gebalt priifen.
Ulfohol miſcht fic) mit Waſſer unter Berdidtung,
53,939 Lit. Alkohol und 49,a36 L. Waffer qeben 100%.
————— um 8,775%.). Anderſeits vergrößert
id) Das Volumen, wenn man ſehr verdünnten Allo—
hol mit Waſſer miſcht. Das Geſetz, nach dem dieſe
Volumverinderungen erfolgen, ijt nidt befannt; man
fann daher das ſpezifiſche Gewidt von Mijdungen
nicht berednen, fondern nur empiriſch bejtinimen. Auf
jolden von Gilpin ausgefiibrten und von Tralles ver-
volljtinbdigten und umgeredneten Verſuchen beruht
die U. in Deutfdland, England, Rupland ꝛc.; die
frangofijden Ermittelungen von Gay-Luffac ſtimmen
mit Den Gilpinfden überein. Die Ungaben tiber den
Wlfoholgehalt einer Fliiffigteit erfolgen in Gewidts-
oder in Bolumprogenten. 100 8. Alkohol geben mit
100 2. Wafjer 192,75 L. Gemiſch, mithin enthalten
100 &. Gemifd 51,8 2. Ulfohol, der Alkoholgehalt
des Gemiſches beträgt 51,8 Volumprozent. 100 &
Waſſer wiegen 100 kg, 100 &. Wifohol nur 79,45 kg,
und fo beredjnet fich Der Ulfoholgehalt des Gemiſches
ju 44,2 Gewichtsprozent. Lewtere Ungabe ijt ſtets un»
zweideutig; dad Volumen der Flüſſigkeiten dndert fid
Dagegen mit Der Temperatur, und deShalb muß bei
Angaben in Volumprozenten ftets aud) die Tempe-
ratur angegeben werden. Die Normaltemperatur, auf
Die fid) in Deutidland und bei dent Ulfoholometer
von Tralles alle Ungaben begiehen, ijt 15°, und obige
Angabe (51,8 Volumprozent) bedeutet alfo, daß aus
100 &. dieſes Gemifdes bei 15° 51,8 &. Alkohol von
15° gewonnen werden finnen. Ein gleiches Gemiſch
fann aber wegen der oben angegebenen Verhältniſſe
nicht aus 51,8 &. Ulfohol und 48,2 L. Wafer her-
gejtellt werden. Dagegen ijt die Ungabe in Gewidts-
progenten aud) zur Herjtellung von bejtinunten Ge-
miſchen verwendbar. Will man nad) Ungabe in
Volumprozenten eine Miſchung anfertigen, fo ver-
wandelt man die Volumprozente in Gewidtsprozente
durd) Multiplifation derfelben mit dem ———
Gewichte des Alkohols und Diviſion des Produkis durch
das ſpezifiſche Gewicht der verlangten Miſchung.
Das ſpezifiſche Gewicht der alkoholiſchen Flüſſiglei⸗
ten kann mit Hilfe eines Dichtefläſchchens oder der
Weſtphalſchen Wage beſtimmt werden, gewöhnlich aber
benutzt man Aräometer, deren Sfalen für A. ſtatt der
ſpeziſiſchen Gewichte die denſelben entſprechenden Al⸗
fobolgehalte — (Ulfoholometer, Brannt-
weinwage). Man beobadtet bei beliebiger Tempe-
ratur, beſtimmt dieſe mittels Thermometers, das bei
dem Thermoalfoh olometer mit dem Inſtrument
verbunden ijt, umd t eine Labelle, nad) der die
gefundene Zahl (der ſcheinbare Alloholgehalt) forri-
qiert wird. Sehr gebräuchlich ijt das Volumprozent⸗
Ulfoholometer von Tralles. Das Rid terſche Al—
foholometer bat eine Gewichtsprozentſtala, cbenjo das
22*
340
deutſche amtlide Uifoholometer. Die Ungaben nad
Gay-Luffjac (12°) ſtimmen mit denen nad Tralles
iiberein. Auch die Uraiometer von Baumé, Bed und
Cartier find nod) im Gebraud. Yn England ver-
gleicht man den Spiritus mit einem proof spirit
(von 57,09 Prox. Tralled), deſſen Stärle mit O bezeich⸗
net wird. 100 Gallons
Spiritus von 20° underproof
finnen aus
80 Gallons
proof spirit
und bem nö⸗
tigen Waj-
fer hergeſtellt
werden. Bu
over-
proof finnen
nod 20 Gal-
fons Wafjer
hinzugeſetzt
werden, um
ihn auf die
Starfe von
proof spirit
zu bringen.
Das englifde Aräometer (Hydrometer) von Sites
tritt beim Cintauden in eine weingeijtige Flüſſigkeit
mit Der ganzen Sfala heraus und wird durd Auf—
legen von Gewidten gum Einſinken gebradt; aus
der Ungabe der Sfala ermittelt man in einer Labelle
den Al wa ehalt der Flüſſigleit.
Bur g von Wein, Bier rc. auf ihren Allo⸗
hoigebatt pagal man 100 ccm der Flüuſſigleit ab, fpiilt
bas Meßglas mit etwa
50 ccm Wafer, gießt dies
gu den 100 ccm in den
GSiedefolben und dejtil-
liert unter Unwendung
eines guten Stiihlappa-
rats nahezu 100 ccm ab.
Man ergingt dann das
Deftillat durd Zugießen
von Wafer genau auf
100 ccm, fdilittelt um
und ermittelt Den Allo—⸗
polgebalt des Deftillats,
leid) dem Ulfohol-
t derurfpriinglidjen
silt ijt, mittels des
Ulfoholometers. Den in
Deutſchland amtlich be-
nutzten Deſtillationsap⸗
parat zeigt Fig. 1. A ijt
das tillationdgefa,
B der Riiblapparat mit
innen verjzinnter Wef-
fingidlange. Das Rohr
C wird mittels zweier
Schrauben u. Lederplitt-
den an AundB befejtigt.
Geiflers Vaporimeter
(Fig. 2) gründet fid) dar⸗
einer wernge tigen Flüſſigleit
die Spanntraft der dimpfe bei einer bejtinunten Tem
peratur um fo qrifjer ift, je mebr Wlfohol fie enthalt.
Fig. 1. Apparat sur Ermittelung des
Alfohbolgebalts.
Aig. 2.
auf, dak beim ye
Baporimeter.
Das Inſtrument befteht aus einem Fläſchchen a aur |
Aufnahme der Probe, das in Wafferdampf, der ſich
aus dem Gefaj c entwidelt, erhigt wird. Die Dämpfe
Alkoholpräparate — Alfuin.
der alfoholifden Flüſſigleit driiden auf das Queckſilber
in einem mit dem Fläſ verbunbdenen Barometer:
on b und treiben es um fo höher, je größer ibre
panntraft ijt. Die Sfala des Barometers zeigt zu⸗
qa den Wifoholgehalt an. d ijt ein omteter.
nthalt die gu unterjudende Flüſſigleit Roblenfaure.
fo ſetzt man zunächſt etwas gebrannten Ralf zu und
filtriert. Silbermanns Dilatometer griindet fid
Darauf, daß fic) Allohol beim Erwärmen vom Null-
puntt bis * Siedepuntt etwa 3 mal fo ſtark aus-
dehnt als Waſſer. Der Apparat ijt ein Thermometer⸗
rohr, in das man die Probe füllt, und mit einer etn-
fachen Vorrichtung zur Entfernung der Gafe aus der
Flüſſigleit verſehen. Man erwinnt die Brobe von
25 auf 50° und beobadtet, wie ftarf fie ſich Daber
ausdehnt. Die Sfala des Rohrs gibt fofort die Wifo-
holprozente an. Beim Ebullio}fop bejtimmt man
den Siedepuntt der Flüſſiglkeit und ermittelt ans einer
Labelle den entſprechenden Ultoholgehalt. Bgl. Vu pF -
fer, Handbuch der UW. (Berl. 1865); Brix, * Wl.
foholometer und deſſen Anwendung 9 @.
1864); Fifdhern, Praltiſche A. (2.
1872); Homann, Das Gewid)t8altoholometer und
feine Unwendung (Berl. 1889); »Unleitung sur fteuer-
amtlicen Ermittelung des — 5 nn Srannt-
wein« (7. Aufl., daſ. 1899); Windifd, Tafel sur
Ermittelung bes Witohol ebaltes von Ulfohol-Wajrer-
mifdungen (anttlid), da}. 1893).
Alkoho olpraparate, aug — — und an-
dern Alkoholen darjujtellende Uther, Gubjtitutions-
probdufte, wie Chloralhydrat, Chloroform x.
WAlFoholradifal (VW (fy), Utomgruppe, die dibrig-
bleibt, wenn man aus der Forme! eines Allohois
die _ Sodeorylgrup ruppen (OH) ſtreicht. WUthylattobol in
C,H Radifal desfelben mithin C,H,.
litehoiveraitiung, j. Truntjudyt.
(fon, griech. Heros der Heilfunde, Asklepios
Mitſchüler bei Cheiron, wurde in then verehrt, wo
der Dichter —* ſein a befleidete.
Alfor, Stern, ſ. Bar, Grojer.
Wlfordn, der ‘Roran.
Mlforndforinde, ſ. Bowdichia.
Alkoſch, afiatijd-tirt. Ort, 40 km ndrdlid von
Moful, mit 1000 Einw., früher Sig ded chaldäiſchen
Patriarden und angeblid) Geburtsort de3 Propheten
Rahum, daher von Yuden viel befucht. Yn der Nähe
dad ——— Rabban Hormuz.
{foven (v. arab. al-qobbah, »Gewidlbe, Zelt · ).
ging iſche zur Aufſtellung eines oder mebrerer
t oe Die Heimat des Wifovens ijt Franfreid, wo
er aud) Heute nod) vielfad) Uniwendung findet, a
wohl er, fenſterlos und obne direfte Liiftung, den
hygienifden Anſchauungen wenig entfpridt.
ſkuin (Ulduine), gelehrter Leiter des fränki—
ſchen Schulwefens unter $a ri bd. Gr., aus angeljad-
ſiſchem Geſchlecht um 735 in Port qeboren, geſt. 19.
Mai 804. Naddem er, in der Yorler Mojfteridule
erjogen, eine Wallfahrt nad Rom gemadt, ward er
766 von feinem Lehrer Wibebrt, ber Biidhot von Nort
geworden, jum Borjteher der dortigen Schule er-
nannt. Wuf einer zweiten Reife nad Rom 781 traf
er in Parma mit Karl d. Gr. zuſammen, der ihn an
ſeinen Hof tud. A. fiedelte 782 nach dem Franfen-
reid) über und erbielt die Einkiinfte mehrerer Adſter
ju feinem Unterbalt angewiefen. Unter Alluins Ein
fſluß wurde der Hof Rarls der — spuntt der
Bildung für das fränkiſche Reich —— ſeit
790 wieder mehrere Jahre im uae zu Port zuge ·
bracht, folgte er 794 von neuem dem Rufe Karls, der
Alkyl — Allahabad.
feiner zur Schlichtung der abdoptianifden Streitighei-
ten und gur Fortſetzung der beqonnenen Vollserzie⸗
hung bedurfte. A. belämpfte den Urheber jened
Dogmenſtreits, den Biſchof Felix von Urgel, fo er-
folgreich, daß diefer 800 gu Aachen ſeine Lehre wider⸗
rief, beſeitigle die inzwiſchen eingeriſſenen Unordnun⸗
gen im franliſchen Schulweſen und zog ſich dann in
die Stille des Martinskloſters zu Tours zurück, wo
er als Abt eine Gelehrtenſchule gründete, die, von
Karl glänzend ausgeſtattet, ſich bald zu einem Haupt-
ſitz der Wiſſenſchaft erhob und dem Abendland jabr-
hundertelang viele Lehrer gab. In der Geſchichte
nimmt er durch die großen Verdienſte, die er ſich um
die Verbreitung von Kultur und wiſſenſchaftlicher
Bildung im Reiche Karls d. Gr. erworben hat, einen
ehrenvollen Platz ein. Er gründete nicht bloß neue
Bildun — fondern veranlaßte aud) die Or-
de citi) eit gu fleißigen Studien. A. ſchrieb bibli-
ſche Kommentare, Homilien, Sdriften fiir den Unter-
richt in Den Unfangsqriinden der Philofophie, Mathe-
matif, Rhetorif und Granmuatif, Lebensbejdreibungen
der Heiligen, Gedichte und zahlreiche Briefe. Ohne
cin originaler Geijt gu fein, bat er dod das geijtige
Erbe des Ultertums in chriſtlicher Umprägung der
Nachwelt tiberliefert. Cine vollſtändige Ausgabe fei-
ner Werke von Frobenius (Reqensb. 1777, 2 Bde.),
wieder abgedrudt in Mignes »Patrologiae cursus
completus«, Bd. 100 u. 101 (Par. 1851), ſeiner Briefe
in Jajffés » Bibliotheca rerum germanicarum <, Bd. 6
(Berl. 1873). Bal. Lorengk, Alkuins Leben (Halle
1829); F. Monnier, Alcuin et Charlemagne (2.
Aufl., Par. 1863); Mullinger, The schools ot
Charles the Great and the restoration of education
in the ninth century (Lond. 1877); Weft, A. and
the Christian schools (daf. 1892).
Alkyl, ſJ. Altoholradilal.
Alkylcyanide, ſ. Nitrile.
Alkylene, ſ. Olefine.
Alkylhaloide, Verbindungen der Alloholradilale,
Altyle, mit Chlor, Brom, Jod.
Alkyone, ſ. Halfyone.
Alkydnens, im griech. Mythus einer der gewal⸗
tigſten Giganten, der bei dem Kampfe dieſer gegen
die Götter vom Pfeile des Heralles durchbohrt wurde.
Nach ſpäterer Sage fag er unter dem Vejuv.
WN (qriech. pan), foviel wie Schöpfung, Welt, Uni-
verſum, d. §. Der Inbegriff der im Raume vorhan-
denen Dinge. Da es Grenzen des Raunteds nicht gibt,
jo fann man aud) niemals wifjen, ob die uns befannte
Wirklidfeit das A. ijt oder nur ein Teil desfelben;
der Begriff des Alls ijt alfo ein folder, mit dem das
Denten die Sdhranfen der Erfahrung überſchreitet,
cine BVernunftidee, in der die Geſamtheit der Gegen-
ſtände nicht nur der wirfliden, fondern aud) jeder
nod) migliden Erfahrung als Ganges gedadt wird.
Die Kosmologie (f. d.) ſucht gu beſtimmen, wie wir
un das A. ju denfen haben.
AU,, bet Pflanzennamen Ablürzung fiir Carlo
Wilioni, geb. 1725 in Turin, geftorben dafelbjt
1804 (»Flora Pedemontana«, 1785, 3 Bde.; »Auc-
tuarium ad Floram Pedemontanam<, 1789).
Allabreve (ital.), in der Muſik die Bezeichnung
eines befdleunigten Tempos, das durd) C gefordert
wird. Die Voridrift A. fordert urſprünglich (im 14.
bis 16. Jahrh.) ein Taftieren nad) Breves (Doppel-
taftnoten) jtatt Semibreves (Gangen), heute aber ent-
jpredjend das Taftieren nad Halben ftatt nad) Bier-
teln. Der fogen. große UWllabrevetatt, vorgezeichnet
durd) CD oder ?, zaͤhlt ebenfalls nad balben, umfaft
341
aber deren vier; das alte Zeidjen () bedeutete jedod
frither Dreiteiligteit der Brevis mit Zühlen nad Breves.
All' Acqua, Hoſpiz, ſ. Bedretto.
Allah (arab.), Gott, im Koran Name des höchſten
Weſens, zu deſſen Verehrung Mohammed die Gläu—
bigen verpflichtete, zuſammengezogen aus dem ara—
2 Artilel al und Ah, Gottheit, verwandt mit
dem El und Eloah der Hebräer. Der Name A. ijt in
alle Spradjen übergegangen, ſoweit der Islam reidt.
Die veridiedenen Eigenſchaften Gottes, in 99 Namen
desſelben ausgedriidt, bilden, in einer beftinumten
Reihenfolge As ciner Litanei verbunden, den Rofen-
frang der Mohammedaner, der mit dem Namen
U. alS dem Hundertiten, der alle friihern Priidifate
einſchließt, endigt. Der Glaube an einen eingigen,
ewigen und allmadtigen Gott ijt der widtigite Teil
der 1Slamifden Doqmatif (j. Islam) und wird in der
befannten Formel 14 iliha illallAh (in europäiſchem
Munde: W. il W., »es gibt feine Gottheit außer A.«)
augsgedriidt. Mohammeds A., der Ewige, der abſo—
lute Herr aller Körper und Geijter, ijt weſentlich ver-
idieden von dem YW. der Uraber vor Mohammed, der
zwar mächtiger als alle andern Witter, aber nicht der
einige. nidt einmal Herrſcher über jene ijt.
ababad, Hauptitadt de3 Gouvernements der
britiſch ind. Nordweſtprovinzen, unter 25° 16’ nördl.
Br. und 81° 55’ öſtl. L., 61,5 m ii. M., Rnotenpuntt
der Ralfutta-Dehli- und der Bombay-RKaltuttabahn,
auf einer durch das Einmünden der Dſchamna in
den Ganges gebildeten Landzunge, an deren Spite
das grofe, von Albar erbaute, von den Briten nad
mobdernen Bediirfnifjen umgeftaltete Fort; es um—
ſchließt Rafernen, ein ea a a ein Urjenal fiir
30,000 Mann, die beriihmte Saule des Ucofa, cinen
unterirdifdjen Tempel mit dem ewigen Feigenbaum.
A. felbjt befteht aus dem engen Cingebornenviertel
mit drmlicen Lehmbiitten neben pradtigen Paläſten
und dem ſchönen, gartenreichen europäiſchen Viertel.
Hervorragende Bauten hat die Stadt wenige, 3. B. den
Palajt des Gouverneurs, Rafernen, Berwaltungs-
und Geridjt8gqebiude, die Große Moſchee, das Serail
von Khusru gn unentgeltlicen Uufnahme von Rei-
fenden, der Khusru Bagh (Garten und Maufoleum
Khusrus), fatholijde und anglifanifde Rirde, Bi-
bliothef und Mujeum, Stadthaus, das Muir Central
College, das große Zentralgefiingnis ju Ndini. A.
hat 901) 175,748 Einw., wovon zwei Drittel Hindu,
fajt ein Drittel Mohammedaner, 6000 Chrijten. Der
ſehr bedeutende Handel, vornehmlid) Zwiſchenhandel,
wird gefordert durd die Eijenbahnen und den Ganges-
Didamnafanal. A. ijt ein beriihmter BWallfahrtsort,
wo fic, um im Ganges gu baden, im Dezember und
Januar 250,000, alle 12 Jahre aber eine Million Pil-
ger verſammeln. Die Divifion U. umfaft 44,714
qkm mit (1901) 5,535,803 Einw., davon etwa 500,000
Mobhammedaner, gegen 10,000 Chrijten, und zerfällt
in die Dijtrifte Rhanpur, Fatehpur, Banda, Hantir-
pur, UW. und Didaunpur. — A., Sig der fagenbhaften
Könige aus dem Geſchlechte des Mondes Prati d-
thana, kommt um 250 v. Chr. unter dem Namen
Prayaiga (»Opferitdtte«; daraus das moderne
Preag) vor. Die Stadt verddete unter den Kämpfen
der Mohanrmedaner um Hindojtan, bis Albar 1572
bier fein Fort Jlahabas haute, das Schah Didi-
I. (1682—56) dann U.(»Stadt Gotted«) nannte.
. gebirte sum Reide de3 Grokmoguls, bis es 1753
durch den Delir Safter Jang von Audh erobert ward.
Uber ſchon 1765 wurde es von den Briten befest und
dem Grofmogul Schah Ulam zur Reſidenz angewwiefen.
342 Allaftine Körper
die Englander durd Vertrag 1773 dem Naib von Audh,
der es endlich an die Oftindifde Rompagnie abtrat.
Allaktine ſtürper, im Gegenſatze ju thermatftinen
foldhe Rirper, deren Strahlung nicht lediglich durch
die Temperatur bedingt ijt und deshalb den Strah-
lungsgefepen nicht folgt, wie z. B. phosphoredssierende
Store. Bgl. Uusjtrahlung von Wärme, Licht und
chemiſchen Strablen.
Allalingletſcher, |. Visp.
Allan, 1) David, ſchott. Maler, qeb. 13. Febr.
1744 in Alloa, geſt. 6. Aug. 1796 in Gsinburg, bil-
Dete fid) auf der Kunſtalademie gu Glasgow und ging
1764 nad Rom, wo er 1773 mit bem Bilde: der Ur—
ſprung der Malerei (jest im der Nationalgalerie zu
Edinburg) den erjten Preis der Wlademie von Gan
Luca errang. Rad) feiner Rücklehr nad) Edinburg
(1777) widmete er fic) der Bildnis- und Genremaleret.
Seine meijt in Waſſerfarben ausgefiihrien Bilder aus
dem Volfsleben feiner Heimat erwarben ihm den Bei-
namen des »fchottijden Dogarth«. 1786 wurde er
Direftor der Kunſtalademie in Edinburg.
2) George, Pfeudonym, f. Kremnig.
Allanblackia Oliv,, Gattung der Guttiferen.
A. Stuhlmannii Enqgl. (ojtafrifanifder Fett-
baum, Mfani), ein Baum mit mächtigen, faſt redt-
winkelig abjtehenden Äſten, langen, fursgeitielten,
länglich lanzetilichen Blattern, eingeſchlechtigen Blit-
ten, faſt 30cm langer, in ber Mitte 15cm dicker Beere
mit goldgelbem Überzug und 3 cm fangen Gamen
mit fleiſchigem Urillus. Der Baum ijt fehr verbreitet | nach) Rom und ſtarb da
im Ujambaragebiet. Cine Frucht liefert etwa 0,5 kg |
Fett, Das bet 38° ſchmilzt und fic) zur Kerzen- und
Seifenfabrifation eignen dürfte.
Allanit, Mineral, foviel wie Orthit.
Allan-Line (pr. Asin), engl. Dampferlinie, ſ.
Dampfſchiffahrt (Tertbeilage).
Allantoidea, Wirbeltiere, die cine Allantois be
fipen: Reptilien, Bigel, Säugetiere.
MAlantoin (Ullantoisfiure, Amniosſäure)
C,H,N,O, findet fich in der Allantoisflüſſigleit der
Nachdem diefer 1771 W. verlaffen hatte, überließen es
Alldeutſcher Verband.
verbindet, der Harnſtrang, geht, fo weit er im Ra-
belftrang verläuft, bei der Geburt mit dem letztern
verloren; in VerbindDung mit der A. entiteht die Harn-
blafe, und gwar ebenfalls als Darmbdivertifel. Yn der
Ullantoishshle, die bei den verſchiedenen Säugetieren
mehr ober weniger —— beim Menſ ſehr
klein ijt, findet ſich als Abſcheidungsprodult (Hari)
des Embryos eine trübe Flüſſigkeit.
Alla prima (ital.), in der Malerei die Behand⸗
lung, bet welder der Waler ohne Grundierung und
weitere Vollendung durch Lafuren rc. fein Bild herjtellt.
Ward (pr. ar), Baul, fath. Rirdenhijtorifer, geb
1841 in Rouen, dort zuerſt Advolat, dann in ridjter-
lidem Amt. Sein Hauptwert ijt die »Histoire des
persécutions pendant les deux premiers siécles
de I'Eglise« mit ifren fid) bid gum »Triumph der
Kirche⸗ erjtredenden Fortſetzungen (Par. 1884 — 90,
5 Bde.), populiir zuſammen ait in »Le christia-
nisme et l’empire romain de Néron à Théodose«
(1897, 2. Uufl. 1899).
Allargando (ital., »breiter werdend<«), in der
Mufit foviel wie ritardando, aber gewöhnlich mit
crescendo verbunbden.
Allaſch, ruſſ. Kümmellikör, benannt nad dem
Dorf AW. univeit Riga, enthalt aud) Unis, Fenchel
und Roriander.
Allãta (lat., das Hingugebradte<), f. Illata.
Allatius, Leo, cin von der griechiſchen gur rom.
Kirche rei Aa. oom Theolog, geb. 1586 in Chios,
leitete Die tiberfiihrung der Heidelberger Bibliother
—8* 19. Jan. 1669. Er ſchrieb
»De Ecclesiae occidentalis atque orientalis per-
petua consensione libri IIIx (Köln 1648) und » Grae-
_ ciae orthodoxae scriptores« (Rom 1652-—59, 2 Bde. ;
neu hrsg. von Lammer, Freiburg 1864).
Alla zoppa ial. sauf binfende oder ftolpernd:
Art«), in der Muſil foviel wie Synfope, Verſchiebung
der Alzente auf die leichten Taftteile.
tider Verband, nationaler Sug und
Ugitationsverein, geqriindet unter dem Namen All⸗
qemeiner Deutther Verband 9. Upril 1891 (die
Kühe, tm Ralberharn, nad Genuf von Gerbſäure im | Namensänderung erfolgte 1. Juli 1894), als die Er-
Menjidenharn, aud) im Ritbenfaft, in Roßlaſtanien- regung fiber die Breisqabe widhtiger deutſcher Inter⸗
rinde, in jungen Blatanentrieben und entjteht durch eſſen Durd den Sanjibarvertrag in Deutſchland weite
Orydation der Harnſäure fowie durd) Erhigen von
Giyoralfaiure nut Harnjtoff. Es bildet farb-, geruch⸗
und geſchmackloſe Rrijtalle, löſt ſich ſchwer in faltem
Waſſer, leicht in Alkohol, reagiert neutral, verbindet
ſich aber mit Metalloryden und gibt beim Erwärmen
mit Salpeterfiure Allanturſäure CSH,N,O,.
Wllantois (qried., Harnhaut, Sarniad), cine
der Hüllen, die den Embryo der Reptilien, Vögel und
Siiuger umgeben. Sie entiteht als eine Ausſtülpung
des Darmes, wächſt in Form einer geſtielten Blaſe
aus der Bauchhöhle des Embryos hervor und bis zur
innern Oberfläche des Eies Hin. Hier breitet fie fid) mit
ihrer an Blutgefäſßen reidhen Außenſchicht aus und
umbiillt den in das Amnion eingeſchloſſenen Embryo.
Bei den Reptilien und Vögeln dient die A. der Sauer:
jtoffyufubr, ift alfo cin embryonales Utmungsorgan.
Am Schluß der Embryonalperiode bildet fie ſich ganz
oder bis auf cinen fleinen Rejt zurück. Bei den Sauge
tieren Dringt Die A. in jeden jottenartigen Borfprung
der Eihiille cin und bildet mit ihr das Chorion.
Deffen Zotten verwachſen 3. T. mit einem Stiid der
Wandung der Gebirmutter zum Mutterfuden; in
dieſem fommt cin Austauſch von Stoffen des miltter-
lichen Blutes mit denen des embryonalen ju ftande.
Der Stiel der Allantoisblaſe, der fie mit Dem Darm
Kreiſe erqrijfen hatte. Er will das deutſche National-
gefühl vertiefen und das deutſche Boll anf die Muf-
gaben hinweiſen, die ihm durd feine Weltmadtitelung”
namentlid) in überſeeiſchen Ländern erwadjen fimd.
Er tritt Daher fiir eine fraftige nationale Kolonial-
und Unuswanderungspolitif em fowie fiir den Shug
des Deutſchtums im Ausland, indem er auf energt
ſches diplomatifdes Einſchreiten ſowie auf Bermeh-
“rung und beffere Unterjtiigung deutſcher Schulen im
Auslande hinarbeitet. Ferner ijter bemüht, die aufer-
halb der Reichsgrenzen wohnenden Deutſchen bei
ihrem Vollstum zu erhalten, indem er mit den Deut⸗
ſchen in Oſterreich⸗ Ungarn enge —— herge⸗
ſtellt Hat und auf die in überſeeiſchen Ländern woh—
nenden Deutſchen durch Gründung von Ortsgruppen
einwirkt. Um das Deutſchtum vor flawifder und angel-
ſächſiſcher Erdriidung zu bewahren, erjtrebt der All-
deutſche Verband ein enges ſtgatsrechtliches Verhaltnis
des Deutſchen Reiches mit Ojterreid-Ungarn ſowie
die Schaffung eines ————— Zoll · und
Wirtſchaftsgebiets, das auch die Schweiz und die bei-
den Niederlande gu umfaſſen hatte. Frei von jeder
Parteipolitit und durchaus paritatifd will er lediglich
nationale Ziele verfolgen. Als die geeigneten Mittel
yur Erreichung dieſer Ziele bezeichnen die Verbands
Alle — Allegorie.
farang: 1) Belebung de3 vaterländiſchen Bewuft-
cing in der Hetmat und Bekämpfung aller der natio-
nalen Entiidelung entaegengelebten Ridtungen. 2)
Ldjung der Bilbungs-, ae meal und Sdulfragen
int Sine des dDeut}dhen Voltstums. 3) Pflege und
Unterjtiigung deutid-nationalerBejtrebungen in allen
Ländern, wo Angehörige unfers Volkes um die Be-
hauptung ibrer Eigenart zu fampfen haben, und Zu⸗
jammenfajjung aller Deutiden auf der Erde fiir diefe
Ziele. 4) Forderung einer tattraftigen deutſchen Inter⸗
ejjenpolitif in Europa und iiber See, insbeſ. aud Fort-
flihrung der deutſchen Kolonialbewegung zu prattijden
CErgebnijjen. Auch die innere nationale Fejtiqung ded
Deutfden Reiches zählt gu den Uufgaben des Alldeut⸗
ſchen Verbandes, daber fein Eingretfen in den preußi⸗
iden Ojtprovingen, wo der Alldeutſche Verband bereits
1893 vor dem Bejtehen ded Oſtmarlenvereins die Po-
lenpolitit des Grafen Caprivi befaimpfte, in Schleswig
qegeniiber den Dänen undin Elfah-Lothringen gegen=
ilber den Proteſtlern. Der Verband wurde 1893 reor-
— und entwickelt ſich ſeitdem in ſteigendem
ße. Die Mitgliederzahl betrug Mitte 1897 an
12,000, die Zahl der Ortsgruppen 82, davon 28 im
Ausland (auerdem an 200 Vertrauensmanner). Um
1. Jan. 1902 zählte der Verband 21,924 Mitglieder
und 217 Ortsgruppen, davon 26 mit 2300 Mitglie-
dern im Ausland. Verdienſte de3 Verbandes find feine
Ugitation fiir die Bermehrung der Flotte jeit 1894,
ſchon vor dem Bejtehen ded Flottenverein3, und fein
Cintreten gu gunjten der Buren feit 1898, worin ihm
fajt das ganze Boll gefolgt ijt. Die vom BVerbande
veranjtaltete Geldfammiung fiir die Buren betrug bis
Mai 1902: 542,522 ME. Die Verwaltung liegt in
den Handen der Hauptleitung, eines —— ühren⸗
dent Ausſchuſſes und des Vorſtandes. Gegenwärtiger
Vorſitzender iſt der — x gr erie Profefjor
Ernjt Hajfe (}. d.) in Leipzig; Berbandsfdrift ſind
die wöchentlich in Berlin pa 5 Ate »Alldeutſchen
Blätter⸗. Daneben erſcheinen Flugſchriften des Ver—
bandes (⸗ Der Kampf um das Deulſchtum«) bei J. F.
Lehmann in München. Bgl. »Alldeutſches Werbe⸗
und Merfbiidlein« (6. Uufl., Münch. 1902).
Alle, linter Nebenfluß de3 Pregels in Oſipreußen,
entipringt ndrdlid) von Reidenburg bei Lahna, fließt
durd) den LanSfer See, entpfiingt bei Schippenbeil die
Guber, bei Ullenburg die Omet, ijt 54 km ſchiffbar
und miindet nad 220 km langem Lauf bei Webhlau.
Allee (franj.), cine mit zwei oder mehr Baumreihen
bepflangte Straße. In Stadten dienen Ulleen haupt-
ſächlich äſthetiſchen Bweden fowie sur Erzeugung von
Schatten fiir den Verlehr. In regelmäßigen Untagen
find fie oft von grofer Wirfung. Auf dem Lande be-
zeichnen fie in wirlſamſter Weife den Weg und werden
mit beftem Erfolge gu Objtertrigen benugt. Die früher
febr beliebten Byramidenpappeln werden jetzt überall
entfernt, weil jie durch ihre ſehr weitlaufende horizon—
tale sig aes. die Ader neben den Wlleen aus-
faugen. Alleebäume dürfen nidt von Natur hängen⸗
den Wuchs haben, da ſolche den Verfehr hindern. n
vermeidet auch an Straßen mit großem Verlehr Bäume
mit eßbaren Früchten und früh das Laub werfenden
Arten. Beim Pflanzen in Städten muß die Nähe von
Gasleitungsröhren möglichſt vermieden werden.
Allée couverte, }. Dolmen und Graber, vor-
geſchichtliche.
Ullegat, Allegation, ſ. Allegieren.
hanty (pr. adigtn), Fluß tm nordamerilan.
Staat Fennfylvanien, vom Wejthange de3 Alleghany⸗
gebirges, bildet bei Pittsburg mit dem Monongahela
343
den Ohio (ſ. d.) und ijt 416 km fiir Boote, 320 km
fiir fleine Dampfer fahrbar.
Wlleghauygebirge (jpr. auigeni, Alleghanies)
nennt man namentlid) in Deutſchland und Frankreich
dad Saupigeirge de öſtlichen Nordamerifa, das vom
Gebiete des Alabamafluſſes bis an den Hudfon reid.
In Umerifa ſchränkt man den Begriff auf einen in
den Staaten Pennfylvanien und Virginia gelegenen
Teil des Gebirges ein und nennt das Sig saps
in Übereinſtimmung mit Den alten Karten Appa—
laden (j. d.).
Alleghe, Dorf in der ital. Proving Belluno, Kreis
Ugordo, im Cordevoletal, am öſtlichen Ufer des 1772
durch Bergſtürze entitandenen Wile ghef ees, mit
(1901) ca. 1100 (als Gemeinde 1483) Einw.
Ulleghenty (pr. aaigend, Hauptitadt der gleidmami-
gen Grafſchaft im nordamerif. Staat Pennſylvanien,
eqeniiber Pittsburg (fj. d.), am Zuſammenfluß des
lleghany und Monongahela, Bahnknotenpunkt, mit
(1900) 129,896 Cinww. (vielen Deut\dhen), drei theolo-
iiden Seminaren, Negercollege, Sternwarte, Wai-
* Zuchthaus, Unionsarſenal und bedeutender
uſtrie in Eiſen und Bronze, Maſchinen, Farben,
Leder, Bier rc. (1900: 833 Betriebe mit 20,804 Ur-
beitern und fiir 54,1 Mill. Doll. Produften). Der
Wert des ftenerpflidtigen Cigentums betrug 1900:
69,032,734, die ſtädtiſche Schuld 4,137,440 Doll.
Allegiance (engl., fpr. aidſchens) Gehorſam, Un-
tertanentreue, Daher Oath of A., der Untertanencid,
ben friiher jeder Brite nad) Vollendung des zwölften
Lebensjahres feinem Herrjder als weltlidjem Ober-
Haupt gu leijten hatte, und der nod) jetzt von gewiſſen
Beamten bei ihrer Ernennung gefordert wird, int
Wegenfage gum Oath of Supremacy, Supremiatetd (7.
Supremat), der ehHemals gleidfalls obligatorijd war.
Allegieren (lat.), eine Stelle aus einem Bude
anfiifren; Wilegat, das Angeführte, Zitat; Alle—
gation, Unfiihrung einer Stelle.
Allegorie (qried.), in der Kunſt und Poejie ſinn⸗
fiche Belebung und Darjtellung eines abſtralten Be—
riffs oder eines verwideltern abjtraften Denfattes.
ie U. entiteht durch die beſeelende oder perſonifizie—
rende Upperjeption (ſ. Äſthetiſche Apperzeptionsfor⸗
men). Während das Symbol ein andeutender Er—
fay fiir einen oft halb verſchloſſenen, geheimmisvoll
in die Ferne deutenden Vorjtellungsfompler ijt, ein
in verjiingtem Maßſtab ausgeführtes Bild fiir einen
halb erfannten, halb geahnten weiten pſychiſchen In—
halt, beſteht die A. allein darin, daß das Abſtrakte
anthropomorphiſch beſeelt und denfend, redend, han—
delnd, auch leidend vorgeführt wird. Je mehr kon—
kretes Leben der A. verliehen iſt, um ſo künſtleriſcher
wirkt fie; bleibt fie der ſinnlichen Fülle bar, fo ijt fie
frojtig, falt. Durd) die Verfoppelung des Abſtrakten
und Konkreten ift die A. der Fabel und der Parabel
vergleidjbar, dod) find diefe lehrhaft, was die A. in
der Regel nicht ijt. Als Beifpiele der A. mögen an-
qefiihrt werden: Schillers » Madden aus der Fremde«,
das die Poefie vergegenwärtigen foll, oder die Dar-
jtellung der Geredhtigteit durch eine Frauengeſtalt mit
Schwert und Wage. Erſt feit Leffings »Laofoon<, der
das Unkünſtleriſche diefer Darjtellungsart nadwies,
trat die A. guriid, ijt aber bis auf die Gegenwart fiir
Die Runft, insbeſ. die plajtifde, unenthehrlich qeblicben,
namentlid) bet Denfmalern und bei Ausſchmückun
dffentlicher Gebãude, deren Beſtimmung zumeiſt rah
allegorifde Figuren fenntlid ~— wird. Bgl.
BWindelmann, Berfud einer Wl. (1766; hrsq. von
Dreffel, Leipz. 1866); Bliimner, Uber den Gebraud
344
der A in ben bildenden Künſten (»Laofoon-Studien<, |
Heft 1, Freib. . Br. 1881); Frant, Darjtelung und |
Deutung der Ullegorien (fiir Xunjthandwerter :xc., |
Hamb. 1880); Bornemann, Die A. in Kunit, Bif- |
ſenſchaft und Sirde (Freib. i. Br. 1899); Allego⸗
rien und Embleme« (Entwiirfe moderner Künſtler,
Radhbildungen xc., hrsg. von Gerladh, Tert von Jig,
Bien 1883 —84; nene Folge 1896 —1900).
Allegoriſche Anslequug, diejeniqe Auslegungs⸗
methode, welde den gehermen Sinn emer Schrift zu
ermittein fucht, ein getjtreidjes, willlürliches Spielen |
mit Borten und riffen, weldem das Streben ju
Grunde liegt, den Gebalt emer Schrift als bloge Form |
fiir einen andern, von ihr ganz unabbangigen Gebalt
zu fajjen. Jn diefem Sinn tit die a. A. ſchon pon |
ipatern griechiſchen Philoſophen — ——————
und andrer Dichter der Vorzeit, ganz bef aber |
von den aleranbdrinifden Juden zur Erklärung der
Heiligen Sdrift angewendet worden. Yn der drijt- |
lichen Theologie ijt ſie durd) Origenes herrſchend ge- |
worden und tit heute nod nidt völlig überwunden,
obgleich die Reformatoren grundjaglid) nur die gram⸗
matiſch⸗ hiſtoriſche Auslegung fiir zuläſſig erflarten,
nachdem ſchon in der alten Kirche die antiocheniſche
Schule (. d.) an die Stelle der allegoriſchen Auslegung
die Anwendung des grammatij Schriftſinns fitr
erbauliche Betrachtung geſetzt hatte.
Allegoriſieren (qried.), etwas allegoriſch oder
durch Allegorie (ſ. d.) darſtellen.
Allegramente (ital.), foviel wie Allegro.
Allegretto (abgefiirst Allo, Diminutiv von | oft frummidal
allegro), gemäßigt lebbaft, Tempobezeichnung von
ſehr ſchwankender Bedeutung; es gibt Allegretti, dic
dem Allegro ſehr nabejteben, während andre nahezu
den Charafter eines Andante haben.
Allegri, 1) Gregorio, ital. Kirchenlomponiſt,
qeb. 1584 in Rom, gejtorben dafelbjt 18. Febr. 1652,
war Sdiiler Naninis und von 1629 papjtlicher Napell-
finger. Sein neunftimmiges, in einem febr einfachen
wiirdevollen Stile geſchriebenes »Miferere« gehört zu
dem Repertoire der Sirtinifden Kapelle während der
Rarwode. Zwei leichte zwei⸗ bid fiinfftimmige Con-
certini (Stirdenfonjerte) und zwei Biider zwei⸗ bis
ſechsſtimmige Wotetten erfdienen im Drud, Meſſen
u. a. find handſchriftlich erhalten.
2) Untonio, Maler, ſ. Correggio.
Allégro (abgekürzt Alle, ital.), eine der älteſten
mufifalijden Tempobezeichnungen, bedeutet »heiter,
luſtig⸗, bat aber im Laufe der Beit die Bedeutung von
rfdnell« erhalten. Wie man von einem Adagio als
einem langſamen Sag ganz allgemein ſpricht, fo hat
aud) bas Wort A. die allgemeine Bedeutung eines
ſchnell bewegten Sages erhalten, und man nennt da-
ber 5. UB. einen erjten Sympbhoniefag ein A., aud) wenn
derſelbe vielleicht mit Vivace oder Con fuoco über—
Allegorijdhe Auslegung — Allen.
birten der Kirche. Noch jest gelten alle Ridhtfatholéfer
al verdammt, und WMilderungen diejer Lehre wider -
itreiten Dem fatbolifden a. Ubrigens fest arc
die allgemeine protejtantijde Grundanidauung Die
Zugehorigfeit zu irgend weldem chriſtlichen ird>ert -
d als felbitverjtindlid voraus.
Allelodidattifdy (qried.), auf den gegenfeitiqes:
Unterricht gegründet, thn anwendend.
Allemagne (jran}., for. of manny), Deutidland.
Allemand, L’, Maler, f. LAllemand.
Allemande (jor. af mangy’), ãlterer —— eraderra
Taft, zu Ende des 16. Jahrh. der Name cigenS.
wie er fic) aus der altmodiid qewordenen Pavane
({. d.) entwidelt hatte. Bie der Ravane die Galliarde
als Nadtany im Tripeltaft folgt, fo ijt auch der A. ir
den deutſchen Suiten um 1610 (Peurl, Sein) meiſt
eine >Zripla< angehãngt. Bielfad heißt in Deutid-
land die UW. einfach ⸗Tanz« oder ⸗deutſcher Tanz⸗
In der fpatern (franzöſiſchen) Suite gu Ende des
17. Jahrh. verſchwinden Pavane und Galliarde, und
die A. ijt gewöhnlich der erjte Sag (vgl. Suite). Auch
der ſchwãbiſche oder alemannifde, dem Walzer oder
Laindler ähnliche Rundtanz (Dreher), der aber m
4 Taft fteht, wird A. qenannt.
Alle Mann anf, Befehl de3 Bootsmanns mit
der Trillerpfeife, die Mannſchaft foll an Ded kommen.
Alemannus, Sac., Glasmater, ſ. Griejinger 1).
Wllemontit (ntimonarjen), Mineral, Wi-
jung von Arſen und Antimon in wedfelndem Ber-
haltms, zinnweiß bis lidhtbleiqrau, formig oder dicht,
ig jtruiert, findet fid) zu Allemont um
der Dauphin, Undreasberg x.
Willen (pr. aden), 1) Bog of, großes Torfmoor in
den iriſchen Grafidaften Kildare und King’s County,
vom Grand Canal durchzogen; ihm entſtrömt der
Boyne. — 2) See, f. Shannon.
Allen, 1) Ethan, amerifan. Freiheitslämpfer.
qeb. 10. Jan. 1738 in Litchfield (Connecticut), get.
13. Febr. 1789, madhte fid als Obert emer Abteilung
Bermonter durch die Einnahme von Ticonderoga
(10. Mai 1775) befannt. Darauf der Armee des Ge-
nerals Schuyler fich anſchließend, leijtete er bei Mont-
gomerys Expedition nad Kanada gute Dienjte, geriet
aber bei einem verungliidten Handjtreidh auf Mont-
real in die Hände der Briten, die ihn erjt 1778 aus-
wedjelten. Als Ubgefandter su Dem Kongreß hatte er
es durchgeſetzt, daß Vermont 1791 als befonderer Staat
angelehen wurde. A. verfafte politiſche Werke und cine
heftige Schrift gegen die qeojfenbarte Religion (+> Rea-
son the only oracle of man«, 1784; neue Ausg., Bort.
1854). Sein Leben beidrieh De ¥ uy (Buffalo 1853).
2) Charles, amerifan. Staatsmann und Rechts
elehrter, geb. 9. Mug. 1797 in Worcefter (Maſſachu⸗
Pets), qeit. 6. Mug. 1869, begann feine politijde Lauf⸗
ſchrieben ijt. Der ſelten gebraudte Superlativ Alle-
grissimo ſteht in der Bedeutung etwa mit Presto gleich.
Al - Cinheitsehre, |. Monismus.
Alleinherrſchaft, |. Monarchie.
Ulleinfeliqmachende Kirdhe, Selbſtbezeichnung
der fatholifchen Kirche, fofern fie erklärt, daß außer—
balb ihres Verbandes niemand felig werden könne.
Der Say: »Extra Ecclesiam nulla salus« (>aufer
Der Kirche fein Heil«) iff, wenn aud nicht ganz mit
diefen Worten, ſchon bei Cyprian (um 250) gu finden.
Auguſtin, Leo d. Gr. und Gregor d. Gr. verfodten die |
Besiehung des Sages auf den duferliden, orqani-
ſierten Verband der fatholiiden Kirche und die Unter: |
werfung unter den römiſchen Biſchof als den Ober
bahn 1829 als Witglied der Leqislatur feines Gee
| burtsftaates, nabm 1848 an der Freibeitsbewequng
(free-soil movement) teil, wurde wiederbolt in Den
Kongreß gewählt und belämpfte die Politif der ſüd⸗
lichen Sflavenhalter. Beim Ausbruch ded Segeffions-
frieqes war er Mitglied des Friedensfongreffes (186 1).
| B8)RarlFerdinand, din. Hiftorifer, geb. 23. April
| 1811 im Ropenhagen, gejt. 27. Des. 1871, ftudierte
und lehrte (feit 1851) an der dortigen Univerfitat,
nadbdem er 1845—48 viele Archive Europas beſucht
hatte. Sein in demofratifdem Sinne geſchriebenes
» Haandbog i Fadrelandets Historie« (Ropenh. 1840,
8. Mul. 1881; deutſch, Leipz. 1849) fibte auf die po-
litiſchen Anſchauungen feiner Landsleute cinen nach⸗
| haltigen Einfluß aus. Nach Verdffentlidjung der Ur-
— — — —
- Ullenberg — Allerkatholiſchſte Majeftat.
fundenfammlung »Breve og Aktstykker til Oplys-
ning af Christiern Il:s og Frederik I:s Historie«
(1854) erſchien fein Hauptwerf »De tre Nordiske Ri-
gers Historie«, umfajjend die Jahre 1497—1527
(1864—72, 5 Bde.), das ald eine der hervorragendjten
Leijtungen der ffandinavifden Geſchichtſchreibung gilt.
Dagegen haben feine zahlreichen philologifden und
ethnographifden Beitrage zur ſchleswig⸗ holſteiniſchen
Frage, bejonders die Schrift »Det danske Sprogs
Historie i Hertugdémmet Slesvig eller Sinder-
jylland« (1857—58, 2 Bde.), deutſcherſeits lebbaften
Widerfprud hervorgerufen.
4) Grant, engl. Raturforfder und Romanj{drift-
fteller, geb. 24. Tor. 1848 in Kingston (Kanada),
ejt. 24. Oft. 1899 in Surrey. Er trat in mebhreren
Schriften fiir die Darwinſche Ridtung ein. Dabin ge-
hören: » Physiological aesthetics« (1877); »The co-
lour sense« (1879, 2. Aufl. 1892); »The evolutionist
at large« (1881, 2. Aufl. 1885); »Colours of flowers«
(1882); »Force and energy« (1888); »Charles Dar-
win« (1885). Auch ſchrieb er cine Reihe von Roma-
nen. Sein Leben beſchrieb Clodd (Lond. 1900(.
Auenberg Gutsbezirk im preuß. Regbez. Königs⸗
berg, Kreis Wehlau, 3 km ſüdlich von Wehlau, mit
Provinjialirrenanjtalt und (1900) 927 Einw.
Allenburg, Stadt im preuh. Regbez. Königsberg,
Kreis Wehlau, an der Wile, hat eine evang. Kirche,
Damenjtift, Rettungshaus, Untsgeridt, Dampfmilh-
fen und (1900) 1750 Einw.
Wllendale (pr. ãuendeh, Marktſtadt in der engl.
Grafidhaft Northumberland, am Allen, mit Bleigru-
ben und (1901) als Gemeinde 4778 Einw. [lende.
Allende, Stadt in Merifo, ſ. San Miquel de Ul-
Allendorf, 1) Stadt tm preuß. Regbez. Raffel,
Kreis Witzenhauſen, an der Werra und der Staatd-
bahnlinie Franffurt-Bebra-Gattingen, 154 m i. M.,
hat eine evangelijde und eine fath. Rirde, Untsgeridt,
DOberfirjterei, Bapier- und Papierwaren-, Ronjerven-
und Ucetylenqasfabrifation, Dolaiciiettece und (1900)
2807 Einw. Gegeniiber der Fleden Soden (f. d. 3).
Ral. Wag ner, Geſchichte der Stadt A. (Marb. 1865).
— 2) WM. an der Lumbda) Stadt in der heff. Bro-
ving Oberheſſen, Kreis Gießen, hat eine evang. Kirche
und (1900) 1106 Einw.
Ullenftein, Kreisjtadt im preuß. Regbez. Königs—
berg, an der Alle, Knotenpuntt der Staatsbahnlinie
HOjterode-Memel und andrer Linien, hat eine evan-
geliide und 2 fath. Rirden, eine ——— ein altes
Schloß, ein Denfmal Kaiſer Wilhelms J. Gymna-
ſium, Realſchule, Provinzialirrenanſtalt (KCortau),
Eiſengießerei, Maſchinen⸗, Ziindholy-, Ofen- und
Faßfabrikation, Holzbereitungsanſtalten rc. und (1900)
mit der Garniſon (Infanterieregimenter Nr. 150 und
151, Dragonerregiment Rr. 10 und Heldartillerieregi-
ment Nr. 73) 24,295 meijt fath. Emwohner. A. ijt
Sig eines Landgerichts (fiir die 10 Umtsgeridte zu
A. Gilgenburg, Hobenitemn, Reidenburg, Ortelsburg,
Djterode, Paſſenheim, Soldau, Wartenburg und BWil-
lenberg), des Stabes der 37. Divifion, der 75. Ynfan-
terie= und der 37. Ravalleriebrigade und einer Reids-
banfnebenjtelle. Es erhielt 1353 kulmiſches Stadtredt.
Allentando (ital.), langjamer werdend.
Wlentown (jor. tam), Hauptitadt der Grafidaft
aegis im nordamerifan. Staat Pennſylvanien, am
Lehighfluk und -fanal, Bahntrotenpuntt mit (1900)
85,416 Einw. (vielen Deutſchen), dem deutiden Miih-
lenberg-Colleg, großen Eiſen⸗ und Farbwerfen, Sei-
denfabrifen u. a. (1900: 491 Betriebe mit 8447 Ar⸗
beitern und 16,947,722 Doll. Produftionswert).
345
Wflentfteig , Stadt in Niederöſterreich, ris sien
Zwettl, an der Staatsbahnlinie Wien-Gmiind, hat
ein Bezirlsgericht, ein Schloß, cine Landesſiechen⸗
anjftalt und (see) 1198 Einw.
(Ulappalli, Uulapolay), Hafen de3
Tributärſtaats Travankor in der britiſch-ind. Prafi-
dentidaft Madras, ah der Malabartiijte, mit son
22,768 Cinw.
Aller, rechter Nebenfluf der Wefer, entſpringt bei
Seehauſen im preuß. Regbez. Magdeburg, 155 m i. M,
fließt meift in nordwejtlider Richtung durd) braun-
ſchweigiſches Gebiet und von da in die Proving Han-
nover, ijt von Celle ab 117,6 km ſchiffbar und miin-
det unterhalb Verden. Ihre Linge betraigt 162 km.
Bufliiffe: rechts die Orze und Böhme (von der Lüne⸗
burger Heide), link die Ofer mit der Ilſe und die
Reine mit der Innerſte. Bgl. Keller, Wefer und
Ems, ihre Stromgebiete xc., Bd. 4 (Berl. 1902).
Allerchriſtlichſte Majeftat (lat. Rex christia-
nissimus, franj. Sa Majesté trés chrétienne), Titel
der Könige von Franfreid), den Ludwig XL. 1469 vom
Papſt Paul I. fiir fic) und feine Nachkommen erhielt.
Während der Kaiſerzeit fam er außer Gebraud, dod
nahmen ihn Ludwig XVIII. und Rarl X. wieder an.
Der »VBiirgerfinigs Ludwig Philipp führte ihn nidt.
Allerglandi Sohn Ki (Wiler-
big AL Majejtat, lat. Rex fidelissimus, fran}.
Majesté trés fidéle, unridtig oft mit »allerge-
treuejt« überſetzt), Titel der Könige von Portugal, den
Johann V. 1748 von Papſt Benedift XIV. erbielt.
Allerheiligen, tathol. Feſt sum Gedächtnis aller
Heiligen und Märtyrer, im Orient fon feit ca. 350
am + ide nad Pfingſten gefeiert; im Abendlande
ward es, friihejtend unter Bonifacius IV. (ca. 610)
nadweisbar, durch Gregor IV. (834) fiir den 1. Nov.
vorgeſchrieben.
llerheiligen, 1) Ruine ded 1196 geſtifteten, 1803
aufgehobenen Prämonſtratenſerkloſters im Tal des
Lierbachs im nördlichen Schwarzwald und im badi-
ſchen Kreis Offenburg. Dabei 2 hi Quftfurort
620 m ii. M.). Die in einfamer Wildnis gelegenen
riimmer und der in fieben Fillen abjtiirzende Bach
Büttenwaſſerfälle) werden ftart beſucht. ay. edt,
8 Kloſter U. (2. Aufl., Karlsr. 1889); Sderer,
A. einſt und ee (Leip;. 1900). — 2) Bitriol- und
Wlaunbiitte, i aſchau.
Allerheiligenbai, ſ. Bahia.
Allerheiligenholz, Rotholz von Bahia.
All ligeninſeln (franz. Les Saintes), fleine
franzöſiſch-⸗ weſtind. Jnfelgruppe fiidlid) von Guade-
loupe, dem fie politijd gugehbren; 14,22 qkm groß.
feljig, ohne Ouellen, nig Urry x Nutzwaſſer gibt
e3 nur durch Bijternen. Die drei bewohnten Haupt-
infeln, Terre d'en Haut mit Hauptort Saintes, Terre
d'en Bas und Vet a Cabrit mit Strafanftalt und
Hojpital, umſchließen cine fidjere, befejtiqte Reede. Die
Bewohner eed 1803) treiben etwas Raffeebau.
MAllerheiligfteds, die geheimſte innere Ubteilung
der Tempel (Wdyton) bei den alten Völlern, wohin
den Brofanen der Zutritt —— war; bei den Juden
insbeſ. die hinterſte Abteilung der Stiftshütte, ſpäter
des Tempels, wo bis zum Exil die Bundeslade auf—
eſtellt war. Nur der Hoheprieſter betrat einmal im
Sabre, am Verſöhnungstag, dad Allerheiligſte. Jn
der fatholifden Kirche verjteht man darunter die ge-
weihte, in einem Gefäß (Monſtranz) zur Verehrung
— oſtie; aud) das Gefäß, das jene bewalrt.
llerkatholiſchſte Majeftat, cin Teil des Titels
der Könige von Spanien.
346
Allerileigewiirg, Miſchung von gemahlenem Yng-
wer, Pfeffer, Piment oder remer Piment.
Alermannsharnijd, ſ. Allium und Gladiolus.
Allers, Chrijtian Wilhelm, Maler und Reid-
ner, geb. 6. Aug. 1857 in Hamburg, bildete fich jum
Lithographen aus, widmete fic) dann aber auf der
RKunftidule gu Karlsruhe der Malerei. 1880 madte
ec cine Studienreife nad Giidtirol, der fpater, nad)-
dem er ein Jahr als Matrofe auf der Marine gedient,
ablreide andre nad) Holland, England, Schweden,
sitalien umd den Mittelmeerländern foigten. A. hat
ſich durch —— Zeichnungen und zuſammenhän⸗
gende, mit Bleiſtift und Tuſche gezeichnete Bilder—
reihen belannt gemacht, in denen er das Leben ein-
iner Berujs- und ——————— mit naivem,
rid quellendem Humor, —* ſatiriſche Nebenabſicht,
mit liebevoll eingehender rafterijtif und feinem
Schönheitsgefühl ſchildert. Vornehmlich hat ihm das
Treiben hinter den Kuliſſen von Rirfus und Theater
cine Fülle von Wotiven geboten, die er in den Zyflen:
Zirkus Renz, die Mikadogeſellſchaft, hinter den Kuliſ⸗
jen und die Meininger bearbeitet hat. Bon jeinen
iibrigen, ju zylliſchen Darjtellungen vereinigten Cha-
rafterjtudien, Vollsſzenen und Ganbdidaiter find die
Hamburger Bilder, der Rub Cintradt (im Beſitz der
Berliner Rationalgalerie), die Spreeathener, die Hod)-
zeitsreiſe durch die Schweiz, die filberne Hochzeit,
Capri, Bachſchiſch (Studien von einer Orientreiſe),
Fürſt Bismard in Friedrichsruh, Unſer Bismard und
Rund um die Erde (alle photographic) vervielfaltigt)
a a UL. lebt in Karlsruhe. Val. Olinda,
reund A., ein Riinjtlerleben (Stuttg. 1894).
Allerſeelen, tathol. Feſt am 2. Nov. zum Gedächt
nis der Gejtorbenen, hat ſich, zuerſt im Kloſter Clugny
durch Abt Odito 998 angeordnet, ohne bejtimmtes
tirchliches Gebot allmählich durchgeſetzt. Begangen
wird es durch feierliches Totenamt und durch Wall—⸗
ſahrten zum Gottesacker, wo die mit Blumen und
Lampen geſchmückten Gräber mit Weihwaſſer be—
a+ werden.
e8 flicht, d. 6. alles wechſelt ewig (qried). xavra |
det), ein auf den griechijden Boilofophen Herafleitos |
(um 500 v. Chr.) zurüchgeführter Ausſpruch.
Wllesfreffer (Omnivoren), Tiere, die tieriſche
nnd pflanzliche Nahrung nehmen, wie die Schiweine. |
Allevard (pr. alwary, Stadt im franj. Depart. |
Vere, Urrond. Grenoble, 475 m i. M., im Tal des
Breda, an der Eiſenbahn Détrier-VW., mit einer Schwe⸗
felquelle (16°) und Badeetabliffement, Bergbau auf
Cijen, einer Cijenbiitte, Gipsbriiden, Fabrifation von
Stahlwaren und Seidenjtoffen und ave, 1678 Cinw.
ligaier, Johann, Schadjpieler, geb. 19. Juni
1763, gejt. 1823 in Wien, war 1798—1816 im diter- |
reichiſchen Milttardienst ; fchrieb » Rene theoretijd-prat-
tiſche Anweiſung zum Schachſpiel « (Wien 1795, 7. Aufl.
1841, 2 Tle.), dad erjte derartige braudjbare Buch in
deutſcher Sprade. Eme von ihm befonders gepflegte
lühne Bariante des Königsgambits heißt U.-Gambit.
Wigan, ſJ. Algäu.
Allgemein (Allgemeinheith, ſ. Begriff, Urteil.
Allgemeine deuiſche Bibliothek, |. Nicolai 2).
—— Grammatik, ſ.Sprache und Sprach⸗
enſchaft.
wi
Ugemeiner Deputiertenkonvent (A. D. C.),
ſ. Studentenverbindungen.
Allgemeiner Deuiſcher Schulverein, |. Deut⸗
ſcher Schulverein.
Allgemeiner DeutſcherſEprachverein, {.Deut-
ſcher Spradverein.
Allerleigewiir,; — Allgemeines Stimmrecht.
Allgemeines Stimmredt (franj. Suffrage uni-
versel), die Befugnis, gum Bwed der Mitwirhing
bet den widtigiten ~ 9 ag mitzuſtim⸗
men, inſofern dieſe Befugnis jedem Staatsangehöri⸗
gen eingeräumt ijt, der fid) im Vollgenuß der ſtaats⸗
lirgerliden Rechte befindet. Cine unmittelbare Mit-
wirfung der Geſamtheit der —— bei der Ge⸗
ſetzgebung und deren unmittelbare Teilnahme an der
Verwaltung des Staates ſind ſelbſtverſtändlich nur
bei einem ganz kleinen Staatslörper, wie z. B. in eini⸗
gen Schweizer Kantonen, möglich. In Freiſtaaten
oder konſtitutionellen Monarchien von größerm Um-
fang fann das Boll eine derartige Mitwirhung nur
mittelbar, d. §. durch Wahl von Vertretern (Bolle
vertretern), betitigen. Wird nun das Recht, an den
Wahlen dieſer Volksvertreter teilzunehmen (attives
Wahlrecht), den Staatsan fey ae unniittelbar, obne
Rückſicht auf ibre biirgerlide Stellung und auf ihre
Ubgaben zur Staatatafe eingeräumt, jo ſpricht man
von einem allgemeinen Stimm⸗ oder Wahlrecht oder
genauer von einem allgemeinen gleidjen und unmit⸗
telbaren Wahlrecht. Bei der indireften Wahl beſteht
swijdjen den Wählern (Urwablern) und den Ge-
wählten das Bwifdenglied der Wahl männer, weld
legtere von den Urwablern gewählt werden und die
dann die Whgeordneten gu wählen haben. Das all
emeine Stimmrecht befeitigt dieſes Zwiſchenglied und
äßt die Ubgeordneten unmittelbar von den Wabhl-
beredjtigten wablen. Dies Syjtem ijt in England,
Nordamerifa, Frankreich, Belgien, Italien, tt Den
meijten Schweizer Rantonen, in Wiirttemberg und
aud fiir die Wahlen zum deutſchen Reichstag, in eini-
gen Ländern auch fiir die Gemeindewahlen angenom:-
men, während das Syjtem der indirefien Wahl in
Preußen, Bayern, Sadfen, Baden und in verſchiede⸗
nen deutſchen Meinjtaaten bejteht. Einige Staaten,
wie 3. B. Oſterreich, haben ein gemiſchtes Sytem. Erit
infolge der Revolution von 1848 wurde das allgemeine
Stimmredt in Frankreich eingefiihrt. Nod) während
| Der Republif aber, und gwar gerade deshalb, weilman
deren Beſeitigung durd) das allgemeine Stimmrecht
befiirdtete, wurde es wiederum abgeſchafft, bis Lud-
} wig Napoleon es durd) Plebiszit vom 2. Dey. 1852
wiederherjtellen liek, um dann, geſtützt auf das Suf-
frage universel, die Republif felbjt zu ſtürzen.
Rach dem Vorgang Franfreichs hatte auc die Franks
furter Nationalverſammlung durch Geſetz vom 12.
April 1849 das allgemeine Stimmrecht einzuführen
ejucht, indent fie bejtimmte, daß an den Wahlen der
bgeordneten gum Vollshaus jeder unbefdoltene
Dentide nad) vollendetem 25. Lebensjahr teilyunel-
men psig, far ſolle. Dieſes Geſetz fam allerdings
nicht zur Verwirklichung; es blieb jedoch das immer
entidjtedener auftretende Verlangen nach Einberufung
einer deutſchen Gefamtvolfsvertretung auf der Grund-
lage des allgemeinen und Ddireften Wahlrechts, und
als 1867 ber Norddeutſche Bund erricdtet ward, fand
dag allgemeine Stimmrecht in deffen Verfaſſung Auf⸗
nahme. Wud die deutſcheReichsverfaſſung vom
15. Upril 1871 (rt. 20) bejtimmet, dak der Reichstag
aus allgemeinen und direften Wahlen mit geheimer
Ubjtimmung bervorgeht, und das Wahlgeſetz vom
81. Mai 1869 enthalt in § 1 die Beſtimmung, dah
jeder Deutſche nad guriidgelegtem 25. Lebensjahe in
dem Bundesjtaat, wo er feinen Wohnſitz hat, Wahler
fiir den Reichstag ijt. Eine Ausnahme (Wabi gefer,
8) findet nur ftatt fiir diejenigen, deren Vermdgen
& im Ronfurs befindet, fiir Matenes unter Bor»
mundſchaft oder Kuratel, fiir folde, die cine Uren
Allgemeine Zeitung — Alliance Israélite universelle.
unterſtützung beziehen oder im letzten der Wahl vor-
hergegangenen Jahr bezogen haben, und endlich) aud
fiir diejenigen, denen infolge rechtskräftigen Erkennt⸗
niſſes der Vollgenuß der ftaatsbiirgerliden Rechte ent-
ogen ijt. Für Berfonen de3 Goldatenftandes des
res und der Marine ruht das Wabhlredt fo lange,
ald fie fic) bei der Fahne befinden. Cin Gegengewidt
gegen das allgemeine Stimmrecht glaubte die Reichs⸗
verfaffung in der Diätenloſigkeit der Reichstagsab—
cordneten zu finden. [ber den innern Wert des Sy⸗
jtems des allgemeinen Stimmredt3 wird geſtritten.
Während z. B. Lamartine das allgemeine Suͤmmrecht
als einen Adelsbrief bezeichnete, * das franzöſiſche
Volk 1848 unter den Trümmern des Thrones gefun⸗
den, ſprechen ſich andre, ſelbſt freiſinnige Männer
gegen das allgemeine Stimmrecht aus, weil es der
a 9 und unerfabrenen, aber zablreidern Menge die
Macht über die höhern Klaſſen der Gefellfdaft ver-
leihe, die Intereſſen der Bildung, der Kultur und des
Vermigens bedrohe und durd Fie Huantitat der bef-
jern Qualität der Wahler Eintrag tue. Die Erfah-
rung bat dieſe Befiirdtungen nicht überall bejtitigt.
Ubrigens ijt bas allgemeine Stimmrecht bereits fo tief
in das Rechtsbewußtſein ded Volles eingedrungen,
daß an feine Befeitigung nidjt wohl gu denfen ijt.
Vgl. Wahl.
Allgemeine Heitung, in München erjdeinende
politifche —— pig <p pein Ridtung,
mit wiſſenſchaftlicher Veilage, die 1798 von J. F. Cotta
in Stuttgart beqriindet wurde. Als fie 1803 von der
wiirttembergijden Regierung verboten ward, fiedelte
fie nach Um und 1810 nad Augsburg über, wo fie bis
1882 ihren Sif bebielt und ihre Bliiteseit erlebte. 1882
wurde fie nad) München verlegt, und 1889 ging fie
in den Krönerſchen Verlag iiber, der 1895 den Ver—
fag der Allgemeinen eitung von dem iibrigen (der
jebigen deutſchen Verlag sgejellidaft Union) abtrennte.
Ihre Redatteure waren: Ludw. Ferd. Huber (1798—
1804), Karl Steqmann (1804—37), Guft. Rolb (1837
bis 1863), A. Altenhöfer (1863—70), Otto Braun
(1870 —89), Hugo Jacobi (bis 1891), der Hijtorifer
Alfred Dove (1892), Chr. Peet (1893— 96), der
frithere badiſche Staatsanwalt Julius Jolly (1897
bis 1898), Karl Miihling (1898—99). Jest ijt Haupt-
redafteur Hans Tournier, Redafteur der wiſſenſchaft—
lichen Beilage Osfar Bulle (Herausgeber eines großen
italieniſch⸗ deutſchen Worterbuches [mit —— und
Verfaſſer verdienſtlicher literargeſchichtlicher Arbei—
ten). Die hervorragendſten Dichter, Schriftſteller und
Gelehrten Deutſchlands (unter andern Heine, Börne,
Gutzkow, Fallmerayer, WU. v. Reumont, F. X. Kraus)
gehörten ju den Korreſpondenten und Mitarbeitern
Der Allgemeinen Zeitung. Vgl. Heyck, Die A. B.
1798 —1897 (Stuttg. 1898).
Allia, Flüßchen im alten Latium, 11 Millien
oberhalb Roms auf dem linken Ufer m den Tiber
mündend (jest Foffo della Bettina), denkwürdig durd
die Niederlage, die diefer Stelle gegeniiber auf dem
rechten Ufer die Römer 18. Yuli (dies Alliensis) 390
yp. Chr. von den Galliern unter Brennus erlitten.
Alliance, ſ. Allianz.
Alliance (franz., for. angh'), altes franz. Karten—
ſpiel mit Whiſtlarte unter 4-—6 Perſonen. Entweder
zwei Perſonen machen A. oder einer ſpielt gegen alle
andern. Es gilt, die meiſten Stiche und in dieſen die
meiſten Figuren von derjenigen Farbe zu befommen,
in Der geſpielt wird. Figuren d Kinig, Dame,
Bube und Fahne (diele tit in den roten Farben die
Neun, in den ſchwarzen die Drei).
347
Alliance (pr. staiens), Stadt im nordamerifan.
Staat Ohio, Graffdhaft Start, am Mabhoningfluy.
Bahnfnotenpuntt, mit Fabrifen von Bleiweiß und
Landwirtſchaftsmaſchinen und (1900) 8974 Einw.
WUlliancebraten, ſ. Sqelbraten.
Alliance francaise (volljtinbdig: A. f. pour la
propagation de la langue francaise dans les colo-
nies et a l'étranger), ein 1883 zu Baris gegründeter
Verein, der fid) die Uusbreitung der franzöſiſchen
Sprache iiber die Grenjen Frankreichs hinaus gum
Biel fest. Jn diefem Sinne betreibt er die Griindung
und Unterhaltung von Sdulen —— Frank⸗
reichs und vermittelt einen regen Verlehr der im Aus⸗
lande lebenden Franjofen mit der Heimat. Mit rei-
den Mitteln arbeitend, führt die A. f. den Kampf
namentlid gegen das Deutſchtum, befonders in der
Schweiz und tm vlämiſchen Spradgebiet Belgiens.
Alliance Israélite universelle, cin 1860
gu Baris gegriindeter, über die ange Erde aus-
ee eo erein, deſſen aus 63 Mitgliedern (25 in
ris go wohnbaft) bejtehendes Rentralfomitee
feinen Sis in Paris hat, und der es fid) zur Aufgabe
jtellt: 1) itberall fiir die Gleichſtellung und den mora-
liſchen Fortfdritt der Yuden gu wirfen; 2) denjeni-
gen, die in ihrer Eigenſchaft als Yuden leiden, eine
wirffame Hilfe angedeihen gu laſſen; 3) jeder Schrift
feine Unterjtitgung gu gewähren, die qeeiqnet ift, dieſe
Refultate herbeizufiihren. Der erite Prajident der A.
war Rinigswarter, dann folgten Ud. Crémieur 1863
bid 1866 und 1868—80, dazwiſchen Profeſſor Salo-
mon Munk und 1880 — 98 S. H. Goldjdmidt. Ge-
— ſteht N. Leven an der Spitze. Die A. zählte
nde 1891: 31,000 Mitglieder, wovon etwa ein Drit-
tel auf Deutfdland fommt, befigt cin Grundfapital
vor ungefähr 700,000 Franf, verwwaltet fiir die Er-
— von israelitiſchen Schulen in der Türkei einen
onds von 10 Mill. Fr., geſtiftet von Baron und
Baronin v. Hirſch, und bezieht an jährlichen Bei-
trägen und Gefdenten ca. 170,000 Fr. Sie wirtt
durd) Ynterventionen bei den Regierungen oder de-
ren Bertretern, durd Griindung und Unterhaltung
von Sdulen in den Ländern, wo es an foldjen feblt,
durch Unterbringung von Zöglingen derfelben bei
Handwerksmeijtern, durch Unterſtützung fo oi Her⸗
ausgabe von jüdiſchen wiſſenſchaftlichen Werlen ꝛc.
Außer vielen von der A. gegründeten Schulen im
Orient (in der Türkei, Ägypten, Maroffo, Rerfien,
Bulgarien, Tunis und anderswo 106 Sdulen mit
29,500 Schülern) beſitzt fie nocd) drei Uderbaufdulen
in Jafa bet Jerufatem (jur Aufnahme von 200 Zög⸗
lingen beftimmt, gegenwärtig von 174 beſucht), m
Djedeida bei Tunis mit 160 Zöglingen und in Or Je⸗
huda bei Smyrna mit 60 Zoglingen, ferner Hand-
werferjdulen. Die Hauptfomitees der A. in Deutſch⸗
land find ju Ridin, Breslau, Poſen, Mannheim,
Niirnberg, Dürkheim. Jn Köln werden die deutfden
Monats- und Semeſterberichte gedruct und verſchickt.
In den Zeiten der Vertreibungen und Uusweifungen
der Yuden aus Rufland (1881/82 und fpiiter) bat
die A. eine umfangreide i ae entfaltet. 1900
bis 1901 hat jie große Summen in Ruminien fiir
Volfstiichen und Auswanderung verwendet. — Ver⸗
eine mit ähnlichen Bielen find die Anglo-Jewish Asso-
ciation und der Board of Deputies in London, die
Israelitiſche Allianz in Wien, der Board of Dele-
tes in New Port und der Hilfsverein der deutſchen
Shen, die aber, mit Wusnahme der Anglo-Jewish
Association, ihre Wirffamfeit mehr den Intereſſen
des eignen Landes zuwenden.
348 Allianz —
Alliaͤnz (franz. Alliance, jpr. -angh), Bündnis,
völlerrechtlicher Vertrag zwiſchen zwei oder mehreren
Mächten zu einem beſtimmten Zweck. Im Gegenſatze
zu einer organiſierten und auf die Dauer berechneten
Staatenverbindung, wie ſie uns in einer Union oder
Konföderation, —— oder im Staatenbund
entgegentritt, hat die A. einen vorübergehenden Cha-
rafter. Die verbündeten Miidjte, die zu gunſten des
Büundniſſes von ihrer politifden Selbjtindigfeit nidhts
aufgeben, werden Alliierte genannt. Der Zweck der
A. tit ein fpegieller; es handelt fid) wim die wechſel—
jeitige Unterjtiigung in beſtimmten Fallen zur Er-
reidung bejtimmter Ziele, nidt wie bei jenen Staa-
tenverbmdungen und Staatenjtaaten um die Reali-
jierung des Siaatszweckes überhaupt. Je nad) diejem
wed werden die Allian verſchieden bezeichnet.
ur Abwehr von Angriffen werden Defenſiv—
allianzen, zur Durchſetzung von Anſprüchen auf
triegeriſchem Weg Offenſivallianzen und jum
gemteinjamen Operieren nad) beiden ichtungen hin
Offenſiv- und Defenſivallianzen Gchutz—
und Trutzbündniſſe) abgeſchloſſen. Ferner un—
terſcheidet man zwiſchen allgemeinen und beſondern
Allianzen. Die allgemeinen Allianzen ſind für
jeden eintretenden Fall des Bedürfniſſes geſchloſſen;
die beſondern dagegen verbinden nur für einen
beſtimmten Fall oder für eine beſtimmte Zeit oder
gegen einen beſtimmten Feind zur Hilfe. Weiter un-
terjdeidet man einfache Allianzen und ſogen. Kriegs⸗
gemeinſchaften. Bei den einfachen Allianzen er—
ſcheint nur einer der verbündeten Staaten als frieg-
führende Hauptmadt, der andre aber blof als hilfe—
leijtendDe Nebenmadt, fo daß dieſer legtere weder den
Kriegsplan nod die Abſchließung des Friedens und
deſſen Bedingungen mit zu bejtinunen das Redjt
hat. Ubrigens werden die gegenfeitigen Pflichten und
Redhte gewöhnlich näher feltgefep. Die Kriegs-
gemeinfdaften (Sociétés de guerre, Alliances
pour faire la guerre en commun, Soalitionen)
unterſcheiden fid) von den einfachen Allianzen da-
durch, daß in ihnen der Krieg, der gefiihrt wird,
allen Verbiindeten in gleichem Make gemeinfam ijt
und Daher jede der alltierten Mächte al8 triegfiihrende
gilt. Das Wejen einer folden Berbindung ijt die
Gemeinſchaftlichleit in Bezug auf die Führung und
auf die Folgen des Krieges. Als cine beſondere Klaſſe
der ——— fann man aud) Subſidientraktate
anjeben. Diefe gehen zuweilen dahin, dah eine Macht
emer andern gu einem Srieg eine Anzahl Truppen
gegen ete dafür bedungene Geldvergiitung überläßt,
obne felbjt trgend einen direlten Anteil an dieſem
Rriege ju nehmen. Chrenvoller find die Gubfidien-
traftate, die zwiſchen bereits Verbiindeten zur Durd-
führung der thnen gemeinfdaftlichen Sade geſchloſſen
werden und bei gleichem Zwechk fid) nur durd die Ver-
jdiedenheit der sur Kriegführung von den Teilneh-
menden ju verwendenden Mittel (Geld, Waffen, Sol-
Daten) von den eigentliden Allianzen unterfdjeiden.
Auch dieGarantievertrage gehören hierher, durd
die ein Staat dem andern verſpricht, fiir die Integri—
tat feines Staatsgebietes oder fiir die Aufrechterhal⸗
tung feiner Reutralitdt mit einzuſtehen. — Mandmal
benennt man Die aus mehr als zwei Verbiindeten
bejtebenden Allianzen nad) der Anzahl der Verbün—
deten; fo heißt 4. B. die gwifden England, Rußland,
Oſterreich und cates 15. Juli 1840 zur Pazifilation
ded Drients gefdlojjene A. Quadrupelallianz.
Cine befannte Tripelallianz ijt die zwiſchen Eng:
Alligationsrechnung.
Hintertreibung der Eroberungspläne Ludwigs XIV-
von Frankreich abgeſchloſſene, ss bie be-
fanntejte der Dreibund (fj. d.). Unter dem Namen
Heilige A. (f. d.) find in der Geſchichte mehrere
Bündniſſe befannt, vor allen das gwifden den Kai—
fern von Ojterreid) und Rußland und dem König von
Preußen 26. Sept. 1815 in Paris abgefdloffene. übri⸗
gens wird der Unsdrud A. faft ausidlieslic sur Be-
—— ſolcher Staatsverträge gebraucht, die mit
Kriegsrecht irgendwie in Verbindung ſtehen. Für
Handelsverträge z. B. ijt die Bezeichnung A. nicht
üblich. Doch heißen ſo zuweilen auch Vereinigungen
privater Natur, wie die Evangeliſche A., die
Alliance Israélite universelle (ſ. d.) u. a.
Ulliangwappen, dic durch Zuſammenſetzung oder
MNebeneinanderjtellung verbundenen Wappen eines
Ehepaares.
In der Regel
ſteht das
Wappen des
Gemahls an
erſter Stelle.
Die Figuren
im Wappen
de3 Manned
find dem Wap⸗
pen der Frau
zugewendet
x bildung).
Allibone (ipr. iawn), Samuel Uujten, biblio-
grapbiider Schriftſteller, geb. 17. April 1816 in Phi—
adelphia, gejt. 2. Sept. 1889 in Luzern, war feit
1879 Bibliothefar der Lennox-Bibliothek in New
Port. Sein Hauptwert ijt das »Critical dictionary
of English literature and British and American
authors« (ond. 1853—71, 3 Bde.), das fic) durch
Vollſtändigkeit und ſeinen Reichtum an interejjanten
Ouellennadweifen auszeichnet. Ein Supplement dazu
gab Rirt heraus (Pbhilad. 1891, 2 Bde.).
Milier (fpr. atje, der alte Elaver), Fluß im mitt-
fern Frankreich, ent{pringt in 1423 m Hdbe im Depart.
Lozere, durchfließt in nördlicher Richtung die Depar-
tements Oberloire, Puy⸗ de⸗Döme und VL. und miin-
det nad einem Laufe von 375 km unterhalb Nevers
linfS in die Loire. Der Fluß ijt von Fontanes an
232 km weit ſchiffbar. Die bedeutenditen Nebenflüſſe
find Dore (rechts) und Sioule (linfs).
All ier (pr. uj, Departement im Jnnern Frant-
reichs, umfaßt den größten Teil der ehemaliqen Land-
ſchaft Bourbonnais, grenzt im N. an das Depart.
Nievre, im O. an Sadne-et-Loire und Loire, tm S-
an Buy-de+ Dome, im W. an Creuje und Cher und
hat einen Fladenraum von 7380 qkm (133,s OY)
und (1901) 424,024 Einw. (57 auf 1 qkm). Tas Dee
partement gerfallt in die Urrondijjements Moulins,
Gannat, Lapaliſſe und Montluçon. Hauptitadt rit
Alligation (lat.), ſ. Legierungen. [Moulins
Alligationsreduung Mifdungsrednung).
die Beredjmung der Qualitat einer Miſchung oder
Legierung, die aus befannten Mengen (Quantitaten}
verſchiedener Stoffe (Sorten) von verjdiedenen, aber
befannten Oualitaten hergeftellt ijt. Unter Qualitat
eines Stoffes verjteht man hierbei feinen Gehalt, ſein
fpesififdyes Gewicht x., fury das, wonach ſich fein
Preis richtet, oder auc) den Preis ſelbſt. Smmdq, ,q,,.--
die Ouantitaten der ju miſchenden Stoffe, alle tn der-
felben (Maß- oder Gewidts-) Einheit ausgedriidt,
und a,,8,,... der Reihe nad ihre OQualitaten,
Schildhaltern).
land, Schweden und Holland 23. Jan. 1668 zur ebenfalls in derſelben Einheit ausgedrückt, fo tit
Alligator
q—4q,+4,+... die Quantität der Miſchung, und
deren Qualitat m bejtimmt fic aus:a,q,+a,q,+...—=
m.q, d. §. die Qualität der Miſchung erhalt man,
indem man fiir jeden einzelnen Stoff das Produkt
aus Duantitit und Dualitat bildet und die Summe
aller diefer Brodufte durch die Summe der Quanti-
titen Dividiert. Befteht die Miſchung nur aus zwei
Stoffen, fo hat man die Gleichungen:
1) 4, + 4,= 4, 4,4, + 44,=m.q,
aus denen folgt:
—
4
und ba q; und q, nicht negativ fein fonnen, fo müſſen
die Drei Differengen a,-a,, M-a,, a,-m entiveder
alle drei pofitiv oder alle drei negativ fein. Demnach
liegt die Dualitét m der Miſchung ſtets gwifden a,
und a,, fie ift geringer als die der beffern der beiden
emiſchten Stoffe, aber befjer al die der geringern.
ie Gleidungen 2) ldjen die Uufgabe, aus zwei
Stoffen von befannten Qualitäten a, und a, eine Mi-
fdung von beſtimmter Qualität m und Quantität q
ber, nttellen, dabei ijt q beliebig wahlbar, wahrend m
zwiſchen a, und a, liegen mug. Aus 1) folgt ferner:
a, -™ ay,
8) d= 4,4 = +,
aman findet fo, welde Duantitat q, eines Stoffes von
der Oualitdt a, man ju einem Stoffe von gegebener
Quantität q, und Qualitat a, hinzufügen mug, um
eine Miſchung von bejtimmter Oualitat m gu erhal-
ten; aud bier muß m gwifden a, und a, liegen. End-
lid) folgt aus 1):
4)q—a+4, &
a
man findet fo, von welder Qualität a, cin Stoff fein
mug, Damit die —— q. dieſes Stoffes mit einem
Stoffe von gegebener Qualität a, und Quantität q,
gemiſcht eine Miſchung von gegebener Qualität m
liefert. Hier fann man m beliebig wählen, dod) darf,
wenn m fleiner als a, ijt, mq, nicht fleiner als q,
{a,-m) gewablt werden, weil fonft a, negativ wird.
— A. gehört auch die ſogen. Kronenrechnung des
rchimedes, bei der Die Aufgabe zu löſen ijt: cine
Legierung zweier Metalle von den ſpezifiſchen Gewid)-
ten s, und s, hat dad ſpezifiſche Gewicht t und wiegt
p Rilogramme; wieviel ———— x, des erſten
und x, des jweiten Metals find darin enthalten? Da
pt die Größe Ded Raumes darijtellt, den die Legie-
Tung einnimmt, und x,/s,, x,/8, die Räume, die von
den beiden Metallen eingenommen werden, fo hat
man: x, +x, =p, x,/3, +x,/s, = p’t, alfo:
%, (t— sy) By (s, -t
X,—p- —, = <6
t (#) — By) t (#4 ~ 8g)
Dod entipridt die Rechnung nicht genau der Birk:
lichteit, Da bei der Legierung die Rauminhalte der
Metalle nicht ungedndert bleiben und alfo die GBei-
hung fiir pt nur annähernd ridtig ijt.
Hligator, Name fiir zwei in den Vandiemengolf
des Nordterritoriums von Uuftralien fallende Fliijje:
Djt- und Siidalligator, der erjte 60—70, der
zweite, 1845 von Leichhardt entdeckt (für Schiffe von
600 Ton.) 50 kin weit ſchiffbar.
WAlligatorbirne, ſ. Persea.
Alligatoren (Alligatoridae Gray, v. fpan. el la-
garto, »€idedfe«), Familie der Krofodile, nament-
lid) Durd) Den Zahnbau von den Gavialen und Kro—
fodifen unterfdieden; die Nackenſchilder find von den
Riidenfditdern getrennt, Bauchſchilder find meijt
yorhanden. Der Raiman (Hedhtlaiman, Alliga-
vor lucius Cuv., ſ. Tafel »Mrofodile«), bid 5 m fang,
— w (ay + 49) ~914%1
— —
— Allioli. 349
mit faſt hechtartiger Schnauze, ſchwach entwickelten
Beinen und kammartig erhobenen Schuppen auf
dem Schwanz, ijt auf der Oberſeite ſchmutzig ölgrün,
dunkel gefleckt, auf der Unterjeite hellgelb, bewohnt
alle Gewäſſer des ſüdöſtlichen Nordamerika, bewegt
fid) auf dem Lande höchſt ungeſchickt und verteidigt
ſich höchſtens durd) Schläge mit bem Schwanz. Sm
Wafer ijt er kühner, läßl fic) aber leicht vertreiben.
Er nährt ſich von Fifden, raubt aber auch ſchwim—
mende Schafe, Ziegen, Hunde, Hirjde, Pferde. Im
Winter ſchützt er id im Schlamm vor der Kälte. Das
Weibdhen legt in ſelbſtgegrabene, mit Blattern x.
gefüllte Loder 100— 200 kleine Eier, bewadjt und
— dieſelben und führt die Jungen in kleine
Tümpel. Man fängt den Alligator mit Netzen oder
Schlingen und erſchlägt ihn mit der Axt. Die Haut
wird gegerbt, das Alligator-, Krokodilleder
—— mit erhabenen Schildern) zu Schuhen,
ätteln xc. benutzt. Das Fett dient als Maſchinen-
ſchmiere, die ftarf nad) Moſchus duftenden Driiſen
finden keine Verwendung, das Fleiſch iſt kaum ge—
nießbar. Da die A. durch die Nachſtellungen ftart
zurückgegangen ſind, hat man in Florida eine Schon—
zeit eingeführt, ſammelt die Eier und zieht die aus:
geſchlüpften Jungen in Teichen und geſchützten Buch—
ten auf. Der Schakare (Jacare latirostris Gray)
und der Brillenfaiman (J. sclerops Gray) be
wohnen Gewäſſer Sildamerifas, erfterer wird 4, leg-
terer 3 m lang; fie fliehen den Menfdjen und liegen
ewdhnlid bis zur Schnauzenſpitze im Wafer. Das
leiſch wird bier und da gegefien, die Moſchusdrüſen
geben mit Rofenwafjer etn fehr ftarfes Parfüm, das
die bolivifden Damen benutzen. Der Mohrenfai-
man(J.nigra Gray), bis 6m lang, oberfeits ſchwarz,
gelb gefledt, unterjeits — bewohnt die Ge⸗
wäſſer von Guayana, Nordbraſilien, Bolivia, Ecira-
| bee und Rordperu, vergraibt fic) beim Austrocknen
der Lagunen in den Schlamm his zur nächſten Regen:
gett und wird von den Eingebornen febr gefiirdtet.
Wlligator Swamp, ſ. Wibemarlejund.
Alligieren (lat.), vermifden, verſetzen.
Allileren (fran3.), verbiinden.
All ingham (ivr. duing-pim, William, engl. Dich⸗
ter, geb. 1828 in Ballyfhannon (Irland), geſt. 19.
Nov. 1889 in London, wirkte frith literartid im
»Athenaeum« und den »Household Words+. Seit
1848 fam er regelmäßig nad London und verfehrte
im Kreiſe der Braraffacliten. Seinen » Poems. (1850)
folgten: »Day and night songs« (1854) und »Lanu-
rence Bloomfield in Ireland« (1864), worin irijdes
Leben unfrer eit in erzählender Dichtung eingeführt
wurde; »Fifty modern poems« (1865) und »Songs,
ballads and stories« (1877). 1874 übernahm cr als
Nachfolger Froudes die Leitung von »Fraser's Ma-
gazine« und verheiratete fid) mit der MUquarellijtin
Helen Paterſon. Auch verdjfentlidjte cr »Choicest
British balladse (1864) und »Irish songs and
oems« (2. Aufl. 1890). Eine Geſamtausgabe feiner
Werte erſchien in 6 Banden (Lond. 1890).
Allioli, Jofeph Franz, nambafter fath. Thev-
fog, qeb. 10. Mug. 1793 in Sulzbach, geſt. 22. Mai
1873 in Augsburg, wurde 1823 Profeſſor der orien:
talifden Sprachen und der biblijden Exegefe und
Archäologie in Landshut, Folate 1826 einem Rufe
nad) Miinden, ward 1830 Mitglied der Alademie
der Wiffenfdaften, 1835 Domfapitular im Regens—
burg und 1838 Donrpropjt in Augsburg. A. war Her-
ausgeber der einzigen vom Papjt gebilligten deutiden
Bibelüberſetzung mit Anmerkungen (Nürnb. 1830—
350 Alliont — Allmers.
1834, 6 Boe.; 9. Uufl., Reqensb. 1894, 3 Bde.; Neu—
bearbeitung, hrsg. von Arndt, 1901).
Allioni, Carlo, Botanifer, f. AU.
Mlifoninfel, kleine Inſel des deutſchen Bismard-
Archipels, unter 1° 25‘ fiidl. Br. und 143° 26° öſtl. L.
Wiliteration (lat., deutjd) Stabreim oder Un-
reim) beſteht darin, dak einzelne Worter im Unfangs-
laut ihrer jtarf betonten Silben übereinſtimmen, 3. B.
vernidten und Rebel (agegen bilden Gebet und
Gelage feine A.). Von den Konfonanten reimt ein
jeder nur mit feinedgleidjen; die Volale reimen unter-
einander. Die WL. jtellt fid) im der einfadjten Form
in volfStiimliden Redefiquren dar, wie: Mann und
Maus, Land und Leute, Haus und Hof, aus und ein.
Als metriſches Prinzip wird die U. z. B. in der Dichtung
der Finnen und der ältern Dichtung der germaniſchen
Voller verwertet (f. Deutſche Metrif). Als gelegentlicher
Schmuck erfdeint fie aud in der Endreimdichtung.
So haben die neuern Dichter, wie namentlid) Bürger,
Goethe und Heine, in einzelnen Fällen die A. zur Ton—
malerei mit Glück angewendet. Auch ſtatt des End-
reims ift Die VW. im Der Neuzeit wieder angewendet
— —— urd«),
von W. Jordan (in feinen »Nibelungen«), der als
begeijterter Unwalt de3 Stabreims auftritt (val. feine
Schrift »Der epifde Vers der Germanen und fein
Stabreim«, Franff. 1868), und von R. Wagner (na-
mentlid) in feinem ⸗Ring des Nibelungen«).
Ulliterationsvers, ſ. Deutſche Metrif.
Allium Z.(2aud), Gattung der Liliazeen, zwei⸗
jabrige oder ausdauernde Gewächſe mit einer Zwiebel
oder mebreren am furgen, friedenden Rhizom, ſchma—
fen, linealifehen ober ftielrunden und dann bisweilen
hoblen, feltener breitern, grundſtändigen Blattern,
endjtandiger Sdeindolde oder Scheinkoͤpfchen, von
zwei oder drei Hodblattern eingeſchloſſen, bisweilen
an Stelle der Blüten mit Brutzwiebelchen, häutigen,
meiſt dreifaderigen Kapſeln und meiſt zweiſamigen
Fächern. Etwa 250 Arten, meiſt in Vtittel- und Siid-
europa, Nordafrifa, im ganjen aufertropifden Ufien,
Nordamerifa und Merifo. Wile Arten enthalten ein
ätheriſches OL, dad ihnen den dharatteriftijden Bwiebel-
crud verleiht. A. victorialis Z. (negBwurgeliger
aud), mit Rhizom, netzfaſerigen dufern oie L-
iduppen, langliden, in einen Stiel verſchmälerten
Ulattern und gelblichweißen Bliiten in fugeliqer Dolde,
auf allen Hodgebirgen WMitteleuropas, in Nordaſien
und Nordamertfa. Die Bwiebel (Sieqwurz, langer
Wilermannsharnijd, wilder Ulraun, Berg-
alraun) wurde al Sdhupmittel gegen Verwundung,
Ungliidsfalle, Sauberet benugt und oft in menſchen⸗
ähnliche Gejtalt gebradt, befleidet und um hohes
Geld verfauft. A. ursinum L. (Badrenlaud) mit
zwei langettlidyen Grundblaittern und ziemlich großen
weifen Bliiten, wächſt in gan; Europa und Nord—
afien in Waldern und erfiillt fie mit Lauchgerud).
Mehrere Arten mit ſchönen Bliiten werden als Zier—
pflanzen fultiviert. Die grohen weißen Bliiten von
A. neapolitanum Cyr. in Siideuropa werden gegen
(Ende des Winters aus Italien nad Deutſchland aus-
geführt. Uber die nugbaren A.-Yrten, Zwiebeln,
Sdhnittlaud x. ſ. Laud. Bol. Regel, Alliorum
monographia (Petersb. 1875).
Alim., bei Tiernamen Ablürzung fiir Georges
antes Ullman, geb. 1812 in Bandon (Jrland),
1855 70 Profeſſor in Edinburg, geſt. 24. Nov. 1898
in Bournemouth; fdrieb: » Monograph of the fresh-
water Polyzoa« (1856), »> Monograph of the Gym-
noblastic Hydroids« (1871—72).
Allmacht der Naturzüchtung, ſ. Neodarwinis-
mus.
Allmande (Allmende [nad einigen von »Vile-
mannen« abzuleiten, nad) andern mit »allgememe« zu⸗
mre ay Ullmendgut, wohl aud Ge-
meingut, Gemeinheit genannt), der Teil des Ge—
meindevermögens, der einzelnen Gemeindemitghiederm
que —— — Benutzung zugewieſen yt. Dre
I. beſteht meiſt in unbeweglichem Gut (Wald, Heide.
Moor, Wieſe) und wird entweder von allen Gemein de⸗
gliedern oder nur von einzelnen beſtimmten Berech⸗
tigten (der fogen. Realgemeinde oder Nuzungs-
gemeinde) benugt. Im erjtern Fall benugt fie entweder
Die ganze Gemeinde ungeteilt, oder fie wird alljährlich
nad) ** verliehen oder aud) unter öffentlicher Auto⸗
ritat fo verwaltet, daß nur der Ertrag zur Verteilung
fommt. Die Gonderberedtigten find meijt Die Be
fiper beſtimmter Gilter (Bauernhife, Hofgiiter, um
Gegenſatze gu den bloßen Raten). Die einjelnen
Nutzungsanteile (Gemeindeteile, Rechtſame, Weentert,
Waren, Gewalten) find in der Regel als Zubehörun⸗
gen der betrejfenden Landjtellen zu betradten. Diese
tugungsredte an den Allmanden hängen mit den
Verhältniſſen der alten Markgenoſſenſchaften zujam-
men, die am Boden oder am unbebauten Boden nok
fein Ulleineigentum, fondern mur ein durch Hofbeſitz
bedingtes Miteigentum fannten. Yn neuerer Bett bat
das Intereſſe für Hebung des Landbaucs vielfach eine
Teilung der Ullmanden herbeiqefiihrt. Neuere Geſetz⸗
gegen enthalten in Ddiefer Begiehuung vielfade, die
eilung erleidhternde Bejtimmungen; aud wurden
in verfdiedenen Staaten befondere Gemeinheits—
teilungSordnungen erlajjen. Weijtens ijt jest
Daher die A. in das Eigentum der Ein zelberechtigten
oder der politiſchen Gemeinde oder in dasjenige einer
beſondern Nutzungsgemeinde (Real-, Nachbar⸗, Wit-,
Markgemeinde) übergegangen. Vgl. Gierke, Deut⸗
ſches oſſenſchaftsrecht (Berl. 1868—81, 3 Bde);
v. Miastow fli, Die ſchweizeriſche A. (Leipz. 1879);
Bilder, Die W. in ihrer wirtidaftliden und ſozialen
Bedeutung (Berl. 1902); Ellering, Die Allmenden
im Großherzogtum Baden (Tiibing. 1902).
Allmenden, Gemeindealpen, }. Alpenwirtſchaft.
Allmers, Hermann, Didter und Sehriftiteller,
geb. 11. Febr. 1821 in Redhtenfleth bei Bremen, geſt.
daſelbſt 9. Mai 1902, machte größere Retfen und
fibernabm als eingiges Rind feiner Eltern den vater-
lidjen Hof, fii ite figh aber {don frühzeitig zur Poeſie
hingezogen. Als Schriftſteller machte ſich A. zuerſt
durch fein ⸗Marſchenbuch⸗ (Gotha 1858; 4. Wut,
Oldenb. 1902) befannt, das cine qeijt- und liebevolle
Charatterijtif der Natur und der Bewobner der Mar-
ſchen an der Wefer und Elbe enthilt. Dann folgten
»Didtungen« (VBrem. 1860; 4. Aufl. Oldenb, 1900)
und »Rimifde Schlendertage« (daj. 1869, 10. Aufl.
1902), Die feine Beobadtungen über das Bolfsleben
in Stalien mitteilen, aud) zahlreiche Gedidte enthal-
ten. Außerdem erfdienen von A.: die fleinen Dramen
»Eleftra« (Oldenb. 1872, 2. Aufl. 1895) u. ·Herz und
Politife (daf. 1895); »Oauptmann Böſe, ein deut-
ſches Seit- und Menfdenbild« (Brent. 1884); + Fromm
und frei, eine Oſtergabe in religiöſen Didtungen«
(Didenb. 1889) und ⸗Aus längſt und jüngſt vergange-
ner Seite (Daj. 1895), fowie erliuternde Didtungen
pu H. v. Dörnbergs⸗Kulturgeſchichtlichen Bilbern aus
en Nordſee-Marſchen⸗ (Daf. 1882). Seine > Saimt-
lichen Werle⸗ erfdienen in 6 Banden (Oldenb. 1891
bis 1895). Bgl. Bräutigam, Der Marſchendichter
Hermann A. (Didenb. 181).
Milo... — Allori.
Allo... (qried).), in Zuſammenſetzungen, bedeutet :
anders, abweidend.
Milda, Hafenftadt in Cladmannanfhire (Schott⸗
land), am Forth, hat a901) 11,417 Einw., Wollfabri-
fen, Maſchinenbau, Sdhiffswerften, Sdnupftabak-
miiblen, Glashiitten, Brennereien und Brauereien und
ijt | cines deutſchen Ronfularagenten. 1900 liefen
1027 Schiffe von 189,604 Ton. ein. Einfubr 218,307,
Ausfuhr britifder Brodufte 206,592 Pfd. Sterl.
Alloͤbroger (Allobroges), felt. Volt im nar-
bonenfifden Gallien swifden Rhine, Iſere, den Grai-
{chert Alpen und dem Genfer See. Hannibal berithrte
218 v. Chr. ihe Gebiet. 121 wurden fie von Cn. Do-
mitius Uhenobarbus und Ou. Fabius Maximus
(ULlobrogicus) der römiſchen Herrſchaft unterworfen ;
cine nad 60 Jahren verſuchte Empörung dämpfte
der Prätor C. Pomptinus. Von den Helvetiern be-
drängt, fanden fie bei Cäſar Sd Ihre Haupt-
jtadt war Bienna (Vienne), ihre nörbliche Grenzſtadt
gegen die Helvetier Genava (Genf); im S. lag Cu-
laro, ſpäter Gratianopoli3 (Grenoble). Bgl. Garo-
falo, Gli Allobroges (Catania 1895).
Allochirie (griech.), die Lofalifation einer Emp-
findDung an eine der vom se aid Stelle fym-
ntetrifd) gelegene Der andern Körperhälfte, z. B.: Cine
Beriihrung des linfen Daumens wird aud am redten
Daunten empfunden; eine Berithrung des linlen Dau-
mens wird infolge eines Krankheitsprozeffes nidt am
linfen, wohl aber ant rechten Daumen empfunden.
Allochroifd, ſchillernd, farbenwedfetnd.
Allochroĩt, Varietät de3 Granats (j. d.).
Allochromaͤtiſch (qried.), gefürbt, ſ. Mineralien.
Allodthon (gried.), aus einem andern Lande
hervorgegangen, im Gegenfage gu autodthon; val.
Steinfohlenformation.
Allöd, ſ. Allodium. Wilodialitat, die Cigen-
ſchaft cines Allods; dad Freifein von Lehnspflicten ;
Allodiat, Beſitzer eines Allods.
Allodifikation, Hauptfall der ſogen. Appropria—
tion, der Beendigung des Lehnsverhältniſſes durch
Aufhebung der Rechte des Lehnsherrn; das Lehen
wird entweder völlig freies oder durch die Rechte der
Lehnsfolger beſchränktes Eigentum; die A. erfolgt
entweder durch Vertrag zwiſchen Lehnsherr und Va—
ſall oder durch Geſetz (moderne Ablöſungsgeſetze ſ.
Lehnsweſen). Aufgehoben wurde hierdurch regelmäßig
nur das ſogen. Obereigentum des Lehnsherrn, wo—
gegen die Rechte der Lehnsfolger eine Beeinträchtigung
nicht erlitten. Das Lehen näherte ſich damit als ſogen.
allodifiziertes Lehen dem Familienfideikommiß (j. d.);
häufig wurde es aud) ausdrücklich in Fideikommiß—
gut umgewandelt.
Allodifizieren, zum Allod machen (ſ. Allodium).
Allõdium (Alodium, Allod, vonalodis, einem
Worte galliſcher Abſtammung) bezeichnet urſprüng—
lich (in der Lex Salica) das Eigentum an fahrender
Habe (Mobiliar), fpiiter das vom Lehns- und Fidei—
kommißverband oder von gutsherrlider Wohingigteit
freie Grundjtiie. Sein Gegenfat ijt insbeſ. bas Lehns-
= das feudum, und das bejtinunten Veräußerungs—
eſchränkungen unterworfene Stamme oder Familien-
qut. Durd) die Ablöſungsgeſetze dieſes Jahrhunderts
it die Ullodififation der Lehnsgiiter, d. h. deren Ver—
wandlung in freie3 oder durch die Redhte der Lehns-
folger ——— Eigentum, durchgeführt worden
(jf. Allodifikation).
Alloergatie (griech.), die Art der Iſomerie, bei
der Moleluͤle von gleichem Gewicht und gleichem che—
miſchen Bau ungleichen Energieinhalt beſitzen.
351
Allogamie (griech.), ſ. Blütenbeſtäubung.
pod abe (griech.), ſ. Authigen.
Allokution (lat. — im rim. Kurialſtil
ber Bortrag des Papftes im Kardinalfollegium über
irgend cine ae firdliche oder politijde Ungelegen-
Heit. Eine ſolche VU. foll in der Regel cin Pringip oder
cin Recht wahren. Die UWllofutionen werden durd Yn-
ane an die Bforten der Peterskirche veröffentlicht.
Homorph (gricd.), chemiſch analog gebaute
Subjtanjen, die feinerlei Ähnlichkeit in ihrer Sriftatl
form beltben (j. Sfomorphie).
Allomorphoſen, ſ. Pſeudomorphoſen.
—— Ay Longe, franj., fpr.alingt’), Berlange-
rungsſtüd, Unbingiel, Blatt Rapier, das cinem Wed)-
jel oder einer Anweiſung angehingt wird, wenn es
für weitere Indoſſamente (Giros) an Raum fehlt.
Nad rtifel 11 der Werhjelordnung muß das In—
doſſament (f. Indoffieren) auf den Wedhfel, eine Ro-
pie des Wechſels oder cin mit diefem oder der Ropie
verbundenes Blatt (A.) gefdrieben werden. Man
beobachtet Dabei vielfad) die Vorſicht, das Giro fo zu
ſchreiben, dak ein Teil von ihm noch auf der Wechſel⸗
urfunbde felbjt fteht, um feine Echtheit leidhter feſtſtellen
gu fonnen; außerdem pfleqt aud) auf der YW. furs be-
merft zu werden, ju welchem Wechſel die VW. gegirt.
Wilongé: Papier, weißes Papier in Bogen und
Rollen, beſonders fitr Kohlezeichnungen qeeignet.
Wllongeperiide, |. Peruͤcke.
Allons! (franj., fpr. -tong), Laßt un gehen! BVor-
wärts! Auf! Wohlan! »A. enfants! De i patrie le
jour de gloire est arrivé etc.«, Unfang der Mar-
ſeillaiſe (j. d.).
Allopathie (v. gried). allos, »ander<, und pathein,
sleiden«), die Heilung durch cin dem Krankheitsprozeß
entgegengeſetztes Wittel. »Contraria contrariis« ijt
der Wahriprud der A. im Gegenſatze zur Homöopathie
(j. d.). Die wiffenfdaftlide Heilfunde ijt wefentlich,
aber nicht ausſchließlich allopathiſch, Fieberhitze wird
durch Abkühlung, Herzſchwäche durch Herzanregung,
Blutgefäßlähmung durch Krampfmittel (Vafofonjtrit-
tion), Sepfis durch antiſeptiſche Mittel belämpft. Doch
iſt von vielen Heilmethoden gar nicht zu ſagen, ob
ſie allopathiſch oder homöopathiſch wirken.
Allophãn, Mineral, traubig, nierenförmig, ſta—
laktitiſch, als Uberzug, derb und eingeſprengt, farb-
los, weiß oder durch etwas Kupfer blau und durch
Eiſen grün, braun, gelb, rot, glasglänzend, durd-
ſichtig bid durchſcheinend, ſpez. Gew. 1,s—2, Harte 3.
Seiner — nad) weſentlich ein wafjer-
haltiges Uluminiumfilifat, findet ſich der A. unter
anderm al8 oft gang friſches Zerſetzungsprodult bei
Dehrn in Naſſau (wafferhell), Gräfenthal unweit
Saaffeld und Zuckmantel in Schlefien (bla), bei Mol—
dava im Banat und bei Woolwich (gelb, rot).
Allophanfaure C,H,N,O, oder NH,.CO.NH.
COOH entſteht als Ejter beim Cinleiten von Cyan-
ſäuredampf in Wfohole, auc bei Einwirkung von
Harnjtoff auf Chlorkohlenſäureeſter. Die Eſter der A.
frijtallijieren, zerfallen bei Dejtillation in Alkohol und
Cyanurſäure. Beim Verſuch, aus Allophanſäureſalzen
WU. abzuſcheiden, zerfällt letztere in Harnſtoff und
Kohlenſäure.
arcane foviel wie Biuret.
Allophyle Raffen, ſ. Menſchenraſſen.
Allor, Inſel, ſ. Ombay.
Allõori, Criſtofano, geb. 1577 in Florenz, gejt.
1621, Sohn und Schüler des Aleſſandro A. (1535 —
1607), der in Nachahmung Midelangelos bejonders
| Freser und Ultarbilder gefdaffen hat, malte eben-
352
falls Wltarbilder fiir florentinifde Rirden und zahl—
reiche Vildniffe. Sein Hauptwerl ijt die durch vor-
trefflide Behandlung de3 Helldunfels ausgeseidnete
Judith mit dem Haupte des Holofernes im — ny
Pitti ju Florenz, dad eine filr ihn verhingnisvolle
Leidenſchaft ſymboliſieren fol.
Allothigẽu (Ullogen, griech.), ſ. Authigen.
Allotmeuntſyſtem (engl, v. engl. allot, · Los, An⸗
teil«), Dad in Den 1830er Jahren in England zur Ver⸗
befjerung der Lage der Yrbeiter vorgejdlagene Sy-
ftem, nach dem in jedem Kirchſpiel gewiſſe Landereien
geſetzlich zur Verpadtung an Arbeiter beſtimmt und
parzellenweiſe verloſt werden ſollten, um dieſe von
den Schwankungen des Arbeitslohnes unabhängiger
gut ſtellen. Die 1887 fiir Irland erlaſſene Allotments
Act gejtattet Unfauf von Land und ſelbſt Enteiqnung
jum Swed, Urbeiter anſäſſig gu machen.
Allotria (qried.), fremde, nicht zur Sade gehirige
Dinge, Rebenjacdhen, Ungehdrigfeiten, Unfug.
Allotria, ſ. Gallwejpen.
Allotriogẽuſie (qried.), Geſchmackſstãuſchung.
Allotriomorph (qricd).), Gejteinsqemengteile, die
im Gegenfage gu den idiomorphen (jf. d.) feine
durch thre eigne Molefularjtruftur bedingte äußere
Umgrenzung befigen.
flotriophagie (qricd., das · Eſſen von Fremd-
artigem<), franfhafte Begierde, ungewdhnlide und
ungenießbare Dinge zu eſſen, haufig bet Geijtestranten,
Vielfreſſern u. dl
Allotrop (griech.), chemiſch gleid zuſammengeſetzte
Körper, die ſich durch beträchtliche Unterſchiede im
phyſikaliſchen Verhalten und z. T. aud in ihren che—
miſchen Realtionen unterſcheiden. Bal. Iſomerie.
Zuweilen ſoviel wie polymorph.
All’ otta va (ital.), H Ottava,
All ou (pr. ata), EDouard, franj. Jurijt und Po⸗
litifer, geb. 6. Marz 1820 in Limoges, gejt. 13. Juli
1888 in Baris, widmete fic) der Udvofatur. Befannt
wurde er durch die Verteidiqung Broudhons 1850
wegen deſſen Schrift »Rirde und Revolution«, des
Bankiers Mires 1861, des Herzogs von Braunſchweig
gegen Madame de Civry, Emile de Girardins, Gam—
tas wegen feiner 1878 in Lille gehaltenen Rede u. a.
A. gebirte gu dem Comité de la résistance légale,
wurde 1882 unabjepbarer Senator und eines der her-
vorragendjten Mitglieder de3 linfen Bentrums. Bal.
jeine »Discours et plaidoyers« (Rar. 1884, 2 Bde.).
Allowance (engl., {pr. allaitens, » Erlaubnis<), ſ.
Urmenwejen (Abſchnitt »>England<).
Allowah (pr. 28), Dorf bei Ayr (f. d.) in Schott-
Alloxan, ſ. Harnſäure. land.
Alloxurbaſen, ſoviel wie Nukleinbaſen.
All right (engl., for. aot rait), alles recht, gut fo.
Allſpice (engl, fpr. adijpaig), in Amerika fovtel wie
Fiment, Nelfenpfeffer; ſ. Pimenta.
Wilftedt, Stadt im fadfen-weimar. Verwaltung3:
besirf Apolda, in einer Enflave des preuß. Regierungs:
begirls — —— an der Rohne (zur Helme) und an
der Staatsbahnlinie Oberröblingen-A., hat eine
evang. Kirche, ein altes Schloß (einſt Pfalz der ſäch—
ſiſchen Kaiſer, namentlich von Otto LL. öfters bewohnt,
der hier mehrere Reichstage abhielt), Amtsgericht,
Oberförſterei, Geſtüt, Zuckerfabrik, Malzfabril, Bier—
brauerei und (i900) 3311 Einw.
All ſton (or. ain, Waſhington, nordamerifan. |
Maler und Didter, geb. 6. Rov. 1779 bei Waccamaw
in Siidcarolina, geſt. 8. Juli 1843 in Cambridge:
port bei Bofton, vollendete in Cambridge bei Vojton
{eine Studten und ging 1801 nad) London, wo er die
|
Wllothigen — Wlluvium.,
fonigliche Kunſtalademie befudte, begab fid) 1803 nady
talien und fehrte 1809 nad) Umerifa guriid. Dod
tedelte er ſchon 1811 wieder nad England iiber, ge-
wann bier mit feinem Bild: Elias erwectt einen Toter
den grofen Preis der British Institution und wurde
Mitglied der englifden Alademie. 1818 liek er fich
gu Cambridgeport nieder. Allſtons hiſtoriſche Gemälde
(Jafobs Traum, Clias in der Wüſte) geidynen ſich
durch liebevolle Uusfiihrung und Gripe der Jnten-
tion aus. Mit Rückſicht auf feinen Anſchluß an die
Venezianer nennen ihn feine Landsleute den »ameri-
fanijden Tizian⸗. Indeſſen gerat feine Auffaſſung
nicht felten ing Theatralifde und Manierierte, und in
vielen feiner Gemalde, wie in der Here von Endor,
im Feſte ded Belſazar ꝛc., zeigt fid) cine Hinneiqung
jum Myſteriöſen und —————— Von ſeinen poe⸗
liſchen Arbeiten ſind die bekannteſten: das Gedicht
» The sylphs of the seasons« (1813) und der Roman
» Monaldi« (Wofton 1842; deutfd), Leipz. 1843). Seine
»Lectures onart« gab Dana heraus (New York 1850,
2 Bde.). Bgl. Flagg, Life and letters of Washing-
ton A. (ond. 1892).
Allure (franj., fpr. tie’), Gang, Schritt, Haltung;
Allüren, Urt Benehmens.
Alluſion (lat.), Anſpielung.
— ager eg ark lenny angeſchwemmite
Länder«), aus den Alluvionen der Fliiffe und des
Meeres gebildete Teile des Feftlandes, an dejjen Ver-
griperung die Hebung der ganzen Kontinente wie ein-
ene Tele desſelben wefentliden Unteil hat. Als
. find viele Riijtenland{daften gu bezeichnen, fo die
Marfden der Riederlande und Norddeutidlands, die
weite Niederung lings des Polarmeers (befonders
ein großer Teil Nordjibiriens), die frudtbaren Nie—
derungen Chinas. Tief erſtrecken fie fid) langs der
pei Ströme ing Land, in Yndien reiden
te von der Ganged- bis zur Yndusmiindung und als
ſchmaler Saum an der Ojtfiijte bis Romorin; fie bil-
den Mefopotamien, die Küſtenſäume Ufrifas von San-
fibar ſüdwärts bis Natal und vom Rap Negro in
Benguella an wenig unterbroden dic der Weſtlüſte;
endlid) die Deltalande des Niger, Senegal und Gam-
bia und im N. des Nils. Yn ungeheurer Uusdehnung
breiten fid) diefe Alluviallandſchaften über Siidame-
rifa aus. Jn Nordamerifa beginnt ein ſchmaler Al—
luvialfaum an der Nordgrenze Meritos, bildet die
Küſte von Teras und Lourfiana und dringt am WMif-
fiffippi und feinen Rebenfliifjen, dem Red River und
Arlanſas, tief ind Land ein; aud gang Florida beſteht
aus neuen Ulluvionen. Die A. find die frudtbarjten
Lander der Erde, und die Uluvien ded Feftlanded,
wie die des Nils, Des Indus und des Ganges, foweit
die Bewäſſerung reicht, wetteifern mit den Marjd-
landern der Küſte. Dit dem geologifden Begriff des
Alluviums (f. d.) dectt fid) der der YW. nad) Dem Gee
fagten mur teilwerfe.
Alluvion (lat.), Anſpülung, angeſchwemnites
Land (jf. Alluvium); Alluvionsrecht, das Recht
des Eigentümers eines Grundſtückes, das daran all-
mählich angeſpülte and (alluvio) zu erwerben (ſ. Ei-
entum). Nach Art. 65 des Einführungsgeſetzes zum
lirgerliden Geſetzbuch bleiben die landesgeſetzlichen
Vorſchriften hieriiber unberiihrt.
Allũvium (lat., angeſchwemmtes Land«, Wilu-
vionen, Ulluvialbildungen,regenteBildun-
gen). der Inbegriff aller Brodufte der geologifden
eqenwart, der Uiluvialperiode. Neben den Diuell-
abjagen, den an Biche, Flüſſe, Seen und Meere ge-
bundenen Abſätzen, den Delta: und Diinenbildungen,
Allwohlsbund
zählen nicht nur die Durd die Gletſcher transportier-
ten Gejteine, Die Torfbildungen, die Rorallenfalfe der
Heutigen Meere, fondern auch dic aus der Sertriimme-
rung und Verwitterung der anjtehenden Gejteine ent⸗
jtandenen Wblagerungen, die fogen. Verwitte—
run
und Abrutſchungen an den Bergabhangen, der fogen.
Gehängeſchutt, ebenjo wie das Uuswurfs- und
Lavamaterial der heute tätigen Vulkane zum A., ſo—
fern ſie nur während der jetzigen geologiſchen Periode
gebildet wurden. Die Abgren zung des Alluviums
egen die direkt vorausgehende Periode, das Diluvium,
iſt ſchwierig und geht im weſentlichen von der Unter—
ſuchung aus, ob die fragliche Bildung unter den heute
am Orte des Vorkommens herrſchenden Bedingungen
möglich iſt oder nicht. Die längs der heutigen Küſte
fic) hin ziehenden Dünen, deren Gand der Sturm bald
hierhin, bald dorthin webht, find YW.; Diinen, deren
Höhenzug entfernt von der Küſte liegt, und die fein |
Spiel der Winde mehr find, müſſen dem Diluvium
zugezählt werden. Die Abſätze der Flüſſe find bis zu
Den Höhen, gu denen das Waſſer erfahrungsgemap,
wenn aud) felten, fteiqen fann, alluviale, die vont heu-
tigen natürlichen Fluplauf nicht mehr erreidbaren
Hochgeſtade diluviale Erſcheinungen. Trog der vielen
Arten, Die dem A. und dem Diluvium gleichzeitig an-
geboren, fann man von alluviaten Leitfoffilien
ſprechen, infofern Einſchlüſſe von Tieren und Pflan—
——— (Laterit) und die Abſchwemmungen
353
Alma (Almud, Meter), früheres türk. Hohlmaß
fiir Ol, Moſt ꝛc. — 5,205 Lit.
Alma, Flüßſchen auf der Weſtſeite der Halbinſel
Krrim, zwiſchen den Städten Eupatoria und Qnfjer-
man. Hier ſiegten 20. und 21. Sept. 1854 die verbiin-
deten Englander und ——— unter Lord Raglan
und Saint-Yirnaud fiber die Ruſſen unter Menſchikow.
Almacks (pr. dumads), in England Name von Gub-
jtriptonsballen, 3u denen nur die ausgeſuchteſte Ge—
jellichaft Zutritt hat. Sie qenojjen friiber eines euro-
päiſchen Rufes, weil ſich auf ihnen alles gujammen-
fand, was in England zur bejten Gejellichaft gerechnet
wurde, und weil fie das Rendezvous aller durd hohe
Stellung oder Reichtum ausgezeichneten, zur Zeit in
London lebenden Fremden bildeten und damit jogar
politijche Bedeutung gewannen. Ihren Namen erfiel-
ten die UW. von cinem Londoner, Wlac Call, der ſich
hinter Dem Pſeudonym Almack verbarg und dieſe Ver-
gniigungen 1765 in Drei von ifm nut großem Auf—
wand ausgeitatteten Sälen veranjtaltete, naddem
ſchon 1763 in Dem Hauſe der friihern deutiden Sange-
rin Thereje Cornelys ähnliche Bille gegeben worden
waren. Die Wimadsballe haben in neuerer Beit ihre
friihere Bedeutung verloren.
Almaãda, Stadt im portug. Dijtrift Liffabon (Pro-
— Almagro.
ving Ejtremadura), am linfen Ufer der Tejoeinfahrt,
Liſſabon gegeniiber, an cinem mit Hafenbefeſtigungen
zen, weldje Den heutigen Formen derjelben Lofalitat |
vollfommen entipreden, die einſchließende Bildung
als alluvial charafterifieren, während beiſpielsweiſe
hodmordijde Formen, in Bildungen Deutfdlands |
aufgefunden, dieſe in das Diluvium verweiſen. Das
UW. it der einzige geologiſche Zeitabſchnitt, den wir nach
Urſache und Wirkung, nach Prozeß und Produkt voll⸗
kommen erkennen und ſtudieren können. Der Aus—
druck A. wurde zuerſt von Buckland 1823 gebraucht.
Allwohlsbund, |. Bodenreformer.
MUHl C,H, oder CH,.CH.CH,, Radifal der Allyl—
verbindungen.
Allylaldehyd, ſ. Wfrolein.
Allylalkohol (Wrylatfohol) Cc. H.O oder
CH,.CH.CH,.OH entſteht bei Deſtillation von Gly: |
zerin mit Oxalſäure, bei Einwirhing von Waſſerſtoff
im Entjtehungsmoment auf Akrolein, bildet eine farb- |
loſe Flüſſigleit, riecht ſtechend, ſchmeckt brennend, miſcht
fic) mit Waſſer, Alkohol und Äther, erſtarrt bei —50"*,
fiedet bei 96° und gibt mit Orydationsmitteln Akro—
fein. Allylſulfuret (Sdwefelallyl) (C,H,),S
findet fid) in den ätheriſchen Olen der Laudarten (be-
fonders tm Rnoblaud- und Zwiebelöl) und vieler
Kruziferen, bildet cine farbloje Flüſſigleit, riecht ſtark
toblaudjartiq, löſt fid) ſchwer in Waſſer, leidt in
Alkohol und fiedet bet 140°, Allylbromid gibt mit
alkoholiſcher Rhodanammoniumlöſung Wilylrho-
danid C,H,.SCN, das bei 161° fiedet und dabei
ſchnell in das ifomere Allylſenföl C,H,.NCS
(Hauptbejtandteil des ätheriſchen Senföls) tibergeht.
Wl ylone (Di olefine), Kohlenwaſſerſtoffe von der
Forme! C,H,,—, mit sweifader BVindung CH—CH,
geben mit wäſſerigen Löſungen von Quecſilberſulfat
und Duedjilberdlorid Niederſchläge.
Alm, in Oberdeutſchland foviel wie Ulp, Bergtrift,
Bergweide; f. Alpenwirtſchaft. — Jn der Petrogra-
phie ſoviel wie Seefreide (ſ. d.).
Ulu, rechter Nebenfluß der Traun in Obcrijter- |
reid), Abfluß des am Nordfuß des Toten Gebirges
ſchön gelegenen Almſees (589 m it. M., 75 Heftar),
miindet nad 50 kin langem Lauf bet Lambad.
Meyers Konv.«Lerifon, 6. Mufl., J. Bo.
verjehenen Felſen malerijd) gelegen, hat Rortfabrifen,
Mühlen, Webereien und (1900) 7913 Einw., die an-
jebnlidjen Weinhandel treiben.
Wlmadén, 1) Bezirkshauptſtadt in der fpan. Pro-
ving Ciudad Real, liegt unfern der Eiſenbahn Ciudad
Real-Badajo; in den nbrdliden Ausläufern der Sierra
Morena, hat cine Steigqeridule und (1897) 7413 Einw.
Dore Bedeutung verdanft die Stadt den weltberühm—
ten Queckſilberbergwerken, die fid in der Um:
gebung von YL. und dem benadbarten Ul madenejos
efinden. Die gegenwärtigen Winen (zwölf an der
abl) datieren aus dem 17. Jahrh. bilden fünf Stod-
werfe, deren unterjtes eine Tiefe von 357 m erreidt,
und bauen auf einen fajt fenfredten, nach unten ju
immer breiter werdenden Zinnobergang, der jabl-
reide Rejter gedieqenen Ouedjilbers umſchließt. Das
unreine Erz enthält 6,64—7,21 Proz. Quechſilber.
Almadens Gruben waren ſchon in den älteſten Zeiten
befannt. Sic ſind Eigentum der Krone, waren aber
ju verjdiedenen Seiten verpadtet, fo 1525—1645 an
die Fugger und 1836—63 an die Roth-
ſchild. Die Berge und Hiittenwerfe von A. beſchäfti—
gen durchſchnittlich 4000 Bergleute und ergaben 1900:
1056 metr. Ton. reines Queckſilber. Der Hauptans-
fubrort des Quechſilbers ijt Cordoba. — 2) Oued:
jilberminendijtrift in Nalifornien, f. New Almaden.
Almageéft (Ulinedidijti; fiir qriedh. weyiorn,
»die größle«), der verjtiimmedlte Titel ded Lehrgebäu—
des Der Ujtronomie von Ptolemäos (j. d.).
Almagro, VBesirfshauptitadt in der jpan. Proving
Ciudad Real, in olivens und rebenreichem Hügel—
geliinde (Campo de Calatrava), an der Cijenbabn von
anzanares nad Ciudad Real, mit (1897) 8129 Einw.,
die Spitzen- und Tiillfabrifation treiben.
Almagro, Diego de, jpan. Konquiſtador, erhielt,
alg Findling im der Nahe von Almagro 1464 auf-
geboben, von diejer Stadt den Namen. Nachdem er
juerjt im Heer gedient, ging er nad Ymerifa, wo er
in Gemeinidaft mit Francisco Pizarro und Fernando
de Luque den Elan verfolgte, von Panama aus das
Land Biru (Peru) 3u unterwerfen, von deffen Gold-
reichtum Nuñez de Balboa die erjte dunkle Nachricht
23
354 Alma mater — Alma-Tadema.
qebradt hatte. A. war ein trefflider Soldat, tapfer | fdinger, Les almanachs de la Révolution (daſ.
und qeraden Hergens, wenn aud) rob und leidenfdaft- | 1884); Grand-Carteret, Les almanachs francais
lich. Eine erjte Expedition, 1524 unternommen, mif- | édités A Paris 1600-—1895 (daf. 1896).
gliictte; cine zweile, 1526, drang tief in Peru vor und) Wlmandin, foviel wie cdler Granat.
fundfdjaftete Dad Land aus. Bon der fpanijden Ree | Wlmandinfpinell, Cdeljtein, ſ. Spinell.
gierung ermidtigt, unternahmen die Verwegenen| Wimanger, ſ. Alpenwirtſchaft.
umt 1531 des Landes Eroberung und fiibrten fie gliid: | Wlmanja, Besirfshauptitadt in der fpan. Proving
lid) durch. WL, »der Marjdall< genannt, erbielt dar- | Wibacete, an der Cifenbahn von Madrid nad licante,
auf 1535 vom Raifer Karl V. den ſüdlichen Teil des | in weiter Getreideebene gelegen, nuit cinem maurijden
Landes mit einer Riijtenlinie von 200 Seemeilen. | Kaſtell und (se7 10,012 Cinw. — Hier 25. April 1707
Von hier aus unternahm er 1536 einen verlujtreiden | ney ae Franzoſen und Spanier unter VBerwie iiber
Bug nad Chile und gelangte bis Coquimbo, mufte | die Englander, Hollander und Portugiejen unter
aber im unwegſamen Gebirge umfehren. Wegen Cuz- | Galloway.
co8, deſſen Beſitz A. beanjprudte, und das er 1537) Wlmanfor, 1) zweiter Kalif aus dem Hauje der
ewaltjam bejeste, geriet er mit den Pizarros in Streit. Whbafiden, f. Manßüur 1); 2) almobhadifder Kalif,
i. wurde aber 26. Wpril 1538 bei Salinas in der | ſ. Almoraviden; 3) Reichsverweſer des Ralifats von
Nahe von Cuzco von Hernando Pizarro befiegt und Cordoba, ſ. Manßür 2).
efangen nad) Cuzeo geidleppt. Dort wurde er 8.| Al marco, cin aus der Zeit dev lombardijden
eli 1538 im Gefangnis erdrojjelt und dann dffent- Vorherrſchaft tm Geldhandel fiir den Berfauf nad
lid) enthauptet. — Gein natiirlider Sohn Diego de | Feingewidt erhaltener Wusdrud. Zum Unterſchied
A. fammelte einen Haufen der Anhänger feines Va- vom Kaufe al pezzo oder al numero handelte man
ters, critiirmte Francisco Pizarros Palaft, rächte fei- fremde, abgegriffene und ungleid) gepragte Münzen
nen Vater durd) Crmordung dieſes Führers (1541) | gegen den Wert des in ihnen enthaltenen Goldes oder
und lief fich jum Generalfapitin von Peru ausrufen. Silbers ein, deffen Cinheitsgewidt in Deutſchland
Bald aber ſcharten fic) Pizarros Anhänger zuſammen, | die Kölniſche Mark war. Jest wird der Börſenpreis
und beide Parteien lagen in blutiger Fehde, bis end- | der Edelmetalle in Geldjorten wie in Barren fiir
lich Der Oberridjter Baca de Cajtro mit unbefdriinfter | 1 kg fein angegeben; hodfein affiniertes Gold oder
Bollmadt aus Spanien anlangte. Diego, der eine | Silber jteht der Regel nad) höher, Geldjorten mit be-
Unterwerfung veriweigerte, wurde von Cajtros Trup- | deutendent oder unregelmapigem Kupfergehalt nie—
pen 16. Sept. 1542 befiegt, auf der Fludt gefangen
und mit 40 Genojjen bingeridtet.
Alma mater (lat., »qiitige, nährende Viutter<), |
bei den alten Romern Chrenname fegen{pendender
Gottheiten (Ceres, Tellus, Rhea, Kybele) ; im modernen
Schullatein: Hochſchule, Pflegſtätte ber Wiſſenſchaft.
Almänach (arab. oder griech.ägypt.), ajtrono-
miſche Ephemertden oder falenderartige Tafein mit
ajtrologiiden und fonjtigen Notizen (vgl. Epheme-
riden). Der Name fam vow Orient aus geqen Ende
ded Mittelalters aud im Abendland in Gebraud.
Der erjte qedrudte U. war der von Regiomontan 1474 |
fiir Die Jahre 1475— 1506 herausgegebene und {pater
big 1551 fortgeſetzte A., Der in —E in latei⸗
niſcher Sprache erſchien. Später (ſeit 1482) gab
Stöfler in Tübingen in kürzern Zwiſchenräumen Me.
manade heraus. Jährliche Almanache ſcheinen erjt
im Laufe des 16. Jahrh. aufgefommen ju fein. Im
17. Jahrb. fing man an, den ajtrologifden und meteo-
rologifden Kalendernotizen anderweitiqe Nadridten
hinguyufiigen. So gab der A. royal, Der feit 1679
m Baris erjdien,
Hoffejte, die Meſſen und Marte, Münzplätze rc.,
denen feit 1699 nod dic Genealogie des königlichen
Hauſes, en Verzeichnis der höhern Geiſtlichleit u. dal.
hingugefiigt wurden. Jn Deutfdland fand dies bald
Radhahmung und feit 1730 aud in England. Da-
neben traten Dann fiir Das Volf beredhnete Almanache
auf, die ſtatt jener offigicllen Witteilungen fleine Er: |
zählungen, Aneldoten, Gedichte rc. den falendarifden
adridten beigaben. Bald verwies man die letztern
im Die Kalender (ſ. d.), und die Ulmanade wurden
bejtinunten FAdern und Geſellſchaftsklaſſen dienende
oder rein belletriſtiſche Jahrbücher, von weld lestern |
Nolizen itber den Bojtentauf, dic |
dDriger a. m. (aud) »al peso«) als Barren Der fiir de
Landesmünze vorgejdriebenen Legierung.
Almaͤs (fpr. almaſch, Name vieler Orte in Ungarn.
Am bedeutendften: 1) Duna-U., Dorf im Nomitat
Komorn, an der Donau, Rnotenpuntt an der Staats
bahnlinie Budapelt-Brud a. L., mit Briiden von
rotweifem Marmor, falter, erdiger Sdpwefelquelle,
römiſchen Wltertiimern und (900) 1134 Conv. —
2) Vdcs-VU., Markt im Komitat Bacs-Bodrog, an
der Staatsbahnlinie Szabadfa-Baja, mit Bejirts-
qeridjt und (1900) 9291 Cinw. — 3) Homordd-Y.,
Dorf im KRomitat Udvarhely (Siebenbiirgen), mit
großer Tropfiteinhdhle (Csudaloké — Wunderitein)
und (1900) 2217 Cinw. — 4) Ragy-V., Dorf tm
Komitat Hunyad, mit Gold-, Silber> und Bleiberg-
bau und (1900) 1358 Eimw.
Ml mA fi (auch Alm af y, for. -maioi) von Zfadany
und Török⸗Szentmiklös, altes ungar. Geſchlecht,
blüht gegenwärtig nod) in zwei gräflichen Zweigen
und einem adligen. Als Ahnherr gilt Julius, Pa—
latin unter Ladislaus J.; den Grafentitel erhielt der
General Sgnas Joſeph UW. 1777 und der Bizelanz⸗
ler Ignaz A. (1815).
Aimaͤſy (or. «nao, Baul, ungar. BPolitifer, geb.
1818 in Peft, geit. 13. Oft. 1883, war Mitglied des
Reidstags von 1848, wirfte dann als Kommiſſar der
ungarifden Regierung und ſprach ju Debreczin als
Prafident des Reidstags 14. April 1849 die Thron-
entjepung Der Dynajtie aus. Aus Paris, wohin er
geflüchtet war, febrie er 1861, ammejtiert, zurüch
Wegen Teilnabme an einer Verſchwörung wurde er
1861 gu mebrjabriger Rerferhaft verurteilt, aber nad
zwei Jahren beqnadiat.
Alma⸗-Tadema, Lourens, holland. Maler, geb.
i
befonders die Mufenalmanade (jf. d.) und die 8. Jan. 1836 zu Dronryp in Friesland, widmete ſich
ihnen verwandten Tafdenbiider (jf. d.) hervorzu⸗ feit 1852 nad kurzem Aufenthalt in Amſterdam und
heben find. Bon Deutidland aus, wo diefe Literatur | im Haag der Malerei auf der Untwerpener Alademie,
1815 30 thre Bliite erreidte, verbreitete fie fic) nad befonders unter der Leitung von Hendrif Leys, deſſen
Frankreich und England. Bal. Champier, Les ardaifierende Richtung auf die feinige vor entſchei—
anciens almonachs illustrés (Bar. 1885); Wel- | dendem Einfluß wurde. Er begann ferme felbjtandige
Almaty — Wlmeida- Garrett.
Tätigkeit 1861 mit einent hijtorifden Genrebilde: die
Erziehung der Sihne Kothildens, und der Erfolg,
der dieſen Werk gu teil wurde, veranlakte ibn in
jeinen jpitern Sab
fränliſchen Geſchichte zu wählen, wobei er eine um—
faſſende Renninis der archäologiſchen Details bekun—
dete. Die gleiche Kenntnis bildet auch einen Haupt⸗
vorzug feiner ethnographiſchen Genrebilder aus dem
ägyptiſchen, griechiſchen und römiſchen Altertum.
Ihre Reihe begann 1863 mit: Wie man ſich vor 3000
Jahren in YUgypten unterhielt. Es folgten 1864:
Fredegunde und Prätextatus, 1865: Galloromanifde
Weiber und Catullus bei Lesbia, 1866: Der Cintritt
in ein römiſches Theater, der rimifche Tanz, Wgrip-
pina mit der Ufde des Germanicus, 1867--69: Die
Mumie, Tarquinius Superbus, die Siejta, Bheidias
aut Fries Des Barthenon arbeitend und der pyrrhi-
chiſche Tanz. In diejen Gemälden entiwidelte er be-
fonders in Der Nachahmung der Stoffe, des Marmors,
der Bronjen, Mofaifen, der antifen Originalen nad-
gebildeten Gerätſchaften eine große Virtuoſität. Wie
die alten vlämiſchen Meijter liebt er die Hellen, klaren
Tine und ein volles, —— Licht ohne ſtarke
Schatten. 1870 ſiedelte er von Brüſſel, wo er bis
dahin gewohnt hatte, nad) London fiber und ließ ſich
daſelbſt naturalijieren. Bon jest ab malte er fajt aus-
ſchließlich Bilder aus dem römiſchen Altertum, unter
denen das Feſt Der Weinlefe (1872), das Bildhauer-
atelier und das Waleratelier (1874) feine Beqabung
von ber glänzendſten Seite zeigten. Eine tiefere Emp-
jindung und Errequng in den Köpfen feiner Figuren
widerzuſpiegeln, tit ihm verjagt, wie 3. B. feine Por-
irate beweiſen. Auch fiir lebensgroße Figuren reidt
ſeine mehr auf das Zierliche gerichtete maleriſche ſtraft
nicht aus. Das Beſte leiſtete A. in Genrebildern flei-
nern Umfanges, wie: Eine Frage, Willkommen! die
Badewärterin, der römiſche Garten, Vorleſung aus
Homer. Von den Bildern der letzten Jahre find nod
zu erwahnen: Cine Audienz bei Uqrippa, Claudius
Imperator, Sappho, Sflavin im rimijden Frauen-
bad, Hadrian, eine britiſch-römiſche Töpferei befu-
dend, und römiſches Friihlingsfejt. A. ijt aud) aus
gezeichneter Uquarellmaler. — Seine Gattin Qaura
W. und feine Tochter A nna find ebenfalls Malerinnen.
Erjtere fowie feine Todter Laurence find aud als
Schriftſtellerinnen tätig.
Almaty, Stadt, ſ. Wjernoje.
Almazarrön, Stadt, ſ. Mazarrön.
Almẽ (arab., d. h. die in Künſten »Gelehrte«,
Mehrzahl Ww alim), Name der umherziehenden Tän⸗
zerinnen und Sängerinnen in Ägypten und Indien.
Sie bilden eine eigne Zunft, werden häufig bei Feſt—
lichleiten zur Unterhaltung der Gäſte gemietet und
haben aud) in den Harems Zutritt.
Wime, linfer Nebenflu der Lippe in Weſtfalen,
entipringt im Bergland von Brilon bei dem Dorf
Oberalme, nimmt bei Biiren den Wfterbadh, bei Nord—
borden die Sauer auf und miindet bet Neuhaus.
Almeida (ipr. meida), Stadt im portug. Diftrift
Guarda (Provinz Beira), wichtige Grengfejtung gegen
Spanien, Sftlid) vom Coa, 751 m ii. W., mut (1900)
2312 Einw. Die Fejtung wurde 1762 von den
Spaniern erobert, aber den Vortugieſen wieder zu—
riidgegeben; 1810 fiel A. dem franzöſiſchen Belage-
rungsheer unter Maſſena in die Mande.
Imeida, 1) Francesco d', portug. Heerfiihrer
aus Dem Geſchlechte der Grafen von Wbrantes. Nad)-
dem er fig {don im den Kämpfen gegen die Mau-
ren und bei der Eroberung von Granada durd
ren nod) häuſig, Wotive aus der
355
Lapferteit und Umſicht ausgezeichnet, wurde er unter
König Emanuel J. 1505 als erjter portugieſiſcher
Vizeloͤnig in Oftindien Beqriinder der portugiesijden
Macht dajelbjt. Die Städte Quiloa, Mombas, Ka—
nanor, Kalifut, Rollam xc. wurden von ihm teils er-
obert, teils durch Lc von Feſtungen und Falto-
reien gefidjert. Sein Sohn Lourenco erfodt 17. und
18. März 1506 einen glänzenden Sieg iiber die Flotte
von Ralifut vor dem Hafen von Kananor. A. fperrte
den Urabifden und Perſiſchen Meerbufen fiir den
fighptifd-venesianifden Handel. Lourengo, der 1506
Ceylon beſucht hatte, wurde deshalb von den Ägyp⸗
| tern bet Tidoul bei Bombay 1507 angegriffen, mit
| feinem Schiff abgefdjnitten und getdtet. A. wollte
| eben einen Rachetrieg antreten, als Affonſo d'Albu⸗
| querque erſchien, um von ihm die Übergabe des Ober:
befehls gu fordern. Dies verweigerte U., bis er die
Niederlage und den Tod feines Sohnes gerächt habe.
Ant Dezember 1508 fegelte er mit 23 Schiffen von
Kananor ab, erjtiirmte Dabul und ſchlug die Agypter
3. Febr. 1509 im Hafen von Diu. Erſt jetzt legte er
das Kommando nieder und verließ Kotſchin 19. Dez.
1509. Er erreichte jedoch fein Vaterland nicht, ſondern
wurde zu Saldanha am Vorgebirge der Guten Hoff⸗
nung 1. März 1510 in einem Gefecht mit den Ein—
gebornen durd einen Lanzenſtich getdtet. Sein Sytem,
Die portugieſiſche Macht auf dic Küſte Indiens gu be-
ſchränken, war mit ibm gefallen.
2) Emanuel, portug. Jeſuit, geb. 1580 in Vizeu,
eft. 1646 in Goa, lebte von 1622—34 am Hofe des
ultans von Ubeffinien, über dag er in feiner »Ge—
ſchichte Wthiopiens« (Coimbra 1650) und in den
»Hijtorifden Briefen«< (Mom 1629) fiir feine Seit ver-
dienſtliche Nachrichten veröffentlichte.
3) Nicoldo Tolentino d’, portug. Dichter und
Satirifer, geb. 1741 in Liffabon, gejtorben dafelbit
1811, jtudierte in Coimbra und qriindete fetnen Ruf
durd cin ſatiriſches Gedicht auf den Exminijter Pombal,
das ihm Die Stelle cines Sekretärs im Departement
des Innern erwarb. Almeidas ſpätere Satiren in der
echt nationalen Form des Quintilhas (jf. d.) find gegen
| Lafter und Vertehrtheiten der Zeit geridtet, ohne per-
ſönlich gu werden, und durch Naivität wie Eleganz
des Stils ausgezeichnet. Geine »Obras poeticas« er-
fdienen gu Liſſabon 1802 in 2 Banden (neue Aufl.
1828-—36 und 1861).
4) Candido Mendes de, brafil. Geograph, geb.
1818 3u Gan Bernardo do Vrejo in der Broviny Ma—⸗
ranhdo, gejt. 1. März 1881 in Riv de Janeiro. Cr
qab 1868 den wertvollen » Atlas do imperio do Bra-
zile (27 Rarten und Tert) heraus.
Ulméida-Garrett, Sodio Baptifta da Silva
Leitdo de, ausgezeichneter portug. Dichter, geb.
4. Febr. 1799 in Porto, geſt. 10. Dey. 1854 in
Liſſabon, ftubdierte fett 1816 die Rechte in Coimbra,
wo er mit dreiantif qehaltenen Tragödien: »Xerxes«,
»Lucrecia« und anaes. hervortrat, ſchloß ſich
dann 1820 der demokratiſchen Erhebung an und ward,
faumt 21 Sabre alt, im Miniſterium des Innern mit
Der Leitung des Hffentlidjen Unterridts betraut. Da-
mals verfafte er eine Tragbdie: »Catdor, die zu den
befjern Produften der portugieſiſchen Literatur gehört.
Ynfolge der Rejtauration von 1823 verbannt, wen-
dete er fid) nad) England, wo er cine romantijd-che-
valeresfe Didjtung: »Magrico« ſchrieb und den »Tra-
tado de educagio« (Lond. 1829, Bd. 1) verdjfentlidte,
nahm dann in Havre eine Stelle im den Rontoren des
Hauſes Laffitte an und verfafte daſelbſt feinen »Ca-
moes« (Par. 1825), ein romantifdes Gedicht in zehn
23*
356
Gejangen, worin er mit hoher patriotiſcher Begeiſte—
rung Leber und Tod des berühmteſten Dichters jeiner
Nation bejang (deutfd) vom Grafen von Sdad,
Stuttg. 1890), fowie die »Dona Branca ou a con-
quista do Algarve« (1826), ein epiſch⸗lyriſches Ge-
Dict von fatirifder Tendenz in Wielands WManier,
das vorzugsweiſe Das Mönchsweſen perfifliert. Nad
bem Tode Johanns VI. (1826) ins Baterland zurüch
efebrt, war er als Publiziſt befonders fiir liberale
latter tatig, bis er 1828 unter Dom Miguels defpo-
tiſchem Regiment eingeferfert und zur Flucht qendtigt |
ward. Er begab ſich abermals nad England, wo er |
fein beriifmtes romantijdes Gedicht »Adozinda«
(1828), fury darauf den Romanzenzyklus » Bernal-
Francez« und die »Lirica de Joio Minimos (Lond.
1829) erſcheinen lick (Gedichte aus feiner Studenten-
zeit im arkadiſchen Gefdmad). 1832 madte er von
der Inſel Terceira aus die Expedition Dom Pedros
als Gemeiner in einem Jägerbataillon mit und ward
in Oporto mit der Organifation de3 Miniſteriums
des Innern betraut. Nad) Herſtellung der Ordnung:
unter der Königin Donna Maria I. fungierte er
1834 — 36 als Geſchäftsträger in Briijjel und ward
nad der Septemberrevolution von 1836 in Die fon-
jtituierenden Cortes von 1837 gewählt, wo er fid als
glänzender Redner bewies. Seine literarifde Tatigheit
war ſeitdem auf Herjtellung eines nationalen Thea-
ters gerichtet. Sein »Auto de Gil Vicente« (1838)
wird von den Kunſtkritikern fiir das erjte neuere, rein
portugiefijde Drama erflirt. Weitere dramatiſche Ur-
betten von ihm jind: »D. Filippa de Vilhena« (1840),
»Alfageme de Santarem« (1841), »Sobrinha do
Marqueze und fein Meifteritiid » Frei Luiz de Sousa<«
(1844; deutſch von W. L., Franff. a. M. 1847). Im
Romanfach verſuchte er fid) nur cinmal in »O Arco
de Sant’ Anna« (1846). Unter Den Brojajdriften
werden die » Viagens na minha terra« (1837; deutſch
in Reclams Univerjal-Bibliothek) hod geſchätzt. Ly-
riſche Dichtungen voll Unmut und eigentiimliden
Reizes find die »Folhas cahidas« (1852). Sehr ver-
dDienjtvoll ijt fein »>Romanceiro« (1851— 53, 3 Bde.),
die friihejte Sammlung portugieſiſcher Bolfsroman-
jen, woraus Wolf in den »Proben portugiefijder und
fatalonijder BVolfSromanjen« (Wien 1856) einiges
mitgeteilt hat. Cine Geſamtausgabe fener Werke er-
ſchien in 25 Banden (Liffab. 1854—77). Uber fein Le-
ben vgl. Die »>Memorias biographicas« ſeines Freun—
des Gomes De Umorim(Lijjab. 1881—84, 3 Bde.).
Almeirim (ipr. -«méiring), Stadt im portug. Diftrifs
Santarem (‘Proving Ejtremadura), nae dem linfen
Tejoufer, mit Wein- und Melonenhandel und (1900)
6085 Einw.
Wimelo, Stadt in der niederländ. Proving Over-
nffel, Rnotenpunft an der Cijenbahn Gronau-Ywolle,
mit einem Sdlop, bedeutender Leimweberei und (1900)
9957 Einw.
Almemor (verderbt aus arab. al-minbar), Em:
porbilhne in der Witte vieler Synagogen, wo die
¥entateud- und Wrophetenabjdnitte verlefen und
religidje Alte, wie Beſchneidungen und Trauungen,
vorgenommen werden.
Wimendralejo (ir. 2H0), Bezirfshauptitadt in der
fpan. Broving Badajoy, an der Eiſenbahn Merida-
Sevilla, mit cinem Theater, Branntweinbrennerei
und (1807) 12,067 Einw.
Mlmendron, ſ. Bertholletia.
Wimenranfd, in den Bayrifden Alpen und in
Tirol foviel wie Rhododendron hirsutum und R.
ferrugineum, aud) Artemisia mutellina.
Almeirim —
ſpan. Provinz (f. oben), liegt an der glei
Almonde.
Almenraute, ſoviel wie Solanum Dulcamara.
Almer, in Oberöſterreich ſoviel wie Jodler.
Almeria (v. arab. almarja, »Auslug, Wart-
turm«), ſpan. Provinz, öſtlicher, an der Meeresküſte
gelegener Teil des Königreichs Andaluſien, grenzt
mt N. und W. an die Provinz Granada, im RO. an
Murcia, im O. und GS. an das Mittelländiſche Meer
und bat einen Flächenraum von 8704 qkm (158,1
OM.). Die Bevdlferung betrug 1897: 344,681 Cinw.
(40 auf 1 qkm). Die Provinz umfaßt 10 Geridts-
bejirfe. Die Hauptitadt ijt Almeria.
Almeria, befeſtigte Hauptitadt der gleidnamigen
—— vai
des Mittelmeeres, am Fuß eines von einem mauriſchen
Kaſtell gekrönten Bergrückens und an der Eiſenbahn
Baeza-A. und hat ein fait ganz afrikaniſches Mus-
feben. A. bat eine gotiſche fajtellartige Nathedrale,
ein Lriejterjeminar und eine neue Wajjerleitung. Es
ijt Sit des Gouverneurs, eines Biſchofs, eines deut-
iden: NonjulS und ijt beriihmt durd die Schönheit
feiner Frauen. Die Stadt zählte sev 46,806 Cinw.,
die Suderraffinerie, Tuchfabrikation und lebhaften
Handel betreiben. Aus dem Hafen von A. liefen 1900:
396 beladene Schiffe (378 Dampfer) mit 385,401 Ton.
aus, die vornehnilic) Weintrauben (1899: 4,6 Will.
Pefetas), Eiſenerz, Rohfeide und Eſparto ausfiihrten.
Der Gefamtwert der Ausfuhr betrug 1899: 10 Mill.
Peſetas. In der Nähe von W. ſind große Blei
ſchmelzhütten und Mineralquellen mit Badeanſtalten
(Alhama und Alhamilla). — Im Altertum hieß A.
Portus Magnus, war dann 400 Jahre unter der
maurifden Derridaft eine bliihende Stadt von ca.
150,000 Einw. und wurde 1147 von Alfons VL. von
Aragonien erobert.
imerode, Stadt, ſ. Grof -Ulmerode.
Almiffa (jaw. Omis), Stadt in Dalmatien, Be
zirlsh. Spalato, an der Miindung der Cetina ms
driatijde Meer (Canale della Brazza) gelegen, hat
cin Bezirlsgericht, Burgruinen, einen Hafen, Weinbau
und (1890) 1038, alg Gemeinde (1900) 15,108 ferbo-
froatijde Einwohner. Die Umgebung von A. ijt die
Landidaft Boljica, die bis zum Ende des 18. Jahrb.
einen Den Venezianern tributiren bäuerlichen Frei—
jtaat bildete.
Wimodovar, 1) Stadt im portug. Diftrift Beja
(Prov. Ulemtejo), am Cobres, mit seo) 3795 Einw.
In Der Nahe Braunjteinlager. — 2) W. del Campo,
Bezirlshauptſtadt in der fpan. Provinz Ciudad Real.
an der Eiſenbahn Buertollana-U., mit Wem- und
Olbau und 1397) 12,408 Einw.
Almobhaden , j. Almoraviden re.
Almonacid (pr. of), Flecten in der fpan. Proving
Toledo, Bezirk Orgaz, an der Eiſenbahn Madrid-
Ciudad Real, mit (1897 1647 Einw. Hier 11. Aug.
1809 Sieg der Franzoſen unter Sebajtiani über die
Spanier unter Venegas.
Almondburhy (pr. Gmenderr), Fabrifort im Weit-
bezirk von Yortihire (England), 3 kin ſüdöſtlich von
Huddersfield, mit ase. 14,855 Einw., war ehemals
Hauptitadt eines angelſächſiſchen KAönigreichs. Daber
Woodſome Hall, der prächtige Landſitz de3 Lord Dart
mouth (aus dent 16. Jahrh.).
Ulmonde, Ehilipp van, holland. Vizeadmiral.
geb. 29. Des. 1644 in Briel, geſt. 8. Jan. 1711, seid
nete ſich in Der Seefdladt vom 11. —14. Juni 1666
und 7. Juni 1672 in der von Soleshay aus, befebligte
1673 als Ronteradmiral die Flotte vor Gorge und
führte nad de Ruyters Tode 1676 die Flotte aus
dem Writtellandifchen Weer nad Holland juriid.
Almonte — Almquiſt.
Späler lämpfte er mit Cornelis Tromp in däniſchem
Dienſt gegen die Schweden und dann wieder in nie—
derlãndiſchem gegen die algeriſchen Seeräuber. 1691
wurde er Oberbefehlshaber der Flotte der Republik,
die, ſeit dieſer Zeit gewöhnlich in Verbindung mit der
engliſchen Flotte, an der franzöſiſchen und ſpaniſchen
Riijte fich aufhielt. Den größten Ruhm erwarb er
ſich als Führer der Niederliinder in der Sdladt bei |
La Hougue (29. Wai 1692). Auf feinen Rat griff
der engliſche Admiral Rooke tm Spanijden Erbfolge-
krieg trok vorgeriidter Jahreszeit die reidjen ſpani—
ſchen Galeonen aus Wejtindien an und zerſtörte die
feinblidje Flotte tm Hafen von Vigo (23. Oft. 1702).
Sein Denkmal fteht in der Ratharinentirde ju Briel.
Almonte, Hauptort dev Grafſchaft Lanarf in
Ontario (Kanada), hat, durch die jtarfe Waſſerkraft
des kanadiſchen Miſſiſſippi, eines rechten Nebenfluſſes
des Ottawa, begünſtigt, große Wollfabrifen und (1901)
3023 Cinw.
Ulmonte, Suan Nepomuceno, merifan. Ge-
neral, geb. 1804 ju Valladolid in Merifo, gejt. 22.
März 1869 in Paris, angeblid) Sohn des Prieſters
Morelos, der im Unabhängigkeitskrieg eine bedeutende
Rolle fpielte. YW. nahm als Knabe an jenem Kampf
Ynteil, wurde dann vielfach im diplomatijden Dienjt
verwendet und war unter Bujtamante und Santa
Yna mehrmals Krieg3minijter. Nad) dem Sturze
des Prafidenten Comonfort wirkte er fiir den flert-
falen Pratendenten Miramon, trat aljo in Oppojition
gu Juarez. Nachdem der lestere 1861 trogdem zur
Macht gelangt war, betrieb der ehrgeizige A. die
franzöſiſche Expedition geqen Mexifo. Mit den Oftu-
pationstruppen traf er Anfang 1862 in Beracrus
ein. Da aber die Mexikaner in ibm nur cin Werk:
cug Frankreichs ſahen, fo ſchlugen feine Verjude,
i zum Diftator zu maden, fehl. Wis W. 10, Juni
1863 mit den Franjofen in die Hauptitadt Mexilo
gekommen war, ftellte man ihn an die Spike Der von
den Siegern eingeſetzten »Regentidaft des merifa-
nijden Kaiſerreichs⸗ Das Kaijertum Marimilians
bradte ihm den Rang eines Feldmarjdalls. Nad
Warimilians Tode floh er nad Europa.
Almopia, mafedon. Landſchaft, ſ. Moglena.
Wlmora, Hauptitadt der Divijion Kumaon der
britiſch ind. Nordiwejtprovingen mit (1891) 7883 Cinw.,
ge Behirden und evangelifden Miſſion.
imoraviden nnd Almohaden, Namen zweier
nordafrifanijd-jpan. Dynajtien. Moraviden (arab.
murabitin, eigentlich Grengwadter, dann Vorlämpfer,
cifrige Gottesdiener, Einjiedler) nannten ſich die An—
Hanger ded int 11. Jahrh. unter den Berberſtämmen
wijden Senegal und Atlas puritanijd miffionieren-
a muslimijden Glaubenseiferers Abdallah ibn
Jaſin. Ihr erjter, von Ubdallah eingeſetzter, Herr—
ſcher, Ubu Bekr, gründete nad Abdallahs Tod (1059)
Marokko (1062). Sein Nachfolger Juſuf ibn Tafd-
jin erweiterte die Macht der Whnoraviden, ſchlug,
von dem Emir von Sevilla (f. Abbadiden) gu bile
erufen, die Chrijten 1086 bei Sallafa und unterwarf
th, 1090 zum zweitenmal berbeigerufen, das ganze
arabijde Spanien. Bald aber wurde die Macht der
Wimoraviden wieder geſtürzt von einer neuen, von |
Mohammed ibn Tumart im Utlasgebirge geſtifteten
fanatijden Gefte, den Muwahhedin oder Almo—
Haden (Anbeter des Cinen wahren Gottes«), die
1147 unter des »Stalifen« Abd el Mumen Unfiihrung
Marokto eroberten, den letzten Almoraviden, Iſhak,
toteten und ihre Madt dann aud) iiber Spanien aus—
breiteten. Unter Jafub ef Manfiir (Wimanfor) ge-
357
wannen jie 1195 bei Alarcos einen großen Sieg über
die Kajtilier, wurden aber unter Jalubs Nachfolger
Mohammed en Nagir von den verbiindeten Königen
von Sajtilien, Aragonien und Navarra bei Navas de
Toloſa jenſeit der Sierra Morena 1212 aufs Haupt
geſchlagen. Mit dieſer Niederlage iſt der Verfall der
muslimiſchen Macht in Spanien entſchieden; die nächſte
Folge war die Vernichtung der Herrſchaft der Almo—
haden auf der Pyrenäiſchen Halbinſel. Auch in Afrika
war ſie nicht mehr von langer Dauer: innere Zwiſte
lähmten die Kraft Der Dynaſtie, und die inmitten
dieſer Kämpfe aufgelommenen Benu Merin (ſ. Meri—
niden) machten der Herrſchaft der Almohaden 1269
ein Ende. Vgl. Dozy, History of the Almohades
(2. Ausg. Leiden 1881); Derſelbe, Geſchichte der Mau⸗
ren in Spanien, Bd. 2 (deutſch, Leipz. 1874); A.
Miller, Der Islam, Bd. 2 (Berl. 1887).
lmos (jpr. almoſch), 1) als Vater Virpads (j. d.) cin
Stammesfürſt der Ungarn, ftarb wahrſcheinlich in
Etellöz. — 2) Ungarijder Herzog, Sohn des Königs
Geza J., wurde von Ladislaus J. jum Regenten
von Kroatien ernannt, aber von König Kalman,
ſeinem Bruder, wegen wiederholter Teilnahme an
Verſchwörungen famt feinem fleinen Gohne Béla
geblendet (1113). A. ftarb 1129 in Griedjenfand,
wobin er 1127 geflohen war. Sein Sohn Béla (II.)
beſtieg 1131 den Thron.
Wlmofen (v. griech. eleémosyne, »Mitleiden«),
eine aus Mitleiden dargereichte Gabe. Wie nad rich—
tigem Begriff nidt der einzelne, fondern die Gemeinde
den Dürftigen verforgte, fo gab man fdon in den
erjten Seiten der drijtlichen Rirde ſolche Gaben der
Gemeinde. Dabher find W. Gaben an die Rirde, die
teilS zum Unterhalte der Geiftliden, teils zur Armen—
pflege verwendet wurden. Unter den guten Werfen,
denen, abgeſehen von der Geſinnung, an fid) ein
hoher Wert beigeleqt wird, jtehen bei Katholiken,
Juden und Mohammedanern die A. obenan.
Almoſenier (franj. Aumdnier, engl. Almoner),
ber Ordensgeiſtliche, welder die zu Wlmojen beſtimm⸗
ten Fonds gu verwalten hat. Meiſt ſind die Beidt-
viiter latholiſcher Fürſten gugleidh deren Almoſeniere.
Wrogalmojenier (Grand-Auménier) von
Frankreich war feit Franz J. ciner der erjten Beamten
des Reidjes und Hofes, gewöhnlich Kardinal, ſaß beim
Gottesdienſt zur Redhten des Königs und betete an
dDefjen Tafel. Die Revolution hob dieſe Wiirde auf,
und mur voriibergehend riefen Napoleon J. und Na-
poleon IIT. fie wieder ind Leben. In na ba hat
gewöhnlich cin Biſchof als Lord High Ulmoner
die Aufſicht tiber den aus Straf- und Wurhgetdern ge⸗
bildeten Almoſenfonds. — In der franzöſiſchen Armee
ijt aumonier Titel der Militärgeiſtlichen aller Konfeſ—
fionen, die aber feit 1880 auf die Standlager, ijolier-
ten Forts xc. und die mobilen Truppen beſchränkt find.
Mimaquift, Rar! Jonas Love, ſchwed. Schrift—
jteller, geb. 28. Nov. 1793 in Stodholm, geſt. 26.
Sept. 1866 in Bremen, ging nad) humaniſtiſchen
Studien und furzer Beamtenlaufbahn 1823 im die
Walder Wermlands, um als Bauer ju leben; mit
einem Bauernniädchen verheiratet, fehrte er 1826
nad Stockhholm zurück, wurde 1829 Gyninajialreftor,
mußte die Stellung wegen ſeiner radifalen Schriften
aufgeben, wurde Dtitarbeiter an dent liberalen » Afton-
bladet« und floh wegen Verdadts eines Vergiftungs-
verfudes an einem wuderijden Gläubiger 1851 nad
Nordamerifa, fehrte 1865 zurück und lebte als Bro-
fejfor Wejtermann bis gu feinem Tode in Bremen.
A. war ſehr vieljeitig produftiv, ſchrieb mathematijde,
858 Almud — Aloé,
hiſtoriſche, geographiſche Lehrbiider, Grammatifen| Al numero, nad) der Zahl, j. Al marco.
und Lexita, gahllofe Abhandlungen religidjen, philo-| Alnus, die Erle. _
jophifden und nationalifonomijden Inhalts u. a. Alnwick (pr. annie), Stadt in der engl. Grafidaft
meiſt wertlofe Werke und aud nur gum Gelderwerd | Northumberland, am Win, 8km oberhalb dejfen Mün—
geſchrieben, wie einige feiner Romane. Mehrere von | dung in die Nordjee, hat mit Canongate (1901) 6716
Winrquifts Schriften gehören jedod) zu den geijtreid)- | Einw. Dabei dad beriihmte Schloß A. Caftle, im
ſten Brodutten der ſchwediſchen Literatur. Das be | 12. und 14. Jahrh. entitanden, 1854 rejtauriert als
Deutendjte: » Térnrosens Bok« (1832), ijt cine geſchict Stammſitz des Herzogs von Northumberland, mit vor⸗
verbundene Sammlung romantijder Dichtungen ber | trefflichen Gemiilden und fdinem Bart. — Bor die-
veridiedeniten Art, darin die Dramen: »Sigqnora | fem Schloß fiel König Malcolm IL. (1093) und wurde
Lunas, -Ramido Marinesco« (cine Fortſetzung der | Wilhelm I. (1174) nach verlorner Schlacht gefangen.
Don Juan-Sage) und die bibliſchen ⸗Marjam« und | Un der Mündung des Win der Badeort Ulin mouth.
»Midorus Tadmor«, ferner die epiſche Dichtung: Wloaden (Wloiden), im griech. thus zwei
Schems ef Nihar⸗, cin nubifdes Marden von höchſt Brüder, Otos und Ephialtes, Sihne des Aloeus
pifantem Rolorit. Almquiſts Romane und Novellen | (oder des Pofeidon) und der Iphimedeia. Sie wuchſen
waren Die erjten Tendengromane mit realijtifder Schil⸗ alle Jahre cine Elle in die Breite und eine Klafter in
derung; die bedeutendjten find: »Araminta May«, | die Linge, fo daß fie nad) 9 Jahren 9 Ellen breit
»Skiillnora Quarnen<, »Kapellet«, »Det gir an« | und 9 Klafter lang waren. Sie banden nidt nur
(1839), ein kühner Ungriff auf die Che, der eine Menge | Wres und hielten ibn 13 Monate lang in einem eber>
Gegenſchriften hervorrief. Jn Almquiſts Werken tritt | nen Faß gefangen, ſondern unternahmen es anc,
neber dem Intereſſe für foziale Ideen eine halb reli- | auf den Olymp Offa und Pelion 3u türmen, um in
idfe, halb freigeijtige Unfdhauung hervor. Cine | den Himmel ju ſteigen; dod) Apollon erlegte fie mit
Auswahl feiner Schriften (»>Valda Skrifter«) gab | feinen Bjeilen, ehe ihnen der Bart feimte. Rad einer
Lyfander heraus (Stodh. 1874-—78, 5 Bde.; dazu | andern Gage fendet Urtemis, der fie nadhjtellen, cine
die Biographie Almquiſts als Bod. 6). Hindin zwiſchen ihnen durd, und fie treffen ſich ge
Almud (Mu hd), Dogimas in Marofto, = '/s Sa, | qenfeitig, als fie nad) diefer ihre Speere werfen. Auf
in Fez — 14,387 Lit., in Tandja 29, in Ef Uraifd 31, Naxos wurden ſie als Heroen verehrt. In den Namen
inC —— und Mazagan 25'/s, in Rebat 792 Lit. ſpricht ſich eine Beziehung des Mythus auf den Ackerbau
Auch ſoviel wie Alma (ſ. d.). aus; fie ſcheinen urſprünglich Wachstumsgeiſter ju
Almude, 1) früheres portug. Flüſſigkeitsmaß Wloah, afrikan. Staat, ſ. Bedſcha. ſſein.
(Amalde): in Liffabon = 2 Potes = 16,95 Lit. Alocasia Schott., Gattung der Arazeen, aus—
jtatt der —*— auch in Braſilien gebrauchten von dauernde Gewächſe mit kurzem unterirdiſchen oder
16,14 L., fiir Ol— 15,coskg; in Borto = 25,365 L. — —— oberirdiſchen Stamm, langgeſtielten, ei⸗ oder
Früheres ſpan. Getreidemaß (Cele min), = Viz Fae pfeilförmigen Blättern, kurzgeſtielten Blütenſtünden,
nega = 4 Cuartillos: auf den Kanariſchen Inſeln = | etwas kürzern Blütenkolben als die meiſt nachen—
5,22— 5,08 2.; in Mexilo (Almuer, Almuerza) förmige Spatha und faſt kugeligen, wenigſamigen
== 7,568 L.; in Chile vordem — 7,563, in Concepcion | Beeren. Mehr als 20 Arten in Oſtindien und dem
== 8,823 L., 1848 auf 8,083 L. bejtimmmt. — 3) Friihe- | malaiijden Gebiet. A. macrorhiza Schott. (ſ. Tafel
res. Feldmaß — Va Fanega (j. d.) — 2 Cuartillas. | »Arazeen«, Fig. 7), bis 5 m hod, mit groken pfeil-
Almufantharat(arab.,Hdhentfreis), jederdem | formigen Blattern und grünlicher Spatha, in Centon,
Horizont parallele Kreis der Himmelskugel; alle Sterne | wird im malaiifden Gebiet vielfach fultiviert. Stamm
eines ſolchen haben gleiche Höhe (vgl. Himmel). — | und Blatter find im friſchen Zuſtand giftiq, werden
A. heißt aud cin von Chandler erfundenes Inſtru- durd Roden mild und bilden dann eine in den
ment zur Beobadtung des Durdgqanges der Sterne | Tropen beliebte Speije. Dasſelbe gilt fiir die nave
durch einen beftinnnten A. verwandten A. odora C. Koch (j. Tafel »Fliegen- und
Almuñecar (fpr. almunjetar, arab., »Cinfehr«), Hay | Schnedenblumens, Fig. 19) und A. indiea Schott.
fenfiadt in der fpan. Provinz Granada, Bezirf Mo⸗ Dieſe Urten wie aud) A. cuprea C. Koch, mit ſchild⸗
tril, mit maurifdem Schloß und (1897) 8527 Einw.; | formigen, oberfeits metalliſch glänzenden, dunfel-
Ausfuhr von Rohrzucker und Rofinen. grünen, unterfeit Dunfelvioletten Blattern, auf Bor-
Almutium (Almucium, neulat.), cinMleidungs: | neo rc. find prächtige Warmhauspflanzen.
ſtück Der römiſch-kath. Geiſtlichleit, bas gu Anfang) Alos L., Gattung der Liliayeen, Meine Kräuter
Des 14. Jahrh. in Aufnahme fant und in einem aus | mit grundſtändiger Blattrofette, auch ſtrauch- oder
Pelzwerl gefertiqten Schulterkragen bejtand, an defjen | baumartige Gewächſe mit bis 20 m hohem, einfachem
oberm Rande fic) cine als Kopfbedeckung dienende | oder gabelig versweigtem Stamme mit endſtändigen
Kapuze befand. Später ward es durd das Barett | Blattrofetten. Die dicht gedrängt fpiralig, auc zwei⸗
und den Chormantel verdringt. Dod) tragen an ein: | jeilig ftehenden Blatter ſind fletichig, lineal « lanzett⸗
gee Orten, z. B. in Köln, nod) heute die Pfarrer ein | lid), qlatt, dag re warzig oder ſtachlig rauh, oft
A. von weikem Pelz, das ihnen sur Auszeichnung an den Randern jtaclig gezahnt, aud) gefledt oder
fitr ibre Standhaftigfeit in ber Reformationszeit ver: gebändert. Der einfache oder verzweigte Blütenſchaft
lichen wurde. triigt {chin gefarbte, rohrenförmige Blüten in Whren
Win Mehrzahl Ulnar), die Elle, bid 1882 in Schwe⸗ oder Trauben. Die Frudht ijt eine dreifächerige viel:
den und bis 1891 in Finnland = 2 Fot = 59,s80cm,; | jamige Kapſel. Das Marlgewebe der Blatter enthalt
Alen, m Norwegen — 2 Fot — 62,753 em, in Dane | farbs und gerudlofen Schleim, in befondern Schläu—
ntart — 62,771 cm, in Asland 57,064 cm. | hen findet tidh aber ein gelber, bitterer Gaft, der ge
Alumouth (yc, damndio), Badeort, ſ. Alnwich. | trodnet die Aloe des HandelS fiefert. Bon den etiva
AlnGit, cin dem Melilithbafalt (j. Bafalte) gleich | 85 rten in warmern Klimaten der dftliden Erd-
zujammengeſetztes Geſtein, dad fid) gangförmig auf hälfte finden ſich beinabe 60 im Kapland, befonders
Der ſchwediſchen Inſel Wind und an andern Orten, | in der fteppenartigen Starroo. A. vera JZ., mit 30
in brtlicher Verbindung mit Eldolithfyenit, vorfindet. | bis 60 em hohem Stamm, blaßgrünen Blattern mit
los — Alopäus.
hornigen Randſtacheln, 60 — 90 cm hohem Schaft
mit reichblütiger Traube und gelben, zylindriſchen
Blüten, ijt in Nordafrifa heimiſch, wächſt aud auf
den Kanaren, im Küſtenland Syriens, Arabiens, Oſt-⸗
indiens, ward nad Weſtindien, Siidamerifa und Süd⸗
europa verpflangt, wird vielfach fultiviert und ijt in
Siideuropa verwildert. Ihre Blatter dienen als Haus-
mittel bei Wunden und Entzündung ju Umidlagen.
A. socotrina Lam. ({. Tafel ⸗»Arzneipflanzen I+).
A. ferox Mill., oft 6 m bod, mit ſchwarzpurpurnen
Stacheln an den langettformigen Blattern, verzweig-
tem Bliitenfchaft und blaßroten, grünlich geftreiften
Bliiten, am Kap. Mehrere Urten, wie A. vulgaris L.
in Ufrita, A. perfoliata Thunb, und A. angustifolia |
L. in Djtindien, yg aus den Blattern eine techniſch
benutzbare afer (ſ. Wloehanf). Biele Urten werden
als Zierpflanzen fultiviert. Die »hundertjährige A.«
ijt Agave americana; über die A. der Bibel ſ. Aloe—
hols. Bgl. Salm-Reifferſcheidt-Dyck, Mono-
graphia generis Aloés et Mesembryanthemi (Vonn
1836 — 63).
Aloẽ, der cingefodte Saft der Blatter veridiedener
Aloe-Yrten. Bur Darjtellung läßt man den Saft
aud den abgefdnittenen Blattern freiwillig ausfließen
poder gewinnt ihn durch Preſſen oder Extrabieren der
Blatter, verdampft ibn in Keſſeln und gießt ibn dann
in Rijten. Man unterfdeidet glangende W. (A. Iu-
cida) und Leberaloe (A. hepatica). Qe erjtern
ehört die Rapaloe (aus Kapjtadt, der Wigoa- und
ofjelbai), cine Dunfelbraune, völlig —— Maſſe,
die leicht in glasglänzende, ſcharflantige Stücke und
völlig durchſichtige Splitter zerbricht und cin bräunlich⸗
elbes Pulver gibt. Sie riecht eigentümlich, ſchmeckt
Poe bitter, ijt nicht unzerſetzt ſchmelzbar, löſt ſich zur
Halfte in faltem, vollſtändig in 12 Teilen heißem
Waſſer, doch ſcheidet ſich beim Erlalten reichlich die
Hälfte, das Aloeharz, wieder ab, Mit Alkohol gibt
jie cine flare Löſung, in Äther ijt fie unlöslich. Die
Rapaloe beiteht aus etwa 59,5 Prog. in Wafer lös—
lichem amorphen Wloetin (Wloebitter), 32,5 Pro}.
nicht bitterm Harz und 8 Proz. Verunreiniqungen
nebjt Spuren von dtherifdem OL Hierher gehört
mid die Curaſſao-A. von ——*8 Bonaire und
Aruba. Leberaloe iſt undurchſichtig, Hell- oder
dunkelbraun umd mehr oder weniger makro⸗ oder mi—
krokriſtalliniſch. Die Sorten der Leberaloe enthalten
verſchiedene kriſtalliſierbare, gelbe, geruchloſe, ſehr
bitter ſchmeckende, neutrale, in Waſſer, Alkohol und
Äther lösliche Aloine, die mit Salpeterſäure Chry—
ſaminſäure liefern. Hierher gehört die Natalaloe,
bie oſtafrikaniſche A. (Sanſibaraloe, A. socotrina),
die über Bombay in den Handel kommt, und die
Barbadosaloe. — Man benutzt A. als ein Abführ⸗
mittel, als ein die Verdauung unterſtützendes Bitter—
mittel und gibt fie aud bei Hämorrhoidalſtockungen,
weil fie Die Neiqung ju Blutungen befdrdert, und bei
triiger Menjtruation. Jn der Techni dient fie zum
Beizen von Hols und zur Darjtellung von Chryjamin-
ſäure. A. war fdon den Alten befannt. WIS uralte
Produftionsftatte gilt Sofotora. Aud) im Veittel-
alter war fie geſchaͤtzt. Im 10. Jahrh. wird fie in
angelſächſiſchen Sdriften und im 12. Jahrh. in deut⸗
ſchen Arzneibüchern erwahnt. Späteſtens im 16. Jahrh.
gelangte A. vulgaris nad) Weſtindien, und 1693 war
rbadoSalve auf bem Londoner Markt. Seit 1773
wurde am Rap A. dargeftellt. Bgl. Aloeholz.
Aloehauf, die Fafer aus Blattern von Woearten,
befonders von Aloe perfoliata Thunb. in Djtindien,
ijt wei, etwas glänzend und dient ju Seilen, Tauen
359
und Geweben (Wloetiider). Gewöhnlich verjteht
man im Handel unter A. die Ugavefafer (f. d.).
Aloeholz Wdlerhols, Agallocheholz, Pa—
radiesholz), Name verſchiedener wohlriechender
Hölzer, die tm Altertum ſehr hod) geſchätzt wurden.
Die als koſtbarſtes Räucherwerk gerühmte Aloe des
Alten Teſtaments ijt ein dunkelbraunes, ſehr hartes
und ſprödes Holz, das von Aquilaria Agallocha
Roxb. in Hinterindien abgeleitet wird. A. enthält
nur wenig wohlriechendes Harz, und man ſchneidet
daher die Bl sade Teile weg oder gräbt die Stämme
in Erde, wobei dann die reine Aloe guriidbleibt. Jn
| Den Mittelmeerhandel ſcheint A. erft sur Beit der Kreuz⸗
aiige gelangt gu fein. Es galt im Mittelalter auc in
uropa als beilfraftiq, wabrend es jest mur nod in
Ojtajien in der Parfiimerie und zu Heilzwecken Ver—
wendung findet. Jn Hinterindien wird es in den
Tempeln verbrannt. Napoleon I. benutzte 8 in feinen
Paläſten als Parfiim. Seit dem 16. Jahrh. fam ein
U. (Calambac) von Aloexylon Agallochum (Lequ:
minofe) aus Rotfidindina und Siam, das lange wie
das Hols von Aquilaria benugt wurde.
Wlocjaure, ſ. Chryſaminſäure.
Aloetaler, Silbermiinjen, welche die Herzöge von
Braunſchweig⸗Wolfenbüttel 1701 aus Anlaß des Blü—
hens einer Aloe Cre mit einer Wbbildung der
Pflanze et Aufſchrift verſehen ließen.
Aloctinjaure (Tetranitroanthrachinon)
C, ,HNO,),O, entſteht beim Behandeln von Aloe mit
Salpeterfiure, ijt gelb, amorph, löſt ſich in Allohol und
heißem Waſſer, verpufft beim Erhitzen und bildet rote,
ſchwach verpujfende Salze. Salpeterfaure orydiert A. zu
Chryſaminſãure u. Bitrinfiure. VW. färbt Wolle braun.
loetücher, ſ. Aloehanf.
Aloexylon, ſ. Aloeholz.
Alofi, ſ. Hoorne-Inſeln.
Alsger (griech.), Name einer chriſtlichen Partei
Kleinaſiens im 2. Ihrh., welche die Logoslehre des
Evangeliums Johannis und deshalb icles felbjt,
aber aud den Chiliasmus und die Fortdauer der
Prophetic veriwarf. Der alte Ketzername wurde im
Reformationsseitalter auf die Socinianer (7. d.), weil
fie Die Gottheit Chrifti leugneten, übertragen.
Alogiſch (qriech.), der Vernunft ermangelnd, un-
verſtändlich, widerjinnig.
Aloi (franj., for. alua), der geſetzmäßige Gehalt,
Sdrot und Korn einer Vinge.
Aloin, ſ. Aloe.
Aloja de chafiar (ſpan., fpr. aldda de tidanjar),
j. Gourliea.
Wlombrados, ſ. Alumbrados.
Alonge, ſ. Allonge.
Alonſo Martinez, Manuel, ſpan. Staats
mann, geb. 1821 in der Provinz Burgos, geſt. 13. Jan.
1891 in Madrid, ſtudierte die Rechte und wurde 1854
Mitglied der Cortes, in denen er ſich den Liberalen
anſchloß. 1855—56 war er Minijter der Sffentlidjen
Urbeiterr unter Espartero und O'Donnell, 1863—64
unter Wiraflores. Rach der Septemberrevolution
(1868) übernahm er unter Sagajta das Juſtizmini—
jterium, das er DiS 1888 wiederholt inne hatte, und
reformierte Die Strafgeſetzgebung. A. verfafte als
bedeutender Rechtsqelehrter wertvolle Werke.
Wlopaus, 1) Maximilian, Baron von, ruff.
Staatsmann, geb. 21. Jan. 1748 ju Wiborg in Finn⸗
fand, geft. 16. Mai 1822 in Franffurt a. M. ftudierte
zu Vbo und Gattingen, erbielt das Direftorium der
Reichslanzlei in Petersburg, ward 1783 Gejandter
in Eutin, 1790 am Berliner Hof und begleitete den
360 Alope — Alpen.
König Friedrid) Wilhelm IL. in die Champagne. VIS | gen. Das Alpdrücken wird durd die unflare Empfin⸗
Preußen fid) durd) den Baſeler Frieden 1795 von der | dung ciner während des Schlafes eintretenden At—
Roalition getrennt hatte, forderte A. jeine Pajfe. Bum | mungsbehinderung hervorgerufen. Wiles, was zu
Staatsrat ernannt, befleidete er darauf den Poſten ſchweren Träumen iiberhaupt disponiert, fann auch
eines ruſſiſchen Geſandten beim Reichstag zu Regens- | den W. veranlaſſen, namentlich ftarfe Mahlzeiten vor
burg, bis er 1802 als Botſchafter nad) Berlin zurück⸗ dem Cinjdlafen, Wusdehnung der Gedarme mit Larft,
febrte. 1807 war A. in außerordentlicher Miſſion in wodurd das Zwerchfell nad) oben gepreßt wird, enge
London; 1809 nahm er feinen Abſchied. Kleidungsſtücke, Storungen im Blutfreislauf. Dre
2) David, Graf von, Bruder des vorigen, geb. — — Alps lann oft verhütet werden, in—
1769 in Wiborg, geſt. 13. Juni 1831 in Berlin, ward | dem man beim Einſchlafen die Rückenlage vermeidet,
1792 Setretir des Gefandten Rumjanzow in Frank: | vor dem Sdhlafengehen den Magen nidt anfiillt umd,
furt a. M. und 1800 ruſſiſcher Gejandter in Stodholm, | wenn cin franfhafter Zujtand m den Organen der
wo er 1808 Gujtav Adolf IV. zur Verzichtleiſtung
auf Finland bewegen follte. Wis aber die ruſſiſchen
Truppen in Finnland einriicten, lief der Schweden- |
fonig A. feftnehmen ; aus feinen Rapieren famen aller-
hand Beſtechungsverſuche zu Tage. Rad der Erobe—
rung Finnlands ward. jum Mitgliede des Geheimen
Rates ernannt, dann in den Grafenjtand erhoben.
A. ging 1811 als Gejandter an den württembergiſchen
of und 1813 als Generalkommiſſar jum verbiindeten
cal Rad dem Frieden vertrat er Rufland am
Berliner und Sdyweriner Hof.
Aldpe, im griech. Mythus Tochter des Kerkyon
von Eleuſis, Mutter des Hippothoon von Pojeidon,
der fie in cine Quelle verwandelte.
Alopecie (qricd.), ſ. Kahllöpfigleit.
Alopecurus L. (Fuchsſchwanz), Gattung der
Gramineen, Gräſer mit zylindriſcher, abrenfirmiger
Rijpe. Etwa 20 Arten, beſonders in Europa und
dem gemäßigten Aſien. A. pratensis DL. (Wiefen-
fuchsſchwanz, Rolbengras, ſ. Tafel ⸗-Gräſer I<,
Fig. 8) wächſt truppweiſe auf friſchen, etwas feudten
Wieſen und bildet hier cin Futterqras eriter Klaſſe,
das im 2.—4. Jahr im vollen Ertrag ſteht; die Sa-
men haben im Handel nur 4 Proz. Gebraudswert
und find häufig mit denen ded folgenden gefälſcht.
A. agrestis L. (Ackerfuchsſchwanz) ijt em Acker—
unfraut und A. geniculatus ZL. (qetnieter Fuds-
fd) wang), in ftebenden Gewäſſern und auf Wiejen,
cin geringes Futtergras,
fora, Besirfshauptitadt in der ſpan. Provinz
Malaga, ant Guadalhorce und an der Cijenbahn nad
Cordoba, mit Wein und Clivenbau und (1807) |
Aldsa, Die Alſe.
Ojtilandern, an der ſchiſfbaren Dender, Rnotenpuntt
an der Eiſenbahn Briijjel-Ojtende, ehemals Haupt-
jtadt von Oſterreichiſch-Flandern. YW. hat eine fpat- |
gotiſche St. Martinstfirde (von 1498, unvollendet) und |
ein gotiſches Rathaus mit ſchönem Vergfried, vor dem |
cin Standbild von Thierry Martens (jeit 1856) ftebt,
der 1473 die Buddrucerfunjt nach den Niederlanden
bradte; ferner cine Staats -Rnabenmittelidule, ein
Dejuiteninftitut und 3ahlt (900) 30,069 Einw., die
Dopfenbandel, Leinwand- und Scidenweberei fowie
Spipenfabrifation betreiben. YW. war 1046 — 1173 |
Hauptitadt einer Grafſchaft.
Alofsia, {. Lippia.
Alp (Alm), Bergweide, ſ. Alpenwirtſchaft.
MlpMipdriiden), beiingitigender Traumzuſtand
beim Einſchlafen oder vor dem Erwachen. Der Träu—
mende hat die Empfindung, als ob eine Laſt, ein Tier,
(10,246 Einw.
Aloft (Aalſt), Arrondiſſementshauptſtadt im belg.
ein Geſpenſt rc. auf ihm lage; er empfindet die ent-
Bruſt oder des Bauches die Urjade ijt, ſich ärztlichen
Rates bedient. Der A. (Alb, Druta, Mahr, Nacht-
mahr) war un Mittelalter und aud nod jetzt Anlaß
und Gegenjtand mannigfaden Wberglaubens. Wan
identifijierte ibn aud) mit dem Teufel; »der Teufel
hat did) geritten« ijt foviel wie »did) hat der Mahr
qeritten«. Wie Fraw Holle Gefpinjt oder Haare ver-
wirrt, felbjt verworrene Haare trägt (Pollenzopf)
jo widelt der Nachtalp das Haar der Menſchen und der
Pferde in Knoten (Alpzopf, Drudenjopf, Bid-
telzopf, Weichſelzopf). Man unterſchied im Ulter-
tum den männlichen YW. (Incubus) vom weiblichen
(Succuba), erjablte von Dem Glauben der Relten an
dieſe Geſpenſter, die Auguſtin Duſier namnte, und
daß ſie auf Verführung der Menſchen ausgingen, und
machte ſolche Weſen ju den Vitern von Helden und
Zauberern (3. B. Hagen und Merlin). Der YL, der
die Landleute auf dem Felde während der Mittags-
rube heimfudte, gab Anlaß gu den Erzählungen vom
WMittagsdamon und der Mittagqsfrau (jf. d.),
die ſchon von den Ulten erwähnt werden. Bgl. Cu-
baſch, Der U. (Berl. 1877); Laijtner, Das Rätſel
der Sphinx (daj. 1889, 2 Bde.); Rofder, Epbialtes,
liber die Alpträume und Alpdämonen des flafitiden
Altertums (Leips. 1900); Wuttle, Der deutide Volls⸗
aberqlaube der Gegenwart (3. Aufl., Berl. 1900).
Alp (beſſer Alb), Schwäbiſche oder Rabe,
Sura, Deutider.
Wipata, verjilbertes Neujilber.
Alpafa (Alpako), ſ. Lama.
Alpaka, glanjender Damentleideritojf mit Lein-
wandbindung und 22 Ketten- und 20 Schußfäden auf
Lem. Sette Baumwollenzwirn Rr. 80 engl., Schuß
Wipafa Rr. 24 metr.
WAlpafawolle, das Haar des amerifan. Wlpafa,
iit gewöhnlich ſchwarz, mitunter wei und grau, ſehr
flag qewellt, 0,02 — 0,03 mm did, 10 cm lang und mit
jeidenartiqem Glanz. Die Verarbeitung der A. be-
qann 1830 in England, viel {pater in Frantreidh, Bel-
qien und Deutidland. Gewöhnlich wird. ungefarbt
veriponnen, am baufigiten mit Baumuwolle, Mohair,
Kammgarn oder Seide.
Alpargatas, aus Eſpartogeflecht hergejtellte San-
Dalen der ſpaniſchen Fußtruppen.
Al pari, j. Pari.
Alpbaljam, |. Rhododendron.
Alpdrücken, ſ. Yip.
Alpen (wahrſcheinlich v. felt. alp oder alb, ſoviel
i.
wie ⸗hoch, Berg), Hoddgebirge, die, unähnlich ge-
woöhnlichen Gebirgstetten, aus emyelnen Gebirgs-
ſtöclen (Gruppen) zuſammengeſetzt ſind. Die einzelnen
Berggruppen ſind durch ſattelförmige Erhebungen
ſeblichſte Angſt, ex verſucht ſich zu bewegen oder zu (Cols) und ſchmale Rippen (Joche) zuſanmmengelnüpft.
ſchreien, aber er fann nicht. Gelingt es thm, ſich zu Bon bedeutender abſoluter Höhe, ſieigen fie öflers über
ermuntern, ſo iſt der Anfall vorüber, aber er fühlt die Schneelinie empor und haben gewöhnlich eine
fic) meiſt ſehr matt, hat heftiges Herztlopfen, ijt in | breite Baſis. Ihre Gehänge ſind tief gefurcht. zerriſſen.
Schweiß gebadet und kann ſich nur allmählich beruhi⸗ gezackt, mit ſchroffen, oft lotredt abſtürzenden, häufig
{Zam Artikel Alpen.)
Ubersichten zur Karte ,Hihenschichten der Alpen‘.
Die in der ersten Reihe stehenden Zahlen | 3554 | geben die Hake iiber dem Meer in Metern an, die Bochstaben ond
Zahlen der zweiten Reihe | G3 | bezeichnen die Felder der Karte.
Adumeflo, Montir.....
Aletsebhorn., .. 0...
Ambin, Mont. .......
Ameringkogel
Angéle, Mont ,.....45
Ankogl...-..5--5-
Antelao, “Monte —
Antola, Monte (Lig. Apen.}
Argentera, Punta dell’. .
Asta, Cima d’.
Aurouze, —— a’,
Ballo, Monte.
Rasoding .,.....
Beigua, Munte (Ligur.
Apennini...
Belchen. Kleiner (Vogesen)
— Snizer (Vogesen) .
— Welseher (Vogesen) :
24
—— —
NHeriei, MAnt
Bernina, Pie.
Biela Lazica (Kapelenge-
birge).-...-....-
Henhorn..
Bitoraj —
Blewasch........0.2.
Bésenstein, GroGer
Bar, Monte tig: Apenni)
Bart, Mont, senees
Huin, WIS 6 Se —
Cadria, Monte... ...,
Canin, Momte,.....
Carpegna (Etrusk. Apomu.)
Cevedale, Monte (Zufall-
spitze).
Champeyron, Mont... .
Chasseral (Juragebirge) ,
Chasseron (Juragebirge) .
Chens, Mont de lal...
Churfirsten ...... 04.
Cima d'Asta .
es eens eae
eer en eee
Cimene, Monte (Ligue.
Apennin}. ... 0...
Claridenstark, 2... . J
Coca, Pin di... ....
Col de Chamechaude, . .
Colli Enganet
Colombler, Grand.
Combin, Grand .
Consama, Monte (Etrusk. |
Apennin). 2.0.00,
Cornone, Monts... . .
Couloirs, Grands
Créte de la Neige (Jura.
gebirge)
Cridola, Monte... . . .
Cristallo, Monta...
Criupac ‘(Velebit- “Planina}
Dachstein .. 0... ‘
Dammastock a
Dent da Midi... ..-
Triablereta.... +
Disgrazin, Monte detia.
Dodiel, Cima... 2.0 2.
Dom... .
Dreiherruspitze : X
Preischusterspitze . 0...
Dufourspitze .., 0... ,
Dirrenstein . .
Ebro, Monte (Lig. Apenin)
Bering, lew...
Fisenhut a dish hal
Emilins, Mout. . —E
Err, Pix d o Janta
Exnganoi, oll .
Fagyioian, Monte (Rtrask.
Apennin>.... 5 as
Falterona, Monte (Herask.
Apennin), 2... 4
++ eo ee
3354
S276
1268
1424
1245
419
4052
1532
1485
1563
2440
1808
$109
3312
2254
1407
3774
340%)
1610
MW)
1714
2308
S862
1798
2581
d199
1404
26
3633
3260
| 3246
| $878
4103
2441
3559
3381
589
roms
1h4e
22S
S SEGZER GQRSSacaske
CDS
CS
Oe
F2
Hs
D5
Ha
He
DS
Ga
G5
BS
Gs
ia)
13
Hé¢
Ba
D4
Hé
G4
C4
Ba
18
ts
MS
K2
3
Cs
D3
Fs
H4
DS
12
13
D4
LM2
FS
C5
Ki
p4
¥3
H4
NS
He
Faulhom ........-. |
Feldberg (Schwarzwald) .
Finstersarhorn,......
esecaen
Gottero, Mente .
Grand Colembier ....
— Combin, ........
Grande Moucherolie .. .
— Sassiére
Grands Coaloirs .-. .. .
Grandes Roussea . 2...
Grand Veymont......
Gran Paradiso... 2...
Grappa, Monte... 2...
Grintouz. .
GroBer Bowenstelu ....
— Bachstein .......-
— Priel ..
oe eae
seer ee ee
11741
Hasenmatt ——— | eH
Hauenstein
BAPSOT 0.660 e 55403 ane . oes
Hochalmspitze . ».. | 8855
Hochfeiler.......- - | 3524
Hoehgall........255 S440
Hoehgolling......-.. PAGS
Hochkhinig .........), 2008
Hoehlantsch ,...-.-. 1722
Hoshschwab .......-. 2278
HMochstadl..... 6. .. | 1926
Hochtor......0 0.4... ; #879
Hoehvogel., .. 06.6565 2594
Hohenaar (Hecharn) ...) 3258
Hohenwart ......... 281
Hohe Riffler..... oe | S166
— Salve,...... | 1826
Hiilengebirge ....... | L862
dungfraa . mole tee 4167
Kaisergebirge. .. .. 2444
Kalte Berg... ...5-5 201K}
Katzenkopf......, ..| 2532
Kern (Krn) 2.5 0 6 « 2246
Kesch, Pit .......-- 3422
Kleiner Belehen (Vogesen) 1268
Riek... 2.2.2 00255. 4] 2188
Kollinkofel ......6.. 2810
Kénigspitze. . 2k 4857 |
Kénigstahl .. 0.2.20. 2331
Kreurspitze 2... .- + | 940t
Kachenspitsze........ | 3170
Kuhalpe.....4.0255 1784 |
Kumberg 2... -. 2.5% 121%)
Langkofel. 0.2.2.2... a178
Langasrd, Piz... ....) S286
Legnone, Monte..... , | 2610
Iwone, Monte ....... | S581
Lea Eorins .........- 4103
Levanna, Is .....,..) S618
Linard, Pia. .......4 S414
L’Obion wae ee 2794
Labéron, Montagnes du . - | 1995
Lure, Montagne de, . .. | 1827
Midelo Gabel ....... | 2644
Maggiore, Monte ... ..! L306
Marguareis, Cima..... 2840
Marmolatns ........ . |) S360
Matterhorn .....,.../ 4482
Menone, Pizzo. . ... . | 22H |
Mittagepitze , eee « «| 2092
Moi, Col det... .. : 1358
Moléeon — e640 a" ceee 2005
Mammio, Alpe (Ligur.
Apepnim.. 2... 6. ) 791s
Montagne d’Aurouze .. .) 2712
Mont Ambin ..... S877
Moniblane.. 4510 |
Meyers ——— 6, Aujl., Beilage.
11114141
111111
Cristallo
Cusna (L'g. Apennin)
delis Disgrazia ....
«= Ebro (Ligur. Apennin
- Faggiola (Fark. —
Falterona(Etrk.Apen.)
oes 0we
Ce ee ee ee
re ee
Montagne de Lure ....
Montagnes du Labéron .
Monte Adamelio. .....
Antola (Lig. Apenniu)
Baldo... ..
Beigas (Lig. Apennin)
Bue (Ligar. Apennin)
Cadrin
eee
e+ eee
see ewes
ese ht ew ee
ee ee —
re ga oe
{Liger. Apennn) .
— Paralba
— Ponice (Lig. Apensin}
—~ Penna (Lig. Apenntn)
Pisanino (Lig. Apen,}
Pramagwiore,.....
Rondinajo (Lig.Apen. )
Rosa ...e es
fee
Santa Franca (Ligar.
Apennin) .. 5.
Tondo (Lig. Apennin)
Monti Berici . . . ‘
— Pisani (bei Pisa) .
Moncherelle,
Grande...
a ee —— — —
——
seer vers ee
Pacenovac (Kapelenghge.) }
Pala, Cima di.
Panargenspilee., .. eee.
Pania della Croce, Mante
{Ligor, Apennin) ..
Paruliso, Grom oo...
Paralba,
Monte
Parseler Spitve,...., .
Pasubio ..... - tt ea
Pelat, Mont,
ese eucana
Penice, Monte (Lig. Apeu.)
Penna, Monte (Lig, —
Petseck ..
a
Dy
i8
Uv Dic gitiz ed |
Chersichten zur Karte Hihenschichten der Alpen.
Whantet 2. we ee — .« be PF? | Reese lirendoe .... Mia OCA f Vinibras, Mowt....... WEE 1 Ts
Filet gizt 62 Saist Henegat, Meat... Ee CS | Tithe... .. =a —
Pissei, Mot) wi i’se vie 6% Salve, Hobe . 2.2.4.2. -' 8% 12 Tedi ‘ AR X
Piven, Mente ‘T.gor Ban Mattes, Punts. ... BY GI Tofans : are! It
Apeunis se 144 G5 | fandepisze.. . -.-+, BS TS | Tondo, Mente Lag. — Ee
Pierhteenia f chokenghg “A Me “ents Franca, M- neste lig Tom, (ima..... 517% *o%
Wig Perms. . 1... - 26s #o2 PA Apewoin ......+ - 1915 FS Totes (eebirg eres Sle aR?
Hain 312 64 Santis .....- - 2h PR Trelod, Meet...... bf ‘4
Ab teens 252 Gs Maowitre, fyramde ... .. ST CD44] Trigiav.... ~.. See 6B
a Ese. . * —— , (irobe ...... 2m), LS | Unterberg. . . 1S41 -
Kook ——4 242 ra Srewaplana ..... .. owe Fr Urenlaberg 6 . lee alt
Sanmuerd 2.5622 VW, ‘S | Schafberg. . . ., liso Ke | Vakaneki Vru ime 7
TAmard . 2 ww ee 414 eS Behlerm .. aa] 265 Hi Vanil Noir .. , 25, Ist
Beavenia. 42i\ 494 Rehnecbergz Krainer -.» im Ta Veltechalpe ... - . . ~—s we
Axl wae | OFS — thei Whieg ..- ee, 25 M2 | Vemediger...... . Whe i
i" woes Menene .. 5. ~. BH FS Sehipt. ..... . . «. 3 MI Ventoux, Meat....... 1212 Rm
Vijeeiviem . 2... 1654 LS | Sehreekbeore . .-.... , 0, EB | Veymont, Grand ..... DMA —
Pointe Poreer 2752 C4 | Sehwarskogel.... 15449 MS ] Vexrzana, Cims a. 4157 0 89
Potinik : . 2° aim) KA Seliski Vrh Kaper te agig. 12a MS Villacher Alpe ...- ‘ . 2147 A:
Pramagyterr, Mewte 247% F%3 Sengeengebirge ...... 1961 L2 Viso, Monte . -e ee, SOT OTe
Preeanetia. . 4 GS Beqvenns, Piz . ~++.,a88), G3 Wachberg..... .- . Ite wm
Priel, Cirebe . » » B54) 12 | Silvreta..... ...., 3285! G3 | Warscheneck ; . o~-* te
Punta dell’ Argentiera.. $307), DS Aol, Piz sere ce- ro | DD FS Watemann .. * . I?
Man Mattes ...... S692 OS Solatein - - +eee «| 241) H2 Weehsel.........2-- iv mM:
Verrgsi, (irober. . 2244 «OL? | Sparafeld . -.. 245, L2 Weibenstein: —— io ee is
Halnar. .. 1 es 160) MY 2. .--4. 1&9 | M2 | Weilbe Spitze. . . ,_ iz 2
Racalpe . Bare 2 | Stanser Hori. . . -.., 1900) ES | Weibhorn..._.. .. 412 fe
Hevea, Mevtibe Lig. > antn lift ES Stelle delle Sat . +.) 2617, HS | Welbkagel . . i rt en
Relssipe..... ee eee | $3894. M2 7 Stockhorn..... - +.) 2193! DS | Welscher Beichen Voges 14. 49
Mheinmwaldheru. .. 2.45, stm OFA Mtoqd .... +. .. +) 2238; LS —— — 24 oS
KHiffler, Hohe... ..... 31), G2 | Stahlecs.. .-..--.. 1783 | M2 | Wilkiepitze... .. . B74 «a
Wigi. 2. .---- -. a) [OO EQ Saeciso,Aipe dilag.Apen.) 2017 GS Woteche. .. ese eee, Fee 3
Koerlamelane .| 258) D4 Salzer Kelchen (Vogesen) 1423. De Zinkenkogel . .. . Bes 12
Keen, Monte... , 215 HS Sveto brdo (Veletit- Pla- , | Zirbitzkogel. ...... . 2 L?
Hondinage ‘tag. Apennin, 163 GS Mina) . 6s eee eee 1750 MS | Zuckerhid .... - S17 BRa
Hete Wand........./ 2706; G2 | Taber, Mon... ...... ; 3205 C4 | Zafalispitze Mouse Geve
Kethorn (Arower; . 6. - Lede a Tendre, Mont ....... 16n0, CB Gale. 26.2 ss cae e 334 6 6Gs
Hrienzer) .......1 23511 ES J Tennengebirge....... 2428 | K2 | Zugspitee..........'°8 GH:
If. Alpenseen, nach der Grife geordnet.
tribe irdbe P —XRXC
1. Westalpen, — in 2. Ostalpen. fee in aan. in
) OKH, ne ORL. one | Kit
Uenfortow{aclaman 37% S78 % [diardasee {Lago di Moniswe -...... 4i4 i4.¢ a:
ul
Hodeonsae . . 6. . has
Neuenlorger (New-
chateler) See...) 432
Vierwaldetatior Ker 437
Alitiehiawt., 2 oes “nn
Thaner Kea cera fi)
Jae de Bourget, . 245
Iielor Bow... .. — 444
Luger Res . 47
Virienser Sew 2, hea
Jae al Anime oa qa
Walenaeo. . er
b.oge lL tirta 1 | oO
Sempachor Sew. , | 7
Sarner See, . wes 147
III.
—RV—— —
Noilfwer Joel... oe ee
(ul de Prejae oo... a
Col de la Vanelse .
Sankt Hermbhard, Girey ¢
NiufonenpaB. .. 6... ees
Purke
Mitela
Herulinaps&
Cirelnapad
(ioral,
Albuls ,
Julie ‘
Mamht Boculiait, Rbwiset
Vitiveoo@l 2. , ya ee
Gites joe
Spiiges
Saw ht Caetel. est
Miewt Teme
ol dy Lanutaret
Ol ike Seatrie rea
Ye enhandia
Uble eats
Pt ie ee
tink de Pong
4
| hae | PY Garda)
|
feel
| lago Maggiore... 197 210 | KA } Sankt Wolfgang:
I
|
192 | 12 | (Aber-) See... 539 Its) KS
j |
&5 | aA | G4 | Lage d'‘idro .. |. BON | 14 4e4
240 6©C3 Chilerman. .. |
11S. E24] Comer see ‘Lage ‘di Millstatter Sec . . Saati > ie es
RR | RL Como) ....-.. 200 | 154 FS,4] Ossiacher See. 400 its OL
48 DS PTago d'faenw 2... | IRS | G2 | id | Tegornseo |. ‘ | 727 | ¥ He
44.06 TH | Waorm-Starnbe reer) Ilallatatter Sev +e A? ke
42 06K Sew... 50 57 HH? | Staffelwee, ..... ) G46 ie Me
te 5 | Laganer See ‘Sangol oan | 80.5 fEF | Achensee. .. ....) 982 &.
‘yr Fa At Tngano) ... p ”* jo" [4 | Rechelsee .. .. . . | ol ;, &s He
Oh 04 F Attor(Kammer-isen 4464 >) 47 | K2 | WelBensee.. .. 921 | fs WNe
wha 'R2 DP Ammereomm , 2... | S44 (46.5 | N2 |] Kénigeen ...... Gl 3 2
17,4 | B4 | Traansee . .| #22 248 (1 K2 b Zeller Seo... .-.j) TO | &r . be
14,8 | fe | Warther Be 2. 2.) 499 1195 1 L3 | Sehlierser 22... | Vis Ri Hz
7.4 | EA | Walebenwee .. 2... mie ot OG H? § Wocheiner Bee . see O88 aa} KS
Die Hauptalpentibergiinge, nach der Hihe geordnet.
Meter Meter Metrr
2764) D4 | fokmanior ......... 1917 | Ea | Col de Bayard. ......, 1248 as
| qs TonalepaB. .. . . 6 ee es | IS84 64 Prvbichl . . . ‘ . 12% 2
v4 | Vol dt Tends... 00.4. | 1873, DS | Fernpab. .. . .../PNa ag
f ‘4 Mont Genewre .. 2.04. Isto; OS Col de Cabre.. 2.0... like 6S
2472) 14 J Ban Mareopad......-.) 1826, FS | Pagaeza, Passo delle... . 1165 Ha
M40) ES Albulatanmel, ....... isis FS Predil . . : 12 KM
2408 4 Malojapab. . 0-6 eee} Ini7: FS Ranks Gotthardsann i ..) iM Ft
eu PA | Arlberg . . - ae.) 1802) G2 | PinstermGne ...-.... LO8 G2
wegen RS Radetadter Tauern ....) 1738 1 K2 Krearberg (Kanten:... [04 K3
wie) RA Katechberg ......4.. iftl Ke La Cisa (Lignr. Apennin W4l, FS
ea ee BS Kreneberg (Dolomiten:, > Lads 13 Col di & Hernando 2... 104 FS
SAN ra JaunpagG.... , ». Laon) DS Rroinig ....... pies | |
**7 — ial de la c raix it ante . +, lm HS Semmering é. vr MN
Vises a4 Keechen~ Seheideck.. 2.) 1491 ted Vol di Nava... . : 974 is
1 21A4 ba | tiering, Huhe, . . . ~. en t2 teallbergeattel . . ‘ vy §6[KS
Jiss tat Abetone (ligur. Apennin Lass) (5 Pyhrapas . — 245 12
2uke * Hrenmer . oe eee ». 430 228 La Pow -birusi. . Apress wa Hs
2114 —X —— 1374 14 —— mq" iz
ie 4 Menlelpab 7 iif HGS Roechetta, in... .... v2 6 OBS
oh ee — Plockenpas . * iff: «633 Sunplantegned ., .. . rae = 1
Ae i's Col de la Paaenie 2... 18h 3 Strubpeb F . —8 2
Pn | Aritergtunmel . 0... , are a? Seoffera Tagur. Agetraen ys rS
Nidm bt Mont Cenle- Tiaunerl . 124 is Monte (Cenere Sd ra
ibe 1st Tharnpad . . wee , US 2 Lucepad 47 KS
pwa cs Rivtiienmanner Taner . 15 12 ¥ Giovt (ligur Aperen av: ES
bw Feet ReeberTy «2. - ++ +e ees AO) Me ‘
Absoes seek
ree — — — — — =
HOHENSCHICHTEN
DEK
ALPEN.
Mafistab -1: 2 500000.
es ee ee
Bisenbahnen —— Grvbr Mauptlinien, —. Nrudere Bahknen
—— fahrhare Alperubergange * Gebirgapdnar « Bergayritarn |
* —
— Rips YN if ye —
J
Bibliogr.
—
Taw: =
—
* — 9
2222
oy
[=
— iy |
—* J
ae ee ©!
a
1mm vl
smi.
ws oF ae
a9
Digitized by Google
m Shluchten. Die W. werden gewöhnlich
Yande benannt, m dem fie liegen. Schiedst-
den Ramen A. das qrope Hochgebirge Jen
$i. ben folg. Uirt.). Außerdem ſind zu
he Zransjnivaniiden (Siebenbitracr). dic
, die Standinaviſchen A. m Earopa. dic
UW. im Airila, pie Rordamerifantiden
die Auftralalpen 2.
ſhierzu drei Karten: »Hodbenidncien ber
mt Regiſterblatt, »Einteilung der Ulpen«
wloqtiche Marte« mit Zertbeilage:, bidcites
ztigſies Gebirge Europas, nimumt, zwachen
sé ndrdl. Gr., alio ungejabr m der Wut
em Aquator und dem Rordpol, und zwichen
Ji’ ml. &. gelegen, eine Sentralitelamag m
rbteil cin. Dem allgemeimen Umriß nad mr!
A tinen anfangs gegen N. dann gegen NL.
mien, nach O. breiter werdenden Bogen rom
kn Weer bis zur mittlern Donau und es
sad ihrem Aufbau und ihret geolngiidien 3}
mien jedod jeriallen fie im zwei emonber
ke. mebr oder weniger gegen NES. gerichnenc Yo
be ih zwiſchen bem Comer: und hem sega
memanderlegen. Beide Bogen emtbalten jc 1
Rite die qrdgten Waeiienerbebungen, Me ive
Side bed Montblanc und Wonte Boia rm 2s.
Dgtaler VL tm ©. Der ubalk: des radstehen
Rcifels it wie folgt angeordnet:
- Sette 961 Geolog. Bex TerPier
ikier Sufbau . . 361 pur afienlog Rerie:) 97
r, Rife, Seem. Ol Ame 2 2 2. . wT
. . - + 36] Terme . . wt
bile Einrei⸗ Senditerung Serteigr - tm
. - « «+ = BE ree. . . Bie
Grenjen. Ringsum tind bie W von Coenen x
a, und nur am Drei Bunften iteben fie * —
tegen in Zuiammenbang, mit den Abennincen im
BE. dem Scbiweryer .) Sure ne SE, ben walt —
aifanbalbiniel mm SC. Am SR reden hem
darafteriittiden Natur * fol p'ꝛare.
bie mit dem italienricen ſveditae in uanaa reltdare:
letindung fieben, und tnd hier ois gut Mundung
cRhdne durch das unrenlcad des teliteeres
iret 5 bie BSeĩtgren; e Piper pas hss
, ie at
i ma zum
rer See, woam Suonetne uncerbaip her Stam
Wed ber Schweizer ura mn den A. in VKerbindung
it; bie Nordgrenze iniden die Edenen des Ware
Sim ber SaAwenz und des Toncugebreies m
idland und Ovtermmd bis mad Seen, Me Oit
ye das weitungarrice Hx =
oi geuand. am S. des
mals der Drau ineben dageaen die UL. in den aul iricbe
A mit bem Mari: in wescceldarer Serdbindime; an
ber Siidicite bilder bis zum Gol di Fenda? y ie lombar
diſche Tiefebene Die (ren ye des Hodacbirges. Dasicide
thet pom Gicuriicen Weer bear Savona bis sum Po
hmautal ber Bsien eme Lange vom co. 1100 km bet
jtiner poticeen 150 und 300 Xm wedieinden Breite
u.umfagt obne die poroelacerten Hodebenen u. Hugel⸗
landidatien cinen Iladentaum von 175,000 qkm.
Das Gebiraeiwiem ber U. erideint cls eme auf
einen emer amen Sodel autaeie —— deren
Wittelbabe c co. 140) m betragt. Ym S., und C.
bee BW ous Zictland'dhaiten 1100- ~ 300 m
x ) empor. om ber Norbiette tit ihnen eine Hod
ebene (3) _éf sito IL Shy vorgelagert. In Bezug aut
bie Hobe unico det man bie Region der Ror oder
Riederaipen: | bis ur Grenge des Baumwuchſes, d..
hia 1H) m ro orn, die Aegion der Mittetalpen. '
bis zur Lime Der cw gen Schneegrenze. d. h. bis 2700m,
Alpen (Grengen, vertifater Aufbau, Taier, Xue, Seen, Esiir., an]
und die Region her Hodalpen, merit mt Scare
jelbern amb Gilcricbern bededt. Tie bochuen ad
quytel, barumirr der Mond lone (4% 1] me md Dion: mt
Roig (463m. imden nd mm ben Beaalpen. Doe OG
aipen enthaiieon een emicen Gortel ber 46000 mm
(Perc 452m; Dor m there Rommbrhe frrugt pon
ber Rwiera ms zum Senter See bon Lies gat seb me,
ti mm der Shon * Mosinee mrt Sm am bochuen
und mimint pon be nad £. ch.
Shan tet Inc Wireniaéicer nah bem Kerhaltrus
aa ben (mepcrossiiom, m denen he negen. tm Yang:
unt Duertcer. Der Vangentaler gerchmen id bei
ment gertngerm (wcrc Durch eme dedeutende {angen
cusdenmung ans. Tas demaner, arwoblich em gro
herer Pluk . bars’ Dretiet m manavric tem Mmecn
\ =e ee
bet oft maniogem (mecur Me Zalionle Pee Durr
taler hooesen tend metit Mery und ire! Doe BSawer
elt raintien? berasb. off aber matnae Stuten m
wiilem perotecicracnd ober m neten Sthindten ſogen.
silaxien ober Aammen burchtiichend. wad baun dart.
WO es Im Pas Youpilal ausirit, madnae Berae pan
Sam ont (eri uc om. ne Den Zugeng zum Lunreriel
ter ericoweren Charctervtriche Langent aler der A.
ind dat 26 at der ð* home, des Borderrdems. ber Sal zach
des inn, der Drau und der Enne ausorinrodenc
Sauerial et ſind Die Der Mek, dos Tein. Das oR und
Suierial £11 learn smet oder mebrere Vangentaler mm
etm chk hericiben geraden — und ſind in der Regel
durch tite Sauel verdunden. fo das Rodne-, Uricven
und Rbeirrnal pon arngnd * bur, dat Gerloe
Salzach und Ennstal. das Draw und daa Wrenatal.
Bie * len Der Wipenflutic konnnen tere aie
chore » eT Erde Derbor, teils nebrien fee aud
Seder oder Gleÿchern idren Ur prung. Wier
hart es itch, weabalb dre Alpenome gerade
tm Sommer bet der großten Supe am wanervent ten
md, im Gegenſatze zu den blok von Career eruddy
tem Funen. In den Kallalpen und dagenen Bre a
ben nicht * are an Waner, dad durch © palrer
und Sim deblenange Raume ta Aunern ber
Berge en ress um ſpater in narken Lellen am Ak
der Pon mm Ricker bervorzubrechen. Obavavicniaid
tir Dae Ala virem dor Mut dee fteablentaemne
Wuabremng der Waiſerladfe. So fom pom
St. Bombard auger der Reuß dyer Kinde, der Npcan
Me Waste und Der Tellin, berad, Me ire Wafer bey
Mr Mordee, dem Muſelmeer und dem Wratten
Weer zuſubren. Den Fiuſtgebeten dea Rheino, dea
Rhöne. der Tanau amd deo Bo wad damu der Nord
fee, Dem Mittehneer. dem Schwarzen und dem Adria
michen Weer geboren fait alle Apenftuühe an. —n
zablreich ſind Me Waſſerfalle, Me um Verem ant
den Schnee und Etoieldern und den Seen don Banpi
ichmuct des Gebirges bude. Ruſtchtlich der Sijelle.
Me ſie im Tal einnehnien, unterſcheidet man Wier
dungs- und Talfoile, Don hochſten Waſerſturz an
ben VL. Duden Me Krummler Alle un Vinzgau, d
ren vier Rasfaden zuſamm en 350m boch find, Bon
Seen bennden id um Innern t dev Vochgeburge x*è nur
undedeutende; von deito großerer Wirebdtigfert tind dic
am fidluchen wie am nordlichen Abbhang an den Mie
gängen der großen Taler liegenden, ſehr treten See
beden (Lago Maggiore, Comer- und Gardatec, Senter,
Züuricher und Bodenſee. Chiem⸗, Traun-, Vttertee rw.
Me Den fie durchfließenden Webirgsytromen ale Lau—⸗
tecungébeden Dienen, in denen dieſe allen Schutt ab-
jepen. Weiteres iiber dic Alpenſeen f. See.
In den Paifen, welde die Yinfinge der an ent-
gegengeſetzten Teilen einer Mette entitebenden Taler
A UMM Ed
Ms.
if
$62
verbinbden, 6 ——
ganz befonders. Ger feinem Dodgebirge tit
ber Unterſchied zwiſchen der Durchſchnittshöhe der
Gipiel fo bedeutend wie bet ihmen;
e davon tit die leidjte Paffage der über di
enden Straken, die in großer Sahl im
19. Jahrh. entitanden find. In neueſter Zeit find
aud) Eiſenbahnen gebaut, die tells fiber ben Ramm
fortfiibren (Brenner), tetls die höchſten Tetle des
felben in Tunnels durdbreden (Mont Cenis, St.
Wotihard, Semmering, Uriberg). Bgl. ben Vrt. » WL,
penftrafjen und. Alpenbahnen«.
Geographifhe Cinteilung der Wipen.
(Bgl. bieryu bie Karte »Cinteilung ber Alpenc.)
Man hat von jeher das VBediirfnis nad einer Grup: |
pierung oder Cinteilung der A. gefühlt. So unter: |
x
fchieden fchon die Romer einzelne Teile der A., die ſie kreuzenden
nod) den Provingen oder Völlerſchaften, deren Gebiet
das große Gebirge erfiillte, benannten. Seit der Mitte |
Des 19. Jahrh. mehrten ſich die Verſuche einer fyite-
matiſchen Einteilung der A., die meiſt auf oot ⸗
phiſcher Grundlage beruhten. Erſt in neueſter
insbeſ. ſeit den Arbeiten von Böhm und Diener (ſ.
unten, S. 369: Literatur über die geologiſchen Ber-
hältniſſe), qelangte eine ——— Einteilung der
A., gegründet auf die Phyſiognomie des Gebirges,
auf ſeinen oroplaſtiſchen und geologiſchen Bau, zu
allgemeiner Annahme. Hiernach zerfallen die A. zu—
nächſt in die Bereiche der beiden oben (S. 361) er-
wibhnten Bogen, die alg Weſt- und Ojtalpen be-
zeichnet und durch cine vom Bodenfee durd) das
Rbeintat fiber den Greinapa gum Lago Maggiore
gezogene Linie gegeneinander begrengt find. Sowohl
Die Weſt⸗ als Die Ojtalpen bejtehen aus einer frijtal: |
linifcben Bentraljone, die nad außen bin, alſo erjtere
im W. und M., lestere im N., von ciner fedimentiren
Kallzone begleitet ift. Während aber die Oftalpen
aud an ibrer innern Seite, im S., eine fedimentiire |
Sone aufweiſen, fehlt eine folde an der Annenfeite
der Weftalpen gänzlich.
{Weftalpen.} Durd) die Linie Genfer See, Ober:
lauf Der Rhdne, Grofer St. Bernhard, Dora Baltea
zerfallen Die Wejtalpen in die franzöſiſchen (weſtlich
und ſüdlich und Die Schweizer Weſtalpen (öſtlich).
Die franzöſiſchen Weſtalpen werden durch die
Linie Nizza, Var, Col de Séoune, Col de Labouret. |
Ubane, Drac, Iſere, Arly, Sirt, Viege, Monthey in |
die Irijtallinifden Gneisalpen (djtlidy) und die fran-
sOfifchen Kallalpen (weſtlich) geteilt, während in den
Schweizer Weſtalpen cine orographiſche Unter—
ſcheidung zwiſchen Malt und Gneisalpen nicht vor
handen tt. Dagegen tit die kriſtalliniſche Gneisalpen-⸗
one in den Weſtalpen durch eine von Albenga zum
anaro, iiber Den Vol Di Tenda, die Stura, Col |
de Larche, Ubaye, Gol de Bars, Durance, Guifane, |
Wouters, Mere, Meiner und Grofer St. Bernhard, |
Mbone und Whein verlaufende Linie in cine innere |
(oftliche und cine dufere (weſtliche) Gneisalpensone |
geteilt. Wan bat fonacd in den Weftalpen drei Me
bingeylige zu uimterſcheiden: Den innern und den
Mi te Wneisalpengug und den Bug der franydfifden
Kallalpen. Der innere Gneisalpenzug umfaßt:
1) Die Liguriſchen MW. pom Col d'Altare (öſtlich
bi gum Col di Tenda weſtlich und von der innern
lpengrenze (nordlich) bis yur Linie Tanaro Wibenga
(FUDD), mit den hochſten Erhebungen der Cima Mar
gauareis (AHO m) und des Wonte Moje (2641 m).
—&) Rottifde VW. fo benannt nad dem König Cot
tas, fd), von Der piemontefifden Ebene (O.) bis |
» Gutiane-Moutiers der ãußern
VLago Ma
Niven bite Cintei
jur Durance (S.) und vom Col de Larde (S.)
zur Dora RipaniaiN.). Durch den Lauf
Bellice yerfallen Me Kottiiden A. m
BVifogruppe tm S. uit dem Monte Bifo (3843 m
und der Aiguille de Chambeoron (3400 m), dann 1
die Rodhebrunegruppe im N. mit Pie
Rodebrune (3324 m) und dem Bric Froid (3310 m
Gleticher finden ſich nur in geringer Entwidelung
den boditen Gipfein.
3) Grajiid@e W, von der Dora Riparia und dem
Bg
2
2
—⸗
*
—A
*
a
Gneisalpenjone (B.}.
Die Grajifchen A. bejteben aus vier tm Duellgebiete
der ere, des Ure umd Dreo fic fait rechtwinkeli
Gebirgs sii Bom Col de fa Galifje aan
N. verliuft die Saſſieregruppe (Grande Saffiere
3756 m), nad S. die Levannaqruppe (benannt
nad dem Rordpfeiler Mont Levanna, 3640 m) mit
der Ciamarella (3676 m), der Roccia Melone (3537 m)
und dem weſtlich vom Hauptzuge geleqenen Kuluti—
nationSpunft Pointe de Charbonel (3760 m). Drefe
Sette fept jich jenfeit des Mont Cenis in der Fréjus-
gruppe mit Der Wiquille de Scolette (3505 m) bis
jur Weſtgrenze Der Gneiszone fort. Den djtliden Ge-
birgssug bildet Die Don der Safjiereqruppe berm Col
de Nivolet absweigende Paradifogrup pe mit den
Gran Baradivo (4061 m) und der Grivola (3969 m),
und weſtlich vom Col (Mont) Iſeran endlid ver⸗
zweigt fid) von der Levannagruppe aus balbfreisfor-
mig swifden den Tälern des Ure und der Iſere die
Vanoijegruppe mit der Grande Cajje (oder Pointe
des Grands Couloirs, 3861 m), dem Mont Pourn
(oder Thuria, 3788 m) und der Dent Parradée
(3712 m). Die VBergletiderung ijt in den Grajiſchen
VU. bereits ziemlich bedeutend.
4) Benninifde A. (im Schweizer anton Ballis
— daher aud Walliſer A. genannt — und in Pre-
mont gelegen) ziehen, 90 km lang, vom Großen St.
Bernhard in weſtöſtlicher Richtung bis zum Simplon-
paß als eine ununterbrodene eemauer, deren
Nanun nidt unter 2600 m finft, während 21 Horner
über 4000 m emporſteigen. Ihre jteiliten Gebange
tebren fie nad) S. Gegen N. fenden fie madtige Quer
rippen aus, zwiſchen denen parallele Quertäler in das
Webirge fiihren. Die — Gipfel ſind:
im Hauptzug nordöſtlich vom Großen St. Bernhard
der Grand Combin (4317 m), weiter öſtlich das Wat-
terhorn (4482 m) und in Dem von Ddiefem nördlich
ſtreichenden Höhenzug das Weißhorn (4512 m), dann
int dem gletſcherreichen, jum Hauptlamm gehörigen
Maſſiv des Monte Roja die Dufouripige (4638 m),
in der vom Monte Rofa-Stod nördlich abzweigenden
Mette Die Mifdhabelhirner (Dom 4554 m), endlich in
dent nad N. gewendeten legten Teile des Hauptiam-
utes Das Weißmies (4031 m).
5) Lepontinifde A., von der Einſenkung des
Simpton (W.) bis zum Ba Greina, dem Bal Blenio
und dem Teffin (D.) und vom Tal der obern Rhdne,
dem Furlapaß und dem Vorderrheintal (R.) bis zum
ggiore (S.). Die Tiler des Toce und ded
Teljin fondern aus diefer Maſſe Gebirgsgruppen ané,
Me man unter Dem Namen Teffiner A. sufammen-
faßt; fie erreichen die Schneegrenze nur in ihren ndrd-
lichſten Teilen (Vafodine 3276 m). Zwei Alpenletten
umtränzen dieſe Gruppe im N. und ſtoßen tm Nufe⸗
nenpaß zuſammen: eine weſtliche, die Simplon—
gruvpe, mit Dem Monte Leone (3565 m) als hdd-
PU RIS CHE 8
MEER
¢
Mae
»
erect rte
Buhreged O'S
ized by Ge ogle
ji
Alpen (geographifde Einteifung).
jtem Gipfel, und cine öſtliche, dieGotthardgruppe,
mit dem Biz Wedel (8203 m) und dem berithmten
Paß de3 St. Gotthard.
Bur dugern Gneisalpenzone gehoren:
6) Seealpen (Meeralpen), von der Küſte swifden
363
Die franzöſiſchen Kalkalpen zerfallen in:
12) Provence-Alpen, von der Meereslüſte
(SO.) bis zur Durance (NW.), durch das Tal der
| Bléone in dic fiidliche, aus mehreren von O. nad W.
| ftreidhenden Parallelzügen beſtehende Caſtellane—
Albenga und Nizza (SO.), Dem Col di Tenda und gruppe (Montagne de Cordoeil 2117 m) und in
Der Stura (N.), dem Var, Col de Séoune und Col de
Labouret (SW.) und der Durance (NW.) begrenzt,
umfaſſen die zwiſchen malerijden Tilern bis gegen
2000 m aufiteiqende Riijtengruppe, die frijtalltni-
fhe, cingelne Gletſcherbildungen zeigende Sentral-
maſſe der Urgenteragruppe (Bunta dell’ Argen—
tera 3313 m und Cima dei Gelas 3153 m) und die
wejtlide Gruppe des Mont Pelat (8053 m).
7) Dauphiné-Alpen, von der Durance (S.) bid
aur Iſere (N.). Den ſüdlichen Teil derjelben bildet
Die kriſtalliniſche Zentralmajje der Pelvourgruppe,
cine Der wildejten und grofartigiten Hochalpengrup⸗
pen, mit ausgedehnten Gletidern u. ſchroffen Gipfeln,
darunter Les Ecrins (4103 m), Meije (8987 m) und
Pelvour (8954 m). Jenſeit de3 Tales der Romande
ziehen fich die nordwärts gerichteten Rarallelfetten der
teilweiſe vergleiſcherten Grandes Rouſſes (3473
m), der Aiguilles d'Arves (3514 m) im O. und
der Belledonne (2981 m) im BW. aud) fiber dads
Durchbruchstal des Ure bis zur Iſere fort (Cheval
Noir 2834 m).
8) Savoyer A. durd die Iſere (S.), den Kleinen
und Grofen St. Bernhard (O.), das Rhönetal (N.)
und die Flüßchen Arly, Arve und Viege (W. beqrenst,
mit Dem gleticherreidjen, frijtallinijden Maſſiv des
Montblanc (4810 m), der höchſten Erhebung der
qejamten A., dem nordweſtlich die Gruppe der Dent
Du Midi (3285 m) und füdöſtlich die der Grande
Roffere (3323 m) vorgelagert ijt.
9) Freiburger W, vom Rhönetal und dem Gen-
fer See bid gum Bak Gemmi und dem RKandertal,
meift aus fedintentiren Gebilden bejtehend, mit der
hodalpinen Wildhorngruppe (Wildhorn 3268 m)
im SW. und der Simmengruppe (Wbrijthorn
2767 m) im MD.
10) Berner A., vom Gemmipaß bid gur Reuj,
deren grofjartigiter Teil die ſüdweſtliche, mit mäch—
tigen Gletichern bededte Finjteraarborngruppe
ijt, aus der ſich cine Reihe von Gipfeln von mehr als
4000 m, darunter Finſteraarhorn (4275 m), WUletfd-
horn (4198 m), Jungfrau (4167 m), Minch (4105 m),
erheben. Oſtlich von der Einjentung des Haslitales
und der Grimfel liegt die gleichfalls ftart vergletiderte
Dammagruppe (Dammaſtock 3633 m, Rhöneſtock
3603 m, alenjtod 3598 m), ju der auch der nörd—
lid) gelegene Ausſichtsberg Titli¢ (3239 m) gehört.
Nördlich vom Thuner und Brienzer bis zum Vier-
waldftatterfee liegen die Emmentaler A. (Brien-
zer Rothorn 2351 m, Pilatus), über welche der fahr—
bare, von einer Bergbahn iiberfdrittene Paß ded
Briinig fiibrt.
11) Glarner YW, gwifden Reuß und Rhein, mit
der {tart vergleticherten Tödigruppe (LHdi 3623 m,
Pifertenjtod 3426 m, Oberalpjtod 3330 m), der öſt—
lid) von diefer geleqenen Gardonagruppe (Rin-
gelipis 3249 m, Hausjtod 3156 m), der nördlich
zwiſchen Vierwaldjtitterfee und Linthtal gelegenen
Siblgqruppe (Glärniſch 2916 m), deren wejtlicer
Teil, mit dem beriihmten Ausſichtsberg Rigi (1800 m),
aud) Schwyzer A. genannt wird, — der nord⸗
öſtlichen, zwiſchen Walenſee und Bodenſee gelegenen
Säntisgruppe, auch Appenzeller oder St.
Galler W. (Säntis 2504 m).
die nördliche, jtocfirmig gegliederte Saſſegruppe
(Blayun 2131 m) geteilt.
13) Dröme-Alpen, von der Durance bis zur
Dröme und dem Col de Menée, im ſüdlichen Teil aus
mehreren von D. nad W. jtreidjenden Ziigen (Mont
Ventour 1912 m, Montagne de Lure 1827 m u. a.)
bejtehend, im nördlichſten Teil die ſtockförmige De-
voluygruppe (Dbiou 2793 m, Mont Aurouze
2712 m) umfajjend.
14) Jura-Ulpen, im N. bis zur Arve reidend.
Sie weiſen bereits die plajtijden Verhältniſſe des Jura⸗
ebirges, Hochtiler zwiſchen ſüdnördlichen, wieder:
Bolt von Flüſſen durchbrochenen Parallelfetten, auf
und jerfallen in die von S. nad) N. aufeinander fol-
genden Wbjdnitte des Veymont (Grand Veymont
2346 m, Grande Moudjerolle 2289 m), der Char—
treuſegruppe (Pic de Chamedaude 2087 m), der
Beaugesqruppe (Pointe d'Arcalin 2223 m) und
der Repofjoirgruppe (Pointe Percée 2752 m).
15) Chablais-Alpen, swifden Urve, Genfer See
und Rhine, mit konzentriſchen Vergtetten und dazwi⸗
ſchen liegenden Hochflächen (Tete a l'Ane 2793 m).
[Oftalpen.] Zwiſchen den Gneis- und ndrdfiden
Raltalpen tritt in den Ojtalpen eine ſchmale Zone
palão zoiſcher Schiefergeſteine auf, die in Graubün—
den, Salzburg und Steiermark orographiſche Selb—
ſtändigkeit erlangen. Es find demnach in den Oſt—
alpen vier Bilge zu unterſcheiden: Gneisalpen, Schie—⸗
feralpen, nördliche und ſüdliche Kalkalpen.
Die Gneisalpen umfaſſen:
1) Adula-Alpen, zwiſchen Vorderrhein (N.) und
Lago Maggiore, Luganer und Comerſee (S.) vom
Greinapaß (W.) bis wm Splügenpaß (O.) retdhend.
Sie bilden ein von N. nach S. quer gegen die allge—
meine Streichrichtung der A. gerichtetes Gebirge und
untfajjen die nordweſtliche Gruppe des RHeinwald-
horns(3398m) und die ſüdöſtliche Tambogruppe
Tambohorn 3376 m). Die Vergletſcherung ijt gering.
2) Ratifde A., vom Splitgen (W.) bis gum Bren-
ner und der Qudicarientinie (D.) und vom Beltlin
und dem Idroſee (S.) bid gum Arlberg und Inn (N.),
gerfallen geologifd und ——— in drei Züge
von Gebirgsgruppen, die cine ausgezeichnet ſtockför—
mige —— erlennen laſſen. Der nördliche Zug
wird durch den Albulapaß in die Oberhalbſteiner
oder Albula-Alpen (SW.) und die Silvretta—
Wlpen (NO.) geteilt. Die erjtern erreiden im Pizzo
Stella (8406 m), Piz de Calderas (3393 m) und
Bis d'Err (3381 m) ihre höchſten Erhebungen. Die
Silvretta-Wlpen bilden eine zuſammenhängende, fri-
ſtalliniſche Zentralmaſſe und zerfallen in vier Grup:
pen: die Scalettagruppe, durd tiefe Talzüge in
ifolierte Gebirgsſtöcke und Retten geteilt, mit vier über
3000 m hoben Gipfeln (Piz Keſch 3422 m), die Fer-
muntgruppe, ſtockförmig gegliedert und ſtarl ver—
gletidert, mit vier Gipfeln über 3300 m (By Linard
3414 m, Fluchthorn 3408 m), die SGamnaun-
ruppe, eine zwiſchen Paznaun- und Juntal ver-
leatcave Kette (Muttler 3298 m) und die Fervall-
ruppe, ndrdlid) vom Bajnauntal bis gum Arl—
be (Kuchenſpitze 3170 m). Der mittlere Bug dev
Räliſchen A. umfakt die durch den Berninapaß und
| Dad Refdjenfdjeidec voneinander getrennten Bernina,
364
Spit- und Optaler A. Die Bernina-Alpen zer—
fallen in Drei jelbjtindige Gebirgsitide, den Disgra-
jiajtod im W. (Monte della Disgrazia 3677 m), den
Berninajtod im ©., beide ftarf vergletſchert, lesterer
mit ſechs Spigen itber 3900 m, die zugleich Die hid-
jten Gipfel der Ojtalpen find (Bi; Bernina 4052 m),
und den Scalinojtod im SD. (Pizzo Scalino 3328 m).
Die Spblalpen dharalterijieren ſich Durd ihre Zer—
jtiichung in einzelne Bergitide, weshalb fie aud) zahl-
reiche —J—— beſihen, darunter den Ofenpaß
—— m), nad dem fie aud als Ofenpaßgruppe
scidynet werden; fie bejteben aus den Erijtallinijden
Liviqno-Alpen im BW., die wieder in mehrere klei—
nere Bergſtöcke, insbef. die der Cima di Piazzi (3439
m), der Punta di Campo (3305 m), der Cima Saosco
(3277 m) und des Piz Languard (3260 m), gejon-
dert find, und aus den von einer muldenartig ein—
gelagerten Kallſcholle gebildeten Miinjtertaler A.
im ©. (Biz Seesvenna 3221 m) und zeigen unbedeu-
tende Gletiderentwidelung. Die Optaler A. zer—
fallen durch den Einfdnitt des Ogtals, des Timbler-
ochs und des Baffeier Tals in die cigentliden Op-
taler oder Venter A. im W., ein ftodformig geglie—
dertes Gebirge mit betradtlicer mittlerer Ramumbhohe, |
ftarfer Gletiderentwidelung und 15 mehr als 3500m
hoben Spigen (Wildfpige 3774 m, Weißlugel 3746 m), |
und in die ähnlich geqliederten, gleidfalls ſtark ver-
leticherten Stubater VW. im O. (Zuckerhütl 3511 m).
fiidliche Bug der Rätiſchen A. bejteht aus den
dret Sentralmajjen der Adamello- der Ortler u. der
PenjerV., die insgeſamt eine Langsridtung von SW.
nad) RO. erfennen lajjen. Die von der Linte Breno-
Bagolino bis zum Bal di Sole reichenden Ada—
mello-Alpen bilden cin von gewaltigen Firn- und
Eismaſſen tiberlagertes, durchfurchtes Gewölbe mit
den ſtockförmigen Maſſivs des Adamello (3554 m)
und der Brefanella (3564 m). Hierauf folgt bis sum
Etſchtal der mächtige, weit in Die Schneeregion rei-
dende, gletſcherbedeckte Hochgebirgsſtock der Ortler
A. mit den höchſten Gipfeln der Oſterreichiſchen und |
Deutichen A. (Ortler 3902 m, Königsſpitze 3857 m). |
Das Penfer Gebirge, nördlich vom Etſchtal zwi—
ſchen Jaufen- und Naifpaß, reidjt nicht mehr in die
Schneeregion und bejteht hauptſächlich aus Tonſchie—
fer und Glimmerſchiefer; Die höchſte Erhebung bildet
Der Hirjer (2785 m).
3) Die öſtlich vom Brenner beqinnenden Tauern
zerfallen in die beiden großen Hauptabfdnitte der |
oben und Riedern Tauern, die durch eine vom Mur—
wintel fiber das Murtörl in bas Tal der Grofarl
führende Linie gefcdhieden find. Die Hohen Tauern
beſihen cine im allgemeinen gegen ©. ſtreichenden
gentralen Hauptlamm, von dent fic) fiederfirmig |
nad N. und S. Rebenfiimme abjweigen. Sie be- |
ftehen der Hauptmafie nad aus Gneis. Der Haupt:
wus untfaft folgende Ubteilungen: Die Zillertaler |
-, bis jur Birnliide, mit zwei Durd) das Pſfitſcher⸗
und Semmtal voneinander geſchiedenen Gebirgs— |
zügen, Den eigentliden Sillertaler YW. (Hodfeiler
Alpen (geographiſche Einteilung).
ſoluten und relativen Gipfelhöhe der Hohen Tauern,
neun Spitzen über 3400 m (Großglockner 3798 m)
und ausgedehnter Vergletſcherung; die Goldberg-
qruppe, bis zum WMallniger Tauern, in der bereits
cine beträchtliche Höhenabnahme und eine BVerringe-
rung der Gletfiderentwidelung cintritt (Hodmarr
3258 m); endlich dad öſtlichſte Glied Der Kette, Die
Untogelgruppe, bis jum Muribrl, in welder
Die Achſe Der Maſſenerhebung fenfrecht zur Hoben
Tauerntette gerichtet ijt, mit hatter BVergletiderung
Hodalmfpise 3355 m, WUnlogel 3263 m). Sidliche
orlagen der Nette bilden: das Bfunderfer Ge-
birge, im S. der Billertaler A., zwiſchen Cifad und
Tauferstal (Wilde Kreuzſpitze 3135 m), die Riefer-
fernergruppe, zwiſchen Reintal und Antholzer
Tal, nut beträchtlicher Vergletſcherung und ſieben
Gipfeln fiber 3200 m (Hodgall 3440 m), dad Bill.
qratter oder Deffereqqengebirge, bis zum Jiel⸗
tal, unter der Schneegrenze bleibend (Weiße Spige
2962 m), die Röthgruppe, nodrdlid) der vorigen,
zwiſchen Virgen- und Dejfereggental, mit der ver-
qletidjerten Röthſpitze (8496 m), die Schober—
qruppe, fiidlid) der Glocknergruppe zwiſchen Jiel-
und Mölltal, jtodjdrmig geglicdert, im jentralen
Teil etwas vergletidert (Roter Knopf 3296 m), end.
lid) Die — grt fuel ge habs ſüdlich von der
Goldberggruppe bis jum Drautal, tief unter der
Sdneeqrenje bleibend (Polinif 2780 m). Die Rie
Dern Tauern erjtreden fic) vom Murtörl (B.)
zwiſchen Enns (N.) und Mur (S.) bis zu den Ta-
lern der Liefing und Balten (D.) und bilden die be—
Deutend niedrigere, mirgends in die Gletſcherregion
reidjende Fortſetzung der Hohen Tauern. Sie bee
jtehen meiſt aus Glimmerſchiefer, aus dem einzelne
Gneisinſeln su Tage treten, und zerfallen in vier Ab⸗
teilungen: die Raditadter Tauern (Weißeck 2709 m),
die Sdladminger A. (Hodgolling 2863 m), Wolyer
A. (Röthellirchſpitze 2474 m), Rottenmanner Tauern
(Bojenjtein 2449 m). Wis ———— der Nie⸗
dern Tauernkette erſcheint der Tamsweg-Seckauer
Höhenzug (Gſtoderberg 2141 m).
4) Die Noriſchen . erſtrecken ſich ſüdlich vom
Murtörl vom Katſchberghaß (W.) bis zum Hirſch
egger Gatterl (O.) und bilden ein zumeiſt aus Gneis
und Glimmerſchiefer beſtehendes flaches Gewölbe.
Durch den Sattel von Neumarkt werden ſie in zwei
Abſchnitte geteilt: die Gurktaler A. mit den Grup-
pen der Stangalpe (Eiſenhut 2441 m), der Metnitz⸗
alpen (Branter Hbhe 2169 m) und der fiidlich vor⸗
qelagerten Gruppe der Afritzer und Wuniger Verge
(Wodllaner Nod 2139 m); dann die Lavanttaler
A. mit den Seetaler A. (Zirbiglogel 2397 m), der
Saualpe (2081 m), der Pacalpe (Ameringkogel
2184 m) und der Roralpe (2141 m). Lepterer Gruppe
ſchließen fic) im SO. das Bacher- und Posrud-
gebirge an (Schwarzkogel 1548 m).
5) Die Cetifden A. reihen fich als lester Teil der
Gneisalpen am Hirſchegger Gatterl öſtlich an die
Norifden A. an, bejtehen gleihfalls aus Gneis und
3523 m) und den ibnen nördlich parallel vorgelager- Glimmerfdiefer und erreiden nur nod Höhen bre zu
ten Turer A. (Olperer 3480 m), beide mit tief cin» 2000 m. Durd) einen Teil ded Wurtals, durch das
geſchnittenen Tälern, daber relativ hohem Kamm und untere Mürz- und das Fröſchnitztal werden fie in
ſtarler Vergletſcherung; die Venedigerqruppe, | zwei Biige geteilt: den nördlichen Floningzug (Flo
bis zum Velber Tauern, cine ſtockförmige, ———— ning 1584 m) und den durch das Durdbrudstal der
Gruppe mit dent größten Gletiderfompler der Hohen Wur in die Gleinalpen (Lengmairtogel 1997 m) und
Tauern und acht Spigen iiber 3400 m (Großvenediger | Die Fiſchbacher A. (Stubled 1783 m) jerfallenden ſüd⸗
3660 m); Die Glodnergruppe, bis jum Hodtor, | lichen Bug. Beide Züge ftehen am Semmering mut
mit madtig entwidelten Seitenkümmen, denen aud | cinander m Berbindung und verfladen im NO. bis
die vier hdchiten Gipfel angehdren, der größten ab— jum Rofaliengebirge (746 m) bei Wiener- Neujtadt.
Alpen (geographijde Einteilung).
Sin Wintel zwiſchen dem Koralpenzug und dem ſüd—
lichen Bug der Cetiſchen A. liegt die von devoniſchen
Whlagerungen erfiillte, von Der Mur durchfloſſene
Grajer Bucht (Hochlantſch 1722 m) mit der Gneis-
injel des Schöckel (1446 m).
. Die Schieferalpen treten an drei Stellen als
Libergangsgebirge jwifden die Gneisalpen und die
nördlichen Kalkalpen:
6) Pleſſur-Alpen, zwiſchen Rheintal, Präti—
gau, Davos und Albula, mut den Ketten des Hoch—
wang im N. (Mattlishorn 2664 m), ded Stätzerhorns
(2579 m) im SW. und dem von einer madtigen me- | ¢
ſozoiſchen Kalldecke überſpannten Urofagebirge (Aro—
fer Rothorn 2985 m) tm SD.
7) Saljburger Scieferalpen, vom Wipptal
(W.) bis zum Paß von Mandling (O.), gerfallen durch
Die Quereinſchnitte des Rillertals, des Sellerjees und
Ded Saljachtals in vier Ubjdnitte: das Turer Ton-
fchiefergqebirge, mit ftodformiger Gliederung, 600 m
niedriger als die angrengenden Rillertaler YW. (Red:
ner 2891 m), Die Kitzbühler W. (Katzenkopf 2532 m),
Die Dientener Verge, durchaus reine Wald- und Wie-
fenberge (Hundſtein 2116 m), und die Griindeder
Berge (Hodgriinded 1827 m).
8) Eiſenerzer W., zwiſchen Lieſing- und Palten-
tal und Cifener3, bejtehen aus Grauwadenjdiefer
und Grauwacenfalf und erheben fich im mittlern Teil
liber 2000 m (Gößeck 2215 m).
Die ndrdliden Kalfalpen umfaſſen alles Ge-
birge im N. der Gneiss und Sdieferalpen bis gum
ſchwäbiſchen Hiigellande, der bayrijden Hochebene
und dem djterreidhifden Hiigelland. Sie zerfallen in
vier große Ubteilungen:
9) Algäuer W., vom Pratiqau und Rhein bis gum
Fernpaß, charatterifiert durd die große Entwickelung
der Liasformation, mit den Gruppen de3 Ratifon,
ciner zwiſchen Prätigau und Montavon nordwejtlid
ftreichenden Kette mit geringer Vergletſcherung sweier
Gipfel (Scejaplana 2967 m), der Yedtaler A., die
wieder Die Rotwandgruppe (Wildgrubenſpitze 2756 m),
die Barfeierfette, öſtlich von der vorigen und fiid-
lich vom Led) (Parſeierſpitze 3038 m), und die Hod)-
vogelgruppe, nördlich vom Lech (Hohes Licht 2687 m),
umfaſſen, endlid des Bregenjzer Waldes im RW.
(Dod) «Ver 2232 m).
10) Nordtiroler Ralfalpen, vom Fernpaß bis
sur Saalach, zerfallen in den fiidlichen, durch die qrof-
artigen Gebirgsformen des Wetterjteinfalts darat-
terijterten Hochgebirgszug und den nodrdliden, an
Hdhenentwidelung weit hinter dem erjtern zurückblei⸗
benden Voralpenzug, in weldem Hauptdolomit und
jiingere Glieder herriden. Der Hochgebirgszug um—
faßt die Wetteriteingruppe, zwiſchen Fernpaß und
Scarnig, mit den drei von S. nad) N. aufeinander
folgenden Siigen des Tidirgant (2372 m), der Mie-
minger Nette (Hobe Griesfpige 2759 m) und des Wet-
terjteingebirges (Zugſpitze 2964 m), welch letzteres zwei
Heine Gletſcher aufweijt; die Rarwendelqruppe,
zwiſchen Scharnits und Udenfee, mit vier wilden und
ſchroffen Barallelfetter, der Soljteintette (Kleiner
Soljtein 2641 m), der Bettelwurftette (Bettelwurfſpitze
2725 m), der Virftartette (Birffarjpige 2756 m) und
der Rarwendelfette (djtlide Rarwendelfpite 2539 m);
die Brandenberger A., zwiſchen Udenfee u. Inn,
Die nidjt mehr cine fo regelmäßige Barallelfettenbil-
bung und eine bedeutende Höhenabnahme zeigen
— 2299 m); dad Kaiſergebirge, zwiſchen
Inn und Grokache, mit der ſchroffen ſüdlichen Kette
des Wilden Kaiſer (Elmauer Haltfpige 2344 m) und
365
dem niedrigern, plateauartigen Hintern Kaiſer (Py-
ramidenjpige 1999 m). Der Voralpenzug wird durch
die Einſchnitte des Lech und der Loiſach in drei Grup:
pen geteilt: Dad Vilſer Gebirge (Kölleſpitze 2240 m),
die Ammergauer A. (Upsberg 2328 m) und die Alt—
bayrijden A., die wieder in mehrere Abſchniltte zer-
fallen, wie das Wallgauer Gebirge, zwiſchen Loiad)
und Sjar (Rrottenfopf 2086 m), das Riſſer Gebirge,
zwiſchen Mar u. Achental (Mondſcheinſpitze 2105 m),
das Kreuther Gebirge, nördlich von den Branden-
rs a A. (Hinteres Sonnwendjod 1988 m), das
Yeller Gebirge, djtlich des vorigen bis zum Inn (Trai:
then 1853 m, Wendeljtein 1838 m), und das Chiem-
feegebirge, nordlid) vom Kaiſergebirge zwiſchen Jun
und Saalach (Sonntagshorn 1962 m).
11) Die Saljburger Raltalpen, von den Tä—
fern der Großache und Saalad im W. bis gum Pah
Pyhrn im O., durd ee Yuftreten von Dad)-
jteinfalf, Hopige Gebirgsitide und ausgedehnte Hod)-
ebenen daratterifiert, lajjen gleidfalls einen Hoch—
gebirgs- und einen nördlich davon gelegenen Bor-
alpenjug unterjdeiden. Der Hochgebirgszug umfajst
die Wardringer A, zwiſchen Großache und Saalad,
mit Den Leoganger Steinbergen (Virnhorn 2634 m),
den Loferer Steinbergen (Ochſenhorn 2513 m), dem
wejtlid) gelegenen Rirdbergitod (Hochſcharte 1679 m)
und Dem ndrdlid) vorgelagerten KRammertargebirge
(Rammertar 1869 m); die djtlid) von der Saaladh,
ndrdlid) von den vorigen gelegenen Berdtesqade-
ner YL, die wieder Durd) die Talungen von Ramsau
und Verdtesqaden in die Reidhenhaller Gruppe mit der
Reiteralpe (Stadelhorn 2288 m), dem Lattengebirge
(Karkopf 1737 m) und dem Untersberg (Berdtesqade-
ner Hodthron 1975 m), dann in die Königsſeegrüppe,
eine mächtige, im allgemeinen flac gegen N. abjal-
lende, entlang dem Berdtesgadener Haupttal durd
cine gewaltige Störungslinie abgejdnittene Kallplatte
mit den Gebirgsjtiden des Steinernen Meeres (Selb-
born 2655 m), der Wimbadgruppe (Wabmann 2714
m), der Libergojjenen Alm (Hochfinig 2938 m), des
| Hagengebirges (Nauced 2391 m) und der Gdllfette
(Hoher Goll 2519 m), geteilt find; deren öſtliche, Durch
den Saljaddurdbrud losgerijjene Fortiesung bildet
das Tennengebirge (Raucheck 2428 m); die Auſſeer
A., durch cine wejtdjtliche Tiefenlinic in die der Haupt-
maſſe nad aus einem Hodplateau bejtehende Dach—
| fteingruppe (Hoher Dadjftein 2996 m) mit den Wus-
läufern des Goſauer Steins (Biſchofsmütze 2454 m)
nad) W. und der Grinuningfette (Grimming 2351 m)
nad ©., dann in die Prielgruppe geteilt, weld lestere
aus den drei ſcharf geidiedenen Komplexen des Sand-
lingſtods (Sandling 1716 m), des Toten Gebirges
(Grofer Briel 2514 m) und des Warſcheneckſtocks
(Warjdened 2386 m) bejteht. Der Voralpenzug der
Saljburger Kalkalpen umfaßt die drei Abſchnitte der
BWolfganger A. mit den Gruppen des Ojterhorns
Gochzinken 1762 m) im SW., des Gamsfeld (2024 m)
int SO., des Schafberg3 (1780 m) im RW. und des
Hillengebirges (Hillenfogel 1862 m) im NO.; der
Griinauer A—., djtlid von der Traum bis zur Steyr
und Krems, nit den Gruppen des Traunjtein (1691
m) im W. und de3 Kaßbergs (1743 m) im O.; endlich
der Oberöſterreichiſchen Seehügel, nördlich
von den Wolfganger A. zwiſchen Salzach und Traun;
dies ſind aus Wiener Sandſtein gebildete, weſtöſtlich
ſtreichende Hügelreihen (Hollerberg 1134 m).
12) Die Oſterreichiſchen A. nehmen den übri—
en Raum des nördlichen Kallalpengebiets öſtlich vom
daß Pyhrn ein und zerfallen gleichfalls in einen Hoch⸗
366
gebirgs- und einen ndrdlid) vorgelagerten Voralpen-
jug. Die nördliche Bone de3 Hodgebirgsjugs, der
ſteil gegen Das vorliegende Mittelgebirge abfallt, ijt
aus Dachjteinfalf, die ſüdliche Bone aus Rijffalfen
gebildet. Die Plateaus des Hodgebirges beſitzen nidt
mehr jenen wilden, ſteinigen Charalter wie die Hoch—
flichen der —— Kallalpen; in bedeutend tie-
ferm Niveau ge agen find fie häufig noc) mit Bege-
tation bededt und geben einer ſpärlichen Alpenwirt⸗
ſchaft Raum. Yin Voralpenzug herrſcht Dolomit und
am Nordjaum Wiener Sandjtein. Der Hodalpengu
umfaßt vier Gruppen: EnnStaler A., vom a
Pyhrn bis zur Enns, mit den Bergftiden der Haller
Mauern (Hoher Pyrqas 2244 m), des Buchſtein
(2224 m), ded Reidenjtein (2247 m) und de3 Hodtor
(2372 m), die beiden lestern fiidlid) Der Enns; Hoch⸗
ſchwabgruppe, djtlid von der Enns bis jum See-
bergpaß (Dodidwab 2278 m); Sdneeberg-
gruppe, öſtlich vom Seebergpaß bis gum Cierning-
tal, mit einer Folge von hohen Plateaujtiden, wie
Veitſchalpe (Hochveitſch 1982 m), Sdneealpe (Wind-
berg 1904 m), Raralpe (Heufuppe 2009 m), Sdynee-
berg (Kloſterwappen 2075 m), Tonion (1700 m) und
Göller (1761 m); Laſſing-Alpen, ndrdlid von
der Hochidhwabgruppe vor der Enns bis zur Erlauf
(Hodjtadel 1920 m, Otſcher 1892 m). Der Voralpen-
wus fest fid) aus folgenden Gruppen jujammen:
oltner A., von der Krems und Steyr bis ur
Enns, mit mehreren meijt weſtöſtlich ſtreichen
Siigen, darunter dem eg = (Moher Nod
1961 m); die Hollenjteiner A., ditlid der Enns
und nördlich von den Laffing-WAlpen, mit mehreren pa-
rallelen Hdhengziigen (Voralpe 1762 m); die Hohen-
berger A. cin einformiges Dolomitgebiet, öſtlich der
vorigen (Suljberg 1399 m); die Thermengruppe,
ditlid) Von einer Durd dads Uuftreten petri bh Ther⸗
men gelennzeichneten Bruchlinie begrenzt, im S. bis
1200 m bod) (Dürre Wand 1222 m); endlich der
Alpen (geographiſche Einteitung),
am Kreuzberg endigend, woſelbſt ſich der paläozoiſche
Keil der Karniſchen A. zwiſchen das meſozoiſche und
das Urgebirge einzwängt, zerfällt in vier Teile: die
Cima d'Aſtagruppe, zwiſchen Val Sugana und
Aviſio mit der Granitinfel der Cima d'Aſta (2848 m),
dex Porphyriette der Lagorei (Cima di Laſte 2711 m)
und dem nordöſtlichen Gewölbe der Borde (2748 m);
das Porphyrplateau von Bozen, zwiſchen Etſch.
Aviſio und dftlic bis gum Reiterjod), mit den dazu
gehirigen Sarntaler Bergen, erhebt fid nur in den
Höhenpunlten des ndrdliden und fiidliden Randes
bis 2500 m (Billandersberg 2511 m, Zan Q
2493 m); Die nördlich gum Puſtertal abfsallende
Blofe (Gabler 2561 m); endlich die ausgedehnte Ge-
Dirpéaruppe der Siidtiroler Dolomiten, wmfai-
fend die Drei Ubfdnitte der Faffaner Dolomiten
im SW. mit den Bergqruppen des Latemar (2846 m),
der Marmolata (3360 m) und der Bala (Cima di
Vezzana 3191 m), des Badiotenhodlandes oder
der Grödener Dolomiten, die fic) in flachem
Bogen um die vorige Ubteilung herumlegen, mit dex
Stöcken des Rofengarten (3002 m), Sdlern (2565 m),
Langtofel (3178 m), der Sellagruppe (8152 m), der
Geißlerſpitzen (8027 m), des Peitlerkofels (2877 m),
des Nuvolau (2578 m), des Pelmo (3169 m) und
der Civetta (3220 m); endlid) Der Ampezzaner
Dolomiten, weld den itbrigen Raum im RD. ein⸗
nehmen und aus einer dichtgedrängten Schar iſolierter
Stide aus Dachſteinkalk bejtehen (Yntelao 3264 m).
16) Venezianer A., von der Bal Sugana öſtlich
bis sum Quertal des Tagliamento, tm nördlichen
Teil als Fortfesung der Siidtiroler Dolomiten zu
betradten, im ſüdlichen Teil ein regelmagiger, von
engen, tief eingeriſſenen Talern durdbrodener
birgswall, serfallen in folgende Abſchnitte: Bellune-
jer Dodalpen zwiſchen Brenta und Piave (Monte
Sdiara 2566 m), die Bellunefer Hügel, em nie—
Derer Kreideriiden (Col Bicentin 1764 m), welder das
*
Wiener Wald, von der Traiſen und Triejting bis Beden von VBelluno von der oberitalienijden Chene
jur Donan, aus den fladen, nordöſtlich ſtreichen- trennt; die Bramaggioregruppe, zwiſchen Piave
den Wellenzügen des Wiener Sandjteins bejtehend | und Tagliamento, im nördlichen Teil aus Dachſtein⸗
(Schdpfel 893 m).
falf, im fiidliden aus Sura und Rreide bejtehend
Die fidliden Kalkalpen umfaſſen feds grofe | (Cima dei Preti 2703 m); die Sappadagruppe,
Abſchnitte und gwar:
13) Lombardifde A., vom Ojtufer des Lago
Maggiore bis zum Iſeoſee und der Val Camonica, mit
denLuganer Vt. im BW. (Monte Generofo 1695m)und
}
|
|
nbdrdlich von der vorigen (Terza grande 2591 m).
17) Karniſche A. zerfallend in drei langgezogene
Ketten, die fid) in der Ridtung nad OSO. von
Hauptitamm der YW. entfernen, und zwar: Gail-
den Vergamaster A. im O. (Pizzo diCoca 3052 m). | taler A., zwiſchen Drau und Gail, mit den Grup⸗
14) Ctidbudtgebirge oder Trienter A., von
der Val Camonica öſtlich bis gum Beden von Bel-
luno, ndrdlid) lings der merfwiirdigen Durdbrid-
linie von Judicarien weit in das Innere der Gueis-
alpen bis Meran eindringend, jerfallt in folgende
Gruppen: Brescianer A. im SW. (Monte Cadria
2234 m); Brentagruppe, ein großes, vom Ren-
denatal und Dudicarien nordnorddjtlid bis gum
Nocetal ftreidendes Gewölbe mit hodaufragender
Mette wilder Gipfeljaden (Cima Toſa 3176 m);
Monte Baldo (2218 m) öſtlich vom Gardaſee;
Sarcagruppe, nördlich der vorigen, mit den Pa—
ralleljiigen des Orto Ubramo (Bondone Cornicello
2180 m) und des Monte Gazza (Paganella 2124 m);
Nonsberger WB, zwiſchen Etfd-, Noce- und Ulten-
tal (Groje Saugentpine 2438 m); Bicentinifde
A., öſtlich von der Etſch und fiidlid) von der Bal
Sugana (Cima Dodici 2338 m).
15) Sidtirolifdhes Hodland, im RN. an die
Gneisalpen jtofend, im W., S. und SO. von aus
gezeichneten Senkungsgebieten begrengt und im ©.
pen des Kreuzkofel, aud) Lienger Dolomiten genannt
(Sandipipe 2863 m), des Reiffofel (2369 m), des
Latſchur (2238 m) und des Dobratfd) (2167 m); die
tarnifde Hauptlette, in gerader Ridtung vom
Sertental iiber 100 km bis zur Gailitz ftreichend, ge-
en S. ungemein jfteil abjallend (Monte Coglians
2782 m); te Rarawanten, die öſtliche Fortiegung
der vorigen, im djtliden Teil in einzelne Stöcke auf⸗
gelöſt, von mehreren tiefen Päſſen überſchritten (Hoch⸗
ſtuhi 2239 m).
18) Julifde A., den Winkel zwiſchen den Bene:
zianer und den Rarnifden A. erfiillend, zerfallen in
drei Ubidnitte: Raibler A., vom Tagliamento bis
zur Save, fiidlid) bis zum Iſonzo und der Adria, mit
der Moggiogruppe im YW. (Ciuco del Boor 2197 m),
der Raccolanagruppe, swijden Fella und Bredilpal
(Bramtofel 2762 m) und der es im ©.
(Triglav 2864 m); Steiner A., Durd das Feiftrip-
und Sanntal von den Karawanlen gefdjieden (Grime
touc 2569 m); endlich dic Heine Magqgioregruppe,
ſüdlich von den Raibler A. (Monte Lavora 1997 m).
(Bei Artikel Aipen.|
Zur ,Geologischen
Die Alpen sind ein Ketten- oder Faltengebirge, das
nicht, wie man frither annahm, durch den Aufbruch
der in den zentralen Teilen des Gebirges herrschen-
den massigen Gesteine, die zwischen die Sedimen-
larformationen eindrangen und diese auseinander-
trieben, gebildet wurde, sondern unter dem Einflui
einer nach der herrschenden Ansicht durch die Kon-
traktion der Erde entstandenen, horizontal wirken-
den Kraft, welche die Sedimentirschichten zugleich
mit den unter und in ihnen gelegenen kristallinischen
Gesteinen in Falten legte. Das Streichen der gefal-
teten und anfgerichteten Schichtenkomplexe geht im
allgemeinen der Langsausdehnung der Alpen paral-
lel.
auf der Innenseite des Gebirgsbogens, also auf seiner
Sidseite, xu suchen; denn die Falten sind vielfach |
nach auben tiberschoben und tiberkippt, so daß fltere
(iesteine ũber jiingern lagern (vgl. Tafel Geologische |
Formationen I, Fig. 1; 17, Fig. 3). Dies ist zumal
am Nordrande der Fall, wo der von Siiden her
wirkenden Kraft alte Gebirgsmassen in Béhmen, im
Schwarzwald, in den Vogesen entgegenstanden. Im-
merhin zeigt der Aufcnrand der Alpen durchweg einen
einheitlichen Ban; hier lagert ein breiter Girtel miich-
tig entwickelter Sedimente, am weitesten nach auben
die tertidren Molasse- und Sandstcinbildungen, etwas
mehr nach innen, in den sogen, Kalkalpen, die kalk-
reichen Ablagerangen der mesozoischen Formationen.
Anders die Jnnenseite der Alpen. Hier fehlt zuniichst
im ganzen Westen, zwischen dem Golf von Genua |
und dem Lago Maggiore, das Gegenstiick der breiten
nérdlichen Kalkgone ganz, und das kristallinische
Kerngebirge stéGt unmittelbar an das Senkungsfeld |
der piemontesisch -lombardischen Ebene, durch ge-
waltige Bruchlinien yon diesem getrennt. Erst dst-
lich vom Lago Maggiore erscheinen die Sedimente, |
ip einer nach Osten hin zunehmenden Verbreitung;
aber sie bilden nicht, wie auf der Aubenseite, eine
Reihe parallel verlaufender Falten, sondern zerfallen
in einzelne Sticke, die in der mannigfachsten Weise
gegeneinander verschoben sind. Gerade in diesem so
«tark dislocierten Teil der Alpen sind massige Ge-
xteine, Granite und Porphyre sowie jiingere vulkani-
sche Gesteine, in der Zeit der Trias oder des Tertidrs
entatanden, ein Hauptbestandteil des Gebirges.
Von den Gesteinen der Alpen bilden die dltesten, |
meist deutlich geschieferte oder gebankte kristallini-
sche Gesteine, in den Ostalpen, sattel- oder kuppelfér-
mig aufgerichtet, den mittlern Teil des Gebirges, die
Zentralzone ; in den Westalpen, wo die Zentralzone
darch grofartige Verschiebungen und Faltungen in
eine Reihe von Massiven zerlegt ist, setzen sie, oft
iberkippt und fiicherférmig nach oben divergierend,
diese Zentralmassive rusammen (vgl. Taf. Geologische
Pormationen J, Fig. 1; IT, Fig.3). Die kristallinischen |
(iesteine sind teils echte archidiische Gneise und Glim-
merschiefer, Amphibolite und Serpentin, wie im Mas-
siv der Tessiner Alpen, teils darch Gebirgsdruck
hankig und schieferig struierte Granite, wie der Pro-
togin der Westalpen and der Zentralgneis der Oxt- |
alpen, und umgewandelte, kristallinisch gewordene
paliozcische Schiefer (so im Innern des Finsteraar- |
massivs), Nur in den am wenigsten emporgestauten
Teilen der Zentralmassive (wie im Oberengadin, Velt-
lin, Tessin) findet sich noch normaler Granit, Giabbro
und Peridotit. Die dubere Halle der Zentralmassive
Meyers Kone, Lesilon, €, Auf, Retlage.
Der Ursprung der gebirgsbildenden Kraft ist |
Karte der Alpen‘.
setzt sich meist aus feldspatarmen kristallinischen
Schiefern (Glimmerschiefer, Hornblendeschicfer,
Kalkglimmerschiefer, Phyllit, Chlorit- und Talk-
schiefer) zusammen, also aus Gesteinen, die zum grob-
ten Teil aus Sedimentgesteinen paliozoischen und
mesozoischen Alters durch Metamorphose hervor-
gegangen sein diirften. Puliozoische Sedimente sind
mit Sicherheit nur in den Ostalpen nachgewiesen.
| Hier wird die zentrale Zone der kristallinischen Schie-
| fer von einer nérdlichen und siidlichen Grauwacken-
zone begleitet, die sich wesentlich aus Phylliten
(sogen. Glanzschiefer), Tonschiefern, Grauwacken,
Quarziten zusammensetzt und technisch wichtige Kin-
lagerungen von Spatcisenstein enthalt. Hier und da
begegnet man massig entwickelten Riffkatken und in
Regionen starker Faltung auch woh! kristallinischen
Schiefern, aus den gewdhnlichen Grauwacken und
Schiefern entstanden. Auf Grund von Versteinerun-
gen werden die Bainderkalke und die sie einschliehen-
den Phyllite, denen die grauen sowie die bunten oder
griinen Schiefer und die Casannaschtefer der West-
| alpen entsprechen, zum Silur, andre Phyllite mit Kin-
lagerungen von Krinoidenkalk und Dolomit, aber
auch Eruptivgesteinen, wie Diabas und Melaphyr, zum
Devon gerechnet. Viel besser gekennzeichnet ist das
Karbon. Ein hierzu gehériger gréherer Komplex (quar-
zitische Sandsteine und chloritische Tonschiefer mit
Anthracit) liegt eingefaltet zwischen den Massiven des
' Montblanc und des Monte Rosa; weiter ndrdlich kennt
man Karbon vom Titlis, Bristenstock, vom Tédi (hier
‘ eingefaltet im Gneis); im Osten bildet es zusammen-
| hiingende Zonen an den Stangalpen und von da bis
zum Semmering. Petrographisch von jenen verschie-
den, indem marine Bildungen (dunkele Schiefer und
Kalke, sogen. Gatltaler Schichten) mit terrestrischen
(Sandsteinen und Konglomeraten) wechseln, sind die
karbonischen Ablagerungen am Siidrande der Ost-
alpen, wo sie sich an die Grauwackenzone anlehnen,
aber auch noch in den Bergamasker Alpen (Val Trom-
pia) und bei Lugano vorfinden, Zur Dyas gehért der
Verrucano der Westalpen, ein rot oder griin gefiirbtes
sandsteinartiges Triimmergestein, oft den kristallinen
Schiefern cingefaltet oder diskordant aufgelagert (in
den Glarner Alpen, an der Windgalle, hier zusammen
mit Quarzporphyr [s. Tafel Geologische Formatio-
nen J, Fig.4; 77, Fig.3}, in der der Grenze zwischen
! West- und Ostalpen entsprechenden Einsenkung, die
sich yon Feldkirch aus durch das Pritigau bis sum
Lago Maggiore und Ivreaerstreckt), Verrucanoin Ver-
bindung mit Kalken findet sich auch in den Ostalpen
éstlich von Schwaz; in den Siidalpen entsprechen
ihin die marinen Fusulinenkalke, der Gridner Sand-
stein, der Bellerophonkalk, Vulkanische Gesteine yon
permischem Alter sind die Quarzporphyre von Bozen
und Lugano, Die Trias in der sogen. alpinen Ent-
wickelung (8. Triasformation) nimmt einen hervor-
ragenden Anteil ander Zusammensetzung der Ostalpen
und besonders der nérdlichen und siidlichen Kalk-
alpen. Besonders auffallend durch ihre bizarren For-
men sind die michtiven triadischen Korallenriffe,
zumal in den sogen, Jolomiten in Siidtirol und Ve-
netien (s, Tafel Gebirgsbildungen, Fig. 5). Auch Erup-
ltivgesteine fehlen der alpinen Trias nicht; Anugit-
porphyre und deren Tuffe finden sich an der Seiser
Alp und im Fassatal, Quarzporphur bei Raibl ete.,
_ Syenit am Monzoni und bei Predaxzo, Diorit (Tonalit)
Zur Geologischen Karte der Alpen’.
am Adamello, In den Westalpen kennt man die Trias |
als Kalk, Dolomit, Gips und Merge) entwickelt, nur
in geringer Ausdehnung; doch diirften manche kristal-
linischen Schiefer, cingefaltet zwischen den Zentral-
massiven, metamorphosierte triadische Sedimente sein.
Eine grofe Verbreitung und Michtizkeit besitzen da- ;
fir die Juraschichten, Sie umfassen in einem breiten ;
Giirtel die Aubenscite der Westalpen, auch zwischen
den Massiven des Montblane und Monte Rosa dringen
sie ein, sind weiter im Osten als Hochgebirgskalk (Malm)
und Biindner Schiefer (Lias} entwickelt, und, in gra-
natfihrende Glimmerschiefer umgewandelt, begren- |
| gleichmiibige Senkung des Festlandes hielt wahrend
zen sie das Gotthard-Massiv im Norden (zwischen An-
dermatt und Oberalp) gegen das Finsteraarmassiv, im
Siiden (Nufenenpab-Airolo) gegen das Tessiner Massiv
{s, anch Tafel Geologische Formationen IT, Fig. 3).
In den Ostalpen sehliefen sich die Jura-Ablagerungen
aufs engste der Trias an; sie bedecken am Siidrande
westlich vom Gardasee grofe Flichen. Die Kreide
zeigt sich in den Westalpen ziemlich vollstindig ent-
wickelt; als breites Band umsiumt sie die Jurasedi-
mente; ihr gehéren der Caprotinen- oder Schratten-
halk, Orbitulinenkalk und Griinsandstein als untere,
der Hippuritenkalk und die Seewenschichten als obere
Abteilung zu. In den Ostalpen reduziert sich die Mach-
tigkeit und die Verbreitung der Kreide sehr; als obere
Kreide erscheinen hier im Norden die Gosauschichten,
ein Wechsel von Sandstein, Kohlenschiefer, Mergel und
Hippuritenkalk, im Süden die Scaglia, rote und weibe
Mergel, und massig ausgebildete Rudistenkalke, die
dem Karst sein eignes landschaftliches Gepriige ver-
leihen (s. Tafel Gebirgsbildungen, Fig. 6). Von we-
sentlich frithfertidrem Alter ist der dem Nordrande
der Alpen eigentiimliche Flysch, ein Komplex von
Sandsteinen (Wiener Sandstein) und Konglomeraten
mit untergeordnetem Kalk und Mergel, Wahrend der
Flysch in den Ostalpen nicht konkordant auf den
mesozoischen Bildungen ruht, lagert er in den West-
alpen direkt der obersten Kreide auf und ist zugleich
mit dieser und dem Jura in Falten zusammengescho-
ben; auch Nummulitenkalke sind ihm hier vielfach
eingeschaltet. Letztere werden nach Siiden miichtiger
und erscheinen gut entwickelt zwischen Briancop und
Nizza. In dem Vicentinischen entsprechen dem Alt-
tertiir fossilreiche Grobkalke und Kalkschiefer mit
Finlagerungen von basaltischen Lruptivgesteinen und
‘Tuffen, in Friaul und in Istrien Numunoulitenkalk und
der tlyschihnliche Macigno, Das jiingere Tertidr(Sand-
steine, Mergel, Schiefertone und Konglomerate, mit den
Namen Molasse und Nagelfluh bezeichnet) nimmt nicht
mehr an dem Aufbau der eigentlichen Alpen teil; es
ist ganx auf das Vorland der Alpen beschriinkt. Eine
wichtige Rolle spiclen noch die diluvialen Ablagerun-
gen, besonders in den Tilern und den Ebenen am Fufé
des Gebirges, sowie die von einer frihern ausgedehnten
Vergletscherung herrihrenden groben Massen yon er-
ratischen Biiicken am Siid- und Nordrande der Alpen.
Aus der Ausbildungsweise, Verteilung und An-
ordnung der verschiedenalterigen Gesteine läbt sich
ein Schlub auf die Entstehung der Alpen zichen.
Wahrend in der Silurzeit vielleicht das ganze Gebiet
der heutigen Alpen vom Meer bedeckt war, bildete
sich im Lauf der Devon- und Karbonzeit alimahlich
ein Festland heraus, in dessen Niederungen eine ippige
Flora gedieh, deren Reste in den karbonischen Ab-
lacernngen sich erhalten haben, Da begann am Ende
der Karbongzert die Wirkung der gebiresbildenden
Krnifte, Das kristallisische Grundgebirge nebst den
— — — — Sedi-
menten wurde gefaltet und lings einzelner ent-tehen-
_ den Spalten zerrissen, so liings der die Ost- und West-
alpen trennenden Linie; hier und da, wie bei Bozen
‘und Lugano, drangen aus den Spalten Eraptiymassen
hervor. Die Kiimme und Gipfel der entstandenen
Ketten fielen dann der Erosion anheim, und bei lang-
samer Senkung des Landes begann ein neues System
von Sedimenten (der Verrucano und der Grédner
Sandstein) allmiihlich auf den denudierten Falten,
diskordant auf den dltern Bildungen, sich abzulagern
(vgl. Tafel Geologische Formationen J, Fig. 3). Die
der Triaszeit an, wenigstens in den Ostaipen, wo
die Gesamtmiichtigkeit der triadischen (marinen) Se-
dimente mehrere tausend Meter betriigt. Die West-
alpen, in denen die Triasformation keine grobe Ent-
wickelung besitzt, waren zu dieser Zeit wohl gréBten-
teils Festland, so dieGebirgsgruppe des Monte Rosa und
die Mont Blanc-Kette etwa bis zum Gotthard-Massiv,
tauchten dann aber in der Jurazeit bis auf einige Ge-
birgsmassen mit tiefeingeschnittenen Buchten all mah-
lich wieder unter den Meeresspiegel hinab, unter dem
die Ostalpen sich schon seit Beginn der Triasperiode
befanden. In den letztern vollzog sich dann zu Ende
der Neokomzeit eine zweite grobe Faltung. Der
grifte Teil des jetzt gehobenen Landes wurde spiiter
nicht mehr vom Meere bedeckt; die jiingern Gosan-
schichten und Flyschgesteine lagerten sich nur in
den Buchten und an der Aubenseite des neugebilde-
ten, vielfach von Meeresarmen durchschnittenen Fest-
landes ab. Auch in den Westalpen erfolgte um dieselbe
. Zeit wohl hier und da eine Hebung des Meeresbodens
und Bildung von Festland; doch in der Eociinperiode
drang das Meer wieder vor und setzte den Flyseh
und Nummulitenkalk auf den erodierten Schichten
der untern Kreide ab, Erst am Ende der Eociazeit
begann die Haupterhebung und -Faltung des ganzen
Gebirges. Die in der Karbonzeit schon einmal gefal-
teten Bildungen wurden mitsamt den miichtigen, auf
ihnen diskordant zur Ablagerung gelangten Sedimen-
ten zusammengeschoben, Flysch und Nummuliten-
_ kalk in triacdische Sedimente und kristailinische Ge-
steine cingefaltet, und Stérungen der mannigfachsten
Art, Uberkippungen, Zerreibungen und Verschiebun-
gen, erzeugten die verwickelten Lagerungsverhalt-
| nisse, wie aie heute die Alpen darbiecten (s. Tafel
Greologische Formationen I, Fig. 1, 3 a. 4, und JJ,
Fig. 3). Der Faltungsprozei dauerte jedenfalls sehr
lange, in den Westalpen sicherlich bis zur Miocin-
zeit, wie die Aufrichtungen and Uberschiebungen
in miociinem Molassegebirge am: Nordrande der Alpen
_bekunden. Auch das Juragebirge hat bei dieser lets-
ten Hauptfaltung von den Alpen sich abgetrennt. An
den aufgerichteten Gebirgskiimmen arbeitet seither
unaufhaltsam die Erosion. Tiefe Tiler sind entstan-
den, hdufig da, wo vielleicht früher die héchsten Er-
hebungen lagen, und hohe Bergricken verlaufen
nicht selten quer tber frihere Faltentaler. Fast dic
Haltie der urapriinglichen Massen ist abgetragen und
erodiert, Der abveschwemmie Schutt hat die Molasse
und spiiter die Diluvial- und Alluvialablagerangen
am Rande und in den Talern der Alpen gebildet.
Vel. auber den bereits erwahnten Profilen auch die
Tafeln Gehirgsbildungen, Fig. 2, Ansicht des Kar-
wendel- und Wettersteingebirges, und Bergformen ITI,
Fig. 8, Ansicht der Churfirsten, sowie Artikel re
birge’, Textiigar 3, der Hauptstanm der Alpen.
6
F
9J
2
PS,
P —X the
J ‘os — —
6050.1. .. Greenwich
Meyers Kons Lexikon 6 Aufl
¥ bal
—
“SS
.*
SS
it 4
waged
“ —
Ancota:
. Peeen und Carte
N.
nach Melchior Neumayr
4 Maistab |) GOOD OOO
*
4 _ — ——— .
Allurnan wu
diingeren Tortids
Alteres Terticns
Areialelionntamn
Vitlirviuem
a ers tT
F ucese tereel Sideur
> I x Nehie ter tentwatisman ten
Miter
Arystatiiniache Schietir
(iein Ole
fervested. NSyonil Devret
M Melaphyr ete
fhubas. babbeon, freidotu
tuphtidbedd Serpentin ote
Zum Arta . dlp
zedaby (Google
4
Alpen (geologifder Bau; Lima, Tierwelt).
Zwiſchen den Norifden und Karniſchen AU. befindet
fich im Innern der A. das weite Beden von Kla—
qenfurt, das von tertidren, diluvialen und alluvia-
fen Ublagerungen erfiillt ift und von Hiigelgruppen
durdjogen wird, die fic) durchſchnittlich gu 800—
1050 m Höhe erheben. Es wird von der Drau durd-
floifen und enthalt im wejtliden Teil mehrere Seen.
liber ben geologifden Bau der U. val. die Tert-
betlage zur beifolgenden »Geologifden Karte der Ue.
lima, Pflangen> und Tierwelt.
Durch die Kette der A. wird das mitteleuropaijde
Klimagebiet gegen das Mittelmeergebiet ſcharf abge-
rengt. Die hohen Alpenlämme beſchränlen den Cine
—* des Atlantiſchen Ozeans nad S. und O. hin.
Der Ubergang zum Mittelmeerklima erfolgt im W.
der A. raſch und ſprungweiſe, langſamer dagegen im
D., wo die Alpenlämme niedriger werden und nad
NO. ftreiden, fo dah die Siidfeiten gegen bie falten
Ojt- und Nordojtwinde ungefdiigt find. Die Warme-
verbaltnifje bieten drtlid) große Verſchiedenheiten, und
zwar fowobl in borijontaler als vertifaler Ridtung.
Unter den bewobhnten Alpentälern hat die größle
Winterfiilte der Salzburgiſche Lungau (»djterreidi-
ſches Sibirien<), wo Riltegrade von —30° gerade
nicht felten find und das Wintermittel —7° betragt,
ferner der Engadin und das Kärtneriſche Beden, warm
dagegen find das obere Ill- und Rheintal fowie das
untere Reuftal, wo der warme, trodne Föhn von
den Gebirgslämmen im die Tiler herabſtürzt, im
Frühjahr die Schneeſchmelze fordert und den Unbau
des
begiinjtigt. Mittlere Jabresertreme find: Rilricd 30°,
—14°,
31°, —14°, Lugano 32°, —7°, Cajtafeqna 28°, —8°,
St. Bernhard 17°, —22°, Wien 34°, —15%, Kla—
enfurt 82°, -
Babe nimmt die Tentperatur fiir j¢ 100 m Erhebung
um Ddurdidnittlicd 058° ab (Winter 0,45°, Sommer
0,75°), Dod) herrſcht im Winter, befonders bei fla-
rem, windftillem Wetter, häufig Temperaturumkehr.
Yn beiden Seiten find die A. regenreich. Qn den
Diterreidhijden UW. herriden Sonnnerregen, mur in.
odens in den höhern Lagen der Gebirgstiiler |
ern 29°, —15°, Genf 82°, —11°%, Basel
22°, Bozen 83°, —8°. Wit der Sees
367
Yon den Siugetieren find fpesiell alpine Tiere:
Wemfe, Steinbod, Murmeltier, Alpenhaſe, Schnee—
maus; die erſtern beiden gehen bis zur Schneeregion;
während die Gemſe (beſonders in den Bayriſchen
und Steiriſchen A.) noch häufig iſt, findet ſich der
Steinbock jetzt nur noch in den Gebirgszügen zwi—
ſchen Piemont und Savoyen, namentlich im Cogne—
tal; das Murmeltier lebt ſtets dicht an der Schnee—
grenze und zieht mit dieſer aufwärts; der Alpenhaſe,
cine nördliche, Dis ins arktiſche Gebiet gehende Form,
findet fic) in den UW. von 2600—3700 m, die Schnee—
ntaus swifden 1000 und 3000, aber bis 4000 m ge-
hend. In der Berge und Waldregion finden fic) von
alpiphilen Tieren Maulwurf, Spipmaus, Dads, Gar-
tenſchläfer, Bild), Fuchs und in vereinjzelten Indi—
viduen nod) Bar, Wolf und Luchs, ferner Stein⸗ und
Schneehuhn. Schneeſink, Ulpendohle, Fliievogel, Läm⸗
mergeier. Das Schneehuhn (Lagopus albus) lebt
außer in den A. nod) im hohen Norden der Alten
und Neuen Welt; das Steinhuhn, der Schneefink und
der Flüevogel oder die Alpenbraunelle gehen bis ju
2500 m, die Ulpendohle, ein allgemein verbreiteter
und charalteriſtiſcher Hochgebirgsvogel, bis zu 3600 m.
Der Lammere oder Bartgeier (Gypaétos barbatus),
frither ſehr verbreitet, wurde allmählich aus den Vor—
bergen ins Hodgebirge oe aha und jdeint
jest in der Schweiz und den Bayriſchen A. ausge-
rottet 3u fein. Weiter find zu nennen: Steinadler,
Alpenſegler, Nachtſchwalbe, Wiedehopf, der bei 3500 m
vorlommende Alpenläufer, Alpenſumpfmöwe, Gold-
hähnchen, Blaufehlden, Auerwild u. a. Reptilien
lommen als genuine Alpentiere nicht vor, Dod) geht
die Bergeidechſe bis zu 3000 m, und die Kreujzotter
wird bis 2200 m gefunden. Der ſchwarze Erdſala—
mander (Salamandra atra) geht nidt unter 1000 m
herab und findet fid) bis 2300 m aufwärts. Unter
Den Inſelten der A. find von den Käfern etwa die
Hälfte alpine oder arktiſche Formen; in den höhern
Regionen fiberwiegen die — elten; die Rarni-
und Omnivoren übertreffen die Pflanzenfreſſer an
Zahl. Unter den Schmetterlingen findet ſich eine Reihe
alpiner Formen; bemerfenswert ijt eine Neigung zur
Südtirol und Krain fällt der meiſte Regen im Mai Annahme dunklerer Färbung; mehrere Arten gehen
und Oltober. Auch die Schweiz hat meiſtens Sommer⸗ | bis in die Schneeregion; die häufig durch Luftitrd-
regen, auger im W. und S., wo Herbſtregen vor: | ay, or aufivarts gefiibrten Formen ſterben hier bald
herriden. Die Siidjeite der A. vereinigt Regenreid- ‘ab. Als —— Bewohner der A. findet ſich auf
tum (Krainer Schneeberg jährlich 317 cm) mit ge- dem Schnee und Cis der Gletſcher bis 4000 m der
ringer Bewölkung, indem die Regen meiſtens als fleine, ungeflügelte Gletſcherfloh (Desoria glacialis).
Plagregen fallen. Bgl. auc) die »Klimalarte von | Unter den Mollusfen ijt als alpine Form die Schnecke
Deutidland<. | Vitrina diaphana oder glacialis bervorjubeben. In
Uber Die Vegetation der A. f. die Urtifel »Wipen- | den Alpengewäſſern leben 3. T. Tierformen, die auch
pilangen« (mit Tafel) und ⸗Schweiz⸗. in ber Ebene vorfommen und fähig find, das Leben
Die Tierwelt der untern Regionen der A. ume | in den hochgelegenen Seen an der Schneegrenze ju
fast in Der Mehrzahl mitteleuropaijde Formen, denen | frijten; fo zeigt die Wajferfauna im Gegenjage yur
fic) in den nad) S. fid) Hffnenden Tälern der A. Landfauna und -flora einen mehr fosmopolitifden
einige ſpezifiſch italienifde Tiere jugefellen. Man une | Charafter, man findet alfo Protozoen, Radertiere, Fa—
terfceidet rein alpine (genuine) Ulpentiere, dic | denwürmer, Strudelwiirmer, Waſſerflöhe, Muſchel—
dem Hodgebirge eigentünilich find, 3. T. nordiſche | frebje, Spaltfiifer, Baffermilben, Inſelten, Mollusten
Formen und als Reſt der mitteleuropaijden Tiere | und Fiſche, fpegiell Forellen. Trogdem bewohnen die
welt zur Eiszeit gu betradten; ferner alpiphile Hodalpenfeen neben den Kosmopoliten auch zahl—
Tiere, Bewohner des Tales und der Montanregion, reiche Tierformen, die den Niederungen feblen und
die in Der warmern Jahreszeit in das Hodgebirge |
hinauffteigen und beim Sinfen der Temperatur wie
der guriidfebren, und alpivage Tiere, die mur beim
Zug oder durch Berjdleppung ins Gebirge fom-
men. Rad der vertifalen Berbreitung unterſcheidet
man vier Bonen: das Fladland bis zu 790 m Hobe,
die Bergregion 790 1270 m, die Ulpenregion 1270
bié 2220 m und die Sdyneeregion 2220-4430 m.
nur in glajialen Temperaturen gedethen. Wir ba-
ben auc hier Reſte aus der Eiszeit vor uns, die fic
in den arktiſchen Gewäſſern ebenfalls vorfinden (val.
Zſchode, Die Tierwelt der Schweiz in ihren Be—
stehungen zur Eisjeit, Baj. 1901). Dies Tierleben
der Alpenſeen fet ſich auch im Winter unter der Cis-
decte fort. Llber Tiere der Alpenhöhlen ſ. Hohlen-
fauna.
368
Bevsllerung. Verkehr.
Was die Bevölkerung der A. betrifft, fo finden
wir in der älteſten hiſtoriſchen Beit die wahridemlid
mit den Etrustern verwandten Ratier fowie Völker
feltifcher Ubfunft in ihnen verbreitet. Durd) die Rö—
mer unterworfen und romanifiert, wurden dieſe ur-
ſprünglichen Bewohner der YW. fpater meijt von den
Deutichen verdriingt; doc) diirften die Raitoromanen,
Kurwelſchen und Ladiner, die im Engadin und Mün—
jtertal der Schweiz fowie im Grödener, Ubteital und
Enneberg Tirols wohnen, romanifierte Rätier fem.
Sonjt find die Bewohner der fiidliden Tiler zum
rojen Teil Italiener; die wejtlichen YW. werden von
at die librigen Teile von Deutſchen bewohnt,
nur in den ſüdöſtlichen Teilen der A. haben fic ſla⸗
wiſche Stämme niedergelajjen. Man ſchätzt die Sahl
der Deutſchen und der Romanen in den A. auf je
32, Die Der Slawen auf 1 Mill.
Unter den Erwerbsquellen der Ulpenbewohner
nimmt der Uderbau teils aus flimatifden Urfaden, |
teils infolge unjureidender Gilte des Bodens in vielen
Gegenden nur eine untergeordnete Stellung cin.
Weinbau wird namentlich in Steiermarf, Juederdjter-
reich, Siidtirol, Beltlin, Waadt, Wallis, Biemont und |
Siidfrantreich betrieben und liefert hier und da vor-
slighiche Produfte. Obſtbau wird in geſchützten Tälern
ſowie im Hügelland gepflegt, Südfrüchte findet man
aber nur an den ſüdlichen Abhängen. Hier gedeiht auch
*
der Maulbeerbaum, mit deſſen Kultur ausgebreitete
Seidenraupenzucht im Zuſammenhang ſteht. Weit
bedeutender aber als die Bodenkultur iſt die Vieh—
zucht; namentlich Die Rindviehzucht, die auf den treff-
lider Alpenweiden (Wimen) mit vielem Erfolg be-
trieben wird, bildet cine wichtige Erwerbsquelle (ſ.
Alpenwirtſchaft). Von Bedeutung iit ferner, nament-
lid) in den Ojtalpen, die Holzgewinnung, dann die
Jagd. Mit Mineralfmagen ijt gwar der ganze
Mebirgszug bedadt, die Gewinnung aber nur in den
Ojtalpen von Belang. Ramientlid in Steiermarf,
aber aud) im Rarnten und Rrain wird die Forderung
und Verarbeitung von Eiſenerzen betrieben ; dort fin-
den fich auc) ergiebige Rohlenlager, deren Fehlen in
der Schweiz die Ausbeutung sabhlreid) vorhandener
Erjadern verhindert. Während Steiermart das bejte
Eiſen liefert, fonnnt von Kärnten Blei, von strain
Sint und Duediilber. —t wird aus den Salinen
Tirols, Oberbayerns und des Saljtammerguts ge-
wonnen. Der Betrieb von Steinbritchen ijt faytitberall |
lohnend; an einzelnen Stellen wird er tm grofen |
ausgeiibt (Marmor vom Untersberg und Laas, Gra-
nit vom Lago Maggiore, Zement im Unterinntal ꝛc.).
Un Mineralquellen veridiedenjter Art find die
UW. befonders reich; am berühmteſten und beſuchteſten
ſind die Solquellen von Iſchl und Reichenball, der
Natronfaiuerling von Sduls Tarasp und der Eifen-
ſäuerling von St. Moriz, die Schiwefelthermen von
Leuferbad, Aix-les-Bains und Baden, die Urfen-
queflen von Levico und Ronceqno, die Thermen von
Wajtein, Bormiound Raga; Kfafers. Die Jndujtric
ciniger Gegenden ijt hod entwidelt, fo daß ihre Er-
zeugniſſe ſich über Die qanje Welt verbreiten. Außer
Der befonders in Stetermarf, dann in Ober- und
Niederöoſterreich entiwidelten Cifenindujtrie treten na-
mentlich leiſtungsfähig auf die Tertilindujtrie, insbef. |
die Baumwollinduſtrie nebjt der Stideret in der |
Schweiz und in Vorarlberg, die Seideninduftrie in
Frankreich, Htalien, der Schweis und Siidtirol, die
Papierinduſtrie nebſt der Holzſchleiferei und Zellulofe-
fabrifation namentlid) in den djterreidifden A., die
Alpen Gevölterung, Tourijtenvertehr ꝛc.; Literatur),
Holzſchnitzerei im Berner Oberland, im Berdtesqa-
dener Land, Ammergau und in Tirol (Grddener Tal).
In den vom Tourijtenverfehr vornehmlich berührten
Gegenden hat fich cin in feiner Weiſe einzig dajtehen-
bes Wirtshaus- und Fiihrerwefen herausgebildet. In
der Schweiz (f. d.) jteht die Wirtshausindujtrie jeder
andern an wirt/daftlider Bedeutung voran. Trop:
Dent swingt die Armut der Ulpentinder eine große
Zahl ibrer Bewohner zum Wandern. Aus dem annen
, Savoyen gehen jährlich Taujende in die Frembde, fuchen
{don als Snaben ibren Unterbalt nut Murmeltieren
oder Affen, als Stiefelpuger oder Schorniteinfeqer;
| mit Teppiden, Handiduben und Lederwaren ziehen
| haujierende Tiroler umiber, aber die Liebe zur alten,
an Glücksgütern armen, dod) an Naturſchönheiten fo
| reichen Heimat führt die meijten wieder zurüchk.
Durch ihre Schinbeiten find die A. aud) dad Reife-
| giel aller jivilifierten Nationen geworden und werden
es durch die Verbefferung und Vermehrung der Ver-
lehrsmittel immer mehr. Die Cifenbahnen, die jest
an Stelle mühſamer Gauntpfade bis gum Fuß der
höchſten Berge, ja, wie beim Semmering, Brenner,
Mont Cenis, Gotthard und Arlberg, durch oder fiber
die Berge felbjt hinweagfiibren (f. Alpenſtraßen x), dre
| Dampjer, weldje die Seen befahren, pradtige Land-
ſtraßen maden das Reiſen ebenjo bequem wie an:
ziehend. Der Tourijtenverfebr ricdtet fid) na-
mentlich nad dem Chamonirtal, dem Berner Ober-
fand mit Interlalen, den yy des Bierwaldjtatter:
ſees mit Lujern und dem Rigi, dem RNifolaital mit
Sermatt, dent Engadin, den italieniſchen Seen, dem
Siller-, Bujter- und Ampezzotal, den oberbayrifden
Seen, dem Verdtesqadener Lande, dem Salzfanuner-
gu und den Kärntner Seen. Cine grofe Zahl der
Touriſten verweilt alljabrlic in den zahlreichen Som⸗
merfrijdhen oder in den klimatiſchen Luftfurorten,
wie Wontreur, Davos und Meran. Wber cine von
Jahr zu Jahr wadfende Zahl unternehmungsluſtiger
Bergſteiger wagt ſich an die ehedem gefürchteten Hoch⸗
alpen. Wenn im vorigen Jahrhundert Männer wie
ber Naturforſcher Scheuchzer, der vielſeitige Gelebrte
und Dichter Albrecht v. Haller (in ſeinem bejdreiben -
den Lehrgedidht »Die A.«), der erite Erjteiger des
Montblanc, Sauſſure, durd) ibre Forſchungen cine
nicht gang frudtlofe Anregung gaben, fo haben ſich
dod) erjt feit dem 19. Jahrh. die Wiſſenſchaft und
Kunſt, nit ihnen aud abenteuernder Unternehnumags-
jinn dieſem Gebict zugewendet. Biele der hidjien
Spigen find erjt in neueſter Zeit erflommen worden,
der Montblane fdon 1786, die Jungfrau 1811, das
Finſteraarhorn 1812, die Dufourſpitze (höchſter Funtt
des Wonte Roja) 1855, das Matterhorn 1865. Für
ply eater era werden vornehmlich aufgefudt
die Gruppe des Montblanc, die Penniniſchen und
Berner A., die Berninagruppe, die Optaler und Ort-
ler A., Die Hohen Tauern, die Siidtiroler Dolomi-
ten, Das Wetterjteingebirge und die Salzburger A.
Rach dem Vorgang de3 Alpine Club in England ba:
ben fid) auch in der Schweiz, in Oſterreich, Deutſch⸗
land, Frankreich und Italien Vereine zur Erfor—
ſchung der Alpenwelt gebildet (ſ. Alpenvereine).
lLiteratur. Allgemeines: Saufſure, Voyage
dans les Alpes (Genf 1770 96, 4 Bde.; deutſch von
Wyttenbach, Leipz. 1781); Berlepſch, Die A. in Na—
ture und Lebensbildern (5. Aufl, Jena 1885); Ram⸗
bert, Les Alpes suisses (Genf 1866 —74, 5 Wde.);
Frey, Die U. im Lidhte verfdiedener Feitalter (Bert.
| 1877); Schaubad, Die Deutſchen M. (2. Aufl. Nena
1865 —71,5Bde.); Roe, Deutidhes Alpenbuch (Glog.
.
Alpen — Alpendoble,
1875—88, 4 Bode.); Umlauft, Die A. (Wien 1887);
369
[Rarten.] {ber dad Gefamtgebiet: v. Haardt,
Sieger, Die U. (in der Sammlung Godjden, Leipz. Wandfarte der A. (Hölzel, Wien, in 1:600,000, mit
1900); Studer, über Cis und Schnee. Die höchſten
Gipfel der Schweiz und die Geſchichte ihrer Beſteigung
(2. Aufl. von Waber und Dübi, Bern 1896 — 99,
3 Bde.); Schriften von A. Ruthner, Tudett, Tyndall,
WhHymper, Giipfeldt (f. diefe Urtifel), v. Lendenfeld
(> Aus den U«., Wien 1896, 2Bde.), Norman-Reruda
» Bergfahrten«, Mind). 1901), Purtſcheller (> Uber
gels und Firn«, daſ. 1901) u. a.; Monographien
von Bayer und Son lar in den Ergingungsheften
au »Petermanns Mitteilungen«; die vom Deutfden
und Oſterreichiſchen Alpenverein herausgegebenen
Werle: » Die Erſchließung der Oſtalpen · (redigiert von
E. Richter, Wien 1892—94, 3 Bde.) und ⸗Anleitung
zu wiſſenſchaftlichen Beobachtungen auf Ulpenreifen«
(Miind. 187981, 6 Tle.); Meurer, Handbuch ded |
alpinen Sports (Wien 1882); Grigru. Rabl, Die
Cntwidelung der Hodtourijtif in den öſterreichiſchen
A. —* 1890); Zſigmondy, Die Gefahren der A.
(2. Aufl., Leipz. 1887); Derſelbe, Im Hochgebirge
(daſ. 1889); Dent, Hochtouren, Handbuch für Berg⸗
ſteiger (aus dem Engliſchen von W. Schultze, daſ.
1893); Purtſcheller u. Heß, Der Hochtouriſt in
den Ojtalpen (2. Uujl., daf. 1899, 3 Bde., in > Meyers
Reifebiidern«); die Schriften der verjdiedenen Al—
penvereine (f. d.); die Zeitſchrift »>Der Alpenfreund⸗
(Gera 1870 —79, 11 Bde.).
Mit den qeologifden Berhaltnijjen der A. haben
fic zahlreiche Geologen beſchäftigt (Sauffure, Agaſſiz,
2. v. Bud, Defor, Beyrich, Giimbel, v. Hauer und
die unten genannten Yutoren). Befonders widtig
und 3. T. reid) an Literaturangaben find folgende
Werle: Studer, ps ber Sajueels (Bern 1851
bis 1853, 2 Bde.); Derfelbe, Index der Petrographie
und —— der Schweiz (daſ. 1872); Heer,
Die Urwelt der Schweiz (2. Uufl., Zür. 1879); Sueß,
Die Entftehung der VW. (Wien 1875); Heim, Unter-
ſuchungen tiber den Mechanismus der Gebirgsbildung
(Bafel 1878, 2 Boe.); Balger, Der Glärniſch (itr.
1873); Derjelbe, Der medanifde Kontalt von Gneis
u. Ralf im Berner Oberland (Bern 1880); E. Fraas,
Szenerie der WU. (Leipz. 1892); Pend u. Briidner,
Die U. im Cisgeitalter (daſ. 1902); Böhm, Cin-
teilung der Djtalpen (Wien 1887); Diener, Der
Gebirgsbau der Weftalpen (Prag 1891). Widtige
Vrbeiten finden fid) in den Berdffentlidungen der
evlogijden Reichsanſtalt in Wien und in den von
er geologijden Rommiffion der Schweiger Natur-
forjdjenden Gefellfdaft herausgeqebenen » Beitrigen
ur geologijden Karte der Schweiz⸗ (f. unten); popu-
dr gebalten find Rothpleg, Geologifder Führer
durch die U. (Berl. 1902), Tornquijt, Das Gebirge
der oberitalienijden Geen (daſ. 1902). Bgl. auc
Gletſcher; geologiſche Karten f. unten. — über die phy -
jitalifden Verhältniſſe der A. ſchrieben H. und YW. v.
SAHhlagintweit (> Unterfudungen iiber die phyfifalijde
ee ee r(o>Ge-
ſchichte der phyfifden Geographic der Schweiz«, Zür.
1863), Pfaff (Die Naturfrafte in den W.«, Milind.
1877), Hann (»Temperaturverhaltniffe der djterreidji-
fen Alpenländer · Wien 1885); fiber die Tierwelt:
v. Tſchudi (» Das Tierleben der Ulpenivelt«, 11. Aufl.,
Leip;. 1890) und Riitimever ; iiber die Flora f. Alpen⸗
pflanzen. Reifehandbiider fiber die verfdicdenen
Ulpengebiete von Bädeler, Meyer, Tidudi, Joanne,
den Englindern Murray, Ball, Conway, Coolidge
u.a. Spezialführer fiir die deutſchen YW. von Wal-
tenberger, Trautwein, Hef, Meurer, Friſchauf u. a.
Meyers Ronv. + Lezifon, 6, Aufl., L Bod.
ert). Cine gute Karte in größerm Maßſtab fehlt.
Für die Wejtalpen: franzöſiſcher Teil: die betref-
fenden Blatter der »Carte de la France«, 1:80,000,
vom Service géographique de l’'armée; »Carte de la
France dressée par le service vicinal«, 1:100,000
(Hachette, Baris); »Carte de France«, 1:200,000, neu,
qreift fiber die Grenje, vom Service géographique
de l'armée. Italieniſcher Teil: »Carta topografica
del Regno d'Italia+, 1: 100,000 (Istituto geografico
militare, flor.). Schweizer U.: General Dufours
»Topographifder Atlas- (25 Blatt in 1:100,000),
»Lopographijder. (Siegfried-) Utlas im Maßſtab
der Originalaufnahmen« (546 Bl. in 1:50,000, bez.
25,000), die gleichfalls vom topographiſchen Bu—
reau in Bern bearbeitete »Generalfartee (4 Bl. in
1:250,000), Ravenſteins »Rarte der Schweizer Ulpen<
(2 BL. in 1: 250,000, mit Höhenſchichten, Franff.
a. M.); bie Deuti den W.: die betreffenden Seftionen
der »Ojterreidjifden Spezialfarte« (1:75,000), »Ge-
neralfarte von Mitteleuropa« (1 : 200,000) fiir die O ft -
alpen (Militärgeographiſches Inſtitut, Wien), Ra-
venſteins vorzügliche »Rarte der Oftalpen« (Franff.,
9 BL. in 1:250,000, mit Hihenfdidten) und ⸗UÜber⸗
fidjtSfarte der Ojtalpen« (2 Bl., 1:500,000, Redut-
tion der vorigen), —— Spezialkarten in der ⸗Zeit⸗
ſchrift des D. u. O. Ulpenvereins«. Reliefkarten
der Deutſchen A. von Pauliny (Wien), Keil (Salz⸗
burg); der Schweiz von Leuzinger (Winterth. 1884),
Biirgi (Bafel), E. Be (Bern), Imfeld (Sarnen),
Schöll (St. Gallen); weiteres ſ. Relieffarten.
Geologifdhe Karten von Studer und Efder von
der Linth (»Carte géologique de la Suisse«, 2. Aufl.,
Winterth. 1867), v. Hauer (Geologiſche tiberjidts-
farte der öſterreichiſch ungariſchen Monardies, Wien
1867 —73, 12 BL, 1:576,000, und »Geologifde
Rarte« in 1 Bl., 1:2,016,000, 4. Aufl. 1884), Gitme
bel (⸗Geognoſtiſche Befdreibung des bayrifden Al⸗
pengebirges«, Gotha 1861), Jacquot und Michel Lévy
(»Carte géologique de la France«, 1: 1,000,000,
1888), vom Comitato geologico d'Italia (»Carta
geologica d'Italia«, 1: 1,000,000, 2. Aufl., Rom
1889), foie die von der Schweizer Naturforjdenden
Gefellidaft von 1862 —88 herausgegebene geologi-
ſche Rarte der Schweiz (256 BL in 1:100,000) und
die geologiſche Überſichtskarte von Heim und Schmidt
(1:500,000, Bern 1894) ftellen Teile ber A. dar;
die cingige grbfere volljtindige geologifde Überſichts⸗
farte der A. ijt die von Fr. Roe (1:1,000,000, Wien
1890); aud) die »Qnternationale geologijde Karte
von Europa«, Blatt C, (1: 1,500,000) gibt eine vor-
zügliche geologifde Darjtellung der U. — Weitere Li-
teratur ſ. bet den betr. Ländern: Schweiz, Tirol 2.
(pen, Fleden im preuß. Regbez. Düſſeldorf,
Kreis Mörs, die castra Ulpina der Rimer, hat eine
evangelifde und eine fath. Kirche, Seidenweberei,
Gerberci, Leimſiederei und (1900) 860 Einw.
Wlpena (jor. aupind), Hauptitadt der Graffdaft A.
im nordamerifan. Staat Midigqan, an der Wiindung
des Thunder in den Huronenjee, mit Sägemühlen,
Wollfabrifen, Holshandel und cvoo) 11,802 Einw.
{penbahnen, ſ. Alpenſtraßen.
Alpendohle (Schneekrähe, Pyrrhocorax alpi-
nus Vieillot), Sperlingsvogel aus der Familie der
Raben, etwa 40 cm lang, ſchwarz, mit rotem Fug und
gelbem Schnabel, lebt gefellig in den großen euro-
päiſch⸗ aſiatiſchen Gebirgen von den Byrenden bis zum
Himalaja und ijt in den Ulpen iiberall gemein. Sie
24
370
geht bid in bie Sdyneeregion, frift alles Genießbare
und baut ihre oft gemeinfamen Neſter in ungugiing-
lichen Spalten und Höhlen. Cier hellgrau, duntel ge-
fledt. Ulpenfraihe (Steinfrahe, Feuerrabe, P.
graculus Cuv.), 40 cm lang, griin- oder blauſchwarz,
mit roten Füßen und langgeftredtem roten Schnabel,
lebt gefellig in Den Gebirgen Englands, Sdottlands,
in Den Rarpathen, im Balfan, in Aſien, Ufrifa, ijt in
den Ulpen felten, nährt ſich hauptſächlich von Inſekten,
briitet an Felswänden und legt 4—5 weiplice, Dun-
fel gefledte Eier. WIS Käfigvogel entpfehlenswert.
Ipendoppelbiume, e Clematis.
Alpenfalter, ſ. Upollo.
Ulpenfliievogel , |. Flüevogel.
Alpengeld, {. Alpenwirtſchaft.
Alpenglbddjen, ſ. Soldanella.
Alpengliihen, optijde Erſcheinung an den Gipfeln
und Schneeflächen der Ulpen vor —— und
nach Sonnenuntergang, entſteht auf dieſelbe Weiſe wie
die Dämmerung (f.d.) und verläuft in mehreren Pha⸗
fen. Sur Zeit, wo ſich das Ubendrot am weſtlichen
Himmel bildet, beqinnen die fdneebededten Gipfel der
Alpen fowie alle erleuchteten Schneefladen in brillan-
teſtem Rot gu glänzen. Dieſe erfte Färbung ijt bet
Heiterm Wetter am intenfiviten umd tibertrifft dann
dad gleichzeitig vorhandene Ubendrot. An Tagen aber,
wo lefteres fehr jtarf und dann in der Regel etwas
lichtarm auftritt, ijt das eiqentlide UW. minder ſchön.
Wahrend nun die Sonne ſinkt, erbleidjen die Gipfel,
und wenn fie von den Gonnenjtrahlen nicht mehr
direlt getroffen werden, heben fie fic) einige Minuten
lang Dunfel vom Abendhimmel ab. Wber gleich dar-
auf beginnt die gweite Färbung, bei der die fehr
gleichmãßig, wenn aud matt erleuchteten Schneeflãchen
und Die Gipfel aus hellem Geftein mit rötlichgrauem
Glan; einen pradtvollen Kontraft zu dem tieforoletten
Himmel! bilden. Erſt wenn die Gonne 5—6° tief une
ter Den Horizont gejunfen ijt, endet die Erſcheinung,
und die Berge verſchwimmen in der allgemeinen Dam-
merung. Das befonders nad fonnigen Tagen wabhr-
unehmende ſchwache Leuchten der Cis- und Sdhnee-
fachen, das oft einen großen Teil der Nacht hindurd
anhalt, berubt auf Phosphoreszenz.
Ipengras, ſ. Carex.
Alpenhafe, ſ. Haie.
Wlpenhorn, f. Alphorn.
Wipenjager (ital. Cacciatori delle Alpi), die von
Garibaldi tm Kriege von 1859 organijierten Frei-
fcharen mit roter Blufe, jetzt Ulpenfompagnien (ſ. d.).
Alpenkalk, friiher 7 ists fiir Die Kallſteine
Der Alpen und aud) wohl fiir den Zechfteinfalf. Seit-
dem man das fehr ungletde Ulter der verſchiedenen
Kalle erfannt bat, ift der Ausdruck A. ungebräuchlich.
Alpenklubs, ſ. Wlpenvereine.
Alpenkompagnien (Alpini), cin Truppenteil der
ital. Urmee zur Sicherung der Ulpeniibergdnge, wur-
den 1872 erridtet. Bgl. Atalien (Heerweſen).
WlpenFrahe, ſ. Ulpendoble.
Aipenfurorte, ſ. Klimatiſche Nurorte.
Alpenmanerlaufer, ſ. Mauerläufer.
Alpenmolch, ſ. Molche.
Alvpenpflanzen (hierzu Tafel ⸗Alpenpflanzen«,
mit Tertblatt), Pflanzen, welche die Eigenari der
Vegetation der Ulpen und andrer mitteleuropaifder
Hochgebirge bedingen. Da in der Waldregion der
Alpen vielfad die Pflanzen und Pflanzenge ellſchaf⸗
ten wiederfebren, die in deutſchen Mittelgebirgen vor⸗
herrſchend find, fo haber die A. ihren cigentlichen
Stammfigs in den Hodregionen oberhalb der Bauny
Alpendoppelblume
— Alpenpflanjen.
renje. Sie fteigen aber von dort vielfad aud in Dic
aldregion und, wie 3. B. die Ulpenfternblume (Aster
alpinus, fig. 2) und das farbenpradtige Alpenlein
traut (Linaria alpina, Sig. 21), felbjt bis zum Za!
hinab, wie anderſeits gewiſſe Formen der Ebene auch
in das Bergwaldgebiet und felbjt in die Hochregion
aufiteigen. Die meijten A. find ausdauernde Pylan-
gen nut reichentwidelten unterirdijden Teilen. See
zeichnen fich im allgemeinen durch kurze Stengelglieder
und im Verhältnis zur Stengelhöhe oft überraſchend
große, lebbaft gefarbte Blumen aus (vgl. 3. B. Dian-
thus glacialis, jig. 5; Viola calcarata, Fig. 12; Gen-
tiana, Fig. 13 u. 14; Eritrichium nanum, Fig. 17).
Arten, deren nächſte Battungsverwandte im Bergwald
und in der Ebene ſtolze Baume bilden, find ftraud-
artig und dem Boden mehr oder weniger angeſchmiegt.
wie die Legföhre oder Latide (Pinus montana) und
die Alpenweiden (3. B. Salix reticulata, Fig. 6).
Ihnen ſchließen fic) andre, wie die ULpenrofen (Fig. 1)
und die Alpenheide (Erica carnea, Fig. 10), an zur
Bildung ciner hochalpinen Straudformation, die an
vielen Stellen des Hochgebirges in urwaldartiger Ur⸗
fpriinglicfeit erhalten ift und manden fdlant auf-
jtrebenden Kräutern (3. B. Astrantia minor, Fig. 9)
aud oberhalb der Baumgrenze nod cine Heimſtätte
bietet. Beſonders formenreich ijt die Flora der Alpen⸗
matten und der Geröllhalden. Hier entfalten in bun:
ter Ubwedfelung mit andern die Lieblinge der Alpen⸗
wanderer, Primeln (Fig. 3) und Enziane (Fig. 13
und 14), ihre ſchönen Bliiten, hier finden fid) Speif
(Valeriana celtica, fig. 4) und Prũnelle (Nigritella
angustifolia, Fig. 11), die wegen ihres angenehmen
ig bei den Freunden der Berge berühmt jmd. Die
U. find in Bau und LebenSweife den flimatifden Er⸗
fheinungen, der Kürze Des Sommers, der fraftiqen
Beſonnung, dem jtarfen Wedhjel der Tag- und Nacht⸗
temperaturen, der austrodnenden Wirkung de3 Win-
des rc. angepaft. Die meijten A. find Frühbluher,
wie die Alpenglöcklein (Soldanella, jig. 22), die ihre
Bititengloden unmittelbar am Rande der abſchmelzen⸗
den Sdhneefelder entfalten. Manche jind gegen niedere
Temperaturgrade und ftarfen Wechſel fo unempfind-
lich, daß fie ſelbſt nod oberhalb der Grenze des ewigen
Schnees an ſchneefreien Felſen und Geröllhalden und
auf dem WMoriinenjdutte der Gletſcher qedeiben fnnen
(;- B. Ranunculus, Fig. 8 u. 23). Gegen su grofe
Waſſerverdunſtung ſchützt mande A. (3. B. Silene
Potitermuds,
acaulis, Fig. 7) der fehr ——
andre, wie Dryas octopetala (Fig. 15) und die Al—
pentweiden (Fig. 6), wachſen fpalierartig, dem Bo-
den angefdmiegt, oder es ijt Die Verdunſtungsgröße
wie bei dem Edelweiß (Gnaphalium Leontopodium,
Fig. 20) durd cinen dichten Haarfils oder wie bei den
Sedum- und Sempervivum-Yirten (Fig. 16) durch
ſchleim⸗ und gummihaltige Säfte, welche das Wafer
ſchwerer abgeben, herabgeſetzt. Die AÄhnlichkeit der
flimatifdben Faltoren, die beſonders int der ſtürze Ded
Sommers jum Ausdruck kommt, erflirt 3, dak in
den arftifchen Gebieten die Vegetation in Bau umd
Lebensweife cine gewiſſe Whnlicfeit mit den A. zeigt.
und daß cine Anzahl der lestern aud in den Polar.
lindern gedeiht. Die Cigenfdaften, die bei den A. als
Unpajfungsmerfmale an —— ãußere Berhalt-
niſſe erſcheinen, find sum größten Teil erblicher Natur,
bd. b. ſie bleiben weſentlich unverändert, wenn aud
die Pflanzen unter gänzlich andern Lebensbedingun-
gen verfest werden. Bei gewiſſen Bflangen aber hat
mar zeigen fonnen, daß bei veriinderter Höhenlage
an den Nachkommen einer Mutterpflanze Bildungs-
{Zam Artikel Alpenpflanzen,]
Inhalt der Tafel ,Alpenpflanzen‘.
Fig. 1. Rhododendron hirsutum ZL. (Rauhhaarige
Alpenrose), ein aufrechter, dstiger Strauch aus der
Familie der Erikazeen, hat elliptische oder ovale,
klein gekerbte, am Rande nicht umgerollte, steifhaarig
gewimperte, sonst kahle, immergriine, unterseits rost-
braun getiipfelte Blatter und rosenrote, trichterfér-
mige, auben driisig-harzig punktierte Blüten in end-
stindigen Doldentrauben. Die Alpenrose (Alpen-
rausch, Schneerose, Alpbalsam, Donnerrose) beginnt
in den Ost-, Zentral- und Westalpen unterhalb der
Knieholzregion, steigt mit den GieBbachen oft sehr
weit herab und erreicht Héhen von 2000 m. Sie
bildet vom Juni bis August den schiénsten Schmuck
der Alpen, die sie oft stundenweit mit einem Rosen-
teppich tiberkleidet. In alter Zeit soll sie dem Don-
nergott heilig gewesen sein.
Fig. 2. Aster alpinus 1. (Alpenaster), eine Kompo-
site mit walzenfOrmigem, knorrigem W urzelstock, der
neben dem Stengel auch sterile Bliitterbiischel treibt,
hin und her gebogenen, ganzrandigen, unten keil- oder
spatel formigen, oben linglich-lanzettlichen, sitzenden,
kurz oder zottig behaarten Bliittern und ansehnlichen
BliittenkSpfen mit blauvioletten Randbliiten und gel-
ben Scheibenbliiten, bliiht vom Juli bis August an
Felswiinden und auf Triften der Alpen und Voralpen,
auch in den Karpathen und Sudeten,
Fig. 3. Primula glutinosa Wulf. (Klebrige Primel,
blauer Speik), eine Primulazee mit langlich-lanzett-
fSrmigen oder lineal-lanzettférmigen, nach oben ge-
siigten, kahlen, schmierig klebrigen Blattern und
auf der nickenden Dolde sitzenden kleinen, violetten,
wohlriechenden Bliten mit abstehendem Saum und
schwarzbrannen Hillblittchen. Der Bliitenschaft
wird 5—10 cm hoch. Diese unter den zahlreichen
Arten besonders beliebte Prime! wiichst in der héch-
sten Urgebirgsregion der Ost- und Zentralalpen und
der Karpathen und bliiht im Juli und August.
Fig. 4. Valeriana celtica L. (Alpenbaldrian, Nar-
denbaldrian, Speiknarden), eine Valerianazee mit
nicht veristeltem, wie die ganze PAanze kahlem, 3—
12cm hohem Stengel, einfachen, ganzrandigen, stump-
fen Blittern und rétlichgelben Bliiten in pyramidaler
Rispe, wiichst in den Ost- und Westalpen anf hoch-
gelegenen, steinigen Triften, besonders im Schieferge-
birge, and bliihtim Juli und August. Die ganze Pflanze,
besonders die Wurzel, riecht durchdringend aroma-
tisch und wird seit dem Altertum als Volksarznei-
mittel (keliische Narde) und Parfiim, im Orient auch
va Bidern benutzt, Namentlich in Steiermark bildet
sie einen nicht unwichtigen Ausfuhrartikel.
Fig. 5. Dianthus glacialis L. (Gletschernelke), eine
seltene, dichten Rasen bildende Karyophyllazee mit
den Karpathen, im Jura, in den Ost-, Zentral- und
kurzen Stiimmchen, lineal-lanzettlichen, verliingerten,
kahlen Blattern und rosenroten, seltener weiben, wohl-
riechenden Bliiten, wichst in den Karpathen, den
Ost- und Zentralalpen and ist vielleicht nur eine Va-
rietit von D, alpinus, der Alpennelke, deren Wurzel
einst gegen die Pestilenz benutzt wurde.
Fig. 6. Salix reticulata L. (Neteaderige Weide), ein
kleiner kriechender Strauch mit randlichen, ganzran-
digen, oberseits dunkelgriinen, unten bliulichgrauen,
glanzlosen, netzaderigen kahlen Bldttern und endstin-
digen Kiitzchen, wiichst an feuchten, steinigen Orten
der Karpathen, der Ost-, Zentral- und Westalpen,
auch im hohen Norden und bliht vom Juni bis August.
Fig. 7. Silene acaulis L. (Stengelloses Leimkraut),
eine dichte, polsterférmige, grasgriine Rasen bildende
Meyers Honv.- Lexikon, 6. Aufl., Heilage.
a — — — — — — — — — — — —— — —
Karyophyllazee mit grundstindigen, linealen, ganzran-
digen, kurz bewimperten, sonst wie die ganze Ptlanze
kahlen Blattern und einzeln am Ende der Stiimmchen
stehenden rosenroten Bliiten, wiichst auf Felsen und
Triften der Kalkalpen, überzieht oft ganze Felsstiicke,
bliht vom Mai bis Juli und geht nicht selten tief ab-
wiirts. Es ist in den Karpathen, in den Ost-, Zentral- u.
Westalpen, auch in der arktischen Region verbreitet.
Fig. 8. Ranunculus alpestris L. (Voralpenhah-
nenfuS), eine Ranunkulazee mit aufrechtem, ein- bis
zweiblitterigem oder blattlosem, einfachem, einbliti-
gem und wie die ganze Pflanze kahlem Stengel, grund-
stiindigen, gestielten, ungeteilten oder handférmig
gelappten oder gespaltenen, etwas runzeligen Blittern,
kleineren, linealen oder keiligen Stengelbliittern und
schneeweifen Bliiten, die vom Juli bis August er-
scheinen, wiichst hidufig auf Triften und steinigen
feuchten Stellen der Alpen und Voralpen, in den Kar-
pathen, im Jura, in den Ost-, Zentral- und Westal pen.
Fig. 9. Astrantia minor £, (Kleiner Talstern,
Alpenstern, Astranz, Strdinze), eine Umbellifere mit
schwachem, 15—25 om hohem Stengel, bis auf den
Grund fingerig geteilten Blittern, lanzettlichen, un-
gleich eingeschnitten gesiigten Lappen, weiben Hill-
blittchen mit griinen Spitzen und kleinen, rosa-weifen
Blimchen, wichst in hOhern Gegenden der Ost-, Zen-
tral- und Westalpen und blitht vom Juni bis August.
Fig. 10. Erica carnea J, (Alpenheidekraut, fleisch-
farbiges Heidekraut), eine strauchige, liegende, istige
Erikazee, deren 8—30 cm lange, aufrechte oder auf-
steigende Aste, wie die ganze Pflanze, kahl sind. Die
nadel{rmigen, spitzen, abfiilligen Blatter stehen zu
vieren oder zu mehreren, quirlig, die rosenroten, selten
weiben Bliten in endstiindigen, ihrenférmigen, meist
einseitswendigen Trauben. Die Blamenkronen sind
rdhrig-krugftrmig, die Staubbeutel purpurschwarz.
Es wiichst auf Felsen, an Waldriindern und in den
Waldern selbst bis zum Krummholz und iiberzieht
oft ganze Gebiete in den Karpathen, Sudeten, Ost-,
Zentral- und Westalpen mit dichtem Rasen. Es bliht
im April und Mai.
Fig. 11. Nigritella angustifolia Rich. (Schmalblit-
teriges Kohlrischen, Briindli, Kuhbriindli, Schwarz-
stindel, Kammbliimle), eine 8—20 em hohe Orchidee
mit handférmig geteilten Knollen, schmal lineali-
schen, fast grasartigen, fein gewimperten, unten ge-
hduften, oben viel kleinern und zerstreuten Blattern,
kurzkegeligen oder eiférmigen, dichtgedrungenen
Ahren und dunkelblutroten oder schwarzpurpurnen,
bisweilen auch hell karminroten, sehr angenehm nach
Vanille duftenden Bliten. Es wiichst auf Triften der
Alpen und Voralpen zwischen 600 und 1800 min
Westalpen, auch im Apennin, im Balkan und in den
skandinavischen Gebirgen und bliiht vom Juni bis
August. Das Kohlrischen ist eine Lieblingspflanze
der Alpenbewohner und wird in der Bliitezeit ganz
allgemein von den Burschen am Hute getragen.
Fig. 12. Viola calearata 1, (Langspurniges Veil-
chen, Berqviola), eine glatte, stark veriistelte Pflanze
aus der Familie der Violazeen, deren kurze Zweige
am Boden liegen, mit gekerbten, eirunden, oben ling-
lich-lanzettlichen Blittern, einblumigen, aufrechten,
8 em hohen Stengeln und gewdhnlich violetten, sehr
| selten gelben, langgespornten Bliten, wiichst auf Trif-
ten hdherer Regionen in den Ost-, Zentral- und W est-
alpen und im Jura und bliiht vom Mai bis Juli.
Il Inhalt der Tafel
el ,Alpenpflansen’.
Von den zahlreichen Enzianarten aus de Familie |
der Gentianazeen, die durch meist blane Blüten aus- |
gezeichnet sind, bildet Gentiana bavarica L. (bayri-
scher Enzian, Fig. 13) oft grobero Rasen und treibt
anufrechte oder aufsteigende, einfache, vielblitterige,
einblitige Stimmchen mit verkehrt-eirunden oder
fast spateligen Blittern, von denen die untern ge-
drangen, die obern meist entfernt stehen, Die Blu-
menkrone ist stieltellerférmig, ziemlich ansehnlich,
tief axurblau. Die Pflanze wichst auf den Triften der
hdhern Kalkalpen and bliht vom Juli bis September.
Sie ist in den Ost-, Zentral- nnd Westalpen verbreitet.
Fig. 14. Gentiana acaulis L. (Stengelloser Enzian,
blauer Fingerhut), besitxt einen 5 cm langen, oft aber
unmerklichen Stengel, grundstindige, ovale, ellipti-
sche oder lanzettliche, viel kleinere stengelstindige |
Blatter and 4 cm, auf hohen Gipfeln kaum 2,5 cm
lange endstindige, keulenformig-glockige, dunkel-
axurblaue Bliiten mit fiinf hellern, dankelviolett |
punktierten Streifen im Schlund, Er wichst auf
steinigen Triften der Kalkalpen zwischen 630 und
1800 m Hohe, oft ungemein zahlreich, meist inGrup-
pen vereinigt, und bliht vom Mai bis Joli. Er ist in
den Ost-, Zentral- und Westalpen, in den Karpathen,
Ardennen und im Jura verbreitet, steigt auch bis zur
Ebene herab.
Fig. 15, Dryas octopetala L. (Gemeine Silberwurz, |
Alpengamander), ein niederliegender, rasenbildender, |
listiger Halbstrauch mit immergrinen, linglichen, |
gekerbt-gesiigten, oberseits kahlen, unterseits weib- |
filzigen, am Rand umgerollten Blittern, mehr oder |
minder zottigen Blatt-, Bliitenstielen und Kelchen, |
einzeln endstindigen weiben Bliiten und langem, fe-
derartigem, silberglanzendem Fortsatz an den Friich-
ten, wichst auf Felsen und im Felsenschutt der Kalk-
alpen bei etwa 2000 m Hohe, steigt aber manchmal |
auch in subalpine Gegenden herab und bliiht vom |
Juni bis August. Findet sich in den Alpen, im Jura
and in allen Polarlandern.
Fig. 16, Sempervivam arachnoideam J. (Uber-
sponnene Hauswurz, Spinnenwurz, Spinnwebenhaus-
laub), eine Krassulazee, deren Rosetten aus verkehrt-
eifSrmigen oder langlichen, drisig kurzhaarigen, bor-
stig gewimperten, an der Spitze bischelig gebirteten |
Blattern mit spinnwebeartigen Haaren bestehen, Die
Bliten sind rosenrot mit cinem Purparstreifen auf
jedem Blatt. Sie wiichst in den Ost-, Zentral- und
Westalpen, im Jura und in den Pyreniden und bliht
im Jali und Angust.
Fig. 17. Eritrichium nanam Schrad. (Zwergvergis-
metnnicht), eine Borraginazee mit mehreren anfstei-
genden, dstigen, 2,5—5 cm hohen Stengeln, oft kleine,
durch die Zottenhaare graue Rasen bildend, an nicht
bliihenden Asten gedriingt stehenden, spatelfrmigen,
borstig gewimperten, langzottigen, an blihenden
Asten verkehrt-eifsrmigen, locker stehenden Blattern
und azarblaven Bliten im Joli and August, wiichst
in den Ost-, Zentral- and Westalpen.
Fig. 18, Saxifraga Aixoon Jacq. (Traubendliitiger
Steintrech, Silberminze), eine Saxifragazee mit einer
Rosette aus steifen, kahlen, cangenfirmigen, knorpelig
gesigten und lings des Randes eingedriickt punk-
tierten Biattern, die am Rande mit einer weiben, zu- |
letst abfallenden Kalkkruste bedeckt sind, Die Bli-
tenstenge! sind tranbig veristelt, mit kleinen Blittern
und weifen, grinlichweiben und rot punktierten |
Blaiten, Er ist auf felsigen Stellen des Kalkgebirges |
gemein, bliht vom Jani bis August and findet sich |
Mitriechen,
in den Karpathen, im Schlesischen,
Bohmischen Gebirge, in den Ow- , Zentral- und W =se-
alpen, Vogesen, im Jura and Schwarzwald, such it
Skandinavien, Grénland, Labrador.
Fig. 19, Saxifraga oppositifelia L. (GegenWatternee-
Steinbrech, blaues Steinmoos), mit kriechenden “tizmum-
chen grobe Polster bildend, anfrechten, dicht betlas-
terten cinbliitigen Asten und spateligen, steif o-~
wimperten, sonst meist kahlen Blattchen, die am der
Spitze aus einem Gribehen ein spiter abfallemdes
Kalkschippchen absondern. Die ziemlich grudes
Blũten sind rosenrot, zuletzt blan und erscheinex ize
Mai und Jani. Er wichst von Spanien bis Sieben-
biirgen, im ganzen arktischen Gebiet, in cinem greden
Teil Asiens und in den Rocky Mountains.
Fig. 20. Gnaphalium Leontopodiam 1. (Edelweiss.
eine Komposite mit weiffilzigem, 85—16 cm hobhew
| Stengel, lineal-lanzettlichen, spinnwebig wolliger.
unterseits weilifilzigen Blittern und trugdoldig an der
Spitze gehduften Blutenképfchen, die von dicht weié-
wolligen, eine blumenartige Hille bildenden , strah-
lenden Blittern gestütat werden. Die gelben Blaites
eracheinen imJuli. Es wiichst aufden héchsten Alpe,
in den Karpathen ond im Jara, oft an schwer ce-
ganglichen Stellen und ist cine der beliebtesten Al peo-
| pilanzen, die ehedem in hohem Ansehen stand , jetx
ein gewohnlicher Handelsartikel geworden ist.
Fig. 21. Linaria alpina Mill. (Alpenicinkrowt
eine Skrofulariazee mit liegendem oder mit der “patar
aufsteigendem, einfachem oder dstigem, wie dic
ganze Pflanze kahlem, blaulieh berciftem Stengei_
linglich-linealen quirlig, oben wechselstindigen H.las-
tern und groben azurvioletten Bliten mit orangerctem
Gaumen in lockern, kurgen Trauben. Es wichst aa
Felsen und im Felsenschatt der Kalkalpen, steigt bie
in die Tiler hinab und blaht vom Juli bis Hertees.
Es findet sich in den Ost-, Zentral- und Westal pes
und in den Pyreniien.
Fig. 22. Soldanella alpina L. (Aipenglickchen,
Troddelblume}, eine Primulazee mit grundsténdiges,
_rundlichen, ganzrandigen, geschweiften oder seicist
gekerbten, lederigen, kahlen Blittern, aufrechten,
blattlosen Stengeln und trichterglockenférmigen, waf-
rechten oder nickenden, etwas klebrigen hell violettea
Blaten in endstindigen, 1—10blitigen Dolden. Das
Pflanzchen erscheint im April in moosigen Waldern
und an feachten, buschigen Stellen in der Berg- une
Voralpenregion, anch am schmelzenden Sebnee der
Triften, auf Kalk und Schiefer in den Sudeten, (st-,
Zentral- und Westalpen, im Schwarzwald und Jara,
Fig. 23. Ranuncalas montanas 1. (Berghahnen-
Jué), eine Ranunkulazee mit handfirmig geteilten
Wurzelblattern, verkehrt-cifirmigen, dreispaltigen,
, stumpf gezahnten Blattern, ein- oder mehrblitigem
Stengel und gelben Bliten, wichst suf Triften der
Alpen und Voralpen und bliht vom Juni bis August.
Er findet sich in den Karpathen, in den Ost-, Zentral-
und Westalpen, im Schwarzwald und Jura.
Fig. 24, Pinus montana Mill, ( Anicholzkiefer,
KrummAhols-, Legkiefer, Lateche), eine formenreiche,
strauch-, aber anch baumartige Konifere mit liegen-
dem, knieférmig anfsteigendem Stamm, schwarz-
grauer Rinde, kurzen, gepaarten Nadeln und eiffr-
migen Zapfen, wiichst im siidlichen und mittlern
Europa in jeder rauhen Hochlage, bedeckt in den
Alpen ewischen 1400 und 2000 m Hohe weite Fla-
chen und gewahrt Schutz gegen Lawinen und Frd-
fille. Sie liefert Holz zu Drechslerarbeiten und
Schnitzereien und dtherisches ArummAolsc , das als
Volksheilmittel benatet wird.
a@mzen,
|
— —
Alpenpflanzen (Anpaſſungsmerkmale 2¢.). 371
didwandigere Bellen, Sdhubeinridtungen gegen dad
abweichungen auftreten,, die zu einer Unterideidung
raubere Hohenflinta aus, welde die erwabnte Zuriid-
von Berg⸗ und Talformen fiihren, wobei die erftern
fic) in Der Wuchsform und dem innern Bau den al- gichung des vegetativen Lebens auf die unterirdifden
inen Verhältniſſen in der gleiden Weife wie typiſche ane und die Zuſammendrängung der Blitter gu
. direft angepaßt erweifen. Rojetten und Poljtern, die fic) flad) dem Boden an:
Bonnier pflanzte von 230 verfdiedenen rten die | ſchmiegen, ergünzen, um den Spriingen der Tempera-
Stedlinge je derjelben Mutterpflange teils in der Ebene, | tur, der Lufttrodenheit und jtarfen Beſonnung in der
teilS in einer Höhe bis zu 2300 m an. Von den 230 | Hobe beffer gu begeqnen. Die Blatter werden in der
| Hobe dider, dunkelgrüner, reicher an Palijadenjellen,
| Die fic) in mebhreren Reihen tibereinander ordnen und
das Licht gur intenfivern Wrbeit während des kurzen
Sommers tiefer eindringen lajjen. Zugleich vermehrt
ſich die Bahl der Chlorophyllfirnden in den Blatt-
zellen und der Farbjtofffdrnden in den Blütenzellen,
f weit dieje fOrnige Pigmente enthalten.
Wis Bonnier Pflanzen der Ebene, die aud) nod) in
betridtliden Höhen gedeihen, wie Wieſenklee (Trifo-
lium repens), der (Teucrium Scorodonia),
Safobstraut (Senecio Jakobaea) und Sämlinge von
Wide, Hafer und Gerjte in gejdloffenen doppelwan-
digen Käſten tultivierte, worin fie über Nacht mit
ſchmelzendem Cis unigeben waren, während am Tage
die Bedadhung gedffnet wurde, fo daß fie in freier L
jtanden, ergaben fic) bald auffallige Unterſchiede von
andern unter gewöhnlichen Bedingungen gezogenen
ober beftiindig mit Cis umgebenen os berjelben
Urtund Abſtammung; {don nad zwei Monaten zeig⸗
ten ſie gedrungenen niedrigen Wuchs, kleinere, dickere
und fejtere Blatter, beſchleunigte Blütenentwickelung
und alle Charaftere der Alpenformen derjelben Pflan⸗
zen, wenn fie in 1600 — 1800 m Höhe gezogen wor-
den waren, fo daß man fiir eriviejen halten fann, es
fet jener ſtarle Temperaturwedjel der Hihenlagen die
auptſächlichſte Urjade de8 beſondern Habitus der A.
8 handelt fitch bierbei alfo im wejentliden um eine
AUnpaffungserfdeinung, und bei Pflangen, die in
höhern und niedern Lagen gedeihen, geht der alpine
Habitus alsbald zurück, wenn fie aus der Höhe in die
Ebene suriidverpflangt werden. Da aber die habituel-
len Veränderungen der cigentliden A., die niemals
in der Ebene gefunden werden, in derjelben Ridtung
liegen, fo ijt Die Bermutung begriindet, daß aud) die
jest erbliden Unpafjungsmerfmale der A. unter der
Einwirkung des Alpenklimas erworben und in jabr-
zehntauſendelanger —— erblich fixiert wor⸗
den ſind. Manche Pflanzenfamilien, die in der Ebene
artenreich ſind, wie die Labiaten, Papilionazeen u. a.,
haben in der Alpenflora nur wenige Vertreter, andre
dagegen, wie die Primeln (Fig. 3), die Enziane, die
Steinbredarten (Fig. 18 u. 19), die Kampanulazeen,
entfalten in der Hochregion einen iiberrajdenden For⸗
menreidtum. Sum Swede der wiſſenſchaftlichen Er-
forſchung der Biologie der A. Hat man in neucrer Feit
botani) heUlpengadrtenin der Hodgebirgsregion
angelegt. Mande W. gedeihen bei geeiqneter Pflege
aud) in der Ebene und werden in botaniiden Garten
zu wiffenfdaftliden Zwecken und in Privatgärten als
Biergerache gesegen (vgl. Pflanzenſchutz).
Literatur: Chrift, Verbreitung der Pflanzen
Fig. 2. Sonnenrbsden der Ebene. Starter verfleinert. | der alpinen Region der europäiſchen Ulpentette (Zür.
1867); Derjelbe, Pflanzenleben der pie, By 5
oberirdiſchen eile, mit Ausnahme der Bliiten, in der | 1879). Als Tafdenbiider zum Beſtimmen A.
Größe zurüclgingen, fo daß großblütige Zwergformen vgl. Wünſche, Die A. (2. Ausg., Leipz. 1896);
mit kürzern Stengelgliedern und kleinern, aber didern | Hausmann, Flora von Tirol (Innsbr. 1854). —
und fejtern Blattern entjtanden waren (Tertfig. 1 u. 2). | Whbildungen der W.: Weber, Die U. Deutfdlands
Mit den dufern Verinderungen ded Wuchſes halten | und der Schweiz (4. Aufl., Münch. 1878, 4 Bde.); Se-
bei ſolchen Unpajfungen innere anatomijde Schritt, both, Die U., mit Tert von Graf (Prag 1879-—84,
Wurzeln und Stengel bilden cin dideres Rinden- | 4 Bde.); Bennett, The flora of the Alps (Lond.
gewebe, ein jtirferes Oberhäutchen (cuticula) und 1896, 2 Bde.); Daffner, Die Boralpenpflanjen
24 *
Ve WSL 8
— (Wwe
e * es a Me
ON ie LANL
“ye” tf) —
9 — —
i
‘Jt. ,
Fig. 1. Sonnenröschen (Helianthemum vulgare) des
Gebirgeds. Auf '4 vertleinert.
Urten lebten nad) ſechs Jahren auf der Bergeshihe
nod) 123. Einige von ihnen zeigten mur geringe Ver-
anderungen, andre aber wien in ihrer form
von den in der Ebene erwachſenen Schweſterpflanzen
ſehr auffällig ab und naberten fic) in ihrem Verhal⸗
ten gerade dDemjenigen der typifden A. Ihre unter-
irdifden Teile, Wurzeln wie Rhizome, verdidten, ver-
langerten und verjweigten fic) ſtärler, während die
s a
* —
Ls aN Dee
f ris wy bee =
*
a)
=
ee
*
~~
Y
a .
Ke
~
= — - +
= Ul
i et ,
v \
tae) *
—E
fs 4
a’ a
372
(Leip3. 1893); Schröter, Tafdenflora des Ulpen-
wanderers (3. Uufl., Zür. 1892); Fünfſtück, Ta—
ſchenatlas der Gebirgs- und UW. (Stuttg. 1896);
»Atlas der Ulpenflora«, hrsg. vom Deutiden und
Oſterreichiſchen Wlpenverein (Gray 1897), dazu Fert
von Dalla Torre, Die Wipenflora (Münch. 1899).
Unweifung zur Kultur der UW. in Garten: Kolb, Die
curopaifden und überſeeiſchen UW. (Stuttg. 1889);
Wode, Die W. in der Gartenfultur (Berl. 1898).
Mlpenrebe, ſ. Clematis.
Alpenroſe, |. Rhododendron.
Alpenrot, ſ. Blutidnee.
Alpenfalamander, |. Molde.
Alpenfeen, ſ. See.
Alpenſtich, in den Hodgebirgen der Schweiz en-
demiſche und im den metjten Frühjahren auftretende,
leicht tödlich werdende Bruſtfellentzündung, die fid
1771 und 1832 — 33 felbjt tiber einige Teile des nörd⸗
lidjen Deutidland ausdehnte. Man hilt fie fiir eine
e ded Föhns.
lpenſtrafſen und Alpenbahnen. Verbin⸗
dungswege zwiſchen den nördlich und ſüdlich von den
Wlyen gelegenen Ländern waren bereits im Altertum
befannt, dod) galt der Ubergang inumer fiir ein ge
fabrvolles Werf. Jin 3, Jahrh. v. Chr. führte Han-
nibal feinen berühmten libergang iiber die Ulpen aus;
dad kühne Unternehmen ward wie ein Wunder ange
jtaunt. Später legten die Römer verſchiedene Stra-
en iiber das Gebirge ſowohl nad Gallien als nad
Deutidland an. Unter den erjtern wurde dic fiber Den
Mont Genevre als die kürzeſte am meijten benugt;
andre fiibrten fiber die Penninifden, Grajijden und
die Seealpen. Unter denen nach Germanien waren die
vom Lacus Larius (Comerjee) fiber den ae
und die von Tergejte (Trieſt) über die Rarnifden Al⸗
pen die bedeutendjten. Nach dem Berfall der alten
Romerjtrajen bejtanden die Ulpenwege bis ins 17,
Jahrh. fat ohne Ausnahme aus Saumpfaden, die
oft fiir Menſchen und Tiere gefabrbringend waren
und erjt feit dent 18. Jahrb. allmablic in Fahrſtraßen
umgewandelt wurden. Es gab nur wei gur Not
fabrbare Wege iiber die H en. eine, {eit
1772 fabrbar, fiibrte über Den Brenner, der andre,
erjt 1779-82 von Viltor Amadeus III. angelegt,
iiber den Col di Tenda. Die ganze Rentralfette auf
480 km Lange aber war nod ohne Fahriveg; die
Wagen muften auseinander —— und ſo über
das Gebirge geſchafft werden. Napoleon J. baute und
erweiterte ſieben Heer⸗ und Fahrſtraßen über die Ul-
pen, inSbef. iiber ben Simplon, Mont Cenis und
Mont Genevre; aud wandelte er die {don er-
wãhnte Strafe über den Col di Tenda faft gänz—
lid) um und madte den fiber Den Kleinen St. Bern-
hard fiibrenden befdwerliden Weg wenigſtens fiir
fleine Wagen fahrbar.
Seither bauten aud die Schweiz und ſterreich
zahlreiche fabrbare Strafen fiber die Alpenpäſſe. So
famen in rajder Folge (1818— 24) Spliigen und
Bernardin, (1820—30) St. Gotthard, Stilf-
fer Joch und Qulier, dann (18385—39) Maloja
jur Ausführung. Die fiir den Berfehr über die Al—
pen widtigiten $ affe find gegenwärtig folgende, und
zwar in den Wejtalpen: Col di Tenda (1873 m) mit
der Munijtitrake von Nizza nad Cuneo; Mont Ge-
nevre (1860 m) mit der Strafe von Briancon nad |
Suſa; Col du Lautaret (2075 m) mit der Straße von
Briangon nad Grenoble; Mont Cenis (2084 m) mit
Alpenrebe — Alpenftrafen und Wlpenbahnen.
Maurice nad Aoſta; Großer St. Bernhard (2472 m)
mit Gaumweg von Martigny nad Aoſta; Simplon
(2009 m) nut Kunſtſtraße von Brig nad Domo-
doffola; Grimſel (2165 m) mit 1895 vollendeter
Kunſtſtraße von Meiringen nad Obergejtelen; Furka
(2436 m) mit Kunſtſtraße von Gletſch nad Ander⸗
matt; St. Gotthard (2114m) mit Kunjtitrake von Gö⸗
{denen nad Airolo; Lufmanier (1917 m) mit Kimjt-
jtrake von Diſentis nad Biasca; in den Ojtalpen:
St. Bernhardin (2063 m) mit Kunjtitrake von Hin-
terrbein nad) WMifocco; Spliigen (2117 m) mit Strage
von Spliigen nad Chiavenna; Maloja (1817 m) mit
Kunſtſtraße von Gamaden nad) Chiavenna; Julier
(2287 m) mit Kunjtitrake von Tiefentajten nad Silva-
plana; Albula (2313 m) mit Kunſtſtraße von Tiefen-
fajten nad) Ponte; Bernina (2330m) mit Kunſtſtraße
von Gamabden nad Tirano; Stilffer Joch (2760 m)
mit Kunjtftrahe von Spondinig nad) Bormio; Reiden-
fdyeided (1510 m) mit Kunſtſtraße von Nauders nad
Mals; Arlberg (1802 m) mit Kunſtſtraße von Land-
ed nad) Bluden;; Fernpaß (1250 m) mut Kunſtſtraße
von Imſt nach Reutte; Seefeld (1176 m) mit Kamit:
ftrake von Sirl nad Mittenwald; Brenner (1370 m)
mit Kunſtſtraße von Matrei nad Sterzing; Rad-
tädter Tauern (1738 m) mit Kunſtſtraße von Rad-
tadt nad) St. Midjael und Ratidberg (1641 m), von
a @miind; Rottenmanner Tauern (1265 m)
mit Kunjtitrake von Rottenmann nad Judenburg ;
Prebichl (1227 m) mit Kunſtſtraße von Cijener; nad
Vordernberg; Pyhrn (945 m) mit Kunſtſtraße von
Pennine ton nad Liezen; Bredil (1162 m) mit
Kunſtſtraße von Tarvis nad Flitſch; Loibl (1370 m)
mit Runjtitrake von Klagenfurt nad RNeumarttl;
Semmering —— m) mit Kunſtſtraße von Gloggnitz
nach Mürzzuſchlag.
Die neueſte Zeit hat ſich mit dieſen Alpenſtraßen
nicht begnügt. Sie bat den kühnen Gedanfen einer
Lberfdienung des irges ausgeführt, und die
Eiſenbahnen, die über einige der wichtigſten Über—
= geführt worden find, haben fiir ebr und
San 1 voriwiegende Bedeutung erlangt. Der Ruhm
des Borgangs gebiihrt Oſterreich, das 1850 —53 uber
den Semmering von Gloggnitz bis ——*——
eine Eiſenbahn erbaute. Hierauf folgte der der
1867 vollendeten Brennerbahn, und 1872 die von
St. Salentin über Villad nad Tarvis führende Bahn,
an bie ſich ſpäter die Linie von Tarvis fiber Pontafel
nad) Udine ſchloß, als ein dritter Ubergang fiber die
Ojterreidifden WUlpen.
Faſt gleichzeitig mit der Brennerbahn wurde im
wejtlichen Alpengebiet ein nicht minder grogartiges
Wert, der Bau emer Bahn fiber den Mont Cenis,
beqonnen und 1871 vollendet. 1882 wurde dieG ot t-
hardbahn und 1884 die Arlbergbahn eröffnet.
Dieſen großen Ulpenbahnen ijt nod) die Brimigbahn
in der Schweiz (von Brieng nad Luzern) und ſchließ⸗
lid ein Schienenweg a: der freilid) Die Al⸗
pen mehr umgebt, als überſchreitet: die fogen. Core
nidebahn, die von Riza am Meeresufer entlang
durd) eine Reihe von Tunnels nad Genua fiibrt.
Weitere Ulpenbahnen find im Bau, und zwar: in den
Wejtalpen von Cuneo fiber den Col di Tenda nad
| Ventimiglia, von Nizza über Puget-Theniers nad
Digne, tiber den Simpton und über den Wloulapak,
in Den Ditalpen fiber die Julifden Wlpen von St. Lucia
in Die Wodhein, iiber die Rarawanfen aus dem Save-
in ba’ Drautal, über bie Hohen Tauern von Möllbrück
der Kunſtſtraße von Modane nad Suſa; Kleiner St. | nach Gaftein und fiber den Eyhrnpak von Selsthal
Bernhard (2157 m) mit Fabriveg von Bourg St. | nad) Windijdgarjten. Von Längsbahnlinien in den
Alpenftraud) — Alpenvereine.
Alpen, die durch Langentiler fiihren und daher im
allgemeinen geringere Schwierigleiten zu überwinden
saben, find insbeſ. zu nennen: in den Wejtalpen die
Eiſenbahn von Uvignon nad Briancon und von letz⸗
terer absweigend die Linien fiber Grenoble nad Al⸗
bertville und Moutiers, die italienifde Linie im Dora-
tal bis Aoſta, die Schweizer Eiſenbahn im obern
Rhénetal bis Brig gum Anſchluß an die Simplon-
bahn; in den Ojtalpen die Eiſenbahnlinien Wörgl-
Bij dhofshofen-Selsthal und Franjensfejte-—Marburg.
Seit 1870 ijt auch cine Reihe von Bergbahnen auf
einjelne Gipfel der Alpen erbaut worden (ſ. Berg-
bahnen). Ausführlicheres über die genannten Bahnen
enthalten die betreffenden Urtifel. S. Rarte ⸗Alpen«.
Bgl. v. Duhn, Die Benutzung der Alpenpäſſe im
Ultertumt (in den ·Neuen Heidelberger Jahrbiiderne,
Bd. 2, S.55jf.); Partſch, Urtifel »Alpes« in Pauly-
Wiſſowas »> Realengyflopidic der Mafjifden Ultertums-
wiſſenſchaft · Ohlmann, Die Alpenpäſſe im Mittel-
alter (im ⸗Jahrbuch fiir ſchweizeriſche Geſchichte«,
Bd. 3 und 4); Memminger, Die Alpenbahnen und
deren Bedeutung (2. Uufl., Ziir. 1878); B. Schwarz,
Die Erſchließung der Gebirge (Leipz. 1885).
A — ſ. Ribes.
Alpenveilchen, ſ. Cyclamen.
Alpenvereine (Alpenklubs), Vereine, welche
die Erforſchung der Alpen zu ihrer Aufgabe machen.
Der älteſte derſelben ijt ber Alpine Club in London
(jeit 1857), der cine Anzahl der ſchwierigſten und
kühnſten ee eee hat. Bu feinen
Publifationen gehoren Prachtwerf »Peaks, pas-
ses and glaciers« (Lond. 1860 —62, 4 Bde.), der aus⸗
gezeichnete » Alpine Guides (2. Aufl., daſ. 1872—74,
3 Hoe) von 3. Ball und das » Alpine Journale (ſeit
März 1863). Der Verein richtet ſeine Tatigteit aud
auf den Raufafus, den Himalaja u. a. Nächſtdem trat
im März 1862 der Ofterreidhifde Ulpenverein
(in yo zuſammen, der feine Tatigteit vorzugsweiſe
den Oſterreichiſchen Alpen zuwendet und in den ⸗Mit⸗
teilungen« (Wien 1863—64, 2Bde.) und dem · Jahr⸗
bud) des Ojterreidifdjen Ulpenvereins« (1865 —73,
9 Bde.) über feine Urbeiten beridjtet hat. Im April
1863 fonjtituierte fid ber Schweizer Alpenklub,
Der in wiffenfdaftlider Hinſicht Bedeutendes geleijtet
hat, in 47 Seftionen 6287 Mitglieder zählt und 34
Unterkunftshäuſer und Sdupbhiitten erridtet hat. Er
Halt Führerkurſe ab und gründete eine Kaſſe fiir Füh—
rerverjorgung. Sein Organ ijt dad mit trefflicen
Karten ausgeitattete ⸗Jahrbuch des Schweizer Wlpen-
fiub3« (Bern 1864 ff.), ferner die Zeitſchrift »Ulpina«
und fiir die romanijdjen Geftionen das »L'Echo des
Alpes« (Genf 1870 ff.). Bal. Buk, Die erjten 25 Jahre
de3 Schweiger Alpenklubs (Glar. 1890). Der 1863
eqriindete Club Alpino Italiano mit 5200 Mitglie-
in 34 Geftionen verfolgt die naturwiſſenſchaft⸗
lide und touriftijde Erforjdung der Alpen wie aud
de3 Upennin. Er hat 68 Schutzhütten erridtet und
ab in Turin heraus: »Bolletino del Club Alpino
taliano« (1865—84, 18 Bde.), »L’Alpinista« (1874
bis 1875, 2 Bde.) und feit 1882 die » Rivista mensile-.
Der Deutſche Alpenverein wurde 1869 in Miin-
chen gegriindet, 1874 trat ibm ber Oſterreichiſche Ul-
penverem als Seftion bei, worauf der Gejamtverein
den Namen Deutſcher und Ofterreidifder Al—
penverein annahm. Diefer mächtige Verein zählte
1902 in 276 Seftionen 52,089 Mitglieder, nämlich
76 Proz. deutſche und 24 Proz. öſterreichiſche. Davon
entfielen auf Minden 3520, Berlin 2420, auf die
Uujtria in Wien 2306, Niirnberg 1427, Sdwaben
373
1489, auf Leipzig 1080 und Dresden 1050 Mitglie-
der. Jn Stiidten mit Hochſchulen find bejondere afa-
demiſche Seftionen ded Vereins entitanden, fo im
Bien, Graz, Minden, Berlin, Leipzig, Dresden.
Das Vereinsvermigen betrigt 100,000 Me, aufer
dem Wert einer umfangreiden, 1900 von R. Rickmers
geidhentten alpinen Sentralbibliothef (in Min:
chen), die Summe der jährlichen Ausgaben beläuft
ſich auf etwa 820,000 Wt. Die Tätigkeit de3 Vereins
ijt eine literariſche und eine praktiſche. Die erjtere
Richtung pflegt der Verein durch feine » Zeitidrift«
(jeit 1869, von 1885 ab in Jahresbänden) und die
Mitteilungen des Deutſchen und Oſterreichiſchen Al—
penvereins· (ſeit 1875, von 1885 ab in halbmonat⸗
lichen Nummern). Während die Reitidrift vornehm-
lid) die populär-wiſſenſchaftliche Richtung fultiviert
und entiprechende Kunjtbeilagen (Rarten, Banoramen,
Unfidten) gibt, dienen die »Mitteilungen« mehr dem
eigentliden VereinSleben und der praftijden Tätig—
fett. Als ſelbſtändige Werke gab er heraus: die von
Gonflar, Giimbel, Hann, Dalla Torre und Rane
bearbeitete »>Unleitung gu wiffenfdaftliden Beobach⸗
— auf Alpenreiſen⸗ (1879-—81, 5 Tle.), einen
eUtlas der AUlpenfloras (500 Blatter, gemalt von
Hartinger, Tert von Dalla Torre, Wien, 2. Aufl.),
» Die Erſchließung der Ojtalpen« (redigiert von Rid:
ter, 1894, 3 Bde.), zwei wiſſenſchaftliche Ergänzungs⸗
hefte über Gletſcherſtudien, den Wlpenvereinsfalender
von J. Emmer. Aus feiner wiffenidaftliden Tatig-
feit find hervorsubeben die topographifden Aufnah—
men der BerdteSqadener Ulpen, der Rarwendel-,
Ortler-, Ferwall-, Optaler-, Rofengarten- und Ada⸗
mellogruppe (1902), ferner gablreiche Gletiderver-
meffungen und die Erridtung und Subvention der
meteorologifden Hodjtationen am Sonn—
blidgipfel (8095 m) und auf der Zugſpitze (2984 m).
Die wiſſenſchaftlichen Unternehmungen des Vereins
unter einem dazu eingeſetzten wiſſenſchaftlichen Beirale
namhafter Gelehrter erſtrecken ſich auf topographiſche
und geologiſche Kartenarbeiten, auf Gletſcherforſchun⸗
gen, Fluß- und Seeſtudien, Pflege vollstümlicher unt
mundartlicher Forſchungen x. Er hat eine Reihe von
en gebabnt, in neueſter Beit befonders alpine
Höhenwege fiir bequeme und ausgedehnte Grat-
wanberungen. —— die neueſten in Höhen
über 3000 m, beſitzt Der Verein 205, davon 125 be⸗
wirtidaftete, die itbrigen verproviantierte. An allen
ijt dad Vereinsſchloß mit gleichem Hüttenſchlüſſel an-
gebradt, Den jedes Mitglied erwerben fann. Dieſe
Schutzhütten find rot eingedrudt in den zwei Blatt Djt-
alpenfarte von &. Ravenjtein, die der Berein 1900
und 1901 ee alg Schutzhüttenkarte. 1209
Führer find auf Gutadten des Vereins von den Be-
borden autorijiert worden; der Verein hat cine jept
muſtergültig ausgebildete Führerunterſtützungskaſſe
(Bermoögen 159,000 Me.) gegründet. Ferner gründete
und unlerhält der Verein Führerlehrkurſe; nad
den Kurſen der Sektionen Innsbruck, Bozen, Salzburg
und Villach erhielten bei der Schlußprüfung unter
Vorſitz de3 Zentralpriifidenten 1900: 78, 1901: 90
Führer das Diplom des Vereing. Er veranlafte ferner
die Einrichtung von 533 Studentenberbergen in
Gebirgsgaſthöfen an 412 Orten. Zuſchüſſe werden fer-
ner fiir Aufforſtungen und dem in engem Anſchluß an
ben Berein gegriindeten Verein gum Suge der
UWlpenpflanjen und fiir die zwei im Gſchnitztal und
am Sdaden angelegten Verfudsgarten —
Durch ſeine literariſchen Organe fordert der Verein
die alpinen Rettungsausſchüſſe, die ſich bei
374
ſtändige Bereine feit 1898 in Wien, Salzburg, Inns—
brud, Miinden und Kempten gebildet haben, und
denen zahlreiche Seftionen des Vereins als Stationen
beigetreten find. Bei ihnen wie bei allen alpinen BVer-
einen wurde auf Vorſchlag des Alpine Club das inter-
nationale alpine Rettungsfignal eingefiihrt
Ne hors oder ſichtbare Zeichen in einer Minute als
iljeruf). Der alpine Sfifport hat fic durch För— |
derung des Vereins, der aud) Ulpenfilhrer im Sfi-
laufen unterridten läßt (1902 in zwei Skilurſen in
Gajtein und St. Unton 22 Führer), fo ausgebildet, daß
er in den Voralpen, z. B. in Steiermarf, anfingt, gum
VollSsbefis gu werden, und dak auch in den Hodjalpen
ſchon Sfitouren auf Monte Rofa (4638 m), Cevedale
dag m) und Grokvenediger (3660 m) gu verzeichnen
ind. Der Verein befdhict die internationalen al pi-
nen Rongreffe, zuletzt 1900 in Paris (erjter Grejjo- | Gemeinden
nat) 1877, sweiter Genf 1879, dritter Salsburg 1882,
vierter Turin 1885). Für die Durd) Hodwajfer in
den Ulpen Geſchädigten fammelte er 1882: 154,935
Gulden und 1899: 43,263 Mart. — Bal. » Reitidrift
des Deutiden und Hjterreidifden Alpenvereins«,
ane ang 1894, Feſtſchrift sur Feier des Bjahrigen
Be tebens des Vereins; ſie enthalt die Geſchichte der
wiſſenſchaftlichen Erforſchung der Oſtalpen ſeit Be—
riindung des Vereins von E. Richter, ferner die Ge-
—5*— des Alpinismus von L. Purtſcheller und die
Gejdhidte des Vereins von J. Emmer, eine Überſicht
und Befdreibung der Schutzhütten x. ; vgl. ferner die
Jubiläumsfeſtſchriften der älteſten Geftionen, 3. B.
Leipzig, 1894.
Bon dem 1869 gegriindeten ſterreichiſchen Tou-
rijtenflub (1901: 9073 Mitglieder) in Wien (ſ. Tou-
— pic ſich 1878 der ⸗Alpenklub Ojter-
reidj«, nun Ojterreidhifder Ulpentlub genannt,
ab, der 650 Mitglieder zählt (Organ: »Oſterreichiſche
WUlpengeitung«) und dret Schutzhütten befist. An
Frankreich bildete ſich 1874 gu Baris der Club al-
pin francais, der in 52 Geftionen 6300 Mitglieder
zählt, 25 Unterfunfishaiufer und Schutzhütten errid-
tet hat, ein »Annuairee und feit 1882 ein » Bulletin
mensuel« veröffentlicht und fid) mit der Montblanc:
ruppe und den Wejtalpen, bejonders aber mit den
renäen beſchäftigt, von denen er (jeit 1882) eine
Karte Herausgibt. A. von geringerm Umfang find der
Steiriſche Gebirgsverein (1868), die Societa degli
Alpinisti Tridentini (1872), die Société des Tou-
ristes dn Dauphiné (1875), die Societa alpina Friu-
lana (1881), der Club alpin Belge (1883), die So-
cieté alpina delle Giulie (1883), der Club alpino
Ticinese (1886), der Niederöſterreichiſche Gebirgs-
verein (1890), der Slowenifde Ulpenverein, der Une |
gariicie Rarpathenverein, der Wiener wi a
und, der Club alpin Russe (Mostau 1901). i⸗
tered über derartige Tourijtenvereine ſ. d.
Alpenweihe, |. Adcerkulte.
Alpenwirtſchaft SSennenwirtſchaft, Sen—
nerei), die Viehwirtſchaft auf den Hochgebirgsweiden
und die damit verbundene Berarbeitung der Mild
auf Käſe, Sieger, Milchzucker, feltener auf Butter. |
A. findet fich in den Schweizer, Deutſchen, Ofterreidi-
ſchen und Franzöſiſchen Ulpen, in den Upenninen, Py⸗
auffahrt geſchieht Ende Mars auf die Niederalmen
(Borfajfen, Frith oder Voralmen), gegen Mitte
Juni auf die Mitteralmen und mit dem Jungvieh im
Juli auf die Hodalmen, von denen dann, je nad
der Witterung, gegen Ende September die Riidfehr wirtſchaft in der Schweis (Fitri 1884) ; » Ulpwirtidaft-
Alpenweihe — Alpemvirtichaft.
{lberhandnahme der alpinen Unglüdsfälle als felb- |
erfolgt, bid die Borboten des Winters sur Heimlehr
(Ulpabfahrt) zwingen. Die ſchroffſten und höchſt-
qelegenen Alpen (Sdhafalmen, Schafberge) wer-
den von Schafen und Biegen, minder ſchroffe von
Ochſen, Galttiihen, Aufzuchtrindern, Pferden (Galt-
almen, Stieralpen, Guſtiberge) und die zu—
gänglichſten von Kühen (Ruhalimen, Mell-,Senn-
alpen) beweidet. Auf Revieren, zu denen kein Tier
mehr vordringt, den Bergmähdern (Alpmäh—
dern, Grasboden) und Hochmähdern, gewin—
nen verwegene Alpler oft nur alle 3—4 Jahre em
aromatijdes Heu (Wildheu), das fic, in Tiicher ge
jtopft, auf Dem Ropfe heimtragen. Uberdies werden
eingezäunte Wiefenfladen (Wimanger) neben den
Ulmbhiitten einmal gemaht und dann abgeweidet.
Hinjidtlid) des Befigtitels unterſcheidet man Ge⸗
meindealpen (Ulmenden), Staatsalpen, die an
i oder Einzelne verpadtet werden, und
Private oder Herrenalpen. Erſtere iiberwiegen
in der weſtlichen, leftere in der öſtlichen Schweiz, tn
Tirol, ———— Steiermark. Auf den Gemeinde⸗
alpen iſt jeder eindebürger zur Auftrift einer be⸗
ſtimmten Menge von Rind- oder Kleinvieh berech⸗
tigt. Die Privalalpen (meiſt Eigentum von Spitalern,
Klöſtern, Privatperſonen ꝛc.) werden an Sennen,
die nur Vieh, aber feinen Alpengrund beſitzen, gegen
Bins (Alpenzins, Ulpengeld) zur gurtg
iiberfajjen. Grofe Alpen von mehreren hundert Std-
fen (fj. unten) werden meijt von mebreren Gennen
in Pacht genonunen. Ganze Gemeinden nehmen emen
Senn auf, der jedem eingelnen Cigentiimer der ge-
meinjamen Herde den ihm zulommenden Anteil von
Butter und Käſe 2. iiberliefert. In den Tiroler und
Bayrifden Alpen werden Wartung der Herde und
Gewinnung und BVerarbeitung ihrer Produfte meiſt
von einer Magd, der Sennerin(Sentrin, Schwag⸗
rin), beforgt. Treibt eine ganze Gemeinde zahlreiches
Vieh auf die Alp, fo ijt ein Käſemeiſter mit der
Aufſicht über mehrere Sennen betraut.
Der Ertrag der Mellfiihe auf den Ulpen ijt nicht
höher als bet Stallfittterung im Tale. Die bejten
Schweizerkühe, 3. B. tm Saanenland, geben zur Zeit,
wo fie am milchreichſten find, taglic 18—20 kg
Wild, im Mittel rechnet man jedod) nur 14—15 kg
Mild des Tages in den 16—18 Wochen der Alpfahrt.
Da die oe iſſe mander Alpen neuerdings juriid-
qegangen find, fo hat man alpenwirt{[daftlide
Verfudsitationen errictet, um rationelle Bear-
bettung und Diingung, beſſern Betrieb, geregelteres
Beweiden u. dgl. m. einzuführen. Genolten dhaft-
lide Bewirtſchaftung und Fabrifation der Mild-
produfte auf gemeinjame Rechnung verbreiten ſich
mehr und mehr. — Als ECinheit des Flidenmafes
der Ulpen gilt cin Stück Weide, auf dem eine Kuh ge-
ſommert werden fann (Ruh re dt). Dasfelbe ſchwankt
| von 40 Yr bis 2 Heftar, je nach der Höhe der Lage,
und betriigt im Durdjdnitt 1,3 Heftar. Das Korrelat
des Muhredts (Nuh gras, Grasredt) ijt der Stok,
d. h. die Viehzahl, die auf ein Ruhrecht qeweidet were
den fann. Es fommt nämlich auf 1 Stoß 1 Rub, auf
1 Bferd von 1, 2 oder 3 Qabren kommen 1, 2 oder
3 Stife, auf 3 Rinder 2 Stöße, auf 1 Kalb Vs, auf
| 1 Schwein 4, auf 1 Biege oder 1 Schaf Vs Stof.
renden und den flandinavifden Gebirgen. Die Alp⸗
Val. Schatzmann, Schweizeriſche A. (Aarau 1859
bis 1866, 7 Hefte); Derſelbe, Alpwirtſchaftliche Bolls-
ſchriften (2. Ausg. 1887); »Die A. der Schweiz⸗, Hrsg.
vom fdweijer. Statijt. Bureau (Bern 1868); Under-
Statijtijdher Utlas über die Viehzucht und Milch⸗
Alpenwolf — Alpini.
lide Monatsblatter«, hr3g. von Schatzmann (Warau
1866—86, fortgejept von Stritby); »Landwirtidaft-
liches Jahrbuch der Schweiz⸗ (Bern, feit 1887);
Schweizeriſche Ulpjtatijtit<, hrsg. vom ſchweizeriſchen
Alpwirtſchaftlichen Verein (Soloth. 1895 f7.); An—
deregg, Illuſtriertes Lehrbud fiir die qejamte ſchwei⸗
gerne Alpwirtſchaft (Bern 1898, 8 Tle.); Rlenge,
im Fürſtentum Liedtenjtein (Stuttg. 1870); »Die
in Kärnten · ¶ Klagenf. 1873—91, 2 Tle); Bildens,
Die A. der Schweiz, des Algäus und der wejtijterrei-
chiſchen Alpenländer (Wien 1874); ⸗Muſterpläne fiir
landwirtſchaftliche Bauten im Tirol« (daj. 1887);
v. Weinzierl, Der alpine Verſuchsgarten auf der
BVorder-Sandlingalpe bei Auſſee (3 Tle., Berl. 1893,
Wien 1896 u. 1902); v. Miastowfli, Die Verfaf-
fung der Land-, Ulpen- und Forſtwirtſchaft der deut-
ſchen Schweiz (Bafel 1878); Stebler u. Schröter,
Die Ulpenfutterpflanzen (Vern 1889); Briot, Les
Alpes frangaises (Nancy 1896).
[penwolf, j. Dund.
Alpenging , ſ. Alpenwirtſchaft.
Alpes (franj., fpr. alp’), Rame dreier franzöſiſcher
Departements: Basses-A. (Niederalpen), Hautes-
A. (Dberalpen), A.-Maritimes (Geealpen); f. die
Deutiden Namen.
Al Pome wu (eo Stan am —— von
al peso, na icht (im Münz ; vgl. Al marco,
Wipfuk, . Drudenfus
Tu :
Alpha, griech. Buchſtabe (A, a); W. und Omega
(UW. und ©), der erjte und der lepte Buchſtabe ded
griechiſchen Alphabets, daber ſinnbildlich Anfang und
Ende, in der Offenbarung Johannis der Ewige (vgl.
»A⸗, Seite 1).
Alphabẽt (von Alpha und Beta, den zwei erſten
ried). Buchſtaben), Bezeichnung der Geſamtheit der
—E einer —* d. h. ſowohl der Laute als
ber Zeichen, nach ihrer herlömmlichen Reihenfolge, zu
deuiſch: UBC. Vol. Schrift. — Das mulitalide
U. ift Die Reihe der sur Bezeichnung der fieben Stamm⸗
tine gebraudliden Buchſtaben (in Deutſchland und
Nordeuropa): c, d, e, f, & a, h. Frankreich, Ita⸗
lien und den ſüdlichen Landern Europas iſt das A.
ben von der Solmifation berriibrenden Silbennamen:
ut (do), re, mi, fa, sol, la, si fiir bie Tine gewiden,
und nur die Schlüſſel ((4 = g*, D: = f, ||3 = )
bewabren dort nod) die Erinnerung an das A. Bal.
»A« (S. 2 dieſes Banded). — Naturhijtorijde,
techniſche x. Ulphabete find Zuſammenſetzungen
von naturhijtorijden oder tedynifdjen Figuren ju Bud-
ſtaben, als Lernſpiele fiir Kinder.
Alpha d gig eng bry f. »A« (Seite 1).
Alphard, der Stern a (zweiter Gripe) in der
—
lpharts Tob (pr. alp-hart), deutſches Heldenge⸗
dicht Des 13. Jahrh. aus dem Kreiſe der Dietrichſage.
Es erzählt in der Form der Ribelungenjtrophe, wie
der funge Ulphart im Kriege zwiſchen Dietrid) und
feinem Obeim Ermenrich durch die treulofen Helden
Heime und Wittich jeinen Tod findet. A. wurde ju-
erft vom v. d. Hagen (1811), dann von Martin (Berl.
1866) fowie in neuhochdeuiſcher Überſetzung von Sim-
rod (3. Aufl., Stuttg. 1874) und in Neubearbeitun
von Klee (Giitersl. 1880) herausgegeben. Bal. E.
Kettner, Unterjudungen über A. (Mühlhauſ. 1891).
heios, Hauptfluß des Peloponnes, jest in
jeinem Unterlaufe Rup hias genannt, ent{pringt nad
Anſicht der Ulten auf dem Parnongebirge (jest Ma-
fevo) fiidlid) von Tegea und fliekt in die Ebene von
375
Tegea hinab, wo er ſich jest norddjtlid) wendet und
am Südfuß de3 Barthenion in einer Ratavothre ver-
ſchwindet, wibrend er früher eine nordwejtlide Rich—
tung nahm und ant djtliden Fuge des ———
ges unter der Erde verfdwand. Yin öſtlichen Rande
er Ebene von Ujea bricht wiederum Waſſer hervor
(Die heutige Wipheiosquelle) und bildet nun einen
nicht mehr unterbrodenen Strom, der fich zuerſt ſüd⸗
wejtwirts in die Ebene von Megalopolis wendet, diefe
in nordwejtlider Ridtung durchfließt und bei Heräa
cinen wejtliden Lauf annimmt, um fich unterbalb
Olympia in das Sifelijde Meer gu ergießen. Unter
feinen Nebenflüſſen ijt der rechts mündende Ladon
(der cigentlide heutige Ruphias) der bedeutend|te.
Alpheios, der Gott de3 durd Urfadien und Elis
fliefenden Fluſſes A., welder, von Liebe gu Urtemis
oder deren Nymphe Urethufa entbrannt, diejelbe unter
dem Deere bis auf die Ynfel Ortygia im Hafen von
Syrafus verfolgte.
hen, Dicrony mus van, niederlind. Didter,
eb. 8. Uug. 1746 in Gouda, gejt. 2. Wpril 1803 im
06 , war zugleich Theolog, Juriſt und Hijtorifer,
wurde 1780 Generalprofurator beim Utrechter Gee
Pat rl dann Penjiondr der Stadt Leiden und 1793
Großſchatzmeiſter der niederlindifden Union. Nad
ber franzoͤſiſchen Invaſion 1795 ſeines Amtes entſetzt,
lebte ex als Privatmann im Haag. Er ſchrieb meiſt geiſt⸗
liche Dichtungen, am belannteſten machten ihn aber
ſeine ⸗Kleine gedigten voor kinderen« (1778—82;
deutid von Wbel, Berl. 1856), eine Meijteritiide
findlid)-naiver Darjtellung. Cine Gejamtausgabe
feiner »Dichtwerken« mit et He veranjtaltete
Nepvert (Ute. 1838—-39, 3 Bde. ; YUusg. in 1 Bd. 1871).
{. Roenen, Hieronymus van A. (Amſterd. 1844).
Iphita, |. Bolenta.
Alphons, ſ. Ulfons.
Mlphonfe (franj., fpr. alfongp’), Ulfons; in Karis,
wie Adolphe (in Berlin Louis), foviel wie Zuhälter.
Alphorn (Wipenhorn), ein primitives, 1,5—
18m flanges Blasinjtrument, aus Holsdauben ju-
fammengefligt, deſſen fid) die Hirten in den Alpen
bebienen.
Al piacere (ital., fpr. -t@ére), ſ. A piacere.
Alpin, ju der Ulpen gehörig, dort vorfommend,
alpenhaft. Wlpiniftif (rang alpinisme), Alpen⸗
tunde, insbeſ. mit Beans auf Beſteigung (daber Al⸗
piniſt, Alpenlenner, Vergiteiger).
Alpines pr. ꝓin), Berglette im biey 7
Rhinemiindungen, zwiſchen Durance und?
reicht 492 m Hoͤhe und befteht aus weißem Kallſtein,
deſſen Weidhheit sur Unlage von Fels: und Höhlen—
wohnungen veranlafte (j. Baur).
Alpini, Rrofper (gewöhnlich Ulpinus), Bo-
tanifer, geb. 23. Nov. 1553 in Marojtica bei Venedig,
get. 5. Febr. 1617 in Padua, ging als Arzt 1580
nad) Kairo, wurde 1584 Marinearzt auf der Flotte
des Undreas Doria, ſpäter Profeſſor der Botanif in
Padua. Er beſchrieb in jeinem Werf »De plantis
Aegypti« (Pad. 1592, 2. Aufl. 1640, mit Holzſchnit⸗
ten) iiber 50 damals unbefannte Pflanzen und gab
die erjten genauern Nachrichten über den Kaffeebaum.
Uuerdem fdrieb er: »De plantis exoticis« (hrsg.
von feinem Gobn, Bened. 1627); »Historia natura-
lis Aegypti« (eid. 1735, 2 Bde.); »De medicina
Aegyptiorume (Bened. 1591, Bar. 1645, Letd. 1745);
»De p ienda vita et morte aegrotantium<
(Pad. 1601; hrsg. von Boerhaave, Leid. 1710); »De
medicina methodica« (Pad. 1611). »Opera post-
huma« (eid. 1735, 2 Bde.).
Depart.
hone, er⸗
376
Alpinia L., Gattung der Zingiberazeen, nad dem
italiemijden Botanifer Proſper Alpini benannt, Stau-
den mit frolligem Wurjeljtod, gangrandigen Blattern, |
endjtindigem Bliitenjtand auy laubtragendem Sten- |
gel und a ag Frucht. 40 Arten im tropifden
und jubtropijden Aſien, Uujtralien und auf den In—
feln des Stillen Ozeans. A. Galanga Wilid., auf
den Sundainfeln, liefert die —— wertvolle große
Galgantwurzel, die feltener nad Europa kommt. A.
officinarum Hance, auf der Inſel Hainan, hauptſäch⸗
lid) aber auf der zunächſt gegeniiberliegenden Halb-
injel Lei-tidou und in Siam angebaut, liefert die
Walgantwurgel. Sie befteht aus etwa 7—10 cm |
langen, bis 2 cm diden, tnieformig gebogenen Rhi-
omen, ijt braunrot, riedjt angenehm gewürzhaft,
— brennend ſcharf, ingwerartig und enthält
Kümpferid, Galangin, Alpinin u. ätheriſches OL. Sie
wird als aromatiſches Mittel, zu Likören, Eſſigen 2.,
benutzt und fam wohl durch die Uraber des frühen
Wittelalters nad Europa. A. nutans Rosc., aus Oſt⸗
indien, mit 4 m hohem Stengel, ſchönen gelbliden,
purpur und braun gezeichneten Bliiten in fublanger,
aa Traube, wird in Warmhäuſern fultiviert.
(pintftif, ſ. Alpin.
Alpirobach, Stadt im wiirttemberg. Schwarz—
waldfrei8, Oberamt Oberndorf, an der Kinzig, im
Schwarzwald und an der Staatsbahnlinie Hodjdorf -
Schiltach, 435 m ii. M., hat eine evangeliſche und eine
romanifde fath. Kirche (1095 gegriindet, gum ebema-
ligen Benediftinerflojter gehirig), altes Schloß, Uhren⸗
fabvifation, Siegelbrenneret und (i900) 1385 Cinw.
In Der Nähe der Luftturort Rraibenbad. Val. Glag,
Geſchichte des Kloſters A. (Stragb. 1877).
(pfraut, ſ. Eupatorium.
Alpuach, Gemeinde im ſchweizer. anton Unter: |
walden, mit (900) 1786 Cinw., liegt, 466 m ii. M.,
in Der Nabe einer gleidmamigen Bucht de3 Vierwald-
ſtätterſees und ijt etne beſuchte Dampferjtation. Das
unmittelbar am Gee liegende Ulpnadftad (Geftad)
ijt Uusgangsjtation der Pilatus - und Briinigbahn.
tpranfe, ſ. Solanum.
Alpujarrags (jpr. arras), romantifdes Bergland
an der Siidfeite Der Hauptfette der Sierra Nevada in
Siidfpanien, das von zaählreichen üppigen Tälern
durchzogen wird. Man unterfdeidet die weftliden
oder Hoben A. swifden Dem Hauptgebirge und den
beiden längſten Sefundarfetten, und die bit liden A.,
welde den Sildabhang der djtliden Gebirgshälfte
umfaſſen und fic) in die weiten Baſſins von Ugijar
und Canjayar herabjenfen. Die Tiler der A. zeichnen
ſich saben aug, dah fie in ihrem oberjten Teil am
weitejten jind und, je weiter fie fid) von der Haupt-
fette entfernen, deſto enger und unzugänglicher wer:
den. Vile endigen nad oben gu in teils fiachen, teils
von Felfenmauern umgürteten Alpenmulden mit zahl⸗
lofen Quellen. Solche Weiden und Matten heißen
Vorrequiles (d. h. Weideplage fiir Lammer). Hod
oben betinden fic), namentlid) an den ſüdlichen Ge—
hangen, tiefe, flare Ulpenfeen in einer Höhe von ca.
3000 m. Die Vegetation der A. ſteigt von bier aus
den alpinen Formen durd alle Stufen und Klimate
bis zum tropifden Geſtade, wo in einem wabrbaft
afrifanifden Rlona alle Friichte des Südens, felbjt
Dattelpatmen und Buderrobr, gedeihen. Unter den
Vewohnern der A., die fic unit Schafzucht, BWein-
und Fruchtbau fowie in der Sierra de Gador mit
Bergbau befdaftigen, finden fic) nod) Nadfonunen
von Wauren. Wud) der Name UW. (al Buscherat,
»Wrasplag«) ftammt aus der maurifden Beit.
Alpinia — Alſen.
Alpzopf, j. Wp. |
Alqucire (pr. altére), in Portugal bis 1868 und
in Brajilien bis 1873 Hohlmaß fiir trodne Dinge,
= 4 Fanga = 8 Dutavas: in Lijjabon — 13,941 Lit.,
in Borto = 17,465 L.; in Rio de Janeiro friiber —
40 &. gerednet, in Bahia fiir Getreide, Mehl und
Sal; = 0,008 engl. Buſhels; in Bard fiir Reis — 40
Urratets oder 18,359 kg, fiir Sal; — 80 Urrateis.
Mlquifoug (franj., for. -tya; arab. Wiquifus
Töpfer-, Glajurer3), Bleiglanz oder ein bei deſſen
Verbhiittung entfallendes, aus Bleioryd, Bleiglany
und Silifaten bejtehendes Broduft, dient zur Glafur
geringer Töpferwaren.
Wlraun (althodd. alrina, v. got. rina, Gebeim-
nis), in der dDeutiden Mythologie ein weisſagender
dämoniſcher Geijt, dann cin flees, halbteufliſches
Wejen in Menfdengejtalt, welded den Beſitzer reich
maden follte (aud Galgenmännlein genannt).
Mit A. bezeidhnete man dann aud die Wurzel, aus
der man Den A. follte ſchneiden fonnen; f. —
Alraun, ſ. Mandragora; wilder WL, jf. Allium
Alsatia, latinijierter Name de3 Elſaß (fran;.
Alsace).
Alsbachit, cin zuerſt von Alsbach am Melibofus
befdriebener, gangfirmig im Granit auftretender
Granitporphyr mit ſpärlichen Einſprenglingen von
Ouar;, Feldſpat, Biotit und Granat, gum Feit dem
Aplit ähnlich.
Alsdorf, Dorf im preuß. Regbez. und Landkreis
Aachen, an der Staatsbahnlinie Stolberg-Herjogen:
rath, bat eine fath. Kirche, Steinfobhlenbergbau und
(1900) 3730 Einw.
Alſe (Aloſe, Alosa Cuv.), Gattung der Heringe
(Clupeidae), Fiſche mit ſeitlich gufammengedriidtent
Leib und ſägeförmig gezähnelter Baudfante. Der
Maifiſch (Mutterhering, A is Cuv.), ũber
60 cm lang, 2,5 kg ſchwer, auf dem Rücken metalliſch
glänzend olivengriin, an den Seiten goldglänzend, mit
dunklem Sdulterflec, lebt in den europaijden Meeren
von 62° ndrdl. Br. bis gum Mittelmeer in ziemlicher
Tiefe, wandert im Frühjahr in die Flüſſe, wm zu
laichen, fehrt aber bald zurück, wahrend die Jungen
erjt tm nächſten Jahr auswandern. Man fingt ihn
mit Angeln, Neen und Reuſen, bejonders an den
Miindungen groperer Flüſſe, wohin er in großen
Scaren geht. Sein Fleiſch wird dem des Salms am
nadjter geſchätzt. Er wird aud eingefalyen (Spanien,
Portugal, Ralien). Der Shadfiſch (A. sapidissima
Wils., j. Tafel ⸗Künſtliche Fiſchzucht I<, Fig. 5),
vielleicht eine Barietat der A., lebt an der Küſte des
nordöſtlichen Nordamerifa und wird auf feinen Zügen
in Die Flüſſe maffenhaft gefangen. Iſt feit 1867 durch
die künſtliche Fiſchzucht weit verbrettet worden. Bon
ähnlicher Wichtigleit fiir die oftindijden Gewäſſer ijt
A. toli Cuv. Die Finte (A. Finta Cue.), 45 em
fang, 1 kg ſchwer, dem Maifiſch fehr ähnlich, aber
an der Seite gefledt, tebt in denfelben Meeren wie
der Maifiſch, ſteigt aber erjt im Juni in die Flüſſe;
ihr Fleiſch ijt nicht wohlſchmeckend, nur die fleinen um
Conierſee gefangenen (Untefint, erwadhfen Ug oni)
Al secco, }. Secco. [jind febr difst.
Al segno (ital.), ſ. Segno.
Alfew (dan. Als), Inſel an der Ojifiijte Schles
wigs (f. Karte » Schleswig - Holjtein«), vom Feftland
(Halbinfel Gundewitt) durd) den Alſenſund ge-
trennt, Der 19 km lang, im nördlichen Feil faſt 4 km
breit, im fiidlichen febr ſchmal tft, cine Tiefe bis 21 m
hat und bet Sonderburg von einer Sciffbriide über⸗
ſchritten wird. Die ynfel gebort sum Kreiſe Sonder-
Alſengemmen — Alt.
burg des preußiſchen Regierungsbezirls Schleswig und
zählt auf 312 qkm (5,67 OW?) etwa 25,000 Einw.,
Die meiſt däniſch fprechen. Gie ijt fehr fruchtbar und
reid) an Waldungen. Die Mitte des Landes zeigt
eine Reibe flacher Hiigel ; der höchſte Punkt, der Hiigel-
berg, erreiht 81 m Höhe. Jn SW. die Halbinfel
Kekenis mit einem Leuchtturm. Die Hauptorte find:
Norburg (ndrdlide Burg), Sonderburg (ſüdliche
Burg), mit mehreren Forts, und Auguſtenburg. —
1864 wurde das von 9000 Dänen unter Steinmann
befeste UW. nad) dem uͤbergang der Preußen unter
Herwarth von Bittenfeld über den Sund 29. Juni
erobert, womit der deutſch⸗ däniſche Krieg fein Ende
erreichte. Seit 1870 ijt A. mit Verteidigungswerlen
verſehen. Bal. ⸗Führer durch A. und Sundewitt«
(Sonderb. 1898).
Alfengemmen, Glaspajten mit eingeritten rohen
Figuren, von denen das erjte Eremplar auf Alſen, | fi
weitere zwiſchen Riederrhein und Riederelbe als
Sanu von Kirdhengeriten, Meßbüchern, Votivgaben
u. dgl., aud) vereingelt im Erdboden gefunden wurden.
Der meiſt blaue oder grünliche Glasfluß beſteht in der
Regel aus einer hellern und ciner dunflern Sdidt.
Man vernurtete in ihnen die fogen. Gieqesfteine
der Edda (in der Wielandfage), betradtet fte aber jest
al8 Produkte der chriſtlichen Kunſt; Bartels Halt die
Figuren der U. fiir Nachahmungen antifer ſter
aus dem 7.—9. Jahrh. Bal. Friedrich, Die alt-
deutſchen Gläſer (Niirnb. 1884).
Alſenz, Dorf im bayr. Regbez. Pfalz, Bezirk Roden-
haujen, am Flu UW. (zur Nahe) und der Alſenzbahn
(Linie Hodfpeyer-Miinfter am Stein), mit evang.
Kirche, Steinbriiden, Weinban und (1900) 2066 Einw.
Alsfeld, Kreisſtadt in der heſſ. Provinz Ober-
hejjen, an der Schwalm und der Linie Gießen-Fulda
der Preußiſchen Staatsbahn, hat 2 —* che und eine
fath. Kirche, Synagoge, Realſchule, Ackerbauſchule,
—— 2Oberförſtereien, Reichsbanknebenſtelle,
Möðbel⸗, Tabat- und Leinenfabrifation, Holzſchneide⸗
rei und (1900) 4364 meijt evang. Einwobner.
Alſinoideen, Unterfamilie der Karyophyllazeen
Wisleben, Stadt im preup. Regbez. Merjebur
Seefreis Mansfeld, an der Saale, hat 2 evangelif
und eine fath. Rirde, Schifferidule, ———
Zuckerfabrit, Mälzerei, Schiffbau, Schiffahrt und (see)
4002 meiſt evang. Einwohner. Die Domlirche ju
St. Johannes dem Täufer, jest Ruine, wurde 979
famt einem Jungfrauenſtift gegründet, das 1448 in
ein UWuguitiner-Chorbherrenjtift umgewandelt und
1561 aufgeboben wurde. — A., ſchon 961 erwähnt,
war Hauptort einer Grafſchaft, die 1130 an dad Er}:
ſtift —— fiel.
WMlsnd-Stadgan, wichtige ſchwediſche Staats-
urkunde, die König Magnus Laduläs im Mai 1279 in
Ubereinjtimnumg mit dent Herrentag auf der Mälar⸗
infel Alsnö erliek. Sie fegte fiir Landfriedensbrud,
Bauernbedriidung xc. ſchwere Strafen fowie fiir die-
jenigen, die fich zum Reiterdienſt verpflidteten, Steuer-
freiteit fejt und ward dadurd fiir die Entitehung des
ſchwediſchen Adels von größter Bedeutung.
Alſoͤ (ungar., fpr. auſcho) in zuſammiengeſetzten
Ortsnamen bedeutet »Unter⸗⸗, z. B. Alſo-Feher,
Unterweißenburg; AlſoKubin, Unter-Kubin.
Mlfol, eſſigweinſaure Tonerde, bildet farbloſe,
amorphe, durchſcheinende, ſchwach nad Eſſigſäure
riechende, ſäuerlich und zuſammenziehend ſchmeckende
Blätichen, die ſich leicht in faltem ſſer, nicht in
Ulfohol löſen und als adſtringierendes und antifep-
Alfium, crust. Stadt, j. Bato 1). (f. B.).
e
ſchaft der Geejtlande, an der
377
tiſches Mittel, als Mund- und Gurgelwafjer, auc
gegen Frojtheulen benutzt werden.
Alsophila R. Br., Sarngattung aus der Familie
der Cyatheazeen, ca. 70 Yirten von Baumfarnen de3
tropijden Umerifa und Wjiens, mit palmenähnlichen
Stämmen und einer Krone mehrfach gefiederter Wedel.
Mehrere Urten werden in Gewächshäuſern hrltiviert.
Wlftaden, Dorf im preuß. Regbez. Diiffeldorf,
Kreis Mülheim a. Ruhr, an der Rubr, hat ein Sol:
bad, eine Rinderheilanjtalt, Steinfohlengruben und
(1900) 9606 Cinw.
Alfter, Vogel, foviel wie Eljter.
Ulfter, rechter Nebenfluß der Elbe, kommt aus
Holjtein, fließt ſüdlich nach Hamburg, bildet von dem
Vorort Harvejtehude an die feeartige, von Wieſen,
Garten und Villen umgebene Außen-, im Innern der
Stadt das ſchöne Bafjin der Binnenalſter und ergießt
id) in mebhreren Kanälen (Fleeten) in die Elbe. Ihr
auf betragt 52 km, wovon 20 km ſchiffbar find.
Alfterdorf, Dorf in der hamburg. Landherren-
{iter und nördlich bei
— hat große Anſtalten für ſchwache und blöd⸗
innige Kinder und (1900) 2152 Einw.
MlSton (pr. adiet'n), Stadt im O. der engl. Graf—
{daft Cumberland, am South Tyne, in fahler Gegend,
mit ergiebigen Bleiqruben und (1891) 3384 Einw.
Alstonia R. Br., Gattung der Upocynageen, Ge-
hölze mit meiſt wirtelftindigen Blattern, weißen,
meiſt einen Blitten in vielbliitigen quirligen Rijpen
und finealifden Teilfrüchten. 380 Arten in Oftajien
und auf den pazififden Inſeln. A. scholaris R. Br.
(Teufelsbaum), ein Baum in Ojtindien, Wujtra-
lien, Neuguinea, vielleicht aud in Djtafrifa, liefert
die bittere, als Heilmittel gecapte Ditarinde, die
drei Ulfaloide: amorphes Ditamin C,H, NO,, fri
itallifierbares Ditain (Editamin) C,,H,,N,O, und
Editenin CyoH;NOy, enthalt. Aus dem Hol; wer-
den Schreibtafeln fiir Schüler gemacht. A. constricta
F. Miill., in Reufiidwales und Queensland, enthalt
in feiner arzneilich und jum Farben benugten un-
angenehm bittern Rinde drei Witaloide, amorphe3
Utjtonin C,,H,,N,O, und Porphyrin.
Wistonit, Vtineral, Rarbonat von Barium und
Strontium (Ba, Ca)CO,, findet fid) in {pippyranu-
dalen rhombijden Rrifjtallen von heragonalem Wus-
ſehen, farblos, grau, durchſcheinend, fettglanjend,
Harte 4, Tres. Gew. 3,7, gu Wiston und Herham in
England. A. ijt iſomorph mit Wragonit.
Alstroemeria L., nad) dem ſchwed. Botanifer
Alſtrömer (geft. 1794) benannte Gattung der Ama—
ryllidageen, Gewächſe mit sag Wurzeljtod, be-
blattertem Stengel, gedrehten Blattern und ſchön
gezeichneten Bliiten in langen Dolden. 40—50 Ar⸗
ten im tropijden und fubtropijden Amerila; vicle
Bierpflangen, bejonders A. peregrina Pers, (Inta-
Lilie), aus Peru, mit gelblichen, rofenrot gejtriem-
ten, gelb gefledten und braun punftierten Bliiten;
A. aurantiaca D. Don., mit —— rot geſtreiften
Blüten, und A. versicolor H#. et Pav., mit weißlichen
oder gelblidjen, rot gejtreiften Bliiten. Die jtarte-
mehlreichen Wurjelfnollen einiger Urten werden in
der Heimat gegeſſen.
Al Sufi re Aſtronomie. J
Mit (engl. aged, abgekürzt a.) heißt im Rennfport
ein Bferd, fobald e3 mindejtens 7 Jahre alt ijt.
Mit (Ultitimme; ital. Contr'alto [Alto], franz.
Haute-contre, bei lat. Bezeichnung der Stimmen
Altus oder Contratenor), die tiefere Der beiden Ar—
ten der Frauen · und Snabenjtimmen, die den Schwer-
378
puntt im Bruftregifter hat. Zur Zeit der fompligier-
ten Menfuralmujft! wurden die hohen Parte (YW. und
Sopran) von Männern mit Fijtelftimme (alti natu-
rali) oder aber von Majtraten gefungen. Daher ha-
ben bie Disfant- und Altpartien jener Zeit aud) nur
cinen ſehr magigen Umfang nad der Höhe und da-
fiir cinen deſto größern nad) der Tiefe. Der Ror-
malumfang der wirfliden Altſtimme reidt von a,
beim tiefen U. (Rontra-Wit) von f oder e bis e“, f”
(ausnahmsweiſe aud) höher). Hiſtoriſch ijt die Alt—
partie die von den Komponiſten zuletzt eingeführte,
da der normalen Männerſtimme, die den Cantus
firmus (Tenor) vortrug, juerjt eine höhere gegen-
iibergejtellt wurde, die ben Namen Discantus erhielt,
und endlich als dritte ber Dem Disfant geqeniiber-
jtehende Rontratenor gefellt, der bald tiefer, bald
höher als der Tenor lag und fdlieplich ſich in einen
Contratenor bassus (Maj) und Contratenor altus
(Wt) fpaltete. Als im 15. und 16. Jahrh. bei dem
gewaltigen —— der mehrſtimmigen Muſil
der Gebrauch auffam, die Singſtimmen ndtigenfalls
durch Inſtrumente im Unifono ju verſtärken oder
aud) zu erfeger, baute man fajt alle Yrten von In—
jtrumenten in Drei oder vier verſchiedenen Größen,
entfpredjend den vier Stimmagattungen, fo daß man
Disfant-, Wit-, Tenor- und Baßviolen neben der-
gleichen -Bofaunen, ⸗Flöten, -Mrummbornern 2c.
hatte. Bon heute gebraudliden Ordejterinjtrumen-
ten find Ultinftrumente die Ultpofaune (im Verſchwin⸗
den), Ultflarinette, Englifdh-Horn (Wltoboe), die
Bratide (Alto) und in der Militärmuſik das Withorn.
Mit, Fluß, ſ. Aluta.
Alt, Rudolf, Maler, meiſt als Aquarelliſt tätig,
geb. 28. Aug. 1812 in Wien als Sohn des L
jhafts- und Urchitetturmalers Jakob U. (1789 —
1872), befuchte die Alademie der bildenden Künſte in
Bien, wurde durd Fubwanderungen durd die Ge-
biete der öſterreichiſchen Alpenwelt und Norditaliens
ur Landſchaftsmalerei gefiibrt und gab die Cindriide
finer Fabhrien in zahlreichen Uquarellen wieder. Seit
1833 malte er, angeregt durch den Befud Venedigs |
und der benadbarten Stadte, aud) Urditefturitiide, |
die bald feine Spezialität wurden. A. zeigt hobe Be-
gabung fiir die charafterijtijde Auffaſſung der land-
ſchaftlichen Cigentiimlidteiten, die er nad) Der Ber-
ſchiedenheit Der Himmelsſtriche, Luftfirbung, Vege—
tation x. getreu widerſpiegelt. Meiſterhaft ijt auch
ſeine Perſpeltive in den Architelturen, geiſtvoll die
Wahl ihrer volfstiimliden Staffage. Er verweilte in
Rom und Reapel; dann befudte er die Seen der Lom⸗
bardei, Galijien, Böhmen, Dalmatien, Bayern und
wieder mebhrere Male Jtalien, 1863 die Rrim und
1867 Sizilien. Auf demfelben Feld ijt aud fein
jiingerer Bruder, Franz A., geb. 16. Uug. 1821 |
in Wien, tatig. Sein Hauptwerf tit der Syflus »Wien |
einft und jetzi⸗ (im Beſitz des Kaiſers von Öſterreich).
{tain Dola, »Golbdgebirge:, dinef.
Mltai (
Kinſchan), großes Gebirgsfyftem an der ruff--din.
Wrenje (ſ. Karte »entralajiene), das weit in die
Nachbarländer ausqreift, fo mit dem UAlatan (f. d.)
nad) N. bis Tomſt, der nad) O. ftreichende Tannu,
der nad) SO. ziehende Changai, der Eftag A.
oder Grofe A., deffen Fortfegung, der Siidlide
A., unter 101° djtl. L. endigen POL Rad W. ſcheidet
der Artif und der Saiſan-Nor das Wltaifyftem
vom Tarbagatat. Rad O. ſetzt fid) der A. in der
Sajanifden Mette fort. Der eigentliche oder
Rolywanfde W. swifden Artifd und Telezkerſee
und bent in ihn miindenden Tſchulyſchman erreidt
and: | ri
Mit — Altai.
im Bjeluda 3352 m. Die mittlere Hobe sags 7
1600 m, bod) ragen die fpigen, jadigen Höhen
975 m über Die Schneelinie hmaus, die auf der Nord⸗
ſeite in 2047, auf der Siidfeite in 2371 m liegt. Die
geognoſtiſche Bejdaffenheit des Gebirges tit vor-
nehmlich Durd) Humboldt, Rofe und Cotta feſtgeſtellt
worden. Tonfchiefer bildet die größte Maſſe des A.,
dod) fommt im Hodgebirge Granit in großer Aus—⸗
dehnung vor, während diluviale und alluviale Bil-
bungen den Fuß ded A. bedecen. Das gegenſatzreiche
Klima zeigt bei fehr heißen Sommern fehr falte
Winter, und obwohl Buder- und Wajjermelonen
vortrefflid) im Freien gedeihen, gelingt es dod nicht,
irgend einen Objthaum unbefdiipt am Leber ju er-
—— Die Steppenflora reicht bis ju 300 m; die
aldflora (Pappeln, Weiden, Fichten, Riefern, Lar-
den, Birfen) von 300—1200 m. Oberhalb des Wal-
des jteigt Die Ulpenflora am Nordhang bis 1950 m,
am Südhang bis 2250 m. Wan baut am Nordhang
meijt Sommers oder Winterroggen, am Siidbang
meijt Hirfe, —* Hanf. Die Fauna ijt hier und
da nod) reich an Edelhirſchen, Elentieren, ſibiriſchen
Rehen, Wolfen und Füchſen, auf den Höhen findet
ſich mit dem Warder der Zobel; häufig ijt auch der
Bir. Den Reichtum des A. bilden feine Mineral.
ſchätze. Schon das myjteridfe Boll der Tſchuden hat
hier mit fteinernen Geraten Bergbau getrieben. Dann
ſcheint er lange gerubt gu haben, bis 1723 am Roly
wanjee Rupfer entdedt wurde, 1726 der Staatérat
Rifita Demidow fic) die Freiheit der Bergwerle im
U. verleihen lie und 1728 das erjte Rupferbiitten-
wert, Rolywan Sawod, bei dem 1625 m hohen Blau-
b — 1736 wurden bei Smeinogorſt (f. d.)
idje Gold- und Silbererze gefunden, 1746 trat De-
midow feine Gruben und Huͤttenwerle an das kaiſer⸗
liche Haus ab. Diefem gehort jest fajt dad ganze Al⸗
taiſche Berggebiet, aud Kolywan-Woſkre—
fenffer Hüttenbezirk genannt, der die Bezirle
Rainft, Barnaul, Kusnezk, Biijf und den ſüdlichen
Teil des Bezirfes Tomſt im Gouv. Tomſt, ein Ge-
biet pon 483,000 qkm mit 700,000 Einw., umfaft.
Der Mittelpunkt dieſes reidhen Minenbesirfs ijt Bare
naul. Dod ijt der Ertrag an Gold (vornehmlich aus
Seifen, aber aud) aus goldhaltigen Silbererjen) und
Silber feit 1849 ſehr gefallen, ebenfo der von Stupfer
und Bei. Cijengewinnung in größerm Unrfang
wurde erjt in neuerer Beit durch die Auffindung eines
Steinfohlentagers möglich. Gegenwärtig werden jaibr-
lid) 4800 kg Gold umd 9800 kg Silber qewonnen.
Neben Dem VBergbau hat fic eine lebhafte Steinindu-
ſtrie entwidelt; Gaulen, Namine,
und dergleidjen Gegenjtdinde werden aus Borphyr,
ajen, Ctageren
—* Jaſpis, Marmor und Granit gefertigt;
eine Zeichenſchule ſorgt für Entwickelung des Ge.
ſchmackes. — Die fpirlide Bevilferung des W
bilden Refte der tiirfijden Ureinwobhner, Kalmücken.
Teleuten, Cumandiner, Shwarswaldtataren, Sdhoren
und ſporadiſch Rirgis-Raijafen. Cingewanderte, zu
Sibiriafen gewordene Rujjen wohnen am didtejten
im Bezirt Minafiinit (am Jeniſſei) und Langs der
Strafjen. Die Bergtalmiiden, die ſich bald der Jagd,
bald auch dem Uderbau sugewendet haben, dbneln den
Sibiriafen in der Lebensweife. Die iibrigen Stamme
leben in Jurten und treiben Jagd und Fiſchfang. Die
geſamte Bevöllerung des U.-Sajanifden Gebirgs-
abſchnittes beredjnete Wenjufow ju 690,400 Seelen,
darunter 440,000 Gibiriafen und Ruſſen, 120,000
Mongolen, 35,000 Raliniiden, 26, 000Burdten, 54,400
türtiſch⸗ finniſche Stämme (Urjanden, Dardaten x),
Nltaier — Wltar.
10,000 Rirgifen, 5000 Chinefen, Mandſchu. In den
letzten 45 Jahren hat die Bevöllerung aber durch
Einwanderung raſch gugenommen; 1866—78 haben
fid) 8124 Bauern der falmiictijden Landereien be-
madtigt und blühende Niederlaſſungen ——
Seit 50 Jahren wirkt aud die Altaiſche Miſſion,
bie bis jetzt aber nur 5000 Eingeborne zur rujfifd-
riechiſchen Kirche befehrt hat. Val. B. v. Cotta, Der
, fein — Bau und ſeine Erzlagerſtätten
Leipz. 1871); Radloff, Aus Sibirien (daſ. 1884);
Jadrinzew, Sibirien (deutſch, Jena 1888).
Altaier, eine vom Ochotſtiſchen Meer bis zum
europäiſchen Lappland reichende Völkergruppe, die
Tunguſen, wahre Mongolen, Türlen, Finnen und
Samojeden umfaßt. Die Hautfarbe ijt Gelb oder | de
Gelbbraun, das Ropfhaar waljenformig, ftraff und
ſchwarz, Bart- und Leibeshaar ſpärlich, die Augen
find meift fief gejtellt, die Jochbeine tart vorſprin—
end, bie Rafe platt, der Schädel fehr breit und auf-
allend niedrig. Je weiter nad W., defto weniger rein
erfdjeinen die mongolijden Merfmale. Der Sprad)-
bau der U. ijt in den Hauptgiigen völlig übereinſtim⸗
mend. Die Sinnbeqrengung erfolqt durch Guffire;
Priifire werden nidjt geduldet. Ther oder weniger
ftrenge Wobhllautgejege find allen dieſen Sprachen
eigentiimlid. Zwei Ronfonanten ditrfen nie cin Wort
beginnen oder ſchließen, und der Stammvolal bejtimmt
den Endungsvofal. Bgl. Cajtrén, Ethnologijde
BVorlejungen iiber die altatiden Vilfer(Petersb. 1857).
Altaĩr (Wtair), der Stern a (1. Gripe) im Wdler.
Altai —— ſ. Altai.
Altaiſche Sprachen, ſ. Uralaltaiſche Sprachen.
Altait, Mineral, ſoviel wie Tellurblei.
Altamura, Kreishauptitadt in der ital. Proving
Bari, an der Eiſenbahn Rocdetta-Gioja del Colle,
hat eine {chine Rathedrale, ein Lyzeum, Gymnaſium
und (1901) 22,729 Einw., die Weinbau und Vieh-
zucht treiben. A. ward 1220 unter Friedrid I. neu
aufqebaut.
{tan (aud Ultane, v. ital. altana), heraus
—— mehr oder weniger offener Teil eines Ge-
äudes, der aus den obern Stockwerken einen un—
mittelbaren Unstritt ins Freie —— und deſſen
ery a gewöhnlich bis auf den Erdboden herab⸗
reicht. Auch eine Dachplattform nennt man A. Bol.
Balfon und Soller.
Altar (Ura), Sternbild des fiidliden Himmels,
vgl. Beilage gum rt. »Fixrjterne«.
Altar (v. lat. alta ara), jede künſtliche Erhihung
—— ung von Opfern, tm Altertum urfpriing-
id aus Rajen, Erde, Steinen oder Holz roh pos
Grieden und Römer madhten aus den Ultaren
e der Kunſt (Fig. 1), fie bildeten fie aus Stein
und bradjten an den Eden Widderfipfe (Hörner)
‘an, urſprünglich wirkliche Schädel der geſchlachteten
Tiere, ſpäter durch Skulptur hergeſtellte. Auch ſchmückte
man den A. zum Opferdienſt mit Kränzen und Bin—
den. Man errichtete einzelnen Göttern und aud) meh-
reren — Altäre, in Rom aud) den Kaiſerñ,
wie Haupt aud) Heroen diefer Ehre teilhaftig
wurden. Bei Griechen und Rimern ftanden die Al—
tire auger in Tempeln an den Strafen und Plagen,
in Hainen und bei Quellen und an andern Orten
ded. Berfehrs. Eroberer pflegten die Grenze ihres
Vordringens durd die Erridjtung eines Altars gu
bezeichnen. Lange erhielt ſich aud) bei den Juden dic
altnationale Gitte, auf den Höhen Altäre gu errich—
ten, bid feit Yofias der von Salomo erbaute Tempel
in Serufalem ausſchließliche Kultusſtätte wurde. Hier
379
jtand der Brandopferaltar im Vorhof unter freiem
Himmel; an den vier Eden befanden ſich Horner, die
mit dem Opferblut bejtriden wurden. Der Räucher⸗
altar im Oetligtum, auf dem nur Räucherwerk ver-
brannt wurde, war mit Gold überzogen. Die fatho-
lijche Kirche hat nad) ihrer Opfertheorie Den Ubend-
mabhlstijd in einen UW. umgewandelt. Jn den dhrijt-
licen Rirden ftand der YW. in der älteſten Beit frei
vor ber Apſis (ſ. d.), dann in der Chornijde, jtets
eqen Morgen gerichtet. Spater unterjdied man den
Reaatian im Chor (Choraltar) und die Seiten⸗
altäre, die guerjt fiir Privatmeſſen benugt wurden.
Die romanijde Kunſt bebielt die feit dem 6. Jahrh.
gebräuchliche Tiſchform mit fteinerner Dectplatte fiir
nm U. bei, wofiir der U. in der Allerheiligenkapelle
zu Regensburg ein charalteriſtiſches Beiſpiel ijt, über⸗
wölbte ihn aber häufig mit einem Bogen oder Bal-
dadjin (ciborium), wie 4. B. im Dom gu Regensbur
und in St. Stephan gu Wien, und ſchmückte ihn rei
mit Bildwerk und Aufſetztafeln aus Gold, Email und
Sig. 1. Antiker Altar.
Elfenbein (f. aud) Untependium). Die Gotif wählte
zuerſt Hols gu ihren Ultiren, die jedod) mit Schnitzerei,
alerci oder Vergoldung reid) ausgeſchmückt wurden.
Die Garatteriftiicve Gettalt ijt Die des Fliigelaltars,
der in Der Regel innen mit plajtijden, außen mit ge
malten Darjtellungen verjehen ijt. Die umfangreid)-
fterr Altäre diefer Art find: das Jüngſte Gericht in
Der Mtarienfirde gu Danzig, der Hocaltar in der
Rlojterfirde gu Blaubeuren, die Krönung Marias im
Miinjter pu reijad) und der Briiggemannjde A. im
Dom ju Schleswig. Die Renaiffance hat den Altären
Yrchitefturformen der Antile verliehen, die Dann von
der Barvdfunjt nod) reicher ausgebildet wurden, fo
daß ſchließlich nidjt blo der Hochaltar, fondern aud)
die Seitenaltdre ju felbjtindigen Urditefturwerten
wurden, die man auf das üppigſte mit Sfulpturen
und Zieraten aus foftharen Waterialien ausjtattete.
Das Ultarbild im eigentliden Sinn, als großes
Genrilde, das ben Gaupt tandteil des Altarſchmuckes
ausmacht, datiert aus der Renaiſſancezeit. Auf dem A.
ſtehen Kruzifix, Blumen und Lichte, ferner aus Wachs
beſtehende Altarkerzen, die urſprünglich an die
Nachtzeit des Abendmahls erinnern ſollten, jetzt aber,
aud) in proteſtantiſchen Kirchen, bei andern hohen
Feſten, Trauungen, Taufen ꝛc. ebenfalls angezündet
werden. —E gum Schmuck dient die Altar—
befleidbung, deren Farbe feit Dem Wittelalter in den
fatholijden und 3. T. aud in den lutherijden Kirchen
nad) den verjdiedenen kirchlichen Seiten und Feiern
wedfelt (wei bet Chrijtusfeiten, Biſchofsweihen x.
vom 24, Dez. bis 13. Jan., qriin vom 13. Jan. bis
380 Altar de los Collanes, el — Altdorf.
Septuagefima und in der Trinitatisseit, rot su Pfing | der Hohe und um cine vertifale Achſe in ajimutaler
ſten, an Wpoftel- und Martyrerfejten, ſchwarz am Richtung drehbar ijt. Die Gripe dieſer Drehungen
—— violett in der Udvents- und Faſtenzeit). wird an einem vertifalen oder Höhenkreis und einem
ber den A. gebreitet wird das Altartuch (palla, horijontalen oder Azimutalkreis abgelefen. *
mappa, aud) [tartweble genannt), ein feines | einem fleinern A. der Horizontalfreis, oder ift
weißes, oft geftidtes und mit Stidereien eingefaftes | nur grob geteilt und daher sur genauen Meſſung
Leinentud. Vor dem Gebraud) muß jeder A. vom | nicht geeignet, fo ijt bas Inſtrument eit Höhen-
Biſchof geweiht werden. Zur Feier der Meffe außer- freis; ijt aber mur der Horijontalfrets mit_femer
hath des Kirchengebäudes, auf Reijen, im Feld, ijt | Teilung verjehen, fo ijt e8 ein Theodolit. Den A
ein Tragaltar tm Gebraud, gewöhnlich ein mäßi⸗ | der Sternwarte zu Straßburg j. Tafel »Theodolite
ev Steinwiirfel, in Dem, wie in jedem katholiſchen und Univerjalinjtrumente-. ;
a Reliquien eingeſchloſſen find, und der beim Ge-| Witagzimutal heißt die Wufftellung eines Fern-
braud) auf cinen Tiſch oder ein angemeffenes Geftell | rors, wenn es mur um cine horizontale und um eine
geſetzt wird, oft aber aud) in Form eines Dipty- | vertifale Udje, alfo im Ginne ber Hohe und des
dons aus oldetem Silber und andern Metallen | Azimuts, drehbar ijt; vgl. Altazimut.
(ig. 2). In der lutheriſchen Kirche hat aud der U.| Altbaktriſch, hier und da gebraudjter Name fiir
biel pon der fatholifden Kirche beibehalten, wahrend | die Sprache, in der das Zendaveſta geidrieben iit,
indem man anninmt, dak das.
onl caeeem Meee Come aoe Tran ceen barn) _sefibe_ int. emt alten Gattrien ab-
Fara ka yn ed Pe! i gefaßt fei. Bgl. Bend.
ang. | —— | * — a
. ennung ber
—— Regierungsbezirle
und Niederbayern; ſ. ——
Alt-⸗Bielitz, Dorf, ſ. Bielitz.
Altbier, in Weſtfalen ober-
äriges Bier von fauerticem
+ ol
I fa
ch
Altbunzlau, ſ. Bunzlau 3).
Mit: e, {. Altzella.
Altchemnisy, friiher jelbjtin-
dige Landgemeinde, feit 1894 der
Stadt Chemnitz einverieibt.
Altchriſtliche Runjt nennt
man den Zweig der unit, der
fich in den erjten Zeiten des Chri⸗
—— in engem Anſchluß an
Wig. 2. Silbervergoldeter Feldaltar eines Großkomturs des Deutſchen i Formen der romifden Kunſt
Orbens (1388 im Elbing angefertigt, jegt tm Schloß zu Mariendurg). U der Größe. entwickelte. Weiteres ſ. Chriſtliche
Altertumer, mit Tafel.
die reformierte gum einfachen Abendmahlstiſch yuriid-| Altchriſtliche Literaturgeidichte, Disziplin
gefehrt ijt. Die griechifche Kirche bedient ſich eines | der hijtorifden Theologie, die ſich von der Patrologie
tifdartigen Ultars von Stein oder Holy und hat in oder Patriſtik (f. d.) dadurch untericheidet, dak jie
der Regel in jeder Rirde nur einen A. Vol. Schmid, | nidjt mit dem der fatholifden Dogmatif entnomme-
Der chriſtliche A. und fein Schmuck (Regensb. 1871); | nen Begriff des Kirchenvaters arbeitet, fonder die
Miinzsenberger und Veiffel, Zur Kenntnis und ſchriftſtelleriſchen Erzeugniſſe des chriſtlichen Geiſtes
Würdigung der mittelalterlicen Ultire Deutſchlands auf dem Boden der alten Welt unter rein literariſchen
(Granth a. M. 1890 —1901),. Geſichtspunkten, ohne Rückſicht auf die lirchliche oder
Altar de los Collanes, ef (fpr. totjanes, Capac | doqmatijde Parteijtellung der Verfaſſer und ihre Be⸗
Ureu), 5404 m bober Bulfan im der Djttette der urtetlung durch die Kirche, betradten will. Bearbei⸗
Stordilleren von Ecuador, 20 km ſüdöſtlich von Rio« | tungen lteferten fiir die Literatur der erjten Drei Jahr-
bamba, mit gewaltigem Kraterkeſſel. Er war nad hunderte A. Harnad (bisher 2 Bde. in 3 Abt., eips.
alter \nfatradition friiber höher als der Chimborayo, 1893—97) und G. ger (Freib. u. Leipz. 1895,
foll aber bei einem Ausbruch im 15. Jahrb. zuſam- Nachträge 1898), fiir die ag ge Literatur
mengeftiirst fein. Der erſten ſechs Jahrhunderte Batiffol (Bar. 1897).
Itarfergen, ſ. Altar. Altdamm, ſ. Damm 1).
Aitarfreny, |. Krusifir. Altdeutſch, Bezeichnung fiir alle’, was im Ent-
Altarfteine, ſ. Dolmen und Opferiteine. widelungsgang der deutſchen Kultur der Zeit vor der
Altartweble (Altartuch), ſ. Witar. Bgl. aud) Reformation angehört, namentlid) in Begug auf
Quehle. | Sprache und Literatur, Kunſt, Sitte und tleideriracht.
AltAuſſee, Dorf, f. Auſſee 1). Altdöbern, Flecten im preuß. Regbez. Frankfurt.
Altazimut, aſtronomiſches Inſtrument zur Mef- Kreis Kalau, an der Staatsbahnlinie Lübbenau Ka-
ſung der Höhe und des Azimuts der Sterne, nach menz, bat cine evang. Kirche, ein Schloß mit Bart,
Reichenbach auch Univerſalinſtrument genannt, | cin Schullehrerſeminar, eine Spritfabrit, Sägemuhlen
weil es die Vereinigung eines Höhen · und eines Azi⸗ und (1900) 1960 Einw.
mutalinftruments Darjtellt. Es beftebt aus einem| Altdorf (Altorf), 1) Stadt im bayr. Regbez. Mit-
Fernrobr, das um cine horigontale Achſe im Sinne | telfranfen, Besirfsamt Niirnberg, an der Schwarzach
Altdorfer — Altena,
und der Staatsbahnlinie Feucht-A., 446 m ii. M.,
bat 2 evangelijde und cine fath. Rirde, ein Schloß,
Sehullehrerjeminar (im ehemaligen Univerjitits-
ebiude), landwirtſchaftliche Winterſchule, Rettungs-
pans, Taubjtummenanjtalt, Umtsgeridt, Forſtamt,
jpopfenbau, Brongefabrif und (veo) 2867 Einw. —
VL, bereits feit Dem 13. Jahrh. in Urkunden erwähnt,
fumt 1508 an bas reidjsfreie Nürnberg und erbielt
1575 ein Gymnajium, das 1623 zur Hochſchule er-
hoben ward. Letztere wurde 1809, naddem Niirn-
berg felbjt an Bayern gefallen war, —— Bal.
Bohm, vos ggesey yy Prva Geſchichte Stadt A.
(Riirnb. 1888). — 2) Ehemaliger Flecken in Württem⸗
berg, ſ. Weingarten. — 38) Dorf tm Unterelſaß, f.
Dorlisheim. — 4) Hauptort des ſchweizer. Rantons
Uri, ſ. Altorf 1).
Wltdorfer, Albrecht, Maler, Architelt, Rupfer-
ſtecher und Zeichner fiir den Formidnitt, qeboren um
1480, gejtorben im Februar 1538 in Regensburg,
wurde 1505 Biirger diejer Stadt, begann feine künſt⸗
leriſche Titigteit als Maler, indem er Ultarbilder und
Landfdaften mit Figuren malte, in Kupfer
ftad) und radierte und fiir Den Holzſchnitt
idjnete, wobei er fid) ded nebenjtehenden
Ronograntms bediente. Er gelangte bald zu
foldjem Unfehen, daß er 1526 in den innern
Rat qewahlt u. ſtädtiſcher Baumeijter wurde.
Als folder baute er unter ander das nod erhaltene
Sdladthaus (1527) und zwei Vajteien zur Vefejti-
gung der Stadt. Seine künſtleriſche Bedeutung liegt
vornehmlid) in der Uusbildung der Landſchaft, in die
er durch die cigentiimlide Behandlung von Bäumen,
Felſen mit herabhängenden Striudern ein phan-
taſtiſches Element hineinbradjte. Seine Landſchaften
find gewöhnlich mit bibliſcher Staffage verfehen. Seine
Hauptwerle befinden fic) in der Münchener Pinatothet
(Alexanders Sieg über Dareios), in Regensburg, in
der fthalle gu Bremen (heilige Nacht) und im
Muſeum zu Berlin (Rube auf der Flucht und Land-
ſchaft mit Satyrfamilic). Mud) hat er Zeichnungen
mit landfdajtliden Rompofitionen (ſchwarz und weif
auf farbigem Papier) hinterlafjen. Bal. Frie dlän⸗
der, Ulbrecht W. (Leip; 1891).
Altdorfer Wald, ſ. ae
Alt-Drewik, Dorf im preuß. Regbez. Franffurt,
Kreis Königsberg i. N., hat «900) 2197 Einw.
Altẽa, Stadt in der fpan. Proving Wlicante, Be-
irf Calloja de Enfarria, auf cinem Sigel unfern
Meeresfiijte, hat einen Hafen, Wein und Rofinen-
ausfubr, ijt Sig eines deutſchen Ronfularagenten und
aro 5568 ye t Gainid
Vurg, Berg, ſ. Hainid.
Mite Burg (alte Schanze, Warte, alter
Ball), f. Vefejtigungen, orgeldbidhtliche.
Wltefabr, Dorf im preuß. Regbez. Stralfund,
Kreis Riigen, auf der Ynjel Riigen, am Gellen oder
Strelafund, Stralfund gegeniiber und an der Staatd-
babniinie Stralfund-Gagnifs, hat eine evang. Kirche,
Geebad und (1900) 759 Cinw.
Mite Geographic, | Gilorige Geograph
ographie, ſ. Hiſtoriſche Geograpbie.
Alte A. H. A. H.), ehemalige Mitglieder
E itglieder) ſtudentiſcher Verbindungen.
u, Dorf, ſ. Eibau.
Alteklãre (roman.), im Rolandslied Name des
— Oliviers.
e Land, das, ſ. Sort.
Altels, Berg in den Berner Alpen, nordöſtlich
vom Gemmipak, 3634 m hod. Wim 11. Sept. 1895
A. Altes
borfer.
381
ſtürzte ein Teil des auf ihm liegenden Gletſchers
1500 m tief auf die am Gemmipaß liegende Spital-
matte und verjdiittete 140 Stück Vieh mit 7 Hirten.
Val. Heim, Die Gleticherlawine an der W. (Biir.1895).
Altemaha River, Fluß im nordamerifan. Staat
Georgia, von den Sildappaladjen aus Oconee und
Denrulgee zuſammenfließend und im Oberlauf beider
reid) an Stromfdjnellen und Waſſerkräften; er ijt
540 km (bis Macon und Milledgeville) ſchiffbar und
Seeſchiffen guginglid) und miindet bei Darien in
Deltaform in den Atlantiſchen Ozean.
{ten , norweg. Landjdaft, ſ. Altenfjord.
Alten, Karl Auguſt, Graf von, hannöv. Ge-
neral, geb. 20. Oft. 1764 in Burgwedel bet Hannover,
ejt. 20. Upril 1840, Sprdfling eines altadligen Ge-
chlechts, trat 1781 in den hannöverſchen Militärdienſt,
machte die Feldzüge von 1793 und 1794 in den Nie-
derlanden mit und ging 1808, nad) der Auflöſung
der hannöverſchen Armee durd) Napoleon, nad ——
land, wo er als Kommandeur einer leichten Briga
in die deutſche Legion trat, mit der er den Expeditionen
nad) Norddeutſchland, Rilgen und Kopenhagen bei-
wobnte. 1808 zum General befordert, begleitete er
Wellington sel Portugal und deckte den Rückzug
Moores nad Coruiia. 1809 war er an der ungliid-
lichen Unternehimung gegen BVliffingen beteiligt. 1811
abermals nad) Portugal gejandt, nahm er unter Be-
reSford an Der —— von Badajoz und der
Schlacht von Albuera teil. Als Chef der leichten Di-
vifion Wellingtons focht U. 1811—14 bei Salamanca,
Vittoria, an den Pyreniien, bei Rivelle, Nive, Orthez
und Touloufe. 1815 fommanbdierte er die Hannove-
raner in ben Miederlanden, fodjt rubmvoll bei Qua⸗
trebra8 und ftand bet Waterloo im —— der
engliſchen Armee; feine heldenmütige Verteidigung
von La Haye⸗Sainte hielt den Un rit der Franjofer
um mebrere Stunden auf. A. felbt ward ſchwer ver-
wundet. Zum General der Jnfanterie ernannt und
in den Grafenftand erhoben, ftand er als Komman⸗
deur Der Hannoveraner in Frantreid) bis gu deren
Abzug 1818. Seitdem lebte er in feiner Heimat in
ländlicher Stille, bis er 1831 mit Dent Portefeuille
des Mrieges und Anfang 1832 aud) mit dem des
Uuswartigen betraut ward. Nad) der Thronbejteiqun
Ernjt Auguſts blieb A. im Amte, dod) behielt er, au
feinen Wunſch des Portefeuilles des Außern enthoben,
nur das Rriegsminijterium bei. Er ſtarb auf einer
Reife zu Bozen in Tirol. Sein Standbild wurde in
Hannover am Cingang des Waterlooplages auf-
—— Bal. B.v. Alten, Stammtafeln des uradligen
Spree von A., 1182—1889 (Berl. 1889).
{téna, Kreisjtadt im preuß. Regbez. Arnsberg,
an der Lenne, Knotenpuntt der Staatsbahnlinie Ha-
gen-Betzdorf und der Eiſenbahn A.-Lüdenſcheid,
153—244 m ii. M., hat 2evan-
=
gelifde und eine fath. Kirche,
cine Shynagoge, ein Schloß
agar gen y% @rafen von mia
t Mart, jest Kranfenbaus) |. es
mit gut erbaltenem Bergfried © fet
18. Jahrh.), Kriegerdenfmal, — oo
i8marddenfmal, Gro ymna⸗
ſium, Muſeum des i
fiir Orts- und Heimatshunde
des Silderlandes, Umtsgeridt,
Handelsfammer, Reidsbant-
nebenftelle und (900) 12,766 Einw. (Darunter 2172
Ratholifen). Die bedeutende Fabriktätigkeit liefert
Eijendraht, Cijen- und Meffinggupiwaren, Stabeijen,
reins
Bappen von Altena,
382
Rupfer-, Meffing-, RNictel- und Weifpbled, Sprung-
federn, Riete, Shrauben, Drahtnägel, Nadeln, Ridel-
miingplitiden, Patronenhülſen, Silber und Reu-
filberwaren (befonders aud arp ) 2.3 aud
bat A. Handel mit Metallwaren. — Der entſtand
neben Der 1122 von Adolf IIT. von Berg errichteten
Burg und erbhielt 1367 Stadtresht. Bgl. Vorlän—
Der, Bilder aus Ultenas Vorzeit (Wit. 1871).
Altenahr, Fleden im preuj. Regbez. Koblenz,
Sreis Uhrweiler, an der Uhr und der Staatsbahn-
linie Remagen-VUdenau, 160 m i. M., hat eine fath.
Kirche, Rotweinbau (Uhrbleichart), Bleierzbergbau u.
(1900) 898 Einw. Dabei die Ruine der 1714 zerſtörten
Burg A. Bgl. Mind, Ultenahr (Lm; a. Rh. 1867).
Altenau, eine der fieben Bergitidte im preub.
Regbez. Hildesheim, Kreis Fellerfeld, an der Ofer auf
dem Oberharz, 490 m it. V2, hat eine evang. Kirche,
Oberförſterei, Berqbau und (1900) 2162 Einw.; nabe-
bei Hiittenwerfe fiir Silber, Blei, Kupfer und Vitriol.
MAltenbefen, Dorf im preuß. Regbez. Minden, |
Kreis Paderborn, an der Bele, Knotenpuntt der |
Staatsbabnlinien Soejt-Bosrfum, W.- Warburg, |
Herford-A. und Hannover-VW., hat cine evang. Ka-
pelle, eine fath. Kirche, Eiſenhütte. Schlok- und Zen⸗
trifugenfabrif und seo) 1593 Einw. Hier ftand einft
die Irmenſäule (jf. d.).
Wltenberg, 1) ebemalige Cijtercienferabtet im
preuß. Regbes. Köln, Landtrets Mülheim, im Dhüntal,
ſüdlich von Burſcheid, 1133 vom Grafen Eberhard
von Berg geftiftet, 1803 aufgeboben. Die herrliche
Sirde, 1255 geqriindet, wurde 1847 durch König
Friedrich Wilhelm IV. rejtauriert. Bgl. die Schriften
pon Montanus (Elberf. 1851) und Sdell (daf.
1899). — 2) Bergitadt in der ſachſ. Kreish. Dresden,
Umtsh. Dippoldiswalde, im Erzgebirge, 647 m it. M.,
hat eine evang. Kirche, Strobfledtidule, Sdyule fitr
Cijenbahnbeamte, Amtsgericht, Zinngruben, Stroh-
flechterei, Holzwarenfabrifation und (i900) 1750 Einw.
— 8) Galmeiberqwerf, ſ. Moresnet.
Wltenberge, Dorf im preuß. Regbez. Münſter,
Kreis Steinfurt, an der Staatsbahnlinie Münſter-
Enſchede, hat cine fath. Kirche, Bierbrauerei, Brannt⸗
weinbrennerei und (1900) 2851 Einw.
Wltenbergen, Dorf in Sadjen-Gotha, bei Geor-
genthal, mit (1900) 393 Einw. Dabei auf einer Höhe
ein 9,5 m bober Randelaber von Ganbdftein, 1811
an der Stelle erridhtet, wo ehemals die St. Johannis⸗
firdhe ftand, die angeblid) 724 von Bonifacius, in Wirk-
lichfeit aber erjt 1041 erridjtet ward. Bal. Rolad,
Der thitringifche Randelaber (Gotha 1855).
Altenbochum, Dor; im preuß. Regbez. Urnsberg,
Landfreis Bodum, hat eine evangelifde und eine
fath. ſtirche, Steinfoblengruben und (1900) 6874 Einw.
Altenbraf, Dorf im braunjdweig. Kreis Bian-
fenburg, an der Bode tm Harz, hat eme evang. Ka—
fle, Polsitofffabrit und (1900) 798 Einw. In der
Rabe Das Jagdſchloß Todtenrode und die Ruine
Sdhinebur g
— — — ſ. Frauenbreitungen.
Altenbruch, Kirchſpiel im preup. —— Stade,
Streig Hadeln, unweit der Elbe und an der Staatd-
bahnlinie Harburg-Kurhaven, hat eine evang. Rirde,
Hafen, Seebad, Schiffahrt und aso) 2080 Einw.
Altenburg, 1) Haupt- und Reſidenzſtadt des Her-
zogtums Sacjen-Ultenburg, unweit der Pleiße, liegt
178—-208 m ii. M. und tit Knotenpunft der Staats-
babniinien Leipzig-Hof, U.-Zeis und W.-Langen-
leuba. Das auy einem fenfrecht abjtiiryenden Bor-
phyrfelien liegende Schloß, befannt durd) den ſäch⸗
Altenahr — Altenburg.
ſiſchen Prinzenraub (f. d.), ftammt in feinen Grund-
mauern wohl aus dem 10. und 13 Jabrh., wurde
aber im 18. Jahrb. beträchtlich vergrößert und nad
den Branden von 1864 und 1868 teilweife ernenert.
Die Schloftirde, 1901 renoviert, war 1413—1533
ein Stift lierter Auguſtiner⸗ Chorherren. Bon
fonjtigen Gebduden find ju nennen: die St. Bartho-
lomaitirche, die Briiderfirde (im Neubau begriffen),
die fogen. Roten Spitzen (zwei verbundene Tiirme mit
Staatsardiv, ein Reſt der im 17. Jahrh. verfallenen
Rirde des 1172 von Kaiſer Friedrid) J. geqriindeten
Auguſtinerkloſters), Das 1560—64 im deutiden Re-
naifiancefti erbaute Rathaus, dad Muſeum mit Ge-
mildegalerie und andern Sammiungen, die 1840 im
gotijden Stil erbaute Für⸗
ſtengruft rc. Un Denkmälern
befipt die Stadt cin Sieges⸗
denfinal von Profeſſor Fritz⸗
ſche, eit Raifer Wilhelm-
Denfmal von Profeſſor Bar-
wald und ein Brehm-Sdle-
el-Denfmal. Die Rabhl der
Ginn obner belief fid) 1900
mit der Garnijon (ein In—⸗
fanterieregiment Yr. 153)
auf 37,110 Geelen, davon
35,966 Cvangelifde, 1019
Ratholifen und 36 Yuden. UW. bat Fabrifation von
Nähmaſchinen, Zigarren, Prepay Dilten,
Uffordions, Biiriten, Metallwaren und Wollengarn,
Geldſchrank· u. Majdinenbau, Cijen- und Metallgie-
perei, chemiſche Fabrifen, Bierbraucrei, Gartneret 2x. ;
Der Handel, unterjtiikt Durd cine Handelsfammer,
eine ReidSbantnebenjtelle, die herzogliche Landesbant
und andre Banfinftitute, ijt wichtig in Rolonialwaren,
Landesproduften und Wollengarn. Bon Bi
anjtalten bat die Stadt ein Gymnafium, cin Realgym-
najium, ein Schullehrerſeminar, em i eme
landwirtſchaftliche Schule x., ferner eine Sternwarte,
eine naturforjd@ende und cine geſchichts u. altertums-
forſchende Gefellidhaft des Oſterlandes xc. A. ift Sig
der Landesbehdrden und eines Landgeridts (für die
ſechs Amtsgerichte zu A., Eiſenberg, Kahla, Roda,
Ronneburg und Schmölln), eines Generalfuperinten-
denten, des Landratsamts fiir den Ojttreis A. und
eines Hauptiteueramts. Die ſtädtiſchen Behörden
zählen 9 Magiſtratsmitglieder und 36 Stabdtverord-
nete. — A., zuerſt 980 urfundlid) erwähnt, wurde
im 12. Jahrh. reichsunmittelbar. Auf der dortigen
Burg hatte cin Burggraf feinen Sig. Kaiſer Fried-
ric) IL. verpfindete Vi. an UWlbrecht den Entarteten
von Meißen. Rac) dem Ausſterben der Burggrafen
von A. ernente Kaiſer Ludwig 1329 die Berpfandung,
und feitdem blieb A. bei Meigen. Durd die Huffiten
wurde A. 1430 niedergebrannt. 1445 fam es durch
Erbteilung an Kurjadjen. Die Reformation wurde
ohne Schwierigleit in A. eingeführt, beſonders ſeit
Spalatins Anſtellung als Pfarrer und Superinten⸗
dent. Vom 20. Oft. 1568 bis 9. März 1569 war bier
cin Rolloquium zwiſchen den ſächſiſchen Theologen
wegen Beilequng der fynergiftifden Streitigteiten.
Bon 1603—72 war VW. Reſidenz der fogen. Alten⸗
burger Linie des Erneſtiniſchen Hauſes; dann ward
es wieder 1826 Reſidenz durch die Ubderfiedelung des
Herzogs Friedric von Hildburghaufen. Bgl. Huth,
Geſchichte Der Stadt A. zur Heit threr Reichsummittel-
barfeit (Altenb. 1829); Löbe, Geſchichtliche Beſchrei⸗
bung Der Reſidenzſtadt A. (3. Aufl., daf. 1881);
Braun, Die Stadt A. in den Jahren 1360— 1525 (da.
BWappen von Alten
burg.
Wltendorf — Altenftein.
1872); Derjelbe, Erinnerungsblatter aus der Geſchichte
Wltenburgs 1525 —1826 (daf. 1876). — 2) Mart,
ſJ. on ch⸗Altenburg. — 3) Ruine, f. Bamberg.
Wltendorf, 1) friiher Landgemeinde im preuh.
Landkreis Efjen, 1901 der Stadt Effen einverleibt.
— 2) Gemeinde im preup. Regbez. Arnsberg, Kreis
Hattingen, an der Ruhr, Knotenpuntt der Staats-
babniinien Heißen -Steele und U.-Dabhlhaujen, hat
eine fath. Rirde, Steinfohlenbergbau und (1900) 3435
Ginw. — 3) Dorf im prenk. R in, Kreis
Ratibor, hat cine neue fath. Rirde, Brifetts und
fyeucrangiinderfabrifation und (1900) 4642 Einw. Die
Gingemeidung de Ortes in Ratibor fteht in Wus-
ficht. — 4) Fruͤher felbjtindiges Dorf, feit 1900 der
Stadt Chemnits einverleibt.
Alteneſch, Dorf im oldenburg. Amt Delinenhorit,
an der Wejer, mit 900) 279 Cinw., iſt hiſtoriſch merk⸗
wiirdig durch die Niederlage der Stedinger durd) dic
Kreuzheere 27. Mai 1234.
Alteneſſen, —— im preuß. i
Diijjeldorf, Landkreis Eſſen, nördlich von Effen,
tenpunft der Staatsbahnlinie Duisburg - Hamm und
anbdrer Linien, hat eine —— und 2 fath. Rir-
den, eine Bergvorſchule, ein Waifenhaus, Steinfoh-
lenbergbau, Gewinnung von Steinfohlenproduften,
Eiſengießerei, Maſchinenbau, Ziegeleien und (1900)
28,668 Einw.
Altenfjord, Meerbuſen an der Küſte des —*
Amtes Finmnarfen, ſüdlich von Hammerfeſt.
ſeinen Ufern in der Landſchaft Alten findet ſich eine
verhãltnismäßig reiche Vegetation. Der Fjord wird
gegen N. burd große Inſeln, darunter Seiland (jf. d.),
geſchützt; Kupferwerk in Kaafjord.
Altengland (Old England), bei den Englän—
Dern Bezeichnung ihres Vaterlandes (des cigentlicdjen
England mit Ausſchluß von Wales), als des Landes
der alten Gitte und ded alten Ruhmes. ratur.
Altengliſch, ſ. Angelſächſiſche Sprade und Lite
Altengrabow , Truppeniibungsplag des 4. Ar⸗
meeforps im preuß. Regbez. Magdeburg, Kreis Jeri-
Gow I, an der Kleinbahnlinie Burg-Fiefar.
Altenhagen, friiher Dorf im preuß. Landkreis
eye: 1901 der Stadt Hagen einverieibt.
Itenheim, Landgemeinde im bad. Kreis und
Wmt Offenburg, im Rheintal, Knotenpuntt der Straß⸗
burger Strajenbahnen, hat eine evang. Kirche, Ta—
bafbau, abiding gt und (1900) 2311 Ginw.
Wltenhundem, Dorf im preuh. Regbez. Urns-
— Kreis Olpe, an der Miindung der Hundem in
die Venne, Knotenpuntt der Staatsbahnlinien Hagen-
Betzdorf und A.-Fredeburg, hat Eiſenerzbergbau,
Hochöfen, Hammerwerke und (1900) 1718 Einw.
AltenFeffel, Kolonie, sur Gemeinde Püttlingen
(j. 0.) gehörig.
Altenkirchen, 1) Flecken und ſtreisort im preuß.
Regbez. Koblenz, an der Wied, im Weſterwald, Kno—
tenpunkt der Staatsbahnlinien Siershahn -A. und
Un- Staffel, hat eine evangeliſche und eine fath.
Rirde, Synagoge, Amtsgericht, Oberförſterei, Pa—
pier⸗, Bürſten⸗ und Metallwarenfabrikation und (1900)
2044 meiſt evang. Einwohner. — A. ijt der ehemalige
Hauptort der Grafſchaft A., die erſt im Beſitz der Gra-
fen von Gayn, feit 1741 der Marfgrafen von Ans—
bad), feit 1802 de3 Hauſes Naſſau⸗-Uſingen war und
1815 an Preußen fiel. Hier 4. Juni 1796 Sieg der
Franzoſen unter Riéber über die Ojterreidjer; am 19.
Sept. 1794 ſiegreiches Gefecht der letztern, in dem
Marcear fiel. — 2) Flecen auf der Inſel Riigen und
Hauptort der Halbinjel Wittow, an der Kleinbahn
n | der frither
383
Vergen-A., hat eine evang. Kirche, an welder der
Dichter L. Th. Koſegarten 1792—1808 Pfarrer war,
und (1900) 632 Einw.
Altenplathow, Dorf im preuß. Regbez. Magde-
burg, Kreis Jeridow I, an der Genthiner Kleinbahn
und am Plauenſchen Kanal, hat cine evang. Kirche,
Oberfiriterci, Sdrotfabrifation, Dampfmabhl- und
— und (1900) 2255 Einw.
ltenſtadt, Flecken in der heſſ. Provinz Ober—
heſſen, Kreis Büdingen, unweit der Nidder, hat eine
evang. Kirche, Obſtbau (Äpfel), ein Amtsgericht und
(1900) 1111 Einw.
Altenſteig, Stadtim wiirttemberg. Schwarzwald⸗
frei8, Oberamt Nagold, an der Nagold und der Staats-
bahnlinie Nagold⸗A., 371 m ii. M., hat eine evang.
Rirde, ein Schloß, Oberförſterei, Sohlieder- und Sil⸗
berwarenfabrifation, Wollfpinneret, Bierbrauerei
und (1900) 2272 Einw.
Altenftein, Lujtidlof de3 Herzogs von Sachſen⸗
Meiningen, mit großem Part, liegt auf dem fiidwejt-
liden Ubhang des Thiiringer Waldes, bei Bad Lie-
benjtein, 426 m iit. M. Das Schloß, auf einem Fel-
jen jtehend, wurde im 18. Jahrh. neu gebaut und in
jüngſter Beit reftauriert. Die Altenſteiner oder
Glidsbrunner Dolomithihle (etwa 200 m
lang) wurde 1798 entdedt. Nahe bei U. ijt die Stelle,
wo Luther, von Worms guriidfehrend, 4. Mai 1521
ergriffen und auf die Wartburg gebradt wurde. Von
dort ftehenden Buche, unter der Lather
ausgeruht und fid) durch einen Trunt aus der nahen
Huelle (> Qutherbrunnen«) geſtärkt haben foll, ijt mur
nod ein Stumpf vorhanden. Auf dem Platz ein
Denfmal.
Altenftein, Karl, Freiherr von Stein gum,
preuß. Staatsminifter, geb. 7. Oft. 1770 in Unsbad),
aus einer alten, bereits im 9. Jahrb. urfundlid er-
wähnten Familie Franfens, gejt. 14. Mai 1840, ftu-
dierte in Erlangen und Gittingen die Rechte, trat
dann al Referendar bei ber preußiſchen Kriegs- und
Dominenfammer zu Unsbad ein, ward ſchnell zum
Kriegs⸗ und Domiinenrat befdrdert und 1799 von
Hardenberg in das Minijterium nach Berlin berufen.
Nad) der Katajtrophe von 1806 folgte er dem König
nad Preufen und trat 1808 nad Steins Abdankung
alg Finangminijter an die Spitze der Verwaltung, in
der er fid) mannigfade Berdienjte, jo and) bet der
Griindung der Univerjitét Berlin, erwarb. A. war
aber trop quten Willens nicht im ftande, die Reorqa-
nifation des Staates durchzuführen; er geriet vielmehr
unter den Einfluß der Partei, welcher die Steinjden
Reformen viel ju weit gingen. Unter feiner gewiſſen—
haften AÄngſtlichkeit geriet dic ganze Reform ins Storten,
und A. wurde, als er zur Unfbringung der ——
ſchen Kriegskontribution dem König ſogar den Vor—
ſchlag machte, Napoleon ſtatt derſelben die Abtretung
Schleſiens anzubieten, entlaſſen (1810). Darauf lebte
A. zurückgezogen in Schleſien, gu deſſen Zivilgouver⸗
neur er 1813 ernannt wurde. 1815 war er mit Wil-
helm v. Humboldt bei Reflamation der von den Fran-
zoſen aus Preußen entfiihrten Kunſtſchätze in Karis
tiitig. 1817 trat er ald Chef des neuerridteten Minijte-
rinms fiir den Unterricht und die geiſtlichen Angele—
genheiten wieder in das Staatsminijterium ein. Diefe
widtige Stellung hatte A. 20 Jahre lang inne und
erwarb fid in ihr, unterjtiigt durch Siivern und Jo—
hannes Schulze, unjtreitig bedeutende Verdienſte, be-
ſonders durd das Unterrichtsgeſetz von 1819, die
Grundlage de3 preufifden Unterridhtswejens. Dies
Geſetz umfapte den gefamten Elementarunterridt auf
384
dem Land und in den ein- und mehrklaſſigen Stadt-
ſchulen ſowie den fogen. höhern Unterridjt der Gym-
uafien und der Seminare jur Ausbildung der Cle-
mentarlebrer. Das Berhaltnis aller diefer Schulen
Staat und gu den Gemeinden wurde
ju ihrer Erhdhung fowie sur Griindung von Pen⸗
ſions⸗, Witwen⸗ und —— pelt zu bewegen.
Beſondere Sorgfalt verwendete Vl. auf die Univerſi—
tãten, Bonn wurde neu gegründet, Hegel nach Berlin
berufen, überhaupt die Berufung hervorragender Ge-
lehrten, wenn auch unter einſeitiger Be —— der
Hegelianer, gefördert. Der umſichtigen Förderung des
Unterridtswejens entſprach die Fürſorge fiir die geiſt⸗
liden Ungelegenheiten. Es gelang ihm verhältnis—
mãßig leidt, die Unionsitreitigfeiten beizulegen; hef⸗
tiger jedod) und fiir die Regierung nadteiliger war
der Ugendenjtreit, in dem die Sprecher der Rirdhe den
Staat geradezu der Ungeredtigleit und Gewalttitig-
feit anflagten. Wtit ihm in Berbindung ſtand das
pag! cure gegen die Ultlutheraner, bei dem es fogar
gu Gewaltmapregeln und Ubfegungen fam, Mit der
fatholifden Rirde wußte er viele Jahre hindurch ein
gutes Verhältnis aufredt gu erhalten; den Ausgang
des Durd) Die Auflehnung der Erzbiſchöfe Drojte zu
Vifdering don Köln und Dunin von Pojen gegen die
firepenbopeitlidyen Redhte ded Landesherrn entitande-
nen Zwieſpalts gwifden dem Staat und der Rirde
erlebte er nicht mehr; {don an den legten Verhand⸗
lungen mit den Erjbifddfen wegen Rranfheit und
Wltersfdwade nicht mehr beteiligt, nahm er im De-
zember 1838 feinen Abſchied.
Altenteil (Ultvaterredht, Uusjzug, Uustrag,
Altſitz, Leibsudt, Leibgeding), die ——
liche Verſorgung, die ſich der Übergeber eines länd—
lichen Anweſens (Altſitzer, Auszügler, Leibzüchter)
bei Der Gutsabtretung in Dem Gutsüberlaſſungsver⸗
trag (Altenteilsvertrag) fitr fid und jeine Frau
ausbedingt. Der U. befteht gewöhnlich in freier
BWohnung, Beheizung und emery fowie in Ge-
wabrung an Lebensmitteln, die Das Anweſen felbjt
hervorbringt, wie Mild, Cier, Fleiſch, Objt x. Nad
den meiſten Landesgeſetzen ijt
rielle Veriautbarung derartiger
3ugs- oder Über⸗
absvertrige ndtig ; § 873 des deutie
en Bürgerlichen
ſetzbuchs verlangt epee in das Grundbud, |
o
falls der A. als Reallajt gelten ſoll; Verjährung der
eingelnen Leijtungen tritt nad 4 Jahren ein (§ 197.
des Bürgerlichen Geſetzbuchs). Stirbt der cine Ehe- |
teil weg, fo erhalt der tiberlebende wohl die ganze
BWohnung, aber nur die Halfte der Naturallerjtun-
Fe Durd Urtifel 96 des Cinfiilhrungsgefesed zum
iirgerlichen Geſetzbuch find die landesgelepliden
Boridriften fiber derartige Verträge aufredt erhal-
ten, foweit dieſe das fid) aus dem Bertrag ergebende
Schuldverhältnis fiir den Fall regeln, daß nicht be-
jondere BVereinbarungen getrojfen werden. In man-
den Teilen Deutſchlands ijt es auch üblich, fiir ver: |
friippelte Kinder oder fiir foldje, Die aus irgend einem |
daut bald jede Urt von Nahrung. Die ſinnlichen
einen dieſem UW. nadgebildeten Vertrag zu ſchließen
andern Grund unfiibig find, fic) felbjt zu erbalten,
und im Grundbuch eintragen i lajjen, damit diefel-
ben ftets mit Wohnung und Rabrung verforgt find.
Wan nennt died > jum Saus suidreiben«. Das djter-
reichiſche allgemeine bürgerliche Geſetzbuch bat das
Uusgedinge nicht befonders geregelt, es ijt des halb nad
den allgemeinen Grundfagen ded 17. Hauptitids ded 2.
Teils gu beurteilen. Bgl. Runde, Die Rechtslehre von
mt eordnet, |
bie Bejoldungen wurden geregelt, und A. ſetzte den
ganzen Einfluß de3 Staates bette ein, Die Gemeinden |
eridjtlicde oder nota⸗
Mus Kauen aber wird das Kind erjt gefdict mit dem Ein⸗
Altentei! — Wlter,
der Leibzucht oder bem U. (Oldenb. 1805); Fromm.
hold, Die redhtlide Natur de3 Unerbenredtes (Bresl.
1885); Soergel, Dads bäuerliche Erbrecht in Bayern
und fein Einfluß auf die ſozialen Verhältniſſe (Ansb.
Altenteilsvertrag, {. itenteil. [1892).
Altenwald, Weiler, zur Gemeinde Sulzbach
(f. d.) im preuß. Kreis Saarbrücken gehörig.
Altenweddingen, Dorf im preuß. Regbez. Magde⸗
burg, Kreis Wanzleben, an der Staatsbahnlinie
Schonebeck⸗ Blumenberg, hat eine evang. Kirde, Kall⸗
und iegelbrennerei und (1900) 2303 Einw.
Altenzaun, Dorj im preuß. Regbez. Magdeburg,
Kreis Ojterburq, nabe der Elbe, 190 Einw. Hier
a Port 26. Ott. 1806 in langerm Gefecht
den Ubergang des Herzogs von Weimar über die Elbe
bei Sandau gegen den naddringenden Marjdall
Soult (Dentmal am Dorje).
Wltengelle, ſ. Altzella.
Alter. Jn der Phyſiologie die Zahl der ver-
lebten Jahre und der dieſer Zahl entipredende Ent-
widelungszujtand des Körpers und Geijtes. Bytha-
goras nabm vier Entwidelungsjtufen (Le bens alter)
an, jede gu 20 Jahren, Solon und Macrobius teilten
das Leben in zehn Lebensalter, jedes ju 7 Jabren,
entipredjend der alten Lehre von den Stufenjabren
(anni cyclici oder climacterici), von denen jedes einen
Seitraum von 7 Jahren umfaſſen foll. Jetzt unter
ideidet man das Kindesalter, die Jugend, dad Wan-
negalter und das Greijenalter. Das Fötalleben
leqt der Menfd) im Mutterleib zurück. Mit dem Tage
der Geburt bat er bei normaler er der Schwanger-
ſchaft diejenige Reife erlangt, um ſelbſtändig fortzu⸗
leben, Nahrungsmittel in fic) aufzunehmen und zu
afjimilieren fowie gu atmen. Näheres ſ. Rind. Die
erjte Zeit nad der Geburt a das Rind größten⸗
teils tim Schlaf gu. Sein Leben beſchränkt ſich welent-
lich auf den Fortgang der vegetativen Verrichtungen.
Ullmahlid) zeigen ſich die erjten Spuren der Sirmes-
tãtigleit. Dre willfiirliden Bewe en find anfangs
ungefdidt, nur allmablid lernt das Rind feine Mus-
feln zweckmäßig gebraudjen. Das Hers arbeitet ſehr
lebbaft, durchſchnittlich macht es 140 Sdlage im der
Minute. Mit dem Durchbruch der erjten Zähne (Mild
zähne) wird das Säuglingsalter abgefdlofjen, zum
tritt Der Baclenzähne; dann erjt erwadt das Bedürj⸗
ni8, andre Nahrung ju fid) gu nehmen als Mutter⸗
mild. Mit dem Hervorbredjen der Milchzãhne beginnt
aud) Die regere Entwidelung des ganzen Rmoden-
fyjtems. Die Entwidelung der Muslkeln Halt mit der
der Knochen gleidhen Sdritt, das Rind lernt fermen
Kopf aufredt balten und fann mit 5 —6 Wonaten
aufrecht figen; bald verſucht es auch zu kriechen, aber
erſt im 10. oder 11. Monat lernt es ſtehen und nad
Berlauf des 1. Jahres geben. Yn der Heit nad dent
Durdbrud der eriten Zähne fdreitet das Wacdhstum
des Körpers, die Entiwidelung ded Sfeletts und der
Musleln immer nod ſchnell vorwärts, dod nidt gany
jo ſchnell wie im Sauglingsalter. Die Verdauungs⸗
organe werden frajtiger, Das Rind verträgt und ver⸗
Wahrnehmungen werden ſchärfer und beſtimmter, es
zeigen fid) die erjten intelleftuellen Requngen, nament-
lid) aber lernt bas Rind, fobald es etwa 1,5 Jabr
jurtidgelegt bat, allmablich aud) fpredjen. Die Grenze
des frithern Rin desalters wird bezeichnet durch den
Ausfall der Milchzühne und den beginnenden Durch⸗
bruch Der bleibenden Hiihne, der in dad 7. Lebensjahr
zu fallen pflegt. Jm KRnabenalter, das bis jum
Alter (phyfiologijd, rechtlich).
€Eintritt der Mannbarkeit dauert, wird der Körper
ſchlanker; mit größerer Ausbildung der Knochen neh-
men aud) Kraft und Gewandtheit der Bewegungs—
organe ju; die Spradje bildet fid) mehr und mehr
aus, und der Gejang fängt an, fid) gu entwideln;
Die Geijtestitigteit gewinnt eine bejtinuntere Richtung;
das unbewupte Auffaſſen der äußern Eindrücke ver-
wandelt fid) in ein beabſichtigtes Lernen; der Geijt
richtet fid) mit Selbſtbeſtimmung auf die — und
ſucht ſie ſich anzueignen, unterſtützt durch Neugierde
und Wißbegierde, durch den Trieb, ſich zu beſchäſtigen
und es den Erwachſenen nachzutun, wozu ſich dann
ſpäter auch die Freude am Wiſſen geſellt; der Verſtand
fängt an zu ſondern, zu — den Grund der
Dinge zu erforſchen; die Einbildungskraft ſchafft ſich
Ideale von Größe und Tapferfeit; das Ehrgefühl ſtei—
gert ſich, das Gedächtnis erreicht nach und nach einen
immer höhern Grad, es erfaßt leicht und behält das
Erfaßte für das 38 Leben, ſo daß in dieſem A. die
Grundlage fiir alles künftige Wiſſen gelegt wird. In—
folge des ſchnellern Wachstums des Körpers ——
fic) auch das Bedürfnis der Nahrungsaufnahme. Der
Puls hat nur 80—90 Schläge in der Minute. Das
Yiinglingsalter reidt von der beginnenden Ent-
widelung der Beugungstraft (Rubertdt) bis zur Be—
endiqung des Wadstums, aljo beim mannliden Ge-
ſchlecht vom 16.—17. bis gum 23., beim weibliden
vom 14. bis gum 20. Jahr. Das Wachstum geht im
Anfang diefes Lebensalters meijt ſchnell vorwarts und
madt, befonders wenn es zuvor nidt bedeutend vor-
geriidt war, einen neuen Schuß, bisweilen 10—16 cm
im einem Jahre. Das Uufhdren des Längenwachs—
tums tritt int 20.—30. Jahr ein. Die mittlere Gripe
beim mannliden Gefdlecht beträgt dann 1,57-—1,73m,
beim weiblidjen 1,4¢—1,62 m, die Schwere etwa 55—
65 kg. Dod) pjlegt die — damit ihren Höhepunkt
noch nicht erreicht zu haben. Im ganzen nimmt in
dieſem A. die Größe des Körpers ungefähr um 26—
31 cm, das Gewicht aber ungefähr um 30 kg gu.
Ropf, Baud) und Extremitäten treten mehr zurück bei
jtarterer Entwidelung der Bruſt, des Kehlfopfes und,
namentlich beim weibliden Geſchlecht, des Bedens.
Die Stimme erleidet cine Veränderung, und die Bu-
bertat (f. d.) tritt auf. Mit diejen forperlidjen Ver—
dnderungen gehen aud) folche der pſychiſchen Tatig-
feiten einher. Gedächtnis, Berjtand und lrteilsfraft
reifert mehr Heran, befonders aber erlangt die produl-
tive Cinbildungstrajt ein hohes Ubergewidt. Das
Mannesalter gerfallt in das junge, reife und höhere.
Das erjtere beginnt mit beendigtem Wadstum, gegen
das 24. Jahr. Ulle firperliden Syiteme ſtehen zu—
einander in einem vollfonmmenen Berhaltnis, Auf—
nahme der Stojffe der Außenwelt und Abgabe an die-
felbe treten mehr ing Gleidhgewidt; das Wachstum in
die Lange Hirt auf, Dagegen nimmt der Körper mehr
an Breite und Dice zu. Das Zeugungsvermögen tit
in Diejem A. zur vollen Entfaltung gelommen. Mit
dem 28.— 36. Sabre tritt die cigentlide Hohe des
Lebens cin und mit ihr das reife Mannesalter. Wile
phyſiſchen und pfychiſchen Verridjtungen gehen in die
fer Periode mit voller Kraft vor fid. Im ſpätern
WanneSalter treten dann Seiden der Ubnahme des
Körpers cin, das Gedidtnis und das Vermögen der
Rezeption werden ſchwächer, die Bewegungen geſchehen
nidt mehr mit der Leidhtigfeit wie früher, es bejteht
Meiqung zur Fettleibigteit. Bei Frauen erliſcht in der
Mitte der 40er Jahre die Menjtruation und damit das
Zeugungsvermögen (ſ. d.); beim Mann bleibt legteres
bis in Die 50er Jahre und langer erhalten. Ungefahr
Meyers Ronv.«Lerifon. 6 Mu, J. Ads.
385
mit dem neunten Lebenszyflus endlid) beginnt das
Greifenalter. Die Körpergewebe beginnen zu
ſchrumpfen, die Zahnhöhlen werden eingezogen und
Daher die Zähne jelbjt loderer; fie nugen ſich ab, fal-
fen aus. Die Zeugunggorgane jdrumpfen ein; dic
Blutbildung ijt ſparſamer; die Abſonderung der Drit-
fen geht weniger fraftiq vor fid); die Sinnesorgane
verlicren an Schärfe; es ſchwindet die Kraft der will-
fiirliden Bewegungen; der Puls finft bis auf 60
Schläge in der Minute; die Ernahrung wird ſchwä—
cher, aud) die innern Ginne werden jtumpfer; das Ge-
dächtnis nimmt inumer mehr ab, Halt am wenigiten
Die Ereignijfe der Gegenwart und nur nod) die aus
der Vergangenheit fejt; die geiltige Tätigleit und die
Geſchäftigleit nehmen ab, Gleidgiiltiqtcit und Wjfett-
loſigkeit treten an die Stelle friiherer Neigungen und
Begierden; die Neiqung gum Sdlaf nimmt ju, der
Schlaf ſelbſt aber ijt weniger rubig und filrger.
Bur Erreidung eines hohen Ulters find vor
allem cine gute, midjt durch angeerbte Febler und
Krankheitsleime getriibte Ronjtitution und eine der Ge-
fundbeit angemejfene Lebensweiſe erforderlic) (ſ. Da-
frobiotif). Klima und Wohnort find darauf nicht ohne
Einfluß. In Deutidland erreiden die Menſchen des
Klimas halber nur felten das höchſte Biel des menſch—
lichen Alters, während in hod) liegenden, mäßig fal-
ten und trodnen Gegenden, 3. B. in Sdhotiland, Däne⸗
mart, Sdweden, Ungarn und im fiidliden Rufland,
verhiltnismapig mene alte Leute vorfommen. Die
faufafifde Rajje fdheint eine größere Lebensdauer ju
haben al3 die mongolijde und malaiifde. In der
Mehrzahl werden die Weiber alter als die Männer.
Im Durchſchnitt werden 178 Frauen auf 100 Män—
ner iiber 90 Jahre und 155 Frauen auf 100 Manner
über 100 Sabre alt. Sn vielen Familien erbt die
Fähigleit, ein hohes A. gu erreichen, jahbrhundertelang
fort. Das höchſte U., das (iiber in der Bibel an-
gefiihrte Beiſpiele f. Seth) bis jest Menſchen erreidt
haben follen, betragt 185 Jahre, dod) fehlt es dieſer
und ähnlichen Angaben an geniigender Veglaubi-
gung. Sehr bezeichnend iſt, daß die höhern und höch—
ſien Stände nur wenige Beiſpiele eines Alters von
100 Jahren und darüber aufzählen finnen, obſchon
die Durchſchnittsdauer bei ihnen gerade am größten
iſt. Faſt alle Beiſpiele von A. über 110 Jahren ge—
hören niedrigen und dürftigen Lebensverhältniſſen
an. Unter den gekrönten Häuptern erreichte nur Papſt
Gregor IX. ein A. von beinahe 100 Jahren; unter
den Gelehrten erreichten Fontenelle, Grolman, Che—
vreul (103) ein gleiches A.; Hippokrates lebte 104
Jahre. Auffallend viele Beiſpiele eines hohen Alters
bietet die Künſtlerwelt dar. Michelangelo z. B. wurde
90, Tizian faſt 100 Jahre alt. Nach Baas wurde das
höchſte A. erreicht von der Franzöſin Marie Piou, die
1838 im A. von 158 Jahren geſtorben iſt. Thomas
Parr ſtarb 1635 im W. von 152 Jahren. Statiſtiſches
j. »Sterblidfeite. Vgl. Wadernagel, Die Lebens-
alter (Baſel 1862); Jaf. Grimm, Rede über das W.
3. Unjl., Berl. 1865); Sadneidewin, Cicero und
Jakob Grimm iiber das YW. (Hamb. 1893); Beneke,
Die Ultersdispofition (Marb. 1879); Mühlmann,
Uber die Urjache des Alters (Wiesbad. 1900); Fried.
mann, Die UWlterSverinderungen (Wien 1902).
INechtliche Bedeutung ded Wlters.] Der Einfluß
deS Ulters auf die geiſtigen und fdrperliden Fähig—
feiter Des Menſchen wird auch im Recht und im Rechts—
leben anerfannt. Rad) dem Vorgang des römiſchen
Rechts werden in Unfehung der Handlungsfabiqteit
einer Perſon in allen Gefeggebungen zwei Alters—
25
386
tuſen untericdieden, indem man der Groß- oder
olljabriqfeit(Majorennitat, aetas legitima)
die Minderjährigkeit oder Minorennitat g¢e-
qeniiberjtellt. Rach dem Biirgerliden Gefegbuch tritt
die Bolljahrigfeit mit dem vollendeten 21. Lebens-
jabr cin; jedoch fann, wer das 18. Lebensjabhr voll-
endete, durch Beſchluß de3 Vormundſchaftsgerichts
fiir volljährig erflart werden, wenn died fiir fein
Beſtes als forderlich erſcheint und er felbjt fowie fein
Gewalthaber cinwilligten. Der Minderjahrige ijt
nad dem Biirgerlichen Geſetzbuch bis zum vollendeten
7. Lebensjahr »geiddaftsunfahig«, ſpäter in der Ge-
ſchäftsfähigleit beſchränkt und gwar folgendermafen:
er bedarf der Regel nach zu einer Willenserklärung,
durch die er nicht lediglich einen rechtlichen Vorteil er⸗
langt (alfo z. B. aud zur Annahme einer Schenkung
unter Auflage), der Einwilligung ſeines geſetzlichen
Vertreters. Er bedarf der Einwiligung ausnahms-
weiſe nicht, 1) wenn er die vertragsmäßige Leiſtung
mit Mitteln bewirkt, die ihm gu dieſem Swed oder zu
freier Verfügung von dem Vertreter oder mit deſſen
Zuſtimmung von einem Dritten — oder
2) wenn er, von dent Vertreter mit ehmigung
des Gerichts jum felbjtindigen Betrieb eines Er—
werbsgeſchãfts ermächtigt, etwas vorninmt, was der
Betrieb dieſes Erwerbsgeſchäfts mit ſich bringt und
nicht etwa auch für den Vormund vom Gericht zu
—— fein würde; oder 3) wenn er, von Dem
ertreter ermächtigt, in Dienjt ober Urbeit zu treten,
etwas vornummt, was der Eingehung oder Aufhebung
eines Dienſt⸗ oder Urbeitsverhaltnifjes der gejtatteten
Art oder die Erfiillung der aus einem folden Ber-
haltnis ſich ateien Beiaten en betrifft. Nicht
berührt werden jedoch durch dad Bürgerliche Gejep-
buch diejenigen hausverfaſſungsmäßigen und landes⸗
geſetzlichen Beſtimmungen, die den Beginn der Voll-
jährigleit (und damit der Regierungsfabhigleit) fiir die
Mitglieder derjeniqen Familien bejtimmen, die jest
landeSherrlid) find oder nod) nad 1815 landesherr-
lid) waren (rt. 57 des Einführungsgeſetzes zum Bür⸗
gerlichen Geſetzbuch). Wis Volljährigkeit ijt hier 3. B.
m Ojterreid) das vollendete 16., in Bayern, Braun:
idweig, Oldenburg, Breufen, Sachſen und Wiirtten-
berg das vollendete 18., in Medlenburg das vollendete
19. Lebensjahr bejtimmt.
Beſondere Voridriften gelten ferner bezüglich der
Ehemiindiqteit, die nad dem deutiden Perjonen-
ſtandsgeſetz vom 6. Febr. 1875 in feiner vom 1. Jan.
1900 an geltenden Faſſung bei dem männlichen Ge-
ſchlecht mit Dem vollendeten 21. und bei dem weib-
lichens mit Dem vollendeten 16. (in Ojterreich fiir beide |
Geſchlechter mit dem vollendeten 14.) Lebensjabhr ein: |
triti. Befreiungen find zuläſſig. Cheliche Kinder be-
Diirfen zur Eheſchließung bis sur Vollendung des 21. |
Lebensjahrs oder bis zur Vollyabrigteitserflarung der |
Einwilliqung des Vaters, nad dem Tode des letztern
der Einwilliqung der Mutter. Sind beide Eltern ver: |
jtorben, fo bediirfen Minderjabrige der Einwilligung
des Bormundes. Uneheliche Kinder werden wie vater-
lofe eheliche bebandelt (f. Eherecht IID.
Much fonjt nimmt die Geſetzgebung vielfach auf das |
WU. Riidficht, fo bei der Todeserklärung ({. d.), bei der
Fahigleit, cinen Eid zu leiften (Eidesmiindigteit), |
Die nad) den deutſchen Juſtizgeſetzen bei Minderjabri
qen mit bem vollendeten 16, Lebensjahr (in Oſterreich
mit Dem 14.) cintritt, fodann bei der Berpflidtung
zum Rrieqadienjt (20. Lebensjahr) fowie bei der Fä—
higleit zum Amt eines Schdffen oder Gefdwornen
(30. Lebensjabr), bet der Urmabhme an Kindes Statt
Altera pars — Alter im Feld.
(f. d.), ferner bei der Wabhlfahigkeit und Wählbarleit
(vgl. Wahl), bei der VBefugnis zur Ablehnung Sffent-
lider YUmter und Vormundfdaften, die in der Regel
6Ojaibrigen Perfonen guiftest, 2. Im Gewerbewe} n
jind fiir jugendlide Urbeiter befondere Beſtimmun—
gen getroffen.
Uud im Strafredt ijt dad A. von befonDderer
Bedeutung. Hier gilt vor allem die Jugend als cin
Strafmilderungsqrund, ja es fann fogar gegen Stin-
der unter 12 Jahren nad den meijten Strafgeies-
gebungen (in Djterreich gegen Kinder unter 10 Jahren)
cin ftrafredjtlidjes Verfahren gar nidt ftattfinden. So
aud) nad dem deutſchen Strafgefepbud (§ 55). Es
können jedod) nad) Maßgabe der —— lichen Vor⸗
ſchriften nod) nicht swolfjdbrige Verbr in eine
Erziehungs- oder ſonſtige Beſſerungsanſtalt unter⸗
gebracht oder es können andre zur Beſſerung und
Beaufſichtigung eeignete Maßregeln gegen ſie er—
griffen werden. Berbredjer, die gwar das 12., nicht
aber bad 18. Lebensjahr zur Beit der Tat vollendet
batten (jugendlide BVerbrecher), find freigufpreden,
wenn fie bei Begehung der ftrafbaren Handlung die
zur Erfenntnis ihrer Strafbarfeit erforderliche bine
at nidt beſaßen, aber fodann entweder ihrer Familie
ju überweiſen oder in cine Erziehungs- oder Bejſe⸗
rungsanjtalt gu bringen. So ijt Beiſchlaf zwiſchen
Verwandten und Verſchwägerten abjteigender Linie
nad) § 173 des deutſchen Strafgeſetzbuchs ftraflos,
falls diefelben dad 18. Lebensjahr nod) nicht vollendet
haben. Wud) darf gegen jugendlide Berbrecher nie
auf Todesjtrafe oder Zuchthausſtrafe und nic über die
Hilfte des Erwachſenen gegeniiber zuläſſigen Höchſt⸗
betrags einer —— erkannt werden. Eben⸗
ſowenig darf das Erlenntnis auf Verluſt der bürger⸗
lichen ——— oder auf Polizeiauſſicht lauten.
In befonders leichten Fallen fann bei Bergehen und
tibertretungen jugendlider Berjonen das Urteil fogar
nur auf Berweis lauten (§ 56f.). Ferner bejteben
im deuiſchen ———— zu gunſten jugendlicher
Perſonen beſondere Beſtimmungen gegen ſittliche Ver⸗
fehlung und Verderbung (§ 173, 174, 176, 181, 182,
361), fOrperlide Verwahrloſung oder Ausſetzung
(§ 221) und Perſonenſtandsveränderung (§ 169).
Altera — (lat.), der andre Teil, die Beqenpartei.
Alteration (lat.), Anderung (jum Schlimmern);
Genriitsaufrequng.
Alter Bund, foviel wie Wites Teftament.
Alter ego (lat., »da3 andre Ich⸗, dD. h. Der Stell
vertreter), cine im Nangleijtil einiger romanifder
Staaten (Spanien, Portugal ꝛc.), namentlid dod
frithern Königreichs beider Sigilien, vorlommende
Formel, Durd die der König cinem von ihm gewadl-
ten Generalvifar des Reides die volle Ausübung
aller Rechte der foniglichen Gewalt übertrug, fo day
diefer gleichſam das zweite Ich ded Königs fein follte.
Im gewdbhnliden Leben fpridt man nidt felten von
dem A.e., Dd. h. Don Dem vertrauten Freund ciner
Perſon, der ganz in ihr aufgeht und ihre Reiqungen
und Wünſche zum Ausdruck bringt.
Alterieren (lat.), verändern; erregen, drgern.
Wlteriert (lat., »veriindert«), in der Deujif foviel
wie chromatid) verandert (um einen Halbton erhöht
oder erniedriqt), wird nur in Bezug auf die drei fon-
jtituierenden Tine (Prim, Terz, Duint) des Dur⸗
Alter im Feld, nad bergrechtlichem Sprad-
gebraud der Vorzug der Prioritdt, den das gemeine
deutſche Bergrecht in erjter Linie dem Finder, im
zweiter Linie dem Wuter eines verleibbaren Minerals
und Mollaffords gebraucht.
Alter Mann —
—— jüngern Mutern einräumt (ſ. Mutung). |
as Vorzugsrecht entſcheidet über den —— auf
Verleihung, wird aber nach dem gemeinen Bergrecht
auch nad) erteilter Verleihung wirkſam, weil dieſe
unbeſchadet älterer und beſſerer Rechte erteilt wird.
Nad den neuern Berggeſetzen kann dagegen das WU.
uur int Verleihungsverfahren geltend gemacht wer⸗
den, und die erteilte Verleihung wird durch den un—
benutzten Ablauf der Präkluſivfriſt zur Geltend-
machung des Alters im Feld unanfechtbar; außerdem
ſteht das A. dem Finder nur zu, ſofern er innerhalb
einer Woche Mutung einlegt. Jn einer andern Be: |
Deutung beſtimmt das U. den Vorzug zwiſchen zwei
Bergwerlseigentitmern, die auf demjelben Gange nad |
Langenvermeffung beliehen find (ſ. Bergredt). Das
A. bejtinunt fid) nad) denfelben Vorausfegungen und
— dem ältern das Recht, die Lagerſtätie innerhalb ſchen
er Grenzen des jüngern Feldes abzubauen, ſoweit
ſie in das Feld des älter Berechtigten (Vierung und
WMejjen) Pitter Bec Wohl die wichtigſten Streitrragen
Des preußiſchen Bergrechts, ob von zwei privilegierten
Findern der erjtere (frithere) Finder oder der erjte
Muter vorgebe (A. genießt), wurde durch Urteil des
Reichsgerichts vom 19. Juli 1901 zu gunſten des er-
ften Finders entidieden, obwohl der preußiſche Han-
Delsminijter als oberſte Bergbehörde fic) zu gunſten
des ältern Muters entſchieden hat. Das Reichsgericht
iſt damit zum gemeinen deutſchen Rechte, dem A., zu—
rückgelehrt. Vgl. Crinert in der Zeitſchrift ⸗Das
Recdht«, Bd. 5, S. 379.
Alter Mann, jeder alte, liegen qeblicbene und ver-
lajjene Bergbau, aud) jeder abgebaute Teil einer
Laqgerititte.
Alternance (franj., tyr. -nangh’), re elmäßige Ab⸗
wechſelung männlicher und weiblicher Versausgänge
im Franzoͤſiſchen. Im Mittelalter kommt dieſelbe nur
gong vereingelt als Künſtelei (3. B. bei Udenet) vor.
Der erjte moderne Didter, der fie antwendete, war
Octavien de Saint-Gelais in feiner Überſetzung von
Ovids »Epijtein« (1496, gedrudt 1500). Darauf hat
fie Jean Boudet in mehreren Dichtungen beobadtet
und Marot in feinen Pjalmen durdgefiihrt, die gum |
Geſang bejtimmt waren. Die Dichter der Plejade
huldigten anfangs nod der alten Freiheit, bis Ron-
ſard die A. zum Geſetz erhob. Seitdem it fie cine
unverbriidlice Regel der franzöſiſchen Versbildung,
von der nur BVirtuofen wie Banville und die Déca-
dents gelegentlich abgegangen find.
Alternat (neulat.), diplomatijder Gebraud, wo-
nad im Range gleiditehende Mächte in Vertragen r.
in abwedfelnder Reihenfolge aufgefiihrt werden, fo
dap jede von ihnen in derjenigen Wusfertiqung, die
fiir fte beſtimmt ijt, Den erjten Blab einnimmt.
Alternation (lat.), Abwechſelung.
Alternativa facultas, ſ. Witernativobligation.
Alternative (franj.), die entideidende Wahl awi-
ſchen zwei Dingen, wo es heißt: entiveder — oder. |
Im Boͤrſengeſchäft ijt Wlternativ die Gefdhafts oder |
Schlußform, bei der es dem einen Intereſſenten frei
jteht, Lieferung oder Differengvergiitung ju fordern.
Alternativo (ital., »abiwedjeind«), Wesabe
fiir fleine, tanzartige Muſikſtücke, die mit einem Trio |
abwedfeln (Menuetto a.); aud) wird wobl das Trio
in foldjen Stiiden cin A. genannt.
Ulternativobligation (Wahlſchuld), ein
Schuldverhältnis, bei dem mehrere Leijtumgen in der
Weife gefdpuldet werden, daß mur die eine oder die
andre ju bewirfen ijt. Das Wahlrecht fteht mangels
abwweicbender Vereinbarung dem Sduldner gu (Bür⸗
Altersprajident. 887
gerliches Gefegbud) § 262). Mit der W. ijt nicht gu
verwechſeln die fogen. facultas alternativa, d. h. —*
weiſe Leiſtungsbefugnis, wo nur eine Leiſtung ge—
ſchuldet wird, der Schuldner ſich aber durch eine
andre Leiſtung befreien fann. aud) Wahlrecht.
Alternativvermächtnie, ſ. Wahlvermächtnis.
Alternativwahrung, ſ. Währung.
Alternieren (lat.), das wechſelſeitige Ablöſen in
einem Amt oder einer Tatigfeit.
Ulternierende Fiirftenhaufer, in der friihern
deutſchen Reidsverfajjung in, Bezug auf das Direfto-
rium des ReichSfiirjtenrats Ojterreid) und Salzburg,
in Bezug auf den Ubjtinunungsturnus in dem Reids-
fiirjtenrat die ſechs Fürſtentümer Pommern, Mecklen⸗
burg, Wiirttemberg, Heſſen, Baden und Holſtein.
Iter roter Sandſtein, Schichten der Devoni-
Formation (jf. d.) in England.
Altersbrand, j. Brand.
Wlterserfennung bei den Hausticren beruht
hauptſächlich auf Kenntnis des periodijden Unsbrudes
und Wechſels der Zähne und der Veränderung in
form und Stellung, die namentlid) die Sdneide-
zähne durch den Gebraud) erleiden. Alte Tiere zeigen
oft am Kopfe graue Haare und Zuſammenſchrumpfen
des Fettpoljters unter der Haut. Da die Nutzbarkeit
aller landwirtidaftliden Haustiere vom Lebensalter
abbingt, fo bat die A. im Viehhandel große Bedeu
tung. Bei Pferden läßt fid) das Witer nach der Be—
ſchaffenheit ber Rahne bis gum 7. Lebensjahr ver-
hältnismäßig am ficheriten beſtimmen, wahrend beint
Rind und Sdaf Wechſel und Mbnugung der Zähne
nidt fo regelmapig erjolgen. Beim Schwein hat die
U. weniger Bedeutung, weil es friih zur Nupbarteit
font und fic) überdies ſchwer in das Maul fehen
lapt. Übrigens läßt fid) das Ulter jiingerer Schweine
aus dem Gebiß bis auf 2, ja bis auf 1 Monat genau
bejtimmen. Beim Reh ijt der charakteriſtiſche, lang-
geſtreckte, dreiteilige hintere Milchbackenzahn des Un-
terfiefers zur A. gu benugen. Beim Rind find aud
die nad) — Kalb angeſetzten Hornringe Zeichen
zur A. Beim Geflügel wird die A. nach Form und
Strultur des Sdmavels fowie nad Farbe, Dice und
Beſchaffenheit der Haut an den Gliedmaßen und ant
Rumpf bewirtt. S. Pferd, Rind, Sdaf. Val. Kuhn,
Erfermen des Ulter3 der Pferde, Rinder und Schafe
(1877); Swab, Zahnlehre sur Altersbeſtimmung
der Rinder (6. Uufl., Salgb. 1897); Walther, Uber
Erfennung de3 Witers beim Pferde (Bautzen 1895).
Altersgewidht, Gewichtsbeſtimmung im Renn-
fport, wonad die an Flach- oder Hindernisrennen
teilnehmenden Pferde je nad) ihrem Alter ein be-
ftinuntes Minimalgewidt gu tragen haben.
widen ſ. Bevilferung.
MAltersflaffe, forſtwirtſchaftlich cin mehrjähriger
Zeitabſchnitt fiir die Altersbezeichnung der Baume
oder Holzbeſtände. Natürliche Ultersflajjen find
von unaleider Dauer; fie lebnen ſich an die natiir-
lichen Radstumserfdeimungen der Baume und Bee
ſtände. Man ſpricht in diejer Hinſicht z. B. von Sung:
wuds, Didung, Stangenhols, Baumholz. Kitnjt-
lide Alterskläſſen find von gleider, bei hoben
Umtrieben (f. Umtrieb) von meiſt 2Ojabriger, bet
niedrigen Umtrieben von 10+ oder Sjabriger Dauer.
Altersprafident, das älteſte Mitglied ciner Kör—
perſchaft, das, folange die Wahl ded Präſidenten nod
nicht erfolgt ijt, ingwifden die Leitung der Geſchäfte
wabhrninunt. Go treten nad) der Geſchäftsordnung
des deutſchen Reichstags beim Beginn einer neuen
Wahl-(Leqislatur-)periode die Mitglieder des Reichs⸗
25 *
388
tags nad deſſen Erdffnung unter dem Vorſitz ihres
Alteften Mitgliedes zuſammen. Das Amt dieſes Alters⸗
priifidenten fann von dem dazu Berufenen auf das
ihm im Lebensalter nächſtſtehende Mitglied tibertragen
werden. fyiir jede fernere Tagung (Seſſion) dagegen
fitbrt bas Präſidium der vorausgeqangenen Seſſion
bis zur vollendeten Brajidentenwahl die Geſchäfte
fort, fo dah alſo nur bei inn ciner neuen Wahl: |
periode der A. in —— tritt.
Altersrente, ſ. Allersverſicherung und Invali-⸗
ditãtsverſicherung.
Altersriung Greiſenring der Hornhaut,
Arcus senilis, Gerontoxon), die im Alter eintretende
qraue fidelfirmige Triibung des Hornhautrandes,
durch die Das Sehen nicht beeintradtigt wird.
Alteroſchwãche 5 Marasmus, lat. In-
volutiosenilis, Senilität, Seneszenz), cin Zu—
a int den alle organijden Weſen verfallen, wenn
ie fich Dem höchſten Wak ihrer natiirlichen Lebens-
dauer nähern und die Ernährungsprozeſſe verfagen.
Die U. beginnt beim Menſchen in thren erjten Spuren
ſchon Anfang der Aer, guweilen nod zeitiger. Die
typiſche Alterserſcheinung iſt die Arterioſtleroſe. Von
ibe hängen die meijten Symptome der A. ab, da mit
der Erſchwerung der Zirtulation die Ernährung der
Gewebe Not leidet. Dic Allommodationsfähigleit der
Augen fann ſchon Mitte der 30er Jahre abnehmen.
Gleichfalls früh ergrauen die Haare, namentlich der
Schläfengegend und bei dunfelhaarigen Perjonen.
Das Fettpoljter ſchwindet, die Haut wird welfer, be-
font Rungeln, eingelne Stellen werden leicht braun:
lid) gefärbt. Später verlieren die Musfein an ——
ſcher Wirkung, die Beine werden ungelenk, der Rücken
ſteif. Im hohen Alter werden die Knochen dünner.
Die Hornhaut zeigt den Altersring; zuweilen ver-
dict ſich das Trommelfell, es verwachſen die Gehör—
höchelchen, und es entſteht ein gewiſſer Grad von
Taubheit. Die Schärfe und —2 des Geiſtes
nimmt bei den meiſten Perſonen ab; viele alte Leute
werden redſelig, etliche geradezu kindiſch oder völlig
ſchwachſinnig. Herz und Leber verfallen einer regel-
miapigen Verkleinerung mit Bildung braunen Farb-
jtoffes in ihrem Gewebe (braune Atrophie). Dic
Milz ſchrumpft, ebenfo die Rieren (Granular-
atrophic), das Gebirn wird derber, feine nervöſe
Subſtanz nimmt ab auf Koſten der nade a
Gerülſtmaſſe, und fo entiteht mit zunehmendem Liter
cine Summe von Stirungen, die vereint ſchließlich
ohne Rranfheit oder dubern Anſtoß gum Tode fiibrt.
Alter sfichtigfeit , ſoviel wie Weitſichtigleit.
Alter Stil, d. h. die Zeitrechnung nad dem in
Rufland und den qriechifchen Ländern geltenden Jue
lianiſchen Kalender (f. Kalender) tm Gegenfage jum
neuen Stil, dem in Deutichland rc. geltenden Gregoria: |
nifden Kalender. Zwiſchen beiden bejteht sur Seit
cine Differeng von 13 (friiher 12) Tagen. Im Wed)
felverfehr bat der alte Stil cine Bedeutung, wenn
§- B. cin in Rufland oder Griechenland ausgeitellter,
in Deutfdland zahlbarer Datowechſel nicht zugleich
die Bemerkung enthält, daß er nach dem neuen Stil
datiert fei, oder wenn er nad beiden Stilen datiert
ijt. Qn dieſem Falle wird (nad Urtifel 34 der Wechſel—
ordnung) der BVerfalltag nad dentjenigen Kalender
faq des neuen Stils berednet, Der dem nad altem
Stil fic) ergebenden Tage der Ausſtellung entfpridt.
So ijt fiir einen im gewdhntiden Jahr am 18. Febr.
auf · drei Monate dato« ausgeſtellten Wedhfel der Ver-
falltag micht fo yu berechnen, daß man erjt pom 18.
Febr. 3 Monate weiter bis 18. Wai rechnet und dann
i
Altersrente — Altertum.
durch Zählung der 13 Dijferengtage den 31. Mai als
Verfalltag erhalt, fondern fo, day man jum 18. Febr.
zuerſt Die 13 Differengtage hinzurechnet und den 2.
Wirz neuen Stils als Unsjtellungstag erbalt, nad
dem dann, 3 Wonate weiter gerednet, der 3. Juni
als ridtiger Verfalltag fic) ergibt.
Altersverficherung, derjenige Zweig der Le-
bensverſicherung (j. d.), bei Dem der Verſicherte gegen
in feinen jiingern Jahren gesablte, nad den Regeln
der — 0 pee spe bios berechnete Bramtien
oder aud) gegen eine cinmalige Einzahlung nad Ein-
tritt in ein beſtimmtes Lebengalter cin Rapital oder
‘eine von da ab bis gu feinem Tode laufende Rente
(Altersrente) erhilt. Die A. fann von Lebensver-
ſicherun —— oder aud) von beſondern hier⸗
fiir (anest ür Urbeiter) eingeridteten Anſtalten, wie
3. B. die Kaiſer Wilhelins-Spende (j. d.), übernom⸗
men werden. Franfreich hat Staatsanjtalten fiir A.
(Caisses de retraite pour la vieillesse), fiir Die je-
Dod) cin Beitrittszwang nicht bejtebt, wabrend in
Deutidland durch Gefegy vom 22. Juni 1889 cin Ver⸗
ſicherungszwang eingeführt wurde (ſ. Urbeiterverjide-
rung, ——— berfidherung).— A. gilt tm Sinne
des Privatverſicherungsgeſetzes vom 12. Wai 1901 als
Lebensverjicherung (f. d.). Bon der cigentliden, nad
verjiderungstednifden Grundjagen durdgefiibrten
A. ijt gu unterſcheiden diejenige Ultersverforqung,
die ganz oder 3. T. den Charafter einer von Dritten
in Geld oder Naturalverpflequng gewährten Unter-
jtiigung trägt. Biele Ultersverjorgungsanftal-
ten werden unter der Bezeichnung »Mannerhenn-:,
»Frauenheime rc. durch Wohltatigfeit erhalten. Dod
gibt es aud) Unjtalten, welde die Witersverjorgung
geqen Entridjtung eines Cinfaufsgelded überhaupt
oder wenigſtens von feiten Bemittelter übernehmen.
Witersyormund daft, |. Vormundſchaft.
Wltertum , im allgemeinen der Zeitraum der Ge-
jdhichte, der, feinem Anfang nach unbejtimmbar, mit
dem Untergange des wejtrdmifden Reiches und der
Entjtehung der dhrijtlid)- germanijden Staaten 476
endet; insbeſ. der Zeitraum, der die Geſchichte der
Griechen und Römer umfaft, das klaſſiſche A. ge-
nannt, ein Begriff, in den man in höherm oder ge-
ringerm Maß aud) das Kulturleden folder Völler em:
bezieht, die, wie Agypter, Babylonier, PHinifer x.
“nad Erridjtung des römiſchen Weltreiches gu jenen
in engere Beziehungen traten. Jin engern Sinne ver»
jteht man unter A. aud) die Urgeſchichte jedes einzelnen
Volkes, die ihren Abſchluß mit einer Periode findet, in
Der Durd) große Ereignijje eine völlige Umwandlung
Des geiſtigen und fittlidhen Lebens ded betreffenden
Volles fic) vollyieht. So ſchließt das A. ab bei Ger-
manen, Relten u. a. mit der Annahme des Chrijten-
tums, bet YUrabern, Berjern, Tiirfen mit der Beleh-
rung gum Islam, bei Aztelen, Inla u. a. wut ihrer
Entdedung und Unterwerfung durd Ne Curopader und
der Annahme chriftlider Religion und Kultur. Die
aus den bezeichneten Berioden uns überlommenen
Denfmaler nennen wir Wl tertiimer oderUntiqui-
täten, worunter man nicdt mur Baus und Runjt-
werke (mit Einſchluß von Waffen, Werlzeugen u. dgl.;
val. Untiquitdtendandel), fondern aud die Nachrichten
von den ſtaatlichen, religidfen und ſozialen Einrich
tungen, dem öffentlichen und privaten Leben der Vdt-
fer verjtebt, wie jie in den uns überlieferten Sdyriften,
Denfmalern ut. a. enthalten find. Bon defen Alter-
tumern find aber in neuerer Zeit bie Werke der bilden ·
den Kunſt durd) cine befondere Wiſſenſchaft, die Ar—
chäologie (jf. d.), au einem ciqnen Gebiet abgegrengt
AUltertiimer — Altertumsforjdende Vereine.
worden; fo verjteht nian heute unter Ultertiimern nur
nod) die Staats⸗, Religions. u. Privataltertiimer. Die
Staatsaltertiimer umfajjen Verfajjung, Rechts—
pflege, Polizei-, Finang- und Kriegsweſen, Kultur und
Handel, die Reliqions- oder Safralaltertiimer
Den Kultus, die Geipatattecifincy a ſiſchen
und geſelligen Verhältniſſe, wie Familie, Sklaverei,
hãusliche Einrichtung, Lebensweiſe xc. Die wichtigſten
Handbücher der — Altertumskunde ſind für die
— den Altertümer: K. F. Hermann (neubear⸗
eitet von Blümner u. Dittenberger, Freiburg 1882 ff.,
4 Bde.), Shimann (4. Aufl. von Lipſius, Berl. 1897
bis 1902, 2 Bde.); Bufolt, Bauer und Müller (J.
Miillers »>Handbuch der klaſſiſchen Ultertumswiffen-
ſchaft · Bd. 4, 2. Aufl. Miind. 1893); fiir die rb mi-
iden: Marquardt und Mommſen (3. Aufl., Leipz.
1884 ff., 7 Bde.), Schiller und M. Voigt (bei J. Miiller,
Bd. 5, 2. Wujl., Münch. 1893), Guhl u. Koner (> Das
Leben der Grieden und Römer⸗, 6. Wufl. von Engel:
mann, Berl. 1893). Lerifalifdy: Pauly-Wiſſowas
»Realensyflopadie der flaffijden Altertumsfunde<
{neue Bearbeitung, Stuttg. 1894 ff.), Daremberg-
Saglios »Dictionnaire des antiquités grecques et
latines« (Par. 1877 ff.) und Baunteijters » Denfmaler
Des klaſſiſchen Altertums⸗ (Mind. 1889, 3 Bde.).
Das oben angegebene geitliche Maß ijt iibrigens bei
ben Heutigen ſchnell vorwarts ſchreitenden Kulturvöl⸗
fern keineswegs fejtqehalten worden ; es erſcheint niiber
an die Gegenivart geriidt und wird im Lauj der Beit
nod) weiter vorriiden. Go betradtet man die deut—
{den Ultertiimer, nämlich das, was man heute als
saltdeutid« bezeichnet, als bid zur Reformation rei-
chend, cine Grenje, die fid) aud) Jatob Grimm bei der
Darjtellung der deutiden RedtSaltertiimer gezogen
hat. Die deutſche Altertumskunde wurde bejonders
von Ludw. Lindenſchmit (7. d.) bearbeitet, cine popu-
fare Darjtellung gibt Götzingers »>Reallerifon der
deutidjen WUltertiimer« (2. Wufl., Leipz. 1884). Em
»Reallerifon der indogermanifden Allertumskunde⸗
veröffentlichte O. Schrader (Straßb. 1901, 2 Bde.). —
Weiteres, befonders iiber die Hrijtliden Ultertiimer,
ſ. Archãologie; fiber die biblifden Altertümer vgl.
Bibliſche Urdiologie; liber die vorgeſchichtlichen
Ultertiimer ſ. Prähiſtorie.
Altertümer, ſ. Altertum, auch Antiquitätenhandel;
afrikaniſche, amterifanijde xc. UW. ſ. die beſondern Artikel.
WUltertiimer-Ronfervierung. Dem Erdboden
entnommene Uitertiimer unterlieqen der Zerſtörung
durch den Gehalt an loöslichen Salen (Chloride und
Sulfate de3 Natriums und Maqnefiums), die bei
ſchwankender Temperatur und Luftfeuchtigleit wie-
derholt frijtallijieren und von der Oberfläche diinne
Schichten abjprengen. Deshalb werden die Ultertiimer,
joweit fie eS vertragen, mit Waffer ausgelaugt und
nad) völligem Trodnen mit Firnis, Harzlöſung oder
Keßlerſchen Fluaten getränkt. Cifen, das mit Edel-
rojt (Cijenogybuloryd) bedeckt ijt, bedarf feiner Kon—
ſervierung. Andre Eiſenſachen werden nach Krauſe
mit Waſſer ausgelaugt, getrocknet und einige Zeit in
einer Miſchung von Firnis und Petroleum zu glei—
chen Teilen erwärmt. Ekhoff erwärmt die ausgelaug-
ten naſſen Gegenſtände in Solaröl von etwa 0,9 ſpez.
Gew. bei 105°, bei welcher Temperatur das Waſſer
verdampft und durch Solaröl erſetzt wird: Der ab-
gekühlte und oberflächlich abgetrocknete Gegenſtand
wird mit einer Wachs- (beſſer Paraffin⸗) Löſung über⸗
zogen. Eiſenwaren, die noch einen ſtarken Metallkern
enthalten, erhitzt Blell bis zur ſchwachen Rotglut,
ſchreckt in Waſſer ab und legt fie dann in verdünnte
389
Schwefelſäure, bis aller Roſt entfernt iſt, was durch
gleichzeitige Anwendung mechaniſcher Mittel (Grab-
flichel, Bohrmaſchine) unterſtiltzt wird. Der durch Aus⸗
laugen in Waſſer von Säure befreite Gegenſtand wird
in geſchmolzenem Paraffin bis etwa 120° erwärmt,
abgetrocknet und mit Paraffinbenzinlöſung dünn be—
ſtrichen. Nach Krefting wird an dem Eiſenfund an
einigen Stellen das Metall bloßgelegt, das Stück mit
Binh umwickelt und dann in cine 5pro3. Na—
tronlauge gelegt. Hierbei entwickelt fid) amt Cijen
Waſſerſtoff, der das Cifenoryd redujiert und qleid-
zeitig mechaniſch durch die aufſteigenden Gasblasden
abbebt. Schließlich wird mit Waſſer ausgewaſchen
und mit Paraffin getrainft. Bronzen nut der aus
baſiſch foblenfaurem Kupfer bejtehenden Cdelpatina
find feiner Veränderung unterworfen. Dagegen zei—
gen Bronzen, die mit waſſerlöslichen Salzen tn Be-
rührung gefommen find, bei der Aufbewahrung in
Sanumlungen die jogen. wilde Patina. Es bilden ſich
hellgrüne Punfte, die endlich Die ganze Bronze iiber-
ziehen, gleichzeitig ind Innere dringen und allmäh—
lid) Das Wetall zerſtören. enjtande, die nod) in
der Hauptfade aus Metall bejtehen, behandelt man
nad) dem Kreftingſchen Verfahren wie Cijen oder nad
dent Gbnliden Verfahren von Finfener. Wltertiimer
aus orqganifdem Material, wie Knoden, Horn,
Leder, Federn, Gewebe, Papyrus, Holz ꝛc., die der
Fäulnis, der Girung, der Vermoderung, den An—⸗
qriffen von Ynfeften xc. unterliegen, trantt man nad
vorſichtigem Austrocknen mit Raraffin, Firnis-, Harz,
Kautjdulldfungen, Kollodium, Sublimat u. a.-m.
Kleinere Holzſachen bewahrt man auc in Alkohol auf.
Rol. Wuffow, Die Erhaltung der Denkmäler in den
RKulturjtaaten der Gegenwart (Berl. 1884, 2 Bde.);
(Vo) Merkbuch, Ultertiimer ee ere und auj-
ubewahren (2. Aufl., daf. 1894); Rathqen, Rone
ee von Ultertumsfunden (daj. 1898).
Altertumsforſchende Vereine, Vereine, die ſich
die wiſſenſchaftliche Erforſchung des Ultertums eines
Landed oder eines Landesteils, vielfach aud) die Samm⸗
{ung und Erhaltung der einzelnen Altertümer zur Auf⸗
abe geftellt haben. Die älteſten altertumsforjdhenden
reine findén wir in England. Die Londoner Se-
ciety of Antiquaries wurde bereit3 1572 von Barter
und Cotton gejtiftet, 1604 von Jakob L. aufgelöſt, aber
1707 von neuen ins Leben gerufen; 1751 wurde fie
von Georg IT. als öffentliche Gejellfchaft anerfannt.
Yn Sdottland wurde 1780 die Scottish Society of
Antiquaries und in Irland 1786 die Royal Lrish
Academy geqriindet. Gegenwärtig finden fid) der-
gleichen Bereine in allen größern Stadten Englands,
ebenſo Frankreichs. Bedeutended leijteten hier bejon-
ders die Parijer Société des Antiquaires de France,
die fic) 1814 aus der 1805 qgeqriindeten Académie
celtique bildete, die Société de l'histoire de France
und die Commission des monuments historiques.
Yn Ojterreid) ijt die Wltertumsforjdung ſtaätlich
organijiert durch die Erridtung der E. f. Bentralfom-
miſſion gur Erhaltung und Erforſchung der Kunſt—
und bijtorifden Denkmale in der öſterreichiſchen Mon-
ardie gu Wien, die in allen Teilen des Reiches Kor—
rejpondenten hat. Auch gibt es hier, abgefehen von
dem Ultertumsverein in Wien, zahlreiche vaterlindi-
ide Vereinsmujeen, namentlic) das Johanneum in
Gray (gejtijtet 1810), das Vaterlaindijde Muſeum in
Prag (1816), das Ferdinandeum in Innsbruch (1823),
das Francisceum in Briinn. Hervorragende Vedeu-
tung erlangten fiir Deutfdland das römiſch-ger—
maniſche Zentralmuſeum in Maing, geqriindet 1851,
390 Altertumsfunde
und das Germanifde Nationalmufeum (f. d.) in Nürn⸗
berg, begriindet 1852, neben denen zahlreiche Brovin: |
jial- und Lofalmufeen bejtehen. Reuerdings ijt, nach⸗
Dem die Erforſchung des rdmifden Limes (jf. d.) von
Staats wegen in Angriff genommen war, fitr die Ulter-
tumsfunbde ber römiſch⸗ germanifden Beit eine eigne
Kommiſſion ded kaiſerlichen Archäologiſchen Inſtituts
eingeſetzt worden. Die zahlreichen lolalen und provin⸗
zialen ine, die hier beſtehen, haben ſich zumeiſt
nicht nur die Altertumsforſchung, ſondern überhaupt
die Förderung der lolalgeſchichtlichen Studien zur Auf⸗
gabe geſtellt (ſ. Hiſtoriſche Bereine). Für die Erhal⸗
tung der Altertümer ſorgt aud) die ſtaatliche und pro-
vinzielle Denkmalspflege (ſ. Denkmäler). In der
Schweiz beſteht neben dem eidgenöſſiſchen Muſeum
in Zurich cin Verband Schweizeriſcher Wltertums-
muſeen; gemeinſames Organ ijt der angeſehene An—
zeiger für ſchweizeriſche Altertumskunde; unter
ereinen find die von Zürich und Bern die bedeu-
tenditen. Auch in allen andern Ländern Europas und
Umerifas gibt es U. V. Bn den Vereinigten Staaten
ijt hodgeadtet das mit der Smithsonian Institution
in Wafhmaton verbundene Bureau of American Eth-
nology, deſſen feit 1881 erfdeinende, von J. W. Powell
herausgegebene Jahresberichte die widtigite Duele |
fiir Die amerifanifde Ultertumsforfdung bilden.
Altertumstunde (Altertumswiſſenſchafth,
der Inbegriff aller das Witertum (ſ. d.) betreffenden
Kenntniſſe oder die Wiſſenſchaft, die das gefamte Kul⸗
turleben der Bolfer des Uitertums, insbeſ. der Grie-
den und Romer (flaffifde W.), gu erforjden und
barjujtellen ſucht. Bal. Philologie.
Alterum tantum (lat.), et einmal foviel (näm⸗
lich als das Kapital). Val. Wudher.
Wlter vom Verge (arab. Sheidh el Dſchibäl),
Titel, den ſich Hajjan ibn Sabbah, der Grinder der
mohammedaniſchen Sefte der Aſſaſſinen (ſ. d.), bei-
leqte und deren Häupter ſeitdem führten.
Alter Wall, |. Befejtiqungen, vorgeſchichtliche.
Altesse (fran}., fpr. tag"), Hoheit (ſ. d.); Ebren-
—— für fürſtliche Perſonen. A. impériale, Kai—
erliche Hoheit; A.royale, Königliche Hoheit; A. séré-
nissime, Durchlaucht.
ditefte (bebr. Sefenim), Rame der Gemeinde-
voriteber bet Juden und Chrijten (f. Bresbyter).
Uiteftenfollegien, faufmiannif de, ſ. Handels |
fammern; auch foviel wie Arbeiterausſchüſſe, f. Ure |
Mites Teftament, j. Bibel. beiterausſchuß.
Altes Weib, Fiſch, ſ. Hornfifde.
Alte Welt, die oͤſtliche Erdhalbfugel mit den Erd-
teilen Europa, Aſien und Wfrifa, im Gegenfawe ju |
Umerifa, der Neuen Welt. Auſtralien bleibt dabei |
aufer Betradt. Unter den Völkern der Witen Welt |
verſteht man Diejenigen, Die in Aſien, Afrila und Eu—
ropa vor dem Erjdemen des Chrijtentums auftraten. |
Altfränkiſch, cin {chon bei oberdeutiden Schrift: |
ftellern des 16. Jahrh. geldufiger Ausdruch: auf den |
Gegenfag ju den Franzoſen (den Neufranfen) gegrün—
Dete Bezeichnung des Witmodifden; daher foviel wie
veraltet, altvatertfd.
Altfranzöſiſch, ſ. Franzöſiſche Sprache.
Altfürſtiiche Daufer, nad einigen diejenigen
fürſtlichen Reichsſtände, die auf dem Augsburger
Reichstage von 1582 das Stimmrecht innegehabt
haben; Gegenſatzt die neufürſtlichen Häuſer, welche
die Reichsſtandſchaft, bez. das Recht aftiver Teilnahme
an den Reichstagaverhandlungen erjt nad diefem Zeit⸗
punft erworben haben. Diefe Gegeniiberftellung alt-
und neufürſtlicher Hauler berubt auf der irrigen Bor-
— MIt- Heide.
ausſetzung, da gerade von 1582 ab der Kaiſer dad
Recht verloren habe, durch Ernennung neuer fürſt⸗
licher Reidhsitiinde den ReichSfiirjtenrat zu erweitern,
während es tatſächlich die Reidpsitiinde erjt im 17.
Jahrh. durdhfesten, dak gwar nidt die Verleihung
des Titels der Reichsſtandſchaft, wohl aber die Aus⸗
iibung der reichsſtandſchaftlichen Befugniſſe von ibrer
Zuſtimmung abhängig gemadt wurde.
orf, Dorf, ſ. Gersdorf 1).
Alt⸗Glienicke, Dorf im preuß. Regbez. Pots⸗
dam, Kreis Teltow, bei Adlershof, hat eine evang.
Kirche und as00) 3751 Einw. YU. wurde 1893 mit
Neu -Glienide vereinigt.
Alt- Gradista, |. Gradidta 2).
A liche Danufer, ſ. Graf.
Alt L. (Althee, Eibiſch), Gattung aus der
Familie der Malvazeen, ein⸗, meiſt mehrjãhrige Krau⸗
Den | ter mit filziger oder dͤnnerer Vehaarung, handförnig
—— oder geteilten Blättern und einzeln oder in
üſcheln —— meiſt anſehnli Blüuten.
die bisweilen eine endſtändige Traube bilden. Etwa
15 Urten in den gemäßigten Klimaten der Alten Welt.
A. officinalis L. ſ. Tafe > WUrjneipfla en Ie. A. ro-
sea Cav. (Alcea rosea L., Stod-, Bappelrofe,
Malve, Rofenmalve), eine zweijährige, aud aus-
Dauernde Pflanze, in der Tiirfei, in Griechenland
und auf Sreta, mit 2—3 m hohem, aufrechtem Sten:
gel, rundlichen, rungeligen Blattern, großen, weißen
oder farbigen Blüten in langer Traube, wird als
Bierpflange (Charteride Barietiiten), die ſchwarzrot
bliihende auf Feldern fultiviert und gum Farben vor
Bein rc., auch als ſchleimiges, etwas zuſammenziehen⸗
de3 Arzneimittel benutzt.
„ſ. Meleagros.
Althaldeno leben, Dorf im preuß. Regbez. Magde⸗
burg, Kreis Neuhaldensleben, an der Bever und der
Eiſenbahn Neuhaldensleben-Cilsieben, hat ete evan⸗
gelifdje und cine fath. Kirche, Steingutjabrif umd (1900)
4369 meijt evang. Einwohner. Die Qndujtrie wurde
durch G. Nathuſius (fj. d. 1) beqriindet.
Althaus, Theodor, Schriftiteller, qeb. 26. Ot.
1822 in Detmold, gejt. 2. Uprif 1852 in Gotha, ſtu⸗
dDierte in Born, Jena und Berlin, veröffentlichte 1845
mebrere freireligiöſe Sdhriften, lebte 1847 als Schrifi⸗
ſteller in Leipzig, wo er die ⸗Märchen aus der Gegen⸗
warte — — 1847) ſchrieb, und wurde 1848 Reda
teur der »Weſer⸗Zeitung⸗, dann der ⸗Zeitung fiir
Norddeutſchland. in Hannover. Ynfolge eines zut
bewaffneten Durdfithrung der Reichsverfaſſung auf⸗
fordernden Artilels wurde A. 1849 gu zweijährigem
Gefiingnis verurteilt, 1850 beqnadigt. Jn der Haft
idrieb er dad Buch ⸗Aus dem Gefiingnis« (Barmen
1850), eine Darjtellung feiner Ideale. A.' Geſundheit
war aber gebrochen. Seine ſchwungvollen Gedichte
wurden 1853 als Manuſtript gedruckt; viele befinden
fic) in Der Biographie: » Theodor A., ein Lebensbild«
(Bonn 1888), die fein Bruder Friedrich U. verfafte.
| Diefer, geb. 14. Mai 1829 in Detmold, lange als Pro⸗
fejfor der deutſchen Literatur und Sprade m London
tatig, geft. 7. uli 1897 in Hampitead, veröffentlichte
Engliſche Charafterbilder« (Berl. 1870, 2 Bde.), eme
Uberſetzung von Forſters »Didens-Biographic« umd
gab 1892 die ⸗Romiſchen Tagebiicher« von Ferd. Gre-
Withee, ſ. Althaea. [qorovius heraus.
Mit ſta, ſ. Lederzucker.
riitheefafn (Eibifdfast), f. Sirup.
Altheeſalbe, ſ. Salben.
Alt⸗Heide, Dorf im preuß. Regbez. Breslau, Kreis
Glatz, an der Weiſtritz und der Staatsbahnlinie Glag-
Alt-Heifendorf — Altkatholizismus.
Reinerz, 400 m it. M., hat ants und Glasfdleiferci,
eine Holajtiftefabrif, zwei alfalijdhe Stablquellen, ein
Moorbad, Kaltwaſſerheilanſtalt und (1900) 649 Einw.
orf, Dorf im preuß. Regbez. Schles⸗
wig, Landfreis Siel, öſtlich am Kieler Bufen, hat ein
Seebad und (1900) 872 Einw.
Althing, die Volfsvertretung in Island (jf. d.).
Mit utſch, ſ. Deutſche Sprade.
Althorn (Saxhorn Alto) heißt das nur in der
Harmonienufit gebräuchliche Ventilbiigelhorn in Es,
dad eine Oftave ticfer fteht als das Piccolo in Es
(Saxhorn Sopranino). Umfang von a bis b*.
Althorp, Viscount, ſ. Spencer.
Wlthorp Park, ſ. Northampton 1).
Al ütten, Dorf, ſ. Dobris.
WUltieri, röm. Fürſiengeſchlecht, das, urſprünglich
Peralucei genannt, den Namen A. im 16. Jahrh.
angenommen bat. Mit Emilio Carlo A. ſeit 1670
Papſt Clemens X. (f. d.), erlojd die Familie 1676.
Clemens adoptierte Den Gemahl —— Nichte Laura,
Gaſpare Albertoni, Marcheſe di Raſina, und verlieh
ihm den Titel Fürſt A. gu deſſen Nadfommen ge:
hort Quigi A., geb. 17. Juli 1805, feit 1836 pipjt-
lidjer Runjius in Wien, 1845 Kardinal, 1860 Bifdof
von Ulbano, geft. 11. Aug. 1867, nambafter rdmi-
{cher Staat3mann. enwirtiges Haupt des Hauſes
ijt Lodovico, Fürſt W., geb. 27. Dez. 1878, älteſter
Sohn des am 4. Jan. 1901 geftorbenen Fürſten Paolo,
Rontmandanten der päpſtlichen Nobelqarde.
Altilik, türk. Silberntiinge von 6 Piaſtern mit Ua⸗
und '/4-Stiiden (Utſchlik und Altmichlik), faft /o fein,
1880 al8 Gdeidemiinge um Us im Wert erniedrigt,
= rund 1 Marf der Talerwahrung.
Witimeter (lat.-gr.), — zur Höhenmeſſung;
Altimetrie, Höhenmeſſung. S. Meßinſtrumente.
Altin (Altyn, Altinniſhh, ruff. Kupfermünze, —
Altindiſche Sprache, ſ. Sanskrit. [3 Ropefen.
Altingia Noronha, Gattung der Hamamelidazeen,
Baume mit bleibenden, eilänglichen, driijig gefagten,
lederigen, fahlen Blattern, in aufredten, gujanunen-
— Ähren ſtehenden männlichen Blülen und an
angen Stielen hängenden weiblichen Blütenköpfchen.
Von den —— rten wächſt A. chinensis Hook fil.
auf Hongfong, A. excelsa Noronha (Rafamata),
ein 50 m hober Baum mit higeliger Krone, findet ſich
von Jünnan bi8 Java und liefert cin febr ys
rte3, braunes, balfambdujtende3 Nutzholz, in deſſen
öhlungen fid ein wohlriechendes Harz Goſſa—
malha, Roſe Mallus, Kindai) abſondert, das
auf Sava wie Benzoe benutzt wird.
Witinftrumente , ſ. Wit.
Altior adversis ({at., »iiber Widerwartigleiten
erhaben<), Devife des medlenburg. Greifenordens.
Mitis, der von einer Mauer uumbtoffene Tempel-
a in Olympia (jf. d.).
(tifchabar, tuͤrk. Bezeichnung fiir Ojtturtijtan.
Altius tollendi jus (lat.), da3 Recht, in Bezug
auf de3 Nadbars Haus höher bauen ju dürfen; Al-
tius non tollendi servitus (lat.), Dad Rect, je nach
ber Vereinbarung dem Nadbar das Höherbauen fei-
ne Hauſes ſchlechthin oder nur das Bauen über eine
ewifje Höhe hinaus unterjfagen gu fonnen. Das
— Geſetzbuch erwähnt dies Recht nicht.
tfatholizigmus, Name fiir cine kirchliche Be—
wegung, die den von der nationalen Idee getragenen
Widerftand der Gewifjenhajtigteit und der Wiſſen—
ſchaftlichleit im deutfden Katholizismus gegen die im
Unjfebhlbarfeitsdoqima vollendete ultramontane Ent-
widelung der römiſchen Kirche darjtellt. Bisher war
391
es unter Beihilfe der Politif deutſcher Regierungen
der Kurie gelungen, den Widerſpruch der deutſchen
Wiffenidhaft (Hermes, Giinther, Frohſchammer u. a.)
ju unterdriiden, Manner, die fich rdmifden Zumu—
tungen unfügſam jeigten, von Den Biſchofsſtühlen zu
entfernen oder zurückzuhalten (Sedinitty, Schmid)
und in Klerus und Gemeinde den Ultramontanismus
ur Herrfdaft gu bringen. Wis aber trotz der Cine
frrade der deutſchen Theologie, tro des Proteſtes
einer jtarfen Minorität auf dem vatifanijden Konzil
18. Juli 1870 das Dognia von der Unfeblbarfeit zu
jtande gefommen war, als diefelben deutſchen Biſchöfe,
die ſich vorher fo entidieden dDagegen ausgeſprochen
atten, dad —* dennoch (in Bayern mit Umgehung
des Plajet) verfiindigten und gegen die opponierenden
Fakultäten von München, Bonn und Breslau forwie
ge en einzelne Geijtlide und Religionslehrer mit kirch⸗
iden Zenfuren einfdritten, und als zugleich in dem
Verhalten des Klerus und der fatholijden Bartei des
Reidstags es fid) unverhohlen zeigte, Dak das Stre-
ben dabin gebe, den päpſtlichen Willen auch zum ober-
ten Geſetz der Staaten gu maden: da wurde es vielen
er Bejten zur Gewiffenspflidt , fic) der Cinfiihrung
eines —— zu widerſetzen, dag fiir Den Papijt eine
ſchrankenloſe Gewalt iiber jeden cingelnen wie über
Rirde und Staat in Unfprud nehme, und mit dem
fein Recht, teine Freiheit, feine Gewiſſenhaftigleit be-
ftehen finne. Ein Brief des Stiftspropites Dollinger
ju Minden vom 28. März 1871 an den Erybiicrot
Sderr, in dem er in fehneidiger Sprache begründete,
dak er al8 Chrijt, als Theolog, als Geſchichtskundiger,
als po das Dogma nicht annehmen könne, und
Den Der —— mit der Exfomnumifation beant⸗
wortete, gab der in vielen Kreiſen verbreiteten Stim-
mung Uusdrud und Anlaß gu einer weiter gehenden
Bewegung, die vor einem WUftionsfomritee in München
geleitet wurde. Die anfiinglide Hoffnung, die An—
nahme de3 Dogmas in der deutſchen Kirche nod) rück⸗
ängig maden ju fonnen, fdwand, als der deutfde
Epiftapat in einem gemeinfamen Hirtenbriefe feine
Unterwerfung ausfprad. Ihr ftellte der Kongreß
der Ultfatholifen in Miinden (September 1871)
die Behauptung entgegen, die Ynfallibilijten feien,
burd) den Jeſuitismus verfiihrt, vom Glauben der
alten Kirche abgefallen, und diefe bejtehe rechtmäßig
nur in ihnen fort. Damit war das Schisma aus-
gefproden. Unter dem Schutz und der Begiinjtiqung
des Staated bildete fich eine Anzahl alifatholijdher Ge-
meinden, deren firdlichem Bediirfnis der Erzbiſchof
von Utrecht (f. Utrechter Kirche) entgegenfam. Jn einer
Reihe wiffenfhaftlider und populärer Schriften ents
widelten in zwiſchen die Fithrer der Bewegung, Schulte,
Friedrich, Reinfens, Michgelis u. a., aus Kirchenrecht
und Rirdengefdidte die Ungiiltigfeit und Unjtatt-
haftigleit des Dogmas, feinen Widerjprud mit Reli⸗
iofitat und Sittlichkeit. Der zweite Kongreß, in Köln
September 1872, hielt in ſeinen Anträgen an den Staat
den bisherigen Anſpruch, die rechte katholiſche Kirche
zu ſein, feſt und beauftragte ein Komitee, die Ein—
leitung zu einer Rekonſtituierung der Kirche durch eine
Biſchofswahl zu treffen. Zugleich wurde auch die von
Döllinger angeregte Frage nach der Möglichkeit einer
Wiedervereinigung der getrennten Gonfeffionen ins
Auge gefabt und offen ausgeſprochen, daß man nidt,
wie anfänglich beabjidtiqt geweſen, nur auf den Bus
jtand des 7. Jahrh., vor der Trennung von der grie—
chiſchen Rirde, zurückgreifen fonne, fondern dah eine
Revifion der Entwidelung in Lehre, Verfajfung und
Kultus notwendig fet.
392 Altkirch — Altmark.
Eine Delegiertenverſammlung nahm 4. Juni 1873 | der Synode ju Olten 1876 auf eftellten Prinzipien viel
in Köln ein Organifationsftatut an, nach dem die | ent{diedener mit der hierarchiſchen Tradition gebroden,
Leitung der Kirche bei dem Biſchof ruht, dem ein Spe- | als died den deutfden Witfatholifen mögli ag
zialausſchuß von neun Perfonen, teils Geiftliden, | war. Die altfatholifde Fahultat in Bern jtellte ſich
teil? Laien, zur Seite fteht. Diefer Ausſchuß wird
von der Synode erwählt, die jährlich in der Pfingſt—
woche gufammentritt, und gu der ſämtliche Geiſtliche 1901 zählte man 41 Gemeinden mit 56 Geiſtlichen und
und fiir jede Gemeinde, bes. fiir je 200 felbjtindige | rund 50,000 Geelen. Jn Ojterreid wurde die alt:
Männer ein Laiendeputierter berufen werden. Bei | fatholijde Religionsgemeinfdaft durch Verordnung
der Biſchofswahl vereinigten ſich die Stimmen auf | des Kultusminiſters vom 18. Oft. 1877 anerfannt.
den bisherigen Profeſſor in Breslau, Joſ. Hubert | 1901 gab e3 dort, befonders in Nordböhmen, etwa
Reinfens (f. d.), der am 7. Oft. 1873 durd) den | 17,600 Ultfatholifen mit 14 Geiftliden. Bistums-
preußiſchen Nultusminijter in Berlin als Biſchof der | verwefer iſt M. Cred) in Warnsdorf. In Holland
altfatholifdjen Gemeinden Preußens vereidigt wurde. | gibt es etwa 8000 Altfatholifen mit BO Geijtlicjen.
Die neue Organifation halt an dem auch vom preufi- vit die übrigen Linder ijt die Statijtif dadurch er-
ſchen Obertribunal anerfannten Grundfage feſt, daß ſchwert, dah die altfatholifdje Bewegung vielfach mit
Die UAltfatholifen feineswegs aus der katholiſchen Kirche andern reformfatholifchen Vejtrebungen durcheinander
— ſeien, ſondern dah ſie nur durch Um- geht. Jn Italien zählt man 8 Gemeinden mit ca.
ſtände außer ihrer Macht an der Teilnahme der vollen | 10 Geiſtlichen, in Spanien 3000 Anhänger (1170
Gemeinſchaft qebindert wiirden. Auf dem dritten Ron- | Rommumifanten) mit 11, in Portugal 330 Rom:
reffe in onttans 1873 wurde cine Synodal- und | munifanten mit 5, in Merifo 1000 mit 13 Geift-
Measinbcocheune angenommen. lichen. — Ultfatholifdhe Zeitſchriften: ⸗Deutſcher
An Deutſchland wurden feit 1874 alljahrlich die | Merkur⸗ (Münch., feit 1870), erfdeint feit 1900 als
firdenverfajjungsmafigen Synoden in Bonn gebhal: wiſſenſchaftliche Betlage gum > VUltfatholifden Bolts:
ten; ebenjo a Kongreſſe jtatt 1876 in Breslau, | blatt« (Bonn, feit 1885); » Witfathol tides Rirdhenblatt«
1877 Mains, 1880 Baden, 1884 Krefeld, 1888 Hei-
delberg, 1890 Köln, 1892 Luzern, 1894 Rotterdam,
1897 Wien. Die fcwierige heen der Aufhebung
des Zwangszölibats der Geiſtlichleit, die Profeſſor
v. Schulte in Born (Der Zölibatszwang und deſſen
Aufhebung·, Born 1876) im Prinzip oe oa wãh⸗
rend er die praktiſche Ausführung als eine Sache der
Zweckmäßigleit hinſtellte, beſchäftigte mehrere Syno-
den. Endlich wurde auf der fiinfter Synode 1878
unter Hinweis darauf, daß die neue Reichsgeſetzgebung
(Geſetz über die Eheſchließung 6. Febr. 1875) das Ehe-
hindernis der Prieſterweihe nicht mehr fennt, mit 75
gegen 22 Stimmmen das Zölibat abgeſchafft. Geiftliche,
welche die ideale Seite Des Zölibats hervorhoben, wie
Reuſch und Tangermann, find durd dieſen Beſchluß
der Sache des YW. entfremdet worden. Günſtig wirkte
Dagegen das am 4. Juli 1875 vom Konig beſtätigle preu⸗
ßiſche Gefeg über dic Redhte Der altfatholifdhen Kirchen⸗ |
qemeinden an dem firdliden Vermoqen. Uber:
haupt beharrten Staatsregierung und Gerichte auch
noch nach der Schwenlung der innern Politif feit 1878
an Der Auffaſſung, daß die WUitfatholifen als fatholifche
Chriſten zu betracdhten und ju behandeln feien, wäh—
rend die bayrifde Regierung fie 1890 sur aus der
romifd)-fatholifden Kirche ausgeidiedenen Privat: | Kreis Liidinghaufen, hat cine fath. Kirche, Eiſengie—
Pale ae ng mit febr beſchränkten Rechten ume | ßerei und WMafdinenfabrif (Weſtfalia) und (sem
ftempelte. In Preußen exijtierten 1901: 16 ftaatlich | 2150 Einw.
anerfannte Pfarren und 20 nod) nicht förmlich fon: Altiutheraner, ſ. Lutheriſche Kirche.
ſtituierte Gemeinden, in Baden 21 (17), in Bavern | Wltmann (foviel wie altus mons), Gipfel der Ap⸗
4 (10), in Heſſen 2 (2). Eine genaue Ungabe der See | pengeller Alpen, f. Santis.
lenzahl tft deshalb nicht miglich, weil fid bet den Volfs-| Witmannsdorf, chemaliger Vorort von Bien,
zählungen ftets nur et Teil der Ultfatholifen als ſolche feit 1890 dem XII. Wiener Gemeindebesirt einverterbdt.
einträgt. Die Geſamtzahl wird fid auf mmd 50,000, Altmark, das Stammiland der Mark Branden:
mit 54 Geiſtlichen belaufen. Biſchof tit feit 1896 der burg, Teil Der Kurmark, 4521 qkm (82,11 OM.) groß
friihere Brofeffor der Theologie Th Weber (fj. d.. mit (900) 228,695 Cinw., wird durd die Elbe von
Auch in andern Landern hat fich die altfatholifdje | der Priegnitz und Mittelmark gefdieden und gehört
Bewegung verbreitet. Bejondere Ausdehnung und ſeit 1816 zum Regbez. Magdeburg, von dem ſie die
Bedeutung erlangte fie in der Schweis. Die Syno⸗ Kreiſe Stendal, Gardelegen, Salzwedel und Oſterburg
Dalverfajjung der dortigen »achriſtkatholiſchen · Kirche umfaßt. Die A. hatte Stendal zur Hauptſtadt. Bal.
von 1875 entipricht un allgemeinen der deutſchen, und BWohlbriid, Geſchichte der A. (Berl. 1855); Zahn.
aud in Bezug auf die Buriidjtellung der Ohrenbeichte | Geſchichte (Stendal 1891) und Heinratstunde der A.
binter einer allgemeinen Bußandacht vor der Rom: (daſ. 1892); Briidner, Die flawiichen Mnfiedelungen
munion berricht Ubereinftinumung zwiſchen beiden Na- | in der A. (Leip;. 1879). Weiteres über die Geſchichte
tionalfircyen. übrigens hat diefe stirde in ihren auf | f. Brandenburg.
dDerjenigen in Bonn wilrdig zur Seite. Biſchof ijl feit
1876 der bisherige Berner Pfarrer Eduard Herzog.
(daſ., feit 1874); »Der Ratholif« (Bern, feit 1877);
»Revue Internationale de Théologie« (dai., fet
1893); »De Oud-Katholiek« (Rotterdam, feit 1874);
»La Luze (Madrid); »La Riforma cattolica«. Bgl
Friedberg, Uttenttiide, die altfatholifde Bewegung
betrejfend (Liibing. 1876); v. Schulte, Der A. (Gie-
jer 1887); Herzog, Beitriige zur Vorgeſchichte der
chriſtlatholiſchen Kirche der Schweiz (Bern 1896).
Altkirch, Kreisſtadt im deutfden Bezirk Oberelfah
an der Sil und der Eiſenbahn Mülhauſen -Altmün—
jterol, hat eine evangelifde und eine fath. Kirche,
Synagoge, Gymnaſium, Amtsgericht, Hauptsollamt,
Weberei, Zieqelbrennerei und (1900) 3298 Einw.
Altlofter, Dorf im preuß. Hegde}, und Streid
Stade, an der Ejte und am Mande der Maric, hat
eine Papierfabrif und (1900) 2123 Einw.
Altkönig, Berg, ſ. Taunus.
Wltlandsberg, Stadt im preuß. Regbez. Potsdam,
reid Niederbarnim, an der Stienig und der Klein—
bahn Hoppegarten-W., hat 2 ——— ein
Amtsgericht und 900) 2337 Einw. ſtammt aus
dem 13. Jahrh. und gehörte 1640 — 1708 den Herren
von Schwerin.
Altlünen, Kirchſpiel im preuß. Regbez. Miinfter,
Altmaß — Wltona.
393
Altmaf GGelleichmaß), an vielen Orten Siid- | 1853) und mit Burmeijter »Der foſſile Gavial von
deutſchlands und der Schweiz das Mah fiir den ge- | Boll in Wiirttemberge (daf. 1854). Wud begann er
flarten, ausgegornen Wein, im Gegenfage gum Jung -
maf (Trübeichmaß) fiir jungen Wein und Mojt. In
Franfhurt a. WM. — 1,793 Lit. In Württemberg um
Tez fleiner al8 das Trübeichmaß und um 4/10 groper
al8 das Schenlmaß.
Wltmittiveida, Vandgemeinde in der ſächſ. Kreish.
Leipzig, Amtsh. Rochlitz, an der Staatsbahnlinie
Chemnis-Riefa, hat eine evang. Kirche, Brauntohlen-
gruben und (1900) 2170 Einw.
Altmühl, linfer Nebenfluk der Donau in Bayern,
entipringt auf der Hohen Leite, Dem Rordende der
Franlenhöhe, hat ſüdöſtliche Hauptridtung und einen
jebr gefriimmten Lauf. Sie durdbridjt den Dura,
fließt Dort meijt in cinem ſchmalen, romantifden Tal
und mündet unterhalb Relheim. Ihre Lange beträgt
165 km. Durd) Kunſt ijt fie 32,9 km aufwarts ‘chit
bar (jf. Qudwigsfanal). Val. Weininger, Frembden-
führer Durd) Das Altmühltal (Reqensb. 1867); Rug -
fer, Die Altmühlalp (Ingolſt. 1868).
MUltmiinfter, Dorf bei Gmumbden (ſ. d.).
Altnordiſche Sprache, ſ. Nordiſche Sprache.
Alto (ital.), foviel wie Bratſche; vgl. At.
Altobaſſo (ital.), ein veraltetes venezianiſches
Muſikinſtrument, eine Urt eines Hacfbrett.
Altodouro (jor. -ddirw, ein reizende3 Hiigelgelande
in der portug. Broving Traz 03 Montes, am Douro,
Heimat der Bortweine. ſeum).
Mit-Ofen, Stadtteil von Budapeſt (ſ. d. u. Aquin⸗
Altomünſter, Flecken im bayr. * z. Ober⸗
bayern, Bezirksamt Aichach, 454 in ü. M., hat eine
ſchoͤne kath. Kirche im Rokokoſtil (18. Jahrh.), früher
‘eit von St. Alto um 743 gegründetes, ſehr reiches
Benediftinerflojter (feit 1496 Kloſter der Brigittine-
rinnen) und (1900) 1268 Einw.
Alton (jr. ate’), 1) Stadt in Hanrpfhire (England),
24 km nordöſtlich von Windhefter, am Wey, mit jtar-
fem Hopfenhandel und (1901) 5479 Eimw. — 2) Dorf
in Staffordſhire (England), 12km nördlich von Utto-
reter, am Churnet; gegeniiber U. Towers, Schloß
Des Lord Shrewsbury mit ſchönem Park. — 8) Stadt
im nordamerifan. Staat Illinois, Grafſchaft Madi-
fon, am Miſſiſſippi, Bahnknotenpunkt und Brücken—
plag, mit 900) 14,210 Einw., Sig eines fatholijden
Biſchofs und des baptiſtiſchen Shurtleff College.
Wilton, 1) Eduard Jofef d’, Anatom, Archäolog
und Kupferſtecher, geb. 11. Aug. 1772 in Aquileja,
gejt. 11. Mai 1840 in Bonn, bildete ſich in Florenz
und Wien, trat zu Goethe in nahe Beziehungen und
Heteiligte fic) in Witryburg an den entiwidelungs-
eſchichtlichen Arbeiten Randers, gu dejjen Werk über
ie ee des Hühnchens er die Kupfertafeln
rabdierte. Wud) bearbeitete er mit Bander die »Ver—
gleidende Djteologie« (Vonn 1821—28). 1818 wurde
‘ex Grofeffor der Kunſtgeſchichte und Archäologie in
Bonn. Er lieferte nod cin Pradtwerk: »Die Ratur-
Aeididte des Pyerdes« (Bonn 1810—17, 2 Bde.), und
führte Die erjten Kreidezeichnungen auf Stein aus, die
1802 in Undrés Offizin ju Offenbach gedrudt wurden.
2) Eduard d’, Anatom, Sohn des vorigen, geb.
17. Juli 1803 in St. Goar, geft. 25. Juli 1854 in
Halle, jtudierte in Bonn, wurde 1827 Profeffor der
Ynatomie an der Akademie der Künſte zu Berlin,
1834 Profeffor in Halle. Er ſchrieb: »Handbuch der
vergleidenden Unatontie des Menfchen« (Leip3. 1850,
Bd. 1: Bewegungswerkzeuge); »De monstrorum du-
plicinm origine« (daſ. 1849); »De monstris, quibus
'
die Fortjepung von feines Vaters »BVergleidender
DOjteologie« (1827) und lieferte mit Sdlemm eine Ur-
beit über das Nervenfyjtem der Fife.
Altona, Stadt und Stadtfreis in der preuß. Bro-
vin; Sdleswig-Holftein (j.Stadtplan »Hamburg-Vl-
tona«), liegt am redjten, hochaufſteigenden Ufer der
Elbe, mit der Ojtfeite unmittelbar an die Hamburger
Vorſtadt St. Pauli ftoRend, 33 m ii. M. Unter den
breiten, ziemlich regelmäßigen Straßen tritt beſonders
die mit vier Lindenreihen bepflanzte Palmaille her—
vor. Neben einer Anzahl zum Teil ſchöner Plage die-
nen der Stadt namentlid) aud) ſchöne und wohlge—
pflegte Anlagen zur Zierde, oft mit herrlidjer Ausſicht
auf die Elbe und das Land
jenfeitS derfelben. Unter den
gu gottedsdienftliden Sweden
beſtimmten Gebduden (9 evan⸗
geliſche, 2 fatholifde, cine Men⸗
noniten= und eine Baptijten-
firdje, eine deutſche und eine
portugieſiſche Synag e) ver⸗
dienen beſonders die in den letz⸗
ten Jahren entſtandenen Be⸗
rag fo Die von Open er⸗ Wappen von Altona.
baute Friedenskirche, die von
Lorenzen erbaute Rreusfirde und die von v. Donner
gejtiftete, von Peterſen erbaute Chrijtustirde. Bon
anbdern öffentlichen Gebäuden find gu nennen: das
neue Rathaus am Raiferplay (an der Stelle des al-
ten Hauptbahnhofs), das neue Muſeum, das Duftiz-
gebäude, dad Stadttheater, der nene Hauptbahnhof,
das Konzerthaus x. Un Denkmälern beſitzt A. cin
Standbild Konrad von Bliichers (geſt. 1845), Ober-
präſidenten von A., an der Ralmaille, das Sieged-
denkmal ebenda, da8 Raijer Wilhelm-Reiter|tandbild
vor dem Rathaus, modelliert von Eberlein, cin Stand-
bild Bismards, modelliert von Brütt, an der König—
jtrake, ein Denfmal zur Erinnerung an die 50jährige
Feier der Erhebung SdleSwig-Holjteins, in den Anla⸗
gen der Fritz Reuterjtrake, ben Stuhlmann⸗Brunnen,
modelliert von Tiirpe, an der Kaiſerſtraße, ben Bür—
—— Behn-Brunnen, an der Allee, dad Krieger⸗
enfinal, an der Marktſtraße xc. Das Stadtgebiet wurde
feit 1889 durch Cinverleibung der angrenjenden Orte
Ottenfen, Ovelginne, Othmarjden und Bahrenfeld
erweitert. Die Bet der Einwohner belief fic) 1900
mit der Garnifon (cin Ynfanterieregqiment Nr. 31 und
eine Ubteilung Feldartillerie Nr. 45) auf 161,501 See—
len, Davon 151,728 Evangelifche, 6668 Ratholifen und
2006 Yuden. Die Indüſtrie ijt bedeutend. A. hat
große Cifengiefereien und Mafdinenfabrifen, Fabri-
fation von Eiſenz, Blech- und Zinnwaren, Tabak,
Bigarren, Seife, Of, Wagenfett, Rarfiimerien, Kaffee:
jurrogaten, Fiſchlonſerven, Eiweißpräparaten, Scho—
kolade, Glas, Margarine ꝛc., Holz⸗, Stein⸗, Papier⸗
und Lederbearbeitung, Schiffbau, Dampfmühlen,
Bierbrauerei und Spiritusbrennerei. Der Handel,
unterſtützt durch die Elbe mit ihrem Weltverkehr, durch
die Eiſenbahnverbindungen (A. ijt Knotenpunkt der
Staatsbahnlinien Hamburg-A., A.-Kiel u. a.), durch
die Dampferverbindungen mit Hamburg, Harburg
und andern Orten an der Unterelbe, durch ein lönig⸗
liches Kommerz Kollegium, cine Reichsbankſtelle und
zahlreiche Banfinjtitute; die lebhafte Strom- und
Seeſchiffahrt rc. ijt bedeutend und geht z. T. nad) über⸗
ſeeiſchen Ländern. Die Reederei der Stadt ziihlte 1900:
extremitates superfluae suspensae sunt« (Halle 22 Schiffe zu 1400 Reg.Tons, darunter 11 Hochſee—
394
fifdereidbampfer. Sin Hafen von A. liefen in dem-
elben Jahr cin 1287 Seefdiffe (Darunter 448 Damp-
fer) zu 164,889 Reg.- Tons. Es liejen aus 1296
Sehitfe (Darunter 446 Dampfer) gu 165,133 Reg.-
Tons. Davon gingen nad andern Elbhäfen 657 See-
ſchiffe. Die von den Seeſchiffen eingefiibrten Waren
batten einen Wert von 70,366,364 Mart, die sur See
ausgeffifrten Waren einen Wert von 34,263,188 Me.
Haupthandelsartifel find: Getreide, Miiblenfabrifate,
Naffee, Rafao, Tabaf, Ruder, Wein, Sypirituojen,
Vieh, Heringe, Holz, Steinfohlen, Petroleum, Häute
und Felle, Seſamöl, Oltudjen, Lace, Terpentinharze re.
Von Bedeutung ijt aud der Fiſchhandel (in der Fiſch⸗
halle Umſatz 1900: 2,1 Dull. Mk.). Dem Verlehr die-
nen eine eleftrifde Stragenbahn, die 1900; 37,8 Mill.
Perjonen befdrderte, und ein ausgedehntes Fern jpred-
nefs (1900: 1583 Spred)jtellen). — Un djfentliden Un-
jtalten befigt U. cin Gymnaſium (Chrijtianeum), Real-
—— 2 Realſchulen, Navigationsſchule, Ma-
—————— Handwerler⸗ u. ſtgewerbeſchule,
Theater, Kunjt-u. Gewerbehalle, Kunjthalle, Wuſeum,
Diafonijjenanjtalt, ein allgemeines Rranfenhaus, 2
Kinderhofpitiler, Entbindungsanjtalt, Jrren-Pjlege-
anftalt xc. A. ijt Sty de3 Generalfonunandos des LX.
UnneeforpS, des Stabe der 33. Ynfanterie-, 18. Ra-
vallerie- u. 18. Feldartilleriebrigade, eines Hauptzoll⸗
a:nt3, der Provingialjteuer- u. einer finigl. Eiſenbahn⸗
direltion, eines Landgerichts, Amtsgerichts, des lönigl.
Oberfiſchmeiſteramts fiir die Nordſee ꝛc. Die ſtädtiſchen
Behörden zählen 9 Magiſtratsmitglieder und 35Stadt-
verordnete. Der ſtädtiſche Etat fiir 1900/01 beläuft
jid) auf 11,735,670 WME, die Sdhuld auf 30,7 Dull.
Ml., denen 33 Mill. Me. an Wftiven gegeniiberitehen.
Pas Stadtwappen bejteht aus cinem mit drei ſpitzen
Tiirmen verfehenen, an einem vorbeifliekenden Strome
gelegenen Stadttor. — In der Untgegend find jehens-
wert die ſchönen Parkanlagen in Blanfenefe, Docken—
huden, Rienjtedten und Klemflottbel, wohin die wegen
ihrer landſchaftlichen Schinheiten beriihmte Elbchauſſee
führt. — Der Landgerichtsbezirk A. umfaßt die
26 Amtsgerichte ju Ahrensburg, A., Bargteheide,
Blankeneſe, Eddelack, Elmshorn, Glückſtadt, Itzehoe,
Kellinghuſen, Krempe, Lauenburg, Marne, Meldorf,
Moin, Oldesloe, Pinneberg, Ranzau, Lge res
cinbef, Reinfeld, Schwarzenbel, Steinhorſt, Trittau,
terfen, Wandsbef und Wiljter. — A. (urfpriinglid
foviel wie Ultwaffer) war im 16. Jahrh. ein in dic
Kirche von Ottenſen eingepfarrtes Fiſcherdorf, das ſich
durch fatholifde Flüchtlinge aus Hamburg, Refor—
mierte, Juden rc. ſchnell bevöllerte, fam 1640 unter
däniſche Herrſchaft und wurde 1664 von Friedrich IIT.
sur Stadt erhoben. Im Januar 1713 ward A. von
dem ſchwediſchen General Steenbod aus Rade fiir
dad von den Diinen eingedfderte Stade fait gang
niedergebrannt, erbholte fic) jedod) bald wieder und
wurde 1814 durch den Oberprajidenten v. Bliicher vor
der Eindjderung bewahrt. 1866 fiel A. an Preußen,
wurde 1888 in das Sollvereinsgebiet aufgenommen
und 1901 dafelbjt cin Freibafen erdjfnet. Bgl. Wid:
mann, Gefdidte Ultonas (2. Ausg., Ultona 1896);
A. unter Schauenburgiſcher Herrjdaft« (von Ebren-
berg u. a., daſ. 1891 —93); Ehrenberg u. Stahl,
Ultonas topographiſche Entwidelung (daſ. 1894).
Altonaer Spftem im hihern Sdhulwefen,
die —— von Realſchule (Oberrealſchule) und
Realgymnaſium auf dreijähriger gemeinſamer Unter:
jtufe; ſ. Höhere Lehranjtalten.
ltoona (fpr. Alxund, Stadt im nordameritan. Staat
Fennfylvanien, Graffdaft Blair, am Aufſtiege der
Altonaer Syftem — Wltreidenau.
Pennjfylvaniabahn zum Alleghanygebirge, hat große
ang ar mit (1900) 6500 Yirbeitern und
einem Produftionswert von 10,5 Will. Doll. und
38,973 Einw.
Altorf, 1) (Wltdorf) Hauptort des ſchweizer.
Rantons Uri, 527 m it. M., tm Tal der Reus, nabe
dem Bierwaldftatterfee, am Fuß des jteilen Bann-
bergeS und an der Gotthardbahn, mit (1900) 3147
meiſt fath. Einwohnern. Cin bemalter Turm und
ein Brunnen erinnern an den Apfelſchuß Tells, deffen
Bronzeſtandbild feit 1895 den Ort ſchmückt. Oberhalb
deS Fieckens liegt das Napuginerflojter und am Ein—
gang ing —S an Der neu erbauten Klauſen⸗
* das Dorf Viirglen (jf. d.) ant See Flüelen
(f. d.). — 2) S. Ultdorf.
Altöttiug, Bezirlshauptſtadt im bayr. Regbes.
Oberbayern, unweit des Inns, an der Staatsbahn-
linie Miihldorj-Burghaufen, 390 m ii. M., hat 8 Rir-
den und Rapellen, Umitsgeridt, Forjtamt, ECijen-
giebevel und Mafdinenbau und (i900) 4344 Cin.
gen feined ſchwarzen, aus dem 8. Jahrh. ſtammen⸗
den, in einer Rapelle befindlichen Marienbildes iit A.
beſuchter Wallfahrtsort (⸗deutſches Loreto<). Außer
reichen Kleinodien bewahrt die Kapelle auch die Herzen
bayriſcher Fürſten in ſilbernen Kapſeln. In der Peter⸗
Paulskapelle ijt Tillys Grab. — A. war urſprünglich
eine Villa regia, wo Karlmann, der Sohn Ludwigs
des Deutſchen, 876 cin Benediktinerkloſter ſtiftete, das
1803 aufgehoben wurde. Nahebei das Bad St. Geor⸗
en mit alfalifd-erdiger Dtineralquelle. Bgl. »A.,
ſchichte und Sehenswürdigkeiten« (Altött. 1894).
Altpaka, Dorf, ſ. Bafa gag
Alt-⸗Pillau, Dorf, ſ. Pillau.
Alt-Poppelau, Dorf im preuß. Regbez. und
Landkreis Oppeln, an der Brinitze, hat eine lath. Rirde,
Oberforjteret und (1900) 2213 Einw.
Altprenfen, Bezeichnung derjenigen Provinzen
des preußiſchen Staates, die ſchon vor 1815 (oder aud
1807) der Monardie angehirt haben, ſpeziell Ojt-
und Wejtpreufen, Bommern und Brandenburg, wah:
rend die {pater hinzugelommenen Brovinyen neu-
preugifde genannt werden. S. aud Oſtpreußen
Geſchichte).
Altpreußiſche Sprache, ſ. Preußiſche Sprache.
Altränſtädt, Dorf im preuß. Regbez. und Kreis
Merſeburg, bei Lützen, mit 700 Einw. * dortigen
Schloſſe ſchloß Karl XII. von Schweden nad ſeinem
Einfall in Sachſen 24. Sept. 1706 Frieden mit
Auguſt I., ey ge Polen und RKurfiirjten von
Sadfen. Auguſt I. mußte auf den Thron Rolens
Verzicht leiften, vom Bund gegen Schweden, msbef.
von dem mit bem Zaren, juridtreten, den Livlander
Patkul austiefern und den Schweden Winterquartiere
in Sadfen einräumen. Rad Karis XII. Riederlage
bei Poltawa erflirte Auguſt II. 8. Aug. 1709 den
Frieden von A. fiir ungiiltig unter dem Borgeben,
da feine Vertreter in A. Imhoff und Pfingſten, ihre
Vollmadt iiberjdritten hatten. Wirklich ward jener
ju lebenslinglider Haft, dieſer zum Tode verurteilt,
jedod) begnadigt und gleich Imhoff auf den Königſtein
rage eſehßt. * .Danielſon, Zur Geſchichte
Der ſächſiſchen Politik 1706 —1709 (GHelſingf. 1878).
— Durd den Vertrag gu W. vom 30. Mug. 1707
erreichte Karl XI. vom Raifer Joſeph L. fiir dre fable
fifden Proteſtanten Duldung und Religionsfrerheit.
Bal. Goll, Der Vertrag von W. (Prag 1878).
Altreichenau, Dory im preuß. Regbez. ——
Kreis Bollenhain, am Striegauer Waſſer, 363 m it. M.,
hat eine evangelifde und 2 fath. Kirchen, Kirchenruine,
Altrindam
St. Unnafapelle auf dem Unnaberg, Oberfirjterei
und (1900) 1874 Einw. Die dortige St. Unna-RKur-
quelle, ein alfalifder Sauerling mit foblenfaurem
Ratron und Lithion, wird gegen dronifde Magen-
und Blafenfatarrhe verwendet. UW. gehörte 1352—
1810 der Cijtercienferabtet Griifjau.
Wltrindam (Wi tring ham, fpr. aattringim), Stadt
in Chefhire (England), 20 km von Manchejter, mit
Kunjttridlerei, Cifengieferei und (1901) 16,831 Einw.
Dabei Bowden, mit alter Rirde, und Dunham
Maffey, der Landſitz de3 Lord Stamford, mit be-
riibmtem Bart und ſchöner Rirde.
Altringer, Johann, Graf, f. Aldringen.
Altruismnus (vom ital. altrui, »cin andrer«), die
Besiehungen, die swifden den veridhiedenen aie apr
des Körpers untereinander bejtehen, ihr gegenſeiti—
ges Ubhangigkeitsverhaltnis, das unter phy-
ſtologiſchen wie oy ey Bedingungen fid da-
durch dufert, daß die Leijtungen eines Organs fiir
die übrigen, die der tibrigen fiir das cine von Bedeu-
tung find. Go erjzeugt die Leber den fitr die Tätigkeit
der Musfeln notwendigen Zucker; die Tätigleit der
Schilddrüſe iit von Bedeutung fiir den allgemeinen
Stoffwedfel und fiir Die Herstatigheit, die der Neben-
nieren fiir die Erhaltung des Blutgefaptonus u. a. —
Rad Comte heißt A. diejenige Urt ded fittliden BVer-
haltens, die (im Gegenfage zum Egoismus, ſ. d.) nidt
ſowohl durch die Ruckſicht auf das eigne, fondern durch
die auf fremdes Wohl bejtinunt wird. Die altruijti-
ſchen Woralfyiteme nehmen an, daß neben den egoi—⸗
ittiden Trieben auch altruijtifde urfpriinglic& in der
menſchlichen Natur liegen, die von cinigen mit einem
nidjt weiter zu erfldrenden Grundgefiihl der Sym-
patbie (f. d.) in Berbindung gebradt, von andern
aus dem bereits im Tierreich als Inſtinkt vorhandenen
uneigenniipigen Intereſſe Der Eltern an ihren Jungen
abgeleitet werden, und betrachten das Überwiegen te
altruiſtiſchen Triebe über die egoijtifden als Kenn⸗
zeichen und Gradmeſſer der Sittlicdfeit. Jn Nantes
bat fich aus Anhãngern Comtes 1889 eine Ultruijten-
Gefellichaft mit eiqner Zeitſchrift gebildet. — Jn der
Nationaldfonomie verjteht man unter U. die Gefamt-
eit Der Handlungen, die den wirtfdaftliden Borteil
andrer bejweden; vgl. Dargun, Egoismus und A.
Altruppin, ſ. pin 2). [(Qeip;. 1885).
Altſächſiſch, die Sprache, aus der das jest im
nordwejtliden Deutſchland geiprodene Niederdeutſch
hervorgegangen ijt. Das Hauptdenfmal des Witjad)-
ſiſchen iit Der Heliand (f. d.).
Altiachfijdhe Genefis, ſ. Heliand.
Wit- Sande,, Stadt, ſ. Sande; 2).
Altſchadenwaſſer (phagedäniſches Baffer,
Aqua phagedaenica), altes Heilmittel für alte Wun—
ben, Geſchwüre ꝛc., wird aus Quechkſilberchlorid und
ſtallwaſſer bereitet und enthalt im wefentliden gelb-
rotes Ouedfilberoryd; das Sch warje Waſſer (A.
phagedaenica nigra, A. nigra), au8 Ouedfilber-
dioriir und Kallwaſſer bereitet, enthalt ſchwarzes
Quectſilberoxydul.
Alt⸗Schalkowin, Dorf im preuß. Regbez. und
Landkreis Oppeln, mit fath. Rirdje u. (1900) 2471 Einw.
Aliſcharlach, |. Biebricher Scharlach.
Altſcherbin, Irrenanſtalt, ſ. Schleudi
Altſchlüſſei, der eSchlüſſel auf der Mittellinie,
die dadurch der Sif des c’ wird; wurde friiber all-
gemein fiir Die Altſtimme gebraucht, während er heute
mur nod fiir die Bratſche üblich ift. l. Schlüſſel.
Altshauſen, Stadt im wiirttemberg. Donaukreis,
Oberamt Saulgau, Knotenpuntt der Staatsbahnlinien
— Altum. 395
Herbertingen-Jsny und W.-Pfullendorf, 592 m ii. M.,
* eine evangeliſche und eine fath. Kirche, Schloß.
nvalidenhaus und (i900) 2192 Einw. — YW. war feit
1264 Sig des Landfomturs der Deutſchordensballei
Elſaß und Burgund, der ju den Reichsprälaten ge-
hörte, und fam 1806 an Wiirttemberg.
Altſitz, in Oft- und Weſtpreußen foviel wie Alten—
teil (f. d.).
Mitilawifdye (oder urflawif dhe) Sprache, dic
nicht iiberlicferte Mutter der flawifden Spraden (ſ. d.);
frither wurde vielfad) faljdlid) das Kirchenſlawiſche
(jf. d.) dafür gehalten und aud) fo qenannt.
Altſloweniſch, ſ. Kirchenflawiſch.
Altſohl (ungar. Zolyom), königl. Freiſtadt mit
Munizipalrecht tm ungar. Komitat Sohl, Knotenpunkt
an der Bahn Budapeſt-Ruttka, an der Gran, mit
gotifder Rirde, Möbelfabrik, Cifengieherei, 12 Mi-
neralquellen (fohlenfaureds Natron und Magnefia),
einer grofen Bergfejte aus dem 14. Jahrh. und
(1900) 7164 Einw.; 6 km nördlich liegt das Bad
Saliacs (j. d.).
Ititadt, 1) Gähriſch-A.) Stadt in Mahren,
Bezirksh. Schinberg, am Graupabad, ſüdöſtlich vom
Grofen Sdneeberg, hat ein Bezirksgericht, eine alte
Pfarrtirde, Graphitbergbau, Leinenbleiderei und
(1900) 2117 deutſche Einwohner. — 2) (Ober⸗A.)
Dorf in Böhmen, Bezirlsh. Trautenau, an der Unpa
und ber Bahnlinie Trautenau-Freiheit, mit Flachs
fpinnereien, Bleideret und (1900) 3746 deutſchen Ein⸗
wohnern. — 3) Mart bei Ungarifd-Hradifd (ſ. d.).
Altftammer , ſ. Tauben.
Altjtatten, Stadt im ſchweizer. Nanton St. Gal-
len, Bezirk Oberrheintal, 470 m ii. M., an der Eiſen⸗
bahn Rorfdhad-Chur und Uusgangspuntt der Poſt⸗
jtrafe fiber den Stoß in Das Uppengeller Land, bat
Woll- und Baumwwollindujtrie und (1900) 8743 Einw.
Altſtimme, ſ. Uit.
Altſtolze, Bezeichnung des Stolzeſchen Steno-
graphieſyſtems in —— bis 1872. Bgl. Sto! je
und Stenographie.
Altſtrelitz, Stadt, ſ. Strelig.
Altiwert, Meiſter, elſäſſ. Dichter um etwa 1400,
Verfaſſer von Minneallegorien (res. von Holland
und Seller, Stuttg. 1850). Bgl. K. Meyer, Meijter
A. (Göttinger Dijjertation, 1889).
Wit-Thann, Dorf im deutſchen Bezirl Oberelfaj,
Kreis Thann, an der Thur und der Eiſenbahn Mill
haufen-Wefferling, hat eine fath. Kirche, Majdinen-
fabrifation, Bleiden und (1900) 2140 Cinw.
Alttier, das weiblide Tier von Elch, Rot- undDam-
wild, das ſchon Kälber gebradt hat oder tragend ijt.
Alttitſchein, Marktileden bei Neutitfchein (ſ. d.).
Alttſchechen, cine fonjervative politifde Bartei,
die feit Begin der fonjtitutionellen ira in Oſterreich
in der tſchechiſchen Bevdiferung überwiegenden Ein-
fluß beſaß, aber durch die Ereigniſſe des Jahres 1890
(f. Böhmiſcher Ausgleich) die meiſten Mandate an die
Jungtideden (jf. d.) verlor. In der iſchechiſchen
Bevslferung Bohmens und Mährens haben die A.
aud) heute nod) einen anſehnlichen i
Altum, Bernard, Zoolog, geb. 31. Yan. 1824
3u Munſter in Weſtfalen, geſt. 1. Febr. 1900 in Ebers-
walbe, ftudierte Theologie, dann in Münſter und Bers
lin Bhilologie und Zoologie, habilitierte jid) 1859 als
Dojent fiir Boologie an der Alademie in Münſter und
wurde 1869 Profeſſor an der Forjtalademie gu Ebers-
walde. Er fdrieb: »Der Vogel und fein Lebene (6.
Unfl., Munſt. 1898); »Lehrbud) der Zoologie« (mit
Landois, 5. Aufl., Freib. 1883); -Forſtzoologie · (2.
396 Altum silentium
Aufl., Berl. 187682, 4 Bde.); »Die Getweihbil-
bung bei Rothirjd, Rehbod, Dambirfdj« (daf. 1874);
Die Geweihbildung des Elchhirſches- (das. 1874);
Unſre Spechte ⸗ (Daj. 1878); »Unſre Mäuſe« (daf.
1880); · Die Artenlennzeichen des inländiſchen enten⸗
artigen Geflügels⸗ oat 1883); »Waldbefdhadiqung
dure) Tiere u. Gegenmittels (daf. 1889). Bal.
mann, Dr. Bernard A. (Münſter 1900).
Altum silentium ({at.), tiefe3 Schweigen ; ſprich⸗
wörtlich geworden nad) BVergil (Aen. X, 63); Quid me
alta silentia cogis rampere? (Warum zwingſt du
mid, das tiefe Schweigen zu breden ?).
Altunli- Befdlif, türl. Goldmiinge von 1840
gu 5 Guruſch — 0,978 We.
Altvater, höchſte Erhebung de3 an der Grenje
von Maren und Oſterreichiſch⸗Schleſien hingiehenden
waldreidjen Ultvatergebirges oder Hohen Ge-|
fenfes, cine3 Teiles der Sudeten, 1490 m hod. Um
Ojtfup des Berges liegt der Badeort Karlsbrunn (jf. d.).
Andre Gipfel jind im fiidliden Teil der Peterſtein
(1446 m) und die Hohe Heide (1464 m), im nordiweft: |
lichen der Kleine Bater- oder Leiterberg (1367 m),
der Glajerberg (1424 m) und der Hochſchar (1351 m).
Bal. Scholz, Führer durch das AUltvatergebirge
(3. Aufl., Freiwaldau 1897).
Wltvaterrecht, ſ. Ultenteil.
Wltviole (Ultgeigqe), ſ. Bratſche und Alt.
Altvordern (v. althoddijd. vordoro, »friihere+),
foviel wie Vorfahren. [Flußarm.
Altwaſſer, cin ehemaliger, nicht austrodnender
Altwaſſer, Dorf im preuß. Regbez. Breslau,
Kreis Waldenburg, Knotenpunlt der Staatsbahnlinien
Dittershach-Niederfalsbrunn und W.-BWrangelfdadt,
363 in it, M., Hat eine evangelijde und eine fath.
Rirdhe, Schloß, Eiſengießerei und Maſchinenbau,
Steinfohlenbergbau, Holz⸗ und Schuhwarenfabrila⸗
tion und (1900) 12,144 Einw. Die Mineralquellen
find *
Altweiberſommer (flieqender Sommer,
Flugſommer, Sommerfäden, Graswebe x.),
feines weißes Gewebe kleiner, junger Feldſpinnen
as⸗
— Aluminium.
cienſerlloſter umgewandelt, zeichnete ſich int 14. Jahrh.
durch eine Kloſterſchule aus und ward 1544 ſätula⸗
riſiert. Die Begriibnistapelle, die Marlgraf Friedrich
der Ernſte 1347 erbaute, und in der alle meißniſchen
Fürſten von Otto dem Reichen bis auf Friedrich den
Strengen ruhen, wurde 1599 vom Blitze zerſtört, je—
doch 1787 durch einen Neubau erſetzt. Vgl. Beyer,
Das Ciſtercienſerſtift und Kloſter Alt-Celle (Dresd.
Aludelu, ſ. Quechſilber. 1855).
Ulumbrados Wlombrados, »Erleuchtete<),
Name ciner myſtiſchen Selte, die fich feit 1524 mebr-
| mals, zuletzt 1623 in Spanien, fpater nod in Frant-
reid) geigte und von Inquiſition und Kirche hart ver-
folgt wurde.
lum-cake (engl., fpr. dim-tet), Wlauntuchen;
f. Ulaun, fonsentrierter.
Alimen ({at.), Alaun. A. ustum, gebrannter
Alaun; A. plumosum, Federalaun; A. schisti, f.
— hydrat.
Alumina (lat.), Tonerde; A. hydrata, Tonerde-
Alumina-alum (engl.), ſ. Alaun, konzentrierter.
Alumingate, ſ. Aluminiumhydroxyd.
Aluminit (Webſterit, Halliſche Erde), Mine-
ral, mikrokriſtalliniſch in weißen, abfärbenden Knollen
mit nierenförmiger Oberfläche, Harte 1, in Salzſäure
leicht löslich, beſteht aus waſſerhaltiger ſchwefelſaurer
Tonerde, findet ſich beſonders in der Braunkohlen⸗
formation bei Halle und als Seltenheit aud) an an-
dern Orten.
Aluminium (v. fat. alumen, Wlaun), Al, das
Metall der Tonerde, findet fid) nicht qediegen, nimnmit
aber in Form von fiefelfaurer Tonerde weſentlichen
Unteil an der Bildung der Crdrinde (7,8 Proz.), foe
fern dieſe Verbindung den Hauptbejtandteil der wich⸗
tigften Mineralien (Feldjpat, Glimmer) des Tonidie-
fers, des Tones, des Lehmes xc. bildet. Außerdem
fommt YU. als Oryd und Hydroryd, als ſchwefelſaute
und phosphorſaure Tonerde, auch als Fluoralunti-
nium (mit Fluornatrium im Kryolith) vor. Bur
Darjtellung de3 Aluminiums jerjeste man juerit
Aluminiumnatriumchlorid (aus Bauxit dargeſtellt),
(Luchsſpinnen, Kreuzſpinnen, Krabbenſpinnen und dann auch Kryolith oder Fluornatrium, mit Natrium.
Weberſpinnen), das bisweilen im Frühjahr, öfter im gegenwärtig aber wird A. ausſchließlich auf eleftro-
Spätherbſt, fadenförmig in der Lujt umherfliegt (der iyniſchem Wege dargeſtellt, wobei Vorausſetzung tit,
Sommer fommt oder fliegt fort). Der Vollsglaube dak die Eleltrizität durch Benutzung großer Waſſer⸗
hielt Die Faden für cin Geſpinſt von Elfen und Zwer— frajte febr billig gewonnen werden fann. Sur Uber-
gen oder der Schidfalsgbttinnen (+ Die Metten (Nor | windung der chemiſchen Energie, die 1 kg A. in der
nent} Haber gefponnen«, daber Mettfenfamer oder | Tonerde an Sauerjtojf bindet, ijt eine Urbeit erjor⸗
Maddhenfommer). Spiiter bezoq man den A. auf
Waria(in Franfreid fils de la Vierge, in Süddeutſch⸗
land Wariengarn, Marienfaden, Frauen:
fommer), die ſchweizeriſche Bezeichnung Witwen-
fommerli, bayriſch Anlſummer, deutet auf dic
ſpãäte Liebe dlterer Frauen hin. Da die Spinnen nur
bei — Wetter ſpinnen, ſo ſteht die Erſcheinung in
der Tat im Zuſammenhang mit ſchönen Herbſttagen
(Daher A.). Die Faden werden 3. T. vom Wind los—
eriſſen und fortgefiibrt, aber aud) von den Spinnen
tir cine Fahrt durd die Luft erzeugt. Das Tierchen
redt den Hinterleib in die Höhe, fcbiest einen oder
mehrere Faden aus feinen Spinnwarzen empor und
fiberlajt ſich, von diefen getragen, der Luftſtrömung.
derlich, die Derjenigen enifpridt, die 40 Pferde in einer
Stunde leijten. Jn Neuhauſen arbeitet man zur Dar-
' ftellung von A. mit einigen Wbanderungen nad dem
Verfahren von Héroult und Rleiner-Fierg, in—
Dem man die zu redugierenden Allalidoppelfluoride
(Rryolith) in Gefäße bringt, deren Wandungen mrt
Baurit oder Ton gefiittert ind und in welde die ver-
ftellbaren Eleftroden von oben und unten einmiin-
den. Der Lichtbogen ſchmilzt dic qepulverten Maſſen,
wobei ſich das A. an der untern negativen Eleltrode
abſcheidet, wahrend der Eleltrolyt ſich durch Aufnahme
von Tonerde, die man in angemeſſener Weiſe nachfüllt,
regeneriert. Den Apparat zeigt die Abbildung auf S.
397. Ein aus Kohlenplatten gebildeter Tiegel A ijt von
Riettert die Spinne an dem Faden hinauf und widelt | ciner fejt anſchließenden eifernen Hiille a umgeben, die
ibn dabei mit den Flißen zu einem Flöccchen zuſam⸗ vom Boden ifotiert ijt. Cine Anzahl fupferner Stifte a,
ment, fo fenft ſich dies langfam gu Boden. führen den eleftrifdjen Strom dem Tiegel A gu. Ju
Mit jab » Dorf, f. Zabrze. letztern taucht die pofitive Eleftrode B, die aus Robe
Witgella (Witenselle, Alt⸗Celle), ehematiges | enplatten b gebildet ijt. Diefe werden oben durch
Mondhstlofter, jesiges Kammergut bei Noffenin Sad: | cin Rahmenſtuͤck g gufammengefakt, und in die Ofe e
jen, 1145 für Benediftiner geftiftet, 1175 in ein Cifter: des letztern greift eine Kette eit, mittels weldher die
Aluminium (Darſtellung, Eigenſchaften).
Eleltrode gehoben und geſenkt werden kann. Der Tie⸗
gel A ijt nuit Graphitplatten k bedeckt, die einige Dff-
nungen zur Einführung von Material beſitzen. Die—
ſelben werden nad) Beduͤrfnis durch Deckel 7
geſtatten aber aud den Abzug der im Tiegel entwidel-
ten Gale. Unf dem Boden des Tiegels liegt eine Me—
tallplatte als negative Eleftrode. Durd) Annäherung
Heider Cleftroden bringt man die Befdidung zum
Schmelzen, worauf man die pofitive Eleftrode hebt,
fo daß Der Strom durch die geſchmolzene Tonerde |
geht, die alsbald jerjept wird. Das am Boden an-
qejammtelte Metall wird durd das Stichloch C ab-
qelajjen. Gollen Aluminiumlegierungen dar eſtellt
werden, ſo wird das betreffende Metall in den Tiegel
gebracht und regelmäßig Tonerde nachgefüllt. In
neueſter Zeit erſetzt man auch die Tonerde durch Alu—
miniumſulfid, das bei der Elektrolyſe durch die von
dem elektriſchen Strom erzeugte Wärme ſelbſt oder
——
il
SS
I
SS) SSR
Héroults Apparat yur Darftellung von Aluminium.
durch Ofenhitze flüſſig erhalten werden fann. Die Re-
duftion erfolgt bei geringer Stromijtirfe, und es wer-
den Kurzſchluſſe vermieden, weil das A. fofort zu Bo-
ben finft, Als Ldfungsmittel fiir das Aluminium⸗
fulfid dienen Chlorkalium und Chlornatrium. Die
Redultion wird am bejten in einem eiſernen Kaſten
vorgenommen, der oben mit Kohle ausgefiittert ijt,
und da weder dieſes Futter. nod) die im Die geſchmol—
e Majje eintauchenden Kohleelektroden durch den
—ES— ſchädlich beeinflußt werden, ſo erhält man
reineres A. als früher. Das Aluminiumſulfid erhält
man (neben Chlornatrium) beim Eintragen von Na—
triumaluminiumdlorid in geſchmolzenes Natrium⸗
397
| ein Flufmittel, das aus einem Doppelfluorid von A.
) und Calcium und aus Fluorfalium und Fluornatrium
mit 38 Proz. Chlorcalcium beſteht; ijt dasfelbe durd
die Stromwärme eingeſchmolzen, fo gibt man Ton-
erde (aus Baurit) a. Durd reqelmafiges Cintra:
en von Tonerde und Ausſchöpfen von A. gejtaltet
th das Verfahren zum ununterbrodenen Betrieb.
A. ijt weiß mit etwas bläulichem Sdein und ftar-
fem Metallglanz, härter al Zinn, aber weider als
Rink und Kupfer, läßt ſich zu dünnſtem Draht, Bled
und feinſter Folie verarbeiten, zeigt dagegen bei Be—
arbeitung mit ſchneidenden Werkzeugen ſehr ſtark die
Eigenſchaft des Schmierens. Im gegoſſenen Zuſtand
hat es etwa die Fejtigteit von Guheifen, kalt gewalzt
oder geſchmiedet erretdt es fajt die Feſtigleit von ge-
goſſener Geſchützbronze und übertrifft diejenige von
warm gewalztem Kupfer ſowie von Zink und Zinn.
| Es trijtallifiert regular, gegoſſenes A. bricht meiſt
grobfaſerig und unregelmapig gelörnt; bearbeitetes WL.
t riage aes oft aud) feinfdrnigen, feidenglingenden
Brud. Gutes Metall läßt ſich mit dem Meißel dirrd-
hauen, ohne zu brechen. Starl gewalzt oder gezogen
federt es ſehr gut; es beſitzt einen ſchönen ae Spe-
zifiſches Gewicht bei 22° gegoſſen 2,64, ge jt 2,68,
gesogen 2,70. Die Verbrennungswarme betriigt 7140
| Warmeeinheiten (Cijen 1352). Es ſchmilzt bet 700°,
befitst fehr Hobe ſpezifiſche und Schmelzwürme, und
—— A. erſtarrt daher ſehr langſam. Das
ärmeleitungsvermögen iſt etwa doppelt ſo groß wie
dasjenige des Schmiedeeiſens und halb ſo groß wie
das des Kupfers. Das eleltriſche Leitungsvermögen
beträgt 36—-60 Proz. desjenigen von reinem Kupfer.
Nach Gewicht berechnet, beſitzt A. von allen Gebrauds-
metallen den geringſten Widerſtand. Das lineare
Schwindmaß des Aluminiums (möglichſt kalt in Sand
geqotfen) beträgt 1,8 Broz. Reines A. ift geſchmach
und geruchlos, ein Gehalt von Silicium aber, den
| Das kaãufliche Metall gewöhnlich beſitzt, gibt ihm den
Gerud) ded Gufeijens. Yn trodner und feuchter Luft
Halt fic) W. bei gewöhnlicher Temperatur und bei Rot-
qlut unverändert, auch beim Schmelzen tibergieht 3
ſich nur mit einem äußerſt diinnen Häulchen, felbjt
| bei Weißglut verbrennt es nur oberflächlich. Dagegen
verbrennt Blattaluminium fdon in der Spiritus-
flamme mit blendendem Lidt. Feiner Draht verbrennt
han Der Luft gu Aluminiumoxyd und Wheminiun
nitrid. Eiſenoxyd und Rupferoryd werden durd A.
erjt bei jebr lebhafter Rotglut zerſetzt. Durch Schmel⸗
zen mit Salpeter wird es erjt bei lebbafter Rotglut
orydiert, ebenfo redugiert es erſt bei Diejer Temperatur
iter: und Rupferoryd. A. ijt nicht flüchtig, zerſetzt
Waſſer nur als Blattatuminium und beim Verbren-
fulfid, aud) fan man das Sulfid auf dieje Weife di- | nen in Wafjerdampf, aus fodyendem Waſſer entwidelt
reft aus Kryolith darjtellen oder Ton mit Schwefel- W. auf Zuſatz eimiger Tropfen von iibermanganjau-
ſäure aufidlicgen, das erbaltene Uluminiumfulfat mit | vem Kali ſtürmiſch Waſſerſtoff. Es löſt ſich leicht in
Natriumfluorid ſchmelzen und das gebildete Ratrium-
fulfat durch Zuſatz von Noble reduzieren. Die Pitts-
burgh Reduction Co. arbeitet nad dem Hallſchen
Verfahren, das auf der LHslichfeit der Tonerde in
den Doppelfluoriden des Aluminiums und der Ulfali-
metalle beruht. Die Eleftrolyfe findet in eiſernen Ra-
ften jtatt, deren Futter aus hartgebacener Kohle als
Rathode dient. Bon einer fupfernen Stange, die mit
dem pofitiven Bol der Dynamomajfdine tn Verbin-
dung jteht, hängen an Supferjtangen Kohlengylinder
al8 pofitive Eleftroden herab, die in Das Bad eintau-
den. Eine zweite Kupferſtange ijt mit bem negativen
Pol der Dynamomajdine verbunden. Bei inn
der Urbeit bringt man anf den Boden des Kajtens
Salzſäure und Natronlauge, febr langſam in ver-
| Ditnnter Schwefelſäure, nidt in Salpeterſäure. Mit
| verdiinntem Ammoniakl entwidelt A. lebhaft Wajjer-
ſtoff. Berdiinnte Löſungen organijder Säuren wir-
ten im Der Malte nicht auf A., beim Kochen mit koch⸗
ſalzhaltigen Löſungen organijder Gauren wird es
“weniger angegriffen als Kupfer. Schweiß, Speichel,
Eiter wirfen äußerſt langſam, Schwefelwaſſerſtoff umd
Schwefelmetalle gar nicht auf A. Saure Nitrate zer—
ſetzt es äußerſt langſam, aus Chloriden fällt es ſchnell
das eleftronegativere Metall. Beim Schmelzen zerſctzt
es kohlenſaure und ſchwefelſaure Alkalien augenblick⸗
lich, aus Borax und Silikaten nimmt es Bor, reſp.
Silicium auf, und man lann Verbindungen von 70
398
Fro}. Silicium erhalten. Man ſchmilzt deshalb A.
vorteilhaft in Tiegeln mit Rohlenfutter, wenn es aud
fein Silicium aufnimmt, fobald man fein Flußmittel
anwendet und nicht weit über den Schmelzpunkt er-
hipt. Wud) Kryolith wird beim Schmelzen nit A.
angegrijjen. Dit amalgamiertem Sink gibt es in ver-
diinnter Sdwefeljaure cin galvani}des Element, def:
jen Strom an Intenſität wenigſtens dem eines Platin⸗
jinfpaares gleichlommt. Gegen eleltriſche Einflüſſe
zjeigt A. eine Widerſtandsfähigleit, welche die des Pla—
tin3 vielleicht nod) übertrifft. A. zeigt ſich in oben
angegebener Weije verhaltnismapig indifferent, weil
es ſtels mit einem unfidtbaren, aber febr widerjtands-
fabigen Orydhautden bededt ijt. Wird lesteres durd
gen mit Duedjilberdlorid entfernt, fo zeigt fid) A.
febr reaftionsfabig, zerſetzt Waſſer ſtürmiſch und ent-
zündet fid) an feuchter Luft. Golded A. muß in einer
indifferenten Fliiffiqteit aufbewahrt werden und cig:
net fic) als bejtes Trodenntittel fiir organiſche Flii}-
ſigleiten (Allohol, Uther), auch wird es als neutra-
les Redultionsmittel angewendet. Geſchmolzenes A.
reduziert energijd die meijten Oryde. Cine Miſchun
von Uluminiumpulver mit Cifenoryd läßt ſich du
eine Zundmaſſe aus Baryumjuperoryd und Mag-
neſiumpulver entzünden und verbrennt dann unter
Temperaturiteigerung auf Weißglut. Vgl. Thermit.
Das Utomgewidt des Aluminiums ijt 27,1. Man
fennt vom A. nur cin Oryd, ULuminiumoryd
oder Tonerde Al,O,.
Das U. des Handels enthilt 99,0 Proz. A., 0,06
Proj. Silicium, 0,04 Proj. Cijen, bis 92,84 Broz. A.,
3,82 Broz. Silicium, 3,34 Broz. Cijen. Amboßalu—
minium bat das ſpez. Gew. 2.3 und beſteht aus faſt
reinem A. mit etwas Cijen und Mangan, febr wenig
Magnejium und Spuren von Silicium und Natriwm.
Es lajt fich febr gut bearbeiten, in naſſen Sandfor-
men gießen, und ſtabſörmige Gußſtücke fonnten nad
dem Crfalten mehriad um ihre Achſe qedreht werden.
Auch ijt das Waterial in faltem Zuſtand fdmied-
bar. Mit 1-2 Vroz. Silicium ijt A. ſchon ſehr qrau,
aber in der Malte nod) ziemlich weid) umd zäh, in der |
Wärme freilich faum mebr ſchmiedbar. Uber 2 Proz.
Silicium maden das Metall ſpröde und briidig. Für
die Hämmer- und Walsbarfeit des Aluminiums ijt
die Verumreiniqung nut geringen Mengen von Eiſen,
und namentlich von Kupfer, nod ſchädlicher als die
uit Silicium. Das Löten des Aluminiums erfordert
befondere Gorgjalt. Wit Wlattgold und Blattſilber
läßt fich A. zwiſchen zwei auf dunkle Rotglut erhitzten
Kolben durch hydrauliſchen Druck vereinigen. Galva-
niſche Verlupferung und Vernickelung iſt nicht haltbar,
dagegen läßt ſich VW. ait Kupfer platlieren, die Bleche
(10 mm A. mit 0,1 mm Kupfer) laſſen ſich wie Kupfer⸗
bledje auswalzen, loten, preſſen, falzen, ziehen, ver-
zinnen, verniceln, verſilbern xc. und find vielfach beſ⸗
ſer verwendbar als Aluminiumblech.
Man benutzt A. wegen ſeiner Leichtigleit. Zähigleit
und Widerſtandsfähigleit gegen chemiſche Einflüſſe zu
allerlei Gebrauchsgegenſtänden, in der Kunſtinduſtrie,
beim Schiffbau, Eifenbahnbau, zu Luftballonteilen,
zu Inſtrumenten aller Art, zu militäriſchen Aus
ruſtungsgegenſtänden, Tiſchgeräten, Kochgeſchirr, zu
eleltriſchen Leitungen ſtatt des Kupfers x. Alumi—
niumplatten benußzt die Lithographie ſtatt Der Steine
Algraphie). Sehr wichtig rt die Verwendung des
Aluminiums im Hilttenwwefen zur Herjtellung didter
Giijje und zur Darjiellung von Chrom, Wangan x. |
(ogl. Thermit). Blattalummium fertigt man als Sur-
rogat des Blattjilbers; auf Salinen wird A. zu Siede: |
Bal. dz,
Aluminiumacetat — Alumunumfluat.
geratidaften und Werkzeugen benugt. Aluminium⸗
Iver dient gu photographifdem Blitzlicht. Vielfache
erwendung haben Uluminiumleqierungen gefunden.
A. wurde 1827 von Wahler entdedt und mut Allali⸗
metall aus Chloraluminium abgefdieden; 1854 qe
lang Bunfen die eleftrolytijdhe Darjtellung aus Na—
triumalumintumdlorid, und um dieſelbe Seit erbielt
Deville von Rapoleon IIL. die Mittel zu großartigen
Berjuden. In Javelle bei Paris wurde 1855 die
fabrikmäßige Darjtellung de3 Uluminiums unternomi⸗
men, und nod in demſelben Jahr erſchienen die erjten
Barren des ⸗Silbers aus Lehme auf der Parijer Aus⸗
jtellung. Seit Mitte der 1880er Jahre hat die eleftro-
lytiſche Darjtellung des Aluminiums die chemifde
mehr und mebr zurückgedrängt und die Aluminium⸗
indujtrie einen Aufſchwung genommen wie farm eine
andre Induſtrie, und zwar entſprechend dem Entwicke⸗
lungsgang der großen Dynamomaſchinen. Die Altien⸗
— in Neuhauſen wendete zuerſt Turbinen zum
trieb der Dynamomaſchinen an. Zu gleicher Zeit
wurde in New Kenſington (Pennſylvanien) eine Alu⸗
miniumfabrif erridjtet, Die 1895 nad dem Niagara:
fall verlegt wurde. Die Neuhauſer Gefellidaft te
dann eine zweite Fabrif zur Ausnutzung der Strom-
jdnellen bei Rheinfelden. Am Ende des 19. Jahrh.
betrug die Jahresproduftion an WU. etwa 5—6000 Ton.
Die deutide Cinfubr betrug 1901: 1,089,600 kg, da-
von famen 367,500 kg aus der Schweiz, 341,000 kg
aus Djterreid), 276,800 kg aus den Bereinigten Staa-
ten, 85,700 kg aus Franfreid). Ausgeführt wurden
282,400 kg. Der Preis von 1 kg VW. betrugq 1856
etwa 300 M., 1889: 50, 1892: 5, 1900: 1,8 Mt. Auf
das Volumen beredynet, ijt A. faum teurer als Zink.
inffy, Die Fabrifation des Aluminiums
und der Ulfalimetalle (Wien 1885); Ridards, A,
its history, occurrence, ete. (3. Aufl., Yond. 1896);
Minet, L’A., fabrication, emploi, alliages (Bar.
1892 — 98, 2 Bde.; deutid, Halle 1902); Heroult,
L’A. à bon marché (im » Bulletin de la Soc. de l’in-
dustrie minérale«, St.-€tienne 1900).
Wlumininmacetat , ſ. Eſſigſaure Tonerde.
Aluminium aceticum, Aluminiumacetat, ejfig-
ſaure Tonerde; A. chloratum, Uluminiumelorid; A.
sulfuricum, Wuminiumjulfat, ſchwefelſaure Tonerde.
Aluminiumamalgam, |. Quedjilberiegierungen.
Alumininmbligticht , ſ. Blitzlicht.
Wluminiumbronge, ſ. Aluminiumlegierungen.
Aluminiumch Chloraluminium)Alcl,
entitebt, wenn man feines Aluminium im Chlorwaf-
ferjtrom erbigt oder iiber cin erbigtes Genttid von
— eg (Tonerde) und Kohle einen Chlor-
jtrom leitet. A. verflüchtigt ſich, obne zu ſchmelzen.
und bildet nach der Verdichtung farbloſe Tafeln oder
eine weiße, durchſcheinende kriſtalliniſche Maſſe, die an
der Luft ſtark raucht, begierig Feuchtiglkeit anzieht und
fic) in Waſſer unter Ziſchen und jtarfer Erhitzung löſit.
Ea ijt aud in Alkohol und Wither löslich. A. tit über—
aus contarage iggy ong geht mit vielen Körpern Bers
bindungen ein. Wan benugt es bei der organifchen
Syntheſe als energifdyes Rondenjationsmittel. Die
Löſung von Uluminiumbydroryd in Salsfaure gibt
beim Verdampfen zerfließliche Nrijtalle von A. mit
6H. O, die beim Erwärmen Wluminiumord hinter
laſſen. VW. wirkt antiſeptiſch und wird (Khloralum.
Chloralium) aud zum Karboniſieren der Wolle
benugt. Ratriumaluminiumadlorid findet bet Dar-
jtellung von Aluminium Verwendung.
Aluminiumdruck, ſ. Algraphie.
Aluminiumflugt, ſ. Kieſelfluorid.
Aluminiumbydroryd — Wluminiumlegierungen.
Aluminiumhydrogyd(Uluminiumorydhy-
Drat, Tonerdcehydrat) findet fid in der Natur als
Diajpor AlO(OH), Hydrargillit Al(OH), und mit Ei-
ſenoxyd (mitunter auch Titan) alg Baurit Al,O(OH),.
Es wird als farbloſer, gallertartiger Niederidlag, der
zu einer gummiartigen Maſſe austrodnet, aus ſchwefel⸗
ſaurer Tonerde oder Alaun durd Ummonial, aus falter
Tonerdenatronlijung durd Kohlenſäure, als ſehr did)-
te3 Bulver aus Tonerdenatronldfung bei 50° gefallt.
Es ijt geruch⸗ und geſchmacklos, löſt ſich nicht in Waſ⸗
fer, leicht in Säuren unter Bildung von Aluminium—⸗
oder Tonerdejaljen (das natiirlid) vorlommende A.
löſt fic in Säuren erjt nad ſchwachem Glühen) und
in Kali- und Natronlauge unter Bildung von Kalium⸗
und Natriumaluminat. Derartige Uluminate, in
denen YL. die Rolle einer Säure ſpielt, bildet es aud
mit andern Baien. Es bejist in hohem Grade die
Eigenſchaft, organiſche Stoffe aus ihren Löſungen
niederjureifen. Man benupt e3 daber zur Reinigung
von Trinkwaſſer und namentlid gur Darjtellung von
Farblacken, indem man e3 in Ldjungen von 4 02
ſchen Farbjtoffen fallt. Beim Glühen verliert A. Waſ⸗
fer und binterlagt Aluminiumoxyd. Unterwirft man
eine mit A. geſättigte Lofung von Aluminiumchlorid
ber Dialyſe, fo erhält man eine Löſung von YL, die
bald gallertartig erjtarrt und beim Erwärmen und
bei Zuſatz von Säuren und Wlfalifaljen UW. aus-
fdeidet. Natriumaluminat (Tonerdenatron)
Al(ONa), wird aus Rryolith (f. d.) oder aus Baurit | Wet
Dargejtellt. Legterer wird gepulvert, mit Natronlauge
elocht oder mit Soda im Flammofen geſchmolzen.
Die Schmelze wird ausgelaugqt und die geflarte Lö—
jung zur Trockne verdampft. Tonerdenatron ijt farb-
los, löſt fich leicht in Wafer, abjorbiert an der Luft
Feuchtigkeit und Kohlenſäure und gibt dann eine triibe
dfung. Durch Kohlenſäure, doppeltfohlenfaures und
eſſigſaures Natron und durch Salmiak wird es zerſetzt.
Es dient als Beize in der Färberei und Kattundrude—
rei, zur Darjtellung von Farbladen, Milchglas, reiner
Tonerde, fiinjtliden Steinen, zum Härten von Stei-
nen, jum Leimen des Papiers, sum VBerfeifen der Fette
in Der Stearinjaiurefabrifation x. Natriumaluminat
wurde 1819 von Macquer und Hausmann und 1832
von Dobereiner befonders den Farbern empfobhlen,
aber erjt das Auftreten ded Kryoliths führte zur fa-
brifmapigen Darjtellung von Tonerdenatron, das zu⸗
nächſt nur auf Soda und fdwefelfaure Tonerde ver-
arbeitet wurde. Calciumaluminat fpielt beim
Erhärten des Zements eine Rolle; meeguel ium—
aluminat MgAl,O, fommt als Spinell, Beryl—
liumaluminat BeAl,O, als Chryſoberyll, Eijen-
aluminat FeAl,O, alg Pleonaſt, Zinkaluminat
ZnAl,O, als Gahnit in der Natur vor. Dieſe Mine⸗
ralien farm man durd Erhitzen von A. und den ent-
ſprechenden Dryden mit Borjaiure (als Löſungsmittel)
bei Weißglut fiinjtlid) darjtellen. Baryumalumi-
nat BaAl,O,, durd Glühen von Scowertoat mit Kohle
und Tonerde in überhitztem Waſſerdampf dargejtellt,
dient als Beigmittel in der Färberei.
Aluminiumbhypodlorit, |. Unterdlorige Saure.
UWluminiumlegierungen, Berbindungen und
Mijfdungen des Uluminiums mit andern Metallen.
Aluminium legiert fid mit den meijten Metallen. Ym
widtigiten find die Rupferlegierungen; 1 Prog.
Aluminium macht Mupfer géiber, ſchmelzbarer, barter,
obne feine Hämmerbarkeit zu beeintradtigen, sum Wie-
Pen geeigqneter und widerſtandsfähiger gegen chemiſche
Ugenzien. Eine Legierung mit 2 Bron Aluminium
wird zu Kunſtgegenſtänden verarbeitet und läßt ſich
399
gut mit Grabſtichel und Meißel behandeln. Am wid-
tigſten ijt di Aluminiumbronze, Legierungen von
Kupfer mit 3—10 Proz. Aluminium, ju deren Dar⸗
ftelung man Aluminiumbarren mit einer Bange in
gefdmoljenes reinſtes Kupfer eintaudt und gut um:
rührt. Legierungen mit mehr als 20 Proj. Wlumi-
nium find bläulichweiß, bet 15 Broz. erſcheint die
elbe Farbe, und bei 5 Prog. ijt die Legierung gold⸗
arben, bei 3 Broz. dem roten Golde ver (adja.
Siliciumgebhalt beeintraidtigt die Farbe. Bei 140°
nehmen die Bronzen cine tief goldgelbe, höchſt bejtin-
dige Unlauffarbe an. Aluminiumbronze hat das ſpez.
Gew. 7,65-—8,37, fie ijt ftrengfliiffiger als Kupfer
(Bronze mit 10 Proz. Aluminium ſchmilzt bei ctwa
1100°). Aluminiumarme Bronzen haben emen fehni-
en, reiche Brongen einen kriſtalliniſchen, nad dem
Canieden und Walzen aber einen feinfornigen Brad)
wie Stahl. Das eleftrifde Leitungsvermigen der
Aluminiumbronze ijt 15—15,8 Bro3. von demjenigen
des Kupfers. oſſene Bronze 5* — höhere Feſtig⸗
feit als Gußſtahl. Durch Schmieden einer 7,5pro3.
Bronze erreicht man cine Zugfeſtigkeit von 60 kg
fiir 1 qmm, bei 8proz. Bronze eine ſolche von 80 kg.
Bronzen mit mehr als 11 Broz. Aluminium find ſehr
fpride und briidig, bei geringerm Gebalt jteigt die
Babigkeit, und bet 8—5 Proj. ijt die Dehnbarfcit
außerordentlich groß. Die Bronge ijt ſehr widerſtands⸗
fähig gegen organiſche und Mineralſäuren, Schwefel,
alien, Ammoniak, Meerwaſſer, Kochſalz, Chlor,
Alaun ꝛc., dagegen wird fie durch Schweiß leicht
fleckig. Zwiſchen dunkler und heller Kirſchrotglut iſt
die Bronze gut ſchmiedbar, man kann die feinſten
Formen daraus ſchmieden oder unter dem Fallham-
mer prefjen. Die höherprozentigen Bronjen lajjen
fiq nur rotwarm —— Das Löten macht keine
Schwierigleiten. Auch läßt ſich die Bronze wie Stahl
härten, gut gravieren und mit Schmirgel polieren.
Aluminiumbronze dient zu Haus- und Tiſchgerät,
Inſtrumenten, Udfenlagern, fie findet in Rellulofe-
und Bapierfabrifen ausgedehnte Anwendung, ſer—
ner ju Sieben, Druckwalzen, Pulverwalzen, Gewehr⸗
läufen, Keſſeln zur Bereitung von Frudtfonjerven,
Brillengeſtellen, Uhrfedern, Telegraphenapparaten,
Saiten ꝛc. Für Bijouterien benutzi man eine Legie—
rung von Aluminiumbronze mit Feingold, die 18—
faritigem Gold entfpridjt. Cine Silberlegie—
rung aus 100 Teilen Uluminium und 5 Teilen
Silber läßt fic) wie Aluminium verarbeiten, ijt aber
rter als diefes und nimmt ſchöne Politur an. Die
Legierung aus 100 Zeilen Silber und 5 Teilen Alu—
minium tft fajt fo bart wie gemünztes Silber und
wiirde fid) vortrefflid) gu Münzen eignen, hat auc
fiir andre Zwecke den Borjug, fein giftiges Metall
zu enthalten. Aluminium mit 4 Proz. Silber wird
zu Wagebalfen verarbeitet, ſolches mit 5 Broz. Sil⸗
ber gu Rlingen fiir Dejjert- und Objtmeffer. And
verwendet man ju Gußſtücken Legierungen mit 4—
6 Proz. Silber, weil diefe die Gußform qut aus-
fiillen, aud) geniigend didt werden, WIS Wlumi-
niumfilber (Drittelfilber, Tiers-argent) ijt cine
Legierung von 0,33 Silber und 0,c6 Wluminium
im Handel; fie ijt barter al8 Silber, leidjter gu qra-
vieren, dient ju Löffeln, Gabeln, Teeplatten. Gold
wird dburd 1 Proz. Aluminium febr hart, bleibt aber
dod) Dehnbar und erbalt die Farbe des griinen Gol-
des. Billiger als die Bronjen jtellen jid) die Wlumi-
niumfupferzinflegierungen (Wluminium-
meffing). Cine folde aus 63 Kupfer, 33,66 Zinl,
und 3,33 Uluminium cignet fic) gut jum t
—
400
und Gießen, ijt leidjter und widerjteht äußern Ein-
flüſſen befjer al8 Meffing. Cin wegen feiner Härte
zu Sdhrauben ſehr geeignetes Metall erhalt man aus
Seana ntcons mit Meffing in verfdiedenen Ge-
wichtsverhältniſſen. Die Legierung aus 2 Aluminium
und | Bink ijt fo feft wie — a zäher, orydiert
fidy nicht leicht, ſchmilzt bet 540—600° und ijt dünn⸗
fiaffiger al8 Meffing. Nickel (7—10 Broz.) liefert
mit Uluminium feftes, hartes Gufmetall mit quten
Schmelzeigenſchaften. Nidelaluminiumbronge
ijt bart, jebrpoliturfabig, ſchön weiß, ſehr widerjtands-
{abig gegen aimofpharijde Einflüſſe und gegen Fliij-
figtetten des menſchlichen Körpers; fie wird daher fiir
dhirurgifde Upparate empfohlen. Wud cine Legierun
aus 10 Nickel, 90 Kupfer und 0,165 Aluminium itt
empfoblen worden. Juweliere verarbeiten Legierun-
en aus 26 Nickel und 8 Wluminium und aus 40
idel, 10 Silber, 30 Uluminium, 20 Zinn. Man-
—— verleiht dem Aluminium Schärfe und Härte.
it Eiſen liefert Aluminium ſehr harte Legierungen
(Ferroaluminium). Eine Legierung aus 24,5 Tei—
len Aluminium und 75,5 Teilen Eiſen ijt ſilberweiß
und roſtet nicht an der Luft. Geringer Eiſengehalt
macht Aluminium hart und ſpröde, ſchwer ſchmelz⸗
bar; umgelehrt madt 0,1-—0,5 Proz. Aluminium den
Stahl diinnfliiffiger und dichter Mitisguß). Das |
Aluminium gerjegt das Eijenorydul, das im Eiſen
Rohlenoryd erzeugt, und dadurd wird der Guß didter. |
Außerdem bejordert das Aluminium die Unuwand-
lung des im Eifen gelijten Kohlenſtoffes in Graphit.
Binn (1—15 Broz.) erhoht die Feſtigleit und Wider-
—————— des Aluminiums und die Schärfe qro-
er Gupitiide, macht aber dad Metall ſpröder. Die Le-
gicrung mit 10 Broz. Sinn läßt fic leichter verarbeiten
und fo leicht loten wie Meſſing. Phosphorzinn erhöht
Harte u. Schweißbarleit der A. Literatur ſ. Aluminium.
Alumininmmeffing, ſ. Aluminiumlegierungen.
Aluminiumogyd (Aluminiumſesquioxyd,
Tonerde) Al,O, findet ſich in Der Natur farblos
oder durch Eiſenoxyd gefärbt als Korund und Dia—
mantſpat, durch Chrom rot gefärbt als Rubin, durch
Kobalt blau als Saphir, gelb als orientaliſcher Topas
und violett als orientaliſcher Amethyſt, außerdem mit
Eiſenoxyd und Ktieſelſäure verunreinigt als Schmirgel.
Man erhält amorphes A. durch Glühen von Alumi—
niumhydroxyd oder Ammonialalaun. Schmelzt man
dieſes vor dem sors oe oder erbigt man es
anbaltend mit Borar auf Weikglut, fo wird es kriſtal—
liniſch und gleidt dann völlig dem Rorund. Durd
Schmelzen von VW. mit Bleioryd bei Heller Rotglut
erbalt man ſchöne Rorundfrijtalle, bei Gegenwart von
chromſaurem Kali Rubm und bei Anwendung von
Robaltoryd mit emer Spur dhromjauren Kalis Saphir.
Much aus Fluoraluminium durd Schmelzen mit Bor:
ſãure fann man dieſe Mineralien erhalten. Dic frijtalli-
jierte Tonerde hat das ſpez. Gew. 4,0, ijt nächſt Dia-
ntant und Bor der harteite Körper und fann nur durd
Schmelzen mit Ggenden oder fauren fdwefelfauren
Allalien und durch Erhigen mit Schwefelſäure tm zu—
geſchmolzenen Rohr in Lofung gebracht werden. Amor⸗ |
phes A. iſt ein farb-, geruch⸗ und geſchmackloſes Bul-
ver, nad) beftiqem Gluͤhen cine febr barte, am Stabl
Funlen gebende Maſſe, die begierig Waffer auffargt, |
ohne fic) Darin zu lofen. Bor dem Gliihen erwarmt
ſich A. mut Waffer unter Bildung von Hydroryd, iit |
unlostid) in Waſſer, loft ſich in Säuren und dgenden |
Allalien und gibt, mit Kohle gemiſcht und im Chor: |
trom erbigt, Aluminiumchlorid. A. dient sur Dar:
tellung von Aluminium.
Aluminiummeſſing — Alunit.
— ——e— ſ. Aluminiumhydr⸗
oxyd.
— JJ (Rhodanaluminium)
AI(CNS), entſteht bei Zerſetzung von Aluminium—
fulfat mit Baryum- oder Calciumrhodanid. Die Lö—
fung wird zur Erzeugung ſchönen und friſchen Aliza—
rinrots in der Zeugdruckerei benutzt, weil ſie die
Beeinträchtigung des Alizarinrots durch etwa vor-
handenes Eiſenoxyd verhindert.
Aluminiumſalze (Tonerdeſalze) finden ſich
zum Teil in der Natur, die Doppelſililate ſind Haupt⸗
beſtandteile der wichtigſten Geſteine (Feldſpat, Glim-
mer); A. entſtehen durch Auflöſen von Aluminium⸗
hydroxyd in Säuren, die unlöslichen durch Wechſel⸗
zerſetzung. Von den neutralen Aluminiumſalzen ſind
mur wenige in Waſſer löslich; dieſe ſchmecken ſüßlich
zuſammenziehend, reagieren ſauer und wirlen auf
iſen und Zink faſt wie verdünnte Säuren; aus ſehr
verdiinnten Ldfungen wird beim Erhitzen oder durch
Flächenwirlung (3. B. der Gejpinitfajern) baſiſches
Saly gefallt. Hierauf beruht die Anwendung der A.
als Beizen in der Firberei. Die baſiſchen Salye find
jajt alle in Waffer unlöslich. Sehr zahlreid) find die
Doppelfalje (Wlaune, Silifate). Wus den Lojungen
Der A. fallen Wlfalihydrate, Unumonial, Sdwerel-
ammonium und foblenfaure Alkalien Aluminium—
hydroxyd. Der Niederſchlag iſt im Überſchuß der
atzenden Allalien löslich und wird aus dieſer Löſung
durch Kohlenſäure, Salmiak und durch vorſichtiges
Neutraliſieren gefällt. Mehrere A. finden Anwendung
in der Technil. {oryd.
Wiumininmfesquioghd, joviel wie Uluminium-
Aluminiumfilber, j. Uluminiunegierungen.
Aluminiumfilifat, ſ. Kieſelſaure Tonerde.
WUluminiumfulfat, ſ. Sdwefelfaure Tonerde.
Aluminiumſulfit, ſ. Schwefligſaure Tonerde.
Aluminiumſulfuret (Schwefelaluminium)
A.S, entſteht als glaſige, gelblichweiße Maſſe beim
Erhigen von Aluminiumoxyd in Schwefellkohlenſtoff⸗
dampf oder als gelbe frijtallinijde Maſſe beim Er-
hitzen von Aluminium in Schwefeldampf und Waſſer⸗
ſtoff. Es zerſetzt ſich an feuchter Luft und durch Waſſer
in Schwefelwaſſerſtoff und Aluminiumhydroxyd. Es
wird zur Darſtellung von Aluminium benutzt.
Aluminiumthiofulfat, ſ. Unterſchweflige Saure.
Aluminographie, foviel wie Aluminiumdruchk
ſ. Algraphie.
Aluminothermic, das Goldſchmidtſche Verfah—
ren, Aluminium als Wärmequelle ju benutzen. Bgl
Thermit.
Wlumndl, naphiholdifulfojaure Tonerde, cin wei⸗
ßes oder ſchwach rötliches Bulver, leicht löslich im
Waſſer und Glyzerin, wenig in Alkohol, nicht in Äther,
wird als antiſeptiſches und adſtringierendes Mittel,
aud) gegen Gonorrhie benutzt.
Alumnus (lat.), Koſtſchuler, Pflegling, Zögling
einer Erziehungsanſtalt Alumnat, Internat), der
Wohnung, Koſt und Unterricht (ganz oder halb frei)
erhält; Gegenſatz: Stadtſchüler (Oppidanus, Ertra-
neer). — Juriſtiſch bezeichnet Alummat dag rein fal⸗
tiſche Verhältnis eines Pflegefindes gu ſeinem Pflege⸗
vater; ſ. Zöglinge.
Alunit (Alaunſtein, Alaunſpath, Mineral,
farblos, rötlich oder grau, glasglänzend, durchſchei⸗
nend, Härte 3,5 —4, ſpez. Gew. 2,7, kriſtalliſiert rhom⸗
boedriſch, findet ſich aber meiſt derb in feinkörnigen
Aggregaten, gewöhnlich mit Kieſelſäure innig ge—
mengt. Der J iſt ein waſſerhaltiges Sulfat von
Tonerde und Kali, entſtanden durch Einwirkung von
Alupfa — Alvensleben.
Solfataren, bes. ſchwefliger Säure oder von Sdhwefel-
waſſerſtoff und Wafer auf Trachyt. Er findet ſich
unter anderm bei Tolfa in Italien (2 m madtige
Udern im Trachyttuff), in der Yuvergne, in Ungarn.
Man verarbeitet ibn auf Wlaun.
Wlupfa, Tatarendorf und beliebter Kurort im
ruff. Gouv. Taurien, an der Siidfiijte der Krim; da-
bei ein prächtiges Schloß des Fiirjten S. Mt. Woronzow
im mauriſchen Stil mit großartigen Parkanlagen.
Aluta (Alt, ungar. Olh), wilder, am —ãA
mas in den Oſtkarpathen im ungariſchen Romitat
Shit entipringender Fluß, fließt durch das ſüdöſtliche
Siebenbürgen, durchbricht im S. das Grenzgebirge im
Rotenturmpaß und mündet in Rumänien nach einem
Laufe von 556 km gegentiber Nifopoli in die Donau.
Alva, Stadt in Stirlingfhire (Schottland), am
Fuß der Ochill Hills, 5 km nördlich von Ulloa, hat
Wollfpinnerei und Wollweberei, eine Mafdinenfabrif
und (1891) 5225 Einw.
Wlvanen (Ulveneu, Alvagne), Dorf im ſchweiz.
anton Graubiinden, Bezirk Ulbula, 1205 m it. Me,
mit (1900) 383 fath. Einwohnern. 4 km unterbalb
me Ulvaneu-Bad (976 m), mit einer falten, gips-
haltigen Sdwefelquelle (8,5), die gegen Rheumatis-
mus und Gidt, Sfrofeln, Bleid)fudht rc. gebraucht wird.
Das Bad wurde ſchon im 16. Jahrh. benugt. Bal.
v. Planta, Die Heilquellen zu A. Tiefenfajten und
Solis (Chur 1865).
Alvares (jor. diwarés), Fernam, mit Zunamen |
do Oriente (weil aus Goa gebürtig), —— Dichter,
geboren um 1540, geſt. 1599, ſoll bei Uleacer-Duebir
elämpft haben und in Gefangenfdjaft geraten fein.
hilipp IT. begitnjtigte in 1584 mit der Erlaubnis
ju zwei Handelserpeditionen nad Roromandel, die A.
1598 auf feinen Sohn iibertrug. Gein Lebenswerk
»Lusitania transformada« (gedrudt 1607 u. 1781),
Die Schule des Camdes verratend, ijt ein aus Brofa
und Poeſie gemiſchter Scaferroman in der Urt von
Sannajaros » Arcadiac und Montemayors » Diana<,
in edler reiner Sprade und enthält fo fine Elegien,
Sonette und Idylle, daß Camdesſchwärmer fie dieſem
zuſchrieben, freilich daneben auch viele Reimſpiele—
reien, in denen ſich A. als Meiſter in der Beherrſchung
der Mutterſprache zeigt.
Alvarez (jvc. alwares), Luis, ſpan. Maler, geb.
1841 in Madrid, geſt. daſelbſt 4. Oft. 1901, machte
auf der Sunjtafadentie zu Madrid feine erſten Stu-
dien und begab fic) 1857 nad) Rom, wo er ſich zuerſt
durch ein gefchictlides Bild: der Traum der Cal-
purnia, der Gattin Cäſars, befannt madte (im finig-
lichen Palajt gu Madrid) und ſpäter einen Jahrgehalt
von Der fpanijden Regierung erbhielt. In der Heit
von 1863 —73 entitanden die Geſchichtsbilder: Iſa—
bella die Katholiſche in der Kartaufe zu Burgos (im
foniglidjen Muſeum ju Madrid), der Rardinal-Pni-
tentiar in San Giovanni und die Cinfdiffung des
Königs Umadeus in Spezia. Neben dieſen Gemalden
grofen Stiles ſchuf er auch cine große Anzahl von
rebildern aus der vornehmen Gefellfdaft wie aus
dem Bolfsleben de3 18. und 19. Jahrh., wobei er
Schärfe der Charafterijtif mit qriindliden Koſtüm—
ſtudien und einer virtuojen folorijtijden Darjtellung
verband. Der Wohltätigleitsbaſar fiir ein Findel-
haus in Spanien, der Empfang eines Kardinals 1791,
die Vermählung der Pauline Borgheſe, das Bildnis
des Erben, Krieg im Frieden (aus der Beit der frangi- |
fifchen Rriege in Spanien) und cine Trauergefelljdajt
1824 find die hervorragendjten dicfer Genrebilder.
Bu ſtärkſter Wirkung bradte er die Kraft feimer Cha-
Meyers Ronv.«Lerifon, 6. Mufl., 1. Bd.
| verwalten, ward aber 1833 als Mitg
|
401
rakteriſierungskunſt in dem großen Gejdidtsbilde:
der Seſſel Philipps IL. beim Escorial (Verliner Na-
tionalgalerie). €r war julegt Direftor des Prado-
muſeums.
Alveãrium (lat.), der Gehörgang des Ohres.
Alvenen, ſ. Wivaneu.
Alvensleben, alte adlige, im Magdeburgiſchen
und in der Altmark anſäſſige Familie, die 1163 zu—
erjt erwähnt wird und nod) in vier teilweiſe griifidven
Linien blüht. Vgl. Bohl briid, Geſchichtliche Nach-
ridjten von dem Gejdledt von A. (Berl. 1819 —29,
3 Bde.); v. Ulvensleben, Stammtafeln ded v. Al—
venslebenſchen Geſchlechts (Erxleben u. Berl. 1865);
v. Miilverjtedt, Codex diplomaticus Alvenslebia-
nus (Magdeb. 1877 ff.). Bemerfenswert aus neuerer
Beit find die folgenden, die bei ihrem mehr oder weni-
ger großen politiiden Einfluß fat in jedem Memoiren⸗
wert aus der 2. Halfte des 19. Jahrh. erwahnt werden:
1) Ulbredt, Graf von, preup. Staatsminijter,
geb. 23. März 1794 in Halberjtadt, gejt. 2. Mai 1858
in Berlin, Sohn des friihern braun|dweigifden Mi-
nijters und brandenburgijden Landtagsmarſchalls
®rafen Johann Auguſt Ernijt v. W. (gejt. 1826),
nahm 1813—15 als Frenwvilliger an dem Befreiungs-
friege teil und — 1817 als Auskultator bei dem
ericht zu Berlin ſeine Beamtenlaufbahn. 1826
gum Kammergerichtsrat ernannt, trat er 1827 nad
dem Tode feines Vaters aus dem Staatsdienjt, um
jeine Giiter in Der Altmark und im ist aaa — gu
ied des Staats-
rate3 vom König wieder in den Staatsdienjt guriid-
berufen und 1835 nad) Maaſſens Tode gum Finang-
minijter ernannt. Nüchtern, verjtindig, praftijd-atm-
ſichtig und fiir verniinftiqe Reformen empfänglich,
verwaltete er fein Umt nut Erfolg und hielt Spar:
famteit und Ordmung in den Finanjen aufredt. Am
1. Mai 1842 trat er vom Finangminifteriune zurück,
blicb aber, mit cinem Teil der unmittelbaren Vorträge
in allgemeinen Landesangelegenheiten betraut, in der
Umgebung des Königs, bis er im Juni 1844 gan; in
den Ruheſtand trat. Seitdem lebte A. meijt auf fei-
nem Gut Errleben in der Altmark. 1849 wurde er
gum Mitgliede der Erjten Kammer gewahlt, wo er
eine befondere Fraktion bildete und zwiſchen der neuen
Gejepgebung und den altpreupifden Verwaltungs⸗
marimen gu verntitteln fudjte; 1850 nahm er als
preußiſcher Bevollmiadtigter an den Dresdener Kon⸗
ferengen teil, 1854 erfolgte feine — singer Santor
qliede des preußiſchen ————— auf Lebenszeit.
2) Guſtav von, preuß. General, geb. 30. Sept.
1803 in Cicdenbarleben (Provinz Sachſen), geſt.
30. Juni 1881 in Gernrode, wurde im Kadettenforps
ergogen und 1821 Offizier, trat 1847 als Wajor in
Den Broken @eneraljtab und war 1849 Chef de3 Ge-
neraljtabs bei dem Armeekorps in Baden, wo er mit
dem damaligqen Bringen von Preujen, ſpätern Kaiſer
Wilhelm L., Freundſchaft ſchloß. Erward 1855 Oberſt,
1858 Generalmajor, 1861 Generaladjutant des Kö—
nig3, 1863 Generalleutnant und madte den Feldzug
von 1866 im Hauptquartier des Königs mit. Cnde
Oftober 1866 wurde er zum fommandierenden Ge:
neral de3 4. Urmeeforps und im März 1868 zum
General der Ynfanterie ernannt. Cr befehligte das
4. Urmeeforps im deutſch⸗franzöſiſchen Rriege 1870/71
und erfodt den Sieg bei Beaumont 380. Aug. 1870.
1872 ward A. zur Dispojition gejtellt.
3) Ronjtantin von, preuf. General, Bruder ded
| vorigen, geb. 26. Aug. 1809 in Eichenbarleben, get.
28. März 1892 in Berlin, wurde im Radettenforps
26
402
gebifdet und 1827 Offizier, trat 1853 als Major in |
den Groen Generalftab und 1860 als Chef der Wb-
teilung flir Urmeeangelegenheiten in das Kriegsmini-
jterium. 1866 befebligte er als Generalmajor 28. Juni
bei Soor das Gros und 3. Quli bei Königgrätz die
Avantgarde der 1. Gardeinfanteriedivifion, die durch
die Erſtürmung und Behauptung von Chlum die
Schlacht entidied. Während des deutſch-franzöſiſchen
Krieges führte er alg Generalleutnant das 3. (bran⸗
denburgiſche) Armeelorps, an deſſen Spitze er an den
—— Kämpfen hervorragenden Anteil nahm.
Beſonders in der Schlacht bet Vionville 16. Aug.
brachte er die von Metz abziehende franzöſiſche Armee
durch ſeinen Angriff zum Stehen und hielt fie, aller-
dings unter großen Verluſten, bis zum Eintreffen von
Verſtärkungen am Nachmittag feſt. Un den Kämpfen
vor Orléans im Dezeniber 1870 und an der Schlacht
pon Ye Mans im Qanuar 1871 -hatte er bedDeutenden
Anteil. 1871 gum General der Infanterie ernannt,
nahm er 1873 feinen Ubfdied. 1892 erbielt ibm ju
Ehren das 52. Ynfanterieregiment den Ramen A.
4) Gujtavd Hermann von, preuß. General, geb.
17. San. 1827 in Rathenow, wurde im Radettenforps
erjogen, 1844 Qeutnant im 6. Küraſſierregiment,
1856 Premierleutnant, 1857 zum topographifden
Bureau und 1858 als Wdjutant zum Pringen Fried-
rid) Rarl fommanbdiert, 1859 Hauptmann im Gene-
raljtab, 1861 Rittmeijter im 3. Garde-llanenregiment
und 1863 wieder Major im Generaljtab. Im Stab
der Gardedivifion madte er 1864 den Krieg gegen
Danemarf und in dem des Ravallerieforps der erjten
Armee den böhmiſchen Feldzug mit und ward im
September 1866 Oberjtleutnant und Kommandeur
des 15. Ulanenregiments, das er als Oberſt im Kriege
von 1870/71 mit Auszeichnung befebligte: er erbielt
das Cijerne Kreuz erjter Klajje und den Orden pour
le mérite. Nachdem er 1873 das Kommando der
19. Kavalleriebrigade in Hannover erhalten, ward er
1874 Generalmajor, 1880 Generalleutnant und Kom⸗
mandeur der 10. Divijion in Bofen. 1886—90 war
er lommandierender General des 13. (1wiirttembergt-
iden) Urmeeforp3, 1887 wurde er zum General der
Stavallerie befördert.
5) Friedrid Johann, Graf von, deutider Di-
plomat, geb. 9. Upril 1836 in Errleben, ſtudierte in
Bonn und Berlin die Rechte, trat 1861 als Uttadhé in
Brüſſel in die diplomatifde Laufbahn ein und ward,
naddem er an mebreren Höfen Leqationsfetretar &
wejen, 1872 Botſchaftsrat in Petersburg, 1876 Ge-
neralfonjul in Bufarejt, 1879 Gefandter in Darm⸗
jtadi, 1882 im Haag, 1884 in Wafhington, 1888 in
Vriijjel und Ende 1900 Botidhafter in Petersburg.
1890 erbte er von feinem Bater, dem Grafen Ferd |
nand von A., den Grafentitel.
Alveolar (lat.), f. Wtveole. Zahnwurzel.
Alveolarabjzefs, Eiterbildung an der Spitze einer
Alveolareftafic, ſ. Lungenemphyſem.
Alveolarfortſatz, cin vom Körper des Kiefers
aus wachſender Fort J der Alveolen für Die Zähne
Alveolarwinkel, |. Schädel. enthaͤlt.
Alveole (lat.), Hohlraum, Fac, z. B. die Alveolen
der Kiefer, in denen Die Zäühne fipen, und die Hohl—
rdume der Qungen, die Lungenblisden. S. aud Be
lemmiten. Daher alveolar, von jellenartiqem Bau.
Alverdiſſen, Fleden im Fiiritentum Lippe, mit |
cvang. Kirche, Schloß, Amtsgericht u. (1.900) 874 Einw.
Alvernia, Berg und Kloſter, ſ. Bibbiena.
Wiverftome (jor. duwertin), Ricard Everard
Webjter, Lord, ſ. Webſter.
Alveolar — Alvinczy.
Alvéus derelictus (lat.), dad verlaſſene Fluß⸗
bett. Wenn ein Hffentlider Fluß (flumen publicum)
jein bisheriges Bett verläßt, fo fallt der hierdurch
ewonnene Boden nad) rdmifdem und gemeinem
Rechte den Cigentiimern der bisherigen Uferqrund-
jtiide gu, und gwar fo, daß eine Durd) das verlaſſene
Bett gezogen gedadte Mittellinie die Grenze bildet;
durch Yirtifel 65 des ee te jum Bür⸗
erlichen Geſetzbuch find die — etzlichen Vor⸗
chriften über den A. d. unberührt geblieben. S. Un-
wachſung.
Alvin (pr. «ving, Louis Joſeph, ——
geb. 18. März 1806 in Cambrai, geſt. 17. Mai 1887
in Brüſſel, ſeit 1845 Mitglied der belgiſchen Alademie.
1850 Oberbibliothefar an der königlichen Bibliothel
dajelbft, als welder er 3 Bande des » Annuaire<
(1851—53) herausgab. Er ſchrieb das Trauerjpiel
»Sardanapale« (1834); das Luftfpiel »Le follicu-
laire anonymese (1835); »Souvenirs de ma vie
littérairee (1843); »Les recontemplations<, eine
Satire auf B. Hugo (1856); »Les commencements
de la gravure aux Pays-Bas« (1857—-59).
Alvincz (Unter- Wins), Marktfleden im Unter-
weifenburger Romitat in Siebenbiirgen, linfs des
Maros, an der Staatsbabniinie Urad-Tdvis, mit
wei Schlöſſern, Weinbau, Spiritusfabrifation, Han-
1 und (1900) 3854 Einw. A. wurde im 12. Jahrh.
von deutſchen Unfiedlern geqriindet. Gegeniiber der
Ort Borberel mit einer Burgruine.
MAlvincgy (jpr. avingi), 1) Peter, fiebenbiirg. Boli-
tifer und Surijt, war feit 1681 bis ju femem Zod
(1701) oberjter Richter und verfafte ſamtliche Urkun⸗
den und Erlajje, die der Vereinigung Siebenbiirgens
mit dem Haufe Habsburg als Unterlage dienten (brsq.
alg: »Diplomatarium Alvinczianum 1684—1688<,
Budap. 1870—87, 3 Bde.).
2) Jofeph, Freiherr von Barberef, diter-
reid). Feldmarſchall, geb. 1. Febr. 1735 auf dem
Schloß Alvincz in Siebenbiirgen, gejt. 25. Nov. 1810
in Ofen als lepter feines Geſchlechts, trat 1750 m em
ufarenregiment und zeichnete fich im Siebenjabrigen
triege bet Torgau, Schweidnitz und Teplig ang.
Nad dem Friedensſchluß half er das von Lacy ent-
worfene Ererzierreqlement fiir das öſterreichiſche Heer
durdfiibren. Im Bayrijden Erbjolgetrieg nahm er
alg Oberjt den Prinzen von Heſſen⸗Philippsthal bei
der ECinnahme von Habelſchwerdt gefangen. Wis Ge
neralmajor ward er vom Raifer Joſeph LL. gum Lehrer
feines Reffen, des ſpätern Kaiſers Franz LL, in der
Tattif ernannt. Nachdem er vor Belgrad gekämpft
und gum FelDmarjdallleutnant ernannt worden,
führte er 1790 das zur Dämpfung des belgiſchen Auf ⸗
ſtandes beſtimmte Heer; doch hemmte ein Sturz vom
Pferde ſeine Tätigleit. Erſt tm Kriege mit Frankreich
fam VW. 1792 wieder ind Feld. Un der Spitze einer
Divijion zeichnete er fic) bei Neerwinden, Chatillon,
Landrecy, Charleroi und Fleurus aus, ward aber
6. Sept. 1793 bei Hondschoote befiegt. Seit 174
Feldzeugmeiſter, ward er 1795 gu der Oberrheinarmee
verfept, erhielt bas Oberfonumando aller Kriegsheere
wiſchen Nedar und Konſtanz und wurde 1796 in den
Hofkriegsrat berufen. Rad dem Riidjuge Beaulieus
aus der Lombardei nad) Tirol bereitete er bier die
Erhebung vor. Bei dem Verfude, Mantua zu ent⸗
fesen, ward er von Bonaparte 15.—17. Nov. 1796
bei Arcole, Darauf 14. San. 1797 be Rivoli gefdla-
gen, worauf Mantua fiel und Erzherzog Nari den
berbefebl erbielt. Spater wurde UW. Nommandieren-
der in Ungarn und 1808 Feldmarſchall.
Alwar — Amadeus.
Alwar (Ul wur), Tributirjtaat in Radfdputana
(Britiſch⸗ Indien), grengt im N. an das Pandſchab,
wird vom Debhli-Ugra-8weig der Radfdputanabahn
burdidnitien und ijt 7832 qkm grog mit (sen
767,786 Ginw., worunter etwa 500,000 Mohamme-
Daner. Das Land ift hügelig, ftellenweife ſehr frucht⸗
bar und reid) an Eiſenerz (jabrlid) 700 Ton. Cijen).
Der Radſcha unterHalt eine Urmee von 6920 Mann
mit 300 Gefdiigen. Die Hauptitadt A., mit avon
56,740 Cinw., ijt von Wall und Graben umgeben,
hat ein Fort, cinen Palaft des Radda, Bafferlei.
a | und mehrere ſchöne Dſchainatempel.
Iwend, Gebirge, ſ. Elwend.
Alxinger, Johann Baptiſt Edler von, Did-
ter, geb. 24. Jan. 1755 in Wien, gejt. 1. Mati 1797,
ftudierte dafelbjt die Rechte, ward {pater Hofagent
und 1794 k. £. Hoftheaterfefretir. Als geſchickter
Nachahmer Wielands ſchrieb A. die Rittergedichte:
»Doolin von Mainz« (Leipz. 1787, 2. Aufl. 1797)
und »Bliomberi8< (daſ. 1791, 2. Aufl. 1802). Seine
»Sämtlichen Schriften⸗ erfdienen in 10 Banden
(Wien 1812), Briefe von ihm gab G. Wilhelm heraus
(daf. 1899). Bal. E. Probſt im ⸗Jahrbuch der Grill-
paryer ⸗Geſellſchaft · Bd. 7 (Wien 1897).
Alyattes (Halyattes), Kinig von Lydien 617—
563 v. Chr., Sohn des Mermnaden Sadyattes, kämpfte
gegen die Milefier, vertrieb die Kimmerier und lieferte
Dent Meder Kyarares am Halys 28. Mai 585 eine
Schlacht, die durd) cine vom Milejier Thales voraus-
gelagte Sonnenjinjterni$ unterbroden wurde, worauf
ide —“ den Halys als Grenze feſtſetzten. A.
unterwarf darauf die Rarer, Smyrna und Kolophon
und fammelte aus den Tributen der Unterjodten
cinen großen Schatz in Garde. liber feiner Grab-
fanumer am Hermos wurde ein gewaltiger Steinhiigel
aufgetiirmt. Ihm folgte fein Sohn Rrojos (ſ. d.).
Alypios, griech. Muſilſchriftſteller wm 360 n. Chr.
in Ulerandria, defjen »Cinleitung in die Mujif< (ge-
drudt in Ausgaben von Meurhus 1616, Meibom
1652 und in &. v. Jans »Musici scriptores graeci<,
Leipz. 1895) den volljtindigen Schlüſſel der griechiſchen
Notenfdrift enthalt (Stalentabelle durd alle drei Ton⸗
geſchlechter in Sing- und Ynjtrumentalnotierung).
Alyscamps, j. Wliscans.
Alyssum Tourn. (Steinfraut), Gattung der
RKruziferen, Kräuter, Stauden oder Halbjtriuder mit
einfachen, bebaarten Blattern, fleinen weißen oder
gelben Blitten und eiformigen bis kreisrunden Früch⸗
ten. Etwa 100 Urten, befonders in den Mittelmecr-
ländern. Mehrere Urten werden als Zierpflanyen be-
nupt: A. argenteum Willd., Halbjtraud in Piermont,
mit unten filberweigen Blittern und gelben Bliiten.
A. saxatile Z. (Feljenfteinfraut, Goldkörb—
den), Halbjtraud in Podolien, Rubland, Thitringen,
mit langettfirmigen, gleich den Aſten fajt filzig-qrau-
weifen Blattern und gelben Bliiten.
Alftes, die GeburtShelfertrite, ſ. Fröſche.
Alz, rechter Nebenfluß des Inns in Oberbayern,
flieRt aus dem Chiemfee ab und nimmt rechts die
Wlgbeere, Elſebeere, j. Sorbus. Traun auf.
Alzenan, Flecen und Bezirlshauptort im bayr.
Regbez. Unterfranten, an der Kahl und der Cifenbahn
GablSdalltrippen, 125 m ii. M., hat eine Fath.
Stirde, eine Synagoge, Schloß, Amtsgericht, Hellu-
lofe- und Zigarrenfabrifation und (1900) 1718 Cinw.
lzette (fpr. fetr’, El Ge, Alzig), rechter Neben-
flu der Sauer in Luxemburg, entipringt bei Eſch,
fließt in nördlicher Richtung, nimmt lints die Attert
auf und mündet bei Ettelbrück oberhalb Diekirch.
403
Alzey, Kreisſtadt in der heſſ. Provinz Rheinheſſen,
an der Selz, Knotenpunkt der Staatsbahnlinien
Worms-Bingen und Mainz-Wahlheim, 172m ii. M.,
—— 2evangeliſche und eine lath. Kirche, eine Synagoge,
ealſchule mit —————— Schullehrerſeminar,
landwirtſchaftliche Winterſchule, Amtsgericht, Ober⸗
förſterei, Maſchinen⸗, Schuh-, Leder⸗, Malz- und
Möbelfabrikation, Bierbrauerei, Branntweinbren⸗
nerei, Gärtnerei, Weinbau und (900) 6893 meiſt
evang. Einwohner. Im SW. das Dorf Weinheim,
Fundort von Petrefatten. — Die Stadt, die bereits im
4. Jahrh. erwähnt wird (⸗Voller der Fiedlere, der
Nibelungenbheld, ſtammte aus A.), liegt auf der Stelle
römiſcher Niederlaſſungen und wurde 1277 Reids-
jtadt. 1689 ward fie von den Franjofen niederge-
brannt. Die in Trümmern fiegende alte Burg wird
jum Geridts- und Verwaltungsqebaiude umgebaut.
Alzog, JohannBVaptift, ag apo Fe
geb. 29. Juni 1808 zu Oblau in Schleſien, geit.
1. März 1878 in Freiburg, wurde 1836 Profeſſor
am Mlerifalfeminar gu Bolen, 1845 Profeſſor und
Megens des Seminars gu Hildesheim, 1853 Profejjor
an der Univerfitit Freiburg. Alzogs Hauptiwert ijt
das ⸗Lehrbuch der Univerfalgefdidte der drijtliden
Rirdhe« (Mainz 1841), 1882 in 10., von F. X. Kraus
bearbeiteter Uuflage als »Handbud< in 2 Banden
erjdienen. Ferner verfate er einen ⸗Grundriß der
Patrologie« (4. Uufl., Freiburg 1888).
Am, in der Chentie Beidjen fiir 1 Molekül Ammo—
niunt (NH,).
Amadeo (aud Omodeo genannt), Giovanni
UWntonio, ital. Urchiteft und Bildhauer, geb. 1447
in Pavia, geſt. 27. Uug. 1522 in Mailand, Katoh ſich
dem Stil des Bramantino von Mailand an und ver—
tritt mit dieſem die lombarbdifde Richtung der Re—
naijjance. Er fertigte aus Marmor viele Reliefs fiir
die Faſſade und fiir Grabmiiler in der Certofa bei
Pavia und fduf die Grabdenfmiiler der Medea Col-
leoni und ibres Vaters in der Rapelle Colleoni in
Bergamo. 1490 mit dem Uusbau der Certoja und
des Mailänder Domes beaujftragt, teilte er die Urbeit
mit jablreiden Runjtgenojjen und vollendete die
Faſſade des erſtgenannten Gebäudes im Modell, das
in der Hauptfade zur Uusfiihrung fam. Bei dem
RKuppelbau de3 Domes in gotijden Formen erfubr er
manderlet Srinfungen und ſtarb vor Vollendung
ded Werkes.
Amadeus (fat., »Liebegott<), Rame, häufig im
Haufe Savoyen. Merhwitrdig find: 1) U. V. (IV.),
der Grofe, der Stammpater der jetzt in Stalien re-
ierenden Linie von Gavoyen, Sohn des Grafen
homa IL, geb. 4. Sept. 1249, gejt. 16. Dft. 1323,
erwarb durd) Heirat Baugé und Breſſe, ward 1283
Herzog von Aoſta und folgte 1285 ſeinem Obeim
Philipp in der Grafſchaft Gavoyen. 1294 trat YL.
jeinem Neffen Philipp die Stadt Turin famt Pienont
ohne Suja ab, ward 1310 von feinem Schwager Hein-
rid) VIL. in den ReidSfiiritenjtand erhoben und 1311
zum Generalvifar der Lombardei ernannt. 1313
wurde er mit der Graffdaft Witi belehnt, in deren
Beſitz er indes nicht gelangte, während fid) ihm die
Stadt Ivrea unterwarj. A. fepte fiir die favoyijden
Lande die Unteilbarfeit und die Vererbung nad dem
Exjtgeburtsrecht in männlicher Linie fejt.
2) A. VI. (V.), der Grüne Graf genannt von
feiner Liebling Sfarbe bet Turnieren, Enfel des vorigen,
geb. 4. Jan. 1334, geft. 1. Mar; 1383, gelangte 1343
unter Vormundjdaft gur Regterung, erwarb 1347
Chieri und Savigliano, 1855 die Herrfdaften Fauf-
26 *
404
fiqny und Ger und 1359 das Waadtland. 1365 erhob
ign Kaiſer Karl IV. zum Reidsftatthalter in einem
bedeutenden Bezirk des arelatifch - burqundifden Rei-
hes. 1366 30g YU. gegen Die Litrfen, eroberte Gallipoli
und befreite den Shier Johann Paläologos aus den
Händen der Bulgaren. Mit Papſt Gregor XT. und
Kaiſer Karl IV. jeit 1372 gegen Giovanni Galeasjzo
Visconti verbiindet, eroberte er Teile der Diözeſen
Ivrea und Vercelli und erlangte im Vertrag ju Pavia
1378 die Unerfennung diejer Erwerbungen. YL.’
Schiedsfprud) beendete 1381 den langwierigen Krieg
zwiſchen Genua und BVenedig. A. ftarb in Uputlien,
wohin er mit Ludwig von Ynjou gegen Karl von
Durazzo zur Eroberung Reapels gezogen war. 1362
itiftete U. Den Orden des Halsbandes (nadmals della
Santa Annunciata).
3) U. VIL (VL), Der Rote, Sohn des vorigen,
geb. 24. Febr. 1360, gejt. 1. Nov. 1391, erbielt von
jeinem Bater 1379 die Herrſchaft Breſſe und folgte
ihm 1383. Im Bunde mit Karl VIL. von Franfreid
lämpfte er in Flandern und trug jum Entfag von
Ypern bei. 1388 erreichte fein Gebiet durch die Er—
werbung der Stadt und Grafidaft Nizza Das Meer.
4) U. VIIL. (VIL), der Friedfertige, Sohn des
vorigen, erjter Herzog von Savoyen, geb. 4. Sept.
1383, geſt. 7. Jan. 1451, folgte feinem Bater 1391
unter Vormundſchaft feiner Grofmutter Bonne de
Bourbon. Vom Kaiſer Siegmund erbielt er 19. Febr.
1416 die Herjogsiwiirde, erbte 1418 nad dem Aus—
jterben der Linte des Grafen Thomas IL Piemont
und erwarb 1422 Genf von Siegmund als Leben.
Durd fein Soldnerheer nahm er m Oberitalien eine
widtige Stellung ein, zwang den Markgrafen von
Montferrat, fiir Tiina Lande links vom Po die Lehns-
hoheit Savoyens anjuerfennen, und erwarb 1427
von Maitland Vercelli. Nad) dem Tode feiner Gattin
überließ A., naddem er den Ritterorden ded Heil.
Mauritius geftiftet hatte, 1434 feinem Sohne Ludwig
die Leitung der Regierungsgefdafte und zog ſich in
die Einſiedelei Ripaille bei hens amt Genter See
zurück. 1439 wurde er vom Bafeler Konzil ftatt des
abgeſetzten Eugen IV. zum Papſt erwahlt und 1440
alg Felix V. gefrint. Da er aber nur von wenigen
Fürſten anerfannt wurde und dad Unfehen des Konzils
jant, leqte er — der letzte Gegenpapſt — feine Wiirde
vor Dem nad) Lauſanne verleqten Konzil 1449 nieder
und wurde von Dem neuen Papſt Nifolaus V. zum
Kardinal und apojtolifden Legaten in Gavoyen und
einent Teil der Schweiz ernannt.
5) A. IX. (VILL), der Gliidfelige, Sohn des
Herjzogs Ludwig, geb. 1. Febr. 1435, gt BO. März
1472, trat 1465 Die Regierung an. Er unterjtiipte
König Ludwig XI. von Franfreidh gegen Johann
von Bourbon und die — der Sffentlidjen Wohl⸗
fahrt. Cinen Krieg mit Montferrat und Mailand
beendigte fein Bruder Philipp von Savoyen, Graf
von Breſſe, 1467 dDurd einen vorteilhaften Frieden,
worauf A. 1468 ein zehnjabriges Biindnis mit Venedig
abſchloß. Von Epilepite heimgefucht, übertrug er 1469
die Reqentidhaft fener Gemahlin Jolantha, Lud-
wigs XI. Schwejter; die ungufriedenen Briider ded
Herzogs, Philipp von Breſſe an der Spige, überfielen
1471 Das feſte Schloß Montmeillan und nahmen A.
efangen. Im Frieden gu Chambéry erhielten die
zrinzen Anteil an der Regierung; Dolantha aber
blieb bis sur Ernennung eines Statthalters im Beſitz
Der höchſten Gewalt.
6) UL, Ferdinand Maria, Herzog von
Aoſta, Exfonig von Spanien, geb. 30. Mai
Amadeusſee —
Amadisromane.
1845 als zweiter Sohn des Königs Vittor Emanuel
von Italien, gejt. 18. Jan. 1890 in Turin. Jn Turin
erzogen, nabm er 1859 an dem Kriege gegen Djter-
reid) teil, fodt 1866 bei Cujtoja und iiey (pater zum
Generalleutnant auf. 1867 vermählte er ſich mit der
Prinzeſſin Maria dal Pozzo della Ciſterna (geb.
9. Aug. 1847, gejt.8. Rov. 1876), die ibm drei Söhne
gebar. Nach dem Sturz der fpanifden Bourbonen
wurde UW. 16. Nov. 1870 von den Cortes zum Konig
von Spanien gewablt, nahm 4. Dez. gu Florenz die
Krone an, hielt 2. Jan. 1871 ſeinen Emjug in Madrid
und leijtete Den Eid auf die Verfaſſung; wenige Tage
zuvor (30. Deg.) war General Prim, dem er die Krone
verdantte, durch Meuchelmord gejallen. Das etifetten-
loje Unftreten A.' ſtieß den Adel ab, madhte jedoch bei
dem Bolle quten Eindruck. Dennod gelang es ibm
nidt, eine ſichere Grundlage fiir jeine Regierung ju
gewinnen ; jtreng fonjtitutionell verfabrend, wechſelte
er fein Miniſterium oft. Cinen Gewaltitreic zur Be
feitigung feine3 Thrones verſchmähte er, um nicht
jeinen Cid gu verlegen, Danfte Daber 11. Febr. 1873
ab und fehrte nad Stalien guriid. Seit 11. Sept.
1888 war er in zweiter Che vermabhlt mit der Todter
jeiner Sdhwejter Clotilde und ded Pringen Jéröme
Napoléon, Latitia, die ihm 22. Juni 1889 einen Sohn,
Umberto Maria, Grafen von Caferta, gebar. Bat.
Manfredi und Cifotti, Amedeo, duca d'Aosta
ricordi storici (Rom 1890).
Amadendsfee, qroher Salzſunpf im Staate Sud⸗
aujtralien, nabe dejjen Weſtgrenze, zwiſchen 24 und
25° ſüdl. Br., 160 km lang, faunt 20 km brett, 204 m
ii. M., 1872 von Giles entdect, eridien friiher viel
groper, Da man den nordwejtlid von ihm in Weſt⸗
aujtralien gelegenen Macdonaldfee als gum A.
gehörig anjab.
Amadia (Umadie), Stadt tm tiirfifd-annen.
Wilajet Wan, nördlich von Moful an einem Zufluß
de3 Groen Bab, friiher cin Hauptmartt fiir den
Handel mit den Kurden.
WUmadinen, Gruppe der Pradtyinfen aus der
DOrdnung der Sperlingsvigel, fleine, ——
baute Vogel mit dickem Schnabel und bei beiden Ge-
jdlechtern meiſt gleich gefiirbtem Gefieder. Sie leben
in Afrika, Siidajien und Auſtralien, in Steppen,
Getreide- und Zucerrohrfeldern, ſind Körnerfreſſer,
bauen cin tiberwolbtes Neſt und legen 3-—6 weiße
Eier. Die Brutzeit daucrt 13-—15 Tage. A. fommen
feit Dem 18. Jahrh. nach Europa und find als Stuben-
vögel geſchätzt, obwohl ihnen Gejang feblt. Man
| fiittert jie mit Hirfe und Kanarienſamen, reidht dazu
— — Mehlwürmer oder Weichfutter und Sepia.
Beliebte Urten find: die Erzamadine (fleineds
Eljterdhen, Rappenfint, Spermestes cucullata
Swen., {. Tafel »Stubenvigel Ll, Fig. 6), im tropi-
iden Ufrifa, ausdauernd, nijtet leicht; das Bronze
männchenc(geſtreiftesElſterchen, S.striata L.),
haäufig an der Malabarfiijte, aud) auf Ceylon, vertritt
ſeit alten Seiten in Japan unfern Ranarienvogel und
wird in den veridiedenjten, aud ganz weiken Spiel
arten gezüchtet; Der Bandvogel (Halsbandfint,
Bluthals, S. fasciata Gmil., ſ. Tafel »Stuben:
vigel I+, Fig. 5), im größten Teil Ufrifas, febr leicht
ju züchten, fommt aus Weftafrifa in den Handel, fers
ner aud mebrere Yirten der Gattung Dermophrys
Hodgs, (Ronnenvigel).
Amadisromane, cine Familie mittelaltertidher
Ritterromane, die von Spanien aus ſich über gany
Europa verbreiteten. Der Stammwvater des yur
reichen Geſchlechts und zugleich der beſte aller Vt. iſt
Amadisromane — Amador de [08 Rios.
der »Amadis de Gaulae. Er bewegt ſich in den Glei⸗
jen der Triſtan⸗ und der bretoniſchen Langelot- und
Graalsjagen, fowoh! was den Schauplatz der Hand-
lung als was die Charattere und viele Cingelmotive
betrijft. Wurzelt er in ——— ſo ſind es ſicher
bretoniſche; dod) wird er im allgemeinen als cin Ge-
bilde willfiirlider Bhantafie betradtet, worin die
Ideale de3 Mittelalters von Rittertum und Frauen-
liebe geſchickt verlörpert find. WIS »Ritter- und Liebes-
fpiegel« bat er jabrhundertelang bei allen Lefenden
im außerordentlicher Gunit —— ja es bedurfte
des überlegenen ironiſchen Lachens eines Cervantes,
um Hiſpanien und die übrige Welt vom Amadis—
fultus ju heilen. Dod) läßt felbjt Cervantes bei dem
beriihinten Uutodafé von Don Quichottes Bibliothek
dem bejten aller Ritterromane Geredtigheit wider:
fahren und eriveijt ifm fogar die Ebre, femen Helden
und deſſen Ubenteucr zur hauptſächlichen Unterlage
feiner parobdierenden Rachahmung ju maden. Der
Amadis de Gaula (fiir de Gales oder Gaules,
b. §. aus dem britijden Wales, nidt von Gal-
lien) ijt ein urſprünglich portugieſiſches Werk, dads
aber in der Urſchrift nidt mehr vorhanden ijt. Nur
eins der furgen Lieder, die dem Brofaroman eine
gefiigt jind, bat fic) in der Urſprache erhalten, und
ar in dem alten Liederbuch aus der Beit des Königs
om Dinis, das nad feinen Befigern Cancioneiro
Colocci-Brancuti genannt wird. Darin ſteht es als
Werk eines Edelmanns of v Lob eira(1278), deffen
CEnfel Vaseo (1385) die Tradition es zugeſchrieben
hatte. Statt der Urſchrift muh die fpanifde Be-
arbeitung des Romans dienen, die iiber cin Jahr—
undert ſpäter (zwiſchen 1465 und 1490) Garcia
rdoñez de Montalvo lieferte. Der Held der
Didtung, Umadis (d. h. Ama-deus, wie der Tert
erflart), cin Sohn des Königs Perion von Wales und
der britiſchen Prinzeſſin Elifena, wird als heimlid
eborned Sind in einem Kaſten ausgeſetzt, von einem
Poottiiden Ritter gefunden, unter dem Schutz ciner
ee Urganda als unter vom See auferzogen, kommt
dann an den Hof, verliebt fic) in Oriana, die Tochter
des Königs Lifuarte von England, und befteht in
ibren Dienjten als Helfer und Kämpfer ihrer Anver—
wandten auf weiten Retfen in ferne Lander cine bunte
Reihe von Ubentenern, zahlloſe Kämpfe gegen Ritter,
Riejen, Bauberer ſowie ſchwere Verjudungen. Die
Erzählung feiner Taten und Leiden, oder ridtiger
die Berherrlidung feiner unerjdiitterliden Liebe,
bildet den Hauptgegen|tand de3 gejtaltenreiden Ro-
mans. Amadis ijt gezeichnet als Muſter jeder ritter-
liden Tugend. Dieſem rein und tren fiebenden
Idealiſten jteht fein Bruder Galaor als leichtfertiger
und ſinnlicher Materialijt gegenüber, ein Gegenfag,
der p ogi vertieft ijt und den Umadis jum
eigentlichen Vorläufer des modernen Romans ftem-
pelt. Trotz garter und erqreifender Stellen ermiidet
das von den Ungeheuerlichleiten der ſpätern Ritter-
romane ziemlich freie Werk durd feine Breite. In
der erjten portugieſiſchen Faſſung war es aber jeden-
falls cinfadjer und einbeitlicer, Denn es umfaßte nur
Drei Bilder und fiihrte den Helden bis gu feinem
Ende. Montalvo erweiterte es zu vier Biidern und
ine te {pater (1492) fogar nod ein 5. Buch eigner Er-
indung hinzu, das die Gefdidte des Efplandian,
des älteſten Sohnes ded Umadis und der Oriana, ent-
Halt. Nach ihm haben andre die Nachkommenſchaft
des Helden faft ins Unglaublide vermehrt. Bereits
1526 fam ein 6. Buch mit der Geſchichte de3 Flori-
fando, feines Neffen, bald darauf ein 7. und 8. Bud
405
hinzu mit der Gefdhidte des Lifuarte von Griechen—
land, eine3 Sohnes des Ejplandian, und der nod
wundervollern des Umadis von Griedhenland,
eines Urenfels des walijifden Helden. Dann folgten
DonFlorifel deNiquea, Roger vonGriedhen-
land und Unarartes, Sohn des Lifuarte, deren
Geſchichte mit der ihrer Nachkommen des lestern das
9., 10. und 11. Buch fiillt. Cin 12. Bud, das 1549
edrudt wurde, beridtet von Don Silves de la
Selva. Cin 13. und 14, ijt dem Lepolemo, dem
ſchönen Leander und Penalva gewidmet.
es ira oc 98 zahlreiche Überſetzungen,
Umarbeitungen und Fortſetzungen in fremden Spra—
chen. Auch Romanzen und dramatiſche Bearbeitungen
blieben nicht aus. Die Tragikomödie von Gil Vicente
iſt die älteſte und wertvollſte. Gedruckt ward der
Amadisroman vermutlich um 1500; die älteſte nod
vorhandene Ausgabe des Montalvoſchen Textes iſt
von 1519. Im 16. Jahrh. zählt man weitere zwölf.
Von neuern find zugänglich der Abdruck in Rivade-
as pr » Biblioteca de Autores espaiioles« (Wd. 40)
und einer aus Barcelona (1847—48, 4 Bde.). Er
war feit 1540 in franjijifder, feit 1546 in italieni-
ſcher, feit 1619 in engliſcher, ebenfo in holländiſcher
liberjegung vorhanden. Cine deutfde ——
(nad Dem WeangoHiichen) erſchien zu Frankfurt a.
1583; ſogar von einer hebräiſchen wird berichtet.
Dazu wurden die 12 Bilder des fpanifden Romans
in ¢ vantreid) bi8 auf 24, in Deutidland bis auf 30
erweitert. Zuletzt brachte ein Franzoſe, Gilbert Saunier
Duverdier, zu nfang des 17. Jahrh. die ſänitlichen
Teile in eine ordentlich zuſammenhängende Reihen-
folge, und mit feinem 7 dicke Bande ſtarken Sammel—
wert, das er unter dem Titel »>Roman des romans«
—— gelangte die Geſchichte des Amadisromans
jum Abſchluß. Cine freie poctifde Bearbeitung de3
Stoffes hat der italieniſche Dichter Bernardo Taſſo ge-
liefert (»Amadigi di Francias, 1559). In neuern
metriſchen Bearbeitungen verjudten fic) Creuse de
Leſſer (» Amadis de Gaule, poéme faisant suite aux
chevaliers de la Tableronde< , Bar. 1813) und B.
Stewart Rofe (»>Amadis de Gaul, a poem in three
books«, Lond. 1803); endlich licferte der engliſche
Didter Southey cine Abkürzung des alten Romans
(nene Ausg. 1872, 3 Bde.), in welcher derfelbe allenfalls
nod) jetzt lesbar erſcheint. Dagegqen hat der mut—
willige ⸗· Neue Umadis« von Wieland mit dem ältern
nichts al8 den Titel gemein. Val. Baret, De l’ Amadis
de Gaule et de son influence sur les meeurs et la
littérature, etc. (2. Uufl., Rar. 1873); Bages, Ama-
dis de Gaule (daf. 1868); Braunfels, Kritiſcher
Verſuch fiber den Noman Umadis von Gallien (Leipz.
1876), deſſen Thefe vom fpanifden Urſprung des
Amadis freilich hinfallig ijt; Braga, Formagio do
Amadis (Oporto 1878).
Amador de los Rios, Jofé, ſpan. Gefchicht-
ſchreiber, geb. 1818 in Baena, gejt. im März 1878
in Sevilla, erhielt in diefer Stadt feine Bildung und
wandte fid) Dann der literarijden Tatiqfeit gu. Seit
1848 in Madrid wohnhaft, wurde er Profeſſor der
Philofophie und Literatur an der dortigen Sentral:
univerfitat fowie Mitglied der Ufademie, 1864 aud
Mitglied der Cortes. Seine Hauptiwerfe find: »His-
toria critica de la literatura espafiolae (1861 ff.,
Bd. 1—7), unvollendet, und die »Historia social,
politica y religiosa de los judios de Espaiia y Por-
tugal« (1875 —76, 3 Bde.). Auch lieferte er be-
ſchreibende und kunſtgeſchichtliche Werke fiber die
Stadte Sevilla (1844) und Toledo (1845) fowie eine
406
Geſchichte der Stadt Madrid und überſetzte Sismon-
bis Schrift: »De la littérature du midi de l'Europe«
in’ Spanifde (1842).
Ama: Fengu, Kajfern, f. Fingu.
a majori ad minus (lat.), vom Grifern aufs
Kleinere, und umgefehrt: a minori ad majus, vom
Kleinern aufs Größere (ſchließen).
Amak (din. Amager), dan. Inſel im Sund,
von Kopenhagen durch den Kalvebodſtrand getrennt,
65 qkm, etwa 15 km lang und bis 7,5 km breit, mit
(1901) 48,615 Einw. (infl. Chrijtianshavn), darunter
ein grofer Teil Nachktommen von holländiſchen Fa-
milien, die Chrijtian IL. 1516 dort anfiedelte. Cin
Teil K ens, Chrijtianshavn, ijt auf die
Inſel gebaut, und an ihrer Ojtfeite liegt der Hafenort
Dragir (jf. d.). W. verforgt gum Teil die Gemüſe—
miairtte Kopenbagens.
Amafata, qropte der Neulauenburg-Jnfeln (ſ. d.)
im Bismard-Vrdipel, 58,4 qkm grog, mit dem Wa-
fatabafen im G., flac, fumpfig und ea a as
Ama-Fofa(Uma-rofa), Stamm der Kaffern (ſ. d.).
Amal cor. oma, Stadt im ſchwed. Lin Elfsborg,
an der Wejtfeite ded Wenerfees und an der Eiſenbahn
Fyralun-Gotenburg, bat eine Eiſenbahnwerlſtätte und
(1899) 3271 Einw. A. wurde 1643 von der Königin
Chrijtine angelegt.
Amaͤlarich, ay König (507—526), ſ. Ula-
Amalarius, ſ. Chrodeqang. rid) 2).
Amalafuntha (Umalafwintha), Tochter des
Ojtqotenfinigs Theoderid) d. Gr. und Audefledas,
der Schwejter (oder Todjter?) Chlodwigs, gebar, dem
Amaler Eutharid vermablt, cinen Sohn, Athalarich,
den Theoderich zu feinem Nadfolger beftimmte. Seit
522 Witwe, führte fie feit 30. Mug. 526 die Regierung
fiir ihren minderjabrigen Sohn, begiinjtigte aber,
jelbjt von freier Bildung (auger Gotifd fprad fie
Griechiſch und Lateinifd), die römiſche Bevdlferung,
ernannte den Prafeften Liberius von Gallien neben
dem gotifden General Tuluin jum patricius praesen-
talis, bebielt Caffiodor als magister officiorum bei,
tnüpfte halbverräteriſche Berbindungen mit Byzanz
an und lief den jungen König nad) Römerſitte er—
ziehen. Auf Anſtiften gotifdher Großen entzog ſich
jedoch Athalarich der ſtrengen Zucht und ſtarb 2. Ott.
534 infolge ſeiner Ausſchweifungen. Hierauf heiratete
A. ihren Vetter Theodahad, behielt ſich aber die Regie-
rung vor. Dod ſchon 30. Upril 535 lief diefer, gereizt
durd) die Verachtung, die ihm VL. zeigte, die Königin
auf einer Inſel im Bolfener- (Bulienifehen) See gefan-
gen ſetzen und im Bad erdrojjeln. Died qab Qujtinian
n Vorwand ju Beliſars Ungriff auf das ojtgotifde
Reich. Val. Rohl, Zehn Jahre oſtgotiſcher Geſchichte
Amalde, ſ. Almude. CGeipz. 1877).
Amalekiter (bibl. Amaleh, altes räuberiſches
Beduinenvoll im SW. Paläſtinas, auf der Sinai—
lbinſel. Seit alters mit Israel in Streit, wurden
ie Von Joſua bet Rephidim geſchlagen. Nach dieſem
Sieg Israels ward das Gebot 5. Moſ. 25, 17 ff. ge—
geben, die UW. wegen ihrer Graujamfeit gegen Israel
ausjurotten. Erſt Saul fegte ihren Raubsiigen in
zwei Feldzügen auf einige Heit cin Biel. David be
friegte fie von Zillag aus und rächte die Verbrennung
dieſer Stadt, fampfte aud als Konig nod mit ibnen.
Unter Hisfia wurden die A. am Gebirge Seir von den
Simeoniten teils ausgerottet, teils vertrieben. Seit⸗
Dem werden fie in Der Bibel nicht weiter erwähnt.
Bal. Rotdeve, Über die A. (Gatting. 1864).
Amaler (nach Müllenhoff die »Unermiidtiden«),
german. Gefdledt, das nad dem aus Caffiodor (ge-
Ama -Fengu
des Draniers Wilhelm J., Gemahlin ded Lan
— Amalia.
nauer: Ublabius) geſchöpften Stammbaum bet Jor⸗
danes von Gapt abjtamnite, das Königtum bei den
Djtqoten innehatte und unter Hermannrid im 4.
Jahrh. hijtorijd wird. Der beriihmtejte aller A. ijt
Theoderich d. Gr. Das Gefchledt erlofd 536 mut
Theodahad, dem Sohn Umalafridas aus ihrer erjten
Ehe. Jn dem Nibelungentiede, dem Heldenbuch und
andern altdeutſchen Dichtungen heißt es Wmelun-
gen (UWbfimmlinge des Amal).
Amalfi, Stadt in der ital. Provinz Salerno, am
Unsgang eines engen Felfentales am Meerbuſen von
Salerno gelegen, mit Vietri und Salerno durd eine
ſchöne, der Felſenküſte abgewonnene Kunſtſtraße, mit
Sorrent durd eine höchſt malerifde Strake tiber den
Riiden der Halbinjel verbunden. A. ijt Sig eines Erz⸗
biſchofs, hat eine normannifd-roman. Rathedrale mnt
phantajtijder, jpipbogiger Borballe, pradtigen Er}:
tiiren, cin bod) an der Felswand iiber Dem Meer gelege-
ne8, 1899 durch cinen Bergſturz beſchädigtes ehemaliges
Kapuzinerkloſter, jetzt Gaſthof, und (1901) 6681 Einw.
welche Fabrikation von Papier und Malklaroni und
Schiffahrt betreiben. 1 km djtlid von A. liegt Utrani,
eigentlid) Borjtadt von A., mit Kaſtellruine, Kirche
aus dem 10. Jahrh. und (1901) 1671 Einw., Geburts-
ort des Mafaniello. — Der Sage nad wurde VW. von
römiſchen Familien, die auf der Reife nad) Ronjtanti-
nopel Schiffbruch litten, geqriindet. Nad) dem Cinjfall
der Langobarden verblieb es dem oſtrömiſchen Reiche.
Spiter gewannen ein zelne Patrizierfamilien die Ge-
walt, aus denen ſich Grafen, Dann Herzöge erhoben.
1127 mujte UW. dem Grafen, ſpäter Konig Roger von
i huldigen. Geitbem fant die Stadt; Handel
und Wohlſtand wurden durch Pliimderungen der
Pifaner 1135 und 1137 ganz vernidtet. Am meijten
blühte Umalfis Handel um 10. umd 11. Jabrh. Das
Seeredt von U. (Tabula Amalphitana) ſtand bei
allen das Mittelmeer befahrenden Nationen in An—
feben. Die Naufherren von A. Hatten Niederlagen
in Ulerandria, Wntiodia und Jeruſalem. Aus dent
in legterer Stadt dDurd) den Kaufmann Pantaleon
Mauro aus U. erridteten Hofpital nabm der Johan:
niterorden (j. d.) feinen Urjprung. Bgl. Camera,
Memorie storiche diplomat. dell’ antica citta e da-
cato di A. (Salerno 1876 -—81, 2 Bde.).
Amalgam (qried.-arab.), Quechkſilberlegierung;
amalgamicren, Metall mit Quechſilber verbinden,
mit Umalgam überziehen; innig verbinden, ver-
ſchmelzen. Nãäheres iiber arg oer und Umalgamie-
rung (Umalqamation) ſ. Quedjilberlegierungen,
Gold und Silber.
Amalgam, Vineral, ſ. Silberamalgam.
Amalia, 1) Elifabeth A., Qandgrafin von
Heffen-Raffel, geb. 29. Jan. 1602, geft. 3. Aug.
1651, Tochter des Grafen Philipp Ludwig IL. von
Hanau-Miinyenberg und durd ihre Mutter Enfelin
dgrafen
Wilhelm V., führte nach deſſen Tod (1637) bis 1650
die Regentſchaft, wabhrend des franzöſiſch⸗ſchwediſchen
Schlußteils des Dreißigjährigen Krieges ein Heer von
20,000 Mann unterhaltend, fiir ihren Sohn, Bil-
helm VL, fo gefdidt, daß fie im Weſtfäliſchen Frieden,
von Frankreich und Schweden unterjtiigt, die Graf.
ſchaft Hersfeld, einen Teil von Shaumburg und eine
anſehnliche Kriegsentſchädigung erbielt. Val. Juſti,
A. Eliſabeth, Landgräfin von Heſſen (Gieß. 187
2) Anna A., Herzogin von Sachſen-Wei—
mar, Tochter des Herzogs Karl von Braunſchweig
Wolfenbiittel und einer Schweſter Friedrichs d. Gr.
geb. 24. Olt. 1739, geft. 10. Upril 1807, vermadlte
Amalienthal — Wmarantazeen.
fic 16. März 1756 mit dem Herzog Ernſt Auguſt
Ronjtantin von Weimar. Nad) feinem frühzeitigen
Tod (28. Mai 1758) fiihrte fie bis 1775 als Vor—
mitnderin die Regentſchaft fiir ihren Sohn, den nad
maligen Großherzog Karl Auguſt (j. d. u. Goethe).
Ihr Schloß in Wermar fowie ihre Luſtſchlöſſer in
Riefurt und Cttersberg waren die Verfanmlungs-
orte Der ausgezeichnetſten Dinner, die Weimar be-
fuchten oder dort wohnten. Gie beſaß muſikaliſches
Talent und fomponierte fiir die Napelle und das
Theater, unter anderm Goethe3 Singfpiel »Erwin
und Elmires. Durd die Vorbereitung der Glanzzeit
Weimars und ihre verjtindnisvolle Anteilnahme in
der Geſchichte des deutiden Geiſtes hat fie fich einen
Namen gemadht. Val. Goeth es »Nadhruf<; v. Beau-
lieu-Marconnay, Unna AW, Karl Auguſt und der
Miniſter v. Fritzſch (Weim. 1874) ; > Briefe von Goethes
Mutter an die Herzogin Unna A.« (Hrsg. von Burt:
hardt, Sdriften der Goethegefellidaft, Bd. 1, daf.
1885) und von Heinemann (Leipz. 1889); Bornhat,
Anna U. von Sachjen-Weimar-Ci
3) Marie UW. Friederife Uuguite, Herzogin
pon Sadfen, Todter des Pringen Maximilian und
Schwefter der Könige Friedrid Uuguft und Johann
von Sachſen, geb. 10. Ung. 1794, geft. 18. t.
1870 in Dresden, verdffentlicte feit 1829, teils ano-
nym, teils unter dem Pfeudonym Amalie Heiter,
eine grofe Zahl von ſorgfältig fomponierten, bhar-
soni einfaden Luſtſpielen und Familiendramen,
unter denen einige, wie: ⸗Der Oheim«, »Die Fiir-
ftenbraut«, » Das Fraulein vom Lande«, »>Der Land.
wirt«, »Der Wajoratserbe«, mit Beifall aufgefiihrt
worden find. Sie erjdienen unter dem Titel: »Dri-
ginalbeitriige sur deutſchen Schaubühne⸗ ( Leipz. 1836
bis 1844, 7 Bde.; neue vollſtändige, auf Veran—
laſſung des —* Johann durch R. Waldmiiller-
Duboc beſorgte Ausgabe, daf. 1873, 6 Bde.). Ihre
mufifalijden Kompoſitionen find nicht im Drud er-
ſchienen. Bon ihren Operetten wurde »Die Sieges⸗
fahne⸗ im Dresdener Hoftheater geqeben, die andern
qelangten nur im BPrivatgirfel der finiglidjen Fami-
lie zur Aufführung. Bgl. Fiirftenau, Die nuififa-
liſchen Beſchäftigungen der Pringeffin A. (Dresd.
1874); Waldmüller, Wus den Memoiren einer
Fürſtentochter (daſ. 1882).
4) Marie W., Gemahlin Ludwig Philipps, Kö—
nigs der Franzofen, Todter des Königs Ferdinand I.
(IV.) beider Sizilien, geb. 26. April 1782, geft. 24.
März 1866 in Claremont bei London. Sie vermählte
fid) 25. Nov. 1809 mit Ludwig Philipp, Herzog von
Orléans, obwohl er damals in ausſichtsloſer Ver—
banning lebte. Trog ihrer Neigung zur Legitimitit
und gum Rlerifalismus war fie threm Gatten ſchwär⸗
meriſch ergeben. Als Königin hat fie feine Wirkfam-
feit geiibt. Nad dem Sturze der Orléans im Fe-
bruar 1848 floh fie mit ihrem Gemahl nad England;
1850 ward fie Witwe.
5) Königin von Griedhenland, geb. 21. De}.
1818, gejt. 20. Mai 1875, Tochter des Großherzogs
Auguſt von Oldenburg, ward 22. Nov. 1836 mit dem
König Otto von Griedenfand vermählt, qebar aber
feinen Thronerben und lebte nad Ottos Vertreibung
(23. Olt. 1862), feit 26. Juli 1867 Witwe, in Bamberg.
Amalienthal, Schloß, ſ. —— 2).
Amalrich von Bena, angeſehener Lehrer der
Theologie ju Paris und bedeutender BVertreter des
PKanthersmus, geboren in Bena bei Chartres, geft.
1206 oder 1207. Gein von feinen Anhängern, den
Umalritanern, weiter ausgebildetes Syſtem be-
enach (Berl. 1892). |
407
rubt auf der fubjtantiellen Einheit de3 Kreatürlichen
mit bem Göttlichen, das nur in irdijd)-finnlider
Form erfdheint (was das Abendmahl verjinnbildlidt).
A. mute ſich vor Innocenz IIT. verteidigen und
widerrief. Er ftarb bald darauf. Cine Synode zu
Paris 1210 und das Lateranfonjil 1215 verdamme-
ten feine Lehre; feine Unhanger wurden gum Feuer:
tod verurteilt ; felbjt Umalrids Gebeine lies man aus-
graben und verbrennen.
Amaltheentone, Ubteilung de3 mittlern Liads,
ſ. Suraformation.
Wma ltheia (Unralthea), im griech. Mythus die
Nahrerin de3 Zeus, bald eine Ziege, die den new-
gebornen Gott auf Sreta fiugte und dafitr unter die
Sterne verfest wurde (Capella), bald cine Rymphe,
die ih mit der Mild einer Biege aufzog. Bon die—
jer gab ihr Zeus das eine Horn mit dem predjen,
jie würde jederzeit Darin finden, wad fie wiinjdte.
Diefes Horn (cornu Amaltheae oder copiae) ward
um Sinnbilde des Überfluſſes (Filllhorn). Bal.
cheloos. — Der Name VW. diente auch öfters als Ti—
tel von Gammelwerfen.
Amambara, linfer Nebenfluß de3 untern Niger.
Amami-Ofhima, ſ. Liukiuinſeln.
Amana, Fluß, ſ. nt Poa
Amana, kommuniſtiſche deuiſche Rolonie im nord-
amerifan. Staat Sowa, weftlid von Jowa City, 1855
von aus den Ynjpirationsgemeinden (j. d.) hervor⸗
egangenen Umanitern — beſteht aus 7
chaften mit über 2000 Cinw., die durch Ackerbau
und Weberei wohlhabend ſind.
Amandabele , ſ. Matabele.
Amandine, ſ. Emulſinen.
Amanita, ſ. Agaricus, S. 162.
Amantes amentes (lat.), »Berliebte — Tö—
richte⸗, verliebt — verbdrebt.
Amanuénfis (lat., »Handlanger<), bei den Rö—
mern ein Sflave, der Dem Herrn als Sefretiir diente;
auf Univerſitäten foviel wie Famulus (jf. d.).
manus, im Altertum Name ded Gebirgszugs
in Syrien, der ſich vom Taurus nad S. lings de3
Golfs von Ulerandrette (Iſſos) hingieht, über 1700m
Hohe erreicht und im SW. mit dem ſchroff abfallen-
den Vorgebirge Ras el Chanzir(Promontorium Rho-
sicum) endet. Sein jepiger Name ijt Gjaur Dag bh,
weiter fiidli Wilma und Kiſil Dagh. Uber ibn
führen zwei beriihmte Päſſe, die Pylae Amanides,
nordöſtlich vom alten Issos, und die Pylae Syriae
(jest Paß von Beilan genannt), im S. von Wleran-
dDrette, weldje die einzige Verbindung zwiſchen Syrien
und Kleinaſien bilden.
Amanvillers (pr. amangwildr), ſ. Amanweiler.
Amantweiler, Dorf weſtlich von Mes, zwiſchen
St.-Privat und Gravelotte, an der Eiſenbahn Metz-
Batilly, hat 595 Cinw. Nad A. (Umanvillers)
benennen die Frangofen die Schlacht bei Gravelotte
vont 18. Aug. 1870, weil dort der Stützpunkt des 4.
franzöſiſchen Rorps (L’Udmirault) war.
Umapata, Hafenftadt an der pacififden Seite ded
mittelamerifan. Staates Honduras, auf der Inſel
Tigre in der Fonfecabai (aud) Golf von A. genannt),
1838 geqriindet und feit 1868 Freihafen, mit 3000
Einw., ijt Sig eines deutſchen Konſuls und führt Sil-
ber (1900 fiir 2,0 Dll. ME), Kaffee, Gununi, Haute
Amira, ſ. Bittermittel. [und Hol; aus.
Amarant, Pflanze, ſ. Amarantus.
Amarant, Vogel, ſ. Ujtrilds.
Amarantazeen (Fuchsſchwanzgewächſe) di-
fotyle Pflanzenfamilie aus der Ordnung der Zen-
408
trofpermen. Ihre oft durch farbige Ded- und Bor-
blatter gejtiipten Blitten haben ein trodenhiutiges,
drei+ bis fiinfblatteriges Berigon, 3—-5 oft verwach⸗
ſene Staubblatter und einfächerigen Fruchtknoten mit
grundjtindiger Samentnofpe oder vieleiiger Bentral-
lacenta. Bon den 500 krautigen oder ftraudigen
rten gehören die meijten der tropijden und fubtro-
ie Rone an; Umerifa und nächſtdem Ufrifa und
eubolland baben die meijten, Europa mur einige
wenige Arten. Cinige Arten liefern Gemüſe und
mehlreiche Samen; mehrere Urten find Zierpflanzen.
marantfarbe, ſchönes, dunfles, ind Violette
fpielendes Rot.
Amaranthol, (Lufthols, Biolett-, Pur—
purbolj, blaues Ebenholz, BVeildenh ols), febr
ſchönes, hartes, auf friſchem Schnitt rbtlidgraues,
jpater dunlel blutrotes Hol; von Copaifera bracteata
im Südamerila und BWejtindien, dient in der Kunſt⸗
tiſchlerei und Dredfleret. Wud) das Hol; von Ma-
chaerium violaceum fonunt gelegentlid) als A. in
den Handel.
Wmarantine, ſ. Gomphrena.
Amarantrinde, ſ. Swictenia.
Amarantus L. (ounverwelfli§«, Wmarant,
Fuchsſchwanz, Samtblume), Gattung der Uma-
rantazeen, meiſt einjährige Kräuter mit wechſelſtän—
digen, linearen bis eiförmigen Blättern, polygamen
oder dillinen, hnäuelig gehäuften Blüten in oft ſehr
reid) verzweigten, end- oder ſeitenſtändigen Ahren
oder Trauben. Etwa 45 Arten auf der ganzen Erde
bis auf die arftijde Region. A. caudatus L. (Gar-
tenfudsfdwanys, Tauſendſchön), in allen war:
men Gebieten, mit langen, dunfelroten Blütenähren,
die cinem bufdigen Tierſchwanz gleich bogig herab-
hängen; A. speciosus Sims., oft bis 2 m bod, mit
roten Blaittern und pyramidal rijpigen, dunkel pur-
purnen Ähren; A. tricolor L. (Bapageienfeder,
Tauſendſchön), in Oſtindien, China, mit 30—
60 cm hohem Stengel, grin, gelb und ——
ten Blättern und anſitzenden, dichten, winlelſtän—
digen Blütenknäueln. A. Blitum LZ. (Euxolus viri-
dis Moq.), mit ausgebreitetem Stengel, eiförmigen
Blättern und grünlichen Bliitentndiucin, in Süd—
und Mitteleuropa, Agypten, Urabien, Ojtindien,
wird, wie A. prostratus Balbis (E. deflexus Rafin.),
in Stalien, Franfreid und Siiddeutidland, und A.
silvestris Desf, in Frankreich, am Rhein und ant
Vitorale, aud) in Taurien, als Gemiife gegeffen. Die
Samen von A. Blitum benugt man wie Hirſe. A.
frumentaceus Buchan, wird in Citindien als Brot:
frucht gebaut. A. oleraceus Z. (E. oleraceus Mog, |
emiijeamarant) tit im Ojtindien,. Java und
ypten beliebte Gemüſepflanze. Bal. Billdenow,
Historia Amaranthorum (Berl. 1790).
Amarapiira (+Gitterjtadt«), alte Refiden;itadt
des ehemaligen Königreichs Birma, tints am Dra: |
wadi unter 21° 57 ndrdl. Br. und 73° 4 öſtl. L. ge⸗
legen, Hat einen verfallenen Palaſt, große Bitadelle |
und den Tempel Maha-Mjat-Mamti mit 250 |
reich vergoldeten bdljernen Saulen und ciner Koloſſal⸗
jtatue Buddhas; fonft find die Gebäude meiſt aus |
Bambus. U. wurde 1783 neu geqriindet und zählte
1810: 170,000 Ginw., 1855, nachdem fie erſt durch
cine Feuersbrunjt, dann (1839) durd ein Erdbeben
reg 26,670, mit Borjtadten 90,000 Einw. 1860
iedelte der Hof nad WMandalai fiber, und A. verfiel
ginglich. Jetzt hat es etwa 7000 Einw.
marellen, j. Kirſchbaum.
Amarantfarbe
Ahumada.
Amarellkraut, ſ. Gentiana.
— Amarna.
Amaretti, Francesco, ital. Dichter, geb. 1829
in Turin, wo er als Bibliothefar lebt; verfaßte
»Canti e ballatee (Turin 1874), »>L’ultimo dramma
della vita« (1881), »Raccoglimento: liriche« (1885).
Amari, Midete, ital. Gefdictsforider und
Drientalift, * 7. Juli 1806 in Palermo, geſt. 16.
Juli 1889. Nachdem fein Vater 1822 als Teilnehmer
an einer Verſchwörung erjt zum Tode verurteilt, dann
ju lebenslinglider Haft begnadigt war, in der er Frith
jtarb, lebte A. in bedrangten Verbhaltnijjen von einem
kleinen Amte. Seine Muße widmete er der ſiziliſchen
Gefdidte und verdffentlidte 1834 feine » Fondazione
della monarchia dei Normanni in Siciliae, 1841
aber feine beriihmte Geſchichte der Sizilianiſchen Rejper:
»Un periodo delle istorie siciliane del secolo XIII-.
Die Bourbonifde Regierung verbot das Bud und
verhaftete ben Verleger. A. § ob nad Baris, wo er
fein Werk unter dem Titel: »La guerra del Vespro
Siciliano«e neu drucen lief (9. vermehrte Uufl., Mail.
1886, 3 Bde. ; in viele Sprachen überſetzt; deutſch von
Schröder, Leipz. 1851, 2 Bde.). Beim Ausbruch der
Revolution 1848 nad Sizilien juriidgefehrt, ward
er Vizepräſident im Kriegsausſchuß, darauf Finanz⸗
winiſter und gin dann als Gefandter nad Frank⸗
reid) und England. In Baris verdjfentlidte er de
Flugſchrift »La Sicile et les Bourbons« (1849). Die
Rejtauration trieb ihn tm Gommer 1849 abermals
in die Verbannung, aus der er erjt 1859 juriidfebrte,
unt den Lehritubl der arabiſchen Sprade, deren Stu-
dium er fid) unterdeS gewidmet hatte, in Piſa, dann
in Florenz eingunehmen. 1860 übernahm er nad) der
Eroberung Sijiliens unter Garibaldi das WMintite-
rium des Unterridjts und der auswartigen Angelegen⸗
heiten. Nad dem Anſchluß Sijiliens an das König⸗
reid) Stalien sum Senator ernannt, verwaltete er 1862
bis 1864 das Unterrichtsminiſterium und übernahm
dann wieder feine Brofejjur, die er erjt 1878 nieder⸗
legte, um nad) Rom überzuſiedeln. Seine widhtigiten
weitern Verdjfentlidungen find: »Storia dei Musul-
manni diSicilia«, fein zweiles Hauptiverf (Flor. 1853
bis 1873, 3 Bde.); » Biblioteca arabo-siculae, eine
Sammlung arabijder Gefdhichtsquellen (Leipz. 1855
bis 1857; Radtrage 1875, 1887 u. 1889), und die ital.
Überſetzung derjelben (Turin u. Rom 1880 — 81);
»Racconto popolare del Vespro Siciliano« (Rom
1882); »Altre narrazioni del Vespro Siciliano<
(Marl. 1887). Seinen Briefivedfel gab A. d'Ancona
beraus (Turin 1896, 2 Bde.).
Amarillas tier. -itjes), Marques de las, f.
[Gelbfieber.
Amarilifieber (v. jpan. amarillo, blajgetb), das
Amarillftein, joviel wie Schmirgel oder Smaragd.
Amarin (Viframin, Triphenyldibydro-
glyoralin) C,,H,,N, entjteht durch Erhitzen ded
iſomeren Hydrobensamids; es bildet farblofe Pris—
men, ſchmilzt bet 113°, löſt fich in Ulfohol und Ather,
reagiert alfalijd), bildet meiſt ſchwer lösliche Salye
und ijt giftig. Beim Erhitzen des falsfauren Salzes
entitebt Naame Iſoamarin, bet Orydation Lophin.
Amarfaniak, Berg im ind. Staat Rewa (1067 m)
mit den beiligen Narbadaquellen (ſ. Narbada), deren
Tempel von jahireiden Hindupilgern befudt werden.
Amarna, genauer El-Amarna, in Mittelagyp-
ten, Ruinenjtatte der von Umenophis IV. gegritnde-
ten Reſidenz, wofelbjt im Winter 1887/88 von Cin-
qebornen gegen 300 in babyloniider Schrift und
zumeiſt aud) babylonifder Sprache geſchriebene Ton-
tafeln gefunden wurden: Briefe babylonijder, affy-
riſcher und andrer vorderaſiatiſcher Aönige fowie pa-
Amaru — Amati.
fajtinenfijder Bafallen an den ägyptiſchen Hof ded
15. Jahrb. v. Chr. Bal. K. Riedube, Die Umarna-
geit (int »Wten Orient«, Leip3. 1900); UW. Kloſter—
mann, Cin diplomatifder Briefwechſel aus dem 2.
Jahrhundert v. Chr. (Riel 1898).
Amaru, ind. Lyrifer, ſ. Sanskrit (Literatur).
Amaryllidageen, monofotyle Pflanzenfamilie
aud der Ordnung der Liliifloren, meiſt Zwiebelpflan⸗
gen mit fheidigen, einfadjen, meijt ſchmalen Blattern,
ſchaftartigem, ein- oder mehrblütigem Stengel und
sca Blütenſcheide.
ie Bliiten (ſ. Abbildung)
ben meiſt ein großes,
ſchön gefärbtes, regelma-
ßiges oder zur Zygomor⸗
pire neigendes Perigon.
on den Liliazeen unter-
ſcheiden fid) die A. nur
durch ihren unterjtindi-
gen Fruchtknoten. Bon
n 650 Arten find die
meijten in der heißen und
in der wãrmern gemapig-
ten Sone, gumal auf der
ſüdlichen Halbfugel, einheimiſch; die europaifden ge-
ren meijt den Ländern am Mittelmeer an. Viele
ind Zierpflanjen.
Amaryllis Z. (nad der Nymphe A. benannt,
Narziſſenlilie), Gattung der Anaryllidazeen mit
der eimyigen Urt A. Belladonna L. (mexilanifde
Nilie, Belladonna-.), auf dem Rap heimifd und
auf den Kanaren villig cingebiirgert, hat auf 60 cm
hohem Schaft 6—8 tridterfirmige, wobhlriedende,
rofenrote, nicende Bliiten, die fic) längere Zeit vor
den breit linealifden Blattern entwideln, und wird
in mehreren ſchönen Spielarten in Garten kultiviert.
Unter — itt halt fie im Freien aus. Die
Bwiebel foll giftiq fein. Über andre Arten ſ. Hip-
trum, Nerine, Sprekelia, Vallota.
Amaryllis, Pfeudonynt, f. Deshoulieres.
Amafaki Iſaburo, japanifde Dampferlinie, ſ.
Dampfidijfahrt (Tertbeilage).
Amaͤſia, Hauptitadt eines Liwa im türk. Wilajet
Siwas in KLeinajien, in einem von Garten und Maul-
beerwaldungen umgebenen Bergleſſel am Jeſchil Sr-
Bliite von Narcissus Pseudo-
narcissus, durdjdnitten.
maf (Iris), iiber Dem auf hoher Felfenflippe cine ur⸗
alte Feſte thront, hat zahlreiche Moſcheen, einen wohl:
verfehenen Bajar, cine alte Wajferleitung, beriihmte
Seidenraupenjudt, Mühleninduſtrie, eine Zündhölz—
denjabrifund ca. 30,000 Einw. A. ijt Sig eines deut-
ſchen Vizefonfuls. Auf den 18 reiddotierten Medreſſen
ſtudieren über 2000 Studenten (Softas). Neuerbaute
Straßen führen nach Samſun und Siwas. — A.
(Amaseia) war einſt die Reſidenz der Könige von
Pontos, deren Grabgrotten, in die ſenkrechten Fel3-
wãnde eingearbeitet, ſich erhalten haben. Geit Baje-
jids 1. —— blieb es im Beſitz der Osmanen.
A. iſt Geburtsort des Geographen Strabon.
Amaͤſis (Amoſis, ägypt. Ahmose), 1) Aönig von
Agypten um 1575 v. Chr., refidierte in Theben, ent⸗
rig den Hylſos das untere Ägypten wieder, eroberte
ihre letzte Feſte Avaris und jtellte Die Macht des Rei-
ches ber.
2) König von Vigypten 569 — 526 v. Chr., leidt-
lebig, aber voll Verjtand und Ehrgei;, jtieg als Ver—
wandter ded —— Apries zu hohen Anitern auf und
ward von demſelben 570 den äghptiſchen Truppen
entgegengefdidt, die, im Rriege mit den Kyrenäern
409
ſchen Soldner empört a Statt fie gu befdwid-
tigen, lief er fid) von ihnen gum König ausrufen, be-
fiegte Wpried bei Momemphis und fiihrte dann mit
Diefem eine Reitlang gemeinfam die Regierung. Später
gab er den König der wütenden Menge preis, die ihn
erwiirgte. Er war mit einer Todjter Pſammetichs IT.
vermählt. Obwohl auf den Thron erhoben, unt den
Einfluß der Fremden zu befeitigen, ſetzte er doch das
Streben ſeiner Vorgänger, Agypten durch Aufnahme
der Griechen neu i beleben, fort, legte eine griechiſche
Beſatzung nad Memphis, nahm eine Griedin aus
Kyrene in feinen Harem, fandte an griechiſche Tempel
Geſchenle und gejtattete die Griindung der griechiſchen
Rolonie Raufratis (j. d.). Er forderte Handel und
Gewerbe und mehrte den Wohlitand des Landes, in-
dem er die cypriſchen Stadte ſich tributpflichtig machte.
Das gefährliche Emporwachſen der perjifden Macht
wufte er freilic) weder durd fein Biindmis mit Krö—
ſos nod) durch feine Freundſchaft nit Polyfrates von
Samos gu hindern. Cin Jahr nad feinem Tode (526)
mußte fid) fein Sohn, Konig Pſammetich III. den Ber-
ferm unterwerfen. Rad) der griechiſchen Gage ijt A.
mit den beriihmten Weijen Pythagoras, Thales u. a.
befreundet geweſen.
Amaffieren (franj.), anhiufen; Amaſſement
(jpr. -affmang), An⸗ oder Aufhäufung.
Ama- Sulu, Kaffernſtamm, f. Sululand.
Amat, Handelsgewidht im niederländ. Ojtindien,
— 2 Pifol — 123,042 kg.
Amaterafu, japan. Name der Sonnengöttin, auf
welde Die japan. Kaiſer ihren Urjprung zurückführen.
Amateur (franj., ipr. dr), Liebhaber, befonders
Runijtliebhaber, Dilettant; fpegiell jemand, der eins
der höher jtehenden Spiele (Schad xc.) in hervorragen=
der Weiſe pfleqt, aber nicht berufsmäßig betreibt.
Wmateurs, Qieudonym einer Unjahl bedeutender
Pariſer Schadipieler, die 1775—86 cinen »Traité du
jeu des échecs« herausgaben (deulſch, Berl. 1780).
Amateurphotographie, ſ. Photographie.
Amathis (> Fejtung<), wahrſcheinlich älteſte phi-
nikijde Kolonie auf der Siidfiijte Cyperns, beriihmt
durch einen Tempel der Uphrodite (Reſte beim Dorje
Hagios Tydonas) und durd) ihre Bergwerfe. Hier
ielt fid) das Phonifertum am längſten auf der ganzen
—— Ihre Trümmer, 11 km öſtlich von Limaſſol,
heißen heute Paläo Limaſſol.
Amati, älteſte der drei hochberühmten Familien
von Beigenbauern zu Cremona im 16.—17. Jabrh.,
deren Inſtrumente jest fiir wahrhafte Rleinodien gel-
ten (YL, Stradivari, Guarneri). Die erjten Repräſen⸗
tanten der Familie find Und rea VW. (um 1530—1611)
und fein Bruder Nicola, die aber noch iiberwiegend
Violen bautern. Antonio UW. (1550—1635), der
älteſte Sohn des Undrea, fertigqte bereits iiberwiegend
Biolinen, deren Größe aber noch ſchwankend war, in
der Beit von 1589 — 1627; mit ihm war einige Zeit
affogtiert fein Bruder Girolamo I. (1556-—1630),
Der bedeutendſte des Geſchlechtes ijt Girolamo3s Sohn
Nicola U., geb. 3. Sept. 1596, gejt. 12. Aug. 1684,
der Lehrer von Undrea Guarneri und Antonio Stra-
divari. Die Geigqen Nicolas jtehen denen der genann—
ten fpdtern Meiſter gleich; ibr Vorzug ijt weniger
Größe als Weidheit und Reinheit des Tones. Ni—
colas Nadfolger war fein Sohn Girolamo II., geb.
26. Febr. 1649, gejt. 21. Febr. 1740, der letzte Ver—
treter der Familie, der indes weit hinter feinem Vater
guriidjtand. Vielleicht aud) gu derſelben Familie ge
hörig tit Giuſeppe A. der su Anfang des 17. Jahrb.
geidlagen, fic) wegen der Begünſtigung der griedi- | in Bologna Violinen und Bäſſe baute, deren Ton als
410
Amatitlan — Amajzonen.
ſchön umd bell gerühmt wird. Bgl. Piccolelli, | Es zerfällt in die Provingen Bongara, Luya und
Genealogia degli Amati e dei Guarneri (Flor. 1886, Chachapoyas. Hauptitadt tit Chachapoyas. —
al8 Unhang 3u »Liutai antichi e moderni-<).
Amatitlan, Departement der mittelamerifan. Re-
publif Guatemala, auf der Hochebene ſüdlich Der Stadt
|
3) Bis 1890 Name eines Territoriums von Venezuela
(f. D.), jet mit Ulto-DOrinoco vereinigt.
Amazone, allgemein: kühne Reiterin, Helden-
@uatemala, hat heißes, ungefundes Klima (Kropf | oder Mannweib; weibliches Rettfleid.
allgemein) und war friiber Haupiſitz der Kochenille⸗
udt. Die gleichnamige Hauptitadt ( San Juan de
ee), am Michatoya und der Cifenbahn San Jofé-
@uatemala, 1840 nocd cin Yndianerdorf, hat durch
den Rochenille- und Zuderrohrbau einen großen Auf⸗
ſchwung genommen und zählt jept 10,000 Einw. (meijt
'
Amazone (Vogel), ſ. Rapageien.
Amazonen, im griech. Mythus ein ſtreitbares
Frauenvolf, das unter einer Königin lebte und nur
einmal tm Sabr mit Mannern benadbarter Völler
zum —— Der Fortpflanzung Umgang pflog. Nur
die Mädchen zog man auf und brannte ihnen —
beſſerer Handhabung des Bogens eine oder beide Briijte
Miſchlinge). Dabei der See A., 12 km fang, 4 km
breit, zwiſchen rauben Bergen, von denen der 2250 m
hobe Vulfan Pacaya (mit 4 Kratern) 1870 tatiq war,
uw. mit Thermen von 32° am Lifer. Sein Abfluß Mi—
datoya bildet bet San Pedro de Martyr einen 65 m
hohen Wafjerfall und miindet nad 104 km langem,
unſchiffbarem Lauf bei Iſtapa in den Stillen Ozean.
Amatian, Stadt im merifan. Staat Veracruz,
mit Ruinen von Wstefenbauten.
Amatonga, afritan. Boll, ſ. Kaffern.
Amatongaland, ſ. Tongaland.
Amant, Fiſch, ſ. Sander.
Amanrofis (qriec)., »Berdunfelung«), die voll-
fommene Erblindung eines Auges, fo daß nidt ein-
mal mehr der Unteridied zwiſchen Hell und dunfel
wahrgenommen wird.
Amauſen, ſ. Edelſteine und Glasfliiffe.
Amazia (hebr., »Gott ſtärkt⸗), König von Juda,
838 — 809, nad) anbern ca. 801—772, Sobn bes
Joas, befriegte, tibermiitig durd einen Sieg fiber die
Edomiter, Israel, wurde aber bei Bethſchemeſch ge—
ſchlagen und gefangen, wobei Jerufalem teilweife zer—
ftért ward.
cinem Aufſtand m Lachis ermordet.
ab. Ihre Hauptgdtter waren Ures und Artemis.
Furchtbare Sriegerinnen zu Fuk und zu Rok und mit
Bogen, Doppelart und halbmondfirmigem Sdild be-
waffnet, unternahmen fie weite Kriegszüge in Aſien
Entführun
Amazirghen (Imazirhen), Volk, ſ. Marokko.
Amazonas (ipr. -fonas), 1) (Alto A.) der
Staat Brafiliens (ſ. die Rarten ⸗Peru«, »Brafiltenc),
zwiſchen 5° 10° — 10° 20° ſüdl. Br. und 56° 50
75° 10° weftl. L., grenzt im N. an Britifdh - Guayana
und Venezuela, im W. an Rolumbien, Ecuador und
Peru, im S. an Bolivia und den Staat Mato Groſſo,
im ©. an Bard, nuit 1,897,020 qkm Fläche und (1890)
147,915 Einw., darunter etwa 60,000 umherſchwei⸗
fende Indianer. Der Staat bildet eine weite, mit dich—
tem Urwald bejtandene WUluvialebene, die von W.
nad ©. vom Amazonenſtrom und deffen Nebenfliiffen
durchjogen wird. Das Klima ijt heiß (zwiſchen 25 und
33°, felten bis 40°) und feucht. Haupterzeugniſſe find
Kautſchuk, der wichtigſte Handelsartifel des Staatesd,
Saſſaparille, Ropatvabalfam, mit deren Einſammlung
ſich Die einheimiſche Bevdlferung faſt ausſchließlich be-
ſchäftigt. Landwirtſchaft und Induſtrie find nod un—
bedeutend, der Handel iſt faſt ausſchließlich in den
Händen der Europäer, die jährlich für über 6 —7 Mill.
IME. Produkte ausfiihren, wabrend fiir 6 Mill. Mt. Efy-
waren, Getränle, Reider, Cifenwaren eingefiihrt wer:
Den, zumeiſt Durch die auf dem Amazonenſtrom, Rio |
Negro, Purus und Madeira verkehrenden Dampfer.
Haupiſtadt iſt Manaos (f. d.). 2) Departement
von Peru (f. Marte «Peru re. «), grenzt im R. an Ecua⸗
dor, im W. an das Depart. Cajamarca, im S. an das
Depart. Libertad, im O. an das Depart. Loreto und |
hat 36,122 kin Fläche mit (1896, beredjnet) 70,676
Ginw., die Tabat bauen fowie Strohhiite und Hange-
matten verfertiqen. Das dichtbewaldete, durch den
Marafion und feine Sufliiffe reichbewäſſerte Land bil-
rößte
wo entweder Antiope
neue, wie Smyrna,
Guürtel der Königin
ald nach ſeiner Befreiung wurde er in
und Europa, auf de⸗
nen fie viele Städte
zerſtörten, aber auch
Ephejog, Syme, qriin-
deten. Bei Homer hat
Bellerophon in Lyfien
und Priamos in feiner
Jugend in Phrygien
mit ihnen gelämpft.
Nachhomeriſche Sage
lich ſie unter der No-
nigin Benthefileia (ſ.
d.) Priamos Re Hilfe
ziehen. Herafled holte
aus ihrem Lande den
Hippolyte. Wegen der
der An⸗
tiope durch Thefeus
fallen fie in Uttifa cin,
Frieden vermittelt
oder fie in einer furdt-
baren Schlacht befiegt
werden. An Grieden-
land zeigte man viel-
fac) Gräber und La-
gerplibe von A. Als
ihr Staminfis galt
Themiffyra am Fluß
Thermodon in Pon-
tos. Als die Grieden
dieſe Gegenden fermen lernten und feine A. fanden,
ließ man fie durch Herafles vernidtet oder nad Sty-
thien ausgewandert fein. Der Urſprung der VUma-
jonenfage ijt unaufgeklärt. Bald hat man in ihnen
cin hiſtoriſches Boll von kriegeriſchen Weibern feben
wollen (Mordtmann, » Die A.⸗, Hannov. 1862), bald
jie fiir Hierodulen ciner afiatijchen Göttin gehalten;
wahrſcheinlich ijt die Sage auf ffythifche Bolter zu⸗
rückzuführen, bet denen vorzeiten Das Mutterrecht
galt, und die mebhrfad Kriegszüge in die aſiatiſchen
Küſtenländer unternommen haben. — Yn der qrie-
chiſchen Run ft cin beliebter Gegenjtand, wurden die
A. als friegerijdhe Jungfrauen, und zwar ftets mit
beiden Brüſten, bald in Trotbiidher. bald in griechiſcher
Tract, mit aufgeſchürztem Chiton, eine Schulter und
die Brujt blof, zu Rok oder ju Fuk dargeftellt. Un⸗
— haãufig findet ſich der Kampf zwiſchen A. und
riechen auf Frieſen (vom Tempel von Phigalia, im
Amazone (Berlin).
det einen Der fruchtbarſten und ſchönſten Teile Perus. Bruiſchen Muſeum [f. Tafel ⸗Bildhauerkunſt UH«,
Amazonenftein — Amazonenftrom.
Fig. 9] und Magnefia; vow Maufoleum ju Halifar-
nak, in London ; vom Heroon gu Gjölbaſchi inWien xc.),
Bafenbildern und Sarfophagen. In Uthen fab man
ihn am Schilde der Uthene Parthenos, in Wandbil-
dern im Thejeion und in der ſogen. bunten Halle (Stoa
Poikile). Die beriihmteften Statuen von A. waren
Die von Pheidias, Polyflet und Rrefilas. Davon
ſcheint die des Polyllet nod in Ropien erhalten zu fein
(ett gutes Eremplar in Berlin, ſ. Abbildung, S. 410).
Nachbildung eines andern dieſer Werke ijt die fogen.
Matteiſche Amazone im BVatitan. Die moderne Kunft
hat, wie bejonders die Amazonen von Kiß vor Dem
Berliner Muſeum (jf. Cafel »>Bildhauerfunjt XIV«<,
Fig. 6) und von Tuaillon vor der Berliner National:
alerie beweiſen, den antifen Stoff mit Glück umgebil-
et. l. Steiner, den Umajzonenmythus in
der antifen Plajtif (Leipz. 1857); Strider, Die A.
in Sage und Gefdidjte (Berl. 1868); Klügmann,
Die A. in der attiſchen Literatur und Kunſt (Stuttg.
1875); Corey, De Amazonum antiquissimis figuris
(Berl. 1891). — Böhmiſche W. werden die Frauen
qenannt, die (der Gage nad) 739 nad) Ermordung
threr Männer den Böhmiſchen Mägdekrieg anfingen
umd erjt nach fajt fieben Jahren unterworfen wurden.
Auf Südamerika itbertrugen die Entdeder und Er-
oberer infolge des Wiederauflebens der Erinnerung
an die A. des Wltertums die irrige Gage von atheri-
fanifden A. (f. Umagzonenftrom, am Schluß).
Amazonenftein, feit Le Condamines Reife in
Siidamerifa ein angeblid) nephritartiges Mineral aus
der Gegend des Amazonenſtroms, das von den Yn-
dianern in Form von Tafelden, durdbohrten Bylin-
dern 2. getragen wurde, jetzt ein Mineral aus der
Feldfpatgruppe, f. Mifroflin.
UAmazonenftrom (Rio de las Amazonas), der
madtigite Strom Sildamerifas, mit dem gripten
Flußgebiet (7 Mill. qkm) der Erde, wovon fiber die
Hälfte Brafilien, der Reſt Nolumbien, Ecuador, Peru
und Bolivia angehirt (ſ. die Karten »Peru«, »Bra-
jilien<«, »Guayana«). Der A. entiteht aus der Ber-
einigung von Ucayali und Maraiion. Letzterer
entipringt in Beru auf dem Tafelland von Basco aus
dem See Llauricoda (3653 m, 10° 30’ ſüdl. Br.,
76° 30/ wejtl. 2.) und flieht anfang3 als Tungu-
ragqua im Oberlauf (etwa 670 km) durd das die bei-
den Ubteilungen der Nordilleren trennende tiefe Engtal
gegen NRW., bis er bei Cumba feine Richtung ändert
und im kurzen MittelLauf (450 km) erjt nad IO.,
fpater nach D. fic) wendet und in jablreidjen Strom-
ſchnellen (P —— von denen die letzte. der Pongo
de Manſeriche, die bedeutendſte ijt, die öſtliche Kordil⸗
lere durchbricht. Bor da beginnt der mit vielen Krüm⸗
mungen oſtwärts geridtete Unterlauf durd die
Hylia Brajiliens (ſ. unten), dem die riefenhaften Ne—
benſtröme angebiren, die er aus den Rordilleren
und bem brajilijdjen Gebirgsland empfiingt. Gleid
nad dem Cintritt ins Tiefland nimmt er von N. den
Paſtaza, von S. den Huallaga auf. Nachdem er fic
bei Nauta mit dent gweiten Ouellarm, dem Ucayali
(f. d.), — A. vereinigt und bei Tabatinga das bra—
ſiliſche Gebiet betreten Hat, fließen ihm links Napo,
Putumayo (Ica), Yapura und Rio Negro, rechts Ju⸗
rua, Purus, Madeira, Tapajoz und Xingu ju. Die
meiften dieſer Nebenſtröme teilen fic) unweit ihrer
Miindung in vielfach veräſtelte Urme und bilden ein
deltaartiges Gewirr von Inſeln. Im ganjen nimmit
ber A., die Oſtabhänge der Rordilleren von 3° nördl.
Br. bis 20° fiidl. Br. entwäſſernd, mehr als 200 Re-
benfliijje, Darunter 100 fdiffbare, 17 erjten Ranges,
411
auf und mündet in zwei durch die Inſeln Caviana
und Miriana getrennten Viindungen, Canal do
Norte und Canal do Sul, in den Utlantijden
Ozean. Kurz vor der Miindung führt der natiirlice
Kanal Tajipuru, die Inſel Marajs abtrennend,
in den Mündungstrichter de3 Tofantins (Mio Parch.
Trotz ſeines Sedimentreidtums bildet der A. fein
Delta ; die vorgelagerten Inſeln find ältern Urjprungs.
Die Vinge des ganzen Stromlaufs beträgt (ohne die
Kriimmungen) 5340 km. Beim Cintritt in den un—
tern Lauf liegt fein Bett nod 180, bei Tabatinga 56,
bei Manaos 26, bei Santarem an der Miindung de3
Tapaios 16 m hod. Seine Breite beträgt ſchon ober:
halb der Miindung de3 Madeira mehrere Kilometer,
unterhalb Gantarem 15, bei Porto de Moz gegen
80 km, und felbjt in der Enge von Obidos oberhalb
Gantarem, bid gu welder Cbbe und Flut wirkſam
ſind, noch 1910 m. Ebenſo bedeutend iſt die Tiefe,
die im Unterlauf auf weite Strecken über 100 in be-
—— Nach Martius' Schätzung ſoll der A. 5 Mill.
Kubilfuß Waſſer in der Selunde ergießen, fo daß das
ſchlammige Flußwaſſer das Salzwaſſer des Meeres
mehrere hundert Kilometer weit in den Ozean hinaus
überflutet. Die Anſchwellungen des Stromes ha-
ben ihresgleichen nirgends auf der Erde, ſie betragen
im Maximum 17 m iiber den mittlern Stand. Sin
Januar beginnend und im Juni den höchſten Punt
erreidjend, fallen fie mit der Regenjeit der ſüdlichen
Zuflüſſe zuſammen, während die dann wafferarmen
nördlichen Zuflüſſe urd die Anſchwellung des Haupt-
ſtromes auygejtaut, ja gu riidwarts geridtetem Lauje
ezwungen werden. Während des Hochwaſſers ijt das
d meilenweit iiberflutet. Kehrt die Flut 6—8
Woden nach dem höchſten Wajferjtand in ifr Bett
uriid, fo wühlt fie neue Kanäle aus, zerſtört alte In—
Pin und baut neue an andern Stellen auf. Ungiiblige
folder Inſeln liegen im Unterlauf, die größle von
ihnen ijt die faſt 15,000 qkm große Ilha dos Tum-
binambaranas an der Miindung des Madeira. Eigen-
titmlich find aud) die vielen größern und fleinern Uf er-
feen, die gewöhnlich mit dem Fluk in Verbindung
basen und bei den Schwellen cinen Teil ded überflüſ⸗
igen Waſſers aufnehmen. Die Ufer des Fluſſes find
niedrig, nur bier und da find fie von Hiigelfetten be-
grenzt. In die ſich tridterformig verengernde Miin-
dungsbai des Umazonenjtroms dringt die Flut wäh⸗
rend der Beit ded Neus und Vollmondes mit furcht⸗
barem Getdfe und verheerender Mächtigleit in Gejtalt
einer reigenden Welle, Der Bororoca, ein. Wo fie
auf Untiefen ſtößt, erhebt fie fic) 4— 5 m hod); an febr
tiefen Stellen verfdwindet fie Dagegen fait gänzlich,
um an andern Stellen wieder pes iol ay Dinter
fic) läßt die Bororoca die Gewäſſer in demfelben Bu-
jtande der Rube zurück, in dem fie fic) vorher befan-
den. Das ganze ungeheure Becken de Unterlaufs (an
Umfang fajt Europa gleich) ijt vorherrſchend eine ftein-
loſe Waldebene. Dervon a ete und Kletter⸗
gewüchſen —— Urwald, die Hyläa Braſiliens,
iſt von N. nad S. 500— 3000 km, von ©. nad W.
4500 km breit, fo dak feine andre Waldregion der
Erde die des Umajzonenjtroms an Ausdehnung tiber-
trifft. Unvergleichlich ijt auch DerReichtum des Stromes
an Wafjertieren. Delphine und andre Waltiere, Alli—
qatoren, Flußſchildkröten, namentlich aber Fiſche, von
Derren Agaſſiz über 2000 Arten fand, alfo fajt doppelt
fo viel, wie man im ganzen Atlantiſchen Ozean fennt,
bilben den Gegenjtand ausgedehnter Jagd und er-
giebigen Fanges, Vor Sdhildfrdteneiern, die man yur
ereitung von Ol verwendet, follen jährlich 40 Mill.
412
Stiid erbeutet werden. Der gripte im A. vorfommende
a ijt Der bis 3 m lange und bis 200 kg ſchwere
irarucu. Sdlangen, darunter Rieſen- und Gift-
ſchlangen. find in großer Wenge vertreten. Bewohnt
find Die Ufer nod) größtenteils von Qndianern und
Miſchlingen derjelben, da namentlid) die klimatiſchen
Verhaltnijje der Rolonifation große Schwierigleiten
entgegenjtellen.
ie Schiffahrt auf dem A. ijt, da öſtliche Luft.
jtrdmungen durch die ganze Lange ded Tales auf-
warts vorherridjen, felbjt fiir Segelſchiffe nicht be-
ſchwerlich; fiir Dampfboote ijt fein andrer Strom der
Erde jo wobhigecignet wie der A. Der bis zu Den Kor-
dilleren hinauf eme geniigende Fahrtiefe beſitzt und
aud) in feinen Nebenflüſſen auf weite Strecden hinauf
i große Schiffe fabrbar ijt. 1851 madjten fic Bra-
lien und Peru zur Unterjtiigung einer Dampfſchiff⸗
fabrtsqefellidaft auf dem A. verbindlid, und 1867
wurde von Brasilien die Schijfabrt bis sur peruani-
ſchen Grenze fiir die —— aller Nationen
freigegeben. Bolivia, Peru und Kolumbien haben
bereits begonnen, ihre Verlehrslinien mit dem Ama—
onenjtromfpitem in Verbindung gu ſetzen; Land-
Fajen und Cijenbabnen find im Bau oder fdjon aus-
eführt, um die Stromfdnellen und Ratarafte der
Zuflüſſe gu umgeben, ihren meijt ſchiffbaren Oberlauf
mit Dem Unterlauf gu verbinden und fo Handelswege
bis ins Her; jener Wejtitaaten hinein gu eröffnen. In—⸗
folgedefjen bat fic) Der Berfehr bedentend gehoben,
dod, bilden gegenwärtig nod Waldprodutte, befonders
VBrafitniiffe, Kautſchuk, Saſſaparille und Schildkröten⸗
ol, neben Erträgniſſen des Fiſchfanges und der Jagd
Die wichtigſten Uusfubrartifel. Hauptausfubrhafen
it ard an der Miindung de3 Rio Vard (Tofantins).
i¢ braſiliſche Regierung unterhalt acht Dampfer, die
monatlich swifden Bard und Manaos, ard und Obi-
dos, Manaos und Tabatinga fahren. Von Tabatinga
fährt cin peruanifder Dampfer den A. und Huallaga
aufwärts bis Purimaquas, von wo cine Strafe über
Moyobamba nad Trujillo am Stillen Ozean gebt.
Die Linge der von brajtlifden Dampfern befahrenen
Wajjerwege betrug 1873 bereits 9900 km.
Der U., von Orellana fo benannt, weil er ihn von
den Indianern am Bardjtrom Umaffona (»>Boot-
erſtörer⸗ nennen hörte und daraus auf das Vor—
ndenfein von Amazonen in diefer Gegend ſchloß,
wurde 1499 von Vincent Pinzon an feiner Miindung,
1535 von den Spaniern an feiner Quelle entdedt,
1540 von Orellana ganz befahren. 1740 befanden
fi) an den Ufern des Stromes 40 Miſſionen mit
12,800 Bewohnern; bald nadhber wurden die Jeſuiten
nad) 130jabriger Urbeit aus Siidamerifa vertrieben,
und die Früchte ihrer Bemiihbungen gingen gänzlich
verloren. Die erjte Beſchiffung des Stromes, die
audh cin wiſſenſchaftliches Ergebnis hatte, war die von
Ya Condamine (1743 -.- 44). Epochemachend waren
Humboldts Fabhrt (1799) und die Reije von Spir und
Wartius (1819 - 20); die Namen Waw (1829), Pöp⸗
pig (1831—32), Bring Udalbert von Preußen (1842),
Graf Cajtelmau (1846), Herndon (1850), Wallace
(1852), Avé -Lallemant (1858), Warfham (1859),
Bates (1861), Marcoy (1866), Agaſſiz (1866 — 67),
Orton (1867--76) ſchließen ſich ruhmwürdig an.
1862 — 64 liek die brafilijdhe Reqierung cine vollftan.
dige Stromaujnahme ausfiihren. Auch die Erfor-
ſchung der Seitenftrdme geht rajtlos fort (durch Hartte,
Chandleß, Ubendroth, von den Steinen, Herrmann
Meyer). Val. außer den bei »>Brajilien« angefiihrten
Reijewerfen: Terjeira, Nuevo descubrimiento del |
Amazon Steam Navigation Company — Ambaſſade.
gran Rio de las Amazonas (Madr. 1641, 4 Bde.);
Herndon, Exploration of the valley of the Amazon
(Wafhingt. 1853); Maury, The Amazon and the
Atlantic slopes of South America (daf. 1853); Die
Reifeberichte der oben genannten Forſcher, beſonders
die von Wallace (Vond. 1853 u. b.), Bates (Deutch,
Leipz. 1866), Marfham (Lond. 1859), Avé Lallemant
(Leips. 1860, 2 Bde.), Marco (Rar. 1869), Agaſſiz
Bojton 1866 u. ö.), Orton (3. Wufl., Lond. 1877);
eller-Leuzinger, Bom U. und Madeira (Stuttg.
1874); Mathew, Up the Amazon and Madeira
rivers (Lond. 1879); v. Schütz⸗Polzhauſen, Der
— Wanderbilder (2. Aufl. Freiburg 1895);
Pinkas, Commissiio de estudos da estrade de ferro
do Madeira e Mamore (Rio de Janeiro 1885); von
den Steinen, Durd Zentralbrafilien (Leips. 1886)
und deſſen weitere Werfe; Guillaume, The Ama-
zon provinces of Peru for European emigrants
(Lond. 1888); Sdhidtel, Der U., Berfuche einer
Hydrographie (Straßb. 1893).
Amazon Steam Navigation Company, ſ.
Dampfidijfabrt (Tertbeilage).
Amba, ſteil abfallende Tafelberge in Abeſſinien
(j. d.), oft als natürliche Feſtungen benutzt.
Ambaca (Lamba), BezirfShauptitadt in der
portug. Kolonie Ungola (Wejtafrifa), nahe dem red-
ten Ufer de3 Vucalla, 225 km oſtſüdöſtlich von Sao
Paolo de Loanda, mit ihm durd eine Eiſenbahn ver-
bunden, ijt eine wichtiqe Handelsjtation und bat in
der Umgegend ftarfer Erdnuß- und Tabafbau.
Ambarht, altdeutſch, Handwerf, auc Amt; daber
Ambahtslehen, Amtslehen, Leben, die in einem
dem Belehnten erteilten Unite bejtanden. Die Beſitzer
folder Lehen hiehen Umbadtsleute; die daraus
entipringenden Redhtsverhaltnifje bildeten das Wim b-
adtsredt.
Ambak, ſ. Aeschynomene.
Ambala (Umballa), Haupiſtadt der gleichnami⸗
gen Divijion der britiſch ind. Proving Pandſchab, liegt
unter 50° 21‘ nördl. Br. und 76° 52 öſtl. L. in wer
ter Ebene an der Eiſenbahn nad Simla, bat asen
79,270 Einw., darunter viele englifde Kaufleute, und
lebbafte Musfubr von Getreide, Baumwollenwaren
und Teppiden. Seit der Beſetzung durd die Eng-
länder fteht bier eine ftarfe Garnijon (2 Regimenter
Infanterie, 2 Regimenter Ravallerie, 3 Batterien). —
Die Divifion U., am Fue de3 Himalaja, ijt 10,264
qkm grof und umfaßt die Dijtrifte A. (1891: 1,033,427
Cinw.), Ludhiana und Sintla fowie die fleinen Cis-
ſatledſch⸗Hügelſtaaten.
Ambalema, Stadt in der ſüdamerikan. Republil
Kolumbien, Depart. Tolima, tints am Magdalenen⸗
jtrom, 85 km weftlid) von Bogotd, mit (1870) 6039
Einw. Der Handel mit dem m der Umgegend ge:
bauten vorzüglichen Ambalematabak bat neuer:
dings wegen Erſchöpfung des Bodens erheblid ab-
genommen. (ban.
Ambaree fibre (engl., jpr. ambari faibr), ſ. Gambo-
Ambarvalia ((at.), rim. Staatsfeit, Ende Mai
—— wahrſcheinlich identiſch mit dem Hauptfeſt der
rvalbrüder (ſ. d.); es beſtand in feierlichem Umzug
tp Die Feldflur mit den zum Sdhlujopfer beſtimmten
Tieren.
Ambaſſade (frany., for. angd-), Gefandtfchaft; Wu >
baffadeur (pr. angbdaffaddr), Botidafter, die erſte und
eer Klaſſe Der Gefandten (f.d.); Dod) wen⸗
det engliſche Spradhgebraud den Ausdruck am-
bassador aud) auf gewöhnliche Gefandte an. Am—
bafjadicren, als Gefandter fungieren.
Ambatſch — Ambition.
Ambatſch, ſ. Aeschynomene.
Ambauba, ſ. pia.
Ambe (Binion), in der Kombinationsrechnung
eine Verbindung zweier Größen; im Lottoſpiel die
Verbindung von zwei Nummern.
Ambelakia, Städtchen im griech. Nomos Lariſſa
Theſſalien), in weinreicher Gegend am Fup des Oſſa,
mit (i889) 1471 Einw., die beſonders Türliſchrotfär—
berei und Handel mit Wolle und Garn treiben.
Amber, qrauer, f. Umbra.
Amber, Stadt, ſ. Didaipur.
Amberbaum, ſ. Liquidambar.
Amberbaume, ſ. Hamamelidazeen.
Amberes (pr. amvéres), fpan. Name fiir WUnt-
werpen (f. d.).
Amberg, unmittelbare Stadt und ehemalige
Hauptitadt der bayr. Oberpfal;, an der Vils, Knoten⸗
puntt der Staatsbahniinien Rrailsheim-Furth i. BW.
und A.Schnaittenbach, 373 m it. M., bat ein ehemals
turfürſtliches Reſidenzſchloß, 11 fath. Rirden und
Rapellen (darunter die St. Martinsfirde mit 98 m
hohem Turn), cine evang. Rirde, eine Synagoge, ein
gotiſches Rathaus, Gynmafium, Studienjeminar,
Lehrerfeminar, mehrere Klöſter,
Waifenhaus, Strafanjtalt fiir
Männer und (sve) mit der Gar-
‘es (ein Snfanteriebataillon Nr.
22,039 Cinw., darunter 3870
Evangelijde. Neben der lönig—
lichen Gewebrfabrif gibt es dort
Eiſenbergbau mit Hodofen, cin
Stanz- und Emaillierwerf, Glas-
polierwerf, Goldleijtenfabrifation,
Dampfziegelei, Dampfſägemüh—
len etc. VU. iſt Sif eines Landgerichts
(fiir die elf Amisgerichte gu A., Cham, Furth, Kaſtl,
Wappen von Am
berg.
Nabburg, Neumarkt in der Oberpfalz, RNeunburg |
v. W., Parsberg, Schwandorf, Sulzbach und Wald.
miinden), eines Bezirfs-, Forſt- und Bergamtes,
Urchivtonfervatoriums fowie einer Filiale der lönig—
liden Bank. Nordlich von W. der Mariahilfsberg
mit Wallfahristirde und Franzislanerhoſpiz. — Die
Stadt, anfänglich zum Hochſtift Bamberg gehörig,
fam 1269 an den Herzog Ludwig den Strengen von
Bayern, der eine Münze dafelbjt erridtete, ward
1329 Der pfälziſchen Linie gugeteilt und war feit 1507
Hauptitadt der Oberpfals fowie 1808—10 Hauptitadt
deS Nabfreifes. Unt 24. Mug. 1796 ſchlug bet A.
Erzherzog Kart die Franjojen unter Jourdan. Bal.
Lipowfly, Chronifa oder Beſchreibung der Stadt
A. (Mind. 1818).
Amberg, Wilhelm, Maler, qeb. 25. Febr. 1822
in Berlin, geſt. dafelbft 8. Sept. 1899, erbielt durd
Herbig und Karl Begas, ſpäter in Baris durd Léon
413
—— als Bildnismaler tätig war. Er hat
eine Reihe von Bildniſſen berühmter und angeſehener
Zeitgenoſſen hinterlaſſen, die ſich durch ſorgſame Cha—
ralteriſtil und breite Behandlung und durch ein kräf⸗
tiges, unter venezianiſchem Einfluß gebildetes Kolorit
auszeichnen, fo ois Karl V., Frundsberg und den
Kosmographen Miinjter (Berlin), Ronrad Peutinger
(Augsburg), und einige Ultarbilder in Augsburger
Rirden. l. Haasler, Der Maler Chrijtoph A.
von Augsburg (Mdnigsb. 1893).
| Amberger Erde, j. Oder.
Am „Sprengſtoff aus Nitroglyzerin, Schieß⸗
baumwolle und Kollodiumwolle. Die gelörnte Maſſe
wird mit Äther und etwas Allohol behanbelt, wobei
die Kollodiumwolle einen Kitt bildet, der die Maſſe
bindet und die Briſanz herabſetzt. Auch cin Spreng-
ſtoff aus Nitrozelluloſe, Barytſalpeter und Paraffin.
Ambert (pr. angbaͤr), Arrondiſſementshauptſtadt
im franz. Depart. Buy-de- Dome, an der Dore und
der Lyoner Bahn, 531 mii. M., hat cin Handelsgeridt,
College, Gewerbefammer und 1901) 4158 Einw., die
Fabrifation von Papier, Sdniiren und Bandern
und Handel mit Käſe betreiben.
Am bi-(v. lat.ambo, » beide«), haufig in Zuſammen⸗
—— foviel wie beid-, doppel⸗, z. B. ambider-
ter, beidfeitig rechts, von jemand, der beide Hande
gleichmäßig braudjen fann, der fic) in alles gu ſchicken
wei, Achſelträger.
Ambianer (Umbiani), felt. Volk, Teil der Bel-
en (f. d.), ndrdlid) von den Bellovaten an der Nord-
Retiite, ftellten sum Kampf gegen Cäſar 10,000 Be-
waffnete, ergaben fic aber bald. Ihre Hauptitadt
war Samarabriva (heute Amiens).
Ambieren (lat.), fic) unt etwas bewerben.
Ambigieren (lat.), unentidlojjen fein, ſchwanken.
Ambigu (franj., fpr. angdigh), unentidieden, zwei⸗
deutig; aud) Name eines franzöſiſchen Kartenſpiels
unter 2—6 Perfonen, in vieler Besiebung ähnlich Dem
in Deutfdhland iibliden Sequenz (jf. d.).
Ambigu-Comique ({pr. angbigi -tomit, »heiteres
Allerlei⸗), Parifer Theater, als Marionetten«, beg.
Rindertheater 1769 gegründet, feit 1827 auf dem
Boulevard St. «Martin, pileat jebt (trog feines Na-
mens) Das Trauerjpiel und Rührſtüchk.
Ambiguitat (lat., von ambiguus, sweideutig),
Zweideutigleit.
Ambin, Mont (jpr. mong-t-angdang), 3381 m hoher,
in Drei Spigen auslaufender Berg in den Grajifden
Alpen, an der frangdfifd-italienifdyen Grenge, zwiſchen
der Mont Cenis-ECifenbahn und der fiber diejen Paß
fiibrenden Straße qeleqen, mit geringer Gletſcherbil⸗
dung, wird von Modane aus beſtiegen (das erſte Mal
| 1875 von Baretti).
Ambioriz, Fiirjt der Eburonen im belgifden
Cogniet feine fiinjtlerifde Uusbildung, bereijte bis Gallien, erhob fid) mit dem Fiirjten Catuvolceus im
1847 Italien, widmete fic) nad feiner Riidfehr nad | Winter 54 v. Chr., als Cäſar feine Leqionen en
Berlin anfangs dem mythologiiden und dem Por- | der Verpflequng verteilt hatte, gegen die römiſche
tratfach, dann dem ernſten und beitern Genre und der | Herrſchaft. Eine Legion umd fünf Roborten unter den
Landicaft mit Fiquren. Bon feinen ernſten Genre- | eqaten Ou. Titurius Sabinus und L. Aurunculeius
bildern find Trojt in Tinen und der Witwe Trojt, | Cotta wurden verlockt, ihr Lager ju verlafjen, und
von den beitern die Liebespoit, die raucende Rofe, dann auf dem Marſch niedergemacht. Durch Woua
Naſchlätzchen, Borlejung aus Goethes »Werther« | tufer, Nervier und Wenapicr verſtärkt, bedrängte W.
(Dauptwert, 1870, Berliner Nationalgalerie), der | mun das Lager des Ou. Tullius Cicero tm Gebiete der
380 und bie Trauben, cin giinjtiger Augenblick, Nervier, bis Cjar ſelbſt erſchien. Diefer gab das Land
nd in Hand, am Parfgitter hervorzuheben. der Eburonen allgemeiner Pliinderung preis, founte
Ambergan (Ammergau), f. Wimmer (Flu). | aber, obwohl er fonjt den gangen Stanum vernichtete,
Amberger, Chrijtoph, Maler, geb. um 1500, | des A. nicht habhaft werden; nach Pores Habe
wurde 1530 in die Malerjunft yu Augsburg aufge- | A. in Germanien verborgen gebalten.
nommen, wo er Lis zu feinem Tod 1561 oder 1562) Ambition (jrany.), Chegeis; am iti OS
414
Ambitus ((at.), »der Umbergang«, dann die Be
werbung um ein dffentlidjes Amt, annt von der
alten Gitte der Randidaten in Rom, auf Straßen und
Plagen umberzugehen (ambire), um die Biirger um
ihre Stimme gu bitten. Frühzeitig madjten ſich Miß—
briiude beim A. geltend, fo dak die Geſetzgebung
dagegen einfdritt und das Berbredjen der Wimts-
pe chleichung (crimen ambitiis) mit ſchwerer Strafe
bedrohte, infofern unerlaubte Mittel, namentlich Be-
jtehung, behufs Erlangung von dffentliden ÄAmtern
angewendet wurden. Im weitern Sinn umfaft die
Anitserſchleichung aber aud) das Verbrechen, das die
zur Verleihung emes Amtes befugte Perjon dadurd
begeht, daß fie Diefe Beſugnis gu der widerredtlidjen
Beſetzung jenes Umtes nupbraudt, alfo das Verbre-
den der widerredtlidjen Äniterbefetzung. Das fano-
nijde Recht unterfagte die Umtserjdleidung bei geijt-
liden Stellen (ambitus ecclesiasticus) bei Strafe
des Verluſtes der Stelle und der Extonmuimnifation
(j-Simonie). Auch die neuern Strafgefepe in den ein-
zelnen deutiden Staaten handelten regelmäßig ſowohl
von der Aniserſchleichung im engern Sinn als von
der widerrechtlichen Umterbefegung, und gwar nidjt
bloß in Unjehung von Staats-undRomnumaldimtern,
fondern aud) mit Rüchſicht auf die Stellung als Bolis-
vertreter, Gefdhworner xc. Das deutſche (und ebenjo
das öſterreichiſche) Strafgefepbuch aber fennt ein be-
fonderes Verbredjen der Amtserſchleichung nidt mehr.
Es kommt alfo jest mur auf die Strafbarteit der rechts⸗
widrigen Handlungsweiſe an und fiir fic) an, Die ſich
int gegebenen Fall vielleidht als eine Beſtechung, Be-
drohung, Fälſchung, pflichtwidrige Annahme von Gee
ſchenken ſeitens eines Beamten rc. charakteriſieren kann.
Cine beſondere Bejtinmung ijt jedoch im § 109 des
Strafgeſetzbuchs in Unfehung de3 Kaufens und Bere
faujens von Wahlſtimmen (f —— gegeben.
Amblau, Inſel, ſ. Buro.
Amble cor. ambl, Stadt in der engl. Grafſchaft
Northumberland, auf einer Klippe über Der See, 11 km
ſüdöſtlich von Alnwick, mit einer gotiſchen Kirche, Ha-
fen, Noblenbandel, Fifchfalseret und (1901) 4426 Einw.
W. iit Sis eines deutſchen Vizelonſuls.
As ble fide (ipr.amprpaiv’), ihrer romantijden Lage
wegen vielbejudte Marftitadt m Wejtmorland (Cng-
land), am Windermere (f. d.), mit (901) 2536 Comp.
Unweit der Waſſerfall Stod Ghyll Force.
Ambitus — Amboina.
Ambo (Ambon, griech.), in den altchriſtlichen
Rirden ein erhihter Play oder Geriijt fiir Borlefer
und Redner. befanden fid) deren zwei in Dent von
Schranken umgebenen länglichen Biered, das, vom
Chor aus ins Schiff der Kirche fic) erjtrectend, fiir den
niedern Klerus beſtimmt war, der cine an der Rord-
feite gum Borlejen der Evangelien, der andre an der
Ambo (vogl aud den Grunbrif bet »Bafififtac),
Siidfeite zum Vorleſen der Epiſteln. Später wurden
beide in Der Kanzel (j. dD.) vereinigt. Bon den Am—
bonen herab ertinten aud) Kirchengeſänge, Daher der
Uusdrud Unb on of Lajten(»Umbonjerbredjer- ) fiir
die Ciferer gegen Kirchenmuſil.
Amboina (malaiijd Umbon), eine der (hollan-
diſchen) Molullen im Ojtindijden Archipel, unter
3° 41 ſüdl. Br. und 128° 10 öſtl. L., 997 qkm mit
(1895) 38,663 Einw. YU. beſteht aus einem größern
nördlichen Teil, Hitu, und einem kleinern ſüdlichen,
Leitimor, die durch den ſchmalen Iſthmus von Ba—
uela zuſammenhängen. Die Inſel ijt gebirgig (Sal-
Bute 1221, Wawani 1045 m) nit jaben Ufern. Fol-
enſchwere Erdbeben find trog des Fehlens tätiger
Qultane haufig. Das Klima (mittlere Jabrestenpe-
ratur 26,3°, Februar 27,2°, Juli 25,2°) iit im allge-
meinen gejund, inded haben Fieberepidemien wieder:
holt die Europäer vertrieben. Die große Feuchtigleit
der Luft bedingt eine iippige Vegetation. Dichte Dit
der des trefflichſten Bau- und Nutzholzes bededen qrojje
Flächen; Rofos- und Sagopalmen liefern das Haupt-
nahrungsmittel. Die —— Kulturpflanze iſt der
Gewürznellenbaum, deſſen Anbau bis in die Neuzeit
auf A. und die Uliaſſerinſeln beſchränkt war, indem
auf den andern Woluflen die Baume ausgerottet, da-
gegen den Bewohnern von A. ihre Anpflanzung und
die Ublieferung der Früchte gegen beſtimmten geringen
Preis auferleqt wurde. Der Berfauf war bis 1873
Monopol der Regierung. Neuerdings beginnt aud der
Ambleteufe (jvc. angbl'isſ), Dorf im frang. Depart. | Unbau des bisher auf die Bandainjein beſchränkten
Pas-de-Calais, Urrond. Boulogne, am Kanal, mit
verjandetem Hafen und (voy 364 Einw. Hier lan-
dete 1688 Safob IL. auf feiner Flucht von ¢ ngland.
UAmbleve (jr. angdlaw’), rechter Nebenfluy der
Durthe, entfpringt als Amel auf der Eifel und tritt
oberbalb Stavelot in die belgifche Proving Lüttich ein.
(Er ninunt rechts die Warge, links die Salm auf, bil-
Det Den 20 m hohen Waſſerfall von Coo und miindet,
85 km lang, unterbalb Comblain-au-Bont. — An der
A. bejiegte Karl Martell 716 den König Chilperic ILL
von Neujtrien.
Amblygonit, feltenes Mineral, phosphorfaure
Tonerde mit Fluorlithum und Fluornatrium
2A1,P,0O, + 3(LiNa)FI, frijtallijiert triflin, findet fid
aber gewöhnlich nur derb (fo im Granit bei Benig
und Geyer in Sadjen, bei Arendal, Montebras, in
Maine und Connecticut), tit grünlich, glasglangend,
durchſcheinend, Harte 6, ſpez. Gew. 3,1.
Amblyopie gricc.), Shwadjidtigheit.
Amblyornis, {. Gartnervogel.
Amblypéda, ausgejtorbene Huftiere (j. d.).
Amblystéma, {. Yrolott.
Muskatnußbaums und auf den Uliaſſerinſeln die Ra:
favfultur zuzunehmen. Die Berglandſchaften find fiir
Weizen und Bohnen, aud fiir —88* eeignet.
Anfang des 16. Jahrh. fanden ſich die Portugieſen
in A. etn und machten ſich von hier aus allmählich
zu Herren ſämtlicher Moluklen, mußten ſie aber 1605
den Holländern überlaſſen. Seildem war A. Haupt⸗
ſitz der niederländiſchen Herrſchaft in Oſtindien, bis
er 1619 nad Batavia verlegt wurde. Hier wurde 1625
cine Beridwirung, in die englifche Beamte verwickel
waren, unterdriidt; Die jtrenge Redtepflege auf A.
wurde eine der Urſachen der Verbitterung der Eng,
lander geqen Holland im 17. Jahrh. 1796 — 1801
und 1810 16 war Die Inſel im Beſitze der Englän⸗
der. — Die Refidenti{ daft W. umfaßt nocd die fiid-
liden Moluklen mit Ceram und Buro, die Banda»
infeln, die Südoſt⸗ und die Siidwejtinfeln, die Tenim—
berinfeln von der Timorlautgruppe, die Aru- und
Kei-Inſeln, 51,465 qkm mit (ses) 205,768 Einw.,
Darunter 2400 Europaer, 1000 Chinefen, 700 Uraber.
| Unter dem Refidenten fteben 19 Stationen, darunter
ein Militdrpoften auf Ceram. Das Juſtizweſen mit drei
Amboinabeule — Ambrafia.
Inſtanzen gipfelt im GouvernementSgeridte ju Wa-
fafjar. — Die Hauptitadt A, —— —
liegt auf der Dfiljte von an ber weiter.
vorgiigliden Unfergrund bietenden Bai und tit Frei-
hajen. Die Haujer ſind einitddig, aus Bambus (Rad-
ſicht auf Erdbeben). W. hat cine reformicrte Rirde,
mebrere Moſcheen, Jujtiygebaude,
fpital. Im Fort Vittoria liegen Rajernen,
bureaus und Magazine; der cident wobat in Batu-
Sintotengets bat j. ip os ages {Gadjab-
Amboinaho ol; emer Balmenart von
Amboina, ijt * er oa febr bart und dauerbeft
und wird ju feinen PF iidplerarbetten verwendet.
Am et (Riaboofab, Canabocead),
unregelmapig —* fnollige Stiide von Ptero- werte
carpus indicus in Indien und den “9
jel, ijt Dunfel lederfarbig (fj. Tafel »~Rughol;
Big. 8), — —— oft ſehr weich, dient zu —
lopfen
—— —* Boden, j. Frambojie.
boife (ivr. angbaap), Stadt im ‘Depart.
Sndre-et- Loire, Urrond. Tours, an der itber
die eine Briide führt, und an der Origansbabn, bat
ein auf jtetlem Felſen gelegenes, von jtarfen Tirmen
flantiertes Schloß (von Sarl VIL. und Ludwig XIL
erbaut), mit ſchöner gotiſcher Rapelle, künſtlichen Hod »
len aus dem 16. Jahrh. (lange fiir galliſche Korn⸗
fpeicher gebalten), ein College und (901) 4538 Einw.
die Tud, Stablwaren, Majdinen, Shubwaren
—— und Weinhandel treiben. — A. war urſprũng
sed ein rõömiſches Cajtrum (Ambacia), geborte ipater
den Herzdgen von Ynjou, dann cinem eignen Adels
eſchlecht und fiel nad deſſen Erldjden 1431 an die
—— Seitdem war A. oft Reſidenz des ere Ba-
{oi3 und ward unter Ludwig XL beriidtigt durch
Oublietten (unterir diſche Kerler). Eine traurige "Se
rühmtheit erlangte die Stadt Durd die orm
der Hugenotien von 1560, deren
Protejtanten das Leben fojtete. In A. wurde and
das Edikt von W. vom 15. Marz; 1563 publizert,
wodurd freie Religionsiibung unre cataet owie
dem Adel und
Secon Wal fats Sater i ea ale Ge
Schloß Clos - Luck
if 1519 p wilh any rig Vinci.
Am boife (jor. angsaay), Georg von, Kardinal und
Minijter Ludwigs XIL von geb. 1460 in.
Chaumont-fur-Soite bei Umbotie, get. 25. Mai 1510
a Lyon, wurde ſchon 1474 Bidet von Wontauban
mojenier Qudwigs XL, unter Kari VILL ——
bee von Narbonne und 1493 Erzbiſchof von Rouen
fowie Generaljtatthalter der Normandie. Bon Lud-
wig XI. 1498 zum erjten Minijter ernannt,
ex Seantreid und den Konig, den er zu der pater fiir dambar
id) igvollen Eroberung —
bewog. Dod) erwarb er fid) durch
Steuern und erung ber —— die Liebe cs
Volles. Von Papſt Kardinal und
Legaten in Frankreich at te ¢ er nad Uleran-
ders Tode felbjt nad der Tiara und veranlaßte des
balb, —* —— ein Schisma zwiſchen der fran-
iſchen Kirche und der Kurie. Sein Leben beſchrieben
ontaqnes (Rar. 1631) und Le Gendre (Rouen
1726). Sal. Baudier, — de l'administration
du cardinal d'A. (Rar. 1
Ambon, j. Ambo und —
Amboni, Dorf in Deutid-Oitafrita, am Si ———
nahe der Tangabucht, eine ae der
geju, dabci auf cinem Hügel ein Vorwert der ie
413
deutidben Handels- ux? Fiomagmoerars Che:
balb des Orres cantipemocs om Mase ee Same
guelien (37°). or
Ambojaten, §
— (cittobo. anabia. ws pen wan. idinern
open). Umtertage eam Geartecen Nr Siccie acc
. Remeetad bem Séaorkee Rice
ipanmt oder mut emer image in bee Serhee! arte;
dee andera bas G noe meter: Somes
fimd pow Gaiem, und mar chee Beda. 2. & tee obere
iogen. Muregiade. re Sacdi bie = Tex orsee
— ———
— — Liner tse Atα Der §
i Sommer. Der Séhmicteaaton bat an
emer ibmalen Sete rms Hern DP eracmboh). um
dad ber Arbener Weel eer:, a om Lae oo in
Babn werden ju Rebemarteces oemeae
wut Yingein Des Seerciers Sct come Seme
quadratiide ext remem Sect em Hors
und lautt aut Se canes ume ae een oe
formig zu. Sum Bearbenen vor Blechen x loran
Umboye mit polierten Bainen (Zreib-, Spexa-,
Polieritsde). Senteiien td mit Rimmex oer
jebene Anbonſe der >; Steodambciie
jum Dodlidiagen ber Geiaie beigen cmem fugesrn-
gen Ropi. apa pp peragy rẽbrenartiger Aox-
men dient ber Haléambo§. her mu emem
— eee Der gefroptic &
dex Gold- und Silberarberter umd der Gaertice baz
einen runden ober baibrunden Sori.
Ambotk, ams der GebortimiSciden. i Cor
Mmbra (graucr Amber, orientelii der Ug-
oder Waqtuern), Gallen- oder Derzvarm ober em
jeme ahnliches Produit des Portals, Amber HS m fiemen
Stiden, and m Waitin bis DH) he ca tem Acere
ichoimmend, an den Ristten, auch im Z crm franfer oder
1200 toter Bottwale. am hautigiten bri Madegaster, Suri-
Ztirmen mit Regen geniht Wort undurdmdeig,
0,98 —0,920, expect in ber , Galt Bes
——————— im Ather umd £ len
Sie beiteht ans @mbratett (Am
doleternartigen 2
brain) und dtheriidemit Der Gerud ioli durch em
recti Physeteri# erjyeugt wer-
den. Wan benugie W triiber als nerden⸗ und magen⸗
itarfendes Witiel, auch im der feimen Ride, yep tr
der Parfiimerie. Ihr Geruch tit ungemem ba*tend.
Franzojen und OCrientalen legen fierne Rigeihen von
— Borcirarengich fib Ze A. Der Alten war
—— wobinebende Galicm von Liqui-
styracifiua. Aliiiige WL, fomel me Sto-
rar; gelbe A., Bernitem.
Ambrabaum,
f. —
Ambrain, Ambt
Ambrafia, antife = — in Ebirus, am Aradthos,
nõrdlich des Umbraliiden Weerbufens (jegt
Golf von Yrta), wurde um 650 v. Ebr. von Kormih
aug folonifiert und aclangte bald zu groher Witte.
Durd den Velobonnen ichen Strieg ſchwer mitgenom ·
men, erholie fie ſich erit wieder unter Eyrrhos, ber fie
zu feiner Reſidenz erhob. Spater von den Atoliern
und Romern gepliindert, vernel A. befonders durch
die GriindDung des nahen Nifopolis und gelangte erit
unter dem byzantiniſchen Heide wieder zu einigent
. Unter ibren Rumen tit bie Atropolis nod fennt-
x “Qn ibrer Stelle liegt jest Urta.
Ambras —
— ‘Amras), Tori in Tirci > pinion
Jansbrud en
, Mut (eer 725 come
o, tm 11. Jaber. Surg
ber Greten von Andechs und mm 16. \abrh als ved
imgsaufenthalt bes —75 Ferdinand und ſemer
Gemahiin Valnpine Selier in groherm Umiange
aufgebaut, in neueiter Jeu wiederhergeitellt. mu Au ·
ſeum und Kart. En Tel der Sammlung von Kunit⸗
gegentianden und Safien bes Schloiies rit fert 185
in Shen alo Umbrafer Sammlung egenwärtig
im funitinitoniden Hofmufeum) aufgeitelit / dgl. den
Aiibrer von Alg und Boheim, Sien 147%); Darunter
beſindet fid) Die ale »Vimbrafer Handidrift- befannte
Sammiung mittelhoddeutidher Ritter · und Helden-
bidjtungen ſvgl. Gottlieb, > Tie Umbrafer Handidrif-
tens, 1, ews, 1900).
Umbria, {. Urmerland.
Ambrix, Hafenitadt in der portug. Rolonie Un:
* Weſtafrila), in der Landſchaft Loanda, unter
* 60 ſudl. Vr. an der Mundun vn bes Loje, mit 2450 |
Ginw., altem Fort, 11 portugictifchen, 2 britifden,
2 amerifanifden und einer fransofifdhen Faltorei, die
namentlic) Raffee, Rautidul, Falmot, Palmferne und
Adansonia-afern ausfiihren. VW. war bis gu
feiner Befipergreifung burch Bortugal (1855) Der Ha: |
fen bes feinen Negerreichs Quiban ya. '
Umbrd, Béla von, Biterreidhifeh eungar. Diplo- |
mat, geb. 3. Sept. 1849 in Adamocz (Komitat Tren: |
cién), fam 1876 zur Gefandtidaft nad) Rom, 1882 |
nad) Berlin, 1484 wieder nad Nom, 1894 nad Wiin- |
chen, 1495 abermals nad Rom und ging 1899 als
Wefandter nad Japan.
Ambroid, |. Vernitein.
Ambroin, Moliermaterial, das ourd Mifchen einer
Ldfung von Kopal in Benjol, Allohol oder Terpen«
tin mit Aſbeſt oder Glimmer und Wbdampfen der |
Vdfung hergeſtellt wird. Die erbaltene Maſſe wird “Stirdengejan
—— und unter ſehr ſtarlem Druid in ſtählerne ſicher vieles
some epre fit.
ned, galliſches Boll von viclleidt germa⸗
ame —— fimipften mit den Kimbern und
Teutonen 105 v. Shr. qeqen Die Romer unter Man-
lius und Capio und wurden ber Mqua Sertia 102 von |
Marius vernichtet.
Ambros, Vaguit Wilhelm, Muſifſchriftſteller
und Aöomponiſt, geb. 17, Nov. 1816 yu Mauth in
Widmen, geſt. 2A. Junt 1876 in Wien, ftudierte in
Prog die Rechte, trat 1835 in Den Staatsdienſt und
wurde 1850 Staatéamwalt beim Prager Landgericht.
Daneben hatte er fic) aber in der Pauptſache auto-
didaftifdy gu emen tuchtigen Muſiler gebildet, ſelbſt
mandertet, auch großere Werle (Oper » Bretislav a
Jitka«) fompontert und war aud ale Mufitfedriftitel-
ler aufgetreten (juerit in Der + Neuen Yeiticdrift fiir
Wufif. unter dem Bieudonym » Famine). Er wurde |
bald Darauf in Die Direftion des Prager Ronfervato-
riums gewahlt und 1S69 aud yum Profeſſor der Mu⸗
fit an der Krager Universitat ernannt. Bon 1872 an
wirfte er in Wien ale Lebrer Des Kronprinzen Rudolf
und Brofelfor am Konſervatorium fowie alo Beamter
tor Juſtizminternum. Ambros' Hauptwer# tit ſeine auf
umſfanqlichen Studien in auslandiſchen Vibliothefen
berubende. aber unvollendet gebliebene · Geſchichte der
Muſit⸗ Vd. I A Lewp D862 Gs), bra Ende Des 16.
Jabrb. — den 4. Band gab 1878 G. Nettebobm
nad Shyer M.' beraus als 5. Band folgte. eine Aues⸗
wahl —8 zum &. Band (nad VW.’ Sammlun ;
gen redigtert und erganzt von O. Rade, Lew; 1881).
fy
Ambroius.
Den Schwerpunlt dieies Geried bildet dic cusge zeich
nete der Epa der Bederlander (14.—14.
Jebrb... : des 1. Banded
nad Scitpbaliden Arichten beiorgte B. v. Sofolovifi
‘ 15587), exe ioe Revthon des 2. Bandes Han
rich Heunenn 1592. Bedeutung, aber
anyiebend ei ſind die Memern Schri⸗
ij ct Schruten:
TDie Grenzen der Wakil und Boche« (Lewy 1856,
2. Musil. 1572); » Die Lebre vom Cuintenverdot Dai.
1859); >»
rel Zote vor Berwefung id
Arzten Name fiir verſchiedene LebenSeliriere u Shin
beitémtitiel eth Neftar und A (Leip; 1883).
UAmbrofian bliothef , §. Mailand.
‘Himbronanithe i — bab
*
weichende —— Ritual.
—————
wie ibn bn der Pe ten an —
in ben —*— ſeiner — — cniihte, Mabcofins =
verpflanzte lleluja⸗ un
dem Orient Stalien; aud pute wie Ur-
heber des ——— angeſehen. Da eraber
aud) den Hymn —— nur nad Italien brachte.
ſondern aud f viele Sipucame verfakt bat, fo rt
allem Unfcheine nad) der Gregorianijde Gd)
nidt im Prinzip vom Ambroſianiſchen
her
tholiſche Chriftenheit sur Norm gem
ges ra bem (eit Wonbrofius? Tobe 297)
men war. Bgl. Dre⸗
ves, Aurelius Ambroſius, der Vater ded Rirden-
aefamges (Freiburg 1893).
anif der befannte Hym-
»Te Deum laudamus«, ſ. Tedeum.
UAmbrofino, Silbermilnse der lombardiſchen
Stidte nad) dem Nonfordat von 1254: —— rande
von 2,937 g, RNoeoo fein == 12 laiſerliche qranve
alg A. qroffo ſchon 1316 auf 24 Denare —
A. piccolo von 1,468 g, “io fein, Dann Soldo im-
periale qenannt.
Ambrofifeh (qried.), unjterblid, den Gdttern ge-
hdrend oder cigentitmlic, auch gdttergleid. Bgl Wm-
brofia.
Ambrofing, der Heilige, miter Sirden-
lebrer, geb. um 340 in Trier als Sohn eines römi⸗
ſchen Brafectus Prätorio, geſt. 4. April 397, war in
Rom Sadwalter, bis ihm die Statthalterfdaft von
Oberitalien fibertragen wurde. Obgleid noch nicht
ctauft, leijtete er 374 der Wahl yum Bifdofe von
atland Folge. Rraftvoll verteidigte er feine Mirde
qeqen die Arianer, verbinderte aud) Me vom pracfee~
tus urbis Symmachus beim Kaiſer betriebeme Wieder-
aufrichtung der heidniſchen Bilder und zeigte gleide
Neingleit gegen Theodoſius d. Gr., den er nad dem
Blutbade von Theſſalonila erfol reid ermabnte, vor
der Gemeinde Bue zu tun. ex dem Raifer den
(Fintritt in Die Sire verwengert babe, rit Legende.
Seine dogmaliſchen Schriften verraten den Einfluß
der qnecbricben Rirdenicdrer. In ber Scttenichre (> De
officiis clericorum «, brag. bon Rradenger, Tab 1857)
Ameisen I.
ce Arbelter, .
ih
d Arbelter. 2), e Larve. 7/1.
b Soldat. 7),,
Z 3, Pheidole palidula.
« Puppe. 7/1.
f Puppenkokon
(Ameisenei). 1),
ay
4. Wanderameise
A . Ar-
1. Rote Waldameise (Formica rufa). ¢ —— * ,
5. Amme der Honigameise (Myrmecocystus hortus
deorum) mit gefilltem Vormagen.
a Riickenplatten der Hinterleiberinge, d Bauchplatte der Hinter
leibsringy, b Verdauangemagen, ¢ Kaumacen, fOMnung der Kloake.
—
J— —
— ‘ *
* 8
— *
X
* =
—— * es aS ae a8 —
E = ‘S — * A.
7. Zellen des Nestes von Lasius niger, in der obern
Zelle Fiitterung der Larven. 8. Eine Kolonne von Eciton auf dem Marsche.
Meyers Konv.- Lexikon, 6, Aufl. Bibliogr. Institut in Leipzig. Zum Artikel Ameisen.
Ameisen Il.
— >"
na erraticum.
S. Blattlausstalle von Lasius. 6. Stuck des Nestes der Waldameise (Formica rufa) im Lingsschnitt
Ambroſius — WAmeijen.
folqt er Ciceros Buch von den Pflidten; von Einfluß
ift ſeine Unterſcheidung zwiſchen den allgemeinen und
den vollfommenen Pflichten, wohin er 3. B. die Ehe-
lofigteit rednete, qeworden. Nachhaltiger denn als
Schriftſteller wirfte er durch feine Gorge um Liturgie
und Kultus; durch feine Liederdidtungen wurde er
der Vater der lateinijden Hymnologie. Neuejte Uus-
qabe feiner Schriften von den Gebriidern Ballerini
(Mail. 1875—-86, 6 Bde.) und, nod) unvollendet,
von Schenkl (Wien 1897 ff.), in Auswahl deutſch von
Schulte (Nempt. 1871—78, 2 Bde.). Val. Förſter,
Umbrojius, Bijdof von Mailand (Halle 1884).
Ambrofius, Johanna, Didterin, f. Voigt,
Jobanna.
Ambrus, Zoltan, ungar. Novellijt und Withe-
tifer, geb. 22. Febr. 1861 in Debreczin. Von ſeinen
ſtiliſtiſch feinen, pſychologiſch ſcharfen Erzählungen
find die belannteſten: ⸗-König Midas«, »September«,
⸗Fräulein Spinneweb«. Auch vorzüglicher überſetzer.
Ambrym, Inſel der Neuen Hebriden in der Siid-
jee, unter 16° 14° ſüdl. Br., 644 qkm grog, mit (1891)
10,000 Einw., von denen viele als Plantagenarbeiter
nad Oueensland gehen, nit hohen Bergen (darunter
cin 1067 m hoher tatiger Vulfan) hinter den ſehr frudt-
baren Riijtenebenen, aber fehrungejundemRlima. Die
engliſche Miſſion hat hier cine Station erridtet.
Ambuélla, Volfsjtamm in Sildwejtafrifa, gu den
Bantuvollern gehirig, im Gebiete des obern Kuando.
Die Dörfer von 200—300 Einw. find oft in Sümp—
fen auf Pfählen erbaut. Bon Haustieren haben die
A. nur Hunde und Hiihner, treiben aber hochent—
widelten Uderbau und find gejdidte Schiffer und
Fiſcher. Ihre eifernen Speers und Pfeilſpitzen ftellen
fie felbjt ber und verweben ihre Baumwolle auf rohen
Webjtiihlen. Sie ftehen unter Häuptlingen, die an
das Marutſereich Tribut gahlen. Im äußerſten Often
liegt der qroke Ort Cahubheu-ue, den Serpa Pinto
1878 beriihrte; 1885 durchzogen Capello und Ivens
den fiidliden Teil des Gebietes. Val. Serpa Pinto,
Wanderungen quer durd) Ufrifa (Leipz. 1881, 2 Bde.).
Am Vihl, ſchweizer. Ort, ſ. Gadmental.
Umbulafren (Saugfiifden), die Bewegungs-
organe der Stachelhiuter.
Ambulant (lat.), umbersziehend.
Ambulanter Geridtsjtand (Flic qender Ge-
ridtsftand), Bezeichnung fiir die vom Reidsgeridt
vertretene Anſicht, daj fiir cin Preßdelikt der Geridts-
ftand der beqangenen Tat nicht bloß an dem Orte fei,
von dem die Verbreitung aus erfolgte, fondern aud
an jenem Orte, wohin zufällig die verbreitete Drud-
ſchrift gelangte. Diefe sweifelsohne mit dem geltenden
Redte villig ſich im Cinflang befindende, aber trog-
dem zu vielen Mißſtänden fiihrende Rechtſprechung
des Reichsgerichts fonnte nur durd) eine Anderung
des § 7 der deutſchen Strafprozeßordnung in andre,
von der — Preſſe gewünſchte Bahnen gelenkt
werden. Died ijt denn aud) durch das Geſetz vom 13.
uni 1902, betreffend die Abänderung des § 7 der
Strafprozeßordnung, gefdehen, das wenigitens fiir
die öffentliche Mlage den fogen. fliegenden Geridts-
ftand aufhob, indem es bejtimmte: wenn der Tat-
bejtand der ftrafbaren Handlung durd den Inhalt
einer im Inland erfdienenen Drucidrift begriindet
ijt, fo ift nur das Geridt als zuſtändig anzuſehen, in
deffen Bezirk die Dructidhrift erſchienen ijt. Bet Pri-
vatflagen ijt jedod) in Fallen der Beleidiqung aud
das Geridt, in deffen Bezirk die Druckſchrift verbreitet
ijt, zuſtändig, wenn in dieſem Bezirk die beleidiate
Rerjon ihren Wohnſitz oder gewöhnli
Meyers Nonv.= Lerifon, 6. Aufl., L Bb
417
hat. Bgl. Ripinger, Der ambulante Gerichtsſtand
der Preſſe (Mind. 1901).
Ambulanz (lat., das »Umherwandeln«), foviel
wie Poliflinit (j. d.). Befonders bezeichnet man mit
A. die leicht beweglide Cinridtung des Kriegsſani—
tãtsweſens fiir die erjte Hilfe, guerjt im 15. Jahrh.
von Iſabella der Ratholijden eingeridtet, von Ri—
delien tm italienifden Rriege 1630 orqanifiert, ſpäter
aud) bei andern Heeren eingefiihrt. Sn der deutſchen
Urmee wird der Uusdrud nicht mehr gebraudt. Es
fallen bier unter den Begriff Umbulangen die Sani—
tatsfompagqnien und die fiir die erjte Hilfe ver-
wandten Teile von Feldlazgaretten x. In Frank:
reid) verjteht man unter »ambulances« alle im Be—
reid) Des faimpfenden Heeres vorhandenen Cinridtun-
gen zur Pflege und gum Transport der BVerwundeten
und Stranfen, fpesiell die zuerſt 1792 im Rheinfeldzug
von Larrey eingefiihrten Kranfentransportwagen. —
YW. heißt auch ein ig Poftamt (f. Fahrende Poſt⸗
aimter) fowie jede fabrbare Cinridtung fiir Handel
und Gewerbe int Umbergieben.
Amburbium (lat.), rimijde3 Staatsfeſt, Unfang
Februar zur Reiniqung und Entſühnung der Stadt
begangen, um deren Grenge die gum Schlußopfer be-
jtinumten Tiere in feierlichem Umzug geführt wurden.
Die chriſtliche —— dieſes Feſtes ijt die Purifi-
catio 8, Mariae (Maria Lichtmeß), bet Dem man ehe—⸗
—— Kerzen die Stadt umzog. Bal.
Ufener, Das Weihnadsfeft, S. 306 ff. (Bonn 1889),
Amden, Gemeinde im ſchweizer. Kanton St. Gal-
len, Bezirk Gajter, nahe Weefen am Walenjee, 939 m
it. M., in herrlichem Talfefjel, mit avo) 1219 Cinw.,
zur Sommerfriſche geeignet.
Ameiſen (Formicidae Latr., hierzu Tafel ⸗Amei⸗
fen IIII.«), Familie der —— Hautflüg⸗
ler, über die ganze Erde verbreitete Tiere mit großem
Kopf, kräftigen, vorſtehenden Oberkiefern, geknieten
Fühlern und durch einen Stiel mit dem Hinterleib
verbundenem Thorax. Die A. erzeugen zirpende Töne
durch Reibung gelörnter oder geriefter Fite der bars
ten Rirperhaut geqeneinander, und bei einigen Ar—
ten ijt ein Gehörsſinn nadgewiefen. Die A. leben zu
Staaten vereinigt, die neben Männchen und Weib-
den (Tafel I, Fig. Lab) im weit überwiegender Zahl
aus Urbeitern (verfiimmmerten Weibden c) beftehen.
Bei einigen Urten lommt nod eine zweite Form von
Urbeitern mit ſtark vergrößertem Kopf und mächti—
Dent mit
gen Obertiefern vor (Soldaten; Tafel I, Fig. 3b).
Männchen und Weibden haben in der Regel Flügel
mit wenig entwideltent Geäder. Weibdhen und Urbeiter
beſitzen im Hinterleib eine Giftdriife, die bei mehreren
Arten mit cinem Giftitadhel verbunden ijt. Die eigent⸗
liden A. haben feinen Stachel, fie bringen das Gift
dev Drüſe (wejentlid) Ameiſenſäure) im die mit den
Riefern gemadte Wunde oder fprifen es dem Feinde
pe, Im Spätſommier erheben fic) die gefliiget-
ten Männchen und Weibden gegen Sonnenuntergqan
ſcharenweiſe zum Hod ze its fluge in dic Luft. Racy
demſelben verlicren fic) die Heinen Männchen und
| gehen bald su Grunde, die befruchteten Weibchen aber
Patter ju Boden und werden von den umberlaufen-
den Urbeiterameijen eingefangen, ihrer Flügel beraubt
und in die Kolonie zuriidgebradt, dic fie nun nidt
mehr verlafjen Ddiirfen. Aus den fleinen, länglich—
runden, weißen Ciern der UW. ſchlüpfen nad einigen
Tagen kleine, fuflofe, weiße Larven (Tafel I, Fig. 1d)
mit hornigen Riefern, die von den alten A. gefiittert
werden müſſen. Sie wachſen bei reidlidher Nahrung
ſehr ſchnell und fertigen nad) 14 Tagen cin längliches,
27
418
ſchmutzig weißes oder bräunliches Geſpinſt, in dem fie
jur gemeißelten Puppe (ig. 1f) werden (Wmeifen-
eier; Hig. Le); manche Yirten fpinnen niemals. Nad
2— 4 Woden zerbeißen die alten A. das Geſpinſt, und
die junge Umeife, die nod) einige Tage gefiittert wer-
den muy, friedht hervor. Die Zahl der Urbeiterameijen
vermehrt fid —* des den ganzen Sommer hin⸗
durch fortgeſetzten Eierlegens ſehr ſtark, und erſt im
Spitjommer werden Eier gelegt, aus denen geflügelte
Männchen und BWeibchen entitehen. Die Jndividuen-
zahl in Neſtern unfree Waldameife (Formica rufa)
jteigt bid auf ca. 100,000. Die Weibdhen, die nicht
eingefangen werden und fid) aud) nidt sur Kolonie
suriidjinden, ſuchen cinen geeigneten Platz zur Be-
gründung einer neuen Rolonie. Das Weibchen unjrer
großen Holzameiſe (Camponotos ligniperda) entledigt
ſich feiner Flügel und legt unter einem Stein 10—12
befrudjtete Gier, aus denen weibliche Qarven fommen,
die bei mangelhafter Ernährung gu Arbeitern fid
entwideln. Gie werden die erjten Gebilfinnen der
Mutter, die mit dem Cierlegen fortfabrt.
Ulle Urbeiten im Neſte der A. liegen den Geſchlechts⸗
lofen ob. Gie dffnen am en die verrammelten
Zugänge, fuden Nahrung, vergrößern das Neſt,
ſtehen Wache ꝛc., ſie Pfleger die Eier, LQarven und
Puppen und fiittern die Weibchen (Tafel I, Fig. 7).
Wo zwei Formen von Vrbeitern vorhanden find, bil-
den die großlöpfigen (Goldaten) bei den Streifgiigen
die Ordner und Fiibrer (Treiberameife, Anomma ar-
cens West., in Wejtafrifa, und Eciton-Vrten [Tafel I,
Fig. 8]), zerſchroten die Beute, um fie fiir die kleinern
Genofjen mundrecht zu machen x. Bei Beginn des
Winters ziehen fic die Tiere in den tiefſten Teil des
Neſtes zurück und fallen in Erjtarrung. Die befrudte-
ten Weibchen überleben den Winter, um im Friibling
das geſchäftige Xreiben von neuem zu beginnen.
Manche Urten, die im Winter nidt in Erſtarrung ver-
fallen, tragen Vorräte cin. Die Glieder cin und des⸗
jelben Haufens erfennen cinander felbjt nad langer
Trennung; fie begrüßen, betajten und ſtreicheln em-
ander; fie verjtindigen ſich über Berridtungen, die
fiir cine einzelne gu ſchwer find; fie geben cinander an
die Hand, reißen wohl aud nad der Beratung einen
—— Bau wieder ein oder ändern ihn um x.
inige Umeifenarten leben in Baumſtämmen, in
denen fie Gänge und Hohlräume —* en, indem ſie
die feſtern Jahresringe meiſt als —— ſtehen
laſſen. Gewiſſe [Meine Arten minieren in der dicken
Borke alter Baume wenige flache, unter ſich verbun—
dene Kammern. Lasius fuliginosus (Tafel LIT, Fig. 3)
Die fie zu einer Homogenen, papicrartiqen Maſſe ver:
arbettet; andre A. bauen vielleidht aus abnlicem Ma
terial qrofe, bienenforbabnlicde Nejter zwiſchen Baum:
äſten. Die Smaragdameifen in Yndien und Kotſchin—
dina umgeben ihre Neſter mit zufammengefponne-
nen Blättern (Tafel L, Fig. 6), fie führen Larven, die
fie zwiſchen ibren Riefern halten, bin und ber, und
Diefe ltefern Dabet den Spinnfaden. Die meijten
A. graben und mauern Erdnejter, oft unter einem
ſchützenden Steine, oder bilden gufammengefepte Re-
fter in qrogen, aus fleinen Oolsftiidden zuſammen⸗
getragenen Haufen (Tafel Il, Fig. 6). Je größer die
Sefellichaft, um fo fonuplizierter iſt Das Neſt, biswei-
len ſtehen mebrere Rejter derfelben Art auf einer grö⸗
fern Bodenflache untereinander in Verbindung, wih-
rend aud) unter demfelben Steine zwei Arten m didt
benadbarten, aber voneinander getrennten Reftern
hauſen fonnen. Oft werden die Strafen von und ju
Ameiſen (Lebensweife, Keunſttriebe).
dent Neſtern überwölbt (Tafel M1, Fig. 3). Tapinoma
erraticum erbaut im Rafen Interimsneſter (Tafel LL,
Fig. 4) und hängt die Eier an cingebaute Grashalme.
Iſt die Bevdlferung in einem Bau zu grof gewor-:
den, fo werden neue Kolonien angeleqt, deren em
jtarfer Haufe in cinem Gommer drei ausjenden fann.
Gewöhnlich fiedelt fid) die Rolonie in der Nahe des
Mutterbaues an. Die erjten derartigen Auszüge be-
ginnen im Juli.
Die A. befunden unter allen Inſelten die größte
eiſtige Begabung. Mande rien, wie Formica
usca, leben im verhälinismäßig wenig zahlreichen
Herden und fiibren nicht leicht gemeinſame Opera-
tionen aus. Andre verwenden mehr Kunſt arf den
——— und züchten Blattläuſe (ſ. unten);
ihre Geſellſchaften find zahlreicher, und jie jagen mehr
gemeinſam. Endlich gibt es erntende A., die den ent:
wideltiten Typus darjtellen. Manche A. halten Sfla-
ven, und gwar Yndividuen einer andern Ameiſenart.
Die rote Umeife, die ihre Brit nicht ſelbſt zu verfor-
gen vermag, zieht in regelmapigen Kriegsmärſchen
aus, um aus der Behaufung der ſchwarzgrauen Umeife
Formica fusca und F. cunicularia) Larven und
pen gu erbeuten. Durch die bereits im Baw be-
findliden Sflaven wird dann dieſe erbeutete Brut
wie bie cinheimifde Der Herren ernahrt und groß⸗
gejogen. Uber die Sflavenameijen tragen und näh—
ren aud) ire rotlidjen Herren, die wegen Unvollfom-
menheit ihrer Freßwerkzeuge ſonſt verhungern miij-
ten. Die Amazonenameiſe (Polyergus) ijt unfähig,
felbjt gu frejjen, fie ngert neben der Nahrung,
wenn nidt cin Sflave fie fiittert. Bet manden Ar—
ten feblen dic Urbeiter, und Männchen und Weibchen
leben. mit den Urbeitern einer andern Vict in demſel⸗
ben Bau. Gewiffe Urten leben in ibren dret Formen
in den Reftern ciner andern Urt. Dieſe Gaftamei-
fen dürften oft nicht im ftande fein, in felbjtindigen
Rolonien zu exijtieren. Die fleine Stenamma West-
woodii lebt ausſchließlich in Den Neftern von Formica
rufa und benimmt ſich gegen dieſe wie etwa Haus⸗
hunde gegen Menſchen. Die kleine Solenopsis fugax
dagegen, die fleine Galerien in den Mauern der Amei—
ſenhaufen größerer Arten aushöhlt, raubt letztern die
Larven, um ſie zu freſſen.
Die A. lieben den Honigſaft mancher Pflanzen, der
Blatt- und Schildläuſe, ſüßes Obſt, Zucker, Sirup.
Honig u. dgl. und dringen in ſorgfältig verwahrte Bor⸗
ratsfanunern und ſchwache Bienenſtöcke ein. Außer⸗
dem freſſen fie Regenwiirmer, Raupen und andre klei⸗
nere Tiere (erate, Mäuſe r.), die man durdh
baut in boblen Bäumen Reiter aus Dolgipanaen,
fie ffelettieren laffen fann, indem man Ddiefelben in
durchlöcherten Schadteln in cinen Umeifenbaufen
rabt. Wit toten und ftinfenden Fiſchen fann man
ee wie mit Beterjilte und Rerbel vertreiben. Auch
Teer, Tran, Spiefdl, Holunderbliiten (friſch und
qetrodnet) find den A. zuwider.
Die U. find erklärte Feinde faft der ganzen übrigen
Inſektenwelt; dagegen faugen fie den ſüßen Saft, den
Die Blattlaufe (Aphis) aus dem Hinterleib abjondern,
auf und ftretdelat und flopfen diefelben fanft mit den
Fühlern, um die Abſonderung des Saftes zu befdr-
Dern (Mild liibe der A.). Bon abgeftorbenen Zwei
qen iibertragen fic die Uphiden behutfam auf faft-
reidhe, und im Spätſommer bringen fie diefelben
an die Wurzeln der Gewächſe (Tafel II, Fig. 1). Oft
aber entfiibren fie aud) Die Blattläuſe in ihre Nefter,
um fie wie Haustiere ausjunupen, oder umgeben
cine Gefellidaft von Blattlaujfen mit cinem Gehäuſe
aus Erde oder andern Bauſtoffen (Tafel U1, Fig. 5),
Ameisen III.
(Ameisen und Pflanzen.)
2. Kohlrabihdufchen der Schlepperameisen.
150 fach vergréBert.
3. Teil eines Nestes von Lasius fuliginosus. 4. Vogel und Ameisen in Symbiose auf der Ochsenhornakazie.
PERRI OT the Oise AARNE SLE SEER
ig ae — ate > Em — —— net , ——
* ve og — hod ae . — —— 52* *
= hm. ens — — * —* oy on 4
in
5. Vorratskeller der Honigameise 6. Zug der Visitenameise 7, Nester und Felder der ackerbautreibenden
(Myrmecocystus). (Oecodoma). Ameise von Texas (Pogonomyrmex barbatus).
“Meyers Konv,- Lexikon, 6. Autl. Bibliogr. Institut in Leipzig. Zum Artikel ,Ameisen'.
Ameisenpflanzen.
Durchechnitt
11. Stammende der Imbauba (Cecropla
b Durchbobrte Hohlstacheln
AGENOpPUs). «, b Ameleenptorten
von Acacia sphaerocephala
. . ; he F 44
2
7. Hohiblasen
am Blattgrund
6
vou Durola Z 6 ee 7
icalcar
saccifera Millersche . d calcarata |
Orperchen
s+
LI =
ie
4. Myrmecodia alata. a Durchschnitt 5, Hydnophytum form) 8. Hohiblasen am Blattgrund@
carum. von Tococa lancifolla.
Ameifen (Mugen und Sdade, wichtigſte Arten).
tragen aud) ihre Larven in dasfelbe oder ſetzen eine
Blattlausgejelljdhaft durch einen bededten Gang mit
ihrem Neſte in Verbindung (jtallfitternde YW).
iervon und von den echten Barafiten der A., wie
Chalciden und Stylopiden, abgefehen, finden ſich in
Ameiſenhaufen nod etwa 1000 Arten andrer Inſek⸗
ten, hauptſächlich Rafer, die als Gäſte bezeichnet
werden und fid) zum Teil den A. angepaft haben (j.
Ameiſengäſte). Auch Loi Bae zeigen foldje
Anpaſſung, bieten den UW. Wohnung und Nahrung
und erhalten dafür Schutz gegen andre Tiere. Auf
419
Texas ſchützt ihren Bau durd einen bis 50 cm hohen
Ringwall, reinigt und ebnet das den Wall umgebende
Land bis auf 1 m Entfernung und läßt bier feine
flange auffommen als ein Gras, Aristida stricta,
pflegt dasjelbe und erntet die reifen Korner, die in
einem Teile des Baues von den Spelzen gereinigt
und Dann fortgepadt werden. Dringt Rests bis gu
dem Vorrat, fo werden die Korner an einem fonnigen
Lage ins Freie gebradt, bis fie troden find. Auch
bie Ernteameije von Teras und Colorado (Po-
gonomyrmex occidentalis, Tafel U1, Fig. 2 u. 2a)
foldjen Ameiſenpflanzen (j.d.) nijten gern verſchiedene ſammelt Sämereien und pangertibren Hügel mit ciner
Bagel (Tafel III, Fig. 4), weil die von W. bewohnten | Mojaif kleiner Steine, Goldforner xc. Bisweilen find
Baume von allerlei Mettertieren gemieden werden. | diefe Umeifenbauten fo reid) an Gold, daß es dic In—
Nugen und Sdade der W. mögen fid im all-
gemeinen, wenigitens in Deutfdland, das Gleich—
—— halten. Die kleinen, braunen oder ſchwarz⸗
raunen A. ſiedeln ſich zwiſchen den Wurzeln der Topf⸗
pflanzen (beſonders gern in Warmhäuſern und Loh—
beeten) öfters in außerordentlicher Menge an und
freſſen große Löcher in die Wurzeln. Wie manche
andre Aas freſſende Inſekten kommen ſie auch als
Krankheitsübertrager in Betracht (Peſt, Milzbrand).
Weit läſtiger ſind die A. in den heißen Ländern. Große,
rotgelbe Arten dringen in die Wohnungen ein und
beunruhigen die Schlafenden in den Betten, während
cine kleinere ſchwarze Art empfindlich beift. Die am
weiteſten verbreitete Formica omnivora wird in Kaſan
häufig zur Landplage. Die Wanders oder Trei—
berameiſen (Anomma arcens Westw., Tafel I,
ig. 4) an der Weſtküſte von Ufrifa leben obne fejte
Baue unter Baumwurzeln 2. und ziehen nadts oder
bei tritben Tagen auf Bente aus. Sie tdten durd) ihre
Menge felbjt große Tiere, indem fie ihren erjten An—
griff vornehmlich auf deren Augen ridten. Wenn fie
nachts in die Haufer eindringen, Hiehen Ratten, Mäuſe,
Schaben und jelbjt die Menſchen. Die Ruderameife
(Formica saccharivora) bat in Wejtindien ganje
Zuckerplantagen vernidtet. Dagegen leben die Ein-
gebornen am Rio Negro einen großen Teil des Jah—
res von A., die fie gu einem Teig tneten und in Beu-
teln aufbewahren. Auch in Baraguay und andern
Ländern werden A. gegefjen.
Die Rofameife (Camponotus herculaneus L.),
fajt gan; ſchwarz, am Hinterleib ſchwach grau be-
haart, mit gelbfpipigen Flügeln, findet fic) in Europa,
Oſtſibirien, Rordamerifa und lebt in den Gingen
franter Waldbiume. DieWald- oder Hiigelamertfe
(qemeine rote Umeije, Formica rufa L. Tafel I,
wig. 1), mit braunrotem, beborjtetem Thorax mit
ſchwärzlichen Fleden oder (Männchen) ganz braun-
ſchwarz, etwas aſchgrau ſchimmernd, 4—6 (Urbeite-
rinnen), 9,5(Weibdhen) oder 11 mm lang (Männchen),
in Europa, Aſien, Nordamerifa, unjre gemeinjte Urt,
hauft in Waldern, beſonders Nadelwaldern, bis 125 cm
hohe, legelförmige Haufen von allerleiBaumabgingen
über ihren Neſtern auf. Sie vertilgt Raupen, wes—
halb es and) an vielen Orten verboten iſt, fie gu ſtö—
ren. Bon dieſer Umeijenart werden befonders die
Puppen (Ameiſeneier, f. d.) geſammelt; auch bereitet
man aus ihr den Ameiſenſpiritus, Ameiſenbäder xc.
Lasius niger Lafr., Dunfelbraun, oft ganz ſchwarz,
mit fur; anliegend behaartem Hinterleib und braunen
Fiiblern und Beinen, 3—4 (Méannden und Arbeite⸗
rinnen) und 9 mm lang (Weibden), die qemeinite
Urt, allenthalb an Wegen, auf Felbern, Wieſen, in
Waldern, in der Erde, unter Steinen, in Baum-
ftriinfen xc. nijtend. Die aderbautreibendeWmeife
(Pogonomyrmex barbatus, Tafel III, Fig. 7) in
dianer lohnend finden, fie auszubeuten. Die zuerſt
von Herodot erziblte Gage von goldqrabenden
A. ijt aber woh! auf in Bantherfelle (Tschita) ge-
| hiillte und in Erdlidern wohnende Goldgraber In—
Diens zurückzuführen, wobei das Vorfommen von A.,
die wie Pogonomyrmex Steine und gelegentlid Gold
jufammentragen, und der ähnlich flingende Name
der UW. (Tschinti) mit in Betradt fommen. Die
Pilze giichtenden UW. (Oecodoma cephalotus, Tafel L
Fig.2, u. ſchneiden mit ihren Kiefern rundliche Blatt⸗
ſtücke ab, ſchleppen dieſe zu ihren Neſtern (Tafel III,
Fig. 6) und zerlauen fie weiter. Auf der gewonnencn
Maffe züchten fie cin Pilzmycel, deffen Enden zu
Knöllchen (Rohlrabi) anjdwellen, die ihr Hauptnal-
rungsmittel bilden (Tafel IT, Fig. 1 u. 2). Außer
fiidamerifanifden Arten gficitet aud) unſre Holzanteije
(Lasius fuliginosus) Pilze. Bei der Honigameije
(Myrmecocystus hortus deorum Wesm., Tafel I,
Fig. 5, und Tafel II, Fig. 5), in Merifo, Texas, Co-
lorado, werden einzelne a abibibuen (Ammen) durd
die andern Urbeiter mit Honig fo ſtark angefiillt, daß
fie kugelrund anjdwellen und ihr Leib oft größer
wird als cine Erbſe. Sie hängen dann fajt undeweg:
lid) an Der Dede der Vorratsfammern der unterirdi-
iden Refter, und Urbeiter, Männchen und Weibchen
entnehmen aus ibnen nad Bedarf Honig. Diefelbe
Erjdeinung findet man aud) bet einer aujtralijden
und ciner afrifanijden Urt. Die Zug- oder Be-
judsameife (Atta cephalotes Z.), fajtanienbraun,
mit vier Dornſpitzen am Bruſtſtück, fehr großem Kopf,
26 mm, das Weibchen über 39 mm lang, findet fid in
gan; Siidamerifa, baut fehr hohe Santen, Tonmt in
großen Sdharen in die Wohnungen und nimmit alles,
was fie fiir fid) verwerten fann. Dabei vertilgt jie aud)
einen Teil des in Den Haufern befindliden Ungesiefers.
Vgl. Qatreille, Histoire naturelle des fourmis
(Par. 1802); Huber, Recherches sur les murs
des fourmis indigénes (Genf 1810); Förſter, Dyme-
nopterologijde Studien. Heft 1: Formicariae (Yad.
1850); Forel, Les fourmis de la Suisse (in den
Neuen Denkſchriften der Ullgenteinen Schweiger. Ge-
jelljchaft fiir die gejamten Naturwiſſenſchaften⸗, Bd. 26,
Bafel 1874); Derjelbe, Die pſychiſchen Fähigleiten der
A.(Münch. 1901); Lub bod, A. Bienen und Wejpen.
Beobadtungen iiber die Lebensweije der gejelligen
Hyntenopteren (deutſch, Leipz. 1883); Mac Cook,
The honey ants of the garden of the gods and the
occident ants ofthe American plains CBGitad. 1881);
Marfhall, Leben und Treiben der A. (Leip. 1889);
Wasmann: Die age ur. sig Neſter und qe-
mijdten Rolonien der A. (Münſter 1891), Berglei-
mende Studien fiber das Seelenleben der YW. und der
höhern Tiere (2. Aufl., Freiburg 1900), Die pſychi—
ſchen Fähigleiten der WU. (Stuttg. 1899); Mller, Die
Pilsgirten ciniger fiibamerifanifder UW. (Jena 1893).
27*
420
Ameiſen, tweifte, foviel wie Termiten.
Ameijenather, ſ. Ameiſenſäure.
Ameifenbader, ſ. Bad.
Ameijenbar, ſ. Ameiſenfreſſer.
Ameiſenbeutler (Spitzbeutler, Myrmecobius
fasciatus Waterh.), Beutellier aus der Familie der
Ameiſenbeutler (Myrmecobiidae), 25 cm lang, mit
18 cm langem, buſchigem Schwanz, ſehr ſpitzem Kopf,
ſehr gahnreidem Geb und flanger, hervorjtredbarer
Bunge. Er ijt vorn odergelb, nad) hinten ſchwarz, mit
weifen oder rdtliden Duerbinden. Beim Weibdjen lie-
qen die Rifen frei. Der A. bewohnt Siidwejtaujtralien,
ut Harmlos und nabrt fid) hauptſächlich von Umeifen.
Ameifencier, die Luppen der Ameiſen, werden
pont April bis Auguſt geſammelt und als Futter fiir
Stubenvdgel, Fafanen, Fiſche xc. benutzt. Unbefugtes
Sammeln der VL. ijt meiſt verboten.
Ameifenfreffer (Myrmecophaga L.), Gattung
der Bahniiider aus der Familie der Ameiſenfreſſer
(Myrmecophagidae), gejtredt gebaute Tiere mit jtart
verlangertem Kopf und Schwanz, zahnloſen Riefern,
langer, rdhrenfirmiger Schnauze, ſehr enger Mund⸗
ſpalle und langer, weit voritredbarer Zunge. Cinige
Virten bejigen einen Greifſchwanz und flettern. Sie
leben im warmen Giidamerifa, nähren fid) von
Ameiſen, reißen mit ihren mächtigen, fidelformigen
Grabfrallen die Ameiſenkolonien und Termitenge-
baude auf und jtecten die flebrige Bunge binein. Das
cingige Junge tragen fie auf dem Riiden. Der große
A. Yurumi, Ameiſen bär, Uyrmecophaga jubata
L., j. Tafel » Zahniiider I+, Fig. 2), 1,25 m lang, mit
95 cm langem, fehr lang bujdig behaartem Schwanz,
aber nur 30 cm hoben Beinen. Die Haare am Kopf
find fury, am Hals und Leib ſehr lang, jottig, braun;
auf jeder Schulter verläuft ein ſchwarzer, weiß ein-
hee Streifen, fiber dem Riidgrat eine Mähne.
r findet ſich im öſtlichen Siidamerifa und ſchweift bet
Tage einſam in den Chenen umber. Fleiſch und Fell
des Yurumi werden von den Indianern benugt. Der
Tamandua(Caquare, M.tetradactyla L.),60cm
lang, mit Greifſchwanz, reicht bis Peru hiniiber und
lebt am Rande der Urwalder. Hier hangt er fic) mit
dem Greifſchwanz an Ziweige und fudt daſelbſt Umei-
jen und Gewiirm auf. Gereigt verbreitet er ftarfen
Mofdusqerud, der aud das —* durchdringt.
Ameifengafte, in Ameiſenneſtern lebende Tiere
(hauptſächlich Kafer), deren unjre Holzameiſe (Lasius
fuliginosus) 150, die rote Hiigqelameije (Formica rufa)
100 Yirten beberbergt. Das Verhaltnis dieſer Tiere
ju den Ameiſen beruht auf Synrpbilie (gegenfeitiger
Buneigung mit Pflege der Gaijte), Synofie (indiffe-
renter Duldung), Synechirie (feindlicher Einmietung
mit Mimifry und Trupgformen) und Parafitismus. |
Dabei befinden fic aber unter den Symphilen (My ts
mefopbhilen) arge Rauber, und von echten Schma—
rohern werden veridiedene von den Ameiſen willig
qefiittert. Mande VW. fudjen in den Ameiſenneſtern
nur Obdad) und zehren von den Ubfallen, wie eine |
Aſſel, die Larven von Cetonia aurata und C. aenea |
und eines Glattfifers (Clythra quadrimaculata).
Bu den Sympbilen gehören Kurzflügler (Staphyli
geriden) und Bauffiden, in Europa Urten der Gat-
Ameijen, weife — Ameiſenlöwe.
RKeulentifer die Qarven der Umeifen, und Lomechusa
strumosa wird von den Ameiſen felbjt ju ihren
Brutklumpen getragen, die der Kafer verſpeiſt. Biele
A. erleiden in den Neſtern ſtarle Berinderungen, fie
werden den betreffenden Umeijen febr ähnlich und
ſchützen ſich Dadurch auf den Zügen der Umeijen vor
Feinden, die letztere nicht angreifen. Zu den Schma⸗
rotzern gehören Zwergameiſen, Milben, Borſten—
ſchwänze und Fadenwürmer. Lepismina polypoda
ſtiehlt den Honigtropfen, den eine Ameiſe eben einer
andern hungernden von Mund zu Mund überliefern
will, und in aͤhnlicher Weiſe verfahren manche Milben.
Bgl. Wasmann: Beiträge zur Lebensweiſe der
Gattungen Atemeles und Lomechusa (Haag 1888),
Vergleichende Studien iiber UW. und Termitengäſte
(Daf. 1890), Kritiſches Verzeichnis der myrmefophilen
und termitophilen Arthropoden (Berl. 1894) und Les
Myrmecophiles et Termitophiles (Leiden 1896).
Ameiſengeiſt, ſ. Umeijen{piritus.
Ameiſenigel (Sandſchnabeltier, Echidna
Cuv.), Gattung aus der Ordnung der Kloafentiere,
Tiere mit plumpem Körper, furzem Schwanzſtummel
und Hals, Fleinem Ropf, langem, walzenförmigem
Sdnabel, fehr fleiner Mundöffnung, flanger, dehn-
barer Bunge, zahnloſen Kiefern und jtarten Krallen
an den furjen Füßen. Un den Hinterbeinen beſitzt
das Männchen einen jtarfen, dDurdbohrien Sporn,
der mit einer Ubfonderungsdriije in BVerbindung
jteht; der Körper ijt oberhalb mit ftarfen Stachein
und Haaren, unterhalb mit Borjten bededt. Die A.
leben in Ylujtralien, Tasmania und Neuguinea und
nähren fid) von Inſelten (Ameiſen und Termiten),
die fie mit der Zunge aufleden. Der Stadeligel
(E.aculeata Cuv., |. Zafel »Mloafentiere«, Fig. 1—3),
44 cm lang, bewohnt Auſtralien und lebt in felbjt-
gegrabenen Höhlen und Gangen. Das Weibden legt
ein Ei von 16,5 und 138 mm Durdmefjer mit Kera-
tinſchale, das in der Gebtirmutter bereits jtarf ent-
widelt ijt, und brütet es in einem vorübergehend ge-
bildeten Beutel aus, der fic) mit dem Heranwadjen
des Jungen ausiveitet, und an dejjen Grunde von
der Bauchhaut eine eiweiß⸗ und fettreide Flüſſigleit
abgejdieden wird. Das Fleiſch ijt ſchmachhaft.
meifenjungfer, ſ. Ameiſenlöwe.
Ameiſenkriechen (Ameiſenlaufen, Formica-
tio, Myrmecismus), ein prickelndes Gefühl in der
Haut, als ob ſich Ameiſen dort befänden, geht bejon-
ders Schlagflüſſen, Labmungen, Kränipfen, auc) man-
den Ausich lag en und Gidtanfaillen voran.
Ameifentswe (Umeifenjungfer, Myrmeco-
leon Burm.), Netzflüglergattung aus der Fantilie der
Ameiſenlöwen (Myrmecoleontidae), libellenãhnliche
Inſekten mit kurzen, leulenförmigen Fühlern und vier
gleichen, in eine Spitze ausgezogenen Flügeln. Der
1. (Myrmecoleon formicarius Z., ſ. Tafel ⸗Netz⸗
fliigler«, Fig. 5), 2,8 cm lang, 6 cm brett, ſchwärzlich
mit fein geaderien, braun gefledten Flügeln, fliegt in
Dentidland abends vom Yuli bis September. Die
qraugelbe, ftarf behaarte Larve bat zwei große Krallen
an den Füßen und ſichelförmige Oberfiefer, die mit
den feinen, borjtenformigen Unterfiefern ein Gauge
niden), Zwergläfer (Pfelaphiden), Keulenläfer (Clavie |
tungen Claviger, Atemeles, Lomechusa, von Denen |
mande fid) gar nicht felbjtdndig ernabren fonnen, |
3. T. die Augen eingebüßt haben. Dieje Käfer, die
wert bilden. Sie gräbt an Waldrandern tridjterfir-
mige Bertiefungen von 4—5 cm Durchmeſſer und
3 cm Tiefe und wartet, im Grunde des Trichters vere
borgen, bis cin Tierchen hinabgleitet, welded fie aude
jaugt. Am Rande der Grube erſcheinende Inſelten
von den Ameiſen forgiam gepflegt werden, befifen | bewirft Der VU. mit Sand, um fie in den Trichter gu
auf ihrem Riiden Dritjenbaare, deren Abſonderung ſtürzen. Im Juni oder Auli fpinnt die Larve tm
die Umeifen eifrig leden, dabei friſzt 5. B. der blinde Sand einen fugelfrmigen Mofon, verpuppt ſich, und
Ameijensl, fiinftlides — Ameijenjaure.
nad) 4 Wochen kriecht bas Inſelt aus, dad cine geringe
Anzahl Cier legt. Die tm Herbjt austriedende Larve
tiberivintert im Sande.
Ameiſenöl, künſtliches, ſ. Furfurol.
Ameiſenpflanzen (vgl. Tafel ⸗Ameiſenpflanzen ·
bei S. 418), Gewächſe, die in der freien Natur regel⸗
mäßig von gewiffen, ihnen nützlichen Ameiſenarten
beſucht oder bewohni werden und in ihrem Bau be⸗
ſtimmte Anpaſſungen an das Zujammenteben mit
den Ameiſen aufweijen. Das Auftreten foldher An—
pajfungen wird als Myrmefophilie, und dement-
ſprechend werden die A. aud als myrmekophile
Pflanzen bezeichnet. Bei der Jmbauba (Cecropia
adenopns, Fig. 1), cinem Baum des tropifden Ume-
rifa, werden die hohlen Stammglieder regelmitpig
von großen Mengen fleiner, bifjiger Umeifen bewohnt,
die den Baum wirkſam gegen Die vielen andern Ge⸗
wächſen verhingnisvollen Blattidneiderameifen ver-
teidigen. Der Zugang ju den durch Querwände von-
einander getrennten Stammbodhlungen liegt reqgel-
mäßig in jedem Stanunglied am obern Ende einer
vor der Mitte des nächſt untern Blattes nad oben
ziehenden Rinne (Fig. 1 bei a und b). Diefe Stelle
bleibt von Unfang an ſchwächer als die übrigen Teile
ber Wand des Stammgliedes, fo dah die Ameiſen
leicht cine Offnung herſtellen können. Wufer der
Wohnung gewährt die Cecropia den Umeijen aud
die Nahrung. Wn der Unterfeite der Blattitielfiffen
entipringen zwiſchen Haaren fleine birn- oder eifir-
mige Körperchen (MMüllerſcheKörperchen, Fig. 2),
die ſehr reid) an Eiweißſtoffen und fettem Of ſind.
Sie werden von den Ameiſen abgeerntet und wadfen |
wieder nad. Ganj ähnliche Verhältniſſe finden ſich
bei der gentralamertfanijdjen Acacia sphaerocephala
(Fig. 3). WIS Herberge dienen den ſchützenden Ameiſen
hier die ftarf vergrößerten holzharten, innen hohlen
Nebenblattdornen. Nektardrüſen auf der Blattſpindel
(ſogen. ertranuptiale Nektarien) produzieren oe
jaft, und an der Spike jedes Blätichens entwidelt ſich
cin leicht abnehmbares, nahrhaftes Zellknöllchen (b).
Bei Duroia saccifera (Fig. 7), einer Rubiagee aug dent
Gebiete des YUmajonenftroms, und bei gewiſſen Me-
leſtomazeen des tropifchen Siidamerifa, wie Tococa
formicaria und T. lancifolia (Fig. 8), find eigen:
tiimliche Hohlblajen am Grunde der Blattipreite,
Wohnräume fiir die gegen den Angriff der Blatt-
ſchneider fchiigenden Ameiſen. Bei W. in den Tropen
der Ulten Welt, wo die Gefahr einer Zerjtirung der
Pflanzen durch Blattidneiderameifen nicht vorliegt,
diirfte es ſich hauptſächlich um die Abwehr von Raupen
und Käfern handeln. Die epiphytiſchen Rubiazeen
des Malaiiſchen Archipels, Myrmecodia (Fig. 4) und
Hydnophytum (Fig. 5), bilden fauft- bis findsfopf-
rope, jaftige Knollen, die im Innern ein ae
ommunizierender Giinge enthalten, die in der Natur
ausnahmslos von Umeifen bewohnt find. Die Knollen
entftehen mit ihren Gangen in gleicher Weije aud
dann, wenn die Pflanzen ohne Ameiſen fultiviert
werden. Es erſcheint danach sweifelhaft, ob die Aus—
bildung der ſchwammartig durdliderten Knollen als
eine erblic) qewordene Unpaffung an das Zuſammen⸗
leben mit Ameiſen anzuſehen ijt, oder ob etwa die
Hohlraume der Durdliiftung der maffiven Knollen
Dienen und nur mehr zufällig von den dort iiberall
haiufigen Ameiſen aufgefucht werden. Uberhaupt er-
fordert die Feſtſtellung von Myrmekophilie einige
Vorſicht, da die Ameiſen alle möglichen Hohlräume
zur Wohnung wählen können. Nur wenn wirklich
ein Verhältnis gegenſeiligen Nutzens vorliegt, kann
421
von Myrmefophilie geſprochen werden. Zweifellos
myrmefophil ijt Pterospermum javanicum, das an
der Innenſeite becherartiq eingerollter Nebenblatter
fleine, den Müllerſchen Körpern vergleidjbare Perl-
drüſen erjeugt, die von den Ameiſen regelmäßig ab-
geerntet werden. Die in Borneo heimiſche Kannen
pflange Nepenthes bicalcarata (Fig. 6) befigt in der
Sproßachſe und in dem Stiel der dem Gnfeftenfange
Dienenden Kanne Hohlräume, die durd) rundlide Ojf-
nungen nad) aufen miinden und regelmäßig von
Umerfen bewohnt find. Val. Beccari, Pianti ospi-
tatrici (»Malesia«, Bd. 2, Genua 1884—85); Del
pino, Funzione mirmecophila nel regno vegetale
(Bologna 1886-88, 2Tle.); Shimper, Die Wed):
jelbeziehungen zwiſchen Pflanzen und Ameiſen int
tropijdjen Amerika (Jena 1888); Derjelbe, Pflangen-
geograpbhie (daſ. 1898); Huth, Vtyrmefophile und
myrmefophobe Pflanzen (Berl. 1887); Schumann,
Die A. (Hamb. 1889).
Ameifenfaure (Formylfiure) CHO, oder
HCO.OH finbdet fich im Körper der Umeijen, in den
aren der Projeffionsraupe, tm Blut, Harn und
Schweiß, im Honig, in Kiefernnadeln und im iefern-
reifig, im fauer gewordenen Terpentinöl, in manden
Mineralwiffern und im Guano. Gie entiteht bei
Einwirlung von Kohlenoxyd auf erhitzte Kalilauge
oder Natronkalk, oder von feuchter Kohlenſäure auf
Kalium, ferner bei Orpdation von Methylatfobhol
und Formaldehyd, beim Erhipen von Cyanwaſſerſtoff
(Nitril der VW.) mit Alkalien oder Säuren, beim Be-
handeln von Chloroform oder Chloralhydrat uit
Ralifauge x. Zur Darjtellung der Vl. erwarmt man
entwäſſertes Glyzerin mit entwafferter Oxalſäure auf
50° und fügt, wenn die Entwickelung von Rohlen-
ſäure nadgelafjen hat, mehr Oxalſäure hinzu. Oral:
jaure C,H,O, bildet bierbei einen Ejter des Glyzerins,
Der in Kohlenſäure und den Ameiſeneſter des Gly:
zerins gerfallt. Diejer wird wieder durch vorhandenes
ſſer zerſetzt, eS deſtilliert A., und das Glyzerin
bleibt unverdmbdert zurück. Das Deſtillat ijt 95 9Rpro⸗
zentige A., die durch Borſäure völlig entwafjert werden
fann. A. ijt eine farbloſe Fliiffigteit vom ſpez. Gew.
1,223, riedjt Durd)dringend ſauer, erftarrt in der Kalte,
ſchmilzt bei 8,6°, fiedet bei 100,6°, raucht ſchwach an
Der Luft, miſcht fic) mit Wafjer und Alkohol, ihre
Dämpfe find leicht entzlindlid), fie ſcheidet (aldehyd-
artig) aus Gold- und Silberfalzen das Metall ab und
wirft in fauren Flüſſigleiten fäulniswidrig. Bei 160’
—— ſie in Kohlenſäure und Waſſerſtoff, durch
onzentrierte Schwefelſäure in Kohlenoxyd und Waſ⸗
ſer. Innerlich erzeugt ſelbſt verdünnte A. intenſive
Entzündung der Magendarmſchleimhaut und hamor-
rhagiſche Kierenentsiindung und totet Tiere unter
Ronvdulfionen. Im Ameiſenſpiritus und in der Amei—
jentinftur, aud in Badern mit Waldameiſen findet
jie mediziniſche Verwendung als hautreizendes Mittel.
Wafferfreie A. erzeugt auf der Haut Blajen. A. ijt
eine der ſtärkern orqanijden Säuren, fie loft Eiſen und
Bint unter Entwidelung von Waſſerſtoff und bildet
ut charafterifierte, meiſt lösliche Salze (Formiate)
Alkaliſalze geben bei 250° Oxalſäureſalze und
Waſſerſtoff. Das Kaliſalz gibt beim Erhitzen mit
Kaliumhydroxyd Karbonat und Waſſerſtoff. Das
Silber- und Quechſilberſalz zerfällt beim Erwärmen
in Metall, Kohlenſäure und A. Ameiſenſaures
Natron CHNaO, bildet farbloſe Kriſtalle, fdymedt
ſcharf falziq-bitter, verwittert an trockner Luft, löſt ſich
in Waſſer und Alkohol umd dient zur Darſtellung
von Ameiſenäther. Das Calciumfal; dient zur Dor-
422
Ameifenfdharrer — Amendement.
err von Uldehyden. Ameiſenäther (Wmei- | Ludwig Philipps benannt. Unfern von A. ein 1670
enjaure-Wthylather) CHO,.C,H, wird durd
Dejtillation von ameiſenſaurem Natron mit Wifohol
umd Schwefelfiiure oder von Oraljaure mit Glyzerin
und Alkohol dargejtellt. Er bildet eine farblofe Flüſ—
figteit vom ſpez. Gew. 0,045, ried)t aromatiſch, ſchmeckt
gewürzhaft fiiblend, fiedet bei 54,5°, löſt ſich in Waſ—
jer und dient sur Daritellung von fiinjtlidem Rum
und Arrak (Daber aud) Rumäther, Rumeſſenz).
Amyläther und Butylather rieden angenehbm
obdjtartig und werden ju Fruchteſſenzen benutzt.
Ameiſenſcharrer (Ameiſenſchwein), foviel
wie Erdſchwein.
Ameifenfpiritud (Ameiſengeiſt, Spiritus for-
micaram), Miſchung von 35 Teilen Weingeiſt mit 13
Teilen Waſſer und 2 Teilen Ameiſenſäure, dient sum
Einreiben bei gichtiſchen und rheumatifden Leiden.
Ameifenvdgel (Wollſchlüpfer, Formicariidae
Gray), Familie der Sperlingsvigel, droſſelähnliche
Vogel mit kurzem, kräftigem Schnabel, kräftigen
Fußen und kurzen runden Flügeln, bewohnen Siid-
amerifa, leben von Inſekten und folgen beſonders
ben Zügen der Wanderameijen. Das Feuerauge
(Formicivora domicella Gray), 18 cm lang, ſchwarz
nit weißen Fliigelbinden und feuerrotem Auge, lebtin
Waldern Brafiliens und ſtellt namentlich Ameiſen nad. |
Ameividen, ſ. Cidecdjen.
Amelah, ſ. Amuleh.
Amelanchier Med. (Trauben-, Felſen—
birne), Gattung der Roſazeen, kleine Bäume und
Sträucher mit einfachen, — Blattern, weißen
Blüten in nidenden Trauben und beerenartigen
Früchten. Von den wenigen Arten in der nördlichen
tühlern Bone wächſt A. vulgaris Mönch (Aronia |
rotundifolia Pers., qemeine Felfenbirne, eng: |
liſche Mifpel) in Gebirgen Siid-und Mitteleuropas, |
im Naufajus und Nordafrifa. Sie hat ovale Blatter, |
ſtart riechende weiße Bliiten und blauſchwarze Früchte,
enthält in der Rinde Amygdalin und wird wie A.
canadensis Torr, et Gray (tanadiſche Felſen—
nitfpel), mit oben zugeſpitzten Blältern, als Zier—
ſtrauch fultiviert.
Ameland, niederlindijde, sur Proving Friesland
gehörige Inſel, 7 kim von Der Küſte, jest durch einen
Damm mit derjelben verbumbden (ſ. Karte ⸗Nieder—
laude<). Die Inſel, jest Halbinfel, ijt auger Dem ge:
wonnenen Land auf den Watten 49 qkm groß mit
(1900) 2261 Cinw., die in vier Dirfern leben und
Fiſcherei, Schiffahrt, Uderbau und Viehsucht treiben.
Amelia, 1) Inſel an der Oſtküſte von Florida und |
an der Miimdung des St. Marysfluſſes, 23 km tang,
6 km brett, mit Der Stadt Fernandina (jf. d.). —
Y) Stadt in derital. Provinz Kerugia, Kreis Terni, mit |
alten Ringmauern, Biſchofsſitz (leit dent 5. Jahrh.), |
bat ein Gyninafium, Sudthaus, Weinbau und (1901) |
etwa 6500 (als Gemeinde 10,589) Einw. A. ijt das |
Ameria Der Romer (Durdy den von Cicero verterdiqten |
Sertus Roscius befannt).
Amelie: les⸗ Bains cic. 1. a- dang), Badeort im |
ſranz. Depart. Ojtpyrenden, Urrond. Céret, im Techtal |
an ener Sweiglinie der Südbahn gelegen, 235 m
fi. WM, hat ſchon den Romern belannte Schweſel—
thermen von 31 —63°, drei qut eingerictete Bade-
anjtalten (eine fiir Militärs), Rerfert, ung von Bru-
yerepfeiien und (i901) 1340 Emw. Die Badefaijon
dauert vom Mai bis Ende Oftober, dod erlaubt das
milde Klima arte die Winterfirr. — Der Ort, frither |
Bains⸗d'Arles (nak dem nabe gelegenen Stadt. |
den Arles⸗ fur - Tech, f. d.), ijt nad der Gemahlin
erbautes fort.
Amelioration (fran3.), Verbeſſerung, beſonders
eines Grundſtücks; ſ. Bodenmelioration.
Amelforn , |. Spel.
Amelungen, ſ. Amaler. dorf.
Amelunxpborn, Ciſtercienſertloſter, ſ. Stadtolden-
Amen (hebr.), urſprünglich cine Befraftiqungs-
formel, foviel wie wahrlich, fo ijt es. Nach dem Ge-
braud) des Witen Tejtament3 wurde das A. jtebende
Fyormel der Aneignung und Vefraftiqung vorge-
jprodjener Eide, Verfluchungen, Geliibde, aud der
Lobpreifungen und Gebete (vgl. Pſalm 41, 14). Im
liturgiſchen Gebraud) der chriſtlichen Kirche wurde
dad Wort namentlich nad) dem Gebete des Herren und
nad den Einſetzungsworten des Abendmahls von
der ganjen Gemeinde gejproden. Allmahlich tit das
U. gu einer feierlichen Sdlupformel der Gebete und
ſogar älterer Notariatsurfunden geworden. Auch die
Mohammedaner haben das U. als Schlußformel an-
genommen.
Amende (franz., ſor. amangd’), Geldbuße, Geldſtrafe
(ſ. d.); A. honorable, Ebhrenerflairung (ſ. d.).
Amendement (franj., fer. amangy’ming, Uban-
derung3s-, Verbefferungsantrag, Verbejfe-
rungsvorjdlag), ein Untrag, der in einer Bers
jammiung, namentlid einer parlamentarijden Kör⸗
perſchaft, zum Swee der teilweifen Ubanderung einer
Borlage oder eines (Haupt⸗ Antrags qeitellt wird.
Geht nun wiederum gu einem folden A. cin Verbeſſe⸗
rungSantrag ein, fo fpridjt man von cinent Unter—
amendement (Sousamendement). Amendieren,
verbejfern, cin YW. embringen. Wmendierungs-
recht, das Recht der VolfSvertretung, zu emer Re—
gierungsvorlage Abinderungsantrage ju jtellen. Die
Art und Weife, wie das Umendierungsredt ausju-
üben ijt, beſtimmt die Geſchäftsordnung der betreffen-
den Körperſchaſt. Im deutiden Reichstag fonnen
Urnendentents zu Regierungsvorlagen und Initia—
‘tivantriigen der Ubgeordneten vor Schluß der Ber-
handlung über den fraglichen Gegenſtand eingebracht
werden, wenn fie nuit dieſem tn weſentlicher Ver⸗
bindung fteben; fie find dem Präſidenten ſchriftlich
qu fibergeben. ber Ubinderungsvoridlage, die dent
Reichstag nod nicht gedruckt vorlagen, muh, fofern
der handidriftlide Untrag angenonimen ward, in der
nächſten Sitzung nad erjolgter Druclequng und Ber-
teilung an die Mitglieder ohne Diskuſſion nochmals
abgejtimmt werden. Borlagen der verbiindeten Re-
qierungen und Anträge von VWbgeordneten fiber
Geſetzesvorſchläge bediirjen dreimaliger Beratung
oder Lefung. In der erjten Lefung, die ſich auf cine
allgemeine Dishiffion der Grundjage des Entwurfs
bejchriinft, fnnen Amendements nicht geſtellt werden.
Dagegen ijt dies in der Bwifdenjeit und bis zum
Schluß der zweiten Beratung, die fic) mit den em:
zelnen Artileln befaßt, zuläſſig. Solche Amendements
bedürfen leiner Unterſtützung. Kommt es zur dritten
Beratung, ſo bedürfen Verbeſſerungsanträge der
Unterſtüßung von 30 Mitgliedern. Anträge aus der
Witte des Reichstags, die feine Geſetzentwürfe ent-
halter, bediirjen nur einmaliger Beratung und Ab⸗
— ——— zu derartigen Anträgen
müſſen ebenfalls von 30 WMitgliedern unterſtützt und
unterſchrieben ſein. Nach der Geſchäftsordnung für
das öſterreichiſche Abgeordnetenhaus formen Ab⸗
anderungs⸗ und Zuſaßanträge nur bet der zweiten
Lefung während der Spesialdebatte gejtellt werden;
jie find, wenn fie von mindejtend 20 Mugliedern
Amenembet
(einſchließlich de3 Antragſtellers) unterſtützt werden,
in die Verhandlung einzubeziehen.
Amenemhet (griech, Amenemẽs), Name meh—
rerer — Könige der 12. Dynaſtie, am bekann⸗
teſten WL. IIL, von Manethos Lachares genannt, der
bet Hawaira im Fayiin eine Pyramide und einen
großen Tentpel, dad ſogen. Labyrinth (jf. d.), erbaut hat.
Amenhotep (Umenop his), Name mehrerer alt-
digypt. Könige der 18. Dynaftie. W. II. (am 1400
v. Shr.) ift berithmt alg Erbauer mebhrerer groper
dgyptifioer Heiligtitiner, unter andern des pradt-
vollen Tempel3 von Luffor; ihn ſtellen aud) die bei-
den, von den Griedjen Dem Memnon (jf. d.) zuge⸗
ſchriebenen Koloſſalſtatuen dar, die vor dem Toten-
tentpel ded Königs in Theben ftanden. Sein Sohn
A. IV. cin fanaliſcher Reformer, fudte die alte Reli-
gion gu befeitigen und den ausſchließlichen Dienſt
des Sonnengeſtirns einzuführen; er nannte ſich ſelbſt
Ech-en⸗ aton (Geiſt der Sonne), verbot den Dienſt
Amons und aller andern Götter, ließ ihre Namen
und Bilder vertilgen, verließ Theben und erbaute ſich
eine neue Reſidenz (Ruinen bei Tell ef Amarna).
Nach feinent Tode wurden feine Neuerungen wieder
befeitigt und fein Name auf den Monumenten aus-
getitat — A., Sohn des Paapis, ein Zeitgenoſſe
IIL, galt als ein groper Weifer und wurde in der
Ptolemäerzeit göttlich verebhrt.
Amenĩe, ſ. Amenorrhöe.
Amenorrhöe (Amenie, qried., »ohne Monats
fluß), das Ausbleiben der Menſtruation in der Feit
der Geſchlechtsreife. Diefer Zujtand ijt natiirlid) wäh—
rend der — — und der Dauer des Still⸗
qcidaftes. Zuweilen tritt die Menſtruation bei ſtillen⸗
den Frauen wieder ein, ohne daß eine Störung vorliegt.
Die krankhafte W. kann angeboren (Amenorrhoea pri-
maria, organica) oder erworben (A. secundaria, Sup-
pressio mensium) fein. Die Urſachen derjelben find
mangelhafte Entwidelung, bes. Fehlen der Gebär—
nutter oder der Eierjtide, mangelhafter Ernahrungs-
zujtand der Gebarmutter infolge entgiindlider Er—
franfungen der ——— oder infolge von All⸗
— — des Körpers, die eine Schwächung
Geſamtorganismus zur Folge haben, wie Bleich—
ſucht, Anämie, Fettſucht, afute (z. B. Typhus) und
chroniſche (z. B. Tuberkuloſe) Ynfettionstranfheiten.
Auch ohne nachweisbare organiſche, örtliche oder all-
emeine Urſachen kommt A. funktionelle YW.) nicht
—* bei erblich nervös belaſteten Individuen vor.
ud) ſtarle pſychiſche Erregung (heftiger Schrech) kann
zuweilen A. hervorrufen. Scheinbare A. tritt bei
angebornem oder erworbenem Verſchluß der Gebär⸗
mutter oder Scheide auf. Das Menſtrualblut ſammelt
ſich infolgedeſſen oberhalb der Verſchlußſtelle an, wo—
durch mehr oder weniger heftige Schmerzen hervor-
—— werden. Die Behandlung der krankhaften A.
ann nur auf Grund ſorgfältiger Unterſuchung der
Geſchlechtsorgane und des ganzen Körpers einſchließ⸗
lid) des Blutes vorgenommen werden. Ye nad) der
Urſache ihrer Entitehung wird fic) die Therapie bald
gegen ein drtlidjes Leiden, bald gegen cine Allgemein—
erfranfung oder ihre Folgezuſtände gu richten haben.
Amens (lat.), ſinnlos.
a mensa et toro (lat.), »von Tifd und Bett«
(qeichieden); f. Ehe.
Amentageen (Julifloren, Kätzchenträger),
difotyle Pflanzenordnung, umfaßt die Familien der
Betulazeen, Rupuliferen, Juglandazeen, Salifageen,
Myrilazeen, Kaſuarinazeen und Piperazeen und ijt
darafterifiert durch die in ein Kätzchen (lat. amentum,
— Amerika. 423
Daher WU.) vereinigten Bliiter und da8 oft unvoll-
ſtändige oder feblende Perigon, die freien Staubgefiige
und den aus 2—9 Frudtbhittern bejtehenden Frudt-
fnoten.
Amenthes, ägypt. Name fiir die Unterwelt,
eigentlic) Das »Wejtland«, weil fic) die Ägypter int
jten, wo die Sonne untergeht, die Wohnſlätte der
Toten dadten.
Amentie (fat. Amentia), »Sinnlofigtcit«, in der
— die Verwirrtheit.
mentum (Raden), ſ. Bliitenjtand.
Amentum (lat.), Wurf- oder Schwungriemen.
Amerbach (Emmerpad), Johannes, Bud-
druder und Buchhändler gu Bajel, geb. 1444 (1430)
in Umorbad, gejt. 25. Des. 1513. Er jtudierte, er-
warb in Paris den Magijtergrad und mag hier wohl
durd) Heynlin vom Stein (Jean de Lapide), den unt
die Einführung der Buddrucerfunjt dajelbjt ver-
dienten Humanijten, ein reges Intereſſe an der neuen
Runjt gewonnen haben. Ende der 1470er Jahre
fiedelte er nad) Bafel iiber; 1478 erſchien fein erjter
nachweisbarer Drud. A. wandte allen Fleiß auf die
Herjtellung forreft qedructer Werfe, wobei ihm Jo—
Hannes Froben als Korrektor nützliche Dienſte leijtete.
Sein Hauptwerk ijt die Gefamtausgabe der Schriften
ded Rirdenvaters Uuguitinus (1506). Val. Heig u.
Bernoullt, Basler Biidermarfen (Strahb. 1895).
Wmeria, |. Amelia 2).
American For’ City, Stadt im nordamerifan.
Staat Utah, Grafidaft Utah, ndrdlid vom Utabjec,
Bahnjtation, mit reiden Silber- und Bleigruben
und (1900) 2732 Cinw.
American Line (International Navigation
Company), ſ. Dampfſchiffahrt (Tertbeilage).
American Oriental Society, ſ. Aſiatiſche Ge-
ſellſchaften.
American Protective Association (abget.
A. P. A. Umetifanijder Sdhugverein<), cin Geheun-
bund in den Vereinigten Staaten von Nordamerifa,
— 1887 von dem Rechtsanwalt Bowers zu
linton in Jowa. Die Zahl der Mitglieder ſoll 21/2
bis 3 Mill. betragen. Der Bund fordert Beſchränkung
der Cinwanderung und Verlingerung der fiir Uus-
übung der biirgerliden Rechte erforderliden Frijt,
namentlid) aber bei volljter individueller religidjen
Freiheit Zurückdrängung der wadjenden Madt der
römiſch⸗ katholiſchen Rirde durch Beſteuerung ihrer
@iiter und Unjtalten und ſtaatliche Uberwachung aller
ihrer Qnjtitute; römiſche RNatholifen find von der
Mitgliedicdhaft der A. P. A. ausgeſchloſſen.
mericuds City, Hauptitadt der Graffdaft Sum-
ter Des nordamerifan. Staates Georgia, Bahnknoten⸗
punft, mit höhern Sdhulen, Wagenfabrif und (1900)
7674 Einw.
Amerighi (cigentlid Merifi), MidGel Ungelo,
ital. Maler, ſ. Caravaggio.
Amerigo Vefpueci, ſ. Vefpucci.
Amerika, das zuſammenhängende Fejtland der
weſtlichen Erdhalbfugel nebjt den dabei lieqenden
Inſeln, dad im W. vom Bacijifden, im O. und N.
vom Utlantifden Ozean und Nördlichen Eismeer be-
fpiilt wird, und das fid) nur in feinem äußerſten
Nordwejten (an der 92 km breiten Beringſtraße, ſ. d.)
nahezu mit dem — der öſtlichen Halbfugel be—
rührt. Von ſeinen Entdeckern und erſten Beſchreibern
urſprünglich ⸗Neue Welt« genannt (Petrus Martyr;
» Novus Orbis« und » Mondo Nuovo⸗, 1534), erhielt es
feinen Ramen A. durd) den deutfden Kosntographen
Waltzemüller, der die Entdedungen und Reiſeberichte
$24 Amerifa (allgemeiner Uberdlid).
des Floremtmners Amerigo Vefpucci (j. Befpucci) ftart ſchen Anden feien, berubt, ungeathtet veridnedenfacher
iberiipte, und den namentlid) der YUnflang an die | auf oberilidhder
Yemen der andern Erdteile (Afrila, Ujia) mit zu — — —
remem Soridiag dejtinunte. amerifa wabrend des großten Teils der ——
Wir den umliegenden Inſeln 41,850,000 qkm | mit Wien und Europa ju cinem grojen Rordtonti
mejjenh, nimuit A. reichlich 8 Proj. der gejamten und nent verwadjen, wabrend Siidamerifa viclleidet
a) Bro. der trodnen Erdoberfläche cin und ftebt dem —** mit Afrila und Auſtralien einen einbeit·
Erdieil Whiten nur um 2,3 Mill. q ag dem Fejtlande | Siidfontinent bildete. eae om lg agro
ber dithdben Halbfugel (83,2 Will qkm) aber 3iem- ay den beiden amerifaniiden Erdieilen in ihrem
lich genau um fein eignes Ausmaß nad. Ym iibrigen Bau gemeinfam, bei den Erdicilen der Witen Beit
zeichnet es ſich gegentiber der eng jufammengedring: tit aber Wbnliches der Frall. So liegen bei beiden aut
wen. oitwelithd gelagerten Fejtlandsmajje der Alten der Weſtſeite ndrdlic& oder nordnordweſtlich itrexhende
Belt vor allem durch feine ſchlanke horijontale Gejtalt Dodgebdirgssiige pon — gleicher Hdbe Acon
und durch ſeine gewaltige Langserſtreckung in der cagua in Sudamerila 6970 m, Mount Westinlen im
—— von —— bey can * was Nordamerifa 6238 m), die durch ibre ganje Ratur ex
mut vorwiegend no i Strei ſeiner vergleichsweiſe jugendliches Alter verraten und dem-
——* zuſammenhängt. Die Entfernung gemäß vor allem auch von den "tesa emes on
chen fener aͤußerſten Nordweſtſpitze (Rap Prinz vielen Orten bis in die Jetztzeit andauernden Vulfanis-
—— unter 65°34‘ nördl. Br. und 168° weit L.) und mus begleitet ſind. Der Ojten dagegen zeigt fd bet
jemer Siidfpige (Map Horn auf der Inſel Feuerland, beiden von nordöſtlich ſtreichenden Netien von febr
unter 55° 5 ſudl. Br.) betriigt 18,000 km, Ddiejenige , hohem Alter und von jtarf abgcidlivener Form und
zwiſchen feiner Nordfpige (Rap Murchiſon auf der Hobe beberridt (Itatiaioffu im bratiliicen Bergland
Boothia Felir, unter 72° ndrdl. Br.) und 2712 m, Mount Mitchell m den ſüdlichen Uppaladen
ferner feſtländiſchen Siidfpige (Map Froward, unter 2048 m). Zwiſchen den beiden Gedirgsipitemen aber
53° 54’ ſüdl. Br.) 14,500 km, wabrend die größte dehnen fic) in Nord- wie in Siidamerfa weite Riede-
- ————— zwiſchen Rap Prins Wales und Kap rungen und ſchwach erbobene Tajellandidaften aus,
Charles (im Labrador, unter 55° 40° weſtl. L.) nur in denen fid die vom jenen abrinnenden Gewajjer zu
5950 kim, und die Breiteneritredung zwiſchen Nap | Riefenjtromen fammein, dergeftalt, dak ſie einander in
Pariña in Südamerila (unter 81° 30 oth @.) und» jebr feltjamer Weiſe entipreden: La Plata und Wij
er 4 Branco (unter 34° 50’ weſtl. L.) nur 5200 km fijjippi, San Francisco und Loren;itrom, Mima
rs ny se haben auc alle Rlimajonen der | und SaStathewan-Reljon, Orinofo und
Erde, aufer der fidlid -falten, an A. ihren Ynteil. | Magdalenenjtrom und Yufon. Der weitaus qrogie
BWenn man A. gemeinhin als einen einbeitlichen | Teil des Abfluſſes wendet fich bei beiden Erdreilen
Erdteil bezeichnet und als ſolchen den Erdteilen Cue dem AUtlantijden Ozean mit dem Nördlichen Gasmeer
ropa, Ufien, Afrika und Auſtralien gegeniiberjtellt, ju. Mit den fraglicen Leitlinien ibres Grambdbaues
fo läßt fidy dies —* und allein durch das in der und der Konvergenz der Gebirgsiniteme und Haupt-
Entdedungs- und 4 Herat Sgefdhidhte begriindete | hebungsadjen gegen Silden bin bangt aud die all-
Herfommen rectfertigen. Jn den Naturverhaältniſſen gemeine Drei geſtalt der beiden Erdieile und ihre
und ebenſo in der kulturgeographiſchen Ausſtattung Sugetpiptheit gegen Silden zuſammen. Jn den Ein
ift eine Zweiteilung des Rontinents beinabe nod ent- | zelbeiten ergeben fich aber aus Dem Vergleich jtarfe
ſchiedener geqeben als bei der Alten Welt die Drei- —— aud) ſchon in einfach morphologiider
tetlung, ungeadhtet gewiſſer Ahnlichkeiten zwiſchen den Beziehung, und in der Armut ſeiner Küſtengliederung
beiden Halfien, undRNordamerifa adie wie Sid- | verleuqnet Siidamerifa nicht feme Lg ar zu
amerifa find in höherm Grade ſelbſtändige Erdteile der Gruppe der Süderdteile, wabrend Nordamerifa
als Europa, Aſien und Afrika. Die nur 60 km breite | mit dem grofen Reidtum der feinigen ein echter Nord-
Landenge von Panama erfdeint durd ihre Gejtalt erdteil ijt.
nidt blof, als ein fehr diinnes, fondern aud als cin | Hinſichtlich des Rlimas iit Südamerila Durch ſeine
ſeht loder gefntipftes Band sitchen beiden, und im | Lage und Uusbreitung in der Hauptſache etn Tropen⸗
Grunde genomimen erjtredt ſich die Dithmusgegend | erdteil, Rordamerifa aber ein Erdteil der ndrdlid ge
von ber Mtratontitnbung im nördlichen Siidamerifa | majigten Zone, und fiir die Organismenwelt —
bis nad) Tehuantepee int ſüdlichen Merifo, d. h. über | wie fiir die Kulturverhältniſſe iſt dies — —
4x0 km, das trennende Amerikaniſche Mittelmeer ders maßgebender Bedeutung. In der rganis-
yuriidyen ben beiden Erdteilen ijt aber ungleid) weiter | menwelt ijt aber vor allen Dingen der
ate bad Europäiſch-Afrikaniſche (zwiſchen der Daf Zwieſpalt in der Bildungsgeſchichte der beiden E>
© ppt und Wagdalenenjtrommiindung 2250 km). teile ſichtbar, und während die Tiere und Pflanzen
pibem iit die verbindende Landenge ſowohl bet Ba Nordamerifas in einem fo hoben Grade mit pe
nama ald aud) bei Tehuantepec jungen geologiſchen ij jenigen von Aſien und Europa fibercinjtummen, daj
Aiters und in ihrer heutigen eh alt erjt im Der fpa | in vielen Fallen (befonders bei der höbern Tierweit)
term Tertidr yet entitanden, wabrend cine breitere und nicht bloß bie Gattungen dieſelben find, fondern foyer
eewiqere Landverbindung in der friihen Tertide | die Arten, fo ijt bet Denjenigen von Siidamerifa
* ©40 norliberqehend vorhanden war. Das ganye | Berwandtidaft ju den afrilaniſchen und aujtraltiden
-*elgmerifa nebſt der In ſelwelt Weſtindiens Formen vielfach cine ſehr auffällige, wenn aud ent:
eth velo entwidelungsgefdidtliche Tatfa Nd ferntere. Cine teilweife Floren und
-* ™ Soeur duhern amd innern Ban cin ermoͤglichte zuerſt bie erwabnte Landverbindarng on
** * ‘ten Hord- und Suüdamerila, dem eine | Fruhternar und in der Folge die nod bejtebende und
ees veces tet wafommt, und dad von Demeinen | ut der Pliocänzeit wahrſcheinlich weſentlich aa
vivo ©ass “ort abmerht wie von dem ander. | Landverbindung des Ilthmus von Banama. Auf
— © s 00% oka, alé ob bie nordamerifanifden | bem Rilden Der Rordilleren gelangten fo cme ganye
Hw). sooo* «only tor Portletpung der fidamerifani- | Reihe von nordifden Pflanzen und Tieren bis nad
Amerifa (Entdeckungsgeſchichte).
Chile und Argentinien (unter legtern befonders die
Raubtiere, Hirſche und Lamas), während anderjeits
zahlreiche Vertreter der originellen fiidamerifanijden
ora und Fauna (neben den nod vorhandenen
Wiirteltieren und Ameiſenbären, namentlich auch die
feither ausgejtorbenen Gattungen Mylodon, Mega-
lonyx, Glyptodon, Chlamydotherium x.) Merifo
und das Gebiet der Nordamerifanijden Union er-
reidten. Im allgemeinen bewabhrten aber die beiden
Erdteile den Charafter ſpezifiſch voneinander verfdie-
Dener Florens und Faunenreide, und nur Mittel-
425
dem eigentlichen Sitdamerifa zuvörderſt nod) vielfad)
auf Mißtrauen und Wideritreben jtoken. So hatte
die Union 3. B. 1900 an dem Cinfuhrhandel von
Merifo mit 40 Proz., von Mittelamerifa mit 35 Proʒ.
von Wejtindien mit 20 Pro3., an dem Einfuhrhandel
von Siidamerifa im ganjen genommen aber nur mit
13 Broz. und an dem von Brafilien fowie von Ar—
gentinien nur mit 10 Broz. Anteil.
Die Vollszahl von gan; A. ijt fiir das Jahr 1900
auf 155,3 Mill. gu veranſchlagen, und zwar die—
jenige von Nordamerifa (einſchließlich Mittelame—
amerifa (j. dD.) wurde cin Ubergangsgebiet, in dem | rifas und Wejtindiens) auf 115 Mill. und diejenige
ndrdliche und ſüdliche Formen bunt dDurdeinander ge-
miſcht find. Die wejtindifde Tiers und Pflanzenwelt
bewabhrte cine — e Eigenart, weil dieſe Inſeln
in den jüngern geolo
wahrſcheinlich nie in feſtem —————— Nord⸗
oder Südamerila geſtanden haben (vgl. Weſtindien).
Wenn an der Raſſeneinheit der amerilaniſchen Ur—
bevölkerung (ſ. Amerikaniſche Volfer) tein ernſt⸗
licher Zweifel beſteht und ihre Herkunft aus Oſtaſien
(ielleicht bereits in der Tertiärzeit) als wahrſcheinlich
gelten muß, fo bat ſich in der durch Kolumbus ein-
geleiteten Entdeckungs· und Beſiedelungsgeſchichte von
vornherein der beitehende Dualismus m * ganzen
Stärte fühlbar gemacht. Die Spanier verſuchten im
allgemeinen nur in ſchwächlicher Weiſe ihr Entdecker⸗
recht aud) auf den Hauptlandforper Nordamerifas
auszudehnen, das cigentlidje Gediet ihrer großartigen
Koloniſationstätigkeit blieb das Itthmusland, dem im
weitejten Sinne das gefamte Mexilo zugerechnet wer-
den darf, fowie Wejtindien und Siidamerifa, das in
folder Weife das ſpaniſche W. oder unter Berückſich⸗
tiqung der portugieſiſchen Unteilnahme (in Brafilien)
dag Lateinifde WU. geworden ijt. Nordamerifa foloni-
fierten in Den Fußſtapfen von Verazzano, John und
Sebajtian Cabot, 3. Cartier und Walter Raleigh im
Wetteifer miteinander die Englander und Franjofen,
bis um die Mitte de3 18. Jahrb. die erjtern die enlſchie⸗
dene Dberhand gewannen und der Erdteil nad) Sprache
und Charafter feiner Bevdlferung das angelfaid-
jifdhe Nordamerifa genannt werden muf. Cine
Unndherung swifden den beiden einander fremdartig
gegeniiber jtehenden Rulturfreifen hat ſich befonders in
politifder und wirtfdaftlider Hinſicht vollzogen, feit
ſich Der Hauptteil Nordamerifas von der engliſchen und
derjenige Süd⸗ und Mittelamerifas von der fpanifden
Herrſchaft — gemacht hat. So ahmten die
neugebildeten ſüd⸗ und mittelamerikaniſchen Staaten
in ihren Verfaſſungen durchgängig die Verfaſſung
der Nordamerifanijcen Union nach, fo wurde der
Dollar in ihrem Weltverfehr mehr und mehr die maß—
qebende Münze, fo tagten in den legten Jahrzehnten
gur Beratung gemeinfamer Intereſſen wiederholt pan-
amerifanifde Kongreſſe, fo veranjtaltet man paname-
rifanijdhe Musjtellungen, und fo hat man den Plan
einer großen panamerifanifden Eiſenbahn von über
16,000 km ae welde die beiden Erdteile nahezu
in ihrer ganzen Langserjtredung von Rew Port und
Quebec bis nad) Buenos Wires durchſchneiden foll,
entworfen. Cine groge Energie und Agreſſionsluſt
bat bierbei namentlid) die Nordamerifanifde Union
entfaltet, die mit ihrer Monroedoftrin (j. Monroe
James) cine Art politijdhe Hegemonie gegeniiber
Süd⸗ u. Mittelamerifa beanſprucht fowie zugleich auch
eine Urt Welthandelsmonopol betreffs diefer Lander,
und die in diefer Beziehung wenigitens in der Uber-
gangsgegend manden unbejtreitharen Erfolg zu ver-
zeichnen gehabt bat, während ihre Bejtrebungen in
pon Sitdamerifa auf 40,3 Mill, fo dak der erjtere
Erdteil den letztern nahezu dreifad iiberragt. Bon
der Gefamtbevdlferung der Erde madt dte ameri-
ifchen Zeiten (nad) der Jurazeit) fanifde annihernd 10 Proj. aus. 1860 betrug die
Bahl fiir A. insgefamt 72 Mill., fiir Nordamerifa
5O Mill. und fiir Siidamerifa 22Mill. Die Zunahme
war alfo in Nordamerifa ungleich ftirfer als in
Siidamerifa, und das numeriſche Ubergewidt fdeint
mehr und mehr zu gunſten des erjtern in weiterer
Verſchiebung begriffen. Die Nordamerifanifde Union
insbef. zählle 1860 nur 31,4 Mill. Seelen oder 43,7
Proj}. von der Geſamtzahl, 1900 aber 76,1 Mill,
bes. 49,1 Broz., und die Stellung derjelben in der
Gruppe der amerifanifden Staaten ijt dadurch von
vornberein gefenngcidnet. — Schließlich unterſcheidet
ſich der angeiſachſiſche oder nordamerilaniſche Kultur⸗
kreis von dem lateiniſchen oder fiidamerifanijden ganz
beſonders nod) dadurch, daß an der Bildung der Volls⸗
lörper des letztern das eingeborne Indianerelement (in
Merifo, Mittelamerifa, Peru rc.) oder das eingeführte
MNegerelement (in Wejtindien, Brafilien rc.) einen viel
jtirfern Unteil genommen Hat als bei erjterm, und
aud) Darin Hat die Uberleqenheit Nordamerifas über
Siidamerifa fowie zugleich der Zwieſpalt zwiſchen
Norden und Silden eine der weſentlichſten Wurzeln.
Ulles Weitere f. in den ausfiihrlidern Gonderarti-
feln: Nordamerifa,Siidamerifa, Mittelame-
rifa und Weſtindien nebjt den beigeqebenen Rar-
ten. Die Literatur allgemeinern Inhalts und Karten
f. unten, S. 431.
Entdeckungsgeſchichte Umeritads,
[{Nordamerifa.] Sagen von ciner großen, im Weſt⸗
meer auferhalb der Saulen des Herfules geleqenen
Inſel Atlantis bei Platon, dann Diodors Bericht,
wonad Phöniler, vom Sturm verfdlagen, weit int
W. von Ufrifa ein fruchtbares, wohlbewäſſertes, wald-
reiches Eiland gefunden haben follen, geben ebenjo-
wenig wie die Trümmer altamerifanijder Kunſt, die
griechiſch- oder phonififd-agyptijdes Gepriige zu tra-
gen ſcheinen, cine Beredtiqung gu der Unnahme, daß
Der weſtliche Rontinent ſchon von Seefahrern de3 Al—
tertums gefunden worden fei. Auf die Möglichleit,
dak von China aus über Kamtſchatka und die Aleu—
ten ſchon im 5. Jahrh. n. Chr. Verbindungen mit A.
ftattgefunden haben finnen, bat De Guignes (Ver—
fajjer der Geſchichte der Mongolen) 1761 hingewiefen.
Er fuchte gu zeigen, dah die Chinefen W. unter dent
Namen Fufang gefannt hätten. Spätere Unter-
judungen (Mlaproth 1831, €. Naumann 1889, G.
Schlegel 1892) haben aber erwiefen, daß die geo-
raphifde Renntnis der Chinefen nicht über Sachalin
pinaudgereidt hat, und dak Fuſang einfach diefe In—
fel bezeichnet, während die neuerliche Auffindung an-
eblicher chineſiſcher Kulturhinterlaſſenſchaften in der
Be end der merxifanijden Caſas Grandes (1901) fei-
nerlei innern Halt gu haben ſcheint.
Von Curopa aus fanden juerjt die Normannen den
426
Weg nad A. Eric der Rote erreidte 983 von Is—
fand aus Grinland und qriindete an deſſen Weſtküſte
e.ne Kolonie, die ſpäter 2 Städte, 16 Kirchen, 2Klöſter
und 100 Weiler umfaßte und unter einem eignen Bi-
ſchof jtand. Im J. 1000 betrat Erichs Sohn Leif als
eriter Europäer A., verfolgte dieje Entdeckung weiter
und erreichte Helluland (Steinland), Marfland
(Waldland) und BVinland (Weinland, von der ameri-
fanifdjen Rebe). Yn der Folge wurden von Leifs Brii-
dern u. a. verfdiedene Vinlandfahrten fowie aud Be-
jiedelungsverjude unternommen, was ſowohl durch
alte Runenjteinfunde an der Ojtfiifte Nordamerifas
(bet Dighton ſ. d.], in Majfadufetts, bei Yarmouth
in Neufdottland und an der Baffinbai unter 73° nbrodl.
Vr.) als auch durch unanfedtbare isländiſche Auf—
zeichnungen bezeugt tit. Im 12. Jahrh. unternahm
ſogar ein Biſchof die Reiſe nach Vinland, und noch
1468 holten ſich die grönländiſchen Normannen aus
dem benachbarten Marfland nut ihren Schiffen Bau-
holz. Die Rormannentfolonien Grönlands gerieten
aber durch Seudjen, Hungersnot und Unbill des Kli—
mas fowie durch Ungriffe der Eslimo und Uusbleiben
des Nachſchubes aus dem Mutterland in fo argen Ver⸗
jall, daß die Uberlebenden ſchließlich in den Estimo |
aufgingen. Jn dem nordoftamerifanifden Weinland
batten
nern (»Sfrilingern«) ju blutigen Kämpfen gefiihrt,
jo daß die — * Siedelungen niemals zu größerer
Feſtigleit und Ausdehnung gediehen. So fonnte es
geſchehen, daß die Entdeckung der Normannen, von der
ie Kunde durch Adam von Bremen bis nach Deutſch—
land drang, die aber von niemand als ein großes Welt⸗
creignis entpfunden wurde, wieder gänzlich in Vergeſ⸗
jenheit geriet und cine bloke Borentdedung blieb.
Der Ruhm der eigentliden Entdeckung von A. ge-
biihrt alfo dem Genuefen Chriftoph Rolunrbus (jf. d.).
Wat drei drmlidh ausgeriijteten Karavellen fegelte er,
unt auf einem Wejtwege nad Chatay (China) und
Cipangu (Japan) gu gelangen, 3. Aug. 1492 von
Palos aus, betrat 12. Oft. die Bahamainjel Gua-
nahani (Watlings), 28. Oft. Cuba und 6. Dez. Haiti
(Difpaniola), wahrend er auf fener 1493 —96 unter-
nommenen zweiten Reife dazu die Inſeln über dem
BWinde, Puerto Rico und Jamailka, auf der dritten
(1498—1500) Trinidad und das fiidamerifanifde
Feſtland (Venezuela, Orinofodelta) und auf der vierten
(1502 —1504) das mittelamerifanifde Jithmustand
aujfand. Der Erfolg der erjten Reife wurde aber in
CTuropa als ein fo epochemachendes Ereiqnis empfun⸗
den, dak fid) andre angeregt fiihlten, dent Beifpiel
ded Rolumbus ju folgen, darunter John Cabot, ein
andrer Genuefe und feinem Landsmann an Unter:
nehmungsgeiſt verwandt, Der 1497 mit zwei von dem
englifdyen König Heinrid) VIL. erhaltenen Raravellen
und begleitet von feinem Sohn Sebajtian annähernd
Diefelben Geftade auffand, welde die Normannen
HOO Jahre friiber entdedt hatten (Neufundfand und
Yabrador), während Sebajtian Cabot nad dem Tode
ſeines Baters auf einer sweiten Fahrt sur Aufſuchung
einer nordweſtlichen Durchfahrt nad) China an der
Miijte von Labrador bis 58° nördl. Br. vordrang und
dann die Ojftfiijte von Nordamerifa mindejtens bis
jum Nap Hatteras ſüdwärts verfolgte. Desgleichen
unternabmen die Bortugiefen Gafpar und Miguel
Cortereal 1501 und 1502 Entdederfahrten nad Neu—
fundland, Neufdottland, Labrador ꝛc., und der Fiſch—
reidjtum der Neufundlandbänle lodte feit 1504 zahl⸗
reidhe basliſche, bretonifde und normannifde Fiſcher
dahin. Der franzöſiſche König Franz I. entfandte 1524
reits die erſten Berührungen mit den Qndia- |
Amerifa (Entdeckungsgeſchichte (Nordamerifa} bis gum 17. Jahrhundert).
den Florentiner Giovanni Verazzano und 1534 Jean
Cartier, und während erjterer die ganje Ojthiijte von
Nordamerifa zwiſchen Neufundland und 34° nördl. Br.
erforfdte und unter anderm in die New Yort-Bai und
Rarraganfetbai eindrang, legte lesterer am Loreny-
golf den Grundjtein gu cinem nordanterifanijden Neu⸗
nfreid) und erfannte im Lorengitrom, auf dem er
die Jndianerjtadt Hodjelaga (das nadmalige Mont-
real) erreidte, eine der natiirliden Hauptſtraßen in
das Innere des Erdteils. Wud) die Spanier bentiih-
ten fich in den erjten Jahrzehnten des 16. Jahrh. auf
das eifrigite, das durch Columbus eingeleitete Ent-
dDedungs- und Croberungswerl von Weytindien ans
nad) den verſchiedenen Hinrmelsridtimgen weiter aus.
gudehnen. So betraten Pinzon und Dias de Sols
1507 Yucatan, umfegelte Ocampo 1508 Cuba, ere
fpabte Balboa von emem Berg auf der Landenge
von Banama 1513 den Stillen Brean (Mar del Sur,
Siidfee) wid erreidjten Ferdinand von Cordoba und
Suan de Grijalva 1518 Campedye und Tabasco. Bor
allem aber fithrte Ferdinand Cortes (f. d.) 1519 fei
nen berithinten Bug gegen Mexifo aus, durch den er
das Reid) Montezumas jerjtdrte und der fpanifden
Herrſchaft einen erjten fejten Halt auf dem amerifa-
nifden Kontinent ſchuf. Pedro de Ulvarado croberte
1524 Guatemala und das Iſthmusland.
In der Ridhtung auf Rordamerifa gelangte Bonce
de Leon 1513 nad Florida, und WUlvare; Pineda ume
fubr zur Aufſuchung einer wejtliden Durchfahrt den
Golf von Werifo 1518 (oder 1519) in ſeiner ganzen
Ausdehnung. Der Sug von Panfilo de Narvaes durch
die nordamerifanijde Golfniederung (1528) endigte
mit dem Untergang der jftattlicjen Expedition, und
ãhnliches war der Fall mit dem groken Zug von Her:
nando de Soto durd) Georgia und Tenneſſee zum
Miffiffippi (1539— 42). Ebenfo batten die Fabrien
von Ejteban Gomes; und Basque; Uyllon (1524 —
1526) an der atlantijden Küſte bis gegen Nap Hatte-
ras feine weitere Folge. Erfolgreidher wurde unter
der Führung und titigen Unteilnabme von Ferdinand
Cortes; in dem fordillerifden Teile von Nordamerifa
qejoridt, und während durd Mendoza (1531), Gri—
jalva (1533), Francisco de Ulloa (1539) und Fer-
nando de Ularcon (1540) der Kaliforniſche Golf und
Die niederfalifornifde Halbinfel befannt wurden, un-
terwarf Guzman das ganje nördliche Merifo (1530),
und führte Coronado cine große Uberianderpedition
nad) den fagenbhaften » Sieben Stadten von Quivira ⸗
(1540—42), dabei einen erjten Cinblid in die trojtlofe
Wiijtennatur der Plateaus von Arizona und Rew
Mexico und ihre großartigen Cañonſchluchten gewin⸗
nend. An der pacififden Riijte Drang Cabrillo (1542)
bis gegen das Goldene Tor und Rap Mendocino vor.
Fuͤr England batten die Fahrten der beiden Cabots
feinerlet qreifbare Friichte mit fid) gebradt, wabrend
die erſten franzöſiſchen Nolonifationsverfude am Lo⸗
renzſtrom traurig geicheitert waren. Infolgedeſſen
eſchah von Ddiefer Seite lange nidts, die gemadten
ntdedungen weiter zu verfolgen. Erjt Martin Fro-
bifher (1576-—78) und John Davis (1585. -87) naly
men die Bemühungen um eine nordwejtlide Durd-
fabrt nad China und Ojtindien von nenem auf ({.Nord.
polarerpeditionen), und Henry Hudfon — dabei
1609 auf dem nad ihm benannten Strom bis Albany
binnenwirts, in Der nad) ibm benannten Hudfonbar
aber 1610 bis in den ſüdlichſten Winkel, wabhrend
Humphrey Gilbert 1583 Neufundland fiir England
in Beſitz nahm und Gosnold und Bring 1602—1606
die Küſten Neuenglands auf ihre Befiedelungsfabig-
Amerifa (Entdecungsgejdhichte (Nordamerita]: 17.—19. Jahrhundert).
fcit unterjudten. Cin von Franfreid aus unternom-
mener Rolonifationsverfud) in Nordoſtflorida (1562
bis 1564) fiibrte zur Niedermetzelung der Nolonijten
durd) die Spanier, und cine erjte englifde Kolonie,
die Walter Raleigh Soa ——87) durch Amadas und
Barlow auf der nordfarolinifden Küſteninſel Roanoke
ins Leben rief, ging durch die Ungriffe der Eingebor-
nen fpurlos ju Grunde. Die erjte dauernde Nolonie-
griindung der Englander war Jamestown in Virgi-
nien durch John Smith 1607, die der Franzoſen Due-
bee Durd) Champlain 1608, während die Griindung
von Rew York (Neu⸗Amſterdam) durd) die Hollander
1614, von Plymouth durd) die Pilgrimväter 1620 er-
jolgte. Das Vordringen in das Innere von der fo
gewonnenen Baſis erfolgte aber nur auf dem Loren3-
und Ottawajtrom einigermaßen raſch, da allenthal-
ben die Feindſchaft der Indianer zu gewärtigen war.
Champlain erreidte 1615 den Huronenjee, Nicolet
1635 den Michiganſee und Raymbault 1641 den
Obern See. Die —————— Menard (1661),
Marquette und Joliet (1673) und Hennepin (1680)
—— dann zum obern Miſſiſſippi, und der Ritter
Salle war 1673—87 raſtlos tätig, dieſen Strom
fowie das Illinois- und Obiogebiet genauer zu er-
forfdjen und die franzöſiſche Herrjdaft bid hinab gur
Miſſiſſippimündung, die er 1682 auf einer Talfabhrt
crreichte, zu befejtigen. Sein Werk wurde in der Golj-
egend befonders von Yberville (1705), die wifjen-
chajtliche Forſchung im N. aber von Charlevoix (1720
bis 1744) weiter fortgeſetzt. Niverville (1751) und
BVerenderye (1755) gelangten aud) an das Felfen-
ebirge, von Dem Schone 1689 Die erjte unde aus
— — gewonnen hatte.
Die Griindung von St. Auguſtine in Florida durch
die Spanier (1565) hatte fein tieferes Cindringen in
bag innere Land zur Folge, ebenfowenig die Griin-
tung von Benfacola (1696). Die Griindung von
Santa Fé durch Oriate (1611) führte erjt 1776 gu dem
Vordringen Escalantes bis an den Großen Salzſee. —
Etwas eifriger wurde unter ſpaniſcher Ägide nur in
Nalifornien und an den Küſten des Stillen Ozeans
geforſcht, von wo namentlich die Fahrten Velascos
(1564), De Fucas (1592) und Biscainos (1595 —
1603) fowie die Mifjionsreifen der Jeſuiten Kuhn
(Rino, 1683—1703), Salvatierra (1697), Sedelmayer
(1714) und Conjac (1746) fowie des Franziskaners
Serra (1769) und die damit verknüpfte Griindung
voit San Diego (1769), Monterey (1770), San Fran-
ci8co (1776), Los Ungeles (1791) gu verzeichnen find.
Von den britifden Siedelungen an der atlantifden
Kiijte gelangten die Herrnhuter Glaubensboten Pojt
und Seisberger erjt um 1750 nad dem mittlern Ohio
und wenig fpdter aud die Bioniere Boone, Henderjon
und Udair, während William Bartram 1773 eine wif-
ſenſchaftliche Forſchungsreiſe in den ſüdlichen Appa—
laden, in Florida und in der Golfniederung aus-
führte. Um die gleide Zeit war die endgiiltige Ver—
drängung der franzöſiſchen Herrjdaft aus Kanada
und vom obern Miſſiſſippi erfolgt, und infolgedeffen
ijt die Entſchleierung der weiter wejtlid uae nörd⸗
lich gelegenen Landſchaften von da ab weſentlich
britifdjen Reiſenden zu verdanfen: Hearne drang
1770 bis gum Kupferminenfluß, Carver 1766 fowie
Thompjon feit 1784 tief in das Felfengebirge und
Mackenzie 1789 in das Gebiet des nad ibm benann-
ten Stromes fowie nad) dem Stillen Ozean. Rur
See hatte Frans Drake bereits 1578 einen Vorſtoß bis
an die Riljte von Oregon ausgeführt und die Gegend
al8 Reu-WUlbion fiir England in Anſpruch genommen.
t
427
Dann blieben die Fahrten in den nordiweftliden Ge-
wäſſern aber ruffifden Expeditionen überlaſſen: unter
Deſhnew, der 1648 die Beringſtraße durchfuhr, Bee
ring (1728— 41), Tſchirilow (1741); und erjt Cook
(1778), Gray (1791) und Vancouver (1792) nabmen
Die angelſächſiſchen Bemühungen daſelbſt mit Nach—
druck wieder auf, ungefähr zu der gleichen Zeit, als
aud) bie Spanier durch Peres (1774), Martine; (1788),
Quadra und Malafpina (1791) wieder größern Cijer
zeigten und unter La Perouſe (1786) auch cine fran—
zöſiſche Expedition dahin entfandt wurde.
Vin Unfang de3 19. Jahrb. trat die Forſchungs—
arbeit in Nordamerifa in cin verindertes Stadium
dadurd, daß die Bentralregierung fowie die Cinjel-
regicrungen der BVereinigten Staaten fic) ihrer in kräf⸗
tigiter Weiſe annahmen. So zogen auf Th. Jefferſons
Betrieh Lewis und Clarf 1803-—1805 vom Gebiete
des Miffouri zum untern Columbia, Pife aber er—
forjdjte im Wujtrag des Kriegsminijters 1805— 1807
das Felfengebirge von Colorado und Rew Mexico,
Long (1819—23) das Felfengebirge und fein Prärien⸗
vorland fowie das obere Miſſiſſippigebiet, Bonneville
(1882—86) Utah und Nevada, Featherjtonaugh (1834
bis 1835) die Ozark· und mittlere Präriegegend, Scool⸗
craft (1832) und Nicollet (1836—40) die Miſſiſſippi⸗
quellgegend, Owen (1837-47) Wisconjin, Fremont
(1842—45) den mittlern Überiandweg nad) Ralifor-
nien, Wislicenus (1846) New Mexico, Whitney (1847
bis 1850) die Uferlandidaften des Obern Sees und
feit 1860) die Sierra Nevada und das falifornijde
jtengebirge, Stansbury (1849 50) die Salzſee—
egend, Marcy (1851-—52) und Emory (1855-56)
ees und die merifanifde Grenzgegend, Whipple jo-
wie Grunijfon und Bedwith (1853 — 54) das Hoch—
gebirge an den — aeit Woe des Arlanſas, Cooke (1846)
und Williamfon mit Barfe und Abbott (1853 — 55)
die Wüſten und Gebirge Kaliforniens, Yves nuit New—
berry und Möllhauſen (1857—59) die Colvrado-Ca-
ñons und Coloradoplateaus und Warren (1857) fo-
wie Jenney (1875) die Blac Hills von Dafota. Yn
—3 Stil angelegt und ergebnisreich waren aber
ie Expeditionen Rings am 40. Parallelkreiſe (1867
bi 1872), Wheelers am 100. wejtliden Meridian
(1871—79), Powells auf dem Colorado (1869) und
Haydens nad der wejtliden Prärie und Dem nörd—
lichen Felfengebirge (1869-72). Dieſe Expeditionen
führten aud) zur Organijation der vereinsjtaatliden
Geological and Geographical Survey mit ihrem ſtatt⸗
lidjen Stab von Gelehrten, in deren Handen die qriind-
lichere Durchforſchung des Unionsgebicts feither ge-
legen hat. Unger Hayden und Powell waren darun—
ter hervorragend: Gilbert, Rujfell, Dutton, Gannett,
Walcott, Mc Gee, Hayes, Campbell, Becter, Diller,
Lindgren, Turner u. a. Die ſyſtematiſchen Küſten—
aufnabmen und BVermefjungen der Coast and Geo-
detic Survey datieren jeit 1807, wurden 1848 auf die
pacifiſche Küſte ausgedehnt und führten 1872—97 ju
einer großen transkontinentalen Triangulation (un—
ter 39° nördl. Br.). Bon den Strömen wurde der
Miffiffippi feit 1879 den Beobadhtungen einer befon-
dern Konmiſſion unterjtellt, feit 1888 hat aber eine
hydrographiſche Ubteilung der Geological Survey
foldje Beobadjtungen auf alle andern Ströme aus—
qedehnt. An Forjdungsreifen eingelner im Unions-
gebiet find aber nod) gu verzeichnen die von Michaux
(1802 und 1803), Bromme (1832), Lyell (1841 und
1845), Guyot (1860 —90) und Dedert (1884 — 99)
im appalacifden Gebirgs- und Niederlande, die des
Prinzen von Wied (1832 — 33) im Obive und Miſ—⸗
428
fourigebiet und die des Botanifer3 Nuttall (feit 1810),
des Ornithologen Audubon (feit 1810) und des Ethno-
logen Catlin (feit 1832) fajt in der ganjzen Uusdeh-
ming der dDamaligen Union.
In dem britijdhen Nordamerifa galten die Unftren-
gungen in der erjten Halfte des 19. Jahrb. vor allem
nod der Fejtitellung der ndrdliden Umrißlinie des
Kontinents und der nordweſtlichen Durdjahrt, und!
es wurden ju diefem Bwee die beriihmten Expeditio- |
nen von Rof und Barry (1818—35), Franflin und
Richardſon (1819—26), Bact (1832—34), Deafe und
Simpjon (1837—39), Franflin und Crozier (1846—
1848), Rae (1846 —47) und Me Chure (1851—53) |
unternommen. Nicht minder wurde aber im Innern
der LandeSnatur fowie der Beſiedelungsfähigleit und
den Hilfsquellen nadgeforidt, durch Gesner (1838)
in Neubraunjdweig und Reufdottland, Logan (eit
1842) im Lorenjgebiet, Hind und J. W. Dawson
(1857) am Winnipegjee, Ballifer (1857) am Sasfa-
thewan und im Fellengebirge, Lord (1860) in Bri-
tiidh- Columbia. Unter Logan wurde aud die fana-
diſche Geological und Natural History Survey ins |
Leben gerufen, und deren Leitern und Mitgliedern ijt
die Erweiterung und Vertiefung der Landeskenntnis
in der zweiten Hälfte de3 19. Jabrh. ganz wejentlic |
ju danfen: Selwyn, G. M. Dawfon (jeit 1874),
WMeConnell und Ogilvie in der Kordillerengegend bis
zum Suton, R. Bell (feit 1857), Macoun, Low und
Tyrrell in den Landjdaften an der Hudfonbai und
auf der Halbinfel Labrador. Im übrigen madten der
Miſſionar Petitot fowie WM. Bell am Groen Bären—
jee und Bife (1889) fowie Hanbury (1898) nördlich
und djtlid) vom Groen Sflavenfee, Wilcor, Coleman |
und Collie auf den Selfirt und Rody Mountains Be- |
obadhtungen.
Wlasfa und das Julongebiet durchforſchten zuerſt
die Hudfonbaibeamten R. Campbell und J. Bell
(1840 —47) und der Ruſſe Sagoffin (1842 — 44),
ferner Dall (feit 1865), Whymper (1867), Raymond
(1869), Rrauje (1882), Schwatla (1883), Allen (1887);
die Eliagalpen insbef. Narr (1890), Rujfell (feit 1891)
und der Bring Luigi Umadeo von Savoyen (1897),
weld lesterm die Erjteiqung des höchſten Gipfels ge:
fang. Cine Yira eifrigiter Entdederarbeit begann
daſelbſt aber mit der Erſchließung der Goldfelder von |
Rlondife (7. d.), und namentlich Dehnten die vereins
ſtaatliche ebenfo wie die kanadiſche LandeSunterfu-
dung ihre Aufnahmen durch Dall, Beder, Haves, |
McConnell, Schrader, Brooks u. a. nunmehr auf die |
unwirtlichſten Landjtride am Rap Prins Wales und
im innern Gebirgsland aus.
Im fpanifden Nordamerifa war der Entdedergeiit
nad) der vollendeten Conquijta gründlich erlahmt,
und erjt um oe de3 19. Jabrh., als das kurz—
fichtige ſpaniſche Kolonialſyſtem bereits zu wanken
begann, geſchah daſelbſt wieder Nennenswertes. Vor
allem ſtellte A. v. Humboldt 1801 und 1804 auf Cuba
und 1803 in Merifo bahnbrechende Beobadhtungen
an, und in feinen Fubitapfen gingen auf der weſt—
indiſchen Hauptinfel De la Saqra (1842), Roey (1851),
Picardo (1854) und De fa Torre (1856), in Merifo
aber Wurfart (1825 -- 34), Mühlenpfordt (1827),
Peller (1845), v. Miller (1856) fowie Dollfus und
Wontjerrat (1862) und in Mittelamerifa Wagner und
Scherzer (1853) einber. Wis neuere Forſchungsrei
fende, die das Wiſſen von dem Erdraum auf die Höhe
der Gegenwart ju bringen bemüht waren, ſchloſſen
fich aber an: Gundlad) auf Cuba (1842—96), Gabb
auf Haiti fowie m Mittelamerifa (feit 1869), v. Eggers
Amerifa (Entdeckungsgeſchichte Siidamerifas).
und Cleve auf den Jungferninſeln und Buerto Rico
(1875), A. Agaſſiz auf den Bahamas (1877), Martin
auf den niederlindifden Yntillen (1884), Hill auf
Cuba und Qamaifa (1894), Dedert auf Cuba, Haiti
und den Inſeln iiber Dem Winde (feit 1896), Charnay
(feit 1858), Lenf (1887), Seler (feit 1887) in Merifo
und Rodjtroh (1878), Stoll (1878—83), Bittier (1890)
und Sapper (1888 —-99) in Mittelamerifa. In Mexilo
wurde 1888 aud) cine fyjtematifde Landesunterfu-
dung organifiert, in welder Barcena, Uguilera und
Ordoñez in hervorragender Weife tätig waren.
[Siidamerifa.] Nad den Foridungsreifen de3
Rolumbus entdedte der Portugiefe Cabral auf der
Fahrt nad Ojtindien 1500 Teile der brafilifden Ojt-
tiijte, die aber fdjon vor ibm Vicente Pinzon berührt
atte. 1501 fanden die Portugieſen auf einer zweiten
Erpedition das Rap San Roque und drangen ſchon
damals weit ſüdwärts vor (bid fiber den 50.° fad.
Br., vielleidht bis Siidgeorgien). 1503 fand eine drit'e
Expedition mit dem Ytaltener Umerigo Vefpucci an
Bord die Ynfel Fernando Noronha und die Budht
pon Babia auf. Bejpucci hatte bereits 1499 die Spa-
nier Wlonfo de Hojeda und Juan de la Cofa auf der
Fahrt von der Amazonasmündung und Guayana nad
Trinidad, Curaſſad und Venezuela bis zur Goajira-
halbinfel begleitet; er verfaßte Drei Berichte, der dritte
wurde feit 1504 in mehrere Spraden überſetzt und
als Flugblatt verbreitet, feit der 3. T. gefälſchten Aus
qabe fener Reijeberidhte vom Jahre 1507 biirgerte
nd der Name Umerifa cin. Die Spanier Pinzon,
R. de las Bajtidas, A. de Hojeda madten feit 1500
zunächſt an der Nordfiijte von Siidamerifa weitere
Entdecdungen von Santa Marta, Cartagena und San
Sebajtian aus, 1508 gelangten D. de Solis und
V. Y. Pinjon bis zum 40.° ſüdl. Br., alfo über den
La Plata hinaus, der felbjt jedod) erſt 1515 entdertt
wurde, Franz Pizarro, Diego de Ulmagro und de
Luque Drangen feit 1524 von Panama aus bis Peru
vor. Pizarro eroberte Cuzco 1533, Belalcayar Duito,
Wimagro qelangte 1539 bis zum Rio Marile im fiid-
lichen Chile, wahrend der Portugieſe Magalhäes be
reits 1520 die nad) ihm benannte Straße durchſegelt
hatte. So war unt 1540 der Umriß von Siitdamerifa
entſchleiert, in das Innere drangen die Konquiſtadoren
erſt allmählich vor, beſonders in Venezuela, Kolumbien
ſowie tm Gebiete des Orinofo, Amazonas (Orellana
1540) und des Rio La Plata (Pedro de Mendoza).
Bon 1550—1800 wurden im ganjen nur geringe
Fortſchritte in Der Erforſchung Siidamerifas gemadh’.
So fubr 3. B. Bouguer 1743 den Magdalena ab
warts, La Condamine 1744 den Umajonenjtrom nad
Vollendung der von ihnen geleiteten Gradmeffung
in Peru (1736—42). Neues Leben erbhielt die Ent
decklungsgeſchichte von Sildamerifa erjt durch die epoche
madenden Reifen, die Wlerander v. Humboldt
und Bonpland von 1799-1803 ausfiibrten; dieſe
erforidten namentlid) Ojtvenezuela, den Orinofo und
Rio Negro (1799) fowie Nulumbien (1801), Ecuador
(1802) und Beru und brachten grokartige Gamum-
lungen nach Europa beim (f. A. v. Huntboldt). Bor
1811 —14 bereijten fodann v. Eſchwege, 1815 —17
dev Bring Max ju Wied (Neuwied), 1817—20 Spir
und Martius Brafilien, ihnen —— die Franzoſen
Saint «Hilaire (181622), d'Orbigny (1826 —33),
der Sachje Pdppig (1826—31), leptere drangen auch
in das Andengebiet tiefer ein, wie der Ire Pentland
(1826 — 39), le Schweizer J. J. v. Tichudi (1838
bis 1842) und der Bayer E. v. Vibra (1849 —- 52)
Peru, Bolivia und Chile naber durcdhforidten. Im
KARTEN zur GESC
1783 2 ID en valde “VSL u. ZENT
“— aharmal” Gos Cayoe) 402 span
Barve —— erst 18 bent
a7 —— ny
— x —
— —
|
10
a ii — —
—_J Spaniseh = — Poriucieaisch
Ariuseh | Niederlindiseb,
CL) Franzdsisch CJ Russinch
LD Schwedisch
i ae
ert
SUDAMERIKA
ecit Ih1lO
Mafistab 1100000000 F9 +
— —
Digitized by Google
. c
HCHTE AMERIKAS.
* + 4 ar
’ i DIF i} KOLONIALSTAATEN
getaul? ‘ | 2 1607-17383
—— Mafistab 1: 24000000
e— —— too
— 4% eer ——
— Conneruru Mase -
~~ dag Unians- * D+ Delaware Maéuachueetts |)
— — AAMarxlanu Heithode Inland |
‘ Me den Staaten 1 Orten baigeMgin
Zahlen bercrchien fh Ordnilungyahr
- — 4 — — — go
AT LAM ES C aE By |
* a /
te >) Bahama I" wo “ill
+h 3 9 — Cayou) DA a 7 z
— ae A OLEAW
— 2 —EE —V ——— wy
fe AS (Conception } YY
—*
al
ile
*
No —
oo CN igeurngr
— i
2 ‘ wii"
) r
Tore hd ont Oe
a zurla
oy:
— — — — >
ZENTRAL- AMERIKA
eifung || 4 wichtigsten Entdeckungsreisen!
ee —— Mafateb 10 37 SOO O00 ~
| — — —* —
fede testes TS — ⸗
| LMetae dew ge ~ — 4 2
— 5
ot vr thle - 1504 ———— RIiRU C Fi |
- = — — — — — — — — — — —
2 w Co 70 oo
Digitized. by Google
A C
Amerifa (Staatenbildungen).
Gebiete des Amazonas waren befonders die Englinder
Smith und Lowe (1834 —36) fowie die Expeditionen
des — Adalbert von Preußen (1842) und des
Grafen Cajtelnau (1843 — 47) tatig, in Batagonien
Ch. Darvin (1833), in Guayana die Gebriider Robert
und Richard Schoniburgk (1835—38 und 1840—44),
J. Uppun (feit 1849), in Surinam Kappler, in BVene-
juela A. Codazzi und H. Karſten, in Rolumbien fdon
vor den beiden letztern Boufjingault, in Peru Cle-
men3 R. Marfham (1852 —54 und 1860 — 62), J.
&. Haßlarl (1853 —54) und UW. Raimondi, in Chile
R. Pbilipps (feit 1853), UW. Piffis (1848—76), der
—— Domeyfo (1856 —86) u. a.; in Argen⸗
tinien H. Burmeijter, in Paraguay Page (1853—56),
Day (1853), Mouſſy (1854—59). Mit dem Ausgang
der 1860er Jahre kommt die Erforjdung von Süd—
amerifa in ein rafderes Tempo. Yn Guayana un—
terjudt Broufeau 1888 den Maroni, Coudreau 1889
den Oyapol, Niederländiſch-Guayana bereifen 1885
%. Martin u. ten Kate, Britiſch Guayana F. im Thurm
(1884) und Whiteley (1885), das veneguclifde und
Seer Suds s perenne uta) In Braſilien
und den weſtlich angrenzenden Staaten hat die Er—
forſchung des Amazonas und feiner Suilife viele
Forſcher feit Den 60er Jahren beſchäftigt, wie Agaſſiz
(1865—66), Chandleh( 187 1—72), Hartt( 1870—71);
den Beni erforfdte Heath (1880 -—81) von La Pay
aus, 1882 Oberſt Churd); das Gebiet zwiſchen ——
und Huallaga erkundete Ch. Wiener 1880—81, Sel-
fridge nahm den untern Madeira auf, Coudreau
erforidte 1I884—85 den Rio Branco, K. von den
Steinen unternahm mit W. von den Steinen und
Cauß 1884.85 feine erjte fo ergebnisreide Xinguireife
vom Ouellqebiet her, 1885/86 fubr Ehrenreich den
Tofantins hinab, 1887 folgte die zweite Xinguireife,
be K. von den Steinen mit Vogel und Chrenreid
durchführte in das Ouellgebiet des Batovy und Nu-
lifeu; Ebrenreid) befuhr 1888 den Mragquaya; 1896
hat Coudreau von der Miindung her den Xingu bereijt,
bejonders aber liek fid) Herrmann Meyer auf zwei
Erpeditionen 1896 und 1899—1900 die genauere Er-
forjdjung des Xingu angelegen fein. Bom iibrigen
Brafilien find namentlid die von der deutſchen Cin-
Wanderung bevorjzugten fiidliden Staaten genauer
befannt qeworbden, befonders Rio Grande und Santa
Catharina. Yn Urgentinienfinddie gebirgigen Teile
namentlid) von A. Stelyner (1872—73), W. Brade-
buf (1875— 88), Hauthal u. a. näher erforjdt wor: |
den; Fontana unterfudte 1875—81 den Chaco, den
Bilcomayo erforjdten Crevaur (geft. 1882), Baldrich,
Majata, Thouar (1883) und Feilbery (1884—86),
den untern Aguaray-Guazu entdedte Fernandes
(1886), Den obern Barand erforfdte Bove (1883—84).
Den grofen Binnenfee Mar Chiquita fand v. Grumb—
fow (1891) 87 km lanq und 50 km breit, 1899 be-
reijte Burdhardt (mit 5 rli) einen Teil der argen-
tinifden Anden zwiſchen Las Lajao und Caracautie.
In Bataqonien foridten 1869-70 Mujters, 1875
bis 1879 Moreno, 1876 —79 Moyano und Ramon
Yijta, am Oſtabhang der Unden 1880 Oberſt Hot,
1882-83 General Villegas, 1887-—88 Fontana,
1888 —89 YW. del Cajtillo, den Rio Negro befuhr 1881
Obligado und 1883—84 O'Connor, Steinmann drang
1883 von der Magalhdedsjtrake lings der Kordille—
ren bis 51° 40° fiidl. Br. vor; aud) Cajtillo unterfudte
1886 die Andenhänge im S., wahrend Fontana den
Rio Chubut erforſchte. Neuerdings find durd die
Geengitreitigteiten zwiſchen Urgentinien und Chile sahl- | J”
reiche Expeditionen sur genauern Erfundung ded filde *
429
liden Patagonien und des Feuerlandes veranlajt wor-
den. Hier madten Bove (1882 und 1884), Lijta (1886),
Roujjou und Willems (1889—92), Hatſcher auf drei
Reifen (von 1896—99) und O. Nordenſtjöld (1898)
widtige Beobadtungen. Jn Chile war 1883 Stein-
mann titiq, Bertrand erforfdte 1884 das ganze Wtacas
maplateau; dort arbeitete aud) Philipp 1885, Sanfelice
erjtieg 1886 den Vulkan Licancaur, Güßfeldt (1884)
und Plagemann (1888) forfdten in den mittlert Kor⸗
Dilleren und erjtiegen fajt den Uconcaqua, den Zurbrig-
en und Bienes 1897 gang erfletterten. Die chileniſche
ine nahm regen Unteil an der Erforſchung der In—
ſeln, und verjdiedene von der Regierung unterjtiigte
Expeditionen haben die Renntnis des weſtlichen Undes-
—5 ſehr gefördert, namentlich ſind Steffen 1895 ant
io Puelo, 1898 am Rio Bale, Fiſcher (1897/98), Kril-
ger (1898), Halder und Peterſen, Reiche, Pohlmann
und Vergara (1900) zu nennen. Jn Bolivia madte
Mindin topographiſche Aufnahmen, Cerceau unter-
nahm feit 1891 gripere Reijen, und Conway erjtieg
1898 den Illimani. Jn Peru, Ecuador und Ko—
lumbien haben von 1868—76 W. Reiff und A.
Stiibel cingehenden topographijden, geologifden und
rs ae ber pales Studien obgelegen, die fiir Ecuador
Th. Wolf in jahrzehntclanger Urbeit vervolljtindigte.
Whymper bejtieg 1880 viele Berge, ——
wird durch die ———— Offiziere Maurain und
Lacombe die frühere Erdmeſſung von 1736 erneuert
und weiter ausgedehnt. Jn Kolumbien hat A. Hett-
ner 1883 und 1884 ausgedehnte Gebiete der Ojtfor-
dillere bereijt, in der Sentralfordillere fiihrte F. v.
Schenck 1878 — 80 zahlreiche Höhenmeſſungen aus,
Fr. Regel durchzog 1896—97 von Medellin aus na—
mentlich das Bergland von Antioquia, die Sierra
Nevada bereiſte W. Sievers 1886, fein hauptſächlichſtes
Forſchungsgebiet bildete jedod) Venezuela 1884/85
und 1895.
Staatenbildungen.
Gierzu Beilage: »Rarten zur Gefdidte Amerifas<.)
Faſt drei Jabrhunderte nad) der Entdeckung blieb
A. unter der Herrfdaft der europäiſchen Lander, von
denen die Entdeckung ausqeqangen war, und wurde
von ibnen ausgebeutet. Soexick beſaß gong Mittel-
amerifa mit Einſchluß von Kalifornien, Rew Mexico
und Teras fowie den gangen Wejten und Norden, bei-
nahe zwei Drittel von Ciidamerifa, Portugal den
Oſten diejes Teiles, das jepige Brafilien. Jn Nord
amerifa beſaßen die Rufjen den äußerſten, nad Sibi-
rien ju qeleqenen Nordweſten. Die Franjofen batten
ſich Des Gebietes des Miſſiſſippi und des Lorenzſtroms
fowie einiger Untillen und eines Teiles von Guayana
bemächtigt. Die Englander Hatten die Ojthijte von
Nordamerifa, Labrador, die Hudfonbailander und
einen Teil Wejtindiens befegt. Die Schweden und die
MNiederlander wurden von ihnen aus Nordamerifa
any verdriingt, legtere auch eines Teiles von Guayana
raubt. Wud) die Dänen und Schweden hatten einige
fleine Untilleninfeln an fic) gebracht. Durch die fogen.
Rinig Georgs Kriege wurde die Macht Frankreichs in
Nordamerifa gebroden. CEngland erbielt 1763 die
Herridaft tiber Kanada und damit fiber den Norden
von Nordamerifa, verlor aber durch den Freiheitskrieg
es nordamerifanijden Nolonien 1783 feinen Be—
if an der Ojtfiiite, und die neubegriindete Union er-
warb aud) den Reft des franzöſiſchen Gebietes ſowie
den ſpaniſchen Beſitz in Nordamerifa bis zum Stillen
Djean, endlic) 1867 auc) das ruſſiſche Nordamerifa.
— ~ fic) Haiti 1804 von der europäi⸗
Seit 1810 begannen die Unab-
430
hangigteitsfimpfe der fpanifden Nolonien, die mit
der Posteifun des gefamten Fejtlandes von Spanien
endigten; nur Cuba und Puerto Rico blieben nod bis |
1898 im Beſitz des Mutterlandes; im fpanifd-ameri: |
taniſchen Krieg aber ging lepteres an die Vereinigten
Staaten verloren, wahrend Cuba unter dem Brotef-
torate derjelben Macht einen eignen Freijtaat bildete.
In Mittelamerifa wurden die Republif Merifo und
die fünf Republiten von Zentralamerifa, in Siidame-
rifa, Die Republifen Venezuela, Rolumbien, Ecuador,
Peru, Bolivia, Chile, Urgentinien, Paraguay und
Uruguay gebildet. 1822 madhte fic) der gg of
Beſißß als Paiferreidh Brajilien unabhängig, ſich
1889 in eine Republik verwandelte. Seitdem ſind alle
ſelbſtändigen Staaten Amerilas Republifen. Zu euro⸗
paiſchen Staaten gehören nur Grönland (däniſch),
Britiſch Nordamerika und Honduras, die meiſten der
kleinern Antilleninſeln, die drei Guayanas und die
Falllandinſeln. — Literatur ſ. unten, S. 431.
Wichtigſte Ereigniffe der Territorialgeſchichte
Amerikas ſeit 1384.
1884. 3. Juli: Der Senat der a Staaten nimmt
ein Gefeg gegen die Einwanderung Ghinejen an. —
29. Nov.: Der Friedensſchluß zwiſchen Chile und Bo-
livia bringt den Peru-Volivianijden Krieg gu endgiiltigem
Abſchluß. — 1. Dez.: Der Senat der Bereinigten Staa=
ten ratifijiert den Nanalvertrag mit Nicaragua.
1885, 28. Febr.: Proflamation der Mittelameritanijden
Union. Sie foll Coftarica, Nicaragua, Gan Salvador,
Honduras und Guatemala umfaſſen, bridjt aber fofort
wieder auseinander. — April: Kolumbiſche Rebellen be—
midtigen fid der Stadt Panama: der Aufftand wird im
Herbjt niedergeworfen.
1886. 5. Mug.: Rolumbien erhalt cine nene Verfaſſung. —
3. Ott.: Grengregelung zwiſchen den argentinijden =
vinjen Santa Fé und tiago. — 3. Nov.: Nordgrenge
der Proving Santa Fé auf 28° ſüdl. Br. feitgejept.
1887. Die argentinijde Proving Buenos Mires tritt ——
Vergrößerung des Gebietes der Hauptſtadt die Diftritte
Flores und Belgrano an die Sentralregierung ab. —
12, März: An Chile werden aus dem Territorium Angol
und Teilen der Departements Caftete und Ymperial der
Proving Arauco die neuen PBrovingen Cantu und Mal—
leco gebildet. Neue CEinteilung der Republit Haiti,
1888, Der Priijident der Vereinigten Staaten erklärt als
erwählter Schiedsridjter den 1858 abgeſchloſſenen Grenz⸗
vertrag zwiſchen Nicaragua und Coftarica fiir qiiltig. —
13. Mai: Abſchaffung der Sflaverei in Brafilien ver= |
lündet. — 12. Quli: Das Tervitorinm Antofagafta zur
Proving erhoben; ihr wird das Departement Taltal der
Proving Atacama einverieibt. — 17. Nov.: Inſel Tobago |
aus dem politijden Verbande der Windwardinſeln aus
geſchieden und vom 1, Yan. 1889ab mit Trinidad zur
Rolonie » Trinidad und Yobago< vereinigt. '
1889. 2. Mai: Durd) Kongreßbeſchluß wird die Landſchaft
Ctlaboma im Yndianertervitorium der Beſiedelung durd) |
Weiße übergeben und als jelbftindiges Territorimm an: |
ertaunt. — 9. Oft.: Nene Berfaffung in Haiti. — Ws |
Staaten werden in die nordamerifanijde Union anf: |
qenommen die Tervitorien Datota 2. Nov., Montana |
& Rov. und Wajhington 11. Nov, Dafota wird durd
45° 43! nöordl. Ur. in zwei Staaten: Norddafeta mit der
Hauptitadt Bismard und Siiddatota mit der Hanptitadt |
Siour Fads, geteilt. Suddakota tritt an Nebrasta das |
Gebiet zwiſchen dem 43.° nördl. Br. und den Flüſſen eo
fouri, Raprd River und Keya Paha (1695 qkm) ab. |
Grenzregulierung zwiſchen den Staaten New Jerſey und
Rew Port. — 15. Nov.: Durd eine Revolution wird
in Brafilien die Monarchie chafft und cine Republit
als »Sereinigte Staaten von Brafilien« proflamiert.
1890, 25. \an.: Durch den Bertrag von Montevideo
wiſchen Brafilien und Argentinien werden in den Mi—
fiones die Flilife San Antonio, Peperi und Guafju als
Grenze feftgeitellt. — 3. Qui: Territorium Idaho, 11.
uli Woonting Unionsftaaten. |
Amerifa (Ereignifjfe der Territorialgeſchichte feit 1884).
1891, 17. März: Grengregulieruna zwiſchen Venezuela
und Rolumbien durch Schiedsipruch der Königin-⸗Regentin
bon Spanien. — 28. Mai: Mls Grenze zwiſchen dem
nicderlindifdjen und dem franjdjiiden Guayana durd
den Schiedsſpruch de3 Saren der Fluß Awa (Maroni)
feſtgeſetzt. Die Oſtgrenze von Mlasta durch die Qufon=
Expedition der Vereinigten Staaten genaw beftimmt.
1893. 21. Suni: Venezuela erhält eine neue Verfaſſung.
1894. 11. Juli: Nicaragua erhialt cine neue Verfaſſung. —
Das Mostitogebiet von Nicaragua wird als Departe-
ment Zelaya einverleibt.
1895. Die Grensftreitigteiten zwiſchen Argentinien und Bra⸗
filien werden durch den Schiedsſpruch des Prifidenten der
ra ae Staaten beigelegt. Das ftrittige Gebiet in
den Mijiones wird Brafilien zugeſprochen. Taq
wijden Paraguay und Bolivia. Letzterm wird der Waſ—
— gum Allantiſchen Ozean (durch den Paraguay)
eöffnet. — 20. Juni: Die gentralamerifanijden Frei—
taaten Salvador, Honduras und Nicaragua ſchließen ſich
qu einer Union zuſammen (Republica Mayor de Centro
merifa), — 2. Oft.: Die Dijtrifte Ungava, Madenzie
und Franflin werden organifiert.
1896, 4. Qan.: Utah als Staat in die Union aufgenom—
men, — 17. April: Grenjvertrag zwiſchen Chile, Argen-
tinien und Bolivia, das feimen Zugang sum Stillen Ozeau
erhiilt. — 26. April: Die Frage, ob die Grenge zwiſchen
Chile und Argentinien durd) die Waſſerſcheide oder durch
die höchſten Erhebungen der Nordilleren beftimmt werden
foll, wird dem Schiedsſpruch der Königin von England
unterworfen. — 12. Quni: Anderung der Verfaffung der
Dominifanijden Republit.
1897. 10. April: Die Entideidung der Grenjfrage zwijchen
Braſilien und Frangdfijd)-Guayana wird dem Schieds
ſpruch des tdenten der Schweiz unterworfen. — Ab=
dnderung dex Verfaſſung von Ecuador. — 18. Dey.:
Ynderung der Grenjen der Diftritte Ungava, Keewatin,
Franklin und Madenjie mit Suton.
1898. Die gu Ecuador gehörigen Galapagosinſeln er:
halten den Namen Coloninjeln. — 13. Quni: Die Land-
ſchaft Jukon in Kanada wird ald Dijtritt organiſiert. —
12. Aug.: Spanien tritt Cuba und Rico an die
Vereinigten Staaten ab. — 13. Mug.: Kanada ergreijt
Beſitz von Baffinland. Naddem ſchon 8. Yuli 1896 cine
Vergroferung der Proving Quebec bejdlofien war, wurde
diefelbe vom Parliament genehmigt.
900. 5. Febr.: Vertrag zwiſchen England und den Ver—
einigten aten Hay-Pauncefote- Vertrag) fiber den
Bau cines Nicaraquatanals, der aber vom Kongreß ver
worfen wird. — Februar: Swijden Argentinien, Peru
und Bolivia findet eine Annaherung jtatt, die ſich gegen
Chile richtet. — 10. Juli: Handelsablommen —
den Vereinigten Staaten und Deutſchland. — 20. Oti.
Der Praſident von Braſilien ſtattet einen Beſuch in Buenos
Mires ab. — 1. Dej.: Der Schiedoſpruch des ſchweize
riſchen Bundesgerichts erflirt den Oyapot fiir die Grenye
zwiſchen Brafilien und Franzöſiſch-Guahana.
1901. Februar: Swijden den Bereinigten Staaten und
Rußland bridt em Solltrieg aus. — 27. Mai: Die Ber:
cinigten Staaten regeln die ftaatéredtlidjen Verhältniſſe
der neuerworbenen Territorien. — Mai: Zwiſchen Hjter:
reid) und Merifo werden die feit 1864 abgebrodenen diplo-
matijden Bejiehungen wiederhergeftellt. — 13. Quni:
Zwiſchen dem cubanijdhen Kongreß und den Vereinigten
Staaten erfolgt cine —— fiber die zutkũ
VBerfaſſung der cubanijden Republil. — 14. Sept.: Bras
fident MacKinley ftirbt an den Folgen eines Attentats. —
September: Revolutionadre Erhebungen verwideln Ko—
lumbien und Venezuela in einen voriibergehenden Kriegs
uftand, der durd) Bermittelung der Bereinigten Staaten
Seigelegt wird. — 18, Rov.: Neuer Aithmusfanal - Ser
trag zwiſchen den Bereinigten Staaten und England. —
Dejember: Der argentini}d chileniſche Greuzſtreit vor⸗
fibergebend febr zugeſpitzt dod wird ſchließlich das eng:
liſche Schiedogericht erneut anerfannt.
1902. Die däniſchen Inſeln Gantt Thomas, Sainte-Croix
und Saint Qohn follen durch Rauf an die Bercinigten
Staaten übergehen; dex Vertrag wird aber vom Parla⸗
ment nicht qenebmiqt. — 1. Mai: In Cuba tritt cine
eigne republifamijde Regierung in Straft.
Amerikanische Altertiimer I.
re
— — —
— — — aa
— e~ -.
oe _ «= J
* - J
Zam Artikel .Amerth Altertamer
Bibliogr Institut in Lespzig
¢xthon 6 Aufl
‘4am Artikel cliaerituntarhe Alfertimaers
inhalt der Tafel ,Amerikaniseche Altertiimer [. °
. Poncho, Federkleid, Pern..
. Papageien-Mumie. Peru.
. Munmie, bekleidet. Pern.
wie wo
. Steinfigur. Mexiko,
. Tongefiib. Mexiko.
6
‘| Grabtafeln, Peru.
9 Kindermunie, Peru.
1%. Tonfigur (Lama). Peru.
Me gare Keone. Lerskan, 8, And , heatog
. Mumienkopf (Atrappe). Pern.
14.
12. Tonurnen. Pern,
13, |
14. Schiissel mit Geier, Mexiko.
5, Goldfigur aus Antioquia (Kolumbien).
» 16. Goldschmuck, Kolumbien,
27. Urne (zwei Jaguare). Pern.
8.
aA Brouzeixte, Peru.
Se oh oh etree the teed 4*44 aad,
+
L" i sre) bisbbsobe't —
Aree hotest wed sin -astegieyod o£
li ed ohishted .simnll &
NATAL eto) tot bventtibie bi wed teqqenAd Iyqodaoiuuml A
\ooidiale a) siopoitid. zis mgtblon) 6°) edivolh sureties ¢
aesidiuithe 7 Atatttveblow od wtih AviesnoT 4
mel certaenl tos) wae) Fe ek
: at Jr atlotsaderte) | x
wed stegexneneh | ; =
hel oh simoarsbhaia @
od osttind) omitaeT A
J
— —
we dekh | Wok @ mites eee eng ell
Digitized by Google
Amerifainjeln — Amerikaniſche AWltertiimer.
[Viteratur.] Bon allgemeinen Darjtellungen vgl.
Sievers, Dedert und Kiifenthal, U., cine allge-
meine Landesfunde (Leip3. 1894); Wappaus u. a.
in Stein -Hodridelmanns »Handbud) der Geographic
und Statijtife (daf. 1855-—71). Epochemachend
m der wijjenfdaftlichen Unterjudung des Nature
cdarafters Umerifas find U. v. Humboldts und
J. Oltmanns Unterfucungen iiber die Geographic
des neuen Kontinents (Par. 1810, 2 Bde.). —
dem ſind hervorzuheben: YW. v. Humboldt und A.
Bonpland, Voyage aux régions équinoxiales
du Nouveau Continent, fait en 1799—1804 (Bar.
1815—31, 3 Bde., mit Utlas; deutſch von Haujf, zu-
legt Stuttg. 1889, 4 Bde.); Uv. Humboldt, Exa-
men critique de l’histoire de la géographie du Nou-
veau Continent etc. (Rar. 1836—-39, 5 Bde. ; deutid
von Ideler, newe Ausg., Berl. 1853, 3 Bde.); Mor
431
United States (1:2,500,000, ebenda); 4) fitr Merifo,
Rentralamerifa, Wejtindien: Betermann, Weſtin—
Dien, Bentralamerifa (Stielers »Handatlas<«, Blatt
79-82, 1896); Colton, Mapag de America cen-
tral (1:1,705,000, 2 Blatt, New Yorl 1889); Pa
deco, Carta general de la Republica Mexicana
(1:2,000,000, 4 Blatt, Bar.); »Carta de la Repub-
lica Mexicanas« (1: 100,000, br8q. von der Secretaria
de Fomento, Merifo); 5) fiir Siidamerifa: Rie pert,
Wittleres Siidamterifa(»Handatlas«); Betermann,
Siidamerifa (Stieler3 »Handatlas<, Blatt 90 — 95,
1889). Bgl. Ruge, Die Entwidelung der Karto—
graphie von A. bis 1750 (Ergänzungsheft 106 zu
Petermanns Mitteilungen«, 1893).
Amerifainfelu, ſ. Fanninginſeln.
Amerikaniſche Altertümer (hierzu Tafel ⸗Ame⸗
riklaniſche Ultertiimer I, mit Erklärungsblatt, und I,
ton, American ethnography (Pbilad. 1839); Waig, | I.). Die prähiſtoriſchen Perioden reiden in Ame—⸗
YUntbropologie der Naturvilfer, Bd. 3 und 4 (Leip3. | vifa ungleid) naber an die Gegenwart heran als in
1862 —64); v. Martius, Beiträge sur Ethnographie | der öſtlichen Hemifphire. Menſchliche Reſte vereint
und Spradenfiunde Umerifas (Letp3. 1867, 2 Bde.);
Billiams, History of the negro race in America
(Bot. 1882, 2Bde.); Brinton, The American race
(Rew Port 1891); Ragel, Die Vereinigten Staaten
von Nordamerifa (Miind. 1878-—80, 2 Bde.; Bd. 2
im 2. Mufl. 1893); Hellwald, YW. in Wort und Bild
Leipz. 1885, 2 Bde.); J. D. Whitney, The United
States, physical geography (Vojt.1889, 2 Bde. ; Nach⸗
trag: Population, immigration, irrigation , 1894);
Shaler, The United States (ond. 1894, 2 Bde.).
Sur Entdedungsgeidhidte: Handelmann, Ge:
ſchichte Der amerifanijden Rolonifation (Riel 1856,
Bd. 1); Reichel, Geſchichte des Seitalters der Ent-
dedungen (2. Aufl., Stuttg. 1877); G. Storm, Stu-
dier over Vinlandreiserne (Nopenh. 1888); Gaf-
farel, Histoire de la découverte de l’Amérique
jusqu’a la mort de Chr. Colomb (ar. 1892, 2 Bde.) ;
Fiste, The discovery of America (Boſt. 1892);
Mretidmer, Die Entdeckung Umerifas (Berl. 1892);
die »Hamburgijde Feſtſchrift zur Erinnerung an die
mit folden parm g shay Tiere wurden in den HdG-
fen der Proving Minas Geraés in Brafilien, Rejte
menfdlider Tatigteit mit den Knochen diluvialer Ticr-
formen in Mijffouri, Jowd, Nebrasfa und Kalifor—
nien — Steinäxte und Lanzenſpitzen find
ferner in Mexilo in quartären Ablagerungen mit Kno⸗
chenteilen des Elephas Colombi gefunden. Am Rio
de la Plata in den Pampagsablagerungen rgenti-
niens wurde die gleichzeitige Exiſtenz des Menſchen
und jetzt ausgeſtorbener Tierformen erwieſen. Zahl⸗
reiche prähiſtoriſche Muſchelhaufen (entſprechend
unſern Kjöllenmöddingern) wurden lings der Küſten
des Atlantiſchen Ozeans und des Golfs von Mexilo,
an der pacifiſchen Küſte Nordamerikas, vermiſcht mit
Knochenwerlzeugen, ſteinernen Pfeilſpitzen, Stein-
hämmern und menſchlichen Knochen, in Nicaragua,
im Mündungsgebiet des Orinoko, in Guayana, na—
mentlich aber in Brafilien (Sam baqui) fowie an den
Ufern der größern Flußläufe u. Binnenſeen gefunden.
Sehr charalteriſtiſch ſind di Mounds, meiſt regel—
Entdeckung Umeritas« (Hamb. 1892, 2 Bde.); Har⸗ mäßig angelegte, aus Steinen und Erdreich errichiete
riffe, The discovery of North America (Par. 1893); | Walle oder Hiigel, die bald unregelmäßig zerſtreut,
E. Schmidt, Vorgeſchichte Nordamerikas (Braun- bald reihenweiſe geordnet auftreten und eine Hdbhe von
ſchweig 1894); Winfor, Narrative and critical his- wenigen Sentimetern bis zu 30, in cingelnen Fallen
tory of America (Bojt. 1886--89, 8 Bde.); Mabie! fogar bis nahezu 100 m, bei einem Durchmeſſer bis
u. Bright, Memorial story of America, 1492- 1892 zu 300 m beſitzen. Ihre Haupwerbreitung finden die
(¥bilad. 1892); B. de Moo, History of A. before | Rounds in den Talern des Miffiffippi, Miſſouri und
Columbus (daf. 1900, 2 Bde.); J. Fiſcher, Die Ent- | Ohio bis hinab gu den Golfitaaten. In Obio zähll
dedungen der Normannen in A. (Freib. i. Br. 1902). | man nod jest 10,000 Hiigel und 1500 ringförmig
Bibliographiſch verzeichnet die Umerifa- Literatur die | erbaute Erdwälle. Jn dem Grenygebiet von Jowa
umfangreiche » Bibliotheca americana« von Sabin und Illinois befinden fid), ganz abgefeben von den
(Rew Vort 1872 — 91). Ringwallen, mehr als 2500 Wounds.
(RMarten.] Dic bejten neuern Marten find 1) fiir Nach Squierund Davis unterfdeidet man: 1) Ber—
bie polaren Gebiete zahlreiche Detailfarten in »Peter- teidigungswerke, aus Erde und Steinen erbaut
manns Witteilungen· 2) fiir Britifd-RNordamerifa: und aus Wallen und Griiben, vorgeſchobenen Wer
Wejtfanada in Stielers »Handatlas« (1890); John- | fen, Kaſematten und unterirdijden Gangen beſtehend.
fon, Map of the Dominion of Canada (1: 1,742,565, | Sie finden fic) namentlidh an der Vereinigungsſtelle
6 Blatt); Deville, Map of the Dominion of Canada zweier Stronliuje. St. Louis, New Wadrid, Cin
(1 :6,200,000, 1887); 3) fiir Die Bereiniqten Staa- cinnati find an der Stelle folcher alten Vefeftiqungen
ten von Nordamerifa: Petermann, Karte der Ver- erbaut. Diefe Ringwälle beſitzen oft eine Ausdehnung
einigten Staaten (6 Blatt, Gotha 1896); Walker, Zta- von mehreren Meilen und erreichen cine Höhe von
tistical atlas of the United States (72 Karten, 1876); | mehr als 200 m. 2) Tempelringe, Erdiwalle, in
»Outline map of the United States« (1:5,000,000,
bréq. vom War- Department); »General map of
the United States« (1:2,852,110, Chicago 1890);
Handtle, Generalfarte der Bereinigten Staaten
(1: 6,000,000, Glogau 1890); » Topographical Atlas
of the United States« (1:62,500, br8q. von der Geo-
logical Survey, Wafbingt.); »Contour map of the |
Talgriinden und am Fuh von Hilgeln und Bergen,
reprafentieren teils Dorjumfriediqungen, teils ge
heiliqte Besirfe, Verſammlungsorte des Volfes zu re
ligidjen Sweden. Sie umfaſſen nicht felten cin Areal
von nahezu 40 Heftar und find von hoben Erdauf
wiirfen und Graben bald in Kreiſen, bald in Quay
Draten oder Udhtecen umgeben. 3) Sogen. Tempel.
ein zelnen Diigel umſchließen zuweilen 500 und mehr
Slelette. 6) Hiigel in Tierform ragen oft nur
wenige Hentimeter, felten mehr alé 2 m itber Die Um⸗
orundabmen, aus erdumworfenen Stet
nad. Sie finden fic) namentlid) in Jowa, Ohio, Illi⸗
nois, Miffouri, \ndiana, vor allem aber in Wisconjin.
Wabrend man friiber diefe Bauten einem befondern
Moundbuildervolf zuſchrieb, weiß man jest, Dak aus
ſchließlich Die Borfabren der Yndianerjtamme, die zur
Heit der Entdedung in diefen oder in benadbarten
Gegenden wohnend angetroffen wurden, die Mounds
erridjtet baben fonnen. Ciner der hervorragenditen
Moundbutlderjtimme waren die Tj herotefen(Che-
rofee), die zur Seit der Entdedung zu beiden Seiten
der Ulleqhanies in Wejtvirginia und Nordcarolina
wobnten, die aber in vorhiſtoriſcher Zeit aud) die Taler
des Ohio und fener Zuflüſſe bevdlfert zu haben ſcheinen.
Unter den Urtefaften, die in Den
wurden, find zunächſt vielfach kunſtvoll geſtaltete Krüge
und Flaſchen, mit Hälſen verſehene ride, Henlel⸗
topfe, Schuſſeln und Becken, Trinlbecher, nicht felten
mut funjtvoller Ornamentif aus mit Sand oder Mu—
fdelfplittern vermifdtem und verfdieden gefarbtem
Ton hervoryuheben. Daneben finden fid Pfeifenlopfe,
die Meftalt Der verfdiedeniten Tiere nachahmend, aus
Ton gebrannt oder aus Schiefer, Speditein, Manmor,
Porphyr geſchnitten (Tafel IU, Fig. 10 u. 11). Bon
Wetallen ſcheinen die Hiigelbauer tm wefentliden nur
Supfer und Silber, und zwar letzteres nur in Form
von dunnen Plattdhen A sed Plattierung des Kupfers,
bearbeitet su haben. Wan hat Meijer, Arte, Meißel,
Pfeil und Lanyenfpipen von Mupfer, 3. T. von vor-
trefflider Urbeit, gefunden; daneben allerlei Schmuck⸗
fadjen. Steinerne Waffen, Pfeilſpitzen, Speerſpitzen,
Meſſer und Verte finden fid) neben Gerdtidaften aus
Hahnen, Knochen, Muſcheln fowie Schmuckgegenſtän—
den aus Steinen, Holz, Knochen amd Mus
(Tafel UL, Fig. 5 u. 6). Grob gewebte Stoffe, Baſi—
ounds gefunden |
{fichale |
In den plateautorenge pon
Colorado. Rew Merico, Arijone und den an:
untericbeidet unter dickens · Bueblos·
1) bie Lowlands oder cigentliden Euchlos, m
a Sec? jack
ber Sanbditemplateans; 2 welling:
oder Hoblenbauten, natũrliche HOblungen an iter!
abjtiirjenden T i durd Stem-
mauern veridlonen wurde mit Auflafſung mur emer
Offnung, die gleichzeitig als Tür und Acniter Diente.
is: Abmliche Bauten find endlid 3) die Cliff- dwellings
Riffhäuſer, befcitiqte Plage an ſchwer pagdng-
lichen UWbjtiirzen im natiiritden, —
Fig. 14, und Tafel ⸗Wohnungen der Naturvdlter I<,
Fig. 12). Richt felten finden fic in jenen Gebieten
and aufrechte Steinfretje nad Art unjrer Cromlechs
ſowie einjein ftebende, meiſt runde Tine, offendar
als Badttiirme am Eingang der Canons und auf ifo-
lierten Felsipigen. Jn den los fand man tinerne,
nidt ſelten bemalte und mit erbabenen 1
| fowie mit Figuren von Menicdhen und Tieren (nament:
lich Vogeln. fpesiell der Eule verſehene Geſchirre. po-
lierte Steinwert „Vieilſpißen aus Feuerſteinen.
| Mabliteine chen des Mais, ferner Schmud
gegenſtãnde, wie Perlen, Mujdelm, Amulette aus
| Stein ꝛc. Bon metallenen Gegqenitanden haben fid
aus ſchließlich einige Rupferringe vorgefunden. Als
| Hinterlaſſenſchaften der alten Bewohner diefer Gegend
ſind die sablreichen FelSmalercien und Shulpturen an-
zufeben, die in Form von Weniden und Tieren die
Felswände oder iſolierten Stemmblide bededen.
Cine ungleid) höhere Entwi batten Die
Stamme erreidt, welde die Hodiladjen + und
Siidamerifas und die Tiler und Küſtenſtriche an ihrem
ube bewohnten. Man fann 3—4 große Kulturtreiſe
unterfdeiden, Die unabbangig voneinander fic ent-
widelt haben und nur an den Grenjen bier und da
miteinander in Beriibring getreten find; das find der
“merifanifde, der von den jentralen Hochflächen
| Merifos bis hinab gu den Seen von Nicaragua reidt;
‘Der nordfolumbifde, der die um den Golf von
Darien gelegenen Lander umfaft ; der Kulturtreis der
Tſchibiſcha des Hodlandes von Bogotd und der
peruaniſche, der von der Nordgrenge ded Heutigen
Ecuador bis gum Rio Maule in Chile und der Gegend
von Salta in Urgentinien fic erjtredt. Als befonderes
Rulturgebiet, Das aber wiederum einen weit tiefern
Stand repriifentiert, ijt endlid) nod) Der weite
von Siidamerifa ju nennen, ju Dem aud die alte Be—
vdlferung der Groen und Rleinen Untillen gehört.
Innerhalb ded merifanifden Rulturfreifes
nehmen die ndrdlid) u. weitlich des eigentlichen Hodtales
von Merifo gelegenen Landfdaften der Huarteca
Amerikanische Altertiimer II.
*
2 Mexikan. Steinfigur.
Oa en
4 oom at
⸗ — ke — — —
Meyers Konv.- Lexikon, 6, Aufl.
SF a
Sy
or J
on
— ——
~
— * 2 SS
~ * ses ~~ co i> 4 —
V — ‘te <n we ah *
— es ee : BA nies
te —
ae
SEC:
4 my ak aed
5. Hieroglyphenband an einem Tempel in Copan (Honduras).
— = :
if Ril? 4,
:
= ⸗
6. Monolithische Pforte am Tiahuanaco (Bolivia).
Bibliogr. Institut in Leipzig.
4. Mexikan, Steinfigur
(Maisgittin).
Zum Artikel Amerikan, Altertdmer.
f . 5
| — 5, 6. Schmuckplatten
‘ aus Muschelschale aus
nordamerikan. Mounds.
. Verzierter Steinring aus
Puertorico.
10, 11. Steinerne Tabakspfeifen aus nord-
amerikanischen Mounds.
” - =
14. Cliff-dwelling (Riffhaus) im Tal des
Rio Chelly, Arizona.
_ —«æ— —
ai
AS ‘eu. ~ —
—— ISS
SNS “a BAe
Twa | WOO ,
TIES | OKO é
a r —
ee eg ne ——
“ fT me 4b oe o> -
ae seer Vint a> += eae on
15. Palast in Mitla (Mexiko).
—— —
—
Amerifanijdhe Altertümer (Merito, Mittelamerika).
und Med oacans eine bejondere Stellung ein. Bon
minder hod) entividelten Völkerſchaſten in alter Zeit
bewohnt, entbehren fie der grofen Monumentalbau-
ten. Gruppen von fleinen, aus Erdreid) und Stei-
nen aufgefiihrten Ryramiden (in Medjoacan ¥) dcata,
in der Huarteca nad) cinem Hifpanifierten Mayawort
Cuccillo genannt) bezeichnen die Orte der alten Un-
jiedelungen. Figuren aus Stein werden hier gefun-
den, von jteifer Haltung, aber vortrefflid in Der ted)-
niſchen Ausführung, Brudhitiide von Wabhliteinen,
Tongefäße von zierlichen Fornien, häufig bunt bentalt,
Tonfigürchen oft von ſehr lebendigem Ausdruck, tö—
nerne Spinnwirtel u. a. m. Die eigentliche mexila—
niſche Kultur hatte ihr Zentrum in den Talern und
Hochflächen, die um die beiden großen Sdyneeberge
Popocatepet! und Aztaccihuatl gelagert find. Hier
find vor allen berühmt die beiden Orte, die ſchon zur
Beit der Eroberung Mexikos durch die Spanier ver-
lajjen waren: Tollan und Teotibuacan. Am
erjtern Ort ijt nod der alte Burghtigel zu fehen, mit
den Fundamenten der alten Wohnungen, frenelierten
Straßen und Terrajjen bededt. Stembilder von ar-
chãiſchem Typusfind dort gefunden worden, 3. T. von
qewaltigen Dimenjionen, Tongefdirr, Obfidianmej-
jer u. a. nt. Qn der Ebene von Teotihuacan jtehen
nod) heute die beiden Byramiden, aus Erdreid) und
Luftziegeln und jwifdengelagerten Wörtelſchichten
aujfgebaut; dazwiſchen in zwei regelmäßigen Reihen
die Reite der alten Wohnungen, in denen man fdin
mit Stud belegte, mit bunten Malereien bedeckte Wände
aufgededt hat. Steinbilder von anderm, aber eben-
falls ungweifelhaft archäiſchem Typus find mehrfach
qefunden worden, und die ganze Chene ringsum ijt
uberfat mit Topfſcherben und flemen Tonklöpſchen von
äußerſt lebendigem und daratterijtijdem Ausdruck.
Die grofen Tempelpyramiden (Te ofalli) der Haupt,
jtadt Merifo find längſt dem Erdboden gleid) qemadt,
aber in Cholula, unweit Puebla, ragt nod eine ge-
waltige Pyramibde, die in ähnlicher Weiſe wie die von
Teotihuacan aus Luftziegeln mit swifdengelagerten
Mörtelſchichten aufgebaut ijt. Und fiidlich von Cuer—
navaca liegt auf ragender Berghöhe die pradtige By.
rantide bon Xodicalco, in zwei Reihen aufſteigend,
u deren gweiter auf der Weſtſeite eine breite Treppe
jteil hinaufführt. Die Wände der beiden Terrajjen
jind mit gewaltigen Quadern belegt, die forgfaltig ae-
glättet und ganz mit Sfulpturen, in ſchönem, energi-
jchemt Stil ausgeführt, bededt find (Tafel I, Fig. 1).
Bon andern Monumenten find vor allent die beiden
ewaltigen, mit dem Bilde der Sonne geſchmückten
Steine gu nennen, die Ende des 18. Jahrh. unter
dem Pflajter der Hauptitadt Merxifo vergraben auf:
ejunden wurden. Ferner das riefige Steinbild der
— Teoyaomiqui. Außerdem weiſen die me—
rifaniſchen Altertumsſammlungen Bildſäulen (Ta—
fel IL, Fig. 2 u. 4), kleinere ſteinerne Idole (Tafel I,
Fig. 5), fteinerne mit Sfulpturen bededte Gefiife, ſtei—
nerne, forgjaltig polierte Masten, Tongeſchirr der ver-
ſchiedenſten Art (Tafel I, Fig. 6 u. 14), Tonfiguren,
Lippen- und Ohrpflöcke, Pfeilſpitzen und Meſſer aus
Obſidian, tinerne, mit Reliefmuſtern bedeckte Spinn-
wirtel, Tonflöten, Räucherlöffel u.a.m. auf. Metall
gegenſtände find jelten, denn die fdneidenden Werk—
zeuge lieferte der Objfidian, und die qoldenen Schmuck⸗
Qegenjtdnbde, die in Mengen und in höchſt funjtvoller
Ausführung vorhanden waren, find der Beutegier der
trobernden Spanier sum Opfer gefallen. Als große
Seltenheiten werden m den Muſeen einzelne hölzge—
ſchnitzte Gegenſtände (Pauken, Wurfbretter), in Türkis⸗
Meyers Konv.-Lexikon, 6. Aufl., J. Bd.
433
mofaif ausgefiibrte Masten und andre Gegenſtände
und Federarbeiten (mantelartige Streifen, Rundſchilde
und jtandartenartige Gebilde) aufbewahrt. Auch von
den in alter Zeit in Menge vorhandenen Bilderſchrif—
ten, bunten Walereien auf Agavepapier, ijt nur wee
niges der Zerſtörung entgangen.
in Ausfluß der merifamjden Kultur, oder un—
mittelbar von ifr beeinflußt, find aud) die Denkmäler,
die fid) am Oſtabhang des Hodplatcaus und in den
ebenen Stridjen lings der Golffiijte finden. Dod war
bier neben dem mexilaniſchen nod cin befonderes, von
dem merifanifden verfdiedenes VolfSelenunt vorhan-
den, und Ddiefem ſcheinen unter anderm die großarti—
gen Bauten von Papantla angugebiren. Gefon-
derte, obwohl mit der mexilaniſchen in Wechſelwirkung
ſtehende Kulturen waren ferner dic der Bapotefen
im Staat Oajaca und die der Mayaſtämme von
Chiapas, Yucatan und Guatemala. Der erſtern ge—
horen die Paläſte von Mitta an, aus ſchmalen, for-
ridorartigen Raumen bejtehend und um quadratijde
Höfe qelagert, deren Unen> und Innenwände geo-
metriſche Mujter ſchmücken, die in ſehr eigentümlicher
Weiſe in cinem reliefartig vorſpringenden Steinmoſaik
ausgeführt find (Tafel M1, Fig. 15). Eigentümliche
fejtungsartige Anlagen find auf verſchiedenen Berg-
höhen gu fehen. Tönerne Gefäße, die meijt als Grab-
beigaben gefunden werden, ftellen ftehende oder fipende
Figuren, mit reichem Schmuck beladen, dar. Auch
goldene und ſilberne Schmuckgegenſtände ſind dort
mehrfach in Gräbern gefunden worden.
ie Bauten der Mayaſtämme zeichnen ſich durch
die Gropartigfeit ihrer Anlage und die Maſſenhaftig—
feit ihre3 Vorfommens aus. Berühmt find in Chiapas
die Ruinen von Palenque und Ococingo, in Yucatan
Urmal, Rabah, Ue, Jzamal, Chideniba u. a., in
Guatemala Yardilan (Lorillard City), Quirigua, in
Honduras Copan. Veridiedene von dicfen waren sur
— Eroberung ſchon verlaſſen und in Ruinen. Der
harakter der Architekfur ijt im allgemeinen derſelbe
wie der der mexilaniſchen: Rieſenpyramiden und
ſchmale, hallenartige, ungewölbte Räume. Aber die
Denkmäler der Maya fallen, ſowohl was die Orna—
mentation der Wande wie die figürlichen Vorjtellun-
en betrijft, durch Uberladenbeit und einen gewiſſen
Rondetel batten Bug auf (Zafel IIL, Fig. 13). Uußer—⸗
dem madten die Maya von ihren Hieroglyphen, die
falfuliform, auf cinen cinbeitliden Raum zuſammen⸗
edriingte, zu Lettern abbrevierte Bilder find, bei der
antentation von Wandflächen ausgedehnten Gee
brauch (Tafel II, Big. 5). Die feramifden Erzeugniſſe
iibertrejfen Die Der Merifaner in der Feinheit der Aus—
führung und 3. T. aud) in der Lebendigfeit der Auf—
faſſung. WMetallene Werkzeuge find ebenſo ſelten wie
in Merifo. Kunſtvoll geſchlagene Feuerſteine und
Muſchelſchalenſplitter erfetsten fie. Maya-Handfchrif-
ten find vier vorhanden. Die ſchönſte beſitzt die könig—
lide Bibliothef gu Dresden.
Einen beſondern Charafter tragen die großen Stein-
denfmaler von Ganta Lucia Cogumahualpa in
@uatemala, die das Berliner Muſeum erworben hat
(Tafel 11, Fig. 3). Sie wurden wohl von einem Zweig
der merxifanijden Nation geſchaffen. Einem veripreng-
ten, weit nad S. vorgejdobenen Zweige der Merifaner
endlich gehiren die grofen Steinbilder auf den Inſeln
und an den Ufern de3 Sees von Nicaragua an.
Sie find ſauber ausgeführt und von riefigen Dimen-
fionen, aber an fiinjtlerifdem Werte nicht entfernt nit
dem gu vergleiden, was ihre Brüder im N. geſchaffen.
Der nordlolumbifde Kulturkreis umfaßt die
28
434
Landfdaften von Coftarica bis gum Magdalenen-
jtrom in Kolumbien. Gegenjtinde aus Stein, Terra-
fotta, Kupfer und Gold werden hier gefunden, und
die Fülle der legtern hat in alter Beit dieſer Küſte den
Ramen gegeben (Cajtilla del oro). Charatterijtiid fiir
die Ultertiimer diefer Gegend ijt die häufige Berwen-
dung der Tiergejtalt. Die großen Mahlſteine find in
Gejtalt eines Jaguars gefertigt, der die Reibfläche auf
jeinem Riiden tragt (Tafel IIL, Fig.8); die Tongefäße
imitieren teil8 cine Tiergejtalt, oder es find die drei
Füße des Gefäßes in Gejtalt eines Tiered oder eines
Lierfopfes ausgebildet, oder es find auf der Wolbung
in Malerei allerhand Tiergeftalten (Jaguare, Fröſche,
Ulligatoren) dargejtellt (Tafel II, Fig. 7). Die gol
denen Schmuckſachen find fajt ausnahmslos in
jtalt eines Tieres (Adler, Jaguar, Alligator, Frofd)
oder eines Menſchen mit Tierfopf angefertigt. Cine
befonders reiche Fundjtelle find die Graber der Land-
ſchaft Chiriqui —— Demſelben Kulturkreis
ſcheinen auch die Gräber von Antioquia und des
Caucatales anzugehören (Tafel L Fig. 15).
Cinen verhältnismäßig hohen Stand der Entwide-
lung batten die Tſchibtſcha (Chibcha) de3 Hodlan-
des von Bogotd erreidt. Dod mangelt 3 aud bei
ihnen an monumentalen Werfen. Die Häuſer waren
aus Lehm und Holy erbaut, mit fegelformigem Strob-
dad, die Tempel vermutlich wenig beſſer, mur dah
das Dad von Steinpfeilern getragen wurde. Zabl-
reiches Tongeſchirr ijt aus den Griibern der Tihibtida
zu Tage gefordert worden: grotesle Menſchenfiguren,
nicht felten mit einem goldenen Halbmond in der Rafe,
vieredige Schalen, an deren Rand Fröſche figen, und
am als mit einem Geficht fein bemalte Tonflaſchen.
Beſonders dharafterijtifdh find die Goldſchmuckſachen
der Tſchibtſcha, aus Goldblech gefertigt, in Form von
menjdliden, am haufigiten wetbliden Figuren, deren
Stonturen, Arme, Beine, Mugen und Lippen, wieder
durch aufaeliteten Golddraht bergeftellt find (Tafel I,
Fig. 16). Kleine Steine mit allerhand Tierfiquren in
utrelief, früher fiir Ralenderjteine gebalten, find
Schlagſteine oder Matrizen, iiber denen das Gold-
blech ju bejtimmten Tier- x. Formen ausgehämmert
wurde. Mit foldyen halberhabenen Goldblechfigürchen
wurden vermutlid) Die Kleiderſäume befept.
Der peruanifde Kulturkreis umfaßt wiederum
eine Anzahl ihrer zeitlichen Entſtehung und ihrer eth—
niſchen Zugehörigkeit nach verſchiedene Kulturen, die
aber durch die von Der Inladynaſtie begründete Herr⸗
ſchaft in engſte Wechſelbeziehung zueinander gebracht
worden ſind. Zu den älteſten Denkmälern gehören
die von Tiahuanaco unweit ded Titicacaſees, die
in Der Bliiteszeit Der Inlaherrſchaft längſt verlaſſen
waren. Es find torartige Bauten, von Steineinjzau-
nungen umgebene hofartiqe Riume, Steinfiquren und
Steinplatten unbefannter Bedeutung, letztere, gleid
den Ynnenfeiten der Wände, vielfad mit Nijden und
fenjterartigen Bertiefungen verfeben. Berühmt ijt vor |
allem die 3,72 m breite, 2,36 m aus der Erde auf:
ragende monolithiſche Pforte, auf der Vorderſeite mit
Stulpturen bededt. Cine Gottheit ijt darauf zu ſehen,
deren Geſicht von einem Strahlenkranz umgeben ijt,
und Reihen gefliiqelter menfden> und fonbortipfiger
Genien. Die Gottheiten halten Stabe (Strabhlen) in
Der Hand, Die in Rondorfdpfe enden. Die Pforte it
wahrſcheinlich infolge eines Erdbebens in zwei Stiide
jerbrodjen. Auf unjrer Tafel IT (Fig. 6) ijt fie voll-
ſtändig (mit der zur Feit durch Anſchuttung verdedten
Baſis) und rejtauriert gezeichnet. Auch die Bauten
Der Inkla in Cusco und anderwarts zeichnen fid
Waffen, ganze Körbchen mit Spinn⸗ und
Amerikaniſche Altertümer (Südamerila).
durch eine große Sorgfalt der Bearbeitung und cine
gewiſſe Großartigkeit aus. Die Mauern ſind z. T
ohne Mörtel aus paſſend zugehauenen und miteinan⸗
der verzapften Steinquadern fo ſorgfältig aufgeführt,
dak kaum cine Fuge ſichtbar ijt, teils aus Bloden
unregelmafigerer Gejtalt, Die durch einen tonigen
Martel verbunden find. Jn legsterm Fall find Mugen
oder Innenwände häufig mit Stud befleidet. Da
die Reruaner den Gewölbebau nicht fannten, fo haben
wir aud bier nur fdmale Gemächer. Häufig find
die Gebãude durch cine Wand in ihrer ganzen Lange
geteilt, indem die Räume in Höfe ſich öffnen, die rechts
und linfs lings des ganzen Gebiudes fic) hinziehen.
Charatterijtifd jind die pyramidal nad oben fic ver-
jiingenden Tür- und Fenjterdffnungen und die Or-
namtentation der Innenwände mit Nifden. Bon den
Induſtrieerzeugniſſen der alten Peruaner geigen die
Tonwaren hohe tednijde Vollendung, befunden m
der Nachahmung natiirlider Formen cine grofe
Schärfe der Auffaſſung und og Se j¢ nad der Vota:
litat eine geradezu unglaublide Mannigfaltigkeit von
Formen und Verzierungen. Für das von den Quichua
den eigentliden — — bewohnte Hochland
find dharatterijtifd) die fein bemalten, oft rieſigen
Chicas (d. h. Bier-) Kriige. Das von andersſprachi⸗
gen Stimmen bewohnte Küſtenland liefert dagegen
Die Gefichtstriige, die Gefäße in Tier- und Menſchen—
—— (jdlafender Indianer), die Doppelflaſchen (sifla-
ores) und Die fein mit ganzen ſzeniſchen Darſtellungen
bemalten Henlelflaſchen (Tafel I, Fig. 10, 11, 12, 13,
17; Tafel III, Fig. 1—4). Groh waren die Peruaner
aud in Der Metallbearbeitung : fupferne und bron zene
Yrte (Tafel L, Fig. 18, 19) und Morgenjterne, goldene
und filberne Trinfbedher (lestere ebenfalls haufig in
der Form eines menfdliden Gejidts), große Gewand-
nadeln und Schmuchgegenſtände der verfdiedenjten
Art. Geradezu jtaunenerregend aber ijt es, was dic
alten Beruaner in der Webetedhnif, in der Herjtellung
von Gewandern, Binden und Sdniiren der verſchie
denjten Art aus der Wolle ihrer Lamas und aus
Baumwolle geleijtet haben. Dem glücklichen Umſtande.
daß es an der Küſte von Peru nicht reqnet, ijt es zu
verdantfen, daß Die ganze Bradt diefer Erzeugniſſe ſich
erhalten bat. Wuf dem Totenfeld von Uncon ber
Lima fanden Reiff und Stiibel neben den in Gewän—
Der gebiillten und mit Striden umfdniirten Mumien.
denen häufig ein falfder Kopf aufgeſetzt iſt, Der Dem
anjen ⸗Mumienballen« das Anſehen emer fauernden
i ur gibt (Tafel J, Fig. 3, 4 u. 9), die ganzen Hans
und Arbeitsgeräte der Beqrabenen, Keidungsſtücke
(Tafel I, Fig. 1), Umulette (Tafel I, Fig. 7 u. 8),
beqerat:
ſchaften, Schmuckgegenſtände (die großen Obrpflicte
in durchbrochener Arbeit aus Ton, Holz oder Kupfer
hergeftellt), Spielſachen, Mumien von Hausticren
(Tafel I, Fig. 2), Rahrumgsmittel, die taufendfaltigen
Erzeugniſſe einer eigenartigen und hodentwidelten
Kultur. Bon den jest ausgejtorbenen alten Bewoh—
nern Der Großen und Kleinen Antillen find fain qe-
arbeitete Steingegenjtinde, YUrte, Mühiſteine, Seffel
und Gegenjtinde unbefannten Gebrauchs befannt ge⸗
worden (Tafel II, Fig. 9 uw. 12).
[Yitcratur.] Bgl. eter, Prehistoric races of
the United States (New Yort 1873); Short, The
North Americans of antiquity (daf. 1879); Squier
und Davis, Ancient monuments of the Mississippi
valley (Wajfhingt. 1848); C. Jones, Antiquities of
the Southern Indians (New Port 1873); Thomas,
Burial mounds of the northern sections of the United
Digitized by Google
Amerikanische Völker I.
[Zw Artikel Amerikanische Valker.]
Tafel Il.
| 1.,Maipure vom Orinoko, ,
meee | 2 Oma a Weta
rs Mann. + rs ‘| Botoknden, Mann und Free. uld
| Tikuna, Mann und Fram
7. Miranha, Bran.
) 8. Peruaner you (erro de Pasco.
pe | 9, Pernaniseher Kreole von Chiloe.
. Mann und Frau. 10, Quiehna,
11. Abipone.
12. Moxos-Indianer aus Bolivia.
1). Pehneltsehe.
||. Patagonier. io. ⁊
15. Araukaner,
| 16. Feuerliinder, Peschirith,
Indianer. I
Meyers Kewr. Lexikon, 6 Aufl., Heitagr
Digitizedipy Google
|
ane
Ab aed odo obyeiagdinvonad..
J ole
dont. tov vinqinll I
¢ oilienuhes MW ere saree) &
med un
I Tas detog] ig
Ij
*? J By
seer oon mßle , wast | | *
*
4614
dv
2
‘
week: salen!
+ Ov THEE L.
— .
«RPO cus, cearnibal -eoxe lf
ajhea 1 —
brhabe et
1 had |
i'l
r
ARTA
4
eM LED,
vun ——A——
—— — — “¥
a & | sis)
t!
44
—
Puech Edin ete e. oe
MeV fas on se |
7
Tu MAE AL
Stonibil-ts tall 7
JH adilehO
sod pot wate svanibal det} is)
snonbeaittoe 11
stodel 1
ied el
ennhunll tf
AT a 5
ohio wad
renibad tel eiodimede 75
'
Rf
.
ge tind » Rak a ,wotinel so A ew, V
Digitized by Google |
4
Amerikanische Volker IL.
Amerifanijde Literatur
States (5. Annual Report, BureauEthnol., Bafbingt.
1887); Holmes, Pottery of the ancient Pueblos
(4. Ann. Report, 1886); G. Nordenſtiöld, Ruiner
af klippboningar i Mesa Verde’s canons (Stodb.
1893; aud) Daj. engl. Yusg.); Fewles, Archaeolo-
gical Expedition to Arizona in 1895 (17. Annual
Report, 1899); UW. v. Humboldt, Vue des Cordil-
léres; Ringsborough, Antiquities of Mexico
(Qond. 1831—48); Stephens, Incidents of travel
in Central America, Chiapas and Yucatan (New
Port 1841); Derjelbe, Incidents of travel in Yucatan
(daj. 1843); Strebel, Ultmerifo (Hamb. 1885—89);
Seler, Wandmalereien von Witla (Berl. 1895);
Maudstay, Biologia Centrali- Americana. Ar-
chaeology (Lond. 1889—1901); Holmes, Archaeo-
logical studies among the ancient cities of Mexico
(Ebicago 1895); Squier, Nicaragua (New Yor
1852); Bovallius, Nicaraguan antiquities(Stodb.
1886); Holmes, Ancient art of the Province of
Chiriqui (6. Ann. Report, Bureau Ethnol., Waſhingt.
1888); Squier, Peru (deutſch, Leipz. 1883); Reif
und Stiibel, Das Totenfeld von Yncon in Peru
(Berl. 1880 —87); Reif, Stiibel wu. Roppel, Rul-
turund Induſtrie fiidamerifanijder Bolfer (Daj. 1890);
Stübel u. Uhle, Die Ruinenjtitte von Tiahuanaco
im Hodlande des alten Peru (Brest. 1893); Otis T.
Mafon, The Latimer Collection ofantiquities from
Portorico (Smithson. Reports, 1876); Derfelbe, The
Guesde Collection of antiquities in Point à Pitre,
Guadeloupe, West Indies (cbenda, 1884).
UAmerifanijde Literatur, |. Nordamerifanifde
Literatur.
—— Orgeln, ſ. Harmonium.
Amerikaniſ das Gelbfieber.
Amerikaniſche Raſſe, ſ. Amerilaniſche Balter.
Amerifanijded Duell, übereinkonimen zwiſchen
zwei Verſonen, daß derjenige ſich ſelbſt innerhalb eines
beſtimmten Zeitraums das Leben nehmen muß, den
das Los trifft. Daher wird das amerilaniſche Duell
auch vielfach Lebenslotterie genannt. Da dem ame—
rifanijden Duell das Merkmal des Kampfes fehlt,
jo tit Die Bezeichnung Duell ri pre aba wie aud
die Beſtimmungen des Strafgeſetzbuches fiber den
3weifampf (§ 201 mit 210) auf dasjelbe feine An—
wendung finden. Dieſes Wiirfelfpiel ums Leben ijt
vielmehr zur Beit, fo bedauerlich dies auch ijt, da alle
ftrafrechtlichen Geſichtspunkte veriagen, fiir beide Teile
itraflos. Bgl. Berger, Das fogen. amerifanifde
Duell und die Schlägermenſur (Letps. 1892).
Amerifanijdes Griin, ſ. —
Amerikaniſche Sprachen. Die Verſuche, dic
zahlreichen und cigentiimlid) entwidelten Spradyen
der Ureinwohner Umerifas als Töchter einer einzigen
Grundſprache zu erweiſen, haben fein ſicheres Reſul—
tat ergeben. Doch findet ſich die Aufnahme des Ob
ſekts in Den Körper des Verbums in den meiſten ame—
ritaniſchen Sprachen, weshalb fie aud als polyſynthe⸗
tiſche oder inlorporierende (einverleibende) Sprachen
be zeichnet werden. Außer dem Objeft werden häufig
aud Zuſätze zu demſelben und adverbiale Beſtim—
mungen jeder Art mit dem Verbum verſchmolzen, das
der herrſchende Redeteil ijt. Anſtatt der dekadiſchen
ſindet fic) häufig die vigeſimale Zählmethode, beſon
ders in Mexilo, Mittelamerifa und dem öſtlichen Süd
amerifa. Wad) den bisherigen Forfdungen fonnen |
folgende Spradjen- und Dialeftqruppen unterfdieden |
werden: 1) in Nordamerika die Spraden der Vitha
basfen- und Ninaiftdnume, der Ulgonfin, der Jrofefen,
ter Dalota, der Ticherofejen, der Appalachen (Krif,
— Amerifanijdhe Völker. 435
Hitſchiti und Tſchachta oder Choctaw), der Koloſchen,
der Tifaili- Selif, der Sabaptin-Walawala, der
Tſchinuk, die Mutfun- und die Nahuatlſprache in
Merxifo, die fonorifden Spradjen in Gonora und
is bie Sprachen der Otomi, Tarasfen, Matla-
finfen, WMirtefen, Zapotefen und Tidapanefen in
Merxifo; 2) in Mittelamerifa die Spraden der Mos-
fito und Bribri, die Mayafpraden und die nad Siid-
amerifa tibergreifenden Sprachen der Rariben und
Urowafen ; 3) in Siidamerifa dic Spradjen der Moro,
Baure und Maipure, der Köggaba, der Muisla, der
Vaeze, der Yaruro und Betoi, der Tſchimu, die Inla—
ſprache (Ketſchua) nebſt dem Aymara, die weitverbrei-
teten Dialefte der Guarani, die Kiririſprache und dic
Spraden der Tiditito, der Lule, der Abiponen, der
Botofuden, Colorado, Molutide und Feuerliinder.
Die reinjte und reidjte Entwidelung des polyfynthe-
tijden Typus ye en das Nahuatl, die athabasfijden,
irofefifden un Tioontinioceden und das Guarani,
während das Otonn, Mutfun und Bribri fehr formen:
arm find und das Ketſchua als cine agglutinierende
Sprache bezeichnet werden fann. Yn betreff der Bah-
lenbezeichnung ſteht am tiefſten das Tidifito, das gar
feine Bablenausdriice außer fiir die riffe seins,
einige, viele« —* Die Dialefte der Eskimo oder
Innuit im hohen Norden Umerifas find trotz der un-
eheuern Entjernung nabe mit den Dialeften der Es—
ino in Grinland verwandt und bilden cinen Sprad)-
ſtamm für fid). Bal. die »>Spradentartes nebjt Tert-
blatt; de la Vinaza, Bibliografia espaiiola de
lenguas indigenas de América (Madr. 1892); Fr.
Miller, Grundrif der Spracdwijjenidaft, Bd. 2und
4 (Wien 1882 u. 1888); G. v. d. Gabeleng, Dic
Sprachwiſſenſchaft (2. Aufl., Leipz. 1900). Zahlreiche
ältere Grammatifen von amerilaniſchen Spraden bat
Sul. Blagmann in den lesten Jahrzehnten new
| herausgegeben.
| UAmerifanifde Völker (hierzu Tafel ⸗Ameri—
kaniſche Bolter I und Ie, mit Erflarungsblatt). Dic
Ureinwohner Umerifas, die jest nur den 14. Teil der
Geſamtbevöllerung ausmaden, qebdren einer Rafje,
der amerifanijden, an und jerfallen in die lings der
Polarküſte wohnenden Estimo (7. d.) und in die Qn
| Dianer (f. d.), Die in einer großen * verſchieden⸗
ſprachiger Völker über den ganzen Erdteil verbreitet
ſind. ber die Herkunft der amerilaniſchen Boller ijt
viel gejtritten worden. Wegen mehrfacher Uberein:
ſtimmungen der phyſiſchen Merkmale mit denen der
mongoliſchen Raſſe bat man fie aus China oder Japan,
aber aud) wegen ähnlicher Kulturentwickelung aus
Polynefjien einwandern laffen. Wahrideinticher tit dic
Annahme einer nordijden Herfunft, fei es von Wien
her fiber Die Beringſtraße oder eine ehematiqe Land
verbindung im Zug der Aleuten, oder von Ojten her
liber cine Vandbriide, die zur Eiszeit Europa mit
Grönland verbunden haben foll. Aber die alte und
jelbjtindige Kultur dev amerifanifden Voller, ihre bet
aller Verſchiedenheit nad demifelben Grundplan der
Einverleibung gebauten Spraden (f. Amerilaniſche
Spraden), endlid) der Nachweis, daß Amerila bereits
zur Diluvialzeit bewohnt geweſen tit, zwingen uns,
den Seitpuntt ciner foldyen Einwanderung weit in die
Urzeit Des Menſchengeſchlechts juriidyuverjegen. Un—
ter Berüchſichtigung der geographiſchen Verbreitung
und der ſprachlichen Verwandtidaft laſſen ſich folgende
Hauptgruppen der amerilaniſchen Boller aufftellen:
die Eskimo (Tafel 1, Fig. 3 und 4) von Grin-
land, dem Arktiſchen Archipel und der Nordküſte Nord-
amerifas von Vabrador bis Alaska. Ein Zweig der-
oS *
436
felben find die Uléuten (Tafel I, Fig. 1) auf den
leidmamigen Inſeln. 2) Die indiantiden Jägervöl⸗
er in Kanada und den Vereinigten Staaten, zu denen
die Athabasken oder Tinneh, die Ulgontin,
Srofefen,. Tidofta-Musfogi, Natchez, Pani,
Dafota oder Stour und Kiowa gehören (Tafel J,
Fig. 6—8 u. 12—15). 3) Die in zahlreiche Sprad-
ſtämme jerfplitterten Bewohner der Nordweſtküſte und
Ralijorniens, die Tlinfit, Haida, Seliſch, Sa—
haptin oder Nex percés, jerner die Yuma und
bie Puebloſtämme in Arizona und Rew Merico (Ta-
fel I, Fig. 2, 5. 16). 4) Die gentrale Gruppe, die In—
dianervdlfer Mexilos und Rentralamerifas. Hierher
ehört der uto-aztekiſche Sprachſtamm, der mit
acti Verzweigungen fic) von den Ujern des Colum-
biajlujjes bis jur Landenge von Panama ausdebnt.
Seine nördlichſten Glicder, die Ute, Schofdonen
und Romantiden, bilden den Schoſchonenzweig
(Tafel 1. Fig. 9—11), gum fonorijdyen Zweige ge-
hören die Bima im mexikaniſchen Staat Sonora und
am Gilafluß in Arizona, während der Nahuatlsweig
das Rulturvolf der Azteken begreijt. Ferner ge-
hören zur zentralen Gruppe die merifanijden Völter
der Otomi, Tarasco, Totonaco, Zapoteten,
Wirtefen, Chinantefen und Chapanefen, dic
Maya in Yucatan, die Choles und Chinca in
Guatemala, die Chicaque, Paya, Mosquito in
Honduras, die ChHontal, Ulva, Rama und Man—
gun in Ricaragqua (Tajel I, Fig. 17).
In Südamerila laſſen fic) gleichfalls vier Gruppen
unterſcheiden. 1) Die Undesvolfer, zu denen die Kul-
turvodlfer der Tſchibtſcha in Nolumbien und der
Ketſchua und Aymara in Peru und Bolivia ge-
hören. Dazu fommen die Buquina, Yunca, Uta-
camenog und —— in Peru und die Urau-
fanen in Chile (Tafel IL, Fig. 8—10, 15). 2) Die
Indianervöller im Gebiete des Amazonenſtroms. Zwei
große Sprachfamilien find bier verbreitet, die Der Ka—
riben und die der Arowaken oder Maipure.
Andre Sprachgruppen bilden die Miran ha am obern
Rio Negro und Japura, die Tifuna am Rio Napo
und die Bano am obern Ucayali (Tafel II, Fig. 1, |
5, 6, 7, 12). 8) Die Jndianervilfer des Hitliden und
jentralen Grafilien. Su ihnen gebdren die Tapuya
oder Gesvölker mitdenCayayo und Botofuden,
ferner Die Raraya, Trumai und Vororo, endlid
die Tu pi-Guarani (Tafel I, Fig. 2—4). 4) Die
PFampasvdlfer und Feuerländer. Die weiten Ebenen
des Gran Chaco bewohnen die Guay furu, ju denen
aud) Die ausgejtorbenen Ubiponen gehirten. Die
Pehueltiden oder Puelches am Rigro Negro
find cin Miſchvolk zwiſchen Araulanern und Bampas-
vilfern. Die Patagonier oder Tehueltiden und
die Feucrlinder nehmen die Südſpitze des Ronti-
nents ein (Tafel IL, Fig. 11, 13, 14, 16). Die Beriih-
rung mit den Europäern iſt befonders den nomadi-
ſchen Jägervöllern Nordamerifas verderblich gewor-
den. Weniger nachteilig ijt die europäiſche Einwan—
derung für die Urbevölkerung Mittel- und Südame—
rifas geweſen. Hier bilden nod) vielfach, wie in Me—
rifo, JJ Ecuador und Bolivia, die in—
dianiſchen Ureinwohner den zahlreichſten Bejtandteil |
der Bevblferung. Die Zahl der geſamten Urbevdlte-
rung Amerilas sur Yeit der ſpaniſchen Einwanderung
ſchätzt man auf 100 Dull. ; jetzt dürſten davon wenig
mehr als 10 Mill. übrig fein. Dazu fommmt nod eine
große Bahl von Miſchlingen zwiſchen Europäern und
Indianern (Meſtizen) und Negern und Indianern
(ambos). Bgl. Literatur bei⸗Amerila⸗, S. 431.
Amerifanismen — Amerling.
Amerikanismen, Cigentiimlidfeiten und Modi-
fifationen der englifden Sprache m Amerila, bejieben
ihrem Weſen nad 1) in der Aufnahme altenglifder
Urdaiomen, 2) in der verdinderten Bedeutung alt
engliſcher Ausdrücke, 3) in der Unwendung derſelben
in der Originalbedeutung, die in England verloren
gegangen ut, 4) in der Aufnahme altenglijder Pro-
vinzialismen, 5) in der Bildung neuer Worter, um
landeseigentiimlide Brodufte und Verhaltnijje ju be-
zeichnen. 6) im der Aufnahme fremder Yusdriide, be-
——— folder aus dem Franzöſiſchen, Spantſchen
und Holländiſchen, 7) in der Aufnahme indianiſcher
Worter. 8) in der Aufnahme von Negerausdrücken,
9) in Cigentiinlicdferten der Ausſprache und 10) in
ECigentiimlicferten der Rechtſchreibung. Die beiden
legtern jind der Sahl nad am ſchwächſten vertreten.
Die näſelnde Uusfprade, die den Neuenglander ju
charalteriſieren pflegte, ijt felbit in den neuenglifden
Staaten nidt fo häufig, wie allgemem angenonumen
wird, wobl aber lajjen fic) Meine Unterſchiede in der
Breite der Bofale bemerfen, weldje die Bewobhner der
einjclnen Landesteile fenngeidnen. Viele ju A. ge
redynete Uusdriide find amerilaniſche Provinzialis⸗
men und gebdren gu den Dialeften der öſtlichen, fiid-
lichen, weſtlichen und Bacificitaaten, neben denen
einige Autoritãten nod) einen befondern engl.jdj-deut-
iden, d. h. pennfylvanifden, anfiibren. Die im ge-
wöhnlichen Spradgebraud) häufigen Ubtiirjungen
werden jum »slang« gezählt; ebenjo vicle ephemere
Reubildungen, die von der Tagesprefje und den Hu-
morijten in Umlauf gejegt werden. Die neuern ame-
ritaniſchen Philologen weiden in der Erflirung und
Cinteilung der W. bedeutend von ihren Borgingern
ab und find geneigt, die Saul derſelben fehr ju be-
ſchränlen. Bgl. Köhler, Worterbud) der W. (Leip;
1866); De Bere, Americanisms (Lond. 1872);
Bartlett, Dictionary of Americanisms (5. YlufL,
Boſt. 1884); Tenner, Deutid-amertfanijdes Bade-
mefum (2. Uufl., Berl. 1886); Matthews, Ameri-
_canisms and Briticisms (New Vort 1892); Far—
| mer, Americanisms old and new (Lond. 1894).
Amerifanijt, ein Gelehrter, der auf die einhei⸗
miſche Kultur Amerilas, insbef. zur Zeit vor der Ent-
deckung dieſes Erdteils bezügliche Studien treibt. Die
Forſchungen dicfer Urt haben ihren Mittelpuntt in
den internationalen YWmerifanijtenfongreffen gefun—
den, Die feit 1875 alle zwei Jahre in verjdicdenen
Städten (jortan abwedjelnd in der Witen und Neuen
Welt) tagen. {amerifanijde Indianer.
Amerind, gebriudlide Zujammenjiehung fiir
Umerling, Friedrid, Waler, ged. 14. April
1803 in Wien, geft. dafelbjt 14. Jan. 1887, beſuchte
zuerſt Die Wiener Ulademie, unternahm dann cine
Reife nad) London und Paris, wo er die Werke von
Lawrence und Vernet ftudierte, und fehrte iiber Wiin-
chen, wo er fid) Stieler gam Wujter nabm, nad
Wien zurück. Durd eine Dido auf dem Sdeiterhaufen
und einen Moſes in der Wiijte erwarb er fic die
erjten Breife der Ufademie. 1831 ging er nad Nom,
von wo thn fdon im folgenden Jahr der Auftrag
Naiſer Franz' L, fein Bildnis im Krönungsornat ju
malen, nad Wien zurückrief. A. volljog den Auftrag
mit Glück und ward dadurd) gu einem Der beliebtejten
Bildnismaler der vornehmen Kreife, weldhen Ruf er
| bis in Die 5Oer Jahre des 19. Jahrh. behauptete.
Amerlings Portrate, deren Zahl egen 1000 betrigt,
zeichnen ſich durch vornehme Auffaſſung und glin-
mt Rolorit aus, leiden aber biswetlen unter Dem
tangel an energifder Charalterijtif und geiſtiger
Amersfoort
Vertiefung. 1902 wurde ihm im Wiener Stadtpart
ein Denfual von J. Benk erridjtet. Val. Frankl,
Friedrich v. A. (mit Liigow, Wien 1889).
Amersfoort, Stadt in der niederlind. Provinz
Utrecht, an der Cem, Rnotenpunft an der Cifenbahn
Utrecht-Kampen, hat 3 protejtantifde umd 2 fath.
Kirchen (darunter die ſchöne Liebfrauenlirche mit 94 m
hobem Turm), altfath. Seminar, hihere Bürgerſchule,
Tabaf- und Bawnwolljabrifation, lebbajten Tran-
fithandel und coo) 19,089 Einw. (darunter etwa
7000 Natholifen). YW. ijt Geburtsort von Oldenbarne-
veldt (f. d.). Bwifden A. und Utrecht erheben fic) die
UWmersfoorter Berge, eine 7 km lange Reihe von
Sandhügeln, wahrſcheinlich Uberrejte einer ehemali-
gen Dunentette.
Amesbury (pr. emsbird, Fleclen im nordamerifan.
Staat Wajjadpufetts, Gratfdajt Eſſex, am Merrimack
und Der Bojton-Maine- Bahn, mit Woll-, Hut- und
Wagenjabrifen und (1900) 9473 Cin.
Umefhatpenta, ipdterUmidat pands ,„die Un—
ſterblichen, Heiligen⸗, in der von Zoroaſter geſtifteten
Religion, der die Parſen noch jetzt anhangen, der
Mame der guten Geiſter. Es gibt ſechs oder ſieben A.,
je nadjdem Ormuzd, der höchſte Gott, gu ihnen ge
redjnet wird oder nidt. In der Regel erſcheinen die
feds YW. von ihm geſchaffen und als feine oberſten
Minijter und Diener. Wis Hauptern der quten Geijter
jtehen ihnen cine Anzahl entipredender bijer Genien
egeniiver. Das Haupt diefer ijt Ahriman (ſ. d.).
3 1. 3. Darmejteter, Haurvatét et Ameretit
(har. 1875); Spiegel, Eraniſche Altertumskunde,
Bd. 2 (Leip3. 1873).
Ameſit, Mineral der Chloritgruppe, ſ. Chlorit.
a meta (ital.), sur Hälfte, Daber a meta-Gejchijte
folche Geſchäſte, Die Don zwei Berfonen auf gemein-
ſchaftliche Rechnung und Gefabr (conto a meta oder
contometa, auf halbe Rechnung) betriebern werden.
Ametabdola, Snjeften mit unvollfommener Me—
tamorphoje.
Amethuijſt, Mineral (ſ. Tafel ⸗Edelſteine⸗, Fig. 4),
Varietät des Quarzes, findet ſich meijt in kurzgedrun⸗
genen, fipend ausgebildeten Rrijtallen, ausgezeichnet
durch violette, pflaumenblaue, aud nelfenbraune
Farbe, zuweilen mit jtreifigen oder fejtungsartigen
Zeichnungen, durdhjidtig oder durdhideinend, wird
durd) Glithen gelb (jogen. Citrin), aud grin, dann
farblos. Hauptfundorte find Oberjtein (hier häufig
in ip neg ook Rothenfopf im Zillertal und Murs
finff (auf naraadingen), Schemnitz in Ungarn und
@uanaruato in Merifo (auf Erzgängen). Ceylon und
Brafilien (Geſchiebe). Schön violett gejarbt ijt der A.
von Ceylon und Brajilien, aud) von Schemnitz, febr
blaß dagegen der Haaramethy jt (mit diinnen Blatt:
den von Eiſenglimmer oder nadelformigen Krijtallen
andrer Mmeralien) von Botanybai in Neuholland.
U. ijt ein beliebter Schmuckſtein (Otzidentaliſcher
U.); im Wltertum wurde er als Amulett getragen (als
Mittel gegen den Rauſch, daher der griechiſche Name
améthystos, »Zrunfenbheit verhiitend«). Seitdem
Brafilien (Bahia) große Waffen liefert, ijt er ſehr im
Preis gejunfen. Durd Glühen umgefärbte oder ent-
farbte Anmethyſte dienen alg Surrogat von Diaman-
ten, YWquamarinen und Topajen. Drientalifder
UW. (A. Sapphir, violetter Rubin) ijt veilden-
blauer Rorund von Virma und Ceylon.
Umetrie (qried).), Mangel an Symmetric oder
Ebenmaß.
Ametropie (griech.), Abweichung von der nor⸗
malen Brechkraft eines Auges, fo daß entfernte Ob-
437
jefte bei Altommodationsruhe nur in undeutlichen Zer⸗
ſtreuungsbildern geſehen werden, Gegenſatz zu Em⸗
metropie (f. d.).
Amenblement (franj., fpr. amdbbl'mang), die Gee
ſanitheit der gu einer Zimmereinrichtung gehörigen
Mibbel, de8 Hausrats. S.Wtdbel u.Zimmerausitattung.
Amfortas (Anfortas), König de3 Grals, war,
durch einen vergifteten Speer ſchwer verwundet, zu
jammervollen Leiden verdammt, bis ihn dic mitleidige
Brage Parzivals erldjte. Vql. Wolfram von Eſchenbach.
mbara (j. Karte »Aqypten ꝛc.«), der mittlere
Teil Abeſſiniens, rings um den Tanafee mit der Haupt-
ſtadt Gondar, umfaßt die Landſchaften Semién, Dem—
bea, Begemeder, Wag, Lajta, Kuara, Matſcha und
Godidam. Die Bewohner, die A., haben auc) Schoa
im Bejig und fprechen einen dem Athiopiſchen ver-
wandten fentitijden Dialeft (jf. Amhariſche Sprade),
Der immer weitere Verbreitung gewinnt. Rad) dem
Berfall des alten abeſſiniſchen Königreichs warf fid
1833 Ras Ali zum Herrſcher auf und reſidierte in
Wondar, bis er 1853 durch jeinen Schwiegerſohn Rajat
(Theodor) geſtürzt wurde. Bis 1867 bildete A. dann
unter Theodor wieder einen Teil des abeſſiniſchen
Reiches. Nad dejfen Tod (14. April 1868) bemäch—
tigte fic) Gobefié von Lajta und Godſcham Amharas,
big er 14. Juli 1871 durch Rajai von Tigré gp nas
nes) geiangen genommen wurde. Jest bildet A. einen
Teil des geeinigten Ubejfinien.
Ambarifhe Sprache (Umbareiia), das den
Einwohnern von Amhara (j.d.) eigentümliche Idiom,
die wichtigſte der lebenden Sprachen Abeſſiniens und
ugleich nach dem Arabiſchen die verbreitetſte ſemitiſche
Sprache der Gegenwart, verdrängte im Mittelalter
die früher dort herrſchende äthiopiſche Sprache (Geez),
die ſich jedody al Kirchenſprache nod) erhalten bat.
Die a. S. ijt jtarf mit Cindringlingen aus den be-
nadbarten afrifanifden Spraden vermiſcht und ſelbſt
in der Syntax dem urjpriinglicjen jemitijden Typus
— Amherſt.
entfremdet. Die Schrift iſt die um einige Zeichen
vermehrte äthiopiſche. Cine Grammatik und ein Wor-
terbuch lieferte Ludolf (1698), cin wertvolles ausfiihr-
lidjes Handbud) Prätornus (»Die a. S.«, Halle 1878
u. 1879, 2 Hefte), ein andres Mondon - Vidailhet
Par. 1891), ein »Dictionnaire amarinna-frangais«
. D'Ubbadie (Daj. 1881), eine »Grammatica ele-
mentare della lingua amariiia« J. Guidi Rom 1889).
Amberit (ipc.dmmich), 1) fleine Miijtenjtadt in Bri-
tiſch⸗ Birma, 50 km ſüdlich von Waulmein, dem es
als Gefundheits- und Lotjenjtation dient. Als 1827
die Provinghauptitadt nad) Maulmein verlegt wurde,
jant die Einwohnerzahl von 20,000 auf (son) 3135.
— 2) Flecen im nordamerifan. Sraat Maſſachuſetts,
Grafſchaft Hampſhire, auf maleriſcher Höhe am Con-
necticut, nuit dent berühmten A.College (1821 ge—
qriindet), Stermwarte, Bibliothef, Naturalienjamnr
lung, Landwirtidajtsjdhule und (900) 5028 Cinw. —
3) Hauptort der Grafſchaft Cumberland in Neujdhott-
land (Kanada), an dem Nordojtarm der Chignecto-
bai (der Cumberlandbai), auf der Landenge zwiſchen
Neuſchottland und Neubraunſchweig, an der Eiſen—
babn Quebec -Halifar, mit ge.) 3781 Einw.
Amberft (jr. dmmsra), 1) Jeffrey, Lord, engl.
Feldmarfdall, qeb. 29. Jan. 1717, gejt. 3. Aug. 1797,
trat mit 14 Jahren in die YUrmee und wurde 1758
Weneralmajor. Im qleiden Jahr übernahm er cin
Rommando im britifden Nordamerifa und vollendete
1760 mit den Generalen Wolfe und Prideaur die Er-
oberung von Franjojijcdh-RNanada. Nach dent Frieden
wurde er 1763 Gouverneur von Virginia und 1770
438
Gouverneur der Inſel Guernjey. Er wurde 1776
gunn Beer erhoben, 1778 jum General befordert, war
1778-95 Dberbefehishaber der britiſchen Urmee und
wurde 1796 jum Feldmarſchall ernannt.
2) Billiam Pitt, Graf, brit. Staat8mann,
Ami — Amidophenole.
Erlang. 1882), etnem altfranzöſiſchen roman d'aven-
ture aus dem Anfang des 13. Jahrh. (brsq. von Köl⸗
bing, Heilbr. 1884), veridiedenen franzöſiſchen Proſa⸗
terten aus dem 13. und 14. Jahrh., dramatiſch beban-
delt in einem franzöſiſchen miracle, in Dem deutſchen
Neffe des vorigen, geb. 14. Jan. 1773, gejt. 13. Mar; Gedicht »Engelbart und Engeltrut« von Konrad vor
1857, wurde 1816 ald auferordentlider Gejandter | Würzburg, veridiedenen deutiden Erojaterten aus
nad China gefandt, erhielt nad vielen Schwierigleiten dem 14. und 15. Jahrh., einer mittelengliiden Ro—
bie Erlaubnis, fid) in Pefing dem Kaiſer vorjujtellen, | manje von etwa 1300 (hrsg. von Kölbing. Hetlbr.
erfiillte aber die vorgeidriebenen Zeremonien nidt | 1884), einer altnordijden Proſaſaga und einer alt-
und mußte unverridteter Sache Das Land verlajjen. | nordijden Reimdidtung (Hrsg. von Kölbing, Daf),
Wis Generalqouverncur von Ojtindien (1823 — 28) | einer feltijden Faffung in dem fogen. Roten Bude
führte er cinen gliidlidjen Srieg gegen die Birmanen | von Hergejt. Bgl. Kölbing im den »Beitragen zur
und erbielt 1826 die Würde emes Grafen.
Bal. Geſchichte der deutſchen Sprache und Literatur«, Bd. 4
Ritdie, Earl A. (in der Sammlung »Raulers of | (Halle 1877).
India«, Yond. 1894).
Ami (fran}.), Freund; Amie, Freundin.
Amiaden, Familie der Fide, ſ. Amien.
Amidut, Vineral, ſ. Aſbeſt.
Amiata, Monte, vulfanijder Berggipfel im
to3tanifdjen Subapennin, 1734 m hod.
Amici vc. amitign, Giovanni Battijta, Aſtro—
nom und Optifer, geb. 25. März 1786 in Modena,
eit. 10. Upril 1863 in Florenz, war Profefjor der
athematit in Modena, fpater Direftor der Stern-
warte in Florenz. Er ijt der Beqritnder der moder⸗
nen Wifroffopoptif, er erfand die mehraliederigen
DObjettiviyitemte mit großem —— *— die Im⸗
wmerſionsſyſteme, baute Spiegelteleſtope, einen Pola-
riſationsapparat, eine Vorrichtung zur Meſſung der
Lichtſtärle aſtronomiſcher Objefte xc. und ſchlug 1822
bie Erſetzung der Spiegel der Spiegelfreije Durd Pris-
men vor.
Amicis, Edmondo de, ſ. De Umicis.
Amiciften, Studentenorden, ſ. Mofellaner.
Amicitia (lat.), }reund{daft. Amicitiae causa,
aus Freundſchaft.
Amictus (lat.), Gewand; befonders das vieredige,
weifleinene Tudh, dad der Priejter feit dem 8. Jahrb.
Amida (>cwiges Leben«), eine aus dem Sansfrit
iibernommene japanifde Bezeichnung des Buddha.
Amida, Stadt, ſ. Diarbefr.
MAmide(Saureamide), dem. Verbindungen, die
man alg Ammoniak NH, betradten fann, in dem
Wajjeritoffatome durch Säureradilale erjetst find:
CH,CO.NH, (CH,CO),NH = (CH,CO),N
Acetamid, Diacetamid, Triacetamib,
primdres Amid ſekundares Amid tertiares Arid.
Acetamid leitet ſich ab von der Eſſigſäure C,H,O.OH,
in der die Hydroxylgruppe OH durch Amid NH, er-
ſetzt iſt. A. entſtehen beim Erhitzen der Ammonialk-
ſalze von fetter Säuren (eſſigſaures Ammoniak
CH.CO.NH, gibt CH,CO,NH,), durd) Einwirkung
von Unumoniaf auf Ejter, Säurehaloide oder Säure⸗
anhydride, Durd) Wddition von Waſſer zu den Siure-
nitrilen. Die primdren VW. find meijt frijtallijierbar,
die mit niedrigem Molekulargewicht lajjen fic) dejtil-
lieren, fie verhalten fic) wie ſchwache Baſen und gleich⸗
zeitig wie ſchwache Säuren und jerfallen beim Kochen
mit Säuren oder Ulfalien in die betreffenden Säu-
ren und Ummonial. Die fefundaren VU. haben feine
bajifdjen Eigenſchaften mehr, und die tertidren ver-
halten fid) wie Säureanhydride. Werden in zweibaſi⸗
zur Selebration des Hochamtes über Naden und Sdut- ſchen Säuren beide Hydroxylgruppen durd) NH, er-
ter trug und vorn auf der Bruſt mit Schnüren zu—
Amicu, See, ſ. Amucu. [fammenband.
Amicus (lat.), Freund. A. Plato, magis amica
veritas: »Teuer ijt mir Blaton, teurer die Wahrheit,
Überſetzung eines griechiſchen, auf einer Platonijtelle |
beruhenden und eigentlich Sofrates nennenden Sprich⸗
worts. A. populi Romani, ⸗Freund des römiſchen
Volfes«, Fliriten und ganzen Nationen beigelegter |
Ehrentitel. A. Augusti, in der Kaiſerzeit Titel fiir die
zum Empfang beim Raifer zugelaſſenen Perſonen,
biter mit gewiffen hohen Amtern verfniipft. A. cn- |
riae, im engliſchen Gerichtsverfahren ein —
der, obſchon bei dem geführten VProjeß nicht beteiligt,
ſreiwillig auf einen für die Sache wichtigen Umſtand
aufmerfiant macht.
Amicus und Amelins, cin berühmtes Freundes—
fest, fo entſteht ein Amid, aus Kohlenſäure das Care
bamid (Harnſtoff) CONH,), ; betrifft Ne Subititution
aber nur eine Hydrorylgruppe, foentiteht cine Wmin-
jaure, 3. B. die Carbaminfaiure CO.OH.NH,.
Amidoazobenzol, ſ. Azobenzol.
Amidobenzöl, ſ. Anilin.
Amidoeſſigſäure, ſ. Glylokoll.
Amidogene (pr. Hin), von Gemperle angegebe-
nes Sprengpulver, beſteht aus Kalijalpeter, Holstoble,
Kleie (oder Stirfe), Schwefel und Bitterſalz.
Amidofapronfaure, |. Leucin.
Amid’ol, ſ. Diamidophenole.
Amidon , foviel wie Starfemehl. fom:
Amidoorybensocfauremethylefter, ſ. Oribo-
Amidophenole C,H,NO od. NH,.C,H,.OH ent-
jteben durch Reduftion der Nitrophenole NO,.C,H,.OH
paar der mittelalterlichen Sage. Sie treten in der auf- mit Zinn und Salzſäure, zerſetzen ſich leicht, befonders
opjernditen Weife fiireinander cin, wobei ibnen ihre an feuchter Luft im Licht und bilden mit Säuren Salje.
außerordentliche Ähnlichkeit zu qute fommt. Wmicus o-Amidophenol aus o-Nitrobenzol bildet Schup⸗
bejteht an Stelle des ſchuldigen Amelius einen qottes- pen, ijt in Wafer, leidter in Allohol und Ather 15a
gerichtlichen Sweifampf, und Amelius heilt den ſpäter lich, ſchmilzt bet 170° und gibt mit falpetriger Saure
ur Strafe fiir feinen Betrug audidipig gewordenen Diajsophenol. Der Methylather ijt das g-Aniſidin.
mice
8 durch das Blut feiner Kinder. Durd cin
Wunder werden dieſe wieder lebendig. Der Urfprung
der Sage ijt im Orient su fuchen. Sie liegt uns im
WMittelalter unter andern in veridiedenen lateinifden |
Profafaffungen vor, in den Bruchſtücken eines lateini- |
{chen hexametriſchen Gedichts, in emer altfranzöſiſchen
chanson de geste (hrsg. von K. Hofmann, 2. Aufl.,
m-Wmidophenol, aus m-Nitrobenjol, ijt febr leicht
— ſchmilzt bei 122°, gibt mit ſalpetriger Säute
Reforcin und dient wie feine Wifylderivate jur Dar-
jtellung der Rhodaminfarbjtoffe. p-Wmidopbhe-
nol, aus p-Ritrophenol, aud) aus Ritrobenjol ir
jtarf ſchwefelſaurer Ldfung durd den eleftrifchen Stromt
erhalten, bildet Blattdhen, ſchmilzt bei 184° unter Zer⸗
Amidoſäuren — Aemilia Via.
ſetzung, fublimiert zum Teil unzerſetzt und gibt mit
Chromſãure Chinon.
Amidofauren (WUminofettfiuren, Alanine,
Giyfofolle), organiſche Säuren, in denen ein Teil
des nicht Durd Metall vertretbaren Waſſerſtoffes durd
Die Amidogruppe NH, erſetzt iſt. Eſſigſäure CH,.COOH
gibt Amidoeſſigſäure CH,.NH,.COOH. Mehrere A.
finden ſich im Pflanzen⸗ und Tierkörper, für deren
Lebensprozeß ſie von Bedeutung ſind. Sie entſtehen
aus Eiweißlörpern durch Spaltung mit Salzſäure
oder Barytwaſſer, aus Monohalogenfettſäuren beim
Erhitzen mit Ammoniak x1. Sie find kriſtalliniſch,
ſchmecken meijt ſüßlich, löſen fic) in Wafer, meijt aber
nidt in Ulfohol und Äther. Sie bilden mit Metall-
oxyden Metallfalye, mit Sauren Ammonialſalze und
entwidein beim Roden mit Kalilauge kein Ammoniak.
Amidoſubſtanzen, ſtichtoffhaltige Pflanzen—
beſtandteile, die im Vegetationsprozeß aus Eiweißlör⸗
pern hervorgehen und wieder in fie zuriidvermandelt
werden. Am verbreitetiten ijt das Ufparagin. Bei
Unalyfen von Pflanzenteilen hat man ae den Ge-
halt an Eiweißlörpern aus dem Stictitoffgehalt er-
mittelt und fomit die A. (neben Nitraten und andern
Slickſtoffverbindungen) als Eiweißlörper in Rechnung
gebracht, während doch ihre Bedeutung für den Or⸗
ganismus eine ganz andre iſt.
Amidotolusl, ſoviel wie Toluidin.
Amidpulyer, Sprengſtoff aus Kali- und Am—
moniaffalpeter mit Holztohle, verbrennt mit wenig
Maud) und ijt von grofer Energie.
Amiel (jor. amie, Henri Frédéric, frangzofifd-
ſchweizer. Schriftiteller, geb. 27. Sept. 1821 in Genf,
aus ciner Réfugiésfamilie, geſt. dafelbjt 11. Mai
1881, jtudierte in Heidelberg und Berlin (1844—48)
deutſche PHilofophie und wurde darauf Profeffor der
Philofophie an der Genfer Alademie. Außer literar-
hijtorifden Urbeiten verdffentlidjte er aud) poetiſche
Berfuce: »Grains de mil« (1854), »Penseroso«
(1858), »La part du réve« (1863), »L’escalade de
1602« (1875), »Charles le Téméraire« (1876) und
»Jour à jours (1880), deren Hauptitirfe in der phi⸗
loſophiſch⸗ tendenziöſen Farbung liegt. Er hat eine
Anzahl befannter deutſcher Gedichte, 3. B. Freiliqraths
eLdwenritt«, im gleiden Versmaß ins Franzöſiſche
tiberfegt (»>Les Etrangéres<, 1876). Wuffehen erreg-
ten Die Auszüge aus feinen Tagebiidern, die nad)
feinem Tod unter dem Titel »Fragments d'un jour-
nal intime< (1883, 2 Bde.; 8. Aufl. 1901) mit Ein—
leitung von ©. Scherer —— wurden. Sein
Weſen war mehr von deutſcher Art; in Frankreich iſt
er nicht verſtanden und daher z. T. recht abfällig be—
urteilt worden. Sein Leben beſchrieb die Genferin
Berthe Vadier (Par. 1885). Val. Frommel, Es-
quisses contemporaines (ar. 1892).
Amien (Umiaden, Kahlhechte, Schlamm—
fifde, Amiidae), Familie der Schmelzfiſche, mit lang-
qeitredtem Rirper, verknöcherter Wirbelſäule, runden
Schuppen, langer Rückenfloſſe und abgerundeter he-
terozerler Schwanzfloſſe. Foſſile Gattungen finden
ſich ſeit der Kreideformation, —— lebt nur
nod der Schlammfiſch (Amia calva L.), 60 cm
lang, in morajtigen Süßwäſſern Carolinas, der ſich
von fleinen Tieren nährt und in der heipen Jahres—
zeit im Schlamm vergräbt.
Amiens jpr. amiéng), Hauptſtadt ded franz. Depart.
Somme, an der ſchiffbaren, mehrfach geteilten Gomme,
die hier die Celle aufninmmt, Knotenpunft der Nord-
bahn, hat eine von Heinrid) IV. herrithrende Zitadelle
und von hervorragenden Gebäuden eine 1220—88
439
erbaute Rathedrale mit zwei unvollendeten Tiirmen,
pradtvoller Faſſade, hohem Schiff und ſchönen Chor-
tiiblen, cin Meiſterſtück gotiſcher Baukunſt; ferner
ind gu nennen das Stadthaus, wo 1802 der Friede
(j. unten) geſchloſſen wurde, der Dujtizpalajt und das
Mufeum. Die Zahl der Einwohner betrigt 01)
81,633 (al8 Gemeinde 90,758). Bliibend ijt die Fabri-
fation von Sdafwollen- und gemiſchten Geweben
(jogen. Untiensartifel), Baunuwollenfamt und Tep-
iden. Außerdem hat A. Baumwoll-, Flads- und
GSeidenfpinnereien, Farbereien und Dructereien, Fa-
brifen fiir Maſchinen, Chemifalien, Zucer x. und
treibt anſehnlichen Handel mit Zucer, Wolke, Otjaat,
Getreide, Gemiifen und Entenpajteten. YW. hat ein
Lyzeum. Normalſchule, Vorbereitungsfdule fiir Me-
dizin, Muſeum fiir Kunſt und Altertuümer, eine öffent⸗
liche Bibliothek von 60,000 Bänden, Alkademie der
Wiſſenſchaften und Künſte und einen botaniſchen Gar-
ten. Es ijt Sig des Generallommandos de3 2. Armee⸗
forp3, bes Prajeften, eines Biſchofs, eines Appellhofs
und eines Handelsgerichts. — A. fommt fdon im Al⸗
tertum unter Dem Namen Samarobriva als Haupt:
jtadt Der Um biani vor und war bereits vor Ankunft
der Romer in Gallien cin mächtiger Ort. Das Gebiet,
die ehemalige Graffdaft Umienois, war bis 1185
Lehen der Biſchöfe von U.; 1436—77 gehörte es den
Herzögen von Burgund. Viel genannt ijt Peter von
A., Der erjte Kreuzzugsprediger. 1597 eroberten die
Spanier A. verloren es aber trop heldenmiitiger Ver⸗
teidiqung bald wieder an Heinrid) IV. Hier wurde
27. März 1802 der Friede von A. zwiſchen England
und Frankreich unterzeichnet: England gab dte er-
oberten ſpaniſchen und holländiſchen Rolonien bis auf
die Jnfeln Ceylon und Trinidad wieder heraus, aud
Frankreich erhielt feine Rolonien zuriid; die Republif
der jieben Joniſchen Ynfeln ward anerfannt und Malta
dem Dobhanniterorden juriidgegeben; die Franzoſen
jollten Rom, Neapel und Elba räumen, dem akaoe
Dranien ward Entſchädigung verheißen; der Pforte
ward außer der Ynteqritat aufs neue der Befig von
Vgypten und gudem das Schutzrecht über die ey
ſchen Inſeln zugeſichert. Die Anmaßungen Napoleons
führten aber ſchon 18. Mai 1803 den Wiederausbruch
des Krieges herbei. Bei A. gewann General v. Man⸗
teuffel mit Dem 8. und 1. Korps 27. Nov. 1870 einen
entideidenden Sieg iiber die 30,000 Mann jtarfe
franzöſiſche Nordarmee. Tags darauf wurde vom
General v. Goeben die Stadt beſetzt; am 380. Nov. er-
gab fid) aud) die Bitadelle. Val. de Calonne, His-
toire de la ville d'A. (Amiens 1898—99, 2 Bde.).
Amiidae, ſ. Amien.
Amiftogenéfis (griech.), einſeitige Entwidelung,
bei der ein Lebeweſen nur dem einen ſeiner Eltern,
nicht beiden nachartet.
miliãnus, 1) Marcus Ämilius, rim. Kaiſer
253 n. Chr., von Geburt ein Mauretanier, wurde, tm
Kriegsdienſt in die Hdhe gefonumen, als Statthalter
Möſiens von feinem Heer als Kaiſer ausgerufen, be-
fiegte Die Raijer Gallus und Voluſianus bei Inte—
ranma, wurde aber nad 4 Monaten auf die Nachricht
von dem Heranriiden Valerian’ bei Spoleto von den
Soldaten ermorbdet. — 2) Ciner der fogen. 30 Ty-
rannen (Ufurpatoren) um 263 n. Chr. in Ägypten,
wurde von Theodotus, dem Feldherrn des Kaiſers
Gallienus, gefangen genommen und erdrojfelt.
Aemilia Via, cine der widtigiten rim. Strafen,
187 v. Chr. vom Konful M. Wmilius Lepidus im An⸗
ſchluß an die Via Flaminia zwiſchen Uriminum (Ri-
mini) und Placentia (Piacenza) erbaut. Ihr Name
440
qing in der Beit der Flavier auf die von ihr Durd-
zogene Landicaft Uiegt Emilia) fiber.
Amilius Paullus, Lucius, rdm. Feldherr, fiel
in feinem jwetten Ronfulat 216 bei Canna, nachdem
er vergeblid) ſeinen ebegeisigen Kollegen, Terentwus
Barro, von einer Schlacht juciidsubalten verſucht
hatte. — Sein gleichnamiger Sohn ſchlug, zum zwei⸗
tenmal Konſul, den mafedonijden König Perfeus in
der Schlacht bei Pydna (22. Juni 168) und bradte
eine fo reidje Beute (6000 Talente) in den Staats-
ſchatz, daß feitdem die direlte Beſteuerung der Bürger
aufhörte. A. ſtarb 160. Sein Sohn Publius wurde
von dem Sohne des Scipio Africanus adoptiert und
nachmals als Scipio Ufricanus der jiingere berühmt.
Seine Viographie von Plutarch ijt erhalten.
Amimie (griech.), Unvermigen, fic) durd Mienen
und Gebärden —— felteneres Symptom bei
Aminbajfe, j. Vajen. Aphaſie (f. d.).
——— foviel wie Anilin.
Aminopurin, ſ. Wdenin.
a minéri ad majus, j. a majori ad minus.
Uminjaure, ſ. Amide.
Amira, Karl von, Forſcher auf dem Gebiete der
—— Rechtsgeſchichte, ged. 8. März 1848 in
jdhaffenburg, jtudierte in Miinden, war dann kurze
Beit im Juſtiz- und Verwaltungsdienſt tätig, habi—
litierte ſich 1874 als Privatdozent fiir deutſche Redts-
geſchichte und deutſches Privatrecht in Miinden und
ward bereits im folgenden Jahr ordentlicher Profefſor
in Freiburg i. Br. 1893 folgte er einem Ruf an die
Univerjitat Minden. Außer verfdiedenen in Beit-
ſchriften erſchienenen Abhandlungen rechtsgeſchicht⸗
lichen Inhalts ſchrieb er: »Das altnorwegiſche Voll:
ſtreclungsverfahren⸗ (Münch. 1874); »Erbenfolge und
Verwandtidhajtsgliederung nad den altniederdeut-
ſchen Rechten« (daj. 1874); »Über Zweck und Mittel
der germaniſchen Rechtsqefdidte« (daf. 1876); » Rord-
qermanijdes Obligationenredht« (Leipz. 1882 — 95,
Bd. 1 u. 2) fowie den Abſchniit »Redht« in H. Pauls
»Grundriß der —— Philologie⸗ (aud als
Sonderdrud, 2. Aufl. Strahb. 1897). Jn den ⸗Neu—
drucken deutſcher Literaturwerfe des 16. u. 17. Jahr-
hunderts« gab erheraus: » Das Endinger Judenſpiel «
(Mr. 41, Dalle 1883). |
Amiranten (Mdmiranten), oftafritan. Ynfel-
gruppe zwiſchen 5 u.7° ſüdl. Br. ,83qkm groß, bejtebt |
aus 11 niedrigen, bewaldeten, von Korallen umgebe- |
nen Cilanden im SW. der Sefdellen. Sie wurden
1814 von England befest, bilden cine Dependeny von
Mauritius, find von etwa 100 franzöſiſch fpredyenden
Miſchlingen (Negern und Weiken) bewohnt, liefern
Nofosdl, Mais, Büffel, Schafe, insbeſ. aber Scild-
friten und Fiſche; als Erfriſchungsſtation widtig.
Amis (Pfaffe W.), ſ. Strider.
Amifia, rm. Name der Ems (jf. d.).
Amiſos, mileſ. Rolonie in Bontos, amt Schwar—
zen Weer, in Perifleticher Zeit von Uthenern befiedelt
und unter Dithridates Cupator neben Sinope defjen
Reſidenz. Bon Lucullus 71 v. Chr. erobert, erlangte
die Stadt durch Auguſtus nach der Schladht bei Uctium
ihre Freiheit. Nuinen bei Samfun.
Amitoſe, direfte Rernteilung im Gegenfape zur
indireften (Mitofe); f. Belle.
Umilabaum, j. Phyllanthus.
Asm (web (jor. dmmiut), Hajenjtadt auf der Nordkilſte
der Inſel Angleſey (Wales), mit avon 5306 Einw.
(Gemeinde). Hier findet die Verſchiffung des aus dem
4km entfernten Barysberg gewonnenen Kupfers ftatt.
Amilius Paullus — Amme.
Amman, Ruinenjftadt in Syrien, an der von Da-
masfus nad Meffa fiihrenden Pilgerſtraße, im obern
Wadi Berfa, das alte Rabbath-Ammon, ſpäter
Philadelphia qenannt. Unter den Ruinen find be-
jonders das pridtige Theater von 39 m Durchmeſſer
und das Odeon bemerfenswert. Cine Säulenſtraße
durchſchnitt den Ort. Auf dem Gipfel de3 nördlich dic
Stadt itberragenden Berges liegen die Trümmer der
Ufropolis mit einem gweiten Tempel. Die Zerſtörung
eſchah hauptſächlich durch Erdbeben. Dest befindet
eh in A. eine Tſcherkeſſenkolonie.
Amman, 1) Joſt (Jodocus), Maler, Zeichner,
Kupferätzer und Formſchneider, geb. 1539 in Zürich,
geſt. 1591 in Nürnberg, wohin er 1560 zuerſt gefom-
men war, und wo er 1577 feinen Dauernden Wohnſit
nabm. €r bat zahlreiche Stamm-, pen-, Trad.
ten⸗ und Bilderbiidher herausgegeben (Beifpiele dar-
aus ſ. Tafel »Heraldif<, Fig. 9, und »Landstnedhte«,
rig. 2). Seine Gejtalten haben eine eleqante Sdlant-
heit, die aber etwas manieriert ijt. Neu F sgegeben
wurden unter anderm durch G. Hirth in München
fein ⸗Wappen⸗ und Stammbud)« (1881), das »Frauen-
trachtenbuch⸗ und »Martenfpielbud)< (1880), »Ebe-
brecherbriide de3 KAönigs Urtus« (1883), -Allegorie
auf Den Handel« (1889), »Stinde und Handwerter<,
mit Berjen von Hans Sachs (1896). Bgl. Beder,
Jobſt WU. (Leip;. 1854).
2) Johann Konrad, Aryt, grb. 1669 in Sdajj-
hauſen, geft. 1724 auf feinem Gute Warmond bei
Veiden, ftudierte in Bafel, lebte als Arzt und Taub⸗
jtummentehrer in Amſterdam und Haarlem. Bon
jeinen Schriften: »Surdus loquens« (YUmiterd. 1692;
dDeutich, Prenzl. 1747 u. Berl. 1828) und » Dissertatio
de loquela« (Amſterd. 1700), ging der Begriinder der
deutſchen oder Urtifulationsimethode fiir Taubjtumme,
S. Heinide (jf. d.), aus. Val. Walther, Geſchichte
des Taubjtummenbildungswejens (Bielef. 1882).
Ammanati, Bartolommeo, ital. Urditeft und
Bildhauer, geb. 18. Juni 1511 in Settiqnano, geſt.
22. April 1592 in Floreny, war Sdiiler dinellis
in Florenz und Sanſovinos in Venedig und einer der
erſten Nachahmer Michelangelos. Schauplätze ſeiner
Titigfeit waren Piſa, Padua, Rom und Florenz;
feine Hauptwerfe find das Grabmal des Rardinals
Monti in Rom, die Dreifaltigfeitsbriide in Florenz,
der Neptumsbrunnen auf der Piazza della Signoria
dafelbjt (1575), die Faffade des Römiſchen Kollegiums
in Rom und der Palajt Giugni in Floreny. Den von
Brunellesco beqonnenen Palazzo Pitti vollendete er
durd) Ausführung der Hofardyteftur.
Ammann, joviel wie Amtmann, in der Schweiz Be
zeichnung für Vollziehungsbeamte verſchiedener Art;
in mehreren Kantonen (Uri, Unterwalden, Schwyz
Glarus, Zug, Solothurn, Appenzell. St. Gallen, Aar⸗
gau) das Haupt der vollsiehenden Gewalt, in ay
zugleich Der Präſident der Landsgemeinde oder des
Wrogen Rats. Jn mehreren Kantonen gibt es aud
Bezirks-, Stadt- und Gemeindeanmminner.
Amme (althodd. und altnord. amma, »Whutter,
Mrojjmutter<), eine Frauensperjon, die, jelbjt Mut⸗
ter, fid) verdingt, um an ihrer Bruſt cin fremdes Sind
gu nähren. Dre A. ijt fiir alle Fille, in denen die
eigne Mutter aus dringenden Griinden verbindert
ijt, Das Nährgeſchäft felbyt zu beforgen, der bejte Er-
jab fiir Das Neugeborne. Da Rranfheiten von der A.
auf das Rind fibertragen werden lönnen, fo liegt die
Wahl ciner A. dem Arzte ob, der feſtzuſtellen hat, dak
die U. frei von fonftitutionellen Leiden, Epilepfie, S
philis, Unlage zu Schwindſucht fet. daß fie ferner 3
Ammei — Ammeter.
dem Ulfoholgenup oder geſchlechtlichen Ausſchweifun⸗
en ergeben fei. Nächſtdem kommt qute Befchaffen-
Beit Der Briijte, der Bruſtwarzen und der Milch in
Betradt. Wm bejten ijt es, wenn die A. jung und
—— von mildem Charafter, liebevoll gegen ihren
Pflegling iſt, und wenn ihr eignes Kind ungefähr
lei lterig mit dieſem ijt. Bei eintretendem Monats⸗
uß oder Schwangerſchaft iſt Wechſeln der A. oder
Entwöhnen des Kindes geraten. Das Auffinden taug⸗
licher Ammen wird in größern Städten durch Ammen-
bureaus erleichtert, die jedoch nicht immer hinreichend
zuverläſſig find. Vgl. Ammon, Die erſten Mtutter-
pflichten (38. Aufl. Leipz. 1902). — Qn der Zoo—
logie ein fic auf ungeſchlechtlichem Wege vermehren-
des Tier, an oder in dem das Geſchlechtstier eniſteht
(j. Gencrationswedjel).
Ammei, ſ. Ammi.
Ammeloe, Dorf im preuß. Regbez. Münſter,
Kreis Ahaus, an der Berkel, hat eine kath. Kirche und
(1900) 8713 Einw.
Wmmenhaufen, Ronrad von, didaktijder deut-
ſcher Dichter aus dem Thurgau, vollendete als Mind
und Leutpriejter um 1337 fein ⸗»Schachzabelbuch«,
eine allegoriſche Deutung de3 Schachſpiels, auf Grund
des solacium ludi scacorum de3 Jacobus de Ceffolis
(559. von Better, Frauenf. 1892).
mmer, ſ. Spel;.
Ammer, Vogel, ſ. Ammern.
Ammer, linfer Nebenfluß der Iſar in Oberbavyern,
entipringt am Kreuzſpitz auf der Tiroler Grenye, fließt
erjt in öſtlicher Richtung durd) das Graswangtal, dann
in nördlicher Richtung durd den Untmergau (im
Mittelatter Um bergar) mit dem Dorf Oberammer-
gau (j. d.). Bei Weilheinr verläßt der Fluß dad Ge-
irge und geht durch cine mooſige Niederung gum
Ammerſee, den er als Amper verlapt. Er nimmt
linf3 die Maifad und Glon, rechts die Wiirm auf und
ergießt fid) bei Iſareck in die Iſar. Die VW. ijt reißend
und als Flößwaſſer fir Miindens Hol zbedarf widtig.
Ihre Linge betrigt 180 km. Der Ummerfee it
von N. nad S. 16 km lang und 2—6 km breit; er
liegt 534 m it. M. fajt parallel mit feinem Nachbar,
dem Starnberger See, und hat eine Tiefe bis 83 m.
Unt fiddjtlicdhen Gejtade erhebt ſich der Kloſterberg
Andechs (j. d.). Der See nimmt Zuflüſſe vom Worth-
und Pilſen⸗ oder Seefelder See auf. Val. Stauber,
Führer zum Ammerſee (Augsb. 1898).
Ammeral, Schiffseimer aus Segeltuch.
Ammerfink, die Lerchenammer, ſ. Spornammern.
Ammergau, ſ. Ammer (Fluß).
Ammergauer Alpen, ſ. Alpen 10 (S. 365).
Ummerland (Ambria), alter deutſcher Gau im
heutigen Gropherjogtum Oldenburg, zwiſchen Hunte
und Jade. im Wiittelalter Graffcha
Ammern, ſoviel wie Umarellen, ſ. Kirſchbaum.
Ammern Emberizinae), Unterfamilie der Finken,
Vögel mit kurzem, ſpitzem Schnabel, nicht großen.
mäßig zugeſpitzten Flügeln, kurzen, langzehigen Fü—
hen, deren hinterſte Zehe einen oft fpornartig verlän—
gerten Nagel trägt, und ziemlich langem, ſchwach aus-
geldnitienem Schwanz. Das Gefieder wechſelt meiſt
nach Alter und Geſchlecht. Die A. gehören meiſt der
Nordhälfte der Erde an, leben in Buſchwerk oder Röh—
richt, außer der Brutzeit gefellig und fiedeln fich auch
ge in der Nähe menſchlicher Wohnungen an. Einige
ind Wandervigel, die meijten Stridvogel. Ihr Ge-
fang ijt ſehr einſach. Die Nahrung bejteht aus Säme⸗
reien und Inſelten. Für die Gerangenfdait eignen
Ne ſichwenig. Suden Bus dammern(Emberiza L.)
441
gebiren der Goldbammer (Emmerling, Gelb-
an8, Griin3ling, Emberiza citrinella L., j. Ta—
Pi »Sperlingsvigel III«, Fig. 5), 17 em lang, 27 cm
breit, an Kopf und Unterſeile goldgelb, am Bürzel
rojtrot, lebt in Dtitteleuropa und in Aſien, ſchweift
im Herbſt und Winter ſcharenweiſe umber, niſtet
Upril bis Duli unter cinem Büſchchen, legt (jäührlich
zweimal) 4—5 gräulichbraun gefledte, befrigelte und
fein geaderte Cier. Der Zippammer (Bart- oder
Rotammer, E. cia L.), 17 cm fang, ſchmächtig,
an Ropf und Kehle afdqrau, an Brujt, Baud un
Rücken rojtjarbig, lebt in Giideuropa, in Aſien bis
gum Himalaja, bei uns (vom April bis Oftober)
am Mittelrhein und im ſüdöſtlichen Baden, nijtet in
Höhlungen der Weinbergsmauern und legt im Mai
3—4 grauweißliche, mit — — ge⸗
— Eier. Rohrammmer (Rohr-, Moos-
aſſerſperling, Sperlingsammer, Schilf—
vogel, Schilfſchwätzer, E.schoeniclus L.), IGem
fang, 23 cm breit, oberſeits rotbraun mit roſtgelben
Federrändern, unterfeits weißlich mit dunflern Schaſt⸗
jtricen, am Kopf ſchwarz, lebt in Europa und Wejt-
afien, an fumpjigen Orten mit hohem Pflanzenwuchs,
bei und März bis Oftober. Das Rejt jteht ſehr ver-
jtectt auf dem Erdboden und enthalt im Mai und
Anfang Yuli 5—6 qeflecte und geäderte, qrau- oder
braunweije Cier. r Grauammer (Gerjten-
ammer, Strumpfweber, BWiefen-, Binter-,
Lerdenammer, E. calandra L.), 19 cm fang,
29cm breit, lerdenfarbig mit dunflern Schaftſtrichen,
an der Brujt weiß, braun geftridelt, lebt als Jahres.
vogel beinabe in ganz Europa und Weſtaſien, in Agyp⸗
ten und auf den Kanaren. Er verbreitet ſich in Mittel-
deutſchland mehr und mehr und ijt in Ungarn febr ge-
mein. Er nijtet auf der Erde und legt im April bis Juli
4—6 weißliche, violett und braun gefledte Cier. We—
gen des wohlſchmeckenden Fleiſches wird ibm fehr nach⸗
ejtellt. Der Ortolan (Gartenammer, Fette,
Saihs, @owacrawmce, Gkciner @ranaiin
DHedenqriinling, Raffin, E. hortulana Ly
16 cm fang, 26 cm breit, ober{eits ſperlingsfarbig,
an Geſicht und Kehle gelb, unterfeits rojtrot, bewohnt
einen großen Teil Europas, Aſien bis zum Altai und
weilt bei uns April bis September. Er liebt waſſer⸗
und buſchreiche Gegenden, niſtet im Gebüſch und legt
Mai bis Juli 4—6 gräuliche, aud) graurötliche, mit
braunen Strideldhen beip itzte Eier. In Siideuropa
wird er gefangen und mit Reis und Hirſe gemäſtet.
Sdon die alten Römer adjteten den gemiijteten Or-
tolan ald Lecferbijfen. Yrs Cypern werden jährlich
100,000 Fäßchen mit marinierten oder in Fett eingeleg-
ten Vögeln verfandt. Der ſchwarzköpfige Ammer
(Ortolanfiniq, Pradt- oder Rappenammer,
E. melanocephala Scop.), 18,5 cm lang, 29 cm breit,
am Ropfe ſchwarz. oberfeits lebhaft rotbraun, unterfeits
gelb, bewohnt Siidojteuropa und Wien, kommt ſelten
nad Siiddeutidland. In Perjien verwüſtet er nad
der Brutzeit die Felder. tlber Spornammern f. d.
Ammerſchweier, Stadt im deutſchen Bezirk Ober-
elſaß. Kreis Rappoltsweiler, an den Vogeſen und der
Linte Kolmar-Schnierlach der Rayfersberger Tal-
ban, hat cine fath. Rirde, Orgelbau, Weinbau und
(1900) 1639 Einw. Dazu der Ausſichts ounlt und Wall
fahrtsort Drei-Ahren (Trois-Epis) auf den Bo-
gejen (741 m bor).
Wm merjec, ſ. Ammer (Fup).
Ammerweber, ſ. Webervigel.
Wmmeter (fiir Amperemeter), ſ. Cleftrotednifde
Mepinjtrumente.
442
Ammi L. (Ammei), Gattung der Untbelliferen, |
reid) verzweigte. einjabrige und ausdauernde Kraduter
mit mehriad fiedertetliqen Blãttern und grogen viel: |
jtrabligen Dolden. 7 Arten im Mittel ebtet und |
auf den atlantiſchen Inſeln. Bon A. majus L., in |
Siideuropa, Ubefjinien und Manwrun wurden dic |
etwas aromatiſchen Früchte früher arz⸗
neilich benutzt, ebenjo die von A. visnaga Link., in
Siideuropa, dejjen fait holzige, gelbe, pewtirahatt rie⸗
chende Doldenſtrahlen zu Zahnſtochern * werden. |
Ammiauus Marcellinus, rim. Geſchichtſchrei⸗
ber, um 330—400 n. Chr., ein Grieche von Untiodia
in Syrien, nabm Rrieqsdienjte, focht unter Julian |
gegen die Ulemannen und Verſer, verfakte in Rom |
umt 390 feine lateinijd) geſchriebene Foriſetzung des |
Tacitus in 31 Büchern von Rerva bis Valens (96— |
378 n. Chr.). Erhalten find von dem Res gestae be: |
titelten Werfe nur die Biicer 14—31, welche die Jahre
353 378, alfo die Beit des Verfaſſers, ſchildern und
ſür Die Geſchichte dieſer Zeit die wichtigſte Quelle find. |
Der Stil ijt hart, oft ſchwülſtig und dunkel; aber in-
haltlid) ijt das Wert durd) Sachlenntnis und flare’, |
felbjtandiges und unpartetijdes Urteil von größtem
Wert. Kritiſche Tertausqabe von Gardthaufen ( Leip}.
1874—75, 2 Bde.); Musgabe mit Sammelfonmentar |
von Wagner-Erfurdt (Daj. 1808, 3 Bde.); Überſezung
von Troß und Büchele (Stuttg. 1827—53, 8 Bde.; |
2. Aufl. 1898 ff.), im Auszug von Cojte (Leip;. 1879). |
Ammobium R. Br. (Sandimmortelle), Gat
tung der Kompoſiten mit nur zwei auſtraliſchen Arten,
von denen A. alatum R. Br., mit ſtart geflügeltem
Stengel und den Immortellen ähnlichen, perlmutter⸗
weißen Bititenfopfen, am Rap, in Franfreid) und
Deutidland, obwohl ausdauernd, als einjährige
Pflanze fultiviert wird. Die Blütenlöpfchen werden,
gum Teil gefdrbt, ju Kränzen und Buketts benugt. |
Ammochoftos, Stadt, ſ. Famaguita.
Ammocoetes, ſ. Neunauge.
Ammodyjtes, der Sandaal.
Ammon (bei den Grieden und Römern Zeus—
oder Jupiter. genannt), ein Erntegott der alten
pter, ward urfpriinglid) als Stadtgott von Theben
(No-A.) verehrt. Berets im mittlern Reidhe (etwa
jeit 2000 v. Chr.) wurde er jum Sonnengott qemadt
und A.Rẽ, d. h. ⸗.Sonne ⸗ genannt. Als Theben
im neuen Reiche zur Hauptſtadt des Pharaonenreiches
geworden war, wurde VW. jum ägyptiſchen Haupt
qott, zum — der Gitter«; ſein Kultus wurde
in den eroberten Ländern, in Nubien, Syrien, den
Daſen der Libyſchen Wüſte eingeführt. Bon den gro—
fen Heiligtümern, die dem A. tn dieſer Zeit errichtet
wurden, verdienen die Tempel von Luffor und Rar-
naf befondere Erwähnung. Die Verfolgung der alten
Witter dDurd) Umenhotep IV. (f. d.), die ſich Haupt.
ſächlich gegen A. ridjtete, war nur von furser Dauer,
und nad) Der Wiederherjtellung der alten Religion
bliihte Der Kultus des A. nur um fo friiftiger. it
feit Der 26. Dynaftie (feit 663 v. Chr.) trat W. im
ägyptiſchen Bantheon mehr und mehr zurück. Dafiir
wurde er zum Hauptgotte des Athiopijden Reiches, und
aud in den libyfden Dajen genoß er, befonders als
Drafelgott, weiterbin hohe —— Sein beriifm-
teſtes Heiligtum war in ſpäterer Zeit Die 16 Tagereifen
weftlid) von Memphis gelegene Ummonsoafe (7.
Siwah), deſſen Priejter ſich der Verfiindiqung der Ora:
fel des Gottes widmeten, und zu Dem die Voller von
nah und fern ibre Boten und Geſchenke fandten. Die
vornehmiten Frager waren Kröſus, Kambyſes, Wler-
ander d. Gr., Cato. Frith fam der Nultus des A. nach
Ammi — Ammon.
Griedeniand. Pauſanias fennt Ammonstempel in
Theben und Sparta; die Cleer verehrten auper Zeus⸗ A.
aud cine Hera-Wnrmonia. Das heilige Tier des A. war
der Widder, in deſſen Geitalt der Gott auch dargeſtellt
wurde; baufiqer erſcheint er als Menſch mit einer
eigenarti en Saye und sve boben Federn auf dem
Haupte, win in Der einen Hand das Gotterjepter,
in Der andern Die Hieroglyphe fiir Leben haltend (val.
Abbildiung). Jn Nubien und den Oafen jtellte man
gewöhnlich als Menſch mit Widderfopf dar. Ein dent
Ammon und Mut
A. im Weſen naheverwandter Gott ijt der in Koptos
verehrte Erntegott Min, der ithyphalliſch abgebildet
wurde; mit ibm ijt UW. vielfad) identifiziert und ded
—— ebenfalls ithyphalliſch dargeſtellt worden. Als
mahlin des A. galt die Göttin Mut, beider Sohn
war der Mondgott Chons; alle drei bildeten die Göt⸗
terdreiheit von Theben.
Ammon, 1) Chrijtoph Friedrid von, proteit.
Theolog, geb. 16. Jan. 1766 in Bayreuth, gejt. 21. Mai
1850 in Dresden, wurde 1789 in Erlangen Profeffor
der Philojophie, 1790 Profeſſor der Theologie. 1704
nad) Gottingen berufen, fehrte er 1804 nad Erlangen
juriid. 1813 ward er Oberhofprediqer und Ober⸗
fonjijtorialrat in Dresden, 1831 Witglicd des Mie
niſteriums des Kultus und Hffentliden Unterrichts
ſowie Vizepräſident des Oberkonſiſtoriums. In ſeinem
⸗Entwurf einer bibliſchen Theologie- (2. Aufl.
Gotting. 1801—1802, 3 Bde.) huldigt er dem hiſto⸗
riſch⸗kritiſchen Rationalismus, und nod in ſeinem
Dogmatijden Lehrbuch (»>Summa theologiae chri-
stianae«, Erlang. 1803) wie in dem »Handbud der
dhrijtliden Sittenlehre« (2. Aufl., daf. 1838, 3 Bde.)
jteht er auf dem Standpuntte der Kantiſchen Philo-
fophie. Rad) feiner Überſiedelung nach Dresden
wandte er ſich Der entgegengejepten Ridtung zu und
verteidiqte in der Ubbandlung »Bittere Arznei fiir
die Glaubensſchwäche unfrer Seit« (1817) die Harms
ſchen Thefer (jf. Harms 1), weshalb thn Schleier⸗
mader hart angriff. Seit 1830(4. Aufl. der *Sammas)
feiner friihern Richtung wieder huldigend, ſchrieb er
in dieſem Sinne: »Dte Fortbildung des Chriften-
tums jur Weltreligion« (2. Aufl., Leip; 1836—40,
4 Bde.), »Die wahre und falſche Orthodories (daj.
1849) und »Gefdicte des n8 Jeſu⸗ (Daf. 1842
bis 1847, B Bde.). Bgl. »Ch. F. Ammon nad Leben,
Unfichten und Wirken⸗ (Leip;. 1850).
Ammoniacum
2) Friedrid Auguſt vor, Mediziner, Sohn des
vorigen, geb. 10. Sept. 1799 in Gittingen, geſt. 18.
Mai 1861 in Dresden, war feit 1829 Profeſſor an
der chirurgiſch ⸗ mediziniſchen Alademie und Direftor
der Poliklinik in Dresden. Er ſchrieb: ⸗Kliniſche Dar⸗
ſtellung der Krankheiten und Bildungsfehler des
menſchlichen Auges r¢.< (Berl. 1838—47, 4 Bde.);
»Die Behandlung des Schielens durch den Musfel-
ſchnitt · (Daf. 1840); »De Iritide« (deutſch, daf. 1843);
Illuſtrierte pathologijde Anatomie der menſchlichen
Kornea, Sklera, Choroidea und des optiſchen Nerven«
Se von Warnatz, Leipz. 1862); »Die plajtijde
irurgie« (mit Baumgarten, Berl. 1842); »Brun-
nenbdiditetif« (7. Aufl. von Reimer, Leipz. 1880); » Die
erjten Mutterpflichien und die erjte Rindedspflege«
(Dresd. 1827; 38. Aufl. von Windel, Leip;. 1902).
Ammoniacum (Ammoniakgummiharz),
ber erhärtete Milchſaft der Umbellifere Dorema A.
Don. Der Milchſaft tritt aus dem Wurzelſchopf und
den Stengeln freiwillig, reichlicher nach Inſeltenſtichen
aus und erhärtet zu weißen, außen bräunlichen,
wachsglãnzenden Körnern. Man ſammelt dieſe in
einigen Teilen Perſiens und bringt ſie nach Ispahan
und Bombay. Die Körner haben 0,5—1 cm Durd-
meffer, find weißlich, aufjen bräunlichgelb, wadsartig
länzend, riechen eigentümlich unangenebut und
chmecken bitter fdharr A. erweidt in der Hand,
—— bei etwa 50°, enthält Harz (Salizylſäure—
ejinotannolefter) und Gummi und ——
ätheriſches OL Es iſt in Alkohol nicht voliſtändig
löslich und gibt mit Waſſer cine Emulſion. Die beſte
Gorte, A. in granis, bildet fleine, lofe Körner, A. in
massis, dunkler gefärbte Kuchen, die hellere Körner
einſchließen. A. wird arzneilich benutzt. In Maroffo
wird cin A. von Ferula tingitana geſammelt. Dies
Produft fannte ſchon Diosforides. A. aus Perſien
wird im 9. Jahrh. erwahnt und fommt in Medifa-
mententijten des 15. Jahrh. vor.
Ammoniaf NH,, gasformige Verbindimg von
Stichkſtoff mit Bafjerytoiy findet fich int freien Zuſtand
faum in der Natur, aber Verbindungen desfelben mit
Säuren, die Ammoniakſalze, find ſehr verbreitet in
der Luft, im Boden und in den Gewäſſern. Robhlen-
faures A. liegt unter dem Guano der Chindainjeln,
ſchwefelſaures A. findet fic) im Dampf der Fumarolen
pon Tosfana und Chlorammoniun im Rrater des
Veſuvs und andrer Vulfane, aud) in der Nahe bren-
nender Rohlenfelder. Schwefelammonium ijt ein Bee |
ftandteil der übelriechenden Fäulnisgaſe. Der Harn |
der Vogel und Reptilien befteht aus harnjaurem A.
Der Harn der Säugetiere enthalt nur geringe Mengen |
pon Unmmoniaffaljen. VW. entiteht aus einem Gemenge |
von Stickſtoff und Waſſerſtoff beim Durdjdlagen
eleltriſcher Funken, cin Gemenge von Sticitojf, aj.
ſerſtoff und Chlorwaſſerſtoff gibt Ammoniumchlorid.
Ammoniumnitrit entſteht beim Verbrennen von Waſ⸗
ſerſtoff an der Luft, und da die Brennmaterialien
Waſſerſtoff enthalten, fo findet fic ſalpetrigſaures und
neben ihm falpeterjaures YL. aud unter den Verbren—
nungsprodulten derjelben. Stickſtoffſauerſtoffverbin⸗
dungen werden unter verſchiedenen Verhältniſſen
rec Waſſerſtoff ju A. reduziert. UW. entiteht 3. B.
beim Erhitzen von Salpeter mit Ätzkali und Gien:
feilfpanen, umd wenn Stidoryd mit Waſſerſtoff über
pe Platin geleitet wird. Wenn organifde
tidjtoffverbindungen mit Allkalien oder mit rauchen⸗
der wefelfaiure ng werden, geht meijt ihr ge-
famter Stichſtoff in A. üͤber. Auch bet der Reinigung
von Ätznatron durch Chiliſalpeter wird A. gebtldet,
— Ammoniak. 443
ferner bei trockner Deſtillalion ſtickſtoffhaltiger orga-
niſcher Stoffe (Horn, Knochen, Steinkohlen) ſowie bei
Behandlung eiweißartiger Stoffe mit Kali, Ralf x.
(3. B. in den Rübenzuckerfabriken beim Klären des
Saftes mit Rall; auf 2 kg Rüben ijt etwa 0,2 kg
ſchwefelſaures A. zu rechnen). A. entiteht aud) aus
Cyan (ciner Verbindung von Kohlenſtoff mit Stic:
jtoff) und findet ſich Daher in den Gichtgaſen der Hod
dfen. Man gewann A. urjpriinglid) aus Kamelmiſt,
ſpäter aus faulendem Harn (der Harnſtoff zerfällt
bei der Fäulnis des Harns in A., Kohlenſäure und
Waſſer), dann durch trockne Deſtillation von Knochen
und Hornabfällen (Hirſchhornſalz) und noch jetzt in
den weineſchlächtereien Chicagos aus den Tank⸗
wäſſern. Hauptquelle des Ammonials ijt gegenwärtig
aber die Steinfoble, die bei trockner Dejtillation neben
Leuchtgas und Teer Ammoniakwaſſer liefert.
U. ijt cin farblofes Gas, riedht höchſt jtedend und
gu Tränen reizend, ſchmeckt brennend-iigend alfalijd,
—* Lackmuspapier blau und hat ein ſpezifiſches Ge-
widt von 0,589. Bet —40° (33,7°) oder bei 10° unter
einem Druck von 6,5 Atmoſphären wird es gu einer
farblofen Fliiffigteit vom ſpez. Gew. 0,6234 verdidhtet,
die ungemein ſchnell verdDunjtet und dabei jtarfe Kälte
erjeugt, ju einer weifjen, ornare Maſſe erjtarrt,
bet —-75° ſchmilzt und bet —33,7° fiedet. Die kritiſche
Temperatur des —37 Ammoniaks liegt bei 1300.
A. ijt ſehr löslich in Waſſer und Alkohol; 1 Volumen
Waſſer abſorbiert bei 0° 1050, bei 15° 727, bei 20°
654 Bolumina A., wobei es fid) erwärmt, an Bo-
lumen bedeutend zunimmt und —348 leichter wird.
1 g Waſſer löſt bei 760 mm Druch bei
0° 0,876 ¢ Ammoniat 80° 0,403 g Ammoniat
10° 0,a79 - s | 40° 0,307 - «
20° 0,626 - 2 50° 0,929 - s
Den bei 14° gefundenen ſpezifiſchen Gewidten der Lö—
fung von A. in Waffer entipridt der Prozentgehalt:
Speaif.
Proyents | Spesif. | Progent-| Spesif. | Prosent-
gebalt | Gemidt | gebalt | Gewidt | gebalt Gewidt
1 0,9959 18 0,0484 25 | 0,9106
2 0,9915 14 0,9440 26 0.0078
8 0,9873 15 O,o414 27 | 0,9052
4 0,0831 16 | 0,980 28 0,9026
5 0,9790 17 0,9347 29 0,9001
6 0,0749 18 0,9314 30 0,8976
7 0,9709 19 0,9283 81 08953
8 | O,e6T0 20 0,9261 82 O,s920
9 0,0631 21 0,9221 83 0,8907
10 0,9593 22 0,9101 34 | sOOnsss
11 O, aso 23 0,61602 35 | 0,8864
12 | = 0,9520 24 0,9133 a383 0604444
A. zerfällt im glühenden Rohr unter Verdoppelung
des Volumens in Stickſtoff und Waſſerſtoff, es brennt
in der Luft nur, wenn es erhitzt wurde, verbrennt
aber in Sauerſtoff auch ohne Erhitzen zu Waſſer und
Stidjtoff, wenig Stichſtoffoxyd und ſalpetriger Säure.
Metalloxyde werden beim Erhitzen in A. reduziert.
Manche Metalle bilden mit A. Metallamide, andre
xrſetzen das A. vollſtändig, und bisweilen entſtehen
Stichkſtoffmetalle. Leitet man A. über glühende Kohlen,
jo entſtehen Chanammonium NH,CN und er
jtoff ; aud) bildet fic) die Cyanverbindung aus Kohlen⸗
oryd und A. In Chlor brennt UW. mit roter und
wether Flamme unter Bildung von Chlorammonium
und Stickſtoff. Leitet man Chlor in wäſſerige Löſung
von A., fo fann erplofiver Chlorſtichſtoff entſtehen,
Jod erjeugt erplofiven Jodjtidjtojf. Cin mit ver-
dünnter Salsfaiure befeuchteter Glasſtab zeigt Spuren
pon A. an, indent fic) um denſelben Nebel von Sal-
444
—— biſden. Mit gewiijen Metallverbindungen bildet
WL. mehr oder — beitandige Verbindungen.
{Zaritefiung von Ammoniatk.J Baſſerige Um-
momaflojung (Ammoniatflijjigtett, Apam-
moniaf, Salmitaffpiritus, Salmiafgeiit)
wird dargeitellt, indem man Salmiaf oder ſchwefel⸗
jaures A mit j Salfhydrat mn einem etjernen mit
Dejtillationsgefaf mit wenig Waſſer yu einem diden
Brei miſcht, gelind erwarmt, das entweichende Gas
in weniq Bajjer wäſcht und dann im Ddeitilliertes
Baier leitet. 1 kg Salmiat verwandelt 1 kg Waſſer
in 30pro}. Ummoniafflifigfert. Im großen
gewinnt A
man VW. aus dem Ummontialwatier der Gas—
anjtalten und als Rebenproduft ———
Das Ummoniafwajjer enthalt tm Liter 5—20 g A,
von dem aber nur
em Teil beim Mo- Y
cen ſich veriliid-
tigt, wahrend der
Reit in Form nicht
flüchtiger Berbin-
Dungen vorhanden
ift. Um dieje zu zer⸗
ſetzen, deſtilliert
man das Ammo—
niafwaiier, dad viel
Schwefelammo⸗
nium und lohlen⸗
ſaures YW. enthalt,
mit Apfalf, und be-
nugt Dejtillierap-
parate nad dem
Brinjip der in der
Spiritusfabrifa-
tion qebriiucdhlichen
Reftinfationsappa-
rate, wobei die
Ammoniaf (Darjtellung).
faure ee es Die ſich bier ent-
, widelnden übelriechenden Gaje und Damopfe treten
“unter Die Glodeq umd gelangen durcr im den anal s
jum Borwarmer B und von diejem m die Feuerung.
ell Ummoniafflijigfeit tellt werden, fo or
a A Hae Bose Dogs upfiibler, werden
gewaiden, um toblenjaure und Shwe-
felwaſſerſtoff zu befettigen, und gelangen dann durd
ein Holjfoblenjilter, worm fie von empyreumatijden
Storfen befrett werden, im die gut gefiiblien, mit
dejtilliertem oder gewodbniidem Waſſer bejdyidien
Ybj Apparat verarbeitet
fauft. Löſt man 3—5 Teile —
— rinſaures Natron in 10 Teilen
Ammonialflũſſigleit und gießt die
Lojung in 85—90 Teile 30proy
WU. von 40°, fo erbalt man eme
parafjinartige Maſſe (feſtes WL),
Die ihr A. leicht und vollſtãndig
abgibt.
Von großer Wichtigleit ijt das
Problem, den Sticitory der atmo-
ipbariiden Luft in A. zu Derman-
dein. Leitet man Waſſerdampf und
Luft bet 300° itber ein inniges Ge-
miſch von Baryt und Roble, fo
entiteht Cyanbarnum, das durch
den Waſſerdampf in A. und f
jauren Baryt zerſetzt wird.
—
“oh
a
ENR
Grimebergs Apparat yur Taritel({ung von Ammonialfliffigleit und fdmefelfaurem Ammonial
Wafjerdampfe teilweije fondenfiert werden und in den | man Luft über gliihende Kohlen, fo wird der Sauer-
Keſſel zurückfließen, wahrend mit A. geſättigter Dampf
in den Kühlapparat gelangt. In dem Apparat von
Griineberg (j. Abbildung) gelangt das Gaswaſſer durch
bas Mohr a in den Borwarmer B und aus dieſem
durch Das Rohr b in die Deitillationsfolonne A. Es
fließt Dann durd e in Den Keſſel F, in Den mittels Der
Kallpumpe C durd das Rohre Ralf cingepumpt wird,
und durch f in den Schlammkleſſel g, aus dem die Kall
refte von Heit su Beit durch das untere Bentil abge-
lajjen werden. Das Ammonialwaſſer läuft bei hüber
und auf der Treppenkolonne i abwäris, wird dann
in G durch das Dampfrohr d jum Kochen gebracht
und fließt endlich, abgetrieben Durd k, nad) dem hy-
Draulijden Abflußt. Der Dampf fteigt, durch die fon.
trifdjen Ringel geswungen, an der Treppentolonne,
nn durch die Robre m auf und durchſtreicht, durch
Die Robren gefiihrt, die mit Kalkmilch verſetzte Fliijfig:
feit in F. Waſſer ⸗ und Ammonialdämpfe treten dann
durch o in Die Kolonne und verlajjen Den YWpparat | Ammoniaffliijfigfeit das Hydro
liber E durch Dag Rohr p, das in den mit Schwefel⸗
ſtoff in Rohlenoryd verwandelt, und wenn man dann
das Gemijd von Kohlenoxyd und Stichtoff auf glii-
hendes —— einwirlen läßt, fo entſtehen YL. und
foblenjaurer Ralf.
Die Ummoniaffliijfigteit des dels enthalt 20
bid 30 Proz. UW. Die jtarfite heist Cisgeift. Die offi-
jinelle Ununoniaffliijjfigteit (Liquor Ammonii caus-
tici) vom fpe;. Ger. 0,96 enthilt 10 Pros. A. Am-
moniaffliijfigteit riedt und ſchmeckt wie YL, verliert
an der Luft und namentlich beim Erbhigen Ww; fon:
jentrierte Unumoniaffliiffigteit wird bet — 38 bis 41°
felt. Sie löſt Bint unter Ennvidelung von BWajfer-
jtoff, Kupfer nur bei Luftzutritt. Sie verhalt fic) in
chemiſcher Hinjidt der gpa Thee abnilid) und
neutralijiert namentlich aud) Säuren volljtindig
unter Bildung von Ummoniumfaljen (Am—
moniatjatjen). Wie im der Ralilauge Kalium—
bydroryd KOH, fo (fann man —— iſt in der
— *——
des
Ammoniums (jf. d.) NH,, MONE OH qelojt, das
Ammoniten. Aus Haeckels ,Kunstformen der Natur’.
5 3 4
TO Ca
iC) LE
r
4
reer ree eee 4
FLAS AL
((C4CCaEe CK
SSSA
Wiis
7
j
B
a
3
»
N
\
—— —
———
non
——
ebb beer eee dere
wi a
Dew onites (Cardioceras) cordatus Ll. limke 4. Dau
Seite, 4. Bauchseite. 5, 6. A. (Ptychites) opulentus, 5. linke Seite, 6. Bauchseite. — 7. A. mammillaris. 8. A. ca
vernosus, Frontalschnitt durch die Schalen, parallel der Bauchseite. 9. A. rotula. — 10. A. Humphryi.
}, 4. A. (Schloenbachia) Coupei, 3 rechite
Meyers Kone,-Lemton, 6. Aut. Bibliogr. Inetitat in Leipaig. Zum Artikel Ammer itex
Ammoniafalaun — Ammoniten.
fidh gegen Sauren wie Kaliumhydroxyd verhält. Sept
man gu einem Ammoniumſalz Ralilauge, fo entſteht
das Kaliumſalz und Ammoniumhydroxyd; aber in
Dem Moment, wo letzteres frei wird, —5* es in A.
und Waſſer: NH,OH = NH,+H,0. Kommt eine
Waſſerſtoffſäure mit A. zuſammen, fo entiteht ein
Haloidſalz, aus Shlorwatieritotfiaace HCl und NH,
wird —— NH,Cl. Uber die Bildun
rofer Klaſſen von RKohlenjtoffverbindungen —
rſetzung des Waſſerſtoffs im W. ſ. Amide und Baſen,
organiſche.
. ijt giftig, es wirkt auf der Haut ätzend, in Ver—
—— eingeatmet erzeugt es Hyperämie und ver-
mehrte Ubjonderung der Bronchialſchleimhaut, in
fonjentriertem Zuſtand heftigen Oujten und Stimm-
rigenframpf. In fleinen Mengen wirft es innerlid
fliichtig erregend, jteigert Utemgrdpe, Blutdrucd und
Schweipabjonderung. Größere Mengen ergeugen
Gajtroenteritis, Erjtidungsanfille, Krampfe, Herz—
lähmung. Jn Luft, die nur 0,05 Proj. W. enthalt,
geigen fic) ſchon Reizerideinungen. Bei ciniger Ge-
wöhnung ertragen Menſchen 0,03 — 0,05 Bro}.
Man benuge A. als ftarfe Baſe, wo feine Fliid- |
tigfeit gegeniiber Dem Rali oder Natron BVorteile ge-
wahrt. Überdies hat cine 17proz. Ammoniakflüſſigkeit
gleichen dhemijden Wert wie eine 31proz. Natronlauge.
Cin Überſchuß von A., der bei der Verwendung der
Ammonialflüſſigkeit entjtanden ijt, fann durch Er-
wiirmten bejfcitigt werden, aud) find die Ammoniakſalze
durd) Erhigen ju entfernen. A. dient Daher ftatt Na—
tronlauge und Seife in Wafdhanjtalten und Bleiche—
reien, in der Färberei und Wollwäſcherei, zum Ent-
fernen von Flecken (durch Gauren anf li
Stojfen erzeugte rote Flecke verſchwinden beim Be-
tupfen mit A. fofort), ferner als Untidlor, zur Dar-
jtellung von Goda (Ummoniaffoda) und Ammoniak—
ſalzen, Indigo, in Der Lad- und Farbenfabrifation,
um Extrabieren von Chlorjilber aus den Erzen, jur
nupftabaffabrifation x. Die ftarfe Kälte, die Das
durch Drud verflüſſigte A. beim Verdunſten erzeugt,
benutzt man in den Eismaſchinen, und der Drud, den
es bei gewöhnlicher Temperatur ausiibt (7 Atmo—
jpbaren), ijt gum Betrieb von Kraftmaſchinen ver-
wendbar. Qn der Medizin läßt man A. einatmen,
um durch einen ftarfen Reis auf die Naſenſchleimhaut
refleftorijd) Utenbewegungen ausjuldjen. Cine zu
heftige Einwirkung fann aber höchſt ſchädliche Folgen
ben. Äußerlich benutzt man das A. namentlich in
erbindung mit Ol als Linimentum ammoniatum
volatile (flitdhtiges Liniment, flüchtige Salbe) bei
Rheumatismus und Rontufionen, in Umerifa innerlich
und äußerlich gegen Schlangenbiß, bei uns auch gegen
Bienenſtich, wobei eS geniigt, die betreffende Stelle
mit A. gu bejtreidjen. —- Das U. hat ſeinen Namen
vom Galimiat, der guerjt Sal armeniacum oder am-
moniacum hieß (ſ. Ammoniumchlorid); Kuneel fannte
das A. und verglich es mit Ätzlauge, Prieſtley fing
es 1774 über Queckſilber auf und nannte es alfa-
liſche Luft. Andre nannten es flüchtiges Alkali
445
Ammoniakalaun, ſ. Alaun, S. 257.
Ammoniakbaſen, ſoviel wie Amine, ſ. Baſen.
Ammoniakflüiſſigkeit, ſ. Ammoniat, S. 444.
Ammoniakgelatine, Sprengſtoff aus 30 Nitro—
glyzerin, 3 Schießwolle und 67 jalpeterjaurem Un
moniaf.
Wmmoniafgummi, joviel wie Ammoniacum.
Ammoniafmafdine, ſ. Dampfmaſchine.
Ammoniakpflauze, ſ. Dorema.
Ammoniakpflaſter, |. Pflaſter. {niaf.
Ammoniafialpeter, ſ. Salpeterfaures Ammo—
Ammoniakfalze, ſ. Ammoniumſalze.
Ammoniakſoda, nach dem Solvayſchen Ammo—
niakverfahren hergeſtellte Soda.
Ammoniakſuperphosphät, Miſchung von Su-
perphosphat mit ſchwefelſauren Ammoniak, enthält
3—10 Proz. Stickſtoff und 8—16 Pro}. in Waſſer
lösliche Phosphorſäure, dient zum Diingen von Som—
mergetreide und Zuckerrüben.
meme ery j. Ununoniaf, S. 444.
AUmmoniadmie, Uberiadung des Blutes mit foh-
fenjaurem Younoniaf als Zerſetzungsprodult des bei
Nierenfranfheiten und Harnjtauung im Blut xirüd⸗
gehaltenen Harnſtoffs, verläuft mit ähn ichen Symp—
tomen wie Urämie, die aber wohl nicht auf das koh—
fenjaure Ammoniak, fondern auf andre Zerjepungs-
produfte des Harns zurüchzuführen find.
Ummontos, 1) WU. Saffas, alerandrin. Philo-
joph, Stifter des Neuplatonismus, lebte etwa von
175—242, wurde von fein armen Eltern im Chri-
jtentum erzogen, fehrte aber ſpäter gum Heidentum
zurück. Anfangs erwarb er fid) den Unterhalt als
Sadtriger ju Wlerandria (daher fein Beiname). Jn
der Philofophie zeichnete er fic) fo aus, daß er der
»Gottbelehrte« genannt wurde. Er hat feine Lehre
nur mündlich borgetragen, und ihr Berhaltnis ju
der feines bedeutendſten Schülers, des Plotinos (j.d.),
läßt fich im einzelnen nicht angeben.
2) Gried). Grammatifer, um 400 n. Chr., angebs
lider Verfaſſer eines Lerifons griechiſcher Synonyma,
der Uberarbeitung eines ältern Werfes eines Heren-
nius Philon (um 100 n. Chr.; hrsg. von Balctenaer,
Leiden 1739, und Schäfer, Leipz. 1822).
8) Sobn des Hermias, gy Philoſoph zu
Ende des 5. Jahrh. n. Chr., Schiiler des Proflos,
lehrte gu Alexandria und machte fic) als Erklärer des
Platon und befonders. de3 YWrijtoteles fowie als Ma—
thematifer befannt. Wir befigen von ihm nod) Kom—
mentare ju logijden Schriften des Uriftoteles und zu
der »Isagoges des Porphyrios (der legtere Hrsg. von
Buje, Berl. 1891).
Ammonit, von Favier angegebener Sprengitojf
aus Yinmoniaffalpeter mit Dinitronaphthalin, aud
cin Sprengjtojf aus Natronjalpeter und Trinitonaph-
thalin (Grifounit).
Ammoniten (qried., Anmonshörner, hierzu
Tafel »Ammoniten«), eine Gruppe ausgeſtorbener
Tintenſchnecken, mit gelammerten Schalen, den Nau—
tiliden Der Gegenwart verwandt. Das Tier bewohnte
und Bergman 1782 Ummontacum. Berthollet | nur die vorderſte Rammer, jtand aber nut den hintern
erfannte 1785 feine Zujammenjegung. Bal. Tel-
lier, L’ammoniaque dans |'industrie (Par. 1867);
Fehrmann, Das Ammoniakwaſſer und feine Ver—
arbeitung (Braunſchw. 1887); Urnold, A. und
Chnmoniatpriiparate (Berl. 1888); Lunge, Tafden-
bud) fiir die Soda-, Pottaſche- und Ammoniakfabri—
fation (3. Uufl., daf. 1900); Derfelbe, Die Induſtrie
des Steinfohlenteers und Ammoniaks (4. Aufl. von
Köhler, Braunſchw. 1900).
durch eine in Kalkwände eingeſchloſſene Röhre (Sipho)
in Verbindung. Die leeren Kammern faßt man ge—
wöhnlich als Schwimmapparat auf; fie ſollten bem
Auf- und Abſteigen von Bedeutung fein, dod febit
es aud) nidt an Undeutungen dafiir, daß die VW. als
trage Tiere in der Tiefe der Meere lebten. Bezüglich
des innern Baues diirfte uns Nautilus einigen Auf—
ſchluß geben. In der vordern Kammer findet fich ſehr
| haufig Der Upto dus (. Tafel »Suraformation I<,
446
Fig. 11), der in feiner Bedeutung sweifelbaft und nod
am ebejten fiir einen Schalendeckel der A. zu alten
ijt. Ex bejteht meijt aus einer stveiteitigen Stalfidale,
feltener bildeter eine aus einem Stiid beitehende Horn-
ſchale (An aptychus). Die U. zeigen fehr verſchiedene
Größe, von wenigen Zentimetern bis su Der eines
Wagenrades (Pachydiscus Seppenradensis 2,5 m
Durdmeffer). Jn manden Schichten find fie aufer-
ordentlich häufig und widtige Leitfoffilien. Die An—
heftungsitelle der Scheidewand an die Innenfläche
der Schale, die Suturlinic, ift bet abgefprengter
Scale, alſo an Steinfernen, bejonders deutlich; ihr
Verlauf hat fiir die Syjtematif der A. große Bedeu-
tung erlangt. Yn ihnen zeigt fic) ſchön die mit der
Beit fortidreitende Entwidelung von einfaden ju
fomplijiertern Formen: bei den filtejten (Gonta-
titen) verlaufen fie einfach, bogen- oder zickzackför⸗
mig, tm Muſchellalk herrjden die Ceratiten mit
fomplijiertern Bildungen vor, und zuletzt, vom Lias
an, hauptſächlich aber in Sura und Kreide treten dic |
U. im engern Sinn (Umnonshirner) auf. Diefe |
find fpiralfirmig gewunden und haben Windungen, |
die einander beriihren oder umfafjen. Die Tafel zeigt |
einige beſonders ſchöne Formen. Wan teilt die A. m
etwa 15 Familien und unterfdeidet nahe an 100
Wattungen. Bon dieſen find zu nennen: Goniatites
(j. Tafel »Devonifde Formation I< und »Steinfoh-
lenformation II«), Ammonites (ſ. Tafel ⸗Juraforma⸗
tion I<), Ceratites u. Trachyceras (ſ. Tafel »Triad-
formation I«), Crioceras , Toxoceras, Ancyloceras,
Turrilites, Baculites (f. Tafel »SMreideformation I<).
Ammoniter, femit. Hirtenvolf, auf deſſen Ent-
jtebung aus der Vermiſchung der Semiten mit andern
Stéimmen die Erzählung von ihrem blutſchänderiſchen
Urjprung (1. Moſ. 19, 38) hindeutet. Grenjnadbarn
der Stämme Ruben und Gad, wohnten jie in der
Wüſte des ndrdliden Urabien zwiſchen dem Jabol
und Arnon (f. Karte »Paldjtinac). Dore Religion
war die der Ranaaniter mit Bejdneidung umd Mo—
lodsdienft. Sie trieben Uderbau und Viehzucht, wa-
ren aber kriegeriſch; ihre uns befannte Geſchichte ijt
nur cine Reihe erbitterter Fehden mit den JIsraeliten,
Die unter Jephtha und Saul ihre Einfälle in isracli-
tiſches Gebiet zurückſſchlugen und unter David, durd
eine Beſchimpfung gereizt, Die Hauptitadt der YL,
Rabba, eroberten. Die A. leijteten Nebuladnezar
Hilfe qegen Israel und hinderten den Wiederaufbau
Serujalems unter Rehemia. Nod cinmal eroberte
YUntiodos Epiphanes ibre Hauptitadt, und Judas Mal⸗
labãus fdlug ſiegreich ihren Ungriff zurück. Rach
dem 2. Jahrh. n. Chr. fommt der Rame nicht mehr
vor, da fie fic) unter Den Urabern verloren. Die aſſy⸗
riſchen Inſchriften erwähnen fie unter dem Namen Bit
amman (Haus Ammons).
Ammonium, Ammonium; A. aceticum, effig-
faures Yimmoniaf; A. bromatum, Ummoniumbro- |
mid; A. carbonicum, tohlenſaures Ammoniak, Hirſch—
hornſalz; A. chloratum, muriaticum, Ammonium—
dlorid, Saimiaf; A. chloratum ferratum , Cijenjal-
miaf; A. jodatum, UWnrmoniumjodid; A. nitricum, |
ſalpeterſaures Ammoniak; A. phosphoricum, phos:
phorfaures Yimmoniaf; A. sulfuratum, Liquor Be-
guini, Schwefelammonium, Ldfung von YUmmonium-
julfhydrat; A. sulfuricum, fdwefeljaures Ummonial ;
A. vanadinicum, vanadinfaures Ammoniak.
Ammonium NH,, cine Verbindung von Stiditoff |
mit Wafferftoff, fiir deren Exiſtenz mande Whnlid- |
feiten Der Unumontafverbindungen mit den Raliver- |
bindungen fpreden, und die 3. B. in den Ummonial-
| Spiiter ſcheint das Salz aus Aſien nad
Ammoniter — Ammoniumchlorid.
ſalzen die Rolle eines Metalls fpielt (vgl. Ammonial).
Zerſetzt man eine Löſung von Ammoniumichlorid
durch den galvanijden Strom und benugt als nega-
tiven Bol ilber, jo erhält man em ſchwammi⸗
ges, in Der Kälte friftallinijdes Umalgam (Win mo -
niumamalgam), d. b. einen Körper, der fich wie
eine Legierung von Ouedfilber mit cinem Metall ver-
halt, aber alsbald Unrmonial und Waſſerſtoff genau
in bem Verhältnis entwicelt, in dem fie bet chemiſcher
Verbindung A. bilden miiften. Ammoniumoxyd
lennt man nidt; Ammoniumhydroxyd NH,OH jer-
fallt alsbald in Ummoniaf und Wafer.
Ammoninmacetat, ſ. Eſſigſaures Ammonial.
Ammoniumamalgäm, ſ. Ammonium.
Ammoniumbaſen, ſ. Baſen.
Ammoniumbromid (Bromammonium)
NXH. Br bildet ſich bei der Einwirkung von Brom auf
Schwefelammonium, beim Neutralijieren von Am—
—— eat mit Bromivajjeritoff und beim Er⸗
hitzen von Bromfalium mit ſchwefelſaurem Ammo—
niaf. Es bildet farblofe Rrijtalle, ſchmeckt ſcharf fal-
ig, löſt fich fehr leicht in Waſſer und Wlfobol, ijt
f btimierbar und zerſetzt fic) beim Aufbewahren an
der Luft. Man benugt es in der Photographie.
Ammoniumedlorid(Salmial, Chlorammo-
nium) NH,Cl findet fic fublimicrt in Lavafpalten,
auf Brandfeldern und brennenden Halden mander
Steinfohleniager, im Guano der Chindainfein und
in febr geringer Menge im Speidel, Magenfaft,
Harn x. Es entiteht beim Zujammentreffen von Am⸗
moniaf (NH,) nit Chlorwaſſerſtoff (HCI), beim Ser-
f von foblenfaurem Ymmonial mit Chlorcalcium,
angandloriir oder Eiſenchlorid, von ſchwefelſaurem
Ammonial mit Chlornatrium. Sur Darjtellung de-
jtilliert man Ammoniakwaſſer der Gasanjtalten mit
Ralf und leitet bas entiwweichende Ummmoniaf tn Saly-
ſãäure, bis fie neutralifiert ijt. Die Hiiffigteit wird dann
bis zur Krijtallijation verdampft und der rohe Sal-
miaf durch Umkriſtalliſieren oder durch Sublimation
gereinigt. Sublimierter Salmiak bildet eine farb- und
geruchloſe, faſerig kriſtalliniſche, durchſcheinende, ſchwer
pulveriſierbare Maſſe, ſchmeckt ſcharf falyig. Ldjt ſich
unter jtarfer Tentperaturerniedrigung in Waſſer, und
zwar löſen 100 Teile Wajjer bei O° 28,4, bet 10° 32,4,
bet 110° 77,2 Teile; in Alkohol löſt er ſich wm fo
ſchwerer, je ſtärker derjelbe ijt. Er triftalléfiert in klei⸗
nen Oftacdern, die fic) gu federartiqen Formen an-
einander reihen. Beim Verdampfen wird die Ldfung
durch Ammonialverluſt fauer. Bein Erhigen verſlüch⸗
tigt fid) Salmiaf, ohne gu ſchmelzen; bei hoher Tem⸗
peratur jerfillt der Dampf in Chtorwajrerttof und
Ammonial, die fid) erft unter 350° wieder miteinan⸗
Der vereinigen. Mit vielen Metalldloriden bildet Sal-
miaf Doppeldloride. Man benugt Salmiaf
Darjtellung von Ammoniak, jum Verzinnen und Ber-
jinfen von Eiſen, Kupfer umd Meffing, jum Ldten,
m der Rattundruderet, Farben- und Sdrupftabal-
fabrifation, zur Darſtellung von Eiſenlitt und Kalte⸗
miſchungen. In der Medizin wird A. gegen Ma—
ene und Brondialfatarrh angewendet. Salmial war
don Geber befannt, der thn aus gefaultem (umd da-
her ammoniafhaltigem) Urin und Kochſalz daritellte.
ropa ge-
kommen ju fein und ſtammte vielleidt aus dortigen
Vulfanen, da es zuerſt armenifdes Saly genannt
wurde. Aus Ägypten wurde Hinjtlicer Salmiat ein-
qefiibrt, Den man Dort aus dem Ruß von verbrann-
tem Kamelmiſt gewann. Der urſprüngliche Name des
Salzes, Sal armeniacum oder armoniacum, wurde
Ammoniumdromat — Ammonſches Gejeg.
fpater inSal ammoniacum umgeändert, ein Uusdrud,
Der urſprünglich gur Bezeichnung des Steinſalzes be⸗
nutzt worden war, das in der Nahe des Tempels des
Jupiter Ammon in der Libyfden Wüſte vorfommet.
Geoffroy zeigte 1720, daß Salmiaf aus Salzſäure
und flüch —— Wifali beſteht; 176530 56 wurden große
Salmiakfabriken in Schottland und 1759 bie erſte in
Deutidland bei Braunſchweig angelegt.
Ammoninmdromat, ſ. Chromjaureds Unrmo-
Ammoniumeyanat, ſ. Cyanſäure. {niaf.
Ammoniumfluorid (Fluorammonium)
NH,FI entjtebt beim Qeutralifieren von Wmmoniak
mit Fluorwaſſerſtoffſäure oder als Gublimat beim
Erhitzen von Chlorammonium mit Fluornatrium. Es
bildet farbloje Strijtalle, ſchmeckt ſcharf ſalzig, ijt tuft-
beſtändig, löſt fic) leicht in Wafer, wenig in Allohol
und wirft ätzend auf Glas. Die Löſung verliert betm
Verdampfen Ununoniaf und liefert zerfließliche Rri-
jtalle von faurem YU. NH,FI,HFI, dad wie das vorige
in Gefiifen aus Blatin, Silber oder Guttaperda auf⸗
bewahrt werden muß und zum Ätzen ded Glajes und
in Der demijden Analyſe benutzt wird. hydrat.
Ammoniumhydroſulfid, ſ. Ammoniumſulf⸗
Ammoniumhydroxyd, ſ. Ammonium.
Ammoniumjodid Jodammonium) NH,J
entiteht beim Neutraliſieren von Ammoniaklflüſſigkeit
mit Jodwaſſerſtoffſäure, beim Vermiſchen der Löſun—
gen von ſchwefelſaurem Ammoniak und Jodkalium
und Ausfällen des ſchwefelſauren Kalis mit Alkohol.
Es bildet farbloſe, zerfließliche Kriſtalle, löſt ſich leicht
in Waſſer und Alkohol und iſt bei Ausſchluß der Luft
ſublimierbar. Man muß es im Dunkeln in gut ver⸗
ſchloſſenen Flaſchen aufbewahren, denn es wird leicht
unter Abgabe von Ammoniak durch Ausſcheidung
von Jod gelb oder braun, kann aber durch einige
Tropfen Schwefelammonium wieder farblos gemacht
werden. Man benutzt es in der Photographie.
Ammoniumkarbonãt, ſ. Kohlenſaures Ammo—
niak. monial.
Ammoniummolybdat, ſ. Molybdänſaures Um-
Ammoniumnitrat, ſ. Salpeterſaures Ammoniak.
Ammoniumoxyd, ſ. Ammonium.
Ammoniumoxyidſalze, ſ. Ammoniumſalze.
— osphat, ſ. Phosphorſaures Am⸗
moniaf.
Ammoniumplatindlorid, ſ. Blatindlorid.
Ammoniumrhodanid (KR hodanammonium,
Sdhwefelcyanammonium) NH,CNS entiteht bei
trodner Dejtillation ſchwefel⸗ und ſtickſtoffhaltiger or-
ganiſcher Körper (findet fid) Daher tm Ammionial-
wajfjer und der Reiniqungsmaffe der Gasanſtalten),
beim Erwarmen von Cyanwaſſerſtoffſäure mit gelbem
Sdwefelammonium oder von alfoholijdem Ammo—
niat mit Schwefelkohlenſtoff. Es wird aus dem Am—
moniafwajjer und der Reiniqungsmaffe der Gasan-
jtalten dargejtellt, bildet farbloje, zerfließliche Kriſtalle,
ijt ſehr letdt und unter bedeutender Temperatur-
erniedrigung in Waſſer löslich, ſchmilzt bei 150° und
verwandelt jid) bei 180° in ifomeren Sutfobarnitofy.
In der wiifferigen Löſung des Salzes löſen fic) meh—
rere Metalloxyde unter Bildung von Doppelrhoda⸗
niden. Man benutzt A. als Reſervage bei der Kattun—
druckerei mit Anilinfarben.
Ammoniumſalze (Ammoniakſalze, Ammo—
niumoxydſalze) finden ſich 3. T. weitverbreitet
in der Natur (ſ. Ammoniah), entſtehen bei der Neu—
tralijation von Ammoniak mit einer Säure und find
Den Kaliumſalzen zu vergleichen, indem fie an Stelle
Des Kaliums die Gruppe NH, enthalten, 3. B.:
447
Chlortalium KCl, Chlorammonium NH,Cl,
Raliumfulfat KS0., Ammoniumfulfat XMSO,
Sie gleiden den Kaliumſalzen auc in ihren Löslich—
feitsverhaltnifjen, find farblos, wenn die Säure farb-
{od ijt, bid auf das foblenjaure Ummoniat gerudlos,
ſchmecken ſtechend-ſalzig, zerſetzen fid) leicht unter
Abgabe von Ammoniak, zum Teil ſchon beim Liegen
an der Luft, häufiger beim Verdampfen der Löſun
und ſtets beim Glühen. Viele find ſublimierbar, un
alle entwickeln, mit Kalilauge übergoſſen, Unimonial,
das ſich durch den Geruch oder durch die Nebelbildung
an einem mit verdünnter Salzſäure befeuchteten Glas-
ſtab bemerkbar macht. Viele finden techniſche und
mediziniſche Verwendung.
Ammoniumfulfat, |. Schwefelſaures Ammonial.
Ammoniumſulfhydrät ( Ammoniumhydro—
ſulfid) NH HS eniſteht in farbloſen, ſehr flüchtigen
Kriſtallen, die nach Ammoniak und Schwefelwaſſer⸗
ſtoff riechen und an der Luft ſchnell gelb werden, wenn
Ammoniakl und Schwefelwaſſerſtoff bei niedriger Tem⸗
atur zuſammentreten, oder wenn man in eine Lö—
* von Ammoniak in waſſerfreiem Alkohol Schwe⸗
felwaſſerſtoff leitet. Sättigt man Ammonialflüſſigkeit
mit Schwefelwaſſerſtoff, oder deſtilliert man Gasfalf
oder Sodarückſtände mit Salmial oder ſchwefelſaurem
Ammoniak, fo erhalt man eine farbloje Löſung von
A., die fic) an der Luft unter Orydation von Wajjer-
ftoff und Bildung von Ammoniumdiſulfid gelb farbt,
jie löſt Schwefel unter Bildung von Polyjulfureten
und eleftronegative Sdhwefelmetalle unter Bildung
von Sulfoſalzen und dient unter dem Namen S d) we-
felammonium (Gdwefelwafferitoffammo-
niaf) al8 Reduftionsmittel, zur Darjtellung von
Zinnober und zur Erkennung und Sdeidung der Me-
talle bei der Unalyfe. Unlösliche eleftroneqative Schwe⸗
felmetalle bilden mit A. lösliche Sulfoſalze. Ammo—
niumſulfid (Schwefelammonium) (NH,),5
entſteht aus Ammoniak und Schwefelwaſſerſtoff bei
— 180 in farbloſen Kriſtallen von alfalijder Reallion,
die ſich bei gewöhnlicher Temperatur zerſetzen.
Ammoniumvanadinat, ſ. Vanad.
Ammoniumiinndlorid, ſ. Zinndlorid.
Ammonfalpeter{prengftoffe, Sicherheils⸗
ſprengſtoffe, die Ammoniumnitrat und als Kohlen—
ſtoffträger Harz, Ol, Naphthalin, Nitronaphthalin,
Dinitrobenzol oder dergleichen enthalten.
Ammonſches Geſetz. Bon dem Lande her fin-
det nad) dem Geſetz der natiirliden Ausleſe ein be-
ſtändiger Strom, und gwar voriviegend Der weniger
fursfdpfigen Elemente, nad) den Stadten jtatt. Die
Cinwanderer gelangen hier, zum größten Teil we-
nigiten3, in glinjtigere Ernährungsverhältniſſe, wo-
durd ihe Körperwachstum und thre ſeeliſchen Anlagen
cine Steigerung erfabren. Cin Teil von ibnen, und
gwar hauptſächlich die mehr rundköpfigen Clemente,
wird im ſtädtiſchen Leben aufgerieben, ein andrer
Teil, die mehr langfdpjigen Elemente, behauptet ſich
befjer, indem er ſich den Wabtifdven Verhaltnijjen an-
zupaſſen verjteht. Im Laufe zweier Stadtgenerationen
haben fic) die Einwanderer ſchließlich in zwei Gruppen
geſondert: in eine hellere rundköpfige Gruppe, die der
gewerbetreibenden und handeltreibenden Bürger und
der Subalternbeamten, ſowie cine Dunflere langlköpſige
Gruppe, die der Gelehrten und höhern Beantten.
Einjeitige Uusbildung des Geiſtes ijt aber mit dem
fdrperlidjen Gedeihen unvereinbar; daher fallen die
Nachkommen der zweiten Gruppe ſehr bald dem Aus—
jterben anbeim, was wiederum eine fortwährende Er-
neuerung durch das Aufſteigen frijder Individuen
448
umd fomit ernente Einwanderung vom Lande her zur
Folge hat. Val. Otto Annmon, Die natiirlide Aus—
leye beim Menſchen (Gena 1893).
Ammonshdrner, |. Ammoniten.
MAmmonsoafe, ſ. Siwab.
Ammophila, ſ. Grabwejpen.
Ammophila arenaria Host. (Strandbafer,
Sandrohr, Sandſchilf, Sandhalm, f. Tafel
»@rajer I<, Big. 7), Gras mit eingerollten Blattern,
dibrenformiger Riſpe, wächſt an fandigen Küſten Cu-
ropas und des atlantijden Nordamerifa, wird wegen
{eines weithin kriechenden Wurzelſtocks sur Befeſtigung
des Bodens auf Diinen, Cifenbabndammen 2. an:
gepflanzt. Ähnlich ijt A. baltica Lk. (Oſtſeerohr).
Ammunition, jovicl wie Munition.
MAmnaholz, ſ. Lecythis. .
Amnefie (griech.), Mangel des Erinnerungsver-
migens (j. Gedächtnisſchwäche).
mucftie (qried)., »das Bergejjen«), allgemeine |
Begnadiqung in Bezug auf cine qange Klaſſe von Ver-
bredjen oder Verbrechern, im Gegenſatze ju derin einem
cinjelnen Falle gewährten Beqnadigung; fommt am
hãufigſten bei fogen. politijden Verbrechen vor und
wird in Monarchien insbej. bei freudigen er
ie
Amneſtieklauſel in Friedensverträgen ſichert den
innerhalb der regierenden Familie gewährt.
Parteigängern der kriegführenden Mächte Straffrei—
heit zu. Amneſtieren, eine A. erlaſſen, im Wege
einer A. begnadigen (ſ. Beqnadiqung).
Amnion, ſ. Embryonalbiillen.
WUmniosfaure, ſ. Wilantoin.
Amnioten, dic Wirbeltiere, bei deren Entwidelung
cin Amnion fic) bildet: Reptilien, Vogel, Säugetiere.
Ams baifh (qricch.), abwechſelnd;z amöbäiſches
Gedidt (carmen amoebaeum), cine Art Wettgefang,
wobei die Singenden abſatzweiſe abwedjeln.
AmBben (qricc., »Wedjelnde«), einjellige Tiere |
(Protozoen) von fehr einfadem Bau und veriinder-
licker Körpergeſtalt (j. Tafel »Zelle«), zumeiſt mifro-
jfopifd flein, frei (meijt tm Waſſer, jeltener in der
Erde) lebend, aud) parafitifd im Darm des Menfdhen
(Amoeba coli) und vielleidjt als Rranfheitserreger
von Bedeutung. Bgl. Behla, Die W. (Berl. 1898);
Doflein, Die Protojzoen als Barafiten und Krank—
heitserreqer (jena 1901).
Ams oidbewegung, Die Der Bewegungsweiſe
der Amöben Ahnliche, ſelbſtändige Formveranderung,
welde Das Protoplasma mander Zellen, befonders
der farblofen Blutforperden, Lymph- und Eiterlörper⸗
chen zeigt. Die Formwveriinderung bejteht in einem Aus⸗
jenden und Einziehen von Fortfagen von fehr variabler
Gejtalt und Linge. Indem die ausgejtredten Fort:
ſätze fid) an ihre Unterlage anbeften, fonnen fte bei
crap lapse das iibrige Brotoplasma nad
ſich giehen und fo Ortsverinderungen der Sellen bewir-
fen. Auf diefe Weife wandern vit Pi rblofe Blutforper-
dhen in groker Menge in benadbarte Gewebe cin( Wan -
derzellen). Dieſer Vorgang ſpielt eine wichtige Rolle |
bei Den Entzündungsprozeſſen. Auch die Aufnahme
fremder Stoffteilchen ins Protoplasma wird durch
deſſen amöboide Tätigleit bewirft, was beſonders bei
den Amöben leicht zu beobachten iſt. Bei ihnen iſt
überhaupt die amöboide Beweglichkeit am leichteſten
ju erlennen, während fic fiir gewöhnlich fo träge ver
läuft, daß man nur das Reſultat, die Formwerände—
rung, nicht aber die Bewegung ſelbſt wahrnimmt. Er—
wãrmung auf 35 — 38° macht fie bedeutend lebhafter.
Mangel an Sauerſtoff und Einleitung von Kohlen
ſãure vermidtet Die amöboide Tatigfeit der Sellen.
Ammonshorner
— Amorbad.
Amoflanfen, ſ. Amuclauſen.
| Amol (Umul), Stadt in der perſ. Provinz Ma⸗
| fenderan, am Rafpifden Meer, im 13. Jahrh. Haupt-
und Reſidenzſtadt des Reiches, Hat 10 — 20,000 Cinw.,
im Gommer bedeutend weniger. In der Umgebung
Cifenberqbau, Reis- und Baumwollfultur.
UAmola, friiheres Grundmaß fiir Wein m Genua,
| = 833 Lit., 90 im Barile.
Amole, ſ. Umuleh:
A moll (ital. LA minore, franj. LA mineur,
engl. A minor), in der Muſik das A mit Heiner (wei⸗
der) Terz. A moll-Ufford = a,c, e; A moll-Ton-
jart, ohne Vorzeichen (Moll -Grundffata).
Amollieren (franj.), erweichen, verweidliden.
Amomen, foviel wie Engliſch Gewürz, ſ. Pimenta.
Amémum L,, Gattung der Zingiberazeen, Pflan⸗
zen mit gegliederten, triedenden Wurzeiſtvden. 1—3m
| hoben laubtragenden Stengeln und zapfen- oder feu-
lenförmigen Blütenſtänden auf fduppentragenden
Blütenſchäften. Etwa 50 Urten im tropifden Wien,
Ujrifa, Uujtralien und auf den Inſeln des Stillen
Ojeans. A. Melegueta Rosc. (Melequeta-Pfej-
ferjtaude), mit ſchmalen Blittern, einzelnen weiß—
liden Bliiten mit hellpurpurner Lippe und flafden-
formiger vielfamiger Frudt mit ſäuerlichem Frucht⸗
marf, wächſt in den Riijtengebieten von Sierra Leone
bis Kongo, vornehmlich an der Pfeffer- oder Mele:
quetafiijte. Die Samen, von pfefferartiqem Geſchmack.
werden in Afrika wie im Orient als Gewürz benugt,
famen ſchon fer friih als fojtbare Droge in die Mit⸗
telmeerländer, werden aber jest al Paradiestir-
ner (Grana paradisi, G. Melegueta) nur nod) felten
als Dulas ju Spirituofen und zur Schärfung ſchlech⸗
ten Eſſigs angewendet. Ubrigens verjteht man unter
Meleguetapfeffer auch die Samen von Xylopiaaethio-
pica (Anonazee), Eugenia Pimenta ( Myrtazee), ſelbſt
von Capsicum ⁊c., und im friihen Mittelalter aud die
Rardamomen. A. Cardamomum L., auf Gumatra,
Java und in Siam, trägt rundlide, etwas dreiedige,
hellbräunliche Früchte nut braungrauen Gamen von
fampferartigem Geſchmack. Die Friidte (Siamfarda-
momen) waren alg Cardamomum rotundum s. race-
mosum im Altertum fehr beliebt. A. maximum Rozb.,
auf Den Inſeln und dem Feftland Ojtindiens, liefert
die länglichen, braunen, ftarf gerippten Javafarda-
momen (Cardamomum majus) mit mattgrauen,
jeinftreijigen Gamen. Bgl. Elettaria.
Amön (lat.), anmutig; Umbnitat, Anmut.
& mon aise (fran}., fpr. a monn-df, » ju meinem Be-
hagen«), behaglid.
Amuöneburg, Stadt im preuß. Regbez. Maffel,
Kreis Rirdbhain, auf einem ifolierten, 363 m boben
Baſaltlegel, über der Ohm, hat eine evangelifde und
eine gotiſche fath. Kirche, cine Synagoge, Schloßruine.
Amtsgericht umd (1900) 826 Cinw. Das dortige Ve-
nediftinerflojter, 740 vom beil. Bonifacius gqeqriindet,
wurde 1360 in cin Nollegiatitijt umgewandelt. — WL.
gehörte im Mittelalter zu Aurmainz und war ftarf be-
ſeſtigt. Bei der am Fuk des Berges lieqenden Briider-
miihle fand 21. Sept. 1762 cin Gefecht zwiſchen Preußen
unter Herzog Ferdinand von Braunſchweig und Fran
zoſen unter d'Ejtrées und Soubiſe ſtatt.
Amor, der Liebesgott, ſ. Eros.
Amorbad, Stadt wm bayr. Regbez. Unterfranfen,
Bezirfsamt Wiltenberg, im Odenwald, an der WMudau
und der Staatsbahniinie Aſchaffenburg-A., Refidery
des Fiirjten von Leiningen, hat eine ehemalige Bene-
| dDiftinerabtei, ſchöne Kloſterlirche (jept Den Brotejtan-
, ten eingeräumt, mit beriibmter Orgel), fath. Ride,
}
i
\
Amorces — Amortiſation.
Amtsgericht, Holgwaren> und Tudfabrifation und
(1900) 2173 meijt fath. Einwohner. Auch befipt A.
eine gegen Rheumatismen wirkſame jodhaltige Stabl-
quelle Jordansbad). Die vom Heil. Pirmin 734
geqritndete Benediftinerabtei wurde 1803 ſäkulariſiert
und dem Fürſten von Leiningen zugewieſen. Unfern
der Stadt lieqt Waldleinin ger die Gommerreji-
denz des Fiiriten, und die Ruine Wildenburg.
Bal. Hildenbrand, A. und der öſtliche Odenwald
(Aſchaffenb. 1882).
Amorces (fran3., fpr. amérg’), f. Biindblattden.
Amoretten, in der bildenden Kunſt den gried.
Eroten (f. Cros) nachgebildete gefliigelte Rindergejtal-
ten. Bal. E. Meyer, W. und deforative Frauen-
geſtalten (Berl. 1891); Derjelbe, Umoretten-Studien
fiir Das Kunſtgewerbe (60 Tafeln, Leips. 1893).
Amorgos (Yl mur gos), Inſel im Ugqaifden Meer,
gum griechiſchen Nomos der Kyfladen gehörig, lang:
qeftredt, gebirgig (bis 780 m), aber frudtbar, aus
Dunflem Ralfitein bejtehend, mit 134 qkm Fläche und
(1806) 2248 Einw. Der Hauptort Chora (Kajtron) |
hat ein altes Schloß und (1x89) 1302 Emm. — Im Al—
tertunt ward auf A., Dem Vaterlande des Simonides,
die fajt durchſichtige amorgifde Leinwand ver-
fertigt. Unter den Naijern war A. Verbannungsort. |
Rejte der antifen Stadte Minoa, Urfejine und Ugiale |
find erbalten.
Amoriter, Volfsjtamm der Kanaaniter, der oft
fiir dieſe überhaupt genannt wird. Sie wohnten nord-
oſtwärts vom Jordan am Jabok int S. bis gum Her-
mon im N. Im 13. Jahrh. v. Chr. unterwarfen fie
die Moabiter, drangen über den Jordan, ſtürzten die
Macht der Chetiter und croberten das ganze Kanaan
bis gum Meer. Dodh wurde ihre Madt durd) den Sieg
der Hebräer unter Jofua bei Gibeon gebrochen.
Amor6so (ital.), lieblich, zärtlich; Liebhaber, da-
her primo a., erjter Liebhaber (auf dem Theater).
BW morph (qried., »>formlos, ungejtaltet«) heißt cin |
Körper, Der auch in feinen Heinjten Teilen feine fri-
jtallinifde Gejtalt oder Tertur zeigt. Mande Körper
fennen wir nur im amorphen Zujtand, andre mur |
im frijtallinijchen, viele in beiden Sujtinden. Lestere |
erſcheinen bejonders Dann a., wenn fie fo fdnell in
die ftarre Miogrepatform übergehen, dak die Mole-
fiile nidjt Zeit finden, ſich regelmäßig gu ordnen. In—
des können antorphe Körper, ohne den Uggregat-
jujtand gu ändern, frijtallinijd) werden, und diefer
Ubergang in den kriſtalliniſchen Zuſtand ijt ftets von
Warmeentwidelung begleitet. Erwärmt man amor-
phes Selen auf 100°, fo frijtallifiert e8, und dabei |
jleigt Das Thermrgmeter auf 210—215°% Bisweilen
wird bei Diefem Übergang Licht entwidelt, fo 3. B.,
wenn fid) in ciner Lijung von amorpher arfeniger
Säure Krijtalle bilden. Amorphe Körper zeigen nad
allen Richtungen hin gleiche Eigenſchaften, 3. B. Ko—
häſion, Harte, Wärmeleitungsfähigkeit, Lichtgeſchwin⸗
digkeit, während kriſtalliniſche ſich in dieſen Beziehungen
nad) verſchiedenen Richtungen ungleich verhalten, 2. ;
auch find die kriſtalliniſchen Körper meiſt härter, fpe-
ifiſch ſchwerer, widerſtandsfähiger gegen chemiſche Ein-
üſſe und ſchwerer ſchmelzbar. bei gehen ſie bei
einer beſtimmten Temperatur plötzlich in den flüſſigen
Aggregatzuſtand über, während amorphe Körper hau-
fig erweidjen und allmählich fliiffiq werden. Nicht
felten jind die Körper im amorphen Zuftand anders
gefarbt als im frijtallinijden: amorphes Sdhwefel-
quedfilber ijt ſchwarz, frijtallinijdes rot ꝛc.
Amorpha L. (inform), Gattung der Legumi—
nofen, Sträucher oder Halbſträucher mit unpaarig ge-
Meyers Ronv.=Lerifon, 6. Aufl., J. Bb.
449
fiederten Blattern und fleinen, ſchwarz⸗- bis blauviolet-
ten Bliiten ohne Fliigel und Niel (Daher der Name) in
didjten, endjtdndigen Trauben. Von den 10 Arten in
Nordamerifa ijt A. fruticosa L. ein Rierjtraud mit
8— 20 cm langen Trauben, aus Carolina und Flo-
rida, wird vom Wild nicht angeriibrt. Die Blatter
liefern den fogen. Bajtardindigo. Schöner ijt die
| grauhaarige A. canescens Nutt. aus Nordamerifa.
| Amorphie (griech.), Formloſigkeit, insbeſ. Miß—
geſtaltung eines organiſchen Körpers, Mißgeburt.
Amorphophallus Blume, Gattung der Arazeen,
Kräuter mit tnolligem Wurgelſtoc der meiſt nur ein
einziges großes, dreiteiliges Laubblatt mit einfach oder
doppelt fiederſpaltigen Abſchnitten und außerdem den
langgeſtielten Bliitenfolben entwickelt. Etwa 15 Ar—⸗
ten, in Oſtindien und auf den Sundainſeln. A. cam-
panulatus Blume, mit 20cm breiter Knolle, fiber 1 m
hohem Blattiticl und violetter Spatha, auf der Roro-
mandelfiijte, Ceylon und den Fidſchiinſeln, blüht in
der Regenperiode. A. titanum Becc. (Conophallus
Titanum Becc., ſ. Tafel »Flieqens und Sdnecenblu-
men«, Fig. 17), auf Sumatra, mit 50 cm breiter
Knolle, 2—5 m hohem Blattitiel und 3 m langen
Hauptabjdnitten der Blattflaide. Der Rolbenijtiel
wird 1 m, der Rolben felbjt 1,25 m und das die 70
bis 80 cm lange dunfelviolette Blütenſcheide über—
ragende nadte, kegelſörmige Rolbenende 1,3 m lang.
A. Rivieri, ſ. Hydrosme.
Amorphozéa, formloje, weder radiär fymme-
triſch nod) bilateral gebaute Tiere, wie Protozoen,
Spongien.
Amortijation (v. franj. amortir, ertdten, aus⸗
löſchen, an die Tote Hand vermadjen), urſprünglich
Hingabe liegender oder beweglider Giiter an die Rirde,
Die im Weittelalter die Tote Hand hieß, weil fie ihr Ber-
mögen fefthielt, nicht mehr in den Berfehr bradte, fo
wie die Hand cines Toten dad in fie Gelegte fefthalt.
Die Kirche beanſpruchte dazu fiir ihr Vermögen volle
Steuerfreiheit ( Immunität). Um nun dem übermaß
von fteuerfreien Gütern in Der Toten Hand gu begeg-
nen, erließen die Staatsherrider ſchon ſeit Dem 14.
Jahrh. Geſetze, wodurd die 8uwendungen von Giitern
an die Tote Hand (f. d.) verboten oder von der ftaat-
liden Genehmigung abhängig gemacht wurden (leges
de non admortizando, Umortifationsgefege)
Sie beziehen fich entweder auf die unbewegliden Gil-
ter (Immobiliar⸗) oder auf das beweglide Vermögen
— eansaae Dee, oder auf beide Yirten
des Vermögens. Oft ijt der Immobiliarerwerb ohne
vorberige ftaatlide Genehmigqung ſchlechthin verboten,
alſo nidtig, der Mobiliarerwerb aber bis gu ciner gee
| wifjen Summe (summa pragmatica) erlaubt, deren
| Uberfdjreitung wieder der jtaatlidjen Wenehmigung
bedarj. Val. Kahl, Die deutfden Amortiſations⸗
5* (Tübing. 1879). Derartige Amortiſationsgeſetze
beſtehen zur Zeit in Preußen, Bayern, Württemberg,
Baden, Heſſen, Sachſen-Weimar, S.-Meiningen, S.-
Witenburg, S. Koburg-⸗Gotha und Cliah-Lothringen.
AÄhnliche Swede verfolgt das neue fran zöfiſche Vereins⸗
geſetz vom 29. März 1901. — A. von Urfunden,
j. Unfgebotsverfabren.
Unter A. verjteht man aud die allmähliche Ab—
tragung ciner Schuld. Werden 3. B. jtatt 4 Bro}.
Rinfen alljährlich 5 Proz. als Zinſen einſchließlich
1Proz. Amortiſationsquote entrichtet, fo ijt cine Schuld
binnen 41 Jahren getilgt. Für den Schuldner wird
durch die ratenweiſe Rückzahlung die Tilgung der
Schuld nicht allein erleichtert, ſondern oſt überhaupt
erſt ermöglicht. Namentlich hat die A. hohe Bedeutung
29
450
fiir Wirtſchafts zweige, die eines langen Kredits bedür⸗
fen, ohne raſch größere Kapitalien flüſſig machen zu
fonnen, fo ingbey fiir Die Landwirtſchaft jum Swede
der Ubldfung von Grundlajten, der Durdfiibrung
von Weliorationen x. Dagegen fann die A. infofern
fiir den Glaubiger nadteilig fein, als fie ihm fein Ka—
pital in fleine Teile gerfplittert und dadurch die Nei—
gung fördert, vorhandened Vermögen gang oder Fs T.
junt Unterhalt aufzubrauchen. Doch wird diefem iibel-
jtand vorgebeugt, wenn, wie bei Bodenfreditanjtalten,
viele fleine Wmortifationsbetrage an einem Us
ſammenfließen, die als größere Summen wieder leidt
verwendbar find (3. B. zur ine mag. von Pfand⸗
briefen). Bei öffentlichen Anleihen fommen regel-
mãßige Umortifationen aud in Form der Annuitäten
(f.d.) vor. Zu unterfdeiden hiervon ijt diejenige all-
mãhliche Tilgung einer Geſauitſchuld, bei der jeweilig
cingelne Schuldpojten durd Heimyahlung ausgelofter
Papiere, Auflauf von Obligationen xc. beglichen wer-
den. Hierbei erfolgt die Einlöſung bisweilen zu einem
höhern als dem Nennbetrag; den Überſchuß des Cin-
löſungslurſes fiber den lestern nennt man Umorti-
ſationszuſchlag (vgl. Staatsſchulden). Die W. von |
Amortijjement
Uftien (Heimzahlung ausgelofter Uftien aus dem Ge-
jellfdhaftsvermigen), fiir Die bisweilen aus aufgefam-
melten Reinertrdgen und unerhobenen Zinſen und
Dividenden ein eigner Umortifationsfonds ge-
bildet wird, iff nur unter Beobadtung bejtinunter ge-
ſetzlicher Vorſchriften zuläſſig (val. Uttie und Aktien—
gejellidaft, S. 239). Die heimgezahlten Beträge wer-
den im Umortifationsfonto gebudt. Endlid
wird das Wort A. aud im Sinne von Ubfdrei-
bung (f. d.) gebraucht.
Amortiffement (franj.), foviel wie Amortiſation.
Amortifferr, |. Eleftrijhe Maſchinen.
Amor vincit omnia (lat., »die Liebe iiberivindet
alles<), alter Spruch, von den Ulten allegoriſch aus-
qedriidt Durd) Den Liebesgott, der den Fup auf cinen
qedentiitiqten Lowen fest.
Amos, ciner der fogen. fleinen Bropheten, Hirt |
aus Thefoa, einer juddijden Ortidaft, weisſagte zur
Beit der Könige Ujia von Juda und Jerobeam iL von
Israel (8. Jahrh. v. Chr.) gu Bethel, wo die Briefter
durd) eine Unflage bei Jerobeam feine Vertreibung |
aus dem Reid) Israel gu bewirfen ſuchten. Seine
Weisfaqung bezieht fic) vornehmlid) auf das Reid
Israel, deſſen BVerderben er ergreifend fdildert.
Amofis, ſ. Amaſis.
AmOtae res (lat.), »entwendete Sachen«, insbeſ.
foldhe, Die Verwandte ohne Redtstitel fic) angeciqnet
haben. Umotion, Entfernung (vom Amt); Ent—
wendung (von Sachen).
Amourettengras, ſ. Briza.
Amourettenhols, ſchweres, feſtes, gelbrötliches,
braunrot geädertes Nutzholz von Mimosa tenuifolia
und M. tamarindifolia, auf den Antillen.
Amovieren (lat.), entfernen, des Amtes entſetzen.
Amoy (Hiamun), cine dem Fremdhandel geöff
nete Hafenjtadt Chinas (Proving Fufien), auf einer
15 km fangen, 11 km breiten, von 400,000 Menfdjen |
in 136 Dorfern und Höfen bewohnten Inſel, vor
der Miindung de3 Drachenfluffes, der Inſel Formoſa
gegeniiber, mit 96,000 Einw. Die dem Fejtland zu—
gefehrte Stadt ijt auf drei Seiten vom Meer umgeben
und bejteht aus einem ummauerten Teil auf der Hohe |
und einem an der Miijte, hat zwei groke buddhiſtiſche |
Tempel, Den Nantaiwu mit neun Stodwerfen und
ciner Koloſſalſtatue des Fo, und den Lamputu mit
vier von Rieſenſchildkröten getragenen Bavillons, fo-
— Ampelius.
wie ein berühmtes Nonnenflofter. A. ijt Sig eines
deutſchen Berufstonjuls und der Londoner, engliſch⸗
presbyterianifden, hollandijd-reformierten und rd-
mifd-fatholifden Miffion. Von frenvden Firmen zaählt
man jetzt 40 (3 deutſche), von Fremden tiberhaupt
240 (40 Deutfde). Die fehr geriumige, ficjere Reede
ift tief genug fiir die größten Schijfe; 1899 liefen ein
und aus 1951 Dampfer von 1,910,313 Ton. und 67
Segelſchiffe von 25,581 T. (britifd) 71,75, deutſch 9,29
Proz.). Der Gefamthandel betrug 1899 : 20,879,654
Taels. Bon der Cinfuhr (1899: 14,537,237 Taels)
entjielen auf Opium 2,616,399, Baumwwollenwaren
1,462,055 Tals; von der Ausfuhr der Landeser zeug⸗
niſſe (2,423,444 Taels) auf ſchwarzen Tee von den
herfibinten Boheas und Unfibiiqelr 2,958,909, Zucker
923,550 Tacls, der Rejt auf Rapier, Tabat, Gras:
tud. Für den Fremdhandel ijt UW. faſt nur nod
Rwifdenitation zwiſchen Hongfong und Formosa. —
Xm 17. Jabrh. war A. der Hauptitiippunft ded See-
rauberhauptmanns Yquan und jeines Sohnes Ko—
ringa, die den Holländern und Engländern erlaubten,
Handelsniederlaſſungen zu qriinden. Als aber die
Hollander durch Koxinga aus Formoja verdriingt
worden waren, vereinigten fic) 16 holländiſche Schijfe
unter UDdmiral Bort 1663 mit einer Flotte Der Man-
dſchulaiſer ju einem gemeinfamen Rriege gegen die
Seeräuber. Im Januar 1664 fiegte die hollandiid-
chineſiſche Flotte; auf Befehl de3 chineſiſchen Admirals
wurde A. zerſtört. Doch war der Ort in der Mitte des
18. Jahrh. wieder in Blüte. 1841 wurde A. von einer
engliſchen Flotte erobert und feit Dem zweiten Frieden
von Ranfing (1842) Dem Handel aller Nationen er-
öffnet. Boriibergehend wurde W. im Sommer 1900
von den Japanern befest.
Ampel (v. fat. ampulla, ſ. d.), an Ketten von der
Dede des Gemads herabhangende Sdale zur Auf-
nahme der Lampe, war fdon bei den Aſſyrern und
Aquptern, Griechen, Etrustern und Römern, aud tm
Mittelalter in Kirchen (ewige Lampe) und Wohnhäu ·
fern im Gebraud. RNeuerdings ijt die A. in reichſten
Formen aus Silber, Bronze, Porzellan, Ton, Glas,
Schmiedeeiſen rx. allgemein üblich qeworden. Die
Blumenampel dient zur Aufnahme von Blumen,
Sadlingpflangen u. dal. (ſ. Ampelpflanzen).
Wmpela, antifer Name von Zalatna (j. d.).
Ampelidazeen (Vitazeen, Weinrebenge-
wächſe), difotyle Pflanzenfamilie aus der Ordnung
derRhamnales, klimmende, meiſt ranfentragendeHol;-
pflanzen mit wechſelſtändigen, einfachen oder hand⸗
und fingerformig zuſammengeſetzten Blättern. Die
meiſt flemen, gruͤnlichen, in Riſpen ſtehenden Blüten
haben einen kleinen, vier⸗ bis fünfzähnigen Kelch, 4 —
S zuweilen mützenartig zuſammenhängende Blumens
blaͤtter und ebenſo viele, auf dem drüſigen Blütenboden
ſtehende Staubblätter. Der oberſtändige Frudtinoten
| tft meiſt zweifächerig, mit zwei Samenanlagen in je
Dem Fad. Die Frudt ijt cine zweifächerige Beere.
| Die etwa 270 Urten find meijt in den Tropen, wenige
in Der gemafigten Zone, zumal Nordamerifas, etm
heimifd. Cissus- und Vitis-Yirten finden ſich tm Ter⸗
tir (Braunfohlengeit) Siideuropas und eines Teils
von Mitteleuropa. Mehrere VW. find Zierpflanzen.
Ampelis, Seidenſchwanz; Ampelidae, Familie
der Sperlingsvigel.
Umpeling, Lucius, latein. Scdriftiteller, wahr⸗
ſcheinlich um 200 n. Chr., Verfaſſer cines (meiſt den
Ausgaben des Florus beigefiiqten) »Liber memo-
rialise (Merfbiidlein), eines diirftiqen, Dod) cinjelrre
wertvolle Nadridten bietenden Abriſſes Der RoFnto.
Ampelodesmos — Ampezzo.
graphie, Geographie, Mythologie und Geſchichte. Aus⸗
gaben von Bee (Leip;. 1826) und Wal fflin (daf. 1854).
Ampelodesmos Beauv,, Gattung der Grami-
neen mit der eingigen Urt A. tenax L., ein niedriged
Gras mit binfenartigen Blattern und nidender Ritpe,
wãchſt im Mittelmeergebiet, befonders in Ulgerien. Die
a 7 Blatter dienen als Futter, die alten ſehr gaihen
als Ejparto ; in Italien werden daraus Hiite geflodten.
Ampelographie (qried.), Lehre von den Reb-
forten; f. Weinſtock.
Ampelo s hederacéa, wilder Wein, fana-
diſche Rebe, ——
Ampelos (qricch.), Weinſtock; aud ein junger
Satyr, Liebling des Dionyſos, ward nad ſeinem Tode
von Reus in einen Weinjtod verwandelt.
Ampelpflanzen, Ziergewächſe, die ſich ihrer her-
abbingenden Zweige wegen gur Kultur in Umpeln
eignen. Man benugt Ampeln aus Metall, Ton, Holz⸗
jtaben, Draht, die man innen mit Moos ausficidet.
Die Pflanzen jtellt man in Töpfen in die Ampel oder
pflanzt fie in letztere dDireft aus. Bei der Kultur in den
Ampeln ijt cin regelmãßiges Gießen, Abfluß des Waſ⸗
ſers, der Pflanze entſprechende Lichtwerhältniſſe und in
geheizten Zimmern auf die Temperatur in der Höhe,
in der die Ampel hängt, zu achten. Vorteilhaft hängt
man die Ampel ſo auf, daß ſie zum Gießen ꝛc. ohne
Whe herabgelaſſen werden fonn. Für im Freien
bangende Unipeln find —— net: Campanula garga-
nica und C. fragilis, Fuchsia hybrida, Lonicera
brachypoda reticulata, Mesembryanthemum, Pe-
largonium peltatum, Petunia, Tropaeolum majus,
Vinca minor, Hedera. fiir Rimmer u. Gewächshaus:
— Sprengeri, Cyrtodeira cupreata, Cereus
flagelliformis, Chlorophytum Sternbergianum,
Russellia juncea, Saxifraga sarmentosa, Stenota-
phrum americanum, Tradescantia guyanensis u. a.
Ampelurgie (qred.), Weinbaufunde.
Amper, Fluß, ſ. Umer.
(A), nad) dem Geſetz vom 1. Juli 1898
Einheit der eleftrijden Stromftirfe, wird dargejtellt
durch den unverdnderlidjen eleftrifden Strom, der
bei Dem Durdgang durd) eine wäſſerige Löſung von
Silbernitrat in einer nde 0,001118 g Silber nie-
derſchlägt. Bgl. Clettrifde Maeinheiten.
Ampere (ipr. angpdr), 1) Undré Marie, Phyſiler
und Mathematifer, . 22. Jan. 1775 in Lyon, geſt.
10. i 1836 in ricille, ftudierte Chemie und
Phyſik, erhielt 1801 eine Profeſſur in Bourg, gin
pon dort nad Lyon und 1805 nad Baris und war
1809 zum Profejjor der Analyſis und Mechanik er-
nannt und 1824 als Brofeffor der Royfif an das Col-
lege de France verſetzt. Cr unterfudte die Wechſelwir⸗
fung zwiſchen zwei eleltriſchen Strimen, entdedte die
elettrodynamifden Exjdeinungen und entwidelte das
Fundamientalgeſetz derielben (»La théorie des phé-
noménes électrodynamiques«, Bar. 1826; 2. Aufl.
1883). Eine Frucht diefer Urbeit war Umpéeres Theo⸗
rie Des Magnetismus, welde die Verdindung zwi—
iden Magnetismus und Eleftrizitat herſtellte, indem
jie Die magnetifden Krafte auf elektriſche zurückführte
(+ Recueil d'observations électrodynamiques«, Bar.
1822). Er arbeitete auch tiber die Doppelbredhung ded | ;
Vichted in den Kriftallen und fudte die Wärmeerſchei—
nungen auf Bewegung der Molefiile der Körper zurück
zufü Er ſchrieb nod: »Considérations sur la
théorie mathématique du jeu< (Lyon 1802); » Essai
sur la philosophie des sciences« (1834—43, 2 Bde. ;
451
»André Marie A. et Jean Jacques A.; correspon-
dance et souvenirs de 1805 a 1864« (daf. 1875,
2 Boe.); Barthélemy Gaint-Hilaire, Philoso-
phie des deux Ampére (2. Aufl. 1869); Valſon,
La vie et les travaux d'A. M. Ampére (“yon 1886).
2) Jean Jacques, franz. Litcrarhijtorifer, Sohn
des vorigen, geb. 12. Aug. 1800in Lyon, geft. 27. März
1864 in Bau, bezog nad einem Aufenthalt in Italien
(1824) die Univerfitat Bonn, beſuchte Goethe in Wei-
mar, fam ſpäter in ben Salons der Mad. Récamier
mit Dem jungen Frankreich in Berührung und ward
Mitarbeiter am »Globe«. Als die Julirevolution aus-
brad, war er Profefjor in Marjeille, ging dann in
leider Eigenſchaft nach Paris an die Sorbonne und
1833 an das Collége de France an Yndrieur’ Stelle
und ward 1847 Mitglied der Ufademic. Sein Wif-
jensdrang hatte ijn nad) Sfandinavien, Deutidland,
SMalien, Ugypten, Rubien und Nordamerifa gefiihrt;
iiberall wußte er mit ſcharfem Blick das Charafte-
riſtiſche aufzufinden, und feine Werke legen Zeugnis
ab von feinen umfaſſenden Renntnifjen in der Litera-
tur frembder Linder. Seine Haupticriften find: »Lit-
térature et voyages« (1834; neue Aufl. 1850, 2 Bde.),
eine Sammlung von fritifden Wuifagen; » Histoire
littéraire de la France avant le XII. siécle« (1840,
83 Bde; 3. Aufl. 1870); »Histoire de la formation
de la langue frangaise« (1841; 3. Aufl., hrsg. von
P. Meyer, 1871; dieſes Werk ijt wie das vorige ver-
altet und längſt iiberholt); »La Gréce, Rome et
Dante« (1848, 9. Aufl. 1884); » Promenade en Amé-
rique, etc.« (1855, 2 Bde.; newe Aufl. 1874); »L'his-
toire romaine & Rome (1861 —64, 4 Bde. ; 4. Aufl.
1870) u.a. Bgl. Botton, Etudes sur la vie et les
travaux de J. J. A. (Bar. 1867).
Amperemeter, j. Eleftrotedn. Meßinſtrumente.
hee bre 7 oe 863 Eleltrodynamiſche Kraft.
a cfunde, {. Coulomb.
A nde (Stundenampere), dic Elektri—
— Die bei 1 Ampere in 1 Stunde durch den
uerſchnilt der Leitung fliept.
Amperewindung (Windungs-, Sdhrauben-
ampére), die Cinheit fiir das die Starve eines Elef-
tromagneten bejtimmende Broduft aus der Zahl der
den Kern umgebenden Windungen und der Starte des
die legtern durchfließenden Stromes.
Ampezzo (Cortina d'V., Hayden), Dorf in Ti-
rol, Sig emer Bezirlshauptmannſchaft und eines Be⸗
zirlsgerichts, 1224 m il. D2, im weiten Tal des Boite
(Nebenfluß der Piave), an der aus dem Buftertal
(Toblach) durch das Höhlenſtein und Ampezzotal
ins Piavetal führenden Ampezzaner Straße qe
legen, von Dolomitbergen umgeben, hat eine ſchöne
Kirche mit 78 m hohem Glockenturm, eine Fachſchule
fiir Holzinduſtrie, welder Induſtriezweig neben Holz—
handel bier betrieben wird, und (seo) 619, als Ge—
meinde (1900) 3088 ital. Einwohner. A. ijt als Mittel-
puntft der Ampezzaner Dolomiten, deren Gipfel
(Monte Crijtallo 3199 m, Sorapif 3229 m, Tofana
8241 m, Yntelao 8263 m) von Hier aus häufig be-
—* werden, im Sommer viel beſucht und beſitzt
zahlreiche Hotels und Billen. Bon VW. fiibrt norddjt-
lid) cine Strafe fiber den Paß Tre Croci (1808 m,
mit Hotel) und den Mifurinafee (1755 m, gleichfalls
mit — nad) Sdluderbad (ſ. d.). Weſtlich ijt eine
Strafe fiber den Falzaregopaß (2117 m) ins Buchen-
ſtein ⸗ und Faffatal im Bau. L. Nog, W. und ſeine
2. Warf. 1857). Bgl. »Journal et correspondance de | Dolomiten (Mlagenf. 1880); Robhrader, Toblad
A M. Ampére 1793—1805« (9. Aufl., Bar. 1893); | und das Ampezzotal (Münch. 1893); Bundt, Wan-
29*
452
Ampfer — Amphibien.
i is in ben Ampezzaner Dolomiten (Rradtwerl; | mandmal unter der Haut verjtedt (Protens); dagegen
2. Aufl, Stuttg. 1895).
ps Se Eflanyengattung, ſ. Rumex.
MAmpferflee, |. Oxalis
Ampfing, Dorf im bayr. Regbez. Oberbayern,
Bezirfsamt Mühldorf, an der Iſen undan der Staats-
babniinie Uhn- Simbad, bat eine fath. Kirche und
1900) 600 Cinw.; befannt dDurd die Schladht bei A.
oder bei Muhldorf (7.d.). Am 1. Dez. 1800 ſiegreiches
Geiecht der Ojterreider unter Erzherzog Johann fiber
die Franzoſen unter Grenier.
Amphi- (qried.), in vielen Sufammenfegungen:
beid⸗, beidfeitiq-, berum-, hye Amphibium, , foviel
wie beidlebiqes, ſowohl im Wafer als aud) auf dem
Lande lebendes Tier.
Amphiaraos, im griech. Mythus ein beriihmter
Seher aus Urgos, ae. des DifleSs und der Hyper-
mnefjtra, Urenfel ded Sehers Melampus, Teilnehmer
an der falydonijden Jagd und ant Yirgonautenjug.
Am Sriege der Sieben gegen Theben wollte er fid
nidht beteiligen, Da er den ungliidliden Unsqang und
jeinen Tod vorherſah, ward aber dazu durch ſeine vor
Polyneifes durch das HalSband der Harmonia (j. d.)
beſtochene Gemahlin Criphyle gezwungen. Nad) der
Niederlage entriidte Reus den fronmmen Seber den
Berjolgern, indem er ibn von der Erde verfdlingen
lief. ér wurde an veridiedenen Stellen als Orafel-
ott verehrt, namentlich an der Stelle ſeines Verſchwin⸗
— bei Cropod, woer einen Tempel (Amp hiareton)
mit beriihmtem Traumorafel hatte.
Amphibien (Amphibia, qricd., »doppellebige
Tiere<) oder Lurde, Klaffe der Wirbeltiere, die ihren
Namen wegen ibres Lebens (als Jugendftadien) im
Waſſer und (im ausgebildeten ujtond} auf dem Lande
fiibren. Dementfpredend atnen fie in der Jugend
durch Stiemen, {pater durch Lungen, weldes Verhal⸗
ten fie in —— Weiſe den Fiſchen nähert und ſie
ſcharf von den Reptilien trennt. Der Körper ijt ziem⸗
lich lang gejtredt Schwanzlurche, Blindwühler) oder
gedrungen (Fröſche, Kröten). Die Gliedmaßen find
gut entwickelt (Schwanzlurche, Molche) oder fehlen
auch ganz (Blindwühler); ſie ſind nach dem Typus
Der fuͤnfgliederigen Extremität —— dienen zum
Vorwãrisſchieben des Körpers, felt
ſchwindet Der Schwanz (Anuren) der ſonſt ein wich—
tiges Bewegungsorgan der A. wie der Fiſche darſtellt.
Die Haut it nackt, glatt und ſchlüpfrig (nur die Blind-
wühler beſitzen Schuppen) und voll zahlreicher Drüſen,
die Schleim oder ätzende, ſtark riechende, auf kleinere
Tiere giftig wirkende Flüſſigleiten abſondern. Ferner
liegen in ihr Pigmentzellen (ſ. Chromatophoren), de-
ren Ausdehnung oder Zuſammenziehung einen Far—
benwechſel zur Folge hat. Bei einigen Arten ändert
die Haut der Männchen zur Zeit der Begattung nicht
nur Die Farbe, ſondern aud die Form, fo dak z. VB.
der Riiden einen Ramm erhalt (Hod s,eitstleid, ſ.
Tafel ⸗Hochzeitstleider II«, Fig. 8 u. 9). Die Haut
wird in regelmapigen Perioden abgeſtoßen, und diefe
ener zum Springen, |
Stlettern und Schwimmen (Frode). Bei legtern |
jeblen die Lider gänzlich, oder find aus dem obern
und untern Lid oder Dem obern und einer fogen. Rid:
haut gebildet. Das Ge hirorgan ijt wenig entwidelt,
cin Guperes Ohr febit ftets. BweiNafendffnungen
find vorhanden, die mit der Mundhöhle in Rerbin
Dung jteben. Dre bei den Fröſchen gut entwidelte und
weit herausſchlagbare Zunge fann anderm A. gang
feblen; die Babne dienen weniger zum Nauen als zum
Erfaſſen der Beute, den Kröten feblen fie. Der Darm
pilegt kurz zu ſein; bei Den teilweiſe pflanzenfreſſenden
Larden dagegen ijt er recht lang. Die Larven atmen
zunächſt dDurd 2—3 als gefiederte Hautanhänge hin—
ter dem Kopf erſcheinende Kiemen. Dieſe beſtehen zeit⸗
lebens neben den Lungen bei den Kiemenlurchen, fonjt
geben fie zu Grunde und werden durch die Lungen er-
fest; dieſe ſchließen fid) als zwei dünnwandige Sade
ziemlich dicht und ohne Bildung einer eigentlichen
ftröhre an die Stimmritze an. Bei einigen Molchen
und Salamandern (Spelerpes, Salamandrina, Des-
mognathus) gehen auger den Kiemen aud) die Lun—
gen verloren, und die Atmung erfolgt größtenteils
Durd) die Paut, die auch ſonſt bet den A. als Refpira-
tionSorgan von Bedeutung ijt. Entipredend der ver-
fciedenartigen Unsbildung der Refpirationsorgane
zeigt fid) aud) das Gefdbtyitem redht Different ge⸗
baut, bei blofer Kiemenatmung ähnelt es dem der Fiſche
und fompliziert fic) mit dem Yujtreten der Lungen.
dod) bat auc dann das Her; neben zwei Vorkammern
fiir das arterielle und vendje Blut mur cine Herzlam⸗
mer und enthalt alſo in ifr jtets gemifdtes Blut. Die
Lymphgefäße find qut entwidelt, wichtig find die wei-
ten Lymphräume unter der Haut, befonders bet den
Fröſchen. Die —— Nieren liegen zu bei⸗
ten Seiten der Wirbelſäule; die Harnleiter münden
in Die Kloale, und hier bildet ſich eine weite Harnblafe.
Die Genitalorgane ſtehen in enger Verbindung
mit den Nieren, beſonders beim Männchen, bei denen
dieſelben von den Ausführungsgängen der Hoden
durchſetzt werden. Die Eier fallen vom Ovarium in
die Bauchhöhle, wm hier durch das ostium tubae auf⸗
— und ebenfalls der Kloale — ju wer:
n. Begattungsorgane feblen fajt tiberall, und fo
werden die Eier meiſt gleid) beim Austritt aus dem
Körper befruchtet. Nur bei den Salamandern findet
cine wirflide Begattung jtatt, und mande von ihnen
gebären lebendige Junge. Werden die Cier abgelegt,
jo geſchieht dies gewöhnlich in Laichform; meiſt wer:
Den fie fich felbit überlaſſen, indeſſen fommt ard bei
den A. eine Vrutpflege vor, indem die Weibdhen oder
Männchen die Cier bebiiten oder auch mit ſich herum⸗
tragen (da8 Weibchen der Pipa dorsigera auf dem
Riiden, ebenfo das Männchen von Phyllobates tri-
nitatis; beim Männchen unirer cinheimifden Ge—
burtShelferfrite wird die Laichſchnur um die Beme
ewidelt). Die Entwidelung gefdieht meiſt mittels
etamorphofe durd eine geſchwänzte, faft fifd@abn-
lidhe Larve (f. Fröſche).
Der Mufenthaltsort der A. ijt ſehr verfchieden,
⸗
Hautung unterbleibt nur bet nicht normalem Zuſtand | jedoch ſtets feucht. Die Nahrung ijt bet den Erwad-
unter ungünſtigen Lebensbedingungen (z. B. mangeln, ſenen animalijder (Inſelten, Würmer), bei den Lar—
der Feuchtigteihh. Das Stelett ijt meiſt verfnddpert, |
dod) erhalten fic) am Schädel viele Refte des urſprüng—
ven vieler Urten vegetabilifder Natur. In den ge-
mafigten Zonen verfallen die Vi. gewöhnlich wahrend
liden Mnorpels. Die Rahl der Wirbel ijt gewöhnlich der Kälte m cinen Winterſchlaf; überhaupt fmd fie
fehr bedeutend (bet den Fröſchen nur zehn); die Rip-
pen verbinden fic) nicht mit Dem ſtets Morpeliq blei-
benden Bruſtbein und fehlen den Fröſchen ganz. Bruſt⸗
bein und Veen fonnen qleicfalls fehlen. Das Ge-
hirn bleibt klein. Augen find ſtets vorhanden, jedod |
ſehr widerſtandsfähig, auch gegen Verlegung einzel⸗
ner Rorperteile, die bei Verluſt erfest werden lönnen.
Man fennt etwa 700 Urten, davon 100 foſſile, von
Denen die altefte Form im Oberdevon Pennſylvaniens
qefunden wurde. Jn der Steinfohlenformation tre
Amphibiologie — Amphiktyonen.
ten jablreide Stegolephalen auf. Tertiär find Tri-
tonen, Salamander, Fröſche und Krdten; bemerfens-
wert ijt bier der Andrias Scheuchzeri (jf. d.). Dan
teilt fie gewöhnlich in vier Ordnungen:
1) Die fojfilen Stegofepbhalen (fj. d.).
2) Shleidenlurde GGlindwühler, Ringel wihler,
Gymnophiona, Apoda, Coccilia), mit Sduppen, obne
Gliedmafen, ſchlangenähnlich, flets in ber Erbe: Coecilia,
3 Schwanzlurche (Urodela, Caudata), jeitlebens mit
Schwanz und meift aud mit vier kurzen Beinen:
a) Perennibrandiaten, dbauernd mit 2—3 Paar Ries
menjpalten und 3 dugern Miemenbilfdeln: Siren, Proteus.
b) Derotremen, die Kiemen ſchwinden, es erhält fid aber
eine Riemenjfpalte: Cryptobranchus, Amphiuma.
ce) Rolde (Salamanbdrinen), nad Berluft ber Riemen
ſchließen fid) bie Riemenjpalten: Triton, Salamandra.
4) Frõoſche (Batrachia) ober ſhwanzloſe Lurde (Anura),
f. Froſche.
Geographiſche Verbreitung (j. Karte bei Art.
»Reptiliens). Die weitejte Verbreitung befigen die
Froſchlurche, die fajt univerfell find, dod haben
nur die Familien der eigentlichen Fröſche und der Poly-
pedatidae die annähernd gleiche kosmopolitiſche Ver-
breitung der ganzen Gruppe. Die Mehrzahl gehört
den warmern Gegenden an. Die Unfen find neotro-
piſch und paläarktiſch. Die Laubfröſche gehören famt-
lichen Subregionen der neotropiſchen und nearktiſchen
Region an, außerdem der paläarkliſchen Region mit
Ausnahme Japans, ferner der indocinejijden Sub-
region, der auftromalaiijden Subregion und dem
auſtraliſchen Feſtland. Fajt univerfell jind die Kröten.
Bon der Unterordnung der Frofdlurde (Aglossa)
ijt Die cine —— Dactylethra, auf die äthiopiſche
Region in Afrika beſchränkt, die andre, die Waben-
kröle Pipa, findet fid) in Guayana und Brafilien. Bon
den Sd) wanglurden find die Molde charakteriſtiſch
fiir die nördlichen gemäßigten Regionen; fie fehlen
vollig der dthiopifden und aujftralifden Region und
finden fic) in der orientalifden und in der indodine-
ſiſchen Subregion; auf der weſtlichen Halbfugel find
die Molde charalteriſtiſch für Nordamerifa. Die Fiſch—
lurche haben eine fehr verjprengte Verbreitung. Ja—
pan und Nordwejtdina ijt eigen der Riefenfalamander,
in den Flüſſen Bennfylvaniens und Virginiad lebt
die Gattung Menopoma, in den ſüdlichen Vereinigten
Staaten die Gattung Amphiuma, im Schlamm ber |
Siimpfe von Carolina die Gattung Siren, endlid) die
Gattung Proteus in den Höhlengewäſſern
und Strains. Die Schleichen lurche finden fic ver-
cinjelt in Der orientalijden, athiopifden und neotro-
pifden Region; auf Ceylon dic Fühlerwühle —
phys), in Braſilien, Mexiko, aber auch in Weſtafrila
dieLodwiihle(Siphonops). Val. Lacépede, Histoire
naturelle des Quadrupédes ovipares et des Serpents
(Par. 1788—89, 2 Bde.); Sdneider, Historia am-
phibiorum naturalis et literaria (Sena 1799—1801,
2 Tle.); Duméril und Vibron, Erpétologie gé-
nérale (Par. 1834—54, 9 Bde.); Schreiber, Her-
petologia europaea (Braunſchw. 1875); Knauer,
Naturgeſchichte der Qurde (Wien 1878); Cope, The
Batrachia of North America (Wafhingt. 1889); po-
pulir: Lachmann, Die Reptilion und A. Deutſch—
fands (Berl. 1890); Diirigen, Deutſchlands W. und
ag ne (Magdeb. 1897).
mpbi biologie ( riech.), Lehre von den Amphi⸗
Amphibiotica, — Falſchnetzflügler. bien.
Amphibiſche Pflanzen, Waſſerpflanzen mit
ſchwimmenden oder untergetauchten Blattern, die auch
Dalmatiens
453
form verändert ſich wieder in die Wajferform, wenn
ifr Standort von Waſſer dauernd iiberdect wird, wie
beimWBWafferfndterid(PolygonumamphibiumZ,).
Amphibot, Mineral, ſ. Hornblende.
Amphibslfels, -geftein, -queis, -granit zc.,
f. Dornblendefels, Gneis, Granit rc.
Amphibolte (griech.), Zweideutigkit, Dopypel-
finn; Verwedfelumg der Begriffe. Wimp hibolifad,
zweideutig, unentidiedenen Charatters.
— — ſ. Hornblendefels.
Amphibrachys (griech, »auf beiden Seiten kurz« ).
dreiſilbiger Versfuß, in welchem eine Länge von zwei
Kürzen eingefaßt ijt: ~~ (3. B. peritus).
mphidromatifde Reaftion, joviel wie an-
photere Reaftion (ſ. Amphoter).
Amphieyon Lart., Gattung foſſiler Raubtiere,
den Hunden nabe verwandt, jedoch mit bärenähnlichen
Charafteren, von Fuds- bis Bärengröße; fie finden
fid im Miocän von Curopa, im Oligociin von Nord-
amerifa und in den obern Siwalifs von Indien und
Amphidasis, ſ. Spanner. [China.
Amphidromien, ſ. Feucrdienit.
Amphidfalze (amp hotereSal3e), alterer Name
der Sauerjtoff-, Sdwefel-, Selens und Tellurfalje.
UAmphigaftrien (Unterblitter), bei vielen Le—
bermoofen auf der Unterjeite der Stämmchen jtehende
Blätter, die von denen der Oberfeite in Gejtalt und
Größe abweiden.
Amphigéen, Mineral, ſ. Leucit.
Amphigone Vererbung, ſ. Erblidfeit.
Amphigonte (qriec.), geſchlechtliche Fortpflan-
jung.
Amphifarpie (gried).), f. Erdfrüchtler.
Umphiftyon, im gricd. Mythus Sohn oder
| Enel des Deufalion und der Pyrrha, Stifter der del-
phiſch⸗ pyläiſchen Amphiltyonie.
Amphittyouen (Umpbhiftionen, qried., »die
Umwohner«), bei den alten Griechen die ju einem Bund
(Amphiktyonie) gufammengetretenen Unuvohner
eines Heiliqtims, deren Bundesgenoſſenſchaften ſpä—
ter aud) politifdje Bedeutung erlangten. Solche Am—
phiftyonien gab 3 gu Argos, Kalauria, Oncheſtos, auf
Delos rc. ; die bedeutendjte war aber die pyläiſch-delphi⸗
ſche, die ihre Verſammlungen (ährlich zwei) am De—
meterheiligtum in Anthela bei den Thermopylen und
i bet dent Upollontempel in Delphi abbielt und ihre
Entitehung auf Amphiktyon zurückführte. Hellas ver-
dankte ihr nicht nur den Schutz ſeines reichſten und
rößten Drafels, fonder aud die Erhaltung der Cin-
Beit feines religiöſen Kultus, wabrend ihr politijder
| Cirrus im Der Bliitezeit Griechenlands gering war.
Mitglieder dieſes Bundes waren urſprünglich die
Doloper, Thejjalier, Anianen oder Otder, Magneten,
Malier, Phthioten und Perrhäber, Bhofer, Lofrer,
Dorier, Bootier und Yonier in Attila und Euböa.
Zweck de3 Bundes war zunächſt Schutz der beiden ge—
nannten Heiligtiimer, gemeinſchaftliche Feier gewiſſer
Feſte, namentlid) der pythiſchen Spiele zu Delphi,
dann aber die Aufrechterhaltung völkerrechtlicher
Grundſätze, wie: daß feine der amphiftyontichen Stadte
von Grund aus zerjtirt, feiner das Waſſer abgeſchnit⸗
ten und feine von Dem gemeinidaftliden Opfer und
vom Bundesheiligtum ausgeſchloſſen werden dürfe.
Bei den Verſammlungen, in denen jeder der zwölf
Stimme gwei Stinumen hatte, vertreten durch die
Pylagoren und die anf ein Jahr gewählten Hiero-
mnemonen, wurden Streitigfeiten gefdlidtet, biir-
auf dem Lande vegetieren finnen, wobei ihre Organi: | gerlidje und peinliche Verbredjen, bejonders Vergehun—
fation fid) Den nenen Verhältniſſen anpaßt; die Cand- | gen gegen das VBolferredt und gegen den Tempel zu
*
454 Ampbhilodos — Am
Delphi, beſtraft. Wurde die einer Stadt auferfegte
Geldbuße nicht bezahlt, fofonnte der Bund mit Wajfen-
gewalt einſchreiten; dies zeigen die —8* Striege
(jf. d.). Mit der Beit wuds die Anzahl der Mitglieder
bis auf 30; immer aber wurden die Stimmen auf die
urfpriingliden zwölf Stãmme befdrantt, fo daß 5. B.
die Jonier, Dorter und Lofrer sufammen Cine Stimme
hatten. Die Umpbhiftyonie blieb.unverindert bejtehen
bis zum zweiten (oder Ddritten) Heiligen Kriege, nad
deſſen Beendi = (346 v. Chr.) auf Betreiben König
Philipps die Rs et ausqeitoken wurden; ebenfo dic
Vafedimonier, weil fie Die Pholer unterſtützt Hatten.
a
b Oy
9
3
Sees
So
—9—
—*
RVW
ee
ae a il
Ampbhion und Sethos Mom, Palazzo Spada).
Dafür traten die Mafedonier ein und iibten cine Feit
lang den größten Einfluß aus, dann die Ätolier und
nad thnen Die Romer, unter denen der Bund allein |
nod) der Ubhaltung von Fejten diente. Zulest wird
er in Der Seit der Untonine erwähnt. Sein Auf
hören fallt wohl mit dem des Delpbhifdhen Orakels zu—
ſammen. Bgl. Bürgel, Die pyläiſch-delphiſche Um
phiftyonie (Munch. 1877).
Amphilochos, qried. Seher, Sohn des Amphia⸗
raos und der Eriphyle, aus Argos, jüngerer Bruder
Ded Allmäon (f. d. 1), nahm an dem Zuge der Epi-
gonen gegen Theben umd an dem gegen Ilion teil.
Mit Mop}os ftijtete er ie das Orafel zu Mallos in
Silifien, um deffen Beſitz beide im Zweilampfe ficlen.
Rach andern fehrte A. heim und grilmdete das amphi⸗ | der Gee
lochiſche Argos in Ufarnanien.
Amphimacer (gried., van beiden Seiten lang),
Dreijilbiger Bersfußg: 6 B. fecérant), aud
Stretif{us genannt (f. Kretiſcher Bers).
phioxus lanceolatus.
——— (griech.), die geſchlechtliche Vermi⸗
{dung der Jndividuen und die dadurch eführte
chtung ihrer Sonderentwicke
rufung neuer Kombination
A. Weismann, Amphimixis (Jena
Amphineuren (Urmollusken), eine Abteilung
der Weichtiere von beſonders urſprünglicher Orga-
niſation, umfaßt die Solenogaſtren Ga.) und Pla-
fophoren (Käferſchnecken, f. d.).
Amphion, — Heros, Sohn des Zeus und der
Antiope, Zwillingsbruder des Zethos. Auf dem
Kithäron ausgeſetzt, wurden die Brüder von einem
Hirten oe und erzogen. YW. erhielt von Hermes
die Gabe des Saitenfpiels, Zethos ward Jäger und
Hirt. Erwadfen, erfennen und rächen fie ihre Mutter
an ibren Reinigern, Lyfos von Theben und deſſen
Gemahlin Dirfe, indem fie jenen tdten und diefe durch
einen wilden Stier zu Lode ſchleifen laſſen. Darauf
ummauern fie Theben, wobei die von 08 berbei-
geſchafften Blode bei Umphions Spiel ſich von felbjt
jujammenfiigen. A., Gatte der Niobe (ſ. d.), gab fid
nad) dem Untergang feiner Familie den Tod oder fiel
durch Upollons Pfeil. Die Briider erhielten ein gemein⸗
ſames Grab. Die beriihmte Marmo tm Na⸗
tionalmujeum ju —— der —* Stier ge⸗
nannt (f. Farneſiſche twerfe), jtellt die Bejtra-
fung der Dirfe dar (ſ. Tafel »Bildhauerfunft III-,
Fig. 9). A. mit der Leier neben Zethos findet fich auf
einem ſchönen Relief de3 Palazzo Spada in Rom
| (vgl. nebenftehende Ubbildung).
)
a hor pe lanceolatus Yarr. chio-
stoma lubricum Costa, Qanjettfifd, ſ. bildung),
das niederſte bis jest befannt gewordene Wirbeltier
SSS AUUUSs&sVsVs
Amphioxus, in natiirl Größe. Lints in ber Figur ber Ropf,
rechts ber Shwanj.
aus der Klaſſe der Leptofardier (Mibrenherjen), das
von feinem Entdecer Ballas 1778 als Nacktſchnecke be
ſchrieben wurde. Der A. wird bis 5 cm fan
los, vorn und hinten zugeſpitzt (daher ber
und bateine lan zettförmige Sdwansfloffe. he ha
fehlenden Wirbelſäule ijt em Knorpeljtrang, die .
jaite (chorda dorsalis), vorhanden, die auch bei den
iibrigen Wirbeltieren, jedod) hier meift rudimentar
oder doch F im Embryonalzuſtand gut ausgebildet,
vorfommt. UÜber ihr liegt das vorn ——————
iſt farb⸗
ame A.)
Rückenmark. Cin Gebirn fehlt ebenfo wie der Schade,
desgleichen Gehdrorgan; Auge und Rafe find nur
ſchwach entwidelt. Der fpaltfirmige Mund führt in die
weite Riemenhdhle. Das Hers fehlt, doch pulfieren die
Gefäßſtämme (Daher der Name Röhrenherzen). Die
Blutforperden find farblos. Am Hinterende des Rie-
menſackes beginnt der eigentliche Darmfanal, in dem ſich
die Nahrungsteilden aus dem Utenuvaffer anſammeln.
Er erſtreckt * —— nach hinten bis zum After und
hat vorn einen kurzen Blindfad, den man als Leber
beseichnet. Die Nieren fliegen im Riemenfad und find
von einfadem Bau. Die Gefdjlecdtsteile beftehen mur
aus den Hoden, bes. Eierſtöclen, aus denen Santen
und Gier direft in Die Riemenhidhle und von diefer ind
Waſſer elangen. Die Entwickelung ähnelt derjenigen
— in mancher Hinſicht, woraus ſich eine
Verwandtſchaft zwiſchen den Wirbeltieren und den
wirbelloſen) Manteltieren herleiten läßt. Die einen
richer konſtruieren die aufſteigende Linie: Mantet-
tiere, A., Fiſche ꝛc., während die andern fie in um-
Amphipoda — Amphitheater. 455
gelehrter Reihenfolge gruppieren. Für die erftern ijt | aber erdbebenreider “age am Berge Liafura (Par-
alfo A. der Stammvater aller Wirbeltiere, fitr die letz- najfos), hat 7 Kirchen, Ol-, Tabak- und Getreidebau,
tern gilt er ald ein riidgebildeter Fifdh, den an De- | Korduanfabrifation und (1896) 5416 (Gemeinde 8311)
generation nod) die Seefcheiden fibertreffen, in denen | Einw. A. ijt mit feinem Hafen Jtéa durd eine Fahr-
ein entarteter Seitenjweig der Vorläufer der Wirbel- ſtraße verbunden.
tiere gefehen wird. Der A. lebt in geringen Tiefen am | Amphitheater (griech. »Rundtheater«), bei den
Meeresjtrand und gräbt fic) meijt bis an den Mund | Rdmern das gu den Kampfſpielen der Fechter und
in den Sand ein. Er ijt häufig am Strand bei Neapel, | wilden Tiere beſtimmte Gebaude. Es war urfpriing-
doch aud) fonjt ziemlich verbreitet. Vgl. Cofta, Storia | lid cin Birfus, gu beiden Seiten mit Plagen fiir die
del Branchiostoma lubricum (Neapel 1843); Mül-Zuſchauer; ſpäter machte man die Urena (j. unten)
ler, Uber den Bau und die Lebenserfdeinungen des rund und führte die Bantreihen ftufenfirmig hinter-
Branchiostoma lubricum (Berl. 1844); Rowalew-| einander auf. Dieſe Bauten beftanden in der Regel
ſty, Entwidelungsgejdichte von A. (Petersb. 1867); | aus einer hohen, fenfredten Wupenmaucr oder aus
Rolph, Bau des A. (Leip;. 1876); Hatſchek, Stu- | mehreren Reihen aufeinander gejtellter Urfaden, an
Dien tiber Entwidelung des A. (Wien 1881); Willey, | deren innerer Seite die Sige der Zuſchauer treppen-
A. and the ancestry of the vertebrates (New Yjorf | artig und auf Bogenwölbungen rubend umbertiefen.
Amphipoda, ſ. Flohtrebſe. 1894). In gewiſſen Entfernungen durchſchnitten Treppen alle
Amphipolis, Stadt im öſtlichen Maledonien, auf | Sitzreihen von der bodhiten bis zur legten. An jedem
romifden A. war fiir die oberjten Staatsbeamten ein
befonderer Eingang und eine befondere Sitzreihe vor-
—— Der innerſte, tiefſte, mittelſte Raum, durch
auerwerk von den Sitzreihen und Korridoren ge—
ſchieden, bildete die Bühne, die Arena. Sie war, wie
das ganze Gebäude, entweder rund oder elliptiſch. Um
ſie herum befanden ſich die Behälter für die wilden
Tiere und die Aufenthaltsorte fiir die Kämpfer (Gla-
diatoren). Die unterjte Sigreihe fiir die Rampfridter
hieß das Podium. Hier war aud der Ehrenplatz
de Spielgebers und der Vejtalinnen. Zunächſt dem
Podium waren die Sige der Senatoren (cavea prima),
dann die Der Ritter (cavea media), zuletzt die des
Volfes (cavea summa). Um das ganje VL. zogen fid
oft cin oder mehrere Säulengänge, aus denen man
gu den Treppen nad) den verjdiedenen Sigreihen
(gradationes) durch Pforten (vomitoria) gelangen
fonnte. Ganj oben lief eine Galerie rundum. In den
Beiten der Republif fagen alle Stände ohne Unter-
ſchied Durdeinander, in der ſpätern Kaiſerzeit aber
wurden jeder BVollSflajje befondere Sigreihen ange-
wiejen und dieſe Durd) Schranken und Rorridore
den Wendefreifen Wohnenden, bei denen wahrend des | (cunei) getrennt. Seit Cajar wurden pradtvolle A.
einen Teiles des Jahres, folange die Sonne nördlich aus foftbarem Waterial, mit Statuen, Sitzen von
vom Zenit fulminiert, der mittigige Schatten nach Marmor und Sdranfen von Bronze aujgefithrt.
S., wahrend des andern Teiles nad N. fallt. Da bet | Druchwerke fiihrten durch Röhren wohlriechende Waſſer
ihnen zweimal im Jahre, wenn die Sonne mittags | in die Hohe und ergofjen fie in Nebelſchauern herab.
im Benit fteht, der mittigige Schatten ganz ver- | Große Tücher (velarii) fpannten fid) über die Sige,
ſchwindet, fo heißen fie aud) Ufcii Unfdattige, | um die Rufdauer vor Sonne oder Regen gu ſchirmen.
Sdattenlofe), welden Namen aud die unter den | Bon 270 Untphitheatern find nod Nachridten oder
Wendefreijen ſelbſt Wohnenden fiihren, bei denen jedoch | Trümmer iibrig. Nad Plinius foll das A. des Scau-
nur einmal im Sabre der mittigige Sdatten ver- | rus 80,000 } J— gefaßt haben. Rom zählte da-
fchwindet. Die Bewohner der gemiibigien * heißen mals neun A. von ungeheuerm Umfang; aber auch
Heterofcii oder Untifcii (Unders-, Ein-, Gee jede andre große Stadt beſaß cin A., und die Großen
genf Gattige), weil bei ihnen der mittigige Schatten | des Weltreichs bauten U. neben ihren Landhaufern.
m der nördlichen gemäßigten Bone immer nad N., | So hatte Uttilius ein folded bei Fidenä, und als es
in der fiidlidjen nad S. fallt. Periſcii (Rings- | einft, von Zuſchauern iiberfiillt, zuſammenſtürzle,
umf dattige) heißen die Bewohner der falten Zonen, | follen 25,000 Menjden unter feinen Trümmern be-
bei denen zur Zeit de3 inumerwahrenden Tages der | qraben worden fein. Als zur Beit des Vefpafian die
Schatten im Laufe von 24 Stunden ringsherum geht. Daritellungen von Seefdladten (Naumadien) auf-
Amphiffa, im Ultertum Hauptitadt der ozoliſchen famen, wurde die Urena durch Kanäle und Schleuſen
Lokrer, nordweſtlich von Delphi. Weil es ein zum | unter Waſſer gefest und in einen Gee verwandelt.
delphiſchen Tempel gehöriges Gebiet bebaut hatte, | Diefer Kaiſer erbaute ein nod vorhandenes A. in
wurde es von Äſchines beim Amphiltyonengericht an- | Rom, bei oie Einweihung 5000 (nad andern 9000)
gen t und von Ddiefem ein fogen. Heili er Krieg gegen | wilde Tiere ie oir mop (f. Urt. ⸗Koloſſeum., nit
bed lojfen., in dem Roilipp von Makedonien als | Ubbildung). Bon fonjtigen Umphitheatern find gu
Dberbefehishaber A. zerjtirte (339 — 338 v. Chr.). | nennen: das U. von Capua, mit fajt 220 m Durd-
Spater erhob es fid) wieder und erhielt unter Unguitus | meffer, dem Colifeo allein an Größe nadjtehend, aber
neue Freiheiten. A., friiher Salona genannt, Nee an Bradt e3 noch iibertreffend; das Amphitheatrum
jebt wieder U.— Die heutige Stadt iL, Hauptitadt | ad Ligerum, unweit der Loire in Franfreid), in Fels
ded qried). Nomos Polis und Biſchofsſitz, inreizender, | gehauen; das W. gu Nemauſus (Nimes, f. Tafel
einer vom Strymon gebildeten Halbinfel, mit dem
Hafenort Cion, Kolonie der Uthener, 437 v. Chr. von
Ugnon, dem Sohne des Rifias, gegriindet und fiir
Uthen befonders als Uusfuhrhafen (Gold und Bau-
Hol; aus dem nahen Pangdongebirge, Getreide) wich⸗
tig. — Sm Peloponnejifden Krieg eroberte der Spar-
taner Brajidas 424 die Stadt, behauptete fie gegen
alle Angriffe des Atheners Kleon und befiegte ihn in
einer entideidDenden Schladt vor ihren Mauern (422).
Nad dem Frieden des Nifiad follte die Rolonie den
Uthenern zurückgegeben werden, weigerte fic) aber, der
Mutterſtadt fic) gu unterwerjen, und blieb unabhän⸗
gig, bis Philipp von Makedonien U. beſetzte (358). Bei
ihrer Croberung Maledoniens madten es die Römer
gur Hauptitadt einer ihrer vier mafedonifden Provin-
gen. Rejte der alter Stadt finden ſich bei Neochori.
Amphiprofthlod(qriec.),cinTempel mit Sãulen⸗
reihen an beiden Giebelfeiten (Grundriß ſ. Tempel).
Amphisbaena, f. Blidauge und Doppeljdleide.
Amphisbaenidae (Ringelechſen), Gruppe
der Cideddjen.
Amphiſeii (griech, 8weifdhattige), die zwiſchen
— ————— ——— — —— — — —— — — — —
456
Architeltur V«, Fig. 1 u. 2), mit Saulenreihen dori-
ſcher Ordnung; das ju Pola in Ditrien, mit Sigen fiir
70,000 Zuſchauer; dad A. zu Verona, mit vier Stod-
werfen, das cinjige WL. in Stalien, das nod) volljtandi
erhalten ijt. Ruinen von Umphitheatern finden fi
nod in WDdria, ~~ Albano, Arezzo, Arles, Une
tun, Baſel, Bordeaur, Brescia, Cahors, Catania,
Florenz, Fréjus, Gubbio, Herfulaneum, Ronjtan-
tinopel, * Mes, Narbonne, Neri (wohl erhalten),
Ori¢ans, Otricoli, Padua, Périqueur, Bompeji, Bo};
li, Sevilla, Smyrna (woblerbalten), Syrafus,
rier, Tunis (Utica), Vienne. — Jn modernen Thea-
tern ijt U. aud) Bezeichnung fiir eine bejtimmte Plag-
reibe (»Oberring«).
Amphitherium Ouw., eins der altejten Gauge
tiere aus Dem Dogger von sy eae
unter A. wohl! aud) nabezu die Gefamtheit der Sauge-
tiere Der oberjten Trias und des Jura, Die man ju
den Beutelticren ju jtellen pflegt, deren nod) unbe-
fannte3 Sfelett aber wahrſcheinlicher den nod) primi-
tivern Bau der Rloafentiere zeigen dürfte.
hitrite, griech. Seegöttin, Todjter des
Nereus und der Doris, Gemahlin des Poſeidon.
Als diefer um fie warb, floh fie vor ihm zu At—
las; aber cin Delphin erſpähte fie und trug fie
dem Gotte ju, wofür er unter die Sterne verjept
wurde. Rach andern wurde fie beim Tanz der
Nereiden auf Naros von Voſeidon entfiihrt. Sie
ijt die Königin der See und bewegt die Wogen;
die Meeresgeſchöpfe aga unter ihrer Hut. Einen
cignen Mult hatte fie nidjt. In der bildenden
Kunſt erſcheint fie oft neben Poſeidon (f. d., mit
Abbildung) ig cou oder von Seetieren getragen.
Bei Dichtern dient ihr Name bisweilen zur Be
zeichnung des Meeres.
Amphitrophie (gried).), Fibigteit gewijjer
niederer Algen, fid) ftatt durch Aſſimilation an-
organifder Stojffe jettweiliq faprophytijd durch
Aufnahme organifder Subſtanzen zu erndbren.
Mande PRrototoffoideen (Kugelalgen) laſſen ſich
ebenſo bei Lichtabſchluß auf organiſchem Nähr⸗
boden wie im Licht bei anorganiſcher Nahrung
fultivieren. Gewiſſe ſaprophytiſch in Schleim—
flüſſen der Bäume lebende, farbloſe Organismen
gleichen tin Bau beſtimmten grünen Algen, fo
daß es nahe liegt, beiderlei Organismen als er-
an verſteht des Wa
Fig. 1.
Amphitherium — Amphoter.
das goldene Haar abjdnitt, an dem fein Leben hing;
Komãtho aber tdtete er fiir Den Verrat. Zeus war ihm
indeſſen in ſeiner (Amphitryons) Gejtalt bei Alkmene
zuvorgekommen; fie gebar Zwillinge, von Zeus Hera-
fled, von YW. Iphilles. A. fiel im Rampfe g die
Minyer, die er mit dem jungen Herafles, um Theben
vom Tribut gu befreien, befriegte. Blautus, Moliere
und ©. v. Kleiſt haben die Geſchichte des A. und ſeiner
Gattin zu Luſtſpielen benutzt. Nach einer Stelle in
Molieres Stück (VUEt III, 5, 89) hat A. die Bedeutung
eines wohlhabenden und gajtfreien Mannes erhalten.
— ß —— —
myp izerke „ſ. Floſſen.
—— irbel, ſ. Wee l.
Amphoõra (griech, Waſſerkrug), das Zeichen
ſſermanns im Tierkreis (==).
Amphora (lat., griech Amphoreus), bei den
Griechen und Römern cin großes, zweihenleliges Ton⸗
gefäß mit mäßiger Mündung (ſ. Abbildung und Tafel
»Bajenc), das zur Aufbewahrung von Fiüſſigkeiten,
beſonders von Wein und Ol, ſowie (ſhon in der
fig. 2. Rotfigurige
Ampbora.
Schwarzfigurige
Amphora (Süditalien).
nahrungs - phyftologijcde Abarten derſelben Art ane | Ilias.) als Aſchenkrug diente. Die ältern, aus der
zuſehen. Sur Erfldrung des Umſtandes, dak in klei— | Blutezeit der Hhellenifden Keramik ſtammenden Am—
nern, an organiſchen Subſtanzen reichen Gewäſſern phoren find mehr oval (am ſchönſten die panathenii-
auch im Winter die Zahl der Arten und Individuen | iden Breisvajen, f. Tafel ⸗Vaſen«); fpater wurden
der im Blantton vorfonunenden Schwebealgen ziem- | fie ſchlank und hod, mit volutengesierten Henfeln ver-
lid) beträchtlich ijt, wahrend in Dem reinern Waſſer ſehen. Wie die übrigen Ton ake fo waren and die
rößerer Seen die Schwebcalgen im Winter wegen | Amphoren mit Malereien gedit, und zwar zeigen
der zur ſelbſtändigen Aſſimilation — * die Altern bildliche Darſtellungen in ſchwarzer Farbe
lichtung ‘att gänzlich feblen, hat man gleichfalls die | auf dem roten Tongrund (Fig. 1), während bet den
UW. herangezogen. Wud) gewijje Tiere vermigen felb- | fpatern (Fig. 2) das Berhittnis der Farben umgefehrt
ſtändig oder als Schmarotzer ju leben. ijt. Die U. war zugleich Flüſſigkeitsmaß, in Griechen-
Umphitrhon (lat. Amphitruo), Konig von land = etwa 40 Lit., in Rom — 26,26 L.
Liryns, Sohn des Alläos, Entel des Perſeus. Sein | Amphoter (griec.), doppelten, zwitterhaften We-
Oheim Eleftryon, König von Mylenä, übergab ihm | fens. Umphotere Vildungen, Vejteine, die urd
beim Auszug gegen die Teleboer und Taphier das gemeinſchaftliche Einwirlung des Feuers und des
Reich und verlobte ihm feine Tochter Alkmene (f. d.), | Wafers entitanden find, wie die vulfanifden Tuffe
wurde aber von ihm unverfehens erfdlagen. Bon | und Ronglomerate, die aus Uichen, Bomben und La-
Eleltryons Bruder Sthenelos verjagt, floh A. mit pilli bejtehen, die ſpäter erſt von Waſſerfluten verfittet
Alkmene nad Theben gu dem Bruder feiner Mutter, wurden. — Wmphotere Realtion, die einigen
Rreon, der ibn entſühnte. Um Alkmenes Hand gu er: | wenigen Körpern, 3. B. der friſchen Milch, eigentitm-
langen, zog er mit Kreon gegen die Teleboer gu Felde | lide Eigenſchaft, ſchwach fauer und ſchwach allaliſch
und befiegte fie, als Romatho, die Todhter des feind | jugleid zu reagieren. Amphotere Salze, f. Am—
lichen Königs Pterelaos, aus Liebe zu A. dem Vater phidſalze.
Amplepuis — Amputation.
Amplepuis (or. ang’ vii, Marktfleden im frany. |
Depart. Rhine, Urrond. Villeſranche, an der Lyoner |
Bahn, mit Fabrifation von Baumwollenjtoffen und
Deden und (igor) 4833 Cinw.
Ampliation (lat.), im rim. Rect die Vertagung
des Prozeffes, vom Prätor oder Oberridter durd die
Formel amplius cognoscendum (weiter gu unterfur |
den) angeordnet, wenn die beaujtragten Ridjter nod) |
nicht hinlänglich untervidtet waren.
Amplififation (lat.), Crveiterung, ausführliche
—— eines Gedankens; amplifizieren, aus—
führlicher darlegen, erweitern.
Amplitũde (lat. amplitudo), Weite, Umfang, bei
Wellenbewegungen und Schwingungen die größte Ub-
weichung aus der Mittellage.
Amploſia, ſ. Fruchtſäfte.
Ampsanctus lacus, ſ. Anſanto.
Ampjivarier, german. Volk, ſ. Amſivarier.
Ampthill jor. dmme-piy, Marktſtadt in Bedfordſhire
(ngiand), hat (1901) 2177 Einw. Dabci A.Houſe,
udſitz des Herzogs von Bedford, 1694 erbaut.
Ampthill (jpc.dmme-gim, Odo William Leopold
Ruſſell, Lord, brit. Diplomat, geb. 20. Febr. 1829,
gel. 25. Aug. 1884 in Potsdam, wurde 1849 Attaché
er britijden Gefandtidaft in Wien, arbeitete von
1850—52 im Wuswartigen Umt, war dann nadein-
ander bei den Gefandtfdaften in Karis, Wien, Kon—
jtantinopel und Wafhington tatiq und wurde 1858
zum Gefandten in Florenz ernannt, um zugleich Eng-
land in offiziöſer Stellung bei der päpftlichen Murte
gu vertreten. In Rom blieb er auch, naddem er 1860
gum Gejandten in Neapel befirdert worden war. 1870
wurde er Unterjtaatsfefretir im Auswärtigen Amt,
vertrat einige Monate fang England im deutfden
Hauptquartier gu Verſailles, wurde 1871 zum Bot-
ſchafter am Berliner Hof und 1872 jum Mitgliede des
Geheimen Rates ernannt. Er vertrat England als
Dritter Bevollmadtigter auf dem Berliner Kongreß
von 1878. Sm J. 1881 wurde er gum Lord VW. erhoben.
Ampulla (lat.), foviel wie Ampel (ſ. d.). A. chris-
matis, das Gefäß, worin in der rimijden Kirche feit
dem 4. Jahrh. geweihtes OL zur Salbung der Rate-
chumenen und der Sterbenden (Chrigma), auc Wein
und Wafer zum Abendmahl aufbewahrt werden. Die
A. Remensis (la sainte ampoule), der Gage nad) bei
der Salbung des Franfenfonigs Chlodwig 496 zu
Reims durch cine Taube vom Hunmel wie Riri
enthielt das unverfieqbare Ol, womit ſeit 1179 die
Könige gefalbt wurden, ging aber wiihrend der Revo-
ution 1794 in Trimmer. Blutampullen (am-
ullae sanguinolentae) follen nach fatholijder, von
Bins IX. fanttionierter, aber unbeweisbarer Yinnahme
Behälter fein, in denen das Blut der Märtyrer ge—
fammelt und bei ihren Gebeinen in den Ratafomben
aufbewahrt wurde. Bgl. F. X. Rraus, Die Blut-
ampullen der rimifden Ratafomben (Franff. 1868;
Nachtrag, Freiburg 1872). — Jn der Unatontie heißen
Ampullen die blaſenförmigen Erweiterungen der Bo-
genginge bes Obres; f. Obr. .
mypurdan, frucdtbare, mit Waldern von Olbäu—
men bedeckte, aber ſtellenweiſe verſumpfte Ebene in
der fpan. Provins Gerona, am Unterlauf des Fluvid.
Wmputation (lat.), dad Ubnehmen eines Gliedes |
oder Gliedabjdnittes durch blutige Operation. Die
A. wurde ſchon in der Hippofratijden Schule geiibt,
bei Celſus und Galen findet fic) Runde von regelredt
ausgefiihrten Umputationen, doch fant died Verfahren
erjt in allgemeinern Gebraud, naddem man die
Blutung dürch Unterbindung der Urterien jtillen ge-
457
fernt hatte. Vorher fudte man die Blutung durd fie
Dendes OL und Harz ju jtillen, in das man den Am—
putationsjtuntpf taudjte, oder durch das Gliiheifen, mit
Dent man Die Wundfläche beſtrich (Wrabifde Schule).
Paré (1582) wandte zuerſt wieder die Unterbindung
der Gefäße an, aber erſt ſeildem Morel 1674 die Uder-
prejje erfunden und Petit 1718 dieſe verbeijert hatte,
wurde die A. cine allgemein geiibte Operation. Die
A. ift angezeigt bei Zuſtänden der Glieder, die abſolut
unheilbar jind und das Leben gefahrden oder den
Gebraud) derfelben vollkommen hindern, fowie bei
folder, die wegen bejonderer Umſtände oder Verhilt-
nijje des Kranken der Heilung oder Braudbarteit des
Gliedes im Wege jtehen. Hierher gehören: Verletzun—
gen mit ftarfer Quetidung der Weidteile und der
Knochen; Zerreifungen groper Gefäße; vollfommene
Abreißung von Gliedern durd Mafdinen, Geſchoſſe;
jtarfe, erſchöpfende BVereiterungen des Knochenmarks,
wenn Der Zuſtand des Rranfen cine fonfervative Be-
handlung nicht mehr gejtattet; Brand der Gieder,
jobald derfelbe ſich begrenzt hat; große bisartige Ge-
ſchwülſte, namentlich wenn fie von den Knochen aus-
geben, rw. In neuejter Zeit find die Wmputationen,
dank den Fortſchritten der Wundbehandlung, tiberaus
eingefdrantt worden. In vielen Fallen wendet man
gegenwärtig bie Refeftion (j. d.) eines Rnodenteils
oder cines Gelenfes an, wodurd man ganje Glied-
magen erhalten und leidlid) herſtellen fann, die
früher batten abgenommen werden müſſen. Im all-
emeinen ſucht man von dem zuamputierenden Gliede
* wie möglich zu erhalten. Das Verfahren beſteht
nach Lagerung des Kranken und Betäubung durch
Chloroform 1) in der Vorkehrung gegen die Blutung
mittels des Gummiſchlauchs (» Esmard {cde Blutleere«)
oder einer Gummibinde, die, ſtraff angesogen, von
dent Fuß oder der Hand aufwarts geführt wird und
derart alles Blut verdrängt, daß große Amputationen
ebenſo unblutig wie an der Leiche ausgeführt werden
fonnen; 2) in Dem kunſtgerechten Schnitt, der auf die
Bededung des Stumpfes Bedadt ju nehmen hat;
3B) in Der Abſägung des Knochens; 4) in Der Entfer-
nung der Nerven aus dem Stumpjgebiet; fie werden
vorgezogen und möglichſt Hod) abgetragen; 5) der
Blutitillung; 6) der gehörigen Behandlung der durd
die U. geſetzten Wunde.
Bei der altejten, von Celjus ſtammenden Methode
der A., Dem queren Zirkelſchnitt (Querſchnitt), werden
Haut und Weidteile (Muskulatur) in einer queren
Linie zur Gliedachſe Durdtrennt, der Knochen etwas
oberhalb, jo daß er von dem Weichteilſtumpf vollfom-
men bededt wird. Hierbei kommt die Narbe ſpäter auf
den Rnoden ju lieqen; ein belajteter Stumpf, fo naz
mentlich Der Des Unterſchenkels, der die Körperlaſt une
ter Vermittelung cines künſtlichen Beines, Stelzfußes,
zu tragen hat, verlangt aber gefunde, narbenfrete Haut-
bededung. Den Vorzug verdienen daher Methoden
wie der Schrägſchnitt, wo die Weichteile ſchräg durch—
trennt werden, der Lappenfdjnitt (Bildung eines vor-
dern gropern und hintern kleinen Hautlappens) u. a.
Die fogen. ojteoplajtifdhe Methode der A. fucht
dent Knochenſtumpf eine befondere Tragfähigkeit zu
— Man löſt von dem bei der A. ————
ochen ein geeignetes Stück ab und ſetzt dieſes dem
Stumpf gewiſſermaßen als Deckel auf. Die Gefahren
der A. ſind Die bei jeder größern Wunde zu beachtenden
(. Wunde). Schmerzen im Amputationsſtumpf rith-
ren von ungenügender Bedeckung durch die Weichteile,
Entzündung oder von knotenartigen Neubildungen
in den durchſchnittenen Nerven her Amputations—
458
neurome); fie werden von dem Rranfen gewöhnlich
in bas nicht mehr vorhandene Glied verlegt, weil 3. B.
bei Der A. des Armes die Empfindungsnerven ded
Daumens aud) nod nad Jahren auf einen Rei; im
Bewußtſein die Voritellung erweden, als fei der Dau-
men Ddireft gereizt. Befonders gegen Witterungswech⸗
ſel bleiben die Stümpfe noch viele Jahre empfindlich;
Der des Unter- und Oberſchenlkels ijt etwa erſt nach
einem halben Jahr im ſtande, die Körperlaſt zu tragen.
A. durch cine GelenfverbindDung hindurch, fo daß das
betreffende Glied vollſtändig entfernt wird, bezeichnet
man als Exartikulation (f. d.). Unter A. ver-
jtebt man auch die Entjermung eines Teiles der Gebär⸗
mutter, Der Bruſtdrüſe xc.
Amputieren (lat.), ein Glied durch blutige Ope-
ration abnehmen; j. Amputation.
Amrabaum, Umrahar;, j. Spondias.
Amraoti, Dijtriftshauptitadt der britijd-ind. Pro-
vin; Berar, unter 20° 56’ nördl. Br. und 77° 47°
öſtl. L., an einer Zweigbahn der Great Indian Pen-
infular-Cijenbahn, mit (1991) 33,655 Einw. (26,403
Hindu, 6047 Mohammedaner), fehr bedeutendem Han⸗
del mit vorzüglicher Baumwolle und Fabrifation von
Baumwollenjtojfen (6000 Urbeiter) fowie von Wol⸗
len-, Seiden- und andern Stoffen (12,000 Yrbeiter).
Amraphel, d. h. Hammurabi, ſ. Babylonien.
Amras, Schlof, ſ. Ambras.
Amr ibn ef Ap, beriihmter arab. Feldherr,
Koreiſchit, ſchloß fic) Dem Propheten erjt 629 an, tat
ſich bei Der Eroberung Paläſtinas hervor und unter:
nabm 638 oder 639 die Eroberung Ägyptens. Die
nabern Umſtände derielben find ——— be⸗
lannt. Feſt iteht, dak VU. 641 Babylon einnahm, und,
durch die nad Kaiſer Heraflius’ Tode eingerifjene
Verwirrung begiinjtigt, weitere Fortidritte madte,
fo daß Die byzantiniſche Regierung 642 in die Ubtre-
tung Agyptens willigen mupte. Infolge des Vertrags
ward 643 Wlerandria von A. bejegt und 646 ein von
Byzanz unterjtiigter Aufſtand der Stadt unterdriictt,
diefe arg verwüſtet. Nad) der Tradition foll A. ſchon
bei Der erjten Einnahme auf de3 Kalifen Befehl auc
die beriibmte alerandrinijde Bibliothel vernidtet ha-
ben, mit deren Biicherrollen die 4000 Bader der Stadt
gebeist worden feien; indefjen fpridt die hiſtoriſche
Wabhrideinlidfeit Dagegen, da der größte Teil der
Sammlung ſchon bei friihern Gelegenheiten su Grunde
gegangen war (j. Alexandriniſche Schule). Als neue
Hauptitadt hatte W. ſchon früher ef Fojtat (Alt⸗Kairo)
egründet; von dort aus eroberte er ſelbſt nod) Barta,
ein Unterfeldherr Olba Tripolis. 656 jtand er gegen
Ali (f. d. 1) auf Der Seite des Moawija und verhalf
ibm Durd) feine Hinterlijt jum Giege. A. jtarb 664
alg Statthalter von Wqypten.
Amr ibn Kulthim, arab. Didter, ſ. Arabiſche
Literatur (Woallafat).
Amrilfais (qenauer Jmru al Kals), berithmter
altarab. Dichter, Sohn des Hodſchr, des Königs der
Benu Wiad, lebte in der Zeit fury vor Mohammed
und gelangte durch feine Lieder, feine Schidfale und
feine Viebesabenteucr unter feinem Voll ju allgemeiner
Beriihmtbheit. Nach dem Sturg feines Haufes irrte er
fliichtiq umber und begab fic asm nad Nonjtanti-
nopel jum Kaiſer Juſtinian. Son iefem jum Phyl⸗
arden von Paläſtina ernannt, ftarb er auy der Riid-
reife in Ungora, der Sage nach wegen eines Liebed-
verhaltniſſes gu ciner griechiſchen Pringeffin auf Befehl
des Kaiſers ermordet. Seine Moallafa (j. Arabiſche
Literatur [Moallafat}) haben qefondert herausgegeben:
Hengſtenberg (mit lat. Lberjegung, Bonn 1823), A.
Amputieren
— Amritſar.
Müller (Halle 1869), E. Frenfel (mit Kommentar des
Nahhäs, daſ. 1876) u. a. Den ganzen Diwan ver:
djfentlidjten de Slane (mit Überſeßung. Bar. 1837) u.
Ahlwardt (in_den »Six ancient Arabic poets<, Lond.
1870); eine etzung lieferte Fr. Riidert (Stuttg.
1843); ein Rommentar erjdien Kairo 1865 u. 1890.
Amriswil, Dorf im ſchweizer. Kanton Thurgau,
Bezirt VBijdhorszell, an der Cifenbabn Romanshorn-
Frauenfeld, mut Stiderei, Viehmärkten und asow
3469 Einw.
Amrit, Ruinenſtätte auf der Küſte des alten Phö—
nifien, fidlid) von Tartus, ijt das alte Marathos
und wurde 1860 von Renan genauer erforſcht. Ma—
rathos gehorte urfpriinglid) als Kolonie zum Gebiet
von Ara dos, der drittgrößten der phonifijden Stadte.
Unter den nod) vorbandenen Monumenten t El
Ma bed (»der Tempel<) als der bedeutendjte Uber-
rejt femitifder Tempelbaufunjt das meijte Intereſſe
Es ijt ein vierecfiger, auf drei Seiten von Felſenmauern
umſchloſſener Hof, 55 m lang, 48 m breit, tm der
Mitte mut einem iiber 3m Hoben Felſenwürfel von
5,5 m im Ouadrat, auf dem eine ebenfalls von drei
Seiten gefdlojjene, 4,5 m hohe und mit einem großen
Stein bededte Cella ruht. Andre Denkmäler ſind: ein
grofartiges Grabmonument, ein Stadium mit daran-
jtopendem Wmiphitheater, iiber 20 Grabfammern, dic
logen. Spindeln (Grabdenfmiler) u. a. S. Tafel
Architeltur Te, Fig. 9 w 10.
Amritam, verwandt mit dem gried. Um brofia,
Unjterblidfeitstrant der indifden Sage, ſ. Viſchnu.
Amritjar (⸗Teich der Uniterblidfett«), Hauprftadt
der gleidnamigen Divijion (13,866 qkm mit 2,729, 109
Einw.) in der indobrit. Proving Bandidab, Knoten-
punft der Eijenbahnen Ralfutta-BRejchawar, U.-Mul-
tan⸗ Karatſchi und U.-Pathanfot, zwiſchen den Fluſſen
Bias und Rawi, unter 31° 37’ nöordl. Breite und 74°
55‘ öſtl. 2, mit (901) 162,548 Cimw., wovon 14,000
Sifh, fonjt Mohanrmedaner und Hindu. Die Stadt
ijt den Sifh Heilig als Wtittelpuntt ibrer Religion. Jn
einem fiinftlichen vieredigen Gee von ‘2 Stunde im
Umfang (1581 ausgegraben), von ſchönen Brome-
naden umgeben, fteht der pradtvolle Tempel Dar-
bar Sahib, aus Marmor mit vergoldeter Ruppel
Im Hauptgemad befindet fid) der Granth, das Re-
ligionsbuch der Sifh, Das unter ſchönen Tüchern forg:
jaltig in einem reidverzierten Käſtchen verwahrt Ln 4
Rein Sifh geht nad U., ohne in dem Teich ju baden;
aud Neuge orne werden Darin untergetaudt. Außer⸗
halb der Stadtmauer erhebt fic) Das 1809 von Rand
ſchit — erbaute Fort Govindgarh, jetzt mit
engliſcher Beſatzung, und die hohe Säule Baba Atal
über dem Grab eines Sohnes des Guru Har Govind
in einem Garten, in dem zahlreiche Falirs wohnen
Von modernen Bauten ſind nennenswert: der Gerichts
hof, das Verwaltungsgebäude, eine evangeliſche und
cine fath. Rirde, cin Hoſpital, Gefängnis. A. iſt die
erjte Handelsftadt des Bandfdab und Uusgangspunft
des Handels mit Kabul, Kaſchmir, Bochara, zugleich
berühmt wegen feiner aus Kaſchmir eingeführten Schal⸗
induſtrie und wegen ſeiner wollenen, ſeidenen und
qoldgejtidten Stoffe. Der Handel beläuft ſich auf 4's
Will. Pfd. Sterl. jährlich, wovon ca. 200,000 Pfd.
Sterl. auf die nad Europa —— Kaſchmir⸗
fchale fommen. — A., 1574 von Guru Ramdas (Ram
Dos), dem vierten Apoſtel der Sifh, qeqriindet, wurde
1761 von Schah Wham serftdrt, bald aber wieder auf-
= und 1802 von Randfdit Singh (f. Dd.) feimem
eich cinverleibt und verſchönert; 1846 wurde es nad
dem Sturz der Sifh britiſch
ne
VOULe
y (it ogle
Amrum —
Amrum Wimrom), Ynfel in der Nordſee, an der
Wejtliijte Schleswigs (jf. Karte ⸗Schleswig⸗Holſtein «),
gum Sreis Tondern gehörig, ijt 20 qkm grok, bat
hohe Diinen, cin Seehoſpiz, einen Leuchtturm, Uuftern-
fang und (1900) 900 Einw. Hauptort ijt Rebel. Auf
A. das Seebad Wittdiin. Val. Schlutius, Die
Nordſeebäder der Inſel A. (Hamb. 1893).
Amsanctus lacus, ſ. Anſanto.
Amsdorf, Nikolaus von, Reformator, geb. 3.
Dez. 1483 in Torgau, geſt. 14. Mai 1565 zu Eiſenach,
—— in Wittenberg, wurde hier 1511 Profeſſor
er Theologie, begleitete Luther nach Leipzig und
Worms und war deſſen Mitarbeiter an der Bibelitber-
fesung. Als Superintendent in Magdeburg (1524)
führte er in Goslar und Ralenberg die Reformation
ein, ward 1542 Bifdof von Naumburg, 1547 von
den Raiferlicjen vertrieben und durd) den vom Dom-
fapitel gewählten Julius v. Pflugk erfegt. Seit 1552
wirfte er als Generalfuperintendent in Eiſenach.
Allem fatholifden Wefen feindlich, belümpfte er riid- | h
ſichtslos das Ynterim und jtand in den adiaphorijti-
ſchen, fynergijtijden und Abendmahlsſtreitigkeiten ſtets
auf ſeiten der ſtrengen Lutheraner. Seinem Anſehen
ſchadete er durch den —— gute Werke ſeien ſchädlich
ur Seligleit. Er war bet der Gründung der Univer-
Pat Jena beteiligt und beforgte die Jenaer Ausgabe
von Luthers Sdriften. Geine Biographie ſchrieben
Preffel (Elberf. 1862) und Meier (Leipz. 1863).
Amfel, ſ. Droſſel.
Amſelbeere, ſ. Rhamous.
Amſelfeld (KKoſſowo Polje), Quellgebiet des
Weißen Drin, Vardar und der Morawa, mit Ein—
ſchluß des unmittelbar benadbarten Metojabedens im
wefentlidjen mit Türkiſch⸗Serbien (Altſerbien, Wilajet
Koſſowo) zuſammenfallende, ausgedehnte, frudtbare,
aber wenig bebaute Ebene, neuerdings von der Cifen-
ban (Linte Mitrovica-Llstith) belebt. Die rings von
ſchwer zugänglichen Gebirgen (Scar, Ulbanijde
Alpen, Ropaonif) umgebene Ebene, gu der als wid-
tighter Eingang der Pag von Katſchanik fiihrt, i ein
alter Geeboden. Geit gwei Jahrhunderten find die
chriſtlichen Serben immer mehr von den mohamme-
daniſchen Ulbanefen verdriingt worden oder haben
fid) mit ifnen verſchmolzen. Wichtigſte Städte find
Priſchtina, Prizren, Djafova und Vet Berühmt
durch zwei mörderiſche Türkenſchlachten, die cine 15.
Juni 1389 zwiſchen Murad J. und den Serben unter
ihrem Kaiſer Laſar, in der beide Herrſcher fielen und
die Freiheit der Serben vernichtet ward; die andre
17.—19. Olt. 1448, in der Johannes Hunyadi, Vor—
mund des ungarifden Königs Wladislaw Poſthumus,
vom Sultan Murad IT. beſiegt und vom ſerbiſchen
Fürſten Georg Branfovics gefangen wurde. Bal.
(Sppen,) Novibasar und Koſſovo (Wien 1892).
Mmfelmerle, |. Drofjel.
Amſelmöwe, ſ. Waſſerſchwalbe.
Amſivarier (Ampsivarii), german. Volk an der
untern Ems, Bundesgenoſſen Römer, wurden
wegen ihrer Unterſtützung des Arminius von Ger—
manicus gezüchtigt. Um 59 n. Chr. von den Chaulen
vertrieben, von den Römern mit der Bitte um Über⸗
lafjung eines Gebiets am redjten Ufer de3 untern
Rheins und an der Yſſel abgewiefen, von den Bruk⸗
teren und Tenfterern, Chatten und Cherusfern im
Stiche gelaijen, von den Tubanten und Uſipiern be-
fimpft, gingen die A. ju Grunde. Ein Reft taudt
gu Valentinians Zeit unter den Franfen auf.
Amsler, Samuel, Kupferſtecher, geb. 17. Dey.
1791 zu Schinznach in der Schweiz, geft. 18. Mai 1849
Amfterdam. 459
in Miinden, lernte bet Oberfogler und dem ältern
Lips in Zürich, beſuchte feit 1814 die Münchener Ufa-
demie und begab ſich 1816 nad) Rom, wo er nad
Thorwaldjen und Cornelius arbeitete. 1820 begann
ex die Stidje nad) Thorwaldjens Wleranderjzug. 1829
wurde er als Brofeffor der —— an die
Ufademie in München berufen. Seine bedeutendſten
Werle ſind: die Grablegung, die Madonnen Staffa
und Tempi und die heilige Familie Canigiani nach
Raffael, Johannes nad Domenichino, Magdalena
nach Carlo Dolci, Overbecks Triumph der Religion
in ben Künſten, Danneckers Chriſtus. Seine Teqhnil
legte das Hauptgewicht auf die Strenge der Zeichnung
und der plaſtiſchen Form.
Amfteg, Ort im ſchweizer. Kanton Uri, Gemeinde
Gilenen, am Fuß des Briſtenſtocks und am Cingang
in das Maderanertal, an der Miindung de3 Kärſtelen⸗
bachs in die Reuß und an der Gotthardbahn, 536 m
it. why ein Hauptplatz des urnerijden Mineralien-
andels.
Amſtel, Fluß in der niederländ. Provinz Nordhol⸗
land, aus der Drecht und Krummen drecht gebil⸗
det und durch die Angſtel verſtärkt, durchfließt Amſter-
dam in mehreren Armen und ergießt ſich nach einem
Laufe von 14 kmn, ſelbſt fiir kleinere Seeſchiffe fahrbar,
in den ehemaligen Meerbuſen Y. Amſtelland hieß
die Uferlandſchaft der A., vormals (1807) cin De—
partement des Königreichs Holland, 1810 mit dem
von Utrecht zum Departement der Zuiderſee vereinigt,
jept ein Teil der Proving Nordholland.
Amfterdam (Neu-Wmjterdam), Inſel im fiid-
liden Indiſchen Ozean, unter 37° 47° fiidl. Br. und
77° 34° öſtl. L., 66 qkm groß. Gie ijt ein erlofdener
Vulkan (911 m), fajt gang unzugänglich, mit fparli-
dem Gras und Moos bedectt und nur von Seevögeln
bewohnt. Bon den Holliindern 1633 entdedt, aber
erjt 1696 betreten, wurde A. nebjt Dem naben St. Raul
1893 von Frankreich in Beſitz qenommen.
Amfterdam (hierzu der Stadtplan), Hauptitadt
(aber nicht Rejidengitadt) ded Königreichs der Rieder-
lande, am Einfluß der Amſtel in den ehemaligen Meer⸗
bufen 9) (j.d.), von — Armen derſelben durchfloſſen
und in zwei Teile, die alte (öſt—
lidje) und die neue (weſtliche) ei
Seite, geſchieden. Die Stadt liegt
unter 52°22'30” ndrdi. Br. und
4° 53’ 18” öſtl. L. ijt in Geftalt
eines Bogens, deſſen Sehne das
Y) bildet, erbaut und hat einen
Umfang von ca. 20 km (jf. den
Blan). Yon Den ehemaligen adt
Toren ijt nur der merfwiirdige
Muiderpoort (Poort — Tor)
tibriqgeblicben. Mehr als 60
Grachten (Randle) zerteilen die Stadt in zahlreiche Jn-
fel, die Durch meiſt ſteinerne Brücken (sluizen ge-
nannt) miteinander verbunden find. Das Trintwalfer
wird durd cine 1853 erdffnete unterirdiſche Waffer-
leitung aus den Diinen gugefiihrt. Außerdem liefert
bie Vechtwaſſ ot das Pit andre Sweele erforder-
lide Wafer. Die Haufer ftehen auf eingerammten
Pfählen, die, durch eine dice Torfſchicht getrieben,
auf fejtem Gandboden ruben.
[Strahen, Plage, Gebaude.] Die Haupt{traken
faufen unter fic) parallel al8 Halbbogen, deren Enden
fid) auf das Y jtiigen; gerade Querſtraßen durd-
ſchneiden jene; die breitern haben in der Mitte mit
Bäumen beſetzte Randle. Zu den ſchönſten gehdren:
bie Heerengradt, die Prinfen- und die 45 m breite
Wappen von Am—
fterdam.
460
Keizersgracht. Unter den zwölf dffentliden Plätzen
find der Dam, der Mittelpunft ded ſtädtiſchen Verfehrs
(mit einem hohen Denfmal zum Andenken an 1830,
erridtet 1856), Dad Amſtelveldt, der Rembrandt8plein,
früher Botermarft (mit Rembrandt3 Statue, feit 1852),
der Thorbedeplein (mit Thorbedtes Statue), der Fre—
derifsplein (1870 vollendet), der Leidſche Plein, der
Wejtermarft und Nieuwe Markt dic ga oer
Die ſchönſten Spaziergänge liefert der Vondelspart
(15 Heltar), von Privatleuten angelegt und unterhal-
ten. Unter den 53 Rirden der Stadt (Darunter 25
reformierte, 17 fatholijcje, 3 lutheriſche, 2 wallonifde,
eine englifch-presbyterianijde, eine englijd)-cpiffopale,
eine fiir Remonjtranten, eine fiir Mennoniten, 2 fiir
Janſeniſten) verdienen befondere Hervorhebung: die
Nieuwe Kerf (Natharinenfirde) auf dem Dam, ein
ſchöner fpatgotiider Bau (1408 —70 in Form einer
freusformigen Bajilifa aujgefiihrt) nut den Grab-
mãlern de Ruyters, van Galens, des Dichters Bondel |
und des Helden van Speyf (der 1831 vor Antwerpen
fein Boot in die Luft fprengte) und einer funjtvoll ge-
ſchnitzten Rangel; ferner die gotifde Dude Kerf (Nilo⸗
laifirde, aus dent 14. Jahrb.) mit alten Glasmalereien,
die Weſterlerk mit 90 m hohem Turm und die neuer-
baute St. Nicolaasferf. Unter den neun Synagogen
ijt Die Dem Tempel Salomos nadgebildete der portu-
giclifcjen Juden (1670 erbaut) die ſchönſte und größte.
n hervorragenden Gebaiuden ijt U. reid. Das be-
rühmteſte ijt Das ehemaliqe Rathaus, feit 1808 fo-
niglides Palais, auf dem See or von Jafob van
Kampen 1648 —55 erbaut. Es jteht auf 13,659 em-
eramnmten Maſten und bildet ein Viered von 80 m
dinge, 63 m Tiefe und 33 m Hobe, in der Mitte mut
einem gewölbten Dom geziert, aus dem ein nod
20 m hober, mit cinem —— Schiff gekrönter
Turm ſich erhebt. Zahlreiche Statuen, Basreliefs und
Wandgemälde zieren das Gebäude; die Hauptſäle find
mit Marmor gan; überkleidet, fo namentlich Der herr—
fiche, aus den Betten König psa Napoleons her-
riihrende, 36 m lange, 18 m breite Ratsfal, einer der
größten Europas. In der Nähe des Palais ſteht die
1845 vollendete Börſe, die bald einem größern Neu—
bau Platz machen wird. Sonjt find nod anzuführen:
Amfterdam GBauwerle, Bevdiferung, Jndujtrie und Handel).
er blühend als frither, dbennod in grokartigem Maß⸗
tab, und gwar vorzugsweiſe von Israeliten betrieben
wird (es gibt 51 Scbleifercien); die Borar~ und
ampfercapinerien, die Chininfabrif, die vortreff-
liden Schmaltefabrifen. Jn green Umjang wird
Zuckerraffinerie, Tabaf- und Sigarrenfabrifation
betrieben; auferdem befigt A. 6 Bierbrauereien,
zahlreiche Sägemühlen, eine Dampfreisſchälmühle,
Schiffswerften, Maſchinenfabrilen, 2 Glasbläſereien,
anſehnliche Lilör⸗, Schofolade-, Mehl« und Brotfabri⸗
fen, großartige Eiſengießerei und Fabrik für ajtrono-
miſche Uhren, Leder-, Seide-, Tapeten⸗ und Wollfabri⸗
fen, Kattundruckereien, Baumwollſpinnereien, Bor-
xllanfabrilen, Buchdruckereien, zahlreiche Gold- und
Silberſchmiede, Juweliere ꝛc. Haupterwerbszweig iſt
der Handel, da ſich hier, zuſammen mit Rotterdam,
der gefamte Verfehr der Riederlande fonjentriert. Die
ganze Nordjeite von A. (am Y)) ijt im einen einzigen
grogen Hafen von 400 Heftar Flächeninhalt und
12 m Tiefe mit ausgedehnten Rais, Magazinen und
Trodendod3 umgeſchaffen, der durch Schleuſen von
Nord- und Zuiderſee geſchieden ijt. Unmittelbar daran
ſchließen fid) Der Retroleumbafen, der Holjhafen, das
Wejtdod, der fogen. Open-Havenfront (fiir die Binnen-
jdiffabrt), dad Ojtdod (dabei das ReichSmarinedod
und die Reichswerft), der Binnenhafen, der Y)-Hafen,
das Eiſenbahnbaſſin (am Zentralbahnhof) und das
neue Entrepotdod. Im O. des Ojtdods befindet ſich
das Matrofenhaus (fiir unbeſchäftigle Matrofen, 1856
erbaut). Der Nordjeefanal (j. d.), in wejtlider Rich⸗
tung Dem friihern ¥) folgend, verbindet fett 1876 A.
mit der Nordfee. Die Amſterdamer Börſe ijt die exjte
Warenbörſe des Kontinents und zugleich eine der
bedeutendjten Fondsbörſen. Sie übt bejonders Durch
thre früher halbjährigen, jest zweimonatlichen Aul⸗
tionen von Javalaffee einen fiir halb Europa maß—
gebenden Einfluß aus. Ein Teil der Kolonialwaren
lagert in Rotterdam und Middelburg, Dordrecht und
Schiedam, die Hauptmaſſe aber in A. Die Bedin—
gungen für die zur Aultion fommenden Waren macht
die Maatſchappij, die 1824 begründete holländiſch-oſt⸗
indiſche Handelsgeſellſchaft (de Nederlandsche Han-
delmaatschappij, mit 36 Mill. Gulden Uftienfapital),
der Udmiralitdtshof (der jest als Stadthaus dient), durd) den Dru befannt. 1899 wurden durch die
das Jujtijqebiude, das Trippenhuis (worin fic) bis: Geſellſchaft hier und in Rotterdam fiir 24,2 Mill. Guld.
her das Reichsmuſeum bejand ff. unten), jest nod) Sitz Waren verfaujt (unter andern 161,930 Ballen Kaffee
der königlichen Alademie der Wiſſenſchaften und ihrer | zu 95 kg, 314,800 Blide Zinn, ferner Tabaf und
Vibliothel), das Haus der vormaligen Ojtindifden | Ebinarinde). Auch Suder und Reis, Musfaten, Ma—
Rompagnie, der Balajt der Nationalindujtrie (Paleis | cis und Nelfen, Petroleum, Leindl, Bauholz und be—
voor Volksvlijt, 1855 — 64 erbaut) mit 57 m hober | fonders Getreide erſcheinen als bedeutende Artilkel.
Stuppel und feit 1883 von einer pradtvollen Galerie Die Zahl der eingelaufenen Sdijfe betrug 1899:
umgeben; das 11,000qm große Reichsmuſeum, 1877 |
bi3 1885 nad Plänen von Cuypers erbaut, der 1889
erdffnete Zentralbahnhof, nad Cuypers’ Blan im
althollandijden Renaijjanceftil erbaut, und der außer⸗
halb der Stadt gelegene Schladhthof. — A. felbjt ijt
feine eigentliche Feſtung mehr, bildet aber Den Mittel⸗
punft der niederlindifden Fejtungslinie und gilt als
Hauptreduit ded Reiches. Es ijt durch cine Reihe deta-
chierier Forts geidhiigt und fann durd künſtliche Über⸗
ſchwemmung volliq unzugänglich gemacht werden.
IVevolterung. Erwerbssweige.] Die Zahl der
Cinwohner betrug 1. Jan. 1900: 623,557 (zwei Drit-
tel Brotejtanten). 1794 hatte A. cine Bevdlferung
von 217,024 Seelen, die 1815 bis auf 180,179 ge-
junfen war. Die Ynduftrie ijt bedeutend; 1900
gab es 288 Fabrifen, die mit Dampf betrieben wur-
den (mit 478 Dampfleſſeln). Spezialitäten WUmiter-
dams jind: die Diamantidleiferet, die, wiewoh! weni- |
2024 von 7,004,341 chm, die der ausgelaufenen 2011
von 6,924,934 cbm. Die Handelsflotte von A. zählte
1899: 92 Schiffe von 311,279 chm. Sn das Binnen⸗
land geben die Waren auf der Amſtel und Vecht fiber
Utrecht jum Rhein und sur Waal oder über Gouda
nad) Rotterdam; Cifenbahnen fiihren nad) Deutſch
land über Umersfoort und Utredt, nad) Rotterdam,
Haarlem, dem Helder und Enkhuizen; augerdem gibt
es Danpftrambahnen nad cinigen Nadbarorten und
in der Stadt cine Pferdebahn und eine eleftrifdhe Bahn.
Das Cleftrisitdtswerk fpcijte 1900: 32,629 Lampen
und 34 Eleftromotoren. Zur See ſteht A. mit den be-
deutendern Hafen Curopas, ferner mit New Port,
WBWejtindien, Buenos Wires und Java in regelmapiger
Dampferverbindung. Außer der Nederlandſche Han-
delmaatſchappij gibt es in VL. cine Weſtindiſche Handels-
— verſchiedene große Aktiengeſellſchaften fir
ſſeluranz, induſtrielle oder merfantile Zwecke. Unter
Amfterdam — Wmt.
den zahlreichen Handelsinjtituten jteht die Niederlindi-
ſche Bank, die(1814 an Stelle der altberiifinten Giro-
bank neugegriindet) mit einem Kapital von 20 Mill.
@uld. arbeitet, obenan. Ferner haben ihren Sif in
U. Die Niederländiſch-Indiſche Handelsbank, die Bank
pon A., mebrere Hypothefenbanfen und oftindijde
Kulturgefell{daften (landbouw - maatschappijen).
[Offentlide Unftalten, Behsrden zc.] Unter den
wiffenfdaftliden Anjtalten find die foniglide
Ufademie der Wiſſenſchaften, die Reichsafademie fiir
bildende Riinjte, die Gemeinde-Lniverfitét (1900: 77
Lehrer und 929 Studierende), die freie Univerfitit,
2 Gymnaſien, mehrere Reals oder Biirgerfdulen,
aud) fiir Mädchen, die Handelsjdule, die Gewerbe-
fdule fiir Madden (Industrieschool voor de vrou-
welijke jeugd), cine Zeichenſchule fiir Kunjtindujtrie,
dad Lehrerjeminar und mebhrere geijtlide Seminare
u nennen, weiter die trefflich ausgeſtattete Seefabrts-
Fale (flix ca. 80 Knaben, feit 1785 bejtehend), das
Blindeninjtitut, die Sternwarte, der botanifde Garten
und der an feltenen Tierexemplaren reiche zoologiſche
Warten (jeit 1838) mit dem ethnographifden Mujeum
und einem YUquarium, das befonders oſtindiſche, japa-
niſche und chineſiſche Gegenſtände fowie cine reiche
Bibliothel enthält, das anatomiſche Theater xc. hervor⸗
zuheben. Dazu beſitzt A. zahlreiche gelehrte und andre
Geſellſchaften, z. B. die Geographiſche, den Antiqua⸗
riſchen Verein (mit Sammlungen von Altertümern),
die Geſellſchaft der Dichtkunſt und der ſchönen Wiſſen—⸗
ſchaften, einen Verein für den allgemeinen Nutzen
(Maatschappij tot nut van 't algemeen, ſeit 1784),
Der jahlreiche Filialvereine im ganzen Lande hat und
ſich namentlid) die Bildung der untern Klaſſen zur
Aufgabe ftellt, die Gefellfdaft »>Scemannshojfnung«
u.a. Unter den Kunſtanſtalten behauptet das Reichs⸗
muſeum die oberſte Stelle, in dem die Sammlungen
des Trippenhuis und des Muſeums van der Hoop,
die kunſtgewerblichen Sammlungen des Muſeunis im |
Haag und der Oudheidkundig Genootschap in Am—
ſterdam vereinigt find. Das Muſeum enthalt Meijter- |
werte erjten Ranges, 3. B. Rembrandts Nachtwache
und Staalmecjters, Hondecocters Enten, mebhrere
Ruisdaels, van der Helſts Schützenmahlzeit, Gemälde
von Jan Steen, Huyfum, Dou, Du Jardin, Weenix,
Berchem, Potter, Wouwerman, van de Velde, Neeffs,
Rubens, Hobbema, F. Bol, Flinds Amſterdamer
Schützen u.a. Daneben bejtehen das Muſeum Fodor
(feit 1860), ein reichhaltiges Kupferſtichlabinett, die hi—
ſtoriſche Galerie des Malervereins » Artiet Amicitiae«
fowie Die ausgezeichnete private Kunſtſammlung von
Mr. Sir. Verichiedene Vereine pfleqen die Muſik, die,
wie in ganz Holland, deutich ijt. A. hat feds Theater
(das Stadttheater ijt 1890 abgebrannt, aber neu er-
baut), einen Birfus, cin Banorama (mit Brouwers
Jeruſalem) und cin Banoptifum. Für die leidende
Menſchheit forgen zahlreiche (liber 100) meiſt reich—
dotierte Wohltätigkeitsanſtalten: Waiſenhäu—
ſer, Armen- und Krankenhäuſer, Verſorgungsorte fiir
alte Männer und Frauen rw. Außerdem hat A. cin
Budht- und WUrbeitshaus fiir mannliche Verbreder und
mtehrere Spinn: und Befferungshiufer. A. ijt der Sits
eines Tribunals erjter Inſtanz, cines Handelsgerichts,
eines deutiden Generalfonfuls, des Seedepartements
461
fallen des Stifted Utrecht, erhob fic) aber fon Un-
fang des 14. Jahrh. ju einem Ort mit ſtädtiſchen Rech:
ten. Um 1280 wurden die Herren v. Amſtel Ba-
fallen von Holland, und der Ort fam in holländiſchen
Beſitz. Wegen der Teilnahme Gysbrechts v. Amſtel
an dem Morde de3 Grafen Floris von Holland 1296
fam es bald darauf mit Amſtelland endgiiltig und
unmittelbar an die Grafen von Holland, die der Stadt
Vorredte gewährten. Ym 14. und 15. Jahrh. wuchs
A. Durd) Den Handel auf der Ojtiee; im 16. Jahrh.
war A. die vornehmite Handelsitadt der nördlichen
Niederlande. Seines Handels wegen blieb es Spa-
nien lange treu und ſchloß fich erjt 1578 dem übrigen
Holland an. Geine eigentliche Bliite datiert von *
Eroberung Flanderns und Brabants durch Parma
(1579—85), Die Antwerpens Gripe vernichtete, weil
viele Raufleute und Handwerfer aus Flandern und
Brabant auswanderten und im Norden eine Frei—
jtatte fudten. Infolge der Stiftung der Ojtindifden
Kompagnie (1602) und ded allgemeinen Auſſchwungs
der Republif Anfang des 17. Jahrh. ſchwang ſich U. gur
erjten Handelsftadt der Nordſeeküſte empor (f. oben)
und wuchs fo fdynell, daß es 1622 bereits 100,000 Cinw.
zählte. Die Verſuche des Englanders Leicefter, fic
1587 Der Stadt Durch Verrat, und de3 Pringen Wil-
helm IL., fich ihrer 1650 durch Uberrumpelung zu be-
meijtern, miplangen; dagegen mußte fie fid) 1787 den
Preußen ergeben. Nad) dem Untergang der Vatavi-
fchen Republif war A. 1808 Refiden; des Königs Lud-
wig Napoleon und 1810—13 die dritte Stadt des
franzöſiſchen Kaiſerreichs. Seit 1814 ijt es die Haupt:
jtadt der nördlichen Niederlande, wo die Huldiqung
der Könige ftattfindet. Val. Wagenaar, Beschrip.
ving van A. (Amſterd. 1760); Witfamp, A. in
schetsen (daſ. 1859—63, 2 Bde.); Ter Gouw, Ge-
schiedenis van A. (daſ. 1880—91, 7 Bde.); »A. in
de 174e eeuw« (Bradjtwerf, Haag 1897 ff.); An—
drieſſen, Amſterdam (Zür. 1894).
Amſterdam, Stadt im Staat New Yorf, Graf-
fchaft Montgomery, am Mohawk und Criefanal ge-
legen, mit Papier, Wirk> und Teppidjfabrifen und
| geo) 20,929 Einw.
Amftetten, Stadt in Niederöſterreich, an der ¥)bb3,
Knotenpunft an der Staatsbahniinie Wien-Ling, ijt
Sif einer Bezirlshauptmannſchaſt und cines Bezirfs-
gerichts, hat Fabrifen fiir Rementwaren und Karbo—
lineum, eine Kunſtmühle, Bierbrauerei, ein Cleftri-
zitätswerk und (900) 5668 Einw. — Hier fiegten
5. Nov. 1805 die Franjofen unter Murat über die
Ruſſen unter Bagration. Val. Qucifer, Gefdidte
der Stadt A. (Amſtett. 1898).
Ant, im allgemeinen berufsmäßige Dienjtleijtung ;
im eigentlichen Sinn die cinem öffentlichen Gemein—
weſen (Staat, Gemeinde) gewahrte Dienjtletjtung.
Subjeftiv bedeutet W. die Verpflidhtung zur berufs-
mäßigen Tätigkeit fiir Hffentliche Zwecke, objettiv den
beftimmten Kreis der Tätigkeit, zu welder der Be-
amte verpflidjtet ijt. Die Amter und Beamten zer—
fallen in Hof-, Reidhs-, Staats-, Kirchen- und
Gemeindedmter und -Beamte. Regelmäßig iſt
mit dieſen Ämtern ei beſtimmter Gehalt (Befoldung)
verbunden. Im Gegenfag hierzu nennt man die un-
beſoldeten Amter Ehrenämter. Der Beamte, der
der Zuiderſee, der Nationalbanfdireftion und der Ge- |
neraldireftion Der öffentlichen Schuld. Die Umgebung
Der Stadt auf der Landſeite bilden Wieſen, Wind—
mühlen und ſchöne Villen meiſt neuern Urſprungs. ausübt. Hiernach muß ſich auch die Achtung, die
IGeſchichte.J A. war nod ju Anfang des 13. Jahrh. der einzelne Staatsbürger der Staatsgewalt ſchuldet,
ein Fiſcherdorf im Beſitz der Herren v. Amſtel, Va— auf die Beamten mit erſtrecken. So kommt es denn,
cin öffentliches, namentlich cin Staatsamt befleidet,
erſcheint in dieſer Stellung als cin Glied ded Orga-
nisms, deffen Funftionen er in ſeinem Amtsbereich
462
bag mit dem A. eine gewiſſe Umtsehre verbunden
ift, Deren — —— ſtrenger beſtraft wird als die ge⸗
wöhnlichen Ehrenkr — l. Amtsbeleidigung).
Anderſeits legt das A. dem ten auch höhere
Pflichten auf, die über die allgemeinen ſtaatsbürger⸗
lichen hinausgehen, und darum ift es aud) geredt-
fertigt, wenn die von einem Beamten in feiner amt-
lichen Stellung begangenen Strajtaten bejonders
jtreng geahndet werden. Auch fann nur eine un
befdoltene Perſon cin Hffentlidjed A. befleiden; des⸗
halb zieht der Verluſt der biirgerliden Ehrenrechte
jowie cine erfannte Zuchthausſtrafe die Sons 6
sur Bekleidung Hffentlider Amter von felbjt nad ſich;
jo namentlid nad dem Reichsſtrafgeſetzbuch ($31,34),
dad dabei erflart, daß bier unter dffentliden YUmtern
die Udvofatur, die Uniwaltfdaft, das Notariat fowie
der Gefdhwornen- und Sddffendienft mitbeqriffen
feien. Nach öſterreichiſchem Strafredt tritt Verluſt
Der öffentlichen YUmter und geitweilige Unfähigleit ju
deren Erlangung bei Berurteilung wegen eines Ver-
bredjens oder wegen Übertretungen aus Gewinnſucht
(Diebjtahl, Veruntreuung, Betrug und Vergehen des
Wuchers) ein. Bgl. Beamter.
Amt Chrifti, Chrijti Werk, d. h. die Stiftung des
Neuen Bundes, betradtet unter dem Geſichtspunkt
eines ihin gewordenen Berufes. Die protejtantijde
Dogmatif fennt ein dreifadjes U., das des Propheten,
Hobhenpriefters und Königs, entipredend den im Ulten
Bunde hervortretenden, ſich im Meffias konzentrie—
renden Organen der gottliden Offenbarung.
Amt der Schliifiel, |. Schlüſſelgewalt.
Amt: Gehren, Marktflecken, ſ. Gehren.
Amtmann, im allgemeinen jeder, der cin Umt
befleidet, Daher ehemals jeder Staatsdiener; insbef.
hie friiher fo derjenige Beamte, der in einem be-
jtinrmiten Bezirk die Rechtspflege und die Verwaltung
wahrzunehmen hatte. Nad) der Trennung der Juſtiz
von der Verwaltung wurde in manden —— der
Titel A. für den Einzelrichter, entſprechend dem *
gen Amtsrichter, beibehalten (Juſtizamt mann). In
andern Staaten war und iſt es auch noch der Titel
des Verwaltungsbeamten erſter Inſtanz, z. B. der
Bezirksamtmann in Bayern, Oberamtmann
und WL. in Württemberg, Oberamtmann in Hohen—⸗
zollern. Auch wird der mit der Erhebung ftaatlider
Gefälle betraute Beamte fo qenannt (Rentbeamter,
Rentamtmann in Bayern). Endlich ging aud der
Titel eines Umtmanns oder Oberamtmanns in meh—
reren Lindern, fo in Preußen, auf den Ofonomiever-
walter oder Pachter eines Kammergutes fiber.
AUAmtsianmafung, ſ. Anmaßen.
Amtsanwalt, der Beamte der Staatsanwaliſchaft
bei den Amts- und Schijfengeridten. Yn dem Ver—
fahren, dad die öffentliche Klage vorbereitet, tritt der
A. nur dann in Titigfeit, wenn es ſich um Straf-
ſachen handelt, die in die ſchöffengerichtliche Rompe—
tenz fallen. Der A. braudt nidt jum Ridteramt
befahiqt gu fein, wohl aber ijt fiir die bei Dem Reichs
gericht, bei Den Oberlandesgerichten, Landgeridten
und Sdwurgeridten tätigen Beamten die richterliche
Oualififation erforderlich). Eben deswegen ijt die im
librigen der Staatsanwaltidaft zugewieſene Straf-
volljtredung den Amtsanwalten entgogen. Val. Deut-
ſches Gerichtsverfaſſungsgeſetz, $ 143, 146, 149, Abſ. 2;
StrafprojehordDnung, § 483, Abſ. 2; Chudul, Ge
jdaftsanweifung fiir Umtsanwalte (Raffel 1897).
Amtsausſchuft, ſ. Amtsvorſteher.
Amtsbeleidiguug (Amtsehrenbeleidigung,
Amtsehrentränkung, Berufsbeleidiqung),
Amt Chriſti — Amtseid.
die einem öffentlichen Beamten bei Uusiibung ſeines
Amtes oder in Beziehung auf fein Umt zugefügte Be-
leidiqung. Da der Beamte in feiner amtliden Stel-
lung nidt als Brivatperjon, fondern als Bertreter
der Staatsgewalt erfdeint, fo gebührt ihm infoweit
eine höhere Udtung, und infofern erſcheint der von
der Rechtswiffenfdayt aufgeſtellte Begriff ciner ſogen.
vorzüglichen biirgerliden Ehre tm Gegenſatze zur biir-
erlichen Ehre überhaupt als — Nach dem
trafgeſetzbuch erſcheint die A. allerdings nur als ein
beſonders ſchwerer Fall der Beleidigung; aber ſie iſt
inſofern ausgezeichnet, als im § 196 beſtimmt wird,
dah, wenn eine Beleidigung gegen eine Behörde, cinen
Beamten, einen Religionsdiener oder cin Mitglied der
bewajfneten Macht, wahrend fie in der Ausübung
ihres Berufs begriffen ſind, oder in Beziehung auf
ihren Beruf begangen wird, ſowohl die unntittelbar
beleidigte Perjon als aud) deren amtliche Vorgefepte
das Redht haben, den Strafantrag ju jtellen. Auch
die —— des § 197 gehört hierher, wonach es
eines Antrags auf Beſtrafung nicht bedarf, wenn
die Beleidigung gegen cine geſetzgebende Verjamm-
lung des Reidjes oder eines Bundesftaats oder gegen
eine andre politijde Rorperfdaft beqangen worden
ift. Sie darf dann jedoch nur mit Ermächtigung von
feiten, Der beleidiqten Körperſchaft verfolgt werden.
Jn Ojterreich bildet die Umtsehrenbeleidiqung ein
ſelbſtändiges Delift (nämlich eine Ubertretung gegen
die öffentlichen Unjtalten und Borfehrungen), —* mit
Arreſt bis zu 6 Monaten beſtraft wird. S. Beleidigung.
Amtsbezirk, im allgemeinen der örtliche Zuſtän⸗
digleitskreis einer Behörde, insbeſ. einer ãußern Ber-
waltungsbehörde, wie der Bezirlsämter in Bayern
und Baden, — ter iary geri,” Jn Preu⸗
pen (Kreisordnungen) bezeidjnet UW. cine Unterabtet-
lung ded Kreiſes. Zur BVerwaltung der Volizei und
Wahrnehmung andrer öffentlicher Ungelegenheiten ijt
nämlich jeder Kreis, mit Ausſchluß der Stadte, in
Amtsbezirke geteilt. Die Grdge und Einwohnerzahl
der Amtsbezirlke, die tunlichſt cin räumlich zuſammien—
hängendes und abgerundetes Gebiet umfaſſen follen,
iſt ſo zu bemeſſen, daß ſowohl die Erfüllung der durch
das Geſetz der Amtsverwaltung auferlegten Aufgaben
geſichert, als aud) die Unmittelbarkeit und die ehren⸗
amtliche Ausübung der örtlichen Verwaltung nicht
erſchwert wird. Daher ſind insbeſ. zu einem A. zu
vereinigen Gemeinden und Gutsbezirke, die cine drt-
lid) verbundene Lage haben. Namentlich follen dabei
Die innerhalb der Kreiſe bejtehenden Berbande (Rird-
fpiele, Schulverbinde, Wegebaubejirte xc.) nicht zer⸗
riffen werden. Es lönnen aber auc cingelne Gemein⸗
den, Die cine Amtsverwaltung aus eignen Kraften
herzuſtellen vermögen, und einzelne Gutsbezirfe von
abgeſonderter Lage, die ohne weſentliche Unterbrechung
ein räumlich zuſammenhängendes Gebiet von erheb⸗
lichem Flacheninhalt umfaſſen, befondere Wintsbezirfe
bilden. Die —* der Amtsverwaltung in den
Amtsbezirlen ſind der Amtsausſchuß und der Umts-
vorſteher (j. d.).
Amtsdelift, ſ. Untsverbreden.
Amtseid (Dienfteid), Eid, der bei libernahme
eines Amtes ju leiſten ijt. Gewöhnlich werden in de
Formel des Umtseides die wichtigſten Amtspflichten
des Schwörenden aufgenommen, und ein Beamter
muß daher beim Eintritt in ein neues Amt entweder
nochmals ſchwören, oder doch erfliren, daß er ſich
durch den frühern A. fiir ſeine neuen Amtsverhält⸗
niſſe verpflichtet erachte. Der A. ijt cin auf pflicht⸗
mãßiges Verhalten gerichteter promiſſoriſcher (vere
Amtsentlaſſung
ſprechender) Eid; daher wird auch die von dem Be—
amten nad geleiſtetem A. verſchuldete Pflichtverletzung
nicht als Meineid oder Eidbruch, ſondern nur * icht⸗
lich des dadurch ——— Amtsverbrechens beſtraft
wobei die Rückſicht auf den geleiſteten Eid jtraferhohend
wirft. Bgl. Strafgeſetzbuch, § 359. Nad) dem öſter⸗
reichiſchen —— § 101, macht es bezüglich
des Verbrechens ißbrauchs der Amtsgewali kei⸗
nen Unterſchied, ob der Beamte beeidet war oder nicht.
Amtsentlaſſung, ſ. Dienſtentlaſſung.
Amtserſchleichung, ſ. Ambitus.
Amtsgeheimnis, |. Amtsverſchwiegenheit.
Umtsgeridte, nad dem deutſchen Geridtsver-
fajjungsgejes (§ 22—57) die mit den ———
(Amtsrichfern) beſetzten Untergerichte. Jeder Amts⸗
richter erledigt regelmäßig die ihm obliegenden Ge-
ſchäfte als Einzelrichter. Sind mehrere Amisrichter bei
einem Amtsgericht angeſtellt, fo findet eine Geſchäfts—
verteilung ftatt und wird einem Amtsrichter (Ober⸗
amtsrichter) die allgemeine Dienjtauffidt von der Lan⸗
desjujtizverwaltung iibertragen. Nur fitr diejenigen
Fälle, in denen die UW. als Strafgeridte gu urteilen
haben, ijt das ein zelrichterliche Bringip aufgegeben, und
entideiden die Schöffengerichte (f. d.), beftehend
aus dem Umtsridter als Porfipendem und gwei aus
dem Bolle —— Schöffen. Bor die A. gehören:
1) auf dem Gebiete des Zivilprozeſſes, ſoweit nicht
die Landgerichte (ſ. d.) ohne Rückſicht auf den Wert des
Streitgegenjtandes zuſtändig find, diejenigen vermö—
gensridterliden Unjpriide, deren Gegenftand an Geld
oder GeldeSwert die Summe von 300 Met. nidt über⸗
jteigt. Obne Rückſicht auf den Wert des Streitqegen-
jtande3 gehören nad) § 23 des Geridjt3verfafjungs-
geſetzes vor die YW. eine Menge von Streitigfeiten, die
ein bejonders ſchleuniges Verfahren oder cine befon-
dere Vertrautheit mit gewifjen Lebensverhaltniffen
vorausfepen, insbeſ. gewiffe Streitigfeiten zwiſchen
Vermictern und Mietern, zwiſchen Dienjtherrjdaft
und Gefinde oder Urbeitgebern und Urbeitern, Strei-
tigfeiten zwiſchen Reifenden und Wirten, Fuhrleuten ꝛtc.,
ferner Streitigfeiten wegen Viehmängel fowie ſolche
en Wildſchadens oder aus einem außerehelichen
Beiſchlaf. Ferner erjtredt fid) die ſachliche Zuſtändig—
feit der U. auf das Wufgebotsverfahren, das Entmiin-
diqungsverfahren, das Wahnverfahren, das Siihne-
—— auch iſt das yore ring Ronfursgeridt
und Vollſtreckungsgericht. Endlich ijt dad Amtsgericht
in gewiffen Fallen aud) neben den Landgeridten be-
siiglid) ewiſſer Maßregeln zuſtändig, fo fiir Urrejte
un eiitmellige Verfügungen und fiir die Beweis-
aufnahme zur Siderung des Beweiſes (ſ. d.). Bal.
Zivilprozeßordnung, § 486, 510, 609, 689, 764, 919,
942, und Ronfursordnung, §71. 2)3nStraffaden
ijt der Umtsridter Vorjigender des Schiffengeridts
(ſ. d.) und erläßt an deffen Stelle die auferhalb des
Hauptverfahrens erforderlidjen Entſcheidungen, aud
darf er in gewiſſen einfaden Fallen ohne Zuziehung
von Schöffen verhandein und Strafbefeble (ſ. d.) er-
lajjen. Ferner hat er tm eerie tiem Me und
im Unterſuchungsverfahren fowie bei der Vollſtreckung
der Urteile mitzuwirken. Vgl. Geridtsverfaffungsgefes,
§ 26, 39; Strafprozeßordnung, § 31, 157, 160, 163,
164, 183ff., 197 ff., 200, 211, 447 ff., 453 ff., 463.
3) Außerdem find die U. in weitem Umfang mit der
freiwilliqenGerihtsbarfeit bejagt. Ihnen liegt
fajt überall die Führung de3 Grundbuches (als Grund-
budjamt) ob. Auch find fie die Vormundſchaftsgerichte
und Nachlaßgerichte. Ferner fteht ihnen die Beſtäti—
gung der Unnahme an Kindes Statt gu, auch haben
>
— Amtspflicht. 463
fie bie Güterrechtsregiſter, HandelSregijter, Genoſſen⸗
ſchaftsregiſter, Mufterregijter und die Schiffsregijter
ju ig er und liegt thnen die geridjtlide Beurfundung
von Rechtsgeſchäften fowie die eee Beglaubi⸗
gung von Sand eiden ob. Ral. die Grundbudord-
nung vom 20. Pai 1898, 5 1 und 100, fowie das
Reidhsgele , betreffend die freiwilliqe Gerichtsbarteit
vom 17. Mai 1898, § 35, 65, 69, 72, 125, 145, 149
und 167. Bal. Ebert, Das amtsgeridtlidje Dezernat
(5. Uufl., Bresl. 1901). Weiteres ſ. Gericht.
Amtsgeridtsprafident, der Titel folder Vor-
ftainde von Amtsgerichten in Preugen und Sadfen,
weldje Die Dienſtaufſicht auch iiber die ridjterlichen Be-
amten des Amtsgerichts haben. Grundſätzlich ſteht
die Dienſtaufſicht über die Amtsrichter in Preußen
und Sachſen nämlich dem Landgerichtspräſidenten zu.
Durch preußiſches Geſetz vom 10. April 1892 wurde
der Amtsgerichtsvorſtand des Amtsgerichts I in Ber—
lin (jetzt Anitsgericht Berlin-⸗Mitte) zum Amtsgerichts—
prajidenten ernannt. Dasſelbe ijt ſeit 1892 fiir Dres⸗
den und Leipzig der Fall. Der A. hat Rang und Ge—
halt des Landgerichtspräſidenten.
——— ſ. Amtsrichter.
Amtsgewalt, Inbegriff derjenigen Befugniſſe
eines Beamten, die ihn berechtigen, unter gewiſſen Vor—
ausſetzungen ju Zwangsmaßregeln überzugehen. Das
Reichsgericht bezieht den § 339 des Reichsſtrafgeſetz—
buds, wonad ein Beamter, der durch Mißbrauch
ſeiner A., d. h. durch vorfaglich rechtswidrige Uniwen-
dung zuſtändiger A., in Fällen, wo ſie nicht ange—
wendet werden dürfte, oder durch Androhung eines
beſtimmten Mißbrauchs derſelben jemand zu einer
Handlung, Duldung oder Unterlaſſung widerrechtlich
nötigt, nut Gefängnis beſtraft wird, auf alle Beamte,
die durch Mißbrauch ihrer A. mittelbar oder un—
mittelbar in der Lage ſind, einen beſtimmten Erfolg
herbeizuführen. Vgl. Amtsüberſchreitung.
Amtshauptmann, Titel eines Verwaltungs—
beamten; im Königreich Sachſen Amtstitel des leiten-
den Verwaltungsbeamten eines Bezirfs, der danad
Umtshauptmann{daft genannt wird.
WUmtsfaution, ſ. Kaution.
paar eee. f. Amtszeichen.
Amtopflicht (Dienſtpflicht) umfaßt all die Ob-
liegenbeiten, die ein Beamter in feiner Eigenſchaft als
Beamter gu beobadhten, bes. gu erfiillen hat. Hand-
lungen, die cin Beamter innerhalb der durch die A.
gezogenen Grenzen vornimmt, find felbjt dann nicht
rechtswidrig, wenn ſie Privatrechte und Rechte Dritter
verletzen. —* der Untergebene kraft feiner A. Be-
feble feines Vorgeſetzten aus, fo ijt er fiir dieſelben
injoweit nidjt verantwortlid), als die Rechtsordnung
die unbedingt verbindende Kraft des Befehis aner-
fennt. Bal. 3. B. Militärſtrafgeſetzbuch, § 47; See-
mannSordnung, § 30 u. 32. Das Biirgerlide Gefeg-
buch hat die vorſätzliche oder fahrläſſige Reseach der
U. eingehend geregelt. Zunächſt jtellt es den allgememen
Grundſatz auf, dak der Beamte bei vorſätzlicher oder
fahrläſſiger Berlesung der U. dem Dritten den daraus
entitandenen Schaden gu erſetzen bat. Liegt blope
Fahrläſſigkeit vor, fo haftet der Beamte nur, falls der
Verletzte nicht Tt Erſatz erlangen fann.
Richterbeamte, die bei dem Urteil in emer Rechtsſache
ihre A. verlegen, haften nur dann fiir den daraus
entitandenen Sdaden, wenn die in Frage jtehende
Pflichtverletzung aud) ftrafredtlid) geahndet werden
fann und Der beiddbigte der Schaden nicht durch
ein Rechtsmittel (f.d.) abwenden fonnte (Biirgerlides
Geſetzbuch, § 839). Val. aud) Haftpflict.
464 Amtsridter —
Am heißen die bet Den Amtsgerichten
(f. d.) angeftellten Richter. Jn vielen Staaten, be-
fonders in Preußen, Sadien, Elſaß-Lothringen ꝛc.,
wird cinem Teil der UW. der Titel Umtsgeridts-
rat verlieben, in andern, 3. B. in — heißen
ein zelne UL, beionders Die Vorſtände des Amtsgerichts,
Cberamtsridter.
Amtsfafie, |. Schriftſaſſe.
Amtsfiz, der Ort, an weldem eine Bebdrde ibre
Umtsgebaude hat und ihre Tätigkeit ſtändig ausiibt.
Amtsfufpenfion, ſ. Dienjtenthebung.
Amtstitel, der Titel, den ein Beamter vermige
feines Amtes führt. Er foll zur qenauen Bezeichnung
Amtsverbreden.
' sieht. Sumeilen bezeichnet die Strafgeſetzgebung auch
cin an und fiir ſich gemeines Berbreden ausdrücklich
als cin A., wenn es von einem Beamien begangen
wurde, und fest dafür eine befondere Strafe ſeſt; fo
das Reichsitratgejegbud (§ 340, 342, 339, 350) in
Anſehung der von einem Beamten in Uusiibung oder
| in Beranlajjung der Uusiibung feines Amtes vorjag:
lich beqangenen Körperverletzung, eines unter gleichen
| Verhaltnitjen begangenen Hausfriedensbrudes, einer
Erpreſſung oder NStiqung durch Mißbrauch der amt-
lichen Gewalt oder durch Androhung cines foldjen.
endlid) aud) in Anſehung ciner Unterjdhlagung von
Geldern und andern Caden, die cin Beamter in amt-
der einzelnen Beamtenfategorien und des ihnen an- | lider Cigenidaft empfangen oder im Gewahrſam
gewiejenen Gefdhaftstreifes dienen, wahrend der blope,
von der Verwaltung eines Amtes unabhängige Titel
nur cine pp sane ha ijt. Dem Staatsbeamten
fteht nad ebrenvollem Abſchied meijt das Recht ju,
den A. fortzufiibren; faffierte oder entſetzte Beamte
Dagegen verlieren den A., ebenſo Ddiejenigen, die nad
ehrenvoller Verabſchiedung fid) ein Vergehen ju ſchul⸗
den fommen lajjen, wofiir jie wahrend ihrer Dienjt-
geit mit Amtsentſetzung beſtraft worden waren.
unbefugte Führung eines Amtstitels ſ. Anmaßen.
Amtstracht, ſ. Amtszeichen.
Amtsüberſchreitung, d. h. Überſchreitung der
durch das Anit gegebenen Befugniſſe, macht den Be-
amten disziplinariſch oder ſtrafrechtlich haftbar (ſ.
Amtsverbrechen) und berechtigt den Bedriidten gu ge-
waltjamem Widerjtand (f. Widerfeglidjfeit). Dic For-
men der YL. find ebenfo zahlreich und verſchieden wie
Die Des Amtsdeliktes fiberhaupt.
Amtsunterfdlagung, j. Umtsverbredjen.
WUmtsver' (Amtsdelikt), im weitern
Sinn jede —— eines Beamten (d. h. des⸗
jenigen, der auf Grund ſtaatlicher Anſtelirung als Or-
gan der Staatsgewalt und daher unter ſtaatlicher Auto⸗
rität fiir Staatszwecke tätig ju fein bat), im engern
Ginn und in der jurijtifden Bedeutung ded Wortes
die friminell ftrafbare Verlegung der bejondern Umts-
pilicht eines ſolchen. Wbgefehen von den allgemeinen
Verpjflichtungen eines jeden Staatsbiirgers, liegen
nämlich dem Beamten befondere, durch ſeine amtliche
Stellung begründete Pflichten ob. Eine Verletzung
dieſer Amtspflichten, wie z. B. Verletzung des Umts-
geheimniſſes, Ungehorſam u. dql., kann eine Diszipli⸗ frei
narunterſuchung und Disziplinar-⸗ oder Ordnungs⸗
trafen nach ſich ziehen, welch letztere in Warnung,
erweis, Geld⸗ oder Yrrejtitrafe, Strafverſetzung und
Dienſtentlaſſung beſtehen. Das hierbei zu beobach—
tende Verfahren ijt gewöhnlich durch beſondere Geſete
eregelt, die Den Beamtenſtand gegen Willkürlichkeiten
chützen und namentlich das Recht Der Beſchwerde gegen
Disziplinarſtraferkenntniſſe im geordneten Inſtanzen⸗
zug einräumen. Steigert ſich aber die Verletzung der
Amtopflicht yu einer erlegung Der ftaatlichen Redts-
ordnung liberhaupt, fo reidjt cine im Berwaltungs-
weg ju verhingende Disziplinarſtrafe nicht aus, fon-
dern jtrafredtlide Verjolqung und eine durch das |
—— beſtimmte öffentliche Strafe müſſen Platz
greifen (A. tm eigentlichen Sinne). Dod) ijt nicht jede
von cinem Beamten begangene Straftat em A. Ein
ſolches liegt nur dann vor, wenn das Verbrechen
cine Verletzung der beſondern Amtspflicht des Beam⸗
ten enthält. Nur findet zwiſchen dem von einem Be—
amten begangenen gemeinen Verbrechen und ſeinem
Umisverhaltms inſofern ein Sufammenhang ftatt,
ald ein foldes Verbrechen regelmäßig die Unfähigkeit
ju dffentliden Amtern und deren Qertuit nad fic
hatte. Su den Beamten, die das Strafgeſetzbuch als
foldje bezeichnet (vgl. Beamter), treten in einigen bejon-
dern Fyallen aud die Geſchwornen, Schöffen. Schieds
manner und Sdiedsridter, Geijtlide und andre Re—
ligionsdiener, Anwalte und Rechtsbeiſtände hinzu
Im einzelnen führt das Reichsſtrafgeſetzbuch fol-
gende A. auf: Annahme von Geſchenken (Be—
ſtechung, ſ. d.; § 331 mit 334) von ſeiten cines Be-
amten fiir eine in fein Amt cinidlagende, an ſich
nicht pilidtwidrige Handiung. 2) Rechtsbeugung
(§ 336), d. h. cilichfeit bei Lcitung oder Ent⸗
ſcheidung einer Redtsjade. 3) Strafbare Hand-
lungen bei Trauungen undEheſchließungen
(§ 337, 338), wenn ein Geiſtlicher ohne Nachweis der
ſtandesamtlichenꝛ Eheſchließung ju den reliqtojen
Feierlidhfeiten einer Eheſchließung jdreitet, oder wenn
ein ReligionSdiener oder Perjonenitandsbeantter,
wifjend, daß eine Perſon bereits verbheiratet ijt, eine
neue Ehe derſelben ſchließt (vgl. aud Kanzelmiß
braucd).4)Bedriidung derStaatsbiirger($339
nuit 342), wie ——* Notigung, Rorperver-
lepung, Beſchränkung der perfontiden Freiheit und
Hausfriedensbruch durd cinen Beamten in Yusiibung
ober in sere py De Ausübung feines Yinrtes.
5) Mipbraud der Umtsqewalt tm Strafver-
fabren (§ 343 mit 347), dicjelbe fann erfolgen durch
Yinwendung von Zwangsmitteln bei emer Unter-
judjung, durch vorſätzliche Berhangung der Unter-
ſuchung über Unjduldige, durch vorſähliches Boll-
ſtrelenlaſſen ciner ungerechten Strafe, durch Begün—
ſtigung von Verbrechern, Entweichenlaſſen und Be-
ien von Gefangenen. 6) Urkundenverbrechen
im Amte (§ 348, 349), und gwar vorſätzliche Falſch⸗
beurfundung fowie vorſätzliche Vernichtung, Beida-
diqung, —— oder Verfälſchung einer ihm
als Beamten anvertrauten Urkunde. 7) Umisun-
terſchlagung (§ 350, 351), d. h. Unterſchlagung
von Geldern oder andern Sachen, die Der Beamte in
feiner amtlichen Cigenfdaft entpfangen oder in Ge-
wabhrjam hat; ftraferhobend wirft bierbei, wenn zur
Verdectung derartiger Unterſchlagung die amtli
Bücher, Lijten, Regiſter r. perfil ct oder unterdriidt
werden. 8) Ubermäßiges Sportulteren (§ 352,
353), dD. h. Die Erhebung von Gebiibren oder andern
Vergiitungen fiir anuliche Verridtungen im eignen
Intereſſe und in einem höhern als geſchuldeten Betrag.
9) Strafbare Handlungen im Dienjte des
auswiartigen Umtes (§ 353a, der fogen. Arnim⸗
paragraph, benannt nad dem Grafen Harry von
Yirnim; vgl. Arnim 7). Hternad foll ein uler im
| Dienjte des Uusiwartigen Amtes des Deutſchen Reides,
| Der Die Amtsverſchwiegenheit dadurch verlegt, dak ex
ihm amtlich anvertraute oder zugängliche Schriftitiide
oder eine ihm von feinem Borg — Anwei ·
ſung oder Deven Inhalt andern widerrechtlich mitteilt,
Amtsverfdwiegenheit — Amtszeichen. 465
init Gefängnis bis gu 5 Jahren oder mit Geldſtrafe (ſogen. Arnim-Paragraph), Beamten im Dienſte des
bis zu 5000 ME. bejtraft werden. Gieiche Strafe trifft | auswärtigen Amtes des Deutſchen Reidjes geqeniiber
den mit einer auswartigen Miſſion betrauten oder bei | die Verlepung des Amtsgeheimniſſes fiir kriminell
einer folden beſchäftigten Beamten, der den ihm durd) | jtrafbar erklärt (ſ. Amtsverbrechen, S. 464), wabrend
ſeinen Vorgeſetzten amtlich erteilten Anweiſungen fonjtigen Beamten gegeniiber mur Disziplinarſtrafe
vorſätzlich zuwiderhandelt oder in Der Abſicht, feinen | eintrilt, wofern nicht durch die Verletzung der A. cine
Vorgeſetzten in deſſen amtliden Handlungen irre zu
leiten, dieſem erdidjtete oder entſtellte Tatſachen be-
ridjtet. 10) Strafbare Handlungen von ¥ oft-
und Teleqraphenbeamten (§ 354, 355), wie
Offnung und ee Briefen, Verfäl—
idjung, Unterdrückung und Offenbarung von Depe-
jdjen. 11) Untrene Des Sadwalters (§ 356),
fogen. Bravarifation eines Udvolaten, Anwalts oder
fonjtiqen Redtsbcijtandes. 12) Konnivenz des
Amtsvorgeſetzten (§ 357), d. h. Verleitung eines
Untergebenen ju einer ftrafbaren UWmtshandlung,
oder wiſſentliches Geſchehenlaſſen einer folden.
Mad § 101 des Hfterreidif hen Strafgeſetzbuches
begebt das Verbreden de3 Mißbrauchs der Wmts-
qewalt jeder Staats oder Vemeindebeamte, der in
Dem Wint, in dem er verpflichtet ijt, die ihm anver-
traute Gewalt mifbraudt, um jemand Sdaden zu⸗
gufiigen; insbeſ. aud) derjenige, der cin ibm an-
vertrautes Umitsgeheimnis gefährlicherweiſe erdffnet,
oder der cine ſeiner Amtsaufſicht anvertraute Ur—
funde vernidtet oder jemand pflichtwidrig mitteilt
(§ 102); ebenfo der Udvofat, der dem Gegenteil mit |
Rat und Tat behilflich ijt. Die Gefdhenfannahme in
Anitsſachen wird nad § 104 als Verbrechen mit Rer-
fer zwiſchen 6 Monaten und 1 Jahr und Verlujt de3
Geſchenkes — Wertes) beſtraft. Beſondere Be—
ſtimmungen über vorſätzliche Beſchränkungen der per-
ſönlichen Freiheit und des Hausrechtes enthalten zwei
Geſetze vom 27. Okt. 1862. Beleidigungen von ſeiten
einer Amtsperſon in Amts- oder Dienſtesverrichtun—⸗
ge werden nad) § 331, 332 als Ubertretungen mit
rrejt von 8 Tagen bis 3 Monaten geahndet. Val.
Buder, Sfizze gu einer Monographie der WU. (Brag
1870); Oppenheim, Die Rechtsbeugungsverbrechen
des Reichsſtrafgeſetzbuches (Leipz. 1886).
Amtsverfdwiegenheit, Umtspflidt der Beam-
ten, Das, was amtlich zu ihrer Kenntnis kommt und
gu den Amtsgeheimniſſen gehört, feinem Dritten,
Der es zu wiſſen nidt berechtigt ijt, mitzuteilen, aud
nicht öffentlich befannt zu eae. Mit Rückſicht hier-
auf ijt Geijtliden, Verteidigern, Redhtsanwalten und
AÄrzten das Redht der Zeugnisverweigerung (j. d.) in
Anſehung defjen, was ihnen bei Yusiibung der Seel-
forge, in ihrer Eigenſchaft als Verteidiger und bei Aus—
übung ihres Berufs anvertraut ijt, zugebilliqt. Ferner
Diirfen deshalb öffentliche Beamte (und Perſonen des
Soldatenjtandes), aud) wenn fie nicht mehr tm Dienſt
jind, über Umſtände, auf die fic) ihre Pflicht zur Amts—
oder Dienjtveridwiegenheit begieht, als Zeugen nur
mit Genehmigung ihrer vorgejesten oder der ihnen
zuletzt vorgeſetzt geweſenen Dienſtbehörde vernommen
werden, Miniſter mur mit Genehmigung des Landes-
herrn (vgl. Strafprozeßordnung, § 52}f., Zivilpro-
zeßordnung, § 383, und Militdritrafgeridtsordnung,
§ 188 jf.). Die dem Beamten zur Pflicht gemadte Ge-
heimhaltung ijt buchſtäblich auszulegen bei der Be-
wahrung des Veidtiieqels (ſ. d.), deſſen Verlesung
nad firdenredtlicken Grundſätzen beurteilt wird, bet
dem Bewahrer der Sffentliden Rechnungen, Urfun-
den, Akten, Archive ꝛc., namentlid) bei Gubalternen,
bet den Staatsrechnungsführern und bei Den Beam—
ten der auswiirtigen Ungelegenheiten. In letzterer
Beziehung hat das deutſche Strafgeſetzbuch, § 353a |
Meyers Konv.«Lerifon, 6. Aufl., L Bb.
anderweitige ftrafbare Handlung, 3. B. cin Landes-
verrat, beqangen ijt. Dagegen begeht in Oſterreich
jeder Beamte, der cin ihm anvertrautes Amtsgeheim⸗
nis »gefährlicherweiſe⸗ eröffnet, cin Verbrechen, das
mit ſchwerem Kerler von 1—5, eventuell aud) 10 Jah⸗
ren beſtraft wird.
Amtsvorfteher, nach den preuß. Kreisordnungen
(f. Kreisverfaſſung) der über einen Amtsbezirk
(f. d.) geſetzte Polizeibeanite. Der A. verwaltet insbeſ.
die Sicherheits-, Ordnungs-, Sitten-, Geſundheits-,
Geſinde-, Armen-, Wege-, Waſſer-, Feld-, Forſt-,
Fiſcherei-⸗, Gewerbe-, Bau- und Feuerpolizei, ſoweit
jie nicht dem Landrat oder beſondern Beamten über—
tragen ſind; er hat das Recht und die Pflicht, da, wo
die Erhaltung der öffentlichen Ordnung, Ruhe und
Sicherheit ein Einſchreiten notwendig macht, das Er-
forderlide anguordnen und ausführen ju laffen; er
hat gu forgen, daß die Hffentlichen Wege in vorſchrifts-
mapigem Zuſtand erhalten bleiben und der Verkehr
auf ibnen nicht behindert werde. Dem YW. fteht em
Amtsausſchuß zur Seite, der fic) aus Vertretern
| Der jum Amtsbezirk gehörigen Gemeinden oder felb-
| fttindigen Gutsbezirfe zuſammenſetzt. Beſteht der
Amtsbezirk nur aus ciner Gemeinde, fo nimmt die
Gemeindevertretung die Gefdhiafte des Amtsausſchuſſes
wabr. In den nur aus einem Gutsbezirk bejtehenden
Amtsbezirlen fällt der Antsausſchuß weg. Dem letz⸗
tern ſteht die Kontrolle ſämtlicher und die Bewilligung
derjenigen Ausgaben der Amtsverwaltung zu, die
pom Amtsbezirk aufgebradt werden, ferner die Be—
ſchlußfaſſung iiber die Polizeiverordnungen, die der
A. unter Mitwirfung des Antsausſchuſſes zu erlaſſen
| befugt ijt, die Außerung fiber Abänderung des Units:
| bezirls, Die Beſtellung fowie die Wahl befonderer
Kommiſſionen oder Kommiſſare zur Vorbereitung
und Ausführung von Beſchlüſſen des Amtsausſchuſ⸗
ſes, endlich die Defdituifaffung liber fonjtiqe Unge-
leqenheiten, dic Der WU. ats Dem Kreiſe ſeiner Amts—
befugniffe Dem WnitSausfduk unterbreitet. Die Ge-
meinde>s und Gutsvoritinde find dem YW. infofern
unterjtellt, als fie Den Yruveifungen und Aufträgen,
die er in Gemäßheit feiner geſetzlichen Befuqnifje an
fie erläßt, nachzukommen haben. Die Auſſicht fiber
| Die Geſchäftsführung des Amtsvorſtehers führt der
| Landrat als Vorſitzender des Kreisausſchuſſes. Letz—
' terer entſcheidet über Beſchwerden gegen Verfilqungen
des Anitsvorſtehers. Der A. wird auf Grund von
Vorſchlägen des Rreistags auf je 6 Jahre vom Ober-
präſidenten ernannt und vom Landrat vereidigt. In
den mur aus ciner Gemeinde oder einem felbjtandigen
| Gutsbesirk beftehenden Amtsbezirlen ijt der Gemeinde-
oder Gutsvorjteher zugleich A. Der A. ijt beredtigt,
eine Amtsunkoſtenentſchüdigung zu beanſpruchen, die
nad Anhörung der Betciligten von dem Kreisausſchuſ
al Pauſchquantum fejtqefest wird. Bgl. v. Bor-
ries, Die Amtsführung der Gemeinde -, Guts- und
Amtsvorſteher (2. Aufl., Berl. 1896).
| UAmtszeidhen, duferes Merfmal, das dic amtliche
Eigenſchaft der damit verjehenen Perjon andeutet,
alſo namentlid) cine Amtskeidung, eine Uniform, ein
Dienſtſchild u. dgl. Das unbefugte Tragen eines
Amtszeichens ijt im deutſchen Reichsſtrafgeſetzbuch
(§ 360, Biff. 8) mit Geldſtrafe bis zu 150 We. oder
30
466 Amudlaufen
entſprechender Saft int öſterreichiſchen Strafgefesbud
mit Urrejt von 3 Tagen bis gu einem Monat bedroht.
Tragen eines cingelnen zur Amtskleidung gehörigen
Stites (3. B. Dienftmiige, Ridterbarett) Fiat nidt
hierunter. Die Umisfleidung de3 Geijtliden (Ornat)
ijt Durd § 360 nicht geſchützt. Jn Deutidland ijt aud
fiir Dem Juſtizdienſt eine befondere Amtstracht in
Den Hffentliden Gerichtsſitzungen vorgefdrieben. Auch
in Djterreid) wurde 1891 eine allgemeine Beamten-
uniform eingeführt und ihre Anlegung im Dien{t
angeordnet.
mudlaufen Qmoflaufen, vom malatifden
meng-Amok, in blinder Wut tdten; malatijd aud
Mataglap, verdunfelter Blid, Raferei), eine der
Berſerkerwut (ſ. Berferfer) ähnliche Erregung, in der
der Raſende, mit einem Kris (Dolch), einem Beil be—
waffnet, ſich auf die Straßen ſtürzt und jeden, Dent er
begegnet, verwundet oder tdtet, bis er felbjt, nad dem
Geſetz vogelfrei, getdtet oder Dod) (auf Java mittels
ciner dazu bejtinunten Gabel) eingefangen und iiber-
wältigt wird. Das A. findet ſich bei Den Malaien der
Sundainfeln, in Singapur x., ijt aber in neuejter
Heit feltener geworden. Es ijt wohl als afute Geijteds-
franfheit aufzufajjen, die einem maniafalijden An—
fall dhnelt. Bal. Metzger, Einiges fiber A. und
Mataglap (im »Globus«, 1887).
Ammcu (Am icu), Sce in Britiſch Guayana (Siid-
amerifa), unter 3° 40’ ſüdl. Br. und 60° 14 weſtl. L.,
auf der Hodjebene zwiſchen den Fliiffen Rupununi
und Tofutii, nad Schomburg! das ⸗Mar del Dorado«
(Laguna Barima oder Parand Patinga), von 450km
Durdmeffer, in deffen Nahe die goldene Stadt Manoa
lieqen follte, die Raleigh ju entdeden auszog.
mu Darja (bei den Urabern Gihon, Di dei-
hun, der Oxus der Ulten), fiidlider Hauptitrom von
Ruſſiſch⸗Turkiſtan, entipringt in Wachan auf der Klei⸗
nen Pamir und hat zwei Hauptquellfliijje: Akſu oder
Murghab, der aus dem Pamirchurdſee forme, und
Pandſcha, der wiederaus cinem fiidliden Quellfluß,
dem Wakhan, und cinem ndrdliden zuſammenfließt.
Bei Ralai Wamar vereinigen fick) beide Fliiffe gum
A. Lins nimmet er aus Badachſchan die Koltſcha und
den VUfferai auf, redts vom Wlaigebirge den waſſer—
reichen Wachſch oder Surchab und aus der Hijjarfette
den Rafirnagan und Surdan und fließt in nordweſt⸗
licher —— in den Aralſee. Vor ſeiner Einmün—⸗
dung in Den Aralſee ſpaltet er ſich bei Rufus in meh—
rere miteinander verbundene Urme: Nuvanfd
Dfdarma im O., Talditim B., Tidan, fpater
Ulfun Darja, in der Mitte. Cin Netzwerk kleiner
Randle von geringer Tiefe verteilt fein Waſſer gur
Veriefelung dev Felder, die er in auferordentlider
Weiſe befrudjtet. Die Waſſermaſſe des A. in feinem
unterjten Lauf betragt 3000 chm in der Sefunde (die
des Rheins 2500, der Rhdne 2800). Die Länge des |
qanjen Stromes beträgt 2200 km. Die Dampfidiff-
fahrt auf dem Strom vermittelte bis Unfang 1898 |
die Amu Darja-Flottille von Tſchardſchui in Bodhara, |
wo cine 2075 m lange Uriide der Transfafpifden
Eiſenbahn über den Fluß führt, flußaufwärts über
Kerli oder Karli bis Patta Hiſſar, nördlich von Maſar⸗
i⸗Scherif, lings der Grenze zwiſchen Bochara und |
Afghaniſtan. Dazu kommen nod 200 km bis Faiza⸗
bad, der Hauptſtadt der afghanijden Gebtrgstand-
ſchaft Badachſchan, fo daß die gejamte fiir Dampfer
— Amulett.
ſchins niemals der Fall geweſen, der Usboi iſt nur
das Bett eines kleinen ſalzigen Abfluſſes des alten
Sees von Sarylamyſch geweſen, der mit dem Aralſee
uſammenhing und ſeinen brackigen Abfluß durch den
Isboi gum —— Weer entiandte. Die Ruſſen
haben von der Vereiniqung der beiden Quellflüſſe bis
um Delta Forts angelegt, von denen das bedeutendite
Gctey- Wlerenbrow! amt Unterlauf ijt.
Amn Darja-Bezirk, ſ. Turfijtan.
Amul, per}. Stadt, ſ. Amol.
Amuleh (Ameläh, Amole, in Tigré Kehle),
etwa 2 kg ſchwere Steinſalzſtücke von rund 20 cm
Lange bei 5cm Dide, werden aus Ublagerungen von
Salzſeen gefdnitten und dienen in Abeſſinien als
Weld, — rund "eo Ber oder 0,25 Franf, aber der Be-
wertung nach wedfelnd.
Amulett (v. arab. hamalet, Anhängſel), Schutz⸗
oder Verwahrungsmittel gegen Zauberei, Kranlkhei⸗
ten 2¢., das am Körper getragen wird. Die alten
Waqypter und Chaldier gebraudten Amulette aus
Metallplatten oder Gußfiguren mit magijden Seiden
und Inſchriften, aud) aus Halbedeljtenen in Form
von beſchriebenen Zylindern, Götter und Damonen-
bildern, beiligen Tieren (Sfarabien), Henkelkreuzen x.
Die Juden trugen als Amulette mit magifd@en For-
mein beſchriebene Edeliteine, Gold⸗ und Suberplatten,
ferner qleid) den Chalddern beidriebene Bander und
Zettel (ſ. Boylatterien), die Grieden cijerne (ſamo—
thratifde) Ringe, die Romer Halsbander, Arm—
binder und Diademe von Wetall, Edeljteinen und
befonders aus der ſchwarzen Noralle (Gorgonia anti-
pathes), die germanifden Boller namentlid) Sieg-
jteine, Thors-Hämmer rc. Auch Kräuter- und Wur—
zelſtüclchen (3. B. Allermannsharniſch), ſauber in Gold
gefaßte prähiſtoriſche Kieſelſteinwaffen (Pfeilſpitzen)
und andre Dinge trug man als A. Die Synode zu
Laodikeia im 4. Jahrh. bedrohte die cin VW. tragenden
Geiſtlichen mit Abſetzung. Allgemein wurde es 721
ju Rom von Gregor II. dann ju Konſtantinopel und
unter Marl d. Gr. zu Tours verdanunt. Wber die
Gotteslämmer (jf. Agnus Dei), Marienmedaillen x.
bildeten nur eine andre Form. Aus dem Mittelalter
ehören namentlich die Paſſauer Zettel (ſ. Feſtmachen)
Biecher. Nod) heute werden vielfach ähnliche Dinge
qetragen (Zahnperlen und Zahnhalsbänder der Kin-
der), Die Rorallen, die gegen den Blutſturz, die Elen-
tiersflauen, Die gegen Die fallende Sucht wirffam fem
follen, die Ubrafadabrazettel, bei Der Cholera aws-
geqebene Medaillen, Henleluriingen mit Heiliqendil-
Dernic. Yn Italien hängt man den Kindern nod heute
fleine Bildwerle gegen den »böſen Blid« (ſ. dD.) um
den Hals. Bei den Mohammedanern tragen fast
alle Gläubigen Steine, Ringe, Papieritiidden und
ſonſtige Gegenſtände, die mit Sauberformein, den 99
Eigenſchaften Gottes (vgl. Ullah), befonders aber mit
Spriicen aus dem Koran beſchrieben find; aud Haus-
tiere werden damit behängt. Bei den Perfern und
Urabern heifen fie aud Talismane (f.d.). Bra-
hijtorifde Umulette find in Stein, Ton, Knochen,
Horn und Bronze gefunden worden. Sie haben Scher
ben» oder Radform, aud) Hammer- und Beilform
und find meift mit magifden Zeichen, namentlid dem
Swaſtilakreuz (ſ. Kreuz), Runen-, Tiers und mend
lichen Figuren verfehen. Sehr haufig dienten einfach
durchbohrte Rnoden und Zähne oder durch Trepa-
ſchiffbare Lange 600 kin betragt. Man meinte frither, nation aus dem Schädel herausgeſägte runde Knochen-
daß Der A. fid) ehemals ins Kaſpiſche Meer ergoffen ſcheiben (Schädelrondelle) als VU. Val. Ropp, Palaee-
habe, und gwar durd das jetzt trocdne Flufbett ded |
Usboi. Doch ijt dies nad) den Unterfucungen Kon⸗
graphia critica, Bd. 3 u. 4 (Mannh. 1829); Krehl.
Der Talisman J. Richardſons (Leipz. 1865); Fiſcher
Amulettmiingen — Amydon.
und Wiedemann, Babylonifde Talismane (Stuttg.
1881); Wuttke, Der deutiche VollBaberglaube der
Gegenwart (3. Bearb. von E. H. Meyer, Berl. 1900).
Amulettmiingen, gehenkelte oder durchlochte
Münzen mit Heiligenbildnis oder von auffilligem
Weprage, wie Yohannisgrofden, Rabendufaten 2c.
Umulins, der fagenhafte Sohn des Procas, des
Königs von iba longa, der feinen ältern Bruder,
Numitor, der Herrfdhaft beraubte, fic) gum König von
Alba longa madte, {pater aber von Romulus und
Remus gejtiirzt und getdtet wurde.
Amur (Sadalin- Ula), Fluß Oſtaſiens, entſteht
aus der BVereinigung der in den Ausläufern de3 Ya-
blonvigebirges entipringenden Sdhilfa und des Ar—
gun, der bis Dahin die Grenze zwiſchen Sibirien und
Der Mandſchurei bildet, unter 53° 20’ nördl. Br. und
121° 28 vſtl. L. beim Fort Uſtj Strjelfa, ſtrömt zu—
erjt nad ©., die Grenge gegen China bildend, wendet
fic) bet Chabarowft, a ereinigung mit dent Uſ—⸗
juri, beinabe rechtwinfeliq nad) R. und miindet nad
4480 km langem Lauf unterhalb Nifolajewff unter
53° nördl. Br. und 141° öſtl. L. in den feidten Wm ur-
Liman, der durd die Inſel Sadalin vom Stillen
Ozean getrennt, nad) N. gu mit dem Odhotififden
Meerbuſen, nad S. durd) die Mamio-Ringoſtraße
niit dent feichten Tatarifden Golf in Verbindung jtebt.
Das Stromgebiet de3 UW. umfaßt iiber 2 Mill. qkm.
In feinem Unterlauf tritt an ifn von GS. her das
Chingangebirge heran, dann bridt er fich auf einer
ju 600 m cingeengten, 225 m langen Strede den
Weg zwiſchen dem Burejagebirge und dem Douſſe
Alin und durchzieht mit reider Inſelbildung ein wei-
te3 Talgeliinde. Seine Hauptzuflüſſe find rechts: Gun-
ari und Uſſuri, linf8: Seja, Bureja, Sawitaja, Sur,
irin und Umgun. Da die Miindung verjandet ift,
fo verlajjen die Waren den Fluß ſchon bei Mariinſtk,
von wo eine Cijenbahn nad dem mir 15 km entfern-
ten Alexandrowſk führt. UW. und Uſſuri werden von
April bis Anfang November (die iibrige Zeit ijt er vom
(Eis blodiert) von der Amur-Dampffchiffahrtsgeſell—
ſchaft befahren. Mittelpunkt der Dampfſchiffahrt iſt
Chabarowſk. — Das 1884 errichtete Generalgou—
vernement A. (Priamurſti) umfaßt die Provinz
Transbaikalien, die Amurprovinz, die Küſtenprovinz
und die Inſel Sachalin, zuſammen 2,991,475,5 qkm
mit (1897) 1,031,364 Einw. Hauptitadt ijt Chabarowff.
Amureiſenbahn, geplante Teiljtrece der Sibi-
riſchen Eiſenbahn von Strjetenſt nad) Chabarowff,
Die aber vorläufig nidt in Angriff genommen wird.
Amurgos, Snjel, ſ. Umorgos.
Amurfofafen, ſ. Koſalen.
Amurprovinz (eigentlich Amur), Proving des
ſibir. Generalgouvernements Amur (j. Karte »Sibi—
rien«), zwiſchen Transbailalien, Jakutſk, Dem Küſten⸗
gebiet und der chineſiſchen Mandſchurei, 447,667 qkm
groß mit (1897) 118,510 Einw., darunter 40,000 ruffi-
ſche Anſiedler, 23,000 Nojaten, 25,000 Stadtebewoh-
ner, 16,000 Mandſchu, 6000 Urbeiter auf den Gold-
wäſchen, 8000 Tungujen, 1000 Roreaner. Die Pro—
ving wird im N. vom Jablonoi- und Stanowoigebirge
begrenzt, in ihrer ganjen Breite von N. nad) S. aber
vom Burejagebirge durdjogen, das rechtwinkelig auf
den die Südgrenze bildenden, zuflußreichen Amur
(f.d.) ſtößt. Das gegenſatzreiche Rima ſchwankt zwiſchen
+40° und —400. Der Wald zeigt eine weit reichere
Zuſammenſetzung als ſonſt in Sibirien, die Bahl der
jaqgdbaren Tiere, darunter der Tiger, ijt ſehr qrop.
je find Gerjte, Roggen, Hafer, Weizen,
——
Buchweizen, Kartoffeln, Pelzwerk, Fiſche (Store,
467
Lachſe) in Menge, Gold aus den Goldwäſchen an der
Seja und Bureja, ferner Silber, Blei, Kupfer, Eiſen,
Steinfohle, Naphtha, die indes noch nicht ausgebeu—⸗
tet werden. Hauptitadt ijt Blagowjeſchtſchenſk.
Geſchichte. Nachdem durd ein Zuſammentreffen
von Koſalen und Tſchullſchen 1639 die erſte Kunde
von dieſem Gebiet nach Rußland gedrungen war, ging
1643 eine Koſakenexpedition von Jaklutſt zum Amur
und befubr dieſen Fluß bis zur Mündung. Cine
weite Expedition unter Chabarow 1649 eroberte faſt
as ganze Land an beiden Ufern; doch wurden die
Ruſſen durch die von den Bewohnern zu Hilfe ge—
rufenen Mandſchu-Chineſen verdrängt, und durch
den 1689 zu Nertſchinſt zwiſchen China und Rußland
eſchloſſenen Vertrag wurde Chinas alleinige Herre
Piatt in dieſem Gebiet anerfannt. Da jedod fiir die
a sotpey afiatifden Rufland die Gewinnung
des Stillen Ozeans fehr wichtig war, veranlapte der
Weneralgouverneur Rifolai Muraiwjew 1849 —4H3 die
Erforjdung der Tatarijden Weerenge; die Anlage
Der fejten Grenzpoften Nifolajewjf, Mariinſt und
Wlerandrowfé war die Folge, und 1854 befuhr Mu—
rawjews Dampfer Argun, begleitet von 50 Booten
und zahlreichen Flößen mit 1000 Mann, den Amur
bis Mtariinff. Schon 1855 famen nad der Expedition
des Generals Rorfafow WUderbauer an den Amur;
1856 wurden zwiſchen Nifolajewff und Mariinſt
Reichsbauern, 1857 zwiſchen Strjelfa und Seja trand-
bailaliſche Koſaken angefiedelt. Ym 27. Mai 1858
erbielt Rußland durd) den Vertrag von Aigun, be-
ftatigt 13. (1.) Juni zu Tiéntfin, das linle Tice des
Amur in ſeinem untern und mittlern Lauf, nach der
Einmündung des Uſſuri aber beide Ufer, und durch
die zwiſchen Ignatiew und dem Prinzen Kung 1860
ju Peking getroffene Vereinbarung bekam es die ganze
—* zwiſchen Dem Uſſurifluß und dem Tatariſchen
Meerbuſen; 1861 folgte ein Handelsvertrag. Dies Ge-
biet wurde nun in die jetzige A. und die Küſtenprovinz
(beide dann Teile des Generalgouvernements Amur)
eingeteilt; Generalgouverneur der A. zu Chaborowſt
iſt General N. J. Grodekow, bekannt aus der Ge—
ſchichte des ruſſiſchen Vordringens in der Mandſchurei
ſeit 1900. Bgl. Schrenck, Reiſen und Forſchungen
int Amurgebiet 1854—-1856 (Petersb. 1858— 91);
Uttinjon, Travels in the region of the Amoor
(Lond. 1860); Collings, Exploration of the Amoor
river (2. Aufl. Wafhingt. 1864) und Voyage down
the Amoor (New Yorf 1866); Sdmidt, v. Glehn
und Brylkins, Reijen im Gebiet des Amurſtroms
(Betersb. 1868); Benjufow, Die rujfijd-afiatijden
Grenzlande (deutſch, Leipz. 1874); R. Andree, Das
Amurgebiet (2. Aufl. daf. 1876); Grum-Grſchi—
majlo, Beſchreibung der W. (ruſſ., ‘Betersb. 1894).
Amiifant (franj.), kurzweilig, belujtiqend; Win ii-
fement (pr. mang), Belujtiqung, Unterhaltung.
Amiifetten (fran;.), angeblich 1740 vom Marſchall
Moris von Sachjen erfundene cinpfiindige Geſchütze,
wurden bei mehreren Heeren als Regimentsgeſchütze
Eleinjten Nalibers der Infanterie oder den Dragonern
ugeteilt. Dann verfdwanden fie, tauchten aber Mitte
es 19. Jahrh. wieder auf, in Deutidland nad) dem
Biindnadelfyjtem gebaut, unter Beigabe kleiner Gra-
naten. Gie ertiejen ſich als taktiſch unverwendbar.
Amufie (qried.), Mangel an Kunſtſinn und Vil-
dung; amufifd, ungebildet, rob.
Amiifieren (franj.), unterhalten, beluitigen.
Amwvis, Sprengitoff aus 90 jalpeterjaurem Am—
moniaf, 5 Dinitrobenjol und 5 Holzmehl.
AmHhdon (qried).), Stärkemehl.
30*
468 Amygdalae
Amygdilae, Mandeln; A. amarae, bittere Man: |
dein; A. dulces, fiike Mandeln.
Ampgdaleen , ſ. Prunoideen.
Ampgdalin C,,H,,NO,, + 3H,0 findet fid in
bittern Mandeln (bts 3 Proj.), in Den Kernen der
Apfel, Kirſchen, Pflaumen, Pfirſiche und Sinnyf- |
firiden. in Rinde, Blättern und Blüten der letztern,
in den Blattern des Kirſchlorbeers, wahrſcheinlich auc |
in Rnofpen und jungen Trieben von Sorbus-Vrten |
und Weißdorn und in den Blattern jtrauchartiger
Spiraea-Yrten. Es bildet farb- und gerudloje, ſchwach
biter ſchmeclende Rrijtalle, iſt löslich in Waſſer und
Witohol, nicht in Äther, reagiert neutral, ſchmilzt bei
120° und ift nicht flüchtig. Bittere Mandeln verdanfen
ihre Bitterfeit dem A.; jie find nad) dem Bulvern ge-
rudjlos, rührt man das ‘Pulver aber mit Waſſer an,
jo wird das A. durch cinen eiweißartigen Beſtandteil
der Mandein, das Emuljin, in Benzaldehyd, Blau- |
jaure und Suder zerſetzt und infolgedeffen tritt der
Geruch nach Bittermandeldl auf. Emulſin findet fid
aud) in fiigen Mandeln, und wenn man zu fiiger |
Mandelmild VW. fegt, fo tritt ebenfalls Bittermandel-
Bigerud auf. A. ijt nicht giftig, wird es aber auf Zu-
fag von Emulfin. [Rachenfatarrh.
Ampgdalitis (qried.), Mandelentziindung, |.
Ampgdaloid, |. Mandelſtein.
Amyegdalus, der Mandelbaum; A. Persica, der
Pfirſichbaum.
AmHlla, Hauptitadt der Udder in Lafonien, am
Eurotas, 4 kin fiiddjtlid von Sparta, nut beriifmtem
Apollontempel und bejonders als Heimat der Diod-
furen, der Helena und Klytämneſtra befannt. A. be-
hauptete feine Selbjtindigfeit gegen die Dorier von
Sparta bis etwa 800 v. hr.
AmHFos, im gried. Mythus —— Bebryler
in Bithynien, Sohn des Poſeidon, ein Rieſe, Erfinder
des Faujtfampfes, der jeden in fein Land kommenden
Fremden jum Fauſtlampf zwang und tdtete, bis ifn
Polydeules erſchlug.
Amylacéa, ſtaͤrlemehlreiche Nahrungsmittel.
Mmblacetat :Yampe, ſ. Ehotometrie.
Amplatfohol (Pentylalfohol, Amyloxyd—
bydrat) C,H,,0, Allohol ans der Fettſäurereihe,
von dem 8 Iſomere miglidh find. Gewöhnlich ver-
ſteht man unter Wl. den Garungsamylalfobhot, den
Hauptbejtandteil des Nartoffelfufeldls, der aus Iſo—
butylfarbinol (CH,),.CH.CH,.CH,.OH mit we: |
nig aftivem A. (Methylarhylfarbinfarbinol C,H,.CH |
(CH,).CH,OH) beſteht. Garungsamylalfobol findet
fic auch im andern Fufeldlen, bildet fic aber am
reichlichſten bei Der Garung der Rartoffelmaiide. Da
Garungsamplaltohol ſchwerer fliidtig ijt als Spiritus,
fo ſammelt er fid) bet der Dejtillation im Nadlanf. |
Er bildet eine farblofe, etwas blige Fliffiqfeit vom
ſpez. Gew. 0,818, riecht durchdringend widerlich, zum
Huſten reizend, ſchmedt ſcharf, löſt ſich ſehr wenig in
Waſſer, miſcht ſich mit Alkohol, Uther und Olen, löſt
Harze, Paraffin, Ulfaloide, fiedet bet 132°, erſtarrt
bei - 20°, brennt mit blauer Flamme, wird an der
Vuft fauer und liefert bet der Orydation Baldrian- |
faure C.H. O, bei Dejtillation nut Zinfdhlorid WAmy- |
len. Er ijt febr giftig, erzeugt die dumpfe Betdubung
des Schnapsrauſches und die ſchweren Nachwirkungen
desſelben. Auch das Einatmen der Dämpfe von A.
wirt ſchadlich. Man benugt A. als Ldfungsmittel der
Allaloide, sur Darſtellung und Nachweiſung derfel-
ben, als Leuchtmaterial, zur Daritellung von Frucht
athern, Waldrianfaure, Salpetrigſäureamyläther,
Anilinfarben x. Uber tertidren A. ——
— Amyntas.
Amylen Trimethyläthylen, Rental, Pen—
tylen) C.H,, oder (CH,),C.CH.CH,, Kohlenwaſſer⸗
jtoff Der Fettſäurereihe, von dem 5 Iſomere moͤglich
jind. Das aus Girrmgsamplalfobol durch Deftillation
mit Chlorzink qewonnene A. ijt eine farblofe Flüſſig
fett von unangenchmem Geruch, brennt mit leudten:
der Flamme, ſiedet bei 36° und wurde als andjtheti-
ides Mittel empfoblen.
Amyléenhydrat (tertidrer Amylalto—
hol, Dimethylatbylfarbinol) C,H,.0
oder (CH,),.C.C,H,.OH entiteht aus dem Farfeldt-
amplen C,H,, dDurd) Schütteln unt wenig verdünnter
Schwefelfaure bet —-20° und Roden der Lofung mit
Wafer. Es bildet etme farbloſe Flüſſigleit von atherniid
gewürzhaftem Geruch und brennendem Gefdmad,
ſpez. Gew. 0,815—0,820, ijt löslich in 8 Teilen Waſſer.
miſchbar mit Ulfobol, fiedet bei 99 —103° umd gibt
bet Orydation Ejfighiure und Aceton. Wan benutzt
es als Schlafmittel und bei Epilepſie. Es wirkt
ſchwächer als Chloral, ſtört nidjt dad VUilgemeinbefin-
Den und die Berdauung und fest Utnumg und Kreis
lauf nicht berab.
Amylin, dem Dertrin verwandte, nad rechts po-
larifierende, nidjt vergärbare Subſtanz im techniſchen
Traubenjuder, wird bei der Dialyſe nicht wie Dertrin
surtidgebalten und gibt bei Behandlung mit Schwe
felſäure Suder, wird gum Nachweis von Trauben-
zucker benutzt.
Amylium nitro Smit ——
mylium sum, Ymbylnitrit, rig:
Ampluitrit, |. Salpetrige Saͤure.
Amylobacter, f. Bacillus.
Amylodertrin, |. Dertrin.
Amyloid, ſ. Zellulofe.
Amyploidentartung (Wadsdeqeneration,
Spedentartung), eme Erfrantung, die in cigen-
tümlicher fpedartiqer Verhãrtung der ffenen Dr-
qane befteht. Das Eiweiß diefer Organe wandelt fid
Dabei in eine derbe Subſtanz um, die wegen ihrer uit
Umylum (Stirfe) oder Zellulofe Ahnliden Reattion
(Rotfairbung mit Jod, Blaufirbung mit Jod umd
Schwefelfaure) amyloid, d.b. ſtärleähnlich, genannt
wurde, aber ju den Ciweifforpern gehört. Die A.
befallt 1) als unbeilbares Allgemeinleiden Wily, Nie
ren, Darm, Leber und die fleinen Yrterien andrer
Körperteile; fie iſt Dann ftets Folge von Schwindſucht.
langer —— Nierenkrankheiten, Syphilis x
2) als örtliche VL. in chroniſch entzündeten Schleim
häuten, z. B. die Bindehaut des Auges, Kehltkopf.
Naſe und Luftröhre. Die örtlichen Amyloidknoten
verſchwinden zuweilen nad teilweiſer blutiger Ent
fernung. A. fommt auch bei Ticren vor, am hau
fiqiten beim Bferd, aber aud) bei Rindern, Hunden,
Kaninchen, Fafanen und Hiibnern. Beim Pferd er
franft am häufigſten Die Leber, die fid) enorm ver
rößert, erweidt (im Gegenfage gum Menſchen) und
chließlich zerreißt Verblutung) Bei Rindern und
Hunden ſind ſtets, bez. meiſt die Nieren erkrankt. Bei
Geflügel iſt A. am Darm beobachtet.
Amylomyces Rouxii, ſ. Spiritus.
Amplorydhydrat, ſ. Amylaltohol.
Amylum (Amylon), Stärkemehl; A. maran-
thae, Urrowrovot; A. tritici, Weizenſtärlemehl.
Amymone, im qricch. Mythus Todter des Do-
naos, von Poſeidon Mutter des Nauplios. Die Liebe
des Gottes und der A. war Lieblingsgegqenftand dr
antifen Kunſt.
Wmpntas, Name mehrerer mafedon. Könige, von
denen A. J. (540 - 498 v. Chr.) als der erjte malt
doniſche Herrſcher hervorsubeben ift, der mit den Grie-
Wmyntor — Anacardium.
den, namentlid mit den Peifijtratiden in Athen, in
nähere Verbindung trat.
myntor, Gerhard von, f. Gerhardt.
Ampyofthenie (qriech.), mangelnde Muslelkraft.
Ampyot (jr. amis), 1) Jacques, fran3. Profaifer,
Deffen überſetzungen wegen ihres annuitigen Stils
— klaſſiſchen Literatur gezählt werden, war geb. 30.
t. 1513 in Melun und jtarb 7. Febr. 1593 als Vi-
jdhof von Uurerre. Margarete von Navarra war feine
Ginnerin und gab ihm eine Profeſſur in Bourges, die
er 12 Sabre befleidete. Heinrich I. ließ feine Söhne
durch ihn erziehen und belohnte ihn mit reiden Pfrün⸗
den. A. überſetzte, im einjelnen nidt alles ridtig ver-
jtehend, aus dem Griechijden den Roman Heliodors:
»Theagenes und Charifleia« (1549), »Daphnis und
Ehloe« von Longos (1559), Plutarchs Biographien
(1559) und »Moraliae (1574). Geine Uberjegung
de3 Plutarch wurde von Corneille fiir dejjen antife
Tragödien als Quelle benugt und bildete aud) in
Norths englijder Überſetzung die Hauptquelle von
Shalejpeares Rimerdramen. Die »(Zuvres com-
plétes« erſchienen 1783—87 in 22 Bon., 1818—21
in 25 Bon. Vol. de Bliqnitres, Essai sur A.
(Par. 1851); Jager, Zur Kritif von Amyots Uber-
ſetzung von Plutards Moralia (Heidelb. 1899).
2) Joſeph, gelebrter franz. Jefuit, qeb. 1718 in
Toulon, ging 1750 als Miffionar nad) China, wo er
1794 ftarb. YW. war einer der erjten, durch die wir
qenaucre Nadricdten über die Völker Ojtajiens er-
bielten. Seine Hauptarbeiten über die Wtertitmer,
Geſchichte, Sprache und Riinjte der Chinefen finden
jid) in den »Mémoires concernant l'histoire, les
sciences et les arts des Chinois« (ar. 1776—1814,
16 Bde.). Gein »Dictionnaire tatar-mantchou-
francais« gab Langles heraus (Par. 1789, 3 Bde.).
Amyotrophic (qricc.), Mustelatrophie, -fdwund.
Amyraut (jpr. amirvs, Umyraldus), Mofes, re
form. Theolog, geb. 1596 gu Bourgueil in der Tou-
raine, gejt. 8. Jan. 1664 als Pfarrer und Profeſſor
der Theologie in Saumur, ſuchte in feinem »Traité
de la prédestination« (1634) die ftrenge Theorie von
der Gnadenwahl ju mildern durch Aufſtellung eines
»universalismus hypotheticuse, dD. . durch Die Lehre
von einem Gnadenwillen Gottes, alle Menſchen unter
der Bedingung des Glaubens gu befeligen. Mehrfach
angeflagt, wurde er immer wieder freigefproden.
Gegen es Lehre wandte fid) aber der Consensus
helveticus (f. d.). Bgl. Schweizer in den »Theo-
logijden Jahrbüchern⸗, 1852; Fraiffinet, Essai
sur la morale d'A. (Zouloufe 1889).
Ampjris L.(Saljampfilanje, Balfam-, Sal-
benbaum), Gattung der Rutazeen, Sträucher und
Baume mit eins bis dreizähligen oder unpaarig ge-
fiederten Blattern, achſel- oder endjtindigen Bliiten-
rifpen und cinjamiger Steinfrucht. Etwa 13 Arten
im tropijden und jubtropijden Amerika. Aus der
Rinde von A. balsamifera L., einem Baum auf Cuba,
Jamaika, arty Rico, in Kolumbien, Venezuela und
(Ecuador, fließt ein ſcharfer, wohlriechender Balſam,
der arzneilich benutzt wird. Das Holz (Jamaita—
oder amerikaniſches Roſenholz, weſtindiſches
Sandelholz, Bois de Citron) riecht ſchwächer als
das echte Roſenholz, ijt wei, mit qrauer Rinde und
wird gu Räucherungen, Drechfler- und eingelegten
Urbeiten verwendet. Es liefert ein dtherifdjes OL. A.
silvatica Jacq., auf Jamaifa und in Rolumbien, lie-
fert techniſch benutzbares Har}.
An, cin in der Buchhaltung gebriudlider Wus-
drud, der 1) bei der Formierung der Yournalpojten
469
der doppelten Buchführung vor den Kreditor gejest
wird, 2) alle auf der Debetjeite cines Budes bewirtten
Eintragungen einleitet. Der Gegenfag ijt Per (j. d.).
Wn ..., das gried. alpha privativam vor Bo-
falen (3. B. Unalphabet); vgl. »A«.
Ana (griech. abgetiirzt 4a), bedeutet auf Rezepten:
von jedem Ingredienz die gleiche Menge.
na, als Endung ju einem Eigennamen gefiigt,
bezeichnet eine Sammlung von Ausſprüchen, Wrg-
worten, Urteilen, Notizen oder Wnefdoten, die den
Träger jenes Namens entweder unmittelbar angehen,
oder auf ihn als Quelle zurückgeführt werden. Dieſe
Literatur ſcheint zuerſt in Frankreich mit den »Sca-
ligerana< (Haag 1666—69, 2 Tle.) aufgefontmen zu
fein; fie fand aud) in Deutſchland (⸗ Taubmanniana«,
@allettiana« u.a.), Dänemark, Holland, England
und Nordamerifa Nadhahnumg und Gliid. Cine
reiche Sanuulung der A. tse] Warnier (Par. 1789—
1791, 10 Bode.) heraus. Bol. Ludewig, Le livret
des A. (Dresd. 1837; vermehrt abgedrucdt in Namurs
»Bibliographie des ouvrages d’A.«, Briijj. 1839);
Mohr, De la bibliographie des A. (Daf. 1882).
Ana, Stadt im ajiatijd-tiirl. Wilajet Bagdad, tang-
geſtreckt am rechten Ufer des Cuphrat, mit reider Vege-
tation, bon 3000 Urabern bewohnt, die Mantel ver-
fertigen und viel Objt und Baumwolle ziehen.
naa, cine der fran3. Tuamotuinjeln (PBolynejien),
20 qkm, mit fatholijder Miſſion, qutem Hafen und
Anabaena, j. Azolla. [1150 Cinw.
Anabaptijten, ſ. Wiedertäufer.
Anabas, Kletterfiſch.
Anabaſialer Schädeltypus, ſ. Schädel.
Anabaͤſis (griech.), das Emporſteigen, insbeſ.
eine Reiſe oder ein Feldzug nach einer höher gelegenen
Gegend, iſt Titel zweier griechiſchen Geſchichtswerke:
1) Die UW. Des Kyros, von Xenophon (j. d.), worin
der Zug der 10,000 Grieden von der Küſte Klein—
afiens gegen Yrtarerres und deren Rückzug nad) der
Schlacht bei Kunaxa befdrieben ijt (401 v. Chr.);
2) die UW. Alexanders d. Gr., von Arrianos (f. d.),
Die deſſen Feldzüge in Aſien zum Gegenjtand hat.
Anabasis L., Gattung der Chenopodiazeen, Stau-
den oder Sträucher mit gegliederten Zweigen, gegen—
jtiindigen fleiſchigen Blatter mit Endborſte oder
ſchuppenartigen oder paarweije gu einem Beder vers
wachſenen Blittern. 17 Arten un Veittelmeergebiet,
Wejt- und Mittelafien. A. tamariscifolia DL. wird
verbrannt, unt aus der Aſche Soda gu bereiten. A.
articulata Moq. (Domran) ijt cine Charafterpflanye
der Libyfden Wüſte.
Anabaͤtes, griech. Wettfampf, bei dem der mit
Lange und Sdhild bewajfnete Reiter in vollem Lauf
abjpringen und, das Pferd am Zügel, nebenher laufen
Unabaum, ſ. Acacia. mußte.
Anabiõſe, ſ. Leben.
Anacanthini (Weichfloſſer), Unterordnung
der Knochenfiſche, ſ. Fiſche.
Anacapri, ſ. Capri.
Anacardium ZL. (Nierenbaum), Gattung der
YUnafardiazeen, Bäume und Sträucher mit großen,
einfaden, gangrandigen, lederartigen Blättern, klei—
nen gweihaufigen Blitten in endftandigen, trugdol-
digen Rifpen und nicrenformiger Steinfrucht aut flei⸗
ſchigem, birnförmigem Stiel. Acht tropiſch-amerika—
niſche Arten. A. occidentale L. (Rafdus, Ucajou-
baum), in Weftindien und Brajilien, überall in den
Tropen fultiviert, liefert die weftindifden Ele-
fantenlaufe(Ucajouniiffe Unafarden, Merk—
niiffe), die in Lücken Der dDunfelbraunen Mittelſchicht
470
des Harten Fruchtgehäuſes cin bräunliches, brennend
ſcharfes, ſpaͤter trodnende3 OL enthalten. Dies Ol,
das Nardol und Analardſäure enthalt, dient als
Schutzmittel gegen weiße Umeifen, gu unauslöſchlicher
Tinte, zum Schwarzfärben der Paraffinkerzen (Trauer⸗
lerzen) und als Heilmittel gegen Rheumatismus. Die
hühnereigroße, gelbe, ſüßlichſaure Scheinfrucht, Una-
farde (j. Tafel »Tropijde Früchte⸗, Fig. 8), wird ge-
geſſen und auf Spiritus und Eſſig verarbeitet. Auch
die Samen werden gegefjen. Sie liefern ein Helles,
ſchmackhaftes Speifedl (Ucajousl). Aus dem Stamm
des Baumes erhält man das Caſhawagummi
(Acajſougummi) cin Surrogat des arabiſchen Gum⸗
mis, das auf Martinique, Guadeloupe und in Bra—
ſilien geſammelt wird. Der Stamm liefert das weiße
Mahagoniholz.
Anacharis, ſ. Elodea.
Anadharfis, 1) cin Sythe aus fiiritlidem Ge-
ſchlecht, unternahm zur Befriedigung feiner BWij-
beqierde weite Reijen, fant mit feinem Freunde Tora-
ris ju Solons Beit aud nach Uthen und foll nad) der
Riidfehr in fein Vaterland auf Befehl des Königs
umgebracht worden fein, weil er die Myſterien der
Griechen einzuführen verjudt habe. Spätere Griechen
haben fich viel mit feiner Perſon beſchäftigt und ihn als
unverdorbenen Naturfohn ihren verfeinerten Lands—
leuten geqeniibergejtellt, aud) Schriften unter feinem
Namen gefälſcht. Berühmt ijt die » Voyage du jeune
A. en Gréce« (Bar. 1788), in der 9. J. Barthélemy
(f. dD.) feinen A. einige Jahre vor Uleranders d. Gr.
Geburt in Griedentand reifen und ein lebensvolles
Wemalde des damaligen Hellas entwerfen läßt.
2) Franz. Revolutionir, f. Cloots.
Anagoreten (qried)., »die ſich zurückge zogen ha⸗
ben«), Verſonen, die in der Ginfamteit ungeſtört
frommen Betrachtungen und Übungen leben. Als
ihre bibliſchen Vorgänger können Elias und Eliſa, auch
Johannes der Täufer betrachtet werden. Das chrijt-
liche Anachoretentum datiert aus den Zeiten der Chri-
jtenverfolqungen; in den Wiijten Ägyptens, Syriens,
Palajtinas lebten Hunderte von A. unter Selbjtpeini-
gungen Der ſeltſamſten Urt, deren Endziel die gänz—
lidhe Ertdtung des Fleiſches und die myſtiſche Ver-
einigung nit Gott war. Befonders war im Morgen:
lande der Einfluß der A., Die man fiir Heilige bielt,
bedeutend. Bei der zunehmenden Zahl der A. bildeten
fic) unter ihnen kleine Gemeinſchaflen, die ihre Hiitten
um eme gemeinſame Napelle bauten (f. Laura). Dare
aus entitanden in der Thebaifden Wüſte die eriten
Klöſter, mit deren zunehmendem WUnfehen das Ana—
choretentum an Bedeutung verlor. S. Eremit
Anachoreteninſeln, J Admiralitãtsinſeln.
Anachronismus (griech.), Verſtoß wider die Zeit-
rechnung oder Chronologie, indem eine Begebenheit
aus Unkunde oder abſichtlich im einen falſchen Zeit—
raum verſetzt wird.
Anacletus, Name von zwei Päpſten: 1) WL,
aud Cletus, der Heilige, war von 76 —88 (?) dritter
Biſchof von Rom als Nachfolger des Linus und foll
unter Domitian den Märtyrertod erlitten haben.
2) U. II. vorher Petrus Leonis, aus der von reid
gewordenen Juden ſtammenden, ſpäter sum Chrijten-
tum tibergetretenen Familie der Bierleoni, in Paris
erjogen, Dann Wind in Cluny, darauf Kardinal
und Legat in Franfreid und England, wurde nad
Honorius’ I]. Tode 14. Febr. 1130 gegen den durch
die Frangipani und einen Teil der Nardiniile gewähl
ten Innocenz IT. sum Bapft erhoben. Bon den Rb
mern, Mailandern und Roger von Sizilien unter-
— — — — — — — sss sss sss sss — —
Anacharis — Anagallis.
ſtützt, —— ev Innocenz IT. zur Flucht nach Frank
reich und behauptete ſich, auch nachdem Kaiſer Lothar
1133 den Papſt in den Lateran geführt hatte, jenſeit
des Tiber. Nad) Lothars Abzug mußte Innocenz
abermals aus Rom weiden, und A. behauptete fid
auf dem papjtliden Stubl und im Beſitz des grop-
ten Teiles von Rom mit der Petersfirde bis zu femem
Tode (25. Jan. 1138). Val. Mühlbacher, Die jtrei-
tige Papſtwahl des J. 1130 (Innsbr. 1876).
Anaconda, Stadt im nordamerifan. Staate Mon-
tana, Grafſchaft Deerlodge, mit (900) 9453 Einw
und dem grogartigiten Rupferidmelj wert der Welt
(Jahresförderung 1897: 17,3 Mill. Doll).
Anacyclus 1. (Ring 6lume), Gattung der Rom:
pofiten, einjährige oder ausdauernde fable oder Loder
weidbaarige Rrduter mit zwei⸗- bid dreifach fieder-
teiligen Blattern und meiſt weißen oder purpurnen
Strabhl- und gelben Scheibenbliiten. Etwa 12 in den
Wittelmeerlaindern heimifde Yirten. Die mehrjährige
A. officinarum Hayne liefert die fajt geruchloſe, bren-
nend ſchmeckende deutſche Bertram, (Speidel-
oder Rahn-) Wurgel, A. Pyrethrum DC. (Bert:
ram-Ringblume, Bertram-RKamille), eben
fallg ausdauernd, die echte oder rimifde Bert-
ramwurgel (Johanniswurz). Beide enthalten
Inulin und ein ſcharfes Harz, werden angebaut und
arjneilid) benupt.
nadiplofid (qried.), rhetorijde Figur der Wis
derholung, bejtehend in der Einſetzung eines Wortes
oder einer Redewendung am Unfang und Ende eines
Sages. Val. Epanalepfis, Cpizenris, Unaphora, Epi-
nadoly (tiirf.), ſ. Unatolien. [phora.
Anadoly Hiffar, ſ. Bosporus.
Anadromen (qried).), die in der Jugend aus dem
Meer in die Fliijje auffteiqenden Wanderſiſche.
Anadvyomene (qricd)., die » Wuftaudende<), Bei
name der Uphrodite als der aus dem Meer Entitiege-
nen. Die beriihmtejte Darjtellung der Göttin, wie
fie, Dem Deere halb entitiegen, ihr Haar mit den
Hiinden trodnet, war Wpelles’ Gemälde im Tempel
des Usflepios auf der Inſel Ros, das ſpäter von
Auguſtus nad Rom geſchafft und im Tempel des
Cajar als Bild der Stammmutter des Juliſchen Ge-
ſchlechts aufgeitellt wurde. Bal. Stephani im
»Compte rendu de la commission archéologique
pour 1870/71l«, S. 58 ff. (Wetersb. 1874).
Anadyr, Fluß in der oſtſibir. Küſtenprovinz. ent-
fpringt aus dem Bergſee Ibaſchlino am Ojtabbang
des Stanowoigebirges, nimmt die Orlowla, Rras-
noja, Vielaja auf und mündet nad 1230 km fangem
Lauf unter 64° 40’ nördl. Br. in den Unadyrfden
Liman des Anadyrgolfs (j. d.).
Anadyrbezirk, Teil der ruſſiſch-ſibir. Küſtenpro⸗
vinz zwiſchen dem Eismeer und dem VBerimgmeecr,
523,200 qkm mit 0891) 10,100 Einw. (Tſchuttſchen
und Rorjafen). Bal. Olfufjew, Dor W. (raj.
Petersb. 1896).
Anadyrgolf, Teil de3 Beringmeers, der zwiſchen
den Vorgebirgen Tſchulotſtij und St. Taddaus in die
Tſchuktſchenhalbinſel einfdneidet und den Anadyr⸗
jcen Liman und die Bucht Heiliges Kreuz bilder.
Unaérobien, j. Aërobien.
Anafielas, j. Glasberg.
Anagallis L. (Gaudbeil), Gattung der Bri-
mulazeen, einjabrige oder ausdauernde Pflanzen mit
gegenſtändigen, guirligen oder {piraligen, gangran-
digen Blattern, einzeln achſelſtändigen, langgeſtielten
Bluͤten und vielfamigen Kapſeln. Enva 12 Virten in
Europa, Wfrifa, Wejtajien, Sildamerifa. A. arven-
Anaglyphe — Anafreon.
sis Z., zartes Pflänzchen mit roten, aud) blauen Blü—
ten, in fajt ganz Europa als Uderunfraut, galt früher
als Mittel gegen Hundswut.
Anaglhphe (Anaglypt, griech.), erhabene Ur-
beit, Relief. Bal. ——
Anaglypta, Fabrikat aus Papiermaſſe, die in
breiigem Zuſtand in Meſſingformen gepreßt wird und
in Diefen erjtarrt. A. wird tapetenartig verwendet,
dient aber aud als Erſatz von Deden, Wandfriejen rc.
aus Stuct und fann uit verhältnismäßig fraftigem
Relief gepreßt werden.
Anaglyptoffop, |. Pſeudoſtopiſche Erjdeinungen.
Anagui (jor. -anji), Stadt in der ital. Proving Rom,
Kreis Frojinone, an der Cifenbahn Rom -Reapel,
Biſchofsſitz feit dem 5. Jahrh., hat eine alte Rathedrale
mit Moſaikboden und Bildſäule Bonifacius’ VILL,
eit ſchönes Stadthaus, alte Stadtmauern, Weinbau
und (1901) 10,059 Einw. Die Stadt (das alte Anag-
nia, Hauptſtadt der Hernifer) gehörte im Mittelalter
gum Rirdenjtaat. 1303 wurde bier Bonifacius VIII.
von dem franzöſiſchen Kanzler Nogaret (j.d.) und den
Colonna gefangen genommen. Bgl. de Magijtris,
Storia di A. (Rom 1889 ff.).
Mnagnoft (qriech., lat. Lector), »Borlefer<, bei den
Römern meijt cin Slave; in den altdrijtliden Ge-
mteinden das mit der Berlefung der Sdhriftabjdhnitte
bei den gottesdienjtliden Verſammlungen betraute
Mitglied. Seit dem 3. Jahrh. qehirte das Amt gu
den niedern geiſtlichen Ordines (ſ. Ordination), deren
unterjte Stufe es nod) jest in der griechiſchen Kirche
bildet. S. auch Leftor.
Anagoge (qriech., > Hinauffithrung<), im der Rhe—
‘torif Die Redes und Auslegungsweiſe, bet der man
in Dem buchſtäblichen Sinn etwas Höheres, 3. B.
durch Irdiſches etwas Himmliſches, ausgedriidt findet.
Sie wurde namentlich bet der Erklärung der bibliſchen
Bücher (anagogiſche Sshriftauslequng) ange-
wendet und oft jebr gemißbraucht.
Anagramm (qriech.), die Verjepung der Buch—
ſtaben eines oder mehrerer Worter, um dadurd cin
neues Wort oder einen neuen Gah gu bilden. Ent-
weder wird die natiirliche Reihenfolge der Buchſtaben
bloß umgefehrt, 3. BV. Roma in Umor, oder man
verſetzt die Buchjtaben beliebig, nur jo, daß feiner
ausgelajjen wird, 3. B. Lied aus Leid; Vastari,
Austria. Als Erjinder des Unagrannns wird Lyfo-
phron (3. Jahrh. v. Chr.) genannt. Das eigentlicde
Baterland desjclben ijt das Morgenland, die jiidi-
ſchen Mabbalijten haben es weiter verbreitet; fein gol-
denes Seitalter fällt indas 16. und 17. Jahrh. Gamm-
lungen von Anagrammen gibt es von Mautner (Rojt.
1636), Stender (Braunſchw. 1673) u.a. Bal. La-
lanne, Curiosités littéraires (Par. 1857); Wheat-
1 y, On anagrams etc. (Lond. 1862); Dobjon,
Literary frivolities (Daf. 1880).
Anagfris L., Gattung der Lequminojen, Strau-
cher mit gefingerten Blattern und gelben Bliiten in
furjen Trauben; zwei Arten im den Mittelmeerlän—
dern. A. foetida L. (Stintjtraud) beſitzt fehr übel—
riedendes Holz, die Bliitter wirfen abfiihrend, die
Samen bredjenerreqend.
Anahuac (merifan., sam BWaffers) wurde von
den WMerifanern und ihren ältern Uutoren (Tezozo⸗
moc, Sahaqun) das Küſtenland Mexikos qenannt, und
man unterjdied U. Xicalanca, dad Golffiijtentand,
und YW. Ayotlan, das pacifiſche Küſtenland. Erſt
der Franziskaner Motolinia (Ende des 16. Jahrh.)
—— das Wort für ganz Neuſpanien, bez. Mexiko.
ein Irrtum rührt wahrſcheinlich daher, daß die
471
Mexilaner das Wort »cam-anahuace, »ganz W.«, d. h.
»das ganze Land einſchließlich der beiden Küſten—
ftridje<, im Sinne von »alles Land⸗, »die ganze Welt⸗
ebrauchten. Spätere Autoren ſind ihm gefolgt und
—— da ihnen die Etymologie nicht unbekannt war,
—— dak das Wort das Land an den Seen, d. bh.
a8 eigentlide Hodjtal von Merifo, bezeichne. Geit-
dem Hat man fid) gewöhnt, gerade das Hodland von
Merito als U. gu bezeichnen. Bgl. Sapper, Das
ndrdlide Mittelamerifa, nebjt einem Wusflug nad
dem Hodlande von U. (Braunſchw. 1897).
Anaitis (perj. Unadhita), ajiat. Gittin des Ra-
turlebens und der Frudtbarfeit, von den Gricchen der
(ephefifchen) Urtentis oder der Aphrodite gleidgefest,
wurde in Berjien, Medien, Wrmenien und Kappado—
fien verehrt. Als Gottheit der weibliden Befrudtung
wurde fie hier und da durch Projtitution — Bal.
Ed. Meyer in Roſchers »Lexifon der Wythologiee.
Anakahnitholz, ſ. Cordia.
Anafalypteria (gried.), bei den Griechen der
Teil der Hochzeit, wo ſich die Braut gum erjtenmal
sunverbiillt« zeigte und dabei die qleidfalls UW. ge-
nannten Brautgejdenfe in Empfang nahm.
WUnafarden, |. Anacardium.
Anakardiazeen (Terebinthajeen, Balfam-
gewächſe), difotyle, etwa 500 Arten umfajjende,
hauptfidlid) in der Tropenjone einheimifde, aber
aud) in Giideuropa vertretene Pflanzenfamilie aus
der Ordnung der Terebinthinen, Gerbſtoff und Harz
fiihrende Baume und Sträucher mit wechſelſtändigen,
ungeteilten, dreizähligen oder unpaarig gefiederten,
nebenblattlofen Blattern und eingefdledtigen, ein-
oder zweihäuſigen, feltener switterigen, regelmäßigen,
meijt fleinen Bliiten in Rijpen oder Whren. Zwi—
ſchen Staub- und Fruchtblattern befindet fich ein ring:
oder becherförmiger Diskus; letzterer ijt ftets einciig.
Die Frucht bejigt bisweilen eigentümlich gejtaltete An⸗
hangsteile. Mehrere Yirten finden mediziniſche An—
wendung (Maftir, Elefantentiuje). Gegeſſen werden
die Früchte von Pistacia vera und Anacardium. Die
Rinde von Rhus coriaria dient als Gerbmaterial.
Yirten von Pistacia, Rhus, Anacardites u. a. lom⸗
men foffil in Lertidrjdidten vor. [(f- d.).
Angakes (»die Herren«), Beiname der Diosfuren
Anaflija, Stadt im ruffifd)-faufaj. Generalgouv.
Raufajus, am linfen Ufer des Ingur, nabhe feiner
Miindung ins Schwarze Meer. Hier wurden 1898
höchſt ergiebige Erddlquellen aufgefunden.
nafoluthie (Anakolüthon, qried., »Un-
folge«), Abweichung von der logiſch oder gramma—
tijd) ridjtigen Ronjtruftion, bei welder der Nachſatz
nicht in der Weife fortfährt, wie man es nad) dem
Vorderſatz erwartet.
Anafonda, ſ. Rieſenſchlangen.
Anafréon, griech. Lyriker, aus Teos in Jonien,
lebte am Hofe des Polykrates von Samos, nach deſſen
Fall (522) ihn der Peiſiſtratide Hipparch nad) then
30g. Über feinen Verbleib nach dem Tode diefes (514)
weiß man nichts Sicheres. Er ftarb, 85 Jahre alt,
der Sage nad) durch Verjdlucen einer getrodneten
Weinbeere. Seine Statue auf der Burg gu Athen
jtellte ifn als vom Bein begeijterten —* San-
er dar, wie er iiberhaupt als Typus eines nod im
Sitter dem Wein und der Liebe Huldigenden Didters
alt. Denn der Liebe, dem Wein und der hHeitern
efelligfeit galt die Mehrzahl feiner in dem weiden
ioniſchen Dialeft verfaften Lieder, deren Schönheit
und Anmut beriifmt war. Bon feinen Gedidten in
fiinf Büchern (auger lyrifden Lieder, Elegien. Cpi-
472 Anakrotismus
rammen, Jamben) find mur ſpärliche Fragmente er⸗
ten (in Bergls »Poetae lyrici graeci«, Bd. 3).
adahinungen aus verjdiedener, gum Teil fpater
Zeit und von verſchiedenem Wert enthalt eine ⸗Ana⸗
freonteia« betitelte Sammlung von etwa 60 zumeiſt
Wein- und Liebesliedern (hr3q. von Rofe, 2. Wufl.,
Leips. 1876; bet Bergk a. a. O.). Diefe Lieder übten
auf die moderne Lyrif feinen geringen Einfluß aus.
Nachdem fic) bereits im 17. Jahrh. Spuren der Una-
freontif sescigt hatten (vgl. Witfow ffi, Die Bor-
laufer der anafreontijden Didtung in Deutidland,
Leip. 1889), bradten Gleim durd) feinen ⸗Verſuch
in ſcherzhaften Liedern« (Berl. 1744) und Gig durd
jeine in Gemeinſchaft mit Uz verfaßte Überſetzung
Anakreons dieſe tändelnde Lyrik fiir länger als em
Jahrzehnt zu großer Beliebtheit. In neuerer Zeit
wurden die Anakreontiſchen Lieder von Uſchner (Berl.
1864), €. Méorife (Stuttg. 1865) und Junghans |
(Leips. 1873) überſetzt.
Anakrotiomus (qricd.), ſ. Puls.
Anakruſis (qricc.), Uuftatt, Aufſchlag, in der
antifen Metrif und Muſik die Vorſchlagſilbe, die Dem
Beginn der eigentliden rhythmifden Bewegung vor-
angeht.
Anaktorion, Kolonie der Korinther und Korky: |
räer am Cingang des Ambrakiſchen Meerbufens, die
bedeutendite im Land: der WUfarnanen, die YW. 425
v. Chr. eroberten und den auf der äußerſten fladen
Feitlandsipige (Alte) geleqenen Tempel des Apollon
gu threm Bundesheiliqtum madten. Neben demfelben
cine fleine Orticaft, Uftion (Uctium), berühmt als
Lagerplatz des Untonius vor der befannten Sdladt.
naldriifen, ſ. Afterdrüſen.
Analéften (qricch., »Wufgelejenes<), eine Samm⸗
fung auserlejener Stellen aus Schriftſtellern, befon-
ders Didtern; aud) Sammeljdrift. Val. Kolleltaneen.
Analemma (qriec.), das Ujtrolabium.
Unaleptifa (qried.), ſ. Erregende Mitte.
Unalgen (MU thoryacetamidodinolin)
C,,H,,NO,, aus Orydinolin dargeftelltes weißes, ge-
ſchmackloſes Pulver, fajt unlöslich in Waffer, ſchwer
löslich in faltem, leichter in heißem Wlfohol, reagiert
neutral, ſchmilzt bet 155°, farbt bei innerlidem Ge-
braud) den Harn rot. A. wird gegen Wedhfelfieber und
als jdpmersitillendes Mittel bei Neuralgien benugt.
Analgejie Unalgic, griech.), Schmerslofigfeit,
Unempfin dlichkeit gegen fdymershajte Gindriide bet der
das Taſtgefühl aufgehoben (totale Anäſtheſie) oder
mehr oder weniger erhalten fein fann, wie bei Chloro- |
jormnarfoje, Riidenmarfstranfheiten, Hyfterie re.
Anallantoidéa, Wirbeltiere, die fic) ohne Allan⸗
tois entwideln: Fiſche, Umpbhibien.
Analog (qried).), in feinen Verhältniſſen ähnlich.
Analogic (qried).) bezeichnet dic tiberemitimmung |
ewijjer Dinge in einem oder mebhreren wejentliden |
erfmalen, aus der Dann mit (nad) Menge und We—
jentlichfeit des Ubereinjtimumenden jteiqender) Wabhr:-
ſcheinlichteit auf Übereinſtimmung aud) in den fibrigen |
Mertmalen geſchloſſen wird. Beifpielsweife folgerte |
Kepler aus dem Umſtande, daß die Blaneten unfers |
Sonnenfyjtems in vielen wichtigen Besiehungen unter-
cinander harmonteren und einer derfelben, Rare, fei- |
nen Beobadtungen jufolge erweislich eine elliptifde |
Bahn beſchreibt, daß fich ſamtliche Planeten in Ellip: |
jen um die Sonne bewegen. Sind jedoch die fiberein: |
ſtimmenden Merfmale zufälliger Natur, fo ijt die A.
nur ſcheinbar, nidt wahrhaft, und es lönnen auf |
ihrem Wege fehr irrige Folgerungen sum Borfdhein
fomimen; daher tit die U. Das am wenigſten verläß— |
— Analogon.
liche Indultionsverfahren (vgl. Ynduftion). — In der
Mathematik ijt A. bei den Griechen foviel wie Propor⸗
tion, 3. B. Neperfde Unalogien, ſ. Trigonometrie.
— U. des Glaubens (lat. Analogia fidei) heißt in
der evangelifden Dogmatik der Mapitab, den die kla⸗
ren und ungiweideutiqen Stellen der Heiligen Schrift
behufs des Verſtändnifſes der tibriqen ergeben. Bor-
ausjebung dabei ijt, Dak innerhalb der Bibel felbit
leinerlei Widerſpruch obwalten fonne; wo ein folder
vorhanden gu fein ſcheine, werde er fic) löſen, fobald
man Die Stelle tm Lichte ded Gefamtinhalts betradte.
In juriftifder Beziehung (VW. des Geſetzes und
des Redtes) verjteht man unter A. diejenige rechts
wijjenfdaftlide Operation, die zeigt, daß etn in der
qeltenden Rechtsordnung nidt ausdrücklich entſchiede⸗
ner Fall den Prinzipien dieſer Rechtsordnung gemäß
in beſtimmter Weiſe entſchieden werden müſſe. Man
ſagt daher wohl aud), die U. diene zur Ergänzung von
Lücken der Geſetzgebung. Die Reſultate der A. find
zuweilen ſogar als cin beſonderes Recht der Wiſſen—
—* Juriſtenrecht, Recht der Praxis bezeichnet wor⸗
den. Wenn die UW. auch nicht neue Geſetzesvorſchriften
ſchafft, fo ijt jie Dod) fiir Die Fortbildung der in den
cinjelnen Gefefen rubenden Grundgedanfen von bo-
hem Wert. Man unterfdeidet Geſetzesanalogie
und Redtsanalogie. Unter erjterer verjteht man
die Unwendung eines gefepliden Rechtsſatzes auf
cin gwar in demſelben midt ausdrücklich getroffenes.
wobl aber unter fein Bringip fallendes Berhaltnis, auf
einen rechtsähnlichen, analogen Fall (ubi eadem ra-
tio legis, ibi eadem dispositio). Dieje A. ijt wobl ju
unterjdetden von Der ausdeHnenden Erflarung
(extenſiven Snterpretation) eines Gejeges, d. h. der
Uusdehnung eines Geſetzes auf Faille, die gwar nad
Dem Wortlaute desfelben nicht darunter begrijfen zu
fein fcheinen, doch aber dem Ginne nad Darunter fal—
lest, indem Der ry tare Die Fälle allerdings mit im
Auge und nur die Faffung des Geſetzes zu eng ge
nontmten hatte. Redtsanalogie ijt Die iubune
eines Rechtsſatzes aus dem Geijte der ganzen Geſetz
gebung, des ganzen Rechtsſyſtenis fiir einen Fall, der
aud) nicht unter Das Pringip eines bejtehenden einjel-
nen Rechtsſatzes fallt. Unjtatthaft ijt die A. bei ſingu⸗
liiren Rechtsſätzen, befonders bei Privilegien. Da be-
züglich Des Bürgerlichen Gefegbuches eine Ergänzung
aus dem frithern Recht ausgeſchloſſen ijt, fann fir
dasſelbe mur die Rechtsanatogie in Betracht fomunen.
Das Strafrecht fteht in betreff der Bulaffigfeit der A.
mit Dem Zivilrecht nicht in qleichem BVerhaltnis. Denn
im Strafrecht gilt Der Grundſatz: Es fann feine Hand-
lung bejtraft werden, die nicht mit Strafe bedrobt iit
(nulla poena sine lege); es bleibt alſo bier Dem Rich-
ter in den Fallen, wo das Geſetz feine Strafandrohung
enthalt, nur der Wusweg, dabin ju entideiden, dak
fein Verbrechen anzunehmen fei. Gleichwohl konnte
die A., wenigſtens die Rechtsanalogie, bei der Unvoll⸗
ſtändigleit des frühern gemeinen deutſchen Strafrechts
auch auf dieſem Gebiete nicht entbehrt werden. Die
neuere Strafgeſetzgebung aber, namentlich das deutſche
Reichsſtrafgeſetzbuch ($2) und ebenſo Art. 4 ded Aund⸗
machungspatents zum öſterreichiſchen Strafgeſetzbuch
vom 27. Mai 1852, ſchließen Die A. vollſtändig ars.
MAnalogicbildung, auj Unalogie, befonders auf
fogen. falſcher Analogie berubende Neubildung in einer
Sprache. So beruhen die neuhochdeutſchen Formen
fliegſt, flieqt« für Dad ältere ⸗fleugſt, fleugt« auf der
Analogie von »fliege, fliegen · 2.
Analogic der Bildungen, ſ. Ähnlichleit.
Analdgon (griech.), etwas YUnaloges, ÄAhnliches.
Analphabeten — Analyſe.
Analphabéten (griech.), die des Leſens und Schrei⸗
bens unfundigen Perſonen, deren Zahl, verglidjen
mit der ee Landes, bezeichnend
473
leichheit längſt nicht mebr fo auffallend wie vor 30
Jahren. Es gab U. unter 100 Dienjtpflictigen in:
fiic den Rulturgzuftand de3 Bolted ift. Mit dex Ermitte- Proving [1870 1880 | 1800 | 1809
lung der betretfenden Rablen hat man fic) erjt in det | Ofpreufen . . . . | 8,50 5,50 | 249 0,36
modernen RKulturjtaaten und aud in diejen nod nicht Weftpreufen. 2. 14,17 Bee | 339 | 0,31
lange forgfaltiger beſchäftigt. Geringe Zuverläſſigkleit Bojen. . . . . - 14,38 | 10,09 | 3,01 0,41
haben die Ungaben iiber die Bahl der A. in Ländern Pommern. . . . - 1,08 | 0,03 0,23 0,08
auferbalb der europäiſchen Kulturſphäre. In den Kul⸗ oe ° 0,69 0,53 0,11 0,06
turjtaaten Europas und Umerifas und deren Kolonien one — — * ae | mp a
hat mit Verbeſſerung des Schulweſens, Cinfiihrung | Seieswige Gotten . | 000 | O20 | O02 | 0,02
des obligatorijden ulbefuches und Vermehrung | gannover .. | Ost | 0,34 0,04 0,02
gemeinniigiger Unjtalten fiir Bolfsbildung die Bahl | Seffen-Raffau. . . 0,22 0,34 0,09 0,04
der A. mee und mehr abgenommen. Für die Schät- Beftfalen. . . . . | Los 0,34 | 0,01 0,01
gung der Rabi der VW. gibt es verſchiedene annähernd Rbeinland 0,75 | 0,36 | 0,04 | 0,03
jutreffende Unbaltspuntte. Golde find in Landern
mit allgemeiner Militärpflicht oder dod) Konſtription
(Deutidland, Frankreich, Ojterreid)-Ungarn, Stalien,
Dänemark, Sdweden, Belgien, Riederlande, Schweiz)
der Nachweis fiber den Bildungsgrad der Militär—
pflidjtigen, in andern Staaten (Gropbritannien und
Irland, Uuftralien) die Kenntnis des Sdhreibens bei
Heiratenden ; endlich dic allgemeinen Vollszählungen.
Daf alle dieje Unhaltspuntte jedod feine ganz Ficpere
und namentlid) keine unbedingt vergleidbare Zahlen
ergeben fonnen, liegt auf nei Beer Als typiſch fon-
Wenn bei einzelnen Staaten die Ziffer der A. noch
auffällig hoch erſcheint, ſo mag daran erinnert wer—
den, daß 1866 und 1867 die Zahl der A. unter 100
Ronjtribierten in Franfreid) nod) 24, in Belgien 26,
in Stalien 64, in Oſterreich 66, in Ungarn gar 78
betrug. Wud) find oft die einjelnen Landesteile in
dieſer Hinjicht ſehr verſchieden. Wie in Deutidland
frither die öſtlichen preußiſchen Brovingen, fo treiben
im cisleithanijden Ojterreid) nod) immer Kärnten
und Rrain, namentlid) aber Iſtrien, Galizien, Dal-
| matien und Bufowina mit jtarfen Prozentſätzen von
nen folgende Prozentſätze von W. gelten. Jn Preu- A. den Geſamtdurchſchnitt unverhaltnismapig in die
fem zählte man 1871 (fpiitere Rahlungen liegen nidt | Höhe. Auch in der Schweiz, wo bei der Wushebung
vor) unter der Bevdlterung von 10 und mehr Jabh- | eingehende Erhebungen iiber den Bildungsſtand der
ren 12 Broz. W. (9,5 männliche, 14,7 weiblide). Das | Refruten ftattfinden, ijt diejer in den cingelnen Kan—
Berhaltnis hat fic) feitdem zweifellos ſehr verbeſſert. tonen fehr verjdieden. Val. Peterſilie, Urtifel A.
Nordamerifa(Vereinigte Staaten) 1890 unter | im »Handworterbud) der Staatswijjenfdajten, 2.
dex Bevdlferung über 10 Jahren: Weise 7,7, Neger | Uujl., Bd. 1 (Gena 1898); »Statijtifdes Jahrbuch
56,8; Kanada 1890 fiber 6 Jahren: 13,6; Irland für das Deutſche Reich⸗, 1901 (Verl.); » Seitidrift
1891 über 10 Jahren: 23,7; Belgien 1890 über | des preußiſchen Statijtifden Bureaus«, 1901,
6 Jahren: 28,1; Finnland fiber 14 Jahren: 2,1;| Was die qemeinredtlide Stellung der A. be-
Ytalten 1881 über 7 Jahren: 61,9; Spanien 1887
fiber 7 Jahren: 51,2; Portugal in der gejamten
Bevölkerung 1890: 79,2; Serbien 1890 über 7 Jabh-
ren: 85,8. Große Berjdiedenheiten zeigte die Be-
valferung Ojterreid)-Ungarns 1890. an Ojter-
reich (ReidSrat) über 6 Jahren: 29,6 Proz. (wo aber
Deutſche und Tſchechen weit günſtiger, die übrigen
Slawen und Italiener ebenſoviel ungünſtiger ſtehen);
trifft, ſo beſtand für ſie die Vorſchrift, daß ſie bei der
Errichtung eines Privatteſtaments außer den vor—
ſchrifismäßigen ſieben Teſtamentszeugen nod) eine
achte Perſon als subscriptor (jum Unterjdreiben)
hinzuziehen mußten, während jie nad preußiſchem
Landrecht nur mündlich zu Brotofoll teſtieren fonn-
ten. Die Unterſchrift eines A. bei einer Behörde wird
durch ein Handzeichen, meiſtens drei Kreuze, erſetzt,
das von dem betreffenden Beamten beglaubigt werden
Ungarn, gleiche Altersklaſſe: 42,5; Kroatien, des—
gleichen: 66,4. Von den Eheſchließen den vermoch— muß. Rad) § 2238 des Bürgerlichen Geſetzbuchs kön—
ten den Heiratsfontratt nicht zu unterſchreiben auf 100: | nen A. ein Teſtament nur durch mündliche Erklärung
Brdutigam Braut Brdutigam Braut | Vor einem Ridjter oder Notar erridten, es fei denn,
Preufien (1899) . 0,70 1,19 Frantreich (1895). 7,38 11,18 | daß Die Bedingungen eines Dorftejtaments oder eines
Baden (1895). . 0,01 0,02 | Italien (1895) . 39,42 56,05 | Tejtaments amt abgefperrten Orte vorliegen (ſ. Teſta—
Gugland (1895) . 5,10 6,00 | Ruménien (1882). 80,04 91,34 | ment). Yhre Unterfdrift unter dem über die Errich—
Shottiand (1805) 20s 4,11 | Renfilomales 5, | tung des Tejtaments zu erridjtenden Brotofoll wird
—— —— Asi 5* Reed Py, ge sine 204 | yurd) die in Diejes aufzunehmende Feititellung erſetzt,
Bie hieraus erſichtlich, ſtehen die Manner in der Schul- | pag fie nicht ſchreiben könne (Bürgerliches Geſetzbuch,
bildung durchſchnittlich höher als die Frauen. Die} g 9949), Val. auch Handjeichen.
Sahl der männlichen erwadjenen A. wird in vielen |” Analyſator, ſ. Bolarijationsapparate.
Staaten bei der Uushebung sum ſtehenden Deere feſt AnalHhje (qriedh. Undlyfis, »Auflöſung, Zer-
gejtellt. Es waren unter je 100 Refruten W. in: qliederung<), in der Logit im Gegenfage zur Syn—
Deutſchland (1899) . 0,08 | Deutfland (1879) . 1,57 | theje (jf. d.) die Zerlegung eines zuſammengeſetzten
— (jf. unten) . op st aaigg Pata 1*Æ Ganzen in ſeine Beſtandteile. Dieſelbe findet (als lo—
— — or | Stalien (1894) . . . 3804 | Gifche A.) Anwendung auf Begriffe, unt die ſämtlichen,
——— oe oe aa an — häufig nur unvollſtändig oder unklar mitgedachten
Baden. . . . . 0.04 | Betgien 34Wertmale derſelben fic) oder andern = Bewußtſein
Sefien. wee 0,08 | Riederlande (1896) . 4,70 zu bringen und fo Vejtimrmtheit bes Begriffes zu er—
Mnbalt. . - . . 0,07 | Scyweiy (1896). . . 0,35 | jielen; Dann aber auch auf beliebige verwideltere Er⸗
Elfaf-Lothringen . 0,05 Saweden (1883) . . O27 jzeugniſſe des Denkens: ein gegebener Beweis wird
Deutſchland (1889) . 0,51 | Diinemart (1881). . 0,396 durch Sergliederung in die einzelnen Prämiſſen, aus
Auf die einzelnen Brovingen de3 Preußiſchen Staates | denen er fic) aufbaut, analyfiert, ebenfo fann man
verteilen ſich die A. ziemlich ungleidh; Dod) ijt die Un: | ein ganzes Syjtem von Gedanten (ein Buch) analy-
474 Analyfe,
fieren xc. Get der A. von Tatjaden handelt es ſich
entweder Darum, cin zuſammengeſetztes Ding in feine |
Elemente oder einen Vorgang in sean ates einzel⸗
ner Birkungen aujjulojen, wozu meiſt das Experiment |
unentbehrlich ijt. So führt die Chemie die gegebenen
Stoffe Durch U. auf Grundjtojfe, die Phyſiologie den |
Lebensprozeſ auf die Lebenstatigleiten der Bellen zu⸗
riid, Die Mechanil zerlegt die krummlinige Bewegung
der Planeten in eine Tangential- und eine Zentral-
—— x. Da wir im allgemeinen ——
geſetzie als bedingt durch das Einfache anzuſehen ha—
ben, ſo kann man auch ſagen, daß die A. von dem
Bedingten zu ſeinen Bedingungen aufſteigt (jo ſpeziell
die UW. bet Der Löſung geometriſcher Aufgaben); und da
meiſtens das Gegebene (Befannte) zuſammengeſetzt iſt,
das Einfache aber, aus dem es beſteht, erſt erſchloſſen
werden muß, fo ſchreitet die A. aud) vom Bekann⸗
ten jum Unbekannten fort. — Mathematiſche A.,
j. Unalyfis, iiber die chemiſche f. den folgenden Artikel.
Analyfe, chemiſche, das Verfahren zur Ermitte-
lung Der Vejtandtetle cines Körpers, begnügt ſich ent-
weder mit der Nachweiſung derfelben (qualitative
A.), oder bejtinumt aud) die Mengenverhaltnijje nad |
Gewicht oder Volumen (quantitative W.).
[Cualitative Analyfe.} Man bringt den zu unter:
ſuchenden Stoff mit andern Körpern von befannten
Eigenſchaften (Reagen zien) in Berührung, um aus
den hierbei auftretendenErideinungen(Reaftionen)
auf Das Vorhandenjein diefes oder jenes Körpers ju
ſchließen. Die Reagenjzien find meijt Säuren, Basen
oder Salze und zeigen Die Gegenwart eines beſtimm—
ten Körpers durch die Bildung eines Niederſchlags,
alſo einer unlöslichen Verbindung, oder durch eme
auffallende Färbung an. Bei der qualitativen A. han-
Delt es ſich oft nur unt Die Nachweiſung eines einzigen
Körpers in einer vorliegenden Subſtanz, z. B. bei
Salpeter um die Nachweiſung einer
nit Chlor. Cine einzige charakteriſtiſche Reaftion auf
Chlor, die durch Zuſatz von ſalpeterſaurem Silber her-
vorgebracht wird (Riederſchlag von Chlorſilber), ge⸗
nügt daher der geſtellten Auſgabe. Soll dagegen nach: |
ewieſen werden, ob auch noch irgend welche andre
erunreinigungen im Salpeter vorlommen, fo ge⸗
ftaltet fic) die Prüfung fomplizierter, und wenn es ſich
um die Beſtimmung aller Vejtandteile eines unbefann:
ten Körpers handelt, fo ijt cin fyjtematifder Gang
erforderlid), Damit fein Veftandteil überſehen werde.
Bei der Vorprüfung erhitzt man eine Probe in
einem engen, an einem Ende zugeſchmolzenen Glas
robr, eine jweite Brobe in emer an beiden Enden
ojfenen, etwas ſchräg qehaltenen Glasröhre, um die
Einwirkung der Luft bet erhdhter Temperatur fennen |
gu lernen, man ſchmelzt cine andre Probe auf Platin—
bled) mit Soda und Salpeter, erhigt eine andre auf
Noble vor dem Lotrobr, wieder cine andre in der Re-
Duftionsflammme des Lötrohrs und beobadhtet das Ver—
halten der Subſtanz in ciner Berle von Phosphorſalz
oder Vorar, juerjt in der orydierenden, Dann in der
redusicrenden Lötrohrſlamme x. Zur Benugung der
Flammenreaftionen erhigt man duferit geringe
Wengen der Subjtany an haardiinnen Platindrähten
in orydierend oder reduzierend wirfenden Teilen der
nicht leuchtenden Flamme cines Bunſenſchen Brenners.
Wit oft weniger als 1 mg der Subſtanz laſſen ſich ſehr
viele Reaftionen hervorbringen, die ziemlich vollſtän—⸗
Digen Aufſchluß tiber die Bejtandtetle der Subſtanz
geben. Am empfindlichſten ift die ſpeltroſtopiſche Be-
obadtung (j. Speftratanalyfe).
Ojt reidjt der angegebene trodne Weg jur voll-
erunreinigung
chemiſche.
ſtändigen A. aus, häufiger aber wird die A. nach einer
trodnen Vorprüfung auf na ſſem Weg ausgeführt.
Man bringt die Subſtanz mit Waſſer oder mit Saure
in Ldfung oder ſchließt fie, wenn ndtig, zunächſt durch
Schmelzen mit foblenfaurem Nalinatron auf. Yn die
angejiuerte wafferige Löſung leitet man Schwefel⸗
wajferjtoff, durch den Urjen, Zinn, Kadmium, Anti⸗
non, Gold, Blatin, Quedfilber, Blei, Wismut, Silber,
Stupfer als Sdwefelmetalle gefällt werden; aus die-
jem ausgewafdenen Niederjdlag löſt Schwefelammo⸗
nium Arſen, Untimon, Zum, Gold, Platin, die nad
der Filtration aus ihrer Ldfung durch Salzſäure wie-
Der qefallt werden. Dieſer Niederſchlag fann alfo nur
die genannten fiinf Metalle als Schwefelverbindungen
enthalten, und es gelingt leicht, fie nebeneinander ju
erfennen. €benfo fann man die in Sd wefelanuno-
nium unldsliden Schwefelmetalle leicht voneinander
trennen und eingeln erfennen. Die vom erjten Schwe
felwaſſerſtoffniederſchlag abjiltrierte Flüſſigkeit wird
mit Ammoniak iiberfattiqt und mit Schwefelammo⸗
nium behandelt. Dadurd fallen Eiſen, Niel, Robalt,
Mangan, Chrom, Zinf und Tonerde, die wieder von:
einander ju trennen und einzeln nachzuweiſen find.
Die vom Schwefelammoniumniederidlag abfiltrierte
Flüſſigkeit wird mit Salzſäure angefiuert, anbaltend
erwarmt, um Schwefelwaſſerſtoff auszutreiben, mit
Ammoniakl neutralijiert und mit fohlenfaurem Am—⸗
moniaf verſetzt. Dabei fallt Ralf Baryt, Strontian,
die leicht voneinander ju unterideiden find; aus einem
Teil des Filtrat3 wird durd phosphorjaures Natron
Magnefia gefallt, der andre Teil Des Filtrats wird
verdampft, gegliibt und, wenn Magnefia vorhanden
war, mit Salmiaf gemengt und nodmals geglüht,
Dann wird die Maſſe mit Waſſer ausqesogen und in
der Löſung Kali und Natron nadgewiefen. Wmmo-
niaf erfennt man durch den Geruch beim Erwärmen
der Originalfubjtan; mit Nalilauge. In ähnlicher
Weife werden die Sauren nadgewiefen, von denen
mebrere ſchon bei der Vorunterſuchung erfannt, andre
durch Die Gegenwart gewiſſer Metalle ausgeſchloſſen
werden. Fand man 3. B. in der wajferigen Löſung
Barht oder Blei, fo fann feine Schwefelfaure, bei Ge-
genwart von Silber feine Salzſäure vorhanden fein x
Organifdhe Subjtanjen, die aus Kohlenſtoff.
Waſſerſtoff. Sauerſtoff und Stichſtoff beſtehen, oft aud
Schwefel, Phosphor, Chlor, Brom, Jod enthalten,
hinterlaſſen beim Verbrennen — ———————
teile als Aſche, Die in der angegebenen Weiſe unter⸗
ſucht wird. Kohlenſtoff ijt oft an der Schwãr ʒung der
erhitzten Subſtanz erlennbar. Erhitzt man die Sub-
ſtanz mit Kupferoxyd, fo wird der Kohlenſtoff zu Rob:
lenjaure oryDdiert, die aus Barytwaſſer fohlenfauren
Baryt fallt. Sur Nachweiſung von Stichſtoff erhitzt
man die Subſtanz mit Natronfalf und beobachtet, od
jid) Ammoniak entwicelt rc.
[Guantitative Analyfe.] Dic quantitative A. fet
qenaue Renntnis der qualitativen Zuſammenſetzung
des zu unterfuchenden Körpers voraus, fie ſcheidet in
jyftematifdem Berfahren die einzelnen Beftandteile
in Form nicht leicht zerſetzbarer, am bejten unlöslichet
Verbindungen ab, wägt diefe und berednet aus ihrer
— den Bebalt an dem zu beſtimmenden
Stoff. Dieſe quantitativeGewichtsanalyſegibt
das zuverläſſigſte Reſultat, fie liefert Die bejtimmte
Subjtany in qreifbarer Form, jo daß fie bei auftau-
chenden Sweifeln mod) weiter auf ihre Reinheit gepriift
werden fann.
Viele Metalle werden eleftrolytifad bejtimmt.
Man bringt die Metallldfung in eine Platinfcjale, die
|
Analyſe, chemiſche.
als negative Eleftrode dient, und taucht als poſitive
eine an einem ftarfen Platindraht befeſtigte Platin-
platte in die Lijung. Die Eleftroden werden in ver-
fchiedener Form angewendet : Schalen, Tiegel, Becher,
Kegel, Bylinder, Drahtſpiralen, Drahtneggewebe. Das
gefallte Metall wird ausgewafden und getrodnet.
Die quantitativellnterjudung organifder Subjtan-
en geſchieht durch Elementaranalyfe. Schwefel,
hosphor, Chlor, Brom, Jod beſtimmt man nad ge-
eigneter Zerſtörung der organiſchen Subſtanz in dem
Rückſtand auf gewöhnliche Weiſe. Kohlenſtoff und
Waſſerſtoff werden durch Glühen der Subſtanz mit
im Glasrohr ju Kohlenſäure und Waſſer
oxydiert (verbrannt, daher Verbrennungsana-
Iyfe), die man in gewogenen Apparaten von Kali—
lauge, refp. Ehlorcalcium abjorbieren läßt, Stickſtoff
wird bei diejer Operation als folder ausgetrieben und
gemefjen, oder er wird in einem befondern Verfahren
nad Will und Varrentrap durd Glühen der Subſtanz
mit Ratronfalf in Ununonial ibergefiihrt, das man
in Säure auffingt und dann leicht beſtimmen fann.
Mad) Kjeldahl kocht man die Subjtang anhaltend mit
fonjentrierter Schwefelſäure und Quechſilberoxyd,
treibt aus der Flüſſigkeit, die ben gejamten Stichſtoff
in Der Form von ſchwefelſaurem Ammoniak enthalt,
das Ammonialk durd) Kochen mit Kalilauge aus und
fängt es in Säure auf. Der Sauerjtoff wird aus der
Differenz berednet. Dieſe Methode ijt vielfach modifi—
ziert worden (vgl. Dennſtedt, Die Entwickelung der
organiſchen Clementaranalyfe in Uhrens’ »Samm-
we,’ chemiſcher Bortriges, Bd. 4, Stuttg. 1899).
ie volumetrifde, titrimetrifdhe A. (Ti-
triermethbode, Maßanalyſe) arbeitet mit Flüſſig—
keiten, deren Gehalt an gewiſſen Reagenzien genau
befannt ijt (Maßflüſſigleilen, Rormallofungen) und
unterjudt, wie viele Maßteile von diefen Flüſſigleiten
zur Erzielung eines beſtimmten Effelts verbraudt
werden. Die Maßanalyſe ijt in dem Augenblick am
Riel, wo fiir die Gewidhtsanalyfe die mühſamſte und
acitraubendite Urbeit erſt beginnt. Aus einer Löſung
von ſalpeterſaurem Silber fallt man bei der Gewichts⸗
analyfe durch Zuſatz einer Chlorverdbindung das Sil⸗
ber als unlösliches Chlorjilber und hat dieſes nun
auszuwaſchen, ju trocnen, ju glühen und ju wagen.
Mad) Der Titriermethode läßt man eine Chlornatrium:
löſung vor bejtinuntem Gehalt aus einer Bürette zu
der Silberldjung fließen und fperrt den Zufluß bei
Dent erjten Tropfen, der feinen Niederſchlag von Chlor-
filber mehr erzeugt, alfo in dem Yugenblid ab, wo das
Silber volljtindig gefällt ijt. Man lieft dann von der
Biirette ab, wieviel Chlornatriumldfung verbraudt
ijt, und berechnet, wieviel Silber in Form von Chlor
filber gefallt ijt. Durch geſchickte Benugung gewiſſer
Reaftionen fann man nut derfelben Souns mebhrere
Körper quantitativ bejtinmen. Bei der Maßanalyſe
wird nicht immer ein Niederſchlag erzeugt, vielmebhr
erlennt man in der Regel das Ende des Prozeſſes an
einer Farbenveränderung, die gewöhnlich in der Flüſ⸗
figteit felbit Durch Andifatoren (Ladmus, Methyl-
orange, ‘Ehenolphthalein 2.) hervorgebracht wird.
Die Makanalyfe beſitzt den größten Wert wegen der
Schnelligkeit ihrer Operation undijt unentbehrlich, wo
es Darauf ankommt, durch zahlreiche Beſtimmungen
den Gang eines Prozeſſes beſtändig gu kontrollieren.
IGasanalyſe.J Volumetriſch werden auch die Be—
ſtandteile eines Gasgemenges beſtimmt. Dieſe eu—
diometriſche (gaſöometriſche, gasvolumetri—
ſche) A. Eudiometrie, Gaſometrie) benutzt
Abſorptionsmittel (Schwefelſäure, Kalihydrat, Pyro—
SON SOSR RSS See ees yee Seas eS
475
—— in Kalilauge gelöſt, Kupferchlorür r.),
ie gewiſſe Gaſe abſorbieren und in geregelter Folge
in das in einer Maßröhre befindliche Gasgemenge ge
bracht werden, fo daß cin Beſtandteil desſelben nad
dem andern fortgenommen wird. Bei verbrennlicden
Gasgemiſchen bringt man zu einem im Eudiometer-
rohr iiber Quechſilber abgefperrten Volumen cin über⸗
ſchüſſiges Volumen von Sauerjtoff oder Waſſerſtoff
(je nad) der Ratur des zu bejtimmenden Gajes), ent-
jlindet dad Gemiſch mittels des eleftrijden Funkens,
bejtimmt die Berbrennungsprodufte und beredynet
aus den BVolumverinderungen die Quantität der ver-
brannten Gaje.
[Andre Methoden.] Bei der mifrodemifden
A. von vegetabilijden und animalijden Subſtanzen,
Mineralien und Gejteinen wendet man unter dem Mi—
frojfop Reagenzien an, die gewijje Stoffe intenjiv
färben, andre löſen oder fonjt veraindern. Auch in
der vor dem Lötrohr erzeugten Borar- oder Phos-
phorſalzperle können darin enthaltene Körper an der
Rrijtalljorm erfannt werden. Die fleinjten Mrijtalle
fonnen mit dem Mifroffop unterſchieden werden, und
zur Winkelmejfung an denfelben benugt man ein
Mifrogoniometer.
Die zoochemiſche W., welche die chemiiden Be-
ftandteile tieriſcher Materien erforfdt, bedient fic) neben
dem Mifroffop aud) der Dialyfe, durch die nament-
lid) friftallifierbare Körper von nicht frijtallijierbaren
qetrennt werden, weil letztere oft den Verlauf von
eaftionen bindern.
In einem Gemiſch sweier ähnlicher Körper bejtimmt
man die Menge eines jeden durch die indirekte A.
Man führt beide Körper in dem Gemiſch in eine andre
Verbindung über und berechnet aus der Quantitit
der leptern die Menge eines jeden Körpers. Wan be-
nutzt diefed Verfahren, wo die Trennung zweier Sub—
ftanjen ſchwierig tit (3. B. zur Beſtimmung fleinerer
Mengen von Brom- oder Jodverbindungen in Chlor-
verbindungen), und erreidjt um fo größere Genauig-
feit, je groper die Dijferens der Utonrgewidte der be-
treffenden Körper ijt.
Sur ſchnellen Gehaltsbejtimmung von Gemifden,
die ausſchließlich aus zwei Ahnliden, analytiſch ſchwer
voneinander gu ſcheidenden Salzen (Chlorfalium und
Brom: oder a obtatium, Kalium- und Rubidiumjul:
fat) bejtehen, bejtinunt man die elektrolytiſche Leit—
fähigleit einprosentiger Löſungen, da die Widerjtiinde
der Löſungen annibernd proportional den Moleku—
largewidhten der gelöſten Salze find. Sur Ausfüh—
rung Ddiefer Beſtimmungen dient ein Upparat, bei
dem ein Telephon als Indikator benugt wird (Te—
lephonanalyfe). .
Die denſimetriſche A. berechnet aus dem ſpezi—
fiſchen Gewicht von Flüſſigleiten den Gebalt der lep-
tern an einem bejtimmten Körper, wobei vorausgefept
wird, daß fein andrer Körper in der Löſung vorhan—
den ijt. Sie findet befonders Unwendung in der Ted
nif und benugt häufig Aräometer, die unmittelbar
den Gehalt an der geloͤſten Subſtanz angeben (Allko—⸗
holometer, Gacdartmeter, Laugenmeffer ꝛc.). Auch
auf fejte Körper ijt die denſimetriſche YW. anwendbar,
da man 4. B. aus dem fpegififden Gewidte der Rar-
toffeln auf deren Stärkemehlgehalt ſchließen fann.
Die folorimetrifde A. beſtimmt den Gebalt ge
wiſſer Lifungen aus der Intenſität ihrer Färbung.
Sie vergleicht die gu unterfudende Löſung mit einer
Normatldfung von befanntem Gehalt, indent fie die
Dicte der Schicht fo lange veriindert, bid gleide In⸗
tenſität erzielt ijt, oder indem fie die Probeflüſſigkeit
476
Analyfe, gerichtliche — Wnalyfis.
verdiinnt, bid gleid) dide Schichten von ihr und der | 1902); Hoppe-Seyler, Handbuch der phyſiologi⸗
Rormalldfung gleide Intenfitat zeigen. Man benugt
die folorimetrifdye A. zur Beſtimmung von Vetallen,
gur Unterſuchung von Farbjtoffen und von Sirupen
und Säften in der Sucerjabrifation; eine ganze Reihe
von Methoden ſtützt fid) auf die Bejtinrmung der brau-
nen Farbe, mit der Jod in Qodfalium fich Loft. Wile
Realtionen, bei denen das Yod in einer Qodfalium-
löſung 3. T. frei gemacht wird, firnen fo quantitativ
verfolgt werden. Sur Unterfdeidung gefarbter Sub-
flanjen fonnen gefärbte Gläſer benugt werden,
hinter Denen die verſchiedenen Subſtanzen charalteri—
ſtiſche Veränderungen ihrer Farben jeigen. Hinter
cinent bejtimmten Glas erſcheint Chromgriin braun:
rötlich, es zeigt aber cine andre Nuance, wenn es mit
andern Farbitoffen gemiſcht ijt. Auf optiſchem Weg |
ijt aud) der Fettgehalt der Wild) bejtimmobar.
Das Bolarifationsvermdgen von Flüſſigkei⸗
ten ermittelt man befonders jur Beſtimmung des |
Bucergehalts der Rüben, des Rohzuckers x. Dan
fann aber aud) optijd) inaftive Körper polarimetriſch
fdjen und a are chemiſchen A. (6., mit Thier:
felder bearbeitete Aufl., Berl. 1893).
IL. Quantitative W.: Frefenius, Unleitung zur
quantitativen demifden A. (6. Aufl., Braunſchw.
1878—87, 2 Bde., 3. Ubdrud 1900); Fried heim,
Leitfaden fiir die quantitative dhemifde A. (5. Aufl.
von Rammelsbergs »Leitfaden«, Berl. 1897); Rofe,
Uusfiihrlides Handbud) der analytifden Chemie
(6. Aufl., Leip. 1867 —71, 2 Bde.); Mutenrieth,
Huantitative U. (Freiburg 1899); Jannafd, Prat-
tiſcher Leitfaden Der Gewidtsanalyie (Leip;. 1897);
Claſſen, Quantitative A. durd Elektrolyſe (4. Mui,
Berl. 1897); Krüß, Spesielle Methoden der YL, Yn-
leitung zur — phyſilaliſcher Methoden (2.
Aufl. Hamb. 1893); Bunſen, Gaſometriſche Me—
thoden (2. Aufl. Braunſchw. 1877); Winkler, Ted-
beſtimmen, da das Rotationsvermögen gewiſſer op⸗
tify altiver Körper ſich oft bedeulend dndert, wenn
ein inaltiver Körper zugeſetzt wird. Die Polariſation
niſche Gasanalyſe (2. Aufl., Freiberg 1892). Maß—
analyſe: Mohr, Lehrbuch der chemiſchen Titrier
methode (7. Aufl. von, Claſſen, Braunſchw. 1896);
Winkler, Praktiſche Ubungen in der Maßanalyſe
(2. Aufl., Freiberg 1898); Kühling, Lehrbuch der
Waßanalyſe (Stuttg. 1900); Behrens, Anteitung
des weinfauren Kalis wird 3. B. durd Chlornatrium |
herabgeſetzt, durch Chlorkalium erhöht, und hierauf
läßt ſich eine Methode zur A. eines Gemenges beider
Salze gründen. Auch das Lichtbrechungsver—
mod \ en von Löſungen oder Miſchungen gejtattet einen
Schluß auf deren quantitative Zuſammenſetzung. Be—
fonders hat man Refraftometer zur Unterjudung
von Fetten angewendet.
Für techniſche Zwecke bisweilen recht brauchbar iſt
die thermometriſche YL, bet Der man den bei einer
bejtimmten Reaftion und unter beſtimmten Berhalt-
niſſen ————— meßbaren Wärmeeffelt zu
quantitativen Beſtimmungen verwertet. Erniedrigen
zwei Salze bet ihrer Löſung in Waſſer die Temperatur
in ungleichem Maße, fo fann die Zuſammenſetzung
eines Gemifches Der Salze ermittelt werden, wenn
man die von demſelben hervorgebracte Temperatur-
erniedriqung mift. — Als felbjtandiger Sweig der
chemiſchen W. hat ſich die Speftralanalyfe ausge
jucht, fondern aud) die Speftra von Lichtitrahlen, die
durch cine nicht zu dicke Schidht Der Löſung des zu unter:
ſuchenden Stoffes gegangen ſind; val. Speltralanalyſe.
ISiteratur. J 1. im allgemeinen und qualita
tive A.: Oſtwald, Die wiſſenſchaftlichen Grund-
lagen der analytiſchen Chemie (2. Uufl., Leipz. 1897);
Friedheim, Einführung in das Studium der quali—
sLeitjaden fiir Die qualitative chemiſche A.«, Berl.
1902); Settnow, Unteitung zur qualitativen demi
jen A. ohne Anwendung von Schwefelwaſſerſtoff
(daſ. 1867); Wartha, Dre qualitative chemiſche A.
mit Unwendung der Bunfenfden Flammenreaftionen |
(Siirid) 1867); Will, Anleitung zur chemiſchen A.
(12. Mufl., Leipz. 1883); Derfelbe, Tafeln zur qua-
litativen chemiſchen A. (12. Aufl., daf. 1883); Fre—
fentus, Anleitung jur qualitativen chemifden A.
(16. Aufl. Braunfdw. 1895); Rüdorff, Unteitung
sur chemiſchen A. fiir Unfanger( 10. Aufl. Berl. 1901);
Dlafiwesg, Anleitung zur qualitativen A. (12. Aufl.,
Wien 1899); Beilſtein, Anleitung zur qualitativen
A. (8. Aufl., Leipz. 1898); Claſſen, Handbuch der
analyti{den Chemie. 1. Teil: Qualitative A. (5. Aufl.,
Stuttg. 1896); Böttger, Grundriß der qualitativen
VL vont Standtpuntt der Lehre von den Jonen (Leips.
jur mikrochemiſchen A. (2. YWufl., Hamb. 1899) und
zur mifrodemifden A. der widtigiten organifden
Serbindungen (daf. 1895jf.); Huyffe, Utlas jum
Webraud) bei der mikrochemiſchen A. (Leiden 1900).
IIL. Chemifd-technifche U.: Bolley, Handbuch der
techniſch⸗· chemiſchen Unterſuchungen (6. Aufl., Leips.
1888); Poſt, Die chemiſch-techniſche UW. (2. Aull,
BVraunjdw.1888—90, 2 Bde.); Bodmann-Lunge,
Chemtfch-tednijche Unterfuchungsmethoden (4. Wut,
Berl. 1899 — 1900, 3 Bde.); Konig, Unterfjuchung
landiwirtidaftlid) und gewerblich widtiger Stoffe
(2. Aufl., daf. 1898); Whrens, Anleitung zur de>
miſch⸗ techniſchen A. (Stuttg. 1901); »Rettichrift fiir
analytijde Chemie«, herausgegeben von Frejentus
(Wiesbad., feit 1864).
Unalyfe, gerichtlice, ſ. Geridtlide Analyſe
Analyje, harmonijde, ſ. Ebbe und Flut.
Analyfieren (qriccd.), cine Unalyfe maden.
Analyfis (qried.), cin Verfahren der Geometric
) m VI (geometrifde U.), dejfen Erfindung Blaton juge-
bildet, Die nicht nur die Speftra von Flammen unter:
ſchrieben wird und das Den Gegenfas zur Syntheſis
bildet. Während dieſe von dem Gegebenen und Be—
fannten ausgebt und daraus das Unbefannte und
Geſuchte gujammenfest, ninunt die A. das Geſuchte
als geqeben an, zergliedert es und unterfudt die Be
dingungen, unter Denen es bejtehen fann, bis alle
feine Beziehungen zu dem Belannten ermittelt find,
; J worauf dann die Syntheſis den umgelehrten Weg
tativen chemiſchen A. (K. Aufl. von Ranmmelsbergs |
gehen fann. Unter A. verſteht man ferner die ganze
athematif mit Ausſchluß der reinen Geometric. Sn
dieſem Sinne zerfällt fie in die niedere, Die man aud
als A. Der endlichen Größen bezeichnet, und in die
höhere, Die A. Des Unendlichen; jene benugt mur ele
mentare Hilfsmiittel, Diefe beruht auf der Differen-
tiale und Integralrechnung (j.d.). Unter dem Namen
algebraifde A. fakt man gewiſſe elementare Ge—
biete zuſammen, deren Studium eine Borbereitung
auf Differential und Integralrechnung bietet. Bgl.
Euler, Introductio in analysin infinitorum (Lauf.
1748; deutſch von Majer, Beri. 1884), Caudy, Coars
d'analyse (Bar. 1821; deutſch von Hugler: »Lehrbud
der algebraijden A.«, Königsb. 1828); Slo mild,
Handbud) der algebraifden VL. (6. Mufl., Jena 1889);
Derjelbe, Rompendium der höhern A. (Bd. 1, 5. Muil.,
Braunfdw. 1881; Bd. 2, 4. Mufl. 1895); Bier:
mann, Elemente der Wathematif (Leipz. 1895).
Analytik — nam.
AnalHtiF (qriec.), die Theorie der Analyſe (f. d.).
Unbejtimmte A. veralteter Uusdrud fiir die Lehre
von den Diophantifden Gleidungen (ſ. Rablentheorie).
AnalHhtifdy (griec.), auflifend, zerlegend; in die
mathematiſche oder die chemiſche Analyſe einſchlagend.
Beſonders heißt a. (nad Rant) ein Urteil, dad ſich
durch bloße Analyſe eines Begriffes (des Gubjefts-
begriffes) ergibt und ſomit von dem Gegenſtande nur
etwas ausſagt, was ſchon im Begriff desſelben mit-
gedacht war; z. B.: jeder Körper iſt — Es
erhellt daraus, daß durch analytifde Urteile unſer
Wiſſen nie erweitert, ſondern nur der Inhalt unſrer
Begriffe verdeutlicht wird. Im Gegenſatz dazu heißen
diejenigen Urteile ſynthetiſche, in denen mit einem
804 eine neue (nod nicht in ihm liegende) Bejtim-
mung verbunden wird; 3. B.: jeder Körper läßt fid
aufantmendriiden. Alle Gage, die cine neue Wahrheit
ausfpredjen, find alfo fynthetijd. Da jedoch der In—
halt der meijten Begriffe fein cin fiir allemal fejt-
—— ſondern ein fließender iſt, fo kann dasſelbe
Irteil für Den einen ein analytiſches, fiir den andern
ein ſynthetiſches fein, je nad) der Summe der Mert-
male, die fiir ben einen oder Den ander der Gub-
jeftSbeqriff umfagt. — Neuere Spraden nennt man
tin Gegenfage gu altern a. infofern, als fie oft fiir ein
ein faches Wort mehrere fegen, alfo gleichſam eine Ein-
Heit in ein Mehrfaches auflifen, 4. B. frangofifd j'ai
été fiir lateiniſch fui, und dDement{predjend nennt man
ältere Spradjen im Gegenfage ju neuern jynthe-|
tiſch. Jn Wirklichkeit ijt jede Sprache in jedem Ent: |
widelungsjtadium zugleich a. und ſynthetiſch.
Analytifde Chemie, die Lehre von den zur Aus⸗
fiibrung chemiſcher Unalyfen angewandten Methoden.
Angalytiſcher Unterricht, Unterricht, der nicht |
fynthetifd (fj. Synthefe), d. h. vom Wilgemeinen
jum Befondern, fondern ungefehrt vom Cinjelnen
und Befondern zum UWllgemeinen, alfo vom Indivi—
duum zur Art, Gattung ꝛc., vom einzelnen Falle gum
4H 9 vom Sdriftterte zur Grannnatif rc. fortidreitet.
S. Methode und Unjdauung(sunterridt).
Analzim (v. griech. analkis, fraftlos, fdwad,
weil durch Reiben nur ſchwach elektriſch), Mineral aus
der Seolithqruppe, und gwar cin Natrium-Alumi—
niumfilitat Na,Al,Si,0,,+2H,0, frijtallifiert reque
lar, tritt oft in qrofen Kriſtallen, meiſt in Drujen,
jeltener eingewachſen auf, ijt farblos oder weiß, qrau,
rötlich bis fleiſchrot, glas- bis wachsglänzend, durd-
ſichtig bis fait undurchſichtig, Härte 5,5, ſpez. Gew.
2,1—2,8. A. findet ſich in Blaſenräumen der Baſalte,
Phonolithe und Melaphyre, fo auf den Myflopen-
inſeln, bei Auſſig, int Faffatal ꝛc., feltener auf Erz—
lagerjtitten, wie bei Undreasberg und Wrendal.
nam (Annam, »berubiqter Siiden«), cin unter
franj. Broteftorat ftehendes Königreich in Hinter—
indien (f. Karte ⸗Franzöſiſch Hinterindien⸗), zwiſchen
17° 30‘—10° 30’ nördl. Br. und 106° 30¢— 109° oſtl.
L., imO. vom Chinefiiden Meer, im R. von Tonagfting, |
im BW. von Siam und Kambodſcha, im S. von Rotidin-
dina begrenjt, mit 135,000 qkm und (1898) 6,394,250 |
Einw., wovon 4000 Chinefen, 250 Europäer.
Bodenbefdhaffenheit. Auf das ſchmale infel-
reiche Riijtenland mit zerriſſenen, dod) hafenarmen
Geſtaden folgt ein Terrafjenland, das in der die
Grenze qeqen Siam bildenden Waſſerſcheide ju Gip-
feln über 2000 m emporjteiqt. Die Flüſſe find unbe-
Deutend, ausgenommen der jum Wefhong fliefende
Donnai. Das Klima wird durd) die Meeresnähe qe-
mäßigt, höchſte Temperatur Juni bis Auguſt 37°,
niedrigite Dezember bis Januar 11°. Die Regenzeit
altchineſiſche Tract. Drange ijt die Farbe des
477
dauert von November bis Upril, die Trockenzeit von
Upril bis November. Die Produlte der Pflanzen—
welt find die tropijder Lander (Reis, Baunuvolle,
ae Gewürze, Ructer, mittelmapiger Tee, Seſam,
affee, Rofosniifje); die Bergwälder enthalten alleriei
Nutzhölzer, darunter das geſchätzte Aloeholz. Zur
ſehr reichen Tierwelt gehoren: Tiger, Elefanlen,
Rhinozeroſſe, Büffel, die gezähmt zum Beſtellen der
Felder verwendet werden, zahlreiche Affen, Hirſche,
Wildſchweine, Pfauen, hyp is ei Sehr ftarf wird
der Fang der Fiſche und Krofodile (wegen ihres be-
jonders geſchätzten Schwanzes) betrieben. Haustiere
ſind kleine Pferde und Rinder, Ziegen, Schafe, bejon-
ders aber das chineſiſche Schwein. Der Mineral—
reichtum (Gold, Silber, Kupfer, Zink, Eiſen, Kohle)
iſt 5** doch bisher noch nicht ausgebeutet.
ie Bewohner ſind Indochineſen und haben ſich
nur noch im Gebizge rein erhalten, wo fie ziemlich
unabbhangig leben. Diejfe Muong (Myong) genann-
ten Bergbewobhner find hellfarbiger und fdjlanfer, aber
fraftiger und mutiger als die Durd) Vermiſchung mit
Chinejen beeinflugten Unamiten, die No der Bevat-
ferung ausmachen. Sie find flein (1,6 m im Mittel),
aber gut proportioniert, ſchmächtig, aber gewandt, mit
breitem, glattem Gejidt, niedriger Stirn, platter Nafe,
ſchrägen Augen und ſchwarzem, didtem Haupthaar,
das ungefdoren bleibt und hinten aufgebunden wird.
Die Hautfarbe ſchwankt zwiſchen Schmutzigweiß uno
Sdofoladebraun. Die Backenknochen nb weniger
vorſtehend als bei den Chinejen. Die Kleidung ijt die
donigs,
die Flagge aber weiß. Kopfbedeckung ijt ein blauer
oder ſchwarzer Turban, bei Yrmern ein großer gefir-
nifter Strohhut. Die Wohnhäuſer ftehen in der Rie-
derung auf Pfählen. Die anamitiſche Sprache ijt ein⸗
ſilbig, iſolierend mit ſechs Tonalzenten verſehen (ſ. Iſo—
lierende Sprachen) und gehört gu der mon -anamiti-
iden Spradfamilie, ijt aber fo ftarf mit chineſiſchen
Lehnwörtern durchſetzt, dak fie fait den Eindruck cines
altertiimliden chineſiſchen Dialefts macht. Gramma—
tilen von Aubaret (Rar. 1867, mit Volabular), Di-
quet (2. Wufl., daſ. 1897), Dirr (Wien 1894); Wor-
terbiider von Pigneaux-Taberd (»Dictionarium
anamitico-latinum<, 1838; neu bearbeitet von Theu-
rel, 1877), Ravier (lateinifd-anamit., 1880), Bonet
(anamitijd<frany., Bar. 1899—1900, 2 Bde.). Die
anamitiſche Schrift ijt eine aus der chineſiſchen ab-
qeleitete Wortidrift. Die Literatur ijt allein die
chineſiſche. Elementarfenntniffe, Lefen und Sdyreiben
(mit chineſiſchen Schriftzügen) find im Bolfe ziemlich
allgemein. Das BVolfijt heiter, ſchwatzhaft, mißtrauiſch,
furchtſam, citel, Durd den langen Defpotismus ver-
Dorben. Muſik und Theater find fehr beliebt und ha-
ben cine gewiſſe Ausbildung erreidht. Die Religion
der großen Maſſe ijt cin Kultus von Schutzgeiſtern,
die Mebildeten find meiſt Anhänger des Rungfutfe, die
iibrigen laue Buddhijten. Die fatholifden Chrijten,
vermifdte Abkömmlinge der 1624 aus Macao und
Japan (nad) dem Chrijtenmord) etngewanderten und
der aus Walaffa vertriebenen Portugicfen, zahlen
420,000 Köpfe unter ſechs Biſchöfen.
Erwerbszweige. gta gies ijt Acker⸗
bau, insbef. Reisbau, dann Zimt- und Vaumwwoll-
fultur. Olpflanzen werden in vielen Urten gebaut,
aud) Naffees und Teebau gewinnen an Bedeutung.
Unter den Haustieren ſtehen als Zug- und Lafttiere
Büffel und Zeburinder obenan. Fiſcherei beſchäftigt
einen großen Teil der Küſtenbevöllerung. Da die
Unamiten ausgeſprochene Ackerbauer find, fo fallt das
478 Anam Etatiſtiſches, Gejhidte).
. =a: : Gefdichtliges.) Tongting und Rotidindina wur-
a ecanci cusuace Ga ts — ae | — 214 v. Chr. * bent chineſiſchen Kaiſer Sai
sigh sega ecstasy — Huang-ti erobert und mit dinefiiden Kolonijten be-
i chen in Cite aber —— —* weit nach. Der ſetzt. Bon Indien fam über Ceylon gag need
en ee 1899: | ing ’ 263 n. Chr. emporte ſich ciner
Cine 47, ate 557401 Feat. | Groen ix tna ud eee
Einfuhr 4, ' : is on stot Chek: UW. war 222—618 n. Chr.
D/ ein eignes Reich; auch * —*
eſührt werden vornehmlich Baumwollengarn un — von China, bis deffen frlftige
Topferwaren , Zundholzchen aus ee 536 riinbete y in W. eine felbitandige Dp.
Sebe Juder, Mretantfe Haute Gals, Seivengeche, najtie, die bis 1225 beftand; Zongting ae —*
Seide, Zucker, rae dag : China (damals Kaijer Hfiao Tiung) los. Drei
Baumwolle, Tee, Zimt, Tiere, Rotang, Cunao. Dem | von 280 —87) bes WMonaolentatiers Kublai
- 58* — d Feldzüge (1280 — 87) ongolent ame
Fremdhandel find die Hajen OQuin-nhoa, Turan un : 1 fiir Tongfing günſtigen
— St fo Nee Sa |e Goo uN ans a Ee,
135,000 Ton. und fib , i : ; it 1368 ſtark bedrobten Unab-
those den mit Erringung der feit 1368 jta x 2 peta
legraphentinien, insgejamt 1534 km, —— hangigten Unams von China (Kaiier Hiian Tiung
Hue mit Thuanan und Turan und find bis jum * angig iefe3 feine nominelle Cherberch
thong fortgefiibrt worden. Ein Kabel —— nad — —— * of 18. Jahrh. herridte die vor
Gur ned) Tucan i (bis Bing 822 km) im Bau. Gine | Se-Bo begrlindete Dynattie Le me tar are ——
ue nad) Turani ; Sagar i iejen ind Land; ſpäter ,
Dbgieih Wold und Silber te i aye — find, iar bie Solinber eine — —————— F der
Tatts PaO jtadt Hanoi, wahrend eime
see Sa a ea eta | ae ee ge
und altern ſpaniſchen Bia ijation der Inſel Pulo Condore raſch ſcheiterte
Gewidhted an Edelmetall. Auf fachen rechtedigen | nifatio it 1545 unter der Herefchaft der
seit bes icptern: bob Soma cber SeGl Basen g- bu: | Gembencesfeontii Urigne CUng) awk — * —
heit des letztern ee ae sea chat 1600 einheimifde Unter-
Sats wom ci 1 Sa, os Scene fat | om 1000 dabei ae
— ——— fer uno Met —— —* —* baters der gegenwartigen Herrſcher von U.; fie refi-
talls, friiher Kupfer un } "em Dimes : im Hue, gewannen aber in der eriten Hälfte
auf */s des Gewidhtes verjdledterten aus Zinf; ihrer —— in Hue, & —— Regiment Aber
60 werden auf cine Schnur (Mot-tien) gereiht, und | des 17. Jahrb. a — 2:-‘Teeaale ta
10 Schnüre madjen cin Kwan von cas Wie in ha — 1765 durd) —
Wert; 1 Scud hat 10 Swan. Der Piaf 100 Gen- | der drei Briider Tayy- Son vertrieberr, fetste tich aut
— ee eee “Mare umd | der Inſe Roucuog feft und ſchioh 18. Nov. 1787 gu
Gewidyte: 1 Lteot ber Raufleute = 63.8 cm ee |Beriailes en Sug: und Trugbindnis mit Grant
ewidte: uof de — een. BS : i en Ubtretung der Halbinjel Turon
Getreide dient das drtlid) verſchiedene Hav; 1 Schita | reid), das —— barten Heinen Sniein 20 Schifie,
von 2 Hao = 56 Liter. 1 Ta = 100 Kahn von 16 | und zweier ; : I Sri sbebarf xc. 3u-
— 5 Regimenter, Mill. ſpan. Tir. Kriegs |
Siiong = 6248 kg, 5 Ta = 1 Swan. iſchof Vigneur de Behaine vor
sierungefoces | Stam ale Bevollmddiigtee Cudwige NVL weit einen
able be ate —3— —— — franzöſiſchen Geſchwader in Kotſchinchina an —5 —
ardie, erlennt jet Pete tg — sep i 792 — 99) feinem Schütz ⸗
; =| half im Thronfolgefrieg (179% 4 ’
Franfreids an, welches das Königreich in allen aus-| ha Si iefer ließ fic) darauf als Raifer
— ——— ve — oun Sheer ih tan vor VW. ans.
uta Weenita coe en aolle, Bike tlie rufen —2 1802 Tongling und Kotſchinchina
jofiider Beamten, ausgenommen Zölle, —— e — UW. und (arb 1890. ter: feimem Nadhfoiger
—— me Be * — —————— Migne Megne (Minhmang) und dejjen Sobne Thie-
arenes. dint eda sietag rasta it 1841) wurden 1833, 1838 und 1843 die
oder Ingenieure erfordern. Ein franzöſiſcher General | utri (fei Lat, deren Gemteinden jid feit 1610 immer
refident mit Beamten und militäriſcher VBededung re- | Chrijten — on batten. Cine im Upril 1847 vor
fidiert in der Hauptſtadt Hue, deffen Hafen Thuanan | mehr — frangoſiſche Flotte unter Lapierre
cine dauernde milttdrifde Beſatzung erhilt. Dem | Turon erſch {dung der Undersqliubigen, worauf
Poni i abe —* —— AA aber ho — anamitiive Blots vernidhtel warbe; aber —*
chlüſſe von einer Kommiſſion —
— dem Abzug der Franzoſen ord
eS ee re den Thron gelangte Tiidite (aud) Tuduc; »tugend-
Verwaltung führt ein Hat der Zenforen. Das Reid) | Dent 9 ite) 1848 —
ijt in 6 Brovingen —— — at * * Faced —ni —————— ——
Departements) und dieſe wie —~ & su (2 one, ; ter Velicur de Biller
a , , 856 erjtiirmten die Franzoſen un :
iteitte) zerfällt. Die Rechtspflege wird willfiirlid | | der Wandarinen, ent
— se the cle, we che
von Dorfridtern, in den höhern e * ms . Sept. 1858 er-
er Huen a Au. Die Finangen befinden fic) in 5 gonen aber witcher 0. Sim 1. cept
S ie Ei i iſch⸗ franzöſiſches Geſchwader unter
Stande. Die Einnahmen fließen aus oberte em ſpaniſch-franz dye
—— — Bollen, Schiffahrtsabgaben, Rigault de Genouilly hr = —— *8 J
Fiſchereien, Wäldern. Die yoni eg tnt — ae rips sar —— * se ——
fiinf Jahre zugleich mit den Liſten fiir Militär- und Endlich ait peg enbgattag 16 *
a tenj - Das in A. ftehende einheimiſche von Saigon oder Hue (5. Ir B62; endgiilt
—— — Pletal fish eng
Anamalai — Anämie.
nebjt Bienboa und Mytho an Frantreid) abgetreten
wurden. Dieje wurden 1867 als »Cochinchine fran-
caise« nad franzöſiſchem Muſter organijiert.
Da der Mefhong als Vertehrsader nad) dem In—
nern Ded Hftliden Hinterindien gu unbequem war, rid
teten die Franzoſen ihre Blide nad) der Nordproving
Unams, nad Tongking. Der unternehmende Fran-
jofe Dupuis fuhr1870 den Songfa hinauf bis Diinnan;
dod) hielt Franfreid) der Krieg mit Deutſchland da-
mals ab, Dupuis jul unterjtiigen. Erſt 1873 feqelte
Dupuis mit 100 Söldnern und 100 franzöſiſchen
Soldaten unter Ceutnant Garnier den Songla hinauf |
und nahm die Befejtiqungen von Hanoi. Daraut
famen 15. März 1874 cin Bertrag mit U., das drei
weitere Häfen öffnete, und 31. Aug. ein Handelsver-
trag (ratifijiert 26. Aug. 1875) zwiſchen Frankreich
und A. zu ſtande, wonach den Franzoſen das Recht
zuerlannt wurde, das Agency nt des Songta
in ihre Gewalt ju bringen und von Piraten ju ſäubern.
Im März 1882 bemadtigte fic) Major Riviere der
Ritadelle Hanvis, wurde aber von den Gelben und
Schwarzen Flaggen (Rejten der hinefifden Taiping:
rebellen) eingefdloffen und 19. Mai 1883 überwältigt.
pit bes jtarb Tiidiic (20. Juli 1883). Dom folgte
fein Neffe Diicdiic unter dem Namen Phüdak; er wurde
aber auf Betrieb der fatholifden Biſchöfe jdon nad
zwei Tagen vom Triendinh (Hof der Zenforen) ab-
geſetzt und durch den franjofenfreundliden Hiephoa
(»Eintradt und Friede<) erſetzt. Nun zerſtörte Ad—
miral Courbet die Uferforts von Hué; und 21. Aug.
crfannte A. die Schutzherrſchaft Frankreichs an,
ſo daß Frankreich die Beziehungen der anamitiſchen
Regierung zum Ausland (einſchließlich China) gu lei—
ien hatte und in Tongling freie Hand belam. Hier
wurden Sontai und Bac⸗Ninh erobert und der Beſitz
des Songla⸗Deltas geſichert. Weiteres ſ. Tongking.
Der Nachfolger Hiephoas, der ſich 28. Nov. 1883
vergiften mußte, fein 15jähriger Neffe Kienphüc, blieb
dent Vertrag treu; fiir Ausſchreitungen gegen chriſt⸗
liche Anamiten mußte ein Prinz mit dem to
Wud) Kienphüc wurde 1. Aug. 1884 befeitigt. Ihm
folgten 1885 Donec Ranh und 1889 Thanh-thai. Die
Bitadelle der Hauptitadt wurde den Frangofen fiir
immer eingerdumt. Der wirtidaftlid) erfolgreichſte
Generalgouverneur war Doumer (1897-— 1902).
Bgl. Bajtian, Die Völler des Hftlidjen Wien,
Bd. 1 (Leip3. 1866); Bouillevaury, L’Annam et
le Cambodge (Bar. 1875); Luro, Le pays d’Annam
(2. Aufl., daj. 1898); Dutrenuil de Rhins, Le
royaume d’Annam (2. Aufl., daj. 1889); Devéria,
Histoire des relations de laChine avec Annam ſdaſ.
1880); Lemire, Cochinchine francaise (7. Aufl.,
daf. 1887); Launay, Histoire ancienne et moderne
d’Annam (daſ. 1884); Bouinais und Paulus, Le
royaume d’Annam (2. Wufl., daj. 1886); Silvejtre,
L’empire d’Annam et le peuple annamite (Daj. 1889) ;
Laneffan, L'Indochine francaise (daf. 1888); Der-
jelbe, La colonisation francaise en Indo-Chine (daſ.
1895); Landes, Contes et légendes annamites
(Saigon 1886); Dumoutier, Les chants et les
traditions populaires des Annamites (ar. 1890);
Baille, Souvenirs d'Annam (daj. 1890); Sdrei-
ner, Abrégé de l'histoire d'Annam (Gaigon 1900);
Derjelbe, Les institutions annamites (daj. 1900,
2 Boe.); E. Schmidt im 2 Bande von Helmolts
»Weltgeſchichte« (Leipz. 1902); Unbaret, Codeanna-
mite (Bar. 1865, 2 Bde.); Sombſthay, Cours de
législation et d'administration annamites (daj.1898)
u. das » Journal officiel de VIndo-Chine frangaise«.
¢ biter. |
479
Anamalai (Unnamally, »E€lefantenberge<),
ijoliertes, ju Den Weſtghats gerechnetes Bergland int
Dijtrift Roimbator des britijd-indifden Tributär—
jtaats Travanfor, 80 km lang, 50 km breit, in eins
zelnen Spigen bid über 2000 m hod. CEs ijt am Fup
von dichten, höchſt ungefunden Dſchangeln befleidet,
in den höhern Lagen aber fehr gefund mit prächtigem
Pflanzenwuchs (Tielbäume, Angwer, Nardamomen,
Pfeffer, Saffaparille). Ctefanten, Biijfel, Tiger und
andre wilde Tiere find zahlreich; die wenigen menſch—
lidjen Bewohner gehiren gum Stamm der Toda.
UAnamartefie (qricd.), Siindlojigteit.
AUnamba, Gruppe Eleiner, mäßighoher Wald-
inſeln zwiſchen Borneo und Malaffa (jf. Rarte »Hinter-
indien«), Beſitz de3 Radſcha von Lingga, der nieders
ländiſchen Reſidentſchaft Riau mit Zubehör unter-
jtellt, 673 qkm mit 8200 Cinw. (nohammedaniſche
Malaien). Die bedeutendjte Inſel ijt Siantan mit
Dent Hafen Clermont -Tonnerre.
Anamefit, cin Baſaltgeſtein, ſ. Basalte.
Anamie (qried).), > Blutlojigtcit «, im gewöhnlichen
Sinn Blutarmut (Oligdmie), ein voriibergehender
oder Dauernder Zujtand von franfhaft vermindertent
Blutgehalt eingelner Organe oder des ganzen Körpers.
Erjt wenn der Blutmangel fo auffallend iſt, daß man
ihn fofort wahrnimmt, pflegt man von A. ju fpre-
den. Die allgemeine A. teilt man cin in primäre und
jefunddre; gu der ſekundären gebirt die A. nad
mangelhafter Nahrungs- und Luftzufubr, bei Frauen
nad langem Stillen der Kinder, nach Blutverlujten
und bei fonfumierenden Rranfheiten jeder Art, na-
mentlich pfleqen Rierenfranfe und Krebskranke öfter
jtarf anämiſch ju fein. Der Blutbefund zeigt cine
gleichmäßige Ubnahme des Hamoglobingehalts und
der Zahl der roten Blutforperden, nur nad Blutun-
gen fann Derjelbe Dem bei Bleichſucht gleich fein. Die
eſchwerden find, foweit fie nicht durch das Grund-
leiden verdectt werden, auf die mangelhafte Blutver-
jorgung der Organe zurückzuführen, die wejentlid)-
jten jind Mattigfeit, Schlaffheit im Denfen und Han-
dein, Neigung gu Kopfſchmerz, Daniederliegen der
Darmtätigkeit, Appetitloſigkeit, Ohrenſauſen, Schwin⸗
del, Flimmern vor den Augen, Kurzatmigkeit bei An—
ſtrengungen, nervöſe Schwäche und Reizbarkeit. Die
ehandlung hat ſich gegen das Grundleiden zu rich—
ten, außerdem ijt fiir kräftige Ernährung, Beſſerung
der hygieniſchen Verhältniſſe, Körperpflege, Vermei—
—— liberanjtrenqung 2. zu ſorgen. Unter Um—⸗
ſtänden gibt der Arzt Chinin, Eiſenmittel ꝛe. Bu der
primären U. rechnet man die eſſentielle (perni-
gist) A. und bie Bleichſucht. Erſtere ijt cine ſchwere
luterfranfung, die meiſt tödlich endigt. Der Blut-
befund ergibt eine betraidtlide Verminderung der
Zahl der roten Blutfirperden, auferdem pflegen die
roten Blutforperden in der Form verändert ju fein,
es finden fid) fehr große und fehr kleine, vielfad) aud)
fernhaltige. Der Hamoglobingebalt des cinjelnen
Körperchens ijt dagegen nidt vermindert. Die Kranfen
flagen iiber Schwindel, Obrenjaujen, Kopfſchmerzen,
Flimmern vor den Yugen, jie werden bet forperliden
Unjtrengungen leicht hirzatmig, häufig find Blutun-
gen in die Haut, in die Netzhaut, zu manden Fallen
treten Störungen von feiten des Rückenmarks, fajt
ebenfo wie bet Riicenmarfsidwindjuct, auf. Uber
die Urjache der primären A. weiß man wenig. Jn
einer Reibe von Fallen, die man neuerdings ju der
ſekundären A. gu ftellen pflegt, wurde ein Cingeweide-
wurm, da’ Anchylostomum duodenale (j. d.), als
Erreger gefunden. Die Therapie bejteht in ſorgfälti—
480
Anamirta — Ananas.
ger Ernährung, unterjtiigt durch Eiſen- und Arſen- Objeft und Bild (d. h. derjelben Scharfjtellung) auf-
priiparate, in vergweifelten Fallen macht man aud)
Bluttransfuſion. tiber Bleichſucht ſ. d.
Anamirta Colebr., Gattung der Meniſpermazeen,
gropblatterige Schlingſträucher im vorderindijden und
malaiijden Gebiet, mit großen hangenden, jufam-
mengejegten Trauben und geſtielten, nierenformigen
—— A. Cocculus Wight et Arn. Fiſchlörner⸗
oder Rodelsfirneritraud), mit lederartigen Blat-
tern, fleinen weißen Bliiten und beerenartigen roten
Steinfriichten. Dieſe (Rodels-, Fifd-, Läuſe—
firner, ſ. Tafel »Samenformens«, Fig. 8) find ge-
trocknet fajt fugelig, von etwa 0,5—1em Durchmeſſer,
Dunfel graubraun, runzelig, geſchmacklos, enthalten
einen dligen Kern, der widerlid) bitter fdymedt und
nartotiſch giftig wirtt. Ex enthalt Pilrotoxin und Fett,
das Fruchtgehaͤuſe geſchmackloſes, nicht qiftiqes Meni-
ſpermin. —* Kockelskörner lamen im 16. Jahrh. als
Gallae orientales s. Baccae cotulae elephantinae
nad) Deutſchland; fie dienen gegen Ungesiefer, in In—
Dien jum Fiſch- und Bogelfang. Wirſt man fie ins
Wafer, fo betiuben fie die Fiſche, Dak diefelben auf
die Oberflade kommen und ſich leicht fangen laſſen.
Strafbar ijt die Anwendung als Hopfenfurrogat. Das
Fett Der Kerne dient in Jndien zu Kerzen; die Wurzel
und Die bittern Stengel (Putra walli) als Fiebermittel.
Anämiſch (qried.), an Anämie (7. d.) leidend,
blutarm. Anämiſche Geräuſche, | Hergztine.
Anamiten, Anamitifd, |. Anam.
Anamnefe (qried)., »Erinnerung«), die Vorge-
ſchichte einer Rranfheit, fie beridtet, ob cin Leiden an-
qeboren oder erworben ijt; ob etwa cine Epidemie an
dem Orte herridt, wo der Kranke verwweilt hat, ob die
Rranfheit neu entitanden ijt, oder ob man es mit
einem Riidjall zu tun bat; jie berichtet fiber viele
Fragen, die Durch objeftive Unterſuchung nidt ent-
ſchieden werden fonnen, und ijt fomit bei allen Krank—
heiten unentbehrlich. Noch widtiger ijt cine qenaue
A., wenn es fic) bei plötzlichen Todesfällen u. dal. um
gerichtliche Feſtſtellung der Todesurſache handelt.
Anamnejtif (qr.), Gedachtmstunit (ſ. Mnemonif).
Anamnioten (Anamnier, griech.), die ohne
Amnion fic) entwidelnden Wirbeltiere: Amphibien
und Fiſche.
Anamorphofe (qried., »Umgeftaltung<), eine
nad optifden Geſetzen verjerrt gezeichnete Ubbildung
eines Gegenjtandes, die unter bejtinunten Bedingun-
en in ridtigen Verhältniſſen erſcheint. Die optifden
Anamorphoſen bedingen einen beftinunten Stand-
punft, von wo aus fie gefeben werden miijjen. Kat—
optrifde Unamorphofen müſſen in sylindrifden,
fonifden oder pyramidenfirinigen Spiegein betrachtet
werden, um das wahre Bild ju zeigen, während fie,
mit blofem Auge gefehen, als verjerrte Gejtalten er—
ideinen. Dioptrifde Anamorphoſen zeigen, durch
ein Volyeder (vieleckig geſchliffenes Glas) beſehen,
regelmäßige Bilder oder ganz andre, als ohne ein
ſolches Glas zu ſehen ſind. — Zeiß in Jena hat ein
Linſenſyſtem (Anamorphoth konſtruiert, das tin
Objekt jo abbildet, daß allen ſeinen Punkten ſcharfe
Bildpunkte entſprechen, gleichzeitig aber die lineare
Vergrößerung in zwei zueinander ſenkrechten Durch—
meſſern der Bildebene verſchieden iſt. Die Verwendung
des Anamorphot als photographiſches Objeltiv ermig
licht die Herſtellung von Bildern, die in beliebigen Gren
zen verzerrt find. Fig. Jzeigt das Originalmufter, Fig.2
ſeine Verzerrung in die Breite und Fig. 3 feine Ber-
jerrung in die Lange. Beide Verjerrungen find mit
Dentfelben Cbjeftiv und dem gleiden Ubjtande von
qenommen. Die Verfdiedenheit der Verzerrung ijt
dadurch bewirkt, daß der Unamorphot gegen die :
lung bei der erſten Auſnahme um 90° um feine opti
ſche Achſe gedreht wurde. In jeder Swifchenjtellung
erjeugt Das Objeftiv ein ſcharfes Bild, das mit zu
nehmender Drehung numer andre Verjzerrungsformen
annimmt (5. B. Fig. 4), bis —— von Fig.2
in diejenige von Fig. 3 übergeht. Die durch dies
ſtrument gegebene Möglichteit der Variation von
Muſtern diirtte gewerblich ausnutzbar fein. — Yn der
Botanif ijt A. oder riidjdreitende Metamor-
phofe (Demmungsbildung) die Zurückbildung
von Blattgebilden der Blüte m die nächſt miedrige
Entwidelungsjtufe (des Blumenblattfreifes in einen
1 2
GB
| |
8
— me
1. Originalmufter. 2. Berjerrung
bie Lange. 4. Berzerrung bei Mite
Fig. 1—4. Anamorp bofen.
telftellung des Objeftivs.
Kelch, der Fruchtblatter in Staubgefäße, von Staub
gefäßen in Blumenblatter, wodurd) die fogen. ge-
Nillten Bliiten entitehen). Bei der Veriaubung (Rh yl-
lodie) finfen Bititenteile auf die Ausbildungsſtuſe
qriiner Laubblätter zurück. Nehmen alle Blatter einer
Bliite an der Rückbildung teil, fo wird aus der
Bliite cine Laubfofpe (Vergqriinung, Untholyfe,
Ehloranthie).
Anamoſa, Hauptitadt der Grafſchaft Jones im
nordamerifan. Staate Nowa, am Wapfipinicon, Bahn⸗
freujungspuntt, mit Sudthaus und (1900) 2891 Gimp.
Ananas Adans. (Unanas, in der Tupifprade
in Brafilien Unaffa, Nanas), Gattung der Bro-
meliazeen, Gewächſe nit ftarren, an den Rändern
dornig gezahnten Blattern und mit Scheinfrudt, die
durch Verwachſung dex Fruchtknoten mit der Achſe
des Blütenſtandes und den Decblattern entſteht. mit
einem Pinienzapfen Ahnlichkeit bejist und mit einen
Blätterſchopf gekrönt ijt. 5 — 6 Arten im tropijden
Amerita. A. sativus Lindl, (j. Tafel »RNabrungs-
pilangen III «, Fig. 3), befonders in Weftindien und
Wittelamerifa, ijt über alle Tropengeqenden verbreitet
und wird in mehreren Barietiten auf den Bahama-
und Wejtindifden Anfeln, in neueſter Zeit befonders
auf den fleinen Inſeln von Florida (Keys) und in Flo
rida im Freien, in Europa in Treibhäuſern gezogen.
Durch die Nultur hat die Frudt an Geſchmack und
Yironta gewonnen, iit ſamenlos und erreicdht cin Ge-
widt von 3 --4 kg. Jn Weftindien bepflanzt man das
Yr mit 65--80 Dugend Seplingen und gewinnt nad
2 Jahren bei der erjten Ernte etwa 60, bei Der zwe—
ten und Dritten 40 Dugend Friidte von 1,5— 1,75 kg.
Jn Europa fultiviert man die A. feit 1830 in niedrigen
Sewadshiujern. Die am Wurzelſtock im Spatiom-
mer hervorfonrmenden Nebentriebe (Min Del) werden
von der Mutterpflanze getrennt, in Lobe iiberwintert
und im Frühjahr in lodere Erde gepflanzt. Im dritten,
aud ſchon int zweiten Jahr erhalt man die Früchte
Kräftige Diingung, ſorgfältige Regelung der Heigung
Ananasither — Anaphi.
und Feuchtigleit find Hauptbedinqungen der Kultur.
Seitdem dic Frudt majjenhaft rig wird, ijt
die Kultur ſehr jurtidgegangen. Die A. ſchmeckt fiip-
fauerlid, ungemein fen aromatijd. Man genießt fie
friſch in Scheiben geſchnitten und benugt fie aud gur
Bereitung von Unanasbowle und ju Konfitüren. —*
den Tropen gewinnt man aus dem Safte Wein und
Branntwein; in Weſtindien gilt fie fiir nicht afflima-
tifierte Frembde als gefährlich. Auch bet uns wirtt
haufiger Genuß nadteilig. Ihr Saft enthalt ein fehr
wirfjames Ferment (Bromelin), löſt Fleifd beid4O— 50°
und verwandelt es in ein febr baltbares Bepton. Die
Reger benugen den Unanasfaft gegen Diphtheritis.
Die Blatter liefern den Unanashanf (jf. d.). Die erjte
A. fam 1514 nad) Spanien; die erjte Beſchreibung
und Ubbildung gab Hernandez de Oviedo in feiner
»Raturgejdicte Indiens · 1535, Le Cour, ein bol-
lãndiſcher Kaufmann, ergielte zuerſt 1650 in ſeinem
Garten ju Drichod bei Leiden gute Früchte; in Bres-
lau gewann Kaltſchmidt 1703 die erjte Frudt. Bal.
Lebl, Die Ananaszucht (Berl. 1893).
AUnanasather (Ananasölh), Frudtither vom
Gerud) der Ananas, bejteht aus Butterſäureäthyl⸗
und ⸗Amyläther mit wenig Chloroform, Aldehyd
und Glyzerin. uch cin aus Butterfeije durch Dejtil-
lation mit Ulfohol und Schwefelſäure dargejtelltes
Praiparat, das Wthylejter der Butterfiure, Kapron-,
Kaprin⸗ und Kaprylſäure enthalt. Unanaseffens
ijt eine Löſung von A. in Alkohol. W. wird in der Ron:
ditorei und zur Bereitung von künſtlichem Rum benutzt.
Ananasbatijt, ſ. Unanashanf.
Ananasefiens, ſ. Ananasäther.
Ananashauf (Ananasſeide), Faſer aus den
Blättern der Ananas, wird unverſponnen zu Geweben
verarbeitet, die ſehr ſtark durchſcheinend ſind (Ana—
nasbatiſt, auf den Philippinen Pifias, malaiiſch
Ananaskirſche, ſ. Physalis. Tagals).
Ananaskrankheit, bei den Gartennellen durch
das Stengelälchen (Tylenchus devastatrix Kiihne)
hervorgebradjte Krankheit, bei der die Stengelglieder
wie die Blatter furs bleiben und legtere zugleich did
und fraus werden, fo dak cin ananasähnliches Ge-
bilde entiteht. YW. des Zuckerrohrs auf Java wird
durd) einen Pil; (Thielaviopsis) an den gum An—
pflanzen bejtimmten Stedlingen hervorgerufen.
Ananasöl, ſ. Unanasather.
Ananias (griech. Form des hebräiſchen Namens
Chananja, » Gott begnadigt ·), 1) Sohn des Nedebäos,
Hoherprieſter 47—59 n. Chr., wurde von dem Statt-
halter Syriens, Ummidius Quadratus, gebunden nad
Rom gefendet, erhielt aber nad glücklicher Beendiqung
jeines Prozeſſes vom Kaiſer Claudius dic Erlaubnis,
in fein Baterland zurückzukehren, und verwaltete hier
wieder da8 Hobhepriciteramt. Er leitete die Ratsver-
jammiung, vor der fid) der Upoftel Paulus gu ver-
antworten hatte. 59 ward UW. durd Ismael, Sohn
de3 Phabi, als Hobherpriejter erjest, 66 beim Ausbruch
des Krieges als Romerfreund von dent aufftandijden
Volk erfdlagen. —- 2) Mitglied der chriffliden Ur—
gemeinde gu Jeruſalem, der nad) Apoſtelgeſchichte 5
vom Erlös feines gu qunjten der Bediirftigen ver-
lauften Grundſtückes unterjdlug und dafiir mit feiner |
Frau Sapphira plötzlichen Tod erlitt. -
Damaskus, der nach Apoſtelgeſchichte den Saulus
(Paulus) taufte.
3) Chriſt in
481
Ananke (griech.), die Notwendigleit; als Berjoni-
jitation der Schickſalsgöttin Wdrajtreia gleichgeſetzt.
Anapa, Hafenjtadt in der ruffijd-taulaj. Proving
Ruban, 45 km füdöſtlich der Kubanmiindung, mit
offener Reede und (1897) 6676 Einw., meift Rujjen. —
A. wurde 1781 durch franzöſiſche Ingenieure als tür—
liſche Grenzfeſtung gegen die Ruſſen erbaut, von die—
fen gwar unter Gudowitſch 22. Juni 1791 im Sturm
genommen, aber im Frieden von Jaſſy 1792 guriid-
egeben. Am 29. April 1807 abermals von den Ruſ⸗
* erobert, wurde es im Frieden von Bukareſt (1812)
wieder guriidgegeben. Am 28. Juni 1828 gum drit-
tenmal von den Ruſſen genommen, ward es im Fries
den von YWdrianopel (1829) an dieſe abgetreten. Als
der Krimkrieg ausbrad, wurde A. sum Hauptiwaffen-
plat an der Raufafustiijte erhoben ; beim Eindringen
der verbiindeten Flotten in das Aſowſche Meer aber
wurden 1855 die Befeſtigungen als unbhaltbar von
den Ruſſen felbjt zerſtört.
Anapaft (qriec).), Versfuß, Grundform W 2, ne⸗
ben der aber aud) die rhythmiſch gleichwertigen For—
men 4, se und vote unter gewiffen Bedingun-
en zuläſſig find. Bewegter und energifder als der
altylus, ijt der UW. vorzugsweiſe der Maridrbhyth-
mus der Griedjen und wurde in Gejtalt der Tripodie
oder des Profodiatos(cvs | w+ | Vu, aberaud
vt |vvt| vo) in den Brozeffionsliedern (Proſo⸗
dien), als fataleftijche Tetrapodie oder Pari miafos
(Lot |vot|cot|e) und ald fatalettifder Tetra-
meter in Marſch- und Sdjladhtliedern (Embaterien
oder Enoplien) dec Dorer verwendet. Dieſer letzte
Vers wurde in die attifche Komödie hiniibergenonnnen,
wo er nächſt dem iambifden Trimeter das häufigſte
Metrum ijt und in Parodo3 und Parabaje fowie in
Streitizenen gebraudt wird. Wegen feiner häufigen
Verwendung bei Urijtophaned wird er der Urijtopha-
nifde Bers qenannt. Eine der Tragödie und Komödie
gemeinfame Verwendung des anapajtifden Metrums
it bas Hyperntetron, die Verbindung einer beliebigen
Anzahl von Tetrapodien, untermijdt mit Dipodien
mit einem Baridmiafos als Sdlubvers, in der Tra-
gödie die regelmäßige Form der Barodos. Die alt-
römiſche Komödie verwendet Dimeter, Parömiakos,
Tetrameter, Septenar und Oftonar. Den Septenar
hat Platen nad) dem Borbilde des Uriftophanes fiir
die Chorjtrophen feiner fatirifden Romddien, Brug in
jeiner » Politijdhen Wodhenjtube« angewendet. Beiſpiel:
Uber eines verleibjt du, o himmliſches Gold, | was wenige,
bie bid) befigen,
Hu befigen verſtehm, ju geniefen verftehn; | was ift bied Cine?
bie Freiheit. (Platen.)
Anaphalis DC., Gattung dev Nompofiten, aus⸗
Dauernde, graufilzige oder wollige Kräuter mit ziem⸗
lich fleinen, didjt oder locker ebenſträußig an den Zweig⸗
enden jtehenden Bliitenfdpfden. Gegen 30 Arten,
meiſt im tropifden oder gemiafigten Aſien. A. mar-
garitacea Benth. et Hook, fil. (Antennaria marg.
Rafin., Bapierblume), mit weißfilzigem Stengel,
unterjeits filzigen, lineal -langettliden Blattern und
weigen Bliiten, wird als virginifde Immortelle
zu Trodenbufetts verwendet.
Anaͤpher, ſ. Unaphora.
Andphi (das alte Anaphe), cine der ſüdlichen
Ryfladen, 47 qkm mit ase) 643 Einw. und gleidy
namigem Hauptort. Sdiefer, Syenit, Granit, Ser-
Andnjew, Kreisſtadt im rujj. Gouv. Cherfon, hat | pentin, Ralf und Marmor ſetzen, neben- und iiberein-
ein Gymnajium, bliihenden Weins und Objtbau (Apri⸗
fofen, Apfel zc.), Getreidehandel nad) Odefja und cise7)
16,713 Einw. Die Stadt fam 1792 an Rufland.
Meyers Rony.» Lerifon, 6. Mufl., 1. Bd.
ander qelagert, A. zuſammen. Bleierze mit 39 —70
Bro}. fei werden ausgebeutet. Auf der Südküſte lie
gen die Ruinen eines Upollontempels. Nad) der Sage
Bl
482
lie} Upollon die Ynfel durd einen in’ Meer abgeſchoſ⸗
fenen Pfeil entiteben, um Die zurückkehrenden Argo—
nauten ju retten, die ihn bei Drohendem Schiffbruch
um Hilfe angerufen batten.
Andphora(qried, Un dpher,» Zuriidbringung:),
in Der Rhetorif Die naddrudsvolle Wiederholung emes
oder mehrerer Worte tm Anfang mehrerer aufeinan-
ber folqender Sipe, 3. B. Körners » Vater, id) rufe
bid, Bater, erhbre nnd! «
Anaphrodijiafa, |. Antaphroditiſche Mittel.
Anaphrodijie (Unaphroditismus, qried.),
franfhafter Mangel des Gefdhledjtstriebes ; Verfiim-
merung der Geſchlechtsteile.
Anaphrodit, ſ. Aphrodit.
Anaphijton (griech.), ſ. Individuum.
Anaplaͤſtik (griech.), plaſtiſche Chirurgie.
Andpo, Fluß in der ital. Proving Syrafus auf
Sizilien, mündet in den Hafen von Syrakus. An
feinen Ufern wächſt die Papyrusſtaude.
Anapoklitiſche Prismen, ſ. Prisma.
Anaptomorphus Homuncalus, foſſilerHalb⸗
ajje aus Dem Untereocän von Wyoming.
Anaptychus, |. Unimoniten.
Anaptyris , ſ. Svarabhatti.
Anaradjdhapura, grofartige Ruinen der alten
Hauptitadt Ceylons und des Heiligtums des buddhiſti⸗
ſchen Kultus. Schon 437 v. Chr. zur Reſidenz erhoben,
wuds es maidtiq an, nachdem 308 v. Chr. die Heili-
en Rejte Buddhas hierher qebradt worden waren.
ud) nad Verlegung der Reſidenz bewahrte A. ſeine
hohe Stellung als heilige Stadt, wurde aber Anfang
deS 13. Jahrh. zerſtört und blieb ſeitdem verödet.
Anarchie — Herrſchaftsloſigleit ·), der Zu⸗
ſtand der Geſellſchaft, in welchem die Staatsgewalt
entweder aufgehoben oder in der Ausübung ihrer
Machtbefugniſſe gelähmt iſt, wie dies z. B. wiederholt
in Frankreich der Fall — Anarchiſch, geſetz—
los, im Zuſtande der Geſetzes- und Herrſchaftsloſig⸗
feit befindlich. Anarchiſt, wer einen anarchiſchen
Zuſtand anſtrebt; vgl. den folgenden Artikel.
Anardismus (griech.), diejenige politiſche Theo-
rie, welche Die Anarchie (ſ. d.), d. h. in dieſem Sinn die
Beſeitigung jeder Herrſchaft eines Menſchen über einen
andern, alſo einen Zuſtand ohne Rechtsordnung, ohne
Uber> und Unterordnungsverhältnis, anſtrebt. An—
archiſten, die Anhänger dieſer Theorie. Anſätze zum
A. finden ſich ſchon im Altertum, im Mittelalter wie
in Der neuern Zeit; folange es eine Rechtsphiloſophie
gibt, fehlte es nicht an Denfern, weldhe die Notwen-
Ddigfeit der Rechtsordnung tiberhaupt verneinten und
in dem freiejten Walter des Cingelwillens die ver-
nunftgemapeite Ordnung des menfdlicen Zuſam—
menlebens erblicdten. Eine anardijtifde Lehre wurde
im newer Seit gum erjtenmal von William Godwin
in ſeinem Werfe »An enquiry concerning political
justice and its influence on general virtue and hap-
piness« (Lond. 1793) aufgejtellt. Einen nadbhaltigen
Einfluß gewann indeſſen erſt diejenige —8
Richtung, die ſich gegen die Mitte des 19. Jahrh. ent-
wickelte. Begründet wurde dieſelbe durch Peter Joſeph
Proudhon (jf. d.), der, ausgehend von der Betrachtung
che |
der ungleiden Miitervertetlung und der unbeilvollen |
Abſatzkriſen, in feiner Schrift »Qu’est-ce que la pro- |
priété?« (1840) die beftehende Rechtsordnung fiir
dieſe Ubelſtände verantwortlid) macht; denn unter
dem Swange des Cigentumsgefeges vollziehe fich | liche Verirrung, die mit dem oben erdrterten
Anaphora — Anardismus,
einen Teil der vom Vrbeiter geſchaffenen Gilter ein⸗
ernte (»Cigentum ijt Diebjtabl«). Dagegen wiirde
nad) Anſicht Proudhons das freie Walten der wirt-
ſchaftlichen Kräfte einen geredten, den wirflichen Wert-
verhaltnijjen entipredjenden Giiteraustaujd bewirfen.
Bon diejem Standpuntt aus jede Rechtsordnung, jede
Obrigleit verwerfend, fordert Broudhon den Zuſtand
der Serridaftalofigteit Den er jum erjtenmal mit
dem Worte Anarchie bezeichnet und in fener Schrift
»Idée générale de la Révolution am XIX. siécle«
(1851) darjujtellen verjudt. Hiernad foll durch das
ungebundene Walten der wirtſchaftlichen Rrafte die
ungejtirte Drdnung der Giitererzeuqung und Giiter-
verteilung hergeſtellt werden : freie Urbeitstettung und
Arbeitsleiſtung der teils einzeln fiir fic, teils in
pen, ausfdlienlid) nad dem ihnen innewohnenden
Geredhtigteitsfinn und freien Vertriigen wirtidaften:
den Menjiden. Um den Produzenten vom Kapitaliſten
_unabbingig ju machen, empfiehlt Broudbon die Er-
ridjtung emer Tauſch- oder Vollsbant (banque
d’échange, banque du peuple), in der Dem einzelnen
Leilnehmer von der Gejamtheit der Teilnehmer das
sur Giitererzeuqung notwendige Kapital unverzinslich
vorgeſchoſſen wird; hingegen darf der Produzent, bez.
die Scchnicalsnacasee: ie Preife bei Meidung des
Ausſchluſſes von der Bank nur nad Maßgabe der
Selbjtfoften (Urbeitszcit und Auslagen) feſtſetzen.
Uberhaupt erwartet Proudhon die irfli
fener Gedanfen von der Macht der UÜberzeugung und
von einer friedliden Entiwidelung.
Proudhon fand in Deutſchland vielfach Anklang; fo
haben in Den 1840er Jahren Mojes Hej (1812—72)
und Rar! Griin (1817—87) in mebreren Sebriften
und in agitatorifder Tatigheit Proudhonſche Ideen
zu verbreiten gejudt. Mit äußerſter Konſequenz wurde
* Lehre von Mar Stirner (Kaſpar Schmidt, ſ. d.)
in deſſen 1845 erſchienenem Buche » Der Einzige und
fein Cigentum< ausgebildet. Un Stelle des Proudhon-
ſchen Gerechtigkeitsſinnes tritt bei Stirner der nadte
Egoismus, an Stelle der Proudhonſchen Wirtſchafts⸗
qruppe der » Verein der Egoiſten⸗· Die Durchführung
diefer egoiſtiſchen Unardie dentt ſich Stirner im Wege
der Revolution. Der Sieg der Reaftion 1848 drängte
die anardiftifde Lehre in den Hinterqrund, und
Proudhon felbjt erflarte 1852 in der Schrift »Du prin-
cipe fédératif« die Unardie fiir unausführbar und
die Föderation autonomer Gemeinden fiir die richtige
Regierungsform. Mit dem Erwaden der Urbeiter-
bewequng in den 1860er Jahren begann fid unter dem
Einfluffe ruſſiſcher Ugitatoren die anarchiſtiſche
BPartet gu entwideln. Der Begründer derſelben ijt
Midael Bakunin (j.d.), der feit 1864 in der Schwei
als anarchiſtiſcher Ugitator titiq war; im ——
an Proudhon forderte er freie Kraftentfaltung des
Einzelnen in Arbeitergenoſſenſchaften und Verbän—
den, auf dem Gefühl der Solidarität beruhend; als
Mittel empfahl er jedoch im Gegenſatze zu Proudhon
die Revolution, wobei er indeſſen den Mord verpinte.
Anders der von Bakunin nad Rußland entfendete
Sergei Netſchajew, der dort 1869 jum erjtenmal
die jogen. Propaganda der Tat entwidelte, d. b.
die Agitation mittels Gewalttaten, Mord und Muf-
ruber, nidt zu dem Swede, die beſtehende Ordnung zu
befeitigen, fondern lediglich 3u Dem Swede, die Gerjter
durch ungeheuerliche Taten aufyuriittein. Dieſe qrew-
mn
zwiſchen Unternehmer und Yrbeiter ein fiir Den leh: | Des A. nicht zuſammenhängt und feineswegs von allen
tern ungiinitiqes Tauſchgeſchäft, vermige deffen der
Unternehmer, obne felbjt ju arbeiten, ungeredterweije
|
YUnbhangern desfelben gebilliqt wird, wurde von dem
ruffifden Flüchtling, Fürſt Peter Rrapottin (7. d.),
Anardismus (üngſte Entwidelung, ftaatlide Gegenmaßregeln).
Der nad Bakunin in der Schweig eine lebhafte agita-
toriſche Tätigleit entwidelte, in da’ Brogranun der
anardiftifden Partei aufgenommen. Theoretijd) ver-
tritt Rrapottin den klommuniſtiſchen A., der auf dem
Gedanten der freien ‘Broduftion und Ronfumtion be-
rubt: freie Entwidelung der wirtidaftlidjen Kräfte
in Gruppen und Gerbinden; jeder foll nicht nur an
der Froduftion, fondern aud) an dem Genuſſe de3 Er-
gebniſſes der gemeinjamen Arbeit nad) Belieben teil-
nehinen; Mißſtände werden ſich hierbei nicht ergeben,
da jeder, einer höhern Moral folgend, nach beſtem
Können an der gemeinſamen Arbeit teilnehmen werde;
zur Verwirklichung der Anarchie dienen Revolution
und Propaganda der Tat. Es iſt dies das Programm
der Mehrheit der heutigen, namentlich romaniſchen
Anarchiſten. Während in Rußland der A. durch den
Nihilismus (ſ. d.) abgelöſt wurde, hat er in den weſt
europãiſchen Staaten ſeit den TOer Jahren des vori—
gen ag hee ir zeitweiſe viel von ſich reden maden.
Sn Franfreid, wo der UW. durd Krapotkin feit
Ende der 1870er Jahre Eingang fand, machte er ſich
feit Marg 1892 durd) cine Reihe von Explofionen be-
merfbar, deren Haupturheber Ravadol und Vaillant
nebjt andern feſtgenommen und —— wurden.
Beſonders belannt wurde das Bombenattentat Bail-
fants in Der Deputiertenlammer (9. Dez. 1893), durch
das jedoch niemand getitet wurde, ein gleiches Utten-
tat Henrys (12. Febr. 1894) im Termimushotel und
ein Uttentat im Rejtaurant Foyot (4. Upril 1894),
endlid) die Ermordung des Prajidenten Carnot in
Lyon 23. Juni 1894 durd) den Italiener Caferio.
In Italien fanden feit den 70er Jahren wiederholt
anarchiſtiſche Anſchläge jtatt, die aber erfolglos blie-
ben, bis auf Den vom 29. Juli 1900, bei bem König
umbert durch Bresct ermordet wurde. Qn der
chweiz, die cin Mittelpuntt des A. war, wurde
10. Sept. 1898 die Kaiſerin Elijabeth von Ojterreich
in Genf durch Lucdeni erdoldht. Ju Spanien hatte
die Revolution von 1873 zu anardhijtijden Gewalt-
taten und ftellenweife aud) sur Eroberung der poli:
tifdhen Macht durd) die Unardhijten gefiihrt. Später
entſtand eine neue anarchiſtiſche Verſchwörung unter
dem Namen der »ſchwarzen Hand. Zahlreiche Atten⸗
tate fanden 1893, 1894, 1896 vornehmlid in Bar-
celona ftatt; ant 8. Aug. 1897 wurde der Minijter-
prijident Canovas del Cajtillo ermordet. Zahlreiche
namitanſchläge und infolgedefjen Unardijtenpro-
zeſſe fanden aud) in Belgien in der erjten Halfte der
Wer Yahre jtatt.
In Deutſchland hat die anardijtijde Bewequng
im Gegenfage gu den romanijden Ländern niemals
eine erheblide Bedeutung gewonnen; indeffen bat
auch hier die Propaganda der Tat, hauptſächlich durd
J. Moſt und Reinsdorf verbreitet, einige Uttentate
und Anſchläge gezeitigt: das Hödelſche Ättentat auf
Kaiſer Wilhelm J. (1878), den Plan Reinsdorfs, die
deutſchen Fürſten bei Einweihung des Niederwald⸗
denkmals (1883) gu ermorden, die Ermordung des
Polizeirats Rumpff in Frankfurt a. M. durch Lieske
(1885). Yn Oſterreich, wo Peukert die Führung
der Unardijten iibernommen hatte, wurde die ju
Anfang der 8er Jahre in mehreren Bluttaten fic
äußernde Bropaganda der Tat durch Page e Beſtra⸗
fung der Schuldigen bald unterdrückt. England
483
| Der prattijce A. ijt durd) Johann Moſt ins Leben
| gerufen worden, der 1883 von England nad) dort
ausgewandert war. Namentlid) in Chicago fant eg
ju blutigen Zuſammenſtößen mit der Polizei, die gu
einem energijden Vorgehen der Staatsgewalt und
ad Hinrichtung der Rädelsführer (1887) fiihrten.
m 6. Sept. 1901 fiel Der Präſident der Vereinigten
Staaten, Mac Kinley, einem anardijtifden Uttentat
jum Opjer.
Die gahlreiden Uttentate der letzten Jahre auf qe-
frimte Häupter und Prafidenten von Republifen haben
gwar die Unrequng ju internationalen Maßregeln
egen den A. gegeben, jedod) ju feinen Refultaten ge-
Port. Dagegen bejtehen in einer Reihe von Landern
ſchon feit apren Strafgeſetze, Die direft oder indireft
gegen den A. geridjtet ſind. Da die Anarchiſten viel-
ah unter Unwendung von Sprengjtojfen (Dynamit)
ihre Ziele gu erreidjen ſuchten, wurden in verjdiede-
nen Landern —* gegen verbrecheriſchen und ge—
meingefährlichen Beſitz und Gebrauch von Spreng-
ſtoffen erlaſſen. Den Anfang machte England durch
Geſetz vom 10. April 1883, ihm folgten 9. Juni 1884
Deutſchland (Dynamitgefes), diefem Oſterreich durch
Geſetz vom 27. Mai 1885, Belgien 22. Mai 1886,
Frankreich 18. Dez. 1893, die Schweiz 12. April 1894,
Spanien 10./11. Yuli 1894, Stalien 19. Juli 1894.
Außer diefen Sprengitoligeleyen haben einzelne Staa-
ten nod) befondere Gefege erlajjen, die, ohne den A.
Direft gu nennen, dod) dDenfelben trejfen follen, fo Däne⸗
mart das Geſetz vom 2. Dez. 1886, Belgien das Geſetz
vom 25. März 1891 (Loi portant répression de la
provocation à commettre des crimes ou des délits),
Frankreich das Geſetz vom 12. Dez. 1893, betreffend
Abänderung des Preßgeſetzes vom 29. Yuli 1881 in
ſeinen Artikeln 24, 25 und 26 über Die Wufforderung
jum BVerbreden, das Geſetz vom 18. Dez. 1893, gegen
Die verbrecheriſchen Verbindungen, und das Gejeg vom
28. Juli 1894, zur Bekämpfung der anarchiſtiſchen
Anſchläge (menées anarchistiques), das einzige Ge—
feb, Das den A. direft als Swed feiner Bejtimmungen
nennt. Italien hatte einige Tage vorher, 19. Juli
1894, drei Geſetze erlajjen, dic, ohne den YL. zu nennen,
gegen ihn gerichtet find, nämlich das oben bereits er-
wahnte Sprengſtoffgeſetz und das Geſetz gegen Die Auf⸗
reizung zum Verbrechen und gegen die Verherrlichung
von Verbrechen durch die Preſſe; das dritte, betreffend
die Fürſorge fiir die öffentliche Sicherheit, hatte nur
Geltung bis sum 31. Dez. 1895, wurde jedoch in etwas
abgednbderter Form durch Geſetz vom 17. Juli 1898
wieder ernenert und, da es jum größten Teil 30.
Juni 1899 auger Wirkſamkeit trat, infolge des Luc»
cheniſchen Uttentats durd) das italieniide Notdefret
(provvedimenti politici), deſſen redtliche Giiltiqtett
allerdings [ebhaft beftritten wird, erſetzt. Die erfolg-
reichen Uttentate auf den König Humbert von Ita—
lien und auf den Prajidenten der Bereinigten Staa-
ten von Umerifa, Mac Kinley, brachten die Frage
eines gemeinfamen Borgehens aller Rulturjtaaten
gegen den A. wieder in Fluß. Am 2. Febr. 1901 brachte
Der italienifde Juſtizminiſter Gianturco einen Geſetz⸗
entwurf über die anardijtiiden Verbrechen im Senat
cin, 2. Dez. 1901 forderte der Brajident der Vereinig⸗
ten Staaten, Roojevelt, den Kongreß dringend auf,
Geſetze gegen die Unardijten angunehmen, und Ende
fommt fiir den UW. nur infofern in Betradt, als in | Juli 1902 bradjte aud) die Regierung von Yrgenti-
London die Unardijten der andern Lander, insbej.
die deutſchen und öſterreichiſchen, ſich zuſammengefun—
den hatten. Yn Nordamerifa hat der friedliche A.
Proudhons einen Vertreter in Benjamin R. Tucer.
nien, wo die Unardiften eine ſehr rege Tätigkeit ent-
| wideln, einen Gefegentwurf gegen den A. cin. Er—
folg batten dieſe Bejtrebungen jedod) nur in Ame—
ritä, wo 10. Juli 1902 das Repriijentantenbaus in
31*
484
Wafhington den Gefesentwurf gegen die Unardiften
annahm, wonach Yttentiter gegen fremde Gefandte
und Miniſter mit dem Tode bejtraft werden.
Daß der A. übrigens teineswegs erlofden ijt, be-
weiſt Die Zahl der anarchiſtiſchen Zeitſchriften, die
gegenwärtig ca. 100, zeitweilig wahrſcheinlich nod
mehr, betragt. Ende 1901 erſchienen die folgenden:
Agypten: La Tribuna libera (Wleganbdria). Argenti-
nien: La Protesta umana; El Rebelde; El Obrero; El Sol;
El Obrero punadero; El Obrero abbanil; ete. (fpanifd).
L'Avvenire; La Nuova Civilta (italienifd, Buenos Aires);
La Voz dell’ Esclavo (Chivilay). Belgien: L'Emancipation
(Briifie); Le Réveil des Travailleurs (Yittid); Ontwaking
(vlamijd, Antwerpen). Brasilien: 0 Diritto (italieniſch, Cu⸗
ritiba); Palestra social (ſpaniſch, italieniſch, portugiefifd, San
Paolo). Chile: La Agitacion; La Rebelion (Santiago).
Cuba: El nuevo Weal (Havana), Deutſchland: Neues
Leben (Berlin); Freibeit (Feuerbad bei Stuttgart); Der arme
Teufel (deutſch, Friebrichshagen bei Berlin). England: Free-
dom (London); Arbeiterfreund (jüdiſch, London); La Gréve géné-
rale (franjdfifd, italieniſch, London). Franfreid: Les Temps
nouveaux; Le Libertaire; L’Education libertaire (Paris);
Le Flambean (Tienne (Here). GSollanb: Anarchie; De
Vrije Socialist (Amifterdam); De Toekomst (Gorindem) : De
Arbeider (Groningen); Recht voor Allen (Deventer) ; De Zweep
(Haag). Italien: L’Agitazione (Nom); L'Era nuova (Reas
pel); L'Avvenire sociale (Mejffina). Rorbamerifa: (eng:
lif) Free Society (Chicago); Discontent (Home, Late, Bay,
Rajbington); Liberty (New York); deutſch: Freiheit; Der
Tramp (New Yort); Chicagoer Arbeiterjeitung; Borbote (Chi-
cago); franjofijg: Germinal (Paterfon, Rew York); italie-
nif: Aurora (Spring Valley, Illinois); Questione sociale
(Paterfon, New Yor); ſpaniſch: El Despertar (Broof{yn); La
Voz del Esclavo; La Voce dello Schiavo; fpanifd und ita:
lieniſch: Tampa [Florida]; El Resistente (Rey Weft (Florida);
tſchechiſch: Volué Listy (Brooflgn); judiſch: Freie Arbeiter-
ftimme (Rew Yorf), RNorwegen: Til Frihet (COriftiania).
Ofterreid: Der freie Sosialift (Gray); Novy Kult (tſchechiſch,
Prag); ebenfo: Matice Svobody (Sriinn); Hornik (@riiz). Por
tugal: A Obra (Liffabon); Proletario (Porto). Rumadnien:
Revista Ideet (Bufareft). Sd weis: Le Réveil; D Risveglio
Anaria
ffranzbſiſch und ita lieniſch, Genf). Spanien: Revista blanca; |
Tierra y Liberdad (Mabrid); El Productor; La Huelga ge-
neral (Yarcefona); El Cosmopolita (Balladolid); La Alarma
(Reus); Hamanidad libre (Galencia); El Proletario (Cadia);
Adelante (Santander), Uruguay: El Derecho a la Vida;
La Tribuna libertaria; El Frabayo (taglid[!), Montevideo).
Neben den genannten Zeitſchriften ſtehen nod) den
anardijtifden Ideen (in fiir jeden einzelnen Fall ver-
ſchiedenem Grado⸗ ſympathiſch gegenüber:
Freiheitlich-kommuniſtiſche Zeitſchriften, na»
mentlich in Holland und Belgien (La Bataille, Namur). Anti—
parlamentarifde Gewertſchaftsblätter in Frant-
rei (La Voix du Peuple; Le Pot A Colle), in §Solland,
— Anaſtaſius.
1894); Plechanow, A. und Sogialismus (Berl.
1894); Lom broſo, Die Unardijten (deutfd von Ku⸗
rella, Samb. 1895); Bernatzik, Der W., tm » abr:
bud) ‘fit Geſetzgebung, — und Boltswirt-
ſchaft« (Leipz. 1895); vale fa @ Gen Sozialis mus
und A. (Bern 1895); Zenker, Der Yl. (Jena 1895);
H. Seuffert, A. und Strafrecht (Berl. 1899); Elg-
bader, a. (Daf. 1900); Rrapotfin, Memoiren
eines Revolutionars (deutidy, 2. Unujl., Stuttg. 1901).
Anaria, Infel, ſ. Ischia.
Anarrhi chas, Seewolf.
Anarthrie (qried.), —5 durch teilweiſe
Lähmung der Zunge, bei welder der Kranke Worter
ſchlecht artifuliert.
Anas, — Anatinae, Unterfamilie der 3abn-
— luß, ſ. @uadiana. ſchnaͤbler.
— ( rang iare pare Hydrops anasarca,
dem, f. Waſſerſucht.
— t«), ſoviel wie
Anaftaͤltiſch (griech., —— blutſtillend.
Anaftaje (griech. Unajtafis), das Wiederauf⸗
ſtehen⸗, die Geneſun
—— ets (Lex Anastasiana), die
vom ojtrint. Kaiſer Una oo tus ws ene, bon Suitivian
ergänzte Bejtimmung, folge der Käufer einer
Forderung (Zeſſionar) vom rll nicht mehr for-
dern Ddarf, als er Dem Verfiufer (Zedenten) —* ge⸗
zahlt hat. Sie ſollte zu gunſten des Schuldners Miß-
brauch des Zeſſionsrechts verhüten, — aber
viele Weitlaufigleiten und Schilanen gum Schaden
des Verfehrs und wurde daher nad und nad in allen
deutſchen Redhtsgebieten rr fai in den legten
durch das fii (L Bratans Geſetz
Wnafta Bratanowiti, ruff. Ranzelred-
ner, geb. yf in cinem Dorje bei Kiew, gejt. 1814
al3 Erzbiſchof von Ujtradan. Seine » ngs·
reden« (Petersb. 1796 und Most. 1799 — 1807) die⸗
nen nod) jest als Muſter fiir die ruffifden Prediger.
Anaftafios, 1) U. J. Diforos, byzantin. Kaiſer
491—518, folgte als Gemahl der Witwe des Kaiſers
Seno demfelben. Nah langern Kämpfen bezwang er
die aufſtändiſchen Iſaurier; unter ihm brach dann
nad faſt 100jahrigem Frieden der Krieg gegen die
Berjer wieder aus, der 502—505 mit wechſelndem
Glück geführt wurde. Sum Schu 3 ———
legte er 512 Befeſtigungen vom Marmara- bis
Schwarzen Meer an. Er war auch fonjt tiidhtig ; bod)
qelang es ibm nidt, die firdhliden Streitigfeiten fiber
das Henotifon (ſ. d.) ju beendigen, und nur mit Miihe
Spanien, Argentinien. Revuen der jilngeren literaris |
{den Ridtungen, wie La Revue blanche, Le Merenure de
France (Paris). Voll{sseitimriften, wie L’Universita po-
polare (Mantua); Brand (Malmb, Saweden). Die Zeit—
ſchriften ber Zolftoianer: The New Order (London);
The Candlestick (Terby); Svobodnoe Slovo (ruſſiſch, Genf),
und anbdrer Hidtungen, wie The Conservator (Balt Whit»
man x., Philadelphia); Die neue Gemeinſchaft Berlin); Lu-
eifer (The Sex Question, Chicago); Régéneration (Paul Robin,
Paris); ſatitiſche Blatter, wie L’Assiette au Beurre (Paris);
felbit cin Blatt fr Kinder: Joan Pierre (Paris). — Die in:
bividualiftifde Hichtung bes Anarchismus war viele Sabre durd
Liberty (B. R. Tuder, Rew Yorf) vertreten.
Über das Verhältnis des A. zum Sozialismus ſ.
Sozialismus. Bal. G. Adler, A. im Handwörter—
bud) der Staatswiſſenſchaften (2. Aufl., Jena 1900); |
U. Thun, Geſchichte der revolutiondren Vewequngen
behauptete er ſich a pe en einen von Der orthodoren Par⸗
tei 5 eſtifteten tand (514 —515).
. IL, vorber Artemios genannt, Gebeimfdrei-
PBs Res Rhilippifos, nad) deſſen Sturz (713) Kaiſer,
ward 716 entthront, ging in em Kloſter, verſuchte 719
den Thron wiederzugewinnen, wurde aber von Leo
Dem Iſaurier getötet.
Anaſtaſiné, 1) vier Päpſte: UL, Römer, Sohn
des Presbyters Maximus, Papſt von 398 (oder 399)
| big 401; man bat von ibm Fraqmente einiger die ori
genijtifdhen Streitigtciten betrejfender Briefe. -- YI,
496—498. - - UW. TLL, 911-913. - MW. IV., Romer,
vorher Konrad, Kardinalbiſchof von Sabina, wurde
1130 von Innocenz IT. bei feiner Flucht zum Statt-
halter ernannt und 12. Juni 1153, nad ens TIL.
Tode, jum Bapft erhoben; ftarb 3. Deg. 1154.
2) Abt und Pibliothetar zu Rom, wurde 869 vom
in Rußland (Leipz. 1883); Garin, Die Unardijten | Kaiſer Ludwig IL. nad Monftantinopel geſandt, um
(deutſch, Daf. 1487); Maday, Die Unardijten (Zür. | die Vermébhlung der Todter Ludwigs mit dem älteſten
1891; »BVolfsausqabes, Berl. 1893); Dubois, Die, Sohn des Bafiltus Macedo su verntittein, und wobnie
anardhijtijdye Gefahr (deutſch von Triidjen, Amſterd. | der legten Sigung der 8. allgemeinen Synode bei,
Anaftafius Grin — Anäſtheſie.
deren Uften er überſetzte; er ftarb um 879. A. ſchrieb
die »Chronographia tripartita«, größtenteils byzan⸗
tinifden Ouellen entlehnt (hrsg. von de Boor in|
» Theophanis Chronographia«, Bd. 2, Leip3. 1885).
S. aud Liber pontificalis.
Anaftafins Griin, ſ. Uuerfperg.
Anastatica hierochontica L. (Rofe von
Jericho, Beihnadtsrofe, f. Whbildung), eine ein-
jabrige, niedrige Kruzifere mit zahlreichen, fid) nad)
allen Geiten auf dem Boden ausbreitenden, fleinen,
fpatenformig-rautigen Blattern, endſtändigen Biiiten-
trauben mit fleinen weißen Bliiten und baudigen,
weifamigen Schötchen. Sie wächſt in den Wiijten
tordafrifas, Urabiens, am Toten Meer rc. und zieht
ſich beim Abſterben zu einem Knäuel zuſammen, das
Anastatica hicrochontica L. Moſe von Jericho).
a Sujammengebogene, b entfaltete Pflanye; e Sdhote; d Same.
ſich im Waſſer wieder entfaltet. Pilger erzählten, fie
bliihe in der Chrijtnadt von ſelbſt wieder auf und
ſchütze das Haus, in dem fie aufbewahrt wurde, vor
Blitzſchlag. Wud) fpielte das Gewächs in der mittel-
alterliden Heilfunde, in der Traumbdeutefunjt und
Kartenſchlägerei cine Rolle und galt als Symbol der
Auferſtehung. Val. Odontospermum.
Anaſtãtiſch (qriec.), cine Unajtaje, d. h. Wieder:
ng, Geneſung bewirfend.
Anaftatifder Dru, von Appel angegebenes
Verfahren, altere Druce ju vervielfiiltigen. Der ju
libertragende alte Druc wird in verdiinnte Eſſigſäure
gelegt, dann mit Waſſer und zuletzt mit verdiinntem
numoniaf ausgewafden, mit dünnem Stärkekleiſter
überzogen und mit fetter Umdruckfarbe vorſichtig an-
gerieben. Haben alle Teile des alten Druces Farbe
angenommen, fo fpiilt man den Kleiſter mit Waſſer
ab, trocknet und druct in gewöhnlicher Weife auf den
lithographifden Stein oder cine Zinfplatte um. Der
anaſtatiſche Druck eignet fich befonders sur Ergiingung
feblender Bogen eines Werkes in geringer Auflage.
Val. Rampmann in Eder »Jahrbud fiir Bhoto-
graphic und Reproduftionstednif« (Halle 1898).
Unafthefie (qriec., »Gefiihllofigteit, Unempfind- |
lichfeit<), der Rujtand, bet dem das Gefiihl in einem
Teil des Körpers aufgehoben ijt. A. entſteht dadurch,
daß Der den Teil verforgende Gefühlsnerv aufer Ver-
bindung mit dem Gebirn gefest wird (durch Verletzun⸗
gen oder Erfranfung des Heros felbjt oder des Rücken⸗
485
marfs) oder dadurch, dak das Gehirn unfähig ijt, die
ihm durd die Empfindungsnerven übermittelten Cin-
driide jum Bewußtſein ju bringen, wie nad heftiger
Erjdiitterung des Gehirns, bet Dru auf das Hirn
durd) Blutergüſſe, Gefchwiiljte xc., bet der Ohnmacht,
bei Der Cpilepfie und bei der Betäubung des Gebhirns
durch narfotifde und anäſthetiſche Mittel. Je nach
den Urſachen ijt die A. cin voriibergehender, oft aber
aud) cin bleibender und unbeilbarer Zujtand. Die
A. ijt als begleitende Erſcheinung bei den verſchiedenen
Krankheitszuſtänden fiir fic niemals Gegenſtand ärzt⸗
licher Behandlung. Nur wenn infolge von Quetſchung
eines Nervenſtammes das Gefühl eines Teiles nur
langſam juriidfehrt, find leicht reizende Mittel (Gal-
vanismus) oft von gutem Erfolg. YL. wird zu chirurgi—
ſchen Zwecken künſtlich durch verjdiedene Mittel herbei-
geführt, die entweder die Empfindlichkeit des Körpers
im ganzen herabſetzen oder aufheben (Äther, Chloro-
form, Luſtgas) oder nur an der Körperſtelle wirken,
an der fie zur Anwendung —— (lofale oder
örtliche W.). Die modernen Wethoden der lofalen U.
einer bejtimmten Körperſtelle bejtehen in der Upplita-
tion von Kälte oder Urjneijtoffen. Richardſon empfahl
1866 den Atherzerſtäuber. Die betreffende Hautpar-
tie, auf der man den Wther (auc) Athyl- oder Methyl
Hlorid) aufblajt, wird nad etwa zwei Minuten gefühl⸗
(v3; fie rice unter der bei der YUtherverdunjtung
entitehenden Kältewirkung. Neuerdings wird die lo—
fale A. fajt ausſchließlich ergiclt unter Verwendung
des Kolains, naddem Rolle 1884 juerjt feine ſchmerz⸗
jtillende Wirfung nadgewiejen hatte. Man injiziert
die Löſung ju —* chen Zwecken in das Rorper-
gewebe, indem man die zu durchtrennenden Schichten
etagenweiſe »infiltriert«. Reclus zeigte, daß 1—2 Proz.
Löſung zur lofalen UW. ausreichten, indes ijt die Be—
nutzung des Kokains beſchränkt, weil größere Doſen
ſchwere Vergiftungen, ja Todesfälle zur Folge haben.
Eulain kann dagegen in mehr als dreifacher Doſis
gegeben werden. Cine ausreichende lokale A. für grö—
ßere Operationen wurde von Schleich erfunden. Bei
feiner Jnfiltrationsanafthefic werden minimale
Dofen von Rofain benugt, ja im normalen Gewede
läßt fic) die A. ſogar durch Anwendung gany indijfe-
renter Mittel, wie Kochſalzlöſung, erzielen. Durch
—— der Schleichſchen Löſungen wird im Ge-
webe ein Odem erzeugt, das durch mechaniſche Ver—
driingung des Blutes und Komprefjion der Nerven
das Gefühl herabfest, bez. befeitigt. Wan fann ganz
| gewaltige Mengen einfprigen, ehe die Maximaldoſis
erreicht wird; die Methode ijt deshalb auch fiir größere
chirurgiſche Cingriffe (ſelbſt Amputationen qroperer
Gliedmaßen) geeignet und findet ausgiebige Verwen—
dung. An den Fingern wird mit der indirekten
oder regionären A. gearbeitet (Oberſt, Braun),
anäſtheſierende Löſung (Nofain, Eukain) wird nicht
direft in das Operationsgebiet eingeſpritzt, ſondern in
der Nahe der in dasfelbe cintretenden ſenſibeln Ner—
ven appligiert. Sprit man unterbalb des erjten Len-
denwirbels durch cine in den Riidenmartsfanal ein-
geſtochene Hobhlnadel fleine Mengen einer Rofain-
lofung eit, fo fonumt es durch dDirefte Rofainijierung
der Nervenfubjtan; zu einer vollftindiqen Uufhebung
des Schmerzgefühls an der untern Rorperhalfte, fo
daß man ohne Narfofe operieren fann (Biers me-
dulläre Kokainanäſtheſie). Leider ftellen fich bei
diefem Verfahren oft fo ible Nachwirkungen ein, dak
das Verfahren praktiſch nicht anwendbar erjdeint.
Bgl. Braun, tiber Ynfiltrations- und regionäre
Uniifthefte xc. (Leip;. 1898); Sdleid, Schmerzloſe
486
Operationen x. (4. Wufl., Berl. 1899); Overton,
Studien fiber die Narkoſe (Jena 1901).
Anafthetijde Mittel (Anaesthetica), ſ. Betiiu- |
bende Mittel. [tograpbie.
Anaftiqmat, photographijdes Objettiv, ſ. Pho—
Anaſtigmatiſch, ſ. Vitiqmatigmus.
Anaſtomõöſe (qricd.), in der Anatomie Verbin—
dung zweier Röhren durch ein Zwiſchenſtück, finder
ſich Be Rapillaren, Symphoefihen und Benen, felte-
ner bei Arterien. Die Unajtomofen ſichern den Rreis-
fauf, wenn ein Hauptajt unwegſam geworden ijt, da
bie benacdbarten Yjte fid) ausdehnen und einen § ol -
lateralfreislauf berjtellen. Hiervon macht die
Chirurgie bei Unterbindung von Arterien Gebraud.
Dieje J— muß unterhalb einer Stelle ge
ſchehen, wo bereits Kollateralgefäße aus dem unter-
bundenen Hauptgefäß abgehen. Auch bet Nerven-
und Ganglienjellen fpridht man von Wnajtomofen.
Anadtas, Mineral und zwar Titanfiureanhydrid
TiO,, wie Rutil und Broofit (f. d.), von diefen aber
unterfdieden durch feine tetraqonale Rrijtallform, die
nicht auf die des Rutils zurückführbar ijt. Crift indig-
blau, aud) braun, rot, gelb, mit metallartigem Dia-
mantglanz, halbdurdjidtiq bis undurdfidtig, ſpez.
Gew. 3,a—3,9, Hirte 5,5—6. A. findet fic) in kleinen
pyrantidalen, ſäulen- oder did tafelfirmigen Rriftal-
len, aufgewachſen auf Klüften im Granit, Glimmer—
ſchiefer, Gneis, aud) Porphyr gwar ſparſam, aber dod
febr verbreitet, fo beſonders in der Sentraljone der
Ulpen und in der Dauphiné, auch im Ural und loſe
im Diamantfiibrenden Sand von Stabira in Brafilien. |
Anathema (qricch.) bezeichnet in der qried. tiber-
ſetzung des Alten Tejtaments und im Neuen Teftar |
ment (Gal. 1, 8 und 9; 1. Ror. 16, 22; Rim. 9, 3)
etwas, was Dem Untergange geweiht und fiir immer
von Der Erde vertilgt fein foll. In der hiermit zu-
ſammenhängenden Beziehung auf einen dem gitt-
lidhen Zorngeridt anheimzugebenden, der Rirden-
emeinidaft verluſtigen Menſchen kommt das Wort
. feit Dem 4. Jahrb. als Verwünſchungs-, Fluch—
und Bannformel! vor, weshalb auch der größere Bann
(j. D.) ſelbſt haufig diefen Ramen fiihrt. Dagegen be-
zeichnet Die auf denſelben Stamm zurückgehende Form
Anathema ein Weihgeſchenk; folde wurden in Menge
ſchon in Den Tempeln des Altertums, aud) in demjeni—
en zu Jeruſalem angetroffen, wie ſpäter in den fatho-
iichen Kirchen. S. Botivtafel. — Unathematifie-
ren, etwas mit dem Bannfluch belegen, verflucyen.
Anatolien (tiirl. Wnadoly), foviel wie Morgen:
land, insbef. die Weſthälfte von Kleinaſien. Anato—
lier, Anhänger der Lehre, daß dad Menſchengeſchlecht
nur im Orient entftanden fet, im Gegenfage gu den |
Ofumeniern, welde die Entitehung desfelben aud
an andern Punkten der Erde fiir möglich halten.
Anatoliſche Cifenbahu, ſ. Kleinaſien.
Anatomie (griech. Aufſchneidung⸗, »Zergliede⸗
rungs), die Lehre von Form und Bau der Tiere und
Pflanzen (theoretifde W.), Dann die Unterfudung
bes Tiere u. Pflanzenkörpers felbjt in Bezug auf Form
und Bau (praktiſche YW), endlic das bejondere Ge—
baude, wo dieſe Unterſuchungen vorgenommen werden
und Unterricht Darin erteilt wird. Gewöhnlich braudyt
man A. nur fiir Sergliederung des menſchlichen Kör—
pers (VUnthropotomic), während man die Zergliede⸗
rung der Tiere Zootomie, die der Pflanzen PH yto-
tomte nennt. Die theoretifde W. zerfällt in die
allgemeine und ſpezielle A. Die ſpezielle oder de-
ffriptive A. hat die Darjtellung der einzelnen Teile
und Organe zum Gegenſtand und zerfällt in ſechs Ab⸗
Anãſthetiſche Mittel — Anatomie.
ſchnitte, nämlich in 1) Oſteologie oder Lehre von den
Knochen und Knorpeln; 2) Syndesmologie oder Ban-
derlehre, die Darjtellung der Bander, Haute ꝛtc., Durch
welde die Rnoden namentlic in den Gelenfen verbun-
den werden; 3) Myologie oder Mustellehre; 4) Ungio-
logie oder Gefajlehre; 5) Neurologie oder Nerventebre,
die Befchreibung des Rervenfyftems (Gehirns, Riiden-
marfs, der Sinneswerkzeuge ꝛc.); 6) Splandnologie
oder Lehre von den Cingeweiden, d.h. den Wtmungs-,
Verdauungs:, Harn: und Geſchlechtswerlzeugen. Dit
den Elementen, welde die Organe und Gewebe ju-
ſammenſetzen, beſchäftigt fid) die mifroffopifde A
(Wewebclehre, Hiftologie). Die topoqrapbi-
ide (Hhirurgifde) A. beſchäftigt fic) mit der Lage
der Organe im Körper und jueinander. Diefe, den
gefunden Körper betrejfenden Disziplinen ftellt man
als normale der pathologifden A. gegenüber, der
Lehre vom Bau des franfen Körpers. Ihre Aufgabe
ijt es, Die Unterfchiede der erfranften von gefunden
Körperteilen feſtzuſtellen und aus den Veränderungen.
welche dieſe erlitten, die Natur der Kranlkheit zu er⸗
kennen. Auch bei ihr ſpielt das mikroſtopiſche Studium
der Gewebe und ihrer Elementarteile wie bei der nor-
malen Hijtologie eine widtige Rolle.
Die vergleidende A. entfprang dem Bejtreben,
fiir Das Verſtändnis des menſchlichen Körpers durch
das Studium zunächſt der Säugetiere und ſodann
andrer Wirbeltiere weitere Anhaltspunkte zu gewinnen.
Jetzt erſtreckt ſie ſich über das geſamte Tierreich und
ſtellt ſomit einen Teil der Zoologie dar. Sie hat es
mit den ausgebildeten Tieren ju tun, im Gegenſatze zur
vergleidenden Entwidelungsgefdidte oder Embryo:
logie im allgemeinen, die fic) mit Dem Entitehen der
Tere befdajtigt. Beide zuſammen bejeidynet man
wohl aud als Morphologie der Tiere.
Yn der anatomifden Technif, die ſich aus der
praftifden A. entwidelte, unterfdeidet man gewöhn⸗
lid, namentlich mit Bezug auf den Meniden, die
Seftionen und bas Praparieren. Unter Seftion
verjteht man die kunſtgerechte Offnung der drei großen
Höhlen de menfdlichen Körpers, verbunden mut der
Unterfuchung der in ihnen befindliden Eingeweide
und Organe. Das Praparieren bejteht in der funjt-
erechten BloRlequng und Trennung der etnjelnen
Feile voneinander, fo daß fie ihrer Geſtalt und Lage
nad deutlic) unterfchieden werden können; man er-
hilt auf dieſe Weife anatomifde Präparate und
jtellt fie in Den anatomifden Sammilungen oder
Wufeen auf, formt fie auc) wohl in Wachs, Gips x.
nad und bildet fie auf den anatomifden Tafeln
ab. Zu grofer Bollfonumenbeit hat ſich m den _—
Jahrzehnten in der UW. die Sdmeidetednif erhoben,
die entweder im qrofen (mittels der Gefriermethode)
Schnitte durch den ganzen menſchlichen Körper anju-
fertigen geſtattet oder durch Anwendung geeigneter In⸗
ſtrumenle (Mikrotome) einzelne Teile des Körpers auf
ſehr kunſtvolle Weiſe in Reihen äußerſt dünner Schnitte
ju zerlegen erlaubt, die dann, entſprechend geſärbt
und cingefdlofjen, ein genaues Studium der Struftur
dieſer Teile qejtatten. Gerade dieſe Technik hat ſich
fiir Die Fortidritte der normalen und pathologifden
VW. fowie befonders aud der Entwickelungsgeſchichte.
als von größter Bedeutung erwiefen.
Die Geſchichte der A. zeigt, daß die A. zuerſt
faſt nur in den Händen der Prieiter und Ärzte lag,
Menſchen wurden nidt, fondern mur Tiere serqliedert.
Darauf besiiqliche Ungaben finden fic denn auch be-
reits in Urijtoteles’ Nalurgeſchichte des Tierreichs. Die
VW. ded menfdliden Körpers war nur ſehr ungenau
Anatomie — Anatomijdhe Préparate.
befannt. Hippofrated —— Knochen und Ge⸗
lenke gut, verwechſelte aber Sehnen mit Nerven und
Arterien mit Venen. In der mediziniſchen Schule von
Alexandria (320 v. Chr.) ſcheint die menſchliche A.
ihre erſte Pflegeſtätte gefunden ju haben. Bon Ga—
lenus (geb. 131 n. Chr.) ijt es zweifelhaft, ob ex Lei⸗
chen fezterte. Erſt von Mondini in Bologna ijt died
befannt (13806); Bonifacius VIII. belegte den Rer-
liederer einer Leiche mit dem Kirchenbann. Eine neue
node der YU. — mit Andreas Veſalius (geb.
1514; fein Werf »De corporis humani fabrica« er⸗
ſchien 1543), dem fic) Fallopia (mit ſeinen »Observa-
tiones anatomicaes, 1561) und Eujtadjio (gejt. 1574)
wiirdig anreiften. Bon größter Widtigheit war die
Entdedung des Kreislaufs des Blutes durch Harvey
(1578— 1657). Der erjte, der das Vergrößerungsglas
gu anatomifden Unterfudungen anwendete und fo
zum Schöpfer der —* A. wurde, ijt Mar-
cello Malpighi (1628— 94); ihm reihen fid) wiirdig
an die beiden Niederlainder Leeuwenhoek (gejt. 1723)
und Swammerdam (gejt. 1680). Wis eigne Wijfen-
ſchaft, d. 5. nicht nur im Dienſt der menjdliden A.,
wurde ſpũter aud) die vergleidjende A. geitbt und er-
fuhr befondere Förderung durch die ins Leben treten-
Den gelehrten Gefelljdaften (Royal Society in London,
Académie des sciences in Baris). Befonders hervor-
zuheben ijt Der Name Ulbredt v. Hallers (geft. 1777)
und fein großes Werk »Elementa physiologiae«. Nad
ihm find gu nennen: J. F. Medel (geſt. 1774), Cam-
per (qejt. 1789), John Hunter (gejt. 1793) und fein
Bruder William, K. F. Wolff (geſt. 1764), Wrisberg
(geſt. 1808), Mascagni (gejt. 1815), Cuvier (gejt.
1832), Reil (oeft 1813), Bichat (get. 1802). —*—
rer gilt mit Recht als Begründer der Hiſtologie (Ge-
webelehre), die allerdings erjt feit Dem Yuftreten der
Rellentheorie (Schleiden und Schwann) fid) gu ihrer
jetzigen ver rr ater bat. Im 19. Jahr⸗
hundert find als bedeutende Unatomen gu nennen:
Simmering, Scarpa, Hildebrandt, Rofenmiiller,
Langenbed, Tiedemann, E. H. Weber, Medel, Henle,
Urnold, Reichert, Hyrtl, Luſchka. Die beiden letztern
haben aud) auf dem Gebiete der chirurgifden WU. viel
geleiſtet, wahrend diefe Ridjtung bis dahin vorjzugs-
weife von den Franzoſen Portal, Velpeau, Malgaigne,
Peétrequin, Richet mit Erfolg bearbeitet worden war.
Vorzugsweiſe als Hijtologen waren oder find nod
tãätig: Yoh. Miller, Purkinje, Rud. Wagner, Gegen-
baur, Kölliker, Gerlad, Mar Schultze, Waldeyer, pis,
grey, Robin, Ranvier, Beale, Harting. Die patho-
logijde A. fand Berückſichtigung in den erjten Dezen⸗
nien des vorigen Jahrhunderts vorzugsweiſe in Frant-
reid) (Cruveilbier, Gendrin, Undral, Lobjtein), feit
1840 jedod in hervorragenderer Weiſe in Deutſchland,
wo namentlid Rotitanty in Wien und Virdow in
Berlin fie gepfleqt haben. Letzterer wandte zuerſt die
eal au fe an und wurde fo der Schöpfer der
ellularpathologie. Bon den Männern, die fid) um
verqleidjende A. verdient gemacht haben, jind zu nen-
nen: Cuvier, Et. Geoffroy Saint-Hilaire, Medel, Bo-
janus, €. Garus, C. Rathte, R. Wagner, Bronn und
vor allen Job. Müller, H. Milne- Cdwards, Leydig,
Hyrtl, Siebold, R. Leucart, O. Schmidt, Harting,
Haeckel, Gegenbaur, Claus, H. Ludwig, Hurley, Owen.
[iteratur.] Ouain, Elements of anatomy (10.
Aufl. Lond. 1890 ff.); Rauber, Lehrbuch der A. des
Menfchen (Leipz. 1902, 2 Bde.); Henle, Handbuch
der ſyſtematiſchen U. de3 Menſchen (Braunſchw. 1871,
4 Bde.); Derfelbe, Grundriß (4. Wufl., daf. 1901);
Hyrtl, Lehrbuch der W. des Menfden (20. Wufl.,
487
Wien 1889); Gegenbaur, Lehrbud) der A. de3
Menſchen (7. Aufl. Leips. 1899); F. Merfel, Hand-
bud) der topographifden A. (Vraunfdw. 1885 -— 99,
2 Bode.); W. Krauſe, Handbud der W. des Men—
ſchen. Auf Grundlage der neuen Bafeler Nomenfla-
tur (Leipz. 1898 ff.); »Handbud) der YW. ded Men—
ſchen⸗ (hrsg. von Bardeleben, Jena 1896 ff., 8 Bde.);
Bröſike, Lehrbuch der normalen U. des menjdliden
Rorpers (6. Wufl., Berl. 1899); Cuvier, Legons
d’anatomie comparée (2. Aufl., Bar. 1836—46,
9 Bode.); Owen, On the anatomy of Vertebrates
(Lond. 1866 —68, 3 Boe.); Geqenbaur, Verglei-
chende A. der Wirbeltiere (Leip;. 1898—1901,2 Bde.);
UW. Lang, Lehrbucd der vergleichenden A. der wirbel-
loſen Tiere (2. Aufl. Jena 1900 ff.); Hati det, Lehre
bud) der Zoologie (daj. 1888 jf.); Milne-ECdwards,
Lecons sur la physiologie et l'anatomie comparée de
l'homme et des animaux (Bar. 1857—83, 14 Bde.);
mest und Yung, Lehrbuch der prattifden verglei-
denden A. (Braunjdw. 1886 —94, 2 Bde.); Hur-
ley, Grundgitge der A. der wirbellofen Tiere (deutſch,
Leipz. 1878); Wiedersheim, Lehrbud) der verglei-
chenden UW. der Wirbeltiere (2. Aufl., Jena 1886;
»Grundriß«⸗, 5.Uufl.1902); Martin, Lehrbuch) der A.
der Haustiere (Stuttg.1901 ff.); Leifering, Miller
und Ellenberger, Handbud) der vergleidjenden A.
der Hausfiugetiere (9. Uufl., Berl. 1900); Sußdorf,
Lehrbud der vergleidenden A. der Haustiere (Stuttg.
1895); Ghauveau, Traité d’anatomie comparé
des animaux domestiques (4. Aufl., Bar. 1889).
Utlanten: Froriep, Atlas anatomicus (7. Aufl.,
Leipz. 1887); Heigmann, Deffriptive und topo-
graviiide YU. ded Menſchen (8. Aufl., Wien 1896);
ardeleben und H.Hacdel, Utlas der topographi-
ſchen UW. Des Menſchen (2. Aufl. Jena 1901); Henle,
Unatomifder Handatlas (Braunſchw. 1895); Spal-
teholz, Handatlas der A. des Menſchen (Bd. 12.2 in
3. Unfl., Leips.1901; Bd. Bin 2. Aufl. 1901); Brbfite,
Unatomifder Utlas (Berl. 1900 ff.); »Wtlas der nor-
malen und pathologijden A. in typiſchen Röntgenbil⸗
Dern«(Hamb.1900 ff.). —eitidriften j. bei » Zovlogie«.
U. fiir Riinftler: Harleß, Lehrbud der plafti-
ſchen A. (2. Aufl. von Rob. Hartmann, Stuttg. 1876);
Roth, Plaſtiſch- anatomiſcher Utlas gum Studium
des Wtodells und der Wntife (3. Wil, daſ. 1893);
Froriep, A. filr Künſtler (3. Aufl., Leipz. 1899);
Rolimann, Plaftifde U. des menſchlichen Körpers
(2. Mufl., daf. 1901); Duval, A. artistique (Par.
1881; deutſch, Stuttg. 1890); Briide, Schdnbeit
und Fehler der menidliden Geftalt (2. Aufl., Wien
1893); Sdider, Plajtijh-anatomijder Handatlas
(daf. 1898); Strag, Die Schinheit des weibliden
Körpers (11. Aufl. Stuttg. 1902); Ellenberger,
Baum und Dittrid, Handbud) der W. der Tiere
fiir Siinjtler (Leip3. 1898 —1901). .
Anatomifdhe Braparate, funjtgeredte Zube-
reitungen ganzer Tiere oder einzelner Teile derjelben
zur Veranſchaulichung der anatomifden Verhältniſſe.
Man unterfdeidet Rnoden-, Bänder-, Muskel-, Ner-
ven-, Gefäß- und Cingeweidepraparate und jtellt fie
her, indem man alle ſtörenden Teile, alfo 3. B. bei
Musfelpriparaten die Cingeweide, Gefäße, Fett,
Haut r., entfernt, fo dak man jeden Musfel von Une
jang bis ju Ende verfolgen fann. Bon den Knoden
apt man durd) Ubfaulen die Weidhteile ſich loslöſen
und vereinigt fie durch Drähte gu fogen. Sfeletten.
Unterbridt man die Faulnis früher, oder fodjt man
die betreffenden Teile einige Beit, fo löſt fid) nur das
Fleifd los und die fehnigen Binder bleiben erhalten.
488
Anatomiſches Beſteck — Wnaragoras.
Für die Gewinnung von Gefäßpräparaten werden | Anwachſen der Kapitalien zu verhindern. A. con-
die Adern vom Herzen oder einer größern Ader aus
mit einer erhärtenden farbigen fie injiziert und
ſpäter freigelegt. Auch die Gallenginge, die Verzwei—
ungen der Darnfandle rc. laſſen fic) ähnlich darſtellen.
Rady dem Rorrofionsverfahren fiillt man die
Adern mit gefarbter Harzmaſſe und agt dann mit
Säuren alle Weidteile fort, bis das Harz ju Tage
tritt. Wan füllt auc die Hohlräume mit Woodſchem
Metall und legt fie durch Mazeration blo, oder man
fiillt fie mit Queckſilber und madt das umgebende
Gewebe durch Triinfen mit Xylol durchſichtig. Die
Cingeweide werden aufgeblaſen, getrocdnet und nit
Firnis überzogen oder in jtarfen Weingeijt (von 50—
90°) geleqt, der freilid) Den Präparaten ihre Weid)heit
und natiirlide Farbe nimmt. Bringt man die Dr-
gane in eine Formalinlöſung mit jalpeterjaurem und
eſſigſaurem Sali, fo bebalten fie ibre Farbe und kön—
nen in einer wafferigen Löſung von efjigfaurem Kali
mit Glyzerin aufbewabrt werden (Kaiſerling). Tränkt
man die Gewebe mit ciner Ldjung von Yirjenif, Su—
blimat, Invertzucker oder Glyzerin in Waſſer oder
wäſſerigem Ulfohol (Wickers heimerſche Flüſſig—
keit) und läßt Das Waſſer oder den Wifohol verdun-
jten, fo bleiben die Briiparate weich, fo dak fic 3. B.
eine Lunge nad Jahren nod) beliebig oft aufblajen
läßt und die Wusteln und Bander nod) die Bewe-
gungen ber Knochen erlauben. Mit Terpentindl ge-
triinfte und Dann getrodnete Priiparate find ſehr halt-
bar; nad) weiterer Triinfung mit Paraffin gleiden
fie oft den Wadsmodellen. Zur Herjtellung topogra-
phifd-anatomijder ‘Briiparate, welde bie &
hungen der Teile zueinander zeigen follen, ſpritzt man
in eine Urterie 15proz. wäſſerige Formallöſung, durch
welche die Organe eine elaſtiſche Härte erhalten und
in ihrer Lage verharren. — A. P. von niedern
Tieren find häufig ſehr ſchwer zu erhalten, da manche
ſich bei Der geringſten Berührung bis zur Unfennt-
lichkeit zuſammenziehen, andre wieder in der fonfer-
vierenden Flüſſigkeit ſehr ſtark ſchrumpfen rc. Es Laf-
jen fid) Daher feine allgemein gültigen Methoden an-
qeben. Bal. Hyrtl, Handbuch der praftijden Zerglie⸗
derungskunſt (Wien 1860); G.H. Meyer, Anleitung
gu den Braparieriibungen (3. Aufl. Leips. 1873);
Mojſiſovies, Lettfaden bet zoologiſch jootomijden |
Praparieriibungen (2. Aufl., daſ. 1885); Lothes, |
Brapariermethodif (Berl. 1892); Lo Bianco, Me- |
todi usati nella Stazione zoologica per la conserva-
zione degli animali marini (Daf. 1890).
Anatomiſches Vested, cine Taſche mit den zur
junctus heißt es, wenn Die rückſtändigen Zinſen zum
Kapital geſchlagen, A. separatus, wenn die Zinſen
als neues verzinsliches Kapital Dem Schuldner ge-
lafjen werden. Beide Formen waren gemeinredtlid
verboten. Auch das Bürgerliche Geſetzbuch fiir das
Deutſche Reid) betrachtet eine tm voraus getroffene
Vereinbarung, daß fällige Zinſen wieder Zinfen tragen
jollen, als nichtig. (Die Vereindbarung, dak riidjtan-
Dige Binjen wiederum Zinſen tragen follen, ijt aljo
zuläſſig.) Für Spartafjen, Rreditanjtalten und In—
haber von Bankgeſchäften gilt aber das Befondere,
daf fie tm voraus vereinbaren finnen, dak nicht er-
hobene Cinlagen als neue verzinslide Einlagen gelten
jollen, und Streditanjtalten, die beredhtigt find, für Den
Betrag der von ihnen gewährten Darleben verzinstiche
Schuldverſchreibungen auf den Inhaber auszugeben,
können fic) bei ſolchen Darlehen die Verzinſung riid-
ſtändiger Zinſen im voraus verſprechen laſſen. Das
Handelsgeſetzbuch weicht von den vorſtehenden Grund⸗
ſätzen nicht ab, und wenn ſonſt Kaufleute fiir For:
Derungen aus beiderfeitigen Handelsgeſchäften vom
Tage der Fälligkeit an Zinſen beanſpruchen fonnen,
fo gilt dies nicht fiir Sinjenfdulden. Nur in zwei
Fallen fennt das Handelsgeſetzbuch cine Berpflichtung
zur Entridtung von Sinjessinien, nämlich beim Kon
agebezie⸗
tolorrentüberſchuß und beim Bodmereidarlehen. Ein:
weitere Ausnahme von obigem Berbot fennt das
Wechſelrecht beim Wechſelregreß.
Anaugelu, ſ. Veredelung.
Anaxagöras, griech. Loitoiops Der ioniiden
Sdule, geb. 500 v. Chr. in Klazomenä in Yonien,
gejt. 428, ſtammte aus reider und vornehmer Fa—
milie, fam etwa 464 nach Uthen, wo er die Philoſophie
aufbradte, der Freund ded Perikles und des Euripides
wurde; ob ibn Der um 30 Jahre jiingere Sofrates ge-
hort bat, ijt unfider. Seine Lehre bejtand in einer
qualitativen Atomiſtik, die mit Der heutigen Chemie
darin Ähnlichleit beſitzt, Dak fie wie dieſe die Verſchie—
Denheit der Naturfdrper auf der Oualitat nad ver-
ſchiedene, unveränderliche Grundſtoffe zurückfführt.
VU. nennt fie ⸗Samen« oder ⸗Dinge« gan; im all:
qemeinen; Spätere brauden den Yarsdrud »Homio-
merien« fiir fie, d. b. »qleichartiqe Teilee. Im Anfang
waren dieſe unendlid fleinen Urbejtandtetle nad A.
untereinander gemifdt in Rube; erſt ſpäter trat eine
Bewegung ein, wodurd Gleides mit Geidem (5. B.
Knochenteilchen mit Knochenteilchen, Goldteilchen mit
Goldteilchen) vereinigt, Ungleiches von Ungleichem
(Metall von Geſtein) getrennt wurde. Dod) ijt in jedem
Bergliederung von Menſchen oder Tieren notigen | Naturfdrper neben dem Gleichartigen, welches dad
Werfseugen, wie Meſſern, Scheren, Halen, Nadeln ꝛc. Borwiegende, und nad dem das Ding (3. B. Gold)
Anatomifades Muſenm, Gebäude, in dem ana: | genannt ijt, aud) etwas ibm Fremdartiges anzu—
tomifde Braparate, fpesiell vom Menſchen, aufbewahrt | trejfen, d. h. alle wirklichen Dinge find ihrer (quali
und jur Schau gejtellt find. An jeder Univerfitit | tativen) Berfdiedenheit unbejdadet auch untereinan-
befjindet fic) cin ſolches und fteht unter der Leitung | der verwandt. Urbheber der Bewegung und damit der
des Profejfors der Unatomie. Wandernde Muſeen Trennung und Verbindung, wodurd das anfing-
zeigen vielfad nur Darjtellungen der Teile des menſch- liche Chaos sum Kosmos, d. h. zum geordneten Welt-
lichen Körpers in Wadsnadbildungen und liefern mur | all, ward, ijt nach U. der weltordnende, von den ſtoff
felten richtige Borjtellungen fiber die anatomifden lichen Dingen wejenhaft unterfdiedene, tiber den Stoff
Verhaltniſſe. mãchtige Geiſt (niis), Dag ideelle, einheitliche und in⸗
Anatomiſches Theater, bühnenartig gebauter telligente Bewegungsprinzip, das der Vorſtellung von
Horſaal fiir anatomiſche Vorleſungen (ſ. Anatomie). Gott ſehr nahe kommt. Hiermit ijt zuerſt der entſchie
Anatozismus (griech. fat. Usurae usurarum), | Dene Dualismus in der griechiſchen Philoſophie gelebrt.
Zinſes zins, Zinſenverzinſung, tm allgemeinen das Durch den Geiſt einmal hervorgebradt, verbreitet
Schlagen der riidjtandigen Sinfen jum Kapital am | die Bewegung in dem unendliden Stoff immer weiter.
Schluß des Jahres (Anatocismus anniversarius), Dieſe genetiſch-phyſikaliſche Erflarung des Werdens,
was nad altrdmifdemt Recht gejtattet war, bis Juſti⸗ | die hich gegen alle Mantif und Wabhrfagerei richtete,
nian dies Verfahren verbot, wm das hohe und fdynelle | brachte den A., jeiner dem Theismus günſtigen Lehre
Anarimandros — Ancelot.
vom Nus ungeadtet, in den Verdacht der Gottlofig-
Feit und zog ibm cine Unflage ju, von deren Folgen
489
. B. Roma tibi subito motibus ibit amor; vel.
lindrom. wirtſchaftliche).
ihn Berifles mit Mühe befreite. A. ging hierauf nach Anbau- und Erutebuch, ſ. Buchhaltung (land-
Lampſakos, wo er die letzten Jahre ſeines Lebens zu⸗
brachte. Die Fraqmente ſeiner Schrift »llber die
Mature wurden von Schaubach (Leipz. 1827) und
Sdorn (Bonn 1829) gejanunelt. Val. Breier, Die
Philojophie des A. (Berl. 1840); Heinge, Uber den
Mus des U. (Berichte der Sächſiſchen Gejellidaft der
Wiifenfdhaften, 1890).
Anazimandros, griech. Philoſoph der ioniſchen
Schule, angeblich Schuͤler des Thales, war um 611
in Milet geboren und ſtarb nach 547 v. Chr. Er
ging wie Thales von der Annahme eines Grundſtoffes
aug, betrachtete aber nicht wie dieſer eins der vier
fogen. Elemente als jolden, fondern die nidjt wahr-
nehmbare Urmaterie, die er, weil jie ihrer Beſchaffen—
Heit nad) unbejtinunt, ihrer Ausdehnung nad un-
endlid) gedadt werden miijje, apeiron (»das Unbe-
renjte«) nannte und als unverginglid) bezeichnete.
us ihr geht das Begrenste, d. h. fowobhl femer Be-
ſchaffenheit als feiner Uusdehnung nad) Vejtimmte
(die Welt der befondern Raturdinge), durch Wusjon-
Dering der clementaren Gegenſätze des Warmen und
Ralten, de3 Feudten und Trodnen vermöge der
ewigen Demfelben innewohnenden Bewegung hervor,
umd in Diefelbe fehrt es »nad) der Ordnung der Heit«
auriid, jo dak cine endlofe Wufeinanderfolge von
Weltbildungen fic) ergibt. Wars dent Feuchten haben
fic) ftufenweife die lebenden Wefen entiwidelt. Auch
Die Landtiere waren anfangs fifdartig und haben erjt
nad Abtrocknung der Erde ihre jetzige Geſtalt erhalten,
fogar die Menſchen find aus fiſchartigen Tieren ent-
ftanden. Des A. Schrift ⸗»Uber die Nature, die erjte
philoſophiſche und eine der erften projaifden in der
riechiſchen Literatur, ijt bis auf ſehr diirftige Brud-
tiie verloren gegangen. Bgl. Sdhleiermader,
Liber Die Lehre des A. (Berl. 1815); Teidmiiller,
Studien zur Geſchichte der Vegriffe (Daj. 1876); Neu-
häuſer, Anaximander Milesius ete. (Bonn 1883).
Unaximénes, 1) griech. Philojoph der ionijden
Schule, vielleidht Schiller ded Unarimandros, geboren
in Milet, lebte im 6. Jahrh. v. Chr. und lehrte, wie
Unarimandros, den Hylozoismus. Der Urſtoff aller
Dinge iit nad ihm die atmofpharijde Luft, aus der
durd) Verdiinnung und Verdidjtung Feuer, Wind,
Wajjer und Erde hervorgehen. Wie unfre GSeele,
fagt das einzige echte Bruchſtück feiner verloren ge-
angenen, in Broja abgefaßten Schrift »Uber die
datur«, Luft feiend, uns zuſammenhält, fo umfaßt
Hauch und Luft die ganze Welt. Val. Teichmüller,
Studien jur Gejdhidte der Begriffe (Berl. 1876).
2) U. von Lampfafos, Rhetor, Günſtling Phi—
lipps von Makedonien und Uleranders d. Gr., Gegner
des Iſokrates und feiner Schule, von vielfeitiger lite-
rarijcher Tiitigfeit, Verfaſſer von »Hellenifa< und
»Philippifa« und des »Trifaranos«, einer Schmäh—
{drift auf Sparta, Uthen und Theben unter Theopom-
pos’ Namen, durd die er deſſen Aufenthalt in Grieden-
land umndglid) madte. Bon diejen Schriften find
nur kärgliche Reſte erhalten (bei Miiller im Didotiden
YUrrian, Bar. 1868); dagegen rührt vermutlich von
ihm her die unter Ariſtoteles' Schriften geratene fogen.
⸗Rhetorik an Alexander«, die älteſte aus dem VWiter-
tum auf un3 gekommene Schrift diefer Urt (hrsg.
von —— Leipz. 1847).
Angzijkliſch (griech, »umbrehbar«) heißen Verſe
und Gedichte, die vorwärts und rückwärts geleſen
dasſelbe Metrum, oft auch dieſelben Wörter ergeben,
— — — — — — — — — — ———————— — —— ——p
Anbeifſi, Fiſch, ſJ Barjd.
Aubetung (lat. Wdoration), cine bei den Mor:
genlandern gewöhnliche Ehrenbezeigung und Be:
grüßungsart der Fürſten und hohen Perſonen, die
darin beſtand, daß der Grüßende ſich auf die Kniee
warf und mit der Stirn den Boden berührte, auch
den Saum des Gewandes oder die Füße des Betref—
fenden küßte. Von den römiſchen Kaiſern adoptierten
ſie die Päpſte in dem ſeit dem 9. Jahrh. von ihnen
geforderten Fußkuß. Aus dem bürgerlichen Leben
ging jene Ehrenbezeigung frühzeitig in den chriſtlichen
Kultus über; man übte ſolche Zeremonien beſonders
vor den Bildern Chriſti und der Heiligen, indem man
die Ehre, die ihnen erwieſen wurde, auf die Urbilder
bezog. Die hierin begründete feine Unterſcheidung
zwiſchen A. Gottes und Verehrung der Bilder
an Die Rirde theoretiſch immer feftqebalten, aber das
olfsbewupticin um fo weniger, als jene Ehren:
bezeigungen fajt aus der Sitte und Dem Berfehr der
Menjden untercinander verjdiwanden (jf. Bilder-
dienjt). Die UW. der Hoftie, d. h. die Kniebeugung
vor derjelben, ijt durch Honorius III. (geſt. 1227)
eingefilhrt worden. Ewige A. heißt die manderorts
bejtehende und durd) bejondere Genoſſenſchaften ge
forderte Cinridtung, daß gu jeder Beit nach beſtimmler
Ordnung eine betende Perſon in der Kirche fei.
Anbieten, bei ciner Verſteigerung das erjte Gebot
machen; fid) bereit erklären, cine ſchuldige Leijtung gu
erfiillen (aud) andienen genannt). Im allgemeinen
ift Die Leiſtung ſelbſt anjzubieten, bisweilen jedod ge—
niigt wortliches Angebot (vgl. Biirgerlides Gefey-
bud, § 293 ff.). S. aud) Verzug.
Anblaſen, Hornjignal fiir den Beginn der Jagd
oder des Treibens.
Aubraſſen, die Raaen eines Schiffes ſchräger zur
Kielrichtung ftellen, wenn der Wind mehr von vorn
lonmt.
Anbrüchig heißt Holz, das offenſichtig von Fäul⸗
nispilzen angegriffen iſt; auch in Fäulnis überge—
gangenes Wildbret (angegangen).
brüchigkeit, ſ. Leberegelfrantheit.
Ancachs, Departement in Peru mit ſieben Pro-
vingen, von der Stilfte bis gum obern Marañon, be-
grenat im N. durch Libertad, im S. durch Lima, im
©. durd) Junin und Huanuco, 42,908 qkm mit (1896)
428,703 Einw., die Uderbau und Viehzucht treiben,
aber die reidjen Mineralſchätze des im Huandoy zu
6428 m emporſteigenden Gebirges unbeadtet laſſen.
(Fine 280 kin lange Cijenbahn führt durch das frudt-
bare Tal des Huara;fluffes von Recuay gum Hafen-
play Chimbote. Hauptitadt ijt Huaraz (j. d.).
Ancelia, halbwollener, durd Vindungen ge-
muſterter Damenfleideritoff, mit 28 Retten< und 30
Schußfäden auf lem. Garne: Kette Baumwollen—
jwirn Nr. 60 engl., Schuß Nr. 30 engl. Weft.
Ancelot (jpr. angi), Jacques Urfene Poly-
carpe, franz. dramatiſcher Dichter, geb. 9. Jan. 1794
in Havre, gejt. 7. Sept. 1854 in Karis, wurde bei der
Marineverwaltung angejtellt, beſchäftigte fid) aber
eifrig mit Literatur und wurde, nadjdem 1819 jeine
Tragödie »Louis [X« von den Royalijten lebbaft
applaudiert war, vom König mit einer Penſion be-
dacht. In der Tragidie »Fiesque« (1824) bat er
das Schillerſche Stück mit Erfolg nadgeahmt. 1826
ing er als Begleiter des Marjdalls Marmont zur
—— nach Petersburg und veröffentlichte
490
1827: »Six mois en Russie<, cin Gemifd aus Profa
und Berjen. Rad der Yulirevolution bradte er eine
Menge fleiner Komödien und Baudevilles auf die
Biihne, die mur geringen Wert haben. Seine Tra-
gödie »Maria Padilla« öffnete ihm 1841 die Pforten
der Utademic. Seine »Epitres familiéres« zeichnen
fic) durch Eleganz und feine Satire aus. A. verdankt
feine Erfolge den Anſtrengungen feiner Bartei, die
in ihm den Geqner der romantifden Sdule und Un-
hanger der Klaſſizität ehrte. Er hat ſich außerdem um
den Schutz des literariſchen Eigentums verdient ge-
macht. Seine »(Euvres complotes · erſchienen 1837. —
Auch ſeine Frau, Marguerite Louiſe Virginie,
eborne Chardon, geb. 1792 in Dijon, geſt. 1875,
Bat Romane und Dramen (darunter das Profaluft-
fpiel »Marie, ou Trois époques«, 1836) verfaft; ihr
»Thédtre complet« erjdien 1848 in 4 Banden.
MAncenis (pr. angh'nd, Urrondifjementshauptitadt
im franz. Depart. Niederloire, an der Loire und der
Oridansbahn, hat Rejte eines Schloſſes, Fabrifen fiir
Gijenwaren, Ol u. a., Handel mit Landesproduften
und (1901) 4661 Einw.
Anceps (lat., »ſchwanlend, mittelzeitig⸗), in der
Metrif cine Silbe, die fowoh! lang als hur; gebraucht
werden fann, bezeichnet mit ~ (jf. Brofodie).
Andhialos, Kiijtenjtadt in Oſtrumelien, auf einem
Borgebirge der Budt von Burgas, Si eines qried).
Erzbiſchofs, hat 2 gried. Schulen und (isos) 5365
Einw. (4/5 Grieden), die Weinbau u. Salzgewinnung
treiben. 2 km weſtlich die Ruinen der von den Upollo-
niaten eqriindeten antifen Stadt A. Paläokaſtro).
Anch’ io sono pittore! (ital., fpr. ant to fino,
saud) id) bin Maler!«), Ausſpruch, den Correggio bei
feiner Anweſenheit in Bologna ſelbſtbewußt vor dem
Bilde der Heil. Cäcilia von Raffael getan haben foll.
Auchiſes, aus dem trojanijden Königsgeſchlecht,
Sohn des Kapys, Herrider in Dardanos am Ida,
durch Uphrodite Vater des ÄAneas. Da er fich trog
des Verbotes beim Wein ihrer Gunſt riihmte, ward er
von Zeus mit dem Blig getroffen. Bei Trojas Her-
ſtörung trug Yneas den gelihmten Bater aus der
Stadt und wollte mit ibm nach Stalien fliidten; dod
jtarb U. unterwegs.
Anchitherium H.+. M. unpaaryebiges Duftier,
in bie Borfahrenreihe des Bferdes Iberg die Seiten⸗
zehen, beträchtlich kürzer als die Mittelzehe, berühren
Ancenis — Ancillon.
gest, fich in die Schleimhaut feſtbeißt und dadurd cine
lutung verurfadt; er fommet ſelten einzeln, meiſt
u ————— im Darm vor und bewirkt Siutarmat
Pines Wirtes. Er erzeugt auf diefe Weiſe die Aqyup-
tifde oder tropifde EChlorofe oder UAnaimie
(Undyloftomiafis), die fiber einen großen Teil
der warmen Linder der Alten und Neuen Welt en-
demiſch verbreitet ijt. In Europa ijt die Rranfheit feit
Ende de3 18. Jahrh. als Kachexia montana in den
Bergwerfen Ungarns, Franfreidhs und Belgiens be-
fannt. Gon deutiden Vergwerfen find nur einzelne
bei Uaden von der Wurmanämie befallen. 1879
beobadhtete man dieſelbe Rranfheit (Tunnelfrant-
Heit) beim Bau des Gotthardtunnels ; feit 1868 ſicher,
wahrſcheinlich aber ſchon viel friiher auf den nieders
rheiniſchen Ziegelfeldern eS ee
wobin fie von vlämiſchen Arbeitern eingeſchleppt
wurde. Die Cier des Wurntes werden mit den Ex-
frementen entleert, entwideln ſich unter günſtigen
Umſtänden gu einer geſchlechtlich unreifen Larve,
fapjeln fid) em und ruben, bis fie gelegentlich Durd
den Mund in den menfdliden Körper gelangen, wo
fie geſchlechtsreif werden und Eier produjicren. Durch
den mifroffopifden Nachweis der Eier kann das Vor⸗
handenſein der Würmer erkannt werden. Wird die
gefährliche Kranlkheit nicht zu ſpät erlannt, fo fann fie
durch Abtreiben der Würmer mittels Farnkrautertrakts
gebeit werden. Bur Verhiltung der Kranfheit ijt große
einlichleit das befte. Bgl. Zinn und Jacoby, An-
kylostomum duodenale, geographiſche Berbreitung
und Bedeutung fiir die Pathologie (Leipz. 1898).
Anciennitat (franj. ancienneté), Dienit-, Umts-,
Ranqalter, ters poate A Militariid wird die A.
nad) dem Tage der legten Vefirderung, bei Offizieren
nad der Datterung de Patents beredjnet. Ym Ge-
fecht ijt die U. fiir die UÜbernahme des Rommandos
widtig, wenn der Rommandeur ciner Truppe gefallen
ijt. Im Rivildienft fommt die A. bei dent Aufrücken
in se haltsjtufen, wohl aud) bei Beförderungen
in Betracht; ferner beſtimmt fid) danach die Reihen-
folge der Beamten gleiden Ranges.
neien régime (fran}., jor. anghſang réteinr’, »alte
Regierungsforme«), die Zeit vor der franzöſiſchen Re-
volution.
Ancile (fat.), einfleiner, ovaler, an beiden Seiten
in Der Mitte halbtreisformig ausgeidnittener Schild,
nod) den Boden. Haufig im obern Miocän Curopas | der gu Numas Zeit in Rom vom Hinumel gefallen
ind in Rordamerifa. :
Ancdhoinfaure, |. Azelainſäure.
fein follte und an deſſen Bejig Roms Heil und Macht
| getniipft war. Um das Herausfinden des echten gu
Anchor = Lime (fpr. dngter-tain), no a Dampfer- | verbiiten, lie Numa elf gan; ähnliche (ancilia) durd
geſellſchaft, ſ. Dampfſchiffahrt (Lert
Anchovibirne, ſ. Grias.
— — , i. Anſchovis.
lage).
| den Niinjtler Beturius
amurius verfertiqen und in
Der Kurie der palatinifden Salier (ſ. Salii) aufbewab-
ren, die fie jährlich im März in feterlider Prozeſſion
Anchiisa L., Gattung der Borraginazeen, eins | Durd die Stadt trugen. Die Zwölfzahl der Ancilien
jabrige oder ausdaucrnde Kräuter mit wechſelſtändigen bedeutet vermutlich die zwölf
Blittern und blauen, violetten oder weißen Bliiten |
onate.
Ancillon (pr. anghijong), 1) Charles, Publiziſt,
in meijt beblatterten Wideln. Etwa 40 Arten in | geb. 28. Juli 1659 in Meg, geſt. 5. Juli 1715 im Ber-
Europa, Nordafrifa, Weſtaſien, aud) am Rap. A. lin, Sohn des Predigers der reformicrten Gemeinde
officinalis ZL. (Odfenjunge), in Europa und dem | in Meg, folgte nad) der Uufhebung des Cdifts von
WMittelmeergebtet, wurde früher arjneilid) benugt. A. | Nantes feinem Vater nad) Berlin und wurde vont
italica Retz. und A. sempervirens L. werden als |
Garten zierpflanzen fultiviert.
Anchiifjafaure und Anchuſin, ſ. Allannarot.
Unchyloftomiafie, ſ. Anchylostomum.
Anchylostémum duodeniale Dubini (Doch-
mius duodenalis Leuck.), cin 10-—18 mm langer
Rundwurm aus der Familie der Stronqyliden, der
in der Jugend (als Rhabditis) im freien Zuſtand lebt,
fpdter in obern Dünndarm des Menſchen über—
Großen Kurfürſten zum juge et directeur de colo-
nie de Berlin, 1699 von Friedrich II. zum juge de
tous les Francais réfugiés dans le Brandebourg
ernannt. Obwohl er als Hiftorifer und Schriftiteiler
den durch Pufendorfs Tod verwaijten Titel eines Hi-
ftoriographen des Rurfiiriten nicht verdiente, ijt ſeine
» Histoire de |'établissement des Francais réfugiés
dans les états de I'Klecteur de Brandebourg« (Berl.
1690) wegen ihrer Sadlidfeit dod wertvoll.
Anckarſtröm
M Johann Peter Friedrich, preuß. Staat3-
mann, Urenkel des vorigen, geb. 30. April 1767 in
Berlin, geſt. 19. April 1837, ſtudierte in Genf Theo⸗
logie und wurde 1790 Prediger der franzöſiſchen Ge-
metnde ju Berlin, 1792 zugleich Profeſſor der Ge-
chicjte an Der Kriegsalademie, 1803 Mitglied der
fademie der Wiſſenſchaften und königlicher Hijtorio-
qraph, nachdem er im »Tableau des révolutions du
systéme politique de l"Europe depuis le XV. siécle«
(1803, 4 Bde.; neue Aufl. 1824) ein viel genannted
Werk verdffentlidjt hatte. 1809 gum Staatsrat im
Departement de3 Kultus ernannt und 1810 zum Er-
gicher des Kronprinzen, nadmaligen Königs Friedrich
ilhelm IV., berufen, behielt er einen außerordent⸗
lid) großen Einfluß auf ſeinen Zögling, zu deſſen Cha-
rakterentwickelung er weſentlich beitrug. Nachdem er
ihn 1813 und 1814 ing Feld begleitet hatte, ward er
15. Oft. 1814, als der Kronpring miindig wurde, als
Wirklider Geheimer Leqationsrat in das Minijte-
rium der auswärtigen Ungelegenheiten berufen. 1817
ward ex jum Mitgliede des Staatsrats, im Mai 1831
wurde er zum Wirklichen Geheimrat fowie sum Chef
des Departements fiir das Fürſtentum Neuenburg,
25. Juli d. J. aber gum Staatsſekretär fiir die aus-
wiirtiqen Angelegenheiten ernannt und 1832 als
Staatsminijter an die Spike dieſes Minijteriums ge
ftellt. Obwohl U. infolge feiner Schriften hier und da
in dem Ruf eines poy Liberalismus ftand, leitete
er die Geſchäfte Doc) in gang reaftionairem Ginn und
im engjten Anſchluß an Ofterreid: er entwarf 1834
mit Metternid) dad Wiener Schlußprotokoll, das jede
Erweiterung fonjtitutioneller Rechte in Deutſchland
ausſchloß. Er hat eine große Bahl von Ubhandlun-
gen in deutſcher und franzöſiſcher Sprache über poli-
tifdhe und philofophifde ae eſchrieben (dar-
unter: »Uber Souveriinitat un —— 8*
gen«, 2. Aufl. Berl. 1816; » Zur Vermittlung der Ex⸗
treme in Den Meinungen«, 2. Aufl., daſ. 1838, 2Bde.;
»Pensées sur l' homme«, daſ. 1829, 2 Bde.), dod
bejigen fie feinen wiſſenſchaftlichen Wert mehr.
Anckarſtröm, Jakob Johann von, ſchwed.
Verſchwörer, geb. 11. Mai 1762 auf Lindö (Upland),
ward 1777 Hofpage, 1778 Fähnrich bei der Leibgarde,
nahm aber ſchon 1783 als Hauptmann ſeinen Abſchied.
Seit 1790 einer der leidenſchaftlichſten ariſtokratiſchen
Gegner Guſtavs IIT. (jf. d.), ward er wegen aufrühre⸗
rijder Reden in einen Prozeß verwidelt, ree frei-
qeiproden. Weihnadten 1791 verband er ſich mit
andern Edelleuten zu ciner Verſchwörung gegen den
König. Die Ausführung des Planes erfolgte 16. Mar;
1792 auf cinem Wastenball im Stodholmer Opern-
haus, wo Gujtav von UW. durd) einen Piſtolenſchuß
iödlich verwundet wurde. Am nächſten Tage verhaf-
tet, weigerte YU. ſich ſtandhaft, ſeine Miwerſchwornen
zu nennen. Seine Hinrichtung, der eine dreimalige
oͤffentliche Auspeitſchung vorangegangen war, erfolgte
27. April. Seinen Nachkommen ward die Annahme
des Namens Löwenſtröm gejtattet. Val. Mellin,
Verſchwörung und Vordattentat gegen Gujtav IIT.
(Stodh. 1890).
Anckarſwärd, Karl Heinridh, Graf, ſchwed.
Militar und Politiker, geb. 22. April 1782 in Svea—
borg, geft. 25. Jan. 1865 in Stodholm, Sohn ded
durch feine Tatigheit im Rriege 1788 — 90 fowie auf
dem Reichstag von 1809 befannten Generalleutnants
Wrafen Michael U., ward 1808 Oberadjutant der
an der norwegifdjen Grenze operierenden Armee, be-
teiliqte fic) mit Udlercreus (f. d.) und Udlerfparre (f. d.)
an der Thronrevolution von 1809, fiihrte als Oberſt
491
1813 ein Regiment nad Deutfdland, mufte aber ſchon
im Juli feinen Ubfdied nehmen, weil er Karl Johann
(f.d.) ftatt der Verbindung mit Rupland den Anſchluß
an Frankreich empfahl. Seit 1817 im Reidstag Führer
der » Ritterhausoppofition«, galt er lange als der ge-
fürchtetſte Geqner der Regierung. Seit dem Reichsta
von 1840-—41 ging indeſſen fein Einfluß allmabtic
zurück. Der 1830 in Verbindung mit J. G. Ridert
von ibm vorgelegte Entwurf ju einer grundlegenden
Ynderung der Volfsvertretung ward 1866 tetlweife
verwirfligt. 1859 brachte er einen Yntrag ein, der
eine Stärkung der Vorzugsſtellung Schwedens inner-
a der Union bezweckte. Sein politifdes Glaubens⸗
efenntni8 leqte er in Der Schrift »Politisk trosbe-
kannelse« (Stoch. 1833) nieder. Bal. M. Undar-
ſwärd, Minnen fran dren 1788—90 (Stocfh. 1892).
Ancon, Ruinen, f. Amerikaniſche Altertümer,
S. 484
S. 484.
Ancõona, 1) friiher als Mark W. der Teil Mittel-
italienS zwiſchen dem Adriatiſchen Meer und den Apen⸗
ninen, vom Tronto bis San Marino. Lange ein Teil
des Herzogtums Spoleto, ward dieje Landfdaft 1093
oder 1094 einem deutiden Reichsminiſterialen, Wer-
ner (Guarneri), übergeben, nad) dem fie aud) Marca
Guarneri genannt wird. Deffen Nadfommen blieben
bid 1159im Beſitz. Dann folgten andre deutfde Mark-
grafen, unter denen Marfward von Unniweiler (geſt.
1202) der bedeutendite ijt. Seit 1198 erhoben die Papjte
Anſprüche auf die Mark A., die aber erjt nad dem
Tode Friedrichs I. dauernd verwirflidt und 1275
von Rudolf von Habsburg feierlic) anerfannt wurden.
1808 wurde die Mart von Napoleon zum Königreich
Italien gefdlagen; 1815 fehrte fie unter päpſtliche
Hoheit zurück und wurde 1861 mit Italien vereinigt.
Sie bildet jest die Landſchaft der Marken (ſ. d.) und
umfaft die vier Brovingen A., Wscoli-Biceno, Mace-
rata und Befaro-Urbino. — 2) Stal. ‘Proving in der
Landſchaft der Marfen, im O. an das Adriatiſche Meer,
im S. an die Proving Macerata, im W. an Perugia
und im N. an Befaro-Urbino grenjend, hat einen
Fladenraum von 1966 qkm (35,7 OW.) mit (901
302,460 Einw. (154 auf 1 qkm). Die Provinz A.
umfaft den eingigen Kreis gleiden Namens.
Ancdna (die »Ellbogen{tadt<), Hauptitadt der
gleichnamigen ital. Provinz und der alten Mart A.,
am Adriatiſchen Meer — den Ausläufern des
572 m hohen Monte Conero amphitheatraliſch
legen, Knotenpunkt an der Eiſenbahn Bologna-A.-
Brindiſi, beſteht im ältern Stadtteil aus engen und
frummen Gaſſen mit oft 6—7 Stockwerk hohen, über⸗
einander gereihten Häuſern um den erweiterten Hafen⸗
fai. Die breite Straße Vittorio Emanuele führt djt-
lid) gu dem neuen, regelmäßig angelegten Stadtteil
mit der Piazza Cavour, auf ber fd) das Standbild die-
ſes Staatsmannes erhebt. A. ijteine wichtige Feftung ;
ju der alten Ritadelle auf dem Monte Aſtagno (aus
dem 10. Jahrbh., feither wiederholt rejtauriert) und den
Baftionen um die Stadt find in neuejter Zeit Forts
auf den umliegenden Unhdhen hinzugekommen. Her-
vorragende Bauwerfe find: der Triumphbogen Tra-
jan8, ein Prachtwerk des Ultertums aus weikem Mar-
mor (115 n. Chr. von Upollodor erbaut), 14 m hod,
9 m breit, und der in geringer Entfernung von jenem
ju Ehren des Papſtes Clemens XII. 1765 von Ban-
vitellt aus Baditeinen erridtete Bogen ; die am Monte
Guasco auf den Triimmern eines Verustempels fte-
hende Rathedrale San Ciriaco, aus dem 12. und 13.
Jahrh., mit Kuppel, antifen Säulen und dem —
gen Sarkophag des Prätors Gorgonius in der Krypte:
— Ancona.
492
die Rirde Santa Maria della Piazza (13. Yahrh.), |
mit reidjer Faſſade; die Kirchen Sant’ Ugojtino, Gan
Francesco (betde mit fchinen gotijden Portalen) und
San Domenico (13. Jahrh., mit Gemalden von Ti-
jian); ferner die Börſe (1443-—59 erbaut, mit geijt-
voller gotijder Faſſade), der Präfelturpalaſt, das
Stadthaus (15. Jahrh., mit Gemäldegalerie, archäo—
logifcer und Miinszfammulung), die beiden Theater, das
Lazarett (am Hafen, 1733 von Vanvitelli im Fünfeck
erbaut), Das Yrrenhaus u. a. Die Stadt zählt «vor
ca. 34,000 (als Gemeinde 56,825) Einw. Die Indu⸗
jtrie erjtredt fid) auf Schiffbau und Fabrifation von
Eiſengußwaren, Zucker, Seiler-, Sdafwollen- und
Hanfivebewaren, Leder rc. Von Bedeutung ijt A. als
Hafen- und Handelsplag, da es allein auf der ganzen
Riljtenftrede zwiſchen Venedig und Brindiſi größern
Schiffen vollfommen Schutz ju bieten vermag. Der
Hafen ijt ein ovales Beden von 900 m Lange, 780 m
Breite und durchſchnittlich 8 m Tiefe und jteht nur den
Nordweftiwinden direft offen. Von den beiden mit
Leuchitiirmen verfehenen Hafendämmen ſtammt der
nördliche, 750m lange Molo, der die beiden Triuntph-
bogen (j. oben) trägt, teilweife aus der Romergeit. Yn
den letzten Jahrzehnten wurde der Hafen verbefjert
und jum Striegshafen erflirt. 1900 find tm Hafen
1085 handelstatige Schiffe mit 669,393 Ton. und ciner
Warenladung von 248,335 T. eingelaujen. Haupt-
cinfubrartifel find: Zucker, Kaffee, Tabak, Sal;, Cijen-
waren, Mafdinen, Kohle, Holy, Manufafturwaren.
Die Warenausfubr betrug 46,964 T. VW. beſitzt cin
Gymnajium, ein Lyzeum, eine techniſche Sdhule, ein
techniſches und ein nautifdes Inſtitut, ein Zuchthaus.
Die Stadt ijt Sig eines Biſchöfs, ded Prafeften, des
Uppellhofs, des 7. Armeeforpsfonrmando3 und zahl⸗
reidjer Ronfulate (aud) eines deutſchen).
Wefdidte A. wurde von Syrakuſanern, die vor
dent diltern Dionyfios flohen, 380 v. Chr. geqriindet
und wegen Der Lage des Orted dort, wo die sMiljte aus
der nordnordwejtliden in die weſtnordweſtliche Rich—
tung umbiegt, A. (> Ellbogen«) genannt. Unter den
Rodmern ward A. Rolonie und Hauptort von Picenum
und gelangte durch Handel und Gewerbtätigleit (Bur-
purfarbereten) zu Wohlſtand, befonder3 nachdem die
Hafenanlagen durd) Trajan erweitert worden waren.
In der Beit der VHllerwanderung fam A. in den Be-
fi§ Der Woten, ſpäter (592) der Langobarden. Im
12. Jahrh. fuchte A. fid) durch Anſchluß an die By—
jantiner der Deutiden Herridaft au entziehen und
ward 1167 und 1174 von den Truppen Friedrichs J.
vergeblich belagert. Seit der päpſtlichen Herrſchaft über
Die Mark A. (f. oben) fimpfte die Stadt heftiq um ihre
Unabhängigleit, bis jie 1532 durd Clemens VII. un-
terworjen ward. 1797 nahmen die Franjojen A. durch
Rapitulation ; 1799 wardes nad tapfererVerteidiqung
durch den franjififden General Wonnier von den
jterreichern und Rujjen crobert, 1805 wieder von
Napoleon befest, 1813 von den Neapolitanern ein-
genommen, 1815 dem Papſt guriidgegeben. Bon
1832 -38 bielten die Franjofen die Stadt befest.
Rad) der Revolution von 1848 mute fid A. nad
langerer Belagerung (24. Mai bis 19. Sunt 1849)
den Djterreichern ergeben; erjt 1859 ward die dfter-
reichiſche Beſatzung aus A. zurückgezogen. Nad) der
Niederlage bei Caſtelfidardo (18. Sept. 1860) zog ſich
General Lamoriciere mit dem Reſte der päpſtlichen
Truppen hierhin zurück. Uber ſchon 29. Sept. mußte
er nad) zweitãgiger Beſchießung A. den Piemonteſen
übergeben. Um 17. Dez. 1861 wurde A. dem König—
reid) Italien einverleibt.
Ancona — Ancus Marcius.
Ancõna, Uleffandro d', namhafter ital. Lite⸗
rarhiſtoriler, geb. 20. Febr. 1835 in Piſa, ſtudierte mm
Florenz und veröffentlichte ſchon 1854 die italieniſchen
Schriften Tommaſo Campanellas (Turin, 2 Bde.)
mit einer umfangreichen Biographie des Philoſophen.
1855— 58 widmete er ſich Dem Studium der Rechte
zu Turin, übernahm dann, nach Florenz juriidge-
fehrt, Die Redaftion der »Nazione« und beflerdete von
1860—1900 den Lehritubl der italienifden Literatur
an der Univerfitdt gu Piſa. Er gab zahlreiche alte und
feltene italienijde Schriftwerfe neu heraus, fo eme
Ausgabe der » Vita nuova« Dantes (1872, 2. Aufl
1884), »Le antiche rime volgari etc.« (1875 —8&,
5 Bode.), »Sacre rappresentazioni dei secoli XIV,
XVe XVI« (1872, 3 Bde.), woran fid) das anziehende
Werf »Origini del teatro in Italia« (lor. 1877;
2. Aufl. Tur. 1891,2 Bde.) anſchloß; ferner verdffent⸗
lidjte er »I precursori di Dante« (flor. 1874), »La
poesia popolare italiana« (Daj. 1878), ⸗Studii di eri-
tica e di storia letteraria« (Daj. 1880), »Varieta
storiche e letterarie« (Wlail. 1883— 85, 2 Bode.),
»Studj sulla letteratura italiana dei primi secoli«
(Ancona 1884) und » Manuale della letteratura ita-
liana« (mit ©. Bacci, Flor. 1892 —95, 5 Bde.). Boll-
ſtändiges Verzeichnis feiner Werfe in »Raccolta di
studii critici dedicata ad A. d'A.« (Flor. 1901).
Anere (pr. angtr’), Marſchall d’, eigentlich Con-
cino Concini, Sohn cines Senators ju Floren;
begleitete Maria von Medici nad) ihrer Vermabhlung
mit Heinrid IV. von Franfreid) 1600 an den fran-
zöſiſchen Hof, wo er fid) der cinflufreiden Kammer⸗
frau Marias, Leonore Galliqat, antrauen lies.
Wis nad) dem Tode Heinrichs [V. 1610 Maria Reichs⸗
regentin geworden war, gewann er als ibr Günſtling
alle Gewalt. Die Regentin ernannte ihn zum War-
quis von A. und, obgleid) er nie cinen Krieg mut
qgemadt, 1614 jum WMarjdall von Frankreich. Bon
mehr als 30 hohen Ehargen bezog er jährlich 2 Mill
rant; an Giitern und Kojtbarfeiten erbielt ex außer⸗
Dem fiber 3 Mill. Fr. in wenigen Jahren. Er entfal-
tete einen verſchwenderiſchen Gurus, war jedod dem
Bolte furdtbar verhaßt. Wher vergeblich fuchten ibn
1616 Die Herzöge von Bouillon, Mayenne, Revers,
| Longueville und der Pring Condé ju ſtürzen. Indes
da er ut feinem Hochmut den jungen König Lud-
wig XIII. der Armut und felbjt forperlicher Pipe
handlung preisqab, lich diefer ifn 24. April 1617 auf
der Brücke de3 Louvrepalaſtes von dem Gardefapitin
v. Bitry erſchießen. Seine Gattin wurde der Teilnahme
an der Ermordung Heinrids IV. und ded zauberiſchen
Cinflujjes auf die Königin angeflagt, 8. Juli 1617
als Here zum Tode verurteilt und enthauptet.
Ancud, Hauptitadt der chilen. Proving Chiloé, auf
der Nordfilite der Inſel Chilog, unter 41° 51° ſudl. Br.
und 73° 56 wejtl. L., am Ranal von Chacao, Biſchofe—
fits (auch fiir die Provinzen Llanquihue und Valdivia),
Sif eines deutſchen Vizekonſuls, mit Schiffahrtsſchule,
Seminar und (isos) 3182 Cinw., die Holyhandel, Fi-
ſcherei und Uderbau treiben. Der vortrefflide Hafen
ift durch regelmäßige Dampfſchiffahrt mit andern Hi-
fen Chiles verbunden. — Die Stadt wurde 1768 als
San Carlos de Chilod qeqriindet, befejtiqt und
erjt 1826 an Chile Ubergeben; 1834 wurde es unter
dem Ramen WU. Hauptitadt der Proving an Stelle
des 1566 gegriindeten Cajtro an der Djttiijte, das ſeit ⸗
dem verfiel.
Ancus Marcins (> Diener des Mars), nach der
Sage Sohn der Todjter Numas, der Pompilia, und
des Marcius, vierter Riniq von Rom, regierte an-
Ancy-le-Franc — Andalufit.
geblid) von 640—616v. Chr., war, gleid) dem Numa,
ein weifer Befirderer der Religion und der friedlicen
Gewerbe, zugleich aber, wenn er angegrijfen wurde,
tapfer. So bejiegte er die Latiner und fiedelte einen
Teil von ihnen am Uventinifden Hiigel an, wodurd
493
| aber aud) jähzornig, fed und ftreitfiidtig, cin Freund
des Meſſers und des Revolvers, wenn auch dfter nur
ein prahleriſcher Zungenheld. Cine kurze Gamtjade,
by eng anliegende Beinkleider, reife Striimpfe,
cin ſchneeweißes Hemd mit Krauſe und offenem Kra-
der Grund zur Entitehung de3 Plebejerftandes gelegt gen, ein breitrandiger, flader, fteifer Filzhut und
wurde; aud) griindete er an der Mtiindung de3 Tiber
Die Hafenftadt Ojtia. Sein Nachfolger wurde der Vor⸗
mund feiner zwei unerwadjenen Söhne, Tarquinius
Priscus (fj. d.).
Mneh-le-Frane (pr. angfi-t5-frang), Flecken im franz.
Depart. Yonne, Urrond. Tonnerre, am Armançon und
der Lyoner Bahn, hat ein pradtvolles Schloß aus dem
16. Yahrh. mit Gemälden von Niccold dell’ Ubbate,
Cijenhiittenwerfe und (901) 1037 Einw.
Aneylusfee, cin durch das Vorkommen der
Schnecke Ancylus fluviatilis charafterifierted rieſiges
Binnenſeebecken in Sfandinavien, das in der pojtqla-
zialen Zeit durch Hebung des Bodens vom Meer ab-
etrennt und ſpäter durch Ublagerungen und weitere
— —————— trocken gelegt wurde. Die Foſſilien
der Ablagerungen des Ancylusſees laſſen erkennen,
welche Pflanzen in jener Periode an den Ufern des
Sees wuchſen, der fic weit über das heutige Mittel⸗
und Nordſchweden ausdehnte.
Ancyranum marmor, ſ. Ungora.
AW ncgjye (jpr. antidig), Wladyftaw Ludwil, poln.
Schriftſteller, geb. 25. Nov. 1823 in Wilna, geſt. 28.
Juli 1883 in Krafau, Sohn eines hervorragenden
Schauſpielers, erlernte die Pharmazie, widmete fid
aber frühzeitig literariſchen Urbeiten und lebte meiſt
inRrafau. Er ſchrieb die beften polniſchen Volksſtücke,
wie: »Die Bauernarijtofraten« (1851), »Die Lob-
fower« (1854), »Die Flifere (1875), »Die Banern-
emigration« (preisgekrönt, 1876); die poetifde Erzäh⸗
lung ⸗Tyrteusz«⸗ (1883) und viele Qugendfdriften.
Undacht, die Richtung der Gedanfen auf irgend
einen Gegenjtand, beſonders auf Gott und göttliche
Dinge, in der Abſicht, ſich über das Endlicde, Ge-
meine, Selbjtifdhe gu erheben. Undadhtsiibungen
find in dieſem Sinn Gebet, Gefang und afrentlidhe
Gottesverehrung tiberhaupt, Undadtsbider(Ge-
betbiider) aber foldje Schriften, welde die Befir-
derung und Leitung religidjer A. bezweden und bei
Andadtsiibungen als Hilfsmittel gu gebrauden find
(j. Erbauungsbiicher). Friiher wurde das Wort an-
dächtig als Ehrenbenennung folden Perſonen bei-
eleqt, bet denen man wegen ihres Amtes einen be-
— Beruf zur A. vorausſetzte, wie den geiſtlichen
Kurfürſten und Doktoren der Theologie.
Anda Gomesii, ſ. Joannesia.
Andalufien (ipan. Andalucia), fpan. Landſchaft,
welde die vier ehemaligen mauriſchen Königreiche
von Granada, Jaen, Cordoba und Sevilla umfaßt
und fomit Den ſüdlichſten Teil der Halbinfel bildet,
87,570 qkm (1590 OW.) groß mit (900) 3,562,606
Einw. A. das Bandalitia oder Bandalufia zur
Beit der Vandalenherridaft, grenzt im RN. an Eftre-
madura und Neufaftilien, im S. an das Atlantiſche
und das Mittellandifde Meer, im O. an Murcia, im
W. an Portugal und zerfällt gegenwärtig in die act
Provinzen: Cordoba, Cadiz, Huelva, Sevilla, Jaen,
Malaga, Granada und Wimeria (Genaueres f. unter
den einzelnen Provinzen). Der Undalufier ijt von
finer Körpergeſtalt, lebhaft und Heiter, vergnü—
rial leichtſinnig, aber ebrlich und edel, red-
eliq, voll Verftand und Gewandtheit in der Wuffaf-
jung, jtol; auf fein Land und poetiſch beqabt, aber
arbeitsjdeu, dabei genügſam, gaſtfrei und gefillig,
elbe Schube bilden die Tract des echten Undalufiers.
ie Frauen, von ciner unnadahmliden Grazie und
mit vielem Mutterwit begabt, find gwar nidt die
ſchönſten Spanierinnen, aber dod) die intereſſanteſten.
Yin Siidabbang der Sierra Nevada (Wipujarras) le—
ben nocd) reine Nachkommen der Mauren. Biele Tau-
fende von teils anfaffigen, teils nomadijierenden Zi—
geunern (Gitanos) find über ganz A. verjtreut.
In den altejten Zeiten wurde A. von den Turtern
bewohnt, die Gewerbe trieben und einige Kultur be-
ſaßen, dabei fanft und friedliebend, aber aud) weichlich
waren und feinem Eroberer widerjtanden, und hie}
Batica (nad dem Batis, jest Guadalquivir) oder Tar-
teffos (phöniliſch Tarſchiſch, nach feinen Bewohnern).
Von Frembden liehen fich guerjt die Phöniker hier nie-
Der, um die reidjen Silberberqwerfe auszubeuten; fie
griindeten die Rolonien Hispalis (Sevilla), Gades (Ca-
Diz) u. a. Später nahmen die Rarthager diefe Gegen-
den cin. 206 fam das Land in den Befis der Romer.
Unter ihnen bildete A. einen Teil der Provinz Bae-
tica und war der Mittelpuntt römiſcher Bildung und
Gitte in Spanien. Cordoba und —— bei Se⸗
villa (Italica) gaben Rom Dichter, Weltweiſe und
Kaiſer, wie Lucanus, Seneca, Trajanus; aud) der
Geograph Mela und der ölonomiſche Schriftſteller
Columella ftanunten aus Batica. Ru Anfang des
5. Jahrh. n. Chr. eroberten die in der Völkerwande—
rung aus Galicien und Aſturien eindringenden Ala—
nen und BVandalen A. beinahe ohne Widerjtand und
nannten es Vandalitia. Ihnen folgten 412 die
Wejtqoten, die nad cinem langen Kampf die Wlanen
und BVandalen nach Afrika hinüberdrängten und feit
dem 6. Jahrh. ganz Spanien beberrfdjten. Schnell
entartet, erlag das Reid) der Weſtgoten ſchon nad
einem Jahrhundert den Urabern in der Schladt bei
Jere; de la Frontera 711. Wis 755 die fpanifden
Uraber fid) von den Ralifen in Wien unabhängig
madten, wurde A. der Sig einer neuen Dynajtie von
Ralifen, die Cordoba zu ihrer Hauptitadt wählte.
Die fiberwundenen Goten wurden von den Siegern
mild behandelt, bebhielten freie Reliqionsiibung, thre
eignen Geſetze und Sitten und jablten bloß cinen
mapigen Tribut. Die Bevdlferung Andaluſiens war
damals zahlreich, der Ackerbau bliihte; Riinjte und
Wiſſenſchaften, befonders Baukunſt, Aſtronomie, Me—
dizin, wurden von den Arabern mit ſolchem Erfolg
gelrieben, daß Wißbegierige aus dem übrigen Europa
nad Cordoba reiſten. Als aber 1031 die Dynaſtie
der Omaijaden in Cordoba ausitarb und die Mauren,
ſchon längſt uneinig, fich in mehrere unabbingige
Reidhe jerteilten, vertiel aud) ihre Macht und der Wohl⸗
ftand des Landes. In A. entitanden die drei König—
reiche Sevilla, Cordoba und Jaen, die nad vielen
Kämpfen, von 1233 —50, durch Konig Ferdinand III.
von Raftilien den Mauren entriſſen wurden. Bon
jener Beit an war A. ein Teil des Reiches Najtilien
und hatte mit dieſem ftets gleiche Schickſale.
MUndalufier, |. Hubn.
Andalufit, Mineral aus der Ordnung der Sili-
fate, benannt nach dem Fundort, bejteht aus fiefel-
faurer Tonerde AL SiO,, friftallijiert in langen, rauhen,
meift von Kaliglimmer bedeckten, rhombiſchen Saulen
von nahezu quadratijdem Durchſchnitt, ijt aſchgrau,
494
grunlichgrau bis grün oder rötlichgrau bis rot, ſchwach
lasglingend, wenig durdjdeinend, Harte 7-—7,5,
— Gew. 3,1. Er findet ſich im Granit, Gneis
und Glimmerſchiefer bei Almeria in Undalufien, bet
Briunsdorf in Sadfen, Hof in Bayern, bei Liſenz
in Tirol, im Ural, in Brafilien x. In metamorphi-
ſchen Tonſchiefern erſcheint er häufig als Chiaſtolith
(v. griech. chiastos, »mit einem chi [7] bezeichnet, ge⸗
freugt«, und lithos, Stein) oder Hohlſpat, defjen
lange Striftalle in der Ridtung ihrer Längsachſe und
ihrer Diagonalen von kohliger Subjtang fo durchzogen
find, daß fie auf dem Ouerbrud ein dunkles Kreuz
erlennen laſſen (ſ. Ubbildung). Golde Tonſchiefer
GChiaſtolithſchiefer) finden fic gu Gefrees im
Fichtelgebirge, im Harz, in der Bretagne, zu San—
tiago de Compoſtella in Galicien, in den Pyrenäen,
in Maſſachuſetts x. Die oft fußlangen und an 5 cm
GEGEBECBIS
Cin Chiaftolithfrifiall von Maſſachuſetts in eins
zelne Scheiben zerſchnitten.
diden Chiaſtolithe werden auch wohl in Scheiben ge
teilt, die geſchliffen wegen der Kreuzfigur als Amu—
lette getragen werden. Schön durdfidtige grüne bra-
ſiliſche Andaluſite dienen alg Schmuckſteine und wer-
den oft fälſchlich als Alexandrit ausgegeben.
Andalufithornfels, ſ. Tonſchiefer und Meta—
morphismus.
Andamanen, Inſelgruppe im Bengaliſchen Golf
(f. Karte »Hinterindien«), zwiſchen 10° 30’— 13° 45¢
ndrdl Br. und 92° 15‘ 93° 15° öſtl. L., ſüdlich
vom Rap Regrais (Britiſch-Birma), nördlich von
den Rifobaren, umfaßt 6497 qkm in 4 größern und
50 Fleinern Inſeln mit (901) 24,499 Emw. Nord-,
Mittel- und Siidandamanen (1513, 1961 und.1392
qkim) bilden Die 250 km lange, 32 kim breite Gruppe
Grofandamanen, durd die Duncanjtrafe von den
fiidliden Kleinandamanen (954 qkm) getrennt.
Der Stewartfund ſcheidet Nord- und Wittelinfel, die
ſchiffbare Andamanenſtraße Mittel- und Südinſel, die
ſchiffbare Macpherſonſtraße lestere von Rutland. Die
Weſtküſte ijt von Korallenriffen beqleitet. Die üppigen
Urwälder von hinterindiſchem Charafter enthalten
cinen wertvollen Wabagonibaum (Pterocarpus dal- |
bergioides), am Strand wächſt Mangrove. Das Klima
ſchwankt awifden 19 und 27°, Wirbelitiirme find fel-
ten, der Regenfall ijt febr bedDeutend (3000 mm jähr
lich). Die höchſten Punlte: Saddle Hill (730 m) auf
Nord⸗ und Mount Harriet auf Siidandamanen, wer-
den als Gejundheitsitationen benugt. Faſt die einzi⸗
gen Sdugetiere ſind Wildſchweine, Ratten, Rollmarder,
Ichneumons und Fledermäuſe; Vogel find felten (ef:
bare Neſter), Fiſche und Schildfriten in Fiille. Die
augjterbenden Ureinwohner, 1901 mur nod) 1882, Die |
Minfopies, find mit den Negrito und Papua vers
wandt, 140 -150 em qrof, von tiefdunfler Haut und
fraufem Wollbaar. Die Wanner gehen nat, die
Frauen mit einem Lendengiirtel aus Blattern. Sie
haben feine feſten Wohnſitze und leben von den Er-
jeugniffen des Waldes und Meered, find geſchickte
Bogenſchützen, Muderer und Tauder, gegen andre
Stanune unfriedlich und hinterlijtiq. Bort Cornwallis
auf Rord- und Port Blair auf Stidandamanen find
vorgliqlide Zufluchtshafen. In lesterm haben die Eng-
lander cine Strafanjtalt erridtet, die 1901: 16,307
meift lebenslinglid verurteilte Straflinge barg. Die
Landwirtſchaft erjtredt jid) auf Tee, Kokosnüſſe, Lt-
Andalufithornfels — Andelfingen.
beriafaffee, Zuckerrohr, Musa textilis, Urrowrooi,
Tamarinden, Betel. Die Wilder lieferten 5219 Ton.
Tiek- und Padonkholz. Die indifde Regierung, deren
Chief Commissioner (auch fiir Die Rifobaren) in Bort
Blair wohnt, mufte 1895 zu den Cinnahmen (417,389
Rupien) nod) 992,053 Rupien zuſchießen. Sur Be
wadung der Striiflinge dienen 640 indijde Voliziſten
und 430 Mann Ynfanteric. Mit Kalfutta beftebt cme
monatlide Dampferverbindung. — Die A. kommen bet
arabiſchen Schriftſtellern juerjt tm 9. Jahrh. vor und
werden aud) von Marco Bolo (um 1300) erwahut.
1789 wurden fie von den Englandern ju einer Straf>
folonie auserfehen, dod) 1796 wieder verlajjen. 1857
wurde der Hafen Blair angelegt jur Aufnahme der
nad) dem Sepoyaufſtand ju deportierenden Inder;
ier wurde Graf Mayo, der Gencralgouverneur von
Indien, 8. Febr. 1872 von einem muslimiſchen Straf-
ling erſtochen.
Andameénto (ital, »>Gang<), in der Fuge ſoviel
wie Zwiſchenſpiel, ſ. Divertimento 2).
Andante (ital.), cine Der altejten Tempobeitim:
mungen, bedeutet »gehend« (dD. b. ziemlich langſam
in mapiger Bewegung) und ijt nicht etwa im Sinne
von »langjam« aufjufajjen. Pid a. heißt »fdyeiler<
(nicht »langfamer<); un poco a. bedeutet im Adagio
·etwas fdyneller«, im Allegro aber » weniger ſchnell «-
Die Diminutivform Andantino bezeichnet nicht eigent⸗
lid) ein andres Tempo als A., macht vielmehr auf
die Feingliederigleit des motivijden Baues aufmert-
fam (ähnlich bet Allegretto, Larghetto, Adagietto).
Unter einem A. veriteht man beute, ähnlich wee unter
YUdagio, einen langjamen Sag einer Symphonie,
Andantino, ſ. Andante. | Sonate x
Audaöl, ſ. Joannesia.
Andchui, Stadt in Afghaniſtan, unweit des bald
in Der Steppe verjieqendDen Sanqalit an der Xara
wanenjtrake Herat-Samarfand, 15,000 Emuw., merit
Turfmenen und Ugbefen, die Ramele züchten und
mit ſchwarzen Lammfellen (jogqen. Aſtrachan) bedeu⸗
tenden Handel nad Bochara treiben.
Andechs, Benediftinerflojter und wegen ſeiner
Reliquien bejudter Wallfahrtsort in Oberbayern, auf
dem »heiligen Berg am Ammerſee geleqen, ward
um 950 geqriindet, 1803 vollſtändig ausgepliindert,
durd) König Ludwig J. von Bayern 1846 wiederher⸗
ejtellt, ift qeqenwartiq Novizenhaus fiir die Bene
iftiner int Denechen. — UW. war uripriinglich etre fefte
Burg und Sig der Grafen von Diejjen, de ſich um
1000 nachweiſen lafjen, ſich um 1132 nad A. mann
ten und um 1180 Herzöge von Weran wurden, aber
| bereits 1248 mit Otto VIII. ausitarben, wabrend die
ſcheinlich/ v.
Burg W. fdhon vorher durd Herjoq Ludwig L vor
Bayern zerſtört worden war. Bgl. v. Oefele, Ge
jchichte der Grafen von A. (Innsb. 1876); HeindL
Der heilige Berg A. (Münch. 1895).
Andefaven (Andecavi), ſ. Unjou.
Ande (Wandelang, lat.andelangus, wabr-
anj. gantelet, »>Handjdub-«), BWabr-
zeichen Der qewerten Hand (manus vestita), im ger⸗
manifden Recht Symbol der Beſitzeinweiſung; der
RKiufer eines Grundftiides empjing vor Seugen auf
dem Grundſtück nad) Yahlung des Sautpreites den
Handſchuh und damit den Beſitz (die Gewere).
Andelfingen, swei Orte im ſchweizer. Nanton
Zürich: Groß-A., Hauptort des Bezirls A., mit
ſchönem Schloß und coe) 859 meiſt evang. Einwoh⸗
nern, auf dem hohen linken, und Klein-A., mit
1038 evang. Einwohnern, am rechten Ufer der Thur
gelegen, Ubergang der Bahnlinie Winterihur-Schaif ·
Andelys — Anderjen.
haufen fowie, gang in der Nahe, der Qinie Winter-
thur- Stein.
Andelys (Les Andelys, fpr. U ſangb'li), Urron-
diſſementshauptſtadt im frang. Depart. Eure, an der
Seine und der Wejtbahn, bejteht aus zwei Stadten,
Grand- und Vetit-Andelh, erjtereds in einem Sei-
tental, letzteres an der Seine jelbjt, darüber die Rui-
nen des mächtigen Schloſſes Gaillard, das Ricard
Löwenherz zur Beherrſchung der Seine erbaut bat.
VW. Hat zwei Kirchen aus dem 13. Jahrh., ein Dent-
mal des in Der Nähe qebornen Malers Ric. Poufjin,
eine eiſenhaltige Mineralquelle, Fabrikation von |
Buder, Seidenzwirn, Orgeln ꝛc., Handel und (1901)
Anden , Gebirge, ſ. Andes. (4539 Einw.
Andenne (pr. angdan’), Stadt in der belg. Proving
und Urrond. Namur, nabe der Maas, Knotenpuntt
an der Cifenbahn Viittid-Namur, hat eine der Heil.
Begga, Pippins Todhter, geweihte Rirde, Staats.
Knabenmittelſchule, Lehranjtalt fiir Lebrerinnen, Ra-
ier, Fayence⸗, Porzellan⸗ und Tonpfeifenfabrifen,
rennereien feuerfeiter Baditeine, Steinfohlengruben,
Steinbrüche und (1900) 7711 Einw.
Andenpalme, |. Ceroxylon.
Andenrofe, ſ. Bejaria.
WAndentanne, ſ. Araucaria.
Ander, Uloys, Tenorijt, qeb. 13. Oft. 1817 gu
Liebitig in Böhmen, gejt. 11. Dez. 1864 im Badeort
Wartenberg, ein weniger durch imponierende Stimm-
mittel und leidenſchaftliche Darſtellung als durd ge
ſchmackvollen und [yrijd-innigen —— ausgezeich⸗
neter Sänger, war von 1845 bis zum *42 des
ſeine letzten Jahre umnachtenden Irrſinns eine Zierde
Wiener Hofoper.
Ander., wid Anders., bei naturwiſſenſchaftl.
Namen Abkürzung fiir NilsYoh.Underffon (j.d.).
Anderlecht, Fabrifort in der beg. Provinz Bra-
bant, Borort im SW. von Briiffel, an den Schmal—
fpurbabnen Briijfel-Enghier und Briiffel-Ninove,
mit einer alten
Spinnerei und Färberei, Brauereien, Butterhandel
und (1900) 47,929 Ginw.
Underledy, Untonius, General der Jeſuiten,
ged. 3. Juni 1819 ju Brieg im Kanton Wallis, geſt.
19. Jan. 1892, trat 1838 in den Jefuitenorden und
ftudierte Bhilofophie und Theologie in Rom und
Freiburg. Wis nad Beſiegung des Sonderbundes
1847 der Jefuitenorden aus Freiburg vertrieben
wurde, begab fic) A. nach Biemont und 1848, als
aud bier Der Orden verboten ward, nad Nordame⸗
rifa, wo er Bfarrer in Green Bay wurde. 1851 fehrte
er nad) Deutſchland zurück und leitete zwei Jahre lang
Jeſuitenmiſſionen, bis er 1853 Reftor der Studien-
anjtalt der Geſellſchaft Jeſu in Riin wurde. Sodann
ward er 1856 als Reftor an das theologifde Kolle⸗
gium zu Paderborn berufen, 1859 Provinzial, 1865
Profeffor der Moraltheologie und 1869 Reitor in
Maria=Laad, 1870 Aſſiſtent des Jeſuitengenerals
P. Ber in Rom. Nachdem er dies Amt 13 Jahre
befleidet hatte, wurde er von Der Generalfongregation
des Ordens 1883 zum Generalvifar erwählt und
folgte, als Bedr wegen hohen Alters zurücktrat, die-
fem 1884 als General der Gefellidaft Sefu.
Auderlöni, Rictro, ital. Kupferſtecher, geb. 13.
Ott. 1784 ju Sant’ Eufemia im Brescianijden, war
Schüler Longhis, iibernahm 1831 an deſſen Stelle
die Leitung Der Kupferſtecherſchule in Maitland und
ftarb 13. Oft. 1849. A. hat — —— in der
echt maleriſchen Reproduktion von Bildern Tizians
und Raffaels geleiſtet.
lfahrtstirche, Baumwollweberei, geg
495
Anderlues, Fabrifdorf in der belg. Provinz Hen⸗
negau, Urrond. Thuin, 13,5 km weſtlich von Char⸗
leroi, an der Eiſenbahn Bidton-Fauroeulr, hat (1900)
9086 Einw.
Andermatt (ital. Orjéra), Dorf im ſchweizer.
Ranton Uri, Hauptort de3 Urſerentals, an der St.
Gotthardjtraje, 1444 m ti. M., mit einem Kapuziner⸗
hoſpiz, Raferne der Gotthardtruppen (ſ. Ganft Gott-
hard | Befejtiqungen}) und (1900) 801 fath. Einw., die
meijt vom Fremdenzug der hier fic) kreuzenden Hod)-
alpenpäſſe Oberalp, St. Gotthard und Furka leben.
{. Neufomm, A. als Winterturort (Zürich 1887).
ndernad, Stadt im preuß. Regbez. Koblenz,
Kreis Mayen, linfs am Rhein, Rnotenpunft der
Staatsbahniinien Köln-Koblenz und A.Mayen, ijt
nod mit Mauern umgeben. Die merfiwiirdigiten
Bauwerfe find: die fath. Bfarrfirde (St. Genoveva),
eine ſpätromaniſche Pfeilerbafilifa aus dem 12. und
13. Jahrh., mit vier Titrmen, deren einer im Unter-
bau mutmaßlich in die farolingifde Zeit zurückreicht;
die gotijde Minoritentirde, jest evangelijd ; die Ruine
der ehemaligen Burg der Kilner Erzbiſchöfe (von
Friedrich I. 1109 erbaut, 1688 zerſtört, jest teilweife
als Gefängnis benugt); der St. Retersbrunnen (aus
demt 14. Jahrb.) ; der Wadhtturm (1448-—52 erbaut);
das Rheintor, angeblid) aus der Zeit der Merowinger,
mit Dem Wahrzeichen der Stadt (zwei lebensgropen
Steinfiquren); der Rheinfran (1554 erbaut); endlid
das Yudenbad, Gewölbe unter dem Rathaus. A. hat
eine Synagoge, ein Gymnafium, cin Amtsgericht,
3 | eine ReidhSbantnebenjtelle, Jrrenanjtalt, Fak-, Che-
mifalien-, Malz⸗ und Parfiimerienfabrifation, Bier-
brauerei, Schiffahrt, Handel mit Mühlſteinen und
Trak, Schiffahrt und (1900) 7889 meijt fath. Einwoh⸗
ner. Die Umgegend ijt reid an römiſchen Altertü—
mern. — A. (Antunnacum), der Hauptort des alten
fagenbaften Mayenfeldes, ijt das römiſche Castellum
ante Nacum (»vor der Rette«), von Drujus 12 v. Chr.
riindet und im 3. Jahrh. n. Chr. ſtark befeftiqt.
876 erlitten bei A. Karl der Kahle durd) Ludwig IL,
Sohn Ludwigs des Deutſchen, und 939 die aufftãn⸗
diſchen Herzöge Eberhard und Giſelbert durch die
von König Otto I. geſandten Truppen eine Rieder-
lage; ebenjo wurde bier 1114 Raijer Heinrich V. von
den mit Dem Erzbiſchof von Köln vereinigten Sachſen
befiegt. Um 1109 wurde A. Stadt, fam 1167 an
Kurköln und trat 1253 dem Rheinijden Städtebund
bei. Hier ward 31. Dex. 1474 zwiſchen Kaiſer Fried-
rich IIL, den vier rheinifden Kurfürſten und Frant-
reid) ein Bund abgeſchloſſen. 1794 fam A. an Frant-
reich, 1815 aber mit dem linfen Rheinufer an Preujen.
Undersdorf, Badeort, ſ. Bärn.
Mnderfen, 1) Hans Chrijtian, din. Dichter,
geb. 2. Upril 1805 in Odenſe, geft. 4. Aug. 1875 in Ko⸗
penbagen, Sohn eines armen Schuhmachers, gewann
frith das Intereſſe bedeutender Männer, befudte mit
ihrer Unterjtiibung cine Lateinſchule und erregte bald
durch Die phantaſtiſche Satire » Fodreise fra Holmens
Kanal til Amager«, die epiſch-dramatiſche Dichtung
»Agnete og Havmanden« (1827), das Vaudeville
»Keerlighed paa Nicolaitaarn« (1828) und die Poe⸗
jien »Digte« (1829), »Fantasier og Skitser« (1831),
»*Skyggebilder«, »Vignetter« (1832) Aufſehen. YW.
war faſt ftets auf Reiſen bis in die fernften Lander;
er ſchilderte Reifeeindriide aus Italien und Griedhen-
{and in »En Digters Bazar« (1842), ſchwediſche in
»I Sverige« (1851), fpanifde in »I Spanien« (1863),
lebte aber feit 1863 in Nopenhagen und bejudte nur
nod) Chrijtania (1872), wo er allgemein gefeiert wurde.
496
A. war ein fehr vielfeitiger Autor. Er ſchrieb Romane:
die vielgelefenen Künſtlergeſchichten Improvisatoren⸗
(1835), »>Kun en Spilmand«, ferner »O. T.« (1835),
»To Baronesser«, »At vere eller ikke vere« (1848),
die weltberiihmten, humorvollen, phantafiereichen, ge—
danfentiefen, bei alt und jung gleich) beliebten Marden
»Eventyr, fortalte fer Bern« (1835, erjte Samm-
lung) und die in der Urt Der Marchen gefdriebenen
»Billedbog uden Billeder« (1840) und »Historier«
(1852); ferner Dramen, unter denen die romanti-
jen »>Maurepigen« (1840), »Mulattenc, »Lyckens
Blomst«, »Pa Langebro«, »Kongedrommers, Die
Märchendramen »Mere end Perler og Guld«, »Ole
Lukoje« und »Hyldemore und die Burlesten »Den
Usylige paa Sproge« (1839), »Den nye Barselstue«
(1840), Die Weltdicdjtung »Ahasverus« (1848), »Nye
Eventyr og Historier« (1858—61, 4Tle.), die offen-
herzige Lebens{dilderung » Mit Livsventyr«(1877).
W. wurde von der Sritif, namentlid von Hertz und Hei-
berg, wegen feiner formellen Mängel verfpottet, was
den feinfithligen Dichter febr verleste, aber friih von
Ohlenfdlager gefördert. Anderſens »Samlede Ver-
ker« erfdienen 1854 —79 in 33 Bodn.; deutfde von
YW. beforgte Uusg., Leipz. 1853—72, 50 Bde. Briefe
(»Breve fra og til A.«) erjdjienen 1887 in 3 Banden.
Bgl. G. Brandes, Kritiker og Portrieter (2. Uujl.,
Ropenh. 1885); Bournonville, Mit Theaterliv,
8. Teil (daſ. 1878); Collin, H. C. A. og det Col-
linske Hus (daſ. 1882); R. N. Bain, Hans Chri-
stian A., a biography (Lond. 1895).
2) Karl, dan. Schriftiteller, geb. 26, Oft. 1828 als
Sohn eines isländiſchen Kaufmanns in Nopenhagen,
ejt. 1. Sept. 1883 als Inſpektor und Yntendant des
Schloſſes Rojenborg dajelbjt, ſchrieb zahlreiche lyriſche
und epiſche Werke, darunter: »Strit og Fred« (1858),
»Poesier«, »Romanser og Sanger« (1880), fowie
die isländiſche Erzählung » Over Skjer og Brending«
(1882) und Die beliebten » Genrebilleder« (1867—81,
7 Vde.), idylliſche Bilder des Alltagslebens.
Anderſon (pr. anverf’, 1) Hauptitadt der Graf-
ſchaft Madiſon im nordamerifan. Staat Yndiana,
53 km nordöſtlich von Yndianapolis, am wejtliden
White River, Bahnknotenpunkt mit Fabrifen u. (1900)
20,178 Einw. — 2) Hauptitadt der Grafidaft A. in
Sildcarvlina, am Rody Rwer, mit Bahnkreuzung,
Baumwollhandel und (i900) 5498 Einw.
Anderſon, Loren; (Kaurentius Undreae),
ſchwed. Heformator, geb. um 1480 in Strengnas, geft.
1552, überſetzte die Bibel ins Schwediſche und war
dem König Guſtav Wafa feit 1523 bei Einführung
der Reformation behilflich. Spater zerfiel er mit dem
König wegen defjen Übergriffe in das firdliche Gebict.
Derfon (jpr. dnderg'n), 1) Vlerander, amerifan.
Holzſchneider, geb. 1775 in New Port, geſt. 18. Jan.
1870 in Jerſey City (New Jerſey), war urfpriinglid
praktiſcher Arzt, widmete fid) Dann der Holzſchneide—⸗
funjt, deren Technik er gleichſam fiir fic) neu erfand.
A. darf als der Grinder der Holzſchneidekunſt in den
Vereiniqten Staaten von Nordamerifa angejehen wer-
den. Seine Hauptwerke find Silujtrationen zu Bells
Ynatomie (60 —70 Blatter) und ju Shalefpeares
Dramen (80 Blatter). Bal. Burr, Life and work
of Alexander A. (New Y)orf 1893).
2) Urthur, Beqriinder großartiger Unternehmun—
WAnderjon — Anderfjen.
Expedition Dom Pedros gegen die Herridaft Dou
Miguelsin Portugal. Cine hervorragende Rolle fpielte
er dann al8 Mitglied der Unti-Cornlaw-Leaque (j.d.).
1847 zum Parlamentsmitglied fiir Ortney umd Shet—
land gewählt, trat er fiir die Auſhebung der Navi-
ationgafte und anbdrer den Handel hemmender Ge-
ebe in Die Sdranfen. YW. war der Griinder und ſeit
1867 der Hauptdireftor der Peninsular and Oriental
Steam Navigation Company, Dic lange Beit fajt den
ganzen Pojt- und Paffagierverfehr zwiſchen England
und feinen öſtlichen Rolonien vermuttelte. Er grün—
dete auferdem aus feinen ciqnen bedeutenden Mi⸗
teln verſchiedene Wohltätigleitsanſtalten, wie cine Bil⸗
dungsanſtalt fiir Handwerfer in Norwood, cine andre
in Lerwict fiir arme Kinder der Inſel Shetland x.
3) John, brit. Naturjorjder und Reifender, ged.
4. Olt. 1833 in Edinburg, gejt. 16. here 3 1900 tm
Burton, fam 1864 nad Kalfutta, erbielt Dort neben
einer Profeſſur fiir Unatomie cine Stellung am Jn
diſchen Muſeum und begleitete als Arzt mebrere Exe
peditionen nad) Weſichina und Birma. 1887 febrte
er nad England guriid. Er ſchrieb: »A report on
the expedition to western China via Bhamo« (Yond.
1871); »Mandalay to Momien, a narrative of the
two expeditions to Western China of 1868 and
1875 under Col. Edward Sladen and Col. Horace
Browne« (1876; dazu Der Bericht tiber die zoologi—
ſchen Ergebnijje, 1878); »English intercourse with
Siam in the 17. century« (1890); »Herpetologia
of Arabia« (1896); »Zoology of Egypt« (1. Teil:
Reptilia and Batrachia, 1898).
4) Rasmus Björn, amerifan. Scriftiteller, geb.
12. Jan. 1846 in Albion (Wisconfin) als Sohn emes
cingewanderten norwegijden Dudfers, war 1875—
1884 Profeſſor der ffandinavijden Spraden in Wa:
dijon und wurde 1885 zum Winijterrejidenten und
Generalfonjul der Vereinigten Staaten in Copenhagen
ernannt. €rjdrieb: »Den norske Maalsag«< (Chteago
1874); »America« not discovered by Columbus< (3.
Aufl. 1883; deutſch: » Die Entdedung von Yimerifae,
Hamb. 1892), fowie Werke über nordiſche Vollsſagen.
Andersfcdhattige , ſ. Amphiſeii.
Anderffen, Wd olf, ciner der berithmtejten Schach⸗
meiſter, geb. 6. Juli 1818 in Breslau, geſt. daſelbſt
13. März 1879, ftudierte Mathematif und Philoſophie.
wurde 1847 Hilfslebrer am Breslauer Friedrichs
Gymnafium, 1852 Oberlehrer und 1856 Profeſſor
an demfelben. Die erjte Unteitung jum Schachſpiel
erhielt er von feinem Bater; bei öftern Beſuchen in
Berlin befam er ſpäter Gelegenheit, mit den dortigen
ſtarlen Spielern in die Schranken gu treten. 1851
übernahm er die Redaftion der Berliner ⸗Schach
zeitung«, wurde fiir das gu London bei Gelegenbdeit
Der erſten Weltausjtellung (1851) ausgeſchriebene
Schadjturnier zum Bertreter der deutſchen Schule er-
wãhlt, wo er aufer andern Koryphäen den engliſchen
Meiſter Staunton befiegte und den erften Preis errang.
Bon da an qalt er unbejtritten fiir einen der eriten
WMeijter der Welt und Deutſchlands Vorlämpfer. Dieſen
Ruf, den er durch Gewinn des erjten Preiſes in den
beiden nächſtfolgenden grofen internationalen Tur
nieren (London 1862, Baden 1870) vollauf bewabhrte.
fonnten einzelne Mißerfolge Underfjens in Matdes
(befonders 1858 ju Pans gegen P. Morphy und 1866
gen in England, geb. 1792 auf der Inſel Shetland, | zu London gegen Steinig) um fo weniger tritben, als
geit. 28. Febr. 1868 in Norwood bei London, trat | fiir A. ungiin{tige Nebenumftinde das Ergebnis diejer
zuerſt in die Marine ein, widmete fid) aber 1815 der | Kämpfe ftarf beeinflugt batten. A. fiegte ferner anf
Reederet und dem Handel. Seine erfte
nehmung war die Beteiligung an der Museiiitung Der | Rolifdh x.
rdfjere Unters | mehreren deutiden Turnieren, in einem Mate gegen
Underfjens Siege um Unsland find fiir
WAnderffon — Andira,
den Aufſchwung des deutſchen Schachs entfdeidend
—— Jahrzehnte hindurch haben ſich diejiingern
tſchen Spieler weſentlich an den Partien des »Alt⸗
meijters« A. gebildet, und im praktiſchen Kampfe mit
ihm erſtarlten jüngere Meiſter. Anderſſens Spiel war
durchaus dasjenige der ſogen. alten Schule: ein ſchar⸗
fes, kombinationsreiches, oft tief angelegtes Angriffs
ſpiel, das kleine Vorteile vielfach verſchmähte und
fiumiger Verteidigung gegenüber den höchſten Glanz
gu entwideln vermodte (unſterbliche Partie ⸗ gegen
Sicferigt). Der Einfluß diefer genialen Spielfiihrun
Dauert, tm Widerſpruch zur »nenuen Sdule«, n
jept fort. Bgl. Badmann, Adolf W. (Ansb. 1902).
Anderffon, 1) Nils Johan, Botanifer, ged.
20. Febr. 1821 im Kirchſpiel Gardferum in Gmaland,
geſt. 27. März 1880 in Stodholm, wurde 1846 Do-
gent in Upfala, 1847 Lehrer in Stodholm, begleitete
1851— 53 die Erdumſegelung der ſchwediſchen Fre-
gatte Eugenie und wurde 1856 Profeſſor der Botanit
‘in Stodholm. Er ſchrieb außer feinem Reifeberidt
(deutſch, Leipz. 1854): »Salices Lapponiae< (Upſala
1845); »Om Galapagos-iarnas vegetation« (daſ.
1854); »Inledning till botaniken« (daf. 1859— 65,
3 Bde.); »Monographia salicum« (Daf. 1867).
2) Rarl Johan, AUfrifarcifender, geb. 1827 in
der ſchwed. Proving Wermland, geft. 5. Juli 1867 im
Ovamboland, ging 1850 als Begleiter des englifden
Reifenden Galton nad Siidafrifa, drang mit ihm
in das damals nod) wenig befannte Damara- und
Ovaniboland vor, erreidjte auf einer zweiten Reife
1853 den Ngamiſee und befuhr deſſen nordliden Zu-
fluß Teoge. Nach zweijährigem Aufenthalt in Eng-
land febhrte er 1856 nad Siidafrifa guriic und wurde
Vergwerksauffeher am Swakop. Auf einer Reife gum
Kunene entdeckte er 1859 den Ofavango, der ſpäter
als Oberlauf des Teoge fefigeftellt wurde. Darauf lie
ſich A. als Elfenbeinhandler in Otjimbingue unter den
Damara nieder, bei denen er großes Anſehen genof.
Wiederholt führte er fie sum Kampfe gegen die Na—
maqua, wobei ihm 1864 cin Bein zerſchmettert wurde.
Trogdem drang er 1867 bis zum Nunene vor, ftarb
aber bald dDarauf an Dysenterie. Er fdrieb: »Lake
Ngami, or Discoveries in South Africa« (Lond. 1855,
2 Bde.; ſchwed. Ausgabe von Thomée, mit Zuſätzen
von A., Stodh. 1856; hiernad) deutſch, Leip}. 1858) u.
» The Okavango River« (1861; deutfd, Leipz. 1863). | Ra
Aus feinem Nachlaß qab Lloyd heraus > Notes of travel
in South Africa« (1875, nut Lebensabrif). ride.
Anderthalbdlorfohlenftoff, |. Kohlenſtoffchlo⸗
Andes (Unden), urjpriinglid) die Gebirgsfette im
D. der alten Stadt Cuzco in Siidamerifa. Der Name,
vont altperuanijden Anti (»Ojten«), nad andern von
Unta-fuyu, in der Quichuaſprache »Metallbesirt<,
wurde friiber auf das ganje wejtlide Gebirgsſyſtem
Siid- und Rordamerifas angewendet, gilt jest aber
nur fiir erjteres (Las Cordilleras de fos Andes); f.
Rordilleren.
Andes, Los, Dijtrift der fiidamerifan. Republif
Venezuela, von der Ojtfordillere durdjjogen und von
Der Rordillere von Mérida beqrenst, 38,134 qkm
grok mit (1894) 363,388 Einw.
Andefin, Mineral der Feldfpatgruppe (vgl. Feld-
fpat), und swarein dem Dligoflas und Labrador nahe-
jtehender Ralfnatronfeldfpat, findet fic) häufig in den
vulfanifden Gefteinen der Undes (Daher der Name
YW.) und im Eſterelgebirge ſowie in vielen Andeſiten,
Trachyten und Porphyriten.
Andefite, jüngere vulfanijde Geſteine von por—
phyrartiger Struftur, beſtehen aug einer in der Regel
Meyers Ronv.+ Lerifon. 6. Mufl., L Bb.
497
glasreiden Grundmaffe und aus darin ausgeſchiede—
nem Blagioflas (daneben zuweilen Ganidin), Horn-
blende und Augit, feltener Hyperjthen und Glimmer.
Ye nad) dem Vorwalten de3 einen oder des andern diefer
Mineratien (j. Tafel »Gefteine«, Fig. 4 u. 5) unter-
ideidet man Hornblende- und Wugitandefite
cows wohl Glimmers undHyperfthenandefite).
ex ftellt jid) in qewijjen Varietäten, namentlid
der Hornblendeandefite, Quarz ein (quar;fiihrender
Hornblendeandefit, Dacit), teils mafroffopiid) oder
mifroffopijd erfennbar, teils latent in der Grundmaſſe
enthalten und nur durd) den hohen, den des ſauerſten
Feldfpats iibertrejfenden Kieſelſäuregehalt nad weis-
bar. Ufsefjorifde Bejtandteile find Ypatit, Magnet.
eifen, Biotit, Tridymit. Die mittlere chemiſche Zuſam⸗
menjftellung fdwantt (wie folgende Tabelle zeigt) na-
mentlich mit Riidjidht auf die bald vorhandene, bald
feblende Quarzführung bedeutend. Die glasartigen
Modififationen der A. find dem Obfidian u. Bimsſtein
durdaus ähnlich. Die A. find Eruptionsprodufte äl—⸗
terer (tertidirer und diluvialer) oder rezenter Bulfane.
So find die Laven von Santorin andefitifder Natur,
befonders aber die Laven jablreider Bulfane der
Andes in Süd- und Zentralamerifa, Ralifornien,
Kamtſchatka, der Sunda⸗Inſeln. Much in Siebenbiir-
gen, Ungarn, den Euganeen, im Siebengebirge (der
»Tradyt« der Rolfenburg ijt ein typiicher, quarsfreier
Hornblendeandefit), Wefterwald (einen Teil der hier
auftretenden UW. Hat man als Iſenit bezeichnet), in
der Uuvergne find A. fehr verbreitet. Yn Ungarn,
wo fid) die relativen Altersverhältniſſe der A. verfol-
en lafjen, find die Bropylite (fj. Tafel »Geſteine«,
Fig. 4), die Dort gu reiden Erzlagerſtätten in inniger
Beziehung ftehen und gewöhnlich ſtärker zerſetzt find,
die älteſten; ihnen folgen die Dacite und dieſen die
quarzfreien Hornblende⸗ und die Augitandeſite. Auch
die früher Trachydolerit genannten Geſteine find
mit den Andeſiten zu vereinen.
dbornblende· ¶ Augu⸗
| Beets | anbefit anbefit
MRiejelfdure 2 2 2 ww, 66 62—59 57
Tonerbe. . ww ee 15 2-15 | 16
Eifenoryd und -orydul. . 6 510 | 13
RON 9. ee ee 6 38— 6 6
Magnefia . . . 2... 2 1— 3 2
Bo «6 ew 8 ee 1 1— 4 2
Matron. 2 ww eee i: ot 2—6 | 4
AndesvslFer, ſ. Umerifanijde Volker.
Andidfdan (ruff. Un dij han), Bezirk der ruffifd-
zentralaftat. Provinz Ferqhana, 15,174qkm mit (1897)
351,187 Cinw., die mit künſtlicher Bewäſſerung Ge
treide- und Gartenbau betreiben. Die gleichnamige
Hauptitadt an der Linie Tidernjajewo- VU. der
Transfafpijhen Bahn hat ase7 46,680 Cinw., die
®artenbau und Handel in Rohproduften und Manus
fafturwaren betreiben. A. war bis zum 16. Jahrh.
Hauptitadt von Ferghana und ijt feit 1875 ruſſiſch.
Andienen, ſ. Anbieten. [rung.
Andienung des Seeſchadens, ſ. Seeverjide-
Andijſcher Bezirk, Bezirk der rujfiid-fautal.
Provinz Dagheſtan, 3588 qkm groß mit (1897) 46,993
meijt mobammedan. Cinwohnern. Der Bezirk tit bee
nannt nad dem Andijſchen Riiden, einem Zweige
des Raufajus, der Daghejtan von Tevet ſcheidet. Haupt⸗
ort ijt Botmid.
Andira Lam., Gattung der Lequminofer, hobe
Baume mit unpaarig gefiederten Blattern, rofenroten
oder violctten Bliiten in endftindigen, ſtark rifpigen
Trauben und jteinfrudtartiger, et- oder verkehrt⸗eiför⸗
32
498 Andirobaöl
miger, einſamiger Hülſe. Etwa 20 Arten im tropiſchen
Amerila, ae im tropijden Ufrifa. Die braſiliſchen
Yirten heifer Ungelim und werden als Volfsheil-
ntittel benugt. A. Araroba Aguiar in Brafilien fdei-
det in Höhlungen de3 Stammes das Urarobin (Chry-
jarobin, f. dD.) aus. A. inermis H. B. K. in Brafilien
joll das Rebhuhnholz liefern.
Andirobadl, ſ. Carapa.
Andian, Stadt im deutſchen Bezirk Unterelſaß,
Kreis Schlettitadt, am Flüßchen A., 215 m ii. Me,
hat cine fath. Kirche, Baumwollſpinnerei, Färberei,
Swirnerei, Getreide-, Ole und Sagemiihlen, Siegel:
brennerei, Weinbau und (1900) 1731 Eimw. Die Ri-
chardiskirche hat eine durch die Kaiſerin Ricardis, die
Griinderin des ehemaligen, im Mittelalter gefürſteten
Benediftiner- Frauenjtijfts, im 9.Jabhrh. erbautesrypte.
In der Nähe die Schlopruinen A. und Spesburg.
Andiau, Peter von, f. Peter von Andlau.
Andlau (pr. angdio), Gajton HardouinJoſeph,
Graf d’, franz. General, qeb. 1. Jan. 1824 in Nancy,
ejt. 27. Mai 1894 in Buenos Wires, ward 1844
feutnant und zeichnete fic) als Kapitän im Krimfrieg
beim Sturm auf den Mamelon Bert und bei der Er—
oberung Sebajtopols aus. 1870 nahm er als Oberſt
an den Schladten vor Me teil und ward nad der
Rapitulation von Mes in Hamburg interniert. Hier
ſchrieb er: »Lettre d'un colonel d’état-major sur la
capitulation de Metz« (1871) und »Metz, cam-
pagne et négociations« (1871, 9. Aufl. 1873), worin
er, anideinend unparteiiid, —— die Schuld an
dem Unglück von Metz beimaß. Seit 1876 Senator,
wurde A. 1879 Brigadegeneral. Bei dem im Oftober
1887 entdeckten Ordensſchacher de3 Generals Caffarel
war A. jtart beteiligt; er entfam nad Siidamerifa und
wurde in contumaciam 3u 5 Jahren Gefängnis ver-
urteilt. Er ſchrieb nod): »De la cavalerie dans le
passé et dans l’avenir« (1869) und » Organisation
et tactique de l'infanterie frangaise depuis son
origine« (1872).
Andlaw - Virfet, 1) Frans Xaver, Reichs—
freiberr von, Diplomat, geb. 6, Olt. 1799 in Frei-
burg i. Br., geſt. 4. Sept. 1874 in Bad Homburg, Sohn |
des badifdhen Minijters Reidhsfreiherrn Konrad
v. A. (geft. 1839), war 1826 —30 und wieder 1832—
1835 Sefretiir der badiſchen Geſandtſchaft in Wien,
1838 Winijterrejident in WMiinden, 1843 in Paris, 1846
auferordentlider Gejandter in Wien und trat 1856
in Den Rubhejtand. Er verdjjentlicte: »Crinnerungs
blatter aus den Bapieren cines Diplomaten« (Franff.
1857) und » Mein Tagebud, 1811—6 le (dai. 1862,
2Ude.); » Die Frauen in der Gefchichte« (Mains 1861,
2 Bde.); » Die byzantiniſchen Kaiſer, ihre Balayt- und
Familiengeſchichten « (Daf. 1865) u. a.
2) Hetnridh Bernhard, Bruder des vorigen,
geb. 20. Aug. 1802, geſt. 3. März 1871 auf feiner Be-
ſizung Suctietten bet Freiburg, jtand 1821— 25 im
badifchen Wilitärdienſt und vertrat 1835—66 als Mit
glied der badijden Erſten Rammer rückſichtslos ultra-
montane und feudale Grundſätze; aud fpielte er auf
den Wanderverjammlungen der fatholijden Bereine
in Deutichland durch feine populäre Beredſamkeit eine
widtige Rolle. Er ſchrieb: » Der Aufruhr und Um
ſturz in Baden, als cine natiirliche Folge der Landes
geſetzgebung« Freib. 1850), »Briejtertum und drift
liches Veben« (Daf. 1865) und polemiſche Flugſchriften.
Andö, die nördlichſte Anfel der Gruppe Lofoten
und Bejteraalen, an der Küſte Norwegens, 738 qkm,
ijt febr gebirgig (bis 870 m hod). Der Hauptnah
rungsjweig Der wenigen Einwohner ijt Fifderei. Die
— Andorra.
dortigen rey e find Staatsgut, aber nod nicht
on etriecb. Bei Undenes grofer Leudtturm und
afen.
ndofides , der zweite in der Reihe der attijden
Redner, geb. um 439 v. Chr. aus edlem Gefdledt,
Anhänger der Oligardie, verfeindete fid) aber mit
jeiner Bartei, als er im Hermofopidenprozeh (f. d.),
unt fid) und feine Familie ju retten, die digen
415 verriet. Troy zugeſicherter Straflojigfeit zum
Teil in Atimie verfallen, verließ er Uthen und tried
im Unsland cintraglide Handelsgejdafte. Nach zwei⸗
maligem vergebliden Verſuch, in Athen wieder feſten
Fuß gu fajjen, fonnte er endlid) unter dem Schutze
der allgemeinen Amneſtie 402 nad Athen juriidtebren,
wo es thin gelang, fid) neuer Unfedptungen zu erweb-
ren und eine angeſehne Stellung ju erw . Uls
er 390, im Rorinthijden Kriege zu Unterhandlungen
nad Sparta gefdidt, den zurückgebrachten Friedens
entwurf vergeblid) empfabl, foll er verbannt worden
und in der Verbannung gejtorben fein. Unter feimem
Namen bejigen wir vier Reden, von denen jedod cine
fider unecht ijt 4 außer in den Sammlungen
der Redner, von er, Quedlinb. 1832, mit Uber-
—— 2. Unjl., Leipz. I880; Lipſius, daf. 188s ;
$ortinder von Forman, Oxf. 1897). Bgl. Blak
Uttifche Beredjamfcit, Bd. 1 (2. Wufl., Leip;. 1885).
| Mndorn, Planjengattung, |. Marrubium; jd war-
zer UL, f. Ballota.
«Andorra (franj. Undorre), fleiner Freijtaat auj
der Südſeite der Hjtliden Pyrenäen, zwiſchen dem
franzöſiſchen Departement Uriege und der ſpaniſchen
Proving Lerida, nördlich von Seo de Urgel, umfajst
das von hohen Schneebergen umgürtete Talbeden der
Balira, cines Nebenfluſſes des Segre, mift 452 qkm
(8,2 OW.) und umfakt 6 Gemeinden: U., San Ju—
lian De Loria, Encamp, Canillo, La WMajjana und
Ordino. W. hat fine Waldungen und faftige Berg:
weiden, Eijengruben und mebhrere, aber nod) unbe
nutzte Mineralquellen (3. B. Schwefelquellen in Es
caldas); aud) Die in den Bergen enthaltenen Gange
von filberhaltigem Bleiglanz find nod) unerſchloſſen.
Die Einwohner, deren Sahl 1890 Deverell auf 5231
ſchätzte, find fatalonijder Ubfunft und mit fataloni
jcem Dialeft. Nore Hauptbeſchäftigung bilden Uder
bau u. Viehzucht (namentlic) Schafe) und gan; beſon
ders Schmuggelhandel; aujerdem treiben fie Handel
mit Hol; und — olgtoblen, Eiſenerz und Schafwolle.
Die Sage führt die Gründung des Freiſtaates auf
Sarl d. Gr. guriid. Später (1278) erbielt der Graf
von Foirx das Redht der Souveränität tiber dieje Taler
unbefdadet der Rechte der Biſchöfe von Urgel, und
als die Grafen von oir Rdnige von Navarra wur
den, führten dieſe auch den Titel »Souverine Filrjten
par indivis des Tales von A.« Mit Heinrich LV. pet
jodann das Oberlehnsredt an die Könige von Fran!
reid) unter Gewabrieijtung der republifaniiden Fre
heiten, und jo jtebt heute YL. als neutrales Gebtet un
ter Dem ——————— Proteltorat Frankreich
und des Biſchofs von Urgel. Die Republif wird durch
cinen Weneralrat von 24 Mitgliedern regiert, die auf
4 Jahre von den mehr als 25 Jahre alten Familien
chefs einer jeden Gemeinde erwablt werden. ‘Brajident
des Rated ijt ein Exjter Syndikus, der von den Raten
felbjt auf 4 Sabre erwablt wird. Dit der Exchutive
ijt Der Erſte Syndifus betraut; die Juftiywerwaliung
rubt in den Händen zweier Viquiers (Vifare, Statt-
halter) und eines Zivilrichters. Frankreich und der
Biſchof von Urgel ernennen je einen der BViguiers,
| Den Bivilridter ernennen betde abwedfelnd. Seit
Andouilles — Andraͤſſy.
1882 vertritt ber Präfelt des franz. Depart. Oftpyre-
niien als ftindiger Delegierter Frankreich den ein-
Heimifden Autoritäten gegenüber und in den Besie-
hungen — Biſchof von Urge. Alle Jahre bezahlt die
Republif an Franfreid 960 Frank und an den Biſchof
von Urgel 425 Fr. Sig der Regierung ijt das in einer
ſruchtbaren Ebene 1051 m hoch gelegene Dorf An—
dorra la Vieja, mit 600 (nad Rodriquez 2000) Einw.
und einem alten Rathaus (Palais). Das LandeSwap-
pen f. auf Tafel »>\Wappen I<, Fig. 19. Vgl. Dalmau
de Baquer, Historia de la repüblica de A. (Barce-
lona 1849); Bladé, Etudes géographiques sur la
vallée d’Andorre (far. 1875); Berthet, Le val
d’Andorre (daſ. 1879); Baudon de Mony, Ori-
gines historiques de la question d’Andorre (in der
» Bibl. de l'Ecole des chartes«, 8d. 46, 1885); Marte |
(nach Deverell) 1: 120,000 (Wien 1898).
Andouilles (Andouillettes, fpr. angbaij’, angdujett’), |
feine franz. Wiirjtdhen aus Sdhweine- oder Kalbfleiſch,
Die bejten aus Troyes.
Andover (pr. éna-), 1) Stadt (municipal borough)
in Hampſhire (England), 20 km nordweftlid) von
Wincheſter, mit 901) 6509 Einw.; dabei Refte ciner
römiſchen Villa und viele Verfdhangungen. Ym benad-
barten Dorf Weyhill beſuchte Schaf- und Hopfen-
märkte. — 2) Fleden im nordamerifan. Staat Maſſa⸗
chuſetts, Graffdaft Eſſex, mit einem 1778 gegriin-
Deten theologifden Gentinar, Lehrerinnenfeminar,
Rautidul- und Webinduftrie und (1900) 6813 Einw.
Andr., bei Pflanzennamen Abkürzung fiir Henry
€. Undrews (f. d. 1).
Andradae Silva, Jofé Bonifacio de, brafil.
Staatsmann, geb. 13. Juni 1765 ju Santos, geſt.
6. Wpril 1838 in Rio de Janeiro, ftudierte zu Comm:
bra und ftieg nad) mehrjaibrigen Reijfen im Ausland
bis jum Generalintendanten des portugiefifden Berg-
wefens empor. Naddem er gur Seit der franzöſiſchen
Invaſion in den Reihen der portugiefifden Batrioten
gefodten, fiedelte er 1819 nad) Brafilien iiber. Hier
jtellte er fid) 1821 an die Spige der Bewegung in Sao
Paulo, ward Bizepräſident und überreichte 1. Yan.
1822 an ber Spitze einer Deputation die von ihm ver-
fate Adreſſe, die Den Brinzen Dom Pedro aufforderte,
in Brafilien ju bleiben. Geitdem hatte er wiederholt
das Minijtertum des Innern inne, die republifanifde
Partei ſtets heftiq befampfend. Cr hatte dadurd in|
foldjem Make das Vertrauen des Kaiſers gewonnen,
daß thn diefer, als er 7. Upril 1831 gu gunſten ſeines
Sohnes Dom Pedro U1. auf den Thron Brafiliens
versidjtete, gu deſſen Vormund ernannte. 1834 in-
folge eines Vollstumultes durch die Regentfdaft der
Vormundſchaft enthoben, zog fich U. ins Privatleben
zurück. Durd) feine »Poesias d’Americo Elyseo«
(Bordeaur 1815) madte er ſich aud) als Didter einen
Ruf. —Auch feine jiingern Briider, Untonio Carlo
und Francisco de A. (qeft. 1844), befleideten hohe
Stellungen in Brafilien. — Die beiden Söhne des
leptern, Joſe Bonifacio de A. und Martim
Francisco de A. haben fic) als Dichter befannt ge-
madt, erjterer durch »Rosas e goivos« (1849), leb-
terer Durd) »Lagrimas e sorrisos< (1847) und ein
Drama; »Januario Garcia« (1849).
Andral cjpr. angdraly, Gabriel, Mediziner, qed.
6. Nov. 1797 in Paris, geſt. 13. Febr. 1876 in Chateau-
vieur, erbielt 1828 den Lehrſtuhl der Hygiene und
1830 den der innern Bathologie an der Parijer Uni-
verſität und war 1839-—66 Profeffor der allgemeinen
Pathologie und Therapie. In feiner »Clinique mé-
dicale« (Par. 1823 - 27, 5Bde., zuletzt 1848; deutfch,
27,
|
499
Quedlinb. 1842—48, 5 Bde.) bradte er sum erjten-
mal das gefamte Gebiet der innern Medizin in ana-
lytifd)-induftiver Methode und klaſſiſcher Weife zur
Darjtellung. Sein » Précis d'anatomie pathologique«
(1829, 3 Bde.; deutidh, Leip. 1829—30, 2 Tle.) war
die erjte allgemeine pathologifde Wnatomie und be-
handelte die franfhaften Storungen der Organe, wie
nod) nie guvor, unter allgemeinen Geſichtspunkten.
Außerdem fdrieb er: »Essai d’hématologie patho-
logique« (1848; deutſch, Leipz. 1844); »Cours de
pathologie interne« (2. Aufl., 1848; deutſch, Berl.
1836 — 38, 3 Bde.); » Recherches sur les modifica-
tions de proportion de quelques principes du sang «
(mit Gavarret und Delafond, 1841 ; deutſch, Nördling.
1842). Auch gab er Laénnecs Sdrift: »De l'auscul-
tation médiate, ou Traité de diagnostic des pou-
mons et du ceeur« (4. Aufl., 1837) mit Anmerkun—
gen heraus.
Andraffy (pr. anorajgi) von Cſik⸗Szent-Ki—
rdlyundRrafjna-Horfa, ungar. Grafengeſchlecht,
jtammt aus Giebenbiirgen, wo 1548 ein Martin A.
als Getreuer Joh. Szapolyais und als Rat der Szekler
erfceint, und wo die A. 1550 das Domanialqut Sjent-
Stirdly erbielten; e8 fiedelte Dann nad) Ungarn iiber,
wo der Sohn Martins, Peter W., 1585 Krajzna-Horta
erwarb. Die A. teilten fic) in zwei Linien und erbiel-
ten 1779 den Grafentitel. WMerfwiirdig find:
1) Karl, Graf, der altern Linie angehörig, geb.
29. Febr. 1792 gu Rofenau im Komitat Bombe geſt.
1844 in Brüſſel, war als eifriger Patriot Mitglied
der Oppoſition, in deren Reihen er ſich auf den Reichs—
tagen 1839 und 1844 auszeichnete, und Vorſitzender
der Theißregulierungsgeſellſchaft. Außer zahlreichen
Beiträgen in ungariſchen Zeitſchriften veröffentlichte
er in deutſcher Sprache die anonyme Schrift »Umriſſe
einer möglichen Reform in Ungarn« (Leipz. 1833).
2) Emanuel, Graf, älteſter Sohn des vorigen,
geb. 3. Mar; 1821, geſt. 23. April 1891 in Gir}, war
auf dem Reidstag von 1847 Mitglied der Oppoſition,
1848 Obergejpan de3 Romitats Torna, kämpfte als
Honved bei Paälozd, fliidtete Dann ins Ausland und
unternahm eine Reife nad Ojtindien und China, die
er in einem von ihm felbjt illujtrierten Prachtwerk
(Deutfde Uberſetzung, Budapejt 1859) beſchrieb. 1860
wurde er Obergefpan de3 Komitats Semplin und 1867
des Gömörer Romitats. Bon 1881 — 91 vertrat er
die Stadt Rofenau im Reichstag.
8) Gyula (Qulius), Graf, Bruder des vorigen,
geb. 8. März 1823 in Kaſchau, gejt. 18. Febr. 1890
in Vologca am DQuarnerogolf, jtudierte an der Peſter
Univerfitat, machte Reiſen in Deutidland und Frant-
reid) und wurde 1847 vom Zempliner Nontitat zum
Deputierten gewabhlt. Er ſchloß fid) auf dem Preß—
burger Reidstag in mandjen Fragen dev von Stephan
Szechenyi gefiihrten Mittelpartei an und zeichnete ſich
als glänzender Redner und Sdriftiteller aus. Er war
1848 unter dem Uprilminijterium Obergeſpan von
Semplin und focht, als der Viirgerfrieg ausbrad, als
Major der Nationalgarde bei Paͤlozd gegen Jellachich,
bet Schwechat gegen die faiferliden Truppen und ſpä—
ter bei Hatvan, Tapid= Biczle und Iſaſzeg als Wdju-
tant Görgeys tapfer mit. Hierauf entſendete ihn die
ungarifde Regierung in einer diplomatiſchen Miſſion
nad Ronjtantinopel, wo er aud) nod) [pater nad) der
Ratajtrophe von Bildgos auf qute Behandlung der
ungariſchen Emigrierten feitens der türtiſchen Regie
rung bintwirfte. Ym Januar 1850 ward A. friegs-
rechtlich zum Tode durch den Strang verurteilt und
21. Sept. 1852 im Bilde gehenft. A. lebte damals,
32*
500
nad einem langern Aufenthalt in London, in Panis,
obwohl x nicht von emer Einmiſchung Napoleons IIL,
fondern in emer Uusfdhnung mit der öſterreichiſchen
Dynajtie das Heil Ungarns erblidte. Auf Berwen-
dung feiner Mutter wurde er ammefjtiert und febrte
1858 mit femer ibm in Paris (1856) angetrauten,
cijtig bervorragenden Frau. Kath. v. Stendefty, in fein
Rateriand zurück. 1861 in das Unterhaus gemablt,
vertrat er als Anhãnger Deals entſchieden den Aus
gleich auf den durch die Pragmatiſche Santtion (. d.)
und die Geſetzgebung von 1848 gegebenen Grund-
lagen im Einklang mut der Sicherhett und Großmacht⸗
ftellung der Monardyie und ward 1865 jweiter Pra-
fident des Unterhauſes. Nach dem Zujtandefommen
des Ausgleiches wurde A. 17. Febr. 1867 an die Spi
des ungartiden Miniſteriums berufen und krönte m
Bertretung des Falatins mit dem Erimas jufammen
Franz Joleph L zum Konig. Als Miniſterpräſident
und Honvéd-Minijter erwarb er fid) nicht bloß um
die ſtaatsrechtliche Musbildung der neuen Verhältniſſe
zwiſchen Ungarn und Oſterreich auf der Grundlage
Des treu feftqebaltenen Programms hohe BVerdienjte,
fondern iibte auch auf die zeitgemäße Entwidelung
der innern Zuſtände Ungarns im freiheitliden Sinn
und auf die neugeidaffene Donvédeinridtung bedeu-
tenden Einfluß aus. A. wurde, trop mander Yingriffe
von feiten der ertrem-nationalen Partei, verehrt und
efeiert. Seinem niidjternen Urteil war es mit zuzu⸗
chreiben, daß Oiterreid) 1870 neutral blieb. A., der
tm Oftober 1871 jum Sturge des föderaliſtiſchen Mi-
nijteriums Hohenwart wefentlid) beitrug, ward 14.
Nov. an Stelle Beuſts Minijter de3 Muswartigen und
ded faiferliden Hauſes. Er wußte fic) in fener neuen
Stellung das Vertrauen der fremden Regierungen
qu = Ramentlid mit Bismard verband thn
bald eine engere, auf gegenfeitigem Bertrauen be-
rubende Freundſchaft; daber ging U. 1872 auf dejjen
Plan ein, die villige Musjdhnung swifden Ojterreid
und Rufland herbeizuführen und das Dreifaijerbiind-
nis zur Grundlage emes neuen, den Frieden Europas
verbiirgenden Syjtems ju nehmen. Zur ſpätern Aus⸗
Dehnung des deutſch- öſterreichiſchen Bündniſſes auf |
Italien leqte den Grund eine Zuſammenkunft Franz
Joſephs mit Viftor Emanuel (in Venedig), wozu A.
feinen Monarden bewog. Wit dem Verzicht auf alle
deutſchen und italienifden Aſpirationen Oſterreichs
begann er anderſeits eine flare Orientpolitit gu
verfolgen, um den Staat gegen jede einſeitige Löſung
der ortentalifdhen Frage gu fidern. Er brad mit dem
Dogma der öſterreichiſchen Diplomatie, die Integrität
der Türkei unter allen Umſtänden aufredt zu balten,
und ſuchte die Hrijtliden Balfanvilfer wie die Türkei
felbft durch das Anraten zeitgemäßer Reformen dem
rufftiden Einfluß yu entziehen, Während ded ruffijd-
türtiſchen Krieges beobachtete Ojterreid) eine dem Za—
renreich wohlwollende Neutralität, als deren Bedin—
guna unter anderm die Offupation Bosniens feitens
jterreichs genannt wird. Die Abſicht Rußlands je-
doch, Ojterreich sur Nooperation yu bewegen, ſcheiterte
1877 an Undraijys Widerftand. Als dann der Friede
ju San Stefano (3. März 1878) Ofterreichs Inter—
eſſen gu gefährden drohte, erbielt A. von den Dele-
ationen 60 Will. Gulden fiir etwa erforderlide Rü—
tungen und betrich die Berufung cines Kongreſſes,
um den Frieden mit Den europatiden Intereſſen in
Cinflang su bringen. Auf diefem Berliner Kongreß
vertrat er Oſterreich als erjter Bevollmachtigter und
erlangte von den Mächten das Mandat zu dem Cin- |
marſch der Ojterreidher in Bosnien und die Herzego—
Andrajjy (Julius nebſt Söhnen], Georg).
wina. A. boffte, dak die Offupation zu cimer dauern⸗
den Bejignabme führen wiirde. Die Opfer an Men-
ſchen und Geld, welche die unpopuläre Ofhupation
forderte, erregten ſowohl in Ungarn als aud in
Deutidh-Ojterreidh allgemeine Oppofition en A.
Der indes ſchließlich pon der Wajoritat der ————
nen die Zuſtimmung ju ſeiner Politik erlangte. Qn
allen feinen Reden cin gewandter, ſcharfblidender
Fechter, Der perſönlichen Huld ſeines Wonarchen ficher,
der ibm die hichfte Auszeichnung, den Orden des Goi-
denen Bließes, verlieh, und dem gegenüber er ficts
das ganze Gewidt fener verantwortungsvollen Stel-
lung aud in innern Fragen freimütig zur
bradte, fonnte A. die wadjenden Yingriffe
DOrientpolitif feit dem Belanntiwerden der K
mit Der ‘Bforte vom 21. April 1879 nur nod mit dem
Opfer fener einſt fo großen Popularitit, insbeſ. in
Ungarn, abwebren. Dies und die Bil des Deuticd-
feindlicen Ausgleichsminiſteriums Taaffe in Cislei
thanien bewog den Premier, 22. Sept. 1879 ſeine Ent-
lafjung ju erbitten. Aber nod als demiffionierter
Minijter ſchloß er nut Bismard das deutch - df J
chiſche Bündnis 7. Oft. 1879. Den folgenden Taq
erbielt er ſeine Entlajjung. Bon da ab jtand er der
Politi! Oſterreichs in den Delegationen ratend zur
Seite, bis er nach ſchweren Leiden jtarb. Er wurde
unter großen Feierlichkeiten beftattet, u. der ungariſche
Reichstag beſchloß die Errich eines Reiterdenfmais
in Budapeſt, am Ende dernadibm benannten Straße
Bgl. »Graf A. und feine Politif<« (Wien 1871) und
die nad) Andraſſys Tod erjdienenen Mufiage, insbeſ.
in der ⸗Deutſchen Revue⸗, von Köonyi. Seine Reden
gab B. Lederer heraus (Budapeſt 1891—93, J Bode.).
Von Andraͤſſys Söhnen wurde der dltere, Theo-
dor Undreas, Graf A. (geb. 10. Juli 1857), 1890
jum Bizepräſidenten des ungarifden Wbgeordneten-
haufes erwahlt, dem er aud 1901/2 angeborte. 1898
trat er wegen der Ler Tisza mit den Diffidenten ans
der Regierungspartet aus, aber unter Dem Mabinett
Szell im diefe wieder cin. Er ift Prafident der Geſell⸗
ſchaft der Ungarifden Kunſtausſtellung. Der zweite
Sohn, Julius, Graf A. (geb. 30. Juni 1860), ge
hört Dem Ubgeordnetenhaus ebenfalls feit 1885 an
und trat 1892 als Unterjtaatsfetretir im Miniſterium
de Innern in das liberale Rabinett Welerle cin. Sm
Movember 1893 gum ungarifden Unterridt3minifter,
im Juni gum Miniſter am fOnigliden Hoflager er—
nannt, trat er im Januar 1895 mit Weferle zurüch
Er ſchrieb: »Ungarns Musgleid) mit Ojterreih vom
J. 1867« (deutſche Ausg., Leip. 1897) und » Die Ur⸗
ſachen des Beſtehens des ungarijden Staates und
der ungariſchen Konſtitution · (ungar., Budap. 1901).
1898 ſchied er mit feinem Bruder aus der Regie
rungspartei aus, nad) dem Sturz Banffys trat er
aber wieder in Die liberale Partei ein. Er ift Brafident
des nationalen Kunſtſalons und wurde 1901 aber-
mals gum Deputierten erwablt.
4) Georg, Graf, Haupt der oy Linie, qeb-
5. Febr. 1797, geſt. 19. Dex. 1872 in Wien, zeigte ich
auf den Landtagen ftets entſchieden fonfervativ, lief
ſich aber dabei Die Förderung des materiellen und
qeijtigen Wohles feiner Landsleute fehr angelegen fein.
Wud) ftand er als Direftor an der Spige der unga-
riſchen Alademie. Nad) Upponyis Riidtritt im April
1862 3um Judex Curiae ernannt, bentiibte er fich, einen
anf ſeine
Ausgleich anzubahnen, und ſtellte an der Spipe der Alt⸗
fonjervativen im September 1864 eine Art Programm
zur Löſung der ungarifden —— Die Sache hatte
leinen Erfolg und A. gab hierauf ſeine Entlaſſung.
André —
André, 1) Mufifer- und Maurfitalienverlegerfamilie,
deren hervorragendſte Glieder find: a) Johann, geb.
28. März 1741 in Offenbach, get daſelbſt 18. Juni
1799, gründete 1774 den in Offenbad) nod) heute
bliihenden Andreſchen Mufifveriag, war aber dann
mebrere Jahre Mtufifdireftor in in, bon wo er
1784 nad) Offenbad) guriidfehrte. Bon feinen Kom—
pofitionen: Operetten (»> Der Tipfer«, Goethes »Er-
win und Elimire<), Balladen (Biirgers »Lenore<) und
Liedern (viele Goethefdhe), hat fic) mur das Lied » Be-
kränzt mit Laub r. « bis auf die Gegenwart erhalten. —
b) Johann Unton, Sohn des vorigen, geb. 6. Olt.
1775 in Offenbad, gejt. dafelbjt 6. Wpril 1842, Schü⸗
fer von Herd. Fringl (Bioline) und Vollweiler (Kom⸗
pofition), itbernahm nad dem Tode feines Baters die
BVerlagsfirma in Offenbad), die er befonders durch den
Anlauf von Mozart Nachlaß (1799) außerordentlich
hob. Wis Komponiſt tiberragt er ſeinen Vater (Meſſen,
Pſalmen, Ynjtrumentalwerfe), machte fid) aber auch
cinen Namen als Theoretifer mit ſeinem (nicht beende-
ten) »Lehrbud) der Tonfegfunit« (Offend. 1832—43,
2 Bde.; neue gefitrste Ausgabe von H. Henfel, 1875).
A. war aud) Der erjte, der (1803) Senefelders Idee,
die “ad, a beim Rotendrucd gu gebrauden, in
größerm Umfang ausführte.
2) Chriftian Karl, Pädagog und Landwirt, geb.
20. März 1763 in Hildburghauſen, geſt. 19. Febr.
1831 in Stuttgart, war Lehrer in Schnepfenthal, feit
1798 Schuldirektor in Briinn und gab hier das » Pa-
trivtijde Tageblatt« (Brinn 1800— 1805, 10 Bde.),
den »Hesperus« (Prag 1809—20 u. Stuttg. 1821—
1831) und den »Rationalfalender« (Brag 1810—24)
heraus. 1812 wurde er erjter Wirtſchaftsrat des Filr-
jten Salm in Briinn und 1821 Gefretiir bei der Zen—
traljtelle de3 Landwirtſchaftlichen Bereins und Redal-
teur Der »Landiwirtidaftlidhben Beitidrift« in Stutt-
qart. Er qab nod) heraus »Ofonomifde Nenigteiten«
(Brag 1811—31) mit Bechſtein, fpater mit Blafde:
Genieinnützige Spaziergünge auf alle Tage im Jahr«
(Braunjdw. 179095, 10 Bde.), die Kompendiöſe
Bibliothef der gemeinniipliden Kenntniſſe⸗ (Halle
1790 —98, 120 Gefte).
3) Emil, Forjtmann, Sohn des vorigen, geb.
1. März 1790 in Sdnepfenthal, geſt. 26. Febr. 1869
im Kisber (Ungarn), war fürſtlicher Forjtbeamter,
ſpäter Udminijtrator der Odescalchiſchen und Bat-
thyanyſchen Herridaften in Ungarn. Er jtellte zuerſt
das als öſterreichiſche Rameraltare befannte Forjt-
abſchãtzungsverfahren qenauer dar und ſchrieb: » Ver-
ſuch ciner zeitgemäßen Forjtorganifation« (Prag 1824,
2. Aufl. 1830), »Cinfadjte, den höchſten Ertrag und
die Nachhaltigkeit ficherjtellende Forjtwirtidaftsme-
thode« (Daj. 1832) u. a.
André, Louis Jofeph Nicolas, franj. Gene-
ral, geb. 29. März 1838 in Nuits (Cite-d'Or), wurde
1861 zum Leutnant der Yirtilleric ernannt. Ys Haupt:
mann nahm er am deutſch-franzöſiſchen Kriege teil.
1871 —82 war er Leiter der praltiſchen Schießlurſe und
Vizepräſident der Verjudsfommiffion in Bourges.
Spiiter wurde er Direftor der Polytechnifden Schule.
1899 Divifionsgeneral, ward er im Mai 1900 nad
dem Rücktritt Gallifets Kriegsminiſter. Energiſch trat
ev fiir Die Republif ein und den nationalijtifden und
flerifalen Umtrieben im Offisierforps nachdrücklich
entqegen. 1902 brachte er Den Geſetzentwurf über die
Einfiibrung der zweijährigen Dienjtzeit in Vorſchlag.
Andrea, Girolamo, Mardefe d’, Kardinal,
|
501
biſchof von Mytilene in partibus infidelium, 1852
jum Kardinal und Abt von Subiaco fowie Präfekt
Der Ynderfongregation und 1860 jum Bifdof von
Sabina ernannt. 1859 ſchloß er fid) der patriotijden
Fartei an, rict dem Papſte die Unnahme de3 ihm von
Napoleon IIT. angebotenen Vorſitzes der italienifden
Ronfoderation und die Cinfiihrung liberaler Refor-
men im Stirdenjtaat. Auch erflirte er fic) gegen die
Verdammung der gallifanijden Schriften und die
Unterdrückung der fatholifden Wiſſenſchaft. Hierdurd
30g er fic) die Ungqnade ded Papſtes und den Zorn
ntonellis gu. VIS er fi 1864 von Rom nad Neapel
begab, ward er, vergeblid) zur Riidfebr aufgefordert,
1866 von der Verwaltung feiner Diözeſe und feiner
Abtei fufpendiert und im September 1867 abgefest.
Er begab fic) nun nad) Rom zurück, unterwarf fid
dem Papſte, wurde aud) 17. Jan. 1868 rehabilitiert,
erhielt aber die Veriwaltung feiner Didzefe und der
Ubtei Subiaco nicht wieder.
Andrea, 1) Jafob, luther. Theolog, geb. 25.
Mir; 1528 gu Waiblingen tm Wiirttembergifden,
ward 1546 Diafonus in Stuttgart, 1549in Tiibingen,
1553 Superintendent in Gidppingen, 1562 Brofeyjor
der Theologic, Propſt und Kanzler der Univerſität
Tübingen; jtarb 7. Jan. 1590. Durch Gelehrjameeit
und diplomatijde Gewandthcit ausgejeidnet, war
et bei Ordnung des evangelijden Kirchenweſens in
Deutſchland vielfad tätig und in den dogmatijden
Streitigtciten cifriger Verbreiter lutheriſcher Recht.
läubigleit. Durd thn befonders fam 1577 die Kon—
orbdienformel (f.d.) ju ftande. Sein Leben befdjrieben
Fittbogen (Hagen 1881) und Sdmoller (mit
Uuswahl feiner Predigten, Giitersl. 1890).
2) Johann Valentin, Dichter und theologijder
Schriftſteller, Enlel des vorigen, qeb. 17. Yug. 1586
gu Herrenberg im Württembergiſchen, geſt. 27. Juni
1654 in Stuttgart, jtudierte in Tiibingen Theologie,
bereijte Dann als Ergieher junger Edelleute Deutſch—
land, Stalien und Franfreid, ward 1614 Diafon gu
Vaihingen, 1620 Superintendent in Kalw, 1639 Hof-
predigerin Stuttgart, 1650 Generalfuperintendent von
Pebenhaujen und Ubt von Wdelberg. Entſchiedener
Lutheraner, aber allem dogmatijden Gezänk abbold,
allein auf werftitige Chriftentiebe gerichtet, entwidelte
A., als cin Vorgänger Speners und Frandes, in
feinen teils lateiniſch, teils deutſch geſchriebenen Wer-
fen eine Fülle kräftiger Gedanken. Die bedeutendſten
find: »Chriſtlich Gemäl-(Tübing. 1612); ⸗Hercules
christianus« (Straßb. 1615; deutſch, Frankf. 1845);
»Chymiſche Hochzeit Chriſtiani Roſenkreuz⸗« (1616),
eine Schrift, die von A. ſelber nicht ernſthaft gemeint
war, die jedoch zur Folge hatte, daß man thn irrtüm—
lid) fiir Den Begriinder des Ordens der Rofenfreujer
(f. dD.) bielt; »Turbo« (1616), eine Dramatijde Satire
gegen das Treiben der gelehrten Welt; *Menippussive
satyricorum dialogorum centuria« (1617); »Chri-
stianopolis« (1619), ideale Schilderung eines drift.
liden Muſterſtaates; »Geiſtliche Kurzweil« (Strakb.
1619), vollstümlich kräftige Gedichte in etwas un—
elenfer Form. Sein Lehrgedicht » Chrijtenburg «( (1626)
childert die Kirche unter dem Bild einer belagerten
Stadt. Herder machte zuerſt wieder auf die Bedeu—
tung der Schriften Andreäs aufmerffam. Seine la-
teiniſche Selbjtbiographie (deutſch von Seybold, 1799)
ab Rheinwald heraus (Berl. 1849). Bgl. Herder,
Vnbdreds Dichtungen mit einer Vorrede gur Behersi-
qung unfers Zeilalters (Leipz. 1786); Hoßbach,
Andrea.
eb. 12. April 1812, geft. 14. Mai 1868, ergogen im | Yoh. Val. UW. und fein Beitalter (Berl. 1819); Glök—
llege La Fleche in Frankreich, ward friih gum Er;- | ler, Johann Valentin W. (Stuttg. 1886).
502
Andreãazeen, Familie der Laubmooje, umfaßt
bie einzige Gattung Andreaea (ſ. Tafel »Moofe I<, |
frig. 4), Be der die Seanb der reifen Sporenfapfel fic) |
mit Längsriſſen in vier oben und unten zuſammen⸗
hängende Klappen fpaltet.
Andreanum privilegium, die Urkunde, in
der Undreas IT. von Ungarn die den Siebenbiirger
Sachſen von Géza II. verliehenen Rechte beſtätigte
(1222). Darin werden, was fiir ihre Geſchichte wich—
tig ijt, aud) Die Walachen als Bewohner Siebenbitr-
gens qenannt.
Andreas (> der Männliche«), einer der zwölf Jün—
ger Sefu, Bruder des Simon Petrus, tritt in der evans
qelifden Geſchichte weniq hervor, während ibn die
Sage in Kleinajien und Sfythien, d. h. in den Ländern
ain Schwarzen Meer bis an die Wolga (daher Schutz⸗
patron Ruplands), das Evangelium predigen, auf der
Riidreife die Rirde von Byzanz gründen und dann
su Batra in Uchaia den Martyrertod erleiden läßt, und
zwar an einem Kreuz mit ſchrägen Balfen (ſ. Undreas-
treuz). Gedächtnistag ijt der 30. November. Die vor: |
hergehende Nadt (Undreasna dt) gehört im Volks—
qlauben ju den geſegneten Zeiten des Jahres, in de-
nen unter anderm junge Burfden und Madden den |
zukünftigen Gatten erblicden fonnen. Den Namen des
Upojtels A. tragen mehrere nod vorhandene Apo—
fryphen, namentlic& die » Acta Andreae et Matthaei |
oder Matthiae« (hrsg. von Tifdendorf in den » Acta |
apostolorum apocryphas, Leipz. 1851).
Andreas, NKinige von Ungarn: 1) W J.
(1046-—60), Der vierte ungar. König aus dem Haus
Arpad, lebte, verbannt von jeinem Better, König
Stephan L., als Fliidtling in Rotrufland und Polen,
bis ihn die Ungarn 1046 nad) de3 Ufurpators Peter
Entthronung jum König ausriefen. Um feine Herr
ſchaft zu befeitigen, tick er anfänglich die nationale
Heidenpartet gegen das Chrijtentum gewähren, be-
günſtigte e3 aber ſpäter und ftrafte die Aufrührer,
Denen er den Thron verdanfte. Der Krieg, mit dem |
Kaiſer Heinric IIT. ihn wegen der Entthronung Be: |
ters als feines Vaſallen überzog (1051 —52), verlief
fiir A. qlitclic) und wurde trotz der Vermittelung des
Papſtes Leo LX. erft 1058 durch einen Frieden been
digt, als nach Heinrichs Tode die Verlobung des Kaifer-
ſohnes mit A.' Tochter Juditha Ungarns Unabhängig
leit ſicherte. Bald darauf geriet A. mit ſeinem Bruder
Béla in Fehde, der von ihm, als A. nod keinen Sohn
hatte, jum Nachfolger ernannt worden war, 1058 |
aber dem fiebenjibriqen Bringen Salomon (der 1063 |
Kaiſer Heinrichs IV. Schwejter Judith hermfiihrte) |
hatte weichen müſſen. Bon Boleslaw IL. von Bolen |
und unjufriedenen Ungarn unterjtiigt, griff Bela den
mit Raijer Heinrid) LV. verbiindeten A. an, der im |
Dezember 1060 an der Theiß geichlagen, auf der
Flucht bei Wielelburg gefangen wurde und tm Kloſter
Bircy femen Wunden erlag. Bgl. Meyndt, Hein
rid) IIT. und A. J. (Leip;. 1870); Rammel, Die
zwei letzten Heereszüge Heinrichs IIT. nad Ungarn
(Strakb. 1879); Rademader, Ungarn und das,
Deutiche Reich unter Heinrich IV. (Merfeb. 1885). |
2) A. I. (1205 - 35), von feinent Kreuzzug der
Hierofolymitaner genannt, Sohn Bélas IL, ein |
Bruder des Königs Emmerich, den er im Verein mit
fener leidenſchaftlichen Gemahlin Gertrud zu ftiiryen |
ſuchte. Nad Emmerichs Tode (1205) beſtieg YW. den |
Thron, und nachdem Gertrud 1213 durd eine Wdels- |
verſchwörung (f. Beant bin) getdtet worden war, unter
nahm er 1217 mit andern Fürſten einen Kreuzzug,
der indes bet Der Belagerung der Feſte auf dem Berg
Andredazeen — Andreasfreuj.
Tabor fdeiterte. UW. tehrte nad) Ungarn juriid, wo
er infolge ſeines Leidtjinnes bis ju ſeinem Tod:
(1235) mit Empörungen und feinem ciqnen Sohn
Béla gu kämpfen hatte. 1222 mußte er die Bulla
aurea, da8 alte Grundgefes Ungarns, unteridjreiben
und beſchwören, dad die Vorredte des UdelS bejtinumte.
3) UTIL, Der Venezianer, Enfel U.' I, Sobn
de3 Stephanus Poſthumus (1200 —1301), durd La-
dislaw IV. erjt Herjoq von Slawonien, Dalmatien
und Stroatien, gelangte nad der Ermordung Ladis
laws IV, als der einjige nod) lebende Sprößling des
Haujes Virpdd 1290 zur Regierung, obgleich König
Rudolf der — Ungarn als heimgefallenes
Reichslehen, Papſt Nilolaus IV. es als päpſtliches
Lehen erklärten und ein falſcher A. Anhänger fand.
Dieſer ward geſchlagen; die Deutſchen bequemten ſich
ju einem Frieden, und der vom Papjt aufgeſtellte
enfonig Karl Martell von Anjou fonnte es nur
in Dalmatien und Kroatien zur Ynerfennung brin
en. Bald nachdem diefer gejtorben war (1295), trat
Rein Sohn Kari Robert als Pratendent auf. Ehe es
jedod zur Entideidung fam, ftarb A. plötzlich 14. Jan.
1301. Mit ihm erlofd das Haus Arpaͤd im Mannes
jtamm. Bgl. Jul. Pauler, Gejdidte der ungariſchen
Nation unter den Arpäden (Budap. 1900, 2 Bde.).
Andreas von Regensburg, Geſchichtſchreiber
war feit 1410 regulierter Chorherr in Regensburg.
Sein Hauptwerf, das »Chronicon de ducibus Bava-
riae« (bi 1439), das er im Auftrag Herzog Ludwigs
de3 Bartigen von Bayern-Jngoljtadt verfakte und
in deutſcher Bearbeitung als »Chronidh von den
Fürſten gu Bayern« bis 1452 fortfiihrte, ijt nament-
| lich fiir das Beitalter der Huffitentrieqe von Wert, cin
Borliiufer de3 Uventinus (ſ. d.). Die alten Musqaben
(bei Defele, »Scriptores rerum Boicarum I< ; v. Frey
berg, »Sammlung hiſtoriſcher Schriften«) find un
zulaͤnglich, cine newe durch Die Miindyener hijtorifde
Nommiiffion ijt in Vorbereitung.
MAndreasberg, Stadt, ſ. Sankt Undreasbera.
Andreas Capellanus, lat. Schriftiteller, wird als
cin + Reffe des Papſtes« bezeichnet und ftellte um 1200
in feinem »Tractatus de amore« die Ausſprüche be
rithmter Fürſtinnen, wie der Griijin Ermengard von
Narbonne (geſt. 1194), der Grijin Margarete von
Flandern (gejt. 1194), der Gräfin Marie von Cham
pagne (geſt. 1198), über Minnefragen zuſammen.
Weil das Werk einem Gualterius gewidmet war, wird
es oft unter dieſem Namen zitiert. Die Annahme
von Minnehöfen (ſ. d.) beruht weſentlich auf dieſem
Werfe, dad auch ins Franzöſiſche, Deutſche und Ita
lieniſche überſetzt wurde. Cine Ausgabe veranſtaltete
Trojel (Kopenh. 1892). Val. C. v. Aret in, Ausſpruche
der Minnegerichte (WMiind. 1803); Gaſton Baris im
» Journal des savants« (1888).
Undreasdufaten, Goldmünze mit dem Bildnis
des Heil. Undreas. Es gibt braunſchweig⸗ lüneburgiſche
von 1726 und 1730 und ruffifde Doppelrubel, unter
Peter d. Gr. und Clijabeth gepriigt, 18%/s, refp. 22
Sarat fein und von 3,199, refp. 2,9537—-2,9734 g¢ Gold.
Andreasgrofchen, ſ. Undreastaler.
Andreasgulden, flandr. Goldmiinge Karts des
Mithnen, ftand im Werte dem Goldgulden gleich. Uber
jilberne A. vgl. Undreastaler.
Andreaskrenz (Crux decussata), cin rey mit
ſchräg gejtellten Balen (X). Der Name rührt von
dem Ss oitel Andreas her, der nach der Sage bei feiner
Hinrichtung an ein foldyes Kreuz qenagelt worden fein
ſoll. Das Vi. ftand in hoher Verehrung, da es zugleich
Abkurzung von Chrijtus (X, gried. Chi) war. Us
Andreasnadt
burgundifde3 Wappen wird es aud burgundi-
ſches Kreuz genannt. S. Kreuz.
Andreasnacht, ſ. Andreas (Apoſtel).
Andreasorden, 1) höchſter ruſſ. Orden, früher
»das blaue Band« genannt, wurde von Peter J.
30. Nov. (11. Dez.) 1698 für Auszeichnung im Tür⸗
lenkriege geſtiftet, ſpäter aud) für andre Berdienite
verliehen. Der Orden hat nur cine Klaſſe und wird
nur Perjonen im Generalleutnant8rang, die den Alex⸗
ander Newſtij⸗ und den Weifen Wdlerorden haben, den
fie am Hals, refp. im Rnopflod tragen, verliehen.
Rwilf Ritter erhalten jährliche Penſionen. Die De—
foration (j. Tafel »Orden I<, Fig. 22) bejteht in
einem goldenen, ſchwarz emaillierten, sweifdpfigen ge-
frinten Adler mit ausgebreiteten Fliigeln. Auf dem
Adler liegt cin dDuntelblaucs Undreastreuz mit dem
Heil. Undread in natiirlidjer Farbe mit goldener Binde.
Der Revers zeigt nur den Doppeladler. Uuf den Ecken
des Kreuzes ſteht: S. A. P. R. (Sanctus Andreas,
Patronus Russiae). Die Deforation wird von einer
Krone gehalten, an der das Himmelblaue Band oder
die Kette befeſtigt wird. Der adtitrablige filberne
Stern hat in der Mitte ein Medaillon mit ca kaiſer⸗
lichen Doppeladler, um den ſich eine Schlange windet;
ein blauer Kreis mit der Inſchrift: »Für Treue und
Glauben« umgibt das Medaillon. Wn Offiziere wird
der Orden mit Schwertern verliehen. Das Ordens
ficid ijt cin qritnjamtener Mantel, mit Silber befept,
cin Samthut mit roten Federn. Dazu tragen die Ritter
cine Rette aus drei abwedfelnden Gliedern. Der Or-
Denstag ijt der 30. November. Val. Shipp, Der
taiſerlich ruffifdbe St. W. (Wien 1899). —- 2) Schott.
Orden, ſ. Dijtelorden.
Andreastaler, hanndv. Silbermiinge aus 15%/o-
ldtigem Silber mit dem Bilde de3 Heil. Undreas am
Kreuz, — 2 Undreas- oder Harzgulden des 18-Gul-
denfuges. Der Undreasgrojden nad dem Kon-
ventionsfuße hatte ungleidjen Wert, der Undreas-
mariengrojden */s des vorigen — 8 Undreaspfennig.
Andree, 1) Karl, Ae ag geb. 20. Oft. 1808
in Braunſchweig, gejt. 10. Aug. 1875 zu Wildungen,
jtubierte in Jena, Gottingen und Berlin hiſtoriſche
Wiſſenſchaften, ward 1830 in burfden{daftlide Unter:
fudjungen verwidelt und war nad feiner Freijpredung
als Publiziſt nacheinander an der ⸗Mainzer«, ⸗Ober⸗
deutſchen · (Karlsruhe), ⸗Kölniſchen⸗, »Bremer« und
» Deutiden Reichszeitung « ( Braunſchweig) tãtig. 1851
gründete er dad ⸗Bremer Handelsblatt«, das durch
ibn rafd) ju Bedeutung gelangte. Seit 1855 lebte er
ausſchließlich — 5 und ethnologiſchen Stu-
dien, erjt in Leipzig, ſpäter in Dresden. Die wid-
tigiten ſeiner Schriften find: »Nordamerifa in geo-
—— und geſchichtlichen Umriffen« (2. Aufl.,
raunſchw. 1854); » Buenos Wires und die Urgen-
tiniſche Republife (Leipz. 1856); ⸗Geographiſche
Wanderungen« (Dresd. 1859, 2 Bde.); »Geographie
des Welthandels« (Stuttg. 1867 —72, 3 Bde.; Bd. 1
in 2. Uufl. 1877). 1862 qritndete A. die geographifde
Zeitſchrift > Globus«.
2) Richard, Ethnograph, Sohn des vorigen, ged.
— <Andréoffy. 503
phiſchen Studien und veröffentlichte: »* Vom Tweed sur
| Pentlandföhrde⸗ (Jena 1866); »Der Kampf um den
MNordpol« (5. Uujl., Bielef. 1889); » Ethnographijde
Parallelen und Vergleide« (Stuttg. 1878; neuc Folge,
Leipz. 1889); »Zur Volfsfunde der Juden« (Bielef.
1881); »Die Metalle bei den Raturvilfern« (daſ.
1884); » Die Unthropophagie« (daj. 1886); » Die Flut-
fegen, ethnographijd betradtet« (Braunſchw. 1891);
»Braun{dweiger Volfsfunde« (daj. 1896, 2. Aufl.
1901). Wis Mitbegriinder (1873) und Leiter der Geo-
graphiſchen Anſtalt von Velhagen u. Klaſing in Leipzig
ab er mit ©. Peſchel den »Phyſikaliſch-ſtatiſtiſchen
tlas des Deutidjen Reiches⸗ (1877), mehrere Schul—
atlanten und den »Ullgemeinen Handatlas« (1881;
4, Aufl. von Scobel 1899; dazu » Geographifdes Hand-
budj« von Scobel u.a., 4. Aufl. 1899) heraus. Seit
1891 redigiert U. den von feinem Vater beqriindeten
»Globus«.
Andrée, Salomon Auguſt, Ingenieur, geb.
18. Dit. 1854 3u Brenna in Schweden, befuchte die ted)-
niſche Hochſchule in Stodholm, war dann praktiſch tätig
und begann friih eine ſtattliche Reihe wiſſenſchaftlicher
Ballonreijen, unter andern nad Gotland und Finn-
land iiber die Oſtſee. Er entwarf 1895 den Plan, von
Spigbergen aus im Ballon den Nordpol ju erreiden.
WIS die erforderlichen Mittel herbeigeſchafft waren,
wurde auf Spigbergen eine Ballonhalle jur Fiillung
des Ballons erbaut, und 1896 follte die Fahrt be-
ginnen. Der Aufſtieg mußte indes, weil der erforder-
lide Südwind ausblieb, aufgegeben werden. 1897
war der Ballon 30. Juni reifefertiq, und 11. Juli
trat U. mit feinen Begleitern Fränkel und Strindberg
die Reiſe an. Geitdem find die kühnen Luftſchiffer
verfdollen. Bgl. J. Rullenbergh, 8. A. A., hans
lif och person (Gotenb. 1898).
Andréi, Bogoljubſtij (nad feinem Landjig
Bogoljubowo), ruff. Groffiirit, bahnte nad der Epoche
der Teilfiirjtentiimer die Begründung eines einheit-
lichen Reiches an; er herridte als Großfürſt in Sus-
dal 1158—74 und verlegte den Schwerpuntt des ruſ⸗
ſiſchen Staatsweſens von Rijew in den Nordojten
(Wladimir an der Kljäsma). Er wurde 29. Juni 1174
von Verſchwornen ermordet.
year arse Kreisort im ruffijdh-poln. Gouv. Kjelzy,
an der Eiſenbahn Swangorod-Dombrowo, mit Leh-
rerfeminar und (1897) 5010 Cinw.
Andréjewffij, Serge; Urfadjewitid, ruff.
Didter, geb. 10. Dez. 1848 im Gouv. Yefaterinoflaw,
jtudierte in Charfow die Redjte, war bis 1878 im
Juſtizminiſterium tätig und lebt feitdem als Rechts—
anwalt in Petersburg. Eine Sammlung Gedichte,
Originale und ———— veröffentlichte er daſelbſt
1886. Wud) ſchrieb er bemerkenswerte kritiſche Stu-
dien iiber Baratynffij, Doſtojewſtij, Garſchin u. a.
Andréoffy pr. angd), Antoine Francois,
Graf, fran3. General und Staatsmann, geb. 6. Mar;
| 1761 in Cajtelnaudary, geſt. 10. Sept. 1828 in Mont⸗
| auban, trat 1781 als Urtillerieleutnant in hollindijde
Dienijte, geriet 1787 bei dem Einfall der Preußen in
| Holland mm preußiſche Gefangenſchaft und nahm ſpä—
26. Febr. 1835 in Braunſchweig, ſtudierte in Leipzig | ter an den Feldzügen gegen die 1. Koalition und nad)
Naturwiſſenſchaften und war 1859 —63 als Hiitten: | Ägypten rühmüchft teil. Als Chef des Generaljtabs
mann in Böhmen tätig, wo er die Unregung zu ſei— | trug ex viel zum Gelingen der Revolution des 18. Bru⸗
nen Schriften: »Nationalitätsverhältniſſe u. Sprach- maire bei. Dafür ſtellle ihn Bonaparte an die Spitze
qrense in Böhmen« (2. Aufl., Leip;.1871), »Tidhedhifche | des Artillerie und Geniewefens und ernannte thn zum
inge«(Bielef.1872) und» WendifdeWanderftudien« | Divifionsgeneral. 1805—1807 tampfte er in Deutſch—
(Stuttg. 1874) erhielt. Jn Leipzig, dann in Heidel: | land und befleidete, in den Grafenjtand erhoben, bis
berg und 1893 in Braunfdweig fid) niedertaffend, | 1809 den Gejandtidaftspojten in Wien. Nad) dent
widmete fic) A. vornehmlich geoqraphifch-ethnogra: | Krieg mit öſterreich ging er als Gefandter nad) Kone
504
ftantinopel, ward aber 1814 von Ludwi
berufen. Während der Hundert Tage Roto er ſich
XVIII. ab-
wieder Napoleon an und ging nad der Niederlage bet
Waterloo mit vier andern Kommiſſaren zur Vermit-
telung eines Waffenjtilljtandes ins Hauptquartier der
Verbiindeten. 1819 ward er jum WMitgliede der Kö—
niglichen Gefellidaft fiir die Verbefferung der Gefiaing-
nijje, 1821 jum Diveftor der Verpflegung fiir das
Heer crnannt und 1826 in die Alademie qewahlt; 1827
Deputierter geworden, hielt er zur Oppofition. Er
ſchrieb: »Histoire du canal da Midi (2. Aufl., Bar.
1805, 2 Bde.), den fein Urgrofvater Francois A.
(1633-88) gebaut hatte; »Relation de la campagne
sur le Mein et la Rednitz de l'armée gallo-batave«
(1802); »Constantinople et le Bosphore de Thrace
pendant les années 1812-1814 et pendant l’année
1826< (1828; deutſch, Leip. 1828); »Opérations des
pontonniers frangais en Italie pendant les cam-
pagnes de 1795 à 1797« (Nachlaß, 1843).
Andrefen, 1) Karl Gujtav, Germanijt, qed.
1. Juni 1813 gu Üterſen in Sotiteit, geſt. 25. Mai
1891 in Bonn, jtudierte in Riel Philologie, wirkte als
Gymnaſiallehrer in Ultona und Mülheim a. d. Ruhr,
ſeit 1870 als Privatdozent und feit 1874 als aufer-
ordentlider big ed in Bonn. Er verdffentlidte
unter anderm: »Regijter zu J. Grimms deutfder
Granunatif« (Gotting. (1865); » Uber die Sprache J.
Grimms · (Leipz. 1869); » Die altdeutfden Perſonen⸗
namen in ihrer Entwidelung und Crjdeinung als
heutige Beidlechtsnamen« (Maing 1863); ⸗UÜber deut⸗
ide VolfSetymologie« (Heilbr. 1876; 6. Aufl., Leipz.
1899); »Spradgebraud) und Spradridtigfeit im
Deutiden« (8. Aufl. Leipz. 1898); ⸗Konkurrenzen in
der Erflarung der deutſchen Gefdhledtsnamen « (Heilbr.
1883). — Sein Sohn Hugo, geb. 1844, Profeſſor
der romanijden Philologie an der Ufademie in Miin-
jter, gab unter anderm Waces »Roman de Rouse
(Deilbr. 1877—79, 2 Bde.) heraus.
2)Undreas, Kunſtſchriftſteller, qed. 14. Rov. 1828 |
ju Loit in Schleswig, geft. 1. Mat 1871 in Leipzig,
trat 1848 in die Freiſcharen ein, ftudierte Dann in
Riel, Berlin, Bonn und Minden, erbhielt 1857 cine
Anſtellung am Germanifden Muſeum ju Nürnberg
und fibernahm 1862 in Leipzig die Leitung von » Rau-
manns Archiv fiir Die zeichnenden Künſte« fowie die
Bearbeitung der Weigeliden Uultionsfataloge, nad
Weigels Tod 1870 auc deffen Kunſtauktionsinſtitut.
Seine Hauptwerte find: » Deutider Peintre-Graveurs,
eine Fortführung des Bartſchſchen Werkes (Bd. 1—3,
Leip; 1864—66), » Die deutiden Malerradierer des
19. Jahrh.« (Vd. I⸗A, daf. 1866—70; fortgeſetzt von
Wejjely) und die Fortiesung von Naglers »Mono-
grammiſten« (Vd. 4, unvollendet, Miind. 1868-—70).
Andrews (ipr.anndrap, 1) Henry C, Pflanzenmaler
in London, geſt. 1800, lieferte große illuftrierte bota-
niſche Werke, wie: »The botanists repository « (Lond.
1799 —1811, 10 Bde.); »Coloured engravings of
Heaths« (1802 —-30, 4 Gde.); » The Heathery« (1804 |
bis 1812, 6 Bde.); »Geraniums« (1805, 2 Bde.);
»Roses« (1805-28, 2 Bde.).
2) Thomas, Phyſiker, qeb. 19. Dez. 1813 in Bel-
fajt, qejt. 1886 als Profeſſor der Chemie am Queen's
College. Er lieferte bedeutende YUrbeiten fiber die
Warmeentwidelung durch hemifde Prozeſſe, über den
Verbrennungsprozeß fowie fiber das Ojon. 1861
entDdedte er, Day die Gaſe oberhalb ciner gewiſſen fiir
jedes Was charafteriftijden (> fritifden«) Temperatur
durch Dru nicht mehr in die fliiffige Form gebradt
werden fornnen.
Andrejen — Andrieur.
Andria, Stadt in der ital. roving Bari, Kreis
Barletta, an der Dampftrambahn Bari - Barletta,
Sif eines Biſchofs, mit einer Rathedrale, der von den
Templern angelegten Rirde Sant’ Agoftino (mit jbs-
nem Spi —— u.a., Ol- und Tonwarenjabri-
fation, Handel und (1901) 49,569 Einw. — A. wer
cine Lieblingsitadt Kaiſer Friedrichs II.; feine beiden
Gemabhlinnen wurden im Dom in ſchönen, jest ver-
ſchwundenen Maujoleen beigefest. 1799 verteidigte
ſich A. tapfer gegen die Franjofen.
Andrian- burg, Biftor, Freiherr von,
öſterreich. Staatsmann, geb. 17. Sept. 1813 im Gbr-
ziſchen, geſt. 25. Nov. 1858 in Wien, ftudierte die
Redjte in Wien und trat 1834 ins öſterreichiſche Gu-
bernium ju Venedig. Yn der 1841 erjdienenen Schrift
»Djterreid) und feine Zulunft« (3. Aufl. Hamb. 1843)
zeigte er fic al8 einen aufgeflirten Politifer im Sinne
der englijden Ariſtokratie. 1844 fam er al Hofictre-
tar zur Hoffanglet, verliek aber Den Staatsdienjt im
Fruhjahr 1846, nahm an den ſtändiſchen Bewegungen
lebbaften Anteil und verdffentlidte 1846 »Hijtori
Uftenjtiide sur Geſchichte des Ständeweſens in Ojter-
reidje (Leip3.) und 1847 den 2. Teil der oben er-
wähnten Schrift gu Hamburg. Anfang Upril 1848
von den Standen Riederdjterreidhs gum Borparia-
ment nad Franffurt geſendet, wurde er dort im den
Fünfzigerausſchuß gewählt und wirfte als Borjtand
des Hentralfomitecs fiir das Zujtandefommen der
Wahlen zur Rationalverjammiung, in die er ſelbſt
al Ubgeordneter von Wiener-RNeujtadt eintrat. An
fang Auguſt 1848 wurde er gum Reidsgefandten in
London ernannt, wo er iiber die öſterreichiſch italie
niſche und die fhleswig- holſteiniſche Frage verhandelte.
Er fehrte aber, als die öſterreichiſch deutſche Frage in
Frankfurt in den Vordergrund trat, auf den Wunſch
des ReidSminijteriums juriid und fprad fic fiir
das Programm von Kremſier aus. Rad) Sdymerlings
Riidtritt gab aud) A. ſeine Entlaſſung und teat out
den andern Ojterreidern aus der Nationalverfamum-
lung aus. Seine politijden Anſichten hat er in der
Sdhrift » Zentralifation oder Dezentralifation in Ofter-
reich· (anonym, Wien 1850) niedergelegt.
Andrias Scheuchzéri Tschudi (Homo dilu-
vii testis, Sintflutmenſch), an Tertiaridiefer von
ingen aufgefundenes und 1726 von Scheuchzer als
Sündflutmenſch· beſchriebenes Stelett eines Lurches
von 1—1,5m Lange (j. Tafel ⸗Tertiärformatien I+),
der Dem Riefenfalamander (Cryptobranchus) am
nächſten ſteht.
Andrichau (Andrychöw), Stadt in Galizien,
Bezirlsh. Wadowice, an der Bahnlinie ————
warya, hat cin Schloß, ein Bezirksgericht, i
Färberei und Appretur und (1900) nit Dem Dorf We
4048 poln. Einwohner.
Andrienne (franj., fpr. angd-), vorn offences, weites
Frauenfleid ohne Taille, das durch die Schauſpielerin
Doncourt in Paris in die Mode gebradht wurde und
jeinen Namen von der ⸗Andria« ded Terenz erbielt,
deren Titelrolle jene 1703 zum erftenmal ſpielte.
Andri (jpr. angbrid), 1) Francois, franz. Ge⸗
lebrter und Dichter, geb. 6. Mai 1759 in Straßburg.
ejt. 9. Mai 1833 in Paris, war beim Ausbruch der
Revolution Wdvofat in Paris und ſchloß fich derfelben
mit Cifer an. Nach der Rejtauration erbielt er (1814)
einen Lehrſtuhl am College de France. 1795 wurde
er Mitglied der Ufademie und 1829 deren beftandiger
Sefretar. VL. ijt ein Rind des 18. Jahrh: fein Haupt-
bejtreben ijt, qeiftreich und witzig gu fein; Gefühl und
Veidenfdaft fdeinen ihm gänzlich gu feblen. Wud
Andritjena — Andromeda.
feine ajthetijden Anſichten gehören der alten Zeit an;
Shakeſpeare tadelt er als kunſtlos und iibertricben,
die deutſche Literatur verabjdeut er ebenſo wie die
romantijde Schule in Franfreich. Seine Komödien
zeichnen ſich durch leichten Versbau, gut ausgedachte
Situationen und ſinnreiche Einfälle aus. Die beſten
find: »Les étourdis, ou le mort supposé« (1788),
»Moliére avec ses amis, ou le souper d'Auteuil«
(1804), »La comédienne« (1816). Auch eine Tra:
Odie: »>Junins Brutus«, hat A. verfaft, die nach Der
Sulirevolution zur Aufführung tam, fowie zahlreiche
leichte Boefien, von denen die bemerfenSwertejten find:
»Le meunier de Sans-Souci« (1797), »La prome-
nade de Fénelon« und »Le procés du sénat de Ca-
poue«. A. gab felbjt feine Werke heraus (1818—23,
4 Bde.); Auswahl erfdien 1878.
2) Louis, fran3. Bolitifer, geb. 20. Juli 1840 in
Trévour (Win), ließ fic) in Lyon als Udvokat nieder,
wo er ciner Der Vorfiimpfer der liberalen Partei gegen
Das Naifertum war. Nad) dem 4. Sept. 1870 wurde
ex zum Profurator der Republif in Lyon ernannt.
Mad) Thiers’ Ubdanfung 1873 nahm er jeine Ent-
fajjung. 1876 in die Deputiertenfammer gewählt,
ſchloß er fic) Der Republifanijden Union an und wirkte
fiir die Cinigfeit der liberalen Parteien. Er wurde
1879 zum Polizeipriifetten von Paris, 1882 zum Bot-
ſchafter in Madrid ernannt, jedod alg Gegner der
Gambettiſten bald wieder abberufen und befimpfte
feitdem dieſe aufs heftigite. 1888 ſchloß er fid) der
(boulangijtijden) Revifionspartei an, fpielte aber feine
Rolle mehr und fiel bei den Neuwahlen 1889 durd.
Er fdrieb: »Souvenirs d'un ancien préfet de police«
(1885, 2 Bde.) und »La Révision« (1889).
Andritfena, Hauptitadt der Epardie Olympia
im griech. Nomos Mefjenia, am Nordabhang des
Lyfaiongebirges, mit (1896) 2138 (Gemeinde 7717)
meijt Uder= und Weinbau treibenden Cinwobhnern.
Andro ... (qried.), in Zuſammenſetzungen foviel
wie: Mann, auf das männliche Geſchlecht bezüglich.
Andröceum (griech.), ſ. Blüte.
Audroclus, cin Sklave, der, in die afrifanijde
Wüſte entflohen, cinem Lowen den Fup Heilte, {pater
eingefangen und zum Tierfampf verurteilt, von dem
ebenfalls gefangenen Löwen in der Arena erfannt |
und danfbar gelicbfoft wurde.
MAndrodamant (Wndcodamas), nad Plinius |
u. a. ein glänzend ſilberweißes Mineral von wiirjeliger
Krijtallform, das in Ägypien gefunden und zu Amu—
fetten, Ringew und Halsbandern verarbeitet wurde. |
Man hielt den A. fiir Ralffpat, Adular, Urfenfies rc.
Die alten Magier ſchrieben ihm die Kraft zu, den Yorn
der Manner je biindigen; Daher der Name.
Androdisste (qriccd.), Borfonrmen von männ—
licen und zwitterigen Bliiten auf verfdiedenen Exem—
plaren derjelben Urt.
Androgéos, im gried. Mythus Sohn des Minos
von Kreta und der Paſiphaë, errang in then den
Sieg bei der erjten Panathenäenfeier und wurde von
dem eiferſüchtigen Konig Ageus gegen den maratho-
niſchen Stier entjendet, dent er erlag, oder in einem
DHinterhalt getdtet. Bur Strafe zwang Minos die Uthe- |
ner ju einem neunjabrigen Tribut von fieben Knaben
und fieben Madden fiir den Minotauros (f. d.), von
Dem fie Thejeus befreite.
Androgynie (qriech., »Manniweibheit),
Hermaphroditismus (ſ. d.) beim Menſchen.
Androhungstheorie, |. Strafredt.
Androiden (griech.), Uutomaten (ſ. d.) in Men-
ſchengeſtalt; androidifd, menſchenähnlich.
ſoviel wie
505
Androlepſie (griech,⸗Menſchenraub «), in Athen
das vom Staat anerkannte Vergeltungsrecht, wonach,
wenn ein atheniſcher Bürger außer Landes getötet
und fein Mörder nicht dort zur Rechenſchaft gezogen
oder nicht ausgeliefert ward, es den Verwandten des
Ermordeten erlaubt war, drei dem Staate des Mörders
Angehörige aufzufangen, unt fie vor attiſchen Gerid-
ten sur Strafe zu ziehen. Danad allgemcin A. foviel
wie Feſtnahme fremder Staatsangebhiriger im Frieden
als Geiſel zum Swede der eigenmächtigen Durchſetzung
eines behaupteten Anſpruchs (vgl. Repreſſalien).
Andromade, Gemahlin des Heftor, Tochter des
Königs Eẽtion von Thebe am Plakos, verlor im Tro-
janiſchen Krieg durch Achill Eltern und Brüder, zu—
letzt aud ihren Gatten. Bei Trojas Eroberung war
A. Zeugin von der Ermordung ihres Sohnes Vijtya-
nax; fie ſelbſt fiel Achills Sohn Neoptolemos gu, dem
ſie drei Söhne, Moloſſos, Pielos, Pergamos, gebar.
Sterbend überließ Neoptolemos A. und die Herrſchaſt
von Epirus Heltors Bruder Helenos. Nach deſſen
Tode ging ſie mit ihrem Sohn Pergamos nach Aſien.
In dem von dieſem gegründeten Pergamon hatte ſie
ein Heroon. Sie iſt enſtand der Euripideiſchen
Tragödie »A.« phomanie.
ndromanie (qried.), Mannstollheit, ſ. Nym⸗
Androméda L., Gattung der Erilazeen, niedrige
Sträucher mit meijt immergriinen, lederigen, glatten,
unterfeits oft weiß bereiften Blattern, endjtindigen,
armbliitiqgen Dolden oder Trauben, glockig-krugför—
miger Blumenfrone und fiinffaderiger, vielfantiger
Rapfel. Etwa feds Urten im nordiſchen Florenreid.
A. polifolia L.(Lavendel- oder Rosmarinheide,
falſcher Por ft), auf Moorboden in Curopa, Sibirien,
Nordamerifa, mit friedenden, Ddiinnen Stämmchen,
lanzettlichen Blittern und blakroten Bliiten, ijt durch
Wehalt an Andromedotoxin (j. d.) narfotijd - giftig.
Mebhrere Urten, wie A. floribunda Pursh. in Nordame-
rifa, A. japonica Thunb. (Ujebu, Bafuibofu) in
Japan und China, werden als Zierpflanzen fultiviert.
Androméda, großes Sternbild de3 nördlichen
Himmels, unweit ded Perſeus und der Kafjiopeia,
enthilt drei Sterne 2. Größe: Alamak (y) öſtlich
am jug, Mirad (8) am Giirtel und Girrah (a)
am Kopf; letzterer gehört gleichzeitig dem Sternbilde
des Pegaſus an. Alamak erſcheint in großen Fern—
rohren als dreifaches Sternſyſtem mit einer roten,
einer grünen und einer blauen Komponente. Nörd—
lid von Mirach ſieht man den auc) mit unbewaffne-
tent Auge erfennbaren Nebelflec, den Simon Marius
1612 in Europa guerjt bemerfte und beſchrieb, der je-
doch Den Urabern des Wittelalters ſchon befannt war
(vgl. Nebel). Ungefähr an der Stelle der größten
Verdichtung des Rebels erjdien im Auguſt 1885 ein
qoldgelber Stern 7. Gripe, der an Helligfeit rafd
abnabm und Anfang 1886 bereits verſchwand. Bal.
Fixſterne und die Betlage gu Firiterne.
Andromeda, Tochter des äthiopiſchen Königs Re-
pheus und der Kaſſiopeia. Als dieſe ſich beriihmt,
ſchöner als alle Nereiden zu fein, fendet Pofeidon cine
Uberſchwemmung und ein Geeungeheuer. Da das
DOralel des Ammon VBefreiung verjprad, wenn VW.
dem Ungeheuer vorgeworfen wiirde, liek Kepheus die
Todter an cinen Strandfelfen feſſeln. Perſeus (f. d.)
rettete fie durch Erlegung des Ungeheuers. Dem Ver—
ſprechen des Vaters gemäß befam er A. zur Frau;
bei der Hochzeit entſtand ein gewaltiger Kampf zwi—
ſchen Perſeus und Phineus, ihrem fri Verlobten.
Sie wurde die Ahnmutter des berühmten Perfeiden-
geſchlechts. Athene verſetzte fie unter die Sterne.
506
Andromédae pater, Sternbild, f. Cepheus.
Andromedotogzin (Ujebotorin) Cy, Hs Oo
ſcheint der wirkſame Stoff aller giftigen Crifazeen ju
fein. Auch der giftige Honig von Trapesunt (Xeno-
phons Anabaſis) enthielt wohl U. Es wird aus
Blättern von Rhododendron ponticum dargejtellt,
bildet farblofe Nadeln, löſt fic) in Wafer und Allohol,
faum in Yther, ſchmilzt unter Zerſetzung bei 229°,
reagiert neutral, wirft heftig bredjenerregend und
lähmt Dann die Atmung.
Andromonözie (qried).), Vorfommen von minn-
lichen und zwitterigen Bliiten auf derſelben Pflanze.
Andronicus, Dichter, j. Livius Yndronicus.
Andronifos, byzantiniſche Kaifer: 1) A. L.,
Kaiſer 1183 —85, Sohn Iſaals, Enfel des Kaiſers
Alexios I. Komnenos, ein ebenſo talentvoller und
tapferer wie ausſchweifender und gewalttätiger Mann,
erregte den Argwohn Kaiſer Manuels und wurde von
dieſem etngeferfert. Nad) mehr als zwölfjähriger Ge—
fangenſchaft entfam A., floh zum ruffifden Gropfiir-
jten Jaroflaw von Riew, ſpäter nad) Jeruſalem, dar-
auf von bier mit der von ihm verfiihrten Witwe des
Königs Balduin III., Theodora, zu dem ſeldſchuliſchen
Atabeg nach Damaskus und hierauf zu den Seldſchu—
fen in Kleinaſien. Später begnadigt, wurde er nad
Onove in Pontus verwiefen. Nad Manuels Tod (1180)
febrte er nad) Ronjtantinopel zurück, ſtürzte die fiir
ifren jungen Sohn Wlerios IL. die Vormundſchaft
führende Raiferin Maria, erzwang 1183 feine Er-
Hhebung jum Witregenten, liek bald darauf Alexios
saree und heiratete dejfen Verlobte Uqnes, cine
Todter Ludwigs VII. von Frankreich. Er regierte
mit Kraft und Geſchick, veranlaßte aber durch die ent-
ſetzliche Grauſamkeit, mit der er namentlich gegen den
hohen Adel wiitete, zahlreiche Aufſtände. Vis 1185
cin von König Wilhelm IL. von Sizilien entfendetes
Heer Theſſalonich croberte und gegen Ronjtantinopel
zog, Wurde A. durch cine von Iſaak Ungelos erregte
Empörung in der Hauptitadt entthront und unter
entſetzlichen Mißhandlungen getitet.
2) U.IL, der ältere, Sohn ded Michael Paläo—
logos, anfangs deſſen Mitregent, feit 1282 Allein—
herrſcher, brach die von ſeinem Vater eingeleiteten
Unterhandlungen über eine Vereinigung der griechi—
ſchen und lateiniſchen Kirche ab. Gegen die in Klein—
aſien immer weiter ſich ausbreitenden Tiirfen nahm
er 1302 fpanifde Söldner (die »große Katalaniſche
Kompagnic«) in feinen Dienſt. Drefe entgweiten fid
aber bald mit Dem Kaiſer, verheerten 1305 — 1308
Thrafien und Mafedonien und bemächtigten jid) 1309
des Herzogtums Wthen. A. wurde 1328 von feinem
€Enfel A. ILL. vom Thron geſtoßen und jtarb 1332 yu
Wdrianopel in cinem Kloſter.
3) A. TIL, der jüngere, Gobn Midaels, des
1320 verjtorbenen älteſten Gobnes A.' IL, zwang
1825 feinen Gropvater, ihn als Mitregenten anju-
erfennen, nötigte thn dann 1328 zur Abdankung und
beſtieg felbjt Den Thron. Unter ihm nahmen die
osmanifden Türlen 1330 Nicãa ein und dehnten ihr
Webiet bis sum Bosporus aus, wihrend die Könige
Stephan III. und IV, von Serbien Bulgarien, Make—
Donien und Epirus eroberten. A. jtarb 1341 und
hinterließ feinem neunjabrigen Sohn, Johannes V.
Palãologos, das Reid).
4) A. 1V., Sohn des Johannes V. Paläologos,
ſührte wahrend der Abweſenheit feines im Ubendiand
gegen die Titrfen Hilfe fuchenden Baters 1369 --70
die Reqierung, verſchwor fid) Dann, von diefem juriid
qefegt, 1375 mit Sandfdi, dem Sohne de3 Sultans
Andromedae pater — Andropogonöl.
Murad J., zum Sturz der Väter, wurde aber geblen-
det und eingeferfert. 1376 wurde er durch die mit
feinem Bater verfeindeten Genueſen aus der Haft be-
freit und ſchloß endlich 1381 mit demſelben einen Ber:
trag ab, durch den er Selymbria, Heraflea und einige
andre Orte in Thrafien erbielt. Er ſtarb 1385.
Androntfos, 1) peripatet. Philojoph aus Rhodes,
um 60 v. Chr. Boriteher der peripatetijden Schule
in Uthen, erwarb ſich große Berdienjte als Ordner,
Herausgeber und Erklärer der Ariſtoteliſchen Schriften,
iiber deren Edptheit er Unterjudungen anjtellte. Die
beiden feinen Namen tragenden Sdriften: » liber dre
Leidenſchaften« (zuletzt hrsg. von Schuchardt u. Kreutt
ner, Heidelb. 1883 u. 1885) und eine ⸗Paraphraſe
der Nikomachiſchen Ethik« (julegt hrsg. von Heylbut,
Berl. 1889), find ſpätere byzantiniſche Erzeugniſſe.
2) U. Rallijtos, arijtotel. Philoſoph aus Theija-
lonife, lebte biS 1453 in Ronjtantinopel, Dann in
Rom, Florenz und Ferrara, wo er Lehrer der grie
chiſchen Sprache ward, und jtarb 1478 in Baris. Die
beiden friiher dem UW. aus Rhodos (ſ. oben) zugeſchrie
benen Sdjriften wurden mehrfad dem A. zugeſprochen.
Andronitid (Gried).), im altgried). Hauſe der
Wohnraum der Manner; vgl. Gynaifeior.
Androphagen (qricd., »Menidenfrejjer<), bei
den Ulten Bezeichnung mehrerer Volfer in Indien,
— und AÄthiopien. S. Anthropophagie.
udrophobie (pried) Méannerideu.
Andropogon L. (Bartgras, Mannsbart),
@attung der Gramineen, vielgeftaltiqge Gräſer mt
einzelnen, gezweiten, gefingerten oder rijpigen Trau
ben. Die etwa 160 Yirten gehören meijt den Tropen
aller Welttetle an, fie lieben trodne Orte, befonders
Savannen. A. Ischaemum L. Gühnerfußgras,
Bluthirfe), ausdauernd, in Mitteleuropa und Aſien,
gibt Schaf- und Pferdefutter, in den ungeſchrotenen
Samen Kraftfutter für Mildhvieh. A. squarrosus L,.
fil. (A. muricatus Retz.), Gumpfpflanje mit febr
aromatifdem Rhizom, in Jndien, auf Réunion, Wau-
ritius, den Philippinen, Portorico, Jamaifa, in Bra-
filien. Das Rhizom wird ju WMatten, Fenſterſchirmen
(vis-aries) 2., Die beim Beſprengen nuit Waſſer einen
angenehmen Geruch verbreiten, verarbeitet, wurde als
Vetiver-, Jvarankuſawurzel, Rustus als
Stimulans und antifeptijdes Mittel benugt und jetzt
nod) von Raudern gefaut, um den Tabafgeruc zu
verdecen. Sie liefert das Betiverdl. A. Schoenanthas
L. (Sitronengras), in Ojtindien und dem trope
ſchen Wejtafrifa, liefert das Palmorojabl und Ginger:
qrasol. A. laniger Desf. (Ramelgqras), mit lang:
haarigen Spindelqliedern, von Nordafrifa bis Indien
und Libet, liefert Gingergrasdl. Es bildet mm den
Wiijten die Hauptnahrung der Ramele und wurde
alg Herba Schoenanthi aud arzneilich benutzt. A.
Nardus L. (Nardenbartgras), mit ſehr qroher
Riſpe, in Ojtindien, Malaffa, auf Ceylon, un tropr-
ſchen Ojtafrifa, liefert das Bitronelladl. A. citratas
Dc. in Ojtindien, fultiviert in Brafilien und auf
St. Thomé, liefert das Lemongrasdl. A. formosus
hort. (j. Tafel »>Grajer V«, Fig. 2), aus Mittelamenta,
mehrjabriq, bis 5 m hod, mit] m langen, 1,5 cm
breiten Blattern, wird als Zierpflanze hultwiert. Dieſe
Gräſer wurden im Altertum zum Yromatifieren des
Weins und der Tonbeder (Rhodifde Beder),
aud) zu Salben und Olen, Räucherungen beim Kul»
tus und bei Feſtgelagen und sur Bereitung von Lager
jtatten benugt. Über A. Sorghum j.Sorghum. Sg.
Grasöle.
Andropogonöl, |. Grasöle.
Andros — Wneas.
Aundros, 1) griech. Inſel, die nördlichſte und nächſt
Naxos größte der Kylladen, durch den Dorolanal von
Eubba getrennt und gleichſam deſſen Fortſetzung,
zählt auf 405 qkin (1896) 18,809 Einw., von denen
viele nach Athen oder Ronjtantinopel als Handwerfer
oder Dienftboten gehen. A. ijt auf der Weſtſeite von
einem bis 975 m hohen Gebirge (Gneis- und Glimmer-
ſchiefer) durchzogen, deſſen Tiler reid) an Frucht—
baumen und Weinreben find, und erzeugt beſonders
Seide, Bein, Oliven und Limonen; aud Schafzucht
und Vogeljagd find nicht unwidtig. — Die Inſel, deren
erjte uns befannte Bewohner Jonier waren, fandte,
frühzeitig ſtark bevilfert, ſchon 654 v. Chr. mehrere
Nolonien nad der Chalfidife aus. Nach den Perjer-
kriegen, in denen fie auf feiten der Perſer geſtanden
. hatte, trat fie Dem Attiſchen Seebund bei und wurde,
als fie von ihm abgefallen, Uthen untertan. Später
qeviet fie in mafedonijdhe, dann in pergamenijde,
endlid 133 v. Chr. in römiſche Gewalt. Nad Be-
gründung des lateiniſchen Kaiſertums erbielt fie 1207
ut Dem venezianifden Edelmann Marino Dandolo
cinen — Fürſten, deſſen Nachfolger erſt 1566 den
Türken die Inſel überlaſſen mupten. Seit 1829 ijt A.
griechiſch. — Der Hauptort A. liegt auf der Oſtküſte,
bat einen fleinen Hafen und (1889) 2030 Einw. Bal.
Hopf, Gefdichte der Inſel A. und ihrer Beberrider
von 1207 —1566 (Wien 1855, Urfunden 2c. 1856).
2)(Saint-Andrews) Die größte der Bahamainfeln
(5286 qkm), niedrig, fumprig, von feidten Waſſer⸗
arnten mehrfad quer geteilt und durd Riffe ſchwer zu⸗
gänglich, enthalt neben Mangrovegebilid große Mabha-
goni- und Riefernbeftinde. Die farbigen Bewohner
(1901: 1500) treiben Schwammfiſcherei u. Holzhandel.
Androsace L. (Mannf@ild-, Harnifd-
fraut), Gattung der Brimulageen, etwa 40 Urten
der ndrdlichen gemäßigten Zone, befonders der Alten
Welt, von verichiedenem Habitus, oft fleine, moo3-
artige Gewächſe auf Steingerdlle der Hochgebirge.
Mehrere Arten, wie A. sarmentosa Wall., A. lanugi-
nosa Wall., jind belicbte Zierpflangen auf Alpen—⸗
Androsaemum, ſ. Hypericum. [anlagen.
Androfporen (griech.), Schwärmſporen bei ge-
wiffen Wigen, aus denen mannlide Pflanzen hervor-
qeben.
Androtion griech. Hijtorifer de3 4. Jahrh., aus
then, ging, wegen Gefeswidrigfeiten ot aaa (des
Demojthenes fiir den Unflager verfakte Rede iſt nod)
vorhanden), in die Berbannung nad Megara, wo er
cine vielgeleiene Chronif Uttifas (ſ. Utthis) ſchrieb
(die Bruchitiicde bei Miller, Fragmenta historicorum
graecorum, Ud. 1, Bar. 1841).
Andronet (ipr. angbruch, Jacques, qenannt Du
Cercean, franz. Urditeft und Rupferfteder, qeb. um
1510, gejt. nad) 1584, baute dad Chor der Rirde
von Montargis, erwarb fic) aber ein größeres Ver—
dienſt Durch feine zahlreichen arditeftonifden und
funjtqewerbliden Entwürfe, Lehrbiider und Publi-
fationen mit ciqnen Stichen, von denen die über die
franzöſiſchen Schliffer und fiber antifeBaudenfmiler
Die bedeutenditen jind. YW. war Hugenott. — Sein
Sohn Baptijte A. (ca. 1555 bis ca. 1602) war feit
1578 am Bau des Louvre tätig, gab aber {pater feine
Stelle auf, weil er nicht zunt Katholizismus iibertreten
wollte. Bgl. Lübke, Geſchichte der Renaijfance in
Frankreich (2. Uufl., Stuttg. 1885); Geymüller,
Les Du Cerceau (Bar. 1887).
Andriujfowo, Dorf im ruff. Gouv. Smolenſt, in
dem zwiſchen Rußland und Polen 20. Jan. 1667 ein
Waffenjtilljtand qeidlojfen wurde, der, 1669 und
507
1674 beftitigt, den Ruffen den Beſitz des größten
Xeiles von Kleinrufland gewährleiſtete.
Andrz., bei Pflanzennamen Ubfiirzung fiir An—
ton Lufianowics Andrzejowſti, ged. 1784 in Wol-
ynien, gejt. 22. Dez. 1868 gu Stawicze im Gouv.
ew als Profeſſor der Botanif. Kruziferen.
Andſcher hohe jer), Hafen mit Fort in der nieder-
land. Refidentidhaft Bantam, an der Nordweſſſpitze
von Java und der Sundaſtraße, 3000 Cinw., Station
der nad Ojtafien fahrenden Schiffe, die hier Proviant
einnehmen und die Poſt und Retfende nad Batavia
landen. Ein Teleqraphenfabel verbindet U. mit Suma—
tra. UW. wurde durch die nad) Dem Ausbruch des Sra-
fatau 3,5 km ind Land dringende Wieereswelle 1883
a a zerſtört, aber wieder aufgebaut.
udſchuan, Inſel, ſ. Romoren.
Anduũ jar (pr. vagar), Bezirkshaupiſtadt in der ſpan.
Provinz Jaen, liegt in fruchtbarer Gegend am Gua
dalquivir, über den eine große Steinbrücke führt, und
an der Eiſenbahn von Madrid nach Cordoba, hat eine
grobe Mejje (im April) und (1900) 16,302 Einw. Yn
werden die pordjen tinernen Waſſerkrüge (Alcar—
razas) verfertigt, die man im Sommer jur Abkühlung
des Waſſers braudt. — Jn der Riihe 20. uli 1808
Niederlage der Franjofen unter Dupont und Vedel
durd die Spanier unter Caſtaños.
aE (jpr.angbiif), Stadt im franz. Depart. Gard,
Urrond. Alais, am Fue der Cevennen, am Gardon
und an der Lyoner Bahn, hat cin Handelsgerict,
Seidenraupenzudt, Fabrifation von Hiiten und
Tbpferwaren und (1901) 2846 Cinw.
ndwaranaut, nad der Edda cin verhingnis-
voller Goldring, an dem ein Fluch haftete, den fein
fritherer Befiger, der Bwerg Undwari, tiber ihn
ausgeiprodjen. Er gehörte sur Buje Otrs (ſ. d.) und
gum Scag Fafnirs (f.d.) fowie zum — —————
an ibn knuͤpfte ſich die Unerſchöpflichkeit des Schatzes.
Sigurd gibt ihn der Brunhild als Morgengabe.
Ancas, 1) berühmter Troerheld, des Anchiſes und
der Aphrodite Sohn, der ſeinem Verwandten Priamos
ſeine Dardaner zuführte, bei Homer wegen ſeiner
Frömmigleit und Weisheit von den Göttern bevor-
ugt und an Tapferteit der erſte Trojaner nad) Heftor.
abrend ihn aber die älteſte Sage zum Nachfolger
des Priamos in Troja madjte, haben ſpätere Sdrijt-
teller die Sage von ihm verjdieden ausgebildet und
mit der Gritndung von Rom verknüpft. Stefidoros
(um 600 v. Chr.) führte den A. zuerſt bis nad Heipe-
rien; in Rom war der Glaube von der trojanifden
Ubjtammung um die Zeit des erjten Bunifden Rrieges
verbreitet. Whe Gagen faßte Bergil in der »Yneides
ufammen, ſchmückte fie aus und verlieh ihnen fejte Ge-
* Hiernach übergibt W., als er Troja verloren ſieht,
die Hausgötter ſeinem Vater Anchiſes und verläßt, die—
ſen auf dem Rücken tragend, ſein Söhnlein Ascanius
führend, die brennende Stadt. Nachdem er ſein Weib
Kreuſa auf der Flucht verloren, ſammelt er tm Gebirge
die Flüchtlinge und ſegelt auf 20 Schiffen von Antan—
dros ab, zuerſt nad) Thratien, wo er Anos und Änea
griindet, dann nad Delos, Kreta und Sizilien, an
deſſen Vorgebirge Drepanum fein Vater ſtirbt. Vom
Haß der Juno verfolgt, wird er durd) Sturm nad
dent eben geqriindeten Rarthago veridlagen, wo ihn
die Königin Dido, von leidenſchaftlicher Liebe su ihm
ergriffen, umſonſt zurückzuhalten fudt. Sie gibt fid
den Zod, als VW. auf den Befehl Jupiters entflieht.
Uber erjt nad) fiebenjihriger Irrfahrt erreidt er
Italien. Hier bietet ihm der König Latinus von Lau-
rentum ſeine Todter Lavinia zur Gemabhlin, aber
508 Aneasratte — Anemometer.
deren Mutter wideritrebt auf Unjtiften der Juno und | General Wugereau, dem Rommandanten von Verona,
reizt Den Rutulerfonig Turnus, den fie zu —* Eidam zum Sekretär ernannt. Nachdem er längere Zeit aus
beſtimmt hatte, zum Kampfe wider die Fremdlinge. politiſchen Gründen im Gefängnis zugebracht, erhielt
A. findet Zuflucht bei Coander am Palatiniſchen Berg er 1802 den Lehrſtuhl der Geſchichte am Collegio zu
und erlegt unter den Wauern von Lavinium, am | Brescia und 1809 den der geridjtliden Beredjamfert
Fluß Numicius den mit dem Rebenbubler verbiin- | an der Rechtsſchule ju Mailand. Unter feinen Did-
deten Etrusfer Mezentius und endlich jenen felbjt. | tungen haben befonders die »Cronache di Pindo«
Damit ſchließt die Aneide. Weiter wird erzählt, daß (Mail. 1811), eine Urt ſatiriſches Gemälde der alten
VW. nad) der Schlacht nicht mehr gejehen und nadber | und neuen Literatur, Aufſehen erregt.
in einem Hain und Tempel anjenem Fluß alsStamm- | Anemochoörd (qriech.), foviel wie pneumatiſches
gott (Jupiter indiges) verehrt wurde. Sein Gobn | Saiteninftrument, war ein — Verſuch des
von der Kreuſa, Ascanius (aud) Julus genannt und | Pianofortefabrifanten Schnell in Paris (1789), mit⸗
daher Stammvater de3 rimifden Gefdledts der Yue | tels künſtlich (Durch Bälge) erzeugten Windes den
licr), griindete Alba ee ({.d.). Bgl. Klauſen, | Ejfett der Wolsharfe auf einem pianoforteartigen In—
A. und die Penaten (Hamb. 1839—40, 2 Bde.); iiber | ftrument hervorgubringen. Die Adee wurde jpater
die Entwidelung der mit Dem Kult der Uphrodite | von Kallbrenner und aud) von Henri Herz wieder
Aineias (einer Meergöttin) in Zuſammenhang jtehen- | aufgenommen, der fein 1851 fonjtruiertes Derartiges
den Gage namentlid Schwegler, Römiſche Ge- | Inſirument Piano éolien (Äoltlavier) nannte.
fchichte, Bo. 1, S. 279 — 336 (Stuttg. 1853); ferner| Wnemograph, ſ. Anemometer.
©. Wörner, Die Sage von den Wanderungen des Anemologie (qricd., »Windlehre«, aud Ane—
YW. bei Dionyfios von Halifarnajjos und Vergilius | mograpbie), die Lehre vom Winde.
(Leipz. 1882); Förſtemann, Sur Geididte des nemometer (qried., »>Windmejjer<), Inſtru⸗
Aneasmythus (Magdeb. 1894). ment —— der Stiirfe oder Geſchwindigkeit
2)W., der Taltifer, der älteſte qried). Kriegsſchrift· des Windes. Bei der Wildf den Windfah ne(Fig.
jteller, verfakte um 360 v. Chr. neben andern kriegs⸗ dreht ſich oberhalh der cigentliden Windfabne cine
wiſſenſchaftlichen Werfen das erhaltene Bud Son ;
der Belagerungstunjt«, deffen Hauptiwert auf den dig. 1. ate.
zahlreichen hiſtoriſchen Beifpiclen beruht (hrsg. von
Richly und Riljtow in » Griedhifdhe Kriegsſchriftſteller ⸗
Bd. 1, Leips. 1853, mit Überſetzung von Herder,
Berl. 1870; von Hug, Leip3. 1874). Val. Hug, A
von Stymphalos (Leip;. 1877).
Unéasratte , j. Beutelratte.
Mnéas Silvins Piccolomini, ſ. Pius IT.
Anegada, cine der britijch-wejtind. —*5
inſeln (ſ. d.) 35 qkm, niedrig, von gefährlichen Riffen
unigeben, mit 200 Einw., die außer Wrackbergen
etwas Baumwollbau und Biehzucht treiben.
Auegenge, altdeutſches Wort, deriv Mit |
Diefem Titel beseidnet man das Ezzolied (ſ. d.) fowie
cin umfänglicheres Gedicht von Schipfung, Siinden-
jail und Erldjung, das cin öſterreichiſcher Geiſtlicher
win 1180 verfapt bat (hr8g. von Hahn: » Gedichte des
12. und 13. Sabrbunderts<, Quedlinb. 1860). Bal.
©. Schröder, Das A. (Strakb. 1881); Teuber, m
den »Beiträgen sur Geſchichte der deutiden Sprade
und Literatur⸗, Bd. 24, S. 247 (1899).
Aneho, |. Llein- Popo.
tincide (Aneis), Epos des römiſchen Didters —
Vergilius (ſ. d.) von den Taten des Äneas (ſ. d. 1). =
neFdoton (Mehrzahl: Anekdota, qried).), ur— rit
fpriinglid) eine nod) ⸗nicht herandgegebenee , daher ub
nidjt befannt gewordene Schrift; nad) Erfindung der — r
Buchdruckerkunſt Bezeichnung fiir alte, jum — —— Ree
durch den Druck veröffentlichte Schriften. ⸗Aneldota« ſenkrecht herabhängende Blechplatte mit der Wind-
betitelte Prolopios im Gegenſatze zu ſeiner offiziellen fahne und ſteht daher ſtets ſenkrecht gegen die Richtung
Geſchichte der Regierung Juſtinians feine die dort des Windes. Aus der Neigung der oben um eine ho—
verſchwiegenen ſtandalöſen Vorfälle am Hof enthal- rizontale Achſe drehbaren Platte, die an einem geieil⸗
tende Geheimgeſchichte; daher kommt das vulgäre ten Gradbogen abgeleſen werden kann, lift ſich die
Uneldote in dem Sinn einer intereſſanten Einzelheit Stärte des Windes beurteilen. Genauere Angaben gibt
fiber hiſtoriſche Perſonen und überhaupt eines über-⸗ das Robinſonſche Schalenkreuz-A. (Fig. M.
raſchenden Geſchichtchens. Am obern Ende einer vertilalen, leicht beweglichen
Anuelektriſch griech. heißen Körper, die wie die | Achſe befindet ſich cin horizontales Kreuz, und an
Metalle beim Reiben ohne iſolierende Handhabe nicht | den Enden der vier Arme find vier hohle Halbfuqen
te
eleftrifd) werden. aus dünnem Blech in der Art befejtigt, dak ibre Dff⸗
Aneleftrotonns (qried.), ſ. Cleftrotonus. nungen, im Kreife herumgehend, nad derjelben Seite
Anelli, Ungelo, ital. Dichter und Gelehrter, ged. gerichtet find. Bei bewegter Luft wird das Sdalen-
1761 in Deſenzano, gejt. 1820 in Mailand, ftudterte | freuy in Rotation verſetzt; die Anzahl der Umdrehun-
Rechtswiſſenſchaft in Padua und wurde ſpäter vom | gen fann an einem Seiger, der durch cin Uhrwerk mit
Anemone —
dem Schalenkreuz in Verbindung fteht, abgelejen wer-
den. Cin A. das in gewiſſen Zeitintervallen die Rid-
tung des Windes ſowie die Anzahl der gemadten Um-
drehungen felbjt aufzcidmet, wird Unemograph
— S. Meteorologiſche Regiſtrierapparate. Vgl.
bbe, Treatise on meteorological apparatus and
methods (Wajhington 1888); Warvin, Anemo-
metry (2. Aufl., daſ. 1900). Uber A. zur Meffung
der Lujtitrdmung in Sdorniteinen und Bergwerfen
ſ. Zugmeſſer.
Anemone JL, (Windröschen, Bindblume),
Gattung der Ranunkulazeen, Stauden, felten niedrige
Sträucher mit handfirmig, ſelten fiedrig gelappten
Blättern, meijt einbliitigen Stengel und einſamigen
Früchtchen. Die meijten der 9O Urten gehören der
ndrdliden gemäßigten Zone an und gehen 3. T. bis
in die arftijden Gegenden hinauf, wenige wachſen in
Giidamerifa und Siidafrifa. A. coronaria L. (Gar—
tenanemone, f. Tafel »Zimmerpflanjen I<), in
Sitdeuropa und dem Orient, mit großen dunfelroten,
blauen oder weißen Blüten, wird in zahlreichen Varie⸗
titer, namentlid) in Holland, al Rierpflange fulti-
viert. Der Wuryzeljtod wird nad dem Berbliihen
Herausgenommen und bis zum Frithjabr trocen auf-
bewahrt. Ebenfalls als Bierpflangen find geſchätzt:
A. japonica Sieb. (ſ. Tafel » Zierpflangen II«, Fig.6),
mit rofa und weißen (Honorine Jobert) Blüten; A.
hortensis L. (Sternanemone), in der Schweij,
IAtrien, Fiume, Italien; A. fulgens Gay, mit ſchar⸗
lachroten Bliiten, im Mittelmeergebiet; A. pavonina
L. (Bfauenanemone), aus Südfrankreich, mit
roper, aus 10—12 lanjettfirmigen, febr ſpitzen,
chmalen, feuriq farminroten Blattern beftehender
Blume; A. silvestris L. (Waldanemone), in Eu—
ropa und Nordafien, nit weiken Bliiten. A. nemo-
rosa L. (Waldrdosden, Aprilblume, weike
Ojterblume) bliiht bei uns in Laubwäldern im
Srithjahr. Blatter und Blumen fdmecen brennend
und erzeugen auf der Haut Blajen und Geſchwüre,
innerlid Viagen- und Darmentgiindungen. Sie ent-
halten fliidtiqes Unemonin (Bulfatillenfamp-
fer C,H,O,. Died bildet farblofe Prismen, ijt ge—
ruchlos, faſt geſchmacklos und löſt fid) wenig in fal-
tem Waffer und Wifohol ; nad dem Schmelzen ſchmeckt
es höchſt brennend pfefferartiqg und bewirft anhal-
tende Taubheit der Bunge. Mit dem brennend fdar-
fen Gaft von A. ranunculoides L. (qelbe Ojter-
blume), mit gelben Bliiten, follen biestamt{dhabalen
ibre Pfeile fiir die Robbenjagd vergiften.
Anemonin, |. Anemone.
Anemophilae, j. Tees cca
MAnemoffop (qried.), Wind- oder Wetterfahne.
MAnemotropismus (Win dwendigteit), diebe-
ſtimmte Körperſtellung, die flieqende Tiere, nament-
lid) Jnfeften, dem Winde gegenitber cinnehmen. Bei
vielen Inſekten beobadtet man, daß fie fich beim Fluge
egen den Wind einſtellen. Dieſe Stellung bringt
fi die Flieger im allgemeinen den Vorteil, daß der
Winddrud nun gleichmäßig (ymmetriſch) auf beide
Körperhälften und Flugorgane verteilt wird und
durd) die fymmetrifden und foordinierten Vewegun-
gen der Gliedmaßen am leidtejten in diefer Stellung
berwunden werden fann. Kräftigere Flieger, 3. B.
Vagel, vermigen leicht die Hinderniffe, die Der Wind
dem Fluge bereitet, gu iiberwinden, und der A., der
fic) am meiſten bei ſchwachen Fliegern zeigt, tritt bei
+ weniger hervor, auger beim Auffliegen vom
oden, das meijt gegen den Wind ſtattfindet. Cigent-
lich ijt Der UW. mur em befonderer Fall der Strom—
509
wendigfeit (Rheotropismus), die aud) viele
Hilde gu beftimmten Zeiten zeigen, wenn fie anbal-
tend ftromaufwarts ſchwimmen.
Anepigrapha (griech.), unbetitelte Schriflen; an⸗
epigraphiſch, ohne Aufſchrift (auch von Münzen,
ſ. Epigraphiſche Seite).
Anerbenredt (Grunderbredt), diejenige Ord⸗
nung in der Vererbung land- und forſtwirtſchaftlich
benugter Grundjtiide, bei der eine Beſitzung ungeteilt
auf einen Erben (den Unerben, Grunderben, r⸗
feſten, Vorzugserben) unter mehreren gleich nahen
übergeht. Die Geſchwiſter hatten nach älterm Recht
nur ein Erbrecht an dem übrigen Nachlaß oder auf
cine Abfindung. Bei Bauerngiitern des Mittelalters
im Intereſſe Der Gutsherren eingeführt, um leijtungs-
fähige Beſitzungen gu erhalten, und durd) Recht und
Sitte feltg lten, wurde das A. Unfang des vorigen
Jahrhunderts durd) die Ugrargefesqebung in vielen
Ländern befeitigt, in Der neuern Zeit jedoch mit ver-
fdhiedenen WUbanderungen in mehreren Landern wie-
der cingefiihrt. Bal. Höferecht.
Anerio, 1) Felice (aud Felice Romano ge
nannt), ital. Romponijt der römiſchen Schule, geb.
1560 in Rom, gejt. dajelbjt 1630, Schüler von G.
M. Nanini, wurde 1594 Nachfolger —— als
Komponiſt der pipjtliden Kapelle. Seine ¢ ſtehen
denen Palejtrinas an Gediegenheit des Gages und
weihevoller Stimmung nidt nad. Im erſchie⸗
nen zwei Bücher 5 — 8ſtimmiger Hymni et cantica,
ein Bud) fiinfitimmiger Madrigali spirituali, ein
Bud vierjtimmiger Reſponſorien, je ein Bud) fiinf-
und ſechsſtimmiger Madrigalen und ein Bud) vier-
jtimmiger Rangonetten. Andres ijt in Sammelwerken
verjtreut, und vicle Meffen, Motetten u. a. find hand-
ſchriftlich erhalten (cingelne in neuern Sammelwerken
gedrudt). — Wahricdeinlid) cin Bruder von ihm ijt:
2) Francesco Giovanni A. geb. 1567 in Rom,
ejt. Dafelbjt um 1620, 1608 Rapellmeijter am polni-
den Hof, 1610 Domfapellmeifter zu Verona, feit 1611
in Rom (am Jeſuitenſtift, fpaiter an Ganta Maria di
Monti). Auch er gehört zu den hervorragendjten Ver⸗
tretern Der rimifden Sdule (Meſſen, Wotetten u. a.
bis gu acht Stimmen, — x.). Beruhnit
wurde feine vierſtimmige Bearbeitung von Paleſtri⸗
nas »Musica papae Marcelli«.
UAnerfaunter Verein (abgekürzt A. B.), in
Bayern foviel wie rechtsfähiger Verein (mit dem Rechte
der jurijtifden Perſon).
Anerfenntuis im Zivilprozeß, im G i u
dem nur auf einzelne Tatſachen bestiglichen eftan , ⸗
nis (j. d.) die Einräumung des gegneriſchen Unjpru-
ded als ſolchen. Nad) der deutiden Zivilprozeßord
nung (§ 807 und 708, Ziff. 1) hat das W. regelmäßig
die Wirtung, daß die bet der mündlichen Verhandlun
den geqnerifden Anſpruch anerfennende Partei a
Untrag des Gegners fofort ihrem VW. gemäß verurteilt .
und died Urteil fiir vorläufig volljtredbar (j. Rwangs-
volljtredung) erfldirt wird. Qn Eheſachen und in
Entmündigungsſachen fowie bei Streitigfeiten, die
cine Fejtitellung des Rechtsverhialtniffes zwiſchen Et-
tern und Kindern jum Gegenjtand haben, hat dad A.
nad § 617, 640, 641, 670, 684 und 686 Die erwähnte.
Wirkung nicht, ebenſo nidt im Strafprozeß. Die
—— Zivilprozeßordnung kennt ebenfalls das
Anerkenntnisurteil (§ 395). S. aud) Anerkennung.
Anerfenntnisurteil , ſ. Anerlenntnis.
Anerfennung (Anerkenntnis), die bejahende
Erklärung über die Wirklichleit, Wahrheit und Iden—
tität einer Perſon oder Sache oder eines Verhältniſſes,
Anerkennung.
510
vorzüglich infofern die eigne Mitwirfung dabei in
Frage geftellt ijt; 3. B. W. eines Rindes, einer Ur—
funde, Anteciehcift ꝛc., befonders aud) bas Zugeſtänd⸗
nis eines fremden Rechts oder faltifden Zuſtandes (ſ.
YUnerfenntnis). Im biirgerliden Recht verjteht man
unter UW. vor allem bie Erfldrung, einen Anſpruch
nicht bejtreiten ju wollen, und man fpridjt von einem
befondern Unerfennungsvertrag, wenn die A.
dem Geqner gegeniiber gu dem Swed erfolgt, damit
Diefer fie Dem Ynerfennenden gegeniiber geltend ma-
chen und gebrauden finne. Fede U. aber enthilt ein
Leijftungsverfpreden und ijt als ſolches, auch wenn
c3 ein abjtraftes ijt, d. b. feinen Verpflichtungs—
grund angibt, rechtsverbindlich, da zur Gültigleit eines
Schuldanerkenntniſſes, auger wenn e3 auf Grund
einer Ubrednung oder im Wege des Vergleichs erteilt
wird, oder wenn es auf feiten ded uldners cin
Handelsgeſchäft und der Schuldner Vollfaufmann ijt
Handelsgeſetzbuch, § 350, 351), eingig ſchriftliche Er-
teilung der Unerfennungserflirung und, falls fiir die
Vegriindung des Sdnuldverhiiltnife, deſſen Bejtehen
anerfannt wird, eine andre Form vorgeſchrieben ijt,
dieſe Form erforderlid) ijt (Bürgerliches Geſetzbuch,
$781, 782). Bon befonderer Bedeutung ift die A. bei
der Verjährung ciner Schuld. Ertennt der Schuldner
ndmlidy dem Glaubiger geqenitber, wenn aud nur
durch fonfludente Handlungen, wie ——
Sicherheitsleiſtung ꝛc., eine Schuld an, fo wird hier-
durd die Verjährung unterbroden (§ 208 de3 Biirger-
lichen Geſetzbuchs), ebenſo wird eine bereits verjährte
und dadurch klagloſe Schuld durd A. wieder klagbar.
Nicht aber wird ein Rechtsgeſchäft, das gegen cin geſetz⸗
liches Verbot oder gegen die quten Sitten verſtößt und
deshalb nichtig tit, Durd A. flaqbar. So ijt beifpiels-
halber die U. eines ungültigen Börſentermingeſchäfts
rechtlich völlig belanglos (§ 66, 68 des Börſengeſetzes
vom 22. Juni 1896). Sodann fennt das Bürgerliche
Wefesbud) aud) nod) cin dffentlid) beqlaubiqtes An—
erfenntnis (Bitrgerliches Gefepbuch, § 371). Beharuptet
nämlich ein Gliubiger, er fei nicht mehr int Beſitz des
Schuldicheines, fo fann der Schuldner nad Bezahlung
der Schuld außer der Quittung an Stelle des verloren
aeqangenen Schuldſcheines cine Sffentlicd) beglaubigte
YW. dariiber verlangen, dak die Sdhuld erlojdjen fei.
VU. Des Urteils eines auslaindifd@en Ge-
richts nennt die deutſche Zivilprozeßordnung (§ 328
und 722, 723) die Wirkſamkeit derartiqer Urteile im
Gebiete des Deutſchen Reides. Diefe A., die qrund-
japlich allen austindifden Urteilen gufommt, aber
nad) § 328 in einer Reihe von Fallen ausgeſchloſſen ijt,
bildet (nad) § 723) eine Vorausſetzung fiir die Voll—
itredbarerflirung derartiger Urtetle (ſ. Urteile aus-
ländiſcher Geridjte). Im Völkerrecht ift die A. na—
mentlich dann von Wichtigkeit, wenn es ſich um ein
beſtrittenes Recht einer Nation, um eine Schuldforde⸗
rung u. dgl. handelt, weil hier im Streit bet dem
Mangel cines entſcheidenden ridjterlicjen Urteils nach
erfolgter A. die Motive der Ehre und die dffentlidjen
Intereſſen und Riidjichten für die Erfüllung der Ber: |
bindlichleit wirlen. Bon nod) höherer Bedeutung ijt
Die A. Der völlerrechtlichen Exiſtenz oder Souveränität
des Staates überhaupt, einer neugebildeten Regie—
rungsgewalt oder eines neuen Titels. Erſtere kommt
beſonders dann in Frage, wenn ſich ein Teil eines
Staates abtrennt, um ein ſelbſtändiges Gemeinweſen
zu bilden, oder wenn mehrere bisher ſelbſtändige Ge—
biete zu Einem Staatsweſen ſich vereinigen. Die A. iſt
hier allerdings weder Grind nod) Bedingung der Sou⸗
verdinitat des anerlannten Staates; denn der Staat ſoll
Anerkennung der Vaterſchaft — Anethol.
bereits als eine ſouveräne Perſönlichkeit daſtehen, be-
vor er auf A. Anſpruch macht. Der pofitive Inhalt
der A. bejteht vielmehr Darin, daf man den anzuer⸗
fermenden Staat al’ cine fonftituierte vilferrechtliche
Perſönlichkeit betradtet, und da man cinen völker⸗
rechtliden Berfehr mit ibm fiir möglich halt und an-
fniipft. Große Nationen pflegen eine allgemeine A. für
ihre Staatsummalzungen viel leidter ju erlangen als
fleinere. Befonders fdwierig, weil oft nur nad Griin-
den der Zweckmäßigleit su entfdeiden, ijt Die Frage, ob
und wann Die A. etntreten Darf, wenn cin Teil cines
Staates fic) von dieſem losreift, oder wenn zwei Var⸗
teien in einem Land um die Herrſchaft fimpfen. Ein
weckmäßiges Unstunftsmittel fiir die Ubergangszeit
ift folden falls die Entfendung von Ddiplomatiiden
Ygenten ohne gefandtidaftlidjen Charafter; dod iit
hierbei Vorſicht geboten. Die A. erfolgt entweder in
formlicder Weiſe oder nur tatſächlich, legteres 3. B. durch
Abſchluß cines Vertrags mit dem neuen Staatswejen ;
fie fann unbedingt erfldrt oder von der Erfiillung be-
ſtimmiter —— abhängig gemacht werden.
Anerkennung Vaterſchaft, ſ. Vaterſchaft.
Aneroidbarometer, ſ. Barometer.
Aneroĩdthermoſkop, cin Luftthermometer, bei
dem die fid) ausdehnende Luft auf cin Federmano-
Anervie , ſ. Uneurie. meter wirtt.
Anerythropfie (qried).), ſ. Farbenblindbeit.
Mnefidemos, flept. Bhilofoph, aus Knoſſos auf
der Inſel Kreta gebiirtiq, Schüler des Herafleides,
lehrte 3u Wlerandria wahrſcheinlich zwiſchen 8O und
60 v. Chr. Er fudhte die in Der Natur der Dinge felbjt
riindete Unmiglidfeit, etwas mit Sicherheit zu
ennen, darzutun; Dod) nahm er nidt den rein ſtep—
tijden Standpuntt ein, fondern niiberte fich, man wer
freilid) nidjt wie weit, Der Heraflitijden Lehre. Dre
get Urten (Tropen), den Zweifel gu begriinden, die
den älteſten Steptifern üblich waren, ſcheinen bei
ibm zuerſt vorgefommen ju fein. Des A. Schriften
find verloren gegangen. Bgl. Saiffet, Le scepti-
cisme. Anésidéme, Pascal, Kant (2. Aufl., Var.
1867). — Den Namen W. braudte G. E Schulze
(f. d.) zum Titel einer Schrift (Helmft. 1792), in der
er Rants »Sritif« mit fleptifden Argumenten angriif.
Anefie (griech.), das Nachlaſſen, Schwächerwerden.
Anethan (pr. an'ting), Jules Joſeph, Barond,
belg. Staatsmann, geb. 23. April 1803, geſt. 8. Ott.
1888, trat 1824 in Den Juſtizdienſt, ward 1836 Ge
neraladvofat am Briiffeler Appellationsgericht und
war 1843 — 47 Juftizminijter. Wis Mitglied der De
putiertenfanuner (fet 1844), bez. des Senats (Fert
1849) zur flerifalen Bartei gehörig, ward er nad de
ren Sieg im Juni 1870 Miniſter des Muswartiqen
und Prafident des Rabinetts, mute aber ſchon nak
18 Monaten infolge des Zwifdenfalls Langrand Duy
monceau (f. d.) femme Entlaffung nehmen. 1872-78
und 1884 —85 war er Senatspriifident. Seine Sto
graphie ſchrieb L. Blettind (Brilff. 1899). Sein
Sohn, Baron Uuquite d'., ijt feit 1894 beigtider
Gejandter in Baris.
Anethol (Ulyiphenolmethylather) C,H,
oder CH,O.C,H,.CH.CH.CH, findet fich in den athe
riſchen Olen des Unis, Fencheis, Sternanis und wird
durch Brejjen des in der Kälte frijtallijierten Antsdte
und Umfrijtallifieren aus Allohol qewonnen. Es dil
det farbloje Blattden, riedht ftarf nad) Unis, tit wenig
löslich in Waſſer, miſchbar mit Ulfohol und Ather,
ſchmilzt Bei 21°, fiedet bei 233°, gibt bei Orydation
Wnisaldehyd CHO, und Anisſäure CLH,O,. Es it
als Oleum Anisi offizinell.
Anethou —
Anethow (pr. -ta), Berg, ſ. Néthou.
Anéthum L. (Dill, Gurfenfraut), Gattung
der Umbelliferen, einjährige Kräuter mit drei- und
vierfad) fiederteiligen Biattern, ſchmal linealen Zip⸗
feln und groken, vieljtrahligen Dolden mit gelben
Blüten. wei Arten im indiſch-orientaliſchen Gebiet.
A. graveolens L. (Gartendill, Riimmerlings-
traut), 0,6—1,25 m bod, mit ovalen, 4 mm langen
Früchten mit breitem, flachem Rande, in Indien und
Perjien, vielleicdht aud in Ugypten und den Raulajus-
lanbdern heimiſch, durch Kultur weitverbreitet, aud
verwildert. Man benugt Bliiten, Samendolden und
die qriinen PBflanjenteile beim Cinmaden von Gur-
fen und Weißlohl. Die Dillfamen riechen und
ſchmecken —“ und enthalten ein blaßgelbes
ätheriſches Ol von ſüßlichbrennendem Geſchmack, 0,895
ſpez. Gew. (Hauptbeſtandteil Carvon wie im Kümmel⸗
öl), das, wie die Samen, als diuretiſches Mittel ge—
braucht wird. Sowadill (A. sowa Roxbd.), in Ben-
galen, dejjen Friidte in Ojtindien und Japan benugt
werden, ijt vielleidht eine Varietät des vorigen. Das
ojtindijcde Dillöl hat das ſpez. Gew. 0,948—-0,970 und
enthalt Dillapiol C,,H,,O,.
Aneurie (Anervie, gried.), Mangel an Nerv
oder an Spanntfraft; ——
Aneurin, cin Held und gefeierter Barde der Kym—
ren (Relten) in Wales, der in der Schlacht bei Cat-
tracth die Angelſachſen beſiegte, ſtarb um 570. Sein
Lied zur Verherrlichung jenes Sieges iſt noch vor—
handen.
Aneurg oma (griech, Pulsadergeſchwulſt),
ſackartige Erweiterung einer Pulsader. Das wahre
W. (A. verum) eine fadfirmige Erweiterung des Ar—
terienrobrs (Arterieltaſie), läßt anfangs, wie dieſes,
drei Wandjdidten unterjdeiden; ſpäter wächſt der
Sad weiter, wird mitunter fo groß wie ein Kindsfopf |
(Uortenaneurysma) und bejteht dann nur aus einer
Derben fibrdjen Hiille, fliijfige und geronnene Blut: |
majjen enthaltend. Das falfde A. (A. spurium)
entiteht Durd) vollftindige oder unvollſtändige Zer—
reijung Der Yrterienwand, wobei das austretende Blut
ſich in Der Wand jelbjt oder in der Umgebung eine
Höhle wiihlt, die prall mit Blut gefiillt ijt. Liegt ein
A. der äußern Unterfudung zugänglich, fo ſtellt es
ſich als pulſierende Geſchwulſt dar, die wegen ihres
Zuſammenhanges mit einer (größern) Arterie ſehr
gefährliche Blutungen bedingen lann. Die Behand—
Lung der äußern Aneurysmen bezweckt die Verödung
des Sackes oder die völlige Entfernung desſelben. Fiihrt
Kompreſſion nicht zum Ziel, fo unterbindet man die
Arterie dicht oberhalb des U. Der Aneurysmaſack fintt
dann zuſammen und verddet durch Gerinnung ded in
ihm enthaltenen Blutes. Die Gerinnung wird befir-
dert durch Eleftropunttur oder Einſpritzen von Eiſen—
dlorid. Das A. cirsoideum, ein Konvolut jtart
erwweiterter und gefdlingelter Urterien, kommt vor-
zugsweiſe am Hinterhaupt, in der Schläfen⸗ und Sdei-
telgegend vor und jtellt cine flade, puljierende Ge-
ſchwulſt dar, die fid) durch die Haut fo anfiihlt, als
befänden jid) cine Menge von Regenwiirmern in der-
felben. Es entjteht mandmal durd Sdlag, Stoß ꝛc.
und entiwidelt ſich befonders bei jugendlidjen Yndivi-
Duen. Der Varix aneurysmaticus iſt eine Geſchwulſt,
Die Durd) den Ubergang des arteriellen Blutes in eine
Bene, und zwar gewoͤhnlich durd die Veriwundung
mit einem ſpitzen ———— entſteht, das die Vene
durchbohrt hat und bis in eine nahe dabeiliegende Wr-
terie borgedrungen ijt. Bgl. Neudirfer, Entitehung
und Behandlung der Aneurismen (Wien 1894).
Anfechtung. 511
Anfahren, im Bergweſen ſich in cine Grube be—
eben, auch das Erreicden oder Angreifen von Lager:
tätten nupbarer WMineralien. S. auch Birjden.
Anfall, |. Erbredt.
Anfallen, vom Hund, wenn er cine Fährte an-
nimmt und verfolgen will.
Anfanger, |. Gewölbe.
Aufangsgeſchwindigkeit der Geſchoſſe, |.
—
ufechtbarkeit, die Eigenſchaft einer Handlung
oder Entſcheidung, zufolge deren ſie durch gerichtliches
Urteil ihrer Wirkſamkeit ganz oder teilweiſe entkleidet
wird. Bal. Anfechtung und Nichtigkeit.
Anfedhtung, im weitern Sinn in der Rechtsſprache
jeder durch Anrufung des Gerichts erfolgende Angriff
egen die ee einer Redtshandlung oder emer
ntjdeidung. Unter UW. im eigentliden Sinn verſteht
man (unter Ausſcheidung jener Fille, in denen eine
Rechtshandlung nidtig ijt) nur den Fall, in dem aus
auferhalb der Redtshandilung lieqenden Griinden
die Ungültigkeit der an fic) gültigen Redtshand-
lung (3. B. A. eines Geſchäfts gin Betrugs oder
Bwanges) herbeigefiihrt wird. (S. Nichtigkeit und Un-
—— ferner bezüglich der A. wegen offenbarer
nbilligkeit ſ. Arbitrator.) Cine beſondere Art der
A., von Der in der Konkursordnung (§ 29-—42) und
in Dem Reichsgeſetz vom 21. Juli 1879, betreffend die
Redishandlungen eines Schuldners, qehandelt wird,
richtet fid) gegen die Benadteiliqung oder Ver-
kürzung der Glaubiger, dienad gemeinem Redte
den Gegenjtand der Paulianifden Klage (actio Pau-
liana) bildeten. Cine erfolgreide A. diejer Art, dic
aud) gewiſſen Redtsnadfolgern des Empfingers ge—
qenilber geftattet ijt, fiibrt nur dazu, dak Der ange-
fodtenen Handlung ihre Wirkfamfeit gegenüber den
Ronfursqliubigern oder den anfedtenden Gläubigern
verjagt und der Unfedhtungsbeflagte sur Rückgewähr
deſſen verpflidtet wird, was durch die angefodtenc
Handlung aus dem Vermögen des Schuldners ver:
äußert oder weggegeben oder aufgeqeben worden ijt.
Im iibrigen wird die Giiltigfeit der angefodtenen
Handlung durd) cine erfolgreiche A. dieſer Art nicht
beriihrt. Die erwähnte A., zu Der im Konkursverfah—
ren nur der Konkursverwalter beredtigt ijt, fann nidt
blo durch Klage, fondern aud) mittels Cinrede er-
folgen. Die Unfedjtungsgriinde find in den beiden
Geſetzen nicht gang in derjelben Weiſe geregelt. Am
Ronfursverfahren wie auferhalb desfelben ijt die A.
ejtattet: 1) wenn der Schuldner in der Ubjidt, feine
liubiger gu benadteiligen, qebandelt und der Er:
werber von dieſer Abſicht Nenntnis qehabt hat, was
in gewiſſen Fallen bis gum Beweiſe des Gegenteils
angunehmen ijt; 2) wenn der Schuldner in den letzten
Jahren vor der Ronfurserdffnung oder vor der Gel-
tendmachung de3 Unfechtungsan}pruds eine unent:
geltlide Verfiigung vorgenommen hat. Im Konkurs⸗
verfabren unterliegen auferdem der A. Handlungen,
die nad dem Wntrag auf Konkurseröffnung oder nad)
der Zahlungseinjtellung (ſ. d.) oder Dod) furze Heit
vorher erfolgten, und bezüglich Deren anzunehmen tit,
daß Der Erwerber von den erwahnten Tatſachen oder
von einer Begünſtigungsabſicht des Schuldners Rennt-
nis hatte. Dadurd, dap fiir die anfechtbare Handlung
ein volljtredbarer Schuldtitel erlangt war, oder fie
durd cine Bwangsvolljtredung oder durch Arreſt er—
wirft worden ijt, wird die A. nicht ausgeſchloſſen.
In Ojterreid hat cin Gejes vom 16. März 1884
die A. wegen Verkürzung der Glaubiger in ähnlicher
Weiſe geregelt, wie es im Deutiden Reidje geſchehen
512
ijt. Bal. Cofad, Das Anfechtungsrecht der Gläubiger
Stuttg. 1884); Hartmann, Geſetz, beireffend U. von
echtshandlungen (4. Aufl. Berl. 1892); Fadel, Die
A. von Redhtshandlungen zahlungsunfähiger Schuld⸗
ner außerhalb des Konkurſes (2. Aufl., daſ. 1889);
Luks, Das Anfechtungsgeſetz vom 21. Juli 1879 und
die § 22 ff. Der Ronfursordnung, erläutert durch die
Entideidungen des Reichsqeridts (2. Wufl., daf. 1902) ;
Krasnopolffi, Das Anfechtungsrecht der Gläubi—
ger nad) djterreidifchem Recht (Wien 1889).
Anfechtungsanſpruch
Anfechtungsgrund } f- Anfechtung.
Unfedhtungsflage, die Klage, mit der cine An—
fedjtung (ſ. d.) geitend gemadt wird. Die A. fann ſich
unter anderm aud) gegen das im Aufgebotsverfahren
(j.d.) erlajjene Ausjalugurteil oder gegen den die Ent-
miindigung (f. d.) ausſprechenden Beſchluß ridten.
Anfecdhtungsfdrift(S mpugnations{ drift),
im friibern Zivilprozeß die Cingabe, in welder der
Beweisgegner feine Rritif der Beweisfiihrung der
Wegqenpartei vortrug (j. Beweisverfahren).
nfendtmafdine, ſ. Cinfprengmafdine.
Anfenerung, in der Feucrwerferei cine breiartige
Miſchung von Mehlpulver mit Rornbranntiwein ; an-
feuern, Gegenſtände mit UW. beftreicen.
Anflug, Holznachwuchs aus abgeflogenem, geflil-
geltem, leichtem Sams (vql. bial | und Gamen-
ſchlagbetrieb). A. bei Mineralien , ſ. Ungeflogen.
Anfoffi, Pasquale, ital. Opernfomponijt, ged.
£5. Upril 1727 in Taggia (Neapel), gejt. im Februar
1797 in Rom, Schiller Biccnis, erzielte 1773 in Rom
mit »L’incognita perseguitata« feinen erjten durch⸗
fdjlagenden Erfolg, ging 1780 nad) Karis, dirigierte
1781— 83 Die italienijde Oper in London, bradte
dann in Berlin und Prag Opern zur Aufführung
umd ging 1784 nad Stalien zurück. 1792 wurde er
in Rom Rapellmeijter der Lateranfirde. Ym ganjen
ſchrieb A. 73 Opern, die gum Teil febr beliebt wurden.
Bu den belanntejten gebdren nod) »Il geloso in ci-
mento+ (1774) u. »I viaggiatori felici< (1780). Auch
X ute geiſtliche Kompoſitionen hat A. geſchrieben.
nführen (zitieren) einzelner Stellen eines
Schriftwertes, ſ. Zitat.
Auführungszeichen (Gänſefüßchen, Haſen—
öhrchen, franz. Guillemets, engl. Inverted com-
mas), Hilden oder Siridelden, womit man Zi—
— Buchtitel ꝛc. in der Schrift fenngeidnet (>—«
oder ,, --**).
Angang (alid. aneganc), der im Ultertum und
WMittelalter verbreitete Uberglaube, daß Tier, Menſch
oder Sadje, die man morgens beim erjten Ausgang
uneriwartet trifft, oder die einem fiber Den Weg flie-
qen oder laufen, Heil oder Unbeil verfiinden und zur
—— oder zum —— des Begonnenen
mahnen. Noch heute gilt vielen die Begegnung einer
ſchwarzen Katze, eines Haſen, Prieſters, Kranken oder
Leichenzuges, den Jägern vornehmlich die einer alten
Frau für unheilvoll, die von Schweinen, Wölfen,
Schafen fiir günſtig.
Angara, Nebenfluß des Jeniſſei in Sibirien, ent-
nord. Br. und 114° 10’ öſtl. L., tritt nad 350 km
langemt Lauf in bas Nordojtende des Baifalfees, den
jie nabe feinem Siidwejtende alg untere A. in engem
Felſenpaß wieder verlagt, um, bei Irkutſt voriiber-
ziehend, in vielfach qewundenem Lauf oberhalb Ye
niffet{t in den Jeniſſei zu münden, den fie bei 490——
2600 m Breite und 4-- 9 m Tiefe weit iiberragt.
Stromfdnellen bei Vratſtoi Ojtrog hindern die Schiff⸗
Anfedtungsanfprud) — Angebradtermafen abiweijen.
fart fiir Dampfer, doch verfehren Boote auf der A.
in ihrer ganzen Lange (mit dem See 2250 km). Su-
qefroren ijt die U. durchſchnittlich von Anfang \o-
nuar bis Unfang April. Der Fluk wurde 1645 von
Dem Stojafen Surbat Iwanow entdedt und 1645 vow
Rolesnifow bis zum Baifalfee befabren.
Angarie (griech.), zwangsweiſe Verwendung von
im Privateigentum von Angehörigen feindlicder oder
neutraler Staaten befindlidben Schiffen (umd Wagen)
gum Transport von Truppen oder Striegégeriitichaf-
ten während cines Rrieges; die Sulafigteit folder
Makregein ijt im neuern Völlerrecht bejtritten, die
Entſchadigungspflicht bei W. auker Zweifel. Verſchie
den von Der A. ijt die Requifition (f. d.), die Er—
zwingung Der Lieferung gewijjer Gegenjtande, aud
von ———— durch die Gemeinden oder die Ein—
wohner eines vom Feinde beſetzten Landes. Bal.
Rivier, Lehrbuch des Volferredts (2. Mufl., Stuttg.
1899).
Angarien (Angariae, Parangariae), Spann-
dDienjte, Fronfuhren, die gur Seit des römiſchen Kai—
ſerreichs und des fränkiſchen Reiches die Unteritanen
dem König nebſt ſeinem Gefolge, den Mitgliedern des
tköniglichen Hauſes, dem Königsboten und allen fol-
en Perſonen ju leiſten batten, die ihr Recht dazu
durch einen ſchriftlichen Spezialbefehl de3 Rdnigs (trac-
toria, aud) evectio genannt) nadweijen fonnten.
Angadrus (von einem altperj. Wort fiir > vertiin-
digen«), bei den alten Perjern cin reitender Eilbote,
wie fie feit Dareios ftationsweife bereitqehalten wur-
den, um den Briefverfehr swifden dem König und
den Satrapen ju befdleunigen. Die Ungari batten
das Recht, fiir ihr Fortfommen Menſchen, Pferde und
Schiffe su requirieren, woraus ſpäter im römiſchen
Reiche Das Jus angariae entjtand (j. Wngarien).
Angafija, Nniel, ſ. Komoren.
Augeb nde, cine Bandjdleife, die Der Ritter als
Zeichen der Zuneiqung von einer Dame empjing;
dann überhaupt Geident.
Angeboren, in und mit der Geburt von der Na—
tur erteilt, 3. B. anqeborne Fähigkeiten, Febler x.
Dak es angeborne Vorjtellungen Ideen) nicht gibt,
dak vielmehr alle Vorſtellungen fic erjt auf Grund
äußerer Unrequng in der Seele entwideln, wurde
durd) Lode (j. d.) gezeigt; Dod) treten bei dieſer Ent-
widelung Funftionen des Geiftes ins Spiel, deren
Dafein aus der Wirfung der äußern Cindriide allem
nicht erflirt werden fann, und Die infofern fiir a.
gelten dürfen. Bgl. die Urtifel »AUnlages, » Ratrwis-
muse und Sdujter, Gibt es unbewußte und ver
erbte Vorjtellungen? (Leip;. 1879). — Ungeborne
Krankheiten nennt man Kranfheiten, die das Rind
mit auf die Welt bringt, die alfo jdon im Mutterleib
fertig ausgebildet ce cle find, wie 3. B. Mißbil⸗
Dungen, Herzfehler, Syphilis x. Bu den erbliden
Sranfheiten wurde vom Bater oder von der Mutter
nur Der Keim tibertragen.
Angebot (frany. offre, daher Offerte) bedeutet
ey die Summe von Giitern oder Leijtungen, de
zu Verfauf, Verleihung oder Verpadtung ausgebo-
fpringt alg obere UW. in Transbaifalien unter 57°,
ten werden, als auch Die Höhe des Ereijes, ju dem
die angebotenen Güter ꝛc. hergegeben werden follen.
Bal. Preis.
Ungebracdtermafen abweifen durfte das Ge—
richt nad dem friihern Zivilprozeßrecht Die Klageſ. d.)
wegen mangelbafter Beqriindung. Dabei wurde in
der Sache felbjt nicht entichieden. Der Ausdruck wird
aud von der Zurückweiſung andrer Anſprüche oder
Yntrage gebraucht.
Pennel. — Kirby, Sneck bend.
4. Einfache
Haken.
Kendal round thy
6. Angewun- 7.Haken mit 5. Doppelte und drei-
dener Haken. Plattchen, facher Haken.
2. Knoten,
13. Fisch. |
kOder.
14. Liftelkider. 11. Spinnfisch.
9. Kiinstliche Hegen.
Meyers Konv.- Lexikon, 6. Aufl. Bibloge. lnastitut in Leipzig. Zum Artikel Angetfischere?.
‘Zur Tafel Angelgeriite. :
Die Handangel besteht aus Angelrute, Schnur und | kéderten Hakens zu beférdern und auch das Flob bis
Haken. Die Angelrufe mub bei 3—6 m Linge ge- | zur erforderlichen Tiefe eintauchen zu machen,
ringes Gewicht, grofie Festigkeit und Elastiziuit be- | Die #'/o4- oder Grundangel wird hauptaiichlich fir
sitzen, ihr Schwerpankt mul nahe dem Griflende Karpfen, Schleien, Barben, Brassen, Plitze und Grind-
liegen, und sie mub sich, an der Spitze belastet, in linge gebraucht, die sich gew6hnlich in der Niihe des
ganzer Ausdehnung biegen, Als Material dienen Holz- ) Grundes halten. Das Flob wird meistens so geatellt,
und Rohrarten; besondern Ruf haben die amerikani-! dai der Kéder beinahe den Grund beriithrt und in
sehen, aus Streifen der harten Rinde des Bambus- | fliebendem Wasser üher denselben hintreibt (Fig. 19).
rohrs geschtitzten Ruten. Bessere Angelruten bestehen Bei der Nottinghamyischerei gestatten die leichte, un-
aus drei oder mehr je ca. 1 m langen Stiicken, die gefirnilite Seidenschnur und die sehr grobe und leicht
mittels metallener Hilsen fest miteinander verbun- | bewegliche hélzerne Rolle ein sehr weites Werfen des
den werden. An der Spitze und auf den einzelnen | Kéders. Bei der Puternosterangel tragt das Voriach
Stiicken der Rute sind kleine Metallringe angebracht, | am Ende ein Bleigewicht, wiihrend oberhalb des-
durch welche die Angelschnur gezogen wird, Letztere | selben in Abstiinden yon je25—30cm mehrere Angel-
rolit man auf einer nahe dem Griffende befestigten | haken an kleinen, auf dem Faden verschiebbaren
Holz- oder Metallrolle mittels einer Kurbel auf(Fig.1), | Bleiperlen befestigt sind. An der Paternosteranget,
sie mub sich sehr leicht drehen, um dieSchnur schnell | die mit Rute oder, z. B. von Briicken aus, auch onne
und ohne Widerstand ablaufen lassen zu kénnen, und | solehe gebraucht wird, fangen sich besonders Barsche.
wird mit einer leicht ein- oder auszurickenden Feder- | Das Heben und Senken wird in tieferm Wasser mit
hemmung versehen, Die Angelschnur besteht aus der oder ohne Angelrute mit einer beschwerten Sehnur,
30—120 m langen Rollschnur und dem Vorfach, : gewShnlich ohne Flof, betrieben; der Haken ist mit
das Flob, Senker und Haken triigt, Die Rollschnur Wirmern, Kifern, kleinen Fröschen oder kiinstlichen
wird aus Pferdehaaren, besser aus 6—8 Striihnen Kiédern besteckt. Abwechselnd bis zum Grund sen-
fester Seide, geflochten und in letzterm Fall ge- | kend und wieder hebend, fiingt man namentlich Fo-
wohnlich gefirnilit; for besondere Zwecke werden un- | rellen, Aschen und Débel.
gefirnibte Seidenschniire gebraucht, die leichter durch Die Fischchenangel wird zum Fang von Raubfischen
die Ringe gleiten und auf dem Wasser schwimmen. | gebraucht, als Kéder dient ein natirlicher oder kinst-
Das Vorfach mifit 1—3 m und mub dinner sein als | licher Fisch oder ein Lotfelkéder. Hierher gehért die
die Rollschnur, um den Fischen weniger aufzufallen. | Spinn-, Schluck- und Schleppangel. Die Spiénn-
Es wird ausGimpe, Pferdehaar oder Gut(Seidendarm) | angelei besteht darin, dai der durch das Wasser ge-
gefertigt. Gimpe, d. h. mit feinstem Draht iberspon- | zogene natirliche oder kiinstliche Kéderfisch sich um
nene Seide, wird fiir Hechte und andre grofe Raub- | seine Liingsachse dreht oder »spinnt<. Tote, aber
fische angewendet, die mit ihren Zihnen andre Vor- frische Ukeleis, Mihlkoppen: Kaulkopf) oder Elritzen
ficher oft durchsehneiden. Vorfiicher aus Pferdehaar | werden in gekriimmter Stellung an einem System von
bestehen im obern Teil aus mehreren, am Ende aus | doppelten oder dreifachen Haken befestigt, so dab
einem einzigen Haar, Gut ist ein aus den Spinndri- | die Haken teilweise frei liegen (Fig, 11). Im Verlauf
sen der Seidenraupe gebildeter Faden. Gewéhnlich | der Angelschnur sind mehrere Wirbel eingeschaltet,
besteht das Vorfach aus zwei Stiicken, der mittels | die eine Jeichte Drehung des Koders ohne V erdrehung
eines Knotens (Fig. 2) an der Rollschnur befestigten | der Schnur gestatten (Fig. 12). Der Kiéderfisch wird
Warfsehnor und dem mitletzterer durch eine Schleife | mittels der Angelrute miglichst weit stromaufwirts
(Fig. 2} verbundenen, an den Angelhaken angewun- | geworfen und mu, stromab schwimmend und mit
denen Angelvorfach oder Vorsehlag. der Rute wieder angezogen, langsam spinnen; sohald
Die Angelhaken bestehen aus Stahldraht und dir- | der Raubfisch den Kéder erfabt, wird angehaven. [Die
fen sich weder verbiegen noch brechen. Im allge- | Schluckangel ist der Spinnangel gang ahnlich, nur
meinen sind die englischen Formen am gebriiuch- | spinnt sie nicht, auch hiit man dem Fisch Zeit, den
lichsten (#¥g. 4). Ubrigens werden auch zwei- oder Kéder zu verschlingen; diese Fangart wird fast nur fir
dreitache Haken (Fig. 5) verwendet. Haken mit glat- | Heehte in stark verkrauteten Gewiissern angewendet.
tem, langem Schenkel werden an dem Gutfaden mit Ahnlich ist auch die Schleppangel oder Dorre, die
feiner, gowachster Seide angewunden (Fig, 6); solche, , hauptsachlich von vorwiirta geruderten oder segeln-
deren langer Schenkel mit einem Plittchen endigt, | den Booten aus mit oder ohne Angelrute angewendet
werden auf die in Fig. 7 dargestellte Weise befestigt. | wird und in verschiedener Tiefe zum Fang yon Hech-
Auber einem oder mehreren Haken sind an dem Vor- ten oder Seeforellen dient, Die Schnur ist 100—
fach vielluch Flébe oder Senker befestigt, Das Flef 300 m lang und mit mehreren Wirbeln sowie nuit
(Schwimmer), mit Draht- oder Gumuniringen an dem | einem Fisch- oder Liffelkider (Fig. 1S v.14) versehen
Vorfach versehiebbar befestigt, soll den bekéderten Letzterer wird aus Messing oder versilbertem Blech
Haken in zweckmiliger Tiele schwimmend erhalten gemacht und spinnt infolge der gekrimmten Form
und zeigt durch seine Bewegung gleichzeitig an, wenn vortrefflich. Die Raubfische schnappen nach dem
ein Fisch gebissen hat, Es wird aus Kork, Feder- blankenGegenstand und werden sofort an dem Faken
kielen oder Stachelschweinborsten in verschiedenen fest, Die Flug- oder Fliegenangel dient hauptsich-
Formen (Fig. §) gefertigt und so angebracht, dai es lich zum Lachs- und Forellenfang, ihr Gebraneh ge
in senkrechter Stellung etwa um ein Drittel seiner | drt gu den ergiehigsten Arten des Angelsports,
Linge aus dem Wasser hervorragt. Die Senker be- | Wesentlich ist es, die kanstliche (Fig, 9) oder natiir-
stehenans halbgespaltenen Schrotkérnern oder Stiieck- | liche Fliege leicht und unverdichtig auf das Wasser
chen Bileifolie, die oberhalb des Hakens am Vorfach | fallen zu lassen und den danach schnappenden Fisch
fesigeklemmt werden, um das Herabsinken des be- sofort anzuhauen, geschickt zu drillen und gu landen
Angedair —
Augedair, Dorf in Tirol, ſ. Landeck 3).
MUngedenteter Rückenbau, ſ. Bewäſſerung.
Angefalle, dic Lehnsfrüchte, die (einſchließlich der
Dienſte etwaiger Wftervafallen) dem nad deutſchem
Lehnrecht bei Unmündigleit des Lehnserben bejtellten
Spegialvormund jufielen.
ugeflogen, Bejcidjnung von Mineralien, die
alg fehr Dinner Überzug (Anflug) vorlommen.
Angegangen, ſ. Wnbrildig.
Mugehen mit Der Majdine, auf Schiffen die Ma-
ſchine in Betrieb fesen.
Angehend heißt Wild, das den Höhepunkt der
Entwidelung nod) nicht erreidt hat.
Angehdrige im Sinne ded deutſchen Strafgefep-
buches (§ 52) ind die Verwandten und Verſchwäger⸗
ten auf, und abjteiqender Linie, Udoptiv- und Pflege—
eltern und -Rinder, Eheqatten, Gejdwijter und deren
Eheqatten und BVerlobte. Wegen der Beredtigung
der Ungehdrigen sur Verweigerung des Zeugniſſes
vgl. Strafprozefordnung, §51; Zivilprozeßordnung,
§ 383, und Militdrjtrafgeridtsordnung, § 187. Nad
Dem öſterreichiſchen Strafgejepbud (§ 60, 61, 216)
find A. die Verwandten und Verſchwägerten in auf-
und abjteiqender Linie, die Geſchwiſter, Geſchwiſter—
finder oder nod) näher Verwandten des Ehegemahls,
die Geſchwiſter der Ehegenofjen und die Ehegenoſſen
der Geſchwiſter.
Angeflagter , ſ. Beſchuldigter.
Angefok, ſ. Schamanismus. ——
Angekommene Lange und Breite, ſ. Abfahrts⸗
Augel (altd. angel, angul, »Stachel, Spige«), der
ant Pfojten befejtiqte sapfenfirmige Teil des Befthla-
ges von Tiiren und Fenftern, auf den der an den
Flügeln san rihrenfirmige Teil des Beſchlages
qejtectt wir Gexät gum Fiſchfang, ſ. Angelfiſcherei.
Angel (tied. Uh la va), Fluß im weſtlichen Böh—
men, —— am Panzerberg im Böhmerwald,
fließt in nördlicher Richtung und mündet, 82 km
lang, bei Pilſen in die Radbuſa.
gela, 1) U. von Foligno, geb. 1248, geſt. 4.
Yar. 1309, Tertiaricrin des Heil. Franz, befannt durd
ibre Bekehrung, ihre Gefichte und ihre Belehrungen
iiber dad Leiden Chrifti (jogen. Kreuztheologie), die
nad) ihren Mitteilungen von ihrem Beidtvater Rainald
(deutſch von Lammers, Köln 1861) aufgezeichnet wur-
den ; 1693 ſelig geiproden. Taq: 30. März (13. Febr.).
2) U. Merici, Heiliqe, geb. um 1470 in Dejen-
zano am Gardaſee, gejt. 27. Jan. 1540 in Brescia,
Tertiarierin des Heil. Franz, gründete nad einer
Wallfahrt ins Heilige Land 1535 in Brescia die Kon—
qregation der Urjulinerinnen (ſ. d.) gum Zwecke des
Sugendunterridts und der Krankenpfiege; fanonifiert
1807. Ihr Taq: 31. Mai.
Mngelaufer, ſ. Anlaufen.
Aungelches, ſoviel wie Zeiſig.
Angeld, ſ. Draufgabe.
Aungelfiſcherei (hierzu Tafel ⸗Angelgeräte⸗ mit
Text), der Fang von Fiſchen an Angeln, d. h. an
eigentümlichen, meiſt mit einem Köder verſehenen
Haken, die an Leinen befeltigt in das Wajjer gelegt
werden. Schon die älteſten Bolter betrieben UW. mut
aus Stein, Horn, Knochen, Fiſchgräten oder Pflan-
zendornen gefertigten und an biegjamen Wurzeln
oder Bajtidniiren befeſtigten Hafen, die unter den
filtejten Spuren des vorgefdidtliden Menſchen ge
funden werden, und ähnlich primitive Geriite find
vielfad bei Naturvilfern noch jest im Gebrauch. Bei
der gewerbsmäßigen YL, die viele Taufende von
Fiſchern aller Rationen befdaftigt und ungeheure
Meyers Konv.:Lerifon, 6. Aufl, L Bod.
Angelfijderei. 513
Mengen von Dorfdarten, Plattfifden, Makrelen,
Ualen, Stiren rc. fiir den Lebensmittelmarft liefert,
werden teils eingelne, an langen Schnüren befejtigte Ha⸗
fer gebraudt (Dandleinenfifderei), teils lange,
mit Hunderten, ja Tauſenden von Halen verſehene
Sedhniire Langleinenfifderei), die ſchwimmend
oder auf dem Grund ausgelegt werden (f. Fiſcherei).
Der Liebhaber, der dic A. alg Sport, betreibt, bedient
fid) hauptſächlich der Handangel. Uber die Geräte
gur A. ſ. Den Tert zur Tafel.
Unt die Fiſche zum Wnbeifen an den Haken ju ver-
loden, bedient man ſich verjdicdener Köderarten.
Grundköder werden ausgeworfen, um Karpfen,
Braſſen, Plötze, Barben, Döbel u. a. an gewiſſe
Angelſtellen zu gewͤhnen. Man benutzt z. B. fein
gehackte Regenwürmer, Fiſche, Fiſchrogen, Fleiſch—
prong Rafe, Brot, gekochte Kartoffeln, Treber,
eige von Mehl und Rieie u. dgl.; dieſe Stoffe wer-
den in größerer Menge längere Zeit vor dem Ungeln,
in geringerer aud) wabhrend des Yingelns ins Waſſer
geworfen. Wis UngelfIder benugt man Regen-
wiirmer, Fleiſchmaden, die Larven von Käfern, Schmet⸗
terlingen, Wejpen und Köcherfliegen, ferner Heupferd-
den, Schnecken und Muſcheltiere, fleine Rrebje, Fiſche
und Frijde, aud) Stiide von Krebs-, Fiſch- oder
Froſchfleiſch, Gehirn und Riidenmart von Sdladt-
tieren, aud) gelochte Getreideforner und Erbjen, Brot⸗
frume, Mehlteige, Rafe x. Manche Ungler verwittern
Sdnur, Hafen und Köder mit Moſchus, Anis- oder
Lavendelöl x. Künſtliche Ungelfdder find Nadhbil-
dungen von Fliegen, Maden, Käfern ꝛc., oder Gegen-
ſtände, Die durch Glanz oder lebhafte Farbe die Auf—
merfjamfcit Der größern Raubfiſche erregen. Nament⸗
lich für Den Zweck des Lachs- und Forellenangelns
werden ⸗künſtliche Fliegen (worunter übrigens aud
Nachbildungen von Käfern, Raupen und andern
Larven und allerlei Phantaſiegebilde | Fig. 9] verſtan⸗
den werden) aus Vogelfedern, elzhaaren, Wollfäden
und Flockſeide hergeſtellt und in großer ang nog
tigfeit auf einfache oder doppelte YUngelhafen gebun-
den. Bon andern fiinjtlicdhen Ködern find bejonders
aus Glas oder Metall gefertigte Fiſchchen und Löffel⸗
löder zu nennen.
Der Angler muß mit den Eigentümlichkeiten ſeines
Fiſchwaſſers und den Gewohnheiten der verſchiedenen
Fiſcharten vertraut fein. Auch die Wahl der in jedem
Fall anzuwendenden Ungelurethode und der Gebraud
Der Ungel finnen nur praktiſch erlernt werden. Der
Angler darf fid) den Fiſchen womoöglich qar nicht zei—
ad er muß vermeiden, feinen Schatten oder Den der
ngelrute auf das Waſſer fallen ju laijen, er muß
den befiderten Hafen durch kräftigen Schwung der
Rute weit und an die beabſichtigte Stelle werfen, und
zwar ſo, daß er mit möglichſt wenig Geräuſch auf
das Waſſer fällt. Heftige Erſchütterungen des Ufers
durch Laufen oder hartes Auftreten ſind zu vermeiden.
Hat ein Fiſch den Köder erfaßt, ſo muß er »angehauen«
werden, d. h. es wird durch einen Ruck mit der Rute
der Haken in ſeine Mundteile eingeſchlagen. Dit der
Fiſch feſtgehakt, ſo kann er nur, wenn er klein und
ſchwach iſt, ſofort aus dem Waſſer gezogen werden;
andernfalls muß er zunächſt durch abwechſelndes An⸗
ziehen und Nachlaſſen der Schnur, wobei die Rolle
fleißig gebraucht wird Drillen, Spielen), ermüdet
werden, worauf man ihn vorſichtig heranzieht und
mit einem untergeſchobenen Handkeſcher aufnimmt.
Der Angelſport wurde in England ſchon um 1300
betrieben und Durd viele Verordnungen geſchützt, aud
knüpft ſich art denſelben cine fehr reiche Literatur, die
33
514
mit Dem » Book of St. Albans« (1486) beginnt. Iſaal
Waltons in Dialogform gejdriebener »Complete
angler« (1653), {pater von andrer Hand fortgejept
und nod jetzt jährlich aufgelegt, fand eine geijtvolle
Nachfolge in Humphry Davys »Salmonia, or Days
of flyfishings (Lond. 1828 u. ð.; deutſch von Neu-
bert, Leipz. 1840). Bgl. Blafey, Historical sket-
ches of the angling literature of all nations (Lond.
1855); Francis, A book on angling (6. Aufl.,
daf. 1885); d'Alquen, BVolljtindiqes Handbud) der
feinern Ungelfunft (Leipz. 1862); Ehrenfreug, Das
Ganje der A. tse Wat, Huedlinb. 1894); Hor—
rods, Die Kunſt der Fliegenjijderei (2. Aufl. Weim.
1879); Biſchoff, Anleitung zur Fliegenfiſcherei
(2. Aufl., Miind). 1882); von dem Borne: Illu—
jtriertes Handbuch der UW. (Berl. 1875), Tajdenbud
Der A. (3. Uufl., daj. 1892) und Wegweiſer fiir Ungler
(dDaf. 1877); Moerbe, Die volljtindige UW. (12. Aufl.,
daj.1901); Rühlich, Der praftijdhe Unglerin Deutſch⸗
land, mit Ungelfalender (5. Aufl., Leipz. 1897);
Storf, Der Ungelfport (Mind. 1898); Weffen-
berg, Der Ungeljport (Wien 1902); »Jahrbud) des
deutſchen Sportanglers« (2. Mufl., Stettin 1900);
»Deutſche Anglerzeitung« (Baugen).
Angelhaar, Seidendarm.
Angeli, Hcinrid von, Maler, qeb.8. Juli 1840
in Odenburg, begann feine Studien 1854 auf der
Wiener Akademie und bei Gujtav Müller, ſetzte jie
1856 in Düſſeldorf bei Leutze fort und jtellte 1857
fein erſtes Bild: Maria Stuart auf dem Wege zum
Schafott, aus, dem 1859 im Wuftrag König Lud-
wigs I. von Bayern Ludwig XI. von Franfreid, den
eil. Franz von Paula um Verlängerung feined Le-
end bittend, Untonius und Mleopatra, Jane Gray u. a.
folgten. 1862 fiedelte er nad) Wien über und erwarb
fic bier als Bildnismaler fowoh! durd jeine Charat-
terijtif als durch ſeine malerifde Kraft und durch das
fiinjtlerijde Urrangement feiner Porträte cine ſolche
Unerfernung, daß er feitbem aufer drei Genrebil-
bern: der Rader ſeiner Ehre (1869), Jugendliebe
(1871) und Die verweigerte Ubjolution (1873), mur
nod) Bildniſſe malte. Seine Glangperiode beginnt mit
Den 1870er Jahren, wo ihm die Porträte des Kai—
fers bon Djterreid) und des deutſchen Kronprinzen—
paars einen wohlbegründeten Ruf erwarben. Auf
einer Reiſe in England porträtierte er die Königin
Vittoria, einige Mitglieder ihrer Familie und viele
Perſonen der engliſchen Ariſtokratie. Für die Ber
liner Nationalgalerie malte er die Porträte des Gene—
ralfeldmarſchalls v. Manteuffel und des Malers Andr.
Achenbach. Das ſtädtiſche Muſeum in Breslau beſitzt
von ihm die Bildniſſe des Kaiſers und der Kaiſerin
Friedrich in ganzer Figur und des Feldmarſchalls
Moltke. Die —5 Friedrich hat A. aud in Wit⸗
wentrauer gemalt. Von den Bildniſſen ſeiner letzten
Zeit find nod die ded Kaiſers Wilhelm IL, der Kai—
ferin Auguſte Vittoria, der Pringeffin Wdolf zu
Sdhaumburg- Lippe und der Kaiſerin Maria Feodo-
rowna von Rupland (1896) hervorzuheben.
Angelica L. (Engelwurjel, Bruſtwurzel),
Gattung der Umbelliferen, hohe Stauden mit zwei—
fad) gefiederten oder mehrfach fiederſchnittigen Blät—
tern und vieljtrabligen Dolden. Etwa 50 Arten im |
nordijden Florenreich. A. silvestris L. (Wald-'!
anqgelifa), mit geringeltem, gelben Dtildjaft ent-
haltendem Wurzelſtoch breifacy fiederteiligen Blat-
tern, aufgeblajenen Blattideiden an den obern Blät⸗
tern und guerit rdtliden, Dann weißen Bliiten, wächſt
in ganz Curopa, bejonders in Gebirgsgegenden, auf |
Angelhaar —
Angelſachſen.
feuchten Wieſen, an Bächen und in Wäldern. Die
Wurzel iſt nicht mit der als Arzneimittel benutzten
Angelilawurzel von Archangelica officinalis Heffm.
zu verwedfeln. In Japan fultiviert man A. refracta
Fr.Schmidt(S entiy u)undA. anomalaZalL(Bina-
kuſhi) und bereitet aus den Wurzeln atherijdes OL
Angelica salutatio, Engelsqruf, j. Ave Maria.
Angelico, Fra Giovanni, Maler, ſ. Fiejole 1).
Angelifabalfam, ſ. Archangelica.
Angelifabaum, j. Aralia.
Angelikaöl, atherijdes OL aus der Wurzel von
Archangelica officinalis, wird bejonders aus Thii-
ringer und erjgebirgifden Wurzeln dargeſtellt (Mus
beute bis 1 Pro}3.), iſt fajt farblos, riecht traftig aro-
matiſch, fdymedt brennend, ſpez. Gew. 0,857— 0,918,
bejteht aus Phellandren und Pinen (?), Balerian-
ſäure und Oxypentadecylſäure; es wird gu Lifdren
benutzt. Das Samendl riecht feiner, ſpez. Gew. Owe
bi8 0,890, bejteht aus cinem Phellandren mit Bale-
rianjaiure und Orymyrijtinfaure; es wird wie das
Wurzelöl benugt. W. aus Wurzeln der japanifden
Angelica refracta und A. anomala riecht fcarjer
und erjtarrt bei 0° breiartig.
MAngelifafaureC,H,0, od.CH,.H.C.C.CH,.CO,H
findet jc in Der Ungelifawursel, Sumbulwurzel umd
als Ejter im Rdmifdfamillendl, bildet farbloje, aro
matifd riedende, brennend gewürzhaft ſchmeckende
Strijtalle, die ſich in heißem Waſſer und in Alkobol
leicht löſen. A. ſchmilzt bei 45°, verflüchtigt ſich mit
Waſſerdämpfen, ſiedet bei 185° und gibt beim Kochen
mit verdünnter Schwefelſäure iſomere Tiglinſaure.
deren Eſter ſich ebenfalls im Rimifdfamillendl! findet.
Angelifafpiritus (Spiritus Angelicae compo-
situs), durch Deftillation von Ungelifawursel, Bai
drianwurzel, Wadolderbeeren mit Spiritus gewon
nem und mit Kampfer verfest, dient zu Einreibungen
und Biidern.
Augelikawurzel, j. Angelica und Archangelica.
Wngelim, ſ. Andira.
Angeln (Anglii oder Angili), german. Bolf, ur
fpriinglid) (nad) Seu) um die untere Saale längs
der Elbe bis fiber die Ohre binab, ſpäter in der noch
jest nad ihnen benannten Gegend an der Djtiee pwr
ſchen Sdleswig und Flensburg wohnhaft, ſchifften
(nad) andern waren ¢3 die Ungrivarier oder Engern.
j. b.) wm 450 n. Chr. mit Sachſen und Jüten nad
Britannien. Dort nahmen fie in Ojtanglia, Rorth
umberland und Mercia Wohnſitze, fortan mit wren
Bundesgenojjen als bey! lab fen (f. d.) ein mach
tiges Bol bildend. 0 rdmann, über die Hetmat
und den Namen der A. (Upſala 1890).
Angeln, Landſchaft im preuß. Regbez. Schles
wig, zwiſchen dem Flensburger Buſen und der Shier.
cin durch Fruchtbarkeit ausgezeichnetes Hügelland
angeblich die Heimat der um 450 nad England aus
gewanderten Angeln (f. d.). Hauptort ijt Rappelz
Angelolatrie (qried., ⸗Anbetung der Engel-)
fam in Der drijtliden Rirde ſchon in den eriten Jahr
hunderten auf. Das zweite Nicäiſche Konzil (787)
und ibm folqend das Tridentinum jtatuierten mur
cine Verehrung der Engel wegen ibrer Macht umd
Vollfommenheit, un Unteridied von ihrer Unbdetung.
Der Erotejtantismus verwirft beides.
Angelologie (qriec.), in der Dogniatif die + Lehre
von den Engeln<.
Angelophanie (qried.), Engelserfdeinung.
Angelfachfen, zuerſt in 8. Jahrb. von dem lango-
bardiſchen Hijtorifer Paulus Diaconus gebrauchter
Name des aus Angeln, Sachſen und Juten gemifdten
Angelfadjen.
Polfes, das um 450 die Eroberung de3 romanijierten,
aber feit 410 von den römiſchen Legionen verlafjenen
Britannien begann. Der Sage nad) landeten die U.,
bon den Briten gegen die Bitten und Sfoten gu Hilfe
gerufen, 449 unter Hengijt und Horſa in Britannien
und verbreiteten fic) von der ihnen zuerſt eingeräumten
Inſel Thanet aus iiber das Land. Jn Wirklichfeit
feblt es an zuverläſſigen Nachrichten über die fich über
einen Zeitraum von 150 Jahren erſtreckenden Kämpfe,
durch die der Süden und Oſten Britanniens in den
Beſitz der A. fam und die keltiſch-britiſche Bevdlferung
auf Irland, Wales, Cornwallis und die ſchottiſchen
Hodjlande beſchränkt wurde. Von den fleinen König—
reidjen, in welde die A. nad) Der Eroberung jerfielen,
blieben in der nächſten Zeit fieben oder acht größere
bejtehen: Eſſex, Weffer, Suffer, Rent (Oſt- und Weſt—
fent), Mercia, Northumberland, Ojtangeln. Dieſe
bezeichnet man als die angelſächſiſche Heptardie,
obwohl, von voritbergehenden Vereinigungen abge-
fehen, cine dauernde jtaatsredtlide Verbindung
awifden ihnen nidt beftand. Die A. waren jur Beit
Der Eroberung Heiden. Zur Verfiindiqung des Chri«
ftentums fandte Papſt —* J. um 596 den Mönch
Auguſtinus mit mehreren Gehilfen; und ſeit der Be—
lehrung Ethelberts, Königs von Kent (597), verbreitete
ſich das Chriſtentum allmählich über alle Reiche der
A. An der Spitze der angelſächſiſchen Kirche
ſtand das Erzbistum Canterbury, deſſen Erzbiſchof
Theodor aus Tarſos in Kilikien ſeit 668 die kirchliche
Organifation durdfiihrte. Mit Row blieb diefe Kirche
Dauernd in Verbindung (Pilgerfahrten der oe
Erridtung einer Schule zur Uusbildung junger YU.
und eines engliſchen Nationalhojpizes in Rom). Nach
815 vereinigte König Egbert von Weſſer die Reide
der A. gu cinem Ganjen, fiir bas nun der Name
Unglien (England) auffam. Seine Nachfolger
hatten mit den Normannen (Dänen) ju kämpfen,
deren Einfälle in England feit der Mitte des Jahr—
hunderts immer gefabrdrohender wurden. Erſt Al—
fred d. Gr. (f. d.) Der 871 den Thron bejtieg, drängte
fie ater nachdem fie Den gripten Teil Englands
erobert batten. Unter feinem Sohn Eduard I. erhoben
fie ſich auf neue, erlitten aber 938 von König Ethel-
ftan eine entſcheidende Niederlage bei Brunanburg in |
Northumberland. Unter dem ſchwachen Ethelred I.
wiederholten ſich feit 991 die Einfälle Der Dänen, die
1016 nad dem Tode feines Sohnes Edmund Eiſenſeite
das Land eroberten. Erjt 1042 fam mit Eduard III.,
dem Befenner, wieder cin angelſächſiſcher Fürſt auf |
Den Thron; als aber mit ihm 1066 der ſächſiſche Kö—
nigsſtamm erlojd, bejtieg Graf Harald den Thron.
Rad defjen Fall in der Sehladht bet Haftings (14. Oft.
1066) und der Eroberung des Landes durch Wilhelm
von der Normandie verſchwand das Reich der V.,
wihrend nod) Jahrhunderte vergingen, bis die YL.
mit ihren Befjiegern, den Normannen, zu cinem Ganjen
verſchmolzen.
Seinen geſellſchaftlichen Zuſtänden nach zerfiel das
Bolt der W. in Freie(Ceorls) und Unfreie(Theows),
au Denen aud) die im angelſächſiſchen Gebiet qeblie-
benen Briten zählten. Aus der Zabhl der Freien hob
fich der alte Geburtsadel der Eorlas (Carls, nordiſch
Yaris) und Vithelinge heraus. Zu ihm gehörlen fpater
aud) die Mitglieder der Gefolgidaft (Gelith) des Kö—
nigs, Die, ſoweit fie Kriegsdienſte leifteten, als Thangs
— bezeichnet wurden; und zur Würde eines
hans ſtiegen alle empor, die wenigſtens fünf Hufen
(hydes) Land beſaßen und davon Kriegsdienſte leijte-
tern. Un Der Spite des Staates ſtand der König als
515
oberjter Heerfiihrer und Richter, während die einzelnen
Grafſchaften durch Ealdormen (ſpäter Corls qenannt)
und Sheriffs verwaltet wurden. Der Riniq wurde
gewablt, dod) fiel die Wahl in der Regel auf die Mit-
glieder des regierenden Haujes, fo daß die Königs—
wiirde tatfadlich gumeijt erblid) war. Dem König
jur Seite ftand der Witenagemot, die Verſamm—
lung der Witan (Weifen), an der die qeijtliden und
weltliden Grofen des Reidhes teilnahmen. Sie wählte
die Könige, bewilligte Steuern und Landverleihungen,
ab Geſetze und entſchied in allen widtigen Ange—
eqenheiten des Staates und der Kirche fowie in Redts-
ſachen der Großen. Das Land zerfiel in Gaue (shires,
sciras) oder Graffdaften, Hundert{daften (hun-
dreds) und in Dorfſchaften (tunscipe, township);
von den letztern wurden nod) die befejtigten Stadt:
bezirke (Vurgen, burhs) unterſchieden. Die monatlich
jufammentretenden Verſammlungen der Hunderte
(Hundredesgemot) und die Verjammlungen der Graf-
ſchaft (Sciregemot) hatten weſentlich gerichtliche Funt-
tionen. Die diltejten Geſetzesaufzeichnungen der A.
find die von Kent, die bis ins 7. Jahrh. guriidgeben,
und die von Wejjer, die aus der eit des Königs Ine
(688 726) ſtammen. Der cigentlide Geſetzgeber der
Ration aber war Alfred d. Gr. Seine nod) vorhan-
denen — * die ſich an ältere Sammlungen an—
ſchloſſen, gelten fiir die Grundlage des ſogen. gemeinen
Rechts (common law). Unter den Nachfolgern Al—
freds zeichnete ſich Ethelſtan (geſt. 941) als Geſetz
geber aus. Im 11. Jahrh. ſtellle Knut die in Verfall
eratenen Einrichtungen Alfreds wieder her, und
päter wird unter Dem Namen Eduards des Bekenners
gewöhnlich die Geſamtheit der angelſächſiſchen Geſetze
zuſammengefaßt.
Sitten und Lebensart der A. bewahrten den
rein germaniſchen Charakter. Kriegeriſcher Sinn,
Liebe zur Freiheit, Achtung vor den Frauen und Galt:
freundjdaft waren ihre Hauptiugenden, die jedoch
durd die Febler roher, ungebandigter Kraft verduntelt
wurden. Krieg, Jagd, Gelage und Wiirfelfpiel waren
die Sieblingsbehbaltiqungen die Hauptnahrungs-
zweige waren Ackerbau, Viehzucht und Fifderei-
Stadte gab es nur wenige und von geringer Größe.
Einen Fortſchritt bewirfte das Chrijtentum. Die
WMiſſionare feiteten das Bolf zu einer edlern Befric
diqung feiner Bedürfniſſe an und hoben die Kultur.
Als ein vorsiiglider Wohltater jeiner Ration auch in
dieſer Hinjicht jteht Wired da. Auch Künſte und Wif-
ſenſchaften entwidelten ſich bei den U. mit dem Chrijten:
tum. Der Bau und die Ausſchmückung der Kirchen
wedten und befirderten die bildenden Künſte. Die
Urbeiten in Metall, vorzüglich in Gold und Silber
(j. Tafel Ringe, Fig. 18), waren fpiter aud im
Ausland beriihmt. Der Handel war unbedeutend und
entwickelte fic) erſt ſeit Alfreds Beit. Träger der Bil—
dung waren die Geiſtlichen, unterridtet in den Schulen
von Canterbury, York, Weremouth, Weſtminſter,
St. Ulbans, Worcejter u.a. Schon feit dem Ausgang
des 7. Jahrh. fpielten die A. eine fiihrende Rolle in
der latcinijden Weltliteratur: Sdjriftiteller wie Wld-
heli, Ubt zu Malmesbury und Biſchof von Sherborne,
Beda der Ehrwürdige, Willibrord, Winfried (Boni-
facius) und Alkuin a aus ifnen hervorgeqangen.
Uber auch cin hiherer Grad nationaler Bildung und
eine reidjere Literatur in heimiſcher Sprache als bei
den meijten übrigen germaniſchen Völkern entwicelte
ſich Det den A. (ſ. Angelſächſiſche Sprache und Lite—
ratur). Bon den Monumenten der angelſächſiſchen
Baukunſt hat ſich wenig erhalten. Die Bildhauerkunſt
33*
516
ftand auf niedriger Stufe; dagegen überraſchen Stil
und Ausführung der Malereien in den Handfdriften
(j. den folg. Urt.). Vgl. Turner, History of the Anglo-
Saxons (6. Aufl., Yond. 1852, 3 Bde.); Kemble,
History of the Saxons in England (2. Aufl., daj.
1877, unvollendet ; deutſch von Brandes, Leipz. 1852
1854, 2 Bde.); Palgrave, History of the Anglo-
Saxons (neue Mufl., Lond. 1887); Winlelmann,
Geſchichte Der UW. (Berl. 1883); weiteres f. unter der
Geſchichtsliteratur bet ⸗Großbritannien«.
—— — Altertümer, ſ. Metallzeit.
Augelſächſiſche Sprache und Literatur. Bon
Der Witte des 5. bis gegen Ende des 6. Jahrh. er-
riffen Unwobner der Rordfee, qenannt Yngeln,
Sachſen und Jüten, alle der Sprade nad) nieder-
deutſch, und zwar den Friefen am nächſten verwandt,
vom Often und Süden des heutiqen England, ſpäter
aud vom ſüdlichen Schotiland dauernd Bejif. Die
Sprache diefer Stämme in ihrer neuen Heimat hie)
fofort engliſch; altenglifd oder (mit cinem den
Hiſtorilern entlehnten Uusdrud) angelſächſiſch
nennt man fie bis etwa 1150. Die alten Stanunes-
unterfdjiede lebten ununterbroden fort in den Dia-
leften. Etwa feit der Mitte des 9. Jahrh. gelangte
durch die Überniacht ded we ftfadfifden Reiches und
die Kulturbemiibungen Konig Wifreds die Mundart
dDiefes Teils zum Rang einer fajt im ganjen Lande
qebraudten Sdriftiprade; in fie wurden die dltern
oeſiedenlmãler umgeſchrieben. Neue Worter gewann
die Sprade im geringjten Make von den befiegten
leltiſchen Briten; mehr vom Lateinifden, zumal nad
der Einfiibrung des Chrijtentums; ju Ende der alt-
engliſchen Veriode beqann aud) das Altnordiſche ein-
zuwirken, hauptſächlich in der Mundart der Dänen,
die ſeit 787 beſtändig Einfälle in England machten
und vorübergehend (1016—42) fogar die politiſche
Herrſchaft erlangten. Bor Einführung des Chrijten-
tums bedienten ſich Die Angelſachſen der Runen als
Schriftzeichen, ſpäter tm allgemeinen des lateinifden
Alphabets (Scriftprobe f. Fafel Paläographie I+,
Fig. 6); mur filr zwei Laute (w und th) fah man fid |
Qendtigt, Die alten Runenzeichen beigubehalten. Die
Ronfonanten entipreden im ganzen den gotifden,
niederdeutiden und nenenglifden. Der Vokalismus
jeiat gegeniiber Dem gemeingermanifden mehrfad
Erhöhungen (a ju w, au ju ea, eu gu eo u. dgl.)
fowie cine große Empfindlichkeit fiir Den i- und u-Um—
laut und Die Cinfliifje gewiſſer Konſonanten. Gegen
das Gotifche und Althochdeutſche qehalten, erſcheint
Die Merion ſchon abgeſchwächt, aber im Vergleich mit
Dem ſpätern Engliſch nod reich. Bon der Redupli-
fation haben fic) noc deutliche Spuren erhalten. Bon
den vielen erhaltenen Spraddenfmiilern jeigen dic
nördlichen die größte Neiqung, unbetonte Stlben wei: |
ter abzuſchwächen. Infolge der Eroberung Englands |
durd dic Normannen (1066) wurde das angelſächſiſche
Angelſächſiſche Altertiimer — Angelſächſiſche Sprache 2.
Halle 1898; Abriß«, 2. Aufl., Daf. 1898), woneben
nod in Betradt fonunen: Biilbring, Altengliſches
Elementarbud (1. Teil, Heidelb. 1901); Cofijn, Ut
weſtſächſiſche Grammatik (Haag 1886—88) und Bo-
gatſcher, Lautlehre der griechiſchen, lateiniſchen umd
romanifden Lehmworte im Altenglifden (Strap.
1888). Yerifa: Grein, Angelſächſiſcher Sprachſcha
(Gotting. 186164, nur fiir die Didter; dana
Greins »Sleines angelſächſiſches Worterbud)<, bear-
beitet von Grofdopp, Raffel 1883); Ettmiiller,
Lexicon anglo-saxonicum (Quedlinb. 1851, nad
Stimmen etymologifd geordnet); Leo, Ungelfadf-
{des Gloſſar (Halle 1877, mit Heranziehung mand
unbenugter Brojaquelle); am vollſtändigſten Bos:
worth-Toller, Anglo-Saxon dictionary (Orford
1882 ff.) ; mit gereinigter Schreibung und Bedeutungs
angabe Sweet, The student's dictionary of Anglo-
Saxon (daſ. 1897). Gin etymologifdes Worterdbud
bereitet F. Holthaufen vor.
Ungelfadfifdhe Literatur.
Unter den zahlreich auf uns gefonrmenen, zum Teil
nod) ungedrudien Rejten der angelſächſiſchen Lite-
ratur jtehen die Denkmäler der Poeſie obenan; fie
find geſammelt von Grein in der ⸗Bibliothel der anget-
ſächſiſchen Poejie« (2. Unfl., Raffel 1883 ff., 3 Bde.)
Dieſe poctifdjen Denkmäler haben neben ihrem ſprach⸗
lidjen und fulturbijtorifden einen nicht unbedeutenden
äſthetiſchen Wert. Ihre metriſche Form ijt die aud
bei den übrigen altern germaniſchen Dialetten iblice:
zwei Halbverſe ven je vier Tafiteilen (je zwei jtarter
betonten und zwei leidjtern) find Durd) Die Ulliteration
ju einer Langjeile verbunden. Stiliſtiſche Eigentiim-
lichleiten der angelſächſiſchen Poeſie find: häufige Rar:
allelausdrücke, die wieder gern durch andre dazwiſchen
geſchobene getrennt werden; anſtatt des epiſchen Nad»
einander ſprungweiſe, mehr hymniſch feiernde Dar-
ſtellung; —— Umſchreibungen (3. B. ſtatt »geben
wir·: »macht euch auf, vorwiarts zu tragen Waffen und
Gewand«); glänzende Sdhilderungen bei fait qany
lidhem Mangel an Gleidniffen ; Annigheit des Gefühls
Unter den epifden Dichtungen, die Stofje aus der
Vollsfage behandein, ijt weitaus die widtigite der
»Beowulfe (f.d.), worin zuerſt von einem Jugend
abenteuer des Helden mit einem Damon und defjen
Mutter, dann von feinem Untergang bei der Uberwin⸗
bung eines Schatzdrachens gehandelt wird. Mit einer
Epifode darin jteht in Zuſammenhang das Fragment
» Der Überfall in Finsburg«. Erbhalten find ferner nod
zwei Vrudjtiicde cines Epos, das die Sage von Walter
und Hildequnde behandelt, umd das fogen. » Widiith-
lied⸗, d. bh. Lied Des Bielgereijten, der die Herricer
und Lander aufzählt, die er gefeben hat, »gleichſam
ein verfijizierter Ratalog der deutſchen Heldenfage-.
Diefe Proben weltlider Erzählungskunſt find nod
ins 7.--9. Jahrh. gu ſetzen. Im 10. Jahrh. trat die
Sage zurück und das hiſtoriſche Lied hervor, befonders
Idiom auf dic untern Volksſchichten zuruückgedrängt | vertreten durch cin Siegeslied auf die Schlacht von
und die Sdhreibertraditionen unterbrodjen, wahrend Brunanburg (938) und ein langeres Bruchſtüd
die höhern Kreiſe und die Schule fich der Sprache der eines Gedichtes auf den Tod ded Uldermans Byrbt-
Eroberer bedienten (vgl. Englifde Sprade). — In noth, der 991 im Kampfe gegen die Danen fiel. Leg:
fritherer eit haben fic) um das Studium der alt: | tered gibt mit der epiſchen Ausführlichleit des »Bexe
engliſchen Sprache zuerſt Theologen (Erzbiſchof Par⸗ wulf« cine lebendige Schilderung der Schlacht und
fer voran), dann Junius und feine Schule Verdienſte | bietet nod) ein ſchönes Beiſpiel fiir jenes von Tacitus
erworben; von dem Dänen Rast erſchien 1817 eine hervorgehobene Verhältnis geqenicitiqer Treue, wie
angelſächſiſche Grammatik (englifd von Thorpe, 3. | ed bei den alten Deutſchen zwiſchen Fürſt und Gefolge
Aufl., Lond. 1879). Andeffen hat aud auf diefem | bejtand. Cinige Refte aus dem 11. Jahrh. aber zeigen
Gebiet zumeiſt J. Grimm die Forſchung im eine | die weltlice Alliterationsdichtung im Berdorren. —
wiffenfdaftlidbe Bahn gelenft. Das bejte Lehrbuch ift | Cine Schule geiſtlicher Cpifer war in der zweiten
ſetzt Stevers’ Angelſächſiſche Vrammatif« (3. Mufl., | Halfte des 7. Jahrb. in Nordengland entjtanden durch
Angelſächſiſche Sprache und Literatur — Angelus.
Kadmon, der Stoffe de3 Ulten Teſtaments behan-
Delte; aus dieſer Schule ſtammen » Genejis<,» Erodus<,
»Daniele. Im 8. Jahrh. erprobte fid) Dann Ryne-
wulf, gleidhfalls cin Mann aus dem nodrdlidern
England, mit Darjtellungen aus dem Reuen Teſta—
ment (» Chrijt«) und der Legende (»Elene«, »Julianas,
»Geſchicke der Upojtel«). Später zeichneten fic) nod
die Dichter der Undreaslegende, der geiſtlich qewendeten
Fabelgeſchichte vom Vogel Phönix und der patriotifd
beqeijterten ⸗Judith⸗ aus durd anmutige Sprade
und herrliche Raturjdilderungen. — Unter den ly-
rifden Stücken find die vorzüglichſten: Bedas »Ster-
begeſang und Kädmons > Hynine« von der Schöpfung
(7. Jahrh.); die mur verſtümmelt itberlieferte Klage
liber cine Burgruine und deren gefallene Bewohner ;
Der » Wanderer, der, feit dem Tode feines Herrn ohne
bleibende Stitte, die Mühſeligkeiten des menſchlichen
Lebens fdhildert; die »Mlage der Frau<, die, von den
Verwandten ihres Mannes verleumdet und daraufhin
von Dem legtern verjtoken, ihr Leben einſam in einer
Waldeshihle vertrauert; der »>Seefahrers, den trots
aller Beſchwerden feines Standes die Sehnfudt nad
Dem Weere hinwegtreibt von allen Freuden des Lan-
des, fobald die Natur fic) verjfingt und der Kuckuck
des Friihlings Ankunft verfiindet. Der Spruchpoeſie
gehören cinige Zaubergeſänge und merfwiirdige heid-
niſche Ritualverfe an, unter anderm aud das »Ru-
nenlied«, das die Ramen eines jeden dabeijtehenden
Runenjeichens poetiſch befdreibt. Wnyiehend durch
hohes Alter, treffliche Rulturbilder und didterifde
Belebung der Natur find die ⸗Rätſel«. Der ſpät—
angelſächſiſchen Zeit pices Überſetzungen der Pſal⸗
men, der Metra des Boethius und mehrere erbauliche
Schriften in mehr oder minder zerrütteten Allitera—
tionsverſen an. Die beſten poetiſchen Stücke ſind al—
literierend überſetzt von Grein (»Dichtungen der
Angelſachſen«, Kaſſel 1858 —H9).
* den Schriftdenkmälern in Proſa ſind die
älteſten und neben der gleich zu nennenden Chronik
wichtigſten die Geſetze, von dem kentiſchen König
Aethelbyrht (560 —616) an bis auf den in angelſäch⸗
jiicher Sprade regierenden Diinen Knut (Wusgaben
von Thorpe, »Laws and institutes of the Anglo-
Saxon kings«, Yond. 1840; R. Schmid, -Geſetze der
Angelſachſen · , 2. Aufl., Leips. 1858, mit Überſetzung
und Gloſſar; am beſten von F. Liebermann, Halle
1898 ff.). Die feit der Mitte des 8. Jahrh. in angel-
ſächſiſcher Sprade reiclid) vorhandenen Urfunden
jind nebjt den lateiniſchen gefammelt in Thorpes
»Diplomatarium anglicanume (1865) und (bigs
975 volljtindiger) in Gray Birds »Cartularium
saxonicum« (1886). Die angelſächſiſche Chronik
reicht vom Cinfall Cäſars bis auf 1154, wurde aber
erjt feit Mitte des 9. Jahrh. verfaßt und an mehreren
Orten fortgefest (bejte Uusgabe mit Überſetzung von
Thorpe, 1861; dageqen hat die von Carle | 1865,
2. Uujl. von Plummer 1892-99] unentbehrlide Ab⸗
bandDlungen). Hobe Berdienjte um die em rat
einer felbjtandigen Proſa erwarb ſich König Wlfre
(jf. d. 1). Seine Schriften find gwar meijtens nur
iiberfesungen, enthalten aber aud) Einſchaltungen
von ihm felbit. So erweiterte er 3. B. in feiner Uber-
jetsung des Drojius (hrsq. von Sweet, 1883) dejjen
geographiſche Cinleitung durd cine überſicht über
das gejamte germaniſche Gebiet und durch Die Reije-
beridjte zweier nordijder Scefahrer. Winder frei be-
wegte er ſich in der tibertragung von Gregors »Cura
pastoralis« (preg. mit Uberſetzung von Siveet, 187 1—
1872). Sugefdrieben hat man ibm eine Ubertragung
517
von Vedas »Historia eccles. Anglorum« (hr8q. von
Thomas Miller, 1890, und Schipper, 1898) und von
Boethius’ » De consolatione philosophiae+ (Ausgabe
mit liberfepung von Sedgefield, 1899). Ein Jahr
hundert ſpäter als Alfred trat Der qelehrte Wbt der
reforntierten Benediftiner, Wel fric, auf, sowohl durch
Überſetzungen als durch eigne Sdriften der Haupt:
forderer des angelſächſiſchen Projajtils. Hervorjzu-
eben jind feine —— des Wichtigſten aus dem
entateuch und dem Bude Joſua nebſt einer Ein:
leitung über das Alte und Rene Teſtament (hrsq.
von Grein in feiner »Bibliothek der angelſächſiſchen
Proſa«, Bd. 1, Kaſſel 1872; Bd. 2 u. 3 von Wiilfer,
1888—89); feine Homilien (jum Teil gedruckt von
Thorpe, »The homilies of the Anglo-Saxon Church,
1844 —46) und »Heiligenleben« (Hrsg. von Sfeat,
1881 ff.); ete lateiniſche Granmmati€ in angelſächſiſcher
Sprache (bejte Ausg. von Zupitza, Berl. 1880). Etwa
gleichzeitig mit Uelfric verfaßte Wulf itan feine Ho-
milien, fo die berühmte ⸗Anſprache an die Englinder«
(»Sermo lupi ad Anglos«), worin er in lebbafter,
halb poetifcher Sprache die durch die däniſchen Cinfalle
verurjadte Demoralijation Englands fdildert (Mus-
abe begonnen von A. Napier, 1883). Bon Widtigfeit
ijt eine dem 10.—11. Jahrh. angehörige Uberjegung
ber Evangelien (Hrsg. von Kemble-Hardwid und
Sfeat, 1858 ff.; zuſammengeſtellt mit der ded Ulfilas,
Wiclif und Tyndale von Bosworth, 1865). Wujer-
dem beſitzen wir nod einige Heiligenlegenden, Homi-
lien, eine Überſetzung der Venediftinerregel, Nach—
ridjten über die ajtronomijden, phyjifalijden und
mediziniſchen WUnjidten jener Zeit (geſammelt von
Wright in »Popular treatises of science«, 1841;
Codayne in »Anglo-Saxon leechdoms«, 1864 ff.),
endlid), als Vorboten einer neuen, romantifden Zeit,
Überſetzungen des Romans » Apollonius von Tyrus«
und der Briefe Wleranders d. Wr. tiber die »Wunder
des Ojtens«.
Diejen Schriftdenfmilern in we jtfadfifder
Mundart jtehen wenige fentijde und anglijde gegen-
über, meijt Interlinearüberſetzungen und Glojjen.
Dbwobl die angelſächſiſche Poeſie anfangs hauptſäch—
lid) im Norden bliihte, find dod) infolge der Dänen—
verheerungen die poctijden Denkmäler fajt alle nur
in ſpäter, ſüdlicher Umſchrift erhalten.
Vgl. außer den oben angeführten Werklen von Grein:
Biilter, Grundrifs gue Geidichte der angelſächſiſchen
Literatur (Leip;. 1884, alljährlich fortgejegst im »Dah-
resberidt fiir germanifde Philologie«); die vorzüg⸗
lide gufammenbhingende Darjtellung von ten Brink
(Bd. 1 der -Geſchichte der englifden Literature, Bert.
1877); Broofe, History of early English litera-
ture (ond. 1892). Bon Lefebiidhern find erwahnens-
wert: Sweet, Anglo-Saxon reader (7. YWujl., Lond.
1894); Rirner, Einleitung in das Studium ded
Angelfächſiſchen, 2. Teil (Heilbr. 1880, hauptſächlich
zum Selbjtjtudium); Wülker, Kleinere angelſächſiſche
Dichtungen (mit Wörterbuch, Halle 1882); Kluge,
Angelſächſiſches Leſebuch (2. Aufl., daſ. 1897); Zu—
pitza, Alt- und mittelengliſches Ubungsbuch (6.
Aufl. Wien 1901). Wiles, was in Aufzeichnungen des
7.—9. Jahrh. vorliegt, mit Ausnahme von Alfreds
»Cura pastoralis« und Drojius, bat Sweet in »Oldest
English Texts« (Lond. 1885) gejanimelt.
Angélus (lat.), Engel, Bote, Geſandter. A. Dei
s. Domini, in Der fatholtiden Kirche das Gebet, wel-
ches mit den Worten »>A. Domini nuntiavit Mariae«
(»Der Engel des Herrn bradjte der Maria die Bot-
{daft<) beginnt. Angelusläuten, das Abendläu—
518
ten, weil ¢3 gum Gebete de3 A. Dei auffordern foll.
Ungelusablaf, der mit jenem Gebete durch Papſt
Yobann XXIT. 1326 verbundene Ablaß.
Angelus Silefins, ſ. Scheffler (Johann).
Angely, Louis, Lujtipieldidter, geb. 1. Febr.
1787 in Leipsig, geit. 16. Rov. 1835 in Bertin, wurde
Sdhaufpieler und unter Kotzebue Theaterfetretir in
Riga, dann am deutfden Theater in Petersburg, war
jeit 1822 in Berlin tätig und erntete hier reichen Bei-
fall als Romifer am neuerridteten Königsſtädter Thea-
ter; 1830 30g er fid) von der Bühne zurück. A. ijt Ver-
faſſer der unzähligemal gegebenen Stiide: »Schiiler-
jcwiinte<, »Die beiden ——— »Wohnungen zu
vermieten«, » Sieben Mädchen in Uniform·Das Feſt
der Handwerfer« und » Die Reife auf gemeinſchaftliche
Rojten«, die ex grdptenteils nad franzöſiſchen Lujt-
fpielen mit vieler Gewandtheit lofalifierte. Geſammelt
jind feine Werfe als »BVaudevilles und Lujtipiele«
(2. Ausg., Berl. 1842, 4 Bde.) und als ⸗Neueſtes
fomifcdes Theater« (Hamb. 1836—41, 3 Bde.); die
uteiften aud) in Reclams Univerfalbibliothet.
Angenehm heißen im Gegenfage zum Schönen
(f. Schon) die Gegenſtände des rein ſinnlichen Wohl⸗
gefallens.
Anger, in der Regel beweidete Grundjtiide und
meijtens folde, die ehedem Gemeindecigentum waren
und nidt verteilt oder im einzelnen verpadtet wurden.
Oft bepflanzt man die U. mit Obſtbäumen, die cinigen
Ertrag abwerfen und die Beweidung nicht beeintrad)-
tigen. Auch heißt A. jeder —— mit Gras bewach⸗
fene Platz innerhalb eines Ortes. Bal. Yue.
Angera (ivr. andtgeea), Flecken in der ital. Provin;
Como, Kreis Vareſe, am Ojtufer de3 Lago Maggiore,
mit altent Schloß und (1901) 2683 Einw. Danad ijt
Der Geſchichtſchreiber Petrus Martyr (j. d.) benannt.
Angerapp, Fluß in Oſtpreußen, kommt aus dem
Mauerſee, nimmt rechts dieGoldap und oberhalb Jn-
fterburg die a auf, um unterhalb Ynfterburg mit
Der Inſter den Pregel zu bilden. Sie ijt 144 km lang.
Angerburg, Kreisſtadt im preuß. Regbez. Gum-
binnen, an der Angerapp, ndrdlid) vom Mauerfee und
an der Staatsbabniinie Gerdauen-Goldap, hat cine
evang. Rirde, Schullehrerſeminar, landwirtidaftlicde |
Winterfdule, Taubſtummenanſtalt, gräflich Lehndorff⸗
ſches Feierabendhaus, Krüppelheim, Amtsgericht,
Dampfmühlen, Maſchinen- und Ofenfabrifation,
Korbflechterei x. und (1900) 5034 meiſt evang. Ein—
wohner. In der Nähe das ehemalige vom Deutſchen
Orden 1312 erbaute Schloß Angetete. Die Stadt
iſt 1335 * worden. Vgl. Braun, Geſchichte
der Stadt und ded Kreiſes A. (Lyd 1887).
MAngerer, 1) Karl, geb. 1838 in Wien, erlernte die
Lithographie und Buchdruderei, bildete ſich in allen
—— Fächern aus und arbeitete als Graveur,
Kupferſtecher, Chromograph in den bedeutendſten An⸗
ſtalten Deutſchlands, Hollands und Frankreichs. Er
befaßte ſich dann beſonders mit chemigraphiſcher Zink⸗
ätzung und begründete 1870 die photochemigraphiſche
Kunſtanſtalt C. Angerer u. Göſchl in Wien, die cine
der größten diefer Urt iſt und feit dem Tode Göſchls
von Sarl A. und feinem Sohn Ulerander geleitet wird.
Durd feine hervorragenden Neuerungen auf dem Ge-
bicte Der Reproduftionstednif wirfte A. babnbredend
fiir die geſamte moderne Budhilluftration. Er ſchrieb:
» Die Entwidelung der Hochätzkunſt · (in Eders ⸗Jahr⸗
buch fiir Photographic u. Reproduftionstednif<,1889).
2) Ludwig, Begriinder einer photographifden
Unftalt mit Kunftverfag im Wien (1857), der 1861
fein Bruder Viktor beitrat. Diefer war einer der
Angelus Silejius — Angers.
erjten, die die Mlitide Heliograviire fiir den Kunſt⸗
verlag verwendeten. Nad) dent Lode der Brüder be-
trieb Bittors (qejt. 1894) Schwiegerſohn J. Blechinger
die Heliograviire weiter, vervollfommte namentitd
die Farbenheliograviire und griindete die beliogra-
phiſche Runftanjtalt Bledinger u. Leylauf im Wren.
Augergras, j. Poa.
Angerling, |. Champignon.
ugerman: Gf (jr. onger), Fluß im nördlichen
Schweden, ent{pringt auf dem hoben Severiiden an
der norwegifden Grenje in zwei Hauptarmen, die ſich
bei Sollefted in Wejternorriand vereinigen. Er durd-
ſtrömt in ſüdöſtlicher Ridhtung Wejterbotten, Jemtland
und Gngermantand, bildet mehrere Seen, erweitert
ſich beim Hafen Nyland gu einem 37 km langen Meer
bufen und * ſich unweit Hernöſand in den Bott⸗
niſchen Meerbuſen. Er ijt bis Sollefted, 90 km von
der Mündung, ſchiffbar. Stromagebiet 32,620 qkm,
davon 1520 qkm in Norwegen.
Angermanland (fpr. énger-), eine der ſchönſten
Landfdaften Schwedens, am untern — in
Norrland, 20,747 qkm, wovon 1038 qkm Seen, jegt
mit der Landſchaft Medelpad gum Lan Wejternorr-
land (j.d.) vereinigt, ijt ein reichbewãſſertes, maleriſches
Gebirgsland. Die bedeutendjte Stadt ijt Herndjand.
Angermund (WU. und Rahm), Gemeinde im
preuß. Regbez. und Landfreis Düſſeldorf, an der An:
ger und der Staatsbahniinie Köln-Duisburg, hat eine
romanifde fath. Rirdhe und (1900) 1423 Cinw.
| Angermiinde, Kreisſtadt im preuß. Regbez. Rots
' Dam, an cinem See, Rnotenpuntt der Staats linien
Jepnid-Ldermiinde, U.-Stralfund, W.-Freienwalde
und U.-Sdwedt, bat 3 evang. Rirden, höhere Kna—
| benfdjule, Amtsgericht, Eiſengießerei, Cnaillierwert,
| Runjtdrechflerei und (1900) mit Garnifon (ein Bat.
Jnfanterie Nr. 64) 7465 meijt evang. Einwohner. —
A. (urſprünglich New- VW.) erfideint ſchon 1284 als
Stadt. Hier 27. März 1420 Sieg des Kurfiiriten Fried-
rid) I. von Brandenburg iiber die Pommern. Ral.
Ihlenfeldt, Chronif der Stadt A. (Angerm. 1893).
Angern, Bolf, ſ. Ungrivarier.
Angerredt , |. Yuenredt.
Angers (jor. angio, Hauptitadt des frany. Depart.
Maine-ct-Loire, an der Maine, Rnotenpuntt der Ore
léans⸗ und der Weſtbahn, 47 m it. ML, zerfallt in die
Wltitadt am linfen Flußufer, teilweife nod) mit engen,
ſteilen Straßen und altertiimliden, ſchiefergededten
Häuſern, und die Vorſtadt (Doutre) am rechten Ufer.
Die merkwürdigſten Gebäude find: die gotiſche Rathe-
drale (1140 beqonnen) mit zwei gotiſchen und einem
Renaijjanceturm, das hodgelegene alte Schloß (jest
Pulvermagajzin) mit 17 Tiirmen, das Rathaus, dre
Präfeltur (ehemalige Wbtei), die beiden Wufeen und
der moderne Juſtizpalaſt. Wn Denkmälern beſitzt A.
Die Des Königs René und des Bildhauers David d'An⸗
gers. Die Stadt zählte 901) 80,548 (als Gemeinde
| 82,398) Einw., welche Fabrifation von Leiruwand,
Wollen- und Baunwwollenftojfen, Segeltud, Wetall-
waren ꝛxc., Handelsqirtnerei, Handel mit Getreide,
Mehl, Bemitjen, Ben, Baumwollenwaren und Sdie-
‘fer betretben. In der Umgegend bedeutende Schiefer⸗
brüche. YL hat ein Lyzeum, ein theologifdes und ein
Vebrerjeminar, eine freie fath. Univerfitat mit dret
Fafultiten, eine Borbereitungsidule fiir Medizin,
Runjt- und Gewerbefdule, ein Gemalde- und Stulp⸗
turenmuſeum (lesteres mit Werfen von David), em
archãologiſches Mufeum, Naturalienfabinett, botani-
iden Garten, eine Bibliothef von 40,000 Banden, cin
Theater und ijt Sig ded Prifetten, eines Biſchofs, eines
Angerftein — Angiologie.
VUppellhofs und eines Handelsgeridts. — A. einjt die
Hauptitadt der alten Andegaven, hieß ſeit Cajar Ju-
liomagus und birgt nod) mand Ultertiimer aus rö⸗
mifder Zeit. Es ward dann Hauptitadt der Grafſchaft
Unjou und hatte bis zur Revolution eine von Lud-
wig IX. 1246 gejtiftete berühmte Univerfitit, die 1685
einging. Mehrere allgemeine Kirchenverſammlungen
wurden in UW. abgehalten. Am 18. Sept. 1793 fiegten
hier die Royalijten unter Charette über die Republi-
faner unter Sti¢ber und befegten die Stadt, wurden
aber ſchon 4. Dez. d. J. wieder vertrichen.
Angerftein, Eduard Ferdinand, um das deut-
ſche Turnweſen verdienter Arzt, geb. 1. Sept. 1830
in Berlin, gejt. dafelbjt 23. Juli 1896. Er verdffent-
lidte einen »Ruf zum Turnen« (Berl. 1859) und
nahm als Vorſitzender des die Berliner Turnvereine
vereinenden Berliner Turnrats den Kampf gegen die
Ling -Rothitemide Gymnaſtik auf. 1864 zum jtadti-
ſchen Oberturniwart ernannt, ftand er insbej. dem
Schulturnbetrieb in der auf feine Unrequng erbau-
ten größten deutſchen Turnhalle in der Pringenjtrake
vor. Auch leitete er die Fortbilbung von Turnlehrern,
jtand 1863 — 74 an der Spige der von ihm mit-
egriindeten Berliner Turnerjdaft und jtand lange
at veridiedenen Turnlehrerverciniqungen vor; war
aud) ir des Ausſchuſſes der Deutiden Turner-
ſchaft. ſchrieb unter anderm das ⸗Theoretiſche
Handbuch fiir Turner, zur Einführung in die turne-
riſche Lehrtitigfeit« (Halle 1870), und mit G. Edler
zuſammen die »Hausgymnajtit fiir Gejunde und
Rranfes (Berl. 1887, 21. Uufl. 1901) und »Haus-
gymnaſtik fiir Madden und Frauen« (11. Wujl., daf.
1899). Bal. Euler, E. A., ein Lebensbild (Berl.
1897). — Wud) fein jiingerer Bruder, Wilhelm
Emil W., geb. 20. Ung. 1835 in Berlin, geſt. dafelbjt
30. Upril 1893, hat fic) auf dem Gebiete der Turn-
funjt betitigt. Er ſchrieb unter ander: »Anleitung
aur Cinridtung von Turnanftalten fiir jedes Ulter
und Geſchlecht⸗ (Berl. 1863); »Friedr. Ludw. Jahn,
cin Lebensbild fiirs deutide Volf« (2. Aufl., daf. 1863).
Angerweide, ſ. Koppelweide.
Angefduldigter, j. Beiduldigter.
Angeficht, |. Geſicht.
Angefteliter ijt derjenige, der von einem andern
zur Bornahme einer omnis Titigteit bejtellt wird.
Der Willensatt, der die Übertragung diefer Tätigkeit
zum WUusdrud bringt, heißt Anſtel lung. Bei öffent
licher Anſtellung iſt dieſer Willensalt ein einſeitiger
ſtaatlicher Hoheils- und Verwaltungsakt, bei privater
Anſtellung ein privatrechtlicher Dienſtvertrag, dement-
ſprechend unterſcheidet man auch öffentliche Üngeſtellte
(Beamte) und private Angeſtellte. Die Verhältniſſe
der erjtern find in den einſchlägigen Beamtengeſetzen
eregelt, die der letztern durch Das bürgerliche Recht.
zon befonderer Wichtigkeit ijt die Haftung ded Ge-
ſchäftsherrn fiir Den Schaden, den feine Ungejtellten
in Ausübung ihrer geſchäftlichen Verrichtungen ver-
urſacht haben. Das Bürgerliche Geſetzbuch (§ 831)
eht mit Dem gemeinen und preußiſchen Redte von
cas Grundſatz aus, dak der Wuftraggeber als folder,
abgejehen von der Auswahl einer ungeciqneten Ber
fon, fiir die von den bejtellten Perſonen in Ausfüh—
rung des Uuftrags beqangenen Schadenszufügungen
nur inſoweit zu hajten hat, als er bei der ihm obliegen-
den Aufſichtsführung oder oat lig Rasy Vorrich⸗
tungen und Gerätſchaften gefehlt hat. Cine juriſtiſche
Selon dagegen haftet nad einer Entſcheidung des
— oberſten Landesgerichts vom 16. Jan. 1902
(» Redht«, 6, S. 291, Rr. 1408) fiir unerlaubte
519
Handlungen und Unterlajfungen ihrer Ungeftellten
außerhalb eines Vertragsverhaltnijjes nur dann, wenn
fie wirflide Willensorgane und nidt bloße Gebilfen
desfelben find. Bezüglich des Wirkungskreiſes der An—
—— beſtimmt § 56 des deutſchen Handelsgeſetz⸗
uches, daß Angeſtellte in einen Laden oder in einem
offenen Warenlager als ermiidtigt gu Verkäufen und
Empfangnahmen (Zabhlungen), die in dieſem Betrieb
üblich find, gelten. Die unbefugten Mitteilungen von
Geſchäfts oder Betriebsqeheimnifjen feitens UW. wäh—
rend ibrer Dienſtzeit an Dritte zum Hwee des Wett«
bewerbes oder sum Sdaden des Gejdhaftsherrn wird
nad § 9 des Wettbewerbgejeses mit Geldjtrafe bis zu
3000 WE. oder mit Gefängnis bis zu einem Jahr be-
ſtraft. Schließlich ijt nod) zu erwähnen, daß Ungeitellte,
deren Jahresverdienſt 2000 MF. nicht überſteigt, und
Die nicht in Apothelen als Gebilfen oder Lehrlinge be-
ſchäftigt find, unter den Verſicherungszwang des In—
validenverſicherungsgeſetzes (§ 1) fallen und nad 881
des Gewerbegeridhtsgefepes, mit Uusnahme der im
Apotheker⸗ und Handelsqewerbe Ungejtellten, dem Ge-
werbegericht unterjtehen. S. aud) Haftpflidt. Bal.
Brand, Reichsbeamtengeſetz (Berl. 1902); Urndt,
Staatsrecht des Deutſchen Reiches (daſ. 1901).
Angeftiiedt heißt in der Heraldif eine Figur (Sdil-
deshaupt, Balfen, Pfahl u. dql.), die als Wetall auf
Metall oder als Farbe auf Farbe geſetzt ijt.
Angevin (franz., fpr. angtd’ wang), aus Angers, aus
Unjou (j. d.); auf die Plantagencts bezüglich.
peared ewende,Gewendes
ſtoß, Randbeet), Uderteil, auf den beim Ackern die
Bugtiere umwenden, ohne die Feldgrenzen gu iiber-
ſchreiten; fie werden zuletzt fiir ſich beackert und bejtellt.
Angiéttafie (qried.), Erweiterung der Gefäße,
inSbej. foviel wie Aneurysma (ſ. d.).
Angiehen, ſ. Pflanzenpflege.
Angilbert, Gelehrter und Vioier, geb. um 740,
gett 18. Febr. 814, ward am friinfifden Hof erzogen,
egleitete 782 Karls d. Gr. Sohn Pippin als primi-
cerius palatii nad) Stalien, ward darauf wiederholt
ju Gefandticdaften verwendet und 790 zum Abt von
Centula (St.-Riquier) in der Picardie ernannt, lebte
aber nad) wie vor meijt am Hofe Karls, deſſen Tod=
ter Berta ihm als feine Geliebte awei Signe, Harnid
und Rithard (j. d.), gebar. Vermutlich hat dies BVer-
haltnis den Anlaß gu der Sage von Eginhard und
Emma (jf. Einhard) gegeben. Von feinen lateinijden
Medichten find mebhrere lyriſche erhalten; aud) das
Bruchſtück eines Epos iiber Karl (536 Verſe, in Mignes
»Patrologia« , Bd. 99) wird ihm zugeſchrieben.
Angina (lat.), Engigfeit, Beflemmung, befonders
Engigfeit im Sdlund und Kehlkopf, wobei durch Er-
ſchwerung der Atmung Blau- oder Braunfairbung
des Gefichts eintritt. Jn der wijfenidaftliden Medizin
wird A. gewöhnlich fiir Entzündungen der Rachen—
organe gebraudt (A. catarrhalis, follicularis, ton-
sillaris). A. Ludovici, eine ſchwere EntjiindDung ded
Bodens der Mundhöhle; A. pectoris, bei Herzkran⸗
ten vorlommende Ungjt- und Beklemmungszuſtände.
Val. Bräune.
ngto... (v. gried). angeion oder angos, Gefaj),
in Zuſammenſetzungen: die Gefäße de3 tierifdjen Kör⸗
pers betreffend.
Angiograph (qried.), von Landois angegebenes
Inſtrument sur graphiſchen Regijtrierung des Pulſes.
Angivitis (qried.), Entziindung der Gefäße.
AUngiotarp, j. Fledten. ‘
Augiologie (griech.), Gefäßlehre (ſ. Gefäße), ein
Abſchnitt der Anatomie.
520
UAngioma (griedh., Ge fia
ſchwulſt, die weſentlich aus
fides A.) oder aus Lymphraumen (Lympbangi-
oma) befteht. Die blutfiibrenden Neubildungen ind
fladjenartige Hautmiiler (Teleangitttafie), beſon—
ders an Stirn und Wangen, fogen. Feuermiler, oder
rößere pulfierende Knoten in der Haut, feltener in der
teber. Das A. Der Lymph wege fommet in der Haut
und namentlid als Mafrogt of ie in Der Junge vor.
Angion (qriech.), Gefäß (|. Gefafe).
Angionenrofen (qried.), funttionelleErfrantung
der Gefäßnerven, die ju voriibergehenden Störungen
in der Blutverteilung fiibren (3. B. habituelle Kalte
der Hinde und Füße, die Wallungen zum Ropfe). Die
übermäßige Erweiterung oder Verengerung der Blut-
efiije bet den U. iſt häufig mit unangenehmen Emp-
findungen, ja fogar direft mit Schmerz verbunden. A.
fommen als Teilerſcheinung allgemeiner Neurajthenie
vor, aber aud) als felbjtindige Rranfheitsbilder. Als
folde redynet man die Raynaudide Rranfheit oder
fymmetrijde Gangrän, das afute angioneurotifde
Odem, die anfallsweije auftretende Gelenkwaſſerſucht
und die Erythromelalgie.
Angioneurofin, joviel wie Nitroglyzerin.
Angioptéris Hoffm., Gattung der Farne aus der
Familie Der Warattiageen, mit wenigen in Ojtindien
und Lolynefien heimiſchen Arten; man kennt Stämme
von 2m Umfang und Wedel von mehr als 5m Lange.
A. evecta Hoffm., wird in Warmhäuſern fultiviert.
Angiorrhéeris (griech.), Blutgefäßzerreißung.
Angiovjarfom( qricd.), bösartige Gefäßgeſchwulſt.
Angioſpeérmen (griech., Bedecktſamige), die
Geſamtheit der Blütenpflanzen, bet denen ſich die
Samenantlagen in Der Höhle des Fruchtknotens, eines
aus verwachſenen Blittern gebildeten, ringsum ge-
ſchloſſenen Behalters im Zentrum der Bliite, befinden.
Sie treten zuerſt in der Rreideformation auf, werden
im Tertiär ſehr viel haufiger und bilden jest mit gegen
100,000 Arten die größte Lbteilung des Pflanzenreichs.
Angiospermia, Ordnung der 14. Klaſſe des
Linnéiden Pflanzenſyſtems, beqreift die didynamiſchen
Pflanzen, deren Samen in Kapfeln eingeſchloſſen jind,
im Gegenfage ju der Ordnung Gymnospermia.
Angioftenofe (qriec).), Verengerung der Gefiipe.
Angiotomie (qried.), das hanitqemape Auf- und
Beridneiden der Gefäße.
Ang-Khak, cin in China, befonders in der Pro-
vin; Nanton, hergejtellter und gum Färben von Nah
rungsmitteln benugter roter Farbitoff, wird durd
Rultur eines Biljes Monascus purpureus Went. auf
qefochtem nnd zerriebenem Reis erhalten, erfdeint im
auffallenden Licht grünlich und kommt als Pulver oder
— tio, eine Ge-
in Mejtalt purpurfarbener Reiskörner m den Handel. |
Angfor (Ongkor), Hauptort der gleichnamigen
Provinz von Siam, an einem 14 km unterhalb in
den grofen See Tonle-Sap miindenden Flug, Sit
des Mouverneurs. Unweit ſüdlich Die beriihmten
Ruinen A.Vat (Nafhon- Bat), cin Tempelflojter
von 3,5 km Umfang mit gewaltigen Dom der unter:
qeqangenen großen Stadt Nakhon-Tom, deren
von einer 10 m hoben, 13,6 km langen Mauer um
qebene Ruinen nut 5 phantajtiiden Toren vielleidt
aus dem 14. Jahrh. ſſtammen. Der Tempel war das
Nationalheiligtum fiir Rambodida und jtarfbefud): |
ter buddhijtiider Wallfabrtsort. Bol. Delaporte,
Voyage au Cambodge. L’architecture khmer(ar.
1880); Fournerecau, Les ruines d’A. (daf. 1890);
Dericibe, Les ruines khméres (daf. 1891); Tiffan-
Dier, Cambodje-Java. Ruines khméres (Daf. 1896).
Angioma — Anglikaniſche Kirche.
Anglaife (franj., for. angglaf) ijt der ältere fran-
lutgefäßen (eigent- zöſiſche Name des jest meiſt Francaijfe genannten
Kontertanzes (ſ. d.), doch wird der Name VW. aud
allerlei andern englijden Tänzen beigelegt.
Angler, Fiji, ſ. Seeteufel.
Anglerius, ſ. Ketrus Martyr von Yingleria.
Anglefey Wnglefea, for. anggigsi, »Ynfel der
Angler«), brit. Inſel im Iriſchen Weer (fF. Karte
»>England u. Wales«), an der Nordküſte des Fürſten⸗
tums Wales, pon dem fie Durd) die von zwei Britden
iiberjpannte Menaijtraje (f. d.) getrennt wird, bildet
cine befondere Grafidaft und umfaßt 783 qkm (14,2
OW.) mit (1901) 50,590 Einw. (64 auf 1 qkm). Die
Inſel ijt fajt völlig flad. Jn der Mitte zieht von O.
nad W. eine Hügelreihe mit dem Parysberg (140 m),
deſſen friiher ‘cbt reiche Rupferqruben immer nod
wichtig find. Dict an der Weiticite liegt die Inſel
Holyhead (jf. d.). Hauptitadt der Grafſchaft VW. tit
Beaumaris. YW. ijt die Inſel Mona des Tacitus
und war Der erjt nad hartnäckigem Widerjtand 64
n. Ebr. bezwungene Hauptherd der nationalen und
religtdfen Gegenwehr gegen die römiſche Offupation
Britanniens. Der Sachſe Egbert nabm im 9. Jabrb.
die Inſel in Beſitz, verlor fie aber wieder an die Füt
jten von Nordwales, deren Herrſcherſitz fie blieb, bes
Eduard J. Wales unterwarf.
Anglefer (jor. angg’w), Henry Billiam BRaget
Carl of Urbridge, Marquis von, engl. General
und Staatsmann, geb. 17. Mai 1768, geft. 28. April
1854, fodjt 1794 in Flandern, 1799 in Holland und
ward 1802 General. Als Lord Paget Anführer der
britiſchen Refervetavallerie, focht er ſeit 1808 auf der
Pyrendifden Halbinjel, wo er fic) durch die Dechung
des Rückzuges des Generals Moore, den Sieg bei Bena:
vente und die Gefangennahme des Generals Lefebre:
Desnouettes auszeidnete. Durd) den Tod feines Ba-
ters 1812 Graf von Uxbridge, fommandierte er bei
Waterloo die britifde Ravallerie und verlor cin Bem,
wurde aber Durd) die Ernennung jum Marquis von
YW. und den Dank des Barlaments belohnt. Unter
Canning war A. Generalfeldjeugmeijter und 1828
Vizelönig von Irland. Hier lehnte er kleinliche Maß
regeln gegen die Ratholifen ab und ſuchte den Bartei-
hay im Lande ju mildern. Deshalb von Wellington
abberufen, iibernahm er 1831— 33 unter Greys
Miniiterium abermals die Verwaltung Irlands, wo
er Die Durd) Die Ugitationen O'Connells erſchütterte
Rube heritellte. 1846 ward er Feldmarſchall und iiber-
nabm 1846-52 abermals das Umt des Generalfeld-
zeugmeiſters.
Anglefit (Bleivitriol, Vitriotbleiers), Mi-
neral, Bleifulfat PbSO,, findet ſich in rhombtiden
Nrijtallen einzeln aufgewadjen oder in Druſen, tit
wajjerbell, farblos, aud grau, gelblid, braun, dDurd-
ſichtig oder Durdicheinend, mit Diamant- oder Fett
glanz, Harte 3, ſpez. Gew. 6,3; gewöhnlich im den
obern Teufen der Bleierzlagerſtätten als Zerſetzungs
produft des Bleiglanzes, fo befonders fdhin bei Baden:
weiler, auf der brittiden Inſel Angleſey (Daber der
Name VW.) und am Monte Poni auf Sardinien.
Angleterre (fran}., for. angglitée’), England.
Anglia (neulat.), Gn land.
Anglifanifde Ri (Unglofatholifde
Kirde, Established Church of England), die Staats-
firche in England, die hinſichtlich Der Lehre den re-
formierten Nirden beizuzählen tft, in Qultus und
Kirchenverfaſſung aber zwiſchen Katholizismus und
Protejtantismus die Mitte halt. Dieſe ibre cigentiim-
liche Stellung erflirt fic) aus Der Urt und Weiſe ihrer
Anglikaniſche Kirde.
Entjtehung. Die Reformation Englands ijt nidt wie
Die deutſche aus ciner religidfen Bewequng des Bolles
hervorgegangen, an deren Spige fid) Dann die Großen
ejtellt batten, fondern der Brud) mit Rom war die
Folge ded launenhaften Cigenwillens eines tyranni-
iden Königs. Erſt als fid) unter den Nadfolgern
desfelben jeigte, wie eng die politijde mit der reli-
giöſen Freiheit verbunden fet, wurde im Kampf mit
politifder Willkür der englifde Vollsgeiſt eng an den
Protejtantismus gefettet. Borbereitet war zwar aud)
bier die Reformation, teils Durch Wiclif und die Lol-
larden, teils Durch die Humanijten. Gleidwobl blieben
alle reformatorifden Bewegungen fo lange vergeblicd,
als nicht die politiſche Gewalt des Staates ſich mit ihr
verbunden hatte. Heinrich VILL, der das Band mit
Rom zerriß, war ſeiner ganjen Denfweife nad der
römiſchen Lehre jugetan, wie er denn nidt allein die
protejtantijd) Gejinnten in feinent Lande verfolgt,
fondern aud) durch cine Streitſchrift
Den Ehrentitel cines Beſchützers des Glaubens erwor-
ben hatte. Erſt als der ‘Bapjt feine Ehe mit Katha: |
rina von Uragonien nidjt auflöſen wollte, lie der
König vom Parlament die Rechte des Papſtes ver-
nidten und flo 1532 ohne päpſtliche Dispenfation
jeine Ehe mit Unna Boleyn. Wis der Papſt 1534
den Bann iiber ihn ausfprad und 3. Rov. d. J. die
Suprematsafte den Konig gum Haupte der englifden
Kirche madte, 1536 —40 die ſämtlichen Klöſter und
Ubteien unter Cinjiehung ihres Vermögens auf-
qehoben wurden, ward der Brud mit Rom zur Tat-
jade. Dod blich die neufonitituierte Kirche ihrem
Weſen nad in Rultus und Lehre fatholijd, und nur
in wenigen Puntten fonnten der evangelijd) gejinnte |
Erzbiſchof Cranmer und der Staatsfefretir Cromwell
fiir eine vermitteinde Auffaſſung Raunt gewinnen.
1539 bedrobten die feds Blutartifel mit dem Tode
jeden Unqriff auf die Lehren von der Transjubjtan-
tiation und der Relchentziehung, dem Zolibat und der
Unauflöslichkeit des Keuſchheitsgelübdes, Der Ohren—
beichte und den Seelenmeſſen. Noch 1547 erneuerte
der König das Verbot der Bibel. Erſt unter Eduard VL,
fiir Den Der der Reformation günſtige Herzog von
Somerjet die Regentſchaft führte, durften die unter
Heinrid) Verbannten guriidfehren. Auch wurden aus-
ländiſche Gelehrte, wie Martin Bucer und Fagius aus |
Strakburg, berufen, unter deren Beihilfe die Liturgie
eändert ward. 1549 wurde das Ubendmabhl unter
eiderlei Geſtalt eingeführt und die Briefterehe qeftattet. |
Das von Cranmer entworfene allgemcine Gebetbud
urd) den Einfluß
des Wuslandes empfing die a. K. Den reformierten |
erhielt 1549 kirchliche Santtion.
Charatter, der ſchon in der Revijion des allgemeinen
Gebetbuches und in dem Glaubensbefenntnis der 42
Urtifel von 15562 fic) deutlich ausipridt. Die Herr-
fchaft der fatholijden Maria (1553-—58) bradhte eine
furje blutige Reaftion des Katholizismus. Bald nach
Elijabeths Thronbejteiqung aber ward 1. Febr. 1559
die Suprematie der Nrone wiederhergeftellt, im felben
Jahre wurde das revidierte Gebetbuch eingefiibrt, und
mit der Feſtſtellung der »39 Urtifel « (1563, bes. 1571), |
der Einfithrung des neuen Katechismus und einer re-
vidierten Vibeliiberjesung war der Bau der engliſchen
Staatsfirde vollendet. Derjelben zufolge erſchien je-
der kirchliche Ungehorſam als Inſubordination und
Hochverrat, und die Geſetzgebung der letzten Jahre
Eliſabeths wandte ſich nicht bloß gegen die Katho—
lilen, ſondern aud gegen die Presbyterianer und Pu⸗
ritaner, die an dem Ritual und der Hierarchie Anſtoß
nahmen, wie gegen andre unter den Namen Non—
geaen Luther fic |
521
| fonformijten oder Diſſenters, Jndependenten (f. diefe
| Urtifel) x. zuſammengefaßte Seften. Safob L gab
| alles Rirdengut in dem unterworfenen Jrland dem
aufgezwungenen anglifanijden Stlerus, obwobl das
| Zand fatholijd) blieb. Die Bedriidung der Katho—
liten hatte 1641 das entſetzliche iriſche Blutbad zur
| Folge, in Dem die Mehrzahl der Protejtanten er-
| mordet wurde, die iiberlebenden die Inſel verlaffen
| mupten. Wis aber unter Karl I. durch Erzbiſchof
Vaud das mit dem politiſchen Abſolutismus verbun—
dene Pralatentum in Willfiir und Defpotismus aus-
artete und durch cin ausgebildetes Zeremonienweſen
Anſtoß gab, rief der Verſuch, die biſchöfliche Kirche in
Schottland einzuführen, dort 1637 cine Empörung
hervor. Auch in England verband ſich gleich darauf
die politiſche mit der firdlidjen Oppoſition und wurde
1643 Der Presbyterianismus gur herridenden Kirche
bis zur Wiederherjtellung der Staatsfirde durd) die
neue Uniformitatsafte von 1662 (fj. Dijjenters). Erſt
das 19. Jahrh. hat die enge Verbindung von Staat
und Kirche in England zu lodern vermodt.
Die innere Verfaſſung der anglifanijden Kirche
ijt eine rein hierarchiſche. die Geiſtlichkeit bejteht aus
Biſchöfen, Brieftern und Diafonen (deacons). Unter
den beiden Erzbiſchöfen von Canterbury (Primas und
erjter Beer Des Reiches) und von York jtehen 33 Did-
zeſanbiſchöfe, von denen indes nur 24 im Herrenhaus
Sig und Stimme haben, und 17 Suffraganbiſchöfe.
Jedem Biſchof ſteht ein Kapitel (chapter) sur Seite,
au dem aujer dem Defan (dean) aud) nod Chor-
Herren (canons), Dontherren (prebendaries), Urdji-
diafonen (archdeacons) und andre Wiirdentrager
einſchließlich cines rechtsgelehrten vicar gehiren. Die
Biſchöfe, die meijten Defane und viele der andern
Wiirdentraiger werden von der Krone ernannt. Die
Biſchöfe beziehen einen Gehalt von 1500—15,000 Pfd.
Sterl. jabrlid), die Defane 500 — 3000 Pfd. Stert.
Die Pfarreien (benefices, livings) werden von Pa—
tronatsherren beſetzt. Dieſes Beſetzungsrecht (advow-
son) wird in Den meiſten Fallen von Privatperſonen
ausgeiibt, dod wird Der Randidat nur dann vom Bi—
ſchof in ſein Amt eingefiihrt, wenn er die nötige Dua-
lififation bejigt. Die Pfründner (incumbents) find
entiveder rectors, wenn fie im BVollgenuk des Zehn-
ten und des Ertrags des Pfarrlandes (glebe) ftehen,
vicars, wenn fie nur den »fleinens Sehnten beziehen,
oder perpetual curates, die in dotierten Filialfirden
den Dienjt verjehen. In größern Gemeinden wird
der Pfarrherr durd) Hilfsgeijtlide (stipendiary cu-
rates) unterjtiigt. Die Geſetzgebung jorgt dafiir, dak
die Pfründner wenigitens cinen Teil bed Sabres jelbjt
| den Gottesdienſt verjehen. Wud) die friiber übliche
Vereinigung von vielen Pfriinden in einer Hand
(plurality) ijt eingeſchränkt worden. Daß indes bei
obwaltenden Berhaltnijjen das Recht der Beſetzung
(nod bei Lebzeiten cines Pfründners) an den Meijt-
bietenden verjteigert werden fann, und daß viele reid:
Dotierte Bfarreien als Ausſtattung in den Beſitz der
jiingern Söhne der großen Gutsherren und der biſchöf—
lichen Verwandten gelangen, ijt wohl felbjtverjtind-
lich. Es gibt zur Bit etwa 23,000 Geiſtliche, amit
und obne Pfründe, und etiva 14,000 Pfründen mit
einem Jahreswert von etwa 5 Will. Pfd. Sterl. Die
Hälfte diefer Pfriinden bringt dem Inhaber unter
130 Pfd. Sterl. Den Biſchöfen liegt die geſamte innere
Verwaltung der Kirde ob, auch jtehen thnen dic Dis-
ziplin und die Gericdtsbarfeit zu. Jedes der beiden
| Ersbistiimer hat fein House of Convocation, in bem
| die Biſchöfe, die Defane und Bertreter der Kapitel
522
und ber niedern Geijtlidfeit (proctors) Sig und
Stine haben. Die Beſchlüſſe unterliegen der Ge-
nehmigung des Barlaments. Das Laienelement wird
durch einen jabrlid) tagenden Church Congress ({eit
1868) vertreten. Für die Bildung der Geijtlichfeit
forgen auger den Univerſitäten nod) 18 theologiſche
Seminare.
Die jährliche Gejfamteinnahme der anglifanifden
Kirche wird auf iiber 12 Mill. Pfd. Sterl. geſchätzt.
Sie entipringt dem feit 1836 an die Stelle des Zehn—
ten getretenen Erbzins, deſſen Betrag von fieben zu
fieben Jahren fejtgefegt wird, liegenden Gütern, an-
elegtem Kapital, Stolgebiihren, Kirchſtuhlmieten und
F eitilligen Waben. Die Kirchenſteuer (church rate)
ijt feit 1868 abgeidafft. YWus den Wnnaten (first
fruits) werden die Cinnahmen gering dotierter Pfrün⸗
den erhöht (jogen. Queen Anne's Bounty, weil diefe
Bejtimmung jur Zeit der Königin Anna getroffen
wurde). Sehr bedeutend find die freiwilligen Gaben
fiir firdhliche und fiir Zwecke der innern und äußern
Miffion. Die 24 Gefellichaften fiir äußere Miſſion
haben cine Jahreseinnahme von fiber 500,000 Pfd.
Sterl. Allein fiir Rirdenbauten wurden 1884—93
13,500,000 Pfd. Sterl. gezahlt.
Der Gottesdienjt ijt durd das allgemeine Ge-
betbuch (j. Book of Common Prayer) genau geregelt
und zeichnet fid) durch liturgifden Reichtum unter
allen evangelifden RKulten aus. Die Rredigt tritt hinter
der Liturgie zurück. Yn der Lehre iſt die a. K. Durdy: |
aus protejtantijdh; denn die ncununddreifig Ure |
tifel, das eigentliche Glaubensfymbol, auf das alle |
Geiſtlichen verpflichtet werden, jtimmen 3. T. wortlich |
mit den deutſchen evangeliſchen, insbef. reformierten |
Befenntnisidriften iiberein. Die rein juriſtiſche for-
melle Unwendung der 39 Urtifel bei Der Bemeſſung
der Lehrfreiheit der Geiſtlichen hindert aber nidt, day
aud) in der anglilaniſchen Kirche die verſchiedenſten
Richtungen fic) geltend maden. Man pfleqt drei.
Farteien zu unterideiden: Die hochkirchliche Partei
(High Church Party) halt vor allem an der Ber-
fajjung und dem allgemeinen Gebetbuch feft. Yus |
ihr find hervorgeqangen die Rufeyiten oder Traftaria-
ner, aud) Unglofatholifen oder Ritualijten genannt,
die, Puſey (7. d.) jolgend, im Ritus und im Dogma
fic) fehr dem Katholizismus nähern und ihren Vin,
hang befonders in der vornehmen Welt haben (ſ. Ri-
tualtitifdjer Streit), Die niederfirdlide Bartei
Anglijieren
(Low Church oder Evangelical Party) leqt weniger
Wert auf Ritus und Verfajfung als auf tatiqes Chri-
itentum in innerer und äußerer Miſſion. Aus diefer
Partei ging die 1846 geſtiftete Evangeliſche Al—
lian (.d)hervor. Xn der Partei der fogen. Breit -
firdliden (Broad Church Party) ringt eine freiere,
von deutider Wiffenichaft angereqte Theologie nach
lirchlicher Anerlennung; ju ihr gehörten Manner wie
Arnold, Colenfo, A. P. Stanley. Die a. K. beſchränkt
ſich als Staatskirche auf England, Wales und die Inſel
Man; doch find aus ihr mehrere Tochterkirchen her—
vorgegangen. Die proteſtantiſch-biſchöfliche
Kirche von Irland, 1800 mit der anglilaniſchen
Rirde als United Church of England and Ireland
vereiniqt, 3 feit 1871 unabbhangig und bat die 39 Ar—
tifel in weſentlichen Bunften abgedndert. Sie fteht
unter 13 Biſchöfen und hat cine Synode, in der neben
den Bifchdfen und 208 Vertretern der Geiſtlichkeit auch
416 Laten Sig und Stimme haben. Die Episcopal
Church in Schottland (7 Biſchöfe) ſowohl als die
American Episcopal Charch in den BVereinigqten
Staaten von Nordamerifa, die Church of Canada,
— Angol.
die Church of Australia, die Indian Church und die
Church ofSouth Africa find gleidfalls Todjterfirden,
aber mit volllommen jfelbjtindiger Verwaltung. Da-
hingegen ſtehen die Biſchöfe in den Rolonien, die
Miionsbilddfe in Heidenländern und cine größere
Zahl unabhängiger ieinden im Auslande nod in
einigem Zuſammenhang mit der Mutterfirde, die
ihnen bebdeutende Unterjtiigungen gewährt. Doc rit
die a. K. in Leiner der Kolonien Staatsfirde und fiebt
ſich betreffs ihrer Erhaltung fajt lediglich auf die Ber
jteuer Der Gemeindemitglieder angewiefen. Ville zehn
Sabre vereinigen fid) die Biſchöfe der anglikaniſchen
Rirde gu einer — im erzbiſchöflichen Palaſt
zu Canterbury (ſogen. Lambethkonferenz), an der
1897: 194 Biſchöfe leilnahmen. Vgl. G. Weber, Ge—
ſchichte der Kirchenreformation in England (neue
Ausg., Leipz. 1856, 2 Bde.); L. v. Ranke, Engliſche
Geſchichte (4. Uufl., daſ. 1877—79, 9 Bde.); Perry,
A history of the English Church (fond. 1861—
1864 u. b., 3 Bde.); R. W. Diron, History of the
Church of England from the abolition of the Ro-
man jurisdiction (Bd. 1—6, baj. 1878 — 1902, bis
1570 reichend) ; Malower, Die Verfaſſung der Kirche
von England (Berl. 1894); Overton, Life in the
English Church (3 Bde., Yond. 1885, 1887, 1894).
Anglifieren, ſ. Englijieren. ſratur.
Anglift, Kenner der engliſchen Sprache umd Lite
Anglizismus, cine der englijdyen Sprade eigen:
tümliche Ausdrucksweiſe, die in eine andre Sprady
iiberqegangen ift.
AUngloamerifaner, Nadfommen von Cinwan-
derern aus Grokbritannien, im weitern Sinn aud
dem » Bereinigten Königreich«.
Anglofrangzsfifd, |. Unglonormannifd.
Anglo-indifdes Reich, ſ. Ojtindien.
Anglomanie, dic übermäßige Bewunderung und
Nachahmung englifden Weſens.
Anglonormanne, Pferdeſchlag, |. Pferd.
Anglonormanniſch, aud Anglofranzöſiſch
heißt die franzöſiſche Sprache in der Form, in der ſie
1066 von den normanniſchen Eroberern in England
eingeführt und dort unter dem Einfluß des Engliſchen
umgeſtaltet wurde. Die anglonormanniſche Literatur
beqinnt mit den Geſetzen Wilhelms des Eroberers
(1070); fie hat im 12. Jahrh. hauptſächlich Chronifen
und lehrhafte Werke hervorgebradt. Scit 1204, wo die
Normandie wieder mit Frantfreid verbunden wurde,
veriwildert das A. raſch und verfchwindet im 14. Sabrh.
auch aud der Literatur. Rur in Urfunden und Rechts⸗
biidjern bat fich diefe Sprache bid ind 16. Jahrh
erhalten. Bis ing 14. Jabrh. galt jie als Sprache
des Hofes, bes AdelS, des Rechtswefens und der
Schule in England, wo daher aud) die Alteiten Lebr-
biicher Der franzöſiſchen Sprache im 13. Jahrh. ent-
ftanden find. Bal. Stiirjinger, Orthographia
gallica (Heilbr. 1884); Sdeibner, Uber Me Herre
ſchaft der franzöſiſchen Sprade in England (Anna⸗
berg 1880); Behrens in Pauls ⸗Grundriß der gers
manifden Bbhilologie« (2. Wufl., Bd. 1, S. 950 f.).
Angmagfalif- Fjord, Budt an der Ojttiite
Grönlands unter 65'/2° nördl. Br.; dajelbit wurde
1894 der gleidnamige Miffions- und Handelsplag
erridhtet.
Angol, Hauptitadt der chilen. Broviny Malleco und
des Depart. A. (2300 qkm mit (1800) 19,095 Einw.),
durd Eiſenbahn mit Concepcion und Santiago ver>
bunden, hat fleine Garnifon, Wajjerleitung, Brane-
reien und (1895) 7056 Einw. Rabebei Ruinen der
1553 geqriindeten Stadt Ciudad de los Confines.
Angola (Stoff) — Angola (Land). 523
— — Baumwollenſtoff mit 24 Ketten- und 23 | ternde Palmen den tropiſchen Charalter dartun. Auf
Schußfäden auf lcm. Garne: Kette Nr. 12 engliſch, dem Gavannen finden ſich Eriodendron und bod.
Schuß Nr. 22 englijd, VBindung Koper */2 | wiidhfige Euphorbiazeen, Proteajcen, Affenbrotbäume,
gebrodjen. Wollbaume, baumartige Lilien (Vellosia) und die
An Ola, portug. Kolonie an der Wejt- | eigentümliche Welwitschia mirabilis. Bon wwilden
Angota- küſte Ufrifas (ſ. Karte »Wquatorialafrita<), | Tieren gibt es Panther, Hyanen, Rrofodile, Flup-
Gewebe. zwiſchen 6 —17° 51‘ fiidl. Br. und 12—26° | pferde, dagegen haben fid) Löwen, Elefanten, Anti—
öſtl. L., wird begrenzt im W. vom Utlanti- lopen ing Innere suriidgezogen; Schimpanſe, Paviane
ſchen Ozean, im RN. vom Kongo und Rongojtaat, im | und andre Uffenarten iommen an vielen Orten vor.
D. vom Kongoſtaat und Briti}d-Nyaffaland (Mam- | Die Bevölkerung gehört sur großen Vilferfami-
bundareid)), im S. von Britifd-Betfduanaland und | lie der Bantu und bejteht im S. aus den fogen. Kongo—
Deutid- Siidwejtafrita. Außerdem gehdrt dazu die | negern, die in eine Menge Stämme jzerfallen, wie die
€Enflave Kabinda zwiſchen dem Rongojtaat, Franzö⸗ Demtbo, Kaffimba, Bangala, Bondo, Riofo, Tamba-
ſiſch Kongo und dem Meer. Das Gefamtareat betragt | Malemba, Kalufeme, Bibé, Muforofa, Songo, Vatan-
1,315,460 qkm mit 4,180,000 Einw. Das Land fteigt | fala, im äußerſten Silden aud) Herero, int SW. Ba-
von der im N. breitern, im S. ſchmalen, diirren und | rotſeſtämme. Die meijten diefer Völlerſchaften leben
fandigen Küſtenebene in Stufen ju dem innerafrifani- | nod) vollſtändig nad ihren alten Gewohnheiten unter
ſchen Hochland an, das nad dem Innern gu fic) all- | ihren Häuptlingen, wie die Gangella und Amboella
mählich abdadt. Diefe Wajferideide, in ihrem nbrd- | am Oberlauf des Kuito und Nuando u. a., während
lidjen Teil Cananhagebirge genannt, trennt die gum | die Rabinda, Ambakiſten und Bihenos (⸗Pretos · ge-
Utlantifden Osean ziehenden Flüſſe Lelundo, Yinbri- | nannt im Gegenfage gu den ungjivilijierten ⸗Negros«)
zette, M'Briſche, Loja von zahlreichen wejtliden Zu- portugieſiſch |predjen, als Kaufleute und aud als Be—
üſſen Des Kuango. Sie tritt dann nod weiter nad ©. | amte tätig find. Die Anzahl ſämtlicher Europäer,
zurück und fällt in dem 1000 m hohen N'Talla Mun- | worunter im SO. ſich viele Buren befinden, beträgt
— ebirge jteil gegen den obern Ruango ab. Die | 12,285, dod) ijt in diefe Ziffer viel Halbblut eingered)-
—— ett fisy i weſtwärts gefritmmtem Bogen | net worden; davon leben 6142 in Loanda, 4810 in
nad S. fort bis gum Hodland von Bihe, von dem nad | Moffamedes, der Reft verteilt fid) auf die tibrigen
N., S. und O. zahlreiche Gewäſſer abfließen: nad MN. | Küſtenplätze und das Ynnere. Da die Rolonie als
der bedeutende Kuanza, der, nad Mufnahme zahlreicher Deportationsort dient, fo wohnen in den Städten viele
Zuflüſſe an dem merfiwiirdigen, 1169m hohen Pungo | deportierte Verbreder ——— Cin verfappter,
Rdongofeljen voriiberjiehend, dem Atlantiſchen Ojean | ſchwunghafter Sllavenhandel findet nocd) immer jtatt,
zufließt; nad) SD. qehen Lungo-en-bungo und Ruando | indem die aus dem Innern gebradten ſchwarzen Yr-
gum Gambefi, ſüdwärts Nuito und Rubango jum | beiter den Handlern abgefauft und durd) langjährige
roßen abfluplofen Gebiet (Ngamiſee xc.) im Innern, Rontrafte an ihre neuen Herren gefeſſelt, aud) viel-
in gleicher Richtung der Oberlauf des in den tlanti- | fad) nad) Sao Thomé und Principe verſchickt werden.
ſchen Ozean miindenden Kunene. Vom 12.° ſüdl. Br. | Die Miſſion ijt feit langem tätig; 1882 wurde wieder
tritt Die Waſſerſcheide nahe an die Küſte heran. Auf | nach 9Ojiibriger Unterbredhung m San Salvador von
den Lovilli (2370 m) und den Olombanganda (2000 m) | Portugal aus eine latholiſche Miſſion begründet, dic
folgen bas Undrade-, Corvo-, Wondo- und Urnha- | jest Stationen bis nahe an die Südgrenze hat. Für
gebirge (Kiſecut 1745 m), die Serra Munda, Serra | den Clementarunterridt forgen 40 Rnaben- und 12
da Reve (1890 m), Urradal da Caionda (1872 m) | Mädchenſchulen, die von 352 Schwaärzen, 121 Miſch—
und die Serra Cana. Der Kuanja tragt in feinem | lingen und 183 Weißen beſucht wurden. Uber die
Unterlauf Dampfer und fann auf 200 km bis zu den | Rolonijationswirfung der Portugieſen bleibt gering.
Fällen von Cambambe mit fladgehenden Booten be- | Der Branntweinverbraud ijt fehr ftarf und wohl in-
ahren werden; aud der Loja, Dande und Bengo | folgedejjen die Demoralijation der Bevölkerung groß.
Jind ſtreckenweiſe befahrbar, dod behindern gefährliche Erzeugniſſe der Landwirtſchaft find Maniof, Tabak,
Barren die Cinfahrt. Mucullo, Ambrizette, Muſſera, Indigo, Reis, Kaffee, Buderrohr, Baunuwolle, Erd-
Rinfembo, Ambriz und Novo Redondo haben nur un: | nüſſe, Mais, Hirfe; doch feins wird in geniigender
geidhiipte Reeden, und cine ftarfe Brandung erſchwert Menge gebaut. Die Hauptiduld an dem ungiin-
3 Landen, aaa bieten die Häfen von Loando, ſtigen Stande triigt die Latifundienwirtfdaft. Die
Venguella und Mojjamedes ſtets fidern Shug. Das | reidjten Kaffeepflanzungen befinden ſich im Tal des
Rima ijt an der Küſte in Loanda und —— Lukulla, doch wächſt der Kaffeebaum an vielen Orten
heiß, feucht und im höchſten Grad ungeſund, in Moſſa- aud wild. Baumwolle gedeiht ſehr gut in den Talern
medes dagegen und im höher gelegenen Innern weit | des Kubango und Sambeſi. Zur Ausfuhr kommen
bejjer. Die Durdhidhnittstemperatur betriigtin oanda | befonders Kautſchul, Kaffee, Ropal und Wads, Baum⸗
23,6°, in Mofjamedes 20°, in Malanſche (1170 m it. M.) | wolle, getrodnete Fiſche, Cifenbein nur nod wenig,
195°, Maximum in Loanda (Februar) 26,2°, in Ma- | im ganjen 1899 fiir 7,958,496 Milreis, wahrend die
lanſche (Januar) 21°, Minimum in Loanda (Auguſt) | befonders aus englifden Zeugen bejtehende Cinfuhr
19,9°, in Malanſche (uni) 18°. Die Regenzeit wabhrt | 7,102,224 Milreis betrug. Bortugieltice Händler
in den Niederungen von Loanda vom Oltober bis (Pombeiros) durchziehen das Land und handeln von
Januar und vom April bis Juni. Die Jahresſumme den Eingebornen die Landesprodufte ein. Dod) wer-
betriigt 320 mm in Yoando, 1534 mm in Caconda. | den die Erzeugniſſe des Landes, das auch reid) an
Rad S. ju wird das Klima immer trodner. Dagegen Eiſenerz, Kupfer, Blei, Salz, Schwefel, Steinlohlen
verdorren im Innern die nördlichen Hochebenen, waͤh⸗ (bet Cambambe am Kuanza) und Erdöl ijt, wenig
rend die Gebirgslandſchaften des Südens feuchter und ausgebeutet. Das Vorfommen von Gold in Libollo
daher frudjtbarer find. Die Berjdhiedenheit des Kli- und am obern Nunene wird von der Regierung vers
mags bedingt aud) den Charafter der Vegetation. Die | heimlidjt. Bon Yndujtrien find nur Sigqarrenfabri-
Küſtenterräſſe ijt mit pradtigen, artenreidjen Urwal: | fation, Mattenfledterei, Branntweinbrennerei und
bern bededt, in denen ilppige Farne, Lianen und flet> | Zieqelbrennerei nennenswert. Die Verfehrsmittel
aaa
524 Angola-Erbjen — Angouleme.
find noch ſehr mangelhaft. Da Pferde und Kamele türkiſch-kleinaſiat. Wilajets, am Engüriſu, einem Zu-
nicht gedeihen und der Ochs mur als Reittier gebraudt | fluß des Safaria, und am Fuß eines ftcilen Burg-
wird, jo muß aller Transport durch Trager erfolgen. | feljens. Die von einer aus alten Bautriimmern ju-
Rarawanenwege gehen von Loanda iiber Dondo, | jammengejesten Mauer umngebene Stadt hat meiſt
Pungo Ndongo und Malanide und von Benquella | enge, unregelmäßige Strahen, über 80 Mofdeen und
fiber Bihé ins Innere. Die Umbaca-Cijenbahn wurde | 17—18 Chane und ijt mit Sfutari durd eine über
1887 bei Loanda begonnen und ijt am redjten Ufer Eskiſchehr führende Eiſenbahn verbunden. A. bat
des Lucalla bis Malanſche weitergefiihrt worden. 30,000 Einw., davon */s Türken, faft '/s fathotiide
Der Bau einer Linie von VBenquella zum Hodlande | Armenier, ferner Grieden und Yuden. Für jede der
von Caconda (etwa 1500 km) ijt feitend der Regie- drei chriſtlichen Seften refidiert in YL cin Erzbiſchof.
rung in Ungriff qenommen. Ende 1901 waren ins- Der gang in den Héinden der AUrmenier beſindliche
gejamt 543k in Betrieb. Für eine Linie von Moſſa⸗ | Handel bringt befonders rohe Wolle (von den Angora⸗
medes nad) der Hochebene von Shella (175 km) hat ziegen; jährlich 1/2 Mull. kg), Gelbbeeren (Rhamaus
eine belgiſche Gefellichaft, fiir dDen Bau einer Bahn tinctorius), Krapp, Maſtix zur Musfubr. — A. rt
von der Runenemiindung nad) dem Innern eine ame | das alte Ankyra in Galatien, die Hauptitadt der
ritaniſche Gefellidaft eine Konzeſſion erhalten. Die Teftojagen und ſpäter, durch Auguſtus, die von Ga-
Regierung qarantiert diejen Bahnen eine Verjinfung | latien, wurde als Mittelpunkt der Heerjtrake von By-
von 5—-6 Broz. Die Lange der Telegraphentinien zantion nad) Syrien Hauptitapelplay des Rarawanen-
betriigt 1287 km mit 1308 km Drähten und 23 | handel’. Aus Danfbarfeit erbauten die Bewobner
Amtern. Die Voſt befdrderte 1896 durch 57 Ämter | dem römiſchen Kaiſer und der Dea Roma das (in ſeinen
381,339 Brieffendungen, davon 23,074 im äußern Triimmern nod) vorhandene) Auguſteum, auf dejjen
Verkehr. Eine portugieſiſche Danrpferlinie verbindet | Unterbau die von Auguſtus felbyt verfaßte Überſicht
die Haupthafen miteinander, die aud) von der Ddeut- | feiner Taten eimgeqraben war. Bon dieſem Mona-
jen Woermanniinie angelaufen werden. Loanda mentum (Marmor) Ancyranum find jeit 1553 bedeu
wird ferner von den Dantpfern zweier, Cabinda von | tende Fraqmente abgeidrieben und von veridiedenen
denen einer engliſchen Linie angelaufen. Die Kolo- | Gelehrten (am bejten von Mommſen in »Res gestae
nie zerfällt in drei Dijtrifte: Loanda, Benquella | divi Augusti«, 2. Wufl., Berl. 1883) erflart worden;
und Moſſamedes; jeder Dijtrift wieder in Concelhos cinen Geſamtabklatſch nahm 1882 &. Humann fiir
(Kreije), und zwar Loanda in 21, Benguella in 6, | die Berliner Alademie. Rach der Cinfiibrung des
Moſſamedes in 3. Bur — ihres Einfluſſes und Chriſtentums war A. der Sitz eines Metropoliten und
zur Eintreibung der Abgaben haben die Potugieſen im der Verſammlungsort zweier Konzile (315 und 358).
and eine Anzahl von Poſten angelegt. Das Bud- | 621 wurde A. von den Arabern erobert, fam dann
get beziffert jid) 1901/02 in Einnahme auf 1,844,675, | wieder in die Gewalt von Byzanz und ward 1360
m Ausgabe auf 1,994,072 Milreis. Sig des Gou- | von Murad L. dem Tiirlenreich einverleibt. In der
verneurs, dem Militär- und SZivilverwaltung unter: | Nahe verlor Bajejid I. 20. Juli 1402 an den Mon-
ftehen, ijt die Hauptitadt Sao Paolo de Loanda. golen Timur Thron und Freibheit.
Die Küſte von A. wurde 1484— 86 durch den portu⸗ Wngorafelle, die Helle der Ungoraziege und der
gieſiſchen Seefahrer Diego Cao entdeckt. Bald darauf perſiſchen Ziege, werden geſfärbt und ungefärbt zu
ſiedelten ſich die Portugieſen am Batre und ſüdlich Beſätzen, kleinen Teppichen und Bettvorlagen benuge
davon an; dod) erſt 1574 begründeten fie die Stadt | Angoradecken ſtammen meiſt von engliſchen Scha⸗
(Sav Paolo de) Loanda, wo der Gouverneur feitdem | fen, ſeltener von kapländiſchen und auſtraliſchen; als
refidierte, und die friiher Dongo (oder Ambonde) ge- | bejte gelten die Oxfordſhire. Sie lafjen fic leicht far
nannte Landidaft, eine Broving des Königreichs ben. Als Imitation dienen gewöhnliche Schaffelle.
Kongo, erhielt feitdem den Namen YW. 1640 wurden) Angorafave, ſ. Rage.
die Vortugieſen von den Holländern aus Loanda ver-| Angorawolle (Kämelhaar, frz. Poil dechévre,
trieben, madhten fic) aber 1648 wieder ju Herren des | Mohair), das Haar (Wollhaar) der Yngorasiege, aud
Platzes und blieben nunmehr im ungeitirten Beſitz andrer orientalifder Ziegen. Die beſte A. von den
des Yandes. Val. Tams, Die portugiejifden Be | Bergen um Angora und der Umgegend von Konia
jipungen in Siidwejtafrifa (Hamb. 1845); Valdes, | iit ſehr fein (0,027—-0,054 mm), weich, frauslodig und
Six years of a traveller's lite in Western Africa | von feidenartigem Slang, meijt wei, 15—20 und
(Yond. 1861, 2 Bde.); Monteiro, A. and the river | felbjt iiber 30 cm lang. YW. wird in Wngora und Um—
Congo (daf. 1875, 2 Bde.); Lur, Bon Loanda nad) gegend gqejponnen und gewebt (Mamelott, Serge,
Kimbundu (Wien 1880); Serpa Pinto, Quer durch Sdals), aber auch in Europa zu Geweben und PRoja-
Ufrifa (Deutidh, Leip. 1881); FW. Pinto, A.eCongo menten verarbeitet. Die Ungorajiege entartet in den
(Liffab. 1888); Veth u. Snelleman, Daniel Veths meijten fremden Landern, halt fic) aber febr qut am
reizen in A. (Haarl. 1887); Schurtz im 3. Bande Rap und in KRalifornien, und die Rapfolonie liefert
von Helmrolts »Weltgeſchichte⸗ (Leipz. 1901). febr viel YW. Als Ungoragarn geben aber auch Fa—
Angöla-Erbſen, Samen von Voandzeia sub- brifate aus tanger, ſchwäch gefraiufelter Bolle des
terranea und Cajanus indicus (f. d.). Angoraziege, |. Siege. Landſchafes
Angolahol;, ſ. Baphia. | Ungornn, Stadt in Bornu, ſ. Ngormu.
Angolala, chemalige, 830 geqriindeteHauptitadt Angoftitra, ſ. Ciudad Bolivar.
des zu Abeſſinien gehörigen Königreichs Schoa, unter | Ungofturarinde, ſ. Cusparia.
0° 36° ndrdl. Vr., 2400 m it. VL, mit 1070 Einw. Angotſcha-Juſeln, kleine Gruppe an der Mojam-
WUngora, glänzender Damenfleideritoff mit Lein- | bittüſte (Ojtafrifa), unter 16° 3% ſüdl. Br., an der
wandbindung und 25 Ketten- und 27 Scupfiden | auc der Fiuß Angotſcha oder Mluli miindet.
auf Lem. Warne: Sette Baumwollenzwirn Rr. 100) Angonleme (or. angguiim, Hauptitadt ded frany.
engl., Schuß Mohair Vr. 30 engl. A. heißen auch Imi⸗ Depart. Charente, 96 m it. M., an der Charente, stno-
tationen der Angorafelle (i. Mohairplüſch, Lamftin). | tenpuntt der Oridans- und der Staatsbabn, beitebt
Angora (Cn gq liri), Hauptitadt ded gleichnamigen aus der alten Stadt, die von ſchönen Bromenaden
Angouléme — Angvriff. 525
(Den eHemialigen Willen) umgeben ijt, und den ringsum | Proteltor ultraroyalijtijder Umtriebe. Infolge der
liegenDdDen Borjtidten, hat eine Kathedrale (1128 im Julirevolution entfagte A. mit feinem Bater 2. lug.
romanitfd-byzantinifden Stil erbaut) mit reidjer Faf- | 1830 zu Rambouillet der Krone gu gunſten feines
Jade, ein ſchönes Stadthaus (mit zwei Tiirmen des alten | Neffen, des Herzogs von Bordeaux, beqleitete Nari X.
Sehlojjes), eine Statue Margaretes von Valois, ein | nad Holyrood, 1832 nad Prag und 1836 nad Görz,
Lyzeunt, cin theologifdes und ein Lehrerfeminar, | wo er als Graf von Marnes bis zu feinem Ende
Bibliothel und Raturalientabinett, ijt Sig eines Bi- | in Zuriidgesogenheit lebte.
ſchofs und cines Handelsgeridts und jahlt avon) 3) Marte Théreje Charlotte, Herzogin
34,948 (als Gemeinde 37,650) Einw., welde die | von, Gemabhlin des vorigen, Tochter Qudwigs XVI.
Steinbriide in der Nahe ausbeuten, bedeutende Fa- | und der Marie Antoinette, geb. 19. Dex. 1778 in
brifation von Papier, Tapeten, Schußwaffen und | Verfailles, gejt. 19. Olt. 1851 im Frohsdorf. Sie
Pulver, Drabhtzieherei, Mafdinenbau und lebhajten | qciate frith fcharfen Verſtand und Willensfraft. Jn
Handel mit Branntiwein u. a. treiben. — A. ijt das | Auguſt 1792 nut im Temple eingeferfert und 1793
alte Iculisma in Uquitanien, da8 im 9 Jahrh. von | von ihrer Mutter qetrennt, fah fie die Haupter ihrer
den Rormannen jerjtirt wurde. Die Landſchaft hieh | Eltern und ihrer Tante Clifabeth fallen und hatte aud
{rither Wngoumois und war cine Grafidajt (ſ. die | perſönlich viel zu erdulden. Sie hinterließ fiber dieſe
Geſchichtslarte bei⸗Frankreich⸗), die 13807 mit der Krone | Erciqnijje » Mémoire écrit par Marie-Thérése-Char-
vereinigt wurde. 1515 erhob fie Fran; J. zum Herjzoq- lotte de France sur la captivité de ses parents«
tum git gunften feiner Mutter, und Ludwig XIV. | (Bar. 1892) und »Journal de la duchesse d'A.,
madte Daraus die Upanage des Herjogs von Berry, | 5 oct. 1789 —2 sept. 1792<« (beide hrsg. von Imbert
der 1714 ftarb. Seitdem bebiclten die Bringen der | de Saint-Ymand, daj. 1893). Wm 19. Dez. 1795
ãltern bourbonifden Linie den Titel » Herzog von A.«
In W. wurden Margarete von Valois und der Kö—
gegen die von —— an die Oſterreicher aus-
gelieferten Deputierten ju Blaſe ausgewedjelt, begab
nigsmörder Ravaillac geboren. Bgl. Liewre, A., his- | ite fid) nach Wien. Dort verlobte fie Subwoig XVHL.,
toire, institutions et monuments (Angoul. 1893).
dem fie mit Liebe und Treue anhing, mit Dem Her-
Augouleme (pr. angguldm’), 1) Charles de Bae | 30g von A., den jie 10. Juni 1799 in Mitau hei-
lois,
vergne, ward 1580 Großprior von Frankreich und
erzog von, natürlicher Sohn Karls IX. und | ratete. Wm 4. Mai 1814 zog fie mit Ludwig XVIII.
Der Marie Toudhet, geb. 28. Upril 1573, gejt. 24. Sept.
1650, führte guerjt den Titel eines Grafen von Au—
in Baris cin. Bei der Rücktehr Napoleons war fie in
| Bordeaur und itbernahm es, die Stadt in der Treue
zu erhalten und Wittel gum Rriege gu ſchaffen; ihre
erhielt 1619 da8 Hergogtun A. Anfangs Unhéanger | Energie erfannte Napoleon an durd) die Worte:
Heinrichs IV., wurde er 1605 wegen ciner Verſchwö—
rung gegen ihn jum Tode verurtetlt, aber gu ewigem
Gefiingnis beqnadigt und 1616 wieder in Freiheit
geſetzt. Unter Ludwig XIIT. belagerte er 1617 Soij-
fons, ging 1620 al Gefandter zu Kaiſer Ferdinand II.,
befehligte 1628 in La Rodelle und fimpfte in Lan-
quedoc, Deutidland und Flandern. Die » Mémoires
du duc d’A.« (1662) beruben mur teilweife auf feinen
Mitteilungen.
2) Louis Antoine de Bourbon, Herjog von,
qeb. 6. Aug. 1775 in BVerfailles, geſt. 3. Junt 1844
in Görz, dltejter Sohn des Grafen Urtois, nachherigen
Königs Karl X., und Maria Therefias von Savoyen,
folqte 1789 feinem Bater in das Eril nad Turin,
itellte fid) 1792 in Deutidland an die Spige des Emi-
qrantenforp8 und begab fid) nad) defjen Auflöſung
nad Edinburg, darauf nad Blanfenburg am Har;
und endlich nad) Mitau, wo er ſich im Junt 1799 mit
der einzigen Todter Ludwigs XVI. vermählte. 1806
qing er nad) dem Bourbonenafyl Schloß Hartwell in
England. Als 1814 die Verbündeten m Franfreid
einrückten, erſchien er 2. Febr. im britiſch-ſpaniſchen
Hauptquartier gu St.Jean-de-Luz und ſammelte
hier Anhänger de legitimen Königtums um fic, 309
12. Mar; im Bordeaur ein und proflamierte Lud—
wig XVIII. als König. Sein Verſuch, den nad) Frank—
reid) zurückgekehrten Napoleon aufzuhalten (April
1815), mißlang; er mußte nad) Spanien fliehen. Nad
Herjtellung der Bourbonenherridaft erbhielt er 1823
den Oberbefeh! zur Unterdritcdung der fpanifden Re—
volution, tiberfdjritt 6. Wpril die Bidaſſoa und rückte
24, Mai in Madrid cin, ohne bedeutenden Widerjtand
qefunden gu haben. Bor Cadiz erjtiirmte er 30. Aug.
den Trocadéro, wofitr er sum Fürſten von Trocadéro
crnannt wurde. Vergeblich bemiihte er fich, den Radhe-
taten der jpanifden Royaliſten ju ſteuern. Rad) der
ronbeſteigung feines Baters Karl X. (1824) war der
beſchränlte und heftige VW. als » Dauphine der geheime
»Dieſe Herzogin ijt der einzige Mann der Familie
Bourbon.« Während der Hundert Tage lebte fie wie-
| der in England. Nad) der zweiten Reſtauration ver⸗
focht ſie bei aller perſönlichen Verſöhnlichkeit doch
eifrig ſtreng royaliſtiſche Grundſätze. Beim Ausbruch
der Julirevolution ging fie nad) England in ihre
| dritte Berbannung. Wn der Seite thres Gemahls lebte
jie ſpäter in Görz, zuletzt mit ihrem Neffen, dem Grafen
von Chambord, deſſen Erziehung fie leitete, auf ihrer
Herrſchaft Frohsdorf bei Wiener-Neujtadt. Bgl. Im—
bert De Saint-Amand, La duchesse d’A. et les
deux Restaurations (Bar. 1887).
Angoumois (pr. anggumia), ehemalige frany. Bro-
vy j. Unqouléme.
ngra (A. do Horovismo), Hauptitadt der Inſel
Terceira fowie der Azoren iiberhaupt, nf der Zivil⸗
und Militärbehörden, mit (sso) 11,000 Einw.
Angra Pequena (pr. petenad, ſ. Lüderitzbucht.
Ungrarier, —— Volk, ſ. Angrivarier.
Angrécum Thouars, Gattung der Orchidazeen,
ſtattliche Pflanzen mit meiſt flachen, zurückgekrümm—
ten Blättern und traubigen Blütenſtänden. Etwa 15
Arten im tropiſchen Afrika, auf Madagaskar und den
Maskarenen. A. fragrans Thouars, auf den Maska—
renen, mit bandförmigen, an der Spige jweilappigen
Blittern, die Kumarin enthalten und als Surrogat
ded chineſiſchen Tees, befonders aber in China jum
Parfiimieren desfelben benugst werden (Fah ham- oder
Bourbontee).
Angri, Stadt in der ital. Provinz Salerno, an
der Eiſenbahn Neapel-WMetaponto, mit Baumwoll—⸗
{pinnerei und -Weberei und (i901) 11,219 Einw.
Angriff (fran. Attaque), der Verſuch, den Feind
aus feiner Stellung ju treiben und ihn womöglich
gu vernidten. Seine Durchführung ridjtet fid) nad
Den jeweiligen Berhaltnijjen der gegenſeitigen Starke
und des Geländes. Der WU. wird frontal, d. h. pare
allel zur feindlichen Aufſtellung in ihrer ganzen Lange,
526
geführt oder fo, daß er diefe an einem Bunfte durd-
bridt oder fie auf einem oder beiden Flügeln umfaft.
Man unterjdeidet danad den Frontal-, den ein:
feitigen oder Doppelten Flitgelangriff (Umfaſſung
und dDoppelte Umfaſſung), endlid) den Durd brud.
Der AU. hat vor der Verteidiqung den Vorteil, daj er
bas moralifde Element der Truppe hebt, er fann ſich
den Bunt fiir den A. wählen rc. über die Tatigeit der
einzelnen Waffen beim A. f. Fechtart. Bgl. Fejtungs-
fried und Djfenfive.
ngriffsfront, ſ. Feſtungskrieg. J
Angriffogefecht, Durchfuührung des Angriffs auf
eine Stellung, die, der jetzigen Feuerwirkung ent—
— fpredjend, meiſt
mehr oder went:
ger künſtlich ver-
ſtärkt fein wird.
Die Musbildung
der Truppen fiir
das A. bildet Den
Rernpunft der
modernen Tattif.
Nur Überlegen⸗
heit der Kräfte,
umſichtige Bib
‘eum. Tung und griind-
Ang fter Qirnberg, German. Mujeum) tiche —
bereitung ſichern im A. Ausſicht auf Erfolg. Dem A.
muß genaue Erkundung der feindlichen Stellung, ihrer
Stirfen und Schwächen ſowie der Verteilung der
Streitfrifte vorangehen. Bal. Fechtart und Angriff.
Val. Soenia. Taltif der Zukunft (Berl. 1890);
Bald, Taktik (2. Aufl., daf. 1899).
Angrivarier (Angrivarii), german. Bolt an bei-
den Ufern der Wejer, nördlich an die Chaufen, fiid-
wejtlich an Den Grenjwall der Cherusfer ſtoßend. Als
Germanicus 16 n. Chr. gegen die Cheruster und Chat-
ten 30g, erboben fich die A. in feinem Rücken, wurden
aber durch Stertinius bald sur Rube gebradt und blie-
ben feitdent Den Römern ergeben. Nad Tacitus follen
mit Den Chamaven einen Teil des ſüdlich benad-
arten Bruttererlandes wegqgenommen haben. Spiiter
bildeten fie alg Angern (Angrarii) oder Engern den
mittlern Teil des Sachſenbundes (f. Sachſen Volks—
ftamm)). Bon Karl d. Gr. unterworfen, nahmen fie
das Chrijtentum an. »€Engern« bat ſich als Name
eines Teiles des Derjogtums Sadjen bis ins Mittel
Rngss, Inſel, ſ Engsö. lalter erhalten.
Angſt, das Gefühl der ag a in der Bruſt⸗,
bey. Herzgegend, tritt auf als leiterſcheinung ver-
ſchiedener Lungen- und Herzkrankheiten, bedingt durch
den in der Vitemnot zum Ausdruck fommenden Sauer
ftojfmangel des Organismus (Brujtangit, Brujt-
beflemmung, anxietas pulmonalis). Die in die
Herzgegend lofalijierte A. (Präkordialangſt) bei dem
Herzaſthma (angina pectoris, Hergflemmen) ijt
eine Folge von Verfalfung der Rreujadern des Her
gens. Haufiq beruht die W. auf nervijer Grundlage,
obne fonjtiqe Organerfranfungen, 3. B. bei der New
rajthenie, nuit wedfelnder Lokaliſation (Herzgegend,
Ropf, Baud). Die Begleiterſcheinungen der v0 find
beſchleunigter Herzſchlag, qeipannter und ausjepen
der Buls, Bläſſe und Kiihle der Haut, unregelmäßige
Atmung, unrubiges Hin- und Herlaufen rc. Die ſtärt
jten Grade Der VY. treten auf bei Melancholic, Sinnes
tiufcrungen fchredhaften Inhalts im Berlaufe der
verfdiedenjten Geijtestranfheiten (Delirium tremens,
Paranvia, Epilepfie r¢.) mit Neiqgung yun Selbjt
|
|
Angriffsfront — Angulatusjdidten.
Ungftanfalle erfordern ärztliche Uberwachung in Heil
anjtalten. Bgl. H. Laehr, Die A. (Berl. 1893.)
ngfter (Un gefidter), frithere Aupfermünze der
Djtidhweiy, —Kreuzer.
angers (Ungfter, vom mittellat. Angustrum,
Zwiebelglas), gläſernes Trinkgefäß ded 15. -17.
Nabrhunderts, mit langem, engem, meift krumm ge
— Hals, der oft aus zwei und mebhreren mem:
ander getwundenen Ausgußröhren bejteht, und wer
tem Baud (j. nebenftehende Wbbildung).
Augſtröm, Unders Jonas, Phyſiker, geb. 13.
Aug. 1814 ju Lödgðö in der ſchwed. Landſchaft Wedel
pad, gejt. 21. Juni 1874, jtudierte feit 1833 in Upjala,
wurde 1843 Objervator der UWjtronomie und 1858
Profeffor der Phyſit in Upſala und 1867 Sefretir
der dortigen fdnigliden Sozietät Der Wiſſenſchaften
In feiner Ubbandlung »Optiska undersiékningar«
(Stodh. 1853) entwidelte er das Geſetz, welches der
Speftralanalyje gu Grunde liegt, aud) gab er cine
€Erflirung der Fraunhoferſchen Linien, und im den
»Recherches sur le spectre solaire« (Berl. 1869)
maf er Die Wellenlinge der meijten Fraunhoferiden
Linien und gab eine widtige Erginjung der Kirch
hoffiden großen Urbeit iiber das Gonnenfpeftrunt.
Er ſchrieb nod): »Om de monoklinoedriska kristal-
lernas molekulira konstanter« (Stodh. 1859); »Sar
les spectres des gas simples« (Upſala 1871); »Me-
moire sur la température de la terre« (Ddaj. 1871).
Angititoffe, |. Duftitoffe.
Anguilla, der Wal.
Anguilla (Snafe Jsland, for. gna citdw,
S@langeninfel, von der langqewundenen Geftait),
britijd)-wejtind. Inſel unter 48° 13‘ ndrdl. Br., 24 km
lang, 6—8 km breit, 91 qkm grok , mut Caen 3699
Cinw., meijt Farbigen, die Rinder- und Pferdezucht
fowie Salsgewinnung (jabrlid) 3000 Ton.) aus emem
— betreiben.
guilletten, kleine Male.
Anguillila, Anguillulidae, ſ. Aaltierchen
Anguis (lat.), Schlange; A. fragilis, die Blind
ſchleiche.
Anguifeiola (jor. anngwiidola), Sophonisbe, ital.
Malerm, geb. um 1535 in Cremona, gejt. um 1625
in Genua, war Sdiilerin des Bernardino Campi und
des B. Gatti und entwidelte ſich fo frühzeitig. dak fic
bereits in jungen Jahren ausgezeichnete Bitoni
malte, was ihr Selbjtbildnis von 1554 in der faijer
lichen Galerie gu Wien beweijt. Aus dem fo
den Sabre ‘serene bas Bildnis ibrer drei Schweſtern
(Berliner Nationalgalerie), ein Hauptiwert der Miinfi-
lerin. Aus vornehmer Familie gebürtig, lies fie ſich
nur ſchwer bejtinumen, Bildnijje vornehmer Berjonen,
von Fürſten und Edlen, zu malen. Auf Empfehlung
des Herzogs von Alba ging fie 1559 nad Madrid
an den Hof und entfaltete dort als Bortratmalerin
der foniglichen Familte eine glänzende Tatigteit. Nach
ihrer Vermählung mit einem ſiziliſchen Edetmann,
Fabrizo di Moncada, begab fic fid) nach Palermo. Rach
deſſen Tode heiratete fic einen Genueſen. Orazio Yo
mellini, und lebte von Da an, durch ibren Gert und
ihre reiche Bildung einen gefelliqen Mreis unt fich ſam
melnd, trogdem fie nod als Sechzigerin blind gewor
dent, in Genua. Ihr Selbjtbildnis befindet fid m den
| Ulffizien zu Florenz. Bal. Fournier:Sarlovese,
Sofonisba A. et les seurs (Par. 1900).
Angularfyftem (lat.), tigungsſyſtem durd
—
ugulãtuoſchichten, Abteilung des untern Lias,
mord und ju wutartigem Zerſtörungstrieb. Schwere ſ. Juraformation.
Angulli — Anhalt.
527
Angulli (engl. ungulee), der bengalijde Zoll, = | wejtliden Teil. Das Klima ijt mild, mur in dem ge-
1,905 cm, 24 im Hath.
Angurie, die Waſſermelone, f. Citrullus.
Angus, ſchott. Grafidaft, ſ. Forfarjhire.
Angus, Grafen von, f. Douglas.
Anguffarbe (franz. Engobe), diinne Tonſchicht
aus feinem Material, die auf Mauerjteinen, Fayence
angebradt wird, um ſchöneres Anſehen und eine be-
ftimumte Farbe zu ergielen.
Angusticlavii ({at.), bei den Rimern Bezeich⸗
mung der Militärtribunen ritterliden Standes, weil
fie ihre Tunifa mit fo malem Purpurjtreifen (angus-
tus clavus) befegttrugen, gum Unterfdied von denen
fenatorifden Standes (j. Laticlavii).
An VUngfter
„ſJ.
Angyhal (jor. andjad, David, ungar. Geſchichtſchrei⸗
ber, geb. 30. Rov. 1857 in Kun-SzentMärton, ijt
al8 Profejjor in Budapeſt tätig. W. veröffentlichte (in
ungarifder Sprade): »Daniel Bersfenyi« (Budap.
1879); »Emerich Tököly 1657—1705« (daf. 1889—
1890); »Gefdidjte Ungarns von Watthias IT. bis
Ferdinand IIT. 1608 —1657« (Bd. 6 der ⸗Geſchichte
der ungarijden Nation⸗, Millenniumsausgabe). A.
ab aud) die Werle Alex. Kisfaludis heraus und iiber-
Pate Werke von E. Laviſſe und P. Janet ing Ungarifde.
Anhagerung, Ublagerung durd) fließendes Waf-
jer ea dere aay Bodenbejtandteile lings der Ufer.
Anhalonium, ſ. Ariocarpus.
Anhalfen, dem Hunde das Halsband anlegen.
Anhalt (fj. Karte » Proving Sadfen«), zum Deut-
ſchen Reiche gehöriges — 1863 durch Ver⸗
einigung der Herzogtümer U.-Deffau-RMdthen und A.⸗
Bernburg gebildet (. unten, Geſchichte), umfaßt faimt-
liche feit 1603 getrennt geweſene an haltiſche Lande.
Dieſe liegen im norddeutſchen Tiefland und auf dem
Unterharz und zerfallen in zwei Hauptteile, einen öſt⸗
lichen und einen weſtlichen, welche durch die preu-
ßiſche Provinz Sachſen voneinander getrennt werden;
dazu kommen nod) fünf kleine, von preußiſchen Lan-
den umſchloſſene Enklaven: Alsleben, rg.
Dornburg, Gödnitz und Tilferode-UWbberode.
ditlidhe, größere Hauptteil ijt von den preußiſchen Re-
aA PT a Potsdam, Magdeburg und Merje-
urg umſchloſſen; die beiden leptern umgeben aud den
wejtliden, kleinern Teil (das fogen. Oberherzogtum
oder Ballenjtedt), und mur etwa 7,5 km lang bildet
das Herjogtum Braunſchweig (Kreis Blantenburg)
die Grenge. Der größte Teil des Landes ijt Flachland,
nur Der ſüdweſtlichſte ijt gebirgig durch den Unterhar;,
deſſen höchſte Kuppe hier, der Ramberg (Viktorshöhe),
582 m Hodbe erreicht. Bom Unterharz ſenkt fic) das
Land nad der Saale hin; jenfeit diefes Fluſſes bildet
es bis zur Elbe eine jum Teil wellenförmige Ebene.
Bom rechten Elbufer an beginnt ein meijt jandiges,
ſtark bewaldetes Fladland, nur hier und da durch
moorige und fette Niederungen und den Höhenzug
des Flaming unterbroden. Der größte Teil des Gan-
zen, von Ballenjtedt bis an die {de und Elbe, bat
vortreffliden Ackerboden; weniger frudjtbar, jedoch
ras⸗ und holzreich ijt Der Landſtrich nördlich von der
ibe; auf dem Har; lohnt der Boden nur an einigen
Stellen den Ucerbau. Die Elbe, als Hauptfluß, durch—
jtrimt den öſtlichen Teil des Landes von O. nad W.
und ninunt bier unterbalb Roßlau die von S. kom—
mende Mulde auf. Die Saale, bereits ſchiffbar, geht
in nördlicher Richtung durch den weſtlichen Strid) des
öſtlichen Teiles und nimmt rechts die Fubne (Land-
qraben), linfs die Wipper mit der Eine und die Bode
mit der Selfe auf. Gelfe und Cine bewäſſern den
birgigiten Teil etwas og 9
[Vevslferung.] Der Flideninhalt des Herzog⸗
tums betragt 2299,4 qkm (41 OW.), die Bevöllerung
nad der Bablung vom 1. Dez. 1900: 316,085 Cinw.,
Die iiberwiegend gum oberſächſiſchen Stamm gebdren.
Nad der VBerteilung derjelben auf die fiinf Kreiſe und
der Vergleidung mit der Bahlung von 1895 ergeben
fic) folgende Ziffern:
BWadhstum
Rreife | 1895 ai 1900 1895 —1900
Deffau . . . . | F50R 85573 | 14,00 Prog.
Rotben . - | 51392 53691 | 447 =
Serbft . . . . | 50203 53141 5,66
Bernburg . . . 87176 93 386 | 712»
Ballenjtedt. . . 29435 | 302h¢ 2,02
Die Vollsdichtigkeit betriigt 137,5 Seelen auf 1 qkm.
Dem Gejdledt nad famen 1900: 1036 weibliche Per⸗
fonen auf 1000 männliche. Die natiirlide Bevilfe-
rungsvermehrung b 1900 bei 10,778 Geburten
und 6466 TodeSfillen 4312 Seelen. Die Zahl der
Auswanderer belief fid) 1901 auf 42 Perjonen. Bon
den Stadten haben vier (Deffau, Bernburg, Köthen
und ft) eine Einwohnerzahl von mehr als 10,000.
Die Bevdlferung befennt ſich mit Wusnahme von
11,699 Ratholifen und 1605 Juden gum protejtanti-
ſchen, und gwar (durch Geſetz vom 29. Nan. 1880 ijt die
Union auch im fothenfden Landesteil vollzogen) zum
—— Glauben. Oberſte Kirchenbehörde iſt
das Konſiſtorium in Deſſau, dem die fünf Guper-
intendenten in den fiinf Kreishauptſtädten unterjtellt
find. Jn Gemeinfdaft mit dem Rirdenregiment forgt
die LandeSfynode fiir die Bedürfniſſe ber Landestindge
laut Gefeg vom 14. Dez. 1878 und 24. März 1879).
i¢ wird zuſammengeſetzt aus 20 in den fünf Kreiſen
gewablten Mitgliedern, nämlich 10 geijtlidjen und
10 weltliden, aus 9 aus der Zahl der angefehenen
und firdlid) verdienten Winner der evangelijden
Landestirde ju wählenden Wbgeordneten, aus den
5 Rreisfuperintendenten und aus 5 vom Landes:
herrn ju ernennenden WMitgliedern; die Synodal—
periode dDauert 6 Jahre. Die Landesſynode tritt auj
Berufung des Landesherrn alle 3 Jahre zu ordent-
lichen Verfanunlungen zuſammen; gu aukerordent-
lidjen Verjammiungen fann fie nad) Bedürfnis jeder:
zeit einberufen werden. Die Ratholifen ſtehen jeit
1868 unter Dem Bijdof von Paderborn. Wn höhern
und gehobenen Schulen find vorhanden: 4 Gymna-
fien, 2 Realgymnafien, ein Progymnaſium, ein Real-
progymnajium, cine Realfdule, 13 Mittelſchulen,
4 hobere Töchterſchulen, cin Schullebrerjeminar und
2 Lehrerinnenfeminare. Außerdem hat das Land cine
höhere techniſche Lehranjtalt und cine Baugewerkſchule.
[Erwerbssweige.] Bon der Gefamtflache entfielen
1893 auf Ader und Garten 60,7 Bro3., Wiejen 7,2,
Weiden 1,5, Wald 248 Proz. Die Hauptprodufte
find: Getreide (namentlich Weigen), Obst und Ge-
müſe, Hiilfenfriidte, Zuckerrüben, Kartoffeln, Tabat,
Flachs, Olfrüchte, Hopfen und andre Kulture u. Han:
delspflanzen fowie Holy. Die Landwirtſchaft wird
mit grofer Gorgfalt betrieben, namentlid) anf den
zahlreichen herzoglidjen und landesfislaliſchen Doma-
nen, deren Areal gu cinem Drittel des Landes berech—
net wird, und den groken Rittergiitern. Die Viehzucht
ijt ſehr anſehnlich; ſchönes Rindvieh wird nament-
lich in Den Niederungen an der Elbe und nbrdlich von
dDerjelben gejogen. 1900 waren vorhanden: 19,509
Pferde, 67,703 Rinder, 86,231 Safe, 103,664
528
Anhalt (geographiſch - ſtatiſtiſch).
Schweine und 30,887 Biegen. Außer Wild liefert das | werden. Wahlrecht und Wahl fabigleit hängen von der
Tierreich Fiſche, namentlich Lachſe, Welfe, Store und
Neunaugen, endlich Honig in Menge. Der Bergbau
auf filber- und fupferhaltige Erze tm Har; hat auf-
gebort, es werden Dort nur nod) Erze verhiittet, die
namentlid) aus Amerika cingefiihrt werden. Reich ijt
das Land an Braunfohlen, deren Ubbau 1900 auf 10
Gruben jtattfand und eine Broduftion von 1,347,458
Ton. im Werte von 3,9 Mill. We. ergielte. Der öſt—
liche Teil des Landes liefert auferdem Gips, Mergel,
Bau- und Miihliteine, namentlid) aber Abraumſalze
und Steinfal3. Das herzogliche Salzbergwerk Leo-
poldshall und die Deutſchen Solvaywerfe bei Roſch—
wif und Plömnitz forderten 1900: 271,889 Ton.
Steinfal;, 225,328 T. Nainit, 373,894 T. andre Rali-
fale, 239 T. Bitterfalje, 15 T. Boracit. Berühmte
Eiſenquellen hat Alexisbad (f. d.).
Die gewerblide Induſtrie ijt namentlid in
den Induſtriezweigen, die nut der Landwirtſchaft in
Verbindung ſtehen, bedeutend. 24 Rübenzuckerfa—
brifen verarbeiteten 1900/1901: 6,6 Mill. dz Riiben
und gewannen 795,333 dz Rohzucker fowie 144,637 dz
raffinierten und Konſumzucker. 69 Brauereien lie-
ferten 1900: 507,766 hl Bier, und 64 Brennereien
produjierten 1899: 38,803 hl reinen Wohol. Der
Tabatbau ijt gegen friiher erheblid) zurückgegangen;
1900 wurden auf 70,5 Heftar 130,6 T. Tabafblatter
ewonnen. Die Hütten- und Hammerwerfindujtrie
—* im Selketal, wo die Silber- oder Viltor-Fried⸗
richshütte mit Bitriolfiederci und der Cijenbiitten-
ort Mägdeſprung liegen. Die chemiſche Induſtrie
auf Berarbeitung der bei Leopoldshall und Solvay:
hall gewonnenen Abraumſalze (Carnallit und Kat-
nit) lteferte 1900: 57,606 Ton. Chlorfalium, 9459
T. Glauberjal; x. Undre Induſtrieerzeugniſſe find
Bold- und Silberwaren, Fayence, Chemifalien; aud
Wollfpinnereien und Wollwebereien, Maſchinen⸗ und
ierfabrifen mit nidt unbedeutender Broduftion
nd vorhanden. Der Handel ijt beträchtlich, na-
mentlid) mit den Rohproduften des Landes (Ge-
treide, Bieh, Holy, Wolle ꝛc.), aber nicht minder mit
Zucker und Spiritus; ferner mit Mehl und Rleie,
Strohpapier, Garn, Tuc und Eifenwaren. Cingefiihrt
werden vorzugsweije Roheifen, Farbhölzer, Guano,
Schiefer, Kohlen, Waterialwaren, Palmöl, Tran 2.
Der Handel wird durd die ſchiffbaren Flüſſe Elbe (an
der feit 1859 der Hafen Wallwighafen bei Deſſau be-
jteht) und Saale, durd) die quten Landjtrajen und
die Eifenbahnen, dic das Land durchkreuzen (Gefamt-
linge 288 km), wefentlid) unterjtiigt und fonjentricrt
fid) in Deffau, Bernburg, Koswig, Yerbjt und Köthen.
Rur Forderung des Handels dienen unter anderm die
Handelstammer und Die Landesbant (in Deſſau); zur
Leitung des Zoll- und Steuerwefens bejteht fiir das
ganze Vand eine Solldireftion (Sip m Wagdeburg).
[Verfaffung und Verwaltung.}] Das Herjogtum
ift nad) der Landſchafts- und Gefdaftsordnung für
das gefamte A. vom 17. Sept. 1859 eine fonjftitutio
nelle, im Mannesſtamm nad) dem Redjte der Erjt-
— erbliche Monarchie. Der Herzog (gegenwärtig
riedrich, ſeit 22. Mai 1871) führt den Titel Hoheit,
vereinigt in ſich die Exekutivgewalt; die legislative
teilt er mit den Ständen. Der Landtag wird aus 36
Vertretern gebildet, von denen 2 der Herzog fiir die
Dauer der Landfdaftsperiode ernenmt, 8 von den
meiſtbeſteuerten Grundbejigern, 2 von den meiftbe-
jteuerten Handel- und Gewerbtreibenden, 14 von den
fibrigen Wahlberechtigten der Städte und 10 von den
ubrigen Wahl beredtigten des platten Landes gewählt
Vollendung des 25. Lebensjahres ab; die Grund⸗
beſitzer müſſen wenigitens 63 Mt. Grundjteuer zablen,
Die Handel- und Gewerbtreibenden mit cinem Em
fonimien von mindeſtens 18,000 Dt. sur Einlommen⸗
jteuer veranlagt fein, um das Wabhlredht in den Wh:
teilungen der Weijtbejteuerten ausiiben ju lönnen.
Die Wahl ijt qeheim und fiir die Ubgeordneten ber
Städte und des platten Landes indireft. Die Land-
tagSperiode Dauert ſechs Jahre. Die Gemeinden haben
Selbjtverwaltung.
Oberjte Behörde de3 Herzogtums ijt das Staats
minijteriumt, deſſen ſämtliche Departements unter
Cinem Staatsminijter vereinigt find, und dem me
Finangdireftion, die Ubteilung des Innern, die Wb
teilung fiir das Schulweſen, das Konſiſtorium und
das Statijtifde Bureau, ſämtlich 3u Deſſau, unteritellt
find. Als Jmmediatbehorde bejteht neben dem Staats-
miniſterium die Staatsjduldenverwaltung, deren Mit»
glieder zur Halfte Der Herzog, zur Halfte der Land-
tag ernennt. Cine friiher in Köthen beſtehende Gene-
ralkommiſſion ijt aufgelojt, ihre Geſchäfte find durd
Staatsvertrag vom 1. Jan. 1875 an die Generalfom-
mifjion in Werjeburg iibergegangen. Bon der Re-
gierang hängen ab te Kreisdiveftionen, unter deren
ufficht die Ortspolizei Durd die Amtsvorſteher bejorgt
wird; nur die Ortspolijeiverwaltungen ju Dejjau,
Köthen, Zerbſt und Bernburg jtehen unmittelbar un-
ter der Regierung. Für die Rechtspflege beſtehen elf
Umtsgeridte und das Landgericht ju Deſſau (jf. Tert:
beilage » Gerichtsorganiſation im Deutiden Reich · bei
Art. »Geridt«), in zweiter, bez. dritter Inſtanz ent:
ſcheiden das Oberlandesgeridt 31 Naumburg und das
Reichsgericht in Leipzig. Die Finangen des Herzog:
tums befinden fic) in —— ‘A ——— Zab.
rend 1861 die Einnahmen beiden Herjzogtiimer
A. Deſſau⸗Köthen und W.-Bernburg 3,083,078 Tir.
betrugen, denen 3,077,313 Tir. Ausgaben gegeniiber:
jtanbden, ergab das Budget fiir 1901/2 ———
und Ausgabe 16,150,000 Vt. Hauptpoſten find:
Einnabmen: Wart Mart
Domdnen . . . . 8201007 | Qmmeres. 2 2. 4001 162
Steuernm. 2... 1841305 | Suftiy 2 2... R26 GO)
Anteil an ben Reichs⸗ Finanjen 385 383
fteuern . - » 3203120) Qultue . . 2... 3128
Bergwerfe. . . . 44354103 Menten . 2. 2... 352553
Sport., Schulgeld. 2c. 1387585 | Penfionen . - 787 NSS
Ausgaben: |@auwefen 2 2... LIS
Staatéverwaltung . 3471000 | Neubauten in Fried⸗
Staats ſchulden⸗ Berw. 244839 | ridshall u. Gifter W2NT
Die fiir das Reid) vereinnahmten Steuern betrogen
12,380,300 WE., davon Riibenjucerjteuer 9,110,100
Wt. Die Staatsiduld belief fic 30. Juni 1900 auf
1,267,500 WE., wahrend die Altiva 9,211,839 Wt.
betrugen, mithin cin Überſchuß von 7,944,339 It
Die Matrifularbeitrage find fiir 1901/2 auf 3,206,302
We. feſtgeſetzt. Am Militarwefen ijt W bereits
feit 1867 gan; mit Preußen verfdmoljen. Nad der
' Monvention vom 28. Juni d. J. wurde aus dem Rom
tingent von A. das anhaltiſche Jnfanterieregiment
Mr. 93 gebildet, welches der 7. Divifion des 4. Armee
forps jugeteilt iit. Das Landeswappen (j. Tafel
Wappen I<, Fig. 11) ijt ein zweimal gefpaltener
und Dreimtal quergeteilter Schild und enthalt ſomit
zwölf Felder, von Denen Das aweite Der zweiten Reibe
das anbhaltifde Stammnuvappen bildet. Dasfelbe tit
geſpalten und enthalt in Der vordern filbernen Hälfte
einen aus der Tetlungslinie hervorgebenden halben
roten Udler (Brandenburg), de hintere Halfte des
Weittelidhildes ijt von Schwarz und Gold zehnmal
Anhalt Geſchichte).
quergejtreift mit einem ſchrägrechts darüber gezogenen
rünen Rautenfrang (Sadjen). Die Landesfarben
—* Rot, Grün und Weiß (gewöhnlich aber nur Grün
und Weiß); die Militärkolarden nur Grün. Als Or—
den beſtehen der Hausorden Albrechts des Bären,
18. Nov. 1836 geſtiftet (ſ. Tafel »Orden I<, Fig. 8),
und der Berdienjtorden fiir Nunjt und Rijren batt
(jeit 1873). Hauptſtadt des Herzogtums ijt Dejjau.
S. aud) Karte »ReidhStagswabhlen«.
Geſchichte.
Ahnherr des anhaltiſchen oder aslaniſchen Fürſten⸗
hauſes iſt Graf Adalbert von Ballenſtedt, der
als Abkömmling einer Schweſter des Markgrafen Gero
von ſeiner Mutter anſehnliche Allodien ee Elbe |
und Saale (ſ. Askanien) erbte. Gein Urenfel Otto
nannte fic) zuerſt Graf von Askanien und bejak aufer
Ballenjtedt und Aſchersleben einen Teil der Billung—
iden Allodialbeſitzungen. Ottos Sohn Ulbredt der
Bär (1123 —70), fert 1134 Markgraf von Branden-
burg, erwarb die Graffdaft Plötzkau und unterwarf
die am rechten Elbufer im Zerbſtiſchen wohnenden
Slawen. Während Wibredts älteſter Sohn, Otto, die
brandenburgifde Linie (erlofden 1320) beqriindete,
gingen die anhaltiſchen Gebiete auf den jiingern Sohn,
ernhard (1170—1212), fiber, Der 1180 mit dem
Herzogtum Gadjen belehnt wurde. Deffen älterer
Sohn, Ulbrecht, erbte Sadjen, defen Herzogshaus fich
ſpäter in die Linien Sadhfen- Wittenberg (bis 1422)
und — — (bis 1689) ſpaltete; der jiin-
gere Sohn, Heinrich 1. (1212— 44), erbte die an-
hattifden Vande und ward 1218 erjter Fürſt von A.
Seine Söhne, Heinrich II., Bernhard I. (1252—86)
und Siegfried J., beqriindeten 1244 durd) Teilung die
Aſcherslebenſche, die dltere Bernburger und die ältere
Rerbjter Linie. Die Wicherslebenfde Linie er-
loſch 1315 mit Otto II., und ihre Beſitzungen fielen
an Bernhard IT. (1286—1324) von der Bernbur:-
ger Linte; doch ging Aſchersleben felbjt unter Bern—
bard III. (1324—48) an das Bistum Galberjtadt
verforen. Die Bernburger Linie erlojd mit Bern—
hard VI. 1468. Die ZerbſterLinie, von Siegfried I.
(125298) begriindet, erwarb die Stadt Zerbjt und
1370 die Grafidaft Lindau, vermodte ihren Unfprud
auf die Marf Brandenburg nad) dem Erlöſchen der
dortigen Ustanier (1320) nicht geltend zu machen und
529
gang finderlos war, 1562 an die Dejjauer Linie ab-
qetreten. Diefe, von Ernjt I. (1473-—1516) geſtiftet,
erwarb einen Teil von Zerbſt und Harzgerode, fpaltete
ſich aber, als Ernjts Sohne, Johann II., Georg II.
und Joacim, die anfangs gemeinſchaftlich regiert und
1534 die Reformation eingeführt batten, 1546 teilten,
in die Linien Zerbſt, Plopfau und Deffau. Jo—
hanns IT. (qejt. 1551) Söhne, Karl, Joachim Ernſt und
Bernhard VIL, erbten den Beſitz ibres Vaters, dann
| Den ihrer Oheime Georg IIT. (qeit. 1553) und Joachim
(qejt. 1561). Da Karl 1561 und Bernhard VII. 1570
finderlos ftarben, fo vereiniqte Joadim Ernſt
1570 die geſamten anbaltifden Vande, fiir die er 1572
mit Zujtimmung der Stände die anbhaltijde Landed-
ordnung erties.
Rad dem Tode Joachim Ernfts (1586) regierten
jeine Söhne gemeinſchaftlich und führten 1596 die
reformierte Lehre cin, teilten aber das Land von
neuem 17. Juni 1603, fo daß Johann Georg I. Def.
fau, Shrijtian I. Vernburg, Auguſt Plogtau,
Rudolf Serbjt, Ludwig Rit hen erhielt. 1635 ſchloſ—
jen fie den Senioratsresef, wonad) der Älteſte die
Gefamtangelegenheiten des fürſtlichen Haufes befor-
— bei wichtigen Dingen aber in einer Zuſammen—
nft aller Fürſten die Mehrheit der Stimmen ent-
fcheiden und der Senior den Beſchluß ausfiihren follte.
1689 ging Lauenburg verloren. 1806 erwarb Bern-
burg vom Kaiſer Franz I. den Herzogstitel, 1807
nahmen auc die Filrjten von Deſſau und Köthen den
Herzogstitel an; am 18. April 1807 traten die Fürſten
des Geſamthauſes UW. dem Rheinbund und 18. Juni
1815 dem Deutſchen Bunde bei. Durd die Vereiniqung
des größten Teiles von Sachſen mit Preußen faft gang
von preufifdem Gebiet umfdlojjen, ward A. 1828
Glied des preußiſchen Zollvereins.
Die 1603 von Ludwig geitiftete jiingere Linie A.-
Robt hen erlofd) 1665 mit Wilhelm Ludwig ; ihr Beſitz
fiel an Auguſt von Plötzlaus Sohn Lebredt, der den
Namen Fürſt von A.Köthen annahm; dod) befdlof-
jen die anhaltifden Fiirjten 1665, daß fortan beim
Erldfden einer Linie die übrigen ſich gu gleichen Tei-
fen in ihr Land teilen follten. Dieſer Fall trat 1793
ein, als die jiingere Linie A.Zerbſt, die 1644 wie-
der das lutheriſche Belenntnis eingefiihrt und 1667
teilte fid) 1396 in Die Siegmundſche Linie, dic
das rechte Elbufer (Zerbſt), und die Wlbredhtide
Linie, die das linke Cloufer (Köthen) erbhielt. Die Enkel |
Albrechts III., des Stifters der lestern, Magnus I.
und Adolf V., traten 1508 in den geijtliden Stand
und überließen ihr Gebiet der Siegmundſchen Linie,
die Siegmund I. (1396—1405) begründet hatte. Def
jen Sobn Georg I. (1405 —74) hatte fic) 1422 ver:
eblich bemüht, beim Tode des lesten asfanifden Kur-
riten von Sachfen- Wittenberg das Land dem an-
haltiſchen Hauſe zu erhalten, erbte aber 1468 die Be-
jipungen der ältern Bernburger Linie. Georg 1. nahm
1473 eine neue Teilung der Lande vor. Bon fei
nen Sihnen beqriindeten Waldemar VI. die dltere
Köthenſche, Ernjt die Gltere Deffauer Linie.
Waldemars VI. Sohn Wolfgang (1508 — 62; geſt.
1566) erwarb 1508 einen Teil der Serbjter Lande der
WUlbredtiden Linie, führte 1522 die Reformation ein
und ward 1547 nad) der Schladht bei Mühlberg vom
Raijer geächtet. Seine Lande wurden dem faiferlichen
Hofling Sieqmund von Ladrona verliehen, von die—
fem an Heinrid) von Reuß fiir 32,000 Tir. verfauft
und fiir dieſe Summe 1552 nad) dem Baffauer Ver-
trag von Wolfgang zuriiderworben, aber, da Wolf-
Meyers Konv.=Lerifon, 6. Aufl., L Bod.
Dever geerbt hatte, mit Fürſt Friedrid) Uuguijt, dem
jiingern Bruder der ruſſiſchen Raijerin Katharina IL,
erlojd): Jever fiel an Katharina, während das an-
haltifde Gebiet 1797 unter die Linien YW. -Deffau,
YU. -Bernburg und W.-Rbthen geteilt wurde. Gn A.
Köthen folgte auf Lebredt 1669 dejfen Bruder Ema:
nuel, diefem fein nadgeborner Sohn Emanuel Leb-
rect und diefem 1704 fein älterer Sohn Leopold, dann
der jiingere, Auguſt Ludwig (1728—55), defjen Sohn
und Nachfolger Karl Georg Lebredt als faijerlider
Feldmarfdall 1789 bei Semlin gegen die Türken fiel.
Sein Sohn Auguſt Chrijtian Friedrich, feit 1807 Her-
30g, fuchte, Napoleon verehrend, in feinem Ländchen
alle3 nach franzöſiſchem Muſter einzurichten: er teilte
es in zwei Departements, bildete einen Staatsrat und
fiibrte den Code Napoléon cin. Seine Soldatenjpie-
lerei und Jagdleidenſchaft ſtürzten Das Land in Schul⸗
den, die fid) unter feinem Neffen und Nadhfolger, Her-
30g Ludwig (1812—18), auf 2 Mill. Tir. fteigerten,
jo Day unter Verinittelung Sachjens die Stande die
Finangverwaltung ——— Nad) des Finderlojen
Ludwig Tode fiel Das Herzogtum an Ferdinand, den
altern Sohn von Sarl Georg Lebredts jiingerm Bru-
der Friedrich Erdmann, der 1765 durch —“
die Herrſchaft Pleß in Oberſchleſien erhalten hatte.
34
530
Ferdinand trat Pleß feinem jiingern Bruder Heinrid
ab, ward 1825 nebjt feiner Gemablin, einer Grifin
von Brandenburg, Todter Friedrid) Wilhelms IL.
von Preufjen, in Paris fatholijd) und führte die Barm-
herjigen Briider und die Jefuiten in Köthen em. Jom
folgte 1830 fein Bruder Heinrid), der Pleß feinem
jlingern Bruder Ludwig gab, es aber, als diefer 1841
finderlos gejtorben war, dem nadjten Fideilommiß—
erben, dem Grafen Hodberg, 1846 gegen cine lebens-
langlide Rente von 30,000 Tir. abtrat. Die Sdyul-
den waren ingwifden bis 1845 auf 4,323,249 Tir.
angewadjen, fo daß fid) die Ugnaten und Preußen
der Sade annahmen und einen preukijden Beamten,
v. Gopler, als Minijter einſetzten. Mit Herzog Hein-
rid) ſtarb 23. Nov. 1847 die Linie A.-Köthen aus,
und ihr Land fiel auf Grund eines zwiſchen den Linien
U.-Deffau und A.Bernburg geidlojjenen Vertrags
an UW. -Dejjau.
Die jiingere Linie U.-Bernburg ward 1603 von
Fürſt Chrijtian I. (gejt. 1630) geftiftet. Seine Söhne
Chriſtian IL. und Friedrid) tetlten 1635 das Land;
hierbei jtiftete Friedrid) die Linie Harzgerode (er-
lofden 1709 mit feinem Sohne Wilhelm, worauf Har}-
erode an Bernburg zurückſiel). Chrijtians IL. Nad-
5 Viktor Umadeus (1670 —1718), führte 1677
die Primogenitur ein. Cinen nad feinem Tod ent-
jtandenen Streit ſchlichtete Der Kaiſer dahin, da Karl
Friedrich Harzgerode, fein Bruder Lebrecht außer einer
Ubfindungsfumme Hoym und andre Wiiter empfing.
So ftiftete Lebrecht eine Nebentlinie, die 1707 die Graf.
ſchaften Schaumburg und Holjappel im Naſſauiſchen
erbte und fid) danach A.Bernburg-Schaum—
burg-Hoym nannte; nach ihrem Erlofden (1812)
jielen ihre anhaltiſchen Beſitzungen an die Hauptlinie
Bernburg zurück. Yn dieſer folqte auf Rar! Friedrich
(1718—21) defen Sohn Bittor Friedric) (1721 —65),
diefem fein Sohn Friedrich Ulbrecht (1765-—96). Def-
fen Sohn Alexius Friedrich) Chrijtian (1796 —-1834)
erwarb 1797 den Ddritten Teil der Berbjtijden Lande,
ward 1807 3 und erhielt 1812 Hoym zurück.
Während der Herrſchaft des geiſtesſchwachen Alexan—
der Karl (1834—63) führte cin Konferenzrat die Regie
rung, der 1848 mit einer new einberufenen Ständever—
jammlung cine fonjtitutionelle Verfaſſung vereinbarte,
die Der Herzog verwarf. Der Landtag rief im No—
vember das Einſchreiten des Reichsverweſers an und
wollte Dem Herzog von A.-Deſſau die Regentidaft |
libertragen. Indes der von feiner tatfraftiqen Gemab-
lin, Friederife von Glücksburg, geleitete Herzog lief
durch Miniſter v. Kroſigk den Landtag 14. Dez. auf-
löſen und cine Verfajjung oftroyieren, die cin neuer
Landtag genehmigen jollte. Bei den Wahlen fam es
im März 1849 gu Vernburg u. a. O. gu Aufruhr, fo
daß der Belagerungssuftand verbangt und preupifde
Truppen herbeigerufen wurden, die fiinf Wonate im
Lande blicben. Darauf wurde die Verfajjung 1850
vom Landtag angenommen und mit einem neuen
Wahlgeſetz und einer Gemeinde- und Kreisordnung
15. Wai verdffentlidt. Der 1851 neu ernannte Wi
nijter v. Schätzell feste dic Wahl eines tonfervativen
Vandtags und die Reviſion der Verfaſſung in fonfer-
vativem Sinne durch und lief 1855 die Herzogin jur
“Kitregentin ernennen. Da indes mit Werander Karl
die Linie A. Bernburg erlijden mute, wurde Köthen
1853 an Deſſau überlaſſen, und 1856 wurde demt bern
burgiſchen Vandtag eine neue Verfaſſung fiir ganz A.
vorgeleagt, die am 17. Sept. 1859 ins Leben trat. Vis |
gerjo8 Wlerander Marl 19. Aug. 1863 ſtarb, ward
Bernburg mit A.Deſſan vereinigt. |
Anhalt Geſchichte).
Die jlingere Linie U.-Deffau ward 1603 von Jo
hann Georg I. gejtiftet, nad deffen Tode (1618) ſeine
Söhne Johann Kafimir und Georg Aribert 1632 das
Land teilten; Georg Aribert erbielt Radegaſt, Kleutſch
und Worlig, die nad feinem Tode 1643 an Defjau
zurückfielen. Hier folgte auf Johann Kaſimir 1660
* Sohn Johann Georg IL, furbrandenburgtider
Feldmarſchall, diefem 1693, zunächſt bis 1698 unter
Vormundſchaft, Fiirit Leopold L., als preußiſchet
Weneral unter dem Namen »der alte Deſſauer« be—
rühmt; durch feine Mutter erbte er 1702 viel aus dem
oranifden Nadlak. Sein älteſter Sohn, Wilhelm
Gujtav (geſt. 1737), hatte fick) 1726 heimlich mut der
Defjauer Kaufmannstochter Johanne Sophie Herre
vermiablt, und feine Söhne, die Grafen von An—
halt, wurden von der Erbfolge ausgeidlojjen; das
Grafengeſchlecht erlojd 1823. Auf Leopold 1. folgte
1747 fem jiingerer Sohn, Leopold LL. Maximilian
(preußiſcher eral, wie fein Bruder Moritz), auf
Leopold LI. 1751 fein Sohn Leopold LIL. Fried-
rid) Franz (17511817), bis 1758 unter der Bor-
mundſchaft feines Oheims, des Fürſten Dietrid. Leo-
pold IIL. erwarb 1797 ein Drittel des Zerbſter Lan-
des und nahm 1807 den Herzogstitel an. Ihm folgte
1817 fein Sohn Leopold Friedrid (1817—7]).
1848 regte fid) aud) in Deſſau das Volk; große Frei⸗
heiten gewährte die Verfajjung vom 29. Oft. 1848
Schon 1849 erfolgte unter preußiſchem Einfluß eme
Reaftion; preujifdes Militär rückte ein, umd da der
Landtag feiner Revijion der Verfaſſung zuſtimmte.
wurde Die 1848er Verfaſſung 4. Nov. 1851 aufge
hoben und der Landjdaft 1852 eine fiir gan; A. .
jtinumte fonjtitutionelle Verfaſſung vorgelegt, die am
17. Sept. 1859 verdjfentlidt wurde. Inzwiſchen war
22, Mai A. Köthen mit Deſſau vereinigt worden, und
19. Aug. 1863 fiel ihm aud) Bernburg gu. Yim 30.
Yug. 1863 wurden die anbaltijden Lande jum Her:
zogtum A. vereinigt; 26. Nov. wurde der erjte Land-
tag des vereinigten Herjzogtums eröffnet. Mit Preu-
hen Durd) cine Wilitarfonvention verbunden, jtand VW
1866 auf deſſen Seite; am 18, Aug. trat es dem Nord-
deutſchen Bunde bei. Sein Nontingent wurde durd
die Ronvention vom 4. Febr. 1867 it das 93. preußiſche
Jnfanterieregiment verwandelt. Im Innern veran-
late Die Domiinenfrage längern Streit. Der Her
wünſchte jtatt der Sivillijte (295,000 Tir.) Die Do
mänen als Brivateigentum des herzoglichen Hauſes
ju erhalten, wogegen er einen Teil der Landesſchulden
libernehmen und jährlich eine bejtimmte Sunume ;
Vejtreitung der Staatsausgaben bezahlen wollte. ci
im Juni 1869 erlangte der WMinijter v. Lariid vom
Landtage das Sugejtandnis, daß der Herzog ftatt der
Rivillijte einen Tetl der Domanen mit einem Reinertrag
von 350,000 Tir. erhalten folle. Nad) demt Tode des
Herzogs Leopold Friedrid) 22. Wai 1871 folate fem
Sobn Friedrid; 1872 wurde das Domantalver-
mögen zwiſchen Herzog und Land geteilt und ein newes
Wahlgeſetz fiir den Landtag veröffentlicht. Die Finan:
jen Unbhalts geitalteten fic) günſtig, bejonders ſeit dem
Erwerb des Salzbergwerks Leopoldshall.
Val. Bedmann, Hijtoria des Fürſtentums A.
(Serbjt 1710, 7 Bde.); Leng, Becmanus ennclea-
tus, ete. (Rdthen u. Deſſau 1757); Stengel, Hand
bud) der anhaltifden Gejchicdte (Dejjau 1820); Lind-
ner, Geſchichte und Beſchreibung des Landes A. dal.
1833); G. Krauſe, Urfunden, Altenſtücke und Briefe
zur Geſchichte der anhaltiſchen Lande und ibrer Fürſten
unter Dem Druc des Dreißigiährigen Krieges (Leipp
1861 — 66, 5 Bde.); v. Heinemann, Codex diplo-
Anhangig machen — Anicetus.
maticus Anhaltinus (Deffau 1867—83, 6 Bde.);
»Mitteilungen des Vereins für anhaltiſche Geſchichts⸗
und Altertumskunde⸗ (1875 ff.); Bilttner Pfänner
3u Thal, Unhalts Bau- und Kunſtdenkmäler (Deffau
1896); Rnofe, Unhaltifde Geſchichte (daf.1893, Bd. 1).
Anhangig machen (cineSadhe bei Geridt), den Akt
vornehinen, der die Rechtshängigkeit (f. d.) begründet.
Anhaufelu, ſ. Behäufeln.
Anhauſen, ſ. Auhauſen.
Anheilung, ſ. Transplantation.
Anhima, |. Uniuma.
Anholpart , das Ende einer Talje (Flaſchenzugs),
woran gezogen wird.
Anholt, 1) din. Eiland im Kattegat, Amt Ran-
ders, 20 qkm groß, ijt griptenteils nut Flugſand be-
dedt und von gefährlichen Gandbanfen umgeben, hat
einen Leudjtturm und (1901) 296 Einw. — 2) Ehemals
reidpSunmittelbare, dem Fürſten von Salm-Galm ge-
hörende Herridaft im preuß. Regierungsbegirf Miin-
jter, geborte bis 1390 den Herren von A., fam dann
durch Heirat an die Herren von Gehmen, 1399 an die
von Bronchorſt, endlich 1637 an den Fürſten Leopold
Philipp Rarl von Salm. Gie wurde 1800 mit der
Batavijden Republif (Gelderland) vereinigt und fteht
jeit 1815 unter preußiſcher Oberhobeit. — Der Haupt-
ort U., Stadt im Kreis Borfen, an der Alten Yifet,
mit evangelifder und lath. Kirche, Synagoge, Schloß,
Dampfſägemühle und (900) 1860 Cinw., ijt Refideng
des 7 ürſten.
nhydride (v. griech anydros,⸗waſſerlos ·), che⸗
miſche Verbindungen, die aus Hydraten, Säuren oder
Bajen durch Waſſerverluſt entſtehen. Metalloxyde ſind
die A. der Metallhydroxyde oder Metalloxydhydrate.
Aus Calciumhydroxyd Ca(OH), wird durch Erhitzen
Calciumoryd CaO, aus Kaliumhydroxyd 2KOH wird
Kaliumoryd K,O, indem ſämtlicher Waſſerſtoff mit
der erforderliden Menge Sauerjtoff in Form von
Wafjer austritt. Ebenjo geben die Säuren A., 3. B.
Schwefelſãure H,SO, Schwefelfiureanhydrid 80,. Bei
organijden Säuren tritt an die Stelle Des durch Me-
tall vertretbaren Waſſerſtoffs der Säuren ein Säure⸗
radifal. Aus Ejfigiiure C,H,O.OH entſteht Eſſig—
jaureanbydrid C,H,0.0.C,H,O, und tenn ftatt des
Radifals der betrejfenden Säure das Radifal einer
andern Gaure eintritt, ein gemifdtes Unhydrid.
A. haben den Charafter der Säuren oder Basen voll-
ſtündig verloren, gehen aber bei Berührung mit Waſſer
oft febr leidt in —* über. Verbindungen, welche
die Gruppe OH mehrmals enthalten, fonnen unvoll-
jtindige A, Unhydroryde Unhydrohydrate),
bes. UnHydrofauren bilden. Neben Cifenhydroryd
Fe. H.O. und Eiſenoxyd Fe,O, bejtehen nod) Goethit
Fe,H,O, und — * Fe,H,0,, neben Bho3-
phorfaure H,PO, bejtehen H,P,O, und HPO,.
Anhydrit (v. griech anydros, »wafjerlos«; Rar-
jtenit, Muriacit), Mineral und zwar waffer-
freier fchwefelfaurer Ralf CaSO,, trijtallijiert rhom-
biſch, findet fid) aber meiſt derb in fajerigen, fornigen
oder faſt dichten — Er iſt waſſerhell bis
weiß, aud) bläulich oder rötlich, glasglänzend, durd-
ſichtig und durchſcheinend, Harte 3—3,5, ſpez. Gew.
2,3—3, A. findet fic) in großen, meiſt unregelmäßig
ausgedehnten Maſſen mit Gips und Steinſalz in den
Salggebirgen verſchiedener Formationen eingelagert ;
aud) Durdsieht er als fogen. Gekröſeſtein mn eigen:
tiimlidjen Windungen das Steinjal; und den Salzton
in Wielicgta und Bodnia, und ähnlich zu Staffurt. |
Jn größern Maſſen vor Gips (wafjerbhaltiger ſfchwe⸗
felfaurer Ralf) bildet er häufig den Kern, und fehr
531
wahrſcheinlich ijt ber meiſte Gips aus YW. durch Auf⸗
nabme von Waſſer hervorgeqangen. Hierbei wurde
das Volumen bedeutend vergripert, und das Gejtein
übte daher cinen febr heftigen Druc auf die Unigebung
aus, woraus fid) die in Der Nahe von Gipslagern häu—
figen Storungen im Sdidjtenbau erllären. Dag geo-
gnoſtiſche Vorlommen ded A. widerſpricht einer pluto-
niſchen Bildungsweiſe. Aus einer Löſung von ſchwefel⸗
faurem Kall in Waſſer kriſtalliſiert unter gewöhnlichen
Verhältniſſen Gips, bei ſtärlerm Druck bidet ſich waſ⸗
ſerärmerer ſchwefelſaurer Ralf (Keſſelſtein), und wenn
man Gips mit geſättigter Kochſalzlöſung in zugeſchmol⸗
zenen Glasröhren erhitzt, ſo verwandelt er ſich bei
120 - 1300 in Anhydrit. Körniger, ſchöngefärbter A.
(Vulpinit von Vulpino bei Bergamo) wird zu Sta-
tuetten und Ornamenten verarbeitet. Gemablen dient
A. als Diinger.
Anhydrobiofe (Trodenjtarre), der Buitand
der eingetrodneten Pflanzen, Jnfuforien, Würmer,
Räder- und Birentierden, niedern Krebſe, Pflanzen⸗
ſamen und Tiereier, die nad) langer Zwiſchenpauſe
durd) Befeudjtung gu neuem Leben erivedt werden
finnen. Bgl. Leben.
Anhydrohydrate
Anhydrofauren } {. Unbhydride.
Anhydrogyde
Ani, Ruinenjtadt im ruſſiſch-kaulaſ. Gouv. Eri-
wan, 1338 m it. M., am Urpatidai zwiſchen hohen
Felswänden, die, voller Höhlen und Grotten, vormals
cine bewobhnte Höhlenſtadt bildeten. — UW. war im
5. Jahrh. ein fleined Fort, ward 961 Reſidenz der .
Bagratiden (jf. d.), als foldhe befejtiqt und mit präch—
tigen Paläſten und Kirchen geziert. Nachdem die Stadt
1040 von den Byzantinern erobert worden, fiel ſie
ſpäter den Seldſchuken, dann den kurdiſchen Beni
Schedda in die Hände und wurde zwiſchen 1125 und
1209 fünfmal von den Georgiern erobert. Schließlich
wurde ſie 1319 durch ein Erdbeben völlig verwüſtet.
Ihre Ruinen, die eine Fläche von 5,5 km um Umkreis
bededen, find von ruſſiſchen Archãologen unterſucht
worden. Bgl. Broſſet, Les ruines d'Ani (Petersb.
1860 —61, 2 Bde.).
Wnicet-Bourgevis (pr. ha⸗ burſchna), Auguſte,
franz. Theaterdichter, geb. 25. Dex. 1806 in Yaris,
gett Dafelbjt 12. Jan. 1871, genoß als der Sohn armer
{tern eine febr diirftige Erziehung. Nachdem er 1825
fein erjtes Stiid, das Melodrama »Gustave, ou le
Napolitain«, mit Erfolg auf die Bühne gebracht, wid-
mete er fid) gang der Bilbnenidhriftitellerci. Er ſchrieb
Volksſtücke im gröbern Stil, Luſtſpiele, Vaudevilles,
Texte zu — Opern, Tragödien, im ganzen etwa
200 Werle, allerdings nicht ohne Beihilſe von Mit⸗
arbeitern, unter denen Dennery, Maſſon, Ducange,
Lockroy, Villeneuve und Briſebarre Erwähnung ver—
dienen, während umgelehrt mehrere der beſten Stücke,
die den Namen Alex. Dumas’ tragen (z. B. » Térésac,
»Angéle« und »Catherine Howard«), A. jum Ber-
fafjer haben. In den lesten Jahren feines Lebens
ſchrieb er fajt mur nod Feerien. Von jeinen Stiicen
haben fic) auf dem Repertoire erhalten: »J’enléve ma
femme<, »Passé minuit«, »La joie de la maisone,
» Les trois épiciers« , »Le maitre d’école«, »La pe-
tite Fadette«, »La fiole de Cagliostro«, »Pascal et
Chambord«, »Cotillon II« 2.
Anicétus, rim. Papſt, 155— 166 (oder 157 —-168),
ſtarb al8 Martyrer. Unter ihm begann zwiſchen der
morgen= und abendländiſchen Rirde der Streit iiber
bie Feier des Ojterfejtes, Das der Orient jugleid) mit
den Juden feierte. Sein Gedenftag ijt der 17. Ypril.
B4*
—— — —
1723 on COerpertus be: Ibud on.
174, — oe ee
ee
(ioc. enti), Dorf im franz Tepart. Nord,
Urrond. Douat, an der Rordbabn. bat reiche Koblen⸗
Gias- und Chenrfatienfabrifation, Ciien- und
— —
Aus ſicht, wird von Lescun aus beitiegen.
Aniéne, Fuk, j. Unio.
, Mineral, f. Hornblende.
(arab., pb. ind. nila, blau), ſ. Indigofera.
Mnilin (Amidobenjot, Pbenylamin, Umi-
nopben) C,H,N ober C,H,-NH, findet fid tm Zeer
ber Steinlohlen (0,a—05 Brox), de3 Torfes und der
pe rang ae camrnatagaec om gurl 8
bigen von Phenol mit Ammoniat und Sal ;faure 310°,
bet ber Reduttion von Ritrobenjol C,H,.NO, x. Zur
Daritellung benugt man techniſches {aus Stein-
foblenteer, das aus Benzol C,H, und zwei iſomeren
Toluolen C,H, bejteht. Es fiefert bei Behandlung
mit Salpeteridure eine Mifdhung von Ritrobenjzol und
Ritrotoluoten, aus derein A nilind! gewonnen wird,
das aus A. und Toluidinen bejteht und zur Dar-
roter Farbitoffe dient (Rots!). Trennt man ;
——
und Benzol durch Reftififation voneinander,
fo liefert Das reine Benzol reines VW. (Blaudl). Ni—
trobenjol wird in einem etfernen, mit Riibrivert ver-
febenen Zylinder durch Eiſen und wenig Salzſäure
* A. reduziert, und wenn man nach we
rozeſſes geldſchten Kall zuſetzt und gefpannten Waſ⸗
ſerdampf in den Zylinder leitet, ſo ———— das A.
liber, bad zur Reinigung rektifiziert wird. Der Rüch
ſtand von der Deſtillation, aus Eiſen, Oxyden und
Chloriden des Eiſens und teerigen Subſtanzen be—
ſtehend, wird auf Eiſen verbiittet oder auf Eiſen
vitriol und mit Magnefiayement auf künſtliche Steine
verarbeitet.
UL. ift em farblofes £1 vom fpes. Gew. 1,096 bei 0°,
riecht ſchwach aromatiid, honigähnlich, ſchmeckt bren
nend, erſtarrt in Der Nalte und ſchmilzt Dann bei —80.
Es lft ſich in 31 Teilen Waſſer bei 12,5°, febr leicht
in emer Loſung von falsfaurem Y.,. aud in WUlfobol,
Uther, Kohlenwaſſerſtoffen; es löſt Indigo Stampfer,
Schwefel, Phosphor, verliidtigt ſich bei gewöhnlicher
Temperatur, iſt ziemlich leicht flüchtig mit Waffer-
dämpfen, fiedet bei 184° und brennt mut leuchtender,
den Handel.
wirkung von Chlorfoblenftoff auf A. das Wnilinrot,
Ind — Anim
Rr Séuren be de A ferd- uxd geruddicie Salye, de
m= Serer und Wiobol (53hd eed. fauer reaguerm,
me, ——
*9 deß; mean he par =
> Sager Semugen fexm Es fal: Smt -.
tab welbihags les Skigan Some:
cm- mut? cus iecmem Seigee Uber die Bir:
foncem des Aums & Ethos WL fic on
der Mutt traum und derder. mt Chicrfalf etic
em ttolette pedrbumg vor emprimbinbe Necftion)
Rw Sewete:i cure und emigen Tropien Ralmmdro-
rs matlitung veriegt, farit es ũch rot. dann biau, mi
abermanganicurem Sali e$ Azobenzol und Nitro
~ benjol, mt Chromiduure G Secu ee
bei Gegenmert Don hnicdewar;
a mut Gbromidure oder Chiorlall
Wauvem. mit Yirienigure Rosanilin : Fudim). Salpe-
trige Zãure bidet mrt W. tx fatter alfobotrideer Lojung
Bike ogni ™ warmer Ldtung
benjol, Ginjerin und Schwefelſãure bildet es Chinolin
Beim Erbhigen von Anilinchlorzink mit Roenol ent
itebt Dipbenplamtin C,H, .NH.C,H,, dasſelbe entitedt
aud neben Ammoniak beim —— ſalzſaurem
A. mit A. Mit oder Emſigſaureanbydrid
gibt A Acetanilid C,H, .NH.C,H,0. Die Unilide
ind bejtandig, kriſtalliſierbar und unjeriept fi
mit Allalien oder Salsjadure werden fie wieder in
und die betrejfende Saure gefpalten. A. dient haupt
jãchlich zur —— — Farbſtoffen. die nad den
oben angedeuteten und andern Realtionen erdalten
und in Der Farberet und zu zahlreichen andern Zweden
benugt werden. Die Mnilinfarbitoffe find arte
tenteils Ablommlin — ——— —
dieſe werden daher lmethanfarbſtoffe
(Rosanilinfarbitoffe) — andre gehören gan;
verſchiedenen Gruppen an. Anilinfarben ſind an ſich
nicht giftig, doch enthält nicht kriſtalliſierte Ware bis
weilen giftige, zu ihrer Bereitung benutzte Stoffe. de
indes aud) nur unter beſondern Verhältniſſen ſchäd
lid) werden fornen (vgl. Teerfarben). Aus A. ftellt
man aud arzneilich wichtige Rerbindungen, wie Anti
febrin, Untipyrin ꝛc., Dar.
Im J. 1826 erhielt Unverdorben aus Yndigo das
Kriſtallin, das einige ha frijtallijterende "Sale
(Daber der Name) bildet; Runge beſchrieb 1834 cin
Kyanol aus Steintoblenteer, das mit Chlortal! ſich
blau farbt; Fripiche erbielt 1840 A. durch Deftillation
von Jndigo mit Salibydrat und benannte es nad
dem portugieſiſchen Ramen des Andigo (Anil); Finin
qewann 1841 Benzidam ans Nitro 1, und Hof-
mann wies 1843 die — dieſer vier Körper nad.
Coupter ſtellte A. aus Benzol tm großen dar, und fest
1870 verbreitete ſich dieſe Methode. Die Bildung far-
biger Produlte beobachtete zuerſt Runge, und Pertins
brachte 1856 Die erſte Unilinfarbe Mauvern) m
1858 —— —— bei der Ein⸗
und Girard und Delaire erbiclten Fuchſin mittels
Urfenfiure. Hofmann erforidte die Natur der neuen
Jarbſtoffe. erflarte die Bildung
von Anilinblau aud
rufjender Flamme. Es reagiert ſehr ſchwach allaliſch. Fuchſin und A. und entdedte die mit Alloholjodüren
Anilinblau — Animato. 533
darſtellbaren Farbjtojfe. Die Unilinfarbenindujtric | ein ſchwach alfalifde3s Bad. A. ijt gegen Luft, Licht
gewann in kurzer Zeit eine außerordentliche Bedeu- | und Seife fehr beſtändig. Bei Cinwirfung von Säu—
tung. Man verbraudte ſchon 1869 über 1,5 Mill. kg | ren nimumt es leidt einen griinen Ton an, dod) läßt
Anilinöl und davon 1 Mill. allein in Deutidland,
den Rejt in Franfreih, England und der Schweiz.
1898 fiihrte Deutſchland 729 ton. Anilinðl und Ani⸗
linſalze ein und 12,360 T. im Wert von 13,596,000
ME. aus. Val. Schultz, Chenrie des Steinfohlenteers
(3. Aufl. Braunfdw. 1900 — 1901, 2Bde.); Schultz
und Julius, Tabellariſche Überſicht der künſtlichen
organifden Farbſtoffe (4. Aufl., daſ. 1902); Heu-
mann, Die WUnilinfarben und ihre Fabrifation (Bd.1,
Braunjdw. 1888; Bd. 2 u. 3 von Friedlander, 1898
big 1900); Nietzki, Chemie der organijden Farb-
jtoffe (3. Aufl., Berl. 1897); Mühlhäuſer, Tech—
nif der Rosanilinfarbjtoffe (Stuttg. 1889); Weyl,
Die Teerfarben mit befonderer Rüchſicht auf Schadtid-
feit und Geſetzgebung (Berl. 1889).
MAnilinblan (Triphenylrosanilin)
C,,H,,(CgH,),N,O entſteht beim Erhitzen von Ros-
anilin C,,H,,N,O mit überſchüſſigem Unilin und et:
was Benzoeſäure auf 180°, wobei die Benzoeſäure
unveriindert bleibt (Qonophenylrosanilin ijt rotvio-
lett, Diphenylrosanilin blauviolett, Triphenylrosani-
lin rein Blau). Das mit Salzſäure abgeſchiedene A.
ijt das ſalzſaure Salz der Baſe, bildet grin fchillernde
Radein, ijt wenig löslich in heißem Allohol, nicht
in Wafer, und als Gentianablau, Lidtblau,
Spritblau, Opalblau, Feinblau imHandel; es
firbt Wolle grünlichblau. Mit fongentrierter Schwefel⸗
fiure bildet es Sulfofiuren. Die Monofulfofiure
C,,H,)N,(HSO,) ijt amorph, blau, in Waſſer untds-
lid) und bildet farblofe, nicht friftallijierbare, leicht |
lõsliche Salze, von denen das Natriumſalz als Alkali—
blau (Ridolfons Blau, lösliches W.) benugt |
wird. 8 firiert fid) aus ſchwach alkaliſcher Löſung
auf Wolle und Seide, muh aber mit verdiinnter Säure
aviviert werden. Salje der in Wafer ldslidjen Di-,
Tri+ und Tetrajulfofaiure bilden das Wafferblau
(Dpalblau, Chinablau, Baumwollblau,
Bayrifdblau), jie find blau, in Waſſer, wenig in
Allohol löslich und dienen befonders zum Farben
ron Wolle und Seide und von Baumwolle, die mit
Alaun und Seife oder mit Tannin und Bredwein-
ſtein gebeigt ijt.
Anilindrud , ſ. Lidtpausverfahren.
Anilinfarben, j. Unilin.
eet Hee j. Aldehydgrün.
Anilingl, ſ. Anilin.
Anilinrot, |. Rosanilin.
Anilinuſchwarz (Jetolin) C,,H,,N, foams
ſehr allgemein bei Orydation von Unilinjalzen in fau-
rer Löſung und befonders bei Behandlung mit dhlor-
faurem Rali bei Gegenwart geringer Wengen von
Rupfer-, Cer-, Vanadinjaljen (ein Teil Banadin ver-
wandelt mit Hilfe des ndtiqen Kaliumchlorats 270,000
Teile Unilinfal; in A.); es entſteht aud) bei UÜberſchuß
von Unilin, wenn man die Ldfung eintrodnen läßt,
und bei Eleftrolyfe von Unilinfaljen am Gauerjtoff-
pol. Man erjzeugt es aber in der Färberei auf der
afer (Baumwolle), druct 3. B. cin mit Startefleijter
verdidtes Gemiſch von ſalzſaurem Anilin, Kalium—
chlorat und Kupferſulfid auf und hängt das Gewebe
in einen warmen Raum, in dem das YU. ſich bildet.
Statt des Kupfers benutzt man aud eine Vanadin—
verbindung oder ein Gemiſch von gelbem oder rotem
Blutlaugenſalz. Bum Farben von Baumwolle mit A.
erhigt man eine {dwefelfaure —— mit chrom⸗
ſaurem Kali mit der Baumwolle und gibt ſchließlich
ſich dies Nachgrünen durch energiſchere Oxydation
oder —— che Behandlung mit Kaliumbichromat
vermeiden. A. ijt amorph, unldslich in den meiſten
Löſungsmitteln, löslich in Anilin, Phenol und kon—
zentrierter Schwefelſäure und gibt mit Zinnchlorür
eine unlösliche Leufoverbindung, die ſich an der Luft,
befonders bei Gegenwart von Ällalien, ſchnell gu A.
orypdiert. Chromdure orydiert A. su Chinon. Die
Salze des WU. find unbejtindig. Val. Nölting, His-
toire scientifique et industrielle du noir d'aniline
(Mülhauſen 1889); Nölting und Lehne, W. und
jeine Unwendung in Firberet und Zeugdrud (Berl.
1892); Rielmeyer, Die Entwidelung des A. (Leips.
Anilinviolett, ſ. Mauvein. [1893).
Anilismus, Vergiftung durd Unilin, und zwar
meijt Durd) Unilindl, bei Arbeitern in dhemifden Fa-
brifen. Die Leute werden blau oder aſchfahl im Ge-
ficht, verlieren oft bas Bewußtſein, atmen rafd und
ungeniigend, haben einen faum fühlbaren Puls; der
Zuſtand erjdeint ſehr bedroblid), endet jedod) meijt
in einem rubigen Schlaf. Die chroniſche Vergiftung
(Blajfe, Hautausſchläge, Sdwellungen) ijt nicht all-
—— als vom Anilin herrührend anerkannt. Zur
Verhütung des A. iſt Ventilation, Kleiderwechſel, Ver⸗
| bot des Eſſens im Laboratorium wichtig. Dem Ver—
gifteten werden die anilingaltigen Kleider ausgezogen
und frifdje Luft zugeführt.
Anima (lat.), Seele, Geijt. A. mundi, die Welt-
jeele, der Weltgeiſt.
UAnimadverfion (lat.), Bemerfung, Whndung,
Riige; animadvertieren, bemerfen, riigen.
Animal (lat.), Lier.
Animale Organe, Organe, welche die ſpezifiſch
tierijdjen Funktionen des Koͤrpers ausiiben, aljo die
Organe der Bewegung und Empfindung, bejonders
die legtern (Nervenfyjtemt und Sinnesorgane).
Unimalien (lat.), tieriſche Stoffe, namentlich als
Speiſe dienende (Gegenſatz: Veqetabilien).
Animaliſation (franj.), Vertierung; Umwand⸗
lung des Genoffenen in tieriſchen Stoff.
Unimatiies, tieriſch, aus dem Tierreich jtammend,
dem Tier (lat. animal) eigentiimlid, 5. B. animaliſche
Koſt, animaliſches Gift, animalijde Warme. Uni-
malifde Funftionen, die Latigfeiten, die vorzugs—
weife Dem Tierleben eigentümlich find, alſo Empjin-
bung und Bewegung. Ihnen gegeniiber ftehen die
vegetativen Funttionen, die der Ernährung und
dem Wachstum des Körpers vorjtehen und aud) den
Pflanzen zukommen.
Animalifde Motoren, ſ. Belebte Motoren.
Animalifdes Bad, ſ. Bad. ;
Animalifieren (jranj.), vertieren; Genoſſenes mr
tieriſchen Stoff umwandeln; vgl. aud) Färberei.
Animalismus (Animalität), der Inbegriff
aller Eigenſchaften des tieriſchen Organismus im Ge-
enſatze zu den Pflanzen; tieriſches Leben im Gegen—
atze zum höhern geiſtigen.
Animalkuliſten, . Präformation.
Anima plastica, ſ. Bildungstrieb.
Animarum dies (lat.), Allerſeelentag.
Anima vegetativa, die Pflanzenſeele, aud) die
Nerventätigkeiten, welche die fogen. vegetativen Funt-
tionen im Tierkörper regen.
Animato (aud con anima, ital.), muſikal. Bor-
tragsbezeichnung: »bejecit, belebt, feurige, erfordert
einen muntern und beſtimmt afsentuierten Bortrag.
534
Anime (Fluß har z) ein Harz in haſelnußgroßen,
gelblichen oder rötlichweißen, aud) weiß beſtaͤubten,
ſeicht zerbrechlichen Stücken, riecht ſchwach aromatiſch,
ijt löslich in Terpentinöl, Benzol und Ammonialk, nur
teilweiſe in faltem, leicht in heißem Wlfohol; dient zu
Rauderungen, jur Lad- und Siegelladfabrifation,
gu Pflaſtern, Firniſſen ꝛtc., ijt aber nur wenig gebriud-
lid. Im Mittelalter war W. foviel wie Elemi.
Animieren (lat.), anregen, ermuntern; befeclen;
animiert, aufgewedt, beiter.
Animismus (lat.), philofophifdes und phyfiolo-
giſches Syſtem, nad) dem die Gefamtheit der Lebens-
vorginge im Körper nicht minder wie das Vorijtellen
und Denfen auf der Wirffamfeit einer immateriellen
Subſtanz, der Seele, berubt. Dasfelbe wurde im Al—⸗
tertum durd Urijtoteles, in der Neuzeit durch G. E.
Stahl (j. d.) — Die Monadentehre des Leib-
ni; ijt mit Dem A. nahe verwandt, und aud die An—
jidjten Des Hylozoismus (f. d.) und des Vitalismus
(f. d.) haben Beriihrungspuntte mit demfelben. Jn
neuerer Beit wurde der von Den Naturforjdern auf-
qeqebene A. von Bouillier wieder verteidigt (» Du prin-
cipe vital et de l’ime pensante«, Bar. 1862), und
aud &. v. Hartmanns »Pbilofophie de3 Unbewuh-
ten« lehrt die Cinerleiheit des Urſprungs der Erſchei—
nungen des geijtigen und forperliden Lebens aus
einem metaphyſiſchen Bringip. Seinen tatſächlichen
WUnbhaltspuntt ſucht der A. in der unleugbaren, ſchein⸗
bar auf eine leitende Intelligenz hindeutenden Swed:
mäßigleit vieler Vorgänge des phyſiſchen Lebens und
in dem Umſtande, day viele fcheinbar mechaniſche Ber-
ridtungen de3 Organismus urſprünglich intelligente
Handlungen find, die durch Gewohnheit mechaniſche
wurden; Dod) ijt die Ubertragung dieſer Unidauung
auf alle organifdjen Funktionen eine Hypothefe, die
der — Beſtätigung entbehrt. — A. wird
aud) die Weltanſchauung mancher Naturvöller ge—
nannt, nach der alle Dinge und Naturerſcheinungen
für beſeelt gelten, wobei alſo alles Wirken und Ge—
ſchehen in der Natur von innewohnenden Elementar⸗
geiſtern abgeleitet wird. Bal. Tylor, Die Anfänge
der Kultur (deutſch, Leipz. 1873, 2 Bde.); Dorman,
Origin of primitive superstitions (Philad. 1881);
Vordhert, Der A. (Freiburg 1900). Bgl. aud) Leben.
AnimGs (lat.), leidenſchaftlich erregt, aufgebradt ;
Animoſität, Gereistheit, leidenfdajftl. Erbitterung.
Animuccia (pc. amitigad, Giovanni, ital. Kir—
dhenfomponijt, geb. 1490 oder 1500 in Floreny, geſt.
1571 in Rom, war von 1555 bis gu feinem Tod Ka—
pellmeiſter der ‘Betersfirde ju Rom (vgl. Paleſtrina).
A. ijt einer Der verdienten Jtaliener, die von der ver-
fiinttelten Setzweiſe der zweiten niederländiſchen Schule
zu einem abgeklärten harmoniſchen Sap umlenlten
(»Laudi spirituali« · Hymnen), Meſſen, Motetten ꝛc.,
auch Madrigalen).
Animus (lat.), Seele, Gemüt, Neigung, Wille,
Abſicht, Vorſatz; in der Rechtswiſſenſchaft haufig ge—
braucht, z. B. A. injuriandi, Abſicht, zu beleidigen;
A. lucri faciendi oder rem sibi habendi, die Abſicht,
cine Sache fic) zuzueignen; A. occidendi, Abſicht ju
morden; A. nocendi, Abſicht gu ſchaden; A. possi-
dendi, Abſicht, fiir fid) gu befigen; A. donandi,
Schenkungsabſicht.
Anina, Cijenwerf, ſ. Steyerdorf.
Anto (jest Uniene, Teverone), cin ſchon im
Altertum wegen feiner romantifden Uferland{daften
und Wafferfalle beriihmter Fluß in Mittelitalien,
118 km lang. Cr entipringt öſtlich von Rom bei.
Filettino im ifergebirge, drängt fic, an Subiaco
Anime — Anisaldehyd.
vorbei, Durd) enge und tiefe Tiler des Sabinergebir
ges und bildet bet Tivoli (Tibur) die beriibmten, ſchon
von den Klaſſikern gepricjenen Wafferfalle; da fie
Die Stadt zu gefährden beqannen, wurden fie von
Yeo XIL und Gregor XVI. durd einen doppelten
Tunnel (1826 — 35 erbaut) abgelenft, aus dem fid
mun die fogen. Cascata grande 96 m ticf im die
Schlucht ſtürzt. Cin abgeleiteter Urm des A. bildet
die malerijden Cascatelle, kleinere Waſſerfälle, dic
teils über baumreiche Felſen hinjtrdmen, teils bei der
jogen. Billa des Mäcen (jest Elektrizitätswerl) 30 m
hoc) hinabjtiirzen (j. Tivoli). Die Waſſerkraft des A.
wird bier zur eleltriſchen Beleuchtung und elektriſchen
Rraftiibertragung (bis Rom) ausgenugt. Unterbald
Tivoli flieht der VU. in vielen Windungen durch de
Campagna jum Tiber, 3 km oberhalb Roms. Aus
Dem Aniotale fiihrten die Leitungen des A. Betus
(272 v. Chr.), der Uqua Marcia (144 v. Chr.), die
nod) bejteht, und der Uqua Claudia (52 n. Chr.) vor:
trefflidjes Waſſer nad Nom.
Wnion, ſ. Cleftrolyfe.
Aniridie (Arideremie, gried.), teilweifes oder
volljtindiges Feblen der Iris. Meiſt angeboren,
jeltener erworben (durch Verlegung oder Operation),
bedingt Blendung der Kranfen und ijt oft mit aus-
geſprochener Shwacdhfidtigteit und andern Bildungs:
feblern ded Uuges verbunden. Das Tragen von dun:
feln Schubbrillen wird dabei —— empfunden
Anis (Pimpinella Anisum L.), einjährige Um—
bellifere, mut äſtigem, 30-50 cm hohem, flaumbaa-
rigem, graugriinem Stengel, herzförmig rundlichen
Grundblattern, doppelt dreizähligen Stengelblattern,
weißblütigen Dolden und breit eiförmigen, qraubaa:
rigen, 3 mm langen, ſüßlich —— ſchmeclenden
Früchten. Einheimiſch iſt der A. urſprünglich in Agyp⸗
ten, Kleinaſien und auf den griechiſchen Inſeln. wird
jetzt aber faſt in allen Erdteilen angebaut, beſonders
in Deutſchland, Böhmen, Mähren, Rußland, Skandi—
navien, Holland, Frankreich, Spanien, Bulgarien,
aud in Syrien, Indien und Chile. Der VW. von Walta
und aus Siiditalien (beide unter Dem Namen Bug-
Liefer) wird wegen feiner Gripe beſonders zum Ber-
judern benutzt; zur Gewinnung von ätheriſchem Ol
Dient hauptſächlich ruſſiſcher A. Außerdem benust
man A. als Küchengewürz und zu Backwertk. Die
abdeſtillierten Samen werden getrocknet und als Kraft
futtermittel fiir das Vieh verwertet. Sie enthalten 17
bis 19 Proz. Proteinſtoffe und 16-—22 Proz. Fett.
Die Spreu, die noch viele unvolllommene Körner ent
Halt, dient zur Gewinnung von Anisöl, das Stroh
al8 Biebfutter, befonders als Häckſel fiir Bferde, oder
jur Feuerung, da es eine ftarfe Flamme gibt. Bal.
Handelspflanzen.
Anisaldehyd(Methoryben aldebyd)C,H,O,
oder CH,O.C,H,.CHO entjteht bet Orydation von
Unethol, bildet ein gelbes, aromatifd) riechendes C1,
ſchmeckt brennend, ſpez. Ger. 1,123 bet 15°, fiedet bei
248°, loft fic) ſchwer in Waſſer, leicht in Wifohol und
| Uther und gibt bet Behandlung mit Kali UAnisalfobol
und Unisiiure. Unisalfohol CH,,O, bildet fart
lofe, ſchwach riechende, brennend fdmedende Mriftalle,
ſchmilzt bet 45°, fiedet bei 259° Wnisfaure (Me
thoxybenzoeſäure) C. H.O, entſteht bei Orpdatron
des Unethols und beim Perleifen des Dimethylather-
ejters Der Paraoxybenzoeſäure. Sie bildet farb-, ge
ruch- und geſchmackloſe Kriſtalle, ſchmilzt bet 185°,
fiedet bei 280°. Die Diazoverbindungen der Anis
ſäure liefern mit Raphthol 7 ret 3. B. das ſchar⸗
lachrote, in Waſſer losliche Unifolrot (Aniſidin—
Wnisalfohol — Ankäos.
ponceau), das aus anifidinazobetanaphtholmono-
julfofaurem Natron bejtebt.
Anisalfohol, ſ. Unisaldehyd.
Anifette, cin aus Unis bereiteter Lifdr, wirkt bei
Mißbrauch fait ebenſo ſchädlich wie Whfinth.
Anisholz, ſ. Ilicium.
Aniſidinponceau, ſ. Anisaldehyd.
Anisöl, das durch Dejtillation von Anisſamen
mit Waſſer gewonnene ätheriſche OL (Ausbeute 1,5—
3,5 Proz.), it farblos, riecht und ſchmeckt wie Unis,
ſpez. Gew. 0,98 —0,99, löſt ſich wenig in Waffer, leicht
in vllohol und Äther, erjtarct bei 15—-19° und ſchmilzt
bei 19—- 20°. Durd) langere Einwirkung von Licht
und Luft verliert es fein Striftallifationsvermigen.
Es bejteht bis zu 90 Prog. aus Unethol C,,H,,0
und aus iſomerem Metadavifol. Es dient gu Lifdren,
Parfitms, als blähungtreibendes, Milchabjonderung
und Auswurf befdrderndes Mittel, äußerlich gegen
Ungeziefer. Konzentriertes A. ijt Unethol.
Hui oline, als Farbſtoffe benutzte Ejter der Rhod-
amine. Das einfachſte Rhodamin entiteht durd) Er-
hipen von Phthalfaureanhydrid mit Metaamidophe-
noldlorhydrat und fonjentrierter Schwefelſäure. Weit
ſtärker gefärbt find die alfylierten Rhodamine, von
denen das Didthyirhodamindlorhydrat relativ edt,
befonders alfaliedt ijt. Wud) Tetramethylrhodamin,
fulfonierte Benzylrhodamine (als qute Wollfarbſtoffe)
und fulfonierte phenylierte Rhodamine (als Viol—
amine) find im Handel. Bei Behandlung von Rhod-
aminbajen mit Halogenalfylen entftehen die A., die
ſich durch größere Löslichkeit, ihre feine blaujtidigere
Nuance und größere Echtheit auszeichnen. Am wich—
tigſten ijt das Trianiſolin (Rhodamin 6G). Bernſtein—
ſãaureanhydrid liefert mit Metaamidophenolchlorhy⸗
drat rote Bernſteinſäurerhodamine, von denen Rhod—
amin 8,, das Succinein des Dimethyl- und Diäthyl⸗
metaamidophenols, am widtigiten ijt.
Anifolrot, ſ. Unisaldehyd.
Aniſomẽtriſch (qriech.) rm Gegenſatze gu ifome-
triſch heißt eine aronometrijde Darjtellung, bei der
die drei Achſen verſchieden lang find, gleichbedeutend
mit trimetrifd. S. Jfometrifde Srojettion und
Projeftion.
Anifometropte (qried.), ungleiches Berechnungs⸗
vermögen beider Augen.
Aniſophyllin, ſ. Blatt.
Anisoplia, Getreidelaubkäfer.
Aniſotrop, ſoviel wie kriſtalliniſch.
Aniſotropie (griech.), die Eigenſchaft mancher
Kriſtalle, nad) verſchiedenen Richtungen veridiedene
optiſche Eigenſchaften zu zeigen. Jn der Botanik die
Eigentümlichkeit der Pflanzenorgane, unter Einwir—
fung gleicher äußerer Kräfte verſchiedene Wachstums—
richtungen anzunehmen.
Anisjaure, ſ. Anisaldehyd.
Aniuma (Anhima, Palamedea cornuta L.), |
em den Rallen nabhejtebender Vogel, 80 cm lang,
jdwerleibig, mit länglichem Hals, fleinem Kopf, hüh—
nerartigem Schnabel, mäßig hohen Füßen, zwei febr
kräftigen Sporen am Flügelgelenk und einem darm—
ſaitenartigen, 15 em langen Horn auf dem Kopf, iſt
ſchwarzbraun, an Hals und Bruſt hellgrau, ſchwarz
gefleckt, am Baud) weiß. Er lebt magyar Fe Braſilien
und nährt ſich von Bilangenjtoffen. Das funjtlofe
Neſt enthalt zwei große weiße Cier. Das Fleiſch wird
von den Botofuden gegejjen, die Federn dienen gum
Schreiben 2.
Anjalabund, cin in Unjala (Finnland), nahe der
ruffifden Grenje, 12. Uug. 1788 geſchloſſener Bund
535
ſchwediſcher und finnlandifder Offigiere, die durch Un—
| terjeidnung einer Erflarung (Unjalabundesalte)
Guſtav III. gum Frieden mut Rufland fowie zur Ein-
berufung eines Reichstags zu zwingen verſuchten, teil-
weiſe aber auch —— Rwede verfolgten und
mit Rupland wegen einer Unabhängigkeitserklärung
Finnlands (jf. d., Geſchichte) verhandelten. Infolge
des allgemeinen Unwillens, den das Vorgehen der
Offiziere in Schweden und Finnland hervorrief, fowie
wegen eon an Unterjtitjung durch Rußland ver-
lief Die von Guſtavs Bruder, dem ſpätern Karl XIII.
(jf. d.) begünſtigte pending bald im Gande. Die
Dauptriidelsfiihrer wurden Anfang 1789 verhaftet,
aber mit einer einzigen Ausnahme 1790 gu Gefiing-
nisjtrafen begnadigt oder nad) der damals ſchwedi—
iden Inſel St. Barthélémy (Amerika) verbannt. Bal.
Malmanen, Anjalaférbundet (Stodh. 1848).
Wnjer, |. AUndicher.
Anjou cpr. angtgu), ehemalige franz. Proving (ſ.
die Geſchichtskarte bei »Frantreid<), von Maine, Bree
tagne, Poitou und Touraine umgeben, zerfiel in die
Landidaften A. im ae Sinn und Saumurois und .
war 8975 qkm (163 OW?) groß mit etwa 400,000
Einw., umfaßt hauptſächlich das jepige Depart. Maine-
et-Loire. Hauptitadt war Angers. — A. wurde einjt
von den Undefaven (Andecavi) bewohnt und von
den Römern unterworfen. Später herrjdten hier Gra-
fen, deren Geſchlecht 1060 erloſch. Beſitztümer und
Litel gingen durd) cine Schweſter ded letzten männ—
liden Spriflings an das Haus Gatinais iiber, dem
Gottfried V., der Uhnberr der Plantagenet (ſ. d.), an⸗
ebirte. Er hinterließ UW. und die Normandie 1151
einem ältern Sohn, Heinrich, der 1154 als Heinrich I.
den Thron von England bejtieg, wo feine Nachkom—
men bis 1485 regierten (vgl. Norgate, England
under the Angevin kings, Yond. 1887). A. ging
ſchon 1204 unter Johann ohne Land mit der Nor—
mandie und fajt allen britiſchen Beſitzungen in Frant-
reid) an Philipp IT. Auquit verloren. Konig Ludwig CX.
belehnte damit feinen Bruder Johann und nad dejjen
Tod 1246 feinen zweiten Bruder, Karl, Grafen von
Provence, der {pater Rinig von Neapel und Stamm-
pater des Altern Haujes A. dafelbjt wurde. Seine
Enfelin Margarete brachte die Grafichaft A. ihrem
Gemahl, Karl von Valois, dem Bruder Philipps IV.
pon Frankreich, gu, und diefer erhob fie 1297 zur
Pairie. Margaretens und Karls Sohn ward 1328 als
Philipp VL. König von Frankreich, wodurd die Linie
Valois auf den franzöſiſchen Thron gelangte und
zugleich A. wieder mit Der Krone vereiniqt wurde.
König Johann IT. verlieh e3 als Herzogtum ſeinem
zweiten Sohn, der als Ludwig I. 1382 König von
teapel und Stammvater de3 jiingern Haufes A. da-
ſelbſt wurde. Das Herzogtum gehörte nun den Köni—
gen von Neapel, bis es nad) dem Tode Renés IT. (1480)
Durd) Ludwig XI. fiir immer mit Der franzöſiſchen
Krone vereinigt wurde. Seitdem führte gewöhnlich
ein Pring von Frankreich den Titel eines Herzogs
von A., fo Heinrich III. vor feiner Thronbejteigung,
deſſen jiingerer Bruder Franz, dann Philipp, zweiter
Sohn des Dauphins und Enel Ludwigs XIV., der
1701 al’ Bbilipp V. König von Spanien ward.
Ankäos, im griech. Mythus König der Leleger auf
Samos, Sohn des Zeus oder Pofeidon, auf der r=
gonautenfahrt nad dem Tode des Tiphys Steuer-
mann. Ihm weisjagte cin Seher, er werde von den
| Reben, die er eben pylangte, feinen Wein trinfen. Als
er ſpäter, des Sehers jpottend, den vollen Becher in
| der Hand hielt, tat diejer den ſprichwörtlich gewordenen
536 Ankaratra — Anfer.
Ausſpruch: »Biel liegt zwiſchen dem Becher und dem | geniigend, und in Sandboden_ reißt er leicht cine
Rande der Lippen.« Da trifft die Nachricht ein, ein | ae (wird triftiq), und das Schiff streibt vor WL«
Eber verwiijte bas Land; U. ſetzt den Beder ab, eilt Die Tiefe eines quten Unfergrundes betragt 15 —20,
hinaus und wird von dem Tiere getitet. höchſtens 40 m. Sum Ausbringen der A. dienen Me
Anfaratra, das Hauptgebirge Wadagasfars, im Kranbalfen, ftarfe, ſchräg aus dem Bug beraus-
SB. der Provinz Jmerma, erhebt ſich tm Tſiafa- itehende Balfen, unter denen der A. hängt. wabrend
dichawona, dem hoöchſten Gipfel der Inſel, zu 2873 m, die Unferfette Durd) Die Klüſen ins Innere des Schiffes
im Unfawitra zu 2645 m und bededt cine Fläche von läuft. Das Ausbringen der A. heißt Ankern (An—
130—150 qkm. Der Sern des Gebirges bejteht aus ferwerfen, das Schiff »gebt ju A.«); das Ausheben
Gneis und Granit und wird von ftarfen Tonfdicdten des Ankers aus dem Grunde heißt WUnlerlidten
fiberlagert. Reichliche Niederſchläge erjeugen eine Für legtern Zweck wird das Schiff durch Einwinden
iippige Gras- und Kräuterdecke, in geſchützten Schluch⸗ der Ankerlette über den A. herangeholt, damit dieſer
ten aud) tippiqen Baumwuchs. leicht aus dem Grunde fosbridt. Im Notfall 1am
Anfeimen (Stratifijieren). Simereien, die man die Kette aus den Mliijen ſchlippen, nimmt fre
frũhzeitiger fetmen, ſicherer ah sai oder jum Nach⸗ hinter der Beting, an der fie befejtigt iſt, auseinan—
pflanzen von Feblitellen im YUder verwendet werden der und befeftiqt an das Kettenende eines fo verlor
jollen, lat man in feudjtem Sand, in feudjten Sage | nen Unfers cine Unferboje, cine Tonne od. dal,
jpinen u. dgl. sanfeimen«. Ebenfo behandelt man
langjam und nur bei anbaltender Bodenfeudtigfeit
feimende Samen (Rofen, i Weihdorn 2.) und
unterjtiigt das Keimen durd) Warme oder Zujag von I ⸗
- Saduren. Samen von Gurken, Kürbiſſen, Melonen u. a.
läßt man in Töpfchen von Erde, Kuhmiſt und wenig
Lehn a. und ſetzt die jungen Pflanzen mit den Töpfen
in das freie Land.
Anfellen, ſ. Enten (Jagd).
8 ‘
Anfenbuf, Yirbeiterfolonie (ſeit 1885) im bad. |
Kreis Villingen, zur Landgemeinde Klengen gehörig.
Auker, altered Fliiffiqfeitsmak, bejonders fiir
Bein und Branntwem, — '4 Ohm — 1s Orhoft.
Preupen (/: Eimer). . . ASO Quart . . . — H,351 Liter
Sadmjen ('/2 = ). . . & 41 Dresd. Kannen — 38,350 =
Leipjig (friiber) . . . . A 27 Bifierfannen . — 37,028 -
Lilbed (5 Biertel) . . . AQ Rannen. . . — W375
Hamburg (5 Biertel) . . 840 Quartier . . = 36,227
Hannover (10 Stibden) . 420 Rannen. . . — 38,929
Dremen if. Ahe inwein 450.) A44 Quart . . . = B,as6
Schweden (Nnfar) . . . AS Mannor. . . — 39,252
Danemart (5 Biertel) . . A 39 Potter . . . — 37,79
Holland (16 Stoopen) . . A432 Mengelen . — 38,806
England (fiir BSranntwein) a 10 Imp. Gallons — 45,435 -
Rapfiadt (16 Flashy =... AGA Pinties. |. 35,959 =
Anker (altdeutid ancher, anker, v. griechiſch-lat.
ankyra, ankora, · das Gekrümmte«), Gerät jum Fejt-
halien Des ſchwimmenden Schiffes. Bet den Phöni—
fern und auch fpaiter noch in Ojtindien wurden als
WU. Steinblide oder Metallmaſſen verwendet, dic,
meijt mit einem Lod) verfehen, an Tauen ausgewor-
fen wurden. Später verjah man dieſe Maffen mit
einem Halen zum Eingreifen in den Grund (emarmige |
WU.) und fiigte dann einen zweiten Hafen oder Yirm um die Stelle wieder auffinden yu fonnen. In der
inzu. Nad) weiterer Vervollfommmung wurden die Wbbildung zeigen 1 und 2 die befanntefte Form, den
fen Die Hauptiade, und in diefer Form, wie fie Admiralitätsanker. Bem Borteranler(Trot-
ſich ſeit Alexander d. Gr. erhalten hat, bejteht der UW. mansanfer, 3) ijt das Flügelſtück am Schaft be
aus cinem eijernen Stiel (Unterfdaft), am obern weglich. Der obere Flügel legt ſich alfo nieder, wenn
Ende mit dem Ankerring (Rohrring), worin bis | der A. im Grunde ijt, verhindert ⸗Unklar A.« und
Anfang des 19. Jahrh. fart ftets ein Tau, feitdem | bringt bet wenig Wafferticfe den Schiffsboden nit
die Anlerlette oder cin Stahldrahttau befejtiqt wird, in Gefabr; beim Martinanter (4) liegt der Stod
und amt andern Ende zwei gefriimmten Armen (An- | parallel den drehbaren Flügeln, dieje greifen Daber
ferarme), die tn cine herzförmige Schaufel (Wn- | beide yugleid) in Den Grund; der Smithanfer (5)
ferpflug, Unterfliige!,Spaten, Unferhande) | ijt ähnlich dem Martingantfer, hat aber zwei felbjtan-
auslaufen. Damit der A. nicht nuit beiden Armen | dige Fliigel.
platt auf dem Grunde liegen bleibe, ijt am Yaferring | In der deutſchen Marine find aufer dem ausiter-
der Unterjtod angebract, der rechtwinfelig zu den | benden Wodmiralitatsanfer nod Inglefieldanker
Arnien ſteht. Durch den Zug der Ankerkette, der von | und ſeit 1898 auf allen Neubauten Hallanker ein—
dem durd) Wind oder Wellen rückwärts treibenden | gefiibrt. Der Anglefieldanter (6) greift mit beiden
Schiff hervorgebradt wird, leqt der Stod fic) platt | bewegliden Urmen m den Grund cin, nachdem dic
auf den Grund und bringt den einen Arm jum Ein- | hafenformige Spige feines mit den Armen beweg-
qreifen in Den Grund. Der bejte Unferqrund iſt liden Kopfſtücks beim Zug der Kette vorher in den
toniger Boden; in ſteinigem Grunde faßt der A. nicht | Grund einjdyneidet und dadurch die Spigen der Pflüge
1, 2 Whmiralitdts-
anfer
Porteranfer
Martinenler
Surithanter
G Inglefielbanter
Hallanfer
Gig. 1-7. Berfdiedene Shiffsanter.
we ts
~)
537
gelegt werden, jo werden fie nad) Fig. 16, a oder b,
ebildet. Bei ſichtbarer Unbringung der Splinte er-
Batten Dieje zur Drudverteilung und gleichzeitig als
gejundes Schmuckmittel der Fronten swedmapig cine
reidere Uusbildung (Fig. 10). Bur Veranferung und
Ubjteifung flanger Wände gegeneinander kommen
Anker (Marine, Bauweſen).
in den Boden hineindrückt. Als beſter und handlich—
ſter A. gilt jetzt der Hallanker (7), mit deſſen Schaft
cin aan jeder Seite 40° drehbares Achſenſtück nut
ſchaufelförmigen Rändern mit einem Bolzen verbun-
den ijt. Die unter 3—7 genannten A. werden oft als
Patentanter bezeichnet Dreganker (Draggen)
find —— vier bis achtarmige A. leichterer Art beim Fehlen von Querwänden Druckanker (Ver—
um Beranfern von Fiſcherfahrzeugen und jum Auf- ſteifungsträger) nad Fig. 11 zur Verwendung.
—— von Kabeln, Ketten oder andern Gegenſtänden Zum Einbringen in mehreren Stücken oder zum nad:
auf Dem Meeresgrunde. Nad) dem Verwendungszweck träglichen » WUngiehen« ( Verkürzen) von Untern wird,
unterjdeidet man: Buganter, am Schiffsbug, zum
—— Unfergebraud ſtets bereit (»fdweres | 477
uganfer fiir ſtürmiſches Wetter, »tägliche U. fiir, Ft
uted Wetter); Hedanfer, am Hee, etwa ein Drittel | i
o ſchwer wie die Buganfer, dienen gum Bertiuen | | P77
(Fejthalten) des Schiffes vorn und hinten; Warps | | —F
und Stromanker, ieichte A. gum Verholen (Hine ©
iehen nach einem andern Platz) von Schiffen und
ooten. Zum Ankergeſchirr rechnet man ſämtliche
A. und Ketten, die Einrichtungen zum Feſthalten der
Ketten (Beting, Stopper), gum Lichten der A. (Spill)
und zum Lagern und Unterbringen der A. auf dem
Schiffe (Ankerkraäne, Barterlagerung). Auf
Schiffen mit ſcharfem Big werden drehbare Unter-
fréine zum Ratten (Vagern) der A. benugt. Die An—
ferfetten werden in Deutidland aus Kettenlän—
qen von je 25 m zuſammengeſetzt, durch Verbin-
dungsſchäkel miteinander verbunden; jede einzelne
Sdhafe (Kettenglied) ijt mit einem Steg (Querſtütze)
verfehen. — Für die Deutiche Handelsmarine ijt in den COLT he
Unfallverhiitungsvorjdriften der Seeberufsgenoſſen⸗ Fig. 9. Gewölbeanler.
fchaften die Uusriijtung mit Ankern und Ketten fiir J
jede Saiffégattung und Schiffsgröße genau vorge:
fdjrieben. Segelſchiffe fic) mehr auf die Stärke k
ihres Ankergeſchirrs müſſen verlajjen können als 12. Keiltaſche.
Dampfer, rechnet man, daß ein Segelſchiff von 1000
Reg.Ton. Bruttoraum ungefähr ebenſo jtarfes An—
lergeſchirr haben muß, wie cin Dampfer von 1500
Reg. Ton. Bruttoraum. Vgl. Did und Kretſchmer,
Handbuch der Seemannſchaäft (2. Aufl., Berl. 1899);
Unfallverhütungsvorſchriften der Seeberufsqenojjen-
ſchaften (amb. 1899).
Im Bauwefen find A. Vorridtungen, gewöhn—
lid) aud Eiſen, zum Zuſammenhalten von Gebäude
teilen. Sie bejtehen meijt aus einer Stange oder
Schiene mit Ofe an einem oder Heiden Enden, durch
die cin Querſtück, der Splint (die Schliche), hindurd-
ejtedtt wird. Jn wageredtem Sinne werden jie zum
ufammenbalten von Gewölben und hobhen oder feit-
lich gedrückten Umfaſſungsmauern re. verwendet. Fig.8
zeigt einen Balfenanfer, deſſen wagerechter Arm
an cinem Balfen befejtiqt ijt, wahrend fein lotreddter
Splint tm Mauerwerk jtedt. Cine genügende Sahl,
foldjer A., bei denen die Ballen einen Teil der wage: |
rechten Arme bilden, halt zwei Umfaſſungsmauern zu—
platte.
15. Edanler.
a !
17. Schlauder.
16. Bogenanfer. Fig. 18.
Fig. S—18. Anker im Bauweſen.
ſammen. Wud) leqt man den Splint wohl wageredt
in Die Mauer, um einen größern Teil des Mauer
werls in den Bereich feiner Wirkung ju ziehen. Fehlt
die Mauerauflajt, fo fann fie durch cine Rombination
der Balfen- (Triiger-) Veranferung mit einer lotred-
ten Beranferung nad Fig. 18 erjest werden. Fig. 9
zeigt cinen Gewölbeanker, mittels dejjen der Set-
tenjdub eines Gewölbes aufgehoben wird. Unt bier
den Geqendrud des Splintes auf eine möglichſt große
wenn die Unferitange zugänglich ijt, Die Keiltaſche
(Fig.12), bei runden Zugitangen das S Schloß (Fig. 13),
benutzt, während man, wenn das Ankerende zugäng—
lich, alſo eine Verſchraubung möglich iſt, eine ſolche,
und zwar zur Druckverteilung, unter Anwendung
einer Ankerplatte (Sig. 14) anbringt. Edanfer
(Fig. 15) erhalten im Winlel einen Splint und an
den Enden entweder ebenfalls Splinte oder nur Auf⸗
| biequngen und werden gern nut einer Dreiedsverbin-
Mauerfläche zu verteilen, ordnet man wohl ein durch⸗ dung verjehen. Ringanfer entitehen, wenn bei poly
gehendes Winteleifen a an. Sollen Gewslbeanfer | gonem Wauerwerf, 3. B. Türnien, die Edanter ju
(Bogenanfer) die Bogen nicht durchſchneiden (val. | Durdgehenden vicledigen Ringen verbunden, oder
Fig. 9), oder, obwohl dies das rationellite wire, nicht wenn (bei freisformigem Mauerwerf) wirflide Cijen-
unter den Bogen fidjtbar in die Höhe des Kämpfers ringe in oder um die Mauer gelegt werden. In lot,
538
rechtem Sinne werden die A. meijt sur Verbindung
des Unterbaues mit Dem Aufbau verwendet (Fun-
dDamentantfer). So werden die Eckpfoſten hölzerner
oder cijerner Fadwerfpfeiler bei hohen Eiſenbahn—
viaduften und ähnlichen Bauten mittels lotredter
Ynferftangen und wageredter Splinte mit den ge-
mauerten ‘Efeilerfundamenten verbunden, damit jie
bet jtarfem Windſtoß nicht umgeſtürzt werden können.
Sdhlaudern (Fig. 17) find Veranferungen, die ein
Diinmwandiges Bauwerk (3. B. Sdornjteine, Ofen)
außen zuſammenbinden.
Im Maſchinenbau heißen A. die zur Befeſtigung
einer Maſchine oder eines Maſchinenteils auf dem
Fundament oder einem andern Mauerkörper benub-
ten Bolzen. Deren eines Ende legt ſich mit Kopf,
Querfeil oder Schraubenmutter gegen die in das
Mauerwerk eingelajjene, meiſt gußeiſerne Unfer-
platte, während das andre Ende mittels Schrauben⸗
mutter Den Dtajchinenteil fat. Jn der Phyſik nennt
man A. das Stück weiden Eiſens, das an die Bole
eines Hufeiſenmagnets angelegt wird; in der Eleftro-
tednif Den rotierenden Teil ciner Dynamomajdine
oder eines Eleftromotors. — Der A. ijt allqemein das
Sinnbild der Marine und hier in verjdiedenen For-
men Rangabzeichen (f. Abzeichen, militäriſche), Dann
Sinnbild der Hoffnung u. der Standhaftigfeit; bet Den
alten Indern war er dag Friedens- u. Heroldszeichen.
Aner anfgehen, Anker lidten, ſ. Unter.
Unferboje, am Anler mit Tau befejtigte Boje
(f. d.). fangewandter Unter.
mene! eggenförmiger, in der Luftſchiffahrt
Anfergeld, cine Art Schiffahrtsabgaben (j. d.).
Anukergeſchirr, ſ. Anker.
Ankerhemmung, ſ. Uhr.
Ankerit, Mineral der Kalkſpatgruppe, beſteht aus
vorwaltendem Kalk- und Eiſenkarbonat nut wenig
Mangan- und Magneſiumkarbonat, ijt gelblich, perl—
mutter⸗ bis glasglaͤnzend, Harte 3,5—4, ſpez. Gew. |
2,9—3,1, findet ſich in rhomboedrifden Rrijtallen und
derb in forniqen Aggregaten bejonders in Steiermarf.
Anferlaternen (Ankerlichter), ſ. Poſitions—
Ankerlichtmaſchine, ſ. Spill. lichter.
Ankerplatte, ſ. Anker (im Maſchinenbau).
Ankerplatz, ſ. Reede.
Ankerraketen, ſ. Rettungsweſen zur See.
Unferfteine, Werfiteine von ſchwalbenſchwanz—
formiger oder gefrdpfter Form zur Herjtellung febr
fejten Mauerwerfs bei Briicenpfetlern, Molenfdpfen,
Veudttiirmen ꝛc.; aud die großen Steine, an denen
Die Bojen mit Ketten befeſtigt find.
Ankeruhr, j. Ubr. [| Schijfe.
Ankerwache, der Ausguck auf einem veranterten
Anferwagen, ſ. Maſchinenpflug.
Ankerwinde, ſ. Spill.
Anfirren, Wud durch ausgelegte Köder anlocken.
Ankiſtrion (Angiſtri), Inſel un Golf von Ygina,
13,7 qkm nut (isso) 511 Einw. und dem Hauptort
WMegalodorion (251 Einw.).
Anflage, j. Anklageprozeß und Mage.
Anflagejury (Große Jury), im engl. Straf- |
prozeß cin aus mindeſtens 12, höchſtens 23 Geſchwor
nen zuſammengeſetztes Gericht, dad die Vorfrage ju
erledigen bat, ob Die Anklage in der Weije, wie jie
geſtellt it, als zuläſſig erſcheine, und ob der Ankläger
vor der fogen. Kleinen oder Urteilsjury zu erideinen |
habe; wenn ja, durch die Forme! true bill (wabre An
flage), Wenn nein, durch Die Forme! not a true bill.
Das Verfahren vor der Vi. ijt geheim; es werden nur
der Ankläger und, foweit dienlich, deſſen Zeugen, nidt
Anker aufgehen — Anklageprozeß.
aud) der Beſchuldigte vorgefordert. Die Anititution
läßt fic ſchon unter König Ethelred nadweifen. Mud
in Frankreich hatte man bei Einführung der Sdpwur-
eridjte Die YW. mit übernommen; jedod) wurde fic
don 1808 von Napoleon I. wieder abgeſchafft.
Anklageprozef, diejenige Art des Strafverfab-
rens, wobei cine befondere, vom Gericht getrennte
Perſon, ein bffentlider oder Privatanflager, fort
während teilnimmt, indem er den Antrag auf djfent-
liche Beſtrafung des Verbrechers jtellt, die Lieferumg
der Schuldbeweiſe gegen ihn iibernimmt und dte Ber-
urtetlung in die geſetzliche Strafe ju erwirfen fudt.
Durch dieje Teilnahme des Anklägers und durd die
YUnerfermmg auch de3 Ungeflagten als eines feld-
jtindigen Prozeßſubjektes unteridetdet ſich der Wh
von dem fogen. Unterfudungs- oder Inquiſi—
tionsverfahren, wobet der Richter bet begangencn
Verbrechen von mts wegen einſchreitet, die Unter
juchung allein durchführt und der Ungeiduldigte
lediglich alg Objeft diejer Unterſuchung bebandelt
wird. Die friihere deutſche Reichsgeſetzgebung hatte
dieſe beiden heterogenen Arten des Sirafverjahrens
nebencinander bejtehen lajjen, bis nad 1848 fait in
allen deutſchen Landern ein gewiſſermaßen genriidtes
Syjtem zur Geltung qelangte. Weiter Ht zu unterjder-
den zwiſchen dem — —* worm
jeder ſelbſtändige Bürger als Ankläger auftreten darj.
und dem eine ſtändige Organiſation einer Anklage
behirde vorausſetzenden Offizialanklageprozeß
Das älteſte germaniſche Recht ſtellte als oberſten
Grundſatz des Kriminalverfahrens die Regel auf:
Ohne Kläger kein Richter. Hier war alſo nur der
Privatanklageprozeß ſtatuiert. Allmählich aber bil-
dete ſich, beſonders durch den Einfluß des kanoniſchen
Rechts, neben dem Anklageverfahren das Unter—
ſuchungsverfahren aus. Es entſtand nämlich die Be—
ſorgnis, daß bei dem reinen A. oft in Ermangelung
eines Unfligers ein Verbrechen ſtraflos bleiben mite,
Daher das jogen. Rlagen von Amts wegen vorerii
nur fitr größere Verbreden, fpater aber allgemeimer
zur Pflicht gemadt wurde. Much gingen die geijtliden
Gerichte von der Anſicht aus, daß die Rirde ein all-
gemeines Aufſichtsrecht über alle Gläubigen ausiiben,
daher ihren verborgenen Vergehen nachſpüren und
fie zur Buße und Strafe bringen müſſe. Das fano-
niſche Recht lennt ſchon drei Virten des Strafverfah-
rens als nebeneinander zuläſſig: Die Accusatio oder
den reinen YL, die Denunciatio oder den Denun—
ziationsprozeß, wobei der durch cin Verbrechen
Betroffene dem Richter das begangene Verbrechen zur
Unterfudjung und pb von Amts wegen an:
zeigt, und Die Inquisitio oder den Unterfudungs-
projeh. So find auch die meijten Artilel Der pein
lichen Gerichtsordnung Karls V. von 1532 fomobdl
auf das Anklage- als dag Unteriuchungsverfabren
anwendbar. Immer mehr aber neigte ſich das alte
Yinflageverfahren jum Unterſuchungsverfahren bin,
und allmählich trug tm Cinflang mit der ganzen po
litiſchen ſowie mit der materiellen Rechtdentwidettung,
obgleich das deutſche qemeine Recht den A. mie ab-
ſchaffte, fondern allen Biirgern das Recht der Rrimi:
nalanflage lief, dennoch in der Praxis in gang Deutſch⸗
land das inquijitorifde Verfahren den Sieg davon.
Seit dem Unfang des 19. Jahrb. hat man die Zwed⸗
mãßigleit diefes Verfahrens tn Frage gejtellt und nad
dem Muſter der englifden und franzöſiſchen Straf
prozeßgeſetzgebung einem Verfahren den ——— ge
geben, das gewiſſermaßen zwiſchen beiden ältern Ber
fabrensarten in Der Mitte ſteht: es iſt dies Das ſogen.
Anklageſchrift — WAnfimmlinge.
neuere Offizialantlagqeverfahren, berubend
auf dem Inſtitut der Staatsanwaltidaft. Borbildlid
war dabei der franzöſiſche Strafprozeß in der von
Rapoleon I. 1808 gefdajfenen Gejtalt. Der Ridter
darf hiernach cine jtrafredtlide Unterfudung in der
Regel erjt dann emleiten, wenn der Unflager einen
hierauf geridteten Untrag eingereidt hat. nfldger
ijt in Der Regel der Staatsanwalt, em aus der Reihe
der Juſtizbeamten eigens hierzu bejtellter Beamter.
Dieſer ijt verpflichtet, abgejehen von den jogen. Un-
tragsdeliften (jf. d.), bet allen gu feiner Kenninis fom-
menden Straftaten, einerlei, auf weldje Weife er gu
dieſer Kenntnis gelangt, von Amts wegen dafiir zu
ſorgen, daß fie ————— und beſtraft werden, zu⸗
gleich aber auch zu wachen, daß niemand ſchuldlos
verfolgt werde. Er vertritt Den durch die Straftat
verletzten Staat und hat darauf zu ſehen, daß die
Unterſuchung den — Gang einhalte und
alle zweddienlichen Mitiel benutzt werden. Dieſen
in Deutſchland ſeit 1848 vorherrſchend gewordenen
Grundſätzen find trotz mancher auf den Juriſtentagen
gegen Die Staatsanwaltſchaft hervorgetretener Be—
denlen auch das deutſche Gerichtsverfaſſungsgeſetz und
die Reichsſtrafprozeßordnung treu geblieben. Im Ver-
gleich zum franzöſiſchen Recht find die Machtvolllom—
menheiten der Staatsanwaltidaft mannigfach be—
ſchränkt worden; dod) hat die öſterreichiſche Strafpro-
jehordnung von 1873 die —— des ſtrengen
Anlklageprozeſſes, wonach die Anllagebehörde als Pro⸗
zeßpartei behandelt wird, in reinerer Geſtalt durch—
geführt. Nur ausnahmsweiſe iſt in Deutſchland und
ſterreich für geringfügige Straffälle die Privatan—
flage geſtattet. In dieſen Fällen (§ 414 ff. der deut-
iden ———— Beleidigungen, Körper⸗
verletzungen, ſoweit die Verfolgung nur auf Antrag
eintritt}) hat der durch die Straflat Verletzte das Recht
der Verfolgung durd Privatflage, ohne daß es einer
vorgängigen YUnrufung der Staatsanwaltidaft be-
— prinzipale Privatklage). Die öf—
fentliche Klage wird hier nur erhoben, wenn dies im
Bffentliden Intereſſe liegt. Sehr beachtungswürdi
find die Cinridtungen des englifden und —
des ſchottiſchen Strafverfahrens. Während in Eng-
land auch nach der —— öffentlichen An⸗
tlagebehörde (director of public prosecutions) die
Privatantlage die allgemeine Regel bleibt, befteht in
Sehottland die fogen. fubjididre Privatflage.
Danach wird, wenn der öffentliche Ankläger (Lord
Advocate) dad Einfdreiten wegen einer Straftat ver-
weigert, die Brivatflage dDurd andre Perſonen zu—
qelajjen. Hierfür ſpricht namentlich die Rückſicht, daß
die adminiſtrative Abhängigkeit der Staatsanwalt—
ſchaft von den jeweiligen Juſtizminiſterien und der
politiſch herrſchenden Richtung emer ergünzenden Kor⸗
reftur durch freie ſtaatsbürgerliche Anklagetätigkeit
dringend bedürftig erſcheint. Die öſterreichiſche Straf-
prozeßordnung vom Jahre 1873 hat denn auch den
Grundſatz der Subſidiaranklage angenommen (§ 48).
Im geltenden deutſchen Recht fand dagegen die fub-
ſidiäre Privatflage feine Aufnahme. Doch iſt durch die
dem Verletzten eingeräumte Möglichkeit, die Staats—
anwaltſchaft durch die Gerichte zur Erhebung der öf—
fentlichen Klage zwingen zu laſſen (5 170ff. der Straf⸗
prozeßordnung) einiger Erſatz fiir fie geboten.
Anklageſchrift, ſ. Klage und Strafverfahren.
Im Militärſtrafprozeß hat die A. eine andre Be—
deutung als im bürgerlichen Strafverfahren. Sie iſt
hier die Beilage eines Gerichtsbeſchluſſes, der An—
flageverfiiqung. S. Militärſtrafgerichtsbarkeit.
539
Anklageſtand, der Zuſtand, in dem ſich cin Be—
ſchuldigter (j. d.) befindet, gegen den die Staatsan—
waltichatt die Hffentlide Mage erhoben (Ungefd ul -
digter) oder das Gericht die Eröffnung des Haupt-
verfabrens (ſ. d.) befdlojjen hat (Ungeflagter).
ie Hee
AnFlam, Kreisjtadt un preuß. Regbez. Stettin, an
der Beene, Nnotenpunft der Staatsbahnlinie Unger:
mtiinde-Straljund und einiger Schmalſpurbahnen,
hat 2 evang. Rirden (die Nifolaitirde, mit faſt 100 m
hohem Turm, und die Marientirde), eine fath. Kirche,
eine Synagoge, cin Denfmal des
Raifers Wilhelm I. (feit 1897,
von Manjel), ein Gymnaſium,
Kriegsſchule, Umtsgeridt, Haupt-
fteueramt, Reichsbanknebenſtelle,
Cijengicherei, Maſchinenbau,
Zucker- und GSeifenfabrifation,
Schiffahrt und (1900) 14,617 meiſt
evang. Cinwohner. — A., ehe—
mals Tanglim, auch Anglim
genannt, war urſprünglich eine
flawijde Feſtung, erhielt 1244
vom Herzog Barnim J. von Pommern Stadtrecht und
ſchloß ſich der Hanſa an. 1648 fiel A. an Schweden,
wurde 1676 vom Großen Kurfürſten erobert, 1713
durd) die Ruſſen gepliindert und endlich 1720 im
Stodholmer Frieden an Preußen abgetreten. Die
Bayppen von
Anklam.
Feſtungswerke find ſeit 1762 geſchleift. Wm 31. Olt.
1806 ergab fic) bier ein Korps Preußen unter Vila
den Franjofen. Vgl. Schulz, Geſchichte der Stadt
A. (Unflam 1896); Stavenhagen, Chronif (bis
1773; neue Musg., daſ. 1899).
UAnfober, chemalige Hauptitadt de3 Königreichs
Schoa in Abeſſinien, unter 9° 34’ nördl. Br., 2760 m
it. M., malerifd amt Ojthang eines Doppelhiigels er-
baut, 1892 infolge Cholera fajt ganz ausgeitorben.
In der Nähe die italienijde Station Let = Marefia,
an der Untonelli, Cecchi und Chiarini ajtronomijde
Beobadhtungen madten.
Ankobra, Fluß in der engl. Kolonie Goldfiijte
(Wejtafrifa), entipringt an der Grenze von Aſchanti
und miindet weſtlich von Axim.
Ankogel, öſtlichſte Berggruppe der Hohen Tauern-
fette, weytlid) vom Mallnitzer Tauern, öſtlich von der
obern Mur und dem Katſchbergpaß begrenst, bejteht
hauptſächlich aus den zwei fiidlich gerichteten verglet-
ſcherten Querkämmen der Hochalmſpitze (3355 m),
welder Der A. felbjt (3263 m) angebhort, und des
Hafnered (3061 m). Die Gruppe hat viele ſchöne
Wafjerfille, ihre Gipfel werden von Gajtein und
mehreren Seitentilern mit Venugung von Lnter-
tkunftshütten (Hannover-, Osnabriider, Villacher
Hiitte) bejtiegen. Spesialfarte vom Wilitirgeogra-
phiſchen Inſtitut in Wien 1:75,000 (1894).
Anfimmlinge, in die Flora eines Landed cin-
dringende Pflanzen, verwilderte Nutz- und Hierpflan-
zen, mit Kulturgewächſen ꝛc. verfdleppte Gewächſe
(Uderuntriiuter), auch in der letzten Periode der Ent⸗
widelung der Flora felbjtindig eingewanderte Pflan-
jen. Aus Garten gelangen Pflanzen durch Verſchlep—
pung von Wuryzelfetmen, Ausläufern, Samen ins
Freie (Gartenflidtlinge). Für Norddeutſchland
fommten als UL. namentlich in Betradht: Orntthogalum
nutans aus dem Orient, Hesperis matronalis aus
Süddeutſchland, Erigeron canadensis, Oenothera
biennis, Collomia grandiflora, Mimulus luteus fo-
wie Ujternarten aus Nordamerifa, Solidago serotina
und Rudbeckia laciniata ebendaber, Tanacetum
540
Parthenium, Echinops sphaerocephalus unbd Sily-
bum Marianum aug Giideuropa, Anacharis Alsi-
nastrum aus Amerika x. Bgl. Caruel, Di alcuni
cambiamenti avvenuti nella flora della Toscana in
questi ultimi tre secoli (Mail. 1867); Wodron,
Florula juvenalis ————— 1854); Hid, A. in
der Pflanzenwelt Mitteleuropas wahrend des legten
halben Jahrh. (> Botan. Zentralblatt« 1991, Beihefte).
Aukoppeln, Jagdhunde mit Koppeln an den Hals-
bandern — —
Ankori (Nkole), Reich in Äquatorialafrika, am
Oſtufer des Albert Edward-Sees, 1600 m hod) mit
iiber 2000 m hohen Berggipfeln. Das fruchtbare, dicht
bewohnte Land ſteht unter Wahumahäuptlingen, deren
oberſter ſeinen Sitz in Antaris (Ntalis) Stadt hat.
A. wurde zuerſt durch Stanley und Emin Paſcha be—
fannt, die es 1889 zurchzogen.
Ankörnen, Wild durd) Auslegen von Getreide und
endern Früchten anfloden (vgl. Unfirren).
Anfindigung, bei Prämiengeſchäften (ſ. d.) die
Crflirung des Verläufers, liefern ju wollen.
Ankündigungskommando, ſ. Uvertijjement.
Ankhlo ... — frunmt, gekrümmt.
Aufkyloblephaͤron (griech.), — —— der
Augenlidränder miteinander, wodurch die Augen—
fpalte verkleinert wird.
Ankylogloſſum (qricd).), Sige paar der Bunge
mit Dem Boden der Mundhöhle, ijt angeboren durd
ein ju weit nad) vorn reidjendes oder zu breites Bune
genbändchen, oder erworben durch Narbenbildung
nad) Subftanjverlujten der Schleimhaut. Das an:
geborne YU. wird vielfad) von Hebanumen und Müt—
t-rn alg Grund angefehen, daß die Kinder ſchwer
fpredjen lernen. Geine chirurgijde Befeitiqung ijt
auf die ſehr entwidelten Fälle zu beſchränlen.
ufylometer (griech.) Kruümmungshalbmieſſer.
AnFylofe griech.), ſ. Gelenkſteifigleit.
Ankylostomum, ſ. Anchylostomum.
Aukyra, Stadt, ſ. Angora.
Anlage, im weitern Sinne jeder Nein einer fiinf-
Anfoppeln
— Anlage.
ridjtung, die beim erwadfenen Menfdjen den Charal
ter ausmacht, von vornbherein fejt geqeben feien. Fir
die Uuffajjung der Uufgaben der Padagogit tit Die
Entidheidung im einen oder im andern Sinne von
rogem Belang. Auf dem zweiten Standpunft er-
* die Arbeit des Erziehers als eine faſt völlig
fruchtloſe, während auf dem erſtern von der Erziehung
faſt alles zu erwarten wäre und es nur an dieſer Lage,
ob ein Rind gum Dummlopf oder gum Genie, jum
Böſewicht oder gum Tugendjpiegel wird. Betradtet
man den tatſächlichen Parallelismus, wie er zwiſchen
den geijtiqen Tätigleiten und der Gehirnfunttion be-
jteht, fo ijt cinleudtend, da es Durdjaus infonfequent
ware, Unlagen der phyſiſchen Organifation voraus-
quicyen oe es in der Biologie gejdieht), die piy-
chiſchen Anlagen dagegen ju leuqnen. Wenn im
Keime des Menidjen zweifellos Untagen fiir die Bil
dung und die ſpätere Tatigfeitsweife der Organe, fo
mit aud) des Gebirns, liegen, jo ijt Damit aud ohne
| weitered eine angeborne pfychiſche Veranlagung ge
oy wie ratfelhaft man aud) im übrigen Die :
bindung des Phyfiſchen und Piychiſchen inden
So hat denn in neuerer Zeit aud H. Spencer ——
die Inſtinkte als die Erlenntnisformen als im Gehitn
sorganijd) eingetragene⸗ geiſtige Errungenſchaften
unſrer Vorfahren ju erklären geſucht. Die befannte
Tatſache der übung (f. d.) in Verbindung mit der ie
vielen Fallen beobachteten Erblidteit auch der geiſtigen
A. fcheint in der Tat Unbhaltspuntte gur Erflarune
der letztern in Dem angedeuteten Sinne zu bieten
Bgl. Nativismus.
Nranfheitsanlage, eine Mangelhaftigfeit ge-
wijjer Organe, die an ſich zwar feine Rranfheit ijt, amd
nicht notwendig ju einer foldjen werden mug, aber ber
verhältnismäßig geringfiigigen äußern Unlajjen ge
einer Erfranfung zu fiibren drobt. Solde A. tit am
geboren oder erworben, auf einjelne Organe befdrint.
oder erjtredt fic) auf den gangen Organismus, bes.
größere Organſyſteme; in legterm Falle fpricht max.
auch von Ronjtitutionsanomalic. Bleibt be:
tigen Entwidelung, der Durd) äußere Anregung zur Embryo, nachdem die Hoden durd den Leiftentan
Entfaltung gebradt werden fann (A. der Pflanze im hindurch getreten find, diejer Kanal offen, fo ijt die
Samenforn), im engern Sinne die durd) tibung zu Mangel an fid) keine Kranfheit, aber cine W., da «
entwidelnde Fähigleit zur Ausübung einer Tätigleit unbedeutender Huſtenſtoß einen lebensgefabrird
irgend welder Vert. Bein Menſchen insbef. fann | Leijtenbrud) ju ftande bringen fann. Cine meijt an.
man Die Anlagen in körperliche und feelifde cinteilen. | borne, oft aud) erworbene ecletslichteit und Nei
Die Natur der erjtern ijt im wefentlidjen leicht vers | zu Entzündungsprozeſſen, die als Sfrofulofe
ſtändlich; es ijt eine angeborne individuelle Befonder: | ijt, ijt mit der Tuberhulofe leineswegs identifd,
heit Der Organe, welde diefelben gu ſpezifiſchen oder reitet aber febr häuſig der Tuberfulole giinjtige ¢
befonders intenjiven Leijtungen innerhalb der Grenzen
ihrer Funttion befabhigt, fo hat die A. zum Singen in
der Nonftitution der Stimmorgane ihre Grundlage ꝛc.
Das Weſen der pfychiſchen Anlagen, zu denen aud
die Inſtinkte (7. d.) bet Tieren und Menſchen gu rech—
nen find, liegt nidt fo flar gu Tage. Es ijt deshalb
qangspforten und Entitehungsbedingungen, bede
alfo cine UW. zur Tuberfuloje. Cine erworbene Why
z. B. Die erhobte Neiqung ju erncuten Unfallen §
Gelenkrheumatismus nad einmaligem Überſtehen
fer Rranfheit. Zu vielen ECrfranfungen bring? °
Alter eine giinjtige A. in Fallen, wo bei gleich ge:
jogar die Anſicht aufgeltellt worden, daß es ſolche fügigen Urſachen eine jugendlid)-fraftige Konſtitt
überhaupt nicht gebe, daß z. B. die Seele des Kindes Troß bieten würde. Für manche Infektionskranft
in pfychiſcher Hinſicht einem unbeſchriebenen Blatt (Scharlach, Maſern) hat das jugendliche Alter ein
Papier (tabula rasa) gleiche, und daß alle ſpäter ſchein— | fondere U., die durch einmaliges Uberjteben der Kx
bar bervortretenden individuellen geijtigen Eigen: | eit aufgeboben wird (ſ. Immunitäth. Val. Virg.
titurlichfeiten intellettueller wie moraliſcher Art in den | Jellularpathologie (4. Aufl., Berl. 1872); Lod
äußern Eindrücken der erjten Lebenszeit (das Leben Uber Familienanlage und Erblidfeit (Siri LET
im Wutterleibe natürlich eingeſchloſſen) ihre Erfla- Benele, Die Ultersdispofition (Marb. 1879),
rung finden. Dieſer Unichauung fteht als das ent Jn der bildenden Kunſt bezeichnet A. die a”
gegengeſetzte Extrent die Behauptung gegeniiber, daß roh geordneten Züge eines Werkes, woraus man je!
nicht nur Die A. zu Den ibereinjtimmenden Grund. | feine fiinftige Geftalt fdon erfennen fann. Qa é
funftionen des Geiſtes, fondern aud die individuellen | lider Bedeutung fpridt man von der VW. eined
Unterſchiede derſelben, ja felbjt, was Schopenhauer | matifden Stiides oder eines Charalters darin. -
befonders ſchroff betont hat, die individuelle Willens- | im Crd- (Fejtungs-) Bau, ſ. Böſchung.
Anlagefapital — Anlegeapparat.
AnlageFapital, ſ. Kapital.
Anlagen, in vielen Städten Unpflanzungen, die
dem Sffentliden Verfehr zugänglich, im übrigen nicht
eigentlich Parke oder Garten find; fie traten meiſt an
Stelle der Feſtungsgräben, Glacis oder Walle geſchleif—
ter Fejtungen, woher aud) oft ihre ring- und band-
artige Grundgejtalt herrührt. Neuerdings haben fie
in manden Stadten fehr reiche Ausſchmückung er⸗
fahren und tragen viel zur Verſchönerung des Stadte-
Anlagetag, ſ. Bezugstag. bildes bei.
Aulageverfahren, ſ. Umlageverfahren.
Anlandung, ſoviel wie Alluvion, angeſchwemm⸗—
tes Land; ſ. Eigentum.
Anlaſſen (Nachlaſſen), Weichmachen von Stahl,
Gußeiſen und andern Metallen. Gußeiſen wird mit
Lehm beſtrichen, in Kolspulver, Sand x. vergraben,
bis zur Rotglut erhitzt und dann ſehr langſamer Ab⸗
fiihlung überlaſſen. Auch werden die nod) heißen
Gußſtücke im Ofen bis nahe zum Schmelzpunkt erhitzt
und nad) Verſchluß aller Ofenöffnungen 3 — 4 Tage
der Ubfiihlung überlaſſen. Gehärteter Stahl wird
um fo weider, je jtarfer man in erhigt. Man be-
urteilt Die Temperatur nad) den Wnlauffarben und
taudt den Stahl, ſobald die beſtimmte Farbe erjdeint,
in Waffer. Bronjzegegenjtinde werden bis zum dun-
feln Rotgliihen oder, wenn fie flad) und dünn find,
nur bis zur Schmelzhitze des Binns oder Bleies erhitzt
und fdjnell in faltes Waſſer getaudt. S. Wdoucieren.
Anlafwiderftand, cine Vorridtung bei elettri-
ſchen Urbeitsiibertraqungen, die verhindert, daß der
Strom plötzlich mit voller Stirfe in Den nod) ruben:
den Motor eintritt. Da bis zum Eintritte der Bewe—
ung de3 Motors die eleftrifde Energie nod) nidt in
rbeit umgewandelt wird, fo würde jie nur Wärme—
wirfungen ausüben, und gwar fo ſtarke, daß die Iſo—
lierung der Unfer- und Feldmag⸗ netdrähte
vollſtandig verbrennen würde. Man muß des⸗
halb dem Motor Zeit geben, ſeine volle Ge—
—“
ſchwindigkeit anzunehmen, ehe man den vollen Strom
auf ibn wirfen apt, und das yey indem man
nad und nad einen Widerjtand, den A. ausfdhaltet.
Seine Einrichtung ijt die des Regulierwiderſtandes, als
welder er aud), wenn die Maſchine in den Gang ge—
bradyt ijt, dient. Durch Drehung der Kurbel über dic
Kontaltplattdhen hin werden die Widerjtinde nach der
Reihe — Bei den Drehſtrommotoren muß
der A. in Anlerdraht des Motors geſchaltet wer-
Den. Dazu legt man die Spulenenden an drei an der
Udhje befeſtigte Meffingringe, auf denen Bitrjten ſchlei⸗
fen, und ſchaltet gwifden dieſen anfangs einen Wider:
541
* ein. 9 die normale Geſchwindigleit erreicht, ſo
chließt man fie kurz (jest Die Bürſten diveft in leitende
sie niga a Auch im Unfer hat man den A. ange-
bradt, der Dann durch cin verſchiebbares Nontaftitiic,
das die Spulen furs ſchließen fann, bei Eintritt einer
bejtimmten Drehungsgeidwindigleit felbjttitig aus-
geſchaltet wird. Der abgebildete An laſſer bejteht aus
einem eiſernen Gefäß mit drei mit Sodalöſung gefiill-
ten Kammern, in die drei Cifenbleche von etwa drei-
ediger Form eingelajfen werden finnen. Das Gefäß
ijt mit Den zum Stromerzeuger, die Bleche mit den
jum Motor fiihrenden Drahten verbunden. Wit tie:
Sy Cinjinfen der Bleche ninunt der Widerjtand ab.
Bgl. Krauſe, Anlaſſer und Regler (Berl. 1902).
Anlauf (griech. Upophyfis), in der Urehitettur
dag viertelfreisfirmige Verbindungsglied a (j. Figur)
zwiſchen einer et-
was vorſprin⸗
genden wage—
rechten Plalte
u. einem Schaft
oder einer Wand
mit ganz oder
aſt lotrechten
berflãchen dar⸗
über. Der A. findet bei Sockelgeſimſen, Säulenbaſen
u. dgl. häufig Anwendung.
Anlaufen, bei Metallen die Bildung eines dünnen
Überzugs auf der Oberfläche. Blei und Zink bededen
ſich an feuchter Luft mit ciner diinnen Sdidt von
Oryd oder Kohlenfiurefals, auf Silber entſteht in un-
reiner Luft ix Theres von Schwefelſilber, Stabt
bededt ſich beim Erhitzen mit einer zarten Drydididt,
die je nach ihrer Stärke qelblid), rötlich oder blau cr-
ſcheint. Ahnliche Anlauffarben nehmen auc Kupfer
und A pg a Pt beim Erhigen an. Man cr:
Halt diefelben am ſchönſten in einem Luftbad, das man
fiir Stahl oder Eiſen auf 200, fiir Rupfer auf 120,
fiir Meſſing auf mehr als 200° anbigt. Wan legt
oder hängt den betreffenden Gegenjtand hinein und
bringt ibn nad Entftehung der gewünſchten Farbe zur
ſchnellen Abkühlung auf eine oie Metallplatte( Stahl,
Eiſen) oder taucht ihn in faltes Waſſer. Der Cintritt
einer bejtinunten Farbe hängt bei Stahl von feiner
Zuſamnienſetzung und feiner Harte, der Art der Er-
wärmung, der Temperatur und die Dauer ihrer Cin-
wirfung ab. Dabei ſcheint fiir jede Untauffarbe eine
bejtimmte Temperatur zu exrijtieren, unterhalb der
Anlauf.
dieſe Farbe nicht auftritt. Die Praxis unterſcheidet
bei Stahl als Anlauffarben Hellgelb, Dunkelgelb,
| Drange, Purpur, Violett, Dunkelblau, Hellblau, Meer⸗
grün oder Grau. Man benutzt die Anlauffarben beim
| Parten des Stahles, um bejtinumte Härtegrade zu er—
reiden. Bemerfenswert ijt aud) die qute Molations:
fähigleit der den Hdhern Reihen angehorenden Anlauf—
idhichten und die Möglichkeit, durch das ungleichmäßige
Auftreten einer Anlauffarbe nicht homogene Teile in
gehärteten Stahl zu entdecken. Die größte Beachtung
aber verdienen die Anlauffarben fiir dic Kunſtinduſtrie,
da fie viel weiter gehende Nuancierungen gejtatten
und haltbarere Färbungen liefern als andre Metho-
den der Metallfirbung. Uber A. und Anlauffar—
ben der Mineralien f. d. —- Im Seeweſen bedeutet
a., auf der Fahrt nad) dem Beſtimmungshafen cinen
Zwiſchenhafen oder Nothafen aufſuchen.
Aulaut, in der Phonetik und Grammatif Bescich-
nung für den erjten Laut eines Wortes oder einer
Silbe; Gegenſatz: Inlaut und Auslaut.
Aulegeapparat, ſ. Schnellpreſſe.
542
Anlegegontometer, |. Goniometer.
Anlegemafdinue , |. Spinnen.
Anlegen, die Treiber fiir cine Treibjagd anjtellen,
ordnen; cine Meute an die gu verfolgende Fährte
Anlehen, |. Darlehen. (bringen.
Anlehuslofe, die Obligationen der Pramien- oder
Lottericanlehen, bei denen das Rechtsverhaltnis zwi⸗
ſchen dem Begeber und den Inhabern der Lofe durd)
den Anlehnsplan geregelt wird. S. Lotterie.
Auleihe, Uniehen oder Darlehen (ſ. d.), insbef. die
grogen Geldaufnahmen, die vom Staat, von Gemein-
den, Hffentlidjen Gefellidaften x. zur Bejtreitung
auferordentlidber Unsgaben gemadt werden. Weite-
red vgl. Staatsjdulden.
Anliegen, nad) ciner bejtimmten Ridtung fteuern,
3. B. Often a., der Bug ijt nad Often geridjtet.
Anliegender Gang (Innengang), ſ.Schiffbau.
Anloten, bei nebeligem Wetter mit dem Lote den
Schiffsort in der Nähe der Küſte oder einer Bant be-
MUnlfummer, ſ. Altweiberſommer. ſtimmen.
Auludern, Anlocken von Raubzeug durch Aus—
legen von Luder.
Anluven (Aufluven), den Bug eines Schiffes
niiber an Den Wind drehen; Gegenſatz: Abhalten (ſ. d.).
Anmafren, d.h. unbefugt, widerrechtlich etwas be-
nugen, fiir fic) in Uniprucd nehmen. Wer unbefugt
die Ubbildung des faijerlidhen Wappens oder von
Wappen eines Bundesfiirjten oder von Landeswappen
qebraudt, oder unbefugt eine Uniform, cine Umts-
ficidung, cin Anitszeichen, cinen Orden oder ein Ehren: |
geidhen tragt, oder Titel, Wiirden oder Udelspriidifate
anninunt, ebenfo wer einem zuſtändigen Beamten
qeqeniiber fic) eines ibm nicht gufommenden Namens
(vql. jedod) Alias) bedient, wird nad dem Strafgeſetz⸗
bud) (§ 360) mit Geldjtrafe bis gu 150 WE. oder mit
Haft bis zu ſechs Wochen beftraft. In Ojterveich wird
die Adelsanmaßung von der politijden Behörde mit
Geldjtrafen geahndet; die Strafe der Falfdmeldung
it Urreft von drei Tagen bis gu einem Monat. Die
fogen. Umisanmakung, d.b. wer unbefugt fic mit
Ausübung cines Hifentlidjen Amtes befakt oder eine
Handlung vornimmt, die mur fraft eines öffentlichen
Anites vorgenommen werden darf, wird nad § 132
des Reichsſtrafgeſetzbuches mit Gefingnis bis ju cinem
Jahr oder nit Geldjtrafe bis gu 300 Wf. bejtraft.
In Ojterreid) wird, wer fid) (obne betrügeriſche Ub-
jicht) fiir einen Sffentlidjen Beamten oder Diener aus-
qibt, mit Urrejt von 3 Tagen bis gu cinem Donat
beftraft (Strafgeſetzbuch, § 333).
„An Mein Volk’, Aufruf de3 Königs Friedrich
Wilhelm IT. von Preußen beim Beginn des Be—
freiungsfrieqes vom 17. März 1813, verfaRt von
Th. G. v. Hippel (f. d.).
Anmeldefchein, ſ. Paß.
Anmeldeſtellen ſind diejenigen mit den Anſchrei—
bungen fiir Die Verkehrsſtatiſtil beauftragten Amts—
ſtellen, denen nach dem Geſetz, betreffend die Statijtif
des Warenverkehrs, vom 20. Juli 1879 (in Oſterreich
nad) dem Geſetz vom 26. Juni 1890) diejenigen Waren
nad) Gattung, Menge, Herfunfts- und Beſtimmungs
fand anjumelDden find, die fiber die Grenzen des deut⸗
ſchen Sollqebictes cine, aus- oder Durd)gefiibrt werden.
Die Unmeldung erfolgt dDurd den Warenfiihrer mit
tels Llbergabe eines din eldeſcheins an Me W.;
bei Ben unter Zolllontrolle ftehenden Waren vertritt
das Jollabfertiqungspapier den Anmeldeſchein.
Beim fleinen Grenyverfehr geniigt miindlide Unmel-
dung. VW. find die Yollamter im Grenzbezirk. Außer—
dem find dort A. nad) Bedürfnis erridtet (Gemeinde-
Anlegegoniometer — Anna.
behirden). Ausnahmsweiſe fonnen aud Zoll- oder
Steuerämter, die nicht im Grenzbezirk fliegen, zu A.
beſtellt werden. A. nennt man aud) die fiir Die Ber—
zollung errichteten Anſagepoſten (ſ. Anſageverfahren).
Anme ahren, ſ. Patent.
AnmeldDung der lage, deren Einbringung bei
Geridt, durch die friiher vielfad) die Klage erhoben
wurde. Nad) der deutſchen Zivilprosefordnung (§ 253)
ijt bie Zuſtellung der Klage (f. d.) entſcheidend.
Aumufterung, die Verlautbarung des zwiſchen
Schiffer und —— abgeſchloſſenen Heuerver⸗
trags vor einem Seemannsamt . Heuer). Bal. Deutſche
Seemannsordnung vom 2. Juni 1902, § 13f.
Anmut bedeutete urfpriinglid das Wobhlgefallen
an einer Sache, Dann ** Trieb (man fiiblte A.
etwas ju tun); {pater wur ie Eigenſchaften, durd
die cin Gegenjtand Wobhlgefallen erregte, als A. be:
zeichnet; fo fprad) man etwa von der A. ciner Ge-
gend. Allmählich aber wurde der Begriff mebr und
mehr auf ein —— äußeres Gebaren von
Perſonen eingeſchränkt, insbeſ. auf ein ſolches, das aus
dem Innerſten einer ſchönen Seele hervordringt, wab-
rend da3 Wort Grazie mehr auf die phyitide Leid-
tigfeit der Bewegung hindeutet. So ijt A. die darpere
Erſcheinung ſeeliſcher Schinbheit, Schönheit dagegen
die wohlgefällige Gupere Erſcheinung, abgeſehen von
der innern Beſeelung.
Anna (aud Una), a) Rechnungsmünze in Britiſch⸗
Djtindien, —= '/1e Rupie, im gewöhnlichen BVerfehr —
1 Penny; die fleinjte Sil ze enthält 2 UW. ; Ein⸗
teilung der A. in 4 Peiſas zu 3 Peiß oder in 5 Bonns
u 20 Gindas. Yn Sanfibar teilen die YUraber den
oman in 2 UW. zu 2 Bria (Cinheit Baiſa); b) frühe⸗
res Gold- und GSilbergewidt Bengalens, == "16 Sic
carupie; c) Berlengewidt in Bombay, = ‘Vie Rotth
= 12,15 mg; d) Salzmaß in Bombay, — "ie Raich
= 100 Parahs — 2634,26 Lit. — 2540 kg.
Anna (v. hebr. channdh, »Gnade<), Herlige, an-
geblid) Ehefrau des Heil. Joadim, foll nad 2Ojabri-
ger Unfrudtbarfeit Maria, die Mutter Jeſu. geboren
haben. Sie gilt als Schutzpatronin der Tijdler. Ge-
dächtnistag Der 26. Juli, bei den Griechen der 9. De}.
Anna, Name zahlreicher Fiirjtinnen, von denen
als die merkwürdigſten anjufiihren find:
[@ngland.] 1). Boleyn, sweite Gemahlin König
Heinrids VII. von England, Todter des Thomas
Boleyn, ſpäter Grafen von Wiltſhire und Ormond,
geb. 1508 oder 1504, geft. 19. Mai 1536, wurde, nad-
Dem fie als Begleiterin ihres Vaters einige Seit am
franzöſiſchen Hof gelebt hatte, Hoffraulein der Rdnigin
Ratharina von Uragonien, Gemablin Heinrichs V
Letzterer wurde bald von leidenfdaftlider Liebe zu der
mit vielen forperliden Reizen ausgeftatteten Hofdame
ergrifjen, fuchte feine Ehe mit Natharina aufzulöſen
und vollzog, nod) bevor der Erzbiſchof Cranmer dieſe
fiir nichtig erflart hatte, im Januar 1533 feme Ber-
mählung mit A. Wher Heinrids Liebe zu VU. ſchwand
bald dabin, zumal da fie ihm nur eine Todter, Eliſa⸗
beth, qeboren hatte (1533). Sie wurde des wieder⸗
holten Ehebruchs und der Blutidhande beſchuldigt und
in Den Tower geworfen. Obwohl fie ibre Unſchuld
| beteuerte, wurde fie 15. Mai 1536 durch etm Geridt
von 26 Beers fduldiq gefproden und 19. Wat ent⸗
hauptet. Bgl. Benger, Memoirs of Anne Boleyn
(Mond. 1821, 2 Bde.); Diron, History of two queens:
Catherine and Anne Boleyn (daſ. 1874, 4 Bde.);
Friedmann, Anne Boleyn (daf. 1884, 2 Bde.);
Blaze de Bury, Un divorce royal. Anne de Bo-
leyn (Bar. 1890).
Anna (Fiirjtinnen).
2) U. von Kleve, vierte Gemahlin Heinrichs VIII.
von England, geb. 22. Sept. 1515, gejt. 16. Juli 1557,
war die Todter de3 Herzogs Johann IT. von Kleve.
Auf den Rat Thomas Cromwells, der die Sache des
Protejtantismus gu ſtärlen fudte, warb Heinrich, der
fie nur durch cin von Holbein gemaltes angiehendes
Portriit (im Louvre gu Baris) fannte, um ihre Hand.
Der Konig reijte ihr, als jie 1539 nad) England fam,
bis Rodejter entgegen, war aber bald enttiujdt, da
fie weder äußern Liebreiz nod) jene feine franzöſiſche
Bildung bejak, die Heinrid) hodidigte. Cromwell
bewwog ibn gwar 6. Jan. 1540, die Ehe wirklich gu voll-
jieben, aber bald darauf eg Heinrich ibn und liek
ſich von A. fdjeiden, der cin Einkommen von jährlich
3000 Pfd. Sterl. bewilligt wurde. A. blieb in Eng:
land und war 1553 bet der Krönung Marias an-
weſend. Sie wurde in der Weſtminſterabtei bejtattet.
3)U. Stuart, Ronigin vonGropbritannien
und Irland, Sodbter atobs IL. von England aus
defjen erjter Che mit Unna Hyde, Todjter Lord Cla-
rendons, geb. 6. Febr. 1665, geſt. 12. Mug. 1714,
wurde nad den Grundfagen der anglifanifden Kirche
erjogen und 1683 mit dem Prinzen Georg, jiingerm
Sohn Friedrids II. von Dinemarf, vermählt. ls |
ibe Schwager Wilhelm von Oranien gur Eroberung
des britiſchen Thrones 1688 in England landete, er- |
flarte fie fid), von Lord Churdill, nadymals Herzog
von Marlborough, beeinflupt, fiir jenen und gegen
ihren Vater. Wis König Wilhelms III. Nadfolgerin
bejtieg fie 19. März 1702 den Thron. Der Herzog
von Warlborough bette unter ihren Ratgebern die
Hauptrolle, und feine ſchöne, aber leidenfdaftlice und
hochmütige Gattin war ihre nächſte Vertraute. Auf
Antrieb Marlboroughs hielt W. an dem Kriege gegen
Frankreich fejt; aud) ward 1707 die Union Englands
und Sdottlands ju einem Reiche »Grofbritannien«
bewerfjtelligt, und dabei wurden aud) für Sdpottland
die Beſtimmungen des englijden Thronfolgegeſetzes
angenommen, denen jufolge die Krone, wenn a obne
jtiirbe, an die protejtantifde Linie der Nach—
fonumenfdaft des Haujes Stuart, mithin an die Kur—
fiirjtin Sopbie von Hannover, Jakobs I. Enfelin, und
ihre Erben fallen mupte. Schon feit 1707 batten die |
perſönlichen Beziehungen der Königin ju Lady Marl-
borough und ihrem Gemabhl gu erfalten beqonnen;
im April 1710 fam es gu offenem Bruch; am 17. San.
1711 wurde die Herjogin entlaffen, 31. Dez. ihr Ge-
mahl feiner Unter enthoben. Schon feit Auguſt 1710 |
war der Krieg gegen Frankreich nur fd fortge-
fiibrt worden; 12. Upril 1713 ward er durch den lit-
rechter Frieden beendigt. Die ſpätern Regierungsjahre
Annas vergingen unter verdrießlichen Handeln zwi⸗
iden Den fGmpfenden Partcien. Dem Wunſche der
Whigs, day der Thronerbe nad England berufen
werde, trat A. entgegen. Ob fie wie Lord Boling-
brofe in ihrer letzten Lebenszeit an eine Wnderung der
Thronfolgeordnung zu gunſten des Pratendenten ge
dacht hat, ijt umftritten; jedenfalls madte ihr Tod
derartigen Plänen cin Ende. Ihr Privatleben war
tadellos; als Königin war jie ſchwach und von ihren
jeweiligen Ratgebern und Günſtlingen abhängig. Bal.
Bicatesd, istory of England, comprising the |
reign of Queen Anne (4. Aufl., Cond. 1873, 2 Bde.);
BWyon, History of Great Britain during the reign
of Queen Anne (daf. 1875, 2 Bde.); Burton, Hist. |
of the reign of Queen Anne (@dinb. 1880, 3 Bde.). |
[Franfreig.] 4) U. von ————— Gemahlin
Karls VIL. und nad deſſen Tode Ludwigs XII. von |
Frankreich, Tochter Franz' D., letzten Herzogs von
543
Bretagne, geb. 26. Jan. 1476 in Nantes, geſt. 9. Jan.
1514, erbte 9. Sept. 1488 die Bretagne und ließ ſich
1490 durch Profuration dem rimifden König Maxi—
milian J. antrauen. Karl VILL. von Frankreich jedoch
zwang die reiche Erbin, fich mit ihm gu vermählen
(18. Rov. 1491). Ausgezeichnet durch Schinheit und
Geijt, regierte U. während des italieniſchen Feldzugs
ihres Gemahls Franfreid) und vermählte ſich nad
deſſen frühem Tode (1498) 17. Jan. 1499 mit König
Ludwig XIL., der ſich von ſeiner erſten Gemahlin, Jo—
hanna, ſcheiden ließ. Nach ihrem Tode wurde die Bre—
tagne, deren Selbſtändigkeit ſie eiferſüchtig gewahrt
hatte, fiir immer nut Frankreich vereinigt. Bal. Le—
rour de Liney, Vie de la reine Anne de Bretagne
(Bar. 1860—61, 4 Bde.).
5) UW. Maria Mauritia, gewöhnlich W von
Ojterreid) genannt, Knigin von Frantreid,
geb. 22. Sept. 1601, gejt. 20. Jan. 1666, älteſte Toch—
ter Philipps OT. von Spanien, wurde 1615 mit Lud-
wig XIII. vermählt, jedoch durch Richelieu ihrem Ge-
mahl entfrenidet. Spiiter gejtaltete jid) Das BVerhalt-
| nis zwiſchen den Gatten freundlider. YW. gebar erjt
5. Sept. 1638 einen Prinzen (Ludwig XIV.) und
21. Sept. 1640 den Herzog Philipp von Oridans und
ward nad) Ludwigs XIII. Tode, defjen lestem Willen
zuwider, Durd Parlamentsbeſchluß vom 18. Mai 1643
ur unumſchränkten Regentin fiir den fiinfjaihrigen
rinzen erflart. Gie fdenfte ihr ganjes Vertrauen
Mazarin, nit dent fie im geheimen vermählt war.
Dagegen brad) 1648 der Aufſtand der Fronde aus,
Der giveimal (1651 und 1652) A. nötigte, Mazarin
auger Landes ju ſchicken. Allein nach der Niederlage
der Fronde fehrte der von A. treugeliebte Mazarin
1653 zurück und blieb bis an feinen Tod (1661) an
der Spige der Geſchäfte. Danach zog ſich A. in das
von ibr gejtiftete Kloſter Bal de Grace zurück, wo fie
fid) frommen Ubungen widmete. Bgl. Freere, Re-
gency of Anne of Austria (Yond. 1866, 2 Bde.);
Chéruel, Histoire de France pendant la minorité
de Louis XIV (Par. 1879 — 80, 4 Vde.).
[Oftrimifdes Reich.J 6) WU. Romnena, Todter
des oſtröm. Kaiſers Alexios J., geb. 1083, geſt. nad
1143, erhielt eine ausgezeichnete Erziehung und erwarb
eine umfaſſende Bildung. An Nikephoros Bryennios
vermählt, machte fie nach dem Tod ihres Vaters (1118)
einen vergeblichen Verſuch, ihren Gemahl ſtatt ihres
Bruders Johannes auf den Thron zu bringen. Bald
darauf jog fie ſich mit ihrer Mutter in ein Kloſter zu—
rück und verfaßte hier die » Alexias«, eine Die Zeit von
1069 —1118 umfafjende Geſchichte ihres Vaters, die
ju Den Hervorragendjten Leijtungen der byzantiniſchen
Gefdidtidreibung gehört, wenn fie aud) von Lob—
redneret und Selbſtgefälligkeit nicht fret ijt (Bd. 1,
hrsg. von Sdjopen, boa 1839; Bd. 2 von Reijffer-
ſcheid, 1878). Cine Uberjegung davon findet fic) in
den von Shiller herausgegebenen »Hijtorijden Me—
moirens. Vgl. Ojter, A.Komnena (Rajtatt u. Tiibing.
1868 —71, 3Tle.); Reumann, Griechiſche Geſchicht—
ſchreiber 2c. im 12. Jahrhundert (Leipz. 1888).
[Rukland.} 7) U. Jwanowna, Raijerin von
Rufland, zweite Todjter des Zaren Diwan Alexe—
jewitid), des altern Halbbruders Peters d. Gr., geb.
25. Jan. 1693 in Mosfau, gejt. 28. Oft. 1740, ward
13. Dt. 1710 mit dem Herzog Friedrid) Wilhelm von
Kurland vermablt, der ſchon 1711 jtarb. Wis mit dent
Tode Peters IL. (19. Yan. 1730) die männliche Linie
des Haujes Romanow erloſch, ward fie auf Betreiben
der Fürſten Dolgorukij und Galizyn zur Thronerbin
erklärt. Sie mußte verſprechen, nichts ohne Mitwirken
c
944
des aus den vornehmſten Mitgliedern des ruffifden
Adels beftehenden Reidsrats unternehmen ju wollen.
Trogdem erflarte fie fic) nach ihrer Thronbejteiqung
als Selbjtherrjderin, von der Geiſtlichkeit, dem kleinen
Wdel und den Garden unterjtiigst. In ibrem amen
herridjte der Giinftling Biron, die Widerfpenjtigen |
Anna Luije — Annahme an Kindes CStatt.
Annaberg, 1) Berg: und Umtshauptitadt in der
ſächſ. Rreish. Chemnig, im Erggebirge am 831 m
hoben Pöhlberg, Knotenpuntt der Staatsbabhniinien
Chemnitz⸗ A. und A.Schwarzenberg, GOO m ii. M.
hat 3 evang. Kirchen (Darunter Die 1499—-1525 er
baute St. Annenkirche), cine fath. Rirde, Denfmaler
tdtend oder nach Sibirien verbannend. Bei ihrem Tod | des Herzogs Georg, Luthers, Bismards, des Rechen-
ernannte fie den Enfel ihrer älteſten Schweſter Ra- | meijters Adam Riefe und der Barbara Uttmann
tharina, Swan, jum Nachfolger und Biron jum Re⸗ (f. unten), cin Realgymnajium mit Progymmafiunt,
genten wabrend dejjen Minderſährigleit. Bgl. Korſſa- | Schullehrerjeminar, hihere Bürgerſchule, Gewerbe-,
fow, Anna J. (ruſſ., Rajan 1880).
8) A. Petrowna, zweite Todjter Peters d. Gr.
und Ratharinas J., geb. 1708, geft. 1728, Gemahlin
des Herjogs Friedrid) Narl von Holjtein - Gottorp,
mute nad) dem Tode der Raiferin Natharina L., die
mit übergehung ibrer Töchter Clijabeth und Anna den
Sohn des Zarewitid) Alexei, Peter (IL), zum Nad |
folger ernannt hatte, Rußland verlajjen und jtarb nad
der Geburt ihres Sobnes, der 1762 als Peter IIT. den |
ruſſiſchen Thron bejtieg.
9) A. Leopoldowna (falfhlid A. Karlowna),
eigentlich ClifabethRatharinaChrijtine Groß—
fürſtin und Regentin von Rußland, Tochter
des Herzogs Karl Leopold von Mecklenburg und der
Katharina Iwanowna, Nichte von A.7), geb. 18. Dez.
1718 in Roſtoch, geſt. 18. März 1746, erhielt 1732 bei
ihrem Ubertritt zur qriedh. Mirde Den Namen A. und
wurde 1739 an den Sringen Anton Ulric von Braun:
{dhweig-Liineburg-Bevern (j. Anton 3) vermählt. Sie
gebar 1hm 1740 Den Prinzen Diwan, der von der Kai—
jerin Anna (f. unter 7) unter Birons Regentſchaft zu
ihrem Nadfolger ernannt wurde. Biron wurde jedod
19. Rov. 1740 durd den Feldmarjdall Münnich im
Cinverjtindnis mit der Mutter des jungen Kaiſers ge-
ſtürzt, und A. erklärte fid) nun zur Groffiirjtin und
Regentin. Sie ernannte den Feldmarſchall Münnich
zum Bremierminijter, der aber 13. März 1741 feine
Stelle niederlegte, und unterbielt ein Liebesverhaltnis
mit Dem ſächſiſchen Diplomaten Lynar, der die Freun—
din Annas, Julie v. Mengden, heiraten follte. Es bil-
Dete ſich eine Verſchwörung, die der Tochter Peters
d. Gr., Elifabeth, den ruſſiſchen Thron verſchaffen
wollte. Yn der Nacht vom 5. zum 6. Dez. 1741 wurde
A. mit Unton Ulric von Braunſchweig und ihren Kin-
Derm: dem ehemaligen Maifer Swan und der Prin—
zeſſin Ratharina, nad Riga gebracht und ſchließlich in
Cholmogory an der Dwina gefangen gehalten, wo fie
18. März 1746 ftarb, nachdem fie threm Gemahl nod
Drei Minder geboren hatte. Swan wurde 1756 nad
Schlüſſelburg gebradt und daſelbſt 1764 ermordet.
Bgl. Britdner, Die Familie Braunſchweig in Ruf:
land (Petersb. 1876).
[Sadfen.} 10) Gemabhlin des Kurfürſten Auguſt I.
von Sadfen, Todter Chrijtians IT. von Dänemark,
geb. 25. Nov. 1532, geft. 1. Olt. 1585, 2. Mug. 1548 mit
Auguſt vermablt, als eifrige Lutheranerin 1574 eine |
Haupturbheberin des Sturyes der Calvinijten, fchaltete
tin Einverſtändnis mit dem Gatten als fluge Wirt-
ichafterin. Sie ſchrieb ein ⸗Erzneibüchlein« und ftif-
tete Die Hofapothefe in Dresden (1581). Wiewohl febr
fparjam, forgte fie bod) etfrig fiir Die Wren und Kran—
fen, Daher fie tm Bolfsinunde » Mutter Unnae hieß.
Sie gebar in 37jabriger Ehe 15 Kinder, von denen aber
nur ein Sohn und dret Töchter die Eltern iiberlebten.
Baql.v. Weber, A. Kurfürſtin ju Sachſen (Leipz. 1865).
Anna Luife (Anneliee), die Gemablin ded
Fürſten Leopold L. von Unhalt-Dejfau (feit 1698),
Todter des Upothefers Fife in Deffau, qeb. 22. März
1677, geſt. 5. Febr. 1745; ſ. Leopold 3).
Handels⸗ und landwirtidaftliche Winteridule, 3 Ret-
tungs- und Erziehungsanjtalten, Muſeum ergqebirgi-
ſcher Altertümer und (1900) 15,958 meijt evang. Gm:
wohner. A. ijt mit dem nahen Buchholz Hauptyigs der
Pojamentierwaren-Fabrifation u. Spigenfldppelet un
Deutichen Reich und hat aukerdem Fabrifation von
Korſetten, leonifden Waren ꝛc., Färberei und litho-
grappiiie Ynjtalten. Der Bergbau hat ganz aufgebort.
. ijt Sig eines Amtsgerichts, Hauptzollamts, ameri-
fanijden Konſuls und ciner Filiale der Sächſiſchen
Bank. Die Stadt verdantt ihre Griindung unter Her:
Albrecht Dem Beherzten 1496 dem Bergbau und hieß
anfangs die ⸗Neue Stadt am Schreckenberg⸗. 1561
führte Barbara Uttmann (die 1575 in YL jtarb und
jeit 1886 ein Denfmal dafelbjt hat) die Spitzenklöppelei
ein, und 1590 ließen ſich — aus Belgien ver:
triebene Pofamentiere in Vi. nieder. A. ijt urtsort
des Dugendichriftitellers Chr. Felir Weiße, gu deſſen
Undenfen 1826 eine Waijenanjtalt qeqriindet wurde;
der befannte Redenmeijter Adam Rieſe (geft. 1559)
lebte als Bergſchreiber dafelbjt. Bgl. Stehle, Chro-
nifalijche Nachrichten fiber die Stadt VU. und Umgebung
(Unnab. 1868); Grohmann, Das Obcrerggebirge
und feine Hauptitadt A. (daſ. 1892); -Mtittetlungen
des Vereins fiir Gefdichte von W. und Umgebung<,
1888 ff.; Darin Grohmanns ⸗Feſtſchrift sur 400japn-
en Jubelfeier«, 1896. — 2) Wallfahrtstirde, ſ. Sul}:
ad 1). — 3) Berg, f. Leſchnitz.
Annabergit, Mineral, foviel wie Nickelblüte.
Annabon, Inſel, |. Annobom.
Annabrunn , Mineralquelle, ſ. Mühldorf.
Annaburg (friiher Lodau), Fleden im preup.
Regbez. Merfeburg, Rreis Torgau, an der Staaté
babniinie Falfenberq-Roflau, hat cine evang. Kirche,
| eine Steinqutfabrif und (1900) 8200 Cinw. * dor:
tige Schloß ijt von Ynna, der Gemahlin ded Kurfür⸗
jten Auguſt J. 1572--75 erbaut worden und feit
1762 Sig eines Militarfnabeninjtituts und einer Un.
teroffiziervoridjule. — . Sn der naben Unnaburger
oder Lochauer Heide wurde 24. April 1547 der
Kurfürſt Johann Friedrid) von Sachſen nad) der
Schlacht bet Mühlberg gqefangen genommen. Bal.
Gründler, Sdlok UW. “Berl. 1888).
Wnnaglas, |. Uranglas.
Annahern, ſ. Veredelung.
Cinndhernng (lat. Approximation), mathe
matiſcher Musdrud fiir ſolche Größenangaben, die nicht
ganz genau ſind, aber dem wahren Werte mehr oder
weniger nahekommen. So ijt 0,33 cin angendherter
Wert fiir Vs, 0,141 ein folcher fiir y/F 2. Gemeine
Briiche mit großem Zähler und Nenner Laffer fich mit
Hilfe von Kettenbrüchen (ſ. d.) angenähert durch ein-
fachere Vriiche darjtellen. (septation.
Annahme, im Wechſelverkehr, ſ. Utyept und A-
Annahme an Kindes Statt, friiber tm Anſchluß
an Die Bezeichnung des römiſchen Rechts adoptice
(Wdoption) genannt, ift cin Rechtsgeſchäft, durch
das zwei Perſonen jucinander in cin Eltern:, bes
Kindſchaftsverhältnis treten. Sie ijt die widytigite,
Annahme an Zahlungs Statt — WAnnalen.
amt weiteſten verbreitete und am höchſten entwickelte
fiinjtlidje Berwandtidaft, ihre Spuren reidjen in die
friibejten Zeiten der Menſchheit guriid und finden fid
mehr oder minder deutlich und ausgebildet bei faſt
allen Völlern (Semiten, Jndogermanen, Oftafiaten,
Indianervöllern). Yn der Gegenwart ijt die A. fajt
bei allen Qulturvilfern üblich und geſetzlich qeregelt,
nur das niederländiſche, englifde und nordamerifa-
niſche Recht fennt dieſelbe mdt. Das gemeine Recht
unterjdied im Anſchluß an das römiſche Recht zwiſchen
Udoption, d. h. Annahme eines unter vaterlicder Ge-
walt jtehenden Meniden an Kindes Statt, und Urro-
ation, d. h. Annahme cines nidt unter väterlicher
alt ftehenden Menjdjen, eines fogen. Haustindes.
Erſtere geſchah durch Vertrag awijden dem Inhaber
Der vãterlichen Gewalt und dem Wdoptivvater, der in
Gegenwart und ohne Widerfprud) des Rindes von
den Beteiligten geridtlic) verlautbart werden mufte,
legtere geſchah durch landesherrliches Reffript unter
ausdriidlider Zuſtimmung ded Kindes, bez. des Vor⸗
mundes. Frauen konnten nur mit landesherrlicher
Erlaubnis adoptieren, wenn ſie eigne Kinder gehabt
und verloren hatten. Das deutſche Bürgerliche Ge—
ſetzbuch macht keinen Unterſchied zwiſchen Adoption
und Arrogation, zwiſchen Mann und Frau. Nach
ihm erfolgt die A. durch einen bei gleichzeitiger An—
weſenheit beider Teile vor Gericht oder vor einem
Notar geſchloſſenen und durch das zuſtändige Gericht
beſtätiglen Vertrag. Der Vertrag darf weder befriſtet
nod) bedingt werden, einſeitiger Rücktritt ijt unjtatt-
haft. Qiegen die formellen Erforderniſſe eines An—
nabhmebvertrags vor, fo darf das Gericht nidt etwa
aus Zweckmaßigleitsgründen die Beftitiqung ver-
ſagen. Diefe Erfordernifje find auf feiten der Un-
nebmenden: 1) Mangel ebelidjer, lebender Ubfimm-
lange (Minder, Enfel), 2) Alter von 50 Jahren oder
dod) wenigftens ein um 18 Jahre hiberes Ulter als
dad des Ungunehmenden, jedod) ijt hiervon Dispen-
jation möglich, 3) Einwilligung des Ehegatten des
Annehmenden, 4) ein Vormund foll während der
Dauer der Vormundſchaft fein Mündel nidt an Rin-
des Statt annehmen, 5) cin Ehepaar fann ein Rind
endlid) nur als cin gemeinſchaftliches annehmen. Auf
ſeiten des Anzunehmenden iſt zu beachten, daß bis
zur Vollendung des 21. Lebensjahres eheliche Kinder
der elterlichen, uneheliche der miitterliden Cinwil-
liqung bediirfen, und daß cin Verheirateter nur mit
Einwilligung feines Cheqatten an Kindes Statt an-
genommen werden fann. Streitig ijt es, ob eine Mut⸗
ter ifr unehelides Rind an Kindes Statt annehmen
darf. Durd) die UW. erhält das Rind die redhtlide
Stellung eines eheliden. Es erhält den Namen des
Annehmenden, Unterhaltsanfprud) und Erbredt, der
Wnnehmende dagegen erlangt fein Erbrecht gegen:
fiber Dem Kind, unberiihrt bleiben aud) die Rechte
und Pflichten des Kindes —— ſeinen leiblichen
Eltern und ſeinen Verwandten, inſonderheit geht das
egenſeitige Erbrecht nicht verloren, einzig und allein
—* elterliche Gewalt iſt erloſchen. Dagegen tritt das
Kind in kein verwandtſchaftliches — zu den
Verwandten und Ehegatten des Annehmenden, es hat
alſo auch dieſen —— keinen Erbanſpruch. Die
Wirkungen der A. erſtrecken ſich von ſelbſt auf die
nach der Annahme gebornen Kinder des Angenom—
menen, auf die bereits vorhandenen dagegen nur,
wenn dieſelben ausdrücklich in den Annahmevertrag
mit einbezogen wurden. Sein Ende findet der An—
nahmevertrag durch vertragsmäßige Aufhebung oder
durch den ——— Abſchluß einer Ehe zwiſchen
Meyers Konv.+ Lerifon, 6. Aufl., J. Bod.
545
dem Unnehmenden und dem Ungenommenen. Bal.
hierzu § 1741 mit 1772 des deutſchen VBiirgerliden
Geſetzbuches. — Mach dem Code civil ijt die A. nur
Volljahrigen —— geſtattet, und zwar nur dann,
wenn ſie entweder dem Adoptivvater das Leben ge—
rettet haben, oder von dieſem 6 Jahre lang ununter⸗
brochen während ihrer Minderjährigkeit unterhalten
worden ſind. — In Oſterreich wird nur richterliche
Beſtätigung des Adoptionsvertrags gefordert. Nur
wenn der eigne Adel und das Wappen der Wahl—
eltern auf das Wdoptivfind iibergehen follen, muß
die Bewilliqung des LandeSfiirjten nadgefudt wer-
den, während fonjt das Wahlfind nur den Namen des
Wdoptivvaters, bes. den Geſchlechtsnamen der Udoptiv-
mutter erhält. Swifden den Wabhleltern cinerjeits
und dem Wahlfind und deſſen Nachkommen ander-
ſeits finden nad) öſterreichiſchem Recht (§ 183 ded
Ullgemeinen biirgerliden Geſetzbuches) im allgemei-
nen gleiche Rechte wie zwiſchen eheliden Eltern und
| Rindern ftatt. Auf die übrigen Mitglieder der Fa-
milie ber Wahleltern hat die A. feinen Einfluß; da-
gegen verliert das Wahlfind aud) nidt die Rechte fener
eignen Familie. — Bei den Naturvilfern wird die
U. gewöhnlich mit einer Sdheinentbindung, Saugen-
laſſen an der Bruft oder am Daumen, die den Empfang
cines wirflidjen Leibeserben fymbolifieren follen, ver-
bunden. Bei den soci Stimmen und in
Ultindien gehirte aud) das Ungiehen des viiterliden
Schuhes gu den wefjentliden Zeremonien der U. Val.
Couvade.
Annahme an Zahlungs Statt (Hingabe an
Erfiillungs Statt) liegt vor, wenn der Glaiubiger
damit einverjtanden ijt, Dak ihm der Schuldner an
Stelle der gefduldeten Leijtung etwas andres leijte.
Das Schuldverhältnis erlijdht durd die W. (Biirger-
liches Gefepbud), § 364). Der Schuldner, der cine
Sade, eine —— gegen einen Dritten oder ein
andres Recht an Erfüllungs Statt gibt, hat wie ein
Verkäufer wegen eines Mangels im Recht oder der
Sache Gewähr zu leijten (Biirgerl. Geſetzbuch, § 365).
Mnnalen (Jahrbücher, Annales libri), Bücher,
worin Die merfiwiirdigiten Begebenheiten in ſtreng
chronologiſcher Folge, nad Jahren abgeteilt, ver-
zeichnet werden. Vielfach hat die Geſchichtſchreibung
mit A. angefangen; die alten Agypter, Babylonier,
Uffyrer, Berfer und Chinejen batten ihre WU. Bn
Griedenland wie in Rom ftanden dieje A., die in
Griedenland coor (horoi) hießen, im Bujammenhang
mit den offiziell geführten Beamtentijten. Jn Rom
mag die Unlage wirklider Jahrbücher, die vom dem
pontifex maximus abgefaRt wurden, im 4. Jahrh.
v. Chr. begonnen haben. Cine Redaftion diefer offi-
jiellen Stadtannalen in 80 Büchern veranjtaltete der
berpontifer P. Mucius Scävola (um 130 v. Chr.);
feitdem famen die Pontifikal-Aufzeichnungen gegen—
liber Den Werfen der privaten Annaliſten nicht mehr
in Betradt. Wn der Spitze der letztern jteht Fabius
Pictor zur Beit des gweiten Puniſchen Krieges; ihre
legten Bertreter reidjen bis zur Mitte des 1. Jahrh.
v. Chr. Im eingelnen ijt die Geſchichte der rdmifden
Annaliſtik neuerdings oft behandelt worden.
Im Mittelalter beginnt die cigentlide Annaliſtik
in-England mit kurzen gefdidtliden ——
die man am Rande der Oſtertafeln verzeichnete. Auf
dem Feſtlande wurden A. in klöſterlichen und biſchöf—
lichen Kirchen, ſpäter wahrſcheinlich aud) am könig—
lichen Hofe geführt. Die älteſten aus dem Gebiete des
fränkiſchen Reiches erhaltenen A. ſtammen aus dem
8. Jahrh. Zuerſt roh und dürftig, erweitern fie ſich
35
546
bald gu ausführlichen Geſchichtsdarſtellungen. Bon
den A. unterfdeidet man die Chronifen (jf. Chronit), in
denen nicht dad Ralenderjahr die Grundlage der chro⸗
nologifden Unordnung bildet. Cin Verzeichnis der
mittelalterliden U. findet man bei Potthaſt, Biblio-
theca historica medii aevi (2. Uufl., Berl. 1896,
Bd. 1, S. 48—100). Wusfiihrlider unterridten fiber
Die deutſche Unnalijtif > Deutidland3s Geſchichtsquellen
im Wtittelalters von Wattenbad (6. Aufl., Berl.
1893. —94,2 Bde.) und Loren; (3. Aufl. daf. 1886—
1887, 2 Bde.). — Neuerdings ijt der Name A. viel-
fad auf wiſſenſchaftliche Zeitſchriften, und nidt bloß
auf ſolche hiſtoriſcher Tendenz, tibertragen worden.
Unnalin und Annalith, ſ. Gips.
Annam, Kinigreid, ſ. Unant.
Annan (pr. innen), Stadt (royal burgh) in Dum-
friesfhire (Schottland), 3 km oberhalb der Diiindung
des Annan in den Solway Firth, hier von einem
Eiſenbahnviadukt iiberfpannt, der 1880 teilweife zu—
ſammenſtürzte. A. hat Baumiwollfpinnerei und (1901)
5804 Einw.
Anna Perenna, italiſche Gittin de3 Jahres (an-
nus), deren Feſt 15. März, des erjten altrömiſchen
Jahresmonats, in einem Hain nahe bei Rom mit
heitern Briiuchen gefeiert ward. So viel Becher man
leerte, jo viel Jahre jdentte fie. Die Namensgleichheit
lief {pater in ihr Unna, die Schweſter der Dido, fehen,
die, aus Karthago vertrieben, nad Latium ju Aneas
gefommen fei und fic) wegen Lavinias Ciferfudt in
den Fluß Numicius geſtürzt habe, worauf fie als
Nymphe verehrt wurde. Val. Ufener im »Rheinifden
Muſeum fiir Philologie«, Bd. 30, S. 182 ff. (1875).
Annapolis (pr. dndppons), Hauptitadt de3 nord-
amerifan. Staates Maryland, an der Mündung des
Severn in die Chejapeatebai, Bahnfnotenpuntt, mit
Staatshaus, vereinsjtaatlidher Marineafademie (feit
1845, mit Sternwarte, 60 Lehrern und 283 Seefadet-
ten), Demt 1789 geqriindeten St. John's College und
(1900) 8402 Einw. Die Stadt, 1649 gegriindet, hie
urjpriinglid) Providence, dann Anne Urundel
und nab erjt 1708 den jepigen Namen an. Haupt-
ftadt ded Staated ijt fie feit 1689. Hier leqte Wafh-
ington nad) Beendiqung des Unabbhingigteitstrieges
23. Dez. 1783 den Befehl über dad Bundesheer nieder.
Mun Arbor (pr. annars’r), Hauptitadt der Graf-
ſchaft Wafhtenaw im nordanterifan. Staat Midigan,
58 km weſtlich von Detroit, am Huron, mit der 1837
gegründeten Michigan-Univerſität (1900: 158 Lehrer,
3700 Studenten), Sternwarte, Bibliothef (145,000
Bände), Uderbaugeriit- und Orgelbau, bedeutendem
Produftenhandel und (1900) 14,509 Einw.
Anna felbdritt, künſtleriſche Darjtellung der heil.
Anna mit zwei Rindern (Maria und Jefus) auf den
Armen oder mit Maria auf dem Scho}, die den kleinen
Jeſusknaben ſelbſt halt.
Annaten (lat. annatae, »>Nabhrgelder«), im wei—
teften Sinn eine Ubgabe, die bet Geleqenheit der
Verleihung eines kirchlichen Amtes (beneficium) an den
Papſt zu entridten ijt. Schon frühzeitig mußten im
Orient die Geweihten an die ordinierenden Patriar—
chen, Erzbiſchöfe oder Biſchöfe und deren Rangleien
beftimumte Gebühren fiir die Spendung der Weihen
entridten. C€benfo mußten Die gu Rom qeweihten
Biſchöfe und Wbte an die päpſtliche Kurie fiche Ge—
bühren unter den Namen oblationes und benedic-
tiones bezahlen. Seitdem mun um die Mitte des
13. Dahrh. das Recht, die Bifdhdfe gu beſtätigen und
zu weihen, ein päpſtliches Refervatredt geworden war,
Annalin — Annecy.
Abgabe unter den Namen servitia Camerae Papae,
servitia communia oder A., weil fie meift in der
Hobe de3 Dahreseinfommens eines jeden Bistums gu
zablen war. Daneben beftand eine zweite Abgabe, de
aus der Ubertragung der feudalen Lehnsverhältniſſe
auf die Hierardie hervorgegangen war. Wie nimlid
nad dem Tode des Lehnsmannes das verfallene
Lehen mit feinen Cinfiinften bis zu anderweitiger
pane aren | an den Lehnsherrn zurückfiel, fo nabmen
aud) die Biſchöfe die Cinfiinfte Der von thnen ab-
hingigen Benefizien während der regelmafigen ein⸗
jabrigen Balan; fiir fic) in Unfprud unter den Namen
fructus medii temporis, jus deportuum, annalia,
annatae. Dasſelbe Redjt madten mun fett dem
14. Jabrh. aud) die Papjte geltend, juerjt ausnahms
weife, Dann allgemein und definitiv hinſichtlich der
Bistiimer und aller Benefizien, die fie fic) vorbebalten
batten (A. im engern Girne). Gegen die argen Wik
bräuche, die aus dem päpſtlichen Reſervatweſen und
Den damit verfniipften Abgaben entitanden waren,
reagierten die Nationalfirden auf dem Ronjtanjer
Ronjzil, und fo wurden durd das Konſt Son-
fordat mit Deutfdland (1418) die Verhältniſſe dahin
geregelt, da die Unnaten nur von foldjen rejer-
vierten Pfriinden bezahlt werden follten, deren Ein
fommen 24 Goldgulden iiberjtieg. Da mun die deut-
fen niedern Pfründen in den römiſchen Tarrollen
niedriger als 24 Goldgulden angefest waren, fo frelen
damit die A. fiir fie weg. Dagegen follten die Ser-
vitien von allen deutiden Bistimern und Ubtewn,
deren Borjteher ihre Benediftion vom Papſft erbielten,
im Betrag eines Jahreseinfommens bezahlt werden,
jedod) in halbjährigen Raten. Daher hie man Me
Servitien fortan allein A. Das Bafeler Konzil er
flirte Dann aud) die Servitien (A.) fiir abgeſchafft.
allein Das Wiener Ronfordat 1448 ſtellte Die Kon⸗
ſtanzer Bereinbarung wieder her. Rom forderte fie
aber in Giner Summe und erhöhte auch fortwabrend
die Laren. Die auf dem Emſer Kongreß (1786) von
den deutſchen Erzbiſchöfen erflirte AÄbſchaffung der
U. hatte feinen andern Erfolg al3 den, daß Durch die
Ronfordate und Zirkumſtriptionsbullen unfers Jahr:
hunderts allenthalben cin gemindertes Pauſchquantum
fejtqefest wurde, fo dak die A. (abgefehen von den
Daneben ju entridtenden Rangleifportein) 3. B. fir
Minden Freifing 1000, fiir Saubers 800, fiir Re:
ensburg, Wugsburg, Würzburg je 600, fiir Paſſau,
—8* und Speyer je 500, fiir Breslau 1166*s,
fiir Köln und Gneſen-Poſen je 1000 Goldqulden
(A 9 Lire in Gold) betragen. Bal. Boker, Das
kirchliche Finanzweſen der Päpſte, S. 20 ff. (Mordimg.
1878); Brofetfione, Contributo agli studi sulle
decime ecclesiastiche e delle crociate (Turin 1894).
Wnnecty (ivr. ann’fi), Hauptitadt des franz. Depart.
Oberjavoyen, 448 m ii. M., am Nordweſtende des
Sees von A., an der Lyoner Bahn gelegen, hat eme
Kathedrale (1523 erbaut), ein hod) gelegenes filnf-
tiirmiges Schloß (Raferne), fines Stadthans und
legend, arent Denfmiler des Chemifers Ber
thollet und des Prajidenten Sadi Carnot und aver
12,973 Einw. A. ijt der gewerbfleißigſte Ort Savonens,
mit Baumivollipinnercien und -Webercien, Nattun-
drudercien, Werbercien, Seidenwarenfabrifen x. bat
ein Lyzeum und ein Seminar und ijt Sig ded Era
feften und eines Biſchofs. Es war feit dem 10. Jabrb.
Reſidenz der Grafen von Gendvois und fam 1401
an Savoyen. - Der See von U.(f. Karte ⸗Schweiz «
lieqt maleriſch zwiſchen fteilen Bergen (weſtlich der
findet man eine von allen Biſchöfen gu entridtende } ausfidtsreidje Mont Semmoz, 1698 m), it 14 km
Annehmen — Wnnerion.
lang, 618 3 km breit, 30—62 m tief und fließt bei A.
zum ier (Nebenfluß der Rhone) ab. Er wird im
Sonuner von cinem Dampfboot befahren und enthilt
Rejte alter Bfablbauten.
Aunehmen, den Hund an die Leine oder den Hetz⸗
riemen binden; vom Hund: die Fahrte a, auf 4
fortſuchen; vom Wildſchwein, Hirſch oder reißenden
Tieren: den Jäger a., ihn angreifen; vom Wild
allgemein: die Fiitterungen, Salzlecken und Yfungs-
plage beſuchen.
AnneFtieren (lat.), »anknüpfen«, etwas fid) an-
eignen, ſeinem Bejigtum einverleiben (ſ. Annexion).
Anneliden, ſ. Ringelwiirmer.
Annen, ſ. Flads.
Annen, Landgemeinde im preuh. Regbez. Wrns-
berg, Kreis Hirde, Lnotenpuntt der Staatsbahnlinien
Witten-Dortnumd und Langendreer-Dortmund, hat
eine evangelifde und eine fath. Rirdhe, 2 Gußſtahl⸗
werfe, 2 Glashiitten, eine Tonwarenfabrif, Steinfoh-
lenbergbau und (1900) 11,048 meijt evang. Einwohner.
Annenbriiderfdaften, im ſpätern Mittelalter
fiber Mitteldeutidland verbreitete, ſpäter durch die
Defuiten neu organijierte geiſtliche Verbindungen.
nnenfow, 1) Pawel Waßilijewitſch, ruff.
Schriftſteller, geb. 1. Juli (19. Juni) 1813 in Mos-
fau, geſt. 20. (8.) März 1887 in Dresden, jtudierte
zuerſt Bergweſen, ſpäter Philologie und machte dann
viele Reiſen ins Ausland, wo er ſich die letzten 20
Jahre faſt ausſchließlich aufhielt. Bekannt wurde er
zuerſt durch ſeine Briefe aus dem Ausland (in den
»Vaterländiſchen Annalen«, 1840—42). Beſondere
Verdienſte erwarb er ſich als erſter berufener Heraus-
geber der Werke Puſchkins (Petersb. 1855657, 7 Bde.)
und von Materialien zu deſſen Biographie und zum
Verſtändnis ſeiner Werke. Er gab ferner die »Rorre-
ſpondenz und Biographie Stankewitſchs⸗ (Most. 1867)
heraus. Annenkows Hauptwerle erſchienen unter dem
Litel »ECrinnerungen und kritiſche Stizzen« (Petersb.
1877—-81, 3 Bde.).
2) Jwan Waßiljewitſch, ruff. General, geb.
1814 im Gouv. Simbirff, gejt. 16. Juni 1887 in St.
Petersburg, Bruder de8 vorigen, 1833 Kornett im
Leibgarderegiment zu Pferd, 1848 Oberjt, kämpfte
in arn, wurde 1855 Generalmajor 3 la suite,
1861 Generalleutnant, 1862 Oberpolizeimeiſter und
1877 Nommandant von St. Petersburg, im Juni
1868 Generaladjutant und 1878 General der Ka—
vallerie. Er jdrieb eine Gefchidte des Leibgarde-
regiments zu Pferde (1731— 1848).
3) Middil Nitolajewit{d, ruff. General, ged.
12, Mai (30. April) 1835 in Petersburg, geſt. da-
felbjt 22. Nan. 1899, Sohn des 1865 verjtorbenen
Generaladjutanten Nifolai WM. und Enfel des De-
fabriftern Swan A., wurde im Bagenforps aus-
gebildet, beſuchte bis 1859 die Generaljtabsafademie,
fampfte 1863—66 in Bolen, war 1870 beim preupi-
ſchen Hauptquartier in Frankreich (vgl. ⸗Der Krieg
im Jahre 1870. Bemerkungen und Betrachtungen
eines ruſſiſchen Offiziers⸗, Berl. 1871), wurde darauf
m Chef des militäriſchen Transportwefens auf den
ifenbahnen ernannt und leitete wahrend des orien:
taliſchen Krieges von 1877/78 die militäriſchen Ver—
bindungen im Rücken der Arniee. 1880—81 beteiligte
ex fic) an der Sfobelewjden Wdhal-Tete-Expedition
in gleicher Eigenſchaft und erbaute die Militarbahn
vom Rafpijden Meer bis Rijil Arwat, die er 1885—
1888 iiber Merw und Bochara bis nad Samarfand
fortjeste (Transkaſpiſche Cifenbahn), wurde aber
wegen Unterfdlagungen bet den Notjtandsarbeiten
8
547
1895 adminiſtrativ beſtraft und feiner Unter enlſetzt.
Annenkows Arbeiten über die Translaſpiſche Bahn
find von Heyfelder verwertet in dem Werke: »Trans-
* und ſeine Eiſenbahn⸗ (Hannov. 1888).
nnenorden, St., dem Range nad fiinfter rujj.
Orden, gejtiftet von Karl Friedrich, Herzog von Schles⸗
wig -Holjtein, 2. (14.) Febr. 1735 gum Wndenfen an
die Kaiſerin Unna von Rupland und feine Gemahlin
Anna Petrowna, wie zur Aufmunterung aller Tugen-
den, hatte anfangs nur cine Klaſſe und 15 Ritter,
wurde aber von Kaiſer Baul I. 1797 gum ruſſiſchen
Orden erflirt, in drei Klaſſen geteilt und zur Beloh-
nung von Berdienjten bejtimmt. 1815 fam nod eine
vierte, Der dritten gleiche Klaſſe für ruſſiſche Offiziere
hingu, die das Ordenszeichen auf dem Stichblatte des
Degens tragen, 1835 eine fitnfte Klaſſe fiir Unter:
offiziere und Soldaten (Medaille). Die Deforation
ijt ein vierarmiges, ediges rotes Kreuz mit dem Bilde
der Heil. Unna auf farbigem Mittelſchild, auf der Riid-
feite mit Dem Namenszug der Heil. Anna (j. Tafel
»Orden I<, Fig. 24). Die erjte Caffe trägt das Kren;
ant gelb geränderten Bonceauband fiber die Schulter
und dazu den adtipipigen Stern, in deſſen Mittel—
ſchild cin rotes geſchweiftes Kreuz auf Gold, int Reifen
mit der Devije: »Amantibus Justitiam, pietatem,
fidem« (»Denen, die Geredtigheit, Frömmigleit und
Treue lieben«) und der Kaiſerkrone; die zweite Klaſſe
triigt das Kreuz am Halfe, die dritte im Knopfloch.
Die dritte Klaſſe fann mit Sdleife, die vierte mit
Krone verliehen werden. Die erjte Klaſſe verleiht den
erbliden, die drei nüchſten den perjinliden Adel. Der
Orden fann fiir —* Verdienſte beanſprucht wer:
den, 3. B. fiir gütliche Schlichtung von zehn anhängi⸗
en —— in drei Jahren, für —— ſeines
ebens und Vermögens fiir dad öffentliche Wohl ꝛc.
Der im Monat Dezember zuſammentretende Ordens-
rat entideidet iiber die Unjpriide. Im Kriege fann
der General en chef die Klaſſen 2, 3, 4 verleihen. Die
Ordenspenfionen fteigen von 50— 200 Rubel. Das
Ordensfeft ijt am Stiftungstage.
Annenpfenniq, Silbermiinge der Stadt Hanno-
ver von 1500 mit Bildnis der Heil. Anna nebjt Maria
und dem Rind; aud) fupfern von Annaberg.
Annerftedt, Claes, fdwed. Hijtorifer, geb.
7. Suni 1839 in Upjala, ward 1868 daſelbſt Dozent
der Geſchichte und 1883 Oberbibliothefar der Uni—
verſitätsbibliothel. Außer zahlreichen Aufſätzen, be-
ſonders in der 1878—79 von ihm redigierten »Nor-
disk Tidskrift«, veröffentlichte er: »Grundliggnin-
gen af svenska viildet i Livland 1558 — 1563<
(preisgefrint, Upf.1868) ; »Scriptores rerum Suecica-
rum medii aevis, 8d. 3 (Stocdh. 1876); »Upsala
universitets historia« (Ud. 1, Upſala 1877; die Beit
1477-—1654 umfajjend, mit YWften); »Bref af Olof
Rudbeck den äldre rérande Upsala universitet«
(mit Ginleitung, die Jahre 1662-—79 umfajjend,
daſ. 1893—99, 2 Bde.); » Upsala universitetsbiblio-
teks historia intill 4r 1702« (Stodh. 1894); »Om
samhiillsklasser och lefnadssiitt under forra hilften
af 1600 talet« (Daf. 1896). Ferner bearbeitete er in
den » Jahresberidten der Geſchichtswiſſenſchaft · (Bd. 1
bis 3, Berl. 1880 — 84) die Wbteilung ⸗Schweden«.
Seit 1901 ijt W. Mitglied der Schwediſchen Wfademie.
Anneseynbai (WU n3ley bai, fpr. ännsli, aud Adu—
1i8- oder Sulabai), Golf des Moten Meeres in der
ital. Kolonie Eritrea, fiidlid) von Maſſaua; ſ. Adulis.
Année (Annexum, lat.), Anhängſel, Zubehör.
Annexion (lat., »Anknüpfung, Annektierung«)
die Verbindung eines bisher fremden Gebietes nut
BAF
548
cinem Staatsganzen und redjtlide Cinverleibung in
das lebtere. Unnerionismus, Annexionswut;
Unnexionift, Unhanger der Unnerionspolitif; je-
manbd, der fid) mit Unnerionsgeliiften trägt. Der Aus—
drud A. wurde befonders durd) Napoleon IIL. ge-
briiudlid), der 1860 Savoyen anneftierte, nachdem
es, nicht gang freiwillig, von der Krone Sardinien
lir die franzöſiſchen Dienfte im italieniſch-öſterreichi—
chen Strieq abgetreten worden war. Die dabei vor-
cnommene, auf das Prinzip der Nationalitat ge-
ſtützte Vollsabſtimmung war mehr cin ſcheinbares als
cin wirlliches Sugeftindnis an das Prinzip der Selbjt-
beſtimmung der Volfer. Von der größten Bedeutung
jind die von Preußen infolge des Sieges itber Ojter-
reid) und deffen Bundesgenoffen 1866 vollzogenen
norddcutiden Unnerionen gewejen. Sie wurden for-
mal durd) die Geſetze vom 20. Sept. und 24. De}.
1866 volljogen. Das erjtere fanftionierte die Ber-
einigung des Königreichs Hannover, des Kurfürſten⸗
tums Heſſen, des re Naſſau und der Freien
Stadt Franffurt a. W. mit der preußiſchen Mon-
ardie, das letztere Diejenige der Herjogtiimer Sdles-
wig und Holjtcin. Dagegen ijt die Einverleibung
von Elfaj-Lothringen in das Deutſche Reich feine
cigentlidje U., fondern eine Riideroberung und Wieder-
vereiniqung dieſer Lander mit Deutfdland.
Anufield Plain (pr. annsitd ple, Stadtgemeinde
in der engl. Grafſchaft Durham, fiidwejtlid von Ga-
teShead, mit Roblengruben und asoh 12,481 Einw.
Anni climacterici, flimafterifde Sabre (f. d.).
Anni currentis (lat.), des laufenden Jahres; a.
futuri, des fommenden Sabres; a. praesentis, des
gegenwärtigen, a. praeteriti, des verfloffenen Jahres.
nnidalin, ſ. Urijtol.
Annihilator, ſ. Feuerſpritze.
Annihilieren (lat.), zu nichte machen; fiir nichtig
erllären; Annihilation, Nichtigkeitserkllärung.
Anninger, Berg im Wiener Wald (ſ. Brühl 2).
UAnnifton, Stadt im nordamerifan. Staat Ala—
bama, Grafſchaft Calhoun, Babhnitation, mit Eiſen—
ruben, Hochöfen, Seilerei, Baumwoll⸗, Teppid)- und
ifenbabniwagenfabrifen und (1900) 9695 Einw.
Auniverfarien (lat.), jährlich wiederfehrende
Feſte, befonders zu Ehren Berjtorbener, im heidni-
iden Ultertum durch Totenopfer (inferiae), in der
fatholifden Stirde mit Seelenmeffen rc. beqangen.
Anniviers, Bal d' (jor. avje, lat. Annivesium,
deutid) Eiviſch, fälſchlich Einfiſch), ein females,
waldreidjes, 30 km langes Tal im ſchweizer. Nanton
Wallis. Es bietet tiberall eine reide Abwechſelung
von liebliden Matten und Ackern mit der wildejten |
YUlpennatur, namentlich in dem obern Teile. Bon
dem Hintergrunde der beiden Quelltäler fommen der
Moming:, der Zinal- und der Moiryglet{ der,
deren Abfluß, die Uſenz oder Navifonce, Siders gegen:
liber in Die Rhone miindet. Das Tal umfaft fünf
Gemeinden, die zum Bezirk Siders qehiren, mit etwa
im Winter 1500 fatholijchen, franzöſiſch fpredhenden
und nomadifierenden Einwohnern.
Anno (lat.), im abr; a. currente, im laufenden
Sabre; a. praeterito, im verflofjenen Jahre; a. ante
Christum natam, tm Jahre vor Chrijtus; a. Domini, |
int Jahre des Herrn; a. ab urbe condita, im Sabre
nad) Roms Erbauung; a. regni, im Jahre der Ree
qierung.
Muno Il. (Hanno), derHeiliqe, Erzbiſchof von |
Rodin (1056 75), ſtammte aus einem ſchwäb. Adels
eſchlecht. Nad) dem Tode Mailer Heinrichs III. defen
Rat und Beidtvater er gewefen war, bemächtigte er |
Annfield Plain — WAnnonce.
fich im Mai 1062 in Kaiferswerth de3 minderjabrigen
Heinrichs IV. und fiihrte in defjen Namen die Reids-
regierung, die ihm jedoch fein Rivale, Erzbiſchof Udal-
bert von Bremen (jf. Wdalbert 2), 1064—66 nicht ohne
Gliid ftreitig madte. Ende 1072 verlies er den Hof;
während de3 Sadjfentrieges fudjte er den Frieden gu
vermitteln. Er ſtarb 4. Dex. 1075. 1183 ward er vom
Papft Lucius IL. fanonijiert. Nad) ſeinem Tod er
ſchien » Der Lobgejang auf den heiligen A.« (f. Anno⸗
lied). Sein Gedactnistag fallt auf den 4. Dezember.
Bgl. Lindner, W. IL, der Heilige, Erzbiſchof von
Rodin (Leipz. 1869).
Annobom (WU nnabon), dic ſüdlichſte und Meinite
der vier Guincainfeln an der Weſtküſte Ufrifas, fpani-
ſcher Beſitz, unter 1° 26+ fiidl. Br. und 5° 12° Hjtl. LV,
ijt 17 qkm grok, vulfanifd, gebirgig (Pico de Fogo
990 m, mit Kraterſee) und waldreid), fruchtbar und
von gejundem Klima. Die 3000 Einw. find Miſch
linge von Regerfflaven und Portugiejen. Der cin-
sige Landungsplatz befindet fid im S. bei dem Dorje
San Antonio da $raia, mit 300—400 Einw. — Dre
Inſel wurde 1471 von den Portugiefen zu Newjahr
(Daher ihr portug. Name A., »Gut Jahr«) entdedt
und 1777/78 an Spanien abgetreten. Sie wird von
Fernando Poo aus verwaltet.
Aunolied, mittelhoddeutides Gedicht aus dem
Ende ded 11. Jahrh., das in 876 Verſen die Berberr-
lidung bes Heil. Uno, Erzbiſchofs von Köln, ent-
halt. Der Dichter, der wohl dem Kloſter Siegburg
bei Bonn angebdrte, läßt als Einleitung eine Stigze
der chriſtlichen Weltgeſchichte vorausgehen und fdil-
dert Dann des Heiligen weltlide und geiſtliche Regic-
rung und feinen Kummer fiber die Deutiden, die ſich
durch innere Bwietradt felbjt zu Grunde ridjteten.
Das U. ijt in feiner Darjtellung äußerſt lebendig, oft
qrofartig. Ru Breslau entdedt, wurde das Gedicht,
deſſen Handi drift verloren ijt, zuerſt herausgegeben
von M. Opig (Dany. 1639), zuletzt mit ausfiihrticer
Cinleitung von Rddiger in den » Monumenta Germ.
histor., Deutide Chronifen« I (Hannov. 1895).
Annomination (lat.), ſ. Paronomaſie.
Annona (lat.), bei den Romern »Dabhresertrag«,
namentlich an Getreide, insbef. das zum Unterbalt der
Heere und der römiſchen Bevdlferung vom Staate,
fpdter hauptſächlich auf Roften des faiferlichen Fiskus,
befonders aus den überſeeiſchen Brovingen (Sizilien.
Sarbdinien, Ygypten, Africa) beſchaffte Wetreide, das
teils gu billigem Breife verfauft, teils feit 58 v. Chr.
an Bediirftige (ſeit Auguſtus 200,000) monattid un⸗
entgeltlid) verteilt wurde. Seit Auguſtus bildete dic
cura annonae (die Fürſorge fiir Die Zufuhr) eins der
höchſten Äniter, defjen Anbaber, der praefectus an-
nonae, zablretde tiber Das Reid) verteilte Unterbeamte
hatte. Als Perjonififation der Getreidezufuhr ericheint
YW. häufig auf Münzen der Kaiſerzeit mit Fiillborn,
Modius oder Uhren, auch mit Steuerruder oder Anker.
Annonay (fpr. nd), alte Stadt im franz. Depart.
Ardeche, Urrond. Tournon, auf einem Hilgel, am Zu⸗
ſammenfluß der Cance und Deöme und an der Lyoner
Bahn, hat cine gotifde Kirche, Denfmal der beiden
Luftidiffer Montgolfier, Handelsgericht, Gewerbe-
fammer, College, Muſeum, Bibliothef und cep
15,076 Cinw., die Seidenraupenjudt, bedeutende
Weißgerberei (2000 Arbeiter), altberiihmte Papier⸗
fabrifation (1500 Arbeiter), aud) Tuch⸗, Seiden-
Baumwoll- und Handſchuhfabrilation betreiben.
Annonce (fran}., foc. -ndngh’), offentliche ⸗· Anzeige ·
namentlich durch bezahlte Inſertion in eine Zeitung,
durch Anſchläge an den Straßenecken, Plakatſäulen.
Annoncenbureau — Wnnungiatenorden.
in Gajthaiufern xc. Bon befonderer Wichtigheit ijt die
Geſchäftsannonce, die Ungebot und Nadfrage
in Bezug auf Waren und Dienjtleijtungen vermittelt
und iiberall, wo Zeitungen erfdeinen, zu einer großen
Bedeutung gelangt ijt. Die —— — Wich⸗
tigkeit dieſer Art von Anzeigen beſteht darin, daß ſie
den raſchern Abſatz vermittelt, ein Haupthebel der
Ronfurren; ijt, den Abſchluß der Geſchäfte wie auf
einem öffentlichen, von allen beauffidtigten Markt
geſchehen läßt und daber yur Herjtellung einer wohl—
tatigen Gleichfirmigfeit der Preife dient. Cine ſchäd—
lide Cinwirfung auf den geſchäftlichen Verkehr ge-
winnt die A., wenn fie in raffinierter, auf Über—
raſchung und Täuſchung des Publifums beredneter
Form angewendet und zu ſchwindleriſchen und un-
moralijden Sweden migbraudt wird (ſ. Reflame).
Andre widhtige Gattungen der A. find die Befannt-
madungen der politifden und fommunalen Behdr-
Den, der Geridte, die fic) unter anderm der YW. zur
Ordnung der Rechtsverhältniſſe abweſender Perſonen
bedienen (Vorladungen, Zuſtellungen, Steckbriefe),
die Familien- und Vergnügungsanzeigen, die Ver—
mittelung von Wohnungsvermietungen und Stellun⸗
gen ꝛc. 2c. Für Die Zeitungen ijt die UW. unentbehrlich,
weil ihre jtetiq wadjenden Betriebsloſten durch die
niedrigen Abonnementspreiſe allein nicht gedeckt wer-
den fonnen. Bal. Zgoda, Die W. (Bresl. 1892);
Mun zinger, Die Cntwidelung des Inſeratenweſens
in den deutiden Zeitungen (Heidelb. 1902). — Eine
YUnnoncenjteuer (Inſeratenſtempel) bejtand
bis 1874 in Ojterreid) und bis 1853 in England.
Annoncenburean, cin kaufmänniſches Inſtitut,
das den Verkehr zwiſchen den Seitungen und dem
inferierenden Publifum vermittelt. Für das leptere
bietet bad A. den Vorteil, daß derjenige, der eine An—
nonce in verfdiedene Zeitungen emriiden laſſen will,
der Korreſpondenz mit den Zeitungen felbjt iiberhoben
ijt, daß er Auskunft iiber die Wahl der Inſertions—
organe, Ratſchläge fiir die een der Unjeigen,
Entwiirfe fiir wirfungsvolle Inſerate und Rojten-
anjdlige erhält. Die Heitungen gewahren gwar dem
Beſitzer eines Unnoncenbureaus einen gewiffen Ra-
batt, haben aber aud) den Vorteil der Erleichterung
der Ubrednung, da das A. fiir feine Aufträge die
Biirgihaft der Zahlung übernimmt, und die Wus-
ſicht, durch die im cignen Intereſſe der Ugenten eines
YUnnoncenbureaus bedingte Riihrigfeit eme größere
Anzahl der ju ihrer Erijtens ndtigen Jnferate zu ge-
winnen. Der Tatigfeit der Unnoncenbureaus ijt dent-
nad aud) der Aufſchwung des Jnferatenwefens in
Deutſchland mit gu danfen. In Deutſchland ijt nah
franzöſiſchem Vorbilde die — — des Inſeraten⸗
teils größerer Zeitungen durch ein A. jetzt ſehr häufig,
ohne daß das A. einen Einfluß auf die politiſche Hal⸗
tung der Zeitung gewinnt, wie es mit einem der älte—
jten Inſtikute diejer Urt, dem A. von Havas in Paris
(f. unten), der Fall war und nod ijt. Die Unnoncen:
bureaus fudjen freilid) aud) im Deutidland einen
Drud auf die Zeitungen auszuüben, indem fie die
gleichzeitige Aufnahme von Reflameartifeln zur Be-
ingung fiir die Wufgabe ihrer Inſerate madjen, nach—
dem fie ihrerfeit3 ihre Uuftraggeber durch das Ver-
ſprechen etner Empfehlung im redaftionellen Teil ge-
wonnen haben. Indeſſen wiſſen fid) die größern
Zeitungen diefem Dru gu entziehen. Auch weiſt die
Mehrzahl jede moralijde Verantwortlidteit für den
Ynferatenteil ab. Die befannteften Unnoncenbureaus
in Deutſchland find: Haafenjtein u. Vogler (gegrün—
det 1855 in Hamburg, jest in Berlin), G. L. Daube
549
in Franffurt a. M. (qeqriindet 1864), R. Moſſe in
Berlin (gegründet 1867) und der Invalidendank da-
jelbjt. Sn Baris: Havas, Lagrange, Cerf u. Romp.,
Dongrel, Bullier u. Komp. und John F. Jones u.
Romp. Fitr England, von wo das Inſtitut der An—
noncenbureaus jcinen Ausgang genommen, und fiir
die Rolonien find T. B. Browne u. Sell’s Wdverti-
fing Ugency in London, fiir Italien E. Oblight in
Ront und A. Manzoni u. Komp. in Mailand Haupt:
vertreter. S. Unnonce.
Anno santo (en ſ. Jubeljahr.
Aumnotieren, |. Adnotieren.
Annual (lat.), jährlich; Unnuale, cine ein Jahr
hindurd) ju lejende Seelenmejje.
Annuarium (lat.), Kalender.
Anuuitat (lat.), eine sur Abtragung oder Ver-
zinſung einer Schuld feſt deste jährliche —— jitr
eine bejtimmt bemejjene Bitbauer (Zeitrente, An-
nuity for terms of years, Rente a terme, YL. im en-
gern Sinn) im Gegenſatze sur Leibrente, die auf Lebens-
dauer des Bezugsberechtigten läuft, und zur ſogen.
ewigen Rente, welche die gleichbleibende
erzinſung
eines unablöslichen Kapitals darſtellt. Golde Annui—⸗
tãten hat man beſonders im engliſchen Staatsſchulden⸗
weſen, wo bei ſogen. kurzer YW. die Schuldſumme in
49 Jahren, bei langer A. in 99 Jahren abgetragen
wird. Ahnlich find die Annuitäten im Hypothefen-
weſen, befonders durch die Pfandbriefinjtitute, in An—
wendung gefommen. Handbiider der WUnnuititen-
berechnung xc. lieferten Bärloch er (Zürich 1885),
Schinkenberger (Frankf. 1887), Werker (Utredt
1893), Schlim bach(⸗Politiſche Arithmetik«⸗, Frankf.
1902). Bgl. Amortiſation und Staatsſchulden.
Annularia, voriveltlidhe Pflanzengattung aus der
Rlaffe der Equijetinen (j.d. und Steinfohlenflora).
nnulaten, |. Ringelwiirmer.
Annullieren (lat.), fiir null und nichtig erfliren.
Anniailus((at.), Ring; A. piscatorius, der Fiſcher⸗
ring des Papſtes.
nnunciaita —— Becta, ital.), Botſchaft,
Verheißung, insbef. Mariä Vertiindiqung.
WUnnunziaten, 1) Nonnenorden, aeiitet 1501
von Johanna von Valois, der geſchiedenen Gemabhlin
Ludwigs XI. von Franfreid. — 2) Ital. Ronnen-
fongregation, 1604 von Maria Victoria Fornari be-
riindet, nad) der Farbe ihres Gewandes aud Coe-
estes (hinunelblaue) oder Turchine (veilchenblaue)
genannt.
Aununziatenorden (Ordine supremo dell’ An-
nunziata), urfpriinglich ſavoyiſcher, gegenwärtig der
höchſte ital. Orden, gejtiftet um 1360 durd) Ama—
deus VI. von Gavoyen als »DOrden vom Halsband«
ju Ehren Gotteds, der heiligen Jungfrau und ihrer 15
Fr euben. Herzog Amadeus VILL. gab dent Orden
1409 die erjten Statuten, die mehrmals geändert wur-
den. 1518 ward der Orden dem Geheimnis der »Ber-
fiindigung« geweiht, und Ordenszeidhen und Namen
de3 Ordens wurden danad umngewandelt. Urfpriing-
lid) war er auf 15 Ritter und 5 Beamte bejdrintt,
jest ijt Die Bahl unbeſchränkt. Uber die Ritter müſſen
von altem Adel und im Beſitz des Mauritius- und
Lazarusordens fein. Sie erhalten den Titel Exzellenz,
und der König nennt jie Vetter (cugino). Das Ordens-
zeichen ijt ein goldenc3 Medaillon, auf dem die Ver—
fiindiqung dargeftellt ijt, umgeben von Liebesfnoten,
und wird an einer goldenen Rette getragen. Daneben
tragen Die Ritter einen Stern auf der Bruſt in Form
einer flammenden Sonne, in deren Witte die Verfiin-
digung, umgeben von den vielfad erklärten Buchſtaben
550
ber favoyifden Deviſe »F. E.R. T.<, nämlich als For-
titudo ejus Rhodum tenuit; frappez, entrez, rom-
pez tout; foemina erit ruina tua; foedere et reli-
gione tenemur; fertque refertque (aus der » Yneis«
VI, 437). Das Ordensfleid ijt amarantfarben, mit
Silber befegt und blau gefüttert. Die Ordensfapelle
ijt Die Rirde der Martiujer von Collegno. Das Or-
densfeft findet am Tage der Verfiindiqung (25. März)
jtatt. S. Tafel »Orden Ie, Fig. 9.
Annunziation (lat.), Ankündigung.
Annunzio, Gabriele d' (eigentlich Rapag—
netta), ital. Dichter, geb. 1864 auf dem Adriatiſchen
Meere, verlebte feine Kindheit in Francavilla bei Pes-
cara, wurde in Prato 1873—80 erjogen und ftudierte
in Rom, wo er ein fehr locderes Leben fiihrte. 1898
wurde er in Die Deputiertenfammer gewahltund ſchloß
ſich den Sozialiſten an. Schon die erſten Gedichte
Annunzios verrieten großes Talent: » Primo vere«
(Chieti 1879, 2. verbeſſerte Aufl. 1880), »>In Memo-
riam· (Pijtoja 1880), und die vor wilder, überſpann⸗
ter Sinnlichfeit durchwehten, formvollendeten, vielfad
aufgelegten Gedidte »Canto novo« (Rom 1882) und
»Intermezzo di rime« (daf. 1883). Dieſe Sinnlid-
feit weicht allmablid) einer triiben Grundſtimmung
in » Isaotta Guttadauro ed altre poesie« (Rom 1886);
»L'Isotteo e la Chimera« (Mail. 1890); »Elegie
romane« (Vologna 1892); »Poema paradisiaco<,
»Odi navali« (tail. 1893). Der »Canto novo« und
das »>Intermezzo« erbhielten unter dem Titel: »Poe-
sie« (Mail. 1896) ihre abſchließende Gejtalt. Sdjon |
1882 erſchienen die nod) wenig felbjtindigen Novel-
len » Terra vergine«, gefolgt von »Il libro delle ver-
gini« (Rom 1884) und »San Pantaleone. Racconti«
(lor. 1886), beide voll von grauenhaftem Realismus.
Inbaltlid) abjtofend, aber durchwebt mit meijter-
haften Landfchaftsbildern find Annunzios (alle aud
in deutſchen überſetzungen erjdienene) Romane: >I
Piacere« (Mail. 1889); »L'Innocente« (daf. 1891);
»Giovanni Episcopo« (Neapel 1892); >I] trionfo
della morte« (Mail. 1894); »Le vergini delle rocce«
(daf. 1895) und die ſchamloſe Selbjtverherrlidung
»Il fnoco« (Daj. 1900). Berfehlt find Annunzios
alleqorijd) jymbolifde Biihnenwerfe: »Il sogno d'un
mattino di primavera« (1897, gedruckt Mail. 1899;
deutſch, Berl. 1900); »La citta morta« (Mail. 1898;
deutſch, Berl. 1901); »Il sogno d'un tramonto d'au-
tunno« (Wail. 1898); »Gioconda« (Mail. 1898;
deulſch, 5. Uufl., Berl. 1900) und »La gloria« (Mail.
1899; deutfd), Berl. 1900). A. lehnt fic) oft ar dic
niodernen Franjofen und Rujjen an und huldigt dent
hohlſten Symbolismus. Er hat fic) eine eigne, ſehr
preziöſe Sprache geſchaffen; die mufifalifde Wirtung
des Uusdruds läßt ihn oft die Gedanfen vernadlafii-
8* Bal. Lady Blennerhaffett, Gabriele d'A.
(Berl. 1901).
Annus (lat.), Sabr. A. carentiae, Jahr, fiir das
einem Beamten fein Einlommen ganz oder teilweife
entzogen, bes. von einem Ranonifer auf fein Ein—
lomnien gu gunſten der Kirchenfabrik, des Papſtes x.
verzichtet wird. A. circumcisionis, incarnationis etc.,
jf. Ara. A. civilis, biirgerlidjes Jahr. A. commu-
nis, gemeines Jahr. A. confusionis, »Qabr der Ver
wirrungs, das Jahr 46 v. Chr., in das Cafar bei
Finfiihrung ded julianijden Kalenders nod) drei Mo-
nate einfdjaltete. A. decretorius, das Normaljahr
1624, nad) deſſen Befigitand ſich gemäß den Beſtim—
mungen Des Weſtfäliſchen Friedens die religidfen Ver:
haltniffe der Ratholifen und Broteftanten in den deut-
{den Territorien ridteten. A. deservitus, die Früchte
Annunjiation — Anomale Dijperfion.
des letzten Dienſtjahres, die von einem Geiſtlichen bis
ju ſeinem Tode verdient, aber nod) nicht eingenom⸗
men waren und ſeinen Erben zufallen. A. discretio-
nis, Unterſcheidungsjahr, Alter der religidfen Selbjt-
bejtimmungsfibigkeit. A.ecclesiasticus, Kirchenjahr.
A. gratiae, Gnadenjabr. A. intercalaris (bissexti-
lis), Sdaltjahr. A. luctus, Trauerjabr. A. magnus,
»großes Jahre, aus dem Connen- und Mondzyklus
foubiniert (j. Zyklus).
Annũum (lat.), jabrlider Beitrag, Jahrgeld.
Aunweiler, Stadt in der bayr. Rheinpfal;, Be-
zirksamt Bergzabern, an der Queich, in der Hardt
und an der Linie Landau-Bwweibriiden der Pfälziſchen
Eiſenbahn, 235 m ii. M., hat cine evangelifde und
cine fath. Kirche, cin Denfmal der 1849 bei Rinnthal
efallenen Freiheitslämpfer, Amtsgericht, Forjtamt,
Emaillierwerf, Maßſtab⸗ und Bapierfabrifation, Ger-
berei, Bierbrauerci, Steinbriidhe, Weinbau und case)
3655 Cinw. Yn der Nähe Schlofruine Trifels
(jf. d.). — A. erbielt von Friedrid II. 1219 Stadtrechte
und wurde zur Reichsſtadt erhoben, aber 1330 vom
Raifer Ludwig dem Bayern an Kurpfalz verpfindet
und ging dann an Pfalz-Zweibrücken über. Nak A.
nannte jth Marfward, Truchſeß von A. ein Freund
Friedrich Barbarojjas und Erzieher Heimrids VL,
der ifn 1195 zum Statthalter in der Warf Ancona,
der Romagna und in Ravenna ernannte; er ſtarb im
Anobium, Slopffifer. [September 1202.
Anoblieren (franj.), in den Wdeljtand erheben.
Anode (griech.), der pojitive Rol eines galvaniſchen
Elements, der negative heigt Rathode.
Anodonta, ſ. Teidmujdel.
Anodihna (qried.), ſchmerzſtillende Mittel.
Anogen (griech.), fid) nad obenhin bildend. A.
find alle Beriinderungen der Gejteine, die durch Gaſe
und Dämpfe und durd andauernde Erwärmung von
unten nad oben erfolat find, während die von oben
nad unten, unter dem Einfluß der Atmoſphärilien,
des Sauerſtoffs, des Waſſers und der Kohlenſäure,
erfolgten Umwandlungen, alſo namentlich die Ory
dation, die Aufnahme von Waſſer, die Bildung von
Karbonaten aus Silifaten x. katogen genannt wer:
den. Wud) werden Gejteine, die fid) aus ciner aus der
Tiefe der Erde nad oben empordringenden Maſſe
ebildet haben, alfo die Eruptivgeiteine, als a. unter:
Poicden von den katogenen oder fedimentiren, deren
Bejtandteile fid) im aver, feltener in der Luft, gu
Boden geſenkt, abgefest und dann ju Geſteinen ver-
feitigt haben.
nofa, Hauptitadt der qleidnamigen Grafſchaft
im nordamerifan. Staate Minneſota, am Rum und
Miffiffippi, oberhalb St. Paul, mit Sägemühlen und
(1900) 3769 Einw.
Anolis (Anolis Cuv.), Gattung der Eidechſen aus
ber Familie der Lequane, ſchlanle Tiere mit pyrami
denformigem Kopf, pradtvoll gefirbter Wamme (beim
Miinnden), großen Füßen, ſehr langen, ſcharfſpitzi
gen Krallen und langem, zartem Schwanz. Die etwa
100 Arten leben im wärmern Amerila und erſcheinen
aud) in Hiufern. Das Weibchen legt ſchmutzigweiße
Eier in ein feidtes, felbjtgeqrabenes Lod und dedi
fie gu. Die Haut der Tiere prangt in pradtvollen
Farben, die fid) viel ftarfer als betm Chamaleon ver:
ändern. A. principalis Z., in Louijiana, Carolina,
Florida, auf Cuba, ijt 22 cm lang, oberfeits qlangend
grün, unterfeits filberweif, an der Wanme leudtend
rot, mit blauem Augenfleck über der Achſelhöhle.
Anomal (qriech.), reqelwidrig; ſ. Anomalie.
Anomale Difperfion, ſ. Diiperiion.
Anomale magnetiſche Difperfion — Wnonym.
Anomale maguetifde Difperfion, ſ. Bolari-
fation bes Lichtes.
Anomalie (qried.), Ubweidung von der einwoh-
nenden Regel, dem Normalen, daber anomal foviel
wie abnorm, von dem Regelredten abweichend. Die
A. fann in regelwidriger Gripe, Gejtalt, Lage und
Verbindung der Teile, Farbe, Konſiſtenz xc. wie aud
in Ubweidungen in chemiſcher und phyſikaliſcher Be-
ziehung fowie im gefamten Verlauf der Lebenserſchei—
nungen und aud) in der geijtigen Entwidelung bejtehen.
Die Urſache der A. fann in innern und äußern Cin-
wirfungen geſucht werden. — Jn der Ujtronomie
bezeichnet man mit A. den Winkelabjtand eines Plane:
ten oder Ronicten von feiner Gonnennabe. Wan
unterjdeidet wahre, mittlere und erjentrifde
U. (f. Figur). Bedentet in der Figur die Ellipſe APA'
die Bahn cines Elaneten oder Rometen, AA! die Up-
fidenlinie oder große Udfe diefer Bahn, O den Vittel-
puntt derjelben, S den einen Brennpunft der Bahn,
in bem die Sonne ftebt,
alſo A die Sonnennähe
(das Berihel) und A!
die Gonnenferne (das
Uphel), fo ijt der Win-
fel ASP—v bie wahre
A 0 SMA J —* Himmelstirpers
, lagt man ferner
8B b i
rere 9 ter AAS als: Dud
meſſer einen Kreis und
legt durch P eine gu AA! fenfrecdhte Gerade MP, die
den Kreis in Q fdneidet, jo ijt der Winkel AOQ = E
die exzentriſche A. Mittlere W. ijt der Winkel- | Frij
—— von A, den der Körper, von O aus geſehen,
haben wiirde, wenn er fid) mit gleichförmiger Ge-
ſchwindigkeit, bei unveränderter Umlaufszeit, auf dem
Kreiſe Aqa! bewegte. Der Unterſchied zwiſchen der
wahren und der mittlern YL. heißt die Nittelpunktts⸗
gleichung (f. d.). — Uber A. in der Meteorologie
vgl. Sfanomalen.
Anoma liſtiſches Jahr, ſ. Jahr.
Anomalon, ſ. Schlupfweſpen.
Anomaluridae, ſ. as a - og
Anomia (3wiebelmufdel), ſ. Auſtern.
Anomit, ſ. Glimmer.
MAnomodonten, Ordnung der Reptilien (ſ. d.).
Anomoptéris , der Steinfohlenformation ange-
horige Farngattung aus der Familie der Pefopteri-
den; ſ. Farne.
Anomtra, ſ. Krebſe.
AnOona Adans. (Flaſchen baum), Gattung der
Anonazeen, Sträucher und Bäume mit großen, ein—
fachen Blättern, großen, einzeln ſtehenden Blüten und
roßen, äußerlich beſchuppten oder facettierten, zum
ſehr wohlſchmeckenden Früchten. Etwa 60 Arten
im tropiſchen Amerika, davon 2—3 in Afrika und
Aſien (hier woh! eingefiihrt). A. Cherimolia Mill.
(Cherimoya), in Peru, wird wegen ihrer vorzüg—
lidhen Früchte aud) in Dtalien, bet Malaga und in
Algerien fultiviert. Man bereitet aus den Friidten
ein geijtiges Getriinf. A. squamosa L., jtraudjartig,
in tindien, in den Tropen iiberall als Baum kulti—
viert, triigt die wohlidjmedenden Uthe, Ruder- oder
Zimtäpfel (j. Tafel »Tropijde Friidjtec). A. mu-
ricata L., auf den Gavannen der Yntillen, in Brafi-
lien u. a. ©. fultiviert, trägt 2 kg ſchwere wobl-
ſchmeckende Friidte, die cin weinartiges Getriinf lie—
fern. Die Blatter dienen als Teefurrogat. Das weiche
Holz, befonders der Wurzeln mehrerer Arten, wird
al Kork verivendet.
551
Anonageen (Flafhenbiume), difotyle, etwa
620 Yrten umfaffende Familie der tropijden Teile
der Ulten und Neuen Welt aus der Ordnung der
Polycarpicae, enthält Holzpflanzen mit einfadjen
Blittern und griinen oder braunen Bliiten, die aus
drei alternierenden Bliitenbiillfreifen und vielen fpi-
ralig geftellten Staub: und Fruchtblättern beftehen.
Foſſile Urten von Anona und Asimina finden jid in
Tertiärſchichten. Mande A. haben wohlſchmeckende
und nahrhafte Früchte.
Anonijm (qried., »namento3<), von Schriftſtücken
(3. B. Briefen) oder gedrudten Aufſätzen und Werken,
deren Verfaſſer fic) nicht genannt hat, daber diefer
felbjt Undinymus Heist. Für mande Fader der
Niteratur, namentlich fiir das politiſch-journaliſtiſche,
ijt Die Unonymitadt Regel; doch find in neuerer Zeit
von verfdiedenen Regicrungen Maßregeln getroffen
worden, fie ju befdjranfen oder aufjuheben, wie 3. B.
in Frankreich durch Geſetz vom 16. Juli 1850, das
fie fiir Urtifel politiſchen, philofophijden und religid-
fen Inhalts unterfagte. Auch hat die literariſche Sitte
jelbjt in neuejter Zeit die Unonymitat eingeſchränkt.
Sowohl bei anonymen wie bei pjeudonymen Werfen
ijt Der Herausgeber, falls aber ein folder nidt an-
gegeben ijt, Der Verleger beredhtigt, die Rechte des Ur-
hebers wahrzunehmen (ebenfo die Berner Überein⸗
einfunft [f. d.) in Art. 11, Abſ. 2). Dit der wahre
Mame des Urhebers nidjt bei der erjten Veröffent—
lichung angegeben worden, fo endigt der Schuh ded
Urbeberredht3 mit dem Whlauf von 80 Jahren feit der
Veröffentlichung. Wird jedod) der Name binnen dieſer
ijt (3. B. bei einem Neudrud oder einer Neuauf-
fiibrung) —**— angegeben oder von dem
Berechtigten zur org itt in Die bei Dem Stadtrate
ju Leipziq gefiihrte Cintragsrolle angemeldet,
i endigt Der Schutz des Urheberrechts erjt, wenn feit
dem Tode des Urhebers 30 Jahre und auferdem ſeit
der erſten Veröffentlichung des Werfes 10 Jahre ab-
gelaufen find (Urheberrechisgeſetz von 1901, § 7, 31).
S. Urheberredjt. — Die Kenntnis der anonymen und
jeudonymen (mit falſchem Namen gezeichneten; ſ.
ſeudonym) Schriften madt einen eignen Zweig der
Bibliographie aus. Die wichtigſten Nachweiſe für
Deutſchland bieten: Weller, Index pseudonymorum.
Worterbud der Pfeudonymen aller Zeiten und Völ—
fer (2. Aufl., Regensb. 1886) und das von der Ge-
fellfdhaft der Biblivphilen herausgegebene ⸗Deutſche
Unonymenlerifon« in 3 Bänden (Bd. 1, bearbeitet
von Holzmann und Bobhatta, Stuttg. 1901); fiir
Frankreich: Barbier, Dictionnaire des ouvrages
anonymes et pseudonymes (3. Aufl. Bar. 1872—79,
4 Bde.; Supplement von Brunet, 1889); Quérard,
Les supercheries littéraires dévoilées (2. Aufl. von
Brunet, daf. 1869—71, 3 Bde.); Drujon, Les
livres a clef (Daf. 1885—88, 2 Bde.); dD’ Heyl li,
Dictionnaire des pseudonymes (neue Wusg., daſ.
1887) ; fiir Belgien: Delecourt, Essai d'un diction-
naire, etc. (Briifjel 1863); fiir Stalien: Melzi, Di-
zionario di opere anonime e pseudonime di scrit-
tori italiani (Wail. 1848—59, 3 Bde.; »Appendice«
von Paſſano, Uncona 1887); fiir die Niederlande:
Doornind, Vermomde en naamlooze schrijvers etc,
(2. Unfl., Leid. 1883-84, 2 Bde.), und de la Mon-
tagne, Vlaemsche pseudoniemen (Roujjelacre 1884);
fiir England: Halfett und Laing, Dictionary of
the anonymous and pseudonymous literature of
Great Britain (Lond. 1881—88, 4 Bde.); fiir Nord-
amerifa: Hayne, Pseudonyms of authors (New
Port 1883); Cufhing, Initials and pseudonyms
~~
552
Anonyma
(Daj. 1885 —88, 2 Bde.) und Anonyms, a dictionary |
of revealed autorship (Cambridge 1889, 2 Bde.);
fiir Sfandinavien: Collin, Anonymer og Pseudo-
nymer (SRopenh. 1869, fiir Danemarf, Norwegen,
Ysland) und Petterfen, Anonymer og Psendo-
nymer i den norske literatur 1678— 1890 (Cbrijtia-
nia 1890, fiir Norwegen); fitr Rufland: Ghennadi,
Spissok rubkich anonimnych knig (1874); fiir Süd—
amerifa: Barros’ Urana, Notas para una biblio-
grafia de obras anénimas i pseudénimas (1882);
fiir das Wittelalter: Franflin, Dictionnaire des
noms, surnoms et pseudonymes latins de l'histoire
littéraire du moyen-ige (Bar. 1875). Cin Lerifon
Der anonymen und pfeudonymen Sdpriften der Je—
juiten lieferte Sommervogel (Par. 1884, 2 Bde.).
Anonyma, 1) Arteria a., »unbenannte Sdlag-
abder«, entipringt redjts aus dem Yortenbogen und
teilt fid) bald im die rechte Schliiffelbein- und rechte
Kopfſchlagader; 2) Vena a., »unbenannte Blutadere,
entſteht aus der Schlüſſelbein- und der Drojjelblut-
aber; beide Venae anonymae fliefen gu der obern
Hoblvene zuſammen.
Anonhme Gefellfdaft, foviel wie Uttiengefell-
ſchaft (f. d.), inSbef. im franzöſiſchen, italienifden und
jpanijden Handelsrecht. Friiher nannte man in Frank:
reid) Société anonyme Die gewöhnliche zivilrechtliche
Erwerbsgeſellſchaft.
Anonymus Belae regis Notarius, fur;
aud) »der Anonymus« genannt, ein Dem Iamen n
unbefannter Notar de3 ungarijden Konig’ Bela III.
oder IV., der cine unjuverlaffige Geſchichte Ungarns
(»Gesta Hungarorum:) verfagte, die man friiber als
Hauptquelle der Geſchichte der Landeseroberung an-
jah. Franz Joſeph I. ließ Dem A. 1902 in Budapeit
cin Denkmal erridten. Val. Kaindl im ⸗Archiv fiir
öſterreichiſche Geſchichte⸗ (1902).
Anopheles, ſ. Mücken.
Anophthalmus (griech.), dad angeborne Fehlen
des Uugapfels, tritt gewöhnlich Doppelfeitiq auf.
Anopifthographifde Druce, Drude, bei denen
nur cine Seite Des Blattes bedruct ijt. Im Witertum
wurde das Sdreibmaterial (Bapyrus- oder Mem—
branrollen) nur ausnahmsweiſe auc auf der Rückſeite
beſchrieben, und dann ein Optjthographon, d. b. |
inten, auf der Rückſeite, beſchrieben, qenannt. Als
ſpäter die Budform (Pergament und Fapier) die
Rollenform verdraingte, wurde die Nichtbenutzung der
Riicfeite die Uusnahme, und man nannte nun Drude
mit leerer Riidjeite anopifthographifde, fei es,
daß in dlterer Zeit dad Metbeverfahren (ſ. Blodbiicer,
Buchdruckerkunſth, oder daß die Feinheit des Papiers,
3. B. bei chineſiſchen und japanifden Drucen, dic
Benutzung der Riidfeite unmöglich madten, oder dah
andre Griinde (jf. Einblattdrude) die Veranlaſſung
jum einfeitiqen Druck gaben.
Anoplotheriidae, ſ. Duftiere.
Anopfte (qried).), ſ. Blindheit.
Anorchie (gried).), einfeitiger oder doppelfeitiger |
Hodenmangel.
Anordia, in Weſtindien cin heftiger Nordwind.
Anorexic (qriec.), Uppetitmangel.
Anorganiſch (gried), unorganifd, d. h. eigent
lid) ohne Organe, Bezeichnung aller Naturforper, die
nidt den Gefegen der lebenden Ratur (bef ondere chemi:
ide Miſchung, Sellenbau, Gliederumg, Wachstum ꝛc.),
fondern nur denen der unbelebten Natur unterworfen
oder durch dieſe gebildet worden find. In legterm
Sinne ſpricht man von anorganifden chemiſchen Ver—
bindungen xc. S. Organ.
— Wnpajjung.
Mnormal (lat.), foviel wie abnorm(j. Wbnormitat).
Anorthit, Mineral der Feldſpatgruppe (vgl. Feld-
jpat), kriſtalliſiert triflin im kurz faulen- oder tafet
artigen Formen und fommt aud in derben Maſſen
vor. Er ijt farblos, weiß und ritlid, glasglänzend,
durchſichtig oder durchſcheinend. Schöne Kriſtalle ded
YW. lennt man vom Monzoni und aus den Auswürf
lingen des Veſuvs. Cingewadhjen findet er fic) als
Gemengteil mander Diorite, Vabbros und Diabafe
und aud) wobl in fornigen Kalfen, ferner in einigen
Meteorjteinen, 3. B. von Juvenas und Stannern.
Anorthoflas, Vtineral, ſ. Feldſpat.
Anorthoffop (qried).), von Plateau 1836 fon-
jtruierte Vorridtung zur Erzielung optijder Tau:
ſchungen. Um eine gemeinſchaftliche Achſe dr ſich
zwei parallel geſtellte Scheiben mit ungleicher win
digleit. Die dem Beſchauer zugewendete Scheibe ijt
undurchſichtig und mit Einſchnitten verſehen, durch
welche Die hinter ihr befindliche transparente, mit ver:
zerrten Figuren bemalte und beleuchtete Scheibe wab-
rend der Umdrehung nacheinander in allen ihren
Punkten geſehen werden kann. Nun werden infolge
der ungleiden Geſchwindigleit, mit der beide Scheiben
qedreht werden, und infolge deren jeder Teil der hin:
tern Scheibe an einem andern Ort erjdeint, ſowie in-
folge des andauernden Vichtendruds auf das Auge
Die auf der Hintern Sdheibe ver; aufgezeichneien
Figuren bei einem beſtimmten Verhältnis der Um—
drehungsgeſchwindigleiten beider Scheiben regelmapig
erſcheinen.
Anos, äoliſche, ſchon von Homer erwähnte Colonie
in Thrafien an der Miiindung des Hebros. S. Enos.
Anosmie (qried.), ſ. Geruchlojigteit.
Anotto (Unatta), foviel wie Orlean.
—— Paarung des Baſtards mit emem
Tier einer der Urrajjen.
Aupaffung (lat. Adaptatio), die Fähigkeit der le⸗
benden Wefen, ihren Rorperbau und ihre Lebenstatig-
feiten verdnderten Bedingungen von Lebensweife, Ex:
nährung, Rima, Bodenbeſchaffenheit, Zufammen-
leben mit andern Tieren 2. unmittelbar oder tm Laufe
der Generationen anjzubequemen. Unter direfter
A. veriteht man die unmittelbar Durd) die veriinderte
Lebensweife felbjt herbeigeführte zweckentſprechende
Veriinderung der Organijation, 3. B. Vermehrung
des Blutfarbjtoffes bet Menſch und Tier, wenn fie in
Der dünnen Luft des Hochgebirges Mufenthalt nehmen.
Die funktionelle A. bei der cin jtarfer in Anſpruch
genommenes Organ gefraftigt, em aujer Gebraud
qelegtes bis sur Verlümmerung geſchwächt wird, be-
ruht Darauf, dak jedes Organ weſentlich nur in ſeiner
Funktion lebt und daher durch ſtärlere Inanſpruch
nahme (ſoweit dieſelbe, ohne dic Harmonie des Ganzen
zu ſtören, ausgedehnt werden kann) beſſer aſſimiliert.
während unbenutzte Organe cin Scheinleben führen.
ſchwächer aſſimilieren und endlich zu Grunde geben.
Da dieſer Prozeß ſich bis in die klleinſten aufbauenden
Teilchen fortſetzt, fo kann unter Umſtünden die ge—
ſamte Elementarſtruktur eines Organs durch funktio
nelle A. veründert werden; und weil bei der funktio
nellen A. Neubildung und Musmerzung von Elemen-
‘tarteilen Gand in Hand geben, fo nennt Rour das
Pringip, in dem fie wirlt, einen Kampf der Teile
im Organismus (Kampf um den Raum und das
Baumaterial). Durd) diefen Prozeß erflart ſich die
der Funktion entipredende hichite — my der
Anordnung aller Teile in jedem Organ. Auf der
andern Seite ſchwinden durch Ridtqebraud Teile,
|} B. die Augen der Hdhlentiere, die Bewegungs- und
Anplatten — Anredeformen.
SinneBorgane der feſtwachſenden oder ſchmarotzenden
Tiere dahin. Man nennt daber aud) folde an-
anderungen, die fic) dem Geſchlechte Dauernd von Vor-
teil erweijen, adaptive, während inadaptive gum
Wusjterben führen. Lamarck glaubte, mit dem Prin-
zip der funttionellen UW. die Veränderungen der leben-
den Weſen in der Zeit tiberhaupt erflairen zu finnen;
allein Darwin jeigte, daß man cine grofe Reihe von
Ubédnderungen der Lebewefen nur durd) die Unnahme |
einer indireften A. unter dem Einfluß der natiir-
lichen Zuchtwahl erflaren finne, fofern von den nad
den verjdhtedenjten Richtungen abdndernden Orga-
nismen einjelne den für die Urt (3. B. durch Aus—
wanderung oder Klimawechſel) veranderten Lebens-
bedinqungen beffer ſtandhalten finnen als andre. Die
indirefte A. durch natürliche Zuchtwahl ſchreitet dann
durch cine Reihe von Generationen fort, bis das voll-
fonrmenjte Maß der U. an die Lebensbedingungen
der neuen Umgebung rc. nach allen in Betradt fom-
menden Ridtungen, 3. B. aud cine relative Immu—⸗
nität gegen die herrjchenden lofalen Rranfheiten, er-
reicht tit, wobei die Organijationshihe des Körpers
vor- und juriidjdreiten fann. Die W. an fipende
LebenSweife ift fiir Die Tiere faft immer cine rück—
ſchrittliche, weil mit bem Verlujt der Bewequngsorgqane
und oft aud) einjelner Sinnesorgane, namentlid) der
Augen, der fered tag ey | ꝛc., verfniipft, und
nod) mebr ijt died Der Fall bei YW. von Pflanzen und
Tieren an ſchmarotzende Lebensweiſe (j. Entartung).
Direfte wie indirefte UW. wirfen im Laufe der Ge-
nerationen affumutlativ, folange die höchſte mit den |
andern Bedingungen vertriglide Zweckmäßigkeit
nicht erreicht ijt, Da Das Erreichte vererbt wird und
die ergeugenden Bedingungen fortwirten (progres -
five und atfumulative dt). Nad) Weismann und
jeiner Schule follen freilid) die durch äußere Einfliiffe
direkt erjeugten Ubianderungen nicht erblich fein (val.
Exblichfeit), fondern nur die durch Neimvariation ent:
jtandenen, wonad) die A. ausſchließlich durch Zucht—
wahl zu ſtande fame und die Lamarckſche Theorie
völlig zu verwerfen wire. Wein wir kennen zahl—
reiche Beiſpiele direft durch beſtimmte Änderungen
des Mittels (3. B. —— bei Meertieren) oder
unter dem Einfluß beſtimmter Vorbilder (ſ. Mimikry)
entſtehender Anpaſſungen, ſo daß die neue Theorie
roßen Schwierigkeiten begegnet und jedenfalls das
—— nicht erleichtert. Auch die ſogen. An—
paſſungsähnlichkeit (ſ. Ähnlichkeit) der Schmarotzer,
Waſſertiere und-Pflanzen, Erdwühler untereinander
ſpricht für gleichartige, erblich werdende Einflüſſe der
Lebensweiſe und —— Mitunter kann die A.
auf das eine Geſchlecht, dem dieſelbe allein von Nutzen
iit, beſchränkt fein (geſchlechtliche A.), 3. B. die
VPollenſammelapparate mancher Bienen. Auch kommt
bei Tieren und Pflanzen, die in Symbioſe oder Wechſel⸗
beziehungen leben, oft eine gegenſeitige A. vor.
Val. Roux, Der Kampf ber eile im Organismus
(Veip;. 1881); Lang, über den Einfluß der feſtſitzen⸗
den Lebensweiſe auy die Tiere (ena 1888).
Anplatten , ſ. Veredelung.
Anquellen, |. Saat.
Anquetil (pr. ang?tih, 1) Louis Pierre, franz.
Hijtorifer, geb. 21. Jan. 1723 in Paris, geſt. 6. Sept.
1806, jtudierte auf dem College Mazarin Theologie,
trat in die Rongregation von Sainte-Genevieve, wurde
in Reims Seminardireftor, dann Direftor des College
von Senlié und endlich) Pfarrer in La Villette bei Paris.
Während der Schreckenszeit 1793 —94 war er ein-
geferfert. Bei Griindung des Inſtituts ward er Mit
553
glied der sweiten Kaffe, unter Napoleon I. beim Mi-
niſterium des —— angeſtellt. Sein beſtes
Wert ijt die ⸗Histoire de Reims« (1756 —57, 3 Bde.).
Weniger wertvoll find fein »Précis de l'histoire uni-
verselle« (Bar. 1797, 9 Bde.; 1834, 12 Bde.) und die
»Histoire de France depuis les Gaules jusqu’a la
fin de la monarchie« (Daj. 1805, oft aufgelegt; neue
Ausg., fortgefept von Baude, 1876 —79, 11 Bde.).
Seine übrigen Schriften find wertlos.
2) Ubrabam Hyacinthe A.Duperron, Bru-
der des vorigen, Drientalijt und Begriinder des Stu-
diums der Henbreligion, qeb. 7. Dex. 1731 in Baris,
gel. 17. Jan. 1805, ftudierte Theologie und orienta:
iſche Sprachen. Um dic heiligen Schriften der Parſen
zu erlangen, nahm er 1754 als Soldat auf einem
nach Indien beſtimmten Schiff Dienſte, worauf die
franzöſiſche Regierung in Anerkennung ſeines Eifers
ihm eine für ſeine Forſchungsreiſen be—
willigte. Bon den Parſen in Surat erwarb er Hand-
ſchriflen des Bendavejta und der ſpätern perfifden
ReligionSbiider und fick fic) von dem Dejtur (Ober-
priejter) Darab eine neuperſiſche Uberfebung des Ben-
cote in die Feder difticren. Nad) der ie! sl
von Vonditſcherri fehrte A. 1761 mit 180 Manuftrip-
tenrc. nad) Europa zurück und lief fic) in Paris nieder.
Er erhielt dads Umt cines Dolmetſch der orientalifden
Sprachen bei der königlichen Bibliothef, der er cinen
Teil feiner Schätze ſchenkte. Sein Hauptwerk: »Zend-
Avesta, ouvrage de Zoroastres« (Par. 1771; deutſch
von Rleufer, Riga 1776—78), madjte als die erjte
Überſetzung diefes wichtigen Religionsbuches in gan;
Europa grokes Wuffehen. Cin großes Verdienſt er-
warb fic) A. ferner durch feine nad) gwei perfifden
Manuftripten angefertigte lateinijde Überſeßung
(>Oupnek’hat«, Straßb. 1801-1802, 2 Bde.) einer
1657 verfaßten perſiſchen ÜUbertragung der wichtigſten
indiſchen ⸗Upaniſchads«. Während der Revolution
lebte A. in tiefſter Zurückgezogenheit nur ſeinen
Büchern und Erinnerungen. Er ward Mitglied des
Nationalinſtituts, trat jedoch aus Mißvergnügen über
die Lage Frankreichs aus und ſtarb in dürftigen Um—
ſtänden.
Anquicken, Erze behufs der Amalgamation mit
Quecſilber verſetzen; vgl. Quechſilberlegierungen.
Anrath, Dorf im preuß. Regbez. Düſſeldorf, Land⸗
kreis Krefeld, an der Staatsbahnlinie M.Gladbach-
Ruhrort, hat eine kath. Kirche, cine Synagoge, Seiden-,
Woll- und Halbwollweberei, Velvetſchneiderei, Car—
caſſefabrikation, eine Anſtalt für Umſpinnen von Tele—
graphendraht und (1900) 3566 Einw.
Anraum, in Schleſien foviel wie Naubreif.
Anrecdhuung der Unterfudungshaft, j. Unter-
ſuchungshaft.
Anredeformen. Die urſprüngliche und nod jetzt
bei Naturvilfern vorhandene Sitte, jedermann in der
zweiten Rerfon Gingularis, alſo im Deutjden nit
Du, angureden (ihn gu Dusen), machte mit ſteigen—
der Rivilifation allmählich der Gewohnheit Plas,
fremde und höher jtehende Perſonen im Pluralis ma-
jestatis anzuſprechen. Rach dem Annolied (XXVIII)
| wiire Derjelbe zuerſt dem Cajar beigelegt worden, und
dieſer hätte bas Ihrzen den deutfden Volfern ge-
bracht, sum fie gu ehren«. Rad Grimm nahmen in
Deuiſchland einzelne Stände zuerſt im 9. Jahrh. das
vom Ausland kommende Ihrzen (giirzen, girzen)
an. Bid gum 13. Jahrh. wurden geihrzt Höhere von
Niedern, der Vater von den Kindern, Geijtlice, Fremde,
vornehmere Ebeleute voneinander xc. ; geduzt wurden
Niedere von Höhern, Kinder von Eltern, gewöhnliche
554
Leute gegenfeitiq x. Im 15. und 16. Jahrb. fam 3
auf, Könige, Fürſten und hohe Würdenträger mut
ihrem Titel: Majeſtät, Fürſtliche Gnaden rx. anju-
reden und dann ging die Rede in der dritten Perſon
fort, und zwar im Singular oder im Plural, je nach
der Anrede; in direlter Beziehung auf den Ange—
redeten wurde jedoch noch geihrzt. Seit dem 17. Jahrh.
wurde »Herr« und ⸗·Frau· in der Anrede bloßes Höf⸗
lichleits zeichen, und bald fing man an, die indirefte
dritte Perſon dazuzuſetzen (Crgen und Siezen tm
Singular). Die YUnrede mit Ihr ward nun eine Mittel-
jtufe zwiſchen Duzen und Crjen und Siezen. Gegen
Ende des 17. Jahrh. beqann die Unrede in der dritten
Perſon des Plurals (Siegen im Plural), und um
1740 war dieſe Sitte in der vornehmen Welt allge-
mein berridend. Oudfer und Tiroler, befonders
außerhalb ihre Landed, reden alle Welt mit Du an;
aud) ber Dichter hat die Freiheit de3 Duzens. Die
Hollander braudjen meijt Ihr (gij). Jn Frankreich
wird Du (tu) nur bei dem vertraulidjten Verkehr
unter intimen Freunden und in der Familie ange
wendet. Auch Rinder werden von Fremden und Leh—
rern vous genannt. Die dritte Perſon wird von
Franzoſen nur bei höhern Titeln angewendet. Jn
England beſchränkt fic) die Unrede Du (thou) in der
Regel auf das Gedicht und das Gebet. Dagegen ijt
in Stalien lei, Sie, in Spanien usted und in Por-
tugal vossé, eme Zuſammenziehung aus vossa mercé
(fpanijd vuesta merced, Euer Gnaden), mit der drit:
ten Perjon des Singulars üblich und mur in vertrau-
licjerer Rede Du oder Yor tm Braud. Den Schiwe-
den ijt Du (du) die vertraulide und väterliche Unrede,
er die an weniger befannte Perjonen von geringerm
Stande und ni das Seiden befonderer Hodacdhtung ;
die Dinen brauden jtufenweife Du (du), Ihr (j) und
Sie im Plural (de); dod) tonjtruieren Dänen wie
Schweden ju ihrer pluralen Anrede das Verbum im
Singular. Slawen reden, wie die Neugriechen, mit
Yor an; nur die Bolen duzen fich oder fprechen in
der dritten Perſon mit Pan oder Pani (Herr oder Frau).
Anreim, foviel wie WUiliteration.
Anreiten, Anſtoßen de3 Reiters mit feinem Pferde
gegen einen andern. Beim Wettrennen ijt das A.
durch Das Rennreglement ftreng verboten, weil es fiir
den VUngerittenen einen Terrainvertujt verurjadt, der
oft Das Rennen fiir ihn verloren madt. Unter A.
verjteht man aud) die erſten Dreffurjtadien eines jun-
gen Pferdes unter dem Sattel.
Anrep, Gabricl von, ſchwed. Genealog, geb.
4. Dej. 1821 in Lefeberga (Nerife), war anfangs Land-
wirt, fiedelte aber fchon 1851 nad) Stodholm tiber,
wo er feitdem als Herausgeber genealogiſcher Werte
titiq ijt. Bon feinen Schriften ijt neben »Sveriges
ridderskaps och adels kalender« (Stodh. 1854 —
1901) und »Svenska sliigtboken« (daſ. 1871 — 82,
3 Bde.) namentlid) »Svenska adelns iittartaflor« (Daf.
1858 — 64, 4 Bde.; Regijter von Bergſtröm, 1888)
ju nennen, cin trog zahlreicher Fehler noch heute fiir
den Geſchichtsforſcher unentbehrliches Werf.
Anromainyus, J. Ahriman.
Anriichigfeit, im allgemeinen übler Ruf. Yn der
Rechtswijjenidaft bedentet U. oder Unehrlichkeit
eine Schmälerung der biirgerlidjen Ehre und demge
mii} der Redhtsfabigteit, welde die Folge gewijjer
Eigenſchaften einer Perſon war. Golde Cigenidaften
waren fruher die uneheliche Geburt und das Gewerbe
des Abdeckers (Mavillers). Im Mittelalter erſtreckte
ſich die A. ſogar auf die nützlichſten Gewerbe, als:
Muͤller, —8 Weber; aber ſchon die Reichspolizei—
Anreim — Anſan.
verordnung von 1577 beſchränkte die U., und nad
einem Reichsſchluß von 1731 blieben mur nod) der
Abdecker und feine ihm beim Geſchäft beiſtehenden
Kinder fowie die unehelichen Rinder Dem Wafel der
A. unterworfen. Die Wirtung der VW. bejtand im der
Unfabigfett sum Cintritt in Zunfte und Korporatio-
nen, zur Ordination und jum Lehnserwerb.
einem Reichsſchluß von 1772 tonnte die U. Durd Ebr-
haftmadung durch den LandeSherrn aufgehoben wer:
den. Reben diejer A. im engern Sinne, die ein rein
deutſchrechtliches Inſtitut war, nehmen einige Rechts
lehrer auch eine YU. im weitern Sinn an und begreifen
unter Ddiefer aud) die Verächtlichmachung (tur-
pitudo), die lediglich Folge der Verurteilung durd
die Sffentlide Meinung wegen unfittlider Lebensfiih-
rung iſt und namentlid) Bagabunden, Zigeunern.
Lujtdirnen, Rupplern und dergleiden Klaſſen arbaj-
tet. Als ihre rechtlidyen Wirfungen werden bezeichnet:
verminderte Glaubwiirdigfeit, Unfähigleit jum Em—
tritt in ebrenhafte Genoſſenſchaften, jur Musiibung
ewiſſer Berufsarten, zur libernabme einer Bormund-
chaft u. dal. Als ein eigentlidjes Rechtsinjtitut ijt je-
dod) die Verächtlichkeit nicht angufeben , vielmebr ban-
gen deren Wirfungen lediglid) vom richterlichen Er-
mefjen in einzelnen Fallen ab. Rad) dem deutichen
Biirgerlicden Gefegbuch ijt A., d. h. ehrloſes oder um-
fittlidyes Verhalten, Eheſcheidungsgrund (§ 1568), fer-
ner beredtigt ehrloſer und unfittlider Vebenswandel
nad § 2333, Ziff. 5, zur völligen Enterbung. Die
Gewerbeordnung bejtimmt in § 123, 37.2, daz
en liederlichen Lebenswandels Gefelien und Ge-
hilfen jederjett ohne Kündigung entlajjen werden fon-
nen. Bal. Beneke, Von unehrliden Leuten (2. Anil,
Berl. 1889).
Wr (ir. angs), Borort im NBW. von Liittidh, Knoten⸗
punft an der Bahn Lüttich -Brilffel, mit Cijenbhitten,
Rohlengruben und (1900) 8628 Einw.
Anfagen, an der Börſe gu Franffurt a. WM. bei
Prämiengeſchäften (f. d.) ankündigen. kündigen.
Die Rückpraͤmie wird daher bisweilen als Unfage-
prämie bezeichnet.
—— — ſ. Anſageverfahren.
Auſageverfa im deutſchen Zollweſen das
Verfahren, das fic) auf die Anmeldung von zoll—
oder fontrollpflidtigen Waren bezieht (j. Anmelde-⸗
jtellen). Es tritt cin bei Waren, die ber Unfage-
jtellen (Unfagqepojten), d. h. über ſolche Steüen
eingeführt werden, die nicht zur Feſtſtellung und
Erhebung, ſondern vielmehr nur zur Sicherung der
Zollabgaben da errichtet find, wo die Grenzzollaͤnter
zu weit von der Holllinie entfernt fliegen; fermer bei
Waren, die gwar tiber Grengjollamter eingehen, die
mit Hebe» und Ubfertiqungsbefugnijjen ausgeftattet
find, deren Sollabfertiqung aber an etn im Innern
des Zollgebietes liegendes Zollamt erfolgt, oder deren
Wiederausfuhr durch amtliche Begleitung kontrolliert
werden ſoll. Die vom Warenführer fiber ſeine La
dung abjugebenden Papiere werden in deſſen Gegen:
wart eingefiegelt, an dag Zollamt adreſſiert und einem
Grenjaufieber fibergeben, der das Fuhrwerl oder
Schiffsgefäß bis gum Yollamt oder bis yum Wieder:
austritt über die Grenze begleitet. Für einzelne
Strecken, wo das Bedürfnis des Verfehrs es erfordert.
lann mit Genehmigung der Direktivbehörde von dem
Anſagepoſten ftatt Begleitung amtlider Verſchluß
angeordnet werden. Bei Schiffer werden nod beſon⸗
dere Anſagezettel ausgefertigt.
Anſan (YUnjan), cine Bie Perjien su gelegene
Proving des elamitiſchen Reiches mit gleidnannger
Anjanto, Lago di — Ansbach.
Hauptitadt, wohl Eins mit dem von arabifden Geo-
raphen genannten Uffan. Jn altefter Zeit Haupt-
tadt des elamitifden Reiches, wurde A. {pater von
Sufa itberfliigelt, doch blieb ⸗Herrſcher von A.« ein
widtiger Bejtandteil in der Titulatur der Könige
Elams. Bur Zeit des Niederganges der ſuſiſchen K
nigdherridaft bemächtigten * die Vorfahren des
Perſerlonigs Kyros vom Geſchlechte der Sispiden,
einem Zweige des perſiſchen Fürſtenhauſes der Achä—
meniden, der Provinz A. und nannten ſich »Könige
der Stadt A.« Der letzte dieſer Sispidenkönige von
A. war i Der mit Der —— über A.
die über Perſien vereinigte. Vgl. Elam und Kyros.
Anfanto, Lago di (im Aliertum Amſpſanctus
lacus), fleiner See in der ital. Proving Uvellino, un-
fern Frigento, der den Krater eines ehemaligen Vul-
fan3 ausfiillt. Jim Altertum ftand hier ein Tempel
Der Gittin Mephitis.
Anſäſſigkeit, die Niederlajjung im Staate oder
im der Gemeinde mit einem gefiderten Nahrungs-
tande. Die A. ijt cin Begriff des ältern Rechts und
neuern Grundſatz der Freigiigigleit gewiden.
Die Anſäſſigmachung in einer Gemeinde war friiber
vielfad) von erſchwerenden Bedingungen, insbef. von
der Zuſtimmung der Gemeinde, abbingig gemacht,
wenn ſich die UW. nicht auf Grundbeſitz, Gewerbekon⸗
zeſſion oder öffentliches Amt gründete.
Auſatz, in der Mathematif das Verfahren, nad)
dem gegebene Größen in gewijfer Ordnung aufgeſchrie⸗
ben werden, um Daraus das Ergebnis der Rechnung
nad einer beſtimmten Regel gu erhalten (vgl. Ketten-
el).
Mufat bei Blasinitrumenten, deren Mund-
jtticde nicht in Den Vlund genommen, fondern nur vor
den Mund gebradt werden: die Stellung der Lippen
beim Unblajen. Der A. ijt bei der Flöte ein ———
als bei den Blechblasinſtrumenten, wo die Lippen-
rander gugleid) die Stelle von Zungen vertreten und
daher der A. ein fehr verfchiedenartiger fein muß, je
nachdem hohe oder tiefe Tine hervorgebradt werden
jollen. Der Blajer fagt, er habe feinen A., wenn er
nidt völlig Herr feiner Lippen, d. h. aufgeregt, matt r.,
ijt. — Berm Gefang ijt A. die Urt und Weife, wie
der eine Phraſe beqinnende Ton hervorgebrad)t wird,
wobei man unterjdeidet: a) den YW. mit Glottis-
ſchluß, bei dem die Offnung der Glottis (Stimm⸗
—* einen eigentümlichen Gutturallaut (Knack, das
hebrãiſche Aleph) dem Ton vorausſchickt, und b) den
hauchartigen A., bet dem die Glottis leicht geöff—
net iſt und dem Ton ein ſchwacher Hauch (spiritus
lenis) vorausgeht. Man nennt aud) wohl die Stel-
tung der gefamten bei der — — Reſonanz
betetligten-Rehlfopf-, Gaumen und Mundteile UW. und
ſpricht von einem »gaumigen A.« x. Die Gejtalt des
Anſatzrohres, d. h. des Den Ton der Stimmbander
verjtarfenden Hohlraumes vom Kehlkopf bis gu den
Lippen, fann aud) fiir denfelben Bofal (3. B. für das
ll lll
vov
Fingerzeige, die bem Singer mehr nützen als alle
Hypothefen über die Tätigkeit der Stimmbénder.
Anſäuern, cine Flüſſigkeit mit fo viel Säure ver-
ſetzen, daß fie ſchwach fauer reagiert.
Unfaugen, ſ. ——
Ansbach, ehemals cine Markgrafſchaft in Fran-
fen, 3579 qkm (65 OW.) mit (Ende des 18. Jahrh.)
ca. 800,000 Einw., jetzt ein Teil des bayr. Regbez.
Mittelfranfen. S. die »>Gefdidjtstarte von Bayern«.
U. war eins der friinfifden Fiirjtentiimer de3 Hau-
fe3 Hohenzollern. Die Giiter, welde die Babenberger
im Nord⸗ und im Rednibgau erworben Hatten, fielen
908 an Herzog (911 König) Konrad von Franfen,
dann an das bergoglidje Haus Meran. 1362 wurde
Friedrich V. A. Burggraf von Niirn-
berg, damit belehnt. Friedrich teilte 1398 feine frän—
kiſchen Beſitzungen in das Land unterhalb de3 Gebir-
ges (A.) und das Land oberhalb de Gebirges (Kulm⸗
ad, nadber Bayreuth). Dieſe Teilung blieb aud),
al8 der Cate! Friedrich VI. die Marf Branden-
burg (. d.) an Jein Haus gebradht hatte. Durch die
Dispositio Achillea des Rurfiirjten Albrecht Udhilles
von 1478 wurden die friinfifden Lande gu ciner See
fundogenitur des Hauſes Brandenburg gemacht. Nad
Albrechts Tod 1486 fiel W. an feinen zweiten Sohn,
Friedrich, Bayreuth an den dritten Sohn, Siegmund.
Da legterer ſchon 1495 ohne Erben ſtarb, fo fam Bay-
reuth an Friedrid) und nad) deſſen Tod (1536) an fet-
nen ältern Sohn Rafimir, der fid) im Bauerntrieg und
in Dienjten Raifer Karls einen Namen madte. Un—
ter ihm fand die Reformation in U. Cingang, der ſich
Friedrichs sweiter Sohn, Georg der Fromme, der U. ers
bielt, offen anſchloß. Deſſen Sohn Georg Friedrich ver-
einigte 1557 nad) dem Tode ded geächteten Kulmbacher
Markgrafen Albrecht Wicibiades die fränkiſchen Lande
wieder. Da mit ihm die fränkiſche Linie erldfden
mufte, fo wurde durd den Geraer Hausvertrag 1598
bejtimmt, dak nad) dem Tode Georg Friedrichs (1603)
die jiingern Söhne de3 brandenburgijdhen Kurfürſten
Johann Georg U. und Bayreuth (jf. d.) erhalten foll-
ten. Joachim Ernſt fam demzufolge 1603 tn den
Befis Ansbachs. Ahm folgte 1625 — 34 fein Sohn
Hriedrid), anfangs unter der Vormundſchaft feiner
Wtutter Sophie, Grajin von Solms-Laubad, die auch
einige Jahre fiir ihren gweiten Sohn, Markgraf Al⸗
bredjt (1634 — 67), regierte. Damals litt das Land
entſetzlich durch die Stiirme des Dreifigiihrigen Krie—
ges, nicht minder ſpäter nach den kurzen Regierungen
von Johann Friedrich (1667—86), Chriſtian Albrecht
(1686—92) und Georg Friedrich (1692—1703) durch
die wüſte Wirtfdaft des Markgrafen Wilhelm Fried-
rid) (geſt. 1723). Deffen Nacdfolger Marl Wilhelm
Friedrich (gejt. 1757) errichtete 1743 die Univerjitat zu
Erlangen und trat dem Bund gegen Friedrid) d. Gr.
bei, obwohl er deſſen Schwejter Friederile Luiſe zur
Gemahlin hatte. Sein Gohn Karl WUlerander, von
jeiner Maitreſſe und fpatern morganatifden Gemah-
reine A) fehr verſchieden fein, je nachdem die weidjen | lin, Der ee raven (geb. Gräfin Berkeley), beherridt,
Teile des Gaumens xr. fich ſtellen. Der Singer wei,
daß er fein A vorn an den Zähnen fingen fann, aber
aud) ganz binten am Gaumen, dak erjteres einen
»flachen«, letzteres einen »gequetidtens Ton gibt (den
cigentliden Gaumenton), und daß die bejten Tine die: |
trat 1791 UW. und Bayreuth, das ihm 1769 nad) dent
Erlöſchen der Bayreuther Linie zugefallen war, gegen
eine Jahresrente an Friedrich Wilhelm II. von Preu⸗
fen ab; er ftarb 5. Jan. 1806 finderlos in England.
YU. und Bayreuth wurden fortan als preujifde Bro-
jenigen find, die er mitten im Munde fühlt, daß es | vingen von dem gu A. refidierenden Freiherrn v. Har—
feine großen Sdwierigteiten hat, einem U, einem bel- | denberg, dem fpatern Staatstanjler, verivaltet. 1806
fen E xc. diefe Urt der Reſonanz gu geben, und daß | wurden fie von den Franjofen bejept, A. bereits 1806,
behufs Erzielung einer Einheitlidhfeit der Tongebung | Bayreuth nad) dem Tilfiter Frieden an Bayern itber-
die Refonany der Vofale beim Gejang von der beim | geben, das durch Patent vom 10. Wprif 1810 davor
Sprechen weſentlich abweiden muh. Das find tlare Beſitz ergriff. A. bildet feitdem den gropten Teil des
556
Kreiſes Mittelfranten. Val. K. H. Lang, Unnalen
des Fürſtentums A. unter der preujifchen Regicrung
1792 —1806 (Frankf. u. Leipz. 1806); Stein, Ge-
ſchichte Frankens (Schweinf. 1883—86, 2 Bde.); »Ba-
varias, 3. Bd., 2. Ubt. (Wind. 1865); Sdhorn-
baum, Die Stellung des Markgrafen Kaſimir sur
reformatorijden Bewegung in den J. 1524 — 1527
Nürnb. 1901); Ranke, Hardenberg, Vd. 1 (Samt-
liche Werke, Bd. 46); Chr. Meyer, Hardenberg und
ſeine Berwaltung der fränkiſchen Fürſtentümer A.
und Bayreuth (Miind. 1892); Suüß heim, Preußens
Politif in W. «Bayreuth 1791—1806 (Berl. 1902).
Ansbad (Anſpach, chedem Onolzbach, lat.
Onoldinum), Stadt an der Fränkiſchen Rezat, in die
hier Der Oly oder Holzbach miindet, und Rnoten-
punft der Staatsbahnlinien Treudtlingen - Ujcaf-
fenburg und Sdnelldorf-Furth i. W., 410 m it. M.,
Hauptitadt des bayriſchen Regie-
rungsbezirks Wiittelfranfen, hat 2
prot. Rirden (die St. Gumbertus-
firde mit drei Türmen und der
Georgenritterfapelle, und die 1441
erbaute Yohannistirde mit der
Marfgrafengrujt), eine fath. Kir
dhe, Synagoge, Theater, Gynma-
fium und Realſchule, Fachſchule
fiir Majfdinenbau und Cleftro-
tedynif, landwirtſchaftliche Wine
terjdjule, eine Rreisirrenanjtalt
und (1900) mit Der Garnifon (em
*
Wappen von
Ansbach.
Ulanenregiment Rr. 2) 17,555 Einw., darunter 3066
Ratholifen und 256 Quden. Das Schloß, ehemals
Refidens der Marfgrafen, enthält eine Bibliothef und
Gemäldeſammlung und dient teilweije zum Sig der
Streisbehirden. Bor demfelben das Standbild des
Dichters A. v. Platen, auf dem Marktplatz ein Brun:
nen mit Dem Standbilde ded Marfgrafen Georg des |
Frommen (gejt. 1543) und tin Schloßgarten das ded |
Dichters Uz fowie ein auf die Ermordung des Find-
lings Kaſpar Haufer (jf. d.) bezüglicher Denfitein. A.
hat Wajdhinen-, Rinderwagen-, Spielwaren., Fabhr-
rad-, Ronferven-, Lifdr-, Strohmofaif-, Gold- und)
Silberwaren- und Rabhfeidefabrifation, Eiſengieße
rei, Bierbrauerei, Beindreherei, Gold- und Silber: |
ſtickerei, Färberei, Spinnerei und ijt Sig Der Nreis: |
regierung, des protejtantijden Konſiſtoriums, eines
Landgerichts (fiir die 11 Amtsgerichte zu A., Din-
fel8biibl, Feudtwangen, Gunzenhauſen, Heidenbheim,
Heilsbronn, Herrieden, Rothenburg ob d. T., Schil-
lingSfiirjt, Uffenbeim und Wajfertriidingen), eines
Bezirlsamts, einer Filiale der foniglichen Bank und |
eines Bezirlsgremiums fiir Handel und Gewerbe. — |
Die Stadt verdanft ihren Urfprung dem St. Gi: |
bertusjtift, einem Benediftinerflojter, das, von St. |
Gumbert aus dem franfifden Herzogsgeſchlecht um
786 errichtet, 1057 in cin Chorherrentift verwandelt
und 1560 faifularijiert wurde. YL ſtand bis 1288 un—
ter Der Vogtei der Herren von Dornberg, dann der
Wrafen von Sttingen, fam durch Rauf 1331 an Die
Burggrafen von Riirnberg und war 1440—1791
marfqrifliche Reſidenz. Es ift die Bateritadt der oben
genannten Dichter Uz und A. v. Blaten. Bgl. Ja—
cobi, Urgeſchichte der Stadt A. (Ansb. 1868); Dante,
Sfizzen zur Geſchichte von A. (daſ. 1874).
Auſchaffung, jedes entgeltliche Rechtsgeſchäft un-
ter Lebenden, gerichtet auf den Erwerb des Eigen—
tums an beweglichen Sachen oder Wertpapieren. Ge-
ſchieht die A. zum Swede der Weiterveräußerung
(gleichviel ob in Natur oder nach einer Bearbeitung
Raum. — Künſtlerif
Ansbach — Anſchauungsunterricht.
oder Verarbeitung), fo bildet jie cin Grundhandels⸗
gelchift (Mandelsgefesbud vom 10. Mai 1897, § 1)
nſchaffungsgeſchäft nennt man insbeſ. aud
den börſenmäßigen Rauf. Lber dejjen Bejtencrung
vgl. Birjenjteuer.
Auſchäften, |. Veredelung.
Auſchauung bezeichnet im eigentliden Sum die
Wahrnehmung durch den Gejichtsjinn und zugleich
Die auf biefemt eq erlangte Vorjtellung eines Gegen-
| ftandes; im weitern Sinn überhaupt das unmittel
Erfennen eines Gegenſtandes im Gegenfage zu dem
durd) das Denfen, bez. durch Begriffe vermittelten ;
das eritere Heit aud) intuitives, dads zweite dis—
kurſives Erfennen. A. und Denfen, d. h. die paſſive
und die aftive Seite des Erkenntnisvorganges, wur-
den zuerſt durch Rant ſcharf unterſchieden, der aber
zugleich zeigte, beide niemals getrennt beſtehen
fonnen; durch bloße A. würden wir gar nicht einmal
im ſtande ſein, einen Gegenſtand von einem andern
zugleich angeſchauten gu unterſcheiden, da das Unter-
—— eine Funktion des Denkens iſt, während an—
derſeits dem Denfen ohne A. aller Anhalt fehlte; A.
und Denfen gehdren eben zuſammen wie Stoff und
Form. Philoſophiſche Syjteme, die (wie dasjenige
Spinozas und els) aus blofen Begriffen herans
die vollſtändige Erkenntnis der Wirklichkeit zu ent:
wickeln vorgeben, benutzen in verſteckter Weiſe doch
überall die (ſſinnliche) A., da fie ſonſt aus dent engen
Kreis ihrer Definitionen nicht herauskommen fonnten.
Alle A. iſt ſinnlich; eine nichtſinnliche (intellektuelle)
W., z. B. des göttlichen Weſens, iſt zwar von Myſtilern
und einigen Philoſophen (Fichte, Schelling) behauptet
worden, der nüchterne Geiſt weiß jedoch von einer ſol⸗
chen Fähigleit nichts. Wohl aber hat Kant nicht ohne
Grund von der empiriſchen A. (a. posteriori) eine
reine UL. (a. priori) unterſchieden, d. h. Die anſchau—⸗
liche Vorſtellung folder Objefte und Verbaltnifje, die
in der firmliden Wahrnehmung niemals verwirflidt
jein fonnen, wie die Fiquren der Geometric. l.
e A. ijt die Fähigkeit,
Dinge und Vorgänge des Lebens ſinnlich deutlich, lo—
fal und zeitlich beſtimmt, in großem Zuſammenhang
und harmonijd geordnet vorzuſtellen. Bgl. Phantaſie.
Anſchauungsform, ſ. Form.
Sz}Ganungdantecrisit, im erjtenQugendunter-
richt Ubungen, die dad Rind (nach Peſtalozzi) bemer
fen und reden lehren. Dem ſechsjährigen Rinde feblt
zumeiſt nod) der jum Unterridt ndtige Borrat dent:
licher Unichauungen, wie die Fähigkeit, aufzumerlen
und, was es wahrnimmt, flar auszuſprechen. Es neuf
Daher erjt »bemerfen und reden« lernen. Unter Lew
tung des Lehrers werden wirkliche Gegenſtände oder
pajjend gewählte Bilder methodiſch betradtet und be-
ſprochen. Unbekannte Worter, Namen u. dgl. milffen
dabei vom Lehrer, jedod) immer erjt nad) gewonnener
Anſchauung, gegeben werden. Bon einyelnen An—
jdhauungen und Vorjtellungen wird vorfidtig gu Wb-
jtraftionen ( Begriff, Yirt, Gattung, Urteil) vorgeſchrit⸗
ten. Mancherlet Unwendungen auch auf das fits.
“leben, Würzung ded Unterrichts durd Meine Sprüch⸗
Lieder ꝛtc. ergeben fid) dabei fiir Den verſtändigen Leh
rer von felbjt. Das diefem A. zu Grande —
Prinzip führt auf Montaiqne, Campanella na:
mentlid) auf Bacon juriid, der, geqeniiber der Me-
thode der Scholaftifer und der Humaniften des 15. und
16. Jabrh. (Verbalijften), die firmliche Anſchauung
ald das Fundament alles wifjenidaftliden Verfabrens
(Realismus) bezeichnete. Dieſes wiſſenſchaftliche
Prinzip Bacons hat zuerſt, durch ihn wie durch Cam-
Anſchießen — Anſchlag.
panella, Ratfe u. a. angeregt, Johann Amos Come-
nius (f. d.) folgerecht auf den Unterricht angewenbdet.
Seine Vorſchrift fiir den erſten Unterricht lautet:
»Nicht mit verbaler Beſchreibung, fondern mit realer
Anſchauung muß man beginnen« ; daber fein berithm-
ter »Orbis pictus«. Für alle Stufen des Unterridts
verlangt er jtrengen Barallelismus der Sachen und
der Worter. Die Schulordnung Herzog Ernſts des
Frommen von Gotha, verfaßt durch Undreas Reyher,
führte diefe Grundſätze in die deutſche Volksſchule cin.
Auch die Hallejdhen Unjtalten Frandes und die Ber-
liner Realſchule (Heder) pflegten in ihrer Urt Anſchau—
ung und anjdauliden Unterricht. Weiter gingen
Rouffeau, Baſedow, Rodow und namentlid) Pejta-
logat. der den »>Denfiibungen« der Philanthropijten
und Gofratifer die Unfdauung gur feften Basis und
das Ungefdaute als Inhalt gab. So entjtand ein be-
jonderer A. als propädeutiſcher Vorkurſus fiir die
Schule überhaupt. Dieſer Unterrichtszweig hat ſeine
eigne Geſchichte und cine unifangreiche Literatur (Pe—
ſtalozzis⸗Buch der Miitter«<, » Wie Gertrud ihre Kinder
lehrt⸗ u. a.; v. Türk, Grakmann, Harnifd, Denzel,
Grajer, Diejterweg, Curtman, Bolter ꝛc.). Gegeniiber
manchen —— Übertreibungen beſchraͤnkt die
neuere Pädagogit ſich meiſt auf die Forderung, daß
Ynfdauungs- und Sprechübungen den erſten Schreib⸗
leſeunterricht vorbereiten und begleiten, und daß jeder
Unterricht (Rechnen, Naturkunde, Erdkunde ꝛc.) in fei-
nen tat wejentlid) UW. fein und immer wieder
auf Anſchauung zurückgehen foll. In fpradarmen
oder zweiſprachigen enden, bei ftarf abweichender
Mundart rc. farm aber die Schule gefonderten A. kaum
entbehren. Die neueſte Methodif ory aud fiir Den
fremdfpradliden Unterridt bas Ausgehen von
einer Urt A. und ijt damit fiir die lebenden Spraden
(Englijd, Franzöſiſch) bereits Durdgedrungen ; weni-
ger aus nabeliegenden Griinden fiir das Latein.
Anfchiefen, aus neugefertigten Waffen eine ge-
wiffe Anzahl von Schüſſen abgeben. Das U. bezweckt
die Priifung der Gitte und Haltbarfeit des Materials
und die Ermittelung der Trefffähigleit, die eventuell
durd) Requlierung von Rorn und Vifier verbeſſert
wird. Bei Schrotgewehren priift man das Zuſammen⸗
halten der Sdhrote und Durchſchlagskraft derjelben.
Neue Lafetten werden durd A. auf ihre Haltbarteit,
gutes Funttionieren aller Teile, befonders der Richt⸗
maſchinen 2., gepriift. — In der Dageriprade heißt
A. (Unfdweifen) durd cinen Schuß verwunden
(j. Anſchuß).
Anfchirrung Unjpannung), die Art und Weiſe
der Verbindung der Bugtiere mit den Fuhrwerken. Bei
Pferden und Maultieren wird vorwiegend das Kumt,
cin fteifer, geſchloſſener, mit Polſtern verfehener Hals- |
gurt, oder Das Sielengefdirr, cin Brujtqurt, ver-
wendet (val. Gefdirr), bei Rindern day Sod, ent: |
weder als Doppeljod) (un garifdes J od) fiir zwei
Sugtiere oder als Halbjod fiir ein Tier, die ant Kopf
(Ropfjod), und gwar je nad) der Stellung der Hör—
ner an der Stirn (Stirnjod), am Raden (Naden-
jod) oder am Hals (Hals- oder Widerrijtjod)
angelegt werden. Das Doppeljod) belajtiqt die Tiere
a als bas Einjeljod), erleichtert jedoch Das Cinfiih-
ren der jungen Tiere gum Sugdienjt und ermöglicht
ſcharfe Wendungen und fdynelles Unbhalten beim Fah—
ren. Bgl. Zürn, Geſchirrkunde und Beſchirrungs—
lehre (Leipz. 1897); Sdoenbed, Befdirrungs- und
Anſpannungsgrundſätze bei Pferden (Berl. 1899).
Auſchlag Affiche, Plakath, jede öffentlich an-
geheftete oder angellebte Befanntmadung, fiir deren
557
Drud man fics gewöhnlich qrofer, auffallender Schrif-
ten, fogen. Blatatfdriften, häufig auch bunter Farbe
und bunten Bapiers bedient. Nordamerifa und Eng-
land waren die erjten Pflegſtätten folder, öfters auch
illuſtrierten Riefenplafate, bei denen oft in Den Haupt-
jeilen jeder Buchjtabe einzeln gedrudt und angeflebt
ijt. In Franfreid) ijt geſetzlich das weiße Papier fiir
die Veröffentlichungen der Verwaltungsbehörden vor-
behalten, in cingelnen Städten Deuthchlands, befon-
ders in Berlin, das rote. Jn manden Staaten ijt die
polizeiliche Genehmigung fiir die Anſchläge nötig, in
Rußland muß ſie ihnen ſogar beigedruckt ſein. Jedoch
wird auch in Staaten, wo die Zenſur nicht erforderlich
iſt, dieſe von den Pachtern der Anſchlagſäulen eingeholt,
um nachträglichen Verhoten und Strafen ju begegnen.
Jn Deulſchland und Oſterreich ijt auf jedem A. der
Name und Wohnort de3 Verlegers und Drucers not-
wendig. In Franfreid wird cin nach der Größe des
Papiers abgejtufter Affichenſtempel erhoben. Im Deut-
ſchen Reid) (Reichsſtrafgeſetzbuch, § 134) wird das bös⸗
willige Ubreifen, die Beſchädigung oder Verunjtal-
tung amtlider Anſchläge, hirter als nad) franzöſi—
fem Recht, mit Gefingnis bis yu 6 Monaten oder
Weldjtrafe bis gu 300 Me. geahndet. — Sdon Athen
und Rom fannten die Unjdlage; man liek Geſetze und
Senatsbeſchlüſſe in Tafein von Erz und Marmor ein-
qraben und dieſe alsdann auf den dffentliden Plätzen
augjtellen. Jn Rom benugte man ſeit dem 15. Jahrb.
den » Pasquino« genannten Statuentorjo zu wipigen
und fatirijden Plafaten, auf die dann der »Marfo-
riv«, cine Flupgottitatue bei San Pietro, in entipre-
chender Weiſe antwortete. Auch in Franfreid) waren
die Plafate bereits vor Erjindung der Buchdruckerkunſt
im Gebrauch. Schon 1407 wurde ein foniglidjes Pa⸗
tent erlajjen, das das Unbheften von aufriihrerijden
Plafaten verbot, und 1539 ſchrieb ein Edift Franz' I.
nicht nur ibren Gebrauch fiir dffentlide Erlaſſe vor,
fondern ordnete aud) an, daß man ſich fortan hierzu
Der franzöſiſchen Sprache und nicht mehr der bisher
iibliden lateiniſchen bedienen folle. Die Benutzung
der Anſchläge hat in neuerer Zeit ungemein zugenom⸗
men; neben den beſonders dafür errichteten Säulen
(Anſchlagſäulen, in Berlin nach dem Begründer
früher Litfaßſäulen genannt) auf Straßen und
Plätzen bedient ſich die Reklame aud) transportabler
Geſtelle und Wagen, die bei Dunfelheit erleuchtet wer-
den fonnen, und Perjonen, die, mit Plafaten behängt,
jid) in den Hauptitrajen bewegen. 1892 wurden in
Berlin fogen. Uraniaſäulen erridtet, die mit dem
| Unnoncenwefjen gemeinniipige Zwecke (Zeit⸗ und Wet-
terangaben u. dql.) verbinden. Uber die filnjtlerifde
Unsitattung der Anſchläge ſ. Blafat.
Anfchlag, foviel wie Koſtenanſchlag, Berechnung
des Koſtenbedarfs, 3. B. cines Bauunternehmens (}.
Bauanſchlagh. — W. de3 Gewehrs, das Halten des-
jelben in ſchußfertiger Lage mit dem Kolben am Kopf.
Wan liegt im W., wenn man mit dem angeleqten Ge—
wehr ſchußfertig auf das Schiefobjeft wartet. — Jn
Der Tijdlerei die Seite des Falzes (f. d.), gegen die bei
Fenſterfuttern und Türzargen die Fenſter- und Tür—
flügel ſchlagen.
Hujdlaa, bei Tajteninjtrumenten (Klavier, Or-
el) Das Riederdriiden der Tajten. Wan fagt: »das
Sorftremment hat einen ſchweren oder leidjten A.«, d. h.
eine ſchwere, leichte Spiclart, es erfordert viel oder
wenig Rraftaufwand. Ferner fpridt man vom A.
eines Rlavierjpiclers: er hat einen quten, weiden,
fraftigen oder cinen barten, ecigen, ſchwächlichen YL,
je nadpdent er das Inſtrument ju behandeln verjteht
558
oder feiner phyſiſchen Unlage nad) vermag. Endlid |
gibt es verjdiedene Unfdlagsarten (Urtifula-
tionsweiſen) fowobl fiir Das Mlavier als das Or-
gelfpiel, durch welche Die Dom Romponijten gefor-
derte Urtifulation, das Binden oder Stofen der Tone
bewirft wird (vgl. Legato, Staccato, Portato).
Anſchlageiſen, —formiges Wertzeug mit zwei
Sdneiden, von denen eine parallel, die andre redt-
winfeliq jur Achſe des Werkzeugs fteht, wird jum
Cinarbeiten von Nuten fiir Cinjtedidlojjer xc. benugt.
Anfdlagen, im Seewejen (aud unterfdlagen)
ein Segel an der Raa oder Gaffel befejtigen. Jn der |
Jägerſprache das Lautwerden der Hunde ; das Gewehr |
idubbereit anlegen.
Anfdlager, Handwerfer, die an den Tiiren und
Fenſtern Die Beſchläge anbringen.
Aunſchlagliek, ſ. Raaliet.
Anſchlagwinkel (Wintel, Winkelhaken), ein
Winkel mit zwei ungleich langen Sdenfeln und einer
Führungsleiſte, dient zum Vorzeichnen rechter Win-
fel, zum Ziehen paralleler Linien x.
ſchlämmeun, ſ. Pflanzenpflege.
Auſchlämmung, ſ. Limonage.
Auſchlieffung früher Adhäſſion), in der Rechts
ſprache die gerichtliche Erkllärung, einer von einem
andern berett3 vorgenommenen Prozeßhandlung bei⸗
treten zu wollen. Nach der deutſchen Zivilprozeßord⸗
nung ($521 ff. u. 556) darf fic) der Berufungsbeklagte
der von dem Berujungsflager eingelegten Verufung, |
aud) wenn er darauf verzidjtet bat oder Die Beru- |
fungsfriſt abgelaufen ijt, anſchließen, d. h. aud ſeiner⸗
ſeits Abänderungen ded Urteils zum Nachteil des Be⸗
rufungsfligers beantragen. Die A. verliert regelmäßig
ihve Wirfung, wenn die Berufung juriidgenommen
oder als unjulafjig verworfen wird. Jit die A. inner-
halb der Berufungsfrijt erfolgt, fo wird fie aber fo an-
gejehen, als habe der BerufungSbeflagte felbjtindig
rufung eingelegt. DaSsfelbe gilt bezüglich der Re-
vifion. Die W. wird aud Unfdlugberufung oder
Unfdlurevifion (Unfdlupverfahren) ge⸗
nannt, obgleich fie fein eigentliches Rechtsmittel ryt.
Auch im Strafprojzeh gibt es cine A., indem fic) der Ber-
legte an Dic öffentliche Klage der Staatsanwaltſchaft
Auſchluß, ſ. Fernſprecher. anſchließen darf.
Aunſchlußbatterie (Anſchlußglacis), ſ. Feſtung.
Auſchlußberufung, ſ. Anſchüeßung.
Anſchlußidoſe, Vorrichtung jum Anſchluß eines
Yipparats, z. B. einer Lampe an cine elektriſche Lei-
tung, bejtebt aus zwei leitenden, voneinander ifolier-
ten Wetallhiilien, die mit den eleftrijden Leitungen
verbunden und jum Schutze gegen Kurzſchlüſſe außen
mit etner Holzhülſe umlleidet find. Sn die Metall
hülſe wird cin Stdpiel cingejtedt, deffen zwei Metall-
befletbungen mit den beiden Hiilfen in leitende Berbin-
Anſchlageiſen
dung gebracht werden. Un den Stöpſel ijt die Lofe |
Leitungsſchnur befeftiqt, an deren anderm Ende die
cleftrifdje Lampe oder ein andrer zu betreibender Ap⸗
parat angeſchloſſen ijt.
Auſchluſwerfahren, ſ. Anſchließung.
Anſchmiermaſchiune, ſ. Buchbinden.
Anfduciden, das Anfreſſen des von den Hun-
den gefangenen Wildes durch Diefelben. — In der
Vermejjungsfunit heißt A. (Anviſieren) das Ein—
ſtellen der Viſierlinie eines Meßinſtrumentes auf einen
beſtimmten Punkt.
Anſchoppung, die Anfüllung eines Organs oder
eines Organteiles mit ausgetretenem Blut, wie beim
Beginn der Lungenentziindung oder der Bildung
fogen. Infarlie in Milz und Rieren.
— Anjdiig.
Anſchõvis (Engraulis C. V.), Gattung der Ge-
ringsttide (Clupeidae), Fiſche mit welt voripringen-
dem Oberfiefer, fehr wettem Wund, vor dem ng
der Riidenflojje ftehendDen Bauchilojjen und glatter
Baudlante. Die AW. (Sardelle, E. encrasicholus L.
j. Abbild.), 15 em fang, auf dem Riiden bräunlichblau,
an den Seiten und am Baud wei. bewohnt das Wittel-
meer, aud) den Utlantijden Dzean, feltener Hord-
und Oftfce und wird zur Laichzeit (Wat bis Juli), wo
fie in Scharen an die Küſten fommt, in Newen gefan-
gen, fofort gefopft, ausgenommen und im fletnen
Anjdovis.
afjern eingejalyen (echte Sardellen, echte WL)
Am bedeutenditen ijt Der Fang an der Miijte der Bre-
tagne. In Norddeutjdland find am gebraudlidjten
Brabanter Sarbdellen von den holländiſchen und bel:
giſchen Küſten. Bisweilen fonnnen als Sardellen
aud) junge Pilcharde tn den Handel, die an der ge
drungenern Gejtalt, etwa nod) vorbandenen Mel:
ſchuppen und daran erfannt werden, da Die Baud-
flofjen unter der Riidenflojje jtehen. Wan bevorzugt
Fiſche mittlerer Größe und friſchen Fang, da die Sars
dellen fich zwar 4—5 Qabre balten, aber an Gitte
ſehr verlieren. Die als U. (Rraduteranfdhovis) in
den Handel fommende Nonferve mit Gewii und
Eſſig bejteht aus Sprotten der Nord- und Ojtfee. Die
bejten fommen aus Chrijtiania (Skarp sild).
Anfdhovisbirne, j. Grias.
Anſchuldigung, falſche, ſ. Anzeige.
Anſchufß, der Fleck an dem das Wild ſtand, als es
den Schuß erbielt, kenntlich Durd den tiefen Gindrud
der Fährte (Cingriff), durch das abgeſchoſſene Haar
und häufig aud durd den Schweiß (Blut); aud de
durd den Schuh entitandene Wunde ( j. Birſchzeichen
Anſchütz, 1) He in rich, Scaujpieler, qeb. 8. Febr.
1785 in Ludau, geft. 29. Dez. 1865 in Wien, bezog
1804 die Univerſität Leipzig, wo die Gajtvorjtellun-
gen Ifflands, Eßlairs und Wolffs die Neigung, ſich
für die Bühne auszubilden, weckten. Nachdem er
1807 als Adolf v. Klingsberg die Bühne zuerſt in
Nürnberg betreten hatte, war er von 1811-—21 in Kd-
nigsberg, Danzig und Breslau tätig und folgte dann
einem Ruf an das Hofburgtheater ju Wien, wo er
lange als Regijjeur fungierte. Früher tm Fach der
| Heldenrollen ausgezeichnet. gab er fpater mit gleichem
Erfolg Heldenvater und Charafterrollen. Tiefe umd
wabre Auffaſſung zeichneten fein Spiel aus. Bal.
ſeine Selbſtbiographie: »Heinr. A. Crinnerungen aus
deſſen Leben und Wirken⸗ (Wien 1866). Sein
Sohn Roderic A., geb. 24. Juli 1818 m Breslau.
| qeitorben als öſterreichiſcher Staatsbeamter 26. Wai
1888 in Mödling bei Wien, ſchrieb mehrere Dramen.
2) Auguſt, Redtsgelehrter, geb. 9. Jan. 1826 in
Subl, gett. 3. Mug. 1874 in Bad Soden, war nad-
einander Brofeffor in Bonn, Greifswald und feit 1862
in Halle. Er fcbrieb: » Die Lombarda-Nommentare des
Uriprand und VWibertus< (Heidelb. 1855); » tie
Erbfolge in Die neuvorpommerjden und riigenfden
Lehngüter«⸗ (Halle 1864); »Summa legis Longobar-
dorum« (Daj. 1870); ⸗Kommentar jum allgememen
deutiden Handelsgqefepbud< (mit v. Volderndorjf.
| Erlang. 1867—-73, 3 Bde.) u. a.
|
|
Anſchweif — An ſich. 559
Pa ba , die Rette der Gewebe.
Anfdweifen, cin Wild anſchießen. Uber A. in
der Technik ſ. Schmieden.
Anuſchwemmung (Alluvion), ſ. Alluvialländer
und Alluvium.
Anſchwöden, ſ. Leder.
Ansdell, Ricard, engl. Maler, geb. 1815 in
Liverpool, geſt. 20. April 1885 in Farnborough (Hanrp-
fhire), widmete fic) erjt mit 21 Jahren der Malerei.
Nachdem er mit iy 8 Benrebildern beqonnen, malte
er 1842 den Tod Gir W. Lambtons bei Marjton-
Moor und 1844 die von der Jagd guriidfehrende Kö—
nigin Maria von Sdottland. Belannter als durch
diefe Bilder wurde er durch feine zahlreichen Tier—
jtiide, die er in Der Weife Landjeers, aber mit weni-
er Geijt und Ausdruck malte. Dahin qehiren: der
od (1843), Der Kampf (1848), die Rache des Schaf⸗
hirten und die Fuchsjagd tm Norden (1855), der Vieh—
marft in den Hodlanden (1874), der Wolftdter und
einige Schafbilder. Nadjdem er 1856 und 1857 Spa-
nien bereijt hatte, fdjilderte er auch dad dortige Bolts-
und Tierleben.
Anfe Gor. ange), Städtchen im franz. Depart.
Rhone, Urrond. Villefrande, an der Lyoner Bahn,
unfern ber Sadne, mit (1901) 1372 Cinw.; im Viittel-
alter Verjammlungsort mehrerer Konzile (jo 1025
und 1100).
Anfeele, Eduard, belg. Sozialiſt, qeb. 26. Juli
1856 in Gent, zuerſt als Schreiber, Zeitungsverkäu—
fer und Schriftſetzer tätig, widmete fich früh der Schrift-
ftellerei, verfafte die fozialijtifdyen Romane » Voor't
Volk geofferd« und »De Omwenteling van 1830-,
beqriindete das fozialdemofratijche Blatt » Volkswil«,
ward Chefredafteur ded » Vooruit« und wurde 1886
wegen prorat mit Gefängnis bejtraft. In fei-
ner Vaterjtadt, deren Gemeindevertretung er feit 1895
angehört, ſchuf er fiir die Urbeiter die große genof-
ſenſchaftliche Vereiniqung »Vooruit« mit prächtigem
Kaufhaus (1899). Jn der Kammer, deren Mitglied
er ſeit 1894 ijt, vertritt er Die Unfdhauungen des red)-
ten Flügels der So;ialijten.
— mit einem Schiff zuſammenſtoßen, auch
an die Küſte ſo nahe hinanſegeln, daß ſie in Sicht
fonmmt. Vergnügungsjachten ſegeln, zu größerer Zahl
verſammelt, die Segeljahreszeit an und ab. Anſege—
lungsmarken, val. —— und Landmarken.
uſegelungsplatz, ſ. Orderhafen.
Anfegifel (aud —E if), geb. um 605, afi
685, Sohn des frantifden Biſchofs Arnulf von Meg,
630 vermählt mit Begga, der Tochter Pippins von
Landen, wurde Vater Pippins von Herijtal und fo
Stanrmvater des Geſchlechts der Narolinger.
Anfelm von Canterbury, ſcholaſt. Philoſoph,
qeb. 1033 ju Aoſta in Biemont, geft. 21. April 1109,
unter dem Einfluß fener Mutter Emmerberga reli-
qids, unter dem feines Vaters Gandulf weltlid er-
zogen, trat er nach einem wilden Jünglingsleben 1060
im das Benediftinerflojter Bec in der Normandie,
wurde 1064 Prior und 1093 als Nachfolger feines
Lehrers Lanfranc Erzbiſchof von Canterbury. Wis
cifriqer Vorkämpfer fiir die Rechte der Kirche und des
tes geriet er in Streitiqfeiten mit Wilhelm IT.
und Heinrid I. von England, infolge deren er zwei—
mal (1097-1100 und 1103--1106) fein Bistum
verlaffen mußte und erjt nad) dem BVertrag von Bec,
der dem Inveſtiturſtreit ein Ende madte, definitiv
viidfehrte. A. ward nad) feinem Tode fanonifiert.
fe ging davon aus, daß der Glaube unantajtbar fejt-
jtebe, daß aber die Wiſſenſchaft die Wufgabe habe,
den Anhalt de3 Glaubens gu felbjtiindiger Einſicht fiir
die Vernunft gu bringen (fides praecedit intellec-
tum; credo ut intellegam). Indem er fo den fiber-
lieferten theologijden Lehrſtoff mit dem Denfen be-
arbeitete, ijt er Der Vater der Scholajtif geworden. Als
Philofoph ijt er am einflußreichſten durch den fogen.
ontotogtiden Beweis fiir das Dajein Gottes gewor-
den, den er in Der Schrift » Proslogium« (Alloquium
Dei) zuerſt aufitellt, wabhrend er in einer jweiten, » Mo-
nologium« (betde hrsg. von Haas, Tiibing. 1863),
den Wottesbeqriff mehr in fosmologijder Weiſe ge-
winnen will. Der ontologijcdhe Beweis ijt cin Ver—
ſuch, aus dem Begriff Gottes das Dafein desfelben
durd) die Schlupfolqerung dargutun, dak im Begriff
Bottes al8 des ſchlechthin Größten, iiber das hinaus
ein Höheres nidjt mehr gedacht werden kann, liege,
daß Derfelbe nicht nur im Verſtand, fondern auferhalb
desfelben Wirklicfeit habe. Cin Zeitgenoſſe Unfelms,
der Mind Gaunilo im Kloſter rmoutiers bei
Tours, hat (wie ſpäter Nant) dagegen bemerft, daj
aus dem Denfen des Gottesbegriffs ein Sein Gottes
in der Wirklichkeit nicht folge. In der Schrift »Cur
deus homo« (hr3q. von Fritzſche, 3. Aufl., Zür. 1894;
deutſch von Tſchirlitz, Quedlinb. 1861) fucht A. aus
blofer Vernunft dargutun, daß und wiefern Gott fid
felbjt fiir die Siinden der Welt Genugtuung gebe, in«
dem er jurijtifde Beqriffe auf ethiſch-religiöſe Ver-
haltniffe anwendet. Jn dem Streit zwiſchen Realijten
und Nominalijten (j. Nominalismus) ftand A. auf
Seite der erjtern gegen Roscellinus (j. d.). Die Werke
Ynfelm3 wurden zuerſt 1491 und 1494 in Riirn-
berg, Dann öfter gu Paris (namentlid) 1675, hrsg.
von Wabr. Gerberon) und im 155. Bande der » Pa-
trologias von Migne (Par. 1852—54) wieder ab-
gedruckt. Val. über thn die Monographien von Haſſe
(Leip;. 1843— 52, 2 Bde.), Rémufat (Bar. 1854),
Rule (Lond. 1882, 2 Bde.) und Rigg (daſ. 1896).
Anser, Gans; Anserinae, Unterfamilie Der Zahn—
ſchnäbler.
Anſetzen, das Straffſpannen der Talelung.
Anſetzer, |. Geſchützzubehör.
Ansgar (Ansgarius, Anskarius), der Upo-
ſtel des Nordeng, geb. 801 in der Picardie, geſt. 3. Febr.
865, war Vidnd) in dem Kloſter Korvei an der Wefer,
bis er 826 von Ludwig dem Frommen beftimmt
wurde, den neugetauften Dinenfinig Harald nad
Dänemark ju begleiten, um dajelbjt die chrijtliche
Lehre auszubreiten. Rach furzer Wirkſamkeit dort 828
vertrieben, madjte er 829 cine Miffionsreije nach
Schweden und erhielt 831 das fiir die nordijde Miſ—
fion gejtiftete Ersbistum Hamburg, das 847 nad)
Bremen verlegt wurde. Von da aus chrijtianifierte
er Schleswig und unternahm 852 eine zweite Miſ—
fionSreife nad) Schweden; aud) auf die Slawen er:
ſtreckte fich feine Miffion. Er wurde nad jeinem Tode
fanonijtert. Sein Leben beſchrieb Rimbert, fein Nach—
folger auf dem erzbiſchöflichen Stuhl (hrsg. in den
»Monumenta Germaniae historicas, Bd. 2; deutſch
von Laurent, 2. Wufl., Leipz. 1889). Bal. Dehio,
Geſchichte des Erzbistums Hamburg-Bremen bis zum
Ausgang der Miſſion (Berl. 1877, 2 Bde.).
Wn fich, ſoviel wie »ohne Rüchſicht auf ein an-
Deres«; Daher an fid) gewiß: unmittelbar oder unbe-
dingt gewiß, an fid) betradtet: ohne Rückſicht auf
andres betrachtet, am fic) friend: unabhängig von
jeder andern Exiſtenz feiend. Die Cigenfdjaften, die
ein Ding an fid)« hat, jtehen im Gegenfage zu denen,
die es in Wechſelwirkung mit andern, insbeſ. dent
wahrnehmenden Gubjeft gegenitber, zeigt.
560
Anſicht, cin weniger durch objeftive, in der Na-
tur Der Sache liegende Entſcheidungsgründe als viel
mehr durch fubjeftive Momente (3. B. Gefiihle) be-
ſtimmtes Urteil, hauptſächlich in folden Fragen, die
ciner cindeutigen objeftiien — — epee
nicht fähig find (religidje A., politiſche A.). — Im
phyſilaliſchen Sinn bedeutet YW. das Bild, dad ein
Gegenjtand unter einem bejtimmten Gejicdtswintel
und von einem wirflid) behaupteten (perfpeftivijde
YW.) oder fcheinbar eingenommenen (perfpeftivijde
Täuſchung) Standpunft aus gewährt.
Auſichtspoſtkarten, |. Poſtlarte.
Anſidonia, Ruinen, ſ. Coſa (Stadt).
Anſiedelung, die Beſitznahme unbebauter Län—
dereien, dann fiberhaupt die Errichtung einer neuen
Wohnſtätte außerhalb ciner im Zuſammenhange ge—
bauten Ortſchaft. Einzelanſiedelungen bedürfen in
den meiſten deutſchen Staaten der ortspolizeilichen
Genehmigung. Mehrere im Zuſammenhang liegende
neue ——8 — bilden eine Kolonie. In Preußen
war durch Geſetze von 1807 und 1811 die Zerteilung
der Grundjtiide und die Griindung neuer Anſiede—
{ungen dem freien Ermejfen des Cigentiimers über—
lafjen worden. Die daraus fiir die Gemeindeverwal-
tungen, namentlid) rüchſichtlich Der Berteilung der
Gemeindelajten, fic) erqebenden Übelſtände fiibrten |
gu den Geſetzen vom 3. Jan. 1845, bez. von 1850
und 1853, wonad) Anſiedelungsgenehmigung erfor-
derlid) war, wenn auf cinem unbewohnten Grund-
jtiid, das nicht gu einem andern bereits bewohnten
Grundjtiid gehirte, Wohngebäude erridtet werden
jollten. Rach dem fiir die dltern Provingen Preußens,
ausſchließlich Der Rheinprovinz, geltenden Geſetz vont
25. Aug. 1876, dem Gejeg fiir Hannover vom 4. Juli
1887, fiir Qauenburg vom 4. Rov. 1874, fiir Sales-
wig-Holftein vom 13. Juni 1888 und fiir Hefjen-
Raffau von 11. Juni 1890 muj die Anlegung einer
A., bez. Kolonie vom Kreisausſchuß genehmigt werden.
Nicht ſelten ijt A. aud in Ländern alter Kultur
als Maßregel der Bevölkerungspolitik ſowie gu wirt—
ſchafts⸗ und ſozialpolitiſchen und zu nationalen Zwecken
angewendet worden. Man bezeichnet ſie dann auch
als Innere Koloniſation (jf. d.), die innerhalb
ciner bereits vorbandenen jtaatliden Gemeinſchaft und
cuf bereits in Vejis qenonunenem Boden durch Schaf⸗
fung neuer, meijt fleiner und mittlerer Befipein-
heiten (Unfiedelungsqiiter) einen der genannten |
Swede ju erreiden erjtrebt. Wm befanntesten ijt die
neuere preufiideUnfiedelungsqefepqebung.
Hier wurde durd) Geſetz vom 26. April 1886 der
Regierung ein Fonds von 100 Mill. Me, der durd
Geſetz vom 20. April 1898 auf 200 Mill. We. erhöht
wurde, zur Verfügung geftellt ju Dem Swede, um zu—
nächſt polnijde Beſitzungen in den Provinzen We ft -
preugen und Poſen gu erwerben und durd A.
deutſcher Bauern, Handwerfer und irbeiter auf Stel-
fen von fleinem oder mittlerm Umfang einerfeits die
Muft swifden Arm und Reid) durd eine Vermehrung
des Mittelſtandes fiinjtlich gu tiberbriiden, anderjeits
das deutſche Clement in jenen Gegenden ju ſtärlen.
Die Musfiibrung des Geſetzes ijt der fdnigliden An—
ſiedelungskommiſſion iibertragen, die fiber ihre
Tatighett jahrlid) Bericht ju erjtatten hat. Sie beſteht
aus den Oberprajidenten der Brovingen Weſtpreußen
und Pofer, fünf Miniſteriallommiſſaren, neun fon
ftigen vom Konig auf drei Sabre ernannten Mitglie-
Dern und dem erforderliden Perſonal an Beamten,
Tedhnifern, landwirtidaftliden Sachverſtändigen 2.
Die Überlaſſung der cinjelnen Stellen an deutfche |
Anſicht — Anjon.
Anſiedler erfolgt zu Eigentum gegen Zahlung einer
feſten, aber ablösbaren Geldrente (ſ. Rentengiiter)
oder auch in Zeitpacht. In der Zeit vom 26. April
16886 bis 1. Jan. 1901 bat die Anſiedelungskommiſ⸗
ſion 147,475 Hettar Grundjtiide fiir rund 100 DUIL
ME. — 3,64 Broz. der Fläche Pofens und 1,65 Bro}.
der Fläche Weſtpreußens erworben. Anſäſſig gemadt
ſind 4277 Anſiedlerfamilien mit rund 30,000 Köpfen
(davon 2715 Familien von auferhalb der Anſiede⸗
lung8provingen zugewandert) auf 70,500 Heltar Stel
lenlandes, deſſen Selbjttojtenwert rund 50 Will. Wt.
betragt. Dazu kommen nod rund 4000 Heftar Do-
| tationslandereien fiir Gemeinden, Rirden und Sdu-
fen und 18,000 Heftar fisfalifde, als verfiiqbar be:
zeichnete Ländereien, Die fiir Die fpdtere Uniteilung,
beg. Vergebung an den Ynfiedlernadywuds vorbebal-
ten find. Durd) Neubauten der Anſiedler find neben
den fislaliſchen Gebaiuden gegen 4000 Wohnungen
(3700 Anſiedlergehöfte) erridtet worden, deren &
auf 32—35 Mill. ME. geſchätzt wird. Auf jedes An—
fiedelungsgut fommen 30 — 35 Anſiedlerſtellen; 110
Landgemeinden find neu gebildet, andre umgebildet
worden. Für Geneindeswede find 76 Gebaude (meiit
Yrmen- und Spritzenhäuſer) erbaut worden ; 19 Mir-
den, 12 Bethäuſer, 17 Pfarrgehöfte und ein Orga
nijtengebift, 118 Sdulgemeinden und 116 Schulen
find neu erridtet worden. Der Wert der öffentlichen
Gebäude betriigt rund 3,5 Dill. ME. Zahlreiche ge-
noſſenſchaftliche Gründungen in den Unjiedlergemem:
den (61 Spare und Darlehnsfafjen, cine Rornhaus-
genoſſenſchaft, 3 Kaufhausgenoſſenſchaften, 15 Mol-
lerei⸗ und 8 Wtiillereiqenojjenfdaften, 11 Brennerei-
enoſſenſchaften, 21 Drainagegenofjenfdaften x.)
orgen fiir Hebung des wirtſchaftlichen Zuſtandes der
Ynhedler. Val. auger den jährlichen Berichten der
Anſiedelungslommiſſion: Langhans, Karte der
Tätigkeit der Anſiedelungslommiſſion fiir die Pro—
vingen Weſtpreußen und Poſen 1886 — 1899 (2. Aufl.,
Gotha 1899); Sohnrey, Cine Wanderfabrt durd
die deutſchen Unjiedelungsgebicte in Pofen und Beit-
preußen (Berl. 1897); Wittſchier, Das ftaatliche
Beſiedelungsweſen in den preußiſchen Ojtprovingen
(Stuttg. 1901); Wal, Das preufifche Rentengut
F fe bel jerge’
nfiedelungsgefengebung
———— ſ. Anſiedelung.
Anſiedelungskommiſſion |
Anſitz, ſ. Unitand.
Ansleybai, ſ. Annesleybai.
Anſon (qvr. anng’n), George, Lord A. von So—
berton, brit. Admiral, geb. 23. April 1697, geit.
6. Juni 1762, trat 1712 in die Marine, ward 1723
Fregattenlapitän und diente in den amerilaniſchen Ge⸗
wäſſern, wobei er 1735 in Siidcarolina Me Stadt Un
jon griindete. Jn dem 1739 ausgebrodenen Kriege
mit Spanien follte er die fpanifden Rolonien im We
ften Umerifas angreifen. A. umſegelte mit einem fei-
nen Geſchwader 1740 das Rap Hoorn, landete in Veru
und Chile, fteuerte dann durch Die Sildjee, umſchifite
das Borgebirge der Guten Hoffnung und febrte ant
reicher Beute 15. Juni 1744 juriid. Unjons kuhne
Expedition wurde von Walter u. Robins unter dem Ti⸗
tel »George Anson's voyage round the world in the
years 1740- -1744« (ond. 1748, neue Ausg. 1853;
deutſch von Tope, 2. Aufl. Gotting. 1763) befdrieben.
Das Parlament votierte A. den Dantl der Nation, der
König ernannte ibn jum Ronteradmiral der Blauen,
1745 der Weißen und 1746 gum Vizeadmiral der
Blauen Flagge. Vs folder errang er 3. Wai 1747
Anjonardipel
mit Udmiral Warren den Seejieg beim Rap Finisterre
iiber cine franzöſiſche Flotte unter Jonquiere, wurde
Beer, 1748 Udmiral der Blauen Flagge und war 1751
bis November 1756 und abermals feit Juni 1757
erjter Lord der Admiralität; 1758 leitete er die Blodade
von Brejt. 1761 ward er Udmiral der Flotte. Val.
Barrow, Life of George Lord A. (Lond. 1839).
Anfonarcdipel, Name fiir die vielen fleinen, zwi⸗
fdjen 156 und 175° öſtl. L. gerftreuten Siidfeeinteln,
Die, foweit ihr Beſtehen überhaupt feſtgeſtellt ijt, meiſt
nod) unerforſcht find.
Anfoubai, Name von drei Meereseinfdnitten, von
denen einer, an der Nordweſtküſte von Auſtralien unter
13° 40‘ jiidl. Br. gelegen, die fleine Gruppe der Perons⸗
infeln einſchließt, Der zweile an der Weſtküſte von
Norea unter 30° 25‘, der dritte an der Wefttiijte der
WMarianeninfel Tinian unter 14° 58’ nördl. Br. liegt.
Anfonia, Stadt im nordamerifan. Staat Con-
necticut, Grafidaft New Haven, an den untern Nau-
qatudfillen, Bahnjtation, mit Walzwerken, Rupfer-,
Meffing- und Uhreninduſtrie (Produftionswert 1900:
18,7 Dall. Doll.) und (1900) 12,681 Cinw.
Pad aaa sey ſ. Anſchirrung.
An , Unfpreden, in der Muſik Aus—
driide, die fic) auf das prompte Erflingen eines Tones
beziehen, den man auf einem Inſtrunent hervorju-
bringen fudt. Cin Ton fpridt nicht an, wenn er ent-
weder gar nidjt eridjeint (3. B. auf dem Klavier oder |
der Orgel, wenn an der Mechanik etwas in Unordnung |
ijt), oder umſchlägt (bei Blasinftrumenten), oder ſtö—
rende Geräuſche mit fid) führt (bei der Singſtimme,
bei Streichinftrumenten, wenn die Saite nidt orein«
ijt, x.). Bei der Orgel verjteht man unter präziſer
Anſprache, dak die Medanif fo eraft wirkt, dak fein
merflicder Zwiſchenraum zwiſchen dem Iiederdriiden
der Tajte und dem Exflingen de3 Tones ijt.
Aufpreden, cin Wild nad direfter Anſchauung
oder nad) der Fährte richtig bezeichnen, mit Angabe
von Ulter, Gejdledt und Körperbeſchaffenheit, bei
Rothiriden mit Ungabe der Endenjahl des Geweihs.
Jn der Heraldif das Beſchreiben der einzelnen Teile
cine3 Wappens; die vornehmſte Figur wird zuerſt an-
Anfpringen, ſ. Auerhuhn. [geiprodjen.
Aniprugeverjaseung, j. Verjährung.
Anfprung, ſ. Milchſchorf und Flechtengrind.
Anffar (arab., »Helfer«), die erjten Parteiginger
Mohammieds (f. d.), die ibn nad) feiner Flucht in Me—
Dina aufnahmen und in Belimpfung der Ungliubi-
gen kräftigſt unterſtützten. Als die Cinwohner Medinas
Den Islam offen angenommen Hatten, wurden fie A.
genannt, während diejenigen, welde den Bropheten
auf der Flucht von Meffa nad) Medina begleitet hatten,
Muhãdſchirũm (> WAuswanderer<) genannt wurden.
Anfarier, ſ. Nojjairier.
Anftand (lat. Decorum), die Wahrung folder
Formen des äußern Verhaltens, die der Wiirde der
jittliden Perſönlichkeit im Menſchen entſprechen oder
für derſelben entſprechend gehalten werden. Die Ver—
letzung dieſer Würde, ſei es in der eignen Perſon (durch
mangelhaftes Beherrſchen der rein tieriſchen Natur—
äußerungen), fei es in andern, macht die Unanſtän—
digkeit aus. Da der A. ſich nur auf die Form der
Handlungen bezieht, ſo iſt er von der Sittlichkeit, welche
die Geſinnung betrifft, wohl zu unterſcheiden, Dod fann |
die Ausbildung desjelben in der Erziehung und in der
Entwidelung der Völker als cine Vorjtufe und Vor—
bereitung der Sittlichfeit gelten. —- Unter Unftands-
rollen verjteht man im Theaterwefen folde Rollen,
die Haltung und Benehmen der höhern Geſellſchaft
Meyers Nonv.- Lerifon, 6. Aufl., L Bo.
.
— <Anftellung.
und feinern Bildung zur Darjtellung bringen, ohne
befondere Charaltereigenſchaften zu entwideln oder in
die Handlung entſcheidend eingugreifen.
Anftand (Wn fis), Sagdart, bei welder der Jager
friihmorgens oder am Wend dem wedjelnden Wild,
an einem geeiqueten Ort gut verborgen, unter Wind
ftehend oder figend, mit dem Gewehr auflauert. Des-
gleidjen der Ort, an dem dieſe Jagd ausgeiibt wird.
WUnftandsbrief, |. Moratorium.
Anftaunung, |. Bewäſſerung.
Wnfteende autheiten | ſ. Snfeftionstrant-
Anfteung (Infektion) f heiten.
Anfted, David Thomas, Geolog, geb. 5. Febr.
1814 in London, gejt. dafelbjt 20. That 1880, war
feit 1840 Profeſſor amt King's College gu London, feit
1845 am College der Civil-Cngineers gu Putney (Lon-
Don) und feit 1848 fonfultierender Vergwerksingenieur.
Er ſchrieb: »Geology, introductory, descriptive and
practical« (1844, 2 Zle.); »The ancient world, or
picturesque sketches of Creation« (2. Aufl. 1848);
»Geological gossip, or stray chapters on Earth and.
Ocean« (2. Aufl. 1868); »The applications of geo-
logy to the arts and manufactures« (1865); »Phy-
sical geography« (6. Aufl. 1895); »The world we
live in, or first lessons in physical geography « (2.
Aufl. 1881); » Water and water supply in the Bri-
tish Islands« (1878).
Anftehend heift cin Gejtein, das fic) auf primä—
rer Lagerftdtte und mit den umgebenden Gejteins-
majjen in urſprünglichem Zujanumenhang befindet.
Auſtellen ciner Ware, foviel wie Offerte, einen
Yntrag maden. Im Borfenverfehr verjteht man un—
ter Anſtellungen befonders Offerten gum Abſchluß
| von Termingeſchäften, und zwar gleichzeitig von Käu⸗
| fern und Berfiufern, welche die Kommiſſionäre nad
Börſenſchluß unter Ungabe ihrer Preiſe nad) andern
| Plager übermitteln und an die fie fic) auf eine be-
ſtimmte Zeit und fiir vorber fejtgefepte — feſt
Anſteillleiter, |. Feuerleiter. [binden.
Anftellung (Be jtatlung), dielbertragung cines
ffentlidjen oder privaten Dienfted oder Yimtes. Je
nachdem die A. auf Die Dauner oder verſuchsweiſe er-
folgt, unteridcidet man gwifden definitiver und
proviſoriſcher A. Rad dent deutſchen Gerichtsver—
faſſungsgeſetz (§ 6) und nad) § 5 des öſterreichiſchen
Staatsgrundgeſetzes vom 21. Dez. 1867 ijt die pro-
viſoriſche U. von Ridtern nidt zuläſſig. Die VW. er-
folgt in Der Regel durch die Wusfertiqung und Behän—
digung eines Unjtellungsdefrets, das bei hdhern
Staatsjtellen von dem Monarden felbjt, bet niedern
von der dazu berufenen Behirde ausgeht. Gemeinde-
beamte werden je nad der ele me Der betreffen⸗
den Gemeinde von der Gejamtheit der jtimmberedtig-
ten Biirger oder von der Gemeindevertretung gewählt
und angeftellt. Die aus der öffentlichen A. erwadjen-
den Anſprüche auf Gehalt und Penjion richten fid
nad gefeplidjer, mitunter aud) nad vertragsmäßiger
Feſtſtellung. Die A. iſt gewöhnlich vom Nachweis der
Befähigung abhängig, der durch die vorgeſchriebenen
Prüfungen und durch einen gewiſſen Vorbereitungs⸗
dienſt erbracht wird. Vollbeſitz der bürgerlichen Ehre
und Unbeſcholtenheit ſind regelmäßige Vorbedingun-
gen der A. Zuweilen und bei gewiſſen Beamten wird
auch die Beſtellung einer Amisbürgſchaft (Maution)
qefordert. Die Vureaubeamten der Landtage werden
von den letztern ernannt oder vorgefdlagen. Die A.
der Beamten des deutſchen Reichstags erfolgt durd)
deſſen Prajidenten. In Ojterreid) werden die Beam—
ten und Diener des Reichstags im Cinvernehmen mit
561
562
dem Prafidenten bejtellt. Die Beamten des Deut- |
ſchen Reides ernennt oder läßt der Kaijer ernennen |
(Reidsverfajjung, Art. 18). Die vom Kaiſer mittel> |
oder unmittelbar ernannten Beamten werden als
Kaiſerliche bezeichnet. In cingelnen Fallen findet die
Ernennung auf Voridhlag und int Ginvernebmen mit |
dem BundeSrate ftatt. Cine Vernehmung de3 Bune |
deSratsausfduffes fiir das Zoll- und Steuerwefen
geht der A. der zur Kontrolle der Zoll- und Steuer:
ehörden bejtinunten Reidsbeamten voraus, während
bei Der UW. der Konſuln der Bundesratsausſchuß fiir |
Handel und Verfehr zu vernehmen ijt. Bal. die Ar—
tifel: »Reichsbehörden⸗, »Reidsbeamte<, »Ronful<; |
rand, Das Reichsbeamtengeſetz (VBerl.1902).— Jn |
ſterreich werden vom Naijerernannt: die Miniſter,
Statthalter, Landespräſidenten und Statthaltereirite,
der Präſident und Vizepräſident des oberjten Gerichts
hofes, die Präſidenten der Oberlandesgeridte, die Vor—
fteber der Gerichtshöfe erjter Inſtanz, Die Rate des |
oberiten Geridtshofes und des Oberlandesgeridts,
der Präſident und Vizepräſident des Reichsgerichts,
Die Mitglieder desfelben (auf Vorſchlag des Reichs-
tags), dann die Mitglieder des Verwaltungsgeridts-
hofes (auf Vorſchlag des Gefamtminijteriums).
Anftett, Johann Brotafius von, ruff. Dir.
plomat, geb. 1766 in Straburg, geft. 14. Mat 1835
int Frankfurt a. M., beqab ſich 1789 nad) Rupland,
jtand zuerſt im Militardienjt und wurde dann im Rol-
legium Der auswiirtigen Angelegenheiten angeſtellt.
Nachdem er längere Beit Der Gejandtidaft in Wien
angehört hatte, wurde er 1812 Direftor der diploma-
tiſchen Kanzlei beim Feldmarſchall Kutuſow und ſchloß
7. April 1813 mit dem preußiſchen Generalleutnant
v. Lottum die Monvention von Ralijd ab. Während
ded Freiheitskrieges befand er ſich im Gefolge des Kai—
ſers Ulerander, bradte mit Nefjelrode 15. Suni 1813
den Traftat von Reidyenbad zu ftande und war dann
ruffifder Bevollmächtigter auf den Kongreſſen von
Brag und Bien. 1815 nahm er an den Berhand-
lungen des Pariſer Friedens teil. 1818 wurde er ruf-
ſiſcher Gefandter bet der deutiden Bundesverſamm—
lung ju Frankfurt a. M.
MUnftenerung, das Hinanjteuern an cine Küſte.
Unfteucrungstonne, cine große Tonne vor dem
Eingang in cin Niijtenfahrwaffer oder eine Fluß—
mündung.
Anſteiy (or. anny, F., Pſeudonym, ſ. Guthrie.
Anftifter, im Strafrecht, wer einen andern ju
einer jtrafbaren Handlung vorſätzlich beſtimmt bat, |
fei es Durch Geſchenke oder Verſprechen, durd) Dro-
hung, durch Mißbrauch des Anſehens oder der Gewalt,
durch abſichtliche Herbeiführung oder Beforderung
eines Irrtums oder durch andre Mittel. Anſtiftung,
Die Verleitung ju einer ſtrafbaren Handlung; Mit—
anſtiftung, die gemeinſchaftliche Anſtiftung durch
bewußtes Zuſammenwirken mehrerer; mittelbare
Unſtiftung, die Anſtiftung zur Anſtiftung. Nach
der heute herrſchenden, allerdings nicht einwandfreien
Anſicht iſt der VW. nicht intelleftueller Urheber, der fiir
Den mittelbar von ihm bherbeigefiihrten Erfolg ver:
antwortlid) gemadt wird, fondern Teilnehmer an der
freien Tat des von ihm bejtimmten Taters (7. Teil:
nahme). Der A. wird nach dem deutſchen Strafqeles-
bud) (§ 48) und dent Hfterreichifchen Strafgeſetzbuch
($ 5) nad) dem qleichen Geſetz wie Der Tater bejtraft.
Dic erfolgloſe Unjtiftung iit an ſich nicht ftrafbar. Dod
bedrobt, abgefeben von cinigen befondern Fallen, das
Strafgeſetzbuch § 49a (Duchesne: Raragqraph; fo ge—
nannt nad emem Belgier, der fid) dem Erzbiſchof von
Anftett — Anſtrich.
Paris sur Ermordung de3 FiirjtenBismard angeboten
hatte) Die Mufforderung jur Begehung cines Ver
brechens oder zur Teilnahme an einem Berbrechen fo
wie die Unnahme einer foldhen Aufforderung mit Ge
fiingnisftrafe, be3. Fejtungshaft. Ebenſo wird beftrait,
wer fic) zur Begehung eines Verbrechens oder yur Teil⸗
nabme an einem Berbreden erbietet und wer em
folded Erbieten annimmt. Es wird jedod das ledig
lich miindlid) ausgedriidte Auffordern oder Erbieten
ſowie die Annahme eines folden nur dann geftraft,
wenn die Uufforderung oder das Erbicten an die Ge
wiihrung von Vorteilen irgend welder Art gefniipit
worden tit. Die Strafe ijt abgeſtuft nach der Schwere
de3 in Ausſicht qenommenen Verbredens; die Hand-
lung bleibt jtraflos, wenn das geplante Delft lediglich
BVergehen oder tibertretung geweſen ijt (|. Berbreden).
Die Offentlidje Uufforderung ju ftrafbaren Hand
lungen ijt allgemein in § 110 des Strafqefegbuds
unter Strafe gejtellt. — Wud) nad) dem djterveidi:
ſchen Strafgefepbuc (§ 9) ijt die verſuchte Beriettung
jum Berbreden wie der Verſuch des Verbrechens ju
bejtrafen.
Anftrengungsgefiihl , |. Mustelgefiht.
Wn ftridh, cine diinne Schicht ciner auf einen feften
Körper —— jl iiffigen und Dann getrodneten
Subjtang, die zur —— oder gum Schmud
des angeſtrichenen Gegenjtandes dient. Wuf Mauer,
Holz⸗ und Lehmwänden gibt Ralfmild einen weißen
A. (das Weifen), der meijt durd billige Farbſtoffe
(Ralffarben) abgetint wird. Haltbarer wird er bei
Zuſatz von Seifenjtederlauge, Wlaun-, Sal;-, Soda.
löſung. Wud) Käſe- oder Mildfarben find auf
Mauer- und Holzwerk anwendbar und haltbar. Sie
werden im wejentliden aus Quart mit ungeldfdtem
Ralf und Leindl hergeftellt. Sum Anſtreichen innerer
Räume dienen Leimfarben aus Farbſtoff und Lenn
waffer (1 kg auf 8-—9 Lit. Wafer), vor deren Auf
tragen Die mit Mörtel qepubten Wande erſt mit ciner
Löſung von ſchwarzer Seife und etwas Leim oder mit
Mild qrundiert werden.
Shiner find Olfarbenanftride, die der Bitte:
rung befjer widerjteben, fejter haften und abgewaſchen
werden fonnen. Wan qrundiert Stein, Bus und Holj
mit Leindlfirnis, bem man etwas Farbe — — lann.
und wiederholt dann den A. mit Olfarbe zwei- aud
dreimal, jedod) erjt nad villigem Trodnen des vor
hergeqangenen Anſtrichs. Der VW. ijt um fo dauer
hafter, je mehr Firnis er enthalt; der Farbſtoff i
auf die Haltbarfeit ohne Einflug. Die Farbe ſtreicht
ſich leichter mit Terpentindl oder Teerd! verdiinnt
und trocnet fdneller bei Zuſatz von Siffativ. Holy
muß vor dem Anſtreichen mit Olfarbe gut ausgetrod
‘net fein, weil der YW. dad Entweiden der Feuchtig
feit bindert, fo dak das Hol; leidjt ftodt. Holy, das
der Sonne ausgefept ijt, muß möglichſt hell qeftricden
werden, weil jid) Das Holy unter dunkler Farbe zu
ſtark erhigt, Rijfe und Spriinge befonumt und ſchnell
ju Grunde geht. Glanz und größere Dauer teit
erhalten Olfarbenanjtridje Durch Ubersiehen mit Yad
jirnis. Eiſen wird vor dem Streichen mit Lemmit
firnis und Mennige grundiert. Als Deckfarbe fiir die
jogen. techniſchen Anſtriche benutzt man Bleiweiß oder
Zinkweiß (welches nicht, wie Bleiweiß, Durch Schwe
felwaſſerſtoff geſchwärzt wird) mit etwas Schwarz
ferner Zinlgrau oder Zinkſtaub, Königsrot, Eiſen⸗
mennige, Chromgrün (Berliner Blau mit Chromgelb),
Bremer Griin, Graphit, Ruk. Weniger dauerhaft
als Olfarben: find die Bad sfarbenanjtride
Die jedod nicht naddunfeln und einen ſchönen matten
Anſtrichfarben — Antäos.
Glanz beſitzen. Man grundiert mit Leinölfirnis,
ſtreicht nad) dem Trocknen zwei⸗ bis dreimal und reibt
nach abermaligem Trocknen mit einer ſcharfen Bürſte.
Die Anſtriche verhalten ſich ſehr verſchieden gegen
Bakterien. Auf Leimfarbenanſtrichen leben Bak—
terien am —* weniger lange auf Kalkfarbenan⸗
ſtrich, während fie auf Olfarbenanſtrich und nament—
lich auf den unter verſchiedenen Namen in den Han—
del kommenden Emailfarben ſehr bald abſterben.
Die sett ae Rraft erhalt fid) unter allmählicher
Abnahme faum linger als 10 Woden. Die Email:
farben widerjtehen Der Karbol- und Sublimatlifung
- und werden aud) durch Formaldehyd nicht angeqriffen.
Ginen ſehr billigen A. gibt Holz- oder é i
fohlenteer, der Mauerwerk vor Feuchtigkeit ſchützt
und ſich auch fiir Holsteile ciqnet, Die vermauert wer-
den follen. Wan tragt den Teer zwei- bis dreimal
heiß auf und ergielt durch Überſtreichen der geteerten
Flächen mit Kalkmilch oder Durd) Pudern derjelben
mit feinem Gand, Ziegelmehl xc. nod) qrifere Dauer-
haftigteit. Sehr anwendbar ijt das Beftreidjen mit
heifem Teer ferner bei Eiſen. Kleinere eiſerne Gegen-
ſtände taucht man heiß in Teer. Statt ded rohen Leers
benugt man vorteilhafter eine Löſung von Steinfohlen-
ped) in ſchwerem Steinfohlenteerdt. Sandjtein, der ju
chemiſchen Upparaten benugt werden und der Einwir—
fung Der Säuren widerſtehen joll, kocht man in Teer,
Damnit dieſer möglichſt tief eindringe und feft bafte.
Tran muf ebenfalls heiß aufgetragen, aud) mit
etwas Mennige verjest werden, wodurd) er mehr Fe-
jtiqfeit befommt und jdynellertrodnet. Taue und Seile
werden vor Näſſe geſchützt durch einen A. mit einer
Mifdung aus Teer, Kolophonium und Sehwefel. |
Aſphalt wird behufs des Anſtreichens geſchmolzen
oder in Lein- oder Steindl aufgeldjt und leiſtet auf
Holz- wie auf Cifenwerk gute Dienjte. Val. Flammen⸗
ſchutzmittel. Anſtriche werden meift mit bem Pinſel
aufgetragen, man bat aber aud) mit qutem Erfolg die
Farbe durch Drudluft zerſtäubt und gegen die anju-
jtreichende Fläche qetrieben. Bei einer —— en Aus
führung bedeckten zwei Arbeiter an einem Tag eine
465 qm große Fläche mit 155 Lit. einer Farbe aus
Leinöl und Eijenoryd. Vgl. Hiittmann, Der Gip-
fer 2c. (3. Aufl. von Tormin, Weimar 1886); Hag—
born, Anſtreicher (6. Aufl. von Rud, Leip3. 1900). |
Anftridjarben, ſ. Farbſtoffe.
An
(fpr. Anſtruther ober Annfter), Hafenſtadt
(royal burgh) in der fchott. Grafſchaft Fife, mit (1901) |
1663 Einw., die Mijtenhandel und Fiſcherei treiben.
. Tapir.
Antacida (lat.), Heilmittel, welde Säuren ab
jtumpfen, wie Magnefia, doppeltfohlenfaures Natron. |
Antagonismus (griech., »Wideritreit<), der Wi-
derſtand gweier entgegengejebter Kräfte gegeneinander.
Antagoniſt, Wideriacher, Wegner. Wis Untago-
nijten bezeidnet man gewijje Muskelgruppen,
wie Stred- und Beugenusfeln, die in entgegengefets-
tent Sinne wirfen, dad Glied jtrecen, a beugen.
Auf dem geftirten A. der Musleln beruben viele Ver-
friimmungen der Gelenfe. Die Vertiirzung oder Läh—
mung eines dufern Augenmuslkels ijt Urſache des
Schielens, da in diefem Falle der Untagonift nidt im
jtande ijt, Dem Wuge die gerade Ridtung gu geben
oder es gu ftart in feinem Ginn ablenft. Ähnliche
Verhältniſſe bieten aud) die Nerven dar (Henmmumgs-
nerven). Die Schläge des Herzens werden durd) den
ſympathiſchen Rerv beſchleunigt, durd) den Nervus
vagus verlangjamt. Aus der Cinwirfung auf der
artiq antagonijtifde Rerven oder auf die Sentral-
tein: |
563
jtellen, von denen jene entipringen, ijt wabhrideinlid
der YW. mehrerer Wifaloide zu erfliren. Wandje von
diefen wirten auf gewiſſe Organe entgegengefest, das
eine lihmend, das andre reigend; man fann daher bei
Mustarinvergiftung das Leben durd) Utropin erhal-
ten, folange deſſen lähmende Wirfungen felbjt das
Leben nidt bedrohen, ebenſo fann man die Wirkung
von Strydnin durch Chtoralhydrat bejeitigen (ph ar-
makologiſcher U.). Bei Bakterien bejteht ein A.,
injofern die Kultur einer Urt auf einem Nährboden
dieſen ungeeiqnet macht fiir die Unfiedelung gewiſſer
andrer Urten.
Wntafie (das alte Antiodia, f.d. 1), Stadt im
afiatijd-tiirf. Wilajet Aleppo, foll ses) 26,000 Einw.
haben, darunter 13,000 Dtohammedaner, 8000 Un-
jairier, 4000 orthodore Griechen, ferner YWrmenier und
Juden. Ronfularijde Bertretungen haben Deutfd-
land, Grofbritannien, Frankreich, Berjien. VW. beſitzt
14 Mojdeen, eine fatholijde und orthodore Rirde,
2 protejtantifde Bethäuſer, eine Synagoge, cine Ka—
ferne, zahlreiche Elementarfdulen bei den Moſcheen,
2 franjijifche, 2 protejtantifde, je eine orthodore, fa-
tholifdje, armeniſche, jüdiſche Schule und cinen Ge-
richtshof erjter Inſtanz.
Antal, das halbe oberungar. Weinfaß, 52°/s Wiener
Maß — 74,47 Lit., beqriff meijt nur 36 — 38 Maß.
Antalfidifder ede, der von dem Spartaner
Untalfidas 387 v. Chr. beim Perſerkönig erwirfte und
von dieſem den Griedjen auferlegte Friede, der den
Rorinthifden Krieg (j. d.) beendigte. Fortan follten
die griechiſchen Stadte in Rieinajten dem Perſerreich.
untertan, alle übrigen griediidjen Staaten autonom
fein, mit Ausnahme der den Wthenern belaſſenen In—
feln Lemnos, Imbros und Sfyros; weil nun alle
Bündniſſe zwiſchen griechiſchen Staaten aufgelöſt wer-
den mußten, war Sparta den einzelnen Staaten ent-
ſchieden überlegen. Zugleich ing durch ihn der Ge—
winn der Perſerkriege an die Perſer wieder verloren.
Antananarivo Tananariva), Hauptſtadt von
Madagaskar, im Innern des Landes, 1400 m it. We,
auf 150— 200 m hohen felfigen Hügeln inmitten einer
Ebene erbaut. Bon den Straken find feine fiir Wa-
en und nur zwei fiir Reiter paffierbar. Die vor 1863
it nur aus Bambushütten, jest mehr und mebr
aus Steinbauten beftehende Stadt ragt in drei Stufen
empor und ſchließt cinen dreiedigen Marktplatz ein,
an dem fic) die ehemaligen foniglichen Palaſtanlagen
und das mit ionifden Säulen geſchmückte Geridts-
gebäude befinden. A. beſitzt 4 Rirchen der Londoner
Miffionsgefellidaft, eine anglifanijdje und eine fatho-
liſche Mathedrale, eine norwegifde lutheriſche Kirche,
Hofpitiler, mehrere hdhere Schulen, cine große Dructe-
rei und gegen 50,000 Einw. obne die Frembden. A.
ijt Sig der franzöſiſchen Nolonialregierung. An der
Weſtſeite befindet fic) der Felſen Ampamarinana, von
dem man früher die Verbrecher hinabſchleuderte.
Antäos, wm griech. Mythus Sohn des Poſeidon
und der Erde (Baa), cin Rieſe in Libyen, der durch
jede Beriihrung der Mutter Erde immer größere Kraft
erbhielt. Er zwang alle Fremdlinge, mit ihm zu ringen;
Dic Beſiegten tötete er und baute mit den Schiidetn
einen Tempel des Pojeidon. Endlich tiberwand ibn
Herakles, der ihn vom Erdboden emporhob und ibn in
der Luft erdriicte. Bon feinem Grabe (bet Tingis in
Mauretanien) ging dieSage, wenn man cin Stück da-
pon ausqrabe, reqne es jo lange, bis Das Lod) wieder
voll fei. Die Bezwingung des VW. findet fich häufig auf
alten Denkmälern dargejtellt. Geiſtreichen Gebraud
madjte Fr. Riidert von der Sage in dem Gedicht »A.«
36 *
564 Antaphroditijhe Mittel — Anteil- und Gewahrverwaltung.
Untaphroditijde Mittel (Antaphrodisiaca, | ten. Die Spinnentiere find durd) Gpinnen und
Anaphrodisiaca, gried).), Mittel, die den Geſchlechts. Milben vertreten, die Mollusten durd eine der Unter:
trieb vermindern. Gegen erhöhte Begierde zur Wus- | gattung Patula angehirige Helix-Vrt. Die SGaj-
fibung der geſchlechtlichen Funktion find anjtrengende | wafjer von Kerguelenland enthalten Spaltfiifer, Wu-
forperliche und geijtige Urbeit, magere, gewiirslofe ſchelkrebſe und Flohlrebſe, eiqne Arten, aber ans den-
Got, €Enthaltjamfeit von Spirituojen und andern | felben Gattungen, die in Curopa und überall im
Erregungsmitteln, kühles, hartes Bett und Enthal- | ſüßen Waſſer * finden. Die Würmer ſind nur durch
tung von allem, was die Phantaſie geſchlechtlich an- cine Regenwurmart vertreten.
—— fann, die beſten Mittel; find Erfranfungen der| Antarthritifa (griech.), Gichtheilmittel.
Blaſe, Proftata oder Harnrdbhre die Urjade der er-| WAntas, in Portugal häufig auftretende dolmen—
höhten Begierde, fo find dieſe in erjter Linie gu beſei- artige Graber aus großen, auf der Innenſeite flacen,
tigen. Bet franfhafter Steigerung des Geſchlechts- qefpaltenen Steinen. Bgl. Cartailbac, Les Ages
triebs find falte Bader und Bromfalium von Nugen. | préhistoriques de l'Espagne et du Portugal (far.
Antara ef Mbfi, beriihmter arab. Didter in | 1886). [>vore.
der Mitte de3 6. Jahrh., Sohn des Scheddad (oder; Wnte... (lat.), in Zuſammenſetzungen foviel wie
Moawija) aus dem Stamm Abs und einer abefjini:| Amntecédens (lat., das »BVorbhergehende«), der
iden Sflavin, ward anfangs nad altarabifder Sitte | Grund, entgegengejest Dem Consequens (dem »Nad>
den Sflaven beigezählt, erwarb fic) aber in Dem 40- | folgenden«) oder Der Folge; Dann aud) die Urſache
jabrigen Bruder * der Stämme Abs und Djobian | im Gegenſatze gu der (auf fie folgenden) Wirkung.
Durd) feine Tapferfcit Freiheit und Ebenbiirtigfeit.| Antecedentien, ſ. Antezedenzien.
Seine »Moallaka« (val. Urabifde Literatur, S. 657)| Auteceſſor (lat.), Vorganger, Umtsvorfabr; zur
haben. eingeln herausgegeben Menil und Willmet | Zeit des Kaiſers Juſtinian aud) Bezeichnung fiir dee
(Leid. 1816); feinen ⸗ Diwan⸗ Uhlwardt (»Six ancient | Redtslehrer.
poets«, Lond. 1870). Als einer Der populiirjten Did-| Antechinomys, ſ. Beutelfpringmaus.
terhelden des arabifden Altertums wurde A. gur| Ante Christum natum (lat.), vor Chriſto oder
Hauptperfon eines gleidnamigen Heldenromans, der | vor Chrijti Geburt.
allmabhlic einen gewaltigen Umfang erhalten hat (ge-| Wutedatieren (lat.), »vorausdatieren<, zurüd
drudt 3. B. in Beirut 1865 —71, Rairo 1866 —70; | datieren, einem Brief oder einer ſonſtigen Urtunde
teilwweite ins Engliſche überſetzt von Hamilton, 2. Aufl., | cin friiheres Datum geben. Die zuweilen vorfom-
Yond. 1820, 4 Bde.). Bal. H. Thorbede, A., ded | mende Untedatierung von Unjtellungsdetreten, Off
vorislamiſchen Didters Leben (Heidelb. 1868). zierspatenten u. dql., iit namentlic fiir Die Unciennitat
Mntared (»Gegenmars<, arab. Kalb el atrab, | von ——— nbefugtes A. fann unter Umſtãnden
Skorpionsherz⸗ ) der feuerrote Stern a (1. Gripe) | unter den Begriff ir tleatibon W bab Beebe fallen.
im Sforpion; er empfing feinen Namen im Ultertum Nicht 2 verwechſeln ijt mit dem UW. das B oft Datieren
* ſeines an Mars erinnernden Ausſehens. einer Urkunde, a cined Wedfels, Den man unter
utarktiſch (qried).,»dem Biren entgegengefest«), | cinem fiinftigen Datum als Uusitellungstag ausitellt.
am Siidpol oder gegen den Siidpol hin gelegen; im} Ante diém (lat.), vor dem Taq, vor der (feſtgeſeß
—— gu arktiſch, gegen den Nordpol hin ge- | ten) beſtimmten Zeit.
legen. Daher: aiclaciittaes Kontinent, Side! Wntediluvianifd (lat.), »vorjintflutlid<, wos
polarlinder, dad Gebiet innerhalb des fiidlidjen Polar⸗ vor der noachitiſchen Flut gewejen oder geſchehen ijt.
freifes (Untarfti3); antarftifder Bol, Siidpol; | Das antediluvianifche Beitalter ijt der Zeitraum von
antarftifdher Ozean, Südliches Cismeer. | der Schöpfung der Welt bis auf Noah, nad bibliſchen
Antarktiſche Drift, ſ. Atlantiſcher Dzean. Annahmen von 1—1656 nad Erſchaffung der Welt
Antarftijde Region, tiergeographiſche Region, | oder von 3947—2291 v. Chr. Untedtluvianifde
welde die Gniein des antarftifden Meeres (Siid- | Tiere, die foffilen Überreſte der untergeqangenen
a Pring Edward-, Crozet, Rerquelen-, Mac-| Antédon, ſ. Haarjterne. —
onaldinſeln, St. Baul, Neuamſterdam) ſowie die Auteflexion (lat.), Knickung nad vorn, z. B. der
Südſpitze Umerifas, das Feuerland, umfaft. Nur Gebärmutter, ſ. Gebärmutterkrankheiten.
Der nördlichſte Teil dieſer Region, die den Südpol Anteia, ſ. Bellerophon.
als Mittelpunkt hat, und der große Ländermaſſen Auteile an Grundftücken, ſ. Grundbiider.
fehlen, ijt und bekannt, und es ſcheint, daß auf dieſen Anteilſchein (Anteilverſchreibung), insbeſ.
Inſeln nur ein ſehr geringes Tierleben vorhanden | der Interimsſchein bei Altiengeſellſchaften (ſ. Akltie
ijt. Es fommen alſo beſonders die Seetiere in Be- und Aktiengeſellſchaft, S. 237).
tracht. Su erwähnen find hier die Mähnenrobbe, der Auteilewirtſchaft, in der Landwirtſchaft das
See⸗Elefant oder die Rüſſelrobbe und der Seeleopard. Verpachtungsſyſtem, wonach der Pachtſchilling in
Bon Vögeln find charakteriſtiſch die Pinguine, die einem Teile der Früchte entrichtet wird. Bgl. Halbpadt.
außer der Brutzeit faſt nur auf dem Waſſer leben; Wnteil- und Gewährverwaltung, UÜbergangs
ferner Möwen, Sturmvögel und Albatros; nad) form von der Verwaltung zur Verpachtung, ſichert
dem Innern des Landes nimmt das Vogelleben ab, dem Beſitzer einen durchſchnittlichen Normal
da hier die Nahrung feblt. Die Landfauna der ant- | von feinent Beſitz und verleiht dem Berwalter d
arftifden Region ijt febr dürftig, qenauer unterfudt Beteiliqung am Unternehmergewinn die Eigenſchaft
wurde fie nur auf den Kecquelen. Hier finden ſich ver- eines felbjtandigen Betriebsleiters. Bei der Unteil
ſchleppt und eingebiirgert Naninden und eine Maus verwaltung wird dem Ynteilverwalter das Gat
fowie die oben genannten Robben, ferner aufer den nebjt totem und lebendem Inventar mit der Bere
erwibnten Seevdgeln als Landvigel der Scheiden — pflichtung überlaſſen, den durchſchnittlichen Normal-
ſchnabel (Chionis) fowie eine fleine Entenart. Die reinertrag (entfprechend dem Pachtſchilling bei der
— zahlreich vertretenen Inſelten find wohl in-⸗ Verpachtung mit UÜberlieferungen), ſofern derſelbe
olge der häufigen und ſtarken Stürme flügellos ge⸗ wirklich erreicht wird, an den Gulsbeſitzer abzuführen.
worden, da jie die Flügel doch kaum gebrauchen fonn- | Der Anteilverwalter erhält neben mäßigem, figem
Antejuftinianijdes Recht — Antenuptial.
Gehalt vom pss oper der fiber die Rapitalvergin-
—— erzielt wird, etwa die Hälfte, während
der Reſt zur Schaffung eines Reſervefonds, zur Be-
gleichung von Mindererträgen dient. Der Anteil—
verwalter übernimmt dem Normalertrag gegenüber
feine Garantie und kommt deshalb aud it einen et⸗
waigen Unternehmerveriuft nidjt auf. Hat der Re-
fervefonds den Wert des halben oder ganzen Yahres-
normalertrags erreicht, fo tritt er an Stelle der Kau—⸗
tion zur Sicherſtellung de3 Normatreinertrags bei der
Gewaihrverwaltung. Bei diejer garantiert der
Gewshrverwalter dent Gutsherrn mit Naution den
Eingang de3 Normatreinertrags oder die durchſchnitt⸗
liche Berzinſung de3 Grund: und Betriebstapitals. Der
Unternehmergewinn fallt dann (neben barer Befol- |
dung fiir Die Verwaltung des Kapitals oder aud) ohne
Diefe) ganz oder bei ungeniigqender Kaution zur Deckung
gegen das damit verbundene größere Rififo zu 75 Pro}.
oder weniger dem Gewihrverwalter zu, der dagegen
fiir jeden Unternehmerverluft aus der Raution oder
aus * Vermögen Erſatz zu bieten hat. Bei der
VW. u. G. ſtellt der Beſitzer das Grund- und Betriebs-
fapital ; Die eventuelle Kaution ſoll den Normalertrag,
nicht aber das Gutsobjekt ſicherſtellen, weshalb aud
dem Beſitzer Kaſſe und Buchführung auf Grund von
Anweiſung der Empfänge und Ausgaben von ſeiten
des Anteil⸗ und Gewährverwalters ſowie die Kon—
trolle fiber alle Naturalvorräte und die Werterhal—
tung der Gutsſubſtanz zuſteht. Der Unteil- und Ge-
wãhrverwalter erhalt dagegen volljtindige Freiheit,
Betriebsorganijationen einzuführen, die ihm zur Er-
reichung der höchſten Rente am pajjendjten diinfen,
die Konjunkturen im Rauf und Verfauf ohne Ein—
holung ciner qutsherrliden Genehmigung ausnupen
u fonnen, und das Recht, Hilfsperfonal nad) eignem
Ermefjen aufnehuten und entlaffen gu fonnen. Bal.
Rrafft, Die Betriebslehre (6. Uufl., Berl. 1899);
Hede, Die landwirt\daftliden Ertrige und die Tan- |
tiemen (Wien 1890); Diebl, Die zeilgemäße Gejtal-
tung der Gutswirtidaft und des Beamtenjtandes
(Briinn 1884).
Antejuftinianifdes Recht, Inbegriff derrdmi-
ſchen Rechtsnormen vor Dujtinian, bejtehend in den
Gefesen der zwölf Tafein, Senats- und Bolts-
beſchlüſſen, Ediften der Prätoren und Konſtitutionen
Der Kaiſer fowie in den Gutachten berithmter Redts-
gelebrten (responsa prudentium), die durd) den Kaiſer
zur Erteilung folder Gutachten mit bindender Kraft
ermadtigt waren (jus respondendi). ——
der kaiſerlichen Konſtitutionen dieſer Zeit waren der
Gregorianiſche, Hermogenianiſche und Theodoſianiſche
Koder ſowie die fogen. poſttheodoſianiſchen Novellen.
Unter Juſtinian wurde das antejuſtinianiſche Recht
Grundlage der von dieſem Kaiſer veranſtalteten Ge-
ſetzſanmlungen und ging teilweiſe in dieſe über, hörte
aber feitbem auf, formelle Geltung zu beſitzen und
Gegenſtand unmittelbaren Studiums zu ſein. Für
die Gegenwart ijt es cin unentbehrliches Hilfsmittel
jum Verftindnis der jujtinianijden Geſetzgebung, des
Corpus — und inſofern Quelle des Pandekten⸗
rechts. Bgl. »Jurisprudentiae antejustinianae quae
supersunt« (hrsg. von Hufdfe, 5. Aufl., Leipz. 1886);
»Collectio librorum juris antejustiniani« (hr3q. von
Mommſen, Kriiger u. Studenrund, Berl. 1877—90,
3 Bde.). |
Antelao, Monte, Berg der Dolomitalpen, in der |
tal. Provins Belluno an der Tiroler Grenze gelegen, |
565
Antelapsarii (lat.), ſ. Infralapsarii.
Ante meridiem — abgekürzt a. m.), vormit⸗
tags; in ital. Kursbüchern und Fahrplänen bedeutet
Antimeridiane (abgekürzta.) die Stunden vor Mittag;
pomeridiane (p.) von da bid Mitternadt.
Antemetifa (griech.), Mittel gegen Brechreiz.
Auten (lat. Antae), die pfeilerartigen abſchließen⸗
den Vorſprünge der beiden Seitenwände der Cella
eines antifen —2— (j. Tempel); Türpfeiler.
Antenagtum (mittellat.), dad Recht der Erſtgeburt.
Antenna, Pizzo dell’, Berg im Madoniegebirge
(Sizilien), 1975 m hod).
Antenn&ria R. Br., Gattung der Kompoſiten,
meijt fleine, ausdauernde, fleinblatterige, filzig oder
wollig behaarte Kräuter mit ziemlich fleinen Bliiten-
fopfden in endſtändigem Ebenjtrauk. Etwa 15 Arten
in Curopa, Ufien, Amerika und Uujtralien. A. dioica
Gértn.(Gnaphalium dioicum Z.,tagenpfitden),
mit weißen, rofens und purpurroten Bliiten, findet
jid) in Nordamerifa, Rordatien, fajt ganz Europa,
in Deutſchland, iiberall auf
trodnemt, fonnigem Boden.
A. margaritacea, f. Ana-
phalis.
Antennen(lat., Fihler,
Fühlhörner), Gliedmagen
am Kopf der Gliedertiere, die-
nen meiſt gum Fühlen und
Tajten, deshalbSinneshaare,
bei manchen Krebstieren aud)
jur Ortsbewequng (Schwim⸗
men), fie bejtehen aus gegen-
cinander beweglidjen Glie-
dern. Ihre Form ijt namtent-
lid) bei Den Inſelten, wie dic
Figuren zeigen, fehr viel-
gejtaltig (gejagt, gelämmt,
efnipft ꝛc.). — UW. heißen aud) der Geber- und der
mpfängerdraht bei der drahtlofen Telegraphic.
Antéenor, 1) bei Homer einer der vornehmiten
Trojaner, Gemahl der Wthenepricjterin Theano,
Schwejter der Hefabe, nimmt Menelaos und Odyſſeus,
die Friedensgefandten, gaftfreundlid) auf und ſchützt
jie gegen Baris, wie er tiberhaupt immer zum Frie-
densſchluß durd) Rückgabe der Helena und der nuit
ihr geraubten Giiter riet. Spätere Zeit madte ihn
wegen feiner Griechenfreundlichleit zum Verräter, der
den Feinden Trojas Tore öffnete. Bei der Zerſtörung
der Stadt ward fein mit cinem Pantherfell bezeichnetes
Haus verfdont und ihm mit den Seinen freier Abzug
bewilligt. Bald lief man ihn Menelaos begleiten und
in Kyrene fid) anfiedeln, wo feine Nachlommen, die
Untenoriden, Heroenverehrung hatten; nach der ſpä—
ter gewöhnlichen Sage führte er mit feinen Söhnen
die aus Raphlagonien vertriebenen Heneter (Veneter)
nad Stalien und griindete Ratavium (Padua).
2) ried). Bildhauer aus dem Ende de3 6. Jahrh.
v. Chr., war im Altertum vornehmlich befannt als
Schdpfer der Gruppe der Tyrannenmorder Harmodios
und Urijtogeiton, die von Xerred aus Athen entfithrt,
ſpäter aber, nad) den Siegen der Mafedonier, den
Athenern wieder zurildgegeben wurde. Bei den Aus—
qrabungen auf der WUfropolis ijt ein inſchriftlich be-
zeugtes Werk von ihm, die Marmorjtatue einer weib-
lichen Fiqur, wahrſcheinlich ciner Uthenepriefterin (ſ.
Tafel »Bildhauerfunjt I<, Fig. 9), gefunden wor-
den, die ihn als einen Vertreter ded ſtrengen altertiim-
Antennen von Inſekten.
3264 m hod, mit großer Fernfidt, wird von San lichen Stils kennzeichnet.
Vito aus (zuerſt 1863 von Grohmann) erjtiegen. | AWntenuptial (lat), vor der Hochzeit (qefdehenre.).
566
Antependium (mittellat.), inden Kirchen ein Vor: |
hang aus Stoffen oder ein Borjas aus Holz, Mee |
tall u. dDql. sur Bededung der Vorderfeite ded Witars.
Bejtand das A. aus cinem Stoff, fo war er meijt aud)
mit Gold, Silber und Seide geftidt und mit fymbo-
liſchen und bildlidjen Darjtellungen vergiert. Damit
diefe Deutlicher gejehen werden fonnten, wurde das A.,
namentlic) wenn e3 aus bemalter Leinwand beftand,
auf einen Rahmen gejpannt. Die metallenen BVorjag-
tafeln bejtanden aus Gold, Silber und vergoldetem
Kupfer. Die berühmteſte ijt die »goldene Tafel- aus
dem Bafeler Miinjter, cin Gefchent Kaifer Heinrichs II.
jest int Muſce de Cluny in Paris.
Antepenultima (lat.), Silbe vor der vorlegten,
der Penultima, alfo die drittlepte.
Wntequera (jpr. tera, das alte Antiquaria), Be-
zirlshauptſtadt in der fpan. ‘Brovin3 Malaga, nahe
Dent linfen Ufer des Guadalhorce, in einer frudtbaren
Ebene nördlich von der Sierra Torcal, an der Eiſen—
bahn Vobadilla-Granada gelegen, hat Trümmer eines
mauriſchen Rajtells, einen römiſchen Triumphbogen
und (1900) 31,609 Einw., die Schafwollweberei und
Produltenhandel betreiben. Ojtlich von A. ein inter:
ejjanter Dolmen, Marmorbritde und cin merfiwiirdi-
grt Felsberg, Pefia de los Enamorados (Fels der
iebenden), an den ſich cine Volksſage tnitpft.
Antéros (-Seqen:ECros«), Bruder des Eros (j.d.),
Gott der Gegenliebe und Rächer verſchmähter Liebe.
Antesignani (lat.), bei den Römern urjpriinglid
das vor den Feldzeichen (signa) faimpfende erjte Tref-
fen; bei Cajar eine Elitetruppe der Legion mit leidtern
Wajfen und obne Gepächk, die auferhalb der Schlacht—
Wntefini, j. Alſe. lordnung kämpfte.
Mnténs, im Kalender der Aſianer der elfte Monat,
vom 25. Juli bis 25. Auguſt.
Aunteverfion (lat.), Vorwartswendung, fehlerhafte
—— der Gebärmutter; ſ. Gebärmutterkrankheiten.
utezedenzien (lat.), früher Borgefommencs;
jemandes Vergangenheit, frühere Verhältniſſe. An—
ig ieren, vorber-, vorgehen; den Vorrang haben.
nthela (qricdh., Spirre), f. Bliitenftand.
Wnt helien (qricch.), foviel wie Gegenfonnen; ſ. Hof.
Anthelmintifa (qried.), Mittel gegen Cingeweide-
wiirmer.
Anthem, in England der Name fiir firdlide Kom
pojitionen ciner zwiſchen Nantate und Motette ftehen-
den Faktur. Man unterfdeidet »full anthems<, in
denen der Chor überwiegt, u. » verse anthems«, worin
Soli, Duette rc. vorherriden. Die Terte find bibliſch.
Anthemion (qricd.), in der antifen Baukunſt ein
Ornament aus filifierten, aufredt ftehenden Bliiten
und Blattern (Balmetten). Cine bandartig zuſammen—
geſetzte WUnthentienreihe zierte urſprünglich die Hälſe
Der Napitelle an den Anten (Stirnpfeilern) und Säulen
des doriſchen und ioniſchen Stils und wurde dann in
der ganzen Tektonik, insbeſ. in der Gefäßbildnerei,
allgemein. S. Tafel ⸗Ornamente I<, Fig. 51 u. 52.
Anthémis L. (Afterkamille), Gattung der
Sompofiten, fable oder wollig behaarte, meiſt aroma:
tifche, cinjabrige oder ausdauernde Kräuter mut gezahn
ten oder ein⸗ bis Dreifach fiederſchnittigen Blattern, an-
ſehnlichen Bliiten mit weißen oder qelben Randbliiten
u. vier⸗ bis fiinffantigen Früchten. Etwa 100 Arten in
Europa und dem Mittelmeergebiet. Weiße Randbliiten
haben die geruchloſe A. arvensis L. (Uderfamille |
oder unedte Kamille), in Europa, Vorderafien und
Nordafrifa, in Nordamerifa verwildert, und die febr
ähnliche, aber unangenehm riechende A. Cotula L.
(Dundsfamille), tr Europa, Aſien, Nordafrifa, ein
Antependium — Anthologie.
geidleppt in Nord- und Siidamerifa. A. nobilis LZ.
(römiſche Ramille), behaarte Staude mit doppelt
ee oe Blättern und gewürzhaft riedenden Btu-
men, in Wejteuropa, wird als Arzneipflanze haltiviert.
Sie ſchmeckt aromatifc bitter und enthält blaues äthe
riſches OL, das hauptfächlich in Mitcham bei London
gewonnen wird und wejentlid aus Djobutyl-, Anm⸗
und Heryleftern der Butterfiure, Ungelifa- und Ti-
glinſäure bejteht. Wan benupt die römiſche Kamille
wie die gewdhnlide. Sie gelangte erjt ju Ende des
Mittelalters, wie es fcheint aus Spanien, nach Deutid-
land. Einen gelben Strabl hat A. tinctoria L. (Far:
berfamille), deren Blatter widertich riechen. Sie
wächſt in Europa und Ufien und wurde friiber als
gelbe Färberpflanze fultiviert. Cinige Arten findet
man als Zierpflanzen in Gärten.
Anthemins, 1) Flavius, weſtröm. Kaiſer 467
472, aus Galatien, Gemahl der Euphemia, der Toch
ter des Kaiſers Marcianus, wurde von Kaiſer Leo im
Cinvernehmen mit dem Gueven Ricimer, der als Yin
fiihrer der nidtrimifden WMietstruppen im tatfad-
lichen Beſitz der Herrſchaft war, auf den faſt zwei Jahre
unbeſetzt gebliebenen wejtrimijden Thron erbhoben.
Mit grofen Erwartungen in Rom begrüßt, war er
dod) den Verhältniſſen nidt qewadfen. jerjiel offen
mit Dent anmakenden Rictmer; diefer ftiirmte und
pliinderte Rom, ermorbdete den Raijer 472 und ernannte
Olybrius zu feinem Nachfolger.
2) Griech. Bildhauer und Ärchitelt unter Juſtinian,
aus Tralles in Lydien gebiirtiq, Wiederaufbauer der
531 abgebrannten Sophienlirche in Nonjtantinopel.
Authẽre (qriedh.), Staubbeutel, ſ. Staubgefipe.
Anthericum L.(3auntlilie, Graslilic), Gat
tung der Liliazeen, ausdauernde Gewächſe mit grund-
jtindigen linealen Blattern und in Trauben oder
Riſpen ftehenden Bliiten. Etwa 50 Yirten, meiſt m
YUfrifa, einige in Europa und Umerifa. A. Liliago L.
und A. ramosum Z., in Mittel- und Siideuropa, wur-
den friiber arjneilid) benugt und werden jest als Sier-
pflanjen fultiviert. Mehrere Yirten vom Rap find Ge-
widhshauspflanyen.
Antheridium (qricch.), das mãnnliche Geſchlechts
*8* der Kryptogamen.
utherozoiden (gried.), ſ. Spermatozoiden.
Autheſtẽrion (qried.), Blütenmonat, der acht⸗
Monat des attiſchen Jahres, Mitte Februar bis Mitte
März, fo genannt von den Antheſterien, dem drei-
tigigen Wein und Trinffeft, das gu Ehren des Dio-
nyjos jährlich vom 11. — 13. Tage des Monats be-
qangen ward.
ntheunis (jor. -tinis), Gentil Theodoor, vlam.
Dichter, geb. 9. Sept. 1840 in Oudenaarde, lebt als
“Richter in Brüſſel. Seine tyrifdhen Gedichte zeichnen
ſich durch befondern Wohlflang aus und find vielfad
in Mufif gefest worden (befonders von Willem Demol).
Die ———— ei find »Uit het hart« (Leiden
1875) und »Leven, lieven en zingen« (Haag 1879).
Anthistiria, |. Themeda.
Antho... (Unth.., qried.), in Zufammenfegun-
gen: Blunen..., Bliiten... (Anthela, Untholeyfe).
Anthoceroten, Ordnung der Moofe (Ff. d.).
Anthochan, der geldjte rote oder blaue Farbdjioff
in den Hellen der Blumenblitter. (ftand.
Anthodinm (qried.), Blütenkörbchen. ſ. Bluten⸗
Anthologie (griech.Blumenleſe«), im allgemei⸗
nen eine Sammlung erleſener Erzeugniſſe der Lite-
ratur, namentlich der poetiſchen; inSbef. Titel zweier
qroker Sanimlungen aus der qriechifden und der rd-
mifden Dichtkunſt. Zu der fogen. griedhifden Ww
Anthologion —
legte den erjten Grund der Didjter Meleagros aus
Gadara in Syrien (um 60 v. Chr.), der epigramma-
tifche und erotijdje Poeſien von ihm felbjt und 47 an-
dern Berfajjern in cinen ⸗Kranz« zuſammenfaßte.
Ru diefer Sammlung fiigte Philippos aus Theſſa—
lonifa um 40 n. Chr. Ab eine Epigrammenauswahl
von etwa 13 neuen Didtern. Weitere ——
veranſtalteten im 2. Jahrh. Straton aus Sar
und Diogenianos aus Heralleia, dannim6. Jahrh.
Agathias aus Myrina. Aus allen dieſen jest ver-
lornen Anthologien ſtellte im 10. Jahrh. Konſtan—
tinos Kephalas ju Konſtantinopel eine umfaſ—
ſende, nad) der Ähnlichkeit des Inhalts in 15 Bü—
cher geordnete U. her. Dieſe Sammlung bradjte der
Mind Marimus Blanudes im 14. Jahrh. in
einen Auszug von 7 Biidern, der bis ins 17. Jahrh.
von allen griechiſchen Unthologien allein befannt war
und oft herausgegeben wurde (zuerſt Flor. 1494 von
oh. Lasfaris; von H. Stephanus, Bar. 1566 u. ö.;
meiſterhafte lateiniſche berlegung von Hugo Gro-
tius in Der Uusgabe von de Bofd), Utrecht 1795—
1822). 1606 entdedte Salmafius in der pfälziſchen
Bibliothel gu Heidelberg eine Handfdrift der ganzen
A. des Ronftantinos Kephalas und nahm von den
nod) nidjt in Der Blanudifden A. enthaltenen Stücken
Ubfchrift. Diefe Handſchrift fam 1623 mit der übri—
gen Heidelberger Vibliothel nad) Rom in die Vatifa-
niſche Bibliothel, wurde 1797 nad) Paris gebradt
und febrte erjt 1816 sum größern Teil (Bd. 1—12) in
die alte Heimat zurück, während der Reft (Bd. 13 -
15) in Paris verblieh. Nad) Salmaſius' Abſchrift qab
Brund die Sammlung mit andern epigranunati-
iden Dichtungen als »Analecta veterum poetarum«
(Strakb. 1776, 3 Bde.) heraus. Davon veranjftaltete
Fr. Jacobs cine neue Bearbeitung als » Anthologia
s. Poetarum graec. lusus ex rec. Brunckii«
eipz. 1794-1814, 13 Bde.). Auf Grund einer 1776
in Rom gefertigten. in Gotha befindlichen Abſchrift
ber Pfälzer Handfdrift qab er dann die »>Anthologia
ad fidem codicis olim Palatini etc.« (Leip.
1813 —17, 3 Bde.) heraus. Neuere Ausgaben der
palatinifden und planudifden A. lieferten Diibner
(Par. 1864—72, 2 Bde.), Cougny (daf. 1890, 3 Bde.)
und Stadtmüller (Leip3. 1894 ff.); eine Sammlung
der infchriftlich erhaltenen Gedichte Raibel : »>Epigram-
mata graeca ex lapidibus conlecta« (Berl. 1878).
Lberfesungen größerer Bartien der A. gaben Herder
in Den »>Serjtreuten Blattern« (Teil 1 u. 2) und Ja—
cobs in »Leben und Runjt der Alten⸗ (Gotha 1824,
2 Bde.), eine ee ee Weber und Thudid-
um (Stuttg. 1838—70). Trog de8 fehr ungleiden |
Gehalts der cingelnen Bejtandteile der VW. (es haben
mehr al8 300 Dichter beigejteuert) ijt das Ganze in
poetifder Rückſicht wie in Beziehung auf Sprade,
Geſchichte und Sitte der Hellenen in verſchiedenen Pe⸗
rioden ein unſchätzbares Kleinod, dad fiir den Verluſt
fo vieler lyriſcher, namentlich elegiſcher Dichter einiger-
maſſen ſchadlos hält.
Die römiſche Literatur beſitzt eine im Altertum
ſchon veranſtaltete A. nicht. Erſt Neuere haben aus
handſchriftlich oder inſchriftlich überlieferten Gedichten
nad) Dem Vorbilde der griechiſchen eine römiſche A. zu
eſtalten unternommen. Den Grund legten J. Sca—
iger durch ſeine »Catalecta veterum poetarum«
(Leid. 1573, wiederholt 1595 und 1617) und P. Pie
thous mit »Epigrammata et poemata vetera e co-
dicibus et lapidibus collecta« (Par. 1590; wieder:
holt Leid. 1596, Genf 1619). Cine reichhaltige, aber
durdaus unkritiſche Sammlung in 5 Biidjern ver:
|
Anthoxanthum. 567
anjtaltete P. Burmann der jiingere in feiner »An-
thologia latina« (Amſterd. 1769—73, 2 Bde.). Cinen
Fortſchritt beseidnete H. Meyers »Anthologia vete-
rum latin. epigrammatum et poematum« (Leipz.
1835, 2 Bde.). Die erjte wirklich tritijde Sammlung
ijt Die » Anthologia latina« von A. Rieje und Fr. Bii-
deler, von denen erjterer die »Carmina in codicibus
scripta« (2. Aufl., Leipz. 1894), lewterer die »Car-
mina epigraphica« (daſ. 1897) herausgegeben hat.
Cine Ergänzung dazu bilden die von at Ihm her⸗
ausgegebenen ⸗Damasi epigrammata« (Leipz. 1895).
Viele dieſer Gedichte ſind vortrefflich und wahre Zier—
den römiſcher Poeſie, die meiſten Mittelgut, eine be—
deutende Zahl ohne Geiſt und Form. — Unter den
übrigen Literaturen zeichnen ſich die arabiſche, perſiſche
und türkiſche durch ihren Reichtum an Anthologien
aus; ant bekannteſten iſt die arabiſche Hamaſa (ſ. d.).
Von den altteſtamentlichen Büchern iſt die Pſalmen—
ſammlung für ein ſolches Werk zu halten.
Anthologion (griech.), in der griech. Kirche das
Buch, worin die an Feſt- u. Heiligentagen absufingen-
den Officia (Hyminen, Gebete und Leftionen) fiir das
gone abr, nad den Monaten verteilt, enthalten find.
or at Bliitenauflijung, ſ. Anamorphoſe.
Autholz (Antholzer Tal), nördliches Seitental
des Puſtertals in Tirol, ijt 25 km lang, wird öſtlich
vom Billgratter Gebirge, wejtlid) von der Rieferferner
Gruppe der Hohen Tauern begrengt, enthalt im untern
Teile das Bad A. (alfalifdh-erdiges Cijenwafjer), im
vbern den ſchönen, dDurd eine Mure aufgeſtauten Unt-
holger See (1642 m it. M., 35 Heftar grog). Bon
hier Ubergang über den Staller Sattel (2055 m) in das
— Die Gemeinde A. zählt Aa8600879 Einw.
Anthomyia, ſ. Blumenfliege.
Anthonomus, ſ. Blütenſtecher.
Anthony, Suſan, auf dem Gebiete des Frauen—
rechts titige amerifan. Scriftitellerin, qeb. 25. Febr.
1820 in South Adams (Maij.), wurde Lehrerin, trat
auf der erjten rauenredtstonvention m Geneca
Falls 1848 eifrig fiir die Sache ein und widmete fid
fortan der Uufgabe, auf den Gebieten der Ergiehung,
des Eigentums- und Wabhlredts ihrem Geſchlechte
gleiche Rechte mit dem männlichen gu erwirfen. Wäh—
rend der Untifflavereibewegung kämpfte fie tapfer
fiir bie Befreiung der Farbigen und hielt in den be-
deutendjten Stadten des Nordens Vorlejungen iiber
die Fragen de3 Tages. Wahrend vieler Jahre Präſi—
Dentin Der Woman's Suffrage Association, gilt jie
heute noc) als deren geijtiqes Oberhaupt, und wenn
vor irgend einer eae für Das Frauenſtimm⸗
reich plaidiert wird, iſt ſie eine der Wortführerinnen.
Eifrige Mitarbeiterin der Organe, welche die Bewe—
gung gezeitigt bat, ſchrieb ſie mit ihren Geſinnungs—
genoſſinnen E. C. Stanton u. a. das Werf »The
history of woman's suffrage« (Mew VYork 1881—
1888, 3 Bode.). Bal. Jda Harper, Life and work
of Susan B. A. (Qndianapolis 1898, 2 Bde.).
Anthophylli, ſ. Caryophyllus.
Anthopyllit, Vineral, |. Hornblende.
Anthos (griech.), Blume, Blüte.
Anthoskraut, ſ. Rosmarinus.
Anthoxauthin, der gelbe, meiſt in Körnerform
vorfommende Farbſtoff gelber Blüten.
Anthoxanthum L. Ruchgras), Gattung der
Gramineen, Gräſer mit furzer ährenartiger, fajt qleid-
feitiger Riſpe. Bon den vier europäiſchen Arten wächſt
A. odoratum ZL. (Goldgras, f. Tafel »Griijer Ie,
Fig. 1) fußhoch, — leichtem, trocknent Boden,
aud) in Nordaſien und Amerika und ijt wohl in Wujtrae
568 Anthozoa — Anthrazen.
lien cingewandert, es enthält Kumarin, erteilt (neben löſt ſich leicht in Waffer und Wifohol, ſchmedt fiz,
andern Gräſern) dem Heu den mililotenartigen Ge- ſchmilzt bet 145°, gerfallt beim Erhiger in Anilin und
rudj. Gebraudswert des im Handel vorfommenden Kohlenſäure, gibt mit falpetriger Säure Salizylſäure.
Samens 25 Proz. Die Bliiten dienen ju Kräuter- Yor Methylejter, der bet 25,5° ſchmilzt und bei 125°
fiffen, aud zum Sacfiimieren des Schnupftabals. | (unter 9 mm Drud) fiedet, findet fich im Orangebla:
Anthozoa (qricd)., »Blumentiere<), ſ. Korallen⸗ tendl, in Bomerangens und Jasminöl und entwidelt
polypen. hervorragende Cigenfdaften als Riechſtoff bet Wr
Anthradinon (Diphenylendilet on) | jhung mt wohlriechenden ätheriſchen Olen.
C,,H,O, oder C,H,(CO),.C,H, entſteht bet Drydation| Wnthrarobin C,,H,,0, entiteht beim Erwärmen
von Anthrazen C,,H,, mit Salpeterfaiure oder Chrom: | von Alizarin mit Zinfftaub und Ammoniak, iſt gelb
ſäure, bildet gelbe Nadeln, löſt fich ſchwer in Wifohol | lichweiß, löſt fid) in Uifohol mit brauner Farbe, nicht
und Uther, nicht in Waſſer, ſchmilzt bei 285°, ſiedet in Waffer, und dient in Form von Salben und Tint:
bei 382°, ijt fliidtig, reagiert neutral, gibt mit Wptali | turen gegen Hautfranfheiten. [j. Rorund.
bei 250° Benjzoefaiure, beim Erhigen mit Natronfalf| Wn x, joviel wie Milzbrand; aud em Mineral,
Benzol und Diphenyl, mit Salpeterfiure Nitropro Ant apopleric, {. Milzbrand.
dufte, von denen das Trinitroanthradinon als Uloe-| Authrazen (v. gried. anthrax, Roble) C,,H,,
tinfaiure befannt ijt, mit fonjentrierter Gchwefel- | oder C,H,.CH.CH.C,H, entiteht aus Benzol und Ace⸗
ſäure Sulfofiuren, die beim Schmelzen mit Kali in | tylentetrabronid oder Methylenbromid ber Gegenwart
Mono- und Polyoryanthradinone, 3. T. wertvolle | von Wluminiumeadlorid, findet fid) im Steinfohlenteer
Farbſtoffe, ibergehen. Unthradinonmonofulfofaure | und wird aus dem am fdwerjten flüchtigen Deſtilla
C,,H,.SO,H.O, bildet gelbe Blattdhen und gibt mit | tionsproduft desſelben, Dem bet 270° dejtillierenden
ſchmeizendem Äßlali Alizarin (vgl. Anthrazen). Anthrazenöl, gewonnen. Letzteres erſtarrt beim Er
Anthracotherium, ſ. Anthrakotheriiden. falten gu einer grünlichgelben Maſſe und entbatt
Anthragallol C,,H,O,, ein Trioryanthradinon, | neben A. mehrere andre ſchwer flüchtige Stoblen:
iſomer mit Purpurin, entjteht beim Erhitzen von |
Benzoeſäure nut Gallusfiure und Schwefelfiure. Es
bildet orangerote Nadeln, löſt fid) wenig in Waffer,
bejjer in Allohol und
Ather, ſublimiert bei
290°, ohne zu ſchmel⸗
zen, bildet mit Na—
triumamalgam YWli-
zarin, beim Erhitzen
mit Zinkſtaub Anthra⸗
zen. Ein Gemiſch mit
Sn Cras wird
als Ulizarinbraun :
in derFärberei benutzt. aa aa
Anthrafnofe, ſJ. Apparat zur Darſtellung von Anthrazen
Blattflecke.
Anthrafofrenen (qricd.), kohlenſäurehaltige waſſerſtoffe (Phenanthren, Chryſen ꝛc.). Die ſtarren
Quellen, Säuerlinge, ſ. Mineralwäſſer. Kohlenwaſſerſtoffe ſcheiden ſich ziemlich vollſtändig aus.
Anthrakomẽter (griech.), Apparat zur Beſtim⸗ werden auf Filterpreſſen von dent flüſſig gebliebenen Oi
mung des Kohlenſäuregehalts der Luft. | getrennt, dann auf bydraulijden Preſſen gepreßt und
Anthrafonit, durd Kohle ſchwarz gefiirbter Ralf: gepulvert. Dies Rohanthragen (mit 25—30 Prog. A.
fpat, kommt in Norwegen, Sdweden, bei Undreas- | wird in der Wärme mit Petroleumbenjzin, Schweröl
berg, Saalfeld und im Salzburgiſchen vor. Hierber | fliiffiger ſchwefliger Säure, Acetonöl rc. gemiſcht. um
ehort aud ein Teil des ſchwarzen Marmors, der | einen groken Tetl der Verunreiniqungen aufguldfen.
ite Vufullan, [tranfheiten. Das abgeprefite A. (GOproz.) wird, um ¢8 der weitern
Anthrafofis der Lungen, |. Staubeinatmungs: | Bearbeitung zugänglicher ju machen, ineinen Zuſtand
Anthrafotheriiden, ausgeitorbene Familie der | äußerſt feiner Verteilung übergeführt. Man erhißz
paarjehigen Huftiere, Den Unoplotheriiden und den es in einer fladen Pfanne C (jf. Abbild.) gum Schmel
Schweinen nahe ftebend, mit 4 Sehen, von denen die yen, bringt durd) die Flamme des Herdes A den tm
äußern aber ſchwächer entwidelt fein firmen, ohne Rohr Bzugeleiteten Wafferdampf auf 220—240? und
Hauer, nur mit ftarfen Ectzähnen, häufig imOligocin läßt ihn aus zahlreichen Löchern diejes Rohres in das
von Curopa und nod) ſpärlich im Miocän. Anthra- geſchmolzene A. einjtrdmen. Die fic) entwidelnden
cotherium Cuv, (Robletier) findet fic) in mebreren Vntorajendampfe werden durch den Waſſerdampf in
Arten in den mitteltertidiren Braunkohlen, beſonders das Rohr F und weiter in die Rammer D_ getrieben.
Piemonts und Wejtdeutidlands. in Der cin aus der Brauſe H jtrdmender femer Regen
AUAnthrafotypie (qried.), Lidchtpausverfahren, bei das A. in Form ciner weißen, jarten, feinblatterigen
dem man pofitive Ropien nad pojitiven Zeichnungen Maſſe niederfdligt. Durch E wird die Bfanne C ge
erbalt durch Belichtung vow Chromatgelatinepapier | fiillt. Reines A. erhält man durch Erhitzen von An—
und nadhtrigliches Einſtäuben der löslich geblicbenen | thradinon mit Zinkſtaub. A. bildet farblofe, geruch
Stellen nit Farbpulver. und geſchmackloſe Tafeln, ijt unlöslich in Hater.
Anthranilfaure(OrthoamidobenszocfAure) ſchwer löslich in Allohol und Uther, leichter im heiſtern
C,H,NO, oder CSH,.NH,.CO,H entjteht bei Redul- Benzol, ſchmilzt bet 213°, fiedet bei 351° Es wird
tion von Drthonitrobensoehaure durch Zinn und Salz⸗ von chromfaurem Kali mit verdiinnter Schwefelfaure
faure, aus Orthonitrotoluol durch Behandeln mit Kali- inUnthradinon C,,H,O, verwandelt und gibt mit
lauge, aus Indigo x. Sie bildet farblofe Krijtalle, | Brom in gelben Nadein frijtallijierendes Dibrom-
egies —
—Ni
ee ae ae ee aw ae eS
— — — — —
ie el ot Sa
Anthrazenblau — Anthropologie.
anthrazen C,,H,Br,. Schwefelfiiure bildet Unthra-
enmonojuljojaure C,,H,.HSO, und zwei Difulfo-
—— die beim Schmelzen mit Kali Dioxyanthrazene
liefern. A. wurde 1831 von Dumas und Laurent im
Steinlohlenteer entdeckt, gewann aber erſt praftifde
Bedeutung, als Gräbe und Liebermann 1868 nach—
wieſen, daß es die Mutterſubſtanz des Alizarins fei.
Deutſchland führte 1898: 8027 Ton. UW. zur Berar-
beitung auf Wlijarin ein. Bgl. Muerbad, Das A.
und ſeine Derivate (Berl. 1872); Gnehm, Die Un-
thrajenfarbjtoffe (Braunfdw. 1897); Sarnow, Zur
KRenninis der Unthradinonfarbjtoffe (Heidelb. 1892).
Anthrasénblaun, cin Heraoryanthradinon, ent:
ſteht beim Erhigen von Diorthonitroanthradinon nit
raudjender Schwefelfiure und erjeugt auf Chrom-
beize ein ſehr [dines echtes Blau.
nthragide, altere Bezeichnung fiir die organo-
ser WMineralien, alfo fiir die Kohlen, die fofjilen
boblenwajjeritoffe, Harze und organifden Salze.
Anthragit (RK ohlenblende), älteſte foſſile Kohle,
eiſenſchwarz bis grauſchwarz, auf den unebenen bis
muſcheligen Bruchflächen zuweilen reqenbogenfarbig,
anit metalliſchem Glanz, =m Gew. 1,4—1,7, Härte
2—2,5. Ex ijt ſchwer entgiindlich, entwidelt aber, ein⸗
mal im Brand, fehr intenjive Hike ohne Raud) oder
bitumindjen Gerud. A. enthält 87—98 Proz. Roh-
lenjtoff, 0,9—5 Broz. Waſſerſtoff, 2—6 Proj. Gauer-
ſtoff und Stickſtoff, 0,» —6,9 Broz. Ufche. Er bildet ge-
wiffermafen dad letzte Broduft jenes Prozeſſes, durch
den organijde Subſtanz allmählich in Kohle verwan-
Delt wird; zuweilen nähert er fid) ungemein der Stein-
foble. A. kommt in Rejtern und Lagern, befonders
in der devonifden und filurijden Formation, aber
aud) im Steinfohlengebirge und im Jura vor, fo be-
fonders in dem appaladifden Kohlenfeld Nordame-
rilas, wo er zwiſchen jtarfgefalteten Schichten auftritt,
während er weſtwäris gegen Ohio in die bitumindfe
Steinfohle iibergeht, ferner in dem gefalteten Alpen—
gedirge in Savoyen, in der Dauphiné und in der
Sh weiz. Mehrfach findet man ihn innerhalb der Stein-
tohlen⸗ und Braunfoblenflize lofal entitanden durch
Erdbrände oder durd Einwirkung vulfanijder Ge-
fteine, wie Borphyr und Bafalt, alsdann häufig ften-
gelig abgefondert (Glanjfohle, Stangenfoble
vom Wegner); felten fommt er auf ——
vor (Schemnitz). Jn größter Menge wird YW. qewon-
nen in Bennjylvanien am Susquehanna fowie in
Maſſachuſetts und Rhode-Ystand, dann in Savoyen,
Siidwales, in Siidfdottiand, Portugal, in Sdjle-
fien, Wejtfalen, bei Uaden und Osnabrück (Pies—
berg). Rußland, nod weit mehr aber China beſitzen
pit Lager ausgeseidneten Anthrazits in Flözen von
4—16 m Mächtigkeit. Da man früher den A. nicht
fiir verwenDdbar hielt, blieben viele reiche Lager un-
bebaut. Später wurden iiberall, wo intenjive Hige
erforderlich) ijt, glänzende Refultate mit A. erzielt,
und jest find viele Cijenwerfe auf die bare iar
vor A. bajiert. Sn Dauerbranddfen benugt man YU.
aud zur Zimmerheizung. Bol. Roberts, Anthra-
cite Coal industry (Lond. 1902).
Anthrénus, ſ. Spedfifer.
Anthriscus Hoffm. (Klettenterbel, Ralber-
fropf), Gattung der Umbelliferen, eim- oder mehr-
jabrige Kräuter mit mehrfach fiederformigen Blattern
und geſchnäbelten Friidjten. 13 Arten in Europa und
dem Orient. A. silvestris Hoffm. (Wiefenterbel,
Pferdekümmel, Hafer-, Ralberrohr), mit glat-
ten, und A. vulgaris Pers.(qemeiner Rerbel), mit
ftacheligen Friidten, find bei uns auf Wiefen, in Hecken,
5
569
auf Schutt xc. ſehr gemein, riechen und ſchmecken un-
angenehut gewiirghaft, werden aber vom Bieh ohne
Schaden — Aus ben Stengeln von A. sil-
vestris werden Pfeifen gefdnitten. A. cerefolium
Hoffm.(Gartenterbel), einjabrig, mit adjtigem, zart
ertlltem Stengel und dreifach gefiederten Mattern,
iit im ſüdöſtlichen Rußland und in Weſtaſien heimifd,
bei uns verwildert und wird in Garten fultiviert. Das
Kraut riedht und ſchmeckt angenehm gewürzhaft und
dient als Küchengewürz.
Anthropo... (qried).), in Zuſammenſetzung ſoviel
wie WMenjfden..., auf den Menſchen bezuͤglich (An—
thropologie 2c.).
Anthropogeographie (griech.), die Wiſſenſchaft
vom Einfluß des Wobhnortes (Vodenbefdaffenheit)
und Himmelsſtriches (Klima) auf die Entwidelung des
Menſchen. In neuerer Feit ijt diefem Gebiet befon-
ders von F. Rabel (»WUnthropogeographie«, Stuttg.
1882— 91, 2 Bde.) Beobadtung geſchenkt worden.
S. Erdtunde.
Anthropoidven , Affen, ſ. Anthropomorpha.
Anthropolatrie (griech.), göttliche Berehrung
menfdlider Wejen, wurde von den Chrijten den Hei-
den, weil Diefe ihre Heroen, namentlich aud die rdmi-
fchen Kaiſer, vergdtterten, von den Heiden aber den
Chriſten wegen ihrer göttlichen Verehrung de3 »Men-
ſchen⸗ Jeſus vorgeworfen.
Wnthropologie (qried.), die Wiſſenſchaft, die den
Menſchen als eine befondere Gattung der Raturwejen
und feine Beziehung zur fibrigen lebenden und toten
Welt behandelt, fomit I rsp a mit der Natur-
— der Spezies Menſch im Sinne der Zoologie.
L. läßt ſich von zwei verſchiedenen Geſichtspunkien
aus behandeln: von der naturwiſſenſchaftlichen und
von der hiſtoriſchen Seite.
J. Gegenſtand der naturwiſſenſchaftlichen Be—
trachtung können entweder die körperlichen Eigen—
ſchaften des Menſchen ſein (phyſiſche oder ſomatiſche A.)
oder die geijtig-fosialen Eigenſchaften (ethniſche A.).
a) Die ſomatiſche A. beſchäftigt ſich einmal mit
den Cigentiimlidfeiten des Menſchen iim Gegenſatze
jum Tier, im bejondern yu den jenen entwidelungs:
eſchichtlich zunächſt ftehenden Familien (;00logifde
4.), fodann aud) mit den verfdiedenen Cigentiimlid-
feiten innerhalb der eignen Spezies, fofern fie durch
| Gejdlecht, Ulter, Rafe, Hertunft rc. bedingt werden
(eigentliche ſomatiſche A.). Beſondere Beadtung fin-
det dabei das Verhalten des Skeletts im allgemeinen,
des Schiidels im beſondern, des Gehirns, Haut-, Haar-,
Augenbeſchaffenheit, das Verhalten der Eingeweide,
Muskeln, Sinnesorgane ꝛc., ferner die Proportions⸗
verhältniſſe des Körpers, das Wadstunt, Vererbung,
Atavismus; auch das pſychiſche Verhalten des Men—
ſchen, d. h. die Erſcheinungen ſeines intellektuellen und
ſeeliſchen Weſens, ihre Entwickelung und Fortbildun
im Einzelindividuum ſind hierhin zu ſtellen. Vielfa
berührt ſich das Arbeitsgebiet der ſomatiſchen A. mit
dem der ethniſchen A. — Im engern Rahmen läßt
ſich noch Die rein-anatomiſche und die biologiſche Seite
des Menſchen unterſcheiden, ferner eine jede diefer
Gruppen wieder unter dem Geſichtspunkte des nor-
malen und des pathologifden Berhaltens betradten.
Somit fallen auch die verſchiedenen Mißgeburten und
Degenerationsformen (Mikrokephalie) fowie das Ber-
halten der Entarteten und Berbreder in den Nah—
men der A. (Degenerations- und Rriminal-
anthropologie).
b) Die geiſtig-ſozialen Erſcheinungen de3
Menſchengeſchlechts, d. h. dad Studiunt des Menſchen
570
in feiner Eigenſchaft als Mitglied der menſchlichen
Geſellſchaft, ijt Gegenſtand der ethnijden WU. Hierbher
gehören die wirtidaftliden und politifden Verhalt-
nifje, die Rechtsverhältniſſe, die techniſchen und fiinjt-
leriſchen Fertigtciten, Handel und Gewerbe, die reli-
giöſen Anſchauungen, die abergläubiſchen Vorſtellun⸗
gen, Sitten, Gebrauche u. a. der verſchiedenen Volker,
mt befondern der fogen. Naturvilfer ; aud) die Sozial⸗
anthropologie dürfte hierhin ju ftellen fein. Alles auf
die ethniſche A. Bezügliche zuſammenzutragen, ju
ordnen und gu beſchreiben, ijt Aufgabe der Ethnogra-
phie, während die Ethnologie das angefammelte Ma—
terial verarbeitet und die ihm ju Grunde lieqenden
Geſetzmäßigkeiten aufzufinden ſucht.
Il. Die hiſtoriſche A. (Prähiſtorie) erforſcht
das erſte Auftreten des Menſchen auf der Erde, ſeine
Entwickelung aus niedern Formen, die prähiſtoriſchen
Raſſen, die Anfänge und die Weiterentwickelung der
Kultur, die verſchiedenen Kulturſtrömungen, die vor—
geſchichtlichen Perioden, kurz alles, was über die ge—
ſchichtlichen Aufzeichnungen und ſchriftlichen Urkun—
den darüber ——
Das Studium der Naturgeſchichte des Menſchen
reicht bis zu den erſten Verſuchen menſchlichen Geiſtes
überhaupt zurück, aber die wirkliche A. als eigne, von
der Naturgeſchichte losgetrennte Wiſſenſchaft iſt ſehr
jungen Datums. Zwar haben bereits Ariſtoteles,
Hippokrates, Plinius, Galenus und andre Ärzte des
Altertums und Mittelalters gelegentlich in ihren na—
turwiffenfdhaftlichen Werfen den Menſchen aud) mit
berückſichtigt, indeſſen erjt Linné riidte die naturge-
fdhichtlidye Behandlung des Menſchen mehr in den
Borderqrund, indem er in feine Maffififation des
Tierreichs ihn alg Homo sapiens in die Gruppe der
Primaten cinreihte (1755). Cingehender beſchäftigten
fich darauf mit dem gleichen Thema Daubenton (1764),
Blumenbach (1775), Simmering (1785), Camper
(1791) und White (1794). Im J. 1801 erfdien das
erjte Werk über den Menschen von Virey, 1817 die
nad weitern Gejidhtspuntten angelegte Naturgeſchichte
ded Menſchen von Prichard und 1826 die erjte Dar-
jtellung der menfdlidhen Rajfen von Demoulins. —
Die neuen Bahnen der vergleidenden Anatomie und
Morphologie, in die der Streit zwiſchen polygeniſti—
{cher und monogenijtifdher Schule die ———
lentte, brachten es mit ſich, daß man fortan ſeine Auf
merffantfeit vorzüglich Der Beſchaffenheit des menfd-
lidhen Schadels zuwendete. Die Rrantologie wurde
cin halbes Jahrhundert lang das maßgebende Pringip
in der A. Die Forfdhungen von Sandifort, Morton,
Carus, Davis und Thurnam, v. Baer, sp a Wag⸗
ner, Huſchke, Lucae, Parchappe, Jaquet, Ranke, Vir—
chow und vieler andrer waren grundlegend in dieſer
Richtung. Leider führte dieſer einſeitige Ausbau der
A. auf Abwege und war geeignet, dieſe Wiſſenſchaft
in Mißkredit zu bringen. Erſt in dent letzten Jahr—
zehnt hat man wieder einſehen gelernt, daß das Stu—
dium Des Menſchen ein recht vielſeitiges iſt. — Im J.
1859 gründete Broca im Verein nut andern wiſſen
ſchaftlich bedeutenden Männern in Baris die Société
d'anthropologie de Paris; diefem Beifpiel folqten in
den andern Hauptitadten Europas fehr bald weitere
Sefellichaften mit dem qleiden Biel: fo 1865 in Lon:
don das Anthropological Institute of Great Britain
and Ireland, 1866 in Mosfau, an die Militärärzt—
liche Aladenie angeqliedert, die Mosfauer Unthropo-
logiiche Gefelljdaft, 1868 in Florenz die Societa
italiana di antropologia, 1869 in Berlin die Beri
ner Anthropologiſche Gefellidaft, 1870 in Wien die
Anthropologie.
Wiener Unthropologifde Geſellſchaft. Undre anthro-
pologijde Geſellſchaften beſtehen in Lyon, Brüſſel,
Stodhoim, Miinden, St. Petersburg. Rom, Menfo,
Washington, Bombay, Sydney xc. Die meiſten defer
Geſellſchaften geben Verhandlungen (Abhandlungen,
Bulletins) heraus. Auf den meiſten Hochſchulen bat
die A. ihre BVertreter gefunden. Preußen —* zwei
ordentliche Lehrſtühle (fiir ſomatiſche A. und Ethno—
logie), beide in Berlin, Bayern einen im Munchen.
Oſierreich ⸗ Ungarn einen in Budapeit, die Shwen
einen in Zürich. Die andern Staaten Europas beſitzen
feine offiztellen Lehrſtühle; halbofjiziell find in Frank
reid) die le d’anthropologie und das anthropo:
logiſche Laboratorium der Ecole des Hautes Etudes.
DieVereinigten Staaten Rordamerifas verfiigen iiber
verjdiedene ordentlicde —— Lebritiible.
Unterjtiigt wird das Studium der A. durch anthro
pologijde und ethnographijde Muſeen m einer gan⸗
zen Reihe von Städten, von denen das Muſeum fiir
Olferfunde in Berlin und das Britijhe Muſeum in
London obenan jteben.
[Viteratur.] Bgl. Broca, Instructions craniolo-
giques etc. (2. Uufl., Bar. 1879); Lubbod, Pre-
historic times (Lond. 1865 u.b.; deutſch, Jena 1874);
Lyell, Geological evidences of the antiquity of
man (Lond. 1862 u. b.; deutſch von L. Biichner, 2
Uujl., Leip3. 1874; franz, Bar. 1870); Fr. Miller,
Ullgemeine Ethnographie (2. Aufl. Wien 1879); de
RNa daillac, L’anciennité delhomme (2. Aujl., Rar.
1870); Derjelbe, Les premiers hommes et les temps
préhistoriques (daſ. 1880; deutſch, Stuttg. 1884);
Prichard, Researches into the physical history of
man (fond. 1813; 4. Aufl. 1841—51, 5 Bde.; deutid
von Wagner, Leipz. 1840—48, 4Bde.); de Quatre
fages, Histoire générale des races humaines (ar.
1886 —89); Derjelbe, L’espéce humaine (1877;
deutſch, Leipz. 1878); Rauber, Urgeſchichte des Men⸗
ſchen (Daf. 1884, 2 Bde.); Retzius, Des formes de
téte dans les diverses races humaines ( Stodh. 1844);
Tylor, Cinleitung in das Studium der WU. und Ziv
lifation (deutſch, Braunſchw. 1883); Birey, Histoire
naturelle du genre humaine (Par. 1824, 3 Bde.).
Ullqemeine W: Caneftrini, Antropologia
(3. Uufl., Mail. 1898); Girard, Aide-mémoire d’an-
thropologie et d’ethnographie (Bar. 1898); Reane,
Man, past and present (Cambr. 1899); Ranfe, Der
Menid (2. Aufl., Leips. 1893 —94, 2 Bde.); Solo-
lowſty, Menjdenfunde (2. Uuil., Stuttg. 1901);
Topinard, Unthropologie (deutſch, Leip. 1888). —
Unthropologifdhe Methoden und Tednil:
Hoyos Sdiny, Técnica antropologica y antropolo-
gia fisica (2. Uufl., Madr. 1899); Livi, Antropo-
metria (Mail. 1900); €. Sd midt, Unthropologitde
Wethoden (Leip;. 1888). — Sozialanthropolto—
gie: Ummon, Die natiirliche Ausleſe beim Menichen
(Nena 1893); Derfelbe, Die Geſellſchaftsordnung und
ihre natiirliden Grundlagen (3. Aufl., Daf. 1900); de
Lapouge, Les sélections sociales (Bar. 1896). —
Reitfdriften. Außer den von den oben genann-
ten anthropologifden Geſellſchaften ——
—— L'anthropologie⸗ (hreg. von Boule u.
ernau, Var., ſeit 1890); »American Anthropolo-
gist« (brs. von Sodae, Wafhington, neue Serre fert
1899); ⸗Archiv fiir A.« (hrsg. von Ranfe und Lor
denſchmit, Braunfdw., feit 1866); ⸗Internationales
Archiv fiir Ethnographie« (hrsq. von Schmeltz. Lei
den, feit 1887); »Sentralblatt fiir A., Ethnologie
und Urgeſchichte (hrsg. von Buſchan, Stettin, feit
1896).
Anthropometrie —
Anthropometric (qried., »Menfdenmeffung«),
die Lehre von den Waverhaltniffen des menſchlichen
Robrpers.. Sie ijt widhtig fiir die Unthropologie und
Ethnologie, fie ermittelt die Brauchbarfeit der Män—
ner jum Wilitardienjt und den Einfluß der ſozialen
Zuſtände auf die Bevdlferung, fie dient aud) gu Iden—
titatsermittelungen in der Kriminaliſtik (vgl. Bertil-
bildenden Künſte. Bal. Urt. »Menfdh« ; Livi, Antro-
pometria (Wail. 1900); Fiirjt, Yndertabellen jum
anthropometriſchen Gebraud (Jena 1902).
Anthropomorpha (Ynthropoiden), Unter-
familie Der Schmalnafen (ſ. Affen, S. 128)...
Anthropomorphismus (qried.), die Übertra—
qung menſchlicher Eigenſchaften auf Nichtmenſchliches;
eine Erſcheinung, deren Auftreten darin ſeine Erklä—
rung findet, daß durch die Auffaſſung des ſeiner in⸗
nern Ratur nad uns unbefannten Nichtmenſchlichen
nach dem Vorbilde des menſchlichen Weſens das erſtere
uns begreiflich wird. Als die roheſte Form des A. lann
man die Perſonifikation lebloſer Naturgegenſtände
oder Naturerſcheinungen betrachten, wie fie beim sind
und in den Wiythologien vorkommt. Yn abgeblapter
Form ijt dieſe Anſchauungsweiſe fogar nod in dem
gewöhnlichen Begriff der Kraft (3. B. der he ie ai
traft der Erde) enthalten, ja einige Philofophen be-
haupten, dak wir aud) in dem Begriff eines Dinges
im Grunde nur cin Abbild unfers eiqnen Jd) denfen,
das legtere gewiſſermaßen nad) aufen projizieren. Die
Stammobedeutungen jabhlreider Worte (hauptiidlid
der Verba) lafjen in der Tat den anthropomorphijti- |
ſchen Uriprung vieler jest gang abjtrafter Begriffe
deutlich erlennen. Bejonders beadjtenswert ijt jedod |
der A. in Den religiöſen Vorjtellungen. Jn Ermange-
lung Direfter Keuntnis der Gottheiten oder Gottes ijt
das menſchliche Denfen hier ganz auf A. angewiefen. |
Der eleatijche Bhilofoph Xenophanes fand dies fo’
ſelbſtverſtändlich, daß er behauptete, wenn Tiere iiber-
haupt eine Borjtellung von etwas Libertierifdem ha-
ben könnten, fo wiirden die Löwen ihre Gotter in Lö—
wen-, die Stiere in Stiergeftalt denfen. Die Lehre,
daß Der Menſch nad) Gottes Ebenbild geſchaffen, wäre
Daher (nad) Sdleiermacher, befonders nad Feuerbad))
ridtiger foaussudriiden: Der Menſch fchajft Gott (d. h.
ſeine Boritellung Gottes) nad dem feinigen. Ye nad
der verichiedenen BVorjtellung, die der Menſch von fic
jelbjt hat, muß feine Vorftetlung von Gott demnach
verſchieden ausfallen. Sieht er feine Gupere Eridei-
nung (Den Menſchenleib) als gu feinem Wefen gehirig
und Davon unabtrennlich an, fo wird er auch feinen
Mott nicht ohne dieſelbe, nur in erhdhter, fei es ins
Koloſſale und Ungeheuerlide vergrdperter (wie 3. B.
der Inder) fei es ins Harmoniſche verjdinerter Form
(wie 3. B. der Hellene) zu denfenim ftande fein. Sieht er
Dagegen fein In neres, den geiftigen und gemiitliden
Kern feiner Natur, fiir das Wejen, feinen menſchlich
geſtalteten Leib nur als deffen zufällige Hiille an, fo
wird er Gott ohne die lestere als forperlofen, quanti-
tativ und qualitativ weit über die Grenge des Menſch—
tums binaus geiter erten, aber nidtsdejtoweniger dem
eignen Geijte des Menſchen ähnlichen Geift vorſtellen.
Eriteres kann man den gr bern, weil das Überſinn⸗
liche in ſinnlicher Gejtalt anfdauenden, dieſes den
verfeinerten UW. heißen. Des erjtgenannten fann
Die Kunſt, die dad Gittliche verſinnlichen will, ded letz—
tern aud) die Religion ſich wiht entſchlagen, die dads
Bild de3 reinen Gottesgqeijtes von allen Schlacen der
Sinnlidhfeit zu reinigen fich bemüht. Daher finden ſich
nicht mur in allen der Stufe der Sinnlidfeit nabe-
Anthropophagie. 571
ftehenden Religionen menſchlich geftaltete Bitter, fon-
dern aud) in Den in der Vergeijtiqung der Vottedsidce
am weiteſten fortgeſchrittenen kommen Wusdriide vor,
die bald der Gottheit Affelte, Leidenſchaften (jogar un-
jittlide: Zorn, Rachſucht) beilegen, wie ſie dem Men-
ſchen eigen, bald auf Verhältniſſe hinweifen, wie fie
nur bei Menſchen miglid find, z. B. Vaterſchaft, Rind-
lonſches Syitem) und ijt von großer Bedeutung fiir die |
ſchaft Gottes, Sohn, Mutter Gotted rc.
Anthropopathismus (qricd).), dicjenige befon:
dere Urt ded Anthropomorphismus (jf. d.), die Dem
Nichtmenſchlichen Gefiihle, Affelte (qried). pathos) und
Leidenſchaften beilegt, wie fie nur dem Menſchen eigen
find. A. it es 3. B., wenn der griechiſche Philoſoph
Empedofles die Bewequngen der tome durd ⸗Haß ·
und »Liebe« regiert werden läßt (vgl. Hylozoismus).
Bei den Didhtern alter und never Heit ijt die anthro-
popathijde Auffaſſung der unbelebten wie der beleb-
ten Natur (Lierepos, Tierfabel) fehr gewöhnlich.
Anthropophagie (gricd., ⸗Menſchenfreſſerei⸗,
aud Ranntbalismus, abgeleitet von dem menfden-
frejjenden Stamm der Nariben, fpan. Canibals), die
nicht blof bei niederjten Stämmen vorfonumende Gitte,
Menſchenfleiſch zu geniehen, fiir die Feinjdymeceret,
religidje und felbjt pietätvolle Vorſtellungen, vorgiig-
lid) aber der Glaube, daß jie nur jo den Feind ganz
vernidjten und feine Rrafte erben können, in Betradt
fommen. Die Oger und Menſchenfreſſer unfrer Mär—
den fonnen nod) als Nachflang der vorbijtorijden
YWnthropophagen Europas betradtet werden, die durd
die Rnodenfunde in Höhlen Btaliens, Belgiens,
Frankreichs, der Pyrenäen, Englands, Dinemarfs x.
nadgewiejen wurden. Menſchenfreſſer fpielen in der
Bibel, der Odyſſee (Polyphem) rc. eine Rolle. Herodot
beſchuldigt die Stythen, andre alte Autoren die Ander,
VUthiopier und Mafjageten der U., doch handelt es ſich
hierbet Hfter um pietätvolles Aufeſſen der Leichen von
Rindern, Eltern und Geſchwiſtern, z. B. bei der fogen.
GWreifentitung (ſ. d.), die aud als Endofanni-
balismus gum Linteridied von Verzehrung fremder
Leute, Kriegsgefangener rc. (Exokannibalismus)
bezeichnet wird. In altägyptiſchen Gräbern fand
Petrie die Knochen ſorgſam abgeſchabt und zu Bün—
deln vereinigt. Der Heil. Hieronymus (4. Jahrh.)
idildert als Augenzeuge die britannifden Wttifoten
als Menſchenfreſſer. Im Mittelalter werden bald die
flawijden Wilzen, bald die finniſchen Erſen oder
Wordwwinen als ſolche genannt, jelbjt dieLangobarden
find, wahrſcheinlich ebenſo unverdient wie mebhrere
der Vorgenannten, in diefen Ruf gefonmeen, weil fie
ihre Feinde damit ſchreckten, dak fie hundslöpfige
Bluttrinker im Nachtrab fiihrten. Gegenwärtig tit
| die A. noch in Ufrifa, Ujien, Umerifa, Auſtralien und
auf den Siidfecinfeln im Schwang. Jn Wien find
nur nod die malatifden Batta auy Sumatra, ein re-
lativ gebildetes Volk mit ciqner Literatur, der A. er-
geben. Die W. ijt bei ihnen durch Geſetz fanttioniert
und findet regelmäßig ftatt, wenn cin Gemeiner die
Frau eines Radſcha verfiihrt, und wenn ein Landed-
verräter, Spion oder Feind mit den Waffen in der
Hand ergriffen wird. Die Pfähle, an denen man die
Menſchen fhladtet und verzehrt, werden mit mytho-
logifden Fiquren vergiert, von den Briejtern gu Zau-
bergeriiten verarbeitet. Diefem durch Herkommen und
Religion eingefdrintten Braud) gegentiber erſcheint
in Ufrifa die A., wenigitens an der Weſtlüſte von
Sierra Leone bis gum Nigerdelta, als reiner Ausfluß
tieriſcher Begierden, da dort das Fleiſch von Ge-
fangenen, Sflaven 2c. gleich jedem andern Fleiſch ver-
zehrt wird, namentlich in Ralabar. Nad Du Chaillu
572
find aud) die Fan oder Rahuin, ein aus dem Innern
getommenes Boll, Menſchenfreſſer, ebenfo die Man-
juema. Uber die A. der nördlich von ihnen, im äqua⸗
torialen Snnerafrifa, wohnenden Wonbuttu und
Niam-Niam wurden haarjtriubende Cinjelbheiten
durch Schweinfurth beridjtet. Unter dem Rajfern-
jtamm der Bajuto herrfdte wenigitens zeitweilig A.
bn Umerifa fanden die erften Entdeder auf den
Vntillen das verhältnismäßig givilifierte, aber men-
fchenfrejjende Bolt der Rariben; die alten Aztelen in
Merifo bradten Menfdenopfer dar und verjehrten
bei fejtlichen Gelegenheiten Menſchenfleiſch. Ebenſo
die Inkaperuaner, verjdiedene Indianerſtämme, vor
allen die Jrofefen und Ulgonfin. Gelegentlich kommt
nod) jegt bei einigen Stänimen der Odſchibwä A. vor.
Weitverbreitet war A. bei allen Tupivilfern in Siid-
amerifa, wo Rade das Motiv war, namentlich im Ge-
bicte des Am enſtroms, bei Den Kaſchibo am Pa—
chitea, den Miranha und Meſanya am Japure und
Amazonas. Die Schwarzen des auſtraliſchen Kon—
tinenis find nod Kannibalen, und unter den Südſee⸗
infulanern ſowohl Melaneſier als Polyneſier. A. ijt
verbreitet über einen Teil Neuguineas, war früher jtart
auf Reufaledonien und den Fidſchiinſeln, wo fie ſich gu
ciner ſolchen Feinſchmeckerei entiwidelt hat, da man
befondere Gewiirspflanjen, den Malawi (Trophis an-
thropophagorum) und die Borodina (Solanum an-
thropophagorum), im Umkreis der⸗Freudenhäuſer«,
als unentbehriides Gewürz fiir die Darin ſtattfinden⸗
den Schmäuſe, anbaute. Dan benugte ebenſo aus-
ſchließlich fiir diefe befondere drei- bis — Ga⸗
beln aus Kaſuarinenholz. Die Maori auf Neuſeeland
nahmen die A. erſt an, als die Moas, die großen
Rieſenvögel, auf der ſäugetierloſen Inſel verſchwunden
waren und andre Fleiſchnahrung dem Volke ſich nicht
darbot. Der letzte Fall wurde 1843 beobachtet. Von
den Marfejas- und Samoainſeln find gleichfalls kan⸗
nibalijde Gewohnheiten befannt geworden. Sm Bis-
mard-Yrdipel herridt A. ganz allgemein. Cinjelne
Anthropophagen aus unbeswinglidem, franfhaftem,
zuweilen erblidem Gelüſt beobadtete man aud) wie-
Derholt in givilifierten Staaten, 3. B. bei ſchwangern
Frauen. Bisweilen fiihrte aud) Hunger oder Ver—
jiweiflung zur A., 3. B. in Ägypten bei der grofen
Hungersnot 1200 und 1201; die Gewohnheit madte
Die bejtialifdje Freſſerei zuletzt gur Liebhaberei, der
nur durch die härteſten Strafen Cinbalt qetan werden
fonnte. Bal. Undree, Die W. (Leipz. 1887); Ber-
qemann, Die Verbreitung der A. über die Erde
(Bunjlau 1893); Steinmesg in den »Sdhriften der
Biener Unthropologifden Gefellidaft«, Bd. 26.
Anthropophobie(qricd.), Menſchenſcheu,furcht.
Anthropos (gried).), Menſch.
Unthropotheismuds (qried.), die Lehre von der
Wentitat des Gdttlichen und Menſchlichen.
Anthropotomic, |. Anatomie.
Anthropozentrifde Weltanſchauung, dic
iltere, meijt durch religidje Syfteme geftiigte Welt:
anfdhauung, die den Menfden als den Mittelpunkt
Der Welt betrachtete und das All nur ju feinem Nutzen
und Bergniigen erfdajfen glaubte, aljo die Geftirne,
um ihm gu leudten, die Tiere, um von ihm gejagt
und verfperjt gu werden, die Blumen, um thn gu ere
freuen rc. In Diefer Anſchauugsweiſe mute fein
Wohnort, die Erde, als Mittelpuntt der Welt betradtet
werden. Nachdem jedod) Ropernifus an Stelle der
geozentriſchen Unffaffung des Univerſums die
heliosentrifde geſetzt hatte, erfubr aud die a. W.
Anthropophobie — Wnti.
die Darwinſche Theorie. S. Teleologie. Vgl. Troel3-
Lund, Himmelsbild und Weltanjdhauung tm Wan-
bel der Seiten (deutſch, Leip;. 1900). 3
Anthropozoiſche Formation, die Gefamtbeit
der obern Erdididten, welche Spuren von dem Da-
fein des Menſchen einſchließen. Unter Zugrundelegung
der ———— Steingeräte zerlegt Woldrich (+ Dire
Gliederung der anthroposoijden Formationsqruppe
Mitteleuropas«, in den »Sitzungsberichten der könig⸗
lic) böhmiſchen Gejellidaft der Wiffenfchaften«, Brag
1896) die a. F. in:
I. Die Diluvial: pode.
A, Paldolithifde Periobde.
1) Prdglasial
2) Glajial und Interglazial.
B. Mefolithifde Periode.
IL Die Uluvial = Eporhe.
CG. Neolithifde Periode.
1) Alte oder atrymolithifdhe (ungebohrte Steine).
2) Mittlere ober tromolithifde (gebohrte Sreime).
3) Spatere der Steinbauten.
» Metall(periode
1) Bronjealter (einſchließlich Rupfersecit).
2) Gifenalter.
8) urhiſtoriſche eit,
4) Hiſtoriſche Seit.
Anthiirium Schott, Gattung der Arazeen, metit
frautige, jeltener ſtrauchige Pflanzen, teils jtannnlos,
teils mit aufredjtem oder fletterndem Stammt, ſchönen
dunfelgriinen oder bunten, lederartigen, einfachen.
jinger- oder fußförmig geteilten Blattern, walzen⸗
formigem Bliitenfolben, furger Kolbenſcheide und
wei- bis vierjamigen Beeren, leben gum Teil als
iphyten an Baumſtämmen. Etwa 200 Urten im
tropifden Umerifa. Man fultiviert in unfern Ge
widshaufern viele Arten, wie A. lenconeuron Lem.,
A. magnificum Linden, A. cristallinum Linden et
André, A. Andreanum Linden und A. pedato-ra-
diatum Schott (j. Tafel ⸗Arazeen⸗, Hig. 2 u. 3).
A. Scherzerianum Schott (Flamingopflanje,
j. Tafel ⸗Zimmerpflanzen I«), im Hodland von Gua-
temala und Cojtarica, mit einfachen dunfelgriinen
Blättern und leudjtend ſcharlachroter, fehr lange blei-
bender Kolbenſcheide. Durd VBajtardierungen wurden
mehrere neue praidtige Blattpflanzen erhalten. Einige
Arten gedeihen bei quter Pflege aud im Zimmer.
Anthus , Bieper.
Anthyllis ZL. GBundtlee, Bund-, Boll-
blume, Tannenflee), Gattung der Lequminofen,
Kräuter, Halbjtriuder oder Sträucher mit unpaarig
qefiederten, felten auf das Endblattden reduzierten
Blattern, gelben, weißen oder roten Bliiten in Köpfchen
oder faſt einzeln und vom Kelch cingeidlojfener Hiilfe.
Uber 20 Urten in Europa, Nordafrifa und Border-
ajien. A. vulneraria Z., 10 —30 cm bod, mit une
gleich gefiederten Blattern, an denen das Endblattdhen
viel groper als die iibrigen ijt, und gelben Blumen⸗
fipfen, wächſt in Europa und Nordafrifa, wird als
BViehfutter gebaut und wurde friiber alg Wundmit-
tel benutzt.
Anti, 1) griech. Prapofition, das deutſche gegen,
lommt in jablreiden Zuſammenſetzungen vor, 4. 8.
BVenennungen von Arzneien, die gewiffen Lranfheiter
entgeqeniwirfen, z. B. Antiepileptila, d. h. Mittel gegen
Epilepſie; in Ausdrücken, die cine einer andern gegen⸗
iiberjtehende Partei, Lehre oder Meinung bezeichnen.
„B. Untitrinitarier, Untipapijten, Untimadiavell,
d. h. Gegner der —— des Rapjtes, von
Madhiavell; in geograph. Namen zur Bezeichnung des
cine jtarte Erjdpiitterung; ebenfo wirlle neuerdings | Gegenitberliegens, 3. B. Untiparos, Untilibanon. —
Antiabolitionift — Antichriſt.
2) Jn lateinifden (romanifden) Wörtern foviel wie
vor, z. B. Untizipation (Vorausnahme), Untidambre
BGBorzimmer).
Antiabolitioniſt, Gegner der Abſchaffung der
Negerſtlaverei in der nordamerikaniſchen Union; ſ.
Abolitioniſten.
Autiapex, ſ. Apex.
Antiaris Leschenault, Gattung der Morazeen,
Bäume mit einfachen Blättern, kleinen, von einer
becherförmigen Hülle umgebenen Blüten und ſaftiger
Scheinfrucht. 4—6 Arten in Oſtindien und dem In—
diſchen Archipel. A. toxicaria Lesch. (Giftbaum,
Antiar, Antſchee, Upasbaum), ein Baum mit
zierlicher, halbkugeliger Krone, ciformig -langlicen
Blattern und einzeln jtehenden Bliiten, auf den Sun-
dainjein, liefert in feinem Milchſaft, der Untiarol
CyH,,0,, ein Harz und ein Giyfofid, Untiarin
C.,H,,0;5, enthalt, das beriidtigte Pfeilgift Upas-
Untiar (Bohon-Upas). Yn Bombay benugt
man die Gamen arzneilich. Früher — auch die
—— des Baumes für giftig. Mehrere Arten,
wie A. saccidora Lindl. (Sadbaum), in Oſtindien,
und A. zeylonica Seem., liefern ju Flechtwerk braud-
baren Bait.
Antibacdius (Lalimbachius, qried.), um—
gefehrter Bacchius, ein —— aus zwei langen
und einer kurzen Silbe (__W) beſtehender Versfuß;
B. saltare.
An ift (v. qried). baptistes, Taufer), von
Shiller gebildetes Wort, foviel wie Gegner der Taufe
und fomit des Chrijtentums.
Antibdrbarus (gried.), Titel von Büchern zur
Bekämpfung von fogen. Barbarismen (ſ. Barbaris-
nus); fo der »A. der lateinifden Spradje« von Rrebs
(6. Aufl. von Schmalz, Frankf. 1886 —88), Rellers
» Deutider A.« (2. Mut, Stuttg. 1886) und Scherffigs
aranzojifder A.« (Zittau 1894).
tibed (jor. angtiv’), befeſtigte Hafenſtadt im fran}.
Depart. Seealpen, Arrond. Grajje, in herrlider Ge-
end amt Miltelmeer und an der Riijtencifenbahn, hat
Banbelageridit, College, cine hydrographifde und eine
Uderbaufdule und (1901) 7524 (als Gemeinde 10,947)
Cinw., die Fiſcherei, Schiffbau, Erzeugung von
573
faure3 Natron, Sdwefelcalcium, Ammoniak, Zinn:
chlorür, Leuchtgas x. A. bildet mit dem Chlor un:
ſchädliche, leicht auswafdbare Verbindungen. Unti-
feracid, das Chlor, Siuren und Eiſen aus Rapier:
maſſe entfernen foll, bejteht aus ſchwefligſaurem und
phosphorjaurem Natron.
Antichrẽtiſcher Vertrag (Antichreſis, Pac-
tum antichreticum), cine bejondere Urt des Pfand—
rechtes, wobet der Schuldner feinem Gliubiger dic
Vutzung des Pfandes ftatt der Zinszahlung zugeſteht.
Für Grimdftiide (Immobilien) ijt die antichretifde
Verpfändung durd das Bürgerliche Geſetzbuch auf-
geboben, dod) bleiben die am 1. Jan. 1900 bejtehen=
den Antichreſen unveriindert in Geltung. Wn beweg-
lichen Sachen (Mobilien) ijt aud) nach dem Bürger⸗
liden Geſetzbuch, § 1213, cin Nupungspfandredt
(Antichreſe) zuläſſig. Der nutzungs tigte Gläu⸗
biger ijt verpflichtet, für die Gewinnung der Nugun-
gen zu ſorgen und Rechnung hierüber gu legen. Wur⸗
den ihm jedod die Früchte an Stelle der Zinſen
überwieſen, fo behält er die ganze Nutzung, ſelbſt
wenn diefelbe den Zinfenbetrag überſteigt, während
er umgefehrt feine Nachforderung qgeltend madden
fann, falls die Nutzung ganz auspallt oder Den Be-
trag der Zinſen nidt erreidt.
n ft (qried)., »Widerdrifte, bei Luther
Endedrift), der vom Satan gefandte gewaltige
Geqner des Chrijtentums, der fur; vor der Wieder-
erſcheinung Chrijti die gefamte Macht de3 Bifen in
der Welt zum letzten Kampf gegen die dhriftliche Kirche
vereinigen, aber ſchließlich Durch) Chriftus iiberwunden
werden wird. Die Erwartung einer folden Perfon:
lichteit, eines » Menfdjen der Siinde«, in dem das ganze
dem Chrijtentum feindlid) entgegengefebte Streben
feinen Abſchluß erreichen werde, —8 ſich beſonders
2. Theſſ. 2, Ff. und Offenb. 13 und 17, beſitzt aber
ire Anknüpfungspunkte fon im Judentum. Wie
nämlich diefes vor dem Erſcheinen des Meſſias eine
furdtbare Serriittung aller fittlichen Verhältniſſe
(Geburtswebhen de3 Meſſias) erwartete, fo das Ur—
chriſtentum vor der gehofften Wiedererſcheinung Chrijti,
und wie dad Buch Daniel den Untiodos Epiphanes
al8 den Gottesfeind fchildert, unt durch die Uusfidt
Topferwaren, Ol, Eſſenzen und Konferven und Han: | auf feinen gewifjen Untergang fiber die Drangfale der
Del betreiben. Der Hafen wird durd cinen 472 m
Gegenwart hinwegzuheben, fo erfdeint in der Offen:
langen Molo geſchützt, fann aber nur Fleinere Schiffe barung de3 Johannes Nero in gleicher Stellung. Seit«
aufnehmen. — YL. ijt das alte Antipolis, eine Kolonie
von Maſſilia, wovon nod) Rejte cines Aquädukts und
eines Umphitheaters fowie die Baſis der Rirdtiirme | dem jedesmaligen Reprajentanten
j
ber erblidte jedes Geſchlecht, das den chriſtlichen Glau-
ben Durd) cine mächtige gear iy Bate fah, in
rſelben den A.,
zeugen. Die ſüdlich von A. gelegene Halbinſel La | fo z. B. Wielif, die Huſſiten und Reformatoren im
Garoupe, die im Cap d' ausläuft, trennt die Papſt. Ja, der Gedanke, dah der Papſt der A. fei,
Golfe von Nizza (auch Golf von A. genannt) und
Jouan und iſt von ſchönen Villen und Gärten (dar—
unter eine Dependenz des Pariſer Jardin des Plan—
tes) beſetzt. A. war bid 1244 Biſchofsſitz (ſ. Graſſe).
1746 wurde es von den Alliierten unter Browne
bombarbiert; 1815 widerjtand es den Ojterreidern,
woran cine Denkſäule erinnert. Cin Denhnal wurde
1891 dem hier 1800 gejtorbenen General Champion-
net errichtet.
Antibrachium (lat.), Borderarm, f. Arm.
Autichambre (franj., for. angtifeangsr), Borzim-
mer. Untidamobrieren, im Vorzimmer der Groen
vertehren, im Vorzimmer warten, oft mit dem Neben⸗
beqrijf Des Rriedjens und Erjdleidjens einer Gunft
oder Gnade.
Antichlor, jede Subſtanz zur Entfernung des
einem Stoffe fejt anhaftenden, zerſtörend wirfenden
Shlors, 3. B. unterſchwefligſaures, ſaures ſchweflig⸗
ing dDurd Die Schmalfaldifden Urtifel felbjt in den
ehrbegriff der Lutheraner fiber. In der griechiſch—
morgenländiſchen Kirche wurde beſonders ſeit dem
16. Jahrh. die türkiſche Herrſchaft oder auch Moham⸗
med nad) dem Vorgang des Papſtes Innocenz IT.
als A. bezeichnet. Reuerdings follte 1805 mit Na—
poleon I. und 1848 mit den Revolutionsmännern die
Beit des Untichrijts anbredhen. Die älteſte poetiſche
Darftellung der Untichriftfage ijt das Gedicht Mu-
fpilli (f. d.); von ſpätern Schriften fiber den Gegen—
jtand, die fic) durch das ganze Mittelalter hingzieben,
erinnern wir an die der Sidtecin Ava (f. d.), an das
Myſterium »Ludus paschalis de adventu et interitu
Antichristi«, an den Wbfdnitt ⸗Von dem ende-
christe« in Freidanks ⸗Beſcheidenheit« (ſ. Freidanf).
Val. Bouſſet, Der W. in der Uberlieferung de3 Ju—
dentums, des Neuen Tejtaments und der alten Kirche
(Witting. 1895).
5
574
Antichthon (griech, Gegenerde), im kosmiſchen
Syſtem der Pythagoreer ein Weltforper, der ſich nod)
innerhalb der Bahn der Erde, diefer gegenüberſtehend,
um das Zentralfeucr bewegt. Untidthonen, fo-
viel wie Antipoden. [pation.
Anticipando (ital., A.-3abhlung), f. Antizi—
Anti- Cornlaw - League (engl., for. annti-tornlas-
fig, Untiforngzollliga), Verein in England, der
die Abſchaffung der Getreidezille wie überhaupt die
Durchführung des Freihandels erjtrebte. Diefe bereits
int 17. Qabrh. cingefiibrten Bolle waren 1815 dabin
geändert worden, daß die Cinfubr iiberhaupt verboten,
wenn der Preis unter 80 Schilling fiir 1 Ouarter
jtand, daß fie gollfret fein follte, jobald der Preis
dieſen Sag überſchritten hatte. 1828 trat an Stelle
dieſes Syſtems eine beweglide Sollffala (sliding
scale), deren Sätze bet fteigenden Preiſen ſich ernie-
drigten und umgefehrt. Im Oftober 1831 zu Man-
efter durd) Cobden (f. d.), mebrere Fabrifanten und
Kaufleute geſtiftet, gewann die A. erjt 1838 größern
Einfluß, der 1839 unter der Führung von Cobden,
Bright, Bowring, Prentice, Thompſon, Ufhworth u. a.
durd Griindung vor Zweigvereinen, Bildung F
ferer Fonds, Abhaltung von Verſammlungen, Aus
gabe von Agitationszeitungen (»Anti-cornlaw Cir-
cular«, »Anti-bread-tax Circular«) 1c. fiber das qanje
Land ausgebreitet wurde. Nachdem Villiers’ Antrag
auf Uufhebung der Getreidegeſetze 1839 im Unterhaus
Durdgefallen war, qelang es 1841, Cobden und cinige
Gleichgeſinnte ins Barlament zu bringen, wo der
ſchon ſtehend gewordene Antrag Villiers’ bereits 40
Stimmen zählte. Nad) dem Riicttritte des Whiglabi-
netts und der Einſetzung des Toryminijterimms im
Sommer 1841 traten die qefamte diffentierende Geijt-
lidjfeit, die iriſche Partei jowie ein Teil der dent Frei—
handel zuneigenden Whigs der League bei, während
letztere Don Der Grundarijtofratie und dem Chartis-
mus (f. d.) leidenſchaftlich bekämpft wurde. Wis 1842
Die Getreidezölle mit nur geringen Ermapiqungen |
modifigiert wurden, betrieb man die Ugitation mit
nod) qroferer Energie. Jn der Parlamentsfigung
von 1844/45 erbielt Villiers’ Untrag ſchon 122, ein
andrer von Cobden auf Prüfung der Rorngefege lau-
tender 221 Stimmen. Die Leaque fpannte hierauf
ihre Guferjten Kräfte an, um im Barlament jid die
Majorität su fidern. Endlich bradte Reel un Januar
1846 jeinen beriihmten Antrag vor das Unterhaus,
franz. Maler, geb. 7. März 1818 in Oriéans, geit.
wonad die Einfubr aller Lebensmittel freigegeben
und mur vorläufig nod auf 3 Jahre cine (allerdings
während dieſer Seit wegen der irifden Hungersnot |
juspendierte) nicdrige gleitende Sfala fiir die Getreide
cinfubr beibehalten werden follte. Die Bill ging im
Unterfaus und im Oberhaus durd und ward Geſetz.
Damit war der Swed der Leaque erreicht ; fie löſte ſich
i849 auf, als der nachher vollſtändig aufgehobene |
Soll bereits auf 1 Schilling fiir 1 Quarter herab-
qemindert war. Bal. Prentice, History of the A.
(Yond. 1853, 2 Bde.); Simronfon, Ridard Cobden
und die Untifornjollliga (Berl. 1883).
Anticofti (vom indian. Raticoftef), yu Ka—
nada (Grafidaft Saquenay der Provinz Quebec)
gehörige Inſel im Lorenzgolf, 8150 qkm groß, mit
jtetler, gefährlicher Klippentiijte im N. und bafenarmer
Hlachfiijte im S., trägt auf ihrem fladbhiigeligen, filu-
riſchen Ralfiteinboden ziemlich dichten Miefern-, Tan-
nen und Birkenwuchs fowie ausgedehnte Torflager
und Seen. Ihre Budten (Engliſh Bay und Ellis
Bay nahe der Wejtipige und For Bay nabe der Oſt
ipige) Jind nur fleinen Schiffen nahbar, beſonders die
Antidthon — WAntigone.
For Bay wurde aber feit langem vor zahlreichen Va
beljau⸗ und Ladsfifdern beſucht. Die Walder ſind
reid) an Raub- und Vogelwild. Gerjte-, Hafer- und
Kartoffelbau iſt möglich. 1534 von Cartier entDdect,
hatte A. 1891 nur 253 ftindige Bewohner, und nad
Dent 1889 Der Verſuch ciner engliſchen Koloniſation⸗
geſellſchaft fehlgeſchlagen war, wurde fie 1895 fitr den
RKaufpreis von 25,000 Pfd. Sterl. Privatbeſitz des
Pariſer Schofoladefabrifanten H. WMenier.
Antidesma L., Gattung der Euphorbiayeen,
Baume mit einfaden immergriinen Blattern, kleinen
Bliiten und fleiner Steinfrucdt. Wehr als 70 Arten
in Den Tropen der Ulten Welt. A. alexiterium L.
(Fladhsbaum) hiefert bare Früchte und Baſtfaſern
ju Stricen und Gefpinjten.
Antidos (Geqengabe, Biderlage), zuweilen
Bezeichnung der ſonſt Donatio propter nuptias (7. d.)
genannten Suwendung des Ehemannes an die Ehefrau
Antidoſis (qried., »Taufd<), cine Einrichtung
der Yithener, nad) der cin ju einer Leituraie (j. dD.)
feiner Meinung nad mit Übergehung eines Reicheren
herangejogqener Biirger diefen zum Vermögenstauſch
herausfordern fonnte mit Der Verjicherung, Dann Me
2 | Netjtung ju iibernehmen. Trat fein Vergletd etn, ſo
erfolqte richterliche Entſcheidung.
Antidotum (griech.), Gegenmittel, Gegengift
Antidromte (qried.), ſ. Blattſtellung.
Antienne (franz., fpr. angtjan), ſ. Antiphon
Antietam, 75 km langer linksſeitiger Nebenfluß
des Potomac, von der Oſtkette der Appalachen, tm
nordamerifan. Staat Maryland, oberhalb Harper's
Ferry mündend. — Un feinen fern unweit Sharps
burg wurde 16. und 17. Sept. 1862 cure bintige
Schlacht swifden den Unionstruppen unter Mac
Clellan und der Urmee der Konföderierten unter Lee
geſchlagen. Erſtere verloren 14,000, die leftern 12,000
ann. Wac Cleflan behauptete trogdem das Feld
und ſchützte, indem er Lee zwang, über Den Potomac
zurückzugehen, Wafhington vor einer Vejegung.
Antifebrilia (lat.), ſ. Fiebermittel.
Antifebrin, ſ. Ucetanilid.
Antiferacid, ſ. Unticlor.
Antifilo, Stadt, f. Untiphellos.
Antifriftionsmetall , |. Lagermetall.
Antifrittionsrader , |. Reibungsräder.
Antiglia pr. antitja), Inſel, ſ. Antillen.
Antigna (pr. angtinia), Jean Pierre Alexandre.
27. Febr. 1878 m Paris, fam 1836 nad Karis und
wurde Schiller von Norblin, dann von Delarode.
Von der religidfen Malerei wandte er fid) 1846 dem
Genre gu und fdilderte befonders das kümmerliche
Daſein der niedern Bolfsflajjen in Bildern von tet
denſchaftlichem Ausdruck und naturwabhrer Charakte-
rijtif, aber ju ſchwerer und düſterer Farbe. Spater
behandelte er aud) die heitere Seite Des Bollslebens
(befonders der Bretonen) auf poetiiche, bisweilen
aud) etwas fentimentale Weije, fehrte dann aber and
bin und wieder gu feinen friibern Wotiven zurück Zu
feinen hervorragendjten Bildern gehören: Die arme
Familie (1846), der Sturm (Muſeum it VUvignon),
nach) dent Bade, die Feuersbrunſt (1850, om Yownre-
muſeum), die junge Bettlerin (1854), die arme Fe
milie auf der Reiſe mit dem geſtürzten Gaul (1855),
der letste Kuß einer Mutter und das vow Alp gedrüctie
Madchen (1866).
Antigone, Tochter des Odipus (ſ. d.) und der
Jolaſte, — ihren blinden Vater in die Ver—
bannung. Rad deſſen Tode nad) Theben zurud
Antigonijh
gekehrt, beftattet fie tro des Verbotes ihres Oheims
Kreon ihren im Zweilampf mit Cteofles gefallenen
Bruder Bolyneifes. Zur —— in der Jamiliengruft
lebendig begraben, ger ie fic); Kreons Sohn
Hamon, ihr Verlobter, gibt fid) an ihrer Leiche den
Tod. Dies die Faſſung der Gage in der Tragödie
A.« ded Sophotles, der ihre Kindesliebe im »Odipus
auf Rolonos« verherrlidt hat. Nad) andrer Gage
verbrennt A. mit Argeia, der Gattin des Polyneites,
deſſen Leichnam auf dem Scheiterhaufen des Eteokles.
Kreon übergibt ſie dem Hämon zur Hinrichtung.
Hämon aber verbirgt ſie bei einem Hirten und lebt
mit ihr in heimlicher Ehe. Ihr Sohn (Maion) wird,
als er herangewachſen an —— in Theben
teilnimmt, an einem angebornen Abzeichen des Ge—
ſchlechts erlannt. Um Kreons Zorn ju entgehen, tötet
Hämon A. und ſich ſelbſt.
Autigoniſh, Hafenſtadt in der Proving Neuſchott⸗
land (Kanada), nördlich vom Gut of Canjo (f. d.), ift
fatholijder Biſchofsſitz, hat Viehhandel, Wollindujtrie,
Schiffbau und (1901) 1526 meiſt ſchott. Einwohner.
Antigonos, 1) A. qenannt Monophthalmos
oder Kyklops, der »>Cindugige«, Feldherr Alexanders
d. Gr., geb. 384 v. Chr., get. 301, war zuerſt Führer
der griechijden Bundesgenoſſen unter Wlerander in
Aſien und erbhielt 333 die Statthalterfdaft von PHry-
ien, wozu nad Wleranders Tode 323 nod) die von
Yyfien und Pamphylien fam. Dem Reidsverwefer
Perdiffas den Gehorjam verweigernd, floh er ju Un-
tipatros, der ifm nad) Ermordung de3 Perdiffas feine
Statthalterjdaft wiederverjdajfte und zugleich den
Oberbefehl iiber die Truppen in Beitahen zur Be-
fampfung der Anhänger des Perdiffas anvertraute.
Faſt überall fieqreid), aud) zur See, erfannte er den
neuen Reichsverweſer Polyjperdon nicht an, bemäch—
tigte jid) Der Perſon des Cumenes, den er hinridten
ließ, zwang Seleufos zur Fludt und beanjprudte
nunmehr die Herrfdjaft über ganz Aſien. Gegen dieje
Anmaßung verbanden fid 315 Seleufos, Ptolemäos,
Lyjimados, Kaſſandros u. a. und —— eine ge⸗
meinſame Verteilung der Provinzen und des Königs-
ſchatzes, den A. an ſich genommen hatte. A., einer
ſolchen Übermacht nicht gewachſen, ſchloß mit Kaſſan—
dros, Lyſimachos und $tolentios 311 einen Frieden,
durd den er die Herrichaft über Aſien behauptete.
Gegen Seleutos fiihrte er Den Krieg ohne oon fort,
bis 310 im Wejten Ptolemäos, Rajjandros und Po—
lyfperdon neue Feindfeligfeiten gegen ihn beqannen.
In Kleinafien gewann er das anfangs Verlorne durch
jeine Sohne Demetrios und Philippos wieder; Deme
trio8 befreite aud) 307 Uthen und Megara von der
Herridhaft des Kaſſandros und entriß Rypros deur
Ptolemaos, worauf U. und Demetrios den Königs
titel annahmen in der Hoffnung, das Reid) Alexan—
ders unter ihrem Septer gu veremnigen. Der Verjuch,
Agypten su erobern, mißglückte, dagegen befreite fein
Sohn 304 — 302 die meiſten Staaten Griedenlands
von der mafedonijden Herrfdaft und zwang Kaſſan—
dros, um Frieden ju bitten. A. verlangte unbedinagte
Unterwerfung. Da judte Kaffandros bei Lyſimachos
in Thrafien Hilfe, und 302 fam zwiſchen dieſem,
Ptolemãos und Seleufos ein Bilndnis gegen A. ju
jtande. Bei Ipſos in Rorygien fand 301 die Entidei-
dungsſchlacht jtatt, in der A. Reid) und Leben verlor.
2) U. J. Gonatas (von feinem Geburtsort Gon-
noi in Thejjalien), König von Maledonien, Entel des
vorigen, Sohn des Demetrios Poliorfetes und der
Phila, Untipatros’ — 320 v. Chr., geſt. 239,
ein tüchtiger, Kraft mit Milde paarender und der
|
Antigua. 575
esi Philojophie zugetaner Herrider, blieb, als
ein Vater 287 nach Aſien ging, im Peloponnes als
Vefehlshaber zurück und erbte 283 von ibm das Konig:
reid) Mafedonien, erlangte aber erjt 276 nad mannig-
faden Kämpfen Wnerfennung, nadjdem er den Cin:
fall der Kelten in der Schlacht bei Lyſimacheia guriict-
gewiefen hatte (279). Auch in der Folge hatte er
mebrere Rriege ju filhren, um erjt Pyrrhos von Cpi-
rus, der ſich faft gang Mafedoniens bemadtigt hatte,
ſpäter deſſen Sohn Alexandros zurückzuweiſen und
ſeine Herrſchaft über Griechenland zu befeſtigen. Doch
hinterließ er das Königreich feſt gegründet feinem
Sohn Demetrios II.
3) A. IL, Dofon (der geben will, aber nicht
gibt«), König von Maledonien, Sohn de3 Demetrios
von Kyrene und der Olympias, ein durd) Tatfraft
und Rugheit ausgezeichneter Regent, fiihrte nad De-
metrios’ IT. Lode (229 v. Chr.) anfiinglid fiir deſſen
Sohn Philipp, dann als Selbſtherrſcher die Regierung.
Vom Udhiifden Bund gegen den fpartanijden König
Kleomenes gu Hilfe gerufen, befiegte er die Spartaner
bei Sellajia in Lafonien (221) und zwang Sparta
jum Beitritt zu dem Makedonijden Bund. Nod in
mfelben Jahr ſtarb er in Mafedonien. Dom folgte
Philipp, der 16jährige Sohn Demetrios’ I.
4) Der lebte König der Yuden aus dem Gefdpledt
der Maffabsier, Sohn Urijtobulos’ II. regierte 40 —37
v. Chr. Mit feinem Vater 63 von Pompejus als Ge-
fangener nad) Rom gefdict, entfloh er 56, ward 55
von neuem gefangen und erlangte 42 abermals die
Freiheit. 40 ſetzte er ſich mit parthifder Hilfe in Je—
rujalem feft, und fein — Herodes, der Schützling
der Römer, mußte nad Rom fliehen, nachdem Hyrfan
abgejegt und verjtiimmelt worden war. Herodes, von
den Triumpvirn 39 gum Konig in Judäa ernannt, er-
oberte dieſes in dreijährigen Kampf und nad bart:
nidiger Verteidigung aud) 37 Jerujalem. Y., der ſich
feig ergab, ward auy Antonius' Befehl in Antiochia
hingerichtet.
5) A. von Karyſtos (auf Euböa), griech. Gram—
matifer und Erzgießer im 3. Jahrh. v. Sor. lebte in
then und am Hof in Pergamon, wo er an den eher-
nen Statuengruppen zur Verherrlidung der Siege
der pergamenifdjen Könige itber die Gallier mitarber-
tete. Sein Hauptiverf waren Biographien zeitgenöſſi
ſcher Philoſophen; auch ein kunſtgeſchichtliches Werk
hat er verfaßt. Seinen Namen trägt eine Sammlung
von »Wundergeſchichten« (»Historiae mirabiles<,
hr8q. von Reller in »>Rerum naturalium scriptores
graeci minores«, Bd. 1, Leip;. 1877). Bal.v. Wila-
mowitz-⸗Möllendorff, ber W. (mit Fragment:
ſammlung, Berl. 1881).
6) A., aus Sodo in Judäa gebiirtig, jüd. Geſetz
lehrer (Tanna, ſ. Talmud) und Präſident des hohen
Geridtshofs gu Serujalem, jtarb 264 v. Chr.
Antigorit, Viineral, ein dünnblätteriger, leidt
jpaltbarer Serpentin (j. d.) von duntelqriiner Farbe,
durchſichtig bis durchſcheinend, vom YWntigoriotal in
Piemont, Sterzing in Tivol x.
Antigiia, britijd-wejtind. Inſel unter 17° nördl.
Br. und 61° 57 weſtl. L., 251 qkm groß, bat mit
Barbuda (1897) 37,114 (meiſt prot.) Einwohner, dar:
unter faum 2000 Weiße. W. hat felſige, buchtenreiche
Küſten und wird von den bewaldeten Sheekerleybergen
(Boggies’ Hill 405 m) durdgogen. Flüſſe und Bide
feblen, und Quellen jind felten, fo dak das Waſſer in
Sijternen gejammelt werden muß. Wtere Eruptiv-
ejteine herridjen vor, 3. T. von Sand und Kalfitein
* von fruchtbarem Verwitterungsboden über—
574 adwges Amnibanon.
Mntici: —
Syitem > _ Stagg, scams awed Had folie, in denen jid Nadaberang der antifen nach
innerhal! sap ad caneey FOC und Inhe jose
unt bas » Sone gabad). Mntificia, Todaz det Ranolytos, Gemablin des
viel wie ° ~ cancsindvn Negenftuten | aertes, Hens 3S Chahen’. itare aus Gram iiber
Anti: ee et 2) ridy | befien Seriehesberaes shez Seat ſich wegen der fal-
Anti coe Se Meer leben men (oer Soft ere Fv.
tig, Un ge ka vw Nantagen, auf bemex Secfiey ort Serkon.
die Ubi so Shnleweta fT bie Pauper Serfinsic. = yo Semunge ‘seeei wee Satiel. im
Durdhfi ewan, Paul wl tie ee eS = Seri: wer Shelbe, f. Schid-
int 17. ee ante Sel bie Sitheur Dor = = ; - :
geände nbobar c——— —— — — Mdina, Resgidroender
wenn Seanes nnn wont; © => ae Se omrr xpress Radeon bafioren,
jtand, Ser") lob, be Serre SRE IRE — fear. me ge ee Herpiee Sellen
dieſen —V ros fate (fn fee <= — —— Hap — mea Shaier
dieſes “V ————— —ED — — ae Siti: Fao met amex Hinkpiatic
scale) inet 2002. ee R$ — — eS eet ee Se
drigte Stal 1ST: — — ee ee —22—
cheſte —— eux =e = Sess “cite ae ot Be sor Caemeret ache
auf oa ox —— sei Seer — ——— —7
Einf — —— —— —— ea. Tx Remtscet cere ats mt
Brie — —— — * rs ec fem ex Soper Sein
dure — — a — — — —
here — — — a yy ee I E oe ttc te
gab: er ar — ste — —— Tar — tier
cub — 7 — — —EXV — — —t A Be = eS
Lar — — — ae se Cee coe te eevee Nord
aus — — — — wage ——— ists ro
Dui a ee — *— — < 2 Sar Soe ge
GI = — ~~ a «oO a
ſch — — ok — —— SES. er Geng
St — =e — am —— Soest See
ne — E——— — — ere — *
S = = —— —— —— —* Se ee Se —
lic — — — = — — — Sansa. b= 4g anol Fs -y
— = noe See coe ae
Oe ae — — 7 ——— . wie
lei — — —— ⸗ — — ES eee
un was 27 gee = . oa pees
> — ee aan — St SS 2 &o
a =» il a ee ee ee ee ee
" — ot : Ls : ea we Soo ee St
» —_ * — ep eee eg? ——— 18
a : ls 1a ~~. 6 == "ewe Isngeee>
1 —— - = = wn ee — wre Be
oo — = weet =e — Seon:
ean. — : — = —— = — noe
— = neues, —— *
= re Uae ee Se — Sees
a ~ we 2 = oo — Oates
— = . ey ——
* * — — =z öJ— — SSE.
—— =
* ee oo ee — a
a ae ——— ——
—_— e — Es See =
« a ——
J aes SES SS Se =z.
* a? “Ses cs
° = . & Sr ae
ee —— e- Sesto. &
_ =~ 2 Et TE
— - ewe, we TEs 12
— = = << ames
—-— — SS wee Re
— — Ss os wetted >
z - == owas
~ ors Ven
= “ =~ ~— teeta NTE. Tt
— — —— ee es ees
a= 7 — — De See.
— =e
Antilopen I.
— — — — a — =; —— —-
1. Hirschziegenantilope (Antilope Cervicapra). - 2, Steppenantilope (Saiga Salga). -- 3, Gazelle (Antilope dorcas). — 4. Springbock (Antilope Euphore). -
5. Nilgauw (Portax pictus). naturt, GrdBbe,
Meyers Kone.-Levikon, 6. Aufi Hibliograptisches foetitut tn Leieein Sum Viel , latihape an
576
lagert. Das Klima ijt verhältnismäßig troden und
wu ausgeprigten Diirrejahren neigen
egenhihe von nur 590 mm im Jahresdurchſchnitt).
Dabei fehlt es aber nicht an verheerenden Regenfluten ;
aud) Orfane und Erdbeben (1843, 1874, 1895) ride
ten dfters großen Schaden an. Die Neger leben meijt
als fleine Grundbefiger bei den Plantagen, auf denen
jie Urbeit finden. Zuckerbau ijt die Hauptfultur, aber
cud) YUnanas, Bataten, Yams und Südfrüchte wer-
den gezogen, Dagegen ijt die Kultur von Baumwolle
auifgegeben. Zwei höhere Sdulen werden von der
Regicrung unterftiipt; ein anglifanifder Biſchof refi-
diert in St. Johns; die Herrnbuter haben fieben Sta-
tionen. Die Ausfuhr (Ruder, Melajje, Rum, Una-
nag) betrug 1899: 128,095, die Einfubr 115,908, die
Cinfiinfte 42,822, dic Ausgaben 51,959, die öffentliche
Schuld 137,271 Pfd. Sterl.; der Schiffsverfehr (vor-
wiegend nad) Nordamerifa) 444,159 Ton. Der Gou—
verneur, dent ſämtliche Leewardinfeln (ſ. Wntillen)
unterjteben, wird durch einen Geſetzgebenden Rat von
16 Mitgliedern unterſtützt. thminat gehören gu
A. die nahen Inſeln Barbuda und Redonda. Haupt:
jtadt ijt Saint Johns mit 9738 Einw. und qutem
Hafen; trefflide Hafen find aud Falmouth (Eng.
liſh Harbour), mit Schiffswerft, und Parham. — VL
wurde 1493 von Kolumbus entdedt, zuerſt 163% von
Englindern befiedelt und nad — Beſetzung
durch die Franzoſen im Frieden von Breda (1667)
ſförmlich an England abgetreten. Bgl. Oliver, His-
“2 of the island of A. (Lond. 1896 — 99, 3 Bde.).
nutihydropin (Pulvis taracanae), ſ. Sdaben.
Autik (v. lat. antiquus, alt, altertiimlid)) bezeich—
net die klaſſiſchen Voller des Ultertums, Grieden und
Romer, fowie die Produfte ihrer ſtaatlichen und fultur-
hiftorifden Entwidelung. Die gange römiſche und
griechiſche Welt fast man unter dem Namen der An—
tife zuſammen. Im engern Sinne verfteht man
unter Untifen die uns erhaltenen Gegenjtinde der
riechifden und römiſchen Kunſt und Kunſtinduſtrie.
mmlungen folder Werke heißen WUntifenfabi-
nette, Untifenfaile oder Antifenfammlun:
gen, die entweder fiir fid) allein beftehen, wie 5. B. die
Glyptothek in München, oder Ubteilungen größerer
Muſeen bilden. Wo es an Originalen griechiſcher und
römiſcher Kunſt fehlt, liefern Gipsabgüſſe cinen Er-
jag. Die widtigiten Antilenſammlungen, die Ori-
enthalten, befinden fid) in Rom (val. Helbig,
Führer durch die Hffentliden Sammlungen klaſſiſcher
Altertümer in Rom, 2. Aufl., Leipz. 1899, 2 Bde.),
Neapel (Mufeo nazionale), Floreny (Affizien), Uthen,
Olympia (Funde von Olympia), Ronjtantinopel, Pa—
rig (Youvre), London (Britiſches Muſeum), Berlin
(Vergameniſche Ultertiimer), München (Glyptothef),
Dresden, Wien und St. Petersburg (Cremitage). Für
die Kenntnis des antifen Lebens jind namentlich die
Ausgrabungen in Pompeji, Olympia, Pergamon, De
los, Delphi u.a. bedeutfam geworden. Bal. aud Wu
feumt. Als die italienifde Kunſt im 15. Jahrh. durd
den Einfluß der erhaltenen (meiſt römiſchen) Uberrejte |
cine völlige Umwandlung und Neubelebung erfubr, |
bescichnete man dies als dic »Nenaijjance der Antile«.
Autikaglien (ital., for. tajen), Altertümer gerin
qem Umfanges, z. B. Waffen, Schmuck, Hausgerite,
geſchnitiene Stcine, Scherben xc.
Antikathode, ſ. Rontgenſtrahlen.
Antikbronze, Bronze mit künſtlich erzeugter Pa—
Antikenſammlungen, ſ. Antil. ſtina.
Antikiſieren (lat.), dic Weise des Altertums nach
ahmen; altertümein. AntikiſierendeKunſtwerke
(mit einer
Antibydropin — Antilibanon.
find folde, in denen fic) Nachahmung der antifen nod
Form und Inhalt zeigt.
Antifleia, Todter des Uutolyfos, Gemabhlin des
Lacries, Mutter des Odyſſeus, jtarb aus Gram über
deſſen Verfdollenheit oder tdtete fid) wegen der fal-
ſchen Nadhridjt vor feinem Tode.
Autiklimax (qricd.), ſ. Gradation.
Wntiflinale, in der Geologie foviel wie Sattel, im
Gegenſatze gur Synflinale oder Mulde; ſ. Schich
tung.
Uutifohirer, bie von Aſchlinaß, Neugſchwender
und Béla-Sdiafer angegebenen Radiofonduftoren,
d. h. Upparate, die dazu dienen, Hertzſche Wellen
wabrnehmbar ju maden. Der UW. von Schafer
(chäferſche Platte) befteht aus einer Glasplatte
mit Gilberbelag, der durch äußerſt feine Schnitte m
mehrere Teile gerlegt ijt. Legt man an die duferiten
eile des Belags Drabhte an, m die ein Element nebit
Relais eingel altet ijt, fo wird der Relaisanfer an-
gejogen. Die Schnittſpalten unterbreden alfo nicht
den Strom. Wird der — Hertzſchen Wellen
beſtrahlt, fo verringert ſich die Leitfähigleit der Schnitt⸗
ſpalten; der Relaisanker fällt ab. Nach Aufhören der
eleltriſchen Beſtrahlung ſteigt die Leitfähigkeit ſofort
wieder. Der Upparat wird A. genannt, weil beim Ko—
härer (f. Drahtlofe Telegraphic) die Leitfähigleit durch
eleltriſche Beſtrahlung erhöht wird. Praktiſche Anwen⸗
owes hat der A. bisher nur verſuchsweiſe gefunden.
ntifonftitutionell, tonftitutions-, verfajjungs-
widrig, der Verfajfung entgegen, mit den Grundfagen
der fonjtitutionellen Monardie unvertriglid.
Antiforngzollliga, ſ. Anti -Cornlaw - League.
Wntifdrper, ſ. Immunität.
Antikragos, Gebirge, ſ. Kragos.
Auntikritik (gried., ⸗Gegenbeurteilung ·) Erwide-
rung eines Autors auf eine (ungünſtige) Kritik, zum
Swed der Widerlegung.
AntifHra, altgried). Stadt in Pholis, am Korin—
thifden Meerbujen, mit gutem Hafen, beim jepigen
Usprafpitia. A. wurde von Philipp von Wale
donien zerſtört und nad) feiner Wiederherjtellung 198
v. Chr. von den Römern erobert. Yn der Umgegend
wuchs der bejte Helleborus (Nieswurz), der den iter
al8 Heilmittel gegen Wahnwitz und Shwadfinnig
feit qalt; A. ward infolgedejjen zu ciner Art Aurort.
Antilegoména (qricd.), joviel wie bejtrittene, fir
unedht erflarte Dinge. Als A. galten der Altern lu—
therifdjen Rirde cine Zeitlang gewijje neuteſtament⸗
lide Schriften, die ſchon in der alten Rirde nur neiib-
jam ju fanonifdem Range batten gedeiben können.
nämlich: Der zweite Brief des Petrus, der zweite und
dritte des Johannes, die Briefe des Jalobus und des
Judas, der Hebräerbrief und die Offenbarung des
Johannes. Sie ſind in ältern Bibelausgaben zwar
abgedruckt, aber nicht mitgezählt.
utilibaänon (richtiger Antilibanos, arab.
Dſchebel eſch Scherki, -Ojtberge), Gebirgszug,
der Syrien öſtlich vom Libanon und mit dieſem fart
gleichlaufend durchzieht (ſ. Karte »Palajtina-). Er
beginnt unweit der Jordanquellen fogleid) mit jemer
höchſten (2860 m) Erhebung, dem Hermon (f. d.),
und erjtredt fid) von SI. nad NO., wird von dem
Tal des Barada durchſchnitten, durch welched die
Hauptitrake nad Damaskus sieht, ſteigt ndrdlid) des
jelben im Dabhr Ubu'l Hin wieder ju 2480 m an und
dacht fic) im N. und NO. in der Nahe von Homes
völlig gur Ebene ab. Cin Steilabbrud) begrenzt den
YL. im a ein Staffelbrud im O. der gu der 690 m
hohen Chene von Damaslus abfillt. Die Abhänge.
Antilopen I.
J a — — en = : — > - = — —
— — —— > ——
: — — ¢ = —
1, Hirschziegenantilope (Antilope Cervicapra). -- 2, Steppenantilope (Saiga Salga). — 3. Gazelle (Antilope dorcas). 4. Springbock (Antilope Euphore)., -
5. Nilgau (Portax pictus). 'y9 natdrl. Grobe.
Mevere Mane oleviban A Mets Hibtioeranticohes Tasttet in Deinrie Five Vnok Veetetas
29D “Mowe *y (enupine, sedarqojety) NUMUap Tass ¥Y
(CUIVETD SHPQNG) eAAqa HH } (seas0 enuydejasng) edoyspueuol” * (SHjUiNoeuWoseU KOpPpy) edolsUBsAaPUaW Au 2eIGQNN ZF
a
WAYS:
8 RS he REF RTT, ca F
R
*
‘|| uadonnuv
(npny sosaredaus) npay |
2 ——
om
we,
¥ “ARR,
=<
&
Antillen — Wntilopen.
befonder3 in ben höhern Regionen, find meijt baum-
103, höchſtens mit Buſchwerk und Zwergeiden bedect;
die Tiler da egen prangen im herrlichſten Pflangen-
w und a z. 2- angebaut. Geologiſch bejtebt
der AU. aus Kreideſchichten und Ronglomeraten, der
Hermon vorwiegend aus Kalt. Die Bergformen find
meijt rundlid) ausgewittert. Zwiſchen U. und Libanon
erjtrect fid) von den Jordanquellen bis gum Orontes
das grofe Langstal der Befaa, im AUltertum Köle—
fyrien —— Syrien«) genannt. Die Bewohner
des öſtlichen A. find größtenteils arabiſche Nomaden-
ſtämme, die des weſtlichen Druſen. Reich ijt der A.
an Tempelruinen, darunter die von Baalbek.
Autillen, dic Inſeln, die ſich in einem 3300 km
langen Bogen unter 10°— 23° 30’ nördl. Br. und
60 — 85° weſtl. L. von Yucatan bis gegen die Ori-
nofomiindungen erjtreden und das Raribifdje Meer
vom offenen Atlantiſchen Ozean abgrenjen. Wan
unterfdeidet Die Groen A.: Cuba, —— Haiti
und Puerto Rico, und die Kleinen W., die als »Jn-
fel fiber Dem Wind« (Isles du vent, Islas barlo
viento) von den Sungferninjeln bis nad) Trinidad
und als »Inſeln unter dem Wind« (sous le vent,
sotto viento) von Trinidad lings der Küſte Bene-
zuelas weſtwärts big Druba reiden. Die Englander
beſchränken den Ausdruck⸗Inſeln im Wind« (Wind-
ward Islands) auf die Inſeln im S. von Martinique
und bezeichnen mit »Jnfeln unter dem Wind« (Lee-
ward Islands) die nérdliden Inſeln. Die A. mit den
PBahamainjeln bilden Wejtindien. Ihren Namen
verdanfen jie einer fabelhaften Inſel Untiglia oder
Untillia, die feit 1367 auf den Seelarten zwiſchen
Lijjabon und Japan einen Platz gefunden hatte. uf
Peter Martyrs Vorjdlag wurde der Name auf die von
Kolumbus entdedten Inſeln iibertragen. Die Kleinen
A. heißen aud) Karibiſche Inſeln eee ihren sefe
nern, den Rariben (j. d.). Weiteres ſ. unter »Weſt⸗
indien< (mit Karte) und den eingelnen Inſeln. Bal.
de Rosny, Les Antilles (Par. 1886); iiber Untillia:
Buade, Recherches sur lile Antillia (Par. 1806);
A. v. Humboldt, Kritiſche Unterſuchungen, Bd. 1;
Kretſchmer, Die Entdeckung Amerilas (Berl. 1892).
Antilleneiche, j. Catalpa.
Antillenkaſſie, |. Acacia.
Antillenmeer , j. Karibiſches Meer.
WUntillenftrdmung, ſ. Goljjtrom.
Antilsdos, im griech. Mythus Sohn des Yeytor,
unter den jiingern Helden vor Troja durd) Schönheit,
Sdnelligkeit und Tapferteit ausgezeichnet, dem Achil—
leus innig befreundet, dem er daher den Tod des Pa—
troflo3 zu melden Deauftragt wird, rettete Den Vater
mit Mufopferun des eignen Lebens vor Memnon,
der ibn tötete. Udhilleus rächt ijn an diefem und fept
ſeine Aſche neben der des Patroflos in dem Grabbhiigel
bei, den er fiir ſich felbjt errichtet hat. Den drei Freun—
den bradhten die Bewohner von Dlion nod) in ſpäter
Beit gemeinfame Totenopfer dar.
Antilopen (Antilopina Baird, hierzu Tafel »Un-
tilopen I und I<), Unterfamilie der Horntiere (Ca-
vicurnia), ſchlanke, hirſchähnliche, gum Teil aud an
Rinder oder Pferde crinnernde Tiere mit vielgeſtal—
tigen, meijt beiden Gefdledjtern eignen Hdrnern. Das
oft auffallend gezeichnete Haarflerd seta, häufig am
Hals eine kleine —** und um das Maul herum
einen Bart. Der Schwanz iſt gewöhnlich kurz. Die
Weibchen werfen ein, ſelten zwei ae 4 und tragen
fie in etwa ſechs Monaten aus. Die VW. leben meijt
in Herden in Steppen, cinige auc) im Hodgebirge ;
fie find in beftindiger Bewegung und fehr wadfam.
Mepers Aonv.⸗Lexiton, 6. Aufl, L Bd.
577
Mande Urten lafjen fid) leicht zühmen und werden
u förmlichen Haustieren (altes Agypten). Fleiſch,
—* und Haare werden benutzt. Die A. gehören
bis auf wenige Arten der Alten Welt an; ungemein
reid) an Arten ijt Afrika, die nächſtgrößte Bahl be—
—— Aſien, in Europa kommen nur die Saiga—
ntilope und die Gemſe, in Amerika die Hirſchanti—
{ope vor. Yn der Gefangen{daft halten fie lange aus.
In brafilijden Höhlen find foffile Rejte von A. qefun-
den worden, wiihrend Siidamerifa jest feine A. beſitzt.
Die Hirfdszieqgenantilope Gezoarziege,
Antilope Cervicapra Pall., Tafel I, Fig. 1), 1,25 m
fang, 80 cm hod), mit 40 cm langen Hörnern nur
beim Mannden, langen Ohren und kurzem, bufdig
behaartent Schwanz, ijt braun, unterfeits weiß. Sie
lebt in Borderindien tn Herden von 50 — 60 Stiid,
ijt Dem Monde geheiligt, nimmt im Tierfreis dic Stelle
des Steinbodes cin und wird in Gedichten wegen ihrer
Schönheit gepriejen. Nur die Brahmanen diirfen ihr
Fleiſch effen. Die indifden Fiirjten beizen fie mit Fal-
fen oder jagen fie mit Dem Yagdleoparden. Die Trii-
nengruben fondern einen ftarf riechenden Stoff ab,
der, an Baume oder Steine gerieben, wohl das andre
Geſchlecht anlodt. Bezoarlugeln aus dem Magen gel-
ten als beiltraftig. Die Gazelle (Antilope dorcas
Licht., Tafel I, Fig. 3), 1,1 m lang, mit 20 cm
langem Schwanz, 60 cm hod), garter und ſchlanker
ebaut und ſchöner gezeichnet als unjer Reh, mit gro⸗
a feurigen Augen, — zierlich behuften Beinen,
mittellangen Ohren und kleinem Gehörn bei beiden
Geſchlechtern, iſt ſandfarbig gelb, auf dem Rücken und
an den Läufen dunkel rotbraun, mit einem längs der
Leibesſeite verlaufenden nod dunklern Streifen, unter-
ſeits weiß, lebt in Nordoſtafrika, wird leidenſchaftlich
ejagt, auch mit dem Fallen gebeizt, aber auch ſehr
—34 gezähmt. Zur Zeit der 4.—6. Dynaſtie wurde
fie im alten Ägypien als Haustier gezüchtet und in
Herden gehalten. Die Gazelle ijt das bevorzugte Tier
Der morgenlindijden Didter, deſſen Schönheit und
Anmut jie bejingen, und mit der fie die Geliebte riih-
mend vergleiden. Ym alten pten war fie der Iſis
— t. Sie ijt Das Reh der Bibel. Der Spring-
od (Suge oder Prunkbock, Antidorcas Euphore
afel I, Fig. 4), 1,3 m lang, 85 cm hod,
mit 20 cm langem —— 80 cm hohen Hörnern
bei beiden Geſchlechtern und langen, ſpitzen Ohren,
iſt zimtbraun, unten und an den Spiegeln weiß, mit
weißem Streifen über den Rücken, lebt in ungeheu-
rer Zahl in Südafrila. Der Buntbock Gubalis
pygarga Sund.), 1,5 m hod, 2m lang, purpurbraun,
amt Ropf, Hinterbaden und Unterſeite wei. Sehr
ähnlich, nur kleiner und kurzhörniger ijt ber Bläß—
bod (B. albifrons Sund.). Zu dieſen beiden fiidafri-
fanijden Arten gefellt ſich tm Innern Afrikas und
int Wejten die Senegalantilope (B. senegalensis
Gray), mit kurzen, Inotigen, wenig gebogenen Hir-
nern, erdgrauer —— und dunkelgrauen Flecken
am Auge, auf Ober- und Unterſchenkel. Die licht rot-
braune Steppenfubantilope (Tora, B. bubalis
Pall.), von Hirſchgröße, mit ſtarlen Hörnern, be-
wohnt das nördlichere Gebiet und war ſchon den Al—
ten unter dem Namen Bubalus befannt. Das Harte-
beeft (Dirfdfubantilope, Kaama, Bubalis
Caama Sund., Tafel I, Fig. 4), von Hiridgrife,
aber viel plumper gebaut, mit ſehr {tart verlingertem,
haflidem Kopf, braun, unterfeits wei}, mit \dwar-
zer Schwanzquaſte und doppelt gebogenen, 63 cm
langen Hörnern, lebt in Rudeln im Herzen Ufrifas,
aud in Siidafrifa, wo e3 aber bereits febr tact zurück⸗
87
Forster,
578
qedringt ijt. Gein gedörrtes Fleiſch ijt cin widti-
ger Handelsartifel, aud) Fell und Horner find fehr
geſchätzt. Die Steppen- oder Gaiga-UAntilope
(Saiga Saiga Wagn., Tafel I, Fig. 2), 1,2 m lang,
80cm hod), plump gebaut, mit 11 cm langem Schwanz,
verlingerter, febr beweglider Rafe, 30 cm langen
Hörnern beim Männchen, furzen, breiten Ohren, ijt
qrau, am Baud weif, auf dem Riiden dunfelbraun,
lebt qefelliq in den Steppen Ojteuropas von der pol-
nijden Grenge bis gum Ultai und wird von den No-
maden z. T. mit Hilfe des Steinadlers eifrig qejagt. Der
Riedbod (Redunca eleotragus Gray), 1,5 m lang,
gegen 95 cm hod, ijt etwas ſchlanker gebaut als unſer
Reh, mit ziemlich langem Schwanz, 30 cm angen,
am Grunde geringelten, vorwärts gebogenen Hörnern
nur beim Miinnchen und langen Ohren, rot grau-
braun, unten weiß, lebt paarweife, aber — häu⸗
fig in ſumpfigen Gegenden Süd- und Mittelafrikas.
Der Wafferbod (Kobus ellipsiprymnus Sund.) ijt
ein hirſchähnliches, ſchwer gebautes Tier, 1,5 m lang,
1,3 m hod, mit 50 cm langem Schwanz, 80 cm
langen Hörnern beim Mannden, ijt rotbraun, mit
ſchmalen weißen Streifen am Hals und am bintern
Teil der Schenfel, lebt in fleinen Oerden in Süd—
und Mittelajrifa und fudjt bei der Verfolgung jtets
das Waſſer gu erreidjen. Die Falbenantilope
(Blaubod, Sdhimmelantilope, Hippotragus
leucophaeus Sund.), 2,2 m lang, mit 75 cm langem
Schwanz, 1,6m hock, mit ftarfer Nadenmiahne, 65 cm
langen Hörnern und langen Ohren, ijt rojtfarbig
weißlich, ant Borderfopf f —— unterſeits weih,
lebt in fleinen Trupps in den — Inner⸗
afrilas. Die Steppenkuh (Spießbock, Säbel—
antilope, Algazelle, Oryx leucoryx Riipp.), 2m
lang und 1,25 m hod, mit 1,1 m langen Hörnern bei
beiden Gefdledtern, kurzen, breiten Ohren, ijt qelb-
lichweiß, am Kopf braun geflect, lebt paarweije oder
in fleinen Trupps in den diirrjten Striden Nord-
und Wittelafrifas und wurde in Wgypten zur Zeit
der 4.—12. Dynaftie als Haustier gesichtet. In Ubef-
finien wird fie durd die Betfa (O. Beisa age 5 ver⸗
treten, die ſich auf den alten Denkmälern Agyptens
und Nubiens häufig abgebildet findet und ehemals
Gegenſtand vieler Fan war. Oryxantilopen
wurden im alten Aghpten gezähmt gehalten, zur Opfe-
rung benutzt und ſcheinen von Israeliten, Perſern u. a.
nad) Aſien gebracht und dort gesiidjtet worden ju
fein. Auch bat man auf fie die Sage vom Einhorn
zurückgeführt. Größer und plumper al die vorigen
iſt ber Ba ſſan (Oryx, O. eapensis Sund.), mit ganz
eraden Hörnern, am Rap. Wan benutzt Fleiſch und
a der Oryrantilopen, die Horner als Lanzenſpitzen,
Die des Paſſan als Spazierjtide. Die —28—
Mendesantilope (Addax nasomaculatus Gray,
Tafel I, Fig. 2), 2 m lang, ziemlich plump gebaut,
elblichweiß, mit braunem Kopf und Hals, brauner
ähne und ziemlich langem Schwanz, lebt in Her-
den im dürrſten Ojtafrifa und findet ſich gleichfalls
auf ägyptiſchen Denkmälern häufig dargejtellt. Die
Mendeshirner der Gitterbilder, der Priefter und Kö—
nige Ägyptens find dem Gehörn diefer Untilope nach—
ebildet. Sie wurde aud als Haustier gezüchtet.
Der Kudu (Wgafeen, Strepsiceros Kudu Gray,
Tafel II, Fig. 1), 2,5 m fang, 1,7 m hod, mit 50 cm
langem Schwanz, langen Hörnern beim Männchen,
unferm Hirſch ähnlich — gemähnt, rötlich braun⸗
grau, weiß geſtreift. Der Kudu bewohnt die Wälder
vom Kapland bis zu den Nilländern, er wird eifri
gejagt, denn ſein Wildbret iſt ausgezeichnet, un
Antimachiavell — Antimeren.
ebenſo hod find Hörner und Felle geſchätzt. Die Elen⸗
antilope(Buselaphus oreas Gray, Tafel I, Fig. 3),
3,3m lang und 2m bod, mit 70cm langem Schwanz
vom Habitus des Rindes, mit lang herabhangender
Wamme, ijt hell- oder gelblichgrau, an den Seiten
Heller, lebt gefellig in Gild- und Mittelafrifa und
zeigt die Gewohnheiten des Rindes. Yn der Gefangen-
rat pflangt fie ſich ohne Schwierigleit fort, und man
at Daher vielfad) günſtige Verfuche angeftellt, fie als
uStier in Curopa eingubiirgern. Jor fehmadhaftes
Fleiſch bildet gerduchert einen OHandelsartifel, aud
das Leder ijt vortrefflidh. Der Nilgau (Portax pic-
tus Wagn., Tafel I, Fig. 5), 2 m lang und 1,4 m
hod, dunfel braungrau, gemähnt und mit langem
Haarbüſchel an der Reble, bat qrofe Obren, 25 em
lange Horner bet beiden Gefdhledtern und fangen
Schwanz, lebt paarweiſe in Oftindien und Kaſchmir
Jn Italien iiberjtanden dort gesiichtete Tiere iam freten
Wald den Winter fehr qut. Sein Fleifd ijt ſchmad
haft und die Haut wertvoll. Der Llippfpringer
(Safja, Oreotragus saltatrix Sund.), 1m lang und
60 cm bod), mit langen, breiten Obren, kurzen, ge
raden Hirnern beim Männchen, ijt der Gemſe ähn
lid) gebaut, olivengelb, ſchwarz gefprenfelt, an der
Rehle und Innenſeite der Beine weiß, lebt paarweiſe
in Ubeffinien und am Rap und ijt äußerſt beweglich
Der Goral (Nemorhoedus Goral Wagn.), 1m lang,
70 cm bod, mit 20 em langem Schwanz, 10 em
langen Hörnern, langen, fdmalen Obren, ziegen
ähnlich gebaut, grau- oder ritlidjbraun, ſchwarz und
rötlich gejprenfelt, an Sinn und Keble wei, auf dem
Rilden ſchwarz, lebt in ftarfen Rudeln tm wejtlichen
Himalaja und gilt fiir das ſchnellſte aller Geſchöpfe
des Landes. Uber die Gemfe f. d.
Das Gnu (Wildebeeft, CatoblepasGnu Sund.),
2m lang, 1,2 m hod), mit 80 cm langem, lang be
quaftetem Schwanz, ſeitlich abwärts und mit den
Spitzen wieder —— Hörnern, graubraun,
mit weißlicher Nadenniähne, dunfel graubrauner
Mähne an Bruſt und Hals, weiflidem Knnbart und
braunen Haarbüuſcheln tm Geſicht, lebt mit dem Streit
fengnu (C. taurinus Sund., Tafel II, Fig. 5) und
einer dritten verwandten Art in Südafrika bis gum
Yquator, ijt ſcheu, ungefdidt, wild und fehr ſchnell
Man benugt das arte Fleifd und die Haut. Der
Gabelbod (Antilocapra americana Sund.), 1,5 m
fang, mit 20 cm langem Schwan und 30 cm fangem
Gehorn, mit Nackenmähne, oberfeits rojtgelbbraun,
unterfeit3 weiß, lebt im mittlern Nordamerila, liefert
eſchätzte Haute fiir Leder und in der Jugend ſchmad
Paftes Fleiſch.
Antimachiavell, Titel einer Schrift Friedrich
bd. Gr. (1739) zur Widerlequng der polttiiden Grund-
—— (jf. d.).
ntimados, griech. Dichter aus Kolophon, um
400 v. Chr. Wit feinen beiden Hauptwerien, dem
Epos »>Thebais« und cinem nad feiner verjtorbenen
Geliebten Lyde benannten Elegienzyklus, der die Wy
then durch den Tod getrennter Viebespaare behandelte,
war er Begriinder der gelehrten Dichtung und Bor-
läufer und BVorbild der Ulerandriner, die ihr: qleid
nad Homer ftellten. Die Bruchftiide feimer Didytun-
en (bei Rinfel, Epicoram Graecorum fragmenta,
Ben 1876, und Bergf, Poetae lyrici graeci, Bd. 2;
berjefung von Weber, 1826) zeigen eine gefudhte,
oft ſchwülſtige Sprade und befunden mehr Kunſt und
Gelehriamfeit als rye ee
AUntimafaffars, ſ. Malaſſarbl. Tier.
Antimeren (Gegenſt ücke), ſ. Individuum und
Antimon — Antimonchlorid.
Antimon (Spichqlan;, Spießglas, Spieß—
glanzkönig, Antimonium, Stibium, Regulus An-
579
Brongieren benuft. Man überzieht aud) Kupfer und
verfupferte3 Eiſen mit A., um es vor Rojt gu ſchützen;
timonii) Sb, chemiſches Element, findet fic felten ge- | hauptſüchlich aber verwendet man es ju Legierungen
diegen (Undreasberg, Pribram, Allemont, Schweden), | Schon in vorgeſchichtlicher Heit ijt metallijdes A. in
meiſt mit Sdwefel verbunden als Untimongla
(Grauſpießglanz) Sb,S, mit 714 Brox. aL,
jilber= und & Idhaltig, mit Sdywefel und Cifen als |
Verthierit FeS,Sb,S, und in zahlreichen Ricel-, Kup-
fer-, Blei- und Sulbererzen, dann als Untimonarfen,
Antimonnickel, Untimonjilber, orydiert als Untimon-
bliite (Valentinit)Sb,O0,, Untimonoryd mit 83,32 Pro}.
A. und Antimonblende (Rotſpießglanz) Sb,O0,,2Sb,8,,
Antimonoxyd mit Schwefelantimon.
Gewonnen wird das A. aus Graufpiefiglangers
oder aus dem durd) Uusfeigerung dieſes Erzes in
einem Flammofen mit geneigtem Herd gewonnenen
Sdwefelantimon. Bei der Riederfdlagsarbeit
wird bas Sdwefelantimon oder das robe Erz mit
Eiſen erhitzt, wobei fic) Schwefeleifen bildet und A.
abgefdicden wird. Man fest hierbet ſchwefelſaures
Ratron und Kohle gu, damit das gebildete Sdpwefel-
natriunt mit dem Schwefeleiſen cine leicht ſchmelzbare
Slade bilbet, von der fic) das UW. Leidhter trennt. |
Bei der Rijtarbeit wird das Er; oder das Schwe—
felantimon im Flammofen geröſtet, wobet ſchweflige
Säure entweidt, und das gebildete Antimonoxyd
(Spießglanzaſche) mit Soda und Kohle in Tie-
geln redugiert. Rohes W. enthalt ftets Arſen, Kupfer,
Blei, Eiſen, Schwefel und wird gereinigt, indent man
es wiederholt mit Sdwefelantimon und Goda und
dann nod) zweimal mit fohlenfaurem Natron ſchmilzt,
wobei erforderlid ijt, daß Das A. ſtark eiſenhaltig fei.
Reines W. zeigt auf der Oberfläche ſchön kriſtalliniſches
Gefiige, den Stern. Beim eleftrolytifden Verfahren,
das bts jet wenig praftijde Bedeutung hat, wird das
Sdhwefelantimon durch Wlfalijulfhydrat in Löſung
gebracht und aus der Lauge dads A. gefällt, worauf
fie Dont neuem als Lifungsmittel benugt wird.
Reines U. ijt glänzend bläulich-ſilberweiß, grob- |
blatteriq frijtallinifd, vom fpes. Gew. 6,71, Utomge-
widt 120; es ijt Harter als Kupfer, leicht pulverifier- |
bar, verändert fic) nicht an der Luft, ſchmilzt bei |
630°, verflüchtigt fic) oberhalb 1300°, verbrennt an
der Luft gu Unttmonoryd und gibt vor der Ldtrohr-
flamme auf Roble ftarfen weijjen Beſchlag. Bei hoher
Temperatur zerſetzt es Wafferdampf. Es löſt fid) in
Königswaſſer gu Yntimondlorid, wird von Heifer
fonjentrierter Schwefelſäure in jdjwefelfaures Unti-
monoryd und von Salpeterfiure in Untimonoryd
und Untimonfaiure veriwandelt; mit Salpeter mia)
es im gliibenden Tiegel gu antimonfaurem Kali. Mit
Chior und Schwefel verbindet es ſich direft. Äußer⸗
lich gleicht Das UW. den Metallen, aber in feinem che—
mifi Verhalten bildet e3 mit Phosphor und Arjen
eine natürliche Gruppe; es ijt drei- und fiinfivertiq
und bildet mit Gauerjtoff Sintimonoryd Sb,O, und
Untintonpentoryd Sb,O, und mit Wafferjtoff den
Untimonwafjerjtoff H,Sb. Erplofives UW. wird aus
Untimond)lorid cleftrolytijcd als ſilberglänzende Maſſe
erhalten, e3 enthalt Waſſerſtoff (und Untimondlorid),
zerſtiebt beim Rigen, Sdlagen und bei 200° erplo-
fion8artig und bildet mit Duedfilber tein Umalgam
Unterſchied vom gewöhnlichen A.).
Produftion: Deutſchland 3149, Frankreich 1499,
Ungarn 940, Stalien 581, Neufiidwales 332, Ofter- |
id) 271, Japan 229 Tonnen. A. dient sur Dar-
ſtellung mehrerer Farben und argneilid) benugter
ate; aus Untimondlorid durd Rint als ſchwar⸗
zes Pulver (Cifenfdwar3) gefillt, wird es zum
nj | TranSfaufafien und im Kaukaſus ju Schmuckgegen—
oft | ſtänden benutzt worden, und nad) Funden in Tello
war es aud) den Chalddern befannt. Wud) mande vor-
geſchichtliche Brongen enthalten W. (bis 7 Proz.). Ob
unter dem auf den ägyptiſchen Denkmälern genann-
ten Farbmittel Meſtem, ſpäter Settem, das gum Be-
malen der Augenbrauen benutzt wurde, Spießglanz
pu verjteben fet, ijt nod) nicht entſchieden. Diosfori-
es und Plinius befdreiben die Gewinnung von A.
aus Spießglanz (stibium) und bejpredjen die Be-
nugung desfelben als Heilmittel. Din Hebräiſchen
und Arabiſchen heißt der Spießglanz Kohl, und die-
ſes Wort ging als Alcool tn andre Sprachen über
und wurde fpater auf den Weingeiit —— (vql.
Ulfohol). Jn der lateinijden Uberjesung Gebers aus
demt 16. Jahrh. wurde der Spießglanz zuerſt Anti-
monium genannt. Die Benennung Spießglanz ge-
braudjt juerjt Bafilius Valentinus, der in fement
»Triumphwagen de3 Antimons« (1460) viele Prä—
parate desfelben beſchreibt und aud) die Darjtellung
des Untintons, dieſe aber nicht als ctiwas Neues, an-
—— Man benutzte damals das A. auch zur Schei—
ung des Goldes und Silbers und als Heilmittel. In
Bechern aus A. ließ man Wein längere Zeit ſtehen,
um ihn dann als Brechmittel zu verwenden; auch
wurden Pillen aus A. benutzt. Da aber die Mönche
ep mit dem A. trieben, jo erlic Franz IT. einen
den Gebrauch deSfelben verbietenden Befehl gegen die
Mönche (anti monachon), daher angeblicd) der Name
A. 1566—1666 war die medizinifde Benutzung de3
Antimons in Frankreich verboten.
Antimonarjéen, Mineral, ſ. Allemontit.
Antimonbajen, |. Bajen.
Antimonblei, ſ. Untimonlegierungen.
Antimonblende (MotfpieHqlangzerg, Byro-
jtibit), Mineral aus Untimonoryd mit Schwefelan—
timon Sb,0,,2Sb,S,, triftallifiert monoflin, und zwar
nadel- oder haarformig, felten derb; Farbe firjdrot,
Diamantglang, ſchwach durchſcheinend. VW. findet ſich
mit andern Untimonerjen zuſammen, befonders ſchön
ju Bräunsdorf in Sachſen und gu Ptibram, aud) zu
Southam in Djtfanada.
UAntimonbliite (Weißſpießglanzerz, Valen-
tinit), Dtineral, Untimonoryd Sb,O, mit 83,56 Proz.
Yntimon, bildet einzeln aufgewadfene oder zu Gar:
ben und Fächern zuſammentretende athe Rri-
jtalle, aud) derb und ecingefprengt, ijt qelblid)- oder
raulichweiß, halb durchſichtig bis durchſcheinend, mit
———— und Diamantglanz, Härte 2,5—3, ſpez.
Gew. 5,6. A. findet ſich mit andern Antimonerzen
zuſammen bei Freiberg, Wolfsberg am Harz, Pribram,
llemont und beſonders in Algerien. Das Antimon—
oxyd fommt als Senarmon tit aud in oktaedriſchen
(teſſeralen) Formen und derb vor, weiß bis grau,
diamantglänzend, Härte 2—2,5, ſpez. Gew. 5,2— 5,3,
beſonders zu Sanſa in Konſtantine und Southam in
Oſtkanada.
Antimonbutter , ſ. Antimonchlorid.
Antimondlorid (Antimontrichlorid, Anti—
monchlorür, Chlorantimon) SbCl, entſteht bei
Einwirkung von Chlor auf überſchüſſiges Antimon,
bei Deſtillalion von Antimon mit Quecſilberchlorid;
es ſetzt ſich im kältern Teil des Apparats als farbloſe,
triſtalliniſche, butterartige Maſſe (Spießglanzbut—
ter, Antimonbutter, Butyrum Antimonii) ab.
37*
580
Dieſe raudt an der Luft, zieht Feuchtigheit an und zer⸗
fließt, ſchmilzt bei 73°3u einer Hligen Flüſſigleit, fiedet bei
223°, wirkt höchſt ätzend, löſt fich in — aber
durch Waſſer zerſetzt, wobei ſich Antimonoxychlo—
rid (Algarotpulver) als weißes Pulver abſcheidet,
das beim Kochen mit viel Waſſer Antimonoxyd gibt.
Cine Löſung von A. aus Grauſpießglanz (Schwefel⸗
antimon) mit Salzſäure bereitet (Liquor stibii chlo-
rati, Cauterium antimoniale) wird zur Bereitung
von Ygpajten, zum Briinieren von — (da⸗
her Bronzierſalz), zur Beize auf Silber, zur Dar-
ſtellung von Antimonzinnober und Lackfarben und
in ———— benutzt. Antimontrichlorid gibt mit
Chlor und Antimon mit überſchüſſigem Chlor An⸗
timonpentadlorid (Antimonſuperchlorid)
8b0l, als farbloſe, an der Luft ſtark rauchende, höchſt
ätzend wirkende Flüſſigleit, die in ber Källe erſtarrt,
bei 140° in Chlor und Trichlorid zerfällt, mit wenig
Wafer ein feſtes Hydrat bildet und mit mehr Waſſer
Antimonſãure liefert. Man benugt es in der organi-
jden Chemie als Chloritbertriager.
Antimondioryd, |. Untimonoryd.
Antimonfahler;, Mineral, ſ. Fablers.
Antimonfluorid SbF, entiteht beim Ldfen von
Untimonoryd in Fluorwafferjtofffaiure und bildet zer⸗
fließliche rhombiſche Rrijtalle. Man benugt A. und
Doppelfalye desielben in der Färberei als Beize, na-
mentli antimonfluoridfjdwefelfaures Um-
moniaf SbFl,.(NH,),SO,, das febr leicht friftallifiert
und in Waffer fehr leicht löslich ijt.
Antimongelb, ſ. Untimonpentoryd.
Untimonglang (Untimonit, Graufpief-
glanzerz), Mineral, Sdwefelantimon S8b,S, mit
71,76 Proj. Untimon, zuweilen goldhaltig, findet ſich
Antimonglang.
in langfaiuligen und nadelfirmigen rhombifden ri
jtallen jowie derb und cingefprengt in ftengeligen (f.
Tafel »Mineralien«, Fig. 4), faferigen, auch didten
Aggregaten, ijt bleiqrau und auf der Spaltungsflace
ſtart metalliſch qliingend, Harte 2, fpes. Gew. 4,6-—4,7.
A. erfcheint auf Lagern und Gängen im friftallini-
ſchen Sahiefer- und Uberqangsgebirge, befonders reid)
lid) bet Wolfsberg am —— —* in Weſtfalen,
Ptibram in Böhmen, in Tosfana, ferner auf Borneo,
auf Sdifofu in Siidjapan (mehr als fußlange Kri—
jtalle, ſ. Abbildung), in Wuftrafien. Der
wichtigſte Antimonerz, tft febr leicht ſchmelzbar und
liefert durch einen einfachen Ausſeigerungsprozeß in
| Schwefelantimon (Graufpiekglan;).
mit Sauren die
Antimondioryd — Antimonoryd.
Tiegein, Röhren oder Flammifen das Spießglas
(Spießglanz, ſ. Untimonfulfide).
seat men et foviel wie Untimonoryd.
Antimonialblei, |. Untimontegierungen.
Antimoniate, Salje der Untimonfaure.
AUntimonige Saure, ſ. Antimonoxyd.
Antimonit, Mineral, foviel wie Untimonglanj.
Antimonite, Salje der antimonigen Saure, j.
Antimonoxyd.
Antimonium (Stibium), Antimon; A. era
A.sulfaratum crudum, nigrum, ſchwarzes Schwefel-
antinton, Grauſpießglanz; A. metallicum, requlini-
ſches Antimon; A. sulfuratum aurantiacum, Gold-
ſchwefel; A. sulfuratum rubeum, Wineralfermes.
AUntimonlegierungen, Berdindungen und Mi-
jhungen des Untimons nuit andernMetallen. Untimon
vereinigt fid) beim Zuſammenſchmelzen mit fajt allen
Metallen und macht diefelben glänzender, barter, ſprö—
der. Mit Blei bildet 3 Untimon-, Antimonial:
oder Hartblei, das aud als Letternmetal! be-
nugt wird. Setzt man die Harte des Bleis — 1, fo
ijt jie bet ciner Legierung mit 65,14 Untimon 11,7.
——— ierungen, die oft aud) Kupfer und
inf enthalten, bilden Das Britanniametall, dbn-
lide, 3. T. bleibaltige Das Untifriftionsmetal!
(Wei gu) su Zapfentagern; 7 Untimon geben mit
3 Eiſen die Reaumurſche Legicrung, die bean
Feilen Funfen fpriiht; die Legierung aus 75 Kupfer
und 25 Yntimon ijt fprdde, kriſtalliniſch, politurfibig,
ins Violette fpielend; eine antimonreiche Kupferlegie
rung ift glingend wei. Untimonfalium dient zur
Darelung organijder Untimonverbindungen.
ntimonmobr, ſ. Aethiops.
Antimonnickel, Mineral, ſ. Breithauptit.
A Antimonnickelglauz, Mincral, ſ. Ridelantimon-
ies
Autimonocker, Mineral, in erdigen rujten und
als Unflug auf Untimonglany, ftroh- bis odergelb und
ges. weid) und gerreiblid), ſpez. Gew. 3,7; bettebt aus
ntimonoryd mit etwas Waffer; findet fic) als Rer-
jeBungsproduft des Untimonglanyes ju Wolfsderg
am Harz, Mazurka in Ungarn x.
Antimonozalat, ſ. Oralfiurefalye.
Antimonoxyd (Untimontrioryd, Anti-
monberoryd Sb,O,, Untimonigfaureanhy-
drid)Sb,O, findet ſich in der Natur als Senarmontit,
Untimonbliite und Untimonoder, entiteht berm Ber-
brennen des Untimons in einem ſchrãg liegenden Tiegel
bei bober Temperatur (Wntimonblumen), berm
Behandein von Untimon mit verdiinnter Salpeter:
faure, beim Soden von Wigarotpulver (Yintimonory-
chlorid) mit fohlenfaurem Natron, beim Fallen von
Untimontridlorid mit Soda und beim Röſten von
Es wird im
großen Direft aus den Erzen durch Rdjtung in Kam—
meröfen und Verdichtung der Dampfe in befondern
Räumen gewonnen. A. bidet farblofe, diamantglin-
zende Rrijtalle, 8 ijt dimorph und in beiden Fallen
ifomorph mit Urfenigfiureanbydrid, wird beim Er⸗
hitzen voriibergehend gelb, fdmilst bet hoher Tem-
peratur und fublimtiert und orypdiert fic) beim Erhihen
an der Luft su farbloſem, nicht itdhtiqem Untimon-
tetroryd Sb,O, (UntimondiorydSbO,); Waſſer⸗
jtoff und Kohle reduzieren es leidt zu Antimon, m
Waſſer ift es nahezu unlöslich, aber löslich in Saly-
ſäure (zu Antimonchlorid), konzentrierter Schwefel⸗
-, dad ſäure, Weinſäure. Mit Alkalien bildet es die unbeſtän⸗
digen antimonigſauren Salze (Untimonite),
ntimonoxydſalze, von denen
Antimonorydfali — Antimonwaſſerſtoff.
nur einige mit organijden Säuren beftiindig find.
Weinfaures Untimronorydfali bildet den Bredwein-
ftein. A. iſt giftig und wirft, wie feine Verbindungen,
brechenerregend. Es war friiher ofjizinell (Flores
antimonii, Stibium oxydatum) und dient zur Dar-
jtellung von Bredweinjtein und andern Untimon-
priiparaten fiir die Färberei. ſſtein.
Antimonoxydkali, weinſaures, ſ. Brechwein
Autimonpentaſulfid, ſ. Antimonſulfide.
Antimonpentoxyd (Antimonſäureanhy—
dryd) Sb,O, entſteht bei Behandlung von Antimon
mit mage ener und fhwadem Erhitzen des Pro-
dults. bildet cin blaßgelbes, beim Erhitzen dunt-
ler werdendes Pulver, das ſich in Waſſer kaum löſt
und bei —— Erhitzen in Tetroxyd 8b,0. (Dioryd
SbO,) übergeht. Es war frither als Materia perlata
offizinell und dient in der Glas- und Porzellanmale-
rei al8 gelbe Farbe, zur Darjtellung von Anilinfar-
ben und gu Glafuren. Beim Zufammenfdmelzen mit
Ulfalifarbonaten entwicelt e3 Rohlenfaiure und bildet
antimonfaure Salje. Diefe find bis auf das Ralium-
und Ammoniumſalz in Waſſer unlöslich und werden
leicht zerſetzt. Aus ihren Löſungen fällt Salpeterfiure
Antimonſäure H,SbO, als weißes Pulver, das in
Waſſer kaum löslich ijt und bei 175° in Metanti-
monfaureHSbO, iibergeht. Byroantimonfaure
H,Sb,O, bildet ein in faltem Waſſer fajt unldslidjes
Ratronjal; H,Na,Sb,O, + 6H,0. Untimonfaures
Rali (Raliumantimoniat) 2KSbO, + 3H,0,
durd Berpuffen von Untimon mit Salpeter erhalten,
ijt gummiartig, in pr jiemlich ſchwer löslich und
dient als Reagens auf Natron, frither wurde es als
Antimonium diaphoreticum arjneilid) benugt. An—
timonfaures Blei (Bleiantimoniat) Pb(Sb,),
wird aus Bleildfungen gefällt, ijt weiß und wird berm
Exhigen unter Waſſerverluſt gelb. Durch Schmelzen
von ſalpeterſaurem Blei —38
581
Antimonfilber (Spießglasſilber, Distra-
fit), Mineral, bejteht aus Untimon und Silber und
enthalt 63,9 — 84,2 Proz. Silber, ijt filberweif, gelb-
lich oder ſchwärzlich angelaufen, Harte 3,5, ſpez. Gew.
9,4—10,0, und findet ſich in rhombifden Rrijtallen
und derben Maſſen, befonders bei Undreasberg und
Ultwolfad in Baden.
UAntimonfilberblende, Mineral, ſ. Rotgiltigerz.
Untimonfulfidbe (Sdhwefelantimon), Bee.
bindungen deS Untimons mit Schwefel. Dreifad-
— (Antimontriſulfid, An—
timonſulfür) 8b,S, findet ſich in der Natur als
Antimonglanz (Graujpiesglan3) und wird aus dem
Erz durd) Seigerung im Flammofen abgefdieden. Es
tommtal8S Spleßglanzi Spießglas, Antimonium
crudum, Stibium sulfuratum nigrum) in den Handel
und bildet eine ſtrahlig kriſtalliniſche, grapbitfarbene,
metallglaingende, abfarbende Maſſe vom ſpez. Gew. 4,7,
ift febr leicht ſchmelzbar, in hoher Temperatur fliidtig,
löſt fic) in Salzſäure unter Entwidelung von Schwefel⸗
waſſerſtoff gu Untimondlorid, verwandelt ſich beim
Erhigen an der Luft unter Entwidelung von ſchwef—
liger Säure in Untimonoryd, verpufft mit Salpeter
uantimonfaurem Kali, erplodiert fer heftig mit chlor⸗
ti Kali und liefert beim Erhigen mit Eiſen me-
talliſches Antimon. Wan benugt es zum Uusbringen
des Goldes aus goldhaltigem Silber, zu Feucrwerts-
faigen, Zündpillen fiir Patronen und in der Veterinär⸗
raxis. Ym Orient benupen es die Frauen feit dem
itertum gum Bemalen der Uugenbrauen. Antimon⸗
ſulfür wird aud) aus Bredweinjtein- oder Untimon-
chloridlöſung durd) Schwefelwaſſerſtoff als orange-
rotes Pulver gefillt; es verhalt fic) gegen baſiſche
Sdhwefelmetalle wie cine Säure (fulfantimonige
Saure) und bildet mit ihnen Schwefelſalze. Mit
foblenjaurem Kali gekocht, bildet es cin Schwefelſalz
rechweinſtein mit Koch⸗ und antimonigſaures Kali, und aus dieſer Flüſſigkeit
ſalz und Auslaugen oder durch Röſten von Untimon: ſcheidet ſich beim Erfalten der Mineralkermes (Sti-
oryd mit Bleiglatte erhalten, dient es als ——
orangegelbe Ol- und Schmelzfarbe (Neapelgelb,
Untimongelb).
Antimoupraparate, arzneilich benutzte Präpa—
rate, die Antimon als weſentlichen Beſtandteil ent-
halten. Sehr viele A. ſind veraltet, — werden
nod) Goldſchwefel (Sulfuraurat, Stibium sulfuratum
aurantiacum) und Brechweinſtein (Tartarus stibia-
tus), cine Löſung desfelben in 249 Teilen Xereswein
(Brechwein, Vinum stibiatum) und eine Verreibung
mit 4 Teilen Paraffinjalbe (Brechweinſteinſalbe, Un-
guentum tartari stibiati) angewendet. Weniger ge
bräuchlich find ſchwarzes Sdywefelantimon (Stibium
sulfuratum nigrum), Rermes (Stibium sulfuratum
rubeum, Pulvis Carthusianorum) und die Löſung
pon Wntimontridlorid (Liquor stibii chlorati).
Antimonradifale, Verbindungen de3 Untimons
mit Ulfobholradifalen. Trimethyljtibin Sb(CH,),
entiteht aus Untimonnatrium und Jodmethyl und
Dejtillation des Produfts (Untimonmethyliumjodid
Sb(CH,),J] mit Untimonfalium. Cs bildet cine ſchwere,
iebelartig riedjende Flüſſigkeit, fiedet bei 81°, ift
elbſtentzündlich und verhält fic) wie ein zweiwerti—
es Metall. Tetramethyljtiboniumbhydroryd
b(CH,),OH, aus Untimonmethyliumjodid und Sil
beroryd erhalten, ijt farblos, kriſtalliniſch, fliidtig,
bildet mit Salzſäure Rebel und verhalt ſich wie Kali—
hydrat. Seine bittern Salze wirfen nicht giftig, aud)
“— bredjenerregend.
utimonregũlus, metallijdes Untimon.
Antimonfaure, ſ. Untimonpentoryd.
bium sulfuratam rubeum), cin Gemiſch von Schwe—
felantimon mit YUntimonoryd, ab, das früher als
Urgneimittel benupt wurde. Finffadh-Sdhwefel-
antimon (Untimonpentafulfid, Gulfurau-
rat, Boldfdwefel)Sb,S, wird aus Untimonpenta-
chlorid durch Schwefelwaſſerſtoff Fd und durd)
Zerſetzung des fulfantimonfauren Ratrons (Sd lip -
peſches Salz) Na,SbS,+9H,0 nut Gaure dar-
geftellt. Letzteres Salz entſteht beim Roden von Anti—
monſulfür (Spießglanz) mit Natronlauge und Sdwe-
fel und kriſtalliſiert in großen, — Kriſtallen.
Der Goldſchwefel (Stibium sulfuratum aurantiacum,
Sulfur auratum antimonii) bildet ein gerudj- und
eſchmackloſes, in Wafjer unlösliches, orangefarbenes
—8* löſt ſich in Schwefelalkalien und Alkalien un—
ter Bildung fulfantimonfaurer Salze und zer—
fällt beim Exbigen in Trifulfid und Schwefel. Es
dient als Expeftorans bei Katarrh, zum Bulfanifieren
des —— u. — von Zündhölzchen.
ntimontetro .
Malimenitteces \ j. Untimonoryd.
Antimontrijulfid, |. Untimonjulfide.
Antimonwafferitoff (Stibin) H,Sb entfteht aus
Antimonzinklegierung bei Behandlung mit Weinfaiure
und Salzſäure, aus Untimondlorid mit Natrium—
amalgam, und wenn Schwefelſäure auf Zink bei Ge-
genwart von Antimonoxyd einwirft. Farblofes Gas,
von eigentitmlidjem Geruch, in der Kälte farblofe Rri-
ftalle, wird dDurd) Luft oder lufthaltiges Waffer fofort
zerſetzt. Das Gas brennt mit grünlichweißer Flamme
unter Bildung weifer Dämpfe von Untimonoryd,
582
gibt auf Borzellan, da’ man in feine Flamme te
oder im erbigten Rohr (bet 150— 200°) einen ſpie⸗
gelnden Fle von Untimon und erzeugt in Silber-
lifung einen ſchwarzen Riederfdlag von Antimon—
jilber. In diefem Berhalten gleicht A. dem Arſen⸗
waſſerſtoff, dod find die Antimonflecke in Natrium-
hypochloridlöſung untdstid.
UAntimonzinnober Sb,OS, wird aus Untimon-
chloridlöſung durd) Erhigen mit unterſchwefligſaurem
Natron erhalten, bildet em farminrotes Pulver, wider-
jteht allen verdiinnten Säuren, mit Uusnahme der
Salzſäure, ijt licht- und luftbejtindig, wird aber von
ähzenden Allalien und Ralf fofort zerſetzt. A. über—
trifft als Olfarbe den gewöhnlichen Zinnober. Der
früher arzneilich benutzte Cinnabaris antimonii, der
bei Bereitung von Antimonchlorid aus Quechkſilber⸗
chlorid und Schwefelantimon als Nebenproduft er-
halten wird, beſteht aus Schwefelquechſilber.
Antimoralismus (lat.) bedeutet ein Syſtem, in
welchem der ſittliche Unterſchied ‘gt eg @utem und
Böſem aufgehoben wird; ſ. Ethik. Val. 3. B. Nieg-
ſche, Jenſeits von Gut und Boje (Leipz. 1886).
Untinoé, alte Stadt, ſ. Antinoopolis.
AUntinomie (qried)., »Gefepeswiderjtreit<), Wider-
fprud) der Geſetze, die Rollifion gwifden verſchiedenen
Geſetzen in cin und demfelben Geſetzbuch. In der
philoſophiſchen Spradje der Widerjtrett sweier an ſich
gid berechtigter Beqriffe oder Anſchauungsweiſen.
tad) Rant verwidelt fic) Die Bernunft insbef. dann
in Untinomien, wenn fie es verfudt, die Gefamtheit
der Naturerjdeinungen als Totalitat, als in ſich ab-
geſchloſſenes Ganges zu denfen. Es ergeben fic) dabei
nämlich cinander widerfprechende Sige, die Dod) mit
leid) guten Vernunftgründen fic) beweijen lajfen;
R läßt lich Der Thefis, daß die Welt in Zeit und Raum
endlich fei, die Untithefis entgegenjtellen, daß fie in
beiderlet Hinſicht unendlid fet; der Behauptung, daß
die Materie aus legten, einfaden Teilen beſtehe, tritt
die andre entgegen, daß fie ing Unendliche teilbar fei;
die Forderung, dak es eine erjte, durch nidts andres
bedingte Urſache alles Geſchehens geben müſſe, beqeg-
net der Behauptung, daß jede Urſache in der Welt
durch cine vorangegangene in Tatigfeit geſetzt wird.
Die Löſung dieſer Widerfpriiche ijt nad Rant nur da-
durch möglich, daß man den Standpunft der Betrad-
tung, in Dem fie wurgeln, die Vorausſetzung, daß die
Dinge und ihr Zuſammenhang etwas an fic) Beſtehen⸗
des ſeien, aufgibt und zum tranſzendentalen Idealis—
mus (j. dD.) tibergebt.
Antinomismus (grid, im allgemeinen foviel
wie Vejtreitung und Verwerfung de3 Geſetzes, in der
Theologie bejonders die Gering Hhipung des mofai-
ſchen Sittengejepes. Antinomiſtiſche Richtungen haben
thren Grund bald in einer dualiſtiſchen Spannung des
Gegenſatzes zwiſchen Geijt und Materie, bald in einer
ſchwärmeriſch iibertriebenen —— von der chriſt⸗
lichen Freiheit, bald in dem Wunſch,
bei den alten Gnoſtikern, bei manchen myſtiſchen Sek⸗
ten Des Mittelalters und der reformatoriſchen Kirche
(j. aud) Agricola 5).
Antinonnin(Kaliumdinitroorth ofrefolat)
C,H,N,O, tommt als Paſte mit Seife in Handel, iſt
geruchlos und wird gegen Pflanjenparafiten, gegen
Sdimmel, Hausfdwanun und zur Vertilgung der
Nonne berugt.
Untinoopolid (aud Untino®, antife Stadt in
Oberagypten (Heptanomis), 122 n. Chr. von Hadrian
ie allmächtige
Wirffamfeit ded Glaubens praftifd gu bewähren.
Solche antinomiſtiſche Richtungen finden wir fdon |
Wntimonzinnober — Wntinori.
| gegründet (j. Untinoos 2). Tritmmer beim Heutigen
| Shih Abäde, gegenüber von Roda.
| Wntindos, 1) der frechſte unter den Freiern der
| Penelope (f. d.), Daber zuerſt von Odyſſeus mit dem
| Bogen erlegt.
2) Schiner Jüngling aus Claudiopolis in Bithy-
| nien, Liebling und Reifeqefabrte des Kaiſers Hadrian,
ſtarb freiwilliq unweit Bera im Nil aus Schwermut
oder, einem Aberglauben folgend, um durch feinen
Opfertod das Leben des Kaiſers zu verlangern. Der
Raijer liek ibn unter die Heroen verfe erbaute ihm
ju Ehren Untinoopolis (j. d.) auf den Trüͤmmera
von Beja fowie zahlreiche Tempel in Bithynien, in Ar⸗
fadien und anderwärts und ordnete ibm jährliche Feit-
ſpiele an. Auch ein Sternbild erbielt ſeinen Namen.
Cine Menge von Statuen und Biijten, Gemmen und
Münzen jtellte ihn als das Ideal jugendlicher Schon
| beit dar, oft mit Den Wttributen einer beſtimmten Gott-
heit (Dionyfos, Hermes, Upollon, Asklepios rc.). Biele
|
i
j
— 1\
a j
\ —
Antinoos Gelief der Bila Albani in Rom).
| Diefer Bildwerle haben ſich erhalten und gehören 4. T-
zu den ſchönſten Werfen der römiſchen Kunjt. Beruhnit
iſt die koloſſale Bildſäule des A. im Vatiklan, aufge
funden in Paleſtrina, wo Kaiſer Hadrian eine Villa
hatte, den Jüngling als Dionyfos darſtellend, mut
Efeukranz und hangenden Loden, und die Antinoos
jtatue im Kapitoliniſchen Muſeum, gefunden im der
Villa Hadrians zu Tivoli. Als die treffendjte Dar-
| jtellung des A. dürfte Das Reliefbruſtbild aus Mar-
mor in der Villa Albani gelten, das ebenfalls ans
Hadrians Billa bei Tivoli ftammt (fj. Whbildung).
Charatterijtijcd find fiir die Untinoosbilder das jtarte,
etwas durcheinander geworfene Haupthaar, die grofen
Augen mit plajtifcd hervorgehobenen, breiten Augen
brauen und vor allem der melandolijde Geſicht
ausdrud. Gegen Verehrung des A. eiferten nod im
4. Jahrb. bie riftlichen Mirchentehrer vergebens. Bal.
Levezow, Uber den A., dargeſtellt in Kunſtdenl
milern (Berl. 1808); Dietridjon, Untinvos (Chn-
jtiania 1884); Laban, Der Gemiitsausdrad des B.
(Berl. 1891). Des W. Verhältnis zu Hadrian ijt Ge
genjtand der Romane »Yntinous« von G. Taylor
(Hausrath) und »Der Kaiſer · von G. Chers.
Antinori, Orajio, Mardefe, Zoolog, ged.
28. Oft. 1811 in Perugia, geſt. 26. Aug. 1882 gu Lett
| Marefia in Schoa, ftudierte Raturwitlenichaften in
Antinofin — Antiodos.
ia und Rom, beteiligte ſich feit 1845 febhaft an
politijden Bejtrebungen und fimpfte 1848 bei Velletri
geaen die Neapolitaner und bei der Verteidiqung Roms.
ach Einzug der franzöſiſchen Truppen ging er nad)
Athen und nad Smyrna, das er gum Wittelpuntt
jeiner wiſſenſchaftlichen Ausflüge machte. 1854 be
qleitete UW. die Fürſtin Belgiojojo nad) Syrien und
durchwanderte ganz Rleinajien. 1860-—61 bereijte
er mit Poggia die obern Rillander. Für eine ornitho-
logiſche Sammlung (in Turin) lieferte er einen vor-
trefflidjen Katalog (Mail. 1864). Nad) der Eröffnung
des Suezlanals ſchloß er fic) der Expedition Sapetos
und Beccaris nad) Ubeffinien an, wo er reidje zoolo—
giſche Ernte hielt. Rady der Heimfehr wurde A. zum
Sefretiir der Italieniſchen Geographiſchen Gefellfdaft
(in Rom) ernannt. 1874 ging er zur Erforjdung der
Shotts nad Tunis, und 1876 fiihrte er cine Expedi-
tion nad) Sentralafrifa, auf der er die italienifdje
Station Lett Marefia griindete. Bgl. G. Untinori,
Il marchese Orazio A. (Perugia 1883).
Antinofin, |. Noſophen.
Antindus, Sternbild, f. »Wdler und A.« (S. 115).
Autioche, Bertuis d’ pr. pertiii vangtisig”), Meer-
enge an der Küſte des franz. —— Nieder⸗
charente, zwiſchen den Inſeln Ré und Oleron. Sie
iſt durch einen Einbruch des Meeres entſtanden.
— — Schule, eine theologiſche Schule,
die im Gegenſa gegen die idealiſtiſche und fpefulative,
oft in’ Bhantajtijdhe abjdweifende Richtung der Alex⸗
andrinijdjen Schule (ſ. d.) fic) die nüchterne Erfor-
fduung des einfachen Schriftſinnes, mit nip tenant,
der allegorijden Auslegung, zur Aufgabe fegte, un
aus deren Reihen daher die gründlichſten und gelehr-
tejten Exegeten hervorgegangen find. Als Stifter der
Sule werden Dorotheo3 und Lufianos (gejt. 311),
zwei Presbyter zu Untiodia in Syrien, genannt, und
ju a bedeutendjten Bertretern gehören Cyrillus
pon jalem, Diodor von Tarjo3 und deſſen Schü⸗
fer Theodor von Mopfuejtia fowie der Biſchof Johan-
ne3 Chryſoſtomos von Konjtantinopel. Die lepten
nambaften Bertreter der Sdule waren Ibas von
pent und ber Rirdenbijtorifer Theodoretos, Biſchof
vor Cyrus. Der Gegenfag der antiocheniſchen Schule
u der alerandrinijden war anfangs ein bloß wiffen-
Pe aftlicher, wurde aber unter den origeniſtiſchen und
nejtorianifden Streitigfeiter zu einem ausgepriigten
firdhlich-Doginatijchen, indem die alexandriniſche Saute
in Bezug auf das Verhältnis der beiden Raturen in
Chrijtus zu einer monophyfitijden Auffaſſung = 2
neigte, wabrend die a. S. an der Trennung der Na-
turen fejthtelt. Bgl. Kihn, Die Bedeutung der an-
tiocheniſchen Schule auf eregetifdem Gebiet (Weifen-
bitrg 1867).
utiocheniſches Fiirftentum, von den Kreuz⸗
fabrern nad der Einnahme der Stadt (3. Juni 1098) fiſch
geqriindet, wurde von Bohemund I. und feinen meijt
leichnamigen Nadfolgern bis auf Bohemund VI.
— * der es 19. Mai 1268 an Sultan Beibars
von AÄgypten verlor (j. Bohemund).
Antiodia (Antiocheia), Name mehrerer Städte
des Altertums:
1) A. bei Daphne, ſo genannt nach dem nahen
Apollohain —* (j. d.), Hauptitadt von Syrien
und Reſidenz der Seleufiden, am Orontes, 25 km vont
Meer, in frudtbarer Talebene, die prächtigſte der 16
von GSeleufo3 Nifator gum Undenfen feines Vaters
Untiodos erbauten gleidjbenannten Städte. Ihre
Griindung fallt in das Jahr 301 v. Chr. ; der Zudrang
von Koloniſten madte aber wiederholt neue Anlagen
583
ndtig, fo da A. zuletzt unter Untiodos Epiphanes
aus vier Duartieren bejtand, deren jedes mit befon-
Derer Mauer umgeben, zugleich aber in die allgemeine
tarfe Befeſtigung eingeſchloſſen war. Die höchſte
litte Untiodias fällt in die Zeit Antiochos' d. Gr.
und mehr nod in die der römiſchen Kaiſer. Damals
zählte A. über 500,000 Einw. und wurde wegen fei-
ner Bradt und Größe mit Rom verglicen. Unter
der römiſchen Herrſchaft war A. aud) Reſidenz des
Profonjuls von Syrien, in drijtlider Zeit Sig eines
der vier dltejten Patriarden des Rimerreids und be-
rühmte Pflegeſtädte antifer, namentlid) aber chriſtlich—
theologijder Wiſſenſchaft. In A. bildete ſich die erjte
grohere Chrijtengemeinde außerhalb Balajtinas, fam
er Name Chrijten zuerſt auf (Wpojtelgeid. 11, 26)
und erbielt Der Heidenapojtel Paulus die Weihe. Von
252— 380 wurden bier zehn Kirchenverſammlungen
ehalten. Der Verfall von A. datiert feit dem 5. Jahrh.;
erwüſtungen durch Erdbeben vereinigten fic) mit der
Seritorungswut Hftlider Barbaren, um die Stadt in
Schutt gu verwandein. Der Perjerfinig Chosroes
pliinderte 538 A. und führte die wohlhabendjten Biir-
ger als Sflaven hinweg. Jujtinian erbaute gwar auf
Tritmmern cine neue Stadt, Thetipolis, ver-
modjte inded die alte Größe nicht wieder zurückzufüh—
ren. Römer, Perſer und byzantiniſche Griedjen hat-
ten unter den Mauern Untiodiad bereits wiederholt
um den Beſitz der Stadt gejtritten, die Araber fie 637
bis 969 offupiert und die Sarazenen fic) ſchon feit
1084 in ihr als Gebieter behauptet, als das erjte Kreuz⸗
heer vor A. erjdjien. Nad) neunmonatiger Belagerung
jiel A. endlich 3. Juni 1098, und Boemund von Ta-
rent pflangte das Chrijtenbanner an die Stelle des
Halbmondes und wurde Fiirjt von W. unter griedi-
ſcher Lehnsherrlidfeit. Das anriicdende perſiſche Ent-
japheer wurde gefdlagen, nadjdem Peter von Amiens
die heilige Lanze aufgefunden und die Kreuzfahrer
dadurch begeijtert hatte. 1268 wurde fie von dem
ãgyptiſchen Sultan Beibars erobert und ijt ſeitdem
mohammedaniſch geblieben. Auf ihrer Stätte ſteht
jetzt die Stadt Untafie (f. d.), die mur einen kleinen
Teil im NW. der alten einnimmt; der iibrige Raum
ijt mit Triimmerhaufen angefiillt und in der Ebene
mit Maulbeer-, Feigen- und Olivenpflanjungen be-
jtanden. Das eingige Denfmal aus der Heit des alten
Glanzes find die rdmifden Befeſtigungen, bejtehend
in einer Mauer, die von einem Graben umgeben und
mit angeblid) 360 bis gu 25 m Hohen Tiirmen ver-
ſehen war, von denen nod) einige vorhanden find,
ebenfo wie von den alten Toren. Nordöſtlich in der
Ebene Et Amk liegt der See von A. (aud) UE De-
nis genannt), ca. 70 m it. M. und von verſchiedener
Ausdehnung je nad) der Jahreszeit (im Durchſchnitt
25 km fang und 10 km breit). Er ijt ſeicht und
reich.
2) (A. Pifidia) Stadt in Piſidien, an der Grenze
Phrygiens, wurde in der Seleutidenjeit von Magneſia
(am Mäander) aus gegriindet, von den Römern jum
pergameniſchen geſchlagen, unter dem Namen
Cäfarea zur Kolonie erhoben und war in der ſpätern
Kaiſerzeit Hauptſtadt der Provinz Piſidien. Bekannt
iſt das dortige Wirlen von Paulus und Barnabas.
Ruinen bei Jalowatſch.
Untiodianer, ſ. Ahaſiten.
Antiochos, im griech. Mythus Sohn des Herakles
und der Meda, nach dem die attiſche Phyle Antiochis
den Namen trug.
Antiddos, Name mehrerer Könige von Syrien
aus dem Hauſe der Seleufiden:
584
1) A. L, Soter (»Retter<), geb. 323 v. Chr., geft.
261, Sobn de3 Seleufo3 J. Rifator, der ihm 293 feine
zweite Gemablin Stratonife, des Demetrios Polior-
fete3 Todhter, und als Mitregenten die Lander öſtlich
pom Euphrat abtrat; nad) der Ermordung de3 Ba-
ters Durd) Ptolemãos Keraunos (281) beherrjdte A.
Syrien zuſammen mit ſeinen Söhnen Seleukos und
Antiochos (II.). Mit Eumenes von Pergamon kämpfte
er erfolglos (262 Niederlage bet Sardes); dagegen
nahm er wegen eines Sieges über die Gallier (277)
den Beinamen Soter an.
2) WIL, Theos (»>Gott«), Sohn und Nachfolger
des vorigen (261-246 v. Chr.), lämpfte unglücklich
egen Pioleniäos Philadelphos von Ugypten und er-
aufte 250 den Frieden dadurch, dak er feine Gemah—⸗
lin Laodife verſtieß und de3 Ptolemäos Tochter Be-
renife heiratete; die Verſchmähte vergiftete 246 UW. und
ftiftete ihren Sohn Seleufo3 (IT. Kallinikos) zur Er-
mordung Berenifes an. Des A. Todter Stratonife
heiratete 257 Uriarathes IIL. von Rappadofien, deren
Schweſter Laodife den König Mithradates IV. von
Pontos. Den Beinamen Theos gaben dem A. die
Milefier für die Befreiung vom Tyrannen Timardos.
3) U. TIL, der Grofe, sweiter Sohn de3 Seleu-
fo3 IT. Rallinifo3, geb. 242 v. Chr., geſt. 187, bejtieg
nad) dem Tode feines Bruders Seleufo3 Soter 223
den Thron. Er fand da8 Reich, von dem fich Baktrien
und Barthien losgemacht, die Ptolemäer Palijtina,
Phodnifien, Kolefyrien, Kilifien und Karien an ſich ge—
rijjem batten, in bedriingter Lage; der Ubfall von Per-
jien und Medien fteigerte die Rot. A. verlor zwar
egen die Hg pter 217 die Schlacht bei Raphia; aud
Battrien und Medien fonnte er nicht wieder unterwer⸗
fer. Dagegen gelang es ihm, die innern Aufſtände
zu unterDdriiden. Bon einem Heeres zug nad) dem Often
(209) fehrte er 205 mit reidjen Gefchenfen aus Indien
und Urabien heim und nannte fich feitdem » der Große⸗.
Als 205 Ptolemäos Pbilopator jtarb, verband fic A.
mit Boilipp von Mafedonien gegen den unmiindigen
Ptolemãos Epiphanes. Während Philipp, dadurd
mit Rergamon und Rhodo3 in Kampf geraten, den
Römern unterlag, fiegte U. 198 am Verge Panion
an den Yordanquellen und eroberte Köleſyrien und
Phinifien zurück. Wis A. 196 die Thrakiſche Cher-
fones befette, verlangten die Rimer von ihm die Riu-
mung Europas. Dod A. breitete fid) in Thrafien
aus und nahin den gefliidjteten Hannibal auf (195),
ohne deffen Rat, die Römer fofort in Atalien felbjt
anjugreifen, gu befolgen. Nachdem er 192 mit 10,500
Mann in Griedenland gelandet war, Challis auf
Euböa genommen und Thefjalien teilweije befest
hatte, wurde er 191 von M.' Ucilius Glabrio bei den
Thermopylen gefdlagen. Darauf zweimal (bei Rory:
fos 191 und onnefos 190) sur See befiegt und
von feinem eg ang Pruſias von Bithynien
verlajjen, ward A. bei Magqnefia am Sipylos (190)
durch L. Cornelius Scipio gänzlich befiegt und mute
18% Stleinafien bis an den Taurus abtreten und 96
Mill. Mf. zahlen; Hannibal liek er entfliehen. Des
A. Macht war qebrodjen; Armenien madte fic felb-
ftandig. Als er, um den Tribut fiir Rom aufzubrin—
gen, tn Elymais den Belustempel pliinderte, ward er
erſchlagen. Val. Tetzlaff, De Antiochi IL. Magni
rebus gestis (Münſt. 1874); Brandis im 4, Band
von Helmolts »Weltgefdhidte« (Leip3;. 1900).
4) A. IV. Cpiphanes (der Eriaudte«), sweiter
Sohn des vorigen und der Laodife von Pontos, re-
ierte 175—164 v. Chr. Seit 189 zu Rom als Gei—
Ri, bejtieg er nad) feines Bruders Seleufos IV. Phi—
Antiodos Asfalonita — Antiope.
| fopator Ermordung durd Heliodoros den Thron. Er
faimpfte 171—168 gegen Ugypten und nabm den Kö⸗
nig Ptolemãos Philometor gefangen; dod) mufte er
auf Berlangen des rimifden Gejandten C. Popillius
Laenas Uqypten räumen. Durd) das Verbot der jfi-
diſchen Religion und die Einfiihrung des Zeuskultus
veranlagte er den Aufſtand der dgqyptifd geſinnten
Juden unter den Maklabäern (f.d.), den er 167—164
erfolglos befiimpfte. 164 A. gegen die Parther
und jtarb gu Taba in terchien. — Setne Todter
aodife wurde durch ihre Heirat mit Mithradates V.
von Pontos Mutter Mithradates' d. Gr.
5) A. V., Eupator (der Edelqeborne<), Sohn
und Nadfolger des vorigen, reqierte 164— 162 v. Chr.
unter Vormundſchaft des Philippos, dann des
und ward mit diefem von Demetrios, dem in Rom
bisher als Geiſel qehaltenen, jest von den Römern
als Gegenfdnig aufgejteliten Sohn des Seleufos IV.
Pbilopator, gejtiirst.
6) U. VIL, Gidetes (von Sida in Bar lien,
dem Ort feiner Erziehung, benannt), jiingerer
de3 Demetrio3 L. Soter, Heiratete, als fein Bruder
Demetrios I. Nifator 138 von den Parthern gefan-
en genommen wurde, deſſen Gemablin Reopatra,
ſtürzie Den Ufurpator Diodotos Tryphon, bejiegte dex
Maktabier Johannes Hyrfan und belagerte Jerufa-
lem, ſchloß aber aus Furcht vor Rom emen billigen
Frieden. Er fiel 129 gegen die Barther.
7) U. VILL, Gry pos (»>Habidtsnafe«), ward nad
der Ermordung feines Baters Demetrios LI. Rifator
(125 v. hr.) als Konig in einem Teil Syriens an-
erfannt, befieqte 123 den Geqenfiniq Alexander Za:
binas, zwang feine herrſchſüchtige Mutter Rieopatra,
das Gift zu trinfen, das fie ihm bereitet hatte (Daber
ironiſch Philometor, »der die Mutter liebt⸗), wurde
aber von feinem Stiefbruder Untiodo3 IX. Kyzifenos
—— und Phönikiens beraubt und 96 ermordet.
8) A. X., Euſebes (oder Fromme⸗), Sohn des
Antiochos IX. Kyzikenos, heiratete ſeine eigne Wutter
Kleopatra Selene, die erſt die Frau des Antiochos VILL
Grypos, dann die des Kyzikenos geweſen war, nach
dem fie fic) vorher ſchon dem Ptolemãos X. Lathyros
vermãhlt gehabt hatte; er fiel nad) 94 v. Chr. gegen
die Parther.
9) A. XIII. Ufiaticus, Sobn ded vorigen, erbielt
68 v. Chr. von L. Licinius Lucullus nach Befiequng
des Trigranes Syrien juriid, wurde indes 64 von
Pompeſus entthront und bald danach ermordet. Er
:
| war der letzte König aus dem Haufe der Seleufiden,
wabrend fid ein andrer Untiodos im Fürſtentum
Kommagene nod einige Jahrzehnte Hielt.
| Antiodos Astalonita, afademijder Poilofopd
aus Askalon, Schüler des Philon aus Larifja, Scho⸗
ard) zu Uthen von 83 —74 v. Chr., wird als Stifter
der fogen. dritten (nach anbdern Der filnften) Alademie
betrachtet, indem er Blatonifde mit Urijtotelifden und
ſtoiſchen Lehren in efleftifdher Urt veriniipfte. Cicero
horte bei ibm 79. Bgl. Hoyer, De Antiocho Asca-
lonita (Bonn 1883).
Antidpe, 1) Tochter de3 Flußgottes Aſopos oder
de3 Nyfteus von Hyria in Bodotien, von Reus Wut.
ter der ———— mphion und Zethos. Wegen der
von dieſen an Dirke verübten Rache von Donyſos
raſend gemacht, durchirrte ſie Griechenland, bis Pho
los fie heilte und heiratete. Bal. Amphion.
2) Schweſter der Amazonenlönigin Hippolyte, vor
Thefeus, der fie entfiibrt, Mutter des Hippolytos, ver-
mittelte beim CEinfall der Amazonen in Attika den
Frieden oder fiel im Kampf gegen die Schwejter.
*2
Antioquia — Antiphon.
Antisquia, Departement der fiibamerifan. Repu-
Dlif Rolumbien (f. Karte » Peru rc.«), begrenzt von
Den Depart. Cauca im S., Bolivar im N. und O.,
Santander und Cundinamarca im ©., 59,025 qkm
qrok mit (1884) 464,887 Cinw., worunter 1220 In—
ianer. €3 umfaft den nördlichen Teil der Wejt- und
Zentralfordillere von Rolumbien und ijt reid) an edlen
WMetallen, beſonders an Gold. Zuckerrohr, Mais, Ka—
Tao und neuerdings Raffee bilden neben Metallen und
Erzen die Hauptprodufte. Bedeutend ijt auch die Vieh-
zucht (befonders Maultiere und Rinder). Hauptitadt
rt bas lebhaft aufblithende Medellin (jf. d.). — Die
friibere Departementshauptitadt UW. (Santa Fe de A.),
anter 6° 30‘ nördl. Br. und 58° 24’ weftl. L., 573 m
di. M., 5 km links vom Caucafluß gelegen, hat (ss)
10,205 Einw., geht aber mehr und mehr juriid.
Antipapa (qriec.), Gegenpapjt. Untipapis-
mus, papjtfeindlice Lehre.
Antiparallel heißen bei cinem BParalleltrape;, das
fein Barallelogranun ijt, die beiden nidtparallelen
Seiten, fobald fie gleidlang
Cc D find. Sn dem Paralleltrapes
ABDC (j. Figur) find die
Seiten AB undCD parallel,
AC und BD find ¢3 nid,
x p aber gleichlang, alſo find fie
antiparallel,
Antiparalytifa (qried.), Mittel gegen Lähmung.
Antiparafitifa (qried.), Mittel gegen tierifde
and pflanglidje Paraſiten.
Antiparos, cine der mittlern Kyfladen, didht bei
Paros, qut angebautes und ziemlich fruchtbares Fel-
fenciland, 45 qkm mit (1896) 596 Einw. in der einzi⸗
qen Ortidaft Oliaros. A. hie im Witertum Olia-
ros und foll von Phönikern aus Sidon folonifiert
worden fein. Die merfwiirdige Tropfſteinhöhle
im nördlichen Teil der Ynfel Roeint fdjon den Alten
befannt gewefen ju fein. Etwa 280 m unter dem
ingang erreicht man ein 95 m langes, 30 m breites
amd 25 m hohes, iiberall mit den wunderbariten Sta-
laktitenbildungen geſchmücktes Gewölbe. 1872 wur-
Den auf A. Bleigruben entdeckt.
Antipaffat, der in der Höhe vom Äquator nad
Den Polen abjliehende Luftitrom (jf. Paſſatwinde).
MAntipater , |. Untipatros.
Antipatharia, j. Rorallenpolypen.
Antipathiec (gried) Abneigung, im Gegenfage
zur Sympathie (1. d.). Das widrige Gefühl, das die
orjtellung map bare spr Loar pe oo
oder Berjonen begleitet, und iiber das wir und feine
Rechenfdaft ju geben vermögen, fann entweder phy-
ſiologiſche oder piydologifde Griinde haben. Jene
fonnen angeboren, dieje müſſen entitanden fein. Die
Abneigung gegen gewiffe Gerüche, Geſchmäcke, Far-
Hen ꝛc. fann 3. B. in einer fiir diefelben unangemef-
fenen Beidvatienteit der betreffenden Sinnesorgane
Mozarts U. gegen den Trompetenton) oder in ju-
Falligerweife mit ihnen verbundenen RNebenvorjtel-
dungen (A. gegen Schwarz als Farbe des Todes) be-
riindet fein. Da uns die legtern nidt immer jum
wußtſein gelangen, fo ſcheint dann die A. gegen
gewiſſe Objefte oft eine urjpriingliche gu fein, wabrend
jie in Wahrheit auf der Wirkung der unbewußt blei-
hHenden Nebenvorjtellungen berubt. Die oft fo ſeltſame
VW. gegen Perfonen hat wohl meijt diefen Urjprung.
ntipatrié, cine von Herodes d. Gr. an Stelle
der Dorfes Kapharſaba erbaute und feinem Bater gu
Ehren benannte Stadt in Paläſtina, in der Ebene
Saron an der Strake von Jerufalem nad Cajarea |
585
gelegen, nod) im 8. Jahrh. genannt. Wahrſcheinlich
aq es beim heutiqen Ras ef Vin.
ntipdtros (lat. Untipater), 1) mafedon. Feld⸗
herr, fdjon bei Konig Philipp hoc) angefehen, wurde
von Ulerander bet ſeinem Aufbruch nad Ufien als
Reichsverweſer in Makedonien zurückgelaſſen, hielt die
aufrühreriſchen Thraler fowie die Grieden im Raum
und ſchlug den — von Sparta, Agis II., 330 bei
Megalopolis. Nad) Wleranders Tod iibernahmen A.
und Krateros die gemeinſchaftliche Regierung der euro⸗
päiſchen Länder des mafedonijden Heidhes mit Uns:
nahme von Thrafien, das an Lyjimados fam, und
nun unterwarf A., zuerſt im Kampf ungliidlid, von
Stratero$ und Leonatos unterjtiigt, die nad) Unab—
hängigkeit ftrebenden Griechen wieder im Lantifden
Kriege 322 und Jog mit ihnen gegen Perdiffas, den
Vormund der Kinder Wleranders, von Untigonos
gegen deſſen Herrſchſucht gu Hilfe qerufen. Roch ehe
er aber mit ihm zuſammenſtieſt, wurde Berdiffas von
jeinen cignen Truppen ermordet, worauf er als Bor-
mund der Stinder Alexanders und Reichsverweſer ju
Triparadeifos eine neue Verteilung der Statthalter-
ſchaften vollzog und fic) die Reichsverweferfdaft und
Europa vorbebielt. Er ftarb 319, fajt 80 Jahre alt,
nachdem er, mit aid ay irr ohnes Kaſſan⸗
dros, Poly(f)perdon = cidjSverwefer ernannt
hatte. — Sein Enfel A., König von Mafedonien,
"het Sohn de Kaſſandros, folgte ſeinem ältern
ruder, Philippos, 296, wurde aber 294 von De-
metrios Poliorfetes vertrieben und 287 auf Befehl
ſeines Schwiegervaters, des Lyſimachos, ald der letzte
ſeines Geſchlechts getötet.
2) U. von Sidon in Phönikien, griech. Dichter der
zweiten Hälfte des 2. Jahrh. v. Chr., berühmt als Im—
provijator, ijt Verfaſſer einer Reihe geijtvoller Epi-
—— in der griechiſchen Anthologie (ſ. d.). Eben—
ort ſind erhalten Epigramme von dem zur Zeit des
bar lebenden A. von Theffalonife.
tipaxos, Inſel, ſ. Paxos.
Antiperiſtaͤltiſch (qried).), »nach der entgegen—
geſetzten Richtung zuſammendrückends; daher motus
antiperistalticus, die der normalen (periſtaltiſchen)
entgegengeſetzte Bewegung des Darmkanals, wie fie
beim Erbrechen ſtattfindet; antiperiſtaltiſche Mit—
tel, ſoviel wie Brechmittel.
Antiphaneds, neben Alexis der bedeutendſte Dichter
der mittlern attiſchen Komödie, qeb. um 405 v. Chr.,
von unſicherer Herkunft, wurde 74 Jahre alt und ver-
fate 260 Sttide, denen dramatiſches Talent, Form:
qewandtheit und 7 nadgeriihmt werden. Samm—
lung der Fragmente bei od, »Comicorum atticorum
fragmenta«, Bd. 2 (Leip;. 1884). [gegen Zauberei.
Antipharmafon (gried).), Gegengift; aud) Mittel
Antiphated, im griech. Mythus König der men-
ſchenfreſſenden Lajtrygonen (j. d. und Odyſſeus).
Antiphellos, im Ultertum Stadt an der Küſte
Lyfiens, jest ein unbedeutender, zum türkiſchen Wila—
jet Konia gehöriger Ort (Untifilo). Unter den Rui-
nent find befonders cin Theater von 26 Sigreihen und
die zahlreichen in die Felswände qehauenen Grab:
fammern mit forgfiltig ausgefiibrten, die Holzkon—
jtruftion eines Blodhaufes nachabmenden Faſſaden
merfwiirdig (j. Tafel »WUrehitettur II, dig. 12).
Antiphlogiftifa, |. — aig ta Mittel.
Untiphlogiftifer (qried.), ſ. Chemie.
Antiphlogofe (qried.), in der Medizin Bekämp—
fung einer Entzündung.
MAntiphon (qried., »Gegenftinunes; franz. An-
tienne), urjpriinglich cin Wedhfelgejang zwiſchen zwei
586
Chiren, einer der älteſten Beftandteile des alttird-
lidjen Ritualgeſanges. In die griechiſche Kirche foll
den — — der heil. —— ein⸗
eführt haben (vgl. Ambroſianiſcher Geſang). Heute
ſteht die A. nur noch in einem einzigen vom Prieſter
re see Pjalmvers, der vom Chor wiederholt wird.
Antiphön, der älteſte der zehn »attiſchen Redner«
(f.d.), geb. um 480 v. Chr. in Rhamnus. Ein hervor-
ragendes aiitp fie der oligarchiſchen Partei und be-
jonder8 bei Einſetzung des Rates der Bierhundert
und den Friedensverhandlungen mit Sparta beteiligt,
wurde er nad) dem Sturz der —— des Hoch⸗
verrats angeflagt und trotz ſeiner glänzenden BVertei-
digungsrede 411 zum Tode verurteilt. Er war Be—
gründer der kunſtmäßigen Beredſamkeit, die erin einer
eignen rhetorijden Schule mit großem Beifall lehrte,
und der erjte, der fiir andre geridtlide Reden ſchrieb.
Bon feinen Reden find blo} 15 erhalten, ſämtlich auf
Mordprozeſſe, aber nur 3 auf wirlide Fille bezüg—
lid); die iibrigen, »Tetralogien« genannt, weil je vier
denfelben Gegenjtand als erjte und zweite Rede ded
Anklägers und Verteidigers behandeln, find Sdul-
reden ( hrsg. aufer in Den Sammlungen der Redner
von Blak, 2. Aufl., Leips. 1881; Wortinder von
Cleef, New York 1895). Bgl. Blak, Die attijde Be-
redjamfeit, Bd. 1 (2. Aufl., Leip3. 1887).
Antiphonar (griech. lat.), eigentlich die Zuſam—
menjtellung der YUntiphonen (ſ. Untiphon) des rdmi-
ſchen Rirdhengejanges; heute verjteht man unter A.
die Sammlung der Geſänge der Tagzeiten im Gegen-
fabe gum Graduale, das Die wedfelnden Geſänge der
Meſſe enthalt, wahrend im Viittelalter die beiden Na—
men den umgefehrten Sinn fatten (Antiphonariam
Gregorianum und Graduale Gregorianum). S. Ta⸗
fel »Entwidelung der Notenfdhrift«, Fig. 2.
MAntiphrafis (griech.), cine Redefigur, durch die
das ——— von dem ausgedrückt werden
ſoll, was das Wort eigentlich beſagt, oder einem
enſtand ein Name beigelegt wird, der mit deſſen
Weſen im Widerſpruch ſteht; z. B. die Bezeichnung
der Rachegöttinnen als Eumeniden (»Gnädige«). Die
A. eine Spezies der Ironie, und eine Spezies der
A. ijt der Euphemismus (ſ. d.).
Antipöden (griech.⸗Gegenfüßler⸗), die Bewoh—
ner zweier einander diametral gegenüberſtehender Orte
der Erde. Dore Füße find einander zugekehrt; fie haben
um 180° verjdiedene Linge, entgegengefebte Breite,
Taged- und Jahreszeiten Ge genwohner(Antoeci)
eines Ortes wohnen mit ihm unter gleichem Meri-
dian, aber auf der andern Seite de3 Viquators, gleid)-
weit entfernt von diefem. Nur die Jahreszeiten find
bei ihnen entgegengefept, die Tageszeiten aber gleich. |
Die Rebenwohner (Perioeci) eines Ortes haben
mit dieſem gleiche Breite, find aber um 180° Linge von
ihm entfernt; fie haben einerlei Jahreszeiten, aber ent-
Begengeleste Tageszeiten. Deutidlands Nebenwohner
eben auf den Aleuten, feine Geqenwohner in Süd—⸗
afrifa, feine Gegenfüßler ſüdöſtlich von Neufeeland.
Antipodeninjeiu, brit. Inſelgruppe im SO. von |
Neuſeeland, su dent fie gehört, unter 49° 48’ ſüdl. Br.
und 178° 20° ditt. L., 52 qkm qrof, befteht aus einer
größern Inſel und mebhreren fleinen, alle bergig, fteil
und unbewohnt. Die A. erbielten ibren Namen, weil
fie ungefaibr Gegenfiifler von London find.
Untipodengelien, |. Embryofac.
Wntipolis, Stadt, ſ. Untibes.
AUntipyrefe (gried).), in der Medizin Betimprung
des Fiebers.
Antipyretifa (griech.), Fiebermittel.
Antiphon — Antiquariatsbuchhandel.
Autipyrin (Phenyldimethylpyrazolon,
Pyrazolonum phenyldimethylicum) C,,H,,N,O oder
C,H,N.CO.CH.CH,N.CCH, entitebt beim Crbigen
von ha yr nf a mit Uceteffiqdther und Behan⸗
dein des erhaltenen Phenylinethylpyrajolons mit Jod⸗
methyl und Methylalfohol. Das jodwaſſerſtoffſaure
Sal; des ag pe wird ſchließlich durch Natron:
lauge zerſetzt. Es bildet farbloje, fajt geruchloſe Kri⸗
ftalle, ſchmeckt mild bitter, ſchmilzt bet 113°, ijt leicht
löslich in Waffer und Ulfohol, {chwerer in Ather.
reagiert neutral, bildet aber mit Säuren Salze. A.
ſetzt binnen einer Stunde, meiſt unter ſtarlem Schweiß.
die Körpertemperatur herab und wird daher als Fieber⸗
mittel gebraucht. Als ſolches wirkt es prompt, doch
erzeugt es bei manchen Perſonen Erbreden, Hinfallig-
feit, Cyanoſe, Hautausſchläge und Schleimhautre—
zungen, die indes bald wieder verſchwinden. Bei zu
großen Doſen ſind Vergiftungserſcheinungen be—
obachtet worden. Mit gutem Erfolg wird es gegen
Neuralgien, Zahnſchmerzen, Gallenſteinkolik ange—
wendet. Es unterdrückt fogen. Erfaltungsfranfheiten,
wenn es gleid) gu Beginn derfelben genommen wird.
Salizylſaures Dimethylphenylpyrajolon, f. Salipyrin.
Antiqua (lat., franj. Romain, eng!. Roman type),
in der Bud)druderei die im gewöhnlichen Leben als
rlateinisch« bezeichnete gerade stehende Schrift,
wiihrend die liegende Kursiv (jf. d.) qenannt wird.
Zuerſt cingefiibrt, refp. der Schreibweiſe der Romer
nadgebildet und an Stelle der Mönchsſchrift im der
Buddrucertunft verwendet wurde fie von Nikolaus
Jenſon in Venedig. Widus Manutius verbefjerte die
Yntiquatype und lie} nad) und nad 14 Grade der
felben ſchneiden; das von ibm 1495 in A. gedrudie
Bud »Bembus, de Aetna gilt heute nod als em
Meiſterſtück. Er führte auch die Kurſiv cin.
Antiqua (lat.), Name eines nur in Brucitiide
erbhaltenen Geſetzbuches der Wejtqoten, f. Goten.
Antiquär (lat. Antiquarius), bei den Römern
ein Nachahmer der veralteten (vorauquiteiidhen) Lite-
raturfprade, ein Altertümler; im Mittelalter cm
Renner und Ubjdreiber von Büchern in veralteter
Schrift; feit der Renaiffance cin Gelehrter, der fid
mit dem Studium der Untiquititen, namentlic alter
Kunjtwerte, beſchäftigt, in diejem Sinne noch jest bet
den Franzoſen (antiquaire), Englindern (antiquarys)
u. Stalienern (antiquario) gebriudlic ; nach jetzigem
Spradgebraud einer, der mit qebraudten Biichern,
altenQunitblaittern oder auch mit YUntiquititen bandelt.
WUntiquariatsbudhandel, der feit Witte des
18. Jahrh. aufgefommene Zweig des Buchhandels,
der ſich mit dem Ein- und Bertauf einzelner Exem⸗
plare von foftbaren alten oder ſeltenen, oder aud) nur
aus jiveiter Hand (franj. livres d'oceasion, engl.
second-hand books, ital. libbri d’occasione) jtam
menden Erzeugniſſen de3 Budhdrucs, von alten Kunit⸗
blattern, Sanbidheiiten und Mutographen ſowie ganyer
Bücherſammlungen (Bibliothefen) beſchäftigt. Für die
Schätzung des Wertes älterer Bücher ijt dre größere
oder geringere Seltenheit der Ausgabe, der Erbal-
tungszuſtand, die Ausſtattung in Hinſicht auf künſtle⸗
riſchen Einband, die Herkunft, das Vorhandenſein
von Anmerkungen von wiſſenſchaftlichem oder auto⸗
graphiſchem Intereſſe maßgebend; bei neuern Werlen
gibt der Ladenpreis, die Auflage, das gänzliche oder
voriibergehende Vergriffenſein ſowie die Sammel⸗
leidenſchaft der Liebbaber den Ausſchlag. Biider-
fammlungen, in denen die Literatur cines Spezial⸗
qebiete3 in annibernder Vollſtändigleit jufanunen-
gebracht ijt, erzielen Dadurd im Verlauf zumeiſt emen
Antiquieren —
febr hohen Preis; aud das Vorhandenſein vollitin-
Diger Reihen von Fachzeitſchriften erhiht den Wert
einer Sammlung wejentlidh. Der Verfauf von cine
eee Büchern wie von Sammlungen findet aud
urd Biiderauftionen ftatt, diein England, Frant-
reid), Holland und Belgien die Regel dafür gu ſein
pflegen, wiibrend fie in Deutidland mur nod die Uus-
nabme bilden. Bitcherauftionare find in Leipsig:
Lijt u. Frande, O. Weigel; in Berlin: R. Lepfe; in
Köln: J. M. Heberie; im Paris: C. Porquet; in Lone |
bon: Sotheby, Wilfinfon u. Hodge, Puttick u. Simp-
jon; im Saag M. Nijhoff; in Ler
Niermans. Wichtigſte Vertriebsmittel der Untiquare |
: Burgersdijf u. |
Wntijabbatarier. 587
ſachen, muſikaliſche Inſtrumente, Webearbeiten, Dofen,
Miniaturen, Büchereinbände, Inkunabeln u. dgl. m.
In neuerer Zeit hat der A., der in ſeinen Anfaͤngen
bis in den veginn der Renaiſſance hinabreicht, wo
man zuerſt Erzeugniſſe der griechiſch⸗römiſchen Kunſt
zu ſammeln begann, eine weite Ausdehnung ange—
nommen. Seine Hauptſitze find Rom, Florenz, Paris
und London, in Deutſchland Köln, München, Nürn—
berg, Frankfurt a. M. und Berlin. Bu ſeiner Bee
forderung dienen Hier häufige Veriteiqerungen ganger
Sammlungen, die allmählich auf den gejamten sunjt-
handel einen großen Einfluß gewonnen haben, da
durch fie Die Preiſe beſtimmt werden. Cigne Kunſt—
bilden ſachlich geordnete Lagertataloge mit fejten Ver- | auftionshiufer beſitzen Paris (Hötel Drouot) wd
faufspreijen. Die Rataloge groper Firmen, deren ge Berlin (Leptes Kunjtauftionshaus). Außerdem find
ſchäftliche Beziehungen fic) über alle Kulturländer | von Händlern, die foldye Verſteigerungen veranjtalten
der Erde erjtrecen, jtellen oft bibliographifd volljtin- | oder ihre Geſchäftsräume dazu hergeben: Sedlmayer
Dige Uberjidten ganzer Wiſſensgebiete dar und wer⸗ und G. Petit in Paris, Chriſtie Manſon und Woods
Den durch zuverläſſige Beſchreibungen ſeltener Stücke in London, Amsler u. Ruthardt in Berlin, J. M.
zum unentbehrlichen Hilfsmittel bibliographiſcher For⸗ Heberle in Köln, Miethle und Artaria u. Romp. in
ſchungen. Der wiſſenſchaftliche A. iſt hauptſächlich in Wien zu nennen. Die ſchnellen Preisſteigerungen der
Leipzig, Berlin, Frankfurt a. M. und München ver- | Antiquitäten haben eine Induſtrie von alt dun:
treten, das rig seers agsaire? Kunjthandel) in Miin- | gen hervorgerufen. Nur cine durd lange Erfahrungen
den, Berlin, Leipziq und Köln. Bur Zeit find die | erworbene Kennerſchaft ſchützt den Sammler vor dem
nambaftejten Firmen in Leipzig: Buchhandlung G. Erwerb von Fälſchungen (ſ. Fälſchung). Bgl. »WUnti-
fod, G. m. b. H., O. Harrajjowig, K. W. Hierſe⸗ quititen - Reitidbrift« (hrsg. von Forrer, Straßb. 1889
mann, K. F. Köhlers Untiquarium, B. Liebiſch, Lift | bis 1896), »Der Gammiler« (hr3g. von Brendide,
u. Frande, A. Loreng, Simmel u. Komp., O. Weigel; | Stuttg. 1880—85 u. Berl. 1885 —1900), »Vntiqui-
int Berlin: Friedlander u. Gohn, L. Liepmannsfohn, | titen- Zeitung« (hrsg. von Jaeckh, Stuttg. 1893 ff.)
Mayer u. Miller, R. L. Prager, Speyer u. Peters, | und die bei Art. ⸗Fälſchung« angegebenen Schriften.
J. A. Stargardt; in Dresden: v. Zahn u. Jaenſch; Wutireformer, Reformgegner.
in Franffurt a. M.: J. Baer u. Romp., R. TH. Boelder;| Wntirenters (pr. annti-) wurden diejenigen ge-
in Minden: J. Rofenthal, L. Rofenthal, N. Rofen- | nannt, die 1839-—46 im Staate New York fid) gegen
thal; in Ulm: H. Rerler; in Titbingen: F. Vietzcker; Zahlung der feit langen Jahren riidjtandigen Pocht-
in Wien: Gilhofer u. Ranſchburg; in Amſterdam: | gelder an die Landeigentiimer auflehnten. Mitglieder
F. Miiller u. Komp.; im Haag: Nijhoff; in Lei- Der ehemaligen Niederländiſch-Weſtindiſchen Kom—
den: —— u. Niermans; in London: Bernh. pagnie hatten große Länderſtrecken am Hudſon an An⸗
Quaritch, N. Maggs, H. Sotheran u. Komp., W. Wes ſiedler, die fie urbar machten, auf lange F oder auf
ley u. Son; in Paris: A. Claudin, L. D. Morgand, | immer, und gwar meiſt gegen drückende Naturalliefe—
UW. Bicard u. Fils, H. Welter; in Mailand: U. Hoepli; | rungen (quarter sale) vergeben. Die Ugitation der
in Florenz: L. S. Olſchti u. a. Die Grundlage ded | W. hatte sur Folge, daß eine Unterſuchung der VBejig-
Verkehrs bildet beim Cin- und Verfauf die Barzah⸗ | titel durdgefiihrt umd 1846 die Verpadtung von
lung. Aus der Ubung, von den BVerlegern Uuflage- | Uderland auf längere Beit als 12 Jahre verboten
refte oder größere Bartien gediegener, zumeiſt wijjen- | wurde. Val. Cheyney, The Anti-rent agitation
ſchaftlicher Werfe ju erwerben und jie durch Auf- in the state of New York (Pbilad. 1887).
nahme in die Lagerfataloge ju vertreiben, iſt in jüngſter Wntirbeoffop (gricd.), ſ. Pſeudoſtopiſche Er—
eit cin Grokantiquartat hervorgegangen, das ſcheinungen. [der Sfrofulariageen.
ejtbejtinbde fowie ganze Uuflagen neucrer, vorwie-| Antirrhineen(Untirrhinoideen), Unterfamilie
gend der Geſchenkliteratur angehoriger Werke, mit de-| Antirrhinum L. (Liwenmaul, Dorant),
nen der Verleger feinen Erfolg erjiclen fornte, auffauft | Gattung der Sfrofulariageen, ein- oder mehrijährige
und ju febr ermapigten Preiſen im Gortimentsbudy | Kräuter oder Halbſträucher mit ungeteilten oder lap-
handel, der dem Bublifum folde Urtifel als moder- | pigen Blattern, achſelſtändigen oder in Trauben jtehen-
nes Untiquariat anbietet, unterjubringen ſucht. | den, meijt teers und auffpringenden Kapſeln.
Antiquieren (v. lat. antiquus, alt), veralten; fiir | Etwa 32 Arten auf der nördlichen Halbfugel, befon-
veraltet, —— erklüren; antiquiert, veraltet. ders in Nordamerika. A. majus L(großes Löwen—
Autiquität (lat.), ſoviel wie Altertum; eine alte maul), mit lanzettlichen Blättern und heller und
(ehrwürdige) Sache, Ruine ꝛc., ſ. Altertum. dunkler purpurroten, ſelten weißen Blülten in lockern
Antiquitatenhandel, im engern Sinne der Han- | Trauben, weit verbreitet, in Nordamerila verwildert,
del mit fiinjtlerifdjen und gewerblichen Erzeugniſſen wird in zahlreichen Varietäten, aud als Zwergform,
aus dem orientalifcen und griechiſch⸗römiſchen Alter⸗ in Garten gezogen; ebenfo A. latifolium DC., aus dem
tum, im weitern Sinne der Handel mit Kunſt- und | Mittelmeergebiet. A. Orontium L, (Feldlöwen—
kunſtgewerblichen Gegenſtänden aller Zeiten und Vil: | maul, kleiner Dorant), in Europa, Nordafrita,
fer, die abgeſchloſſenen Runjtepodjen entitammen. Der | Wejtafier, in Nordamerifa verwildert, mit fleinen,
A. erj fid) nicht blo auf Runjtwerfe, fondern achſelſtändigen, roten Bliiten, wächſt als Unfraut im
aud) auf Rarititen. Jn feinen Bereich gehören dem- | Getreide, wirft betäubend, giftig.
nad plajtijde Werke aus jeglidem Material, Gold-| Antifabbatarier, firdlicde Partei in England,
ſchmiedearbeiten, kg eo Crzeugnifje der Glas- | weldje die Sonntagsfeier abgeſchafft wiſſen wollte,
mbujtrie, am, edaillen, Deidmittene Steine, | weil alle Tage fiir gleid) heilig angefehen werden
Siegel, Waffen, Möbel, Uhren, Kupferſtiche, Scymud- | müßten. Bgl. aud) Sabbatarier.
588
Antifana, vulfanifder Gipfel der djtlidjen Undes-
fette in Ecuador, unter 0° 30’ fiidl. Br., ſüdöſtlich
von Quito, 5870 m hod. Wn ſeinen Abhängen in
3782 m Hobe der beriibmte Tambo de A. (rt Ka—
rawanferai), einer Der hod)jten bewohnten Punkte der
Erde. Der U. wurde von Bouſſingault und Whym—
Antifeii, ſ. Amphiſcii. [per erſtiegen.
Autiſemiten, die Gegner der Juden; Antiſemi—
tismus, Feindſchaft gegen die Yuden. Die anti-
femitifdhe Bewegung, in Rufland, Ruminien,
Ojterreid) und Ungarn, aud im djtlidjen und mittlern
Deutidland, alfo in den Ländern verbreitet, wo die
Yuden in griperer Bahl wohnen, allmählich aber aud
nad andern Ländern fibergreifend, ijt durch den wad)-
fenden wirtſchaftlichen und politifden Einfluß der von
den friihern Schranken befreiten jiidifden Bevilferung
veranlaft und ftrebt danach, diefe Schranfen wieder
aufzurichten und die Juden aus den öffentlichen Am⸗
tern gu verdriingen oder ganz ju vertreiben. 4
Deutfdland gab die Grilnderjeit mit ibren ver-
derblichen Nadwirfungen feit 1875 zunächſt den Un-
ſtoß gu mebreren Schriften (von Glagau, Marr, Düh—
ring u. a.; f. unten). Die Ugitation tm Bolle begann
1878 durd) den Berliner Hofprediger Stöcker (ſ. d.),
der durch die Stiftung einer Chriſtlich-ſozialen
Parte (f. d.) die von ihm gelennzeichneten verderb-
lichen Wirkungen ded jüdiſchen Bevdlferungselements
befaimpfte. Ihm ſchloſſen fic) Liebermann v. Sonnen⸗
berg, Paul Forjter, Erwin Bauer u. a. an, welde
Bereine zur Befimpfung ded Judentums: die Unti-
jemitenliqa (1880), ben Deutfden Volks—
verein (1881), den Deutſchen (oder Sogialen)
Reidsverein, gründeten und dic »Berliner Ve:
wegung · bervorriefen. Bei der Reidstagswahl 1881
erjtelten die A. als befondere Partei in Berlin 843
Stinumen ; mehr Stimmen (im erjten Wahlkreis: 6295)
erbielt der Dem Berliner fonfervativen Sentralfomitee
(GC. C. C., einer — der Konſervativen mit
chriſtlich⸗ ſozialen, zünftleriſchen, ſtaatsſozialiſtiſchen
und antiſemitiſchen Barteiqdngern) —— Anti⸗
ſemit Liebermann. Ein Kongreß, durch Delegierte aus
verſchiedenen Landesteilen 18. und 19. Sept. 1881 gu
Dresden abgehalten, ſchuf das erſte Programm der
Deutfden Reformpartei. Diefes Programm
fordert, unter Cinjtehen fiir Raifer und Reich und
das verfaſſungsmäßige Redht der Bundesfiirjten und
-Staaten, hauptſächlich Durchdringung des Volfs- und
Recdhtslebens mit dem lebendigen Geijte des Chriften-
tums. Nur chriſtlich-deutſche Dinner follen in dic |
gcfeggcbenden Körperſchaften gewählt und in Staats-
wie Wemeindedimter berufen, werden. Ferner wer-
den qefordert: verjdiedene Ynderungen im Steuer- |
weſen, Erridjtung einer wirflid) nationalen Reichs
bant, Herjtcllung eines deutſchen Staatsbilrgerredts, |
Rechtspflege nad chriftlidy-qermanifden Grimdfagen
u. a., Wodurd) die Liber wudherung des jüdiſchen Ele
ments über das deutſch-chriſtliche befeitiqt und das
praftijde Chrijtentum zur Geltung gebradt werden
follen. Die Partei fiegte in Dresden 1884 iiber den
Sozialdemokraten, unterlag aber 1887 dem Kartell.
Im Friihjahr1886 wurdecine Uli gemeine deutſche
antifemitifdhe Vereiniqung (mit dem Sig in
Raffel) begriindet. Wis erfter Untifemit zog Bidet in
den Reichstag; unter feiner Leitung gewann in Hefjen
wegen der Ubhangigteit der bäuerlichen Bevöllerung
von jiidifden Handlern die antifemitifdhe Bewegung
eine foldje Ausdehnung, dah 1890 fiinf A. in den
Reichstag gewählt wurden. Inzwiſchen hatte ſich je-
dod) innerhalb der Vereinigung eine Spaltung voll-
Antijana — Antijemiten.
gogen. Die fonjervative Ridtung unter Lieberman
und Förſter bildete 1889 in Bodum die Deutſch—
fosiale antiſemitiſche Bartei, ftellte cin Bro-
gramm auf, das neben vielen andern Forderungen, die,
abgefeben von geringfiigi en Ubwandlungen, von den
alten jtaatserbaltenden Parteien ebenfalls gejtellt zu
werden pflegen, die Aufhebung der Gleichberechtigung
der Juden und dad Verbot der Einwanderung .
der Juden verlangt. Das »ergänzte Bodumer Fro-
ramm⸗ derfelben Bartei fil t bichon Wünſchen andre
bt und ſchließt damit: »Als ibr Biel in der Juden⸗
rage faßt die Deutfd)-foziale Partei die Mufhebung
der Gleidhberedhtiqung und die Stellung der Duden
unter Fremdenrecht in Deutfdland ins Auge.· — Da-
gegen bildete die Demofratifde Ridtung unter Böckel
1890 die Untifemitifde Volkspartei. Sie er—
jtrebt die Uufhebung der Judenemanjipation, Stei-
lung der Juden unter Frembdengefege und Schaffung
Jn | einer gefunden ſozialen Geſetzgebung; die ſoziale Lage
jei gu bejjern durch cine Arbeiterſchutzgeſetzgebung auf
internationaler Grundlage. Die tibrigen Forderungen
decken jich meift mit denen der vorberigen Programme-
Die Vereine der Deutſchen Reformpartet vereinigter
fic) mit Der Antiſemitiſchen Vollspartei, die vor den
Wahlen 1893 wieder den Namen Deutf dhe Reform-
partei annahm und 11 Sige in Sachſen und Heſſen
gewann. Auf einer Delegiertenfonfereng gu Cijenad
7. Oft. 1894 vereinigten fid Deutiche Rerormpartel
Deutjd- Soziale und Norddeutide Vereinigung jur
Deutjdh-fozialenReformpartei(j.d.) mitemenm
in Erfurt 20. u. 21. Oft. 1895 beſchloſſenen Rroqramm,
deſſen Hauptwunſch (aufer denen nad ciner Erweite⸗
rung de3 Wahlrechts zur Wahlpflidt, einer Einfüh—
rung der fonfeffionellen Eidesformel x.) die Wufitel-
ie und dauernde Fiihrung einer Statijtif über die
in Deutſchland lebenden onen jüdiſchen Stammes
war. Innerhalb der Deutſch-ſozialen Reformpartei
entitanden 1900 Streitigkeiten zwiſchen Parteileitung
und Fraktion; Liebermann v. Sonnenberg trat beim
Magdeburger Parteitag im September 1900 mit an—
dern, konſervativ Geſinnten aus der Reformpartei aus
und gründete fofort die Neue deutſche ſoziale
Partei(ſ.d.) Der frühere Berliner Reftor Ahlwardt.
der als antiſemitiſcher Agitator beſonders die Raſſen
frage betont hatte, und Bidel ſtellten wenige Wochen
darauf die Antiſemitiſche Vollspartei wieder ber (7.
Rarte ⸗Reichstagswahlen«). 1891 wurde in Berlin
ein Verein zur Bekämpfung des Untifemitis-
mus geqriindet.
In Ojterreid, wo die Zahl der Juden nod grö—
per, ihr Einfluß nod bedeutender ijt, jtellten ſich Schd-
nerer und (ſpäter) Queger an die Spipe der Bewegung,
die befonders in Wien zahlreiche Anhänger hatte und
bei den ReidpSratswabhlen 1891 in Niederöſterreich 13
YUnhainger durdbradte. In Ungarn jteigerte ſich in—
folge des Tisza-Eszlarer Proxeljes wegen des Ber
ſchwindens der Eſther Solymoſſi die antiſemitiſche
Aufregung. Auch in Wien wurde 1891 ein Verein
egen den Antiſemitismus gegründet. In
Frankreich erſchien das antiſemitiſche Werf von E
Drumont: »>La France juives (Par. 1886). Jn Ruß⸗
land gaben Sudenverfolgun en in Südrußland und
Polen, welche de bäuerliche SBevdlferung 1881 ver⸗
anjtaltete, der Regierung den Anlaß, nit umfafjenden
Maßregeln geaen die Juden, denen man die Schuld
an dent wirtidaftliden Elende der Bauern beimak,
einzuſchreiten und jie namentlic) aus den muittlern und
oſtlichen Provingen, wo fie fid) tm Laufe der Jahre
ausgebreitet Hatten, und aus den Stadten gu vere
Antifepfis — Antifthenes.
drängen, fo daß viele durch villige Entziehung ihres
Lebensunterhalts zur Auswanderung genötigt wur-
den. Bgl. Glagau, Der Börſen- und Grilndungs-
ſchwindel in Berlin und in Deutidland (4. Wut,
Leipz. 1876—77, 2 Tie.); Marr, Der Sieg de3 Ju—
dentums iiber das Germanentum (11. Aufl., Bern
1879); Diihring, Die Judenfrage (4. Unfl., Rarls-
tube 1892); Stider, Das moderne Yudentum in
Deutidland (5. Uufl., Berl. 1880); v. db. Brüggen,
Rußland und die Juden (Leipz. 1882); Lehnhardt,
Die antiſemitiſche Bewegung in Deutſchland (Zürich
1884); Liebermann von Sonnenberg, Beiträge
zur Geſchichte der antiſemitiſchen Bewegung vom
1880 —1885 (Berl. 1885); G. Winter, Der Anti—
ſemitismus in Deutjdland (Magdeb. 1896).
Antifepfis (Antiſeptik, qried., wortlid): » Fiul-
niswidrigfeit<), Bezeichnung einerWundbehandlungs-
methode, die von Lijter in den 60er Jahren ded 19.
Jahrh. eingefiibrt wurde und eine Reformation der
Wundbehandlung, ja der Chirurgie tiberhaupt bedeu-
tete. Sie ſtützt fich auf die Unterfuchungen von Paſteur
diber die Herfunft und Natur der Zerjepungs- und
Faãulniserreger und löſt das Problem, die Zerſetzung
der Wundfefrete zu hindern. Als wirfungsvolljte che- | Jn der M
mijde Subſtanz, weldje die Fäulnis organifder Gub-
jtanjen durch Vernichtung der aus der Luft eindrin-
genden Fäulnispilze und threr Keime oder wenigitens
Durd Aufhebung ihrer Weiterentwidelung verbiitet,
empfabl Lijter die Rarbolfiure, bez. wäſſerige Lifun-
qen derfelben. Lifter fordert die genaue Desinfeftion
der Wunde felbjt, ihrer Umgebung und aller Gegen-
ſtände, die nit ihr in Beriihrung fommen, mit Kar—
bol; um auch die atmoſphäriſche Suit ju desinfizieren,
Hediente er fid) eines Zerjtiubungsapparats, der Kar⸗
bolſprays, mittels deſſen, während die Wunde der
Luft ausgefept ijt, em fener Rebel von Karbolſäure
auf fie geblajen wurde. Die fo vor Fäulniserregern
geſchützte Wunde mußte genäht und mit dem anti-
ſeptiſchen, mit Rarbolfiure imprignierten Berband
vor weiterm Kontakt mit der Luft geſchützt werden;
der Karbolverband fog die Wundſekrete auf, desinfi-
zierte fie und hinderte ihre aiding ‘amentlich
von deutiden Chirurgen (Volfmann, Nußbaum u. a.)
begeijtert aufgenommen, begann das Lijterfde Ver—
fabren (das »Lijtern«) feinen —— durch die
Welt, und wenn auch die praktiſche aye goth bald
umgejtaltet wurde, das Prinzip blich und bildet die
notwendige Grundlage jeder Wundbehandiung : die
Heilung ciner Wunde farm ohne Entyiindung und
Citerung und ohne Fieber mur ergielt werden, wenn
die Entgtindungserreger und ihre giftigen Stoffwed-
felprodufte bon der
die U. mute die Aſepſis (ſ. d.) folgen, das Pringip
der modernen Wundbehandlung. Die antiſeptiſche
Wundbehandlung ijt heute bei friſchen Wunden (Ope⸗
ration) vollkommen verlaffen, auc) naddem an Stelle
der giftiqen Karbolſäure mit ihrer ſchädlichen, reizen-
unde ferngehalten werden. Auf
589
ausgehenden Zerſetzungen organifder Subſtanzen
(Garung, Faulnis rc.) verhindert werden. Alle Mifro-
—— werden durch hohe Temperaturen zerſtört,
und wenn man die zu ſchutzende pga A Sa
erhigt und dann vor dem Zutritt freer Luft (durch
die neue Mifroorganismen zugeführt werden würden)
ſchützt, fo fann weder Fäulnis nod) Gärung eintreten.
Da letztere Prozeſſe auch an eine gewiſſe mittlere Tem-
sao und an die Gegenwart von Waſſer gebunden
ind, fo wirfen Kälte und Austrocknen antiſeptiſch. Auch
durd) geniigende Mengen von Salz, Zucer, Alkohol
fann man die Berfegung girungs- ke faulnisfabiger
Stojfe aufhalten. Außerdem benugt man als a. We.
Chemifalien, weldje die Mikroorganismen titen oder
wenigſtens in ihrer Entwidelung hemmen. Dahin
gehören Formaldehyd (Formalin), ſchweflige Säure
und Schwefligſäureſalze, Borſäure, Glyzerin —
ſalze, Schwefellohlenſtoff, Queckſilberchlorid, Eiſen⸗
un fervitriol, arſenige Säure, chromſaures Kali,
Blauſäure, Kalkwaſſer, Souci und reine Eſſigſäure,
Umeijenfaure, bajifd —— Magnefia, Karbol⸗
ſäure und andre Phenole, Lyſol, Salizylſäure, Bimt-
ſäure, Kreſotinſäure, Thymol, Gerbſäure und Kohle.
edizin wendet man a. M. ganz allgemein
an, um dem kintritt fauliger perfewenaen vorzu⸗
beugen und dieſe letztern, ſofern ſie bereits im Gange
ſind, zu unterbrechen. Im erſten Falle gehört zu den
antiſeptiſchen Mitteln jedes Verfahren, das zur Rein⸗
altung der Luft, der Betten und Inſtrumente in
ankenſälen dient (ſ. Desinfektion). Im andern Falle
ibt es a. M., welche die Faulnisteime an Ort und
Stelle direft tdten oder doch der Entwidelung der Keime
ee find, wie Rarbol-,Salisyl-, Zitronen-, Mild:
dure, Lyfol, Thymol, Kreoſot, Wohol, Jodoform,
Chlorzink, Sublimat x. Wuf der planvollen Anwen⸗
dung Diefer letzten Gruppe berubt der Erfolg der neuern
Wundbehandlung (j. Untifepfis und Wfepfis).
Antifigma (gricd.), umgekehrtes Sigma (5) frit.
Beichen dafiir, daß Berje an falfder Stelle ſtehen.
Untifflaverei -WFte, |. Sflaverei. {redjt.
Antiſklavereikonferenz, j.Sflaverei und Kriegs⸗
Antijpafmodifa (griech, Antiſpaſtika),
krampfſtillende Mittel.
Antiſpaſt (qried)., »widerjtrebend<), aus einem
Jambus und Trochäus (.__-, 3. B. perillustris),
alfo» widerjtrebenden « Elementen bejtehender Versfuſ.
Antiftes (griech.), Vorſteher, befonders Vorſteher
eines Tempels, Prieſter; in der chriſtlichen Kirche von
alters her Ehrentitel der Biſchöfe, Wbte, Prioren ꝛc.;
in einigen Kantonen der Schweiz Titel des erſten Geiſt⸗
lichen an reformierten Stadtlirchen und Vorſtehers
des Kirchen- und Schulweſens.
Antifthénes, von Athen, Stifter der hyniſchen
Schule (f. Kynifer), erjt Schiiler des Gorgias, nach—
mals Sdptiler und Freund des Sofrates, geb. 444
v. Chr., geſt. 899, etwa 30 Tage nach Sofrates. Er war
Sohn eines athenifchen Baters und einer thrafijden
dex Cinwirfung auf das Körpergewebe Sublimat, Mutter und lehrte in dem Gymnaſium Kynofarges,
Wismut, Vorjaiure, Jodoform u. a. getreten waren; woher feine Sdhule die kyniſche qenannt wurde, viel-
nur im Notfall bedient man fid) ihrer; bei bereits in- | leicht auc) mit Unfpielung auf »kyon«, Hund. Cine
fizierten, eiterigen Wunden findet fie nod haufigere fichere Erfenninis iſt nad ihm nur durd ridtige De-
Anwendung, indent man durd Jrrigation mit anti- |
ſeptiſchen Lofungen und mit Untifepttsis impragqrier-
ten Verbandjtoffen die in bie Wunde gelangten iter.
erreger zu vernichten oder wenigſtens bre Vermehrung
gu verhindern ſucht.
Antiſéptiſche Mittel (Antiseptica, fiulnis-
widrige Mitteh, chemiſche oder phyſikaliſche Mittel,
durch welche Dic von Mitroorganismen (Bakterien 2.)
jinitionen und identijde, d. h. folche Urteile moqlid,
in denen das Pridifat mit dem Subjekt einerlei ijt.
Auf dem Gebiete der Ethif, das ihm wie dem Sofra-
te3 das widtigere war, gilt ihm als oberſtes Riel des
menjdliden Lebens die Tugend. Was awijden ihr
und der Schlechtigkeit in der Mitte liege, fi gleichgül⸗
tig (adiaphoron). Tugend fei zur Gluͤckſeligkeit aus-
reidend, womit als Swed des Dafeins allerdings
590
Glidjeligfeit anerfannt wird. Da mun die Unmiglid-
feit, die Bedürfniſſe gu befriedigen, das Gegenterl der
Mliidjeligteit erzeugt, fo trachtete A. fowenig wie mig-
lic) Bediirfriffe gu haben, verwarf die Luft, lebte felbyt
auf das einfachſte und fete fic) über die Unforderun-
qen der gewöhnlichen Sitte hinweg. Den Kultus der |
Witter wies er ab; der Eine Gott werde mt aus |
Bildern erfannt; Tugend allein fei der wahre Gottes-
dient. Die Gedichte Homers, der (nebjt Hefiod) den
Griechen (nad) Herodot) ihre Götter gemadt hatte, |
deutete er allegoriſch tm Sinme feiner Boilofophie. Jn |
der Politif war er Weltbiirger. Seine Werke find fame: |
lid) verloren, nur zwei Deflamationen (abgedrudt in |
dex Sanumlungen der attijden Redner von Widus,
Bekker u. a.) find uns unter ſeinem Namen erhalten,
deren Echtheit unficher ijt, augerdem ein Brief (ab-
edrudt bei Orelli, »Collectio epistol. graec.<, Bd. 1,
eipz. 1815), Der unedht ijt. Die Fragmente feiner
Schriften wurden herausgegeben von Winfelmann
(Zür. 1842) und von Mullach in den »Fragmenta
philosophorum graec.«, Bd. 2 (Par. 1867). Bgl.
Chappuis, Antisthéne (Par. 1854); Diimmler,
Antisthenica (Salle 1882).
Antiftrophe (qried.), Gegen{trophe, ſ. Strophe.
Untitaurnd, Taurus.
Antithenar, Sstleinjingerballen, ſ. Ballen.
Antithefe (qried.), Gegenſatz, eine Redefigur, in
der fid) die Neiqung des Sprechenden verrät, einen
Begriff durd) gleichzeitige Apperzeption eines andern
ihm fontraren oder forrelaten Begriffs gu erhellen.
Unter den deutſchen Didtern ijt Schiller am meijten
durch antithetijdes Denfen ausgezeichnet. Muſter⸗
beiſpiele in der ⸗Kaſſandra⸗ und in Tells Monolog.
MAntitozifon (griec.), Gegengift.
Autitoxine, ſ. Immunitäi.
Antitragus, ſ. Tragus.
AUntitrinitarier (lat.), Geqner der Lehre von der
Dreieinigkeit Gottes, foviel wie Unitarier (ſ. d.).
Anti - Typolithographic, ſ. Lithographic.
Autium, uralte latinifde Stadt, auf einer ins
Meer vorfpringenden feljigen Landipipe gelegen, der
Gage nad) von einem Sohne des Odyſſeus und der
Rirte erbaut und anfangs von Seeräubern bewobnt,
jtand fortwabrend tm enger Berbindung mit den
BVolstern und ward daher 468 v. Chr. von den Rö—
tern erobert. Tro der hier angefiedelten römiſchen
Kolonie trat es bald wieder in feindlide Stellung zu
Rom und bewabhrte an 120 Jahre feine Selbjtindig-
feit. 388 erfolgte die gweite Cinnahme von YL, worauf
es mit neuen Nolonen befest, sugleic aber mit Uns-
lieferung feiner Kriegsſchiffe bejtraft wurde. Bei der
vorteifhaften Lage hob es fic) indeffen bald wieder.
U. diente als Crholungsort vornehmer Romer, die fid
hier Balajte und Villen bauten, und war insbef. der
Vieblingsaufenthalt Neros, der, wie and) Caligula,
hier qeboren wurde und einen neuen prächtigen Hafen
erbaute. Crjt die Einfälle Der Garajenen ridteten
die Stadt ju Grunde. Dest Porto d'Anzio.
Antiunioniſtiſch (lat.), gegen die Union anfimp-
fend; Untiunionift, Wegner der Union.
Antivari (Var), befeſtigte Stadt im ſüdlichen
Montenegro, 5 km vom Adriatiſchen Meer, Sig des
fatholijden Landesbiſchofs, mit ciner Bitadelle aus
venesianifder Zeit und geräumigem, aber vernad)-
laffiqtem Hafen, den die Dampfer des Ojterreidifdhen
Vloyds und der Italieniſchen Schiffahrtsgeſellſchaft
Puglie anlaufen, hat see 1147 Einw. Me wurde
1571 von den Tiirten, 1878 von den Montenegrinern
erobert und Diejen im Frieden von Berlin belaffen.
I
Antiftrophe — Antlig.
Antizipation (lat., »>Vorausergreifung, Voraus
nahme«), ein in verjdjiedenen Beziehungen angewen-
deter Uusdrud. Yn der Logif bezeichnet man mit A.
die vorläufige Unerfennung eines Sages als wabr in
€Erwartung einer fpitern Beqriindung. In der Rbe-
torif tft A. foviel wie Prolepſis. — In der Redhts-
wiſſenſchaft bedeutet A. eine Handling, dic früher,
alg der ordnungsmäßige, gefeplid) vorgeſchriebene
Rechtsgang es erlaubt, vorgenommen wird. So tit
im Handel W. (antigzipierte Zahlung, Zahlung anti-
cipando) eine vor dem verabredeten, gebraiudliden
oder gefeglicjen Termin geleijtete Zahlung. Dtefelbe
begriindet einen Unfprud) auf Hinsvergiitung, die
durch Abzug cines Zwiſchenzinſes (Interuſurium, Ra—
battabzug, Diskont) bewirft wird. — Im Finanz—
weſen bezeichnet A. die Vorausentnahme erjt ſpäter
fälliger Einnahmen, ſei es, daß man Steuern, die
erſt —8* fällig werden, im voraus bezieht, fei es,
daß die zukünftigen Einnahmen einſtweilen durch ein
Anlehen verfügbar gemacht werden. Früher bediente
man ſich gu dieſem Zweck eines mit Hilfe der ſpäter
eingehenden Einnahmen wieder eingulojenden Bapter>
geldes. So wurde 1812 die preußiſche Vermögens—
und Cinfommenfteuer durch geftempelte Trejore
ſcheine, welde die Staatsfajjen fiir bar annahmen,
antizipiert. Die bei der Steuerzahiung eingehenden
Scheine follten vernidtet, die auf dieſe Weiſe nidt
eingegangenen aber aus dem Steuerertrag etngeldit
und vernidtet werden. Das heute angewendete Unti⸗
ipationSmittel ijt Der Schatzſchein (f. d.). — Im
Matexiwcien ſpricht man von einer YL, wenn etme
patentierte oder zur Batenticrung angemeldete Er-
finding bereits vor der Unmeldung befannt gewefen
ijt. — In der Medizin bedeutet A. das verfrithte
Eintreten von typiſchen Kranfheits-, namentlid Fieber⸗
anfällen fowie überhaupt ein vorjeitiqer, dem Lebens-
alter des Batienten nod) nicht angemefjener Bor-
ang. — Jn der Mufif verjteht man unter A. das
intreten on oder —
rer Dem nächſtfolgenden Al⸗
ford angehörender Tine auf E ——
einen demſelben voraus— — —
gehenden leichten Zeitteil (ſ. 2
nebenjtehendes Beiſpiel).
Antizipationsgefdafte werden Geſchäfte ge
nannt, bet denen der Berfaufsfommiffionar dem
Kommittenden auf die von demſelben zum Berfauf
empfangenen Waren vor deren Abſatz, auch wobl
ſchon gleich nad deren Abſendung eine —
zahlung bis zu zwei Dritteln des Wertes entwedet
Direft oder in der Art macht, daß er einen vom Mom
mittenten auf ibn gezogenen Wechſel alzeptiert (gl.
Ronfjiqnation).
Untisipationsfdeine, 1813 im Betrag von 45
Mill. Gulden ausgegebenes, ſpäter ſtark vermehrtes
öſterreichiſches PapiergeldD (Hentralfajffeanwmer-
jungen). Die 1811 und 1813 ausgegebenen Ein-
ldfungs- und A., welde die fogen. Wiener Wäh—
rung (abgefitrgt : W. W.), aud S dheingeld genannt,
bildeten,, batten Zwangsumlauf und wurden 1820,
naddem ihr Kurs gejunfen war, auf zwei Fünftel
ihres Nennwertes Herabgefest. Später von der Na—
tionalbant gegen Banknoten eingelöſt, ſind die A. ſeit
1854 aus dem Berfehr verſchwunden.
Antizipieren (lat.), vorweg-, vorgreifend nehmen,
voraus genießen.
Autla „ſ. Gründonnerstag.
Antlia, Sternbild, ſ. Luftpumpe.
Autlitz, |. Geſicht.
Antoeci — Anton.
Antoeci (gried)., »Gegenwohner«), ſ. Untipoden.
Autofagaſta, chilen. (frither bolivian.) Tervito-
rium, beqrengt im W. vom Stillen Ogean, im N. vom
Territorium Tarapacd, im O. von Bolivia und Ur-
entinien, im S. von Argentinien und der Proving
tacama, bat ein Areal von 187,000 qkm mit (1895)
44,085 Einw. Die Undes mit einer Reihe bedeutender
Bullangipfel (Oyaqua 5865, Licancatir 6950, So-
compa 5980, Aullaillaco 5170, UWntofalla 6370 m)
bilben die Nordoſtgrenze und ſcheiden dads Territorium
in zwei ungleiche Teile. Der cingige Fluß ijt der Rio
Loa, an der Nordgrenze, fonjt ijt das Gebiet aufer-
ordentlich diirr, wenngleich an der Küſte zuweilen ge-
waltige Regenmajjen fallen. Das erdbebenreiche Terri⸗
torium ijt reid) an Silber (bei Caracoled, f. d.), Blei,
Gold und Kupfer fowie namentlid) an Salpeter und
Borar (bei Uscotdn), die nad den 1866 und 1874
mit Bolivia abgeſchloſſenen Verträgen von Chile aus-
ebentet wurden. Die Zurücknahme diefer Vertriige
Ritens Bolivias fiihrte 1879 gum Srieg und zur Be—
fibergreifung des Landes durch Chile, bem es durd
Vertrag vom 4. WUpril 1884 verblieb. Cine Cifenbahn
fiibrt von der Stadt A. nad) Huandaca in Bolivia
(640 km), cine jweite vom Hafen Taltal nad den
Salpeterwerfen von Cadinal, der Hafen Mejillones
ijt mit Der erjten Bahn durd einen Schienenſtrang
verbunden. Zu nennen ijt nod Der Hafen von Cobija.
Die Hauptitadt W., an der Morenabai, unter 23°
40’ fiidl. Br., hat cine großartige Wafferleitung, ijt
Sig eines deutiden Konſuls, Dampferjtation, Hat
febr bedeutenden Handel (1888 Einfubr 1,680,511,
Ausfuhr 1,474,752 Pefos) und (soe) 18,883 Einw.
MAntogaft, Badcort im bad. Kreis Offenburg, am
Südfuß des Kniebis im engen Maiſachtal, 4838 m
fi. M., 4 km von Station Oppenheim der Rendtal-
ban, hat drei Ouellen (zwei Trink und eine Bade-
quelle), alfalijdy-erdige Eiſenſäuerlinge, die gegen
Blutarmut, Kranfheiten der Verdauungsorgane 2.
verwendet werden.
Antoine (ivr. angtionw), 1) Jules Dominique,
fran3. Politifer, geb. 26. Jan. 1846 in Meg, wurde
Tierarzt, nahm 1870 als Leutnant in der Mobilgarde
am Striege gegen Deutſchland teil und wurde ver-
wunbdet. 1872 wurde er jum Mitgliede des Meher
Gemeinderats, 1877 de3 Landesausſchuſſes und 1882
bis 1887 wiederholt sum Reichstagsabgeordneten ge-
wählt. Er befuchte dem Reichstag nie, trat aber in
Lothringen als cifriger Protejtler auf. Ym Frühjahr
1887 wurde er feiner Hegercien wegen ausgewiejen,
legte 1889 fein Reichstagsmandat nieder und wan-
derte nad) Frankreich aus. Hier wurde er 1890 in
der Tabafsregie angejtellt und 1893 gum General-
zahlmeiſter ernannt.
2) Undré, franz. Schaufpieler und Biihnenteiter,
eb. 1858 in Limoges, war in Paris Ungejtellter der
Basgereltidvatt, als er 1887 das Theãtre Libre griin-
dete, worin er den ſtärkſten Naturalismus und mög—
lichſt ungefiinitelte Spielweife auf der Bühne heimiſch
machen fudte. Das Théiitre Libre, das nur den
bonnenten zugänglich war, bejtand bis 1894 und
übte auf die dramatiſche Broduttion voritberqehend
rofer Einfluß aus. Kurze Zeit Direktor des Odéon
1896), eröffnete A. 1897 das allabendlich fpielende
fitre Antoine, das fic) befonder3 aud) durch die
Aufführung von Sdaufpielen auslindifder Uutoren
( Ibſen, Hauptmann, Sudermann 2.) verdient ge-
macht hat.
ofolffi, Markus, ruſſ. Bildhauer, geb. 1843
in Wilna, geft. 9. Juli 1902 in Bad Homburg, war
591
Schüler der PeterShurger Akademie, bildete fid) aber,
im Gegenfage gu der dort herrſchenden klaſſiziſti—
iden Richtung, in realiſtiſchem Sinne durd) Studien
nad der Natur aus. Sein erjtes qriferes Werk, die
ſitzende Figur Iwans des Schrecklichen (1871, f. Tafel
*Vildhauerfunjt XX«, Fig. 8), trug cin durdjaus
realiſtiſches Gepriige mit jtarfer Betonung des dharaf-
teriſtiſchen und malerifdjen Element. Der gefeſſelte
Chriſtus vor dem Volle (1874) bewegte ſich in derſelben
Richtung, und in dem ſterbenden Sokrates (1876)
führte bas Streben nad) Naturwabhrheit zu einer fraf-
ſen Darſtellung der Wirkungen des Todes. Seine
Vortrãtbüſten und Statuen (Peter d. Gr., Turgenjew,
Spinoja, die Kaiſer Ulerander IL, Alexander IT. und
Mifolaus) zeichnen fich durch Lebendigfeit und Energie
de3 Unsdruds aus. Für die Weranderbriide in Pe—
terSburg bat er die Reiterftatuen Jaroſlaws de3 Wei—
fen und Swans IIT. ausgeführt. Bon feinen iibrigen
Werlen find nod der ewige Jude, Satan, Ophelia, das
ſchlafende Dornröschen, der Traum und der Kummer
hervorjuheben. Seit 1880 lebte A. in Baris.
Antomardi (jpr. marty), Francesco, geb. 1780
auf Korſila, gejt. 3. Upril 1838 in San Untonio auf
Cuba, ward 1812 Proſeltor am Hofpital Santa Maria
gu Florenz; 1818 ging er nad) St. Helena, um Na—
oleon I. ärztlichen Beijtand gu leijten. Nach dem
ode des Gaiters erflirte er, daß diefer nicht am Ma—
enfrebs, fondern an cinem auf der Inſel herrſchenden
Fieber gejtorben fei, und weigerte fid), Das Obdut-
tionSprotofoll 3u unterzeichnen. Er fehrte dann über
England nad Stalien zurück und wandte fid, von der
Ergherzogin Marie Luife in Parma falt empfangen,
nad Baris, wo er das vielgeleſene Werk⸗Les derniers
moments de Napoléon« (1823, 2 Bbde.; neue Ausg.
1852; deutſch, Stuttg. 1825) herausgab. Währen
der polniſchen Revolution iibernahm er in Warſchau
die Leitung der — Unjtelten, fehrte jedoch bald
nad Baris zurück.
Antomboka, Bai an der Nordjpize von Mada-
qastar, ſ. Dieqo Suare3.
Anton (Ubfiirjung de3 rim. Namens Antonius,
franj. Antoine), Name einiger bemerfenswerten Für⸗
jten: 1) N. von Bourbon, feit 1555 Titularfdnig
von Navarra, geb. 22. April 1518, geft. 17. Nov.
1562 in Undelys, diltejter Gohn des Der}098 Karl
von Vendome, vermählt 1548 mit Johanna d'Albret,
der Tochter und Erbin Heinrids II. von Navarra,
Vater Heinrichs IV. von Frankreich, war mit feinem
Bruder Ludwig von Condé das Haupt der Hugenot-
tiſch⸗ bourboniſchen BVerbindung gegen die Guijen,
wurde aber verbaftet und erjt nad Frans IT. Tod
(5. Dez. 1560) befreit. A. ward hierauf Generaljtatt:
halter des Reiches, ſchloß fic) aber aus Ehrgeiz dem
fatholifden Triumvirat de8 Herzogs Franj von Guije,
des Connétable von Vtontmorency und des Mar—
{halls von Saint-Yndré an, kämpfte geqen die Huge-
notten, nahm Bourges ein und belagerte 1562 Rouen.
Er ftarb an einer bier erhaltenen Wunde. Bgl. de
Ruble, Antoine de Bourbon et Jeanne d’Albret
(Par. 1881 — 86, 4 Bde.).
2) UW. Ulrid, Herzog von Braunfdweig-
Wolfenbiittel, dritter Sohn des Herjogs Auguſt
und der Bringeffin Dorothea von Anhalt⸗Zerbſt, geb.
4. Oft. 1633, gejt. 27. März 1714, trat 1710 in
Bamberg affentiid aur katholiſchen Rirche iiber, nad-
dem feine Tochter Grijabets Chriſtine Gemablin des
ſpätern Kaiſers Karl VI. und katholiſch geworden war.
In der Frudjtbringenden Gefellfdaft fiihrte er den
Namen »Der Siegprangende<. Er dichtete außer
592
Singſpielen und geiſtlichen Liedern die beiden ſchwül⸗
jtigen Romane: » Die Durdleudtige Syrerinn Ara—
mena« (Nurnb. 1669—73, 5 Bde.) und die ⸗Röomiſche
Octavia« (zuerſt Nurnb. 1677, 6 Bde.). Die in die
»Octavia« verflodtene ⸗Geſchichte der Pringefjin So-
lane« behandelt die Schickſale der Prinzeſſin von
Ubhiden, Sophie Dorothea (j. Sophie). Bal. Hoed,
A. Ulrich und Elijabeth Chrijtine von Braunſchweig
(Wolfend. 1845); Cholevius, Die bedeutendjten
deutiden Romane des 17. Jahrhunderts (Leip. 1866) ;
Sonnenburg, Herzog A. Ulric) von Braunſchweig
als Didter (Berl. 1896).
3)A. Ulrich, Bring vonBraunfdhweig, swei-
ter Sohn Ferdinand Alberts, Herzogs von Bonn
ſchweig⸗ Bevern, Bruder des beriihinten preupijden
Generals Herjog Ferdinand, geb. 28. Uug. 1714,
eft. 19. März 1776, fam 1733 auf Wunſch der Kai—
ate Unna nad Rußland und wurde 1739 mit deren
Nichte Anna Leopoldowna (jf. Anna Y) vermablt.
Nad dem Tode der Raiferin und dem Sturze des
Regenten Biron (j. d.) wurde der Pring von feiner
Gemahlin, der Regentin Wnna, zum Generalifjimus
erhoben, aber ſchon 6. Dex. 1741 mit feiner ent:
thronten Gemablin und ibren Kindern interniert.
Katharina IT. ließ bald nad) ibrer ——
ihm den Vorſchlag machen, für ſeine Perſon Rußlan
zu verlaſſen; ſeine Kinder ſollten zurückbbleiben, da
man ihnen aus politiſchen Gründen nicht die Freiheit
geben finne. Der Vater zog jedoch die Gefangenſchaft
mit feinen Kindern der Freiheit vor und jtarb im
Gefiingnis. Sein Sohn Diwan wurde 1764 in Schlüſ⸗
felburg ermordet (jf. Swan). Geine iibrigen vier
Kinder lie man endlic) 1780 frei, Ratharina I. ver-
willigte ihnen cinen Jahrgehalt und jchidte fie nad
Horjen3 in Diltland. Vgl. Britdner, Die Familie
Braunfdweig in Rupland (Petersb. 1876).
4) U. Klemens Theodor, König von Sach—
jen, Weiter Sohn des Kurfürſten Friedrich Chriſtian
von Sachſen und der Marie Antonie von Bayern,
eb. 27. Dez. 1755, gejt. 6. Juni 1836, lebte, ure
Apriingtich fiir den geijtliden Stand bejtimmt, bis zu
jeiner Thronbejteiqung in Burtidgesogenheit, meiſt
auf dem Schloß Weeſenſtein. Er vermählte ſich 1781
mit Marie Karoline Untonie von Sardinien, nad
deren finderlofem Tode 1787 mit Maria Therefia
von Tostana, der Todjter Kaiſer Leopolds II., die
vier Kinder diefer Ehe ftarben frühzeitig. Am 5. Mai
1827 in feinem 72. Lebensjahr durd den Tod feines
Bruders Friedrid) Auguſt I. (f. d.) auf den Thron
berufen, erregte er durch die Erflarung, dak er im
Geijte feines verftorbenen Bruders reqteren werde,
bie Wünſche nad einer Reform der ſächſiſchen Zu-
ſtände nur um fo beftiger. Die Begiinftiqung des
Katholizismus, die tibergriffe der Hofgeiſtlichleit und
die von dem Kabinettsminijter v. Cinjiedel begünſtigte
ſcheinheilige Orthodorie brachte die Unzufriedenheit
1830 ju —— — Zu ihrer Beſchwichtigung
nahm A. den Prinzen Friedrich Auguſt, den
Sohn ſeines Bruders Maximilian und präſumtiven
Thronerben nad Maximilians Entſagung, gum Mit⸗
regenten an.
5) A. Ulrich, HDergog von Sachſen-Meinin—
gen, jüngſter Sohn Herzog Bernhards J., geb. 1687,
eft. 23. Jan. 1763 in Frankfurt a. M., fampfte im
Spaniſchen Erbfolgetrieg als pfalj-neuburgifder Offi-
zier in Den Niederlanden. 1711 vermablte er fic) mit
Philippine —— Cafar (geſt. 1744), der Tochter
eines heſſen⸗kaſſelſchen Hauptmanns, die von Kaiſer
Karl VI. in den Reidpsfiiritenjtand erhoben wurde;
Antona-Traverji — Antonelli.
dod erflirte Kaiſer Franz I. infolge des Wideripruds
der fiirjtlidjen Berwandten gegen die Guljefjions-
fabigteit der Kinder diefe Standeserhihung 1747 fiir
ungilltig. 1724 nötigte er feinen Bruder Friedrih
Wilhelm, die von diefem eingeführte Primogenitur
auf feine eignen Söhne ju beſchränken und ihm Anteil
an ber Reqterung einzuräumen. Wegen des Zwiſites
mit feinen BVeriwandten lebte A. meijt aufer Landes,
bald in Wien, bald in Frankfurt a. M., bis er, durch
den Tod jfeiner Briider und Reffen 1746 alleiniger
Regent wurde. Die Verhajtung des Oberlandjager-
metjters v. Gleidjen und feiner Frau führte, da A.
die vom Raifer gebotene Freilaſſung verweigerte, 1747
zum Cinriiden ſachſen-gothaiſcher Erefutionstruppen
in das Meiningifdye (Wafunger Krieg), und erjt nad
einem ae ward die Sade friedlic) geſchlichtet. In
der bald folgenden, 1753 durd) Vergleich beendeten
Fehde mit Sadfen-Saalfeld befesten 1752 kurfürſtlich
ſächſiſche und brandenburg-ansbadijde Exrefutions-
truppen das Land. A. begiinftigte die Entfaltung
Der Yndujtrie im Land und wurde fo deſſen Wobl-
tater Dadurd, dak er viele gewerbliche Keime tm Lande
pflangte, die {pater Taujende von Handen beſchäftigten.
Er vermählte fic) 1750 sum gwetten Male mit Char—
lotte Amalie, Pringefjin von Heffen-Philippsthal, die
ibm nod vier Töchter und vier Söhne gebar.
Antöna-Travérſi, Camillo, ital. Literarhiſto⸗
vifer und Didter, geb. 27. Nov. 1857 in Maitland,
Profeſſor an einer höhern Lehranjtalt ju Rom, ver-
faßte zahlreiche Schriften tiber Boccaccio (namentlich
ine italienijdje Uderjegung von M. Landaus Bio—
graphic Boccaccios, mit ausfiihrlidem Rommneentar,
eapel 1881), iiber Ugo Foscolo, dejjen »Ultime
lettere« ( Saluʒzo 1887) und »Poesie« (Rom 1889)
er mit Martinetti kritiſch herausgab, und fiber Leo~
parbdi fowie »Nuovi studji letterari< (Mail. 1889).
Als dramatifder Dichter hat U. fic durch Luſtſpiele
befannt gemadjt: ⸗Il sacrificio di Giorgio«, »Ii ma-
trimonio di Alberto«, »I fanciulli« (1894), >I pa-
rassiti« (1899) u. a.
Untonelli, Giacomo, päpſtlicher Kardinal-
Staatsfetretir, geb. 2. Upril 1806 in Sonnino an der
römiſch -neapolitanifden Grenge aus einer herunter⸗
gefommenen Familie, gejt. 6. Nov. 1876, trat in Rom
in bad Priefterjeminar ein. Nachdem er die Weihe als
Diafon empfangen hatte, gog in Papjt Gregor XVI.
in feine Nahe und beſtimmie ihn fiir die ftaatsmin-
nifde Laufbahn. UW. ward gum Priilaten erhoben,
war dann als Aſſeſſor beim oberjten Gerichtshof, ſpã—
ter als Delegat in Orvieto, Viterbo und Macerata
tdtiq und wurde 1841 zum Ilnterjtaatsfefretar des
Innern, 1844 jum zweiten Schagmeijter, 1845 aber
unt Großſchatzmeiſter (Finanzminiſter) emannt. Als
Bins IX. den papjtliden Thron bejtieg, ging er etfrg
auf deſſen liberale Reformbejtrebungen ein und ge-
wann bald cinen maßgebenden Einfluß. Am 12. Juni
1847 Kardinal geworden, trat er in den erjten WMi-
nifterrat ein, mit dejjen Bildung Pius IX. femme poli-
tijden Reformen erdjfnete. Jn dem am 10. Mary
1848 gebildeten, aus Geijtliden und Laien gemiſchten
Miniſterium tibernahm A. den Vorſitz. Wabhrend der
Papſt 14. Mary ein Staatsgrundgeſetz proflamierte,
ſchmeichelte U. Der nationalen Stimmung, indem er
die päpſtliche Armee an die ndrdliche Grenge ſchickte
von wo das Korps zur eg Fe Ge der Biemontefen
in die Lombardei cinriidte. Jad der paipftliden Milo-
fution vom 29. Upril, die den Krieg gegen Oſterreich
mifbilligte, nahm A. mit ſeinem Miniſterium die Ent-
laſſung, lief aber bald, die Geſinnungen des Papjtes
Antonello von Meffina — Antoninus.
mit ſcharfem Blick erfernend, die nationale Politif fal-
len und ſchwenkte völlig ins Lager der Reaftion iiber.
Auf ſeinen Rat floh Bing IX. 25. Nov. 1848 nad
der Ermordung des Viinijterprajidenten de Roffi nad
Gatta; A. folgte ihm und wurde jum Staatsſekretär
ernannt. Rady Wiederherftellung der päpſtlichen Ge-
walt dDurd die Franjofen trat W., der im April 1850
mit dem Bapft nad) Rom zurückgekehrt war, an die
Spitze Des neuerrichteten Staatsrats, reorganifierte
dieBerwaltung, verfolgte feine politijden Gegner und
fiibrte ein abſolutiſtiſches Polizeiregiment ein. Mah—
mingen Der Mächte gu Reformen wies er zurück, ver-
jtand fid) aud) gu feinem Zugeſtändnis an die natio-
nalen Wünſche der Ytaliener umd begleitete die » Be-
raubungen« ded Rirdenjtaats durd) dad neue Kinig-
reid) Stalien mit ohnmächtigen Proteſten. In ſeinen
lezten Jahren vermochte er ſeinen Einfluß auf den
vapſt, der mehr und mehr von den Ratſchlägen der
Jeſuiten abhängig wurde, nidt vollfommen ju be-
haupten. A. Hinterlieh ein bedeutendes Vermigen,
liber Dad ſich ein ſtandalöſer Prozeß zwiſchen feiner
angeblidjen Tochter, Gräfin Lambertini, und feinen
Verwandten entfpann.
Antonello von Meffina, ital. Maler, geb. wm
1444 in Meffina, geft. um 1493 in Benedig, foll in
den Niederlanden die dort durd) die Briider van Eyed
und ibre Schiiler vervollfommte Olmalerei (d. h. die
mit Leimfarben untermalten Bilder mit Olfarben gu
lafieren) erlernt und in Stalien verbreitet haben. Gein
früheſtes Bild, ein Chrijtus in der Nationalgalerie
ju London, tragt die Jahreszahl 1465 und geigt flan-
driſchen Charafter, ebenfo wie cin 1473 fiir die Rirde
von Gan Gregorio in Meſſina gemaltes Wltarbild.
Um diefe Zeit hielt er fic) bereits in Venedig auf, wo
er ſeiner neuen Malweiſe ſchnell einen großen
Ruf als Porträtmaler erwarb und ſich an Bellini und
Carpaccio weiterbildete. Seine Hauptiwerfe find cine
Sreuji in der Untwerpener Galerie und cin
mãnnliches Portrait im Louvre (beide von 1475), ein
männliches Bildnis im Berliner Muſeum von 1474
und ein Heil. Sebaftian in der Dresdener Galerie.
UAntonianer, 1) feit dem 17. Jahrh. bejtehende
Orden8genofjenfdaft der unierten Armenier (ſ. Ar—
menifde Rirde). — 2) Antinomiſtiſche Sefte in der
Schweiz, geftiftet von dem 1759 gu Schiipfheim im
Ranton Luzern gebornen, 1824 im Gefängnis zu Lu⸗
xrn verjtorbenen Ubenteurer Anton Unterndbhrer.
Die Theorie, dak die geidhledtlidje Liebe ohne Zwang
und Unterfdjied zu tiben fei, hatte ihn mit der biirger-
lichen Gefellfchaft in einen fiir feine Sefte tBbligven
Konflikt gebracht.
Antonides van der Goes (pr. gis), Johannes,
niederlind. Didter, geb. 3. Mai 1647 in Goes, geſt.
18. Sept. 1684 in Rotterdam, war der vorgiiqlichjte
Schüler Vondels. Schon hatte er 1666 fein Trauerfpiel
*Trazil of overrompelt Sina« und 1667 fein Jubel-
lied »Bellone aan bant« geſchrieben, als er mit an-
dern die im BVerfall beqriffene Dichtkunſt zu heben ſich
bejtrebte durch die —— der Geſellſchaft Nil volen-
tihus arduum (1669). Als ſich ſeine Genoſſen aber
als kleinliche Kritilaſter und einſeitige Bewunderer des
franzoöſiſchen Klaſſizismus zeigten, fagte er ſich von
ihnen los umd veröffentlichte ſelbſtändig fein Meiſter—
wert ⸗æVstroom« (1671). Seine Gedichte erſchienen
geſammelt 1685, 1705, 1714 (mit einer Biographie
von D. van Hoogſtraten), zuletzt 1827 mit Erklärun⸗
gen von Bilderdijk.
Antonienhiitte, Gutsbezirk im preuß
Oppeln, Kreis Kattowitz, an der Staatsbahn
Neyers Konv.-Lexilon, 6. Mufl.. L Wd.
593
wif-Morgenroth, hat eine evangelifde und cine fath.
Rirdhe, Synagoge, swei Zinfhiitten, Steinfohlenberg -
bau und (1900) 6788 Cinw.
Antönier For, ſ. Ritifon.
Antonina, Gemabhlin des oſtröm. Feldherrn Be-
lifar, babnte durch die ihr vertraute Kaiſerin Theodora
ihrem Gemahl den Weg gu feiner hohen Stelling,
begleitete ifn auf feinen Feldzügen, verbitterte ihm
aber durch Untreue das Leben. 562 trafen aud) fie
die Folgen der ſchmählichen Anklage ihres verdienten
Gatten; feinen Tod (565) hat fie tiberlebt.
Antoninianifhe Saulen (Antoninusſäu—
len), zwei Ehrenſäulen, die den beiden Untoninen in
Rom erridtet wurden. Die cine wurde nad dem Tode
des Antoninus Pius diefem gu Ehren von feinen bei-
den Adoptivſöhnen Marcus Aurelius umd Lucius Be:
rus auf dem Forum Antonini (Piazza Coloma) auf-
geridtet und 1705 wieder ausgqegraben, aber, weil
allju bejdadigt, wieder zerſägt. a aus rotem Granit
beftehender, tm Umfang 6,5 m mefjender Reſt diejer
Saute fteht jest im Hof des Rarlamentshaufes auf dem
Monte Citorio. Das Piedejtal von weifem Marmor,
auf dem die Upotheofe des Naijers Untoninus Kins
abgebilbdet ijt, befindet ſich im Garten ded Batifans.
Die andre, vom römiſchen Senat dem Raifer Marcus
Aurelius gum Undenfen an feine Siege iiber die Mar-
fomannen geweihte Säule, aud) Colonna Chiocciola
(»BWendeltreppenfiule«) —— ſteht auf der Piazza
Colonna, ijt doriſcher Ordnung und beſteht aus 28
iibereinander qetiirmten ungeheuern Marmorblicden.
Sie hat eine Höhe von 29,5 m (bei 3 m hohem Sorel)
und ijt eine Nachbildung der Trajansſäule. Auf der
äußern Seite find in ftarf vorſpringenden Reliefs die
ſiegreichen Kämpfe Mark Aurels wider die Marko—
mannen dargeſtellt; im Innern führt eine Spiral—
treppe von 206 Stufen, die 56 Fenſter erhellen, auf
die Plattform, wo jetzt ſtatt der Bildſäule des Kaiſers
cine eherne, von della Porta (1589) auf Befehl des
Papjtes Sirtus V. verfertigte Statue des Apoſtels
Paulus ſteht. Sirtus V. liek auch die Säule durch
Dom. Fontana ausbeſſern und mit dem jetzigen Piede-
ftal befleidben, während die antife Baſis ca. 7 m tief
unter Dem Strafenpflajter fteht. Die moderne In—
ſchrift bezeichnet die Säule irrtümlich als dem Unto-
ninus Pius geweiht. Val. Reterfen, v. Doma-
facwffiu.Calderint, Die Marcusfiiute auf Piazza
Colonna in Rom (mit 128 Tafeln, Miind. 1896).
Antoninus, Name zweier rim. Kaiſer: 1) VW.
Pius, mit welchen beiden Namen er gewöhnlich be-
nannt wird, cigentlid) Titus Aurelius Fulvus
Bojonius A. Pius, Sohn de Titus Aurelius
Fulvus, geb. 86 n. Chr. in Lanuvium, gejt. 161. Er-
zogen in Lorium, trat er frühzeitig in Staatsiutter
als Quäſtor, Prätor, Konſul und wurde von Hadrian
138 nad) dem Tode feines erjten Udoptivfohns, Wins
Verus, wegen feiner vorzüglichen Charaktereigenſchaf⸗
ten adoptiert und zum Cäſar ernannt, unter der Be—
dingung, daß er felbjt den Marcus (A.) Verus, Sohn
des Bruders feiner Gemabhlin Annia Faujtina, und
dent Lucius Verus, des Älius Verus Sohn, adoptierte.
Er regierte von 138-—161. Bom Senat mit dem Bei-
namen Pius geehrt, forgte er völlig aufgebend in fei:
ner Pflicht mit Weisheit und Wilde iiberall fiir Auf—
rechterhaltung der Ordming und Geſetze, wählte dic
Statthalter der Provinzen mit Einſicht und dev forg:
fältigſten Riicficht auf deren Wohl, unterſtützte fret-
ebig dic von Unfällen betrojfenen Stadte und Land:
—3— erweiterie in Rom die Stiftung Trajans für
‘te Kinder durch Gründung neuer Stellen, verbot
88
594
gegen die Chriſten alle Gewaltmafregein und fepte
fiir die Rhetoren und Philofophen Gehalte fet. Da-
bei verſäumte er nidjts, was der Glanz des Reiches er-
forderte; zahlreiche Bauten in Italien werden auf ihn
juriidgefiibrt; die Sparfamfeit des Hofes und ſeine
verniinftige Finanzwirtſchaft lieferten ihm dazu die
Mittel. Dieſelben Vorzüge, welche die innere Wohl⸗
fahrt des Reiches förderten, gewannen ihm auch nach
außen ſo großes Anſehen, daß er nur ſelten Waffen—
gewalt an zuwenden brauchte. Nur in Britannien
wurde gegen die Briganten erfolgreich gelämpft; ſonſt
i er nur vereinjelte Aufſtände niederzuſchlagen.
ad) feinem Tode wurden ihm vont Senat alle Ehren
juerfannt, die je einem Kaiſer erwiejen worden waren,
und die meiften der nadfolgenden Raifer, bis auf
Elagabal, ehrten ihn dadurch, daß fie fic) den Bei—
namen A. beilegten. Sein mildes, wiirdiges und adj-
tunggebictendes Außere jtellt fid) uns nod) in den zahl⸗
reid) erhaltenen Biijten (befonders in einer Munchener)
und Miingen dar. Bal. Boffart und Miller, Zur
Geſchichte des Kaiſers W. (Leipz. 1868); Lacour⸗
Gahyet, A. le Pieux et son temps (Par. 1889).
2) Marcus Aurelius W., geb. 26. Upril 121
Antoninus —
n. Ghr., geſt. 17. Mars 180, ein Verwandter Hadrians
und des Untoninus Pius, aus einer vornehmen Fa-
utilie Spaniens, wurde in Rom ergogen und gewann
früh die Gunſt Hadrians und des Untoninus Pins.
Er hick cigentlid Unnius Verus, wurde aber auf
Anordnung Hadrians von Untoninus Pius adoptiert
und nannte fid) mn Marcus Aurelius Verust.
Bon Antoninus Fius wurde er nad) feinem Regie
rungsantritt (1388) zum Cäſar ernamnt und nahm
nun unter und neben ſeinem Wdoptivvater, der thm
ſeine Tochter Faujtina zur Gemahlin pe an den Re⸗
qierungsgejdaften tätig Anteil. Mehr nod) beſchäf⸗
tigten ihn feine Studien; denn nadjdem er in Der |
Jugend unter dem berühmten Cornelius Fronto rhe-
toriſche Studien getrieben hatte, wendete er fid) all: |
miahlich der ſtoiſchen Philoſophie gu und blieb ihr aud
treu, ald er sur Regierung (161-—180) gelangte. Den |
Lucius Berus, den Antoninus Pius ebenfalls adoptiert
hatte, ernannte A., obwohl ihm fein ausfdweifendes
Leben mißfiel, aus Pietät zum Mitregenten. Indes
war ſeine Regierung nicht ſo glücklich, wie es ſeine
Gerechtigkeit, ſeine Milde und ſein unermüdlicher
Pflichteifer verdienten. Zwar in den erſten Jahren
wurden nicht nur die Einfälle der feindlichen Nach—
barn in Britannien und am Rhein abgewehrt, ſondern
es wurde auch gegen den Partherkönig Vologeſes II.
ein oo Krieg (162 —--166) von den Feldherren
des L. Verus gefiihrt. Wein das aus dem Often zu—
riidfehrende Heer bradjte von dort cine furdtbare Peſt
mit, Die während der ganzen weitern Regierungszeit
Markl Aurels das römiſche Reid) verheerte. Auch durf
ten die Einfaille der Quaden, Marfomannen, Jazygen
und andrer germanifden und farmatifden Volfer am
Rhein und an der Donau, das Borjpiel der Völler—
wanderung, nicht linger unbeadtet bleiben. Rad
umfafjenden Vorbereitungen übernahm A. felbjt die |
Oberleitung diefes »Warfomannentrieges«, juerjt
(von 167 an) mit Berus, nad) dejjen Tod (169) allein
bi 175, wo cin Friede zu ftande fam, der die Donau-
67* gu ſichern ſchien. Der Aufſtand ded Avidius
aſſius (175) in Aſien war durch deſſen Ermordung
erjtidt, ehe der Kaiſer ſelbſt herannahte. An der Donau
aber rief ſeine Abweſenheit fofort wieder Unruhen her-
bor, Dic ihn von neuem (178) gum Kriege zwangen,
den er zwar nicht ungliidlid), aber dod) ohne villige |
Entſcheidung bis zum Tode fortführte. Aus dev ine |
Königs Jobann IIL. von
Antonio.
nern Geſchichte ſeiner Regierung werden uns nur
Handlungen der Milde und Menſchlichkeit berichtet.
Er erweiterte die Stiftung Trajans fiir arme Minder
und gab ibr eine fejte Cinvidjtung, ordnete Das Bors
mundfdaftswefen, milderte die durch Peſt und Hun-
gersnot entitandene Not durd) reiche Spenden und
den Erlaß riidjtindiger Ubgaben. Wuch dent Senat
erwies er viel Chre und fiderte ſich dadurch cin dant
bares Gedadtnis. Wie in feiner Regierung, fo drück
jid) feine reine, edle Sinnesweiſe aud) in den zwölf
Büchern feiner (griechiſch geſchriebenen) »Selbjtbe-
trachtungen⸗ aus, zuerſt herausgegeben von Guil.
Xylander (Zür. 1558), ſpäter von Caſaubonus (Lond.
1643) und og rd (Cambr. 1652), gulegt von Std
(Leip;. 1882). Uberfegungen in fajt allen europäiſchen
Spradjen; neuere deutfde von Schneider (4. Uni.
Brest. 1891) und Cleß (Stuttg. 1866). Seme ãußere
Erſcheinung jtellt uns namentlid) die berühmte, jest
auf dem Kapitol ftehende Reiterjtatue (j. Tafel » Bud
hauerfunjt V«, Fig. 2) dar. Cine bildlide Darjtellung
der Mtarfomannenfriege befigen wir in den Reliefs
der Untoninfaiule in Rom (f. Untoninianifde Saulen).
Bgl. Desvergers, Essai sur Marc- Auréle (Bar.
1860); Renan, Marc-Auréle et la fin du monde
antique (Daj. 1882); Watfon, Life of M. A.A
(Rew Yort 1884). — Uber das Itinerarium Anto-
ninum f. Itineraria.
Antoninus, der heilige, geb. 1389 in Floren;
Dominifaner, wurde, naddem er auf dem Florentine
Konzil (1439) eine Rolle gefpielt, 1446 Erzbiſchof m
feiner Baterjtadt, als welder er, hochverehrt wegen
feiner Leiftungen als Seelforger und Rirchenfiirit.
2. Mai 1459 jtarb; fanonijiert 1523. Seine Werte,
von denen die »*Summa theologicar eine nod jest
geſchätzte Sittenlehre enthalt, erfdyienen Florenz 1741
in 4 Banden.
Antoninus Liberalis, griech Grammatifer ded
2. Jahrh. n. Chr., Verfafjer ener ⸗Metamorphoſen«
betitelten Sammlung von 41 Verwandilungsmythen.
meijtens ältern Ouellen entlehnt (hrsg. von Martini.
Leip;. 1896).
UAntoninusfaulen, ſ. Antoninianiſche Säulen.
Antoninnus-Wall, Grenzwall gegen Schottland,
von Agricola begonnen, von den Kaiſern Antoninus
Pius und Severus vollendet, erſtreckt ſich von Car-
riden ant Fyorth bis zum Dunglak Point am Clyre.
Beim Volf find feine Uberrejte als Graham's Pate
befannt. Dunglak Bont frint jest ein Standbdild
Henry Bells, des Cinfiihrers der Dampfſchiffahrt.
Antonio, Prior von Crato, portug. Kronpräten⸗
dent, geb. 1531, geft. 1595 in Baris, ein natiirlider
Sohn des Herzogs Ludwig von Beja, Bruders des
ortugal und einer Judin.
Jolanda da Gomes, ftudierte in Counbra, ward dann
Johanniter, Prior von Crato und unter König Se-
bajtian Connetable des Reides. 1578 beglertete ex
Sebajtian auf deffen Zug nad Ufrifa und geriet in
der Schlacht bei Allazar Kebir (4. Aug.) in maroffa:
niſche Gefangenſchaft. Durd) einen Sklaven befreit.
erſchien er wieder in der Heimat. Unter König Hem:
rich wurde er wegen ſeiner Anſprüche auf die Krone
des Landes verwieſen, kehrte aber heimlich nad Vor⸗
tugal zurück und ward nad König Heinrichs Tod
(31, Jan. 1580) als König ausgerufen. Uber and
König Lbilipp IL. von Spanien madte Anſprüch⸗
auf die Thronfolge, und der gutmütige, aber ſchwache
und unbefähigte A. vermodte den Wideritand der
portugiejifden Batrioten nidjt ju organijieren. Bor
cinem großen Teil des Udels verlajjen, wurde ex mut
Antonius (altrdm. Name).
10,000 ungeiibten Streitern 24, Mug. bei Uleantara
von Ulba gefdlagen und entfam, geadtet, mit Mühe
nad) heh si on Katharina von Medici mit einer
Flotte unterjtiist, behauptete er feine Herrſchaft auf
Den Usoren. Gleich vergeblid) verſuchte er 1589 mit
einer englifden Flotte unter Drafe bei Liſſabon ju
landen. Er jtarb als Titularfinig von Portugal in
Diirftigteit. A. fdrieb: »Panegyris Alphonsi I., Lu-
sitanorum regis« (Coimbra 1550); »Psalmi confes-
sionales« (Par. 1592; deutſch: »Heilige Betrachtun⸗
gen«, Marb. 1677). Cine Lebensbefdreibung Wnto-
nios verfapte fein sweiter Sohn, Chrijtoph (Bar. 1629).
Bal. Unt. de Herrera, Historia de Portugal y con-
quista de los Azores en 1582 y 1583 (Madr. 1591);
Fernandez Duro, La conquista de las Acores
en 1583 (Daf. 1886).
Antonius, Name eines römiſchen plebejiſchen Ge-
ſchlechts, von deſſen Mitgliedern folqende als Die be-
rühmteſten ju pie Peary, a 1) Marcus A., geb.
143 v. Chr., einer der wirfungsvolljten und ausge-
zeichnetſten Redner fener Zeit, weshalb er gewöhnlich
den Beinamen Orator (der Redner) fiihrt, neben Craf-
fus die Hauptperjon in Ciceros Werk »Uber den Red-
ner«, 99 Konſul, wurde 87 als Anhänger der Senats-
partet auf Befehl des Marius ermordet.
2) Gajus U. Hybrida, Sohn des vorigen, trog
cines beriichtigten Vorlebens mit Cicero 66 Prätor und
63 Ronful. Er war ein Geſinnungsgenoſſe Catilinas, |
wurde aber von Cicero dadurch gewonnen, dak er ihm
die reidje Provinz WMaledonien iiberlieh. Nach der
Rückkehr von dort wurde er 59 wegen der dortigen |
Erprejjungen und zugleich wegen Teilnahme an der
Catilinarifden Verſchwörung angeflagt und trop
Ciceros Verteidigung nad Kephallenia verbannt, ſpä⸗
ter aber von Catar zurückgerufen.
8B) Marcus A. der Triumvir, Sohn des Marcus
A. Creticus und der Yulia, einer Verwandten Cäſars,
€Enfel von A. 1) und Neffe von A. 2), geb. wahridein-
lid) 82 v. Chr., geſt. 30 v. Chr., ſeit dem Jahre 54
das geſchickteſte und nützlichſte Werkzeug Cajars, zu—
erjt, von 5450, in Gallien, dann 49 mn den Tagen
der Entſcheidung über den Bürgerkrieg als Bolfs-
tribun in Rom, darauf bei der Vertreibung des Pom—
pejus aus Stalien. Als Cafar nad Spanien gegen
die Bompejaner 30g, blieb A. in Italien als Ober:
befehlshaber zurück, nahm aber an den Kämpfen vor
Dyrrhacdhium und an der Schlacht bei Bharjalos teil.
Bon Cäſar, dem der Senat (jum zweitenmal) die Dik |
tatur fibertrug, jum Magister equitum ernannt, |
fiihrte er in Stalien bis zu Cäſars Riicfehr aus dem |
Wlerandrinifden Krieg eine unbeſchränkte Herridjaft |
und wurde, naddem eine Verjtimmung swifden ihm |
und Caifar ausgeglichen war, mit ihm zuſammen fiir
44 zum Ronful crnannt. Die durch die Ermordung
Cãſars an den Iden des März 44 und die allgemeine
Verwirrung in den nächſten Tagen fic) erdjfnende |
Ausſicht, fic) an deffen Stelle als Alleinherrſcher yu
feben, ergriff A. fofort und verfolgte fie mit ebenfo
viel Vorſicht wie Energie. Zunächſt zeigte er dem
Senat und den Verſchwornen Verſöhnlichkeit und
Nachſicht; dancben aber reigte er dad Bolf durd die
Veröffentlichung von Cäſars Tejtament und durd
cine fein berednete Rede bei feinem Begrabnis gegen
die Verſchwornen auf, fo dak diejelben Rom verließen;
namentlich aber zog er die Veteranen Cäſars an ſich
und konnte nunmehr den Senat nötigen, ihm das im
Beſitz des D. Brutus, eines der Verſchwornen, befind⸗
liche cisalpiniſche Gallien und die von Cäſar zu dem
von ihm beabjidtigten Barthifden Feldjug nad) Apol⸗
595
lonia vorausgefdidten Legionen zurückzurufen und
ihm gu überlaſſen. Mit diefen war er im Oftober 44
bereits auf dem Marſche nad) dem eisalpiniſchen Gal-
lien, um es dem Brutus zu entreifen. Da erhob fid
gegen ihn der von Cäſar adoptierte Entel von deſſen
Schweſter, Gajus Octavianus. Diefer war auf die
Nadhridt von Cäſars Ermordiung von YWpollonia,
wohin er ebenfalls von Cãſar vorausgeſchickt worden
war, nad) Rom gecilt und wußte, da er fid) mit A.
nicht verjtindigen fonnte, im Laufe ded Sommers
das Volk, die Veteranen und auc) den Senat fiir ſich
ju gewinnen, ſogar einen Teil der Legionen ded A.
jum Wbfall zu verleiten. Daher wurde er vom Senat
nebjt den Konſuln von 43 mit der Fiihrung de3
Ranrpfes gegen A. beauftragt, der den D. Brutus in
Martina belagerte ; Dieſer > Deutineniiiche Krieg « endete
mit ciner völligen Riederlage des A. (April 43), und
es fdien der Untergang des A. und der Sieg der Se-
natspartei entidieden. Allein Octavianus hatte fic
ihr nur gu dent Swed angefdlojjen, um dem YW. das
Wegengewidt halten gu können. Zudem reigte ihn der
Senat durd) Verweigerung des Triumphes und tiber-
tragung des Oberbefehls an D. Brutus; er riidte da-
ber an der Shige feiner Truppen gegen Rom und er-
jwang jeine Ernennung jum Ronjul (19. Aug.).
Unterdes war es A. möglich geworden, das jenfeitige
Gallien ju erveichen und fid) durch Vereinigung nut
Dem Heere des M. Ämilius Lepidus wieder in den
Beſitz einer ftarfer Macht gu fesen; mit ihr brad er
fofort nad Stalien auf und vereinigte fid) mit dem
ihm entgegenformmenden Octavianus und mit Lepidus
ju Dem (zweiten) Triumvirat, mit dem Swed, alle
Gegner in Rom aus dem Wege gu räumen, nament-
lid) aber die Streitfrafte der Genatspartet, die im
Ojten des Reidjes von M. Brutus und Gajus Caſſius
geſammelt worden waren, gemeinſchaftlich zu be-
faimpfen. Gegen dieſe zogen aljo A. und Octavianns
und lieferten thnen die zwei Schlachten bei Philippi,
in welden Brutus und Caffius hauptſächlich durd das
Verdienſt des A. völlig geſchlagen wurden und felbjt
den Tod fanden. A. wandte fid) mun nad dem Often,
um dort Ordnung ju ſchaffen und zur Befriedigung
der Veteranen Geld aufzutreiben, fiel aber in die Nese
Der Kleopatra und verlebte mit ihr untiitig den Win-
ter in Wlerandria (41/40). Der > Perujinijde« Krieg,
in den Octavianus durd) die Ranke der Fulvia, der
Gemahlin de3 A., und feines Bruders Lucius ver-
wickelt wurde, rief ihn von da nach Italien; dod) ge-
lang es den beiderjeitigen Freunden, cine Verſöhnung
ju ftande gu bringen, gu deren Befejtiqung A. Octa
vians Schweſter, Octavia, heivatete (Brunduſiniſcher
BVertrag 40). Wiederum iibernahm YW. den Ojten,
madte verfdiedene Anſätze, die Rarther zu befriegen,
unterjtiipte aud) Octavian gegen S. Bompejus und
erneuerte mit ihm da3 Triumvirat auf 5 Jabre (37).
Die Wiederaufnahme des Verhältniſſes zu Kleopatra
wurde aber der Unfang gum endliden Fall. Die Ver-
nachläſſigung der Octavia trennte ihn von deren Bru—
der, Die Schwelgerei und die Willfiir, nut der er liber
Die Königreiche und Provinzen des Ojtens au gunſten
der Rleopatra und ihrer Kinder verfiigte, entfremdete
ihm auch einen Teil feiner Unhinger. Daber entzog
der Senat ibm 32 feine Madhtitellung und erflarte
der Rleopatra den Krieg, naddem Octavian unterdes
die Zeit ausgenutzt, den Lepidus aus dent Triumvirat
ausgeſtoßen und fic) in Den Beſitz der Hilfsquellen
des Wejtens gefest hatte. YW. bot Dagegen die Streit-
kräfte des Ojtens auf und riidte gegen Griechenland
vor; in der Entſcheidungsſchlacht 2. Sept. 31 bei Altion
38*
596
(j. d.) aber gab er felbjt den Kampf auf, indem er der
fliehenden Rleopatra nad Ägypten folgte. Erſt als
ib der Sieger der Grenge naberte, rajfte er fid) auf,
wurde aber bei einem Ungrijf auf Octavian von feinen
Truppen verlafjen; auch Rleopatra unterhandelte ins-
geheim und lies an ihn die Nachricht ihres Todes ge-
langen. Aus Versweiflung dariiber ſtürzte ſich A. in
ſein Schwert, ci tapferer Soldat und tüchtiger Feld-
herr, aber ausjdweifend und als Politiker feinem
Nebenbuhler nidt gewachſen.
Antonius, Name zweier Heiligen: 1) A. der
Große, geb. wm 250 zu Roma in Mittelägypten,
geſt. 356, verteilte, etwa 20 Jahre alt, fein Vermigen
unter die Urmen, verlic die Welt und lebte, die Ein—
ſamkeit bid gum duferiten fteigernd, im Kampfe mit
verjucerifdjen Dämonen, zuerſt in ciner Grotte, dann
in einer Ruine. So ijt er der eigentlide Vater des
agyptifden Unadoretentums (ſ. Anachoreten) gewor-
den. Sweimal erfdien er in Wlerandria: 311 in der
Chrijtenverfolgung Maximins, Jahrzehnte ſpäter in
den arianiſchen Wirren. Jn die Wüſte zurüchgekehrt,
die ſich inzwiſchen mit Verehrern, Hilfeſuchenden und
Nachahmern bevöllert hatte, er ſich völlig in die
Verborgenheit zurück. Sein Leben beſchrieb Äthana—
ſius. Die gegen die Echtheit dieſer Vita Antonii von
Weingarten (> Der Urſprung des Mönchtums«, Go—
tha 1877) geltend gemachten 33* ſind unbegründet.
Bal. Haſe in den -Jahrbüchern fiir proteſtantiſche
Theologie« (1880); Zöckler, Ustefe und Mönchtum
(Frankf. 1897).
2) U. von Padua, geb. 1195 aus vornehmem
portug. Ritterge/dledt 3u Liffabon (cigentlider Name
wabhrideinlid) Ferdinand Martini), geft. 13. Juni
1231, ward 1220 Minorit und durchzog als gewalti-
er Bubprediger Südfrankreich und Oberitalien. Wis
trenger Ustet und Haupt der Spiritualen (ſ. Frangis-
faner) befaimpfte er die Milderung der Ordensregel
durch Elias von Cortona. Gregor IX. fprad ifn
1232 beiliq; Gedadtnistag der 13. Juni. Jom gu
Ehren wird in Rom 17.— 25. Jan. das Fejt der Tier:
weibe gefeiert, nad) Der Legende, daß die Fiſche feiner
Predigt laufdten, als die Menfden ihn nicht hören
wollten. Befondere Verehrung genießt der Heilige im
dritten Orden des Heil. Franjistus und gilt Beate
mehr als je alS Der Helfer fiir Die Fleinen Note ded |
Vebens und des Haujes. Cine moderne Form diefer
Devotion find die feit 1893 in Franfreid) (neuerdings
aud) in Deutidland) aufgefommenen Gaben fiir das
Brot des Heiligen W. (Antoniusbroth), d. h. Ga:
ben zur Speijung der Armen, durd die man den Hei-
ligen zur Erfüllung aller geiſtlichen und zeitlichen
Anliegen zu beſtimmen ſucht. Seine myſtiſchen und
asletiſchen Schriften erſchienen Baris 1641 zuſammen
mit denen des heil. Franziskus. Sein Leben beſchrie
ben De Azevedo (2. Aufl., Bologna 1790), Sal—
vagnini (Turin 1887) und fritijd) Lempp in der
Zeitſchrift fiir Kirchengeſchichte (1890 — 92).
Antoninus Panormita, ſ. Beccadelli.
Antoniusfeuer, ſ. Criebelfrantheit.
Untoniustraut, ſ. Chamaenerium.
Untonindfreng (ägyptiſches Kreuz), Kreuz
mit Querballen ohne den obern Arm, alſo in Form
eines T, Attribut des heil. Antonius des Einſiedlers.
S. auch Kreuz.
Antoniusorden (Antoniter, Antoniterher
ren, Hoſpitaliten vom Heil. Untonius), geſtif
tet 1095 urſprünglich als Laienbruderſchaft zur Kran—
fenpilege durch Gaſton, einen reicjen Ritter der Dau
phing, jum Dank fiir die Genefung ſeines Sohnes
Antonius Geilige) — Antrag.
vom Antoniusfeuer (sacer morbus), wurde vom Papft
Bonifacius VIII. 1297 gu ciner Rongregation requ.
lierter Chorherren nad) Auguſtins Regel umgewan
Delt. Zeitweiſe ſehr reid), Dod) bald verfallen, wurde
der A. 1777 mit Dem der Maltefer vereinigt. Ordens
tract war ein ſchwarzes Gewand mit einem T (Tau)
von blauer Farbe (Antoniuskreuz).
Antoninsring , |. Sdhlagring.
UAntonomafie (qrich., »andre Benennung<).
Redefigur, darin bejtehend, daß man jtatt eines Cigen
namens cine bezeichnende Cigenfdhaft oder cine Appo
jition febt, 3. B. »der Gohn der Aphrodite« ftatt Amor,
oder Beherrider des Meeres« ftatt Neptun.
Antoto, Stadt im ſüdlichen Schoa, 2890 m i. W.,
während der Regenzeit Reſidenz des Negus Menelif HL.
von Ubeffinien, auf einem ifolierten Hiigel gelegen.
Die Bewohner treiben Handel und Uderbau.
MAntozon, |. Ojon.
Antrag, im Redtsleben und im Hffentliden Leben
iiberhaupt die an eine Behörde oder fonjtige dffentlide
Stelle geridjtete Uufforderung, nach bejtinumter Rich
tung hin eine befonders bezeichnete Tatigfeit etntreten
gu laſſen. Dergleiden Anträge werden entweder
mündlich gejtellt, fo 3. B. in einer Geridtsverhand-
{ung von jeiten der Barteivertreter oder des Staats:
anwalts oder des Bertcidigers, oder in einer Repri-
jentativverfammiung von den Mitgliedern der be
treffenden Körperſchaft; oder fie werden ſchriftlich in
bejondern Eingaber und Geſuchen cingereidt, oder
fie können aud) gu Brotofoll erflart werden, wie 5. B.
der Berufungs- und Revijionsantrag im Strafoer:
fahren zu Protofoll de3 Gerichtsſchreibers; oder end⸗
lid) Der Untragjteller hat die Wahl, ob er auf die cine
oder andre Art vorgehen will (fo können 3. B. die Be
rufung und Revijion zu Protofoll oder ſchriftlich cin
qelegt werden). Die riindDung des Antrags fann
entweder fo geſchehen, dak in erjter Linie der A. ge
jtellt und dann defjen tatfächliche und rechtliche Bo
qriindung angefiigt wird, oder fo, daß zunächſt das
tatſächliche Material vorgetragen, die ndtigen Rechts
ausfiibrungen beigefiigt und endlich als logiſche
Shlupfolgerung der bejtimmet formulierte A. (3. B.
auf Slageabweifung oder auf Freiſprechung oder auj
Verurteilung) geftellt wird. Im Zivilprogek bit-
den vermige dev herrſchenden Dispofitions: und Ber
handlungsmaxime (jf. Zivilprozeß und Berhandlumng)
die Untrage regelmäßig die unerlaplide Vorausſetzung
‘fiir die richteruͤche
| cedat ex officio) fowie fiir deren Riel und Grenze
Latigteit iiberhaupt (judex ne pro-
(judex ne eat ultra petita partium). Sm Straf
pro seh iit vermöge der Offizial- und Unterfuchungs
marine (f. Strafprozeß) die Gerichtstätigleit jwar
hinſichtlich ihres Beginnes (ſ. auc) Wntragsdelitt),
aber im allgemeinen dann nicht mehr hinſichtlich ihres
weitern Verlaufs von Parteianträgen abhängig. In
beiden Arten des Verfahrens berechtigt die Abweifung
eines Antrags den Antragſteller zur Ergreifung eines
Rechtsmittels (f.d.).- - Uber die formelle Behandlimg
| der Anträge in parlamentarifden Körperſchaften
enthalten die Geſchäftsordnungen regelmäßig mibere
Vorjdriften. So muß nad der Geſchaͤftsordnung ded
deutiden Reidstags (§ 17 ff.) jeder von Mitgliedern
des Haufes — A. mit der Eingangsformel
verſehen fein: »Der Reichstag wolle beſchli sect
Es gehören dazu die Unterfdriften von sig are
Yntrage, die einen Gefegentwurf enthalten, bedirfex
ebenfo wie die Regierungsvorlagen einer dreimaligen
Beratung. In der erften Leſung find Abänderungs
anträge nicht zuläſſig, fiir die zweite Beratung ſind
Antragsdelift — WAntraigues.
fie ohne Unterſtützung geftattct, wiihrend ein Ab—
dinderungsantrag fiir die dritte Lefung von 30 Mit-
qliedern unterſtützt fein mug. Anträge, die feine Ge-
ſetzentwürfe enthalten, bediirfen einer nur einmaligen
Beratung und Abſtimmung. Whanderungsantrage
hierbet bediirfen der Unterjtiigung von 30 Diitgliedern.
Ein A. auf Vertagung oder auf Schluß der Debatte
bedarf ebenfalls der Unterjtiigung durd 30 Mitglieder.
Rad der Geſchäftsordnung filr das öſterreichiſche Wb-
qeordnetenbaus (§ 18) beginnen die Untriige, die
ſchriftlich eingebradt und vor 20 Abgeordneten unter:
ſchrieben fein miifjen, mit den Worten: »Das hohe
Haus wolle beſchließen . . .« Gefesentiwiirfe bediirfen
in. Der Regel ciner dreimaligen —E Zuſatz⸗
und Abänderungsanträge können mur in der Spegial-
Debatte gejtellt werden. Der A. auf Schluß der De-
batte ijt jedergeit zuläſſig und bedarf feiner Unter-
ftiigung (§ 39).
Antragsdelift (Wntragsverbreden), cine
jtrafbare Handlung, deren ſtrafrechtliche Verfolgung
nur auf ausdriidliden Untrag de3 Berlegten oder
ſeines geſetzlichen Bertreters emtritt. Nad) heutiger
Rechtsanſchauung hat nämlich der Staat als Triiger
und Schirmer der Rechtsordnung bei Rechtsverletzun—
gen regelmäßig von Amts wegen gegen den Verbrecher
einzuſchreiten/ da jedes Verbrechen grundſätzlich un—
mittelbar oder mittelbar gegen die Rechtsordnung
felbjt gerichtet ijt. Bon diefer Regel wird jedod) in
Unfehung zweier Gruppen von Verbreden (im engern
Sinne) und Vergehen ‘eine Uusnahme gemadt und
deren jtrafredtlide Verfolqung nur auf ausdrücklichen
— —— Verletzten verfiigt. Es gibt nämlich ge—
wiſſe brechen und Vergehen, namentlich Ehrver—
letzungen und verwandte Fille, deren rechtsverletzende
Eigenart davon abhängt, ob der Verletzte ſelbſt ſich
ekränkt fühlt, was eben durch den ausdrücklichen
Strafantrag feſtgeſtellt wird (man denle an die un—
züchtige Beruͤhrung eines Mädchens). Ferner gehören
diejenigen Fälle hierher, in denen eine ſtrafrechtliche
Verfolgung und die dem Verbrechen dadurch gegebene
Offentuͤchkeit für den durch das Verbrechen Verietzten
ſelbſt in der nachteiligſten Weiſe kränklend wirken könnte.
Letzteres gilt z. B. bei dem Verbrechen der Entführung,
der ſtrafbaren Verführung eines unbeſcholtenen Mäd
chens, dann aber aud) bet dem Verwandtendiebſtahl,
bei Dem Betrug gegen Verwandte u. dgl. Die innere
Verſchiedenheit der beiden Gruppen ijt von der Wiſſen⸗
ſchaft vielfach erfannt, von der Geſetzgebung aber bis
her unberückſichtigt gelafjen worden. Das deutſche
Strafgeſetzbuch fiihrt folgendDe Wntragsdelifte auf:
feindlide Handlungen gegen befreundete Staaten
(§ 102 —104), einfacjer Hausfriedensbruch (§ 123),
betrügliche Eheſchließung (§ 170), Ehebruch (§ 172),
Verleitung jum Beiſchlaf durch Vorſpiegelung einer
Trauung (§ 179), Verfiihrung eines unbefdoltencn,
nod) nicht 1 6jabrigen Mädchens zum Beifdlaf (§ 182),
Belcidiqung (§ 189, 194-196), leichte vorſätzliche
* umd jede fabriaffige Körperverletzung ($232), infofern
diefe nidjt mit tibertretung einer Amts-, Berufs- oder
Gewerbspflidt begangen worden ijt, Entführung
($ 236, 237), Diebjtahl, Unterfdlaqung und Betrug
gum Nachteil von Angehörigen, — ————— Er:
ziehern (§ 247, 263), Diebjtahl und Unteridlagung
an Sachen von unbedeutendem Werte, begangen von
Lehrlingen und dem Gefinde sum Nachteil des Lehr
herrn und der Herrſchaft (§ 247), Beſeitigung der Ve
ow ee bei drohender Swangsvolljtredung
($288), Entziehung der ciqnen Sade, namentlich dem
Pfandglaiubiger oder Nugniefer gegenüber (§ 289),
597
unbefugte Jagdausiibing, wofern von Angehörigen
des Jagdberedtigten veriibt (§ 292), Verletzung
Briefgeheimniſſes (§ 299), BVerlegung des Berufs-
eheinmiſſes von ſeiten der Rechtsanwalte, Udvofaten,
Rotare, Verteidiger, Arzte, Wundärzte, Hebammen,
Apotheler und deren Gehilfen (§ 300), ſtrafbares Kre⸗
ditgeben an Minderjährige (§ 301, 302), Sachbeſchä-
digung (§ 303) fowie unter Umſtänden Nahrimgs-,
Genußmittel- und Futterdiebjtahl ($370, Ziff. 5 u.6).
Dazu fommen nocd eingelne Fille in den Neben-
ejepen, wie 3. B. im Frepgeles, in ben Geſetzen zum
Schutze der Urheberredte, im Markenſchutzgeſetz, Ba.
tentgeſetz, Gebrauchsmuſtergeſetz, in Der Seemanns:
ordnung, im Unfallverſicherungsgeſetz, Banfdepot-
eſetz und im Geſetz zur Bekämpfung das unlautern
thewerbs. Bei Antragsdelilten muß der Straf-
antrag bei einem Geridht oder der Staatsaniwalt-
ſchaft ſchriftlich oder gu Brotofoll, bei einer andern
Behörde (ſ. Anzeige) fchriftlid) angebradt werden
(Strafprozehordming, § 156). Ähnlich wie bei den
hier angefithrten Berbrechen verhält es ſich mit einer
andern Gruppe von Fällen, in denen das deutfche
Strafgeſetzbuch die Ermächtigung von feiten des
Verlegten zur Bedingung der Bejtrafung des Ver—
breders madt. Dies ijt der Fall bei Beleidiqungen
von Bundesfiirjten und von Mitgliedern der landed:
herrlidjen Häuſer, abgefehen von dem Reichsoberhaupt
und dem jeweiligen Landesherrn ($ 99, 101), und bei
Beleidigungen gegen cine geſetzgebende Verjanuntung
ded Reidjes oder eines Bundesjtaates oder gegen eine
andre politifde Körperſchaft (§ 197). Dieſe Straf
taten find aber von den cigentliden Untragsdeliften
infofern verjdieden, als hier nicht ſchon die Einleitung,
jondern erjt die Durdhfiibrung der Strafverfolgung
durch die Erflirung des Verlesten bedingt ijt. Cine
Zurücknahme des einmal gejtellten Untrags ijt mur
ausnahmsweiſe in den im Geſetz ausdrücklich bezeich—
neten Fällen zuläſſig. Dieſe letztern finden ſich im
Strafgeſetzbuch in den oben erwähnten § 102 —104,
194, 232 (leidjte vorſätzliche und fahrläſſige Körper
verlegungen, gegen Angehörige veritbt), 247, 263,
292, 303 (Sachbeſchädigung einem Angehörigen ge-
geniiber) und 370 fowie in den aufgefiibrten Neben-
gelesen. Aber aud) in diefen Fallen ijt die Zurück—
nahme des Untrags nur bis zur Verkündung cines auf
Strafe tauttenben Urteils zulaͤſſig. — Nach dem öſter—
reidifden Strafgeſetzbuch werden nadjtehende De-
lifte muir auf Grund ciner Privatanflage verfolgt:
1) die Bergehen gegen das literariſche oder artijtiide
Cigentum (§ 467); 2) in der Regel die Vergehen und
Ubertretungen gegen die Sicherheit der Ehre (Chren-
beleidiqung, $487 ff.); 3) die tibertretungen des Dieb-
ſtahls und der Veruntreuung zwiſchen Chegatten,
Eltern, Rindern oder Geſchwiſtern, folange fie in ge—
meinſchaftlicher Haushaltung leben (§ 463); 4) Ehe⸗
brud); 5) Entehrung einer minderjährigen Anver—
wandten durd einen Hausgenofjen und Unzucht einer
dienenden Frauensperjon mit einem minderjahrigen,
im Haufe lebenden Sohn oder Anverwandten (§ 504,
505); 6) eingealterte Truntenheit (auf Antrag des
Dienjtherrn, § 524); 7) größere Unfittlichfeiten (3. B.
tätige Verletzung ſchuldiger Ehrerbictung der Kinder
gegen Eltern, der Dienjtleute gegen die Dienſtherren xc.).
ntraiguesd (pr. angtrig’), Flecken im franz. Depart.
Urdedhe, Urrond. Privas, 47 1m ii. M., über der Volane,
mit einer Mineralquelle und (1901) 684 Cinw. Jn der
Nahe cin ausqebrannter Vulfan (la coupe d’Aizac).
Antraigueds (pr. angtrig), Emanuel Louis
Henri Delaunay, Comte d’, franz. Publiziſt und
598 Antrieb —
Diplomat, geb. um 1755 in Billeneuve - de - Berg |
(Ardeche), geft. 22. Juli 1812, beforderte durch feine |
mit hinrethender Beredſamleit abgefaßte Schrift » Mé- |
moires sur les Etats-généraux, leurs droits et la
maniére de les convoquer« (1788) weientlid den
Ausbruch der Revolution. Wber alg Deputierter in
die Reichsitande berufen, wurde er einer der Führer
der duferiten reaftiondren Rechten, dann diplomati- |
ſcher Agent der gefliichteten Königsfamilie. Auf eter |
diplomatiſchen Miſſion nad Italien lie} ibm Bona: |
parte (1798) aufbeben; doch entfam er mit Hilfe feiner |
Gemablin, der Opernfingerin Saint - Huberty (An⸗
toinette Cécile Clavel, geb. 1756 in Toul; ibre Bio- |
grapbie von ©. de Goncourt, 1885). Später zum
ruſſiſchen Staatsrat ernannt, wurde er in diplomati-
iden Ungelegenheiten nad) Dresden gejendet. Dort
ſchrieb er feine Inveltive gegen Napoleon: »Frag-
ment du XVIIIS livre de Polybe, trouvé sur le mont
Athos«. €r ward in einem Dorfe bei London nebjt |
feiner Gemablin vow feinem italienifdjen Bedienten
ermorbdet. Bgl. Bingaud, Un agent secret sous la
Révolution et Empire. Lecomte d’A. (Bar. 1893).
Antrieb (jmpuls) ciner Kraft (f) in der Me-
chanif das Produft (ft) aus der Kraft und der Zeit
(t), während der jie gewirkt hat. Dit die Rraft wäh—
rend ihrer Wirfungsdauer von gleidbleibender Gripe
(tonjtant), fo erteilt fie einem Körper von der Maſſe m
eine gleichförmig beſchleunigte Bewegung, deren Ge—
ſchwindigleit nad) t Sefunden v — at ijt, wo a Die
Beſchleunigung oder die Zunahme der Geſchwindig⸗
feit pro Sefunde bedeutet. Die Beſchleunigung a aber
ijt gleid) Dem Ouotienten aus der wirfenden Rraft f)
und der Maſſe m des bewegten Körpers. Es ijt da |
her, wenn man f:m ſtatt a fegt, v= - t, oder, was
dasielbe ijt, ft mv. Das Broduft (mv) aus der
Maſſe (m) eines —— und ſeiner Geſchwindigleit
(¥) nennt man ſeine Bewegungsgröße Quanti—
tat Der Bewegung). Man hat alſo den Satz: der
A. Der Kraft iit gleich der erzeugten Bewegungsgröße.
Wirt eine Kraft wahrend einer unmeßbar fleinen |
Beit auf einen Körper, fo nennt man fie Stoßkraft
(momentane Mraft). Die Gripe ciner Stoßkraft
beurteilt man nad der von ihr erzeugten Bewequngs- |
größe. Wirkt cine Stoßkraft der Bewegung eines Kör—
pers entgegen, fo erteilt fie ibm einen negativen
A. (Hemmung), der fid) nad dem Berlujt an Be-
wegungsgröße bemißt. Cine Stoffraft ijt 5. B. der
Drud der Pulvergafe, der beim Ubfeuern eines Ge—
ſchützes nad) vorwärts auf das Geſchoß und ebenfo
ftarf und während der nämlichen fleinen Zeit nad
riidwarts auf das Geſchütz wirkt. Gefdok und Ge- |
ſchütz erhalten alſo gleiche Impulſe, und deshalb find |
aud) ihre Bewegungsgrößen einander gleich, oder es
ijt, wenn m und m thre bes. Maſſen, v und v⸗ die
pogebirigen Geſchwindigleiten bezeichnen, my = m‘ Vv‘,
. b. Die Gefchwindigleit ded Geſchoſſes und diejenige |
bes Geſchützes beim Rüchſtoß verhalten fic) umgetehrt |
wie thre Maſſen. Die Cinleitung der Bewegung |
der Urbeitsmafdinen durd) Motoren erfolgt entweder |
durch unmittelbare Berbindung des Motors mit der
Arbeitsmaſchine (3. B. cine Dampfpumpe, bejtehend
aus Damphnajfdine und Kolbenpumpe mit gemein- |
ſchaftlicher Rolbenjtange), oder wird vermittelt Durd |
Wellen und Ruppelungen, durch Reibungsräder, durd) |
Riemen- Seil- oder Rettentriebe, durch Zahnräder in |
ihren verfchiedenen Formen, durd) Hebel, Geſtänge rc. |
Beim eleltrifden A. kommen je nad der Urt des |
jur Verfiigung ftehenden eleltriſchen Stromes und der |
| und Arbeitsmaſchine Durd Riementriecbe oder
weiſem A. wird die Urbeitsiibertragung zwiſchen ,
oft auf einem befondern Wagen und wird mitte
bauten, Unusnugung der Yirbeitsraume,
| Mleingewerbe ermoglicht der cleftriide A. bei Anſchluß
Antfirane.
Gigenart der angutreibenden Arbeitsmaſchinen
Veranderlidfeit der Umbdrehungsjahl und des
verbraudes) hauptſächlich Gletchitrom- oder De
jtrommotoren in Unwendung. Die Urbettsmaide
eines Betriebes werden einzeln mit je einem
motor ausgejtattet (Einzelantrieb), oder es
eine Gruppe Derjelben zuſammen von eine Lich
motor angetrieben (Gruppenantrieb). Die wma
telbare Verbindung der Welle de3 Eleftromotors 4
der Untriebswelle Der Urbeitsmajdhine tit wegen 9
meiſt febr hoben par aA A PHF der Eleftromota
nur bet ſchnell laufenden Arbeitsmaſchinen (Bertil
toren, Schleif» und Poliermafdinen x.) mdglid. &
ijt eine tiberjegung ins Langjame zwiſchen Wows
rader erforderlid. Bet Hebemafdinen fim
Sdhnedengetriebe vielfadh Verwendung. Bet grupr
tor und Urbeitsmajdine in der Hegel durch Tre
miffionswellen und Riemen vermittelt. Bet
portabein fleinern Arbeitsmaſchinen zur Bearbeitung!
großer, ſchwerer Werfitiide befindet fid) Der Worse)
biegiamer Welle an die Urbettsmajdine (Bobrma: |
icine, Fräsmaſchine u. dgl.) angeidlojjen. Clef |
ider A. ermöglicht wegen der leichten, cleftriiden
Rraftiibertragung auf grofe Entfermungen eine Sem
tralijierung Der Straftanlage und vielfach cine Ser |
ringerung der Betriebsunfojten geqeniiber einer Vn |
lage mit zerjtreut lieqenden Kraftmaſchinen (beſonders
Dampfmaſchinen) oder weitversweigten TransmifRo- |
nen. Durd) Wegfall oder Beſchränkung der Trans |
miſſionen in den Arbeitsſtätten ergeben fic) weitere
Vorteile: in Bezug auf Herjtellungstojten der Fabrit-
Uberjichttid-
feit und Organijation der Urbeit, Schnelligkeit dex
Erzeugung, Unfallverhiitung und Hygiene. Dem
an (3. B. ſtädtiſche) eleftrifche Zentralen mit maſch
nellen Hilfsmitteln ju arbeiten.
Antrim, Grafidaft der Proving Ulſter im nord
öſtlichen Irland, grenzt tm N. und O. an den Nord
fanal und den Atlantiſchen Osean, tm S. und SO. an
die Graffchaft Down und den Belfajt Lough, erjtreci
fic) weſtlich bis zum Lough Neagh und bat ein Areal
von 3084 qkm (55,97 OW.) mit (1901) 461,240 Ein.
‘149 auf 1 qkm), ju zwei Dritteln proteſtantiſch
uptitadt ijt Belfast.
Antrim, Marktſtadt in der gleichnamigen iriſchen
Grafſchaft, nahe dem Lough Neagh, vormals beden-
tender, 1891 mit 1385 Cimw., hat einen 28 m bober
Rundturm. Dabei Antrim Cajtle und Shane's Cajtte,
legteres in Ruinen.
Autrodocco, Fürſt von, f. Frimont.
Antrophore, ſ. Arzneiſtäbchen.
Antroſkop (qriech.), mediziniſcher Beleuchtungs
apparat zur Unterſuchung von Körperhöhlen.
Antrum (lat.), Höhle; A. Highmori, die Dber-
fieferhible (ſ. Schädel).
Antruftiones (mittellat., von trustis, antrustio,
was urjpriinglich Trojt, Schutz, {pater Scar bedeutet),
yur Zeit Der Merowinger die Mitglieder des FOrig-
lichen Gefolges; fie waren redjtlid) insbeſ. Durd er⸗
höhtes Wergeld ausgezeichnet.
Autſchee, ſ. Antiaris.
Autſirane, 1885 geqriindete Hauptſtadt der franz.
Kolonie Diego Suarez (Madagastar), an der Bai von
YUntombofa, mit 6000 Einw., franzöſiſcher Garnifon,
großer Fleiſchkonſervenfabrik und Gerberet, einer
. Lop Veg. }
ae ~~ &
2a ix
oe 79 Png ath '
5 yOu ⸗ hl ‘
— oe Les, ‘7
— } VN ina aaahareny — ſ *
‘
“4G
_
— “er “6 ina! TIE TS || p
ME IIE 808 ON ETI
Ae tho —
<
y Google
Antvogel — WAntwerpen.
wadfenden Zahl ſchöner Häuſer, großem bededten
Markt mit lebhaftem Verkehr. Die Einfuhr beziffert
fic) bereits auf 6,7 Mill. Frank, die Ausfuhr auf 680,000
Sranf. Seit 1888 ijt A. Freihafen.
Antvogel, dic Ente.
Antiverfe , ſ. Kriegsmaſchinen.
Wntwerpen, belg. Provinz und —— Mark: |
qrafidaft, grenzt tm N. an die niederliindijde Bro-
vinz Rordbrabant, im SO. an Limburg, im S. an
GSiidbrabant und im W. an Ojtflandern und hat einen
Flächenraum von 2831,76 qkm (51,4 OW). Die Be-
vilferung betrug Ende 1900: 819,159 Seelen (289
auf 1 qkm). Die Proving jerfallt in die drei Urron-
dijjements: Wntwerpen, Medeln und Turnbhout.
Hauptitadt ijt Wntwerpen.
Antwerpen (jranj. Anvers, fpan. Umberes;
hierzu Stadtplan), Hauptitadt der gleichnamigen belg.
Proving (jf. oben), zugleich Hauptfeftung und bedeu-
tendjter Seehafen des Königreichs, liegt halbkreisför⸗
mig am rechten Ufer der bis 600 m breiten Schelde,
die bid oberhalb der Stadt am Wechſel der Ebbe und
Flut teilnimmt, unter 50° 13°
nördl. Br. u. 4° 23 45“ öſtl. &.;
Flächenraum 21 qkm. An der
Stelle der alten Fejtungswiille
umzieht cin eingiger Wall mit
breitem Wafferqraben im Un
fang von 18 km das faſt um
das Fünffache ded friihern ver-
größerte Weichbild der Stadt,
mit beiden Enden auf die Schelde
fic) ſtützend. Bor diejer Um—
—— find 1859 —64
wei Wiirtel von detachierten
Forts angelegt worden, deren
innerer 4 Forts und 2 Liinetten, der Gufere 12 Forts
und 1 Lünette enthilt; weitere Befeſtigungen jind
oberhalb an der Rethe und Rupel, unterhalb auf bei-
den Scheldeufern angelegt.
[Strafen, Gebsiude.}] Die Strafen der neuen |
Stadtteile find breit und regelmapig, die der innern |
Stadt dagegen meijt eng. Die frerejten Stellen im
Innern find: der Groke Markt, der Griinplak (Ge-
müſemarkt, feit 1840 mit der ehernen Statuc Rubens
von Geefs) und der fogen. Meir, eine breite Straße
mit modernen Hiufern und Paldjten. Bon difent: |
lichen Anlagen bejtehen cin Park inmitten der Stadt,
mit Waſſerbaſſins, fiber die eine Rettenbriide fiihrt
(Darin die Denkmäler von Quinten Maſſys feit 1883
und des Malers Jordaens feit 1886, das Monument
Loos und an der Wejticite feit 1873 das Denfmal des
Malers Leys), und im S. derin einen Barf verwandelte
Garten der ——— Pepiniere (Baumſchule). Das
ausgezeichnetſte Gebäude der Stadt ijt die Hauptkirche
(Notre Dame), die ſchönſte und größte gotiſche Kirche
Belgiens, 1352—1616 errictet. Unter den zahlreichen
Kunſtwerken der Malerei und Plaſtik, welche die Kirche
ſchmücken, befinden fic) drei Hauptgemilde von Rubens
(die Kreuzabnahme, Kreuzeserhöhung und Maria
immelfahrt). Der zierlich durchbrochene Turm, von
Jean Amel aus Boulogne 1422 entworfen, im 16.
Jahrh. in ciner Hohe von 123 m abgefdlojjen, jteigt
alg ſchlanke Byramide empor. Unter den iibrigen
Kirchen zeichnen fid) befonders aus: die Kirche St.
Jakob im ſpätgotiſchen Stil (1491—1656 erbaut, mit
pradtvollen Stulpturen, Marmorzieraten, Gemälden
vor Rubens, van Dy x. und der Grabfapelle der
Familie Rubens); die Dominifanerfirde (St. Baul),
Wappen von Ants
werpen.
ebenfalls im fpatgotifden Stil (1533 —71 erbaut, |
599
mit Gemiilden von Jordaens, van Dy u. a.); die
Undreastirde (1514 — 23 erbaut) und die neue ro-
maniſche St. Jofephstirde. Vor dem im Renaifjance-
jtil von Cornelius de Briendt (1561—— 65) erbauten
Stadthaus erhebt ſich feit 1887 cin Springbrunnen
von Lambeaur, mit einem Standbilde des Salvius
Brabo. Die Börſe, die an Stelle der 1858 nieder-
—— alten Börſe 1869—72 nach Plänen von
J. Schadde im Stil des alten Gebäudes aufgefiihrt
wurde (jf. Tafel »Bdrfengebiude III«, Fig. 3 u. 5),
ferner das flämiſche Schaufpielhaus (im Renaijffance-
jtil 1869 —72 erbaut), die Nationalbanf (im flami-
ſchen Renaiffancejtil 1875 —80 erbaut) und das ma⸗
lerifdje Gildehaus der Schiigen (von 1515) find gleich—
falls anſehnliche Gebäude. Merkwürdig find ferner:
das Muſeum (Palais des beaux-arts), 1879—90 er-
baut; das Mufeum Plantin-Moretus mit zahlreichen
Kunſtſchätzen (ſ. Plantin); die mit vier Tiirmejen (im
Stile des 14. Jahrh.) gesierte Tran va Motel
der königliche Balajt am Meir (1745 im Rofofojtil
erbaut); das Haus von Rubens’ Eltern (1864 rejtau-
riert); der Steen, cin Teil der alten Burg, ehemals
Sig der Inquiſition, jest Witertumsmujeum, 1889
einheitlich umgebaut; endlid) die beriihimten Hafen-
bafjins am Nordende der Stadt (jf. unten).
[Wevsilterung, Grwerbéssweige.] Dic Bevölke—
rung Untwerpens belief fid) Ende 1900 auf 272,831
Seelen. Die obern Klaſſen fpreden iiberwiegend
franzöſiſch, die untern meiſt flämiſch. Die Induſtrie
Antwerpens ijt von nicht geringer Bedeutung. Es be-
jteben große Diamantſchleifereien, bedeutende Brannt-
weinbrennereien und Brauereien, Seifen- und Zi—
ae bag Reismiihlen und Rucerrafjinerien.
ußerdem gibt es Fabrifen fiir Baumwollenſtoffe,
Spitzen, Rwirn (beriihmt ijt die ſchwarze Nähſeide),
Tapeten, Gold- und Silbertrefjen, Hiite rx.
Als der widtigite Sechafen Belgiens bildet A.
zugleich einen der erjten Handelsplätze Curopas, der
aber die meiften feiner ausgefiihrten Waren in reinem
Tranjit empfingt. Von den grofartigen Dods wur-
den die beiden ältern: Grand und Petit Baffin, von
Napoleon I. 1807—12 erbaut. Nördlich von erjterm
liegt das mit der Schelde durch cine Schleuſe verbun—
dene Baffin du Kattendyk, 1853—60 angelegt (500 m
fang und 140 m breit); öſtlich von diefem dehnen fid
die Baſſins Merifo, Cantpine und Aſia, nordweftlid
Ufrifa und Umerifa aus (in der Nähe die großen Pe—
troleumbehalter auf dem Terrain der ehemaligen Nord-
jitadelle). Die Baſſins find von umfangreiden Lager-
häuſern umgeben. Zwiſchen dem Baſſin du Kattendyt
und der Schelde liegen die Trodendods. Der Verkehr
wird weſentlich durch die 1877— 1901 in einer Lange
von 5300 m angelegten Rais erleidtert. Die Saif f-
fabrtsbewegung in A. war 1899 folgende: es
liefen ein 5420 Seeſchiffe (Darunter 4937 Dampfer)
pon 6,842,163 Ton., davon 3,682,243 T. britijd und
1,447,318 deutſch. Un Binnenſchiffen famen an 33,134
Fahrzeuge von 4,887,599 T. Die Reederei ijt nicht
erheblich. A. beſaß Ende 1899 nur 72 eiqne Schiffe
pon 133,356 T. Der Uusfubrhandel hat größtenteils
Erzeugniſſe des einheimiſchen Gewerbfleißes gum Ge-
enſtand. Es wurden 1899 namentlich eingeführt:
— (494,317 chm), Baumwolle (55,719 Btr.),
Ratao (2643), Eiſenerz (467,119), Fette (28,283),
Getreide (2,200,296), Haute (35,746), Rajfee (41,558),
Kautſchuk (4476), Kohlen (924,314), Ole (8827), Reis
(69,908), Tabat (12,673), Bucter (15,556 Btr.) ⁊c.
Der Tranfithandel umfafte namentlich Eiſen, Kohlen,
Hafer, Mehl, Werkseuge, Ralf, Zement 2.
600
“ Gandelsbewegung 1899 | Mill. ailogr. Wert in Mill, Frant
Ginfubr (Generalbandel) 646960 “W751,1
Ausfuhr (Spejsialbanbel) BI51,5 850,23
Tranfit gur Musfubr 557,2 65,9
U. ijt Durd einen Kanal mit der Maas (mit meh-
reren Gcitenfandlen) verbunden. Hier miinden die
Cifenbabnen von Gent, Boom, Medheln (Briiffel),
Lierre (Vaden) und Rozendaal (Riederlande). Regel-
mapige Dampferfurfe verbinden A. mit einer paid
A lfremder Häfen. UW. ijt Sig bedeutender Ver—
fidherungs- und Handelsinſtitute, aud) eines deutſchen
Generalkonſuls und zugleich einer der wichtigſten
Puntte fiir Auswanderung; die Zahl der Auswande—
rev über U., die 1897 bis auf 15,793 geſunken war,
erreidjte 1900 wieder 40,763.
LOffentlicje Unftatten rc.] Un Woh ltitigteits-
anſtalten bejtehen 3 Krankenhäuſer, 2 Waiſenhäu⸗
fer, ein Seemann$haus u. a. An Unjtalten fiir Wif-
fenfdaften und Kunſt befigt A. cin fonigliches
Uthendum, Staats-Rnabenmittelfdule, ein höheres
Handelsinjtitut, Induſtrieſchule, Gewerbefdule fiir
Madden, cin fommumales Lehrerjeminar, cine fonig-
lid) flämiſche Muſikſchule (Conservatoire), Inſtitut
für Taubſtumme und Blinde, einen Unterſtützungs—
verein fiir Deutſche, zahlreiche wiſſenſchaftliche Gefell-
ſchaften, einen botaniſchen Garten (mit hübſchem Ral-
menhaus und dem Standbilde des Botanikers Couden⸗
berg), einen großartigen zoologiſchen Garten (ſeit
1843), cine öffentliche Bibliothef und cine berühnite
Alademie der bildenden Künſte (im ehemaligen Fran-
zislanerkloſter), die im 14. Jahrh. als Brüderſchaft
von St. Lukas entitand und in der Geſchichte der nie-
derländiſchen Kunſt eine hochwichtige Stelle einnimmt
(vgl. Roofes, Geſchichte der Malerſchule Antwer⸗
pens, deutſch, Muünch. 1880). Die Gemäldeſammlung
umfaft ca. 1400 Nummern, darunter Meijterwerke
von Rubens, Ouinten Maſſys, van Dydd, Jordaens,
Rembrandt, van de Velde, Teniers, Ruisdael, van
Eyd und andern Meijtern der flandrifdjen Schule.
Bon öffentlichen Denkmälern find aufer den A
nannten nod anzuführen: die Roloffalitatue des Bo—
duognatus, des Hauptlings der Belgier in dem Kämp⸗
fen gegen Cäſar (1861 erridtet); die Statue van
Schoonbeles, eines hervorragenden Waſſerbaukünſt⸗
lers aus dent 16. Jahrh., in der Borjtadt Berchem;
das Standbild Lazare Carnots, in der Vorſtadt Bor-
gerhout ; das Reiterjtandbild Leopolds [. (von J. Geefs,
1868 erridtet); das Denfmal des Dichters Th. van
Ryswyd (1864 errichtet); die Bronzeſtatue von D.
Teniers (feit 1867); das Denfmal des flämiſchen Did-
ters Conjcience (vor der Stadtbibliothef) und weiter
nördlich van Dyds Standbild (von L. de Cuyper, feit
1856). Wud) der fogen. Quinten Maſſys-Brunnen
mit einem Dad) von gejdmiedetem Eiſen (ſ. Tafel
>Brunnen«, Ma verdient Erwahnung. — Finan—
gen 1898: Die Einnahme betrug 29,287,281 Frank
(Darunter 15,480,117 Fr. ordentliche), die Ausgabe
19,792,580 ¥r. (Darunter 13,829,267 Fr. ordentliche).
Gegentiber A., am linken Scheldeufer, liegt der
Blaamſche Hoofd (Téte de Flandre), von wo man
cinen ſchönen Uberblid fiber die im Halbtreis lang
fic) hinſtreclende Siadt genießt.
[Gefrhicte.} A. (mit sweifelhafter Etymologie),
im 7. Jahrh. zuerſt erwähnt, im 9. Jahrh. von den
Rormannen zerſtört, ſpielte bis sum Aufſchwung Bra-
bants nad) bem Siege bei Worringen (1288) im nie
derlindifchen Wirtichaftsleben cine ziemlich unbedeu-
tende Rolle. Seit Anfang des 14. Jahrh. Mittelpuntt |
Antwerpen (öoffentliche Unjtalten ꝛtc., Geſchichte).
für den größten Teil des Zwiſchenhandels mit Deutſch⸗
land, lenkte die durch ihre Lage ungemein begünſtigte
Hafenſtadt die Aufmerkſamkeit des Auslandes bald
immer mehr auf ſich. Im 15. Jahrh. begann ihre Glanz⸗
zeit. Mit Unterſtützung der burgundiſchen Herzoͤge
wußte fie durch eine weiſe Handelspolitik ihre Neden-
bublerinnen Mecheln (f. d.) ſowie namentlich Brügge
(j. d.) völlig in Den Hintergrund zu drängen. Ihre
ſchon im 14. Jahrh. jtattlide Fremdenfolonie wuchs
von Tag zu Tag. Auf ihren beiden Meſſen gaben
ſich die Kaufleute aller Nationen ein Stelldichein, und
ihre 1460 gegründete Handelsbörſe war die erſte in
Curopa. Mitte des 16. Jahrb. erreichte A. den Höhe⸗
puntt feiner Bliite. Mehr als 1000 auslindifde Han-
delshaufer, dDarunter die Hugger (ſ. d.) und die Wel
fer (f. d.), Hatten bier ihre Zweiggeſchäfte, ſchloſſen
Unleihen mit den Fürſten Curopas ab und madten
UW. sur reichſten Handeld-, bes. Jndujtrieftadt der driit-
lichen Welt. In der Schelde lagen Schiffe aus allen
Weltteilen, fo daß fic) Der Wert der Ein- und Aus
fubr auf ungeheure Summen belief. Unter Philipp I.
(f. dD.) begann der Verfall. Die religidfen Wirren und
die Regergeridte veranlaften die ade aufleute
jowie Taujende von Bürgern zur Flucht. Bei der Plün—
derung von A. durch fpanifde Sildner (1576) fanden
ca. 10,000 Cinw. den Tod, während ein groper Teil
der Haufer in Flammen aufging. Hierzu fam (1585)
die Eroberung der Stadt durd) Herzog Wlerander
Farneſe von ‘Karma nad 13monatiger ftandbafter
Gegenwehr. Die Erſchwerung der Scheldeſchiffahrt
infolge ded Waffenjtilljtandes von VW. (1609), im dem
Spanien die Unabhängigkeit der ndrdliden Provingen
anerfannte, fowie die gänzliche Sperrung der Schelde:
mündungen durch die Hollander feit dem Weitfalt-
ſchen Frieden (1648) ricdteten dann den Handel der
Stadt vollends gu Grunde. Geit 1714 im Beſiß
terreichs, geriet fie 1746 während de3 Erbfolge-
krieges voriibergehend in die Hände der Franjojen.
Erſt mit dem ———— der öſterreichiſchen Herr:
ſchaft in Belgien (f. d.) begann fiir A. von neuem
cine beffere Zeit. Die frangojifche Republif, gu der A.
jeit Ende 1792 gehörte, erzwang fdon 1795 von Hol
land die Freigabe der Scheldemiindungen, fo day in
der jungen franzöſiſchen Departementshauptitadt (feit
1794) ſich bald wieder cin reges Handelsleben bemert:
bar madte. Unter Napoleon J., der den Hafen be
deutend erweiterte und UW. gum erjten Waffenplatz
ſeines Reiches machen wollte, wurde die Stadt 1809
und 1814 (f. Carnot 1) von den Engländern ver
gebens belagert. Durd) die Wiener Schlußalte (1815)
ward fie dem neugeſchaffenen Königreich der Wieder-
lande cinverleibt, was gu einem weltern Aufſchwung
ihres Handelsverfehrs beitrug. Wn der Revolution
von 1830 beteiliqte fid) benn aud) nur ein Teil ihrer
Bewohner. Die Beſchießung von A. durch den hollan-
diſchen General Chafié (27. Olt.) fowie die fpatere
Belagerung durd die Franjofen unter Marfchall Be:
rard (Ende 1832) ridteten großen Sdaden an. Bor
allem aber erlitt fein Handelsverlehr infolge der Ber-
einiqung mit Belgien (7. d.) Brera einen empyind-
liden Rüchgang. Erſt feit Ublofung des 1839 den
Hollandern jugeftandenen Scheldezolles (1863) be-
qann fiir A. cin neues Zeitalter, wo es cine unerbdrte
Bliite erreidjen follte. Gegenwärtig ijt A. der zweit⸗
größte Seehafen des Rontinents und etme der jtarfiten
Feſtungen Europas (jf. Brialmont). Val. Mertens
und T orf8, Geschiedenis van A. (Untw. 1845—53,
RVde.); Génard, Anvers a travers les Ages (Brij.
1886 —92, 2 Vde.); Thijs, Historiek der straten
Antwerpenfdes Feuer
en plaatsen van A. (Antw. 1893); Poffé, A. in de
18° eeuw voor den inval der Franschen (Gent 1895);
Deiß, Anvers et la Belgique maritime (Par. 1899),
Antwerpenfdjeds Feuer, von dem Staliener Gia-
nibelli fonjtruicrte Sprengſchiffe mit Uhrwerk, mit
denen er 1585 bei der Belagerung Antwerpens eine
von ben Spaniern geſchlagene Briide zerſtörte.
Autyllos, qried). Urzt, um 300 n. Chr., erwarb
ſich große Verdienjte um Chirurgie, Therapie und
Diätetil. Cr iibte die nach ihm benannte Methode der
Operation der Aneurysmen
durch Exjtirpation, aud) foll
er die Extrattion des Grauen
Stare3 erfunden haben. Bon |
einem die genie Heilfunde um-
fafjenden Wert finden ſich Frag⸗
mente bei Oribajius.
Anubis, altägypt. Toten-
qott, Der bei der Bejtattung
eine große Rolle fpielte. Sein
heiliges Tier war der Sdhafal |
oder Wüſtenhund, in deſſen
Geſtalt oder mit deſſen Kopf (7.
Ubbilbung) er aud) dargeftellt
wurde. Als Stadtgqott wurde
er in Dem oberägyptiſchen Ky⸗
nopolis (bei Schẽch el - Fadhl)
verehrt. Nad) einer ſpätern
Uuffaffung foll Ofiris den A.,
in dem Wahn, feine Gemabhlin
Iſis gu wmarmen, mit der Nephthys erzeugt haben.
Die Grieden identijijicrten ihn mit Hermes, als
Hermanudbis. [verebrt.
Annis, ägypt. Gittin, in der Rataraftengegend
Antra (Fröſche), Ordnung der Amphibien.
Anurie, ſ. Harnverhaltung.
Anus (lat.), der Ufter (ſ. d. und Darm); A. praeter-
naturalis, fiinitlider, widernatiirlider Ufter, Darm⸗
Aenus, altlat. Name des Inn. [fijtel.
Anvers (fpr. angwars), franz. Name fiir Untwerpen.
Anville (or. angwit), Jean Baptifte Bour-
quignon d’, franz. Geograph, ein Reformator der
alten und neuen Rartographie, geb. 11. Juli 1697 in
Paris, geſt. dafelbjt 28. Jan. 1782, wurde fdon im
22. Jahr königlicher Geograph, mit welder Stelle
ex {pater die eines Privatietretirs des Herzogs von
Oridan3 verband. Seit 1775 befleidete er Den Ehren-
poften cines Adjunkts der finigliden Akademie der
Wiſſenſchaften zu Paris. Bon —* Karten, deren
er 211 herausgab, verdienen namentlich Erwähnung:
der » Atlas général» (1737— 80, 66 Blatter) und der
» Atlas antiquus major« (12 Blitter), wozu die »Géo-
graphie ancienne abrégée« (1769, 3 Bde.) als Tert
gehört. D' Anvilles » Traité des mesures itinéraires
anciennes et modernes« (1769) ijt fiir dad Studium
der alten Geographic noch immer widtig. Seine wert-
voile — (10,500 Nummern) wurde
1799 fiir die finiglidje Bibliothe? angefauft.
Anvifieren, |. Unidneiden.
Anwachfung, im rdmifden und gemeinen Recht
WE seffion(accessio) genannt, im allgemeinen alles, |
was ju einem Gegenjtand als Erweiterung hinzu⸗
fommt, fodann, da der Zuwachs ciner Sache qewihn: |
lid) in cinem untergeordneten Verhältnis sur Haupt-
ſache fteht, die Nebenſache, Zubehör (j. d.). In diejer
Bedeutung wird der Uusdrud nicht blof von forper- |
lidjen Sadhen, fondern aud) von Forderungen, Redts-
verhaltnifjen x. gebraudt (vgl. Zinſen, Biirgfdaft,
Beſitz). Endlich bedeutet A. aud) das Hinzukommen,
Anubis,
— Anwadhjungsredt. 601
Buwadjen, und in diefer Hinſicht iſt es ein jurijti-
ſcher Kunftausdrud fiir eine bejondere rt des Cigen-
tumserwerb3 gewefen (vgl. Eigentum). Nad) Art. 65
des ————— zum deutſchen Bürgerlichen
Geſetzbuch bleiben die landesgeſetzlichen Vorſchriften
über Anlandungen (alluvio und avulsio), entſtehende
Inſeln und verlaſſene Flußbetten, die gleichfalls Fälle
der A. bilden, unberührt. Nach dem gemeinen und
den meiſten Landesrechten fällt das Eigentum an dem
allmählich an einem Ufergrundſtück ſich anjdwem-
menden neuen Land (alluvio) dem Eigentümer dieſes
Grundſtückes zu, während das Eigentum eines durch
ein Naturereignis losgeriſſenen und an einem andern
Grundſtück angeſchwemmten ganzen Stück Landes
(avulsio) erſt dann in das Eigentum des neuen Be—
fipers itbergeht, wenn es mit dem Ufer wieder ver-
wadfen ijt. Nad) öſterreichiſchem Redte (allgemeines
Ofterreichijdhes Biirgerlidhes Geſetzbuch, § 412) verliert
der vorige Vefjiger bei Unlandungen fein Cigentum
“nur damit, wenn er es in Jahresfriſt nicht ausiibt.
Bezüglich der durch irgend cin Naturereiqnis allmäh—
lid) oder plötzlich in einem Flußbett entitehenden Inſel
(insula in flumine nata) gilt der Rechtsgrundſatz, dah
das Eigentum daran, gleichviel ob es jid) um cinen
öffentlichen oder privaten Fluß handelt, den Ufereigen-
tiimern zur Rechten und Linfen gehört und gwar nad
Makgabe einer durch die Mitte des Fluſſes gezogenen
Linie. Ähnlich wird die Eigentumsfrage geregelt, wenn
cin Fluß fein Bett verläßt (alveus derelictus). Hier
fallt das Eigentum an dent verlafjenen Flußbett zur
Hälfte den Befigern der linfen, sur Hälfte denen der
redjten bisherigen Uferqrunditiide zu. Rad) dem öſter⸗
reichiſchen Biirgerliden Geſetzbuch, § 409, fonnen fic
in einem folden Fall die Grundbeſitzer, welche durch
den neuen Lauf des Gewäſſers Schaden leiden, aus
dem verlajjenen Bett oder deſſen Wert ſchadlos halten.
Bon accessio possessionis ſprach bas gemeine Recht
in bem Ginne, daß derjenige, weldjer eine Sade durch
Erjigung (f. d.) erwerben will, die Beſitzzeit feines
Vorgingers im Beſitz der Sache gu der ſeinigen hin-
zurechnen fann. Das deutſche Biirgerliche Geſetzbuch
hat in § 943 dieſen gemeinredtliden Gedanten auf-
genommen. Bgl. aud die Urtifel: Verbindung, Ver-
mifdung, BVerarbeitung und Unwadhfungsredt.
Anwadhfungsredt (Altreszenzrecht, Jus
accrescendi) bezeichnet in der Rechtsſprache die Be-
jtimmungen, auf Grund deren unter beſtimmten Bor-
ausſetzungen der Unteil ciner Perſon einer andern zu⸗
fällt, anwächſt. Whgefehen von der Beſtimmung de3
§.738 des deutſchen Viirgerlidjen Geſetzbuches, wonach
der Anteil eines ausſcheidenden Geſellſchafters den
übrigen Geſellſchaftern zuwächſt, beruht das UW. aus-
ſchließlich auf Vorſchriften des Erbrechts, wobei das
Geſetz von der Fiktion ausgeht, daß der Erblaſſer
unter den geſetzlich aufgeſtelllen Vorausſetzungen die
Anwachſung gewollt habe. Jin Geſetz ijt die Bezeich⸗
nung A. zwar nur bei der teſtamentariſchen Erbfolge
ebraucht, Entſprechendes gilt jedoch auch für die ge—
—** Erbfolge. Wurde durch die Einſetzung meh⸗
rerer Erben die geſetzliche Erbfolge ausgeſchloſſen, ſo
* bei Wegfall eines Erben (3. B. durch Verzicht,
usſchlagung, Ausſchluß) der Erbteil desſelben nicht
den geſetzlichen Erben, ſondern er wächſt den übrigen
eingefebten Erben an. Dit dagegen die geſetzliche Erb-
folgqe nur bezüglich eines Teils der Erbſchaft ausge-
ſchloſſen, fo fillt der durch Wegfall eines eingeſetzten
Erben freiwerdende Teil den gefesliden Erben ju,
unter den eingefebten Erben dagegen tritt die Anwach⸗
jung nur dann und fo weit ein, als fie auf einen ge-
602 Unwalt —
meinfamen Erbteil eingefept find (§ 2094). Cine wei-
tere Beftinumung über das A. trijft § 1490, wonad
der einem Abkömmling am ehelichen Gefanttgute zu-
jtehende Unteil an die tibrigen anteilsberechtigten Ab⸗
fommlinge oder an den überlebenden Ehegatten
fommt, ‘prt anwächſt, falls der anteilsberedhtigte Ab⸗
kömmiling ohne anteilsberedftigte eigne Nadfommen
jtirbt. Sas jedoch dem Verkäufer einer Erbſchaft in-
folge einer Unwadfung zufällt, das gilt im Zweifel
als nidjt mit verfauft ($2373). Die Anwachſung fann
übrigens vom Erblajjer ausgefdlojfen werden und
gilt vor allem dann als ausgeſchloſſen, wenn der Erb-
lajjer fiir den Fall, daß ein Erbe vor oder nad) dem
Eintritte des Erbfalles wegfällt, einen andern als Er-
ben (Erſatzerben) einſetzt.
Anwait (Prokurator, Sachwalter, als Be—
auftragter einer Perſon, die ſelbſt fremdes Intereſſe
vertritt, aud) Altor und als ſtändiger Rechtsbeiſtand
einer juriſtiſchen Berfon oder eines Vereins Syndi-
kus genannt), eigentlich der Stellvertreter cines jtrei-
tenden Teiles vor Gericht oder vor ciner andern Be-
hirde. Das Nähere f. in den Urtifeln » Actor, Redts-
anwalt und Advolat«.
WUntwwaltsfammer (Wdvofatenfammer), cine
zur Wahrung der Intereſſen de3 Anwaltsſtandes fiir
einen bejtimmten Bezirk erridjtete Körperſchaft. Für
jeden Bezirk cines Oberlandesqeridts und am Sige
des letztern befteht cine A., die fic) aus den innerhalb
des Bezirks zugelaſſenen Rechtsanwalten zuſammen⸗
ſetzt. Die A. bei dem Reichsgericht beſteht aus den bei
ihm zugelaſſenen Rechtsanwalten. Der A. liegen die
Bewilligung der Mittel zur Beſtreitung des für die
gemeinſchaftlichen Angelegenheiten erforderlichen Auf⸗
wandes und die Beſtimmung des Beitrages der Mit-
lieder ob, ferner die Feſtſtellung der Geſchaͤftsordnung
ir Die Kammer und den Vorjtand fowie die Briifung
und Abnahme der von dem letztern zu leqenden Rech⸗
nung. Die Kammer wählt aus ihren Mitgliedern den
aus 9 —15 Mitgliedern beftehenden Borjtand auf 4
Jahre mit der Maßgabe, dah alle 2 Jahre die Hälfte
der Mitglieder ausſcheidet. Der Vorſtand hat Streitiq-
feiten unter den Witqliedern der Rammer auf Untrag
zu vermitteln, ebenfo Streitiqfeiten aus dem Muftrags-
verhältnis zwiſchen einem
bem Auftraggeber auf Antrag des letztern; er hat Gut-
adten, die von der Landesjuftizverwaltung, forwie
ſolche, die in Streitigkeiten zwiſchen einem Mitgliede
Der Kammer und feinem Auftraggeber von den Ge—
ridhten geforDdert werden, zu erjtatten; ferner hat er
die Aufſicht über dic Erfiillung der den Mitgliedern
ber Kammer oblieqenden Pflichten zu üben und als |
Ebrengeridt in der Beſetzung von fiinf Mitalie-
Dern die ehrengeridtliche Strafgewalt ju handhaben.
itgliede Der Rammer und
Dieſes Ehrengericht, bei dem die Verrichtungen der |
Staatsanwalticaft durd die Staatsanwaltidaft des
Oberlandesgerichts wahrgenommen werden, befteht |
geliſchen Kirche findet man fie noch jest mit der WD
und Dretandern WMitqliedern des Vorjtandes und fann |
aus dem Vorſitzenden der A., feinem Stellvertreter
auf Warnung, Veriveis, Geldjtrafe bis yu 3000 Me.
und auf Ausſchließung von der Rechtsanwaltſchaft
erfernen. Gegen dad Urteil des Ehrengerichts ijt das
RedtSmittel der Berufung an den Ehrengeridts:
Hof gegeben, dev aus dem Präſidenten des Reichsge—
richts als Vorfifpendem, drei Mitgliedern des Reichs
gerichts und drei Mitglicdern der VW. bei dem Reichs
gericht befteht. Bgl. Rechtsampaltsordnimg vom
1. Juli 1878, $41 —97. —
die Wdvofatenfammern nach dem Geſetz vom 6. Juli
In ſterreich beſtehen
Anweiſung.
nen Wdvofaten, die in dem derzeit beſtehenden Spren-
gel jeder Rammer ihren Wobhnjig haben. Die Ad—
vofatenfammer bejorgt ihre Geſchäfte teils unmittel⸗
bar in Plenarverſammlungen, teils mittelbar durch
einen Uusfduk, der (wie der Präſident) auf 3 Qabre
gewählt wird. Das Disziplinarredt iiber die Wd-
vofaten iibt nad Dem Disziplinarjtatut vom 1. Upril
1872 zunächſt der Ausſchuß. Cin Wdvofat, der die
Pflichten ſeines Berufes verlegt oder die Ebre und
das Anſehen des Standes beeinträchtigt, unterliegt
der Disziplinarbehandlung durd den Disziplinarrat,
der amt Sige jeder Udvolatenfanumer m der Zahl von
7, 9 oder 15 Mitgliedern bejteht. Disjiplinarjtrajen
jind Verweis, Gelditrafen bis 300 Gulden, Cinjtellung
der Uusiibung der Wdvofatur und Streidyung von
der Lijte.
Anwaltsordnung, ſ. Rechtsanwaltsordnung.
Anwaltsprogzef, nach der deutiden Rivilprojyy:
—— (§ 78) das Verfahren, in welchem Anwalis
zwang beſteht, d. h. Die Parteien ſich durch einen bei
Dem Prozeßgerichte (ſ. d.) zugelaſſenen Rechtsanwalt
als Bevollmächtigten vertreten laſſen müſſen. Dies
ijt der Fall bezüglich der Landgerichte und der Ge-
ridjte höherer Inſtanz. Der Anwaltszwang erjtredi
fic) aber nicht auf das Berfahren vor einem beauf-
tragten oder erfuchten Richter ſowie nicht auf Prozeß⸗
handlungen, die vor dem Gerichtsſchreiber vorgenom:
men werden dürfen. Cin bei dem Prozeßgerichte pe
gelaffener Anwalt braudt, wenn er ſelbſt Vartei oder
geſetzlicher Vertreter einer folden ijt, feinen Bevoll
mächtigten aufzujtellen. Dasfelbe gilt von dem Staats-
anwalt, der in Ehe und Enturiindiqungsfaden auf
tritt. Den Gegenſatz zum UW. bildet das Verfahren
vor den Wmtsgeridten, das Deshalb aud) Bartei-
prozeß genannt wird.
Antwaltstag, ſ. Unwaltsverein.
Anwaltsverein , die freie Vereiniqung der deut-
ſchen Rechtsanwalte, deren Verjammiungen An—
waltstage genannt werden. Val. auch Redtsanwall.
Anwaltsswang, ſ. Anwallisprozeß.
Anwand, ſ. Angewende.
Anwartſchaft (Exſpektanz), die jemand (An—
wärter, Erjpeftant) erteilte und von dieſem an
gen ommene Zuſicherung, dak cin gewiſſes Recht oder
ut ihm nad dem Abgang deffen, dem es qeqenwir-
tig 3ujteht, tibertragen werden foll. Der riff bat
ſeinen Urfprung im Lehnredht. Lehnsherren pflegten
ihren Untergebenen sur Belohnung bei dem Mangel
an eröffneten Lehen die Zuſicherung künftiger Belch
nung zu erteilen. Etwas der Lehnsexſpellanz Aha
liches ijt die Eventualbelehnung (ſ. d.). Aus dem
Lehnrecht ging das Rechtsinſtitut der A. auch in das
Staats: und Kirchenrecht iiber, infofern, als ein zelnen
Perſonen Staats-, Gemeinde: oder Kirchenämter fir
den Fall der Erlediqung durd den Abgang der der-
zeitigen Inhaber jugefidert wurden. In der evan
junftion und Subjtitution verbunden, d. b. wo cm
jiingerer Nirdendiener cinem Altern zur Aushilfe ge
qeben ijt und dazu die Exſpektanz (spes suceedendi)
auf das volle Amt fiir die Sufunft belommt. In der
fatholifden Kirche find die Exſpektanzen beſeitigt mit
der einzigen Ausnahme, dak vom Papſt in befondern
Fällen einem Biſchof cin Coadjutor cum jure suc-
cedendi, bd. h. ein Stellvertreter mit Dem Rechte der
Nachfolge, beftellt werden fann.
Anweifung (im Verkehrsrecht des Mittelalters und
ſpäter Uffigqnation qenannt), cin Wuftrag, durd
1868 aus famtlidjen in die Advolatenliſte cingetrage: | den jemand (der Aſſignant) cinem ander (dem
Anwenderedht — WAnjeige.
AW ffiqnaten) die mündliche oder ſchriftliche Weifung
erteilt, cinem Dritten (dem Wj jignatar) cine Leijtung
zu maden. Rad) dem deutſchen Biirgerliden Geſetz—
bid) verjteht man unter A. die an einen andern (den
Ungewiefenen) geridtete ſchrift liche Aufforderung,
fiir Rechnung des Ausſtellers dieſer A. (des Anwei—
ſenden) eine beſtimmte Summe Geldes, Wertpapiere
oder andre vertretbare Sachen an einen Dritten (den
Anweiſungsempfänger) ju leiſten. Die Aushändigung
der Anweiſungsurkunde an den Dritten ermächtigt den
Angewieſenen, für Rechnung des Anweiſenden an den
Anweiſungsempfänger zu leiſten und berechtigt den
Dritten, die Leiſtung bei dem Angewieſenen im eignen
Namen gu erheben. Durch die Annahme der W., die
Durd einen ſchriftlichen Vermerk auf der A. erfolgt,
wird der Angewieſene zurLeiſtung an den Anweiſungs⸗
entpfainger verpflidtet, der Umſtand allein, daß der
Ungewiejene Schuldner des Anweiſenden ijt, verpflich⸗
tet ihn nicht zur Annahme. Ebenſowenig wird der
Unweifende, wenn er Schuldner de3 Anweiſungs—
empfangers ijt, nicht ſchon durch die A. fondern erjt
durch Die Zahlung jeitens des Angewieſenen vor fei-
ner Schuld befreit. Berweigert der Ungewiejene die
Leijtung, oder farm, be}. will der Uniweifungsempfiin-
ger die A. nicht geltend machen, fo hat er hiervon, falls
er fid) nicht Der Haftung ausfegen will, dem Anwei—
fenden unverzüglich Unjeige gu maden. Widerrufen
fann Der Anweiſende gegeniiber dem Angewieſenen
nur fo lange, ald legterer noc nicht gegeniiber Dem
Anweijungsenrpfiinger die A. angenommen oder dic
Leijtung bewirft hat. Durd Tod oder Eintritt von
Geſchäftsunfähigkeit eines Beteiligten erlijdt die A.
nicht, wohl aber verjahrt der Anſpruch des Anweiſungs⸗
enipfiingers gegen den Angewieſenen aus der Yn
nahme in drei Jahren. Cine Übertragung der YW.
feitens des WUniweifungsentpfingers pi einen Drit-
ten ijt mur mittels ſchriftlicher Form, und falls der
Anweiſende die Ubertragung nicht ausdrücklich aus:
geidlojjen hat, zuläſſig. Durd die Unnahme der W. |
egentiber Dem Dritten verliert der Angewieſene die
— aus einem zwiſchen ihm und dem An
weiſungsempfänger beſtehenden Rechtsverhältnis. —
Kaufmänniſche Anweiſungen (§ 363 des deut—
ſchen Handelsgeſetzbuches) ſind nun nicht mehr wie
früher Anweiſungen, die von einem Kaufmann über
Geld, Wertpapiere oder vertretbare Sachen ausgeſtellt
wurden, ſondern nur noch Anweiſungen, die —
Kaufmann ausgeſtellt ſind. Dieſelben können durch
Indoſſament (ſ. d.) übertragen werden, wenn ſie an
Order lauten und die Leiſtung nicht von einer Gegen-
leijtung abhängig gemadt it. Cine befondere im
Banfoerfehr übliche Urt der A. ijt der Scheck (ſ. d.).
Im Budgetwefen ijt das finanzielle Anweiſungs—
recht das Redht einer Behörde, von mts wegen oder
nad beſonderm Auftrag ſchriftliche Anweiſungen an
Beauite zur Empfangnahme oder Erhebung von Zah—
lungen auf Rechnung des Staates oder einer beſtimm⸗
ten Kaſſe ſowie zur Vornahme von Zahlungen auf
Rechnung dieſes Verpflichteten an Dritte zu geben. Die
Generalanweiſungen beziehen ſich auf ganze Klaſſen
von Geſchäften, die Spezialanweiſungen auf einzelne
Empfiinge oder Zahlungsleiſtungen. Bgl. Wendt,
Das allgemeine Anweiſungsrecht (Jena 1895).
Anwenderedht (Umwende-, Kehr-, Pflug—
recht), das altdeutſche Notrecht, beim Beackern des
eignen Grundſtücks auf dem angrenzenden fremden
Acker wenden ju können. Dit es dabei geſtaättet, ard)
das Sugqvieh auf den fremden Boden iibertreten zu
lajjen, ;
603
genannt. Das Bürgerliche Geſetzbuch hat dieſe Rechte
nicht aufgenommen. Bgl. Angewende.
Anwerbung, ſ. Werbung.
Anwuchs, ſoviel wie Anwachſung (ſ. d.).
Anzanum, Stadt, ſ. Lanciano.
Anxiétas — ſ. Angſt.
Auxur, ſ. Lerracina.
Anzeichen (Vorzeichen), die Merkmale eines
Werdenden oder ſchon Vorhandenen, aber nod) nicht
fiir jedDermann Erfennbaren, 3. B. der Witterng, des
Todes xc. Rad) dem Volksglauben werden cingetre:
tene oder eintretende wichtige Creiqnifje auf irgend
cine Weife angemeldet, 5. B. der Tod eines Domberrn
durd) freiwilliges Ertönen der Glocen rc. Nod) heute
ijt Der Glaube an die Bedeutſamkeit von Schlucken,
Obrenflingen, Uugenjuden, Begegnungen (ſ. Angang)
verbreitet. Bgl. Bedeutung.
Anzeige, Annonce (f. d.). In der Rechtsſprache
die Wtitteilung (Denungiation), die ciner Behörde
iiber eine beabjidjtigte oder bereits begangene jtraf-
bare Handlung jum Zweck ihrer Verhiitung oder ihrer
Vejtrafung gemadt wird. Der Anzeigende wird De—
nungiant, der Angezeigte Denunjiat genannt.
Verechtigt gu einer folden W., die bei der zuſtändigen
Behörde erſtattet werden muß, iſt, ſofern es ſich nicht
um ein ſolches Verbrechen oder Vergehen handelt, das
bloß auf Antrag des Verletzten mie wird, jeder
aus dem Bol€ (fogen. freiwillige U.). Anzeigen
jtrafbarer Handlungen oder Anträge auf Strafverfol-
gungen können bei der Staatsanwaltſchaft, bei den
horden und Beamten des Polizei-⸗ und Sicherheits⸗
Dienjtes und nad der deutſchen Strafprozeßordnun
aud) bei den Amtsgerichten mündlich oder ——
angebracht werden. Die mündliche A. ijt zu beurfun-
den. Anzeigen gegen Perſonen, die der Militärſtraf—
gerichtsbarkeit unterjtehen, ſind von Perſonen des
Soldatenſtandes des Heeres und der Marine auf dem
Dienſtwege (Offiziere bei Dent Geridtsherrn oder cinem
mit Disziplinarjtrafqewalt verjehenen Vorgeſetzten
des —— mündlich oder ſchriftlich, Unter—
offiziere und Gemeine beim Kompagnie- x. Chef un-
mittelbar und mündlich), von Militarbeamten bei der
vorgeſetzten Dienjtbehirde des —— anzu⸗
— Andre Perſonen find auf die Vorſchriften
des bürgerlichen Rechts verwieſen; doch genügt das
Anbringen der A. bei der vorgeſetzten Dienſtbehörde des
Beſchuldigten (Militärſtrafgerichtsordnung, § 151).
Eine Verpflichtung zur A. (Anzeige-, De—
nunziationspflichh tit, fofern eine bereits be—
gangene unerlaubte Handlung in Frage jteht, nad
den meijten Strafgeſetzen mur infolge einer befondern
Amtspflicht begriindet (jogen. notwendigel.), und
daher fann aud) die Unterlafjung einer A. in der—
artigen Fallen nur für diejenigen Beamten und ihre
Bedieniteten eine Strafe nad) jich ziehen, die fich eben
dadurch einer befondern Pflichtverletzung ſchuldig ge-
madt haben. Hierber gehören unter Umſtänden aud
Arzte (vgl. Ojterreichi des Strafgeſetzbuch, § 349)
und Hebammen (§ 15 der öſterreichiſchen Vinijterial-
verordiming vom 4. Juni 1881). Auch in Anſehung
einer beabjidtiqten ftrafbaren Handlung liegt die A.
zunächſt nur den dazu verpflicteten Beamten ob.
Das deutſche Strafgeſetzbuch bedroht, abgejehen von
den Strafdrohungen des Sprengjtoffgeiepes (§ 13)
und des Gejebes, betreffend den Rerrat militäriſcher
Geheimniſſe (§ 9), mit Gefängnisſtrafe (1 Taq bis
3u 5 Jahren) die Unterlafjung ciner A. von bevor-
itehenden Straftaten nur bei bejonders ſchweren Ber-
o wird das Recht Tret- oder Treppredt | bredjen, nämlich bei Hodverrat, Landesverrat, Miin3-
604 Anzeigepflicht
verbrechen, Mord, Raub, Menſchenraub, und bei ge—
meingefährlichen Verbrechen, alſo namentlich bei
Branditiftung, vorjaiplicher Gefährdung eines Cijen-
babntransports, vorſätzlicher Herbeifiibrung einer
Überſchwemmung u. dgl., und gwar unter der Dop-
pelten Vorausſetzung, daß erjtens der gu Beſtrafende
gu der Beit, als die Berbiitung des Verbredens nocd
miglid) war, qlaubbafte Renntnis von dem verbrede-
riſchen Borhaben erhalten und gleichwohl weder der
Behdrde nod der durd) das Verbrechen bedrohten
Perfon rechtzeitig A. gemacht hat, und dah zweitens
dad Berbredjen oder dod) wenigitens cin jtrafbarer
Verſuch wirklich beqangen worden ijt. Dem Anzeige—
erftatter finnen übrigens, falls die A. wider beſſeres
Wiſſen oder grobfahrläſſig erjtattet ijt, die Koſten des
Berfahrens auferlegt werden. Rad) öſterreichiſchem
Strafrecht befteht cine Anzeigepflicht für Private nur
bei den Verbrechen des Hodpverrats, der Ausſpähung
und der unbefugten Werbung. Verſchieden davon ijt |
die Verheimlidung eines Verbredens (Straf- |
geſetzbuch, § 214). Auf der andern Seite wird aber
aud) cine wider beſſeres Wiſſen erftattete A. (»falfde
Unfduldiqung«, Calumnia) mit Strafe belegt, und
gwar nad) dem deutſchen Strafgefepbud mit Gefäng—
nis nicht unter einem Wonat, nach dem öſterreichiſchen
Strafgeſetzbuch, wenn es fid) um die A. eines an-
gedidteten Berbredens handelt, mit ſchwerem Kerker
10 Jahren (Verbrechen der Verleumdung); |
cud) kann dem Berlesten die Befugnis zugeſprochen
von 1
werden, die Verurteilung auf Kojten des Schuldigen
Dffentlid) befannt ju machen. Der Ausdruck A. oder
Vngeiqung wird im Strafprozeß aud als gleichbedeu⸗
fend mit »indicium«, In diz (. d.), gebraudt. Bal.
Deutſche Strafprozeßordnung, § 156ff. 501; Deut:
ſches Strafgeſetzbuch, § 139, 164, 165; § 84 —87 der
Diterreidifden Strafproyehordnung; Hef, Die Lehre
von der falfden Anſchuldigung (Cllwang. 1888).
UW. in Der Medizin, f. Qndifation.
Angzeigepflicht , ſ. Anzeige.
Anzengruber, Ludwig, nambafter Sdrift
fteller, geb. 29. Nov. 1839 in Wien als Sohn eines
fleinen Staatsbeamten, gejt. daſelbſt 10. Dey. 1889,
bejudte die Volls⸗ und Auterrealiduule ſeiner Bater-
ftadt, trat 14jährig bei cinem Buchhändler in die Lehre,
wurde 1858 Schauſpieler, beſaß wenig Talent und
criebte das ganje Elend der fleinen Wandertruppen,
f:hrte als Literat nad) Wien zurück und erhielt hier
1869 Die Stelle eines Nanjlijten bei der Polizeidirek
tion. Den erjten durchſchlagenden Erfolg erlebte fein
autiflerifales Vollsſtüch »Der Pfarrer von Rirdfeld« |
(10. Aufl. 1899), das, wie andre Werke, unter dem
Pieudonym L. Gruber herausgegeben, 5. Rov, 1870
im Theater an der Wien aufgefiihrt wurde. Die epode
madende Vedeutung von Anzengrubers Dramen liegt
darin, daß er, an Die quten Lberlieferungen des Wiener
Lolalſtückes antniipfend, vollstümliche und zeitgemäße
Probleme in Lebensbildern von unverfälſchter Wirt
lichleitstreue packend darſtellte; dod hielt er eine lehr
hafte Tendenz nicht fern. Die Figuren aus dem Volke
ſind ihm durchweg gelungen, während die Perſonen
vornehmen Standes durch ihr geſpreiztes Weſen be
fremden. Die glänzenden Vorzüge ſeiner Kunſt verriet
vor allem das tragiſche Meijterwerf »Der Meineid |
bauer«, deſſen Hauptyiqur piydologifde Tiefen er
ſchließt, in die nur die größten Dichter hinabſchauen.
Faſt noch bedeutender ijt A. im Lujtipiel, von dem er |
freilich ernftere Züge nicht ganz fern halt; bierber ge
Hiren » Die Kreuzelſchreiber⸗ (1872) nuit der herrliden
Figur des Steinflopferhans, » Der G'wijjenswurm: |
— Angiehung.
(1875), » Der Doppelfelbjtmord« (1875), » Das Jung:
ferngift« (1878); ibnen folgte »Das vierte Gebot«
(1878), die Tragödie des ſchlechten Elternhaufes. Im
November 1878 erhielt A. zugleich mit Wilbrandt und
Niſſen den Schillerpreis. 1882—85 war er Redafteur
des Wiener Familienblattes » Heimat «, dann redigierte
er Den Wiener »Figaro<«. Für das Vollsitiid »Heim-
q'funden« (1887) erbielt er den Grillparjerpreis. Dre
tragiſchen Bolfsjtiide »Stabl und Stein⸗ und » Der
Fleck auf der Ehr'« (1889), Dramatijierungen von
zwei Erzählungen Lig ar verraten Die ab-
nehmende Rraft. Wenn der Didter als hodpbedeu-
| tender Bollender volfstiimlider Traditionen der deut:
iden Bühne anzuſehen ijt, fo hat er alg Erzähler und
| Romanjdriftiteller gleichjalls Ausgezeichnetes gelet-
jtet, obne jedod) neue Bahnen eingujdlagen. Außer
durch feine »Ralendergefdidten« (jeit 1876) und
» Dorfgiinge« (1879), unter denen wirtfame Schwante,
wie »Der qottiiberlegene Jafob<, » Wenn ciner es zu
ſchlau madte, u. tragiſche Darjtellungen, wie »Gott-
verloren«, » Der Einſam'⸗ u. a., hervorgzubeben find,
madte er fid) Durd) den Roman »Der Schandfled:
(Wien 1876 ; umgearbeitete Ausg. Leip; 1884, 6. Aufl
1901) und Die ausgezeichnete realijtijde Dorfgeſchichte
Der Sternſteinhof« (daſ. 1885, 5. Aufl. 1901) m
weitern Kreiſen befannt. Auf dem Zentralfriedhof in
Wien wurde dem Dichter 1893 cin Denkmal (model⸗
liert von J. Scherpe) errictet. Seine ⸗Geſammelten
Werke« erſchienen — 1890 in 10 Bodn. (3. Mul.
1897). Cine trefflice Biographie verfakte WU. Bet-
telheim (»Ludwig A.«, 2. Aufl., Berl. 1897), der
aud) Anzengrubers Briefe herausgab (Stuttg. 1902,
2Bde.). Bgl. RK. Rosner, Erinnerungen an VW. (Bien
1890); S. Friedmann, Ludwig W. (Leipz. 1902);
U.S dhinbackh, Geſammelte Auffage sur neuern Lite
ratur (Graz 1900); . Sittenberger, Studien jur
| Dramaturgie der Gegenwart (Miind. 1899).
Unger, Johann Baptijt von, fath. Biſchof,
eb. 16. Mai 1851 zu Weinried im der bayriſchen
berpfalz, ausgebildet auf dem Lyzeum in Regens
burg, trat 1875 in das vom Generalfuperior der
Miffionsgefellidaft des göttlichen Wortes, rnold
Janſſen, in Steyl begriindete Miffionshaus cin, wurde
1876 in Utrecht jum Prieſter geweiht und ging 1879
nad China, wo er das Seminar in Hongfong leitete.
1882 wurde er von Bifdof Cofi zum eralvifar
von Siid- Schantung ernannt, wo er in kurzer Zen
mehrere große dhrijtlide Niederlajjungen mit Rirden.
Schulen, Seminaren und Waiſenhäuſern gründete.
1885 wurde Siid- Schantung ſelbſtändiges apoſto
liſches Vilariat, und A. ward 1886 in Steyl zum
Titularbiſchof von Telepte und apoſtoliſchen Bitar ge-
weiht. A., der fon wiederholt Gewalttatigteiten ier
tens der Chinefen ausgefest geweſen war, wohnte in
Yen «tido-fu und gwar feit 1890 unter dem Schutze
des Deutſchen Reiches. Bei der Beſetzung Kiautſchous
durch Das Deutide Reich war Anzers Rat mit maß—
gebend; er erflarte fie als unerlaplich fiir dad Ge
deihen umd den Fortbejtand der chineſiſchen Miſſion
Anziehen, kaufmänniſch ſoviel wie im PBreiie
jteigen«. — In der Jägerſprache das eifrige, aber
ſehr vorſichtige Suchen des Vorſtehhundes, durch das
er zu erfennen gibt, daß er Die friſche Spur eines Ha-
jen oder das Geläufe eines Federwildes verfolgt.
Anziehmustelu, |. Wddultoren.
Anziehung (Wttraftion), allgemeine oder New
tonſche, f. Gravitation; chem iſche A. chemiſche Ber
wandtidaft; eleftrifde, eleftrodynamifde und
magnetifde A., ſ. Elektrizität, Eleltrodynamiſche
Angin. — Molipile.
Kraft und Magnetismus; molefulare A., Adhä—
jton, Robafion.
Anzin (pr. anghing), Fleden im franz. Depart. Nord,
Urrond. Valenciennes, an der Schelde und der Nord-
babn, bat (1901) 14,325 Cinw. u. cing der bedeutendjten |
Steinfohlenbergwerte Frankreichs (Becken von Valen: |
ciennes), Das fett 1707 ausgebeutet wird, außerdem be:
deutende Eiſenwerke, Maſchinen- u. Glasfabrifation rc.
Anzio (Portod' Anzio) Fiſcherſtädtchen in der
ital. Provinz Rom, am Mittelländiſchen Meer an der
Stelle de3 alten Untium (jf. d.) und an der Eiſenbahn
Rom -Cecchina-Nettuno gelegen, hat cinen von Papjt
Innocenz XII. angelegten, durd) einen teiltweife an-
tifen Molo gejdiigten, aber der Verſandung aus-
geſetzten Hafen, mehrere Villen, beſuchte Seebäder
und asst) 1638 (als Gemeinde 1901: 3561) Einw.
Anzüchte, fieine gemauerte unterirdifde Naniile |
zur Entwafjerung, find jest durch Drainrdhren erſetzt.
Anzug, bei Befeſtigungskeilen das Verhaltnis der
ZBunabme der Hohe vom einen Ende bis ans andre
zu der Lange des ganzen Keiles, gewöhnlich ausge
driidt durch einen Bruch mit dem Sabhler 1, 3. B. "20.
Angugegeld (Cingugsgeld, Census oder Ga-
bella immigrationis), die Abgabe, die ehedem von
rember, die fic) in einer Gemeinde (uripriinglid
aud in einem Lande) niederlajjen wollten, fiir Auf—
nahme und Erwerb des Untertanen-, be3. Biirger-
rechts zu zahlen war. Diefelbe war fiir die ——
in das Beiſaſſenrecht meiſt niedriger bemeſſen. Bis—
weilen wurde ſtatt Geld auch Wein entrichtet, weshalb
die Gebühr aud) Weinkauf (vinagium) genannt
wurde. Frither ſchon in Preußen aufgehoben, wurde
das A. durd das Geſetz über die Freizügigleit vom
1. Nov. 1867 im Norddeutſchen Bunde, ſpäͤter ĩm ganzen
Deutſchen Reich beſeitigt. Die Zahlung eines beſondern
Bürgerrechtsgeldes für die Aufnahme in den Bürger—
verband oder die Entrichtung eines scary abi fiir
den Mitgenuß der indirekten Vorteile des Gemeinde:
vermigens wurde durch dieſes Geſetz nicht berührt.
Angugsftoffe, zu Anzügen benutzte Gewebe, beſ.
Tuche, Buckſtin, Loden, Cheviot, Kammgarnſtoffe.
Aoba (Lepersinſel), Inſel der Neuen Hebriden,
325 qkm groß, mit 10-—12,000 wobhlgebauten, gaſt⸗
freien Einwohnern, gut bewäſſert, fruchtbar, mit
1222 m hohem Berg in der Mitte.
Aöde (griech.), Geſang, perſonifiziert die Göttin
des Geſanges, eine der älteſten drei Muſen (ſ. d.); |
Aöden, Sänger, Dichter, beſonders die griechiſchen
Sanger im heroiſchen Zeitalter.
Aoki, Pflanze, ſ. Aucuba.
Aoki, Shu zõ, japan. Staatsmann, geb. 1844 in
Chöſhũ, ſtudierte Rechts- und Staatswiſſenſchaften,
ſeit 1868 in Deutſchland, und wurde 1873 Legations
ſekretär bei der japaniſchen Geſandtſchaft in Berlin.
Nach einem kurzen Aufenthalt in Japan fehrte er 1874
als Gefandter nad Berlin zurück und vermählte ſich
1875 mit der Baronejje v. Rahden. L885 wurde er
in Japan Bizeminijter des Außern; 1889 iibernahm
er nad dem Rücktritt Okumas das Miniſterium des |
Außern, trat aber bei dem allgemeinen Minijterwedfel |
1891 (bald nach dem Uttentat auf den ruſſiſchen Thron: |
folgqer) mit zurück. 1889 zum Viscount erhoben, wurde |
er 1892 wieder zum Gefandten in Berlin ernannt,
leitete bis Sontmer 1897 die in London, Baris, Wien |
und Vriijfel qefithrten Verhandlungen iiber die Re-
vijion der Verträge Japans mit den europäiſchen
Mächten, lebte darn cin Jahr als Privatanann in|
Tokio und gehirte feit November 1898 als Minijter |
des WuSwiirtigen dem Nabinett Yamagata an, bas |
605
im Ottober 1900 durch die von Marquis Ito gebil-
dete liberale Partet geſtürzt wurde.
Holian, gang leidter halbjeidener Balljtoff, mit
Ketle aus Kammgarn, 26 Faden auf 1 cm mit Schuß
aus Seide, 35 Faden auf 1 cm und Leinwandbindimg.
Aeolidiidae, ſ. Fadenſchnecken.
Molier, einer der vier Hauptſtänme des griech.
BVolfes, der ſeinen Urſprung von Aolos ableitete und
fic) Durch einen befondern Dialeft von den übrigen
unterfdied. Der Name findet fic) an veridiedenen
Orten von Griedenland, in Theſſalien, Elis, Meffe-
nien, Lofris, Ätolien und Rephallinia; aber geſchicht⸗
liche Bedeutung erhielt der Stamm erjt an der Küſte
Kleinaſiens, in Lesbos und Kyme, von wo aus er in
langwierigen Rampfen zuſammen mit Udhaern Troas
und Myſien eroberte; die aus der theſſaliſchen Heimat
mitgebradten Sagen wurden Damals gu der befann-
ten chilleusſage ausgebildet und mit peleponneſiſchen
zu den Homeriſchen Geſängen zuſammengearbeitet (j.
Achäer). An Dem üppigen Geſtade zwiſchen dem Kai—
fos und dem Hermos, auf einem Raum von 53 km
Linge und ebenfoviel Rilometer Breite, erhoben fide
30 dolifde Stadte, von denen 11 als die bedeu—
tendjten genannt werden: Kyme (Cuma), Larifja,
Neonteichos, Killa, Notion, Ägiroeſſa, Pitane, Ugaa,
Myrina, Gryneia, Tenmos. Sie ſchloſſen unterein-
ander ein Schupbiindnis, zu dem cine Zeitlang aud
das mächtige Smyrna gehörte, dag ſpäter gezwungen
wurde, dem Joniſchen Hunde beijutreten. Water ted.
fus mußten fie Lydiens, dDarauf Perſiens Oberhobeit
anerfennen. Die Perſerkriege qaben ihnen ihre Frei—
Heit zurück, aber der Friede des Untalfidas (387 v. Chr.)
bradjte fie von neuem unter perſiſche Herrfdaft. Nady
Uleranders d. Gr. Tode famen fie unter ſyriſche Ge—
walt und wurden dann, weil fie fic) mit Mithradates
verbiindet batten, durch Sulla der römiſchen Proving
Yfien einverleibt. S. Marte » Wit -Griedentand«. —
Uber den Golifden Dialekt ſ. Griechiſche Sprade.
Jn der Literatur ijt der Golijde Stamm mur fiir die
iltefte Beit von Bedeutung. Spraclide Spuren in
den Homerijden Gedichten erweiſen fehr weſentlichen
Anteil der W. an der Ausbildung des epifden We-
janges, und der Beqriinder des didattifden Epos ijt
Der Yolier Hejiodos. Für Muſik beſaßen die YW. be-
fondere Anlage und Empfinglidfeit: aus dem äoli—
ſchen Lesbos ſtammten Terpandros, der Schöpfer der
klaſſiſchen Muſik der Griechen, und Urion, und die-
jelbe Inſel ijt Dic Heimat des Alkäos und der Sappho,
der erjten Meijter des meliſchen Liedes.
Moline (YMolodion, Wolodifon, Rlavio-
line), Name fiir unferm Harmonium ähnliche Taſten—
inſtrumente (fret ſchwingende durchſchlagende] Zun—
gen ohne Aufſätze). Das erſte ——
9
Inſtrument
fonjtruierte Eſchenbach, Türmer an der Michaeliskirche
zu Hamburg (um 1800), Auch Name für Orgelſtim—
men ähnlicher Konſtruktion, die einen ſehr zarten Klang
haben und beſonders für Echowerke zur Anwendung
fommen. Bereits um 1780 hatte Wht Vogler ſeinem
Orcheſtrion· eine von dem Petersburger Orgelbauer
Kirsnik erfundene Stimme diefer Urt einverleibt.
Molipile (Acoli pila, Aolusbalh, cinvon Heron
von Alexandria um 120 v. Chr. beſchriebener Appa—
rat, Der älteſte, durch Den mittels Der Kraft de3 Damp-
fes Direft cine rotierende Bewegung erjeugt wird.
Diefe YW. (Hig. 1) war cine hohle, zwiſchen zwei Zapfen
drehbare Metallkugel, die mehrere diametral auslau—
fende Röhren bejak. Die Röhren waren an ibren
Enden verſchloſſen, aber nabe denſelben je mit einer
Seitenöffnung verjehen. Wurde dieſe Kugel teilweiſe
606 Aoliſch — Aorta.
mit Waſſer gefiillt und erhigt, fo geriet fie Durd die
Reaftion des aus den Seitendffnungen ausſtrömen- mer nur Tone gebend, die der Obertonreihe des ge
den Dampfes in Rotation. VW. heißt aud) cine Ge- | meinfchaftliden Grumdtons angehiren. Der Mang
blife- oder Lötrohrlampe (Fig. 2) mit maffivem ijt von zauberiſcher Wirfung, da je nad) der Starte
Dodt und einem metallenen Gefäß, von deſſen obe» des Windes die Ufforde vom jartejten Pianiſſimo jum
rer Wandung cingebogenes Metallrohr ausgeht, das raufdenden Forte anjdwellen und wieder verhallen.
die Flamme in horizontaler Ridtung trifft. Erhigt | Die A. ijt alt; als Erfinder und Verbeſſerer werden
enannt Der heil. Dunstan (10. Jabrb.),
thanajins Kircher (geſt. 1680), Pope (1792)
umd H. Ch. Rod) (1800). Bal. Unemrodord.
Holshihlen, ſ. Windgrotten.
Rolus, ſ. Aolos.
Holusball, ſoviel wie Wolipile.
Molusfauger, cine Bentilationseinrid
tung, bei Der der freie Luftzug Die Luft ans
gc loffenen Räumen herausjaugt, ohne daz
injtellen nad) der Windridjtung nötig tit
Hon, griedh. Wort, das eigentlid) Zeu
ö— — — — — raum, Welt-, Menſchenalter, aud wohl Ewig:
Fig. 1. Herons Äolipile. Fig. 2 Molipile-Geblafelampe. keit bedeutet. Bei den Gnojtifern (f. d.) find
die Yonen Gejtaltungen oder Kräfte, die
man in Dem Gefäß etwas Spiritus, fo erzeugt der | aus der verborgenen Gottheit vor aller Bett aus
heftig ausſtrömende Spiritusdampf einen großen und | geſtrömt (emaniert, ſ. Emanation) find und die ver
febr heißen horizontalen Flammenkegel. ſchiedenen Weltalter, die Weltſchöpfung, die Weltent-
Aoliſch (griech.), auf Aolos, den Gott der Winde, wickelung, die Welterlöſung, vermitteln und ihnen
bezüglich. Daher heißen fo in der Geologie die unter | vorſtehen. Ihre göttliche Kraft verringert ſich in dem
——— von Staubwinden gebildeten Abſätze. Grad, als fie von der Gottheit entfernt ſind; der Belt
oliſche Bildungen find gewijje Tuffe, die aus ſchöpfer ijt einer der geringjten, der Erlöſer einer der
weit fortgewebten vulfanifden Ufden und Sanden) Wsos, Fluß, f. Viofa. lhöchſten Aonen
beſtehen, die Dünen⸗ und — ————— Modrift (griech.· unbegrenzt«), cin Tempusitamm
fiir Den Löß (jf. d.) wird eine äoliſche Entitehung an- | des griech. Verbums, der ſich auch in andern Altern
genommen. indogermaniſchen Sprachen findet, und deſſen Jndi-
Holifde —— die Lipariſchen Inſeln. fativ durch unſer deutſches einfaches oder zuſammen⸗
Roliſcher Vers, joviel wie Logaödiſcher Vers (ſ.d.). geſetztes Präteritum zu überſeßen ijt.
Roliſche Tonart, ſ. Lirdentine und Griechiſche Adrta (griech.), die ſtärtſte Arterie (Schlagader)
MolFlavier, ſ. Anemochord. [Mujif. | des Wirbeltierkörpers, führt das Blut aus dem Her
Holodion (Tolodikon, griech.), ſ. Moline. jen durch ihre Äſte und Zweige nad allen Organen
Hodlod, 1) bei Homer der von Zeus zum Sdhaff- | des Körpers hin (ſ. Tafel ⸗Blutgefäße des Meniden-).
ner der Winde bejtellte Sohn des Hippotes auf der im | Beim Menſchen entipringt fie als ein beim Erwad-
fernen Weſten ſchwimmenden Inſei Wolia. Er gibt | fenen reichlich daumendickes Rohr aus der linfen Her}:
dem Odyſſeus zwecks ficherer Heimfahrt einen Schlauch, | fammer, ſteigt etwas in der Brujthdhle aufwaris (A.
worin die widrigen Winde eingefdloffen find, weijt | ascendens), biegt dann bogenartig (Wortenbogen)
ibn aber als einen Gottverhaten ab, als die von | nad linfs und binten um und läuft dicht vor der
Odyifeus’ Vefahrten entfejjelten Winde ihn wieder ju | Wirbelſäule bis gum legten Lendenwirbel herab (A.
dem Ciland zurücktrieben. Spätere Zeit verfepte ihn | descendens), wo fie ſcheinbar fid) gabelig fpaltet und
als König Der Winde auf cine der nad ihm benann- | cin Ende findet (ſ. Blutgefäße). ar Der Nãhe ihres
ten Aoliſchen Inſeln an der Nordküſte Sigitiens, Li- | Urfprungs befipt die A. Drei taſchenförmige Klappen
para oder Strongyle. (Mortenflappen), die das Blut cintreten lLayen,
, 2) Mythiſcher Ahnherr des griech. Stammes der nad) der Zuſammenziehung des Herzens aber mit ibren
Aolier, Sohn des Hellen, Enel des Deufalion, Bruder Randern fic ancinander legen und den Rückfluß des
des Doros und Xuthos, König von Magnefia in Thej- | Blutes ins Herz hindern. Die beim erwadjenen Men
falien, von Enarẽte Vater von fieben Sohnen(Kretheus, | iden und Säugetier beftehende Aſymmetrie der A. tit
Siſyphos, Uthamas, Salmoneus, Deion, Magnes, Ree beim Embryo nicht vorhanden, vielmebhr finden fid
rieres) und fiinf Tichtern. Spatere Dichtung hat diefe | hier gewöhnlich fünf Baar Wortenbogen, in die fid
beiden in genealogiſchen Zuſammenhang gebradt. | die A. gleidy an ihrem Anfang teilt, die aber auch wre-
Holotropismus (qriech.), ECigentiimlichfeit ded der ju einer einheitlichen abjteiqenden YW. zuſammen⸗
Wismuts, feine thermoeleftrifden Cigenfdaften im | treten. Diefe Bogen bleiben entweder (bet den Fiſchen
Magnetfeld zu dindern. jeitlebens als Miemenarterien bejteben, oder wandeln
Holsharfe (Windharfe, Betterharfe, Gei- ſich sum Teil in andre Gefäße um (3. B. in Lungen—
fterbarfe), ein tanger, ſchmaler Reſonanzkaſten mit | arterien), oder gehen gang zu Grunde. So iit bei den
oder ohne Schallloch, auf dem eine (beliebiq große) | Reptilien ſtets nod cin rechter und linfer Wortenbogen
Anzahl nn Cinflang abgeſtimmter Darmjaiten über vorhanden, dagegen bei Vogein und Saugetieren nur
zwei niedrige Stege angelpannt iſt. Die Saiten miif- | während des Eilebens; die erwachſenen Bigel befigen
jen von veridviedener Dice fein, fo dak fiir jede ein mur nod) den rechten, die Saugetiere den linfen Bogen.
andrer Spannungsgrad zur Erreichung derjelben Auch bei niedern Tieren nennt man die dirette
Tonhöhe erforderlich ijt; doc) darf femme ſehr ftarf an» | Verlängerung des Herzens A.
Qefpannt fein. Streift cin Luftzug die Saiten, fofans Die VW. erfranft am häufigſten an chroniſcher Ent
— dieſelben an gu tönen, und zwar machen fie gu zündung (Atherom der Y.), Die yu ettmetamor-
olge Der verſchiedenen Spannung neben den totalen phoſe oder Verfalfung führt. Wis Urſache gelten Al
verſchiedenartige Partialſchwingungen, natürlich im-
Aoſta — Apafi.
foholismus, Gicht, Rheumatismus, Syphilis und chro
niſche Nierenentzündung. Bei mäßiger Intenſität des
Leidens bietet dasſelbe nur die durch die Altersver—
änderung bedingten Symptome dar. Bei hochgradi—
ger Entzuündung leidet das Herz und der Klappen—
apparat. Die Kranlkheit fann ſich 20 Jahre und länger
hinziehen, aber auch viel früher durch Zerreißung,
Aneurysma oder andre Krankheiten zum Tode führen.
Die Behandlung richtet ſich auf Vermeidung von
Schãdlichkeiten, wie übermäßiger Alkoholgenuß, Wuf- |
requngen rc., und iſt im übrigen ſymptomatiſch. Akute
Entzündung der A. tritt meiſt ſekundär, z. B. nach
Verwundung des Bruſtkorbes, nach Thromboſe oder
Embolie, auf. Bei zurückgebliebener Entwickelung des
Körpers, und zwar am häufigſten beim weiblichen Ge-
ſchlecht, findet ſich allgemeine Verengerung der A.,
mit der vielleicht die Bleichſucht in gewiſſem Deleon
hang ſteht. Neben kräftigender Diät wendet man bei
Diejem Zuſtand Mittel an, welche die Leijtungsfibig.
feit des Hersmusfels jteigern. Teilweife Verengerung
findet fich angeboren, und wenn die Leijtung des Herz.
miustels ungenügend ijt und der Nollateralfreislauf
ſich nicht hinreidend ausbildet, fo treten Zuſtände auf
wie bei Hersflappenfehlern, die auch wie legtere zu be-
handeln find. Berengerung der A. fann aud) durch
autodthone oder aus einem Aneurysmaſfack fort⸗
geſchwemmte Blutgerinnfel entiteben. Tritt fein ge-
niigender Rollateralfreislauf ein, fo wird die untere
Rirperhilfte durch verminderte Blutzufuhr gelahmt,
die Temperatur abnorm herabgeſetzt und der Tod
unter Deut Bilde der Gangriina herbeigefiihrt. Aneu—
rysmen der A. finden ſich bejonders im mittlern
Lebensalter, ihre erſten Anfänge find oft auf eine
fibermapige Unitrengung oder ſchwere Erſchütterung
DeS Körpers zurückzuführen. Als eigentlide Urſache
find aber ſtets Erkrankungen zu betrachten, welche
die Elaſtizität und Widerſtandskraft der Aortenwand
vermindern, wie atheromatöſe Entartungen (ſ. oben),
Syphilis, Rheumatismus x. Das Aneurysma fann
lange ertragen werden, Heilung iſt ſelten, der Tod
erfolgt meiſt durch Berſten des Sackes. Die Diagnoſe
läßt ſich nur auf Grund erafter Unterſuchung ſtellen
(Nachweis eines pulſierenden Tumors, einſeitiger Kehl⸗
topflähmung, Verſchiedenheit des Pulſes auf beiden
Körperhälften ꝛꝛc., Unterſuchung durch Röntgenlicht).
Die Behandlung beſteht in Beſchränkung der Flüſ—
ſigleitsaufnahme auf ein eben noch ertragbares Maß,
Einſpritzung von Gelatinelöſungen unter die Haut,
Einſtechen von Nadeln (Whipunftur) x. Wile diefe
Maßnahmen bezwecken, dad Blut im Wneurysma zur |
Gerinnung ju bringen. Es fann dadurd) in der Tat
gu Heilungen fonmmen, da die Höhle bis auf ein zen
trale3 Lumen, durd) das Der Blutitrom geht, ausge-
füllt und allmählich zur Schrumpfung gebracht wer
den fann. Außer dieſen immer etwas gefährlichen
Verfahren iſt eine ſymptomatiſche Behandlung, die
vorzugsweiſe die Leiſtungsfähigkeit des Herzens be
—— angezeigt. Vgl. Stokes, Die Krank—
heiten des Herzens und der A. (deutſch, Würzb. 1853);
Schrötter, Erkrankungen der Gefäße (Wren 1899). |
AdHfta, Kreishauptitadt in der ital. Broving Turin, |
an der Dora Baltea, Endjtation der Cifenbahn Chi-
vajjo-VU. und Vereinigungspunft der Straßen vom
Groen und Kleinen St. Bernhard, 583 m it. Wi,
inmitten von Objthainen, Rebenhügeln und Mandel
baumpflanzungen geleqen, hat eine Rathedrale mit
reichgeſchmuückter Fafjade umd dem Grabmal des fa-
voyiſchen Fürſten Thomas, cin anjehntides Rathaus,
eine Uderbaujdule und (1901) ca. 6200 (als Gemeinde
607
7875) Einw., die Handel mit Vieh, Butter und Wein
betreiben. Die Stadt hat ein Lyzeum, Gymnaſium und
eine techniſche Schule und iſt Sitz eines Biſchofs und
eines Unterpräfekten. Nach ihr ijt das reizende Tal des
Oberlaufs der Dora Baltea Val d'A. benannt. Das-
ſelbe trennt die Grajiſchen und Penniniſchen Alpen,
hat ſchönes Wieſen und Weideland, Waldungen, Berg⸗
werfe und Mineralquellen, darunter die von Cour-
mayeur (jf. d.), und wurde wegen feiner ftrategifden
Widhtigheit am Ausgang durd das Fort Bard (j. d.)
geſchloſſen. Die ärmlichen Bewohner, ca. 80,000, die
meijt franzöſiſch ſprechen, fiefern ein ftarfes Rontin-
ent gum Rretinismus und zur Wuswanderung. —
L. wurde 26 v. Chr. vom Kaiſer Auguſtus nad Be—
ſiegung der Salajfer als Militärkolonie gegriindet
und erbielt den Namen Augusta Praetoria; von ihr
geugen Die nod) vorbandenen Ultertiimer, insbeſ. cin
riuntphbogen mit 16 forinthifden Marmorſäulen,
ein Tor mit drei Durchgängen, die Ruinen eines Am⸗
phitheaters, die Brücke iiber die Dora, die Stadtmauern
und Türme u. a. Nady dem Untergang de3 rimifden
Reiches fiel A. erft den Goten, dann den Langobarden
ju, unter denen es Sig eines Herzogtums war. Ende
ded 6. Jahrh. an die Franfen abgetreten, bildete U.
alg Hauptitadt einer Grafſchaft einen Teil erjt ded
fränkiſchen, dann des burgundifden Reides. Die
Wrafengewalt übte feit dent Unfang des 11. Jahrh.
bas Haus Savoyen aus. Ral. Tillier, Historique
de la vallée d’Aoste (Yofta 1880—87, 4 Bde.); Eyſ⸗
fenbardt, A. und feine Ultertiimer (Hamb. 1896).
Mofta, Herzog von. Titel cines Prinzen de3
italieniſchen Königshauſes. Jetziger Herzog von A.
Prins Emanuele (geb. 13. Jan. 1869), älteſter Sohn
des Herzogs Umadeo von A. (ſ. Amadeus 6).
Mouradl[, ſ. Astrocaryum.
Apaches Indianerſtamm, f. Apatſchen.
Apadenfie (qricd.), Mangel an Bildung.
Apafi (Upaffi), altes fiecbenbiirg. Geſchlecht. Be-
merfenswert: 1) Michael L, Fürſt von Siebenbiir-
gen, Sohn Georgs von A., geb. 1632, geft. 10. April
1690 in Fogaras, begleitete in feiner Jugend den Für⸗
jten Georg H. Rälöezy auf dejjen Feldzug gegen Polen,
geriet 1658 in tatartche Gefangenſchaft und lebte dann
auf feinen Giitern, bis er anf Betrieb des türkiſchen
Weſirs Wii 14. Sept. 1661 von ungarifden Edlen und
den ſächſiſchen Whgeordneten mit der ſiebenbürgiſchen
Fürſtenwürde befleidet wurde. Nachdem fein Rival
Kemeny (23. Jan. 1662) bei Nagy Szöllös Schlacht
und Leber verloren, wurde A. allgemein anerfannt.
Mit Hilfe der Türken, denen er iibrtich 40,000 Du-
_faten als Tribut zahlen mußte, vertrich er bis 1664
die deutſchen Beſatzungen aus allen fejten Plätzen.
Seinem Miniſter Mid. Televi liek er freie Hand. Die
Weſſelenyiſche Verſchwörung (1667-—70) in Ungarn
begünſtigte er, während er und Telefi in Thököly eher
einen Rivalen fahen. Bei Ausbruch des Krieges 1683
zwiſchen Ojterreid) und der forte mußte A. der tür—
kiſchen Armee folgen und während der Belagerung
Wiens die Donautibergiinge bei Raab bewaden, wo-
fiir ifm der Sultan 1684 die Nachfolge ſeines Soh—
nes juficherte. Wittleriveile war aber Telefi durch
Pater Dunod fiir Leopold L. qewonnen worden und
bewog nun aud) feinen Herr zu einent friedlidjen
Abſchluß mit Leopold. Dies führte 1686 zum Trac-
tatus Hallerianus, worin A. die Oberhoheit Leo:
polds I. anerfannte. Da aber die Stände dieſen Ber:
trag nicht anerfennen wollten und der ſchwache Fürſt
beſſere Bedingungen verlangte, fo beſetzten kaiſerliche
Truppen im Cinverjtiindnis mit Telefi nod) mehr
608
Fejtungen, worauf im Vertrag von Baldssfalva (27.
Ott. 1687) W. nod) fdwerere Bedingungen cingehen
nurpte. Auf dem Landtag gu Fogaras leijteten die
Siebenbiirger (10. Mai 1688) den Habsburgern als
Erbfinigen von Ungarn den Cid der Treue. VW. ver-
lebte feine legten Jahre als Schattenfürſt in Fogaras.
2) Midael II. Sohn des vorigen, lester fouveri-
ner Fürſt von Siebenbiirgen, geb. 1677, geſt. 11. Febr.
1713, mute vor dem von der Pforte unterjtiigten
Gegenfiirjten Thököly im September 1690 fliehen und
wurde erjt 10. Jan. 1692 nad) dejjen Vertreibung
durch den faiferlidjen Feldherrm Ludwig von Baden
von den Standen als nomineller Fürſt anerfannt.
Kaiſer Leopold aber ließ alg Vormund das Fiirjten-
tum durch cine Regentidaft verwalten. 1695 30g fid
A. durch feine Vermählung mit der Grajin Katharina
Bethlen des Kaiſers Ungnade gu. Und als er fid
1696 weigerte, feine Fuͤrſtenwürde niederjulegen,
wurde er nad) Wien gebradt, wo er 19. April 1697
gegen ein Jahrgeld allen feinen Anſprüchen entjagen
mute. Er ſtarb als ⸗Reichsfürſt⸗ tinderlos in Wien.
page (qriec).), fort! pace dic!
Apagõge (qried).), 1) im athen. Geridjtsverfah-
ren die Abführung · cines auf frifder Tat ertapp-
ten Berbredjers vor die zuſtändige Behörde, die ibn
entweder in Haft nahm oder zur Stellung von Bür⸗
en zwang. — 2) (lat. Deductio) das logiſche Ber-
—— vermittelſt deſſen man eine Behauptung auf
die Weiſe widerlegt, daß man entweder in ibe telbit
oder in den aus ibr ſich engebenden Folgerungen einen
Wideriprud mit fidern Wabhrheiten nachweiſt. Der
apagogijde Beweis ijt demnach cin indirefter oder
mittelbarer Beweis, der in der Weiſe gefiihrt wird,
daß aus Der Bahl der an fic) denfbaren Fille, die in
Bezug auf einen beſtimmten Gegenſtand möglich find,
alle bid auf einen (Den zu beweiſenden) durch A. aus-
geidloijen werden. Bgl. Beweis.
Apalachen, |. Appalachen.
Apameia (Apamẽa), Name mehrerer Städte des
Altertums: 1) V am Orontes, Hauptitadt der ſyr.
Landſchaft Apamene, ſüdlich von Antiochia in frucht—
barer, weidereicher Gegend, hieß früher Pharnake,
wurde von Seleukos Nikator, der hier 30,000 Stuten,
300 Hengſte und 500 Clefanten hatte, vergrößert und
befejtiqt und zu Ehren feiner Gemablin Apame A.
enannt. 1152 wurde A., das fdon im 7. Jahrb.
urd) Chosroes II. verwiijtet worden war, durd) ein
Erdbeben zerſtört. Trimmer finden ſich nördlich vom
jetzigen Fort Ralaatel Medik, der alten Akropolis.
—2)U. Kibotos, Stadt in Großphrygien, am obern
Mäander, in römiſcher eit cine der reichften Han-
delsſtädte Rleinajiens, von Wntiodos J. unweit Ke-
lind (f. d.) angelegt. Ruinen bei Dinér.
AUpanage (franj., fpr. ate’, neulat. apanagium
oder apanamentum, von appanare, foviel wie Brot
[panis] oder Unterbalt geben), die gum ſtandesmäßi—
qen Unterhalt der nidt regierenden Mitglieder eines
flirjtlichen Hauſes beſtimnite Uusitattung. Die Ein—
richtung der UW. ijt durch die Erſtgeburtsordnung
(Primogenitur) rechtlich bedingt und aud geſchichtlich
auf dieſe zurückzuführen (abi primogenitura, ibiapa-
nagium). Dem Bediirfnis, die bet der Unteilbarfeit
des Landes von Der Regierungsnadfolge ausgeſchloſ
jenen Prinzen und Pringeffinnen ju verjorgen, wurde
in dlterer Zeit Durd fogen. Baragien (neulat., par-
tagium), d. h. durch die Überweiſung von Land und
Leuten, Rednung getragen, während jest dem ſchon
in der Goldenen Pile anerfannten Verſorgungsan—
ſpruch der nicht reqierenden fiirjtlidjen Perſonen durch
Apage — Apathie.
die —— von Renten Genüge geſchieht. Die
Höhe dieſer A. und die vermögensrechtliche Stellung
der »apanagierten« Prinzen und Prinzeſſinnen itber:
haupt ijt in den einzelnen Staaten teils durch dad
Wrundgefets, teils durch befondere Geſetze, teils durch
Hausgeſetze und Herlommen beſtimmt. Cin Anſpruch
auf VU. fteht nur ebenbürtigen Mitgliedern des Hauſes
ju. Es find aber in Anſehung der A. zwei Syſteme
zu unterſcheiden, je nachdem die Linien oder die ein
zelnen fürſtlichen Perſonen ausgeſtattet werden. Rad
dem erſten Syſtem (Vererbungsſyſtem), das z. B. in
Bayern, Sachſen, Württemberg und Waldeck beſteht.
ijt Die UW. für bie Linie beſtimmt. Die Kinder befom-
men bei Lebgeiten des Baters feine bejondere A. bei
jeinem Tod aber wird die U. unter deſſen ebenbiirtige
Rinder verteilt, und fie bleibt im Erbgang, bis he
Linie ausgeftorben ijt. Nad dem zweiten Syſten
(Heimfallsfyjtem), wie es 3. °B. in Baden und in Ol-
denburg Rechtens ijt, werden die einzelnen fürſtlichen
Perſonen in der Regel von dem Zeitpunkte der Voll
jährigkeit an beſonders ausgeſtattet, und die A. fällt
mit dem Tode des Apanagierten heim. Auch die direl>
ten Nachkommen des regierenden Herr, insbeſ. auch
der Thronfolger, haben in manden Staaten, z. B. in
Bayern, den Anſpruch auf A., wahrend fie in andern
bei Lebzeiten des Vaters von dicfem unterhalten were
den miijjen. Die Bringeffinnen werden, folange fiz
unvermählt, entweder aus der A. der Linie erbalten.
oder fie empfangen eine befondere A., in dieſem Fall
oft Suftentation genannt. Im Falle der Ber
heiratung haben fie etnen Unfprud auf Ausſieuer
(Bringeffinnen-, Fraduleinfteuer); die Witwe
des Monarden wie diejenige eines nachgebornen Prin:
jen haben ein Witt um gu beanfpruden. A. Fraulein
jteuer und Wittum, die regelmäßig in einer Getdrente,
zuweilen aber auch in den Cinfiinften von Lieqen
ſchaften bejteben, haften je nad der in den —
Staaten beſtehenden Einrichtung auf dem Rronjider
kommißgut, dDemt Kammer- oder Domiinenvermigen,
auf der Staatsfajje oder auch auf der Rivillijte ded
regierenden Herrn. Ähnliche Verhältniſſe finden ſich
aud) in den mebdiatijierten fiirjtliden Häuſern. In
Familien, die cin Familienfideifommif erridtet haben,
hat der Fideifommifinhaber zuweilen an die von der
Fideilommißerbfolge ausgefdloffenen Familienglie-
der Upanagen ju deren ſtandesmäßigem Unterbalt gu
entridjten. Die Gripe diefer Bezüge rictet fid nod
dem Statut, Hausgefes u. Familienherfommen. Cine
befondere Upanagenfteuer beſteht in Wiirttemberg
jet 1821. Bal. Hef fter, Die Sonderrechte der fouve-
ranen und mediatifierten Haufer Deutidlands (Pert.
1871); Schulze, Die Hausgefege der regierenden
deutſchen Fürſtenhäuſer (Jena 1862—83, 3 Bde).
Apandrie (qried).), ſ. Apogamie.
Apap, d. h. der wumgetehrie Papa (Papft), Be-
—— jenes Territorialſyſtems der evangeliſchen
andeslirche (Summepiſkopat, lirchliches Polizeireg
ment ꝛc.), durch welches die durch die Reformation
gewonnene Freiheit dem Volle wieder verloren ging.
Aparagement (franz., fpr. Aſch mang), ebenbiirtige
Ehezaparagieren, ausgleichen, gleich machen.
Apart (franz.), beiſeite, abgeſondert; beſonders
Apassionato (ital.), muſital. Voriragsbezeich
nung: mit leidenſchaftlichem Ausdruch
aͤte (qriech.), Betrug; als Perſoniſilation Toch
ter der Nacht, findet ſich auf griechiſchen Vaſenbildern.
3. B. der berühmten Dareiosvaſe in Reapel.
Aupathie (griech.), »lnempfindlidfeit der Seele⸗
| gegen ſchmerzhafte oder aud) andre Eindrücke, daher
Apatin — Apelles.
Gleichgültigkeit oder derjenige Zuſtand, in dent der
Menſch über cin Ereiqnis oder einen Gegenjtand we-
der Lujt nocd Unluſt empjindet, legtern weder begebrt,
nod) verabjdjeut; in Der Medizin franfhafte Abſtump⸗
fung des Gefiihislebens, häufiges Symptom bei Me-
landolie, bet Idioten und im Endſtadium mannig-
fader Geijtesfranfheiten, die in Schwachſinn über—
geben. Unter normalen Verhaltniffen ijt die A. Folge
von Ermiidung de3 Gebhirns. — Im philoſophiſchen
Ginne verjteht man unter A. Freiheit von Affekten
und Leidenſchaften. Die Stoifer (ſ. d.) betradteten dic |
legtern als Sranfheiten der Seele, von denen der
Weiſe ſich frei erhalten miijje, wobci aber manche der-
jelben die ordering tibertrieben und aud) edle und
wobltatiqe Affekte unterdriidt wiſſen wollten. Auch
Spinoza begeichnete das Freijein von Affekten, der
Hoffnung wie der Furcht, als Frucht philofophijder,
d. h. Den Lauf der Ereigniſſe als notwendig und un-
vermeidlich einfehender Erfenntnis. Jn neuerer Zeit
hat Schopenhauer in Übereinſtimmung mit den reli-
gidjen Anſchauungen des Buddhismus die W., info
fern bei derjelben auch alle Untricbe fiir Den Willen
binwegfallen, jum Ideal erhoben (Quietisnius).
Apatin, Markt im ungar. Komitat Bacs-Bodrog,
an der Donau, mit Begirfsgeridt, Hanfbau, Olbe-
reitung, Seidenfpinmeret, Fiſchfang und (i901) 13,940
meiſt Deutiden Einwohnern. In der Nahe fogen. rö—
miſche Schanjen.
Apatit (v. qried. apatan, täuſchen, weil der von
Werner unterfudte Chrenfriedersdorfer A. lange mit
Schörl, Beryll rx. verwechſelt wurde), Mineral, findet
ſich in Heragonalen, meijt furs ſäulenförmigen oder
did tafelartigen, auf- oder eingewachſenen Strijtallen, |
jebr häufig in fornigen, faferigen oder dichten Maſſen
(Phosphorit, f.d.). Ex ijt farblos oder licht qrau,
qriin, blau, violett, rot, mit Glas- bis Fettglang,
durchſichtig bis kantendurchſcheinend, Härte 5, fpes.
Gew. 3,2. Er beiteht aus phosphorjaurem Ralf mit
Chlor oder Fluor. Wan untericheidet danach Chlor-
apatit Ca,Cl(PO,), und Fluorapatit Ca,FI(PO,),, die
häufig ijontorphe Miſchungen bilden. A. findet fid
mifrojfopijd alg Gemengteil ſehr vieler Felsarten,
tritt aud) haufiq auf Güngen auf und bildet fiir ſich
allein betractliche Qagermajjen. Im verwitterten Zu⸗
ftand ijt er dic Quelle des Gehalts der Uclererde an
phosphorjauren Saljen. A. findet fic) befonders bei
Ebrenjriedersdorf in Sachjen, Zinmwald und Schlag—
genwald im mehrere Sentner ſchweren Stiicen, im
PdHmen, am St. Gotthard, im Floitental (Tirol), auf
Gehängen in Wabbro und Hornblendegefteinen in
Rorwegen und Ranada, aud) in körnigem Ralf. Der
ſpargelgrüne Spargeljtein founnt im Talkſchiefer
deS Greiner in Tirol vor, der blaue Mororit auf
der Erzlagerſtätte von Urendal fowie im fornigen Kall
von Pargas in Finnland. Ein didter kreideähnlicher
A. ijt Der chlor: und fluorfreie Ofteolith, der fic |
auf Klüften von Dolerit und Baſalt, 3. B. bei Ojt
heim in der Wetterau, findet.
Apatovac (jvc. avay), Dorf im froatifcdh-flawon. Ko—
mitat Belovdr-Rreuts, unweit der Stadt Kreutz, mit al-
falifd)-muriatifdem Säuerling (Erfriſchungsgetränk).
Apatſ (Apaches), zu den Uthabasten (ſ. d.)
ehöriger Indianerſtamm, der die Gebirgstäler des
— Gila und Rio Grande del Norte in New
Merico, Arizona und Nordmexiko bewohnt. Als wildes |
Reitervolf, das von Jagd und Raub lebte, haben fie |
fich frither gegen die Weißen hichit feindfelig gezeigt.
Erſt im neuerer Heit ijt es der Regierung der Ver—
cinigten Staaten gelungen, den groͤßten Teil der A.
Meyers Konv.«Lerifon, 6. Aufl., L Bo.
609
| auf Rejervationen in Urijona, New Mexico und im
| Indianertervitorium angujiedeln. Bgl. Bufd mann,
| Das Apache als eine athapastijde Sprache erwiejen
| (Berl. 1860-—63, 2 Bde.). S. Tafel » Umeritanijde
| Boller Is, Fig. 15, und Tafel ⸗Indianiſche Kultur I<,
| Fig. 4, 6 u. 8.
aturien (gried).), dreitägiges Feſt der alten
Althener bei der feierlichen Aufnahme der Kinder in
die Phratrien, gefeiert im Monat Pyanopfion (Ollo—
ber bis November).
Apaturius, im Kalender der Ujianer der dritte
Monat, vom 24. Nov. bis 25. Dez.
Apchaz, ſ. Abchaſien.
Apel, Johann Auguſt, Dichter und Serift-
jteller, geb. 17. Sept. 1771 in Leipzig, gett. dafelbjt
alg Ratsherr 9. —* 1816, ſchrieb cine Anzahl von
Dramen meijt antifer Stoffes: »Polydos« (1805),
» Die Ytolier« (1806), »Mallirrhoé« (1807) u. a.; fpa-
ter vorzugsweiſe Novellen und Erzählungen, die viel
Beifall fanden und in mebhreren Sammlungen, 5. B.
»Geſpenſterbuch⸗ (mit F. Laun, Leipz. 1810-—14, 4
Bde.; daraus entnahm F. Rind den Stoff des » Frei-
ſchütz⸗), ⸗Wunderbuch« (daf. 1815—17, 4 Bde.) u.a.,
erfdienen. A. war aud) Verfaſſer einer »Metrif«
| (eip3. 1814 —16, 2 Bde.; neue Ausg. 1834).
Apeldoorn, Fleder in der miederlind. Proving
Weldern, am Apeldoornſchen Kanal, Knotenpunkt an
der Eiſenbahn Wmijterdam -Wintersmijf, mit (900)
25,834 Cinw. und zahlreichen Bapierfabrifen, die gum
großen Teil fiir Ojtindien arbeiten. Jn der Nähe liegt
dad Luſtſchloß L oo, Sommeraufenthalt der königlichen
Familie, mit fhinem Part.
Apella, bei Hora; Name eines leichtgläubigen
Duden, danach ſprichwörtlich: Credat Judaeus A.,
‘non ego (das qlaube der Jude A. nicht ich«).
| WApellains, der zweite Monat des maledoniſchen
RKalenders.
Apelles, der gefeiertſte Maler Griechenlands, Feit -
genoſſe Alexanders d. Gr., bliihte um 325, geboren
in Rolophon, bildete fic) in Ephefos bei Ephoros und
dann bei Pamphilos tn Sifyon. Hu Philipps Zeiten
ging er nad) Makedonien. Hier lernte ibn Wlerander
fennen, der ibn über alle andern Meiſter ftellte und
ihm angeblich allein geftattete, thn gu malen. Bon
Mafedonien aus ſcheint A. mehrere Reiſen unternom—
men und ſich längere Zeit in Rhodos, Kos und Epheſos
aufgehalten zu haben. Nach Alexanders Tode wandte
er ſich nach Alexkandria an den Hof des Ptolemäos,
kehrte ſpäter aber nad) Epheſos zurück. Anmut, ſinn—
licher Reiz, blühendes Kolorit, mit der Strenge und
Korrektheit der ſikyoniſchen Schule ar waren
“nad den Zeugniſſen der Alten die Vorgiige friner
| Werke, die fic) befonders an der beriihmten Anadyo—
mene (ſ. d.) im Asklepiostempel zu Kos geigten. Bon
jeinen itbrigen Werfen waren am gefeiertiten: Wler-
ander mit dem Bik in der Hand (fiir den Tempel
der Yirtemis ju Epheſos), cine Charis im Odeon gu
Smyrna, eine Urtemis unter opfernden Jungfrauen,
ein Herfuled undein Alexander, wie er den Siegeswagen
bejteigt. Kräftig verticfte Schatten: und dadurd) jtart
qehobene Lichtpartien zeichneten alle feine Gemalde
aus; Dod) qebraudte er nur vier Hauptfarben (Wei.
Rot, Gelb, Schwarz, nattirlich mit ibren Nuancen und
Mifdungen). Außerdem verlieh er ſeinen Gemälden
durd einen cigentiimliden Firnis nicht bloß Gadus
gegen Feuchtigkeit und Staub, fondern aud gy “cane
hett und Sartheit des Ausdrucks. Diejelbe Anmut.
die ſich über die Gemälde des A. verbreitete, ſcheint
auch der Grundton ſeines ganzen Lebens geweſen zu
39
610 Apelt —
fein. Über Giferfucht gegen feine Kunſtgenoſſen war |
VW. im Bewupfein feiner Meijterfdaft en. Über⸗
liefert find und Unefdoten von ihm, die feine Unpar-
teilichfeit, Beſcheidenheit und Charaltergröße beleud-
ten. Bgl H. Houffaye, Histoire d’A. (Bar. 1867);
Bujtmann, AW.’ Leben und Werke (Leip;. 1870).
Apelt, Ernjt Friedrid, Philoſoph, qeb. 3. Mar;
1812 gu Reidjenau in der Oberlauſitz, geſt. 27. Oft.
1859 in Sena, ftubdierte feit 1831 erjt in Jena, Dann
in Leipzig, habilitierte fid) 1839 zu Jena, ward 1840
aufjerordentlider und 1854 orbdentlider Profeſſor.
A. war nad dem Tode von J. F. Fries (f.d.) Der nam-
haftejte Bertreter von deſſen Schule. Seine Haupt-
werte find: » Die Reformation der Sternfunde« (Jena
1852); »Die Theorie der Induktion« (Leipz. 1854);
»Metaphyfit« (daj. 1857).
Apennin oder Wpenninen (ital. Apennino, fat.
Apenninus, vom felt. Wort Ben, »Felſenſpitze⸗), das
Hauptgebirge Italiens, das auf eine Lange von etwa
1190 km und mit einer Breite von 30 —-135 km die
Halbinfel (daher »Ypenninhalbinfel<) ibrer gamyen
Ausdehnung nad) von Savona bis Reggio m der
Form eines nad) W. offenen Bogens durdjieht (.
Rarte »Staliene). Im geologiſchen Sinn ent:
fprechen die Upenninen den Ulpen. Sie ftellen gleid)-
ſam die Berbindung gwifden jenen und den nordſizi⸗
liſchen und nordafrifanijden Gebirgsfetten dar. Granit
und kriſtalliniſche Schiefer (Gneis, Glimmerſchiefer xc.)
erſcheinen in den Liqurifden Upenninen im W. von
Wenua und befonders in Ralabrien fiidlid) vom Golfe
von Tarent. Die Wpenninen tm engern Sinne be-
jtehen vorwaltend aus Kalfjteinen, Dolomiten, Sand⸗
jteinen und Mergein der Sreide- und Tertidrformation,
die zumal im N. vielfach Gabbro und Serpentin ein-
elagert enthalten umd bier und da, namentlid) am
onte Vulture, von Trachyt und Bafalt durdbroden
werden. In mächtiger Ausdehnung finden ſich in den |
ndrdliden Upenninen wie im tostanifden Bergland |
die Bilbungen des Flyfd) und de3 Macigno, Mer-
gel, Schiefertone und Sandjteine, die 3. T. Der Kreide,
3. X. den alttertidren Bilbungen angehiren. Cin did-
ter, weißgrauer Streidefalfitein ( inenfalf) be:
teiligt ji ebenfalls in —— Maß am Auf—
bau des Gebirges, fo aud) das Gran Saſſo d'Italia
(f. Tafel ⸗Bergformen I<, Fig. 4). Karboniſche, per- |
miſche, triadifde und liafijde Sedimente find in den
Apuaniſchen Ulpen nadgewiefen (der berühmte Mar-
mor von Carrara hat liaſiſches oder triadiſches Alter);
aud) am Golfe von Bolicajtro befigt die Trias cine
grtbere Verbreitung. Die pliociinen Subapenninen-
ildungen bededen am Abfall der Apenninen die al-
tern Schidhten in großer Mächtigkeit; am Nordojtab-
hang der etrusfijden YUpenninen treten aud) miocane |
Ablagerungen weitverbreitet yu Tage.
Der WU. wird nad den Gegenden, die er durchzieht,
in ſechs Teile zerleqt, die wohl aud) gu drei Gruppen
zuſammengefaßt werden. Man unterfdeidet den Li—
qurifden und den Etrustifden A. (ndrdliden W.), |
den Römiſchen W. und die Abruzzen (mittlerm VL), |
den Neapolitanifchen und den Kalabrifchen (oder fiid-
lichen) U. Der LQiqurifde UW. reidt von der Boe-
dhetta di Ultare, einer 495 m hoben Einſchartung des
den Golf von Genua umgiirtenden Vergwalles, welche
die orographifd - geologifde Grenge gegen die Alpen
bildet, bis jum Paß La Cifa (1042 m). Die ſüdliche
Abdachung fallt ſchroff gegen das Meer, die ndrdliche
mit vielen Tälern fanft gegen die Poebene ab. Zahl⸗
reiche Straßen führen von den Küſtenorten fiber das |
Mebirge, Darunter die von Gemua fiber die Päſſe Boc—
Apennin.
chetta (780 m) und Giovi (472m), wabrend die Eiſen⸗
babn Genua-WUleffandria den Ramm bein lesigenann-
ten Paſſe mit einem Tunnel durchſchneidet. Son beer
gegen ©. verbreitert fic) das Gebirge um das Doppelte
und wächſt gugleid) an Hobe, wenngleich der höchſte
Gipfel, der Monte Bue, nur 1803 m erreicht.
Der Etruskiſche W., der bis jum Wetaurotal
reicht, hat durchweg ſüdöſtliche Richtung und bejtebt
aus einem Syſtem kuliſſenartig voreinander geſchobenet
Ketten ohne eigentliche Zentrallette. Die hervorragend-
ſten Gipfel find im nördlichen Teile die Alpe Di Sucaio
(2017 m), Monte Cusna (2121 m) und Monte Ci—
mone (2163 m), legterer Die höchſte Erhebung des
nördlichen A. iiberhaupt. Cine bejonDere Stellung
nehmen im nodrdlidjen Teil die Durch die Langstaler
des Serchio, der Magra und Antella abgefonderten
Apuaniſchen Ulpen (jf. d.) em, die ſich im Wonte
Piſanino zu 1946 m erheben und an Der dem Teer
zugelehrten Ubdadung aus reinem Warmor (Carrara)
aujgebaut find. Die widtigiten Ubergange des etrud
fifden A. find die Eiſenbahnlinie Bologna - Florenz
die das Gebirge bei Pracdhia mit einem Kehrtunnel
(617 m it. M.) durdbohrt, und die Linte Faenza Alo⸗
renz. Zwiſchen beiden überſchreitet den A. die ichdne
Straße von Florenz nach Bologna über den Vaß La
Futa (903 m). Der die Waſſerſcheide bildende Kamm
tritt im weitern Verlauf an Höhe zurück (Monte Fal⸗
terona 1649 m). Durch die Längstäler des Arno, der
Sieve und des Tiber wird von demfelben eine mehrfach
durdbrodene weſtliche Barallelfette geſchieden, m der
jid) Der Pratomagno ju 1580 m erhebt. Der an der
Bocca Trabaria (1100 m) gwifden dem Tiber - und
WMetaurotal beqinnende rd mif dye VW. reicht brs zu dem
Quertãlern des Tronto und Velino und beſteht gleud-
fall3 aus gablreidjen Faltensiigen. Im RN. erhebt fid
in Der Hauptfette der Monte Catria (1702 m), tm S.
jteigt Die Kette der Sibillinifden Berge nn Monte
Vittore bis zu 2478 m empor.
Südlich vom Trontotal fest fid) Der A. or den
Abruzzen (f. d.) fort, Deven öſtliche Hauptfette im
Gran Sajfo d'Italia oder Monte Corno die größte
Höhe im den gejamten YWpenninen, namiich 2921 m
erreidht. Die weſtliche Barallelfette, die mit der eritern
das Hodland von Aquila einſchließt, ſteigt un Monte
Velino gu 2488 m empor, und fiidlid) vom Pescara
Durdhbrud (mit den Eiſenbahnen Cajtellammare
Udriatico-Terni und Caſtellammare Adriatico-Sol⸗
mona-Rom) erhebt fic) der gewaltige Ralfitod der
Majella mit dem Monte Amaro ju 2795 m.
Vom Sangro- und Bolturnotal bis yu Dem des
Crati reicht Der Neapolitanifdhe A., in Dem die
Faltung und der Parallelismus der fuliffenartig ge
bauten Retten völlig juriidtritt. Die Höhe des Ge-
birges ijt qeringer als tm mittlern W.; dad Ralfmaffiv
des Matefeqebirges erreidht im Wonte Miletto
nod) 2050 m. Am Ojtrande des Gebirges liegt der
erloſchene Bulfan des Monte Bulture (1330 m). Die
von der Weſt- zur Oftfiijte der Halbinjel führenden
Strafen und Eiſenbahnen (von Neapel nach Foggia
und Metaponto, von Cajanello und Benevent nad
Termoli) haben hier feine bedeutenden Schwierigferten
ju fiberwinden. Im GS. erreidt der U. nod emmmal
bedeutendere Höhe, insbeſ. in dent Gebirgszuge des
Monte Pollino mit der Serra di Dolcedorme (227 1 m),
um Dann fteil sum Cratital abzuſturzen.
Den ſüdlichſten Teil der Halbinfel erfiillt der ſeinem
innern Bau nad völlig veridiedene Ralabrifde A.
der nur nod an wenigen Punkten meijt kuppenartig
dem Altern Geftein aufgeſetzte Refte des Apenninen
Apenrade
falfe3 aufzuweiſen hat. Er fest fid) im N. aus einer
ſchmalen, fteil zum Tyrrheniſchen Meer abfallenden
Rette (Monte Cocuzzo 1542 m), durd) das tiefe Tal
des Crati im O. begrengt, und aus der madtigen
Granitplatte des Silagebirges, dad eine mittlere Hd
von 1600 m bat, gujammen. Dieſes nordfalabrij
Bergland ijt durch die bis 250 m herabjinfende, aus
jungtertidrem Gejtein aufgebaute falabrijde Landenge
zwiſchen den Golfer Gant’ Cufemia und Squillace
von dem fiidfalabrifden geſchieden, das, an feiner
Wejtieite ein Herd haujiger Erdbeben, in dem geal:
tigen Kegel des Aſpromonte (Montalto 1958 m) an
der Meerenge von Meſſina endigt.
Die äußere (ndrdlide und nordöſtliche) Abdachung
deS A. gum Pogebiet ijt ſanft, die dftlide, ber Adria
zugekehrte, faſt durchaus fteil, fo Dak nur an den Kü—
jten Raum fiir cine Strake übrigbleibt. Dadurd, dak
der A. fiidlid) vom Golfe von Salerno nabe an die
Weſtküſte Italiens tritt, ndrdlicjer aber fic) immer
mehr von ihr entfernt, entſteht ein dreieciger, von den
Abhängen de nördlichen UW. im N., denen de3 mitt-
fern im D. und der Küſte im W. eingefdloffener Raum,
der von Den Bergaa en des fogen. Gubapennin
ausgefiillt wird. ef bejtehen bis auf einzelne infel-
artig jich erhebende Maſſen des Upenninenfalfftens
aus jiingern Lertiarjedimenten und, was bejonders
dharafterijtijd ijt, vulfanifden Bildungen verſchiedener
Yirt. So gibt es hier tätige und erlofdene Bulfane,
beige Ouellen, wie befonderS die borſäureführenden
Thermen bei Volterra xc. Durch die breiten Taler der
aus dem YW. kommenden Flüſſe zerfällt der Subapen:-
nin in mehrere Teile, deren bedeutendjter das Bergland
von Tosfana ijt, dad im N. durch das untere Ärno—
tal von den ſüdlichen Abhängen des etruskiſchen, im
O. dagegen von den weſtlichen des römiſchen A. durch
das Tal des mittlern Arno und die flache Ebene der
Chiana getrennt wird und mit dem vulfanifchenMonte
Untiata 1734 m Hohe erreicht; im S. enden die Hdhen
dieſes Berglandes am untern Tiber, Das Innere ded:
felben bilden ausgedehnte frudtbare Ebenen, wie die
von Giena und Solterra; im W. endet das Bergland
mit ſchroff abfallenden Retten. Der Teil des Sub—
apennin zwiſchen den Tälern des Tiber und Gari-
qliano enthalt zwei fleine, aus vulfanijden Gefteinen
qebildete Bergqruppen, die durch die Tiler des Unio
und Sacco von dem cigentliden A. gefdieden werden:
das durch feine Naturſchönheiten und reizenden Seen
beriihmte — ————— (f. d.) mit Dem Monte
avo (956 m), und fiiddftlich davon die Bolster
Berge (Monti Lepini, Semprevija 1536 m), die einen
Ouerriegel bis an die Miifte bei Terracina vorjdieben. |
Der ſüdlichſte Teil des Subapermin geht vom Gari-
sad bis gu dem Bergzug von Cajtellammare im
. bon Salerno.
Das Klima ijt im ganzen, namentlich auf dem fiid-
lichen A., rauher, als man unter dieſen Vreitengraden
und bei der Lage Dtaliens erwarten follte. Wabhrend
in tief liegenden und geſchützten Tilern die Hise im
Sommer einen fajt unertraglidjen Grad erreidt und
beinahe an der gangen Weftfiijte Palmen und einige
Gewächſe fajt tropifder Klimate gedeihen, fommen
auf den dem Winde preisgegebenen Höhen bei 1600
2000 m Meereshöhe weder Objt nod) Getreide fort;
der Baumwuchs verfiimmert und wird drmlid. Die
höchſten pen ſind nur wenige Wochen im Jahr
ſchneefrei. Klimatiſch iſt namentlich der nördliche A.
cine ſehr wichtige Scheidewand, erſt an ſeinem Süd—
hang fängt »Stalien<e an. Dem Verkehr ſetzen nur
Die nördlichern Teile bis in die Breite der Abruzzen
— Aper. 611
rößere Schwierigleiten entgegen, jo daß jetzt das Ge-
irge im ganzen von zwölf Eiſenbahnlinien, allerdings
melt mittels Tunnels, iiberjdritten wird. Dazu tit
die ganze öſtliche und weſtliche Abdachung von lef:
fandria und Savona bis Reggio di Calabria von
Eiſenbahnlinien begleitet.
Apenrade, Kreisſtadt im preuß. Regbez. Schles-
wig, an der Oſtſee, Knotenpunlt der Staatsbahnlinie
Rothenfrug-W. und von 2leinbahnen, hat eine evang.
Stirde, ein Rathaus mit den Bildern der Fürſten olden-
burgijden Stammes, Navigationsſchule, Umtsgeridt,
DOberfirjterei, Hafen, Orgel- und Mafdinenbau, Bier-
brauerei, Fiſchräucherei, Viehhandel und (1900) 5952
Einw. — A. erbielt 1284 Stadtredte. Wm 9. Febr.
1864 wurbe es von Den Preußen befest.
Apepfie (griech.), geſchwächte oder ganz geſtörte
Verdauung. Vgl. Dyoͤpepſie.
Aper (v. lat. apertus), offen, nicht mit Schnee be-
dedt; Uusapern, Fortſchmelzen des Schnees; ape-
rer Gletſcher, untere Partic ded Gletſchers.
Apercçu (franj., for. fii), Uberblid; überſichtliche
Darijtellung; geiſtreicher Cinfall.
Wperéa, ſ. Meeridweinden.
Aperientia (Aperitiva, lat.), erdffnende Mittel
gegen ftodende beh ary rd o Ubfilhrmittel, harn-
treibende, gallentreibende Mittel rc.
Aperiodifd, ſ. Galvanometer.
Mpeért (lat.), offen. Apertum feudum, eröffnetes,
erledigte3 Lehen. Aperto termino, nad Crijfnung
des Termins.
Apertometer, ſ. Apertur.
Apertũr (lat., Offnung.), der Durchmeſſer der
ringförmigen Blendungen, mit denen man die Ob—
jeftivlinfe von Fernrohren, Mikroſtopen ꝛc. bedeckt,
oder die man im Innern dieſer Inſtrumente anbringt,
um die Randjtrablen absubalten, die das Bild infolge
der ſphäriſchen Uberration undeutlid) machen; aud
der nicht von der Faffung bededte Teil der Oberfläche
ciner Linfe. Numerifde A. ijt das Berhaltnis des
Durchmeſſers der die Linſe bedectenden Blendung zur
Brennweite. Beim Mikroſtop ijt nach Abbe die nu—
meriſche A. gleich dem Quotienten aus der Brenn-
weite des Objeltivſyſtems in den Halbmeſſer des in
der Ebene des hintern Brennpunktes genommenen
Querſchnittes des austretenden Strahlenklegels. Bu
ihrer Meſſung dient das Apertometer. — Auch
ſoviel wie Lehnseröffnung (ſ. Heimfall des Lehens).
Aperwind, Tauwind in den Alpen, der die Berg-
hänge aper (ſchneefrei) macht.
a peso (al peso, ital.), ſ. Al pezzo.
Mpetalen (lat. Apetalac), blumenblattlofe
Gewidfe, im Endlicderfden Pflanzenſyſtem die Di-
fotyledonen, deren Blüten feine oder eine nidjt in
Kelch und Blume gefdiedene Blütenhülle beſitzen.
Apex (lat), sing , ber kegelförmige Hut der alt:
römiſchen Prieſter; Spite eines Kegels; Längen- oder
Tonzeichen über cine Silbe; Apices juris, Rechts—
ſpitzfindigkeiten. — Nad Schiaparelli heißt A. der
Punkt des Himmelsgewölbes, nad) dem hin die Erde
fich in einem bejtimmten Augenblick bewegt. Er liegt
ungefabr 90° vom Orte der Sonne am Humuel ent-
fernt, und gwar weſtlich; er ſteht alfo durchſchnittlich
fiir jeden Ort wm 6 Uhr —— im Meridian. Der
A. ijt von Wichtigkeit für die Erſcheinung der Stern-
ſchnuppen, weshalb er aud) die meteorijde Sonne
qenannt wird. Der dem UW. gerade entgegengefepte
Puntt de3 Himmels, von dem die Bewegung der
Erde abgewendet ijt, heißt Untiaper. Bal. Stern-
ſchnuppen.
39*
612
elather (Apfelöh, Fruchtither vom Gerud |
Der Upfel, ijt im weſentlichen Baldrianfiure -Umyl- |
dither, wird in der Konditorei, auch sum Anlocken von
Nachtſchmetterlingen benutzt. Apfeleſſenz it eine
Loſung von VW. in Allohol.
Upletbaum (Malus Tourn., hierju Tafel »Upfel
u
forten«), Gruppe Der Gattung Pirus — (f.d.) aus
der Familie Der Roſazeen. Der Strauchapfel (P.
pumila Mill.), cin Strauch mit elliptiſchen, unterſeits
wolligen Vlattern, rdtliden Blumenblattern und rot
lichen oder gelbliden, herben Früchten, in Südoſtruß
land, dem Maufafus und in der Tatarei. Kommit in
vier Formen vor: alg 1) Johannis⸗- oder Para-
Diesapfel, mit glänzend dunfelbrauner Hinde und |
qeringer Behaarung, wegen feiner woblidmeden-
den Früchte fon im 15. Jahrh. tultiviert; 2) Hed
oder Saunapfel, dem vorigen ſehr ähnlich, in Laub—
wildern, mit febr berben Früchten; 3) Splitt-,
Siifhapfel (Doucin), mit wolliger Behaarung an
den Sommertricben und der Unterfcite der Blatter, |
trägt flifliche Ariichte; 4) Feiqenapfel, mitwolliger |
Sebaaring, vbne Blumen» und Staubblatter, tragt
woblicmedende, dicht am Holze figende Friidte.
Miattblitteriger UW. (P. silvestris Mill), meiſt
baumartiq, mit unbehaarten Blattern, rofafarbigen —
Blumenblattern und herben, ungeniejbaren Friidten,
widdjt in Laubwaldern in Wittel- und Süddeutſch
land, in Frankreich und England, ſtammt aber wohl
aus Aſien. Fil zigblätteriger A. (P. dasyphylla
Borkh,), Baum nut breit elliptiſchen, unterſeits wol⸗
ligen Blattern, rötlichen Blumenblättern und herben,
ungenießbaren Früchten, ebenfalls in Laubwäldern
Deutſchlands, ſtammt aus Vorderaſien und gilt als
Stammpflanze der Nenetten. Bflaumenblatte
riger A. (P. prunifolia Widld.), Baum mit länglich
ovalen, fury jugeipigten, etwas bebaarten Blattern,
weißen Vliiten und langgeſtielten, gelben, rötlich
elben, aud) blutroten Früchten, in Norddina, der
ataret und Südſibirien, gilt als Stammform des
Wjtracaner Apfels und des ruſſiſchen Eisapfels. Dieſe
vier Arten dürften als Stammpflanzen der Kultur
varietaten ju betrachten fein. Letztere find nicht ſamen
deſtandig. ſondern hefern durch Ausſaat febr verſchie
dene Formen, und nicht ſelten finden ſich bet uns ver
wilderte Apfelbaume mit bolzreicher Krone, Meinern
Blattern, Bluten und Fniedten mit bartem, jaurem
Flerch. Im fudlichen Rußland budet der wilde Vi. cinen
erdeblichen Memengtetl der Laubwalder, was wobl auf
Me weſtananiche Qeumat des Vpielbaumns bindeutet.
Per A. cP. Malus L. von dem durch mebrere
Jadrtauſende alte Nultur durch Kreuzung und Aus
lefe tiber GM) Sorten (Me Romer fannten beretté 29)
entitandyn find, de mod jahrhich durch Ausſaaten
vermedrt werden. tt der wichngite Thitdaum, bat
aber cine geringere Verdreitung als der Birnbaum.
Schon um BS. und FS. Europas werd er allmädlich
‘cltener. und auch in Anen acbt er mbt wert nad =.
Nordind von Rictnatien dirdet er Reine Baldr und
ertredtt “> von da bts Sentralatien. Air Me meriten
Nusturarte, dirdet Me Betrhore des Raiprinen Weeres
Me em. An Spanten gedeidt der A. treed, aber
mM uw lcm Aongien. Sede verdrenet ct er in Cv
und Section err Wap, in Aum ahen, ben Gebirgen
dM trepeten Wmerfa. mam-entixd aber m Nord
areesi2 Omens Nortiern Spr. Rai formen, Ore
gon Qe Cerope ndet fat Wes. fe nur dauptie ore
morte) Bolen Sade Thernoyen. (even
&: "om DPanrover, Bonein. Wed
we. * Dew wer Sasi. Boomen, Ir. Done
i
oe © & Day wre
. *
Apfeläther — Apfelbaum.
mart, Südſchweden. England, Frankreich. Oberitalies
und Nordipanien. Der Vi. liebt tiefgrundigen, lodere
humusreiden, fandigen Lebmboden, g aber mutt
in reinem Gand-, Moor oder ſehr nafjem Tonbotn.
Eine gewijje Feuchtigleit in Boden und Luft fagqen
ihm befonders yu, auch verlangt er redjt freve Vag.
Wan fultiviert den A. als Hoditanm, mdem man
fraftige Wildlinge unmittelbar iiber Dem Boden ver
edelt, aber aud) in veridjiedenen Swergformen , als
Pyramide, Palmette, Rordon.
Bon den Syitemen, in die man die Yipfel qebradt
hat, findet jest Das von Lucas verbefferte Dielige
Syitem mit 15 Familien fajt allgemein Anwendung
In der folgenden ict, welche Die anerfennt
bejten Äpfel enthalt, bedeuten die Buchſtaben S benter
dem Ramen Sommeräpfel, die vor Ende Sp
tember reifen, H Herbjtapfel, die von Anfang
tober big Mitte November reifen und
lagern miljjen, undW Winterapfel, die 2
und länger lagern miijjen und gewöhnlich mm De
yember und fpdter reifen. * bedeutet guter, * etre
quter Tafelapfel, + quter, ++ febr quter BWurtidahe
apfel, Z 3iderapfel, D cine jum Dorren beſonders o¢
eignete Sorte, ° die vom deutſchen Bomologenverrm
1893 empfoblenen Sorten.
Ginteilung der Gpfel naw Diel- Sucad,
1) Malvilien, meift mittelgrofe, bod gebaute gegen bee
Kelch hin faft ftets fich verjingende Frucht mit mebrerem Sher
ibre Wélbung binlaufenden rippenartigen Eroabenbetter, SQaie
fein, sart, glatt, beduftet, bet ber Neife fettia, Aleife wend, lode
aromatii®, mit Erd- oder oma: Freaé’ €ommertai.
ville S* * t, roter Herbfttalville 9H * ¢ +, Gravenitetmer *H**' tt
weifer Bintertalville °W* * +t (Fig. 1), gelber Micbexd HE" "+
2) Swlotter:, Mapperidptel, met demtia rope Bete!
plattrund (Badiptel), langlich tegelfirmig ( SGafénaien), melps
férmig (wabre Schlotterapfel), oft mit cimpelnen breizee Herver-
ragungen, Scale glatt, derd, meiit glanjend, Ficti@ firwg Loder,
etwas grob, felten gewiiribaft: Grinjenapiel °H** tt (tg Th
Sommergewiixjaptel (ruffiid@er Cisaptel) S* t, rberntiger Sram
ftiel W*ttDZ, Millers Shlotteraptel H*t ft.
3) Gulderiinge, taum mitteigrofe Apicl, wm dee Beko
mebr ober weniger gerippt, plattrund, mad dem Rel etmes p-
acipigt (Baftardlalvilien) oder langlich tegelfdemig oder weie=
férmig (wabre Gulderiinge), Saale glatt, oft etmes reRiperty
metft gelblicharun. Fletid fein, foft renettenartig, premised tek, Gh
weiniduerli® oder vorderribend {6 umd gewiribet:: Chempeg
nervenctte °W* tt, Soifenapte! °W**t +, ſaber Holeert Ht t,
gelber Gelicfleur °W**?tt, Goldgulderitag (aeg 3) W**.
4: Rofexadpfel, mei® regeimitig, biufig $04 gedente seer
tugelforange Aptel, um den Reig umd jam Teil Sher ee Badung
mt fantten Erda den deiten. Scale glett, ferm, bepeftet, bem
Raden gewirjbaft rindend, Alerich werd, loder, 5 T. toeormng
pon fanmem, gowdribeftem, femdciartigem oder retendpfeiéce
Geiomad: virgtrriger Roiemaptel *S °°? Fig 4). viirigreer
Zemmerestel °S**+, Sommeryetapteld S**, werher Bare
gen “s**+, Denmeet Ramteptel °° * + +, geflemerter Couftest,
Séomeliling H* ttl Clams’ ferbtertel °H°* +t, paper.
reter Coufnet *, lagdagtcd W°ttZ. Cherlamevity *S** +1.
5 TFanbendptel, fre xd cerccigrefe, mage ober ante
reacimditg eertepee, ldagha trec!*ecmmge Brier, Saale giex
citmeen>. “erm, leaat bedatert, “eloee tt SeRipesen, Fietia iece
térma stem ‘ct aed meric (‘ng gemSribeh: reeer Sime
taubemertel We’? «deg 5) Rlemtepiet Wee ¢.
6 Btandaépfel Semdeourivic! grege wxd tebe groie,
poeming smropeimeiag gedbecte Gotel oelé phettreamd, otlé to@
ecdent, te ber Hegel art emgiogee (tors ued fogee Sizpen,
Zpale gett, giimgemd, dard. oft th Fleck gredtirmg lode,
mere tomer wet 4 pemar.det: geemceo Ser.
penal ° Wt, Reser Rugeeanrr 'H*+r?¢ Gig ©,
t%cmivcr Were DZ
7 Qembeugrrescttes. ert oobe tobebewsbalige
cen ~its eebcun Bréacr st ress. 4, E Gerke
Share amt bee Re. Orl.>.ng Sder Ger bes
Fac: .e> a ber? wert retreryy poeeeteriag
m Diel-Lucas).
~~ ; : 4
aterfanbenapfel 6 Kaiser Alexander 7 Renette von Kanada § Ananasrenetle % Edelborsdorter
_peanane. 13, GroBer Bohnaptel 4. Klemer Fieiner. 15s. Gelber Edelaptiel
Institut in Leipzig Zum Artikel _Apfelbearm’
Apfelbaum (Upfelforten, Benugung r.; der Upfel in der Symbolif).
Sonnenfeite unbeflindig gerötet, Fleiſch abfnadend, fein oder
grobtirnig, von ſußweinſaurem, renettenartigem Geſchmack: Pa-
riſer Hambourrenette °W** tt, Londoner Pepping °W** FF,
Edelrenette W**!++, Golbdjeugapfel W**t++Z, Scotts Re-
nette W**+t, Renette von Kanada (Fig. 7).
8) Ginfarbige oder Wadsrenetten, meift mittelgrofe,
runbe ober plattrunde, felten bodgebaute Fruchte ohne auf-
fallende Erhabenheiten, Sdale glatt, glinjend oder, namentlicd
auf ber Kelchwölbung, roſtſpurig, gelb oder mit geringem, nidt
fonjtantem Hot auf ber Sonnenjeite, Fleiſch feft ober martig,
feinfirnig, von fllfweinfauerlidem, 4. T. vorgiiglicem Renettens |
geſchmack: Gasdonfer Henette (W** tt, deutſcher Golbpepping
Ow**tt, Safjeler gelbe Renette W** t+, Lanbéberger Re- |
nette OW**++, Ananadrenette °W**!++ (Fig. 9).
%) Borsdorfer Renetten, kleine bis mitrelgrofe, runde
oder plattrunbe, febr regelmifiq gebaute Früchte, Shale glatt,
glanyend, mit eingelnen Barjen und Roftanfliigen, grundfarbig,
bedfarbig, auch undeutlich ober felbft ziemlich rein geftreift,
Fleiſch feft, ſehr feintsrnig, von eigentiimlidem, filpweinigem
Geſchmack: Cludiud’ Borsdorfer W** tt, Swiebelborédorfer
W*ttZ, Ebelborsdorfer °W**! +t! (Fig. 9).
19) Rote Renetten, kleine bis grofie, verſchieden gebaute
Friichte, zuweilen mit fladen Erhabenbeiten auf der Kelchwöl⸗
bung, Shale glänzend, meift glatt, felten roftfpurig, decfarbig
oder geftreift auf grünlich⸗ ober hellgelber Grunbdfarbe, bie Rite
meijt rein und obne Roſtſpuren, Fleiſch fein, abfmadend, 4. T.
martiqg und febr gewürzhaft, ſußweinſauerlich: Langtond Sons
bergleiden CH*t+t, fcharladrote Parmine H** ++, Gommer-
parmine “H**++, Baumanns Renette (W**tt, Coulons
Renette W** tt, rötliche Renette W**tt, Rarmeliterrenctte
Ow**!+t (Fig. 10), Musfatrenette (W**!+F.
11) Grane Renetten (Lederapfel), regelmapig gebaute,
fugelfirmige, plattrunde, felten bobe Frildte mit grau⸗grünlich⸗
gelber bis mattgelber, durch Roſt rauber Saale, feinem, marfigem,
fiipem, rect gewitrabaftem (wahre Lederdpfel) oder fenchelartigem
Gejhmad (Fenchelapfel): englijde Spitalrenette °W* *!++,
grauer Rursftiel W ** + + Z, qraue franzöſiſche Renette W**! ++
(Fig. 11), Parkers Pepping OW**TT, van Mons + Renette
We*!tt.
12) Goldrenetten, meift mittelgrofe bis grofe, plattrunde,
fugelige und bhodgebaute Fridte mit regelmidfiger ober ge—
rippter Relchwölbung, ziemlich glatter, mehr oder minder, be—
fonders auf der geréteten Sonnenſeite, roftjpuriger, bodgelber
und goldgelber, getufcter ober geftreifter Scale, Fleiſch febr
fein, faftvoll, martig, häufig gelblich, febr gewürzhaft: Winter:
golbparmine °W** t+ (Fig. 12), Orléansrenette °W**! ++,
Harberts Renette OW*tt+t, Golbrenette von Blenheim
OW**ttZ, koniglicher Rursftiel OW**t+Z, Ribjton Pepping
OW'*tt, grofe Kaſſeler Renette °W** +t.
13) Streiflinge, meijt mittelgrofe und grofe Friidte, vor:
613
Renette, Wintergoldparmine, Luifenapfel, Rarme-
literrenette, Taftapfel, gelber Cdelapfel, brauner Mat-
apfel, Borfers Pepping. Der Borsdorfer, der
ſchon im 16. Jahrh. in Thitringen, Sachſen und
sacipierg | wurde und feinen amen von einem
Dorf bei Meißen, wo er entitanden ijt, erbhielt, wird
in Medlenburg, in der Altmark, in Böhmen, Süd—
tirol und in der Krim angebaut. Er bejigt größte
Gebraudsfibhigkeit, verlangt aber guten Boden, gün—
jtige Mimatijde Verhältniſſe, und trägt erjt in 1O—12
aren. Siidtirol und Oberitalien liefern die zu den
Taubenäpfeln gehörenden weißen und roten Ros—
marinäpfel und den Edelroten, die nur in dieſem
ſüdlichen Klima ihre Volllommenheit erreichen.
Das ſpezifiſche Gewicht der Äpfel ſchwanklt von
0,75—0,9, der Gehalt an Trockenſubſtanz von 13—
25 Proz., der Saft hat cin ſpezifiſches Gewicht von
1,02 —1,08, gewöhnlich 1,02-—-1,04. Die Tabelle gibt
einige Beijptele von dem Gebalt an den weſentlichſten
VBejtandteilen.
| guder Hotels| pettin | wafer | Rafer
ſäure
Engliſche Goldparmäne 10,4 | 0,48 | 5,11 | S1s7 | 218
Engliſche Granatrenette | 7,3 | O48 27 | 87,27 ° 2,90
Gravenfteiner Apfel . 10,9 | O44 | 135 85,16 | 217
Bordsdorfer Apfel 7,6 | 061 6,85 8249 | 244
Weifer Matapfel | %o | 001 | 3,35 82,13 4,53
Deutſcher Glasapfel . | 7,1 | Oe7 | 3,83 | 86,32 | 2,08
Bur Uufbewahrung miijjen Äpfel gu rechter
Zeit und mit Vorfidt abgenonmmen werden, am bejten,
jolange die Gonne fdeint, an Hellen, trocdnen Tagen,
und gwar bei Gommeriipfeln, fobald einzelne Früchte
abfallen, bei Herbſtäpfeln in trodnen Jahren von
Mitte bis Ende September, bei Winteriipfeln jeden-
| falls erjt, nadjdem die Blatter abgefallen find. Man
leqt die Wpfel einzeln auf trockne Bretier oder Stroh
in luftige Kammern oder Helle, trocdne eller, auch
ſchichtet man fie in gut verſchließbaren Fäſſern zwiſchen
reinem, ganz trodnem Sand, fo daß fie ſich gegen—
ſeitig nicht berüihhren. Man benutzt den Apfel als
friſches Obſt, in der Küche, als Backobſt, zur Dar—
ſtellung von Kraut, Apfelwein, Eſſig und Brannt—
wein; aus ſauren Apfeln wird Extractum ferri po-
herrſchend rundlich hoch gewölbt, kegeiförmig und gerippt, Schale matum, ein beliebtes Eiſenmittel, dargeſtellt. Das
alatt, gldnjend, fein oder derbhäutig, häuſig beduftet, geftreift | Harte, dauerhafte Hol; des Apfelbaums wird ver—
und getuſcht⸗ geſtreift. ſelten roſtſpurig, Fleiſch feft und körnig. arbeitet, doch zieht man das Holz des wilden Apfel—
aud ſchwammig, meiſt rein weinſäuerlich, ohne Aroma: Luiken—
apfel W*tTZD, roter Trierſcher BWeinapfel oWtt!Z, brau-
ner Matapjel W*tt!Z, grofer Bohnenapfel -Wtt!ZD
(Fig. 13), voter Eiferapjel Wtt! ZD.
14) Spitzäpfel, meiſt mittelgrofe, boc gebaute, fegelfirmige
Apfel, Shale glatt, glinjend, fein, felten beduftet, grund⸗ und
bedfarbig, mie geftreift, Fleiſch Loder, miirbe, ſußlich bis rein
ſauer: Königsfleiner W** tt, kleiner Fleiner *++ZD (Hig. 14).
15) Plattapfel, tleine, mittelgrofe und große, plattrunde
oder flachfugelige Apfel mit glatter, glaniender, fefter Scale,
qrunbds und bedfarbig, nie geftreift, häufig beduftet, Fleifd weiß
und grilnlicweif, meiſt feft und abtnadend, felten milrbe und
martig, vein fil bid rein fauer, nie wabhrbaft gewilribaft:
gelber Gdelapfel SH * ++ Gig. 15), gelber Winterjtettiner
OW +t, weifer Bintertaftapfel OW *ttZ, qrilner Fiirftenapfel
OWtt!Z, Gubener Warraſchle W*tt! DZ, Winterjitronen:
apfel W*ttDZ, roter Stettiner (W*ttDZ.
baums vor. Bgl. Objt und Objtbau. Dort fiehe aud)
fiber die Feinde des Wpfelbaums.
Der Upfel fpielt in der Sy mb ol i€ cine qrofe Rolle.
| Mad) fpiiterer griechiſcher Mythe war Dionyfos aud)
| der Sdhdpfer de3 Upfelbaums, den er der Aphrodite
ſchenkte. Dadurch ward derſelbe erotiſches Bild.
Aphrodite ſchenkte drei goldene Apfel dem Hippomenes,
mit denen dieſer die ſchnellfüßige Atalante zum Weib
gewann. Eris aber erregte durch den goldenen Apfel,
Ben fie an der Hodhjeit ded Peleus und der Thetis
unter die Gajte warf, die Eiferſucht der drei erſten
| Bittinnen (Apfel der Eris, Zanfapfel). Die qoldenen
fel der Hejperiden hatte Gäa der Hera bet der Ver-
mãählung derſelben mit Beus als Symbol der Frudht-
, barfeit gefidentt; Heralles Holte fie uu Lande der Hy-
Bu Unpflangungen an Chaujfeen und Feldwegen | perboreer, wo fie von dreien der Hefperiden und von
in rauhen, erponterten Lagen haben fic) bewährt: cinem hundertfipfigen Drachen bewacht wurden. In
Champagnerrenette, große Raffeler Renette, Carpens der nordiſchen Mythe find Äpfel die Speije der Aſen,
tin, Boifenapfel, engliſche Spitalrenette, Bwiebele Idunga ihre Bewahrerin. Sie hatten die Kraft, den
bor8dorfer, rheinifder Bohnenapfel, purpurroter | ju verjiingen, der fie ak. Nad) altgermanifder Vor—
Coufinot. Jn mehr geſchützten Lagen find geeignet: | jtellun it der Upfel Symbol der Mutterbruſt und
fonighicher Kurzſtiel, Landsberger Renette, Baumanns | der nährenden Liebe. Nod) jest erinnern manche Ge-
614
briiudje an die Borbedeutung des Apfels fitr Liebe,
Frudjtbarfeit, Leben und Tod. Rach der bibliſchen
Erzählung war es cin WUpfel, der die erjten Menſchen
zum Falle bradjte, und fo galt der Upfel im Mittel⸗
alter al8 Symbol des Sinnenreize3, der Crbfiinde.
Als Reichsapfel (ſ. d.) mit dem “4 ijt der Apfel
Symbol der Weltherrfdaft. Vol. Engelbredt,
Deutſchlands Upfelforten {SrauntGo. 1889) und Die
Literatur bei »Objtbau« And »BPomologie«.
Apfelbeerftraud, ſ. Sorbus.
Apfelbliitenftedher , |. Blütenſtecher.
Apfelbutter, ſ. Kraut.
Apfeleſſenz, ſApfeläther.
— Form der beerenartigen Früchte,
f. Frucht.
Apfelgroſchen, pinged de3 17. Jahrh.
mit Dem Reichsapfel und auf der Riidfeite der Bahl 24.
Apfelfraut, ſ. Kraut.
Apfelkreuz, aud) Kugelſtab⸗ oder Pilgerſtab—
kreuz genannt, in der Heraldif ein Kreuz, deſſen vier
Urme am Ende mit einer Kugel befest find.
Apfelland, f. Avalon.
Apfelöl, ſ. Upfelather.
pina by bie ba j. Blatiflöhe.
MUpfeljaure (Oxyäthylenbernſteinſäure, Bu-
tanoldifdure)C,H,O, od. HO.CH.CO,H.CH,.CO,H,
febr verbreitete Pflanzenſäure, findet ſich in unreifen
Upfeln, Weintrauben, Stadjelbeeren x., in Vogel:
beeren, Berberigen und in den Friidhten de3 Gand-
dorns, im Tabaf, in Rhabarberblattiticlen x. Sie
bildet farb- u. geruchloſe zerfließliche Rrijtalle, ſchmeckt
jtarf fauer, ift in Waſſer und Wlfohol leicht löslich,
ſchmilzt bet 100°, gibt beim Erhitzen Fumarſäure und
Maleinſäure, mit Salpeterfiure Oralfiure, mit Jod-
wajjeritoff Bernfteinfiure. MW. ift zweibaſiſch, bildet
neutrale und faure, meift in Waſſer lösliche Salze
(Malate), von denen das Eifenfals fic) im Extrac-
tum ferri pomatum findet, das durch Digerieren
jaurer Äpfel mit Eiſendrehſpänen bereitet wird. Dies
beliebte Eiſenmittel bei Bleidfudt, wird aud, in
9 Teilen Zimtwaſſer geldjt, als Tinctura ferri pomati
benutzt. Gewöhnliche WL. dreht die Ebene des polarifier
ten Lichtes nad) links, optiſch inaftive YL. entſteht aus
Fumarſäure durd Erhigen mit Wafer, aus Mono—
brombernjteinfiure durch Behandeln mit Silberoryd
und Waffer, aus Traubenfaure durch Behandeln mit |
Jodwaſſerſtoff. Rechtsäpfelſäure erhilt man durd
Redultion der Rechtsweinſäure mit Jodwaſſerſtoff.
Upfelfine, ſ. Citrus.
Apfelſtecher, ſ. Blattroller.
Apfelſtedt, tinfer Zufluß der Gera in Thüringen,
fommt vom Thiiringer Wald und entfendet bei Geor-
qenthal einen Yrm jum Weſergebiet (ſ. Leine 2).
Apfelwein, ſ. Objtiwein.
Apfelwickler, |. Wicler.
Aphagie (qried.), Unvermigen yu ſchlucken.
Aphafie (griech.), Fehlen der Linfe im Auge und
dadurch bedingter Verluſt des Alkommodationsvermö
gens (ſ. d.). Dasſelbe wird erſetzt durch ſtarle Konver
gläſer (Stargläſer).
Aphaniptéra, Flöhe, ſ. Zweiflügler.
Aphaniti, ältere Bezeichnung fiir dichte, ſcheinbar
einfache Geſteine, beſonders aus der Gruppe der Me—
laphyre und Diabaſe, auch der Diorite; viele Diabas
und Melaphyrmandelſteine wurden als Kallaphanite
und Uphanitmandelfteine unterjdieden. Aphanit—
porphyr ijt cin dichter Diabas mit eingelnen größern
Krijtallen von Labrador, Uphanitwade ein zu einer
erdigen Maſſe zerfester A.
Apfelbeerſtrauch — Aphrodiſiaka.
Aphãrẽeſis (griech,Wegnahme · ), in der Gram-
matik Wegwerfung eines Bofals, aud wohl einer
Silbe im Anlaut, 3. B. »'s ijte fiir -es ijte.
Upharetiaden, ſ. Idas.
Aphaſie (griech., das »Nichtredenlönnen«), das
teilweiſe oder vollſtändige Unvermögen, die Gedanfen
ſprachlich auszudrücken, trop geſunder Spracdwert-
zeuge und erhaltenem Bewußtſein (motoriſche A.).
Sie beruht auf einer Erkrankung des Sprachbewe
ey are in der dritten linken Stirnwindung
des Großhirns. Um häufigſten tritt A. in Berbin-
dung mit Lähmung der redtsfeitigen Körpermusku—
latur nad einem Schlagfluß auf. Nie Urſache der A.
iſt meiſt eine Erweichung der Gehirnſubſtanz, ein Blut⸗
erguß. eine Neubildung x. an der bezeichneten Stelle.
Bisweilen ijt die A. mit Unfähigkeit su lefen (Alexie)
oder zu ſchreiben (Agraphie) verbunden, feltener
mit Amimie (ſ. d.). * U. iſt nicht zu verwechſeln
mit der Alalie (jf. d.). Das Unvermigen, bei norma:
fem Gehör und erhaltener Sprache und Jntelligen;
den Sinn gejprodjener Worte ju verjtehen, hat man
alg fenfortide oder amnefijde A. bezeichnet. Sie
ift auf tranfhafte Prozeſſe in der obern Windung des
(linfen) Schlifelappens des Gehirns zurüchzuführen
(Worttaubheit). Bgl. Baſtian, Uber A. und
andre Sprachſtörungen (a. d. Engl, Leipz. 1902).
Aphel (Aphelium, gried., Sonnenferne),
der von der Sonne am weileſten entfernte Punkt der
Bahn eines Planeten oder Kometen (vgl. Unomalie),
im Gegenjate zum Perihel oder der Gonnennabe.
Aphelandra R. Br., Gattung der Alanthazeen.
Sträucher oder Kräuter mit ſchönen, ganzen, oft jtache-
ligen Blattern, endjtindigen Blütenähren mit meijt
ſchön gefirbten Bratteen und fajt vierfantigen, vier:
jamigen Rapjeln. Bon den etwa 60 Yirten tm tropi-
ſchen Amerila werden mebhrere in Warmhäuſern ful-
tiviert. Beſonders beliebt find: A. nitens Hook und
A. sulphurea Hook.
Aphis, Blattlaus; Aphidae (Wlattliufe), Familie
aus der Ordnung der Halbjliigher; ſ. Blattläuſe.
Aphodius, P Miſtläfer.
phonie (griech.), Stimmloſigleit, Tonloſigkeit.
ein Zuſtand, in dem zwar die Flüſterſprache möglich
ijt, Der Klang der Stimme aber feblt, weil die Stimm-
binder nicht oder nicht gentigend frei und fein ſchwin⸗
gen können. Urſachen der A. find entzündliche Schwel⸗
lungen der Stimmbänder, Neubildungen und Ge—
ſchwüre, die rein mechaniſch die Schwingungen be—
einträchtigen, oder Lähmungen der die Spannung
der Stimmbänder beſorgenden Muskeln, bes. deren
Nerven. Der Grund einer A. läßt ſich nur durch die
Unterſuchung mit dem Kehlkopfſpiegel feſtſtellen.
boris (qried).), weibliche —— *
Aphoriemen (griech.), abgeriſſene, untereinander
nicht tm unmittelbarem Zuſammenhang ſtehende
Siige, die allgemein menſchliche Wahrheiten enthalten.
Aphoriſtiſche Schreibweiſe, cine prägnante, ab-
gebrochene, der ſtiliſtiſchen Verbindung ermangelnde
Ausdrudsweiſe. Bgl. Hodde, Aphorismenſchat
der Weltliteratur (4. Aufl, Be . 1901).
Aphrodifia (qricch.), Feft zu Ehren der Uphrodite.
Aphrodifiafa (qriech.), Mittel, welde die ge—
ſchwächte und erjtorbene Heugungstraft wieder er-
weden und beleben. Die Geſchlechtsfunktion erfor-
dert fiir qeeiqnete Uusitbung einen gefunden Körper.
Rraftige Nahrung, reidliche Fleiſchkoſt, kbörperliche
Anſtrengung ohne Uberanftrengung, Abhärtung des
Körpers fowie eventucll allgemeine Tonica, 3. B.
Eiſen u. a., können daher aud die Zeugungskraft
Aphrodijiasmus — Aphrodite.
iinjtiq beeinflujjen. Die als ſpezifiſche A. empfohlenen
rgneien und diätetiſchen Mittel find in ihrer Wir—
fung ganz unfider und oft ſchädlich. Ihre Wirkung
berubt, wenn iiberhaupt auftretend, auf einer Rei-
jung des Harnapparates, die bet manchen, 4. B. den
Rantharidenpriparaten (»italienijde Elirieree, Dia-
volini, Pastilles galantes) oft zu Entzündungen,
fpesiell der Nieren, fithrt. Gute Erfolge werden in
neuejter Heit von Dem (mur auf drgtlide Verordnung
zu verwendenden) Yohimbin beridtet. Bal. Philtron.
Aphrodifiasmns (griech. Uphrodtfie), trant-
hafte Geilheit, Liebeswut.
UAphrodifios, im Kalender der Bithynier der elfte
Monat vom 24. Juli bis 22. Auguſt.
Aphrodit (Anaphrodit, qried.), jedes tierifde,
bejonders menſchliche Weſen, an dem die Genitalien
fehlen oder fo verfiinrmert find, dak fich der Ge-
ſchlechtscharakter daraus nicht bejtimmen läßt. Boll-
fommrene Gefdlechtslofigteit (Up hroditis mus)
kommt äußerſt felten vor.
Aphrodite, die griech. Gittin der Liebe und
Schönheit. In ihrem Wefen find ſchon früh helleni-
ſche Vorjtellungen mit orientalifden, namentlid phö⸗
nitiſchen verſchmolzen, wie fid) die in Den abweichen⸗
den Sagen von ihrer Herfunft ausfpridt. Homer |
nennt jie Todjter des Zeus und der Dione; aber ſchon
frith erjdheint fie als die aus dem Meeresſchaum Ge-
borne (Uphrogencia, f. Uranos), aus dem Meered-
ſchoß Aufgetauchte Anadyomene) und bei dem feit
Urzeit von Phönikern koloniſierten Kypern ans Land
Gejtieqene oder bei dem gleichfalls vorgeiten von
Phönikern befiedelten Kythera auf einer Muſchel Ge-
landete. Schon bei Homer fiihrt fie die Ramen Nypris
und Kythereia. Die gewöhnliche Auffaſſung als Lie-
besgöttin bezieht fid) mur auf ihr Walter im Men-
ſchenleben; fie ijt cine in Luft und Waffer und auf
der Erde wirfende Naturfraft. Als Göttin der Lüfte
und Himmelserſcheinungen ijt fie W. Urania, die
himmilifde, die vielfach in Aſien und Griedenland
auf Bergen verehrt wurde; als Gewittergdttin wurde
fie wie in Sparta und Rythera bewaffnet dargeftellt.
Die moralijde Auffaſſung der A. Urania als Gottin
der edlern, namentlich ehelichen Liebe, bildete fich erjt
fpiiter. Als Göttin de3 Meeres und Seeverfehrs, na-
mentlid) der glücklichen Fahrt (Bontia und Tha-
lafjia), wurde fie an Küſten und in Häfen vielfad
verehrt. Auf Erden ijt A. Godttin der Garten und
Haine, des Friihlings und feiner Gaben, namentlid
der jarten Gewächſe und Blumen, wie Myrte und
Rofe, Daher fie beſonders in diefer Jahreszeit verehrt
wurde, in der aud) ihr Geburtsfejt in Paphos auf
Kypern gefeiert wurde. Als Gottin der Liebe übt fie
ihre Macht iiber Gitter und Menſchen: fie entflammt
Liebe und weiß Widerjtrebende gu jtrafen. Ihr Gee
—F ft ihr Sohn Eros, die Horen, Chariten,
eitho (Uberredung), Bothos und Himeros, die Per—
fonififationen des Verlangens und der Sehnfucht. Wis
Stifterin des Liebesbundes ijt fie auch Gottheit der
Che, des Familienlebens und der darauf beruhenden
Gemeindeverbindung. Jn lesterm Sinne fiihrte fie
frither in Uthen den Namen Bandemos (d. h. fic
auf die ganze Gemeinde erjtredend); durch eine Cin-
richtung Solons erbielt der Name eine ganz andre
Bedeutung und bezeichnete fie als Gittin der Brojti-
tution. In manden Gegenden erbielt ihr Kult nad
Art orientaliſcher Liebesqottinnen immer unfittlicdere
ormen, befonders in Korinth, wo große Sdaren
von Hierodulen jugleid der Projtitution dienten. —
Yn einzelnen Orten erſcheint fie als Gattin bed He-
615
phajtos, an andern als die de3 Ares (j. d.); lebtere
Vorſtellung gewann allmählich die Herrfdaft. Much
mit Sterblicen pflegte fie der Liebe, fo mit Anchiſes,
von dem fie als Wtutter des Äneas galt. Haupttult-
jttitten waren Paphos, Ymathus und Idalion auf
RKypern, Knidos, Korinth, Kythera, der Eryx auf Si-
jilien. Heilig waren ibr als Urania die ildfrite,
al8 Meergittin Schwan, Delphin, Muſchel, als Vege-
tationsgöttin namentlid) Myrte, Rofe, Granate, der
Upfel, als LiebeSgbttin Widder, Biegenbod, Haje,
Kaninden, Taube, Sperling und andre Tiere ver-
liebter Natur. Die Romer jtellten W. der italifden
Venus (fj. d.) gleid. Val. Rofders Lerifon der
Mythologie, Bd. 1, Sp. 390 ff., Bauly-Wiffowa,
Realensyflopadie, Bd. 1, Sp. 2729 ff.
A. gehört gu den von der alten Kunſt am haujig-
ften Dargejtellten Gottheiten. Die erjte Blütezeit der
griechiſchen Kunſt
(Bbheidias) ſtellte
fie befleidet dar,
die zweite (Sfopas
und rariteles)
wagte die Gdttin
halb befleidet oder
gang nadt gu zei⸗
en, aber mit
otivierung der
Nacktheit durch
das Bad. Mit der
Zeit ſtellte man ſie
ſo nur um ihrer
Schönheit willen
dar, bis man end⸗
lich alles Göttliche
abſtreifte und ſie
nur noch als ſchö—
nes Weib erſchei—
nen ließ. Entſpre⸗
chend ſtieg auch die
Geſichtsbildung
vom Ernſten und
Würdigen gum
Lieblichen u. An—
mutigen, ja zum
Sinnlichen u. Ko—
ketten herab. Dem
ſpätern Ideal der
A. ijt das anmu⸗
tige Oval des Ge-
ſichts, das Lächeln
und beſonders das
ſchmale, ſchwim—
mende, Liebes—
ſehnſucht ausdrül⸗
lende Auge eigen.
Statt der zierli—
chern Körperformen diefer jiingern Beit bildete die altere
UW. mit kräftigern Formen von junonijder Fülle und
qrofarti er — So war die berühmteſte
Statue, die knidiſche A. des Praxiteles, aufgefaßt,
von der Münzbilder und Statuen des Vatikans eine
Vorſtellung geben, während die Muünchener Kopie
(. Abbildung) ſchon zärtlicher geſtaltet iſt. Hochbe—
rühmt war auch des Apelles Gemalde der WU. Unadyo-
mene (fj. d.). Unter den erbhaltenen Statuen behaup-
tet den erjten Rang die durch Hobeit der Auffaſſung
ausgezeichnete A. von Melos (ſ. Tafel »Bildhauer-
funjt V<, Fig. 1) im Louvre, die Rechte faßte das herab-
fallende Gewand, die ausgeſtreckte Linke hielt wabhr-
Aphrodite von Knidos (Minden).
616
ſcheinlich einen Upfel (vgl. Furtwängler, Meiſterwerke
der griechiſchen Plaſtik, Leipz. 1853). Nächſt ihr find
die —— die das Motiv der A. von Milo
wiederholende, nad) ihrem Fundort benannte A. von
Capua in Neapel; die fapitolinifde A. in Rom,
bie cinem Original des Prariteles nadgebildete A.
pon Urles im Louvre und die mediceifde W. in
Florenz (friiher in der Villa Medici zu Rom, ſ. Ta-
fel »Bildhauerfunjt Ve, Fig. 4 u. 7), beide mut den
Händen Bruſt und Scham bededend; die im Bade
fauernde U.im Vatifan, ein Beiſpiel der genrehaften
Au faffung, Nn Bernoulli, Aphrodite (Leip3.1874).
ditidae, ſ. Seeraupen.
hroditismus, ſ. Aphrodit.
Aphroeſſa, Inſel, ſ. Santorin.
Aphrometer (griech.), Inſtrument zur Meſſung
des Druckes der Kohlenſäure im Schaumwein; ſ. Wein.
Aphrophora, ſ. Zikaden.
—** Mineral, foviel wie Glaſerit (ſ. d.).
Aphihen, .Schwämmchen; A. und UpHthen- |
ſeuche beim Vieh, ſ. Maul- und Klauenſeuche.
Aphthit, 1879 in Marſeille erfundene goldähnliche
Legierung zu Juwelierarbeiten, wird aus 800 Kupfer,
25 Platin, 10 Wolframſäure und 170 Gold dargeftellt.
Aphthgngie Reflexaphaſie, gried.), Sprach⸗
Aphroditidae — Mpion.
Wechſelordnung werden derartige Papiere nidt als
Wechſel anerfannt; in der öſterreichiſchen Wechſelord⸗
nung finda p.-Wedfel den Sichtwechſeln gleichgeſtellt.
Upiata, Name fiir zwei Indianerſtämme des nörd⸗
liden Brafilien, deren einer am untern Tofantins gu
den Rariben, der andre am obern Tapajos yur Tupt-
familie gehört.
AUpianus (cigentlid) Bienewitz oder Benne-
wit), Peter, Geograph und Witronom, geb. 1501
ju Leisnig in Sachſen, geſt. 21. April 1552, ſtudierte
in Leipzig und Wien, ward 1527 Profeffor der Ma-
thematif in Ingolſtadt und 1541 von Karl V. ge-
adelt. In feinem »Cosmographicus liber« (Landsb.
1524 u. ö., auch mehrfach überſetzt) ſchlug er vor,
geographifde Längen durd) Mejjung der Abſtände
des Mondes von Firfternen su beſtimmen; auch madte
er zuerſt die Bemerfung, dak die Schweife der Kome—
ten von der Gonne abgewendet feien. In feinem
»Astronomicum Caesareume (Ingolſt. 1540) ver-
öffentlichte er die erjten braudbaren Rometenbeobad-
tungen; er gab ferner »Inscriptiones sacrosanctae
vetustatis etc. «, mit Holzſchnitten (Daj. 1534), beraus,
erfand aud) verjdiedene mathematijde Inſtrumente
und zeichnete die beſten Landfarten jeiner Beit. — Sein
Sohn Philipp W., geb. 14. Sept. 1531 in Angol-
neuroje, bet der mit jedem Verſuch, su ſprechen, Krämpfe | jtadt, gejt. 14. Nov. 1589, ebenfalls als Geograph be
im Gebiete des Hypogloſſus auftreten, die das Spre- fannt, 1552 Nadfolger feines Vaters, 1569-—84 Bro-
den unmöglich machen. feſſor in Titbingen. Sein Hauptwert find dic » Bar-
Aphthonios, griech. Nhetor aus Untiodia, um riſchen Landtafeln«, cine Karte von Bayern in 24
400 n. Chr., verfafte eine weitverbreitete, bis ing 17. Blatt (1566); ſeinen Erd- und feinen Himmmelsqlobus
Jahrh. auf Schulen und Univerſitäten vielbenugte | aus dem Jahre 1576 bewahrt die königliche Biblio—
Anleitung gu Stiliibungen fiir Unfiinger (»Progym- | thet in Minden. Vol. Günther, Beter und Boilipp
nasmata« ; hrsg. in den »Rhetores graeci« von Wal; | A. (Brag 1882) und im -Jahrbuch fiir Miindener
und von Gpengel). Bgl. Schäfer, De Aphthonio
(Brest. 1854).
thonius, Alius Feſtus, lat. Grammatifer,
im 4. rh. n. Chr., ijt Verfaijer eines Handbuchs
der Metrif, das Victorinus (f. d.) fajt vollſtändig m
jeine Grammatif aufgenonmen bat.
Aphyillen (qried.), blattloje Pflanzen; aphyl-
liſch, blattlos.
Api (Taſiko)d, Inſel der Neuen Hebriden, 507 qkm
groß mit 10,000 Einw., ſehr gebirgig (bis 900 m),
frudjtbar, wald- und wafferretd).
Apia, Hauptort der deutiden Samoainſeln auf
der Nordfeite der Anfel Upolu (ſ. Karte »Samoa:
Geſchichte⸗, 1888.
| Apiarium (lat.), Bienendaus.
Apices juris (lat.), Recdhtsjpipfindigfeiten.
———« Apicius, Marcus Gavius, Feinjdymeder und
Schriftſteller über stodfunjt zur Beit des Tiberius,
vergiftete fid), als er nur nod 2 Will. We beſaß.
Seinen ſprichwörtlich qewordenen Namen hat fich der
Verfaſſer einer »Caelius A. de re coquinaria« be
titelten Sammlung von Rodresepten in 10 Büchern
(hrsg. von Scud, Heidelb. 1874), früheſtens aus dem
3. Jahrh., beigelegt.
Apidae (Bienen), Familie aus der Ordnung der
Haufflügler, ſ. Bienen.
inſeln ·) an einer halbmondförmigen Bucht, die aber Apiin, ſ. Peterſilie.
wegen ihrer beſchraͤnkten Tiefen und des gegen Nord. Apinus, Franz Maria Ulrich Theodor,
winde mangelnden Schutzes nicht genügende Sider Phyſiker, geb. 1724 in Rojtod, geſt, im Auguſt 1802
eit gewährt, fo daß 16. März 1889 m einem Or- in Dorpat, Mitglied der Berliner Alademie der Wiſ⸗
fan vier deutſche und amerifanijde Kriegsſchiffe mit jenfchaften, ging 1757 als Wfademifer und Profeffor
9 Ofizieren und 140 Mann zu Grimde gingen. Der | der Phyſik — * Katharina IT. beſtimmte
langgeſtreckte, fic) um den Hafen hinziehende Ort be: | ihn zum Erzieher ihres Sohnes Raul. Er ſchrieb:
ſteht aus drei Quartieren: der Halbinſel Mulinu, »Tentamen theoriae electricitatis et magnetismi-+
Matafele und Matautu. Auf der erjten liegt das (Betersb. 1759); °On the distribution of heat at
Maſſengrab der 1888 gefallenen deutiden Seeleute, | the surface of the earthe (1762) u. a.
in Matafele die Lagerraiume und Werkjtitten der Deut-| Apiocrinus Mill, Gattung der Haarſterne. Tiere
ſchen Handels- und Plantagengeſellſchaft der Südſee, mit ſtarl verzweigter Wurzel, Stiel ohne Ranken und
das Haus des Gouverneurs, ein franzöſiſches Kloſter, birnförmigem oder kugeligem Kelch, finden ſich nur
fatholifde Kirche, deutſches Hofpital, evangeliſche im Dogger und Malm. A. Roissyanus d'Orb., im
Kirche, engliſches und amerifanifdes Konſulat, mn Wa | Kimmeridge, ſ. Tafel »Juraformation I+, Fig. 12.
tautu die Lagerräume der Firma Ruge u. Hedemann.| Wpiol, |. Peterſilie.
a piacere (al piacere, aud) a piacimento, ital.,| Apion, Käfergattung, Spigmausden.
fpr. Aſchere, -tfchimento), nach Mefallen, nad) Belieben. Apton, griech. Grammatiker im 1. Jahrb. n. Chr,
mujifal. Bezeichnung, wodurd) der Spiclende die Frei | Pflegeſohn Bea Didymos und Haupt der grammay
Heit erhält, die betretfenden (meiſt fadenjartigen Stel- | tijden Schule in Ulerandria, ein eitler, rubmrediger
fen) nach feinemt Gutdiinfen vorzutragen. — Jin Han- | Menfch, der Griechentand durchzog und unter großem
Del begeidynet man mit a p. Wechſel, deren Zablung | Beifall Vortriige über Homer hielt. Ym Auftrag der
jedergett gefordert werden fann. Nad) der deutfden | Wlerandriner verflagte er bei Caligula dic Juden;
Apios — Aplocerus.
auf feine Beſchuldigungen antwortete ſpüter Jojephus |
in feiner Sdprift »Gegen A.« Born feiner vieljeitigen | ſ
literarijden Tatigheit ijt nur wenig erhalten, fo von
ſeinem vielbenugten Homer⸗Gloſſar nur diirftige Aus⸗
jiige. Bgl. Baumert, Apionis quae ad Homerum
pertinent fragmenta (Königsb. 1886).
Apios Ménch, Gattung der Leguminoſen, win:
dende Kräuter mit unpaarig gejiederten Blättern,
didten Bliitentrauben und flad) gedrückter, vielfami-
ger Hilfe. Bon den fiinf Arten in Nordamerifa und
fien Dauert A. tuberosa Minch (Glycine apios
Minch, virginifdhe Knoll wide, amerifanijde
Erdnuß), ein feit 1640 befanntes, ausdauerndes
Gewächs Nordamerifas, mit 2—4 m hod) fic empor-
windendem Stengel und bräunlich fleiſchroten, wohl⸗
riedjenden Bliiten, bei uns im Freien aus und wird
— Bekleiden von Lauben, Wänden rc. kultiviert.
ie Wurzelknollen von der Größe eines Hühnereies
werden von den Indianern gegeſſen, ſie ſchmecken ſüß
und enthalten 4,5 Proz. — Subſtanzen,
33,5 Starfemehl, Zucker, Pektin und 57,6 Waſſer.
Wpirie (qriech.), Unerfahrenheit.
* (at.), die Biene.
pis, der von den Ägyptern in Memphis verehrte
heilige Stier (hap). Er galt als die Verfirperung des
Hauptgottes von Memphis Ptah und wurde gewohn-
lich odie lebende Wiederholung de3 Ptah« genannt.
Bon den Grieden wurde der U. als cine Jnfarnation
des Oſiris gehalten. Man erzählte, daß, wenn ein A.
ejtorben war, ein Lichtfunke vom Himmel hernieder-
Babe und den neuen A. mit einer jungfrduliden Kuh
gente, die nachber nicht wieder gebar. An befondern
bzeichen wurde er erfannt; er war ſchwarz, hatte auf
der Stirn ein weißes Dreied, auf dem Riicen das Wb-
bild cines Udlers, am Schweif sweierlei Haare, unter
der Bunge einen käferartigen Knoten (scarabaeus)
und an der rechten Seite cinen weißen Fleck, ähnlich
dem Mond, wenn er zu wachſen anfiingt. Die ägyp⸗
tiſchen Darſtellungen zeigen in der Tat auf der Stirn
ein Dreieck, an der Seite ſchwarze Flecke und auf der
Bruſt manchmal einen Halbmond; auf dem Kopf tra—
gen feine Bildnijje die Sonne mit der Uräusſchlange.
ar cin neuer YL. gefunden, fo wurde ifm am Ort |
feiner Geburt ein nach Ojten geleqenes Haus erridtet, |
in Dem er vier Monate lang mit Mild genährt ward.
Mit dem Neumond erfolgte feine Abführung nad
Nilopolis; von hier gelangte er nad) 40 Tagen auf
einer geweihten Gondel in einem vergoldeten immer
nad) Memphis, wo ifm beim Heiligtum des Ptah
(PHtha) eine Wohnung mit zwei koſtbaren Gemächern
erbaut wurde, und wo er die forgfiltigite Pflege ge
no. Beweiſe feiner Gottheit gab er durch Orafel, |
die Von Dem Wechſel fener beiden Gemächer fowie |
von der Unnahme oder Nichtannahme von Speife aus |
der Hand des Fragenden ausgingen. Bei fejtlider
Verjanuntung wurden ihm Opfer dargebradt, und
gwar nur Tiere feines Geſchlechts, befonders durchaus
rote Ochſen, deren Reinheit vorbher ſtreng qepriift war. |
Die größte ihm veranjtaltete Feier war fein Geburts- |
fejt (beim Steigen des Nils): bei Memphis wurde |
eine goldene und eine filberne Schale in den Nil gee |
jenft und der YW. in Brogefjion umbergefiibrt. Mehr.
fad) wird von den Griedhen angegeben, dak der A.
nur 25 Jahre leben durfte, und wenn er nidt vorher
gejtorben war, von den Priejtern in einen Brunnen
geitiegt wurde. Wie der Menſch, fo wurde aud) der |
- nad) dem Tod Cins mit Ojiris (ſ. d.) und geradezu
al8 Dfiris-Wpis (qried). Oforapis) bezeichnet. Er galt |
alg cine Urt Totengott und wurde wie Ofiris »Herr |
617
der Weſtlichen⸗ (d. h. der Toten) genannt. Der ver-
torbene UW. wurde mit feierlidyem Gepriinge in der
Totenjtadt von Memphis (bei Saffara) bejtattet. Un—
ter Ramjes II. wurde eine gemeinjame Begräbnis—
ſtätte fiir Die A. angelegt, die aus einem 100m langen
unterirdifden Gang bejtand und durch Pſammetich I.
bedeutend eriveitert wurde. Uber diefen unterirdifden
Räumen erhob fic) cin großer Kulttempel. Diefe Apis—
geiite (das fogen. Sarapion von Memphis), die cinen
eriifmten Wallfahrtsort bildeten, find 1851 von
Mariette wieder entdecdt und in ibnen nod 24 Sar-
fophage gefunden worden (vgl. »Bulletin archéo-
logique de l’'Athénaeum frangais«, 1856, Nr. 5—7;
Mariette, Le Sérapéum de Memphis, Bar. 1882).
Wis die Griechen in Agypten den A. fennen fernten,
nannten jie ihn Epaphos und madten ihn jum Sohn
der mit Der Iſis pi pee Jo. Mit dem Gott
Serapis (ſ. d.) hat der A. nichts gemein. — Nach
Mahlers Fejtitellungen (»Die Upisperiode der alten
Agypter⸗ Wien 1894) wurde der W. als lebendiges
Symbol des Mondes angefehen und mit dem Boll
mond identifiziert. Die Upisperiode von 25 Jahren
war eine rein ajtronomifde Vollmondsperiode; fie ijt
gleich 309 ſynodiſchen Monaten, und nad) ibr fehren
die Mondphajen an den nämlichen Tagen des Jahres
in gleicher Ordnung wieder.
pium ZL. (Sellerie, Eppich), Gattung der
Umbelliferen, eine oder mehrjährige Kräuter nut fie-
derlappigqen Blättern, zuweilen einfachen Dolden,
rünlichweißen Blüten und rundlich zweiknöpfiger
rucht. Etwa 20 Arten über die ganze Erde verbrei—
tet. A. graveolens LD. (gemeiner Sellerie) in
Curopa auf Saljwiejen, am Seejtrand, mit dunfel-
griinen, ſtark riechenden Blattern und fpindelfirni-
er, widerlich durchdringend riechender, bitterlich ſcharf
chmeckender Wurzel, die durch Kultur knollenartig
und ſüßlich aromatiſch wird. Man fultiviert Kraut—
ſellerie, mit langgeſtielten, aufrecht ſtehenden Blat-
tern und kleinerer Wurzel, Bleid- (Stengel-) fel-
lerie (j. Tafel ⸗Gemüſepflanzen [V«<), mit jtarfen,
fleifchigen, zarten Blattiticlen, und Rnollenfellerie,
mit kurzgeſtielten Blattern und großer, rundlicher
Wurzel. Die Knolle enthalt 84,09 Wafer, 1,48 Stid-
ſtoffſubſtanz, 0,77 Bucer, 11,03 ſtichſtofffreie Extrakt⸗
ſtoffe. Sie wird als Küchengewürz und als Salat mit
Eſſig und Ol genoſſen. Jn Zucer eingemadt, liefert
fie mit Weißwein ein der Ananasbowle täuſchend ähn⸗
liches Getränk. Sie wirkt reizend auf die harnabſon—
dernden Organe und gilt als Aphrodiſiakum. Die Blat-
ter dienen als Küchengewürz. Im WUltertum benutzte
man fie jut Kränzen fiir Den Schmuck der Graber und
fiir die Sieger in öffentlichen Spielen
Aplacentalia, ſ. Säugetiere.
MAplanat, photograph. Objektiv, ſ. Photographie.
Aplanãgtiſch (qried., »ohne Abweichung«) heißt
ein Linſenſyſtem, bei dem neben derchromatiſchen aud
die ſphäriſche Abweichung faſt vollſtändig beſeitigt iſt.
——— ſ. Applanieren.
planogameten | —
Aplanofporen | j. Ulgen, S. 315.
Aplerbeck, Dorf im preuß. Regbez. Arnsberg,
Kreis Hirde, an der Staatsbahnlinie Ruhrort-Holz—
wickede, hat eine evangeliſche und eine kath. Kirche,
Eiſenhüttenwerk, Puddlings- und Walzwerk, Stein⸗
kohlen⸗ und Eiſenſteingruben und (1900) 8775 meiſt
evang. Einwohner.
Wpleftie (griech.), ſ. Uforie.
Aplit, cin Granitgeſtein, ſ. Granit.
Aplocerus, ſ. Bergziege.
618
Aplom, Mineral, Varietät de3 Granats.
Aplomb (franj., fpr. apling, eigentlid: das Lot-
rechtſein), Sicherheit ded Uuftretens, Benehmens.
Aplysiidae, ſ. Seehajen.
noẽ (qriech., »Utemlofigheit<), der Zuſtand, in
dem das Tier oder der Menſch nicht atmet, weil fein
Blut Überfluß an Sauerjtoff enthalt. Bei Tieren er-
jeugt man A. durch Einblafung von Luft in die Lun-
jen. Cin Menſch vermag nach wiederholten tiefen
Einaineneen die Atmung weit linger anjubalten
al8 font. Auch die temtorigteit ded Foͤtus ijt eine A.
Apo, Vulfan auf Mindanao (j. d.).
Wpoatropin C,,H,, NO,, Wlfaloid, findet ſich in
der Wurzel von Atropa Belladonna, entjtebt aus
Utropin und Hyoscyamin beim Behandeln mit fon-
zentrierter Schwefelfaure ꝛc., bildet farblofe Prismen,
laft fid) wenig in Waffer, leidt in Ulfohol und Uther
und geht leidt in das ifomere Belladonnin itber.
Apobates (griech.), bei den Grieden ein Wett-
kämpfer, der in voller Fahrt von einem meift vier-
jpannigen Wagen absufpringen, eine Strede nebenher
ju laufen und dann wieder aufzufpringen hatte.
Apochromãtiſch (griech.), |. Udhromatismus.
Aporhromat - Kollineare , |. Photographie.
Apocriſiarius (gried).), 1) der ſtändige geijtlide
Geſandte aller Patriarden und unter ihnen auch des
römiſchen Papſtes amt faijerliden Hof gu Ronjtanti-
nopel. — 2) Im friinfijchen Reich der oberjte lirchliche
Wilrdentrager am fonigliden Hof, eine Urt Kultus-
minijter (archicapellanus) und allmablich aud) Bor-
ftand der finigliden Kanzlei (archicancellarins). |
Später firierte ſich dieſes Amt
auf beſtimmte
Stühle: Mainz für Germanien,
Trier für Gallien, Köln für
Italien.
todgewächſe), difotyle, etwa
1000 Arten umfaſſende Pflan—
zenfamilie der warmen und ge—
mäßigten Zone, aus der Ord—
nung der Kontorten, meiſt hol
zige, ſchlingende, oft milchende
Pflanzen mit vier- oder fünf—
zähligen Blüten und zwei mehr
oder weniger verwachſenen Kar⸗
piden. Die A. find z. T. gefährliche Giftpflanzen,
Blite von Vinea
herbacea. Durchſchnitt.
einige (Nerium, Vinca, ſ. Abbildung) Zierpflanzen. |
Cinige Urten find aus Tertiärſchichten befannt.
Apocynum ZL. (Sundsfobl, Hundswolle), |
Gattung der Apocynazeen, Milchſaft führende Stau-
den mit gegenftindigen, ganzen Blattern, fleinen,
glockenförmigen Blüten m Rifpen, avlindrifchen
Scheinfrüchten und Samen mit Haarfronen. Drei
Yrten in Europa, Wien, Nordamerifa. A. androsae-
mifolium Z., tn Nordamerifa, mit blag rofenroten
Bluͤten, in deren Röhre die durch den darin enthal
tenen Honigfaft angelodten Inſelten mittels Zähne
fejtqebalten werden (Fliegenfanger), hat cine bre-
chenerregend und purgierend wirfende Wurzel und
blaſenziehenden Milchſaft; fie wird als Sierpflange
fultiviert. Ebenſo A. cannabinum Z., in Nordame—
rifa, mit grünlichgelben Blüten; fie liefert Baſt gu
Regen, Tauen, Veweben (Indian hemp); dieSamen:
wolle dient jum Boljtern. Auch A. venetum LZ., in
Siideuropa und Aſien, mit rofenroten Bliiten, wird
befonders in Turfijtan, aud bei Poltawa fultiviert
und liefert jeidenglanjenden Baſt (Nendirfafer,
Turfafafer) su Striden, Netzen und Geweben.
erzbiſchöfliche
Aplom — Apokalyptik.
Apõda, Schleichenlurche, ſ. Blindwühler.
o , bei den Athenern in der alten Zeit
die mit der Einnahme der Staatseinfiinfte betrauten
jährlich durch das Los beftimmten Beantten.
Apodẽmik (qried.), ⸗Reiſekunſt · Unteitung oder
Unweifung zum Reifen.
Apdédes (Rabi bäuche), Unterordmuing der sno
chenfiſche, ſ. Fiſche.
Apodiktiſch (qried.), von ſchlagender Beweiskraft,
unwiderleglich; ſ. Modalität.
Apodyterion (griech.), das Zimmer zum Mus- und
Ankleiden in den griechiſchen und cOntitden Badern.
UApogamie (qried., Zeugungsverluft), ber
Pflanzen die teilweife oder gänzliche Funftionsunfa-
higfeit Der männlichen (Apandrie) oder der weib-
licen DOrgane(Upogynie)und beider sugleid (WU po
genie), kommt bei Zygomyzeten, Saprolegmiazeen,
Charazeen, Gefiftryptogamen und Bliitenpflanyen
(wie Allium fragrans, Citrus, Mangifera indica
und Caelebogyne ilicifolia) vor. Im legtern Fall
werden ohne Befruchtung im Innern de3 Embryo-
fades Durd) Sprofjung aus dem umgebenden Gewebe
Embryonen erzeugt (Barthenogenefis). unt.
tionSverlujt oder völlige Unterdriidung von Spo-
rangien oder Sporen nennt man YW pofporie. Farne,
welche die Fabhigteit ber SporenbildDung verloren ha⸗
ben, entwideln bisweilen, 3. B. bei Athyrium filix
femina var. clarissima, aus den Fiederſpitzen ihrer
Blatter die Prothallien mit Geſchlechtsorganen.
Apogaum (qried., Erdferne), der von der Erde
ain weitejten entfernte Bunft der WMondbahn. Der
diametral entgegengefeste Punkt heißt Perigäum
oder Erdnähe. Beide Punkte ſind die Endpunkte der
roßen Achſe der Mondbahn. In analoger Weiſe
* man bei den Monden des Jupiter und Sa—
turn von einem Apojovium, Apoſaturnium
Apocynazeen (Hunds- einerſeits, einem Perijovium, Periſaturnium
Apogenie, ſ. Apogamie. landerſeits
Apoͤgraphon (griech.), Abſchrift.
Apogynic, ſ. Apogamie.
Apoikien (griech.), bei den Griechen Name der durch
griech. Bürger ohne Beihilfe des Staates gegründe
ten Kolonien, die nicht notwendig unter der Staats
gewalt des Mutterlandes ſtanden. Bgl. Kolonien.
Apojovium, ſ. Upogdium.
UApofalHpfe (qried.), Enthiillung, Offenbarung,
bef. die des Evangelijten Johannes; f. Apokalyptil
WApokalHptif (qriec.), Bezeichnung eines bejon-
dern Sweiges der ſpätern jiid. Literatur, einer ſchrift
jtellerifchen Prophetic, weldhe die bevoritehende Boll-
endung des Weltlaufs in künſtlicher Bilderſprache
ſchildert. In den Vibelfanon aufgenommene Produfte
diefer Literatur find das Buc Daniel (fj. d.) und die
Offenbarung des Johannes (ſ. Johannes 2); of
gibt aber deren aus der Beit von etwa 170 v. Chr. bis
in das 2. und 8. Jabhrh.n. Chr. eine große Ungabhl, vor
jüdiſchen wie von chriſtlichen Verfaſſern bherriibrend,
die fic) in Der Regel hinter angefehenen altern Ramen
verbergen, ibre eignen Beitverbaltnijfe mur geberm
nisvoll, aber dem mit den Zuſtänden Befannten bin
reichend verjtindlich ſchildern. Steigerung der Leiden
und Triibjale bis — einem gewiſſen Hohepuntt, end-
lid aber —— es Gottesvolles durch ein unmittel ·
bares Eingreifen Gottes oder Chriſti bilden das ſtehende
Schlußtableau. Die älteſte dieſer Apolalypſen und zu⸗
leich das Vorbild der ſpätern ijt das Buch Daniel.
Inter den jüdiſchen ſind dad Bud Henoch aus der
ſpätern Makkabäerzeit und die Apolalypſen des Mo—
ſes, des Esra und des Baruch, unter den chriſtlichen
Apofalyptifer — Apolda.
er Hirt des Hermas (ſ. d.) hervorzuheben. Deutſche
berſetzungen der nichtkanoniſchen Apokalypſen bei
Kautz ſch, Die Apokryphen und Pſeudepigraphen des
Neuen Teſtamentes, Bd. 2 (Tiibing. 1900).
Schürer, Geſchichte des jüdiſchen Volles im Seitalter
Jeſu Chriſti, Bd. 3 (3. Aufl., Leipz. 1898).
okalijptiker heißen diejenigen, die göttliche,
auf das Weltende und die Wiederkunft Chriſti bezüg—
lide Offenbarungen haben, Viſionäre, Sdhwarmer re. ;
dann die Verfajjer oder Ausleger von Schriften apo-
falyptifden Inhalts.
ofalyptifde Reiter, die vier im 6. Kapitel
der Ojfenbarung Dohannis gefdilderten, aus den
erjten vier Siegeln des Buches mit fieben Siegein her:
vorgegangenen Reiter, die Peſt, Krieg, Hungersnot
und Tod —— Sie find häuſig Gegenſtand
der bildenden Kunſt geweſen. Ihre großartigſten Dar-
—— haben Diirer in ſeinem Holzſchnittzyklus
»Die Offenbarung St. Johannis« und Cornelius in
einem Narton fiir den Campo fanto (Berliner Na—
tionalgalerie) gefchaffen. In neuerer eit hat aud
Böcklin den Gegenjtand bebandelt. Bgl. v. Odel-
häuſer, Ditrers A. R. (Berl. 1885).
Apokalyptiſche Zahl heißt die myſteriöſe Zahl
666 in der Offenbarung des Johannes (13, 18).
Während fich frithere Zeilen in den abentencrlidjten
Yusdeutungen gefielen, findet man heute nach der
Rablenbedeutung der hebräiſchen Buchſtaben einen
romijden Kaiſer, meift Nero, darin als Untichrijten
(j. d.) angedeutet.
Apofarp (qricc.), cin Gynäzeum, defjen eingelne
Rarpelle villiq frei find, fo dak alfo jedes cinjelne
einen einfächerigen Fruchtknoten bildet, vgl. Bliite.
Apofatajtaje (griech.), die Wiederbringung aller
Dinge, d. h. die Wiederherjtellung der Welt m den
urfpriinglicden Zujtand, fowie die endliche Bekehrung
aller perjintiden Sreaturen und das Aufhören aller
Val. | fanonifden
619
daher fie aud) in der alten Rirde zunächſt nur als
firchliche Vorleſeſchriften galten und im der griechiſchen
Kirche ——— nie vollig gleichen Rang mit den
üchern erbielten, während die lateiniſche
Kirche ſeit Auguſtin jeden Unterſchied verwiſchte. Die
Reformierten betonten dieſen Unterſchied ſtreng, und
die Britiſche und ausländiſche —— ließ
ſeit 1827 die A. ſogar gon aus den Ausgaben der
Heiligen Schrift aus. Dagegen erhoben die deutfdjen
utheraner Widerjprud) (der jogen. Upofryphenjtreit).
Luther felbjt hatte nämlich die UW. als Bücher ber-
behalten, »die der Heiligen Schrift nicht gleid) gu ad:
ten, dod) gut und nützlich gu leſen feiene. Es find
Died: ie Drei Biidher der Makkabäer (von denen Luther
mur die zwei erjten überſetzt hat; cin viertes findet fic
in einigen Handjdriften der Septuaginta), das Bud)
Judith, das Buch Tobit (Tobias), das Bud Jefus
Sirach (mit einer von Luther nicht überſetzten Bor-
rede), Das Buch der Weisheit Salomos, das Buch
Parud, der Brief de3 Jeremias (bei Luther Baruch,
Rap. 6), das fogen. dritte Buch Esra (nicht bei Luther,
aud) vom Tridentinum ausgeſchloſſen) und einige
ſpätere Zuſätze gu den Biichern Daniel, Efther und
der Chronif. Ru unterfdeiden von diefen Büchern
find die fogen. Pfeudepigraphen, Nachbildungen bibli-
ſcher Bilder und Umbildungen bibliſcher Geſchich—
ten, wie das Buch der Jubilaͤen (ſ. d.), die Pſalmen
Salomos u.a.; ebendabhin gehören auch faſt alle Upo-
falypjen (j. Upofalyptif). Sie die ſämtlichen genann-
ten Bücher von unſchätzbarer Widhtigheit find fiir die
Kenntnis de3 ummnittelbar vor- und nachchriſtlichen
Judentums, fo die neuteftamentlichen A. fiir Die Rennt-
nis teils ber Degeneration der dhrijtliden Literatur,
teil3 der Entwidelung altfirdlider Traditionen und
Dogmen. Sie find in den Formen der drijtliden Ur—
literatur geſchrieben: Evangelium, Apoſtelgeſchichten,
Briefe und Upofalypjen, und zumeiſt mur in grdjern
GSiindenjtrafen und Ubel, wozu Stellen wie Matth. | oder fleinern Bruchſtücken erhalten. Die alttejtament-
19, 28; Apoſtelgeſch. 3, 21; 2. Petri 3, 7—13 nicht |
minder Unbhaltspunfte boten als der Gedanfe, dak
eine ewige Unjeligfeit von Gott gefdaffener Wefen
fic) mit Gottes Giite nidt vertrage. Endliche Beteh-
rung und Begnadigung felbjt des Teufels und feines
Anhangs lehrte zuerſt im der Kirche Drigenes, nad ihm
Gregor von Nyjja u. a., ferner pantheijtijche Myſtiker
im WMittelatter und zur Zeit der protejtantifden Or-
thodorie. Nachdem Sdleiermadjer die A. fiir eine
berechtiqte Lehrart erflirt hatte, nahm fich ihrer be-
fonders &. J. Nitzſch an. Bgl. Holle.
Wpofope (griech.), Wegwerfen eines Lautes oder
einer Silbe am Ende eines Wortes.
Apofréos (Apokreoſinos, griech.) in der qrie-
chiſchen Rirche die Wodhe Septuagejima, mit der dort
die Faſtenzeit beginnt.
Apofrifiarios, ſ. Upocrijiarius.
Apofryphen (qriech.), dem Urjprung oder Inhalt
nad) »verborgene«, auch int Unterſchied zu den öffent⸗
lid) vorjzulefenden geheim gehaltene Bücher. Als ſich
ein chriſtlicher Kanon bildete, verjtand man unter A.
teil foldje Biicher, die, von Häretikern hervorgebradt,
bei diefen als kanoniſch galten oder in Den Kanon der
Kirche eingeſchwärzt werden ſollten, teils aber aud
ſolche, die, von der Kirche früher — beurteilt,
ſchließlich, weil ihnen weſentliche Merkmale der Kano—
nizität abzugehen ſchienen, doch noch ausgeſchieden
wurden. Die YW. des Alten Teſtaments haben, teils
urſprünglich griechiſch geſchrieben, teils aus dem He—
braifchen überſetzt, in der Septuaginta Aufnahme ge-
funden, während ſie im hebräiſchen Kanon fehlen,
lichen A. und Pſeudepigraphen find kritiſch und exege—
tiſch behandelt worden von Fritzſche und Grin (Leipz.
1851— 60) und Volkmar (daſ. 1860-—67, 3 Bde.), ins
Deutſche überſetzt von Kautzſch u. a. (Tiibing. 1900,
2Bde.). Um die Herausgabe madten fid) verdient
Thilo (Leipz. 1832), Tiſchendorf (daſ. 1851, 1853,
1866), Wright (Lond. 1871), Hilgenfeld (Leip3. 1884),
Lipfius und Bonnet (daf. 1891 ff.), Neſtle (daj. 1896),
Preuſchen (Gießen 1901). Val. aud Lipfius, Die
apofryphijden Apoſtelgeſchichten und Upojtellegenden
(Braunjdw. 1883 —90, 3 Bde.). Cine deutiche Uber:
ſetzung der apofryphifden Evangelien und Ypojtel-
ge ten lieferte Borberg (Stuttg. 1841). S. aud)
ntilegomena.
Apolda, Stadt im Großherzogtum Sadfen-Wei-
mar, an der Linie Bebra-Weifenfels der Preußiſchen
Staatsbahn, hat 2 evangelijde und eine fath. Kirche,
ein Denfmal des Kaiſers Friedrich III. und (1900)
20,352 Cinw., davon 270 Ratholifen. A. bildet fiir
die Fabrifation wollener Strumpf- und Webwaren,
um die fic) befonders Chrijtian Zimmermann (1759
bis 1842), dem 1892 ein Denkmal auf dem Karlsplatz
erridhtet wurde, verdient gemadt bat, einen der wid)-
tigiten Blige Deutſchlands. Wichtig find auferdem
Farberei, Fabrifation von Maſchinen, Dampfleſſeln,
Brauerciutenfilien, Fabrradern, Wurſt und Fleifd-
waren, Sdhofolade und Zuckerwaren fowie die Gloden-
gießerei. A. ijt Sif der Direftion des IT. Verwal⸗
tungsbezirls sr ein Amtsgericht, eine Reidhsbant-
nebenſtelle, eine Real- und eine Werkmeiſterſchule. —
Das Schloß und Rittergut von A., urfpriinglich eine
620
Beſitzung der Schenken von Vargula und Tauten: |
{pater der Herren von Vigthum, gehört feit |
burg,
1633 |
ſchichte und Bejdreibung der Fabrif- und Handels: |
jtadt A. (Apolda 1870).
Apolima (»hohlie Hand<), eine der kleinſten deut-
ſchen Samoainſeln, an der Wejtfiijte von Upolu, ijt
4,7qkm grok und bat mit Manono (1900) 1038 Cinw.
Die Inſel ijt der Rand cines alten Kraters, der ſich
bid 144 m erbebt, nach W. aber eingeſtürzt ijt, ſo daß
Das Innere einen See bildet, Der mit dem rin
Verbindung jteht, von diejem aber wegen eines davor⸗
liegenden, eimem Zuckerhut ähnlichen Unsbrudfegels
nicht ſichtbar ijt. Das alte muldenformige, jest mit
Der herrlichſten Vegetation geſchmückte Rraterbett um-
ſchließt Die Hauser und ———— der Bewohner.
Apollinarisberg, Anhohe bei Remagen am
Rhein, friiher mit einer 1117 gejtifteten, als Wall-
fahrtsort berühmten Propjtei, die 1836 in Beſitz des
Grafen Egon von Fiirjtenberg fam, der anibrer Stelle
die pradtvolle Upollinarisfirde erbauen lies.
Legtere wurde nad) Zwirners Blan im gotijd-roma-
niſchen Stil 351* bat im Innern wertvolle
Freslen und die Reliquien des Heil. Apollinaris.
Apollinariomus, in der Chriſtologie die auf dem
zweiten ökumeniſchen Konzil 381 als ketzeriſch ver-
worfene Anſicht des Biſchofs Apollinarios von
Laodikeia(geſt. um 390), der zufolge der göttliche
Logos in Chrijtus die Stelle der menſchlichen ver-
niinftigen Seele vertreten haben ſoll. Bgl. Dräſeke,
Vpollinarios von Laodicea (Leipz. 1892).
Apollindrisquelle, Vineralquelle, ſ. Neuenahr
und Tabelle zum Artikel »Mineraliwaijer I.
Apollinaris Sidonius, Gajus SolliusMo-
deſtus, römiſch-chriſtlicher Schriftiteller, um 430—
480, aus angefebener Familie in Lyon, jtieg als des
Kaiſers Uvitus Sdwiegerfohn ju den höchſien Wür—
den in Rom empor, jog fic) aber plötzlich aus der
Ojfentlidteit zurück und ward 472 Biſchof von Cler-
mont. Seine 24 Gedichte find ebenfo ſchwülſtig und
geſchmacklos wie jeine 9 Biicher Briefe, die jedoch nicht
ohne Wert fiir die Geſchichte und Zuſtände ſeiner Zeit
find. Hauptausgqabe von Liitjohann (Berl. 1887). |
Ral. Kaufmann, Die Werke des A. (Gatting. 1864); |
Chair, Saint Sidoine Apollinaire et son siécle |
(Clermont - Ferrand 1867-—68, 2 Bde.).
Apollino (> fleiner Apollo), berithmte antife Mar-
morjtatue des jugendlichen Upollon(j.d.)tn Den Uffizien
ju Florenz, jtellt den Gott an einen Baumftamm ge i
lent u. den rechten Yrnt über das Haupt ſchlagend dar.
Apollinopolis, Name zweier altägypt. Stadte, |
Kultſtätten des Horus (Wpollo): 1) A. magna, Haupt:
jtadt cines Gaues in Oberägypten, ant weitlicjen UU fer |
Des Nils, ſüdlich von Theben, mit pradtvollem Horus
tempel, unter den Kaiſern Biſchofsſitz und Hauptquar—
tier der Legio IT Trajana; jest Edfuſ. d.). — 2) A.
parva, am redten Rilufer, unterhalb Theben, arab. |
Rus, das tm Mittelalter die zweitgrößte Handels:
jtadt Aquptens war.
Apollo (Alpenfalter, Parnassins Apollo L.,
ſ. Tafel »Sdymetterlinge I«, Fig. 14 -16), Tagfalter,
Rem breit, lebt auf den höhern Gebirgen Europas,
Aſiens und Nordamerifas. Die 5 em lange Raupe
beſitzt auf dent erften Halsring einen fleiſchigen Tait
faden und lebt im Mai auf der Fetthenne. Die fegel
formige Buppe liegt auf dem Boden in einer Schlinge.
Das befrudhtete Weibchen bejigt am Hinterleib eine
Art Taſche, die durch Erhärtung ciner vom Männchen
abgelonderten saben Flüſſigkeit entſteht.
Der Univerjitit Jena. Bgl. Kronfeld, Ge- 430 v. Chr., der erite,
Apolima — Apollon.
Apollo, gried). Gott, ſ. Apollon. ,
Apollodoros, 1) qrieh. Maler aus Athen, um
Licht und Schatten richtig
beobachtete und auf feinen Gemalden in Anwendung
brachte. WIS ſeine Hauptwerfe werden ein Odyijeus
und ein ſchiffbrüchiger Aias genannt.
2) Dichter der neuen attijden Komödie, aus Ka—
ryſtos, lebte in Der erjten Halfte des 3. Jahrh. v. Chr.
in Uthen, wo er 47 Stiide verfajste (Sammlung der
Fragmente bei Rod, »Comicorum atticorum -
menta«-, Bd. 2, Leip;. 1884) und fünfmal den Brews
gewann. Rad) ihm arbeitete Terenz ſeine Komddien
»Hecyra« und » Phormio«.
3) Gried. Grammatifer de3 2. Jahrh. v. Chr., aus
Uthen, Schüler de3 Grammatifers Ariſtarchos, ver-
fate zahlreiche Schriften verſchiedenſten Inhalts, fo
»Chronicas, in iantbijdjen Senaren, eime tnt Alter⸗
tum vielgebraudte chronologiſche Weltgeſchichte in
4 Biidern, von Trojas auf 1184 angefester Seriti-
rung bis 144 v. Chr. (Fraqmente gefanmelt von Ja
coby, Berl. 1902); einen fiir die Homerifdhe Geo-
graphie widtiqen, von Strabon vielbenugten Rom:
mentar zum Schiffsfatalog der > Slias« in 12 Biichern,
jeine bedeutendite philologifde Leiſtung; em grokes
theologijdjes Werf »Uber die Godtter« im 24 Bia-
cern u. a. (Die Fragqmente in Miillers » nta
historicorum graecorum<, Bd. 1, Bar. 1841). Fälſch
lic) zugeſchrieben ijt ihm eit aus dem 1. Jahrb. v. Cor.
jtammender Abriß der Erdfunde in Senaren. Ebenio
trãgt wahrſcheinlich fälſchlich ſeinen Namen die fogen.
»Bibliothek⸗, ein mythologiſches Handbuch, trotz femer
Lückenhaftigkeit, der jedoch neuerliche Funde weſent
liche Abhilfe brachten, eine wertvolle Quelle fiir alte
Mythologie (hrsg. vow Heyne, mit Rommentar, Got-
tingen 1803, 2 Ude.; Herder, Berl. 1874; mit den
neuen Ergänzungen von Wagner, Leip;. 1894).
4) Gried). Urchiteft aus Damastus, lebte in Rom
ur Seit der Kaiſer Trajan und Hadrian, ijt Erbauer
des Trajanifden Forums und der darauf befindlichen
Säule fowie de3 Odeums und andrer Monumente
jenes Kaiſers, bejonders aud der Briide, die Trajan
in Dacien fiber Die Donau fdlagen lich, foll unter
Hadrian verbannt und 129 getdtet worden fein, wer
er Durd) Tadel des von dem Naifer entworfenen Tem-
pelS Der Venus und Roma deſſen Zorn erregt hatte,
war aber nod nad 129 in Rom tatig. Wis Schrift.
jteller lieferte Yl. ein an Hadrian geridtetes Wert tiber
rig acre betitelt: »Poliorceticas, abgedrudt
in Wefders » Poliorcétique des Grees« (Bar. 1867).
Apollo Granuns, j. Quellentultus.
Apollofraut, ſ. Hyoscyamus.
Apollon (lat. Mpollo), in der griech. Mythologie
Sohn des Zeus und der Leto, die ibn nebjt femer
Zwillingeſchweſter Artemis nad) der verbreitetiten
Sage auf der Inſel Delos qebar. Seinen: urjpriing:
lichen Weſen nad erſcheint A. als cin Gott des Lichtes
in feiner beilfamen wie verderblichen Wirkung; jum
eigentlichen Sonnengott an Stelle des Helios iſt er
erſt im Laufe der Zeit qeworden. Als den »Lichten«,
»Leudtenden « ne ihn fein Beiname BH S604,
zugleich als den »Reinens, »Heiligen« ; denn als Gott
des reinen Lidtes ift er Feind aller Finſternis und
alles ihr verwandten Linreinen, Unbolden und Frevel
haften. Als Gott des Lidhted war er aud) Ordner der
Seiten, und fo waren ihm alle Neu- und Bollmonds-
tage fowie der 7. und 20. Tag * Monats heilig.
Nach der an manchen ſeiner ſtätten berrjden-
den Anſchauung zog er im Winter nach Lykien oder
Uthiopien oder su den im fernſten Norden in ewigem
Apollon (griechiſche Mythologie).
Lichte wohnenden Hyperboreern, um im Frithling pu
rüctzulehren und mut feinen Strahlen die Macht des
Winters zu brechen. Wenn der Mythus erzählt, er
habe gleid) nach feiner Geburt mit den erjten Pfeilen
jeines Bogens den Draden Python (ſ. d.) erleqt, fo
bedeutet died Den Sieg des Frühlingsgottes über den
Winter. Als Lichtgott hatte er im Friipling, Sommer
und Herbſt feine Fe jte, von denen manche feine natiir-
liche Bedeutung in einzelnen Biigen nod flar erfennen
lajjen. So bezog fid) das ihm tm April in Athen ge
feierte Felt ber Del phinien auf die nad den Winter-
ftiirmen cintretende Beruhigung des Meeres und die
Damit verbundene Wiedererdffnung der Sehiffabrt.
Die im folgenden Monat in Athen und anderwärts
Qefeierten Thargelien (jf. d.) galten dem Sommer⸗
otte, Dem man fiir das Reifen der Feldfrüchte deren
rftlinge, gugleid) aber auc) Siihnopfer darbradte,
um Die verderblide Hike abzuwenden. Gleiche Be-
deutung batten die Delien auf Delos. Bur Beit des
höchſten Sonnenjtandes, im Juli bis Auguſt, wo der
Gott feine teils wohltätige, teils erberblidhe Macht
ausübt, wurden ibm in Sparta die Hyakinthien
Die Erjtlinge des Herbjtes bradjte man nahme in die biirgerlide und religiöſe Gemeinjdaft.
begangen.
621
verehrt. Als Unbeilabwebhrer (Alexikakos) im wei-
tejter Sinn erweiſt A. feine Macht gang befonders
bei Kranfheiten; denn wie er in der heißen ‘eit Seuchen
ſendet und mit ſeinen Pfeilen die Menſchen ſchnell da—
hinrafft, ſo vermag er auch wirkſamſte Hilfe zu ver—
leihen und wurde daher neben ſeinem Sohn Asklepios
als vornehmſter Heilgott verehrt. Insbeſondere als
Erretter von Seuchen, aber auch von andern Nöten
ſang man ibm gu Ehren den Päan (f.d.) Auch in
eijtiger Beziehung ijt A. ein Erretter voin Verderben.
Schon friih hat fic) ſeine urſprüngliche phyſiſche Be
deutung überwiegend nad) der ethiſchen Seite ent-
widelt, fo Da er, der reine Lichtgott, sum Golt
geijtiger und jittlidjer Reinheit und fomit der Ord-
nung, des Rechts und der Gejegmapigkeit geworden
ijt. Als ſolcher ftraft er unnachſichtlich den itber-
miltigen Frevler, aber gewährt aud) dem Sdjuld-
beladenen, der ſich als Buͤßender und Schutzflehender
an ihn wendet, Reinigung von der Beflecung des
Verbrechens, die als die Klarheit des Geijtes tritbende,
das Gemiit zerrüttende Rranfheit angejehen wurde,
und damit Heilung der Seele fowie die Wiederauf—
ibm an den Byanepfien dar. Wie WU. den Friichten | W. felbft hatte dazu das Vorbild gegeben, indem er
Gedeiben und Schutz verleiht, und nicht bloß gegen
das den Saaten feindlide Ungeziefer, wie Feldmäuſe
und Heuſchrecken, fo ijt er au Beidhiiger der Herden
und Weiden und wurde unter manderlei Namen (3. B.
Karneios, f. Rarneen), die auf Viehzucht deuten,
verehrt. In der Gage vom Rinderdiebjtahl des Her-
mes erfdeint er felbjt alg Beſitzer ciner Herde, die er
dem Bruder gegen die von ihm erfundene Leier ab-
tritt; andre alte Sagen lajjen ihn die Herden des
Laomedon und Udmetos hüten, was ſpäter als Folge
einer Verſchuldung aufgefaßt wurde, und als Hirten-
—— ijt er Der Liebhaber der Nymphen, wie Daphne,
oronis und Kyrene, der Mutter des Ariſtäos, qleid-
fall8 eines Herdengottes. Wie feine Schweſter Arte—
mis ijt er aud) Bejdhiiger des zarten Wildes und Er-
leger der reifjenden Tiere, beſonders des Wolfes, des
Herdenfeindes, der ſelbſt Symbol feiner Unbeil bald
fendenden, bald abwebrenden Wadt war. Auch das
Wedeihen der Menſchen befirdert UW. Er wurde bei
—— angerufen, und als Pfleger der männlichen
Jugend weihte ihm dieſe die erſte Schur des Haupt-
haares. In den Gymnafien und Kalajtren wurde er
neben Hermes und Herafles verehrt, da er Ausdauer
im Fauſtlampf, Gewandtheit und Schnellfüßigkeit
verlieh. WLS kriegeriſchem und im Kampfe bilfreidem |
Gott zollten ihm die Spartaner bejondere Verehrung,
und Ddiefem galt aud) das in Athen gefeierte Feit der
Boedromien. Cin andres athenijdes Fejt, die Me -
tageitnien, verherrlidte U. als den Stifter nach—
barlider Vereiniqung. Auch war er der Gott, unter
deſſen Schutz Kolonien ausgejendet und neue Städte
—— wurden. An vielen Orten, beſonders in
then, wurde er als Agyieus verehrt, d. h. als Gott
der Straßen und Wege, deſſen Symbol, eine fegel-
artig zugeſpitzte Säule, vor den Häuſern aufgeftellt
war, um Wusgang und Cingang zu bewahren, Gutes
cingulaffen und Boͤſes abzuwehren, und von den Haus-
bewohnern mit Ehrengaben reichlich bedacht wurde.
Wie zu Lande ijt W. auch zur See Veleiter und Be-
idiiger befonders unter dem Namen Delphinios,
den er nach dem ihm befreundeten Delphin, dem Sym⸗
bol des ſchiffbaren Meeres, fiihrte. Jn diejer Eigen—
ſchaft wurde er vielfach in Häfen und auf Vorgebirgen,
wie auf dem von Aktion, befonders aud in then, |
| nad) Dem delphiſchen Dradjenmord 7 Jahre que Siih
die fommerlicde Glut, aud gegen Meltau, Rojt und | mung feiner Blutfduld Knechtsdienſte bei
Dinetos
gaan unt fic) nad) Ublauf der Bußzeit reiniqen gu
afjen und dann erft in Delphi fein Brophetenamt
anjutreten. So verlangte er aud) Unerfennung der
Mordfiihne geqeniiber dem alten Geſetz der nur neuen
Mord und neue Sdhuld erjeugenden Blutrade. Dic
durd) den Wpollonfultus namentlid) von Delphi aus
verbreiteten Sühnegebräuche trugen zur Verbreitung
milderer Rechtsſitten außerordentlich bei. Als alles
Dunfel durdhdringender Lichtgott ijt A. ferner der
Gott ber Weisſagung, die bet ihm durdaus ethiſche
Bedeutung hat, mdem er als Prophet den Willen
jeines Baters Zeus verfiindet und damit dejjen Ord:
nung in der Welt verbreiten hilft. Er ijt Vorſteher
jeder Yrt von Weisſagung, befonders aber derjenigen,
Die er durch menſchliche Werkzeuge, vornehmlid
Frauen, in efftatifdem Zuſtand erteilen läßt. Groj
war die Zahl feiner Orafeljtitten; alle überſtrahlte
aber an Ynjehen und Bedeutung die in Delphi. Er
hebend und beqeijternd auf das menſchliche Gemiit
wirtt A. aud) als Gott der Muſik, die ihm vorgugs-
weife eigen ijt. Bei Homer erfdeint er nur als Zither-
ſpieler, während der Gefang den Muſen zukommt;
im Laufe der Zeit aber wurde er neben den Muſen
auch zum Gotte des Geſanges und der Dichtkunſt und
damit gum Muſagetes (»Muſenführer«) ſowie zum
Meiſter des Reigentanzes, der ſich mit Muſik und
Geſang verbindet. Wie mit den Muſen, ſo ſteht er
als Freund alles deſſen, was das Leben verſchönt, auch
mit den Chariten (Grazien) in engſter Verbindung.
Bei dieſen vielfachen Beziehungen zum Natur⸗ und
Menſchenleben nahm A. im Kult zu allen Zeiten eine
hervorragende Stellung ein; ſchon bei Homer wird
er mit Zeus und Athene in der Weiſe zuſammen—
geſtellt, daß die drei Gottheiten faſt den Inbegriff
aller göttlichen Macht bezeichnen. Seine Verehrung
erſtrectte ſich gleichmäßig über Die ganze Griechenwelt.
Die beiden Mittelpunkte ſeines Kults waren Delos,
ſeine Geburtsſtätte, wo bei ſeinem prächtigen Tempel
alle 5 Jahre die von den griechiſchen Staaten durch
feierliche Geſandtſchaften beſchickten Feſtſpiele der De—
lien gehalten wurden, und Delphi mit ſeinem Oralel
und feinen mannigfachen Feſten. Unter ſeinen Kultus—
ſtätten in Aſien war die bedeutendſte Patara in Lykien.
622
Den Rdmern wurde U. unter dem legten König,
Tarquinius Guperbus, durd) die Erwerbung der Si—
byllinifden Bilder (f. d.) befannt. Durd) deren Ein⸗
fluf bitrgerte fid) fein Mult bald fo ein, daß ihm als
Heilgott (medicus) 431 v. Chr. ein Tempel erridjtet
** von dem die Prozeſſionen bei den Suppli—
fationen (f. d.) auszugehen pflegten. Bei den ſeit 399
angeftellten Leftijternien (j. Dd.) nimmt YW. die erjte
Stelle.cin. Im zweiten Puniſchen Kriege wurden ihm
infolge eines Orakelſpruchs 212 die Upollinar-
jpicle cingeridjtet. Bu einem der vornehmſten Gotter
Roms erhob ihn Auguſtus, der ſich fiir feinen befon-
dern Schützling Hielt und ihm den Sieg bei Altion gu
verdanfen glaubte, durch — ag priditigen
Tempels auf dem Palatin (29 v. Chr.) und Über—
traqung der Gifu.
larjpiele (f. d.) auf
ign und Diana (17
v. Chr.).
Der vielſeitigen
—— des A.
entſpricht Die Man⸗
nigfaltigleit ſeiner
Symbole. Die ge—
wöhnlichſten ſind
thara und Bogen, je
nachdem man den
Gott des Geſanges
oder den ferntreffen⸗
den Schützen DdDar-
ſtellen wollte. Dem
delphiſchen Weis⸗
ſagegott, dem pythi-
ſchen A., eignet der
Dreifuß, den man
ihm aud) vorzugs⸗
weiſe als Weihge-
ſchenk darbradjte.
Unter ben Pflanzen
warihm der bei Suͤh⸗
nungen gebrauchte
Lorbeer heilig, der
ſeine Tempel umgab,
und die Valme, da
er unter einer Balme
qeboren war; unter
den Tieren bejonders
der Wolf, das Reb,
der Delphin, der Schwan, mit Beziehung auf Weis-
faqung der Habidt, der Rabe, der Geier, die Krähe,
die Schlange. Wud) der Greif ijt ein Symbol von
ibm. Bgl. Shinborn, Uber das Wefen Upollons
und die Berbreitung feines Dienjtes (Berl. 1854);
Roſcher, Studien sur vergleichenden Mythologie der
Gricden und Römer, Heft 1 (Leip;. 1873); Sten-
qel in den -Jahrbüchern für klaſſiſche Philologie«,
1i884.S. 351ff. Milchhöfer, Der attifdhe U. Dein.
den 1873); Heder, De Apollinis apud Romanos
cultu (Leip;. 1879).
A. war cin Lieblingsgegenſtand der bildenden Kunſt.
Während fie ihn Doe Wheibiag kräftiger und reifer
auffafte, kommt die jugendliche Bildung in der Bliite-
9 jut ausſchließlicher © —* Hervorragenden Ein⸗
fluß auf die Geſtaltung des Up
4. Jabrh. Prartteles und Stopas. Der U. Gauro-
[tn 08(>Cidedhfentiter«) ded erjtern, ein Er; wert, ijt
in mehreren Kopien in Marmor und Bronye erhalten,
die ihn als fnabenhaften nadten Yingling mit weiden
Hligen zeigen (j. Tafel »Bildhauerfunft iit, Fig. 6).
Apollon mit Leier und Greif
(Nom, Rapitolinifdes Mufeum).
Ollonideals iibten im |
|
Apollonia — Apollonios.
Den A. Muſagetes des Sfopas ſtellte Auguſtus als
RKultbild in dem palatinifden Tempel (ſ. oben) auf;
auf ihn führt man die Statue des Batifans juriid, die
den begeijterten Gott in langem Sitharddengewand
und nut fait weiblider Formenfiille darjtellt. Wis
fieghaften Gott zeigt ibn der U. von Belvedere im
Batifan gu Rom, eins der bewundertiten Kunſtwerte
(jf. Tafel ⸗Bildhauerkunſt V«, Big. 8), Die Ropie eines
altern Driginals, dem der fogen. Steinhãuſerſche Upot-
lonfopf in Bafel näher ſteht. Jn welder Tätigkeit
er dDargejtellt war, ob in der ausgejtredten Linfen den
Bogen oder die Agis haltend, wie man auf Grund
des fogen. Upollon-Stroganow in Petersburg, emer
in neuerer Zeit als uncdt erflirten Bronjejtatuette,
vermutet hat, ijt ftreitig (vgl. U. Feuerbach, Der vati-
fanifde Ypollo, 2. Aufl. Stuttg. 1855; Stephant,
U. Boedromios, Petersb. 1860; O. UW. Hoffmann,
Herm⸗ Apollo Stroganoff, Marb. 1889 u.a.). Ruhig
träumeriſch zeigt thn der fogen. Apollino in Flo—
renz. Den fraftigern ältern Typus des A. mit Leier
und Greifen, den rechten Urm auf das Haupt legend
(Motiv des fogen. A. Lyfeios) gibt cine Statue des
fapitolinifden feums (j. Ubbildung). In nmythi-
ſchen Szenen fommt YW. befonders häufig als Rertei-
diger ſeines delphifden, von Herafles entyithrten Drer-
fubes, als Schützer feiner Mutter Leto gegen Tityos,
als Beswinger des Draden Python (vgl. Sdrei-
ber, A. Eythoftonos, Leipz. 1879) und als Beſieger
des Marjyas (ſ. d.) vor. Bal. Overbed, Griechiſche
Sunjtmythologie, 3. Bd., 5. Bud (Leip;. 1887— 89).
Apollonia, Name von 18 Staidten des Uitertums.
Wichtig waren: 1) A. in Ailyrien, ndrdlich vom Aoos
(Biofa), unfern de3 Udriatijden Meeres, cine forin-
thiid)-ferfyriiifde Kolonie, die durch Handel zur Bliite
gelangte. In der Geſchichte wird fie nur im Sriege
zwiſchen Cajar und Pompejus genannt. Gegen Ende
der römiſchen Republit war fie Hauptfig griechiſcher
Wiſſenſchaft, wo vornehme junge Romer jtudierten.
Ruinen bem Mlojter Pollina, wejtlid) von Berat. —-
2) U. in Thrafien, an der Weijtfiijte des Pontus, Ro-
lonie Der Milefier, mit zwei Seehafen und beriibmtem
Tempel de3 Upollon, dejjen koloſſale Bildſäule M. Lu-
cullus nad) dem rimifden Napitol bradte. Spater
und heute wieder Sozopolis. — 3) A. in Valãſtina.
am Wittelmeer, zwiſchen Cafarea und Joppe, ſpielte
zur Beit der Kreuzzüge cine Rolle; jest Ruinen Ar—
juf. — 4) A. in Ryrenaifa, Hafenort von Kyrene, in
drijtlider Zeit Sozuſa, jest Marfa Suzaz Ge
burtsjtadt des Geographen Cratofthenes.
Apollonia, Märtyrerin unter Decius 249 in
Ulerandria, wird als Heilige und Helferin bei Zabn-
ſchmerzen angerufen. Gedidtnistag 9. Februar. Der
Name bezeichnet bei Mlopjtod und andern nenern
Didtern aud) cine muſenähnliche Frauengejtalt, die
al8 Repriifentantin der Poeſie gedacht wird.
Apollonios, 1) WU. der Rhodier, griech. Epiter
und Grammatifer aus Ulerandria, geb. um 290 v.Chr,,
Schiller des Kallimachos, mit dem er fich verfeindete,
al8 er cin umfängliches Epos, die » Argonauticas (tm
vier Vüchern), im Sinne Homers yu dichten unter
nahin. UW. ging nad) Rhodos, wo er als Lehrer der
Grammatik große Unerfennimg und das Biirgerredht
ewann; bier qab er der Didjtung die uns erhaltene
ore, Sein Epos zeugt von mehr Berjtand, Fleth
und Gelebriamteit als Dict eijt, ward aber bei dex
Romern viel gelefen und aud von Varro Atacinus
und Balerius Flaccus nadgeahmt. Bon der Beach
tung der alten Gelehrten zeugt eine wertvolle Scholien:
fammlung. Widtigite Ausgabe von Merkel (nebſt den
Apollonius von Tyrus — Apollos. 623
Scholien von Keil, Leips. 1854). Uberjepung yon| 7) A. Dyskölos (der »Miirrijdjer), griech Gram-
Djiander (Stuttg. 1838). matifer aus Alexandria, lehrte in der erjten Hälfte des
2) U. von Le in Pamphylien, Mathematifer, | 2. Jabrh. n. Chr. zumeiſt in feiner Vaterjtadt. Er
um 250— 190 v. Chr., empfing in Werandria feine | hat d ſyſtematiſche Gliederung die wiſſenſchaftliche
mathematijde Bildung und lebte teils dort, teils in | Grammatik begriindet und die griechiſche Syntax ge:
Pergamon und Epheſos. Ex ſchlug guerft die Epi- | ſchaffen. Auf ihm und feinem Sohn Herodian beruht
yleln gur Erflirung des Planetenlaufes vor. Bon | die gefamte techniſch-granimatiſche Wiſſenſchaft der
twerf, den »>Clementen der Kegelſchnitte«, Folgezeit; fein Syſtem hat insbef. Priscian jeinen In-
in dem A. nicht mur alle bis zu feiner Zeit gefundenen | stitutiones gu Grunde gelegt. Bon jeinen Werfen
Siipe tiber die Kegelſchnitte zuſammengeſtellt, fondern find nur erhalten drei kleinere Schriften iiber Brono-
aud) die Theorie diefer Kurven mit zahlreichen wert⸗ men, Wdverbien und Konjunttionen (Hrsg. von Schnei⸗
vollen Entdecungen bereidert hat, jind mur die vier | der, »Gramm. graeci«, Bd. 1, Leip;. 1878-—-1902)
erjien Bücher in griedhijder Sprade mit dem Kom: | und die Syntar der Redeteile in 4 Biidhern (hrsq. von
mentar des Eutofios, die drei folgenden aber in ara- | Beffer, Berl. 1817; itberjest von Buttmann, daj.1878).
biſcher Überſetzung erhalten; das adhte feblt gang und Apollonius von Tyrus, der Held eines lateini-
ijt von Halley nad) den bei Pappos erhaltenen Lehr- ſchen Romans, der, vermutlich im 3. Jahrh. n. Chr.
fagen new gejdjricben worden (hrsg. von Halley, Oxf. | im Stil des griechiſchen Whenteucrromans verfaft, im
1710, und Heiberg, Leipz. 1890 — 93, 2 Bde.; Uber- | Mittelalter viel gelefen und iiberfest wurde. A. be:
jesung von Balſam, Berl. 1861). Außer diejem Werke ſteht auf ber flusht vor den Nachſtellungen des Königs
jind nod) »8wei Bilder vom Verhältnisſchnitt- im | Untiodus von Untiodien, deſſen verbrecherifdes Ver:
arabifder Überſetzung erhalten (deutſch von Richter, | haltnis zur eignen Todjter er entdedt hat, mandyerlei
Elbing 1836). Bgl. Zeuthen, Die Lehre von den Schichſale, bis er fic) die Hand einer Königstochter er-
Kegelſchnitten int Altertum (RKopenh. 1886). wirbt und nad Anliochus' Tode sum König gewählt
3) U. aus Tralles in Rarien, gried. Bildhauer | wird. Auf der Fahrt nad) Untiodien wird er von
im 2. Jahrh. v. Chr., mit feinem Bruder Taurisfos | feiner Gattin, der die Geburt einer Todter ſcheinbar
Schipfer der unter dem Namen des Farnefijden Stiers | das Leben gefojtet hat, getrennt ; ſpäter verliert er aud
(j. Farneſiſche Kunſtwerle) befannten Marmorgruppe | die Todjter, die von Seeräubern an einen Kuppler
im Rationalmujeum ju Neapel. verfauft wird, aber fie bewahrt ihre Reufdbeit und
4) Sohn des Neftor, der Künſtler des Heraflestorjo | wird ſchließlich ebenfo wie dic totgeglaubte Mutter mit
im Belvedere des Vatikans (ſ. Herafles), ein Zeit- UW. glücklich wieder vereint. Die lateinijde Driginal-
genofje des Pompejus und Cajar. fajjung, die in den Handſchriften vielfad) veraindert
5) UW. von Rittum, gried). Arzt de} 1. Jahrb. | und um 1470 gum erjtenmal gedrudt wurde, ift 1893
v. Chr., Anhänger der empiriſchen Schule, verfafte | von Riefe tritibeh herausgegeben, 1836 von Biilow in
fiir König Ptolemius von Cypern (get. 58 v. Chr.) feimem »Novellenbud)«, Bd. 4, iiberfest worden. Cin
einen Kommentar gu der Schrift des Hippotrates fiber | Auszug aus ihr ging in die »Gesta Romanorum«
die Gelenfe mit Ubbildungen, welche die Behandlungs: | (f. d.), cine poetifde Bearbeitung in Das » Pantheon«
ntethoden bei den verfdhiedenen BVerrenfungen veran: | de3 Gottfried von Viterbo über. Auf diejen drei la—
ſchaulichen. Die Schrift (hrsg. von H. Schone, Leip3. teiniſchen Verſionen fußen die verfdiedenen Bearbei—
1896, mit 31 Lichtdructen) ijt wertvoll fiir Die Rents | tungen in den Landesſprachen: Bruchſtücke einer an-
ni8 der antifen Chirurgie. eljadjifden Brofa aus dem 11. Jahrh. (hrsq. von
6) A. von Tyana (in Kappadofien), neupythago: | Thorpe, Lond. 1834), eine fpanifde Romanje aus dem
reifcher Philofoph, Theurg umd Magier, der, ungefahr | 13. Jabrh. (in Sanchez' »Colleccion de poesias ca-
qgleichalterig mit Chrijtus, durch femme Reifen, Yben- | stellanas<, Bar. 1842), mebhrere franzöſiſche und ita-
teuer, Prophejeiungen, jogen. Wunder, großes Auf- | lienijde Faſſungen in Vers und Proſa, ebenſo ver:
feben bei feinen Zeilgenoſſen erregt ju haben ſcheint ſchiedene englifdhe, unter ihnen aus dem 14. Jahrh.
und ungefähr 100jährig in Epheſos jtarb. Bon dem | eine Nachdichtung Gowers in der »Confessio aman-
höchſten Gott hatte er eine gereinigte Borjtellung: | tis«, die dann fpdter in dem Shakeſpeare zugeſchrie—
ifm follen feine Opfer gebracht, er Pott nicht einmal benen Drama » Perifles«< benutzt wurde. Yn Deutſch—
mit Worten genannt, vielmehr nur mit dem Verjtand | land geftaltete den Stoff im Anfang des 14. Jahrb. der
erfaßt werden. Tempel, Altäre und Bildſäulen wurden Wiener Arzt Heinrich von Neujtadt gu einem weitlau-
dem YW. in vielen Städten, befonders Rleinafiens und | figen Ritterepos aus, indem er feine Umdichtung der
Griecdhenlands, erridtet fowie Münzen auf fein nod) den | lateinijden Proſa mit fret erfundenen Einlagen ver-
Kaifern Caracalla, Aurelian und Alexander Severus | jah (im Auszug Hrsg. von Strobl, Wien 1875). Cine
Heiliges Undenfen gefdlagen. Geqner des Chrijten- | vortreffliche mitteldeutſche Proſaüberſetzung aus dem
tums in alter und neuer Beit jtellten ibn neben Chri- | 15. Jahrb. (hrsg. von Schröder in den > Mitteilungen
ſtus oder fogar iiber ihm, fo Hierofles unter Diofle: | der deutfden Gefellfdaft«, Bd. 5, Leipz. 1872) fand
tian, Voltaire, Wieland u.a. Cine ausführliche, ro- | nicht die Verbreitumg wie Heinrid) Steinhöwels Be-
manhaft tendenziöſe, hiſtoriſch wertlofe Biograpbie | arbeitung, die fic) gugleid) Den »Gesta Romanorum«
ded A. befigen wir nod von Flavius Philojtratos (f.d.), | und Gottfried von Viterbo anſchließt und, 1461 ver:
der jie ps Veranlaſſung der Julia Domna, Gemah: faßt, feit 1471 mehrfad) gedrudt wurde, zuletzt von
lin des Septimius Severus, in acht Biidern nieder- | Schrider a. a. O. Aus emer niederlindijden Uber-
ſchrieb. Die Schriften des UW. find verloren bid auf | tragung der »Gesta Romanorum« jftanunt das nie
85 Briefe, die, wahrſcheinlich unedyt, mit jener Qebend- derländiſche Vollsbuch: »Van A. van Thyro« (zuerſt
beſchreibung in den Unsqaben der Werke de3 Philojtra- | Delft 1493), das von Penon im feinen »Bydragen
tos von Wejtermann (Par. 1849) und Kayſer (Bd. 1,| tot de Geschiedenis der nederlandsche Letter-
Leipz. 1870) abgedrudt worden find. Bal. Baur, | kunde« (Groning. 1881) neu — ijt. Bal.
A. von Thana und Chrijtus (Titbing. 1832); Jeffen, | E. Klebs, Die Erzählung von A. v. T. (Berl. 1899).
U. von Tyana undjein Biograph Rouloftratus(Hamb.' Wpollos, Mitarbeiter des Apoſtels Paulus in
1885); Göttſching, A. von Tyana (Berl. 1889). | Cphejos und Rorinth, cin fdrifigelehrter Judenchriſt
624
Apolog — UApomefometer.
aus Wierandria, von vielen fiir Den Berfajjer ded Teylerſches Inſtitut in Haarlem 1786). In Deuticd-
Hebräerbriefes gehalten, der im Geijte alerandrini-
ſcher Religionsphilofophie das Chrijtentum gu be—
gründen fudt.
Apolõg (qriedh.), cine ſinnreiche erdidtete Erzäh—
lung, Warden; dann foviel wie Fabel, beſonders
moraliſchen Inhalts, aud) mit deutlich ausgeſproche—
ner Lehre am Schluß.
Apologẽtik, |. Upologic.
Apologie (gried) Rede oder Schrift sur » Vertei-
digung · eines Ungeflagten oder ſonſtwie Bejduldig-
ten. Upologeten heifen in der chriſtlichen Literatur:
geidichte die Manner, welche fic) die Verteidigung
des Chrijftentums und die Widerlegung der von den
Nichtchriſten gegen dasſelbe gerichteten Unflagen zur
Aufgabe machten. Unter den Apologeten der erſten
Jahrhunderte ragen hervor Ariſtides, Juſtin der
Märtyrer, Tatian, Athenagoras, Theophilus von An—
tiochien, Minucius Felix, Tertullian, Origenes (gegen
Celſus), Arnobius, Lactantius und Euſebius von Cä—
ſarea. Gerade bei den gebildetſten Apologeten tritt
eine erhebliche Trübung der religiöſen und ethiſchen
Grundgedanfen des Chriſtentums ju Tage infolge des
Einfluſſes der griechiſchen Metaphyſik und Ethif, die
den neutralen Boden zwiſchen ibnen und ihren Geg-
nern abgeben mu. Nachdem das Chrijtentum Staats-
religion geworden war, fonnten YWpologeten wie Au—
guſtin den Verfall des Heidentums als göttliches Ge-
richt Darftellen. Gegen die Juden fdrieb nod) 822
Ugobard von Lyon, gegen Juden und Uraber Rai-
mund Martini in Spanien 1278 feinen » Dold) des |
Glaubens«. Wis das Lehrgebäude der Kirche ſich feit
gejtellt hatte und im Innern von der Scholajtit aus-
gebaut wurde, madte fic) vorwiegend das Bediirfnis
qeltendD, Die von Der Autorität Der Kirche als iiber-
nattirlid) geoffenbart fanftionierten Wahrheiten aud
vor ber Vernunft und der Philoſophie gu rechtfertigen,
land riefen bejonders die Wolfenbiitteler Fraqmente
eine Menge von Gegenfdriften hervor. Da alle dieſe
Angriffe ſich ebenfowoh! gegen die chrijtliche Ethil wie
gegen die Dogmatif wandten, fo ſuchten die Upoto-
qeten nun oft in mehr rationalijtijdher Weiſe die ewige
Weltung und Vernunftgemäßheit des moraliſchen In
halts der Bibel fowie die Ubereinſtimmung der drijt-
lichen Ethif mit Dem Gewijjen und der allgemeinen
Humanitdtsidee nachzuweiſen. Oder man fuchte fuper-
naturalijtiid Das tiberverniinftige des Chriſtenums
zu retten Durd) Erweiſung der Notwendigfeit der Oj⸗
fenbarung, der Wunder und Weisſagungen. Bom
Standpuntt eines Ajthetifierenden, romantifden Ma
tholizismus verteidigte Chateaubriand (j. Dd.) den
»Benius de3 Chrijtentums« (1802). Nach der allge-
meinen Wiedererwedung ded religidjen Lebens un 2.
und 8. Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts, und mad-
dem um 1830 ſcheinbar cine völlige Verſöhnung zwi
ſchen dem Chriſtentum und der Philoſophie eingetre-
ten war, haben fich um fo bedroblider die entſchieden
materialijtijchen und pofitivijtiiden Richtungen unjrer
Tage entwidelt, Denen gegentiber jede A. zuerſt be
Grimdvorausfegungen des Chriftentums, die Begrijfe
Wott, Religion und Dfienbaning, ju fichern bat. Bre
nun aber bas apologetiſche Material zu benutzen ſei.
um tetls Die Wahrheit der Religion an fic, teils m-
ſonderheit das Chrijtentinn als die vollfommene Re-
ligion ju erweijen, Das zu lehren, ijt die Aufgabe der
Apologetik, d.h. derjenigen theologiiden Dwyiplin,
weldye Die Grundfage fiir Die Berteidiqung von Re-
ligion umd Chrijtentum aufitellt. Den Namen führte
Bland (»>Cimleitung in die theologiiden Wiſſenſchaf⸗
| tene, Bd. 1, Gdtting. 1794) in die Wiſſenſchaft ein. Ber-
wandt ijt Die Mpologetif mit der ole mif und Irenit
(f. d.). Bgl. Delitzſch, Syſtem der chrijtlichen Apo
logetil (Leipz. 1869); Lutbardt, Apologetiſche Vor⸗
fo beſonders in den Unterſuchungen Abälards, des | trage (14. Aufl., daſ. 1897); Steinmeher, Apolo—
Thomas von Aquino u. a. iiber das Verhältnis von getiſche Beitrage (Berl. 1866 —73, 4 Te.); Baum:
Glauben und Wijjen, Vernunft und Oifenbarung. jtarl, Chriſtliche Upologetif auf anthropologiſcher
Gegen Ende des Mittelalters fuchte Marſilius Ficinus, Grundlage (Frankf. 1872 —89, 3 Bde.); Ebrard,
um den tiefen Rif zwiſchen der humanijtifden und der | Upologetif (2. YUufl., Gütersl. 1878 —80, 2 Bae.);
firdlich - chriftliden Weltanſchauung ju verfleben, in | Kaftan, Die Wahrheit der chriſtlichen Religion (Bas.
der Schrift » De religione christiana et fidei pietates 1888); Steude, Evangelijde Upologetif (Gotba
die ilbereinjtimnnmg des Platonismus mit dem Chri 1892); vom fatholifden Standpunft: Drey, Die
jtentum gu erweiſen, und der Humaniſt Vives ſchrieb Upologetif als wiſſenſchaftliche Nachweijung der Gatt-
»De veritate religionis christianae«. Das Refor- lichkeit des Chriftentums (2. Aufl. Mainz 1844 —47,
mationsseitalter Dagegen verjdlang im feimen inner: 3 Bde.); Hettinger, A. des Chrijtentums (8. Mull,
firdlidhen Kämpfen alles apologetiſche Intereſſe; erjt Freiburg 1899-1900, 5 Bde.); Wei, A. des Chore
das 17. Jahrh. bringt in Hugo Grotins und Rascal
wieder apologetiſche Schriftiteller. Bald aber begann |
die aus Dent Chriſtentum hervorgegangene, durch flaj |
ſiſches Studium befruchtete, dürch die Reformation |
geförderte Zeitbildung fid) gegen das pofitive Chrijten: |
tum zu wenden, deſſen Berjtandnis in feiner firdlid
abgeſchloſſenen, ſcholaſtiſch dogmatifden Form thr |
immer fdwerer wurde. Deijten und Raturalijten, |
Enyyflopadijten und Freidenter aller Urt griffen rid: |
ſichtslos Die chrijtliden Dogmen an und riefen eine
reiche apologetifde Viteratur bervor, die befonders in
populiren Sdriften den Einwirkungen jener Geijter
auf die Denfungsart des Volfes entgegenjuarbeiten
ſuchte. Bejonders tätig war man in dieler Beziehung
in England (Lardner u. a.), Wo man aitd) zuerſt das |
in Holland und Deutſchland nachqeahmte Beijpiel qab,
Inſtitute su errichten, die Durd) Breije zur Abfaſſung
apologetiſcher Schriften anregten (Urlspergers Chri-
ſtentumsgeſellſchaft in Bajel 1780, Geſellſchaft zur
Verteidiqung der driftliden Religion im Haag 1785, |
jtentums (3. Aufl., daf. 1894 —98, 5 Bde.).
Upologie der Augsburgiſchen Ronfeffion,
ſymboliſches Buch der lutheriſchen Kirche, cine Redht-
fertigung der Augsburgiſchen Konfeſſion und cme
Widerlequng der auf faijerliden Befehl ——
Konfutation derſelben. Verfaßt wurde fie von
lanchthon nach den Notizen, die ſich die elticen
Theologen während der BVerlefung der Sonfutation
qemadt batten. Die A. ward 22. Sept. 1530 dem
Kaiſer Karl V. überreicht, aber von ihm nidt ange
nommen. Da die Katholifen wiederholt behawupteten,
daß Die Augsburgiſche Konfeſſion widerlegt fei, unter-
nahin Melandthon auf Grund ciner jept erſt erlangten
Abſchrift der Ronfutation eine gründliche Umarbeitung
der A., die er ⸗Apologie der Konfeffion« nannte. Sie
erfdjten tm April 1531 lateiniſch, tm Oftober d. 9.
deutſch von Juſtus Jonas. Bal. Blitt, Die A. der
Auguſtana geſchichtlich erflairt (Erlang. 1873).
Mpomefometer (gricc).), Entfermuings-, Drjtang-
meſſer.
Apomorphin — Mpoftel.
Apomorphin C,,H,,NO, entiteht aus Morphin
C,,H, NO, durd Erbigen mit Salzſäure auf 150°,
ijt farblos, löſt fid) ſchwer in Waffer, leicht in Alkohol,
ther und Chloroform, färbt fic) an der Luft unter
Sauerjtoffaufnahme {dell grün und löſt fic) Dann
nur nod) teilweife. Salzſaures U. C,,H,,NO,HC! ift
frijtallifierbar, in Waffer und Ulfohol leicht löslich.
A. bewirkt in höchſt geringen Dofen, befonders bei
Einſpritzung unter die Haut, fehr ſchnelles Erbrechen.
Selbjt langere Berührung de3 Apomorphins mit den
Händen bringt diefe Wirfung hervor. Man benugt
es daber als mittel
—— bei Vergiftungen)
und zur Beförderung des Auswurfs. Bei ſchwachen
Perſonen lann A. Kollaps durch Lähmung der Ner—
venzentren und des He herbeifiihren.
UAponeurodfe (griech.), Sehnenhaut eines Mustels
(f. Gebne).
Aponogéton Thunb., einzige Gattung der Upo-
nogetonajeen, Wafjerpflangen mit fnolliger, ftirfe-
meblreider Grundadje, grundſtändigen, langgejtiel-
ten Blittern mit ſchwimmender oder untergetaudyter
Spreite und langgeſtielten, von einer Scheide umhüll⸗
ten, zylindriſchen oder gabelig gefpaltenen, meift viel-
Blittigen Biiitenftinden. Etwa 15 Arten in Wfrifa,
Madagastar, dem tropifden Aſien und Uujftralien.
A. distachyus L. fil. ({. Taf.⸗Waſſerpflanzen · Fig. 1),
mit —— er Knolle und großen, oblongen
Blättern, am Kap der Guten Hoffnung. Bliltenfdafte
und Knollen werden gegeffen. fultiviert fie ihrer
Schinheit und des —— der Blüten halber als
Zierpflanze. A. fenestralis Hook fil. (Ouvirandra fen.
Pers., Gitterpflange, f. Tafel »Wafjerpflanjen«,
vig. 4, und Tafel »Blattformen I<, Fig. 15), mit
untergetaudten Blittern, die zwiſchen den Nerven
itterartig Durdjlidert find, auf Madagaskar. Die
—** werden gegeſſen.
Apopemptikon (gried}.) Gedicht eines Sdheiden-
den an die Zuriidbleibenden. Bgl. Rropemptifon.
Apophthéegmen (qrieth.), turje, inhalt3volle Sinn-
ſprüche, wie die Sprfisne der Sieben Weifen Grieden-
lands: »Nicht gu viel!«, »Maß halten ijt gut!« 2.
ee Der gefeiertiten UW. der Alten —
Plutarch, Manutius, Lyloſthenes u. a. Heraus. YW po-
phthegmatiſch, kurz, geiſtreich, kräftig fim Wusdrud).
MApophyllit (Igthyophthalm, Fiſchaugen—
ftein [ ir ded Perlmutterglanges auf Spaltungs-
flächen) Ulbin), Mineral der Zeolithgruppe, bejteht
aus rag aang 7 fiefelfaurem Ralf mit Rali und
etwas Fluor H,KCa,(Si0,),.4'/2H,O, kriſtalliſiert
tetragonal, in fdulen- oder tafelformigen, gu Drujen
oder ſchalenförmigen Uggregaten verbundenen Mri-
jtallen, ijt farblo8, wei, Piten rofenrot, lantendurch⸗
ideinend bis durdjidtig, glasglingend, Harte 4,5—5,
jpeg. Gew. 2,3——2,4. Er findet ſich in Blafenriumen
von Eruptivgefteinen bei Auſſig, im Faſſatal, auf Is—
land, den Faͤrbern, in Ojtindien fowie auf Erggin-
gen, fo bei Undreasberg, Kongsberg x.
Apophyfe(Upophy fis, griech.), Ausläufer eines
Ganges (j. Gang) oder eines Stodes, der oft tief in
das Rachbargeftem eindringt. Jn der Botanik Ver-
didung auf den Zapfenſchuppen der Kiefer, Anſchwel⸗
tung der Seta unterhalb der Mooslapſel oder -Bildhfe.
Yn der Unatomie die Enden der Röhrenlnochen.
Apoplexie (qried).), foviel wie Shlagfluj. U.des
Weinſtocks, ſ. Weinftodqummofe.
Apor, alles adeliges Geſchlecht in Siebenbürgen,
als deſſen angeblicher Ahnherr der ſtreitbare Opour
ilt. Stefan A. war zur Zeit Upafis I. aes a
Bon Peter U.(1676—1752), dem gelehrten Surijten
Meyers Nonv.>Lerifon, 6. Aufl., J. Bd.
625
und Obergefpan, ber 1713 baronifiert wurde, rührt
das befonders fiir die fiebenbiirgifde Kulturgeſchichte
wichtige Wert »Metamorphosis Transylvaniae« her
(pr8qg. von G. Kazinczy, Budap. 1863).
orem (gried). Uporéma), ſchwierige Aufgabe,
Streitfrage; aporematifd, aweifelhaft.
Aporti, Ferrante, ital. Ubbate, geb. 20. Nov.
1791 in Gan Martino dell’ Urgine, gejt. 29. Nov.
1858 in Turin, wo er feit 1848 als Senator und
Reltor der Univerſität wirtte. Er zuerſt qriindete in
Stalien (ſeit 1827) Kleinkinderſchulen (asili d'infanzia)
nach Fröbelſcher Urt. Seine Schriften haben die Cin-
richtung des Sffentlidjen Sdhulunterridjts in Dtalien
nad) mobdernen Grundſätzen angebabnt.
Psaltis ſ. Apogäum.
Apoſiopeſis (griech. lat. Reticentia, ⸗Verſchwei⸗
gungs), rhetoriſche Figur, wobei man mitten in der
ede abbricht und dem Hörer die Cra sung überläßt.
Berühmt ijt die A. in BVergils > Mneidee, 1, 139: »>Quos
ego!«, entipredjend unferm: »Ich will eud) —e.
MUpofporic, ſ. Apogamie.
Apoſt aſie (griech.), oͤffentliche Losſagung von der
chriſtlichen Kirche. Die Kirche ſtraft die A. mit Ex—
fommunifation. Sm ſpätern römiſchen Staat und im
Mittelalter wurde A. aud) ald biirgerlidjes Verbrechen
traft und feit Bonifacius VIII. der Ketzerei gleich-
gejtellt. Die UW. war baufig wãhrend der Chrijten-
——— im römiſchen Reich, dann unter der Herr⸗
ſchaft Islam. Das katholiſche Kirchenrecht kennt
ferner eine A. vom Ordensgelübde, nämlich in dem
Falle, daß ein Ordensgeiſtlicher ohne Erlaubnis der
Obern in die Welt zurücktritt, und eine A. vom Stande
in dem Falle, daß ein Kleriker den geiſtlichen Stand
aufgibt. Auch dieſe A. wird mit Erfommunifation und
—— beſtraft. Wpoftdt (griech. apostita),
ein Abtrünniger. Bgl. die Yirtifel »Wbfall, Konvertit,
Renegat, Profelyt«.
MApoftat , ſ. Apoſtaſie.
Apoftel (qriech., »Gejandte, Sendboten «), im all-
emeinen im Neuen Teftament alle diejenigen, die
Irgendwie ausgefendet wurden, um bas Evangelium
au verkündigen; im engern Ginne die zwölf Singer,
die Jeſus aus dem groken Kreife feiner Anhänger
auswählte und ausjandte, um durch ibre Predigt die
neue Gemeinde gu jtiften. Ihre Namen gibt uns
das Neue Tejtament in vier fogen. Upojftelfatalogen
(Matth. 10, 2—4; Marfus 3, 16—19; Lufas 6, 14—
16; Apoſtelgeſchichte 1, 13); fie eigen: Simon Pe—
trus, Undreas, Jafobus, Johannes, Philippus, Bar-
tholomaus, Thomas, Matthius, Jakobus Alphäi
Sohn, Lebbius, Simon, Judas Iſchariot, an dejjen
Stelle ſpäter Matthias getreten ijt. Die Ramen ſtim—
men in den vier Verzeichniſſen nidt völlig überein;
dod) wird in Der Regel angenommen, daß Vartholo-
mäus diefelbe Perſon ijt mit Nathanael, Matthäus
uit Levi, Lebbaus mit Thaddius oder Judas Jalobi
(d. h. bes Yafobus Sohn). Die erjte Stelle nehmen
die beiden Briiderpaare cin, Petrus und Undreas
und die Rebedaiden Jafobus und Johannes. Wn der
Spige erjdeint in allen Ratalogen Simon Petrus,
der zuerſt Berufene und ſtändige Wortfiihrer feiner
Mitapoftel. Mit ihm bilden die beiden Sebedaiden
den engern Kreis der Vertrauten Jefu, alle zwölf
aber gleichſam die Mujtergemeinde, die Jeſus heran-
bildete, einen mit Bezug auf das zwölfſtämmige Is—
rael abgeſchloſſenen Kreis, in dem die neuen religiöſen
und fittlicjen Grundſätze fid) verwirflidten und aud
ber Beſitz für gemeinſam galt, wãhrend Jeſus gu ihnen
in dem Verhaͤltnis eines Familienvaters ſteht. Erſt
40
626
allmaählich reifte in ihnen, und wieder in Petrus zuerſt,
der Glaube an die Meffianitat ihres Meijters. Dore
eigentlidje Wirkfamfcit beginnt erſt mit dem Pfingſt⸗
tage, al8 an die Stelle der Niedergeſchlagenheit, in
die fie Der Tod Jeſu verſetzt hatte, eine volle Glaubens-
zuverſicht getreten war. Bon den meijten Apoſteln,
ihrer fernern Wirkfamlcit und ihren Schickſalen ſchweigt
die bibliſche Erzählung, und die fie betreffenden apo-
tryphiſchen Überlieferungen haben feinen geſchichtlichen
Wert. Nach dieſen ſollen die A. die Erde als Miffions-
gebiet unter ſich verteilt haben, dann zur Miſſions—
arbeit ausgezogen und faſt ſämtlich als Märtyrer ge-
ſtorben ſein. Noch bis in die Mitte des 2. Jahrh.
wurde der Name A. auc) im weitern Sinne von wan-
dDerndenWlaubensboten iiberhaupt qebraudt, wogegen
das Upojtolat als Amt oder Würde nicht fortgefiihrt
wurde; nur als Rechtsnadfolger des Petrus nennt
der rimifde Stubl fic) apojtolijd. Val. Geufert,
Der Urfprung und die Bedeutung des Apoſtolats in
der chrijtlidjen Rirdhe (Leiden 1887). — UW. eines
Landes wird aud) in fpiterer Zeit der Begriinder
des chriſtlichen Glaubens in cinem Vande — ſo:
Avila (A. von Andaluſien), Gregor (A. von Ar—
menien), Frumentius (A. der Äthiopier), Boni—
facius (A. der Deutſchen), Auguſtinus (A. der Eng-
länder), Kilian (A. der Franken), Willibrord
der Frieſen), Eliot (A. der In dianer), St. Patrick
(UW. Irlands), Ansgar (A. des Nordens), Adalbert
von Brag und Bruno (UW. der Preußen), Colum:
banus ( rep rg, am pd atte
Cyrillus und Methodius (UW. der Slawen).
Mpoftel (Apostoli, Literae dimissoriae) nannte
man früher tm Zivilprozeß die auf die Berufung be-
züglichen Einfendungsberidte des Unterridters an
en Oberridhter.
Apoftelbriider (Upojtelorden, Upoftolifer),
eine etwa 1260 aus den Spiritualen, d. h. den ftrengen
Franzislanern (jf. d.) hervorgegangene, der verwelt-
lichten Ridjtung der Kirche entgegentretende Sette.
Dor Führer Gerhard Segarelli, etm Gewerbsmann
aus Parma, durchzog als Bupprediger in der Mlei-
dung eines Upojtels Italien, bis er 1300 auf dem
Scheiterhaufen jtarb. Seine Unhinger, durd) die apo-
falyptifdhen Schwärmereien des mailändiſchen Brie-
iters Fra Dolcino erhigt, wurden 1307 auf dem
Monte Febello bei Vercelli belagert und unterdriidt,
Dolcino felbjt verbrannt.
Upojtelfefte (Up ojteltage), lirchliche Gedenltage
eines oder mehrerer Apoſtel, unter Einfluß der Her-
—— ares Teil ſchon früh entſtanden. Die
wichtigſten find: die gemeinſamen Tage des
und Paulus (29. Junt), des Philippus und Jafobus
(1. Mai), Simon und Judas (28. Olt.); ferner: Pauli
Belehrung (25. Jan.), Matthias (24. Febr., griech.
9. Aug.), Bartholomaus (24., qried. 25. Aug.), Mat-
thius (21. Sept., qried). 16. Nov.), Thomas (21. Dez.,
qried). 6. Oft.), Johannes (27. Dez., griech. 26. Sept.).
S. aud) die Yirtifel » Wpoftelteiung, Cara Cognatio,
Erhdhung des Leibes Johannis, Petri Kettenfeier,
Petri Stublfeiers. Ein von der afrifanifden Kirche
gefeiertes Feit aller Upoftel fudte 610 Bonifacius IV.
allgemein einzuführen, doch ging es im Feit Ullerbheili-
gen (f. d.) unter. Die — ns Kirche hat die Feier
der A. ganz cingeben laſſen oder auf einen benach—
barten Sonntag gelegt, und aud in der fatholifden
Kirche werden die meijten nur nod innerfirdlid) be-
gangen, im Orient nur von den Minden.
oftelgeſchichte (Acta oder Actus apostolo-
rum), dag fiinfte hiſtoriſche Bud) des Neuen Teſta—
Apoftel — Apoſtelgeſchichte.
ments, gibt ſich ſelbſt als Fortſetzung des dritten, dem
Lufas zugeſchriebenen Evangeltums. Jn dem erſten
Teil des Buches wird die Entitehung der Gemeinden
in Palijtina und Syrien erzählt, wobei bejonders
die Perjon de3 Upojtels Petrus hervortritt. Der zweite
Teil (Nap. 183 — 2s) ſchildert ausſchließlich die Wirt-
famfeit des Apoſtels Paulus, deffen Belehrung bereits
im erjten Teil erzählt war, und bridt ab mit ngabe
feiner zweijährigen Gefangenidaft in Rom. Sebr
deutlich zeigen ſich ältere Quellen, die Der Verfaſſer
benutzt und in fein Wert verflochten hat, z. B. 16,
10—17; 20, 5—15; 21, 1—18; 27, 11—28, 16, wo
mit »wire erzählt wird (Daher ⸗Wirquelle genannt).
Jn der erjten Halfte hat die Darjtellung mehr den
Charafter de3 Wunderbaren und Sagenhafter fejt-
gehalten als in der zweiten, wo fie namentlic gegen
Den Schluß als auf ugengengen{dhaft berubende Be:
ridterftattung erſcheint. Dagegen ijt es febr fchwer,
Apoftel{cug (Germaniſches Mufeum in Rirnberg.
wenn nidt unmöglich, swifden den Ungaben ber
die Wirkjamleit des Paulus, die fic) in den Briefen
deSfelben finden, und denen der A., namentlid) in
Bezug auf den fogen. Upojtelfonvent und auf des
Paulus Verhältnis zu Petrus, eine volle Überein⸗
ſtimmung herzuſtellen. Hieran knüpft ſich die verſchie
dene Beurteilung des Wertes, den die Schrift für die
Kenntnis des apoſtoliſchen Zeitalters hat. Im Gegen⸗
oe gu der ältern — als einer ſtreng geſchicht
lichen Darſtellung wies die ſogen. Tendenzkritil
Schneckenburger, Baur, Schwegler, Zeller, Overbed)
auf den fichtlid) hervortretenden Barallelismus zwi⸗
iden Petrus und Paulus, der ſich ebenſo auf die er-
duldeten Leiden wie auf die wunderbaren Kraftwir-
fungen und göttlichen Führungen besiehe, und auf dte
fonjequente Unterdriidung aller Spuren der Kampfe
hin, die der geſchichtliche Paulus mit den pharifaticdhen
Judenchriſten zu beftehen hatte. Jedenfalls will der
Verfaſſer den der chriftlichen Kirche und die Tar
tigleit Des Upoftels Paulus ſchildern nad der Uuf-
fajfung des fpatern, katholiſch werdenden Heidenchri⸗
jtentums (um den Unfang des 2. Jahrh.), das fiir
eine ummittelbare Stiftung des Upoftels gelten wollte
und fein Bewußtſein von einer dagwif enden
Entwidelung hatte. Val. De Wette, Einleitung in
die U. (4. Aufl., hrsg. von Overbed, Leip;. 1870);
Joh. Wei, Uber die Abſicht und den litevarifden
Apoſtelhäuschen — Apoſtoliſche Konftitutionen.
Charakter der A. (Götting. 1897); Wendt, Apoſtel⸗
geſchichte, in Meyers ⸗Kommentar zum Neuen Teſta⸗
ment« (8. Aufl., daſ. 1899).
Apoftelhausden, ſ. Blende.
Apoſtelkonvent, Bezeichnung der in der fatholi-
Geſchichtſchreibung als erjtes Konzil geltenden
mferen3, welche die Uvapofte! Betrus, Jakobus und
Xohannes mit den Heidenmiffionaren Paulus und
Barnabas etwa wm 25 yu Jeruſalem pflogen. Das
Rejultat derfelben war nach Gal. 2, 1—10 gegenfei-
tige Unerfernung, Abgrenzung der Miſſionsgebiete
und Freigebung der ge —— gegenüber den
Anſprüchen des moſaiſchen Geſetzes, nach Upojtel-
efchichte 15 überdies nod) ein förmliches Konkor—
t, Durd) bas die Heidenchrijten (im Widerſpruch mit
Gal. 2, 10) zur Beobachtung der jüdiſchen Sitte auf |
vier befonders widtige Bunfte verpflidtet wurden.
Wpoftelfrug, Decelfruq aus Steingut, deſſen
Baud) mit Bildern der zwölf Upoftel in aufgelegtem,
bunt emailliertem Relief verziert ijt. Die Upojtel-
triige wurden aus dDunfelbrauner Tonmaſſe meiſt in
Kreußen bei Bayreuth im 16. und 17. Jahrb. verfer-
tigt (jf. Ubbildung, S. 626).
Apoſtellehre (Lehre der zwölf Apoſtel, Di-
Dace), ein wahrſcheinlich in der erjten Hiilfte ded
2. Jahrh. in Syrien oder in Ägypten entitandener
griechiſch geſchriebener Leitfaden chrijtlider Sitte und
chriſtlichen Gemeindelebens, beſtimmt zur Verwertung
bei dem der Taufe vorangehenden
Unterricht. Ein erſter Teil bringt
unter dem ſchon den Juden geléiu-
figen Bilde der zwei Wege des Le—
bens und des Todes die Moral—
vorfdriften, mit denen die Rate-
chumenen vor der Taufe betannt zu
machen find, wiihrend der zweite,
an die Getauften geridtet, von
den Kultushandlungen (Taufe,
Faſten, Eudariftie) und von den
Amtern« in der Gemeinde (Pro⸗
pheten, Apoſteln, Lehrern, Biſchö—
fen und Diafonen) handelt, um
mit einer Ermahnung unter Hin-
weis auf die baldige Wiederfunft
des Herrn abzuſchließen. Dem in
ciner eingigen Handſchrift überlie—
ferten Schriften liegen ältere Bor
lagen 3u Grunde. Ausgaben von
deutſcher Überſetzung und ausfiibr:
lidem Kommentar; in abifgen
beiden Wege⸗ (2. Aufl., daf. 1896) ;
J. R.Harris (Baltim. 1887), mit
Falſimile der ganzen Handſchrift.
Apoſtellöffel, Beſtecke mit 13
Löffeln, deren Stiele als die Apo—
ſtel und Maria gebildet ſind; bis
ins 17. Jahrh. beliebte Patenge—
ſchenke (ſ. Abbildung).
Abpoſtelorden, ſ. Apoſtelbrüder.
Apoſtelteilung, fathol. Gedenktag (15. Juli),
rvorgerufen durd die Legende, daß Die Apoſtel be-
ufs Unsbreitung der chriſtlichen Lehre die Erde unter
fich geteilt bitten; friiber feſtlich beqangen.
Rpoftem (griech.), Eitergeſchwür, Abſzeß; apo-
— etn eae
hren, 3. B. in Nieren nad Blafentatarrh x.
a posteriori, j. a priori.
Apoſtellöffel.
A. Harnack (Leipz. 1684), mit
Faſſung: > Die A. und die jüdiſchen
werden von
627
Mpoftill (neulat. Up oftil lum), beglaubigte Nach⸗
{drift gu einem Dofument, bef. einem Bittgefuch ; dann
Befderd auf ein Bittgeſuch, bef. wenn er gleich an def-
fen Rand geſetzt ijt; daber Randbemerfung überha
Apoftolat (Upoftolatus), ſ. Apoſtoliſches Amt.
Apoſtoliker, ſ. Apoſtelbrüder.
Apoſtolikum (Symbolum apostolicum), ſoviel
wie Apoſtoliſches Glaubensbefenntnis (f. d.).
oftolifde Briefe, Lehr- und Ermahnungs-
ſchreiben im Neuen Tejtament, von Apoſteln an drijt-
lice Gemeinden oder an einzelne Chrijten geridtet.
Wan teilt fie in die 13 Pauliniſchen, denen als 14.
der Brief an die Hebréer fich anreiht, und in die 7 fa-
tholiſchen. Mehrere von Upojteln verfakte Briefe find
verloren geqangen, 3. B. cin Brief (der erfte) des
Paulus an die Rorinther (1. Ror. 5, 9) und ein Brief
deSfelben an die Laodicener (Rol. 4, 15).
Apoſtoliſche Gemeinde, chriſtl. Gemeinde, deren
Griinder und Lehrer cin Upojtel war, 3. B. die gu
Jeruſalem, Untiodia, Ephefus, Rom; im weitern
Sinne foviel wie apoftolifde Rirdhe.
ſche Junta, ſ. Apoſtoliſche Bartei.
Apoſtoliſche Kammer (Camera reverenda apo-
stolica), früher Die mit ausgedehnten adminiftrativen
und ridterliden Befugqnifjen ausgejtattete Zentral-
behirbde fiir die Verwaltung des Vermigens und der
Einkünfte ber rimifden Kirche, heute, naddem ihre
BVerwaltungsbefuqniffe auf das italienifde Finanz—
minijterium übergegangen find, nur nod) eine fiir
den (vom Papſt for Brieaip aufrecht erhaltenen) Rir-
chenſtaat beftehende Geridhtsbehirde, alfo faum nod)
von praftifder Bedeutung. Val. Hinfd@ius, Syftem
des fatholifchen Rirdenredts, Bd. 1, S. 405 —415
(Berl. 1869).
Apoſtoliſche Ranones, 85 angeblid von den
Upofteln herriihrende, im 5. Jahrh. in Syrien gu
fammengeftellte kirchliche Vorſchriften in Form von
Synodalbejtimmungen. Bon 50 diefer Kanones fer-
tigte Dionyfius Exiguus (j. d.) eine lateinifde, in der
abendländiſchen Kirche anerfannte Uberjesung an.
Ausgabe von Lauchert (Freib. u. Leips. 1896). S.
Apoſtoliſche Nonftitutionen.
Apoſtoliſche ſtanzlei (Cancelleria apostolica).
Behörde der päpſtlichen Kurie (f. d.) in Rom, beforgt
die Uusfertiqung der päpſtlichen Bullen; die Breven
r secretaria brevium ausgefertigt. Lei-
ter der cancelleria ijt der Kardinal = Visefangler.
Apoſtoliſche Rirche, die Chrijtenheit im eit:
alter und unter der Leitung der Apoſtel und ihrer
nächſten Schiller. Wis Ehrentitel und nad der ihnen
nad Urfprung und Alter abe yn Wiirde neh:
men die Bezeichnung in Anſpruch die Rirden von
Jeruſalem, —** Alexandria und Rom.
Apoſtoliſche ſtirchenorduung, ſ. Kirchenord⸗
nungen.
Apoftorifcye Konftitutionen, cin aus acht Bü—
chern bejtehendes, griechiſch geſchriebenes, wabhridein-
lid) zu Unfang des 5. Jahrh. in Syrien entitandenes
Sammelwert firdenredtliden Inhalts. Die erften
ſechs Bücher ruben auf der fogen. » Didasfaliae, welde
Verfaffung und Disziplin der Kirche zu Beginn des
3. aon wiedergibt. Buch 7 iſt eine ‘Baraphrafe
der Upoftellehre (ſ. d.). Bud) 8, dev leste und wert—
vollfte Teil der Sammlung, i Formulare fiir
die Weihe von Klerikern, fiir den Ritus der Tages—
zeiten u. a. Das Schluffapitel enthalt die fogen.
Apoſtoliſchen Kanones (f. d.). Ausgabe von Lagarde
(Leipz. u. Lond. 1862). Bgl. Funk, Die Apoſtoliſchen
| Ronjtitutionen (Rottend. 1891).
40*
628
Ap ile Majeftat, |. Apoſtoliſcher König.
Apoftolijdhe Monate, |. Menses.
MApoftolijde Partei nannte fic nad der Revo-
{ution von 1820 in Spanien die Bartei der fanatifden
Katholifen und Ubjolutijten, die, unter Leitung einer
sapojtolijden Junta · ftehend, 1822 in Ratalonien,
Navarra und Viscaya gu den Waffen griff, aber unter:
drückt wurde und nadmals in den Karlijten aufging.
Apoſtoliſche Pdnitengiarien, ſ. Poönitenziar.
Apoſtoliſcher König (Apoſtoliſche Maje—
ſtät), Titel der Könige von Ungarn, mit dem der erſte
chriſtliche König Ungarns, Stephan I., von Papſt Sil-
vejter II. (999-—-1003) fiir feinen Cifer in Belehrun
der Ungarn ausgezeichnet wurde. Papſt Clemens XID
erneuerte ihn 1758 fiir Maria Therefia und ihre Nach—
olger.
Upottolider Sik, in der alten Kirche foviel wie
Biſchofsſitz, befonders der gu Rom als der erjte und
geraume Zeit der eingige im Whendland; ſpäter Refi-
denz und Regierung ded Papſtes als des Nachfolgers
de3 Petrus. S. Apoſtoliſche Kirche.
Apoſtoliſches Amt (Apoſtolath, in der alten
Kirche die Würde der Biſchöfe als Nachfolger der Upo-
ftel; {pater inSbef. Das Umt der Päpſte.
Apoſtoliſches Glaubensbefenntnis (Apo⸗
ftolifum, Apoſtoliſches Symbolum, Symbo-
lum apostolicum), aud) »Credo« oder der »Glaube⸗
genannt, das erjte der Drei fogen. Sfumenijden, d. h.
allgemein in der Chriftenbeit geltenden Glaubens-
belenntniſſe, Dad in zwölf oder Drei Urtifeln den Glau-
ben an Gott den Vater, den Sohn und den Heiligen
Geijt ausſpricht. Nach der erjt im 4. Sake auftau-
chenden Sage follen die Apoſtel nod) in Jeruſalem
das · Apoſtoliſche Glaubensbefenninis als gemeinfame
Lehrnorm und Taufformel verfaßt haben. rg ie
lehrt die Geſchichte, daß es aus der allmählichen Er—
weiterung der Taufformel (Matth. 28, 19) entſtanden
und ſeinem weſentlichen Gehalt nach das Belenntnis
der römiſchen Gemeinde (fogen. römiſches Sym—
bol) ſchon in der zweiten Halfte des 2. Jahrh. geweſen
ijt. Seine jetzige Geſtalt erbielt es erſt im 5. Jahrh. in
Gallien. Bon der griechiſchen Kirche ijt es nie aner-
fannt und aud) in den proteftantifden oft angefodten
worden. Bgl. Hahn, Bibliothef der Symbole und
Glaubensregein der alten Rirde (3. Aufl., Bresl.
1897); Easpari, Ungedructe u. ſ. w. Quellen gur
Geſchichte des Tauffymbols und der Glaubensregel
(Chrijtiania 1866 75, 3 Bde.); Derjelbe, Ulte und
neve Quellen aur Geſchichte u. f. w. (Daf. 1879); Har-
nad, Das Upoftolifde Glaubensbefenntnis (Berl.
1892, 27. Aufl. 1896); abn, Das apojtolifde Sym⸗
bolum (Erlang. u. Leip;.1893); Rattenbufd,
apoftolifde Symbol (Leip. 1894-— 1900, 2 Bde.).
Apoſtoliſche Vater (Patres apostolici), der ge:
lehrten Spradje Ded 17. Jahrh. entſtammende Bezeich⸗
nung derjenigen alichriſtlichen Schriftſteller, die in der
Uberlieferung als Sdjitler der Upojtel gelten. Zu den
Apoſtoliſchen Vatern zählt man Barnabas, Clemens
Romanus, Ignatius, Polycarpus, Hermas, Papias,
den Verfaſſer des Briefes an Diognet, endlid) aud)
den Verfaſſer der Upoftellehre (ſ. die betreffenden Ur:
tifel). Unsqaben von Gebhardt, Harnad, Zahn (Leips.
1875 —78, 8 Bde.), Lightfoot (Lond. 1885 — 90,
2 Tle. in 5 Bon., nur Clemens, Ignatius und Poly:
carpus), yunt (2. Wufl., Tiibing. 1901, 2 Bde.). Val.
Olagenleld. Die apojtolifdhen Biter (Halle 1853).
poſtolizismus (qried).), das Syjtem dec un: |
bejdriintten firdlidjen Herrſchaft in geijtlidjen und | betrieben, die nad) einer ſpeziellen Prüfung
weltlichen Dingen.
Apoftolifde Majeſtät — Apothefe.
Apoftolizitat, cin Merfmal der driftlichen Kirche.
darin bejtehend, dak fie Den Geijt und die Lehrauf⸗
faffung der Upoftel in ſich bewabhrt.
oftroph (qried., Auslaſſungs zeichen), in
der Schrift cin Halden als Seiden der gelegentlichen
Upotope (3. B. Jung’, foviel wie Junge), Aphäreſis
(3. B. 's ijt) oder Synfope (3. B. ew'ger).
Apoftrophe (qried., ⸗Wegwendung · lat. Aver-
sio), cine Redefiqur, wobei man fid) mut Direfter An⸗
ſprache (im Bofativ) an Ubwefende wendet, als waren
jie gugegen, oder an lebloje Dinge, als bitten fie Le ~
ben und —— — An der attiſchen Gerichts⸗
ſprache begeithnete U. den Fall, wo der Redner fid
vom Richter weg an ben Beklagten oder Kläger wanbdte.
Apoſtrophieren, mit dem Apoſtroph verjeben;
cine Unrede halten; aud einen anfabren.
Apotelésma (qried.), > Erfolg, Einfluk<, insbeſ.
der vermeintlide Cinfluk der Gejtirne und Ronitel-
lationen auf den Menfden und defjen Schickſale. Da-
her apotelesmatifdhe Runft Mpotelesmatif)
foviel wie Ujtrologie, Nativitatitellerei.
Apothecium (grieh., Frudtlager), der Fradt-
behälter der Fledten (f. d.).
e (qried., »Riederlage<), eine Unjtalt, in
der alle Durd) die Landesgefepe feſtgeſtellten Arznei⸗
mittel nebjt fonjt nod) gebräuchlichen vorriitiq gebal-
ten und in ber Weife vorbereitet werden, dak fre un-
mittelbar gum arzneilichen Gebrauch benugt oder ſchnell
in die Dom Arzt verordnete Urgneiform iibergefiihrt
pail arse Atak Ade ot et Die sag a
ingfügigleit ihres Umſatzes oder en der Be-
ideantung ‘ores Betriebes auf cine ewe Sabres zeit
Badeſaiſon rc.) als Abzweigung einer volljtindigen
A. betrieben werden, beziehen ihren Bedarf von
Mutterapothele und befdriinten fid) meiſt auf Arznei⸗
dispenfation und Warenverfauf. Die Konzeſſion der
Filialapothefen ijt widerruflich, und dem Bejtger tit
nicht gejtattet, etme feiner beiden Upothefen zu ver-
padjten. Dispenfieranjtalten, mit febr feltenen
Ausnahmen nur im Intereſſe eines Rranfenverbandes,
einer Stlinif, eines Lazaretts xc. angelegt und midt be-
fugt jum Yrgnei- und Warenvertried aufjerhalb des
Haufes, jtellen die in einer inländiſchen A. vorbereite
ten Mittel durd ein gepriiftes Upotheferperfonal fiir
den Gebrauc der Kranfen fertig. Hausapothelen,
deren Betrieb Arzten nur in bejfondern Fallen, nah
fpegieller Priifung ihrer Befähigung und aud) mur
dann gejtattet wird, wenn und folange fid) an ihrem
Wohnort und in dejjen nächſtem Umfreis feine felb-
ſtändige A. befindet, find mur fiir die cigne Bras
des betreffenden Urgtes bejtimmt; ihr Umfang be-
ſchränkt fid) auf die in aby saa Fallen unentbehr-
lidhjten Wedifamente, diefe diirfen mur aus ciner in-
ländiſchen A. 5 werden, und Gifte im engern
Sinne (Tabelle B des deutſchen Urgneibudes) Darien
nicht gefilbrt werden. Jn dieſem geſetzlichen Sinne
ſind die lediglich fiir Den Privatgebrauch beſtimmten
Zuſammenſtellungen von Arzneimitieln leine Haus-
apothefen. Wud) Tierärzte dürfen in den meiſten Bun⸗
desſtaaten (nicht in Würtiemberg, Baden, Heſſen,
Sachſen-Meiningen) Hausapothefen fiir die eigne
Praxis balten, die aber den fiir Upothefen und ärzt⸗
lide Hausapothefen geltenden Vorſchriften nidt un-
terworfen find. Jn Preußen und dem Reidsland find
nur Die Direften Gifte ausgeſchloſſen. Homibopa-
thifdhe Upothefen werden als Rebengefdaft allo
pathifder Apothelen oder von homdopathifden Arzten
auto-
rifiert find. Ihr Lofal muß von den fonjtigen Apothe
Apotheke (Betrieb, ſtaatliche Oberaufſicht, Konzeſſion ꝛtc.).
kenräumen, allenfalls aud von den Wohnräumen
des Arztes, vollſtändig getrennt ſein. Der Anlauf der
Vorrãie ſoll nur aus inländiſchen Upotheten geſchehen,
und den ſelbſt dispenſierenden homdopathiſchen Arzten
ijt Der g oer Umtauſch ihrer Urtifel verboten.
Rum Betrie einer A. gebiren auger dem Ber-
faufslofal (Offizin) für Unfertiqung und Verabrei-
chung der eingelnen Urgneien das Laboratorium,
im dem die chemifde oder techniſche Unfertiqung und
Bubereitung der Urgneiforper ftattfindet, die man als
chemiſche oder pharmajeutifde Präparate oder gale-
niſche Mittel bezeichnet, ferner Sdmeide-, Stok: und
Siebfammern, Vorratsräume (Materialfammer,
Kräuterboden, Trocenfdranf, Keller) und unter leg-
tern abgejonderte, fiir ſich verſchloſſene Raume sur up.
bewahrung der ſtark wirfenden oder giftigen Mittel rc.
Die Upothefer findder ftaatlidhen Oberauffidt
unterjtellt. Nur derjenige ijt fabig, einer A. vorzuſtehen,
Der die Upotheferfunjt Sebentiids erlernt bat, zu deren
Ausübung nad angejtellter Prüfung von der Medi-
inalbehdrde tiichtig befunden und zur Wahrnehmung
ihrer Obliegenheiten durch diefe Behörde verpflidtet
ijt. Die deutide Gewerbeordnung (§ 29) verlangt zu⸗
nächſt fiir den Upothefer die perjinlide Upproba-
tion, die unter den durch verſchiedene Bundesrats-
verordnungen feit 1875 beſtimmten Vorausfegungen
erteilt werden foll. Die pharmazeutiſche Prüfung wird
vor den pharmajeutijden Britfungsfommmifjionen ab-
qelegt, die an den deutſchen Univerſitäten fowie an den
tednifdhen Hochſchulen gu Braunſchweig, Stuttgart
und Karlsruhe eingerichtet find. Bedingungen filr Ju-
lafjung zur Prüfung find: die Befähigung zum ein⸗
jabrigen Militdrdienjt mit Inbegriff des Latein; drei-
jabrige oder fiir Ubiturienten von Gymnaſien und
Realgymnaſien zweijährige Lehrzeit in einer Apothele,
beſtandene Gebilfenpriijung, 3 Jahre Dienſtzeit (Ser-
vierseit) in Upothefen, wovon wenigſtens 1/2 abr
in Deutſchland, vierjemejtriges Studium an einer Uni-
verjitdt oder an einer der genannten techniſchen Hod:
ſchulen. Zur Erteilung der Wpprobation auf Grund
der beftandenen Prüfung find die Zentralbehörden
(Minijterien) der betreffenden Staaten befugt. Die
Upprobation gilt fiir das gange Reidsgebiet. Ihre
Zurücknahme iſt zuläſſig, wenn die Unrichtigleit der
629
habers an den Staat zurück. Cine kaiſerliche Verord—
nung Vom 22. Okt. 1901 fest feſt, welche Apothelerwaren
dem freien Verkehr überlaſſen und welche ausſchließlich
dem Verlauf in Apothelen vorbehalten find. Cin Bun⸗
desratsbeſchluß vom 29. Nov. 1894 betrifft die Hand-
—— der Giftverordnung. Vom Hauſierhandel ſind
rznei⸗ und Geheimmittel ausgeſchloſſen. Taxen fiir
Apotheler fonnen durch die Zentralbehörden feſtgeſtellt
werden, dod) find Ermãäßigungen derſelben durch freie
Vereinbarung zuläſſig. Sas Apothelenweſen ridtet
ſich, foweit es nicht reichsgeſetzlich geregelt ijt, nad
den Upothefenordnungen der Cingeljtaaten. Dic
jum Betrieb einer A. unentbehrliden tite, Gefäße
und Waren find der Pfändung (f. d.) nicht unterwor-
fen. Wegen der Verſchwiegenheitspflicht der Upotheler
j. Geheimnis; wegen ihrer Berecdhtigung im Konkurs
j. d.; ihre Anfprüche verjähren in 2 Jahren (Bürger⸗
liches Geſetzbuch, § 196, Biff. 1).
Hrither beſchäftigte fid) der Upothefer weitaus um⸗
fangreidjer als heute mit der Einſammlung von Arz⸗
neipflangen und mit der Herjtellung von Chemifalien.
Gegenwairtig begieht er die Drogen aus Drogenhand-
lungen und die Chemifalien aus chemiſchen Fabrifen.
Dementfpredend gibt das »Deutide Arzneibuch · von
1890 nur wenige Vorſchriften zur Darſtellung chenti⸗
ſcher Präparate. Auch Pflaſter, Tinkturen ꝛc. werden
vielfach von Fabrilen geliefert. Der Apotheler bleibt
aber gegenüber dieſer Vereinfachung ſeines Betriebes
verantwortlich fiir die Giite und Reinheit aller Arz—
neimittel. Er jteht unter der Kontrolle des Staated,
der diefelbe Durd) alle 1—3 Jahre mindejtens einmal
vorzunehmende Revifionen ausitbt. Bon den Arz-
neimitteln darf ein Teil im Handverfauf abgegeben
werden, andre find mur gegen ärztliche Verordnung
ju verabfolgen, und von legtern bediirfen gewiſſe jtir-
fer wirlende Mittel auf dent Rezept eines reiteretur-
vermertes feitens des verordnenden Arztes, wenn fie
wiederbolt abgegeben werden follen. Fiir gewiſſe Arz⸗
neimittel fdjreibt die Rharmafopde Marimaldofen vor,
deren Uberfdreitung der Arzt auf Dem Regept befon-
der gu kennzeichnen Hat. Unterbleibt die vorgeſchrie⸗
bene Kennzeichnung, fo Hat fic) der Apotheler nad
den bejtehenden Beſtimmungen gu richten. Verwechſe⸗
lungen von Urgneimitteln find durch Anwendung be-
Nachweiſe dargetan wird, auf Grund deven fie erteilt | jonderer Vorſichtsmaßregeln zu vermeiden, nament:
wurde; fie findet ferner ftatt bei Uberfenmung der | lich find aud) äußerliche umd inmerliche Mittel in einer
biirgerfiden Ehrenredte fiir die Dauer de3 Ehren: | Form gu dispenjieren. daß cine Verwechſelung nidt
verlujtes. Frauen werden im Deutiden Reich gu
den pharmazeutiſchen Prüfungen zugelaſſen, wenn jie
die vorgeſchriebene ſchulwiſſenſchaftliche Vorbildung
beſitzen und einen ordnungsmäßigen afademifden
Studiengang nachweiſen können. Immatrikulation
wird gefordert. Auch in Oſterreich werden ſeit
1900 Frauen gum pharmazeutiſchen Beruf zugelaſſen.
Die approbierten Apotheler bediirfen zur Anlegung
und Verlegung einer A. ſtaatlicher Genehmigung. Die
frühern Realrechte, die mit einem beſtimmten Gebäude
verbunden waren, beſtehen nod) jetzt fort; das Ent—
ſtehen neuer Realrechte iſt nach der Gewerbeordnung
ausgeſchloſſen. Die Erlaubnis zum Betrieb einer
neuen A. wird nach Bedürfnis als Perſonalkonzeſ—
de erteilt, fo daß der neue Erwerber einer konzeſ⸗
ionierten A. —— der Konzeſſion bedarf. Einem
approbierten Apotheler, der eine reale A. erworben
hat, kann der Gewerbebetrieb nicht beanſtandet werden.
Der Empfänger einer Konzeſſion darf in Preußen (ſeit
1886) die A. früheſtens erſt nach 10 Jahren verkaufen.
In Bayern, Württemberg, Baden, Braunſchweig fällt
die Konzeſſion nad) Ableben oder Ausſcheiden des In—
gut möglich ijt. — Jn Oſterreich fannniemand gum
eſitz einer A. gelangen, der fid) nicht mit einem von
einer öſterreichſſchen Univerfitiit erbaltenen Diplom
(als Doftor der Chentie oder Wagijter der Pharmazie)
ausweiſt (Hofdefret vom 28. Sept. 1820). Die Berwilli-
gung gur Erridting einer neuen A. jteht der Statt-
halteret au. Bur BVerleihung einer A. an cine bejtinumte
Perjon iſt die Bezirkshauptmannſchaft, bes. der mit
der politifden Amtsführung betraute Magijtrat be-
fugt (Minifterialerfak vom 18. Juni 1858).
ie Zahl der Upothefen betrug 1895 in Preußen
2898, in Bayern 655, in Sachſen 288, in Württem—
berg 271, in Baden 204, in Elſaß-Lothringen 230, im
Deutiden Reid) 5161. Es entfiel cine A. auf 10,992
Einw. in Preußen, 8883 in Bayern, 13,151 in Gad-
jen, 7679 in Wiirttemberg, 8458 in Baden, 7134 in
Elſaß-Lothringen, 10,129 im Deutſchen Reid. Im
Deutſchen Reid) waren 1820 privilegierte x., 3116
fonjefjionierte, 3 fonjtige, 37 im Befits der Krone be-
jindlide Upothefen und 185 Filialen vorhanden. Die
Geſamtzahl de3 pharmazeutijden Perſonals belie; ſich
auf 12,036 oder 2,3 auf 10,000 Cinw.
630
Einſammlung und Zubereitung von Urgneimitteln
wurde im Ultertum von Prieftern, dann lange Zeit
indurd von Ärzten ausgeitbt; eine Trennung der
harmazie von der Heilkunſt vollzog fic) guerjt bei
den Urabern; tm 8. Jahrh. bejtand in Bagdad eine
U.; im 9. Jahrh. ſchrieb ein arabiſcher Urgt die erjte
Pharmafopie. Von Spanien aus gelangten dann die
Upothefen nad Stalien, wo fie fid) befonders in Sa—
lerno grofen Ruf erwarben. Ym 13. und 14. Jabrh.
entitanden die erjten Upothefen in Frankreich, Eng:
land und Deutidland, hier namentlid) in Prenzlau
—— Augsburg, Prag (1342), Riirmberg (1404),
eipzig (1409) und Berlin (1488). Ulle diefe Apo
thefen ftanden unter firenges Aufſicht und waren an
eſetzliche Vorſchriften (Dispenfatorien) gebunden.
Die erjten pharma eutiſchen Lehrbtider lieferten Pa—
racelfus 1530 und Tabernimontanus 1588. Bis in
die neueſte Beit war der wiſſenſchaftliche Sinn in den
pharmazeutiſchen Kreiſen vorherrfdend, und viele der
beriifmtejten Namen der neuern Raturwiffenfdaft,
namentlid) unter den Chemifern, entitammen der
l. Philippe, Geſchichte der Upothefer
öttger: Die — oe
+ Wee
Pharmazie.
(Sena 1854);
des Deutiden Reiches rc. (Berl. 1880, 2 Bde.
ſchichte der deutſchen Apothelenreformbewegung (daf. |
1882); Die reichsgeſetzlichen Beſtimmungen fiber den |
BVerfehr mit Arzneimitteln (4. Aufl. daj. 1902), Die
preußiſchen Apothelengeſetze (2. Aufl., daſ. 1898);
Piſtor, Das Upothefenwejen in Preußen (daſ. 1894);
Salgmann, Der Dienjt des deutſchen Upothefers |
im Heer und in der Marine (2. Aufl., daf. 1900);
D. Meißner, Die faiferl. Verordnung, betr. den Ver-
fehr mit Arzneimitteln (Leipz. 1890); Staas, Die
Upothefergejepe nad) deutſchem Reidhs- und preufi-
ſchem Landesredht (56. Aufl. Berl. 1891); Spring:
feld, Die ——— Apothelen in Preußen (daſ.
1902); Bomdéta, Ojterreichifde ——
Aufl., Wien 1897); Daimer, Kompendium ſter⸗
reichiſchen Apothekergeſetze (daſ. 1897); Peters, Un-
weiſung zur Hausapotheke der Laien (3. Aufl., Berl.
1897); Maubach, Das Charalterbild des Apothekers
in der Literatur (daſ. 1898). Zeitſchriften: »Wpo-
thefergeitung« (Berl., feit 1886); ⸗Pharmazeutiſche
Zeitung · (daſ., feit 1856); ⸗Pharmazeutiſche Woden-
ſchrift (daf., ſeit 1883); »Berichte der Deutſchen
Pharmazeutiſchen Geſellſchaft · (daſ., ſeit 1890) ; »Reit-
ſchrift des Allgemeinen ſterreichiſchen Upotheterver-
eins· (Wien, ſeit 1863); ⸗Pharmazeutiſcher Refor-
mer · ¶ daſ. ſeit 1896); »Pharmazeutiſche Zentralhalle⸗
(Berl, ſeit 1860); »Wrdhiv der Pharmazie · (hr3q. vom
Deutfden Upotheferverein, daſ.). Bgl. aud Literatur
bei Urt. ⸗Pharmazie⸗.
othefergewidt (Medijzinalgewidt), die
dem altrömiſchen Gewichtsſyſtem nachgebildeten, fiir
ärztliche Verordnungen und in den —V qe
brauchten Gewichtsgrößen. Das Pfund (libra, ab-
gelürzt Ib.), faft allgemein °/s des im gemeinen Leben
angewandten, wird meijt in 12 Unzen, die oncia (5)
in 8 Drachmen, die drachma (4) in 3 Strupel, das
scrupulum (5)) in 20 Gran (granum) geteilt. In
Frankreich wurde 1840, in Deutfdland 1872 das A.
durch Das metrifde erfest. Das Medisinalpfund wog
in Breuken 1786 — 1816: 357,567 und dann bis 1868:
350,783 g; in Hannover 364,92, in Sachſen 856,813,
in Ritrnberg 357,844, in Baden 357,78, in
Schweden bis 1865: 356,28, in Rußland feit 1835:
358,323 g; in der Schweiz feit 1851: 375 g. Das hol-
ländiſche Upotheferpfund hatte 869,191 gz, umd in den
¢ (3. |
Oſterreich ſtüzungen und Stipendien sahit.
420,045, in Dainemart und Norwegen 357,854, in | 3373
MApothefergewidt — Apothefervereine.
Landern englifder Bunge das troy pound 374,242 g.
Die — Lander batten meiſt das Medizinal⸗
pfund wie in Paris; bier fate die livre romaine
367,129 g in 12 onces von 8 drachmes zu 3scrupules
a 24 grains, worauf die Franjojen in den Qabren
1818-40 eine livre bon 500 g in 4 quarterons zu
4 onces von 8 drachmes a 80 grains teilten. Wud
Spanien gab der bis 1859 gefeplichen libra medicinal
von 345,07 g 12 onzas von 3 dracmas 3u 3 esertt-
pulos, letterm aber 2 dboles gu 3 caracteres oder
siliquas pon 4 granos. Ferner gehört als U. hierher
der japaniſche ribmeh, = 15,12 g, gu 4 mommeh
(meh) von 10 fang (pun) zu 10 ring (rin) a 10 mo.
Apotheferfammern, durd) Verordnung vom
2. Febr. 1901 eingefiihrte Standesvertretungen der
Upothefer in Preugen sur Erörterung aller Fragen
und Ungelegenheiten, die den Upotheferberuf oder die
Urgneiverforqung betreffen, find befugt, Vorſtellun⸗
gen und Anträge an die Staatsbehirden ju ridten
und fich fiber einſchlägige Fragen gutachtlich su ãußern.
Sede Proving befipt eine Upotheferfanmner. Die Mit-
qlieder werden auf drei Jahre gewählt und zwar auf
j¢ 40 Wahlberedhtigte cin Mitglied. Wahlberechtigt
und wählbar find approbierte Upothefer der Rroving.
Die Berufiung der W. muß erfolgen, wenn die Halfte
der Mitglieder darauf antriigt oder der Borjtand, der
aus mindeftend drei Mitgliedern bejteht, jie beſchließt
Der Zufanunentritt de3 Vorftandes muß auf Antrag
von zwei Borjtandsmitgliedern erfolgen. Die Staats-
aufſicht über die Upotheferfanmmer führt der Ober-
prajident. Delegierte der U. bilden den Apotheter⸗
tammerausſchuß, der feinen Sig in Bertin bat
und swifchen Dem Miniſter und den A. wie zwiſchen
dieſen untereinander zu vermittein hat. Die Witglie-
der ded Wusfdpuffes werden von den Kammern ge-
wiibit, und gwar von jeder Kammer eins fiir die Dauner
der Wahlperiode der VU. Der Borjigende beruft den
Ausſchuß in der Regel jährlich einmal. Die Staats
auffict fiber den Ausſchuß führt der Minijter. Bal.
Upothefervereine.
„Behörde im preußiſchen Minijte-
rium Der qeiftliden, Unterridts- und Medujinal-
angeleqenbeiten, foll der Medisinalverwaltung in Or-
ganijations- und BVerwaltungsfragen, die das Apo—
theferwefen betreffen, als Beirat diencn und Gutachten
erjtatten. Der U. hat fich über alle ihm vom Minijter
vorgelegten Berhandlungen, Vorfdlige oder Fragen
gutachtlich zu äußern, aus eignem Untrieb dem Mi—
niſter Vorſchläge zur Abſtellung von Mängeln zu
machen, auch neue Maßnahmen zur Förderung des
Apothelerweſens in Anregung zu bringen. Der A. be⸗
ſteht aus dem Direftor und den techniſchen vortragen-
den Räten der Medizinalabteilung des Miniſteriums,
vier Upothefenbefigsern und vier approbierten, nicht-
befitenden Upothefern. Der Direftor wird vom König,
die Mitglieder werden vom Miniſterium ernannt. Fike
Elſaß-Lothringen wurde 1898 ein VW. eingeſetzt.
Apothekeriaxe, foviel wie Uryneitare (f. d.).
LipotheFervercine. Die Mehrzahl der deutſchen
Upothefer qehdrt dem Deutſchen Upothelerver-
ein an, der 1872 aud der Bereiniqung des Nord-
deutſchen und Süddeutſchen Upothefervereins hervor-
qing (Sit Bertin), jährlich eine Gencralverjammiung
abbalt und an unbemittelte Fachgenoſſen UUnter-
r bejak 1902:
itglieder, fein Organ ift die » Apothelerzeitung ·
(Werl., feit 1886). Der 1883 in Berlin geqriindete
Deutſche Pharma jeutenverein fiir nichtbeſitzende
Upothefer (feit 1897 Pharmazeutiſche Bereini-
Apotheferzeidhen. — Appalachen.
guns fiir Deutſchland) gibt die > Pharmazentifde
ochenſchrift · ( Berl.) heraus. Die Deutſche Phar⸗
mazeutiſche Geſellſchaft, 1890 in Berlin geqriin-
Det, hat 560 Mitglieder und verdffentlidt wiſſenſchaft⸗
lide Urbeiten in ihren »Beridten« (Berlin). ¢
Ba vertreten jtaatlich eingeſetzte Apothelergremien,
in Wiirttemberg, Vaden, Hejjen ein pharmageutifder
Ausſchuß des pharmageutijden Landesvereins den
Stand der Verwaltungsbehirde gegeniiber. Jn Sach—
fen entfenden jtaatlid) anerfannte pharmazeutiſche
Rreisvereine je cin Mitglied zum Landesmedizinal⸗
follegium. Jn Preufen bejtehen feit 1901 Apotheler⸗
fammern (jf. d.). In Ofterveid) - Ungarn bejteht neben
den ftaatlic) eingeſetzten Upothefergremien cin Wilge-
meiner djterreidijder Upotheferverein und cine Phar-
mazeutiſche Gefellfdaft (in Wien) fowie ein Ungari-
ſcher Upotheferverein (Vudapeft). ;
Apothekerzeichen, Symbole, deren ſich die Ärzte
früher allgemein auf ihren Rezepten bedienten. Die
widtigiten Seiden waren:
V Aqua, Bajfer. | 5) Argentam, Silber.
Tj) Praceipitatus, gefallt. D Cuprum, Rupfer.
S Pulver. OSVLerrum, Eiſen.
ff Saccharum, Suder. Y Hydrargyram, Queds
+- Saure. filber.
G3 Saly. @® Nitram, Salpeter.
cy. Spiritus. fh Plumbum, Blei.
x Stunde. S Phosphorus, Phosphor.
2 Stannum, Sinn.
6 Stibium, Antimon.
8 Sulfar, Schwefel.
Lou Sublimatus,
® Hombopath. Urtinltur.
XX Vitrum, Glas.
/\ Volatilis, fluchtig CG) rartaras, Weinſtein.
©) Auram, Gold. CD Vitriolam, Bitriol
Die U. find jegt durch gewöhnliche (abgekürzte) Schreib-
art verdrängt.
Apothema (qriech.), die Sentrechte vom Mittel-
puntt auf die Seite eines
ber Pharmazie Abſatz aus aften (jf. d.).
wtheoje (qricd., lat. Consecratio), Bergitte:
rung eines Menſchen, insbef. feine feierlide Verſetzung
unter Die Gitter. Dieſer Gebrauch, durch Ehrfurdt
und Danfbarfeit veranlakt, durch Schmeidelet und
Uberglauben fortgepflangt und vervielfiltigt, findet
fic) bei den meijten Völkern des Witertums, ant friihe-
ften bei den Ujfyrern, Ägyptern und Perſern, dann
aud bei den Grieden und Rimern. Die Griechen ver-
götterten auf das Geheiß von Orafelfpriichen befonders
verdiente Helden nad ihrem Tode, dann auch die
Griinder von RKolonien und Stidten; in der Folge
eigneten fid) Fürſten fogar nod) bei Lebzeiten göttliche
lirde an und ließen fic) Denkmäler und Ehrenſäulen
erridjten. Bei den Rimern war Romulus der erjte
und lange Beit der eingige, Dem die Ehre einer feier-
lichen A. gu teil wurde; Der zweite war Julius Cäſar,
den Auguſtus vergottern liek, dem nad ſeinem Tode
dieſe Ehre aud) gu teil wurde. Nad) ihm nahmen fie
alle Raifer, Vefpafian ausgenommen, fitr fic) in An—
ſpruch, und fie wurde ihnen in der Regel infolge eines
Senalsbeſchluſſes zugeteilt. Ähnliche Ehrenbezeigun⸗
gen wurden in ben Provinzen den Prokonſuln er—
wiefen. Die A. oder Ronfefration der Raifer und ihrer
Gemahlinnen findet fic) auf rimifden Denkmälern
fer haufig (ſ. Tafel »>Gemmen und Kameen«, Fig. 17).
Gewoͤhnlich wird fie durch Aufſchweben gum Him-
mel dargejtellt, wobei die Raifer von Adlern (Ju
piter), die Raiferinnen von Pfauen (Juno) getragen
— Vielecks. Jn
631
werden. Auf Vaſenbildern ſieht man die A. des He—
ralles derart dargeſtellt, daß der Heros aus den Flam⸗
men des Scheiterhaufens auf einem Viergeſpann zum
Himmel fährt. Berühmt ijt aud die » YW. Homers«, ein
figurenreiches Relief wahrideintid) aus dem 1. Jahrh.
v. Chr. (im Britifden Muſeum). Aus neucrer eit
befannt find die U. Napoleons I. von Thorwaldjen
und die U. Kaiſer Wilhelms J. von F. Keller (in der
Berliner Nationalgalerie).
a potidri (lat.), Dem Hauptteil, der Mehrzahl
nad, 3. B. a p. fit denominatio, feinem Hauptteil
nad erhilt ein Ding feine Venennung.
Apoxryomenos (gried)., der »Schaber«), der ſich
mit dem Sdabeifen von Staub, Schweiß und Ol
reinigende Uthlet, Name einer im Altertum qefeierten
Erzſtatue des Lyfippos (f. d.), von der fich eine wohl-
erhaltene antife Marmorfopic im Vatifan gu Rom bee
jindet (fj. Tafel »Bildhauerfunjt VI«, Fig. 3).
UAppaladjen (WU ppaladhifdhesGebirge, Appa-
lachians, fpr. dppilatigjens, Appalachian Mountain
System), das vielgliederige Gebirgsſyſtem, daz fic) im
O. von Nordamerifa von Alabama bis gum Lorenz.
golf und an die rap der Inſeln Neufund⸗
land und Belle Jole erſtrecktt (ſ. die Karten bei ⸗Nord⸗
amerifa«), mit nordöſtlich gerichteter Längsachſe von
2500 km, 300 - 500 km Breite und 400,000 qkm
Glide. Durd) den tiefen Cinfdnitt de3 Hudjon- und
Mohawltales, der vom Atlantifden Ozean bei New
Yort zum Ontariofee hiniibergreift und an den Crie-
fanaljdleufen von Rome nur 132 m ii. M. liegt, glie—
dert es fic) in zwei wefentlid) voneinander verſchiedene
Hauptteile, die Siid- und Nordappalachen. Die Süd⸗
appaladen oder Ulleghanies (jf. d.) zeichnen fid)
durch verhältnismäßig einbheitliden Bau aus. Bor
allem werden fie von einem großen Längstale durd)-
zogen, das von Ulabama bis an den Hudfon reicht und
als negative Hauptachſe des Gebirges bezeichnet wor-
dent ijt. Es ijt das Große Appalachiſche Tal (Great
Appalachian Valley), von dDem das Cooſatal in Ala—
bama, das Tal von Ojt- Tennejfee, das Virginifde Tal,
das Shenandoahtal, das Mittatinnytal von Pennſyl⸗
banien nur einzelne Abteilungen oder Kammen bilden.
Diefem Tale, das fic) bei —J———— 200 m, bei
Harpers Ferry (am Potomac) 75 m, bei Mount —*
(in Südweſtvirginien) aber 800 m it. M. erhebt un
cine Reihe untergeordneter Bergfetten (Clind) Moun-
tains, Maffanutton) mit umfapt, folgen alle Haupt-
verkehrsſtraßen von RO. nad SW. Südöſtlich von
ihm erheben fich wie eit gufanumenbhiingender Wall
bie Hauptfetten des Syjtems: die Unafa und Smofy
Mountains (Clingmans Dome 2030 m), die Stone
und Yron Mountains (Snafe Mountain 1705 m),
die Rantahela und Cowee Mountains (Waya Bald
1674 m), die Balfam Mountains (Midland Moun—
tain 1980 m), die Blad Mountains (im Mount
Mitdhell oder Black Dome, dem höchſten Gipfel der
A., 2048 m), und die Blaue Rette (Blue Ridge,
Grandfather 1796 m). Die lestere bildet den ſteilen
Hjtrand des höhern Gebirges vom Coofa River bis
jum Hudfon (1500 km weit) und wird im S. nur
von vergleichsweiſe hohen Päſſen (Wind Gaps, d. b.
Windfliiften), im R. aber von den Stromdurdbril-
den (Water Gaps) ded James (oberhalb Lyndburg),
Potomac (bei Harpers Ferry), Susquehannah (bei
Harrisburgh) und Delaware (bei Eajton) gequert.
Gneis, Glimmer-, Hornblende- und Tonidicter und
Quarzit find hier die herrſchenden Gejteine, 5. T. mit
Einlagerungen von Magneteijen-, Gold-, Kupfer—
und Zinlerz, Halbedelſteinen, und dasſelbe Geſtein
632 Appalacden
jowie triaſſiſcher Sandſtein fest bas niedrigere Berg-
und Hiigelland gufammen, das djtlic) von der Blauen
Kette liegt und als » Piedmont Regione (Fupbiigel-
gegend) befannt ijt. Letztere bildet einen weſent⸗
lichen Bejtandteil der A. und wird durd) die fogen.
Fall-Linie von der Utlantifchen Ritjtenniederung ab-
egrenzt, d. h. dDurd) eine Linie, an der ſämiliche
Vippaladjenftrime in Geftalt von Waſſerfällen und
Schnellenreihen aus dem Gebirge treten. Nordweſt⸗
lid vom Uppalachifden Tale ſteigt ebenfalls ein ſtei⸗
ler, mauerartiger Gebirgswall auf, im S. Cumber-
lanbdgebirge (f. d.), in Birginien und Pennfylvanien
ULleghanygebirge (f. d.), in Rew Pork Catsfills (f. d.)
genannt, ebenfalls über 1500 km lang und nur in
wenigen ichwierigen Paffen tiberjteiglich (rm Tenneffee-
durchbruch bei Chattanooga, Emory Gap, Cumber-
land Gap, Stone Gap, Rew Riverdurdbrud). Er
Halt ſich ohne nennenswerte Gipfelung in 1100—
1200 m Hdbe, im allgemeinen bejteht er aus mehre-
ren Barallelfetten, und ſtark gefaltete Schichten der
GSilur-, Devon und Steinfohlenformation (Ganbd-
ftein, Ralfitein und Sdhiefer) fesen ihn gufammen,
gewaltige Schätze an Steinfohlen, Roteiſenſtein, Pe-
troleum und Naturgas in ſich einſchließend. Gegen
W. geht das Cumberlandgebirge ohne ſcharfe Grenge
in dad Cumberlandplateau und Obio - Viffiffippi-
becten fiber. Qn den Nordappaladen ijt der Zu—
faunnenbang der Hauptgebirgsqlieder viel lofer, in-
folge einer Mehrheit tief durchſetzender Längs- und
uerverwerfungen, die Streidungsridtung lenkt
mebr nad N. ab, die Stellung der Gebirgsglieder
jueinander ijt abweidend. Außerdem find in ihrer
Unusgeftaltung die Wirkungen der quartiren 2
qletiderung ſichtbar. Ym Gegenfage gu den Süd—
appaladen find die Nordappaladen auferordentlid
reid) an Geen und Waſſerfällen, die Tiler aber find
teils weit und flachgründig (durch Gleticherausfur-
chung; Mohawltal, Champlaintal), teils tief einge-
ſchnittene Eroſionstäler jugendlidjten Ulters (Auſable
Chasm). Die Adirondacks (ſ. d.) erreichen im Mount
Marcy 1641 m, die Green Mountains im Mount
Mansfield 1337 m, die White Mountains im Mount
Washington 1917 m, das Gebirgsland von Maine
im Natabdin 1589 m, das Shidihodgebirge am un-
tern Lorenzſtrom tm Mount Bayfield 1211 m, die
Yong Range von Reufundland im Mount Erstine
600 m. Vile diefe Gebirge enthalten Kernmaſſen aus
frijtallinijchen Felsarten, daneben treten paläozoiſche
und triaſſiſche Schidhtgefteine fowie jiingere Eruptiv-
geſteine (Xrapp) auf. Die produftive Steinfohlen-
formation ijt nur im SO. (an der Narraganfettbai)
und RO. (in Neuſchottland und auf Cape Breton, f.d.)
entwidelt. Yn ſonſtigen Nugmincralien enthalten die
Nordappaladen namentlich Cijenerze (Wdirondads
und Cobequid Mountains), Gold (Neufdottland),
Marmor (Green Mountains) und Granit.
Abgeſehen von den moos- und fledtenbededten
»Barrens< von Neufundland und Neuſchottland fowie
von den nur Weidewuchs tragenden » Balds« (> Rabhlen-
bergen«) von Nordcarolina und Birginien find die A.
ein reines Waldgebirge. Im N. fesen Weimuts- und
Norjoltfiefern, Wei, Schwarz · und Hemlodtannen,
Balſamſichten, Larden, Weißzedern, daneben Birken,
Ahorne, Eſchen. Pappeln, Roteichen die Beſtände zu—
ſammen. Im S. dagegen treten die Laubbäume in
den Vordergrund, darunter nicht weniger als 18
Eichenarten. 6 Hikoryarten, 5 Ahorne, 5 Magnolien,
dazu Walnuß; und Tulpenbäume, Kaſtanien, Robi—
nien, Buchen, Linden, Ulmen, Wildlirſchen und ein
— Appel.
üppiger Unterwuchs von Rhododendren, Kalmien.
Azaleen, Vaccinien, Sumach. Auf den Höhen rei⸗
chen die nordiſchen Formen weit ſüdwärts. Nament-
lid) Weimutsfiefer (Pinus Strobus), Hemlodtanne
— canadensis), Bergeſche (Sorbus americana)
und Gelbbirfe (Betula lutea) find auch in den boben
Siidappaladjen weit verbreitet, wãhrend die höchſten
Gipfel einen dichten Wuchs von Rhododendron cata-
biense und Balfamtannen (Abies Fraseri) tragen.
Seiner Vielgeftalt und Blütenpracht halber fann man
den Uppaladenwald den ſchönſten nennen, den es
iiberhaupt gibt, und in vielen höhern irgSteilen
ift die Waldverwititung nod mht weit vorgeſchrit⸗
ten. Un wilden Tieren birgt er dort nod: Biren,
Wolfe, Htichfe, Dachfe, Wafgbviren, Opojjums, vir:
giniſche Hirſche.
Dem Verkehr bieten die Südappalachen durch ihre
langgezogenen, ſchwach geſcharteten Parallellämme,
die oft acht- bis zwölffach hintereinander liegen.
ſchwere Hinderniſſe. Die wenigen Eiſenbahnen, die ſie
itberjteigen, gehören zu den bedeutendſten Leiſtungen
der amerilaniſchen Eiſenbahnbautechnil, während die
Landſtraßen —— ſehr ſchlecht ſind. Bal. A.
Guyot, Onthe Appalachian Mountain System (Rew
Haven 1861); B. Willis, The Northern Appa-
lachians, und Hayes, The Southern Appalachians
(in Dem Gammelwert »Physiography of the United
States«, New Port 1896).
Appaladen (UM paladen), gur Gruppe der
Tidhofta-Musfogt gehöriger Indianerſtamm Rord
amerifa3, an der YUppaladenbai in Florida.
Appaladentee, ſ. lex.
Appaladhicola (prc. Aatſqhitola), Fluk in Nordame-
rifa, aus dem Chattahoochee und Flint River tm fiid-
weſtlichen Georgia agape reer ee 170 km lang,
in Florida in die Uppaladhicolabat des Golfes
von Merifo miindend und im Chattaboodee bis Co-
luntbus (560 km), im Flint bis Montezuma (463 km)
ſchiffbar. Durd den künſtlichen Durchſtich emer gro-
fen Miindungsbarre gelangen fleine Seeſchiffe bis
zur Stadt U., dem Hauptorte der Grafichaft Frant-
lin in Florida, mit Holz⸗ und Fiſchausfuhr und ave
8077 Einw.
Apparat (lat.), —— Ausführung eines
chemiſchen oder phyſilaliſchen Verſuchs, einer chemiſch
techniſchen Operation ꝛc., auch die Geſamtheit der zu
einer Arbeit, Verrichtung ꝛc. ndtigen Hilfsmittel und
Werlscuge; bei Organismen die Geſamtheit der zur
Uusiibung einer Funktion, gu einer Wahrnehmung
dienenden Teile, 3. B. Refpirationsapparat, Gebhdr-
apparat 2.
Appareille (franj. apparel, for. .4j), ſ. Rampe.
Apparenter Ort, jf. Aſtronomiſcher Ort.
Apparitin, |. Rollodin.
Wpparition (lat.), das Sidtbarwerden (von Ge-
jtirnen); Erſcheinung; Geſpenſt.
Apparitor, bei den Römern Bezeichnung fiir die
vom Staat befoldeten Unterbeamten der Magiftrate,
wie Liftoren, Ranaliften (scribae) u. a.
Wppartement (franz., fpr. Lmana), Zimmerteihe;
einzelnes Simmer; (unfranz.) Abort.
Appel, Johann Repomul, Freiherr von
öſterreich. General, geb. 11. Rov. 1826 in Sifirence
(Slawonien), Sohn 8 Feldmarſchallleutnanis Jo⸗
feph Ritter von U. (geft. 1855), trat 1840 ins Heer,
mate 1848 —49 die Feldgiige in Italien und in Un-
qarn, 1859 den in Stalien mit. 1860 in den Frei⸗
herrenſtand erhoben, nabm er 1866am Feldzuge gegen
Preujen als Brigadier tetl, wurde 1867 Generalmajor,
Appel comme d’abus — Appenzell.
1874 Rommanbdant der 25. Anfanterietruppen-Divi-
fion und Feldmarfdallleutnant, 1881 Militärkom—
mandant in Temesvdr und 1882 in Hermannftadt.
Am 1. Mai 1882 General der Kavallerie geworden,
wurde er 12. Aug. sum Chef der Landesregierung fiir
Bosnien und die Hergeqowina, 1883 sum Inhaber
des 60. Snfantericregiments ernannt. — Sein Bruder,
der Feldmarfdallleutnant Jofeph, —— von
UL, geb. 1823, war bis 1884 dem Wiener Korpskom⸗
mando als Stellvertreter deS Rommanbdierenden ju-
geteilt und ftarb 30. Sept. 1888 in Wien.
Appel comme d’abus (fran;., fpr. apell tomm babi,
lat. Appellatio tamquam ababusu), das Rechtsmittel
Der Beſchwerde wegen Mißbrauchs der geiſtlichen Anits
gewalt, das an die Staatsgewalt und deren juftin: |
dige Organe geridtet wird (j. Recursus ab abusu).
Appell (franj. appel), 1) Signal gum Sammeln
der Xruppen, bet der Kavallerie im Kriege befonders
nach der Attacke. — 2) Raſche Auffaſſung und genaue
Ausführung von Befehlen. — 3) Yn der Fechtkunſt
ein lebbafter Tritt mit dem rechten Fuh mit oder ohne
Uusfall, gilt beim Unterricht als Beweis, daß der
Schüler im —— ſteht und leichte Haltung bat,
rahe um Wusfall bereit iit. Beim Rontrafedten ge-
rt
dadurd) Anlaß gu feblerhaften Bewegqungen geben
will. — 4) Jn der Jagd der Gehorjam des Hundes,
der ſich durch fofortiges Heranfommen auf den Ruf
ober Pfiff feines Herrn ju erfennen gibt.
abel nennt man cin Erfenntnis dann, wenn
es mit dem Rechtsmittel der Berufung (jf. d.) ange:
fodjten werden fann.
Appellant, derjenige, der Berufung (j.d.) ergreift
ober ergriffen bat.
anten, im firdhlichen Sinn, f. Janſenismus.
Appellat (lat.), derjeniqe, au deffen Nachteil mit
telS Berufung (f. d.) die Ubanderung eines Urteils
ay toe wird.
Appellation (lat.) :
Appellationdgericht [. Berufung.
Mppellativum, ſ. Subjtantivum.
MAppellieren (lat.), das Rechtsmittel der Berufung
(f.d.) einlegen; fic) auf etwas berufen, auf eine höhere
——— ein Lng ely Urteil antragen.
Appendicitis (lat.), ſ. Blinddarmentzündung.
Mppéndiz, die (lat.), Anhang oder Zujas ju
tinem Buch x.; der Wurmfortiag des Blinddarms ;
Uppendicula, Anhängſel; appendizieren, als |
Anhang nadtriglid beifiigen.
MAppenweier, Dorf im bad. Kreis und Amt Of—
fenburg, Rnotenpunft an der Staatsbahnlinie Mann⸗
heim-Ronjtan;, hat eine fath. Kirche, Tabafbau und
(1900) 1668 Einw.
Appenzell, Kanton der nordöſtlichen Schweiz,
gan; vom Nanton St. Gallen umgeben, iſt ein wald-
und wiefengriines, mit hübſchen
Dörfern und jabllofen Häuschen
überſätes, von tiefen Fluktobeln
(j. Sitter) Durdfurdtes und vom
Gintisgebirge (2504 m hod)
liberragtes Voralpenland, das
gegen Den Bodenjee abdadt. Der
Nanton jerfallt ſeit 1597 infolge
der Reformation in zwei felbjtin-
dige Halften: das äußere Gebiet
(Wuer- Rhoden) und das innere
Gebiet (Jnner-Rhoden). Wappen: in Silber ein ſchwar
Bär (ſ. Abbild.), Landesfarben: Wei, Schwarz.
A. Aufer-Rhoden, mit 260,6 qkm Bodenflide, bat
—
|
Wappen des Ran:
tons Appenzell.
A. su den Finten, indem man dem Gegner
633
(1900) 55,380 vorherrſchend prot. Einwohner (212 auf
Lqkm). Der Mutterſprache nad waren 1888: 53,757
Deuticdhe, 71 Frangofen und 240 Htaliener. A.Außer⸗
Rhoden zerfällt durd die Fliiffe Sitter und Goldach
in drei natürliche, nicht adminiftrative Bezirke: Hin-
terland (um Herisau), Mittelland (um Teufen) und
Borderland (um Heiden). Die unprodutftive Fläche
betriigt mur 7, der Wald 47 qkm. Der Uderbau ijt
unbedeutend, um fo ausgedehnter bei dem Reichtum
an Wiefen die Viehzucht; man zählte 1901: 878 Pferde,
21,065 Stiid Rindvieh, 605 Sahat, 3502 Biegen und
10,055 Sdweine. Zwei Drittel der Bevdlferung le-
ben von der Induſtrie, ant bedeutendjten find Baum:
wollweberei, mechaniſche Stickerei, Swirnerei und
Bleicherei nebſt Uppretur. Hawptverfehrsort ijt St.
Gallen. Die reine, ftaubfreie Luft und die vorzügliche
Milchwirtſchaft machen das Land gu Luft- und Mol⸗
fenfuren geeignet; alljährlich ſtrömen Taujende da-
hin, insbeſ. nad Heiden, Bais und Heinridsbad. Der
Halbfanton A.⸗Außer-Rhoden bildet nad) der Ver—
faffung vom 25. Upril 1880 einen Freiſtaat mit
rein demokratiſcher Verfaſſung und ausgeſprochener
Autonomie der 20 politiſchen Gemeinden. Die » Lande.
gemeinde« (f.d.), die alle Jahre abwedfelnd in Trogen
und Hundwil gehalten wird, befigt die geſetzgebende
Gewalt, bejtimmt die Verfaſſung, wahlt den Regie:
rungsrat (7 Witglieder) und aus deffen Mitte den
Präſidenten oder Landammann und das Obergeridjt
jowie dad Mitglied des Schweizer Stinderats, bewilligt
die Ausgaben x. Der Kantonsrat, der in Herisau
jeine Sipungen hilt, bejteht aus den Abgeordneten der
Wemeinden (je 1 auf 1000 Seelen). Das Obergerict
befteht aus 11 Mitgliedern und Hat feinen Gig in
Trogen. Das Urmeniwefen, ferner Schul- und Sir-
chenwefen find wefentlid) Gemeindefade. 1897 gab
e8 72 Primärſchulen, 10 Sekundär- oder Realſchulen
und die Rantonsfdule gu Trogen. Die Jahresrech—
nung der ⸗Landeskaſſa« fiir 1899 ergab 790,372 Frank
Cinnahmen und 760,782 Fr. Ausgaben. Das Staats-
vermigen betrug Ende 1899; 1,127,849 Fr.
Der Halbfanton A.-Inner-Rhoden, mit 159 qkm
Bodenflache, zählt (1900) 13,469 iiberwiegend tatholifde
und deutſch redende Einwohner (84 auf 1 qkm). A.
Anner-Rhoden beſteht mur aus einem Bezirk mit 6 poli-
tijden Vemeinden. 1901 zählte man 9497 Stiid Rind-
vieh, 3282 Zieqen und9652 Sdhweine. Hauptinduſtrie⸗
zweig ijt die Stiderei ; fie beſchäftigt 1890: 8812 Einw.
oder 28 Bros. der Bevölkerung. Weltbetannt find die
| feinen, jtilvollen Fabrifate der Handjtiderinnen. Die
Verfaffung vom 24, Oft. 1872, revidiert 1883 und
| 1895, ijt Demofratijd. Die Staatsgewalt wird durd)
| Die Landsgemeinde, die aus Der Gejanitheit der Ran:
| ton8- und anſäſſigen Schweizerbürger bejteht, aus—
* Die Landsgemeinde gibt ſich Verfaſſung und
Geſetze und wählt die oberſten Landesbehörden: Stan—
destommiſſion, d. h. Regierung (9 Mitglieder), und
Kantonsgericht. Inner⸗Rhoden hat (1897) 15 Primär⸗
ſchulen und eine Sekundärſchule. Die katholiſche Be—
vilferung ſteht unter der Adminiſtration des Biſchofs
von St. Gatien. Die Staatsrechnung fiir 1899 ergab
| 173,400 Frank Cinnahmen und 123,174 Fr. Aus—
| gaben; das Vermigen zeigte an Altiven ohne Spegial-
onds 212,658 Fr., an Paſſiven 314, 129 Fr. — Haupt-
| ort ijt der Flecken A., 778 m ti. ML, an der Sitter,
Endpunkt der Schmalſpurbahn Winkleln-Herisau-U.,
belebter Tourijten- und Kurort mit einem Kapuginerc-
flojter und (1900) 4553 Einw. Jn der Nähe die bei
den Rurorte Weikbad und Gonten, ferner das Wild-
—
kirchli, die Ebenalp, der Säntis ꝛc.
634
[Gefhidte.] Seit dem 8. Jahrb. hatte bas Kloſter
St. Gallen durd Rauf und S * die Grund⸗
herrſchaft faſt über den g jetzigen Kanton YU. er-
worben, und 1061 weihle Abt Norbert eine Kirche in
dem neugerodeten Ort Abbacella ein, der ſpäter
der ganzen Gegend den Namen gab. 1345 erwarb
das Het mit der hohen Geridjtsbarfeit die eigent⸗
liche Landeshoheit; aber ſchon 1377 erbielten die vier
Gemeinden A., Hundwil, Urnäſchen und Teufen von
Abt Georg das Zugeſtändnis, dak fie in ein Biindnis
mit den ſchwäbiſchen Städten treten und ſich einen
Landrat von 13 Mitgliedern geben durften, deffen Wahl
wohl die Entitehung der Land3gemeinde veranlafte.
So bilbete fic) innerhalb des äbtiſchen Fürſtentums
das dDemofratifde Gemeinweſen, das fdon 1379 als
»A. dad Land« bezeichnet wird. Als der newe Abt
Runo von Stoffeln (1379 —1411) ſeine a ie —
Rechte Hart geltend madte, erhoben fic) die Uppen-
eller, denen jid) nunmehr aud) die fibrigen Gemein-
en des Berglandes anſchloſſen, gegen * (1401).
Sie zerſtörten feine Burgen, traten in ein ⸗Landrecht «
mit den Schwyzern und bradjten mit ihrer Hilfe dem
Heer ded Abtes und der mit ihm verbiindeten Reichs-
ſtädte am Bodenjee 15. Mai 1403 bei Vigelinsed
eine ſchimpfliche Riederlage bei; nicht beſſer erging es
einer djterreidhifden Kriegsmacht am Stof 17. Juni
1405. Hierauf ftreiften die Appenzeller in den Thur-
qau, fiber der Rhein, iiberall die en der Herren
bredjend und die Bauern gum Aufſtand ernumternd,
und bildeten einen » Bund ob dem See«, der fich raſch
über die Nordoſtſchweiz und bas Vorarlberg bis nach
Tirol hinein verbreitete. Eine Niederlage, die fie 1408
bei Bregenz durch die ſchwäbiſche Ritterſchaft erlitten,
löſte dieſen Bund — wieder ebenſo ſchnell auf, ihre
Freiheit aber blieb geſichert. 1411 ſagten ihnen die
ſieben Orte der Eidgenoſſen (ohne Bern) durch ein
Burg ⸗ und Landrecht« ihren ot zu und ſuchten
ihre —* Begen das Kloſter in billiger Weife zu
regein. 1429 fam ein Vergleich gu ftande, wonach die
Wppengeller die Entridjtung oder Ubldfung der Bin-
fen und Gefiille verbiirgten, wiihrend der Ubt fic an-
heiſchig machte, ihnen den Blutbann und damit die
politiſche Selbjtinbdigfeit queria , was 1442 aud
geſchah. 1452 erlangte A. infolge feiner Teilnahme
am alten Zürichkrieg cine höhere Stethung in der Eid⸗
genoſſenſchaft, und nad den Mailänder Feldgiigen
wurde es 17. Dey. 1513 gum vollberedhtigten 18. Orte
derſelben erhoben. Die Reformation erregte anfäng ⸗
lich in A. feine heftiqen Stiirme; ſchon 1522 entidjie-
den ſich einzelne Gemeinden dafiir, wahrend andre,
namentlid) der Hauptilecen, beim alten Glauben be-
harrten. Erſt die Einführung des neuen Ralenders,
die Aufnahme der Kapuziner im Hauptort und die
Abſicht der Katholifen, den Sonderbiinden der fatho-
liſchen Kantone unter fic) und mit Spanien beigutre-
ten, entzündeten den Religionshaß fo, dak nad zehn⸗
jährigen Wirren durd ein eidgenöſſiſches Schieds-
ericht 8. Sept. 1597 die Teilung des Landed in zwei
Petbitiindige Halbfantone volljogen wurde, die jedoch
in der Eidgenoſſenſchaft nur als Ein Ort galten. Dic
Reformierten zogen nad den Gufern Rhoden (Be—
airten), wo fie fdjon die Mehrheit hatten, und die Ka—
tholifen nad den innern, die fofort dem Borromei-
ſchen und Spanifden Bund beitraten. Anfang des
18. Jahrb. fand die Muſſelinfabriklation und -Sticerei
in Wufer- Rhoden Eingang, während Ynner-Rhoden
feiner Hirtenbeſchäftigung treu blieb. Durch die hel-
vetiſche Verfaſſung wurden die beiden A. 1798 mit
St. Gallen, Untertoggenburg und Rheinthal gu einem
Appengeller Alpen — Appert.
RKanton Santis verſchmolzen, durch die Mediations:
afte aber 1803 mit ihren Sgemeinden wiederher-
—— 1829 brachte Inner⸗Rhoden, 1834 Außer⸗
hoden die alte Landsgemeindeverfaſſung in em fyjte-
—— Grundgeſetz. Letzteres trennte 1858 durch
eine aſſungsreviſion die Juſtiz von der Verwal⸗
— verbeſſerte durch ein neues Grundgeſetz vom
15. . 1876, das 1880 und 1892 teilweiſe revidtert
wurde, den Organismus der Behörden und das
Steuerwefen. Grner-Rhoden gab fich eine neue Ver—
fajjung 24. Oft. 1872, an der 1880, 1883 und 1895
Ubdanderungen vorgenonnnen wurden. Bol. Ruſch.
Der Kanton A. hijtorifdh, geographiſch umd ſtatiſtiſch
(nee Ausg., St. Gallen 1859); Zellweger, Ge
ſchichte des appenzelliſchen Bolles, mit Urkunden (Tro⸗
en 1830 —48, 6 Bde.); Derſelbe, Der Kanton A.
and und Volk und deſſen Geſchichte (daſ. 1867);
Ritter, Die Teilung des Landes A. (daſ. 1897);
Robelt, Die Ulpwirtidaft des Rantons A. (Soloth.
1899); Appenzelliſche Jahrbücher · (hrsg. von der
Gemeinniigiqen Gefellfdhaft, Trogen 1854 ff.).
ngeller Ulpen (St. Galler Ulpen), zwi⸗
fen Siirid)- und Bodenjee, Limmat- und Rheintal
versweigte Gruppe der Glarner Ulpen, die nur im Zen⸗
traljtod des Santis (f.d.) und dem ſüdlich von leg
term gelegenen Bug der Churfirſten (j. d.) Hod
a triigt. Der weſtliche und nördliche
eil Der Gruppe gehört bereits dem WMittel- und Rie
dergebirge an (Rreugegg 1317 m, Hörnli 1135 m,
Bachtel, befudter Ausſichtsberg, 1119 m).
Appert (jor. appix), 1) Benjamin Nicolas
Marie, Philanthrop, geb. 10. Sept. 1797 m Pans,
erbielt 1814 eine Stelle an der kaiſerlichen Seiden:
ſchule, die er jedod) 1815, des Einverſtändniſſes mit
Napoleon I. befdhuldigt, wieder verlor. Durd Cinfiih-
rung des gegenfeitigen Unterrichts erregte er Die Auf⸗
merftamfat Kriegsminiſters Gouvion Saint-Cyr,
der ihn 1818 nach Paris rief, um fiir die Offiztere umd
Unteroffiziere einen Normatfurfus gu erdjfnen. Set
1820 erteilte er Unterricht in Dem Militärgefängnis
von Montaiqu, wurde aber wegen des Entipringens
zweier Striflinge felbjt gefangen gefegt. Rad) drei-
monatiger Haft freigeiproden, widmete fid) A. gang
der BVerbefferung des Loſes der Gefangenen, bereiite
zu dieſem Swed 1825 ganz Frankreich und leqte feine
Beobachtungen in einem eigend dazu begriindeten
Journal nieder. Zu Rémeljing im Mofeldepartement
unterbielt er 1841—44 eine Nolonie fiir entlaijene
Striflinge und Minder von Gefangenen, und feit 1846
bereijte er Belgien und das Ausland. Die Beridte
über feine Studien veröffentlichte ex in mebreren durch
große Freimütigkeit ausgezeichneten Werken: » Bagnes,
prisons et eriminels· (Bar. 1836, 4 Bde.); » Voyage
en Belgiques (Griiff. 1849, 2 Bde.); » Voyage en
Prusse« (Berl. 1846); »Die Gefiingniffe, Spitaler,
Sdulen, Bivil- und Militdranftalten im Oſterreich.
Bayern, Preußen ꝛc.« (Wien 1851—52, 3 Bde.);
»Hambourg, ses prisons et hospices« (Hamb. 1850,
aud) deutſch). Außerdem ſchrieb er: »Dix ans a la
cour du roi Louis-Philippe« (Berl. 1847, 3 Bde.;
aud) deutſch); »Conférences contre le systéme cel-
lulaire« (Brüſſ. 1846); »Die Geheimniſſe des Ber-
bredjens, der Verbrecher und ded Gefiingnislebens<
(Leipz. 1851); »Ratfdlige fiir Direftoren, Geiſtliche
und Arzte von Gefiingnijjen« (Gamb. 1851); »Uber
Wohltitigteits- und Strafanftalten« (Leips. 1853) u. a.
2) Francois, Bruder des vorigen, Erjinder ded
nad ihm benannten Verfahrens zur Konſervier
der Speifen, dad er bereits 1804 anwenbdete, geſt. 18
UAppertinenzien — Appiſche Strafe,
al8 Gutsbeſitzer in Majfy unweit Baris. Schrieb:
»L’art de conserver toutes les substances animales
et végétales« (Bar. 1810, 5. Aufl. 1834; deutſch,
Prag 1844). Bgl. Konfervieren.
‘Sppertinensien (lat.), zu einem Gegenjtand, ins.
befondere gu einem Gute gehörige, nidjt mit diefem
verbundene Teile. Bgl. Bubehir.
Appergzeption (lat.), bei Herbart die ⸗Aneignung ·
einer neuen Borjtellung, die dadurch gu ſtande kommt,
daß diefelbe mit bereits vorhandenen in BVerbindung
tritt, bei Wundt die flare und fcharfe Auffaſſung des
Wahrgenommenen oder Vorgeſtellten im Gegenſatze
u der bloßen Berzeption, dem Cintritt ener Bor-
Petlung in’ Bewußtſein iiberhaupt. So wird beim
Sebhen awar der Inhalt des gangen Gefidtsfeldes im
allgemeinen wahrgenommen (pergipiert), genau auf-
gefakt (appergiptert) aber nur der m der Blicklinie lie-
gende Teil desfelben; in der Muſik eines Ordejters
hören wir zwar fidjer jedes eingelne Inſtrument, aber
nur bei bejonders darauf geridteter Wufmertfamtfeit
fommt uns der Unteil eines jeden gu deutlichem Be-
wußtſein; beim Naddenten driingen fic) uns fortwih-
rend viele neue BVoritellungen auf, aber nur wenige
davon treten flar vor unjer geiftiqes Auge. Durd
Experiment ijt fejtgejtellt worden, dah die Zahl
—5 vom Bewußtſein aufnehmbaren einfachen
indriide ungefähr 16—40 beträgt, daß aber davon
nur 6—12 auf einmal apperzipiert werden. Hinſicht⸗
lid) ded Wefens der A. ftehen einander zwei Theorien
gegentiber. Nach der einen ijt die U., obwohl ſich mit
thr bas Bewußtſein einer Tätigkeit verbindet, dod) im
Grund ein ebenjo paſſiver Borgang wie das einfadhe
Empfinden; der Wusdrud, daß unſre Uufmerffamteit
auf diefe oder jene Vorjtellung »geridtet< fei, hat nur
cinen bildlichen Sinn. Nach der andern, die in Kants
Lehre von der tranfzendentalen A. als einer (vertniip:
fenden) Funktion des Bewuhtfeins ihr Vorbild hat,
liegt der A. eine wirkliche Tätigleit des Subjelts gu
Grunde, das auf die herantretenden Eindrücke re-
aqiert. Man hat daber die gange, an Wundt ſich an-
‘catiefjenbe Richtung der Pjychologie, die den Begriff
der pfodifdjen Tätigleit feſthält, im —— zur
Afſoziationspſychologie aud als Apperzep—
tionspſychologie bezeichnet. Im Sinne der erſtern
laſſen ſich alle Erſcheinungen des Seelenlebens zuletzt
auf Empfindungen zurückführen, die ſich nach den
mechaniſchen Geſetzen der Ideenaſſoziation (ſ. d.) mit-
einander verbinden; im Sinne der letztern liefert die
Aſſoziation nur das Rohmaterial, aus dem erſt unter
twirkung der apperzeptiven Tätigkeit die Borjtel-
lungen und Gedankenreihen geſtaltet werden. S. auch
Aſthetiſche Apperzeptionsformen.
Wppetit (lat., -Begierde«), Eßluſt, insbeſ. aber
das auf eine bejtimmte Speife gericdtete Verlangen.
Wahrend Hunger cin läſtiges Gefühl ervegt und einen
ſchmerzhaften Buitanb hervorbringt, wenn er nidjt
fofortige Befriedigung erhilt, macht der A. nur einen
angenehmen Reis aus, der die Speidjelabjonderung
erhöht und, wenn er unbefriedigt bleibt, ohne Nach—
teil von felber wieder aufhirt. Bei gewiffen franfhaf-
ten Ruftinden de3 Nervenfyftems, 4. B. im Refon-
— — des Unterleibstyphus, kommt zu⸗
weilen abnorme Steigerung des Appetits, in andern
Fällen, z. B. bet Schwangern, eine verfehrte Richtung
desſelben auf ungenießbare und ſelbſt efelhafte Dinge
vor. Bei den verſchiedenſten Krankheiten, aud) den
leichtern des Magens und Darmfanals, befteht Man-
gel oder Stdrung de3 Uppetits Wn orerie); doch fin-
nen biefer Stirung aud) zahlreiche andre, namentlid
635
fieberhafte Xr iten oder Gemiitsajfette zu Grunde
liegen. Uppetitlofigfeit bei verdorbenem Magen wird
hauptſächlich —— bekämpft. Bet dauern⸗
der Uppetitlofigtet ijt eine griindliche drgtlidje Unter-
ſuchung anguraten, da fie erſtes Zeichen ſchwerer Er-
frantungen, 3. B. Nierenleidens, Krebſes xc., fein fan.
Uppetitfarben, ſ. Lockfärbungen.
ffe, ſ. Duftſtoffe.
Appiani, Undrea, ital. Maler, von feinen Zeit⸗
enojjen der ⸗Maler der Grazien« genannt, geb. 23.
ai 1754 in Mailand, geft. dafelbjt 8. Nov. 1817.
Gejtiigt auf Studien der Bliiteperiode italieniſcher
Wandmalerei, befonders der Raffaelſchen, ſchuf A.
eine Reihe von Werken in Paläſten und Rirden Mai—
lands. Napoleon, deffen Taten fein Pinfel feierte,
eichnete ibn fehr aus, und fein Sturz wirtte auf
pianis äußere Verhältniſſe fehr nadteilig cin, fo
day er im Elend ftarb. Seine bejten Werke find die
Frestogemalde aus dem Mythus von Umor und Pſyche
in der finigliden Villa zu Monza und die Kuppel-
gemälde in Santa Maria di San Celfo gu Mailand.
Appiauos, rim. Geſchichtſchreiber aus Wleran-
dria, im 2. Jahrh. n. Chr., Sachwalier in Rom, tn
Ulter von Untoninus Pius gum Profurator, vermut⸗
lid) von Äghpten, ernannt. Er verfaßte in griechiſcher
Sprache eine römiſche Gefdidte in 24 Büchern (» Ro-
maica«) in der Untage, dah, wenn die Unterwerfung
eines Landes oder Bolles — dieſe bis gum Wb-
ſchluß durdergihlt wurde. Außer der Vorrede find
vollitindig nur 11 Bilder erhalten: Spanien (Bud
VI), Hannibal , Rarthago (VIIT), Illyrien (LX),
Syrien (XD), Mithradates (X11), (XITI—XVI) die
römiſchen Biirgerfriege, von den iibrigen zahlreichen
jum Teil größere Brudjtiide. Zwar nur eine Kom—
pilation und an vielfaden Flüchtigkeiten und Bers
jeben, namentlich in der Chronologie, leidend, bat
bas Wert dod) durd) Benugung verlorner Quellen
nidht geringen Wert, gang bejonders fiir die Geſchichte
ber Biirgertriege. Die Sprache ijt bis zur Troden-
heit ſchmucklos und einfad. Ausgaben von Sdweig-
äuſer (mit Rommentar, Leipz. 1785, 3 Bde.) und
endelsſohn (daſ. 1879—81, 2 Bde.) ; ——
von Zeiß (Daf. 1837 88, 2 Bde.). Vgl. Hannak,
Appianus und ſeine Quellen (Wien 1869).
Appla via, ſ. Appiſche Straße.
— edam (Uppingadam), Stadt in der nie-
derlind. roving Groningen, am Danijterdiep und
der Eiſenbahn Groningen-Delfzijl, mit Pferdemärk⸗
ten, Schiffbau und (1900) 4448 Einw.
Appifde Strafe (Via Appia), die größte und
prächtigſie Straße des alten Stalten, gur Zeit ihrer
Bollendung, nad Trajan, ca. 540 km lang bei einer
Breite von Bm. Ihr erfter Erbaucr war ſeit 312
v. Chr. der * Appius Claudius Cãcus, welder
fie von der Porta Capena in Rom über Uricia, Tar⸗
racina, Fundi, Minturnd, Sinueſſa bis Capua fiihrte.
Spiiter wurde fie über Beneventum, Venuſia, Taren-
tum und Uria bis Brundifium, dem Überfahrtsort
nad) Griedenland, verlängerl (vgl. arte »Italien
ur Beit des Kaiſers Uuguituse). Die Grundlage be-
tand aus grobem, feſtgeſtoßenem Kies und Heinen
{djteinen, die mit glatten Ouaderiteinen belegt
waren. An ben Seiten befanden fic jteinerne, 70 cm
—* Einfaſſungen, Ruhe- und Meilenſteine. er⸗
leibſel der Straße werden ſtellenweiſe noch jetzt be⸗
nutzt. 1850—53 hat Canina auf Befehl Pins’ IX.
die beiderfeits mit zahlreichen Grabmonumenten &
ſchmückte Strede zwiſchen Rom und Fratocdi
Ulbano) ausgegraben und blofgelegt.
636
Appius, rim. Vorname, bejonders von Perfonen
aus der gens Claudia; ſ. Claudius. gleichen.
Applanieren (aplanieren, franj.), ebnen, aus-
Applandieren (lat.), Beifall klatſchen.
Applaus (lat.),Beifallstlatſchen·, auc Beifalls⸗
ruf und Beifall überhaupt, beſonders der Zuſchauer
im Theater. Letzterer fand ſchon bei den Römern ſtatt
und hatte hier ſeine Stufen und beſondern Regeln.
Er wurde bald durch Wehen mit den Zipfeln der Toga
egeben, wofür Kaiſer Aurelian das Schwingen mit
eugſtreifen einführte, die er unter dad Volt austeilen
ließ; bald ſchnellte man den Mittelfinger an den Dau-
men, bald ſchlug man mit den fladen, bald mit den
hohlen Handen gegqeneinander. Wud) erfaufter A. fam
ſchon in Rom fo häufig wie jest vor (vgl. Bittiger,
iiber das Upplaudieren im Theater bet den Ulten,
Leipz. 1822). Yn der ältern chriſtlichen Kirche rief
und flatfdte das Bolf oft dem Prediger Beifall gu.
Gegenwartig ijt bas Upplaudieren in der ganzen zivi—
lifierten Welt Sitte. Man madt mit Recht dafür gel-
tend, daß —*— Veifallsiugerungen einerſeits
die Sicherheit des Produzierenden erhöhen und ſein
künſtleriſches Vermögen jteigern, anderſeits aber auch
bas Publilum ausgezeichnelen Leiſtungen gegenüber
durch ein unabweisliches Bedürfnis zu sation Auße⸗
rungen ſeines Wohlwollens getrieben wird. Der Miß—
brauch des Applauſes wirft jedoch ebenſo nachteilig,
wie fein richtiger Gebrauch förderlich fein fann. Das
moderne Virtuoſentum in Oper und Sdaujpiel hat
durch widerredtliche Spefulation auf den A. diejen
neuerdings distreditiert, jo daß felbjt von ſchauſpiele⸗
riſcher Seite in Deutſchland eine gegen den A. gerich⸗
tete Bewegung eintrat, die zur Abſchaffung des Her-
vorrufé im Deutfden Theater und danad tn ben fi-
nigliden Theatern ju Berlin führte. Doch hat dieje
Neuerung nidt die allgemeine Billigung des Publi-
fums gefunden. Bgl. Claqueurs.
Appleby (or. dppetoy, Hauptitadt der Grafidaft
Wejtmoreland (England), am Eden, uralt, mit Schloß
des Lord Hothfield, Lateinfdule, etwas Wollindujtrie
und (1901) 1764 Cinw.
Applegathide Maſchine, ſ. Schnellpreſſe.
Appleton (jor. spit’, Hauptitadt der Grafſchaft
Dutogamie im nordamerifan. Staat Wisconjin, an
den untern Fallen des For River, 32 km von der
Green Bay, mit großen Bapier- und Holsitofffabri-
fen, der Lawrence Univerſität (1900: 426 Studenten)
und (1900) 15,085 Einw.
Appleton (pr. avpln), Daniel, amerifan. Bud-
handler, geb. 1785 in Haverhill (Maſſachuſetts), geſt.
27. März 1849 in New Yorf, betrieb in Boſton, ſpä⸗
ter in Rew York erjt ein Schnittwarengeſchäft, be-
fafte fic) dabei feit 1825 and) mit der Emfubr eng-
liſcher Bücher und begqriindete in Rew Yorf ein Ber-
lagsgeſchäft, dad in der Folge feine Söhne, befonders
William Henry A. ‘ack 28. Juni 1814, geſt.
19. Oft. 1899) und John Adams W. (geb. 9. Jan.
1817, geſt. 13. Silt 1881), bedeutend erweiterten.
Letztere ervidteten 1853 aud cine große Buchdruckerei,
die 1868 nad Brooflyn verlegt wurde, 1900 wurde
das Geſchäft unter der Firma D. Uppleton u. Cie.
in eine Altiengeſellſchaft umgewandelt. Hauptiwerfe
bes umfangreiden Berlags find die 1857—63 unter
Leitung von Ripley und Ch. A. Dana in 16 Banden
herausgeqebene »American Cyclopaedia« (2. Aufl.
1873 —76), su der feit 1861 jihrliche Ergänzungsbände
(»Annual Cyclopaedia«) erjdjeinen, umd die »Cyclo-
paedia of American biography« (hrsg. von Wilſon
und Fisle, 1887—89, 6 Bde.; Bd. 7 erſchien 1900).
Appius — Appomattor.
Applifant (lat.), Bewerber, Vitifteller, Anwirter.
Applifation (lat.), Anwendung, Fleiß, Neigung;
aud Cingabe an die Behirde. Applicatio fiat, man
mache die mivendung. Upplifa bel, anwendbar.
lifationdarbeit, Verjzierung von Geweben
durch Aufnähen (zuerſt Aufklleben) aus einem anderu
Stoff ausgeſchnittener breiter Ornamente, wird künſt
leriſch belebt durch Schnur und Ziernähte in Seiden:
und Goldfäden, auch durch Malerei oder Plattitid-
jtiderei. Im frithen Mittelalter erfegte man die Bro-
fatweberet durd A. von Goldplatten. Mufnabharbeiten
in Leder fennt man aus foptijden Griibern des 5.—7.
Jahrh. Zur hidjten Vollendung gelangte die A. als
Schmuck von Kirchengewändern m Italien und Spa-
nien int 16. Jahrh. während man im 18. Jahrb. ge
webte Binder aufnähte. Ym Orient wird die A. er⸗
fest durch bie Leder und Tudmofaif. Vgl. Lipper
Heide, Die deforative Runftitiderei (Berl. 1890—95).
Upplifationsfarben (Tafel-, Körperfar—
ben, topiſche Farben), tm Zeugdrud mittels eines
Riebmittels auf Geweben befeſtigte Farbjtoffe.
Applifationsfdulen, in Franfreich hohere Mi-
litärſchulen fiir aca mee f. Generaljtabsjdule.
Applikatũr, j. Fingerſatz.
Upplifatiirtafel heißt die Notierung der Sfala
eines Blasinſtruments mit qenauer Ungabe der Griffe,
welde die eingelnen Tone hervorbringen.
Applizieren (lat.), aufheften, aufleqen (von Far
ben); anwenbden; einem etwas beibringen.
Appoggiatura (ital., fpr. -ofgatara), in Der Muſil
foviel wie Vorjdlag (jf. d.).
Appoint (franj., fpr. -piing; ital. Appunto), sur
Volljahlung eines Geldbetrags dienende Scheide
miingen. Qnsbefondere Heit VW. ein Wechſel, durch
den in Verbindung mit einem oder mehreren andern
eine Forderung vollfommen ausgegliden wird. Er-
halt 3. B. A von B fiir eine Forderung von 354 M.
zwei Wechſel, von denen der cine auf 300, der andre
auf 54 Wt. lautet, fo ijt der legtere cin A., inſofern
durd fein Hinzulommen die uld auf den Bunt
(a point) ausgegliden wird. In diefem Sinne heist
appoint oder per appunto remittieren oder traj-
fae foviel wie den Saldo oder Reſt einer Forderung
durch Wechſelſendung übermachen oder durd Wech
ſelausſtellung erheben. Auch verſteht man unter WL
jeden Teil einer Wechſelſendung (Rimeſſe) oder einen
Wechſel überhaupt. Dann wird der Ausdruck auf die
auf verſchiedene Beträge lautenden Schuldverſchrei⸗
bungen einer Anleihe uͤbertragen. Go werden Obli⸗
gationen in Appoints (Abſchnitten) zu LOO, 500,
1000 INL. 2c. ausgeſtellt. Unc Papiergeld, Bantnoten
werden in Appoints aaa 10, 20, 100 We. 2. aus
eqeben. Wenn auf Kurszetteln bei der Notig eines
—81 zu leſen ijt kl. —«, fo heißt dieſes, daß
fleine Appoints (Stücke) fehlen. In Belanntmachun⸗
gen von Kreditgeſellſchaften, die bisweilen naͤher an⸗
gegebene⸗ Appoints · ihrer Obligationen als ausgeloſt
und rückzahlbar bezeichnen, find unter den Appoints
nur die betreffenden einzelnen Nummern zu verſtehen.
—Uppointieren, ausgleichen, ſich vergleichen; Red-
nungen mit den Handelsbüchern vergleichen; auch fo
viel wie beſolden.
Appoltſche Ofen, ſ. Kols.
Appomattox, Grafſchaft im nordamerifan. Staat
Virginia, aus der der gleidnamige Flu k dem James
zufließt, und bet deren Court-house (Gerichtshaus).
35 km öſtlich von Lyndburg, General Lee 9. April
1865 die Wajfen ftredte und der Biirgerfrieg cin
nde nahi.
Apponieren
Apponieren (lat.), beilegen, beifiigen; appons-
tur, es werde beigefiigt, 3. B. ein Uftenftiid.
Apponyi (prc. -nji), altes ungar. Adelsgeſchlecht,
fibrte urjpriinglid) Den Namen »Péd« und nannte
id) feit Ende des 14. Jahrh. U. nach der damals er-
worbenen Herrfdaft Uppony im Reutraer Romitat.
Freiherr Lagdr von A. wurde 1739 in den erbliden
Grafenjtand erhoben. Von gefdidtlider Bedeutung
find: 1) Unton Georg, Graf, geb. 4. Dex. 1751,
get. 17. Mai 1817, trat in den Staatsdienft, wurde
efpan des Tolnacr Romitats und madyte ſich na-
entlid) durch bie Begriindung der Upponyifden
Bibliothek verdient, die fait 50,000 Bände (dar-
unter viele Aldinen) zählt und 1827 von Wien nad
Prefburg, {pater nad) dem Kaſtell Ris Uppony (Neu-
traer Romitat) gebradt wurde. — Sein älteſter Sohn,
Anton, geb. 7. Dez. 1782, gejt. 17. Olt. 1852, war
Botidafter in London, Rom, Karis (bis 1849).
2) Georg, Graf, der sweite Sohn Anton Georgs,
geb. 29, Dez. 18908, geft. 1. Marz; 1899 auf feinem
ut Eberhard bei. Preßburg, war Konzipiſt, dann
Selretiir der ungarijden Hoffanglei. Seit 1843 trat
ex als Politifer in den Vordergrund. Uls Hoftangler
und ſchon feit 1844 Führer der fonfervativ-arijtofra-
tijden Partei, bekämpfte W. alle national-ungarijden
Reformbeftrebungen und erregte durd) fein Syſtem
der Komitatsadminijtratoren einen gewaltigen Sturm.
Tropdem fiegte die Oppofition in den Wahlen, und
alg A. nun * ſelbſt an die Reformen heranwagte,
begegnete er allgemeinem Mißtrauen. Die Februar-
revolution madjte allem cin Ende. Er wurde feines
Poſtens enthoben, lebte fortan zurückgezogen, bid er
1859 als lebenslinglides Mitglied in den verſtärkten
Reichsrat ju Wien berufen ward. Hier verfodt er die
Selbjtindigfeit Ungarns und ward bald ein cinflup-
reicher Führer der nationalen fonfervativen Partei.
Wm 20. Oft. 1860 zum Judex curiae ernannt, prii-
fidierte er den Konferenzen zur Reorganijation der
ungarifden Rechtspflege. Wis bevollmadhtigter Kom⸗
salar erdffnete er 6. Upril 1861 den Landtag inDfen
und fiibrte Das Präſidium im Oberhaus. Nad Auf—
löſung ded Landtags (21. Aug.) wirkte er nod) im
ausgleidfreundliden Ginne fort; da aber fein Me-
morandum in Wien beijeite gelegt wurde, fo legte er
1863 fein Umt nieder. Er nahm nod am Reidstage
von 1865, {pater an ben Sigungen ded Oberhauſes teil.
8) Ulbert, Graf, ungar. Politifer, Sohn des
vorigen, geb. 29. Mai 1846 in Wien, wurde im Jeſui⸗
fenfollegium Ralfsburg erjogen, ftudierte dann die
Rechte in Wien und eft, madte nad) 1868 längere
Reiſen, namentlid) in Deutſchland und, Franfreid,
und wurde 1872 in das ungarijde Abgeordnetenhaus
gemahlt, dem er mit einer Unterbredung von 2 Yah-
ren feit 1877 angehört. Hier zeichnete er fid) bald
durd) eine ungewdhnlide Rednergabe aus: er ijt heute
unbejtritten der vorzüglichſte Sprecher und in jeder
Beziehung eins der hervorragendjten Mitglieder des
ungarijden Barlaments. Wnfangs gehörte er der
—— Partei des Barons P. — an,
ging nach deſſen Rücktritt zur vereinigten Oppoſition
liber und wurde 1878 der gefeierte Fuͤhrer der ſogen.
Nationalpartei (j. d.), dic insbefondere gelegentlid)
der Webhrgefepdebatte (Unfang 1889) gegen das Ra-
binett Tisza einen riidjidjtslofen Kampf führte. Dem
Rabinett Sjapdry (1890-92) gegeniiber beobadhtete
YW. anfinglid) eine wobhlwollende Neutralitat und
unterjtiigte deffen Borlage behufs Verftaatlidung
der Verwaltung. Die vom Kabinett Weferle (1892
bis 1894) geplante Cinfiihrung der Zivilehe billigte er
— Appretur. 637
pringipiell, vertwarf aber deren obligatorifde Form.
Dem Minijterprajidenten Bänffhy gegeniiber, der die
Nationalpartei in den Wahlen (1896) jtart ſchmälerte,
trat A. gleidfalls heftig entgegen. Wher erjt Ende
1898 fam es zur Objtruttion der jum Sturge Banjfys
ſich vereinigenden Oppofition. Wis dann Bänffys
Nadfolger, K. Szell, in feiner Brogranunrede » Redt,
Geſetz und eredtigteit« hochzuhalten verſprach und
ſich für die Verwirllichung der mit der Dppojition ver-
einbarten Bedingungen (inSbef. fiir reine Wahlen)
verbiirgte, trat Yl. 2. März 1899 mit feiner Bartei
vertrauensvoll in die Regierungspartei ein. Seit der
Fuſion trat er feltener als Redner auf. Im Oftober
1901 wurde er abermals zum Deputierten und beim
Veginn der Seſſion sum drajibenten des Reichstags
gewählt. A. madte fich um die Friedensliga verdient,
tat fic) auch als Sdyriftiteller bervor und tit feit 1898
Mitglied der ungariſchen Alademie. Von jeinen Reichs-
tagSreden find 2 Bände (Budapeft 1896) im Drud
erſchienen.
Appoͤrt! (franz.), »bring her!«, Befehl fiir Hunde.
Apport (Frang., »Zugebrachtes⸗, Slaten), die
nicht in barem Gelde beftehende ECinlage (Sach—
einlage), welde Mitglieder von Altiengeſellſchaften
und Kommanditgeſellſchaften auf Uttien in das Ge-
ſellſchaftsvermögen maden. Um gu verbhiiten, dak in
dieſem Falle der jogen. qualijijierten Gritndung etwa
durd) die Griinder einer Altiengeſellſchaft derartige
Einlagen ju allzu hohem Preis eingebradht werden,
| find im deutiden Handelsgefegbud) (aud in Franks
reich) beftimmte Vorſichtsmaß
| ortierbod, hölzerner
des Hundes im Apportieren.
Apportieren (jranj., »herbeibringen<), das Her⸗
| antragen eines zugeworfenen Gegenſtandes oder des
geſchoſſenen Wildes Durd den Yagdhund.
| Appoſition (lat., »Rujag<), in der Grannnatif
ein Durd einen verlürzten attributiven Nebenfag ent-
ſtandenes Uttribut (jf. d.), 3. B. »Wlerander, der Be-
jieger fo vieler Biller, unterlag der Leidenfdjafte,
jtatt »Wlerander, welder (oder: obgleid) er) der Be—
Hieger fo vieler Völker war, xc. «
ppofitionstheorie, ſ. Intusſuszeption.
Apprehenfionstheorie, die heute allgemein als
richtig anerfannte Anſicht, nad) welder der Diebſtahl
(j. d.) vollendet ijt, fobald der Dieb dic Verfiigungs-
gewalt iiber die geſtohlene Sache erlangt hat.
Apprehensio possessionis (lat.), Bejig-
ergretfung.
Appreſſion, ſ. Pflanzenbewegung.
ieren (franj.), zubereiten, zurichten (Fa—
brifate), ſ. Appretur.
etiieren, ſ. Appreziation.
Appretũr c(hierzu Tafel ⸗Appreturmaſchinen «),
die Zurichtung einer Ware, beſonders der Gewebe,
des Papiers, Leders, Pelzwerks ꝛc., unt derjelben ge-
wifje Cigenfdaften (Farbe, Glanz, Griff, Didte) und
durch Ddiefe einen höhern Gebrauchswert oder die fiir
Den Markt geeignetſte Beſchaffenheit, die ſelbſt eben—
falls A. heißt, gu geben. Bet vielen Waren ſchließt
fic) die UW. unmittelbar an die Herjtellung an, bet den
Geweben aber wird fie meijt in Zuridtungs- oder
Uppreturanjtalten ausgefiibrt. Sie beginnt bier
mit einer Reinigung der Gewebe und endet mit der
eg ung eines angenehmen Unjehens, großer
(atte, ftarfen Glanzes xc. Die Reinigungsarbciten
bejtehen im Noppen und Wafden. Durd das Nop-
pen (Beleſen) werden Knoten, Fäden, Strohjtiide,
| Holsfplitter u. dgl. meiſt mittels einer Noppjange
eln getrojffen.
od gum Unterridt
638
Appreturverfehr — Appui.
befeitigt. Zur Entfernung von Sdlichte, Fett rc. wafdt | gefdoren, mit Leimwaſſer gefteift, getrodnet, qeman-
man Die
webe mit warmem Wafjer, Seife, Wh- | qelt oder falandert, geglittet oder geglänzt und *
en
natron, Goda u. dgl. in Waſchmaſchinen. Das | preßt. Seidene Gewebe werden nur in gewi
Trodnen geſchieht durd) Ausprefjen (Uuswringen
oder Ausſchleudern auf der Zentrifuge, Aus—
preffen auf Waljenprefjen) und durch Verdampfen
des Wafers in Trockenräumen (Ram mern) oder auf
Trodenmajdinen. Die durd) die Ungleichförmigkeit
der hervorragenden Faſerenden des Pr raube
und wenig glanjende Oberfläche der Gewebe wird durd
Ubbrennen (Wbfengen, Sengen) auf Sengma—
fdinen oder durch regelmafiges Abſchneiden (Sche⸗
ren) der Faſern auf Schermaſchinen verſchönert.
Da die gute Wirkung des Sengens und Scherens
jedoch weſentlich von der Lage der Fäſerchen ab—
hängt, ſo werden dieſe pint mit Hilfe von Kar
dendiſteln, Kratzen oder Bürſten auf Rauh—
oder Bürſtmaſchinen an die Oberfläche gezogen
Rauhen, Bürſten).
Durch die beſchriebene Bearbeitung kann nur die
Dem Webmaterial von Natur zulommende Glätte und
fein natiirlider Glanz hervorgebradt werden. Cin |
höherer Glanz wird durd) Verſtopfen der Gewebe- |
poren durd das Fiillen und cin Glaitten der Ober- |
fläche durch einen überzug und jtarten Druck hervor⸗
gebracht. In vielen Fällen imprägniert man das
Gewebe mit einer Maſſe (Appreturmaſſe, Ap—
pret), die in Der Regel aus einem Füllſtoff (feinem
weifen Ton, Kaolin, Schwerſpat, Tall, Gips, Kreide,
Magnefia u. dgl.) mit einem Bindemittel (Stärke—
feijter, Leim, Dertrin, Seife, Wachs, Pflanzenſchleim)
bejteht, und preßt es nad dem Trodnen oder Feſtwer⸗
den diefer Maſſe zwiſchen glatten Körpern. Zum Im—
priiqnieren (Stärken) benugt man dieStirfe- oder
Klogmafdine, gum Glätten verfdiedene Preffen,
insbej. Die Mangen und Ralander (daber Man-
qen, Ralandern, 8ylindrieren). Bu den Up-
preturarbeiten fommen mitunter nod) hinzu: dad
Rarbonifieren (ſ. dD.) der Wollenftoffe, bas Rrep-
pen oder Rraufen des Krepps (ſ. d.), eines Seiden-
jtoffes, wobei legterer zwiſchen geriffelten geheizten
Walzen hindurchgeht und dabei feine Kreppung erhält,
das Ratinieren (jf. Ratin); ferner das Warferdidt-
maden (jf. Wafferdict), das Unverbrennlidmaden |
durch Tränken mit Lofungen von Saljen 2c. und das
WMercerijieren (f.d.) der Baumwolle.
Zu den Vollendungsarbeiten gehiren hauptſüchlich
das Gaufrieren (f. d.), Moirieren (f. Moire) und.
das Filzen. Das Filjen gibt den Stoffen grofe |
Dichtigleit, findet bejonders in der Tucfabrifation
mafdinen ausgefiihrt (ſ. Wallen).
Fällen appretiert, beſonders über zieht man leichte Tafte
und Atlaſſe auf der Rückſeite mit Tragantſchleim,
troctnet fie fdjnell und erhöht ihren Glanz durd a:
landern mit gebeisten Metallwalzen. Uber die in der
U. angewendeten Mafdinen f. die beifolgende Tafet.
Val. Meifner, Der praktiſche Uppreteur rc. (Leups.
1875); Derjelbe, Die Maſchinen für A. rx. (Bert.
1873); Behniſch, Handbud der VW. (Griinb. 1879) ;
Romen, Bleiderei, Färberei und A. (Berl. 1879 —
1885, 2 Bode.); Polleyn, Die Uppreturmittel (2.
Uufl., Wien 1897); Dépierre, Die VU. der Baumwoll-
gewebe (daj. 1888); Sanfone, Seugdrud, Bleiche
rei 2c. (deutſch, Berl. 1890); Reifer, Die UW. der wolle-
nen und balbwollenen Waren (Leip;. 1899).
MUppreturverfebr , ſ. Beredelungsvertebr.
Appresziation (WM ppretiation, neulat., franj.).
Schigung, Wertbejtimmung; apprejziieren (ap-
pretiieren), abſchätzen, ſchätzen, wiirdigen.
Approbatae Constitutiones Regni Tran-
sylvaniae et Partium Hungariae eidem an-
nexarum, Titel der vom fiebenbiirgifden Fürſten
Georg Rafoczi I. 1653 herausgqegebenen Sammiung
der Siebenbürgiſchen Gefepe, die alle zwifden 1540
und 1653 gegebenen Geſetze in ungariſcher, mit la—
teinifdjen Zitaten vermifdter Sprade enthalt (Groj;-
wardein 1653; 3. Ausg., Klauſenb. 1815).
Wpprobation (lat.), die Genehmigung von feiten
einer Behörde zur Uusiibung einer Täligkeit oder
cined Umtes; in der fatholifden Rirde auc) die Ge
nehmigung und Billiqung von Drudicdriften religid
fen Inhalts, die durch dad folden Schriften vorge
drudte »approbature ausgedriidt wird; in der Ge
werbeordDnung (§ 29) die auf Grund cines Nachweiſes
der Befihiqung erteilte Genehmigung jum Gewerde
betrieb der Ärzie und der Upothefer (f. Wrst).
Approbieren, nad erfolgter Priifung genehmi
ger, gutheifen; approbativ (approbatori{d),
illigend, qutbeifend.
(fran}., fpr. approſchen), f. Laufgriben.
Appropriation (lat.), Uncignung; Appropriatio
feudi, Beendiqung des Lehnsverhitnijfes durch Auf⸗
hebung der Rechte des Lehnsherrn.
ationsflanfel(lat., »Unciqnungstiaw
fel«), in England die vielbejtrittene geſetzliche Anerken⸗
mung des dem Staat angeblid guitehenden Rechtes,
das tdgen der anglifanifden Kirche in dem fajt
| gang fatholifden Irland ſtatt blok su einer geradezu
Unwendung und wird dird Wallen in Ball. |
Vaumwollenftoffe werden nad dem Wafden |
und Trodnen in der Regel erjt gefengt, dann oft ge-
rauht und gefdoren, regelmäßig geſtärkt, gemangelt
und falandriert fowie in beſtimmten Fallen qaufriert,
qerabmt und moiriert. Leinenwaren werden tm |
wefentliden wie baumwollene Gewebe bebandelt, nur
fällt wegen ihrer natürlichen Glätte das Sengen und
Sderen fort. Nad dem Stärken werden fie auf der
Wange oder auf Kalandern geglittet; um eine nicht
qlinjende, bem Faden feine Rundung nidt bemerk
bar raubende, fanft gewäſſerte A. zu erhalten, bringt
man die Leinwand auf die S Hlaqmihle(Stampf-,
Stoftatander), wo fie etwas feucht auf eine Walze
feft anfgewidelt und durch febr qlatte, fentredt herab-
fallende Stampfen bearbeitet wird. Uber dic A. der
Tude f. Tud. Kammwollene Reuge werden je
| ten fatholifden Rirde und der fatholi
nad ibrer Beſchaffenheit qenoppt, gefengt, gewafden, |
veridwenderifchen Ausſtattung der geiſtlichen Stellen,
zu andern das Landeswohl fordernden Sweden, bee
ſonders aud) gu gunſten der ſehr dürfti ausgeſtatte·
en Schulen
verwenden zu dürfen. Zuerſt 1833 durch Althorp be⸗
antragt, 1834 durch den Radifalen Ward erneut, ijt
die W. ein Gegenftand fteten Kampfes swifden Whigs
und Tories geblieben, bis endlich durch die von dem
Miniſterium Gladftone 1869 yur Annahme gebradte
Bill über Mufhebung der irifchen Staatésfirde aud
die Frage der A. erledigt worden ift.
Approvifionieren (franj.), mit Borrat an Le-
bensmitteln verfehen.
ximation (lat.), Unniberung (j. d.); ap-
prorimativ, annähernd.
Approximitãt (lat.) der Bahnen sweier Hinnnels-
forper, ihr geringfter Ubjtand voneinander.
yp — jor. pit), Stipe, Stiig- oder An⸗
lehnungspuntt fiir Truppenjtellungen.
{Zum Artikel Appretur.]
Appreturmaschinen.
In der Appretur findet unter den Waschmaschinen
die Breitwaschmuaschine ausgedehnteste Verwendung.
Eine mustergiltige Anordnung (Jlemmer) zeigt
Fig. 1. Zam Durchkneten des zu einem endlosen
Bande zusammengeniihten Zeuges Z dient das Wal-
zenpaar A, dessen obere Gummiwalze durch Spiral-
federn, die mittels der Traverse t auf
die Oberlager wirken, auf die untere
Kupferwalze gedriickt wird, Das Zeug
1. Breoitwaschmaschine von Hemmer.
Z passiert, von den Walzen A gezogen, erst den
Waschtrog B, derdie ausgeprefte Fliissig¢keit ausiingt,
dann die Spannstiibe | und h, wird von der Latten-
walze i fortgenommen, in den Trog EE, itiber die
Spannprismen a, d, f, Leitwalze b, Anzugswalzen c,
e zum Trog B zuriickgefiihrt. Das an dem Gelenk m
hiingende, von nx in Schwingung versetzte Brett D
dient zum Fortschieben des Zeuges. Das Rohr u
dient zum Entleeren. Die Seiten-
wiinde C lassen sich nach der Stofl-
breite einstellen,
Bei Trockenmaschinen wird er-
wiirmte Luft dem gespannten und
sich in der Kettenrichtung bewegen-
den Gewebe entgegengetricben, oder
das letztere wird iiber geheizte Trom-
meln fortbewegt. Eine Trocken-
maschine ersterer Art besteht aus
zwei horizontalen cisernen parallelen
Balken von 12—20m Liinge, welche,
auf 1 m hohen Béicken aufruhend,
sich nach der Breite der Zeuge mit-
| eintritt und fiber der EKintritte-
Eine Trommel- oder Walzentrocken-Maschine be-
steht aus 2—36 Trommeln, die horizontal nebenein-
‘ander, vertikal tbereinander oder zu Gruppen ver-
| teilt angeordnet sind und (Fig. 2) durch hohle Zapfen
mit den als Dampfbehiilter und Kondensator dienen-
den hohlen Gestellteilen BB und dadureh mit dem
| Dampfzustrémungsrohr b in Verbindung stehen. Das
yon einer Walze ablaufende oder yom Fubboden auf-
/genommene Zeug ce passiert infolge der ‘Trommel-
drehung die Spannprismen 1, 2, 3, darauf den Aus-
breiter 4 zum Breitspannen und sodann im Zickzack
die Trommeln d, um getrocknet entwederaufdie Walze
n aufgewickelt oder durch einen besondern Lege-Ap-
parat (Leqmaschine) in Falten h niedergelegt zu wer-
den (Fachen), Der Lego-Apparat (Facher) besteht aus
| zwei Hiingeschienen f, die an der Spitze der schwanen-
halsartigen Ansitze C drehbar aurgehiingt und durch
Schubstangen i yon Kurbeln inSchwingungen zu ver-
setzen sind, Das getrocknete Zeug e liuit tiber eine
Fiihrungswalze a zu dem Walzenpaar g, welches das-
selbe infolge der Drehung yorzieht und durch das Hin-
und Hersehwingen bei h in Falten ablegt. Die Dreh-
bewegung siimtlicher Teile geht von der Riemenscheibe
e mittels Riemen derart vor sich, dai diese Maschine
12,5 — 15 m Stoff in der Minute trocknet.
Trockenkammern bilden viereckige, aus Fisenblech
hergestellte Riume von 4—5 m Liinge und etwa 3 m
Héhe und 2 m Breite. Der zu trocknende Stoff wird
an einer Schmalseite durch einen Schlitz fast unter
der Decke von einer auberhalb liegenden Walze ein-
'gefihrt, sodann in der Kammer, um horizontale
| Walzen gespannt, 3—4 mal hin und her geleitet und
endlich, wieder an der Finirittsseite, unmittelbar
‘iiber dem Boden von cinem auberhalb liegenden
Walzenpnar getrocknet herausgezogen. Zum Trock-
nen dient ein Luftstrom, der in erwirmtem Zustand
der Zeughewegung entgegen in die Kammer getrieben
wird, indem er durch einen Schlitz an der andern
Schmalseite durch den Boden
tels Querschrauben auf 0,5—2,5 m
einstellen lassen, Auf jedem Balken
2 Trommel- oder Walzentrockun-Masohine
bewegt sich in der Langenrichtung eine endlose Kette | stelle des Stofies mit Wasser gesiitiigt durch die
mit nach oben gerichteten Stiften (Klaviere) zam Er- Kammerdecke die Kammer verliit. Die Erwirmung
fassen des Stofies und in der Bewegungsrichtung etwes der Luft erfolgt sehr zweckmiibig mit Hilfe der be-
auseinander gehend (nicht parallel), um das Zeug kannten Rippenheizkérper und die Fortschaffang und
hierdurch in der Breite zu spannen, Durch einge-
setzte Wiinde bildet diese Rahmenmaschine einen lan-
gen Kasten, dessen Deckel das Zeug darstellt, An dem
das Zeug abfiihrenden Ende liegt ein Rohr mit einer
der Zeugbewegung entgegen gerichteten trichterfir-
migen Erweiterung, durch die erwiirmte Luft mittels
eines Ventilators unter das Gewebe getrieben wird.
Meyers Konv.- Lexikon, 6. Aufl., Beilage.
Bewegung derselhen duren Dampistrahler, die iber
der Kammer stehen.
Sengmaschinen brennen den Flaum ab, indem sie
das Gewebe iiber einen gliihenden Kupfersiab (Stab-
oder Plattensengerei), einen gliihenden Zylinder (Zy-
lindersengeret) oder durch Gasilammen (Gassengerei)
| hindurchziehen.
IT
(Gebauer, Fig. 2) mit drei Sengstellen A, A, A aus-
gestattet, an denen
das Zeug Z derart vor-
3% Gassengmaschine von Gebauer.
beigefiihrt wird (Fig. 4), dai es an jeder Sengstelle
zweimal, also im ganzen sechsmal, gexengt wird. Je- |
Enden aneinander geniihte Zeug T wird durch die
doch kann man ein-
zelne Sengstellen aus-
schalten und das Zeug
auch so fuihren, dab
die Sengung an beiden
Stofixeiten erfolgt. Das
Zeug Z passiert, durch
Spann- und Leitwalzen
glatt gehalten, veleitet
die Maschine in der
Richtung des Pfeiles
und lest sich bei B in
Falten zusammen in-
folge einer Schwingung des Fachapparats C. Das Gas
wird von einem Gebliixe G durch die Réliren a, a, a
in die Brenner A, A,
A getricben, tritt aus
feinen Sehlitzen aus,
2 oon
- O *
2 —— S @. — 9
J
4. Brenneranordnang.
und die Flamme
strémt yveven das
Zeug. Der Hebel h
dient zum gleichzei-
tiven Abriicken des
Zeuyges von siimtli-
chen Brennern.
Schermaschinen,
Die gebriiuehlichen
Liingsschermaachi-
nen besitzen Scher-
wvlinder (Fig. 5), die
nus einer Walze W
mit (—12 schran-
benférmig aufeezoge-
nen Messern (Schie-
nen) mm il, 2,5) be-
stehen und sich mit
grober Geschwindix-
5.
Secher-
zvlinder.
keit drehen, wilirend das Zeug daran in der Ketten- |
richtung vorbeivefilirt wird. Eine Schermaschine
(dig. 6) erhalt in der Regel zwei Seherzylinder A und |
Appreturmaschinen.
Die Gassengmaschinen bilden die Regel; sie sind A,. Das mit den Enden zusammengenahte Zeug T ge-
langt von der Walze K aber die Leitwalze a, durch
den aus prismatischen Stiben gebildeten Spannappa-
rat c, iber das Prisma d zu der Birstenwalze B, so-
dann iiber die Leitwalze e unter dic
Birstenwalze b (Aufeetzhirste) rum
Aufrichten der Harchen und von hier
in den Scherapparat A. Dieser ist ge-
bildet aus dem mittels der Schrauben
s genau einstellbaren Scherzylinder,
dem Schertisch i und dem Gegenmes-
ser g (Lieger), vor dem sich die Har-
chen aufrichten. Von A lauſt das
Zeug tiber f, unter der Barste b zum
zweiten Scherapparat A, Gber G sur
Zustreichbirste B,, um sodann tber
die Walze K den Gang durch die Ma-
schine so oft zu wiederholen, bis der
Erfolg erzielt ist. Der Antrieb geht
von der Riemenscheibe 1 aus, die se
durch Zahnriider 2, 3, 4 auf die Zag-
walze K, durch Riemen auf die Bar-
sten, Scherzylinder etc. thbertrigt.
| Letrtere machen mit je 6 Messern 7800 Schnitte in
der Minute. R ist ein Ausriicker.
Kine doppelte Rauhmaschine (Gessner, Fig. 7) be
steht aus zwei Trommeln A, B von 1—2 m Langer.
wovon A mit drenenden und B mit festen Karden
(Streichkarden) besctzt ist. Das zu rauhende, mit den
Spannapparate m, n iiber Fihrungs- und Spannwalzes
a so getiilrt, dab es jede Trommel an drei Stellen be
rithrt und bearbeitet wird, indem sich die Tromme!a,
der Zeugrichtung entgegen, etwa 100 mal in der Mi-
nute drehen. Die Ablage des Zeuges erfolgt durch
den Fachapparat C auf den Tisch D.
Die Birstmaschine bezweckt die Entfernung der
yom Sengen und Scheren liegen gebliebenen Faser-
teilchen (Scherwolle) und das Legen der Fasern nach
einer Richtung (Strick) und besteht (Fig. 8) ans einet
mit 12 langen, schmalen Biirsten besetzten, sich
6. Schermaschino,
drehenden Trommel A, der das mit den Enden ver
bundene Zeug T von dem Spannprisma a so sugefuhrt
wird, dali es der Bowegung der Trommel entgegenlauf.
Sodann liegen bei b, e, d, e Walzen zum Breithalten
und Wegfiihren des Zeuges, das durch einen Trichter f
in den schrigen, bedeckten Kanal ¢ fiillt, um wieder-
holt den Weg durch die Maschine anzutreten.
Stirkemaschinen (Klotzmaschinen, Stirkekalan-
der) bestehen aus einem mit Appreturmasse gefillten
Trog und aus Walzen zum Durchziehen des Gewebes
durch den Trog und Entfernen der tbertlissigen Ap-
pretur. Der Stirketrog 8 (Fig. 9) befindet sich zwi-
sehen zwei Stindern G unter den 3 Preiwalzen pp,
wovon die untere fest, die obern beweglich in Schlitzen
des Gestelles gelagert sind. Die Mittelwalze wird
durch das GewichtQan dem Hebel r belastet, der mit
Schraube, Handrad und Arm h verstellbar ist. Das
Gewebe T liuft von der Rolle R tiber die Spannstibe
a, c und eine Walze e in den Trog 8 und um den Ein-
tauehhaspel d, durch die Dreiwalzenpresse zum Auf-
wickeln auf die Rolle s. Der Antrieb erfolgt durch
Zuhnriider yon e aus, nur die Zeugrolle s erliilt ihre
Prehung durch einen Riemen. Die Einstellung der
obern Walze erfolgt durch K.
Gliittmaschinen bringen durch starke Pressung
zwischen glatten Fli-
chen Gitte und Glanz
hervor. Am ge-
briiuchlichsten
sind hierzu die
Kalander mit
Walzen (Wal-
zen-, Cylinder-
mangel), die je
nach der Anzahl
der letztern 2-,
3-, Swellig heiben
(s. Kalander). Bei
der hichst wirk-
samen Walzen-
mangel wird das
Zeug auf eine
Walze Z (Fig. 10)
aufgerollt und
zwischen drehen-
den, stark bela-
steten W alzen hin
und her gerollt
(gemangelt). Eine solche Mangel (Gebauer, Fig. 10)
besteht gewéhnlich aus einer festliegenden Unter-
& Birstmaschine
Appreturmaschinen.
7. Rachmaschine yon Gessnor,
Ill
| walze U und einer beweglichen Oberwalze O. Die La-
ger A der Oberwalze stehen mit einem Wasserdruck-
apparat D in Verbin-
dung und sind beliechig
stark (bis 60,000 kg)
zu belasten, wobei ein
Manometer M den Was-
serdruck angibt. Das
von der Riemenscheibe
Rin Gang gesetzte Ri-
dervorgelege V dieser
hydraulischen W alzen-
mangel gestat-
tet eine Umkeh-
rung der Wal-
zenbewegung.
Vorteilhaft auf
den Gliittpro-
zeli wirkt die
Erwirmung
der Walzen ein,
weshalb die Ka-
lander fast im-
mer mit Vor-
10. Walzenmangel von Gebauer.
richtungen zum Finlassen von Dampf versehen werden,
| Um die Glanzerzeugung zu erhéhen, bekommt eine
IV
Walze, z. B.O, oft eine grébere Umfangsgeschwindig-
keit (Differentialkalander). Die gewShniichen W alzen-
kalander kinnen nicht verwendet werden, wenn die
Appretur einen linger anhaltenden Druck verlangt,
ll. Glattmaschine.
wie z. B. bei Tuch und tuchartigen Geweben. Zur
Nutzbarmachung der Walzenkalander auch fiir den
letztgenannten Zweck hat man (Fig. 1) die tuch-
fiihrende Walze B mit zwei muldenfirmigen hohlen
und mit Dampf heizbaren Druckplatten CC umgeben,
die den aus Nickelblech gebogenen Prefspan PP ver-
mittelst Schrauben kriiftig gegen das Zeug pressen,
Das letztere liuft vona
ber die Spannriegel i,
und i, an der Birsten-
— =
12 Walkmaschine.
walze W vorbei, deren Andruck mittels des Hand-
rades b geregelt wird. Darauf geht das Zeug ũber den
Spannstab V, die Spannwalzen i, und Y, zwischen
die Mulden C, C und die Walze B, um sodann iiber
L und i, auf eine Tafel oder Wickelwalze zu gelan-
gen. Zur Regelung der Spannung dient ein um Y
laufendes Bremsband, das durch das Handrad d und
Schnecke angezogen oder gelockert wird,
genden PreGinulden in den um zz drehbaren Armen
DD erhalten von den Schrauben SS und 8,8, sowie
einer starken Feder F den Andruck, zu dessen Re-
Die lie-
Appreturmaschinen.
gulierung das mit der Schnecke o und Schnecken-
rad n verbundene Handrad f auf die Feder F einwirkt,
wihrend auberdem der Prefispan PP mit Hilfe der
Walze L, Schneckenrad, Schnecke h und Handrad g
gespannt wird. DieSchrauben ss dienen zur Stitzung
der Mulden, Der Antrieb erfolgt von der schnell am-
laufenden, von einer Riemenscheibe bewegten Birsten-
welle R,, durch Zahnriider R,, R, und R, auf die Walze
B, welche je nach der Stoflgattung eine Oberflachen-
geschwindigkeit von 2—4 m in der Minute bekommt.
Walkmaschinen sind mit stobenden Klétzen (Him-
mern) oder quetschenden Walzen als Arbeitsorganen
versehen und danach als Hammer- und Walzenwalken
unterschieden. Bei der ersten Art (Fig. 12) ist die
Anwendung zweier gezackter Klétze m,m sehr ge-
briuchlich, die an Schwingen g hiingen und mittels
einer Kurbel 0,0 in pendelnde Bewegung gesetzt wer-
den (Kurbelwalken), Zur Aufnahme der Zeuge dient
das Walkloch L, dus mittels Zahnstange z und Trieb t
2c ee
n Hemmer.
| gréGer oder kleiner gemacht werden kann. Der Trieb
wird von dem Handrad h bewegt. Die Arbeit besteht
darin, dali die Hammer m, m abweechselnd ein in L ein-
gelegtes Stick stoben, quetschen und in die Hohe
schieben, so dab jedes Stick nach dem Stobe herun-
terrollt und dem Hammer eine neue Fliche darbietet.
Die Walzenwalken neuester Konstruktion (/7emmer,
Fig. 18) erhalten in der Regel nur zwei Walzen O, U,
wovon die obere nachgiebig gelagert ist, indem mit-
tels Hebels rs, bei s angreivende Spiraledern auf das
Oberlager der Walze O wirken. AuGerdem besitzen
sie einen Finfihrungskanal a und einen Stauchkanal
bf fir das in Strangform cintretende Gewebe, wel-
ches, zu einem endlosen Bande zusammengenaht, von
den Walzen gefabt, unausgesetzt von oben nach unten
zwischen den Walzen OU, seitwirts und in der Lan-
genrichtung in dem Kanal b zusammengequetscht
wird. Der Kanal a hat Seitenwinde von (ilas, die
durch Federn angepreit werden; der Kanaldeckel g
(Zunge) ist von dem Hebelsystem k, i nach Bedirfnis
zur Regelung des Druckes zu ent- oder belasten. Des
Zeug Z fiillt in den mit Walkfliissigkeit gefillten Trog
Tund steigt an der Fiihrungswalze ¢ durch eine Brille
© tiber die Fiihrungswalze d in den Kanal a. — Als
Walkfliissigkeit dient cine Lésung von Seife, fetter
Ton-(Walker-jerde mit Wasser oder fauler Urin; die-
selbe wird von dem Gefib m aufgefangen und abge-
| lassen, solange sie sehr schmutzig ist.
*
13. Walzeonwalke vo
Appun — Aprifofenbaum.
— Karl Ferdinand, Naturforſcher und
Reiſender, geb. 24. Mai 1820 in Bunzlau, geſt. 18.
Yuli 1872 in Britifd-Guayana, durdforfdte 1849—
1859 Venezuela und als Botaniker Britijd-Guayana.
Er bereifjte Darauf einen Teil Brafiliens und befubr
den Umajonenjtrom bis zur Grenze Perus. Nad) drei-
jabrigem Uufenthalt in der Heimat (1868—71) fehrte
er nad Guayana zurück, verunglückte aber auf der
erften Reije ind Innere. Außer sahlreiden Aufſätzen
verdffentlichte er: »Unter den Tropen« (Jena 1871,
Mppunto (ital.), ſ. Appoint. [2 Bde.).
—— (griech.), Verluſt des Verſtändniſſes für
ben Gebrauch der Dinge, das Vertennen der Objette,
eine pſychiſche Strung, die zuweilen mit Uphafie fom-
biniert ift.
Apraxin, 1) Feodor, Graf von, aus altem
ruff. Adelsgeſchlecht (vgl. Borosdin, Genealogie des
Hauſes A.; ruff., Petersb. 1884), geb. 1671, git 10.
Nov. 1728, ward, von Peter d. Gr. jum General:
admiral ernannt, der Schöpfer der ruffijden Marine.
In Ingermanland ſchlug er den fehwedijden General
Lübeler, eroberte 1710 Wiborg in Rarelien und be-
febligte wahrend des von Karl XIT. angefadten Titr-
fenfrieg3 auf dem Schwarzen Veer. 1713 griff er
Finnland von der Geefeite ber an und nötigte Schwe-
den jum Frieden von Ryftad, wodurd) Rupland die
Oſtſeeprovinzen erlangte. Zuletzt begleitete er den
Zaren auf deffen Feldzug gegen die Bolter am Rafpi-
fchen Meer und gegen Perſien. Rweimal (1715 und
1718) wegen Veruntreuungen verurteilt, ward er vom
Baren gegen cin anjebnlides Löſegeld my
2) Stephan Feodorowit{dh, Graf von, Neffe
des voriqen, geb. 1702, geft. im Auguſt 1758, fodt
unter Munnich gegen die Tiirfen, jtieg raſch zum
General empor und war einer der cifrigiten Geqner
der preußiſchen Bartei fowie des Grafen Lejtocq am
ruſſiſchen Hof. Unt 30, Mug. 1757 fiegte er ald Feld-
marjdall fiber die Preußen bei Grofjagersdorf, ging
aber bei der Nachricht von einer Erfranfung der Rai-
ferin auf Beſtuſhews Verantaffung nad Rußland zu—
riid. Elijabeth —— jedoch wieder; Beſtuſhew wurde
verbannt und A. unter der Anklage, von Friedrich IL.
beftoden ju fein, vor ein Kriegsgericht gejtellt, vor
deſſen ——ã— — er im Gefängnis ſtarb. Sein Leben
beſchrieb Bantyſch Kamenſtkij inden »Biographien
der ruſſiſchen Feldmarſchälle⸗ (Petersb. 1840—41, 4
Bde.). Val. Maſſlowſti, Der Feldzug Apraxins in
Ojtpreufen 1756 —1757 (deutſch, Berl. 1889).
Aprés nous le déluge (fran3., »nad uns
[fomme] die Siindflut!«), Wahlſpruch verbrederifd
jorglojer Genugmenfden, wird der Frau v. Bompa-
Dour zugeſchrieben, tit jedod) ein nur modernifiertes
Wort eines alten griechiſchen Dichters, das von Cicero
(»De finibus«, IIT, 19, 64) u. a. gitiert wird.
Apricena (jor. -tigena), Stadt in der ital. Proving
Foggia, an der Cijenbahn Uncona-Foggia, hat Stein-
brite, Käſebereitung und (1901) 7643 Einw.
Aupries (Uah-eb-ré, hebr. Hophra), König von
Agypten, 588—570 v. Chr., Sohn Pſammetichs IL,
verjudjte 587 einen Kriegszug jum Entfag Serufa-
lem8, wurde aber von RNebufadnejar befieqt. Als er
agyptifde Truppen 570 gegen Kyrene fdictte, wurden
fie geſchlagen, empörten Kg auf dem Rückmarſche
gegen ihn und wählten Amaſis ae Führer, der VU.
570 bet Momemphis befiegte. A. wurde gefangen,
blieb aber nod) eine Zeitlang offiziell König, bis er
angeblid) vom Bolf ermordet wurde.
rifofe, ſ. Uprifofendbaum. Südamerika—
nif@e A., ſ. Mammea.
639
Uprifofenather (Aprikoſenöh, Fruchtäther
vom Geruch der Aprilkoſen, ijt int weſentlichen Butter⸗
fiiuredither mit einer Spur Umplalfohol, wird in der
RKonditorei benutzt. Aprikoſeneſſenz iſt eine Löſung
von A. in Alkohol.
Aprikoſenbaum (Marille, Alberge, Prunus
Armeniaca L.), Obſtbaum aus der Familie der Roſa—
geen, mit gangen, breiten, gefagten, kahlen Blattern,
por den Blattern erfdeinenden, meijt eingeln ſtehenden
weifen, aufen rötlichen, kurzgeſtielten Bliiten, famt-
artigen Steinfriidten mit Langsfurde auf der einen
Seite und rungeligem, auf der Rante ringsum ge-
furdtem Stein mit fiigem oder bitterm Rern. Das
Fleiſch ift gelblid, faftig, in der Überreife oft mehlig
und bann geſchmacklos. Der A. verlangt febr warmes
Klima, und feine in Syrien gereiften Früchte über—
treffen die europäiſchen, felbjt die Pfirſiche. Dagegen
ijt er weniger empjindlid als der Pfirſichbaum und
Halt in Norddeutidland ziemlich qut aus. Er liebt
gute humusreide, kräftige und tief bearbeitete Garten:
erde mit Durdlaffendem Untergrund; in kältern Ge—
genden läßt er jich nur am Spalier ziehen, bereitet
aber auch dann Schwierigleiten und leidet oft fehr am
Gummifluß. Man unterfdeidet: 1) Mandelapri-
fofen (Uprifofen der Provence), in Siidfrant-
reid), von mehr verwildertem Gehölz, mit wenig wert-
vollem Fleifd, deren Kern wie Mandeln von Rondi-
toren und gur Wewinnung von O1 benubt wird.
Hierher gehoren aud) die frühreifen holländiſchen
Uprifofen. 2) Albergen, frithreife, fleine Früchte
von cinem Baume mit Mleinen Blattern und Bliiten.
3) Edie UAprifofen, gripere, ſpät (bisweilen aber
auch frith) reifende Früchte. 4) Italieniſche Upri-
fojen, mit glatter, glänzender Oberhaut. Sum all-
genteinen Unbau wurden vom Deutfden Pomologen-
verein empfoblen: Wprifofe von Nancy, Wpritofe von
Breda, Uprifoje von Syrien, Wprifofe von Tours,
Luizets Uprifofe, wahre grofe Frühaprikoſe, Ambroſia,
Yndenfen an Robertsau, Moorpark (jf. die Wbbil-
bungen auf Tafel »Pfirfide und Aprikoſen«).
Die Heimat de3 Aprikoſenbaums ijt unbefannt,
denn man hat ihn nod niemals wild angetroffen;
wahrſcheinlich ſtammt er aus Turfijtan und der Mon-
golei und wurde gegen Mitte des 1. Jahrb. in Italien
—— Die Früchte wurden zu Columellas Zeit
mala armeniaca genannt, weil fie aber früher reifen
al8 die Pfirſiche, erhielten fie ben Beinamen praeco-
qua, praecocia, Der im mittelgriechifden Munde in
berikoka fic verwandelte. Daraus madten die Araber
al-barquq, und fo entftand dad fpanijde albaricoque,
das italienifde albicocco, das franzöſiſche abricot.
Man sieht den A. hauptſächlich in ſüdlichen Gegenden,
in grokem Maßſtabe in den Vereinigten Staaten,
wo die Früchte gur Branntiweinbereitung, gedörrt
und gepreht aud) zur Schiffsverproviantierung be-
nutzt werden, und in Sentralafien, wo das S01} als
Brennhols benugst wird. Italien liefert qetrocnete,
Südfrankreich und die Donaufiirjtentiimer einge-
madte und fandierte Uprifofen. Die Frucht enthalt
im Mittel: 81,22 Wafjer, 4,69 Ruder, 1,16 freie Säure,
0,49 Eiweißſtoffe, 6,35 Peltinſtoffe r., 5,27 Holsfafer,
Kern und Sdale, 0,82 Mineralftoffe. Aus den Kernen,
Die aus Reinafien als Pfirfidferne in den Hay—
del kommen, wird feines, dem Mandeldl ähnliches Ol
(Huile de marmotte) gepreft (0,919 ſpez. Gew., er-
| ftarrt nicht bei —-20°, Musbeute über 50 Proz. dientin
Südfrankreich zur Verfälſchung des Mandeldis) und
Bittermandelöl dargeftellt, die verfohiten Steine geben
ſchwarze Tufde; das Hols dient gu Drechſlerarbeiten.
640
—— Apriloſenäther.
Aprikoſenſpinner(Laſtträger, Sonderling,
Orgyia antiqua L.), Spinner, 26 mm breit, mit rojt-
braunen Flügeln, von denen die Dordern mit weißem
Sled verjehen find; das Weibdhen ijt wollig gelbgrau
behaart und hat verfiimmerte Fliigel. Die aus dem
iiberwinterten Ei entidltipfte Raupe beſitzt biirjten-
artige Biindel gelber oder brauner Haare jowie einen
Biniel jehrlanger, ſchwarzer Haare auf dem vorletzten
Ringe, lebt auf Objtbiumen, Rofen und manden
Topfgewächſen, verpuppt fid) im Juni an einem
Vaumjtamm oder swifden Blattern, und nad 14
Tagen ſchlüpft der Spinner aus. Das Weibden wird
auf dem Puppengeſpinſt befrudtet und legt in der
nächſten Umgebung feine weifgrauen Cier ab, die
um Teil iiberwintern. Wird der A. ſchädlich, fo find
Sier und Raupen abjulefen.
April (lat. Aprilis, nad) Ovid von aperire, dff-
nen, »weil der Friihling alles Sffnet«), im julianiſchen
Ralender der vierte, im altrimifden der zweite Monat,
von Sarl d. Gr. Oftermonat genannt, weil Ojtern
gewöhnlich in ihn fallt. Er bat jest 30 Tage, vor der
Ralenderreform Julius Cafars nur 29. Die Sonne tritt
im A. in das Zeichen des Stieres. Die mittlere Tempe—
ratur und der Niederſchlag diefes Monats betragen in:
ce
mm CC® mm
Madrid. . . . Ie 45) Shanghai . . 13,9 89
Faris 9,8 54) Batavia . - 26,3 187
London. . . 84 47) Ralfutta . - We 58
Rordtap (Gjesradr) — 0,9 32 | Serufalem 15,0 4
Ropenbagen . . 5,5 39) Canfibar . 27,5 373
Werlin . . . 87 49) Rapftadt . lis (47
Wien. . 2... 9,0 64 Sybmen ... 18,2 165
Rem. se es 13,7 5S | Honolulu. . . . 227 79
Konfiantinopel . 11,8 29) San Francisco 26 50
Santt Petersburg 2,1 43) Rew ort 80 85
Tafefent . . . Wo 55 Outtlo. .... 13,2 177
BWerdojanjt . . —I4,s 5 | Rio be Janeiro . 24,6 116
In Deutidland ijt das veränderliche Aprilwetter
ſprichwörtlich; gewöhnlich entladen fid) im A. die
erjten Gewitter.
Wprilblume, f. Anemone.
Aprilſchicken, |. Uprilsnarr.
Aprilénarr, Spottname eines »in den Upril Ge-
fcidien«. Die Sitte, am 1. Upril jemand irreju-
fiibren, mit einem ibn lächerlich machenden Auftrag
irgendwohin ju fdjiden ꝛc., foll aus den Paſſions⸗
fptelen herrühren und wire urſprünglich cine Beran:
ſchaulichung des fpottvollen Hin- und Herſchickens
Chriſti (vgl. die Redensart: »von Pontius yu Pilatus
fdjicten«) gewefen. Andre bringen die Sitte mit dem
triigerifdjen Aprilwetter oder mit den Ofterfderjzen
(Dftergeladter) in Berbindung. Sie hat erjt in
den letzten Jahrhunderten von Franfreid her bei uns
Eingang gefunden (älteſte ſprichwörtliche Erwähnung
in Deutidland bei Tali
lester Reſt eines gu Anfang des Aprils mit luſtigen
Schwänken gefeierten Friihlingsfejtes. Da das Upril- |
ſchicken ſich in der franzöſiſchen Literatur nuit Sicer-
Heit nur bis ins 16. Jahrh. guriidverfolgen ligt, fo
hat die Meinung Ouitards, dak fie mit der Verord-
nung Karls TX., die dad Neujahrsfejt 1564 vom
1. Upril auf den 1. Januar verlegte, in BVerbindung
jtehe, cine gewiffe Wahrſcheinlichleit. Die an Neu
jabrsgefdenfe gewöhnten Perfonen waren feitdem
von dem 1. Januar auf den 1. Upril und umgelehrt
vertrdjtet worden.
a prima vista (ital), ſ. a vista.
1655). Bielleicht ijt fie ein
Aprifofenejjen; — Apſis.
a priori und a posterior! (lat.), zwei pbilo-
jophijdhe Runjtausdriide, die fic) auf Die Lehre von
dem —— der menſchlichen Vorſtellungen und
Erlkenntniſſe beziehen. Vorſtellungen und Erfermt-
niſſe, von denen man annimmt, daß ſie der menſch
liche Geiſt aus ſich ſelbſt erzeuge, heißen (nad Kant)
a priori, ſolche dagegen, die aus der Erfahrung ae-
ſchöpft werden, a posteriori. Da nun die ganje X
fenntnistatigteit des Geiſtes zweifellos erſt durch die
Erfahrung angeregt, wenn auch nicht ausſchließlich
beſtimmt wird, fo ijt es natürlich ſchwer und auf diref-
tem Weg unmodglid), nachzuweiſen, dak irgend eine
Vorjtellung oder Einſicht nidt aus der Erfabrung
hervorgegangen fet, es müßte jid) Denn ein inneres
Kennzeichen finden, das die apriorifden Elemente der
€Erfenntnis von den apojteriorifden unterfdjeidet. Als
foldjed gilt gumeift Die unbedingte Ullgemeinbeit
und unverbriidlide Notwendigleit, die gewiſſen
pacigrenyy (3. B. den mathematifden) anbaftet,
und die fid) bei feinem Erfahrungsſatz in gleicher
Weife findet. Die Bemiihungen des Empirismus
(f. d.), dieſen Unterſchied als einen bloß graduellen
Darjujtellen, find vergebens, deſſenungeachtet läßt ſich
freilich der Schluß des Upriorismus anfedten, dak
Uusjagen wie die mathematifden Lehrſätze nur da:
durd) miglid find, dak die Raumanjdauung (mit
Rant gu reden) »a priori im Gemilte bereit liegt<,
aljo wenigſtens der Anlage nad angeboren ijt.
& propos (fran}., fpr. -pd), »bei pajjender Gelegen
heit · was id) fagen wollte, da fallt mir eben cin.
Aprosexia nasalis, ſ. Adenoide Begetationen.
aras, im Beda weiblide Geijter, urſprünglich
Waffernymphen, dod) aud in Luft und Himmelswel
mit den Gandbharven (f. d.) ihr Weſen treibend. Sie
fénnen ihre Gejtalt verwandeln, verleihen Glüch
bringen aber auch Geijtesjtirung; daber werden fie
mit berjpriiden bejdwidtigt. Jn der ſpätern
Anſchauung begliiden fie, ähnlich den islamitifden
Houris, die Bewohner von Andras Himmel. Beſon⸗
ders befannt unter den A. ijt Urvaci, deren Liebe zu
König Puriravas den Inhalt eines Dramas von
Ralidaja (fj. d.) bildet. Bgl. Holgmann, Die A.
nad) dem Mahabharata (» Seitidrift der Morgenlan-
diſchen Gefellidaft«, Bd. 33, S. 631 ff.).
Apfdéeron, Halbinfel an der Wejttiijte ded Kajpi-
ſchen Meeres, die mit ihrer äußerſten Spitze Schachowa
Koſa 60 km weit in dasſelbe vor{pringt und wegen
_ der brennenden Naphthaquellen und Sdhlammoultane
bei Der Stadt Baru (ſ. d.) merfwiirdig ijt. S. Karte
»Raulajiens.
Apſiden (qricd.), die beiden am weiteften von
einander entfernten ‘Buntte der elliptifdjen Planeten
ober Rometenbahnen: das Perihel oder die Son:
nenndbe und das Aphel oder die Sonnenferne.
Ihre Verbindungslinie heikt die Upfidemlinte und
bildet die große Achſe der Ellipfe. Vol. Upogdum
und Unomalie.
Apfines, griech. Rhetor, aus Gadara, lehrte um
235 tn Athen und verfaßte einen wertvollen Abriß
der Rhetorif (Hrsg. in den »Rhetores graeci« von
Spengel, 2. Uurl., Leipz. 1894).
Apſis (qried)., ⸗Rundung, Gewölbe«, mrittellat.
absida, Abſis, Abſide, Abſeite), halbkreisſörmi⸗
ger, meiſt von einer Halbluppel überwölbter Raum,
Den zuerſt die Römer an ihren Tempeln, Baſililen.
Palajten, Thermen in Form größerer oder fleinerer
Niſchen anwendeten. In der altchrijtliden Baufunit
bebielt man die fiir das Tribunal beftimunte
Niſche der Bajilifern jum Abſchluß de3 hintern Ended
Apt — Aputlien.
der Rirden, wo der Altar ftand, bei und nannte fie UW. |
Die Upjiden wurden an dem hintern Ende entweder
nur des Mittelſchiffs oder aud) der Seitenſchiffe an-
ebracht, um Seitenaltire aufzunehmen, wobei deren
Fußboden immer etwas fiber den der Scbhiffe erhoht
wurde. Erſt ſpäter, als der Ritus cine größere Babl
von Geijtlidjen erforderte, die fid) mehr und mehr von
der Gemeinde abjonderten, wurde zwiſchen die A. und
das Querſchiff nod) cin Raum nit rechteckigen Grund- |
rip cingejdoben, deſſen Fußboden ebenfalls erhiht
wurde. Diefer Raum, in den man den friiher im |
Schiff befindliden Chorus aufnahm, und der deshalb
den Namen des Hohen Chors erhielt, wurde gegen |
das Schiff Durd eine Schranke abgeſchloſſen, blieb aber
mit Der YW. in Verbindung und bildete mit diefer dic
für die Geijtlichfeit abgefonderte Ubteilung der Rirde
(fj. Urt. »Rirdenbaufunft« und »Bafjilifa«, wo der
Grundriß die Lage der A. geiqt).
Apt (pr. apt oder ate), Urrondifjementshauptftadt im
franz. Depart. Vaucluſe, am Calavon und an der
Lyoner Bahn, hat cine ehemalige Rathedrale, ein Col-
lege und (1901) 4670 Einw., die Hiite, Fayence, |
Seide und Konfitüren fabrizieren und Handel mit
Siidfriichten treiben. — A., das antife Apta, ward ca.
125 v. Chr. von den Römern zerſtört und von Cäſar
wieder aufgebaut, wonach es Den Namen Apta Julia
Apta, |. Bauhinia. lannahm.
Aptenodytes, Binguin.
J griech, Flügelloſe), bei Linné
nach dem Vorgang von Ariſtoteles die flügelloſen
Gliedertiere, alſo die Krebſe, Spinnen und Tauſend—
füßer; bei ſpätern Zoologen cine kleine Gruppe fliigel-
loſer Inſekten, wie Flöhe, Läuſe, Pelzfreſſer x. Ge—
genwärtig werden meiſt nur noch die Thyſanuren
und beſonders die paraſitiſchen flügelloſen Läuſe und
Pelzfreſſer als A. bezeichnet.
Apterogenéa (Apterygoten, Urinſekten),
Inſekten von ſehr primitivem Charakter, ohne oder |
mit ſehr unvollkommen entwickelten Facettenaugen,
kauenden, aber oft rudimentären Mundgliedmaßen,
ohne Flügel und ohne Hinweiſe auf ſolche und mit
unvollkommener Metamorphoſe. Die A. zerfallen in
zwei Unterordnungen, Thyſanuren und Collembolen,
und dürften an die Wurzel des Inſekltenſtammes in
die Nähe der Tauſendfüßer zu ſtellen ſein. Bgl. Lub—
bod, Monograph of the Collembola and Thysa-
nura (Lond. 1873); Graffi, Progenitori dei Mirio-
podi e degli Insetti (Catania 1885 u. 1886, und in
»Archives italiennes de Biologie<«, 1889); Oude-
mans, Beiträge zur Renntnis der Thysanura und
Collembola (Amſterd. 1887).
Apterygoten, ſ. Apterogenea.
Apteryx, Schnepfenſtrauß; Apterygidae, Fa—
milie Der Straußvögel.
Wptieren (lat.), anpaſſen, paſſend abändern.
Aptõton (griech.), indeflinables Hauptwort.
Aptychenſchiefer, Abteilung der alpinen Jura—
formation (ſ. d.).
Aptychus, ſ. Ammoniten.
Apuanifde Alpen, cine durd) das obere Tal |
de3 Serdhio geſchiedene Barallelfette des Etrustijden
Upennin, mit diefem im Sto der Alpe di Succijo ver-
fnotet, mit auferordentlidem Steilabfall sum Weer,
erreid)t in Monte Pijanino 1946 m. Das Gebirge |
bejteht jum großen Teil aus dem edelften Marmor,
der ſchon von den Alten ausgebcutet, von Midelangelo
josujagen neu entdedt wurde. Wo die Felſen geöffnet
find, bei Carrara, bei Maſſa und an andern Puntten, |
leudjtet der ſchneeweiße Marmor weithin. Cin didter, |
Meners Konv.=Leriton, 6. Mufl., L Bod.
(aud) »De asino aureo«
641
eiſenſchüſſiger Kallſtein bildet die Baſis des Gebirges,
darüber lagert protogynähnlicher Gneis und hierüber
die Marmormaſſen, die, wie jest nachgewieſen zu fein
ſcheint, aus ungweifelbaft fedimentirer Bildung der
Rohlenformation durch Metamorphofe ihren jetzigen
Charakter erhalten haben.
Upuchtin, Alexej Nifolajewitid, ruff. Ly:
rifer, geb. 26. (14.) Nov, 1841 in Boldow (Gouv.
Drel), geſt. 29. (17.) Aug. 1893 in St. Betersburg,
erbielt feine Erziehung in der Betersburger Rechts:
jchule und wurde Dann im Winijterium des Innern
angejtellt. Cine Sanunlung ſeiner von philoſophi—
ſchem und politiſchem Peſſimismus gänzlich freien
Gedichte erſchien in Petersburg 1886.
Apulejus, rim. Rhetor, geb. um 125 n. Chr.
zu Madaura in Numidien, genoß den erſten Unter—
richt in Karthago, ſtudierte in Athen namentlich Pla—
toniſche Philoſophie und ließ fic) nad) weiten Reiſen
in Rom als Sachwalter nieder. Hier entſtand fein
Hauptiwert, die »Metamorphoses« in 11 Biichern
— goldenen Ejel«] be⸗
nannt, brig. von van der Blict, Leipz. 1897; überſetzt
von Rode, Berl. 1783), cin phantaſtiſch-ſatiriſcher
Sittenrontan, Ddefjen Grundlage ein griechiſcher Ro-
man bildet. Bon den jahlreidjen Epiſoden iſt die
ſchönſte das freilid) nicht von ihm felbjt erfundene
Marden von »Amor und Pſyche« (befonders hrsq.
von D. Jahn, 3. Aufl. Leip. 1883; überſetzt von Ja
mann, mit 46 Radierungen von Klinger, Münch.
1881; Marquardt, Gotha 1881; Mosbach, Berl.
1886); vgl. Zinzow, Pſyche und Eros (Halle 1881).
Nach Ufrifa zurüchgekehrt, heiratete er die bedeutend
filtere Mutter eines Freundes und 30g fic) dadurd
feitens der Verwandten die Anklage als Zauberer ju,
die er in Der erhaltenen Ypologie »De magia« (ſ.
unten) zurückweiſt. Später nahm ev als Brovingial-
priejter Des Naijerfults ſeinen Sig in Karthago, von
wo aus er nad) Sophiſtenweiſe als Wanderredner und
Lehrer umberzog. Eine Anſchauung von diejer Titig:
feit geben die »Floridae, cine Blumenleſe aus feinen
Reden (mit »De magia- hrsg. von van der Bliet,
Leipz. 1900). Ferner bejigken wir von ihm mehrere
philoſophiſche Schriften (hrsg. von Goldbacher, Wien
1876): »De deo Socratis« (iiber Den Damon des
Sofrates; Hrsg. von Liitjohann, Greifsw. 1878),
De dogmate Platonis« und »De mundos<; fie be
tunden, dak ihm eigentlide wiſſenſchaftliche Bildung
und kritiſches Urteil nicht zu Gebote jtanden. Zahl⸗
reiche Schriften ſind verloren, andre ibm untergeido-
ben. Seine Sprache ijt, befonders in den Wetamor-
phofen, ſchwülſtig und bis zur Geſchmackloſigkeit affet
tiert und altertiimeind. Gejamtausgaben von Ouden-
Dorp (Leiden 1786 —1823, 3 Bde.) und Hildebrand
(Leipz. 1842, 2 Bde.). Rady dent Marden des VW.
entwarf Raffact feinen herrlichen Freskenzyklus » Ge-
ſchichte Der Pſyche- in der Villa Farnefina ju Rom.
Apulien (Apulia, ital. le Puglie, fpr. patie), ital.
Landſchaft, die den ſüdöſtlichſten Teil der Halbinſel
(vont Fluß Fortore bis zum Nap Santa Waria di
Yeuca) umfaßt und in die drei Provinzen Foggia,
Bari delle Puglie und Lecce zerfällt, 19,109 qkm
(347 OM.) groß mit Coen 1,959,668 Einw. Näheres
in Den Artikeln über die cingelnen Provinjen.
Wefdidte. Die älteſten Cinwohner des Landed
(fj. Marte bei Arlikel ⸗Italia«), das bei den Griechen
Japygia hieß, waren illyriſchen Stammes und bil-
deten die Reiche der Daunier im Nordweſten und der
Beufetier (Pödikluler) im Südoſten. Dm Sammniten-
frieg ftanden die Stämme Upuliens zuerſt auf feiten
4l
642 Apulum —
der Romer, dann der Samniten und wurden bis 317
der römiſchen Herrſchaft unterworfen. Damals, nod
mehr im zweiten Punijden Kriege, wo die Apulier
Hannibals Partei ergriffen, und im Bundesgenoſſen⸗
frieg (90-88) wurde das bliihende Land furdjtbar |
veriviijtet. Die Rdmer nannten YW. nur da8 Land
bis Tarent und Brindiji, die alten Landfdaften
Daunia und Peucetia; der öſtliche Strid) (Terva
d’Dtranto), das alte Mejjapia, hieß bei ihnen Rala-
bricn. Nach dem Untergang des weſtrömiſchen Rei- |
ches fam A. unter oftgotijde, Dann unter oſtrömi—
ſche Herrſchaft. Seit 568 gehirte der nördliche Teil |
des Landes ju Dem Langobardifden Herjogtum Bene-
vent, der fiidlicje blicb Den Ojtrimern. Cine neue |
Periode fiir W. begann mit den Normannen. Sdjon
bei dem Aufſtande des Barenfers Melus gegen dic |
griechiſche Herrſchaft leijtete diefem eine Schar der ſeit
1016 in Unteritalien eingewanderten Normannen
Beijtand. Nad) Melus’ Niederlage bei Canna (1019)
wurden die Normannen zwar aus VW. wieder ver-
drängt, festen fid) aber in Siiditalien feft und be-
gannen 1041 die Croberung Apuliens; erjter nor-
mannifder Graf von A. war Wilhelm Cifenarm,
Sohn Tancreds von Hauteville. Deſſen Bruder
Drogo belehnte 1047 Heinrid) LIL mit W.; fein zwei—
ter Nachfolger, Robert Guiscard, lief fic) aber 1059
von Papſft Nifolaus IL. mit A. belehnen, nahm den
Herjogstitel an und vollendete die Eroberung des
Yandes 1071 durch die Einnahme von Bari. Jom
folate 1085 fein Sohn Roger, der 1089 von Urban IT.
belehnt wurde, aber feine Herrſchaft nur mit Mühe
behauptete. Nad) dem Tode feines Sohnes Wil
Heli IT. (1100—1127) befegte deſſen Oheim Roger IL.
von Sijilien A. und Kalabrien, jwang die Barone |
und Stadte zur Unterwerfung und nöligte aud den
Bapjt Honorius IL, ihn als Herjog von VW. und Ra-
fabrien 3u belehnen (1128). Go wurden A. und Ra
fabrien mit Sijilien vereinigt, das durch Roger zum |
Königreich erhoben wurde (1130). Bgl. Greqoro
vius, Apuliſche Landfdaften (4. Aufl. Leipz. 1897).
Apulum, rim. Kolonie, ſ. Karlsburg.
Apure, Fluß in Venezuela, entipringt als Uribante
auf Der Sierra de Merida, nimmt linfs den Caparro, |
Suripa, Canagquad und Portuqueſa, rechts den Cau-
cagua auf und miindet nad) 1580 km langem, vor
wiegend öſtlichen Lauf, wovon 1400 km ſchiffbar
find, in mehreren Armen in den Orinofo, von dem
aus er mit Dampfern befabren wird. — Der nach
dem Fluß benannte friihere Staat A. bildet feit 1881
cinen Teil des Staates Bolivar. Hauptort ijt San |
wölbten Bogenſtellungen bingefiihrt und gehörten
Fernandoſ. d.).
Apurimac, Fluß in Peru, entſpringt in der Pro
vinz Arequipa am Nordoſthang der Cordillera de
Chile aus dem See Vilafro, fließt in engem Tal nach
NNW. heißt nad Aufnahme des Mantaro Ené, nach
Aufnahme des Perene Tambo und vereinigt ſich nad
vielfachen Krümmungen, 5250 km fang, mit dem
Quillabanba sum Ucayali. — Das nad) ihm benannte,
in vier Provinzen geteilte Departement Berus,
21,209 qkm grok (1896 beredynet) mit 177,387 Einw.,
wird im S. durd) die Cordillera de Huanja begrenyt,
von wo zahlreiche Strdme dent Fluß A. zugehen.
Hauptort iit Ubancay.
Apus, Sternbild, ſ. Baradiesvogel.
Apus, Kiefenfuß, ſ. Blattfüßer.
Aepyoérnis maximus Geoffr., ausgeſtorbener
Vogel Madagastars aus der Familie der Straufe,
etwa von dreifacher Hohe des Straußes. Seine Gier,
die Ubbadie 1850 bei den Cingebornen fand, nad
Aquaduft.
deren Uusfage der Vogel im Innern der Inſel noch
leben follte, Paver 9—11 Mit. bei 34—35 cm Langs-
adje und 23 — 24,5 cm Queradfe. .
Apyrezic (qricd.), jieberlojer Zujtand, beim Wech⸗
jeljieber Die frete Beit swifden zwei Fieberanfällen.
Apihriſch (qriech.), unbrennbar, feuerfeft.
Apyrit, das ſchwediſche raudloie Schießpulver.
Aqua (lat.), Waſſer, Brunnen, Quelle, Mineral⸗
quelle; aud) Waſſerleitung. A. amygdalarum ama-
rarum, Bittermandelwajjer; A. bromata, Brom-
wajjer; A. calcariae, Kallwaſſer; A. carbolisata,
Rarbolwajjer; A. chlorata, Chlorwafjer; A. creso-
lica, Rrefolwajjer; A. destillata, dejtilliertes BWaijer ;
A. fortis, Salpeterſäure; A. Goulardi, plambi spi-
rituosa, vegeto-mineralis Goulardi, Goulard{des
Bleiwafjer; A. hydrosulfurata , Schwefelwafjeritofi-
wajjer; A. kreosoti, Kreoſotwaſſer; A. Lanro-Cerasi,
Rirfdlorbeerwajjer; A. phagedaenica, mercurialis
nigra, nigra, Altſchadenwaſſer; A. picis, Teerwaijer;
A. plumbi, Bleiwajjer; A. regis, Königswaſſer; A.
vitae (LebenSwajjer), Branntwein; A. vulneraria
spirituosa, Yrfebufade.
Aquae (lat.), altrim. Bezeichnung von Stadten
nit Wineralquellen und Badern. Die befannteiten
‘find: A. Aureliae (Baden-Baden), A. Mattiacae
(Wiesbaden), A. Sulis (Bath in England), A. Sextiae
(Wir in Der Provence, 123 v. Chr. als römiſche Roe
lonie geqriindet, befannt Durd) den von Waris 102
v. Chr. in der Nahe erfodjtenen Sieg iiber die Uubro-
nen und Teutonen), A. Statiellae in Liqurien (Wcqui),
A. Tarbellicae in Uquitanien (Dar) u. a.
Aquaeductus Syl vii ((at.), ſ. Gebirn; A. vesti-
buli, Ranal im Obr der Wirbeltiere.
Aquadutt (lat. aqguaeductio, aquaeductus), Waſ⸗
jerleitung. Gemeinhin verjteht man unter Uquadul-
ten Briiden, die Gerinne tragen, um Gewäſſer iiber
Bodeneinſenkungen (Tiler, Schluchten) hinwegzufüh⸗
ren. Aquädukte fiir ſchiffbare Kanäle heißen Kanal-
brücken (f. Brücken und Tafel »Briiden III., Fig. 7)
Die altejten AUquadufte werden Ramſes d. Gr., Senn-
rans und dem König Salomo jugefdrieben. Jn
China bejtehen nod Uquadulte aug den älteſten Setten.
Dieje Aquädukte, fiir welche die Überreſte derjenigen
von Palmyra und Samos (687 v. Chr. von Eupali-
nos von Megara erbaut) Beiipiele jind, waren unter:
irdifde Randle, die das Waſſer aus entfernt lieqenden
Quellen in die Stadte führten. Griedenland beſaß
Uquadulte in then, fiir das Waſſer vom Hymetios
und Bentelifon, in Theben, Megara, Bharjalos u. a. ©.
Bei Den Rdmern wurden die Aquädulte meijt auf ge
den großartigſten Schöpfungen der alten Baukunſt
Die Leitungen bejtanden aus Holz, Blei Leder, mem
aber aus Steinfandlen. Yn die einzelnen Hauser fiibr-
ten gewöhnlich Leitungen aus Blet. Manche Uquadufte
hatten mehrere Stodwerfe, jedes mit einent befondern
Rinnfal von veridiedenen OQuellen. Den Ausgang
bildet Das Quellhaus (caput aquae), das Ende des
Laufes bezeichnet der Hochbehälter (castellum), Bon
hier nahm das Waſſer feinen Weg im Die Bader,
Garten x. Bejondere Beamte waren mit Regelung
des Wajjerverbrauds betraut, und die Gefege jum
Schutz der Anlagen wurden ſtreng gehandhabt. Die
größten Uquadulte beſaß Rom felbyt; mebrere fiber:
ten das Quellwaſſer der Gebirge 15- -30 Stunden
weit liber Taler, Schluchten und Abgründe oder durd
Höhen herbei. Die crite Waſſerleitung Roms, die
Aqua Appia, erbaut 305 v. Cbr., beqann an der Via
Praenestina, wurde fajt 4 Wegſtunden lang umter«
Aqua et igne interdictus — YAquarellmalerci.
irdiſch geführt, trat bei ber Porta Capena in die
Stadt und goß im Campus Martius ir Wajjer aus.
Spiiter entitanden die Wajferleitungen des M. Curius
Dentatus (290 v. Chr. aus Peperinbliden erbaut),
des We. Ugrippa, Auguſtus, Claudius (j. Tafel »-Wrdhi-
teftur V«, Fig. 3), Nero, Caligula, Caracalla x.
Welche —— ate geſamten Uquadutte einjt
Rom gefpendet haben mögen, läßt fic) daraus er-
meſſen, daß die Drei nod) jetzt beſtehenden hinreichen,
jedes Haus ſowie die öffentlichen Brunnen der heuti—
en Stadt zu verſorgen. Dieſe ſind: die Fontana di
Trevi (Virgo Aqua), von Dt. Agrippa 22 v. Chr.
angelegt, von Papſt Pius IV. wiederhergeftellt; die
Ucqua Felice oder di Termini (Claudia Aqua), von
Caliqula angefangen, von Claudius 50 n. Chr. be-
endiqt, von Papit Sirtus V. wiederhergejtellt, und
Die Algentina, weldje die Waſſerfälle in der Villa
Widobrandini bildet. Die Kanäle der römiſchen Waſ—
ferleitungen waren nad) Frontin durchweg waffer-
Dicht gemauert, ſowohl unter als über der Erde, und
hier auf Unterbauten oder Bogengingen in Hau—
jteinen oder Ziegeln gefiibrt und entweder mit Ge-
wilben oder Stemmplatten überdeckt. Trümmer von
römiſchen Uquadutten find nod vorhanden in Zabl-
bad) bei Maing, im Meg, Rimes (Pont du Gard), |
Segovia, Tarragona und Merida in Spanien. Her: |
vorjubeben ijt der vom Oſtgotenkönig Theoderid) um
500 gwifden zwei fteilen Abhängen erbaute A. bei
Spoleto in der Proving Umbrien, der bei 89 m größ⸗
ter Hohe der Kämpfer iiber dem Gelände aus zwei
Stodwerfen mit 10 untern Offnungen von je 21,4 m
Spannweite und 30 obern Bogen bejteht, die cine
Rinne tragen, welde bas Waſſer iiber den Wildbad) |
fläche mit Stud, zeichneten Darauf die Umriſſe in roten
Mareggia nad Spoleto leitet. In unfrer Seit ijt die
Erridjtung foftipieliger Aquädukte durd) Röhren—
leitungen, Diider, Dructwerfe häufig vermieden wor-
Den. Bedeutende Bauwerke dieſer Yirt finden fid in
der Wiener Hodquellenteitung. Wildbadhaqua- |
dukte find guerjt bei Der Brennerbahn und dann |
aus altdriftlider Zeit vorhandenen Miniaturen oder
Buchilluſtrationen. Wndeutungen iiber die Uquarell-
aud) bei andern Alpenbahnen angewendet worden.
Die Bahn wird in einem ticfen Cinfdnitte durch den
Schuttlegel — und der Wildbach mittels eines
gemauerten Aquäãdukts darüber hinweggeleitet. Aquä—
dukte fiir Bewäſſerungs⸗ oder Werffanale können aud
hölzerne Gerinne erhalten, die mittels hölzerner oder
eiferner Tragwerke auf hölzernen Dodjen oder ge-
mauerten Pfeilern ruben.
Aqua et igne interdictus (lat., »jemand, dem
Wafer und Feuer, d. h. die Gaſtfreundſchaft, verjagt
ift<), Achtungsformel der Röner, wodurd) der Ge-
ächtete verbannt wurde.
Aquafortift (lat.), Radierer, ſ. Ean forte.
Aquagium (lat.), Waſſergraben; Recht der Ent-
wäſſerung.
Aqualitimmen heißen in der Orgel die Regiſter
int8 Fuß⸗ Ton (val. Fußton; f. aud) Gleiche Stimmen).
Aquamanile (lat.), Metallgefäß, aus dem int
WMittelalter das Waſſer zur Handwajfdung fiir die
Prieſter vor Verridtung gottesdienjtlider Handlun⸗
gen gegoſſen wurde. Das A. hat gewöhnlich die
Form eines natürlich gebildeten oder phantaſtiſchen
643
Aquarellmalerei (franj. Peinture Al’aquarelle
ital. Acquerello, engl. Painting in water-colours),
die Malerei mit Wajferfarben, die den Malgrund nicht
decken, fondern durchſcheinen laſſen. Sie unterfdjeidet
fid) dadurch vornehmlich von der Gouade-= (d. h.
Dedfarben-) Malerei. Indeſſen find in neuerer Zeit
dieſe Unterfdiede mehr und mehr verwifdt worden, fo
daß fich jetzt die meiſten Uquarellmaler aud) des Weiß
und andrer Deckfarben bedienen und gerade dadurch
der Olmalerei gleiche Wirkungen erzielen. Zur Ver—
wendung kommten bei der A. teils pflanzliche, teils
mineraliſche Farben. Letztere ſind dauerhafter und
lichtbeſtändiger. Die Farben kommen jest meiſt flüſſig
(in Näpfen und Tuben) in den Handel. Die wid
tigften Farben find: gelber Oder, ungebrannte und
ebrannte Siena, gebrannter Helloder, Indiſchrot,
an Dyd-Braun, Indigo, Indiſchgelb, Zinnober,
Mennige, Permanent-Karmin, Ultramarin, Emerald-
qriin, Stil de grain, Lampenſchwarz, blauer Kobalt,
Caput mortuum u. engliſches Wei (Chinese white).
Jn neuerer eit ijt die Fabrifation von Uquarellfarben
jo weit —— daß über 100 verſchiedene Nuancen
int Handel vorlommen. Meiſt bedient man ſich aud
noch des deckenden Kremſer Weiß zum Aufſetzen der
Lichter x. Der Farbenauftrag erfolgt am beſten mit
Pinſeln aus Marderhaaren von etwa 2—5 em Lange,
woju nod) große Lavierpinjel fommen. Wan malt in
der Regel auf Papier, das nidjt su grobldrnig und
jtarf fein darf (>Whatman«), aber aud) auf Perga—
ment, Seide, Atlas, Hol; rc. ohne ——
Geſchichte. Die Ägypter bedienten ſich der Aqua—
rellfarben, d. h. mit Gummiwaſſer verſetzter Farben,
bei ihren Wandgemälden. Sie überzogen die Wand—
vertieften Linien, qrundierten mit weißer Farbe und
folorierten die einzelnen Teile. Eine ähnliche Technik
weifen die Gltern etruskiſchen Wandmalereien auf.
Auch die Tedynif der Wandgemälde in den Katatom:
ben ijt A. Nicht felten begequen wir der A. unter den
malereitednif dieſer Beriode finden fid) in des He—
raclius Biichern »Von den Farben und Künſten der
Römer« und in der »Diversarum artium schedula«
von Theophilus, einemt deutiden Mind aus dem
Ende ded 11. oder Unfang des 12. Jabrh. Die Byzan—
tiner übten in ihren Winiaturen meijt die glänzen—
dere Gouacdhetednif. Sn Büchern aus der romani-
iden Zeit findet man nur felten leicht aquarellierte
Federzeichnungen. Häufiger werden fie in der Früh—
jeit des gotifden Stils, namentlid) in Deutfdland.
Später wurden wieder vollitindig in Dedfarben mit
dem Pinfel nad byzantiniſcher Manier ausgeführte
Miniaturen Mode. Auch aus dieſer Zeit ſind uns tech
niſche Rezepte für die W. erhalten in Cenninis » Bud
von der Kunſt«, in dem die Manier der Giottesten ge—
ſchildert wird. Sie fannten bereits das Abſtufen der
Schatten und beſchränkten fic) nicht mehr auf die bloßen
veqetabilijden Farben, fondern Hatten diefelbe Aus—
wahl wie die Tafelmalerei. Sn den Buchilluſtrationen
ded 15. Jahrh. überwiegt die Gouachemalerei. Reide
Tieres (Liwe, Pferd, Hahn, Greif u. a.), deffen auf: | Unwendung fanden hingegen die Uquarellfarben beim
wirts qebogener Schwanz den Henkel bildet, wiihrend | Rolorieren von Holsfdmitten. Dieſe Technik wurde
der Uusguy durd) Maul oder Schnabel erfolgt.
handwerfsmapig von den ſogen. Briefmalern und Il—
Aquamarin, grünliche und bläuliche Varietät des luminiſten betrieben, die mittels Batronen Spieltar-
Berylls (jf. d.), auc) des Topas; orientalifd@er W., | ten, Heiliqenbilder, Porträte, Darjtellungen merk
jf. Rorund; Aquamarindryfolith, foviel wie | wiirdiger Begebenheiten, die als fliegende Blatter auf
Goldberyll, gelber, edler Beryll von Brajilien.
Aquarellfarbendruck, ſ. Lithographic.
den Märkten feilgeboten wurden, oft in lebhaften Far—
ben kolorierten. Auch Kupferſtiche pflegten teilweiſe
41*
644
Aquarellmaleret (Gefdichte).
bis ins 17. Jahrh. hinein aquarelliert su werden. Sonſt Die Anwendung vor Deckweiß joll bet der reinen A.
bedienten fic) die meijten Künſtler Der Renaifjance der | verntieden werden. Mittel- und Vordergrund werden
A. sur Ausführung ibrer Zeichnungen und Entwürfe.
Namentlich in Deutichland waren leicht kolorierte, hier
und da in den Schatten ſchwarz getuſchte und mit Ded:
weiß gehdbte ———— beliebt. In jeder
Sammlung von Handzeichningen bieten ſich zahlreiche
Beiſpiele dieſer Art, ſo in der Wiener Albertina unter
andern die Trachtenbilder Dürers. Holbein pflegte
ſeine Porträtſtudien mit dem Stift zu entwerfen und
an gewiſſen Stellen leicht in Aquarell zu kolorieren.
Die niederländiſchen Maler, namentlich die Land—
ſchaftsmaler, liebten es, ihre Sfiggen in brauner oder
ſchwarzer Farbe auszuführen, und erzielten damit ibn:
liche Lichteffefte wie in ihren Radierungen. Im 18.
Jahrh. wurde fehr viel in Aquarell gearbeitet ; es wurde
Modeſache, der fic) auch Dilettanten bemächtigten.
Sepia und chinefijche Tuſche ſpielen eine große Holle.
Die Ausbildung der A. zu ihrer gegenwärtigen Be—
deutung begann in England, wo ſich eine eigne
Schule der A. entwickelte, die mit der Olmalerei in
Konkurrenz trat und ihrer Manier in ganz Europa n
ihrer Technil allmählich ſo verfeinert und gu fo ſtarlen
faſt ausſchließliche Geltung verſchaffte. Die Anfänge
dieſer Schule reichen nod) ins 18. Jahrh. wo Smith
(gewöhnlich Warwid- Smith genannt) grau in grau
— Zeichnungen nachher folorierte. Turner
egann ohne vorhergehende Untermatung ſofort die
Zeichnung mit Aquarellfarben anzulegen und erreichte
damit eine bisher bei Aquarellen noch nie geſehene Tiefe
und Farbenglut. Mit ihm wetteiferte Girtin. Sie
find die eigentlichen Begründer der modernen Aqua—
rellmalereitechnil, die in England vorzugsweiſe in den
beiden Geſellſchaften für A. (Society of painters in
water-colours und Institute of painters in water-
colours) gepflegt wird. Die engliſchen Uquarellijten |
wagten fid) zuerſt im Wettitreit mit der Olmalerei an
jedes Genre. Ihre Bilder erreichen oft die Größe von
mehreren Quadratfuß. Unter den Landfdaftern find
ju nennen: Copley, Fielding, Turner, Callow, Glo—
wer, W. Miller, Harding, Landjeer, Taylor, Stanley;
unter Den neuern: Ricardjon, Roberts, W. W. Hunt,
J. M. Whiitler, J. Crawhall, John Reid, J. Fulley—
love, Th. Collier u. a. Im Genre glänzen: G. Bar:
rett, T. S. Cooper, Dobjon, C. Green, H. Herfomer,
J. F. Lewis (orientaliſches Genre), F. Walter, Alma
Tadema zc.; in der Hiſtorie: J. Gilbert, H.S. Marks,
F. Shields, H. Warren u. a.; im Blumenſtück: J. D.
Linton; im Seeſtück: W. L. Wyllie. Auf die Land-
ſchaft läßt fic) Die YW. am bejten und ohne Zwang an
wenden, weil die Uquarellfarben fic) in hHohem Grade
fiir Die Wiedergabe der verſchiedenſten Stimnumgen
Der Utmofphire, fiir zarte, flieqende Farbentine cig:
nen. Sehr viel tragen zur heutigen Bliite der A. die
Verbefferungen in der chemiſchen Zuſammenſetzung
der Farben, deren Ton fich nicht mehr veraindert, und
Die Vereitung des Bapiers bei. Die moderne engliſche
Technik, Die mum qroptenteits auch auf dem Rontinent
fic) Geltung verjdafft bat, tit im wefentlicden fol
qende: Nachdem die Zeichnung in dünnen Konturen
mit Bleiſtift auf das Papier (oder die Seide rc.) auf
platt qedriidten Binfel aus Zobel oder Eichhörnchen⸗
haaren, den man in Die ſehr wäſſerige Farbe getaucht,
in horizontalen Streifenangelegt. Das Reißbrett oder |
die Staffelet muß mäßig {chief gejtellt fein, damit dic
einzelnen Streifen ineinander verlaufen. Wolfen wer:
Den entiveder ausgefpart (unter anderm mit Hilfe von
Fapicrausidnitien, die man auf die betreffenden
Stellen legt), oder mit reinem Waſſer ausqewafden.
‘
|
im Lofalton angelegt mit Ausſparung der Lichter, die
aber gleidfalls, wie beim Hinterqrund, ausgewaſchen
werden fonnen. Unt bejonders feine Details awsgu-
fithren, 3. B. Grashalme, Glanglicter auf Fleiſch—
tetlen, Stoffen ꝛc., befeudtet man entiveder die be
treffenden Stellen mit Wajfer und bebt die Farbe nach
ciniger Zeit mit einem Fließpapier oder Wollentappen
ab, oder man entfernt die Farbe mit einem Radier
meſſer. So haben engliſche Uquarellijten bis in die
neueſte Beit die feinften Details hervorgezaubert obne
alle Unwendung von Dedjarben. Gegenwirtig iit
man jedod) in lesterm Punkt nicht mebr fo ffrupu
108, und namentlich bei figürlichen Szenen iſt von den
neueſten engliſchen Uquarellijten Deckweiß gebraucht
und den Farben ein ſtarker Gummizuſatz gegeben
worden, damit fie glänzender wirten. Bgl. Roget,
History of the Old Water-colour Society (Yond.
1891, 2 Bde.); Redgrave, Water-colour painting
in England (daſ. 1892).
Nach dieſem Borgang der Englander ijt die A. in
Wirhingen gejteigert worden, daß ſie ſchließlich das
ſelbe Gebiet beherrſcht wie die Olmalerei. Ihr ur-
ſprünglicher Charakter wird nicht mehr feſtgehalten
Man verbindet ſie bisweilen ſogar mit Paſtellzeichnung
und ſucht ihr auc) nod) durch andre Mittel Birtungen
absugewinnen, Die gu Dem befdyeidenen Material un
Widerſpruch ftehen. Geqenwartig wird die A. mit glei⸗
chem Cifer in allen funjtiibenden Ländern betricben.
Am meiſten ijt fie fiir Reiſeſtüdien beliebt. In Pars,
in Briifjel, in Wien, in Berlin u. a. O. haben fich Ge-
jellidhaften fiir A. nad dem Muſter der englifden fon.
jtituiert, Die jährlich eigne Ausſtellungen veranjtalten.
Die eriten franzöſiſchen Uquarellijten, die durch
den in Paris titigen Englinder Bonington angeregt
wurden, lehnten jid) an Turner, Girtin ꝛc. an. Auf
Bonington folgten: Huet, Delacroir, Decamps, Jo—
hannot, Gubdin, Roqueplan, L. Boulanger, C. Nan
teuil, Cugene Lami, E. Iſabey und H. Baron. Bor
zügliche Landſchafter find: F. L. Francais, J. Qac-
quemart, Hubert, Ouvri¢é, Gud, Fort, H. Harpiqnies,
E. Yon x. Ym Genre find hervorragend: Ed. De-
taille, Berchere, Berne: Bellecour, &. Leloir, A. de
Neuville, Jean Béraud, F. WU. Besnard, L'Hermitte.
WU. Moreau, Vibert x.; im Portrait: Dor’, Olivier,
Wrand; als Tiermaler: Lambert; als Blumen- und
— Stilllebenmaler: Yeannin, Redouté, E. Deg, die
Danten Desportes und Madeleine Lemaire. Außer
dem jind Uquarelle auf Atlas und Seide fiir Fader
ſchmuck febr beliebt. Qn nenerer Zeit haben Detaille
und A. De Newville mit glänzendem Erfolg den Ber-
ſuch gemacht, die A. mit Der Gouadchemaleret zu ver-
binden und ftatt des Papiers feine Walleinwand gu
verwenden. In jener Verbindimg war ihnen aller.
dings Menzel in Deutidland lange voraufgegangen.
In Deutſchland hielt man bis in Dre IMoer
Sabre an der Untermalung mit Tufde u. Reutraltinte
feſt; ſchlechte Stimmung und Luftperfpeftine, anaft
qetragen iit, wird der Hinterqrund mit einent breiten, |
liche Detailausfiihrimg bemerfen wir bei fajt allen
deutſchen Landicaften der erften Halfte des 19, Jahrd
Bedeutendere Künſtler bedienten fich der YW. mit vor
nehmer Oberflachlichfeit gu Entwürfen, Illuſtrativ
nen ꝛc. z. B. Carſtens, Schrödter, Neureulher, Schwind
Die Märchengeſtalten dieſes Romantifers erhalten tm
der leichten, dDuftigen Behandlung mit Uquarelltinten
cinen cigentiimlich traumbaften, un ichen Schein
Eine maleriſche Weiſe ſchlug zuerſt J. A. Rod em,
(Zu Artikel Aquarinm.}
Inhalt der Tafel ,Aquarium T° (Seewasser-Aquarium).
Dic Besebreibung der There s. unter den gieichoamigen ‘Relotwdrtorn. wenn nieht ein andrer Artikel angogoben Ist.
Schwamme,
Badeschwamm (Euspongia officinalis).
Cilenteraten.,
Venusgiirtel (Cestus Veneris), Art. Rippenquallen.
. Qualle: Rhizostoma pulmo. Art. Medusen,
. Koralle: Astroides calycularis,
. Seeanemonen: Adamsia Rondeletij (mit Krebs).
. Edelkoralle (Coralliam rubrum).
. Gielbe Koralle( Dendrophytlia ramea).Art. Korallen.
37. Seeanemonen: Cereactis aurantiaca und
Cerianthus membranaceus,
Stachelhiauter.
Haarstern {/Antedon rosacea),
Seewalze; Stichopus regalis, Art. Seegurken. |
Seestern: Ophidiaster attenuatus,
Seestern: Palmipes membranaceus,
Seeigel: Dorocidaris papillata.
Wirmer.
u. JO. Réhrenwiirmer: Spirographis Spallanzanii
und Protula protula,
Krebstiere.
Finsiedlerkrebs; Pagurus striatus (mit 4 Seerosen). |
Schamkrabbe (Calappa granulata), Art. Arabben. |
1.
me ew
=
14.
20.
28,
ul.
bh.
‘My
ik,
on?
hd.
23. Spinnenkrebs (Maja squinado), Art. Arabben.
24. Languste (Palinurus vulgaris).
Weichtiere.
1. Pilgermuschel (Pecten jacobaeus), Art. Kamm-
5. Fabschnecke (Dolium galea), [meuscheln,
0%. Kielschnecke: Pterotrachea coronata, Art.
Schnecken.
12. Kalmar (Loligo vulgaris), 13. Eischnire desselben.
. Pulpe (Octopus vulvaris).
Seehase (Aplysia limacina),
Manteltiere,
3. Seescheide: Cynthia papillosa (3 Exemplure).
6. Seescheide: Ciona intestinalis (3 Exemplare).
10, Salpe (Salpa maxima -africana),
Fische.
2. Murine (Muraena helena).
4. Meeraal (Conger vulgaris).
7. Katzenbai (Scyllium catulus). Art. Hatfische.
19. Peterminnehen (Trachinus radiatus). Art. Quetse.
21. Knarrhahn (Trigla lyre).
| 25, Stachelroche (Trygon violaceus). Art. Rochen.
26. Riesenbarsch (Serranus rigas).
35, Zitterroche (Torpedo ocellata). Art. Rochen.
Alle Tiere sind stark verkleinert, jedoch in sehr verschiedeveom Mal
Einrichtung der Zimmer-Aquarien.
Stiiwasser-Aquarien fiir Zimmer werden in sehr
verschiedener Gribe ausgefilhrt. Fir sehr kleine |
Tiere, als Reservebehalter und zur Zichtung eignen |
sich grobe Kinmachegliser, Weibbiergliser und Kiise-
glocken, die man in betrichtlicher Grébe haben und
dann auch fir grébere Tiere, Fische ete., benutzen |
kann. Gebriuchlicher sind dic Aquarien, die aus
einem Metallgeriist und cingekitteten Ghiecheiben be-
stehen, Lange, Breite and Hohe verhalten sich vor-
teilhaft wie 10:75:60, Die Hohe soll nicht Gber 50 cm |
betragen, da bei tieferm Wasserstand weder Fische
noch Ptlanzen gedeihen. Grobere Aquarien (50 Lit.
und mehr) fordern Scheiben aus starkem Spiegel-
glasx, bet allen sollte der Boden mit einer cingekitte-
ten Gles- oder Schieferplatte belegt werden, auch
stellt man diese Aquarien auf cin starkes Brett, auf
dem sie stets transportiert werden. Alle Aquarien
miiseen auf soliden Tixchen mit Rellen stehen, Man
gibt den Tischen den hellsten Platz im Zimmer; muBb
man aber bei picht sehr hohen Fenstern 1 m vom Fen- |
ster abbleiben, so bepflangt man nur die dem Lichte |
sugekehrie Seite des Aquariums, Direktes Sonnen-
licht braucht man nur an den heibesten Sommer-
tagen wikhrend der Mittayszeit abzusperren.
Sehr allgemein stellt man in grébere Aquarien
einen Frdsen imeist durchbrochen), der auf dem aus
dem Wasser herausragenden Teil mit Landpflanzen
‘(iraser, Cyperus, Farne) besetzt werden konn ond
amphibischen Aquarienbewohnern eine Zuflachts-
statte gewhhrt, Unt man den Felsen aus Steinen
ond Zement hergestellt, — moi man iho in Wasser
gut suslauven und wiederholt an der Laft trocknen
lassen. Auch wenn er dann das Wasser, in welchem
er steht, nicht mebr triibt, soll man doch J—4 Weehen
warten, bevor man das mit reinem Wasser ver-
sehene Aquarium mit Tieren bevolkert.
lialt man ausschlieblich Tiere im Aquarium,
wird dus Wasser sehr schnell seines Sanerstofles
beraubt und verunreinigt und muf oft gewechselt ;
wets |
Meyers Kunm.- Leadon, 6 daf., Besiage.
werden. Dabei leiden aber die Tiere durch Beun-
ruhigung und oft durch Temperaturwechsel. Daher
ist es durchaus ratsam, gleichzeitig Planzen im Aqua-
rium zu kultivieren, die das Wasser mit Sauerstoff
versehen und es stets klar erhalten, so dab es selten
oder nie gewechselt zu werden braucht, Uberdies
kommt cin pflanzenloses Aquarium einem in voller
Pflanzenpracht stehenden Behalter nicht im entfern-
testen an Schénheit und Natirlichkeit gleich. Ab-
gesehen von den frei im Wasser schwimmenden, be-
gnigen sich manche Pflanzen mit reinem Sande, und
ihre kleinen Wurzeln dienen oft mehr sum Festhal-
ten als zur Aufnahme von Nahrung, Die meisten
Pilanzen bedirfen aber cines niihrkriftigen Bodens.
Man bedeckt den Boden des Aquariums mit gréfern
SMtiicken von recht hartem Torf, den man vorher “4
Stunden in Wasser geweicht hat, bringt anf diesen
eine Mischung aus guter Moorerde and Torfgrus mit
etwas altem, verwittertem Lehm und Flafsend anil
gibt schlieblich eine 5-10 em hohe Deckschicht von
sauber gewaschenem Sand. In einer Ecke, nach der
sich dic Bodenschichten senken, grenzt man durch
cin Stack Spiegelglas einen dreieckigen Raum ab,
der mit verzinktem Drahtgetiecht bedeckt wird. Aus
diesem Schlammfang werden darin angesammelte Fut-
terreste, Exkremente cte. mittels eines Stechhebers
oder eines Gummischlonches entfernt. Jedes neu cin-
gerichtete und bepflanste Aquarium mub mindestens
14 Tage ohne Fische stehen, damit die Pflanzen un-
gestért festwurzeln und das Wasser sich klart. Oft
misehen sich auch dem Wasser Extraktivsteffe aus
dem Boden bei, die den Tieren verderblich sind, und
das Wasser mul dann vor dem Besetzen des Aqua-
riums mit Tieren gewechselt werden.
Tei su starker Besetzung mit Tieren geniict der
von den Pflangen ausgeschiedene Sanerstoff nicht,
und man mub fir anderweitige Sauerstoflzgufulir ser-
gen. Dies kann durch einen Springbrunnen gesche-
ten, der das Wasser in feiner Verteilung mit de:
Luft in ‘Berthreng bringt, so dab es — Sauer-
stoff zu absorbieren vermag. Der Springbrunnen
kann das Wasser aus dem Aquarium selbst entneh-
men, oder er wird mit Wasserleitungswasser gespeist.
im erstern Fall benutzt man den in Jig. 2 abgebil-
deten Apparat. Das Wasser dringt in die durch-
lécherte Kugel des Abflubrohres und gelangt durch
dieses in dic untere leere Flasche. Die aus letzterer
verdringte Luft treibt das Wasser
1. Springbrunnes im
Aquarium.
Felsen des Aquariums aus im Strahl
cmporspringt. Ist dic untere Fla-
entleert, und man braucht nun nur
die Flaschen zu wechseln und dem
Hahn cine halbe Wendung zu geben, um das Spiel
von neuem beginnen zu lassen. Ein Wasserbehilter
von 10 Lit. liefert 4—6 Stunden einen feinen Strahl.
Bei Zufihraung yon frischem Wasser durch den Spring-
brunnen muS man einen Ablaufheber (Fig. 2) anwen-
den, der selbsttiitig in Funktion tritt und zu arbeiten
aufhért, sobald die urspriingliche Wasserhéhe wie-
derhergestellt ist. In das Gefaii a miindet durch einen
durehbohrten Kork das vom Aquarium kommende
Glasrohr b, dessen lingerer Schenkel in die tiefere
Schicht des Aquariumwassers taucht,
e ist das Ablaufrohr. Man hiingt
den Ablaufheber an das Aquarium,
pehlieit die Durchbohrung d mit dem
Finger, saugt durch ec an und Jibt
die Offnung d nun wieder frei, Der
an, bis zu der das Wasser im Aqua-
rium bestindig stehen soll.
Denselben Zweck wie die Spring-
brunnen verfolgen die Durchliif-
tungsapparate. Eine sehr einfache
Vorrichtung fir kleine Aquarien von
5—10 Lit, Inhalt zeigt die ohne wei-
teres verstindliche Fig. 3. Wirk-
sumer sind die Apparate mit kom-
primierter Luft, die einen gröbern
Behilter aus starkem Blech mit Fe-
dermanometer und eine cinfache Luftpumpe besitzen.
Die komprimierte Luft strémt am Ende eines Gummi-
eehlauches durch irgend einen pordésen Koérper, bes-
ser durch den Zwiesschen Zweiringkérper in feiner
*
1
“
*
—
—*
2 Ablauf-
heber.
Verteilung aus. Durchliiftungsapparate sind nur an-
zuwenden, wenn sich Mangel an Sauerstoff im Was-
ser dadurch bemerkbar macht, dab die Fische an
die Oberflache kommen und Luft schnappen, Dies
wird in einem mit gesunden Pflanzen gut besetzten
Aquarium vermieden, wenn man auf je 2 Lit. Wasser
nicht mehr els cinen fingerlanven Fisch einsetzt,
aus der obern Flasche durch das |
Rohr heraus, so dai es von dem |
oche gefiillt, so ist auch die obere |
Wasserspiegel in a gibt die Héhe |
Ww exden in = Aquarien — — gehai-
ten, so muS man sie heizen. Kleinere Behialter stellt
man auf ein durch cin Flimmchen erwirmtes Sand-
bad. Bei gréGern Aquarien wendet man das Prinzip
der Warmwasserheizung an. Bei dem in Fig. $ ab-
gebildeten Apparat wird das mit Wasser gefillte,
bis auf den Trichter a yéllig geschlossene Bleirohr
in seinem spiralig gewundenen Teil b durch die
Spiritusflamme f innerhalb des Asbestmantels m er-
hitzt; es legt sich bei w in mehreren Windungen
auf den Boden des Aquariums und ist bei ¢ von einem
unten luftdicht schliebenden wei-
ten Glasrohr umgeben, um in die—
sem Teile noch nicht abgekihlt
zu werden, a dient zum Nachfiul-
len und als Ventil, durch welches
die im Wasser enthaltene Luft ent-
weicht,
Seewasser-Aquarien werden wie
.€. Einfachor Durchlfiftungsapparat.
dic Siiwasser-Aquarien gebaut; doch ist darauf zu
achten, dab das Wasser mit dem Kitt und dem Me-
tall des Aquariums nicht in Beriihrung kommt. Das
Scewasser-Aquarium soll nicht von direktem Sonnen-
licht getroffen werden, es braucht tiberhaupt nicht
am Fenster zu steben und bedarf nur soviel Licht,
da6 man den Inhalt gut iibersehen kann. Den Boden
bedeckt man 2—3 cm hoch mit gut gewaschenem gro-
ben Sand oder Kies. Das Scewasser bereitet man aus
25 Lit. miglichst hartem Brunnenwasser, 663 ¢ Koch-
| sulz, 75 g Chlormag-
nesium, 50 g Bitter-
salz u. 15 g schwe-
felsaurem Kali. Man
list jedes Salz ein-
zeln, miseht dic
Lésungen, bringt
‘die Mischung auf
das richtige Volu-
men und 1iGt sic
drei Woechen lang
im Keller gut zuge-
deckt stehen. Das
Seewasser - Aquari-
um, welches keine
Pflanzen enthalt,
bedarf bestindiger
Durchliftung. Man
benutzt am besten einen Apparat mit grobem Laft-
kessel, der morgens und abends mit komprimierter
Luft gefiillt wird und dann ununterbrochen arbeitet.
Da das Wasser infolge der Durchliiftung auch allmah-
lich verdunstet, so mub man nach Bedarf hartes
Brunnenwasser nachfillen, dabei aber jede nennens-
werte Schwankung im Salzgehalte des Wassers ver-
meiden. Das Wasser bleibt klar, wenn geniigend
geliiftet wird, und wenn alle Futterreste und kranke
oder tote Tiere sofort beseitigt werden. Auf 2 Lit.
Wasser darf man nicht mehr als cin Tier einsetzen.
4 Hoizapparct.
Aquarium [| (S
pe — > mle Kone. Lexikon. & A
4 i »
le” a
s Kone 4
vasser- Aquarium).
— Fh is Tir tJ SF ry ’ ;
I8 Wey ey i
oan oe i ve "vy
Zum Artiiel . Agaarusm
Aquat 1h
bremdlandische Zie
Digitized by Google
Aquarium II.
Fremdlandische Zierfische des Zimmeraquariums
———— —
ftisch ‘Betta puenax nat Che
4 Teleskopfisch ‘a \r roll
Meyers Kone Lexikon 6 Aufi
Wguarello — Aqua Tofana.
dem die Uquarelliftenfamilie Alt (Yafob, Rudolf und | Tiere, die Schatten oder gedämpftes Licht lieben, nicht
645
Franz, vorzüglich in Urdhitelturdarjtellungen) folgte. | vorteilhaft. Die Zirfulation wird durch Pumpen,
Der erjte bedeutende deutfdje Uquarellift war jedoch welche Waſſer und die von diefem mitgeriffene Luft
der unter Iſabey gebildete Ed. Hildebrandt. Yur er⸗ bis auf den Grund der Becken treiben formen, unter:
ſcheint bei dieſem das rein foloriftifde Pringip bereits | halten. Cins der bedeutendjten Uquarien ijt das von
auj die Spige getrieben. Ym —— zu ihm legte
J. oe das Hauptgewidt auf das Gegenſtändliche.
In Der Mitte zwiſchen beiden fteht Rarl Werner. Jn
Derjelben Manier bewegen fid): B. Fiedler in feinen
Bildern aus Venedig, AUgypten und Syrien und H. L.
Fiſcher in Wien. Ausgezeichnet im Genre find: L. Paſ⸗
jini in Venedig und J. Koſſal in Kralau. A. Menzel
in Verlin beherrſcht aud) da8 Aquarell mit Meijter-
ſchaft, und gwar ijt er Der erjte in Berlin geweſen,
der Dieje Technik zur Fähigleit, allen YUnforderungen
gerecht zu werden, entivicelt hat. Neben ihm waren
und find in Berlin BP. Meyerheim, E. Körner, L. Span:
geuberg, K. Graeb, A. Hertel, C. Salgmann, F. Sfar-
bina, Th. v. Edenbreder, H. Herrmann, E. Bradt,
W. Frig, in Minden H. v. Bartels, in Düſſeldorf
YW. Achenbach, C. Gehrts, Hans Hermans, A. Kampf,
©. Diicer, U.Seel, in Rarlsrube L. Dill und H. Krabbes
tiichtige Uquarellijten. Neuerdings hat fic) die A. auch
inStalien undSpanien gucinerauerordentliden
Hohe entwickelt. Die italienifdhe A. bleibt mit Bezu
auf Kühnheit und Vielfeitiqheit der Motive und at
Flächenumfang nicht hinter der englifden guriid, über—
trifft fie aber noch an geiſtreicher und leichter Durch—
fiibrung. Die bedeutendjten Aquarellmaler Italiens
find: Stmoni, Corelli, Vompiani, Zezzos, Randanini,
Joris, Cipriani, Tomba, Ethofer, Mariano, Ferrari,
Wabani, Siqgnorini, Aureli und Galofre. In Spanien
haben fid) nad) dem Borgang Fortunys bejonders
Villegas und Uſſel in der W. ausgezeichnet. Unter
den Hollandifden Uquarellinalern ijt Israels, un-
ter den däniſchen P. S. Kroyer hervorzuheben.
Val. nod LH. Fifer, Die Tedhnif der VW. (8. Aufl.,
Wien 1901); Jannide, Handbuch der A. (6. Aufl.,
Stuttg. 1902); M. Sd midt, Technif der W. (7. Aufl.,
Leipz. 1901); Barret, Unteitumg gur A. (a.d. Engl.,
7. Uufl., Stuttg. 1898); Raupp, Katechismus der
Malerci (3. Aufi., Leips. 1898; die W. von H. v. Bar
tels); Berger, Die Technik der W. in Kunſt und
Kunſtgewerbe (Daj. 1901); Caffagqne, Traité d’'aqua-
relles (2. Aufl., Bar. 1886).
Aquarello, Wein, ſ. Piquette.
Aquarium (lat., ⸗Waſſerbehälter«; hierzu Tafel
»Aquarium Lu. II«, mit Tertblatt), Vorridjtung, um
Waffertiere und Wafferpflangen am Leben gu erhalten
und gu beobadjten. Cin YW. in einfachſter Form iſt die
Vaſe mit Goldfiſchen, die bei den Chinejen feit langer
Reit beliebt ijt und in Europa vor etwa 150 Jahren
eingefiihrt wurde. Biel mehr Velehrung und We
nuß gewähren die jet iibliden Süßwaſſer- oder
Rimmeraquarien, dic auf der Tertbeilage sur Tafel
befdricben find. Geewafferaquarien, welche die
Bewohner des Meeres aud) entfernt von demfelben
ju jtudieren gejtatten, find fiir fleinere Verhältniſſe
nur in der Nähe der Küſte möglich, wo man Waſſer,
Tiere und Pflangen öfter erneuern fann, und haben
Daher aud nur in England weitere BVerbreitung qe:
funden. Größere Uquarien find jedod) auch im Bin
nenland, meijt in BVerbindung mit zoologiſchen Gär—
ten, errichtet, zuerſt in London (durch W. A. Lloyd),
dann in Baris, Brilffel, Hamburg, Frankfurt 1. Meiſt
benutzt man für fie Kellerräume mit ihrer gleichmäßi
gern Temperatur und läßt den Zuſchauerraum fein
jparfames Licht durch die Wlaswande der vor oben
erbellten Becken erhalten; jedoch wirlt dies auf mandje |
Lüer erbaute und 1869 unter der Direftion von Brehm
eröffnete A. in Berlin. Es bededt cinen Flächenraum
von 1334 qm und enthalt qeqen 500 chm Waſſer, be:
herbergt in feinen obern Räumen aber aud) Sdlan-
ger, Vögel und Affen, befonders anthropomorphe
(1876 den erjten lebenden Gorilla). Bur Vetwending
clangt künſtliches Seewaſſer. Sur Bevölkerung des
Seeaquariums ijt in Rovigno an der ijtrijchen Küſte
des Udriatifden Meeres cine eigne Station erbaut und
ausgeriijtet, wo die Seetiere qefangen, aufbewahrt und
verjandt werden. Auch beſitzt dieſe Station Arbeits—
plätze für wiſſenſchaftliche Forſchungen. Die großen
Aquarien zu London, Brighton und New VYort find
mit Rongerthallen und ähnlichen Fnititutert verbun-
den. Streng wiſſenſchaftlich angeordnet ijt das A. zu
Neapel, das zu Anfang der 1870er Jahre von Dohrn
erbaut wurde. Es enthalt ausſchließlich Tiere aus dem
dortigen Golf und gewährt fo cin anſchauliches Bild
des reidhen Tierlebens auf dem Grunde des Meeres.
Seine Becken fajjen gegen 300 chm Wajfer. Jn eng,
jter Beziehung fteht es su der Zoologijden Station
in Reape (jf. d.). Unfre Tafel I zeigt cine Zuſammen⸗
ftellung von Tieren aus dem A. in Neapel, Tafel IL
fiir Das Zimmeraquarium geeignete neuere Zierfiſche.
Bal. Goſſe, Handbook to the marine A. (2. Aufl.,
Sond. 1874); Hughes, Principles and manage-
ment of the marine A. (daſ. 1875); »Leitfaden fiir
das A. der zoologiſchen Station zu Neapel« (4. Aufl.,
Leip;. 1894); Bateman, The book of Aquaria (daſ.
1891); Hoffmann, Seewaſſeraquarien tm Zimmer
(Magdeb. 1887); über das Süßwaſſeraquarium die
Sariften von Roma ler (5. Aufl. von O. Hermes,
Leip;. 1892), Gräffe (2. Aufl., Hamb. 1881), Lug
(daf. 1886), Ortleb (6. Uujl., Berl. 1895); Bade
(Das Siifwajjeraquariume, 2. Aufl., daſ. 1899, u.
» Praxis der Aquariumkunde«, Magdeb. 1899), Jere
nede (Berl. 1897); Mönkemeyer, Uquarienpjlan-
zen (Daf. 1900).
Aquarius (lat.), ſ. Waffermann.
Aquatilien (lat.), Wajjertiere und - Rjlanyen.
Aquatinta (Aquatintamanier), getuſchte Ma—
nier, Nachahmung von Tuſch- oder Sepiazeichnungen
durch Kupferſtich; ſ. Kupferſtecherkunſt.
Aquatiſch (lat.), dem Waſſer angehörig.
Aqua Tofana (lat.; ital. Acquetta di Napoli
oder di Perugia, Acqua della Toffa oder ſchlechtweg
Acquetta genannt), beriidtigter, ſchon in Gaben von
wenigen Tropfen tddlidjer Gifttrank, der zwar lang:
fam wirfte, aber das erwählte Opfer jtets ſicher hin—
wiirgte, bejtand in einer wajjerflaren, geſchmack und
geruchloſen Fliifjigheit, nad) deren Genuß fid) Sym—
ptome cinjtellten, die nidht qeeiqnet waren, den Verdacht
einer Vergiftung zu erregen. Wis Crfinderin des Giftes
gilt Teofania dt Adamo, die 1633 in Palermo hin:
geridjtet wurde. Ihre Todter (?) Giulia Tofana ging
nad) Neapel und Rom und verfaufte das Gift unter
dem Namen »Manna von St. Rifolaus von Bari«
und verjandte es mit Dem Bilde dieſes Heiligen als
Schönheitsmittel an ihre Kunden. Sie ſtarb gegen
1651. Das Gift, das weite Verbreitung fand, ſoll
durd) Kochen von weifem Arſenik mit Antimon und
Blei hergejtellt worden fein. Vgl. Salomone-Ma—
rino, | pa Tofana (Palermo 1882); Ade—
molto, I misteri dell’ acqua Tofana (om 1881).
646 Hquator — Aquatorial.
Uquator (v. lat. aequare, »qleid) madhen<, dabher | qefdlagen und fiel. Damit und durd Osman Dignas
Gieider), der Kreis auf der Oberfliiche eines Ro- | Vefangennahme (19. Jan. 1900) ijt A. dem äghpti—
tationSfirpers, der von den beiden Polen gleidweit | ſchen Guddn zurückgegeben. Val. Schurtz im 3. Bande
entfernt ift. Der Erdäquator fteht von den bei- | von Helmolts »Weltgeſchichte- (Leipz. 1901).
den Erdpolen um 90° ab, und fein Umfang beträgt Mquatorial (Mquatoreal, hierzu Tafel »Yqua-
40,070 km = 5400 geogr. Meilen, der Durdymeffer | torial I u. «, mit Tertblatt), aftronom. Inſtrument
desfelben alfo 12,756 km — 1719 Meilen. Wan teilt | sur direften Muffudung und Beobachtung eines Ster-
ihn in 360 Grade (zu 15 geogr. Meilen). Senkrecht nes, deſſen Stundenwinkel und Deflination geqeben
durchſchnitten wird der Erdaiquator von den Meridia: | find. Es befteht aus einem Fernrohr, das um zwei
nen; er teilt die Erdoberflide in zwei gleide Halften | Achſen drehbar ijt, von denen die cine, Die Stunden:
oder Hemiſphären, die nördliche und die ſüdliche, daher oder Polarachſe, der Weltachſe parallel ijt, dieandre,
fein Name »Gleicher«, in der Schifferfprade »Linies. | dieDeflinationsadfe, fentredt darauf ftebt; ſent
— Der Himmelsiquator fdneidet den Horizont recht zu diefer ijt das Fernrohr angebradht. Jede Achſe
im Oſt⸗ und Weſtpunkt und liegt sur Hälfte oberhalb, trägt einen geteilten Kreis, der die Größe der Drehung
gur Hälfte unterbalb des Horijonts. Für den Be⸗ mift: auf der Polaradhfe figt parallel zur Ebene des
wohner des Erdiquators geht der Himmelsäquator
burd) das Zenit; fiir cinen Bewohner am Pol der
Erde fallt er mit dem Horizont jufammen. Alle Ge:
ftirne, die im Himmelsäquator ftehen, find 12 Stum-
den ficdtbar und 12 Stunden unfidtbar. Wenn die
Sonne im Himmelsäquator ſteht (21. März und 23.
Sept.), find daher tag und Nacht gleich lang. Bal.
iquinoftium. Uber den magnetifden W. j. Uline.
RUquatorhihe, der Wintel, den die Ebene des
Himmelsaiquators mit dem Horizont bildet, qleid 90°
weniger der Polhöhe (vgl. Himmel). 5
att
tquatoria (Mi quatorialproving, ägypt.
ef Ejtiva), Proving (Mudirieh) des agqyptifden Su: |
dan, swifden 2—8°? nördl. Br. und 27-—34° öſtl. L,
grenzt im S. an den Somerjetnil, den Wibertfee und
den Bomofandi, im W. an die Mudirieh Bahr el
Gazal, im N. an Faſchoda, im O. an grofe, von
Yrbore- Galla und Schillul bewohnte Gebiete. Der
gavgen Lange nad von RN. nad S. vom Bahr el
ſchebel, deſſen zahlreichen Zuflüſſen und den gum
Uelle Mafua ziehenden Bomokandi, Kibali Donguu.a.
durchſtrömt, ijt das Gebiet eins der fruchtbarſten
Afrikas, reich an Elfenbein und Kautſchuk und be—
wohnt von Dinka, Bari, Madi, Schilluk, Schuli, San
deh und Monbuttu, unter denen ſich die als Sklaven
handler berüchtigten Dongolaner niedergelafjen hat—
ten. A. war feit 1881 cingeteilt in die zehn Idaras:
Rohl, Bor, Lads, Latula, Riri, Dufilé, Fadibet, Fau
wera, WMafrafa und Monbuttu. Hauptort war Ladd,
ſpäter Wadelai. Die Provinz wurde 1874——-76 von
Mordon organiſiert, feit 1878 von Emin Paſcha (ſ. d.)
verwaltet und durch ib glänzend entwickelt. Als
aber der Aufſtand des Mahdi ſeit 1884 aud Emins
Lage immer mehr gefährdete und Stanley 1889 zum
zweitenmal am VWibertfee erjdien, ſchloß fic) Emin
Diefem an, und die Provinz wurde aufgegeben. YL,
in deffen Beſitz ſich mun die Mahdiſten mit den Ein
ebornen teilten, blieb nicht Lange ſich ſelbſt überlaſſen.
Die Leiter des Kongoſtaats einigten fic) mit der anglo-
ägyptiſchen Regierung dahin, daß ihnen »pachtweiſe«-
das Land auf Zeit überlaſſen werde; vom obern
Ubangi drang 1892 van Kerckhoven nach Wadelai,
und durch Nachſchübe beſetzte man weitere Stationen.
Nachdem dann Kitchener das ägyptiſche Heer reorga
niftert hatte, lief er es gemeinſam mut englifden Ab
tethingen 1896 von Wadi Halfa aus langfam und
planvoll vorriiden. Uber Dongola hinaus gelangte
man 12. Sept. 1897 nad) Berber und ſchlug 7. April
1898 Die mahdiſtiſche Vorhut bei Nafheila am WUtbara ;
2. Sept. ficl OQmdurman. Die von Rapitiin Mardand
10. Juli in Faſchoda geheißte franzöſiſche Flagge ward
21. Sept. durch Die britiiche erſetzt; ſchließlich ward
Der -Malife Ubdullahi (f. dD.) 24. Nov. 1899 bei Om
Debrifat (ſüdlich von Djchedid) durch Oberjt Wingate
| Uquators der Stunden-
kreis, der den Stunden-
| winfel des beobadhteten Ob-
jefts angibt, auf der Defli-
nationsadje der Deflina-
tionsfreis sur Ableſung
Der Deflination. Dit das
Fernrohr auf einen Fir:
jtern eingejtellt und erteilt f
Aquatorial ber Rizzaer Sternwarte.
man Der Polarachſe cine qleidhformige Vewequng von
D. nad) W., fo dak fie in 24 Stunden Sterntyett cine
Umdrehung madt, fo bleibt das Fernrohr beſtändig
auf den Stern gerichtet. Früher wurden die Kreiſe des
Inſtruments gewöhnlich mit febr feiner Teilung ver
jeben, um die Reftafyenfion und Deflination cines
Sternes fehr genau bejtimmen ju können (Yiquato
riale im engern Sine). Da jedod) die Stabilitat der
ANquatoriale felbjt von fleinerer Dimenfion derjenigen
der Meridiantreije erheblich nachſteht, fo wird die aus
Meridianbeobadtungen folgende Sternpofition die
durch Ublefung der Kreiſe am A. erhaltene wefentlid
an Genauigfeit übertreffen. Man hat daber in lester
Zeit die Uquatoriale nur mit einfad geteilten Kreifen,
| wie fie zur Einjtellung nötig find, verfeben und be
| nugt derartige Inſtrumente auger zu ajtrophyfifati-
fchen Beobadtungen wefentlid) gu Differentialbeob-
achtungen mittels Mikrometer. Bet der engliſchen
| Uufitetlung des Aquatorials ijt die Polarachſe an bei-
den Enden unteritiigt, und dajwifden find auf ihe
die Lager fiir die Deflinationsadfe angebracht; bet Der
deutſchen Mufitellung aber, welche die verbreitetere if?,
befindet fid) die Deflinationsachfe am obern Ende der
[Zam Artikel Aquatoriat.]
Erlauterungen zu den Tafeln Aquatorial Tu. I
Fig, 1 der Tafel zeigt den grofea “30sblligen Re- | ebenfalls am Okularende befindliche Sehliissel —
fraktor der russischen Hauptsternwarte in Pulkowa Fernrohr eine kleine Drehung um jede seiner beiden
bei St. Petersburg, dessen Objektiv, von Alvan Clark in
Cambridgeport( Verein, Staaten) angefertigt, eine freie
Offnung von 762 mm und eine Brennweite yon 14,12 m
hat. Die Montierung des Instruments ist in der ge-
brauchlichen deutschen Aufstellung von Repsold |
in Hamburg ausgefiihrt. Auf einer kraftigen, hohlen |
Saule aus Gubeisen, die auf einem grofen Konus un-
terhalb des Fubbodens auf dem Fundament steht, ruht
die Lagerbiichse der aus Gubstahl angefertigten Pbv-
larachse, die am obern Ende den Stundenkreis triigt.
Achseén erteilen, wie es bei der Feincinstellung eines
Objekts nétig ist. Die Beleuchtung des Instruments
geschicht durch eine Pctroleumlampe, dic mittels
verschiedener Spiegel und Prismen siimtliche Kreise
des Instruments erhellt und die Feld- und Faden-
beleuchtung beim Mikrometer hervorbringt. Um das
Fernrohr der Bewegung der Sterne nachsufihren, ist
ein Vhrwerk mit cinem schweren Federpendel-Regu-
later an der Wand des Beobachtungsraumes aufge-
Senkreeht zur Polarachse steht die auch aus Gub- |
stahl hergestellte Deklinationsachse, die an ihrem.
einen Ende das Fernrohr und dicht daneben den De-
hlinationskreis, am andern, sich verjiingenden Ende
die das Gewicht des Fernrohrs ausbalancierenden Ge-
gengewichte triigt. Der durch das gesamte Gewicht
des lnstruments hervorgebrachte Druck in den Lagern
der Polarachse wird durch ein schweres Gegengewicht
aufgehoben, das an einer im Innern der gubeiser-
nen Siule bis sum Fuandament hinunter gehenden
Kette aufgehangen ist. Die Achsen dea Instruments
liegen daher nur mit sehr geringem Druck in ihren
Lagern, wodurch eine sehr leichte Bewegung des gan-
zen Instruments erméglicht wird. Das FernroAr be-
steht aus einem gemeinsamen Mittelstiick und zwei
Stahlblechrohren, dem Objektivrohr and dem Okular-
rohr, die an beiden Enden verschlichbare Offnungen
xur Liiftung des Rohres haben. Am Okularende be-
findet sich eine Platte zur Aufnahme eines Faden-
mikrometers mit Positionakreis is. Mikrometer) und
verschiedene Hilfsapparate, darunter auch ein elek-
trisches Zitierblatt, das mit einer Sternzeituhr in Ver-
bindung steht und dem Beobhachter die jeweilige
Sternzeit angibt. Parallel dem Hauptfernrohr ist am
Okularende noch ein zgweites, kleineres Fernrohr von
16 em Offmung, der Sucher, mit schwacher Vergrébe-
rung und grobem Gesivhtsfeld, so angebracht, dab die
Mitte des Gesichtafeldes des Suchers dem Cesichta-
felde dea groben Fernrohrs entspricht; der Sucher
wird benutzt bei der Aufsuchung von Objekten, deren
Position nur genihert bekannt ist. Um das Einstellen
des Fernrohrs auf ein Objekt von bekanntem Stun-
denwinkel und Deklination eu bewirken, ohne die Ab-
lesung der Kreise direkt auszufiihren, was bei den
grofen Dimensionen des Instruments sich nur echwer
bewerkatelligen liebe, liegen parallel neben dem Fern-
rohr und mit diesem fest verbunden zwei lange Mi-
kroskope, die mittels Prismen ein Bild der Teilung
der Aufsuchungskreise gum Okularende des Fern-
rohre fulbren, so dab der Keohachter von seinem Platz
aus die Kreise ablesen kann. Auberdem Lift sich das
Fernrohr auch noch von der an der Saule errichteten
Bahne, wo wihrend der Beobachtang gewdhnlich ein
Gehilfe aeinen Sitx hat, einstellen, da auch das untere
Ende der Polarachse einen dort bequem ablesbaren
Stundenkreis trigt und ein gweiter Deklinationskreis,
der im Innern der Deklinationsachse angebracht ist,
mittels eines Mikroskeps mit Prisma abgelesen wer-
den kann; die Drehung des Instruments um seine bei-
den Achsen lit sich von dort aus durch Handrider
leicht ausfilhren. Ui nach erfolgter Finstellung eine
Drehung des Fernrohrs um eine seiner Achsen oder
auch gin beide gugleich gu verhindern, kann man
dasselbe vom Ckularende ane durch zwei neben dem
Fernrohr liegende Schlisse] festklemmen, nach er-
folgter Alemmung jedoch noeh durch xwei andre,
Meyers Konv.-Leriton, 6. Anf., Brilage.
| herumdrehen.
stellt, das mittels verschiedener Zahnrader und Trieb-
stangen unterhalb des Fubbodens und im Innern
der Siule sowie durch eine Schraube ohne Ende auf
einen neben dem Stundenkreis auf der Polarachse
befindlichen Zahnkreis einwirkt und eine Drehung
des Fernrohrs um die Polarachse, cinmal in einem
Sterntag, hervorbringt. Um dem Beobachter in allen
Lagen des Fernrohrs eine bequeme Stellang vor dem
| Okularende zu gewihren, lassen sich zwei Fahrstiihle
auf Schienen um das Instrument herumfahren, von
denen einer auf einer hohen Galerie Liuft; jeder dieser
Fahrstiihle enthilt einen Sitz, den der Beobachter,
ohne seinen Plats su verlassen, durch eine einfache
Winde bequem héber und niedriger stellen kann,
ebenso wie er mittels Handseile den Stuhl auf den
Schiewen fortbewegen kann. In neuester Zeit hat
man, um die Fahrstiihle, die immer viel Platz be-
anspruchen, entbehren zu kénnen, mehrfach den
FuSboden des ganzen Beobachtungsraums nicht fest
mit dem Mauerwerk verbunden, sondern ihn so ein-
gerichtet, dali er mittels hydraulischer Pressen leicht
bis zu jeder belichigen Hohe gehoben oder gesenkt
werden kann, so daG das Okularende des Fernrohrs
immer ohne jede Leiter oder Fahrstuhl zu erreichen
ist. Diese Finriehtung ist auf der Lick-Sternwarte
und der Yerkes-Sternwarte ausgefiihrt.
Der Turm, der den Pulkowaer Refraktor ũher-
dacht, hat nicht die sonst ibliche Form einer Kuppel
ivgl. Stermwarte), sondern senkrechte Winde mit
schwach geneigtem Dach, das einen durch Klappen
verschliebbaren Kinschnitt hat; der ganze Turm ruht
auf 10 Radern anfdem massiven Unterbau und labt sich
durch Anwendung von elektrischer Kraft auf diesem
Die Héhe des gcanzen Beobachtungs-
' sages vorn Turmgichel bis zum Erdboden betrigt 22 m.
Das Iustrument wurde im Jahr 1884 aufgestellt und
‘war damals der griGte Refraktor der Welt, steht jetzt
‘aber an sechster Stelle.
In Deutschland ist das grébte Fernrohr der Doppel-
refraktor des Astrophysikalischen Observatoriams
in Potsdam (Fig. 2), der 1899 vollendet wurde. Die
Montierung dicers Instruments, von Repsold in Ham-
burg, ist derjenigen dea Pulkowaer Kefraktors sehr
fhntich, nur ist dasselhe, da es vorwiegend zu astro-
physikalischen Arbeiten benutet werden soll, mit wei
getrennten Fernrohren ausgeristet, die von cinem ge
mcinsamen Mantel you Stahiblech umschlossen werden,
Von den beiden Objektiven, von Steinheil in Minchen
angefertigt, hat das grébere eine Vlnunx von 80 cm
und eine Hrennweite von 12 m und ist fir die chemise h
wirksamen Strahlen achromatisiert; an diesem Fern-
rohr kann entweder die photographische Kassette oder
ein Spektrograph angesetat werden (vg). Tafel Astro-
physiki, Das kleinere Objektiv hat eine Offmung von
Sem und 12.5 mm Brennweite, daseclbe ist fir die
optischen Strahlen achromatisiert; am Okularende
dieses Fernrohrs befindet sich cin Positionsmikrometer.
Z- etteraazea eu fea Tace's ——
— — ü wertes tare Zenieans 7 owen
— — tie tom Aaierende ⸗
Gaaen — dad de ie ⸗ Sr Ee
mang ted 2ewegang tos Foran 2 “undenw ke
wt Dexteeties wet die Asiewemmkevesss =
getereret, — x — — Tale te
\oirgments setrig: (* sg lie dappei wa 2
——— A ©- m Hine tie tos lotromest
therterht. at == Peenkeoetrikcies opera mt
cut anf 2 devifernen Raiera. toca mitierr tir
Kagodt tragen. winrend eof coe Soe
nenu rena antes. 4er enf tem Manereert agera Das
(went der Daggel werrigs - (.'' ez. ead 2
Srremang kane meciel« Bamiréter vier tar-h <urs
Ricatevmetae erigen. Der *pait ter Kappel at
ne Veevite oom 35 m and rernt Ze
at aimese, Der inn oh.irdende Seaeter wri mx
Hanthetrich 100 omer mm laners an ter KR appeiauener
entlang lanfemien (aiere vier worn
eexitien tm Perharhtangetan.
ame heweg:_ Vine rans neue Koo
“a=
nanqgrertah! « deraeibe iat
RSS 222 re
Sz 2 —
Is Pe sc tee — —
2. Kqaatorial evade Ger Bternwarte in Nizza
wmet bhlich, ganz frei im Bectachtangeraum beweg-
lich, wmdern er hangt der Spalt/ffnung gegeniber an
der Kappel fet. Infolgedesen geht bei Drehung der
Kappel der Stah) ohne weiteres mit, so dab der Beob-
achter immer seinen Sitz gegeniber dem Spalt bei-
hehalt, Unabhangig hiervon kann jedoch der Stahl
in gewimen Grenzen noch nach rechts and links bewegt
werden,
befindet, bewegt sich anf einer echiefen Ebene anf-
and alrwarta, Alle diese Kew
Hand und aach mit elektrischer Kraft ausgefahrt wer-
den. Auf dem Podiam des Beobachtangsstahls sind
alle erforderiichen Schaltangen und elektrischen Me6- .
apparate angeordnet, so dab der Beobachter von dort |
nus alle Kewegangen der Kappel, des Spalts sowie des |
Heobachtangestuhla ausfihren and regalieren kann.
Um die Unbequemlichkeiten za vermeiden, die
mit der Bewegang eines Aquatorials gew6hnlicher ,
Konetruktion verbanden sind, hat Loewy 1571 die
Jone Podiam, anf dem sich der Beobachter
kénnen mit der ,
———— der Beobachtung beiseite geschoben wird.
oe doters. Wee wert Ge Peer — —
& Grubbs Aqcateorial der Sterawarte iz Cambridge
bewegung des Fernrohrs und des inSern Spiegeis. Der
Beobachter kann also, ohne seinen Plats am (kular-
Okularende sich in demselben befindet, wahrend das
Objektiv und die andern Teile ganz anberhalb dewel-
ben liegen und nur gegen die Unbilden der Witterung
durch eine bewegliche Hitte geschitet sind, die
Fin dem Equatorial coudé ahnliches Aqustorial ist
von Grubb konstruiert und auf der Sternwarte in
| Cambridge (England) aufgestellt worden (Fig. 4). Die
Polarachse ist ebenfalls auf zwei Pfeilern gelagert.
An ihrem untern Ende trigt sie die Deklinationsachse,
and auf dieser dreht sich ein kirzeres Rohr, welches
das Objektiv trigt. Konzentrisch mit der Deklina-
tionsachse ist eine zweite Achse angebracht, die einen
Anwendung eines rechtwinkelig gebrochenen Fern- | Planspiegel trigt, der derart immer gefihrt wird, dab
rohra vorgeschlagen, Fig, 2 seigt in schematischer
Darstellang ein derartiges gebrochenes ——
comlé« (Ellbogen- Aquatorial) der Sternwarte in Niz
Iie auf zwei Pfeilern gelagerte Polarachse ist hohi
tnd trigt an ihrem obern Ende das Okular; an ihrer
untern wirfelfirmigen Krweiterang aber ist recht-
winkelig der das Objektiv tragende Teil des Fernrobrs
angesetat, der sich um die Polarachse drehen list,
und in dem Wirfel selbat befindet «ich, unter 45°
| er von den Lichtstrahlen, die von einem Stern in das
Objektiv gelangen, getroffen wird und sie in der Rich-
tang der Polarachse refiektiert, wodurch das Bild im
Brennpunkt an dem obern Ende der Polarachse ent-
steht, Der Beobachter bleibt daher immer in der-
selben Stellung und sieht ebenso wie beim Equatorial
coudé immer in der Richtung der Polarachse von oben
nach unten, Der wesentlichste Unterschied yom Fqua-
torial coudé besteht darin, dab bei diesem Instrument
aegen die Achson der beiden Fernrohrhalften geneigt, nur ein Spiegel gebraucht wird.
Aquatorial I.
> .#48ef82
wea: . ——
awe i
WE
nme
=. p” {Hor
1. Grosser Refraktor der Sternwarte in Pulkowa.
Objektiv von Alvan Clark in Cambridgeport (Verein. Staaten), frete Offnung 762 mm, Brennweite 14,12 m.
Montierung von Gebrdder Repsold in Hamburg.
Meyers Kony.-Levikon, 6, Aufl. Bibliogr. lastitut in Leipziy Zum Artikel ,Aquatoriat.
Aquatorial Il.
——
—
——
mee oy
Wi
— ney —*
2. Grosser Refraktor des Astrophysikalischen Observatoriums in Potsdam.
Soteradie. In nebenitehender Abbaldung ot MM der
qms Greuutbidden aut fibre mane Unterdau AB
te Solar: und (D dee Defimanonsadic, Dee ient
rect Daraut des Feratodt tragt Grogere Acrarvdce
werden m der Hegel als Aaustoriale eutgeieilt (par
—— montierte daumt fie der Sewegung der
Sterme foigen fonmen, umd gewoöhnkch von anem
qui Hadern oder Nugein beweginhen urpeidad, das
amen durch Niappen veriblicgbaren Einichnin bat
(ogl Stermmarte:, aberdedt. Bekbreibung umd Wd
buidumg der grotzen Netraftoren der Stermmarien in
Pulfowe und Fotsdam jowie des Equatorial coude
f. Testbtatt zu berfoigender Tafel.
« i. Atlantucher Czean
Saquatorialproviny, Aauatoria
@aquatorialitrom, cme zu been Seiten des
Seuatoré auf den Cyeanen pon C. nad BS. gebende
Stroumung, de, tm 33. auy die Mititen der Nontmente
tretiend, itch nach den Volen Ju wendet; i. Weer Strd
mumgen) und AUanticher Tzean. In der Weteo
tolog eme vom Fol nad dem Aquator gericatete
Lufntrõmung tj. Bind
tiquatorialtag, Wakeindett far die Bärme
menge. dic eta beitrmumter Ort der Erde von der Sonne
erbalt. Der A. bedeutet Dreyenige Menge Barme. de
emem Crt unter dem Ygquator an einem Tage pon
ber Sonne zugeſttabli wird.
lzone, ſoviel mie Aauinotualʒone.
i (Equateur), Hauptort des
Wouatorialiitnits des Nongoitaates, an der Win
dung des Rui (Ticuapa) m den Rongo, Sg eines
Nomuitjars und Station der amerilaniſchen Baptiiten.
& quatre (frany., jor. taser: Ital. a quattro), zu vie
ren; & quatre a Si pierbandig; a quattro voei.
— A quatre épingles, »mut vier Nadein<,
Be ung einer affuraten, geichniegelten Toilette.
tt (lat. aqua Vitae, »Lebenswäiſer «.
Branntwan , Lilor.
Aguaviva, Claudio, qeb. 14. Sept. 1545 aus
eiater neapolitamiden Fanulie. geit. 31. Jan. 1615 m
Rom, wurde 1581 General des Jefuitenordens. Wis
folder ſuchte er dem Crden, den er gewiſſermaßen
neu beqriindete, nad außen bin Geltung, durch plan
ert Erziehung der Witgheder, durch fonicauente
Durdfiibrung einer jtreng einheitlichen Crganiiation
innere Straft yu vericbatien. A. lich Die » Ratio sta-
dieram Societatis Jesu« (Rom 1586) und das >» Di-
rectorium exercitiorum s. Ignatii« ausarbeiten.
Miquer (Acqui), altital. aderbautreibendes Rolf
int latinifden Bergland am obern Anio und Tolenus
(fj. Marte bei Urtifel » Stalia-), fiibrte in Berbindung
mit Den Bolsfern fiber cin Jabrbundert mut den Hd
mern Krieg und wurde erit von Camillus (38%) ent
ſcheidend geſchlagen; femme Beteiligung am jweiten
Sammnitentrieg endete mit dauernder Unterwerfung;
feitdem werden mur nod) die Kleinen A. Maquicuty
im Zale des Himella qenannt.
MUaquidiftanyen, |. Mufnabme, topographiice.
Aquifol Ilicineen, ſtehpalmenar
tige Gewa de), difotyle, etwa 150 Arten umfaſſende
Bhanjenfamitic aus der Ordnung der Sapindalen,
immergriine Holzgewächſe nut regelmafigen, vier
oder fiinfyabligen Bluten und Beerenfriidten. Pre
W. geboren der troptichen und den angrenyenden Yo
nen an, finden fic) in Ymerifa am baufigiten, wenige
im tropiſchen Aſien und in Curopa (Tex aquifolium).
1. paraguariensis liefert den Baraquaytee. Prinos-
und [ex-Yirten finden fic) tm Tertiar. Bal. Loeſe
ner, Monographia Aquifoliacearum, I (Yd. 7 Der
O47
»>Acta novac der Seopoliniié Raroluukbhen Alade
me der Naturforider, Tse Li
Aquila, Wer; A. alba. der Stem der Benen
Zaquila, 1) Wi Akdlae aus Pontus, pad Ero
felt pur Set Hadrians, Seriaier emer grechrchen
wortgetreuen q des Alzen Teitamente On
ques mabe decielbe in ſein Bibelwert | Hexapla: ani.
amd cinjcine Bruditide baben fi bes Dele exbalten
Diee babolonriden Juden naunten idn C nfelos und
legten Dieter Ramen einer daldirden Ventateuch
bet (i. Onfelos:.
2) Rafpar, Freund und Gebilje Lutders
7. Aug. 1488 in Mugeburg, geit. 12. Nov. 1560 ju
Zaalield, 154 Vrediger in Berm, 1515 Feldpredager
ber Franz von Sedingen. —
tundigte. ward er 1520 m Dillingen gefangen geſetzt.
Sieder freigelaijen, ledte er im Wittenderg umd auf
der Ebermburg. 1524-27 als Vrediger. Lederer und
Witarbetter an Luthers Bideliiberiegung m Bitten
berg. Seit 1528 fibrte er als Superintendent m Saal
feld die Neformanon ein und blied dier. bes thm 1548
Die Interimswirren vertrieben. Grit 1552 febrte er
zurück Ex ſchrieb: > Cbriithide Ertlarung des lleinen
Ratechismus x.« (Mugsd. 1538) und ⸗Kurze Frag
ſtucke — —— 127 wo.) wa.
ti Morassi ior. det, ital. Broving
in der te eee a und Moliſe. grenzt un W
an die Provinz Ascoli Viceno. im NO. an Teramo.
im ©. an Chieti, on S. an Campobaſſo und Caſerta.
un B. an die Brovingen Rom und Verugia und hat
cin Areal von 6436 gqkm (116.9 OY.) mit usep
397,645 Cinw. (61 auf I qkm). Die Vrovinz um:
fakt die vier Rreije VL, Uveyano, Cittaducale und
Solmona.
Aguila degli Mbrugyi tive. dea, Houvtitadt der
gleicbnamtigen tal. Brovin; (i. oben), 734 m a. M.
am gue des Gran Saijjo, am Aterno und an der
Eiſenbahn Solmona- Terni maleriidh gelegen, bat
zahlreiche Kirchen, darunter Me des heil. Bernardin
von Siena nut dem Warmordenfmal deeſelben und
die gotiſche Rurche Santa Maria di Collemaggio, 1287
geqriindet, mebrere Balajte, ſchöne Fontaͤnen, cine
unter Marl V. 1535 angelegte Zitadelle, cin Stadtbans
mit Muſeum antiler —— Gemaldeſammnlung
und Vortratgalerie. lebbafte Induſtrie und bedeuten
den Safranbau und zahlt aso ca. 16,800 cats We
meinde 21,188) Emw. A. bat cin Gymnaſium, em
Lyzeum, cin techniſches Inſtitut, cin Zuchthaus und
tit Sip eines Biſchofs, eines Appellhofs und einer
Prafektur. — Es ijt vom Kaiſer Friedrich II. I240
— 1703 wurde es durch cin Erdbeben, wo
12000 Menſchen umfamen, fait qany yeritort.
Aquilaria Lamarck (Adlerbaum), Sattung
der Thymelaazeen. Baume mit einfachen. lorbeerähn
lidhen Blattern, in Dolden jtebenden Bliten und bol
yigen, zweifacherigen. zweiſamigen Kapſeln. 3 4 Vir
ten in Ojit und Hintermden, China. A. malaccen-
sis Lam., ein 19 m bober Baum in Hinterindien und
dem malaniden Gebiet, mit gelben Bhiten, licfert
ſchmutziggelbes bis grunliches Adlerholz (Ro odi-
i rDornboly, Mipalatbabols) qu ſemen Tifd-
lerarbetten, A. Agallocha Rord,, auf dem Himalaja,
liefert im Nern dew fonft wenhen, ween Holes das
idbwere, wohlriechende Adlerhol (YWloeboly).
Wauilege (fat. Aquilex, »Wafferipurer-), Quel⸗
lenfinder, d. b. eine Berfon, de unterirdiſche Duellen
und Waſſerlaufe zu entdeden weiß (vgl. Quelle),
Aquilegia LAquiteta, Atelei,. Aglen Gat⸗
tung der Ranunkulazeen, Stauden in Europa. Nord-
648
afien und Nordamerifa, mit großen, doppelt dreitei-
ligen Blattern, einzeln oder in armbliitiqen Trauben
jtebenden, langgeſtielten Bliiten, mit fünf gefärbten
Blättern und fünf geſpornten Honigblättern und auf
rechten, vielſamigen Kapſeln mit glänzenden, feinen
Samen. A. vulgaris L. (qemeine Akelei), 60—
90 cm hod, mit qrofen, blauen, qlodenartig hängen—
den Blumen, wächſt in Waldern und auf Waldwiejen
Aquileja —
in Deutſchland, bejonders auf Ralfboden, und wird |
mit andern Yirten, wie A. canadensis 1. in Nordame-
rifa mit braunroten, außen gelblidjen Blüten, A. chry-
santha Hook. in Kalifornien mit leudjtend gelben,
jebr fang gefpornten Bliiten, A. Skinneri Hook. in
Nordamerifa mit fharladroten Bliiten ꝛc., in vielen
Varietiiten und Baitarden als Sierpflanje in Garten
gezogen (f. Tafel »Zierpflangen I<, Fig. 20). Die |
jungen Sprodplinge können im Frühjahr wie Spar
gelfcime zubereitet und genoſſen werden.
Aquileja, Stadt im öſterreichiſch illyr. Küſtenland,
Bezirksh. Gradisca, an einem in das Adriatiſche Meer
(Lagumen von Grado) miindenden Kanal gelegen, bat |
einen 1019 — 42 erbauten reftaurierten Dom (roma:
niſche Bafilifa mit Krypte), cin Baptijternam aus dem
12. Jahrh. und einen 73 m hohen Glodenturm, Refte
des Katriarchatspalajtes, ein Altertumsmuſeum (fiir
die Funde aus der Umgebung) und (isc) 836, als
Gemeinde (1900) 2319 ital. Einwohner. — A. wurde
182 v. Chr. 60 Stadien (9 km) vom Weer, nut dem es
durch die cinit ſchiffbare, jest verfandete Lagune in
Verbindung ftand, als römiſches Cajtrum angelegt
und ward bald ebenfo widtig in politiſcher umd jtrate
giſcher Beziehung wie reid) und blühend durch Handel.
Uber den nahen niedrigiten Ulpenpak nad) WO. (Dera,
fpfiter Ulpis Julia) gingen die Straßen nach Rätien,
Noricũm, Bannonien, Aitrien und Dalmatien; des-
halb galt YW. fiir ben Schliijjel Jtaliens von der Nord
oftfeite. Seit Marf Aurel war es eine der erjten Fe—
ſtungen des Reidhes, an deren Manern 167 n. Chr. dic
Marfomannen und Quaden ftarfen Wideritand, fpater
Die Kaiſer Maximinus (238) und Conjtantius (340)
ihren Tod fanden. Vis Hauptitadt der Provinz Be
netia und Hijtria war VW. on 4. Jahrh. die viertgrößte
Stadt Maliens. Bis ing 5. Jahrh. hatte A. femme
Größe behauptet, als es durch Attila nach dreimona
tiger Belagerung 452 zerſtört wurde. Die Einwohner
flohen auf die Laguneninſeln nach dem Hafen Gradus
(Grado). Das alte A. erhob ſich noch einmal. Im
6. Jahrh. entſtand das aquilejifde Patriarchat,
das in den Wirren der Zeit eine Macht erlangte, die
Der des römiſchen Biſchofs qleichfam und ganz Friaul
nebjt Iſtrien umfaßte. adh dem CEindringen der
Langobarden refidierten Batriarden auc) in Gradus,
mit denen Die von A., Die im 7. Jahrh. in Cormons,
ſpäter in Cividale ibren Sig Hatten, in ftetem Streit
lebten, bis die Synode von Mantua 827 den Bor
rang A. zuerkannte und ein Bergleid 1180 die bei
den zugehörigen Sprengel feſtſetzte. 1451 wurde das
Patriarchat von A. nad) Venedig verlegt, fam aber
dodurch in cine fehwierige Stellung, da einerſeits
ſterreich, andericits Benediq die Ernennung des
Patriarchen beanſpruchte. Die Zwiſtigleiten wurden
erſt 1750 durch Vapft Benedift beendet, der an Stelle
des Patriardats von A. zwei neue Erybistiimer, Udine
und Görz, erridjtete, die nod) gegenwärtig bejtehen.
Bal. v. Czoernig, Das Land Görz und Gradisca |
reithdwert, A., das Emporium |
(Wien 1873); v.
an der Adria (Stuttg. 1880).
Vquilibrigmug (v. lat. aequilibriuam, »Gleich
Qewidht«), Diejenigqe Form des Indeterminismus (jf. d.),
Aquinoftium.
nad der Freiheit des menſchlichen Handelns nur bei
völligem Geicgewidte der Beſtimmungsgründe ob-
walten foll, wabrend fonit das jtarfer wirfende Motiw
den Willen beſtimme.
Raquilibriften (v. lat. aequilibrium, »Gleid-
qewidt«), gymnaſtiſche Künſtler, die in Den verfdjie-
denſten Stellungen und Bewegungen ſowohl ibren
Körper als die von ihnen balancierten Gegenitinde
im Gleidhqewidht zu erhalten veritehen, worm beſon⸗
ders indiſche, chineſiſche und japaniſche Künſtler Er-
ſtaunliches leiſten.
Aquilifer (lat.), Adlerträger in der römiſchen
Legion; vgl. Adler, S. 112 (fymbol. Bedeutung).
Aquilinae (%d1 er), Gruppe aus der Unterfamilie
der Bufjarde und der Familie der Fallen.
Aquiliſche Culpa, j. Culpa.
Aquilo (lat., qriedh. Boreas), der ſtürmiſche
Nord-, genaner Nordojtwind; auch perſonifiziert.
Aquiloniſch, nördlich.
Aquinas, ſ. Thomas von Uquino.
Aquincum, rom. Stadt in Bannonien, an der
, Donan, das jepiqe Ult-Ofen, ijt wohl von den Kelten
angeleqt, fam ſchon unter Domitian unter römiſche
Herrſchaft und wurde von Septimius Severus als
Colonia Septimia A. zur Rolonie erhoben. Seit 1879
wurden unter der Leitung von Torma, Hampel und
Kuzſinſzky Ausgrabungen veranjtaltet und ein großes
| Umpbhitheater (fiir 3000 Perſonen), mehrere Bader,
cine Wafferteitung, die Valäſtra, der Marftplag,
mebrere Tempel, Wohnhäuſer und zwei Castra blo}:
gelegt. Val. Kuzſinſzky, A. und die Ausgrabungen
(3. Aufl. Budap. 1900).
Aquino (das Aquinum der Romer), Stadt m
der ital. Proving Cajerta, Kreis Sora, an der Eiſen⸗
babu Rom-Neapel, hat cine auf dem Grundbau eines
Herkulestempels jtehende Kirche, eine antife Bride,
Rejte cines Zirkus, Umphitheaters, Cered- und Dianen-
tempels ꝛc. cine Papierfabrif und (1901) 2672 Ein.
— A., Geburtsort des Juvenal und des Thomas von
Aquino, ward im 6. Jahrh. von den Langobarden
zerſtört, aber wieder aufgebaut.
MUquinoftialgeqenden, die Tropentinder.
SHaninottialabe, tropijdes Jahr, ſ. Jahr.
Mquinoftialfreis (Aquinoktiallinie), ſoviel
wie Aquator, weil auf ihm dieWquinoftialpuntte legen.
dquinoftialpunfte , ſ. Äquinoktium.
Haquinoftialregen, dic qewaltigen, oft mit Ge
wittern und Stiirmen verbundenen Regengüſſe, die
‘in tropifdjen Gebieten um die Beit Der Tag~ und
Nachtgleiche einzutreten pfleqen.
Aquinoktiaiſtürme, die heftigen Stürme, die,
oft von Regengüſſen begleitet, zwiſchen den Wende-
kreiſen, aber auch in den gemäßigten Zonen um die
Zeit der Tag- und Nachtgleiche eingutreten pflegen.
RUquinoftialuhr, ſ. Sonnenubr.
| Mauinoftialjone (Aquatorialzone), die zwi—
iden Den Wendefreijen auf beiden Seiten des aqua-
| tors geleqene heiße Bone der Erde.
quinoktium (lat., »Nachtgleiche⸗), der Zeit—
punkt, in dem Der Mittelpunkt der Sonne bet ihrem
idbeinbaren Umlauf um die Erde in den Aquator tritt.
Yin Diefem Tage bildet der Aquator den Ta gbogen Der
Sonne, der ebenfo wie der dazu gehörige Nachtbogen
180° beträgt; es ift Daher an dicjem Tage die Some
tiberall 12 Stunden fichtbar und 12 Stunden unſicht ⸗
bar, Taq und Nacht find von qleider Lange. Es gibt
aber zwei Aquinoktien, weil der Himmelsaquator von
der Ekliptik zweimal durdfdnitten wird; 21. Mary
(Frihlingsdquinoltium) u. 23. Sept. (Herbit-
Aquipotentialfurven — Aquivalent.
aquinoftium). Die Puntte de3 Himmelsäquators,
in denen dies geſchieht, heißen die Uquinoftial-|
—— (Frühlingspunkt und Herbſtpunkth.
on dem erſtern aus wird die gerade Aufſteigung
(Rektaſzenſion) und die Lange gezählt. Beide Aqui—
nofrialpuntte find einer fortdauernden langſamen Be:
wegung von O. nad) W. unterworfen; ——
üquipotentiãlturven u. -flachjen, ſ. Botential.
Aquisgranum, ſpätlat. Name von Aachen (ſ. d.).
MAguitanien, urjpriinglich Name des ſüdweſtlichen
Tiles von Gallien (ſ. Rarte »Germanien rc.«), ins⸗
befondere des von iberiſchen Stämmen bewohnten
Landes zwiſchen den Pyrenäen und der Garonne;
dann (ſeit Auguſtus) Name einer römiſchen Proving,
die das Land von den Pyrenäen bis zum Liger (Loire) |
und vom Atlantiſchen Osean bis gu den Cevennen
umfaßte. Diefe 275,300 qkm groje, über cin Drittel |
des Heutigen Frankreich umfaſſende Provinz ward
im 4. Jahrh. wieder in drei zerteilt: 1) Aquitania
prima, der nordöſtliche Teil, mit den ſpätern Land-
ſchaften Berry, Bourbonnais, Uuvergne, Velay, GE
vaudan, Rouerque, Ulbigesis, Quercy und Marche;
2) A. secunda, der Nordweſten, mit der Hauptſtadt
Burdigala (Bordeaur) und den ſpätern Landſchaften
Bordelais, Poitou, Saintonge, Angoumois und dem
wejtlidjen Guyenne; 3) A. tertia oder Novempopu-
Jana, der ſüdlichſte Teil an den Pyrenäen, nut den
ſpätern Landſchaften Bigorre, Cominge, Armagnac,
Bearn, Bays de3 Basques, Gascogne u. a. — Die |
altejten Einwohner Uquitaniens waren Iberer, unter
denen fich keltiſche Stämme, namentlic) die Bituri-
get, niederliefen. Den Rimern wurde A. 57 v. Chr.
durch Cäſars Legaten Craſſus unterworfen. Das
Land umfaßte damals bloß den ſüdweſtlichſten, über—
wiegend von Iberern bewohnten Teil Galliens (das
piitere Vasconia oder Gascogne). Bei der neuen
rovinzeinteilung unter Octavianus 37 v. Chr. wurde |
A. nad N. und O. bis zur Loire erwweitert. Yn der
Volferwanderung liejen fic) die Weftgoten unter |
Wtaulf in W. nieder und ftifteten unter Wallia,
Utaulfs Nachfolger, ein Reid) mit der Hauptſtadt
Toulouje. Durd die Schladt bei Boullon (507) ward
mit ganz Siidgallien aud A. ein Teil des franti-
ſchen Reicdhes. Unter den Merowingern bildete VW.
ein nur dent Namen nad von dem Franfenreid ab
hingiges Herjogtum. Nad) btutigen Kämpfen zwiſchen
den Karolingern und den Herzögen Hunold und Wai
far ward YW. 771 durch Karl dD. Gr. zu ciner Proving |
des fränkiſchen Reiches gemacht und von Grafen |
reqiert, bis es Karl d. Gr. zum Königreich erhob und |
ſeinem Sohn Ludwig dem Frommen verlieh. 814 tiber-
gab Ludwig YW. nebjt der fpanifden Mark zur Ver—
waltung feinent Sohn Pippin, der bei der Reichsteilung
817 gum König von YW. ernannt wurde. Jn dem Ver—
trag von Verdun (843) wurde YW. gu Karls des Rah: |
fen Anteil gejdlagen (ſ. das Nebenkärtchen anf der
Geſchichtslarte von Frankreich). Gegen Ende des
9. Jahrh. ward U. von neuem an einen Bafallen,
Rainulf, Grafen von Poitiers, mit dem Herzogstitel
verliehen. YW. umfakte unter feinem Nachfolger Wil—
helm Werghaupt (Téte d'étoupes) unt 950 die Graf—
ſchaften Gascogne, Armagnac, Feézenſae, Rérigord,
Poitou, Ungouléme und La Marche, während das
Gebiet der obern Garonne 929 an den Grafen Rai
numd Bons von Toulouje verliehen worden war.
Die Ciferfuct der Hauler Poitou und Toulouse ser:
riittete bas Land und ſchwächte feine politifde Macht.
Jn diefen Zeiten verſchwand der Name A. und blieb
nur dem Beſitz der Familie Poitou in der verderbten
649
Form Guyenne (jf. d.). Val. Mabille, Le royaume
d’Aquitaine (Touloufe 1870); Caftaing, Ethno-
génie de l’Aquitaine primitive (Bar. 1885).
Aquitanien (ſor. sing, Uquitanifdhe Stufe),
dem Oligocän zugehörige tertiäre Schidten, ſ. Ter-
tiärformation.
Aquitaniſches Meer, der Vizeayiſche Meerbuſen.
MUaquitas, bei den Römern Perſonifikation von
Recht und VBilligfeit, häufig auf Kaiſermünzen als
cine Frau mit Wage oder Fiillhorn dargeftellt.
Rauivalént (lat.,> gleichgeltend ·) als Hauptwort:
Gegenjtand von gleichem Wert. — Yn der Chemie
jind Uquivalente (Aquivalentgewid te) diejenigen
relativen Mengen chemiſcher Körper, die von einem
gewiſſen Geſichtspunkt aus gleichwertig erjdeinen und
in gewijjen Fallen den gleiden Ejfeft ausiiben. Berg-
man und Kirwan fudten gu Ende des 18. Jahrh.
diejenigen Mengen verjdiedDener Baſen ju ermitteln,
die fid) mit einer bejtimmten Menge irgend ciner
Säure verbinden, und umgekehrt beſtimmte Berg⸗
man, in welchen relativen Mengen ein Metall ein
andres aus den Löſungen ſeiner Salze ausfällt. Auch
nach Aufſtellung der atomiſtiſchen Theorie durch
Dalton (1804) zog man für chemiſche Betrachtungen
die befannten Perbindnngs: oder Miſchungs—
gewidte vor, fiir die Wollajton 1814 den Namen
A. einführte. Nach ihm find Aquivalente diejenigen
relativen Mengen verſchiedener Stoffe, die fid) 3u ein—
faden und befannten Verbindungen vereinigen. Seit
Dem brauchte man alle drei Ausdrücke nebeneinander
und filr diejelben Beqriffe, und erſt Laurent und
Gerhardt lehrten feit 1846 die Begriffe Atom, Mole-
fiil und A. ſcharf voneinander unterjdeiden. Atom
ijt nach jetziger Anſchauung das fleinjte, chemiſch nidt
weiter jerleqbare Teildhen von Materie, Molekül die
fleinjte der freien Exiſtenz fähige Menge von Sub-
jtang, und mit dieſen Begriffen hat der Begriff vom
A. direlt nidjts gemein. Bon Aquivalenz oder Gleich⸗
wertigleit kann nur bei Körpern die Rede fein, die
von irgend einem dhemifden Geſichtspunkt aus in
Bezug auf Wirkungswert miteinander verglichen wer-
den können. So find Chlor, Brom und Jod cinander
ſehr ähnliche Körper, das Brom farm aber Jod, und
das Chior fann Brom und Jod aus ihren Verbin-
dungen austreiben. Dabei werden 127 Teile Jod er-
fest durch 80 Teile Brom oder 35,5 Teile Chior. Die-
felben Gewidhtsmengen verbinden fic) mit 23 Teilen
Natrium oder 108 Teilen Silber oder mit 1 Teil
Wafferitoff, und von dieſem Geſichtspunkt aus find fie
gleich⸗ oder ähnlichwertig (aquivalent). Nun fornen
in ähnlicher Weife 16 Teile Saucritoff, 32 Teile Schwe-
fel, 79,4 Teile Selen cinander erſetzen, und dieſe Men:
qen, die alfo einander dquivalent find, verbinden ſich
mit 2 Teilen Waſſerſtoff. Daraus ijt gu folgern, daß
3. B. 16 Teile Sauerſtoff äquivalent find mit 2>< 35,5
oder 71 Teilen Chlor, und in der Tat treiben 71 Teile
Chlor aus Ralf oder ähnlichen Metalloryden 16 Teile
Sauerjtoff aus. Die genannten Sahlen jtehen mun
aber in Beziehungen gu den Atomgewichten, und es
ergibt ſich, daß vom Chlor, Brom, od, Waſſerſtoff
ſtets IAtom äquivalent ijt 1 Wtom, ebenſo vom Sauer-
jtoff, Schwefel, Selen ꝛc., daß aber 1Atom Sauerjtoff,
Schwefel oder Selen äquivalent ijt 2 Atomen Chlor
oder 2 Utomen Waſſerſtoff. In ähnlicher Weiſe ijt
1Atom Sticitoff oder Bhosphor dquivalent 3 Utomen
Chlor oder Wajferjtoff, und 1 Wtom Kohlenſtoff daui-
valent 4 Atomen der lestern.
Alle Äquivalenzbeſtinimungen hat man zur Ver—
einfachung der chemiſchen Ausdrucksweiſe auf den
650
Aquivalentgewidte — Ära.
Waſſerſtoff als ECinheit bezogen. Diejenige Menge | des Seleufos Nifator bei Gaza 312 v. Chr., wabr
eines Clements bezeichnet man als 1 ¥W., die aquiva- ſcheinlich mit dem Herbſtäquinoktium dieſes Jahres.
lent ift mit 1 Utom Waſſerſtoff. Demnad reprijen: | beginnt. Diejelbe blieb bei Juden, Wrabern und
tieren 1 Utom Chlor, Brom, Jod 1 ¥., 1 Wtom Sauer: | Syrern nod) lange nad Chrijti Geburt im Gebrauch.
jtoff, Schwefel, Selen 2 Uquivalente, 1 Utom Stid- | Die Juden, die fic) derjelben unter der ſyriſchen Here-
ſtoff, Phosphor, Arſen 3, 1 Utom Kohlenſtoff, Sili- ſchaft bei allen gerichtlichen Handlungen bedienen
cium 4 Uquivalente. Dementfprechend nennt man die
Atome cin-, zwei⸗, drei-, vierwertig und braudht dieſe
i
mußten (Daher der Name aera contractuum, A. der
Verträge), gewöhnten fic) fo ſehr daran, daß die ſpäter
Ausdrücke auch fiir Atomgruppen, die hinſichtlich ihres eingeführte, mit Der Befreiung Jeruſalems durch den
chemiſchen Verhaltens die Rolle von Atomen ſpielen. Maktabäer Simon (142 v. Chr.) beginnende A. der
Ahnlich verfihrt man auch bei den Molefiilen, fiir
deren Wertigheit ebenfalls das Waſſerſtoffatom als
Cinheit dient. Säuremoleküle, die durd) Eintritt von
mur 1 A. Metall im neutrale Salze verwandelt wer-
den, reprafentieren 191, z. B. die Galpeterjaure, wiih:
rend 1 Molekül Schwefelſäure 2, und 1 Molekül Phos:
phorjiure 3 Uquivatente reprijentieren, weil fie mit
2, refp.3 Uquivalenten Metall neutrale Salje liefern.
Dasjelbe gilt fiir die Bajen, und als 1 A. eines neu:
tralen Salzes gilt diejenige Menge, die 1 A. Säure
entfpricht, die alſo 1 W. irgend eines Metalls enthilt.
Wie die Atome nennt man auc die Säuren und Baſen
ein⸗, zwei⸗, Dreiwertig oder braucht haufiger fiir erjtere
Die Ausdrücke ein-, zwei⸗ dreibaſiſch, fiir letztere ein-,
zwei⸗, dreiſäurig. — Mechaniſches A.derWärme
einheit, f. Wärme. — Pfſychiſches A. f. Epilepſie.
Uanivaléntgewidhte, |. Aquivalent.
Mquivaléngparitat, Gleichheit der Münzwerte
und der Wechſelkurſe zweier Plätze.
Mquivof (lat.), gleichbedeutend; zweideutig, dop⸗
pelſinnig; beſonders was eine unanſtändige Deutung
zuläßt. Aquivoken, dergleichen Zweideutigkeiten.
Haquivofe Zeugung, . Urzeugung.
& quoi bon? (fran;.), wozu? zu welchem Nutzen?
Häufig angeführte Überſetzung von cui bono (jf. d.).
Aquõs (lat.), wãſſerig; Uquofitat, Wajjeriateit.
Mr, 1) (fran. Are, ital. Aro, fpan. Area, v. lat. area,
Fläche) Feldmaß im metrifchen Sytem, — 100 qm;
100 Wr == 1 Heftar; hinter Zahlen abgefiirst a. -
2) Gewicht in Chiwa, — “Vs Ser.
Ar, in der Chemie Seiden fiir 1 Atom Argon.
A. R., bei Pflanzennamen Abkürzung _ fiir
Achille Ridard, f. Rich.
Ara (lat.), Ultar. Auch Name eines Sternbildes, |
Ara, Schlange, f. Brillenfdlange.
Ara, Vogel, ſ. Kapageien.
ſpäter aber als Singularform gebraucht in der Be-
deutung »Grundjahl, Griundeinheit« bei Rechnun—
qen und Meffungen; nad Kewitſch urfpriinglid Cra,
aus Spanien jtammend, mit der Bedeutung Wieder
7. Altar.
Hasmonder nidt rest in Aufnahme fam. Andre
worchriſtliche Uren find die RHilippifde, auch dic
A. Alexanders oder die von Edeſſa genannt, die
mit Dent Todesjahr Uleranders d. Gr. oder der
Thronbejteigung feines Nadfolgers PhilipposAr-
rhidäos (323 v. Chr.) beginnt; die Aktiſche, nad
der Schlacht bei Altion genannt, die mit der Erobe-
rung Agyptens durch Octavianus 30 v. Chr. be:
— die A. Nabonaffars, die ſich bei Ptolemios,
Theon u. a. findet und mit dem Regierungsantritt
des babylonifden Königs Nabonaſſar 747 beqinut,
fie ijt fiir geſchichtliche A eitbeftimuung jebr wichtig.
da man mit ibrer Hilfe nad den von Ptolemãos tiber-
lieferten Regententafeln und nad den angegebenen
Sunumen der Regierungsjabre die Zeit vieler geſchicht
lid) Denfiwiirdiger Falta beredynen fann; dieantiode-
nifde A. beginnt mit der Freierflarung der Stadt
Untiodia oder mit dem erjten Jahre der Diftatur
Julius Cäſars, 49 — 48, im Herbft, und wird häufig
in Den Sehriften Der Kirchenväter gebraydt. Uber
die Olympiadenära vgl. Olympiade. Uber die in-
diſche W. Der Viframaditija vgl. Samvat. Für dee
Jahresrechnung nad) Erbauung der Stadt Rom
(ab urbe condita, abgefiirst u.c.) haben fic) zwei Aren
eltend gemadt, nad) der Barronifden A. fir die
Ferentins Barro eintrat, ijt Ront im Frühling des
dritten Jahres der ſechſten Olympiade gegriindet, nad
der Catonifden A., die von Dionyſius Eriquas
herrührt, der fid) auf W. Porcius Cato ſtützt, cin abr
ſpäter. Gewöhnlich wird die Zählung nad der Bare
ronijden A. angefiibrt, die 753 v. Chr. a Die
romijde Ronfulardra, bei der die Ungabe der
Sabre nad) den Namen der beiden jährlich neugewähl⸗
ten Konſuln, deren Reihenfolge in bejondern Ralen-
dern (Faſten) verzeichnet wurde, beginnt mit der Ber
1 treibung der Könige 509 und blieb als bürgerliche
Mira (v. lat. aes, aljo urfpriinglid) Pluralform,
fehr), der durch irgend ein merfwiirdiges Creiqnis |
bezeichnete Beitpunft, von dem an man in der Chro—
nologie die Jahre zählt; dann jede Zeitrechnung, bei,
der Die Jahre von einem foldyen Termin an fort
gezählt werden. In der Bibel finden fic) nur Spu-
ren einer cigentliden YW. Im Pentateuch ijt bis auf
Jalob die Chronovlogie ganz mit der Genealogie ver:
bunden. Nach Cinfiihrung des Königtums rechneten
die Israeliten nad den Regierungsjahren der Md
nige und, nachdem fie unter fremdes Joch gekommen,
nad) denen der fremden Herrider, 3. B. der baby:
loniſchen und der perſiſchen. Auch im Neuen Tefta
ment findet jid) an einigen Stellen eine ähnliche Beit
rechnung. Selten datiert man nach epodemadenden
Nationalbegebenheiten, wie nad Dem Auszug aus
Agypten und nad dem Anfang des babylonifden
Exils. Später nahmen die Juden als fyrifche Unter
tanen die A. der Seleufiden an, die mit dem Siege |
Zeitrechnung bis zur Abſchaffung des Konſulats unter
Kaiſer Qujtinian un Gebrauch.
Nad) Uusbreitung der chrijtliden Kirche bediente
man jid) nod lange der früher gebräuchlichen Zat⸗
rechnungen; in Alexandria aber fam die Diofletia-
nifde oder die M. Der Martyrer in Gebrauch, die
mit der Thronbefteiqung (29. Ylug. 284 n. Chr.) des
Naifers Diocletianus, unter dem viele Chrijten den
Märtyrertod erlitten, beqinnt. Sie war in Ugypien
bis jum Eindringen der Yiraber iiblich, und die chrift
lichen Kopten bedienen fich ihrer fowie der altäghpti
iden Monate nod jetst, ebenſo dic äthiopiſchen Chryten,
mur daß Diefe fie mit Dem Jahre 276 anfangen, weil
jie Die Geburt Chrijti 8 Jabre fpater als Dionyjius
ij. unten) fesen. Die chriftliden Urmenter rechnen
vom Sabre 551 an, in dem Der Patriarch Moſes ihre
Feſtordnung reformierte. Im römiſchen Reich wurde
zwar noch geraume Beit nad Erhebung des Chriſten
tums jur Staatsreliqion die Rechnung nad den Re-
qierungsjabren der Naijer und Konfuln fortgefii ort,
allein unter den chrijtliden Völlern madte ſich das
Bedürfnis einer gemeinfamen A. immer fiblbarer
und der römiſche Wht Dionyſius zählte in feiner Ofter-
Araba —
tafel (525) —— der bei den Alexandrinern gebräuch—
lichen Diokletianiſchen A. die Jahre zuerſt von der
Fleiſchwerdung des Herrn (ab incarnatione domini).
Das erſte Jahr diefer Dionyſiſchen A. lauft vom |
1. Jan. bis 31. Dex. 754 nach Griindung Roms (nad
Barro, 4714 der julianifden Beriode). Die Geburt
Chriſti fete Dionyfius auf den 25. Dez. d. J. indem
ex nad dem Spradgebraud der Riedenviter unter
der Incarnatio nidt die Geburt (nativitas), fondern
die Menfdhwerdung Chrijti im Schoße der Maria oder
die Verfiindigung der Maria verjtand. Go entjtand
die gemeineſchriſtliche W., die allmählich weitere
Verbreitung fand, vornehmlich durch Vedas Cinflus,
der fie in feiner Ojtertafel gebrauchte, und da3 An—
jeben Karls d. Gr., der zuerſt Urkunden nad ihr da-
tierte. Bei ihrer Unwendung pflegte man mebhrere
Jahrhunderte lang ju dem A abe —* (annus in-
carnationis, auch a. circumcisionis, mit Bezug auf
den Jabhresanfang am 1. Jan., wo die Vefdneidung
Chriſti gefeiert wurde, fowie a. nativitatis, gratiae
genannt) nod die chronologiſchen Merkmale des Jah-
re3 hinzuzufügen, wie fie die Oſtertafeln enthielten.
Im 10. Jahrh. war die chriſtliche W. ſchon ziemlich
weit verbreitet. In Spanien aber erhielt ſich eine
eigne YL, die von 716 der Stadt Rom (38 v. Chr.) an
zählt, in Uragonien bis 1350, in Raftilien bis 1383
und in Portugal bis 1420. Bon den griechiſchen
Chrijten haben die Rujfen auf Befehl Peters d. Gr.
1700 mit bem Jahresanfang im Januar zwar die
qemeine —— A. — aber den alten
julianiſchen Kalender beibehalten.
Auch nad) allgemeiner Annahme dieſer VW. fehlte
nod cine gleichmäßige Zeitrechnung, denn man hatte
nod lange Beit febr verjdiedene Jahresanfänge; val.
RNeujahr. Erſt 1691 feste Papſi Innocenz XI. felt,
dah bas Dahr mit dem 1. Januar beginnen folle,
wihrend bis dahin die Päpſte in ihren Bullen und
Vreven gewöhnlich den 25. Dezember als Dahresan-
fang gebraud)t batten. Durch neuere Forſchungen ijt
fejtgeitellt worden, day Dionyfius die Geburt Chrifti
int 4—6 Jahre ju ſpät angefest hat, denn nad
Matth.2, 1 ff.; 2,22; Luk. 1, 5 iſt Chrijtus nod unter
der Regierung Herodes' d. Gr. geboren, der kurz vor
dem Pajjah des Jahres 750 nad) Roms Erbauung
ejtorben ijt. Trogdem ijt eine Änderung unfrer
Relirederune durchaus nicht wünſchenswert, da eine
fejte Zeitrechnung fiir chronologiſche Orientierung von
augerordentlid) hohem Wert ijt.
Eine WH. nad Jahren der Welt war befonders
bei Den Duden gebräuchlich und den Sehriften ded
Alten Tejtaments entnommen. Dieſe Weltära ijt |
Arabesfen. 651
nopolitanifde Weltära nod üblich, deren Jah—
reganfang der 1. September und deren 5509. Jahr
das erjte unfrer Zeitrechnung ijt, aber 4 Monate früher
anfiingt. — Reben der üblichen Zeitrechnung wurden
feit Der Mitte des 4. Jahrh.n. Chr. nicht felten, fo aud
nod) int fpiiterer Reit in den Uften des deutſchen Reichs-
fanmmergeridts, die Ju diftionen oder die Römer—
zinszahlen angegeben; vgl. Indiktionenzirkel.
Um dem Bedurfnis einer die ganze bekannte Ge—
ſchichte umfaſſenden Zeitrechnung gerecht zu werden,
bildete Joſeph Scaliger (1629) durch Multiplitation
der zykliſchen Zahlen 28, 19 und 15 eine Periode von
7980 Jahren, dieer die julianifdeReriode nannte,
weil ſie nad) julianifden Jahren zählt. Das 4714.
Jahr diefer Periode entipridjt dem erjten unjfrer drijt-
lichen A. oder dem 754. nad) Roms Erbauung. Die
julianijde Periode wird jest nocd angewendet, wo es
fich um fcharfe und genaue Zeitangaben handelt, und
jie hat ohne Frage Licht und Ordnung in die Chrono-
logie gehracht.
Die UW. der Mohammedaner beginnt mit dem
erjten Moharrem des Jahres der He gira (Hedfdyra)
oder der Flucht Mohammeds von WMeffa nad) Medina,
15. Juli 622 n. Chr., und ijt bei Tiirfen, Urabern
und Berfern im Gebrauc und gwar fo, dak nad
Mondjahren, wovon 33 auf 32 Sonnenjahre qehen, ge
zählt wird. Die W. der franz dfifden Revolution,
die am 6. Oft. 1793 in Frankreich eingeführt wurde
und 22. Sept. 1792 anhob, dem Taq, an dem die
tags vorher beſchloſſene Einführung der Republif dem
franzöſiſchen Volf verfiindigt wurde und zugleich (um
9 Ubr 18 Minuten 30 Sekunden vormittags) das
Herbſtäquinoktium einfiel. Dieſe W. wurde durch Ge-
jes vom 8. Sept. 1805 mit dem 1. Jan. 1806 wieder
abgeſchafft. Bal. Kalender und Wonat.
raba (arab.), in Zentralaſien und Kleinaſien
plumpe Karren mit zwei fic) mit der Achſe drehenden
Rädern; in türkiſchen Städten vierriderige, von Ochſen
oder Büffeln gezogene Luxuswagen für Frauen mit
einem Dach von rotem, goldbefranſtem Tuch; im
Kaukaſus dient der Karren (Arba) zum Transport
Verwundeter und ju Poſtzwecken.
Aräba, Wadi el, waſſerleeres unbewohntes,
ſteilwandiges Felstal in der Grabenſenke zwiſchen dem
Meerbuſen von Ufaba und dem Toten Meer, zu denen
e3 nad N. und S. hin abfallt. Es erreicht in der
— zwiſchen beiden Gewäſſern 195 m Hibe.
rabaͤt, —— 110 km langer Landſtreifen,
der das Faule Meer vom Aſowſchen Meer trennt. Am
Südende desſelben liegen die Trümmer der von den
Ruſſen 1771 eroberten türkiſchen Feſtung Y., jetzt ein
aber wenig zweckmäßig, denn man hat mehrere hun- kleines tatariſches Dorf von ca. 300 Einw.
dert Angaben über den Anfang dieſer A., von denen
die größte 6984, die kleinſte 3483 Jahre von Erſchaf—
fung Der Welt bis auf Chrijtus zählt, welche Ver—
ſchiedenheit befonders daher rithrt, daß der hebräiſche
und der ſamaritaniſche Bibeltert, die Texte der Septua⸗
ginta und der Vulgata 1. Moſ. 5 und 11, rüchkſichtlich
der Zahlen bis zur Sintflut und von da an bis zum
70. Jahre Tharahs ſehr voneinander abweichen und
auch über die ſpätere Chronologie des Alten Teſta—
ments die Anſichten ſehr guseinander gehen. Daher
ijt Die gemeine chriſtliche A. jeder Weltara weit vor—
—— Die äthiopiſchen Chriſten bedienen ſich neben
Diokletianiſchen A. noch der des ägyptiſchen Mön—
ches Anianus, welche die Inkarnation 8 Jahre
ſpäter als Dionyſius ſetzt, ihr 5501. Jahr fällt mit
dem 9. unſrer chriſtlichen A. zuſammen. Bei den Grie⸗
chen iſt im Volle die byzantiniſche oder konſtanti—
Arabat ef Madfuna, el, Dorf im Diſtrikt Bar-
did Der digypt. Provinz (Mudirieh) Gerga, 2 Stunden
vont linten Nilufer, zum Teil auf der Stelle des al-
ten Abydos (f. d. 2), mit ass2) 6234 Einw.
Mrabesfen, dic von den Yrabern jur Aus—
ſchmückung ihrer Urchitettur angewendeten rein geo—
metriſchen oder geometriſch⸗vegetabiliſchen Vergierun-
gen, deren Grundformen aus geradlinigen, krumm—
linigen oder gerad- und frummilinigen, mehr oder
minder verjdlungenen Figuren bejtehen, und deren
phantaftifde Bflangengebilde mit ſchlanken, graziöſen
Stengeln, elajtifden, oft in Spiralen austaufenden
Ranfen und meiſt ſtreng jtilijierten Blattern, Knoſpen
und Früchten verfehen jind. Indem fie die Vermitte-
lung jener ftrengern Linien bewirfen, laſſen fie Durd
eine immer wiederfehrende Regelmäßigleit und Fär—
bung iver vielfad) verjdlungenen Teile Liniengrup-
652 Arabien (Lage und Grenzen, Bodengejtaltung, Mima).
pen erfermen, die überſichtlich find und fo einen gliid- | Herrſchaft bewahrt. Troy fener Lage zwiſchen den
lichen Übergang von den größern und jtrengern Yrs ãlteſten Multurvolfern in Agypten, Syrien, Wejopo-
ditetturformen zu dem oft phantaſtiſchen Linienfpiel | tamien, Berjien und Indien verhielt es ſich ftets ab-
des arabijden — ——— bilden. Beiſpiele dieſer weiſend gegen jeden von dorther klommenden Einfluß.
Verzierungskunſt gibt die Tafel »Architeltur VII-, | Wud) die Herrſchaft der Römer hat fic) nicht weit über
befonders in Partien aus der Ulhambra und dem Al⸗ das Peträiſche A. hinaus erjtredt. Dagegen ijt A. die
cazar in Sevilla, und die farbige Tafel »OrnamentelI«, Wiege wandernder und erobernder Völler gewefen,
Fig. 7—12. Moresfle nennt man das der Yrabeste die nad allen Weltgegenden ihre Herrſchaft ausbreite-
periwandte Ornament der Wauren, wie es ſich vor- ten. Aber auch fie haben nirgends ibre Nationalitat,
zugsweiſe auf den Kunſtdenkmälern Spaniens und | Sprade und Religion aufgegeben, fondern dem Arem:
Sijiliens vorjindet. In der modernen Sprache dient | den itberall jid) ebenjo unzugänglich gezeigt wie ibre
Arabeske mißbräuchlich ohne Riidjicht auf den Ur- | Wiijtenheimat, wo ſich die alte Geterltheit in kleine
fprung des Wortes als Bezeichnung fiir verfdjicdene Gebiete und das patriarchaliſche Hirtenteben bis auf
Gattungen von Ornamenten. Sunt Teil ijt das eigent- die Gegenwart erhalten haben.
lide Renaijjanceornament italieniſchen Stiles, dic [BVodengeftaltung, Geologie.) A. ijt cine im B.,
fogen. Groteske, darunter Pe veritehen, der die Bie S. und O. von Randgebirgen umſäumte Sdolle, die
raten Der Titusthermen ju Grunde lieqen, und die ſich nad O. zur Sandwiijte Roba el Chali, nad R.
durd) Raffaels Schüler Giovanni da Udine in den zur Syriſchen Wüſte fenft. Die hichiten Erhebungen
Loggien des Batifans die glücklichſte Ausbildung fand; mit durchſchnittlich 2600 m Kammhöhe befmden nd
jum Teil hat man dabei mehr kalligraphiſche Umrah- daher an der Siidfiiite und an der Weſtſeite, ferner
mungen int Sinne, wie fie den Bilderhandidriften des im O., wo in Oman der Didebel Achdar ju etwa
Mittelalters entlehnt werden, oder auc) naturalijti: 3000 m Höhe aufiteiqt. Das Hodland Nedſchd m
jes Blumengeranke mit Tiergejtalten x. Im gee | der nbrdlichen Hälfte Wrabiens mag gleidfalls 1000 m
wöhnlichen Sinne verjteht man unter A. tiberhaupt Höhe oder mehr erreidhen. Im geologijden Bau
jede3 Ornament. Die W. müſſen fowohl dem archi ſchließt ſich A. eng an Agypien an, von dent es erit
teftontiden Charalter des Gebäudes als aud) dem im nadptertidrer Zeit Durd den tiefen Grabeneinbruch
bejondern Sweet der Räumlichkeit entipreden, wobei | des Roten Meeres qetrennt worden iit. Wie in Ygyp-
fie angewendet werden, und danach cine ſchwerere oder ten, fo tritt aud) in A. das kriſtalliniſche Grundgebirge
leid)tere Form annehmen. Ferner müſſen fie fid) nad) aus Gneiſen und Schiefern mehrfach gu Tage, an
Art, Maß und Form der Bauteile oder Uusitattungs: | vielen Orten find alte Eruptivgeſteine, Granit, Diorrt
——— richten, Die fie ſchmücken ſollen. Auch und Porphyr, emporgequollen, jo an der nördlichen
Material, aus dem fie bejtehen, bedingt den Cha- Küſte des Moten Weeres, ferner norddjtlid) vor Weffa
ralter ihrer Formen. Treten jie als emrahmendes Or- und Medina und in der Wüſte Nefud, an der Südküſte
nantent auf, fo müſſen fie fich Dem umrahmten Kunſt- und in Oman, wo zum Granit und Diorit jid nod
gebilde nicht nur unterordnen, fondern aud) in For: | grüne gabbroartige Gejteine qefellen. Das Grund.
men und Farben dieſem anpajjen. Hauptforderung gebirge wird bededt von einer Dem nubiſchen Sand:
fiir die Rompofition der Yrabeste ijt Einheit des zu jtein vergleidbaren Sandjteinbdildung, die ſich im R.
Wrunde lieqenden Motivs, wonad in der ganzen Ara— | von der Sinaihalbiniel bis zum Perſiſchen Golf und
besde die qleiden Formelemente fejtqehalten werden | im SW. bis yu den Churian-Murian-Inſeln erjtredt,
und der Rei; der Mannigfaltigfeit nur durch ihre ver- | ferner im N. und O. fowie im S. von Areideſchichten
ſchiedene Nombination erzielt wird. Bal. Heffemer, und alttertiarem, an der Südküſte und in Oman vor-
Arabiſche und altitalienijdhe Bauverzierungen (Berl. züglich entwideltent Nummulitentalt. Nur auf der
1842); Collinot undBeaumont,Ornementsara- Sinaibalbinjel find unter dem nubiſchen Sandſtein
bes (Bar. 1882); Briffe Wvennes, La décora- nod farbonifde Nalfiteme und Sandjteine nadge
tion arabe (Daj. 1889). wieſen; ſonſt ruben ſtets Kreideſchichten und jüngere
Arabien, die große Halbinſel des ſüdweſtlichen Sedimente, nahezu horizontal gelagert, unmittelbar
Aſien, zwiſchen 12° 40° und etwa 34" nördl. Br., auf dem Grundgebirge. Jungpvullaniſche Geſteine
zwiſchen 32° BO’ und 59° 48° öſtl. L., hat mit Sinai (Baſalte, Andeſite, Trachyte) lennt man in größe—
cinen Fladenraum von 3,094,700 qkm (die cingelnen | rer Verbreitung im N. als Ausläufer des vulfaniiden
Gebiete f. unten, S. 654). Die Oſtgrenze bilden der Haurangebirges, dann swifden Alaba, Medina und
Perſiſche Golf und das Eupbratland; den Südrand Wetfa und zwiſchen Berim und Wden. Abgeſehen von
beſpült Der Andifde Ozean (Arabiſches Meer), den Midian, das im Altertum im Ruf eines reichen Gold:
Wejtrand das Rote Meer, wahrend im RW. die Land- landes ftand, tit A. arm an nugbaren Mineralien;
enge von Suez A. mit Afrika verbindet. Gegen N. bemerfensiwert ijt nur das Vorlommen von Achat,
ijt Die Grenze weder natürlich nocd) politiſch beſtimm- Jaſpis und Narneol fowie das von Tiirfis tm Vor—
bar. WW. gehört zu den unbefanntejten Landern (ſ. phyr der Sinaibalbinfel. Die Bewafferung tit
Aſien Entdeckungsgeſch.). A. iit nach Lage und Na- dujerit Diirftig; fein Land in Aſien, Ojt- Iran aud:
turbefdaffenbert das tiberqangs- und Bindeglicd ywi- | genommen, it fo troden wie A. Eigentliche Aiife
ſchen Aſien und Afrila. Wis Hochplateau mut wüſten- und Landjcen fcheinen gänzlich zu feblen; man fennt
artigem Innern und meiſt jteil abfallenden Rand- | blog tief eingeſchnittene Talrinnen (Wadis, Fuldid),
ebirgen tetlt es aim Uferſaum und im ©. die trodne die, monatelang troden liegend, nur zur Regenzeit
lijtennatur Afrilas, während das nördliche Innere Wafer fiibren. Die Riijtenebene (Tehama) fowie der
ſich mehr dem Charafter der wejtafiatifden Hochebe- größte Teil des Innern find waſſerlos, afrilaniſch
nen ju nähern fdeint. Dieſe VBejdaffenheit, verbun- | diirr und einformig.
den mit der Umgebung von Wiijten und gefabrvollen | [Klima, Pflangen: und Tierwelt.] Das Klima
Meeren, verlieh A. von jeher die größte Abgeſchloſſen- Arabiens ijt, ähnlich dem der Sahara, ausgezeichnet
eit. Es lag dem friegerijdyen und friedlidjen Ver- durd) große Trodenheit und ftarfe Hige. Der un-
febr fern und blieb vor aller Vermiſchung nut Frem⸗ bewölkle Himmel verbreitet brennende Glut, die act
den (abgefeben von Regern im YW.) und vor deren Monate hindurd alles verbrennt und felbjt im Sdat-
Arabien (Bflangen- und Tierwelt, Bevd{ferung).
ten 45° crreicht. Freundlicher ijt die Nacht mit ihrem
die ſpärliche Vegetation tabenden Tau. Wegen der
jtarfen nächtlichen Wärmeausſtrahlung ijt auf der
Hochebene Reifbildung nicht jelten. Wahrend im äußer—
jten Norden bereits Tpatlidhe Winterregen vorfom-
men, haben die Gebirgsgegenden im äußerſten Süd—
weſten reidhliche tropijde Sommerregen in Begleitung
fajt täglicher Gewittererſcheinungen, fo daß ſich bier
das Klima dem des Sudan nähert. Charakteriſtiſch
iſt die Tatſache, daß überall nördlich vom 16. Brei—
tengrad »Regengebete« gebräuchlich ſind, dagegen ſüd—
lid) davon ganglic) fehlen. Im ganzen ijt das Klima
Arabiens gleich allen Trockenräumen geſund. Der
gefährliche Glutwind Samum iſt auf die Monate Juni
bis September beſchränkt. Bei ſolcher Beſchaffenheit
der Natur und des Bodens kann A. nur auf einzel—
nen günſtigen Strichen (beſonders in den Stufen—
geländen) eine üppige Vegetation erzeugen und keine
reiche Tierwelt und dichte Bevölkerung ernähren.
Pflanzengeographiſch bildet der größte Teil
Arabiens die Fortſetzung der Sahara, charatteriſiert
durch cine artenarme Steppen- und Wüſtenflora. Wo
qeniigende Bewäſſerung vorhanden, erheben ſich Ge-
büſche und felbit kleine Wäldchen aus Mimoſen, Ta-
marisfen und Ginjtergeftriipp (Alhagi Camelorum),
während Salfoleen, Rapparideen, Rubiageen u. Zygo—
phylleen auch iiber die waſſerarmen Gegenden verteilt
jind und auf dem nactten FelSboden die eßbare Manna—
flechte (Lecanora esculenta) cin befdjeidenes Dafein
frijtet. Nur durd die Meerenge von Aden vom afri-
faniidjen Subddn getrennt, zeigt die Südweſtecke des
Küſtenſaumes ein jenem entipredendes Pflanzenbild
ae wächſt der Kathſtrauch (Catha edulis), und der
affeebau erreidjt in Semen eine hohe Blüte. Die
Walder beftehen ebenfalls aus Akazien und weifen
auerdem an afrifanijden Typen Syfomoren, Dorn-
ſträucher und die blattlofe Ustlepiadee Leptadenia auf.
Die Suffulenten vertritt die Aloe und cine Euphorbie
(Euphorbia Schimperi). Auf dem Gebirge von Semen
jinden fic) Gehölze cines baumartigen Wadolders,
die Riijte von Hadramaut zieren madtige Drachen-
bäume. Cine der merhwiirdigiten Pflanzen des tropi-
fen A. ijt Adenium obesum. Das öſtliche Gebiet |
von Masfat zeigt eine Miſchung afrifanijder und oft-
indiſcher Typen, Balſamſträucher, Myrrha (Balsa-
modendron Myrrha), Weihrauchbaum (Boswellia
serrata), dazu blattarme Strauchgewächſe (dornige
Solanazeen), Suffulenten, Dracinen und Ulocarten.
Die Dattelpatine ijt der Charafterbaum der Dafen.
Die Tierwelt gehört zwei Regionen an: der Nor-
den der mediterranen Subregion der paläarktiſchen
Region, der Siiden der athiopiichen Region. Cha:
rakteriſtiſch für erjtern ijt Der wilde Maulefel; in den
Wiijten des Innern finden ſich Lowe, Hyäne, Scha—
fal, Springmaus und Strauj. Qn Sitdarabien tebt |
der Wantelpavian. Unter den Hausticren nimmt die
erjte Stelle Das ‘Bferd, dann das Dromedar cin; außer—
dem werden Rinder, Ziegen und Sdafe gehalten. Die
Vogelfauna jest ſich aus mediterranen und athivpi-
iden Formen zuſammen. A. ijt reid) an Giftſchlangen,
z. B. Hornviper und Kleopatraotter. Heuſchrecken ſind
oft Landplage. Sforpione und Spinnen finden ſich
häufig. Am Berjijden Meerbujen wird Perlenfifde-
ret qetrieben.
{Vevilterung.] Obwohl über viermal groper als
Deutidland, hat A. nur 3,5 Mill. Einw. Yn ſtärkſten
iit Die Vollsdichte in Oman, El Haja und Yemen, aljo
auf der Oſt⸗ und Weſtküſte, unverhältnismäßig diin-
ner in Nedſchd und auf der Sinaihalbinfel, wahrend |
653
die Wiijten des Innern gang unbewohnt find und nur
in den fruchtbaren Tallandſchaften feſte Kulturſtellen
haben. Daher bejteht die arabijde Bevdlferung der
Mehrzahl und dem Kerne nad aus Beduinen(}.Ta-
fel »Aſiatiſche Bolter II«, Fig. 10, und Tafel -Afrila—
niſche Völler [«, 3 u. 4), Die nomadijd von Viehzucht
leben und in zahlreiche zerſtreute Stämme serfallen; der
fleinere Teil find Hadefi (Anſäſſige), die als Acker—
bauer oder Handler in Stidten und Landgemeinden
wohnen. Die Vewohner des Südens und Ojtens find
in Ubjtanunung wie Sprade von denen des Nordeng
verſchieden, wenn auch beide dent grofen femitijden
Stamm angehiren. CErjtere find die Joftaniden
| (Die Sabder oder Himjariten des WUltertums, von
deren Sprade cin altertitmlider Reſt im heutigen
Echkili erhalten ijt), waihrend die Bewobhner des Nor-
dens Die JS macliten find, deren Sprache ſich gum
Koran-Arabiſch entwidelte. Wie Urabiens Boden
leichartiq und ſtetig ijt, fo gleicht aud) der heutige
lraber dem aus Hiobs Zeit. Cr tft von mittlerm,
hagerm, aber mustuldfem und ebenmäßigem Kör—
perbau. Sein Bediirfnis an Speife und Trant ijt ge—
ring; um fo mebr ijt er befähigt, qroke Strapagen,
Hunger und Durjt zu ertragen. Habſüchtig und be-
trügeriſch, aber tapfer und freigebig, voll Stols, Mut
und Freiheitsliebe, danfbar und gaſtfrei, beredt und
voll dichteriſcher Phantaſie, ein warmer Verteidiger
jeiner Ere, hat der heutige Beduine nod alle die
Vorzüge und Mangel des Charafters feiner Urahnen.
Seine Wohnung ijt das Belt; fein Gerät Kamel fattel
und Wajjeridlaud; feine Kleidung wollenes Hemd
und Mantel; feine Waffen Speer und Sdpwert ; feine
Speife Mild, ungeſäuertes Brot, Butter, Datteln;
jein Reidhtum das Kamel und das Pferd. Induſtrie
ijt faum entwidelt, bedeutender der Handel. Bor
Jahrtauſenden ſchon liefen die ägyptiſchen und per-
ſiſchen Handelsſchiffe in die Hafen von Katif (Gerrha),
Yden (Wdana) und Moda (Muza) cin; Dfchidda war
und ijt jept nod) Der Landungsplatz der nad) Miefia
beſtimmten Handels- und Pilgerfarawanen. Giid-
arabien (Semen) liefert jährlich zwiſchen 50,000 und
100,000 Bentner Rajfee (Moklakaffee), außerdem
Pferde, Datteln, Gummi, Raucherwert, Häute; es
bezieht Stoffe, Gewürze und Zucker aus Indien und
Perſien, Sflaven, Gummi, Weihrauch aus UWfrifa,
Wetallwaren aus Amerika und Lurusartifel aus
Europa. Cinen cingigen Staat hat A. nie gebildet;
es bejtand ju allen Seiten wie nocd jest aus einer An—⸗
zahl einzelner Staaten. Bei den Nomadenſtämmen
finden wir nod) die patriarchaliſche Regierungsform
der bibliſchen Welt. Wn der Spike cines Stammes
ſteht gewöhnlich cin Fürſt, der Imam (Oberpricjter),
Scherif (Edler), Emir (Befehlshaber), Sultan (Kö—
nig) oder Scheich (Alteſter) heißt, aber leineswegs mit
orientaliſchem Deſpotismus herrſcht, vielmehr in der
Ausübung ſeiner Macht durch den Koran, mehr noch
durch Sitte und Herkommen beſchränkt iſt. Religion
iſt der Islam, der in A. entſtand und von hier aus
im Verein mit ſeiner Sprache über drei Weltteile ſich
ausbreitete. Der größte Teil der Einwohner gehört
zu den Sunniten (j. d.); am der Oſtküſte gibt es
viele Schiiten (j. d.). Das Wahhabitentum (cin re—
formierter Islam) in Nedſchd ijt unlängſt zu Grunde
gegangen. Der Mann darf vier Frauen haben, bat
aber gewöhnlich nur cine; die Heirat ijt ein Rauf. Jn
—— Gegendeun, z. B. in Ontdn und im öſtlichen
Nedſchd, betreiben die Weiber allein die Wirtſchaft.
Leſen und Schreiben iſt unter den Beduinen eine ſel—
tene Kunſt. Allgemein aber ijt die Neigung und Fähig—
654
feit gum Dichter; viele Geſänge pflangen fid) von Mund
ju Mund fort, und Erzählen von Marden und Ge-
ſchichten bildet die liebjte Unterhaltung.
Weld- und Maßweſen. Die Uraber —
wöhnlich nad ſpaniſchen Piaſtern (Rrujd oder Mo—
grebi) zu 40 Diwani = 4,351 Mark oder nad) Waria-
therejientalern (Franji) — 4,21 Mt. Silber, gegen
weldje Die tiirfijden und fonjtigen fremden Münzen,
aud) althollainbdifde Dufaten und venegianifde Zechi—
nen Kurs haben. Rechnungsmünze in Mocha ijt ein Sil
berpiajter (Talaro) = 3,523 Wet. Silber mit Cintei-
lung in 80 Nabir 45 Kommaſſih, einer Kupfermünze;
102 Rabir bilden ein Haraff, und 100 Real oder The-
refientaler werden — 121,5 Modataler geſetzt. Wis
Längenmaß dienen in Yemen der Cobido von rund
48 und der Göß von 63,5 cm. Edelmetallgewidt
ift das Bihk gu 10 Mistal von 24 Rirat — 46,54 g,
2Biht — 3 Waleia; die Handelsqewidte find ungleid.
1 Rattel von Dididda hat 15 Wakeia oder 144 Der-
bem = 415,23 g.
Die cingeluen Gebiete Arabiens.
Die alten Geographen unterfdieden das Wii jte U.
(Arabia deserta), das die Sandſtriche ſüdlich von Pal⸗
myra und Thapjatos umfakte, und das Glückliche
A. (Arabia felix), D. h. dad ganze tibrige A., das fie
irrtümlich fiir ein durchweg reiches und fruchtbares
Land hielten; vorzüglich aber verſtand man unter
letzterm Namen die Küſtenländer am Arabiſchen Meer—
buſen. Seit Ptolemäos unterſchied man das Glück—
lide, Wüſte und Peträiſche UW. (Arabia Petraea);
letzteres, nad der Stadt Petra im Edomiterland be-
nannt, umfafte die Sinaibalbinfel und das Gebirge
im D. des Wadi el Uraba. Heute zerlegt man A. in
die cingelnen Küſtenlandſchaften: Hidſchaz, Yemen,
Hadramaut, Oman (Masfat), El Hafa und die
innere Plateaulandſchaft Nedſchd. Die Türkei be-
anjprudt gwar die Oberherrjdaft fiber U., übt jie
aber nur auf einem beſchränkten Gebiete tatſächlich aus.
Das türkiſche Gebiet (abgefehen vom Sandjdat
El Haja am Perſiſchen Meerbufen) zerfällt in die
Wilajets Hidſchaz, Aſir, Hodeidah, Sana und Ta'is
und erjtredt ſich längs des Roten Meeres (f. Karte
Agypien« unddie Geſchichtskarte -Türkiſches Reid) «),
etwa 200- -300 km breit. Birmenwirts find die Gren-
gen unbejtinunt und wedfelnd. Man ſchätzt das Areal
auf 441,000 qkm, feine Bevblferung auf 1,050,000
Cinw. Die nördliche Halfte, die Landſchaft Hidf daz,
umfaßt in wedfelnder Breite die Weſtküſte vom Meer-
bujen von Alaba bis ſüdlich von e'-Lid. Hinter dem
25-40 km breiten fandigen und ditrren Uferland
(Tehama) erheben fich bis 2000 m hohe Kebirge : Dide-
bel e'-Sdhafah, Dicebel Radhwa, Ejjub u. a., öſtlich
von ihnen dehnen fic weite Lavafelder (Harras) aus,
zwiſchen denen dic Pilgeritrake nad) Medina u. Melfa
zieht. Nur in den Wadis findet fic) Pflanzenwuchs.
Der fiidliche Teil der arabiſchen Weſtküſte, von 20°
Arabien (Geld- und Maßweſen, die einzelnen Gebiete).
in der Umgegend von Moda) und in Südabeſſinien
(Raffa) feine Heimat hat. Im engſten Sinne wird
unter Yemen nur der fiidlidje Teil Der Weſtküſte, das
Gebiet von Gana, verjtanden, wo der tropijde Cha-
rafter des Landes am entſchiedenſten ausgepriigt iit.
Hadramaut umfaft die Sildfiijte von Uden bis
jum Ras Madrak unter 19° ndrdl. Br. Auf ebenes
Küſtenland folgt mittleres Bergland, dann Hodebe-
nen oder Hochgebirge, die fich gu einem Tiefland abe
fenfen, das als Unfang der großen Binnenebene gilt.
Politiſch zerfällt das Land in viele fleine Staaten mit
den Stadten Mafalla und Mirbat an der Küſte, Schi-
bam, Terim, Norein im Innern.
Die weit in den Perſiſchen Golf voripringende Halb-
infel bildet das ſelbſtändige Reid) Oman (j. d.), ein
| weites Gebirgsland. Faſt unmittelbar vom Meer an
erheben fid) Bergrei binter Bergreiben, die tm
Dſchebel Achdar eine Höhe von iiber 3000 m erreiden.
Urtalf bildet den Kern der hohen Gebirgsfette; an ihr
lagern in den Vorbergen und am Fuße der niedern
Hoͤhenzüge Glimmers und Tonjdiefer, oft von Bor-
phyrmaſſen durdbroden. Ym BW. wird die iy
landjdjaft von der grofen Sandwüſte begrenzt. Die
rößte Breite des bewohnten Landes betragt im
rchſchnitt 200, die ganze Lange 550 km. an
hat an den Küſten afrikaniſche Hige, auf Dem Achdar
find während de3 Winters Schnee und Eis nicht fel-
ten. Die Nordoftmonjune bringen pear a
die Regengeit wahrt vom Oltober bis sum März, der
jährliche Niederſchlag betragt in Wasfat 156 mm.
Gleichwohl find die Berghöhen meiſt fahl, die Berg:
ſtröme trodnen im Sommer ein, und die Kultur fann
jid) Daber nur auf einzelne Daſen erjtreden, wo Dat-
tel, lee, Mais, Indigo, tropifde 7 te und Ge-
müſe gedeiben. Die vorhandenen Erze (Kupfer, Eifen,
Blei) werden nicht ausgebeutet. hmt find die
Dromedare von Oman. Das Meer ijt aukerordent-
lich reich an Fiſchen, die ausgefiihrt und felbjt zum
Diingen verwendet werden.
Langs des Perſiſchen Meerbujens erjtredt fid end.
lid) die Landfdaft C1 Hafa (Ahſa), eine überaus
heiße Tehama, ebenfalls durd cine Bergfette vom
Innern getrennt. Sie zeichnet fic) infolge zahlreicher,
meiſt heißer Ouellen durch Frudtbarfeit und mannig-
fache Erzeugniſſe, namentlich vortreffliche Dattetn,
aus. Hauptorte find Ratif und Hofhuf. Politiſch ſteht
Haſa ebenfo wie die ndrdlid) gelegene fleine Republif
Kueit unter titrtifder Botmäßigkeit und bildet ein
Sandidaf des Wilajets Basra (mit 150,000 Einw.
auf 80,600 qkm). Der Küſte von Haſa gegeniiber
nördl. Br. bis zur Meerenge Bab ef Mandeb, ijt die
Landſchaft Jemen oder das Glückliche A. mit reid
lidern Niederſchlägen und demygufolge aud üppi
gerer Vegetation als der Norden. Uber einem flachen,
jandigen Küſtenſaum, der nur an einigen bewäſſerten
Stellen fruchtbar ijt und vorzüglich Durrabhirje und
Palmen hervorbringt, erhebt fic) das Bergland bis
ju 2800 m. Bradtige, im nördlichen YW. unbefannte
BWaldungen mit bohen Baumen (darunter ausgezeich
nete Feigenarten) bededen die Berghänge, wabrend
die Gipfel meiſt nat bhervortreten und auf den ter:
raſſenförmigen Abhängen bis hod) binauf die Kultur
Des Kaffeebaums betrieben wird, der Hier (namentlic |
liegt Die durch Perlenfiſcherei berühmte, unter britt-
idem Schutze ftehende Inſelgruppe Bahrein (f. d.).
Im Innern ift jest Der madtigite Staat das Eun
rat Hail, naddem Mohammed ibn Rafdid 1891 dre
vereinigten Stämme des Nedſchd geidlagen hatte; doch
beginnt es nach ſeinem Tode 1897 unter ſeinem Ref-
fen Abd ul Aſis gu zerbröckeln. Das einſt madtige
Riad ijt (mit kurzer Unterbredung Unfang 1902)
Hail tributir. Nad) S. gegen Hadramaut und Oman
jowie nordwiirts geqen den Euphrat bin dehnen fid
große Wiijten aus. Die Hammada nördlich vor
Redichd it die Heimat der bejten arabiſchen Boll-
blutpferde. Nedſchd, von nordwwejtlich jtreichenden
Gebirgen durchzogen, liegt wm mebrere 100 m höher
als Die angrenjgenden Lander und ijt Dadurd gefiinder
und anbaufibiger als dieſe. Die bedeutendern Stadte
find: Haul, Riad, Houtah, Oneife, Schakra, Bereide,
Chaͤrfa, Sadit, Seddus, Wifateh, Dſchof. Bon der
ndrdlidjen Wüſte ijt der djtliche Teil nod) am bekann⸗
Arabien (Gefdidte).
teften, weil bie Rarawanen von Bagdad nad) Basra
fie Durdfdjreiten. In der Nähe des Euphrat ijt das
Vand gut bewäſſert, fruchtbar und verliert allmählich
den Charafter der Wüſte.
Geſchichte Arabiens.
Die ältere Geſchichte Arabiens iſt noch ziemlich dun—
fel. Es ſcheint der Urſitz der Semiten geweſen gu fein
und wiederbolt feine Menſchenmaſſen iiber Borderajien
und nad Afrika ergoſſen ju haben. In der älteſten
hiſtoriſchen Zeit bejtand feine Bevdlferung aus zwei
Hauptgruppen, den ndrdlid) wohnenden Ismaeliten
und den fiidlidjen Joftaniden (Kahtaniden), die beide
als Nachtommen Sems gelten. Den nordiwejtliden
Teil, Arabia Peträa (nad der Stadt Petra), bewohn⸗
ten die Idumäer (Cdomiter), Nabatäer und Midia-
niter; das Wüſte A. die eigentliden Ismaeliten; in
Siidarabien bejtanden die Reide der Minäer und
Sabäer; dag legtere, mit der glänzenden Hauptitadt
WMariaba, wurde durd) das der Homeriten (Himja
riten) mit den Hauptitidten Taphar, fpater Sfan'a,
abgelijt. Un der Siidfiijte ſaßen die Ehatramotiten
mit der Hauptitadt Sabota, endlid) an der Südoſt—
fiijte die Maken und am Perſiſchen Meerbuſen die
Gerrhäer. Much in den ſüdlichen Teilen Syriens, Me-
jopotamiens und Babyloniens finden wir fdon früh
arabiſche Stämme. Wahrend die Raubsiige der Ara—
ber gcitweife Die Radjbargebiete gefährdeten, wurden
jie felbjt von den Croberungssiigen der babylonifden
und ajjyrifden, ägyptiſchen und perfifden Herrſcher
nur vorilbergehend und meijt nur im Norden ihres
Landes berührt. Werander d. Gr. riiftete fid) zu einem
Zuge gegen fie, ward aber durch ſeinen Tod an dejjen
Uusfiihrung verhindert. Cine hervorragende Stellung
nabm int legten Jahrhundert v. Chr. das durd) den
Karawanenhandel reid) gewordene nabatäiſche Betra
an der Grenze der Sinaihalbinjel ein. Im Silden
beherridjten feit Jabrhunderten die Sabäer die Han-
delswege, die hier von Indien über Siidarabien nad
dem Nordiweften führten. Auguſtus faßte den Plan,
ihnen dieſe Stellung gu entreigen; aber der Bug des
Geotucatves von Yqypten, Wins Gallus, in dag In—
nere von Giidarabien (25 v. Chr.) mikgliidte gänz—
lid. Das Reich der Nabatier ward 105 n. Chr. durch
Trajan eingezogen. Geit dieſer eit verſcholl das
verwiijtete Ketra, und an feiner Stelle ward Boſtra
Pauptlig des Handels fiir dieſe Bezirle. Cinige nörd—
lide Stämme blieben in ciner gewijjen Ubhangigfeit
von den römiſchen Naifern, und ihre Fiirjten wurden
alg deren Statthalter angefehen, die das Reich nad
Diten hin gu decen Hatten. Inzwiſchen war es den
Römern gelungen, den indijden Handel auf dem
Seeweg an A. vorbeizuleiten; dadurch wurde die bis-
herige Biiite Siidarabiens gebrochen. Das Land ver-
bdete, die Bewohner wurden gendtigt, 3. T. nad) dent
Rorden auszuwandern, und Seater fajt überall auf
die Stufe des Nomadentums guriid. Dazu famen
immer gefährlichere übergriffe der äthiopiſchen (abeſ—
ſiniſchen) Könige von Axum, die ſeit dem 4. Jahrh.
n. Chr. mehrfach arabiſche Bezirke eroberten. Damit
verwickelten ſich innere Swijtigfeiten, da an einigen
Stellen, namentlich durch den Einfluß der Abeſſi—
nier, das Chriſtentum eingedrungen war, dem andre,
z. T. vom Judentum beeinflußte Kreiſe widerſtrebten.
ide Religionen faßten auch an verſchiedenen Stellen
des nördlichen A. neben dem hier zum Fetiſchismus,
dort zum Sterndienſt neigenden Heidentum Wurzel.
Um 570 entriſſen die Perſer den Abeſſiniern Süd—
arabien. Überall aber blieben die arabiſchen Völker
zerſpalten und zerfleiſchten einander Jahrhunderte
655
hindurch in innern Kämpfen, während der beſonders
das mittlere Hochland (Nedſchd) der Schauplatz jener
von den arabiſchen Dichtern vielfach beſungenen Feh—
den war. Mur felten fam es zu vorübergehender Ver—
cinigung groferer Stämme ju befondern Sweden,
wie un 5. und 6. Jahrh. in Sentralarabien unter der
Vorherrſchaft des Fürſtenhauſes derRinditen. Dauernd
bildete nur die Stadt Meffa mit dem alten Heiligtum
der Naaba (f. d.) Den religidjen Mittelpunkt einer Art
von Stammfonfoderation, die den ungeftirten Han-
delsbetrieb fiir das Hidſchäs (Nordweftarabien) zu
jichern bejtimmt war. |
Die nene und große Ära der arabiſchen Geſchichte
beginnt mit der Stiftung und —— des isla⸗
miſchen Glaubens. Mohammed (f. d.), der Stifter
, Desfelben, ſchweißt die arabiſchen Stänme zum Staat
zuſammen, und fo iiberninunt dies Volk auf ein paar
Jahrhunderte cine fehr bedeutungsvolle Miſſion in
der Weltgeſchichte (f. Ralifen). Jn den cingelnen Land-
| ſchaften Arabiens felbjt famen während der Herrſchaft
der Kalifen, die das ſchwer jugiin lide Land ſchon
feit etwa 800 nicht mehr feft in der Hand batten, eine
ganze Anzahl fleiner Dynajtien auf. Meiſt waren es
Scherife, d. h. Nachkommen Wis (7. Ali 1); gu ihnen
gehörten insbef. die in Meffa regierenden Hafdimiten
(1063—1200) und die Radhfonumen des Katãda (1200
bis jet), Die unter türliſcher Oberhobheit, doch ziemlich
jelbjtandig find. Yn Jemen herrſchten nad: oder ne-
beneinander feit dem 9. Jahrh. bejonders die Dynajtien
Der Sijaditen, Nedſchahiten und Soleibiten, bis 1173
die Ejjubiden Siidarabien eroberten. Auf fie folgten
die Refuliden (1231) und dann die Tabiriten, die fid
bis auf die osmaniſche Eroberung (1517) bielten.
Wabhrend ſich im Norden Urabiens die tiirtifde Macht
intnter weiter ausbreitete, behaupteten fich die Heinen
alidijden Jmame (Fiirjten) aus dem Geſchlechte der
Seiditen in den Gebirgen Jemens; wm fie ſammelten
jid) die mit der tiirtifden Hervichaft Ungufriedenen.
Nad) zahlreichen fleinern Aufſtänden brad 1567 cine
allgemeine Empörung aus. Cin türkiſches Heer unter:
warf gwar 1570 Semen wieder; aber mit dem 1574
erfolgten Tode Sultan Selims IT. beqann die Kraft
der osmanifden Dynajtie su erlahmen, und die Tiir-
fen muften Semen 1633 gänzlich den feiditifden Mein-
fiirjten überlaſſen. Um 1740 erhob fic) tm Innern
Arabiens die Sefte der Wahhabiten (ſ. d.). Mit gro-
per Rajchheit verbreitete fic) die Bewegung fiber ganz
Sentralarabien ; 1803 nahmen die Wahhabiten fogar
Weffa ei, und bald erjtrectte fich ihr Einfluß im Sü—
den bis Onin, wabrend fie im Norden in die Bro-
ving —— einfallen und einen Angriff auf Syrien
planen konnten. Die Türken mußten Mehemed Ali
(j. d.), dem Vizekönig von Ägypten, den Krieg gegen
die Wahhabiten iibertragen. Jn der Tat wurden bis
1819 die Empörer in das Innere zurückgedrängt; im
Namen des Sultand gebot Mehemed Wit iiber Nord:
wejtarabien, von wo aus er ſeine Macht nad) Semen
ausdehnte. WIS aber fein Verſuch, fid) von den Tiir-
fen oe machen, durch die Yntervention der
europäiſchen Mächte qefcheitert war, mußte er 1841
aud) die arabiſchen Gebiete an die Pforte wieder aus-
licfern. Cin türkiſcher Paſcha rejidiert wieder neben
dem Scherif in Wella, cin andrer in Sana in Je—
men; dod) ijt letztere Proving auch jest cin fehr un-
fidherer Bejis, wie fortwaibhrende Warmnadridten
aus Siidarabien beweifen. Jn Bentralarabien herr
ſchen die Nachkonimen der Wahbhabiten, die Anfang
1902 fogar Riad auf kurze Zeit guriideroberten; in
Oman (Waslat) fist ſchon feit Jahrhunderten eine
656
alidiſche Dynajtie (Amame), die Stämme des übrigen
Südarabien (Hadramaut x.) ſtehen frei unter ihren
Héuptlingen; nur Uden halten die Englander befept.
Val. aud Wjien (Entdeckungsgeſchichte).
[Qiteratur.] Val. Nie buhr, Befdreibung von A.
(Ropenh. 1772), und deſſen -Reiſebeſchreibung nad
A.« (Daf. 1774—78, 2 Bode.); die Berichte von Bur d-
hardt (Deutid, Weim. 1830), Laborde (Par. 1830),
Wellſted (deutſch, Halle 1842), Tamifier (Rar.
1839, 2 Bode.), R. Burton (Lond. 1855 u. 6.),
Malgan (⸗Meine Wallfabrt nad Meffa«, Leipz.
1865, 2 Bde.; »Reife nad) Siidarabien«, Braunſchw.
1873), W. G. Palgrave (deutſch, Leip;. 1867— 68,
2 Bde.), Sadlier (Bombay 1866); v. Wrede, Reife
in Hadramaut (Braunfdw. 1873); Vandenberg, |
Le Hadramont (Batavia 1886); Manzoni, El Ye-
men (om 1885); Anne Blunt, A pilgrimage to
Nejd (Lond. 1881, 2 Bde.); Doughty, Travels in
Arabia Deserta (Cambridge 1888, 2 Bde.); Charles |
Huber, Journal d'un voyage en Arabie (Bar. 1891);
v. Nolde, Reiſe nad Annerarabien xc. (Braunfdw.
1895); Euting, Tagebuch ciner Reife in Innerara⸗
bien (Leiden 1896, Bd. 1); L. Hirfd, Reijen in Siide |
arabten x. (Daj.1897); Bent, Southern Arabia (Yond.
1900); 3wemer, Arabia, the cradle of Islam (Cbi- |
cago 1900); Hull, Geology and geography of Ara-
bia Petraea, etc. (Qond. 1886); Zehme, A. und
die Araber feit 100 Qabren (Halle 1875). — Die
vorislamiſche Geſchichte Arabiens bearbeiteten Cauſ⸗
fin De Perceval, Essai sur l'histoire des Arabes
(Bar. 1847—48, 3 Bde.); NHL dele, Gefdhichte der
Berjer und Araber zur Beit der Safaniden (Leiden
1879); Derjelbe, Die ghaſſäniſchen Fürſten (Berl.
1887); Rothitein, Die Dynaſtie der Lachmiden (daſ.
1899); Windler im 3. Bande von Helmolts » Welt-
ejdhidite<« (Leips. 1899). Beitriige jut einer kritiſchen
rarbeitung des Materials finden ſich bei Forſter,
Historical geography of Arabia (ond. 1844, 2 Bde.);
Sprenger, Alte Geographic Urabiens (Bern 1875).
In den Bearbeitungen der fiidarabifden Inſchriften
dburd D. H. Willer, J. H. Mordtmann, Ed. Glafer,
H. Windler und Fr. Hommel find die betreffenden
hiſtoriſchen Verhältniſſe vielfach berückſichtigt, und
Glaſer hat eine Bearbeitung des Ganzen begonnen
(> Sfigze Der Geſchichte und Geographie Arabiens«,
bisher nur Bd. 2, Berl. 1890). Für die nachislamiſche
Beit ſ. Kalifen und Wahhabiten; außerdem Snoud
Hurgronje, Meffa, Bd. 1 (Haag 1888); Wüſten
feld, Semen im 11.(17.) Jahrhundert (Götting. 1884).
Arabin, Hauptbeftandteil des Gummiarabikum,
das Calcium: und Kaliſalz der Urabinfadure
(Gummifaure), (CgH,0.), + HO, die ſich aud
in Der Sucerriibe und vielleidht ganz allgemein ver
breitet im Pflanzenreich, aud) im Mailäfer, in der
Seidenraupe und im Flußkrebs findet. Arabinſäure
wird aus der Löſung von Gummiarabikum nad Zu—
fas von etwas Salzſäure durch Wifohol qefallt, ijt
amorph, farb-, geruch- und geſchmacklos, löſt ſich feucht
in kaltem Waſſer, quillt getrocknet froſchlaichartig und
löſt ſich nur bet Gegenwart ciner Baſe, fie iſt unlös—
lic) in Allohol, reagiert ſauer, bildet meiſt lösliche
Salze, gibt beim Kochen mit verdünnter Schwefelſäure
Galaktoſe, mit Salpeterſäure Schleimſäure. Im Orga
nismus werden vom Gummiarabikum etwa 46 Proz.
verdaut, vielleicht nach Umwandlung in Zucker durch
Magen und Vankreasſaft.
Arabinöſe Pektinoſe) CHO, od.C,H,(OH),.
CHO entſteht beim Kochen von Kirſchgummi mit ver
diinnter Schwefelſäure, bildet farblofe Rrijtalle, ſchmeckt
Arabin — Arabiſche Literatur.
weniger ſüß als Rohrzucker, löſt fid) in Waſſer, nicht
in Ulfohol, polarifiert nad) redjts, ſchmilzt bet 160°,
ibt bei Orydation Urabonfiure C. HaO, umd
Teiictgiuiertiscee, mit Galsfaure erbigt Furfurol,
mit Natriumamalgam Yra bit C,H,,0,, einen fiinf-
wertigen Witohoi, der farblofe Mrijtalle bildet, ſuß
ſchmeckt, im Wifohol löslich ijt und bei 102° ſchmilzt
Arabi Pafda (Achmed °.), Unfiibrer der na-
tional-dgypt. Militãrpartei 1882, Sobn eines Fellabs
aus Unterägypten, wurde unter Said Paſcha Offizier,
nahm 18. Febr. 1879 an der Rebellion gegen Nubar
teil und ward von Tewfik Paſcha zum Oberiten be-
fordert. A. ftellte fid) an die Spige Der Rationalpartei,
erzwang 1881 die Berufung einer Notabelnfammer
und ward im Februar 1882 ſelbſt Kriegsminiſter.
Durd die Schwache des Chedive und die Uncinigteit
.
der Mächte ermutigt, trat A. als Herr in Agypten auf,
befeitigte die europaifde Finanzfontrolle und veriangte
Agypten fiir die Ugupters. Er widerfeste fic) dem
CEinfdreiten der Englander, was 11. Juli zur Be:
ſchießung von Werandria fiibrte, und fammelte cin
Heer, wurde aber 13. Sept. 1882 bei Tell el Kebit ge-
idjlagen und ergab fid) 14. Sept. in Rairo den Eng
ländern. Bon diefen nad Ceylon verbannt, wurde
er im Dezember 1900 beqnadigt und durfte im Mai
1901 nad) Ägypten zurücklehren.
Arabis L. Gänſekreſſe, Ganfefobl), Gat-
tung Der Rrugiferen, einjährige und ausdauernde rau:
ter mit einfachen, büſchel- oder roſettenſtändigen Biat-
tern, meiſt weißen Blüten und linealen Schoten. Uber
100 Arten, meiſt im Norden der Alten und Neucn
| Welt und im perry sage Cinige, wie A. albida
Stev. in den Gebirgen des Wittelmeergebietes und
A. alpina Z. in Aſien und Nordeuropa, auf den Wi
per, rajenbildend, mit grauweißlichen, fat filzigen
Blattern, werden als Zierpflanzen benugt.
Arabiſche Kunft, dicjenige Richtung der Kunſt.
die fid) mit der gunehmenden Herridaft der Araber
und des slam über Nordafrifa, Borderafien, In—
Dien, Sizilien und Spanien verbreitete. Die a. K.
in ibrer höchſten Entwidelung äußerte ſich nur in
Schdpfungen der Baukunſt und in dantit verbundener
plajtijder und ornamentaler Deforation. Zu höchſter
Bliite gedieh die a. KR. während der Herricaft der
WMauren in Spanien. Näheres ſ. Urdhiteftur, S.714f.,
und Yrt. »Bauſtile« nebjt Tafeln.
Arabifde Literatur. Dic a. L. ijt nicht blog
“wegen ihres überaus reidjen Inhalts von höchſter Be
deutung int geijtigen Entwickelungsprozeß der Menſch
heit, fondern fie gewinnt insbe). Dadurd cin cigen-
tümliches Intereſſe, Dah ihre Blüte in cine Beit fallt,
Da in gang Europa nod tiefes Dunlel herrjdte. Da-
mals fanden viele Wiffenfdhaften nur in ihr gedeihliche
Pflege, deren Reſultate dann auf die Anfänge der
abendländiſchen Wiſſenſchaft nachdrücklichen Einfluß
übten. Ihre Geſchichte beginnt erſt ein Jahrhundert
vor Mohammed. Den ganzen Zeitraum vor Moham-
med nennen die Uraber felbjt »Barbarei«. Dak in
Yrabien indes ſchon frühzeitig die Poeſie geübt wor-
den fei, läßt ſchon der Genius ded Bolfes erwarten
Die in Urabien anſäſſigen Stämme hatten alles, was
die Naturpoefie begiinitiqt, lebbafte Auffaſſungsgabe
und leidenſchaftliche Empfindung. Aber aud) das mit
Gefahren und Beſchwerden verbundene Leben in ditr-
ren Sandwüſten unter fteten Fehden mußle cine mann
lide Dichtfunft weeten, die einen ritterlichen Geiſt at
mete. So entitand cine Poeſie, die in hervorragender
Weiſe Sache des ganzen Bolfes war. Das WUnfeben,
das den erfolgreiden Dichter belohnte, regte den
Arabifce Literatur (geſchichtliche Entwickelung).
Wetteifer zwiſchen Stämmen und Cingelnen an. Wer
fic) begeijtert genug fühlte, andre Didter gu befiegen,
ping (nad ciner fpaterfundenen, aber dharafterijtifden
age) zu Mella fein Gedicht als Herausforderung an
die Wand der Kaaba. Der Dichter mufte feinen Geg-
nern Rede ftehen, und nur, wenn er die Tadler be-
fieqte, fonnte das aufgehangene Gedicht die Ehrenſtelle
an der Wand der Raaba behaupten. Auf folde Preis-
gedichte Deutete man die Namen Moallakät (»auf-
ehingte«) und Mudjahhabat (»vergoldete<, weil
t mit goldenen Buchſtaben auf Byſſus geſchrieben
ſeien). Man bezeichnete mit dieſen Namen ſieben Ge—
dichte der vorniohammedaniſchen Dichter Umvrilfats
(j.d.), Tarafa (f.d.), Soheir (ſ. d.), Lebid (ſ. d.), Antara
(j. d.), Amr ibn Kulthum und Harith (vgl. Arnold,
Septem Mo'allaküt, Leipz. 1850; »Tibrizi, a com-
mentary on 10 ancient Arabic poems«, hréq. von
Ch. Lyall, Kalfutta 1891—93, 2 Tle.; Bh. Wolff,
657
Heit geniigt, Wiſſenszweige ins Leben zu rufen, fiir
die innerhalb des ftrengen Islam eigentlich fein Play
war: die Raturwifjentharten und die Philoſophie.
Beide waren bis dahin ausſchließlich von Syrern ge-
pflegt worden, welche die Schriften griechiſcher Philo—
fophen und Ürzte fannten und ftudierten (7. Syrifde
Niteratur). Unter den Ubbafiden mun fing man an,
Diefe Werke aus dem Syrifden in das Arabiſche ju
überſetzen. Gleichzeitig wurden durch perſiſche Ver—
mittelung Verbindungen mit Indien angefniipft, und
dem Cifer, mit dem man dem Fremden ingang ver⸗
ſchaffte, entſprach die Energie der eignen Tätigkeit, die
bei den ältern Abbaſiden, vor allen bei el Marin
(813—833), die wirkſamſte Förderung fand. Er grün—
dete eine grofe Bibliothef und eine Grernwarte und
unterſtützte im jeder Weife die wiſſenſchaftlichen Be-
jtrebungen, die i an jene Überſetzungen antniipften.
Cin gweites Baterland hatte die arabiſche Kultur
Mu'allatit, ins Deutſche übertragen, Rottweil 1857). | in Spanien gefunden. Hier wetteiferten die newen
Außer diefen Gedichten find aus der Zeit vor Moham⸗
mcd nod) viele in den Diwanen (f. unten) eingelner
Didter und Stämme und in fonjtigen Unthologien
erhalten, obgleid) die meijten Gedidte diefer Samm |
lungen erſt dent 1. und 2. Jahrh. nad) Mohammed
angehiren. Bejonders berühmt find bier die Diwane
der Didhter Nabiqha, Untara, Térafa, Soheir, Ultama
| verfitat gu Cordoba fiir den Wejten.
aus verbreitete fid) der wiſſenſchaftliche Ruhm der
omaijadiſchen Kalifen mit den Abbaſiden im Orient.
Durch ihre Bemühungen begannen Ackerbau, Kunſt⸗
fleiß und Handel gu bliiben, und Spanien wurde cin
Hauptſitz der arabifden Literatur. Was Bagdad fiir
Aſien, war die von Hafent IT. (961) geſtiftete Uni-
on Spanien
ef Fahl, Amrilkais (hrsg. von Ahlwardt, Lond. 1870); | Uraber fiber das chrijtlidje Europa, und bald nad
der Diwan der Hudfetliten (hrsg. von Koſegarten,
daſ. 1854, und Wellhaufen, Skizzen und Borarbei-
ten, 1. Heft, Berl. 1887). Wlle diefe Dichtungen, die
erjt im 2. und 3. Jahrb. der Hedſchra ſchriftlich fixiert
wurden, ſetzen ein siemlich reid) entwideltes Leben und
einen feinen Formenfinn voraus (vgl. Ahlwardt, Über
Poefie und Poetif der Uraber, Gotha 1856). Neben
und mit der Dichtkunſt, gleichwie dieje aber mur durch
mündliche Überlieferung fortgepflangt, blühten das
Sprichwort und die Sagengeſchichte der Stämme.
Eine andre Richtung nahm das Geiſtesleben der
Araber durch Mohammed. Sein Rordn (jf. d.)
ftcllte fid) in mehr als einer Beziehung in direften
Gegenſatz gu den bisherigen Anſchauungen der Uraber. |
Alles wurde num theokratiſch religiöſen Gefidhtspunt-
ten unterqeordnet; Der Koran erjeugte und bedingte
zunächſt ausſchließlich die Entwidelung der wiſſen—
ſchaftlichen Triebe. Er durfte in feine fremde Spradhe
fiberjegt werden; ihn gu veriteben, mußte der per-
fiide 2c. Mohammmedaner Arabiſch lernen. Seine dun⸗
feln Stellen und Anſpielungen fonnte man nur in
ihrem rictiqen Sinn erfafjen, wenn man fid an die
Gefährten de3 Rropheten wandte, deren Berichte über
Handlungen und Ausſagen Mohammeds nun eifrig
qejammelt und geſichtet wurden. So entftanden die
Koran wifjenjdaften und die Traditionsliteratur, aus
denen dann die geſamte iibrige wiſſenſchaftliche Litera-
tur hervorging, indem die Traditionsliteratur die hei-
lige Geſchichte entwidelte und diefe allmählich die Pro—
fangeſchichte ind Leben rief, die Koranerllärung Gram-
matif und Lerifographie erzeugte und fid) sur Dog-
matik einerjeits, zur Rechtswiſſenſchaft anderfeits
erweiterte.
Nicht allzulange aber ließ das geiſtige Leben der
unterworfenen Volker ſich in fo enge Grenzen ein⸗
ſchließen. Die Erhebung der Abbaſiden zur Ka—
lifenwürde und das Aufblühen Bagdads gab das
Signal ju einer geiſtigen Emangipation der natio—
nalen und freifinnigen Elemente, die befonders in
Perjien zahlreich vertreten waren. Gelang es aud
Einnen kurzem der orthodoren Reaftion, die Bewe—
ging zurückzudämmen, fo hatte dod) die kurze Frei—
Meyers Konv.-Lerifon, 6. Aufl., L Bo.
900 reijte man aus europäiſchen Landern dabin, wm
bei den Urabern hauptſächlich Mathematif und Me-
dizin gu ftudieren. Gebrochen wurde die Bliite der
arabijden Literatur in Europa mit dem Fall Cordo-
bas 1236. Bal. v. Schad, Poeſie und Kunſt der
Araber in Spanien und Sijilien (2. Aufl., Stuttg.
1877, 2 Bde.).
Nachdem die abbajidijden Kalifen im Orient gu
bloken Pontifices herabgefunten waren, betatigten
ſich Dod) in manden Fallen die Griinder der auffom-
menden einzelnen Dynajtien, in die dads Kalifat fic
auflijte, als Befirderer der Wiſſenſchaften. So die
Samaniden in Bodara (ca. 900); Wiis, der Fatimide
(975 —996), Der Stifter der Univerjitit in Rairo;
Mahmud, der Ghasnawide (997 —1030), u. a. Be—
merfensipert ijt, daß das eiqentlide Arabien von
dieſem wijjenfdaftliden Leben wenig oder gar nidt
beriihrt ward. Die unvermijfdten Rellanslazaber,
die dort, von dem Berfehr mit den unterworfenen
Volferfdaften durch ihre Wüſten abgeſchnitten, ihren
Sitten und Gewohnheiten treu blicben, haben ibre
alte Unwiſſenheit dDurd) das ganze Mittelalter bei-
behalten, und es ijt niemals aus den Augen zu Lajjen,
dak die a. L. feit Der Abbaſidenzeit keineswegs Die
| Literatur der Uraber, fondern die Literatur der mo—
hammedaniſchen Völler ijt. Wit dem 14. und 15.
Jahrh. geht die Bliite der arabiſchen Literatur zu Ende,
und das Studium der neucren Araber umfaßt auger
dem Koran faft nur die Grammatik (Nahu), die Tra-
dition (Hadith) und das Recht (Filh). Indes läßt
Der europäiſche Einfluß und die Einführung der Buch—
druderfunft in verfdiedene mohammedanijde Rultur-
freife ein neues Literaturleben erwarten, und in Agyp⸗
ten, Syrien und Andien zeigt fid) bereits cine regere
litevarifthe Tätigkeit.
Poctifhe Literatur.
Die erjte Bliite der arabifden Poeſie (Schi'r) fällt
in die Beit fur; vor Mohammed (j. oben). Sie ijt ly—
riſch, infofern fie von Haus aus fiir den Gejang be-
jtimmt war, bringt aber, im Gegenſatze jum lyriſchen
Liede, Das Gefühlsleben des Didhters nur teilweife
zum Unsdrud. In der Altern Poefie herrfden viel-
42
658 Arabiſche Literatur (Poefie, Geſchichtſchreibung).
mehr Schilderungen (von Kämpfen, Jagden, Tieren | ften Bücher und in viele abendlindifde Sprachen
und Waffen), Lob, Selbjtlob, —— und überſetzt; aus dem Pehlewi ins Arabiſche von dem
Totenflagen vor. Die ſpätere Poeſie halt dieſe The- Perſer on el Mokaffa (geſt. etwa 760; der arabiſche
mata zwar feſt, ſchlägt aber daneben, beſonders in Text hrsg. von de Sacy, Par. 1816; mehrfach aud)
Liebes⸗, Wein- und religiöſen Liedern, Tine an, die ſeit 1835 tm Orient gedrudt). Die andre Sammlung
jtirfer an das melos der Griedjen (die meliſche Dicht: | fiihrt den Namen Lokmäns (jf. d.). Wusfchlieflicher
funjt) crinnern. Die Form der arabifden Poeſie hat | der VolfSliteratur | der Roman an. Hauptiad-
mit den abendländiſchen Formen nidts Gemeinſchaft- lid) wählte man Ritter- und Heldengefdidten sum
lidjes. Jeder Bers (Beit) zerfällt in zwei Halbverje | Gegenſtande der Darjtellumg, wobci mande Stoffe
von gleidem Metrum, die Verſe haben alle denjelben | aud) aus dent Perſiſchen entlehnt wurden. Die drei
Endreim, und auch das Versmaß geht ohne Ubwedfe- | umfangreiditen und zugleich beliebtefter Romane
lung durch das gange Gedidt hindurd. Strophen- | find: Die »Siret Antar« (j. Untara), die »Siret Beni
bildung zeigt fic) im der jiingern Poeſie, hat aber die Hilal« (teilweife in Beirut und Kairo gedruct) und
hergebradte Form nicht ju —— vermocht. »Das Leben des Sultans Bibars«, das in den Kreuz:
Der Einteilungsgrund der arabijden Gedichte ijt die | zügen fpielt. Marden gehdren nod heutzutage zu
Lange. Bon den kürzern heißen die 7—14 Beit langen | den belicbtejten Unterhaltungen des Bolfes, an der
Ghaſele; fie find jiingern Urſprungs und meijt ero- | Spige derfelben »Taujendundeine Nacht« (jf. d.).
tiſch. Gedidjte von mehr als 30, dod) felten iiber 100 Geſchichtſchreibung. Geographic.
Beit heißen Kaſſide (f. d.). Eine Sammlung von| Die hijtorifde Literatur fallt zunächſt mit der
Gedichten Eines Verfaſſers heist Diwan (»Regijter, | Traditionswiffenfdaft, 3. T. auch mit der philologi-
Aufzeichnung«). ſchen Erflirung der alten Poeſie (Stammſagen u. dal.)
Mit dent Koran fam ein religiöſes Element in die | und der Genealogie zuſammen. Allmählich entwidelt
alte Poeſie, das ihrer freien Entwidelung hinderlid) | fie fid) felbjtindiger, zunächſt im Anſchluß an die
war; tropdem erjtanden unter den altnational und | Berfon und Taten ded Propheten re alteften und
profan gejinnten Dmaijaden nod eine ganze Zahl her- | widtigiten Darjtellungen von Jon Ishäk, bez. Ibn
vorragender Didter, die den Geijt der vorislamifden | Hifdam, ſ. d., und Wafidi, ſ. d.), bejonders aber feit
Poejie fortpflanzten. So der berühmte Liebesdidhter | dem 3. Jahrh. der Hedfdra, nach dem Belanntwerden
Omar ibn abi Rebi'a (geft.719; Diwan gedruct Kairo mit der perjifden überlieferung umd der drijtlicden
1893, hrsg. von Schwarz, Leip. 1901, Bd. 1), el Achtal Chronologie. Ihr Verfahren ijt jahrhundertelang
(get. ungefähr 710, Diwan hrsg. von Salhani, Beirut annaliftit, ohne hiſtoriſchen Pragmatismus, aber
1891—92), das feindlidje Didjterpaar Dſcherir und | in der guten Zeit nie ohne Angabe der Quellen. Unet-
Feresdalk (beide gejt. 728, des erftern Diwan gedrudt dotiſche Details lieben die Gefdhichtichreiber befonders ;
Rairo 1895, 2Tle. des letztern hrsg. und fiberjestvon | bei Den meiſten findet fich fbertreibung und Leicht
Boucher, Par. 1870 ff., unvolljtindig, fortgelest von | qliubigfeit, aus vielen fpridt cine theofratijde Yn-
Hell, Münch. 1900—1901, 2 Bde.) u. a. Cine ge- Bot der Weltbegebenheiten. Seit dem 10. Jahrb.
wiſſe Wiedergeburt der Dichtkunſt fallt in die Epoche ſchrieb man aud) Univerſalgeſchichtswerle, und Be-
der Ubbajiden. Sie wird jest muslimifd und ſtädtiſch runi (973 —1048), ein höchſt bedeutender Kopf, ver-
und nimmt nun immer mehr den Charafter einer höfi⸗ fate cine widhtige »Chronologie orientaliſcher Bolfer«
iden Kunſtpoeſie an, die unter perfifdhem Cinfluf | (hrsg. von Sachau, Leip;. 1878; engl. von demſelben.
durd) Eleganz und geiſtreiches Wefen, aber aud) durd) | Lond. 1879). Die Sprache diefer Hiftorifer ijt meiſt
Schwulſt erfest, was fie an männlicher Kraft verliert. | cinfad und ſchmucklos, bei vielen felbft vernadlaffigt,
Die beriihmtejten Dichter dieſer Periode find: Abu bei andern umgefehrt ſchwülſtig; inmerhin feblt es
Ruwais (f.d.), Yon Dorefd (7. d.), Martanabbi (ſ. d.), | manden nidt an Erzählertalent. Jedenfalls ijt die
Abul Wid (f. d.), Toghrai (ſ. d.), Ibn ef Färidh arabiſche Geſchichtſchreibung ſchon durd den Inhalt
(f. d.), Bupiri (ſ. Burda) u. a. Der Poejie fehr innig | äußerſt widtig; fiir viele geſchichtliche Partien ijt fie
verwandt find die Makamen (ſ. d.). Da es, befons | die Hauptquelle, fiir andre, ſelbſt abendlandijde, bietet
ders nad) ſpäterer arabifder Anſicht, das Merfmal | fie widtige Ergänzungen. Die erſten umfaſſenden
eines guten Gedichts iſt, daß es mit Weisheitsſprüchen Geſchichtſchreiber ſind Perſer. Unter ihnen ragt durch
(Gilma) durchwebt iſt, fo nehmen Sprichwörter gewaltigen Fleiß hervor Tabari (j. d.), mit ſeiner fiir
und Gnomen in dieſer Literatur eine hohe Stelle die Geſchichte des Orients unvergleichlich wichtigen
cin. Nicht geringer ijt die Bedeutung der ſprich- Weltgeſchichte. Allgemeinere Geſchichtswerke lieferten
wörtlichen Redensarten. Die größtenteils apo- | außerdem: Jon Wadih (qejtorben nad) 905; »His-
fryphifden je 100 Spriide Wis, Ubu Bekrs, Omars | toriae«, hrsg. von Houtsma, Leiden 1883, 2 Bde.);
und Othmans hat der perſiſche Dichter Watwat (geſt. der ausgezeichnete Mas udi (j.d.); Vor ef Athir (f.d.);
1115) geſammelt (Wis Spriiche allein hrsg. und iiber- | Abul Faradſch, gewöhnlich Bar - Hebriius (ſ. d.) ge-
fest von Fleiſcher, Leipz. 1837). Andre Sammlungen | nannt; Abul Feda (jf. d.). Cin wirtlid genialer Ril⸗
jind von Meidani (geſt. 1124; hrsg. und iiberjest turhiſtoriker von philofophifder Bildung und großen
von Freytag, Bonn 1838 ff., 2 Bde.; Bulal 1867, Geſichtspunkten ijt der Spanier Yon Chaldiin (jf. d.».
Teheran 1873), Samadjidjari (jf. d.) u. a. Die Ge | Die dltere eit des Aslam behandeln die Croberungs-
wohnheit, Sittenlehren und Lebensregeln in Fabeln geſchichten, fo die von Beladjori (qejtorben um 82;
und Parabeln cingufleiden, ijt fdpon aus dev Bibel | hrsg. von de Goeje, Leiden 1866). Einen Ulberbtid
befannt und im Orient heimiſch. Die a. L. beſitzt der Gefdhichte des Kalifats lieferte Yon ct Tiftafa
zwei Sammlungen diefer Urt. Die eine, aus Indien (friiber als Fachreddin bezeichnet; hrsg. von H. Deren-
Jtaurmend, in Der aus Dem Mittelperſiſchen gefloſſe bourg, Bar. 1895). Die ſpezielle Geſchichte Mrabiens
nen arabifdjen Uberſetzung »Kalila wa-Dimnae ge | wurde befonders eingehend behandelt in Bezug auf
nannt, enthalt Klugheitsregeln fiir cinen Monardjen, | die heiligen Stadte, vorzüglich Mella (vgl. Wijten-
in Tierfabeln cingefleidet, und ijt unter verſchiedenen feld, Chronifen der Stadt Wetta, Leipz. 1857 — 61,
Ramen: »Fabeln Bidpais«, ~Humajiin Ramé« (⸗Kai- 4 VBde.). Mit Agypten in ſeiner mohammedaniſchen
ſerliches Buch⸗) u. a., eins der im Orient verbreitet: | Zeit beſchäftigten fid) Abd ef Latif (ſ. d.), Makrii
Arabiſche Literatur (Geographic, Philofophie, Mathematif).
(geft. 1442; »Gefdichte Der Mamlukenſultane«, tiber-
jest von Quatremere, Bar. 1837—45, 2 Bde.; »Ge-
ſchichte der Noptenc, Hrsg. und iiberjest von Wiijten-
feld, Gdtting. 1845; »Chitat«, gedrudt Bulaf 1853,
2 Bde.); mit den Berbern Jon Chaldiin (ſ. d.); mit
dem maurijden Spanien Maffari (gejt. 1631; ge
drudt Bulaf 1862 und Kairo 1885—-87, 4 Bde.;
hrsg. zur Hälfte von Dozy u.a., Leiden 1855—61,
2 Bde.; auszugsweiſe ing Englifde iiberfegt von |
Pascual de @Wayangos, Lond. 1840-—43, 2 Bde.) und
zahlreiche andre (3. T. hrsg. von Codera y Zaydin in
der » Bibliotheca arabico-hispana«, Madr. 1883 ff.).
Außerordentlich reid) ijt die a. L. an Biographien,
ſowohl an einzelnen als aud) an Gammelwerfen, von
denen wir namentlid) das von Ibn Challifain (f. d.)
anfiibren. Als Probe nenerer Gejdhidtidreibung feien
enannt des Agypters Dichabarti (gejt. 1822) Fort:
etzung von Wafrijis »Chitat« bis in das 19. Jahrb. |
(Gulaf 1880, 4 Bde.; 1884; franz. Überſetzung, daf.
1888—89, Bd. 1—38) und Ahmed ibn Zenis Geſchichte
Meklas fowie desfelben Biographie Mohammeds.
vendes) oder Mutakallimſin (»Dialeftifers). Bu
Val. Wiiftenfeld, Die Gefdhichtidreiber der Uraber
(@itting. 1882).
Wud) die Geographic haben die Uraber fleißig
bearbeitet, ja fie jtehen in dieſer Beziehung über allen
Völkern ded Mittelalters. Ihre Eroberungen, die Han-
delsbeziehungen, die feit den Wbbajiden viele Rauf.
leute nad) Indien, ind Innere von Ufrifa, ja bis
nad) China fiihrten, nicht weniger die als Religions-
pflidt vorgefdriebene Pilgerfahrt gaben Anlaß zur
Ubfajjung von Stinerarien und Reifebefdhreibungen.
Yn der mathematijden Geographic find aber die
Uraber nidt über Ptolemaos hinausgefommmen. Bon |
den Verfaſſern von Reijeberidten, die durch oft reiches
kulturgeſchichtliches Material nod) heute widtig find,
nennen wir: Ibn FadHlin (gejt. 921; »Nachridten
liber die Wolga- Bulgaren«, hrsg. und überſetzt von
Frähn, Petersb. 1832), Berumt (f. oben; »India«,
hrég. von Sadau, Lond. 1887; engl. Uberjepung,
baj. 1888, 2 Bde.), Yon Djchobeir (1145 — 1217;
hrsq. von Wright, Leiden 1852), Yon Batuta (geft.
1377, bis China vordringend; Hrsg. und überſetzt
pon Defrémery und Sanguinetti, Kar. 1853—59,
4 Bde.; gedruct Kairo 1871). Uns folden fon:
treten Beobachtungen wie den durd) die Bediirfniffe
der Staatsverwaltung erforderten Aufzeichnungen
mußten in Verbindung mit der griechiſchen Aſtro—
nomic bald geographiſche Lehrbücher entſtehen. Die
erſten Routenverzeichniſſe genügten nicht mehr, und
ſo entſtanden die umfaſſendern Werke von Iſtachri,
deſſen um 950 gemachte Umarbeitung von Valdis |
(geſt. 934) Werk durch Jon Haukal wm 976 erweitert
wurde, Mukaddaſi (ridjtiger Mafdifi, 988), Ibn el
Fatih (um 903), Yon Chordadbeh (um 880), Jon
Rojteh (um 900) und Mas'udi (f. oben; diefe fieben
hrsg. von de Goeje, »Biblioth. geogr. arab.«, Lci-
den 1870 —94, 8 Boe.), Cdrift (ſ. d.), Kaswini (Fgeſt.
1283; deſſen Nosmographie hat Wiiftenfeld, Gitting.
1848—49, 2 Bde., herausgegeben und Ethé gu itber-
jesen beqonnen, Leip;. 1868, Teil 1), Abul Feda (jf. d.).
Bekri (qejt. 1094) fried cin geographiſches Worter-
bud (hrsg. von Wüſtenfeld, Godtting. 1876—77,
2 Bde.); umfaffender ijt das von Yafiit (jf. d.).
Vhiloſophiſche Literatur.
Das Studium der BPHilofophie ging bei den
Arabern teils von den natiirlicen Dogmatijden Zwei⸗
feln und den nie gang getilgten Rejten des Heiden-
tums (bejonders des perſiſchen), teils pon den Uber-
ſetzungen der griechifdjen Werke aus. Sie hielten ſich
659
vornehmlich an die Urijtotelifde und nebenher an dic
Platonijde Philoſophie. Da fie insbej. die neupla-
tonijden Erflarungsjdriften ju Ariſtoteles benugten,
erſcheint ihre Auffaſſung der Ariſtoteliſchen Lehre
durd) neuplatonifde Butaten modifiziert. Zu einer
ſchöpferiſchen philofophijden Forſchung erhoben ſich
zwar die Araber nicht; aber ſie haben das große Ver—
dienſt, der Philoſophie eine Freiſtätte geboten, insbeſ.
auch die Logik als eine einheitliche Wiſſenſchaft dar—
geſtellt zu haben. Durch die Autorität des Korans
wurde die Stellung der arabiſchen Philoſophen zum
Islam eine ähnliche wie die der Philoſophie zum
Chriſtentum, und es bildete ſich neben einer von der
Religion ziemlich unabhängigen Kommentierung der
roßen griechiſchen Philoſophen eine niohammedaniſche
Scholaſtik (vgl. Ritter, über unſre Kenntnis der ara—
biſchen — @itting. 1844). Man kann inner⸗
halb beider gwei Ridtungen unterjdeiden: die gu der
einen, jablreichern Klaſſe Gehörenden fudten durd)
cine Dialeftijde Methode zur Erfenntnis der Wahrheit
zu gelangen und hießen Mubahithin (»Disputie-
ihnen gehören die orthodoren Aſch'ariten (vgl. Spitta,
Bur Gefdidte Abul Hafan el Aſch'aris, Leip3. 1876)
und die rationalijtijden Mu'taſiliten (vgl. Steiner,
Die Mu'taziliten, daf. 1865). Die zweite Klaſſe find
die Iſchrakijun (⸗Illuminaten«, Idealiſten), die
vorzüglich auf die Läuterung der Seele hinarbeiteten,
wobei fie mehr das Gefiihl in Unfprud nahmen und
weniger orthodor waren. Bu ihnen gehörten in ge-
wifjer Weije die Sufi (f. d.). Die beriihmteften unter
den cigentliden arabijden Philofophen find: Mindi
(f. d.) und Farabi (geſt. 950, f. d.), der Durd) feine Er—
Flarungsfdriften der Lehrer aller Spätern wurde.
Das 10. Jahrh. war überhaupt ein philofophijdh be-
ie: ihm gehdren die fogen. »lautern Briider« (7. d.)
in Basra an, die cinen halb philofophifdhen, halb
maurerijden Orden darjtellen wollten. Qn den bei-
den folgenden Jahrhunderten wirkten: Avicenna (ſ. d.),
Ghaſſali(ſ. d.) Jon Bädſchſcha (Avempace, geft. 1138),
Verfaſſer verſchiedener kleinerer, aber bedeutender Ab⸗
handlungen; Ibn ct Tofeil (ſ. d.), Averroes (f. d.).
Spiiter verflacht ſich die philoſophiſche Tätigleit zu einer
bloßen Produktion ſcholaſtiſcher Kompendien. Einen
ſehr bedeutenden Einfluß hat die arabiſche Philoſophie
beſonders in Spanien auf die Juden geübt und durch
dieſe wieder auf die Scholaſtik: ſo iſt der tiefſinnige
Avicebron der jüdiſche Dichter Jon Gabirol; Moſe ben
Maimun oder Maimonides (ſ. d.) wirkt mehr in die
Breite. Vgl. Schmölders, Essai sur les écoles
philosophiques chez les Arabes, etc. (Bar. 1842);
Munt, Mélanges de philosophie juive et arabe (daj.
1859); De Boer, Geſchichte der Philoſophie im Islam
(Stuttg. 1901) und die Schriften F. H. Dietericis (f.d.).
Mathematifhe Wiffenfdaften, Wjtronomie.
Die Uraber rechnen ju den philoſophiſchen Wiſſen—
ſchaften aud die mathematifden. Jn dieſen waren
jie ebenfalls die Schüler der Griechen, jedod) haben
jie Das Empfangene mit neuen Entdedungen vielfad)
bereichert. Sn der Writhmetil fiibrten fle aus In—
dien Den Gebrauch der (jest fogen. arabiſchen) Ziffern
ein, die Dann auf zwei Wegen, einem ndrdlidjen und
einem ſüdlichen (ägyptiſch-berberiſchen), gu den Euro-
päern gelangt find. Die Wi gebra ijt durch die Araber
zu den Abendländern gefommen, obwohl fdon dic
Griechen (Diophantos) diejen Wiſſenszweig fultiviert
hatter. In ihm zeichneten fic) aus: Mohammed ibn
Muſa ef Charesmi (um 820; jein Lehrbud Hrsg.
und überſetzt von Rojen, Lond. 1831), Thabit ibn
42*
Digitized by Google
Aradne — Arago.
Araͤchne (»>Spinne<), im gried. Mythus Todter
des Purpurfirbers Idmon juHypapa in Lydien, for-
derte, iibermiitig gemad)t durch die Bewunderung ihrer
Webekunſt, Uthene gum Wettfampf heraus. Die Got-
tin zerriß Das Gewebe der A., das Die Liebesabenteuer
der Götter darjtellte. A. will fic) erhiingen; Uthene
verwandelt fie in eine Spinne, fo dak fie hängend ihre
Kunſt weiter üben muß.
Arachuiden, ſ. Spinnentiere.
Arachnitis (gried).), Entzündung der Arachnoi-
dea (bei Meningitis).
Arachnoideéa (qricd.), die ⸗Spinnwebenhaut⸗
Des Gehirns und Rückenmarks.
Arachuologie (Araneologie, griech., »Spin-
nenlehre«), die Naturgefdichte der Spinnen; dann
die Kunſt, aus dem Verhalten der Spinnen die Wit—
terung vorber gu bejtimmen. Schon Plinius gedentt
der Spinnen als Wetterpropheten, und der Glaube
an eine foldje Gabe hat fid) bis auf unjre Beit erbal-
ten. Quatremere jtellte feine Erfahrungen in der
Araneologie⸗ zuſammen (Par. 1797 ; deutid, Frankf.
a. M. 1798), und der Meteorologifde Verein ju Briinn
jammelte 1818 die Rejultate dlterer und neuerer For-
ſcher und gab eine Unteitung zum Studion der YW.
Arachojien, Proving ded altperj. Reiches, umfaßte
das Mebiet des Fluſſes Etymander (Hilmend) oder den
Siiden des heutigen Afghanijtan. Jn A. qritndete
Alexander d. Gr. Wlerandreia Arachoton, das jetzige
Kandahar. S. Karte »Reid) Wieranders de3 Großen«.
Ardchowa, woh habende Stadt im griech. Nomos
Böotien, 942 m hod, unmittelbar unter ciner ſchrof⸗
fen FelSwand des Parnaß (Liakura) gelegen, berühmt
durch geſunde Luft, Weinbau und Teppichweberei, mit
(1896) 3224 Einw.; wahrſcheinlich das ſchon von Ho-
mer eriwibnte Unemoreia. — Hier vernicdtete 1826
der Epirote Georg Karaistafis 5000 Tiirfen, aus de- |
ren Köpfen er eine Byramide erbaute. Ctwa 7 km
weftlid) Davon die Ruinen von Delphi.
Arachthos, Fluß, ſ. Urta 1).
Arad, ungar. Komitat längs der Maros und ſtö—
rös, grenzt an die Komitate Bihar, Bets, Cſanäd,
Temes, Kraſſö- Szöreny, Hunyad und Torda-Ara—
nyos, umfaßt 6443 qkm (117 OW) und hat avon
329,840 Cinw. (Rumänen, Ungarn, Deutfde und
Slawen), 51 auf 1 qkm. Haupiort ijt Arad.
Arad, finigliche Freiftadt und Sig des qleidnami-
gen ungar. Komitats (ſ. oben), am rechten Marosufer,
116 m it. M. und Knotenpunkt an der Eiſenbahn Bu-
dapejt-Cjaba-Rarisburg, beſitzt in der innern Stadt
(Alt⸗A.) einen breiten Strafengug mit palajtartigen
Neubauten (Rathaus, Eiſenbahn-, Finany-, Veridts-
palais, Theater famt Stadtginshaus ꝛtch, nicht minder
ftattlidhe in dem Stadtteil geqen die Maros zu (das
Lyzeum, das römiſche Bad, dad Yndujtriepalais, die
Handelsafadentie rc.). A. zählt (901) 56,260 Cinw.
(wovon 60 Proz. Magyaren) und hat die größten
Spiritusfabrifen des Landes, Dampfmühlen, Fabri-
fen fiir Stirfe, Leder, Maſchinen, Waggonbau, Zie—
gel, Holzindujtrie ꝛc., 8 Geldinftitute, ut Sig eines
riechiſch-orientaliſchen Biſchofs und zahlreicher Bee
Barber (Finangdireftion, Gerichtshof, Hauptzollamt,
Tabafeinldfungsamt, Handels- und Gewerbekam—
mer 2¢.) und hat 2 Präparandien, ein Seminar, Ober:
gymnaſium, Oberrealſchule, Muſeumꝛe. mehrere Bark
anlagen (Stadtwäldchen) und drei hiſtoriſche Monu—
mente: Das 1890 enthüllte Freiheitsdenkmal von Zala
am Freiheitsplatz, cin fleineres Denfmal ju Ehren der
1849 gefallenen Honvdds auf der Promenade und
einen Granitobelist zur Erinnerung an die in demſel—
663
ben Jahr hingeridteten —— Generale (ſ. unten)
auf der Richtſtätte ſüdlich der Feſtung WU. Am linken
Marosufer (im Komitat Temes) befindet ſich die 1752
neu erbaute Fejtung A. und unfern hiervon der
Markt Neu-A. (Uj-W.) mit 901) 6139 überwiegend
deutfden Cinwohnern. — Die Fejtung wurde in den
Kriegen des 17. Jabhrh. mehrmals von den Türken
erobert und zuletzt zerſtört, aber feit 1752 wiederher-
| gejtellt und ſpielte 1849 eine widtige Rolle; der öſter—
reichiſche General Berger verteidigte fie lange gegen
die Ungarn. Anfang Auguſt fliidteten dic Muͤglie—
Der Des ungarifden Reichstags von Szegedin nach
A., wo Koſſuth die Proflamation vom 11. Aug. 1849
erließ. Sogleich nad) der Rataftrophe von Vildgos,
17. Uug., wurde U. auf Anordnung Görgeis den die
Stadt belagernden Ruſſen tibergeben. Auf Haynaus
Befehl wurden hier 6. Oft. 1849 dreizehn ungarifde
Generale (⸗Arader Märtyrer«) hingeridtet. Val. La-
fatos, Geſchichte Arads (ungar., Arad 1881).
Arados, phinif. Stadt, ſ. Amrit.
Araf (arab. a'rif), dad »Feqfeuer« des Islam
(j. d.), Die Scheidewand swifden dem Paradies umd
der Hille. Auf ihr ftehen diejenigen, die etme end-
gititige — ee ce Schickſals nicht erlangt ha-
en und in dieſem Mittelzuſtand swifden Verdamm—
nis und Geligfeit bis zum Tage des allgemeinen Ge-
richts verbarren miljjen. Den —* »Al A.« führt die
ſiebente Sure des Korans, die (Vers 44 — 45) dieſe
Zwiſchenſtation zwiſchen Himmel und Hölle beſchreibt.
Arafale, Küſtenplatz in der ital. Kolonie Eritrea,
an der Annesleybucht des Roten Meeres, ſeit 1885
von Italien beſetzt.
Arafät, 80 m hoher heiliger Berg bei Mekla in
Arabien, wo Mohammed gebetet haben ſoll, und wo
jährlich am neunten Tage des Monats Silhidfde den
verfanmmelten Pilgern eme Predigt gehalten wird.
Arafura-See (Harafora-See), Meeresteil, den
Die Nordfiijte de3 aujtralifden Nordterritoriums im
S., die Siidwejtfiijte von Nenguinea, die Aruinſeln
und Timorlaut tm N., die Torresſtraße im O. und
die Timorjee im BW. begrenzen, eins der Verbindungs—
glieder gwifden dem Indiſchen und dem Großen Ozean.
Aragh (Lentecoftinfel), Inſel der Reuen He-
briden in der Sildſee, 743 qkm gro}, mit 500 Cinw.,
von ciner bis 610 m hohen Bergkette durchzogen, mit
frudjtbaren, bewaldeten Siijtencbenen und dem Dorfe
Waumarama int äußerſten Norden.
Ardgo, 1) Dominique Francois, Phyſiker,
geb. 26. Febr. 1786 in Ejtagel bei Perpignan, geſt.
2. Oft. 1853 in Paris, trat 1804 in die polytechniſche
Schule, wurde 1805 Sefretiir des Bureau des longi-
tudes und fete mit Biot die von Delambre und Mé—
chain zwiſchen Diinfirden und Barcelona begonnene
Gradnieffung bis Formentera fort. Bei Beginn des
ſpaniſchen Aufſtandes wurde er verhaftet, entfloh, qe-
riet aber in Die Hande der Barbaresfen und erbielt
erjt 1809 feine Freiheit wieder. Cr wurde bald dar
auf Brofejfor an der polytechniſchen Schule in Pa—
rig und 1830 Direftor der Sternwarte. Er arbeitete
(bid 1816 mit Biot) fiber die Theorie des Lidhtes, fiber
die Polariſation desfelben, tiber Galvanismus und
Maqnetismus. Vit Gay -Luffac leitete er feit 1809
die Nedaftion der »Annales de physique et de chi-
mies, und als Mitglied des Längenbureaus hatte er
teil an der Redaftion de3 »Annuaire« und an der
»Connaissance de temps«. Auch ſchrieb er: » Astro-
nomie populaire« (Par. 1834-— 35, 4 Bde.). Seit
1831 Mitglied der Deputiertenfammer, gehörte cv zur
DOppojition. Die Februarvevolution von 1848 ricf ihn
664
als Mitglied in die provijorifde Regierung, in der er |
24. Febr. das Minijterium des Innern, kurz darauf
aud) das des Krieges fibernahm. Wis die Regierung
ihre Gewalt niederlegte, ernannte thn die Verjamm-
lung jum Mitgliede der Exefutivfommifjion, in wel-
cher Stellung er feinen Mut während des Juniauf—
jtandes von 1848 glänzend bewährte. Nad) diefer
Natajtrophe war A. m der Nationalverjanmilung als
Mitglied des Kriegskomitees tatig. Cine volljtandige
Sanunlung feiner Schriften erjdien unter Leitung
Barrals (Par. 1854—62, 17 Bde. ; 2. Aufl. 1865 ff.),
in deutſcher Ubderfegung von Hanfel (Leipz. 1854—60,
16 Bde.). In feinem Geburtsort Perpignan wurde
ibm 1879, in Baris 1893 ein Standbild erridtet. Bal.
Wudiganne, Frangois A., son génie et son in-
fluence (2. Aufl. 1869).
2) Jacques, franz. Schriftiteller, Bruder de3 vo-
rigen, geb. 10. März 1790 in Ejtagel (Oſtpyrenäen),
geft. im Januar 1855 auf einer Reiſe nad Braſilien,
begleitete als Zeidner die von Freycinet befehligte Ex-
pebition. die auf den Schiffen Uranie und Ph Seas
1817 —20 eine Reife um die Welt machte, übernahm
1835 die Direftion de3 Theaters zu Rouen, mupte
aber fdjon 1837 infolge ſeiner Erblindung vom Ddie-
jer Stellung juriidtreten. Seine Weltreije gab ihm
Veranlaſſung yu den interejjanten Werfen: »Prome-
nade autour du monde« (Bar. 1822, 2 Bde., mit
Atlas) und »Souvenir d'un aveugle. Voyage autour
du monde« (1838, 2 Bde., illujtriert; neue Tertaus-
Lg 1884). 1849 reijte er trog ſeiner Blindheit an |
ex Spite einer Gefellidhaft von Spefulanten nad |
Raliformien, wm dort das Goldjuden im grofen 31 |
betreiben, ward aber in Balparaijo von Li
fährten verlajjen und kehrte 1850 nad) Frantreid) |
zurück, wo er jeine Erfahrungen in dem Werle »Une
Vie agitée< (1853, 3 Bde.) verdjfentlicdte.
3) Etienne, Sdpriftiteller, Bruder des vorigen
geb. 9. Febr. 1802 in Perpiqnan, gejt. 5. März 1892
in Paris, wurde unter der Hejtauration Préparateur |
der Chemie an der polytecnijden Schule ju Baris. |
Diefe Stellung gab er jedod) bald auf, um ſich den
Liberalen anjufdlieRen, und ſchrieb meijt im Verein
mit andern (3. B. Balzac) Lujtfpiele und Baude-
villes, gab mebrere fleinere belletrijtijde Journale
heraus und madte fich auch als Feuilletonijt befannt.
Yn der Julirevolution beteiligte er fid) mit großem
Cifer. Wis Direftor de3 Théatre du Vaudeville ju
Paris fallierte er 1840 mit Vs Mill Frank Sdulden,
die er bis 1872 abjabhlte. Yn der Februarrevolution
von 1848 erbielt er die Direftion der Pojten. Bei
Dem Juniaufitand fompromittiert, entging er der Ver-
haftung durch die Flucht nad) Belgien, wo er »Spa,
son origine, son histoire, ses eaux, ses environs et
ses jeux« (Brüſſel 1851) fdrieb, ein chines Gedicht
in fieben Gefiingen. Bon Turin aus febrte er, 1859
beqnadigt, nad Karis zurück. Seine nächſten Bubli-
fationen waren: » Une voix de Lexile, cin Gedidt
(Senf 1860), und »Les Bleus et les Blanes« (Par.
1862), ein hijtorijder Roman über die Kriege in der
Vendée. Rach dent Sturze des Kaiſerreichs (4. Sept.
1870) beteiligte er fid) nur voriibergehend am politi- |
ſchen Leben (vgl. feine Schrift »L’Hotel de ville de
Paris au 4 septembre et pendant le siége«, Bar.
IN74), bis er 1878 Die Stelle als Archivar der Ecole
des beaux-arts annahm.
4)Emanuel, älteſter Sohn von A. 1), qeb. 6. Juni
1812 in Paris, geſt. dafelbjt 26. Nov. 1896, ward
1837 Udvofat dajelbjt. Als Republifaner nahm er
1845 eifrigen Unteil an der Februarrevolution. Bom
Aragon —
1
Aragonien.
25. Mai 1848 bis zum Januar 1849 war er Geſandter
in Berlin, trat Dann in die Nationalverſammlung cin
und befampfte den Präſidenten Ludwig —
Nad) deſſen Staatsſtreich machte er ſich als Verteidi⸗
er mm politiſchen und Preßprozeſſen (fo 1867 fiir den
Bolen Berezowſti, dec auf den Kaiſer von Rufland
eſchoſſen hatte) cinen Ramen, war als Mitglied des
Hejepqebenden Körpers feit 1869 dem Naijertum feimd-
lich, ears in der Sitzung vom 15. Juli 1870 gegen
die beabſichtigte Kriegserllärung und wurde nad dem
4, Sept. 1870 als provijorijder Juſtizminiſter Ma-
gi der Regierung dev nationalen Verteidiqung.
Lis Mitglied der Nationalverſammlung und feit 1876
des Senats ſchloß er fic) der Partei der gemãßigten Re-
publifaner an und war 1880 —94 franzoſiſcher Bot-
ſchafter in Bern. — Sein jiingerer Bruder, Ul fred,
geb. ee or 5. Febr. 1892, bildete fid) bei Dela-
rode jum Daler aus und madhte fic) befonders durch
das Gemälde Karl V. im Kloſter San Yuſte befannt.
Aragon, linfer Nebenfluß de3 Ebro in Spanien,
—— Col de Somport, mündet nach 192 km
langem Lauf unterhalb Milagro. Nad ihm ijt Ara—
gonten benannt.
Aragona, Stadt in der ital. Provinz Girgenti
(Sizilien), Knotenpunft an der Eiſenbahn Palermo-
Porto Empedocle, mit einem alten Schloß, Mandel⸗
fultur und (1901) 14,215 Einw. Jn der Umgegend von
U. finden ſich bedeutende Schwefelgruben und der
Sdhlammovulfan Maccalubi.
— Aragonien (Aragon), einſt ſelbſtändiges jpan.
Königreich, welded den ganzen norddjtliden Teil der
Halbinfel einnahm und die fogen. aragonifden Pro-
vinjen Aragon, Ratalonien und Balencia nebjt der
Balearengruppe umfafte; jest ſpaniſche Landſchaft
mit Dem Litel eines Königreichs, 47,391 qkm (860,9
OM.) groß mit (900) 912,711 Cinw., wird gegen R.
von Sranfreid, gegen W. von Navarra, Wit- und
Neufajtilien, gegen S. und O. von Valencia und ata-
lonien begrenjt. Der Aragoneſe hat alles Fremde
und jeidjnet ſich durch cin jinjteres, rachſüchtiges, Da
bet bigottes Wefen aus. Zugleich aber beſitzt er Pa—
triotismus, Freibeitsjinn, perfintiden Mut, Energie
und Enthaltjamfeit. Die Manner find meijt grok
Hager und ſehr gebräunt, qute Soldaten und Jager;
die Frauen ſchön gewadjen, mit fdwarjen Augen
und reichem Lodenhaar. Der urfpriinglidje rauhe
Dialeft der Uragonejen hat fid) allmahlid) mit dem
taſtiliſchen verſchmolzen. A. zerfällt in die Provin—
jen Saragoſſa, Huesca und Teruel (ſ. dieſe Artilel).
Hauptſtadt des Landes iſt Saragoſſa.
Geſchichte. Das jetzige A. fam nad Aufhören
der römiſchen Herrſchaft in den Beſitz der Weſtgoten.
ſeit dem 8. Jahrh. in den der Araber, Anfang des
9. Jahrh. nebſt Katalonien teilweiſe unter fränkiſche
Herrſchaft. Die Grafſchaft A., als deren erſter Graf
Azenar, cin Sohn des aquitaniſchen Herzogs Eudo,
enannt wird, fam nad Erlöſchen des gräflichen Hau⸗
* um 1000 durch Erbrecht an König Sando d. Gr.
von Navarra (970-1035), der bet jeinem Tode A.
jeinent natiirlidjen Sohn Ramiro I. zuwies. Diefer
erwarb Ribagorja und Sobrarbe hinzu, lämpfte gliid-
lid) gegen Die WMauren und nahm den Königstitel
an. Seine Nachfolger Sando Ramire; (1063—94)
und Pedro (1094 —1104) ſetzten den — en die
Mauren mit Erfolg fort; endlich eroberte trond 1.
(1104-34) Saragoſſa 1118 und erbob es zur Haupt⸗
jtadt Uragoniens. Sein Bruder Ramiro IL. verlodte
feine Tochter Petronella (1137) mit dem Grafen Rai-
mund Berengar J., Grafen von Barcelona, der den
Aragonien — Aragonit.
Grund zur Vereinigung Kataloniens mit A. legte,
indem fein älterer Sohn, Alfons II. (116296), ihm
1162 in Katalonien, 1163 aud) in YW. folgte. Unter
ihm und feinen Nachfolgern ward A., durd) die Er-
werbung Roujfjillons, Montpelliers, Cerdagnes, Car-
caffonnes und andrer Pyrenäenlandſchaften, Valen:
cias und der Balearen vergrößert, die zweite chriſtliche
Macht Spaniens neben Kajtilien. Pedro IT. (1196—
1213) nahm jeine Krone vom Bapft ju Lehen. Die
von König Jakob J. (1213—76), von weldem die
Ronjtitution Uragoniens herriibrt, beabjidjtigte Tei-
lung des Landes fam nidt sur Ausführung, da deſſen
älteſter Sohn, Peter LIL. (1276—85), feinem Bruder
Jakob Il., welder die Balearen, Rouffillon, Cer-
dagne xc. befommen hatte, die Lehnspflidtigheit auf.
gwang. ‘Beter IT. erwarb ſpäter (1282) Sixilien,
ward aber infolge davon mit Frankreich in Krieg ver-
widelt. Als die hierdDurd und durd fonjtige Fehden
hervorgerufenc finanjielle Not ihn zur Musfhreibun
Driicender Steuern bewog, traten die Stände von A.
gu Tarragona 1283 zur erjten Union zuſammen und
wangen dem König das Generalprivilegium von
ragoffa ab, das die monarchiſche Gewalt betridt-
lid) verminderte. Ihm folgte 1285 fein altejter Sohn,
Alfons IIT. (1285—91), m den fpanifden Reiden,
der jiingere, Jafob, in Sizilien. Nach Alfons' fin-
derlofem Tode folgte ihm fein Bruder Jafob I. (1291
bis 1327), der Sardinien erwarb und 1319 die Un-
teilbarteit des aragoniſchen Reiches feſtſetzte; dod) be-
tag W., Katalonien und Valencia eiqne Cortes.
uf Jakob folgte 1327 jein Sohn Alfons IV. (geſt.
1336), der gegen die Genueſen und mit feinem Schwie⸗
ervater Ulfons XL. von Rajtilien glücklich gegen die
auren fodt. Sein ong 2 Peter IV. (gejt. 1387)
beendete den dem Handel Aragoniens nadteiligen
Krieg nit Gerua, opty Majorca (1344) wieder
mit A. und befeftigte die fonigliche Gewalt durch den
Sieg über den unbotmafigen Wdel bei Cpila (1348).
Sein Sohn Johann (1387—95) verlor Sardinien
an Leonore Visconti. Nach deffen und feines Bru—
ders Martin (13895—1410) finderlofem Tod ent-
ftanden in A. heftige Thronjtreitigfeiten, aus denen
endlich Der Infant R erbinand von Kaſtilien, ein Neffe
Johanns, als König hervorging. Dieſer, Ferdinand I.
(1412—16), wirfte eifriq mit e Vefeitigung des
groben firchlicen Schismas. Ihm folgte fein Sohn
{fons V. (1416—58), der die Regierung feiner Ge-
mahlin Maria von Rajtilien überließ, wm friegeri-
ſchen Abenteuern ju folgen. Er vereinigte Neapel
und Sizilien mit W., hinterlief aber nur einen natiir-
liden, vom Papjt legitimierten Sohn, Ferdinand, der
in Neapel folgte. Die fpanifden Reiche nebſt Sar-
dinien, Sijilien und den Valearen erbte fein Bruder
Sohann IL. (1458 —79), durd feine Gemahlin Blanca
aud König von Navarra. Yohanns Regierung war
hart und willkürlich. Ihm folqte fein Sohn Ferdt-
nand IT., feit 1469 Gemahl Jjabellas, der Thron-
erbin von Kaſtilien, wodurd A. mit Raftilien zu
Einem Reiche vereinigt ward (jf. Spanien, Geſchichte).
Von befonderm Intereſſe ijt die Verfaſſungs—
geſchichte Aragoniens. Die Cortes von A. verfiig-
ten über Strieq und Frieden, Bündniſſe und Vertriige,
Stenern, Muͤnze, Rechtiprechung und Berwaltung.
Sie ernannten die Rite des Königs und genoſſen per-
fonliche Unverleglicfeit. König Wifons LIT. mute die
jabrlide Berufung der Cortes nach Saragojfa (1287) |
als Grundgefets anerfennen und ihnen das Rect des
pflicht⸗ und verfaſſungsmäßigen Widerjtandes gegen
willfiirlide Verletzung der ſtändiſchen Mitglieder ein—
665
räumen. Peter IV. erzwang 1348 die Wufhebung
dieſer Satzungen, bewilligte aber die Cinfegung einer
Behörde, die, zwiſchen Regierung und Volk jtehend,
die Rechte ded legtern gegen Ubergriffe der erjtern
ſchützen follte. Un ihrer Spige ftand der vom König
aus der Ritterfdhaft auf Lebenszeit gewählte, aber
lediglich Den Cortes gegenitber sur Rechenſchaft ver-
pflichtete Jufticia. Die allgemeinen Reichsſtände, feit
1307 alle2 Jahre von SW iaceacbecten Aragoniens,
Kataloniens und Valencias gebildet, zerfielen in die
vier Ubteilungen(brazos, Arme, estamentos, Bänke)
der Geiſtlichkeit, des hohen (brazo de nobles) und niz-
dern Adels (brazo de caballeros y hijos dalgo) und
der Stadtgemeinden (brazo de universidades). Für
die Giiltigteit eines Cortesbeſchluſſes war Cinjtimmig-
fett Der Krone und aller Mitglieder notwendig. Ein
jtindiger Ausſchuß von acht Mitgliedern blieb zur
Wahrung der Vollsrechte ſtets zuſammen. Wud) nad
der Vereiniqung mit Kaftilien (1516) bebielt A. feine
alten Freihetten. Wis die Uragonier fid) zu gunſten
des von Philipp IT. verfolgten Untonio Peres (jf. d.)
erhoben, wurde dieſer Aufſtand gewaltjam unter:
driidt und der Jufticia Mayor Juan de Lanuja ent:
hauptet. Im iibrigen blieben die alten Ynjtitutionen
im wejentliden unangetajtet. Nur follte fiirderhin
der Konig nicht mehr gehalten fein, den Cortes per-
jonlid) anzuwohnen, und die Bedingung der Stim—
meneinheit bei Cortesbefdliijjen ward aufgehoben
1591). Die aragonifden Freiheiten vernidtete erjt
hilipp V. zur Strafe fiir die Unhanglidfeit der Pro—
ving an die öſterreichiſche Herrſchaft. 1808 — 1809
com die Uragonier ihren Mut in der hartnäckigen
p — Saragoſſas gegen die Franzoſen. Sn
den Karlijtentriegen wurde VW. cin Hauptidhauplag de3
Rampfes. Wahrend Obcraragonien entidieden der
Königin anhing, hielt Niederaragonien ju Don Karlos.
Val. E. A. Schmidt, Gedichte Uragoniens im Mit-
telalter (Leip;. 1828); Bidal, Historia de las altera-
ciones de Aragon en el reinado de Felipe IT (Madr.
1862—63, 3 Bde.); De la Fuente, Estudios cri-
ticos sobre la historia y el derecho de Aragon (daſ.
1884 — 86, 3 Bde.).
Aragonit, nad) dem BVorfommen in Aragonien
benanntes Mineral, bejteht wie Kalffpat aus foblen-
faurem Ralf CaCO,, bisweilen mit 0,5—4 Bro}. fohlen-
ſaurem Strontian und etwas fohlenfjaurer Magneſia,
frijtallijiert rhombiſch, bildet meiſt ſäulenförmige oder
ſpießige Srijtalle, häufig Rwillinge oder Drillinge in
Form Hheragonaler Säulen, aber aud) jtengelige und
fajerige Aggregate, die letztern 3. T. radialfajerig in
RKugein (Er bfenjtein, Sprudelftein, Kalkoolith,
j. Tafel »>Mineralien«, Fig. 23), Kruſten (Wragonit-
finter) oder Stalaftiten mit oft verajtelten Baden
(Cifenbliite). . Er ijt farblos, gelblich, rötlich, griin,
blau, grau, glasglänzend, durchſichtig bis durchſchei—
nend, Parte 4, ſpez. Gew. 2,0—3. Nalffpat und A. bilden
ein ausgezeichnetes Beiſpiel von Dimorphismus. Wel-
chen Umſtanden die cine oder andre Formbildung zuzu—
ſchreiben iſt, weiß man nicht. Nach Many ſoll cine Bei—
miſchung von kohlenſaurem Strontian die rhombiſche
Form bedingen, doch kennt man auch ſtrontianfreien
A. Nach G. Roſe kriſtalliſiert aus heifer Löſung A.,
aus falter Kalkſpat; doch trifft dies nicht allgemein gu.
Auch die Konzentration der Löſung kommt dabei in
Betradht. Durd Glühen erhält U. da3 niedrigere ſpe—
zifiiche Gewicht des Kalkſpats; aud) fennt man Yre-
gonitfiulen, die zu einem Wggreqat von Kallſpat⸗
friftallen umgewandelt find. YU. findet fid) in Ton
und Wips (ſchöne Krijtalle zu Molina in Uragonien,
666 Araguay — YAraliazeen.
aud) in den Schwefelqruben Siziliens), auf Erjlager-| Arafanga, ſ. Bapageien.
jiiitten (Herrengrund in Ungarn, Leogang in Salj-| Arakan-Joma (YWralan-Roma), Gebirge auf
burg), bejonders häufig in Hohlräumen vulfanifder | der Grenze der britiſch ind. Proving Bengalen und
Wejteine (Horſchenz in Böhmen), die ſpießigen Varie- der Divijion Urafan der Proving Birma, das, von
tiiten aud) auf Kalkſtein- und Brauneifenerslagern. | dem großen Gebirgsmaffiv im Lande der Naga und
Aragiay, Fup, ſ. Pilcomayo. in Manipur ausgehend, fid) in mebhreren bewaldeten,
Araguaya (Rio Grande), Fup in Brajilien, | nod) unerforfdten Ketten durd) Tipperah, Tſchitta—
entipringt auf der Serra Cayapé unter 18°30’ fiidl. Br. gong und Nordarafan hingieht, dann als ein eingiger,
und vereinigt fid) unter 6° 5’ ſüdl. Br. nad) nord: | beffer befannter Gebirgsjug als Arakan-Joma—
Daung fildwarts ſtreicht und bet Rap Negrais ſteil
in Meer abfallt. Die größten Erhebungen finden
fie) an der Grenge von Manipur, dann wird das Ge
birge niedriger, erhebt fic) aber tm nördlichſten Teil
von Yrafan im Blue Mountain wieder ju 2164 m
und fendet nach allen Ridjtungen didjtbewaldete Ketten
aus. Das fteile Gebirge ijt nur in wenigen Paſſen
iiberjdreitbar, 3. B. dem DaletpaR im äußerſten Nor-
den, Dem 1420 m hohen, vielbeqangenen Bak von Yn
(Weng) nad Minbun und Sinbyuqyun am Irawadi.
Araki (perj.), ſ. Arrak.
Arafil Vane, Dorf und Wallfahrisflojter in
Ruſſiſch-Armenien, amt Fuk des Yirarat, wo Roa
nad der Sintflut geopfert und gewohnt baben joil,
und wo aud) die Gebeine der Apoſtel Andreas und
Matthäus gefunden worden fein follen.
A „Alexej Andrejewitſch, Graf
von, ruſſ. General, geb. 4. Oft. 1769, geſt. 3. Mar
1834, organifierte 1792 die Urtillerie und ward 17946
Kommandant von Petersburg. Wegen feiner Harte
A. fteht an der Stelle des libyfden Lir, dem geqen- im März 1798 als Generalleutnant verabjdiedet,
fiber auf dem rechten Ufer ded Rhus das punifde Lix | wurde er 1799 wieder gum Militdirqouverneur von
lag (jest Ruinen von Tidement3, arabiſch Teſchmes). Petersburg ernannt. 1807 zum General der Artillerie
Die Umgegend war ihrer Weinberge wegen berühmt. und 1810 jum Mitgliede des Reichsrats befirdert,
Die Stadt gehdrte im 17. Nahrh. den Portugieſen, madjte er fic) um Vervolltonmmung Der ruſſiſchen
die fie 1711 an den Sultan Mulei Ismail verloren. | YUrtillerie verdient. Um wüſt lieqende Landereten ur-
Arak, ſ. Yrrat. | Bar gu machen, gründete er Milttarfolonien, veran-
Arafan (Urrafan, Rafhaing), nbrdlichite Di- | late aber durd) feine Roheit qegen die Bauern Auf—
vijion der britifd-ind. Proving Nieder-Birma, an der | ſtände, die blutig unterdriidt werden mute. In der
Oſtſeite des Bengalifden Golfs, swifden 18°—21° 33‘ | legten Beit Alexanders J. hatte A. großen Einfluß auf
nördl. Br. und 92° 10’—94° 50° öſtl. V., 37,621 qkm | alle innern Angelegenheiten, wurde aber 1825 vom
mit (1891) 671,899 Einw., worunter etwa zwei Drit- Zaren Nifolaus verabjdhiedet und zog fich auf fem
tel Buddhiſten, 100,000 Mohammedaner. Der öſt— | Yandqut Grufino zurück. 1833 ftiftete cr ein Napital,
liche Teil ift qebirgig (bis 2490 m) und dicht bewal- | das, durch Verjinfung bis jum Jahre 1925 auf2 Mill.
det, die Küſte flach, ſumpfig und ungefund. Yur | Rubel angewadfen, als Preis fitr die bejte Biographie
2131 qkmm find unter Kultur. Haupterzeugniſſe find: | Weranders J. ausgezahlt werden foll. Das übrige
Reis, Indigo (in Menge wild wadjend), Pfeffer, | Vermögen beftinumte A. zur Erridjtung eines Nadet-
Zuckerrohr, Früchte und das wertvolle Tiefhols. Den | tenhauſes in Nowgorod.
Brumdjtod der Bevölkerung bilden die Rafhaing| NArafynthos, birge, ſ. Griedhenland (Alt⸗G.).
oder Mug, nahe Verwandte der Birmanen: breites Aralia L., Gattung der Araliazeen, oft ſtachelige
Geſicht, fleiner, kräftiger Bau, platte Rafe, {chief | Sträucher oder kleine Baume mit gefiederten oder
jtehende Mugen. Sie find gajtfrei, qutartig, unvetn> | doppelt- und dreifach gefiederten, feltener dreizähligen
lid). Für ihre einfilbige Sprache haben fie cine nad | Blattern, Bliitendolden in anſehnlichen Rifpen umd
dem Dewanagari qebildete Schrift von 36 Buchſtaben meiſt faſt fugeliqer Steinfrudt. Ctwa 25 Urten, merit
und eine ciqne Literatur, Darunter die »>Radfawenge, | im wärmern Nordamerifa und fiidditlicden Vijten. A.
dic Geſchichte der Könige. Lefen fonnen als Schiiler | spinosa LV. ngelifabaum), in Nordamerifa, Ja—
dee Klöſter (Mjaung) fart alle. — Die älteſte Gefdhichte | pan, Norddhina, mit baumartigem, dornigem, 3 m
ijt fagenhaft. 639 n. Chr. (Beqinn der tra von A.) hohem Stamm, großen, mehrfach zuſammengeſetzten
wurde hier aus Ceylon der Buddhismus eingefiihrt. | Blättern, eine unjrer ſchönſten Blattpflanyen. A.
Zwiſchen 900 und 1000 fällt die Glanzzeit des Reiches edulis Sieh. et Zucc. wird in Japan als Gemiife, Die
von A. Das weſtliche Birmareid) wurde vorüber- Wuryel von A. nudicaulis L., einer Staude mit dret⸗
chend unterworfen. 1679 ging die Nordproving | zählig yufammengefesten Grumdblattern und blatt-
jdhittagong an den Großmogul Aurangzeb verloren; loſem Blütenſtengel, als nordamerifanijde Saf-
1783 wurde A. durch Bhodan Kora von Birma, 1826 | japarillen wur sel, ähnlich wie die ehteSajjaparrile,
durch England erworben. Hauptort ijt jest Wyab | benutzt. Uber A. japonica oder Sieboldii j. Fatsia,
(7. d.), ehemals das landeinwärts gelegene A. oder über A. papyrifera j. Tetrapanax.
Wrobaung, das Triglyphon des Ptolemäos, das Araltageen, difotyle, etwa 400 Arten umfaſſende
früher 100,000, 1881 nur nod) 3065 Einw. hatte. | Bflangenfamilie der warmen und gemäßigten Bone,
Bgl. Phayre, History of Burma (Lond, 1883); Hay, | aus der Ordnung der Umbellifloren, mit regelmaki-
A., campaigns for its development (daſ. 1892). | gen, oberſtändigen, oft fünfzähligen, diskustragen den
warts gerichtetem, 2200 km langem Lauf bei Sao
Soda mit dem weit weniger madtigen Tofantins
(f. d.). Unter 13° ſüdl. Br. fpaltet fic) Der A. im zwei
Yrme, Braco Maior und Braco Menor, und bildet
die 340 km lange, 130 km breite, flace, unbewohnte
Inſel Bananal oder Santa Una. Bon Santa Leo-
potdina unter 150ſüdl. Br. bis gum Prezidio de Santa
Maria wird der U. feit 1869 mit Dampfern befahren.
Aragwa (Aragos der Ulten), Nebenfluß der Kura
in Transfaufajien, deſſen Tal die militarijd -qru-
ſiniſche Straße, Hauptverkehrsſtraße zwiſchen Tiflis
und dem europäiſchen Rußland, durchzieht.
Araiſch (El A. »Weinberg<, bet den Europäern
Larache), Stadt in Marokko, an der Mündung des
Lled ef Khus in den Atlantiſchen Ozean, mit verfallenen
Mauern, hiner Mofdhee (früher Jefuitenfirdye) und
etwa 10,000 Einw., worunter 800 Yuden und 200
Europäer. Die Einfuhr (vornehmlid Bucter) betru
1890 fiber 3, die Ausfuhr (Bohnen, Wolle) 2,7 Mell.
Frank. Es liefen 346 Schiffe mit 56,869 Ton. ein.
Aralfee — Wranda.
Bliiten (ſ. Ubbildung) und Beerenfriicdten. Hierber
gehört der Efeu. Die Wurzel von Panax Ginseng
Nees wird arzneilich
benutzt. Wrten von
Aralia, Panax, He-
dera u. a. find aus
Tertiärſchichten be—
kannt.
Aralſee (Inſel—
fee, Ural-Den-
gis, d. h. Inſel—
meer, der Kirgiſen,
Blaues Meer der
Ruſſen, der See
Oriana des Altertums, Meer von Khowaresm
oder Khuarism des Mittelalters), nächſt dem Kaſpi—
ſchen Meer der größte Binnenſee Aſiens (ſ. Karte
„Zentralaſien«), zwiſchen 76 — 79° öſtl. L. und
43° 30‘— 46° 50 nördl. Br. Seine Lange beträgt
874, feine Breite 309 km, fein Flächeninhalt einſchließ⸗
lich Der in ihm lieqenden, 2517 qkm mejjenden Inſeln
67,769 qkm. Die Küſte ijt niedrig, fandig, unfrucht⸗
bar; die eingigen Flüſſe, die er aufrimmt, find Yom
Darja und Sir Darja. Der Waſſerſpiegel liegt 48 m
it. M., 74 m itber dem Rajpifden Meer, dod) verliert
er jährlich 5 Nubiffilometer Waſſer, feine Hohe muß
alfo jahriid) um 7 cm abnehmen. Dak er früher ein
15,5 m höheres Niveau gehabt hat, zeigen die alten
Wajjermarfen. Bon den zahlreichen ae eln find die
Zareninfeln, deren größte Nifolaiinfel heißt,
die widtigiten. Das Wafer ijt ſchwach falzhaltig
(1,08 Broz.) und wird von Untilopen und den Haus—
tieren der firgifiidjen Nomaden getrunfen. Die Tiefe
beträgt in der Mitte 27 m. Im SW. geht der A. in
den Sunpfſee Laudan oder Aibugir iiber, im N.
Blite von Aralia japonica,
fcheidet die Inſel Kug-Aral den großen fildliden
Teil, das »> Grohe Meer« (Ulu-Dengis), von dem mur
5500 qkm großen »Kleinen Meer⸗ (Kitſchkine⸗ Dengis).
Im Winter ſoll der See nicht ſelten ganz mit Eis be—
deckt ſein; — 20° find nicht ſelten. Befahren wird
der ſehr fiſchreiche See nur von kleinen Regierungs—
dampfern. Unt die Kenntnis des Sees und ſeiner Ufer—
| die Sprache des babs
| Dem 4. C
667
Land zwiſchen Euphrat und Chabur als Aram Na—
haraim (⸗Syrien der beiden Flüſſe«) bezeichnet wird.
Als der mächtigſte der aramäiſchen Staaten erſcheint
unter Saul und David Aram Zoba, ſüdlich von
Damaskus, den David glücklich bekämpfte.
Aramaer, |. Semiten.
Aramäiſche Sprachen, benannt nad dem Land
Uram, worunter im Wten Tejtament Gegenden in
Syrien und Mefopotantien verjtanden werden, bil:
deten zuſammen mit dem Hebräiſch-Phönikiſchen den
nordweſtlichen Zweig des femitiidyen Sprachſtammes,
jind aber bis auf einige geringe Uberrejte bei Damas:
fus, am Urmiafee, bet Moful und im Gebirge Tür
abbdin in Mefopotamien völlig ausgeitorben. Schon
in dem altbabylonifden und aſſyriſchen Reiche wa-
ren a. S. ftarf verbreitet, und in den Zeiten des Per—
ferreiches galt Aramäiſch ald die offiziclle Sprache fiir
die Provinzen weftlid) vom Euphrat bis nad Kleine
ajien und YUgqypten hinein. Aus diefer Epoche ſtam—
men aramäiſche Inſchriften auf Steinmonumenten,
Siegeln und Gemmen, aus der perſiſchen Beit viel-
leicht auch ſchon Stücke des Efra. Schon frith näm—
lid) ſetzte ſich das Aramäiſche aud) in Paläſtina feft,
wo es das Hebräiſche verdrängte, und kommt daher
ſchon im Alten Teſtament (im Eſra- und im Daniel-
bude) vor, namentlid) aber in den jüdiſchen Targums,
d. h. Den Baraphrafen der beim Gottesdienjt verleſe—
nen Vibelterte, deren hebräiſchen Wortlaut man nicht
mehr verſtand, fowie aud) in einer famaritanijden
Uberfesung des Pentateuch. Die übliche Bezeichnung
dieſer paläſtiniſchen Sprache als Chaldäiſch beruht
auf der irrigen Anſicht, daß die Hebräer ſie nach der
babyloniſchen Gefangenſchaft aus Chaldäa mitgebracht
hätten. Sie iſt vielmehr als Weſtara mäiſch au be—
zeichnen, zuſammen mit der aus zahlreichen Inſchrif—
ten von furs vor Chriſtus bis zum Ende des 3. Jahrh.
befannten Spradje von Palmyra und mit dent eben-
falls nur aus Inſchriften befannten Schriftdialekt des
arabiſchen Stammes der Nabatäer. Die ojtara:
mäiſchen Dialette umfaſſen 1) das Syrifde, 2)
lonifden Talmuds aus
6. Jahrh. n. Chr. und 8) die etwas jiingere
landſchaften machten fid) verdient: Vturawiew 1819, Sprache der chriſtlich-heidniſchen Sette der Mandaer
Negri und Meyendorff 1820 —21, Berg 1825 — 26,
Helmerſen 1833 —35, Perowſtij 1839, Shemtufhni- |
fow 1840, Untow 1840 —41, Danilewffij 1842 —43,
Schulz und Lemm 1843, Butjafow und Makſchejew
1848. Geit 1849 befegten die Ruſſen mehrere Inſeln,
dod) gelangten fie at 1873 durch den Frieden mit
Chiwa (f. d.) in den unbeftrittenen Beſitz des Sees.
Die widtigiten Plage find im O. Kaſalinsk, im S.
Tidhimbai. Bal. Roster, Die Uraljecfrage (Wien
¥873); Wood, The shores of the Aral-Lake (Lond.
Aram, Land, ſ. Aramäa. [ 1876).
Aram (jor. dco), Eugene, Held eines Bulwerjden
Romans, geb. 1704 zu Ramsaill in Yortihire, Sohn
eines Gärtners, gelehrter Sdhulteheer, avbeitete an
einem keltiſch-engliſch-lateiniſch-griechiſch-hebräiſchen
Wörterbuch und wurde wegen eines aus Eiferſucht
verübten Mordes an dem Schuhmacher Clark 3. Aug.
1759 gehenkt. Sein Schickſal lieferte auch den Stoff zu
Thomas Hoods Gedicht »The dream of Eugene A.«
Aramäa (Aram), im Alten Tejtament das ganze
Gebiet zwiſchen Phönikien, Paläſtina, Arabien, dem
Tigris und Armenien, in welchem die aramäiſche
(ſyriſche) Sprache geredet ward, mithin Syrien und
das Meſopotamien der Griechen. Vorzugsweiſe iſt
aber A. das eigentliche Syrien mit der Hauptitadt
Damasfus Uram Damaſel), dem gegeniiber das
| (einemt andern Teil Babyloniens angehirend). Seit
dem Aufkommen des Islam wurde fajt das ganze ara-
mäiſche Sprachgebiet allmählich durch das Arabiſche
eingenommen. Vgl. Nöldeke, Die ſemitiſchen Spra-
chen (2. Aufl. Leipz. 1899), und die Artikel: ⸗Chal⸗
däiſche Sprache, Mandiier, Syriſche Sprache« u. a.
Aramidae (Hühnerrallen), Familie der Wat—
vögel.
Arancini (ital., for. ſchini), in Scheiben zerſchnit—
tene und in Zucker eingemachte Pomeranzenſchalen;
auch kleine, unreife, in Zucker eingemachte bittere
Pomeranzen, dienen als magenſtärkendes Mittel.
Aranda, Pedro Pablo Ubaraca de Bolea,
Graf von, ſpan. Staatsmann, geb. 21. Dez. 1718
in Saragoſſa, geſt. 1799, widmete ſich anfangs dem
Militärdienſt, bereiſte dann Italien, Deutſchland und
Frankreich und widmete fic) auf ſeinen Gütern wijjen-
ſchaftlichen Studien. Während des Siebenjährigen
Krieges war er Geſandter am polniſchen Hofe, 1762
bewaͤhrte er im Kampfe gegen Portugal militäriſches
Talent. 1766, nach dem Aufſtande des Madrider Volkes
gegen die Reformen Karls III., ernannte diefer den
aufgeflarten und tatfraftiqen YW. zum Präſidenten des
Hates von Kaſtilien und Generaljtatthalter diefer Pro—
ving und erhob ibn inden Grafenitand. Als begeijterter
Anhänger der franzöſiſchen Aufklärung ſchaffle er eine
168
Menge firdlider DikSraudhe ab, unterwart die Cr--
densgeijtlichteit dem Staat, pigelte die Inauiñtion und
bewirfte Die Bertreibung der Jeiuiten cus Spanien
Wud um Kimite und Siſſenichaf⸗
ten ecwarh er fich groke Berdienite. In Der ãußern
VLolitit war er ern lerdenichaftltcher 6 Englands.
Auf jeme eigne Gate ſchidte der Rong A. 1773 als
Geiandten an den franjoitiden Hof. 1* in dieſer
Stellung zeigte ſich A. Guperit rührig; dem Bartier
Frieden ( 1755) brachte er unerwartet glücklich zu ſtande.
1787 puriidgerufen, befampite er eiterfiichtig den Mi⸗
niiter Floridablanca, bis die xonigm Marte Lurie A.
im Februar 1792 wieder an die Sige Der Geichafte
ie ge da —— ihrem Giinitling Godoy —
ec hielt als jenen. Wm 15. Rov. 1792
i —* als Kremierminiſter Durch Godoy er⸗
ſetzt und, alg ex dejjen ausmartige Polit? befampfte,
im Mai 1793 nad Jaen in Undalujien verwiejen.
Erjt nad dem Bajeler Frieden durfte er 1795 auf ſeine G
Wiiter in Uragonien geben, wo er jtarb.
Aranda de Duero, Be jicfshauptitadt in der jpan.
Provin; Burgos, am Duero und an der Eiſenbahn
Balladotid-¥ rija, = (1900) 5736 Emw., die Wein:
bau und BWeinhandel tretben. [nentiere.
Araneina, edjte Spinnen, Crdnung der Spin- . Petdji
Araneo griech.), ſ. Arachnologie.
Araninſein Arraninſeln), drei Inſeln an der
pegs bpd Galwaybai( jriand), zuſammen 47qkm
(0,45 ODM.) grok mit 3163 Bewohnern. Die gropte
Dericlben (Qnifhmore oder Aranmore) iit 108m
od), fallt nad) dem Atlantiſchen Ozean ju in jtetlen
elfen ab und ijt reid) an feltifchen Altertümern. Bet
bellem Wetter ijt von hier aus die Zauberinfel Hy
Brviail fidtbar, das Paradies der heidniſchen Iren.
Auf alten Karten erjdjeint diefe fabelhafte Inſel un:
ter Den Ramen Brafil oder O'Brafil. S. aud Arran.
Mranjues cir. duce), Stadt in der fpan. Proving
Madrid, Bezirt Chindén, am Tajo, Rnotenpunft an
der Siidbahn, 519 m fi. M., ein regelmäßig gebauter
Ort mit (900) 12,670 Einw. Das ſchöne Schloß von
W., die? pice laa des ſpaniſchen Hofes, wurde
unter Philipp LL. durch Herrera begonnen und unter
Sarl IIL. vollendet, enthalt Gemalde von Giordano,
ridtige Tapeten, viele Kunſtſchätze und ijt von gro-
i mit Marmorfontinen geſchmückten Garten und
a edehnten Barf- und Waldanlagen voll herrlicher
holsbejtinde umgeben. Innerhalb des Barfes,
ber Durd) Den Tajo und Jarama bewäſſert wird, liegt
bie Cafa del Gabrabdor (Bauernhiitte), eine von
Karl LV. aufgeführte Billa. Die Umgebung bildet die
foniglihe Domaine YW. mit —— Waldbeſtänden
und Wieſen. A. verſorgt Madrid mit Gemüſe und
Erdbeeren. - Yn WU. brad) jene Verſchwörung aus,
un deren Modoy 18, März 1808 geſtürzt wurde
und König Karl TV. zu gunſten Ferdinands abdantte.
Uranfcher Uther, {. Uthylchlorid.
Mrantal (Valle dWran), fined Pyreniental
in Der fpan. Proving Lerida, das fic) an die Ojtieite
der Maladettagruppe anlehnt und, vow der obern Wa-
ronne durchſtromt, gegen Frankreich öffnet. Es wird
von etwa 14,000 Menſchen bewohnt, die tn ſehr ärm—
lichen Verhältniſſen leben, Holzhandel und Maultier—
zucht treiben, und hat Biella (mit 705 Einw.) faſt
HO m it, M. zum Hauptort. 4 km unterhalb Bo—
ſoſt liegt der Badcort Yes, mit 681 Cinw., altem
Schlo und einer Schwefeltherme (39°). Das A.
ſteht durch den Port de Viella (mit einem Hoſpiz
in 2505 m Hohe) mit dem ſüdlicher qeleqenen Tal des
Noguera Ribagorjana in Verbindung.
Aranda be Duero — Mrdometer.
Arany (ioc. srex. 1) Jdwos (JoG§ann), bervor
zum zweit
teriſchen Talent verſchaffte er mit einem S
erfennung. als er mut dem perdi
fomiiden Epos »Die veriorene Hung (1845)
einen Preis der Misfaludygefellidaft errang. Gleich
itarfen Erfolg batten femme nachiten beiden
Dichtungen, — — Toldi · und
> Die « (bewe deutid von
t , Leip, 1851). Babrend der ungariſchen
Revolution befleidete A. cine Ronsipiitenitelle im ve
nijtertum Sjemere, lebte Dann mebrere Jahre ann
und gedriidt im ſeinem , DS er 1854 die
—— der — —— Sprache und Lrteratur om
von Nagy Koros erhtelt, von wo er dann
1860 als Pirettor ——— ft nach Buda:
pejt berufen wurde. Seit 1859 ordentliches Mitglied
der ungarifdjen Wlademtie, wurde er 1865 jum in:
_ digen Sefretar derjelben ernannt, legte aber 1878 dieje
Stelle aus Geſundheitsrückſichten mieder. A. ijt mit
der bedeutendjte ungariſche Nationaldidter der
Neuzeit. Seine Darjtellung ijt männlich kräftig, ſeine
Form einfach⸗ melodiſch, dabei von dem Bilderreich
tum der magyhariſchen Vollsſprache aufs glücklichſte ge-
tur ibre glänzendſten epiſchen Dichtung
große Unjabl klaſſiſcher Balladen geſchentt. Bon ipa
tern Dichtungen find nod ju erwahnen »atharina
| (1850), » Die Zigeuner von Groß Ida ⸗ (1852), Tol.
tragen. A. bat unter anderm der ungariſchen Litera:
Dt en und cine
dis Abend «( 1854; deutich von Kolbenheyer, Peſt 1856),
Budas Tod<( 1864, preisgefrint ; deutid von Sturn,
Leipz. 1879), endlid) »Toldis vebe (1879; deutſch
von Kolbenheyer, Peſt 1884), das Mittelglied der ge
—*— —— Aranys » Geſammielte
erſchienen 1885 in 8 Banden. > Wusgewablte —*
en von A.« überſetzte Sponer (Leipz. 1880), »Bal-
aden« Brud (Wien 1886). Jn Budapeſt wurde dem
Didter 1893 ei Denfmal (von Strobl) geſetzt.
2) Lafzl6 (Ladislaus), ungar. Didter, Soba
des vorigen, geb. 24. Mar; 1844 mn Grok-Sjalonta,
ejt. 1. Uug. 1898 in Budapeſt, ſchrieb: »Der Held
sig agate ssa (2A délibabok hése«), ein durch
ſcharfe pſycho 2* Analyſe hervorragendes Cha
ralterbild in Ve
ieaupibta, Dorf im ungar. Romitat Wau}
Torna, mit Gold- und Silberqruben und 635 Einm
Aranyos (fpr. aranjoſch lat. Crisola, dann Aranus),
oldfiihrender, 130 km langer Fluß in Ungarn, ent
i pringt im Biharer Gebirge und miindet im Komitat
Torda-Aranyos in die Maros.
Aranyosgebirge (pr. aranjojs»), Zweig der Sad
farpathen, f. Narpathen.
Aranyos: Maroth, ungar. Markt, ſ. Bard.
Aranjada, jpan. — on —— — = 400
OCEjtadales, meijtens — 44,719 Ar.
Ardometer (gried., Fiuffigteinsmeſſ ere, Senl⸗
wage, Schwimmwage, Gravimeter), Inſtru—
ment zur idee bes ſpezifiſchen Gewidts, grin:
det fich auf das Geſetz, daß die von Dem ———
Teil eines ſchwimmenden Körpers verdrängle I
leitsmenge ſo viel wiegt wie der ganze ſchwim
Körper. Ein Skalenaräometer (Fig. 1) beſteht
aus einem hohlen Glasfirper, der unten in cine mut
Queckſilber gefiillte i endigt, nad) oben aber in
die Spindel austiuft. Wan fenft das Inſtrument in
Aradopyfnometer — Mrar.
669
Waſſer cin, in dem es lotredt ſchwimmt, bezeichnet den oben auf dünnem, mit Marfe c bezeichnetem Hal ein
Punkt der Spindel, bis gu dem es einfinft, mit 100 | Schälchen d. Um das Ynjtrument bis zur Marte in
und teilt die Spindel derart ein, daß der zwiſchen zwei Waſſer etnjinfen zu maden, muß auf das Schälchen
Teilſtrichen enthaltene Raumteil cin Hundertitel be-
trigt von dem in Waſſer untergetaudten Rauminhalt.
Sinlt nun das A. in einer Flüſſigkeit bis zum Teil-
jtrid) 80 ein, fo heißt das, daß 80 Raumteile dieſer
Flüſſigkeit fo viel wiegen wie 100 Raumteile satan:
und als ſpezifiſches Gewidht der unterfudten Fliijjig-
feit ergibt fid) 100:80— 1,25. Sinkt dagegen in einer
Flüſſigleit das A. bis gum Teilſtrich 110, fo ijt ihr
ſpezifiſches Gewicht 100: 110 —0,909. Damit die Spin-
del nidjt unbequem lang ausfalle, fonjtruiert man ein |
U. fiir Fliiffigteiten, die ſpezifiſch ſchwerer find als | liert nun fo viel von feinem Gewidt,
Wafer, und fegt den Teiljtrid) 100 (den Wafferpuntt) als das von ihm verdriingte Wafer
an das obere Ende der Spindel und cin zweites für wiegt. Die Gewidte, die man auf dem
fferpuntt Schälchen zulegen mug, um das In—
am untern Ende der Spindel. Cin A. mit ſtrument wieder bis zur Marke eingu-
Der befdjriebenen, von Yay - Luffac angege: | fenfen, geben denmad dad Gewidt
ei | eines mit dem Körper gleiden Bolu-
den Denfimetern gibt die Sfala unmit- | mens Wafer an, mit dem man nur
Sfala immer näher gufammen. Andre W. ſpezifiſches Gewidt zu erfabhren.
leidjtere Flüſſigkeiten mit dem
Oe. 1. chtere Flüſſig
benen Einteilung heißt Volumeter.
telbar die ſpezifiſchen Gewichte an; die Teil-
ftridje riiden nad) dem untern Ende der
geben Direft den Dem ſpezifiſchen Gewicht
entipredjenden Prozentgehalt an denjenigen
Bejtandteilen an, die ihren Kaufwert bedin-
en, z. B. den Wifoholgehalt im Spiritus.
iefe Brogentaradometer find als Alko—
holometer, Wifalimeter, Säuremeſſer, Salz—
fpindein, Mildwagen, Moftwagen rc. im
Webraud. Die U. von Baumé, Ved, Brir,
Cartier u. a. beſitzen cine willfirlide
Stala, deren Teiljtride man »Grade«
nennt ; fie geben unmittelbar weder fiber das
ſpezifiſche Gewicht nod) iiber den Prozent⸗
gehalt der Flüſſigkeiten Uustunft; erjteres
entnintmt man aus einer Tabelle.
Da das fpegififdhe Gewicht der Flüſſigleiten
mit der Temperatur fic) dndert, fo find die
Ungaben der W. nur bei der Temperatur
ridjtig, für die fie verfertigt find, und die Daher auf
dem Inſtrument angegeben fein mu. Um zugleich
Die Temperatur der Flüſſigkeit —— und danach
Sktalen⸗
ardo=
meter.
bie Ungabe des Aräometers verbeſſern gu können, ijt
cin Thermometer in dasfelbe eingeſchmolzen, bet
fen Kugel zugleich diejenige des Aräometers bildet
(Thermoaraometer).
Gewidtsardometer werden durch Uuflegen von
Gewichten immer bis zu derjelben Marve eingetaucht.
Fahrenheits Gewichtsaräometer befitt einen
diinnen Hals mit Marke, der oben ein zur Aufnahme
von Gewidten bejtimmtes Schaldentraigt. Man muß
nun, dantit das Inſtrument bis zur Marfe in Wafer
cinfintt, cin gewiffes Gewicht auflegen, fo gibt dieſes
Gewidht, zu Dent vorher beſtimmten Gewidt des gan—
3
zen Inſtruments hinzugezählt, das Gewidt des von |
nun dent gu unterfudenden Körper, der leidjter fein
dem untergetaudten Teil verdriingten Wafers an.
Um das YW. in einer andern Flüſſigkeit bis gu der-
felben Marke einfinfen gu maden, muß man ein an:
dered Gewidt auflegen, das, mit demjenigen des In—
{truments vereinigt, dad Gewidt eines gleichen Bo-
lumens dieſer Flüſſigkeit angibt, deren ſpezifiſches
Gewidt fonad) gefunden wird, wenn man die legtere
Zahl durch) dic erjtere dividiert. Das Nid olfonfde
Gewidhtsardometer(Hydrometer, Fig. 2) dient
gur Vejtimmung des ſpezifiſchen Gewidts feſter Kör—
per. Cin oben und unten fegelfirmig zulaufender
Hohlzylinder aus Blech a tragt unten ein Körbchen b,
d cin gewijjes Gewidt aufgelegt werden. Bringt man
muß als das vorhin erforderlidje Gewidt, auf das
Schälchen, ſo muß man nod) Gewwidt-
jtiice auflegen, um abermals das Cin-
tauchen bis zur Marke gu ergielen;
jieht man dieſe von jenem Gewicht ab,
jo erfabrt man das Gewidt des Kör—
pers. Dieſer wird dann in das Körb⸗
den b unter Waſſer gebradjt und ver-
fig. 2.
das vorher ermittelte Gewid)t des Kör⸗
pers au dividieren braucht, um fein
; liber
Musſchenbroeks A. ſ. Spegififches
Gewicht. Vgl. Meißner, Die Aräo—
metrie (Nurnb. 1816, 2 Bde.); Gerlach, Gegenſei—⸗
tiger Vergleich der Aräometerſtalen (Dinglers ⸗Poly⸗
techniſches Journal·, 1865 und 1871); Weinſtein,
ber die Vejtinmumg von Aräometern (Berl. 1890).
Ardopyfuométer , Inſtrument jur VBejtimmung
ded ſpezifiſchen Gewidts von Flüſſigkeiten, bildet eine
Verbindung de3 Urdometers mit dem Pyfnometer.
Der Hohlraum ec (jf. Abbildung) nimmt
etwa 10cem Der zu wägenden lüſſigleit
auf und wird mit dent Stöpſel d verſchloſ⸗
fen, während ein Knöpfchen e letzterm
das Gleichgewicht halt. Dic Erweiterung
an der Sige des Inſtruments ent-
halt etwas Quechſilber; b ijt eine tcere
Sdhwinunfugel, a die Sfala. Beim Ge-
braud) fiillt man die Kugel c, fest den
Stöpſel, ohne Bildung emer Lujtblafe,
ein, fpiilt das Inſtrument mit Waſſer ab,
taucht es in Dejtilliertes Waſſer von be-
jtimmter Temperatur und lieſt dad ſpezi⸗
fiſche Gewicht unter dem Wafferfpiege! an
der Sfalaab. Eine bejonders tleine Forme
des Inſtruments, die nur weniger Kubit-
gentimeter Flüſſigleit bedarf, dient zur
Unterjudung von Frauenmild u. Harn.
MArdofacchariméter, ſ. Harn (Unterſuchung).
Arapahoes (Arapahu), Indianerſtamm der
Algonkin (f. d.) im Quellgebiete des Kanſas, von den
Franzoſen »gros ventres des prairies« genannt.
Arapaima (Pirarucu, Arapaima gigas Cuv.),
Edelfiſch aus der Familie der Knochenzüngler (Osteo-
glossidae), bis 5 m lang, mit febr gejtredtent, ſeitlich
jufammengedriidtem Leib, grofen, mojfaifartigen
Schuppen, flanger, beſchuppter, ſchwanzſtändiger
Rücken- und Afierfloſſe und abgerundeter Schwanz—
floſſe. Schuppen und Floſſen glänzen in allen Über⸗
a von Dunfelgrau, Rot und Bläulichrot. Der
. bewohnt die Strome Brafiliens und Guayanas.
Sein Fleiſch bildet cinen bedeutenden Handelsartifel.
Clrar, Fluß, ſ. Sadne.
Mirar (Ararium, v. lat. aes, Geld), bei den Rö—
mern die Schatzlammer und der Staatsſchatz im
Tempel des Saturn, beftehend aus zwei Teilen, von
Gewidts-
ardometer.
Ardopotno-
meter.
670
denen der eine die regelmäßigen Abgaben aufnahm
und die laufenden Ausgaben bejtritt, der andre fiir
Den Fall Der Not dienen follte. Die Verfügung über
das 4. lag in den Händen de3 Senats, die Verwal-
tung wabrend der Republif in den Handen der Dua-
ftoren; fpdter wechſelten die Beamten. Daneben be-
jtand unter ben Raijern das von ibnen gan; abhän—
ige aerarium militare , das von Auguſtus jur Be
treitung militdriider Bediirfnifje begriindet und
durch zwei neue Steuern, die Erbidafts- und Kon—
jumtionsiteucr, ausgeftattet ward. Allmählich trat
das A. immer mehr hinter den Fistus (7. d.), den
faijerlidhen Schatz, juriid und verſchwand Anfang
des 3. Jahrh. Heutzutage bezeichnet A. entweder die
Staatsfajje im allgemeinen oder (in Zuſammen—
fepungen, wie Zollarar, Domanendrar) einzelne Cin-
nahmesweige.
Ararag (Uras), ſ. Papageien.
Ararat, alter Name der Hodebene am mittlern
Urares in Urmenien (j. Karte ⸗-Kaulaſien«), Haupt-
fig eines alten, ſchon im Alten Tejtament erwabnten
Reiches A. Dieſe Hochebene ijt auch in der Geſchichte
von ber Sintflut gemeint, weldje die > Berge von A.«
alS RettungSort Noahs angibt. Nad armeniſchem
Glauben jollen die Refte der Arche nod) auf dem
Gipfel vorhanden fein. Dod) tibertrugen ſchon die
alteiten Bibelerflarer Den Namen A. auf den höchſten
der armenifden Berge, egen Die Urmenier den
UW. nur unter dem Namen Mafis, die Tiirfen als
Agri Dagh (rfteiler Berge), die Perfer als Rubi
Nuh (> Noahs Berg<) fennen. Der Berg A. bildet
eine ausgedehnte, majeſtätiſche Gebirgsmaſſe, die fid
am Siidrande der 985 m hohen Sonim von Eri-
wan bis in die Sdyneeregion erhebt und in zwei
Hauptgipfeln, dem Groen (5165 m) und Kieinen
YU. (4030 m), endet, beide in den Spifen 13 km von-
einanbder entfernt und Ddurd einen fdymalen Hdhen-
ug verbunden, den ein 2687 m hober Paß iiber-
34 Der Große W, ein leicht abgerundeter, mit
ewigem Schnee bededter Rieſenlegel mit drei Gipfein,
tam Fuge 40 km Durdmejjer, Schneefelder und
letſcher reichen 1000 m tief binab. Das Geſtein ijt
durchaus vulfanifd, und der Ausbruch vom 2. Juli
1840, wobei das Dorf Urguri und das St. Yatobs-
flofter vernichtet wurden, hat bewiejen, dak der Feuer⸗
herd in feinem Innern trog vielleidht jahrtauſend⸗
langer Untatigteit (es liegt von vulfaniiden Aus—
briiden aus hijtorijder Zeit bid dahin fein Zeugnis
vor) nod) feineswegs erloichen ijt. Wud der Kleine |
UW. ijt durchaus vulfanifd; fein Gipfel bildet dad ab-
geſtutzte Ende einer vieredigen Pyramide. Die Vege
tation am YL. ift febr diirftig. D iſt nirgends ju
feben, nur zwiſchen Dem Groen und Kleinen A. fin-
det fic) einiges Virten-, Wadholder- und Zwergmiſpel⸗
eftriipp. In der Nahe des ewigen Sdnees, dejfen
Yrenze zwiſchen 3000 und 4000 m Höhe liegt, brei-
ten fic) bier und da qriine Matten aus, welche die
Rurden tm Sommer mit ihren Herden beziehen. Der
Wipfel des YW. wurde zum erjtenmal 27. Sept. 1824
von dem Dorpater Naturforfder Parrot, ſpäter
von Abich und We. Wagner erjtieqen. Die wichtigſte
Beſteigung wurde 1450 zum Zwecke der kaukaſiſchen
Triangulation vom ruſſiſchen Oberſt Chodzko aus-
greet, der beide Gipfel erllomm und auf dent ded
roßen A. faſt eine Woche (6.-- 12. ug.) mit Mef-
fungen zubrachte. Am A. ſcheiden ſich Türkiſch-,
Ruſfiſch und Perſiſch⸗Armenien; am Oſtfuße des
Kleinen YL beginnt das perſiſche Gebiet (Aſerbeidſchän),
Die Nordſeite der ganzen Maſſe mit den Gipfeln ge-
Araras — Aratos.
‘hort dem ruſſiſchen. die Siidfette Dem titrfifden Reich
an. Bgl Parrot, Reiſe jum A. (Berl. 1834, 2 Te};
M. Wagner, Reiſe nak dem A. (Stuttg. 1848); die
Reifewerfe von Barmelee (Boft. 1868), Bryce (4. Aufl.
Yond. 1897), Rowalewifi] und Warfow (Petersb.
| 1889) und Leclere (Far. 1892); Jwanows li, Der
A. (ruff., Betersb. 1897).
Ararat, Stadt im britijdh-anitral. Staat Bic
| toria, durch Erjenbahnen nut Welbourne, Portland,
‘ Cajtlemaine und Wdelade verbunden, mut Srren-
‘anjtalt, Sranfenbaus, Handwerferinititut mut 4500
‘Banden, Beindau, Aderbau, Handel, alten Gold:
gruben in der Umgebung (1666 YUrbeiter) und aoem
4084 Cinw.
| Wraroba (Mrarobin), f. Chryjarobin.
Aras (bei den Ulten Mrares, armen. Jeraf a),
Hauptitrom Armeniens, entiteht im türk. Wilajet
Erjerum zwiſchen den beiden Euphratarmen aus dent
ſüdlichen, in 2050 m Hohe am Vingol Dagh ent:
ipringenden aiid es Su und dem nordlicden mn O.
von Erzerum entipringenden Rale Su. Rach ihrer
Vereinigung durchfließt der A. die 1550—1700 m
hobe Hodebene Kajin und tritt dann ins ruſſiſche
Yrmenien über. Bei Eriwan fic ſüdöſtlich wendend,
dann nad O. und NO. umlenfend und in die Ebene
ban cintretend, bildet er auf eine weite Stree
die Grenze zwiſchen Berjien und Rugland und miin-
det endlich in Den Kur, der hierdurch erjt fiir grö
Schiffe fabrbar wird. Hauptnebenflitije de3 VL ſind
lints: Urpa-Tidai und Berguſchet, rechts: Al-Tſchai
und Kara⸗Tſchai.
Arator, chriſtlicher Dichter des 6. Jahrh., aus
Ligurien, hauptiadlic in Maitland ausgebildet, wid-
mete fid) unter Theoderid) der jurijtiiden Laufbahn
und wurde unter Uthalarid) in den Staatsdienjt ge-
zogen, trat aber um 540 gu Rom in den geijtliden
Stand. Mls Subdiafon verfafte er um 544 eine dem
Papſt Vigilius gewidmete VBearbeitung der Apoſtel⸗
geſchichte in Herametern (»De actibus apostolarum«,
2 Bücher; hrsg. von Migne, »Patrologie latines,
Bd. 68, und von Hübner, Neiße 1850), die wegen
ibrer myſtiſch- allegoriſchen Auslegung bei den Heit
genojjen großen Beifall fand und aud) tm WMittelalter
auf Den ulen gelejen wurde.
ratos, 1) Y%. aus Soloi inMilifien, griech. Did-
ter, um 315 — 245 v. Chr., lebte meiſt am Hofe des
Yntigonos Gonatas von Mafedonien, in dejjen Auf⸗
traq er fein Hauptwerf, das ajtronomijde Gedicht
» Phaenomenas, iiber Sternerſcheinungen, obne eigne
Nenntnis, nad den Werfen des Cuboros abjante
Obwohl der Originalität und des poetiſchen Schwun⸗
ges entbehrend, fand das in einfachem, erhabenem
Tone gehaltene, in bündiger, klarer Sprache und lor⸗
pero ya geſchriebene Gedicht im Altertum größte
Anerlennung. Cicero, Cäſar Germanicus und Abie⸗
nus überſetzten es. Von den zahlreichen griechiſchen
Kommentaren (vgl. Maaß, Commentariorum in
Aratum reliquiae, Berl. 1898) beſitzen wir nament⸗
lich Den Des Hippardhos (ſ. D. 2). Neuere Ausgaben
von Beffer (Berl. 1828) und Maak (daf. 1893); tiber-
ſetzung von J. H. Voß (Heidelb. 1824). Bgl. Maak
Aratea (Qerl. 1892).
2) Strateg des Achäiſchen Bundes (f. Udder), S
271 v. Chr. in Sifyon, geft. 213, ward nad der Er
mordung feines Baters Meinias durd den Tyrannen
Ubantidas vom fiebenten Jahr an in Argos erzogen.
20 Jahre alt, vereinigte er fid) mit andern Fliidt-
lingen aus Gifyon, um feine Vaterſtadt von der Dy
rannenberrfdaft zu befreien. Der Plan gelang ; dod
Arauan — Araujo Porto Alegre.
begeqnete die Herjtellung des innern Friedens fehr
vielen Schwierigfeiten, daher lie er Sifyon in den
Bund der Udder aufnehmen (251) und wurde 245
ju deffen Strategen erwählt. Gliiclid) in der Aus—
dehnung des Bundes, formte er, ein befferer Politiker
al8 Feldherr, den Spartanern, ſeinen Hauptfeinden,
im Kampfe nit ftandhalten und entſchloß fich gu dem
von feinen Geqnern ihm ge ſchwerem Vorwurfe ge
madten Sdritt, 224 den Antigonos Doſon aur Hilfe
gegen fie berbeigurufen und fo den Bund unter
maledoniſche Herrſchaft zu bringen. Des Antigonos
Nachfolger, Philipp LIL, lies thn wegen Mißhellig—
feiten vergiften. Die Achäer aber feierten ſein An—
denfen gleich dem eines Heros. Auch in der Litera-
turgeſchichte machte fic) YU. einen Ramen als Ber-
fajjer von (verlornen) »Denfwiirdigteiten«, die in
mehr als 30 Büchern die Geſchichte feiner Beit und
jeines Lebens enthielten, von Bolybios wegen ihrer
Klarheit und Wahrheitsliebe fehr gerithmt und die
Hauptquelle der Plutarchiſchen Biographie des A.
Aranan, Dafenjtidtden in der wejtliden Sahara,
unter 19° nördl. Br. und 3° weftl. Li, ohne alle Ve—
qetation, daber fiir feine LebenSbediirfnijje ganz von
Dem 200 km fiidlid) gelegenen Timbuttu abhängi
bildet aber wegen ſeines Waſſerreichtums cine mid
tige Rarawanenjtation. Die 1500 Bewohner (Uraber
und freie Reger) find faft ausſchließlich Raufleute mit
ihren Dienern, die aus dem Bermicten ihrer Kamele
an die Rarawanen fowie aus dem von jedem belade-
nen Kamel erhobenen Zoll hohen Gewinn ziehen. Jn
U. wurde Laing 1826 ermordet.
Araucaria Juss. (Undentanne), Gattung der
Koniferen, immergriine, hohe Baume mit regelmäßig
wirteljtindigen Ujten, ſchuppen- oder kurznadelförmi⸗
qen Blättern, am Ende gleich oder abmweidend be-
blatterter verfiirster Laubsweige ftehenden Bliiten,
von denen die männlichen Zäpfchen eingeln oder zu
weien, die weibliden cingeln jtehen. Die Zapfen
—* groß, kugelig, die Samen ungeflügelt. Zehn
Arten in Siidamerifa, Auſtralien und Ozeanien. A.
brasiliensis Rich. (Binheiro, ſ. Tafel »Roniferen«,
Fig. 6), ein bis 50 m Hoher Baum mit langen Zwei-
qen und lanjettlidjen, fpipen, ca. 8 cm langen Na—
deln, bildet in der Bergregion des mittlern und fiid-
lidhen Brajilien Wilder und trägt eßbare Gamen
(Binhoes) in fehr großen Zapfen, deren fic) an
einem Baum 50—80 finden. 100 Teile geſchälte Sa-
men enthalten 31,6 Starfe, 2,35 Eiweiß, 8,3 Gummi,
putes, Extraftivjtoff, 1,19 Fett, 13,3 Faſern ꝛc. Der |
Baum liefert auch atherifdes OL, hellfarbiges Harz
und Nutzholz. A. imbricata Pav. (Chilifidte, f. |
Tafel »Nahrungspflanzen I<, Fig. 9, und Tafel » Koz |
niferen«, Fig. 5), mit wageredt stackcaben Zweigen
und dunkelgrünen, dicht dachziegelartig geordneten,
eilanzettlichen, ſpitzen Blättern, bildet im ſüdlichen
Chile Wälder. Die Zapfen, von denen ein Baum
20—30 trägt, haben die Größe eines Menſchenkopfes,
die Samen, von der doppelten Größe einer Mandel,
ſind von größter Bedeutung für die Ernährung der
Bevölkerung. Der Stamm gibt gutes Bauholz. Der
Baum gedeiht in England und in den Rheingegen—
den im Freien, bet fehr quter Bedectung felbjt in ge⸗
idiigten Lagen von Norddeutidland. Auſtraliſche
Yrten find folgende: A. Bidwilli Hook. (Bunya-
Bunya), bis 50m hoher Baum mit flachen, eilan- |
zettlichen, jtechenden Nadeln, ovalen, fajt fugeligen,
24 —30 cm langen Sapfen, deren Samen von den
Eingebornen gegefjer werden. Das Hol; ijt febr
Dauerhaft. A. columnaris Hook. (Sdulenjypreffe),
671
von fandelaberartigem Wuchs, mit gekrümmten oder
gewölbten Nadeln und elliptijd)-ciforntigen Rapfen.
Yus den Zapfen ſchwitzt Harz aus. A. excelsa R.
Br. (Rorfolftanne), bis 60 m hoher Baum mit
meiſt Finfaaibtigen Quirläſten, pfriemenformigen,
vierfantigen Radeln, die an unfrudtbharen Sweigen
ſichelförmig, an den frudtbaren dreiecig lanjettlic)
find, fugeligen Zapfen von 16cm Durchmeſſer, wächſt
auf der Norfoltinjel. Das rote, fehr fejte Wurzelhoſz
wird gu Möbeln rc. verarbeitet. Die Samen find nicht
ekbar. A. Cunninghami Ait, der vorigen ſehr abu-
lid), bildet an der Ojttiijte von Neuholland grofe
Walder und liefert gutes Nutzholz. Wile Arten wer-
den bei uns in Gewächshäuſern fultiviert.
————— ſ. Kordaitazeen.
Arauco, chilen. Proving, begrenzt im W. und N.
vom Stillen Ozean, im übrigen von den Provinzen
Concepcién, Bio Bio, Malleco und Cautin, umfaßt
11,000 qkm und (1895) 59,713 Einw., ohne die un-
givilifierten, nod nidjt unterworfenen Uraufaner (f.d.).
Die Proving, an deren Oftgrenge die 1500 m hohe
Kordillere von Rahuelbuta verlauft, gehört ſchon gum
regenreidjen Teil Chiles, hat im Gebirge ſchöne Arau—
farienwalber, erjeugt in den von der Regicrung ge-
riindeten Rolonien viel Korn, Wein und Sdladtvich,
bt an der Miindung ded Lebufluſſes fowie im Gruben-
ezirk von Quilanquin, wohin vom Hafen Laraqucte
cine 40 kin lange Bahn fiihrt, ergiebige Kohlenfelder
und wird in drei Departements eingeteilt. Hauptort
ijt Qebu (fj. d.). Die Stadt W., an der Bai von A.,
hat eine offene Reede und (1885) 3458 Einw.
Aranjo (jpr. arinfgu), Joaquim de, portug. Ly-
vifer, geb. 22. Juli 1858, fchrieb » Lira intima«, »Occi-
dentaes«, »Poetas mortos«, »A estatua do pocta« ;
»Intermezzo« (Nachbildungen Heinefder Poefien),
Dichtungen, die fid) Durd) Wohllaut der Spradje und
natiirlide Empfindung auszeichnen. A. madte fic
aud) al8 Herausgeber mehrerer Zeitſchriften befannt.
Er lebt in Genua al8 Bijetonful.
Araujo e Azevedo (jpr. ariufgu), Untonio de,
Graf von Barca, portug. Staatsmann, geb. 14.
Mai 1754 in Ponte de Lima, geſt. 21. Juni 1817.
Er jtiftete in feinem Geburtgort eme Ofonomijde Ge-
fellichaft und ward Mitglied der Utademie der Wiſ—
ſenſchaften in Lijfabon; 1789 wurde er Gejandter im
Haag, und 1797 follte er in Paris den Frieden mit
Frankreich verniitteln. Als YW. gu diefem Bwede das
Direftorium ju beftechen fuchte, ward er cingefertert.
Nad) mehreren Monaten entlajjen, ging ev als Ge-
jandter nach Berlin und Petersburg, von wo er 1803
an der Stelle Ulmeidas alS Minijter der auswärti—
gen Angelegenheiten und des Krieges nad) Portugal
juriidgerufen wurde. Bei der Perwidelung mit
Frankreich (1807) zeigte fic) A. aber villig unfibig.
Er folgte dem Hofe nach Brafilien und erbielt dort
1814 das Minijterium der Marine und der Kolonien,
1815 den Titel eines Grafen von Barea. Beweiſe
feiner literariſchen Tatigteit jind zwei ungedrudte
Trauerjpicle, die Uberjegung der Horaziſchen Oden
und mebrerer Gedichte von Gray, Dryden u. a.
Araujo Porto Alegre (jor. ardufgw, Manoel de,
brafil. Dichter, geb. 29. Nov. 1806 gu Rio Bardo in
der Proving Sao Pedro, geſt. 1879, beſuchte feit 1826
Die Kunjtafademie in Rio de Janeiro, begab ſich 1831
| au weitern Studien nach Karis, veriveilte 1834—35
in Stalien und fehrte nad) Ausbruch der brafilifden
Revolution 1837 in die Heimat zurück. Hier erhielt
er eine Profeſſur an der Kunſtakademie, ſpäter eine
672 Araufaner
foldje an der Militarjdjule und entwidelte eine außer⸗
ordentlicje Tätigleit. So entwarf er die Plaine jur
Sirdhe Santa Una und zur Bant in Rio de Janeiro
(dem damals ſchönſten Gebäude der Stadt) und
ſchenlte nidt geringere Uufmerffamfeit dem Theater,
far dad er eine Reihe meijt ungedrudter Stiide (3. B.
O espiio de Bonaparte<, »0 sapateiro politic&o« 2.)
ſchrieb, die vielen Beifall fanden. Jn dieſen wie in
feinen fibrigen Didjtungen befundete er fic) als her-
vorragenden Bertreter der nationalen Bejtrebungen,
welche Die brafiliide Poeſie der 1850er Jahre charafte-
rifieren. Als feine Hauptwerfe gelten das Epos »Co-
lombo« (in 40 Gefangen!), über bie Entdedung Ame⸗
rifas; fowie cin Zyllus durd pradtvolle Naturſchil⸗
Derungen ausgeseidneter Dichtungen unter dem Ti-
tel ———— (Wien 1863), von denen »A de-
struicio das florestas« (Mio de Janeiro 1845) und
»0 corcovados (> Der Bucklige⸗, 1847) bejonders er-
fdienen. A. war 1859— 65 brafilifder Generalfon-
fulin Stettin, lebte aber meift in Berlin, dann in Liſſa⸗
bon. Bgl. Wolf, Le Brésil littéraire (Berl. 1863).
Araufaner (Aucaes, »Rebellen« ; ihr einheimi⸗
ſcher Name ijt Moluche, »Krieger<), indian. Bolfs-
jtamm in Chile, fiidlid) vom 30.° ſüdl. Br. (7. Tafel
»Umerifanifde Biller II«, Fig. 15). Sie untericheiden
fid) von den fibrigen Indianern Siidamerifas durch
rößere phyfifde und moralifde Kraft, find durch—
chnittlich 1,6 m grok, von hellbrauner Farbe, haben
flanged, ſtarles, Bele Haar und jerfallen in Pi-
cunde(>RNordmanner«) im RBW., Rehuendhe( > Fid-
tenméanner«), die Riiftenbewohner von Santiago de
Chile bis gegen Valdivia, und Huillide (»Siid-
manner«) int S. ded Landes. Auch die argentinijden
Puelden (> Ojtmanner<) find A., vielfach gemiſcht
mit Bampasvilfern. Die A. waren Uderbauer, die,
wie bie Reruaner, Mais, Bohnen, Quinoa, Kartof—
feln anpflangten, ihre Felder diingten und durd) Ka—
nile bewafjerten und das Lama züchteten, um deſſen
Wolle und Fleiſch ju verwerten. Seit Einführung
ded Pferdes find fie ein fiihnes Reitervolf qeworden,
das in der Handhabung jeiner langen Lanzen, des |
Lajjo (f. d.) und der Bolas (f. d.) ungemeine Geſchich
lidjfeit befigt. Bon dem Joch der Qnfa haben fie fic
ebenfo freizuhalten gewußt wie von dem der Spanier.
Seit lestere unter Valdivia 1558 nad) Südchile vor-
drangen, hat zwiſchen ibnen und den Uraufanern der
Krieg nicht — der in Dem Epos » Araucania<
von Ulfonfo de Ercilla und in »Curen Indomito« von
Wivares de Toledo fogar cine poetiſche Verherrlidung
fand. — gehört das Gebiet der A. zu Chile,
das den kleinern nördlichen Teil zur Provinz Val—
divia ſchlug und aus dem größern ſüdlichen die Pro—
ving Arauco bildete. Die Bahl der chileniſchen A.,
im 18. Jahrh. auf 150,000 geſchätzt, iſt infolge inne-
rer Fehden und durch Beteiligung an den Revolu—
tionslämpfen ſehr juriidgegangen und beträgt jetzt
faum 40,000. Troy ihrer politiſchen Zugehdrigkeit
gu Chile leben die A. immer nod in faſt völliger Frei:
Heit und wohnen teils ſeßhaft in Dirfern, teils ziehen
fie nomabdifierend umber. Cigentlide Geſetze haben
die A. nidjt, Dod) werden alte Gebräuche und tiber-
lieferungen beiliq qehalten. Belehrungsverfudhe der
fatholifdyen Kirche hatten geringe Erfolge. Val. Smith,
The Araucanians (New
aborijenes de Chile (Santiago 1882); Leng, Arau—
laniſche Marden und Erzählungen (Balparaifo 1896); |
Derfetbe, Estudios Araucanos (in den »Anales de
la Universidad de Chiles, 1895 —- 97)
In neuerer Beit hat das Land die Uufmerffamfeit
orf 1855); Medina, Los.
— Arazeen.
durch das Uuftreten eines 30 Abenteurers
auf ſich gezogen, der es fiber Nacht in em >fonintu-
| tionelles Königreich· umwandelte. Dieſer, em Advo
lat Namens Tounens, geb. um 1820 in Chourgnac
bet Perigueur, war vor den chileniſchen Behorden m
das Gebtet der unabbangigen A. geflohen und batte
ſich das Bertrauen der Stämme und de Freund-
ſchaft mehrerer Toquis gewonnen und war bei Aus
brud eines Krieges mit Chile felbjt zum Grogtoani
erwãhlt worden. Er umgab fic mit emem Wintite-
rium, erließ Geſetze und cine Ronjtitution nad fran:
‘sbitidem Sujdmitt und liek fic) felbit als Crelio
ntonio I. jum König Der A. erflaren (1861).
Allein ſchon im folgenden Jahre geriet er m die Ge-
“walt der Chilenen, die ibn als Berriidten an Frant-
reich austieferten. Die A. wählten unterdeyen einen
neuen Großtoqui, der ſofort den Krieg gegen Chile
wieder aufnabm, nad wiederholten Niederlagen aber
eben im Begriff ftand, mit Chile Frieden zu ſchließen.
alg ⸗König Drelio< von Urgentimien her durch emen
Der fiidliden Andenpäſſe nad) Mraufanien zurücklam
und von Mula aus fein Reid wieder einridtete. Der
Krieg begann aufé neue, dod) mit feinem günſtigern
Erfolg fiir die U. als zuvor. Orelio begab fid nad
atantreid) guriid, um Napoleon III. fiir ſeine Plane
zu gewinnen, fab fid) aber durch den dDeutid -fran-
eres Oe um alle Do en betrogen. Cr ge
riet bald in Not und ftarb 19. t. 1878 in Tour-
toirac (Dordogne). Vol. feine Schriften: »Orélie An-
toine I, roid’Araucanie et de Patagonie, son avéne-
ment au tréne et sa captivité au Chili« (1863) und
»L'Araucanie« (Bordeaur 1878).
Araufio, Stadt in der rim. Provincia Narbo-
nensis, jetzt Drange (j.d.), mit beriibmten Altertümern;
bier ſchlugen die Cimbern und Teutonen 105 v. Cr.
cin rdmifdes Heer unter Quintus Servilius Capio
und Gnius Manlius. — J. 529.
Aravali Uravalli), irgslette in Radſchpu⸗
tana, im weſtlichen Teil Britiſch- Indiens, 500 km
lang, 10—100 km breit, erreidt tm iſolierten Mount
Ubu 1714 m. Die Eingebornen hüten den
| Reidjtum des Gebirges an Marmor, Gold, Silber,
- Mupfer, Blei, Zinn, Bergkriſtallen, Amethyſt, Grana-
ten und Smaragden vor den Europäern etferfiidtig,
beuten ihn aber telbit faſt gar nicht aus.
Araxes, Fluß, ſ. Uras und Chabur.
Aragzeen (Uroidecn, Urongewadfe, arum—
artige Gewächſe, Rolbenbliitler, hierzu Tafel
»Urajeen«), vielgeſtaltige monolotyle Pflanzenfamilie
aus der Ordnung der Spathifloren, Stauden,
mit Milchſaft, kriechendem oder knolligem Wurzelſtoch
oder ſtrauchartige, anſehnliche Gewächſe. Die wechſel⸗
ſtändigen Blätter ſind ſelten lang und ſchmal ſchwert⸗
förmig (Kalmus), meiſt haben A einen am Grunde
ſcheidenförmigen Stiel und cine breite, meiſt ſehr große.
pfeil⸗ herz⸗, ſchildförmige, ſelten gefiederte Fläche nut
hand⸗ oder fußförmigen Nerven, zwiſchen denen bet
einigen die Blattmaſſe durchbrochen ijt. Die Blüten⸗
ſtände (ſ. Tafel ⸗Blütenſtände«, 1) bilden Kolben
uit großem, oft eigentiimlid) gefärbtem Hüllblatt
(Spatha). Die einzelnen Bliiten find unanfehnlid,
gay oder cingeidlertig. Die ca. 900 Arten der
. find 3. T. charatterijtijde Pflanzen der tropifden
Urwälder Afrilas, Ujiens, Umerifas; einige gehören
Nordamerifa und den Ländern des Weittelmeers, we-
nige dem fibrigen Europa an. Cinige haben eßbare
| Rnollen (Colocasia antiquorum xc.). Kalmus (Aco-
rus Calamus) wird argneilid) benutzt. Sebr viele Ur-
ten find Sierpflangen (Philodendron, Anthuriam,
—
prea Stl —
serniclelnas te
ttm tre
Digitized by Google
Arazzi — Arbeit.
Caladium ⁊c.). Die Tafel zeigt eine Anzahl daratte-
riſtiſcher Formen aus den wichtigſten Gruppen der
Familie. Vgl. Sdott, Genera Aroidearum (Wien
1858); Engler, Vergleidende Unterjudungen über
die morphologifden Verhältniſſe der VW. (Leipz. 1877).
Arazzi, ſ. Arrazzi.
Arba, Wagen, Araba.
Arba, Kantonshauptort in der Proving Algier
(Algerien), nahe am Fuß des Atlas und dem Wadi
Dſchemma, mit so: 7742 Einw. (995 Franzoſen,
5646 Eingeborne), Gips-, Zink⸗ und Bleigruben.
Arbakaufos (hebr., »Bier-Eden<), cin auf der
Brift von allen männlichen Jsracliten ju tragendes
Kleidungsſtück, an deſſen Eden die von der Schrift
(4. Mof. 15, 38 jf.) befohlenen Schaufäden (jf. Zizit)
angebradt find.
rbalista, j. Armbruſt.
Arbe (ferbotroat. K ab), Sfterreid). Jnfel im Adria⸗
tifdyen Meer, zur dalmatinijden Bezirksh. Zara ge:
horig, wird vom froatijden Fejtlande durd) den Ca-
nale della Morlacca, von der ſüdlich gelegenen Inſel
Pago durd) den Kanal von Pago getrennt und wejt-
lid) vom OQuarnerolo begrengt, hat cine Fläche von
87,5 qkm (1,6 OW.), ijt großenteils qebirgig (Tiqna-
roſſa 408 m), fruchtbar, teilweife mit Eichenwäldern
bedeckt und gute (1900) 4441 meiſt ferbofroat. Ein—
wobner, die Ackerbau, Wein- und Olbau, Schafzucht
jowie Fiſcherei und Seeſalzgewinnung treiben. Die
Stadt A. liegt, von Mauern umgeben, an der Siid-
wejifiifte, hat cinen Dom aus dem 13. Jahrh. mit
ſchönem Glockenturm, cin Begirfsqeridt und815Cinw.
rbedo, Dorf im jdweizer. Ranton Tefjin, bei
Bellinzona, hat mit Cajtione (900) 1043 Einw. Am
BO. Juni 1422 heldenmiitiger, aber erfolglofer Kampf
von 3000 Schweizern gegen 18,000 Mgiländer.
Arbeit, die von einer Kraft bei Überwindung
cines Widerftandes betitigte Leiſtung. Die geleijtete
A. ijt um fo qriper, je größer der überwundene Wider-
jtand oder die ihm gleide, gu feiner Uberwindiung
au ———— Kraft und je größer der Weg iſt, der
hierbei in der Richtung der Kraft zurüchgelegt wurde.
Das Produtt : Kraft < Weg in der Kraftridtung wird
alg medanifde A. bezeichnet. Diejenige U., die
cine Kraft von 1 kg (die Rrafteinheit) leijtet, in
dem fie einen ihr gleichen Widerjtand durd) eine Weg-
lange von 1 m (die Längeneinheit) tiberwindet,
gilt als Yrbeitscinheit und wird Meterfilogramm
(Milogram meter) genannt. Das Meterfilogramm
Dient als Urbeitseinheit vorzugsweiſe in der Technilk.
In der Phyſik und Elektrotechnik redynet man nad) der
Arbeitseinheit des abfoluten Maßſyſtems, dem Erg.
Nad) Meterfilogrammen wird aud die Duantitat
medanifder A., die in einer bejtimmten Zeit ge
leijtet wird, die Urbeitsleiftung oder der Cf fett,
emeſſen. Wählt man als Heiteinheit die Sefunde,
— bildet die Maßeinheit für die Arbeitsleiſtung das
Sekundenmeterkilogramm. Iſt ein Menſch im
ſtande, während einer längern Zeit in der Sekunde
10 kg 0,6 m bod) zu heben, jo betragt ſeine Leijtungs-
fähigkeit 10.0,6 — 6 Sekundennieterkilogramm. Be
der in der Sefunde zurückgelegte Weg, vorausgeſetzt,
dap die Bewegung eine gleidhformige ijt, Geſchwin—
digkeit beift, fo erhalt man die Arbeitsleiſtung fiir
cine Sefunde durch das Broduft: Kraft < Gefdwin-
pa Es ijt hiernach die in einer bejtimmten Beit
ge eiftete UW. — Rraft < Geſchwindigleit Zeit in
Sekunden. Als Arbeitseinheit fiir größere Leiſtungen
(von Maſchinen) dient die Pferdekraft (j. d.) — 75
Sefundenmeterfilogramm. Bgl. Belebte Motoren.
Meyers Ronv.-Lerifon, 6. Aufl., L Bod.
eee 2.
673
Innere U., die W., die beim Erwärmen eines Kör—
pers geleijtet wird, um die Geſchwindigleit der Mole-
fille gu vergrößern und dieſelben, entgegen Der Wire
fung der Violefularfrifte, voncinander ju entfernen,
eventuell gujpalten. Uber CleftrifdeUrbeit f.d.—
Jin Rennſport ijt A. die während des Training eines
Rennpferdes von dem legtern verridtete Bewegung.
Man unterfdeidet Sdritt-, Trab-, Galopparbeit, aud)
ſchnelle und langfame A.
Arbeit (mittelhodd. arebeit, ·Mühſal, Not«), im
Ginne der Nationalifonomie jede auf Wert-
ſchaffung gerichtete menſchliche —“ im gewöhn⸗
lichen Leben wird mit dem Wort A. nicht allein der
Alt der Leiſtung, ſondern oft auch ihr Ergebnis be—
zeichnet. Den Begriff A. auf körperliche Tätigleit zu
ſchränlen, ſcheitert ſchon an der Unmöglichkeil, die
getitige und phyfifde A. überhaupt ſcharf voneinan:
ex gu trennen. Die einfadjte Handarbeit bedarf
eijtiger Überlegung, und die Kopfarbeit kann den
örper ebenſoſehr ermüden wie ſchwere Handarbeit.
Jedoch iſt es üblich geworden, den Begriff Arbeiter
etwas enger zu faſſen, indem man (ſo insbeſ. die So—
errant darunter die Klaſſe der Lohnarbeiter (ar-
citende Rlaffen, Urbeiterftand) tm Gegenjage
gu den Unternehmern und Rapitalijten verjteht umd
von ciner Urbeiterfrage (jf. d.) fpridt.
Die Bedeutung der A. ift cine doppelte. Zu—
nächſt ijt fie ein widtiger Faftor der Produftion und
damit aud) aller Kultur. Es bedarf der ftetigen, ſtu—
fenweife fortidreitenden A. vieler Generationen, von
denen die vorbergehende der folgenden die unentbehr-
lichen geijtigen und materiellen Hilfsmittel fiir weitere
Vervollfommnung iibertiefert, um gu höherer gefell-
ſchaftlicher Entwidelung gu gelangen. Uber die YW.
ſchafft nicht allein = are Werte, fie ijt aud) das
wertvolljte Mittel der Vervolllommnung, Stählung
und Ubhartung des Kirpers und der qe tig-fittliden
Veredelung. Dieſer qute Cinflug der VW. tritt freilid
nur unter der Vorausſetzung ein, daß die A. in quan-
titativer und qualitativer Besiehung gewijje Grengen
nicht überſchreite. Uberarbeitung, zumal erzwungene,
führt ebenſo wie ununterbrochene, eintönige A. zu
geiſtiger und körperlicher Abſtumpfung cab tects
merung. Ruhepaujen find darum unerläßlich gur Er:
holung, Zerjtreuung, Bildung, fitr allfeitige Erregung
Der Geijtes- und Körpervermögen und das Familien⸗
leben. Darum hat aud) neben der Nachtruhe die Sonn:
— eine hohe wirtſchaftliche Bedeutung.
Der Erfolg der A. des Einzelnen und der Ge—
ſamtheit wird bedingt teils durch Kräfte und Triebe
des Arbeiters, teils durch äußere Umſtände, wie Be—
ſchaffenheit der anzuwendenden Hilfsmittel, ſoziale
Verhältniſſe ꝛc. Der Trieb zur A. iſt um ſo größer,
je mannigfaltiger und zahlreicher die Bedürfniſſe ſind,
die nur durch A. befriedigt werden können, und je
mehr dem Arbeiter die Früchte beſondern Eifers ge—
ſichert ſind. Daher erklärt es ſich, daß die unfreie A.
des Sklaven und Hörigen, weil die Früchte vermehrier
Anſtrengung ihr in der Regel nicht zu teil werden,
gewöhnlich weniger erzeugt als die freie, bei welcher
der Lohn ſich nach der Leiſtung richtet. So kann der
Erfolg der A. vergrößert werden durch Ubergang vom
Zeitlohn zum Stücklohn und von dieſem zur Betei—
ligung des Arbeiters am Gewinn (ſ. Arbeitslohn).
Aber der Trieb zur A. iſt für ſich allein nicht ge—
nügend. Es muß ihm auch ein hinreichender Fonds
von Arbeitskraft entſprechen, und zwar nicht allein
der rohen Körperkraft, ſondern auch der intellektuellen
und moraliſchen Fähigleiten. Umſicht, Raſchheit der
43
674 Arbeiter — Arbeiterausſchuß.
Auffaſſung, ——— Anpafſungsvermögen, Ma- | hat gar keine A. in dieſer Weiſe gelernt, ſondern übt
pigteit, Unsdauer, Redlichkeit, Zuverläſſigkeit, Ge- | jede einfache, gewöhnliche, nur aus leicht erlernbaren
wiſſenhaftigleit fpiclen eine groke Rolle. Die Urbeits- | Handgriffen bejtehende A., die fid) im darbietet. Ex
fraft de einzelnen Menfdjen iſt bedingt durch den | heißt DeShalb auch »>Gelegenbheitsarbeiter«. Wilerdings
Stand der Gefamtfultur, und gwar kommen nicht | ijt es fehr ſchwierig, zwiſchen dieſen beiden Gruppen
allein die natiirlidjen Uniagen, die er von Geburt aus | von Arbeitern eine fejte Grenze au ziehen. Fitr die
mitbringt, fondern aud) die während feines Lebens auf | moderne Vollswirlſchaft ift die relative Zunahme der
ibn jtatthabenden äußern Cinwirfungen in Sdule, | ungelernten Arbeiter, ihre Anhäufung in den In—
Haus, fodann Mima, religidje Anſchauungen, Rafjen- buftriemittelpuntten die gunehmende Verdraingung
unterſchiede, die Urt der Beſchäftigung, der Ernährung, | der gelernten Urbeiter durch fie charakteriſtiſch. Sie
Wohnung wie die ganze —— in Betracht. wurzelt in der modernen Arbeitsteilung, dem Streben,
Die geſamte Urbeitsfahigheit eines Volles ijt auger: | ſchwierigere Urbeiten in zablreide, cinfad auszufüh—
dem abbingig von der Ulterstlaffenverteilung, | rende Teilarbeiten gu jerlegen oder Arbeitsmaſchinen
Mortalitat, Morbiditat und Verteilung der Gefchlech- | zu iiberweijen. Die wirtſchaftliche und foziale Lage
ter. Nur die Perfonen gwifden dem 15.— 20. und | gerade diejer Urbeitergruppe ijt vielfad eme nicht be
Dem 60.—70. Lebensjahr finnen als arbeitsfähig be- | friedigende (ſ. Urbeiterfrage).
zeichnet werden. Das find in Deutfdland etwa 55| Cine weitere widtige Scheidung Der Arten der A.
roz. der Bevölkerung (f. d.). Wher aud) hiervon | ijt die in ſelbſtändige A. und Lohnarbeit oder
find die jeweils Kranken, die gum Militärdienſt Cin- | abbangi ge U. Selbſtändige U. ijt dann vorhanden,
berufenen, ein großer Teil des weiblidjen Geſchlechts wenn der Urbeitende in der eignen Wirtſchaft fiir fic)
in Abzug ju bringen, fo daß höchſtens 35—40 Pro}. | felbjt oder wenigitens als verantwortlider und felb-
ber Bevodlferung mit der Herſtellung von Sachgütern ſtändiger Leiter einer, wenn aud ihm nidt ju Cigen-
bejdhiftigt find, und diefe nicht mur fiir fic), fondern | tum jguftehenden Unternehmung titig ijt; Lohnarbei—
aud) fiir den andern Teil der Bevöllerung den Unter: | ter ift derjenige, der in einem fremden Betrieb gegen
haltsbedarf zu beſchaffen haben. Lohn beſchäftigt ijt. Diefe Unterfdeidung kreuzt ſich
Yon großem Einfluß auf den Erfolg der A. find | mit der vorigen. Die leitende A. fann ſowohl felb-
ferner Die Intenſität und Dauer der Beſchäfti- ſtändige als Lohnarbeit fein, die ausfiihrende dag en
guna. liberanjtrenqung und A. ohne gentigende Er: | ijt in Der modernen Vollswirtſchaft tiberwiegend 2*
olungspauſen können trop Ausdehnung der Arbeits⸗ arbeit. Da die letztere aud) überwiegend Handarbeit
zeit die Leiſtung erheblich vermindern. Durch die iſt, ſo bezeichnet man gerade ſie als Handarbeit oder
Erfahrung ijt hinlänglich beſtätigt, daß durch eine | Lohnarbeit. Charakteriſtiſch für die heutige Volls
Verkürzung der Arbeilszeit nicht felten die —— wirtſchaft iſt der quobe Umfang und die sais adda
erhöht worden find. Der Erfolg der U. ijt weiter be: | der abhängigen A. gegeniiber der felbjtindigen als
dingt dDurd) die Hilfsmittel der A., und zwar fo- | Folge des fnvitatiftifcner Grofbetriebs. Es betrug dic
wobl durch die künſtlichen (f. Kapital) als aud) durd) Zahl der Urbeiter einſchließlich der Ungejtellten (nicht
Diejenigen, weldje Die Natur uns bietet mit ihren ver- | leitende Beamte, Aufſichts- und Verwaltungsperjo
ſchieden verteilten Rraftquellen, ihrer ungleiden Bo- | nal xc.) 1882: 11,012,620, 1895: 13,438,377 oder in
denergiebigteit rc. Endlich ijt von Widtigheit die gange | Projzenten aller Erwerbstatigen 1882: 67,97, 1895:
Organiſation der ., ibve vollswiriſchaftliche wie 71,6. Uber das Verhältnis der Fraucnarbeit und
privatwirtidhaftlide Gliederumg (j. Urbeitsteilung), | der Rinderarbeit zur A. der erwadfenen mann
insbeſ. aber auch die Gejtaltung der geſellſchaftlichen lichen Arbeiter f. die betreffenden Urtifel.
Verfaſſungszuſtände, die Urt der Rechtsordnung und Arbeiten des Schiffes, das heftige Stampfen
des qefamten Staatsiebens. Politiſch-religiöſer Drud, | und Schlingern eines Schiffes. A. des Höl zes, Aus
extreme Verteilung von Beſitz und Einkommen, Ge⸗ dehnung und Zuſammenziehung, Werfen, Reißen 2.
bundenheit an die Scholle, Beſchränkungen in der infolge der Aufnahme oder Abgabe von Feuchtigkeit
Wahl der Beſchäftigung rc. können die Arbeitskraft | aus der Luft.
außerordentlich labimen und ibre Erfolge beeintrid- | Arbeitendbe Rlaffen, ſ. Arbeit, S. 673.
tigen, während dieſe bei günſtiger Lebenslage und) Arbeiter (bei —— — ¥ ), f. Hautfliigler.
Zufriedenheit der untern Klaſſen, bei religidjer und! Arbeiterabteilungen, Wbteilungen von Militar.
politiſcher Friedfertighcit und tüchtiger Staatsverwal- pflichtigen, die fid) durch Selbſtverſtümmelung jum
tung das beſte Gedeiben verſpricht. — Uber Recht | aftiven Dienjt untauglic) gemadt haben, aber arbeits:
auf Urbeit ſ. Sozialismus. fähig find, oder die, mit zettiger Unterfaqung der Uus-
Arten Der WU. Als wertſchaffende, zwecbbewußte übung der biirgerlichen Ehrenrechte bejtraft, tm vier-
Täligkeit ijt die A. ftets eine Verbindung von Denfen | ten Pflichtjahr nod) unter diejer Strafe ftehen, endlich
und Tum; die beliebte Gegenüberſtellung von geijtiger | von Soldaten zweiter Kaffe, bei denen fid) Dissipli
und medanifder oder Kopf: und Handarbeit eridemt narſtrafen frudtlos erwiejen haben, legtere auf An—
Daher nicht angebradt. Beſſer unterfdeidet man lei- ordnung des Generalfommandos. A. bejteben ju
ten de (ſchöpferiſche, dispofitive) und ausfiihrende Magdeburg, Ehrenbreititein, RKonigitein, Königsberg,
A. Die erjtere tiberwiegend geiftiger, Die lestere tiber- | Mammy, Dresden, Yngoljtadt und Oberhaus bei
wiegend mechaniſcher Yirt. Die leitende VW. it entweder Paſſau. Die preußiſchen U. find dem Inſpekteur der
allgemeine wirtſchaftliche oder rein techniſche, die aus- militäriſchen Strafanjtalten unterjtellt und werden
führende ijt entweder qelernte oder ungelernte U. | fiir militäriſche Swede beſchäftigt. 1. Dienjtvor-
Der qelernte Urbeiter hat cine befondere fachmäßige ſchrift fiir die MW. vom 31. Aug. 1881. Auch Frankreich
Ausbildung und Sdulung teilS im längerer oder | hat Straf- und Rufland Bejjerungstompagnien.
türzerer Lehrzeit, tetls in gewerbliden Fortbildungs: | UArbeiteransfduk (Habrifrat, (tejtenfol-
ſchulen u. dgl. Durdgemadt, wie 3. B. der Klein- legium), aus Vertrauensperjonen der Arbeiter eines
meiſter, Gejelle, Werkführer, Mafdinenbauer oder | gewerblicden Unternehmens zuſammengeſetztes Ber-
Buchdrucker; er übt infolgedeſſen immer die U. aus, | mittelungsorgan zwiſchen Arbeitgebern und Virbei-
die er erlernt hat. Der ungelernte Arbeiter dagegen | tern, aud) Verwaltungsorgan. Die Verantaffung sur
Arbeiterbildungsvereine -
~ Urbeiterfrage. 675
Erridjtung von Arbeiterausſchüſſen boten die au er- | weiblicen Perjonen, erjdien. Seit den 30er Jahren
ridtenden Wohlfahriseinridtungen, Krankenkaſſen,
Fabrifordnungen. Sie jind fafultative Cinridtungen,
find aber in Deutfdland durch die Novelle gur Ge-
werbeordDnung vom 1. Juni 1891 dadurd) gefirdert
worden, daß nad) diefer in Fabrifen mit ee alg 20
Arbeitern cine Fabrifordnung (ſ. d.) erlaſſen werden
muß, die vor Erlaß den gropiabrigen Arbeitern, be3.
einem etwa bejtehenden ftandigen A. sur Erklärungs—
abgabe vorzulegen ijt (§ 134d). Als ſolche Urbeiter-
ausſchüſſe anerkennt die Gewerbeordnung (§ 134n)
die in ihrer Mehrheit von Arbeitern gewählten Vor—
ſtände von gy i die Knappſchaftsälteſten, dic
bereits vor Dem 1. Yan. 1891 erridjteten, in ihrer
Mehrzahl von den Urbeitern aus ihrer Mitte befegten
ſtändigen Arbeiterausſchüſſe, endlid) foldhe Vertre-
tungen, deren Mitglieder in * Mehrzahl von den
den erſt im letzten Jahrhundert mit der Fabrikindu⸗
volljährigen Arbeilern aus ihrer Mitte in unmittel—
barer und geheimer Wahl — werden. Mit Zu
ſtimmung eines ſtändigen Arbeiterausſchuſſes können
in die Arbeitsordnung Vorſchriften über das Ver—
halten der Arbeiter bei Benutzung der zu ihrem Beſten
getroffenen, mit der Fabrik verbundenen Einrichtun—
en ſowie Vorſchriften über das Verhalten der min—
rjährigen Arbeiter außerhalb des Betriebes auf—
genommen werden.
Arbeiterbildungsvereine, ſ. Arbeitervereine
und Bildungsvereine.
Arbeiterfahrkarten, ſ. Eiſenbahnfahrkarten.
Arbeiterfrage. Dic A. die ſogen.ſozialeFrage,
hat zu ihrem enſtande die Lage der von Unterneh⸗
mern namentlid) in den großen Unternehmungen be-
ſchäftigten Lohnarbeiter in ökonomiſcher, moralifder,
josialer und politifder Hinficht. Da der Lohnarbeiter
jtand erjt um die Wende de3 18. Jahrb. feit der Er
Ramen Der Maſchinen und dem Aufkommen der
Pabrifindujtrie feine Ausbildung erfahren hat, fo ijt
die A. auch erſt feit diefer Beit in Fluß gekommen.
Soziale Bewegungen hat es ſchon im Witertum ge:
geben, cine A. im obigen Sinne gibt es erjt in der
neuejten Zeit. Zwar Hatten ſchon dic Hausindujtrien
und die wenigen größern Wanufafturen (Fabrifen)
vor dem 19. Jahrb. abliingige, muir auf Lohn gejtellte
Arbeiter gefannt, allein da ihre Bahl gering und die
des 19. Jahrh., nantentlich feit der Barlamentsreform
von 1832 und der Chartijtenbemegung (j. Chartis
mus), verjdwanden diefe Forderungen nicht mehr
anus der Disfufjion und wurden aud) trotz des Wider
jtandeS des Fabrifantentums und der herridenden
Mandhefterdoftrin in einer Reihe von Fabrifgefesen
durdgefiihrt. Die A. Hat mit der Wusbreitung der
Fabrifindujtrie in Frankreich, Deutſchland und andern
Staaten aud) dieſe ergriffen. Zugleich ijt fie, vor
allem unter dem Einfluß des Sogialismus, aus ciner
Frage der Fabrifarbeiter gu einer alle Lohnarbeiter
und von einer weſentlich wirtſchaftlichen zu einer dic
qejamte wirtſchaftliche, ſoziale, moraliſche und poli-
tiſche Lage der Urbeiter umfajjenden Frage geworden.
Für ihre ridtige hijtorifdhe Wiirdiqung ijt aber gu be-
adten, dag, wenn aud) die Mehrzahl von Übelſtän—
jtrie und der Maſchinenbenutzung, dem Grokbetrich
| und der WUrbeitSfreiheit entitanden ijt, das große Pro-
lem dod) dadurch bejonders in die Erſcheinung trat,
daß man fic) heute in Staat und Gefellidaft fiir dic
Verbeſſerung des Loſes der arbeitenden Klaſſen viel
—— Aufgaben ſtellt als früher.
In der Beurteilung der A. und in der Stellung
zu ihr gehen in der —5— die Meinungen ſehr
auseinander. Es laſſen ſich jedoch drei Hauptrichtun
gen unterſcheiden. Die erjte, die individualiſtiſche oder
mancheſterliche, fieht die üͤbelſtände, ſoweit fle diefe zu—
gibt, als etwas mit der modernen Entwidelung not-
wendig BVerbundenes an, führt fie teilweiſe auf dic
Schuld der Urbeiter felbjt xirück und will jedenfalls
von einem Eingreifen des Staates nichts wiſſen, in-
dem ſie annimmt, daß ein Eingreifen des Staates
wieder nach andern Richtungen hin Nachteile mit ſich
bringen müſſe. Die zweite, die ſozialiſtiſche, behauptet,
daß die vorhandenen Übelſtände, weil auf dem Gegen
ſatz von Kapital und Arbeit beruhend, ohne Beſeiti—
gung Der fapitalijtifchen Produktionsmethode nicht
aa 8 werden finnten; fie empfiehlt deshalb cine
Aufhebung des bejtehenden Eigentums an den Pro-
duktionsmitteln, Reqehing der gefamten Produktion
und Berteilung des
Löhne meijt hod waren, fo traten Mißſtände nicht her⸗
vor. Dagegen entitand mit der ge sg hed Fabrik⸗
t
induſtrie eme neue Urbeiterflajfe. In der Fabrif fonn-
tern aud) Minder, pugendlide und weibliche Berfonen
Verwendung finden; gleidseitiq nahm die Zahl der
Arbeiter devart ju, daß ein Selbſtändigwerden nahezu
ausgeſchloſſen war, zumal die neue Form des In
waren die Arbeiter perſönlich frei, das Arbeitsverhält
nis beruhte auf einem juriſtiſch völlig freien Vertrag,
aber den rechtlichen Verhältniſſen entſprachen dic tat-
faichlichen feineswegs. Denn die wirtſchaftliche UÜber
legenheit Der Unternehmer führte im Verein mit dem
Verbote der Urbeiterfoalitionen zur tatſächlichen Ab—
Hangigfeit und zur Ausnutzung der Urbeiter durch
— Arbeitszeit, übermäßige Verwendung von
indern und weiblichen Perſonen und ſchlechte Löhne.
Dabei wurden auch die einfachſten Vorkehrungen gegen
Die aus der Fabrifarbeit flichenden Gefahren fiir Leben,
Gefundheit, Sittlichfeit ze. der Arbeiter unterlafjen.
Naturgemäß traten diefe Übelſtände am früheſten und
Heftigiten in Dem Lande hervor, dad in der indujtriel
len Entwickelung alle andern itbertraf, in England.
Hier entitand zuerſt cine A., als deren Anhalt zunächſt
der Schutz der Fabrifarbeiter, insbeſ. der Kinder und
rtrags durch die Geſellſchaft (ſ.
Sozialismus). Die dritte, die ſozialreformatoriſche
Richtung, gibt das Vorhandenſein von Übelſtänden
zu und hält ein Eingreifen des Staates zu ihrer Be—
ſeitigung für notwendig und berechtigt, will jedoch die
Reformen auf dem Boden der beſtehenden Wirtſchafts
ordnung, alſo unter Wahrung des Privateigentums
und des freien Arbeitsvertrags, und unter Mifſwirkung
sgeſchloſſenen der arbeitenden Klaſſen ſelbſt durchführen. Dieſe letz
duſtriebetriebes immer mehr Kapital erforderte. Zwar
tere Richtung, die zuerſt vom Verein fiir Sozialpolitik
(j. d.) vertreten wurde, hat je linger je mehr in den
Parlamenten Eingang gefunden und die Geſetzgebung
der letzten Jahrzehnte mächtig beeinfluyt.
Die A. iſt nun trotz gemeinſamer Grundzüge in—
haltlich fein einheitliches, ſondern cin nad Arbeiter—
klaſſen verſchiedenes ſozialpolitiſches Problem. Cs
gewerblichen, Bergwerfs- und andern auf die
ſind insbeſ. drei Gruppen von Lohnarbeitern zu un—
terſcheiden: 1) Die landwirtſchaftlichen Lohnarbeiter
(landwirtſchaftliche A.), 2) die Lohnarbeiter in Grobe
Seivin:
mung von Rohſtoffen qeridjteten Unternehurungen (in
Dujtrielle A.), und endlich 3) die Lohnarbeiter im Klein⸗
ewerbe, die fogen. Handwerksgeſellen (Gefellenfrage).
an jeder dieſer Gruppen find die Übelſtände, die Ziel—
punfte der fosialen Reform und die Heilmittel im cin:
zelnen verjdiedener Art, und daber ijt aud) die A. fiir
jede derſelben cine verſchiedene. Die Verhältniſſe der
43*
676
werk8gefellen find jedod) mur in geringerm Grad
nlaß und Gegen{tand eines fozialen Problems, die
Bejellenfrage tritt an Inhalt und Bedeutung weit
hinter den beiden andern zurück (ſ. über dieje Frage
den Vrtifel »Gefellen«). Wir beſchränken uns hier auf
cine allgemeine Darjtellung der indujtriellen und der
landwirtſchaftlichen A.
Die induftrielle Urbeiterfrage.
Diefe Frage umfaßt vier Klaſſen von Lohnarbeitern :
1) die eigentlichen Fabritarbeiter, d. h. die Lohnarbei-
ter in gewerblichen Unjtalten, in Denen gleichzeitig und
regelniäßig eine größere Anzahl von Yrbeitern aujer-
halb ihrer Wohnung in geſchloſſenen Arbeitsräumen
Arbeiterfrage (indujtrielle),
gaben fiir Spirituofen, Ausgaben unverheirateter
weiblidjer Urbeiter fiir Pus re.
Die fiir die U. wefentliden moralifden Miß—
ſtän de bei induſtriellen Lohnarbeitern find teils ſolche.
die in Arbeiterfamilien vorkommen, teils ſolche, die
bei verheirateten und unverheirateten Arbeitern ſich
zeigen, teils ſolche, welche die unverheirateten weib
lichen Arbeiter betreffen. Unter den Mißſtänden m
Arbeiterfamilien iſt vor allem zu erwähnen eine
ſchlechte Hauslichkeit und ein ſchlechtes Familienleben
der Arbeiter, herbeigeführt nicht nur durch geringes
Einkommen oder übermäßige Beſchäftigung der Fanti⸗
lienglieder, ſondern häufig auch durch leichtſinnige,
frühzeitige Eheſchließungen, durch die Roheit und Un—
beſchäftigt und in der Regel Maſchinen benutzt wer-
ben; 2) Sie hausindujtricllen Arbeiter, d. h. gewerb⸗
liche Lohnarbeiter, die in ihren eignen Räumen auf
Beſtellung eines größern Unternehmers für den Ver—
trieb im großen arbeiten; 3) die Lohnarbeiter in Berg⸗,
Hüttenwerlen, Salinen und größern über Tage be—
triebenen Gruben und Brüchen; 4) die Lohnarbeiter
in größern andern gewerblichen, namentlich bau—
gewerblichen Unternehmungen.
Die reformbedürftigen Mißſtände bei den induſtriel⸗
len Arbeitern ſcheiden ſich in wirtſchaftliche und mora-
liſche. Die wirtſchaftlichen Mißſtän de liegen vor-
zugsweiſe in den Einkommens⸗, Urbeits-, Wohnungs⸗
und Ausgabenverhältniſſen der Arbeiter. Die Ein—
kommensverhältniſſe find keineswegs allgemein un:
ünſtig, aber fie kimnen es fein: *88 der Unſicher⸗
Beit des Cinfommens (herbeigefiihrt durd) dic Natur des
Gropbetriebs und der Abſatzverhältniſſe induſtrieller
Unternehmungen mit den seitiveifen Uberproduftionen
und darauffolgenden Abſatzſtockungen und durch dic
Gefährlichkeit eines Teiles der induftriellen Urbeits-
leiftungen fiir Gefundheit und Leben); 2) wegen der
Niedrigleit des Lohnes (bei ungelernten Urbeitern, wo
der Lohn —** Der geringen Urbeitsfabigteit und
ded regelmiapig die Nachfrage überſteigenden Angebots
den niedrigſten Stand zeigt, und der Lohn eines er:
wachſenen Arbeiters einer mittelftarfen Familie mur |
die Befriediqung der dringendjten Lebensbediirfniffe |
ermöglicht, ferner bei finderreiden Familien, wenn
fiir Diefe Der Lohn des Fantilienhauptes das eingige |
Einfommen ijt, und bei ijolierten Urbeitern, wenn
infolge der Übermacht des Urbeitgebers an fic) be-
redhtiqte Lohnerhihungen — oder unberech⸗
tigte Lohnreduftionen erfolgen), und 3) wegen Man:
els an Ausſicht auf eine Steiqerung des Yirbeitsein-
‘aimmens mit der Beit, weil nur ein kleiner Teil der
indujtricllen Arbeiter zu der Stellung cines Vorarbei
ters, Aufſehers, Werkmeiſters r., geſchweige gar eines
Unternehmers gelangen fann. Gaeitere Übelſtände
lonnen beſtehen in übermäßiger Ausdehnung der tig:
lichen Arbeilszeit, in der regelmäßigen Vornahme
von Sonntags- und Nachtarbeit, ferner darin, daß
die Beſchäftigung an ſich oder wegen des Zuſtandes
der Urbeitsraume geſundheitsſchädlich oder lebens
efährlich ijt. Als Übelſtände der Yrbeiterwohnungen
ind hervorzuheben: ungefunde Lage, ſchlechte bauliche
hältniſſe, Uberfüllung der Wohnhäuſer und der
einzelnen Wohnungen, zu hohe Mietpreiſe, Unſicher—
heit der Mietsdauer und häufiger Wohnungswechſel,
zu weite Entfernung von der Arbeitsſtelle ꝛc. Bezüg—
lid) der Ausgabenwirtſchaft lommen in Betracht: *
Preiſe fiir oft ſchlechte Waren durch Einkauf in klei—
nen Laden oder in unſoliden Geſchäften, die Ausbeu—
tung der Arbeiter durch direlte oder indirefte Ablöh—
mung mit Waren (ſ. Trudfyftem), übermäßig lange
Lohnzahlungstermine, ſchlechte Koſt, übermäßige Aus—
keit.
ſtände kommen aud) in den Kreiſen der Arbeitgeber
moralitat der Eheleute und Eltern, durch den ſchlech
ten Zuſtand der Wohnungen, durch die ſchlechte Er—
ziehung und Unwirtſchaftlichkeit der Hausfrauen, durch
eine regelmäßige Beſchäftigung der letztern außerhalb
de Hauſes ꝛtc., ferner die mangelhafte Ausbildung der
Kinder in moraliſcher Hinſicht, die Größe der Familie
bei unzureichendem Cinfommen, die regelmäßige Kin—
derarbeit ꝛc. Weitere Übelſtände bei männlichen
Arbeitern find: geringer Arbeitsfleiß, mangelnder
Sparſinn, auch wo die Lohnhöhe an ſich ein Sparen
geſtatten würde, Unwirtſchaftlichkeit in der Verwen⸗
dung des Einlommens, Trunkſucht, Irreligioſität.
Mißtrauen gegen Arbeitgeber, Mißachtung der Ver—
träge, Ubertretung der Geſetze, Mißbrauch der Koa—
litionsfreiheit, Haß gegen die beſitzenden Klaſſen x.
Bei unverheirateten weiblichen Arbeitern treten als
beſondere Mißſtände hervor: die mangelnde Gelegen⸗
heit, ſich die fiir Den künftigen Beruf als Hausfrauen
notwendigen Cigenidaften und Fabigfeiten anzu—
eignen, cine ungünſtige Wirfung der indujtricllen Be-
ieiftiguing auf ibre Moral, geſchlechtliche Unſittlich⸗
[ber moraliſche, fiir die A. weſentliche Miß—
vor, fo namentlich, wenn dieſe ihr Verhältnis zu ihren
| Urbeitern lediglid) als cm reines Vertragsverhaltnis,
nicht aud) als ein moraliſches auffaſſen und die ihnen
obliegende fittliche Pflicht, fiir die moraliſche und gei—
ſtige Hebung ibrer Arbeiter nad) bejten Kräften zu
jorgen, nicht erfiillen und fic) iiberhaupt mibrem Ber-
halten gu ihren Yrbeitern ausſchließlich vom Tried des
rückſichtsloſen Egoismus bebherriden laſſen, oder wenn
ſie ihren Urbeitern in ihrem eignen privaten und ge
ſchäftlichen Leben durch cin ummoralijdes Berhalten
cin ſchlechtes Vorbild find.
Dic notwendigen und zweckmäßigen Reformmaß—
regeln find teils obrigfeitliche, teils private. Die
obrigkeitlichen Magregein find auger der Sorge
flir cme gute Yirbeitsitatijtif und fiir cinen den In—
terejjen der induſtriellen Arbeiter entiprechenden Schule
unterrid)t im weſentlichen geſegeberiſche oder admi—
nijtrative, Die tells den Arbeiterſchutz, teils Die Ar—
beiterverficherung betrejjen. Die Sorge fiir cine qute
Arbeitsſiatiſtit, d. h. fiir eine qenaue Feſtſtellung und
Klarlegung aller auf die matericile und ſoziale Lage
dev induftriellen Arbeiter bezüglichen und gu deren
ridjtiger Beurteilung weſentlichen Verhältniſſe, cine der
wichtigſten und dringlidjten Aufgaben der Staats-
qewalt, erfordert teils cimmalige, allgemeine Enqueten
liber beſtimmte Suftinde und Verhältniſſe, die ganze
Induſtriezweige, refp. Urbeiterverbaltniffe des ganzen
Landes betreffen, teils fortlaufende Fejtitellungen der
einzelnen Verhältniſſe und ibrer Veränderungen im den
einzelnen Induſtriebezirken. Dieſe letztern Feſtſtellun⸗
gen müſſen den induſtriellen Arbeitsinſpeltoren (ſ. un⸗
| ten) übertragen werden; beſſer nocd werden dafür be—
Arbeiterfrage (induſtrielle).
fondere arbeitsſtatiſtiſche Bureaus (Urbeitsintter, ſ. d.)
errichtet. Bezüglich des Schulunterrichts iſt hier der
obligatoriſche Unterricht bis zum 14. Jahr, aber auch
die ——— der obrigkeitlichen Anordnung eines
obligatoriſchen Fortbildungsunterrichts für die jugend⸗
lichen: Arbeiter bis gum 18. Jahre (ſ. Fortbildungs⸗
ſchulen) zu fordern, und für die Art des Unterrichts in
den Elementar ⸗ und Fortbildungsſchulen muß es vom
Standpuntte der Sozialpolitik als eine Hauptaufgabe
desſelben hingeſtellt werden, daß in den Schulen auch
i bie Uusbildung der Schiller in moralijder Hin-
idt geforgt wird, da die Schule in dieſen Kreijen
häufig das einzige Mittel religiöſer und moralijder
Erziehung iſt.
Die notwendigen Maßregeln der Arbeiterſchutz—
geſetzgebung ſind folgende: 1) Die Gewährung ded
Noalitionsredts, d. h. Des Rechtes der freien Vereini
gung der Lohnarbeiter zur Wahrung ihrer beredtig:
ten — * zur Beſſerung ihrer Lage, alſo auch
ur gemeinſamen Regelung der —— ihrer
rbeitsverträge, aber mit der Einſchränkung, daß die
677
Schutzvorſchriften durd) Strafbejtimmungen und
obrigfeitlidhe Rontrolle. Mindeſtens muh diejer Schutz
| den Berjonen unter 16 Jahren qewabrt werden. Für
weibliche Arbeiter (weibliche — über 18 Jahre)
rechtfertigen ſich die gleichen Schutzbeſtimmungen wie
für jugendliche Arbeiter, aber außerdem iſt hier noch
ein Saree Schutz fiir Schwangere umd Widyne-
rinnen (Verbot gewijfer Urbeiten, Sdongeit nach der
mttaer: Alper fiir Frauen, die ein Hauswefen zu
bejorgen haben (längere Mittagspaufe, früherer Schluß
der Urbeit an Vorabenden von Sonn: und Feiertagen),
geboten. 3) Die Regelung der Arbeit von erwachſenen
männlichen Urbeitern. Die Beſtimmung der Dauer der
tiglichen Arbeitszeit ijt bet Der Roalitionsfreiheit den
Beteiligten (Arbeitgebern und Urbeitern) gu überlaſ—
jen, nur ausnahmsweiſe ijt fiir cingelne Jndujtrie-
zweige, in denen nachweislich durch übermäßige Dauer
jener Zeit die Geſundheit der Arbeiter geführdet wird,
cine gejegliche oder adminijtrative Normierung der:
felben gu rechtfertiqen. Dagegen jollte die Gonntags-
| und Nadjtarbeit ace lich auf das unvermeidlide Maß
Vereins- und gitationsfreiheit micht gu einer wider: | beſchränkt und ebenjo durd gefeplice und admini-
redtlichen Freiheitsbeſchränkung Dritter ausartet oder | {trative Beſtimmungen die Verhinderung einer an ſich
den gewaltjamen Umſturz der bejtehenden Staats und geſundheitsſchädlichen oder fonjt gefibrliden Urbeit
Geſellſchaftsordnung beswedt, nod) in gemeingefibr lunlichſt erſtrebt werden. 4) Die Regelung der Ar⸗
licher Weiſe den öffentlichen, reſp. ſozialen Frieden ſtört beitsordnungen (Fabrikordnungen) fiir die einzelnen
(jf. Roalition). Die ſozialpolitiſche Bedeutung und Be⸗ größern induſtriellen Betriebe durch die Vorſchriften
rechtigung des ſo begrenzten Koalitionsrechtes liegt des obligatoriſchen Erlaſſes derſelben und ihrer Mit⸗
darin, daß es die ungünſtige Stellung des einzelnen teilung an die Arbeiter, durch geſetzliche Beſtimmungen
Lohnarbeiters gegenüber dem großen Unternehmer in | über die Form, den notwendigen und den zuläſſigen
der vertragsmaͤßigen Fejtitellung der Bedingungen | Inhalt und durd die Vorſchrift einer obrigteitlidjen
des Urbeitsvertrags und der ganjen Gejtaltung feines | Prüfung derjelben, damit Durd) diefe Ordnungen den
Urbeitsverhaltnijjes bejeitiqen und die rechtliche Frei- | Streitigfeiten zwiſchen Arbeitgebern und Arbeitern
heit und Gleichberechtigung des Arbeiters beim Ab⸗ vorgebeugt und zugleich der ſoziale Friede befördert
ſchluß des Arbeitsvertrags auch zu einer wirklichen — 5) Obrigkeitliche Maßregeln bezüglich der Lohn⸗
machen kann. Wher die Gewährung dieſes Rechtes er- zahlung, insbej.: ſtrenge Vorſchriften zur Verhinde⸗
fordert zum Schutze der Arbeitgeber und im öffent—
lichen Intereſſe als Korrelat auch Maßnahmen zur
Verhinderung und Erſchwerung des Vertragsbruchs
. Vertragsbruch). 2) Die Regelung der Arbeit von |
Kindern, jugendlichen und weibliden YUrbeitern. Diefe
drei Klaſſen find abjolut ſchutzbedürftig. Für Kinder
(Perjonen unter 14 Jahren) ijt, weil die regelmäßige
induſtrielle Beſchäftigung die körperliche, techniſche und
moraliſche Ausbiſdun —8* grundſätzlich das ge⸗
ſetzliche Verbot dieſer Beſchäftigung zu fordern; jeden-
falls ſollte die Sonntags- und Nachtarbeit ſowie jede
direkt geſundheitsſchädliche oder für Kinder ſonſt ge—
fährliche Arbeit verboten und zu dieſem Swed die Be.
ſchäftigung nur auf Grind eines Atteſtes autorifierter
Arzte geſtattet, ferner ein Minimalalter der Beſchäf—
tigung, eine Maximalarbeitszeit mit Arbeitspauſen
und die Gewährung eines regelmäßigen Unterridts |
neben der indujtriellen Beſchäftigung vorgeidrieben,
zugleich aber durch wirffame Strafbejtimmungen und
obrigfeitlide Kontrollorgane fiir die Durchführung
diefer Vorſchriften qeforgt werden. Die Regelung muy
fic) auch auf die Hausinduſtrie, aber mit mannigfachen,
den einzelnen Arten und lofalen Verhältniſſen ſich an:
pafjenden Modijifationen, erjtreden. Für jugendlide
Arbeiter (Perſonen von 14 bis unter 18 Jahren) be-
Darf ¢8 ebenfalls des Berbots der Gonntags- und
Nadhtarbeit, der geſetzlichen Beſtimmung der Maximal:
arbeitszeit (nicht itber 10 Stunden) und der Arbeits—
paujen, des Verbots der gefundheits- und moralſchäd⸗
licen oder fonjt gefährlichen Arbeit, der Ein- und
Durchführung cines obliqatorifden Fortbildungs-
unterridts, wo er nad den lofalen Verhältniſſen aus-
fithrbar ijt, und der Sicherung der Durchführung der
rung des Truckſyſtems (}. d.), Verbot der Auszahlung
der Qsbne in Wirtshaujern und Sdanflofalen, Ber-
bot von Lohnabzügen und Lohneinbehaltungen, die
nicht in der YUrbeitsordnung vorgejehen find, und ge-
ſetzliche Beſchränkung der Höhe der zuläſſigen Lohn⸗
einbehaltungen zur Sicherung von Entſchädigungs—
anſprüchen des Arbeitgebers gegen — ——
kontraktbrüchige Arbeiter, eee geſetzliche Bejtim-
mungen, die entweder die Arbeitgeber ermadtigen,
in der Urbeitsordnung die Auszahlung der Löhne an
—— unverheiratete Arbeiter nur mit Ge⸗
nehmigung der Eltern, bez. des Vormundes vorzu⸗
ſchreiben, oder die Befugnis zu einer ſolchen Vor—
ſchrift Den Gemeinden und größern Kommunalver—
bänden erteilen. 6) Die Regelung der Organiſation
von Gewerbegerichten zur gerichtſichen Entſcheidung
von Rechtsſtreitigkeiten zwiſchen gewerblichen Unter⸗
nehmern und ihren Arbeitern über Forderungen und
Verbindlichkeiten aus dem abgeſchloſſenen Arbeits—
vertrag (ſ. Gewerbegerichte). 7) Normativbeſtimmun⸗
gen für Einigungsämter, deren Aufgabe es ijt, bei
entitebenden Streitiqteiten der Urbeitgeber und Ar—
beiter, bei denen es A um Wnderungen des bisheri-
en Urbeitsvertrags, reſp. um die Bedingungen, den
Inhalt eines neu abzuſchließenden (Dauer der Ar—
beitszeit, Lohnhöhe, allgemeine Beſtimmungen der
Arbeitsordnung x.) handelt, einen friedlichen Mus-
gleich herbeizufuͤhren, event. einen fiir beide Teile bin:
| denden Ganedsfprud) zu fällen und durch ihre Wirt:
ſamleit ſchweren Konflikten und Arbeitseinſtellungen
vorzubeugen (ſ. Einigungsämter). 8) Die Urbeiter-
wohnungsgeſetzgebung als dffentlich - rechtliche Rege-
lung der Benutzung von Wohnungen (Magtichee
678
obrigleitlichen Verbots der Benutzung gejundbheits- | nur ihre Betriebsfoften dedt und den Urbeitern die
ſchãdlicher Wohnungen, Expropriationsredt, refp. Ex- Waren eT aca. refp. Herjtellungs reis mit dem
propriationspflidt der Gemeinden jur VBefeitiqung | sur Decung der Gefdhaftsuntoften notwendigen Auf-
ungejunder Wohnungen, Verwendung der einjelnen ſchlag verfauft werden, oder als Genoſſenſchaften der
Gebiiudeteile nur nad) Makgabe der baupolizeilichen Arbeiter, fogen. Ronfumvereine (ſ. Genoſſenſchaften);
Genehmigung, Unordnung eines geſetzlichen Mini- 6) die Firderung des Sparfinns durch befondere, ent:
malluftraums für jeden Bewohner, Cinjegung bejon- | weder von den Virbeitern oder von den Urbeitgebern
derer Inſpektionsorgane rc.) und Seleggetung iiber errichtete Fabriffpartafjen, in welde die Arbeiter ſich
Mietvertriige, um die Urbeiter gegen die Übermacht | freiwillig verpflidjten, regelmiifig bei jeder Lohnzah—
und Ausbeutung der Vermicter ju ſchützen (jf. Urbei- lung einen Betrag einjulegen, augerdem aber jeder-
terwohmungen). 9) Die Organijation einer befondern | zeit Betriige einlegen können, und deren niigliche
Arbeiterfrage (indujtrielle),
Urbeitsinjpeftion zur Beobadtung und Feſtſtellung
dev tatſächlichen Zuſtände, zur Sicherung einer ge—
nauen Durchführung der Arbeiterſchutzbeſtimmungen,
zur Weiterbildung der ſozialpolitiſchen Geſetzgebung
und zur —— privater, für die Verbeſſerung der
Arbeiterverhältniſſe und für die Förderung des ſozia⸗
len Friedens nützlicher ~~ * Fabrilinſpeltion).
Inwieweit dieſe prinzipiellen Forderungen in der Ge⸗
ſetzgebung erfüllt ſind, darüber ſ. Fabrikgeſetzgebung
Wirkung geſteigert werden kann durch Gewährung
von Praͤmien zu den Spareinlagen ſeitens der Arbeit⸗
eber oder gemeinnütziger Geſellſchaften oder durch
Bewilligung eines höhern Zinsfußes; 7) andre Wohl⸗
fahrtseinri — der Yrbeitgeber mannigfaltigiter
Yirt, Deven zweckmäßigſte Durdfiihrung und jegens-
reiche Wirkfamfeit in zahlreichen Unternehmungen er-
probt ijt, wie 3. B. Rranfenfafjen (auch fiir Familien⸗
angehbrige der Urbeiter), Jnvaliden:, Alters-, BWit-
und Gewerbegejepgebung. wen und BWaifenfafjen, event. als Ergdinymgs: und
Die obrigteitliden Urbeiterverfiderungs- | Zufdhublaffen der gefegliden obligatoriiden Kaſſen
maßregeln betreffen, entipredjend den einzelnen | diefer Art, Boridup: und Unterjttigungstafjen (bet
Arten diefer Verfiderung: 1) die Regelung der Un | unverjduldeten Ungliidsfillen und andern aufer-
fallentſchädigung entweder durch ig oe elung gewöhnlichen unvermeidliden Ausgaben, bei Befcdaf:
der Haftpflidht der Unternehmer und Normativbejtim: | fung von Wintervorriiten x.), Soldatentajjen, Ar—
mungen fiir private Unfallverſicherungsanſtalten oder beiterſpeiſeſäle, Umkleideräume, Waſch- und Badeein-
durch die Einführung der Hffentlich - rechtlidjen Un— | ridjtungen, Meinfinderbewahranjtalten und -jdjulen,
fallverfidjerung (f. d.); 2) die Reqelung der Rranfen: | Lefezimmer, Bibliothefen, Handfertigfeitsunterridts-
verfiderung auf der Grundlage des Recfidjerunge. anjtalten, Handarbeits- und Haushaltungsidulen,
zwanges und der teilweifen Beitragspflicht der Urbeit- | Mädchenheime, Fortbildungsjdulen, Turnanjtalten re.
eber (j. Rranfenfafjen) ; 3) die Regelung der Ulters- u. | (ſ. Dariiber die Bufantmenjtellung bei G. Meining—
nvalidenverfiderung entweder mur Hea) Norma: | haus, Die ſozialen Wufgaben der indujtricllen Ar⸗
tivbejtimmungen fiir private Verjiderungsanjtalten | beitgeber, Tilbing. 1889); 8) die Schajfung von Ar⸗
oder durd) eine öffentlich-rechtliche Regelung aud beiterausſchüſſen als befondern Organen in großen
dieſes Verjicherungssweiges (wie in Deutſchland) mit induſtriellen Unternehmungen, zur Bertretumg der
Verſicherungszwang, teilweifer Beitragspflicht der Mr- | Urbeiterinterefjfen, zur Siderung eines quten Verhalt-
beitgeber, ftaatlidjer Organijation der Verficherungs- niſſes zwiſchen den Urbeitgebern und ihren Arbeitern
anftalten, Staatszuſchuß rc. (ſ. Invaliditätsverſiche umd jur Herbeifiihrimg eines guten Berhaltens der
rung); 4) die normative Regelung der privaten Wit leptern; 9) Maßregeln zur Befampfung der Trunt-
wen und Waiſen⸗, Lebens- und Begrabnisgeldver- ſucht (f.d.); 10) Vereine für unverheiratete induftrielle
ſicherung (ſ. die betr. Artikel). Uber eine Verſicherung Arbeiterinnen, die fic) der —— für dieſe Per—
gegen Arbeitsloſigkeit ſ. d. ſonen hingeben, fiir eine ordentliche Wohnung, event.
Zu den privaten Maßregeln gehören: 1) die auch für eine gute Verpflegung derſelben ſorgen, ihr
Steigerung des Arbeitseinkomniens durch eine ratio: moraliſches Verhalten überwächen, ihre allgemeine
nelle, den Arbeitsfleiß ſteigernde Art der Löhnung oder Bildung fördern und ihnen Gelegenheit geben. ſich in
durch die, freilich nur ausnahmsweiſe in einem kleinen | den freien Stunden in Handarbeiten und in dem, was
Teil von indujtriellen Unternehmungen mit Erfolg | fonft cine tüchtige Hausfrau wiffen foll, auszubilden ;
anwendbare Beteiliqung der Urbeiter am Gewinn; 11) Kod): und Haushaltungsfdulen fiir Fabrikmäd—
2) die —— von J in| chen; 12) Kleinkinderbewahranſtalten fiir ſolche Rin-
den fehr engen Grenjen, in denen dieſe Unterneh- | der, deren Mütter in induftriellen Unternehmungen
mungsform anwendbar ift (|. Genoſſenſchaften); 3) dic | auger Dem Hause beſchäftigt find; 138) Bereine zur
Organijation der Urbeiter in Berufsverbänden (Ge | Unterjtiigung der Wöchnerinnen in ihrer Haushal-
werfvereinen) jur Wahrung ihrer beredtigten Juter- | tung; 14) Urbeiterdbildungsvereine ju dem Swed, die
ejjen und Verbeſſerung ihrer Gefamtlage, Fas Haupt: | allgemeine Bildung, die Berufskenntniſſe, die gute
mittel aud) zur — des Problems einer richtigen Sitte, die Moral, die Religioſität und den Patriotis
Verteilung des Ertrags der Unternehmungen zwiſchen mus unter ihren Mitgliedern gu fordern, aber ard
Kapital und Arbeit und einer gerechten Lohnbildung | zur Erheiterung und Rerfchinerung ihres Lebens bei-
(f. Gewerfvereine); 4) die Herjtellung quter, gefunder | zutragen und auf ihe Familienteben cinen veredeln-
und billiger YUrbeiterwohnungen durch Urbeitgeber, | den —* auszullben. Su den wichtigſten privaten
Baugeſellſchaften, Baugenoſſenſchaften (ſ. Urbeiter- | Maßregeln gehört ferner nod) 15) die individuelle
wohnungen); 5) die Gründung von Konſumanſtalten, Einwirkung der induſtriellen Arbeitgeber auf die Beſſe⸗
um den Arbeitern Nahrungsmittel und andre Ge- | rung der Lage ihrer Arbeiter (außer durch die oben
brauchsgegenſtände beſſer und billiger ju liefern, als | erwähnten Wohlfabriseinridtungen) durd thr perſön⸗
jie diefelben fich in andern Laden veridatfen, entweder | fides Berhalten und dadurd), dak fie fic aud) um dad
als Unjtalten größerer WUrbeitgeber, die auf deren | Familienteben ihrer Urbeiter befiimmern und dasfelbe
Rechnung und unter deren ——— betrieben zu beſſern ſich bemühen. Unentbehrlich ijt aber auch
werden und derart organiſiert ſind, daß die Anſtalt bie die ſoziale Reform yur Forderung von Moral und
feinen Gewinn fiir den WUrbeitgeber erjielt, fondern | Sittlichfert bei den einzelnen Arbeilern und in den
Arbeiter frage (andwirtſchaftliche).
Arbeiterfamilien die energiſche Mitwirkung der Kirche
und Geiſtlichkeit.
Die landwirtſchaftliche Urbeiterfrage.
Cine landwirtſchaftliche U. exiſtiert als ein großes
ſoziales Broblem cigentlid) nur da, wo die großen
Wiiter und der landwirtſchaftliche Gropbetried fiber-
wiegen, und wo die auf diejen Giitern iy he
Urbeiter reine Lohnarbeiter find und feine Möglich⸗
feit haben, in den Beſitz eines fleinen Gutes al3 Cigen-
timer oder Pachter gu kommen, in Deutſchland daher
wefentlid) mur tm Rordojten. Der Stand der land-
wirtjdaftlidjen UW. ijt in verjdiedenen Landern
durd) die großen Unterjdjiede in der BVerteilung des
Grundbeſitzes und der gangen Art des landwirtſchaft
lichen Betriebes ſehr verſchieden; auf dieſe Unterſchiede
in den einzelnen Ländern, für welche überdies nur
lückenhaftes Material vorliegt, kann hier nicht ein⸗
gegangen werden. Die folgende Darſtellung muß ſich
deshalb auf eine kurze Erdrterung der landwirtſchaft⸗
lichen A. in Deutſchland beſchränken.
In Deutſchland find vier Klaſſen landwirtſchaft—
licher Lohnarbeiter gu unterſcheiden: 1) die Gutstage-
löhner (Dienjtleute, Inſtleute ꝛc.), fontraftlid) auf
längere Zeit, mindeftens auf 1 Jahr, gebundene Lohn-
arbeiter ohne Grundbefig, die auf dem Gute de3 Ar—
beitgebers wohnen, eigne Hauswirtidaft haben und
verpflichtet find, ihre Urbeitstraft, in manchen Gegen-
den aud) noch eine zweite jiingere (Scharwerker, Hof⸗
gänger) dem Dienſtherrn zur Verfiigung gu ftellen;
ſie befommen als Entgelt Raturalemolumente (auger
Wohmmg Land jum Unbau, Weidenutzung, Depu-
tatforn ꝛtc.), die m der Regel den größern Teil des
Cinfommens bilden, und etnen Jahreslohn in Geld;
2) Cinlieger, Lohnarbeiter ohne ———— feſten
Wohnſitz, die in Dörfern oder auch auf Gütern zur
Miete wohnen, immer nur auf kürzere Zeit den Ar—
beitsvertrag ſchließen und einen Lagelohn, im der
Regel mur m Geld, erhalten; 3) bejigende Ur-
beiter, die etwas Land, in der Hegel aud) ein Haus
beſitzen, deren Beſitz aber nicht groß gemug ijt, fid
und ibre Familie gu erhalten, und die deshalb nod als
Tagelipner, aber nicht ſtändig gegen Geldlohn ar-
beiten; 4) Dienjtboten, Gejinde, Lohnarbeiter, die
aud) auf —— Zeit gedungen werden, ſich gu be-
ſtimmten landwirtſchaftlichen Dienſtleiſtungen ver-
— und dafiir auger einem fejten, auf längere
ermine vereinbarten Geldlohn volle Raturalverpfle-
gung in bem Hauſe ihres Dienftherrn erhalten.
In der Lage der landwirt{daftlidjen Urbeiter be-
fteht im allgemeinen ein großer Unterſchied zwiſchen
Süddeutſchland und dem wejtlidjen Teil von Nord⸗
deutſchland einerſeits und dem djtliden Teil von Nord-
deutſchland anderſeits. Die Lage der Urbeiter dort ijt
im allgemeinen eine gitnjtigere. Ihr Einkommen und
ihre Lebenshaltung iſt höher; fie können durch Fleif,
Sparjamfeit, Wirtſchaftlichleit es aud) zu einem kleinen
Grundbeſitz bringen, und ein großer Teil von ihnen
hat einen ſolchen. Das Familienleben, das moraliſche
Verhalten dieſer Vollsklaſſen ijt ein beſſeres, fie haben
meiſt das Streben, vorwärts zu fommen, ihre Bil-
dung ijt eine höhere. Die Tatſache der bejjern Lage
dieſer Urbeiter hat zum Teil ihre Urſache in der gitnfti-
gern Gefdichte diefer Klaſſen feit bem Mittelalter, aber
vorzugsweiſe beruht fie bod) auf großen Unterfdieden
in heutigen allgemeinen Verhältniſſen zwiſchen diefen
beiden Leilen von Deutidland. Hier, im norddjtlichen
Teil, überwiegen weitaus die großen Gilter, dort
ebenfo die fleinern und mittlern. Die Lohnarbeiter
find bier gum größten Teil Urbeiter auf großen Giitern,
679
eine fiir Die Urbeiter et eaten Kluft trennt fie
von den Urbeitgebern; dort find fie gum größten Teil
Urbeiter auf mittlern Giitern, gu einem erhebliden
Teil felbjt fleine Beſitzer, der ſoziale Unterſchied zwi—
ſchen Urbeitgebern und Urbeitnehmern ijt in der Regel
fein fo großer, die pane ſoziale Stellung der letztern
ift eine andre, viel freiere. Dazu fommt, dak bier
die Urbeiter viel mehr von der ſtädtiſchen Bevilferung
geſchieden find. Weit auseinander liegen die Stadte
und Dörfer, dagwijdjen die groken Giiter. Der Ver-
kehr der ländlichen Urbeiter m Städten und mit der
ſtädtiſchen Bevdlferung ijt ein geringer. Anders dort:
die Guts- und Gemeindebegirfe ſind viel fleiner, die
Städte sahlreider. Eng beieinander find Dörfer und
fleine Stadte. Auf engem Raunt nebeneinander wer-
den Landwirtſchaft Gewerbe betrieben. Die land-
wirtſchaftliche Bevdlferung verfehrt viel mehr nuit der
ſtädtiſchen und lebt zumeiſt in Dörfern, der Inhalt
ihres Lebens wird dadurd ein viel mamnigfaltigerer.
Den ländlichen Urbeitern bieten fic) gur Beſchäftigung
nicht bloß landwirtidaftlide Urbeitgeber, und dieſe in
—* Zahl, ſondern ſie finden leicht auch andre
rbeitsgelegenheit. Dadurch werden ſie ebenfalls viel
weniger abhängig von dem einzelnen Arbeitgeber und
eſtalten ſich die Bedingungen des Arbeitsvertrags
ſie günſtiger. Sehr weſentlich iſt aber endlich noch,
daß es tm Nordoſten, wo nur große Güter und größere
Bauernhöfe exiſtieren, fiir die große Mehrzahl der
Arbeiter völlig unmöglich iſt, zu einer eignen kleinen
Gutswirtſchaft als Eigentümer oder Pachter zu ge
langen. Das iſt aber dort jedem Arbeiter möglich durch
Fleiß, Sparjamfeit und ——— nd dieſe
Moglichteit wird für viele der kräftigſte Antrieb, fleißig,
ſparſam und wirtſchaftlich zu ſein, um jenes Ziel zu
errei belſtände moraliſcher und ölonomiſcher
Art gibt es auch dort, aber ſie ſind viel geringer an
Zahl und Ausdehnung, ihre Beſeitigung bildet keine
große ſoziale Reformfrage.
Eine Poche ijt aber fiir die landwirtſchaftlichen Ar—
beiter im norbddjtliden Deutidland vorhanden. Die-
felben find gum weitaus größten Teil Gutstagelbhner
oder Cinlieger, jene bilden die große Mehrzahl. Der
Hauptiibelftand ijt fiir beide Klaſſen von Urbeitern
die ———— ſelbſtändige kleine Landwirte zu
werden. Bei den Gutstagelöhnern ijt die Stonomifdye
Lage fehr verfdieden, je nad) dem Berhalten der Ur-
beitgeber. Ihre Einlommensverhältniſſe find in der Re-
gel nicht gerade ungitn{tig, wenn ihnen die vertrags-
magigen Naturalemolumente rechtzeitig und gut ge
liefert werden. Dies ijt jedod) nicht fiberall der Fall,
und nidjt felter find namentlid) aud) die ihnen iiber-
wiejenen —— ſchlecht und fiir das Familien⸗
leben ſchädigend. Andre Stonomijdhe Übelſtunde find:
eine übermaͤßige Arbeitszeit im Sommer an Wochen⸗
tagen, Beſchäftigung aud an Sonntagen, übermäßige
Beſchäftigung der Frauen im herridhatttichen Dien
auger dem Haufe, eine fiir die Urbeiter ſchädliche Ab⸗
banpigteit von den Urbeitgebern, unwirtidaftliche Ver-
ung de3 Einfommensrc. Und dazu kommen nod)
bei ſehr vielen Urbeiterfamilien als moraliſche Mip-
ſtände: frithzeitige, leichtſinnige Eheſchließungen und
ein ſchlechtes Familienleben, ——— Erziehung
und —— ende Schulbildung der Kinder, Der mo-
ralſchãädliche erdienſt in fremden Familien,
— Unfjittlicteit der Mädchen, geringer Ar⸗
itsfleiß, Trunkſucht 2. Die —S Lage der
Einlieger ijt im Sommer günſtig, wo fie leicht Urbeit
und guten Lohn finden; aber im Winter wird ihre
Lage ungünſtiger al8 die Der GutStageldhner, und
680
viele bleiben ohne Urbeit und Verdienft. Die mora: |
lifchen Mißſtände find bei ihnen der gleichen rt.
Für die ſoziale Reform ijt bezüglich beider Klaſſen
die Hauptaufgabe, den Arbeitern die Möglichkeit zu
eröffnen, felbjtindige Landwirte auf cinem Heinen
Gut, gqrundbejigende Urbeiter gu werden. Dadurd
wird zugleich Der Gefabr, daß die ſozialdemokratiſche
Ugitation aud) die landwirtſchaftlichen Urbeiter der
Sozialdemofratic zuführt, vorgebeugt. Es follte fiir
eit Angebot ſolcher Heinen Beſitzungen geforgt, aber
zugleich erwerbstujtigen, tiidjtigen Yirbeitern, denen |
Die Mittel zur Bezahlung des Raufpreifes und bas |
weiter ndtige Uniage- und Betriebsfapital fehlen, der
Erwerb ermöglicht werden. Die Erfiillung diejer For-
derung ijt feine leichte Aufgabe; fie fann in verſchie—
Dener Weise erfolgen, ſowohl hinjidtlich der rechtlichen
Natur der Beſitzungen (gemeinrechtliche Cigentums-
qtiter, Rentengiiter, Erbpadtgiiter, event. aud) Zeit-
padtgiiter) als der Perjonen, welche die Reform durd-
führen (größere Grundbeſi 5 beſondere Geſellſchaften
nach Art der engliſchen Landbaugeſellſchaften, der
Staat oder kommunale Verbände). Die Anſiedelun
von Arbeitern in größerer Zahl ſollte aber möglichſt
im Anſchluß an Sirter und bauerlidje Gemeinden,
nicht in ifolierten Urbeiterfolonien ftattjinden, weil
jolche Kolonien nicht den Wnforderungen an ein ge
jundes Memeindeleben genügen können.
Für die Gutstageldhner find weitere Maßregeln zur
Verbeſſerung ihrer Lage: 1) die Einwirfung der land-
wirtidaftlichen Bereine auf eine redhtzecitiqe und qute |
ieferung der Naturalemolumente (durch Rontrolle, |
event. Verwarnung und dffentlide Befanntmadung
der betreffenden Urbeitqeber); 2) das geſetzliche Ver
bot von Yirbeiterwohnungen, die fiir Die Geſundheit
oder fiir Das Familienleben ſchädlich find, und die
jtrenge Durdfiihrung de3 Verbots; 3) die Verhinde—
rung einer inbumanen, übermäßigen Beſchäftigung
durd) den Einfluß der landwirtidaftliden Bereine, |
event. durch obrigfeitliche Beitimmumgen und Einfüh—
rung einer bejondern Entſchädigung bei der Beſchäf—
tigung fiber eine beſtimmte Beit hinaus; 4) die Stet-
gerung des Arbeitsfleißes und Lohneinkommens durd
Einführung des Akkordlohns, wo dieſe Lohnart mög
lich iſt, event. durch Gewährung von Prämien zum
Zeitlohn; 5) die Gründung von Konſumanſtalten
großer Arbeitgeber für ihre Arbeiter; 6) die Grün—
dung von Gutsſparkaſſen, mit Gewährung von Prä—
utien fiir Spareinlagen; 7) die Einſchraͤnkung der
herridaftlidjen Urbeit der Chefrauen und Miitter zur
ordentliden Beſorgung ibrer Hauswirtidaft und
Pflege ihrer Minder; 8) die individuelle perſönliche
Eimwirfung des Dienſtherrn und feiner Familie auf
das Familienleben und die Hauswirtidaft fener Ar—
beiter; 9) die Griindung von Heinen gegenfeitigen |
Viehverjidherungsanjtalten (durch landwiriſchaftliche
Vereine); 10) die Gründung beſonderer Feuerver
ſicherungskaſſen für das Mobiliar und die Vorräte,
deren Verſicherung die beſtehenden Geſellſchaften nicht,
jedenfalls in der Regel nicht übernehmen.
Der auch für die landwirtſchaftlichen Lohnarbeiter
berechtigten Forderung einer öffentlich-rechtlichen Re
gelung der Unfall- und Kranken- ſowie der Invalidi
tits und Altersverſicherung hat die Reichsgeſetzgebung
entſprochen (j. die betr. Artikel); eine wefentlice Muf- |
gabe fiir die Reform ijt aber nod) die Hebung der |
geijtigen und jittliden Bildung durch die obrigfeitliche
Sorge fitr eine geniigende Schulbildung der Jugend
(hinreichende Bahl von Elementarfduten in nicht zu
weiter drtlider Cntferming voneinander, Giderung |
Arbeitergilden —
Arbeiterfolonien.
deS regelmapigen Schulbeſuchs, rechte Urt des Unter-
richts, namentlich auch sur Wusbildung der moralifden
Eigenſchaften und ded religiöſen Sinnes), durch die
Einrichtung von Kleinkinderſchulen, wo die Miitter
vegelmiifig im Sommer auf Lobnarbeit zu gehen pile
gen, und Durd) die Organifation von Fortbildungs-
jdulen, wo dies ausführbar ijt. Mud gute Bolfs-
bibliotheten, die Einrichtung katechetiſcher Gottesdienjte
fiir die fonfirmicrte Jugend, die Erleichterung und
Förderung des Kirchenbeſuchs der Urbeiter feitens der
Urbeitgeber fommen fiir jenen Bwee in Betracht. At⸗
beiterbuldbungsvereine werden Dagegen nur ausnahins
weife, nur in folden Gegenden anwendbar fein, wo
in größern Gemeinden eine größere Bahl ſtändiger
Cinlieger wohnt und aud die Wohnungen von Guts-
tageldbnern in größerer gant in der Nähe liegen.
Die fehr umfangreide Literatur iiber die A. tm
allgemeinen ſ. im Art. »Arbeiter- von G. Sdhin-
berg im »Handwirterbud der Staatswijfenfdafien -,
Bd. 1 (2. Aufl., Jena 1898) und im rt. » Virbeiter:
jrage< von F. Hige im »Staatstexifon« der Gorres-
Geſellſchaft, Bd. 1 (2. Uufl., Freiburg 1900); über die
indujtrielle UM. vgl. Schonberg in dejfen »Hand-
buch der politiſchen Olonomie⸗, Bd. 2 (4. Uufl., Tab.
1896 — 98); Derfner, Die Y., eine Einführung (3.
umgearb. Aufl. Berl. 1902). Uber die landwirtidaft-
liche A. in Deutidland ijt das Hauptwerf: Th. von
der Golg, Die ländliche A. und ihre Löſung (2. Mufl.,
Dany. 1874); vgl. aud) » Die Landarbeiter in den evan-
geliſchen Gebieten Norddeutidlands, in Cinjeldar-
\tellungen nad den Erhebungen des evang.-jojialen
Kongreſſes⸗, hrsg. von M. Weber (Tiibing. 1899 fj-).
Urbeitergilden , ſ. Gewertvereine.
Arbe ygiene, ſ. Gewerbehygiene.
Arbeiterkammern, ſtaatlich organiſierte Stan—
desvertretungen der Arbeiter, analog den Handels-
und Gewerbefammern, mit der Uufgabe, der Regie
rung beratend und bequtadtend in Urbeiterfragen
yur Seite gu ftehen. wierig ijt ihre Sujaunmen-
jebung. Im Deutſchen Reiche haben die auf die Er-
richtung von A. abzielenden Anträge der Sozialdemo
fraten im Reidstag 1881, 1885, 1890 und des Hen-
trums 1899 feinen Erfolg gehabt.
Arbeiterfolonien, wm allgemeinen Riederiaj-
jungen fiir Urbeiter und Urbeiterfamilien. Diejelben
fonnen den Swed haben, Urbeiter ſeßhaft su machen,
indem ihnen auf einer Unfiedelung der allmablicde
Erwerb von Grundjtiiden Rr freiem Cigentum er-
möglicht wird (Daher aud Uderbaulolonien ge-
| nannt); im engern Sinne ländliche Niederlaffungen,
die dazu beſtimmt find, Arbeitsfähigen und Urberts-
willigen, Die augenblidtic feinen Erwerb finden und
daher dem Wanderbettel anheimfallen oder anbenn-
jufallen drohen, Beſchäftigung zu gewähren. Die
Beseidymung YU. gehört der neuern Zeit an, friiber
war mebr die Benennung Urmenfolonien üblich.
womit freilic) Der Gedanfe nabhegelegt ijt, als ob es
ſich nur um dDauernde Verpflequng Verarmter handle.
Verjude der gedadhten Art wurden int Heinen gemacht
von dem Freiherrn v. Boght m Flottbed bet Ham—
burg und vom Herzog von Larodefoucauld in Lian-
court (Franfreid)), in größerm Maßſtabe 1818 von
Weneral van den Bod), unter deſſen Leitung ſich in
Holland die Maatschappij van Weldadigheed (Ge.
jellichaft Der Wohltätigkeit) bildete, Die brotlofe, ar-
beitsfähige und arbeitswillige Leute in A. anſiedeln.
Findelfinder in Erziehung nehmen und Gewohnheits-
bettler gwangsweije zur Vrbeit anbalten wollte. Es
wurden Die freien Kolonien Frederifsoord, Wubelme-
Urbeiterfontrollapparate — Arbeiterjdug.
oord und Wilhelmina8oord u. a. gegriindet, die fpa-
ter vom Staat itbernommen wurden.
Im Anſchluß an die holländiſchen Berjude wurde
Ende der BOer Jahre de3 19. Jahrh. vom Pajtor
Heldring, Direftor Jahn u. a. auch fiir Preußen die
Griindung von YW. zur Einſchräntung der Wander:
bettelei angeregt, jedoch ohne Erfolg. Später verfud): |
ten Dann Die evangelijden Herbergen sur Heimat (jf.
Herberge) und die katholiſchen Gejellenvereine (f. d.)
fowie die Vereine gegen Hausbettel (ſ. Bettelwejen)
die Wanderunterftiigung zweckmäßiger zu geftalten.
Ullein die Erfolge waren nicht erheblich, teils weil es
an einer cinheitliden, ein größeres Gebiet umfaffen-
den Organijation feblte, tetls weil die vorhandenen
ee mehr gegen dupere Erfdeinungen als
gegen die Urſachen Des UÜbels ankämpften. Als zu
nde der 70er Jahre der Wanderbettel in Deutſch—
land neuerdings in bedrohlicher Weiſe um ſich gegrif⸗
fen hatte, fam man wieder auf die frühern Beſtre—
bungen juriid. Paſtor v. Bodelfdwingh, der das
Elend der armen Wanderer in Wejtfalen fennen ge-
lernt hatte, verbreitete foldye deen und rief, unter-
jtiigt von Freunden der innern Miſſion, in einzelnen
preufijden Brovingen Vereine zur Belämpfung der
Vagabundenplage und zur Erridtung von A. und
BVerpflequngsjtationen (ſ. Raturatverpegunge|tatio-
nen) ing Leben. Nachdem er ſchon längere Zeit hilfs-
bediirftiqen und wiirdigen Wanderern in der Unftalt
Bethel gegen Arbeit dDauernde Unterfunft gewährt
hatte, griindete er die erjte deutſche Wrbeiterfolonic
681
vingen und Rreife) aufgebracht. — Alle A. haben
eine — Hausordnung. Die Vergütung für
die Arbeit der Koloniſten, die als Notgroſchen und
ur Beſchaffung einer anſtändigen Kleidung dienen
bt, betragt nicht iiber 25 ‘Bf. tm Winter, 40 Pf. im
Sommer. Die Beſchäftigung befteht in der Regel in
fand- und forjtwirtidaftliden, nur ausnahmsweiſe
in gewerbliden Urbeiten. Die Grundlage der A. ijt
eine chriſtliche. Sede Kolonie fann Kolonijten ohne
Unterjchied der Heimat aufnehmen, folange der Raum
reicht; doch follen die in Den betreffenden Landesteilen
Heimat= oder Unterſtützungswohnſitz⸗ Berechtigten be-
vorzugt werden. — Neben den eigentlidjen v gibt
es es Abarten: Sweiglolonien als Filialen der
Hauptfolonien, ferner die Deimatsfolonien. Die
letztern haben den Swed, denjenigen Rolonijten, dic
ſich als tüchtig erwiefen haben, die Möglichkeit gu ge-
waren, fic) ſeßhaft gu machen und durd eigne land-
wirtfdaftliche Urbeit thr Brot gu verdienen. Die erjte
Derartige Kolonie war Friedrich -Wilhelmsdorf bet
Geejtemiinde; ihr folgten Schäferhof bei Pinne
und die Moorfolonie Freijtatt in Hannover. Au
Trinferheiljtitten und Straffolonien fiir rückfällige
Rolonijten (Kolonienbummler«) hat man mit den
A. gu verbinden geſucht. Durd Paſtor Iſermeyer
in Hildesheim u. a. wurde die Bewegung fiir A. aud
auf die Erridtung weiblicer A. ausgedehnt, von
Denen zur Heit zehn beſtehen, nämlich: Clberfeld-Bar-
men, Lippſpringe in Weſtfalen, Großſalza in der Pro—
vinz Sachſen, Himmelsthür bei Hildesheim, Borsdorf
Wilhelmsdorf (1882) zu dem Zwecke: 1) arbeits⸗ | bei Leipzig, Tobiasmühle bei Radeberg, Steglitz bet
luſtige und arbeitslofe Manner jeder Konfeſſion und
jeden Standes fo lange in landliden und andern Ar⸗
beiten gu beſchäftigen, bis es möglich geworDden ijt,
Berlin, Köſtritz bei Gera, Edenheim bei Fran:
furt. a. M., Plötzenſee bei Berlin. Vgl. Stursberg,
liber A. und Raturalverpjlequng x. (Gotha 1883);
ihnen anderweit lohbnende Urbeit gu beſchaffen und v. Bodelſchwingh, Die Uderbaufolonie Wilhelms-
ihnen jo die Hand zu bieten, vom Vagabundenteben los⸗
zukommen; 2) arbeitsjdeuen Vagabunden jede Ent-
Euldigung abzuſchneiden, daj fie feine Arbeit hatten.
In den folgenden Jahren grijf die Bewegung fiir VW.
unt fid), fo daß gur Zeit (nad) der Beit der Griindung
eordnet) folgende 29 A. bejtehen: Wilhelmsdorf in
itfalen, Berlin mit Reinicendorf, Käſtorf in Han-
nover, Vicking in Scleswig-Holjtein, Friedridswille
in Brandenburg, Dornahof in Wiirttemberg, Senda
in der Proving Sachſen, Dauelsberg in Oldenburg,
Wunſcha in Sdlejien, Meieret in Pommern, Karls-
hof in Ojtpreufen, Unfenbuc in Baden, Neu-Ulirid-
jtein in Heffen, Liihlerhein in der Rheinproving |
— Schneckengrün im Königrei Sachſen,
lklenroth in der Rheinprovinz (katholiſch), Simons⸗
hof in Bayern, Maria-Veen in Weſtfalen (fatholifd),
Yit-Lagiq in Poſen, Magdeburg in der Proving
Sachjen, Gailsdorf in Thüringen, Erlach in Wiirttem-
berg, Hamburg, Hohenhof in Seblejien (fatholijd),
Hilmarshof in Weſtpreußen, Herzogſägmühle im
Bayern, lirft in der Rheinprovinz (fatholijdh), Lieste
im Königreich Sachſen, Schernau in der Pfalz. Der
Geſamtbeſtand der belegbaren Plätze betrug Ende No—
vember 1900: 3489, Der Der Koloniſten 2899; im
ganzen waren feit 1882: 119,078 Rolonijten aufge-
nommen, 116,325 entlaffen worden. Der Grund-
bejis Der VY. beträgt ca. 4000 Heftar. Die 24 Vereine,
von Denen dieſe A. erhalten werden, unterjtehen dem
Zentralverband deutſcher A. dejjen Vorſitzender
zur Beit Geheimrat v. Maſſow (Potsdam) und deſſen
Organ » Der Wanderer ⸗ (Bethel bei Bielefeld) ijt. Die
Wittel sur Unterhaltung werden durd) Beitrage der
Mitglieder, freie Liebesgaben, Legate r., 3. T. aud)
durch Zuſchüſſe öffentlicher Körper (insbef. der Pro—
dorf (Bielef. 1882); Derſelbe, Vorſchläge zur Ver—
einigung aller deutſchen A. (2. Aufl., Daj. 1884);
Berthold: Dic Entwickelung der deutſchen A. (Leipz.
1887 ; fortgeſetzt Berl. 1889 u. 1893), Statijtif der dent
ſchen A. (Verl. 1891), Die deutſchen A., ihre Entſtehung
und Entwidelung 1882 1895 (daſ. 1897); Marfer,
Vagabundennot, A. und Verpflegsſtationen (Heilb -.
1887); Urtifel ⸗A.« im ⸗Handwörterbuch der Staats⸗
wifjenfdhaften«, Bd. 1 (2. Wujl., Jena 1898); »Bro-
tofolle der ordentlichen Verſammlungen des Sentral.
voritands deutidher YL. in Den Jahren 1884 ff. « (Verl.);
| Berichte der Bereine filr A.
Urbeiterfontrollapparate, |. Rontrollapparate.
Arbeitermarſeillaiſe, |. Marjeillaije.
— ſ. Einigungsämter.
Arbeiterſchutz (grbeiterſchutzgeſetze), der be-
ſondere geſetzliche Schutz der Lohnarbeiter, insbeſ. der
gewerblichen, gegen gewiſſe Gefahren und Nachteile,
die für ſie aus dem — Arbeitsvertrag oder ſonſt
aus ihrem Arbeitsverhältnis entſtehen können und
ohne den A. ſehr häufig entſtehen, und gegen die der
einzelne Arbeiter ſich nicht zu ſchützen vermag. Es
handelt ſich hier insbeſ. um geſetzliche Beſtimmungen
gegen eine übermäßige Urbeitsdauer, gegen Sonntags-
und Nachtarbeit, gegen ſonſtige geſundheitsſchädliche
oder lebensgefährliche oder moralſchädliche Beſchäfti—
gungen, gegen Schädigung des Familienlebens durch
die po eg re gegen Benadteiliqung der Yr-
beiter durch die Art Der Lohnregelung und der Lohn-
jahlung, gegen unwürdige Behandlung derfelben durch
Yrbeitgeber oder Aufſeher, gegen ſchlechte Wohnun-
gen x. (vgl. Arbeiterfrage, bef. S. 676). Freilich ijt
bei allen —— des Arbeiterſchutzes auch dafür
zu ſorgen, daß darüber nicht andre gleichberechtigte
682
private und djfentlidje Intereſſen verletzt werden, Daj |
insbeſ. der rubige, ungejtirte Fortgang der Produk—
tion und des ehrs geſichert, die internationale |
Konlurrenzkraft der inländiſchen Produltion nidt ge-
ſchãdigt werde. Der tatſächliche UW. erjtredt ſich bisher
wejentlid) nur auf gewerblidje Yobnarbeiter (vgl. Fa⸗
brilgeſetzgebung und ———— Seit 1897
beſteht eine Internationale Vereinigung fiir
geſetzlichen A. mit der Aufgabe, für Fortbildung
des Arbeiterſchutzes aud) tim Sinn einer internatio-
nalen Unndherung und Ausgleichung ju wirfen, und
mit Seftionen tn Deutidland, Ojterreid), Italien,
Atantreid), Belgien und der Schweiz. Cin Kongreß
dieſer Vereiniqung, 25.—29. Juli 1900 in Paris ab-
qehalten, genehmigte ein eignes Statut und die Er-
ridtung eines internationalen Urbeitsamtes,
das am 1. Mai 1901 in Baſel ins Leben trat (ſ. aud
Geſellſchaft fiir foziale Reform). Bal. A. Schäffle,
Zur Theorie und Politif des Arbeiterſchutzes (ZJeit⸗
idjrift fitr die geſamte Staatswiffenfdaft«, Bd. 46,47,
Tiibing. 1890 u. 1891); F. Hive, Schutz dem Arbeiter
(din 1890); Rulemann, Der W. fonjt und jest
Leipz. 1893); Franfenftein, Der A. (daſ. 1896);
Evert, Handbuch des gewerbliden Arbeiterſchutzes
(2. Ausg., Berl. 1900); H. van Zanten, Die Ur-
beiterſchutzgeſetzgebung in den europdijden Ländern
(Jena 1902). » Bulletin de3 internationalen Arbeits⸗
amtS« (Daf., feit 1902).
Arbeiterſchutzkonferenz, Internationale,
in Berlin. Wei dem großen Einfluß der Arbeiter—
Nat und Arbeiterverſicherungsgeſetzgebung auf die
BroduftionSfojten der rane a8 ijt es wuͤnſchens⸗
wert, daß die Staaten durch internationale Berhand-
{ungen mindejtens auf eine annähernde Gleichmäßig⸗
feit in der Arbeiterſchutzgeſetzgebung fiir indujtrielle
Yrbeiter der miteinander auf dem BWeltmarft fonfur-
rierenden Staaten binwirfen, um ohne Gefährdung
oder Schadiqung der eignen Induſtrie in dem cignen
Vande die notwendige Arbeiterſchutzgeſetzgebung durd)-
fithren gu fonnen. Die Sujtiinde der —— Lane |
der bedingen naturgemäß aud) mand Unterſchiede
der pp co der eingelnen Staaten, |
aber die Verjtandigung der Staaten und ein gemein: |
james Vorgehen derjelben auf dieſem Gebiet ermög—
licht erjt jedDem Staate die volle Durdfithrung Feiner |
Aufgabe. Die Frage der Notwendigfeit und Möglich⸗
feit einer foldjen internationalen Verſtändigung fand |
in der Wiſſenſchaft feit den 1870er Jahren ihre Pertei
diger. Der Bundesrat verfudjte 1881 eine Konferenz
der europäiſchen Induſtrieſtaaten gu diejem Swed
zu ftande gu bringen; aber die StaatSregicrungen,
an Die er die Unfrage ridtete, verhielten fid) mehr
oder minder ablehnend. Dagegen war die auf die
Jnitiative des deutſchen Kaiſers Wilhelm IL. in Ber:
lin in Der Beit vom 15.—29. März 1890 veranlafte
internationale A. von 15 Staaten befdidt, nämlich
Beigien, Dinemarf, Deutidland, Franfreid, Groh
britannien, Holland, Dtalien, Luremburg, Nor:
wegen, Ojterreid), Portugal, Sdweden, Schweiz,
Spanien, Ungarn. Die Delegierten der Staaten wa:
ren hervorragende Sachverſtändige in den der Bera
tung zu unterjtellenden Fragen. Die Konferenz hatte |
den Eharafter einer freien Konferenz, ihre Beſchlilſſe
jind fiir die beteiliqten Staaten nicht bindend. Dore |
Wiinfde erjtrecten ſich auf: Regelung der Arbeit in
Verqwerfen (Ausſchluß weiblider Berfonen von Ur
beiten unter Tage und von Rindern unter 14, in fiid- |
lichen Landern unter 12 Jahren), der Sonntagsarbeit
(Sonntag als Rubetag), der Urbeit von Kindern (WUus- |
Arbeiterſchutzkonferenz — Arbeiterverjiderung.
ſchluß der Minder unter 12, in ſüdlichen Ländern unter
10 Jahren von gewerblidjen Betrieben, Berbot der
Nadt- und Sonntagsarbeit fiir Kinder unter 14 Jah—
ren und der Uberjdjreitung einer tigliden Yrbeits-
dauer von 6 Stunden), von jugendlicen Urbetterm
und Frauen (Verbot der Radt- und Sonntagsarbeit,
Feſtſetzung einer tiglichen Marimalarbeitsdauer auf
10, be3. 11 Stunden). Cine von der Schweiz 1895
beabjichtiqte UW. fam micht zu jtande (ſ. auch Arbeiter⸗
ſchutz) Bgl. die »Protofolle der Ynternationalen UW. <
(Leip;. 1890).
Urbeiterfefretariate, teils von Gemeinden, teils
von Yirbeiterorganijationen eingeridtete Unstunfts-
jteflen, um den minder bentittelten Klaſſen, nament-
lid) Det Arbeitern, fojtenloje Mustunft in Rechts- und
VBerufsangelgenheiten (qewerblide Streitiqfeiten aus
dem Arbeitsverhältnis, WUrbeiterverjiderung, Arbei⸗
terſchutz, Prozeß⸗ und Steuerfachen, Urmenredt x.)
zu geben. Ste find alſo Vollsbureaus (f. d.). Die
erjte dDerartige Einrichtung wurde 1887 in Zürich ins
Leben qerufen, die erjte in Deutidland 1897 in Stutt-
gart. Zur Zeit beitehen in Deutidland 33 A.
Arbeiterſparkaſſen, ſ. Fabrifiparfajjen u. Spar-
Arbe ſ. Arbeitsãmter. taſſen.
Arbeitervereine, Vereine. die ausſchließlich oder
dod) vornehmlich aus Lohnarbeitern beſtehen und die
nicht einen Spezialzweck (wie Konſumvereine, Bau-
genoſſenſchaften, Rranfenfafjen ꝛxc.), ſondern allge—
meine Zwecke im Intereſſe ihrer Mitglieder verfolgen.
Die Hauptarten dieſer W. find: 1) Bildungsver—
cine. Diefe U. umfaſſen Urbeiter verjcdiedener Bro-
pices und befdjriinfen fid) darauf, die all-
gemeine — und die gute Sitte unter ihren Mit-
qliedern durch Vorträge, prechungen, Unterricht.
Bibliothet, Leſezimmer, geſelligen Verkehr zu befördern
und durch geſellige Zuſammenkünfte und gemeinſame
Vergnügungen, an denen auch die Angehörigen der
Mitglieder teilnehmen, zur Erheiterung und chö
nerung des Lebens der Arbeiter beizutragen. Solche
Vereine find in den letzten Jahrzehnten in allen sul-
turjtaaten, namentlid) aud) in Deutidland, in groper
Bahl entitanden. Zu ihnen gehören aud) die fatho-
liſchen » Gefellenvereine« (f. d.). Weiteres ſ. Bildungs
vereine. 2)Gewerfoereine, die Lobnarbeiter eines
bejtimmten Gewerfs zur Fdrderung ihrer gejamten
dfonomifden und foztalen Intereſſen bilden (ſ. Ge-
werfvereine). 3) Bolitifde VW, die als Ugitations-
vereine fiir politifde Forderungen der Yirbeiterflajje
eintreten, wie der 1863 von Laffalle (jf. d.) geqriin-
dete Ullgemeine deutſche Urbeiterverein. Bon Ber-
einen Diefer Art haber heute lediqlid) die fozialdemo-
fratifdyen A. Bedeutung (j. Sogzialdemofratic). 4) Ber-
cine, Die teils Bildungszwecke verfolgen, teils einen
gemifdt firdjlid) -fonfejfionellen und politiiden Cba-
rafter haben. Hierher zählen die dhrijtlich - josialen,
die evangelifden und fatholijden U., von denen die
evangelijden, die in einen Verband vereiniqt find, zur
Reit ca. 70,000, die fatholifden, gleichfalls in einen
Verband vereinigten, ca. 50,000 Mitglieder sablen.
WUrbeite cherung, die Berjiderung, durd
die vomt Arbeiter und feiner Familie die aus tetlweijemt
oder gänzlichem Verluſte der Erwerbsfähigleit erwad-
fenden Gefabren dadurd) abgewandt werden, daß in
Seiten des Erwerbs gezahlte Beiträge zur Auszahlung
an die Unterſtützungsbedürftigen gelangen. Jene Ge⸗
fahren können erwachſen durch Tod, der den hinter⸗
bliebenen Witwen und Waiſen ihren Ernährer ent-
sieht und größere Ausgaben (Begräbniskoſten) ver-
urſacht, Dann durch Kranfheit, die Lohnausfall zur
Arbeiterverficherung (geſchichtliche Entwidelung).
Folge hat, ferner durch Invalidität he von Al⸗
tersſchwäche, Rriinflicdfeit oder Unfall. Außerdem
fann aud) Hilfsbediirftigfeit infolge von Arbeitsloſig⸗
feit eintreten. Der eingelne Arbeiter ijt nun nidt om
jtande, durch Erjparnijje fid) gegen diefe Gefahren
augsreidjend ju fidern. Wenn aud), was aber nidt
immer der Fall ijt, der Urbeitslohn fo hod) jteht, dak
bei einem den Rulturanforderungen entipredenden
Leben Eriibrigungen möglich find, und wenn aud
wirklich Der Urbeiter, was nicht bei allen gu erwarten,
fid) gu den mit dem Sparen verfnitpften Entiagun-
gen entſchließt, fo vermag er dod) nicht immer fo viel
rechtzeitig zurückzulegen, daß die bei Eintritt de3 To-
des oder der Yirbeitsunfaibhigleit vorhandene Summe
genügt. Iſt hiernach nicht jeder Einzelne, wenn auf
ſich allein angewieſen, im ſtande, ſeinen vollen Un—
terhaltsbedarf ju decken, fo muß der Weg der wechſel⸗
feitiqen Unterjtiigung, der fozialen Hilfe beſchritten
werden. Golde Hilfe wird emmal durch geſetzliche
YUnerfennung von Unterjtiigungspflidten bet Familie,
der Gemeinde, des Staates gewährt, neben denen
die Privatwohltätigleit ergänzend wirfen fann. Nun
jind aber die Unterjtiigungen, die ald unentgeltlidje
Suwendungen den Charafter der Urmenpflege tragen,
fitr fic) allein weder gureidjend nod) empfeblenswert ;
jie fonnen nie in der Art und in dem Mahe gewährt
werden, daß fie tiberall wirflidem Bedarf geniigen.
Außerdem wirft die —— leicht demoraliſie⸗
rend, indent fie bei ſchwachem Charafter Arbeitsſcheu
und Reigung jum Vettel großzieht. Aus diefem
Grunde joll man ſuchen, diefe nur auf folde Faille
zu beſchränken, in denen fie unentbebriid ijt, in an:
dern aber Cinridjtungen zu ſchaffen, in denen bei wohl⸗
organifierter Hilfe der Trieb gur Urbeit und menfd-
ridge Wiirde gewahrt wird. Hiergu erweijt ſich die
Verfiderung als fehr zweckmäßig, die überdies das
Gefühl einer Durd) cigne Urbeit und Sparfamfeit er-
möglichten Selbjtindigteit wad erhält. Auf die Sum-
men, die dem verjidjerten Urbeiter gu sahlen find, hat
diefer ein Recht, fie-find nicht etwa Ulmofen. Nah
obigem wire alſo ndtig eine Kranken⸗, Begribnis-,
Unfatl-, Ulters:, Ynvaliden-, Witwen-, Waifen- und
Arbeitsloſenverſicherung.
In Deutſchland und andern Ländern finden ſich
bie erſten Anfänge der modernen AU. im dem Unter-
ſtützungsweſen der mittelalterliden Genoffenfdaften,
namentlid) in den Zünften und Gejellenverbainden.
Das Hauptgebiet der Fürſorge war die Unterjtiigung
in Rranfheits- (weſentlich Naturalverpflequng in
Kranfenhiufern) und Sterbefaillen (Sterbegelder).
Die Mittel wurden durd) obligatorifde Beitrage der
Mitglieder aufgebracht; aber der Zwang war ein fta-
tutarifdjer, fein gefeplidjer. Für die an die Scholle
gebundene, abbiingige bäuerliche Bevdlferung hatte
in Notfällen die Gutsherrfdaft gu forgen. Eine neue
Epoche in der Geſchichte der A. beginnt mit der Ent-
widelung des abſolutiſtiſchen Staates: an die Stelle
der ftatutarifden Unterjtiipungspflidt beginnt die ge-
ſetzliche zu treten; es entitehen die mit gefeplidem
Beitrittszwang ausgeftatteten und unter ftaatlider
Rontrolle ſtehenden Genoſſenſchaften fiir einzelne Be-
rufe, insbej. im Bergwerksweſen und in der Schiff:
fart. Dem BWefen der neuejten Wirtidhaftsordnung
mit Gewerbe- und Roalitionsfreiheit, Freigiigigfeit
hatte eine Auflöſung der altern Einrichtungen ent:
fproden; und in der Tat entfprachen die aus dem
Uffogiationswejen Gropbritanniens erwadfenden
freien Hilfskaſſen (ſ. d. und Friendly Societies), die
fic) meiſt auf die Kranken und Begräbnisverſicherung
683
befdhriinfen, und die mit den Gewerfvereinen (j. d.)
verbundenen verfdiedenen Zweige der A., wie die
analogen Bildungen in —— und Belgien, dem
Syſtem der wirtſchaftlichen Freiheit. Indeſſen blieb
in den deutſchen Staaten, namentlich in Preußen,
nad einer vorübergehenden Lockerung des gewerb⸗
lichen Unterſtützungsweſens, das Syſtem der Zwangs—
kaſſen in ar i Umfang aufredt erhalten. Da-
neben nahm infolge der Geſetzgebung iiber das Hilfs-
laſſenweſen auch das freie Hilfskaſſenweſen einen be-
merfenswerten Aufſchwung, namentlich in den Zen—
tralfajjen der Gewerkſchaften.
Cine villige Neugejtaltung hat die W. in Deutſch—
land feit Beginn der 1880er Jahre erhalten: jie ijt gu
einer auf Swang berubenden Verſicherung der Lohn⸗
arbeiter und der dieſen wirtſchaftlich und ſozial nahe—
—— Klaſſen geworden. Die A. des Deutſchen
eiches trägt weſentliche Züge ded Hilfskaſſenweſens
wie des Geſetzes vom 7. Juni 1871 über die Haft-
pflicht (j. dD.) der Eiſenbahnen und indujtrieflen Un-
ternehmer fiir die Folgen von Betriebsunfällen an
fich, ijt aber in der Hauptfade völlig neuſchöpferiſch.
Man faßte bei der Ungeniigendheit der bisherigen
Cinridtungen und namentlich des — —
den Entſchluß, zunächſt eine öffentlich-rechtliche Unfall-
verſicherung (erſter Geſetzentwurf vom 8. März 1881)
einzuführen, womit der entſcheidende Schritt getan
war, der auf die Bahn der großen Urbeitervectidhe-
run Sgqefepgebung rte. Dabei war wejentlid) aud
die Ubjicht mitbeſtimmend, durd) die in dieſer A. gu
Tage tretende pofitive Filrjorge fiir die arbeitenden
@atien die damaligen reprefftven Maßregeln gegen
e Sozialdemofratie gu ergänzen und cine innerliche
indung Dderfelben angubahnen. Es wurde als
Aufgabe des Staated begeidynet, fic) in hdherm Mah
als bisher feiner bilfsbediirftigen Mitglieder anju-
nehmen und den befiglojen Klaſſen der Bevdlterung
durch erfennbare direfte Borteile die UÜberzeugung
nabejulegen, daß der Staat ihnen ebenjo diene wie
den bentttelten Klaſſen. Rod) in demſelben Jahre
(17. Nov. 1881) erſchien die berithmte faiferlide Bot-
ſchaft, die eine planmiégige Organijation nicht nur der
Unfall-, fondern aud) der Rranfen- und Jnvaliditits-
und Altersverſicherung in Uusfidt ftellte. Die Ver-
wirflidung dieſes Programms begann indeſſen nicht
nuit der Unfall-, fondern mit der Kranfenverjiderung
in dem Geſetz vom 15. Juni 1883 mit der Novelle
vont 10, Upril 1892. Ihr folgte die Unfallverjiche-
rung in Dem Sauptacies vom 6. Yuli 1884 und den
Geſetzen vom 28. Mai 1885 (Ausdehnungsgeſetz),
vom 5. Mai 1886 (Rranfens und Unfallverjiderung
fiir land- und forjtwirtidaftliche Urbeiter), vom 11.
und 13. Juli 1887 (Unfallverſicherung der Bauar-
beiter und Seeleute) mit Novelle vom 30. Juni 1900
und Geſetz vom felben Tage, betreffend Unfallfiirjorge
fiir Gefangene. Die Invaliditäts- und Altersver-
jicherung wurde geregelt durch Geſetz vom 22. Juni
1889 mit Novelle vom 13. Juni 1899 (Invaliden⸗
verſicherungsgeſetz).
Das Weſeniliche in dieſer neuen Geſetzgebung liegt
in der Durdfiihrung de3 Verfiderungsjwanges,
dem iibrigens nidjt nur die Yirbeiter, fondern aud
die Urbeitgeber unterworfen find. Die Organi-
fation ijt in den einjelnen Zweigen der A. vere
ichieden : Triiger der Verſicherung find bei der Kranken⸗
verſicherung oͤrtlich qegliederte Bereiniqungen der ver-
ficherten Urbeiter, die Kranfenfajjen und unter Um-
—— die Gemeindekrankenverſicherung, bei der
Infallverſicherung die Berufsgenoſſenſchaflen der Un-
684
ternehmer, bei der Jnvalidenverjiderung dic räumlich
abgegrensten Landesverſicherungsanſtalten. Un Stelle
und neben Ddiefe Cinridtungen treten als Traiger der
Verſicherung, insbeſ. bei der Unjfallverjicerung, die
Hffentliden Körper (Reich, Staat, Gemeindeverbande)
fiir Die von ihnen betriebenen Unternehmungen und
BVerwaltungszweige fowie einige große Cijenbahn-
penjionsfajjen und ähnliche bejondere Kaſſeneinrich—
tungen fiir Die Invalidenverſicherung. Der Gegen-
jtand der Verſicherung ijt 1) bei der Strantenverjidje-
rung Die Gewahrung freier ärztlicher Behandlung,
unter Umſtänden Verpflequng in einem Stranfenhauje,
und eines Rranfengeldes an Erwerbsunfähige und
Widnerinnen auf die Dauer von 13 Woden, even-
tuell aud) linger, fowie eines Sterbegeldes an die
Hinterbliebenen; 2) bei der Unfallverjicherung die
Fürſorge fiir die Durch Betriebsunfälle Verletzten und
deren Hinterbliebene (Heilverfahren von der 14. Wode
ab; Rente an die Verungliidten nad Maßgabe der
durch den Unfall bewirften Erwerbsbeſchränktheit,
im Todesfall Begrabnisgeld und eine Rente an die
Hinterbliebenen); 3) bet der Invalidenverſicherung
eine Ynvalidenrente nad) Maßgabe der Erwerbsun-
fabigteit, bes. cine Ultersrente nad) zurückgelegtem
70, Sebensiabt. Der Kreis der verſicherungspflichtigen
Perjonen ijt verfdieden. Uber Cinjelheiten ſ. die Ar—
tifel »Sranfenfajjen, Dnvaliditatsverjiderung, Un-
fallverficerungs. Die auferordentliche Bedeutung
Der A. in Deutidland erhellt daraus, dak von den
56 Mill. Einwohnern des Deutſchen Reiches mit rund
16 Mill. Yrbeitern 9 Mill. gegen Rranfheit, 17 Weill.
gegen Unfall, 13 Mill. gegen Jnvaliditat und Rot
des Alters verjicjert jind. Uber 2 Milliarden We.
find bis 1. Yan. 1900 den Urbeitern in 40 Mill.
Fallen an Entſchädigungen ju teil geworden. Wn der |
Uufbringung diejer Summe find die Urbeiter mit
1164 Mill. Me., die Unternehmer mit 1099 Mill. Me,
das Reid) mit 150 Mill. Me. beteiligt. Nahezu 1 VTL.
Me. gelangte an jedem Urbeitstag als Entſchädigung
an jahrlid) rund 4 Mill. Urbeiter zur Auszahlung.
Der frither vielfach geqen die swangsiweije A. er-
hobene Borwurf der Unzuläſſigkeit und Ünwirkſamleit
ijt angeſichts ihrer Exfolge jo ziemlich verſtummt.
Auch die Befürchtung, daß durch die Laſten, die fie
bedingt, die Konkurrenzfähigleit der deutſchen Pro—
duktion gegenüber dem Auslande leiden werde, hat
fic) nicht bewahrheitet. Im einzelnen mag fie nod |
verbejjerungsbediirftig fein, im ganzen tit ſie eine be-
wundernswerte Leijtung, die von den feqensreidjten
Folgen fiir die arbeitenden Klaſſen beqleitet ijt. Da
jie fic) auf das VWilernotwendigite beſchränkt, fo er-
wächſt den freien Organijationen auch heute nod cin
reidjes Gebiet ergänzender Tiitigfeit. Auch ijt die
deutiche A. noch keineswegs abgeſchloſſen: es feblt ihr
die Witwen- und Wailenverficherung (vgl. Witwen
fajjen) fowie die Verſicherung gegen Arbeitsloſigleit
(jf. d.). Dod) hat von der Inangriffnahme diejer
Bweige der A. bisher teils die Schwierigkeit Der Auf—
bringung Der erforderlichen Wittel, teils die Schiwie |
rigfeit der praltiſchen Durchführung abgehalten.
Die deutſche Urbeitverjiderungsgeiesqebung hat |
Nachahmung gefunden in Oſterreich (Unfallver—
ſicherungsgeſetze vom 28. Dez. 1887 und Novelle vom
20. Juli 1894), Ungarn (Krankenverſicherungsgeſetz
vom 9. April 1891) und Norwegen (Anfallverſiche
rungsgeſetz vom 23. Yuli 1894). Qn den andern
Staaten hat man fic) mit dem allgemeinen direften
Verſicherungszwang nod nicht befreunden können.
In der Schweiz wurde die geplante obliqatorifde
Arbeiterverjiderung — Arbeiterwobl.
| Kranfen- und Unfallverfiderung durd Volfsabitini-
——— 20. Mai 1900 verworfen. Bal. Schmitz.
Die U., Handbud) fiir die Berufsqenofjenidaften,
Vorſtände rc. (Berl. 1888); Rofin, Das Recht der VL.
(daj. 1890 —93, Bd. 1); Bödiker, Die A. in den
eurvpiijden Staaten (Leip3. 1895); Derjelbe, Die
Reichsverſicherungsgeſetzgebung (daf. 1898); van der
Borght, Die foziale Bedeutung der deutiden A.
(Sena 1898); Weng ler, Das deutjiche Urbeiterrecht 2c.
(Leipz. 1899); Lagu. Rahn, Einridtung und Wer -
fung der deutſchen UW. (2 Wusg., Berl. 1902); F. Hoff -
mann, Die pean ae ig des Deut
ſchen Reiches (Daf. 1902); Artikel (von van der
Borght, Honiqmann, Verfauf u. a.) im »Handwir-
terbud) der Staatdwiffenfdaften«, Bd. 1 (2. Mufl.,
Jena 1898); Menzel, Die W. nach öſterreichiſchem
Recht (Leipz. 1893); Mataja, Grundriff des djter-
reichiſchen Gewerberedjts und der A. (Daf. 1899);
Hasbad, Das engliſche Urbciterverjiderungswejen
‘tat 1883); von ber Often, Die W. in Franfreich
(Daj. 1884); Bader, Die A. im Auslande (Bert.
1898 ff.). Zeitſchrift: » Die Urbeiterverforgung<, Zen⸗
| tralorgan fiir die A. (Berl. 1884 ff.)
| UArbeiterwoh{, Name, unter dem fic) Vereine
von Ungehorigen der beſitzenden Klaſſen zu dem Zwecke
gebildet haben, um auf dent Boden der bejtehenden
Staat3- und Geſellſchaftsordnung das Wohl der ar-
beitenden Klaſſen in wirtidaftlicher, fittlicder und re-
ligidjer —— gu befördern, fiir ein gutes Ver
haͤltnis zwiſchen Arbeitgebern und Arbeitern zu wirlen
und dagegen auftretende Beſtrebungen ju befampfen.
Der erjte Verein dieſer Urt war die 1827 begründete
Induſtrielle Gefelljdhaft von Mülhauſen i. E. Dor
folgten 1844 der Zentralvercin fiir das Wohl der
arbeitenden Klaſſen in Berlin, zunächſt für Preußen,
ſeit 1872 für ganz Deutſchland, der Verein Vollswohl
in Halle a. S. (1874), der Verein Concordia zur
Förderung des Wohles der Arbeiter (in Mainz 1879),
der Dortmunder Wohltätigkeitsverein (1879), VW,
Verband katholiſcher Induſtrieller und Arbeiter
freunde (in M.-Gladbach 1881), Verein fiir VBolls
wohl in Leipzig (1882), Verein der Anhaltiſchen
Arbeitgeber (in Deſſau 1887), Verein für das Wohl
der Arbeiterbevöllerung in more (1888), Ber⸗
giſcher Berein fiir Gemeinwohl (Clberfeld 1886),
Vinfsrheinifder Berein fiir Gemeinwohl (in M-
Gladbach 1888), Verein Volkswohl (in Dresden 1888),
| Berein fiir bas Wohl der arbeitenden Klaſſen in Stutt-
gart und jablreice andre. Doren Sweet ſuchen dieſe
Vereine vornehmlich durch Griindung und Unter:
ſtützung von Wohlfabrtscinrid@tungen gu er
reichen. Bon mebhreren Vereinen wird cin eiqnes Ver
| eingorgan herausgegeben, fo vom Hentralverein fir
das Wohl der arbeitenden Klaſſen »Der Arbeiter
freund· (Berlin) und die Zeitſchrift ⸗Vollswohl·
vom Verband Concordia die Zeitſchrift »Concordia«
(Mains), vom Verband A. die Zeitſchrift We (M.-
‘Mladbat), vom Bergifden und Linksrheiniſchen
Verein fiir Gemeinwohl die Zeitſchrift Gemeinwohl⸗
(Elberfeld), vom Verein Bolfswohl in Dresden das
Monatsblatt«. Bon der von veridiedenen Vereinen
‘fiir A. geqriindeten und vom Reich und Preußen
unterjtiipten Bentralftelle fiir Urbeiterwohl-
fahrtseinrichtungen (Berlin) werden feit No—
‘vember 1891 die »Wobhlfabrts-RKorrefpondeny« und
andre auf dad A. bezügliche Schriften herausgegeben.
Bal. auch sHandbuch der Virbciterwohlfahrt« (bréq-
von O. Dammer, Stuttg. 1902); Kellen, Die Tre
| beiterwoblfabrtseinridtungen (Leips. 1902).
= ~~.
——e ee. Vee
Arbeiterwohnhauser I.
9 K
jee Aviv
Se —
—_ —= 2. Einfamilienhaus der 3. Zweifamilienhaus der Kolonie Alfreds-
1. Einfamilienhaus der Kolonie Altenhof Héchster Farbwerke. hof der GuBstahlfabrik von Fried. Krupp
von Fried. Krupp in Essen. ErdgeschoB. in Essen.
4. Zweifamilienhaus der Militirfiskalischen Werkstitten Erdgeachod,
| in Spandau. 5. Doppelhaus von Fried. Krupp in Essen. Obergeschod.
| 6. Vierfamilienhaus der Torpedowerkstatt
in Friedrichsort.
7, Mehrstickige Reihenhauser der Kéin-
Nippeser Bau- u. Spargenossenschaft.
11.
| Arbeiterwohn- \
| hausbauten der
+H, J,Meyerschen
‘Stiftung in Leip-
zig - Eutritzsch.
Erdgeschod.
8 u. 9. Einfamilienhaus der |
Arbeiteransiedelung der
10. "Reihenhiuser der Bremer Gemein- Augsburger Maschinen-
niitzigen Baugesellschaft. fabrik.
— —
12. Hausergruppe der Arbeiteransiedelung der Vereinigten Maschinenfabrik —— und ——
gesellschaft Niirnberg in Gustavsburg in Hessen,
Meyers Konv.- Lexikon, 6. Aufl. Bibliogr. Institut in Leipzig. Zum Artikel ,Arbeiterwohnungen’.
Arbeiterwohnhauser Il.
, 2
¢ ¢ c=
o 4 4
2 6 Bx
e268 7
oe +
o ¢ ee
J J
J
— |
1. Lageplan der Arbeiterwohnhiuser des Berliner Spar- und Bauvereins
(Proskauer Strafeh
1 Hane mit Vereineriames im Ertreech td. — 2 Erkhace mit Laden des
Keooeamver-inen. — 3 a. 6 Normalhiceer mic 1 Wo bervrareca. — § Eckhaus 21
Lagepian cer tH. J Meyerschen
mit Restagrant. — 4 Haas mit Genveernechafisbdckere: im bLrdgesch Stittunc tn Leipzig -Eutritzs »
t g i ipzi -utritzsch.
at
—
pam) |
i“
an
——_
cee
st
oe
—II
E
—
4. Arbeiterwohnhduser des Berliner Spar- und Bauvereins (Proskauer Strafe).
Arbeiterwohnhauser Ill.
'
41* — a a
Ka KOche
Le Laden
Net Ke tanrant
8* ——— =
Ver Vereineaimmer
. i I
a f Le
— ——
— oe
St SD ts +o
2. Arbeiterwohnhduser des Berliner Spar- und Bauvereins (Proskauer Strabe).
at | :
1
“f= ae
= ps |
He al Len aT
ete _ Aopen
>
L Wohnhausgruppe des Hamburger Bau- und Sparvereins in Eimsbittel. Drittes J viertes —
Meyers Aunv.-Levikon, 6, Aufl Bibliogt. Institut in Leipzix Zum Artikel ,Arbciterwohnungen
Zu den Tafeln ,Arbeiterwohnhiuser J—-III.
Die gemetnniitzige Bautéitigkc it ist daranf gerichtet,
ohne die Nebenabsicht des Erwerbs die Wohnungs-
verhiltnisse durch den Bau von Kleinwohnungen zu
verbessern,
eine grofe Mannigfaltigkeit der Organisationsformen
auf. Zunichst die Form der Aktiengesellschaft mit Be-
sthrinkung der Dividende agf einen miibigen Pro-
zentsatz und Verwendung etwaiger Uberschiisse za
Riicklagen oder yur Erweiterung des Unternehmens,
Hierher gehéren von deutschen Gesellschaften die be-
reits 1853 ins Leben gerafene, vor karzem in Liqui-
dation getretene Milhausener Gesellschaft fiir Ar-
beiterwohnungen, die Gladbacher Aktienbaugesell-
schaft in M.-Gladbach, die Barmer Baugesellschaft
fir Arbeiterwohnungen, die siimtlich Häuser zum Er-
werb durch die Arbeiter bauen; ferner von Gesell-
schaften, die ausschlieblich Hiiuser zum Vermiecten
herstellen: die iilteste unter allen augenblicklich in
Deutschland bestehenden Baugesellschaften, die 1548
ins Leben getretene Berliner gemeinniitzige Baugesell-
schaft, der gemeinnitzige Bauverein in Dreaden, die
Aktienbaugesellschaft fiir kleine W ohnungen in Frank-
furt a, M. und andre. Ahnliche Organisationsformen
hat die gemeinniitzige Bautiitigkeit unter andern in |
England, Frankreich, Belgien, den nordischen Lindern |
angenommen. Weniger Bedeutung hat in Deutsch-
land die Form der Ciesellschaft mit beschriinkter
Haftang gewonnen, Beide Organisationsformen ar-
beiten geschiiftsmifig, insofern sie eine, wenn auch
mabige Kapitalverzinsung anstreben, aber ihre Ak-
tien, bez. Geschiftsanteile sind nur ausnahmxweise
marktgiingige Effekten geworden, sondern durch-
gehends in den Hiinden gemeinniitzig denkender Ka-
pitalisten, woraus sich fir alle diese Gesellschaften
mehr oder weniger der Charakter von W ohltitigkeits-
anstalten ergibt. Noch mehr ist dies der Fall bei
einer Reihe von Vereinen und Stiftangen, die den
Ban von Kleinwohnungen bezwecken. Diese letztern
finden ihren Hauptrepriisentanten in der Millionen-
stiftang des Amerikaners Peabody, aus deren Mitteln
in London iber 30,000 Wohnungen gebaut sind. Die |
durch die Vermietung der letztern aufgebrachten Ka-
pitalzinsen werden stets von neuem dem gemeinniitzi-
gen Zweek zugefuihrt, ein Grandsatz, derauch von eini-
gen deutschen Stiftungen, so yon der des Verlagsbuch-
hiindlers H.J, Meyer in Leipzig, der Adersschen W oh-
nungsstiftang in Disseldorf u. a., iibernommen ist.
Von diesen Veranstaltungen mehr oder weniger
firsorglichen Charakters heben sich die von den W oh-
nangsbediirfiigen selbst organisierten Genossenschaf-
ten ab, unter denen zwei wesentlich verschiedene
Arten zu unterscheiden sind, einmal die altern, in
England, den Vereinigten Staaten von Nordamerika
und Relgien heimischen, die nicht selbst bauen, son-
dern ihren Mitgliedern Vorschiisse zam Erwerb eines
Hanses gewiihren, und die nevern, von Dianemark
auagehenden und jetzt vor allem in Deutschland zur
Entwickelung gekommenen Bangenossenschaften im
engern Sinne, die selbst bauen, Unter diesen letztern
sind wieder, wie bei den gemeinniitzigen (resel lsc haf-
ten, zwei Richtungen zu unterscheiden, diejenigen
Genossenschaften, die hauptsichlich Erwerbshiiuser
bauen (Flensburger Arbeiterbaaverein, Berliner Bau-
genossenschaft, Arbeiterbunverein fir Gaarden, Kiel
und Umgegend, Spar- und Baaverein in Blumenthal
a. d. Weser:, und diejenigen, die sich cin dauerndes
Eigentum an den von ihnen erbauten Häuæern vor-
Diese gemeinnlitzige Bautiitigkeit weist |
' behalten und die darin befindlichen Wohnungen ans-
schlieblich an ihre Mitglieder vermieten: Hannover-
scher Spar- und Bauverein, Berliner Spar- und Ban-
verein, Bau- and Sparverein in Hamburg und viele
andre. In den Baugenossenschaften, deren in den
letzten zchn Jahren iber 400 in Deutschland entstan-
den sind, haben wir wohl zur Zeit die wichtigsten
Organisationsformen der ginzen gemeinnitzigen Bao-
| titigkeit zu erblicken, wobei vor allem auch der so-
zial-ethische Gesichtspunkt ins Gewicht fillt, dab in
der Mitwirkung der Arbeiter selbst bei der Verwal-
tung ein erziehlicher Faktor za erblicken ist.
In letzter Linie sind nun noch eine Reihe von Ma6-
nahmen in Betracht m xiehen, die durauf abzielen,
den Bau kleiner Wohnungen, inshesondere die Bun-
titigkeit der gemeinniitzigen Gesellschaften und Ge-
' nossenschaften za erleichtern and zu férdern. Diese
| Aufgabe erfiillen einmal cine Reihe yon Vereinigun-
gen und Verbinden, indem sie, wie die Zentralstelle
fir Arbeiterwohlfahrtseinrichtangen, der Kheinische
Verein zur Fiérderung des Arbeiterwohnungswesens,
| cine Anzahl yon Genossenschaftsverbiinden u. a., die
| Begriindung von Bauvereinigungen anregen und die
bestehenden durch Uberweisung yon Mausterstatuten,
Baupliinen ete. anterstitzen und die ordnungsmaLige
Geschiftsfihrang iberwachen. Eine weitere Reibe
hierher gehériger Aufgaben liegt auf dem Gebicte der
Baupolizcigesetzgebung, der Steuergesetzgebung und
der Bodenpolitik der Gemeinden. In letzterer Be
wiehung ist namentlich der bereits mehrfach bese hrit-
tene Weg von Bedeutung, secitens der Gemeinden
preiswertes Bauland, sei es durch Verkauf, sei «&
unter der Form des durch das Biirgerliche Gesetzbuch
neu formulierten Erbbauvertrags, fiir den Bau kleiner
Wohnungen zur Verfigung zustellen (Frankfurt a. M.
Halle a. S., Leipzig). Am bedeutungsvollsten fir die
ganze Frage ist aber die in einer Reihe von Landern
iEngland, Belgien, Frankreich) getibte Unterstitzang
der gemeinniitzigen Bautitigkeit durch Gewihrung
von Darlehen aus dffentlichen Mitteln geworden. Fir
‘Deutschland kommt in dieser Beziehung in erster
' Linie die durch das Invaliditits- und Altersversiche-
' rungsgesetz den Versicherungsanstalten erteilte Er-
miichtigung in Betracht, einen Teil ihrer angesam-
melten Kapitalien za mibigen Zinsen far den Bau
von Arbeiterwohnungen herzuleihen. Die Gesamt-
summe, die in dieser Form bis sam Schlub des Jahres
1900 zur Verwendung gelangt war, betrug bereits
rand 70 Mill, Mark, Aus Anleihemitteln des Reichs
and der Bundesstaaten PreuGen und Bayern waren
bis zu dem gleichen Zeitpunkte weitere 26 Millionen
Mark bereitgestellt, am Wohnungen zum Vermicten
an in Staatsbetrichen beschiftigte Arbeiter und gering
besoldete Beamte zu bauen oder an Bangenossense haf-
ten leihweise zu begeben, deren Mitglieder ganz oder
teilweise aus solchen Beamten oder Arbeitern bestehen.
Als dringend wiinschenswert, wenn der gemeinnitzige
Wohnungsbau zu einer wirklich ausschlaggebenden
Bedeutung gelangen soll, mub es bezeichnet werden,
dah weitere Geldmittel fir diesen Zweck zur Ver-
fiigung gestellt werden, etwa in der Form, dab fir
riumlich begrenste Bezirke, Regierungsbezirk, Pro-
vin, Staat, staatliche oder kommunale Banken als
finanzielle Mittel punkte fiir den gemeinniitzigen Wob-
nongshoun eingerichtet werden, die sich durch Aus-
gabe von Sifentlich garantierten Pfandbriefen die
Mittel hesehaffen.
Arbeiterwohnungen.
Arbeiterwohnungen (hierzu Tafeln » Vrbeiter-
wobnbaufer I—U1«). Mit der gunehmenden Did-
tigfeit der Bevöllerung in Jndujtriebegirfen und qro-
jen Stadten mit wadjender Bevdlferung ſteigen die
Wohnungspreije rafder als das Cinfommen ‘att ſämt⸗
licher Klaſſen, und die Ausgaben für die Wohnung
machen daher einen immer größern Prozentſatz der
ganzen Konſumtion aus. Dieſes trifft die einzelnen
Klaſſen um fo ſchwerer, je niedriger ihr Einkommen
ijt, alſo am ſchwerſten die untern, insbeſ. die lohn—
arbeitenden Klaſſen. Dieſe müſſen nicht nur einen
= vielfach fiir jie bereits nicht mehr erjdwingliden
cil ihres Einkommens auf die Wohnung verwenden,
fondern die Wohnungen, die fie fiir jtets ſteigende
Preiſe befonunen, find außerdem vielfad in —
heitlicher und ſittlicher Beziehung unzureichend, und
ſchließlich kommt es zeitweiſe jo weit, daß fie überhaupt
leine Wohnungen gu fiir fie erſchwingbaren Preiſen
bekommen finnen, fo daß an und fiir ſich zahlungs—
fähige Familien ohne die öffentliche Jntervention der
Obdariilofigteit anheimfallen. Diefe Unguldnglichfeit
der Wohnungen der untern Klaſſen in chunbbeitlidher
und fittlicher Begiehung beſteht bielfadh aud) auf dem
platten Lande, während die Wohnungsfrage in ihrer
allgemeinen Form eine weſentlich [tadtiju e Frage ijt.
Die Urfache diefer Erſcheinung ijt in erjter Linie in
dent natiirliden Steigen der ſtädtiſchen Grundrente
infolge der wachſenden Radfrage nad) Wohnungen
ju fuchen, ae jindet aber auch cine künſtliche Steige-
der Bodenwertung durd) die gewerbsmäßige
Spefulation ftatt, welch letzterer oft durch ungeeiqnete
Bebauungspline und Bauordnungen geradezu Vor-
ſchub geleijtet wird. Dazu fonunt die Wbneiqung
des privaten Bauunternehmers, fid) mit dem Bau
von A. gu befaijen, weil die Verwaltung und Ver—
mietung der betreffenden Häuſer mit allerlei Unzu—
träglichteiten verbunden ijt, ferner die Notwendigteit,
in nicht gu großer Entfernung von der Arbeitsſtätte
zu wohnen, wodurd) die Anſiedelung in den billigern
ororten erſchwert wird.
Die Mafnahmen zur Vefeitiqung, bez. sur
Herabminderung des Wohnungsnotitandes be-
zwecken 1) die Beſeitigung mangelbafter Wohnungen
und 2) den Bau und die Förderung des Baues von
Wohnungen fiir die minderbemittelten Bevöllerungs—
flajjen. Die Mangelhajtiqfeit der Wohnungen ijt be-
* durch die Art und Weiſe des Baues oder durch
die Art und Weiſe der Benutzung, insbeſ. durch üÜber—
füllung. Die ———— der baulichen Mängel iſt
Aufgabe der —* (j. d) und wird bewirkt durch
die Bauordnung, die verhinderung von Unzuträglich—
feiten durch die Benutzung geſchieht durch die Woh—
nungsinſpektion (ſ. d.) und die Beſeitigung der durch
dieſelben aufgedeckten Mängel (Sanierung).
Die an den Bau kleiner Wohnungen gu ſtellenden
Anforderungen ſind je nach den klimatiſchen und
ſonſtigen örtlichen Verhältniſſen, den Gewohnheiten
der Bevöllerung rc. verſchieden. Im allgemeinen ijt |
vom gejundbeitlicjen und ſittlichen Standpunft aus |
wiinfdenswert, daß eine hinreichende Anzahl geniiqend
ak Räume vorhanden ijt, um den erwadfenen
indern verjdiedenen Geſchlechts getrennte Schlaf—
räume bieten zu fonnen. Dieſe Forderung wird in
dem fleinern Familienhaufe auf billigem Terrain
in der Regel erfiillt werden finnen, ohne den Preis
der Wohnung ins Unerſchwingliche gu jteigern. Qn
den großen Stadten mit ihrem teucrn Baulande bildet
die dreiräumige Wohnung bereits das äußerſte Maj
deS Durd) den gemeinniipigen Wohnungsbau ange-
685
jtrebten, unv vielfad) muj man ſich bereits auf zwei
Raume beidranten. Bei allen Unlagen, die mehr als
cine Wohnung in ſich vereinigen, follte eine möglichſt
weitgehende Trennung der cingelnen Dohnungen,
namentlid) aud) in Bezug auf die Venugung der
Ubortanlagen durd)gefiihrt werden. Die idealjte Be—
friediqung des Wohnbedürfniſſes gewährt das frei-
jtehende Cinfamilienhaus, bes. das durch Uneinander-
lequng zweier folder cntitehendDe Doppelhaus; diefe
Bauweije gejtaltet fic) aber zugleich aud) als die
teuerfte und ijt nur nod) durchführbar, wo der Preis
des Grund und Vodens nicht ins Gewidt fällt (Tafel I,
Bi. 1—9). Nächſtdem ijt die horizontale Nebenein-
an — —— Wohnungen zu Reihen⸗
häuſern (Tafel I, Fig. 7 u. 10) der Ubereinander-
legung der Wohnungen in mehreren Stockwerken vor-
uziehen. Jn Städten mit hdhern Bodenpreijen läßt
fe indejjen unter den bejtehenden Verhältniſſen der
Etagenbau nicht vermeiden, und es erwächſt daraus
die Aufgabe, denjelben fo ju gejtalten, daß billigen
Unforderungen in fanitdrer Sesiehung dabei Rech⸗
nung getragen wird. Dahin gehört die Anlage ge-
niigend breiter Straßen und Hife, um Licht und Luft
ausreidjenden Rutritt gu gewähren, richtige Geftal-
tung der Entwajferungsanlagen, Anordnung mige
lichſt zahlreicher Treppenhaufer, um, mit SNidieht auf
die Feuersgefahr, die Unjahl der Familien, die einen
Aufgang benugen, nicht gu groß werden gu laſſen,
Fürſorge fiir Reinlidfeit, wohin aud die Unordnung
von gemeinfdaftliden Baderäumen gu rechnen ift 2.
Gerade die lesten Jahre haben unter andern in Ver-
lin, Hamburg, München, Leipzig, Nürnberg und an
andern Orten cine Reihe von Muſteranlagen entjtehen
lajjen, die diejen Unforderungen vole} entipreden
und die den Beweis erbradt haben, dak aud) mit dem
Syjtem des Ctagenbaues auf dem Gebiete des Ar—
beiterwohnungsbaues durchaus befriedigende Ergeb-
nifje erzielt werden finnen (Tafel I, Fig. 11, und
Tafel I u. U1). Dn neuerer Zeit tritt hierzu nod
bas geredjtfertigte Bejtreben, den Anſiedelungen der
Urbeiter aud) äußerlich den Anſtrich des Behagliden
und das Uuge Erfreuenden gu geben. Bei der An—
lage der mehr ländlichen Anſiedelungen werden Ddie
qeradlinigen, fic) rechtwinfeliq kreuzenden Straßen
vermieden; durch Anlage von —* lätzen wird das
Bild belebt. Wn Stelle der Schablone tritt eine grö—
Reve Mannigfaltigteit in der arditeftonijden Gejtal-
tung der Einzelbauten (Tafel I, Fig. 1, 8, 4 u. 12).
Wud) das große ſtädtiſche Maſſenmiethaus verliert
durd) architeltoniſche Gliederung den Anblick des Ra-
jernenbhaften (Tafel I, Fig. 4).
Das Syſtem, bei dem der Urbeiter Cigentiimer des
von ifm bewohnten Cinfamilienhaujes wird, ver-
ſpricht Erfolg nur innerhalb eng gezogener Grengen:
billige Bodenpreiſe, wie fie tn ländlichen und hier und
da aud) in fleinftadtijden Berhiltnijjen nod) vor-
handen find; cine hodgelohute Urbeiterdevdlferung
bei Durdaus jtabilen Arbeitsverhältniſſen. Unter
anderSartigen Verhältniſſen bleiben auf die Dauer
Fehlſchläge nicht aus: die anfangs von Arbeitern er—
}worbenen Häuſer gehen oft ſchon nad kürzeſter Friſt
in andre Hande iiber, die Spefulation bemächtigt fid
der Grundjtiice, und die Wohnungen werden dem
| Swede, dem fie Dienen follten, entfremdet.
| Wn dem” Bau fleiner Wohnungen mit dem ausge:
fprodjenen Swe, die Wohnungsverhältniſſe der un-
bemittelten Klaſſen zu verbeſſern, ſind im weſentlichen
vier Faktoren beteiligt: 1) die Arbeitgeber; 2) bffent-
‘fiche Verbände, insbef. die kommunalen Verbände;
686
3) gemeinnützige Gefellidaften, Stiftungen x. und
endlid) 4) die auf der ———
ſierten Organiſationen der
ſelbſt. — Unter den Arbeitgebern haben in erſter
Linie die ſtaatlichen Großbetriebe auf dieſem Gebiete
Namhaftes in der einen oder andern Form geleiſtet.
So hat unter anderm die preußiſche Bergverwaltung
bereits in einer febr frühen Beriode ein cigenartiges
Syitem der SeRhaftmadung der Yirbeiter auf eiqnem
Grund und Boden in grofem Umfange und mit
dDauerndem Erfolg zur Durdhfiibrung gebradht. BWob-
nungen zur mietweiſen Überlaſſung an ihre Arbeiter
und Unterbeamten haben in großem Maßſtabe die
preußiſche, bayriſche, ſächſiſche und württembergiſche
Staatseiſenbahnverwaltung, für die Arbeiter der mi—
litärfiskaliſchen Betriebe das preußiſche Kriegsmini⸗
ſterium, fiir ländliche Urbeiter die preußiſche Domanen-
und Forjtverwaltung gebaut. Von den Reichsbehörden
jind die Marineverwaltung und die Pojt- und Tele-
qraphenverwaltung in der gleiden Ridtung tatig
gewejen. Wie der Staat, haben einzelne Gemeinden
in ihrer Cigenidaft als Urbeitgeber fiir ihre Unter-
beamten und Yrbeiter age bergejtellt. In
der Erivatindujtrie finden wir ebenfalls neben ein:
gelnen Beifpiclen einer Wohnungsfiirjorge, die darauf
hinzielt, cingelnen, Dauernd in dem Betricbe tätigen
Yngeitellten und Urbeitern den Erwerb cines fleinen
Anweſens A ermigliden (Mansfelder Kupferſchiefer
bauende Gewerfidaft, Billeroy u. Bod in Mett-
lad a. S., D. Peters u. Romp. in Reviges bei Elber-
feld, Fried. Krupp in Efjen, Cornelius Heyl in Worms
u. a.), vorwiegend bas Syftem der mietweiſen uͤber⸗
laſſung der Wohnungen an die Arbeiter. Muſter—
leiſtungen letzterer Art ſind die Schöpfungen von
Fried. Krupp in Eſſen, der Badiſchen Unilin- und
Sodafabrik in Ludwigshafen, der Farbwerke vorm.
Meifter, Lucius u. Briining in Höchſt a. M., der Ver—
einigten Mafdhinenfabrif Augsburg und Maſchinen—
baugeſellſchaft Niirnberg, der Eleltrizitäts Aktien-
geſellſchaft vorm. Schu u. Romp. in Nürnberg.
Von den Beſtrebungen der Gemeinden, in ihrer
Eigenſchaft als Arbeitgeber an der Verbeſſerung der
Wohnungsverhältniſſe mitzuwirken, ijt derjenige
Zweig der kommmunalen Wohnungspolitik zu unter:
ſcheiden, der die Löſung der Wohnungsfrage im In—
tereſſe der geſamten minderbemittelten Emwobhner-
ſchaft durch Herſtellung von Wohnungen in eigner
Regie der Gemeinde anſtrebt. In dieſer Beziehun
find die Städte Freiburg i. Br., Ulm, Straßburg i. ©
bahnbredjend vorgegangen, und in neuerer Zeit haben
neben cinigen befdeidencren Berjuden namentlid
Magdeburg, und vor allem Dilfjeldorf mit erheb- |
lichern Witteln diefen Weg befdritten. Auch einzelne
Kreisverbande find in gleicher Weiſe tätig geweſen.
Was in dieſer letztern Beziehung bisher in Deutſch—
land geſchehen tit, wird indeſſen weit in Den Schatten |
geſtellt durch Das Borgehen ciner Reihe engliſcher
Monumunalverwaltungen, in erjter Linte des Lon:
doner Graffidaftsrats, der in allergréftem Umfange
neben feinen umfangreichen Sanierungsarbeiten den
Vau von Wohnungen in ciqner Regie unternommmen
hat, ferner aud) der Gemeinden Glasgow, Liverpool,
Vinningham u. a.
Bal. » Die Wohnungsnot der drmern Klaſſen in
Arbeiterziige —
der Seibjthilfe ba: |
hnungsbedürftigen Berl. 1892); Ulbredht und Meſſel, Das Mrbeiter-
Arbeitsamter.
»Die Verbeſſerung der Wohnungen« (Sadriften der
Sentraljtelle fir Arbeiterwohlfahrtseinrichtungen⸗
| wobnbaus (daf. 1896); Weyl, Handbuch der Hygiene,
Bd. 4 (Jena 1896); ·Aufgaben von Gemeinde und
Staat in der Wohnungsfrage« (brsq. von einer Rom-
mifjion des Berbandes Arbeiterwohl, Köln 1897);
» Die Erleidhterung der Beſchaffung der Geldmittel fitr
die — Bautãtigkeit · ( Schriften der 83
tralſtelle fiir Arbeiterwohlfahrtseinrichtungen, Berl
1900); Liebrecht, Reichshilfe für Errichtung kleiner
Wohnungen (Götting. 1900); Nu ß ba um, Bau und
Einrichtung von Kleinwohnungen (Schriften der
tralſtelle für Arbeiterwohlfahriseinrichtungen, Berl.
1901); Albrecht, Wohnung und Unterkunft (im
Handbuch der ſozialen Wohlfahrtspflege in Deutſch
land«, daſ. 1901); Fuchs, Wohnungsfrage, im
Handwörterbuch der Staatswiſſenſchaften (2. Aufl
Jena 1901).
Ar e, ſ. Eiſenbahnzüge.
Arbeitsamter (Arbeitsbureaus), ſtaatliche
Spezialbehörden zur Zentraliſierung der ſozialpoliti
ſchen Verwaltun —— insbeſ. der Beaufſichti
gung der — und Fabrilen zur Durchführung
der Arbeiterſchutzgeſetzgebung, der Geſundheitspflege
innerhalb der Arbeiterbevölkerung, des Urbeiterbrl
dungsweſens, der Sentralifierung des Arbeitsnach
weifes und der Sammlung und Bearbeitung ftatifti
ſcher, auf das Urbeiterwejen bezüglicher Daten. Je
doch befdyriinten fic) die meijten der beitehenden A.
auf Die zuletzt genannte Unfgabe, weshalb fie beffer
al8 arbeits{tatiitifde Bureaus oder Amter be
zeichnet werden. A. in dieſem Sinne find zuerſt (dag
bureau of statistics of labor) in den Vereinigten
Staaten von RNordamerifa (das erjte 1869 in Marja
chuſſets) erridtet worden ju dem wed, alles ſtatiſtiſche
Material su ſammeln, das fic) auf die Verhältniſſe
der Virbeit und auf die ſoziale Wohlfahrt des Bolfes
bezieht, und die Staatsgewalt in ihrer ſozialpolitiſchen
Uufgabe, namentlid durd) Anregung und Vorberei
tung legislatoriſcher Maßregeln ju unterjtiipen. 1884
wurde aud cin Arbeitsbureau als Bundesanftalt m
Waſhington erridtet, das unter Zuweiſung ſehr um
faſſender Aufgaben 1888 zu einem felbjtindigen Ur
beitsdepartement (Labor-Department) mit einem
| Urbeiterfommiffar an der Spike erhoben wurde. Fiir
die Schweiz wurde 1887 vom Schweiger Urbeiter-
bunde das a Selbjtverwaltung beruhende Ur beiter-
fefretariat in Zürich erridtet mit der Aufgabe, dic
| Urbeiterverhaltnijje zu unterſuchen und die iter
intereſſen in Geſetz —— und Verwaltungsfragen
zu vertreten. Die Koſten desſelben trägt zum größten
eil die Bundesregierung, unter deren Aufſicht es
ſteht. Jn England wurde 1893 cin Labour-Burean
als Zweig de3 Board of Trade (Handelgamt) errich
tet, Dejjen Organ die monatlich erfdjeinende » Labour
Gazette« ijt, Jn Franfreid wurde durd Gejeg
vom 21. Yuli 1891 em Office du travail ins Leben
gerufen, dag feit 1894 monatlicd) cin »Bulletin«e ber
ausgibt. In Ofterreich ijt 1898 cin Arbeitsſtatiſti
ſches Amt als befondere Ubteilung tm Handelsmiru
jterium erridtet worden. Belgien hat feit Herbjt 1894
ein Urbeitsamt, Dänemark fett Unfang 1896 em ar
beitsſtatiſtiſches Bureau; ebenſo Spanien feit 1894.
deutſchen Großſtädten und Vorſchläge gu deren Ab- Jn Italien foll ein Arbeitsamt 1. Juli 1902 ins Le-
hilfe⸗ (Sebriften des Vereins fiir Sogialpolitif, Bd. ben treten. Jn Deutſchland bejteht feit 1892 eine
30, 31 u. 33, Leipz. 1886 87) und »Reue Unter: | Reidhsfommiffion fiir Urbetterftatifilt cfd...
fudhungen iiber die Wohnungsfrage in Deutſchland Val. Schinberg, Urbeitsbureaus und arbeitsftati-
und im Muslande« (ebenda, Bd. 94-97, daf. 1901); ſtiſche Yanter, im »Handwirterbuch der Staatswiifen -
Arbeitsbörſe —
ſchaften⸗, Bd. 1 (2. Wufl., Jena 1898); Dreydorff,
Cin deutſches Reichsarbeilsamt. Geſchichte und Or-
anijation der Urbeitsitatijtif (Leip;. 1902). Joadim,
a nititute für Urbeitsftatijtif in den Vereinigten Staa-
ten von YWmerifa, England und der Schweiz (Wien
1890); Scherer, Das ſchweizeriſche Urbeiterjefreta-
riat (St. Gallen 1888). — Auch Arbeitsnachweiſeſtellen
werden mandmal als YW. begeidnet; ſ. Urbeitsnad-
weis. Uber das internationale Urbeitsamt,
eine Privatvereinigung zur Förderung des Arbeiter⸗
apes, ſ. Arbeiterſchutz.
rbeitsbörſe, ſ. Arbeitsnachweis.
Arbeitsbuch, von der Polizeibehörde auf die Per—
fon eines Urbeiters ausgeſtelltes Buch, in das der Ur-
beitgeber die Beit des Ein⸗ und Uustritts des Urbei-
ters ſowie die Art der Beſchäftigung desfelben cingu-
a 8 hat. Das . ijt eine Legitimationsurfunde
Urbeiters zur Begeugung ſeiner Identität, Dann gur
Konjtatierung ded Bejtandes wie der Dauer feines
Urbeitsvertrags. Das W. gibt dem Urbeitgeber über
die Berjinlicfeit und die bisherigen Urbeitsverhalt-
niſſe de3 Arbeiters Aufſchluß, dient als unanfedtbare
Grundlage bei Streitiqtciten über den Urbeitsvertrag,
erleichtert bei wandernden Urbeitern die Unterſcheidung
zwiſchen ordentlichen und unordentliden und erſchwert
den Rontraftbrud. Gegen das A. wird geltend ge-
macht, daß it dieſer Rontrolle der Beſchäftigung der
Urbeiter cine Kränkung der perfintiden Ehre der er-
wachſenen Yrbeiter liege, dak fie die Abhängigleit der
Urbeiter von den Urbeitgebern befirdere, dak insbef.
aud) Mißbrauch mit Urbeitsbiichern durd) Reichenver-
merfe in denjelben feitens der Arbeitgeber getrieben
werden firme. Obgleich an ſich die Griinde fiir das
obligatorifche YU. ſchwerer wiegen dürften und ordent⸗
liche, jolide Urbeiter bei diefer Einrichtung den ſchlechten
—— beſſer ſituiert ſind, wird für die Frage der
Einführung des Arbeitsbuches dod) darauf Rückſicht
zu nehmen ſein, ob der beſſere Teil der Arbeiterklaſſe
dagegen iſt oder nicht. Jedenfalls iſt es zweckmäßig,
dem Arbeiter das Recht zu geben, ein ſolches A. zu
beſitzen und von ſeinen Arbeitgeber die Einträge über
Ein- und Austritt gu verlangen (fakultatives A.).
Obligatoriſche Urbeitsbiicher fiir alle gewerblichen Ur-
beiter bejtehen in Oſterreich (Gefe
1885, § 79 ff., Verordnung vom 12. Wai 1885), Un—
garn Geſetz vom 1. Rov. 1885) und Rufland
(Gejeg vom 3. Suni 1886) und bejtanden bis vor fur:
gem in Frankreich und Belgien. In Frantreid
wurden die Livrets d’ouvrier 1791 aufgeboben, durch
das Gejes vom 22. Germinal XI (12. Ypril 1803),
vervollſtändigt durd) Die Arréts vom 9. Frimaire XII
1. Dez. 1803) und vom 10. Ventöſe XI, fiir alle Ur-
citer wieder cingefiihrt, aber durd) das Geſetz vom
2. Juli 1890 neuerdings abgeſchafft; jedoch gab das
letztere Gefets Dem Arbeiter das Recht, ein Zeugnis gu
fordern, das ausſchließlich das Datum des Ein- und
Austritts und Ungaben über die Urt feiner Beſchäfti—
qung enthilt. Stalien hat fafultative Arbeitsbücher
(Geſetz vont 20. März 1865, rt. 48, 49). In Deulſch—
Land hatte die Gewerbeordnung von 1869 das obli—
—— A. nur jugendliche Urbeiter beibehalten.
ie Novelle zur Gewerbeordnung vom 17. Juli 1878
fiibrte dagegen obligatorijde Urbeitsbiider fiir alle
Urbeiter unter 21 sabren ein (ausgenommen im Haufe
ihrer Cltern beſchäftigte Kinder und hausindujtrielle
Urbeiter, § 107 112) mit der Beſtimmung, dak die
Eintragungen des Urbeitgebers mit feinem Vermerk
verichen werden diirfen, das den Inhaber des Wrbeits-
buches giinjtig oder nadteilig su kennzeichnen bes weet.
vom 8. März
687
Zugleich wurden fiir Kinder von 12—-14 Yabren, dic
in —** und dieſen gleichgeſtellten Betrieben be
ſchäftigt find, ſtatt des Arbeitsbuches eine Urbeits-
farte (§ 137) vorgeſchrieben. Das Geſetz vont J. Juni
1891 hat die Urbeitsfarte wieder befeitigt, dagegen das
obligatorijde U. fiir minbderjibrige Urbeiter beibehal-
ten. Bgl. Schriften des Vereins fiir Sogialpolitif, Bd. 7
(Leips. 1874); Stieda, Urt. W. im sSanbwwbcierinad
der Siaatswiſſenſchaften⸗, Bd. 1(2. Uufl., Jena 1898).
Arbeitsdepartementitbeiteamter.
Arbeitseinheit, ſ. Arbeit, S. 673.
Arbeitsein ſtellung (Ausſtand, Streif, vom
engl. Strike, franz. Gréve) ijt die gemeinſam erfolgte,
freiwillige Niederlegung der Arbeit ſeitens der Arbeiter
zum Zweck der Erzielung günſtigerer Arbeitsbedin
gungen. Die meiſten Arbeitseinſtellungen beziehen
Ra auf die Lohnhöhe, doch können aud andre Ber:
hältniſſe des — — ju Streifs führen. Nicht
ſellen veranlafjen die Urbeiter einzelner Induſtrien
eine A., unt andre feiernde Genoſſen gu ——
Sympathieſtreiks). Die Streils find entweder Wb-
wehrſtreiks, um einer beabſichtigten Beridledte-
rung der Arbeitsbedingungen entgegenzutreten, oder
Ungriffitrei£s, um felbjtindig vorteilhaftere Be—
dingungen zu erreidjen.
ie eſchichte der Streifs reidht, werm man die Auf—
ſtände unfreier Urbeiter im Altertum außer Betradt
läßt, bid in’ 14. Jahrh. zurück. Es find aber wohl
Fragen der Standesehre, die Damals die Gefellen gu-
nächſt gum Ausſtand fiihrten. Erſt mit dem Auf—
fominen des kapilaliſtiſchen Betriebes in den Zünften
mae der dadurch bedingten fozialen Kluft zwiſchen
Meijter und Gefellen fegten aud rein wirtidaftlice
Kämpfe zwiſchen dicjen cin. Mißbrauch der Gewalt
der Meijter, Anwendung des Truckſyſtems (f. d.), Be-
ſchränkung der Feiertage, übermäßiges Lehrlingshal-
ten rc. erzeugten bei den Geſellen Verbitterung und
Gärung und bewirfter deren Zuſammenſchluß gu
Genoſſenſchaften und Rampforganifjationen. Die al-
teſte befannte A. in Deutichland ijt die Der Breslauer
Giirtlergqefellen 1329. Neben den Ausſtänden wurde
das »Schelten«, d. h. das Unehrlicherklären der Ge-
jellenbruderfdjaften gegen widerſpenſtige Mitglieder
wie aud) geqeniiber den Meiſtern, als Rampfinittel ge-
iibt. Als die Ausſtände immer häufiger wurden und
immer mehr Auswüchſe im —— hatten, ſuchte das
Reid) durch verſchiedene Reichsabſchiede, Mandate,
Polizciordnungen, wie das Zunftweſen iiberhaupt, fo
das Geſellenweſen zu regeln, freilid) ohne Erfolg. Auch
das Reidhsqutadten von 1672, das den Handiwer-
fermt Die Untonomie abjprach, Streifs, Rontraftbrud,
Verrufserklärungen beftrafen, die Gefellenverbindun:
gen aufheben wollte, war — gegenüber den
immer mehr überhandnehmenden Mißſtänden. In
folge eines großen Aufſtandes der Tuchknappen in
Liſſa 1723 drang Preußen in Wien auf Ordnung dev
Verhältniſſe, und nach der heftigen Revolte der Schuh—
madergejellen in Ungsburg 1727 fam es gu Dem Reichs⸗
geſetz von 1731, das wenigitens in Brandenburg und
Hannover, wo es mit Strenge durchgeführt wurde,
zum Siecle führte. Wud in England und Franfreid)
judte man auf dem e der clebgebung die zwi—
ſchen den Meiſtern und Gejellen ſchwebenden Streitig-
feiten zu unterdriiden. Cin Geſetz von 1549 hatte
Roalitionen gan verboten, im 18. Jahrh. wurden
aber die StreifS wieder häufiger. Jn Frankreich fiihrte
eine Reihe von Streils im 16.— 18. Jahrh. zu dem
| Roalitionsverbot von 1791. Allmählich errang überall
Arbeitseinftellung.
688
die polizeiliche Gewalt den Sieg; mit der Herab-
driidung und Beſeitigung der Zünfte verſchwanden
aud) die Gefjellenorganijationen.
Inzwiſchen hatte aber die neuerjtandene und raſch
ſich ausbreitende Großinduſtrie das Gewerberecht durch⸗
brochen umd den Boden fiir neue Arbeiterorganiſatio⸗
nen und Yrbeiterfampfe gegeben.
Die Heimat der modernen A. ijt England. Hier
hatte die raid) sur Bliite qelangte Großinduſtrie cine
bedenflicde tiberimadt des Unternehmers iiber die Ar—
Leiter geſchaffen und dic Arbeitsbedingungen erheblid)
veridlechtert ; neue techniſche Erfindungen und ſchwan⸗
fende Ronjunfturen erjeugten geitweife ee bis dahin
nicht befannte Arbeitsloſigkeit. Die von den erbitter-
ten Yirbeitern verurjadten Aufſtände wurden, da alle
Roalitionen verboten waren, mit Strenge unterdriict.
Im J. 1824 fielen die Koalitionsverbote, und die
nächſte Folge war eine raſche Vermehrung der Koa—
litionen und Streifs. Uber die dem Chartismus (ſ. d.)
verfallenen Arbeiter fonnten mit thren vielfad) un:
beſonnenen Yrbeitseinjtellungen und ibrent ungejes-
lichen Vorgehen feine Erfolge erringen. Erſt als die
Arbeiter von dem politifchen Radikalismus abjtanden
und in ernſter Arbeit die qewerfvereinlide Organiſa—
tion ſchufen (ſ. Gewerfvereine), wurde ihr Vorgeben
aud) da, wo jie gum Kampfmittel der YW. griffen, ein
geſchäftsmäßiges und beſonneneres. Die Streifs hör—
fen gwar nicht auf, aber fie wurden ohne Geſetzesver—
fepungen und Revolten durdgefiibrt. Jn dem Zeit—
raum 1870—80 wurden 2352 Cinjtellungen gezählt;
Der größte Streif fand 1879 unter den Baumwoll—
arbettern in Lancafbire ftatt, bei Dent 300,000 Arbei⸗
ter 9 Wodjen fang feierten. Den Arbeiterverbänden
ſetzten num die Unternebmer aud) ihrerſeits Verbände
entgegen. Die gegenfettigen Reibungen und Kraft: |
proben führten zu größerer Vorſicht in der Anwen—
dung von Arbeitseinſtellungen und Ausſperrungen
und ju erfolgreichen Verſuchen, durch Einigungs und |
Schiedslammern Streitigleiten friedlich zu begleichen.
Seit Ende der 1880er Jahre, als die engliſche Induſtrie
mit ſtart ſchwankenden Konjunkturen zu rechnen hatte,
traten auch die ſogen. ungelernten Arbeiter auf den
Kampfplatz, und die Streils nahmen an Zahl, Um
fang und Erbitterung der Parteien wieder erheblich
u. Erwähnenswert ſind die Ausſtände der 18,000
Jondoner Dodarbeiter 1889, der jiber 100,000 Rob |
lenbergleute im Yorkſhire⸗, Lancaſhire und Midland. |
Kohlendiſtrikt 1890, die A. der 422,000 Kohlengräber
1893, der Wafdinenbauer 1897.
In Deutſchland beginnt cine umfangreicere
Streifbewequng erjt Ende der 8Ocer Jahre. Es feblt
allerdings aud) in den friibern Jahrzehnten nicht an
vereingelten Ausſtänden, fie beſchränkten fid) aber auf
eingelne Branden (Leipziger Buchdrucker 1865). Erjt
mit der Ausbildung der Gewerfvereine, nod) mebr
Der fosialdemofratijchen Gewerfidaften, nahmen die
Streifs wieder zu (Kohlengräberausſtand im Rubr-
gebiet 1872), genährt durch die Gründungszeit gu Bee |
inn Der 7Oer Jahre und vor allem durch die Darauf
folgende ungünſtige Konjunktur. In das Jahrzehnt
1880 — 90 fallen zahlreiche gewerkſchaftliche Lohn
lämpfe, im welche die Buchdrucker, die Arbeiter im Bau—
handwerk und der Metallinduſtrie, ſpäter auch die
Tiſchler, die Tabakarbeiter, die Textilarbeiter verwidelt
Waren. Ins Jahr 1889 fällt der erſte große Majjen-
itvetf, Der Der Rohlenbergleute. Die ungelernten Ar
beiter find erjt 1896.97 in dem großen Streif der Ham
burger Hafenarbeiter hervorgetreten. Im allgemeinen
lind die deutſchen Arbeiter ohne geniigende finangiclle |
Arbeitseinftellung Geſchichtliches, kritiſche Würdigung).
Mittel in den Kampf getreten, ſo daß die durch die
Arbeitseinſtellungen verurſachten Koſten häufig i kei⸗
nem Verhalmis ju den Erfolgen ſtanden.
Auch in Oſterreich tit die Streilbewegung zientlich
neuen Datums. Schuld hieran ijt die Jugend der ge-
werkſchaftlichen Organijation und die politifde Ber:
fahrenheit. Erjt jeit Ende der I880er Jahre entitanden
jablreide, vom Sozialismus geleitete fampflujtige
qanijationen. Unter den Streifs find erwabnens
wert die der Tramwayarbeiter in Wien 1889, der
Tertilarbeiter tm Neunfirdener Revier (1893 — 96),
der Bergarbeiter in Bohmen und Mähren (1889, 1896
und bejonders 1900),
In Franfreid gibt es ſchon ſeit dem Beginn des
19. Jahrh. trop des Koalitionsverbotes zahlreiche fo-
iale Kämpfe; namentlich aber weifen die 80er Jahre
fait auf allen Gebieten größere Urbeitseinjtellungen
auf. Bejonders reid) an folden tit das Jahr 1893,
wo 174,000 Urbeiter in den Ausſtand getreten waren
(Der bedeutendite war der der Bergwerfsarbeiter un
Departement de Calais). Das Jahr 1895 bradte ne
ben jablreiden Streifs in der Tertilindujtric ben Streil
unter Den Glasarbeitern in Charmaur. Jn der jing:
jten Seit haben nantentlic) die Streifs der Bergarbeiter
in Monceaur - les -Mines von ſich reden gemadt.
jn den Bereiniqten Staaten find Arbeitsein
jtellungen ziemlich haufig, und fie haben bis sur Ge
genwart midjt felten einen ungeſetzlichen und gewalt⸗
tatigen Charafter, was jum Teil Durd den jtandigen
Wechſel in der Yirbeiterbevilferung und den dadurch
bedingten Mangel an Tradition in den Bereinen, die
größern Lebensanjpriide, das gejteigerie Selbjtbe-
wußtſein, die fprungweije wirtſchaftliche Entwidelung,
den ganjen demofratijden Geiſt des Landes erflart
wird. Wud) die groke Rüchſichtsloſigkleit der Unter-
nehmer und das von dieſen haufig geübte Mittel der
Ausſperrung veranlaft zahlreiche Rampfe. So fpie-
len die Stretfs wegen reiner Madtfragen zwiſchen den
Arbeiter⸗ und Unternehmerverbanden hier eine be
deutende Rolle. Befonders reid an Yirbeitseinjtellun
en war das Jahr 1886, in dem mehr als 500,000
rbeiter feierten und weitere 100,000 ausgefperrt mur
den. In den Jahren 1893/94 brad ein allgemeiner
Vergarbeiterausjtand, veranlaßt durd Lobnreduftio
nen, aus; zu gleider Beit fam es aud unter den Cijen
—— ju Unruhen, Streiks und Ausſperrungen.
eſonders zahlreich und heftig find Urbeitseinitet-
lungen in Belgien, wo ſolche namentlich in den
Hiittenwerfen ju Charleroi, in Bergwerlen zu Seraing,
Mons und im Hennegau, in der Metallindujtrie umd
andern Brandjen zu Went, bei den Dodarbeitern gu
Yntwerpen vorgelommen jind.
Cine fritifde Wiirdiqung der A. hat von dem An—
erfenttnis aussugeben, dak fiir Den Yirbeiter Die Roa
lition ein weſentliches Mittel darjtellt, um femme, dem
Unternehmer —— ungünſtigere Stellung beim
Abſchluß des Arbeitsvertrags zu verbeſſern. Durch
die A. als letztes Mittel in dem Nampf um die Arbeits
| bedingungen, oft aud) nur Durd) die Streifandrohung
fonnen die Arbeiter unter der Vorausſetzung ftarfer
Vereiniqungen und einer iiberleqten Führung thre
Forderungen naddriidlich unterjtiigen und unter giin
tigen Verhältniſſen zur Anerlennung bringen. Die
unleugbare Beſſerung in der Lage der Arbeiter iſt ne
ben andern Urſachen dod zum Teil auf die Wirkung
| der Roalitionen und ibrer Machtmittel zurückzuführen.
Freilich find damit aud) Schattenſeiten vertniipft. Für
die Arbeiter kommt in Betracht, dak die Zahl der
erfolglojen Yrbeitseinjtellungen in der Regel weit
Arbeitshäuſer — Arbeitslohn.
größer iſt, als die der ſiegreichen, daß ſie den Arbeitern
pfer zumuten und, falls die
Erfolge nur vorübergehende ſind, ein Schwanken in
ſeinen Lebensverhältniſſen bewirfen. Für den Urbeit-
geber bedeuten ſie ſchwere finanzielle Schädigungen
oft unverhältnismäßige
und Erſchwerung ſeiner Stellung im Sonfurr
kampf, die freilich in Jester Linie auf den Arbeiter ſelbſt
wieder nachteilig zuriickwirlen. Vgl. W.Stieda u.a.,
Art.⸗Arbeitseinſtellungen im »Handwirterbud) der
Staat8wiffenfdaftens, Bd. 1 (2. Wuff., Jena 1898,
bier aud) genaue Literaturangaben); Biermer im
» Worterbud) der Vollswirtſchaft · Bd. 1 (daf. 1898);
Brentano, Arbeitergilden der Gegenwart (Leipz.
1872); Sang. Bur Gejdidte der deutſchen Gefellen-
verbände im Mittelalter (daf. 1876).
Urbeitshaufer, Unjtalten, welde dem Zwecke
dienen, ihre Inſaſſen sur Arbeit angubalten. Cie
finnen insbeſ. fein: 1) Unftalten gur Beſchäftigung
arbeit8fabiger Armen (workhouses im Ginne des
englifden &
Hffentlicjen Urmenpflege, auf dem Gedanfen des mit-
telbaren Urbeits;wanges infofern berubend, als durd
Weigerung der Unfprud auf anderiweitige Unter-
ſtützung verwirft wird. Gie find aud) in cingelnen
deutſchen Landern, fo insbef. im Königreich Sadfen,
eingeführt, nehmen aber teilweiſe aud arbeitsunfibige
Arme auf (Urmenarbeitshaiufer). 2) Unjtalten
pur —— der Arbeitshausſtrafe, die bis 1871
in zahlreichen deutſchen Strafgeſetzbüchern (Bayern,
Sachſen rc.) ſich fand, ſeither aber beſeiligt ijt. 3) An—
ſtalten zur Verbüßung der forreftionellen Nach—
haft, d. h. einer Freiheilsentziehung mit Arbeitszwang,
die ſich an die Verbüßung der eigentlichen Steak
anfdlieBt und als Swed die Erziehung zur Urbeit
verfolgt. In diefer Bedeutung finbet fich Das Arbeits⸗
haus jdon im preußiſchen Allgemeinen Landredt.
Nad dem Reidhsitrafgefepbuch ſteht das Urbeitshaus
in engjter Verbindung mit der fiberweifung an
die Landespolizeibehörde, einer Rebenjtrafe,
auf die nad § 361, Nr. 3—8, gegen Landjtreicer,
Bettler und gegen Frauensperjonen, die gewerbs-
mäßig Unzucht treiben, erfannt werden fann. Die
Ilberweifung fann aud gegen fp, pe ausgefpro-
den werden, der fid) dem Spiel, Trunf oder Müßig—
gang dergeftalt hingibt, dak er in einen Zuſtand ge-
rät, in Dem gu ſeinem Unterhalt oder gum Unterbalte
derjenigen, gu deren Ernährung er verpflidtet ijt,
durch Vermittelung der Behirde , Rates Hilfe in An—⸗
fprud) genommen werden muh. Auch wer, wenn er
aus odffentliden Urmenmitteln cine Unterjtiipung
empfangt, fid) aus Urbeitsfdeu weigert, die thm von
der Behorde angewieſene, feinen Kräften angemeffene
Arbeit gu verridten, und wer nad Verlujt feines bis-
herigen Unterfommens binnen der ibm von der zu—
ſtändigen Behörde bejtimmten Friſt fic) fein ander-
weites Unterfommen verſchafft hat und auc nicht nach⸗
weifen fann, daß er foldje3, der von ihm angewandten
Bemilhungen ungeadtet, nicht vermodt habe, fann
durch Ridterfprud) der Landespolizeibehirde tiber-
wiefen werden. Legere erhält dadurch (§ 362) die
Befugnis, die verurteilte Perſon entweder bis zu 2 Jah⸗
ren in cin Urbeitshaus unterjubringen oder zu ge-
meinniigigen WUrbeiten gu verwenden. i Aus⸗
lander fann die Unterbringung in ein Arbeitshaus
durch Verweifung aus dem Bundesgebiet erfest wer-
den. Whnlide Bejtimmungen finden fic im djterreidi-
fdjen Redjt (Geſetze von 1885). Der Verbleib in einer
eſetzes von 1834), alfo Anſtalten der
689
fann bei Bettlern, Truntenbolden rc. Verbringung
in cin Urbeitshaus an die Stelle der Haftitrafe treten.
Die U. als Korrektionsanſtalten entjtanden zuerſt im
16. Jahr. in Holland und England. Jn Frantreid
wurden im 17. rag gegen Bettler die hopitaux
enfermés (1612 in Baris, 1662 in den Brovingen)
und 1767 Die maisons de correction (depdts de
mendicité) errichtet, die wie die frühern deutiden A.
zwiſchen Gefiingnis und Urmenarbeitshaus die Mitte
hielten. Yn der Revolutionsseit aufgehoben, wurden
fie von Napoleon I. 1808 wieder eingeführt. Das
Urbeitshaus, von den Verbredern viel mehr gefürch—
tet ald felbjt das Zuchthaus, wiirde ausgedehntere
Unwendung verdienen und fid) insbeſ. ruͤckfälligen
Cigentumsverbredhern, Zuhältern x. geqeniiber em-
pfeblen; dann müßte aber aud) zwiſchen befjerungs-
fahigen und unverbefjerliden Perjonen anders als
bisher unterfdieden und leptern gegentiber die Sidje-
rung ber Gefellfdaft als Hauptgwed in den Vorder-
rund geftellt werden. l. v. Wingingerode-
norr, Die deutſchen UW. (Halle 1885); v. Hippel,
Die korreltionelle Nachhaft (Freiburg i. Br. 1889).
S. aud Art. »Aſyl«.
Arbeitsinſpektion, ſ. Fabrikinſpektion.
Arbeitskarte, ſ. Arbeitsbuch.
Arbeitsfolben, ſ. Heißluftmaſchine.
Arbeitslohn im weitern Sinn ijt alles be—
dungene Einkommen aus Arbeit, d. h. dasjenige,
das der Arbeiter als Vergütung für Überlaſſung der
Nutzung der Urbeit an einen Dritten von diefem er—
Halt, im Gegenfage gu dem nidt bedungenen Urbeits-
cinfommen, d. 5. demjenigen, welded dem in feiner
eignen Unternehmung mittätigen Unternehmer als
Entgelt fiir feine Arbeitsleiſtungen zufließt. In die-
fem weitern Ginn umfaßt der 9 die verſchiedenſten,
nach Höhe und Sicherheit, wirtſchaftlicher und ſozialer
Lage der Empfänger ꝛc. mannigfaltig abgeſtuften
Formen von Arbeitseinkommen, die im praktiſchen
Leben mit den verſchiedenſten Namen, als Gehalt, Be-
folbung, Honorar, Gage, Salär, Lohn ꝛc., bezeichnet
werden. Im engern Sinne verſteht man unter A.
nur das vertragsmäßige Entgelt für vorwiegend kör—
perliche Arbeit bei nicht feller Unjtellung. Ym fol-
genden ijt nur vom A. in dieſem engern Sinn und
namentlid von dem in Unternehmungen verdienten
A. bie Rede. Je nad den Mitteln der Lohnzahlung
und den verfdiedenen Berechnungsweiſen des Ar—
beitslohnes unterfdeidet man veridiedene Lohnarten.
1) Naturals und Geldlohn, je naddem der U.
in natura (Koſt, Kleidung, Wohnung, Feuerung,
Landnugung 2.) oder in Geld gesahit wird. Der
erjte herrſcht in Reiten der Naturalwirtidaft mit ihrer
rößern Gleidhfirmigtkeit in Wirtidaft und Verkehr.
Wit qriferer Entwidelung des Verfehrs und der Ur-
beitSteilung und mit der Gewährung der perſönlichen
Freiheit der arbettenden Klaſſen tritt der Geldlohn an
die Stelle des erjtern, ohne diefen jedoch völlig zu ver-
driingen. Wud) heute nod) ijt der Naturallohn da
von Bedeutung, wo die Natur des Arbeitsverhält—
nifjed oder andre Umſtände ihn erfordern, jo bei den
häuslichen und landwirtſchaftlichen Dienjtboten, bei
den Lohnarbeitern auf großen Giitern, namentlich in
verfebrsarmen Wegenden (3. B. im Nordoſten Deutſch⸗
lands), bei den Lebrlingen und Gebilfen im Hand-
wert und Handel. Dod) wird er meiſt durch Geld-
lohn ergãnzt. Seltener tritt der Maturallobn bei den
indujtriellen Urbeitern auf, obwohl er aud) bier fei-
Zwangsarbeitsanſtalt darf in Oſterreich umunter- | neswegs überall gang fehlt. Der Raturallohn bietet
brodjen nicht linger als 3 Jahre dauern. Jn talien | den Vorteil, daß er den Urbeiter unabhängig madt
4h
Meyers Ronv.+ Lerifon, 6. Mufl. 1. Bd.
690
von ben Schwankungen der Preife der ihm gelieferten
Gegenſtände; dagegen beſchränkt er ibn in der Ver-
wendung des Lohnes und macht ihn abbangige: vom
Urbeitgeber. Das Umngelehrte gut vom Geldlohn.
Die Naturallöhnung fann durd gewifjentofe Unter-
nehmer miffbraudt werden, indem fie dem Arbeiter
ju hohen Preiſen Waren aufdringen, die er nicht
verwenden fann und mit BVerlujt wieder veräußern
mu rc. Diefer als Truckſyſtem (f. d.) befannten
Uusbeutung fudt die moderne Gefepqebung durch
Verbote vorzubeugen.
2) Beitlohn, Stiidlohn, Pramien{yftem,
Gewinnbeteiliqung. Der W. ijt Zeitlohn
(Tag-, Wodhen-, Jahrestohn), wenn die Arbeitskraft
fiir cine beftimmte Beit vermietet wird und leptere
zur Bemeſſung der Lohnhöhe dient, wobei freilid) je
nad) Leiſtungsfähigkeit und Fleiß Unterfdiede ge—
madt und Lohnklaſſen gebildet werden können. Der
reine Beitlohn iſt cinfad) zu bemefjen und bietet, weil
der Betrag beſtimmt ijt, weniger Verantajjung ju
Streitigfciten bei der Bemeſſung. Dagegen madt if
bei ihm der Einfluß individueller Tiichtigfeit und in-
dividuellen Fleiges nicht itberall genügend geltend:
der Urbeiter fucht ſeine Arbeitskraft ju fdhonen, der
Arbeitgeber wünſcht diefelbe möglichſt auszunutzen.
Dieſer Widerſtreit der Intereſſen iſt in geringerm
Maße vorhanden bei dem Akkordlohn oder Stück—
lobhn, Der fic) nad der Leijtung, der abgeliefer-
ten Stückzahl (Raum-, Gewidhtseinheiten) bemißt.
Hier ijt der Reiz zur Mehrleiſtung groper, die Lohn-
benteff urd cine geredjtere. Dod) verleitet er leicht zum
rafden Uberhinarbeiten und zur Uberarbeitung ; aud)
fann er bei allgemeiner Einführung leicht Lohnminde-
rung zur Folge haben (fo atta in ber Haus:
induſtrie). Aus diefem Grunde wird der Uftordtohn,
alS nur dem Unternehbmer von Borteil, von vielen
Urbeitern verworfen. Durdfithrbar ijt der Word-
lohn nur da, wo die eingelnen Leiftungen geniigend
gu bemefjen und zu fontroflieren find. Im iibrigen
iit er nicht am Plage, wenn in erjter Linie die Gite
der Leiftung in Betradt kommt, wenn häufige, nicht
durd) den Virbeiter veranlafte Unterbredungen der
Arbeit vorfommen, wenn die Urbeitstraft nur im
allgemeinen vermietet wird (Dienjftboten) x. Cine
felbjtandigere Stellung nimmt der Urbeiter bei Dem
Gruppenafford cin, bei dem eine Gruppe von
Yrbeitern gemeinſchaftlich die Ausführung von Ur-
beiten gegen bejtimmten Preis iibernimmt. Diefer
bietet jedoch die Gefabr, daß er in die Ufterunter-
nehmung (fr3. marchandage) augartet, wobei die |
Urbeiter von cinem Flugen Führer (Ulfordmeijter) |
ausgebeutet werden fonnen. Kommt es dem Urbeiter |
bei dem Uffordlohn nur auf die Menge von Leiſtun—
gen an, fo wird fein Yntereffe bei Dem Prämien—
unddemGewinnbeteiliqungs{yftem nod enger |
an den wirtſchaftlichen Erfolg der Arbeit gefeſſelt. Das
Charafterijtifde des Pramienfyftems bejtehtdarin,
daß Dem Arbeiter neben dem W. nod) cin befonderes
Entgelt, cine Prämie, fei ed fiir befondern Fleif (beim |
Beitlohn) oder fiir befonders gute Leijtungen (beim |
Stiidlobn) oder fiir Minderverbraud von Werkjeugen,
Roh⸗- und Hilfsitoffen (Sparprämien) gewährt wird.
Das Prämienſyſtem ijt, foweit ¢3 überhaupt anwend
bar ijt (was bezüglich der Sparprémien nur in be-
ſchränktem Make der Fall ijt), an fich fiir Urbeiter
und Unternehmer giinjtig. Es befteht aber die Ge-
fabr, daß bet feiner Berallgemeinerung der tibrige
Lohn um die Prämie ſinkt; doch fann diefer Gefahr
dadurd vorgebeugt werden, dah die Prämien nur in
Arbeitslohn (Lohnarten, Lohnhöhe 2.).
lingern Seitabjtinden gezahlt oder zu beftimunten
Zwecken (3. B. Unterſtützungszwecken) verwendet wer
den Ddiirfen. Die Gewinnbetetligqung kann in
doppelter Weife erfolgen, entweder fo, daß der Ar—
beiter neben feinem Lohn einen Unteil am Geſchäfts
qewinn befommt oder fo, dah er nur Gewinnanteile
(ohne fejten Lohn) erbalt. Die erfte Urt, das fogqen.
Tantiemefyftem, fann die Einnahmen der Arbei—
ter fteigern, ijt aber im wefentliden nur beim Zeit⸗
lohn und in folden Unternebmungen anwendbar,
deren Reinertrige iiberwiegend auf der Leijtung der
Urbeiter beruhen. Die sweite Urt madt das Arbeits
einfommen zu einem ſchwankenden und unfidern und
wird deShalb felten zwechmäßig fein. Beide Arten
ſehen die Genecigtheit der Urbeitgeber, Einblick in ihre
Geſchäftsergebniſſe gu gewähren, voraus.
Das BWejen de Urbeitslohnes ijt nur im Zuſam—
menbang mit bem Wefen der heutigen auf Brwat-
eigentum und freiem Arbeitsvertrag berubenden Birt-
ſchaftsordnung gu verjtehen, nad) welder der Arbeiter
und Unternebmer getrennte Perfontidfeiten find, pon
denen der erjtere nur die Urbeitstraft, der letztere die
Stoffe und Hilfsmittel der Produltion befigt. Nach
der heutigen Wirtſchaftsordnung fallt dem fapitali-
ftifdhen Unternehmer das ganze ebnis der Ero-
duftion gu, und er entſchädigt die Urbeiter fiir ihre
Mitwirfung mit dem vertragsmapig verabredeten VW.
So erjdeint der Lohn als die im voraus vereinbarte
Ubjindung de3 Urbeiters fiir feinen Unteil am Pro
dukt. Diefe ape beruht nidt auf einer genauen
Ennittelung diefes Unteils (⸗gerechter Lohn<), fon-
dern auf dem Marftpreis der Urbeit. Die Urbeit er-
fcheint demnach als cine Ware, der U. als thr Preis,
die Bildung der Lohnhöhe als Preisbildung, far
weld die allgemeinen Preisbejtimmungsgriinde der
Waren Unwendung finden. Somit wird aud der
Lohn gwifden zwei Grengen durch dad Berhaltnis
von Ungebot und Nadfrage bejtimmt, wobei fittlice
Veweggriinde, perfintide Beziehungen und Rechts
ordnung die Regelung weſentlich beeinfluffen fonnen.
Ubweidungen werden dadurd) bedingt, dah der Mr
beiter feine Arbeitskraft nidt von feiner Perfon los
löſen fann, mit dem Berfauf feiner Ware Arbeit in
eine gewifje Abhängigkeit gerit, fic) immer in der
Bwangstage, verfaufen gu milfjen, befindet, und dak
endlid) die Uusgleidung von Angebot und Rad
frage nidt fo raſch und in der Urt erfolgen fann,
wie bei Waren im engern Sinn. Infolgedeſſen tt
der Urbeiter im Konkurrenzlampf tm allgemeinen
ungiinjtiger geftellt als der Unternehuter, der auf
Grund feines Beſitzes, ſeiner Kenntniſſe, Verkehrs
beziehungen xc. länger auszuharren vermag als der
beldaftigungsiote Yirbeiter. Wus diefer Bejonderbeit
des UrbeitSverhaltnifjes erwächſt die Notwendigkeit
fiir den Staat, Schutzvorkehrungen zu treffen, wo die
VPerſönlichkeit bes Arbeiters gefährdet erſcheint. Hier
handelt es ſich aber zunächſt nur darum, ju unter
ſuchen, wie ſich die Höhe des Arbeitslohnes im rein
egoiſtiſchen Preislampf bei freier Konkurrenz regelt-
Der A. wird alſo zwiſchen zwei Grenzen durch das
Verhältnis von Angebot und Nachfrage geregelt. Die
Maximalgrenze des Arbeitslohnes liegt in dem Werte.
den die Arbeit für den Unternehmer hat; denn dieſer
wird und kann die Arbeitsleiſtungen auf die Dauer
nicht höher bezahlen, als fie ihm felbft wert find. Bas
ihm aber die Arbeitsleiſtungen felbjt wert find, hängt
ab bon dem, was ibm von den Abnehmern der mit
Hilfe der Urbeitseijtungen hergejtellten Waren ge-
zahlt wird. Ob die Löhne diefe Maximalgrenze ex»
Arbeitslohn (Ricardo -Laffalles »ehernes Lohngeſetz« r¢.).
reiden, wie weit fie binter ihr zurückbleiben, ijt
durch dad Verhältnis, in dem Nadfrage und Ungebot
von Urbeit gueinander jtehen, bedingt. Der A. hat
aber auch eine Dtinimalgrenge, unter die er Dauernd
nicht jinfen fann, und diefe liegt in den notwendigen |
Selbjttojten, und gwar fommt der augenblidlide
Unterhaltsbedarf als abfolutes Minimum in Vetradt,
was nidjt felten praltiſche Bedeutung erlangt (Falle
Der äußerſten Not, in denen fiir die Sufunft nidt
gciorat werden fann). Für bie Dauer muh jedod der
ohn ausreiden, um dem Arbeiter während feiner
ganjen Lebensseit, alfo aud) in Zeiten der Krankheit
und der Invalidität, den durchſchnittlich ndtigen Un-
terbalt fiir fic) und feine Familie au gewähren, wm eine
ſtandesgemäße Ausbildung der Pinder und die ndtige
Verſorgung der Hinterbliebenen ju —— Nun
ſind aber dieſe durchſchnittlichen Selbſtkoſten der Ar—
beit (die durchSitte und Gewohnheit bedingte Lebens⸗
haltung, engl. standard of life) nicht in — Zei⸗
ten, Ländern und Arbeitszweigen gleich (Anderung
der Kulturhöhe, Verſchiedenheit der Bedürfniſſe je
nad Rima, Arbeitsart, Schwierigkleit und Dauer der
€Erlernung, Unterbredungen der Urbeit ꝛc.). Yns-
befondere ändern fie fid) aud) mit den Preifen der
Unterhaltsmittel. Der Einfluß folder Underungen
auf den Lohn ijt gang verjdjieden, je nachdem Ddie-
felben dauernd oder voriibergehend find. Cine vor-
tiberqehende Preisfteigerung wird, weil fie leicht die
Nachfrage nad) Urbeit mindert und das Wngebot
von Kräften mehrt, meijt den Lohn driiden, ftatt ihn
zu fteigern, und umgefehrt. Sinkt der A. unter den
Saf der üblichen Lebenshaltung, fo wird leicht die
Sterblichfeit, inSbef. diejenige der Kinder, gunehmen,
Urbeiter werden auswandern x., und fo wird das
Angebot von Vrbeitstriften friiher oder ſpäter ſich
mindern. Sinken dabei Kultur und LebenStraft der
Urbeiter, fo wird aud) die LebenShaltung felbjt herab-
gedrückt. Steigt der Lohn iiber jenen Sah hinaus,
jo fann die Urbeiterjahl wachſen (friihere Heiraten,
Webhrgeburten, Cinwanderung, Minderung der Sterb-
lidjfeit); Dod) wird die Sahl feineswegs immer raſch
bis ju dem Punft zunehmen, dak nun der Lohn auf
den alten Gab finfen mug. Bis die Neugebornen
das Angebot erhdhen, fann leidjt aud) eine Underung
von Technik und Verfehr eine nod) größere Mehrung
der Urbeitsgeleqenheiten bewirfen. So finnen denn
aud) mit der Kultur, gumal wenn die Urbeiter Tat-
fraft und Charatterfeftigheit bewahren, Lebenshaltung
und A. fteigen.
Wie bereits erwähnt worden ijt, ijt die Stellung
des Urbeiters im Preistampf regelmäßig ungiinfti-
et als die bes Urbettgebers, weil er gezwungen fein
ann, feine Urbeitstrat aud) gu dem — Lohn
zu verkaufen, um mur leben ju können. Diefer ſo—
wie andern Schwächen des Urbeitsangebotes, Denen
der einzelne Urbeiter, foweit die Geſetzgebung ſich fei-
ner nidt annimmt, madjtlos gegeniiberjteht, ver-
mögen Dauernde Organijationen der Yrbeiter, wie
joldje fic) in den modernen Kulturjtaaten immer mehr
ſeit Uufhebung der Roalitionsverbote in den fogen.
Gewerfvereinen (ſ. d.) gebildet haben, weſentlich ab-
jubelfen, indem fie den Urbeitgebern als gefdloffene
acht gegeniibertreten und durd) Urbeitseinjtellun-
gen (f. d.), Unterhaltung der feiernden Arbeiter und
andre Mittel günſtigere Urbeitsbedingungen und
befjere Löhne durdjegen. Die gejebgeberifden Maß⸗
nahmen richten fid) regelmafig nicht direft auf den
A., fondern auf die Befdrintung der Frauen und |
Stinderarbeit, durch weldje die Ronturreng den er-
691
wadfenen männlichen Urbeitern erleidtert wird, auf
die Gewährung der Koalitionsfreibeit, auf die Ver-
befferung der fonftigen Urbeitsbedingungen (jf. insbef.
— ) und die Siderung der Arbeiter
en die wirtſchaftlichen Folgen von Krankheit, Un—
fi en, Ulter und Ynvaliditat (ſ. Urbeiterverfiderung).
Der U. ijt von jeher Gegenſtand eingehender theo-
retifdher Unterfudjungen geworden. Befonders be-
fannt find Diejenigen Ricardos, Lafjalles und v. Thit-
nens. Nad) Ricardo fann der Lohn dauernd weder
fiber die —— des Unterhaltsbedarfs ſteigen, noch
unter dieſelben ſinken, weil in jenem Fall cine ents
iprechende Sunahme des Urbeiterangebots, in diefem
eine Minderung ſtattfinde. Dod) hatte Ricardo felbjt
jene Roften als mit der Kultur veränderlich bezeichnet,
wie Denn aud der UW. in Wirklichkeit von Zeit gu Beit
und von Ort gu Ort verfdieden ijt. Hiernach ver-
liert bas eherne Lohngeſetz, wie 03 Laffalle
mit einiger itbertreibung nannte, die ihm beigelegte
Harte. Das Wahre an demfelben ijt, daß bet jeder
fogialen Organifation der größte Teil der Menſchheit
immer auf Erwerb durch Urbeit wird angewiefen
bleiben. Laffalle gibt die Möglichkeit einer Beſſerung
aud) fiir eine kapitaliſtiſche Wirtſchaftsverfaſſung gu,
er rat den Urbeitern, nicht au fparen, fondern ihren
Lebensbedarf ju erhihen. Demnach könnte nur der
Urbeiterjtand felbjt fiir feine Lage verantwortlid) ge-
madt werden. Dagegen wird diefe Verantwortlid-
feit erheblich —— wenn anzunehmen iſt, daß
durch wirtſchaftliche und techniſche Verbeſſerungen im⸗
mer wieder von neuem eine » YUrbeiterrejerve-Wrinee«
oder »>Surpluspopulation< (nad K. Marz) geſchaffen
und erhalten wird, die feine Beſchäftigung findet und
durd ihr Ungebot den Lohn drückt.
Cine zweite Theorie Ricardos ijt die friiher befon-
der3 in England veriretene Lohnfondstheorie,
nad) der jeweilig ein feſt bejtimmter Rapitalbetra
zur Lohnzahlung in der Hand der Unternehmer fid
befindet, : daß bei gegebener Urbeitergahl der U. ein
fejt bejtimmter ijt und aud) durch Roalitionen nidt
gejteigert werden fann. Aber aud) diefe ijt nicht zu—
treffend. Denn in Wirklichfeit ijt die Nachfrage nad
dem Produfte der Urbeit feitens der zahlungsfähigen
RKonjumenten das entideidende Moment fiir die Wus-
dehnung der Produftion und die Größe der Nachfrage
nad Urbeit. Cinen naturgemäßen UW. fuchte
v. Thiinen ausfindig gu machen. Indem er von der
Unnahme ausging, dah ber Lohn dann wabhrhaft in
der Natur begriindet fei, wenn die Lohnarbeit mit der
auf Rapitalerzeuqung geridteten Urbeit gleiche Be-
lohnung erbalte, jtellte er diejen Lohn in der Formel
Jap dar, im der a den Lebensbedarf eines Yrbei-
ter8, p das Ergebnis feiner Urbeit bedeutet; dod)
wurbe die Ridtigfeit diefer Forme! angefodten.
Sit auch der a in den veridiedenen Arbeitszwei—
gen ungleich hod, fo hat er dod) das Bejtreben zur
usgletdung , wobei freilid) die Gleichheit eine rela-
tive ijt. Ungleichheit in der Schwierigkeit der Er—
lernung, in den Unforderungen an moralifde Cigen-
idaften und Geſchick, in der Annehmlichkeit der Be-
ſchäftigung und in der Sicherheit der Exiſtenz können
natürliche Unterfdiede bedingen. Aber * inner⸗
halb dieſer Grenzen kann die Ausgleichung gehindert
werden durch den Mangel an Kenntnis des Urbeits-
markts andrer Orte und Produktionszweige, durch
ungeniigende Würdigung von Gefahren der Arbeit,
| Mangel an Tatfraft und Mitten zur Uuswanderung,
Heimatsliebe, Schwierigheit des Uberganges gu einem
andern Beruf, die um jo groper ijt, je ausgebildeter
44*
692
die Urbeitsteilung wird x. Biele diefer Hindernifje
ſchwinden mit fteigender Entwidelung von Kultur
und Verlehr.
Val. außer den unter » Virbeiterfrage< angegebenen
Werfer und den Handbiidern der Vollkswirtſchafts—
lebre: H. ROSler, Bur Kritif der Lehre vom A.
(Erlang. 1861); Thornton, Die Urbeit, ihre un-
—— Anſprüche und ihre berechtigten Forderun⸗
gen (a. d. Engl., Leipz. 1870); K. Marx, Das Kapi—
tal, Bd. 1; Laſſalle, Arbeiterleſebuch (Frankf. a. Ve.
1863); Brentano, Die Lehre von den Lobhnijteige-
rungen (im Den » Jahrbiidern fiir Nationalifonomie
u. Statijtife, Bd. 16, Jena 1871); Derjelbe, Uber das
Verhältnis von W. und Arbeitszeit zur Urbeitsleijtung
(Leip;. 1875); F. U. Lange, Die Urbeiterfrage (4.
Aufl., Winterthur 1879); v. Thiinen, Der ifolierte
Staat (3. Uufl., Berl. 1875); Böhmert, Die Ge-
winnbeteiligung (Leipz. 1878, 2 Bde.); »Gutadten
liber Die iligung der Wrbeit am Unternehmer-
gewinn« (Sdhriften des Vereins fiir Sogzialpolitif, daf.
1874); v. Scheel, Zur Geſchichte und Kritik der
Lehre vom A. (in Hildebrands »Jahrbiidern«, Bd. 9);
Parſons, Exposition of the principles of partner-
ship (Lond. 1889); Schmitz, Überſicht der fiir die
famtlicen deutſchen Bundesſtaaten feſtgeſtellten orts-
iiblidjen Tageldhne gewöhnlicher Tagearbeiter (2.
Yufl., Neuwied 1888); W. Menger, Das Recht auf
den vollen Urbeitsertrag (Stuttg. 1886); Cafjel, Das
Recht auf den vollen rbeitsertrag (Götting. 1900);
v. Zwiedinech-Südenhorſt, Lohnpolitif und
Vobhntheorie mit bejonderer Berückſichtigung des Mi-
nimallohnes (Leips. 1900); Schonberg, Die allgem.
Lehre vom A., und Böhmert, Statiftif des Urbeits-
lohnes im » Handworterbud der Staatswifjenfdaften«
Bd. 1 (2. Aufl., Jena 1898); Schloß, Methods ot
industrial remuneration (3. Aufl., Cond. 1899).
Arbeitsloſenverſicherung, ſ. Arbeitsloſigkeit.
Arbeitoloſigkeit, Mangel an Beſchäftigung ar-
beitsfähiger und — Perſonen. VW. hat es
ſchon im YUltertunt ſowohl in Griechenland als in Rom
von dem Seitpuntt ab gegeben, da das Wadstum der
Bevölkerung ju rafd vor fic) ging, um alle Urbeits-
fabigen in Gewerbe und Landwirtidaft gu beſchäfti—
gen. Namentlich in den griechiſchen Großſtädten gab
es im 6. und nod) mehr im 5. und den folgenden
Jahrhunderten v. Chr. eine mehr oder weniger aus:
gedehnte A., gegen die teils durch äußere und innere
Koloniſation, teils durch Vornahme großer öffentlicher
Bauten und andre Mittel angekämpft wurde. Nod)
größer war zeitweiſe die U. in Rom gegen Ende der
Republif und gu Beginn der Kaiſerzeit, veranlaft
durd die Broletarijierung des Kleinbauernſtandes
durch den Großgrundbeſitzer und das Leihfapital fo-
wie die junehmende Verwendung von Sflaven im
gewerblichen Gropbetrieb. Die gracchiſche Reformbe:
wegung führte zu nidts, und die von Gajus Gracchus
veranlaßte Getreideverteilung an das hauptſtädtiſche
Proletariat trug mur bei, dieſes gu vermehren. J
Mittelalter gibt es bei der Menge des verfügbaren
Landes feine Urbeitslofenfrage. Mit dem Begun der
Neuzeit tritt fie da, und dort zeitweiſe auf, fo in Eng:
land infolge des Uberganges der Grundherren vom
Landbau zur Sdhafhaltung, jo auf dem Rontinent in-
folge der Abſchließung der Zünfte und der Stdrungen
des Erwerbslebens durd) die vielen Kriege. Die Be-
lämpfung der A. geſchah durd barbarijde Strafen,
Verweijung der Arbeitsloſen in Urbeitshaufer u. dgl.
Die gegen Ende des 18. Jahrh. beginnende Gewäh—
rung der Freigiigigheit, Gewerbefreiheit x. ware an
Arbeitslofenverfiderung — Arbeitslofigfeit.
ſich geeiqnet gewefen, mandje Urſachen der A. zu be-
feitigen, wenn fie nidt gerade durch die Freibeit Der
Berufswahl und des Ortswechſels die
mancher Berufe und Orte begiinjtigt hatte. Nament-
lich aber Hat die Verdringung der Handarbeit durch
die Maſchine, die rapide Zunahme der Bevdlferung
im 19. Jahrh. und die mit den modernen Frodufl-
tions⸗ und Ubfagverhaltnijfen gufammenhingenden
zeitweiſen Kriſen und Abſatzſtockungen cine oft erheb⸗
liche A. zur Folge. Zeitweilig Arbeitsloſe finden ſich
aud) in größerer Zahl in den ſogen. Saijongewerben,
namentlid im Baugewerbe, da bei der Überfüllung
des Arbeitsmarktes die in folden Gewerben beſchäf⸗
tigten Urbeiter mur ſchwer fiir die Heit ihrer RNidht-
beſchäftigung Urbeit finden fonnen.
Die Urbcitslofenfrage hat fdon Owen, Louis Blanc
u. a. beſchäftigt und gehört heute mit gu den meijt-
erdrterten Broblemen der fozialen Frage. Ym Deut.
ſchen Reid) hat man fid) genauere Renntnis des Um
fanges der A. dadurch gu verfdaffen geſucht, dak
man ſowohl bei der Berufszählung 14. Yumi als ber
der Vollszählung 1. Dez. 1895 eine Zählung der Ur-
beitslofen ————— Ermittelt wurden unter Beg-
faffung der Sranfen im Juni 179,004, im Dezem⸗
ber 553,640 Urbeitsloje. Einſchließlich der Kranken
und nidt erwerbstitigen Ungehdrigen ergaben die
Zablen 512,543 und 1,474,251. Bon den Urbeits-
lofen waren 15,5 Proj. weniger als 8 Tage, 28 Bro5.
8—14 Tage, 17,7 Proj. 14 Tage bid 4 Woden, der
Reft langer arbeitslos geweſen.
Aus dem durd) dieſe Zahlen belegten großen Um
fang der A. in Der Gegenwart erflirt es fid), daß man
ibe große Mufmertjamfcit zuwendet und fid) nach wirk-
jamen Mitteln gu ibrer Belämpfung umſieht. Die
Verweifung der Urbeitslofen an die meijt unguret-
chende, beſchämende, mit veridiedenen Rechtsnadter-
fen verfniipfte Armenpflege und die Unterbrin—
gung in Arbeitshäuſern, weld legtere aud) nur bei
nidt Urbeitswilligqen — werden fann, fiibrt
nidt sum Ziele. Die UrbeiterfLolonien (j. d.) fon-
nen dod) nur cinem kleinen Bruchteil der Urbeitslofen
eine voriibergebende Unterfunft gewabren. Wirkſamer
ſchon ijt die Reranftaltung Sffentlider Urbeiten
feitenS der dffentliden Körper, insbef. de3 Staates
und der Gemeinde, wie jolde durch das preußiſche
Miniſterium des Innern 1894 allen Kreiſen und Ge
meinden nabegelegt und bier und anderwarts aud
angewendet worden ijt. Von nod größerer Bedeu
tung ijt die Organijation des Urbeitsnadweijes
(j. Urbeitsnadweis). Aor Gegenſtück findet dieſe in
der Organifation der Urbeitslofenverfiderung.
Dieſe leptere wird ſchon feit längerer Heit ſeitens dec
engliſchen Gewertvereine, in fleinem Umfang auch fer
ten8 der deutſchen geiibt, dod) bat die Erfenntnis der
Unzulänglichkeit diefer Urt der Verſicherung m neue-
jter Beit immer mehr den Blan ciner ſtaatlichen oder
fommunalen Organifation dieſer Verſicherung gezei
tigt, ber auch in der Tat ſchon an einigen Orten zur
| praftifden Verwirklichung gelangt ijt. Go ijt 1893
in Bern cine ſtädtiſche Anſtalt sur freiwilligen Ber
ſicherung gegen A. geqriindet worden; cine andre be
jtand 1895-97 in St. Gallen. Yn Köln gibt es ſert
April 1896 eine ſtädtiſche Verſicherungslaſſe gegen A.
im Winter. Wenn die Arbeitsloſenverſicherung troy
der Anerkennung ibrer Wichtigkeit heute nod) m den
Anfängen ftedt, fo liegt dies an der grofen Schwie
rigfeit der Durchführung: an dem Wangel ſtatiſti—
ſcher Grimdlagen fiber Umfang und Dauer der jähr—
lidjen A., ohne weldje die Geſamtſumme des Bedarfs
Urbeitsmafdinen — Arbeitsfammler.
fiir diefen Bwed und die Hohe der gu entridten-
den Prämien nicht feftgeitellt werden fann, an der
Schwierigleit, die verjdjuldete von der unverſchulde—
ten A. gu trennen, an den ſchwer gu löſenden Fra-
gen, wie es mit der durch Arbeitseinſtellungen bewirt-
ten A. zu Halten fei, ob die Verjiderung auf Freiwil-
ligfeit oder Bwang gu beruben habe, wie die ae
der Verfiderun fuliabcinecs jind ꝛe. Bgl. Adler,
Uber die Aufgaben de8 Staates angeſichts der A. (Tii-
bingen 1894); Derjelbe, Die Verfidjeramg der Urbei-
ter gegen A. (Baj. 1895); Schanz: Zur Frage der
acai oie alle poe, Wem 1895), Neue Bei-
triige (Berl. 1897) und Dritter Beitrag zur Frage der
WUrbeitslofenverfiderung (daf. 1901); v. Meyerind,
Praltiſche Maßregeln zur Bekämpfung der W. (Jena
1896); Buſchmann, Die A. und die Berufsorga—
niſation (Berl. 1897); Eyck, Die A. und die Grund-
fragen der Urbeitslofenverfiderung (Frankf. a. WM.
1899); Berndt, Die U., ihre Belämpfung und Sta-
tijtit (Berl. 1899); Udler, Artifel W. im »Hand-
worterbuc) der Staatswiſſenſchaften⸗, Bd. 1 (2. Aufl.,
Dena 1898); Reh m, Urtifel »YW.« und ⸗Arbeitsloſen⸗
verfiderung« im »BWorterbud der BVolfSwirtidaft«,
Bd. 1 (daf. 1898).
Urbeitimafdinen, Majdhinen, die ihren Antrieb
mittelbar oder unmittelbar durch cine Rraftmafdine
(j. Motoren) erhalten. Zu den A. gehiren 3. B. die
Werkseuqmafdinen, die Hebemafdinen filr fet und
jliifjige Körper (Bumpen), die Gebläſe und Nompref-
foren xc. Biele Mafdinen find Rraft- und Urbeits-
maſchinen gugleid), 3. B. die Lofomotiven.
Arbeitsmeffer, ſ. Dynamometer.
Arbeitsnachweis. Es handelt fic) hierbei fo-
wohl um den Nachweis von Arbeitskräften als um
den von Urbeitsgelegenheiten. Dadurd), daß in der
Neuzeit mit ihrer Freizügigkeit und größern Spegiali-
fierung der Berufstitigheit 3 fowoht fitr den Arbeit⸗
geber als den Urbeitnehmer ſchwieriger geworden ijt,
die Verhältniſſe des Arbeitsmarktes gu iibe. fehen und
deshalb die Gefahr nabheliegt, daß aus der Arbeits—
lofigfeit griferer Maſſen Schädigungen fiir die Ge-
ſellſchaft erwadhfen, ijt es nötig geworden, wiederum
cine geciqnete Ordnung des Arbeitsnachweiſes als
nächſtliegendes Mittel der Abhilfe angujtreben. Es
find daher, nachdem längere Beit hindurd infolge des
Verfalls der altern Arbeitsnachweiſe der Gefellenver-
biinde, Zünfte x. lediglich die individuellen Be-
mühungen der Yntereffenten und die gewerblid
betriebenen Arbeitsnachweiſe in Betradt famen,
mit Denen manche Mißſtände verbunden waren, neuer⸗
dings Verſuche qemadt worden, dieje Urten de3 Ar—
beitsnachweiſes ſchärfer zu beaufſichtigen (Novelle gur
deutſchen Gewerbeordnung vont 1. Juli 1883, preu-
ßiſche Vorſchriften vom 10. Aug. 1901) und die Mij-
bräuche gu befeitigqen, aber aud) den privaten A. durch
wirffamere Beranjtaltungen gu erjeben. Beſonders
fommt in diefer Ridtung der A. durch gemein—
niigpige Veranjftaltungen in Betracht (Stuttgart
1865, Zentralverein fiir A. in Berlin feit 1883, der
1900 von 48,432 Geſuchen der Urbeiter 38,303 be-
riidjidjtigen fonnte, x¢.), die nur niedrige Einſchreib-
eventuell aud) Vermittelungsgebiihren erheben. Da-
neben ijt aud) der berufsqenoffenfdaftlide U.
wiederum belebt. Sowohl Organijationen der Urbeit-
geber (Innungen u. a.) al8 der Urbeitnehmer (Ge-
werfidjaften) haben fid) mit ihm befaft, ihn indeſſen
aud) vielfad) ihren befondern Intereſſen (3. B. durch
Ausſchluß Mißliebiger) dienjtbar gu maden verfudt.
Alle diefe Verſuche litten indes an erhebliden Män—
693
ae (geringe Wirkfamfeit, mangelnde Unparteilid-
eit ꝛc.), und man verfuchte dDaber, den A. durch die
Gemeinden ju organifieren, wodurd auch die Mög—
lichleit geboten wurde, ihre Wirkſamkeit auf gripere
Gebiete gu erjtrecen und in diefen die Nachfrage umd
das Ungebot von Urbeit volljtindi z erfaſſen. Die
erſten Verſuche in dieſer Richtung fen in Der Schweiz
emadt (Bern 1888, Baſel 1889). Seit 1891 madte
eh jedoch aud) in Deutſchland cine Bewegung in glei-
Gem Girne geltend, die aud) bald prattijde Erfolge
hatte und feit 1894 befonders dadurch gefirdert ijt,
dah ver{diedene Minijterien (Wiirttemberg, Bayern,
Preufen) die Errichtung fommunaler Urbeitsnad-
weife in Unrequng bradten. Bejonders in fiid- und
mitteldeutfden Stadten find feitdem eine größere Un-
gal von fommunalen RNachweifebureaus oder Ar—
eitsämtern entitanden. Meiſt werden fie durch
Kommiſſionen aus einer gleiden Rahl von Urbeit-
ebern und -Mehmern unter Vorſitz eines Unparteit-
Sten geleitet. Ihre Erfolge find vielfad) bedeutend,
befonders fiir ungelernte Urbeiter, weil fiir eingelne
Hauptgewerbe Fachnachweiſe der Urbeitqeber oder
Nehmer vorhanden find. Die Bewegung, die bes weet,
die in ben Händen von Gemeinden oder Vereinen be-
findliden Urbeitsnadhweife gu Landesverbiinden (Zen⸗
range vereinigen, wird deren Wirkſamkeit
ge (in Minden 4. B. lagen der Zentralſtelle fiir
- 1901: 67,960 Gefude von Arbeitgebern, 88,223
von Urbeitnehmern vor, und wurde in 65,305 Fallen
eine Vermittelung ergielt). Golde Verbände beſtehen
in Wiirttemberg, Baden und Bayern. 1898 ijt auc
ein —— Verband deutſcher Arbeitsnachweiſe
gegründet. In Frankreich ſollte durch die Errich—
tung von Arbeitsbörſen (in der Hauptſache kom—
munal fubventionierte Geſchäfts- und Klubhäuſer
der Gewerkſchaften) cine Reform de3 Urbeitsnadwei-
fed Herbeigefiihrt werden; der pps Her jedod) in:
olge ded einfeitigen Vorgehens der Gewerkſchaften int
ergleid) gu den aufgewendeten Mitteln nidt allzu
grab 3u fein. Durch cin Gejeg von 1898 jind Miß—
räuche auf dem Gebicte des privaten Vermittelungs-
wejens bejeitiqt, und die Entwidelung der unent⸗
geltlid) arbeitenden Bureaus der Gemeinden, Berufs—
vereine, Wohltätigkeitsanſtalten x. wird begünſtigt.
Bal. Freund, Der allgemeine WU. in Deutfdland
Bec 1896 u. 1897); v. Reigenftein, Der AU,
ntwidelung und Gejtaltung im In- und Auslande
(daf. 1897); G. Adler, W. und Arbeitsbörſen im
»Handworterbud der Staatswiffenfdaften«, Bd. 1
(2. Aufl. Jena 1898); » Schriften ded Verbands deut-
ſcher Urbeitsnadweife« (Berl. 1899 ff.); Pelloutier,
Histoire des bourses du travail (Par. 1902). Reides
Material findet fic) in Jajtrows Monatsfdrift » Der
Urbeitsmartt« (Berl., feit 1897) und der Wochenſchrift
»Soziale Praris<.
rbeitsordnung, dicjenige Feſtſetzung der Be—
dingungen des Arbeitsverhältniſſes, die ein einzelner
Unternehmter trifft. S. Fabrikordnung.
Wrbeitsrat (Conseil supérieur du travail), eine
in Frankreich 1891 beſchloſſene, zu je einem Drittel
aus Urbeitgebern, Urbeitern und Abgeordneten oder
jonjtigen fadtundigen Perjonen bejtehende, dem Dan:
delsminiſterium zur Seite ſtehende Körperſchaft, mit
der Aufgabe, die Arbeitsverhältniſſe zu ſtudieren und
auf dieſelben bezügliche Geſetzentwürfe vorzubereiten,
aud) mit Zuſtimmung des Miniſters hierüber Enque-
ten einzuleiten.
Arbeitsſammler, von Fick erfundener Upparat
gum Meſſen der Geſamtgröße der von einem Muskel
694 Arbeitsſcheu
Arbeitsteilung.
bei einer Reihe von Einzelzuckungen geleiſteten Arbeit. begriindet und ſpäter unter E.v Scheudendorfe ra}
Der Muslel hebt bei je
wicht; dieſes wird durch eine Sperrvorrichtung ver- | ſammlung 1902 in Mu
Sachſen (5000 Wt.)
hindert, bei der Erſchlaffung des Muslels wieder
guriidjufallen, fo daß alſo jede folgende Budung bei
ihrem Beginn das Gewidht auf größerer Hohe vor-
ot Die Hohe, im der die Lajt fic) am Ende der
erſuchsreihe bejindet, gibt, multipliziert mit Dem Ge-
wichte derſelben, die Groͤße der gefamten medjanifden
Urbeit an, die der Mustel bei fermen wiederholten Zu—
ſammenziehungen geleijtet bat.
Arbeitss „J. Urbeitshaufer.
UArbeitsfdulen und Arbeitsunterrict, Un—
terridtsanftalten oder Unterridtsjtunden, in denen
Schülern nützliche gewerbliche Fertigeiten beigebracht
werden. Schon im 18. Jahrhundert ſuchte man in
England, Deutſchland, Schweiz x. Arbeitsſchulen mit
der Vollsſchule, beſonders der Armenſchule, gu ver-
binden und den Schülern damit einen fleinen Ber-
dienſt gu fidern, um fo zugleich den Schulbeſuch gu
befordern. Namentlich war in Bdhmen der Pfarrer,
ſpätere Biſchof Kindermann (f. d.) in diefem Sinne
tätig. Nad dem Vorgang A. H. Frandes in Halle
und Hecers in Berlin und im Anſchluß an Lode und
Rouſſeau nahmen die fogen. Philanthropen aud) fiir
die Zöglinge höherer Schulen, al8
engewicht ge⸗
en einſeitige Ausbildung des Geiſtes Handwerks—
bungen in ihren Lehrplan auf. Beſondere Pflege
fanden dieſe in Schnepfenthal unter Blaſche (ſ. d.).
So war um 1800 die Verbindung der Urbeits- oder
Induſtrieſchule mit der Lernfdule ziemlich verbreitet.
Herjog Peter Friedrid) Ludwig von Holftein-Olden-
burg ordnete den Urbeitsunterridht fiir feine holſtei
nifden Befigungen an (1796), und König Friedrich
Wilhelm IL. von Preußen empfahl fie 1799 in einer
auf die Reform der Vollsſchule bezüglichen Kabinetts
order. Indes ijt in Deutſchland nur der Unterridt
der Mädchen in weibliden Urbeiten wirklid allgemein
eworden; die Anleitung der Knaben ju Handfertig:
eiten, obwohl dfter neu angeregt, —S ſich bis
in die neueſte Zeit faſt ganz auf Internate, wie Wai-
fen-, Rettungshaufer, Blinden-, Taubſtummenanſtal⸗
ten xc., bid etwa fett 1870 im ffandinavifden Norden,
zuerſt in Finland durd Cygnäus (ſ. d) und dann
mit größerm Erfolg in Schweden, der Urbeitsunter-
richt zugleich mit der Pflege des Hand- und Hausflei-
hes, namentlich der landlidjen Bevdlferung (handa-
slijd, hemslijd), neuen Aufſchwung nahm Cin fo-
niglider Erlaß vom 11. Sept. 1877 empfahl allen
ſchwediſchen Schulbehörden die Einführung des Slöjd⸗
unterrichts; an den Seminaren ju Karlſtad und Kal⸗
mar wurde dieſer in den Lehrplan aufgenommen,
und der reiche Menſchenfreund Abrahamſon in Naas
bei Gotenburg erricdtete cin eignes Sldjdfeminar
Schon vorber war die Bewegung durch den Rittmeiiter
v. Clauſon⸗Kaas nad) Danemarf iibertragen und
hatte durch deſſen Reifevortrage aud) im übrigen
Europa Mufmerffamfeit erregt. Jn Deutfdland nah
men einzelne Bereine fiir bas Woh! der arbeitenden
Klaſſen (Berlin, Waldenburg i. Schl, Leipsig, Gir-
lig, Osnabriidr.) die Sache auf; bei Befimpfung des
Notitandes in Oberfdhlejien 1879 — 80 trat ihr auch
die preußiſche Regierung näher. Dod) haben die ftaat
liden Schulverwaltungen in Deutfdland, hierin einig
mit ber Mebhrhert der Lehrerſchaft, allgemein verbind
lide Einführung abgelehnt und die Sade weſentlich
freier Bereinstatigfert überlaſſen. Cin allgemeiner |
Deutfdher Verein fiir Rnabenhandarbeit
wurde 1881 unter Vorſitz von U. Lammers in Bremen
Sufammenjiehung ein Ge- | riger Leitung gliidlid) weiter entwidelt (Heupme
Sburg). Die bes, Sen I
reufen (32,000 ) tumd dee
Reid) (5000 Met —— namhafte Beibilfer, eberic
cine große Anzahl deutider Stadte. Das Semimer te:
Handfertigfeit in Leipzig bildet jährlich neue Shee
von YUrbeitslehrern aus. 1900 zählte man tn Denti
land 838 Handfertigleitsſtätten pddagogtidser Be
tung, wovon 573 in Preufen. Bon der Geiaretpad
waren 288 felbjtindige Unjtalten, die Abrigen mx
Schulen verbunden. en 2200 Lehrer wares *=
den Werkunterridt eigens ausgebdildet, baven S50 =
Leipzig, die übrigen an Einjelfurjen tn 33 Seddere
(23 J———— zwiſchen bat der Sldjd oder Ber’
unterridht in Der ganjen jivilifierten Beit Freamde ox
Förderer gefunden. Cr ijt in Firmland, Sdoweder.
Frankreich (1882), Norwegen (1891) an den Botts
ſchulen allgemein eingeführt. Bgl. Blatter far Kee
benhandarbeit<, Organ des Deutichen Bering (Oreq
von Babjt, — feit 1887); ferner v. Schené@ee
dorff, Der praftifde Unterridt (Bresl. LAO); Der
ſelbe, Der Urbeitsunterridt auf dem Lande (Bers
| 1891); Salomon, Arbeitsſchule und Bolfeitrate
(a. d. Schwed., Witten. 1881); Derfelbe, Theorie des
padagogifden Slojd (deutid) von G. Werner om dee
»Blattern fiir Knabenhandarbeit«, Leips. 190R). I
Mevyer, Gejdhidtliche Entwidelung des Handterne
| feitdunterridts (Berl. 1883); Rigmann, Der Hew?
arbeitsunterricht der Knaben. Geſchichte und
waãrtiger Stand ry agp 1896); Schriften pon Ei =
| (Weim. 1883), Gelbe (Dresd, 1885), Rauleer
, (Bien 1891); Rom, Praktiſche Cinfiibrung m de
| Snabenhandarbeit (Leipz. 1889); BW. Gd ge. Ergee
zung des Schulunterridhts durch praftiidde Beihai
gung (daf. 1880); Derfelbe, Katechismus des Mnaben
_ handarbeits-Unterridts (daf. 1892); Nanfe, Hoge
der Snabenarbeit (Hamb. 1893); Sdrany oat
Bünker, Die ergiehlihe Nnabenhandarbeit (Ben
1894); Sderer, Handfertiqfcitsunterridt in Both
und Fortbildungsfdulen (Gotha 1893).
Arbeitsſoldaten, die Mannidaften der Arderrrr
| abtetlun en (j. d.).
| =Arbeitstatiftijdhe Bureaus, |. UrbeitSimier
| Arbeitsfteine, ſ. Steinzeit.
=Arbeitsftrom, ſ. Telegraph.
| UArbeitsteifung, in der Raturwiffenfdes:
| (bier aud) Differengierung genannt) die üder
nahme verfdiedener Lebenstatigheiten Durch die mevit
aus gleidartiger Grumdlage hervorgegangenen Ov
| qane oder (bet Tierjtiden, gefellig oder in Somtrote
ebenden Tieren) durd die einzelnen Yndividuen. Wie
| Organismen entitehen aus ciner einzelnen Helle, dar
| fid) bet weiterer Entwidelung —* in gleicharng⸗
Zellen teilt, von denen ſchließlich einzelne Gruppen
ſich it verſchiedener Weiſe ausbilden und gewiffe. par
Erhaltung des Organismus erforderliche Letitumern
ausſchließlich Abernehmen. B. Hautzellen. Senet
zellen, Blutzellen x. Durch dieſe Beſchränkung fin
nen fie aber vermöge ihrer auf den idsabeca Hes
qeridteten Ausbildung ihre Mufgaben vollfourmenrs
ausfithren und unter der Borausfegung des geord
neten Qneinandergreifens der Arbeiten ſamilichet
Sellen den Organismus gu einer volllommenern Le
bensjtufe erheben. Phyſiologiſche A. und morpholo
gifde aigerenpierung (Diver gen) des Charal
ters) bebdingen cinander, und was von den einzelnen
Zellen gilt, gilt aud von den Organen und vor den
| Sndividuen der Gefellichaftstiere oder jufanumengefep
Arbeitstheorie —
ter Organiémen. Die natilrlidje Ausleſe pflegt die
höher differensierten Lebewefen su begiinitigen, folange
die Damit ermiglidten Anpaſſungen nicht zu cinfeitig
werden und den allgemeinen Lebensbedingungen ent-
jpredjen. Cigentiimlid) geftaltet fid) die A. bei den
Tierſtöcken, bei denen eine Anzahl meift durd) Sprof-
jung aus einem Cinjeltier hervorgegangener Jndivi-
duen, auf gemeinjantem Stod — .T. ſehr ſtark
umgebildet, auf gang beſtimmte Funftionen angewie—
fen und fid) wie Organe eines Ganzen verbalten,
3. B. bei Shwimmpolypen oder Siphonophoren, bei
denen befondere Fang-, Freß⸗, Tajt-, Fortpflanjungs-
und Bewegungspolypen (Lofomotiven) vorhanden
jind (Bolymorphismus). Äühnliche A. findet fic
bei höhern gefellig lebenden Lieren, die 3. T., wie
Bienen, Umeifen und Termiten, Staaten bilden, in
welden den verfdiedenen Jndividuen gang beſtimmte
Aufgaben zugewieſen find. Emen ergentiimliden Ge-
enjag ju fice Bocgene liefert die Vereiniqung ver-
Poiedenactiger Organismen gu gemeinfamem Haus-
halt (ſ. Symbiofe). Bgl. Qeudart, Tiber den oly-
morphismus der Yndividuen oder die Erjdeinung der
UW. in Der Natur (Gießen 1851); Haedel, Uber A.
in Naturs und Menfdenteben (in den »Gefammelten
Bortrigen«, Bonn 1878); Espinas, Die tierijden
Geſellſchaften (Braunſchw 1879).
In der Volkswirtſchaft verſteht man unter A.
ſowohl die Spezialiſierung der Berufsarlen (geſell⸗
ſchaftliche A.) ald die Zerlegung wirtſchaftlicher Ver-
richtungen in verſchiedenartige einfachere Operationen
(techniſche A.). Die einfachſte A. finden wir ſchon
im Schoß der Familie ausgebildet, indem ſich die Frau
der Erziehung der Kinder und dem Haushalte, der
Mann ſeiner Berufstätigkeit (dem Erwerb) widmet.
Dit in unentwickelten Kulturepochen des Jager- und
Hirtenlebens oder auch der —— die Einzelwirt⸗
ſchaft inſofern eine mehr ſelbſtändige, als ſie ihren
Lebensbedarf faſt ganz durch eigne Tätigkeit deckt, fo
findet auf pri sy airs Stufen eine Sdeidung in
der Urt ftatt, daß der cine mit der Landwirtfdaft, der
andre mit bem Gewerbe, der dritte mit dem Handel
ſich ausſchließlich befaßt. Die A. dehnt fich mit ftei-
gender Kultur immer weiter aus, indent die ——
von Gütergattungen ſich in die der einzelnen Arten
ſpaltet. ließlich entſtehen ſelbſt Gewerbe, die ledig-
lich einzelne Teile eines ganzen Produfts darſtellen.
Dieſe letztere Art der A. kann am weiteſten getrieben
werden, wenn die Teiloperationen einheitlich und plan-
niagig in einer Unjtalt (Fabrif) zuſammengefaßt wer-
den. Sobald der Verkehr fich über die eingelnen Län—
der hinaus erjtredt, bildet fic) cine internationale
WU. aus, bei der an verfdiedenen Orten ungleide Güter
erzeugt werden. Letztere ijt bedingt durch drtlidje Eigen⸗
tilmlichleiten, ungleiche natürliche Verhältniſſe( Boden⸗
beſchaffenheit, Klima ꝛc.) ſowohl als aud) durch Ver—
ſchiedenheit aller durch Kultur⸗ und Staatsleben ge—
ſchaffenen Produktionsfaltoren, wie Arbeitstüchtigleit,
Woralitat, Defepgebung und Verwaltung, Gewohn⸗
Heit, geſchichtlich entwidelte Kapitalkraft, Didtigteit
der Bevdlferung x. Durd) die W. wird eine innige
Intereſſenverkettung swifden Perſonen und Ländern,
cine Mehrung der produftiven Kräfte und eine Stei-
crung ihrer Wirkung hervorgerufen. Durch aus—
chließliche Beſchäftigung mit einer Urbeitsart und
ſpezielle Heranbildung fiir diefelbe wird die Leijtungs-
fähigleit erhöht, die verjdiedenen Mriifte laffen Rs
zweckmäßig verwenden, die A. re die Unwen-
dung koſtſpieliger Werlzeuge und Mafdinen x. Hand
in Hand mit der A., und diefe hierdurd) ju einer orga:
5
Arbeitsvertrag. 69
nifden Urbeitsgliederung geftaltend, muß cine
ridtige Urbeitsvereiniqung gehen, d. h. die ver-
ſchiedenen Brodufte und Produktenteile müſſen zu ein-
ander in richtigem Quantitätsverhältnis ſtehen, wenn
Vrbeits- und Kapitalvergeudungen vermieden werden
follen. In einem andern Sime fpridt man von Ar—
beitsvereinigung, wenn mebhrere Kräfte qemeinfdaft-
lid) auf cine Operation fic) fongentrieren, werm meh—
rere Verridjtungen gleider Art von einer Perſon aus-
geführt werden oder gleide Verridjtungen, die zeitlich
nadeinander als fontinuierlide Teile eines Ganzen
vorgenontmen werden, verfdiedenen Perſonen über—
wiejen find. Wie die Urbeit gum Segen und gum Fluch
werden fann, fo aud) die U. Wenn fie gewiſſe Gren—
yen liberjdjreitet, fann fie Geijt und Körper ſchädigen,
urd Ermöglichung der Anwendung billiger Frauen:
und Sinderarbeit Familienleben, Bilbung und Mo—
ralitat untergraben, durch Schwierigleit volljtindiger
Anpaſſung und Emgliederung unter verjdiedenen
Verhältniſſen Stirungen, Kriſen und damit Verlujte
an Stapital und Yirbeit bewirfen x. Im allgemeinen
witrden die gegen dieſe Gefahren der UW. anguwenden-
den Mittel weniger gegen die leptere an und fiir fid
al8 vielmebr gegen ihre ſchädllchen Wirkungen gu rich⸗
tenfein (Beſchtankung derirbeits seit, Verwendung der
Ruhepauſen fiir Erholung, Bildung und Familie x.).
MUrbeitstheorie, die fosiale Theorie, die das Cigen-
tum auf die Urbeit als Entitehungsqrund zurückführt
(vgl. Eigentum und Sogialismus).
rbeitdiibertragung , |. Kraftübertragung.
Urbeitevertrag heißt jest jeder Vertrag, nad
dem jemand Arbeit irgend welder Urt, alſo irgend
welde Tätigkeit von wirtidaftlidem Wert, einem an-
dern ju leiſten hat Die Arbeit ſelbſt muß gu leijten
fein, nicht ihr Erzeugnis oder ſonſtiger Erfolg; ijt
folded der Fall, fo liegt ein Werfvertrag vor. Das
| Biirgerliche Gefegbud hat jedod) den Uusdrud A.
fic) nod) nidt angeeignet, fondern ijt bet Dem alt-
römiſcher BollSwirtidaft entitammenden Brauche
ftehen geblicben, von einem entgeltliden UW als
Dienjtvertrag und von einem unentgeltliden
UW. als Unftrag gu fpreden; jener findet fic) ge-
ordnet in den Paragraphen 611— 630, diefer, mit
Rildverweifungen, in den Paragraphen 662 — 676.
Int wefentliden ijt hier und in einigen cinfdlagen-
den Vorſchriften de3 Handelsgefepbuds und Bin—
nenſchiffahrtsgeſetzes das Folgende bejtimmt: Cine
Vergütung gilt als ſtillſchweigend vereinbart, wenn
die Urbeit den Umſtänden nad mur gegen cine Ver—
gütung ju erwarten ijt. In folchen Umſtänden be-
findet fic) immer, wer in Ausübung feines Gewerbes
einem andern Gefdhifte beforgt oder Dienite leijtet.
Das Mak fiir ſolche Vergittung gt. wenn nicht eine
Tare, die Ortsitblidfeit. Die Vergiitung ijt regel-
mipig nad) gefdehener Arbeit zu entrichten, wenn fie
nad) Zeitabfdnitten bemefjen ijt, je nad) Dem Wblauf
des einzelnen Abſchnittes; der Gehalt eines Hand-
lungsgehilfen mug ſpäteſtens je am Schluß eines
Monats gesahlt werden. Auf Binnenſchiffen und
Flößen ijt der Lohn im Zweifel alle 2 Woden ju
zahlen, auf Geefdiffem ju erſt nad) beendig-
ter Gefamtreife und iibrigens je nad) beendigter Zwi—
ſchen⸗(Teil⸗)xeiſe, wenn mindeftens 6 Wonate nad
Beginn der Geſamtreiſe verflojfen find. Ubertrag-
bar ijt im Rweifel fowenig der Anſpruch auf Arbeit
als die Verpflichtung gur Urbeit. Der Unfprud auf
Lohn geht weder verloren, wenn Urbeit nicht nad-
eye wird, deren rechtzeitige Leijtung durch Verzug
des Urbeitgebers verhindert war, nod) dann, wenn
696
bie Urbeit fiir eine verhältnismäßig nicht erheblicde
Beit durch einen in der Perjon des Yirbeitnehmers lie-
genden Grund, 3. B. durd) Kranfheit des Urbeitneh-
mers, verbindert wurde; letzteres gilt fiir Handlungs-
gebilfen und Handlungslehrlinge aud) fiir eine mdt
verhãltnismäßige Zeit bis zu 6 Woden. Der Ar-
beitqeber hat Raume, Vorrichtungen oder Gerätſchaf⸗
ten, die er fiir die Urbeit oder sur Pflege des Urbeit-
nehmers ju beſchaffen bat, fo einguridjten und eu un:
terbalten und Urbeiten, die unter ſeiner Anordnun
oder Leitung vorzunehmen find, fo zu regeln, daß der
Urbeitnehmer gegen Gefahr fiir Leben und Gefund-
heit fo weit gett ijt, alS die Natur der Urbeiten es
gejtattet. Wenn nicht fiir die drgtliche Behandlung
und ree eines in die ha usliche Gemein-
{daft des Urbettgebers aufgenommenen VUrbeitneh-
mers durd cine ————— oder durch cine Ein⸗
richtung der öffentlichen —— Vorſorge ge⸗
troffen iſt, ſo muß der Arbeitgeber den Erkrankten,
ſofern nicht von dieſem die Erkrankung mit Vorſatz
oder grober Fahrläſſigleit herbeigeführt iſt, bis zur
Dauer von 6 Wochen (indes nicht über die Zeit
des Arbeitsvertrages hinaus) auf eigne Koſten ver-
pflegen und ärztlich behandeln laſſen; die Koſten fin-
nen jedoch mit dem Lohn der Zeit der Krankheit bis
zu gleichem Betrag aufgerechnet werden. Weiter noch
gehen die Verpflichtungen des Reeders (ſ. dD.) gegen—
liber Dem Schiffer (7. dD.) und der Schiffsmann) daft.
Urbeitsvertrige auf unbejtimmte Zeit fonnen ge-
fiindigt werden: 1) wenn die Yirbeit ohne Vergiitung
erfolgt, vom Urbeitgeber jederzeit, vom Arbeitnehmer
nur ſo, daß jener —* die Beſorgung der Arbeit die
nötige Fürſorge rechtzeitig treffen fann; 2) wenn die
Arbeit gegen eine nicht nach Zeitabſchnitten bemeſſene
Vergütung erfolgt, jederzeit, aber falls ſie die Er—
werbstitigfeit des Arbeitnehmers vollſtändig oder
hauptiidlid in Anſpruch nimmt, mit Friſt von 2 Wo-
chen ; 3) wenn die Urbeit gegen cine Vergiitung erfolgt,
die nad) Tagen, Worden, Monaten oder Vierteljab-
ren ꝛc. bemejjen ijt, je von Tag zu Tag, vom erjten
Werftag ciner Ralenderwode auf deren Schluß,
vom Füuͤnfzehnten eines Ralendermonats auf dejjen
Schluß, von 6 Woden vor dem Schluß eines Ralen-
der vierteljahres auf dieſen Schluß rc. Die letzte Art
Kündigung gilt ſtets im Fall dauernder Anſtellung für
Handlungsgehilfen ſowie bei allen »Dienjten höherer
Art«; als ſolche gelten insbeſ. diejenigen der Lehrer,
Erzieher, Privatbeamten und Geſellſchafterinnen. —
Aus »widtigem Grunde« fann jedes Dienſtverhältnis
ohne Kündigungsfriſt von jedem Teile gelündigt wer-
den. Der Arbeitnehmer kann nach fünf Jahren
immer kündigen, aud) wenn längere Vertragszeit ver-
einbart war. Der Arbeitgeber fann, ohne ju fiindi-
gen, Die Arbeit fic) jedergett verbitten; damit wird er
aber von der Pflicht zur Leiſtung des Lohnes u. dal.
nicht fret. Wnt Ende eines dauernden Dienjtverhilt-
niſſes kann der Yirbeitnehmer vom Arbeitgeber ein
ſchriftliches Zeugnis fiber das Dienſtverhältnis und
Deffen Dauer jowie aud) iiber Leijtungen und Füh—
rung verlangen, gegen den Willen des Arbeitnehmers
Darf jedod nur em Seugnis über Beginn und Ende
fowie Art Der Dienjtleijtung ausgejtellt werden.
Wenn der Urbeitgeber in Konkurs fommt, werden
nad) der deutiden Nonfursordnung YUrbeitsvertriige
entweder fiindbar oder binfalliq, je naddem die Ur-
beitim Haushalt, Wirtidhaftsbetriebe, Erwerbsgeſchäft
des Arbeitgebers ju leiſten ijt oder anderswie; Erjag-
anjpriiche Hind jedoch dadurch nicht ausgeſchloſſen. Be-
fonderes iſt nod verordnet: 1) zwiſchen Reederei und
Arbeitsvertragsbrud — Arbitrage.
Rorrejpondentreeder im Handelsgejepbud, § 496 u.
498 ff.; 2) awifden Reeder und iffer (Rapitan)
a. a. O., § 5138 —522, 536, 540, 546; 3) ʒwiſchen
Schiffseigner und Schiffer im Binnenſchiffahrtsgeſetz.
§ 7 f.; 4) zwiſchen Schiffer oder Reeder und ffs
mann in der Seemannsordnung, § 35 f.; 5) zwiſchen
Pringipal und Handlungsgebhilfen im Biirgerliden
Gejepbud), § 39-75; 6) zwiſchen Lebrherrn und
Handlungslehrling a. a. O., § 76 —80; 7) zwiſchen
G Frachtflößer, bes. Floßeigentümer und Floßfuͤhrer im
Flößereigeſetz, $3 —8 u. 15f.; 8) swifden jenen und
einem Floßmann a. a. O., § 17— 23; 9) zwiſchen Ge-
werbtreibenden und ibren qewerbliden Urbeitern
verſchiedenſter Urt in der Reichsgewerbeordnung, §
105 —139 m. — Befonderes und zwar unteremander
febr Verſchiedenes verordnen gmt en Yrbeitgeber und
Urbeitnehmer aud die Gejinde - (Dienjtboten -) Ord
nungen (f. Gejinde). Bal. Brenner, Der gewerd-
lide UW. nach deutſchem Recht (Mind. 1902); Lot-
mar, Der U. nad) dem Privatrecht des Deutiden
Reiches (Leipz. 1902, Bd. 1).
Arbeitsvertragsbruch, |. Vertragsbrud.
UArbeitsvieh, j. Landwirtidaftlide Betriedbs-
erfordernifje.
Arbeitswechſel, ſ. Funktionswechſel.
Arbeitszeit, ſ. Fabrikgeſetzgebung und Gewerbe
geſetzgebung.
rbeits zoll, bas Maj, um welches rohe Quadern
wegen des Materialverluſtes bei der Bearbeitung aus
Steinbrüchen größer als beſtellt, geliefert werden
Arbẽela ——— »Biergotterjtadt<), be-
ruhmte Stadt ded alten Ujfyrien, eine Hauptititte des
Yitar-Rultus und von allen aſſyriſchen Stadten die
eingige, Die bis Heute, und gwar unter ihrem alten
Namen (jf. Urbil), exijtiert. Jn ihrer Nahe, bet Gau
gamela, erfodt Ulerander d. Gr. den entideidenden
Sieg über Dareios (2. Oft. 331 v. Chr.).
(Grofer U.), — Berg des BdHmer-
waldes, in Niederbayern nodrdlid) von Bodenmais,
swifcen dem Weißen und Schwarzen Regen, ein {teil
abfallender, abgejtumpfter, fabler Kegel von 1457 m
Höhe, mit Kapelle und bejonders nad S. bin grof-
artiger Ausſicht. Im RW. und SD. liegen fajt
1000 m ii. M. in urwaldartiger Umgebung die beiden
Urberfeen. Etwa 2 kin wejtlid) vom Groen VW.
erhebt jid) der 1381 m bobe Kleine U.
Arbil (Erbil, Ervil, im Wtertum Arbela), ber-
abgelommene Stadt im afiatijd-tiirt. Wilajet Moful,
430 m bod) in einer Ebene gelegen, an der Gren der
arabijden und furdijden Sprade, mit 3757 Einw
Arbiter (lat.), Sciedsridter.
Arbith (hebr.), ſ. Maarib.
Urbitrage (franj., fpr. -aj@’, v. lat. arbitrium,
Entideidung), tm allgemeinen die Erwagung und
Entſcheidung tiber die günſtigſten unter den an ver
ſchiedenen Plätzen fic) bietenden Einfaufs- und Ber
faufsgelegengeiten, findet insbeſ. Anwendung auf
Edelmetalle, Geld, Wechſel und Effekten ſowie die
Cingiehung von Forderungen und die Begleichung
von Zablungen im Ausland. Jn ihrer einfachſten
Form kommt fie vor als Geldarbitrage, Die er—
mtittelt, Durch welche Geldjorten am vorteifhaftejten ar
andern Orten Zahlung ju leijten ijt oder Forderun
gen eingesogen werden fonnen. Sind 20-Franfitiicde
in Berlin fiir 16,40 ME. gu faufen, und ug 20 Wt.
in Baris auf 24,09 ¥r., fo würde cine von lin nad
Paris ju leijtende Zahlung vocteilhafter in deutſchem
alg in Pangpiifdent old qeleijtet werden, wabrend
cine auf Baris lautende Forderung am beiten dort
Arbiträr — Arbois de Jubainville.
in franzöſiſchem Gold einlaſſiert würde. Dieſe Be—
rechnung wird verwidelter, ſobald nod) verſchieden⸗
artige Speſen, Transportkoſten und eine grofere Sahl
von baad Pinar pe Hiaasen ine
größere Vedeutung hat heute die Wed felarbitrage,
die aus den Kursverſchiedenheiten verſchiedener Wed)-
felplipe dadurch Borteil gu ziehen fudjt, daß fie er-
mitteli, an weldem Plag ein Wechſel am billigiten
gu erhalten und am höchſten gu verwerten ijt. Wan
farm nämlich bei der Zahlung wie bei der Cinfajfie-
rung dreierlei Wedjel benugen: Wechſel auf den frem-
ben Bias, Wechſel auf den eignen Platz und Wechſel
auf einen von beiden verjdjiedenen Plas. Bei ob:
liegenden Zahlungen wählt man, ob man auf fid
trajjieren läßt, oder ob man Wechſel (Rimeſſen) cin-
ſchickt, und in legterm Fall, ob man Rimeſſen auf
den Zahlungsort oder auf irgend einen andern Ort
einſchickt. Beim Inkaſſo wahlt man swifden dem Traſ⸗
jieren auf den Schuldner und der Aufgabe an den-
felben, Rimeffen gu machen, die wiederum in Wechſeln
auf den cignen oder irgend einen fremden Platz be-
teben können. Die Entidheidung hängt vom Stande
ct Wedhjelfurje ab, d. h. von dem Preis, der fitr die
Wechſel auf die verfdiedenen Plage begahlt wird. Hat
3. B. ein Pariſer Haus nad Umjterdam 100 holland.
Gulden gu zahlen, und fteht der Kurs von Paris auf
Amſterdam auf 209 Frant (100 Guld.), der von Paris
auf London auf 25 Fr. (1 Pfd. Sterl.), von London
auf Umjterdam auf 12 Guld. (1 Pfd. Sterl.), fo find
bei direfter Remittierung nad) Umfterdam 209 Fr.
aufguwenden. Gibt dagegen der Barifer cinem Kom—
mifjiondr in London Uuftrag, Amſterdamer Papiere
u faufen, und fendet er ihm als Dedung Londoner
Rapiere, fo gablt der Kommiſſionär 8'/s Pfd. Sterl.
fiir 100 Guld. Der Pariſer aber fauft Londoner Pa—
piere, die auf 8'/s Pfd. Sterl. lauten, für 208s Fr.
Die indirette Rimeſſe iiber London ijt alfo vorteilhafter
als die direkte. Ähnlich wird bei der Eingiehung von
Forderungen verfahren, und zwar wird mit Hilfe der
teleqrapbitch cingegangenen Kurszettel der verſchieden⸗
ſten Wedhjelplage ermittelt, welde der möglichen in-
direkten Remittierungen die vorteilhaftejte ijt. Werden
bei der hierbei angejtellten Rednung, der Urbitrage-
rechnung, die abweidenden Unfojten (Provifion,
Courtage, Porto) der verjdiedenen Wege beriidjid-
tigt, fo nennt man fie eine —— ak ae im
andern Fall cine cinfade A. Zur Erleichterung der
Rechnung hat man fiir widtigere Plage eigne W ed -
felarbitragetafeln aufgejtellt, in denen alle praf-
tijd) modglichen Kurſe in Rechnung gezogen find. Da
der Disfont an den verſchiedenen Wechſelplätzen meijt
ein ungleider ijt, fo find aud) die Uufwendungen ver-
ſchieden, die man maden muß, je nachdem man zur
Zahlung an einem andern Platz einen dort ty
kurzſichtigen Wechſel fauft oder einen langfidtigen da-
felbjt disfontieren läßt. Die gur Vergleidung folder
Vufwendungen anjuftellende Rechnung nennt man
die Disfontarbitrage.
Wud) bet Effetten wird durd A. (WUetien-, Staats.
papier-, Effeftenarbitrage) ermittelt, welde Plage fiir
Kauf und Verfauf derjelben am giinjtigiten find. Die-
jelbe wird infolge davon ſchwierig, daß die Notierungs-
weije desjelben Bapiers an verſchiedenen Börſen ſehr
ungleich ijt (bier Rechnung nad Stic, dort nad Pro—
zenten, hier einſchließlich, dort ausſchließlich der Laufen:
Den Zinſen rx.). Die genannten Operationen werden
aber nicht allein ausgeführt, um Zahlungen zu maden
und Forderungen emjufaffieren, fondern aud, um
nur aus Kursverſchiedenheiten, 3. B. durch eine hier-
697
durch veranlaßte Traffierung, Gewinn gu giehen, in-
dem fich gu dicfem Zweck mehrere Häufer verfdiede-
ner Plage miteinander verjtindigen. Die U. verantaft
am einen Ort eine Hebung, am andern eine Herab-
dritdung und damit eine Ausgleichung der Kurſe.
Val. Swoboda, Die kaufmänniſche e (11. a”
Berl. 1901); Haupt, Arbitrages et parités (8. Aufl.,
r. 1894); Beder, Die prattijde A. (Berl. 1876);
Stern, DieW. im Bant-u. ee 1900).
Arbiträr (lat.), nad Gutdiinfen; Urbitration,
—— nad) Gutdünken und Ermeſſen; ſchieds⸗
richterliche Entſcheidung; arbitrieren, nach Er—
meſſen entſcheiden; eine Arbitragerechnung machen.
Urbitrator (lat.), der Dritte, deſſen Ermeſſen
(arbitrium) nach dem Willen der Vertragſchließenden
oder eines Erblaſſers bezüglich gewiſſer Feſtſtellungen.
z. B. derjenigen des Wertes emer Sade, der Hobe
einer Leijtung oder eines Schadens xc., makgebend fein
joll. In der Megel ijt dabei das billige Ermeſſen (ar-
bitrium boni viri) entſcheidend. Die von dem A. ge-
troffene Entſcheidung oder Beſtimmung fann wegen
offenbarer Unbilligfeit angefodten werden. Der A.
oder Schiedsmann ijt nicht mit dem Schiedsrichter
(jf. d.) gu verwedjeln, der an Stelle de3 Ridters einen
Rechtsjtreit gu entidjeiden hat.
Arbitrio (ital.), Willfiir, Gutdiinfen; a suo a.,
als mufifalijde Bezeichnung, geftattet die größte Frei-
heit in Bezug auf Vortrag und Lenrpo (wie ad libitum).
Arbitrium (lat.), Entfdeidung nad Ermejjen
oder Gutdiinfen, inSbej. dDurd) einen Dritten (Urbi-
trator); Sciedsiprud. A. divinum, göttlicher Rat-
ſchluß; a. judicis, ridjterlides Ermeſſen; a. liberum,
Willensfreiheit; a. boni viri, f. Urbitrator.
Arboga, Stadt im ſchwed. Lin Weſtmanland, am
Fluß Yl, der fid) 15 km weiter in den Malarfee er-
gießt, und in der Nahe des den Hjelmarjee mit dem
Mälarſee verbindenden Urbogafanals, an der
Eiſenbahn Orebro-RKidping, hat 2 Kirden, cine Mittel⸗
ſchule und (is09) 5187 Einw., die Schiffabrt, etwas
Cijenindujtrie und Handel treiben. — Jn A., einem
der altejten Orte Schwedens, wurden mehrere wich—
tige Reichstage abgehalten, fo 1561 (j. Erid) XIV.)
und 1597 (jf. Karl IX.). Bgl. G. Bergſtröm, A.
Kriénika (Stodh. 1892—95, 2 Bbde.).
Arbogaft (Urbogajtes), cin Franke von Ab—
jtammung und Heide, zeichnete fic) ſchon unter dem
Kaiſer Gratian (867—383) als römiſcher Heerfiihrer
aus und wurde nad deſſen Ermordung als Magister
militum die Stütze Balentinians IL. und des weſt—
römiſchen Reides gegen die Barbaren. Seine Herr-
ſchaft empfand jedod) der junge Kaiſer als fo driidend,
daß er, aufer ftande, fid) ihr zu entgiehen, im J. 392
fi dad Leben nahm, worauf A. den faijerliden Ge-
heimſchreiber und Kanzler Cugenius mit dem Bur-
pur befleidete, ald erjter der Söldnerführer, die, ohne
dieſen ſelbſt zu tragen, tatſächlich herrſchten. Der
Raijer des Ojten8, Theodofius, erfannte den neuen
Raijer indes nidt an und befiegte ihn 394 bei Uquileja
am Frigidus (jet Wippad); nad) Gefangennahme
deS Cugenius totete fic) A. felbjt. Sa Morpurgo,
A. e limperio romano 379 — 394 (Zriejt 1883).
MArbois (pr. ardaa), Stadt im franz. Depart. Jura,
Yirrond. bgt ee an der Cuijance und der Lyoner
Bahn, hat cin altes Schloß, ein —* ausgezeich⸗
neten Weinbau, Papierfabrikation, Ol» und oO
ſchneidemühlen und (1901) 3570 Cinw. A. ijt Geburts-
ort des Generals Pichegru.
Urbois de Jubainville (pr. arbaa v'fHibingwir),
Henri d;, in Frantreid) der hervorragendjte Narre.
698
der leltiſchen Sprachen, - 5. Dez. 1827 in Nancy,
war 1852—80 Urdivar des Departement3 Aube und
erhielt 1882 den neugegriindeten Lehritubl fiir felti-
ſche Sprachen am College de France. 1884 wurde er
in die Utademie der Inſchriften aufgenommen, der er
ſchon feit 1867 als forrejpondier Mitglied an-
qebirt hatte. Bon feinen Werfen find hervorzuheben:
» Histoire des ducs et des comtes de Champagne«
(1859 —69, 7 Bde.); »Les premiers habitants de
l'Europe« (1877; 2. Uufl. 1889 —94, 2 Bde.); »Le
cycle mythologique irlandais et la mythologie
grecque« (1884); »Cours de littérature celtique«
(bisher 11 Bde., 1883-— 1902); »Recherches sur
l’origine de la propriété fonciére et des noms de
lieux habités en France« (mit Dottin, 1890); »Les
noms gaulois chez César et Hirtius« (1891).
Arbon , BesirfShauptitadt im fdweizer. Kanton
Thurgau, am Bodenſee und der Schweiger Nordojt-
babn, 406 m it. M., lange fiir das Arbor felix der
Römer ausgegeben, mit einem neuen Hafen, Band-
weberei, Stideret, Wafdhinenfabrifation und (1900)
6661 Einw.
Arbor (lat.), Baum; in der Chemie cin Metall,
das fic) kriſtalliniſch in ftraud)- oder baumartiger
Geftalt aus Löſungen ausgefdieden Hat, 3. B. A.
Dianae (Silberbaum), A. Jovis (Rinnbaum), A. Sa-
turni(Bleibaum) xc. A. vitae, Lebensbaum, ſ Gebirn.
Arbor-day (engl., fpr. arber-de, per pe
tage), durch die Bemithungen von Morton zuerſt
in Nebrasfa, dann in den meijten Staaten der Union
eingefiihrter Bolfs-, bes. Sdhulfefttag, der durch An—
pflanjung von Bäumchen durd Sculfinder begangen
wird. Jn Uuftralien und Stalien wurde die done
Sitte nachgeahmt.
Arboreszenz (lat.), baumartiger Wuchs; arbo-
resjieren, jum Baum werden.
rboretum (lat.), zu botanifden Studien; weden
angepflangte Gehölzſammlung, die das Verhalten
auslindijder Baume und Straudjer unter gegebenen
Klima · u. Bodenverbhiltnijjen su beobadten gejtattet.
Hauptbedingung ijt, daß jede Urt die individuellen
Merkmale zu voller Entwidelung bringen fann; die
landidaftlidje Wirfung der Anpflanzung ijt Neben-
jade. Die UnordDnung gefdhieht meiſt nad wiſſen—
ſchaftlicher, pflanzengeographiſcher oder fyftematifder
Einteilung. Wan gruppiert fo, daß die verfdieden
breiten Wege dic Grengen der einzelnen Gruppen an-
jeigen. Fite gedeihlide Entwidelung der Unpflan-
jung ijt die Anordnung nad) den verfdiedenen An—
ſprüchen der Arten an Boden, Feuchtigkeit, Licht und
Luftgutritt vorteilhafter, jedod) leidet darunter die
wiſſenſchaftliche Ubderfichtlichfeit.
Arbresle, L’ (jvc. tardrir), Stadt im franz. Depart.
Rhone, Urrond. Lyon, an der Vereinigung der Turdine
und Brevenne und an der Lyoner Bahn, mit Seiden:
jabrifen, Stein. und Ralfbriiden und (190193121 Einw.
Arbroath (joc. arbroh, früher Uberbrothod),
Seejtadt (royal burgh) in Forfarfhire (Sdottland),
an ber Nordjee, mit den geringen wai einer
Abtei aus dem 12. Jahrh., einem Gymnaſium, be-
deutender Fabrifation von Leinwand, Segeltuch, Che-
mifalien, Leder, Wiphalt, Fifderei, einigem Handel
und (1901) 22,372 Cinw.; Sig eines deutſchen Vize
fonfuls. Den fleinen Hafen ſchützt cin Wellenbreder.
Es gehören gu demfelben 1901: 10 Seeſchiffe und
130 Fifderboote. Südöſtlich davon die Inſelklippe
Bell Roe cj. d.) mit Leuchtturm.
MArbués, Peter de, fpan. Gnquifitor, qeb. um
1441 zu Epila in Uragonien, — ——
Arbon — Are.
in Saragoſſa, ward 1484 zum erſten Inquiſitor für
Aragonien berufen und erwarb ſich als ſolcher den
Ruf eines unermüdlichen Verfolgers der Ketzer. Die
Freunde und Verwandten feiner jablreiden Opfer
verſchworen fid) gegen ihn, und er ſtarb 17. Sept.
1485 infolge eines Attentats, das in der Kirche vor
dem Altar auf ihn gemadt worden war. UW. wurde
bald nad feinem Lod cin hodgefeierter Wunder:
mann. Papſt Wlerander VII. ſprach ibn 1661 felig,
und Pius IX. nahm ibn 29. Juni 1867 in die Zahl
der Heiligen auf. W. v. Raulbad hat ihn auf fei-
nem Bilde: Peter A. von Epila verurteilt eine Ketzer
familie gum Tode, nad) dem Typus von Schillers
Gropinquijitor dargejtellt. Val. Zirngiebl, Peter
W. (3. Uufl., Mind. 1872).
Arbuſe, ſ. Melone.
Arbuthnot (prc. arböchnot, John, engl. Schrift⸗
ſteller, geb. 1675 in Arbuthnot, geſt. 27. Febr. 1735
in London, ftudierte in Aberdeen Medizin und ging
dann nad) London, wo er einige wiſſenſchaftliche Un
terfudjungen herausgab und 1709 Leibarzt der Königin
Unna wurde. Sidherm Zeugnis nad hat er die gegen
Marlborough und die Kriegspartei geridtete » History
of John Bull« (Qonbd. 1712) verfapt, cin Werk, das
ign in nabere VerbindDung mit den Hauptfatirifern
feinerzeit bradte. Dit Pope und Swift vereinigte er
ſich 1714 gur Herausgabe der fatirijden »Memotrs of
Martinus Scriblerus«, welche die Stubengelehrſam—
feit verfpotten. Rad) dem Tode der Königin verfiel ex
in Schwermut. Unter feinen wiſſenſchaftlichen Schrif—
ten find nod) geſchätzt die »Tables of ancient coins,
weights and measures« (Lond. 1707 ; mit Longwiths
BVerbejjerung 1754). Nad) feinem Tod erſchien etne
Sammlung fatirijder Schriften: » Miscellaneous
works of the late Dr. A.« (Gla8q. 1751, 2 Bde.),
die trop deS Widerfpruds feines Sohnes ihrem
rößern und widjtigern Teil nad) auf A. zurüchzu
iipren find. Bgl. Uitfen, Life and works of John
A. (fond. 1892).
Arbutin C,,H,,0, findet fid (mit Methylarbutin)
in den Barentraubenblittern von Arctostaphylas
uva ursi und in andren Erifazeen, es bildet farbloſe
Nadeln, ſchmeckt bitterlid), ijt leicht löslich in heißem
Waſſer und Alkohol, reagiert neutral, ſchmilzt bet
187° und zerfällt durch Emulſin und durch verdiinnte
Schwefelfaure in Hydrodinon und Zuder. Es wird
gegen Blafenfatarrh angewendet.
Arbitus L. (Sandbeere), Gattung der Erifa
geen, immergriine Sträucher und niedece Baume mit
rofen, lederartigen Blittern, Bliitenrijpen an der
Spite der Bweige, weißen oder blajroten Bliiten und
tugeliger, fleifdiger, wargiger, mebrjamiger Beere.
Uber 20 Arten im Mittelmeergebiet und Nordamerita.
Jn Südeuropa, bejonders in Spanien, und ange
pflanzt ndrbdlich bis Montreux, Meran, felbit noch bei
Heidelberg, aud) in Irland, findet ſich A. unedo L.
(Erdbeerbaum), ein bauntartiger Strauch mit lor
beerähnlichen Blattern, Hangenden Blüten und
fcharladfarbenen, erdbeerähnlichen Früchten. Diese
ſchmecken angenehm ſäuerlich⸗ſüß, follen aber leicht
beraufdend wirfen und Kopfſchmerz verurjaden und
werden in Griedenland und Stalien verſchmäht; Bh-
nius leitet Den Namen unedo ab von »unum tan-
tum edo« (»nur eine eſſe idj«). Qn Griedenland
verarbeitet man fie auf Branntwein. Wan fultiviert
den Erdbeerbaum wie aud) A. Andrachne Z., in
Griechenland und im Orient, als Zierpflanzen.
Arc (franj., fpr. art), Bogen; A. de triomphe,
Triumphbogen (j. Paris).
Are — Archangel.
Arc, 1) reifender Gebirgsfluß im ſüdöſtlichen
Frankreich (Savoyen), redjter Nebenfluß der Iſere,
entjpringt 2188 m Hod) an der Levanna und miindet
nad einem Laufe von 150 km Lange bei Chamouſſet.
Sein infolge Verwiijtung der Walder meijt von ſteilen
Felfen und Geröllhalden gebildetes Tal (Maurienne)
ijt falt und rauh; unter der Bevdlferung find Kretins
und Kröpfe fehr häufig. Hauptort ijt St.-Sean-de-
Maurienne. Durch das Arctal fiihren die Straße und
die Eiſenbahn fiber den Mont Cenis. — 2) Küſtenfluß
im fiidliden Frankreich, Depart. Rhonenttindun en,
mündet nad 70 km oe Lauf m den Strandfee
von Berre. — 3) Borftadt von Gray (jf. d.).
MAre, Jeanne d’, ſ. Jeanne d'Vire.
Area (lat.), die Urde; auch Name eines Muſchel⸗
tierS (f. Muſcheln).
Arcachon (jr. 4G6ng), Stadt im frang. Depart.
Gironde, Urrond. Bordeaur, am gleidmamigen
Meerbufen des Utlantifden Ozeans, welder die
Leyre aufnimmt und durd) einen offenen Kanal mit
dem Dzean zuſammenhängt, Station der Südbahn,
hat große Yujternparte qührlich 300 Mill Stiid
Wuftern), Seefifderei, ein ſtark befudjtes Seebad
(ährlich ca. 200,000 Badegijte), fehr mildes Rima
(mittlere Sahrestemperatur 15°), weshalb e3 auc als
Winterfurort gilt, und von 7120 Einw. Bgl. La-
lesque, A., ville d’été, ville d’hiver (ar. 1886).
readelt, Jakob, niederlind. Komponiſt, geb.
unt 1514 in den Niederlanden, geft. unt 1557 in Baris,
wirtte 1639 als Rapellfiinger im Rom und ftand ju-
letzt in Dienjten des Kardinals Karl von Lothringen
in Baris. A. ijt befonders berühmt als einer der erjten
und beliebtejten Madrigqalenfomponijten (1539 —44
fiinf Biicher 3u vier und eins zu drei Stintmen), gab
aber aud) cin Bud) 3—7Tjtimmige Meffen heraus.
Arcadius, Sohn Theodojius’ d. Gr., geb. 377
in Spanien, wurde nad) dem Tode feines Baters 395
Kaiſer de oſtrömiſchen Reiches, während fein Bruder
Honorius da8 wejtrimifde erbhielt. A. entfaltete zwar
rofartigen Pomp, war aber unfabig zu regieren. An—
Fangs herrſchte jtatt feiner der Praefectus praetorio
Rupinus, dann nad deffen a Oberfiim-
merer, dec Eunuch Eutropius. Nachdem diefer 399
durch Gainas geſtürzt war, gewann Eudoxia, die Ge-
mablin des YL., den leitenden Einfluß, durch fie wurde
aud) der Batriard Johannes Chryfojtomos, der durch
jeine Freimütigkeit ihren Zorn erregt hatte, geſtürzt.
YU. ftarb 1 Mat 408 und hatte ſeinen minderjährigen
Sohn Theodojius If. zum Nadfolger. Bgl. Giul-
dDenpenning, Geſchichte des oſtrömiſchen Reidjes un-
ter den Staijern YW. und Theodojius IT. (Halle 1885).
Arcani disciplina (lat., ⸗Geheimlehre⸗), eine
erft im 17. Jahrb. in Gebraud gekommene Bezeich—
nung devin der alten Kirche von den heidniſchen Myſte⸗
rien hergenommenen Praxis, Taufe und Abendmahl,
Salbung, Glaubensbefenntnis und Herrngebet vor
den nicht Getauften geheimjuhalten. Die Entitehung
der Sitte hängt zuſammen mit Der Einführung des
Katechumenats al8 ciner Zeit der Priifung und Vor-
bereitung der Neubelehrten. Wit Unrecht ſuchten fa-
tholifde Theologen die A. als Geheimlehre zu deu-
ten, Durd) welde die unbiblifde Tradition bis auf
der Upojtel Feit zurüchgeführt werden könne.
Arcanum (lat., »geheim«), Geheimnis, Geheim—
mittel, auc) Geheimlehre; insbef. in der Alchimie Be—
699
Arcazabo, Scidenbrofatitoff, der in Lyon fiir
Ubefjinien und Maroffo hergejtellt wird.
Arcella, Gattung der Wurzelfüßer, mit fugeliger
oder milgenformiger, braun gefärbter Sdjale, ſehr
häufig im ſüßen Afer
Arch (pr. artis), Joſeph, Führer der ländlichen
Arbeiterbewegung in England, geb. 10. Nov. 1826
in Barford (Barwidibire, widmete fic) als einfader
Urbeiter cifrig bem Studium wirtidhaftlider Fragen,
war einige Jahre lang Methodijtenprediger und trat
nad) 1867 an die Spige der Bewegung landlider Ur-
beiter, die Durd) die Reformbill von 1867 hervorge-
rufen worden war. 1872 begriindete er die »Natio-
nal Agricultural Labourers Union-, die als Zen—
tralorgan Die Ynterefjen der ländlichen Urbeiter ver-
treten jollte. Mit Eifer und Geſchick verfodt A., der
fic) ebenjo burch Charafterfejtigfeit wie durch Bered-
jamfeit auszeichnete, die Anerkennung der politifjden
Rechte der — ————— Nachdem er im Intereſſe
perſönlicher Orientierung über die Auswanderungs—
frage eine Reiſe nach Kanada unternommen hatte,
wurde das von ihm erjtrebte Ziel der politijden Eman:
jipation der Landarbeiter in der Seffion von 1885
erreicht. 1885 ſowie 1892 und 1895 wurde er ins
Unterhaus gewabhlt. Bgl. »Joseph A., the story of
his life, told by himself« (Lond. 1898).
Archäiſche Formationsgruppe (Azoiſche
Formation), umfaßt die laurentiſche (Urgneis-)
und die huroniſche (Urfdiefer-) Formation.
Archaĩsmus (qried).), Nadahmung von etwas
Ultertiimlidem, insbef. veraltete Redeweife, in der
Dichtung gelegentlid angewendet zur Verdeutlidung
des Leitfolorits und zur Erhihung des Feierliden
(Scheffel, Freytag, R. Wagner u.a.). Edt altertiim-
lide Redeweije nennt man ardaifd, nadgeahmt
altertiimlide ardaiftifd. Gleicherweiſe unterſchei—
Det man in der bildenden Kunſt des flaffifden WUlter-
tum8 und bezeichnet Hier mit ardaijtijdem Stil (7.
Hiẽratiſcher Stil) die abſichtliche —— der
Da — ——— der Kunſt,
sai 3. B. bei den römiſchen Bildhauern der ſpä—
tern Zeit vielfad) vorkommt.
Archallei, ſ. Urtilleric.
Archangel (Urddangel{h, dad ndrdlidjte Gou-
vernement Rußlands, im RN. vom Eismeer und
Weiken Meer, im W. von Norwegen und Finnland,
im G. von den Gouv. Olone; und Wologda, im DO.
vom fibirifden Gouv. Tobolff begrenzt, Hat mit
Einſchluß der dazugehörigen Inſel Nowaja Semlja
einen Flächeninhalt von 858,930 qkm (15,599 OM.).
Im BW. und RW. ift Der Boden zerklüftet und ge-
birgig, und im Innern der Halbinfel Rola erheben
fic) Berge bis zu 1000 m. Der mittlere Teil ijt flac
und niedrig, nur von der bis zu 400 m anjteigenden
Timanfette durchzogen. Im O. bildet der ndrdlidjte,
ebenfalls nicdrige Teil des Urals mit feinem Ausläu—
fer, dem Bai-Choigebirge, die Grenze gegen Sibirien.
Meerbufen find: der Randalafidabufjen, die Oneqa-,
Dwina- und Mefenbai, ſämtlich im Weiken Meer,
ferner der fleine Rolabufen im NW. und die Tiches:
ffajabat. Das Gouvernement wird in fiidndrdlider
Ridtung von zahlreichen Flüſſen durchzogen, wor:
unter die bedeutendſten: Onega, Dwina, Meſen,
Petſchora (jf. d.). Landſeen zählt das Gouvernement
iiber 1100, namentlich im Wejten und Nordiwejten;
zeichnung fiir den Stein der Weiſen, das große Elizier. | der größte ijt ber Jmandrafee (ſ. d.). Das Mima ijt
Arcana (Remedia divinia), die von den aldimijti-
ſchen Ärzten angewandten Arzneimittel. A. duplica-
tum, alter Name des fchuefelfaurren Kalis.
rauh. aber mit großen Unterſchieden. Der Winter ijt
“Tha an ber Nordküſte ber Rolahalbinjel, der fogen.
urmanffifden Küſte (j. d.), relativ milde: Das
700 Archangel —
Meer friert nidt zu. Die mittlere Yahrestemperatur
betriigt —1°, fiir die Stadt Urdangel +0,4. Die
Bevdlferung betrug 1897: 347,560 Berjonen, alfo
etwas über 0,4 auf 1 qkm, und ijt jtarf mit fremden
Elementen durdhfept. So wohnen auf der Halbinfel
Rola nomadifierende Lappen, im BW. und bis nad
Urdhangel hin finnifde Stimme (Marelier, Tiduden),
im Kreis Mefen und an der Petſchora Syrjanen (f.d.).
Auf der Hjtliden Tundra zwiſchen Meſen und Ural
nomadijieren Gamojeden. Die ruſſiſchen Bewohner
jind Abkömmlinge der alten Nowgoroder Kolonijten
und gelten heute nod) als befonders intelligent und
rührig. Der nördlichſte Teil von A. ijt von Tundren,
d. h. ntit Moo3 bewadjenen, fajt immer gefrornen
Moriijten, bededt, die jede Kultur unmiglig machen.
Hier leben daher auch nur die vorerwähnten Noma—
den, die ſich auf Renntierzucht beſchränken. Der mitt—
lere und ſüdliche Teil ijt außerordentlich reid) an
Bildern, deren Uusbeutung die Hauptnabrungs-
quelle der Bevdlferung bildet. Der Uderbau ijt von
geringer Bedeutung ; vorherrfdjend ijt dabei die Brand⸗
wirtſchaft, bei der aber relativ gute Ernten ergielt
werden. Gebaut wird Gerjte, Roggen, Hafer, aud
Fladhs. Die Rindviehsucht ijt im reife Cholmogory
gui entividelt und die gleidjnamige Rafje wegen ihres
Rilchreichtums weit geſchätzt. t Fiſchfang ſpielt
an den Küſten, insbef. an der Murmanſtiſchen Küſte
eine — Rolle. Namentlich wird viel Stockfiſch,
im Weißen Meer aud) Lads, Nawaga u. a. gefan-
gen. Dent reidjen Waldbejtand entipr d befdrintt
Nd) die Induſtrie auf die Verarbeitung von Hol; und
die Gewinnung von Teer und . 8 beltehen
zahlreiche Sägemühlen, darunter die grofen fistali-
ſchen —— in Kem. Der Bergbau iſt gänzlich
unentividelt, obwohl im Timangebirge das ortom:
men von Silberbleierzen und an der Petſchora von
Naphtha nadgewiejen ijt. Der Handel fonjentriert
jich fajt gang in der Stadt Urdangel (j.d.). Im Bin |
nenhandel fpicien geſalzene Fiſche, Renntierfelle und
Gejliigel cine Rolle. Wdminijtrativ zerfällt das Gou-
vernement in die neun reife: A., Cholmogory, Kem,
Kola, Mefen, Nowaja Semija, Betfdora, Pinega,
Schenfurff. Vgl. B of d mann, Befdreibung des Gou-
vernement3 von A. (rufj., Urdangel 1874, 2 Bde.).
Archangel, Hauptitadt de3 gleichnamigen ruff.
Gouvernements (j. oben), am rechten Ufer der Dwina
gelegen, Endpuntt der Cifenbahn Jaroflaw-VU., hat
23 griechiſche, eine lutheriſche, eine katholiſche, 2 angli-
faniide Kirchen, cin altes Mojter (jum »Erzengel
{archangelus] Wicacl«, wonad) die Stadt benannt
iit), einen 1668 — 84 erbauten grofen Kaufhof, eine
große Schiffswerft, eine bedeutende Meſſe, die Mar
ast (im September), und (1897) 20,025 Cinw.
. it Der Hauptfeehafen Rußlands am Cismeer. Im
Berfehr von A. fpielt die Ausfuhr die bei weitem
wichtigſte Rolle; ausgeführt wurden 1900; Bretter
fiir 7,470,000 Rubel, Hafer 7,435,900 metr. 3tr.,
Roggenmehl 2,318,000 metr. Ztr., Leinfaat 1,457,900
metr. 8tr., Flachs und Heede 915,000 metr. Itr. Der
Wert der Cinfuhr erreidjte 1900: 9,882,900 Rubel.
1900 ficfen 562 Schiffe mit 284,197 Reg. - Ton. ein
und 528 Schiffe mit 281,454 Req. Ton. aus. Außer—
dem famen 569 Küſtenfahrer an. UW. ijt Sib eines
——— eines Biſchofs, eines deutſchen
donſuls und einer Admiralität und beſitzt cin geiſt—
liches Seminar, 2 Gymnaſien, 16 Mittelſchulen,
2 geiſtliche Schulen und eine Schiffahrtsſchule. Yn
Archäologie.
Fahrwaſſers erbaut. — Schon im 10. Jahrh. hatter
die Normannen in der Gegend von A. Handels nieder
laſſungen gegründet; wichtig wurden dieſe, als 1553
die Englander auf einer von Willoughby und Chan-
cellor geleiteten Expedition — Entdeckung der nord⸗
öſtlichen Durchfahrt den weg nad) der Dwina
miindung gefunden batten. 1584 wurde ein Fort
und Stapelplag an der St. Nifolasbudt im Weißen
Meer angelegt; es entjtand dabei cin Ort, der an-
fangs Neu-Cholmogory (im ſüdlicher geleqenen
Cholmogory Hatten die Englinder bis dabin ihre
Hauptniederlage), ſpäter U. (Midaclsftadt) ge
nannt wurde. Unter Peter d. Gr. fant Archangels
Handel fehr und begann erjt unter Katharina IL. fic
wieder etwas gu eben. Alexander I. gewährte den
dortigen Raufleuten anſehnliche Freibheiten.
Archangelica Marim. (Engelwury), Unter:
— der Gattung Angelica aus der Familie der
mobelliferen, Hobe Stauden mit mehrfach fiederig zu⸗
fammengejepten Blittern und großen, vielftrabligen
Dolden. Fünf Urten in Nordamerifa und Aſien, eme
in Europa. A. officinalis Hoffm (Ungelifa-, The
riat-, Brujtwurjel), in Nordeuropa und Rord-
afien, an der Discobai in Weſtgrönland, vereinzelt
nod in den deutiden Mittelgebirgen. Im Handel er
ſcheint die Wurzel von im Erggebirge (Bodau bei
Sdwarjenberg), Harz und in Thiiringen kultivierten
Pflangen; fie jondert eine gelblide Mich ab, ſchmedt
und riedt ftarf aromatifd, enthalt atherijdes Ot (Mn -
ede hl f. d.), Harz; (beide zuſammen bilden den
ngelifabalfam), Ungelifafaure x. und wirft arf
den BVerdauungsfanal als aromatifdes Reizmittel.
Sie dient aud) zur Bereitung aromatifder Lifore. Bu
Cinreibungen bereitet man den Ungelifafpiritus
(jf. d.). Sm Hohen Norden ijt die Wurzel beliedtes
Gewürz und Hausmittel, aud) genießt man die Sten
ef und Blattitiele als Gemiije, bei uns mit Zucker
andiert al8 Ronfeft. Wngelifa ſcheint erſt feit Dem 15.
Jahrh. als Gewürzpflanze benugt worden zu fein.
Archãäolithiſche Periode, ſoviel wie palaotithi-
ſche Periode, ſ. Anthropozoiſche Formation.
—— (qried).), im allgemeinen ſoviel mie
Ultertumstunde; im engern Sinne nad) modernent
Sprachgebrauch die Wiſſenſchaft, die ſich mit der bit
denden Kunjt und dem Kunſtgewerbe des klaſſiſchen
Ultertums beſchäftigt. Als foldhe bildet fie einen Teil
der Altertumswiſſenſchaft, anderfeits audy einen Teit
der allgemeinen Kunſtwiſſenſchaft, ift neben dieſer
aber als befondere Wiſſenſchaft beredhtigt, weil fie ein
im wejentliden abgefd)loffenes und abgeqrengtes Ge
biet bearbeitet. Die literarifden Quellen geben thr
die erjte Richtidnur; weit mehr aber als alle ver:
wandten Wiſſenſchaften ridtet fie ibre Studien anf
die aus Dem Altertum erhaltenen Denkmäler felbjt,
die fie in ihrem ganjen Umfange heranzieht.
Das Wort A. wurde ſchon von den Griechen häufig
— vorzugsweiſe aber auf die Erforſchung und
rſtellung von vergangenen, fiir die Gegenwart nicht
mehr wirkſamen Dingen, namentlich der älteſten Ge—
ſchichte, Staatsform und Sitte, angewendet. Mit dem
WUufbliiben der klaſſiſchen Studien tm 15. Jahrb. bitr-
gerte fid) der Musdrud Untiquaria fiir die A. ein,
und nod Leffing handelte in feinen » Untiquarijden
Briefen« durchaus von der antifen Kunſt. Der jetzige
Name UW. hat fich erft feit Beqinn des 19. Jahrh. all-
emeine Geltung verfdafft. Mit archãologiſchen Stu
ien wurde in Italien zu Anfang des 15. Jahrh. be⸗
der Mundung der Dwing liegt die Feſtung Nowo- gonnen, unter dem Einfluß derſelben eiſtigen Rid-
dwinffaja, 1701 von Peter d. Gr. gum Sdug des | tung, die die Wiederbelebung ded klaſſiſchen, ſpeziell
Archäologie (geſchichtliche Entwidelung; chriſtliche A.).
des römiſchen Altertums bezweckte. Man ſammelte,
zeichnete und ſtudierte mit Hilfe der alten Autoren
die alten Sfulpturen; die Hallen, Höfe und Treppen
der Paläſte ſchmückten fid) mit antifen Statuen und
Büſten; in Florenz machten fick) Lorengo de’ Medici,
in Rom die Papfte felbft, wie Mifolaus V., Pius IL,
{pater Julius IT. und Leo X., zum Mittelpuntt diejer
Vejtrebungen und gaben in dem vatifanijden Bel-
vedere den gejanunelten Schätzen einen glänzenden
Raum. Kritif war vorläufig dieſem begeijterten Trei-
ben fremd. Die Frage nad dem ten, Dem Ur—⸗
ſprünglichen fiel dDiefer Generation nod) zuſammen
mit Der Frage nad dem Schönen, dem Verjtandliden;
man —— die 3. T. verſtümmelten Statuen, um
ſie zur Dekoration zu gebrauchen. Arbeiten der Ge—
lehrten und Kunſttheoretiler ſchloſſen ſich an. Im 17.
und der erſten Hälfte Des 18. Jahrh. trat der litera-
riſche Vetried der W. in den Vordergrund. Jn Rom
freilid) war gu Ddiefer Beit die Sammelluſt nod im
Steigen, und frembde Fürſten, wie die Königin Chri—
jtine von Schweden (1668 — 89 in Rom), und Rar-
inalnepoten, wie Aldobrandini, Borgheje, Ludovifi,
Barberini, ſchufen ihre herrlichen Sammlungen. Zu
einer Unffajjung der UW. als einer Geſchichte der an-
tifen Kunſt gelangte erjt Joh. oad. Bindelmann
{j.d.), Der Das Wefen der alten Kunſt in feiner »Ge-
ſchichte Der Kunſt des Ultertums.s darlegte, wie er auch
in feinen »Monumenti antichi inediti« eine neue Er-
flarung der Kunſtwerke wenigitens anbahnte. Die von
Windelmann cingefdlagenen Bahnen wurden von
Visconti und Zoega weiter verfolgt; Heyne und feine
Schule bradten die neue Lehre vor das afademijde
Publikum, Böttiger und Millin traten als Populari-
fierer auf. Für die weitere Entwidelung der A. in
dDiefem Jahrhundert find vor allem widtig die reiden
Entdedungen griechiſcher Originalffulpturen durd die
Englander, namentlicd die —— der Parthenon⸗
gruppen durch Lord Elgin, die von Gottfr. Hermann
und A. Böchh in verſchiedener Weiſe geförderte Aus—
bildung der philologiſchen Kritik und Erklärung, die
auch der A. feſte Geſetze gab und von F. G. Welcker und
O. Jahn mit dem feinſten Verſtändnis geübt wurde,
endlich Die 1829 unter Dem Proteltorat Preußens ge-
ſchehene Griindung des Archäologiſchen Inſtituts (j.
S. 702) in Rom. Legteres und ſeine Verdjffentlidun-
gen fowwie in fajt allen europäiſchen Ländern zahlreich
eqritndete archäologiſche Gefellfdaften (in
Bertin 1841) bilden die belebenden Mittelpuntte fiir
Die Studien der Archäologen. Außer den Genannten
find nod) bervorzubeben: ©. Gerhard, Rok, Beunn,
Friedrichs, Curtius, Micaclis, Conze, Kelulé, Benn-
Dorf und Furtwängler in Deutjdland, Newton in
England, Fiorelli und Lanciani in Italien, Leno--
mant, Rayet, Perrot, Reinad und Collignon in Frank⸗
reid. Val. O. Miiller, Handbuch der A. der Kunſt
(3. Aufl. von Welder, Berl. 1848; neuer Abdruck,
Stuttg. 1878); Brunn, Geſchichte der griechifden
Künſtler (2. Aufl., Stuttg. 1889, 2 Bde.), auf litera-
riſchen Quellen beruhend; Overbed: Geſchichte der
griechiſchen Plajtif (4. Aufl., Leipz. 1892—94, 2 Bde.),
Die antifen Sdhriftquellen zur Geſchichte der bilden-
Den Riinjte bei den Griedjen (Daj. 1868) und Griechiſche
Runjtmythologie (daf. 1871-89, 5 Tle., mit Atlas);
Welder, Alte Denkmäler, erklärt (Gitting. 1849 —
1864, 2 Bde.); Starf, Syjtematif und Geſchichte
Der VL. Der Kunſt (Leipz. 1880); »Denkmäler des klaſ⸗
ſiſchen Alterlums«, herausgegeben von Baumeijter
(lerifalifd), Miind. 1885 —-89);-v. Sybel, Welt-
geſchichte der Kunſt ( Marb. 1888); Sittl, W. der Kunſt
701
(Münch. 1895, Atlas 1897); Brunn-Brudmann,
Denfmaler griechijder und rdmifder Sfulptur (daſ.
1888-—-1900); Reber und Bayersdorfer, Klaſ—
ſiſcher Stulpturenfdjag (daſ. 1897—1900, 4 Bde.);
Perrot und Chipiez, Histoire de l'art dans l'an-
tiquité (Par. 1881— 1902, Bd. 1 —8); Rayet, Mo-
numents de l'art antique (daf. 1883, 2 Bode.); Ba-
belon, Manuel d’archéologie orientale (Daf. 1889).
Bon Zeitſchriften find auker den Veröffentlichun—
en der Archäologiſchen Inſtilute (ſ. d.) nod) anzu—
ühren: das » Journal of Hellenic studies«(jcit 1879),
das » American Journal of Archaeology « ({cit 1885),
die »Revue archéologiques (feit 1844), die »Gazette
archéologique« , die »Comptes rendus de la Com-
mission impériale archéologiques (Petersburg), das
»Bulletino della Commissione municipale archeo-
logica« und das »Giornale degli scavi« (Rom).
Seit dem 16. Jahrhundert bildete ſich aud) cine
chriſtliche A. aus, die ſich aay auf die Er—
forſchung des geſamten dhriftliden Wertums auj
Grund der literarijden Quellen ridtete. Eine monu-
mentale Grundlage gewann fie erſt durch die Wieder-
auffindDung der römiſchen Ratafomben (1578), deren
wiffen chat tliche Bearbeitung zuerſt der Staliener Un-
tonio Bojio in dem Werke > Roma sotterranea« (Rom
1632) unternommen bat. Dic erjte fyftematijde Dar-
jtellung der chrijtlichen UW. verjuchte der Straßburger
Theolog Valthajar Bebel (» Antiquitates ecclesiasti-
caes, Straßb. 1679, 3Bde.). Dod) wurden jeine und
ſeiner Nadhfolger Arbeiten tibertroffen durd das nod
brauchbare Werk des Englanders Joſeph Bingham:
»Origines ecclesiae, or the Antiquities of Chr.
Churches (Lond. 1708 —22; neue Unsq., Oxford 1870,
9 Bde.; lateiniſche Überſehung von Griſchow, Halle
1724— 30). Ru einer wirklichen Wiſſenſchaft auf fyjte-
matijder Grundlage, die fic) in erjter Linie auf den
Denfmilervorrat ſtützte, wurde die chriſtliche A. abec
erjt im Laufe de3 19. Jahrb. erhoben. Yu Anfang
dieſer Beſtrebungen ſtehen die Lehrbücher des Leipsiger
Profeſſor Auguſti, welche die Denkmäler jedoch noch
wenig berückſichtigten. WIS die Hauptvertreter der
neuern wiſſenſchaftlichen Richtung find gu nennen:
H. Otte (f. d.), Fr. Piper (> Mythologie und Symbo-
Lif Der chriſtlichen Nunjt<«, Weim. 1847—H1), Baudry
(»Organ fiir drijtlide Runjt«, Köln 1851-— 73), F.
X. Kraus (⸗Realenzyklopädie dec chriſtlichen Witer-
tiimer«, Freiburg 1880—86; » Uber Begriff, Umfang.
Geſchichte der dhriftliden A.«, daf. 1879), Biltor
Schultze (> W. der altchriftliden Runjt«, Münch. 1895),
die Staliener G. B. de Roſſi (»Roma sotterranea
cristianas, Rom 1864—77, 8 Bde.; »Bulletino di
archeologia cristiana«, Daf. 1863 ff.; »Nuovo Bul-
letino«, 1895 ff.), Garrucci (*Storia dell’ arte cri-
stianas, 1884 beendet, 6 Bde. mit 500 Tafeln) und
E. Meufens in Lowen (> Eléments d'archéologie chré-
tienne«, 2. Aufl. 1884-86, 2 Bde.). Yn Frankreich
haben fic) bej. Der Vicomte de Caumont, Didron, der
die »Annales d’'archéologie chrétienne« (Par. 1844
bis 1870) beqriindete, und der Abbé Martiqny (+ Dic-
tionnaire des antiquités chrétiennes«, 2. Wufl., Bar.
1877) verdient gemadt. Der Belebung der religidjen
Stunjt in der Gegenwart dient das 1857 von Schnaaſe,
Griineifen u. Schnorr begriindete »Chrijtlide Kunſt
blatt fiir Kirche, Schule und Haus« (Stuttg., jetzt
hrég. von Merz und Zucker). Ausſchließlich wiſſen—
ſchaftliche Swede verfolgt die IBBS geqriindele » Beit-
ſchrift fiir chrijtlide Kunſt⸗ (hrsg. von Sdniitgen in
Köln). — liber Bibliſche A. ſ. d.
Jn England, Amerila umd Rußland, mitunter
702
auch in Teutichlaad wendet max Ser Baddeot &
ipridit vom emer axtahropo 34: ‘hen. de dom :
mdtigen Let der
Ws teefem Some wrrfer =
geqraeabere Sui-ty of — mm Shortie}
‘fet 1760) Dee Sentteh Society of Aa
Itland (fect 17545, Bue Reval Ircsh Academy. = iia
ragenbioc tinal defer Wirt rt bes Deut’ Geerhio-
logtide Jnititut Institate di eorrispondenm
archeologira) in tom, bas 21. Yond 1629 meer dem *
arwdrd
iabetidh 12 Tafets @ in —
— ——— ildlichen Beigaben.
und die monatlich ausgeg » Balletini«, due ber
die neuciten E beriditeten. 1872 wurde
b. * eine —— in — begründen bie jett
1476 »Mitterlungen«, vierteljabriid ein Heft in deut-
ſcher oder tier Sprache, verdffentlidt. Seit
1574 find fünf Stipendien ausg
flir tpi Urddologie), die von der Reichs
rung an junge Philologen vergeben werden.
ſich Studiums halber in Rom oder Uthen pr
werden unentgeltlich teils archdologifde Bortrage ge-
halten, teils Beriégejen ber Denfmaler vorgenommen.
Durch ein Statut vom 9. Upril 1887 erbhielt das In—
{titut cine neue Berfafjung. Danach wurden die bei-
SrGas : sande * panna —
— 1875), die em
Initi · und des »Bulletin de correspondance hellé
mittel unterbalten wird (gegenwartiger Leiter
Archaeopteryx macrura.
Tibers secwitither Sarviem traten: 1)» Mntite Dent.
heal : 2 Zaarrach * i Archãc
— ericheinend. Die
at tm bi *
- —— Ren
Sete wi - etdeuen —* thingen
Hagectem pecmmneizt — D
grrr Denfmileriategonen (etrustricbe Urnen
—* Zecrafscen. tet, mylem-
‘ae Saren x - — — —
— — — » Reper-
tortie waiversuce deile opere dell’ Institute archeo-
w@ieo. sezae Remana. dall anno 1874 — 1S85«
LO. Sec IS) werumitzint ded Dentiche Irſtitat all:
poring come S ta diemretie durdh Italien fiir je etwa
Grammar legrer vor Geledrie:
Regie
Tung emuerceten Fertenturfe far Gymnaiui-
legrer Sertat. Bown und
und irier, bie fpadter auch pon
Sanern. Sadien. Henen und Baden an a i
wadiiagem oder rene = enthaltenden Orten
worden. er —
Sriitet, defen Leitung be
wurde. —
Intituten Frantreich die Keole
francaise
gememijames O ia
der⸗Bibliotheque des écoles francaises d ~Athenes
et de Rome« iett 1876) baben, woneben mod) dic > Me
langes d archéologie et d histoire: (Rom 188177.)
énique«
(feit 1877) ericheinen (vgl. Radet, L’euvre et lhis-
toire de [Bec
item), und fett 1895 cme Sule in Rom, und Rußland
jett 1894 ein — ang —— —
pel. 1898 wurde von ——
eſetzt (darunter eins | cin Archäologiſches Inſtitut in Wien geg
“unter die Leitung
von Benndorf geitellt (+ Jabre⸗
—— 9 1898). In Gri
e Urchdologiice Gejellichaft zu
bungen — Bgl. Ausgrabungen.
Archaeoptéryx macrtira Ow. (>llrvogel<),
| foffiler Bogel aus dem zur Juraformation geboren-
den lithoqrapbiiden Saucier pon — (j. Tafel
den Infſtifute einander foordiniert und jedes unter | >Ju
raformation III<, Wan fennt mur zwei
ig. 7).
bie Yeitung von zwei Sefretiren Fv win die ihren | Cremplare des Tieres von denen das vollſtandigere
dbauernben Wufenthalt in Rom und
erite Sefretir in Nom ift gegen
Athen 43. Dorpfeld. Die
haben. Der | fid) im Berliner geologiſchen Muſeum, das andre in
enwartig re Peterien, in | London befindet. Der A. befak die Größe eines fiei-
— tebe a> nen Huhns. Der Kopf ijt vogelartig, bejigt aber ax
{titute erhielt unter Teilnahme der Zentraldireltion den Kiefern Zähne. Das Brujtbein zeigt an der Stelle
ber Meneraljefretir des bra Inſtituts, der | ded Siels eine Verdickung und hat vielleicht ſchon einen
feinen Dauernden Wohnſitz in
tlin haben muf | folden befefjen, Ballen und Hinterbeine
find febr
(qegenwartig Brofeffor Conje). An die Stelle der | vogelahnlid, und an den vordern Gliedmagen trigt
Ardhaus — Wrdenhol;.
jeder von den drei ay bg eine Rralle, mit der fid
das Tier vielleicht auf Bäumen feſtgehalten bat.
Der Schwanz iſt ſehr lang und hat 20 Wirbel. Das
reichliche hg nye bejteht aus Ronturfedern und Dau-
nen; aud) die Schienbeine find befiedert, und am
Schwanz weg jeder Wirbel cin Baar Steuerfedern,
während der Rumpf wohl nur mit Daunen befleidet
war. Gomit ijt A. fiir cine der Stammformen der
heutigen Flugvdgel angufehen ; fein flanger Schwanz
ijt cin Hinweis auf die Abſtammung der Vogel von
ausgejtorbenen Reptilien. Bgl. Dames, über A.
(Berl. 1884). [ber Brujtbein, Schulter- und Beden-
gürtel des A. vgl. Sigungsberidte der Berliner Uta-
Archäus, ſ. Urdeus. demie, 1892.
A (A. Noah, hebr. Theba), Kaſten, —
förmiges Schiff, das nach 1. Moſ. 6, 14ff. von Noah
auf Befehl Gottes vor der einbrechenden » Siindflut«
erbaute Schiff, worin er mit feiner Familie und je fieben
Paaren jeder reinen und cinem Baar jeder unreinen
(dD. h. geſetzlich é effen nidt erlaubten) Tiergattung
Dem fiber die Erde verhingten Berderben entrann.
Die U. war aus Zypreffenhols gefertigt, 300 hebr.
Ellen lang, 50 breit, 30 hod), dreiſtöckig, vielfamme-
vig, von innen und außen verpidt, oben mit einem
ellengrogen Fenſter, in der Mitte an der Seite mit
einer Tür verfehen; der Kubifinhalt betrug fomit an
3,600,000 Rubiffug. Cin Mennonit, Peter Janſen in
Hoorn, Holland, lief 1609 eine nad) der biblifden
Beſchreibung gebaute UW. vom Stapel laufen, und
Silberſchlag gg der Heiligen Schrift 2.«,
Berl. 1780 —83, 3 Bde.) fuchte den mathematifden
Beweis gu filhren, dah die W. gur Unfnahme aller
ihrer Bewohner nebft der nötigen Nahrung x. ge-
eiqnet getwejen wire. — A. hieß aud) cin altes Fluß—
{diff mit plattem Boden, vorn ſpitz, hinten ſtumpf.
In Der Fifderei ein an einem Wehr angebradter Ual-
fang. — Sm BWafferbauwefen ein kurzes, künſtliches
Gerinne, in manden Gegenden aud) Bezeichnung fiir
gewiſſe Uferfdugbauten (vgl. Wuhr).
Archegoniaten, diejenigen Pflanzen, deren weib-
liches Geſchlechtsorgan ein Archegonium iſt: Mooſe,
Farne im weiteſten Sinn und Gymnoſpermen.
Archegonium (griech.), das weibliche Geſchlechts⸗
on Der hdhern Kryptogamen (ſ. d. und Moofe).
ofaurter, Gruppe der Steqofephalen.
Ardhelaos (> Vollsherrſcher ·), 1) Sohn des Hera-
fliden Temenos, und der Sage nad Ahnherr des make-
Donifden Königshauſes, von Euripides in der gleich—
nantigen (verlornen) Tragödie verherrlicht.
2) König von Makedonien 413 — 399 v. Chr., na«
türlicher Sohn des Königs Perdiffas II., bahnte fic
Den Weg gum Thron durd) den Mord de3 Bruders
und des Sohnes de3 Perdiffas. Sein Hof, den er von
Agi nad Pella verlegte, war der Sammelplag der
beriihmtejten Dichter (Curipide3, Ugathon), Maler
(Beuris) und Mufiter, aber auch fiir die Wohlfahrt
des Landes forgte er durch Unlage von Feftungen und
Strafen. A. ſtarb 399, durch cinen beleidiqten Giinft-
ling auf der Jagd ermorbdet.
3) Feldherr Mithradates’ d. Gr., ein Griede von
Weburt, ward 88 v. Chr. mit 120,000 Mann und einer
großen Flotte nad) Griechenland gefandt, gewann die
thener, Spartaner, Archäer und Bdotier fiir Mithra-
dates, fete ſich im Piräeus feſt und verteidigte ihn auf
das hartnäckigſte geqen Sulla, den mit der Filhrung
des Mithradatiſchen Krieges beauftragten römiſchen
Feldherrn. Als dieſer aber 86 Athen erobert hatte,
gab A. den Piräeus auf, zog ſich nach Chalkis zurück
und ſtellte ſich, durch Zuzug verſtärkt, den Römern bei
703
Chäroneia; aber dieſe Schlacht fiel fiir ign ebenſo un-
liidtic) aus, wie ein Jahr ſpäter die bei Orchomenos;
Past fein —— Heer wurde vernichtet, er ſelbſt rettete
nur mit Mühe ſein Leben. Darauf ſchloß er tm Wuf-
trag bes Mithradates mit Sulla zu Delion in Böotien
einen Waffenjtilljtand und vermittelte 84 den Frieden
von Dardanos in Troas. Später wurde er dem
Mithradates verdaidtig und floh 81 zu den Römern.
4) Sohn des vorigen, wurde 63 v. Chr. durd Pom—
pejus gum Ober F der Göttin Enyo oder Bellona
im pontiſchen Komana ernannt, mit welchem Amt
königliche Würde verbunden war, vermählte fic) 56
mit Berenile, der Tochter des Königs Ptolemäos
Auletes, die nach Vertreibung ihres Vaters über
Agypten herrſchte, und bemiidtigte ſich des aghptifden
Throne’, verlor aber fdjon nad) 6 Monaten tm Kampf
egen den rdmifden Profonful U. Gabinius, der zur
—— des Ptolemãos mit einem Heer in
gypten eridien, Schlacht und Leben.
5) Enfel de vorigen, von Untonius um der Reise
feiner Mutter Glaphyra willen 34 v. Chr. gum König
von Rappadofien erhoben, jtand Untonius gegen Ofta-
vian bet, ward trotzdem von legterm in feiner Herrſchaft
qelafjen und erhielt ſpäter nod) Meinarmenien und
einen Teil Milifiens und durd) Heirat den Pontus.
Tiberius, perfinlid) gegen ihn verſtimmt, rächte fid
an bem altersfdiwaden König, indem er ibn nad
Rom berief und beim Senat wegen Neuerungen an-
flagte; A. ftarb nod) wahrend der Berhandlung 17
n. worauf Kappadokien römiſche Proving wurde.
6) Diid. Ethnard, folgte ſeinem Vater Herodes d. Gr.
4 v. Chr. in der Herridaft iiber Judäa. Da er mit
Aufſtänden der Phariſäer gu kämpfen hatte, ſuchte er
Hilfe bei Auguſtus; diefer teilte fein Reich fo, daß A.
mit Dent Titel eines Ethnarden Judäa, Samaria,
Idumãa und den Küſtenſtrich erhielt, während feine
Briider Heroded Untipas und Philipp als Tetrarden
iiber bie andre Halfte gefept wurden. Nach 9 Jahren
wegen feiner Tyrannet bet Auguſtus verflagt, ward
er 6 n. Chr. nad) Rom berufen, dort abgefest und
nad Vienna in Gallien verwiefen. Sein Cand wurde
gur rdmifden Proving Syrien gefdlagen.
7) Philofoph der ioniſchen Schule, aus Uthen, nad
andern aus Dilet, im 5. Jahrh. v. Chr., Schiller des
Anaxagoras, ſchwächte den von feinem Lehrer betonten
Gegenſatz zwiſchen Geiſt und Materie (bei ihm Luft)
ab, indem er diefe beiden al3 gemiſcht annahm. We-
en Spuren von praktiſcher Philoſophie bei ihm, gilt
. fiir einen Borlaufer des Sofrates, der ihn aud, frei-
lich nach unzuverläſſigen Zeugniſſen, qehirt haben fol.
Archemdros, der unter dicfem Namen bei den
Nemeijden Spielen verehrte Sohn des Lyfurgos von
Nemea (f. Opheltes).
Archemuſcheln, ſ. Muſcheln.
Archena (jor. artſchena), Badeort in der ſpan. Pro-
ving Murcia, Bezirk Mula, rechts vom Segura, Sta-
tion der Gifenbaon Madrid-Cartagena, mit ſchwefel⸗
haltigen Salinen von 52° und (1900) 4590 Einw.
Archenholz, Johann Wilhelm von, deutſcher
Geſchichtſchreiber, geb. 3. Sept. 1743 in Langfubr
bei Danzig, geft. 28. Febr. 1812, madhte die legten
Feldzüge bes Siebenjaibrigen Krieges mit, bereifte,
1763 al8 Hauptmann verabfdhiedet, den gripten Teil
Europas, tebte 1769—79 meijt in England und liek
fidh 1792 dDauernd in Hamburg nieder, in deſſen Nahe
er den Landſitz Oyendorf anfaufte. Als gewandter
Schriftſteller betätigte er ſich zunächſt durd die Wo-
natsfdrift »Literatur- und Völkerkunde« (Leipz. 1782
bi8 1791); Erfolg hatte auch fein vielfad überſetztes
704
Bud »England und Htalien« (daſ. 1785, 5 Bde.),
fortgeſetzt mn den »Ynnalen der britiſchen Geſchichte«
von 1788 an (Braunjdw., Hamb. vu. Tiilbing. 1789—
1798, 20Bde.). Seine »Gefdichte des Siebenjabhrigen
Rrieges« (zuerſt im » Berliner hiſtoriſchen Taſchenbuch
für 1789<, Dann erweitert, Berl. 1793, 2 Bde.; 13.
Aufl., Leipz. 1892) wurde wegen der Anſchaulichleit
und Friſche der Schilderung und der warmen Begei-
ſterung fiir Friedrich fehr popular. Von 1792-—1s12
gab er die Reitidrift »Minerva« heraus.
Wrchentéron (gried.), Urdarmhöhle, ſ. Entwide- | glingende
lungsgeſchichte.
Archer pr. artſchery, Fluh der Yorkhalbinſel im bri⸗
tijd) aujtral. Staat Queensland, entiteht aus der Ver⸗
cinigung von Bead und Coen, wird bis 500 m breit
und milndet zwiſchen Berar Head und Kap Turnagain
(Meer « weer) in den Golf von Carpentaria. Die Mun—
bung ijt verfandet, ſpäter fonnen den Fluß Sdiffe von
3m Tiefgang befahren.
Archer (pr. artiger),
und Theatertritifer, qeb. 23. Sept. 1856 in Perth, Sohn
des frühern Ugent- General für Queensland, ſtudierte
in Edinburg und arbeitete nebenher als Journaliſt.
1879 fiedelte er nad) London fiber, wurde 1884 Theater⸗
fritifer des » World« und Dramaturg. Seine Schriften
(»English dramatists of today<, 1882; »About the
theatres, 1886; »Masks or faces? A study in the
psychology of acting, I88&«; »Life of Macready«,
1890; »The theatrical world«, 1893— 97; »Study
and stage, a yearbook of criticism«, 1899) zeugen
von griinblicen Kenntniſſen und lebbaftem Stil. Seit
1888 gilt UW. als der bedeutendite englifche Unhanger
von H. Ibſen, deffen Brojadramen er 1890 — 91 und
defjen »Peer Gynt« er 1892 mujtergiiltig überſetzte,
wie aud) Gerhart Hauptmanns »Hannele« (1894).
Archers (franj., {pr. (a2; lat. Arciarii, v. arcus,
Bogen), Bogenfdiipen, die fdyon im 11. Jahrh im
Sinne der heutigen Sdiigentinien verwendet wurden.
Durd den Gebraud der Armbruſt verloren fie an
Bedeutung, bis fie als Francs-archers (f. d.), im Ge-
enfatse zu Den A. ſchwer bewaffnet, wieder auftraten.
In England famen beriibmte A. nod) 1627 vor. Das
Wort Hartfdier ijt von A. (bes. vom ital. arciere)
UArchefpor, ſ Kollen. [abgeleitet.
Archeftratus, aus Gela, verfaßte um 330 v. Chr.
cin parodiſches Lehrgedicht -Hedypatheia« (> Wohl⸗
leben«) in Form emer gajtronomifden Weltreife.
Sammlung der Fragmente in Brandts » Poesis epica |
graeca ludibunda« ( Leipz. 1888).
Archetypus (coder Urdetypon, gricd.), Urbild;
Original; Muſter; älteſte Handidrift eines Schrift.
tellers, die andern als Quelle gedient hat, erjter Drud.
Archeus (U rd ius, qried., » Urheber, Regierer«),
nad Paracelſus' das geijtige Urpringip, von dem alle
Lebens- und Bildungsprojeffe, Ernabrung, Heilung
in Kranfheiten x. abbangen. Bal. Leffing, Hand-
bud) der Gefdhichte Der Wedigin (Berl. 1838).
Archi (vor Volalen, bejonders vor i und y, aud
bloß U rd), cine aus dem Griechifchen ftammmende Bor-
filbe vieler Worter, die zunächſt bei Titeln einen höhern
Grad der Wiirde oder Gewalt bezeichnet und unferm
daraus im Wittelalter entftandenen Erg-, 3. B. Ur-
chicancellarius (Erzkanzler), Archiepiſcopus (Erz⸗
biſchof) ꝛ⁊c., entſpricht.
Archiac cipr. aricac, Etienne Jules Adolphe,
Vicomte d', Geolog, geb. 24. Sept. 1802 in Reims,
eft. 24. Deg. 1868 in Baris als Profeffor der Ba-
dontologic am Naturhijtorifden Museum. Er ſchrieb:
» Histoire des progres de la géologie de 1834 A 1850«
| vor ibm berriibren, if
William, engl. Scriftiteller |
Archenteron — Ardidamos.
(Par. 1847— 60, 8 Bde.); »Cours de paléontolegic
stratigraphique« (1862 —64, 2 Bde.); »Paléoote-
logie de la France« (1868).
Urchianneliden , {. Ringelwitrmer.
Archias, Aulus Licinius, griech Dichter ews
Untiodia, tam 102 v. Chr. nad Kom, wo then feme
Kunft, befonders im Improviſieren, die Gurrit moment
lid) Der Quculler verſchaffte. Durd ihren Einflak e
—— desſelben 62 angeflagt, wurde er auf Dee
| hielt er um 90 das Biirgerredht. Der widerredytindher
idigungsrede Ciceros (»Pro Arches
poeta«) freigelprodyen. Ob die feinen Namen trage=-
den 35 Epigramme in der griedjtiden Vinthologw
b oer |
Urchiater (qried., »Oberarst-), ſchon im vorchree
lider Seit Titel fiirftlicher Leibarjte, in der Matierpex
is von Staats oder Gemeinde wegen angeiteliier
Yirzte. Später unterfdied man archiatri palatine.
die einen hohen Hofrang cinnehbmenden farferintex
Leibargte, und populares, Gemeindedrgte, Die auch dee
Aufſicht fiber die gewöhnlichen Ärzte führten. Bel
Briau, L'archiatrie romaine (Par. 1877).
Ardhiblaft (qried).), in der Entwidelung der Ber.
beltiere der cigentlide Keim (vgl. Barablait).
Archibutéo, {. Buſſarde.
Archicancellarius, Archicapellanus, {
Upocrifiarius und Erzlanzler.
Archicembalo (ivr. artitigtm-), cin Don Vreentine
im 16. Jahrh. fonftruiertes Mavierinjtrument mex
31 Werten innerhalb der Oftaven (mit vierfacder Ta
lung der fiinf Obertaften und je einer fernern per
teiligen Obertafte zwiſchen ef und hc), das fir ele
Tone der dret antifen Tongefdlecter (dratomria,
chromatiſch und enbarmont{d) bejondere Taſten und
Saiten zur Verfügung hatte.
UArcdhiclamydeen (qriecd.), in der Bezeichnungẽ
weife Englers diejenigen difotylen Pflanzen, ber demen
die Bliittenhiille gang feblt oder nur aus cimem em
zenen ——— j
fachen Blattfreife beiteht oder cinen doppelien Has
kreis erjeugt, von denen der innere in Der Regel ows
| getrennten, am Grunde nidt miteinander veridymet
id zuſammenſetzt. Die W om
faſſen die alen und Choripetalen.
rdidameia, Todter des fpartan. Rdnigs Rico
| Purrtes
nymos II. bradte, als der Rat vor der Durch By
drohenden Belagerung der Stadt beidlojjen hatte.
alle Weiber nad Kreta zu bringen, mit dem Schwert
in der Hand ibn dabin, feinen Beidhluk yu dndern
241 v. Chr. wurde fie wegen der Unterjtiigung three
Enfels, des Königs Agis (f. dD. 4), bingerieptet.
Ardhidamos, 1) AII. Linig von Sparta, Sohn
des Jeuridamos, Enfel und Nadfolger des Leotndn
ded, reqierte 469- 427 v. Ohr., beendete 455 den
dritten Meſſeniſchen Krieq Durch Cinnabme der bart
näckig verteidigten Bergfeſte Ithome und erdffnete.
obwohl eigentlid cin Area gutlichen Ausgleich
431 den Peloponneſiſchen Krieg durch wiederdolte
Einfälle an der Spitze der Peloponneſier in Vita
| (431, 430, 428). Davon wird der erjte Teil des Belo
ponneſiſchen Krieges (431
421, bis zum Frieden des
Rifias) Archidamiſcher Krieg genannt. Jom
folgte 427 fein Sobn Agis I.
2) A. UI., Enfel des vorigen, Sohn des Momge
Ugefilaos, folgte diefem und regierte 361 338
v. Chr. Schon vor feiner Thronbejteiqung gewann
er 867 bei Megalopolis gegen die Urfadier und Wr
cier Die fogen. tränenloſe Schlacht, wo nicht cin Late-
dimonier, wobl aber 10,000 Aeinde gefallen fein
follen, und verteidigte 362 Sparto rubmvoll gegen
Archidiafonus — Ardimedes.
Epameinondas. Nach einer an friegerifdhem Ruhm
reidjen Regierung fand er feinen Tod 338 als Bunded-
genofje der Tarentiner im Kampfe gegen die Lufaner.
hm folgte fein Sohn Agis IT.
Urddiatonns ried.), feit bem 5. Jahrh. Amts⸗
titel Der Borgefesten der Diafonen und Gebhilfen der
Biſchöfe bei Verwaltung des Kirchengutes und Hand-
habung der Jurisdiktion. Wis die größere Ausdeh—
nung der Bistiimer ihre Cinteilung in Sprengel (Ar—
dhidiafonate) — machte, wurde einem jeden ein A.
mit weitgehender Wnitsqewalt — Infolge der
Tridentiner Beſchlüſſe nahmen die Biſchöfe die den
Archidialonen überlaſſenen Vorrechte wieder an ſich,
und es traten an ihre Stelle die biſchöflichen General-
vifare. In der lutherifdben Kirche ijt der Titel A.
ftellenweife für Den erjten Diafon an Stadtfirdjen, in
Der anglifanifden Rirde fiir den Borjteher eines
Sprengels mit ciqner Geridtsbarteit beibehalten. Val.
Schröder, Entwidelung de3 Urdidiafonats bis sum
11. Jahrhundert (Augsb. 1890).
Urchidiageen(Archidiaceae Schinp. Urmooſe),
Familie der ſchließfrüchtigen Laubmooſe, einhäuſige,
ausdauernde Mooſe mit niederliegenden, verzweigten
Stengeln, mit kugeliger, ungejticlter Büchſe ohne
Schnabel oder Spike und ohne Columella. Bon den
vier Urten der einzigen Gattung wächſt Archidium
phascoides Brid. auf Ycern und Heiden in Europa.
ArchidGna jor. artigi-), Bezirlshauptſtadt in der
fpan. Beovin3 Malaga, auf einer Anhöhe im Tal des
Wuadalhorce, an der Eifenbahn Bobadilla-Granada,
mit (1900) 8880 Einw., Parmorbriiden und römiſchen
Witertitmern.
Archidux (lat.), Erzherzog.
Archiepiffopat (qried.), Ersbistum.
Archiérens (gr.), Hobepriejter; in der Cen bd
orthodoren Kirche iiberhaupt cin höherer Geijtlider.
Archigénes, gricdh. Wi zt aus Wpameia in Sy—
rien, Vertreter Der eklektiſchen Schule, lebte unter |
der Ebenen und zwei von den ſchwimmenden Körpern
Trajan in Rom. Er war einer der erjten Chirurgen
ſeiner Zeit und wandte bei der Umputation die pro-
phylattijde Unterbindung der Hauptblutgefäße an. |
Bal. Harleß, De Archigene medico (eip3. 1816).
ae © gira (griech.), ſ. Urzeugung.
Archil, ſ. Oriecille.
Archiliũto (or. arti-, ſ. Laute.
Archilochiſche Verſe heißen zwei auf Archilochos
ſetzung von Nizze (Stralſ. 1825), franzöſiſche von
(j.d.) zurückgeführte Metra, dev kleinere, aus 2"/2 Dak
tylen (+ ~ 4 .~ 4), und Der größere, aus 4 Daftylen und
3 Trodjien beftehend (+ 4 Ct o42~ | te42040).
Die Verbindung des erjtern mit folgendent iambiſchen
Dimeter heifft Elegiambus (tw 2wst| wtotetot),
mit vorangebhendem iambifden Dimeter Jambelẽgus
(etotetot|tro4r) Diefe vier Metra werden
in den vier Archilochiſchen Strophen verwendet: in
Der erjten wedfelt cin Herameter mit dem kleinern
Urdhilodijden Vers ab (vgl. Horaz' Oden IV, 7), in der
zweiten ein Herameter mit dem Dambelequs (Hora;’
Epoden 13), in der dritten cin iambifder Trimeter
mit Dem Clegiambus (Dajelbjt 11), in der vierten der
rößere Archilochiſche Bers mit dem fataleftifden iam-
lichen Trimeter (Horas’ Oden I, 4).
Archilochos, griech. Lyrifer der erjten Hälfte des
7. Jahrh. v. Chr., aus Paros, begleitete cine Kolonie
nach der Anfel Thafos, verließ aber dieje bald wieder,
teils aus Not, teils wegen der Unfeindungen, die er
fic) durch feine mafitote Spottſucht zugezogen, und
ſcheint überhaupt ein unſtetes und bewegtes Leben
—— zu haben. Seinen Tod fand er im Kriege
urd einen Naxier. Die Alten ſtellten ihn wegen ſei—
Meyers Konv.⸗Lexikon, 6. Aufl., I. Bd.
705
ner Genialitat unmittelbar neben Homer. Er erfand
cine Fülle neuer metrifder Formen, die er meijter-
haft handhabte; insbef. brachte er die iambifden und
trodaifden Maße zur Durdbildung und fduf die
epodijde Gattung. Die Sprade beherridte er in
wunderbarer Weije und verjtand es, fiir Die verſchieden⸗
artigſten Empfindungen den entſprechenden Ton und
Ausdruck mit Leichtigteit gu finden. Man hatte von
ibm Hymnen, Päane, Dithyramben, Elegien, Cpi-
—— und Jamben, in denen er beſonders ſeiner
rbitterung über Welt und Menſchen Luft madte,
felbjt Freunde mit herbem Spott nicht verjdonend,
Feinde mit erbarmungslofen Schmähungen geißelnd.
Lylambes, der ihm die früher verlobte Tochter Neobule
verweigerte, ſoll ſich mit ſeiner Familie in Verzweif—
lung über ſeine heftigen Angriffe erhängt haben.
Sammlung der ziemſlich zahlreichen Fragmente in
Bergks »Poetae lyrici graeci«, Bd. 2; Überſetzung
von Herder (in den »Zerſtreuten Blättern«) und Har-
ong (Leip3. 1857).
rchimandrit (qried).), in der griechiſchen Kirche
der Vorjteher eines Kloſters, Wht.
Archimedes, Mathematifer und Phyſiker, unt 287
bis 212 v. Ehr., aus Syrafus, lebte, abgejehen von
einem Wufenthalt in Agypten, in ſeiner Vaterſtadt den
Wiſſenſchaften und ihrer Anwendung auf die Praxis.
Seine kunſtreichen Kriegsmaſchinen vereitelten 2 Jahre
lang alle Angriffe der Römer auf Syrakus und brach—
ten der römiſchen Flotte die ſchwerſten Verluſte; die
Stadt fiel durd) Uberruntpelung von der Landjeite,
und bierbei fam A. im 75. Lebensjahr um. Bon fei-
nen jablreidjen, in doriſchem Dialett verfaßten Sdyrif-
ten ſind erhalten fiinf geometrijde: sei Biider von
der Kugel und vom Bylinder, die Kreismeffung, die
Sehrift über die Spiralen, das Bud) von den Konoi-
den und Sphdrviden, die Quadratur der Barabel;
cine arithmetijfdje: die » Sandeszabhl« (» Psammites¢);
zwei medanifde: zwei Bücher über das Gleichgewicht
(nur in lateiniſcher Uberfesung vorhanden); zweifel⸗
haft find die »>Lemmatas (in lateinifder Uberjegung
aus dem Arabiſchen) und wohl aud) das jogen. Archi—
medijde Rinderproblem, ein Ratfel in Diſtichen (über
die Bahl der Rinder des Helios). Gejamtausgqaben
von Torelli (Orf. 1792) und Heiberg (mit lateinifder
Uberfesung, Leipz. 1880-—81, 3 Bde.); deutſche tiber-
Peyrard (Par. 1808, 2 Bde.). Am meiſten qebraudt
wurden im Witertumt die beiden erjten geometriſchen
Schriften und die über das Gleichgewicht der Ebenen,
au denen wir die Kommentare des Eutokios von Us:
falon (6. Jahrb. n. Chr.) beſitzen. A. war der genialjte
Mathematifer des Ultertums und der erfte wirfliche
Phyſiker. Er erbrachte den Nachweis, daß die Inhalte
eines Kegels, einer Halbfugel und eines Zylinders von
leider Baſis und Höhe fid) verhalten wie 1:2:3 (nad
ſeinem Wunſch wurde auf fein Grabmal cine von
einem Zylinder umſchriebene Kugel geſetzth, und daß der
Kreisumfang zwiſchen dem 3'/7- und dent 3fachen
des Durchmeſſers liegt; auch lieferte er die Quadra-
tur der Parabel und Cilipje, die Unterſuchung der
Eigenſchaften der nad) ihm benannten Spirale jowie
die Rubatur der Kugel, des Sphäroids und der Ko—
noide. Durd) eine jinnreiche Gliederung des defadi-
fen Zablenfyftems wird e3 ihm in feiner ⸗Sandes—
jahl« möglich, ene Sahl anzugeben, welde die An—
zahl der Sandfirner, welche die Firſternſphäre zu
fajfen vermag, nod) iibertrifft. A. ſchuf die mathe:
matijden Grundlagen fiir die Statif der feſten und
45
706
tropfbar fliijfigen Körper; er ftellte dad Gejes fiir |
das Gleichgewicht am Hebel auf, ermittelte mit Hilfe
deSfelben Die Schwerpuntte ebener Fladen und ent: |
deckte Das Gefeg ded hydrojtatijden Auftriebs (Ar—
chimediſches Pringip). Die beim ECinjteigen in die
Badewanne gemadte Beobadjtung, daß fv viel Waſſer
ausfloß, als fein Körper verdriingte, bradte ihn auf
den ridjtigen Gedanfen, auf den fid) das befannte » Hea-
rekac (>td hab's gefunden!«) bezieht. Uber die auf
die Ermittelung der Zuſammenſetzung von Veiidyun-
qen bezügliche fogen. Rronenrednung val. Alliga
tionsrechnung. Es wird erzählt, dak er mit ſeinen
Maſchinen allein ſchwere Sdiffe vom Stapel laffen |
und ans Land gieben fonnte. Bon dem hohen Ber-
trauen in die Leijtungsfabigteit ſeiner Hebel zeugt
aud der ſtolze Ausſpruch: »Gib mir cinen Stand. |
punft, und id bewege die Erde.< Bon den ihm zuge⸗
ſchriebenen 40 mechaniſchen Erfindungen jind uns
nod) befannt der Brennipiegel (dah er durch Brenn-
ſpiegel bet der Belagerung von Syrafus die feindlicen
Schiffe in Brand gefest habe, iit freilich nur Erfin—
dung ſpäterer Zeiten), die Waſſerſchraube (Archime-
diſche Schraube), die Schraube ohne Ende, der
Flaſchenzug und die berühmte Sphära, ein Himmels-
lobus, Der Durch Umdrehung einer Kurbel den Um—
auf der Plancten um die Erde darjtellte.
Archimediſcher Bohrer, |. Bohrer und Bohr:
Archimediſcher Sats, ſ. Kugel. maſchinen.
Archimediſche Schraube, Waſſerſchneckle.
Archimediſches Prinzip, das hydroſtatiſche Ge
ſetz, nad) Dem ein in cine Flüſſigleit getauchter Körper |
durch den Drud der umgebenden Fliijfigteit von fei- |
nem Gewicht fo viel verliert, wie das Gewidt der von
ihm verdriingten Flüſſigleitsmenge betragt (vgl. Archi⸗
medes). Wird cin Körper, 4. B. cin gerader Zylinder
mit wageredten Endfladen (ABCD, Big. 1), unter
cine Fluͤſſigkeit getaucht, jo erleidet jedes Teildyen fei-
ner Oberfläche einen feiner Tiefe unter
dem HFliljfigteitsipiegel entipredenden
Drud. Die auf die Seitenflachen wir-
fenden wageredjten Drucfriifte, die |
paarweijecinander gleich und entgegen-
geſetzt find, heben ſich gegenſeitig auf;
dage en ijt Der Druck, der auf die un
tere Endfläche nad aufwärts wirkt,
größer als der Drud, den die obere
ndjliche nad abwarts erleidet ; jener
ift nämlich gleich dem Gewidt einer Flüſſigkeitsſäule
(A BEF), die fic) von der untern, diefer gleid Dem |
Mewidt einer Saule (DEF), die fic) von der obern
Endfläche bis zum Spiegel erhebt. Cs bleibt aljo
cin nad) aufwärts geridteter Drud Muftried)
librig, Der dent Überſchuß des erjtern Gewichts tiber |
das leftere oder, was Dasfelbe ijt, dent Gewicht einer
Flüſſigleitsſäule (ABCD) gleidfonunt, die denſelben
Raum einnimmt wie der untergetauchte Körper. Die
jer nad) aufwärts geridjtete Drud wirkt dem Gewichte
des Körpers entgeqen und läßt denfelben daher um
jo viel leichter erſcheinen. Um dieſen Sah, der nicht |
nut fiir zylindriſche, fondern gan; allgemein fiir be: |
liebig gejtaltete Körper gilt, ju beſtätigen, benutzt
man Die hydroſtatiſche Wage (Fig. 2), d. b. cine
Wage, deren cine Scale unten mit einem Halden |
verfeben und kürzer aufgehängt ift, um ein Gefäß mit
Flüſſigleit Darunterftellen zu können; an das Halden |
hängt man mittels eines feinen Drabtes cinen Wetall
zylinder und ſtellt auf die Wagidale cinen Hoblyylin- |
ber, ber von jenem majfiven 3ylinder genau ausgefiillt
wird; während diefer frei im der Luft ſchwebt, bringt |
Wig. 1.
Archimediſcher Bohrer — Ardhipelagus.
man die Wage durd Gewidte, die man auf die andre
Scale legt, ins Gleichgewicht. Taudt man num den
Sylinder in das Waſſer eines untergejtellten Gefapes,
jo verliert er an Gewidt, und die kürzere Wagſchale
jteigt; das Gleichgewicht jtellt fid) aber vollfommen
wieder ber, wenn man den auf Der Wagidale ftehen-
Den Hohlzylinder bis yum Rande mit Waſſer füllt
Der Gewidtsverlujt des untergetaudten Körpers wird
durch das Gewicht einer Flüſſigkeitsmenge von glei-
dem Rauminhalt aufgewogen. Cin untergetauchier
Körper, deſſen
Gewicht dem—
jenigen der
verdrängten
Flüſſigleits⸗
menge genau
gleich ijt, ver-
liert fein gan-
zes Gewicht
und ſchwebt
daher in der
Flüſſigleit
ohne ſtre⸗
ben, zu ſinken
oder zu ſtei⸗
gen; it fein Gewidt groper, fo wird er unterjinfen,
ijt ¢8 fleiner als dasjenige der verdriingten Flüſſigkei
jo fteigt er in die Höhe, taudht teilweije aus der
fläche empor und jd) wimmt nun an der Oberiläche.
fobald der Auftrieb von feiten der Flüſſiglkeit, nämlich
das Gewidt der von feinem untergetaudten Teil ver-
dringten Fliiffigteitsmenge, dem ganzen Gewicht des
Körpers gleich und dieſes fonad zu tragenim ftande ijt.
Das Archimediſche Pringip findet auch Anwendung
auf Gaſe. Erſetzt man z. B. bei der hydroſtatiſchen
Wage das Waſſer in dem Beder durd Ätherdampi.
indem man in bad leere Gefäß etwas Uther cintropit,
der alsbald verdunjtet, jo wird das Gleichqewidt qeftirt,
da der Uuftried der größern Didte des Ather dampfes
halber nunmehr groper ijt als in Luft. Bringt man
die Wage unter den Regipienten einer Luftpuntpe und
evafuiert, fo fommt der Uuftrieb der Luft in Wegfall
Haben die Gewidte gleiches Volumen wie der su wa
gende Körper, fo wird das Gleichqewidt der Wage
nicht geitirt, da auf beiden Seiten die ſcheinbare Ru
nahme des Gewidts dicielbe ijt. Hat aber der Rdrper
größeres Volumen, fo ſinkt er, und der Zeiger Der Wage
gibt eine ſcheinbare Zunahme des Gewidts an, gleich
der Differeng der beiden Uuftriebe, d. h. gleich Dem Ge-
wicht einer Luftmenge von der Gripe des tiberfdbul-
jes des Körpervolumens iiber das der Gewichtsſtücke
Ahnliches tritt ein, wenn Die Wage etwa in einen mit
Leudtgas erfiillten Raum gebradt wird, oder wenn
der Barometeritand fintt. Wird der Barometeritand
hiber, d. h. Die Dichte der Luft größer, fo hebt ſich
aig. 2.
Hydroſtatiſche Wage
der Körper. Man fann aljo eine folde aéroftatifade
Wage aud zur Beſtimmung des Barometeritandes
oder des Dichteverhältniſſes zweier Gaje benutzen (vgl
Daſymeter). Wud) das Aufſteigen eines Luftballons
ijt eine Folge des Auftriebes, da Diefer qrifer it als
Die Summe der Gewidte der Fiillung (Leuchtgas oder
Waſſerſtoff) und der Ballonhiille. Die Differenz gibt
die Tragtraft des Ballons. Vgl. Bödige, Das Str
chimediſche Bringip als Grundlage phyjtfalifd - prat-
tifdher Ubungen (Osnabriid 1901).
Ardhiogenefis (qriec).), Urzeugung.
Archipelagus (abdgefiirjt Urdipel, zuerſt im
13. Jahrh. in der italientiden, aus dem griechiſchen
Aegaeon pelagos entitandenen Form Arcipelago
Archipoeta — Ardhiteftur.
gebraudt), eine inſelreiche Meergegend oder die zahl⸗
reichen Inſelgruppen jelbjt, die bald losgetrennte Teile |
benadbarter Erdteile, bald felbjtindige Bildungen |
find. Budenerjtern, den fontinentalen Urdipelen, |
Die meiſt in Der Nähe ſtark gegliederter Küſten liegen
oder briidenartige, ausgedehnte Waſſerbecken umſchlie⸗
ßende Verbindungsglieder zwiſchen größern Kontinen⸗
talmaſſen bilden, gehören der A. der Chiloẽ- Inſeln,
der Patagoniſche U., der Arktiſch-⸗Amerikaniſche W., zu
Den pelagifden Ardipelen die Inſelwolken des Stillen
Ozeans. Die pe | Archipele find der Wejtindi-
ſche, Indiſche und Griechiſche A. (ſ. Karte »Grie-
chenland⸗). Letzterer wurde zuerſt A. genannt und
begreift den zwiſchen Kleinaſien, der Balkanhalbinſel
und Rreta liegenden Teil des öſtlichen Mittelmeers.
Die Inſeln dieſes A. die fich deutlich als infulare Fort-
fefungen der oft weit ind Deer hinaus{pringenden
Gebirgstetten Reinajiens und Griedenlands gu er-
fennen geben, entitanden durch cinen im Tertiär be-
innenden und nod) heute andauernden, von Erd-
ben und vulfanijden Erſcheinungen begleiteten Ver: |
werfungs und Berſchiebungsprozeß und zerfallen in
mebhrere Gruppen und Reihen. Zu Thrafien gehiren |
die Küſteninſeln Thajos, Samothrafe, Jmbros und
das entferniere Lemnos. An ſie ſchließen ſich die flein-
aſiatiſchen Küſteninſeln an, deren bedeutendſte Tene-
dos, Mytilene, Chios, Samos und Rhodos ſind. Die
nunmehr beginnende Inſelreihe Rhodos, Karpathos,
Kreta, Antikythera (Cerigotto), Nythera (Cerigo) ſchließt
in weitem Bogen den A. gegen das inſelfreie ſüdliche
Meeresbecken ab und ſchlägt die Brücke von Kleinaſien
um Peloponnes. Als Abgliederungen des griechiſchen
—*8** ſind das unmittelbar anliegende Euböa
(f. d.), die nördlichen Sporaden (Sfiathos, Skyros
u. a.) fowie die in drei nad) SO. geridteten Haupt:
gliqen vom Rap Kolonnäs und von Euböa ausjtrah-
fenden Kykladen ju betradten. Diefe gliederreichen
Inſelletten teilen Den von ihnen durchſetzten A. oder
das Agäiſche Meer in mehrere Teile. Der nörd—
liche hieß bei den Alten Thrakiſches Meer, der
ſüdöſtliche Jtariſches, der ſüdweſtliche zwiſchen den
Kylladen und dem Peloponnes Myrtoiſches, der
zwiſchen den Ryfladen und Kreta Kretiſches Meer. |
Die Inſeln des Griechiſchen W. waren urſprünglich
teils frei, teils, vornehmlich feit Den Berjerfriegen, von
Athen oder Sparta beherridt; fpdter wurden fie mit
dieien Ländern dem Makedoniſchen Reich einverleibt,
famen dann jum Teil an Agypten und endlich unter
römiſche Herridaft. Veſpaſian errichtete aus ihnen
eine ciqne Proving mit der Hauptitadt Rhodos. Nad
der Teilung des Römiſchen Reidjes jtand der A. unter
Byzanz, nur 823 —961 wurde er von den Sarazenen
beherrſcht, die fich auf Kreta — — hatten. Im
J. 1207 eroberte der Venezianer Mareo Sanudo die
Inſeln Naxos, Paros, Antiparos, Santorin, Anaphi,
Milo, Siphno, Polikandro u. a. und nahm als Vaſall
ded lateiniſchen Kaiſers den Titel eines »Herzogs der
Dodefanejos« an. Seine Nachtktommen herrjdten als
Herzöge von Rayos bis 1383, dann die Familie der
Crisp iiber die meijten jener Inſeln, bis 1566 Sul-
tan Selim IT. den legten Herzog, Jacopo Crispy, ge:
fangen feste und die Anfeln dem Quden Dor Joſeph
Naſi verlieh. Nad) dejjen Tod (1579) wurden fte dem
Osmaniſchen Reid) einverleibt bis auf Kreta, das erjt
1669 den Venezianern entrijjen wurde, und blieben
unter tiirfifder Derridaft bis gur Gründung des Kö—
nigreichs Griechenland (1830), das die Kykladen und
Sporaden erbielt, während die thratifden und klein⸗
aſiatiſchen Küſteninſeln der Türkei verblieben. Bal. |
707
Tojer, The Islands of the Aegean (Orf. 1890);
UW. PHilippfon, Beitrage zur Renntnis der qriedhi-
ſchen Inſelwelt ( Ergänzungsheft 134 su» Petermanns
Geographiſchen Mitteilungen«, 1901).
rchipoeta (⸗Erzdichter⸗), namenloſer latein.
Dichter aus der Zeit und wohl auch der Umgebung
von Friedrich Barbaroſſa; typiſcher Vertreter der Ba-
gantenpoeſie (j. Baganten).
eminence nn (griech.), ſ. Erzprieſter.
Archipteren (qricd).), ſoviel wie Falſchnetzflügler.
Archipterygium (Urfloſſe), die fiederförmigen
Floſſen der älteſten Fiſche, von denen die fünffingerige
Extremität der übrigen Wirbeltiere herzuleiten iſt.
Archiſpermen, ſoviel wie Gymnoſpermen.
Urchiteft (griech, Baumeijter), derjenige, der die
Baukunſt prakliſch ausübt, Entwiirfe und Änſchläge
(j. Bauanſchlag) zu Gebäuden fertigt und deren Aus—
führung leitet und beaufſichtigt. Je nachdem ſich der
A. dem Privat- oder dem Staats-, dem ſtädtiſchen ꝛc.
Bauweſen widmet, ijt er Privatarchitekt oder Bau-
beamter. Wit der Cntwidelung des Ingenieurbau—
wejens haben fich die Aufgaben des Urditeften faſt aus-
ſchließlich auf den künſtleriſchen Hochbau beſchränkt.
Hiernach erſtrecken ſich ſeine Studien auf die Cinrid-
tung und Konſtruktion der Bauwerke des Land- und
Stadthaues mit Einſchluß ihrer Heigumgs- und LViif-
tungs⸗, ihrer Beleuchtungs⸗ Be· und Entwäſſerungs⸗
anlagen 2¢., auf die Geſchichte der Baukunſt, die Orna⸗
mentif und Kompoſitionslehre; ferner auf die Hilfs-
wiffenjdaften, wie: Bhyfif, Chemie, Mathematif, Sta-
tif, Darjtellende Geometric und Kerjpeftive, Feldmeſſen,
VBaunaterialienfunde, Veranidlaqung und Baufüh—
rung x. Die theoretifde Musbildung wird meijt auf
den iechniſchen Hochſchulen erworben, worauf der Cin-
tritt in die Praxis erfolgt. Der Staat macht diefen
Eintritt von bejondern Priifungen (Vorpriifung, Bau-
führerprüfung, Baumeijterpriifung) abhängig und
entnimmt aus der Zahl der gepriiften Architeklen feine
Baubeamten (Regicrungsbaumeijter ꝛc.). Der Cintritt
in Die Brivatpraris erfordert eine folde Briifung in
Deutidland nicht, dod) fann cine Diplompriijung an
den Hochſchulen abgelegt werden. Yn außerdeutſchen
Vandern ijt die Musbildung der Urdhiteften meiſt eine
voriviegend praktiſche und mehr auf die fiinjtlerifde
Seite des Faches abjiclende.
Architeften- und Yugenieurvercine, |. Bau-
wiſſenſchaftliche Bereine.
ArchiteFtoniF (qried.), die Kunjt der Juſammen—
fügung der Teile eines Hochbaues zu einem fejten Bau-
ganzen; aud) im Sinne von Yrditeftur gebraudt (da-
ber arciteftonifd, die Baufunjt betreffend, den
Regeln der Baukunſt gem. Bei Rant ijt W. foviel
wie ſynthetiſche Methode.
Architektür, im weitern Sinne ſoviel wie Bau-
funjt, d. h. dic Kunſt, alle Arten von Baulichkeiten
nad) Zweck und Bedürfnis auszuführen, im engern
Sinne die Hochbaukunſt, die ſich mit der Errichtung
und Einridtung von Hochbauten beſchäftigt (weiteres
iiber Cinteilung und Tedynif ſ. Art. »Baukunſt«).
Geht der Yirchitelt darauf aus, bei dem Bauwerk in
erjter Linie künſtleriſche Rückſichten walten zu laſſen,
ſo betritt er das Gebiet der ſchönen A. Mit den der
letztern angehörigen Schöpfungen der Baukunſt be—
ſchäftigt ſich vorzugsweiſe Die auf die Erferntnis der
Baudenkmäler vergangener Epodjen gericdtete Fore
ſchung, die Den Zuſammenhang der Entiwicelung der
YW. feit Den Anfängen der menſchlichen Nultur feft-
qejtellt hat. Einen Uberblid über dieje Cntwidelung
gibt die folgende geſchichtliche Darſtellung.
45*
708
Geſchichte der Architektur.
(Giergu die Tafeln ⸗Architekrur I—XIle« mit der ⸗geittafel
aur Gefcbicte ber Wc, am Schluß dieſes Bairdes.)
Die Urgeſchichte der A. ijt, wie die der andern Riinjte,
in Dunfel geviillt. Ausgegrabene Höhlen, Hiitten aus
belaubten Biweigen oder Baumſtämmen waren die
erjten Bauwerfe, die aus Menfdjenhand hervorgingen.
Cin ſchlichter Stein bildete in jenen früheſten Tagen |
den Ultar der Gottheit; ein Hiige! von Erde tiirmte
fic) fiber den Gebeinen des toten Helden empor. Wit
der Entwidelung des Menſchengeſchlechts nahmen jene
roben Denkzeichen cin bejtimmtes Gepriige an, fo:
Architektur Arge{dhichte, Ägypter).
die Monumente von Theben in Oberiigypten, die faft
ſämtlich dem 13. Jahrh. v. Chr. angehoren. In diefen
altägyptiſchen Bauwerten tritt wieder die Pyramide
alS älteſte Urdhitelturform hervor. Die Umfangs-
mauern Der Tempel erbielten einen Anlauf und wur-
den an den Kanten uit Rundſtäben geſchmückt, die
Decten mit cinem horijontalen Abſchluß und mit emer
mächtigen Hobhlfehle verjehen (Tafel L, Fig. 19). Meine
| Henjterdffnung oder Säulenſtellung unterbrad) die
—— Flächen dieſer Umfangsmauern, die em
langgeſtrecktes Rechteck umſchloſſen und mit farben
reicher Bilderſchrift bedect waren. Lange Doppel -·
die Grabhügel, die ſich in den nördlichen Ländern reihen von koloſſalen Sphinxen oder Widdern führten
Europas in großer Zahl vorfinden, deren Fuß häufig zu dem hohen, ſchmalen Eingang, der zwiſchen zwei
durch einen Kreis von Steinen bekränzt, und deren turmartige Pylonen gleichſam eingeſchoben und bis-
Gipfel durch mächtige Steinplatten gekrönt wird; die weilen von Obelisfen oder folojjalen ſitzenden Herr:
Steinpfeiler, hohe, ſchlanke, oben ſpitze Steine, | fcherjtatuen flanfiert ward. Die ju beiden Getten
die einzeln oder in Gruppen beieinander ſtehen und | des Einganges in die Pylonen cingelafjenen Rutten
befonders häufig im ffandinavifden Norden vorkom— | (Tafel I, Fig. 4) dienten zur Aufnahme hober, bei
men, wo man jie Bautajteine nennt und fiir Denk: | Fejten mit flatternden Wimpeln geſchmückter Masten.
miler gefallener Helden hilt, und die fogen. Hiinen- | Die enge Pforte fiihrte in den unbedadten, auf min-
betten, in der Bretagne Dolmen oder Leds, bei den | deſtens drei Seiten von einer bededten Säulenſtellung
Britanniern Cromlechs genannt, die ebenfalls fiir | umgebenen Vorhof, der ſich bei cinigen Tempein hinter
Grabmonumente oder Opferjtatten gelten (gl. Grä- cinemt zweiten Pylonenpaar wiederholt, und von da
ber, — —— Die rr ag, Wag iteine | in einen oft ebenſo großen Saal, dejjen ſchwere Stein-
(die Rodingjtones der Englinder und Roffejtene der | baltendede auf Rethen dict gejtellter Säulen ruht.
Sfandinavier), Felſen, die auf eine oder zwei Unter- Un diefen Saal, der in keinem ägyptiſchen Tempel
lagen fo aufgejegt find, daß man fie wie den Balfen | fehlt, reihten fid) die übrigen kleinern und diljtern
einer Wage bewegen fann, fowwie die qeweihte Stitten
umſchließenden Steinkreiſe finden ſich vorzugsweiſe
in den keltiſchen Ländern. Das bedeutendſte der kel—
tiſchen Heiligtümer in Frankreich liegt zu Carnac, bei
Quiberon in der Bretagne, und bildet ein weites Feld,
bedeckt mit gegen 4000 obelisfenartigen Steinpfeilern,
die gum Teil eine Hihe von ungefaibr 10 m erreiden
und meift auf ihrem dünnern Ende ſtehen. Noch merk
wiirdiger ijt das vorzüglichſte der alten Heiligtiimer
in England, das bet Stonehenge (ſ. d.) unfern Sa—
ligbury befindliche. Als Beiſpiele einer zweiten Ent-
widelungsftufe treten uns die auf verſchiedenen In—
feln des Groen Ozeans swifchen Aſien und Ame—
rifa aufgefundenen einfachen Monumente entgegen,
die mit jenen des nördlichen Europa zu vergleiden
find und 3. B. auf der Ojterinfel große Steinbaufen
von pyramidaler Form oder bei den Morais (heiliqen
Begräbnisorten) regelmäßig behauene, sum Teil mad
tige Steine bilden, die zu einem einfachen arditefto
niſchen Ganjen zuſammengefügt ſind. Andre Beifpiele
einer friiben Entwidelung der Kunſt finden wir in
den alten Denfmiilern von Umerifa, die jedoch in
feinemt nachweisbaren Zuſammenhange mit dem Ent-
widelungsqang der A. in Wejtafien und Europa ſtehen
(f. Amerikaniſche WUitertiimer).
Die Urditettur der orientalifdhen Valter.
An der Spite dieſes Entwickelungsganges ſteht nad
ben erhaltenen Baudenkmälern Agypten (Tafel 1.
Das ganze ſich an den Ufern des Nilſtroms hin—
ziehende Land enthält nod jest cine Menge von Dent-
mälern, von denen die älteſten, Die koloſſalen Grab-
denfmiiler des alten Memphis (Tafel J. Fig. 1 u. 2),
die Byramiden, die an den Ubbangen der libyichen |
Vergfette auf einer Strece von 8 Metlen in mehreren |
Gruppen jeritreut lieqen, wahrſcheinlich bis m das
4. Jahrtauſend v. Chr. hinaufreichen. In Beziehung
u ihnen ſteht der Sphinxkoloß, zwiſchen deſſen Tagen
fe ein Tempelchen erhob. In der auf die Vertrei—
bung der Hykſos folgenden Bliiteperiode des äghypti
iden Qebend find die glänzendſten, an den Ufern des
Nils aufgefiihrien Denfmaler entjtanden, vor allen
Raume des —— mit der engen, niedrigen Cella,
die Das Götterbild aufnahm (ſ. den Durchſchnitt und
den Grundriß Tafel I, Fig. 5 u. 9. Die daqupti-
ſche Säule (Tafel I, Fig. 12—18, und Tafel »Bau-
jttle I<, Fig. 1 u. 2) xigt bereits die verſchiedenen
durch das Weſen der Säule bedingten Elemente in
geſetzmäßiger Wiederfehr. Uber einer runden Plinthe
erhebt ſich der runde, ganz unten mehr oder weniger
eingezogene, nad) oben zu allmählich verjüngle Schaft
der Säule und ninmi das entweder keſſelförmige.
unten ausgebauchte, oben eingezogene geſchloſſene
oder kelchförmige, unten etwas ausgebauchte, oben
überfallende offene Lotoskapitell mit quadratiſcher
Platte auf, worüber der aus ſtarlen, von Säule zu
Säule reidenden Steinbalfen beſtehende Architrav
ruht. Sowohl die Säulenſchäfte als die Kapitelle er-
halten bisweilen fonvere und fonfave Längsrippen
und find teils mit Pflanzengebilden, teils mit Bilder-
ſchrift bedeckt. Insbeſondere erhalten die offenen Lo-
tosfapitelle Ornamente aus ſchlanken Pflanzenblät⸗
tern oder auf elaftijden Stielen fich wieqenden Bliiten
(f. Tafel »Ornamente Ie, Fig. 7 u. 8). Yn ſpäterer eit
fam vorzugsweiſe Das Reldhfapitell (Tafel L, Fig. 12)
jur Anwendung, an deſſen Stelle fett Der Ptolemäer⸗
seit cin mit einer Geſichtsmaske (Bildern der fis oder
Hathor) geſchmückter Aufſatz trat (Tafel 1, Fig. 17)-
Bon den einzelnen Monumenten erwahnen wir Me
Reſte der beiden riefiqen Tempel zu Rarnak (Tafel L
vig. 12 u. 13) und gu Lukſor (Tafel J, Fig. 4 u. 5),
die Durd) eine faft 2 km lange Ullee von Spharr:
loloſſen verbunden werden, den großen Tempelpalaft
bei Medinet Mbu (Tafel L, Fig. 15 u. 18) und das
nördlich von dieſem geleqene Trümmerfeld mit vielen
Bruchſtücken foloffaler Statuen, von denen nod) zwei
aufrecht figen; eine davon ijt die beriibmte Memnons-
ſtatue. Der nördlich davon befindlicde Totenpalaſt it
cin Mauſoleum des Ramfes (Tafel J, Fig. 11). Als
Werle derjelben friiben Periode find die Denkmäler
von Abu Simbel (Chfambul, Tafel J. Fig. 6 u. 7),
Derr, Virfdeh und Uadi Sebua in Unternubien
zu betradten, Die ganz oder zum Teil in den Felfen
Architektur (Babylonier, Phdniter, Juden, kleinaſiatiſche Vitter, Perfer). 709
ehauen jind. Bei den nad Anlage und Form mehr: | feines folofjalen Unterbaues (Tafel I, Fig. 11) hat
Ph abweidenden Denkmälern der ſpätern Beit, wor- | ſich erhalten, aber von feiner Pracht enthalten die
unter fic) der pradtvolle Tempel ju Den drabh unter: | biblifdjen Schriften überſchwengliche Sdhilderungen
halb Theben (Tafel I, Fig. 17), der öſtliche und weft: | (vgl. Tempel). tiber die Detailformen der hebräiſchen
liche Tempel auf der Inſel Philä (Tafel 1, Fig. 10 u. | W. geben die Felfengraber bei Jerufalem Auf—
14) und der grofe Tempel gu Edfu (Tafel 1, Fig. 8 ſchluß, unter denen das fogen. Grab des Abſalom
u. 9) aud der Ptolemäerzeit auszeichnen, ijt die vor- | (Tafel IL, Fig. 14) bejondere Beachtung verdient.
Dere große Saulenhalle fajt nirgends mehr geſchloſſen, Die Volfsitanume Rieinafiens haben vorjzugs-
fondern mit offener Säulenſtellung verjehen. Yad) | weife Grabmonumente hinterlajfen, die fid) nod) in
in den gemeinniigpigen Unternehmungen leijteten die | erheblider Unjahl und mannigfader Formbildung
Agypter Ausgezeichnetes, befonders im Waſſerbau | vorjinden. Die diltejten und primttiviten jtammen von
zunt Schutze gegen die jährlichen Üüberſchwemmungen den Lydiern (ca. 700 — 600 v. Chr.) und haben
des Nils. Yor Privatbau hielt fich dagegen, foweit | meijt die Form eines einfaden Tumulus, der auf
fic) aus Darjtellungen von Wohnhäuſern auf Wand- | freisrundem Unterbau kegelförmig aufiteigt (Grab des
gemiilden (Tafel J, Fig. 21) und aus Grundripfpuren | Tantalos bet Smyrna). Donen geqeniiber jtehen die
(Tafel I, Fig. 20) erfennen läßt, in befcheidenen Gren: | Felsqrottenbauten der Phrygier mit ihren künſtlich
gen (weiteres ſ. Tafel ⸗Wohnhaus I<). aufgemeifelten Giebelfajjaden (Grab des Midas im
Die U. der alten Völler des wejtliden Aſien Tal Doghantii), während die Grabmiiler der Lykier
Diesfeit Des Indus kennen wir nur aus ungeniigenden + (500 — 200 v. Chr.) wieder eine andre, nod) reicher
Beridten der Schriftiteller des Altertums und verein- | entwicdelte Form darbieten. Man meifelte hier ent-
zelten Rejten ihrer Denlmäler. Zu den Bauwerken | weder aus dem freien Felsgeitein das Grabmal als
ded einſt fo mächtigen Reides von Babylonien ge: | einen felbjtindigen monolithen Sarfophag heraus,
birt der durch die Altejten biblifden Gagen als »Turm | oder man legte die Grabfammer im Felfen an und
von Babel< befannte Tempel des Belus, cin maf- meißelte dem lestern eine Faſſade auf, in beiden Fallen
fiver pyramidaler Bau, der an der Baſis etwa 200 m | jedod) mit getreuer Nachahmung einer Holzkonſtruk⸗
breit und ebenjfo hod) war und in adt grofen Wb- | tion; Beijpiele finden fic) bei Phellos, Untipheltos
fagen emporſtieg, und Die alte königliche Burg, deren | (Tafel I, Fig. 12), Myra x. In eingelnen Werken
Mauern mit bildliden Darſtellungen groper Jagden | macht fich hier aud) griechiſcher Einfluß qeltend, fo bei
auf wilde Tiere geſchmückt waren. Die iibrigen Tritm- | den Griibern von Telmiffos (Tafel I, Fig. 13).
mer von Babylon gehiren der jiingern Zeit an, wo!) In der Glanyperiode des perfifden Reides nah⸗
nad) dem Sturze des alten Reiches durch das Ein- men die Könige ihr Hoflager beſonders zu Elbatana
dringen der Chaldäer cin neues, haldidifd-babyloni- | in Medien, Sufa und Perfepolis. Efbatana war
ſches Reich entitand. Bu diefen ſpätern Werken gehört die Reſidenz des mediſchen Reiches geweſen und ihre
cin zweiter foniglider Palaſt mit einem prächtigen Burg ſchon beim Beginn der Mederherrfdaft auf
Garten, der fich terrajjenfirmig erhob und ſpäter un- grofartige Weife angelegt worden. Die in der Nähe
ter Der Benennung der »hangenden Garten der Se- | des heutigen Hamadan aufgefundenen Rejte, nament-
miramis« zu den sjieben Wundern der Welt« gezählt tid) Baſis und Schaft einer Säule, ftimmen mit den
wurde. Der Trümmerberg El Kafr wird fiir den Reſt Formen der perjepolitanijden A. überein. Bon Sufa,
des Palajtes gehalten. Unter den Ruinenhiigeln von | deſſen Erbauung den erjten perjifden Herrſchern ju-
Nimrud, die anſcheinend Rejte ded alten Nintwe find, geſchrieben wird, wiſſen wir, daß es in Der Bauweiſe
haben der beim Dorfe Chorfabad und der mehr | von Babylon angelegt war. Das eigentliche Heilig-
nördlich geleqene Rujunds hil wertvolle Bruchſtücke tum des perſiſchen Reiches bildete aber der alte Stamm-—
Tafel 1, Fig. 1 u. 2, und Tafel -Ornamente Ie, | fig der perfifden Herrſcher, urfpeiing lish Pajargada
Fig. 1—5) enthalten. Das Bawmaterial find Steine | (»Perſerlager⸗), von den Griechen Perfepolis qe
aus gebranntem Ton, die durd ein Erdharz, 3. T. nannt. Hier ftand die alte Burg des königlichen Ge—
aud) durch Ralfmirtel, auf fehr feſte Weife verbunden ſchlechts, hier wurden die Gebeine der Könige bejtattet
wurden. Die Bauten von Rimrud gehiren dem Y., | und ihre Ruheſtätten durd glänzende Denkmäler be-
die von Chorjabad und Kujundſchik Dem 8. und zeichnet. Hier erhob fic ein neuer, umfangreicer
7. Jahrh. v. Chr. an. Palaſt (Tafel I, ig. Bu. 4). Das auf der Stitte
Die Ph dnifer bildeten einen Teil desfelben Volfs- | der alten Reſidenz, in der Gegend von Murghab,
ſtammes, dem die Babylonier angehirten. Mandherlei | erhaltene Grabmal des Kyros (Tafel I, Fig. 7)
Tempel und andre Architekturen werden zwar erwahnt, | ijt ein pyramidaler, aus folojjalen weifen Warmor-
aber was wir darüber wijjen, bezicht fic) meiſt mur | bliden aufgefiihrter Bau, der in ſieben Stufen empor-
auf die glänzende Ausſchmückung, die fie durch edle | fteigt und auf der obern Fläche cin ſteinernes Häus—
Metalle erhielten. Zu den berühmteſten Denkmälern | chen trägt, das den goldenen Sarg des Königs ent-
— die von König Hiram erbauten Tempel gu hielt. Graber der fpatern Könige ſind in den Felſen
yros. Unter den wenigen erhaltenen find beſon- gearbeitete Kammern mit verſchloſſenem und ver—
ders eine etwa 5 m hohe Tempelcella und cin etwa borgenem Eingang, die an dem Außern der Felswand
10 m hohes Grabmal zu Amrit (Tafel I, Fig. 9 durch eine ausgemeifelte Faſſade (Tafel I, Fig. 8)
u. 10) und die 1901 ausgegrabenen Rejte des Tent | bezeichnet find. Die Halbſäulen der Fajjaden haben
pels von Sidon bemerfenswert. Rarthago bejaf | cin Kapitell, das aus zwei nad) den Seiten hinaus-
einen pradtvollen Tempel auf der Burg fowie groß⸗ | ragenden, mit den Leibern zuſammenhängenden Cin-
artige Hafenbauten und Befeſtigungen, von denen | hörnern (Tafel I, Fig. 5 u. 6) bejteht. Das merf-
nod) Rejte vorhanden find. würdigſte aller Momumente der perjifden UW. bilden
An die Bauwerke der Phöniker fchliehen fich die | die Reſte des großen Balaftes von Perjepolis, die
der Yuden an. Unter der Regierumg Salomos (um | gegenwärtig ben Namen Tſchil Minar (die vier-
1000 v. Chr.) wurde die alte transportable Stifts- | zig Säulen«) fiihren (Tafel I, Fig. 3). Un babylo-
hütte durch einen majffiven Tempel auf dem Berge niſche Anlagen erinnernd, erheben ſie fich in mehreren
Moria ju Jeruſalem erfest. Nur cin geringer Teil | breiten Terraffen auf einer Abdachung des Berges
710
Rachmed und umſchließen einen Raum von 440 m
ange und 280 m Breite.
Wetrennt von dem BVolferleben de3 weſtlichen Wien |
entwickelte fic) der Often diejes Weltteils, deſſen vor-
nehiniter Rulturfig Hindojtan war. Die Yl., die ſich
Dort ausbildete, jteht aber in feinem nadweisbaren |
Zuſammenhange nut der A. Vorderajiens, weshalb
wir fie als eine gefonderte Erſcheinung an andrer Stelle |
charafterijieren (j. Indiſche Kunſt), ebenfo wie die WL. |
der Chineſen umd Japaner (fj. China und Japan). |
Die griehifhe Urditettur.
Wis das erjte Stadium in der Entwidelung der
riechiſchen A. (Tafel IM) betradten wir die Schöp
F en, Dic Dem Heroenzeitalter der griechiſchen Ge-
fdiante angeboren. Die widhtigiten Außerungen bau: |
fiinjtlerijdher Tatigfeit finden wir in der Anlage von
Burgen, deren gewaltige, von der fpatern Sage als
Kytlopenmauern bezeichnete Ringmauern aus
polygonen Steinbliden (Tafel IIL, Fg. 1 wu. 3) bee.
jtanden. Die erhaltenen Mauerreſte, die einen all-
mahlichen Fortidritt der Technif erfennen lajjen, find
teils aus roben, folojjalen Blicten aufgebaut, deren |
Lücken mit kleinern Steinen ausgefiillt wurden (Ta- |
fel LIT, Fig. 1), teils aus mehr oder weniger forg: |
faltig bebauenen, mit ihren Ranten und Winkeln ge |
nau ineinander gefiigten Steinen jufammengelest |
(Tafel IT, Fig. 3). Das Streben, die Steine in hori-
zontalen Schichten iibereinander ju legen, führte end-
lid) gum regelmäßigen Quaderbau. Die Seitenwände
der tn dieſen Mauern angebradten Tore haben in
der Regel cine Neigung, die tetls dadurch, daß die
obern Steine über die untern mebr heranustreten,
teils durch ſchräg ftehende größere Pfoſten erzeugt
wird. Auch ihre Bedeckung iſt häufig von giebel—
förmiger Geſtalt. Das bedeutendſte Werk dieſer Art
iſt das Löwentor zu Mykenä (Tafel III, Fig. 2),
deſſen Giebel, cin dreieciger Stein, die Reliefdarſtel—
lung zweier Lowen zeigt, die fic) gegen eine fande- |
laberartige Säule emporridjten. Durch tibereinander |
geſchichtete, vorgefragte Quaderſteine ijt aud) die Be—
Decung der fiir Verteidigungszwecke beſtimmten Ga- |
lerien tm der Burg von Tiryns (Tafel III, Fig. 4)
qebildet, wabrend die Dede des uralten Appolloheilig—
tums auf Delos (Tafel LIT, Fig. 5) aus ſchräg gegen-
einander gelehnten Steinplatten bejtebt. über dic
Beſchaffenheit der Fürſtenhäuſer jener Epode haben
uns die Uusgrabungen von Sdliemann einige An—
haltspunkte gelicfert (vgl. Myfeni, Ordomenos, Ti-
ryns, Troja), ſpäter (jeit 1900) aud) die von dem Eng
lander Evans auf Kreta veranjtalteten, die in Knoſſos
einen mit Dem myleniſchen verwandten Herriderpalajt
zutage forderten. Die dieſer Altejten Zeit angehören—
den, friiher fogen. Thefauren oder Schatzhäuſer
haben jid als Graber fiirjtlicder Berjonen heraus-
citellt, Deren bis jest 15 an verſchiedenen Orten der
iticite Griechenlands entdectt worden find. Es find
unterirdijde, freisrunde Raume, die durch kuppel—
formige, aus borijontalen, allmählich vorgefragten |
Steinringen bejtebende, oben durch je cine größere
Platte geſchloſſene Uberbaue bedeckt waren, und unter |
denen das ſogen. Schatzhaus des Atreus zu My—
fendi dad merkwürdigſte und am beſten erhallene ijt.
Sdliemanns Wusgrabungen verdanfen wir ein ſehr
reichhaltiges Waterial sur Unterjtiigung des Nach—
weijes, daß die griechiſche A. cin Spripling des Orients
iit, und Dak der griechiſche Geijt aus den Überliefe
rungen Aſiens und Agyptens, vermutlich durch die
Vermittelung der Phöniker, jene Gebilde edeljter Har-
monie entwidelte, deren herrlichſtes Symbol der grie⸗
Architeftur (Ojtajiaten, Grieden).
chiſche Tempel ijt. Die altejten Göttertempel find
auch die älteſten Erzeugniſſe nationalgriechiſcher Aunſi.
Der griechiſche Tempel in ſeiner urſprünglichen Vin
lage bejtand nur aus der redjtedigen Selle, in Der das
Gotterbild aufgerichtet war, und aus ciner offenen
Vorhalle, die cine freie Sdulenjtellung erhielt, die
man bei größern Anlagen jpiter rings um das Tem:
pelhaus führte. Als die Yusbildung der Tempelform
ihren Höhepunkt erreidt hatte, wurde das architet
tonijde Geriijt aus der Reihe der Säulen gebildet,
die, auf cinem gemeinjanten, aus mehreren Stufen
bejtehenden Unterbau erridtet, in geſchloſſener raft
emporitrebten und den Architrav aufnabmen, der
durd) feine äußere Form die flache Bedecung der Halle
und ihre Verbindung mit dent Tempelhaus ausſprach
Uber dem Architrav erhob fic der fiir Den bildneri
iden Schmuck bejtimmte Fries, der 3ophoros oder
Bildtrager<. Uber dem Bildwerk des Frieſes ruhte
das Kranzgeſims, deſſen Hauptglied, eine ftarf vor:
tretende Platte, cinen fejten Abſchluß bildete. An der
Schmalſeite des Tempels und der ihr entipredbenden
Riidjeite ſtieg über Dem Kranzgeſims noch der Giebel
empor, dejjen Gejtalt, cin flaches Dreied, durch die
orm des Tempeldades bedingt war. Jn dem Giebel-
feld war das bedeutſamſte Bildwerk enthalten, das
wiederunt im Dem fraftiq vortretenden Giebelgejims
jeinen Abſchluß fand. Qe nach der einfachern oder
reidhern Uniwendung einer ecinfaden oder Doppelten
Säulenſtellung, nur an der Borders und Hinterfeite
oder auf allen Seiten ded Tempels, unterideidet man
den Tempel in antis, den Projtylos, Amphiproſtylos,
Peripteros, Pſeudoperipteros, Dipteros, Pjeudodipte-
ros. Rad) der wegen des in der Witte liegenden Ein
ganges ftets geraden Zabl der Säulen an der Border:
jeite Des Tempels nannte man die Tempel tetraftylos
(vierſãulig), hexaſtylos (ſechsſãulig), oftajtplos (ade:
ſäulig), defajtylos (zehnſäulig), dodefajtylos (zwölf
ſäulig). Näheres ſ. Art. -Tempel · und die einjelnen
eben genannten Gattungsbezeichnungen. Das ge
ſchloſſene Tenipelhaus bejtand aus der cigentlichen
Belle (Naos), die bei den gewöhnlichen Unlagen ferne
Feniter hatte, und aus der Vorhalle (Pronavs), dic
mit jener dDurd cine große Tür verbunden war. Bei
einzelnen Tempeln findet fic) hinter der Belle cin
abgeſchloſſenes Hinterhaus (Dpijthodom), das wohl
meiſt als Sdagtammer Diente. Der Amphiproſtylo⸗
erhielt gewöhnlich an der Rückſeite cine Dem Pronaos
entſprechende Halle (Bojticum). Die Einzelform ge
ſtaltete fic) nad) den Eigentümlichkeiten des dorijchen
und ionifden Stammes, durd) die die griechiſche W.
cin zweifaches Gepräge erbiclt, veridieden. Die do-
rifden Tempel zeigen ſchwere, gedrungene Berhãlt
niſſe. Su den vollfonmmenjten Schöpfungen des de
riſchen Stiles gehören das jogen. Thefeion, der Bar
thenon (Tafel IIT, Fig. 6) zu Wthen, der Tenepel des
Zeus in Olympia und die Tempel in Päſtum (Tefel
LIL, Hig. 7) und auf Sigilien. Jn der ionifden
Bauweiſe erideint die Form des architektoniſchen Ge
rüſtes reicher qeqliedert und jierlicher ausgebudet. Die
Verhältniſſe find freier und leichter, das Ganze bat
das Meprage einer anmutvollen Majeftit. Bon groper
Feinheit der Form find der Tempel der Athene zu
Priene und das Eredjtheion (Tafel III, Fig. 8) auf
der Akropolis ju Athen.
Vis Bauwerfe von Bedeutung reihen fic den Tem-
peln die Pradthallen an, die den Zugang ju dem
aba Bezirk, der die Tempel umgab, bildeten: die
zrophläen. Beifpiele find in Uthen und Eleuſis
erhalten. Die fiir andre Swede beſtimmten Saulen-
Architeftur (Etruster, Romer).
Hallen wurden teilS mit ringsum offenen Säulen⸗
jtellungen, die cine gemeinſame Dede trugen, verjehen,
teilg auerbalb der Säulen durch Mauern von dem
allgemeinen Berfehr abgeſchloſſen, teils als oben
ofjene Säulenhöfe eingeridtet. Hierher gehören die
fogen. Bafiliten, Geridtshallen, die jedoch erjt in der
Periode der römiſchen Kunſt ihre Bedeutung erbhielten.
Auch bei den Gymnajien pflegten die Siulenhallen
ben widtigiten Schmuck gu bilden, nicht minder in den |
rivatwohnungen der ſpätern alerandrini: |
reidjern
fdjen Beit. Die Hauptantage der Wohngebaiude
diefer ſpätern Reit ijt folgende: cin Säulenhof (als
wichtigſter Teil), um den die Räume der Männer⸗
wohnung, 3. T. mit pradtvollen Säulenſälen, gelegen
waren ; weiter zurück die Frauenwohnung, womit har: |
jig, von dem Hauptbau durd) fleinere Zwiſchenhöfe ge: |
trennt, beſondere Gaſtwohnungen verbunden waren
(f. den Grundriß auf Tafel ⸗Wohnhaus I<). — us: |
gedehnte Bauanlagen waren ferner die fiir die Spiele,
ymnaſtiſchen und muſiſchen Wettlämpfe bejtinunten,
Pic die das vollfontmen aufgededte Olympia dads
großartigſte Beifpiel bietet, und die Theatergebiiude,
von denen fid) nod) zahlreiche Rejte erhalten haben.
Ihre Grundform läßt ſich aus einer Refonjtruttion
des Theaters gu Segeita auf Sijilien (Tafel III,
Hig. 10) erfennen. Mit den Wettfimpfen im Zuſam⸗
menbang ftehen die von den Chorfiihrern fiir ben
in muſiſchen Spielen errungenen Sieg errichteten
choragifden Monumente, entweder Säulen oder durch⸗
gebildete Urditefturen, auf deren Gipfel ein Dreifuß
aufgeftellt war, oder tempelartige Bauten (Tafel III,
Hig. 9). Die Grabmiler waren 3. T. fehr einfach, be-
jtanden anus ſchlichten Pfeilern, waren mit cinem
blumigen, den Akroterien der Tempel ähnlichen
Sdmud gefrint und enthielten an ihrer BVorderfeite
ein einfaches Bildwert (j. Tafel »>Grabmiiler<, Fig. 2
u. 3), z. T. waren jie von altarähnlicher Form oder
bildeten FelSgrotten, deren Faſſade architeftonifd
deforiert war. Cinjelne Bauten der ſpäteſten Reit
riechiſcher A., wie Der Turm der Winde (Tafel III,
Fig. 11), enthalten bereits auslindijde Ronjtrultions-
formen. Die Gefjamtwirhingen der Schöpfungen der
griechiſchen A. wurde nod) weſentlich durch mehr oder
711
dieſer — seat ior eae: wenbdeter die Etruster be-
reits Den Gewölbebau (j. Nonjtruftion des Rund-
bogens, Tafel IV, Fig. 2) mit aus Keiljteinen gebil-
deten Bogen an, wie ihn die nod) erhaltenen alten
Tore von Bolterra und Perugia (Tafel IV, Fig. 3
u. 4) geigen. Cin andrer Gewölbebau findct ſich
8 Tusculum, wo er als Waſſerbehälter für eine
aſſerleitung dient (Tafel IV, Fig. 1). Bu den
mächtigſten etrusfijden Gewölbebauten gehören die
zur aera a in Den Siimpfen und Seen am
palatinifden Berg angeſammelten Wajjers beſtimm⸗
ten Rloafen gu Rom (Tafel IV, Fig. 5) und der
um 393 ausgefiihrte, 2500 m lange Entwajferungs-
fanal des Albaniſchen Sees. Cine hohe Bedeutung
unter den erbaltenen Monumenten der etrusfijden
A. haben dic Grabmaler, unter denen drei Gat-
tungen ju unterjdjeiden find. Die erjte ijt aus der
orm der rohen Erdbhiigel hervorgegangen. Hierbher
gebirt dag Monument tn der Refropolis von Bulci,
das den Ramen der Cucumella fiihrt (Tafel IV,
Big. 8), das fogen. Grabmal der Horatier und Cue
riatier bei Rom, das iiber einem vierecigen Unter⸗
bau fiinf fegelfirmige Spitzſäulen enthalt (Tafel IV,
trig. 9). Die zweite Gattung beſteht aus arditeftoni-
iden Fajjaden, die man aus den Wänden der Felfen
gemeipelt hat, und die fic) ſehr zahlreich in Den Nekro⸗
polen der etrustijden Orte Ordia und Uria (jest
Cajtel d'Aſſo, Tafel IV, Fig. 10) vorfinden. Die
dritte Gattung befteht aus folden Grabmilern, die
unterirdifd in Den Tuffitein eingegraben find. Bon
etrusliſchen Tempeln (Tafel IV, Fig. 6 u. 7) find
teine Rejte auf unjre Zeit gelommen; wir fermen aber
ihre Unlage und arditeftonijde Uusbildung aus der
Unweifung, die Vitruv sur Aufführung von Tenrpeln
diejer Gattung, deren Stil von der ſpätern römiſchen
Architelturſchule als die tosfanifde Ordnung bezeich⸗
net wird, binterlajjen bat. Den Ctrusfern ijt aud
die erjte Uusbildung der von der griechiſchen abwei-
chenden italijden Hauferanlage zuzuſchreiben.
Die römiſche Urchitettur.
Was gu Rom in den erjten Jahrhunderten de3
Staates an architektoniſchen Kunſtwerken ausgefiihrt
wurde, verdanfte man wefentlid) den benadbarten
weniger reidje Bemalung (Polychromie, f. d.) der | Ctrusfern, fet es, dak die Urbeiten von etruskiſchen
Bauglieder und der ornamentalen Teile gehoben |
(j. Lafel »Ornamente I+, Fig. 35 — 37).
Die etruskiſche Architektur.
Künſtlern ausgeführt wurden, oder daß man ihrer
Lehre und ihrem Beiſpiel folgte. Als die römiſche
Kultur ſich mit der
griechiſchen berührte, gewann letz⸗
WIS cin wichtiges Zwiſchenglied in der Geſchichte tere einen ſolchen Einfluß auf jene, daß aud die grie⸗
der llaſſiſchen UW. erſcheinen die kilnſtleriſchen
bungen Italiens, die den Boden vorbereiteten, auf
dem ſich nachmals die römiſch-griechiſche Kunſt ent⸗
falten ſollte. Am beſten erhalten ſind die Bauwerke
der Etrusler (Tafel IV, Fig. 1—11). Bu den alter-
tümlichſten Werken altitalijder U. gehiren die Mauern
der alten Stadte, die häufig in der fyflopifden Bau-
weife des alten Griedenland aufgeführt find. Bei
den in Etrurien vorfonnmenden Bauten diefer rt,
wie bet Den Wauern von Volterra, Fieſole, Cortona,
Populonia, herrfdt das Bejtreben vor, die Steine
regelmapiger, in horizontalen Schichten iibercinander
gu legen. Hieran reihen fid) die Der Struftur. der alt-
qriedifden Kuppelgräber entfpredenden Anlagen,
deren Räume durch peln, die aus horizontal vor-
eee: ringfirmigen Steinjdidten beſtehen, ab-
gededt find. Unterirdiſche Gemächer diefer Urt, ver-
ntutlich Graber, finden fid ju Norba, Vulci, Tarquinii;
ein ähnliches bejigt Rom tn dem untern Gemad) des
Carcer Mamertinus, dem fogen. Tullianum, am Ab—
hang des fapitolinifden Berges. Außer und neben
Bejtre: |
chiſche Kunſt nad Rom iibertragen wurde und hier
eine ſchöne Nachbliite erlebte. Die beiden Formprin—⸗
zipien, die in der rdmifden A. (Tafel IV und V) au-
ſammenfließen, find die ded griechiſchen Säulenbaues
und des italiſchen Gewilbebaucs. Die cinfaden Gat-
tungen der griechiſchen A., die doriſche und die ionijde,
werden bei den Römern felten und, wo fie erjdei-
nen, nur in einer niidternen Ausbildung angewen-
det. Statt ihrer wird jet die forinthifde Säulen—
form vorberrfdend, deren volles Blatterfapitell dem
Streben nad Bradt und Glan; beffer entipridt als
dic Rapitellformen jener beiden Ordnungen; aud) die
Gliederungen des Gebilfes werden mannigfaltiger
und mit reicherm Schmucke verſehen. Die oblonge Halle
wird durch ein Tonnengewolbe (Tafel IV, Fig. 12)
iiberfpannt und ſchließt, dem Eingange geqeniiber,
durch eine Niſche mit halber Kuppel harmonifd ab.
Uber dem freigrunden (oder adjtedigen) Raum er-
hebt fich in ftoljer Wolbung die Ruppel, und weiter
ausgebildet, in Teile geſondert, erſcheint dieſer Raum,
wenn an den Seiten der zylindriſchen oder prisma⸗
712
tijden Wandung Niſchen mit Halbfuppeln ausgefpart
werden. Andre Räume werden durd Kreuzgewölbe
(Tafel IV, Fig. 13) iiberjpannt, und aus der ver-
ſchiedenartigen Weiſe, wie Haupt- und Seitenraume
fiberwilbt werden, entſteht das fombinierte Ganze.
Win Wujern treten Bogendffnungen neben und über
Bogendffnungen vor. Als freies und felbjtindiges
* Monument erjdeint der Bogen, der fich itber die Ver—
fehrdjtrajen hinwölbt. Die gropartigen Bediirfniffe
und der Lurus der Römer riefen cine Menge neuer
Unlagen hervor, außer Tempeln Gebäude fiir Zwecke
des öffentlichen Lebens, darunter beſonders Bajiliten
in eigentiimlider Uusbildung. Tempel und Staats-
bauten reihten jid) um das Forum, das, felbft cine |
befondere architeltoniſche — mit jenen ein im⸗
poſantes Ganzes bildete. Der Geſundheit, aber auch
dem öffentlichen Vergnügen und behaglichen Müßig—
wie
für den öffentlichen Nutzen beſtimmten Bauten aus—
eführt, unter denen die Heerſtraßen, Briiden und
jjerleitungen mit ihren mächtig geſchwungenen
Bogen und die Hffentliden Brunnen hervorzuheben
find. Ebenſo glanzvoll erfdienen dic Ruhmesdenk—
miler der Cingelnen: Ehrenſäulen, Triumphbogen
und Grabmonuntente. Dit dem Glanze der öffent—
liden Anlagen wetteiferten die Privatwohnungen,
Häuſer, Paläſte, Villen.
Den lebendigern Aufſchwung der römiſchen A. mit
Beginn des 3. Jahrh. v. Chr. klennzeichnet der in dieſer
Zeit beginnende Bau der grojen Heerſtraßen und
ajjerleitungen (ſ. Aquädukt), unter denen die Bia
Uppia und der Uquiiduft des Claudius (Tafel V,
ig. 3) hervorzuheben jind. Einen erneuten Auf—
ſchwung nahm die rdmifde A. um den Beginn und
nod mehr unt die Mitte des 2. Jahrh. v. Chr., wo
grieditide Kunſtwerke und griechiſcher Geſchmack aus
em eroberten Griechenland nad Rom verpflanzt
wurden. Die Monumente von Pompeji bezeichnen
den Übergang von der griechiſchen zur römiſchen A.
Unter Auguſtus entſtand dann ein ganz neues, präch—
tigeres Rom. Noch herrlichere Bauten führte Trajan
aus, beſonders auf dem nach ihm genannten Forum.
Aber auch die Provinzen wurden nicht vergeſſen, an
verſchiedenen Orten ſtiegen neue, prächtige Städte
empor. Bis zur Zeit Hadrians hält ſich der Stil der
römiſchen A. ziemlich auf gleicher Höhe, und erſt in
der zweiten Halfte des 2. Jahrh. n. Chr. zeigt ſich all-
mähliches Sinken des Geſchmacks. Die bedeutend-
ften nod) vorbandenen Gebäude des römiſchen Ulter-
tums find das von Agrippa 26 v. Chr. erbaute, unter
Hadrian erneverte und umgewandelte Bantheon ju
Rom (Tafel IV, Fig. 14-—16) und der von Hadrian
135 n. Chr. erbaute Tempel der Venus und Roma
(Tafel IV, Fig. 17 u. 18). Die Theater, worunter
das Theater des Marcellus hervorzuheben ijt, wur-
den zunächſt den griechiſchen nadgebildet, während
die zu blutiqen Kampfſpielen beſtimmten Unrphithea: |
ter, wie Das beriihmte Rolofjeum ju Rom, die ju
Nimes (Tafel V, Fig. 1 u. 2), Arles, Berona und
Pola, die römiſche A. kennzeichnen. Außerdem ge
hörten neben den Prachtforen des Julius Cäſar und
der Kaiſer die Thermen zu den eigentümlichſten und
großartigſten Anlagen Roms. Die Thermen des Cara
calla (die refonjtruierte Anſicht eines Saales ſ. Tafel V,
Fig. 10) aus der frühern Zeit des 8. und des Dio—
fletian aus dem Anfang des 4. Jahrh. ragten durd
Gripe und Pradt hervor. Bon groartigen Briicen-
— die Thermen gewidmet. Rieſige Werke,
heater, Amphitheater, Naumachien, Zirkuſſe,
erhoben ſich. Zu unverwüſtlicher Dauer wurden die
Architektur (Röomier).
anlagen aus dieſer Zeit find uns erhalten: der ein⸗
fachere Pons Aelius (jest Ponte Sant’ Angelo) und
Der zierlichere Ponte rotto (Pons Palatinus oder Sena-
torius) zu Rom fowie die ebenfalls zierlich ausgebil-
dete Briice des Auguſtus ju Rimini. Von den Ehren-
ſäulen erfdeinen in reidjter Musbildung dic Saulen
des Trajan und Mart Aurel gu Rom. Der rbmifden
Kunjt eigentümlich und fie in ihrer gangzen Majejtat
zeigend find die Ehrenbogen,namentlid die Triumph
bogen. Unter den erhaltenen find die früheſten Die
Triumphbogen des Auguſtus zu Rimini und zu Suſa
in Piemont und der Stegesbogen ju Aoſta, wabrend
der Bogen der Sergier gu Pola in Iſtrien der beſten
Zeit der römiſchen Kunſt angebirt. Unter Den gu
Rom erhaltenen ijt der friibeite Der Des Titus, dem
fid) Die des Septimius Severus und des Konſtantin
(Tafel V, Fig. 7) anidliejen. Die Grabmaler ſind
tells unterirdifd, teils als mebr oder weniger be
deutjame Werke über der Erde angelegt. Die unter:
irdiſchen Gräber find entweder in den Fels gearbeitet,
wie die Ratafomben von Rom, Reapel, Syrafus.
alta, Alexandria x., oder gemauert und überwolbt.
berrejte bedeutenderer, fiber der Erde angelegter
@rabdentmiler find das fogen. Grabmal des Bergi-
lius am Pojilippo, das fogen. Grabmal der Servilier
bei Rom, das aus der Heit des Qulins Cajar ber-
riihrende Grabmal der Cäcilia Metella bei Rom und
das der Plautier bei Tivoli. Jn riefigem Wak ver
größert und bereidjert erjdheint die altertiimliche Form
in dem Maufoleum des Auguſtus auf dem Marsfeld
| und dem Mauſoleum des Hadrian (Tafel V, Fig. 8
u. 9, nad der Rejtauration von Borgatti, die fied
‘auf Uusgrabungen und Unterfudungen in den Jab-
ren 1888 und 1889 jtiipt), deſſen untere Teile den
Rern des heutigen Kaſtells Sant’ Ungelo bilden. Die
Anlage der rimifden Wohnhaiufer, die der pourpe-
janiſchen verivandt ijt und in Dem Haufe de3 Banja in
Pompeji (Tafel V, Fig. 4-— 6) einen Reprifentanten
findet, unterjdjeidet fid) von der griechiſchen dadurch.
daß in ihr die Frauenwohnung minder beftinumt vor
der Männerwohnung gefondert war, dann durd die
Verbindung des italiſchen (etrusfijden) Atriums mit
den Der griechiſchen A. entſprechenden Riumen. Das
Atrium bildete den Wittelraum in dem vorderm Teil
des Gebaudes und diente fiir die Sffentliden Geſchäfte
des Hauſes, während ſich hinten der Hof mit feimer
Siulenumgebung anſchloß. Reid) und umfaſſend
wurden aud die Billen der Vornehmen angelegt. Do-
mitian griindete einen neuen Raijerpalayt auf dent
Falatin, und die fpatern Kaiſer bauten daran fort.
Sehr ausgedehnt war die Billa des Hadrian ju Tivok,
von der nod) cin Labyrinth von Ruinen brig it.
Mit dent Beginne des 3. Jahrh. n. Chr. trat in der
römiſchen A. das Beſtreben hervor, die Maffen auf cine
mannigfaltiqere Urt zu gliedern, fie reicher gu beleben.
Mit den Formen des griedijden Saiulenbaues und
der italijden Gewölbearchiteltur vereinigen ſich nicht
jelten bunt geſchweiſte, phantaftijdhe Bilbungen, wozu
cine überreiche, den architeftonifden Rern über—
wudernde Ornamentif tritt. Aber mitten aus defer
Auflöſung der Kunſt der alten Welt treten zugleich
die Pringipien einer neuen Kunſtwelt immer .
licher hervor, in Der auf cine mehr malerijde Wire
fung bingearbeitet wird, während fich cine felbjtan-
dDigere Behandlung des Gewölbe- und Bogenbaues
erfennen lat. Die Hauptmotive diefer neuen Um—
wandlung der antifen A. bat man, wie es ſcheint, im
Drient zu fuden, wo in diefer Zeit verfdjiedene qrofh-
artige Bauanlagen ausgefilhrt wurden, unter denen
J
Architektur (altdrijtlide U., byzantiniſcher Stil).
Fic die mächtigen Bauten zweier Stidte Syriens
auszeichnen, von denen bedeutende Rejte bis auf unſre
Beit getommen find: Palmyra (Tadmor) und Helio-
—* (Baalbef). Bon dem mächtigen Schloß, das
id) Kaiſer Diofletian im Unfange des 4. Jahrh. gu
Salona, dem heutigen Spalato Care V, sig. 11
a. 12), in Dalmatten erbauen ließ, find ebenfalls
nod) bedeutende Rejte erhalten. Zu den charalteriſti—
fdjen Baurejten diefer Reriode in Rom gehiren die
folojjalen und reidjen Architelturfragmente, die einem
Tempel des Sonnengottes angehiren, den Yurelian
an Der aweiten Hälfte ded 3. Jahrh. erbaute, der Tempel
des Velpafian (fälſchlich der Tempel der Concordia
enannt) am Forum, der Janus Quadrifrons am
gyorum Boariunt aus der Zeit Ronjtantins, die Ba-
filita des Ronjtantin, bei der eine grofartig neue
4Entfaltung des Gewölbebaues erſcheint und die Art,
wie Das Kreuzgewölbe des Mittelſchiffs angelegt ijt,
Hereits das Pringip der mittelalterliden A. zeigt, und
das Mausoleum der Conjtantia, außerhalb Roms, die
heutige Rirde Santa Conſtanza. Durd) Ronjtantin,
Der den Sif der faijerliden Herrjdaft von Rom nad
Byzanz (Konjtantinopel) verlegte, wurden aud) hier
mannigfade und anjehnlide Anlagen veranlaßt.
Die chriſtliche Architektur im friihen Mittelalter.
Mit dem Siege des —— trat allmählich
ein Umſchwung in der A. cin. Die erſten gottes-
dienſtlichen Verſammlungen der Chrijtengemeinden
fanden wabhrideinlich in den Häuſern reicher Mit⸗
glieder jtatt, in den dazu am meijten gecigneten Rau-
amen bes römiſchen Haufes, und als dann das Chri-
ftentum in die Offentlichfeit trat, entſprachen den Hallen
Des Wohnhaujes am meijten die Bafilifen, die inzwi—
ſchen verödet waren und jet den Kultusbedürfniſſen
des Chrijtentums angepakt wurden. Die driftlide
VW. ijt alfo wie die alte chriſtliche Kunſt überhaupt aus
der rimifden hervorgeqangen, der fie alle fiinjtleri-
{den Elemente entlehnte (Tafel VI). Gegen das Ende
des 4. Jahrh. gab fic) jedod) bereits cine eigentiim-
liche Umgejtaltung der antifen Borbilder fund, in—
dent fid) Den größern Bajilifen mancherlei Unbau-
ten anſchloſſen (ſ. Bajilifa). Bu den erjten Bajili-
fen Roms gehören Santa Maria Maggiore und die
von Theodoſius aufgefiibrte Kirche St. Paul vor
Rom (Tafel V1, Fig. 1—3). Wus dieſen und andern
Slementen, namentlich aber aus dem Pringip des Ge-
wölbebaues entwidelte fid) tm 5. und vornehmlich tm
6. Jahrh. im byzantiniſchen Reich ein cigentiimlider
Baujtil. Der Gewölbebau wurde von dem Zwange,
den thm frither die griechiſchen Formen auferlegt hat-
ten, befreit; fraftige Bjeiler jtieqen fret empor, durch
Bogen verbunden, über denen fic) der Raum gu einer
leichten Ruppel wölbte. Andre Räume, meift mit
Halbfuppein oder aud) andern Wölbungen bedeckt,
an jene Bogen anlehnend, ſchloſſen ſich dem Haupt⸗
raum an (Tafel VI, Fig. 6 u. 7), oder es wurden
Saulenarfaden in mebhreren Reihen iibereinander
zwiſchen jene grofen Pfeiler und Bogen cingefest.
Bn Harmonie mit diejen Formen trat die Linie des
Halbkreiſes auch als freier Abſchluß der Außenwände
hervor. Aber nod) verharrte die byzantiniſche A.
in der künſtleriſchen Durchbildung des Gewölbebaues
auf einer niedrigen Stufe. Jeder Teil des Gebäudes
blieb in ſich beſchränkt und abgeſchloſſen und wurde
nur äußerlich an den andern gelehnt oder in ihn ein⸗
eſchoben. Beide Bauſyſteme der altchriſtlichen Kunſt,
8 des Baſililenbaues und das des byzantiniſchen tonj
Stiles, wurden von ihren beiden Hauptausgangs- | den Namen der fleinen Gophientirde führt und eben-
puntten, von Rom und Konjtantinopel, hinausgetra- | falls nod) vorhanden ijt, fann als ein Mittelglied
713
en, wobei es an manderfei Wechſelwirkungen nidt
Polen fonnte, wofiir die Bauten zu Ravenna mit
ihrer eigenartiqen Behandlung der Details, nament-
lid) mit den als Kämpfer dienenden Aufſätzen fiber
dem Rapitell der Säulen (Tafel VI, Fig. 10 u. 11),
befonders merfwiirdig find. Bon den meijten raven-
natijden Bauwerken, unter denen das Grabmal des
Theoderich das interejjantejte ijt (TafelVI1, Fig. 4 u. 5),
das jedoch nod) vdllig unter römiſchem Einflujfe ftedt,
haben fic) Rejte erhalten; dagegen find Überreſte alt:
chriſtlicher A. in Frantreid, Deutſchland und England
nur fparfam vorhanden. In Deutfdland hatte
fic) Maden, die Hauptreſidenz Karls d. Gr., einer be—
jondern Gunjt diefes qroffinnigen Förderers der VU.
zu erfreuen, dem die Bauwerle von Ravenna als Vor—
bilder fiir feine Bauten gedient haben. Yn der Nähe
des daſelbſt von Karl ausgeſührten pradjtvollen Pa—
{ajtes wurde 796 —804 die Durd) einen Portifus mit
ibm verbundene Münſterkirche erbaut, die nod) fteht
und bas vorgliglidite Beiſpiel altdrijtlider A. dies⸗
ſeit der Alpen iſt. Unter den durch Karl d. Gr. und
ſeine nächſten Nachfolger an verſchiedenen andern
Orten erbauten Paläſten und Villen waren der Palaſt
von Ingelheim am Rhein und der Palaſt gu Nim—
wegen, wo fid) ein 16eckiges, der Münſterkirche zu
Aachen ähnliches Baptijtertum erhalten hat, die her-
vorragendjten. Auf das Aachener Vorbild ijt aud
die nächſtälteſte der in Deutſchland erhaltenen Rirden
diefer Art, die Midaclsfirde in Fulda (Tafel VIL,
Fig. 1), zurückzuführen. Aus der ſpätern Rarolinger-
zeit ſtammt die Eingangshalle zum Kloſter Lorſch im
Odenwald (Tafel VIII, Fig. 2), in der nod antife
Vorbilder nadwirfen. Dem Bajilifenftil gehören die
erjten dhrijtliden Bauunternehmungen im oftrd mi-
ſchen Reid) an. Die angeblid) von der Mutter des
Kaiſers Ronjtantin, der Heil. Helena, erbaute, nod
jtehende große Rirde zu Bethlehert bildet cine mäch—
tige fiinfidiffige Bajtlita mit einfachen romifdyen
Säulen und geraden Webiilfen. Die große Kirche der
Verklärung auf dem Sinai, eine einfade Bafilifa, ijt
den Darin vorhandenen Inſchriften und bildliden
Darjtellungen jufolge ein Werk aus der eit ded
Sujtinian. Bon den foptifden Kirchen in Agypten
und Nubien, die die cinface Bafilifenform zeigen,
weiſen eingelne auf die früheſten Zeiten Des Chrijten-
tums zurück.
Nachdem die Sopbhientirde gu Nonjtantinopel 530
abgebrannt war, ordnete Kaiſer Juftinian den Neu—
bau an, und an dieſer neuen Sophienkirche (Tafel VI,
Fig. B u. 9) bildete ſich Der byzantinifde Bauſtil
in jeiner charaftervolljten Geftalt aus. Der BVollender
ded Neubaues ijt Unthemius von Tralles, als
deſſen Gehilfen Iſidorus von Milet und der Bau-
meijter Jgnatius genannt werden. 537 war der Bau
vollendet und bat fich, von einzelnen Reftaurationen
unter den folgenden Kaiſern und geringen Abände—
rungen feit ſeiner Umwandlung in eine Moſchee ab-
geſehen, bis heute erhalten. Die altere Bafilitenform
ijt allerdings nod) zu erfennen, die Uniwendung des
Syitems der Kuppelwölbungen hat aber der geſamten
Erſcheinung des Gebäudes ein wefentlid) abweichen—
des Gepräge gegeben. Die Sophientirde ({. Ronjtan-
tinopel) blieb das Vorbild der byjantinijden A., und
ſchon unter Sujtinian wurden thr auger andern die
VUpojtelfirde in Nonftantinopel und die Rirde des
Evangelijten Johannes in Ephefos nadgebildet. Die
Kirche Des Heil. Bafdos zu Konſtantinopel, die aud
714
ber Kirche San Bitale in Ravenna (7. Ta-
AVI, Fig. 10 u. 11, und Tafel »Banitile I<, Fig. 7)
und der grohen Sopbienfirche betrachtet werden.
Bon ber byjzantiniſchen tit die ruſſiſche W and
gegangen. Wladumir d. Gr. (981—1015) baute zabl⸗
reidhe Kirchen, zu deren Mustiibrung er byzantiniſche
Architelten berief. Die bedeutenditen Kirchen waren
die der Damaligen Reitdenzitadt Riew, und unter dieſen
ragt die Rirdje Der heil. Sophia hervor, deren Name
auf bas byzantiniſche Borbild deutet. In Nowgorod
lic Der Großfürſt Jaroflaw (um 1040) gleidfalls
unter der Leitung griechiſcher Architelten eme andre
Sophienkirche erbauen, ebenfalls eme Nadhbildung
der byzantiniſchen. In Mosfau wurde 1326 auf dem
Kremi der Grundſtein zur Kirche der Berflarung der
Mutter Gottes gelegt und in der zweiten Halfte des 14.
Jahrh. das Schloß des Kremls aufgefiibrt. Swan III.
Waſiljewitſch (1462—1505) und feme Nadfolger
ſchmückten thre Reſidenz mit pradtiqen Bauten, und
im dieſen zeigt ſich Der ruſſiſche Bauſtil zuerſt von
einer eigenartigen Seite. Zwar find Grundlage, in-
nere Emteilung und Anordnung der Rirchen ganz
die des Hy; antinijden Baujtils, doch ijt das Innere
—— eng und düſter. Deſto größere Pracht
wurde im AÄußern entwidelt, wo ſich aſiatiſcher Ein⸗
fluß zeigt, der teils aus den Zeiten der Mongolen-
herrſchaft herrühren, teils aber aud) in dem Zuſam⸗
menhang Rußlands mit Aſien begründet ſein mag.
Wo in der byzantiniſchen A. die Raume durch ſchlichte
Kuppeln bedeckt wurden, da ſteigen hier turmartige
Bauten, teils in breiter Maſſe, teils ſchlank und fed
wie die WMinarets der Mobammedaner in die Lüfte
empor, oben von Kuppeln gekrönt, die bald als Halb-
fugeln, bald in Ciform, bald in der geſchweiften Form
einer Birne oder Zwiebel erſcheinen. Das Außere ijt
mit Ornamenten bededt, unter denen man byjantt-
niſche, italieniſche aus der Renaiſſancezeit, arabiide
und andre Formen findet, und die mit grellen, bun—
ten Farben bemalt ſind, während die Kuppeln meiſt
in goldenem Glanze funkeln. Auf gleiche Weiſe wur⸗
den auch die Paläſte und andre Bauten von Bedeu-
tung geſchmückt. Diefe Bauweiſe hatte fic) über gan;
Rufland verbreitet, als Peter d. Gr. tm Unfang des
18. Jahrh. dort modern europäiſche Kultur einzufüh⸗
ren begann, in deren Gefolge denn aud) der modern-
europaifde Bauſtil allmählich einen überwiegenden
Einfluß auf die ruſſiſche Kunſt gewann, der aber in
neuerer Zeit unter Dem Druck nationaler Beſtrebun—
gen wieder, vornehmlich bei Kirchenbauten, durch den
alten Bauſtil verdrängt worden iſt.
Die arabiſche (mohammedaniſche) Architektur.
Die neue Religion des Islam, die ſich ſeit 610
unächſt über Arabien verbreitete, brachte eine neue
Seije der Gottesverehrung, und dieſe bedurfte einer
cignen Gejtaltung der Kunſt (Tafel VID). Auch die
VUraber benugten wie die Alteften Chrifter anfangs
bie Kunſtformen, die fie in den von ihnen beherrſch—
ten Ländern vorfanden, fiir ihre Zwecke. Dies waren
vornehmlich die Formen der ſpätern Römerzeit. Hier-
mit verband fich ein ſpeziell orientaliſches Nunitelement.
Wereits die Rdmerbauten in Aſien und Wfrifa batten
cine mehr oder weniger deutliche orientaliſche Fär—
bung erhalten, und jest trat dies Element durd) die
unmittelbare Berührung mit den alten Kulturvdlfern
Aſiens nocd mehr hervor, und wie fid im Verlauf der
Heit die mohammedanifden Nationen ſelbſtändig ent-
widelten, fo ging aus diefen Grundelementen auc |
eine cigentiinliche Richtung der Kunſt hervor. Bei
den Monumentalbauten, vornehmlid den Mof deen,
begegnen wir zwei
Architeftur (ruiftide , arabiſche
Hauptinpen, von denen Der cine
dem altdriitliden Bafilifenjtil, der andre Dem byzan⸗
timtichen Bauitil nãher fteht. Bei der eritern Haupr
form bat jedoch das Gebdude der Moſchee in fich keinen
arduteftoniiden WMittelpunft und feinen Sciuk;
lit nur ein grofer, vierediger, von mehrfachen hinter⸗
emanter hegenden Urfadenreiben umgebener Hol.
Die einzelnen Schiffe, die Die Arladenreihen bilden,
ſind voneinander nicht unterfdieden, und das Heilig-
tum (die Niſche (Mibrab], die nad Mefla hindeutet,
und wo inggemein Der Noran aufbewahrt wird) tit,
wenn aud) reich deforiert, dod fiir Die arditeftontide
Gefamtaniage als fold fein wichtiger, besiehungs-
reicher Bunft. Yndem die ganje Anlage alfo nur
die ardhiteftonifche Deforation eines offenen, heitern
Blakes, der Durd eine ftarfe Mauer von dem Verleht
abgejondert ijt, Darjtellt, befindet fic) Dabet ſtets am
mit einer fleinen Quppel überwölbter Brunnen. Dy
umidliejende Mauer hat im Mugern, mit Ausnabee
der Bortale und der Zinnen, feine ardyiteftoniide
Uusbildung, und nur der ſchlanke Turm, der fid an
ihrer Seite erhebt, und von dem herab der Muezzin
die Stunden des Gebets vertiindet (Das Winaret),
gibt dem Gebaude nad aufen bin eine Auszeichnung
Bei der zweiten Hauptform enthilt der Korper des
Gebaudes cine in fich geſchloſſene A. indem der Haupt:
raum durd eine Ruppel überdeckt ijt, Die Nebenraume
gleichfalls fiberwdlbt und mit jenem auf &bntiche Betic
verbunden find wie bet den Yinlagen Des byjantini-
ſchen Stiles. Bor dem Gebäude yt auch hier dure
weg cin bon gewölbten Portifen umgebener Bor-
bof. Das Aufere erſcheint hier en Teil in zierlicher
— insbeſ. bilden die Minarets, die 5u 2, 4,
6 an den Eden des Gebäudes emporſchießen, gegen
deſſen tmpofante Hauptmaſſe einen sierlich 1
Gegenſatz. Ym Detail der mohammedanifden A. zeigt
ſich tiberall der orientaliſche Geijt, aus dem der Qslam
hervorgegangen war, und der bei Uberdectung der
Yrfaden, Titr- und Fenjterdffnungen zu Bogenforme
fiihrte, die Der Nultur des Ubendlandes neu ware.
Dem ſchlichten Rundbogen treten der Hufeifen-
bogen und der Rielbogen (f. Tafel »>Bauitile I<,
| ig. 9 u. 10) entgegen, die einen größern Abſchnitt ded
Kreiſes als der Halbfreis bilden. Eine dritte Bogen
form ijt Der aus zwei Bogenitiiden bejtehende, eben
falls auf orientalifden Borbildern berubende Spig-
bogen, defjen fonfequente Unwendung fich zuerſt m
denjeniqen Baurejten zeigt, die in Berfien aus der
Zeit der Safaniden (226-651 n. Chr.) erhalten find.
Wud in Ägypten erſcheint er bereits an Monumenten
aus der fruheſten Zeit der Herrichaft des Islam, voll:
fommen ficer aber an foldjen, die Dem Anfang des
9. Jahrh. angehdren. Ym allgemeinen kommt ex
mehr an den djtliden Monumenten des Islam vor,
an weldjen er teils rein und einfach, teils mit bute
cijenformigem Anſatz, teils oberwarts | gedritdt , tebe
häufig aud) mit aufwärts geidweifter Spite auftritt.
Alle weitere Ausbildung des Details der mobham-
medanijden A. ijt cine ornamentale, da alle Teile
der A., die nur zur Uufnahme eines fpielend beweg-
ten Schmuckes geeiqnet waren, mit foldent überdech
wurden, und in der Tat hat die mobanunedaniide
Kunſt hierin einen Reidhtum und einen Schönheits
finn entwidelt, in dem ihre eigentliche Bedeutung fir
die folgende Zeit wurzelt. Gleidwohl bewegt ſich aud
dieſe Ornamentbildung in einem beſtimmten und fo-
gar trog ihres Reichtums ziemlich eng abgegrensten
Mreife; fajt iberall beruht das Prinzip auf einer exg-
zelnen ſchematiſchen Regel, die fein Geſetz lebendiger
Architeftur (arabiſche mauriſche] A., romaniſcher Stil).
Entwickelung in ſich trägt und durch ihre ſtete Wie⸗
derholung zuletzt ermüdet (ſ. Art. »Arabeslen⸗ und
Tafel »Ornamente II«, Fig. LO—13). Wn den wichtig⸗
by Stellen der Räume und der architeltoniſchen Teile,
ie in dieſer Weife vergiert find, erjdeinen die das
belebende Bildwerk erjegenden Inſchriften, Stellen
aus dem Noran oder Verje, die einen befondern Be-
aug auf das Lofal und feinen Erbauer haben. Die
Saulenfapitelle find oft ähnlich deforiert (ſ. Tafel
»Baujtile I<, Fig. 13—16), nicht minder die aus der
VYntife beibehaltene ſchwere Fläche der Bogenleibung.
Die legtere wird gern durd fleine Bacenbogen aus-
qefiillt. Hierher gehört aud) eine auf einzelne Bogen
oder aud) größere Raume angewandte gellqewebartige
Wusbildung der Gewölbeform, wobet fic) auch die
obere Spige des einen Gewölbeſtückes, die Dem andern
—— Anſatz dient, hängend niederſenkt, fo daß dad
nze den Eindruck von Tropfſteinbildungen gewährt
Stalaltitengewölbe, ſ. Tafel VII, Fig. 3, und Tafel
»Baujtile I«, Fig. 8).
Die — J—— Bauwerke Spaniens unter—
ſcheiden ſich von denen der übrigen mohammedani—
ſchen Völker ebenſo wie die Geſchichte und das Leben
des Volkes, das ſie errichtet. Kuppeln und Minarets
finden wir bier nicht; aber die Arladen haben das |
Gepräge einer Siderheit und Beſtimmtheit, die den
Bauten des Orients nicht in gleidem Mak eigen ju
fein pflegt. Für die ältere Bauweije ijt die Moſchee
von Wordoba (Tafel VIL, Fig. 1), fiir die ſpätere
Das in der zweiten Halfte des 13. Jahrh. erbaute und
ſpäter erweiterte Königsſchloß der Alhambra (ſ. d.
und Tafel VU, Fig. 3 u. 4) bei Granada charafteri-
ſtiſch, das die leBte Entwidelung der mauriſchen A. in)
ihrer ganzen romantifden Pract zeigt. Dieſer Spit- |
eit gehört auch der Allaſar (»fonigliches Schloß«) in
Sevilla an (Tafel VIL, Fig. 6).
Der Stil der mobhammedanifden Monumente
Agyptens fteht ungefähr in der Mitte zwiſchen den
Stilen der maurifden A. und der oftafiatifchen Län—
Der. Befonders widtig find die Monumente von
Nairo, unter ihnen der Nilmeſſer (Mifjas) auf der
Inſel Roda, ein —— brunnenartiger Bau mit
Treppen, ſpitzbogigen Niſchen an den Wänden und
einer großen, reichverzierten Säule in der Mitte, an
der man das Steigen und Fallen des Waſſers beob
achtete. Für die älteſte unter den Moſcheen von
Kairo gilt die 643 geqriindete, nad einem Brande
897 und fpiiter nod) mehrfad erneute Mojdee Amru,
deren Saulen antifen Gebäuden entnommen find und
hohe, breite Spigbogen mit hufeifenfirmigem Anſatz
tragen. Ungleich merkwürdiger ijt die 885 geqriin-
dete und — durch einen chriſtlichen Architekten
vollendete Moſchee Jon Tulũun (Tafel VU, Sig. 2),
bei der Die den Hof umgebenden Arkaden durd breite
Pfeiler qebildet find, über denen fic) die cinfadjen,
ebenfalls breiten Spigbogen erheben. Yn die Eden
der Pfeiler find fleine Säulen cingelajjen, das früheſte
Beiſpiel einer ardyiteftonijden Vermittelung der Pfei—
lerflachen, Die in der romanijden A. des Ofsidents zu
cigentiimliden Formenbildungen fiihrte. Cm bezeich⸗
nendes Beiſpiel fiir den ausgebildeten mohammeda-
niſchen Moſcheenſtil ijt die um die Mitte des 14. Jahrh.
erbaute Moſchee des Sultans Hajjan (Tafel VIL |
Hig. 5). Diejen ägyptiſchen Monumenten reiht ſich
die groke Moſchee von Damasfus in Syrien an,
deren Grundriß ebenfalls einen von Säulenhallen
untgebenen Hof darjtellt.
Auf Sizilien, das die Uraber 827 eroberten, ha—
Ben ſich bet Palermo zwei arabijde Schlöſſer, Ziſa
*
715
und Ruba, erhalten, die das Gepriige des arabi-
ſchen Stiles tragen und hohe, fubijdye Maſſen mit
Erfertiirmen auf den Seiten bilden, während die
Außenwände mit fladhen, fpipbogigen Nijden ver-
fehen find. Yn der Mitte des Innern befindet ſich eine
reichgeſchmückte Halle (oder Hof). Bei den Moſcheen
der europäiſchen Türkei, vornehmlich den Pradt-
bauten von Ronjtantinopel, die Den ſpätern Seiten
der mohammedanijden Kunſt angehören, ijt der by-
zantiniſche Kuppelbau vorherridend. Das orienta-
liſche Gepräge erhalten dieje Moſcheen durch die Mi—
narets, die den Körper des Gebäudes ſchlank und frei
umſtehen, durch die mehr oder weniger arabiſche Bil-
dung des Details und durch die Anwendung von In—
—** ſtatt des Bildwerkes.
In Andien ijt das Gebiet des Gangesſtroms vor-
züglich reid) an den priidtiqiten Monumenten, von
Denen einige nod) aus der Periode der vom Schluß
des 12. bis gum Schluß ded 14. Jahrh. bliihenden
Patanendynajtie herriibren. In Dehli, der Refiden;
der Herrider dieſes Geſchlechtes, finden fich zur Seite
der ſpätern Prachtbauten nod) einjelne Monumente
jenev Zeit, unter denen der fogen. Nutab- Dinar,
das Dtinaret, das Rutab als die ſtolze Triumphſäule
des Islam erridtete, Hervorragt. Die Monumente,
die unter der Herrjdaft des Großmoguls errichtet
wurden, gehören gu den ſchönſten Erzeugniſſen der
mohanmmedanijden Runjt und zeigen vorherrſchend
den Ruppelbau. Die Majje des Gebaudes jteigt in der
Regel als ein fejter, viereciger Körper empor, deſſen
Außenſeiten mit, Niſchenwerk oder mit regelmäßig
wiederfebrenden Offmungen verſehen und mit zierlichen
Zinnen gefrint find, während der mittlere Teil von
einer mächtigen Zwiebelkuppel befrint wird. Die auf
den Eden gewöhnlich angcordneten Minarets reiben
jid) Dem Ganzen in harmonifder Weije an. Die Por-
tale bilden gewöhnlich einen Vorbau von betradtlider
Erhebung und werden durd) cine grofe, fpipbogige
Niſche gebildet, in deren Grund die verhaltnismakig
fleine Türöffnung fic) befindet, und deren Seiten
durd) Minarets eingefaßt gu fein pflegen. Die Bogen-
fornt ijt durdgdingig die Des Spigbogens. Die be-
rühmteſten dieſer Bauwerke gehören der Zeit von
1550-1650 an und finden ſich in Dehli und Agra
und in deren Umgebung. Schah Jehan ließ zu Dehli
40 grofe Moſcheen erridten, unter denen die fogen.
große Moſchee (die Jamna oder Dſchamna) den Stil
in feiner glangendjten Entwidelung zeigt. Denjelben
Bauftil ſehen wir gleichzeitig in Perſien verbreitet.
Im höchſten Glang erjdeinen hier vornehmlid die
ſtolzen Bauten, mit denen Schah Abbas d. Gr. (1585
bid 1629) feine Reſidenz Ispahan ſchmückte.
Die romanifmhe Architektur.
Als im 10. Jahrb. die alten und die neuen Kultur-
verhältniſſe fic) voneinander zu ſcheiden begannen,
neue Staaten fic) bildeten und im Bereich der Künſte
mit frijder Kraft die Formen, die in den Werken
der altdrijtliden Kunſt vorlagen, wieder aufgefaßt
und gu einem lebensvollern Organismus unigebildet
wurden, entivicelte fid) zunüchſt cine in ihren Haupt:
sligen übereinſtimmende Ridtung, die nod) unmittel-
bar auf den Elementen der friihern altchriſtlichen Kunſt
mit ihren aus der Antike herübergenommenen For-
men berubte, aber den Geijt der neuen Beit in der
mehr oder minder freien Umbildung der alten For⸗
men ojfenbarte. Indem man dieſen Stil mit dem
Namen des romanifden (Tafel VIII bezeichnet,
folgt man dem Borgang der Spradpwijjenjdaft, die
Die Adiome, die fic) gleichzeitig aus der alten Römer—
im ¢t ,t an die die
Stelle einer laden Bededung der Raume das Ge- Hier namentlich auf die Napitelidle und dre Sreu;-
rãger der Artaden. jetzt gegliederte gãnge ({.d.) tibertragen und jeigt eine glanjende Ext-
ulen, werden an den Handen des taltung an den Pradtraumen fürjtlicher Palãſte und
Mitteliduifes bis yur Dede hinauigeführt und dori Burgen.
durch werte, fiber das Schiff der Kirche himausgeiprengte In reichſter Pract romaniſcher A. ericheinen unt
Aundbogen mitemander verbunden, wahrend der anderm zunächſt die der eriten Halfte des 13.
iſchen diefen Bogen enthaltene Raum nicht durch angebdrigen Kloſterhöfe von San
uppein, fondern Durch Kreuzgewölbe fiberbaut wird, Mauern und von San Giovanmi in
die cine jufammenhangende, in der Halbfuppel Der Rom, die Bajilifa San Piero in Grado in osfan
Altartribiine auslauiende Reihe von Gewölben biden der Dom zu Fifa und de Kirche San Winiato ;
(f. Zafel »Baujtile I<, Fig. 23). Wahrend die nie Floren3. den romaniiden Monumenten von
dern Seitenſchiffe auf ãhnliche Weiie überwölbt wer Benedig, die eine entidiedene Entwidelung Me-
den, wird in der Durdidmeidung von Querſchiff und jes Stiles zeigen, dabet aber tm einjeinen mance
Langſchiff Die Dem byzantiniſchen Syitem ent- Motive der mohammedaniſchen VW enthalten, it be
fpr nf woo —— die jedoch, Den Kreuz 976 begonnene und 1071 in ihrer urſprünglichen
gewolben entſprechend, aus einzelnen in der Mitte Anlage vollendete Markuskirche hervorzuheben. Dic
zuſammenſtoßenden und bier in einem gemeinſamen großartigen und prachwollen Denfmaler, die Die Nor-
Schlußſtein vereinigten Gewdlbefappen zuſammen- mannen, vornehmlich tm Berlauf des 12. Jabrh_,
geſetzt zu fein pflegt. Bollig fonfequent finden wir in Sizilien erridhteten, find tm romijd-drijtliden,
dies Syitem suerjt in Der zweiten Halfte des 11. Jahrh. im byjantinifden oder mohammedantiden Sul aut-
m der Normandie, wo fid, naddem das germanijde gefiibrt. Das glänzendſte Beiſpiel dieſes normanniid-
Bolt der Normannen dafelbjt feine Herrichaft qeqriin- ſiziliſchen Baujtils geben der um 1174 beqonnene und
det, cine eigentümliche Bliite des Lebens entfaltete. | in furjer Frijt beendete Dom von Monreale, unfern
Jn Stalien fennen wir Bauten dieſes Stiles vornehm- | von Falermo, und die Kathedralen von Meſſing und
lid) nur in der Lombardei, wo ebenfalls das germa- Palermo. Unter den romanijden Bauten der LY om-
nifde Element von vorwiegender Bedeutung war. bardei find die Dome von Modena, von Cremona,
Jn der Bildung und Behandlung des architeftonifden | Piacenza, Rarma und Ferrara zu nennen, wabrend
tails treten 3. T. fehr bedeutiame Umbildungen das bedeutendite Erzeugnis romanifder A. in Spa-
der alten orm insbej. an der Bildung der Säulen- nien die Kathedrale von Tarragona ijt. Cins der
fapitelle hervor. Richt felten zwar, beſonders in den älteſten Monumente der romaniiden A. in Frank-
Gegenden, wo das antife Element vorwiegt, find die reich ijt die Kirche St.-Front ju Verigueur in Guyenne-
romanifdjen Mapitelle den antifen mehr oder weniger Zu den Monumenten des ſüdöſtlichen Frankreich, die
fret nadgebildet; häufiger jedod) und vornehmlich, im einzelnen nod) die Den alten Römerbauten jener
wo bas germanifde Element das Ubergewidt hat, Gegend entlehnten Motive erfennen lajjen, gebören
erhalten fre die Form des fogen. Wiirfelfapitells (ſ. Ta- die Kirche Rotre Dame du Port ju Clermont m der
fel »Bauftile Il, Big. 20), dad fiir die romaniſche U. Auvergne, die Lirden von Iſſoire, Brioude und Euy-
befonders bezeichnend ijt. Erjt in der ſpätern Zeit des | en-BVelay. Die Monumente tm weſtlichen Frankreich
romanijden Stiles nähert fid) das Rapitell wieder . find ſchwerer in den Formen, willfiirlicer in der Wom-
mehr der Kelchform (ſ. Tafel »Baujtile I<, Fig. 24 pofition und überladen mit bildneriidem Sdmaud.
u. 25). Der Bogen hat vorherridend die Form des | Das hervorragendite Beifpiel einer ſolchen Pracht tit
Halbfreifes, neben dem fic) als Nebenform der aus die Kirche von Notre Dame fa Grande zu Poitters
der mohammedaniſchen A. heriibergenommene orien- Weſentlich verſchieden find die Monumente tm ndrd-
talifdye Spipbogen am häufigſten J findet, wo die lichen Frankreich, wo die Normannen ein ſelbſtändi⸗
Runjt des Islam cine unmittelbare Einwirkung auf | ges Stulturleben begriindeten. Ihre Were eigen das
die romaniſchchriſtliche auszuüben vermodte, wie in Syitem der gewölbten Baſilika, das bier jedod mt
Sizilien. Der romanifde Bact zeigt ſich zunächſt einer ſchlichten, ſtrengen Konſequenz ausgebildet tit.
nod) ebenſo ſchwer wie in der alichriſtlichen und römi⸗ fo daß wir Die Normandie wenn aud nicht als der
jdjen Kunſt, namentlich bei den Bogen der Urfaden, | Ort der Erfindung, fo dod) als das Gebiet der eriter
die bie Schiffe voneinander trennen (j. Tafel »Bau- | ir iy en Ausbildung dieſes Syitems betrachten
tile 11+, Fig. 18 u. 19), und bei den breiten Gurt- müſſen. Eins der früheſten Beiſpiele der romaniſchen
bogen der Dede, zwiſchen die die Kreuzgewölbe ein- Kunſt iſt die zwiſchen 1050 und 1066 erbaute Kirche
a ete find; wo aber der Bogen die dem Mujern | St.- Georges von Boderville, unfern von Rouen,
jugewendeten ungen des Gebäudes, befonders während die altern Teile der Rathedrale von Bayeur
die Portale, tiberdedt, zeigt er fic) von vornberein in | aus der sweiten Halfte des 12. Jabrh. jtammen. Das
reidjerer und flüſſigerer Geftalt. Das romanijde Or. umfaſſendſte Beijpiel des normannijden Bauſtils, mie
nament zeigt oft eine phantaftijche, wahrſcheinlich auf er ſich unter der Normannenberridhaft in England
den urfpriingliden Eigentümlichkeiten der germani- | entfaltete, bietet die 1096 geqriindete und im Laufe
ſchen Nationalitdt berubhende Richtung, indem Tier- | des 12. Jahrh. ausgqebaute Rathedrale von Norwich.
und Menſchengeſtalten, fabelhafte Geſichtsmasken. Die älteſten Deut ſchen Gebäude dicfer Periode ge-
Draden und ungeheuerliche Bilbungen aller Art fid) | hören dem Schluß des 10. Jahrh. an. Eins der erjterr
nicht felten mit einem vielfad) gefdwungenen und ge- | Denfmiiler des nördlichen Deutidland, weldes die
wundenen Blattiverf su angiehenden Phantafieipieren widtigiten Zeuqniffe jener Frühzeit der deutſchen Kul ·
vereinigen. Wud) in dem Verhältnis der bildenden | tur bewabrt, ijt die Schloßlirche von Quedlinburg
SCunft zur A. geigt fic) ein höherer Grad der Ent | deren älteſte Teile der Zeit von 997 —1021 angebdren.
Aue
Architeftur (Übergangöſtil, gotiſcher Stil). 717
Ahnlichen Stil eigen dic {eit 961 errichtete alte Schloß⸗ burg, obgleid) fdjon 1208 oder 1211 begonnen, ift
Lirde zu Gernrode und die 1014 erbaute Liebfrauen- | dad Element des gotiſchen Stiles bereits überwiegend,
firde zu Magdeburg. Die hervorragendjten Bauten | ebenjo an eingelnen Kloſtergebäuden der deut{d - ro:
in den alemannijden und ſchwäbiſchen Landen ge- | manijden A., insbef. an den Kreuzgängen, die die
Hiren, wie der nach 1052 erbaute Dom gu Konſtanz, Kloſterhöfe umgeben, und den Refeftorien (Tafel VILL,
Der zweiten Hälfte des 11. Jahrh. und dem Verlauf | Fig. 7). Unter den Denfmalern romanifder A. in
des —— Jahrhunderts an. Eine Säulenbaſilika den ſtandinaviſchen Ländern ſind die ſelbſtändigſten
von großartigen Verhältniſſen und ſtrengem Stil ijt | die aus Holz gebauten Rirden Norwegens, in denen
Die um 1105 erbaute Ktojterfirde von Baulingelle in | das Material den Geſetzen de3 romaniſchen Stiles in
Thitringen, deren reichgebildetes Portal famt der Vor | eiqenartiger Weije angepapt ijt. Die hervorragend:
Halle der ſpätern Zeit des 12. Jahrh. angehört. Die ſten dieſer Holzkirchen ſind die von Borgund, Gol
hierher gehörigen Denkmäler der Stadt Hildesheim | (bei Chriſtiania), Hitterdal und Wang (jest am Fuße
find die Stiulenbajilifa auf dem Morigberg, der Dom, | des Riefengebirges aufgeſtellt). Bgl. aud) Nordijde
worin Pfeiler mit je zwei Säulen wedjeln, und die | Kultur (mit Tatel). In Sdhweden, wo teils eng:
1133 gegründete Stirde St. Godehard. Der Dom | lifde, teils norddeutide Vorbilder maßgebend waren,
von Trier mit feinen der Antike nadgebildeten Pila- find die älteſten Denkmäler der romanifden A. die
{tern ijt cin wertvoller Bau der friihromanifden Pe— Rirde von Hujaby und die Ciftercienferfirden zu Al⸗
rivde. Die bedeutendjte pee, des Baues ge- | vaftra, Vreta und Nydala. Die reichjte Musbildung
wilbter Bajilifen finden wir an den drei mittelrheini- | hat die romanifde VW. in Dem Dom gu Lund und in
ſchen Domen ju Mainz, Worms und Speyer. Cine | den Kirden von Wisby erreidt. Die älteſten Bauten
cigenartige Uusbildung erfuhr die romanifde UW. in | Dänemarks, von denen wir unde haben, find dem
ihrer reichern Entwidelung in einer Reihe nieder- Stil der norddeutfden verwandt, fo die Krypte der
rheinijder, befonders kölniſcher Rirden, deren charal- | Rirde von Viborg in Jütland (um 1133), die Cijter-
teriſtiſche Eigentümlichleiten im Außern die fogen. | cienferfirdhe von Soroe und die Stiftstirde von Ring:
Bwerggalerie, eine Urfadenreibe unter dem Dade, | ftad (beide auf Seeland, um 1160 —1170) und der
undbogenfriefe und cine reidjere Bildung der Chor- | Dom gu Ribe (Diitland).
partien an. Die Rirden St. Gereon und St. Upo- Die gotiſche Urchitettur,
{tel in Köln (Tafel VIII, Fig 5 u. 6) und inSdwary-| Der gotifde Bauſtil (j. Tafel IX und die Tafetn
rheindorf gegenüber von Bonn find typifche Beifpiele | Miner Dome bei Urt. »Köln«), der in der zweiten
fiir diefe lofale Wandlung des fpatromanifden Stiles. | Hälfte des 12. Jahrh. fid) aus und neben dem ronta-
Verwandten Stil mit den deutfd)- niederrheinifden | nifden zu entwideln beqann und anfangs aud) in
Bauten zeigen die romanijden Kirchen der benach- Verbindung mit jenem auftrat, knüpft zunaächſt an das
barten belgifden Lande, befonders die Rirde St. Ser- | Syjtem der gewölbten Bafilifa, wie es fic) in der ro-
vatius gu Maajtridt, Notre Dame la Chapelle ju | manifden Periode ausgebildet hatte, an. Der Grund-
Brüſſel und die Kathedrale von Tournai, während | plan der kirchlichen Monumente, die Hauptdispofition
der höchſte Glang und Adel romanifder Deforation | der Räume bleiben im wefentlidjen diejelben; aber
fic) an dem alten Teil, insbej. dem Portal des der entſchiedener als bisher tritt das Gefühl fiir das Ganze
lesten Beriode des romaniſchen Stiles angehdrenden | des ardhiteftonijden Werkes und fiir das gegenſeitige
Domes von Freiberg in Sadjen, der fogen. Golde Verhältnis fener Teile hervor, tebendudlier erſcheint
nen Pforte (Skulpturen derſelben ſ. Tafel⸗Bildhauer- der Organismus, der es durchdringt, wirkſamer ent-
funjt VII«), entfaltet. Wo bei dieſen und andern | faltet ſich die aufwärts ſtrebende Bewegung, die den
deutſch⸗romaniſchen Monumenten der Spitzbogen und Geiſt und die Sinne des Beſchauers gum Himmel
andre Elemente der neuen franzöſiſchen (gotiſchen) emporzuziehen beſtimmt iſt. Die Pfeiler und Halb—
Bauweiſe auftreten, erſcheinen fie als untergeordnete, ſäulen, die dic Bogen und Gewölbe aufnehmen, ftei-
faſt zufällige Formen von dekorativer Bedeutung, die gen bei dem gotiſchen Kirchenbau ſelbſtändig und frei
auf das Konſtruktionsprinzip nod keinen Einfluß ge: | empor, und ihre Bewegung ſetzt ſich in den Linien
wannen. Van hat diefe Verbindung des Spigbogens | des Gewölbes fort. Die belebte Teilung der Gewölbe—
mit den Elementen der romaniſchen A. den Über- | maffe, die der romanifde Bauſtil durd die Unwen-
gangsſtil genannt, der fid) bis gegen die Mitte des | Dung des Kreuzgewölbes gewonnen hatte, wird ent:
13. Jahrh. erbielt. Bu den früheſten Denkmälern | fdhiedener dadurd) hervorgehoben, da nicht bloß
dieſer Verbindung find die nod) Dem 12. Qabrh. an- | Guergurte (zur Gonderung der Hauptteile des Ge-
gehörige Stiftstirde St. Peter gu Friglar in Heſſen, wölbes), ſondern auch Kreuzgurte (zur Bezeichnung
ferner die als Ruine nod) vorhandene Kirche des Mlo- | der Cingelteile des Gewölbes) eingeführt werden.
jters Mentleben an der Unjtrut, das Schiff und Quer- | Dieſes Sytem der verfdiedenen Gurtungen bildet
ſchiff des Domes von Naumburg, der wejtlide Bau | der eigentlidjen feſten Rern des Gewölbes; zwiſchen
und das Querichiff der Kirche zu Freyburg an der | jie werden nur leichte Gewdlbefappen von dreiectiger
Unjtrut, der Dom 3u Bamberg (Tafel Vill, ig. 3 | Gejtalt gum Schluß der Dede eingeſetzt. Somit kommt
u. 4) al8 dad reichſte und glänzendſte Beifpiel und | hier das Gewölbe nicht mehr als eme Maſſe in Be-
die alten Teile von St. Sebald gu Nitrnberg zu red): | tradt, fondern vorzugsweiſe nur die Struftur feiner
nen, während unter den Bauten des fiidlidhen Deutſch- Gurte, in die fic) die auffteiqende Bewegung der
land und der angrenjenden Lander die Pfarrkirche Pfeiler aufldjt, und in der der Gewölbedruck auf
ju Wiener Neujtadt, die alten Teile an der Wejtfeite | die einzelnen Punkte der Pfeiler, von denen fie aus-
von St. Stephan zu Wien, der angeblich aus dem | gingen, zurückwirkt. Indem fo die Maſſe des Ge-
Anfang de3 11. Jahrh. herriibrende Dom gu Bafel, wölbes fich gliedert, qeniigen ju deren Stiipe an der
Die Kirche zu Gebweiler im Elſaß, dad Querſchiff des äußern Seite des Gebäudes einzelne Strebepfeiler,
Domes zu Freiburg i. Br., das Querſchiff und dag | die zugleich Teile der Umfangsmauer bilden und im
Chor des Domes zu Straßburg und die Pfarrkirche Innern als Träger der Gewölbegurte gegliedert ſind,
zu Gelnhauſen hervorzuheben —* An den ältern während ſie nach außen die feſte, widerſtandsfähige
eilen, zumal dem Chor des Domes von Magde- Geſtalt des Mauerkörpers bewahren. Die zwiſchen den
718
Strebepfeilern geleqenen Teile der Umfangswinde
bieten fomit die Gelegenheit gu weiter und hohen
Fenftern, wahrend nur eine leichte Füllmauer und
untere Briijtung der Fenſter eingefdaltet wird. In—
dem man fich ferner dem kühner aufſteigenden Spig-
bogen (jf. Tafel »Baujtile II«, Fig. 32) zuwandte,
den man bereits vielfad) vorgebildct fand, hatte man
cine Bogenform gewonnen, die große Abwechſelung
in Höhe und Weite der Bogen zuließ, ohne ihren Cha-
rafter gu verdindern. Gurtgewolbe, Strebepfetler und
Spigbogen bilden fomit charafterijtijde Clemente der
—* A., die ſich daneben auch des Pfeilers oder
der Säule bedient, an die ſich leichte Halb- oder Drei-
viertelfaulden jum Tragen der Gewölbegurte an:
lehnen. Das Pfeiler- oder Saulenfapitell bildet cine
leichte, untherlaufende Blatterfrone, die fic) felchformig
ausweitet und mit wenigen und leichten Dedgliedern
verjehen ijt (j. Tafel Kölner Dom II«, und Tafel
»Baujtile II«, Fig. 33 u. 34), wahrend der Fuß nur
unbedeutend ausladet und mit dem Schafte durd Ber-
mittelungsglieder verknüpft ijt. Fir Bogen und Gurte
des Gewoͤlbes wird cine der der Pfeiler ähnliche Glie—
derung angenommen. Dasſelbe Bildungsgeſetz wie
an den Gewölbebogen beherrſcht die Einfaſſung der
Fenſter, während man in die Fenſteröffnung ein Stab-
werk einfügt, dad in ſchmalen Säulchen beſteht, die
oben durch Spitzbogen verbunden ſind. Zwiſchen die
letztern und die großen Spitzbogen der Fenſterein—
ſaſſung werden kreisförmige und andre geometriſche
Figuren bildende ſtabartige Glieder, das ſogen. Maß—
werl, eingeſpannt, die dem Ganzen Halt gewähren
(ſ. Tafel »Baujtile II«, Fig. 29—31). Unter den
Fenſtern, die die Obericile Mittelſchiffs cinneh-
men, pflegt (wenigftens bet dem völlig durchgebil—
deten Bauwerfen) eine durdbrodene Galerie oder
cin galerieähnliches Niſchenwerk eingeſchloſſen gu fein. |
Die Einfajjungen der Tiiren find denen der Fenjter
ähnlich, nur reidjer gebildet. Die Dächer haben bei
dem aufftrebenden Charafter, den aud) das Außere
ausdrückt, bobe, fteile Form. Cin einfacher, um die
Strebepfeiler und Briijtungsmauern umberlaufender
Sodel gibt dem Gebäude cine fejte Unterlage. Die
großartigſte Entfaltung der äußern A. zeigen die Fal-
jade und die beiden Tiirme, die die Seiten der Faſ—
jade bilden. Die Bogen der Portale tragen nicht jelten
reichgeſchmückte, Denen der Fenjter gleichende Giebel,
die fogen. Wimpergen (j. Tafel ⸗-Kölner Dom III«,
vig. 6). Zwiſchen den Titrmen und fiber dem Haupt:
portal wird ein befonderer Zwiſchenbau mit cinem
roßen Brachifeniter, deſſen Licht im das Mittel—
diff fallt, angebradht, während die untern quadrati-
ſchen Tiirme von je zwei Strebepfeilern an den Eden
umgeben und in mehrere Stodwerfe, deren Wand-
flächen von ſchlanken, mit Maßwerk ausgefiillten
Fenſteröffnungen durchbrochen werden, geteilt find
und gewöhnlich in einen achteckigen, von Fenſtern
durdbrodenen —** an deſſen Ecken wieder freie
Türnichen, die fogen. Fialen, emporſteigen, und über
dem Aufſatz in eine ſchlanke achtſeitige, mit weit aus—
ladender Kreuzblume gekrönte, vielfach durchbrochene
Pyramide auslaufen. Kleinere Blumen ſolcher Art,
Die jogen. Krabben, blühen aus jeder Spitze des Außern
empor; ebenſo ſind die Kanten Der Giebel, der andern
pyramidalen Teile und der von dem Mittelſchiff fiber
Die Seitenidhiffe nad) den Strebepfeilern gefiihrten
Strebebogen mit Blumen befest (f. Tafel »godtner
Dom LI«, Fig. 3, 6—&).
Die erjte Cntwidelung des gotiſchen Bauſtils tritt
ung in Frankreich, und gwar in deſſen nordöſt—
Architeftur (gotiſcher Stil: Frantreid), Niederlande, England).
lichiten Gegenden entgegen, was die zahlreichen Mo-
numente in Sle de France, Champagne, Burgund
und in den Nachbardiſtrilten der angrenjenden Yan:
desteile bejeugen. Das, foweit nacdweislich, Alteite
Monument ijt das 1140 —44 vom Abt Suger aus.
geführte Chor der Ubteifirde ju St.- Denis, dem
die Rathedralen von Sens, Noyon und Senlis und
jeit 1163 die Notre Dame-Kirche ju Baris folgen.
Verwandten Stil zeigen: die Rathedrale von Laon,
die Rirde Notre Dame gu Dijon (1252—1334) und
die Rathedrale von Wurerre. Wahrend die 1260 ge
weihte Rathedrale von Chartres nod ſtrenge Formen
hat, zeigt die 1212 beqonnene, 1250 vollendete Sa-
thedrale von Reims, eine der glinjendjten Schop
fungen der — A. (Tafel IX, Fig. 2), die fon-
jequentejte Durdbildung des friihqotijden Stilts. Bei
der Rathedrale von Amiens (1220 — 88) nähert fied
der architektoniſche Charafter bereits der beſonders in
Deutſchland auftretenden freiern Enhwidelung des
Stiles. In der Normandie entwicelte ſich der gotiſche
Baujtil ſpäter gu einer glingenden Bradt, der es
fretlicy mehr — ein ments leichtes und zierliches mie
fiihnes und phantaftifdes Spiel der Formen anfonunt.
Das Palais de Jujtice und das Hotel de Bourgthe—
roulde in Rouen und da8 Schlok Fontaine le Henri
bei Caen find dharafterijtifde Beiſpiele der jpatgoti
ſchen Palaſtarchiteltur. Dasjelbe Syſtem der gotiſchen
A., das in den nordöſtlichen Gegenden von Frankreich
auftritt, herrſcht aud) in den Niederlanden ver.
Indem aber dies Syſtem hier mit der größten Ein
jeitiqteit aufgefagt wird, erhält aud das Außere oft
einen ſchweren, nüchternen Charakter, und wo eit
qriferer Formenreidtum angewendet wird, erſcheint
er vorherridjend in dem Gepriige ciner äußerlichen,
mehr oder weniger willfiirliden Deforation. Hier
her gehören die meiften Kirchen gotiiden Stiles gu
‘Balenciennes, Tournai, Lille, Courtrai, Ypern.
Brügge, Gent, Briiffel, Lowen, Mechel, Antwerden.
Lüttich, Huy, Dinant ꝛc., während die holländiſchen
Kirchen zu Rotterdam, Delft, im Haag, zu Leiden,
Haarlem, Amſterdam x. Beiſpiele der nitchterniten
A. Darbicten, von denen nur die der ſpätern Beriode
dieſes Stiles angehörigen Rirden, fo die im 14. Jahrb.
erbaute, Durd) Die Schönheit der Verhältniſſe des Qn
nern ausgezeichnete Rathedrale gu YUntwerpen, De
Kirchen St. Peter zu Lowen, St. Martin gu Halle
(unfern Uriijjel), St. Salvator ju Brügge cine Mus-
nahme maden. Der Dom St. Gudula zu Briel
iſt Durd) feine ſchöne Faffade aus dem Anfang des
16. Jahrh. ausgezeichnet, die fid) in ihren Haupt-
| motiven der deutfdy- qotijdjen Bauweiſe nabert. Dic
niederländiſchen Kirchen tragen das Gepriige von
Offentliden Hallen, neben denen die Stadthaufer,
Fruchthallen und andre dffentlidhe Bauten der Art
als wichtige und umfaſſende Anlagen erſcheinen, an
denen ſich in den letzten Seiten ded gotiſchen Stiles fo-
gar cine höhere künſtleriſche Ausbildung entfaltet.
| Das qlangendjte und prachtvollſte Beijpiel folcher
Bauanlagen ijt das Stadthaus von Lowen (1448—
1469), Dem ſich die Stadthaufer gu Brüſſel, Gent
| (der altere Teil qeqriindet 1481), Briigge (13876 ge
griindet), Dudenaarde, YUrras, Mons und die Tuch—
halle in Yern (Tafel IX, Fig. 1) anveiben, deren
Der ſich kühn fiber das Gebäude erhebende ſtädtiſche
Blodenturm, Belfroy (Veffroi) genannt, zur beſon⸗
Dern Hierde gereidt.
| In England trat der gotiſche Bauſtil fait ebenfo
früh wie in Franfreicd auf, von wo er durch den Bau⸗
| Meijter Wilhelm von Sens eingefiibrt wurde, der zum
Architeftur (gotijder Stil: Deutſchland).
Neubau der Rathedrale von Canterbury berufen wor-
den war. Die gotiſche A. nahm jedoch bald cine cigen-
titmlide, von der franzöſiſchen Behandlungsweiſe
völlig abweidende Richtung an, indem jenes Streben
nad einer reidhern, mannigfaltigern Gliederung und
— Formen, einer buntern und mehr fpie-
lenden Ornamentik, das bereits bei den romanijden
Bauten in England hervorgetreten war, aud den
Charafter de3 germanijden Stiles bejtimmte. Für den
Beginn der gotijden W. in England find die Kathe:
drale von Canterbury und die Templerfirde ju London
von Bedeutung; der erjten Hälfte de3 13. 34 ge⸗
hört die Kathedrale von Salisbury an, die, aus Einem
Guß, die erſte ſelbſtändige Entwickelung des englijd-
gotiſchen Bauſtils im ganzen wie in allen ſeinen Cin-
elbeiten darjtellt. Für eme ftrengere Organifation
es gotiſchen Baujtils gibt die Kathedrale von Exeter,
deren wejentlide Teile 1280 —1370 erbaut wurden,
ein bezeichnendes Beijpiel, wãhrend die 1270 begonnene
Wejtminjterfirde gu London fic) in der Anordnung
de Grundrijjes Dem —* der franzöſiſchen Kathe⸗
dralen nähert. Die edelſte und reinſte Durchbildung
des gotiſchen Bauſtils zeigt fic) im Schiff der Kathe—
drale von Y)ort (1291—1330), deren prächtige Faſſade
auf Tafel IX, Fig. 6, dargeftellt ijt. Mande ent-
fprechende Motive finden fic) an den malerifden Rui-
nen der Ubtei von Tintern (unfern Monmouth), der
Abtei von Retley (unfern Gouthampton), der Kapelle
von Holyrood au Edinburg, der Abtei von Melrofe
(am Tweed, Grafidaft Rorburgh) u.a. Un einzelnen
Monumenten der letzten Periode des gotiſchen Stiles
entfaltet ſich in England das eigne deforative Element
gu nirgends ſonſt erreichtem Glang und Reichtum, be-
ſonders in der Ausbildung des ſogen. Sterngewölbes.
VIS die erſten Beiſpiele dieſer zierlichen Behandlungs—
weiſe ſind der ——— Kathedrale von Glou⸗
ceſter (1381), die Lady Chapel (Marienfapelle) der
Mathedrale von Peterborough und die Napelle des
Heil. Georg ju Windjor gu nennen. Das edeljte und
Durd)gebildetite Beijpiel diefer Gewölbebildung ent:
Halt Die Kapelle des King’s College gu Cambridge (be-
gonnen 1441, beendet 1530), und bis zur überſchweng⸗
lidjen Pracht entfaltet erſcheint fie an der gleichzeitigen
Begraibnistapelle Heinrichs VIL. an der Wejtminjter-
abtei gu London. Die Englinder teilen die Entwicde-
lung ihrer Gotik gewöhnlich in drei Perioden: early
english (friih englitd. 13. Jahrh.), decorated style
(der verzierte Stil, 14. Jahrh., Hauptivert die Fajjade
der Nathedrale zu Yorf) und perpendicular style (15.
und 16. Sabrb.).
In Deutſchland fam der gotiſche Bauſtil gwar
etwas ſpäter als in Frankreich und in England zur
Entfaltung und allgemeinen Unwendung, jedoc hat
719
| und höchſt qrandiofer Entfaltung aber am Dom von
Köln, 1248 gegriindet, dem vollendetiten Meifter-
| wert der gotiſchen A. (j. Tafeln »Rilner Dom I uw. We *
bei Urt. »Köln«). Als unerreichtes Muſter künſtle—
riſcher Konzeption zeigt ſich uns der Entwurf der
Faſſade mit den beiden mächtigen Tiirmen; im völ—
ligen Gegenſatz gegen das zerteilende und trennende
Galerieweſen des franzöſiſchen Faſſadenbaues ſteigt
hier das Ganze unendlich gegliedert, aber in durchaus
ſtetiger Entwickelung und mit ſtetem Bezug auf den
höchſten Gipfelpuntt empor. Die auf Tatel I und I
dargejtellte Wejt-, Siid- und Oſtfaſſade und innere
Wnhedt eben cin Bild diejer ebenſo reichen wie harmo⸗
niſchen Gefanttwirfung im Außern und Innern, wäh—
rend der Querſchnitt (Tafel II, Fig. 4) nicht nur die
ebenſo ſtatiſch motivierte wie klünſtleriſch durchgebildete
Übertragung des Druces der Miitelſchiffgewölde durch
Strebebogen auf die innern und äußern Pfeiler der
Querſchiffe vorführt, ſondern auch die gegliederte, an
allen Seiten abgewalmte Dachfonjtruftion der letz—
tern zeigt, durch die die reiche Gliederung der Wände
| bea Mittelſchiffs bedingt wird. Die reid) und edel
durchgeführten Detailformen der Pfeiler, Winrpergen,
Strebebogen, Rrabben und Rreugblumen find auf
Tafel 0, Fig. 5—10, dargejtellt. Nahe Verwandt-
{Gait mit Dem Kölner Dom verrät die Rathedrale von
eb, und in reid) entwidelter, dod) ſchon beträchtlich
fpaterer Uusbildung zeigt ſich cine Nachahmung des
Syjtems des Kilner Domes an der Kollegiatfirde von
Xanten. Von hidjter Bedeutung fiir die weitere Ent-
widelung der Stilform der deutſch-gotiſchen A. ift
ferner die Ratharinentfirde ju Oppenheim, der ſich als
ein Beijpiel retner und edler Entfaltung des Stiles die
Rirde von Wimpfen im Tal (1262-78) anreibt.
Von Bedeutung find ferner das Schiff des Münſters
gu Freiburg i. Vr. und das de3 Münſters von Strah-
burg, dejjen Faſſade im wefentliden das Vorbild des
anzöſiſchen Rathedraljtils befolgt. Zu den frithern
auten des gotifden Stiles in den ſächſiſchen und
thiiringijden Gegenden gehdren aufer dem Dom von
agdeburg das Chor der Kirche von Schulpforta
(1251—68) und das etwa gleichzeitige Weſtchor de3
Domes von Naumburg. Ebenfalls um die Witte des
13. Jahrh. begann der Bau des Domes von Halber-
—— während der Dom von Meißen erſt im Verlauf
es 14. und 15. Jahrh. ſeine jetzige Geſtalt erbielt
und das 1349 —53 erbaute Chor des Domes von
Erfurt als ein edled Werk jiingerer Zeit zu beseidynen
ijt. Trejfliche Beifpiele fiir die weitere Gejtaltung der
deutid) - gotijden W. geben der um den Sehlup der
otiſchen Beriode in feiner jetzigen Gejtalt beendete
om von Regensburg, der St. Stephansdom gu
Wien, der Dom gu Prag (1343 — 85), das Münſter
er bier fich am herrlichſten durdgebildet und das Ro- | von Ulm, 1377 geqriindet. In Franken find die
loſſalſte geſchaffen. Die altejten in Deutidland be- | Frauenfirdhe (1355-—61), die Lorenzkirche und das
fannten Beiſpiele der gotijden A. zeigen uns diejen | Chor der Sebaldusfirde in Niirnberg (1361—77),
Stil nod) im Kampf mit den Hauptformen des roma: | die Frauentirde von Yngoljtadt (qeqriindet 1425),
nifden. Als wichtigſte Beiſpiele fiir fein erjtes Auf- die Stadtfirde ju Wimpfen am Verg (qeqriindet 1494)
treten in Deutidland find das Schiff der Kirche zu gu nennen. Aus dem 14. und 15. Jahrh. ſtammen
St. Gereon in Köln (1212—-27), der 1208 oder 1211 | die Kirche St. Martin zu Landshut (1432 —78), die
beqonnene Dom von Magdeburg und die alte Pfarr- | Frauenfirdye zu München (1468 —-94), die Peter- und
lirche
mit — ſtatt der Säulen verſehen iſt. In den
weſtlichen Gegenden von Deutſchland ijt die 1227—
1244 erbaute Liebfrauentirde gu Trier von groper
Widhtigteit. Schlichter und klarer geftaltet fic) der go-
tiſche Bauſtil an der Clijabethfirdhe gu Marburg
1235 — 83), dem erjten villig gotiſchen Bauwerk in
utjdland, in vollſtändiger, durchaus harmoniſcher
u Regensburg zu nennen, die im Innern nod | Paulskirche (1423—97) und die Frauenkirche (1458 —
1473) zu Görlitz, der Dom ju Freiberg im Erzgebirge
(nad) 1484), das Schiff des Domes von Merfeburg
(um 1500), die Warienfirde zu Swidau (1453-—
1536), die Liebfranentirdje zu Halle (1529), die Nitolai-
tirche au Serbjt (1446—94) u.a. Für die ſpätere
Entwickelungszeit des gotiſchen Stiles find ferner jene
deforativen Architelturen bezeichnend, die, wie Div
720
‘hem S&mud oerichen wurden. Unter den ipat-
— E
ettner om Dom von Magdeburg (beqonnen 1445),
im Tom von Halberitadt (beendet 1510) und Der
“poiteiqang im Tom ju Wiiniter hervorzuheben.
Hon den Tabernafein tit das in St. Loren; ju Nürn⸗
berg das beriibmtcite. Ihre Anordnung, dod meiſt
in emfacerec Behandlung, wurde fiir Die an
dffentliden Straken errichteten Heiligenhãuschen.
wofũur bas in einfach remem Stil gebildete fogen.
Hochtreuʒ bei Godesberq unfern Bonn ( 1333) und die
fogen. Spinnerin am ſtreuz bei Bien intereſſante
Beiipiele darbieten, und bei difentliden Brunnen bei-
behalten, unter Benen der um 1360 errichtete fogen.
ſchõne Brunnen ju Nürnberg und der Warftbrunnen
in Braunfdweig (}. Tafel »Brunnen<, Fig. 3) her
—— fiir die Dekoration der difentiichen, zu
ſtãdtiſchen Sweden erriditeten Gebaiude und Privat
wobnun hat Der deuticd) - gotiſche Bauitil mande
treijliche en geidaffen, mie dies viele Werle dieſer
Art zu Regensburg, Ulm, Riirnberg, Franffurt a. M.,
ftoblen;, ter u. a. O. bezeugen. In den an der
Nordierte des Harzes gelegenen Stadten tit fiir ſolche
Gebãude meijt em hölzernes Fachwert angewandt, das
jur Uusbildung einer jierlichen Holzarchiteltur Ber-
anlaffung geqeben bat, deren bedeutendite Beiſpiele
man zu Quedlinburg, Braunidweig, Hildesheim,
Hannover und Halberitadt findet. Verhältnismäßig
felten find in Deutſchland Rathaujer gotiiden Stiles,
da die ältern Bauten diefer Art ment wabrend der
Renaijjance umgejtaltet worden find. Cin hervor⸗
ragendes Beiſpiel ijt das Rathaus in Braunidweig .
(1250 begonnen, die YUrfaden feit 1393 erridtet; |
Tafel IX, Fig. 5). Der in den Küſtenländern
der Ditfee und in cinigen an fie angrenjenden Ge—
enden von Deutidland: in Holſtein, Medlenburg,
——— den brandenburgiſchen Warten, in Preu
pen, aud) (wie es fdjcint) m Kurland und Liviand
jowie in den flandinavifden Landern entwidelte
otiſche Bauſtil, der fic) vornehmlich im Baciteinbau
ätigt, unteridjeidet fid) von der Ausbildung des
Spitems im weitliden Deutſchland durd cine ungleich
größere Schlidjtheit und Strenge. Während die leb- |
haft d efiibrte Gliederung des architeftoniidjen
Manjen, die rhythmiſch bewegte Entwidelung ſeiner
Teile gegen die Wafjenwirfung juriidtreten, feblt es
— an künſtleriſchem Sinn, der ſich ſowohl
in dem kräftigen Ernſt der Hauptformen als in der
Kühnheit der Verhailtnifie ausipridt. Eins der groß⸗
artigſten Werle dieſer Art ijt das Schloß von Marien:
burg (f. d.), dem die übrigen Burgen des Deutidhen
Ordens yu Gollub, Thorn, Mewe, Rheden, Lod:
ftadt u. a. verwandt find.
In Italien blieb man im wefentliden zunächſt
bei den Bedingungen des romaniſchen Gewölbebaues
ſtehen. Was man an Spitzbogen, Giebeln, Spigfiul:
den und an deforierenden Formen unmittelbar von
der gotiiden Bauweiſe annahm und mit jenem Ele-
nent verband, erfdcint nur als cin äußerliches Zu—
geſtändnis, das man dent allgemeinen Zeitgeſchmack
madte. Der —— aide it fetal iad Bauſtil bildet
fein in fic) abgeſchloſſenes Ganze, ijt vielmebr, ob-
gleich hãufig mut reicher Deforation verfehen, infeinen
weſentlichen Teilen meiſt unentwidelt. Eins der frühe⸗
jten gotiſchen Monumente in Atalien ijt die Kirche
San Francesco in Uififi, die 1218 — 30 durch einen
Deutidjen, Meijter Jakob, erbaut fein foll; wenig
Architeftur (qotiider Stil: Standimavien, alien, Spanien und Poctage!i
Lertner, Tabernatel u. dgl., zu kirchlichen Zweden im
gonnen 1231, m thren wetentinden
endet), in deren
mifie; Die Ausdudung fit aber im meiemtindem Dee ws
hientidhe, wabrend der Dom vom OCroeete « low be
onnen) im Schiff. den Batittien . nb
undidulen und £ hat. Diciem Sees
menten find der Campo jante zu Erie, der Dom noe
Arezzo und die Rirche Santa Rovella gz Air
ren; (1279) anjureiben. Hochit emfad umd tremg cx.
icheint Die Kirche Santa Croce yu Aioreny ( 124) ver
Urnolfo %& Cambio, von dem 1296 auch der Dem
Santa Maria del Fiore dajelbit angelegt wurbe. der
eine reichere Durdhbildung des ttaltentiden Spins
jeigt. Die Kirche San Ketronio ju Vologma deger
nen 1390) tit ãhnlich ſchwer umd unorgantich m Ao
men und BSerbhaltnijjen. Das bet wettem groRarngir
aller kirchlichen Monumente gotriden Stiles tm Males
ijt Der 1386 geqrimdete und m fermen Hauptierien om
Schluß des 15. Jahrh. beendete Dom von Warlend.
neben dem die 1396 — 1499 erbaute, ju Dem reichiten
und bedentenditen der Lombardei gebdrende Rarcazic
bei Pavia zu nennen tit. Bie in Detoration der
Rirdhenfajjaden, fo entwidelt ſich auch an den Babiiter
und dffentliden Hallen von Italien der gotiſche Baz
jtil nicht felten in eigentũmlich glanjender Berie und
zugleich fo harmoniſch, dak dieſe Baumerte als de
vollendetiten Shipfungen des gotiſchen Stiles =
Italien zu bejeichnen jind. Wabrend der Siqnoren-
palaft von Floren; (Palazzo vecchio) umd der dor
Siena, beide dem 13. und 14. Jahrb. angebdrig. nod
als ſchwere, burgähnliche Maſſen eridheimen . zeichnet
ſich die Loggia dei Lanzi in Floren; durch edie, wür
dige Berhaltnifje aus. Sehr bedeutend ijt ferner de
Borje (Loggia dei mercanti) zu Bologna. Yn dn
dffentlicden Ralajten einiger lombardiider Stadte, wir
Como, Cremona, Piacenza, entiwidelt fich eine an
ziehende Deforation, bei der romanifde und arabride
lemente mit Glück benugt find. In reicher Bradt
moderne Formen ziemlich harmoniſch mit jemem des
otiſchen Stiles verſchmelzend, erſcheint auch die Rai
Rabe Des 1456 geqriindeten fogen. großen Hofpitals
ju Mailand. Bor allem jedoch erhalten die Faſſaden
der Paläſte von Venedig tn dieſer Periode cine ebenio
dharafteriftijde wie anmutvolle Gejtalt, unter denen
als cing der reidjten, aber nod ſchweren und minder
entwidelten Beifpiele der gegen die Mitte des 1.4. Yabrd.
— Dogenpalaſt zu nennen ijt. Zierlicher tit cine
eihe von meiſt aus jüngerer Zeit herrührenden Kri⸗
vatpaläſten am Canale
Foscari, Piſani, Sagre
zuheben ſind.
In Spanien und Portugal ſcheint ſich der go
tiſche Bauſtil im ungleich erer Reinheit erhalten
ju haben als in Italien, doch fehlt es im einzelnen.
wie in der ſpaniſch⸗ romaniſchen YW. aud nicht an Ein⸗
flüſſen des mauriſchen Bauſtils. Bei der Kathedrate
von Burgos (1299) finden ſich Pfeiler angewendet.
die ganz aus Halbſäulen als Gurttriger zuſammen⸗
geſetzt find (Tafel IX, Fig. 3). Ein reidjes und glan-
* Außere entfaltete ſich an der Rathedraie zu
reelona (angeblich 1217 gegründet), deren Fats
fade 1442 durch zwei Meiſter von Ridin, Johann und
Simon, angelegt worden fein foll. Bu den ſpaniſchen
Kirchen dieier Beriode gehören die Kathedrale vor
Seqovia, deren Außeres ziemlich maſſenhaft erſcheint.
De, worunter Die Ralaite
und die C4 Doro bervor-
Architeftur (Renaijjance).
von Sevilla, ———— glänzender Faſſade, die
Kirche de los Reies gu Toledo (1494 — 98) und die
Kirche des Dominilkanerkloſters zu Valladolid, deren
Faſſade aber bereits eine wüſte Ausartung zeigt, in⸗
dem die verſchiedenartigſten gotiſchen und mauriſchen
Formen bunt durcheinander gewürfelt ſind. Unter
Den Arkaden der Kloſterhöfe finden ſich mehrfache Re-
miniszenzen an die mauriſche Kunſt. An öffentlichen
ſtädtiſchen Bauten, wie an dem Rathaus von Barce-
fona und an der Börſe von Valencia, entwidelt fid
ein nidjt minder anſprechender Deforationsftil. Dic
edeljte und regelmäßigſte Ausbildung des gotiſchen
Bauſtils auf der geſamten Pyrenäiſchen Halbinſel
tritt uns in der Kirche des Kloſters von Batalha in
Portugal entgegen, in deren Innerem, den beſten
deutſch gotiſchen Bauten wenigſtens naheſtehend, ein
vorzüglich reines Syſtem ſich entwickelt.
Die Architektur der Menaiſſanee, des Barock⸗ und
Nokokoſtils.
Die neuere oder Renaiffancebaufunft, die
in ihren letzten Uusliufern bis in unjre Tage hinein-
reidjt (Tafel X, XI u. XID), beruht auf der Wieder-
aufnahme der antifer, und zwar vorzugsweiſe der
römiſchen Bauformen, die ſich der erwadjenden hijto-
rifd)- wiſſenſchaftlichen Richtung zunächſt darboten.
Die Wiege der neuern A. ijt Italien, deſſen Werke
faſt ausſchließlich das Vorbild für die übrigen Länder
blieben. Die erſte Blütezeit dieſer A. beginnt etwa um
die Mitte des 15. Jahrh. Die Bauten dieſer gewöhn⸗
lich als Frührenaiſſance bezeichneten Periode find
von einem friſchen Lebenshauch beſeelt, der ihnen ein
eigentümlich anziehendes Gepräge verleiht. Man be-
milht ſich, mit Selbſtändigkeit die klaſſiſchen Formen
aufzufaſſen und ſie mit beſonderer Rückſicht auf das
von den antiken Gebäuden abweichende Ganze aus—
zubilden, während fic) ſpäter das Ganze vielmehr dem
als Prinzip aufgenommenen antifen Syſtem fügen
muß. Ym Vordergrunde dieſer Kunſtperiode ſteht die
Palaſtarchitektur. Die baulichen Maſſen werden fraf-
tig und großartig zuſammengehalten, ohne daß ſie ſich
durch eine aufgeklebte Scheinarchitektur zu etwas an⸗
derm geſtalten, als was ſie ſein ſollen; aber da, wo
die Maſſen ſich naturgemäß in einzelne Teile ſondern,
namentlich an den Offnungen der Fenſter und Türen,
entwickelt fid) cine bewegtere Gliederung, wozu die
Formen der antilen Runjt mit Geijt und Gefdmad
verivendet werden. Bei den firdliden Monumenten
fonnten die antifen Borbilder nicht ausreichen, wes-
halb diefe Bauten weniger Bedeutung erlangten. Die
beſſern, die der erjten Sailfte des 15. Jabrh. angehi-
ren, geigen cin Zurückgehen auf die einfache Bafilifen-
form. Später erfdeinen Gewölbeanlagen nach rimi-
ſcher Urt mit maſſigen, durd) Pilafter befleideten Pfei—
fern oder mit Kuppeln in der von den Byjantinern
erfundenen form. Die Bautitigfeit Italiens im 15
Jahrh. fam gu befonders charalleriſtiſchem Ausdruck
in einigen Hauptitddter, von denen Florenz zuerſt
gu nennen ijt. Als Beqriinder der dortigen VW. tm mo—
dernen Girne gilt Filippo Brunellesdhi (1875—
1444), bon dem die koloſſale Ruppel, mit der die Chor-
partie des Domes von Florenz bededt ijt (ſ. Tafel
»Baujtile H+, Fig. 40), die beiden Kirchen Gan Lo-
rengo und Gan Spirito und der Palaft Pitti da-
jelbjt (deffen Oberbau und Hof aber erjt {pater aus-
efiihrt wurden) berrithren. Der Burgdarafter die-
3 Palajtes bleibt fiir geraume Zeit der Typus der
florentinijden Paläſte. Die folgenden Architelten qa-
ben der rohen Anlage sugleid) das Gepriige fiinjtle-
riſcher Würde und Shinbeit, indent fie durch ange
Meyers Ronv.«Leriton, 6. Aufl., 1. Bd.
721
mefjene Geftaltung der großen Werlſtücke (der Boſſa—
gen), aus denen die Ralajte aufgefiihrt wurden, durch
ein fraftig abſchließendes und frinendes Hauptgeſims,
durch jierlidje Füllung der Fenjter cine ebenſo mar-
fige wie gefillige Gliederung des Außern ergielten,
wofiir als wichtigſte Beifpiele der Palaſt, den Miche—
10330 Michelozzi fiir Cofimo Medici baute (jest Balajt
Riccardi), fowte der von Benedetto da Wajano 1489
begonnene und von Simone Cronaca 1533 beendete
Palajt Strogzi zu Floren; (Tafel X, Fig. 1) gu nen:
nen find. Whrlide Paläſte finden fic) in Siena; be-
jonders bemerfensiert und den genannten villig ähn⸗
lid) ijt unter Diefen der Palaſt Piccolomini (beqonnen
1469), Der vermutlich von dem Florentiner Bernardo
Roffellino herrührt. Unter den iibrigen florenti-
nifden Urdhiteften der Zeit find hervorguheben: Wiu-
liano Da Majano und Leo Vattijta Ulberti (1398
bis 1472), der zuerſt mit einem gelehrten Studium
des klaſſiſchen Altertums hervortrat.
Die venezianiſchen Paläſte dieſer Zeit zeichnen
ſich, im Gegenſatze zu dem imponierenden Ernſt jener
von Tosfana, durch eine eigentümliche Leichtigkeit und
Eleganz und durd) cine bejondere Weife der Defora-
tion aus, die, aus byzantiniſchen Vorbildern erwach⸗
fen, in einem mufivifden, aus verſchiedenfarbigem
Stein gebildeten Schmuck bejteht, der in das Mauer-
wert der Faſſaden eingelaffen ijt. Die firdliden Ge-
biude, im Innern bedeutend, nehmen in der Gejtal-
tung ihres Außern an diefen Anordnungen teil. Un—
ter den venezianiſchen Paläſten dieſer Periode find als
uptbeijpiele gu nennen: der Palaſt Piſani a San
olo, die Balajte Ungaran (oder Mangoni) und Da-
rio, Der als Werf des Pietro Lombardo geltende Pa—
lajt Vendramin Calergi (1481), der Palajt Corner
Spinelli, der von Guglielmo Bergamasco 1525 er-
baute Balajt dei Camerlenghi und die am Markus—
play gelegenen, von Bartolommeo Buono erbauten
alten Profurazien. Unter den firdhliden Gebäuden
find hervorzuheben: San Zaccaria (1457); die Scuola
di San Marco, erbaut von Martino Lombardo( 1485);
die Scuola di San Rocco, feit 1517 von Bartolom-
meo Buono u. a. erbaut. Von dem gelehrten Urdi-
teften Fra Giocondo aus Verona riihren der Fondaco
dei Tedeschi gu Venedig und der Ratspalajt (Palazzo
del Consiglio) gu Verona ber.
Mit dem Unfang de 16. Jahrh. beginnt in der
Behandlung der antifen Bauformen eine größere fri-
tiſche Strenge herrſchend gu werden, verwandt mit den
zuerſt bei dem Florentiner Wiberti hervorgetretenen
ejtrebungen, wodurd) zwar jest im allgemeinen eine
gewiſſe äußere Reinheit des Stiles erreicht, zugleich
aber jene lebensvollere Phantaſie beſchränkt wurde,
die Die Mehrzahl der Werke des 15. Jahrh. durch—
drungen hatte. Rom ward für jetzt der bedeutſamſte
Mittelpunkt der italieniſchen A. Der erſte für dieſen
Umſchwung der architektoniſchen Richtung GGoch—
renaiſſance) vorzüglich tätige Meiſter iſt Bra—
mante (1444—1514). Seine Mailänder Bauten
tragen nod) ganz das anmutige Gepräge, das die ober⸗
italieniſche A. aus der ſpätern Zeit des 15. Jahrh.
auszeichnet. Später ging Bramante nad Rom, wo
ihn die unmittelbare Nähe der altrömiſchen Monu—
mente zu einer ſtrengern Nachahmung ihrer Formen
angetrieben zu haben ſcheint. Unter den Werfen der
Frührenaiſſance nimmt die Faſſade der Kartauſe
von Pavia von Ambrogio Borgognone eine hervor—
ragende Stelle ein. Dem Bramante nahe verwandt
ijt Baldaſſare Peruzzi (1481— 1537), der in Rom
mehrere Paläſte und Villen erbaute, darunter die
46
722 ArchiteFtur
fogen. Farnefina (j. d.). Bedeutendere Nadhfolger
Bramantes in Rom waren Untonio da Gangallo
der jiingere aus Florenz (geft. 1546), der Erbauer des
Ralajtes Farnefe, und Pirro Lig orio (geft. 1580),
der bemiiht war, ſich villig in den Geijt des klaſſiſchen
Altertums gu verjenfen, wovon die in den vatifani-
iden Garten belegene Villa Pia Zeugnis gibt, die als
das zierlichſte und anmutvoll{te Beiſpiel antifer Villen⸗
arditeftur erjdeint. Cine durdaus abweidende Rid-
tung entwickelt ſich in der italienifden UW. durch die Be-
jtrebungen Midelangelo Buonarrotis (1475—
1564), Der im Gegenfage gu den frühern Meijtern, die
mit naiver Anmut in den Formen der Untife ſich be-
wegten, im Gegenjak aud gu feinen Zeitgenoſſen,
die dieſe Formen mit qewiffenhafter Treue fejthielten,
fie bei Dem Bau der Peterskirche in Rom (Tafel X,
Fig. 2—4) nad jeiner genialen Willfiir umjugeftalten
und fomit den Wusartungen der Folgeseit das Tor gu
djfnen beginnt. Die Schüler Midelangelos abmten
Den arditeftonifden Geſchmack ded Meijters mit mehr
oder weniger Treue nad. Gleichwohl fand diefe will-
kürliche ortega gare Der UW. in Den nächſten
Jahrzehnten nad Vichelangelos Tod nod) wenig An—
hanger. Go bielt unter den jiingern Zeitgenoſſen die-
ſes Meiſters zunächſt Vignola (1507—73) ftreng
an Dem Studiunt de klaſſiſchen Ultertums fejt. Gein
Hauptbauwert ijt das Schloß Caprarola auf dem BW
von Rom nad) Viterbo. Gleichzeitig mit Vignola un
im verwandter Richtung mit ihm bildete fich in Rom
Galeazzo Aleſſi (1500 —1572) aus, dejjen in Genua
aufgeführte Paläſte weniger durch ihre Faſſaden als
durch die Anordnung der innern Räume, namentlich
der Vejtibiile, Höfe und Treppenhallen, ausgezeichnet
find, woran aud die ſpäter in Genua tätigen Urdi-
teften, 3. B. B. Bianco (gejt. 1656), in dem Palaſt
der jebigen Univerſität (Tafel X, Fig. 6) fejthielten.
Andre 5 ape ig ee gewahrt man bei den Ar⸗
chitelten, die im 16. Jahrh. im venezianifden Gebiet
beſchäftigt waren. Unter den frithern Meiftern find
Midele Sanmideli von Verona (1484 — 1559)
und Jacopo Sanfovino (1479—-1570), Erbauer
der Vibliothef von San Marco in Venedig (Tafel X,
Fig. 5), gu nennen, deſſen Nachfolger Undrea Pal -
ladio von Vicenza (1518—80) der gefeiertite und
cinflupreichjte Meijter der modernen A. war. Wilent-
halben wurde nod) lange nad) feinen Riſſen gebaut,
und nod) mehr ficjerte er fid) diefen nachwirfenden
Einfluß dDurd das von ihm verfaßte Lehrbud der A.
Die bedeutenditen feiner Nachfolger in Venedig waren
Vincenzo Scamozzi und Baldaſſare Longhena. Ver—
wandte, doch nicht zu derſelben Konſequenz geſteigerte
Beſtrebungen zeigen in jener Zeit: Bartolomimeo Ama—
nati zu Florenz (1511—92), Bollender des Palaſtes
Pitti und Erbauer der Briide Santa Trinita, Dome:
nico Fontana zu Rom (1543 —1607), Erbauer des
neuen Lateranpalaftes, u. a.
Der Vegriinder der Ridhtung des architeltoniſchen
Geſchmacks, die das 17. Jahrb. charafterifiert, war
Midelangelo. Jom fam es vor allen Dingen dar:
auf an, durch die Gewalt feiner Werke gu imponieren, |
Durch kühne und iiberrajdende Rombination den Be-
ſchauer mit Staunen und Verwunderung ju erfiillen,
ohne auf die Reinheit, auf die innerlide Notwendig
feit Der Wittel, die er gu foldhem Zweck anwendete,
Rückſicht zu nehmen. vies Streben ward in aus
gedehntem Maß um den Begin des 17. Jahrh. auf
qenommen; die arditeftonifden Werke diefer Beriode
haben einen gewiſſen pathetifden Schwung, der oft
Wrogartigfeit des Sinnes verrit, oft aber aud) in
(Barodftil).
abenteuerlidhen und iibertriebenen Formen fic ergeht
und mit Hoblheit des Gefiihls verbunden iſt Barod
jtil). Charakteriſtiſch hierfür find die sur Fortiegung
und gur glänzendern Gejtalting des Baues der Be
tersfirdhe von Rom ins Werk gefepten Bauten von
Carlo Maderna (1556—1639) und Lorenzo Ber
nini (1589—1680). Arbeitete der letztere und jeime
Mitjtrebenden tm allgemeinen auf Großartigkeit dee
Eindrucks hin, fo trat thnen eine andre Richtung gegen
über, die nur durd phantajtifde und launendefte
Rombinationen ju wirfen ftrebte. Das Haupt Meier
Partei war Francesco Borromini (1599 — 1667),
der Nebenbubler Bernini’. Wiles Geradlinige im den
Grund⸗ und Wufriffen femer A. ward foviel wie mig
lid) verbannt und durch Kurven der verfdjicdeniten
Urt, durch Schnörkel, Schnecken u. dql. erjegt; dex
Hauptjormen entzog er die geſetzmäßige Bedeutung
während er die untergeordneten, mehr fiir die Defo
ration bejtimmten Nebenformen mit villiger Willfir
al8 die wichtigſten Teile des Ganzen behandelte. lin
ter den Nachfolgern des VBorromini, die im einzelner
Defjen Willfiir noch zu überbieten wußten, find Ga.
feppe Sardi und Camillo Guarini (befonders in Tx
rin tatig) hervorgubeben. Im 18. Jahrh. machen fd
in der ttalienifden UW. Bejtrebungen bemerklich, dee
u einer ftrengern Formenbehandlung zurückführen
od) bereiten jie feine neue geijtige Entwidelung vor.
Die bedeutendjten Meijter diejer Beit find Filivpe
Juvara (1685-1735), der unter anderm die Superge
bei Turin baute, und Luigi Banvitelli (1700 — 1773),
der Erbauer de3 Schlofjes Caferta bei Neapel
—— Italiens blieb bei ben chriſtlich olziden
taliſchen Völlern der gotiſche Bauſtil bis in das 16
Jahrh. hinein allgemeim in Un ung. Obmobl de
Renatffance hier ſomit erjt beträchtlich fpater eingeführi
wurde, fo gibt fid) dod) bereits an den Monumenter
des gotiſchen Stiles, die Dem 15. und dem Virrfang
de8 16. Jahrh. angehören, ſehr häufig cine Behand
lungsweiſe kund, die, ohne ae cine Gemeinidett
mit dem Formenpringip der Antike gu verraten, alg
cin Ausdruck de8 neuern Zeitgeiſtes ju betrachten i
der in der Riidfehr gu einer grdpern Maſſenwirkung
und gu dem Geſetz der Horigontallinie und den bier
von abbiingigen iy a ies bejteht. Durd cine
folde Richtung des künſtleriſchen Gefühls war aud
hier die Ginfiprung der antifen Formen vorbereitet.
Die von Stalien aus feit dem Unfang des 16. Jahrt
erfolgte. Willig und felbjtindigqer ‘Broduftion ent
jagend, nahm man die Grundjage an, Die die ite
lieniſchen Meiſter in ihren Werken aufgeſtellt Hatten.
Beſondere Eigentümlichleiten begegnen uns in der
neuern A. außerhalb Italiens vornehmlich mur dx.
wo die antiken Bauformen in den Zeiten ihrer erſten
Einführung nod in einen gewiſſen Konflikt mit de:
ältern einheimijden Bauweiſe traten. Hierdurd find
manche interefjante Schdpfungen entitanden, die zu
weilen fogar nod) an den Charatfter der italienifden
Werke des 15. Jahrh. erinnern. Frantreid nament
lid) beſitzt manche bezeichnende Werke folcher Art in
der A. verſchiedener Schlöſſer. Die fiinftlerifden Un
ternehmungen des Königs Franz J. (1515—47) ver
ſchafften hier dem neuen Stil ſchnellern und leichtern
Eingang als in andern Ländern. Die vorzüglichſten
franzöſiſchen Architekten, die in ſeiner und der madhit-
folgenden Zeit tätig waren, find: Jean Bullant (Saiok
von Ecouen, um 1540), Pierre Lescot (die Altern Teile
ded Louvre, vollendet 1548) und Philibert Delorme.
In der erjten Halfte des 17. Jahrh. trat befonders
Jacques de Broſſe hervor, von dem der dem floren-
Architektur (Barod- und Rokoloſtil).
tiniſchen Palaſtſtil nadgebildete Palaſt Lurembourg
in Paris herrührt. Derſelben Zeit etwa gehört der
Beginn der Fortſetzung des Lescotſchen Louvrebaucs
durch Jacques Lemercier (geſt. 1660) an (Tafel XI,
Fig. 6). Unter den umfaſſenden Bauten, die in der
jpatern Zeit des 17. Jahrh. unter Ludwig XIV. ent:
jtanden, tritt am meijten die von Claude Perrault
ausgefiibrte Hauptfafjade des Louvre mit emer mäch—
tigen Säulenhalle vor den obern Geſchoſſen hervor,
wahrend das von J. H. Manſart, dem Erjinder der
nad ihm benannten Dadform, gebaute Schloß von
Verſailles bejonders dadurch von Bedeutung gewor-
den ijt, daß es auslindifden, namentlid) deutſchen,
Architelten als Vorbild diente. Die franzöſiſchen Ur-
dhiteften des 18. Jahrh. erſcheinen durchweg, wie die
leichzeitigen Staliener, ſehr nüchtern; nur Jacques
rinain Soujflot(1713— 81), der in feinem Kuppel⸗
bau der Kirche Ste.- Genevieve (de3 heutigen Pan—
theons) ein bei vielen Mängeln dod) grofartiges Werk
zu ftande bradjte (Tafel , wig. 6) und ſich guerjt
wieder an Die reinern Formen der Untife anſchloß,
verdient unter ihnen ausgezeichnet gu werden. Die
Frangojen nahmen iibrigens die Stilbeqriffe Renaij-
jance, Barod und Rofofo erjt nad) dem Vorgang der
Deutiden an. Gewöhnlich bezeichnen fie die Stil:
wandlungen ifrer neuern A. nad den Regenten
und unterfdeiden einen Stil Francois I, Henri I,
Vouis XII, Louis XIV, Style Régence, Louis XV
und Louis XVI.
In Spanien fand die Renaiffance ebenfalls be-
reits im der erjten Hälfte des 16. Jahrh. Cingang.
Unter Karl V. ward hier unter anderm als cin Ge-
biude von italienifder Form der (unvollendete) Pa⸗
lajt neben der Wihambra von Granada, nad den
Plinen Maducas, erbaut, dejjen trodner Ernjt gu der
jpielenden Bradt des maurijden Königsſchloſſes einen
charalteriſtiſchen Gegenſatz bildet. Bedeutenderes ge:
ſchah im der zweiten Hilfte de3 16. Jahrh. unter Phi—
lipp II., der das Escorial (Klojter und Kirche San
Lorenzo und Palajt zujammen) von 1563—84 durd)
Quan de Toledo und Juan de Herrera errichten lie}.
Sn England fam der moderne Bauſtil nidt vor
dent Unfang des 17. Jahrh. zu einer durdgreifenden
Anwendung, obwohl feit der Mitte des 16. Jahrh.
vereingelte Bauwerfe, namentlich Schldjjer und Land-
jibe, auftreten, an denen die Elemente ded neuen Sti-
les, wenn aud) mehr deforativ, neben den alten goti-
ſchen Grundformen erjdeinen. Cin Beiſpiel dafiir ijt
Cobham Hall (Tafel XI, Fig. 3), deffen Renaiffance-
teile Dem Ende des 16. Jahrh. angehiren. Der italic:
niſche Stil wurde vornehmlich durd) Inigo Jones
(1572 — 1652), einen Nachfolger VPalladios, eingeführt.
Der königliche Palaſt zu Whitehall, ein Teil —* Ho⸗
ſpitals von Greenwich bei London u. v. a. rühren
vor ihm ber. Der bedeutendſte der modernen eng-
liſchen Architekten ijt Chrijtopher Wren, der von
1675—1710 den Neubau der Paulsfirde zu London
ausfithrte. Wud) in England fpridt man nad den
Regenten von cinem Elizabethan Style, Jacobean
Style, Stil der Königin Unna x. In den Rieder:
landen ijt vornehmlich Jakob van Campen (geit.
1658), der Erbauer des großen Rathaufes von Am—
jterdDam, gu nennen.
In Deutfdland entitanden bereits feit der Mitte
des 16. Jahrh. manderlei Bauanlagen italienijden
Stiles, wie der Otto Heinrich-Bau des Heidelberger
Schloſſes (Tafel XI, Fig. 1). Dod) wußte fid) der
deutſche Geijt die antife Deforation bald fo vollſtändig
723
priige gu geben, dak fid) die deutſche Renaiffance
als jelbjtandiges Glied aus der allgemeinen Renaif-
fancebewegung herausldjte und namentlic) in der
deforativen Gejtaltung der Bauwerfe, die meijt ihre
gotijdhe Grundform bebielten, und im Kunſtgewerbe
gu reigvollen und fiinjtlerijd) wertvollen Schöpfun—
en —— die erſt in neuerer Zeit ihre richtige
ürdigung gefunden haben. Neben den fürſtlichen
Schlöſſern erſtanden vorzugsweiſe in einer großen
Anzahl von Rathäuſern glangende und ſtattliche Denk⸗
mäler, die ſich je nach der geiſtigen Richtung ihrer
Schöpfer bald oe an ttalienijde Vorbilder an-
jdlojjen, wie 3. B. die elegante Vorhalle des Rathaufes
ju Köln (Tafel XI, Fig. 2), teils die Formen des
nationalen Giebelbaues fejthielten und ibnen die
fremdländiſche Deforation unterordneten, wie 3. B.
das Rathaus zu Paderborn (Tafel XI, Fig. 5). Bu
Unfang des 17. Jahrh. erfreute ſich der nad) italie:
niſchen Muſtern gebildete Elias H oll von Augsburg
eines befondern Ruhmes; er führte dort 1602 das
Zeughaus (Tafel XI, Fig. 4) und 1615—20 das
Rathaus auf. Geidseitig (1616 —19), ebenfalls mit
Unwendung de3 italienifden Stiles, ward das Rat-
haus gu Nürnberg durch Eudjarius Karl Holz—
ſchuher erbaut. Zu den kraftvollſten Bauten aus
dem Ende des 17. und dem Anfang des 18. Jahrh.
geboren das wabhrideintid) nad) cinem Blane des
Franzoſen Blondel 1694 von Nehring angefangene
und von Joh. de Bodt vollendete Zeughaus ju Ber—
lin (Tafel XI, Fig. 2) und die Teile des dortigen
königlichen Schlofjes, die Undreas Schlüter in *
Jahren 1698—1706 erbaut hat (Tafel XII, Fig. 3).
Schlüter, der größte Künſtler feines Beitalters, na-
mentlid) in Der Sfulptur, ſtrebt in feinen Architekturen
ebenfalls nad) einer lebendig malerijden Wirtung,
verliert aber dabei ebenjowenig die fraftvolle Ge—
jtaltung des Cingelnen wie den fejten und maſſen—
haften — des Ganzen aus dem Auge. Als be—
deutende Zeitgenoſſen Schlüters ſind Joh. Bernhard
Fiſcher von Erlach, deſſen Hauptbau die 1716 be—
gonnene und 1737 beendete Kirche St. Rar! Borro-
mius gu Wien ift (Tafel XI, Fig. 5), ferner Johann
Balth. Neumann, der von 1720-—44 Ddie fiirit-
biſchöfliche Reſidenz zu Würzburg erbaute, und G. BW.
v. — zu nennen, von dem die bedeu—
tendſten Bauten, die Friedrich II. König von Preußen,
in den frühern Jahren ſeiner Regierung zu Berlin
und Potsdam ausführen ließ, herrühren.
Die von Schlüter vertretene Richtung der deutſchen
UW. entſpricht in ihrem Stilcharakter im allgemeinen dem
italieniſchen Barochſtil, der ſeit der Mitte des 17. Jahrh.
durch italieniſche Urdhiteften vornehmlich in den katho—
liſchen Ländern Deutſchlands und in Oſterreich in
Aufnahme fam. Beſonders reid) an Schöpfungen des
Barodjtils (Nirden und Paläſten) jind Wien, Brag
(jf. den Balaft Cyernin auf Tafel XU, Fig. 1), Salz—
burg, Innsbruck, Bamberg, Miinden und Maing.
Gegen dieſen italienifden Barodjtil erhob fich feit Dem
Ende de3 17. Jahrh. mehr und mehr der Einfluß der
franzöſiſchen A., der ſchon im zweiten Jahrzehnt des
18. Jahrh. auch in Deutſchland zur Herrſchaft kam
und zu der unter dem Namen Rokoko bekannten,
eigenartigen Ausbildung gelangte. Das Rofofo ijt
fein eigentlicher Architektur⸗, ſondern cin Deforations-
ſtil. Es ſetzt an die Stelle der prunkvollen Säulen—
ausſtattung und Gebälkarbeit römiſcher Herkunft ein
iippiges Geranfe von Muſcheln und Schlinggewäch-
jen, von Palmen und gebogenen Leijten, fiir deren
anzueignen und ifr ein fo entſchieden nationales Ge- | Zuſammenſtellung nur leidjtes Geringel und flache
46*
724
Gaftunn Veteg tan © Tafel -Cecemmeente a.
@atle sande amd Feder ‘tr Sem Sofcfo of
minnDeeted. yersDimige
Casarattecini® tf eae. an Ss 1 weoniers 2
Aruer ar eitaite. a Becton mt stumetatie-
4en Seger, igemBex Washiterr. Gorietiom
Stages won Seto ape tet. Santer eta eT.
ve iherhaust Jom woke Ee mur ser Sou we
perder wt. ord waar a earn. Wares amt Serce.
Zw wutther Pewee ‘td woe eo or Ser
jen Ser 4. and Jer Zrauonscfurrit 3s efoto. omer
Semen Ser 30m Bivuetmann chau “somaer wu Ires
Yen Tati Rl eq. 4 Sas Stig Soeur x:
Borden and ye Beonlons gor #nmonenmir see
aarragen Shah Jer mur jas Hofofs stele Bence
mS ime i? ‘olamtie trom
—
a
ye Siiffeor m Woe,
Stremye deqwonene sii tone EVI wma om in
Seatiches Caren Nahahmun. Wax taunez Neer SA.
Der "if 2i6 ome Meafon jeqes Ne Suéermunnet Is
Rafots Jarrell: nd sre Htederseteouna Yes comin
Stes peructe pater mt anteqrindteee Reradrane
dex 499°). 4am Dersord toon re fies
at pe Mamie wer <r jee: Eade Wes Junr
Die seseve Boctueeferr.
Mis De iter. sur we Pecedetm Yes mii’
tariten — 2mer Ariatæa mr Sve Hanis ;
ndwuer Bertade Tad Jad tor f. erg wie El
Ses |< “NahrS. oe Bertor eroete er mjeorapem
Ria ehdude wd 3as PeadenSuctes Tse Jer Lanny
Gems scrjutiores. “iz reve SAce war
Sur fenefefaner . 2515 —S4re. sorters tet worden.
Sener wieniha Sex Foriduanger © tem He La
teriuchiraqgen Ser Disrumexce Des Gredeser Lames
fio, We deils woromieiSer seigesiur scis our is
Ceeequagen pr meuer Shiphoter 2 medrider
Gere Seentem, Ire leStere Reform sercwrat jaert
mz: sofler Catidwterferr @ Xe. Sai efel [Tel
22 Po
I Dewem rede Danafert me méeeticres Sex
Wertes ws Entwiries Bem Steg des ear caen Bau
Tis, Woe e¢ Searels erfeoott wed wecntes wus.
a@ner « Xumt 303 is — ecw? secon.
aS ‘ome Deus Scetunges: 3as Soe Dloveus dre
fous mecke wrS las Sheuioweitess ce Berica. Bee
fesery Siegen, mre Bem reenter
Res oO 47 openly
om So°shem. awete er bee WL ort fer Charter icc
oa? bos oufisétte que cerSordem, maccrend eg mt et
Fenatiten é¢ us Resin be Bethemerteetrer me
bey Eelthts wns anernen Suede tworrhar mote.
Oils Lops +:3en 2 ertersce Viet suns &.
tat Ber bee att usrenze N"Stune Sanur; Seranlanuns
rr ab, rotnoedette ich ete 4 Stumag mm ber OL. Bie an De
Py erase beg rarvan “hen Stiles antriote, unt
—— ꝛe Ht Be tt xrauinat me Des ——
Aaa! .4, zung Str Gnzsnd, wo bers daudt den
thew: fi fy und wer neuern 4c ferme to gra Re
¥iutt sorhanten moat wit in andern Landern In
Feuw'it. anh nod wrehrete Ronumemcabaunten gon
Mernt stiles au — worden, m tenen aber auf
ber ernen Sete niche eine Autnaboe Ser Auberitch
fertesr eies Sales, aut der andern Zerte ere Umbil
bing noth emer mehr tlaittichen Formenwerie erũcht
Ivh mrt, melrend enyelne deutiche Architeften ſtatt
ierner zu bem romoaniden Bauinl juridaeqritien ha
her a ieien veri-trebenen Entwickelungsitufen ber mo:
bernen MH folate tet ber Mitte Ber IHtwer Sabre, wie
ber alt Meaftiom geqen ben allmablich zu feerem For:
menmeien eritarrien Zhintelihen Klaffizismus, eme
Prrtohe hes Efleftizramus, in der alle Erſcheinungs⸗
formen hes Henaimanceituts bid gu fermen legten Mus
Mecineeftrr: | rene.
Tacediet gurter. Dalrent im wintextan perder
Tt ser fray ox manniae ono ponies Slaper
ut errant retameate. Shed woes reer Efectos
tu stam et hem Seq der het Jance des
‘% Senn. me @eqenoeueqng, we amen miieien
wat
fet nD a Migrmemnier Formmen jam Hasdrrd
—— oti
coon Sertnr wurde = Shanpiag Tir grogardee
— T seen je: Sener om 24a.
Rarvgex Irs koma sul i Yeo 2. Pleage
meer n Jer Bingeotieé 3 (+i5—)). ot der Gefbads
jez Seeeushurs, 1 Yer — —
Ne Sutmmestadle md no de tex ga Sue-
fex or ler Antte et. coed fe Yer Eft’. dee
tenet musaa 103 Smgiben cece? ex ee Re-
"rae ant ‘Beout 72 Semper. wibcend Sd ctarer
Tr ler cuinradiirae Srbunrbe? wd Lmepesvinis eh
Yes Scaler Des Bitteunters am Ghee Or come
‘Met. Save aiog, «° 27 Lard ur der Beeb: des
zei. Sorfacud Xs unorcintihmer ant © af aaller
to Jer Marcumiticme =z dec Soriadt Be dex gro
‘Wen Sat wera
aang Waormien TC ‘er Le) verter ftett
Yer fieprodufium der wecwidenen Beis der Sev
nagenaet we Foimumt anes acuez Baukils
leserjurate:, Iw Dhinnewer Biademic der belden-
dem scomtie ‘ordere [3 . ecg anf med ecfieee bee
facpacer Sabet Sccer¢ cat Eecim dee Eres
at. ee aes Qe uler Rove me der Smposes par
terion si genet dpe Dee ta ere
Sri guiusileenet Guat partes ledbalb Bi r?-
(et goroectoaat. der ht moepettin® dor fen
Beamer 24 coen ¢.a@nber Sertreer der rom:
Ger Roane Semniart Sette. cher tome meter me der
meu th cust oy om rem oneatiaken Ge:
hictem moet ok deat vearriaaagedãtde umd Mer.
Monn canes Se\vnradaes jx icanfen tm ſrande
wer. Lee dee neuer Siveuserctelboutes Sim:
fend 2? tes owe Nacdees vot Hau berrijier.
Yet om Nemcctumer! erbemte Sciedanfem rem
cher. der (act wpeiet vor At. Thiecſch
es SDenr*ae Ratwmssuieum vom G. Seidl, mes
meus Deter inde owe fPrtimaenn wed Yittmern
mvGreve “clo ae Brus von © Hededer und H.
Srditel hercocqubeter Uber he wettere architeho
mv Gatandvuume Yiicuberd, wo fb Der ——
KStung peers eure sisterme entgegengeitellt gat,
— Eiienlode set. 1853) bat in ben God.
im Der beltrden Foerbebr, aomentl) an den
—“ pon Hadeiderg, ateaburg und Sarizrube.
Den rowan ool wieder zu erwecen und unjern
— Hm anqupanen gewußt. wãhrend Hi did
‘qe. 1553) in Rarigrube, Der m dem Theater ye
garisrube, der Trinfhalie in Baden: Baden und der
Runirdule zu Marisrube ieme beiten Letitungen bun
terichen bat, die altchriftliche und romantide Bauart
wetter zu entwickeln itredte. Qn neuciter Feit tit Paris
rube ebenfalls den verichedenen Richtungen gefolgi.
die etmander tn der Herrſchaft abgeldit baben. Dre
hervorragenditen Sertreter Der modernen, auj der ita
lientichen fukenden Rengiſſance jmd J. Durm und
©. Barth. Cmer freterm Verwendung antiler Fer
men verdant die Stuttgarter Schule den Fortidbritt
zu einer edien Renaijjance, wovon der Königsbau und
die Billa bei Berg von Leins, Egles Polytechmi-
fum und Stutigaris Frivatbauten Beiſpiele darbreter.
Tai.
“eee
Ardhiteftur (19. Jahrhundert).
725
Unter den Leiftungen der neueften Zeit find da3 Poſt- Im Privatbau, befonders dem ländlichen, zu deſſen
ag von Tritſchler, der Bahnhof von Mor-
od, das Gefellfdaftsgebiude der Mufeumsgefell-
idaft von Reinhardt, die Billen und Privathiu-
fer von Gnauth, das Landesgewerbemufeum von
Ne delmann, mehrere monumentale Geſchäftshäuſer
von Eiſenlohr und Weigle und der Olgabau von
Lambert und Stahl gu nennen.
Die baulide Cntwidelung Wiens, die bis 1848
unter dent Drud einer baubureaufratifden Realtion
geftodt hatte, datiert von dieſem Jahr, in dem der
Schweizer Urditeft Miller aus Wyl, Zieblands Schü—
ler, durch den in den italienifd-deutiden Formen des
romaniſchen Stiles bewirften Bau der Ultlerdhenfelder
Kirche cine erjte Unrequng gum Fortfdritt gab. Jor
folgte der Bau der neucn S nagoge im maurifden
Stu von Forjter und ded ters rtilleriearfenal3,
das aus den Ronfurrengplinen der Urditeften Han-
fen, Förſter, Rdsner, Siccardsburg und van der Nüll
fombiniert war. Von diefen Urchiteften hat bejonders
Hanſ en (ae. 1891) dDurd) den Renaiffancepalajt Erz—
herzog Wilhelms, den in dem Heinrichshof vereinigten
—— Komplex von Miethäuſern, das Parla—
ag dude und dic Ufademie der bilbenden Künſte
fiir Wien Epochemachendes geleiſtet. Während das
von Giccardsburg und van der Rill errichtete neue
Opernhaus fic) in den Formen der Spiitrenaiffance
bewegt, hat Heinrid) Ferjtel (gejt. 1883) im der Vo—
tivfirde cin edles gotiſches Bauwerk, in dem Bank—
und Borfengebiude und der Univerfitat, imponierende
Bauten im Stil der florentinijden Paläſte geſchaffen.
Unter den ftrengern Gotifern ijt vor allen Friedr.
Sd midt (geft. 1891) mit feiner Lazarijtenfirdye (1860
bis 1862), ſeinem afademijden Gymnaſium (vollendet
1867) und dem im Stil italieniſcher Gotif ausgefiihr-
ten Rathaus i nennen. Auf feinem Gebiet war er
cin trefflicjer Meijter und neben Stag, der zahlreiche
Rirchen in den Rheinlanden erbaut hat, das tüchtigſte
lied der kölniſchen neugotiſchen Schule. Der Bau
Der Hofmuſeen und des Hofburgtheaters nad Ent-
wiirferr Semper3 von Hafenauer, der Juſtizpalaſt von
UW. v. Wielemans und der Neubau der Hofburg, von
Hafenauer begonnen, von F. Ohmann fortgefest, bil-
den den monumentalen Abſchluß einer Gruppe von
Bauten, wie fie großartiger und phantafievoller feine
sweite moderne Grofitadt beſitzt. Diefer Ara ded
onumentalbaued ijt feit Beginn der Wer Jahre
de3 19. Jahrh. eine neue Richtung der A. gefolgt,
die die Bedeutung der biirgerliden Baukunjt qegen-
tiber der monumtentalen betont und teils im Anſchluß
an die bijtorijden Formen, teils in unabbhingiger
Ausdrucksweiſe wirkt. Das Haupt diefer neuen Schule
ijt Otto Wagner, dem Wien die Hodbauten der
Stadtbahn verdant. Näheres über die neueſte archi-
tektoniſche Entwicelung Wiens f. bei Artikel ⸗Wien«,
mit Tafel »Wiener Bauten<.
In Norddeutſchland ijt namentlich die Friedenskirche
zu Potsdam, von Perſius 1850 vollendet, ein glän—
zendes Muſter des Baſilikenſtils, der auch im Bad-
ſteinrohbau in Stülers Jakobilirche zu Berlin zur
Anwendung kam (1845). Stracks etritirthe ijt als
erjter Verſuch, die Gotif modernen Kirchenbedürfniſſen
anjupajjen, wenigitens von bijtorijder Bedeutung.
@enialer — iſt die im romaniſchen Stil erbaule
latholiſche St. Michagelskirche von Soller. Bu den
qropenProfanbauten, mit denen Friedrid WilhelmIV.
die Stadt ſchmückte, qehdrt das Neue Museum von
Stiiler. Unter der ro von Strad wurde ein
andrer Teil der Unlage, die Nationalgaterie, errichtet.
Ausbildung die Straken am Tiergarten und die rei-
genden Umgebungen Potsdams aufforderten, haben
Strad, Knoblauch, Hitzig und befonders Perſius Trejf-
liches —— Von den öffentlichen Gebäuden dieſer
Periode find ferner das im Backſteinrohbau aufgeführte
Rathaus von Wäſemann, die im Renaiſſanceſtil er—
baute Börſe, das erſte in Hauſteinen aufgeführte Ge—
bäude Berlins, und die deutſche Reichsbankvon Hibig
hervorzuheben. Die im mauriſchen Stil aufgeführte
Synagoge von Knoblauch zeichnet ſich ebenſowohl
durch meiſterhaften Grundriß wie durch die edlen Ver-
hältniſſe ihres Innern und ihrer originellen eiſernen
Kuppel aus. Unter den Kirchen der neueſten Periode
find die byzantiniſche Thomaskirche von Adler, die
romaniſche Zionsfirde von Orth, die Heilige Kreuz—
firde von Open, die Kaiſer Wilhelm-Gedächtniskirche
von Sdwedten, die Gnadenfirde von Spitta und der
nach einem Entwurf Kaiſer Friedrids von J. C. Raſch—
dorff erbaute Dom die künſtleriſch hervorragendjten.
Befonders zahlreich find die Leijtungen auf dem Ge-
biete des Eiſenbahnbaues, unter denen der Gorliger
Bahnhof von Orth, der Lehrter und Potsdamer, der
Unhalter von Schwechten und die Stadtbahnhöfe von
Jakobsthal bei zweckmäßiger Unlage und fiinjtlerifder
Durdbildung cine mehr oder minder qelungene Ver—
bindDung des Steinbaues mit dem Eiſenbau zeigen.
Die Privatarditettur weiſt eine Fille von Bauten
auf, die, in dem Charafter eines Palajtes oder einer
Villa gehalten, meijt ſowohl in Anlage als in Form
vortretflic find. Auf dieſem Gebiet haben ſich in
den letzlen dreißig Jahren des 19. Jahrh. neben den
Meiſtern der ältern Periode, wie Lucae und Gro-
pius und Schmieden, beſonders Ende und Böckmann,
Kayſer und v. Großheim, Kyllmann und Heyden,
von der Hude, Otzen, Cremer und Wolffenſtein, H.
Griſebach hervorgetan. Eine Spezialität der Berliner
A. ijt bas nad) amerikaniſchen und engliſchen Muſtern
eigenartig ausgebildete Warenhaus geworden, wofür
A. Meſſel einen mehrfach nachgeahmten Typus auf-
geſtellt hat. Hervorragendes leiſtet die Berliner A.
aud) im Landhausbau, der in den Vororten Berlins
Schöpfungen von hohem künſtleriſchen Wert hervor-
ebracht bat. Uber die neueſte Entwidelung der A.
Herling, in Der das von P. Wallot entworjfene und
ausgeführte Reichstagsgebäude (j. Tafel bei » Reidhs-
taq«), das Landgeridt I von Otto Schmalz und die
ftadtifden Neubauten von L. Hoffmann, dem Erbauer
Des Reichsgerichtsgebãudes in Leipzig, Martiteine bil-
den, ſ. Näheres bet Urt. »Berlin«, mit Tafel » Berliner
Bauten I-III«.— Unter den Bauwerfen Dresdens
find Sempers Theater (1841 vollendet, 1869 ab-
ebrannt, von neuem nad feinem Blan 1872 —77 er-
Bout) ausgezeichnet zugleich durch die Fülle bedeuten-
den Schmuckes, fiir welche Plaſtik und Malerei auf das
freigebigite aufgeboten wurden, und fein Mujeum, der
Schlußſtein des mächtigen Swingerbaues, hervorju-
Heber. Mit dem Jahre 1848 erreichte Sempers Tiitig-
feit vorerjt in Dresden ihr Ende und fand in der
Schweiz, wo er im dem eidgenöſſiſchen Rolytednifum
zu Zürich und in dem Rathaus ju Winterthur Bau-
werfe in edlem Renaijjancejtil ſchuf, und ſpäter in
Wien ihre Fortiegung (j. oben). Uber die Bauwerke
der neuejten Zeit vgl. »Dresden«, mit Tafel »Dres-
dener Bauter«. Leipzig zeigt im Privatbau die Be—
vorzugung der Renaifjance unter Dresdener Einfluß
und erfreut fid) im Mufeum des Miindeners Ludwig
Lange, das 1858 vollendet und feit 1883 durd Lip-
find und Licht erweitert wurde, eines feinem Swed
726
trefflich entſprechenden Gebäudes. Weiteres iiber die
Leipziger Bautätigkeit in neuerer Zc ſ. Art.»Leipzig«,
mit —* »Leipsiqer Bauten«. Braunſchweig hat
durch Ottmer (1831— 36) ein ſchönes, im Renaif-
jancejtil mit forinthifden Saulenjtellungen erbautes
Reſidenzſchloß, das ſpäter, teilweije durd) Feuer jer-
jtirt, in der alten Gejtalt wiederhergejtellt wurde, und
durch Raſchdorff einin gotifdem Stil erbautes Pojt-
gebäude erhalten. Die hervorragendjte Leijtung aus
neuejter Feit ijt die Wiederherjtellung der Burg Dank-
warderode durch &. Winter. Hannover hat bei be-
deutendem Anwachs der Bevilferung eine große Bau-
tiitigfeit entfaltet. Das 1852 eröffnete Theater von
Laves ijt cin prachtvoll ausgejtatteter Renaifjance-
bau im Rundbogenjtil; augerdem find Hafes Mu—
feum (romaniſch) und Chrijtusfirde (gotiſch), das
Bahnhofsgebäude und das Mufeum der Proving Han-
nover (1901) von H. Stier als Bauten von hervor-
ragender Bedeutung zu erwähnen. Unter den dffent-
lichen Gebiuden Bremen find die im gotifden Stil
erbaute Birje von Müller, der Babnbor, das Ge⸗
richtsgebãude und die Kunſthalle hervorzuheben. Von
Köln aus, wo der gotifde Stil durch den wieder
aufgenomimenen Dombau unter Zwirners Leitun
trejfliche Pflege fand, verbreitete er fic) wieder *
durch Deutſchland und rief —— Bauten hervor,
unter denen die Nifolaifirde gu Hamburg von dem
Engliinder Gilbert Scott, 1863 eingeweiht, und
bie Kölner Bauten von Stag gu nennen find. Jn
Sd werin find durd den von Schinkel beeinfluften
UW. Demmler mehrere Monumentalbauten entitan-
den
e
B librenaiffance erridjtete, von Stüler vollendete
Schloß die bedeutendjten find.
Deutſchland zunächſt hinjidhtlid der Bedeutung des
neuejten architektoniſchen Schaffens ſtehtFrankreich,
wo Die provinjiellen Eigentümlichkeiten nicht fo wie
dort hervortreten, fondern Baris allein den Mittel-
ee aller Broduftion bildet. Auf die ftreng antifi-
ierende Richtung eines Percier und Fontaine
folgte die freiere klaſſiſche sg ag des 1867 ver-
ftorbenen Hittorf aus Kiln, der die edle Baſilika
St.Vincent de Raul baute, und dem die Vollendung
Der Anlage der Place de la Concorde ju danfen ijt.
Unter den Leijtungen der Gotifer, die fajt durchweg
den früheſten Formen dieſes Stiles ſich anſchließen,
find Viollet-le-Dues Kirche in StDenis und die
Kirche Ste.- Clotilde gu Paris von Gau aus Köln
hervorjzuheben. Bon größerm Erfolg war der An—
ſchluß an die Renaijjance, wie er ſich namentlich ſeit
der Rejtauration und Erweiterung des Hotel de Ville
(nad) der Zerſtörung durd) die Kommune in ziemlich
engem Anſchluß an den dltern Bau durch Ballu und
Deperthes wiederaufgebaut) undin Dubans edler
Schöpfung, der Ecole des beaux-arts, zeigte. Cine
Ghnliche Richtung verfolgte Visconti, der ſich als
Meiſter in der Anlage von Denfmalern, wie der Fon:
tiine St.- Sulpice, der Fontäne Moliere, der Kaiſer—
qruft unter dem Invalidendom, bewährte und unter |
Dem zweiten Kaiſerreich Die Plane gum neuen Louvre:
bau machte. Die öffentliche wie die Privatarchitektur
Der neuen Stadtviertel kleidet fic) mehr und mehr in
Die Formen der üppigſten Spatrenaifjance, fo in
Garniers Neubau der Grofen Oper, in einigen
neuen Rirden, St.-VWuguitin am Boulevard Males
herbes (von Baltard) und in Ste.-Trinité Yur hier
und da bringt die Brivatarditeftur, namentlid in
Landhäuſern, Beſſeres ju ftande. Cin Verſuch, durd)
, unter denen das im florentinifden Balajtitil |
haltene Arſenal und das im Stil der franzöſiſchen
Architeftur (Gegenwart; Literatur).
Verbindung von romanijden, mauriſchen und Re
naifjance-Clementen einen neuen Stil zu ſchaffen, tit
in Dem 1877 —— für die Zwecke der Weltaus
ſtellung vollendeten Trocaderopalaſt von Daviond
und Bourdais gemacht worden, der durch die für
Die vem abs | vor 1900 erbauten, ftarf mit
plajtijdem Schmud iiberladenen Munjtpalajte von
Girault, Thomas, Louvet und Deglane nicht über
troffen worden ijt.
Sn England fithrten feit dem Unfang des 19.
Jahrh. archäologiſche Forjdungen ju einem nod
reinern und völlig unvermittelten, dafür aber and
deſto einfeitigern Anſchluß an flaffijhe Borbilder.
Mit der Zeit hat man fic) der Spatrenaijjance zu—
gewendet, die man ſowohl bei palaftartiqen Gebauden
als bei ſtädtiſchen Wohn- und Gefdiftshaufern an-
wendet. Dancben wird mit Vorliebe, wo es gebt, me
Gotif, meijt in ihren fpatejten Formen, angewendet
(Barrys Parlamentshaufer). Der Schwerpunkt der
englifden Bautiitigteit unfrer Zeit liegt in der Soli—
dDitdt des Techniſchen, gu der bisweilen eine gefdymod
volle Behandlung des Ornaments hingutritt. Grog
artiges ijt eee auf dem gan; modernen Gebicte des
Glas- und Cifenbaues geleijtet worden, wo der jest
nad) Sydenham iibertragene Krijtallpalajt der erjten
Weltausitellung von Parton hervorzuheben ijt. In
jiingiter Zeit hat fic) in der Privatarditettur cin eigen
artiger Stil herausgebildet, Der fic) von der Uber.
lieferung unabhängig zu maden fudt. Hier ijt Ror:
man Shaw in erjter Linie zu nennen. Cine gleiche
Bewegung ijt =e in Belgien ju beobadten, wo
befonders Victor Horta und P. Hanfar in Brie
hervorgetreten find. liber die hervorragendjten Bau
werfe Der neueſten Beit enthalten die den betreifenden
Hauptitidten xc. gewidmeten Vrtifel (nebſt Tafeln)
nähere Ungaben. Cine Erglingumg der beifolgen⸗
den Tafeln »Urditettur I—XIl« bilden die Tatetn
»Baujtile I und He und -Geſchichte des Wohnhauſes
I und Ie, :
[Literatur.] Wit Uberqehung der veralteten Lite
ratur ijt in erjter Linie als Filhrer ju erwahnen: B.
Lübke, Gefdhichte der A. (6. Aufl., Leip;. 1884 —s6,
2 Bde.), mit reichhaltigen Literaturnadweijen; als
neueſtes Werk die »>Gefchichte der U.e von D. Joſeph
(Berl. 1902, 2 Bde.). Daneben find Schna aſe, Ge
ſchichte Der bildenden Künſte (2. Mufl., Diiffeld. 1865 —
1879, 8 Bde.), und Kugler, Gefdhichte der Barfunit
(Stuttg. 1856 —59, Bd. 1 —3; fortgefegt von Burd-
hardt und Liibfe: »Renaiffance in Italien, Fran.
| reid) und Deutſchland⸗, und Gurlitt: »Geſchichte des
Barodjtils, des Rofofo und des Klaſſizismus«), die
Hauptwerfe. Als Leitfaden find aud W. Libfe, Ab—
riß der Geſchichte der Baujtile (4. Mufl., Leipz. 1878)
und v. Gaden, Katechismus der Baujtile (14. Uni,
Daj. 1901) gu empfehlen. Für die A. des Altertums
ijt Perrot und Chipies, Histoire de l'art dans
l'antiquité (1881 ff., bisher 8 Bde.), das am größten
angelegte und inhaltreichſte Werl. Für die Kennt
nis der griechiſchen A. hat K. Bötticher, Die Tefto
nif der Hellenen (2. Wujl., Berl. 1869 ff.), lange Seit
in hohem Anſehen geitanden, das aber Durd die mene:
ften Forſchungen erjchiittert worden ift; die beſte bau⸗
technifche Briifung aller Überreſte der griechiſchen und
römiſchen A. enthalten: J. Durm, Die Baukunſt
der Grieden (2. Uufl., Darmft. 1892) und Baukunſt
der Etruster und Romer (daf. 1885). Für cine Haupt-
epoche der italienifden VW. liefert O. Mothes, Die
Baufunit des Mittelalters in Stalien (Gena 1883),
reidjes Material. Die ⸗Baukunſt der Renaiffance tm
Architeftur —
Stalien« hat J. Durm in hiſtoriſcher und techniſcher
Entwidelung gejdildert (Stuttg. 1902); weiter fom-
men in Vetradt: H. Holtzinger, Die altchriſtliche
und bygantinijde Baukunſt (2. Aufl., daſ. 1899);
. Otte, Gefdhicte der romanifden Baufunjt in
Dentidland (Leipz. 1874); G. v. Bezolhd, Die Bau-
funjt der Renaijfance in Deutſchland, Holland, Bel-
und Dänemark ya 1900); R. Dohme,
jdichte der deutſchen Baufunjt bis gum Ende des
18. Sabrhunderts (Berl. 1887); G. Galland, Ge-
ſchichte der holländiſchen Baufunft und Bildnerei
(Srankf. 1889); H. v. Geymüller, Bautunjt der
Renaijjance in Frankreich (Stuttg. 1898 —1902).
Das Material an bildliden Darjtellungen ijt
durch die Monographien und Sammelwerfe jo un-
geheuer angewadjen, dak wir nur die Gammlungen
erwahnen, die eine Anſchauung von der gejamten
Entwickelungsgeſchichte der A. —— und von
den auf einzelne Gebiete bezüglichen Publikationen
nur die dem neueſten Stande der Wiſſenſchaft ent-
ſprechenden. Eine allgemeine Überſicht geben: Gail -
habaud, Denfmiler der Baufunjt aller Zeiten und
Minder (a. d. Franz. von Lohde, Hamb. 1842 —50,
4 Bde.); Lübke und v. Lützow, Denfmialer der Kunſt
(7. Unfl., Stuttg. 1896; neue Bearbeitung 1902 jf.),
und Seemanns »Runjtgeididte in Bildern« (Leipz.
1900 -—1902, 5 Bde.). Die fiir einzelne Epochen wich⸗
tigjten Sammelwerfe find: Strad, Baudenkmäler
de3 alten Rom (Berl. 1890); Schafer, Die mujter-
gilttigen Kirchenbauten des Mittelalters in Deutſch—
and (daj.1892—1902); Viollet-lesDuc, Diction-
naire raisonné de l'architecture frangaise du XI.
au XVI. siécle (Bar. 1854—68, 10 Bde.); Leta-
rouilly, Edifices de Rome moderne (daj.1840—57)
u. als Ergänzung dazu: Strad, Baudenfmiler Roms
des 15.—17. Jahrhunderts (Berl.1891); Reinhardt
und Rafddorff, Palajtarditeftur von Oberitalien
und Tosfana vom 15.—18. Jahrhundert. I. Genua.
If. Tostana (daf. 1882—-88). ILL. Venedig (daf.
1896 ff); Steqmann und Geymiiller, Die U.
der Renaifjance in Stalien (Münch. 1887 ff.); Ort-
wein u.a., Deutidhe Renaiffance (Leip;. 1871—8s8,
9 Boe.); Frith, Denfmaler deutider Renaijjance
(Berl. 1891, 3 Bde.); Lambert und Stahl, Motive
der deutſchen VW. des 16., 17. und 18. Jahrhunderts
(Stuttg. 188893); Palujtre, La Renaissance
en France (Bar. 1879 ff.); Abide be Documents
classés de l'art dans les Pays-Bas du X. au XVIII.
siécle (Yintwerp. 1880—89); Ewerbed, Die Renaif-
jance in Belgien und Holland (mit Neumeijter u. a.,
Leip; 1883 —89, 4 Bde.); Uhde, Baudenfmiiler
in
in Dänemark (daſ. 1888); >» Monumentos arquitecto-
nicos de Espafiae (Madr. 1859—79); Junghän—
del, Die Baufunjt Spaniens (Dresd. 1889 — 92);
Ubde, Baudenfmiler in Spanien und Portugal
(Berl. 1892); Dohme, Baroch und Rofofo-V. (daj.
1892, 3 Bde.); Licht: Die UW. Berlins (daf. 1877),
WU. Deutſchlands (daſ. 1879-82, 2 Boe.), U. der
Gegenwart (daj. 1889 — 1900) und A. des 20. Jahr—
hunderts (daſ. 1901 ff.).
Bon Lehrbiidern der AU. find hervorzuheben
das »Handbuch der Baufunde« (Berl. 1887 ff.), von
dem dre 2. Abteilung die ⸗Baukunde des Architeklen«
(4. Uufl., daſ. 1885jf.) bildet, und das umfangreide
Handbuch der A.« (hrsg. von Durm u. a., Darmſt.
u. Stuttg. 1881 ff.), beide reich illuſtriert; daneben find
Mothes, Bllujtriertes Baulerifon (4. Uujl., Leipz.
Architefturmalerei.
727
1881—83, 4 Bde.), das » Dictionnaire raisonné d'ar-
chitecture« von Bose (Par. 1876—80, 4 Bde.) und
dad »Hodbau-Lerifon« von Sdhinermart u. Stiis
ber (Berl. 1902 jf.) gu erwihnen. Zeitſchriften:
» Sentralblatt der Bauverwaltung« (amtlides Organ
des preußiſchen Urbeitsminijteriums), » Deutiche Bau-
jeitunge, »Zeitſchrift fiir Bauweſen«, » Blitter fiir W.
und Runjtgewerbe<, » Berliner Urditefturwelt« (faimt-
lid) in Berlin erſcheinend); »Allgemeine Bauzeitung«
und »Der Urchiteft« (Wien). In Franfreic find die
»Revue générale de l’'Architecture«, der » Moniteur
des Architectes« und bie »>Gazette des Architectes
et du Batiment«, in England »The Architect «, >The
Builders und »The Building News«, fiir Holland
das » Bouwkundig Weekblad« und die » Bouwkun-
dig Tijdschrift«, fiir die Bereinigten Staaten die
»American Architect and Building News« und
»The American Builder« die Zentralorgane.
Architekturmalerei, die Gattung der Malerei,
die die Werke der Baufunjt an und fiir fid) yum
Vorwurf ihrer Darjtellung wählt. Bei den Sit.
fern des Wltertums und des Mittelalters wurde die
Architeltur nur als Hintergrund oder Umnrahmung
eines Gemäldes oder aud) als bloße phantajtijde De-
foration verwendet. Für Wusbildung einer cigent-
lidjen A. war erjt das Uuftreten der Gebriider van
Eye (um 1426) entſcheidend, die, mit tiefer Nenninis
der Linearperfpeftive und der Gefege der Urditettur
ausgeriijtet, ihre Figuren in reale Baulichleiten hinein-
ftellten. Ihre Grundjiige verbreiteten ſich über den
anjen Norden und übten felbjt auf die italienifde
hunt einen makgebenden Einfluß aus. Zur villigen
Loslifung der YL. von der firdliden Maleret fam es
freilich ert im 16. Jahrh., und gwar vor allent in den
Niederlanden, wo die Anregung der van Eye in voller
Stirfe fortgedauert hatte. Boran fdritt hier Dan
Vredeman de Vries (geb. 1527), der Hendrif van
Steenwyd den Altern untervrichtete, dem wieder fein
Sohn Hendrif van Steenwyed (geſt. nad) 1649) und
Peter Reefs der ältere folgten. Den größten Ruhm
unter ihnen genießt Reefs, der die Linien- und Luft-
perjpeftive mit Meiſterſchaft beherrſchte; Teniers,
Franck, rien“ u. a. haben feine Gemälde ftaffiert.
Bur villigen Befreiung von der harten Vanier die-
jer ältern Meijter gelangte die A. erft durch Manner
wie S. van Ehrenberg, Gheringh, P. Neefs den jiin-
* u. a. in Belgien, de lOrme, van Delen, H. van
liet, 3. UW. Berdheyde u. a. in Holland, namentlid
aber dDurd) Emanuel de Witte in Amſterdam, auf den
Rembrandts malerijdhe Behandlung von größtem
Einfluß war. Uuc der Landſchaftsmaler J. van Ruis-
rofbritamnien x. (Berl. 1890—94); Nedel- | dael verftand ſich meijterhaft auf die UW. Uberhaupt
mann und Meldahl, Denfmiler der Renaijfance
ijt Die ganze hollandijde Schule des 17. Jahrh. durd
ihre Ynterieurs, ihre Stadt- und Stragenprojpette,
in weld) legtern fic) namentlid) J. van der Meer und
J. van der Heyden auszeichnen, der A. zugewendet.
In Htalien brachte es die W. nicht gu einem beſondern
Bweig; bier betradtete man Landfdaft und Urdi-
teftur als bloßen Hintergrund des Hijtorienbildes.
Benozzo Gozzoli, Ghirlandajo, Perugino, Rajfael u. a.
malten wohl Urditeftur, aber nicht ume ihrer felbjt
willen. Mehr war man in der venezianiſchen Schule
(Giorgione, Tintoretto, Veronefe) der A. zugewendet,
obne ee freilid) auch vom Hijtorienbild loszulöſen,
bis im 18. Jahrh. U. Canale und fein Neffe Bellotto
(qenannt Canaletto), Guardi u. a. die Schönheit der
venejianifden Paläſte und Randle um ihrer felbjt
willen darjtellten und damit fiir Italien erjt die eigent-
lide A. beqriindeten.
728 Arditheorie
Im Beginn der modernen Kunſtentwickelung ijt vor |
allen Sdyinfel zu nennen, der mit einer flaffifden |
Richtung einen fein entwidelten Sinn fiir deforative |
Wirfung verband und neben eiqnen malerijden |
Schöpfungen aud die Anregung ju den mit wabr-
haft künſtleriſcher Bollendung ausgefiihrten Theater-
deforationen fiir Berlin gab. Jn letzterm Fad) lei-
jtete namentlich Karl Gropius Ausgezeichnetes. Do-
menico Quaglio erhob die Staffelei- WU. wieder aus
ihrem Verfall. Ausgezeichnete Urchitefturmaler wa:
ren ferner Dajenpflug in Halberjtadt, Ainmüller
und Vermeerſch in Minden. Bulian in Düſſeldorf
wählte vorzugsweiſe altertiimliche Stragen, alte, ver= |
fallene Kirchen xc. zur Darjtellung. Nod) verdienen |
genannt 3u werden: Gartner, Helfft, Dietrid, Kon—
rad, v. Bayer, Neher, Gerhardt, Mayer und die
Uquarellijten Karl Werner (Leipzig) und Rudolf und
Fran; Wit (Wien). Der beriihmtejte deutſche Urdi-
tefturmater der neuern Zeit war K. Graeb (gejt. 1884)
in Berlin, meijterbaft in der Berjpeftive und der
jorgfaltigen, aber immer malerifden Unsfiibrung.
Neben ihm find Seel (Diijjeldorf), Chr. Wilberg,
Körner, H. Herrmann, F. Rojjart, Konrad Leſſing
(Berlin), Choulant (Dresden), L. v. Hagn (Miinden)
und Lor. Ritter (Nürnberg) gu nennen. Yn Frant-
reid) war Granet (qejt. 1849) der gefeiertite Urdhitef-
turmaler der Neuzeit, der feine Gegenjtinde immer
von Der originelljten und charaktervollſten Seite auf-
zufaſſen und mit ſehr wirfungsvoller Staffage aus:
gujtatten verjtand. Yn Franfreid) wendeten viele |
Miinjtler aud) die Aquarellmalerei mit Erfolg zu ar: |
chiteftoniiden — an, fo Ouvrié, Garne-
rey, Rochebrune, Villeret. Dasfelbe geſchah in Eng:
land von Haghe, Chafe, Howse u.a. Andre in Eng-
fand geriibmte Architelturmaler find: Brout mit ſei—
nen ttalienijden, deutiden und andern Profpeften;
Roberts, der ſpaniſche und orientaliſche Bauwerfe mit |
feltener Genauigfeit und Wahrheit zur Anſchauung
zu bringen weiß; ferner Mackenzie, Goodall, Williams,
der in London anſäſſige Schwede Axel Haig, der ſeine
Architekturſtücke meiſt radiert. Unter den Italienern
find Migliara, Biſi, Nerly (Nehrlich, cin Deutſcher),
L. Bazzani und A. Tavernier, unter den Holländern
und Belgiern Waldorp, Carſen, Bosboom, van
Haanen, ten Kate, Springer und Boſſuet, unter den
Dänen H. Hanjen zu nennen. Ausgezeichnete Dar-
ftellungen perſiſcher und indifder Bauwerfe haben
Der Ruſſe Wereſchtſchagin und in neuejter Zeit der
Amerikaner Edwin Weeks gefdaffen.
Architheorie (qried.), bei den Uthenern eine der
fogen. Leilurgien (J. d.), Die Ausrichtung der Heiliqen
Geſandtſchafien (j. Theorie) gu den vier großen Na—
tionalfejten, nad) Delos und andern heiligen Orten.
Architrãv (qried.-fat., das Epijtylion der
Griechen), der erjte, unmittelbar auf den Napitellen
der Säulen griechifden und römiſchen Stiles auflie-
gende Querbalfen, der die übrigen Teile des Gebälks
und Daches trägt, ijt entweder glatt oder in drei
bandartig aufeinander folgende Streifen geteilt, die
jeine Unterfante nuit der Stirnfläche des ganzen Ge-
Halts vermitteln. Gewöhnlich find die Trennungs—
lieder dieſer Streifen mit Blattreihen oder Berl
ſchnüren geſchmückt. Im dorifden Stil ijt der W. qlatt
und bildet den Trager der Triglyphen (Dreifdlige)
und Metopen (Zwiſchenfelder) und ded Tympanons
(Giebels), im ionijden und forinthifden Stil ift er
Dreitetlig (f. Tafel » Urdhiteftur MT «, Fig. 8) und bildet
Den unntittelbaren Trager des Bilderjtreifens (Jopho⸗
ros). Der Varodjtil, dem das Rofofo folgte, hat ihn
Schriftſtücke, die als Zeugniſſe der
— Ardiv.
wider die Logil der Technil geſchweift und nad aujen
oderinnen gefriimmt. Sql. Tafel > Saulenordnungen«
Archiv (qried. archeion, d. h. ſicheres Gebaude,
lat. archium, archivum, chartarium, tabulariam,
scrinium), cine Sammeljtatte auf amtlichem Beg er
wadjener und in amtlidem Intereſſe aufbewahrter
angenbert sa:
gleich Duellen der Geidichtswijjenidaft find. G@ne
den und Romer verwahrten in der altejten Zeit de
zur Uufbewahrung bejtinmmten Urfunden und Utter
in Den Tempeln: jo dienten das Heiligtum der De
meter, das WMetroon, in Uthen, die Tentpel des Sa
turn, der Ceres u. a. in Rom als Staatsarchive Das
taiſerliche A. befand fid in Rom auf dem PBalota
und jpater in Byzanz am kaiſerlichen Hofe; daneben
bejtanden die Provingialardive der hdhern Beamer
und Urchive der Stadte. Nach dem Muſter diejer
römiſchen Archive aus der Kaiſerzeit organiferiea
die Pãpſte das thrige. Die Altejten zuverläſſigen Nad
richten über das papjtlicde A. führen tn die Feit de—
Papjtes Damajus (366 —384); dod ijt uns ans der
Epode vor dem 13. Jabrh. nur wenig davon erbel
ten. Unter Baul V. (1605—21) wurde das jepior
vatifanijcde UL. erbaut, und am Ende des 18. Sabrd
wurde aud) das YU. der Engelsburg im den Batifan
gebracht. Wie die Papijte, * forgten aud) Bijdoie
und Äbte und bald auc) die Städte für qute Ord
nung ibrer Urdive; dDagegen blieb das Archivweſen
der weltliden Fürſten hinter dem der geiſtlichen lange
zurück. Unter Rarl d. Gr. befand fic) cin Ain der
faijerliden Pfalz gu Aachen; ſpäter fiibrten die Nx
jer Urfunden und Alten auf ibren Zügen mit ſich
Mit Uusnahme defjen, was Heinrich VIT. bei femem
Tode (1313) in Italien zuriidlie® (jest in Turin und
Piſa aufbewahrt), hat ſich aus alterer Zeit fajt nichts
von den Beſtänden des ReidSardivs erhalten. Grit
im 15. Jahrh. ward fiir defjen bejjere Organijation
qejorgt, und 1495 wurde jum erjtenmal verjucdt.
ejeplidje Bejtimmungen dariiber ju treffen. Des
Reichshofarchiv ijt jest in Wien; eben dahin Fmd 1866
die Rejte des Archivs der Maingifden Reichsfargla
gebradt worden; das A. des ehemaligen Reichslam
mergerichts ijt teils unter die einzelnen Bundesjtaaten
verteilt, teils unter preußiſcher Verwaltung in Bes.
lar verblieben. Auch die Geſchichte der landesfiiry
lider Archive Deutidlands gent nidt über das 14.
Jahrh. zurück; viel friiher dagegen ijt cine zwed
mapige Ordnung de3 Archivweſens im normannifden
Unteritalien, in Franfreid) und in England erjolgt
Das neue Deutfde Reid) bejigt nod fein ag
nes U. Gn Preußen unterfteht die Urchiwvermal.
tung dem Präſidenten de3 Staatsminijteriums; an
ihrer Spige ſteht der Generaldireftor der Staatsar
chive in Berlin; die 18 Staatsardive in Berlin (Ge-
heimes Staatsardiv), Uurid, Breslau, ig,
Diijjeldorf, Hannover, Koblenz, Königsberg i. Br.
Magdeburg, Marburg, Münſter, Osnabriid, Bojen.
Schleswig, Siqmaringen, Stettin, Weplar, Wied
baden werden von Urdivdireltoren oder Staats
ardivaren geleitet. Das finiglide Hausarchiv in
Charlottenburg unterjteht dem Hausminijteriam. In
Bayern gibt es auger dem Wilgemeinen Reichs
ardiv, dem Geheimen Hausardiv und dem Gehei—
men Staatsardiv in München Kreisarchive in Am—
berg, Bamberg, Landshut, Miinden, Neuburg a. d.
Donau, Nürnberg, Speyer und Wilrgburg. Die
Staatsardive der iibrigen Bundesftaaten befinden
fic) mit wenigen Ausnahmen (Rerbjt fiir Anhalt.
Wolfenbiittel fiir Braunjdweig) in den Hauptſtãdten
Archiv (Staatsardive, Urdivjdulen, Einridtung der Archive 2c.).
Elſaß- Lothringen hat nod fein Landesarchiv, aber
drei Bezirlsarchive in Kolmar, Megs und Straßburg.
Die Yrdive der größern deutſchen Städte, wie Machen,
Frankfurt a. M., Koln, Nürnberg, Strakburg u. a.,
fonumen manden Staatsardiven an bijtorifder Be-
deutung gleid. Jn Ojterreid gibt es neben dem
f. u. £ Haus⸗, Hof- und Staatsardiv ju Wien, das
unter dem Vtinijterium der Auswärtigen Ungelegen-
Heiten fteht, widtige Archive bei dem Kriegs-, Fi-
nanz- und andern Minijterien und Statthalterei-
oder Landesardive in den eingelnen Rronlandern,
Die bedeutendjten in Graz, Junsbrud und Prag. Die
Schweiz hat außer dem Bundesardhiv in Bern
Staatsarcdive in allen Nantonen. Jn Franfreid
ijt das Zentralardiv (Archives nationales) in Baris;
die Minijterien haben ihre eignen Archive, unter
Denen die der Auswärtigen Ungelegenheiten und des
Krieges die widtigiten find; Probingialardhive be-
jtehen in allen Hauptorten der Departements. Das
englifde Staatsardiv (Public Record Office) in
London jteht unter der oberjten Leitung des Master
of the rolls, eines boben ridterliden ——— mit
Vorſchlägen für die Ordnung des ſehr mangelhaft
organiſierten Archivweſens in den Provinzen iſt neuer⸗
dings eine königliche Kommiſſion beauftragt worden.
Ein Public Record Office beſteht aud fiir Irland
in Dublin; das ſchottiſche Staatsardiv in Edinburg
Heit General Register House. Jn Italien ijt die
Urchivverwaltung dem Minijterium des Innern un—
terjtellt; es gibt 10 Oberbeamte (Sovrintendenti degli
Archivi) bei den Archiven zu Bologna, Cagliari,
Florenz, Gera, Mailand, Neapel, Palermo, Rom,
Turin und BVenedig; auerdem beſtehen Staatsar-
shive in Brescia, Lucca, Mantua, Maſſa, Modena,
Barna, Pija, Reggio d'Emilia und Siena. Da-
neben jind bier außer den ſlädtiſchen aud) dic Urdive
der Biſchöfe und der Domlapitel, eingelner Klöſter,
wie Monte Cafjino, und der Notariatsfollegien wid):
tig. Jn Velqien und den Riederlanden gibt es
aufer den Zentralardiven in Brüſſel und im Haag
andre in den Hauptitddten aller Brovingen. Für den
Norden und Ojten Europas find die Staatsardive
von Budapeft, Chrijtiania, Helfingfors, Copenhagen,
Petersburg, Stodholm und Warjdau von bejonderer
Bedeutung. Das portugiefifde Hauptardiv ijt
in Lijjabon, das Archivo general fiir Spanien in
Simancas; aukerdem find fiir Spanien das Archivo
historico nacional in Madrid und das Archivo ge-
neral de la corona de Aragon in Barcelona von
Hhervorragender Wichtigkeit.
Für die fachmäßige Ausbildung der Archivbeam—
ten ſorgen in Frankreich die Ecole des chartes in
Faris, die ihre Ziglinge nad bejtandenem Examen
mit dem Titel Archiviste-paléographe entlapt, in
Oſterreich das Inſtitut fiir öſterreichiſche Geſchichts
forſchung in Wien, in Italien die mit den größern
Staatsarchiven verbundenen Scuole paleografiche,
in Rußland das Archäologiſche Inſtitut in Peters—
burg. In Bayern iſt eine Archivſchule mit dem all—
gemeinen Reichsarchiv verbunden, für Preußen eine
ſolche bei der Univerſität Marburg eingerichtet; auch
in Straßburg finden zu dieſem Zweck an der Univer-
ſität beſondere Lehrkurſe ſtatt.
Nach ſeinen Hauptbeſtänden zerfällt jedes A. in ein
Urkunden- und ein Altenarchiv. Für die Ordnung
und Regiſtrierung der Urkunden bietet die drono-
logiidje Reihenfolge den natiirliden Rahmen, bei
größern Archiven innerhalb der hijtorifd geqebenen
bteilungen, Fiirjtentiimer, Stifter Stadte x. Neben
729
ben Driginalen werden die namentlich in den Ropial-
büchern tiberlieferten Urkundenabſchriften verzeichnet.
Orts- und Perſonennamen werden in Regijtern zu—
jammengeftellt. Die Ordnung der Akten wird in
jedem YU. cine andre fein. In Staatsardiven gliedern
ſich Die Wten nad) den BZentral- und Provingialbe-
hirden, bei Denen jie erwadjen find. Auch bei Stadt-
ardiven und bei fleinern Yrdiven werden meijt die
Spuren fritherer Ordnung verfolgt und, wenn — *
lich, die alten Beſtände wiederhergeſtellt. Spezial—
repertorien und Sachregiſter erleichtern die Nugbar-
machung. Mit der Veröffentlichung von Repertorien
iſt Frankreich durch die von der Regierung heraus-
gegebenen ⸗Inventaires sommaires«, von denen ſchon
weit über 200 Bände erſchienen ſind, allen andern
Staaten vorangegangen. Jn Itlalien haben beſon—
ders die tostaniſchen Staatsarchive ſich in dieſer Hin—
ſicht verdient gemacht; in Deutſchland hat ſich nach
den Stadtarchiven von Köln und Franffurt neuer—
dings das Staat8ardiv von Karlsruhe diejem Bei-
fpiel angefdlojjen. Auch viele andre wiſſenſchaft
lide Veröffentlichungen verdanft man den Archiv—
verwaltungen, von denen die feit 1878 erſcheinenden
» Bublifationen aus den königlich preußiſchen Staats:
ardiven« und die »Calendars of State papers« des
englijdjen Record Office erwãhnt werden mögen. Als
Organe der Archivkunde dienen jest namentlich die
»Archivaliſche Zeitidrifte in München (feit 1876),
das jeit 1892 in Groningen erfdemende »Neder-
landsch Archivenblad« und die » Revue internatio-
nale desarchives, des bibliothéques et des musées«
in Baris (feit 1895). Dienen die Staatsardive in
erjter Linie Verwaltungszwecken, fo find fie mit dem
Wachſen de3 hijtorifden Sinnes immer mehr gu
Pflegeſtätten hiſtoriſcher Wiſſenſchaft geworden, zu—
mal in den meiſten Staaten eine liberale Auffaſſung
in betreff der Benutzung zur Geltung gelangt, viel—
jad) aud) die Verſendung von Archivalien an Viblio-
thefen und Behörden gejtattet ijt.
Val. Battenbad, Das Schriftwefen im Mittel-
alter (3. Aufl., Leips. 1896); Breflau, Handbuch
der Urfundenlehre fiir Deutidland und Italien (daf.
1889, Bd. 1); v. Liber, Urdhivlehre(Paderb. 1890);
»Reitidrift fiir Urdivfunde, Diplomatif und Ge-
ſchichte (brsg. von Hofer, Erhard und v. Medem,
Hamb. 1834 — 36, 2 Bde.); »Seitidhrift fiir die Ur-
chive Deutidlands« (hr3g. von Friedemann, Hamb.
und Gotha 1846—53, 2 be): Korreſpondenzblatt
Der deutſchen Archive⸗ (hrsg. von Burkhardt, Leipz.
1878 — 80, 3 Bde.); Holtzinger, Katechismus der
Regijtratur- und Archivkunde (daj. 1883); Memels-
dorff, Dearchivisimperatorum Romanorum(Verl.
1890); De Roſſi, De origine, historia, indicibus
scrinii et bibliothecae sedis apostolicae (Cinleitung
zu den »Codices palatini latini«, Rom 1886); Lö—
wenfeld, Gejdichte des päpſtlichen Archivs (»Hijto-
riſches Taſchenbuch«, 6. Bolge. Bd. 5; Bur neue-
jten Gejdichte x., ebenda, Bd. 6); Burfhardt,
Hand- und Adreßbuch der deutſchen Urdhive (2. Aufl.,
Leipz. 1887); (v. Qancizolle) ⸗Denlſchrift iiber die
preußiſchen Staatsardive« (Berl. 1855); Golimert,
Die preußiſchen Staatsardive (daj. 1857); v. Weber,
Uber das Hauptitaatsardiv zu Dresden (im »V. fiir
ſächſiſche Geſchichte Bd. 2); K. Menzel, Uber Ord-
nung und Einrichtung der Urdive (in Sybels » Hijto-
riſcher Zeitſchrift«, So. 22); Wiegand, Begirts-
und Gemeindeardive tm Elſaß (⸗Jahrbuch de3 Bo-
qejenflubs«, Bd. 14); »Relazione sugli archivi di
stato italiani«c (Rom 1883); Mazzatinti, Gli ar-
730 Archival — Arco.
chiti della storia d'Italig (Rocca Gan CaSciano | fen, von Kleiſthenes wurde die unter Den Se
1897 f7.); Bordier, Les archives de la France | werbern eingefiibrt, wabrend der extriege axi
(Bar. 1854); Laborde, Les archives de la France | Untrag des Urijteides dad bisher nur von Burge
(dai. 1867); Richou, Traité théorique et pratique der erjten Klaſſe befleidete Unt allen zugãnglich ge
des archives publiques (daf. 1883); Langlois und madt. Der Verlujt der nationalen Freibert beichriante
Stein, Les archives de l'histoire de France (Daf. | dad Umt auf die Ehre des Namens. — Im bosre
1891 —95); Rye, Records and record searching | ranifdjen Reid) Hiegen die Fürſten anfanglub BL
(Yond. 1886); Bird, A guide to the principal | im byzantiniſchen Reich die gropen Gramdherren. -
classes of documents preserved in the Record Of- | Urdontat, Wiirde, Untt eines Urchonten.
fice (Daj. 1891); Cadier, Les archives d'Aragonet| UArdhHtas, qried. Stantsmann, pythagoretide
de Navarre (»Bibl. de l'Ecole des chartes«, 1888). | Bhilojoph und Mathematifer aus Tarent. Jertqenrie
rival (qried.), urfundlid); einem Archiv ans | und Freund Platons, um 400—365 v. Chr. Er wer
ehörig. Urdivalien, einem Archiv entnommence | fiebenmal Strateg femer Vaterſtadt und Feldberr =
a drei Sriegen. Sein fittlider Charafter galt im gor
yen Ultertum fiir uniibertroffen. In witjenidat-
ider Beziehung glänzte U. vorziighid& als Watheme-
tifer: er löſte zuerſt das Problem der Verdoppeiuny
Kubus und erfand die analytijde Wethode. th
den Forſchungen fiber das Verhaltmis der Dome mer
er hervorragend beteiligt. Wud) wurden ibm megrere
medjanifde Kunſtwerle gugeidrieben, fo cin Wate
mat, eine fliegende Taube von Holz. Bor femmes
Schriften find uns einige mathematijde umd phnitfe-
liſche Bruchjtiide erhalten (vgl. Blak, De Archywe
fragmentis mathematicis, in »Mélanges Graux+,
Par. 1884); die jeinen Ramen tragenden pbhilofaph
ſchen Fragmente find wabhrideinlid alle unecht. Bel
Mullad in den »Fragmenta philosophoram grae
corum:«, Bd. 2 (Par. 1867).
Arcidae, ſ. Muſcheln.
Arciere (ital., fpr. artigere), Bogenſchũtze, vol
Archers. Urcierenleibgarbde bejteht in Ojterrad
aus grofen, ftattliden Offizieren, die vor Demi Feinde
oder im Frieden mit Uusjeidnung qedient babex;
die Huteilung gu dieſer kaiſerlichen Leibgarde gilt al
hohe Mu. ort dali In Ungarn bejteht unter gle
den Unufnahmebedingungen eine finigliche Leibgarde
Wrcis-fur-Aube (pr. agi-plr-009, Wrromdiie
mentshauptitadt im fran. Depart. Yarbe, an der Ob
bahn und der Uube, mit Strumpfwirferet und cen
2774 Cinw. — U. ijt der Geburtsort Dantons, dem
hier 1886 ein Denfmal errichtet wurde, und geidicd?
lid) merkwürdig Durd den Steg Schwarzenbergs über
Napoleon I. 20. und 21. März 1814. Diejer gnif
mit 20,000 Mann 20. Marz nadmittags die dre»
fache Übermacht der Berbiindeten bei UW. an. We
rend der Nacht erhielten die Berbiindeten 30,000
Mann, die Franjofen 10,000 Mann Unterjtiigung.
Als Napoleon die Uberlegenheit der Geqner erfannte,
trat er den Rückzug an; zögernd folgten die Verdin
deten und erjtiirmten A. [im Dierfrew.
Wrciténens (lat.), das Zeichen des Schiigen (2)
Arckalei (Urdallei), ſ. Urtillerie.
Arco (ital.), der Bogen.
Arco, Stadt in Siidtirol, Begirfsh. Riva, 91 m
ti. WM, in fruchtbarer Gegend an der Sarca, nordlich
vom Wardajee, an der Lokalbahn
Mori- Riva gelegen, Sig eines
Bejirtegerihts, hat cine jtatt-
liche Renaijjancefirde, cine neue
evang. Stirdye, einen ehemaligen
Palajt der Grafen von U. (jept
Stadthaus), zahlreiche Villen
(darunter die des verjtorbenen
Erzherzogs Albrecht), Hotels u.
Penſionen, ein Kurhaus, eine
Fachſchule für Holzinduſtrie,
Objt-, Wein- und Olbau, Seidenraupenzucht. Oliven-
holzſchnitzerei, Steinrdbrenfabrif, eine gute Wafjer
ftenftiide. Urdivar, Urchivbeamter (ſ. Archiw).
Archivolte (ital.), durch Glieder verzierter Bogen
oder Die bandartige Einfajjung eines Bogens an
Fenſtern, Türen ⁊c., die fid) entweder ftumpf auf
einem Kämpfergeſims abjept, oder aim Bogenanfang | des
umgekröpft und als Kämpfergeſims weitergefiihrt ijt.
Im Sdheitel wird die U. häufig durd einen befon-
ders ausgebildeten Schlußſtein unterbroden.
Archivredst, der den ardivalijden Urkunden bei-
elegte Sorgug hinfichtlid) der Beweistraft. Er red)t-
—4 ſich durch die Erwägung, daß die in einem
oͤffentlichen Archiv aufbewahrten Urkunden die Sicher⸗
heit gewähren, daß ſie ſeit der degre gr. nicht ge-
faliqt worden find. Im übrigen wird eine Privat-
urfunde dadurch, daß fie in einem dffentliden Archiv
niedergelegt wird, nod) nicht zur öffentlichen Ur—
funde (vgl. Prozeßordnung, § 415). Landesrechtliche
Vorſchriften, nad) weldhen die in einem öffentlichen
Urdiv aufbewahrten Urfunden als ſolche den dffent-
lichen Urfunden an Beweiskraft gleichſtehen follen, find
fiir das Gebiet de3 Prozeſſes aufgehoben.
—— (griech.), Anfangslehre, Grundlehre.
Archonten (griech. eigentlich ⸗Herrſcher, Anfüh—
rer«), Bezeichnung der höchſten Beamten in mehreren
(nicht⸗ doriſchen) Staaten des alten Griechenland, na⸗
mentlich in Athen. Hier wurde, wie das Altertum
überliefert, nach —— des Königtums 1068
v. Chr. die oberſte Leitung des Staates einem Ar—
chonten aus dem Königsgeſchlecht übertragen, der
nach dem Recht der Erbfolge lebenslänglich herrſchte.
752 ward die Dauer des Archontats auf 10 Jahre
beſchränkt und 713 der Sutritt allen Cupatriden ge-
öffnet, endlid) 683 die Amtsdauer auf 1 Jahr ver-
mindert und die Macht unter neun UW. verteilt. Der
crite (Urdon Eponymos), nad) dem das Jahr be-
nannt wurde, nahm etwa die Stellung eines Präſi—
dDenten der Republif ein; insbef. hatte er die Ober-
auffidt fiber das ganze Gemeinwefen fowie die Ge-
richtsbarkeit tiber an Ft und Erbredt; der zweite
(Vafileus, d. h. König, weil man den Rang des
den Staat den Göttern gegentiber Vertretenden nicht
vermindern wollte) die religiöſen Oblieqenheiten, die
cinjt den Erbfinigen jufamen, Leitung der Opfer:
Dienfte und Religionsfeſte fowie die Aufſicht über
Tempel und Heiliqtiimer, der dritte (Bolemard 03)
die Leitung der Kriegsangelegenheiten. Die andern
ſechs hieken Thesmotheten —— über⸗
wachten genteinjam die Handhabung der Geſetze und
ſprachen Recht. Auch lag ihnen die Leitung der Ab—
{timmungen in der Volfsverjammlung ſowie der Ab—
ſchluß der Verträge mit andern Staaten ob. Die
Ausbildung der atheniſchen Demofratie ſchwächte die
Bedeutung dDiefer höchſten Staatswiirde nod weiter:
nad) der Solonifden Verfaſſung (594) mußten die
A. die Geſetzgebung und Verwaltung mit dem Rate
der Vierhundert und mit der Vollsverſammlung tei: |
Bappen von Arca
Arco —
feitung und (1900) 3780 (als Gemeinde 4880) ital. Ein-
wohner. Hod) iiber dem Ort liegt das 1703 von den
Franzoſen zerſtörte Schloß U. J wird wegen ſeiner
eſchützten Lage und ſeines milden Klimas (mittlere
zintertemperatur 3,7, größte Winterkälte — 3,7°) |
vielfach als Winterkurort benutzt (2500 Kurgäſte). A.
ijt Geburtsort des Malers Segantini. Vgl. darüber
die Schriften von Schreiber (Wien 1878), Ramdohr
(Leip;. 1886), Kottowitz (2. Aufl. Ureo 1887), Kuntze
(4. Aufl., daſ. 1898), Gerfe (Wien 1899) u. a.
Arco, Carlo d, ital. Kunſtſchriftſteller und Hijto-
rifer, qeb. 8. Sept. 1799 in Mantua, gejt. dafelbjt
26. Jan. 1873, widmete fich erjt in Florenz, fpater in
Rom der Valerei und wandte fitch dann dem Studium
Der Kunſtſchätze feiner Baterjtadt gu. 1838 gab er
eine Mefchichte Ded Lebens und der Werke Giulio Roma-
nog (mit 60 Rupfern, 2. Wufl., Mantua 1843) heraus.
Von größerer Bedeutung war das Werk » Delle arti e
degli artifici di Mantova« (1857—59, 2 Bde.), das
Die mantuaniſche Kunſtgeſchichte von den erſten Zeiten
des Mittelalters an mit Berüchſichtigung der biirger:
lich-politifchen Verhãltniſſe umfaßt. Ferner veröffent⸗
lichte A.: » Della economia politica del municipio di
Mantova a’ tempi in cui si reggeva a repubblica«
(2. Aufl. 1846), »Studj intorno al municipio di Man-
tovac (1871—74, 7 Bde.) und gab ein »Chronicon
Mantuanum< von 1095 —1299, die mantuanijde
Chronif des U. Schivenoglia 1445—84 u. a. heraus.
MArcdle, Flecken in der ital. Proving Verona, Di-
ftrift San Bonifacio, am Alpone, einem linken Neben-
flu der Etfch, ſüdöſtlich von Verona in Sitmpfen qe-
legen, mit (1901) ca. 1700 Cimw., denkwürdig durch die
Schlacht vom 15.—17. Nov. 1796 awifden Fran⸗
zoſen unter Bonaparte und den Öſterreichern. An—
Jang November erjcien der öſterreichiſche Feldjeug:
meijter Baron —— in Italien, um den in Man—
tua eingeſchloſſenen General Wurmſer zu entſetzen
und ſich mit dem General Davidowitſch gu vereinigen.
Dies gu hindern, lies Bonaparte das über 25,000
Mann zählende Heer Alvinezys 6. Nov. durch Muge-
reau und Maſſena angreifer und 30g, als diefer An—
griff abgeidlagen war, felbjt mit etwa 20,000 Rann
den Ojterreichern entgegen. Yin 15. Rov. qriff Auge—
reau die Alponbrücke bei UW. an, vermochte aber den
Ubergang nicht zu erzwingen; und Bonaparte felbjt,
Arcturus. 731
militaires et politiques sur les fortifications«<
(1795).
Arcos de [a Frontéra, Besirfshauptitadt in der
jpan. Provinz Cadis, malerifd auf einem vom Gua:
dalete umflojfenen Felfenberg von 166 m Höhe ge
legen, hat eine ſchöne gotiſche Hauptfirde, ei teil
weife in Ruinen liegendes Schloß und (ive) 13,926
Cinw., die Fabrifation von Leder, Hiiten und Eſparto—
waren, dann Ol-, Wein und Objtbau betreiben.
Arcosolium (lat.), cigentlid) ein unter einem
Bogen aufgeitellter Thron oder Sejjel, in den alt-
rijtliden Natafomben cine von einem Bogen iiber-
fpannte Niſche, in der die Leiden von Märtyrern
oder andern vornehmen Chrijten beigeſetzt wurden.
S. Tafel »Chriſtliche Altertümer I<, Fig. 2.
Arcot (franyj., fpr. -to), Stück⸗, Gußmeſſing.
Arctia, Sdnetterting, f. Bar (Bärſpinner).
Arctitis , der Binturong, f. Bir (Raubtier).
Arctium ZL. (LappaJuss., Riette), Gattung der
Rompofjiten, zweijährige Hohe Kräuter mit großen, un-
eteilten Blattern, mittelqrohen Blütenköpfchen. hafen-
drmig cinwarts gebogenen Hiillblatidhen, meiſt pur-
purroten Bliiten und3—4fantiger Frucht. Vier Urten
in Europa und Aſien, in Nordamerifa eingefdleppt.
A. tomentosum Schrank, mit doldentraubig gejtell-
ten, dicht ſpinnenwebig filzigen Köpfchen, A. Lappa L.
und A. minus Schrank (Lappa glabra Lam.) liefern
die ſchon im Ultertum arzneilich benutzte Kletten—
wurzel (Radix Bardanae), die aud) wie die Sproſſen
al8 Gemüſe genoſſen wird (Lappa edulis Sieb., ja—
panifde Sforgonere).
Arctocébus, Halbaffengattung, ſ. Bairenmati.
Arctoeyon (Bärhund), ſ. Kreodonten.
Arctémys, Murmeltier.
Arctophylax, ſ. Bootes.
Arctopithéci (Rrallenaffen), Familie der
Ujfen (ſ. d., S. 128).
Arctostaphylos Adons. (Siirentraube),
Gattung der Erifageen, niedrige Striuder und Halb-
ſträucher mit Meinen, ganzen lederartiqen, immer—
griinen Blittern, fleinen Bliitenrifpen oder Trauben
an der Spige der Bweige und Steinbecren mit trod: _
nem Fruchtfleiſch. 18 Arten in der arftifden Sone, in
Merifo und Ralifornien. A. uva ursi Spr. (Arbutus
uva ursi Z.), ein niederlieqender, reichverzweigter
der, die Fahne in der Hand, den Truppen voran: | Straud) mit glanjenden, länglich verfehrt-cifdrmigen,
ſtürmte, geriet, von den Fliehenden fortgerifjen und |
in Den Sumpf geſtürzt, in perſönliche Gefahr. Auch
der blutige Kampf des 16. Nov. fiihrte gu femem an-
bern Ergebnis. Uber in der Nacht überſchritten die
Franzoſen auf einer neugeſchlagenen Briice den Alpon
unweit ſeiner Mündung. Die Folge dieſer Umgehung
und eines entſcheidenden Angriffs, den Bonaparte
am Nachmittag des 17. Nov. unternahm, war der
Rückzug der Ojterreicher; fie hatten 6200, die Fran-
ofen 4500 Mann verloren. Damit war der dritte
zerſuch zur at Mantuas gefcheitert.
Arcçon Gor. Kong, Lemicau d', Ingenieur, geb.
1733, geit. 1. Juli 1800, zeichnete fic) bei der Ber-
teidiqung von Kaſſel 1761 ſowie durch fartographijde
(eigentümliche Tuſchmanier) und militärwiſſenſchaft—
liche Arbeiten aus. Von Karl III. 1781 nach Spanien
berufen, konſtruierte er zur Beſchießung von Gibral—
tar ſchwimmende Batterien, die jedoch durch die glü—
henden Kugeln der Engländer zerſtört wurden. 1793
eichnete ſich A. unter Dumouriez in Holland bei der
innahme von Breda aus, als Gehilfe Carnots ent-
warf er die vielbewunderten Ynitruftionen fiir die
Armeen der Republif. Er ſchrieb: »Considérations
ftarf geäderten Blattern, rötlichen Bliiten und roter
Steinfrudt. Der Strauch wächſt auf Heiden, an Fel-
fen rc. faſt der ganzen nördlichen Hemifphare, in den
ſüdlichen Gebieten auf Gebirgen. Die herben, etwas
bittern Blatter (Folia uvae ursi) enthalten Gerbſäure,
das Gyfofid Urbutin x. und werden bei Blajen-
franfheiten, auch gum Färben und jum Gerben de3
Saffianteders gebraudt. Aus den etwas mehligen
Früchten foll man im Norden Brot bacten.
Arctotis L. (Bairenohr), Gattung der Kompo-
ſiten, teils ftengellofe, teil verzweigte Kräuter mit
einzeln jtebenden, ſchön gefärbten Blütenkörbchen und
zungenförmigen Strahlblüten. Bon den 58 meiſt fiid-
——— Arten ijt A. acaulis ZL. an der Küſte
Portugals verwildert und wird wie andre Arten als
Zierpflanze fultiviert.
Urctiirns (Urftur, Bärenhüter), Stern a
(erjter Größe) im Bootes. Die Alten hielten ihn fiir
ein Sturm bringendes Gejtirn. In der ——
Mythe ijt A. der zugleich mit feiner in die Bärin ver-
wandelten Mutter Palliito an den Himmel verfepte
Heros Arlas (f. d.), nach andrer Sage der unter dic
| Sterne verfebte attifdye Ikarios (f. d.).
732 Arcuatenfalf
Arcuatenfalf, Shidtengruppe aus der untern
Abteilung der Buraformation (f. d.).
Arcue il (fpr. art3j, das alte Arculi), Dorf im frang.
Depart. Seine, Urrond. Sceaur, an der Bievre und
der Eifenbahn Paris-Sceaux, hat (1901) 8285 ECinw.,
cine gotiſche Kirche, Bleidereien, Färbereien, Fabrifa-
tion von Wachsleinwand, Überreſte eines römiſchen
Uquadults, ferner einen 1624 erbauten Uquaduft von
24 Bogen und 400 m Lange, der das Wafer von
Rungis gum Lurembourg fiihrt, tiber den 1872 mit-
{els einer zweiten Etage die Waſſerleitung von der
Vanne nad) Montfouris gefiihrt wurde.
Arcus (lat.), Bogen, 3. B. in der Geometric ein
Rreisbogen; A.sinus x, gefdrieben are sin x, der Bo-
qen, befien Sinus — x ijt, entfprechend Are cos x,
Are tg x 2¢., Der Bogen (oder Winkel), deffen Koſinus
oder i Tangente rw. = x ijt (opt. Trigonometrie);
in der Ujtronomie A. diurnus und nocturnus, Tag-
und Radtbogen. A. triumphalis, Triumphbogen
(A. Augusti, Severi ⁊c.).
Arcus senilis, f. Altersring.
MUrcy-fur-Cure (ipc. arpi-gie-tie>, Dorf im franj.
Depart. Yonne, Arrond. Auxerre, an der Cure und
der Lyoner Bahn, mit beriihmten Tropfiteinhihlen
und (1901) 775 Einw.
Arda, rechter Nebenflu der Marisa in der Tiirfei,
entipringt im Roodopegebirge, bildet im Weittellauf auf
cine Strede die Grenze gegen Oſtrumelien und mün—
det, 192 km fanq, bei —————
Ardahan, befeſtigter Hauptort des gleichnamigen
Bezirks (5491 qkm mit 65,667 Einw.) in der ruſſiſch⸗
faufaf. Proving Kars, an der obern Kura, Knoten-
punft mehrerer ig, Strafen, 1982 m ii. M. mit
ais97) 800 Einw. — YU. wurde, von Huffein Sabri
Paſcha ungentigend verteidigt, 17. Mai 1877 von den
Ruſſen unter Loris Melifow erjtiirmt und im Ber-
liner Bertrag 13. Juli 1878 an Rufland abgetreten.
Ardafan, Stadt, ſ. Urdefan.
Ardaſchar, Ruinen, ſ. Urtarata.
Ardaſchir (neuperj. fiir Urtarerres), per]. Kö—
nigsname: 1) A. I. Rabafan, d. h. Sohn Pabaks,
eines Perſers, der fid) der Herrſchaft über die Gegend
von Islachr (Perfepolis) bemiidhtigt, Beqriinder der
fajanidifden Dynaſtie (ſ. Perſien), befieqte und ti-
tete 224 den arfafidifden Herrſcher des Partherreichs,
Urtabin V., und bemächtigte fid) des Throns. Die
Eroberung Urmeniens gelang ihm nicht, und als er
die rdmifden Beſitzungen in Meſopotamien bedrobhte,
zwang ibn Werander Severus gum Weiden (233).
Er organifierte das Reid) und brach in den Provinzen
die Macht der unter den Parthern ju felbjtindig qe:
wordenen Bafallen. Dabei ſtützte er fic) auf bie Who.
beds, die pricfterlidjen Bertreter des altnationalen
zoroaſtriſchen Glaubens, den er wieder zur Staats.
religion erhob. Cr ſtarb 241.
2) A. II. und 3) A. III. Nachkommen des vorigen,
reqierten 379 — 383 und 628.
Ardaͤtow, 1) Kreisjtadt im ruff. Gouv. Nifhnij
—— am Fluß Lemjeſcha, hat 1897) 3538 Cinw.,
die Uderbau treiben. — 2) Mreisitadt im ruff. Gouv.
Simbirjf, am Wlatyr, hat Gerbereien, viele Mühlen
und (1897) 4838 Einw.
Arda Viraf, Name eines frommen Barfenpric-
jters, deffen Seele, während er ſchlief, durch Himmel
und Holle geführt worden fein foll. A. fcheint in Der
Beit der Safanidendynajtie, etwa im 6. Jabrh. n. Chr.,
gelebt gu haber, aber die in der Pehlewiſprache ab-
qefakte Sage von A., ein Seitenſtück zu Dantes + Di-
vina Commedia«, fann nidt vor dem 9. Jahrh. in
— Ardennen.
liſche Uberſetzung dieſes Werkes lieferte Haug in Ge
meinſchaft mit einem Parſenprieſter und dem Eng
lander Weſt (Bombay 1872ff.) eine franzöſiſche Uber
ſetzung A. Barthélemy (Rar. 1887).
Ardéa, Reiher; Ardeidae, Familie der ——
Wrdéa, uralte, mythiſch berühmte Hauptitadt des
Rutulerfiniqs Turnus in Latium, fiidlid) vom Rom,
unfern der Küſte qeleqen, wurde von den Römern
442 v. Chr. foloniftert, litt fehr in den Biirgerfriegen
swifden Marius und Sulla und war fdon gegen
nde der Republif ganz verfallen. Das jetzige W-
ein unbedeutender Ort, auf einem Hiigel zwiſchen zwei
| Talern qelegen, war die Burg der alten Stadt.
| Ardeb, herfinimlices Getreidemaß in Agypten.
Abeſſinien und Syrien: in Alexandria = '/2 Daribbe
Perſien entſtanden ſein. Cine Textausgabe und eng~
= 6 Unibeh (Wehbih) — 271 Lit.; in Kairo — 6 Ue
bef und fiir den auswirtigen Handel über Wleran-
dria — 179, nach dem Innern zu bis 174 L. herab;
in Rofette und Koſſeir — 12 dortige Rub — 284 &
Er wird meift nad Gewichtsſätzen bejtimmt: in Kairo
fitr Weizen auf 100 gewdhnlide Ofen — 123,526 ke
und fiir Gerjte auf 91'/2 Dfen; in Rofette fiir Getreide
und Siimereien auf 168, Reis 156 und Sal; 132 Ofen;
in Ucre fiir Reis auf 254"/s kg.
Ardebil, Fejtung in der per]. Provinz Aſerbei—
dſchãn, an einem Quellarm des Raraju(Nebenfluk des
YUras) auf einer Hodjebene 1300 m ii. M., mit 16,000
Einw., pradtvollem Maufoleum des Scheichs Sen
(Wallfahrtsort) und Mineralquellen. Die wertvolle
Bibliothek der Stadt wurde von den crobernden Rui-
fer 1827 nad) St. Petersburg entfiihrt. Bgl. Radde.
Reiſen an der perjifdh-ruffijden Grenge (Leip;. 1886).
Ardeche (pr. d4(H), rechter Nebenflu der Rhone
in Frankreich, entipringt in den Bergen von Vivarais.
| hat fehr maleriſche Uferpartien (Ravé des Géants
* Straße von Baſaltſäulen, Pont d'Arc, eine na-
tiirliche Brücke), ijt wegen feiner pliglichen Unfchwel-
lungen gefiirdtet und miindet oberhalb Bont St-
Eſprit nad 112 km langem Lauf, wovon nur 11 km
von St. Martin an ſchiffbar find.
Ardede, Departement im fidliden Franfreid.
aus dem Ländchen Bivarais qebildet, grenzt dithid
an die Departements Iſere und Dréme, nördlich an
das der Loire, ſüdlich an Gard, wejtlich an Lozere und
| Dberloire und hat einen Flidenvaum von 5555 qkm
(100,09 OI.) und (1901) 353,564 Cimw. (63 auf 1 qkm).
| Das Departement zerfällt in drei Urrondifjements:
Vrivas, Largenti¢re, Tournon; Hauptitadt ijt Privas
Ardeck, deutfche fürſtliche Familie, die von dem
Hauſe Hejfen Poilippsthal- Bardfeld (7. d.) abjtanmnt.
Des Kringen Wilhelm von Heſſen⸗Philippsthal Bard
feld (qeb. 3. Oft. 1831, geſt. 17. Jan. 1890) geſchie
dene Gemabhlin Marie, qeborne Rringeffin von Ganaz,
Todter des legten Kurfiirften von Heſſen, und deren
vier Kinder erhielten vom König von Preußen 2s. Jul
1876 den Titel Pringen und Pringefjinnen von A.
(Burgruine bet Dies im Unterlahnfreis) mit dem
Prädikat Durdlaudht. Haupt der Familie ijt Bring
Karl Wilhelm von W., geb. 18. Mai 1861.
Ardefan (WU rdalan), befeſtigte Stadt in der pert.
Proving Jezd, 1120 m it. M., mit Rarawanfjeraien,
Moſcheen, 8 —9000 Cinw.
Ardennen (Urdenner Bald, f. Karte » Bel
gien«), ausgedehntes Waldgebirge im ſüdöſtlichen Bel
gien, da8 nad) O. mit dem Hohen Berm und der Eifel
zuſammenhängt, zwiſchen Mojel und Maas ein rauhes
Bergland bildet und fich jenfeit der Maas an den
Ufern der Sambre allmählich gum flandriſchen Tref-
Ardennen — Arduin.
Land verfladt. Die U. gehören dem Rheiniſchen Sdie-
Gergebirge (j. d.) an. Sie haben eine mittlere Er-
Hebung von 550 m, während ibre hidjten Berge
450 m faum iiberjteigen. Auf ihrem Rücken tragen
fie anſehnliche Plateaus, in welche durch die Dad Ge—
birge von Me eres bis Namur durdidneidende Maas
mit deren Nebenfliijjen Chiers, Semois, Leſſe und
Durthe und Die Der Mofel zuſtrömenden Flüſſe Orne
and Sure (Sauer) mit he Eltze) tiefe Tiler und
Schluchten, oft mit fteilen Whjtiirzen von 200 m Hibhe,
eingeidnitten find. Der größere Teil der Plateaus
Hietet nur Heiden (landes) dar, entweder weite ſump—
fige und der Kultur unzugängliche Strecken (fagnes)
oder ſchlechte Weideplige, die mur nach einem Zwiſchen⸗
raum von 15—20 Jahren und durd) ein beſonderes
Verfahren zum Anbau ju benugen find. Jn den Tä—
lern bingegen findet man berrlidje Wiejen und frudt-
Hares Land. Den Hauptreidtum des Gebirges bilden
Die Waldungen, die zumeiſt aus Eichen und Buchen
mit untermijdten Erlen, Birken, Eſchen rc. bejtehen,
umd Die reich) vorhandenen Montanſchätze, als Cijen,
Blei (bei Longvilly), Untimon (bei Gösdorf), Kupfer
{bei Stoljenburg), Mangan (bei Bihain), plajtijder
‘Ton, namentlich aber die unerſchöpflichen Steinfohlen-
dager (amt Rordrand von Lüttich bis Valenciennes
ſich erjtrectend), die Belgiens Metallverarbeitung und
großartige Induſtrie begriinden. Die W. waren als
Arduenna Silva ſchon den Rimern befannt. Sie waren
der Jagd- und Waldgottin Diana heilig, die davon
den Beinamen Arduenna erhielt, und manderlei
Denfmiler des Dianendienftes in diejen Gegenden
finden fic) nod) in Altären, Statuen, Inſchriften.
Bgl. Montagnac, Les Ardennes illustrées (Rar.
1875, 2 Boe.); Förſter, Verſuch einer phyſiſchen
horographie der VW. (Aachen 1882); Goffelet, L'Ar-
denne (gevlogijd), Bar. 1888); Jean d'Urdenne
{X%. Dommartin), L’Ardenne. Guide du touriste
et du cycliste (3. Aufl., Briſſ. 1894—96, 3 Bde.);
Freimuth, UWrdennenwanderungen (Köln 1895);
Meyrac, Géographie illustrée-des Ardennes
<{Ebarleville 1900).
Ardennen, Departement im norddjtliden Frant-
reich, erjtrectt fich, in feinem nördlichen Teil von dem
Ardenner Wald (jf. oben) durchzogen, an beiden Ufern
der Maas feilformig nad Belgien hinein und grenzt
weſtlich an das Depart. Wisne, ſüdlich an das Depart.
Marne und djtlid) an das Depart. Maas. Es bejteht
aus den nördlichen Teilen der ehemaligen Champagne,
den Fürſtentümern Sedan und Carignan u. a. und
hat einen Flächeninhalt von 5252 qkin (95,4 OW.)
und (1901) 315,589 Einw. (60 auf 1 qkm). Das
Departement zerfällt in fiinf Yrrondijfements: We
gieres, Rocroi, Sedan, Rethel und Vouziers, und hat
Méieres zur Hauptjtadt.
Urdennenfanal, Kanal im nordöſtlichen Frant-
reich (Departements Yisne und Urdennen), fiihrt von
der Maas oberhalb Dom-le-Mesvil fiidwarts zur Bar
amd über Die Waſſerſcheide bis gur Wisne bei Semuy
und folgt legterer als Seitenfanal bis Bieug - (23 - Us-
ald; Lange 100 km. Er wurde 1821—35 angelegt.
UArdenner Wald, ſ. Urdennen.
Ardeſchir (Wrtarerres), ſ. Urdafdir.
Ardey, Vebirge, |. Ruhrfohlengebirge.
Ardilän, hodgelegene Landſchaft im weſtlichen
Perſien, Hauptort Sihna, weſtlich von Hamadan.
Ardis, ſ. Blattweſpen.
Ardisia Swartz (Spitzblume), Gattung der
Weyrjinazeen, meijt inmergritne Baume oder Striiu-
cher mit wedjeljtindigen ganzen Blattern und weißen
733
oder rofenroten Bliiten in Rifpen oder doldenfirmigen
Cymen und meijt lebhaft gefärbten Steinfriidjten.
ebr als 200 Yrten in Den wärmern Gebieten beider
Hemifphiren. A. crenata Roxd., mit roten Friidten,
im tropijden und fubtropijden Ojtajien, wird als
Warmbhaus- und Zinrmerpflange fultiviert. Der Em-
bryo entwidelt ſchon an der Mutterpflange fein Würzel⸗
chen, dad die Frudtidale durchbricht.
Arditi, Luigi, Violinijt und Komponiſt, qeb. 22.
Juli 1822 in CreScentino bei Bercelli, wirfie als
Theaterfapellmeijter an italieniſchen Bühnen, aud in
Havana, New Yorf, Ronjtantinopel und London
(1858), Wien, Petersburg (187 1—73), machte auch mit
einer cignen Operntruppe Gajtipielreifen in Deutjd)-
land, nabm aber ſchließlich in London feinen fejten
Wohnſitz. Von feinen Rompofitionen wurde die Oper
»Der Spion« (1856) fowie der Geſangswalzer «Il
bacio« (»Kußwalzer«) befannter. Seine Memoiren
gab die Baronin v. Zedlitz heraus (»My reminiscen-
ces«, Yond. 1896).
Ardmore, Ort im Chicajawlande de3 nordame⸗
rikaniſchen Dndianerterritoriums, Bahnſtation und
Baunuvollmarft mit (900) 5681 Einw.
Ardois (franz., fpr. ardua), Nachtſignalapparat fiir
Schiffe mit weißen, roten und grünen Glühlampen.
Bal. Conz.
rdove (ſpr. ardua, flim. Ar doie), Flecken in der
belg. Proving Weſtflandern, Arrond. Rouſelare, Kno-
tenpunkt an a Staatsbahnlinie Lichtervelde-Thielt,
mit großen Webereien und (1900) 6104 Einw.
Ardres (pr. ard), Stadt im fran3. Depart. Pas · de⸗
Calais, Arrond. St.-Dmer, am gleichnamigen anal
und der Nordbahn, mit Zucker⸗ und Tiillfabrifation
und (1901) 1856 Cinw. — Hier fand 1520 eine Zu—
ſammenkunft Franz' J. und Heinrichs VIL. von Eng:
land in einem dicht bei der Stadt aufgeſchlagenen
Pradtlager ftatt, das durch Wett- und Ringtimpte
verherrlicht wurde.
Ardroſſan, Hafenjtadt in Ayrſhire (Schottland),
dicht bei Saltcoats, hat Eiſenwerke, Kohlenhandel umd
(1901) 5933 Eimw. 1901 liefen 3490 Schiffe (darunter
3311 Riijtenfabrer) von 660,110 Ton. cin; Wert der
Cinfubr 1900: 470,763 Pfd. Stert., der Ausfuhr bri-
tiſcher Produkte 200,696 Pfd. Sterl.
Ardſchiſch, 1) (ruman. Curtea de Urges)
Stadt im rumän. Kreis W. (Waladei), am Fluß W.
(Urges), der im Fogarajer Gebirge entipringt und
nad 300 km langem Lauf bei Oltenitza in die Donau
mündet, und an Der Cifenbahn Pitesci-U., hat 6 Rir-
den (dDarunter cine prächtige tm byzantiniſchen Stil
aus dem 16. Jahrh., 1886 rejtauriert) und 4210 Einw.
A. ijt Biſchofsſitz und hat cin geiſtliches Seminar. Der
Ort war als Rurte d'Ardſchiſch im 13. Jahrh Reſi—
deny der walachiſchen Fürſten. — 2) Erdſchiſch,
Argaeus Der Alten) ifolierter vulfanifder Berg in
Kleinaſien, auf der Ebene von Kaijarie, 4059 m hod).
Ar dslety (ivr. ards), 1) Stadt im Weſtbezirk von
VYorkſhire (England), am Dearne, 4 km ſüdöſtlich von
Barnsley, mit Kohlengruben, Glasfabrifen und (iver
6226 Einw. — 2) A. Cajt and We jt, Stadtgemeinde
im Weſtbezirk von Yorkſhire (England), 5 km nord-
weſtlich von Watefield, aus zwei Dorfern entitanden,
mit Kohlen- und Cijengruben, Cijengieferei, Woll-
warenmanufaftur und (1901) 7477 Einw.
Arduin, Warfgraf von Dvrea, Sohn de3 Grafen
Dado, ward von Kaiſer Otto IT. 999 wegen feiner
revel geächtet, nad) deſſen Tod aber von der deutſch—
feindliden Bartei 15. Febr. 1002 in Pavia gum König
Staliens erhoben. Er ſchlug 1003 ein von geintid Le
734
nad) Stalien geſchicktes Heer, ward gwar 1004 von
Heinrich gur Flucht gendtigt, erhob fid) aber wieder
nad) defjen Abzug und fegte den Widerjtand gegen die
deutſche Herrſchaft aud) nad) Heinrichs I. zweitem
Italienzug 1014, der ihn abermals zur Flucht zwang,
fort. Erſt 1015 war ſeine Kraft gebrochen; er zog ſich
in das Kloſter Fruttuaria zurüch wo er 14. Dez. 1015
ſtarb, der letzte einheimiſche Konig Italiens im Mittel—
alter. Bgl. Provana, Studi storici sopra la storia
d'Italia ai tempi del re Ardoino (Turin 1844),
Are (frany.), Flächenmaß, ſ. Ur; das décamétre
carré = 947,6817 frithern Barifer Ogujp.
Area (lat.), Ebene, Fiche.
Aréa Celsi, das Ausfallen der Haare an einer
oder mebhreren ſcharf umjdriebenen, kreisrund um—
ren ten Stellen, Die ineinander iibergehen können.
ie —— iſt dabei go". ohne Sdhuppen, von nor-
malem Ausſehen. Cin Wiedererjay der Haare findet
fajt ftet3, wenn auch oft erjt nad) Jahren jtatt. Man
halt die A. C. fiir eine Störung, die von den die Er:
nährung der Gewebe vermitteinden Nerven oder von
den Blutgefäßen ausgeht.
Areal (lat.), Fladenraum, Fladeninhalt.
Arealbeftimmung, ſ. Flächenbeſtimmung.
Arealſteuer, ſ. Fuͤchenſteuer.
Areb, in Ojtindien 25 Lal Rupien.
Aréca L. (Urefapalme), Gattung der Palmen,
niedere und hohe Gewächſe mit ſchlankem, geringeltent
Stamm, gefiederten Wedeln, weibliden Blüten auf
der Spindel felbjt oder am Grund ihrer Aſte, die im
obern Teil mannliche Bliiten tragen. Die einfamige
Beere befigt eine reichliche Faſerſchicht. 14 Arten von
Malakka bis Neuguinea. A.Catechu Villd.Katechu⸗
palme, Betelnußpalme, Pining) ſ. Tafel »Ge-
nußmittelpflanzen⸗. Yn unſern Gewächshäuſern wer⸗
den einige Areca- Arten kultiviert. Mehrere früher zu
A gerechnete Arten ſtellt man jetzt zu den Gattungen
Kentia, Dictyosperma etc. Bgl. Lewin, Uber A.
Catechu und das Betelfauen (Stuttg. 1889).
Arecibo, Departement der wejtind. Inſel Buerto
Rico, mit (sve) 162,308 Cinw. (wovon 23 Pros.
Farbige) und der gleidmamigen Hauptitadt an der
Nordfiijte, am Fluß W., mit Heinem Hafen, Bucer- |
fabrifen, Brennereien, Kalfdfen und Uses) 8008 Einw.
Aredodeſe, |. Befana.
Areia (Uria, altperſ. Haraiva), Landſchaft des
altperſ. Reiches, entſpricht der Umgebung von Herat
und bat ihren Namen vom Fluß Areios (Herirud).
S. Karte -Reich Alexanders d. Gr.«
Areios, int Kalender der Bithynier der zehnte
Monat, vom 23. Juni bis 24. Juli.
Wrefapalme, ſ. Areca.
Arefolin C,H,,NO,, Wialoid, findet fic) in den
Arelanüſſen, bildet eine farblofe, Hlige Flüſſigkeit,
miſchbar mit Wafer, Alkohol und Wther, fiedet bei
220°, reagiert jtart alkaliſch, bildet leicht lösliche, meiſt
frijtallifierbare Salze und gibt mit Salzſäure bei 150°
Methyldlorid und Urefaidin (Tetrahydromethyl-
nifotinjaure) C,H,,CO,H.N, das aud) in der Urefa:
nuß vorkommt. VU. ijt ſtark giftiq, fein Hydrobromid
C,H,,NO,.HBr bildet feine, {uflbeftandige Nadeln,
ſchmilzt bet 167° und wird zum Vertreiben von Wür—
mern und wie Bilofarpin bei Tieren benutzt.
Arelat (Arelatiſches Reich), das Reid) Bur-
qund diesſeit des Yura (Burgundia cisjurana), ge
riindet von dem durd) die Biſchöfe im ſüdöſtlichen
Frankreich zum Konig gewählten Grafen Bofo (880)
und benannt nad der Hauptitadt Arles (relate),
umfaßte dic Frande Comté, dic Gebiete von Chalons
Are — Arenberg.
und Maton, Vienne und Lyon, das fiidojtlide Langue:
doc, einen Teil von Savoyen und die Provence, ward
930 von dem Welfen Rudolf I. mit dem transprra-
niſchen Burgund vereinigt und 1032 von Rudolf IIL
Dem deutſchen Kaiſer Ronrad I]. vermadt. Seitdem
gebirte eS gum Deutſchen Reid) (ſ. Burgund). Bgl
Sternfeld, Das Berhiltnis des Ylrelats ju Kaiſer
und Reid) (Berl. 1884).
UAremberg, ſ. Urenberg.
Wremorica (Urmorica, v. felt. are-mor, »am
Meer), die nordiwejtlidje Küſte Galliens zwiſchen
Pas-de-Calais und Liger (Loire), alfo die heutigen
Landjdaften Normandie und Bretagne. Wis Vöiler
dieſer Gegenden nennt Cäſar die Veneti, Ojionrit, Cu-
rioſolites, Redones, Unelli, Lerovii und Caletes, wozu
nod) die Ubrincatui, Viducafjes und Bajucafſes famen,
meiſt feeqewohnte Bolter. Au Anfang de3 5. Jahr.
bildeten Bic Uremorifer zwiſchen Seine und Loire zum
Schutz wider die Cinfiille der Germanen einen Bund,
der bis gur Eroberung des Landes durch Chlodwig
um 500 bejtand. Bald darauf wanderten viele vou
den Ungelfadjen verdraingte Briten eur, wovon ifr
Land den Namen Bretagne erbielt.
Aremorifdy, |. Bretonijde Sprache und Literatur.
Aréna (lat., >Sand, Sandplan<), der mit Sand
bejtreute Rampfplag im röõmiſchen Amphitheater (7. d.),
dann iiberhaupt foviel wie Rampfplag.
Arenal (jpan., »Sandfläche«), bei Vullanen die
aus loſen Lapilli, Wide und Gand bejtehende vege
tationsloje Fläche.
Arenal, Concepcion, fpan. Sdriftitellerin und
Surijtin, geb. 1837 m Orenſe, gejt. 4. Febr. 1893 in
Vigo, ftudierte die Rechte und Sozialdfonomie zwi—
ſchen 1850 und 1860, als Witwe eines Wdvofaten,
privatim und auf der Madrider Univerjitat und ge-
wann 1860 emen von der Academia de las ciencias
morales y politicas ausgeſetzten Preis durch ihre Crit
lingSarbeit: »La beneficencia, la filantropia y ls
caridad« (1861). Gie leitete cin Urmeninjtitut, ward
zeitweiſe Inſpektor der Gefängniſſe, nahm an natio-
nalen und internationalen Kongreſſen der Rechtspflege
teil und war literariſch unermüdlich tätig. In ihren
Schriften (geſammelt 1894—1901, 20 Bde.) behan⸗
delte ſie brennende ſoziale Fragen: Völkerrecht, Krieg
und Frieden, Volksunterricht, Sonntagsfeier, Bau-
perismus, Straffolonien, Gefingniswejen, Frauen-
frage (»La mujer del porvenire, 1877; »La mujer
de su casa«, 1882). In ihrer Geburtsjtadt wurde thr
ein Standbild erridtet. Bal. Salitlas, Us;carate
und Sande; Moguel, A. en la ciencia juridica,
sociologica y en la literatura (Madr. 1894).
Arenas, Las, Vorhafen von Bilbao (j. d.).
Arenberg (Uremberq), ehemals deutſches Her-
zogtum im furrbeinijden Kreis, zwiſchen Jülich und
Rodin, jest sum preußiſchen Regbez. Koblenz gehörig,
umfaßte 413 qkm (7,5 OW?) mit 14,800 Einw. Der
Flecken W., im Kreis Udenau, am Fuh des Wrem-
bergs, eines 630m hohen Bafaltfegels, mit der Ruine
des Stammidlofjes der Herzöge von A., hat 5382
Cinw. — Die Herren von W. fommen juerjt 1129
vor, erlöſchen aber ſchon 1280. Ihre Befigungen
qingen 1298 durch Heirat an den Grafen Engelbert
von der Mart iiber, deffen jiingerer Sohn, Eberhard,
das Haus A. von neuem beqriindete. 1547, nad dem
Tode Roberts III. fam die Vrafidaft an Johann von
Barbancon aus dem Haus Ligne, der Roberts Tochter
Margarete qeheiratet hatte. Diefer wurde 1549 yum
Reichsqrafen, fein Sohn Karl 1576 sum Reichsfürſten
erhoben. Deſſen Enfel Philipp Frang erhielt 1644 Me
Arenberg — Avene. 735
herzogliche Würde. Bm Liineviller Frieden 1801 | Holshandel und Sdiffahrt. W. beſaß 1897: 212 Fahr-
wurde das Land Frankreich einverleibt, und Herzog | zeuge von 98,745 Ton. Der Wert der Cinfubr betrug
Ludwig Engelbert erhielt als Entſchädigung die Herr- | 2,962,100 Kronen, der Ausfuhr 2,894,500 Sr. (insbeſ.
ſchaft Reddlinghaujen und die Grafſchaft Meppen. | Holz). A. ijt Sig eines deutfden Konſuls.
Ludwig Engelberts Sohn Proſper Ludwig trat 1806| Arende (lat.), ſ. Urrende.
als fouveriines Mitglied dem Rheinbund bei, 1810; Arends, Leopold, Begriinder cine Stenogra-
wurde er durd franzöſiſchen Senatsbeſchluß der Lan- | phiefyitems, geb. 4. Deg. 1817 in Rakiſchi (Weſtruß⸗
DeShoheit beraubt und fein Land dem Königreich Weft: | land), widmete fid) zu Dorpat dem Studium der Phar—
falen cinverteibt. Auch erlangte der Herzog ſeine Gou- | magie, wurde dann Hauslehrer und ——
verãnitãt 1815 nicht wieder; ſeine Beſitzungen wurden | jiedelte 1844 nad) Berlin über, wo er 22. Dez. 1882
teils unter preupifde, teils unter hanndveride Hoheit jtarb. Unger Dramen und Gedidten ſchrieb er » Uber
qejtellt. Dem ftandesherrliden Gebiet in Hannover | den ct ap ra der Vorzeit und althebriijde Vo—
oder Dem Amt Meppen (2195 qkm mit 56,658 Einw.) falmufif« (Vert. 1867). Seine Stenographie erſchien
wurde vom König Georg IV. 9. Mai 1826 der Name zuerſt 1850, dann etwas gedndert 1860 als »Leitfaden
Herzogtum U.-Meppen beigelegt. Es fam 1866 | einer rationellen Kurzſchrift« (22. Aufl., Berl. 1896).
an Preußen. Es umfaht ein Stadtgebiet (PBapen- | Val. darüber Urtifel »Stenographie« (mit Sdrift-
burg) und 4 Amtsbezirke (Meppen, Hafeliinne, Hitnrm: | probe). Nach W'. Tode qab G. Wendtland 1885 eine
ling und Aſchendorf) mit 3 Städien und 27 Land- | »Debattenfdprift« (3. Aufl. Leipz. 1888) heraus. Ber-
—— Ferner beſitzt der Herzog die Grafſchaft einfachungen des Syſtens veröffentlichten 1888, 1890
ecklinghauſen in Weſtfalen, die den gleidnamigen | und 1898 Hermann Matſchenz, Provinzialſteuer—
Kreis des Regierungsbezirls Münſter (780 qkm mit | jefretiir in Berlin (geft. dafelbjt 25. Jan. 1901, Vor—
64,699 Ginw) bildet, u.a. Außerdem hat er großen | figender des > Upollo-Bundes«), fog. Syftem » Urends-
Grundbefis in Belgien und Frankreich; feine Ein-Matſchenz«, ferner 1894 der Verband Arendsſcher
künfte follen iiber 14/2 Dill. Me. betragen. 1877 ver- | Stenographenvereine (geqriindet 1867), fogen.Syjtem
lor ber Herzog gleich den iibriqen Standesherren den | »>RMeform-Urendse. Cin Teil der Arendsſchen Schule
privilegierten Geridtsjtand. Die Familie befennt fic | trat 1898 der »Rationaljtenographice (f. d.) bei. Die
zur fatholifden Rirde. Jetziger Standesherr (feit | Arendsſche Schule zählte 1901 im Deutſchen Reiche
1875) iſt 8338 Engelbert Proſper Ernſt Maria Yo- | 129 Vereine mit 3002 Mitgliedern (darunter Urends-
feph, geb. 10. Aug. 1872; fein gewöhnlicher Wohnſitz Matſchenz 100, Reform-Arends 8 und Wit - Yrends
ijt Brüſſel, wo is feine bedeutende Gemaldegalerie | 21 Vereine), auferdem im Uuslande 5 Vereine. Von
bejindet, oder das Schloß Memenswerth bei Meppen. | den vielen Übertragungen auf fremde Sprachen ijt
Val. Diepenbrod, Gefchicte des vorm. miinjter- | die ſchwediſche (C. Bergſten) am verbreitetften. l.
ſchen Amtes Meppen (2. Aufl., Lingen 1886). Groſſe, A.' Werden und Wirken (Berl. 1900); P.
Arenberg, 1) Leopold Philipp Karl Jo- Hirſch, Geſchichte der Arendsſchen Stenographie (daf.
feph, HPerzog vonA, AerſchötundCroy, Sohn 1894 u. 1895); Kalender fiir Arendsſche Stenogra-
des 19. Aug. 1691 bei Slankamen gefallenen Herzogs phen (25. sabres 1902). Neuere Lehrbiider von
Philipp Karl Franz, geb. 1690 in Brite, gelt. 1754 | Korb (4. Uufl., Elberf. 1899, Reform - Urend3) und
auf Schloß Héverlé bet Liwen, machte 1706 den Spa- Matſchenz (16. Aufl., Berl. 1901); Hauptzeitſchrift:
niſchen Erbfolgetrieg, 1716 und 1717 als £. f. General: | »Der Arendsſche Stenograph« (Berlin), Organ des
major die Feldzüge in Ungarn mit und befehligte bei | Hauptverbandes.
Belgrad den rechten Fliigel der Jnfanterie. 1719 er-| Arendfee, Stadt im preuß. Regbez. Magdeburg,
nannte ifn Karl VI. gum Gouverneur von Henne: | Kreis Ojterburg, hat 2 evang. Kirchen, eine landwirt-
qau und Mons fowie gum niederlindifden Staats. ſchaftliche Winlerſchule, Amtsgericht, Bierbrauerei,
rat, 1733 gum Yrtilleriegeneral. Nad) Dem Wieder- | Spivitusbrennerei, Raltwafferheilanjtalt und 900)
ausbruch ded Krieges mit Franfreid) (1733) diente W. | 2184 Einw. Dabei eine königliche Domine mit Re-
abermals unter dem Prinzen Eugen am Rhein, ward | montedepot und der See gletdhen Namens. — Das
1737 Feldmarſchall und Sberbefehlshaber der faifer- | hier 1184 gegründete Benediltiner-Nonnenkloſter
licen Truppen in den Niederlanden, bewirfte 1743 | wurde 1541 em evangelifdes Stift und 1812 auf:
die Allianz zwiſchen England und Holland, zeichnete gehoben; jest Ruine.
fid) bei Dettingen aus und wurde 1745 Statthalter| Wrendt, Rudolf, Chemifer, geb. 1. April 1828
von Hennegau. Cr war ein eifriger Befirderer der | in Franffurt a. O., gejt. 15. Mai 1902 in Leipzig, ſtu—
Wiſſenſchaflen, ein Freund Voltaires und gab Rouſ- dierte 1853— 57 in Leipzig, wurde Aſſiſtent an der
feau eine Penſion. landwirtſchaftlichen Verſuchsſtation in Midern, 1861
2) Frans Ludwig, Bring von, geb. 29. Sept. | Lehrer an der dffentliden Handelslehranjtalt in Leip-
1849 auf Schloß Héverié in Belgien, jtudterte in Born | ziq und 1880 gum Profeſſor ernannt. Er ſchrieb:
die Rechte, war Uttadé, dann Legationsfefretar in »Der Unfdhauungsunterridt in der Naturlehree
Stodholm, London, St. Petersburg und Ronjtanti- | (Leips. 1869); »Technif der Experimentaldemie (daſ.
nopel. 1882in das preußiſche Ubgeordnetenhaus und | 1881, 2 Bde. ; 3. Wufl. 1900); »Leitfaden fiir den Un-
1890 in Den Reichstag gewählt, ſchloß er ſich dem terridt in der Chemie« (7. Aufl., daj. 1898); »Grund-
—— an, trat aber entſchieden fiir die kolonialen züge Der Chemie« (7. Aufl., daſ. 1899); »WMateria-
trebungen Deutſchlands ein und wurde 1897 gum | lien fiir den Anſchauungsunterricht in der Natur:
ary re der deutſchen Kolonialgeſellſchaft gewaͤhlt. lehre⸗ (4. Uufl., daf. 1886); »>Methodifder Lehrgang
3) Fürſt von, ſ. La Mare. der Chentie« (Halle 1887). Seit 1862 redigierte er das
Arendal, Hafenjtadt im norweg. Amt Nedenes, | »Chemiſche Zentratblatte.
nabe dem Ausfluß des Nidelvs in eine Meeresbucht. Wreme (or. arin), Paul, franz. Schriftſteller geb.
der Infel Troms gegentiber qelegen, mit (1900) 11,155 | 26. Juni 1843 in Gifteron, git. 18. Deg. 18K6. in
Cinw. Die Stadt it nad der Feuersbriunjt von 1868 | Paris, war der ungenannte Mitarbeiter A. Daudets
3X. auf Felfen, 3. T. lings den ſchönen Rais neu und bei den »Lettres de mon moulin« (1868). Ym Ge-
regelmifig erbaut. Hauptgewerbe find Schiffbau, | genfage gu feinem Landsmann blieb YW. in Paris der
736
Bohẽme und der heimiſchen Provence treu, der er im
dem Novellenband » Au bon soleil« (1879) und dem
bejten fener Romane: » La Chévre d’or« (1889), Dent:
miler fegte. Außerdem fdrieb er cinen Band tief
poctijder »Contes de Noél«, unter denen »La vraie
tentation de saint Antoine« (1879) hervorsubeben
ijt, »Vingt jours en Tunisie, mis og
(1884), »Le canot des six capitaines« (1888), »Pa-
ris ingénue (1882), »Contes de Paris et de Pro-
vence« (1887) u. a.
Arénenberg (im Mittelalter Narrenberg, ſpä
ter latinijiert Urenaberg), einer der ſchloßartigen
und vielbeſuchten Landjige tm ſchweizer. Ranton Thur:
gau, am Unterfee, war in den 1830er Jahren Cigen-
tum und Wohnſitz der Königin Hortenje (Gräfin von
Saint-Leu), die 1837 dafelbjt jtarb, und feit 1855
der Kaiſerin —
Arenga Labill. (Quderpalme), Gattung der
Falmen, Baume mit hohem, didem, ringförmig ge-
narbtem Stamm, reichlich mit fteifen, ſchwarzen Faſern
beſetzten, bisweilen ſtacheligen Wedeljticlen und gefie-
Derten Wedeln. Sie bliihen nur einmal im Leben
und tragen hingende Ähren mit großen, grünlichen,
mondzifden Bliiten. Die faftige, qriine, runde Beere
ijt dreifamig. Sieben Urten auf der Oſtküſte des tro-
pifden Ufien, den Philippimen, in Hinterindien, im
Malaiiſchen Archipel und auf der Nordfiijte Auſtra—
lien’. A. saceharifera Labill. (moluttifdeQuder-
palme, Saqwire-,Gomutipalme, ſ. Tafel »>Pal-
men I«, fig. 2), ein 9—12m hoher Baum im öſtlichen
Indien, wird vielfad) fultiviert und liefert Palmkohl,
cine ãußerſt widerſtandsfähige, pferdehaarartige Fa—
ſer zu Tauwerk, zum Dachdecken und auch zu Gewe—
ben (Goafafern, Gomuti, Ejoo, Kitool Kit—
tul], Hauptbeſtandteil des Crin végétal), außerdem
artes, ſpinnwebartiges Material, das unter der grö—
rm Faſer ſitzt und als Werg und Zunder benutzt
wird, ferner als Hauptproduft Palmwein oder Toddy.
Bur Gewinnung desfelben werden die männlichen
Blittenfolben gepeitidt und damn abgefdnitten. Cin
Baum liefert jabrelang tiglid) etwa 3 —4 Lit. Saft,
der leicht gärt, aber pa | aut Sirup, Buder (Saquer-
zucker) und Urraf verarbeitet wird. Das Mark der
Palme liefert Sago; die fleifdige dufere Fruchtſchale
enthalt einen äußerſt ätzenden Saft, den die Cinge-
bornen der Moluffen in ihren Kriegen gegen die Hol-
lander benugten; der Same wird von den Chinefen
cingemadt genojfen. Das Hol; (Kitool) fonumt von
Ceylon und Kotſchinchina in den Handel, ijt tiefbraun
mit ſchwarzen und goldglänzenden Langsjtreifen, eins
der ſchönſten, härteſten und dauerhafteften Palmhölzer.
Arenicolae (Sanbdfifer), ſ. Blatthorntifer.
Arensburg, ehemals befejtigte Hauptitadt der
livländ. Inſel Ofel, hat 2 Kirchen, mehrere Schulen,
einen Hafen mit 2 Leudttiirmen, cine Seewaſſerheil⸗
anjtalt mit Sdlammbad, eine Seemannsfdule und
(1897) 4621 Einw. Die Cinfubr auslindifder Urtifel
gent meijt tiber Riga. A. ijt Der Sig eines deutſchen
igefonfuls. Die Stadt ward 13. Sept. 1710 von
den Rufjen erobert. Bgl. Holzmayer, Das Bad
A. auf der Inſel Ofel (Ärensb. 1880).
Arenffy, Unton Stepanowitsd, ruff. Kom—
ponijt, geb. 30. Juli 1861 in Nowgorod, erbielt feine
Ausbildung am Konfervatorium ju Petersburg und
wurde 1883 als Rompofitionslehrer am Wosfauer
Konfervatorium angejtellt, 1895 aber als Dirigent der
DHoffangerfapelle nad) Petersburg berufen. YW. madte
jid) als Komponiſt durch mehrere Opern, vier Sym-
phonien, cin Klavierlonzert, befonders aber durch Kam—
Arenenberg — Areopag.
mermufitwerfe befannt, aud) gab er eine Harmonie-
lehre heraus (deutid von Quon, Leips. 1900).
Arénys de Mar, Bezirkshauptſtadt in der fpan.
Proving Barcelona, am Mittellaindifden Weer und
an der Eiſenbahn Barcelona-Matars-Empalme ge
leqen, mit (1900) 4618 Cinw., einer Schiffahrtsſchule.
cinem Hafen, Schiffbau, Fabrifen fiir Fil; und Spiper.
BWollen- und Baunuwollengewebe und Branntwein-
brennerei. Auf der Dobe im N. liegt Urénys de
Munt, mit 900) 3003 Einw.; 1 km fidweftlid das
Titusbad (38°), gegen Rheumatismus und Haut
franfheiten empfoblen; 2 km weiter die ähnlich wir-
fenden Thermen von Caldetas d'Ejtrad.
Arenzano, Stadt in der ital. Proving Venua, an
der Meeresfiijte und der Cifenbahn Genua-Nizza, mit
ſchönen BVillen, Seiden: und Baunuvolljpinnereien,
Papierfabrifation u. 1901) als Gemeinde 3987 Coun.
Areographie (qried.), Beſchreibung de3 Planeten
Mars (Wires); areographifd, was ſich auf dieſen
begieht, 4. B. areographiſche Breite.
Aréoi, ſ. Gehetme Geſellſchaften.
Aredia (lat., Verfleinerung von area), der fleine
Hof, d. b. rote Kreis um die Puiteln der Schupblat-
| tern; Der Warzenring auf der Bruſt.
Areopãg (qriecd. Areios pagos, »Ureshiigel«),
Hügel bet Uther, in der Nähe der Yifropolis, den Ero
pylaen gegentiber; bier war der Sig Der Erinnyen und
des beriihinten, uralten gleichnamigen Blutgeridtes,
defjen Urjprung bis in die miythitche Beit zurückgeführt
wurde. Er beſtand (ſchon vor Drafon) aus den ge—
wejenen Urdonten, die ifr Umt tadellos verwaltet
hatter, alfo den ehrenbaftejten, reichjten und ange:
fehenjten Männern Uthens. Auf der Hobe feines Ein
fluſſes wachte der UW. tiber die Uusiibung der Gefege
durd) die Behdrden, fonnte die Beamten wegen ibrer
———— vor Gericht ziehen und gegen alle
Beſchlüſſe des Rates und der Vollsverſammlumg, wenn
er in ihnen eine Verletzung der Verfaffung oder cine
Gefahr fiir das Gemetnween erblicte, Einſprache er-
heben. Er ſchirmte den heiligen Dienſt der Gatter,
| fiihrte Aufſicht fiber die religidje Gefinnung, den fitt-
lidjen Wandel und die LebenSweife der Biirger und
liber die Erziehung der Jugend. Obne eine Anklage
absuwarten, Durfte Der A. alle Biirger vor Geri
laden, vernehmen und jtrafen. Die Wiirde der Mi—
glieder war lebenslinglich, ibre Sahl unbejtimmt. So
war der A., unabbingig von den Sdwanfungen der
dffentlicjen Meinung und umgeben von den heiligiter
Erinnerungen der Porseit, eine vortrefflide Staats-
einridtung, welde die Entiwidelung des Gemeinweſens
in fonfervativem Sinne mäßigte. Eben darum rid
teten fich aber aud) alle Bejtrebungen der demofra
| tifdjen Bartei auf die Beſchränkung der Macht des
YUreopags. Schon Drafon war in biefer Ridtung tatig,
endlich verlor er durch Das Geſetz de3 Ephialtes 460
alle Befugnifje mit Ausnahme des Blutbannes (Die
Oberaufſicht tiber die Staatsverwaltung wurde den
Nomophylafes ee Cine Reattion trat nad
dem Peloponnefifden Krieg ein; der UW. wurde in
einen Teil feiner alten Be ugniffe wieder eingefest,
namentlid) mit der Uuffidt fiber die Beobadtung der
Geſetze durch die Behdrden von neuem beauftragt und
qewann fogar mit dem Ginfen der äußern Macht
| Uthens an influ. Mus Apoſtelgeſchichte 17, 19 u. 22
erhellt, daß er unter Claudius nod eriftierte; wabr-
ſcheinlich wurde er unter Vejpafian aufgeboben. Bal.
¥.W. Ford hammer, De Areopago ete. (Miel 182s);
Ehilippi, Der UW. und die Epheten (Leipz. 1874);
Lange, Die Epheten u. der A. vor Solon (das. 1874).
°
Aere perennius — Wrefe- Visconti. 7
Aere perennius (lat.), dauernder als Erz, ſ. Ex- | Die Romer ſetzten A. ihrem Mars (ſ. d.) aleig, Val.
©gi monumentum x. Miller, Ures (Götting. 1848); Stoll, Uber die
Arequipa ({pr. -tipa), Kiijtendepartement von Peru, | urjpriinglidje Bedeutung ded W. (Weilb.1855); T ii m-
im MR. von Uyacudo, Upurimac und Cugco, im O. | pel, A. und Aphrodite (Leip3.1880); B oigt, Beitriige
von Cujco, Puno und Moquegua, im S. und W. vont | sur Mythologie des W. und der Uthene (»Leipsiger
Stillen Ryean beqrengt, 56,857 qkm groß mit (1896) | Studiene, Bd. 4, S. 225 ff.). — Die qriechifr,> Kunſt
229,007 Cinw. Jn den frudtbareren Teilen de3 vom | jtellte ihn als ſchönen, jugendliden Mann oar von
Bulfan von A. oder ef Miſti (6600 m, f. d.) und dem | traftigem Bau, mit fur; gelodtent Haar, im alten Stil
W@W had ani (5621 m) iiberragten, nur von fleinen Rii- bärtig, ſpäter unbartig, mit etwas düſterm Gefidts-
ſtenflüſſen bewafjerten Gebirgslandes wird Landbau | ausdruc. Von feinen Darjtellungen die bedeutendjte
UND Biehzucht getrieben; der Bergbau ijt trog des | ijt die Statue
Wielallreichtums unbedeutend, widtiger find Induſtrie | des ſitzenden
und Handel. Das Departement jerfallt in fieben Pro- | A. in der Bil-
vinjen. — Die Hauptitadt W., in einem der frudt- | la Ludoviſi
barjten Tiler von Peru, 90 km von der Kiijte und zu Rom (val.
2540 m it. D2, ant Fup des Miſti und an der Cifen | Wbbildung)
babu Mollendo-Puno gelegen, durd) Lage, gefun- | mitdem Eros
Des Klima und die Tätigkeit der see) 35,000 Eimw. | zu Füßen.
eine Ber bedeutenditen Städte Siidamerifas, ijt Sig | Der W. Bor-
eines Biſchofs und cines deutſchen Konſuls, mit Ra- gheſe im Lou⸗
thedrale, Präfelturgebäude, —— Univerſität, vre, Den frei—
2 Nationalfollegien, 4 Mönchs- und 3 Nonnenklöſtern. lid) manche
Baumwoll- und Wollweberei, Gold- und Silber: | als Udill er-
indujtrie und Handel find nicht unbedeutend. Seit Er- klären, ftellt
öffnung der von der Küſte pune Titicacafee fiihrenden | ifn ſtehend
qrogartigen Eiſenbahn ijt A. ei widtiger Bunt fiir | und mur mit
Den Tranfithandet mit dem Hinterlande, der fic) meijt | dem Helm be-
37
int Den Händen europäiſcher Naufleute befindet. Die kleidet
Stadt, 1540 gegriindet, ward fehr häufig von Erd- In der römi—
beben heimgefudt; von 1811—45 zählte man deren
826. Am ſchwerſten litt fie 1582 und 1784; am 13.
Aug. 1868 fank jie gum größten Teil in Triimmer,
wurde aber fofort mieder aufgebaut.
Ares, der griechiſche Kriegsgott, Sohn des Zeus
und der Hera, deren ſtreitſüchtiger Sinn nach Homer
auf ihn übergegangen iſt in dem Maße, daß er nur
am wilden Toben der Schlacht ſeine Luſt hat. Daher
ijt er Den Göttern. ang Zeus, befonders aber Uthene
verhaßt, die vor Troja ſeine Gegnerin ijt und ihn ver-
wundet, aud von ihr begiinjtigten Helden, wie Dio-
medes und Herafles, den Sieg iiber ibn verleibt. Da-
gegen ijt er ſchon bei Homer Freund und Liebhaber
der Uphrodite. Bald kämpft er ju wu, bald auf dem
Kriegswagen, den ihm femme Gibne Deimos und
Phobos (⸗Furcht« und »Sdrecen«) ſchirren, feine
Schwejter Eris (»Streit«) voran; auch die mordende
Enyo gehirt zu A.' Gefolge, dex felbjt aud) unter dem |
Namen Enyalios verehrt und in der Schladt an-
gerufen wird. Als fein Lieblingsſitz galt das wilde
Thrakien. Cine Hauptititte feines Rults war Theben,
wo er und YWphrodite, hier wie anderwirts feine Ge-
mahlin, von ihm Mutter des Deimos und Phobos,
Eros und Unteros und der Harmonia, der Gattin des
Kadmos, als Stammgötter verehrt wurden. Jn Uthen
war ihm die alte Statte des Blutgeridhts, der Areo—
vag, geweiht; hier follten ihn einjt die Götter geridtet
und freigefprodjen haben, als er Poſeidons Sohn Ha-
lirrhothios, der feiner Todter Allippe Gewalt angetan,
litete. Natiirlid) hatte er aud) in Sparta befondere
Verehrung. Im allgemeinen tritt bei der Cinjeitiqfeit
ſeines Weſens fein Kult nicht fo Hervor wie der der
Friedensgötter. Er galt als Bater einer Reihe friegeri-
ſcher Helden 3. T. wildejter Art, wie des Thrafers Dio-
meded, des Kylnos, Onomaos, auc) des von Kadmos
erlegten Draden bei Theben. Gein Sinnbild ijt der
Speer, zugleich Sinnbild der Blutrade und des Blut-
gerichts, und die brennende Fadel, die nad altem
Braud zwei den Heeren voranjdreitende Priejter des
A. den Feinden als Kampfeszeichen zuſchleuderten.
Neyers Ronv.>Lexifon, 6. Aufl., J. Vd.
dar.
ſchen Kunſt
erſcheint A.
ſtets vollge⸗
rüſtet und
meiſt ſtehend.
Sehr beliebt
war auch die
Gruppierung
mit UWpbro-
dite, ftatuas
rijd und in
Wandgenral-
den. — Val.
Dilthey in den »Qahrbiidern de3 Vereins von Ul-
tertumsfreunden im Rheinland«, Heft 53, S. 24 ff.;
Furtwingler in Roſchers »Lexifon der Mytholo-
i qies, Bd. 1, S. 487 ff.; Sauer in ⸗Pauly-Wiſſowas
nzytlopädie⸗, Bd. 2, S. 642 Ff.
réje-Visconti, Francesco, Graf, ital.
Staatsmann, geb. 14. Aug. 1805, geft. 25. Mai 1881,
jtudierte in Bavia die Rechte, beteiliqte fid) 1830 an
ayinis Erhebung und fand nad deren Mißlingen
bei Der Königin Hortenje im Schloß Urenenberg Ru
flucht. 1832 kämpfte A. in der franzöſiſchen Fremden-
legion in Ulgerien und begleitete 1836 den Sohn der
Ronigin Hortense, den fpatern Kaiſer Napoleon III.,
nad) Rordamerifa. Die Ummejtie von 1838 gejtattete
A. Die Riictehr in die Heimat, wo ihn Maſſimo d'Ye-
lio fiir Die Elane Karl Wiberts qewann. Nach Aus—
cal der Revolution vor 1848 fimpfte A. gegen die
Djterreidjer und flüchtete danach nad ‘Piemont, wo er
ing Parlament gewählt wurde. Aus diejer Zeit da-
tieren feine geheimen Wiffionen bei Napoleon, mit
dent er Den Blan faßte, die Ojterreidher aus Jtalien
zu vertreiben; auch ſpäter bat er infolge feiner alten
eziehungen wiederbolt Verhandlungen mit dem Kat
fer geführt, fo 1854 vor dem Rrimfrieg, 1859 nad
Cavours Riictritt, 1862 vor der Septemberfonvention,
1866 bei Gelegenbeit des preubijdy-italienifdjen Viind-
nijjes. 1854 wurde A. Senator, fiedelte nad) Turin
47
Ares (Rom, Billa Ludovifl).
738
fiber und zãhlte feitdem ju den intimen Ratgebern '
Cavours. Rad 1866 309 er fid) von den Staats. |
qeidajten zurüch, blieb Vizeprafident des Se-
nats bis 1874. Bgl. Bonfadini, Vita di Francesco
Arese (Zur. 1894); Grabinffi, Un ami de Napo-
jéon III. Le comte Arese et la politique italienne
sous le second empire (Bar. 1897).
Aresfutan (joc. s-), Berg im ſchwed. Lin Jemt-
land, zwiſchen den Seen Vire und Kall, 1472 m hod. |
Aretãos, griech. Arzt, aus Kappadofien, lebte in |
Rom zu Ende de3 2. Jahrh. n. Chr., Unbhanger der
elleltiſchen Schule, galt nächſt Hippofrates fiir den |
bejten Beobadter der KRranfheiten. In zwei im ioni-
ſchen Dialeft qeidriebenen Werfen bebandelte er die
Urſachen und Zeichen der afuten und droniiden Krank⸗
heiten und deren Heilung (hr3q. von Kühn im den |
»Medici graeci«, Leipʒ. 1828; Crmerius, ltr. 1848; |
Adams, Lond. 1856; deutid) von Mann, Halle 1858).
Val. Loder, A. aus Kappadofien (mit überſetzung,
Zuͤrich 1847).
Arete (qried.), Gemabhlin de3 Phaafenfinigs Al⸗
finoos (j. d.), Beidiigerin des Odyſſeus.
Arethiija, Nymphe der beriihmten Ouelle A. auf |
der Inſel Ortygia bet Syrafus, die einen unterirdi- |
iden Zufammenhang mit dem Alpheios (f.d.) in Elis
haben follte. UW. wurde in Syrakus gottlid) verehrt. |
Den Namen A. fiihrten nod sablreiche andre Quellen, |
3}. B. eine auf Ithala (jest Lebado).
Arcthiifa, im Witertum Stadt in Syrien, am |
DOrontes, zwiſchen Epiphania und Emefa, von Seleutos |
Nifator neugegriindet; jest Rejtan.
Mretin, 1) Johann Georg, Freiherr von, |
geb. 29. Mar; 1766 in Jngoljtadt, gejt. 30. Jan. 1845
in Mitnden, aus einer Familie, die ihren Urſprung
von einem armenijden Königsgeſchlecht herleitete (val. |
»Die Familie A.«, 1825), madte fich feit 1793 als |
Adminiſtrator des Donaumoosgeridts um Troden-
legung des Donaumoofes verdient. 1796 wurde er
jum Hoffanunerrat, 1799 zum Landesdireftor in Am—
berg und 1806 gum Straßen- und Waſſerbauinſpel—
tor in Tirol ernannt. Beim Ausbruch de3 Aufſtan—
des in Tirol 1809 befleidete er die Stelle eines Gene-
ralfommiffars de3 Cijadfreifes 3u Briren und wurde
ald djterreidifcher Gefangener nach Ungarn abgefiibrt ;
freigelafjen, erbielt er 1810 vom König von Bayern
cin Lehnsqut nebjt einer Penfion. Seme zahlreichen
Schriften yind qriptenteils prattijden und vaterlin-
difchen Anhalts.
2) Johann Udam, Freiherr von, bayr. Di-
plomat, Bruder des vorigen, qeb. 24. Uug. 1769 in
Ingolſtadt, geft. 18. Aug. 1822, war unter Montge-
las Direftor der diplomatifden Seftion und feit 1817
bayriſcher Bundestagsgefandter gu Frankfurt a. WM.
A. gehört zu den Stiftern des Vereins fiir dltere deutiche
Geſchichtslunde. Cin Verzeichnis ſeiner wertvollen
Kupferſtiche und Gemäldeſammlung gab Brulliot her:
aus (Münch. 1827, 3 Bde.).
3) Jobann Chrijtoph, Freiherr von, Bru
der Der vorigen, geb. 2. Dez. 1773 in Ingolſtadt, geſt.
24. Dez. 1824 in München, wurde 1799 Landesdirel
tionsrat, 1803 nad) Aufhebung der Klöſter als Re—
gierungskommiſſar mit Durchſuchung der Kloſter—
bibliothefen beauftragt und 1006 zum Oberbibliothekar
in München ernannt. Durch ſeine Schrift » Die Plaine
Napoleons und feiner Gegner in Deutidland« (1809),
worm er gegeniiber einer angebliden antinapoleo—
niſchen protejtantifden Liga Napoleon als Repriifen-
tanten Der Deutidheit, d. h. des Kosmopolitismus,
verberrlidte, geriet er in einen literariſchen Streit mit |
Yresfutan — Aretino.
Thierih und andern nad Bayern gezogenen prote-
jtantijchen Gelebrten, leqte Daber fem Vint als Biblio
| thefar nieder, ward 1811 Direftor, 1813 Byeprafident
des Vp ichts zu Neuburg und 1819 Land-
tagabgeordneter und Prãſident des Appellations
gerichts zu A Als Landtagsabgeordneter gad
| ex die freiſinnige ⸗Landtagszeitung· (1619ff.) heraus
Außer der ſachſenfreundlichen re⸗Sadſen
und Preußen · (1815) ſchrieb er unter anderm > Daber-
bücher Der Gerechtigleitspflege in Bahern · (Neub. 1811
bis 1818, 2 Bde.); » Staatsverfajjung und Ber-
waltung « (Wind. 1826); »Daritellung der bayriſchen
Sreditvereinganjtalt« (Mind. 1824); »Staatsredt
der fonjtitutionellen Monarchie (Altenb. 1824—7,
2 Bde.; 2. Ausg., vollendet von K. v. Rottect, Lewp;
1838—40, 3 Bde.).
4) Rarl Maria, Freiherr von, Geſchichtsfor
ſcher, altejter Sohn des vorigen, geb. 4. Jult 1796
in Weglar, geft. 29. Upril 1868 in Bertin, focht m
— —* 1813—15 mit und diente Damn
bis 1825 teils im eraljtab, teils in diplomatiider
| Stellung, wurde 1843 Legationsrat und 1846 Ge.
heimer Haus: und Staatsardivar, tm März 1847
der bayriſchen Gejandtidaft in Berlin beiqegeben und
1848 und 1849 mit diplomatifden Sen em be:
traut. Im Auftrag König Warimilians richtete er
ſeit 1855 das bayriſche Nationalmuſeum ein, deſſen
Vorſtand er 1860 wurde. Seit 1851 Wirklicher Se
beimer Mat, wurde er 1859 zum lebenstangticden
Mitgliede Des ReidhSrats ernannt und 1867 m des
Sollparlament gewählt. Er ſchrieb: » Ehronologtides
Verzeichnis der bayrifden Staatsvertrãge · (BSafiau
1838); »Bayern$ auswärtige Verhältniſſe feit dem
Ynfang de3 16. Jahrhunderts<« (daf. 1839); »Ge
ſchichte des Kurfürſten Maximilian J.« (Daf. 1849);
»BWallenjteine (Regensburg 1846) und > Altertũmer
und Munjtdenfmale des bayriſchen Herrſcherhaufes⸗
(Münch. 1854—71, 9 Hefte). Auf funithiftorifdenr
Gebiet Autodidalt, erwarb er ſich als Hiſtoriker trotz
partikulariſtiſcher und konfeſſioneller Befangenbert
Verdienſte durch Erſchließung wichtiger Quellen.
Aretino, 1) Pietro, ital Dichter, qeb. 20. Apa
1492 in Arezzo, gejt. 21. Olt. 1556 in Benedig, war
der Sohn eines armen Sdhujters, Namens Luca, ge-
nof eine höchſt mangelbafte Erziehung und ging bald
nad Berugia, wo er zu didten beqann, fodann (1517)
nad Rom. Hier wurde er danf fener ſcharfen Satiren
beriihmt und gefiirdtet und trat in Den Dienſt Leos X.
und de Rardinals Giulio de’ Medici. Unter Hadrian
verließ er mit letzterm Rom und fehrte erjt zurũck alg
Diefer als Clemens VII. Papſt geworden war. Rod
einem Yttentat auf fein Leben verließ er Rout aber-
mals, beqab fid) zu Johann de’ Medici und wandte
fid) nach defjen Tod (1527) nad) Venedig, um bier.
wo er alle Freiheit fiir feime Ausſchweifungen wie fiir
feine fatirifde Feder fand, mur von dem — der
letztern zu leben. Sein Ziel war jetzt, Geld zu ge—
winnen, und bei der Leichtigkeit, nut der er arbeitete.
und der Schlauheit, womit er die Groen durch un-
verſchämte Droh- und Sdhmeidelbriefe auszubeuten
veritand, qelangte er bald ju großem Wobljtand.
Selbjt Kaiſer Karl V. und Konig ean I. beſchenlten
ifn mit qoldenen Ketten. Der erjtere bot ibm fogar
Die Ritterwiirde an, die A. aber ausſchlug. Inzwi⸗
ſchen Hatten feine Schriften ihm eine große Anzahl
von Bewunderern erworben, man nannte ibn »>den
Mottliden« (il Divino), und nicht nur aus allen Tei-
len Italiens, fondern felbjt aus dent Ausland emp.
fing er Beſuche. Stets darauf bedadyt, ſich auf gutem
Uretinus — Argand.
Fuße mit dem römiſchen Stuhl zu erhalten, verfaßte
er abwechſelnd mit den obſzönſten Schriften aud Er-
bauungsbücher, wie: »Della umanitd di Cristo«
(1535), »La vita di Maria Virgine« (1540), cine
Baraphraje der fieben Bußpſalmen u. a. Als Jue
lius III. den päpſtlichen Stubl beſtieg, beglückwünſchte
ihn A. mit einem Sonett, wofür er mit 1000 Gold-
tronen und dem Orden ded Heil. Betrus belohnt
wurde. A. war unitreitiq ein Mann von bedeuten-
Dem Talent, den nur fein Mangel an tieferer Bildung
und feine Sittenlojiqteit hinderten, fich einen ebren-
vollen Blab in der Literatur feines Vaterlandes ju
erwerben. Von feinen zahlreichen Werken haben feine
fiinf Komödien in Proſa: »Il Marescaleo« (1533),
»La Cortigiana« (1534), »L'Ipocrito« (1542), »La
Talanta« (1542), »Il Filosofo« (1546; Neuausg.
Der Komödien, Vail. 1876), die gu den beſten der Feit
gehören, bedeutendes ſittengeſchichtliches Intereſſe,
und ijt Die Tragödie »Orazia« in Verſen (Vened. 1546)
Das bejte. Die meiften übrigen find von der kraſſeſten
Obſzönität. Yon befanntejten darunter find die be: |
riidhtigten, Franz 1. gewidmeten »Ragionamenti«
(1535 —38, 3 Tle., u. ö.; ind Franzöſiſche über—
jest u. d. T: »Les dialogues du divin P. A.«, Bar.
1879), ein draſtiſches Gemälde der fittlidjen Berderb- |
nis in den höhern Stunden Staliens und deShalb
von unzweifelhaftem kulturgeſchichtlichen Wert. Wich:
tig fiir die Zeitgeſchichte find aud) feine »Lettere fa- |
miliari« (Vened. 1537—57; Bar. 1609, 6 Bde.) und
die »Lettere scritte al sig. P. A.« (Vened. 1551,
Bologna 1873—-75). Nicht minder widtig fiir die
Kultur und aud) fiir die Kirchengeſchichte ſind Are—
tinos auf die Papſtwahl Hadrians VI. bezüglichen
» Pasquinate« (hrsq. von B. Roffi, Turm 1891) und
feine ſatiriſchen Prophezeiungen. Val. dazu Luzio,
Un pronostico satirico di Pietro A. (Bergamo 1900);
ferner Mazzuchelli, LavitadiP. A. (Padua 1741);
Ginigaglta, Saggio di uno studio su P. A. (Rom
1882); Luzio, P. A. nei suoi primi anni etc. (Tu-
rin 1888); Graf, Attraverso il cinquecento (daſ.
1888); Bertani, Pietro A. e le sue opere secondo
nuove indagini (Rom 1902).
2) Leonardo, Gelehrter, ſ. Bruni.
UAretinus, ſ. Guido von Arezzo.
Areus, König von Sparta, Euryjthenide, Sohn
des Whrotatos, Nachfolger femmes Großvaters Kleo—
menes II., regierte 309 — 265 v. Chr., rettete, von
cinem Zug nad Kreta heimfehrend, 272 Sparta vor
ciner Croberung durch Pyrrhos und leijtete hierauf
aud) dem von thm bedrohten Argos Beijtand. Er
jiel, qeqen Mafedonien kämpfend, 265 in der Schlacht
bet Rorinth. Die Edptheit des im 1. Bud) der Makka—
bier (12, 20-—23) mitgeteilten Briefes des A. an den
jüdiſchen Hohenprieſter Onias (ob U. J. und an
Onias I. ?) ijt sweifelhaft.
Areuſe Gor. asf), Fluß im ſchweizer. Ranton
Neuenburg, ſ. Travers, Val de.
Arezzo, ital. Provinz, die den ſüdöſtlichen Teil
der Landſchaft Toskana umfaßt, grenzt tm RW. an
die Provinz Florenz, im N. an aol, im RO. an
Pefaro- Urbino, im SO. an Perugia, im SW. an
Siena und hat einen Flächenraum von 3298 qkm
(59,8 0M.) mit 901) 272,359 Cinw. (82 auf 1 qkm).
Die Proving bildet einen einzigen Kreis.
Arezzo, Hauptitadt der gleidnamigen ital. Pro—
ving (ſ. oben), 277 m ii. M., auf einer Unhihe über
dem Chianatal gelegen, Knotenpunkt der Cijenbahn
Florenz ⸗Rom, iſt reid) an bedeutenden Bauwerken
739
merkenswerteſten ſind: der gotiſche Dom (1277 begon⸗
nen, 1511 vollendet), mit ſchönen Skulpturen über
dem Hodaltar, Glasgemälden von Marecillac, Terra:
fotten von Robbia und den Grabmilern Gregors X.
und des friegerifdjen Biſchofs Tarlati (geſt. 1327);
die Kirche Santa Maria della Pieve (die älteſte der 15
Pfarrfirden) mit Glodenturm und beriihmtem Ge:
mälde von P. Lorengetti; die Rirden San Francesco
mit Fresfen von Piero degli Franceschi; San Do-
menico, Santa Unnungiata und. die Badia, ferner die
ca barre (von BVafari), das Stiftshaus der
Fraternitä dei aici (aus dem 14. Jahrh.), jest Ge-
richtshof, und das Stadthaus (von 1333, mit Bildnis
des Pietro Uretino von Seb. del Piombo). Statuen
Ferdinands I., Ferdinands III., des Benediftiners
Guido und des Staatsmannes und Waſſerbaumeiſters
Foſſombroni ſchmücken die Plätze. Die Stadt zählte
1901 ca. 15,800 (als Gemeinde 44,316) Einw., die
fic) mit Seidenraupengudt, Hausweberei, Färberei,
Gerberei, BVerfertiquug von Teigwaren, landiwirt-
ſchaftlichen Maſchinen und Hüten beſchäftigen. A. ijt
der Sitz eines Biſchofs und eines Präfelten und hat ein
Gymnaſium, ein Lyzeum, eine Alademie der Wiſſen⸗
ſchaften und Künſte, cine techniſche Schule, ein tech—
niſches Inſtitut, cine Gemäldegalerie, ein ſtädtiſches
Muſeum und eine anſehnliche Bibliothek. — A. hieß
ehemals Arretium und war nächſt Peruſia die be—
deutendſte der etruriſchen Zwölfſtädte, berühmt durch
ſeine Waffen und Tongefäße (vasa arretina). Die
Stadt ſchloß bereits 308 v. Chr., während des Etrus-
kiſchen Krieges, ein Biindnis mit den Römern. Sulla
und ſpäter Auguſtus führten rdmifde Rolonien nad
W. Im Mittelalter ftand A. meiſt auf feiten der Ghi-
bellinen; von den guelfiſchen Florentinern wurden
die Uretiner bei Cantpaldino 1289 gefdlagen. Seit
dem 14. Jahrb. befaken die Tarlati die Oberherrſchaft
in A.; im 16. Jahrh. wurde die Stadt durch Cofimo
| de’ Medici mit Tosfana vereinigt.
Arfafgebirge, Bergtette in Neuguinea (j. d.).
Arfe, ſpan. Künſtlerfamilie, von der fic) drei Mit—
qlieder bejonders befannt gemadt haben: 1) Hen—
| rique de, ein aus Deutſchland gebiirtiger Gold-
ſchmied, der fid) 1506 in Leon niederließ und für Kir—
den in Leon, Cordoba und Toledo Tabernafel in
gotiſchem Stil ausfiibrte.
2) Untonio de, Sohn de3 vorigen, arbeitete ihn-
liche Werke, aber bereits im Stil der Renaijfjance, fiir
die Kathedrale in Santiago und andre Kirchen.
8) Juan de, Sohn von A. 1), geb. 1535 in Leon,
qejt. um 1603 in Madrid, erlernte die Kunſt bei fei
nem Bater, war dann in Salamanca, Toledo, Balla-
dolid und als Münzmeiſter in Segovia tatig, bid ihn
Philipp IT. 1596 nad) Madrid berief, wo er unter
anderm Bronjejtatuen für den Escorial anfertigte.
Seine durch Geſchmack der Kompoſition und Feinheit
der Technik gleich ausgezeichneten Hauptiverfe find
die Tabernatel fiir die Rathedralen in Sevilla, Uvila,
Valladolid und fiir San Martin in Madrid. Er gab
aud) zwei Werke über Kunſt: »Quilatador de oro,
plata y piedras« und » Varia commensuracion para
la escultura y arquitecturas (beide 1585), heraus.
Arfon, ſ. Carnarvonfhire.
Arfvedſonit (Mineral), natronreiche Horn—
Argali, ſ. Schaf. [blenbde (j. d.).
Mrganbaum, ſ. Argania.
Argand (fpr. «gang, Aimeé, Tedhnifer, qeb. 1755
in Genf, gejt. 24. Oft. 1803 in England, erfand 1783
in London die nad ihm benannten Brenner mit dop-
des 13, und 14. Jahrh. und der Renaiſſanee. Am be⸗ peltem Luftzug, war auch Miterfinder des Stoßhebers
47*
740
und fonftruierte angeblich die Luftpumpe mit Rugel-
ventil (1776). Er ſchrieb: »Découverte des Jampes
& courant d'air et a cylindre« (Genf 1785). ©.
Vampen und Leuchtgas.
Arganda, Stadt in der fpan. Provinz Madrid,
Bezirf Chindon, durch eine Lofalbahn mit der Haupt-
jtadt verbunden, hat (1900) 4053 Einw., die Objt- und
Weinbau betreiben.
Argania Sideroxylon R. et S. (Argan—
baum), Sapotazee, oft Dorniger, intmergriiner Baum
mit mächtigem, aber niedrigem Stamm und einer
Krone von bisweilen mehr als 70 m Umfang, deren
Ujte fid) auf den Boden herabneigen, linealfpatel-
fi anigen Blattern, in Knäueln ftehenden Bliten und
langlicjen, 2—4jamigen Beeren. Er bildet in cinigen
Provinzen Maroffos Walder (vgl. Lens, Timbuftu,
2. Aufl., Leipz. 1892), liefert fehr hartes, ſchweres
Hols (Eifenhols), in feinen Friidhten qutes Vieh
futter und aus den Gamen fette3 OL, das als Speiſeöl
und Leuchtmaterial benugt wird.
Argauthonton (heute Samantit-Dagh), Ge
birge m Bithynien, am Marmarameer, 887 m hod),
awifden den Meerbujen von Ismid und Gemlik. Hier
läßt Die Sage während der Argonautenfahrt den
Hylas durch die Nymphen geraubt werden.
Argas, ſ. Zecken.
Argäus, Berg, ſ. Ardſchiſch 2).
Argeer (lat. Argei), 24 aus Binſen geflodtene
Menfchengejtalten, die am 15. Mai durd) die Vefta-
linnen im Beijein der Pontifices, Der Pratoren und
Vollbiirger von der Pfahlbriide in Rom als Sühn—
opfer in den Tiber geworfen wurden. Auch gab es
in Rom 24 A.-Kapellen (argea oder argeorum sa-
cella), ju denen die Bewohner der betrejfenden Be-
zirle 16. und 17. März in Projzeffion gogen. Die
eigentlide Bedeutung des uralten Brauches war ſchon
friih abbanden gefommen.
Urgeier (Urgiver), im Altertum die Bewohner
von Argos im Peloponnes; bei Homer die Grieden
tiberhaupt.
Argel (Urjel), fpan. Bezeichnung fiir Algier.
Urgelander, — Wilhelm Auguſt,
Aſtronom, geb. 22. März 1799 in Memel, geſt. 17.
Febr. 1875 m Bonn, ſtudierte feit 1817 in Ridnig’-
berg die Rechte, wurde jedod) durch Beſſel fiir die
Wjtronomie gewonnen und ward 1820 Uffijtent an
der Königsberger Sternwarte. 1823 Direftor der
Sternwarte in Who, 1828 Profeſſor in Helfingfors,
wohin 1832 die Aboer Sternwarte verlegt wurde,
1837 Profejjor und Direftor der neu ju erbauenden
Sternwarte in Bonn. Gein Hauptwerk ijt die mit
Schönfeld und Krueger 1852—61 ausgefiibrte Durd-
Arganda — Argens.
Bageri« (Qonn 1842); »>Uranometria nova- (Bert.
1843), 18 Himmelsfarten, weldye die richtigen Größen⸗
verhaltnifje der in unfern Gegenden mit blofen Augen
ſichtbaren Gejtirne Ddarjtellen; »De stella 4 Lyrae
variabili« (Bonn 1844 u. 1859); »Beobadtungen
fiber veränderliche Sterne (Daf. 1868 u. 1898). Bon
den »Wftronomijden Beobadtungen auf der Stern
warte zu Bonn« gab er 7 Bande (1846—75) berans,
aus feinen im 1. und 2. Bande derjelben enthaltenen
Bonenbeobadtungen leiteten Oeltzen (1851 u. 1857)
und Wei (1890) umfangreidhe Sternfataloge ab.
MArgeles (ir. arfg'ta), 1) (U.- Gaz ojt) Urrondifie-
mentshauptitadt im franz. Depart. Oberpyrenden, im
Tale des Gave de Pau an der Südbahn gelegen,
466 m ii. M., hat Sdhwefelquellen (L2—14"), cue
Badeanſtalt und cvo1) 1836 Cinw. — 2) (VW. «fur
Mer) Stadt im frany. Depart. Ojtpyrenden, Wrrond.
Céret, 3 km vom Mittelländiſchen Meer an der Siid-
bahn qelegen, hat Schloßruinen u. (901) 2824 Cow.
die Fiſcherei, Weinbau, Korffabrifation 2c. betreiben.
Mrgelftrauc (VU rgbelftraud), j.Solenostemma.
Argemone L. (Stadelmobn), Gattung der
Papaverazeen, Kräuter und Stauden mit gelappten
bis geteilten Blättern, eingeln ftehenden Bliiten und
länglichen, einfiderigen, vielfamigen Rapjeln. Sechs
Arten im tropijden Umerifa; mehrere werden als Sier-
pflangen fultiviert, wie A. mexicana L., aus Werifo
nad) Nordamerifa und den Tropen der Ulten Welt
verſchleppt, mit dornig gegabnten, weiß gerippten umd
eäderten Blittern und gelben Bliiten; A. grandi-
ora Sw., aus Merifo, mit dornentofen Blattern und
weißen Blüten 2.
Argen, Fluß im ſüdlichen Württemberg, fließt aus
dem Untern und Obern A. zuſammen und mündet nad
78 km langem Lauf bei Langenargen in den Bodenſee
Argenau (bis 1878 Gniewlowo), Stadt im
preuß. Regbez. Bromberg, Kreis Jnowra;law, an der
Staatsbahnlinie Poſen -Schönſee, hat 2 evangelifde
und eine fath. Rirde, eine Synagoge, Oberforiterci.
Mafdhinenbauanjtalt, Holzſchneidemühlen, Dampf
iegelei und (1900) 3129 meiſt fath. Einwohner. Der
—* wird ſchon 1185 urkundlich erwahnt und war
Reſidenz der Herzöge von Rujavien.
Wrgens (ivr. hang), Jean Baptijte de Boyer.
Marquis d', philofoph. Sdriftiteller, geb. 24. Jum
1704 3u Wir in der Provence, geft. 11. San. 1771
unweit Toulon, trat ſchon friih in den Militärdienſt.
ward 1734 bei der wag von Kehl verwundet
und durd) einen Sturz dienſtunfähig, nahm femen
Abſchied und ging, von feinem Vater enterbt, nad
Holland. Hier erichienen feine »Lettres chinoises«
(Haag 1739, 5 Bde.; deutſch, Frankf. a. M. 1768—
mufterung des ndrdliden Himmels, eine Ortsbeſtim- 1771), »Lettres cabalistiques« (Haag 1741, 6 Bde. ;
mung aller Sterne desfelben bis zur 9. Gripe, die er
in Dent »Atlas Des ndrdliden gejtirnten Himmels«
(Bonn 1857— 63, 40 Karten; 2. Aufl. von Riijtner,
1899) publizierte. Das zugehörige Sternenverjzeidnis
(Bonner Durdmufterung) erfdien im 3.—5. Bande
der »WUjtronomifden Beobachtungen auf der Stern-
warte 3u Bonne. Wuch knüpften fic) daran im 6.
und 7. Bande der ⸗Aſtronomiſchen Beobadtungens :
»Mittlere Orter von 33,811 Sternene (Bonn 1867),
Sternen« (Daj. 1869) und andre widtige Publifa-
tionen. Er ſchrieb ferner: ⸗Uber die Bahn des großen
Someten vom Jahre 18114 (sinigsb. 1822); »DLX
stellarum inerrantium positiones mediae« (Helfing-
fors 1835); »Uber die ciqne Bewegung des Sonnen⸗
{yftems«< (Petersb. 1837); »De fide Uranometriae
deutſch, Leipz. 1773—77, 8
juives« (am bejten Bar. 1766; deutfd, Berl. 1770—
_spondance entre Frédéric IL et le
»Unterſuchungen über die Eigenbewequng von 250 |
de.) und »Lettres
1783, 6 Bde.), weldhe die Aufmerkſamleit Friedrics I.
dermafen erregten, daß er den Verfaſſer zu fich ein-
lud und 1744 zum Direftor der philofophiiden Maffe
der Ufadentic ie Berlin ernannte. Bald war A. der
tãgliche Geſellſchafter de3 Königs, der ihn femmes frei-
muitigen Charalters wegen hochſchätzte; vgl. »Corre-
marquis d°A.«
(Mdnigsb. u. Bar. 1798; deutſch, Königsb. 1798).
1769 fehrte U. nad) Franfreid) zurück ſchrieb in
der Weiſe der franzöſiſchen —— ſteptiſch. dabei
witzig und mit Geſchmack, war aber in ſeinen Urteilen
ſchwankend. Geringen Wert haben ſeine Romane, m
deren einem (>Mémoires et lettres de Mr. le mar-
quis d’A.«, 1735) er feine Liebeshändel erzählt. Be-
Argenfola — Wrgenfon.
Deutender find ſeine »Mémoires secrets de la ré-
publique des lettres« (Haag 1737), die Dann ſpäter- Frankreich ſich auf die Staaten zweiten Ranges ig
bin als » Histoire de l’esprit humaine (Berl. 1765— | und mit deren Beibilfe, ohne Landerwerbungen, den
1768, 14 Bde.) erjdhienen. Yn andern Schriften zeigte beſtimmenden Einfluß auf die Geſchicke Europas zurück—
ev ſich als erfahrener Kunſtkenner u. a. Auch tiber- | erobern follte. Allein ein fo hochherziges Verfahren
ſetzte er Julians Fragmente wider die Chrijten, die erſchien als cin Luftſchloß; ſchon 1747 wurde er ent:
er ausführlich kommentierte (»>Défense du paga- | lajjen und widmete fich, mit Voltaire befreundet, aus-
741
ſuchte ein politiſches Syſtem zu verwirklichen, wonach
nisme«, Berl. 1764).
Argenfola, swei der bedeutendjten Lyrifer Spa-
niens, aus einent urſprünglich italieniſchen Whdels-
geſchlecht: 1) Lupercio Leonardo de, geb. um (Amſterd. 1764 u. b.); »Essa
1564 gu Barbajtro in Uragonien, gejt. im Wir; | nistre d'Etat«
ſchließlich wiſſenſchaftlichen Studien. Aus jeinem Nach.
| laf} wurden herausgegeben: »Considérations sur le
| gouvernement ancien et présent de la France«
is, ou loisirs d'un mi-
ar. 1787, 2 Bode.), reid) an feinen
1613, jtudierte gu Huesca, war längere Zeit Geheim- | Bemerkungen, Sdilderungen von Yeitqenoffen und
ſchreiber der in Gpanien lebenden Raijerin Maria | Unefdoten. Auch feine »
von O
emoiren« (hr3g. von Ra⸗
ſterreich, Witwe Maximilians IL. ; ſpäter wurde thery, Par. 1860—68, 9 Bde.) find fiir die Beit
er Kammerherr des Erghergogs Wibert. Bon Phi- | gefdhichte von Wert. Bal. Sevort, Le marquis d’A.
lipp ILL. jum Hijtoriographen von Aragonien ernannt,
begleitete er 1610 den fpanijden Vizelönig Grafen
von Lemos nad Neapel, wo er als Staats- und Kriegs
et le ministére des affaires étrangéres 1744—1747
(Par. 1880); De Broglie, Maurice de Saxe et le
marquis d’A. (daj. 1891, 2 Bde.); Ulem, D’A. éco-
ſetretär ftarb. A. brachte ſchon als Jüngling drei | nomiste (daſ. 1900).
Trauerjpicle mit Beifall zur Aufführung (> Isabela«
»Alejandrac, »Filis«), deren Cervantes im »Don
8) Marc Pierre, Graf d', Bruder de3 vorigen,
qeb. 16. Ung. 1696 in Baris, gejt. dajelbjt 22. Aug.
’
Quichotte⸗ rühmend gedenft; dod) war die lyriſche 1764, wurde 1720 Generalleutnant der dortigen Po—
Poeſie das Feld, auf dem er den meijten Beifa
tete. Namentlich zeichnen fi
Rraft und ——
ern⸗
ch ſeine Kanzonen durch Paris und 1743 Kriegsminiſter. Er widmete ſich der
che Fülle des Stiles aus. Unter Reorganiſation des Heeres und gründete 1751 die
lizei, aber bald wieder abgeſetzt, 1737 Intendant von
den Sonetten find Meiſterſtücke; ſeine Epiſteln ſind Ecole militaire. Unter ifm begannen d'Alembert
edankenreich und formvollendet. Eine gute Ausgabe und Diderot die »Encyclopédiee, deren erſte Vande
eſorgte der Graf de la Viñaza (Obras sneltas<, | ihm gewidmet waren, wie er aud feinemt Freund Vol-
Madr. 1889, 2 Bde.), der ſchoͤn einige ungedructe | taire den Stoff gum Siecle de Louis XIV« lieferte.
Satiren and Lidt g
satiricas«, Daj. 1887)
2) Bartolomé Leonardo de, Bruder de3 vori
qen, geb. 1565, gejt. 26. Febr. 1631 in Saragoſſa,
ezogen atte (»Algunas obras
| Durd) die Bompadour 1757 feines Utes enthoben
| und auf fein Landgut Ormes verwiefen, durfte er erſt
-| nad Dem Tode der Marquife nach Paris guriiciehren.
4) Mare Untoine René de Voyer d', Mar-
trat in den geiſtlichen Stand, ward Kaplan der Kai- quis de PRaulmy (pr. pom, Sohn von A. 2), geb.
jerin Maria, lebte bis 1610 meijt in Salamanca, be- | 22. Nov. 1722 in Valenciennes, gejt. 13. Aug. 1787
qleitete Dann ebenfalls den Grafen von Lemos nad
Reapel und ward nad) dem Tode feines Bruders an
defien Stelle Hijtoriograph von WUragonien. Seine
Gedichte haben weniger Kraft, aber größere Anmut
und eine nod) gefeiltere jtilijtifde Form. Auch ein
hiſtoriſches Werk iiber die »Eroberung der Molulli—
iden Inſeln« (Madr. 1609 u. 1891 in der » Bibl. de
Escritores Aragoneses<) ijt wegen eleqanter Norreft-
heit und Rundung der Sdhreibart geſchätzt. Bor den
Uragonifden Annalen«, deren Fortſetzung er über—
nomen, erfdien nur ein Teil (Sarag. 1630). Cine
Studie iiber ihn verdffentlichte der Pater Miquel Vir
(Sarag. 1891). Die Gedichte beider Briider wurden
erit nad) ibrent Tode vom Sohn des Altern verdffent-
litt (>Rimas«, Sarag. 1634; neue Aufl. Madr. 1786;
Ubdrud auch in Rivadeneyras » Biblioteca de auto-
res espaiioles«, Gd. 42).
Argenfon (pr. fanghong), 1) Marc René, Mar-
quis dD’, franz. Staatsmann, geb. 4. Nov. 1652 in
Venedig, wo fein Vater René franzöſiſcher Geſandter
war, gejt. 8. Mai 1721, ftellte als Generalleutnant
der Polizei von Paris feit 1697 Ordnung und Sicher-
heit dafelbjt her, indem er die politiſche Polizei ſchuf,
wurde 1718 Brafident des Finanzkonſeils und Siegel:
bewabrer, leqte aber infolge de3 Scheiterns der anfangs
von ihm begünſtigten Lawſchen Finanjoperationen
1720 jeine Amter nieder. Bal. »Rapports inédits du
lieutenant de police René d’A. 1697—1715« (rq.
von Cottin, Bar. 1891).
2) René Louis, Marquis d', Sohn de3 vori-
gen, geb. 18. Oft. 1694, geft. 26. San. 1757, war von
1720—24 Yntendant im Henneqau, wurde dann
Staatsrat und 1744 Miniſter des Wuswartigen. Er
in Baris, erwarb fich eine Bibliothef von ca. 100,000
Banden, die 1785 vom Grafen von Artois (nachmals
Rarl X.) angefauft wurde und den Grundjtod der
Bibliothéque de l'Arsenal bildete. Zu vielen jeiner
Bücher ſchrieb er wertvolle Cinleitungen, gedruct
u.d.Z. »Mélanges tirés d'une grande bibliothéque«
(1779 — 87, 69 Bde.). Jn dev auf feine Unrequng
entjtandenen » Bibliothéque universelle des romans«
(1775—78, 40 Bde., er trat dann von der Redaftion
suriid) finden fid) Novellen von ibm, die als » Choix
de petits romans de différents genres« (1782, 2 Bde.)
aud) befonders erſchienen find. Er war Mitglied der
franzöſiſchen Aklademie (1748) ſowie der Aiademien
zu Berlin und Nancy.
5) Mare René Marie, Marquis d', geb. 10.
Sept. 1771 in Paris, geſt. dafelbjt 2. Aug. 1842,
| Enfel von A. 3), wurde nach dent Wusbrud der Re—
volution Udjutant Lafayettes. Nad der Natajtrophe
vont 10. Aug. 1792 zog er fic) auf feine Güter in
Touraine zurück, heiratete die Witwe des Prinzen Vie-
tor von Broglie und beſchäftigte fich mit der Land-
wirtſchaft und indujtrieflen Unternehnumgen. Bon
Napoleon 1809 zum Priifeften des franzöſiſch-belgi—
ſchen Departements Deur-Néthes ernannt, vertrat er
entſchieden cine verfaſſungsmäßige Verwaltung und
nahm 1813 feinen Abſchied, als ihm die Regierung eine
geſetzwidrige — — Während der Hun—
dert Tage und nad der Reſtauration 1815 in die Kam:
mer berufen, bekämpfte er iiberall die Reattion. Eifrig
widmete er fic) dem Wohl der arbeitenden Klaſſen.
Seit 1834 lebte er auf ſeinem Landjige gu Ormes.
Eine Sammlung feiner Reden gab fein Sohn Charles
Mare Rend, Marquis d'V., 1846 in 2 Banden heraus.
742
Argentamin, cine 10pro3. Wthylendiaminfilber-
pjosphatlijung, dient als reizloſer Erſatz fiir Silber-
nitrat bei Gonorrhöe, Augenleiden und Magenfatarrh.
Argentan, foviel wie Neufilber.
Urgentan (pr. sgangting), Urrondijjementshaupt-
jtadt im franz. Depart. Orne, an der Orne und der
Weſtbahn, hat ein altes Schloß (jest Gericht), 2 bemer-
fendwerte Rirden, ein Denfmal des Geſchichtſchreibers
Mézeray, Handelsgericht, College, Spigenfabrifation,
Gerberet und-(1901) 5668 Einw. Ym Arrond. A. liegt
das Dorf Camembert mit beriihmter Kajefabrifation.
Argentanfpiben, gegen Ende de 17. Jabrhun-
derts unter dem Ylamen point d’Alengon (WUlencon-
ſpitzen, f. d.) in Urgentan genähte Spigen. GS. Tafel
» Spigen Ile, oe 2.
Argentaro, Monte (pr. ardf4.), 635 m hoher Verg
de3 tosfan. Subapennin in der ital. Provinz Grojjeto,
auf einer mit dem Fejtland nur durch zwei ſchmale
Landzungen jiingjter Entſtehung (Tombolo und Fe-
niglia) zuſammenhängenden Halbinfel, weſtlich von
Orbetello, hie} einſt das Talamonijde Promontorium
und erbielt den gegenwirtigen Namen (⸗ ———
im Mittelalter wegen ſeines Tallſchieferglanzes. r
durch die Landzungen gebildete, überbrückte Strandſee
iit reid) an Fiſchen. m Fuk des A. liegt ſüdöſtlich
die Ortſchaft Porto Ercole, mit Zitadelle, Fort,
Leuchtturm und kleinem Hafen, nordweſtlich Porto
Santo Stefano, —— mit einem Hafen und
Sardinenbereitung. Beide Orte zuſammen bilden eine
nad dem A. benannte Gemeinde von (1901) 7527 Seelen.
Argentat (pr. 4cangta), Stadt im franz. Depart. |
Correje, Urrond. Tulle, an der Dordogne, hat 1901
1854 Cinw., die Steinfohlenbergbau, Hutfabrifation
und Sdweinehandel treiben. Jn der Umgegend kel⸗
tiſche und römiſche Ultertiimer.
AUrgentéra, Rocca d’ (pr. ardſch⸗), höchſter Gipfel
der Secalpen, 3300 m hod), auf ital. Gebiet, Provinz
Cuneo, zwiſchen den Hodtilern de3 Geſſo und der
Veſubie gelegen.
rgentenil (or. -fhangtd), Fleclen im frang. Depart.
Seine-et-DOije, Urrond. Verfailles, recht an der Seine, |
liber die cine {chine Briide führt, an der Nord- und
Weſtbahn und der Parifer Ringbahn, mit einer reftau-
rierten romanifden Rirdhe, die in einem Reliquienfajt-
chen einen jogen. heiligen Rod Chrifti bewabhrt, Rejten
eines Kloſters, in dem Abälards Geliebte Heloife den
Schleier nahm, Wein- und Gemiifebau, Metallwaren-,
Bement> u. Ubrenfabrifation und (901) 15,708 Einw.
Argent haché (jpr. arſchang aſche), ſ- Weiftupfer.
Argentiera, Inſel, ſ. Kimolos.
Argentiere dor. 4Hangtjie’), Weiler im franz. Depart.
Argentamin — Argentiniſche Republik.
Argeuntin iſche Republif (RepublicaArgentina,
hierzu die Karte »Urgentinien, Chile, Bolivia x«),
aud Urgentina oder Urgentinien, frither Ber-
einigte Staaten de3 Rio de la Plata genannt,
Bundesrepublif in Siidamerifa, zwiſchen 22— 55°
ſüdl. Br. und 56° 20’—70° 20’ wejtl. L., grenzt tm O.
an den Wtlantifden Osean, Uruguay und Braſilien,
im N. an Paraguay und Bolivia, int W. an Chile, om
ſchmalen Silden an das chileniſche Patagonien und
das ſüdliche Polarmeer und hat 2,885,620 qkm Fade.
Die Republif zerfallt in das Stadtgebiet Der Bum.
DeShauptitadt Buenos Wires (j. d.), in 14 Proving
die mit Ausnahme von Entre Rios ſämtlich die Re:
men ihrer Hauptitadte tragen, und 9 Territorien (Go⸗
bernaciones). Die nod) immer ju Streitiqfeiten An
laf gebende Grenge gegen Chile int ſüdlichen Bate-
— und im Feuerland wurde 1885, die gegen
raſilien in den Miſiones 1890 feitgeitellt. Die Be-
vilferung, die 1895: 4,044,911 Seelen betrug, m̃—
nad einer Berednung fiir Ende 1900 auf 4,794,149
Seelen gejtiegen, die ſich auf die einzelnen Gebiets
teile wie folgt verteilt:
Quabrate | Bevdlte-
Au
filometer rung 1900, 1 gkm
Hauptitadt Buenos Mires . 186 821291 6 —
Proving Buenos Mires. . | 305121 | 1140087 te
e Gatamarea. . . 123 138 99827 | 604
: Gorboba. . . . 161 036 419072 | 24
‘ Corrientes. . . 84402 277041 a3
E Entre Rios. . 74571 | B43 GR4 44
s ujuy e 49162 4 405 11
2 La Rioja . . 89 498 W7783 Oo
s Mendoza 146 378 141431 | Os
2 Salta 161 099 131 938 Os
s Gan Juan... 87 345 #991 lt
3 Gan Quis... 73923 91403 12
3 Santa He . ' 131906 536 236 4a
. Santiago . 103 016 180612 Lt
s Tucuman . . . 23124 249433 104
Territorien. 1271715 134 935 0.1
Sufammen: | 2885620 | 4794149 14
Dazu nod 80,000 wahrideintid) der Zählung ent
gangené Perjonen und 20,000 Yndianer.
IVBhyfiſche Verhaltuiffe.] Bodenbeſchaffen—
Heit. Un der Weſtgrenze gegen Chile, faum 150 km
vom Groen Ojcan, sieht Das Gebirgsſyſtem der An—
den Hin, ſchroff nad) W., fanfter nad) O. zur argen«
tiniſchen Tiefebene abfallend. Wahrend die menten
Hauptaipfel, wie die Bulfane Tinquivirica (4778 m)
und San Jofé (5582 m), Tubungato (6710 m), Jun⸗
cal (6208 m), Cima del Mercedario (6798 m) u. a,
Oberjavoyen, Urrond. Bonneville, im Chamonirtal, | auf der gemeinſamen Grenge beider Republifen fied
1208 m ii. M.; daritber der Glacier d'A. (j. Mont | befinden, gehört der höchſte Berq der Anden, der
blanc und Chamonir). | Aconcagua (6970 m), Argentinien allein an. Im fid-
Argentieren (franj., fpr. -fhangt-), verfilbern, fpe- lichen Teil erreidht die Rammhöhe nur 2500 m, erhebt
siell Eiſengerät mit Neujilber, Silber oder andern | fid) aber gwifden 38 und 32° zu 3000, 4000 und
etallen uͤberziehen. felbit fiber 6000 m hinaus, um Dann mit Der fächer
Urgentin, aus ame eng Lary Bink gefall- | artiqen Uusftrahlung des Gebirges in 5—6 Strange
tes, fein verteiltes Sinn oder der Wbfall von der Fa- auf eine mittlere Hdhe von 4000-—4600 m herabyu-
brifation unechten Blattfilbers, dient zur Herjtellung | finfen. Die Uberginge liegen famtlich in bedeutenden
von unedtem Silberpapier und des Silberdruds auf | Höhen, mur zwei fiir Cifenbahnen benugbare Päſſe
Geweben, da die aufgedructen Muſter unter der Wal- | des mittlern Teiles durdbrechen. den Kamm unter:
zenpreſſe filberartigen Glanz annehmen; aud se |
ag
detes, verjilbertes oder verfupferte3 Porzellan,
jid) äußerlich von Metall nicht unterſcheidet.
Argentina, ſ. Argentiniſche Republit.
Argentine (ipc. ardfgentain), Stadt im nordamerifan.
Staat Kanſas, Grafidaft Wyandotte, weftlid von
Kanſas City, mit Schmelzwerk und (900) 5878 Einw.
halb der mittlern Hohe, der Uspatlatapays (3900 m)
und der Planchonpaß (8000 m). Schneefälle find
nur im ſüdlichen Gebiete der Kette reiclich, Gletſcher
zeigen fic) nur ſüdlich vom 36.° ſüdl. Br. und aud
fajt allein auf chilenifder Seite. Die öſtlich vom
Hauptfanum fic hingiehenden Ketten nehmen an Hdbe
ju, je weiter fie nad MN. vorriiden; die nennenswer-
=
* Brasitien
9
wun ep yous he
. @ FP Boweien mee
— pera
>
* ‘ie oe wr 4)
is ly * 4 Pa *58 F
‘ —9 ral ° —
168 4 Ps
” { x ~
| @\ue dal’
Ll ——
a * } *
4 | \ Ie
—n—
bot te, io
eon 1" , 8*
1 ye 8
hey VI Mr erp yr
w PUTARLT ony ‘apectipy prane
— it Quyegen
“AVOOVUVE END AVQOOMA
“VIATOR y*
, SETH NATNLEN AS AV \
oth — |
—8
— xo 0
“tg )
yt x >» aé
___ thy
#019 wos #Fuy ⸗
Argentinijdhe Republif Godenbeſchaffenheit r., Flüſſe, Rima, Pflanzen- u. Tierwelt).
eften find die Sierras de Famatina (6020 m), Be-
aco, de Umbato, de Uncajte, de Uconquija (4650 m).
Sie alle find Teile des Undenfyjtems, während die
is 2350 m hohe Sierra de Cordoba von 3. T. une
virtlicben ſalzigen Ebenen und Laqunen umgeben
jt. Den charakteriſtiſchen Hauptzug Urgentiniens bil-
ven aber ungeheure wafferarme, fandige Steppen
Pampas, f.d.) mit vielen Salz- und Salpeterjtriden,
vie die Salinas’ Grandes nördlich von der Sierra
¢ Cordoba. Cinen befondern Charafter tragt das
Nebiet gwifden den Flüſſen Parand und Uruguay,
8 sargentinifde Mefopotamien«, mit feinem frudt-
aren Boden und feinen fonjt fo jeltenen Waldern.
Weologifd find tertidre und diluviale Ublage-
ungen (Merge! und ritlide fandige Tone) bemer-
enswert, da Re in weiteſter Berbreitung die Pampas
vom Utlantifden Osean bis gu den Rordilleren, von
Batagonien bis nad) Brafilien hinein erfiillen; fie be-
yerbergen eine cigentiimlide Saugetierfauna (Eden-
aten, Gilrteltiere, Nager, Pferd, Tapir, Maftodon,
Zama). Die aus der Pampa aufiteiqenden Sierren
deftehen vorwiegend aus arddifden Gejteinen (Gra-
vit, Gneis, Glimmerſchiefer); in den weſtlich gelege-
ten, höhern Sierren (3. B. der von Cordoba) gejellen
ich gu ihnen nod) Sedimente (Ralfiteine) der Kreide
ind vulfanijde (andeſitiſche, trachytiſche und bajalti-
dhe) Hefteine. Wn dem Aufbau der argentinifden An⸗
vent —— ſich die zuletzt genannten Geſteine, den
vrundſtock bilden jedoch kambriſche und ſiluriſche Ton⸗
chiefer, Grauwaden und Kallſteine mit eingelager—
en Felſitporphyren und Porphyrtuffen, ferner riiti-
he Schichten mit Kohlen und bituminöſen Schiefern
Mendoza, Famatina), dann etwas Yura. Der gegen:
virtigen Beriode der Erdgeſchichte gehören die Mee—
es⸗ und Flupablagerungen an der Küſte, die mäch—
igen Gerdllanfammlungen an den Gehängen und
mt Fuh der Gebirge fowie endlich die Salglager der
Salinas an. Un Mineralien ijt das Land un-
yemein reid). Jn den gebirgigen Teilen finden fic
Yold und Silber fasten in den Provinzen Cor-
yoba, San Luis, Rioja, San Yuan, Mendoza, Cata-
narca), viel Kupfer (befonders in Catamarca), Eifen
in San Yuan), Blei und Nickel, in den Ebenen Sal-
eter, Koch- und Natronfal;, teil in Salsfeen und
Sitmpfen (Salinas), teils im Boden der Pampas.
Steinfohlen find in der Miihe des Rio Vermejo nad-
Jewieſen, aud) Ufphalt und Petroleum, doc ift ihre
Abbauwiirdigfeit nod) nicht fidergeftellt. Bergwerke
sejtanden ſchon 1595 in Rioja, feit 1636 in Mendoza
ind Salta, die Jejuiten hatten Kupfergruben in den
Mifiones. Jetzt werden hauptfidlid er, Silber
ind Blei gewonnen. Argentinien ijt reid) an Mine-
calquellen; Sdhwefelquellen befinden fich befonders
n der Proving San Quan. Val. A. Stelzner, Bei-
viige sur Geologie und Paliontologie der Urgentini-
hen Republif (Kaſſel 1885); G. Steinmann, Bei-
räge zur Geologie von Siidamerifa (> Reues Yabhr-
uch für Mineralogie ꝛc.«, 1892— 96); L. Bracke—
yufd, Mapa geolégico del interior de la Republica
Argentina (Cordoba 1894 ff.).
Die Haupt fliffe Urgentiniens find Parand, Ba-
raquay und Uruguay, die den La Plata bilden, und
die weſtlichen Nebenfltiffe der beiden erjtern: Rio Pil-
romano, Bermejo, Salado und Tercero. Wahrend
die Drei erjten fchiffbare Waſſerſtraßen bilden (See:
chiffe gehen den Barand aufwärts bis Rofario), find
rie fibrigen wafferarm; andre verlieren ſich, ohne den
Dauptitrom ju erreiden, in Lagunen, aud die von
den ſüdlichen Anden fonrmenden Fliiffe fallen in grofe, |
743
durd Kanäle verbundene Salzſeen (Guanacade, Sil-
vero, BVebedero, Laguna Amarga). Bon geringer Be
deutung find die gegen D. und SO. dem Ozean gu-
jtréimenden Flüſſe Rio Colorado, Negro, Chubut.
Das ganze Gebiet öſtlich von 66° weſtl. L. und nörd—
lich vor 42° fiidl. Br. - befat mit unzähligen fleinen
Salz-⸗ und Süßwaſſerlagunen.
Das Klima iſt in dem weit ausgedehnten Lande
ſehr verſchieden, im allgemeinen aber geſund. Geringe
yon igi, zeichnen den Silden und das Innere
aus, tm RO. nehmen fie jedod) vom Oſtfuß der Anden
und von Batagonien gegen die Grenze von Brajilien
und Uruguay ju. Gomit fteht ein trocknes und ge-
mãßigtes ſüdliches —— das auch die innern
Hochebenen zwiſchen den Anden und den Antikordil—
leren umfaßt, einem feuchtern ſubtropiſchen im N.
—— Der trodne Süden liegt im Wind- und
egenſchatten der Anden, im N. bringen der Südoſt⸗
pafat und die aus dem tropifden Siidamerifa herein:
webenden Winde mehr Feuchtigfeit mit. Jährliche Re-
genntengen: Gan Juan 7 cm, Mendoza 20, La Rioja
30 cm; Provinz Buenos Aires 66 cm (Maximum im
Sanuar, Minimum im Uuguit), inneves Urgentinien
52—58 em (Maximum im Januar, Minimum im
Auguſt), unterer Barand 87 cm (Maximum im De-
—— Minimum im Auguſt), mittlerer Parand 109
is 175 cm (Maximum im März, Minimum im Of-
tober). Jahrestemperatur und mittlere Jahresertreme
Cag pon Buenos Wires 17,2° (84° und 0°),
abia Blanca 15,2° (38° und — 3°), Santiago 21,6°
(31° und — 1°), Tucumdn 19,4°, Cordoba 16,6°.
Der Charatter der Pflanzenwelt wird beſtimmt
durd) bauntlofe ———— die von ſalzauswittern⸗
dem Boden ohne jede Vegetation oder von Salzſeen
unterbrochen werden. Unter den endemiſchen Gras—
arten fallen beſonders Arten mit ſtarren Organen
auf (Paspalum, Cenchrus, Pappophorum, Stipa,
Eriocaulon, Eustachys). Alle wachſen in buſcharti—
en, getrennten Rajen, swifdjen denen nur wenige qe
ellige Stauden von rotbliibenden Verbenen und Ur-
ten aus den Gattungen Solanum, Eupatorium, Car-
duus und Digitalis jid finden. Auffallend ijt die jtarfe
Verbreitung europäiſcher Pflangenformen. So haben
fich auf weiten Flüchen Dijteln, Kletten und Fendel an-
ejiedelt, die Urtijdodendijtel (Cynara Cardunculus)
Bitbet mcilentueit unburthbringliche Dicticht, wibrend
Lolium- und Hordeum-Yrten die eigentlichen Bam-
pasgrafer ſtellenweiſe ganz verdriingen. Die Fluß—
ufer bededen lidjte Waldungen von Wigqarroben (Pro-
sopis dulcis, cine Mimoſee), Lorbeerarten, verwilder-
ten Orangen und Pfirſichen, umwunden von Lianen
und Epiphyten (Tillandsia), während ſtrauchartige
Solanazeen und Kompofiten (Baccharis) das Unter-
hol; bilden. Bor einbeimifden Bäumen wird der
raſch wachſende, ſchattenſpendende Ombu (die Phytol⸗
altazee Pircunia dioica) in der Steppe häufig an—
gepflanzt. Wo der Pampaston zurücktritt, erheben
ſich auf dem fandigen Boden Kalteen (Opuntia Dar-
wini), einzelne Palmenbeſtände (Cocos australis und
Cocos Yatay) jieren die Buſchwälder am Rarand.
Eine eigentümliche Charakterpflanze der nordweſt—
lichen Sieppe iſt der Chañarſtrauch (die Leguminoſe
Gourliea decorticans), ein zwergbaumartig auftreten⸗
des Dorngewidhs. Auch die patagoniſche Steppe mit
ihrem Kiesgerdli bietet nur Raum fiir armliches Dorn-
geſtrüpp (Monttea aphylla, Plantago patagonica).
Tierwelt. Urgentinien bildet zoogeographiſch den
größten Teil der patagonifden oder dilenifdjen Sub-
region der neotropifden Region. Bn den Pampas
744
lebt die Viscada (Lagostomus trichodactylus) und
der Pampashaſe, die größern Raubtiere nb durch
Jaguar und Kuguar vertreten. An den Flüſſen hauſt
das Waſſerſchwein, der größte lebende Nager; in den
baumloſen Ebenen leben Gürteltiere. Zu den ein—
heimiſchen Tieren geſellen fic) Haustiere und in den
Pampas halbwilde Herden von Rindvieh, ‘Bferden
und Sdafen. Bon den Vögeln find charafteriftijd
der ſüdamerikaniſche Strauß (Nandu) und bejtimmte
Hiihnervigel. Die Reptilien tragen amerifanifdes
Gepräge; die Süßwaſſerfiſche zeigen Berwandtidaft
mit neufeelindifchen und auſtraliſchen Formen. Unter
den Wollusten fallen zahlreiche Bulimus-Arten mit
gezahnten Wundteilen aus der Gruppe Odontosto-
mus auf; die Siferfauna der fiidlichen fandigen Teile
des Landes ijt harafterijtifd) Durd) viele Yirten aus
der Familie Der Welanofomen.
[Vevsilferung.}] Die Bevilferung fest fid aus drei
Beſtandteilen zuſammen, Yndianern, Europäern und
Afrikanern, die aber, beſonders außerhalb der großen
Städte, die infolge des beſtändigen Zufluſſes aus
Europa den Charakter dieſes Erdteils bewahrt haben,
nieiſt zu einem Bolfe —— ſind. Die kriege—
riſchen Scharrug, die früher Uruguay bewohnten,
gins en alg Bejiegte in den Minuane auf, ihren
we rie in Entre Rios und Santa Fe, und haben
heute, mit den Spaniern vermijdt, nicht einmal den
Namen bewahrt. Die Querandi von Buenos Mires,
von denen die Einwanderer den Gebraucd ded Laſſo
lernten, wurden nad) S. gedrängt und find in den
Nomaden Patagoniens aufgeqangen. Die Guarant
an den fern de3 Barand und die zahlreichen Boller
qleichen Stammes im heutigen Entre Rios und in
Corrientes find jest ſeßhafte Vilrger der Republif,
dod) haben fie in Corrientes ihre Sprache bewahrt.
Die Calchaqui und die iibrigen Quichuaſtämme, die
den Grundjtod der Undenbewohner bilden, im RW.
des Staates, fprechen ihre eigne Sprade. Nod villig
unjivilijiert find die Stämme de3 Chaco, die Toba,
die von ihren Nachbarn, den jest ausgeſtorbenen
Ubiponen, fajt gänzlich vernichteten Mbaya, die
Mbocobie u. a. Dagegen arbeiten die Mataco
und Chiriquano ae in den Pflanzungen. Jn
den Bampas am Salado und femen Zuflüſſen woh—
nen die zu den Uraufanern gehörigen Rancele und
Chileno, an dew Flüſſen Neuquen, Colorado und
Hurique die gu den Puelche gehörigen Divihet und
Chechahet, ſüdlich von bent Gamal bis zum Feuer⸗
land die Tehuelhet oder Patagonier, endlich auf
dem Feuerland und den umliegenden Inſeln die
Feuerländer oder Peſchäräh. Seit 1792 kamen zu
der eingebornen Bevölkerung, den Abkömmlingen der
ſpaniſchen Eroberer und den Miſchlingen, im S.
Chino, im RN. Cholo genannt, als neues Element
die Neger, die al Sflaven eingeführt wurden und
am Ende des Jahrhunderts ein Sechſtel der Bevilfe
rung ausmadten, feit der Abſchaffung der Sflaverei
(1832) aber fic) fo mit den iibrigen Bolfselementen
vermiſcht haben, daß eine Feftitellung ihrer Bahl un—
möglich ijt. Die weiße Bevölkerung bejteht aus
den Nachkommen der ſpaniſchen Eroberer, den Ar—
qentino, und den feit 1836 hierher ſtrömenden Ita—
lienern, Basten, Franzoſen. Um eine Entnationali:
fierung der argentiniſchen Bevöllerung zu verhindern,
hat die Regierung einen Ausgleich angejtrebt, indem
jie gegenüber der ftarfen romanifden Cinwanderung
die germanijde Einwanderung begünſtigte. Diefe
Cinwanderung ijt feit 1881 aukerordentlich geſtiegen
und nur in allerlegter Seit infolge der ungiinjtigen
Argentiniſche Republif (Bevditerung, Wderdbau und Viehzucht).
wirtidaftliden Lage suriidgegangen bei gleichzeitig
ſtark zunehmender Uuswanderung. Es betrug die
Einwanderung Auswanderung
1889... SC. «260900 1889 . .. . 40649
18900... . 198407 1990 . . . . S21
sgl... 75507 wel... 20 e8
1804 . 80671 184%}. 413%
1895 . . . . 8O8BS 1895 . 6 S20
1896 . . . . 135205 1897. . . . 57457
1897 . . . . 105143 1998 ... . S356
1898 . . . . 95190 1999. . . . G2
1809 . . . . 111283 19”0 . . 55417
1900 105 902
Bon 1857— 1900 jind 1,732,280 Perſonen mehr em-
als ausgewandert. Man rechnete auf die (1805) 4,095,000
Einwohner 2,950,000 Urgentinier, 493,000 Staliener,
199,000 Spanier, 94,000 Franjofen, 17,000 Deutjche
75,000 fonjtige Europäer, 118,000 Ymerifaner umd
149,000 Indianer. Der Religion nach find fait alle
Weißen und die befehrten Jndianer rõömiſch katholijch
—— Oberhaupt iſt der Erzbiſchof von Buenos
ires, unter dem die Biſchöfe von Cordoba, San
Juan, Mendoza, Salta und Parand ſtehen. Die ede
mals reiche Rirde ijt wihrend der Revolution aller
ibrer Giiter beraubt worden; die Biſchöfe erhalten
ibre fehr mäßigen Einkünfte dDurd den Staat, und de
Pfarrer find meijt auf die Stolgebühren und die Ein
fiinfte aus den Rirdenfelten angewiefern. Winds
orden find nur ſpärlich vertreten ; dagegen gibt es eine
Anzahl Nonnenfldjter. Berfdiedene Miſſionen be
jtehen an der Yndianergrenje. Freier Kultus und
Griindung von Sdulen ijt allen Religionsbefennt
niſſen gejtattet. Geit 1868 bat das Unterrichts
weſen eine wefentlice Umgejtaltung erfabren, in
dem es Der Staat aus den Handen des Klerus in feine
eignen nahm. Gs beſtehen 2 Univerjititen (Buenos
Yires und Cordoba), 16 höhere Schulen (in jeder
Provingialhauptitadt), cine Ingenieurſchule, Han-
delsſchule, Radettenbaus und Marinefdule, 2 Schu
len fiir Uderbau, cine fiir Berqbau, cine Seefadetten
und Matrofenfdule. Yn 3233 Bolfsjdulen wurden
1891: 249,700 Kinder unterridjtet. Die gelebrien Ge
ſellſchaften: Academia nacional de Ciencias, Socie-
dad scientifica Argentina Museo de la Plata, Insti-
tuto Geografico Argentino, verõffentlichen werwwolle
Ubhandlungen. Außerdem erſcheinen 513 Zeitſchrif
ten. Offizielle Sprache ijt die ſpaniſche.
IAderbau, Viehzucht.) Vis 1877 war Argentinien
cin Konſument von Brotfrüchten, ſeildem ijt es einer
der anſehnlichſten Produzenten geworden. Die orn.
tammer der Republik ijt die Provinz Santa FE, doch
nimmt der Anbau in allen Provinzen jährlich zu
Die Anbaufläche, die ſich feit 1888 verdoppelt bat,
betrug 1895: 48,920 qkm. Auf Weizen famen hiet
von 20,497, auf Mais 12,442, Ruderrobr 6127, Gerjte
| 5457, Flachs 3870, Wein 335 qkm. Die Ausfuhr an
Ackerbauerzeugniſſen betrug 1890: 25,6 Dull. Refos,
|». bh. 25,4 Brox. der Gefamtausfubr. 1899 wurden
ausgeführt: 1,713,499 Ton. Weigen, 1,116,276 T.
Mars, 217,713 T. Flachs. Die Regierung hat zahl
reidhe Uderbaufolonien qeqriindet, unter denen die von
Schweigern, Deutichen und Englindern gebildeten am
bliihendjten find. Es waren 1895 aber erft 1,7 Bro.
des Areals angebaut. Ungleich gripere Bedeutung
lals der Landbau befigt Die Viehzucht, auf der ber
| Den auferordentlich qiinftiqen Raturverhalinifjen des
Landes hauptſächlich der Rationalwoblitand berubt.
Samtliche Haustiere find eingeführt; das Pferd 1536,
Bieqe und Schaf 1550 aus Peru, Rindvieh 1553
aus Brajilien. Suchttiere aus Europa haben die aus
Argentinijde Republik (Induſtrie und Handel, Verkehr).
diejen Stämmen gebildeten Rajjen verbeffert, und |
der Biehitand hat ſich außerordentlich vermehrt. Es |
qab 1895: 74,379,562 Safe, 21,701,526 Rin-
der, 4,446,859 Pferde, 2,748,860 Siegen, 652,766 |
Schweine, 285,497 Maultiere, 197,882 Efel, 82,497 |
Strauge und 8,111,322 Stiid Gefliigel im Gefamt- |
wert von 1650 Will. Mt. Die Maultiere gehen in
qanjen Herden nad Chile und Peru. Die Haupt:
nutzung ded Rindviehs beſteht außer fiir den grofen
eignen Bedarf im Verfauf von Sdlachtvieh fiir die
Stadte und fiir die Schlachthäuſer (Saladeros), in|
denen früher jährlich 194 Will. Rinder geſchlachtet
wurden, um als getrocknetes Salzfleiſch (tasajo) aus-
jefiibrt zu werden, während kaum cin Viertel des Rind:
riehs auf Fleiſchextrakt, Fleiſchvepton und Fleiſchkon⸗
‘erven verarbeitet wird. Die Ausfuhr von Salzfleiſch
jat aber neuerdings febr abqenommen. 1895 wur-
den nod) 695,404 Tiere in 29 Saladeros geſchlachtet,
darunter 582,168 Rinder und 113,236 Pferde, 1897
tod) 481,000 Hinder, 1898 bloß 340,100 Stiid. Das
irgentiniſche Pferd ijt flein, aber gelehrig, ſchnell
ind ausdauernd; wild kommt es nur noch in kleinen
Trupps im S. vor. Viele Pferde werden ihrer Haut
ind ihres Fettes wegen, aus dem man ein Brennöl
Petro) bereitet, getötet. Auch die Ausfuhr von Ro}:
jaaren ijt von Bedeutung. Die Schafzucht wird erſt
eit neuerer Beit (befonders jeit Einführung von Zucht⸗
chafen) mit größerm Cifer und foldem Erfolg be—
rieben, daf fie jetst weitaus den Hauptsweig der volfs-
virtichaftlichen Tatigkeit bildet. Die Ausfuhr von |
hiehprodukten iiberragt die aller andern Erzeugniſſe:
895 fiir 74,629,876 Peſos, davon auf Wolle 28,9, |
uf Haute 16,8, auf lebendes Vieh 16,8 Mill. Peſos.
[Yuduftrie, Handel.] Die Induſtrie Urgenti- |
tiens erjtredt fic) auf die Vewinnung von Ronferven, |
Mehl, Stärke, Erdnußöl, Nudeln, Dauergebaden, |
for, Butter u. Käſe, Zucker, Wein, Bier, Sprit, Licht
ind Seife; 1895 bejtanden 659 Mühlen, 949 Wein |
ellereien, 61 Bierbraucreien, 161 Spritfabrifen, 51
zuckerfabriken, neben 13 Gasfabrifen und 17 Eleftri- |
itditswerfen und 39 Saladeros (10 davon arbeiteten |
tit). Der Handel, unter der ſpaniſchen Herrjdaft
urch ſchwere Bolle belajtet, wurde erjt 1778 mit
em Mutterlande freigeqeben. Seit der Unabhängig—
citserflirung der La Plata- Staaten fteht er allen
tationen offen und hat ſich außerordentlich qehoben.
Ein 1889 erlaſſenes Geſetz befeitiqte alle Ausfuhrzölle
ind ſetzte ad valorem-Zölle, gewöhnlich zu 25 Proz.,
uf alle Einfuhrartikel feſt; nur Kunſtwerke, Bücher,
Schiffe, Steinkohlen, Piliige, Telegraphendraht, Fiſche,
züdfrüchte, Tiere und Eiſenbahnmaterial find zoll—
rei. Haupiſtapelplatz ijt Buenos Aires; doch haben
uch Rofario, Corrientes, San Nicolas, Gualequaydu |
ireften überſeeiſchen Berfehr, und man berechnet die
andelsbewegung dicfer Hafen auf 30 Bros. von jener
er Hauptitadt. Die Cinfubr betrug 1901: 114 VAL, |
te Uusfubr 167,7 Mill. Peſos. Der voriiberqehende
‘arfe Rückgang des Handels (1897 Cinfubr nur 99,
lusfuhr 106 Mill. Peſos) hatte jeinen Grund in dent
890 cingetretenen Staatsbantfrott, hervorgerufen
urd) cine Reibe von Mißgriffen, unter denen die zu
arte Eyiffion von Bapiergeld einer der ſchwer⸗
rvegenditen war (vgl. unten, S. 748). Die Verlujte, |
ie England durd den ungeheuern Riidgang argen-
nifcher Werte erlitt, beziffern fich auf 42,3 Mill. Pfd.
sterl. Un der Einfuhr ijt Englandam jtirfften, mit
twa einem Drittel, beteiliqt, Dann folgen Frankreich,
Jelgien, Deutſches Reich, Nialien, Spanien, die Ber: |
nigten Staaten, Brajilien ſowie Uruguay, Chile, |
den Hölzern ijt von hohem
745
ap ae und Bolivia. Eingeführt werden vornehm⸗
lid) Etjenbahnmaterial, Baumwollengewebe, Mleider,
Wollenftoffe, Wein, Zucker, Kohle, Mafdinen und
Inſtrumente, Holz, Cifenwaren, ferner Chemikalien
und Drogen, Eiſen, Pack- und Segeltuch, Papier,
Yerba, Tabak, Holzwaren, Olivenöl, Seidenwaren,
Reis. Ausgeführt werden die oben genannten Pro-
dufte Des Ackerbaues, der Viehzucht, der Induſtrie,
der Forſtwirtſchaft, des Bergbaues, der Jagd. Unter
te das Quebrachaholz
(Quebracho colorado von Loxopterigium Lorentzii,
einer Unafardiajee). Hu Lande geht der Handel
vorzugsweiſe nad Chile und Bolivia, dann nad Pa-
raguay und Brajilien; tiber die Rordilleren werden
Die Waren teils in ſchwerfälligen Ochfenwagen, teils
auf Saumtieren gefdajft. Unter den Ausfuhrländern
jteht Frantreid voran, dann folgen Deutjdland und
England. Un Banken bejtehen die Rationalbant,
London and River Plate Bank, Britiſh and South
Ymerican Bank, London and Brazilian Bank, Unglo-
Yirgentine Bant, cine italieniſche, franzöſiſche, deutſche,
ſpaniſche, cine neue italienijde, rimifde Bank und
die Commercial Bank, ſämtlich in Buenos Wires, fo-
wie fleinere in den größern Provinzialhauptſtädten.
Geldwefen. Fehlgriffe der Nationalregierung,
Vejtedlichfeit und Verſchwendungsſucht haben die
wiederfolten Berfude, cin dauerhaftes Geld- und
Rreditwefen herzuſtellen, ſcheitern laſſen. Der Peſo
moneda nacional von 1881 — 4,05 Ml. entſprechend
5 Frank der franzöſiſchen Doppelwihrung, wurde im
Januar 1885 durd Noten mit Zwangsturs erſetzt;
wirflides Gold (Peſo en oro effectwvo), d.h. gegen jene
Wiihrung im Metallgehalt abgewogene Miingen, ſteht
hod) im Rurs, der aber beträchtlichen Sd wanfungen
ausgeſetzt ijt. Zölle diirfen nad) dem Tarife fiir 1893
ganz in Bapier bezahlt werden, deſſen jeweiliqen Wert
Die Regierung feſtſetzt. Seit 1887 hat das metrifde
Syſtem ausfdliehlide Geltung ; indeffen bedient man
ſich nod) älterer Mage, die aus altipanijdjen ftammen.
1 Quintal von 4 Yirrobas ju 25 Libras — 45,937 kg.
[Verkehréverbaltniffe.] Der Schiffsverkehr be
trug 1898: 1042 Dampfer von 1,825,404 Ton. und
B47 Segelfdijfe von 282,335 T., zuſammen 1389
Schiffe von 2,107,739 T. Bon den in argentinijden
Häfen verfehrenden Dampferlinien find 5 englifde,
| 3 deutſche, 3 franzöſiſche, 2 italienifde, eine nord.
amerifanijde; cine argentiniſche verfehrt in den Hafen
big Rap Horn, drei andre fahren den La Plata auf—
warts bis Ufuncion, wo brajilifde und paraquayifde
Dampfer nad) Cuyabd fich anſchließen. Die Handels—
flotte beftand 1900 aus 110 Dampfern von 40,794
und 155 Segelidiffen von 40,000 T. Während die
Landſtraßen nod) viel zu wünſchen fibriglaffen, wird
an dem Bau von Eiſenbahnen (1900: 16,767 km)
rüſtig qearbeitet. Die widtigften Linien find Buenos
Wires-BVilla de Mercedes, Buenos Wires-Sundales,
Buenos Wires- Bahia Blanca, Villa Maria- San
Juan, Cordoba-Chilcas. Die transandinifde Bahn,
welche die Unden tm Uspallatapaß iiberfdreitet, qeht
von Billa de Mercedes fiber Gan Luis nad Men—
doza und ſteigt dann bis gu 3140 m Höhe auf, wo cin
5065 m langer Tunnel das Gebirge durchbricht. Im
angen find zur Uberwindung des Gipfels ficben
— mit einer Geſamtlänge von 16km ndtig. Die
argentinifden Bahnen beforderten 1889: 11,044,000
Reifende und 6,6 Will. Ton. Giiter. Die Teleqra-
phenlinien batten 1900 cine Linge von 44,382 kin
mit 94,377 km Drähten und 1237 Bureaus. Die
Poſt befirderte 1898 durd) 1788 Yimter im innern
746 Argentiniſche Republik (Staatsverfaſſung rc., Finanjen, Heer u. Flotte ꝛc.; Geſchichte).
Verlehr 181,821,945, im internationalen 34,630,234 | Aires und Puerto Belgrano (bei Bahia Blanca). Das
Briefpojtiendungen.
[Staatéverfajiung, Verwaltung.] Die Verfaf-
jung, ju Santa Fé 25. Mai 1853 gegeben (durch⸗
geſehen bei der Wiedervereinigung mit Buenos Aires
II.Nov. 1859) und gang der der Vereinigten Staaten
von Nordamerifa nadgebildet, will den Kultus der
römiſch⸗ fatholijden Rirde aufredjt erhalten wiſſen,
obſchon Freiheit des Belenntniſſes bejteht; fie duldet
feine Sflaverci und erfermt iiberhaupt feine Bevor-
zugung des Blutes oder der Geburt, auch feine per:
jonliden Privilegien und UdelStitel an, fept qleide
Verteilung der Steuern und öffentlichen Lajten feſt
und gewährleiſtet Freiheit der Preſſe, der Aſſoziation,
de3 Kinterridhta. Die geſetzgebende Gewalt üben cm
auf 9 Jahre indireft gewahlter Senat von 30 Vit-
liedern, die 30 Jahre alt fein und cin Jahresein—
onunen von 2000 Bejos haben müſſen, und eine auf
4 Jahre direft von den Provingen gewählte Abgeord⸗
netenfammer (1 auf 20,000 Einw.) von 86 Dittglie-
dern, die 25 Jahre alt fein miiffen. Genat und Ram-
mer bilden den Kongreß. Die vollzichende Gewalt
iibt ein Prafident, dem ein Vizeprafident zur Seite
jteht. Beide müſſen römiſch-katholiſch und innerhalb
des argentinifden Gebietes qeboren oder Sohne inner-
halb deSfelben geborner Biirger fein; fie werden auf
6 Jahre gewahlt und können erſt nad Ablauf einer
ebenfo langen Friſt wieder gewählt werden. Unter
den Prajidenten ſtehen Miniter dem Innern, dem
Wuswartigen, den Finangen, der Juſtiz nebjt Kultus
und Unterridt und dem Kriegs- und Marinewefen
vor. Cin aus fiinf Ridtern und einem Generalpro-
furator zuſammengeſetzter oberſter Gerichtshof hat in
der Hauptitadt ſeinen Sig; Bundesuntergerichte fest
der Kongreß im Gebiete der Ronfoderation cin. Bun-
deShauptitadt ijt Buenos Wires.
—— Das Budget fiir 1902 veranſchlagte
die Uusqaben auf 32,4 Mill. Peſos in Gold und 96,2
Mill. Pefos in Rapier, die Einnahmen auf 40 Will.
Pefos in Gold und 64,3 Mill. Peſos in Papier. Die
Staatsfduld betrug 1901: 553,5 Mill. Pejos.
Heer und Flotte. Die W. R. hat feit 1901 all-
qemeine Dienjtpflidt. Das ftehende Heer wird
100,000 Mann jtarf angenonmmen und bejteht aus
den Linientruppen und den Staatsbiirgern vom 19.
bis 35. Jahre; die Referve (Nationale), 33,000
Mann ftarf, wird gebildet aus den Biirgern vom
35.—-41. Qabre. Die Landwehr (Territorialgarde)
bejteht aus den Biirgern von 41—50 Jahren und
den efiva durd) geſetzliche Beſtimmungen vom Dienjt
im ftehenden Heere Befreiten. Das ftehende Heer
befteht aus 3 Armeekorps zu 2 Divijionen mit je
16,500 Mann. Die Divifion hat 2 Brigaden; jeder
derfelben werden auger der Gnfanterie und Navalle
rie eine Schwadron Yrtillerie, 2 Kompagnien Genie-
truppen und eine Kompagnie Karftrain zugeteilt. Die
Bewaffnung (Urfenal Zarate) ijt durchaus modern; |
die Infanterie führt ein 7,65 mm Gewehr (Syſtem
Mauſer 91), die Urtillerie hat leichte Batterien mit
75 mm-Sdnellfeuerfanonen und fchwere mit 10,5 cm:
Haubigen. Die Kanonen find von Krupp gefertigt.
Die Flotte bejtand 1901 aus 4 großen Panzerkreu
jern, 3 Küſtenpanzerſchiffen, 2 Banyerfanonenbooten,
5 fleinen Kreuzern, Torpedobootszerſtörern, 12 Hod)-
jectorpedobooten, 10 Riiftentorpedobooten, 4 Wadt-
booten, 1 Wtinenboot, 1 Schulſchiff, 2 Transport:
Dampfern und etwa 16 Spesialfdiffen, darunter
3 Seqler. WIS Hilfskreuzer find außerdem verwend-
bar 5 Handelsdampfer. Rriegshifen find Buenos
Marineperfonal zählte 1901: 822 Seeoffiziere, 7498
Unteroffigiere, Matrofen und Heiser, 130 Radetten,
600 Sdijfsjungen. Das Wappen ijt en von Blau
iiber Silber quergeteilter Schild, unten zwei ver—
idlungene Hinde, einen Stab mit der Freiheitsmütze
hattend. Uber bem Schild cine aufgehende Sonne
(f. Tafel »Wappen IT«). Die Nationalflagge ijt blaw-
weiß⸗ blau geftreift (ſ. Tafel »Flaggen I<).
Geſchichte.
Die Mündung des La Plata-Stromes wurde zuerſt
1512 von zwei — portugieſiſchen Seefah-
rern im Auftrag des Nuno Manoel entdeckt. Doch
erfolgte, da das Land Schätze nicht zu bergen fdten,
von Portugal aus feine förmliche Beſitzergreifung,
fo daß 1515 Diego de Solis es fiir Spanien befegen
fonnte. Nachdem Magalhaes 1520 die Diindung be
rührt hatte, fubr Sebajtian Cabot 1527 den La Plata
hinauf und erbaute unter 34° fiidl. Br. da3 Fort San
Ejpiritu. Wis erjter Adelantado (Rivil- und Wilitar-
gouverneur) griindete Pedro de Mendoza 2. Febr. 1535
Die Stadt Buenos Wires. Der eigentlide Eroberer
des La Plata- Landes war aber der 1555 zum Wde-
lantado ernannte Martine; de Jrala. Um 1610 be-
ann die erfolgreice Tätigkeit der Jeſuiten am obern
—— (j. Paraguay). 1620 wurden die Lander fid-
lid) vom Zuſammenfluß des Barand und Paraguay
als Gobierno del Rio de fa Plata unter cine befondere
Regierung gejtellt und in drei Provingen, Tucumeén,
Buenos Uires und Paraquay, qeteilt. Cin driicendes
Monopolſyſtem machte ein Gedeihen diejer Kolonien
unmöglich, und ein maflofer Schleichhandel, der be-
fonders von den Portugicjen betricben wurde, die
1680 Buenos Aires geqeniiber die Kolonie Sacra-
mento gegründet batten, bradte Die Spanier um alle
Handelsvorteile. 1776 wurde aus den La Plata:
Ländern ein befonderes fpanifdes Vijefdniqreich mit
der Hauptitadt Buenos Wires gebildet, das außer Ur-
qentinien nod Uruquay, Raraquay und Bolivia um⸗
fate und 1782 in acht Intendanzen qeteilt murde.
Nach Vertreibung der Portugieſen aus Sacramento
(1776) nahm man ein liberales Handelsfyitemt an,
infolgedejjen Buenos Vives rajd) aufbliihte. Wegen
der Allianz Spaniens mit Frantreid) bemächtigten jid
die Englander unter Popham 27. Juni 1806 der Stadt
Buenos Mires, wurden aber 12. Ung. von der Be-
vilferung wieder vertrieben. Erſt die Berufung eines
Bonaparte auf den ſpaniſchen Thron (1808) ref etme
nationale Rreolenpartei ins Leben, an deren Spige
Mariano Moreno jtand. Der von der ſpaniſchen Zen⸗
traljunta qefandte nene Vizekönig Cisneros regrerte
fo willfiirlich, daß die Kreolen cinen Kongreß zu ſtande
bradten, der ihn nad Curopa zurückſchickte. Da Spa
nien alle Vermittelungsvorſchläge hartnadiq zurüd
wies, fo war damit das Siqnal zum Wbfall qeqeben.
Der Vizekönig Liniers ward wrederholt geſchlagen
und endlich in Buenos Wires erfchoffen. 1811 ward
aud in Baraquay der fpanifche Gouverneur vertrie-
ben, und die Schladten bei Tucuman (24. Sept. 1812)
und von Salta (21. Febr. 1813) befreiten das gange
Gebiet de3 Va Plata von ſpaniſchen Truppen.
Nun trat 31. Yan. 1813 cine fonjtituierende Ver⸗
jammlung zuſammen, dod) entitand fofort Strett
zwiſchen Buenos Wires und den Provinzen, und es
machte fic) cin ſcharfer Gegenſatz geltend swifchen der
europäiſch gebildeten Borteiios (Cinwobnern der
Hauptitadt) und den rohen, halbwilden Gauchos, de
von den Rejten der gotifden (ſpaniſchen) Partei anf-
gereijt wurden. Da die Herrſchſucht der Porteños
Argentinijde Republif (Gefdidte). 747
den Abfall der Banda Oriental (Uruguays) und Pa- | Rofas floh nad) Buenos Uires und von da nad Eu-
raquays zur Folge hatte, aud) Oberperu an die Spa« | ropa; die Hauptitadt unterwarf fic) ebenfo wie dic
nier verloren ging, gab Buenos Aires nad. Cine | fibrigen Provingen dem Sieger. iiber die Neugeſtal—
neue Shasguatuertoundune trat in Tucuman ju- | tung der Verfaſſung aber brad) fofort cin neuer Kon—
ſammen, erflarte 9. Juli 1816 die Unabhängigkeit | flit aus zwiſchen Buenos Wires, dad feine bevorjugte
der vereinigten Brovingen des Rio de la} Stellung nicht aufgeben wollte, und den Provinzen,
Plata und beſchloß 3. Dex. 1817 cin proviforifdes | die volle Gleichberechtigung verlangten. Zeitweilig
Grundgeſetz, das auf einem Kongreß in Buenos Wires | Durd) Verträge gemildert, Dauerte dev Wettytreit an,
30. April m eine Verfaffung umgewandelt wurde. | bis Buenos Wires nach dem ungünſtigen Treffer von
Damit war von vornherein der Gegenjag sweier Bar- | Cepeda (11. Nov. 1859) durd) Pectron vom 11. Rov.
teien gegeben, der Unitarier oder Sentralijten, | 1860 fid) der Urgentinijden Konföderation wieder
die eine jtarfe Zentralgewalt herjtellen wollten, und | anſchloß und als Hauptitadt gum Sig des Kongreſſes
der Foderalijten, die für die Unabhingigheit der | und der Bundesregierung beftimmt wurde. Jedoch
eingelnen Provinzen waren. Beide Parteien befinrpf: | die Anſprüche von Buenos Aires auf die politiſche
ten ſich hartnäckig und führten einen unaufhirliden | Suprematie riefen ſchon 1861 einen neuen Kampf
Wechſel der Regierungen herbei, fo daß fid) der Staat | hervor, in dem die Truppen von Buenos Wires unter
änzlich — drohte. Endlich —— ſich der Führung des Generals Mitre (f. d.) 17. Sept. bei
Faberalift odriguez mit dem Unitarier Rivadavia | Bavon a ten, worauf fid) der Kongreß von Rarand
zu einer gemeinfdjaftlichen Regierung, die fid) zunächſt aufldjte. Run wurde Mitre int September 1862 yum
auf Buenos Uires beſchränkte und fiir diefes 3. Uug. | Brafidenten der Konföderation gewählt. Buenos
1821 eine Bolfsvertretung berief. Darauf ſchloß Wires wurde für die nadjten 5 Jahre zum Sif der
Buenos Wires mit den Provingen Corrientes, Entre | Zentralbehirden beſtimmt, aber zugleich der Fort⸗
Rios und Santa Fé den fogen. einfeitigen BVertrag —* der autonomen Stellung dieſer Provinz und
vom 25. Jan. 1822 und lud die übrigen Provinzen | aller ihrer beſondern Rechte geſichert.
jum Beitritt ein. Diefe fahen ein, daß fie ohne die| Die Bevorzugung von Buenos Aires erregte fort-
Dauptitadt, die den eingigen Hafen bildete und Handel | gejeBt in andern Provingen Unjufriedenheit. Wud)
and Berfehr beherridte, nichts bedeuteten, und be: | wurde das Land wiederholt durch Streifsiige der In—
‘hidten im Dezember 1824 einen Generalfongres in dianerſtämme beläſtigt. Dazu fam die ſchlechte Finany-
Buenos Mires, der ant 23. Jan. 1825 ein regan lage. Gleichwohl befeltiqte Mitre durch Bank und
Yrundgefes beſchloß; Buenos Uires ward mit der | Finanzgeſetze, Begünſtigung der europäiſchen Cin
teitung der auswärtigen Ungelegenheiten betraut. | wanderung u. a. fern Unebert. Mur lie er ſich eben-
Die Nonjtitution vom 24. Dez. 1826 war ein Sieg | falls auf eme Einmiſchung in die innern Verhältniſſe
ver Unitarier, indem cine ftarfe Zentralregierung cin: | Uruguays cin und leiftete der aufſtändiſchen Partei
jeſetzt und Rivadavia als Generalfapitin von Buenos | dafelbjt, den Colorados (Liberalen) unter General
Hires aur Präſidentſchaft der Foderation qelangte, | Flores, wirlfamen Beijtand, fo daß die fonjervative
var aber nidt von langer Dauer, da mehrere Pro Regierung geſtürzt und Flores zum Gouverneur von
vingen fic) weigerten, jie anguerfennen. Rivadavia | Uruquay erhoben wurde. Dieje aud) von Brajilien
ankte fdjon 7 Muli 1827 wieder ab, und 1829 ver- | unterjtiigte Yntervention in Uruguay reizte den Dik-
chaffte der Gauchohäuptling Rojas (ſ. d.) den Fö⸗ tator von Paraguay, Lopes, aufs äußerſte. Er ver-
vevalijten den Sieg. Er wurde gum Gouverneur von | fangte pldglid) von der Argentiniſchen Republif die
Buenos Uires fowie sum Haupte der Nonfdderation | Erlaubnis de3 Durchmarſches durch die Proving Cor-
rwablt und im Wugut 1830 mit diftatorifder Gewalt | rientes, um einen Cinfall in Uruguay zu machen,
vefleidet. Dod) artete Rojas’ Herrſchaft immer mehr | und erflarte, als dies abgelehnt wurde, fofort den
n grauſamen Terrorigmus aus. Krieg. Nun fam das ſchon vorbereitete Bündnis zwi—⸗
ad aujen bin wußte Rofas anfangs feine Wiirde | fdyen der Argentiniſchen Republit, Brajilien und Uru⸗
nit Gefdhic gu wahren. Dod) verwidelte er fic) bald | quay 4. Mat 1865 gum Abſchluß, und der Krieg zwi—
n gefährliche Streitigteiten. Paraguay wollte er nicht ſchen dieſen dret Madten und Paraguay brad) aus.
18 einen unabbingigen Staat gelten laffen, ebenfo | Unfangs führte Mitre den Oberbefehl, kämpfte aber
niſchte er fic) in die innern Verhaltniffe Urugquays | in verſchiedenen Gefechten mit mehr Ruhm als Crfolg.
in und unterjtiigte den Brafidenten Oribe gegen Ri- Dann jtodten die militarijden Unternehmungen, da
era, fiir den Franfreid) und England eintraten. | Brafilien, das die meiften Streitfriafte ftellte, den
Diefe Mächte ftellten endlich dem Diftator 23. Juni | Oberbefehl beanfprudte. Erſt Unfang 1868 gejtand
845 ein Ultimatum, worin fie die Unerfennung der | die A. R. died gu, und Mitre fehrte nad) Buenos
Inabbingigteit Uruguays forderten. Auf Rojas’ | Uires zurück. Nun wurde der Krieg gegen Lope; vor
bweiſende —** erflarten fie den Krieg, dem ſich dem Marſchall Caxias, dann dem Grafen d'Eu, plan—
Saraguay, Uruguay und Braſilien anſchloͤſſen. Das mäßiger und energiſcher geführt und der hartnäckige
rgentiniſche Geſchwader wurde 2. Aug. 1845 vor Widerſtand des Diltators Lope; 1870 endlich über—
Nontevideo von der franzöſiſch-engliſchen Flotte ge- | wunden. Der definitive Friede zwiſchen dem gänzlich
conten und die Riijte Argentiniens blodiert. Zwar erſchöpften Raraquay und der Argentiniſchen Republif
hloß Rojas 24. Nov. 1849 mit England und 30. Aug. | fam erjt 3. Febr. 1876 gu ſtande und brachte letzterer
850 mit Frankreich ziemlich gitnjtige Friedensver- | mur unbedeutende Gebietsabtretungen, einen geringen
räge; aber ingwifden war feine TMhadht erſchüttert Erjag fiir die Opfer, die der Krieg und die durch diejen
orden. Der Gouverneur von Entre Rios, Urquiza, | ing Land gejdleppte Cholera verurjadt batten.
el von Roſas ab, ſchloß 29. Mai 1851 mit Brafilien | Rad) Ablauf der Amtsperiode Witres wurde trog
nd Uruguay einen geheimen Vertrag und überſchritt feiner Ränke 12. Oft. 1868 der gemäßigte Foderalijt
acy Unterdriidiung Dribed in Uruguay mit 28,000) Sarmiento jum Priifidenten gewählt. Derfelbe
Rann den Barand. Nachdem der Vortrab der Argen- ſuchte den Volfsunterridt ausjudehnen und ju heben,
nier von Urquiza gefprengt worden, wurde thre | Uderbau und Handel gu fordern und durch Einwan—
auptmacht 3. Febr. 1852 bet Monte Caceros bejiegt. | derung dem Lande neue Kriifte zuzuführen. Nad
748
deſſen Riidtritt trat Uvellaneda (fj. d.), ebenfalls
Föderaliſt, das Amt des Prajidenten an. Mitre ver-
judjte gegen diefen einen Aufſtand, wurde aber 28.
Rov. 1874 gcidiagen und gefangen genommen. Die
Regierung Avellanedas war im iibrigen friedlid, und
das Land machte materiell und geiſtig Fortſchritte.
Die Cinwanderer aus Europa trugen dazu bei, Uder-
bau und Yndujtrie, Handel und Gencche ju beleben. |
Strajen und Cifenbabnen wurden gebaut, Ordnung
und Ruhe iiberall hergeftellt; aud) der Streit mit
Chile über die Grengen in Patagonien wurde durd
Vertrag vom 23. Juli 1881 geſchlichtet. Die Neuwahl
des Präſidenten 1880 ging nicht ohne Unruben ab.
Uber trog des anfiinglipen Widerjtandes von Buenos |
Wires wurde Roca (ſ. d.), der Randidai der Regierung,
—— und trat 12. Olt. 1880 ſein Amt an. Buenos
ires wurde zur Hauptitadt der Republif gemadt
und fOderalifiert, d. h. der Verwaltung der National:
regierung direkt unterjtellt; gum Sig der Provingial-
reqierung von Buenos Wires wurde die neue Stadt
La Plata bejtimmt. Roca verwaltete die Präſident—
ſchaft die qange ſechsjährige Amtszeit über in unge
jtdrter Rube und faſt unumſchränkt. Im gangen re-
ierte er mit Erfolg, nur vermehrte er allzuſehr die
Sduldentajt des Staates durch viele Anleihen. Sein
Nachfolger war 1886 fein Schwager Cel man (f. d.),
der, wie Roca, namentlid auf die Kräftigung der
Zentralgewalt bedadt war, dejjen Minijter jo alle
ſtaatswirtſchaftlichen und geſchäftlichen Unterneh—
mungen fo übereilten, dak die aufgenommenen
Staatsfdulden die Kräfte des Landes weit überſtiegen
und die Zahlung der Zinſen immer ſchwieriger wurde.
Die Regierung lief Daher Heintlic immer mehr Noten
ausgeben, dazu fam die Unredlichkeit der Beamten
und die Spefulationswut der herrjdenden Klaſſen;
öfter ſanken die Pfandbriefe auf weniger als die Halfte
des Goldwertes, und das Goldaufgeld ſtieg fo bod,
daß man 300 Peſos Papier fiir 100 Peſos Gold be
zahlen mute. Gegen diefes Treiben verſuchte 1890
die Union Civica einen Aufſtand ins Werk zu ſetzen,
der nad) voriibergehenden ——— zwar blutig un—
terdrückt wurde, dennoch aber die Abdankung Celmans
zur Folge hatte. Un ſeine Stelle trat inferimiſtiſch
der bisherige Vizepräſident Pelegrini, und General
Roca wurde mit der Bildung eines Kabinetts beauf⸗
tragt. Der neue Finanzminiſter beantragte ſofort die
Ausgabe von 60 Mill. Schagicheinen und die Wuf-
nahme einer auswärtigen Anleihe von 20 Mill. Peſos
Bold, um die fälligen Schuldenginjen bis Ende 1891
voll bezahlen zu fonnen, was aud) vom Kongreß ge—
nehmigt wurde. Allein der Staatsbantrott war nidt
mehr aufjubalten, und die Ration fonnte ihre Ber
pilidtungen 1. Jan. nur durd) Bewilliqung eines
einjahrigen Aufſchubs der Verzinfung und Amorti
fation — äußern Schuld ſcheinbar erfüllen. Bei
der Eröffnung des Nationalkongreſſes 9. Mai 1891
entrollte der —8* ein trauriges Bild. Er gab
den Stand der Staatsſchuld auf 157,100,330 Peſos
Mold an (628,401,320 Mt.) bei einer Seelenzahl von
etwa 4 Will.; in keinem Lande der Welt habe die
Spefulation fo ungeheure Verhältniſſe angenommen
wie dort wahrend der letzten Sabre. Die Staatsbahnen
ſeien verfauft worden, damit der Erlös zur Tilqung
der auswärtigen Sdhuld verwendet werde, wuͤrfen
aber feinen Nutzen ab, und die Regierung bezahle
nun in Form von Garantien beinabe diejelben Be- |
trage, die fie frither fiir die betreffenden ——
anleihen zu entrichten hatte, babe aber feine Bahnen
mehr. Der zur Unterſuchung der argentinifden Na- |
Kongreß tm Januar 1895 den
Amneſtie, aud) fiir die aufſtändiſchen Offiziere, for
Argentinifde Republik (eſchichte).
tionalbank niedergeſetzte Ausſchuß förderte die un-
laublichſten Dinge zu Tage. Alle 14 Banken, deren
kmiſſionen der —* garantiert hatte, waren rein
politiſche Anſtalten, über die der jeweilige Präſident
verfügte. Innerhalb dreier Jahre hatie man das
Weld der Depoſitoren einfach unter Prafidenten, Go-
bernadoren u. a. gegen ihre Unterjdriften verteilt.
Nun ſchuldeten die Nationalbanf und die Brovingial-
banf von Buenos Wires allein an ihre Depoſitare
itber 300 Will. und hatten gur Deckung diefer Schuld
nur wertlofe Unterjdriften. Die Regterung ordnete
darauf im Einverftindnis mit dem Kongreß die Gin-
führung de3 Zwangskurſes fiir Papiergeld an, ver-
fiigte cine Neuausgabe von 45 Will. Bapiergeld, ſetzte
cine Prämie fiir Gold auf 150 Bros. feſt und ermad-
tigte zur Cinjtellung der Goldjablungen während
zweier Jahre. Unter folden Umijtinden wurde ba
der Neuwahl 1892 Saenz Peña gum Präſidenten er-
wählt. Bei einer Staatsſchuld von 49 Mill. Doll m
Papier und 407 Mill. in Gold, dic eine jährliche Ber:
zinſung von 1/2 Vill. in Papier und 254 Mill. in
Wold erforderte, war die Wiederaufnahme der Bar
zahlung unmöglich. Die neue Regierung bemiibte
* nad Kräften, der Finanznot durch Sparfamfeit
und —— Ubereinkommen mit den auswärtigen
Gläubigern abzuhelfen. Zugleich ſuchte fie durch ene
Verſtändigung mit Chile tiber die patagoniſche Gren;-
frage Dem Ausbruch eines Krieges mut der Nadhbar-
republif vorzubeugen. Judes die Rartciverhaltnijfe
jtirten inumer wieder dieſe Bemühungen. Da me
herrjdende Bartei ihre Unhanger nidjt mehr, wie
friiher, bereidbern fonnte, locerte ſich der Zuſammen⸗
halt. Schon 1893 fam es zu Aufſtänden, die in einen
Krieg aller gegen alle ausarteten. Diejen Schwierig:
feiten zeigte fic) Peña nicht getwadjen. Indem Der
Erlaß cinec allgemeinen
derte, — er Den Präſidenten zur Abdankung
Sein Nachfolger wurde der bisherige Vizepräſident
Uriburu, der ſchon während des Krieges mit Bare:
quay Miniſter geweſen, dann 20 Jahre außer Lantes
in diplomatiſcher Stellung war. Er wählte zu Wi-
niſtern Männer zumeiſt aus der Nationalpartei. Wit
Chile wurde 26. April 1896 cin Bertrag abgeſchloſſen.
der die Entideidung de3 lange ſchwebenden Streites,
ob die Grenze zwiſchen Urgentinien und Chile in Rata:
gonien durch die Waſſerſcheide oder die hichiten Er-
hebungen der Kordilleren qebildet werden folle, dem
Schiedsiprud der Königin von England unterwarf.
Nach Ublauf feiner Amtszeit beriefen die Neuwahlen
fajt einjtimmig den General Roca zum zweitenmal
an die Spike ded Staates. Er trat 12. Oft. 1898
ſein Amt an und ernannte cin neues WMinijterium,
deſſen Zuſammenſetzung die öffentliche inung
durchaus billigte. In dem Streit mit Chile fiber die
Grenze in Patagonien entitand cin never Swift der
die Puna de Atacama, ein ödes Hochland zwiſchen
dem 23. und 27.° fiidl. Br., dad friiher sur Republit
Bolivia qehdrte, nad der Bejiequng der Botivianer
1881 aber von Chile beanſprucht wurde. Dod) trat
Bolivia die Puna 1894 in einem geheimen Vertrag
an YUrgentinien ab, was aber Chile nicht zulaſſen
wollte. Erjt 1898 wurde die Entſcheidung der Froge
iiber Den Bejig der Buna de Utacama von Argen
tinien und Chile cinem Schiedsgeridt von fin’ Ro-
tabeln aus jedem Staat iibertragen, das im Wary
1899 in Buenos Wires gufammentrat, aber ju feimen:
gemeinſchaftlichen Spruch fam, und der Beretnbarung
heider Republilen gemäß fiel mun die endgültige Ent-
Argentino — Argere Hand. 749
fcheidung dem Gefandten der BVereinigten Staaten gu. | La République Argentine (Par. 1899); Lix-Klett,
Diefer ftellte cine Grenge fejt, durch die der weitaus Estudios sobre produccion, comercio, finanzos etc.
rdpte Teil des ftreitigen Gebiets Argentinien zuge- de la Republica Argentina (Buenos Yires 1900);
prodjen wurde. Seildem herrſcht, trotz mehrfacher
Verſtändigungsverſuche, zwiſchen Argentinien und
Chile eine Spannung, die wiederholt kriegeriſche Be—
ſorgniſſe hervorgerufen hat. Sie ijt dadurch nicht
vermindert worden, daß Chile, entgegen den Wünſchen
Argentiniens, die Teilnahme an dem zweiten pan—
amerikaniſchen Kongreß in Mexiko, 1901, davon ab⸗
hängig machte, daß die argentiniſche Grenzfrage dort
nicht berührt werde. Die —— Argentiniens wird
vorwiegend durch die mißliche Finanzlage bedingt.
Trotz ſteigender Einkünfte ijt an die Wiederaufnahme
des vollſtändigen Dienſtes der äußern Schuld in den
nächſten Jahren nod) nicht gu denfen. Verſtändiger—
weije Hat ſich Brajident Roca bemüht, das Gleich—
gewidt int Budget nicht nur durch Erjparnifje her:
onan, fondern ijt durch Förderung gemeinniigiger
niagen aud) auf Erhdhung der Einnahmen bedacht
geweſen. Befonders hat er dabei dic Erſchließung der
reiden fiidlichen Gebiete Durch Cifenbahnen und Land-
ſtraßen tm Auge; aud) hofft cr durch die Berbindung
des argentinifden Eiſenbahnnetzes mit dem Stillen
Osean fiber La Baz und Puerto Peres den Provin-
gen des Nordiwejtens, Jujuy, Salta und Tucuman,
einen bequemern Zugang - Weltmartt gu eröff⸗
nen und cine rationellere Verwertung ihrer reiden
natürlichen Schätze gu — Der —— hat
ihn darin aber nur mangelhaft unterſtützt. Zur Un—
terſtützung gegen Chile fand Argentinien nähern An—
ſchluß an Braſilien, Peru und Bolivia, mit denen im
Herbſt 1900 ein Bündnis gegen die angeblichen Aus—
dehnungsgelüſte Chiles zu ſtande kam. Auch mit
Uruguay fam auf ſchiedsgerichtlichem Weg cine Grenz⸗
berichtigung zu ftande. Gegen die nordameritanijde
Vevormundungsjudht regte es fich aud) in Argen—
tinien. Die Cinladung ju einem ibero-amerifanijden
Rongre in Madrid 1900 ward bereitwillig ange-
nommen ; die dort erreidjte Stärkung des Zuſammen—
gehörigleitsgefühls der fpanifd)-amerifanijden Repu-
blifen untercinander und gegeniiber dem Wutterland
ijt nicht gu verlennen.
[Viteratur.] Bol. Bovio, Geografia de la Repu-
blica Argentina (Buenos Wires 1888); La Kina, Geo-
grafia de la Republica Argentina (daſ. 1891); Der-
felbe, Diccionario geografico argentino (2. Ausg.,
daſ. 1894); Guilaine, La République Argentine
physique et économique (far. 1889); Burmeiſter,
Phyſiſche Beſchreibung der Argentiniſchen Republit
(Bd. 1, Buenos Aires 1875; Bd. franz., Bar. 1876);
Child, The Spanish-American Republics (New Port
1891); Turner, Argentina and the Argentines
(Lond. 1892); Mulhall, Handbook of the River
Plate Republics (6. Aufl. 1893); Wleman, Bilder
aus der Argentiniſchen Republif (Buenos Uires 1877) ;
wriedrid, Die La Plata- Lander (Hamb. 1884);
Reijewerfe von H. Burmeijter (Halle 1861), Tſchudi
(oReifen durch Siidamerifae, Bd. 5, Leips. 1869), Zol—
ler (Stuttg. 1884), Modrid) (Mail. 1890), W. Kreuth
(Bien 1891); Hudfon, The Naturalist in La Plata
(3. Unfl., Lond. 1895); Habel, Unfidten aus Siid-
amerifa (Berl. 1897); Moreno, Apuntas prelimi-
nares etc. (Qa Plata 1897); Fließ, La produccién
agricola y ganadera de la Republica Argentina en
el aũo 1891 (Buenos Wires 1893); Rapeta, Memo-
ria presentado al Congreso Nacional (daj. 1892 — 95,
3 Bde.); Martens, Siidamerifa unter befonderer
Beriidjidhtiqung Urgentiniens (Verl.1899); Wiener,
Kaerger, Landwirtſchaft und Rolonijation im fpa-
nijden Giidamerifa, Bd. 1: Die La Plata-Staaten
(Leipʒz. 1901); Qorini, La Republica Argentina
ei suoi problemi di economia e di finanza (Rom
1902); Dtartine3, Les finances de la République
Argentine (far. 1898); Daireaur, République
Argentine; les lois et la constitution (daſ. 1889,
2QYde.); Lehmann, Die Redtsverhaltnifje der Frem-
den in Urgentinien (Buenos Yires 1889); Bordardt,
Das argentinifde Handelsgeſetzbuch vom 5. Oft. 1889
(Berl. 1895); Sdhriften fiir Uuswanderer von Beck—
Bernard (Leipz. 1883), Greger (Baſel 1884), Lagina
(Leip3. 1884), Andrießen (Leiden 1889), Heußer,
Wodon, Schulz. — Rarten vom Instituto geogr.
Argentino, unter Leitung von Seeljtrang (28 Blatter
mit Tert, Buenos Wires 1894), Bradebujd (13 Blat-
ter, Gotha 1891), Duclout (von Argentinien und
von der Proving Buenos Wires, beide Buenos Wires
1890); 3. Rohde (1:2,500,000, 4 BL, daſ. 1896);
Vertehrstarte von Drigalffy und Ludwig (Kar. 1897).
Bur Gefdhidte: Domingues, Historia Argen-
tina (Buenos Wires 1861; engl., daſ. 1865); Lopes,
Historia de la Republica Argentina (daf. 1883, 2
Bde.); L. Schneider, Der Krieg der Tripelallians
i gegen die Re ——— Republik Paraguay (Berl.
1871—75,3 Bde.) ; Mitre, Comprobacion historica
/acerca de algunos puntos de historia Argentina
segun nuevos documentos (Buenos Aires 1882);
Varela, La République Argentine et le Chili.
Histoire de la démarcation de leurs frontiéres (daſ.
1899, 2 Bode.); Garcia Merou, Historia de la Re-
publica Argentina (daf. 1900, 2 Bde.).
Argentino, Goldmünze in der YUrgentinifden
Republif, 3u 5 Peſos nacionales, — 20,25 We.
Argentino, See im argentin. Gouv. Santa Cruz,
unter 50° 14‘ ſüdl. Br. w. 71°59 weftl. L., 183m i. M.;
an feinem Ojtufer flieBt aus ihm der Santa Crug ab.
Urgentit, Mineral, foviel wie Silberglan;.
Argenton (pc. -Gangtéing), Stadt im fran. Depart.
Indre, Urrond. Chãteauroux, an der Creufe, Knoten-
puntt an der Orléansbahn, mit einer Schloßruine und
(1901) 5640 Cinw., die fid) mit Ralfbrennerei und
Tuchmanufaktur beſchäftigen.
Argentorãtum, aud Argentaria, lat. Name
von Stragburg im Elſaß.
Argentum, Gilber; A. colloidale, folloidale3
Silber; A. foliatum, Blattfilber; A. nitricum, ſal—
peterfaures Gilber; A. nitricum fusum, geſchmolze—
nes (und in Stängelchen gegoſſenes) ſalpeterſaures
Silber, Höllenſtein; A. nitricum cum kali nitrico,
ſalpeterhaltiger Höllenſtein; A. vivum, ſ. Queckſilber.
uirger, cine Verſtimmung, die entiveder als un—
| mittelbare Reaftion auf cine erfahrene Widerwartig-
feit in das Gebiet der normalen Seelenlehre fällt, aber
auch ohne hinlängliche Begründung vorfommt und
‘dann als franfhafte Verjtimmung ju den Seclen-
jtdrungen zählt. Im letzten Fall fann die Urſache
yum YW. oder gur Ärgerlichkeit durch Darmfatarrhe,
Stublverjtopfung ꝛc., oder durch Abſpannung infolge
von fiberanjtrengung mit geiftiger Urbeit bedingt fein,
oder endlid) kann der YW. eine Äußerung pſfychiſcher
Erfranfungen fein, wie denn zahlreiche Fälle von
Hypodjondrie, Melandolie, Hyjterie, Neurajthenie rc.
mit Ddiefer reigbaren Verjtimmung beginnen. Bal.
Verjtimmung und Zorn.
Argere Hand heift nach uraltem Sprachgebrauch
750 Argernis —
der unebenbürtige Ehegatte. Die Kinder der oun: |
gleidjen« Ehe folgen der »argern Hand« im Rang
und Stand. Da nad) dem gegenwiirtigen deutſchen
Recht nur der hohe Adel (ſ. Udel) eine sungleide<
Ehe cingehen fann, find die alten Grundſätze iiber die
ä. H. auf ein enges Feld befdrantt.
Argernis ijt die Verlegung des fittlicjen oder
religidjen Gefühls. Handlungen, die Ä. erregen oder
dod) zu erregen geeiqnet find, werden von der heutigen
Geſetzgebung mehrfach unter Strafe geſtellt, ſo unzüch—
tige Handlungen (j. Sittlichkeitsverbrechen), Konku—
binat (j.d.), Tierquälerei(ſ. d.), Gottesläſterung (ſ. d.).
Arges, Fluß, ſ. Ardſchiſch 1).
Arghelſtrauch, ſ. Solenostemma.
Argilla, Ton, weißer Bolus.
Arginufen, wei Inſeln an der Küſte der kleinaſiat.
Landſchaft Wolis, Lesbos gegeniiber, beriihmt durch
den Seeſieg der Wthener iiber die Spartaner unter
RKallifratidas 406 v. Chr. Heute Udi dan.
Argiver, ſ. Argeier.
Argo, das 50ruderige Schiff der Argonauten
(ſ. d.); auch ein Sternbild des ſüdlichen Himmels
(i. Schiff Argo).
Argo, deutſche Dampfſchiffahrtsgeſellſchaft, ſ.
Dampfſchiffahrt (Textbeilage).
Argölis, Landſchaft, ſoviel wie Argos. Argo—
liſcher Meerbuſen, Buſen des Ägäiſchen Meeres,
der zwiſchen Argos und Lakonien in die Oſtküſte des
Peloponnes einſchneidet (jest Golf von Nauplia).
Argon (qried)., »untitiq«), qasformiger Bejtand-
teil der Utmofphéire, wird als Riidjtand erhalten, wenn
man den Sauerjtojf der Luft durch gliihendes upfer-
oryd, Waſſer und Kohlenſäure durd) Phosphorſäure
anbydrid und Natronfalf und den Stichſtoff durd
qliihendes Magneſium oder Lithium abjorbieren läßt.
Auch verwandelt man den Stidftoff bei Anweſenheit
von Sauerjtoff durch den eleltriſchen Funfen in fal-
petrige Säure, die durch Ralilauge abjorbiert wird.
Nod) vorhandenen Sauerjtoff entfernt man durd Ver⸗
puffen mit Waſſerſtoff. Jn der Utmofphare findet
ſich fonjtant 0,942 Proz. Y., in der Luft der Udererde
etwas weniger infolge der Löslichkeit des Argons in
Waſſer. Entiprechend diefer LHslichfeit findet fic A.
angereidert in Den Gajen des Regenwaſſers und im
Meer: und Flußwaſſer. A. findet ſich aud in manchen
Mineralien u. Mineralquellen; das Gas einer Quelle
bei Perchtoldsdorf enthalt 1,1, das der Badequelle von
Vöslau 1,8, das der Quellen von Burton 2 Brox. A.
A. ijt ein farb- und geruchloſes Gas vom fpe;. Sew.
1,376, es beſitzt cin glanzendes Spektrum, läßt fic) zu
einer farbloſen Flüſſiglkeit verdichten, die bei —186,9°
fiedet und dabei cin ſpezifiſches Gewicht von 1,5 beſitzt.
Der Schmelzpunkt liegt bei 189,6°, der kritiſche Drud
ijt 50,6 Utmofpharen, die kritiſche Temperatur ca.
—121% Dn Wafer lofen fich bet 12°: 3,94 Volum—
projent (2,5mal joviel wie Sticftoff). YW. ijt ein ein
atomiges Gas, Molekular- und Wtomgewidt find
identiſch, und das Atomgewicht ijt 39,02. In demi
ſcher Hinſicht zeigt ſich YW. höchſt indifferent, es reagiert
mit keinem Der gewöhnlichen Körper; durch glühendes
Magneſium wird es langſam und in ſehr geringer
Menge abjorbiert. Unter dem Einfluß der ftillen ebet-
triſchen Entladung verbindet fic) A. über Queckſilber
mit Benzol, Toluol, Schwefelkohlenſtoff x. Aus leg
terer Verbindung kann VW. wieder abgeſchieden werden.
A. wurde 1895 von Rayleygh und Ramfar entdectt,
als fie gefunden batten, da der aus atmoſphäriſcher
Luft abgeſchiedene » Sticitoff« ftets ſpezifiſch ſchwerer
war als der aus unzweifelhaft einbeitliden Berbin
Argonauten.
dungen erhaltene reine Stichſtoff. Indes hatte bereits
Cavendiſh das Gas in Handen, von dem er fagt, def;
es nicht mehr als "/i20 Der unterſuchten phlogtftifierten
Luft (Stidjtoff) betrage. Val. Mugdan, W und
Helium (Stuttg. 1896).
Argonaut, ſ. Papiernautilus.
Argonanten (⸗Argoſchiffer«), die Teilnehmer an
dem von Jaſon veranftalteten Zuge nad Kolchis
(f. Ya). Schon Homer fest die Sage als allgemein be
fannt voraus. Im Lauf der Zeit hat fie vtelfad Wn-
derungen und Erweiterungen erfahren; die verſchie
denen Faffungen ſuchte dann der Didter Apollonius
von Rhodos gu vereinigen, dem fic) der romifde
Dichter Valerius Flaccus im wefentliden anſchloß
Jaſon (f.d.), de3 Aſon Sohn, erbielt von feinem Obeim
Pelias (ſ. d.) auf Heras Veranlaſſung den Wuftrac,
das goldene Vlies des Widders, auf dem Phrixos und
| Helle (f.d.) entflohen waren, aus dem Areshain in Kol:
chis gu Holen, wo es, an einer Cide aufgebingt, von
einem Dradjen bewacht ward. Zu diefer Fahrt leg Ja
jon von Urgos, dem Sohn des Phrixos, die SOrude-
rige Urg o bauen, das erjte große Schiff; Athene leitere
den Bau und fiigte am Vorderteil cin Stück von der
redenden und weisfagenden Eiche zu Dodona cin. Dre
Teilnehmer an dem Unternehmen waren, wie die Sage
von den Minyern ausqing, urjpriinglid) Minyer vor
Joltos, Ordomenos, Pylos u. a. O., wie Urgos, Wd
metos, Ufajtos, Erginos, Tiphys; im Laufe der Ret
wurden aud) andre berithmte Helden in die Sage bin
eingezogen, wie Herafles, Kaſtor und Polydeufes,
Idas und Lynfeus, Kalais und Fetes, Augias, Pe
leus, Tydeus, Meleagros, Orpheus, Telamon, Mopſos
und Idmon, felbjt die Jägerin Utalante. Die eitung
hatte Jafon, Tiphys (nach deſſen Tode Unfios) wer
| Steuermann. Die in Pagafai, dem Hafen von Yol-
fo8, angetretene Fahrt ging an der Stiijte entlang nad
der Inſel Lemnos, wo die U., von den Frauen, die ibre
Manner aus Ciferfucht ermordet batten, gaſtlich auj-
genommen, langere Zeit verweilten, bis Herafles, der
auf dem Schiff zurückgeblieben war, die Saumigen pum
Aufbruch tried. Bon dort gelangten fie tiber Samo
thrafe und durd) den Hellespont zur Inſel Kzikos m
der Bropontis, wo jie bei den Dolionen qajtlidje Vari
nabme fanden, aber von den Den andern Teil Der Iriel
bewobnenden fechsarmigen Giganten angeqriffen wur
den. Wieder in See geqangen, trieb fie in der Nacht
ein Sturm zu den Doltonen zurück, von denen fie nicht
erfannt und als Rauber angeqrijfen werden; in dem
Kampf tdtet Jafon den König Kyzikos. Als der Morgen
den Irrtum offenbar madt, tranern die A. Drei Tage
mit den Dolionen und ftellen den Gefallenen zu Ehren
Kampfipiele an. Wn der Küſte von Myſien laſſen fie
| Herafles zurück, der feinen von Nymphen geraubten
Liebling Hylas (jf. d.) fucht. Wn der Küſte von Bithn
nien beſteht Rolydeufes einen fieqreidhen Fauſtlampf
mit dem Bebryferfdnig Amykos (7. d.). Wn die thra
kiſche Küſte nach Salmydeſſos verſchlagen, erhalten fie
von dem blinden Seher Phineus (jf. d.), den Malas
und Hetes von der Blage der Harpyien (ſ. 9.) befreien.
Belehrung iiber die weitere Reije. Auf feinen Nat
| Lat Jaſon bei den Symplegaden (ſ. d.), zwei fort und
fort zuſammenſchlagenden Felfen am Cingang des
Schwarzen Meeres, eine Taube vorausfliegen und,
da dieſer nur die Schwanzfedern abgequeticdht werden,
die Urgo mit YUufbietung aller Ruderfraft losfabren.
| Mit WUthenes Hilfe fam fie glücklich Durd); nur verlor
jie bas Steuer. Der Sitdfitjte des Schwarzen Meeres
folgend, finden fie freundliche Aufnahme bei dem Sd-
nig Lyto8; aber der erfranfte Steuermann Tiphys
Argonin — Argos.
*
tirbt. Am Amazonenlande vorüber kommen ſie zur
—* Aretias, wo ſie vier auf der Fahrt nach Grie—
henland ſchiffbrüchig gewordene Söhne des Phrixos
aufnehmen. Endlich gelangen fie nad Kolchis. Auf
Jaſons Forderung verheißt König Äetes, das goldene
Vlies auszuliefern, wenn Jaſon zwei feuerjdnau-
dende, erzfüßige Stiere anſchirre, mit ihnen die Flur
des Ares pflüge, in die Furchen die von Phrixos mit-
gebrachten Drachenzühne des Kadmos ſäe und die
daraus entſprießenden, gewappneten Rieſen beſiege.
Von Aphrodite mit unwiderſtehlicher Liebe zu Jaſon
rfiillt, gibt ihm Die zauberkundige Medeia, Aetes'
Todjter, eine Salbe, die ihn gegen Feuer und Eiſen
chützt. Ex swingt die Sticre ins Joch, acert das Feld,
Gt Die Drachenzähne und wirft nad Medeias Rat
inter Die Daraus erwadjenen Riefen einen Stein,
vorauf fie fic) gegenſeitig titen. Jest aber verwei-
yert Aetes Dad Vlies. Da fchlafert Medeia, nachdem
Jaſon gefdworen, fie sur Gemabhlin gu nehmen, in
rer Nacht den Drachen durd Zaubermittel cin; Jafon
aubt das BVlies und fährt mit fener Doppelbeute und
en, Genoſſen von dannen.
Uber die Heimfahrt der U. weiden die Gagen
ehr voneinander ab. Nad) einer der älteſten Faſſun—
jen fahren fie Durd den Phaſis in den Ofeanos und
urd) Diejen nad Libyen, wo fie ihr Schiff 12 Tage
ang fiber Qand zum Tritonijden See tragen; aus
diejem gelangen ſie durch das Mittelmeer in die Hei-
nat. Andre lafjen fie auf demfelben Wege, den fie
jefommmen, heimfehren; Dem verfolgenden Hetes ent:
ommen jie, indem Wedeia ihren mitgenommenen
leinen Bruder Ubfyrtos zerſtückt und die Glieder ein-
eln verjtreut, DdDurd) deren Sammlung Aetes anf-
ichaltert wird. Nach UWpollonios fahren die U. nad
Bhineus’ Rat durd den Pontus Eurinus in den iter
Dona), an deffen Ausfluß ins Adriatiſche Meer er-
varten jie die Kolchier unter Ubfyrtos, der fie auf
‘inem kürzern Iſterarm überholt hat. Mit ihm knüpft
Jaſon Unterhandlungen an, ermordet ibn aber meuch—
ings. An der Ojtfiijte des Adriatiſchen Meeres ſchon
iber Rerfyra hinausgelangt, verſchlägt fie ein Sturm
urück nad) Der Inſel Eleftris an der io i
kridanos (‘Po ?), wo ihnen das redende Brett der Argo
vertiindet, daß fie die Heimfehr nicht erlangen wiirden,
vent jie fic) nicht Durch Rirfe vom Morde de3 Wbfyr-
os entfiindigen lichen. Sie fdiffen den Eridanos
jinauf in Den Rhodanos und aus diefem in das Mit-
elmeer zur Inſel der Kirke, der Schweſter des Äetes,
vie fie entfiihnt, aber, fobald fie weiß, wer fie find,
vertreibt. Orpheus’ Gefang bradte fie glücklich bei
ven Sirenen vorbei, Thetis und die Nereiden durd
Stylla und Charybdis, und fie gelangen gliidlid zur
Ynjel der Phäaken, wo König Alkinoos fie qajtlic |
wufnimmt. Hier aber kommen Rolchier, die Medeias
Nuslieferung fordern. WWinoos als Schiedsridter
pricht Medeia den Noldiern gu, falls fie nod) nicht
nit Jaſon vermählt fei. Seine Gattin Urete aber be-
virft ihre Vermählung, und die Rolchier müſſen ver-
ichten. Reichbeſchenkt feqeln die A. weiter; aber an-
jeſichts des Peloponnes verſchlägt fie ein Sturm in
ie libyichen Syrten. Von Pofeidon gevettet, tragen
ie Die Argo bis an den Tritoniſchen See, wo Triton
hnen den Weg in das Mittelmeer zeigt. Uber Kreta
jelangen fie endlich gliidlid) in den Hafen Pagaſai
urück. Die Argo foll Jajon dem Pofeidon auf dem
Ithmos geweiht haben. über feine und der Medeia
veitere Schictfale ſ. Jaſon.
Die Argonautenſage ijt vielfach poetiſch bearbeitet
vorden, ſowohl von epifden als von tragiſchen Did-
751
tern. Auch die Kunſt madhte die W. zum Gegenftande
der Darjtellung. Zu erwähnen iſt namentlic die Dar-
ſtellung der Beſiegung des Amykos durd) Polydeufes
auf der fogen. Ficoroniſchen Cijta (j.d.) in Rom. Von
neuern Darjtellungen verdienen Erwähnung: der Ur-
gonautenzug von Carftens (hrsg. von Riegel; Leip.
1884, 24 Tafeln) und der Szenen daraus enthaltentde
Fries von Schwanthaler in der Reſidenz gu München.
Bgl. Vater, Der Urgonautensug (1845); Stender,
De Argonautarum expeditione (Riel 1874); E.
Meier, Quaestiones Argonauticae (Mains 1882);
®Wroeger, De Argonauticarum fabularum historia
(Bresl. 1889).
onin, cine Rajeinjilberverbindiung, die man
durch Fallen einer Löſung von Kaſeinnatrium und
Silbernitrat mit Ulfohol erhält, bildet ein weißes Pul⸗
ver, foll die digende Wirkung der Silberſalze (Hdllen-
tein) auf die Schleimhäute des Körpers verhilten, aber
ie bafterienfeindlide Kraft der Silberſalze erhalten
und wird bet Gonorrhie benusgt.
Argonne, Landjtrid) im nordöſtlichen Frantreich,
zu beiden Seiten der Ylire, zwiſchen Maas und Wisne.
In demſelben giehen fic) auf der weftlidjen Seite der
Wire die Urgonnen oder der Urgonner Wald
in, der juraſſiſche Weſtrand des Hiigelplateaus von
‘othringen, Der mit feinem breiten, kahlen Scheitel
375 m Hohe erreicht und gegen W. in die Tiefebene
der Champagne, gegen N. in die Urdennen übergeht.
Trop der geringen Hohe erfdweren die Argonnen
durch Unwegfamfeit und ftarfe Bewaldung die Rom-
munifation nidt unerbeblid.
Argos (Urgolis, Urgeia), Landſchaft des Pe-
loponnes, begriff urſprünglich nur das Gebiet der
Stadt A., die rings von Bergen umgebene Talebene
des Inachos; unter römiſcher perrjdaft verjtand man
Darunter aud) die ins Vorgebirge Skylläon auslau-
fende Halbinfel zwiſchen dem Saronijden und Argo—
liſchen Meerbuſen und die Gebiete von PHlius, Sifyon
und Rorinth (jf. Karte ⸗Alt⸗Griechenland«). A. ijt der
am reichſten gegliederte Teil des qangen Peloponnes,
mit febr age nba und zahlreichen vorgelager-
ten Ynfeln. IS die bchoutnabien Berge find zu nen—
nen: der Kreion (jetzt Rtenias, 1599 m), Artemiſion
(Malevos, 1772 m) und Lyrfeion (1648 m) im W.,
die Verge gegen Phlius (Megalo Vuno, 1270 m) int
M., der siden (Arna, 1199 m) im O. Küſten⸗
ebenen finden fic) nur bei Trizen und an der Mün—
dung des Inachos bei Argos. Die Bewäſſerung des
Landes ijt ſehr ungleich, tm ganzen äußerſt diirftiq;
ſchon Homer redet vom »vieldurſtigen⸗ A. Die zahl—
reichen in den Bergen entſpringenden Bäche verſiegen
im Sommer oder verſchwinden bald in Klüften, um
erſt unweit des Meeres wieder hervorzubrechen. Auch
die beiden Hauptflüſſe, der Inachos (Panitſa) und ſein
Zufluß Charadros (Xerias), find die meiſte Zeit des
Jahre⸗ troden. Ziſternen mußten ſchon im Altertum
dem Waſſermangel ſteuern. Trotzdem lieferte die
Küſtenebene von A. Getreide in Überfluß; ſie iſt auch
heute noch faſt die einzige für Ackerbau verwendete
Gegend in A. In den gebirgigen Teilen wurde ſtarke
Viehzucht, auch Bergbau auf Kupfer getrieben. Aus—
gezeichnet waren die argiviſchen Pferde, ſchon von Ho—
mer, ſpäter von Strabon und noch jetzt von Reiſenden
gerühmt. Vor allem aber wurden Handel und Schiff—
fahrt durch die zahlreichen Buchten und trefflichen
Ankerplätze begünſtigt, und fie ſtehen heute nod) wie
im Altertum in Bliite. Ws älteſte Bewohner werden
Pelasger und Danaer genannt, Cimvanderer aus
Syrienund Agypten, die ſpäter durd) Griedjen (Achäer
w *134
rt Pe y
3 —3413 | il
q
i!
at NA
im ore
Hit Hi yor fet i: “iui ‘i!
, ‘ith I
9900
— ——
—
phony ot
cme a eee
= ace
——
=
- at = —
— — —
9
anti
7
At 6
3* iH
4 | —B Th ee |
we : \ “ug Bi J * | J 1 ee: 7 :
J i yal nN : * Se ree
; aH iP Mee 4 ike nf qi me ee Pipe
i — CORE ia be oe
‘ H J 1 Poe (eae fi
| fey SC ACTS ea eae
¥ 2 t : aoe eh Be “eh pe —
chee inh ani a Seah Manion at
“ Sa aed Oe | Lee ee
I Is Bi ills | 1H ber iy pe rn RUA —* Peg beware
: ; finite J nt PL Hore Bia ni 4:
Tee re apt ity ee: ee a 744.
SLI RE ne a Rees ed a
* teay i —* Se hy 1 vet, tm * vr 4 Ppa tee ——
34 pd, ee ae He a . eure ma aa 5 Pigs —
WB van a jie es Oe al a Ceili eee 4
Hw To: Wee yng ye i mb he Prighial Gan. ML se
: TE Wad piled Bb PRUE era Cee "Ph benehiot hao
he ‘ ji t bug f Pe. Te » gies üäz de
Aa Yael Oo el be ae es Pe
ee Wd 4 a: * a Hie ayy i og a) PU j; bad F
HD ; , il vl riage 455 gh My he
HU aT Taree ii ate Tea Lh
tad. wile bi Fs Bxsit tr taal 1 —V — 31 4 PhO henge brake
ized by C
gle
100
t
igi
r)
Argoulets — Arguzoid.
ie Lahmen gehen und die Blinden fehen fornten.
Sie wurden in vier Gruppen: Egypte, Bohéme, A.
nd Galilée, geteilt. Der Musdrud Galilée fommt
1 etwas anderm Sinne fdon im Wittelalter vor, wo
‘alilea fiir Galerie gebraucht wurde. Später faßte
tan Galilée alg Namen des Landes und bildete da-
ad die fibrigen, von Denen die beiden erften zunächſt
uf Die Zigeuner angewendet waren, der dritte (Argot)
us Arabie entftellt ijt. Viele Argotwörter laſſen fid
ict erflaren. Manche find dem Stalienifden (méche
alb, von mezzo) oder Dem Deutſchen (chelinguer
infen, schloffer ſchlafen) entlebnt. Die meiſten be-
uben auf franzöſiſchen Wortern, die in ihrer Bedeu-
ing (boule Kugel, poire Birne, beide im Sinne von
opf) oder in ibrer Form unkenntlich gemacht find.
ahin gehört frusquin, frusque oder fripe aus froc
igentlich Rod), louffe aus fou Narr, Saint-Lago
us Saint-Lazare (Gefingnis in Baris) wie Urgot
us Arabie, Pantruche (von der Borjtadt Pantin)
ir Baris, Arguche fiir Urgot. Mande Argotwörter
nd int Die gebildete Sprache eingedrungen (lorgne fiir
orgue, chiquenaude, fripier, fripon), die in neueſter
eit immer mehr Unleihen beim UM. madt. Das altefte
. findet fich um 1200 in Jean Bodels Spiel vom
rit. Nifolaus. Rabelais hat aus dem W. geſchöpft,
‘illon Darin gedidjtet. Romanfdreiber, wie Balzae,
ine, Zola, laſſen cingelne Berfonen darin reden. Bal.
rang. Midel, Etude de philologie comparée sur
argot (Par. 1856); 2. Rigaud, Dictionnaire d’ar-
ot moderne (Daj. 1881); Delvau, Dictionnaire
» la langue verte (3. Wufl., daj. 1889); Larder,
ictionnaire historique, étymologique et anec-
ytique de l'argot —— (10. Aufl., daſ. 1887;
upplement 1889); Villatte, Pariſismen (5. Aufl.,
erl.1899); Timmermans, L'argot parisien (Par.
392); G. Deleſalle, Dictionnaire argot-fran-
iis et francais-argot (daſ. 1896); A. Bruant,
‘Argot au XX. siécle. Dictionnaire francais-argot
aj. 1901); Schwob in den »Mémoires de la So-
été de linguistique de Paris<«, Bd. 7; Yve⸗Pleſ⸗
8, Bibliographie de l'argot (‘Bar. 1901).
Argoulets pr. gua, berittene franz. Schützen
t 16. Jahrh., waren neben der Adelsreiterei weni-
r geachtet, Daher nod jest »pauvre argoulet«, ar- |
er Schlucer. Unter Heinrid TT. wurden die A. in
rabins verwandelt. Bgl. Arkebuſe.
Arguelles (pr. -qeties), Uquitin de, fpanifder
faatsmann, geb. 28. Mug. 1778 im Ribadefella
ljturien), geft. 23. März 1844 in Madrid, ftudierte
Dviedo die Rechte und erhielt in Madrid bei dem
efretariat Interpretacion de lenguas cine Unjtel-
ng. Die Regierung tibertrug ihm wichtige Miffionen
i Portugal und London. 1808 ſchloß er fic) den
itrioten an, war in Cadi; Mitglied der Cortes und
r mit Entwerfung einer Verfafiung beauftragten
muntiffion und verfaßte den beriihmten Beridt, den
‘fe bet —— des Entwurfs erſtattete (1812).
3 nad) dev Rücktehr Ferdinands VIT. (1814) die
753
Führer der gemäßigten Partei. Als der König nad
der franzöſiſchen Intervention 1823 die Verfaſſung
aufhob, entfloh A. nad) England, wo er bis zu der
1832 verfiindeten Ammeſtie verweilte. Wis Mitglied
der Cortes hielt er ſich zur Partei der Liberalen und
war mehrmals Brifident und Bizepräſident der
Kammer. 1837 ernannte ihn die Königin sum Mit—
gliede des neuerrichteten Senats, und 1841 erbielt er
von den Cortes die Vormundſchaft über die Königin
Mabella. 1843 leqte er feine Amter nieder. A. war
das hervorragendjte und beredtejte Mitglied der libe-
ralen Bartei von 1812.
Arguieren (lat.), anzeigen; beweijen; überführen.
Argilus, f. Karpfenlaus.
Argument (lat.), Beweisgrund, d. h. derjenige
Teil eines Beweiſes, auf dem deffen Gültigkeit oder
überzeugende Kraft berubt. Häufig wird jedoch dads
Wort mit Beweis (ſ. d.) oder VBeweisfiihrung gleid-
bedeutend gebraudt (Urqumentation). — Im
Mittelalter hie W. eine a der Cinlettung dra-
matiſcher Schaujtellungen, in der man Inhalt und
Abſicht der Darjtellung ju rechtfertigen und gu be:
riinden fudjte, {pater aber metjt nur andeutete. In
Spanien ging frither allen Stiiden ein Introito und
ein Argumento voraus. Das erfte forderte sur Teil-
nahme auf und endete mit Späßen der lujtigen Per-
fon, die es vorirug; das andre enthielt cinen Abriß
der Handlung und diente, vom Schauſpielunterneh—
mer vorgetragen, dazu, die Zuhörer zur Rube und
Aufmerfjamfett su bewegen und das Verjtindnis de3
Stückes zu erleidtern. Beide ſchmolzen in der Loa
(f. b.) zuſammen. In der ital. Commedia dell’ arte
(f. d.) bezeichnete A. den Stoff des Stiictes, deffen da-
nad entworfene Szenen (Scenario) Dann aus dem
Steqreif ausgeführt wurden.
Argun (Argunj), Quellfluß des Amur (f. d.).
Wrgunpalme, |. Medemia.
Arguri, ehedem großes und ſchönes Dorf in Ruj
ſiſch-Armenien, an der Nordfeite des Urarat in der
fogen. Jakobsſchlucht, der Sage nad von Noah ge:
ritnbdet, mit bliihendem Weindau und nahezu 1600
Sinus. Wm 2. Aug. 1840 wurde es nebjt dem St.
Jakobskloſter durd cin mit cinem vulfanifdhen Wus-
bruch de Yrarat verbundenes Erdbeben vollig ver-
nichtet, wobet 1100 Menfden umfamen.
Argudangen, bildlider Ausdruck fiir mißtrauiſch
qefpannte Wadhjamfeit, der qriedhifdyen Sage vom
rallfehenden« Argos (jf. d. 1) entlehnt.
Argudfafan (Arguspfau, Bfauenargus,
Kuau, Argus giganteus Temm.), Vogel aus dev
Familie der Bfauen, 1,8 m lang (davon die Wittel-
ſchwanzfedern 1,2 m), mit fleinemt Kopf, niedrigem
Ramm, furzem Hals, gejtredtem Schnabel, ſchwachen
Füßen, kurzen, abgerundeten Flügeln, ſtark verlän—
gerten, nach der Spitze zu verbreiterten Federn am
Ober- und Vorderarm und ſehr langem, ſtark abge-
ſtuftem Schwanz. Das Männchen beſitzt prachtvolle,
im allgemeinen gelb- und rotbraune Färbung und
jolutijtijde Reaftion begann, wurde A. 10. Mai Zeichnung. Die Henne ijt bedeutend kleiner und viel
14 verbaftet und gu zehnjähriger Zuchthausſtrafe einfacher gezeichnet. Der A. lebt auf Malaffa, Su—
rurteilt, bis ihn die Revolution von 1820 befreite. | matra und Borneo im Urwald und nährt ſich von
wurde von feinen Anhängern nad Madrid ge- | Anfetten, Schnecken, Wiirmern, Simereien x. Das
ort und vom König (3. Upril) zum Minijter des | Weibchen foll 7—10 weiße Cier legen. Der Vogel
mern ernannt; ſeine Verwaltun dauerte aber fein wird des ſehr ſchmackhhaften Fleiſches und der Federn
ibr, da A. eine gemäßigte Politit verfolgte, die ihn halber gejagt. Wan kennt ihn feit 1780, und feit
t den Radifalen verfeindete, ohne daß er an dem etwa 1870 fommt er lebend nad) Europa.
nig einen Rückhalt gewann. Am 1. März 1821) Argutien (lat.), Spigfindigheiten; argutiös,
ißten UW. und femme Kollegen ibre Entlaffung nebh- ſpitzfindig.
at; YW. ward num in den Cortes mit Calatrava | Arguzoid, ſ. Nicellegierungen.
Meyers Konv.-Lexikon, 6. Aufl., T. Bd. 48
14
SiegeG we cpt. Gott Wels, Bem Dae y-
oo eae ——
re
1541
wri »>Th — of A sad the collateral
of the clan ( ampbell< (@lasg. 1571). Un:
tex ben Tanhebern bes Trevis regen bervor:
1, Ar@:beld. Marauis von, ged. 155, get
-
.
tex
a
27. Mar 11. ‘clog Hide 1637 der Cppctinom gegen a
unter Rontroie, ward aber —
s durch Cromwell der Republtk mieder an.
—
Me ——
rchiba raf von, = Dorigen,
entidnedener
e Sari IL m Sedhottland geletitet, von dieſem den
gtigien Zeil ber vateritchen Giter und den Grafen-
ain Den 20 Nabren, die der Neitauration
Stuarts folqten, blieb er ihmen treu, bewabrte
aber die von jernem Vater ererbte jtreng presbyterna-
_, Wis 1681 dex Derjog von Yort
ENEG
lebte. Da fafte er mit dem ex300
onmouth und andern Emigranten den Plan
in Schottland, um die Regierung zu
1 1685 landete VL mit emem flemen
Geſchwader im Diſtrikt pon Lorne und fudjte die An—
hanger feines Haujes um fic) gu ſammeln. Aber fein
Unternehmen mißlang; A. wurde, als er fiber den
por yaad ju entfommen fudjte, gefangen genommen und
d Der friibern Berurteilung 30. Sumi 1685
enthauptet. Rad der Umwalzung von 1689 ward
der Urieilsſpruch zu gunſten ſeines alteſten Sobnes,
Archibald, kaſſiert und dieſer 1701 zum Herzog
von A. erhoben
3) John, Entel von A. 2), qeb. 10. Oft. 1678,
geft. 1743, folgte 1703 ſeinem Bater als Herzog von
A. Er fodt 1706— 1709 unter Marlborough in den
Riederianden, ward 1711 an Lord Stanhopes Stelle
Aommandeur der britiſchen Truppen in Spanien und
1712 Cherbefebishaber in Schottland, aber en
feiner Cppofition gegen die Maßregeln des Hofes ab-
geſetzt. Rad Georgs I. Thronbejteiqung wieder in
oniglichem Dienjt, ſchlug er 1715 bet Dumblane die
Jalobiten unter Dem Grafen War. 1717 beförderte
er ben Sturz des Winijters Walpole, ward hierauf
Generalfeldzeugmeiſter und Mitglied des Rabinetts
Stanhope Sunderland.
4) George john DouglasCampbell, adter
Herzog von, geb. 30. Upril 1823, gejt. 24. Upril
1000, folate feinem Bater 1847, madte fid) früh als
publiziſtiſcher Schriftiteller über die ſchottiſche Kir—
chenverfaſſung befannt, indem er namentlich die Ab—
Brazil — Arapraspben.
E des Vorepervesss SeFirwercets «+ Pres
briery examimed«. Cech. Ste. 1556] Burk er
Saxper ber Uniperiaét ——
ox ME
wer. lsv2 wurde c jem eter Oerjog ver A a
der Seirve bes vereumgien Romgtecks ermannt, wad-
rend ex bis Dabim mur cmmen Gotten £
land« +2. Auil. Bottom 1849;; >»
housie and Canning<« ‘Yond. 1655); » The reign of
law: (1566, 19. Aun Is); » History and antiquity
of Iona« (1870); »>Primeval man« (1566): -The
eastern question« (1579. 2 Bde); »Seotland a it
was and is« (1857, 2 Bde); >The unity of natmre«
(2. Uutl Iss); >The burdens of beliefs (15@2);
» The philosophy ofbeliet« (1894, » Whatis sciences
i> evolution cross-examined « ( beade 1566).
5) Jobnu Douglas Sutberiand Camopdeil
jWeiter (neunter) Herjog von, Sokm des vers
gen, geb. 6. Aug. 1545, vermabite nd als Wares
pon orne 21. Mary 1871 mit dex Erinjzeffin Luce
(qed. — 1848), vierten Tochter der Ronigm
land, und war 1878—8&3 General
: guverncar vou Renabe. Sett 1892 iit er Gouder
neur des Schloſſes ju Windior; 1895 — 1900 wer er
Mitglied des Unterhaujes. 1900 exrbte er ben Her-
joqsttel. Er ſchrieb unter anderm: »A trip to the
tropics and home through America: ( 1867); »Gaide
and Lita, a tale of the Riviera« (1875); »The Uni-
ted States after the ware (1885); »>Canadian life
and scenery« (1886); »Viscount Palmersten«
(1892); »Queen Victoria, her life and empire« (191)
und bat 1878 die Biahmen in engliſche Verſe beriege
Argylifhire (ive. acgaitigzx, aud Urgqylef sire,
Land der Galen«), Grafidaft an der Weittiite von
Schottland, beſteht aus einem fejtlandiiden Teil, der
nad S. ju in die langgeitredte Halbinfel von Stxx-
tyre (7. dD.) auslauft, und einer Anzahl von Inſein.
unter Denen Mull, Jura, Jslay, Jona, Colonian,
Tiree, Coll und Rum die bedeutenditen jind. Dex
feſtlãndiſchen Teil zerſchneiden eindringende Lochs und
tiefe Glens in eine Unjabl von Halbiniedn. RNicdind
von Lod Sunart dringt die Halbiniel Wrdnanrur-
dan mit ihrem bafalti Vorgebirge am weiteiter
in den Utlantifden Ozean vor; ſüdlich von ibr fiegt
Morvern, norddjtlidh davon Urdqower und jenjcit des
Lod Linhe die Landſchaft Lorne. Argyll, am oberm
pes des Lod Fyne, bildet Den Kern der Grafidaft.
itlidh vom Lod Fyne, zwiſchen ihm und dem Cipde-
bujen, liegt Die Dreifad gefpaltene Halbiniel Cowal.
Der Crinanfanal (j. dD.) trennt Lorne von der Land-
ſchaft Knapdale, die vermittelit des IIthmus von Tar-
bert mit der Halbinfel von Kintyre jujamumenbangt.
A. bat ein Ureal von 8430 qkm (153 OY.) mit asep
73,665 Einw. (nod nidt 9 auf 1 qkm). Saupritadt
ijt Inverary
Argynnis , Berlmutterfalter, ſ. Nymphaliden.
Arghraspiden (gried., »Silberidildtrager<),
von Ylerander d. Gr. aus den Überreſten der mut ibm
Argyriaſis — Arianijder Streit.
iber ben Hellespont gezogenen mafedonijden Hopli-
en gebildetes Gardetorps, benannt nad den mit in-
iſchem Silber bejdlagenen Sdhilden.
Argyriafis rg yrojis, Arg yric), beiliingerm |
nnerliden Gebraud von jalpeterjaurem Silber ent+
tehende Grau- bis Schwarzfärbung der Haut durd
tiederfdlag von Silber in die Gewebe, ijt unheilbar.
Arghrodit, Mineral, 4Ag,S.GeS8, nut 76,5 Proz.
Silber, 64 Germanium und 17,1 Sdpwefel, findet |
id) in ſehr fleinen, ftablqrauen, regulären Rrijtallen
ind in warzigen, nierenformigen, zapfenähnlichen
Iqqregaten, Carte 2,5, ſpez. Gew. 6,1. Das Mine:
al wurde 1820 bei Freiberg aufgefunden, aber erjt
886 feiner Zuſammenſetzung nad) richtig erfannt.
Fin A., in Dem das Germanium fajt ganz durd Zinn
rſetzt ijt, ijt Der Canfieldit von Bolivia.
Argyroide (Argyrophan), foviel wie Neufilber |
der eine neufilberartige Legierung.
Argyrofajtro (türk. Ergeri), Hauptitadt eines
Zandſchaks im tiirf. Wilajet Janina, 822 m ii. M. im |
usgedehnien Drynopolisbecten, bat meijt vereingelte,
nit Türmen und Schießſcharten verfehene Haufer, |
duinen einer Sitadelle, Schnupftabaffabrifen und.
10,000 Einw. (meiſt mohammedan. Wibanefen).
Argyrofratie (qried.), ſ. Geldherrjdaft.
Argyronéta, ſ. Spinnentiere.
Argyrophan , ſ. Reujilber.
Argyropilos, Joannes, Humanijt, geb. um
416 in Ronjtantinopel, gejtorben in Rom wabr-
Heinlid) 1486, lehrte 1434—41 in Padua, erſchien
ald nad) der Eroberung Ronjtantinopels (1453)
dieder in Stalien und war bier der talentvolljte Ver⸗
vittler griechifdber Bildung. 1456 von Cofimo de’
Redici nach Florenz berufen, ging er beim Ausbruch
er Bejt 1471 nad Rom. Er verfapte — *
ind Kommentare zu Ariſtoteles.
Argyrofid (griech.), ſ. Argyriaſis.
Arheilgen, Dorf in der heſſ. Provinz Starfen-
urg, Kreis Darmitadt, an der Linie Franffurt a. Vt.-
deidelberg der Main-Neckarbahn, hat eine evang.
tirde, cine Oberfiriterei und (1900) 4408 Einw.
oſes Saugetier aus dem Tertiär bei Parand (Argen—
inien). Die Nafentnodjen find zu einem eingigen
tnodjen, der fid) nad) vorn erhebt und verſchmälert,
im in eine ſcharfe Spige gu enden, verſchmolzen. Von
en Naſenöffnungen fehlt jede Spur. Die weiten |
lugenhöhlen, vorjpringenden Jochbogen, die Form
ier Schneidezähne erinnern an die Halbaffen. Andre
Sharaftere jind höchſt primitiv, fo daß die ſyſtema—
iſche Stellung des Tieres ſchwer zu bejtimmen ijt.
Aria ecattiva (ital.), böſe, verdorbene Luft, na-
nentlic) die Uusdiinjtungen der Maremmen, Ponti:
tijden Sümpfe 2c. ; f. Malaria.
Ariadne, Todter de3 Königs Minos von Rreta |
ind der Paſiphaë, qab, in Liebe entbrannt, dem The
cus (f. d.), als er den Minotauros zu töten fam, ein
efeites Schwert und einen Faden (Daher Ariadne-
aden), mittelS deſſen er ſich nad) vollbrachter Tat
ius den Irrgängen des Labyrinths wieder heraus
and, und entfloh mit ihm, der jedod) auf der Inſel
Raros die Schlummernde verlich. Da erfcheint Dio
wos und erhebt fie gu feiner Gemabhlin. Zeus ver
eiht thr Unjterblichfeit ; ifr Brautgefchenf, eine Rrone,
in Werk des Hephijtos, verſetzt er unter die Geſtirne.
Irfpriinglich) cine Gottheit der bald erbliihenden,
ald abjterbenden Vegetation wurde fie teils mit Ge-
räuchen der Trauer, teils der ausgelaſſenſten Lujt
jefeiert. So hatte fie auf Naxos als die Verlaſſene
755
ein Traucr-, als die Vermählte cin Freudenfejt. Wud
in Uther waren dem Jubel der dem Dionysos und
ihr als Weingdttern gefeierten Oscophorien Trauer-
gebräuche beigemiſcht. Jor Mythus, namentlich ibre
Yuffindung durd Dionyjos, ijt häufiger Gegenſtand
antifer Reliefs und Wandgemälde (vgl. O. Jahn,
Archäologiſche Beiträge, Berl. 1847, S. 251 ff.). Bee
fannt ijt Die Statue der ſchlafenden A. im Batifan
jowie die trauernde A. (friiher Agrippina genannt) in
Dresden. Danneclers Meijterwerk su Franffurt a. M.
jtellt U. als Braut des Dionyfos auf dem Panther
reitend dar. Melodramatiſch behandelte den Viythus
Georg Benda (⸗A. auf Naxos«). Val. Pallat, De
fabula Ariadnaea (Berl. 1891).
Ariana, {cit der Saſanidenzeit Name der Ojt-
hälfte Des Perſerreichs, welche das heutiqe Perſien,
Afghaniſtan und Belutſchiſtan bis an den Indus und
das Gebiet am mittlern Oxus und Jaxartes umfaßte.
Vom Wort A. kommt das heutige Iran (Eran) her.
Arianiſcher Streit, der crite große Lehrſtreit in
der chriſtlichen Kirche. Der in Untiodia gebildete
aleranbdrinijde Presbyter Arius lehrte feit 318 im
Gegenſatze zu feinem Biſchof Werander, welder den
Sohn, als den von Gott von Ewigkeit Gezeugten,
cines Wejens mit dem Vater und ihm in allem gleich,
fapte, einen in der Seit vom Vater geſchaffenen, dem
Weſen (Uſia) des Vaters frembden, aber iiber die andern
Kreaturen erhabenen Sohn, eine Art von Mittelwejen
zwiſchen Gottheit und Menſchheit. Auf dem erjten all-
qemeinen Rongil zu Nicäa (825) wurde diefe Lehre
(der Arianismus) verworfen und in das Glaubens-
befenntnis die Formel von der Homoufie (Wefens-
— urſprünglich Weſenseinheit) aufgenommen,
rius ſelbſt verbannt. Als der beredteſte Anwalt der
neuen Forme! erſcheint fortab Athanaſius (ſ. d.). Kai—
ſer Konſtantin, deſſen Machtſpruch der homouſiani—
ſchen Anſicht zum Siege verholfen hatte, trat in den
letzten Jahren feiner Regierung der von den Biſchöfen
Cufebius von Rifomedien (ſ. d.) und Euſebius von Cé-
farea (f. d.) geführten Mittelpartei (Semiarianer)
näher, die Der Aufnahme einer mißverſtändlichen und
Arhinolemur Scalabrinii Ameghino, najen: |
durch Die Heiliqe Schrift nicht bezeugten Forme! in
das Befenntnis dauernden Widerjtand entgegenfette.
Unter Konſtantins Sihnen ward der Streit fortgeſetzt,
und auf jablreiden Synoden (vornehmlich 343 zu
Sarbdica und Ehilippopolis) verfluchten ſich chriſtliche
Biſchöfe gegenſeitig. Die Herrider des Weſtreiches för—
derten die nicäiſche Lehre, während Konſtantius, der
Kaiſer des Oſtreiches, es mit den Semiarianern hielt
und als Alleinherrſcher (feit 351) den Widerſtand der
Homoufianer durd) Verbannung der angejebenften
Führer zu brechen fudte. Die fieqreiche Oppofitions-
partei gerfiel bald in verſchiedene Gruppen. Dic aria-
nijierenden Homber, die nur im allqemeinen die
Ähnlichkeit des Sohnes mit dem Vater betonten, bil-
Deten Das hoffähige, von Konſtantius begünſtigte Yen:
trum jwifden den Anombern als den Vertretern
des ftrengen Arianismus, unter Führung des Biſchofs
Eunomius von Kyzikos und des Diafons Aëtius, und
einer aus den Semiarianern hervorgegangenen Bare
tei Der Hombufianer, die mit dem Stichworte der
Weſensähnlichkeit die gegen die nicäiſche Forme! be-
jtehenden Bedenfen befeitiqen zu fonnen qlaubten.
Die lestern wurden im Laufe der Jahre immer mehr
qu den Nicäern hiniibergedriingt und auf dieſe Weiſt
der unter Kaiſer Theodojius auf dent zweiten allge-
meinen Konzil zu Ronjtantinopel (381) bewerfitelliqte
Sieq der Homoufie aud) innerlid) vorbereitet. Nur
die qermanifden Bolter hielten das Chrijtentum nod
48*
756
jabrhunbdertelang in der arianifden Form fejt. Val.
Harnad, Lehrbud) der Dogmengefdidte, Bd. 2 (3.
Aufl., Freiburg 1894); Gwatfin, The Arian con-
troversy (Lond. 1889); Loofs, Urt. »Arianigmus«,
in der »>Realengyflopadie fiir proteftantijde Theolo-
gie und Rirdee, Bd. 2 (Leip;. 1897).
Arianigmus, ſ. Urianijder Streit.
Ariano di Puglia (vr. patio), Kreishauptſtadt
in der ital. Proving Uvellino, im Neapolitanifden
Apennin, auf einem Tuffſteinfelſen 763 m it. M., an
der Eiſenbahn RNeapel- Foggia, Sig eines Biſchofs,
hat Rejte von Befejtiqungswerfen, cin Gymnafium,
Gipsbrennerei, Ol- und Tonwarenfabrifation und
(1901) 17,650 Ginw.
Ariarathes, Name von acht tappadofijden Kö—
nigen awijden 331 und 97 v. Ebr.
riag, Benedictus, Theolog und Orientalift,
qeb. 1527 im Gebirge (daher fein lat. Name Mon-
tanus) der fpanifden Proving Ejtremadura, geft.
1598 in Sevilla. WIS gelehrter Renner vieler, be-
fonders der femitifden Sprachen, leitete er ju Ynt-
werpen die Herausqabe einer Polyqlottenbibel (f. d.),
bie im Auftrage Konig Philipps II. von Spanien bei
Chrijtoph Plantin (Untwerp. 1569-—-72, 8 Bde.) er-
idien. Wegen Aufnahme der Targumim mußte er
jid) {pater in Rom als der Hinneigung gum Juden
tum verdidtiq verantworten. Seine Bibliothel wurde
. der des Escorial cinvertetbt.
Aribert (Heribert), Erzbiſchof von Mailand,
aus einem lombardiſchen Rittergeſchlecht jtammend,
qeit. 16. Jan. 1045, wurde 1018 Erzbiſchof von Mai-
land. Er war ein Anhänger Raijer Heinrids IL;
Konrad IL. lud er ein, nad) Stalien ju eilen, da ein
Teil der Groen das Königreich einem franzöſiſchen
Prinzen zuwenden wollte, und krönte ihn 1026 in
Mailand zum König. Konrad belehnte ihn dafiir mit
der Hoheit über das Bistum Lodi. Jahrelang fdal-
tete U. in Oberitalien als der erjte Mann des Reiches;
aber feine Herrſchſucht entfremdete ihn ſchließlich Dem
Raijer. Wis Ronrad 1037 nad Stalien zog, fam es
in Mailand ju einer Erhebung, deren Schuld der
Naijer Dem YL beimaß; und als diefer auf einem
Reichstag ju Pavia trogig eine Verantwortung ver
weigerte, lie in Konrad verhaften. Dod) entfam
A. nad) Matland, wo ihn das Bolf begeiſtert auf-
nabm und, obwohl er vom Raifer geächtet und ab
gefett wurde, im bewaffneten Widerjtand unterjtiipte.
Im erfolgreichen Verteidigungskampf gegen die Deut
ſchen erjtarfte die Bürgerſchaft Mailands, der A. als
Abzeichen den Carroccio(Fahnenwagen) verlieh. 1040
wurde A. von Heinrid) ILL. beqnadigt. 1042 aber fam
es in Maitland zu nenen Kämpfen awifden Wdel und
Volk, infoige deren A. die Stadt verlajjen mupte, bis
ihm königliche peg cog die Rücklehr ermig-
lichten. Val. Pabſt, De Ariberto I. Mediolanensi
(Berl. 1864); Unnoni, Monumenti spettanti all’
arcivescovo Ariberto (Mail. 1872).
Aribo, Erzbiſchof von Mains (1021—31), Sohn
des bayrijden Pfalzgraſen A., ſtrebte nad einer
epiffopalen, von dem Papſt möglichſt unabhängigen
“ejtaltung der deutſchen Kirche und trat auf einer
Synode ju Seligenftadt 1022 mit feinen Suffragan:
bijchdfen den papftliden Anſprüchen entidieden ent-
gegen. Als er 1023 die Ehe des Grafen von Hammer
‘tein mit Irmengard trenyte und dicfe mit Dem Bann |
belegte, ſchritt Der Papſt gegen ibn cin. Nad) Hein
richs IT. Tode betrich A. erfolqreid) die Wahl Kon—
rade II. Der St. Galler Effebard V. fiberarbeitete
fiir ihn als Mainger Doniſcholaſter das Walthari-
Arianismus — rie.
lied. Bgl. R. Miller, Erzbiſchosf MW. von Wainy
(Leipz. 1881); BW. Derfd, Die Rirchenpolituy des
Erzbiſchofs YW. von Maing (Marb. 1899).
Aribocos, ſ. Farbige.
Arica, Hauptitadt de3 gleidnamigen Departe:
ments und Hafenjtadt der dilen. Proving Tacne,
unter 18° 5/ ſüdl. Br., mit der Stadt Tacna dunk
Cifenbahn verbunden, Dampferjtation, bat ein beijges,
ungejundes Klima, ijt fajt ganz aus Hols erbaut (me
gen der Erdbeben), Sig eines deutſchen Nonjular-
agenten und bat (isco) 3900 Einw. YL, unter ſpa—
niider Herrſchaft der widtigite Handelsplag Berns,
mit 30,000 Einw., ijt nod jest cin Hauptbhafen fir
Bolivia und Siidperu, geſchützt durch den 152 m
hoben befejtiqten Morro de A. 1888 betruq dic
Cinfubr 3,266,620, die Uusfubr 5,429,389 Befos,
darunter Silber und Gilbererje, Kupfer, Sinn und
Chinarinde. — Die Stadt wurde wiederbolt durd
Erdbeben zerſtört, namentlich 1868; 1880 wurde fie
von den Chilenen genommen, die fid) erfolgreich wa
gerten, fie zurüctzugeben.
Ariccia (pr. aritti¢a, Fleden in der ital. Broving
Rom, malerijd auf einer Anhöhe 2 km ſüddſtlich vox
Albano gelegen, hat eine ſtattliche Rirche (1664 von
Bernini erbaut), einen Palajt der Chigi mit herr
lidem Part und civ01) 3945 Cinw. A. ijt cine be
liebte rimifche Sommerfriſche. Die Strake nach W
bano fiihrt iiber einen grofartiqen, 58 m boben Sie
duft. Der Ort nimmt die Stelle Der Burg der alter
latiniſchen Stadt Aricia cin, die fid) hauptiadlid on
Rratertal VBallericcia ausbreitete. 3 km ojtwarts
(betm heutigen Remi, f. d.) war ein heiliger Hain
mit einem Tempel der aricinifden Diana, deren
Dienjt mit dem der taurijden Artemis verwandi ge
wejer ju fein ſcheint (jf. Diana).
Arici (vr. atiod, Cefare, ital. Didter, geb. 2. juli
1782 in Brescia, gejt. dajelbjt 2. Quli 1836, wer
urjpriinglid Redhtsqelehrter und wurde unter Nabo
leon I. Sefretiir am Departementalgeridtshof ſeiner
Vaterjtadt. Sein didattifches Gedidt »La coltiva-
zione degli ulivi« (Brescia 1808) erwarb ibm be
Freundidaft Montis, die Wufnahme in das Vithendaum
von Brescia und 1810 die Ernennung jum Brofefor
der Beredjamfeit, ſpäter der Geſchichte und Literatur
am Lyzeum daſelbſt. Bon 1824 an befieidete er di:
Profeſſur der lateinijden Sprache. Weitere quite d-
daktiſche Gedichte find » La Pastorizia« (Brescia 1814)
und »L’origine delle fontic«. Auch bat man eine
Anzahl lyriſcher Gedichte und mebhrere Proſaſchriften
von ihm. Seine letzte größere Didtung: »Geruse-
lemme distrutta«, blieb unvollendet. Geme » Opere<
erichienen zu Brescia 1818, 6 Bde., in neuer Ausgabe
Padua 1858. Bgl. Zanelli, Della vita e delle
opere di C. A. (im »Propugnatore<, Bd. 16, 1833)
MAricia, Stadt, ſ. Ariccia.
Arid (franj.), diirr, troden; Uriditat, Droden
heit, Diirre.
Arie (ital. Aria, franj. u. engl. Air), im all
qemeinen cine fingbare Melodie von abgeſchloſſener
Form. Das franzgöſiſche Wort air wird ebenſo far
Volalſtücke verjdicdener Art wie fiir Inſtrumental
ſtücke gebraucht, vorausgeſetzt nur, dak deren Haupt
gehalt cine ſchöne Melodie ijt. Dieje Bedeutung hatte
im 17.—18. Jahrb. das Wort A. überall, und mean
ſprach daber ebenſowohl von Spielarien wie ven
Wefangsarien. Heute nennt man A. nur nod aus
geführtere — 2— mit Ordefterbeqlettung,
mögen diefelben Bruchſtücke einer Oper, Kaniate oder
eines Oratoriums oder für ben Rongertvortrag be
Ariege — Arifi Paſcha.
timmte Einzelwerke (Ronjertarien) fein. Bon der
Ballade, die ebenfalls mit Orcheſterbegleitung vor-
ommt, unterſcheidet fid) Die A. dadurch, daß fie Lyrifd
it, d. h. Empfindungen in der erſten Perſon ſchildert,
vãhrend A ger erzählt (epifd-lyrifd)); vom Lied, von
vem Die A. nicht immer ftreng gu ſcheiden ijt, dadurch,
aß fie eine Durd) die Dorausgehende Entwidelung
id) ergebende Situation dharafterifiert. Der Uus-
wud fann ſich bis gum Hoddramatifden jteigern,
penn die Rede aus der einfaden Sdilderung und
Reflexion zur Form der WUnrede iibergeht. Es gibt
aber Urien, die in Muſik gefegte Monologe find,
vährend andre fic) als Teile einer großen Enjemble-
jene darſtellen. Cine befondere Spezies bildet die
Jeiſtliche A. (Kirchenarie, aria da chiesa), die ent:
veder cin Gebet oder eine andächtige Betradtung ijt
ind die verfdiedenartiqiten Stimmungen gum Aus—
uct bringen fann (Jerknirſchung, Angſt, Dant,
Freude x.). Ru einer fejtitehenden Kunſtform von
joher Bedeutung hat fic) die W. entwidelt in der fogen.
jroken oder Dacapo-V., die zuerſt von A. Scar-
atti (in Der Oper » Teodora« 1693) eingefiibrt wurde.
Diefelbe befteht aus zwei Hauptteilen, die der Stim-
nung, Bewegungsart und der gefamten künſtleri—
den Behandlung nad —— kontraſtieren.
Der erſte Teil gibt dem Sänger Gelegenheit zur Ent-
altung ſeiner Kehlfertigkeit, ijt reid) an Textwieder⸗
jolungen und verarbeitet fein Thema in reichem Maß,
viibrend der gweite Teil im Geſangspart rubiger ge
jalten ijt und dafür reidjere harmonijde und fontra-
minttifde Mittel entfaltet; dem gweiten Teile folgt
ann das Dacapo, d. h. die getreue, nur vom Sanger
urch reidere Verzierungen ausgejtattete Wieder-
jolung des erjten Teiles. Die fpegiell dem Gefangs-
irtuojentum entgegenfommende Art wird aud) meiſt
toloraturaric oder Bravourarie qenannt. Die
Dacapo- VA. bliihte bis geqen Ende des 18. Jahrh.;
ebt ijt fie auger Gebraud) gekommen und hat einer
reiern, vielgeftaltiqen Behandlung der A. Platz ge-
nadt. Das notengetreue Dacapo tit als undramatijd
mufgegeben, und die thematifde Gliederung der A.
xingt von den Erfordernifjen des Tertes ab. Arien
leinern Umfanges, die dem Lied ſehr naheftehen,
ycifen Ravatinen, Urietten oder aud wirklich
tieder (Couplet, Chanfon). Die äſthetiſche
Hedeutung der A. im muſikaliſchen Drama (Oper)
jt ein Stillftehen der Handlung gu gunſten der brei-
ern Entfaltung eines lyriſchen Moments; Wagner
ind feine Sdhule balten cin folded fiir unberedtigt
ind ftilwidrig, während eine andre ftarfe Partei die
1. gerade fiir die ſchönſte Blüte der dramatifden Mu
if anfieht. Es find dies Pringipienfragen, in denen
ridht eine Verſtändigung, fondern nur Barteinahme
nöglich ift. Die lediglich gu qunjten des Virtuofen
ums geſchaffene Bravourarie ift freilich äſthetiſch ver-
verflich; doch iſt zwiſchen ihe und der großen A. des
Fidelio ein Unterſchied, groß genug, um zu geſtatten,
afk Die Verächter jener —* dieſer find.
Arieège (ivr. Aſch), Fluß im fiidlichen Frankreich,
nitfpringt in den Pyrenäen am Bie Negre an der
Frenze von Undorra, flict durch das gleichnamige
Departement und durch einen Teil des Depart. Ober:
jaronne und mündet, 150 km lang, fiidlid) von Tou:
ae in die Garonne. Wichtigſter Nebenfluß rechts:
"Hers.
Ariege (jvc. Ate’), Departement im fiidliden Frank
cid), aus der ehemaligen Grafſchaft Foir und dem
Souferans gebildet, grenzt gegen S. an Spanien
md die Republif Undorra, tn W. und N. an das
757
Depart. Obergaronne, im O. an ude, im SH. an
das Depart. Ojtpyrenden und hat einen Flächenraum
von 4903 qkm (89 OY.) und (1901) 210,527 Einw.
(43 auf 1 qkm). Das Departement zerfällt in drei
Urrondijjements: Foir, Pamiers und St. - Girons,
und bat oir sur Hauptitadt.
Ariel (hebr., »Liwe, d. h. Streiter, Votted«, »Herd
Gottes«), Name mehrerer alttejtamentlider Berjonen,
aud) Jerujalems felbjt als unbegwingbarer Helden:
jtadt, Dann aud) nad) andrer Etymologic Name des
oberjten Abſatzes des Brandopferaltars; in ſpäterer
Dämonologie ein Waſſergeiſt. Auch bei Arabern und
Perſern wird A. von einem Helden gebraucht. Hier—
mit kommt Shakeſpeares YW. im »Sturm · (woher ibn
Goethe in »Fauſt II- übernahm) nur dem Namen
nach überein. Dieſer, ein Suite war friiber im
Dienjte der Here Syforar, der Mutter de3 Caliban.
Bu zart zur Uusridtung ibrer niedrigen Aufträge,
verweigerte er ifr den Gehorjam und ward von thr
mit Hilfe mächtigerer Geijter sur Strafe in die Spalte
einer Fichte qeflemmt, aus welder Marter ihn nad
12 Jahren Brofpero3 Rauber befreite. Danfbar diente
nun A. dieſem und kehrte endlich in fein luftiqes Ele-
ment juriid. Andre Didter fiihren A. alg Unfduld
ſchützenden Engel vor. — A. ijt aud) der Name eines
der Uranusmonde.
Arier (v. fjanstrit. irya, »der Urier, Vornehme«),
früher vielfad) als Bezeichnung der Yndogermanen
ebraudt, jetzt aber auf den afiatijden Zweig der-
jelben, nämlich die Inder und Yranier, eingeſchränkt.
Die Unnahme, dak der Volksname A. ſchon in der
Urjprade der nod) ungetrennten Jndogermanen vor-
gekommen fei und im duperiten Weſten in dem Na-
men der Inſel Yrland (Erin) fic erhalten habe, bat
fid) als irrig erwiefen. Dagegen ijt der Name W. bei
den alten Yndern, Perſern und Sfythen mit Sicjer-
Heit nachgewieſen und hat fid) bis auf den heutigen
Tag in Dem Laindernamen Yran und in dem Volfs-
namen ron der Offjeten im Raufafus erhalten. Die
Urarier, d. §. Die Borfahren der Ander und Yranier,
migen etwa an den Abhängen des Hindukuſch, im
Duellgebicte des Orus, gewohnt und fic) von da aus
tells fiber Iran, teils itber Kabul nach Yndien aus:
ebreitet haben. Sowohl in der Sprade als in den
Sitten, namentlid aber in den religidfen Borjtellun-
en und Gebräuchen haben fic) bet Den Yndern und
Iraniern cine Wenge gemeinjamer Züge erhalten.
Bal. Fid, Vergleidendes Wirterbud der indoger-
manifden Spradjen, Bd. 1 (4. Uufl., Gitting. 1890);
Bartholomac, Ariſche Foridungen (Halle 1883 —
1887, 3 Hefte); Spiegel, Die ariſche Periode und
ihre Zuſtände (Leipz. 1887).
Aries (lat.), der Widder, das erjte Zeichen ded
Tiertreifes: W. Dann im Altertum foviel wie Sturm:
bod, Wauerbreder, ſ. Kriegsmaſchinen.
Ariétenfalf, Schidten aus der unterjten Ubtei-
lung der Yuraformation (jf. d.).
riette, fleine Arie (7. d.).
Arifi Paſcha, türk. Staatsmann, qeb. 1830 in
Ronjtantinopel, geſt. dafelbjt 6. Dez. 1895, beqleitete
ſeinen Bater Schebif Paſcha 1847 auf einer diplo-
matifden Miffion nad Rom, darauf nad Wien und
wurde dann im Winijterium des Auswärtigen an-
qeftellt; ſpäter ward er erjter Sefretiir der türkiſchen
Wefandtidaften in Wien und Paris. Wegen feimer
Kenntnis der fremden Spradjen wurde A. erjter
Dolmetid des Diwans. 1872 ward er zum Unter:
ftaatsfefretir im Miniſterium des Auswärtigen, dar-
auf jum Präſidenten der Zivillammer des Kaſſations⸗
Q Sues 6222 (2 FOS SE SES EMSS TD FSREH 28 SwVMzE|
7* —: —
a — — 2
fate. 27% grax Ser, 2474 poor SE
fier Jes Sormerriine et er Sees merc fer er
Sot idemn; coe Soretcieneber Seine cnr (<7
ate te Sevier t66 Sour. om Tk
Les or Duels Sewe Beriees Yes Shores ve
Coospie oer ine Mere cns Sure. Set carccetiens
Sort; wer ss Me Cir’ es Deer Lele Soe
Soc fer. jester oc et let Sens. ero Toe
tor i os 2h See ie eter Boor es
Eospicmer booed Bereters les Sener
fearS etiar:S peste we les 3
te
ieee, oor Beecoccoe > Lew
merge: ne *rifet scrum ce Bact feos
Stemsemete © 2 reer mo cue *s ae cee oe
4s. Me oscar Se
Seresrs: Sorte bess Serosqeoter perl
Sertec nu [Me cet fem Poe Oo oTrette. eee she
sc. fe Boe ce more saee Str’
went Pee oreles cess Sree, pom Bot om ter > art
ter far beutide Gest es, Bt. ahs: cee
Gteees, Serbs, $2 3), C. SR. Bel TreeSer,
Bcc: - Sorcerer.
Arilius i=. Somers, i. Some A Mev
wticae. Gewstsct ice
MUrimacpen, o Bem Hiren om fretbetes Bot
fer Sucferiten fovt cee ber Grte. be bet Soot ten
Ferern. ter $208 tee podien Dottie um? Somer:
you Sherr, sis triegervids amd orci Ben an
aotrenten “breton, lem Hote Mes “Sales, im tte
“tt. Zev Mane (om na⸗ New
monn (+peileses: om Sfochentaend tem: Slion
— ee oy
~ « tek . i
· ar
Cats. Mo T°
«7 ue
ao” oe . ,* -
go. ‘Sen umd tebeatt · ferotemotmer.
Arimathia, Oct mm Holisiema, der Tredtion nosh
bas etzege Heme, bad aber evit 716 wm Uber. gegrün⸗
bet wurte: piclirdht bas amtife Rama 7. 3.)
Ariminum , 2:2. . Rew
Arinos, bedeurend ter Lucius des Tapajo; (i.
entipringt unter 14° 4)‘ iudl. Gc. quit der Arinos:
hodebene ba Diemantmo, mo 25 m von den
Curtin tes Cizaba Nebenfiuk bes Eeraquan), fo
bak yur Regen zeit von emem Fluß zum andern Boote
gebrach: werden fonnen, ilietßzt nah NSS. und nit
nach Kereinigung mit dem thm unter 10° 30° Imts
guffichenden Juruena Den Ramen Tapajo; an.
Arinzen, uriprimetich yu Den Hnperboreern ae
boneer, jetzi tatarricrter Bolfsttanun m den Saja:
miden Steppen Seinmibiriens.
Ariocarpus Scheidw. ( Anhaloniam Lem.), Gat-
tung ber Maftayeen, mit niedrigem Norver, riiben
formiger Burzel. Wildiatt führend. id blattartiqen,
breafetigen Barzen mit um Alter febr undeutliden
iptwenitandiqen Areolen, die mur am Sdheitel lange
Holle, aber ferne Stachetn tragen. 4-—5 Arten m
Werto. A. Lewinii Hennings (Muscale, But
tons, Mescal, Pelloten in Merifo, enthalt 4 Al—
faloibe: Yinbalonin(’,.H,.NO,, Mescalm, H,.NO,
Yinhalonibin (',.H,.NO, und tart qiftiges Lophopho
rin) .H,,NO,. Die Indianer Mertfos und des Siid-
weitens ber Keremigten Staaten benugen die Pflanze
als Heilmittel und als Berauſchungsmittel bet reli—
qtvien Felten. Beim Kauen der getrodneten Pflanze
entitehert Entzückungszuſtände, und die Nachwirkun—
gen ſind wenger fibel ale bet Hafdiid. A. retnsas
Scheid, (A. prismaticum Lem.), ſ. Tafel »statta
yeen«, Aig. 2h.
Mrion Mreion), 1) im griech Mythus das von
Fofeidon tn Veitalt ees Hengſtes mit der in eine Stute
verwandelten Demeter (Erinys) gezeugte Roh des
Adraftos (jf. d.j, bas ihn durch jeine Schnelligkeit vor
By
Pp.
Tacther some |Win Gece’ il oF te Doe cass
reser Sngmes ae) dts peecoete acre
2 & wt Shimer oe Sete oo Sedbe-.
sro oor Serle cer mie
scenes Seacrest 2 2 oe ers oe. we ot Pe
faermeseméier emoeciies beber ol | (Sete
be Sop: rer Seo See Barr oe Tez
a he SS nee cme feces feo fee:
RR ar ioe or Pre forme
Ia ooser, heme © Sb oer bet feet
Socae Dear cieer Er he. eed oer ee
S43 vore oe Ber tit @ hee Secor Gene;
wee Decree cor le Sé7 prism: Goes
cx? bee Settee ee? mor Se eo Scr
Timerce om: Mice? Soe ö Sor)
. Secrroerics cob Sécer. be eter,
=o2 <2 Terex ottevinen br Som Pcs€r:
‘omer Delt “eres “Weoees z-i
mos tir oe Seortes? coe oe Â
tee Yer or? lem Pets
ter. Keser Siecle; BS Bes
=, Sct. DS
—
—
Ser ts > Poetae lyric
Arion empiricoram . © S--
Ariése <2). om fort edo’ Sigh =
men omer om SGit5 comes Meptass : eters
“2 con Der Sires Dederd. bake es feowe tecwerske
22d o hot. 2b ss ce mer eet
fire, em torsaer Komen pea germacer Deser.
Mridies, vu dovico, emer der Pee qrogen exẽ
Wshend, qed. & Sept. 1474 m Reggio, act
6 Jatt 1553 mm Aerrere. wer fir tes Seder der
Rechte berm, mandte ud aber bal? Dem kehanen
Smen'dotren zu und tried unter Der Yer des hs:
rim tbustogen Gregorio vou Spoleto unt Efex Lz
tim, fo Bak er iebr beld wtele femer geiehrten Ser
qenovien im madnaen Sertaintend der roerrihen Dad
ter ibertraf. Snjorden itarb fem Sater ( 1500)), und
Me thmt munmebdr obliegende Sorge fir femme j2¥
revhen eibw: ter unterbrad vieltad terme beterar:
iden Beicheitigungen, obne thn jedoch denieclben wa
entiremden. Sielmebr fallen im bieie Jeit Die menitea
jemer Ueinern ttalientichen Gedichte. mebrere femct
laterntiden und Me beiden Luttipiele: >La Cassaria-
(15s) und oI Suppesiti« (1509), ertteres dem Plax
tng nachqcabmt und ems der eriten regelmãſigen Yat
ipiele der mewern Literatur. Er trat 1503, ſlect be
yabit, m die Dierite des ungebildeten und unlicdens
wür digen Rardmals Hippolyt von Ejte, der ſich teoner
alé Geĩchãftstrãger bediente. So fandte er thn yet
mal m aebetmer Boticaft an Bapit Julius LL. (1508
und 1510). A. blieb 14 Sabre um Dienſte des Mar
dinals und vollendete wabrend Meier Jeit jem beriibm
tes romantiidhes Epos > Orlando farioso« , bad von
vornherein beitummt war, das Haus Cite in ber Ber
jon eines der vornebmiten Helden des Gedichts. Den
der Dichter yum Stammovater de3 Hanics madt, ya
verherriidjen. Das Werf erichten in ſeiner eriten Ge
italt, Dem Kardinal felbit gewidmet. 1516 (mener Wb
drint Diefer erjten Musg., Ferrara 1875). Die mehe
als lühle Aufnahme, de es von fetten des Kardinals
fanbd, verlegte Den Didter, und als einige Heit darauf
A. fetner geſchwächten Gefundheit wegen es ablehnte.
ſeinem Gebieter nad Ungarn zu folgen, entließ ibn
dieſer. A. trat bald (1518) in die Dienſte des Herzogs
Alfons IL, bei dem er ein ruhigeres Leben führen
tonnte. Den Reſt fermer Tage verlebte er in Ferrara,
wo er ſich 1527 ein eignes Hausden baute, mit eimer
—
3222
+4
Ariovift
qeliebten Gattin. Yn diefer Muße arbeitete er die »Cas-
saria« und die »Suppositi« in Verſe um und bradte
zwei weitere Luſtſpiele: »La Lena« und »Il Negro-
mante«, zur Aufführung. Cin fiinftes, »Gli stu-
denti«, hinterließ er unvollendet, und fein Bruder
Mabriele vollendete es unter Dem Titel »Scolasticac.
Endlich leqte er Die lebte Hand an fein großes Gedicht,
das, durch ſechs Geſänge vermehrt, in endgültiger
Geſtalt 1532 zu Ferrara im Folio erſchien. A. ward
in Der Venedtttinerfirde yu Ferrara begraben, wo
ihm 40 Jahre ſpäter ciner feiner Berehrer cin Dent:
mal und 1612 einer feiner Nachkommen cin nod
prächtigeres ſetzen Lich, das nod) Heute zu feber ijt.
Von Charafter war A. rechtſchaffen, fanft, beſcheiden
und bilfreid), wo er fonnte, dazu liebensiwiirdig tm
Umgang und einfach in feinen Sitten. Sein unver-
gänglicher Dichterruhm, der ihm bei feinenLandsleuten
den Beinamen il Divino (der Godttliche) eingetragen
hat, beruht vorzugsweiſe auf feinem grofen roman:
tiſchen Heldengedict » Orlando furiosoe, Das in feinen |
46 Geſängen die Liebe Orlandos ju der fdinen Ange—
lifa und feinen hieraus entiprmgenden Wahnſinn
zum Hauptinbalt hat. Das Gedicht ijt eigentlich eine |
Fortſetzung des » Orlando innamorato« de3 Bojardo
(7. d.), und eS ijt gu feinem vollen Verjtindnis die
Neuntnis dieſes legtern ſehr forderlid. Cin ftreng |
regelmäßiges Epos ijt der »Orlando« nidt. Biel-
mehr wird der eigentliche Faden der Erzählung fort
und fort durch eine Reihe ſcheinbar nur lofe zuſam—
menhängender, Dennod) aber aufs funjtreicjte mit-
cinander verbundener Epijoden unterbroden. Gerade
in dieſem bunten Wedel liegt der eigentümlichſte Reis
des Gedichts, da er dent Didter Gelegenheit gibt, den
ganjen Umfang ſeines Genius zu entfalten. Reich—
tunt Der Boantajie, eine Fülle immer neuer Erfin-
dungen, Glanz, Mannigfaltigkeit und Naturwahrheit
der Schilderungen, ein ſtets wohltuender Wechſel von
Scher; und Ernſt, die Schönheit und ſtete Ungemejjen-
heit ſeiner Gleicdhnijje, die anmutigite Erzählungsweiſe
und cin Versbau von wunderbarer Leichtigkeit und
Harmonie fidern dem »Orlando furioso« den erjten
Plas unter den romantijden Heldengedidten und
haben ihm ju allen Zeiten die ungeterlte Bewunde—
rung der ganzen gebildeten Welt erworben. Cine fiir
Die erweiterte Ausgabe von 1532 ausgearbeitete Epi-
fode, Die dann aber nicht verwendet wurde, Hilden die
ſogen. Cinque canti, die den Wusgaben des » Orlando «
in Der Regel angehängt find. — Von Arioſtos iibri-
qen Werfen find bejonders feine fieben Satiren in
erzinen zu erwabnen (1517—31). Sie gehdren zu
den vorzüglichſten der italienijden Literatur. Die
Lujtipiele ſind zu fehr von ihren klaſſiſchen Vorbildern
abhängig. Die Charatteriitif der Perſonen ijt meijt
oberflächlich, und der Wik oft unfein. Unter feinen ver-
miſchten Gedidhten find befonders die Elegien bemer—
fenswert. Seine lateiniſchen Gedidte zeichnen ſich
durch große Reinheit der Sprache aus. Ausgaben
von Arioſtos Werten erſchienen Venedig 1730, 1741, |
1766, 1772. Bom » Orlando furioso« erſchienen nad
Der erwähnten erjten Wusgabe (Ferrara 1532) mehr
als 100 Ausgaben; unter den zahlreichen neuern find
qut und forreft die von Moralt (Mail. 1818), Cafella
(Flor. 1877) und Picciola (daj. 1885). Cine neue
Ausgabe der Luſtſpiele und der lateiniſchen und der flei-
— Arif. 759
| Gries, Stredfup, 9. Kurz. Die Satiren überſetzte
Ahlwardt (Berl. 1794). Die bejte Biographie Arioſtos
ijt Die von Cappelli in deffen Uusqabe der » Lettere
| diLod. A.« (3. Mujl., Mail. 1887). 9 l.G.Campori,
Notizie per la vita di L. A. (3. Aufl., Flor. 1896);
| Rajna, Le fonti dell’ Orlando furioso (2. Aufl.
| daſ. 1900); Carducci, Delle poesie latine edite e
inedite di L. A. (Bologna 1876); Ferrazzi, Biblio-
| grafia Ariostesca (Baſſano 1881).
Ariovift, german. Heerfiihrer, fam auf Einla—
| Dung der Arverner und Sequaner, die mit ihren Nach—
barn, den Äduern, in Krieg lagen, mit 15,000 Mann
(um 72 v. Chr.) nach Gallien, befiegte die Wduer (ſ. d.),
swang fie, ihm Tribut gu zahlen und Geijeln gu jtel-
len, und ließ ſich Darauf im Gebiete Der Sequaner
nieder. Hier verjammelten ſich immer mehr Haufen
germaniſcher Bilfer um ign, fo dak ihre Bahl ſich auf
120,000 belief und Gallien auf dem Wege war, ger:
maniſch gu werden. Gelbjt der römiſche Genat er-
nannte den mächtigen Hauptling gum Freunde des
römiſchen Volfes und König (59). WIS aber Cajar
58 in Gallien erſchienen war und die Helvetier befiegt
hatte, baten ibn die Gallier, jie von den Germanen
wu befreien. Cäſar verſuchte zuerſt Verhandlungen,
wies fie jedoch ſtolz zurück; fo begann Cäſar den
Krieg gegen ihn und kam ihm in der Beſetzung von
Vejontio (Beſançon) zuvor. Dann ſtanden beide Teile
am Oſtabhang der Vogeſen in der Gegend der heuti-
gen Dörfer Cgernay und Rieder-Wjpad eine Zeitlang
einander gegeniiber; endlich fam es zur Sdladt, in
ber Die —— nach tapferm Widerſtand völlig
beſiegt wurden. Die meiſten wurden auf der Flucht
niedergemacht; nur ein Teil rettete ſich über den
Rhein, unter ihnen A., deſſen weitere Schickſale un—
befannt find. Bal. A. v. Göler, Cäſars galliſcher
Krieg (Freib. 1880); Stoffel, Guerre de César et
d'Arioviste (Bar. 1890).
Arisaema Mart., Gattung der Arazeen, Knollen-
gewächſe mit meijt 1—3fdnittigen und fuj- oder hand-
formig geteilten Blättern, die Spatha mit vielgeftal-
tiger Gpreite. 50 Yrten meift in Aſien, wenige in
Nordamerifa und Ufrifa. Bon A. atrorubens Blume,
in Nordamerifa, wird die Knolle arzneilich benugt,
fie liefert Stärlemehl und dient getrocnet (Cupress
powder) alg Sdjinbeitsmittel. A. praecox (j. Tafel
»Urazeen«, ig. 5), eine Varietät von A. ringens
Schott, in Japan, wird als Zierpflanze fultiviert.
Arisarum Targ.Tozz.(Rappenaron), Gattung
der Urajeen, Stauden mit zylindriſchem oder eiförmi—
gem Rhizom, rundlid)-pfeilformrigen oder ſpießförmi—
gen Blattern, die Spatha mit iibergebogener, jtuntpfer
oder langgeſchwänzter Spreite. Bon den drei Yirten
jinden fid) A. vulgare 7'ozz. im Mittelmeergebiet, A.
roboscideum Savi (j. Tafel »Ylrazeen«, Fig. 6) in
Stalien. Von erjterm wurde die Wurzel früher argnei
lid) benugt.
Ariſch (El W.), 1) ägypt. Gouvernorat auf der
Sinaihalbinjel, 59,000 qkm mit (ss2) 3923 Cinw.,
worunter 987 nomadijicrende Beduinen. Die gleich—
namige Hauptftadt, ant Wadi ef W., nabhe dejjen
Mitndung ins Mittelmeer, ijt Grenzfeſtung gegen Sy-
rien, bat einen fleinen Hafen und (1882) 2986 Einw.
| Mier lag das alte Rhinocolura, der Verbannungsort
Der Bharaonen, wo man den Berbannten die Naſen
nern italienifden Gedichte beforgte Rolidori (»Opere | abjdnitt. Bur Zeit der Kreuzzüge hieß die Stadt La—
minori in versi ed in prosa di L. A.«, Flor. 1857, ris. Hier ſtarb Balduin J. von Jeruſalem 22. Mary
2¥Bode.). Unter den deutiden Überſeßungen des 1118 auf einem Zuge gegen Ägypten. Während des
»Rafenden Rolande ijt die bejte die von Gildemeijter franzöſiſchen Feldsuges wurde VW. 20. Febr. 1799 von
(Berl. 1882, 4 Bde.); altere von W. Heinfe (in Proja), | Kleber genommen, bald aber von den Englindern und
760
Türken juriiderobert; am 24. Yan. 1800 erlangte
Kigder im BVertrag von A. vom Großweſir freie Riic-
fehr nad) Europa, und als die Englander dies ver-
warfen, antwortete Ridber mit dem Sieg von Helio-
polis. — 2) Stadt in Maroffo, foviel wie Araiſch.
- Arista, ſ. Granne.
wey ess: Tyrann von Milet, war Schwieger-
ſohn und Better des Hiſtiäos und erbielt nad) deſſen
Abberufung die oberjte Gewalt in Milet. Aus Furdt
vor Strafe wegen des Scheiterns eines von ihm gegen
Naxos gefiihrten Unternehmens reizte er 500 v. Chr.
durch das Verſprechen einer demokratiſchen Verfaſſung
die ioniſchen Städte zur Empörung, verſchaffte ſich
von den Athenern und Eretriern 25 Schiffe und lenkte
die Geſamtmacht der verbündeten Griechen gegen Sar-
des, das verbrannt wurde. Dies war aber der einzige
Erfolg. Nach der Niederlage der Griechen bei Ephe—
ſos und dem Abzug der Athener 499 v. Chr. führte
A. eine Kolonie nach Myrkinos im Lande der Edoner,
und fam bier 497-bei der Belagerung von Ennea
Hodoi (jpater Amphipolis) um.
Ariftanétos, angeblicher Verfajjer einer im 5. oder
6. Jahrh. verfakten Sammlung von 50 erotifden
Briefen in 2 Biidern, matten Nadahmungen des
Ulfiphron, deren Stojf hauptſächlich der erotifden
Elegie der Wlerandriner entlehnt ijt (brsq. von Boif:
fonade, Par. 1822, und Herder in »Epistolographi
graeci«, Daj. 1873).
Ariſtäos, in verjdicdenen Gegenden der gried.
Welt (Thejjalien, Biotien, Kyrene, Sizilien u. a.) ver-
ehrter Segensgott der Herde, Jagd, Bienenzucht, des
Wein-, Ol-, überhaupt alles Landbaues, Schützer von
Menſchen, Tieren und Vegetation gegen die zerſtörende
Hike’ der Hundstage. Er heißt rd Sohn des
Apollon und der thefjalifden
Pflegling der Horen und der Gia, die ihn gum un:
jterblidjen Gott madjten. Jn Theben galt er als Bater |
des Altäon (j.d.). Er gab —— dem Tode
der Nymphe Eurydike(ſ. d.), die auf der Flucht vor fei
nen Nachſtellungen von einer Schlange gebiſſen wurde.
Ariſtarchos, 1) A. aus Samos, griech. Aſtro—
nom, unt 250 v. Chr., der Hauptvertreter des helio
zentriſchen Weltſyſtems tm Witertum. Er lebrte, dah
Sonne und Firjterne unbeweglich, und daß Die Crde,
die ſich um ihre Achſe drehe, gleichzeitig in einem ge:
en den Yiquator geneigten Kreis um die Sonne laufe.
a jeiner allein erhaltenen Sdprift » fiber Größe und
Entfernung der Sonne und des Mondes« (Hrsg. von
Wallis, Orf. 1688; deutſch von Noff, Freiburg 1854,
und von Nizze, Stralj. 1856) gibt er eine Wethode,
das Verhältnis zwiſchen diejen Entfernungen zu be: |
jtimmen. Bal. Aſtronomie.
tynuphe Kyrene und
Arista — Ariſteides.
nes u. a.) betrug gegen 800. Über feine Homerifden
Studien geben namentlid) die grofenteils auf Uus-
jligen der Schriften der Ariſtarcheer Didymos und Viri-
jtonifos berubenden BVenediger Sdholien zur ⸗Ilias⸗
Runde. Bal. Lehrs, De Aristarchi studiis Homeri-
cis (3. Aufl. Königsb. 1882); Qudwid, Ariſtarchs
Homerijde Terttritif (Leipz. 1885, 2 Bde.). — Nad
ihm nennt man jpridwortlid UW. einen unerbittlicen
Rritifer.
Ariftéads, angeblid) Beamter de3 Konig’ Brole-
mäos II. Philadelphos und Berfaffer eines griech
Vriefes iiber die Entitehung der Septuaginta (j. d.).
Das etwa 100 v. Chr. von einem Agyptiden Juden
gejdjriebene Bud) hat auch in der drijtlichem Kirche
ropen Beifall gefunden. Wusqabe von P. Wend-
and (Leipz. 1900).
Arijteides (lat. Urijtides), 1) athen. Staats.
mann, Sohn des Lyſimachos, geb. um 530 v. Cbr., aeit
467, trat zuerſt 509 dffentlid auf, indem er Menthe
neS bei Reform der Solonifden Verfajfung beiitand.
Jn der Schlacht von Marathon (490) war er einer
Der Strategen, wurde fiir 489 gum erjten Vircdorter
gewählt und galt als Haupt der fonjervativen Bar:
tei. Als folder fiirchtete er aber, Dak durch die von
Themijtofles geplante Griindung einer Seemadht die
feſten Grundlagen des Staates erjciittert umd der
Kern desfelben, die qrundbefipende Bevdlferung, durd
die bejigloje Dtenge und Fremde verdrängt werden
könne, und da der Gegenſatz beider Manner das Ge:
meinweſen in Verwirrung ju bringen drobte, fo wurde
beſchloſſen, durd ein Scherbengericht zwiſchen ihnen
zu entſcheiden. Die Mehrheit ſprach ſich 483 für die
Verbannung des A. aus. Von der Erlaubnis der
MRiidfehr, welche die Athener bet Dem Verlaſſen ibrer
Stadt allen Verbannten gewährten, madte er jwar
feinen Gebrauch, aber als er von Agina aus, wo er
ſich aufhielt, vor der Schlacht bei Salamis die Um—
jingelung der griechiſchen Flotte Durd) Die Berier be-
uterfte, meldete er Died Dem Themiftofles und bejepte
wibrend der Schlacht die Inſel Pſyttaleia, wo ex de
perſiſche Beſatzung niedermadte. Neuen’ Ruhm ge
wann er 479 als YUnfiibrer der Uthener bei Blatad
und fiihrte Dann die atheniſche Flotte geqen Me per-
ſiſche Küſte, wobei es feimer Wilde und Unparteilid
feit gelang, die Inſeln und Stidte des Agaricden
Meeres fiir den Anſchluß an den Attiſchen Seebund
zu gewinnen (477), Den er im Wuftrag des Bolte’,
jetzt ein Bundesgenoſſe des Themijtofles, felbjt em-
ridjtete. Go beqriindete er die athenifche Heqemonic
zur See. Er jtarb, ſchon bei Lebzeiten Der Geredte
qenannt, auf einer anttlicden Fahrt nad dem Schwaer-
xen Weer und wurde in WUthen auf Staatstojten be
2) UM. von Samothrafe, qried. Grammatifer, | jtattet; feine Todter wurden vom Staat ausgeitatter.
unt 215—143 v. Chr., wirfte zu Wlerandria als Bor- | A.' Leben ijt von Cornelius Nepos und Plutarch be-
jteber Der Bibliothef und Lehrer. Cr ſtarb in Cypern, | fdrieben worden. Vol. Vom Berg, Das Leben des
72 Sabre alt, an der Wajferfudt. Sein Name bezeich- A. (Gdtting. 1871).
net den Höhepunkt philologifcer Kritik und Gelehr
famfeit im Altertum; an ihn ſchloß fic) eine eigne
Sdule an, die der Uriftardeecr, die bis über den
Ynfang der Kaiſerzeit in feinent Sinne fortwirfte. |
Seine Litigteit war namentlicy Den griechiſchen Dich
tern zugewandt, vorzugsweiſe Dem Homer; um dieſen
erwarb er fid) das größte Verdienſt durch feine friti-
ſche Tertausgqabe und dic ſich anſchließenden, auf aujer-
ordentlicher Renntnis der Spradje und des fachlichen
Inhalis der Homerifden Gedichte berubenden Erläu—
terungsſchriften. Die Sahl jeiner kritiſchen Rommen
fare ju verſchiedenen Schriftitellern (auger Homer
Hefiod, Pindar, Urdilodos, die Tragiter, Ariſtopha
2) A. aus Theben, gried. Maler, Zeitgenoſſe
des Upelles, war Meijter tm Ausdruck menſchlichet
Empfindungen und Leidenjdaften. Seine Arbeiten
jtanden febr hoc) im Preiſe. Genannt werden eme
Sjene aus der Eroberung einer Stadt (ein Mind nad
der Brujt der fterbenden Mutter friedhend) und ein
großes Schlachtenbild von 100 Fiquren.
3) A., im 2. oder 1. Jabrh. v. Chr., verfaRte ero
tiſche Novellen, nad ihrem Schauplatz Milet » Mile-
siaca« (mileſiſche Geſchichten) betitelt, Die als erite
Anfänge des qriechifden Proſaromans fu betradten
jind. Die diirftiqen Brudjtiide in Miillers -Frag-
menta historicorum graec.«, 8d. 4 (Par. 1851).
Aristida — Wriftobulos,
4) Chriftlider Upologet des 2. Jahrh. Seine dem
Kaiſer Hadrian oder Antoninus Pius cingereidte, erjt
jiingjt wieder aufgefundene Schu icieitt ipfelt in
einer wertvollen Sdilderung Seitlichen laubens
und drijtlider Sitten.
5) Publius Alius A., mit Beinamen Theodo-
ros, qried). Rhetor, geb. 129 n. Chr. gu Udriani in
Myfien, qeit. um 189, Schiller des Herodes Atticus,
machte teils gu feiner Uusbildung, teils zur Unusiibung
feiner Runjt weite Reifen, ——— in Ägypten,
und erwarb ſich außerordentlichen Beifall. 155 von
einer 17 Jahre dauernden Krankheit befallen, fand
er Heilung durch eine ihm im Asklepiosheiligtum zu
Pergamon in Traumgeſichten offenbarte Kur, deren
Geſchichte er in ſeinen ſechs »Heiligen Reden« erzählt.
Als Smyrna, die Haupiſtätte ſeiner Wirkſamleit, 177
durch ein Erdbeben zerſtört war, erwirkte er durch
feine Fürſprache von den Kaiſern Marl Aurel und
Commodus den Wiederaufbau. Da ihm die Gabe
freier Rede verſagt war, verlegte er den Schwerpunkt
ſeiner Tätigkeit auf Abfaſſung ſchriftlicher Reden,
durch die er den Ruhm des Klaſſilers unter den So—
phiſten gewann. Erhalten ſind von ihm außer zwei
theoretiſchen Schriften über politiſche und ſchlichte
Rede (hrsg. in den ⸗Rhetores graeci« von ror und
Spengel) und der Krankheitsgeſchichte nod 49 Reden
(hr8q. von Dindorf, Leip;. 1829, 3 Bde. ; Hauptausg.
von Keil, Berl. 1898 ff.), teils Lobreden auf Gott-
beiten und Städte, wie Uther, Rom und Smyrna,
tei: Deflamationen nad alten Muftern, wie Iſokrates
(Banathenaifos), und über geſchichtliche Themata aus |
dec Beit der griechiſchen Freiheit. Seine Darjtellung
ijt meiſt fret von Schwulſt und Ubertreibung, dDurdaus
forreft und im Wortſchatz ſehr gewählt, in der Kom—
pofition meijt von bewundernswitrdiger Gorgfalt;
aber rhetorijde Tedjnif und äußere Formgewandtheit
ift ihm Hauptſache, hinter welder der 4
ſcheinbar tiefer Gelehrjamfeit und gedrungener Be—
weisführung weit zurückbleibt. Dabei tritt überall
maflofe Citelfeit und fajt tranfhafte Ruhmfudt her-
vor. Bal. Baumgart, Wins W. als Repräſentant
dec ſophiſtiſchen Rhetorif des 2. Jahrhunderts der
Raifergeit (Leip;. 1874). Ob eine Statue im Vatifan
mit Redht jeinen Namen trägt, ift zweifelhaft.
6) U.OQuintilianus, gried. Grammatiter, friihe-
itens des 3. Jahrh. n. Chr., verfakte eine Schrift (» De
musica«, hrsg. von A. Jahn, Berl. 1882) in 3 Bü—
Hen, eine Rompilation, die Harmonif und Rhythmif
oefonders nad) Ariſtoxenos, den ethiſchen Gehalt der
Muſil und ihrer Rhythmen und in pythagoreiſch⸗plato⸗
nifdyer Weife die Ubereinjtimmung der Yntervallenver-
paltnifje der Muſik mit der Harmonie des Univerfums
iehandelt. Val. Cä ſar, Die Grundzüge der griechi—
‘den Rhythmil im Anſchluß an A. Marburg 1882).
Aristida L., Gattung der Gramineen, Gräſer
nit meiſt ausgebreiteter Ritve, etwa 100 Arten in den
vairmern Regionen beider Erdhalften, im gemafigten
Europa und Ufien ſpärlich, reichlicher im pemabigter
Nordamerifa. Bon A. hygrometrica Brown, in
Aueensland, dringen die eigentümlich geſtalteten
Früchte durch die Haut der Schafe bis in die Ein—
ſjeweide und veranlaſſen tödliche Entzündung. A.
lumosa L.(j. Tafel »Wiiftenpflangen<, Fig. 7), Cha-
‘afterpflanze der dqyptifd -arabijden Wikjte, kommt
ils Weidefutter in acht.
Ariftĩides, ſ. Ariſteides.
Ariftionſtele, cin 1838 im öſtlichen Uttifa gefun-
nes marmornes Grabrelief (jest in Wthen, ſ. Tafel
Grabmiäler⸗, Fig. 2), dad Werk eines Künſtlers Ari—
Inhalt trop
761
ftofle3, nach der Buchſtabenform der Inſchrift etwa der
2. Halfte des 6. Jahrb. v. Chr. angehörig, jtellt den Ari⸗
jtion jtehend in der vollen Bewaffnung cines Schwer—
bewajfneten dar. Das Denfmal hat doppeltes In—
terefje, da es einerſeits cine Unfdjauung von der Aus—
ritjtung der Damaligen attifdjen Krieger gibt, ander-
ſeits Durd) die ftarfen Farbenrefte fiir die Bemalung
folder plajtifden Werke geugt. Cine ganz ähnliche
Stele wurde 1888 gu Sfaria in Attika aufgefunden.
UAriftippos , qried. Philoſoph, Stifter der Kyre⸗
nãiſchen Sdule Ri bd.) oder Der der Hedonifer, wie fie
aud) heißt, etwas alter als Platon, Sohn eines wohl⸗
abenden Raufmanns aus Kyrene an der Nordfiijte
frifa8, ſuchte in Wthen den Sokrates auf, deſſen
Schüler er ward, naddem er wahrſcheinlich vorher
ſchon die Lehre des Protagoras tennen gelernt hatte,
und trat al3 Lehrer der Lhilofopbie in verjdiedenen
Orten, namentlid) in feiner Vaterſtadt, auf, zuerſt
unter allen Gofratifern Geld fiir feinen Unterridt
nehmend. A. hatte von Sokrates fid) die Richtung
aufs Praktiſche angeeiqnet und ſtellte cinfeitiq als
Pringip die aud) fon von Sofrated betonte Lujt auf,
ſowohl die ſinnliche als die geijtige. Sie ijt Das höchſte
| Gub und alfo um ihrer felbjt willen gu erjtreben ; jedes
Mittel, um zu ihr gu gelangen, ijt erlaubt. Die Tu-
gend bat nur Wert als Weg gur Lujt; ebenfo Klug—
Beit und Weisheit, indem fie die Lujt beherrfdjen und
vor Unluſt erzeugendem tibermag bewahren. Das
höchſte theoretijche Rriterium des Wahren und Fal-
ſchen ijt die Sinneswahrnehmung. Mande feiner
fpdtern Anhänger qalten als Gottesleugner, fo Theo-
Doro’. Von .' Sdhrifterr hat fich feine erhalten; die
ihm zugeſchriebenen fiinf Briefe find unedt. Wieland
madte ihn gum Helden eines Romans »Urijtipp und
einige feiner Zeitgenojjen«. — Gein Enfel von feiner
philoſophiſch qebildeten Todter Urete, W. Der jiin-
qere, um 360 v. Chr., war von feiner Mutter unter-
ridjtet, Daher »WMetrodidaftos« (Mutterzdgling) ge—⸗
nannt, und foll das Syjtem feines Großvaters (He-
donismus, Genuplehre) mehr ſyſtematiſch ausgebildet
und befannt gemadt haben.
Ariftobiles, 1) griech. Hiſtoriler, Begleiter
Uleranders d. Gr., verfaßte, 84jährig, zu Kaſſandreia
in Thrakien ein durch geographiſche, ethnographiſche
und naturgeſchichtliche Angaben ausgezeichnetes, we-
gen ſeiner Zuverläſſigkeit gerühmtes ert liber Wler-
ander, neben dem des Ptolemaos cine Hauptaquelle
fiir Urrians »Unabajis«. Sammlung der Brudjtiide
von ©. Müller in der Didotiden Ausgabe de3 Urria-
nos (Par. 1846).
2) Ulerandrinijd-jiid. Peripatetifer gu Alexandria,
um 180 v. Chr., Verfaſſer eines allegoriſchen Konumen-
tars iiber die Bücher Mofis, worin gezeigt werden
jollte, daß alle Weisheit der griechiſchen Schriftſteller
von Moſes entlehnt fei. Fraqmente dieſes Werkes
finden fic) bet Clemens Wlerandrinus und bei Cu-
ſebios. Bal. Valdenaer, Diatribe de Aristobulo
Judaeo (Leiden 1806).
Ariftobilos, 1) Juda UL, Fiicit von Judäa,
Sohn des maktabäiſchen Fiirjten Johannes Hyrfanos
(105 —104), nahm den Königstitel an, verdriingte
Mutter und Briider, erweiterte durd Unterwerfung
der Ituräer fein Reid nad Nordojten und ftarb,
naddem fein Bruder Untigonos durd Meuchelmord
— thar. — Ihm folate fein älteſter Bruder,
lerander Jannai (jf. d., Bd. 1, S. 301).
2) U. IL., Neffe de3 vorigen, gweiter Sohn Alex—
ander Jannais, 69 — 40 v. Chr., erzwang während
der Krankheit ſeiner Mutter Salome Alexandra die
762 Arijtodemos —
Regierung, die er 63 dem Altern Bruder Hyrfan IL, |
Dem Pompejus ju Hilfe gelommen war, wieder ab-
treten mute. Wit ſeinen Söhnen Wlerander und
Untigonos und zwei Tidtern nach Rom gefiibrt,
entfloh er und fudte vergeblid) Die Krone wieder zu
erringen. Cäſar gab A. 49 zwei Legionen zur Wie-
Dereroberung Judäas, die jedod) fein m Italien plötz—
lic) erfolgter Tod vereitelte. — Den Ramen A. füh—
ren nod) mehrere Sprojjen der hasmonäiſchen und
herodiiiden Dynajtie.
Ariftodemod, 1) Sol des Herafliden Ariſto—
machos, nad) Der lafedantonifden Gage der erjte do—
riſche Herrider über Sparta und durch feine beiden |
Sdhne Euryithenes und Prokles Stammovater der |
beiden fpartaniiden Königsfamilien.
2) Meſſeniſcher Held und Konig aus dem Gejdledte |
Der Apytiden, opferte während des erjten Meſſeniſchen
Strieges (743 —724 v. Chr.) einem Orafeljprud) zu—
folge feine Tocter, um den Sieg tiber die Spartaner
gewinnen ju fonnen, wurde nad) Dem Tode des Kö—
igs Euphaes 731 zu feinem Nadfolger gewählt und!
verteidigte hartnäckig die Bergfeſte Ithome. Schlimme
Vorzeichen machten ihn jedoch an der Rettun
Vaterlandes irre, und fo tötete er ſich ſelbſt pit
Wrabe feiner Todjter (724).
UArijtogeiton, ſ. Harmodio3.
Ariftofratie (qried., »Herrjdaft der Vornehm—
jten«), im ftaatsphilojophijden Syjtem des Wrijtote-
les Diejeniqe Staatsform, nad) der eine bevorjzugte
Klaſſe Der Staatsangehörigen im Beſitz der Staats-
qewalt ijt. Wrijtoteles teilt Die Beherrjdungsformen
cin in das Königtum (Monardie), die W. und die
Demofratie, je naddem die Staatsqewalt in der Hand
eines Einzelnen ſich befindet oder einer gewiſſen bevor-
zugten Rlaffe oder der Geſamtheit des Volfes zuſteht.
Mit Rüchſicht auf die Staatsverhaltnifje der Neuzeit
pflegt man jedod) meijt nur zwei Grundformen der
Staatsverfajjung zu unterideiden, die monardijde
und die republifantide, je nachdem die Staatsgewalt
von einem Einzelnen oder vor der Gefamtheit der
Staatsangehirigen durd deren Organe ausgeiibt
wird. Bet der Republif wird dann allerdings wieder
zwiſchen A. und Demofratie unterfdieden, infofern
entiveder eine gewiſſe Klaſſe von Staatsbiirgern die
Zügel des Staates in Handen hat oder die Geſamt—
heit des Volkes ohne Standesunteridied als Souverain
qedadht wird. Die Neuzeit ijt dem arijtofratijden Sy-
dent
Des |
jtem nicht günſtig. Keine der bejtehenden Republiten |
und bräunlichen, pfeifenfopfartigen Bliiten, wird zu
hat eine ariſtokratiſche Staatsform, während dieſe im
Altertum vielfach vertreten war. Wie in Griedhenland
Athen als Mujter der Demofratie erſchien, fo wurde
die A. bejonders durch Sparta dargejtellt. Auch die
altronujde Republif mit ihrer Patrizierherrfdaft war |
cine U. Ebenſo hat man das frithere Deutiche Reid
im Der {Feit Des Verfalls der faijerlichen Macht nicht |
mit Unrecht als eine A. bezeichnet. Auch in Venedig
hat ſich lange Zeit hindurch die ariſtokratiſche Staats
form erhalten. Wenn aber auch der Begriff der A.
heutzutage als Staatsform nicht mehr von praktiſcher
Bedeutung iſt, ſo ſpricht man doch noch von A. in
dem Sinne, daß man darunter eine bevorzugte Klaſſe
der Staatsangehörigen verſteht, ſo vom Adel als
einer Weburts- oder Geſchlechts⸗ (Standes-, Erb-) A.;
ferner von einer Beamten- und von einer Weld-
arijtofratie (Blutofratie) fowie aud) nicht fetten
von einer A. des Geijtes, der cin befonderer Grad von
Vildung cine bevorzugte Stellung in der bürgerlichen
Geſellſchaft verſchafft. Ariſtokrat wird der Zugehö—
rige oder der Anhänger der A., namentlich der Ge
Ariſtolochiaʒeen.
burtsariſtokratie, genannt; Wrijtofratismué iit
die ausgeſprochene Vorliebe fiir ariſtolkratiſche Boe:
rechte und Gebräuche. Ariſtokratiſieren d nennt
man cine Staatsverfaſſung, die, wie die englijſche,
gwar nidt die A. als Staatsform aufweijt, aber gleich
wobl einen gewiſſen arijtofratijden Sug und raf
ter erlennen lift. Als ariſtokratiſche Politik bezeichne
man bisweilen eine ſolche, die beſonders das Wobi
genie. namentlid der woblhabendern Kafſen der
Bevölkerung im Wuge bat.
Ariftofratismug, ſ. Urijtofratie.
Ariftol (Dijoddithymol, Dithymoldirjo-
did, Unnidalin) C,,H,,J,O0, entiteht beim Ber.
fefen ciner Löſung von Jod m Jodkalium mit alfali-
jdher Thymolldfung und bildet em anvorphes, Guberit
artes, rötlichbraunes, geruchloſes Pulver. Es st
leicht in Uther, aud) in fetten Sten, weniq in Wifohal,
nicht in Wafer löslich und wird durd Licht, m Le
jungen auch dDurd) Warme leicht zerſetzt. Wan be
nugt YW. gegen Hautfranfheiter und als Ecrſatz ds
Jodoforms.
Aristolochia Tourn. (Oſterluzei), Gattung
Der Urijtolodiazeen, Kräuter oder windende, oft baum
artige Gehölze mit meijt herzförmigen, biswetlen jebr
großen Blättern und achſelſtändigen, vielgeftaltiqe
Bliiten mit am Grunde bauchig erweiterter Rohre
Etwa 180 Arten in den heißen und gemäßigten Ge
genden der ganzen Erde. A. Clematitis L. (gemeine
Oſterluzei, Waldrebenhohlwurz), tm Sad
und Mitteleuropa, mit in den Blattwinkeln zu 5 —7
jtehenden Bliiten mit ſchmutzig gelbem Beriqon, das
in cine zungenförmige Platte ausläuft. Die Pflanze
riecht balſamiſch; ibre Wurzel tit in größern Gabe
navfotijd ſcharf. A.serpentaria L., in feudten Berg:
wäldern Nordamerifas, Staude mit fleinen violett
braunen Bliiten, liefert Die Schlangenwurjel
(Radix Serpentariae), die aus einem fleinen, rund
lichen Rhizom und vielen, fehr diinnen, imeinander
verflodtenen Wurzelfajern bejteht. Sie riedjt baldriam
artig und ſchmeckt fantpferartig bitter. Die Eingedor:
nen benugten die Wurjel gegen Schlangenbiß; fect
1663 famt fie nad Europa und wurde namentlich als
Fiebermittel angewendet. Auch andre afrikaniſche und
nordamerifanijde Aristolochia-YUrten werden gegen
Sdlan — A. Sipho L’ Hérit. (Bfetfen-
jtraud, f. Tafel »Flieqen- und Scnedenblumen«,
Fig. 4), aus Nordamerifa, mit windendem Stamm.
ſehr großen, faſt freigrunbden, herzförmigen Blattern
Lauben⸗ u. Wandbekleidungen benutzt und dauert ber
uns im Freien aus. A. grandiflora Swartz (ebenda,
Fig. 1), auf den Antillen und in Guatemala, wir
dend, mit 30cm grofen, an der Spige langgeſchwänz⸗
ten Blitten. A. Bonplandii Ten. (A. fimbriata Cham.
et Schlecht. , ebenda, Fig. 3), in Brafilien.
Mriftolodialen (Aristolochiales), nad Engler
eine Ordnung (Reihe) der Archichlamydeen mit gleich
hülligen, regelmäßigen oder zygſomorphen Biiiten,
deren Hülle fic) meiſt blumenblattartig ausbildet. Dec
unterſtändige Fruchtknoten ijt 4—6faderigq, mit zen⸗
tralwinfeljtandigen Samenleiſten oder auc cinfaderiq
mit wandſtändigen Plazenten. Die Ordnung umfaßt
die Familien der Ariſtolochiazeen, Raffleſiazeen und
Hydnorazeen.
Ariſtolochiazeen (Oſterluzeigewächſeh dilo—
tyle, etwa 200 Arten umfaſſende Pflanzenfamilie aus
der Ordnung der Monochlamydeen, Stauden oder
meijt windende Sträucher mit blittenartig gefarbtem,
dreizahligem, ſtrahligem oder zygomorphem Perigon
Arijtologen — Ariſtophanes.
(Fig. a), 6—36 bisweilen gynandriſchen Staubblät⸗
tern (Fig. b) und einem unterſtändigen, aus 4—6
Fruchtblättern gebildeter Gynäzeum. Die meiſten
A. ſind im tropiſchen Amerika,
wenige im tropiſchen Aſien,
um das Mittelmeer und in der
nördlichen gemäßigten Zone
einheimiſch. Einige werden arz⸗
neilich, mehrere als Zierpflan⸗
zen benutzt.
Ariftologen (qried).), voll-
endete, befonders ſachverſtän—
Dige Feinſchmecker, benannt |
nad einem Wortfpiel aus dem |
griechiſchen ariston (Frith: |
mahl) und ariston (das Bejte). |
Val. T. Walfer, Aristology,
or the art of dining (Yond. |
1835, nene Ausg. 1881).
Ariftoménes, der von der
Sage verherrlichte Held des
zweiten Meſſeniſchen Rrieges
Aristolochia Clematitis.
a Bluͤte, durchſchnitten;
b Pikil u. Androceum. ——
königlichen Geſchlechte der ÄApy⸗
tiden, ward nach der Schlacht bei Derä (684) wegen
763
Ariftophaneds, 1) A. von Athen, der geiſt- und
witzreichſte qried.Lujtipieldichter, um 450 —385 v. Chr.
Bon feinem Leben ijt nur wenig befannt. Auf wel-
den Grund bin der befannte Demagog Rleon den
Verſuch madte, feine Zugehörigkeit sur athenifden
Bürgerſchaft anjufedhten, wifjen wir nidt. YW. nahm
an allen Lebensdiupgerungen feiner Zeit den regſten
Anteil vom Standpunft eines Friedensfreundes und
Unhingers der arijtofratijdhen Partei, dem die Herr—
ſchaft der biirgerliden Emporkömmlinge, wie Kleon,
und die neue —— rhetoriſch⸗ſophiſtiſchen Bil⸗
dung verhaßt war. Mit freier Selbſtändigkeit erhebt
er ſich über die herrſchenden Modetorheiten, über das
Treiben politiſcher Parteien und philoſophiſcher Sek—
ten, bald kriegsluſtige Demagogen, bald ſpitzfindige
Sophiſten, bald unpraktiſche Ideologen mit der ſchar—
fen Geißel ſeines Witzes züchtigend. Seine drei erſten
Stücke brachte er ſeit 427 ſeiner Jugend wegen unter
fremdem Ramen zur Wuffiibrung. Unter cignent
Namen trat er guerjt 424 mit den »Rittern« auf. Das
Ultertum beſaß von ibm 44 Stiide. Außer den Titeln
und zahlreichen Fragmenten (bei Kod in »Comicoruam
(685 — 668 v. Chr.), aus Dem | atticorum fragm.«, Bd. 1, Leipz. 1880) bejigen wir
davon nod) 11, die cingigen vollitindigen Komödien
aus dem griechiſchen Altertum, in chronologiſcher Ord⸗
ſeiner Tapferkeit zum Konig der Meffenier ausgerufen, |
beqniigte fic aber mit Der Stelle cines unumjdrantten
Anführers und verbreitete durch eine Reihe der ver-
wegeniten Taten Furcht und Schrecken unter den
Latedamoniern, jo daf der Dichter Tyrtäos den Mut |
der Gefchlagenen durd) jeine Kriegsgeſänge wieder
beleben mupte. Infolge der Verraterei des arfadi-
iden Königs Ariſtokrates zog A. fic) mit dem Reit
jeiner Tapfern in die Bergfeſte Eira zurück. Nach elf-
jabriger Verteidiqung wanderten auf feinen Rat (668)
die iibriqgebliebenen Meſſenier nad) Zankle auf Si-
zilien aus, wo fie den Namen ihrer Heimat in Mef- |
jana verjiingten. A. beqab fic) nad) Rhodos, wo er
bei ſeinem Schwiegerfohn Damagetos, dem Beberr-
ider von Jalyfos, jtarb.
Ariſton, bei den alten Griechen das zweite, sur
Mittagszeit eingenommene Frühſtück. — Auch Name
rines mechanifden Muſikwerkes, ſ. Muſikwerke.
Ariſton, berühmter griech. Stoifer aus Chios, um
275 v. Chr., Schüler des Senon, von deffen Syjtem
r aber weſentlich abwid), indem er fich 3. B. in der
Frage nad) der Exiſtenz der Gottheit sum Sfeptijis- |
nus hinneigte, fich mit übergehung der Dialeftif und
Phyſik vorzugsweiſe an die Ethik hielt und darin alle
MNittelgrade zwiſchen Tugend und Lajter verwarf, jene
illein als das einzige, wahre und höchſte Gut an-
ehend. Bon feinen Schriften find nur nod) Brud-
tücke übrig. An die populäre Weiſe des Bion (7. d. 1)
id) anſchließend, hat er nod) auf die Philoſophie der
daiſerzeit Einfluß ausgeiibt. Die von ihm geftiftete
Schule (Uriftonecr) rm Kynofarges zu then, den
tynifern nabhejtehend, ging nad) kurzer Beit wieder ein. |
Wriftonifos, g
iia, gegen Ende des 1. Jahrb. v. Chr., namentlid
ekannt durch feinen wertvollen Kommentar über die
ron Ariſtarch in ſeiner Homerausgabe angewendeten
ritiſchen Zeichen, von dem reiche Auszüge in die
Scholien zur ⸗Ilias · (hrsq. von Friedlander, Götting.
853), ſpärlichere in die Odyſſeeſcholien (Hrsg. von
farnuth, Leipz. 1869) iibergegangen find.
Aristén mén hydör (qried., »das Beſte ijt das
Baffer«), Zitat aus Pindars »Olympia«, I, 1 (häufig
Inſchrift in Badern r.).
Ariftopapier, ſ. Photographiſche Papiere.
|
|
|
vied). Grammatiker, aus Alexan⸗
nung folgende: 1) ⸗»Die Udarnere, nut denen A.
425 iiber Kratinos u. Cupolis fiegte (hrsg. von Wolf,
griech. u. deutſch, Berl. 1811; Elnisley, 2. Aufl. Leips.
1830; van Leeuwen, Leiden 1901), nad) dem Chor wie
die meijten iibrigen benannt und beſtimmt, dDurd Dar—
jtellung der Seqnungen und Geniijje des Friedens die
Athener fiir diefen gu gewinnen. 2) » Die Rittere,
von 424 (hrsg. von Sod, 3. Uufl., Berl. 1876; v. Vel-
jen, 2. Aufl. von Bader, Leipz. 1897; van Leeuwen,
Leiden 1900), gegen den Demagogen Kleon geridtet.
3)>Die Wolken«, von 423, wider die metaphyfifden
Grübeleien und die Sophiſtik der Zeit gerichtet, als de:
ren Hauptreprijentant Sofrates dargeftellt wird, das
beriihmtejte Stiid des A. und von ihm ſelbſt fiir fein ge-
lungenſtes qehalten, obwobl es bei der Aufführung nur
den Ddritten Preis erhielt; nur in ſpäterer, nicht durd-
qefiibrter Bearbeitung des Didhters erhalten (hrsq.
von Hermann, 2. Ausg., Leipz. 1830; Wolf, qried). u.
deutſch, Berl. 1811; Kod, 3. Aufl. daf. 1876; Teuffel,
2. Aufl., Leipz. 1863; mit deutſchen Wnmerfungen,
2. Unfl. von Kabler, 1887). 4) »>Die Weſpen«, von
422 (hr8g. von van Leeuwen, Leiden 1893), gegen die
Prozeßſucht der Uthener geridtet. 5) > Der Frieder,
von 421 (hr8g. von van Herwerden, Leiden 1497), mit
der Tendenz, den Frieden dem unter der Lajt des
Krieges feufzenden Bolte zu empfehlen. 6) »> Die Vö—
gel«, von 414 (hr8q. von Rod, 2. Aufl., Berl. 1894;
van Leeuwen, Leiden 1898; iiberfest von Fr. Rückert
im ⸗·Nachlaß«, Leips. 1867), gegen die abenteuerliden
Hoffnungen geridtet, welche die Athener an die figi-
lijche Expedition knüpften, unſtreitig die geiſtreichſte
Schöpfung des Dichters. 7) ⸗»Lyſiſtrate«, von 411
brég. von Enger, Bonn 1844), Verſchwörung der
Frauen, um die Männer zum Frieden gu swingen,
die letzte Der eigentlich politiſchen Komödien des A.
8) »Die Thesmophoriazuſen«, von 410 (hrsq.
von Fritzſche, Leipz. 1838; Enger, Bonn 1844; v. Vel-
jen, Leipz. 1883), gegen den Weiberhaſſer Euripides,
den die dad Feſt der Thesmophorien feiernden Weiber
vor Gericht sicher. 9)» Die Frbjde«, 405 aufgefiihrt
und mit Dem erjten Preis ausgezeichnet, eins der geiſt⸗
volliten und wigigiten Stiide, über Den Verfall dev
tragiſchen Dichtung, der dem fury zuvor gejtorbenen
| Euripides zur Lajt gelegt wird (hrsg. von Pernice,
764 Ariftophanijder Vers — Ariſtoteles.
qried). u. deutſch, Leipz. 1856; v. BVelfen, daf. 1881; | gifer und des A. gehen auf ibn zurüch, 3. T. auch des
van Leeuwen, Leiden 1896; Rod, 4. Aufl., Berl. 1898). | ‘Blaton. Wit bietcr Latigheit hangt die Wusbildumg
10) »Die Ekkleſiazuſen«, wohl von 392, Bolks- | ded feitdem allgemein giiltigen Syſtems Der kritiſchen
verſammlung der Weiber, die einen Staat mit Güter— Reiden und der Zeiden fiir Jnterpunftion und Ero
und Weibergemeinidaft einridten wollen, eine Sa: | fodie zuſammen. Ebenſo bedeutend war feine lertfo
tire auf die verfehrien Verſuche, durch ideale Verfaſ— graphiidie Titigteit; von einem umfänglichen, vrel
ſungsformen dem athenifden Staat aufzuhelfen (hrsq. | —— lerifalijden Werk (»Lexeis«) beſitzen wir
von v. Belfen, Leip;. 1883). 11) ⸗öPlutos«, worin | nod) betradtliche Fraqmente, ebenfo von ſeiner Trer
der bisher blinde Gott des Reidhtums fehend gemadt | geſchichte Sammlung der Brudjtiide von Naud
und damit cine beffere Beit herbeigeführt wird, von
388, bezeichnet in feiner alles Politijde meidenden
Weife den Übergang zur fogen. mittlern Komödie
hrsg. von Semiterfutius, Haart. 1744 u. Leipz. 1811;
63 daſ. 1830; v. Velſen, daſ. 1881). Das Alter—
tum erkennt in A. den erſten komiſchen Dichter Grie—
chenlands. Der Zweck aller ſeiner Stücke ijt nicht bloße
Unterhaltung und Erheiterung, ſondern Förderung
der allgemeinen Wohlfahrt in politiſcher wie mora—
liſcher —* Spott und Scherz des Dichters ſind
ſtets im Dienſte des Vaterlands, und gern vergißt man
darüber die oft anſtößige, ſchönungsloſe, aber dem
damaligen Zeit: und voltsgeiſt entſprechende Form.
Mit qroher Treue hat WU. öffentliches Leben, Sitten
und Charafter des Damaligen Uther dargejtellt. Dabei
ſließt in dem Dichter eine unerjdipflide Quelle des
Wifes, in der ganjen Unlage der Stücke und der Auf—
fajjung der Charaftere wie in der Darjtellung des Cin-
gelnen, in komiſchen Situationen, Einfällen u. dgl., der
mit allem fein Spiel treibt, manchmal freilic mn eine
Derbheit ausartend, die mit unfern Begriffen von
Gitte und Unjtand nicht vereinbar ijt. Was A. nod
befonders auszeichnet, ijt feine Sprade, ein vollende:
{e3 Mufter des Attizismus und in den lyriſchen Teilen
nicht felten von erbabenem Schwung und feierlidem
Ernjt. Das einzige erhaltene Portrat des W. bietet die
Doppelbiijte des U. und Menander in Bonn. Aus
den Schriften der jablreiden alten Nom mentato-
ren bes Didjters bejigen wir wertvolle Überreſte in
den vorhandenen Scholienſammlungen (hrsq. von
W. Dindorf, Orf. 1858, 3 Bde. ; Diibner, ‘Par. 1868;
Martin, daſ. 1882). Gefamtausgaben nament-
lid) von Invernizzi, Bet und W. Dindorf (Leips.
1794 — 1838, 13 Bde.; Tert, Rommentare, Scho—
lien 2¢.), Beffer (Qond. 1829, 5 Bde.), G. Dindorf
(Drf. 1835, 1838, 4 Bde.; Bar. 1868, Leipz. 1869),
Berge (daf. 1857,2 Bde.), Meinefe (daſ. 1860, 2 Bde.),
Blaydes (Halle 1880 -93, 12 Bde.) Überſetzun
en von J. H. Bop (Braunſchw. 1821, 3 Bde.), Droy—
en (3. Mufl., Leipz. 1880, 2 Bde.), Mindwig (Aus
wahl, Stuttg. 1873), Donner (2. Wufl., Leipz. 1871,
8 Bde.) u.a. Bal. Ranfe, De Aristophanis vita
(Leip;. 1830); Roͤtſcher, W. und fein Zeitalter (Berl.
1827); Müller-Strübing, A. und die hijtorijde
Kritit (Leipz. 1873); Brentano, Unterſuchungen
fiber das griechiſche Drama, Teil 1 (Frankf. 1871);
Zielinſti, Die Gliederung der altattifchen Komödie
(Leipz. 1885); Blaydes, Adversaria critica (Halle
1899); Couat, Aristophane et l'ancienne comédie
attique (3. Wufl., Bar. 1902).
2) A. von Byzanz, griech. Grammatiker, um
253 180 v. Chr. fam friih nach Alexandria, wo er
Schiller des Renodotos und Rallimados war und,
6O Jahre alt, zum Borfteher der Bibliothef ernannt
wurde. Er galt im Altertum neben feinem Schiller
Uriftard) als der größte Philolog. Cine großartige
Tätigkeit entfaltete er als Herausgeber: er veranjtal-
tete fritifdhe Uusqaben von Homer, Hefiod, Unafreon,
Ulfios, Pindar, den Tragifern und Komikern (die
erhaltenen alten Cinleitungen gu den Stücken der Tra
(Malle 1848).
Ariftophanijder Vers, ſ. Unapaijt-
Ariftotél[es, der cinflupreidhite Philoſo ph und Ne-
turfundige Griedjenlands, geb. 384 v. Chr. zu Stagira
in Chalfidife, weshalb er aud häufig Der Stagirit
qenannt wird, pct 322 in Chalfis auf ECubda, war
der Sohn von Rifomados, dem Leibarzt und Freund
des mafedonijden Königs Amyntas II., ging ſchen
im Alter von 17 Jahren nach Athen, um Paton
ju hören, und blieb dajelbjt 20 Jahre lang deſſen
Sthiiler. Dak or feindſelig gegen ſeinen Lehrer aut
etreten fei, tit eine üble Nachrede. Nach dem Tode
latons (347) verließ UW. Athen und begab ſich x
Hermias, dem Beherrſcher von Atarneus tn Myſien.
konnte ſich aber nach deſſen Hinrichtung auf Befehl des
Perſerkönigs nur durch die ſchleunigſte Flucht gleicher
Gefahr entziehen und vermählte fic) 345 mit Boyrhres.
Der Schweſter oder Richte des Hermrias. Zwei Jabre
ipiter wurde er vom König Philipp von Makedomen
jur Erziehung de3 Damals 13jabhrigen Wlerander be
rufen, auf den er nadbaltigen und wobltatigen Em
fluß ausiibte. Nad) deſſen Thronbejteiqung fiedelte
er bald nach Uthen iiber, wo er ſich in Derm nad dem
benadjbarten Tentpel des Apollon Lyfeios benannten
Lyzeum, das mit fdattiqen Baumgangen jum Lut
wandeln umgeben war, emridtete. Weil A. mit feimen
Schitlern hier auf und ab wandelnd zu philojopbieren
pjlegte, wurde ihnen der Name Peripatetifer beigelegt
Es wird erzählt, daß er feine Borlejungen im Wor
gen- und Abendvorträge geidicden habe, zu deren
erjtern nur die vertrautern Freunde Zutritt batter.
Die in Die tiefer gehenden philofophifden Unterfucam
gen eingefiihrt werden follten. Diefe Vorträge hicken
safroamatifde« und waren ſtreng wiſſenſchaftlich In
| den Ubendjtunden wurden exoteriſche Unterſuchungen
vorgenonunen, die fid) auf Rhetorik und Polit vor:
nehmlich begogen und verjtindlider gebalten waren.
In dieſer Beit feines zweiten, 13jährigen Wufenthal-
tes in Athen verfaßte er ſeine wichtigſten Schriften
Obgleich die Zuneigung, die Alexander ſeinem Lehret
bisher bewieſen, in ——— angeblich infolge der
Toltung des Kalliſthenes (323), eines Neffen und 3da-
lings des A., erfaltete, galt A. den Feinden des KS
rigs alg Mafedonierfreund, und als die Athener zu
Begin des Lamiſchen Krieges alle Unhanger der mate
doniſchen Herridaft innerhalb der Stadt verfolaten.
hatte A. befonders darunter ju leiden. Der Gott
loſigkeit angeflagt, Die man in einem Baan auf Her
| mias finden wollte, floh A., ohne die gerichtliche Ent
ſcheidung abzuwarten (322), nad Challis auf Eubda.
wo er bald darauf ſtarb. Er hinterließ eme unmiin
dige Todter, Pythias, und feine zweite Frau, Her-
pyllis, von der ihm der bei des Vaters Tode nod) fede
junge Nikomachos geboren worden war. Eine ſitzend⸗
VPorträtſtatue im Palazzo Spada zu Rom wurde friihec
fälſchlich für Die Des YW. gehalten.
Schriften des Ariſtoteles.
Bon den ſehr zahlreichen Schriften des A. (nad
einigen in 400, nach andern in 1000 Büchern) fred
aus Dem Altertum dret Verzeichniſſe auf uns gefom-
Ariftoteles
men, vor denen zwei cinander ſehr ähnlich find, wäh—
rend das dritte nicht unbedeutend von dieſen abweidt.
Die dialogiſchen Schriften, die Spatere exoteriſche
aannten, weil fie verjtinbdlicer waren, ebenfo mande
mbdre in früherer Seit abgefabte, find uns nur nod |
n Bruchſtücken erhalten, während wir die hauptſäch⸗
ichſten Der fogen. efoterifden oder afroamatijden, |
). h. der ftrenger wiſſenſchaftlichen, Lehrſchriften nod) |
defigen, wenn aud 3. T. in ſehr mangelhafter Ver-
‘ajjung. Bon den nod vorhandenen ** logiſchen
Schriften des A. (hrsg. von Th. Waig, Leipz. 1344 —46,
2 Bode.) find die wichtigſten die ſogen. »erjte Analy—
if«, die über den Schluß, und die »zweite Unalytif<,
die fiber Den Beweis, die Definition und Cinteilung |
and fiber die Erfenntnis der Pringipien handelt. Die
Schrift »llber die Kategorien« (Deren Echtheit bejtrit-
en wird) betrifft Die höchſten Wilgemeinbegriffe, die |
gleichfalls unſichere) Abhandlung ⸗Über die Aus—
egung⸗ den Satz und das Urteil, die fogen. » Topif« die
valeftifden oder Wahrſcheinlichkeitsſchlüſſe und end-
ich Die Unterſuchung »iiber die loptiitidien Schlüſſe⸗
vie Trugſchlüſſe der Sophiſten. Unter dem Namen
Organon (Werkzeug) find dieje Schriften erjt {pater
uſammengefaßt worden, weil A. die i
r fie nennt, »Analytik« als Hilfsmittel zur Erlan-
yung wiſſenſchaftlicher Crfenntnis betradtet.
Bu den naturwiffenfdhaftliden Schriften ge-
jören vor allen die adt Bücher der Phyſik (»Auscul-
atio physica<, hrsg. von Prantl, Leipz. 1879; gried). |
1. Deutid von Demfelben, daſ. 1854), worin die all
yemeinjter Griinde und Verhältniſſe Der gefamten
Natur dargejtellt werden, und an Die fic) die zwei
Biidher vom Entſtehen und Vergehen (»De genera-
ione et corruptione) anſchließen, ſowie die vier Bücher
De coelo« (qried). u. deutſch von Prantl, Leipz. 1857),
yon den Geſtirnen und ihren Bewegungen, und dic |
rier Bücher » Meteorologica« (hrsg. von Ideler, Leipz.
[834 — 36), von den Lufterjdeinungen handelnd. Die
Leſetze Der innern Erſcheinungen, die Lehre über das
Wejen, die Vermigen und die Eigenſchaften der Seele
eqt A. Dar in Den Drei Büchern fiber die Seele (>De
inima«, br8g. von Trendelenburg, 2. Aufl., Berl.
1877; von Torijtrif, daf. 1862; von Biehl, Leipz. 1884;
reutid von Rolfes, Bonn 1901). Den übergang
u Der empirijden Lehre von der Seele bilden einige
Schriften naturwijjenfdaftlich - philofophifden In—
jalts, Die unter dem gemeinjamen Namen »Parva
raturalia« zuſammengefaßt werden. Auf dem Gebiete
ver Naturgeſchichte ſchlug W. den Weg der Empi-
‘ie cin, indem er die Erſcheinungen der Natur im Cin-
einen betradhtete. Bon den Werfen über die unorga-
riſche Natur ijt nicht ein eingiges erhalten. Die »His-
oria animalium«, deren 10. Buc) unedt, ijt das
dauptivert des Altertums fiber die Geſchichte der Tiere
hrsg. vor Sdyneider, Leips. 1812, 4 Bde., und qried).
t. Deutch von Aubert und Winner, daf. 1868, 2 Bde.) ; |
yiermit hängen zuſammen: » Uber die Zeugung der
Tieres (hrsq. qried). u. Deutid) von Mubert und Wim—
ner, daj. 1860), und die vier Biicher »ilber die Teile
er Tieres (gried). u. deutfch von = daſ. 1853).
Den Organismus der Pflanzen hatte A. in einem ver:
ornen Werf: »De plantis«, dargeftellt. Unecht find
ie »Physiognomica«, die »Quaestiones mechani-
ae, Die vielgelejene und {don an die Stoa erinnernde
eine Schrift »De mundo<. Die 37 Biider »Proble-
nata« enthalten wenigitens einiges Ariſtoteliſche. Die
Metaphyfit« (brsgq. von Bonitz, Bonn 1848; qried).
1. deutſch von Schwegler, Tiibing. 1846-48; in deut-
cher Überſetzung von Bonitz,
|
if oder, wie |
erl. 1890) verdanft |
5
(Schriften). 76
ihren Namen, der nicht von A. felbjt herrührt, dem
Umijtande, daß die 14 Biicher, aus denen fie bejteht,
ohne Titel in Der Reihe der Urijtotelifden Handfdprif-
ten zunächſt binter den phyfifalifden ftanden. Jn
ibrer jetzigen Gejtalt, in der fie fic) nidt von A. her:
idreiben finnen, find mebrere Bücher logifden In—
alts, andernteils wieder Uberarbeitungen einjelner
eile, Die nebeneinander geftellt worden find, oder
Kompilation jelbjtindiger Abhandlungen, die Spä—
tere ohne innern Zuſammenhang in die Sammlung
qereiht haben. A. nannte die Witienidvatt, die wir
als Metaphyfif begeichnen, »Erſte Philofophie«. Die
moraliſch-politiſche Klaſſe der Schriften des A.
umfaßt ** ſeiner wichtigſten. Über die Sittenlehre
exiſtieren u. d. T. »Ethik« drei Werke, von denen die
jogen. Nikomachiſche Ethik (hrsg. von Zell, Heidelb.
1820, 2 Bde.; von Grant, mit engl. Ronunentar,
4. Aufl., Qond. 1885, 2 Bde.; von Ramjauer, Leipz.
1878; deutſch von Garve, Berl. 1798—1806, 2 Tle.)
am erjten nod) dem YW. felbjt zugeſchrieben werden
fann, während die fogen. Eudemiſche cin Werk feines
Schülers Eudemos und die »Magna moralia« (hr8q.
von Sujemibl, Leip;. 1883) betitelte kürzeſte Schrift
cin Auszug aus beiden vorgenannten fein foll. Die
»*Bolitif« (hrsg. von Stahr, Leipz. 1836—39; Gu-
ſemihl, daſ. 1872 und, mit Uberjegung von dem-
ſelben, daſ. 1878; die drei erjten Bücher deutſch von
| Bernays, Berl. 1872) enthalt in acht Büchern die
Lehre von dem Zweck und den Elementen des Staatesd,
cine Darjtellung der verſchiedenen Regierungsformen,
zuletzt Das deal eines Staated und die Lehre von der
Erziehung als — wichtigſter Bedingun ber
das Hausweſen (Ofonomif) exiſtiert ein belonbered
Werf in zwei Büchern, von denen das erjte Bud
wahrideinlid) nur in cinem Auszug de3 Theophraft
auf uns gefommen, das zweite als unecht nachgewie—
fen ijt. Das fiir die Ultertumsfunde unerfeglidye Werk
»Bolitien<, cine Sammlung aller bis gu ded A. Beit
befannt gewordenen 158 oder gar 250 Staats- und
Geſetzverfaſſungen des Altertums, ijt bis auf wenige
Bruchſtücke mn Die neuerdings erſt aufqefundene
» Staatsverfajjung der Uthener« (hrsg. von Raibel u.
v. BWilamowisg - Wollendorif Berl. 1891 u. ð.; über—
fegt von Kaibel und Riesling, Straßb. 1891 u. ö.)
verloren. Die KRhetorif und Poetlik ſchließen fid
3. T. an die logijden, in der Hauptſache an die ethi-
ben Sdriften an. Bon den drei Biidern » Rheto-
rica« (hrsg. von Spengel, Leipz. 1867; deutfd von
Stabr, Stuttg. 1864) jind die erjten beiden fehr gleid-
mäßig Durdgefiibrt. Cin andres rhetorifdes Werk
_»Rhetorica ad Alexandrum«, ijt unedt. Die »Poe-
tife (hãufig herausgegeben, z. B. von Vahlen, 3. Aufl.
Berl. 1885, von Überweg, daſ. 1870; griech. u. deutſch
von Sufemibl, Leipz. 1874, von Schmidt, Jena 1875;
deutſch von Gomperz, Leip;. 1897, mit einer Abhand⸗
lung fiber die Ratharjis- Theorie von A. v. Berger),
die tiber das Prinzip der Runjt, über die Tragödie
und epifche Poeſie die wichtigiten Aufſchlüſſe gibt, bat
trop ihrer febr unvolljtindigen Beſchaffenheit auf
alle Kunſtbetrachtung (in Deutfdland feit Leffing)
den wirkſamſten Einfluß ausgeübt. Die vorhandenen
angeblichen Briefe des A. find teils offenbar unter-
geſchoben, teils von zweifelhafter Edptheit.
Gejamtausqaben. Samtlide Werke des A. wur-
den griechiſch herausgegeben zuerſt von Aldus Manu—
tius (Vened. 1494-—98, 5 Bde.), dann unter anderm
unter der Aufſicht des Erasmus und Gryngeus ju
Baſel (1531, 1538), von Buble (Zweibr. 1791 — 1800,
5 Bde.; mit lat. Uberjegung). Cine neue Ausgabe be-
766
jorgte Beffer im Auftrag ter Akademie der Wiſſen—
ſchaften ju Berlin (Bd. 1—2 qried). Tert, Bd. 3 tat.
liberjepung, Bd. 4 Auszüge aus den Scholien, Berl. |
1831; Bd. 5, die Fraqgmente, Hrsg. von Rofe, und)
dent Snider, bearbeitet von Bonitz, enthaltend, 1871),
auf die fid) aud) die Didotſche Ausgabe (Kar. 18484
1874, 5 Bde.) ſtützt. Uberjegungen von gejammelten
Werfen des VU. erfchienen in den befannten Stuttgarter
Klaſſikerſammlungen und, mit Cinleitungen, in Kirch—
mann’ ⸗Philoſophiſcher VBibliothet«.
Die Ariftoteliſche Philoſophie.
A. iſt Schüler Platons und als ſolcher erſt zu
verſtehen; mehr als man meiſt glaubt, hat er von
ſeinem Lehrer genommen, namentlich die ganic telev-
logiſche Weltanſchauung; freilich wendet er ſich den
Tatfaden mehr zu, läßt ſich aber von hohen fpefula-
tiven Gedanfen leiten und jteigt zu den letzten Griin-
den auf, fo daß er fein Realijt im niedern Sinn iit.
Eine fejte Cinteilung der Philoſophie vermiſſen wir
bei ibm; meiſt führt man auf ihn die in theoretijde,
in praftijde und in poetifdhe, aber nicht mit vollem
Recht, zurück. Die erſte wiirde auf die nur wiſſen—
ſchaftliche Erfenntnis des Seienden, die zweite auf das
Handel, die dritte auf das Geftalten cines Stoffes,
das Bilden, gehen. Die Logik hat er zuerſt wifjen-
fdjaftlicy begriindet. Die Hauptſache in_der Logit iſt
ihm der wiſſenſchaftliche Schluß, der Syllogismus,
der vont Allgemeinen jum Beſondern herabjteigt, im
Gegenſatze zu der weniger ficern, aber fiir uns deut-
lidern Qnduftion, und aus gewifjen Pringipien ab-
leitet, im Gegenſatze zum dialeltiſchen Schluß, der das
Wahrſcheinliche als Prämiſſen gebraudt, und jum
jophiftijden, der aus Falſchem ſchließt oder durch die
Form täuſcht. Die legten Pringipien erfakt die Ver: |
nunft unmittelbar. Qn der Metaphyſik ijt A. nuit
Platon darin cinveritanden, dag, wenn es fein All—
qemeines Ceaett Wattung) an den Dingen gibe,
aud fein Wiſſen von diejen möglich wire; darin
weidt er von Platon ab, dak er nicht das Allgemeine,
die Idee, fondern das Einzelne, die Individuen, als
das erjte Seiende anerfennt und dem Begriff nicht
cine Wirflichfeit fiir fid), wie Blaton der Idee, zu—
ſchreibt, fondern nur in den eingelnen Dingen, 3. B.
dem Begriff Pferd nur in den eingelnen Pferden (uni-
versalia in re, nicht ante rem). Der Begriff ijt wirt-
lid), indem er jum geftaltenden Bringip eines bild-
ſamen Stoffes wird. An jedem wirklichen Dinge, mit
Ausnahme cines eingigen, der Gottheit, ijt beides,
orm und Materie, zu unterideiden, obgleich nie-
mals gu trennen, indem, mit Ausnahme wieder je-
nes cingigqen, Form nie ohne Materic, diefe nie ohne
jene geqeber ijt. Dies find die beiden Grundprin-
ripien, neben Die A. bisweilen nod zwei weitere, den
Awed und die bewegende Urſache, jtellt, die er aber
zuſtrebt. Er ijt Einer, denn
dod) wieder in die Form oder das Wefen (Begriff)
aufaehen läßt. Die Ausgeſtaltung des Stoffes durch
die Form geht niemals plötzlich, ſondern ſtets allmäh—
lid) vor fic), fo daß das ſchließlich Wirkliche (Aus⸗
gebildete) anfainglid) nur als Mögliches (Anlage
aur Wusbildung, Ungeleqtes), wie das Hühnchen im
Ci, die Pflanze im Samenforn, erijtierte. Der Uber-
gang aus der blofen Anlage (Potenzialität, Stoff)
in Wirklichkeit (Akltualität, Entelechie, weil fie den |
Swed, griech. telos, in fic) hat) erfolqt durch Bewe⸗
qung. Damit diefe cintrete, bedarf es einer Urſache,
und da fic) bet dieſer Dasfelbe, Ubergang aus Nicht
wirffamfcit in Wirkſamkeit, alſo Bewegung, wieder: |
holt, ciner weitern Urfache u. f. f. Da nun die Reihe |
Diefer Urſachen nicht ins Endloſe gehen fann, ſo muß
Ariftoteles (die Ariſtoteliſche Philoſophie).
eine letzte Urſache vorhanden jein; dieſe aber als letzte
darf in feiner Weife Unlage (Vermigen) yum Tätig
jein, fondern muß Tätigleit ſchlechthin fein. da fte fort
jelbjt einer weitern Urſache bedürftig ware, um ans
der Möglichkeit sur Wirklichleit überzugehen. So musk
es cine jelbjt unbewegte Urſache aller Bewegung ge
ben, dies ijt Der erjte Beweger, Gott, der Ausgangs
puntt aller Bewegung und alles Lebens. Diefer felbit
ijt feinem Wefen nad) reine Wirflichfeit oder Tat
(Energie), hat nichts von Möglichkeit oder Waterre,
Die etwas werden finnte, an ſich. Gott ijt notwendig
ewig, da die durch ihn bewirtte Bewegung ohne Yin
fang und Ende ijt, ferner bnmateriell, unverandering,
leidenlos. Er ijt unbeweglich, obgleich er andres be
wegt; denn er bewegt nur, wie es Das Schone tat,
das den nad ihm Begehrenden in Bewegung veriese,
ohne felbjt in folder ju fein, d. h. Gott bemegt des
deal, Dem das der bey ci, bediirftige, Die Waterie,
as der Zahl mach Bele
hat Materie; rein Form (ohne Sto), von allem
Seienden das einzige, deffen Tun nicht Geftalien ma
teriellen Stoffes, nicht praktiſches Handeln, jondern
(theoretifches) Denfen ijt, keinen Swed auger ſich bet,
dem alle Materie durch Unterwerfung unter die Xorme
ſich 3u nahen bejtimmt ijt. Gott ijt Denferr des Den
fens; fein Tun, da er fic) ſelbſt genügend, feimes von
ihm verfdiedenen Dinges bediirftiq ijt, Die ſeligſte
Beſchäftigung. Gott als die ſtoffloſe Form, die mics
mehr werden fann, und die Materie als der formleſe
, Stoff, der alles werden fann, find Gegenjage, wor
ſchen denen alle andern wirfliden Dinge gelegen ſind
YW. hat mit diefer ausgeführten Theorie von der Gott-
heit den wiſſenſchaftlichen Theismns beqriindet.
In der Phyſilk fpielt die Bewequng, die durchau—
zweckvoll ijt, eine große Rolle, indem fie Den Uber.
gang bon der Möglichtkeit sur Wirklichfert bildet; je
hat ihren Grund in Gott als erjtem Beweger. Dee
Naturgegenjtinde, in denen der Stoff die Form über
wiegt, maden die lebloje, Die, in Denen das Umge
fehrte der Fall ijt, die lebendige Natur aus, und zwar
in Der Art, daß das formlofejte Broduft Der Natur
die unterite, Der Menſch dDagegen die oberſte Stufe der
Reihenfolge bildet. ede der höhern Stufen ſetzt die
frühern, die lebendige Natur felbjt die leblofe umd
Diefe wieder die allgemeinen Bedingungen alles ne
tiirliden Dafeins, Raum, Zeit und Bewegung, vor
aus. Die eit ijt unbeqrengt, der Raunt dagegen be
grenzt, Da er nichts andres iit als Die Grenze eines
einſchlieſen den Aörpers gegen den umſchloſſenen. Hier
nad fann es feinen leeren Raum geben. Stoff und
Bewegung find fo ewig wie der erjte Beweger, die
Welt jo ungeſchaffen und jo unvergänglich wie Gott
jelbjt. Da der Beweger der vollfommenjte tit, fo i
aud) das Bewegte ein wobhlgeordnetes Syjtem von
Bewegungen und feiner Gejtalt nad vollendet umd
abgeſchloſſen. Zwiſchen dem Fixſternhimmel und der
Erde, die den Mittelpunft des Univerfums bildet, be
wegen fic) die Planeten{pharen. ener macht dex
vollkommenſten, weil dem erjten Beweger macditen,
Die Erde den unvollkommenſten, weil demſelben fern
ſten Teil des Weltalls aus, daher auf der legtern an
itatt Der Wandellofiqhcit der Geſtirnwelt unaufhör
licher Weehfel herrſcht. Dafür zeigt ſich bter cine un-
endlich grofere Mannigfaltigteit von Formen umd
Geſtalten der irdifden Phänomene, insbeſ. der orga-
nifchen. In dieſer diesfeitiqen Welt unter dem Monde
tritt, Da fie Dem erjten Beweger fo fern ftebt. am
fo mehr das Vediirfnis eines eiqnen innern Bewe
qungspringips, der Seele, hervor, wodurd) Die orga-
Ariftoteles (eſchichte der Ariſtoteliſchen Philoſophie).
niſche Welt als Sitz einer von ihr ſelbſt (wenigſtens
relativ) ausgehenden Bewegung dem erſten Beweger
wieder ähnlich wird. Mit der Phyſik hängt die Pſy—
chologie unmittelbar zuſammen. Die Seele, welche
die Entelechie, die Form des Leibes, iſt, im weiteſten
Sinne gleich Lebenskraft, tritt auf der unterſten Stufe
des organiſchen Lebens, in der Pflanze, ohne ſicht—
baren Lebensmittelpunkt, nur als ernährende, auf der
mittlern Stufe, im Tier, zugleich als empfindende mit
einem Mittelpunkte des leiblichen (Herz) und zugleich
einer Einheit des wahrnehmenden, Luſt und Unluſt
fühlenden, begehrenden und verabſcheuenden pſychi—
ſchen Lebens auf. Im Menſchen, dem vollfommenjten
Tier, kommt zu beiden genannten als höchſte Stufe
die denkende, von den beiden frühern unterſchiedene
Seele, die Vernunft, der Geiſt (griech. nus), hinzu; jie
ſtammt nicht aus der Natur, ſondern iſt etwas ⸗Gött—
A. in nicht ganz klarer Weiſe ein Doppeltes, nämlich
einen tãtigen und einen leidenden Geiſt (nus poietikos
und pathetikos), von denen der letztere mit Dem Kör—
per fic) entwickelt undvergebt, der erftere von »augen«,
von der Gottheit kommt und in fie guriidfehrt. Cine
individuelle Unjterblicfeit fann A. folgeridtigqerweife
nidtannehmen, aber unter ſeinen Anhängern entipann
fic) ein heftiger Streit um die Unjterblichfeit. Neben
der theoretijden Denffraft gibt es bei A. nod) eine
prakliſche, die in Der Ethik erdrtert wird. Die Ethik
jten Gut, als das A., wie alle griechiſchen Philoſophen
die Eudämonie (Giidjeligteit) anfieht, und gwar be-
ſtimmt er dieſe piydologijd nad dem, was dem Men—
ſchen eigentiimlid) im Gegenfage gu andern Lebeweſen
zukommt, das ijt aber die Vernunft. Demnad ijt die
Cudimonie die vernunftgemäße oder, was dasjelbe
ijt, Die tugendhafte Titigfeit. Die Tugend fann aber
nidt nad allen Seiten ausgeübt werden ohne gewiſſe
dufere Vorbedingungen, Reidtum u. dgl., wahrend
die notwendige Folge der tugendhaften Tatigheit die
Lujt ijt, fo da aud) diefe in die Gliidjeligfeit auf-
genommen wird, ohne dod) Das höchſte Biel Des Men—
ſchen gu fein. Die ethifdye oder Charaftertugend ijt
eine Dauernde Willensridtung, welde die uns ange:
meſſene Mitte gwifden zwei Extremen einhalt, und
beruht auf natiirlider Unlage und ilbung, wozu nod
767
gute, Demofratie, Oligardie und Tyrannis verwerf—
lidje Verfaffungsarten. Die ideale Staatsform ijt die
aus demofratifder, arijtofratijder und monardiider
—— im einzelnen Fall iſt die den vorliegenden
erhältniſſen angemeſſene die beſte. Bei der Kunſt
unterſcheidet A. eine nützliche und eine nachahmende,
welch letztere den Zweck der Erholung, der Befreiung
(Katharſis) von gewiſſen Affekten durch deren An—
regung verfolgt. Berühmt iſt die Definition der Tra—
gödie, Die durch Mitleid und Furcht eine Reinigung
ſolcher Affekte gu ſtande bringen ſoll.
IGeſchichte der Ariſtoteliſchen Philofophic.] Dic
Philoſophie des VL. wurde zunächſt durch dejjen Schule,
Die peripatetifde, die thren Sis im Lykeion hatte,
fortgepflangt; ihr Einfluß aber erjtredt fic) Durd das
Ultertum, das Mittelalter bis auf die neuefte Heit
herab, wo fie namentlid) von Trendelenburg (j.d.) in
liches«. Bei dem >Geijt« im Menfden unterjdheidet |
die Einſicht kommen muk. So ijt die Tapferteit die |
Mitte swifden dem Zuviel der Verwegenheit und dem
Zuwenig der Feigheit. Wm eingehendften behandelt
YU. die Gerechtigheit. Neben den ethifden ftehen die
dianoétifdhen Tugenden, die des Denfens felbjt,
drei auf das Notwendige fid —— Vernunft,
d. h. Das Erfaſſen der Prinzipien,
ſich richtet auf das aus den Prinzipien Erweisbare,
und Weisheit, die als Philoſophie dies beides zuſam—
menfaßt, und zwei ſich auf das, was ſich anders ver-
halten kann, beziehend: die praktiſche und die künſt
leriſche Einſicht. Der Philoſoph, in dem das Denken
herrſcht, kommt der Gottheit am nächſten. Den Über—
gang — Politik bilden die wertvollen Erörterun—
gen über die Freundſchaft. Der Menſch iſt von Na—
tur ein politiſches Weſen, da er nur im Staat ſeine
ſittliche Aufgabe löſen kann. Der Zweck des Staates
iſt Die Glücſſeligkeit oder das ſittlich gute Leben der
eingelnen Menſchen, zu dem der Staat die Jugend
heranbilden muß. Der Unterſchied zwiſchen den treff-
lidjen und den entarteten Verfajjungen beſteht darin,
iffenfdaft, Die |
erneuerter Gejtalt wieder aufgenonmien worden ift.
Jn den nächſten Jahrhunderten nad) dem Tode des
U. trieben die Peripatetifer vielfad) mehr gelehrte, d. h.
naturwifjenfdhaftlide und geſchichtliche Studien als
eigentliche metaphyfifde. Unmittelbare Schüler des
UW. waren Theophraftos, der Nachfolger de3 W.,
Eudemos von Rhodos, Wrijtorenos und Dikä—
archos von Meſſana. Der Schiiler und Nadfolger
de3 Theophrajto3, Straton von Lanipjafos, ſuchte
die Erſcheinungen mehr phyſikaliſch als teleologijd zu
ertlären. Neben ihm ijt Demetrios aus Phaleron
fragt nad) dem Swed de3 Menſchen, d. h. nad dem höch⸗
bei Uthen gu nennen. Die Nachfolger de3 Straton
im Lyfeion waren der Reihe nad: Lykon aus Troas,
Ariſton von Keos, Rritolaos aus Phaſelis und
Diodoros von Tyros, in der aweiten Halfte des
2. Jahrh. v. Chr. Unter ihnen hat die peripatetifce
Schule-die Ridtung auf die Ethif qenonunen. Trotz—
dem fonnte die peripatetifde Schule neben der epifu-
reiiden und ſtoiſchen Lehre und der der neuen Aka—
demie in Rom nicht recht auffommen. Die gelehrie
Beſchäftigung mit den Urijtotelijden Schriften und
die zahlreichen Rommentatoren, unter denen Alex—
ander von Aphrodiſias (im 2. Jabrh. n. Chr.) hervor:
zuheben ijt, unterdriidten das originelle Denfen in der
peripatetifdjen Schule, gumal die Ariſtoteliſche Lehre
ſich vielfach mit der Platoniiden und ſtoiſchen ver-
ſchmolz. Sie erbielt fic) aber bis zu den Byzantinern,
von welden jie nad dem Fall Nonjtantinopels ins
Abendland zurückkam, während fie ſchon vorbher in
ihrem logiſchen Teile durch Boethius auf die Schulen
des chriſtlichen Mittelalters und durch die arabiſchen
Überſetzungen, die ſeit Dem 9. Jahrh. die Ralifen an-
fertigen ließen, auf dag islamijde Worgentand tiber-
gegangen war. Bon hier wurde fie nad) Spanten ver-
pflangt und, nadjdem fie Dafelbjt neue Blüte (durch
Wverrh o€8) erlangt hatte, 5. T. unter jüdiſcher Ver—
mittelung zu den abenldndijden Chrijten gebradft.
Um 1220 waren faft ſämtliche Werfe des A. aus
dem Arabiſchen ing Lateiniſche überſetzt, bald wur—
den auch, namentlich auf Anlaß des Thomas von
Aquino, Überſetzungen des griechiſchen Textes direkt
veranſtaltet. Die ſcholaſtiſche Philoſophie des 13. und
14. Jahrh., deren Häupter Albertus Magnus und
Thomas von Aquino waren, ſtand ganz unter dem
Einfluß des A., der als Norm der Wahrheit in welt—
lichen Dingen galt. Mit der Wiedererweckung dev klaſ—
ſiſchen Literatur im 15. Jahrh. begann ein allgemei—
ner Kampf wider die Scholaſtik, der ſich anfänglich
nur gegen den entſtellten Text Des W., Dann aber ge—
daß in den erjtern die Herridenden das Gemeinwobl, | gen dejjen Philofophie felbjt kehrte. Bemerkenswert
in den legtern ihr befonderes Wohl im Auge haber. ſind hier die beiden Parteien dev Alexandriſten und
Konigtum, Urijtofratie und Timofratie (Poltteia) find | Averrhoiſten, die fic) in Der Lehre von dev Unſterb—
768
lichfeit ber Seele heftig befehdeten, fodann die My—
jtifer und (meiſt pantbeiftijden) Naturphilofophen,
die Der Metaphyfif und Phyſik, ferner die fogen. Ra-
miften und die Verteidiger der empiriſchen Methode
(Bacon), die der Logif des A. entgegentraten. Mit
dem Wuffommen der Cartejianiiden Philoſophie er-
loſch der Beripatetismus mehr und mehr. Dod taucht
er in Der modifizierten Form des Thomismus (jf. d.)
bei den fatholijden Theologen und Philoſophen auf
päpſtlichen Befebl jeit den legten Jahrzehnten gu neuen
eben wieder auf.
[Literatur.}] Werivolle Beiträge sum Verſtändnis
des A. bieten die alien Erflarer, bejonders Alexander
von Aphrodiſias (f. Wlerander 3, S301), Themiſtios,
Syrianos, Simplifios, Philoponos u. a., deren Kom—
mentare neuerdings auf Veranlaſſung der Berliner
Ulademie herausgegeben werden. Von neuern Wer-
fern find au nennen, außer Seller, Philofophie der
Griechen (2. Teil, 2. Ubt.; für die nachariſtoteliſche
Philoſophie der 3. Teil): Bieſe, Die Philofophie des
A. (Berl. 1835 — 42, 2 Bode.); Brandis, W. und
feine afademifden Zeitgenoſſen (Geſchichte der qrie-
chiſch⸗ römiſchen —— , 2. Teil, 2. Abt. daſ.
1853—57) und Überſicht über das Ariſtoteliſche Lehr:
gebäude (cbenda, 3. Teil, 1. Ubt., daf. 1860); Grote,
Aristotle (2. Uufl., Qond. 1879); U. Grant, Aris-
totle (2. Uufl., daf. 1898; deutſch, Berl. 1878); Sie-
bed, Urijtoteles (Stuttg. 1899). Aus der Literatur
über einzelne Kreiſe der Ariſtoteliſchen Schriften find
hervorzuheben: Kampe, Die Erkennmistheorie des
YU. (Leipz. 1870); Lewes, Aristotle, a chapter from
the history of science (Lond. 1864; deutſch von
Carus, Leipz. 1865); J. B. Meyer, W.’ Tierfunde
(Berl. 1855); F. Brentano, Die Pfydologie des A.
(Maing 1867); Teichmüller, Ariſtoteliſche For—
ſchungen (Bd. 1 u. 2, Halle 1867—69, die Poetik und
Kunjftlehre betreffend); Reinfens, W. über Kunſt,
bejonders iiber Tragödie (Wien 1870). Speziellere
Literatur bei Uberweg-Heinze, Grundriß der Ge:
ſchichte der Philofophie, Bd. 1 (9. Mufl., Berl. 1902).
Aristotelia DC., Gattung der Eläokarpazeen,
Sträucher undfleine Baume mit gegenſtändigen, gan—
zen Blattern, meift in Cymen oder Trauben jtehen-
Den Bliiten und 2-—4 fächerigen Beeren. 6 Urten in
YWujtralien, A. Maqui L’ Hérit. in Chile, immergriiner
fleiner Baum, mit fleinen gelblidweifen Bliiten und
ſchwarzpurpurnen Beeren. Das Hols dient gu muſi—
falijden Inſtrumenten, die Rinde gibt Bat, die zucker⸗
reichen Beeren werden als Objt qegefjen, und auf Wein
(Tecu)verarbeitet. Jn Frankreich hat man getrodnete
Maquibeeren gum Farben des Weins benust.
Ariſtoxenos, griech. Ehilofoph aus Tarent, um
350 v. Chr., der peripatetijden Schule angebirig, einer
der älteſten griechiſchen Schriftiteller fiber Muſik, war
zuerſt Schüler des Pythagoreers Zenophilos, dann zu
Athen des Ariſtoteles. Epoche machten ſeine Grund⸗
ſätze in der Muſik, indem er die bisher allgemein an—
enommene, auf bloße Zahlenverhältniſſe gegründete
Theorie der Pythagoreer verließ und die Gehörsemp—
findungen geltend zu machen ſuchte. Geſchätzt waren
noch ſeine Biographien von Philoſophen. Die einzige,
hire aud nur liidenbaft erbaltene Schrift des A.
ind die »Clemente der Harmonies (»Elementa mu-
sices«) in drei Biidern, herausgegeben in Meiboms
»Antiquae musicae scriptores« (Bd. 1, Amſterd.
1652) und von WMarquard (mit Uberfesung, Berl.
1869). Bal. A. von Tarent, Melif und Rhythmik des |
flajjijchen Hellenentums«, überſetzt und erlautert von
Weſtphal (Leipz. 1883; Bd. 2, hrsg. von Saran, 1893).
Aristotelia — Arithmetik.
Ariſtyllos, Ujtronom cus Samos, um 300 v.Clr,
neben Timodaris der erfte griech. Aſtronom, der Orrs-
beſtimmungen der Fixſterne verjudte. Sere Beobec
tungen wurden von Hippard und Ptolemaos bermge.
Urithmetif (grieh., Zahlentehre), Teil der
Mathematif, der ſich mit den verſchiedenen Virten umd
| Verbindungen der Zahlen beſchäftigt, im engern Surar
| die Lehre vom Redynen mit in Ziffern geſchriebenen
oder Durd Budjtaben bezeichneten Zahlen. Wan tert
die U. in Die gemeine (eclementare) A. und im dee
höhere. Dene umfaft die vier Spezies Der Reden
funjt in gangen und gebrodenen Sablen und where
praftifden Unwendungen (faufmannijf hes Reg:
nen), die Lehre von den Potenzen, das Auszichen
Der Wurzeln und die Logarithmenredmung. Dre od-
here A. fpaltet fid) in die Ulgebra oder Lebre von dex
Gleichungen (. Gleidjung) und in die Sablentheone.
die Lehre von den Eigenſchaften der ganzen Zablen
Auch unterſcheidet man die theoretifde W. (allege
meine A., Arithmetica speciosa, Buchjiabenred-
nung), welde die Rechenregeln wiſſenſchaftlich be-
qriindet, von der praftifden (numerif den) A.
der Rechenfunft jdlechthin, die nur das Rechnen wat
bejtimmten, in Biffern gefdriebenen Sablen pflect.
Politifde U. nennt man zuweilen die Anwendung
der U. auf die in Der Staatsverwaltung vorfommen
| ben Verhaltnijje, Sterblidfeit, Statijtif, Lotterien
| Schuldentilqung rc., dod) gehören dieſe Aufgaben mete
in das Gebiet der Wahrſcheinlichkeitsrechnung. Bel.
M. Cantor, Politiſche A. (Leip;. 1898) und das gleic
| fautende Wert von Sdlimbad (Frankf. a. Me. 1902).
Das älteſte Rechenbuch, das wir fennen, ijt das daqup-
tiſche des Ahmes von 2000 v. Chr.; es rechnet ſchoa
mit Brüchen. Die alten Griechen verjtanden unter A
mehr das, was wir Zablentheorie nennen, die eigen?
lidhe Zablenredenfunft hieß Logiftif und war (be
ſonders die Divijion) wegen der Mangelhaftigkeit ibrer
Zahlenbezeichnungen höchſt geitraubend. Ihr Wiſſen
von der A. ijt im 7., 8. und 9. Buche der Elemente
Cullids enthalten. Etwa wm 100 n. Chr. ijt die A des
Nifomados von Geraja gu fepen, in das 4. Jobers
n. Chr. fallen die »Yirithmetifas des Diophant, der,
weit iiber feine Vorgäãnger hinausgebend, vielleicht dem
YWbendland ſchon indifdes Wijfen iibermittelie. Sche
friih war die U. bei Den Indern entwidelt, denen wir
die Erfindung der Null (0) und der dezimalen Sehreid-
weife der Zahlen verdanfen. Durch Vermittelung der
Uraber fam dieſes Zahlenfyftem nad dem Abendland
und wurde bier um 1200 hauptiidlid durch Leonardo
Fibonacci allgemeiner befannt. Nunmehr entwidelie
ſich allmablic) die Kunſt des Zahlenrechnens. Qor-
danus Nemorarius oder Garo, Ordensqeneral der
Dominifaner, ſchrieb cin Werf fiber U., das 1496 umd
dann 1514 gedrudt wurde. Im 15. Jahrh. erſchien
die *Summas« von Luca Bacioli, das erjte Lehrbuch
der Ulgebra. Wus dem 16. Jahrh. ſtammt das lange
geſchätzte Rechenbuch des nod heute ſprichwörtlichen
Adam Riefe. Wn das 16. Jahrh. fallt die Erfindung
der Desimalbrudrednung durd Stevin und dea
Schweiger Joſt Biirgi. Im 17. Qabrh. verbreitete
ſich Durd) die Englander Reper und Briggs die Loga-
rithmenrechnung. Anderſeiſs entwidelte ſich auch
theoretijde U., die in Newtons » Arithmetica univer-
salis« 1707 eine fiir lange Zeit qrundleqende Darſiel
lung erbielt. Die Zablentheorie als befonderer Zweig
der VU. ward durd) Fermat begriindet umd durch Euler,
Legendre, befonders aber durch Gauk zur Bliite ge-
bradt. Bal. M. Cantor, Vorlefungen ůber Geſchichte
Der Wathematif (Leipz. 1894 —1901, 3 Bde.).
Arithmetiſche Reihe — Arfade. 769
ee —** ſ. Reihen. 24,233. Die Weißen find großenteils ſpaniſch redende
etiſche Zeichen, ſMaihematiſche Feichen. »Mexifaner<. Schulen gab es 1898: 227, Schul⸗
mogriph (griech.), Sablenratfel. finder 15,898. Die Sahl der Zeitungen beträgt 54.
maton e (griech.), Lehre von den Zahlen. Das —— Eigentum hat (1899) cinen Wert von
Arithmomantie (griech.) Wahrſagung aus Zah- | 31,5 Will. Doll., die Sffeniliden Cinnahmen belau-
Arithmometer , |. Rechenmajdinen. ſlen. | fem fic) auf 19,900 Doll., die öffentliche Schuld auf
Ari Thorgilsfon, der Vater der isländiſchen Li- | 885,758 Doll. Den Statthalter und die Oberbeamten
teratur, qeb. 1067, gejt. 1148, war der erjte Islander, | fowie die Richter des oberjten Geridjtshofs ernennt
ber die Mutterſprache su hijtorijden Aufzeichnungen der Unionsprafident. Der Geſetzgebende Körper be-
benutzte; Dod) ijt uns nur ein Werf von ihm erhalten, | fteht aus einem Rat von 12 und einem Haufe von
bie fogen. » Islendingabok « (»Libellus Islandorum«), | 24 Mitgliedern. Zum Unionskongreß entjendet A.
welde die Geſchichte Islands von der VBefiedelung an | einen Delegierten. Die Territorialmilis zählt 898
(um 870) bis 1120 fur; erzählt, mit befonderer Be- | Mann. AW. zerfällt in 13 Grafſchaften und uümſſchließt
rildfidtiqung der Verfajjungs- und Rirdengejdidte | aud) die großen Jndianerrejervationen der Navajo-,
(vollendet zwiſchen 1134 und 1138). Cin Glteres | Moqui-, San Carlos-Indianer u. a. Haupiſtadt ijt
Bud), das denjelben Stoff ausfiihrlider behandelte, | Phönix. — Das Land, 1687 durd) die Jeſuiten von
i;t verloren, doch find Teile desjelben in andre Werke | Sonora aus entdedi, war fdon zu Anfang des 18.
(»Landnamabok«, »Noregs Konungasogur«) auf: | Sabrh. mit zahlreichen Uderbauanfiedelungen (bejon-
enommen. Wusgaben der »Islendingabok« lieferten | devs im Tal de3 Rio Gila, am Rio Verde, am Sa-
— Mibius (Leipz. 1869), Finnur Joͤnsſon (Kopenh. linas) bedeckt und mit ausgedehnten Bewäſſerungs-
2
1887), W. Golther (Halle 1892) u. a. fanalen verjeben, bis cin Krieg der Wpatidyen gegen
Arius (griech. Ureios), Stifter der Urianer, f. | die Spanier das Land faſt gänzlich wüſt legte. 1848
Arianiſcher Streit. mit New Mexico an die Vereinigten Staaten abgetre-
Arizona (Abkürzung Ariz.), Territorium der | ten, ward es 1863 als Territorium organifiert. Bgl.
nordamerifan. Union (jf. Karte » Vereinigte Staaten«), | Cozzens, A. and New Mexico (8. Aufl. Bojton 1890);
zwiſchen 31 und 37° nördl. Br., 109° und 114° 40’ | Hinton, Handbook to A. (San Francisco 1878);
weſtl. &., —— von Kalifornien, Nevada, Utah, H. vom Rath, Arizona (Heidelb. 1885); H. Ban—
Rew Mexieo und dem mexilaniſchen Staate Sonora, | croft, History of A.and New Mexico (San Francisco
292,710 qkm grog und 1863 organifiert. Als Teil | 1889); Bandelier, History of the southwestern
De3 nordamerifanijden Rordillerengebictes ijt es im | portion of the United Staates (Cambridge 1891).
RD. ein 1500—2200 m hohes Tafelland, von tiefen| Ark. , Abkürzung fiir den Staat Arkanſas.
Cañonſchluchten (»Grand Cajion« des Colorado, Ca: | Arkade(v. lat.arcus, »Bogen«), ein durd) mehrere
ron des Kleinen Colorado, Cation Diablo) durd)- | aneinander oder hintereinander gereibte, auf Saulen,
furdt und von vulfanijden Bergmaſſen iibertiirmt | Pfeilern oder Saulen und Pfeilern rubende Bogen:
(San Francisco Mountains 3825 m); im SO. aber | jtellungen gebildeter Gang, der wenigitens nad emer
ein Stufenland von 300—800 m Habe, in das breite | Längsſeite geöffnet ijt. Wrtaden fommen fdjon in den
Lalbeden cingreifen (Gila-, Salt River-, Berdetal). | Tempeln und Paläſten der alten Ägypter und in der
Das Klima ijt wiijtenbaft, nur die höhern Teile (Co- | altindijden Baukunſt vor, weil der Orient vor der
coninoplateau, White Mountains) haben geniigende | Sonne geſchützte Räume im Freien verlangt. Grie-
MNiederjdlagsmengen fiir Waldwuds (Gelbfiefern, | hen und Romer gaben ihnen dic weiteſte Anwendung;
»Redern«). Qulitemperaturen von 50° fommen im die öffentlichen Plage fiir Volfsverjanumlungen und
SB. vielfad vor, ebenfo im RO. aber Januartem- | Spiele, die Orte, wo ihre Philofophen lehrten, Stra-
peraturen von — 30°. Ungeheure Streden tragen | fen und Märkte waren haujig mit Bogengdngen unt-
Daher nur niedriges Gejtriipp von Beifuß, Kreoſot, geben. Die Renaijjance in Italien hat das Arkaden—
Mormonentee, Opuntien, Puccas, und der Landbau | motiv am weitejten ausgebildet und in den Städten
fobnt aud) auf dem frudjtbaren Ulluvialboden nur | fo eingebiirgert, daß ſüdlich Der Ulpen fajt jede grö—
bei —— Bewäſſerung, die neuerdings am Salt | here Stadt einen von Arkaden umſchloſſenen Plats
River betradtliden Umfang gewonnen hat. 1899 | oder eine Straße mit Bogengängen hat (Hauptbet-
wurden von 2981 Farmern 74,120 Heftar beriefelt, | fpiel: der Marfusplag in Venediq). Bon Italien ver-
bavon 1375 Heftar fiir Objt- und Siidfrudt- (aud breitete fic) Die Unwendung der Arladen weiter in dad
Dliven« und Dattel-)bau und 275 Heftar fiir Wein. | ndrdlidhe Europa. Die größten modernen Anlagen
Der Weizenbau erjeugte 1900 auf 25,045 Heftar | diefer Art find das Palais Royal und die Rue Rivoli
365,657 Bufhels. Narnbatter ijt die Viehzucht, und in Paris. Die altdrijtlide Baufunjt trennte das
Pferde zählte man 1899: 125,063, Maultiere und | Hauptidiff der Bafilifen von ihren Seitenidiffen durd
Ejel 8702, Rinder 742,635, Schafe 861,761, Biegen | Urfaden (ſ. Tafel -Bauſtile I<, Fig. 17), das Mittel-
98,403, Schweine 18,103. Der Hauptreidtum beruht alter erweiterte im romaniſchen Stil fie bereits sum
aber in den Mineralfdagen, vor allem in dem Gebiete | Kreuz qgang(f.d.); die Gotik wie der romanijde und
des Rio Berde. 1899 forderte A. nidjt weniger als ſchon der römiſche Stil fennt jie aud in fleinerm Maß—
57 Mill. kg Kupfer und fiir 4,6 Mill. Doll. Edel- | jtab als arditeftonijdhes Ornament. Wenn Bogen
ntetall, während e3 bis 1898 fiir 8,9 Mill. Doll. Gold | und Stützen zu deforativen Zwecken unmittelbar an
und für 14,1 Mill. Doll. Silber sur Miinge gefiihrt | cine Mauer angelehnt werden, entiteht die Blend-
hatte. Auch Blei, Eiſenerz, Kohle, Petroleum, Chal- | arfade, die befonders in der mauriſchen Baukunſt
cedon finden ſich. Die Siidpacific- u. Santa Fé-Bahn ſehr beliebt war (ſ. Tafel »Banftile I<, Fig. 12). In
durchziehen das Gebiet mit 2325 km Eijenbahnlinien. | der Stadtearchiteftur des Mittelalters findet man fie
Die Bevilferung belief fid) 1870 nur auf 9658 | als Laube (f. d.) im Parterregeſchoß der Haujer von
Seelen, 1890 aber auf 59,620 und 1900 auf 122,961 Städten wie Braunfdweig und Vern ausgebildet und
(71,795 méannlide, 51,166 weiblide). Indianer | namentlid vor Rathaufern, wie in Bremen und Köln
qab es 1900 nod) 26,480, darunter 1836 ziviliſierte, (ſogen. Ratslauben), und andern öffentlichen Gebäu—
Chinefen 1419, Neger 1848, im Ausland Geborne | den (ſ. Tafel »Architeltur IX-, Fig.5; Tafel X, Fig.5,
Meyers Kony. Lerifon, 6. Aufl., L Bb. 49
770
und XI, Fig. 2 u. 5). Befonder3 mannigfaltig ijt die
Urfadenarditeftur im maurifden Stil (Whambra)
ausgebildet. Yn Prachtgebäuden werden die durch die |
Pilajter auf der innern Mauerfläche qebildeten Niſchen⸗
räume mit Maleret vergiert; dad ſchönſte Beifpiel ciner
folden Deforation aus neuejter Zeit find die Arkaden
des Hofgartens in Miinden. (S. Tafel » WUrditefturV <,
Fig. 1, 11 u. 12; Tafel VI, Fig. 1; Tafel VIL, Fig. 1).
rfadenmauern (frenelierte Bogen-
mauern), frei ſtehende Mauern mit Sdiefidarten
und überwölbten Strebepfeilern.
Wrfadien, das von den Didhtern hochgefeierte
Hirten- und Sdiferland in der Witte des Pelopon—
nes, ein in ſich und gegen außen abgeſchloſſenes Hoch—
land, die natiirliche — der Halbinjel (ſ. Karte
Alt⸗Griechenland⸗«). Yim höchſten ſteigen die A. ein⸗
ſchließenden Gebirge im N. auf, wo der Kyllene (jest
Zyria) 2374 m Hobe erreicht. Wn ihn ſchließt ſich
weſtlich das Aroaniſche Gebirge (Chelmos 2355 m),
dann der Erymanthos (Olonos 2224 m). Weniger
och ſind die Gebirge an der Oſtgrenze, die nur eine
döhe von 1400 — 1800m erreichen, wahrend die Päſſe
800 m nicht viel überſchreiten. Darum war und ijt |
der Verfehr nad) O. viel bedeutender als nad N. Jn
dieſer Kette liegt, ſchon auf lafonifdem Gebicte, der |
1937 m hohe “ill (Malevos), deffen Ramen man |
auf die gange Rette iibertragen hat. Bon S. und be- |
fonders von W. her ijt W. leicht zugünglich, denn nad |
W. bahnen fic die Gewäſſer Urfadiens, im Wipheins |
(jest Ruphias) vereinigt, ihren Weg jum Sigilijden |
Meer. Auf artadifdem Gebiet entipringen aud der |
Eurotas, der Hauptfluß Lafoniens, und der Reda im
SW. Das Innere Urfadiens ijt cin wechſelndes Berg-
und Talland, unter deſſen Erhebungen der 1981 m
hohe Mänalos (Hagios Ilias) die bedentendfte ijt. Jn
Siidarfadien befindet fich ein fruchtbares Becken (alter
Seeboden), wo alle Feldfriidte, Wein und Oliven in
Fülle qedeihen. Die von der Oftfette Herabfommen-
den Bache haben die Cigentiimlidfeit, daß fie im Früh—
jabr oft pliglid das Land überſchwemmen, im Gom-
mer aber in Ratabothren (unterirdifden Höhlen) ver-
ſchwinden, aus denen fie mitunter nad meilenlangem
Lauf pliglich wieder hervorbreden. Größere Seen
hat U. nur zwei, der von Pheneos (PHonia) und den
von Stymphalog, der in der Heraflesfage eine Rolle
fpielt, beide im NO. Gm Altertum waren fie zur
Winterzeit mit Waffer angefitllt, im Sommer wurde
ibr Grund bebaut; auch nod) heute kommt ¢3 vor, dak
Fiſcher und Uderbauer hier mit ibrer Urbeit wechſeln,
je nachdem Erdbeben die unterirdifden Abzüge ver-
dämmen oder fie frei maden. Die griechiſchen Be—
wohner des alten A. waren äoliſchen Stammes,
Hirten und ager, daber Kan, der Hirtengott, und
Artemis von ihnen befonders verehrt wurden. Der
Name des erjten Königs, Elatos, ded Fichtenheros,
deutet auf die ausgedehnten wildreiden Walder des
Landes. Die YUrfadier waren von urfriftiger Natur,
in Sitter und Gewohnheiten einfad) und gentigfam,
gaſtfrei und freiheitsliebend, aber ziemlich derb und
ungivilifiert. Die Mufit pflegten fie wie fein andrer
riedhifdher Stamm. Als Folge der Ubervilferung
es Landes, Dad feine ciqnen Kolonien wie die andern
riechiſchen Staaten ausfandte, finden wir bei den
Arkadiern, ähnlich wie bei andern Gebirgsvöllkern, die
Ubung des »Heislanfens«. Wher die alte unverdor-
bene Sitte und mit ibr Kraft, Wohlſein und Frohſinn
erhielten fid) und herrſchten nod) in A. ald dad übrige
Griechenland bereits moralifd) untergeqangen war.
So fam es, daß die Dichter A. als das Land der Un— |
Arfadenmauern — Arfadier.
ſchuld und des ftillen Friedens priefen, nur daß der
moderne Begriff von arladiſchen Schäfern⸗ dem
wabren Wejen de3 Bolfes fehr wenig entipridjt. Die
bedeutendſten Gemeinwefen des alten UW. finden wir
in den Becenebenen des Ojtens, fo das reiche ariito
kratiſche Tegea (f.d.), die demotratiſche Handelsſtadt
Mantineia(ſ. d.) ferner Stymphalos, Pheneos
(j. d.) und Kleitor (f. d.). Im W. war die einzige
widtigere Stadt Oerda (jf. d.). Das Zentrum tit
ohne hiſtoriſches Intereſſe und war nur von Dorie
beſetzt. Sm obern, frucdtbaren Ulpheiostal qriindeten
die Thebaner ſpäter die Bundedsjtadt Meqalopolis.
Die Urfadier zählten gu den altejten Bolfern Gre.
chenlands, wofiir aud ihr Dialeft fpridt. Paujanias
nennt fie Uutodthonen, andre Scbriftiteller macben
fie foqar ju Brofelenen, d. h. alter als der Mond
Als erjter arfadifder König gilt Pelasgos. Bei der
Dorifden Banderung bebauptten Die Virfadser
ihre Unabbaingigfeit. Der Verrat ihres Königs Ariſto
frates an den Mejjeniern in dem zweiten Krieg war
die Veranlaſſung zum Sturz de3 Königtums fiber:
haupt. A. zerfiel jetzt in eine Menge kleiner Fre
ſtaaten, die alle, nur durch cape ng Kulte miter
ander verbunden, voran die beiden bedeutenditen,
Tegea und Mantineia, eiferfiidtiq eimander oe
genitberftanden und fid) dDadurd zur Unterordrune
unter die Hegemonie Spartas gendtiqt faber (wm 550).
Die Gegner Spartas, namentlid Uitibiades, verind-
ten, die arkadiſchen Städte gu einem peloponneiiicden
Gegenbund zu vereinigen, dod) endete dieſe Politi?
zunächſt meijt mit Wiederherjtellumg des Mbergemicté
von Sparta und mit der Zerſtörun dRantineias (385),
die überſchüſſige Bevilferung fand in der Fremde als
Söldner Verwendung. Cinen Umſchwung fibres
die Siege des Epameinondas herbei ; Durch einen Sy
noifismos wurde 370 Megalopolis geqritndet und jt
artadifden Hauptitadt gemacht Indeſſen batten de
Verſuche, eine politijde Machtitellung Urfadiens w
beqriinden, feinen Dauernden Erfolg. Die Feindidert
mit Sparta dauerte fort; auc) die anfängliche Parte:
nabme für Mafedonien unter Philipp bradte VW wer
eringen Borteil. Später zerfiel es wieder tn Neinert
Staaten, die 3. T. im Achäiſchen, 3. T. im Atoliſchen
Bund, 3. T. in Makedonien ihren Rückhalt ſuchten
bis es 146 in die Hinde der Rimer fiel. Im Mitel
alter wanderten Slawen und Albaneſen ein. Be!
Swab, Urfadien (Stuttg. 1852); Jmmerwade
Die arfadifden Kulte (Leip;. 1891). — Gegenwartig
bildet UW. cinen Nom 08 ded Königreichs Griecheniand,
der 4301 qkm mit (1896) 167,092 Cimw.(39 auf 1 qkm)
umfagt. Er zerfällt in vier Epardien. Hauptited
ijt Tripolis.
dier (arfadifdhe UAfademie, Accademia
degli Arcadi, fur; Arcadia genannt), poetifd-titera-
riſche Gefellidaft in Rom, 1690 von dem Literar-
bijtorifer Crescimbeni und dem Rrititer Gravma yr
Vefimpfung des verderbten didterifdhen Beidmarcte
qeqriindet, hatte Gefepe nad Dem Muſter der alt
römiſchen zwölf Tafeln und fiibrte die mit emem
Lorbeer- und Fichtenzweig umwundene Syrmnr (Hir-
tenflite) im Wappen. Dore Mitglieder trugen all-
griechiſche Schifernamen. Die Gejellfdhaft Hielt jahr
lid fieben Hauptverfammlungen; ihre Ara war dic
Olympiadenredhnung; die Olympifdhen Spiele wur
den alle 4 Jahre als literarifdhes Feſt qefetert, wobe
jugleid) die neue Präſidentenwahl ftattfand. Die Vr-
fadia, die bald an vielen Orien »olonien« griindete,
hat in der erften Zeit ihres Beftehens auf die ttalrem-
ſche Literatur ſehr wohltätig eingewirft. Sie befteb:
Arkandisziplin
übrigens noch jetzt und gibt eine Monatsſchrift, das
»Giornale arcadico⸗, heraus. Vgl. Carini, L'Ar-
cadia dal 1690 al 1890« (Rom 1891).
Urfandissiplin, j. Arcani disciplina.
Arfanift, friiher cin Chemifer, der in mbduftriel-
len Betrieben allein mit den Geheimniffen der Fabri-
fation ꝛc. vertraut war.
Arkanſas, nächſt Ohio und Miffouri der größte
Nebenfluß des Miſſiſſippi, entquillt der Sawalchkette
des Felſengebirges (3600 m ii. M.), durchfließt exit
in ſüdlicher, Dann in öſtlicher und ſüdöſtlicher Haupt:
ridjtung, 3. T. in ttefen Cañonſchluchten (Royal
Gorge), Colorado, Kanſas, Oflaboma, das Jndianer-
territorium und den Staat A. (f. unten), vom rechts
verſtärkt Durd) den Cimarron und Canadian, von
linfs durch Den Neoſho, und mündet, vereinigt mit dem
White River, oberhalb Arkanſas City in den Miſſiſ—
fippi. 2410 km lang und mit 469,390 qkm Strom-
gebict, ijt er bis Fort Smith (690 km) qut, bis Wi-
dita vieler Untiefen halber nur ſchlecht ſchiffbar. Nod
weiter aufwarts trodnet er im Sommer auf weite
Streden aus, befonders feit man in Colorado fein
Wafer in großem Umfange zur sg ges benutzt.
Arkanſas (gekürzt Ark.), einer der Südſtaaten
Der nordamerifanijden Union (ſ. Karte »Vereinigte
Staaten«), 139,466 qkm grok, zwiſchen 33 und 36°
B80’ nördl. Br. und 84° 45‘ und 94° 40’ weftl. L., am
rechten Miſſiſſippiufer, umgrenzt von Teras, dem
Yndianerterritorium, Miſſouri, Tenneſſee, Miſſiſſippi
u. Louiſiana und vom re paar Strom (f. oben)
quer durchfloſſen. Im O. ijt es em fumpf- und feen-
reidjes, alluviales Niederland, das vom Miffiffippi
und ſeinen Nebenflilſſen alljährlich weithin iberflutet
wird, im W. dageqen durd) das von Miſſouri her—
iibergreifende Djarigebirge teils ſtark welligqes Hiigel-
fand, teils wirflidjes Bergland (Poteau Mountain
850 m) und voriviegend aus Schichten der Rreide-
und Steinfohlenformation zuſammengeſetzt fowie reid
an Roble, Cijen-, Mangan- und Zinkerz. Als gute
Schiffahrtsſtraßen bieten fic) auker Miſſiſſippi und
Arkanſas namentlid) nod White, Francis, Waſhita
und Red River. Das Klima gilt im höhern Lande
fiir geſund, in den Niederungen herrſchen Malaria-
fieber. Die Sommer find lang und heiß, die Winter
gientlich falt. In Little Rod jteigt die Julitemperatur
Bfters fiber 40°, wahrend im Januar und Februar
—25° und an andern Orten fogar —33° verzeichnet
worden find. Die Reqenhihe carves zwiſchen 1000
und 1500 mm. Die Bevdlferungsjzahl betrug 1890:
1,128,179, 1900: 1,311,564 (davon 675,312 mann-
lich, 636,252 weiblich; 944,580 BWeike, 366,865 Far⸗
bige, 66 Jndianer, 62 Chinefen), die gba a
Didte 9,4 auf 1 qkm. In (4) Stadten von iiber
4000 Cinw. wohnen nur 5,4 Broz. der Gejamtbevil-
ferung. Jn verjdicdenen Grafidaften der Riederung
find Die Neger in groker Uberjzahl. Höhere Schulen
gab es 1899: 7, mit 99 Lehrern, 1532 Ziglingen,
110,722 Doll. Cinfommen und 24,718 Bibliothet-
biinden ; Schullinder 296,785 (76,049 Farbige); Zei-
tungen 257. 1890 waren 75 Prog. der Farbigen und
25 Broz. der Weißen Analphabeten. W. ijt im here
vorragenbder Weiſe cin Ucerbau- und Waldjtaat. Wm
widtigiten ijt Die Baumwollkultur, die 1899 auf
750,600 Heftar 919,469 Ballen erntete, und die Mais⸗
fultur (1900 von 952,000 Heftar 45,225,947 Buſhels).
Der Unbau von Weizen (1900: 106,000 Hettar und
2,689,418 Buſhels) und Hafer (127,000 Hektar und
7,038,665 Buſhels) tritt wie in andern Gitdjtaaten
zurück. Der Batatenbau (1890: 7800 Heftar und
| 8,671,782, die
— Arkebuſade. 771
1,822,960 Buſhels) ijt bedeutender als der Kartoffel⸗
bau (1890: 5800 Hektar und 1,213,872 Buſhels).
Die Tabak-, Pfirſich- und ECrdbeerenfultur ijt nam-
haft. Etwa 60 Broz. der Fläche ijt nod) mit Wald be-
deckt, Der in Den Riederungen namentlid) aus Sumpf-
zypreſſen, Rotzedern, Tupelos, im iibrigen aus Ciden,
Riefern, Hicory- und Walnußbäumen, Robinien,
Eſchen, Kappeln, Wildfirfchen, Safjafras beſteht. Un
Bieh zählte man 1899: 234,127 Pferde, 142,594
Maultiere, 419,422 Rinder, 108,957 Schafe und (seo)
2,197,837 Schweine. Der Vergbau ijt nod) nicht ſehe
entiwidelt, die Rohlenfirderung jtieq aber 1882.—99
von 50,000 quf 913,743 Ton. Berühmt find die
Wetz- oder Oljteinbriide am obern Wajhita. Ym
Ozarkgebirge haben an verjdiedenen Orten Mineral—
quellen beſuchte Rurorte ins Leben gerufen (Hot
Springs, Eurefa Springs). Die Sägemühlenindu—
jtrie lieferte 1900 fiir 23,959,983 Doll. Brodutte.
Eiſenbahnen gab es 1899: 5036 km. Nach der Ver~
fajfung von 1868 liegt die Geſetzgebung in den
Hiinden cines Senats von 32 und eines Repriijen-
tantenhaujes von 100 Mitgliedern, erjtere auf 4,
legiere auf 2 Jahre gewählt. Der Gouverneur und
die übrigen Staatsbeamten werden auf 2, die Richter
auf 8 Jahre vom Volfe gewählt. Bum Kongreß ent-
fendet der Staat 6 Ubgeordnete; bei der Wahl des
Bundesprajidenten hat er 8 Stimmen. Der Wert de3
jteuerbaren Cigentums betrug 1899; 190 Mill. Doll,
die Staatsausgaben 1,387,887, die Staatsjdjuld (190)
Schuld der Grafidaften 1,553,588 Doll.
Eingeteilt wird UW. in 75 Grafſchaften; Hauptitadt
ijt Little Rod. — UW. hat feinen Namen von cinem
Yndianerjtamm. Die erjte Unfiedelung wurde hier
1685 von franzöſiſchen Ranadiern gebildet ; 1803 fiel
U. mit Lounifiana an die Vereinigten Staaten von
Nordamerifa und wurde 1836 als Staat aufgenour-
men. 1861 trat es der Konföderation der Siidjtaaten
bet; aber 10. Sept. 1863 wurde Little Rod von den
Unionstruppen beſetzt. Seit 1868 bildet es wiederum
einen vollberechtigten Beſtandteil der Union.
Arkanſas City, 1) Stadt imnordamerifan. Staat
Kanſas, Grafichaft Cowley, am Arkanſasfluß, Bahn-
fnotenpuntt, mit 900) 6140 Einw. — 2) Stadt in
Artkanſas, Grafidaft Defha, am Miſſiſſippi unter-
halb der Urfanjasmiindung, mit Eifenbahnilbergang,
Baumwollverſchiffung und (1900) 1091 Einw.
Mrfanfas PBoft, Ort im nordamerifan. Staat
Urtanfas, am Urfanjasflug, 80 km vow Miſſiſſippi,
1685 von den Franjzofen geqriindet. Im Bürger—
friege wurde das von den Konföderierten erridtete
Fort durch den Unionsgeneral Mac Clellan 11. Yan.
1863 erjtitrmt und der fiidjtaatlidje General Churdill
mit 5000 Mann gefangen genommen.
Arkanſasſchalen, ſ. Schleifſteine.
Arkanſit, Mineral, ſ. Broolit.
Arfas, Stammheros der Arkadier, Sohn des Zeus
und der Sallijto (ſ. d.), traf auf der Jagd feine in
cine Barin verwandelte Mutter und verfolgte fie bis
in den Tempel des Beus Lykäos. Da nun beide nad
arkadiſchem Geſetz getötet werden ſollten, verſetzte ſie
Reus unter die Sterne, und zwar A. als Arkturos
oder Urttophylar (⸗Bärenhüter«).
Arfebujade (Schußwaſſer, Wundwaſſer,
Aqua vulneraria spirituosa), über Pfefferminze,
Rosmarin, Raute, Salbei, Abſinth und Lavendel ab-
gezogener Weingeiſt, altes Verbandwaſſer. Thedens
Schule oder Wundwaſſer (Mixtura vulnerariaacida)
bejteht aus 4 Teilen Weingeift, 1 Teil verdünnter
Schwefelſäure und 1 Teil Sucter.
49*
772
Arfebufe(Urquebufe, fpr.arreip), eine Rateten-
boljen ſchießende Urmbrujt, häufig joviel wie Hafen-
büchſe (niederlind. haakbuse, wallon. harkibuse,
franzöſiert arquebuse), wird fdon Anfang des 15.
Jahrh. als Waffe des Fußvolls (Arkebuſiere) ge
nannt. Mitte des 16. Jabrh. wurde die U. vom Her-
30g Alba in den Niederlanden, ebenſo bei den Argou—
lets (j. dD.) alS Reiterwajfe von 1—1,3 m Lange, die
Kugeln von 29 g ſchoß, eingefiihrt. Sie hatte zuvor
ein Radſchloß erhalten und eine Stange mit Ring,
in den cin Federhaken (Rarabinerhafen) des Bande-
lier8 eingehalt wurde.
Arfebufieren, foviel wie erſchießen.
MArefilaos (Arkeſilas), Philofoph, Stifter der
fogen. mittlern Alademie, geb. unt 316 v. Wor. 3u
Witane in Wolien, gejt. 241, jtudierte in Uthen zuerſt
b:i Theophraſtos, dann bei dem Alademiler Rote.
nion Philoſophie und ward nad) dem Tobe des rae |
te3 deſſen Nadfolger auf dem Lehrſtuhl der Alademie
(um 280). Dit ibm beginnt die fteptijde Cpode der
WU‘ademifer. Er verwarf nämlich die Möglichkeit eines
philofopbhijden Wifjens iiberhaupt und gab Wahr—
ſcheinlichleit in höherm oder geringerm Grade gu, die
ihm auch die Norm fiir das praftijde Verbalten war.
Arkeſilasſchale, cin beriihmtes kyreniſches Ge-
ſäß aus der Zeit von 640—450 v. Chr., in Bulci
(Stalien) gefunden und jest im Cabinet des Médail-
les in Baris befindlich, enthalt im Innern cin Bild,
das den Konig Arkeſilas (wahrſcheinlich IL.) auf einem
Schiff im Hafen von Kyrene zeigt, wie er das Ab—
wägen und Berfradten von Silphium (ſ. d.) beauf-
ſichtigt. Der Vajenmaler hat ſich bejtrebt, ein genaues
ethnographijdes und hiſtoriſches Dolument nut feinen
Mitteln gu liefern.
Arkiko (Writ, nach d'abbadie Harqiqaw), gro-
hes Dorf nit gegen 1000 Cinw. in der ital. Kolonie
(Eritrea, an der Urfifobudt des Roten Meeres,
12 km fiidlid) von Mafjaua, mit fleinem, von den
Agyptern erridjtetem Fort und ttalienifder ———
Reſidenz des von den Ägyptern depoſſedierten Naib,
der von Dem Fiihrer einer hier unter Selim I. be-
qriindeten Bosniafenfolonie abſtammen foll.
Arklow (ipr. arto), Seejtadt in der iriſchen Graf-
ſchaft Widlow, an der Miindung des vielbefudten
Uvocatals, mit fleinem Hafen, Mujterns und Herings.
fifcheret und (ise1) 4172 Cimw.
Arfona, Vorgebirge auf der preuß. Inſel Rügen,
bie nördlichſte Spige Der Halbinjel Wittow, bildet einen
46m fiber der Ojtice emporragenden Rveidefelfen. Auf
der Spige cin 24 m hoher Leudtturm (im Umriß von
Schinkel entworfen). Hier ftand cinft die qleidmamige
Belting (flaw. Urfan) und der Tempel des Swan-
tewit, das größte Heiliqtum der norddeutiden Sla-
wen. WIS ein Heit der Burg, die 1168 vom Konig
Waldemar I. von Dänemark erobert und zerſtört ward,
qilt der fogen. Burgring, cin 18—26 m hoher Wall
auf der Landfeite des Vorgebirges.
Arkoſchmelzen, ſ. Meſſing.
Arkoſe, feldſpatreicher Sandſtein, z. T. gebildet
aus Granitgrus (regenerierter Granit), nut to—
nigem oder kieſeligem Bindemittel, findet ſich vielfach
im Karbon, Rotliegenden, Buntſandſtein ꝛc.
Arktatoriſche Ladung, ſ. Ladung.
Arktiker, ſ. Hyperboreer.
Arktiſch (qried).), was zu den am nördlichen Him—
mel ſtehenden Sternbildern des Bären (Arktos) ge |
hört, dann ſoviel wie nördlich, in der Nähe des Nord—
pols liegend. Arktiſches Meer, Nördliches Eismeer;
arktiſche Sone, nördliche falte Sone der Erde.
Arfebufe — Arktiſche Zirfumpolarregion.
martes una, ſ. Arktiſche Zirfumpolarregion.
Arktiſche Flora, die Pflanzenwelt der rings um
den Nordpol gelegenen Lander und Inſeln, deren
Jahresmittel 3. T. unter —16° liegt. Südwärts bu
det die Baumgrenge den Abſchluß des Gebietes. Die
Vegetationszeit beginnt etwa im Juni und erreicht
bereits im Auguſt ihren Abſchluß. Die nördlichen
Flachländer Sibiriens und des ndrdliden Umerits
tragen vorwiegend cine aus Fledjten oder Moojen
gebildete, nur bier und da von Halbjtraucern und
| Stauden unterbrodene, artenarme Pflanzendede
(Tundra). Die Vegetation von Nordfibtrien beitett
| an trodnern Stellen aus Moospolſtern (Polytricham)
mit eingemijdten Wollgrajern (Eriophorum) und
| Blumenfleden von Dryas oder Cassiope; an nafiea
| Stellen herrſchen Torfmooje (Sphagnum) vor; mur
| die Abhänge find mit einer farbenprächtigen Flore
geſchmückt. Auch das ndrdlide Alaska ijt fumpriges
Moorland, das fiidlid) vom Bolarfreije von cane
Gebüſchgürtel umidlofjen wird. Auf Spigberger,
deſſen Flora ca. 120 Arten zählt, läßt fich eine Strand.
Sumpf- und Mattenformation unterfdeiden; de
Erilazeenſträucher, die fonjt in der arftijden Hore
eine große Rolle jpielen, find bier nur ſpärlich ver
treten. Ahnliches gilt fiir Nowaja Semija (mit 1%
Yrten), das aus dieſer Pflanzengruppe nur poi
Vaccinium -Yrten beſitzt. Um reichhaltigſten tit he
Vegetation Grinlands, wo zwiſchen 60 und 62° ndrdl
Vr. Birkenbeſtände mit 4H—5 m hohen Stammen aui-
treten, zwiſchen denen Büſche von Sorbus aucuparia,
Griinerlen, Hwergwadolder und Weiden eingeitrent
find. Nördlich vom 62.° wadien Arten von Sax-
fraga, Dryas, Pedicularis, Cardamine, Campanala.
Ranunculus, Silene, Polygonum u. a.; die Swerg
birfe (Betula nana) beginnt bei etwa 62° ndrdi. Br
und tritt weiter nordwarts mit zunehmender Haxiie-
feit auf. Heiden mit zahlreichen Erifazeen geben aut
Sandboden bis 73°; nod) unter 76° wurde Tor
bildung und eine ausgeiprodene Moorjlora ( Andr-
meda, Triglochin, Ledum, Vaccinium Oxycocees
u. a.) beobadtet. Die der alpinen Flora abninhe
Fieldformation entwidelt fic) an fteilern Berglebnen.
auf fablen, von den Gletidern der Eiszeit abgeſchlme
nen Felſen fowie auf den Gipfeln und Hodilades
der Verge und nimmt den größten Teil der eisfreien
Oberflaide von Grinland ein.
Arktiſche Steppe, die Betidorijde Steppe ci.
Petidora).
Arktiſche Hirfumpolarregion (hierzu Tofei
Arkliſche Fauna), tiergeographijde Region, weide
die ndrdlidjten Teile der Ulten und Neuen Welt um—
faßt und fiidlich bis sur Nordgrenge de3 Baunupudies
reicht. Hu iby gehören auger den nördlichſten Tellen
der Rontinente Europa, Wfien und Amerila and
Grönland und alle Anjein des Nordlichen Eismeeres
Der phyfitalijde Charafter dieſer Region ijt ein feb
gleichmäßiger, und demgemäß find nur relat wemige
Lierformen vorhanden. Nur wenige Pflanzenfreñer
vermigen fid) nit der geringen Nahrung zu begnii
qen, und infolgedefjen find aud) Die auf fie ange
wiejenen Raubtiere wenig vertreten. Dieſe Trere
jind bis auf Den Moſchusochſen jirfumpolar ver
breitet, da Die im Winter paffierbare Beringitrafe
cine Briide swifden Aſien und Amerila bildet und
auferdem wohl aud eine Rommunifation durd Ber-
ntittelung von Cismaffen jtattfindet. Die Saugetiere
find nur durch zehn Lierarten vertreten, von denen
ſieben ausſchließlich oder fajt ausſchließlich dieſer Re-
| gion angehören, während drei aud in Dem nördlich
Arktische
& Walrall 9 Sewhur 10 Serotter " Gronlandswal 12 Narwal j vhuhn 4 Neotineeeule
nn 11 Tordalk 18 Polarmeowe
r
Arftos — Arles.
jten Teil der gemäßigten Bone ſich vorfinden. Die |
zehn arftijden Tiere find: Renntier, Moſchusochs,
zwei Urten Lemming, Schneehaſe, Eisbär, Blaufuds,
Wolf, Vielfraß und Wieſel (Tafel, Fig. 1—7). Die
fiidlidhe Verbreitungsgqrenje ijt fiir das Renntier die
Südgrenze des Waldes, fiir Cisfuds, Lemming, Mo-
ſchusochs, 3. T. auch fiir den Sdynechafen die Rord-
renze ded Waldes, fiir Eisbär und 3. T. aud) fiir
iSfud)3 die Grenze des Feſtlandes und die Südgrenze
der Cisfdolle. Bon Bögeln gehiren eine Reibe a
Brutvdgel der arftifden Zirfumpolarregion an, von
denen wir Ciderente (Fig. 15 u. 16), Schnecammer,
Lerdhenammer, Sdneehuhn, Schnee-Eule (Fig. 13 |
u. 14) nennen. Spegiell dem Norden und demgemäß
aie der arftifden Sirfumpolarregion gebiren an
dwen (Fig. 18), Taudjer und Alken (Fig. 17), die
meijt in großen Scharen auf einſamen Inſeln und
am flippenreicen Ufer nijter, und deren Nahrung
Tiere des Meeres bilden. Entfpredend der Pflangen-
und Inſektenarmut ded Landes find Körner- und
Anjettenfrejfer aujerordentlid) ſelten. Die meijten
arftifdben Vogel ziehen während de3 Polarwinters
weiter ſüdlich. Reptilien und Amphibien fehlen dem
arttijden Zirfumpolargebict ganz, Molluslen und
Inſekten fajt ganz. Das Meer ijt die Heimat gewal-
tiger Seejdugetiere, wie des Grönlandwals (Fig. 11),
Finnwals, Narwals (Fig. 12), und bejigt einen aller—
dings Ddurd die jtindigen Berfolqungen immer
mehr abnehmenden Reichtum an Robben (Walrok,
Seebiir, Fig. 8 u. 9); aud) der foftbare Seeotter
(Hig. 10) gehört diefer Region an. Von Fifden gehen
bejonders Stockfiſcharten und der Eishai in die nörd—
lichen WeereSreqionen; von niedern Tieren finden
fic) charafterijtijde Urten von Kruſtern, Mollusken,
Cilenteraten und Stadhelhiutern. Val. Ri mer und
Sdaudinn, Fauna arctica (Ergebnijje der deut-
fdjen Expedition 1898, Jena 1900 ff.).
Arktos (qried., »Bärin«), Perfonijifation des
Sternbildes des Grofen und des Kleinen Bären. Für
erjteres galt die in eine Bärin verwandelte und von
Beus unter die Sterne verfegte Kallijto (jf. d.), fiir | S
letzteres die —— Kynoſura, die Zeus geſäugt
hatte, oder die Nymphe Phönike, die, von Zeus ver—
fiibrt, von Urtemis in cine Varin verwandelt wurde. |
Erſteres Sternbild heißt auch der Wagen oder das |
Siebengejtirn (Septentriones).
Arftuation (lat.), bogenformige Krümmung.
Arktũr, |. Urcturus.
UArfuballifte, ſ. Armbruſt.
Arkwright (or. art-cait), Sir Richard, Mechani-
fer, geb. 23. Dez. 1732 gu Prejton in Lancaſhire, geſt.
3. Uug. 1792 in Cromford. Uripriinglid) Barbier,
widmete er fic) unter Beibilfe des Uhrmachers Ray
in Warrington mechaniſchen Urbeiten und fonjtruierte
1768, angeregt dDurd eine ErjindDung von Hargraves,
eine Spinnmajdine. Er begab fic) mit Ray und
Smalley 1768 nad) Nottingham, wo er durd dic
Strumpffabrif von Strutt u. Need Geldmittel erbielt.
Seine erjte Spinnerei in Nottingham wurde durd
Pferde betrieben, cine zweite großartige Faktorei zu
Cromford in Derbyſhire aber (1771) durch ein Waſſer⸗
rad. Seine Spinnmaſchine war eine Verbindung von
Whyatts Waljenpaaren sum Streden der Krempel—
binder mit der viel früher in Deutſchland benugten
eee ne des Jürgensſchen Flachsſpinnrads, und
Da ibr UW. die Einridtung zum Betrieb durd Wafjer: |
fraft — hatte, fo nannte er fie Waterſpinn—
mafdine und das damit gefponnene und wegen
jtarferer Fadendrehung haupiſächlich fiir Mette geeig—
773
nete Garn Waterqarn (water twist). W. wurde
von den YUrbeitern, jpater aud) von den Wanufaftu-
riſten vielfach angefeindet, und 1781 griffen legtere
die Giiltigteit des Urfwrightiden Patents an. Yn der
Tat jdeint cin von Kay vor 1768 file Highs odec
Hayes aus Bolton angefertigtes Modell die Ouelle
von Arkwrigths Erjindungen gewefen ju fein. 1786
wurde U. Oberſheriff von Derbyſhire, und bald darauf
ward ihm Der Adel verlichen.
Arlane (pr. tang), Stadt im franj. Depart. Puy-
de-Döme, Urrond. Umbert, an der Dolore und de:
Lyoner Bahn, 580 m ii. M., hat Mtineralquellen,
Spigenfabrifation und (1901) 1716 (als Gemeinde
3247) Cinw.
Arlberg, 1802 m hoher Alpenpay an der Grenge
von Tirol und Vorarlberg (dem Land »vor dem W.«),
Der zugleich Dic Wajferfdjeide awifden dem Rhein und
der Donau (iwejtlider Abfluß die Alfenz gum Ill,
öſtlich Die Rofanna jum Inn) und die Grenge zwiſchen
der frijtallinifden Fervallqruppe der Rätiſchen Alpen
im S. (Peifchelfopf 2415 m) und der Algãuer Gruppe
der nördlichen Ralfalpen im N. (Sdindlerfpige
2636 m) bildet. Nahe der Paßhöhe bejindet fic) das
Hoſpiz St. Chrijtoph. Uber den YW. fiihrt eine 1824
vollendete Straße aus Dem Stanjer Tal (Rofanna)
nad) dent Rlojtertal (Alfenz), die in weiterer Linie
Landed mit Bludenz verbindet und lange Beit die
eingige war, die Vorarlberg mit den übrigen Teilen
der Monardie in direfte Verbindung fegte. Sie ijt
nun durch die Url bergbahn erjept, die jüngſte de:
roßen Alpenbahnen, die Ojterreid) in den Stand
* die Landesprodulte der ſüdlichen Kronländer
und des ungariſchen Tieflandes ſowie die in Trieſt
ausgeſchifften Waren des Orients direlt dem Weſten
Europas zuzuführen. Der Bau der eigentlichen,
136,6 km langen Arlbergbahn Innsbruck-Bludenz,
an die ſich Die bereits 1872 eröffnete Staatsbahn-
linie Bludenz⸗ Bregenz anſchließt, begann 1880 unter
der Leitung des Oberbaurats Lott mit der Ausfüh—
ag be großen, 10,250 m langen Tunnels gwifden
St. Unton und Langen, dejjen Durchſchlag 15. Nov.
1883 erfolgte. Die Bahn wurde 20. Sept. 1884 dem
Verkehr fibergeben. Wahrend fie auf der offenen
Strece ——— wurde, erhielt der Tun—
nel zwei Gleiſe. Die Baulojten betrugen ca. 83 Mill.
Kronen. Der höchſte Punkt der Bahn liegt im Tunnel
1311 m i. M., die größte Höhe, die cin Ulpentunnel
erreicht; die Maximalſteigung betragt auf derdjtlicen
Bufabrtitrede Landeck⸗St. Unton 26,4, auf dec weft:
lichen Rampe Bludeny-Langen 31,4 pro Mille, das
höchſte mit Wdhajionsbahnen bisher erreidhte Stei-
qungsverhiltnis (ſ. Tafel »Bergbahnen J«). Anger
em großen Tunnel hat die Bahn an Kunftbauten
zahlreiche Viadukte, dDarunter die 195 m lange, 86 m
hod) iiber die Trijanna führende Brücke. Val. Rod
von¥Berned, Die Arlbergbahn (Reiſeführer, 4. Aufl ,
Zürich 1890); » Die Arlbergbahn«, Denkſchrift dec EE
Staatsbabndireftion in Innsbruck (Innsbr. 1896).
Arlecchino (ital., fpr. Aettino), lomiſche Maste,
ſ. Harlefin.
Arles (pr. ar’), 1) Urrondiffementshauptitadt im
franj. Depart. Rhonemiindungen, linfs an der Rhone,
von der bier der Ranal Craponne zur Durance und
Der Ranal nad Port-de-Bouc zum Meere führt,
Knotenpunkt an der Eiſenbahn von Lyon nad Mar—
jeille, 28 km vom Weer, ein jett ziemlich der Ort,
der aber zahlreiche Überreſte antifer Brad beſitzt, dar-
unter das Umpbhitheater, von 140 und 103 m Durd-
meſſer, aus zwei Geſchoſſen mit je 60 Arkaden beſtehend
774 Arlesheere
und ca. 25,000 Zuſchauern Plas gewährend (jeit 1846
rejtauriert); das antife Theater, von dem nod) zwei
forinthijde Säulen, die unterſten Sigreihen u. a.
übrig jind (hier wurde 1651 die beriihmte »* Venus von
W« aufgefunden, jest im Louvre in Baris, f. Tafel
Bildhauerkunſt V«, Fig. 4); ein Granitobelisf von
15 m Höhe; Rejte vom alten Forum, von antifen
Thermen, Uquaduften und einem Kalajt Ronjtantins ;
jablreiche, jest in einem Muſeum vereinigte Stulp-
turen. Die ehemaliqe Kathedrale St.-Trophime mit
ſehr ſchönem Portal, aber modernijiertem Innern
jiammt aus dem 11. und 12. Jahrh.; in dem dazu
gehörigen Kloſter ift der pradtvolle Kreuzgang be-
merfenswert. Das hübſche Stadthaus beſitzt einen
Ubrturm (nit Brongejtatue des Mars von 1565). Jn
Der ſüdöſtlichen Vorjtadt Wliscans (jf. d.) befindet
fic) cin merkwürdiger alter Begräbnisplatz. A. hat (1901)
16,247, alg Gemeinde 29,314 Einw., die Olfabrifation,
Maſchinen- und Schiffbau, Fiſcherei und in der Um-
ebung Schafzucht treiben. Es hat cine hydrographi-
che Saute, ein College, eine Bibliothek, ein Handels-
gericht und war bis 1801 Erzbiſchofsſitz. Berühmt von
alters Her ijt bie Schinheit der Frauen von A. Uber
die Rhone führt cine Kettenbriide zur Vorjtadt Trin-
quetaille. 6 km nordöſtlich liegt dic alte Abtei Mont⸗
majour mit romanifder Rirde, Kreuzgang und unter-
wdifder Kapelle. — W. hie im Altertum Arelas oder
Arelate (felt. »>Sumpfort«), wurde von den Galliern
an Stelle des liqurijden Theline geqriindet und von
Cajar zur rdmijden Militarfolonie qemadt. Der Ort
erhob i nun bald gu hoher Bedeutung, wetteiferte
mit Maſſilia im Handel und erreichte ferme Blütezeit
unter Ronjtantin, der A. vergrößerte und ausſchmückte
und unter dem Beinamen Constantina zur Haupt-
jtadt Galliens madte. UW. ward jest Sig eines Erz⸗
biſchofs. In der Folge von Wejtqoten und Sarajenen |
meh-mals erobert und jerjtirt, behauptete es dennoch
jeinen Glanz, ward 880 Hauptitadt des burqundijden
Königreichs Urelat (ſ. d.) und wurde, nachdem es
fid) 1251 Rarl von Anjou unterworfen hatte, von
Philipp IT. 1271 Frankreich cinverleibt. Yn A. wur-
den mehrere widtige (arelatifde) Synoden ab-
gebalten: fo 314 gegen die Donatijten, 354 gegen
Vithanafius, 452 zur Reqelung der Kirchen- und Klo—
jterdissiplin, 475 gegen den Bradejtinatianer Lucidus,
ua. Bgl. Révetllé de Beaureqard, Promena-
des dans la ville d’A. (Mir 1890); Fournier, Le
royaume d’Arles et de Vienne (Bar. 1891). — 2)
(U.-fur- Ted) Stadtim franz. Depart. Oitpyrenden,
Yrrond. Céret, am Ted) und der Siidbabn, 277 m
ii. M., hat eine romaniſche Kirche mit Kreuzgang
(Rejte einer im 8. Jahrh. qeqriindeten Wbtei), Scho—
foladefabrif und (901) 1774 Cinw.
MArlesbeere, foviel wie Eljebeere, |. Sorbus.
Arlefety (pr. aig, Ort, ſ. Biggleswade.
Arlesheim, Bezirkshauptort tm ſchweizer. Nanton
Pajelland, Station der Cifenbahn Bafel-Biel-Lan
janne, mit (1900) 1599 Einw. Die Kirche, 1680 er: |
baut, hat ſchöne Frestomalercien. Hier rejidierte 1678 |
bis 1792 bas Domfapitel des Bistums Vafel. |
Arlington, Henry Bennet, Graf von, engl. |
Staatsmann, geb. 1618, geſt. 28. Juli 1685, ging
nad) der Hinridtung K imig Karls I. nad Frankreich
und Stalien, ward 1654 Sekretär des Herjogs von
Yorf und trat dann in die Dienjte Maris IL Nach
der Reftauration der Stuarts wurde er 1662 Staats
ſelretär, 1663 Baron A. und war der Berfaffer der
Indulgengerflarung Karls TT. Wis Mitglied des |
»>Cabal«minijteriums begünſtigte er den Katholizis⸗
Bal. Brat, Histoire d'A. (Arlon 1872
— rm.
mus, betrieb die Verbindung mit Ludwig XTV., zu
dem er 1672 als Gejandter ging, und Den Krieg mit
Holland und wurde 1672 jum Grafen von VU. erhoben.
1674 fiel er in Ungnade. Bal. feine »Letters to
W. Temple from 1664 to 1674« (Qond. 1701, 2Bde.;
frany., UÜtrecht 1701—1706, 2 Bde.).
Arloing (or. Aving, Saturnin, Tierarzt, ged.
3. Jan. 1846 in Cuſſet (Allier), itudierte in Wiort,
wurde Brofefjor der Ynatomie und Soologie an der
Tierarzneiſchule in Toulouse, 1875 in Lyon und 1887
Direltor der dortigen Schule. Cr beſchäftigte ſich
hauptſächlich mit den anjtedenden Rranfheiten, mit
den Wirfungen des Chlorals, Chloroforms, Kofains x.
und fdrieb: »Le charbon bactérien , pathogénie et
inoculation préventive« (2. Aufl. 1887); »Cours
élémentaire d’anatomie générale et notions de
technique histologique«( 1890); » Les Virus « (1891);
mit Cauveau: »Traité d’anatomie des animaux do-
mestiques« (4. Aufl. 1890).
Arlo (fpr. tong, flim. Marlen), Hauptitadt der
belg. Proving Luremburg, friiher befeftiqt, auf einer
Anhöhe am Semois, 416 m ü. M., an der Staats-
babniinie Briifjel-Luremburg, bat cin königliches
Uthenaum, Unterrichtsmuſeum, Zeidenidule, Lehr-
anjtalt für Lehrerinnen, Sammlung römiſcher Ulter-
tiimer, Woll- und Cifeninduftrie und (seo) 10,044
Einw. — VU. (da3 Orolaunum Vicus des Untoniniden
Itinerars) ſtammt aus der Römerzeit, wurde im
10. Jahrh. Grafidaft, dann Marfqrafidaft und 1214
mit Luxemburg vereinigt. Hier fieqte 19. April 1793
der franzöſiſche General — über die Oſterreicher.
74, 3 Bde.
Arlt, Ferdinand, Ritter von, Augenarzt,
geb. 18. Upril 1812 in Obergraupen bei Teplig, qeit.
7. Mir, 1887 in Wien, ftudierte in Brag, wurde
1849 dajelbjt Brofeffor der Uugenheilfunde und 1856
in Bien. Er ſchrieb: » Dic Rranfheiten des Auges,
fir praftifde Urzte qefchildert« (Prag 1851—56, 3
Vde.; 5. Aufl. 1861 —63); »Die Pflege der Augen
im gefunden und tranfen Zujtand« (daſ. 1846, 3. Aufl.
1865); »llber die Beriegungen des Wuges< (Wier
1875); » Die Urjaden und die Entitehung der Kurz
fichtigfeit<« (Daf. 1876); »Slinijde Darſtellung der
Rranfheiten des Wuges« (Daj. 1881); » Zur Lebre pom
Glaukom« (daf. 1884). Yn dem Handbud) von Grafe
und Sämiſch bearbeitete er Die Operationsiehre. Nach
feinem Tod erſchien: »Meine Erlebniſſe- (Wiesbad
1887). Mit Donders und Gräfe begründete er 1854
das »Yrdiv fiir Ophthalmologie<.
Arar, die Vorderglicdmafe des Menſchen und Affen
im Gegenſatze sum Bein, im erweiterten Sinn Bor
dergliedmafe Der Wirbeltiere (Flügel, Vorderbem,
| Brujtilofje). Der W. der Wirbeltiere, durch den
| Schulterqiirtel am Rumpfe beweglicd, tit bet den
höhern Klaſſen derjelben durchgängig in iibereinitim
mender Weiſe gebaut und beſteht aus Oberarm, Un—
terarm und Hand, von denen ſich der Unterarm typi
ſcherweiſe aus gwei, die Hand aus ciner größern
hl von Knoden zuſammenſetzt. Hiervon weicht die
ruſtfloſſe der Fiſche erheblich ab, ſie beſteht aus viel
mehr Knochenſtücken. Eine Vermehrung der letztern
kommt bei den Wirbeltieren von den Aniphibien auf-
wärts ſelten vor (größere Fingerzahl bei foſſilen Rep-
tilien, abnormer ſechſter Finger beim Menſchen), da—
egen häufig eine Verminderung: Verſchmelzung der
Interarm:, Handwurzel⸗ und Handtnoden bei Am—
phibien, Vogeln und Saugetieren (befonders bet Den
Cinhufern). Näheres f. bet den einzelnen Gruppen.
Bein Menfden beftebt der Oberarm (brachium,
Armada — Armagnac.
jf. Tafel »Sfelett I<) aus einem ftarfen Röhren
tnodjen (Dberarmbein, humerus), defjen Kopf eine
Gelenfflade zur ung in der Gelenfgrube am
Schulterblatt befigt, wahrend das Unterende mit einer
Wölbung zur Emlenfung der beiden Knochen des
Vorder- oder Unterarmes (antibrachium) ab-
ſchließt. Dies find die Elle (ulna, cubitus) und die
Speiche (radius). Die Elle ragt mit dem fogen. Ell-
bogenfortjag (olecranon, fig. 2) nod) iiber das Un—⸗
terende Des Oberarms hinaus und bewegt fic) mit
ihrer Gelenfflade am Oberarm in einer einzigen
Ebene, d. h. fie fann nur gebeugt und gejtrect werden.
Die Spcide hingegen macht nicht nur dieſe Be-
wequngen mit, fondern fann fid) aud) nod, wenn die
Elle rubt, um diefe der Lange nad, an ihrem untern
(Ende um fajt 180° drehen und nimmt Hierbei die
Hand, die nur an der Speiche befejtigt ijt, mit. Da-
durd wird die Hand fehr frei beweglidh. Die Mus:
feln, die fie mit Deut Riiden nad) vorn jtellen, find
die Pronatoren, die ihnen entgegenwirkenden die |
Gupinatoren. Das Sdultergelenf, in dem
fid) Der Oberarm bewegt, wird durd cin befonderes |
Band (f. Tafel »Bander«) vervollitindigt, geftattet
aber dem Oberarm eine fehr ausgiebige Bewegung
nad allen Ridtungen hin (Daher die leidjte Uusrentung
des Armes). Die Hiergu erforderliden fehr ſtarken
Musteln (j. Tafel »>Musteln«) entipringen teils von
Bruft und Riicen, teils vom Schlüſſelbein und Sdul-
terblatt. Un der vordern Fläche des Oberarms lieqen
die Musfeln, die den UW. im Ellbogengelenk beu-
gen, an feiner bintern Fläche die, welche ibn ſtrecken.
ie Musteln am Borderarm dienen teils zur Bro-
nation und Supination (jf. oben), teils sur Beugung
und Stredung der Hand und der Finger. Die qroke
Armſchlagader (arteria brachialis) geht über die
erjte Rippe hinweg, tritt unter dem Schlüſſelbein in
die Udfelhihle und verläuft an der innern Fläche des
Oberarmes bis zur Cllbogenbeuge, wo fie fic) in ihre
Enddjte teilt. Die Blutadern (Benen) begleiten
teilS Die Urterien und miinden in den unter dem
Schlüſſelbein gelegenen Blutaderjtamm, der fic) in
die obere Hobhlvene ergießt (ſ. Tafel »Blutgefäße«,
fig. 2u. 4). Die Urmnerven ftammen von den
vier untern Halsnervenpaaren ab und bilden nad
dem Unstritt aus dem Rückenmark das fogen. große
Urmgefledt (j. Tafel »Rerven I<, Fig. 4). Wm Ell⸗
bogengelenf ijt der Nerv relativ wenig geſchützt, da-
her das beim Stoß dagegen erfolgende ———
Gefühl (Mäuschen). — Bildlich nennt man A. den
Teil eines größern Ganzen, der Gejtalt oder Ver—
richtung eines Armes hat; z. B. Arme eines Fluſſes
bei Verteilung desſelben in mehrere Ströme, häufig
vor der Ausmündung größerer Ströme; Arme eines
Hebels, der Wage, des Haſpels, der Hebezeuge xe.
Armada (jpan.), urſprünglich jede bewajfnete
Macht su Waſſer oder gu Lande, vorzugsweiſe eine
Kriegsflotte. Namentlich aber verfteht man unter A.
die Flotte Philipps I. von Spanien, die dad ibm
vom Bapjt Cirtus V. iiberwiefene England erobern
follte, und deren Untergang den Berfall der fpanifden |
Weltmacht einleitete. Sie bejtand aus 130 grojer |
Kriegs⸗ und 30 Trans8portidiffen und hatte 2000 5. T.
hochadlige Freiwillige, 19,295 Soldaten, 8450 Ma—⸗
trofen, 2088 Sflaven, 2630 Ranonen fowie un: |
tae Rrieqsmaterialien und Vtundvorrat auf ſechs
nate an Bord. Oberbefehlshaber war der Herzog
von Medina Sidonia, ein bewährter Krieger, aber ein
ſchlechter Seemann, Vizeadmiral Martine, de Re-
calde. Die A. follte nad) der niederlindifden Küſte
775
abgeben, wo Farneſe bei Sluys cin Heer von fait
30,000 Mann geſammelt, aud) die nötigen Trans-
portfahrzeuge hergeſtellt hatte; unter dem Schutze der
A. ſollten dieſe Krieger nad) England überſetzen. Am
29. Mai 1588 lief die Flotte von Liſſabon aus, wm
zunächſt in Coruña Truppen und Kriegsvorrat ein—
ehmen. Indes ein Sturm trieb fie wenige Tage
pater nad) Coruña guriid. Crjt 22. Yuli 1588 ver-
lief fie endgiiltig die Küſte Spaniens und fegelte durch
Den Kanal nad) der flandrifden Küſte. Der Befehls—
haber der engliſchen Flotte, Lord Howard, beobadtete
Die A. auf der Hohe von Plymouth. Er umſchwärnite
mit feinen leichten Schiffen die A. und fiigte durch
wohlgezielte Kugeln den ſchwerfälligen ſpaniſchen
Schiffen ſchweren Schaden zu. Als die A. im Hafen
von Calais vor Anker ging, ſandten die Engländer
einige Brander gegen ſie, was den Admiral derart
erſchreckte, daß er ohne weiteres die Ankertaue durch—
ſchneiden und ſeine Schiffe in die offene See treiben
ließ. Hier aber wurden fie von einem Siidwejtiturnt
erfaßt. Nunmehr beſchloß der fpanifde Udmiral, mit
einem Teil der Flotte nordwarts um Grofbritannien
herum nad Spanien zurückzukehren. Auf diefer Fahrt
aber ſcheiterte cin Teil der ſpaniſchen Schiffe an Nor⸗
wegens Rlippen, ein andrer an Sdottlands Riijten,
ein bdritter verjant auf offenem Meer. Ende Septem:
ber lief Medina Sidonia mit dem Reft feiner Flotte
in ben Hafen von Santander cin. Die A. hatte vom
Juli bis September durd) die überlegen geleiteten und
ut gefdulten Engländer und durd) die Stiirme gu-
——— 72 große Rie und 10,185 Mann verloren,
obne die kleinern Fahrzeuge. Dem Admiral dantte
Philipp I. mit ſcheinbarem Gleichmut: »Ich habe
meine Flotte nidt gegen Sturm und Wellen aus-
efandt, fondern gegen Menſchen.« Clijabeth aber
teh eine Medaille pragen mit der Inſchrift: »Affla-
vit Deus et dissipati sunt«. Bgl. Fernande;
Duro, LaA. invencible (Madrid 1884 —85, 2 Bde.);
Froude, The Spanish story of the A. (ond. 1892);
Laughton, State papers relating to the defeat of
the Spanish A. (daj. 1894); Tilton, Die Katajtrophe
der fpanijden A. (Freiburg 1894).
Armadill , ſ. Giirteltier.
Armadilla (jpan., for. adja), kleines Geſchwader.
Armadille (Dasypodidae), Familie der Zahn—
liieter (j. d.).
Armadillo, ſ. Aſſeln.
Armagh (pr. arma), Grafſchaft der iriſchen Proving
Ulſter, qrengt im RN. an den Lough Reagh, im O. an die
Grafidaft Down, im S. an Louth und im W. an Tye
rone u. Monaghan, umfaft 1328 qk (23,8 OV.) mit
(1901) 125,238 Einw. (94 auf 1qkm), wovon 45 Ero}.
Ratholifen find. Hauptitadt ijt Armagh.
Armagh (pr. arma), Hauptitadt der gleichnamigen
iriſchen Grafſchaft (f. oben), unfern des Fluſſes Callan,
liegt am Abhang eines Hiigels, deſſen Gipfel die aus
dem 12. Yahrh. jtanumende protejtantijde Nathedrale
frint, und madt mit feinen teilweife aus Marmor
erbauten Häuſern und mit Marmor gepflajterten
Straßen einen ftattliden Eindruck. Frither von grö—
ßerer Bedeutung (beriihmt war vom 5.—9. Jahrh.
feine Kloſterſchule), ijt YW. immer nod eine widtige
Stadt von (1991) 7438 Einw., mit bliihender Lein—
wandinbduftrie, lateiniſcher Schule, latholiſchem Semi-
nar (St. Patrick's College), qrofer Vibliothef, Stern-
warte, Gerichtshof und Irrenhaus. U. ijt Sis eines
fatholifden und eines anglifaniiden Erzbiſchofs.
ar ———— (fpr. amanja¢, Eau d'A.), dem Roqnat
ähnliches Getränk aus den Weinen des Depart. Gers
776
und eingelnen Gebieten der Depart. Lot-ct-Garonne
und Landes bereitet, enthilt 52—56 Proz. Alkohol.
Armaguac (jor. -manjad), Landſchaft im fiidliden
Franfreid), cin Teil der Gascogne, jest größtenteils
um Depart. Gers qehdrig, ijt mäßig fruchtbar und
sonderd betannt durch feinen Weinbau und feine
Branntweinbrennercien. Das Ländchen fiihrte den
Titel ciner Grafſchaft und hatte Auch zur Hauptitadt.
S. die Geſchichtskarte bei »Frankreich«.
Das gräfliche Geſchlecht der Armagnaes beſaß
vom 10. bis gegen Ende des 15. Jahrh. die Graf—
ſchaft A. nebjt mehreren fleinern Herrjdaften in Gas—
cogne und Wuienne. Der beriihmtejte aller Arma—
nac3 war Bernhard VII., unter König Karl VI.
eit 1407 Haupt jener a ee rtei, die
nad) ihm die Armagnacſche oder aud) die Oriéans-
AUrmagnacide hie, und deren Kennzeichen err ’
jage su der blauen Farbe des Feindes die weiße Urm-
binde wurde. Nad) dem Frieden von Pontoije (1. Aug.
1413) zwiſchen der Parijer Biirgeridaft und dem
Dauphin, der fic) mit den Urmagnacs vereinigt hatte,
30q Graf Bernhard W. in die Hauptitadt ein, ver-
teidigte jie gliidlid) gegen die Burgunder, ward nad)
Der Schlacht bei Azincourt (1415) Connétable und
erjter Minijter und lenfte fortan den Staatsrat. Durd
Defpotismus und blutige Harte bradte er aber alle
gegen jid) auf, was den Herzog von Burgund ver-
anlaßte, fid) 1418 der Hauptitadt gu bemächtigen.
A. wurde vom wiitenden Volke grauſam ermordet
12. Juni 1418). Sein älteſter Sohn, Johann IV.,
* der berüchtigten Söldnerbanden (der Ar—
magnaken) im franzöſiſch-engliſchen Kriege, ward
vom Dauphin ——— —— und von
Karl VII. erſt gegen btretung der Graffdaft Com-
minges und andrer Giiter freigelaffen. Er ſtarb 1451.
Sein Sohn Johann V. ſchloß fich 1465 der Ligue
du bien public gegen Ludwig an, verband fid) aud
ſpäter mit England sur Croberung Guiennes. 1473
ward er von dem Fonigliden Heer in Lectoure be-
lagert und von feinen Soldaten ermordet. Der lepte
feines Stammes war Rarl von U., des vorigen
Bruder, nad dejjen 1497 erfolgtem Tode Fran; J.
die Grafichaft W. jeinem Schwager, dem Herzog Sarl
vor Alencon, verlieh, durch deſſen Witwe fie an das
Haus Wibret in Navarra fam. Erſt Heinrid IV.
bradte fie fiir immer an die Krone von Franfreicd.
1645 tibertrug Ludwig XIV. den Titel cines Grafen
von A. auf Heinrid) von Harcourt, deffen Nachfom-
men ibn bis zur Revolution fiihrten. Cine Neben:
linte des Haules UW. ftiftete Nafob von A., Enkel
Vernhards VIL, durch Ludwig XI., Herzog von Ne—
mours und Bair von Franfreid. Auch dieſer A. trat
alg einer Der Hauptanfiihrer der Ligue du bien pu-
blic gegen Ludwig XI. bei, ward aber gefangen, in
einen etjernen Käfig gejperrt und 1477 enthauptet
(vgl. Mandrot, Jaeques d'A., duc de Nemours,
Far. 1890). Mit dem Tode feines Sohnes Ludwig
von Nemours, der 1503 in Ceriqnola in Stalien gegen
Die Spanier fiel, erloidh and) dieſe Linie.
Armagnac
— Armant.
reid) um Hilfstruppen bat, ſchickte dicier Die wilden
Söldnerhaufen an den Rhein, in der Hoffmung, zu—
gleich Die Lander am linfen Oberrhein in feine &
walt bringen ju fonnen. Go entitand der Urmag
nafentrieg (Urmejaden-, Urmeqedentrie
bellum Armeniacum). Während 10,000 A. in oth.
ringen fodten, zog der Dauphin Ludwig felbjt mit
ae alg 30,000 Mann nad) dem Sundgau gegen
die Schweizer. Bei St. Jatob an der Birs umweit
Bafel fam es 16. Aug. 1444 zur Schladt. 2000 Man
nev der Schweizer Vorhut kämpften bier 10 Stunden
lang gegen die Ubermadt und fielen, nachdem fiz
6000 Feinde eridlagen, bis auf 16 Flüchtige. Der
Dauphin 50g fid) nad) dem Elſaß zurück und fagte bald
| barauf im Frieden von Enfisherm den Eidgenoſſen
beſtändige Freundſchaft gu (28. Oft. 1444). Im E
ſaß und in der Pfalz hauſten die A. bid ms nächte
Frühjahr fort; die Bauern radten fich, indem fie alte
»Geden«, die fie qefangen nabmen, binridteten. Bo!.
Barthold in Raumers »Hijtorijdhem Taſchenbuch⸗
(1842); Wiilder, Urkunden und Sdreiben, betref-
fend den Zug der A. (Frankf. 1873); Tuetey, Les
orcheurs sous Charles VII (Montbéliard 1874,
2 Bde.); Witte, Die A. im Elſaß 1439 — 1445
(Strafjb. 1889).
Armalift, in Ungarn ein privilegierter Birger:
lider, der Das Recht hat, ein beftimuntes Wappen (lat.
arma) gu führen (j. Wappengenoffen).
Armancon (pr. -manghong), Fluß im mittlern
Frantreid), der in den öſtlichen Verzweigungen des
Morvanhodlandes in 405 m Hdbe ent}pringt und
nad) 174 km langem Lauf bei Cheny rechts mm die
Yonne mündet. Sein Tal enthalt die Eijenbabn von
Paris nad) Lyon und den anal von Burgund.
Armand, Sdriftiteller, ſ. Strubberg.
Armansperg, Joſeph Ludwig, Graf vox,
bayr. Staatsmann, geb. 28. Febr. 1787 zu Kdgting
in Miederbayern, gejt. 3. Wpril 1853 im München.
Sprößling einer alten, feit 1790 gräflichen Familie,
vertrat Bayern auf dem Wiener Kongreß. 1816
wurde er Direftor, 1823 Viyeprajident der Regierung
des Rheinkreiſes; 1825 in die Rammer gewablt, er—
warb er fic) Durd) ſeine Renntnijje und feinen Fretamt
großes Anſehen. 1826 übernahm er das Minijtertum
Der auswärtigen Ungelegenheiten, vertauſchte es aber
bald mit Dem des Innern und der Finanjen. Seine
Erjparungsmafregeln bradten ibm den Spottnamen
»Sparmannsberg« cin. Wegen feiner Hinneiqung
junt Liberalismus und ju der Politik der Wefhmadte
jegten Die Mlerifalen 1831 feine Entlafjung durd
1832 wurde er von der Londoner Konferenz jum
Prijidenten der Regentſchaft berufen, die wãhrend der
Minderjahrigteit Konig Ottos Griedenland regieren
follte, iibernahm bald aud das Finanzweſen, fonnte
aber bei Der Verarmung des Landes feine Erfolge er
zielen. Mit feinen Kollegen Maurer und Abel
ſeiner Abhängigleit von der engliſchen Diplomatie in
Zwiſt geraten, veranlaßte er 1834 ihre Abberufung
und wurde 1. Juni 1835, als König Otto volljährig
Armagnafen (jpc. «manji-; Urmagnacs, auch ward, sum Staatstangler befdrdert. Wis Konig Otto
Armegeden, von ihrer weißen Armbinde les Ban- | 1836 nad) Deutidland reijte, libertrug er *P die
des genannth, zügelloſe Soldknechte, die im franzöſi
iden Viirgerfrieg zwiſchen der Partei des Grafen von
Urmagnac und der des Herzogs von Burgund dem
von dem erjtern 1410 gebildeten Heer angehörten.
Sie wurden durch ihre Roheit und Pliinderungsfucht
lajtiq und biehen deshalb Ecorcheurs (> Schinder<).
Als Kaiſer Friedrich III. die Schweiger fic) unter:
werfen wollte und den Konig Karl VIL. von Frant:
| Reichsverweferidaft. Nad) der Riidfehr des Konigs
| erbielt A. 14. Febr. 1837 feine Entlajfung, worauf er
im März Griechenland verliek und feitdem auf fa
nem Gut Egg bei Deggendorf lebte.
Armant (Erment), Ort im Diftrift Salmieh der
ägypt. Proving (Mudirieh) Esna, am linfen Nlufer.
Dampferitation, mit fehr bedeutender Zuckerfabrit
des Chedive und (882) 6886 Einw. — VL. tit das alte
Armarium — Wrmbruft.
777
Hermonthis (agypt. Ber-Montu, »Haus des Gotted | rechten Arm (daher dextrale). Seit dem Ende ded
Mont«); der hier errichtete berühmte Tempel ift fajt | 12. Jabrh. trugen nur Frauen Armbänder, und feit
gainalich zerſtört und in die Fabrifanlagen verbaut. | — Hälfte des 16. Jahrh. wurde großer Luxus
rmarium (lat., davon franz. armoire, fpr. -miidr), |
Schrank fiir Geritidhaften, aud) Bücherſchrank. Ur-
marinus, Waffenfdmied; Biideraufieher; Bewahrer
Der Rirdenbiider und Vorſänger in Klöſtern.
Armaſcha, Ort in der aſiat. Tiirfei, 26 km nord-
öſtlich von Ismid, mit 1500 Urmeniern, die Acker—
bau, Seidenraupenzudt und Rohlenbrennerei tretben.
Dabei cin beriihmtes, 1611 gegriindetes armenifdes
Kloſter der Gottesmutter, jährlich von 7000 Pilgern
befucht, mit Prieſterſeminar.
Armateur 5* fpr. Adr), ſ. Kaperei.
Armatslen, dic kriegeriſchen Bewohner der ſogen.
Armatolien (Waffengebiete) in den nordgriechi—
ſchen Gebirgen von Makedonien, Epirus und Theſſa—
lien. WIS Mohammed I. 1460 Griechenland er-
oberte, fliichteten fid) viele Bewohner in das Gebirge,
um unter Häuptlingen (Rapitani) den Krieg int klei—
nen fortjujegen oder als Rauber (Klephthen) gu
leben. Dem Rapitano verpflidtete ſich eine Scar von
50 —200 Männern auf Leben und Tod und über
jiel den Feind auf Landjtrafen und in Stadten. Die
Paſchas tniipften meiſt Unterhandlungen an: fo er-
hielten die Mapitani gegen Zuſage friedlichen Betragens
Sold, Lebensnrittel und die Oberaufſicht in ihrem |
Bezirt. Diefe Begirfe wurden Urmatolien, ihre Be—
wobner U. genannt; leptere waren gum kleinſten Teil
Grieden, meijt aus politifdjen und religidjen Griin-
den verfolgte, chrijtlid) qewordene Albaneſen. 12,000
Mann jtarf fampften jie 1820 —22 in Whi Paſchas
Dienjten gegen die Tiirfen. Dann nahmen fie am
Shaws ya Freiheitslampf Unteil ; thre Fiibrer waren |
amals Eujtrates, Gogo (ju YUrta), Georg Zongas,
Saphafas und Georg Karaistalis (fielen beide 1827
vor Uthen), Georg Makry, Migo Rondojannis, Yo-
hannes Panuryas, Kalgodemos (jiel vor Miſſolunghi),
Odyſſeus (1825 als Überläufer gu Athen getdtet),
Georg Karataſſo, Chrijtos Mejtenopulos und Mar—
tos Botjaris an der Spite der Sulioten.
Armatiir (lat.), veraltete Bezeichnung fiir die
Unsriijtung der Soldaten; Urmaturfammer, fo-
viel wie Riijt- oder Waffenlammer. Yn der Ted:
nif die Gejamtbheit der zur Vervollſtändigung einer
Maſchine oder cines Upparats dienenden Teile, 4. B.
Damrpfteffelarmatur (Wusriijtung, Garnitur, Mon—
tierung). Jn der Phyſik die den Bolen cines na-
titrliden oder künſtlichen Magnets angelegten wei-
chen Eiſenſtücke (ſ. Magnetismus); aud der drehbare
Teil der Dynamomajfdinen und Eleftromotoren.
Armband (Armgeſchmeide, altdeutid Bouge),
band oder ringfirmige Sdymudiaden, die am Yrm
etragen werden. Aus dent Brongeseitalter (jf. die
vafeln bei Urt. »Metallzeit«) kennt man offene oder
—— flache oder gewundene, oft aus vielen
rähten alee a Reifen, auch breite Spiral:
gewinde zur Bedeckung des ganjen oder halben Unter:
arm8. Beſondere Vorliebe fiir Armbänder hatte das
germaniſche Heldenjecitalter; jie wurden felbjt von Krie⸗
gern getragen und werden als vorzüglichſter Ehren—
preis der Tapfern genannt. Im Orient trugen nament:
lid) die Bornehmen Urmbander, Ringe aus Elfen:
bein, edlen Metallen u. dql., gewöhnlich oberhalb der
Handwurzel. Yn neuerer Zeit reidjen fie oft bis an
Den Ellbogen. Bei den Römern trugen Wanner und
Frauen das A. (armilla), und als Ehrengeſchenk (gal-
beus oder galbeum) verlieh e3 Der Ymperator dem
verdienten Nrieger. Wan trug es in Rom meijt am
in Gold und Edeliteinen getrieben (ſ. Tafel » Schmuck⸗
jadjen J⸗, Fig. 17).
Armbinde, das durch dic Genfer Ronvention all-
gemein anerfannte Neutralitätsabzeichen fiir das amt-
ide und freiwilliqe Sanitätsperſonal im Rriege. Nie—
mand Darf dieſe weiße Binde mit rotem Kreuz
aus eiqner Machivollfonumendheit tragen und aniegen.
Die —— der freiwilligen Krankenpflege erhalten
die Binde allein durch den kaiſerlichen Kommiſſar
und Militärinſpelteur. Jede A. muß mit ſeinem
Stempel verſehen ſein; zum Tragen berechtigt eine
Ausweiskarte. Cine rote A. tragen die aus der Truppe
entnonunenen Hilfstranfentrager, die nicht unter dent
Schutze der Genfer Ronvention ftehen.
Armbruft (Armborſt, Armſt, Arbroſt, v. lat.
Arbalista, Arcubalista), aus dem Bfeilbogen ber-
vorgegangene Schußwaffe des Mittelalters (wahr-
ſcheinlich war auch die Gajtaphrete der Griecen
Spannbebel ;
Vifiertlappe ;
Spannfaften mit Hafen, der beim
Herunterflappen bes Spannhe⸗
belé nad ridmarts gejogen wi. bd;
Hebelverſchluß mit Feder;
Gabel, ywifden deren Saden cine
fleine Kugel, auf einem Draht
verſchiebbar, als Rorn beim Zie⸗
lent dient. Saft aus Cijen.
a
b
¢
=
e
Balefter ober Schnäpper aus dem 16. Jahrb. mit Stahl.
bogen und Doppelfehne (Germanijded Muſeum in Riirnberg).
eine A.). Sie bejtand aus einem Shaft von Hol;
(meijt Eibe) mit cinem Bogen aus Stahl oder Fiſch—
bein, deſſen Enden durch die aus Tierfehnen oder
Hanffäden gedrehte Sehne verbunden waren. Jn dent
Schaft lag eine um cine wageredte Welle drehbare
Nuß, hinter welche die zurückgezogene Sehne qelegt
und durch eine Abzugsſtange gehalten wurde. Durd)
einen Druc auf die lettere hob fie in der Nuß aus,
die Sehne ſchnellte nad) vorn, ſchlug bierbet auf dag
in der Rinne des Schaftes liegende Geſchoß (Bolzen,
Pfeil oder Kugel) und ſchoß es ab. Sum Spannen
diente Der Spanner, bei Reitern der hebelartige
Geißfuß (Scikfugarmbruft), bei ftarfern Bo-
en die Handwinde. Bei der Berteidiqung der
Stiidte jtellte man die große YW. von 7—Y9 m Linge
(Urfuballijte) auf der Plattform der Tore und
Tiirme auf, auch nahm man fie auf Wagen als Feld-
geſchütz mit ins Feld. Wan nannte fie dann Wag-
arntbruft und dad zugehörige Spannyeng die Wag.
Der Schnapper (Bate jter; ſ. Abbildung) mit fur-
zem Stahlbogen hatte cine Vorrichtung, die Sehne
oder den Spannbebel beim Spannen in den Ein—
ſchnitt einſchnappen ju lajjen. Zuweilen beſaß die A.
eine bedeckte Rinne oder einen zylindriſchen eiſernen
Lauf mit Sehnenſchlitz Kugelſchnäpper) undſchoß
778
Rugeln aus gebranntem Ton, Marmor oder Vlei,
die nod) auf 250 Sehritt einen Banger durdfdlugen. |
Hieraus erflart fic) aud), weshalb die A. nod) lange
neben dem Feuergewehr als Schußwaffe bevorzugt
wurde. Bon einer rafetenartige Bolzen ſchießenden
A. erbielt vermutlich die Arkebuſe (ſ. d.) ihren Ras |
men. In Frankreich fannte man die A. fdon im
9. Jahrh., in Deutſchland wurde fie im 12. Jahrh.
gebräuchlich und war von fo bedeutender Wirfung, |
dap ihr Gebrauch gegen Chrijten vom zweiten late-
ranijden Rongil 1139 verboten wurde. Witte des
16. Jahrh. verſchwand die YW. aus den Heeren, hat
ſich aber bei Schützenfeſten x2. nod) lange, vereingelt
bis heute erhalten.
Armee (franj., v. mittellat. armata, »bewaffnete
Macht«), Kriegsheer, bezeichnete frither wie das ſpa—
niſche armada (f. d.) Deer und Marine, ſpäter nur
die gejamte Landmadt. Werden Teile der W. fiir
kriegeriſche Operationen unter einen bejondern Ober-
befehishaber gejtellt, jo werden jie als 1., 2., 3. A.,
Yrmee —
oder nad) dem Kriegsſchauplatz (Elbarmee, Nord—
armee 2¢.), oder nad dem Oberbefehlshaber bezeich⸗
net. Gine folche A. gliedert fic) in Urmeeforps und
Ravalleriedivijionen. Näheres iiber die Urmeen der
veridjiedenen Lander f. unter den Landerartifeln.
Armeebar , |. Bärenfelle.
Armeebiſchof, der latholiſche Feldpropit des preu-
piidben Heeres.
Armecdelegicrte, den Armeeoberlommandos
beigegebene Delegierte des faiferliden Kommiſſars
dev freiwilligen Krankenpflege.
Armeedivifion, foviel wie Divifion (ſ. d.).
Armecfeftungen, große Waffenplätze, dic in ihren
Befeſtigungen Heere behufs ihrer Wufitellung , Aus—
riijtung x., oder nad Mißerfolgen zu ihrer Retablie:
rung aufnehmen und die LandeSverteidigung fon-
zentrieren, 3. B. Baris.
Armeegeneralarzt, dem Oberfommando einer
Armee als Chef des Sanitatswefens beigegebener Arzt.
Armeeinſpektion, ſ. Inſpektion.
Armeekorps, der größte Truppenverband, deſſen
Wirkſamkeit fiir Marſch und Gefecht nod von einer
Stelle, dem Generalfommando, an defjen Spite
der fommandierende General fteht, geleitet wird. Das
A. fet fic) aus allen Waffengattungen gufanunen, |
unter Zuteilung von Berwaltungsbebirden, Trains |
und Rolonnen, es ijt Daber gu dauerndem ifolierten |
und felbjtindigen Auftreten tn allen Kriegslagen be-
fabigt. Ym Kriege werden in der deutfden Armee
mehrere UW. und Ravalleriedivifionen unter einem
Oberfommando zu YUrmeen oder Armeeabteilungen
vereinigt. Der Yrmeeforps- und Divifionsverband
ijt von Napoleon I. gefchaffen und von allen euro:
paifdjen Heeren angenommen. Die WU. find aus 2 Di
vijionen zuſammengeſetzt, nur Franfreid) hat UW. von
24 Divifionen. Deutfchland hat 23 A. Jedes A.
refrutiert aus einer beſtimmten Provinz oder Staat,
wo es aud) garnijoniert, mur das Gardeforps in
Berlin, Potsdam, Spandau begieht feinen Erſatz aus
Preugken und cinigen durch enge Konvention verbun
denen Fleinern deutiden Staaten. Jn der Friedens-
qliederung bejteht das A. aus 2 Divijionen und den
Spejialwaffen (Jäger, Fußartillerie, Rioniere, Melde-
reiter, Train), in der NriegSqliederung aus 2 In—
fanteriedivijionen, Nolonnen und Trains. Die Kriegs-
jtarfe des deutſchen A. beträgt etwa 25 Bataillone
Infanterie, 12 Estadrons, 24 Batterien. Die Ber-
pilequngsitarte tm Rriege ijt rund 36,000 Köpfe und
10 -11,000 Bferde.
Armenien.
Armecfranfheiten , ſ. Heeresfranfheiten.
Armecfanitatswejen, |. Kriegsſanitätsweſen
Armegeckenkrieg, |. Armagnalen.
—— meer (Ärmelkanal, franz. la Manche),
j. Ranal.
tirmelpatte, rechtecliges Tudjtiid mit drei Me
tallfnipfen am Armelaufſchlag des Waffenrocks.
Armenantwalt, ſ. Armenrecht.
Armenärzte, ſ. Arzt, S. 838.
Armenbibel, |. Biblia pauperum.
Armencid, ſ. Urmenredt.
Armengefesgebung, ſ. Armenweſen.
Armenhanier, j. Urmenwefen u. Urbeitshauier-
Armeniaca, ſ. Apriloſenbaum.
Armenien, Land in Vorderaſien (ſ. Karte Kau
fafien«), das bis ins Mittelalter zeitweiſe unter eignen
Königen ſtand, dann feine politiſche Selbſtändigleit
verlor und gegenwärtig unter Rußland, die Türtei
und Perſien geteilt ijt. Es umfaßtt das Gebiet zwi⸗
ſchen Kleinaſien im W., der Tiefebene des Aras und
Kur im O., dem Kaukaſus im N. und den Gebirgen
ſüdlich Des Murad im S. und bildet in dieſem Um
fang ein in fich geſchloſſenes Naturganzes: etme mad>
tige, Die umgebenden Länder tiberragende Dodlands-
maſſe mit fett alters einbheitlider Bevdlferung. Das
Innere nehmen 800—2000 m ii. M. qeleqene, merde-
reiche Hodjebenen ein, auf denen fic) iſolierte, bis
—
über 5000 m hohe Regelberge, meijt alte rater, und
lange Gebirgstetten erheben. Unter legtern ijt die
vom Ararat bis zum Zuſammenfluß der beiden Quell⸗
flüſſe Des Euphrat ſich — vielnamige Rette
die bedeutendſte; ſie teilt Land in cine ſüdliche
und eine ndrdlidje Hälfte. In der ſüdlichen liegt die
Talebene des Murad Su oder öſtlichen Cupbhrat, bei
Muſch etwa 1400 m hod; in der ndrdlichen find die
Hochebenen von Bajesid, Erzerum (1860 m), Rare,
Achalzych und Eriwan (985 m). Der Hodebene von
Eriwan jind aufgefest: der Grofe Ararat (5156 m),
der Kleine Urarat (4030 m) und der Ulagid; (4180 m).
Die Rander des Hoclandes fallen geqen N. und S
jab in tiefer — Landidaften ab, wabhrend der
tibergang im W. fleinafiatijden, tn O. zum
iranijden Hodland unmerklich ijt. Zwiſchen dem
Nordabfall und dem vom armeniſchen Taurus ge:
bildeten Siidrande ſteigen mehrere Berggruppen zu
mehr als 3000 m an, 3. B. Bingdl Dagh (3925 m),
Balandifen (3150 m), Sipan Dagh (3800 m), Wia
Dagh (3520 m). Südlich vom Taurus folgt eine
breite Langenjtufe, in welder der Tiqris im der Tal-
ebene von Diarbefr nach ©., weiter weitlich auch der
Euphrat auf eine Stree nach W. fließt. Am S. wird
diefe breite Lingenjtufe von dem von O. nad B.
jiehenden, iiber 1000 m hohen Tir Ubdin (Mons Ma-
sius) beqrengt und von der erjten Stufe Wefopota-
miens —— Um Weſt⸗ und Oftrande ſteigt man
allmablid) fiber mebrere Stufen in furjen Engpäſſen
auf die Hodebenen Armeniens hinauf.
Die Bergketten Urmeniens ähneln im Bau dan
Rautafus (}. Kaulaſien Geolog.) und befigen im ©.
dasſelbe Streidjen, das jedod) im BW. mehr nad NO.
gerichtet ijt. Sie bejteben wie der Kaukaſus aus einem
altfrijtallinijden Kern (Gneis, kriſtalliniſche Schie-
fer, Granit) und ausgedehnten Ublagerungen jinae-
rer Sedimente, namentlid) von Kreide und Tertiar.
Weite Uusdehnung beſitzen jungvulfanifdje Geſteine
(Andeſit, Tradyt, Bafalt), die nach der Erhebung der
armenifden Alpenketten von einer großen Sabl jest
erloſchener (Ararat, Bingöl, Alagöz) oder im Solfa-
tarenzuſtand befindlicher (Tanturef) Bulfane gelie⸗
Armenien (Klima, Pflanzen
fert worden find. Thermen und Erdbeben mit dem
Urarat als Sentrum erinnern an die vullaniſche Tä—
tigfeit des Gebiets. A. ijt reid) an Mineralſchätzen.
Berühmt find die Berqwerfe ju Gümüſchchane und
Kure Baiburt, die Silber, Blei, Eiſen, Arſenik, Kup—
fer, Ulaun und tertidires Steinfals liefern. — Arme—
nien8 Flüſſe gehören mit wenigen YWusnahmen zu
den Hier entipringenden Stromfyjtemen de3 Euphrat⸗
Tigris, Urares und Kur. In den Pontus miindet |
zu ihnen fant, in eigentitmlider Weiſe aufgefaßt und
der Tſcharuch. An größern Seen enthilt A. den
779
finden fid) cigentiimlide Urten. Die niedere Fauna
der armenifden Alpenſeen ſchließt ſich in ihrer Bue
ſammenſetzung der Der Schweizer Alpenſeen ar.
{Wevsilferung.} Die Armenier haben ertrem
hobe Kurzſchädel, dide, große Naſen, dunkle Haare
und Augen; ſie ſind intelligent und beſitzen aus der
Zeit vom 4.—12. nachchriſtl. Jahrh. eine reiche Lite—
ratur, namentlich in Geſchichte und Theologie. Ebenſo
haben fie die chriſtliche Religion, die bereits im 2. Jahrh.
- und Tierwelt; Bevdlferung).
Wanfee auf tiirfijdent, den Göltſcha auf ruſſiſchem entwicelt und fic) m neuerer Zeit aud) dev evange-
und den Urmiaſee auf perfijdem Gebiet.
lifchen Lehre zugänglich gezeigt (ſ. Armeniſche Kirche).
[Klima, Pflanzen⸗ und Tierwelt.J A. zerfällt in | Sie find arbeitſam, ſparſam und enthaltſam, jedoch
die drei Klimaregionen des Regens mit ſubtropiſchem ränkeſüchtig und von geringer Moral und beſitzen
Klima, des veränderlichen Niederſchlags und des ewi- großes Geſchick gu kaufmänniſchen Geſchäften, bei
en Schnees. Die erſte begreift nur das Kurtal von
iflis bis zum Kaſpiſchen Weer und die Tallandſchaft
des obern Tigris, die zweite die Hochebenen, Rand—
gebirge und Plateaus bis zu 4000 m und bietet viele
AUbjtufungen dar. Die Hodebenen haben ſehr rauhes
Klima, lange, ftrenge Winter und furze Sommer
mit fehr heißen Tagen, aber falten Nächten. Cin da-
rafterijtifdjer Bug des armenijden Klimas bejteht in
den ſcharfen Gegenſätzen feuchter Luftididten von
verfdiedenen Temperaturen und in deren häufiger
Uusgleidung durd) heftige Entladungen (Schnee—
ſchauer im Winter, Regen- und Hagelfdauer im Som-
mer). Die Region des ewigen Schnees begreift die
höchſten Teile des Verglandes ; am Urarat bei 4000 m
beginnend, reicht fie mm Innern noc über 800 m
tiefer herab. Wtittlere Jabrestentperaturen und mitt-
flere Jahresertreme (cingeflammert): Trapezunt 15,5°
(30° und —3°), Tiflis 13° (88° und —12°), Wleran-
dropol 5°, Eriwan 11°, Urarat (Gipfel) unter 0°.
Regenmengen (ahr): Tiflis 49, Wlerandropol 38,
Aralich 14 cm (Marimum Mai, Minimum Yanuar-
Februar); Niederſchlagstage 80 — 120.
Gin jujammenbhangender Waldbejtand gehört nur
den äußern Randgebirgen an. Bis 1500 m erbebt
ſich cin Giirtel immergrüner Geſträucher, Eichen
(Quercus pubescens), Hainbuchen (Carpinus orien-
talis), Haſel (Corylus), dagu an jonnigen Stellen
echter Lorbeer. Hier wadfen aud) pontijde Alpenroſe,
Ujalee und Kirſchlorbeer. Bis 2000 m treten Laub-
waldungen aus Eichen, Buden, Uhorn, Linden und
Erlen auf, gemiſcht mit der orientalifden Fichte (Pi-
nus orientalis), Najtanien, Obſtbäumen und Bap-
peln. WMitunter geht der Laubwald unmittelbar in
die Region fubalpiner Sträucher und Kräuter iiber.
Vemertenswert find die das Anjeftenpulver liefern-
den Pyrethrum-rten. Die Baumgrenze fdwantt
zwiſchen 2300 und 2800 m. Uber 2000 m beginnt
die Region der Ulpenrofen (Rhododendron cauca-
sicum). Die reidje Bewäſſerung und die fontinen-
tale Plateauwärme lafjen die Kulturgewächſe raſch
reifen. Der Weizenbau reidt bis 1800 m, der Gerjten-
bau bis 2200 m, die Hodjebene von Erzerum gewährt
ergiebige Weizenernten. Am Urmiafee werden Baum:
wolle, Sefam und fogar Reis gebaut, die Feige ge-
deiht an geſchützten Orten, der Weinbau wird am
Wanfee bis 1800 m betrieben. Uberall aber, wo die
—— oder die Durch fie geſpeiſten Flüſſe fehlen,
herrfdjen Unfrudtbharteit und Verödung. — Die Tier-
welt zählt gur europäiſchen Subregion der paliart-
tijden Region. Bon Vierfüßern finden fic) nod) zahl⸗
reiche Biren, Luchfe, ferner Lemminge, Murmeltiere ;
Füchſe, Dachſe und Wolfe werden immer mehr aus-
gerottet. Unter den Vigeln find an den Seen befon-
ders Waffervigel reid) vertreten. Unter den Schnecken
deren Uusiibung ihnen jedes Mittel recht ijt. Yor Er-
werbsfinn, den jie in der Heimat nidjt geniigend be-
titigen finnen, führt fie oft in die Fremde, vor allem
nad) Konjtantinopel, wo fie zahlreiche Beamtenjtellen
innehaben, damn aud) in die umliegenden Lander bis
nad Wefteuropa und felbjt Nordamerifa. Wher trotz
dieſer Zerſtreuung bilden ſie überall geſchloſſene Ge—
meinweſen, die ihre nationale Eigentümlichkeit zu
behaupten wiſſen. Man ſchätzt ihre Zahl in A. ſelbſt
auf höchſtens 1 Mill. (in gang Türkiſch-Aſien auf
1,144,000), in Perſien und den Landern öſtlich da-
von auf 43,000, in der Curopiijden Türkei auf
400,000, in Rußland auf '/s Mill, in Wfrifa auf 5000,
in Siebenbiirgen, Ungarn und Galizien auf 16,000,
im itbrigen Europa auf 1000. Die Geſamtzahl dürfte
2 Mill. wenig überſteigen. In der Heimat find die
Armenier meijt Hirten und Ackerbauer geblieben.
Ihre Mleidung gleidjt der tiirfifden, nur dak fie ſtatt
des Turbans eine hohe Pelzmütze tragen. Die Frauen
dürfen fid) Sffentlid) nur verbiillt zeigen und ftehen
auf niedriger Stufe. Um die Hebung der geringen
geijtigen Bildung des Bolles haben jich evangelijd)-
amerifanijde Miffionare und frangofifde Jeſuiten
verdient gemadt. Außer ihren Unjtalten gibt es in
YW. nur wenige Schulen. Auger Urmeniern wohnen
im Lande als Cingewanderte die herridenden Tiir-
fen, Rurden, im SDH. tatarifde Stämme, Ne—
jtorianer, die einen ſyriſchen Dialeft ſprechen und
jumeijt die Gebirge an der Grenje von Perſien be-
wohnen, Georgter und Lajen im N. fowie zer—
jtreut Griechen, Juden, Zigeuner. Die Wohnungen
ind mit Rückſicht auf den langen, harten Winter ane
elegt und haben möglichſt wenige Offnungen. Die
acter bejtehen aus Lehmbiitten, häufiger aus unters
irdiſchen Wohnungen. Ummnittelbar neben dem Wohn⸗
emach befindet fic) Der Stall und unter der Dach—
ufe cin 1 m tiefes Lod) tm Boden (Tandur), das als
Ofen und zur Brotbereitung dient. Sehr bedeutend
ijt Die Schafzucht. Der im ganzen unbedeutende
Ackerbau erzeugt Weizen, Gerjte, Spelz und Flachs,
auf den Ebenen Reis, Baumwolle, Tabaf, Sefam,
bier und da Hirje. Jn den Ebenen wird aud Seiden-
raupens, Bienen: und Obſtbaumzucht fleißig betrieben,
jtellenweije ausgezeichneter Weinbau. Die wenig ent:
wicelte Induſtrie erzeugt Teppiche, feidene und wol-
lene Zeuge, Striimpfe, Pferdedecten, Schals, nament-
lid) aber Treffen, wozu man die Gold- und Silber-
faden meiſt aus Rupland erhalt.
Im Ultertunt unterfdied man das meijt ſelbſtän—
dige Großarmenien (Armenia major), die grofe
Ojthalfte des Landes, und das rimijde Klein—
armenien (Armenia minor), das den fleinern Ge-
bietsteil wejtlid) vom Euphrat umfaßte. Geqenwir-
tig ijt UW. unter die oben genannten Mächte geteilt.
"
780
Türkiſch-A. umfakt auger dem alten Meinarme-
rien den weſtlichen Hauptteil von Grogarmenien: die
Wilajets Wan, Bitlis, Erzerum fowie Teile der Wi-
lajets Diarbefr und Charput mit den Hauptitadten
Erzerum, Wan, Bitlis, Muſch. Ruſſiſch-A. (Frither
im Befits der Perſer) begreift Den Nordojten des alten |
Großarmenien, die jetzigen Gouvernements Eriwan |
und Selifjawetpol, das Gebiet von Kars ſowie Teile
des Gouv. Tiflis mit den Stadten Tiflis, Kars, Eri |
wan, Wlerandropol, Jeliſſawetpol, Nachitichewan, |
Schuſcha und den drei altberiihmten Klöſtern Etſch—
miadſin, Sig des Patriarden von A., Haghpad und
Sanahine. Der perſiſche Teil von W. wmfakt die
ſüdöſtlichſte Eee de3 alten Grogarntenien und gebhort
zur Proving Aſerbeidſchän.
Geſchichte.
Das Bergland nördlich von Meſopotamien bezeich—
neten die alten Babylonier als Gutium oder Kuti;
es gibt eine Inſchrift aus der Zeit Naram-Sing (um
8000 v. Chr.), worin ein »König der Kuti⸗ über feine
an den Gonnentempel ju Sippar gejtiftete Weihung |
fpridt. Später find Hethiter m das Gebiet rund
unt den BWanice eingedrungen: die Aſſyrerkönige
Salmanajfar [. (um 1270) und Tiglath-Pilefar I. |
(um 1100), Aſſurnaſirpal ITT. (am 880) und Sal- |
manaffar IT. (857) kämpften wiederholt gegen die |
hethitiſchen Reiche Nairt und Kirchi, Muͤſſaſſir,
Man und namentlich gegen Urarthu, das ſich un—
ter ſeinen durch kürzlich aufgefundene Inſchriften
mehrfach bezeugten Königen Sarduri, Jipuinis, Ar—
giſtis und Ruſas mühſam des aſſyriſchen Uberge-
widhts au erwehren ſuchte, bid es um 650 der Ein—
wanderung indogermanifder Stämme(der Kim—
mterier, Dann der Aſhkuza, endlich der Wieder) erlag.
Am Norden behaupteten fich iberifde, im Süden fur-
diſche und fyrifde Rejte. Aus der Durchſetzung der
alten Bevdlferung des Verglandes mit den eingewan—
dDerten Indogermanen hat jich allmablic das arme—
niſche Volk entiwidelt, das mit dem Untergange des
mediſchen Reiches um 550 v. Chr. den Perſern unter-
tan wurde. Die Yrmenier nannten fich felbjt Hayf |
(Herren«), Daher ibr Land perſiſch Hajajtan hieß,
während der Name W. von den Wedern herriihrte.
In der Bibel wird A. Thogarma genannt. Die ar-
meniſche Überlieferung verbindet diefe drei Namen,
indem fie als »YUrdeqeten« des Bolfes Hayf, Sohn
des Thorgom, nennt und feinen Sohn Armenak erjten
König des Landes Urarat fein läßt. Mit ganz Ber: |
fien wurde aud A. von Wlerander d. Gr. ei
Reid) einverleibt (330 v. Chr.). Nach Wleranders
Tode fam W. unter die Herridajt der Seleutiden und
blicb darunter bis auf Antiochos IIT. d. Gr. Ws
dieſer 190 v. Chr. von den Römern geſchlagen wurde,
qriindete 189 YUrtarias (Artaſhes) im Araxestale das
Sealing, 5 »>Mrofarmenien« mit Urtarata, Zaria-
dres das ebenfalls von den Römern anerfannte » Klein:
armenien« mit Sophene am Tigris.
Wrofarmenien mute 166 die Oberhoheit des
Seleufiden Untiodos IV. Epiphanes anerkennen, fiel
aber 150 dem parthiſchen Arſakiden Mithradates I.
ju. Uber obwoh! Mithradates IL. (124—76 v. Chr.) |
den parthifden Einfluk auf A. feityubalten fudte, |
libernahm unter Tiqranes J. (94 —56 v. Chr.), der
Mappadofien und Mefopotamien, 83 aud) Syrien er:
oberte, A. felbjt, wenn auch nur auf kurze Beit, die
Führung der iraniſchen Stimme. Wis Schwieger-
john Withradates’ VI. von Pontus in deſſen Krieg
mit den Römern verwidelt, wurde er 69 von Lucullus
bei fetter Hauptitadt Tiqranoferta und 66 von Pom—
Armenien Geſchichte).
pejus befiegt. Sein Radfolger Artavazd J. (Arte⸗
bazos; 56—30) bradte 53 v. Chr., durch Orodes L
daran verhindert, dem Romer Crajjus auf deſſen Zug
gegen die ‘Barther feine Hilfe und ward 30 anf Yin-
tonins’ Unjtiften gefangen weggeführt. Seitdem blieb
WU. jahrhundertelang Gegenjtand des Kampfes zwi⸗
iden Römern und Barthern: nur voriibergebend
| ward der parthifde Prinz Tiridates durch Nero mit
A. belehnt (62 n. Chr.), und fam e3 durch Trajans
Siege (114—-116) unter römiſche Herridaft; 242
aber ward ¢3 von Gordian IIL. dem Sajaniden Sha-
pur I. abgetreten. 286 von Tiridates d. Gr. (Trdat)
mit römiſcher Hilfe noch einmal befreit, wurde Groß
armenien damals durd Gregor den Erleudter (Gn.
gor Lijavorit; 294) dem Chriftentum gewonnen;
416 in eine römiſche und eine perjifche Halfte zerteilt,
ward der Ojten 430 von Bararan V. als »Perſa—
mienas zu ciner Provinz de3 Safanidenreichs gemac’,
der nad) und nad) aud) der fleinere weftliche Teil an-
gegliedert wurde. 636 ward Grofarmenien von den
rabern iiberflutet, hatte unter deren Saimpfen gegen
Byzanz fewer gu leiden und wurde teils von byzan⸗
tiniſchen, teils vom arabiſchen Statthaltern regiert
Unter der Dynajtie der Vagratiden, die 859 mit
Dem ⸗Fürſten der Fiirften< Aſhot J. (König« 885,
geſt. 890) in Abhängigleit von den Kalifen zur
Herrſchaft qelangte, bliihte das grofarmenifde Rei
nod) einmal auf, vermodte fic aber, bald von in:
nern Kämpfen gerrijjen, der Perſer, Tataren und an-
derer Nachbarn nicht zu erwebren und fiel daher 1089
jum Teil in die Gewalt der Bysantiner, yum Teil in
die der feldfdhutifchen Tiirfen. Nur einige einhe
miſche Fürſten behaupteten ihre Unabhängigkeit, bis
Mitte des 13. Jahrh. die Mongolen Hulagus, dann
(1390) die Timurs verwiijtend cindrangen. 1467
tam Grogarmenien durch Uzun Hafan an die Turt-
menen vom »Weiken Hammel« (bis 1473); 1507—
1514 beſaß es der ſchiitiſche Sefewide Ismail. Der
Osmanenſultan Selim I. aber eroberte 1514 UW. und
verleibte e3, bis auf das öſtliche Jrwan, das die Fer:
fer bebielten, dem türkiſchen Reid) cin. Den ndrd-
lichen Teil des feit 1623 wieder etwas erweiterten
perſiſchen Grogarmenien mit Eriwan croberten 1828
Die Muffen, die 1878 aud) den Türken das Gebiet von
Kars und Batum abnahmen.
Rleinarmenien, das Land awifden dem Halys,
dem Rontiichen Gebirge, dem Cuphrat und dem Ei—
ſiſchen Meerbufen, deffen Hauptitadt anfangs Sophene,
dann Melitene (Malatia) und Mopſuheſtia (Mis),
zuletzt Sis war, wurde von Mithradates mit dem
pontifden Reid) vereinigt und nad deffen Beſiegung
durd) die Romer dem Dejotarus, Vierfürſten von
Malatien, verliehen, bis e3 70 n. Chr. durch Veſpa—
jianus zur römiſchen Proving gemadt wurde. Bei
der Teilung des römiſchen Reiches (395) fam es yum
oſtrömiſchen Raifertum, dent 428 aud) der Flemere
wejtlide Teil Grokarmeniens zugeſchlagen wurde;
aber 633 wurden die Uraber die Herren Rleinarme-
nien’. 752 von den Byzantinern wiedererobert,
juchte es fid) von der Fremdherrſchaft frei yu machen.
1080 beqriindete Der Bagratide Ruben (Rhupen)
cin felbjtindiges Reich, dad fic) unter feinen Nadfol-
qern iiber Riltfien und Rappadofien erjtredte und in
Den Kreuzzügen eine Rolle fpielte. Daneben gab es
jedoch kleinere Herridaften in A. Leo IT. erbat ſich
von dem König von Jerufalem, Grafen Heinrich von
Champagne, die Königswürde, lief fie ſich durch Rai-
fer Heinrich VI. und Papſft Colejtin LIT. beſtängen
und empfing aus den Händen des Mainzer Erzbiſchofe
Armenierftadt — Armeniſche Rirde. 781
Konrad von Wittelsbad) (1198) zu Tarſos die Krone. | and Turks (Lond. 1880, 2 Bde.); Tozer, Turkish
Su Unfang des 13. Jahrh. tam das Land in Wb- | Armeniaand Eastern Asia Minor (daſ. 1881); Frédé,
hängigkeit von dem Seldidufen-Sultanat von Rum; | Voyage en Arménie’et en Perse (Par. 1885); Chan-
dann aber wurde es durch Hulagu (1256) den Mion: | tre, A travers l'Arménie russe (daſ. 1893); Wart-
golen untertinig. Dazu famen {pater Streitigfeiten | worth, Notes from a diary in Asiatic Turkey (Lond.
mit den Gultanen von YUgqypten, die A. wiederholt | 1898); Lynd, Armenia, travels and studies (Daf.
verwiijteten, jowie innere Serwiirfuifie, bejonders in- | 1901, 2 Bde.). — Die Gejdidte Urmeniens ijt mehr-
folge der Cinmijdung der Päpſte in die firdlichen | fac) von armeniſchen Schriftitellern des 5.—7. Jahrh.
Ungelegenheitern Urmeniens. 1375 erlag es dem | bearbeitet worden (näheres f. Urmenijde Literatur).
aigyptijden Sultan Schaabin I. Der legie König, | Val. ferner Lufas Indſchidſchean, Ultarmenien
Leo VI., aus dem Haufe der Lufiqnan von Cypern, | (1822); Dericlbe, Archäologie von A. (Bened. 1836,
miitterlicerieits von den Rhupentden abjtammend, | 3 Bde.); Riepert, [ber die älteſte Landes u. Volts.
fiel in ägyptiſche Gefangenjdaft und ſtarb nad ſei- geſchichte von YW. (Monatsberichte der Berliner Aka—
ner Freilaſſung in Paris 1393; Rleinarmenien wurde | demie, Berl. 1869); Abaſa, Geſchichte Urmeniens
nun von ägyptiſchen Statihaltern gu Sis regiert. 1403 | (ruff., Betersb. 1888); » Historical sketch of Arme-
bradjen die Turfmenen vom ⸗Schwarzen Hammel · nia and the Armenians, by an old Indian-(Lond.
in U. cin; 1467 wurden fie vom ⸗Weißen Hammel< | 1896); Gregor, History of Armenia from early
abgelijt. Rad) ihrem Sturz madjten fic) die perji- | ages to present times (Daj. 1897); Seth, History
ſchen Sefewiden gu Herren von Rleinarmenien, wur- | of the Armenians in India (daſ. 1897); Winckler
den jedod) 1514 (Selim I.) durd die Tiirfen ver- | und Sdurg im 3. Bande von Helmolts »Welt-
drängt, unter deren Votmapigfeit das Land gum gro: | gefchidte« (Leipz. 1901).
fen Teil nod) jest jteht. Die oft in erbitterten Uuf-| Wrmenterftadt, ſ. Szamos-Ujpär.
ſtänden fic) Luft machende Feindſchaft der hrijtliden| Armeniſche Kirche. Nad der Legende hat ſchon
Armenier gegen die Mohammedaner in A. (Kurden rc.) | der Upojtel Thaddaus das Evangelium in Yirmenien
bot Ende des 19. Jahrh. mehrmals Anlaß zur Er- | verfiindigt; der wahre Apoſtel Urmeniens ijt der 302
irterung der armenijden Frage; Ende 1901 | in Cajarea in Kappadofien zum Biſchof geweihte Gre-
gab es 3. B. im ruſſiſchen Transfaufafien 40,000 | gor der Erleucter (jf. Gregor), der in Verbindung
armenijde Flüchtlinge. mit Dem König Tiridates die Chrijtianijierung des
lEutdectungsgeſchichte, Literatur.] Bis zur Be- | Landes planmapig ins Wert fegte. Nerſes (um 370)
ſitznahme der Proving Eriwan durd Rußland hatte | und Sahak d. Gr. (um B90) machten die a. K. von der
man von A. nur liidenbafte Runde. Die erjten fliid- fappadofijden Mutterfirde unabhingig. Durd Sa-
tigen Befdreibungen lieferten Hardin, Tournefort | haf und jeinen Gebhilfen Mesrob erhielt jie Bibeliiber-
und Olearius im 18. Jahrh., Morier, Ker Porter, | fepung u. Liturgic. Seit der Mitte des 5. Jahrh. hat-
William Ouſeley zu Anfang de3 19. Jahrh. Erjt als | ten die armenijden Chrijten unter den von den Per—
die Ruſſen in A. Sicherheit der Straßen hergejtellt | fern begiinitigten Verſuchen, die Feuerreligion wieder
haiten, fepte die ernjtere Forfdung ein. Parrot be⸗ zu beleben, ſchwer gu leiden, und erjt die Ratajtrophe
reifte mit jeinen Begleitern Behages und Federow A. | des perſiſchen Reides unter Pero; 484 machte den Ver-
1829, bejtieg die beiden Araratkegel und veriffent- | folqungen ein Ende. Infoige der Nichtanerfennung
lichte Das erjte wiffenfdaftliche Werk (>Reife gum Yra- | des Konzils von Chalfedon (451) und der damit zu—
rate, Berl. 1834, 2 Bde.). Später durchzog der WUr- | ſammenhängenden doqmatifden Annäherung an den
chäolog und Naturforjder Dubois de Montperreur | Monophyfitismus (ſ. Monophyfiten) geviet die a. K.
Diejelben Gegenden. Ihm folgten Karl Kod) (» Wan: | in eine kirchliche Sonderſtellung, die durch die poli-
derungen im Orient«, Vd. 2 u. 3, Weim. 1846—47), tiſche Abgeſchloſſenheit nod) verſtärkt wurde. Die lite-
Szowitſch, Carteron, Wosfobrinifow, Rolenati, Brojjet rariſche Betriebſamleit erhielt fid) aber, umd ein an-
(> Voyage archéologique«, Bar. 1849 —51), 3. G. ſehnlicher Teil der altfirdlicjen Litevatur. ijt nur in
Taylor und Streder (j. d., »Zur Geographie von armeniſcher Sprache auf uns gefommen. Oflere Ver-
Hodarmenien<, 1869). M. Wagner (⸗Reiſe nad dent | jude, die Union fei es mit der qriechifdjen, fet es mit
Urarat und dem Hodland A.«, Stuttg. 1848) befudte | der römiſchen Kirche wiederberjzujtellen, miflangen;
uerjt die Durd) kurdiſche Räuberſtämme äußerſt une | aud der auf dem Konzil gu Floreng (1439) beſchloſ—
idjere Siidjeite des YUrarat. Sehr bedeutungsvoll find ſenen Union, nad) der die a. K. gwar die Lehre von
die geologifden Arbeiten Abichs, der feit 1844 den | den zwei Naturen annehmen, aber thre nationalen
Alagöz und die vulfanifden Gruppen an der Siid- | und ritucllen Cigentiimlicfeiten behalien follte, tra-
feite des Göklſchaſees bereijte (Geologie des arme- | ten nur die auferhalb YUrmenien zerſtreuten Glieder
niſchen Hodlandes«, Wien 1882, 1. Halfte). Um die | der armenifden Kirche bei, und cine Spaltung der
nalurwiſſenſchaftliche Durdhforfdung hat fid) Guſtav Kirche in eine fatholijde oder unierte und cine ſchis—
Radde, dejfen Sammlungen das Kaukaſiſche Mu- | matifde war die Folge. Beide Parteien jtehen ſich bis
ſeum in Tiflis birgt, die größten Verdienjte erwor- | auf den heutigen Tag aufs feindlichſte gegeniiber. Bu
ben. Gin nicht geringer Teil von Türkiſch-⸗A. ijt ane | den unierten Armeniern, deren Zahl etwa 100,000
läßlich ded letzten Krieges Durd die Rufjen aufgenom: | betragt, gehört der reichſte und gebildetjte Teil der
men worden. Sehr reidje Ergebniſſe, namentlid) an | Nation, auc) die Mechitariſten (ſ. d.), in deren Hane
wertvollen Inſchriften und topographijden Wufnah- | den fich fajt die ganze armenijde Literatur befindet.
men, lieferte die 1898/99 von 3 Bold und &. F. Leh- | Sie unterjtehen emem in Ronjtantinopel refidievenden
mann ausgeführte Reife. Batriarden. Die Nichtanerkennung der Unfeblbar-
Bal. auger den angefithrten Reifewerfen: Saint: | teitserflarung durd) den geiſtig hervorragendjten Teil
Martin, Mémoires historiques et géographiques | der Unierten hatte ein Schisma zur Folge, das 1879
sur l’Arménie (Bar. 1818, 2 Bde.); Curzon, Ar-| mit Unterwerfung der Renitenten endigte. Leo XIII.
menia; a residence at Erzeroum (Lond. 1854); Yf- | hat den Unierten durd) die Cngyflifa vom 25. Juli
ſaverdens, Armenia and the Armenians (Bened. | 1888 die Erhaltung der armenijden Sprade und Li-
1874 —75, 2 Boe.); Creagh, Armenians, Koords | turgie fitr den Gottesdienjt von neuem gewährleiſtet.
782
nier angehort, find denen der alten griechiſchen Kirche
verwandt. Ten Hauptunteridied im Dogma bildet
die Lebre von der Bermiidung der — und der das
menſchlichen Natur im Chriſtus ju emer einzigen.
Mit der Taufe, bet welcher der Taufting dretmal be⸗
fprengt und untergetaudt wird, verbinden die Arme⸗
nier Die Firmumg, gebrauchen berm Abendmahl un-
vermifdten Bein und getduertes Brot, das, in Wein
—— herumgereicht wird, und nehmen die Letzte
{ung nur an qetitliden Berfonen vor. Das Ober⸗
haupt (Ratholifos) der idismattiden armentiden
Kirche ijt der Ratriard von Eticnriadjin. dem em
Rat von Erzbiſchöfen und Biiddfen zur Seite ftebt,
und Dem die Latriardhen von onjtantinopel und .
Jerufalem rechtlich untergeordnet find. Tatſãchlich tt
freitich wenigſtens der eritere von dem Natholifos, zu⸗
mal feit diejer unter ruififder Obödienz ſteht, unab⸗
hangig. Der Bildungsitand der Geiſilichen tit
inre Borbecitung eine mebr ãußerliche und pel ang
Die Pfarrer ziehen ihren Unterhalt aus den firdliden
Almoſen.
Seit 1831 haben proteſtantiſche, beſonders ameri⸗
ration und englifde Mijfionare evan
den zu bilden beri und feit der Mitte des Jahr⸗
hunderts mance Erfo olge zu verzeichnen; Dod) ſteht
die Verquickung des religiöſen und des nationalen
Elements bei den —— der Trennung von der
Mutterkirche entgegen. In der Türkei hat dad Wert
der Proteſtanten von dem Übelwollen der Regierung
viel zu leiden. In den letzien Jahren find die chriſt⸗
lichen Armenier blutigſter Verfolgung ausgeſetzt ge⸗
weſen, deren Einzelheiten an die grauenhafteſten Sze⸗
nen des Mittelalters erinnern. Bgl. Hamachod,
Chronological succession of Armenian patriarchs |
(Lond. 1865); Malan, Divine liturgy of the ar-
menian Church oa. 1870); dell Ay 7 Der Ritus
Der armenifden Kirche (ruſſ., 1875); Re
—— —— = und ſonſtigen
ve, L'Ar- jer<), azar von Bbarp (»
Armeniſche Literatur.
Dogma und Ritus der ſchismatiſchen Armenier, ũ
denen Die weit überwiegende Mehrzabl aller Mrme- die
irchengeſchichte und die Chrom® des Eufebrus
Homilien und Kommentare des CUbryi cttoms,
teledxe. Wabrend — —— gstã tigtert auc im den
folgenden Jabrounderten bliibte, entwidelte fid man
aud eine felbjtindige literartide Tãtigkeit, dte aber
im a Ga cate aoe ia eee
blieb. Es qebdren hierher jablreiche Rommentare zu
den bibliſchen Biichern, Streitidriften, Homilien, “A
den, Briefe, Gebete u. dgl. und eine lange Rethe bitte
riſcher Werke, die zwar zunãchſt nur die Geſchichte des
etiſche. armenifden Bolfes behandein, aber bet den mannig-
fachen ge 7 2s ag desfelben ju andern Bolfern aod
fiir die Gefchidte der Perjer, Araber.
Seldſchulen und Mongolen von Wichtigkeit ſind Bon
liſche Gemein⸗ — Bedeutung iſt die größtenteils erſt
dem ſpãtern Mittelalter angehõrende
—— juriſtiſche und mediziniſche Literant
aud) die dichteriſche Produktion; ne
ichen Boe.
men ijt nur etwa die Fabeldidtung
Mit dem Schluß de3 14. Jahrh. endigh | die
Der armenijd@en Literatur. Unter den ——
des 5. und 6. Jahrh. ee eee ee
Mesrop und Sabaf d. Gr. berv die Hiſto
rifer Ugathangelos (>Gefdidhte des —5 — des Er:
leudjters<), —— a oe re chichte Brme-
niens«; deutſch nm 1879), Eliſchẽ oder
| Clits (> Gehdidhte Keer e Wardans gegen die Fer-
ite Armeniens von
ménie chrétienne et la littérature (Rdwen 1887); | 388 —485<), der Philoſoph David, der Theol
Ter-Mifelian, Die a. K. in ihren Beziehun —— vor allem aber der dem 5. Ja
byzantiniſchen (Leipz. 1892); Gelzer, Die Anfänge
der armeniſchen Kirche (Berichte d. Sächſ. Gefellf
ber Wiſſenſchaften, daj. 1895); Derfelbe, Urtifel »
meniene« in der ⸗Real⸗ — ———
— und Kirche«,
Urmenifde Literatur. Die — der Ar⸗
menier verdankt ihre Entſtehung dem Chriſtentum,
das gegen Ende des 3. Jahrh. durch Gregor den Er—
on ge (f. Greqor) in Armenien eingefiihrt wurde.
ilt Den —— mit Unrecht dieſer Gregor, 7
$ der Begründer ihrer Kirche, fo aud) als der
ln * Literatur. Dieſe iſt vielmehr erſt
durch Mesrop ermöglicht worden, der im Anfang
des 5. Jahrh. (etwa 402) auf Grund des riechiſchen
Alphabets das nationale armeniſche Alphabet ſchuf.
Er und der Katholifos Sahat (geft.439) wollten ihrem
Volk cine ciqne Quelle chriſtlicher Bildung ſchaffen,
um es von Pecfien und Syrien unabbingig zu ma—
den und von der griechiſchen Mutterkirche nicht gänz—
lid) abgeſchnitten werden ju laſſen, und fie erreichten,
von der gei iechifdhen Regierung unterſtützt, ihren Swed
durch U erfepung der ihnen gecignet erſcheinenden S
drijtlidjen Werke, voran der Bibel (fritifde Wusq., | j
Vened. 1805). Zahlreiche Schiller ſetzten ihr Wert
fort, und fdjon um 500 n. Chr. gab es eine febr reidje
Literatur von Überſetzungen * dem Griechiſchen
und, in geringerer Zahl, aus dem Syriſchen. Von
Scqhriflen die unmittelbar kirchlicher Intereſſen wegen
angehörende Moſes
vonChorene, cin Schiller Mesrops, der berithmteite,
aber zugleich tendenziöſeſte Geſchichtſchreiber Arme
niens (vgl. A. v. Gutſchmid, über die Glaubwür⸗
digleit der armeniſchen Geſchichte des Moſes von Kho⸗
ren, Leipz. 1876), unter deſſen Werklen (Gefamtansy.,
BVened. 1865) die ⸗Armeniſche Geſchichte « — von
Lauer, Regensb. 1869) und eine Rhetorik als echt
gelten gory wãhrend die ihm zugeſchriebene Beo-
grapbie t im 7. Jahrh. dhe eh ijt. Aus dem
Jahrh. find hervorzuheben: Johannes der Wami-
tonier, Theodoros RKherthenavor, Sahat IT. (Katho-
litos), Sebéos; aus dem 8.: Johannes Odsnenſis
ie tpg Stephanus Siuneniis, Levond oder
eontius; aus dem 10.: Johannes VI. (atholifos),
Thomas Urtsruni, Chosrow d. Gr., Mesrop der Prie-
jter, Grigor Narefenjis (Berjafjer vieler theolo-
gifcber Werte), Moſes Ralanfatuenfis, Stepbanns
folif; aus Dem 11.: — ——— von Laſtivert ¶Ge
ſchichte Armeniens⸗, franz., hrsg. von Prudbouune,
‘Bar. 1864), Tattheoe ber iejter, Grigor Magijtros ;
aus —— 12: Nerſes Klajetſi mit dem Beinamen
ali ss und Dichter), Matthéos Urrda
onti3, erje3 Yambronenfi3; aus dem 13.: Michael
ber Syrer, Wardan d. Gr., Riratos (Cyriacus) von
Wandsaf, Malafhia der Mind, Wahram mit dem
PBeinamen Rabuni, Stephanus Siunenfts der Or-
belier; aus dem 14. Jahrh. endlich: Sembat. Rach
einigen Dahrhunderten des Verfalls der armeniſchen
ry
Armenifdher Stein — Armenrecht.
Bildung und der Entartung der Literatur ijt in neue—
rer Seit namentlid) durch die Wirkſamkeit Mechi—
tars (1676—1749) und Der von ibm geftifteten
Rongregation der Medhitarijten in San Lazaro bei
Venedig (jpiter auch im Wien) Armenien aufs neue
in Beziehung sur europäiſchen Kultur gelommen und
zu neuem getjtigen Leben erwacht, vor dem zu erwar⸗
ten ijt, daß es trotz der Ungunſt der politiſchen Ver⸗
hältniſſe ſeine aufſteigende Richtung fortſetzen werde.
Um die Erforſchung der armeniſchen Literatur haben
ſich in der Neuzeit aud) ſchon vor den star
einige Europäer, befonders Ytaliener und Frangojen,
verdient gemadt, aber ihre Leijtungen wurden von
denen der Wechitarijten weit überholt. Diefe haben
nidt nur Die armenifde Altertumskunde, die poli-
tiſche und ———— die alte und neue Geo-
grapbie 2c. in jum Teil ausgezeidneten Werfen be-
arbeitet, fondern aud) eine große Zahl armenijder
Handidviften geſammelt ra bance vor dem Unter:
gans bewahrt und die Hauptwerke der altarmenijden
iteratur Durd) den Dru allgemein zugänglich ge- |
macht. So haben fie nidt nur fiir die Hebung der
Bildung der armenifden Nation felbjt viel getan,
fondern auch der europäiſchen Wiſſenſchaft widtige |
Dienjte geleiitet. Ihrem Beifpiel folgten nicht nur
Urmenier aller Lander, fondern aud) europdifde Ge: |
lehrte, wie in Frankreich St. Martin, Dulaurier,
Carriere, in Deutidland ¥etermann, A. v. Gutſchmid,
De Lagarde, Vetter, Gelzer, in der Schweis Baum: |
— in England Conybeare. — Um die Samm—
ungen von Uberfegsungen armenifder Dijtorifer
hat fic) Vict. Langlois, durch franzöſiſche Überſetzun—
gen Broſſet, urd) ruſſiſche Katfanean befonders ver-
ient gemadt. Langlois veriffentlidte » Collection
des historiens anciens et modernes de l'Arménie«
(Par. 1867—69, 2 Bde.), wovon Bd. 1: Agathange-
108, Faujtus von Byzanz, Senob Glaf, Johannes den
Mamifonier, Bd. 2: Koriun, Leben des Heil. Rerjes,
Mojes von Chorene, Clifius, Lazar von Pharpu. a.
enthält. Broffet qab heraus: » Histoire de la Siou-
nie, par Stéphannos Orbélian« (Petersb. 1864);
» Histoire chronologique par Mkhithar d’ Airivank«
(13. Sabrh.; daſ. 1869); »Kiracos de Gantzag«
(18. Jahrb.) und »Oukhtanés d’Ourha« (10. Jahrb. ;
daſ. 1870, 2 Bde.); »Collection d’historiens armé- |
niens« (Yd. 1 u. 2, daf. 1874 —76).
Val. Somal, Quadro della storia letteraria di
Armenia (Sened. 1829; deutſch bearbeitet von K. F.
Neumann als »>Verfucd einer Geſchichte der armeni-
ſchen Literatur nad den Werken der Mechitariſten«,
Leipz. 1836); Raretin, Gefdicte der armenifden
Literatur (in armen. Spradje, 2. Aufl., Bened. 1886);
$atfanean, Catalogue de la littérature armé-
nienne (im »Bulletin de l'Académie de St- Péters-
bourgs, 1860, Teil 2); Derfelbe, Bibliographiſcher
Umrif der armenifden bijtorijden Literatur (ruff,
Petersb. 1880); » Bibliographie arménienne« (Vened.
1883; in armen. Spradje von Rarefin); »Catalogue
des anciennes traductions arméniennes, siécles IV—
XIil« (daj. 1889; in armen. Sprache von Rarefin).
Armeniſcher Stein, ſ. Lafuritein.
Armeniſche Sprache, Die a. S. gehirt dem
indogerman. Sprachſtamm an und ijt als ein felb-
ſtändiger Zweig desfelben ju betradten, nicht, wie
man frither annahm, gu den iranijden Sprachen ju
ftellen. Enticheidend fiir die durch Hübſchmann be-
qritndete neuere Unficht ijt namentlid) der Vokalis—
mus der armeniſchen Sprache, da dieſer die urindo-
germaniſche Dreibeit a,e,o, wofitr im Ariſchen unter-
783
ſchiedlos a, fejtgebalten bat. Die Anklänge an das
Perſiſche beruhen darauf, daß ſchon friih viele Lehn
worter aus dem Ferfifden in die a. S. cingedrungen
find. Man unterideidet das Ultarmenij dhe, nod
jeBt Die gelehrte und gottesdienjtlide Sprade, und
das Neuarmenijfde, dic Vollsſprache, mit fremden,
befonders perjifden und türkiſchen Beimiſchungen
und febr veränderter Ausſprache, die in die oft- (ruj-
ſiſch⸗ und perſiſch-armeniſche) und weft- (türkiſch-,
ungariſch⸗ u. polniſch⸗)armeniſchen Dialefte zerfällt.
Die armeniſche Schrift (ſ. die »Schrifttafeln«) bat
Der heil. Mesrop im 5. Jahrh. n. Chr. erfunden und
zwar wahrſcheinlich nach dem Muſter der griechiſchen,
nicht der ſyriſch perſiſchen Schrift. Die beſten Gram—⸗
matifen des Altarmeniſchen find die von Petermann
(»>Grammatica linguae Armeniacae«, Berl. 1837;
Auszug mit kurzer Chrejtomathie, 2. Wufl., 1872)
und Die nod) unvollendete von Hübſchmann (⸗Arme⸗
nije Grammatif<, 1. Teil, Leipz. 1897). Ein Hand-
bud) des Neuarmenijden verfaRte Riggs (Smyrna
1847), ein »Lehrbuch der neuoftarmenijden Litera:
turſprache⸗ F. N. Find (Wagarjdapat u. Marburg
1902). Unter den jablreiden Wörterbüchern ijt her-
vorzubeben bad armenijd -italienifde von Ciafciat:
»Dizionario armeno-italiano« (Vened. 1837). Bal.
ferner: fr. Miiller, Ubhandlungen gur armeniſchen
Grammatik — pre gi der Wiener Alademie,
1861—65); Lagarde, Urmenifde Studien (Götting.
1877); Hübſchmann, Grundgiige der armenifden
Etymologie (Leipz. 1883). Cine überſicht fiber alles
auf dem Gebiete der altarmenifden Granunatif Gelei-
ſtete permet das BVorwort von Hübſchmanns Gram-
matif. Uber die modernen Dialefte, befonders den:
jenigen der Urmenier Polens, ſchrieb Hanusz (im 1.
und 2. Bd. der » Wiener Reitidrift fitr die Runde des
Morgenlandes«, 1887 f.), über die armeniſche Schrift
Fr. Müller (ebenda, Bd. 2). Seit 1901 erſcheint eine
»Reitidrift fiir armenifde Philologie- (hrsg. von
F. N. Fine u. a., Marburg).
ArmenFaffen, die in eigen deutiden Landern
zur Beſtreitung der Rojten der Armenpflege von den
| Ortsarmenverbanden erridteten bejondern Mafjen.
Den A. find vielfach befondere Fonds, dann aud ge-
wiſſe Gebühren gugewiefen. Reiden ihre Mittel em-
ſchließlich der Hee zufließenden freitwilligen Bei-
träge nidt aus, fo wird der Febhlbetrag in einigen
Landern durch Erhebung bejonderer Urmenabga
(Sadjen, Oldenburg), in andern durd Zuſchüſſe aus
der allgemeinen Gemeindefajje qededt (Wiirttemberg,
Braunſchweig, Waldec).
Armenfolonien, |. Urbeiterfolonien.
Armenpilege, Armenpolisei, ſ. Armenweſen
Armenredht, dad Recht auf vorläufige Befreiung
von den Koſten eines bürgerlichen Rechtsitreits wegen
Armut. Rad) der deutſchen Zivilprozeßordnung (§ 114
bi8 127) hat darauf Anſpruch, wer außer ſtande ijt,
ohne Beeintradhtiqung des fiir ibn und feine Familie
notwendigen Unterhalt8, die Koſten des Prozeſſes ju
| bejtreiten. Cine weitere Vorausſetzung ijt, bak Dic be-
abſichtigte Rechtsverfolgung oder Redhtsverteidiqung
nidt als mutwilliq oder ausſichtslos erſcheint. Yus-
lander haben auf das A. nur Unfprud, wenn die
Gegenjeitiqteit verbiirgt ijt. Das Geſuch um Bewil-
liqung des Urmenredts muß von einem obrigkeitlidjen
Reugnis (dem bial tg bhi begleitet jein, in
dem das Unvermigen zur Bejtreitung der Prozeh-
fojten ausdriidlich bezeugt wird. Eine Berphlidstung,
die Armut (durd) den fogen. Urmeneid) eidlich gu
erbiirten, bejteht nidjt mehr. Das A. befreit bis auf
784 Armenidulen — Armenweſen.
weitere’ von den Geridaskonen fowie von ber Ser- na der beer ee
bandlichteit sur Eri von Auslagen. pur Sichet · In einigen Bentiden La e
hetslentung — hae ot thepen gemiije Ubgaben (3 B. die Humdetrucr in
der es Gerchtsvell pehers und Sadie und Dalfte m berg), amd Be
pach —— age nad;ujablen, fo- gaben von difenthiden Luitbarieiten. jodena polt;n-
dd fie obme Beemtradiqung des fiir fe und thre liche Strafgeider, der Mrmenfaje zu. Auch m Grant:
Gamilie notwendigen Lebensunterbalts dazu im ſiande reid) werden einige indirelte A ( Steuerm ow
it. Der zum A zugelaiienen Variei tit pom Gericht Theatervoriteilungen und dnfentlichen Luirberieccs)
em Gerichtsvoll zicher und mm WmvaltspcoyG (7. d.) ju guniten der Bobita d eboben. Js
em Redusanwalt (Armenanwalt) beizuordnen einigen Kantonen der SQ wei; beiiehen gewiñe Zon⸗
Im Parteiproyes ij. d. Darf der armen Parte: noch derfieuern fiir Wrmen : Uuitbartens:
tem neuen § 116, fowen ifr nicht auf Gnmd des abgaben und ãhnliches
§ 34 der Sectsamwalisordmung ein Anwalt beige-
orduct worden ijt, wenn fie außerhalb des Gerichis
pur
3
{age wie j manchmal
der — der auf Das Armenweſen (ſ. dD.) bezüg⸗
lidjen Rechtsſatze genannt. Bgl Scott, Das AW der a
deutſchen Zivi hordnung (jena 1900); Derſelbe,
Uber die Reform des Armenrechts (in der Zeitidrift | j
Das Recht⸗, 1901, S. 165).
Armenſchulen, Unterrichtsanſtalten fiir Linder,
deren Eliern das Schulgeld (jf. dD.) nicht blen grome Rolle,
fonnen. Die U., verdienjtlid) in Landern und Heiten, heute treten mehr jolde in den Vordergrund, die den
wo die allgemeine Schulpflicht nod) nicht geſetzlich Anderungen der —— Verhãltniſſe oder der Tech
feſtſteht, verlieren ihre Berechtigung, wo mit dem nif (Anderung der Vertebrsridjtung, Vernichtung des
Grundſatz der allgemeinen Schulpflicht aud) die ent- | Handwerfs dDurd die Großinduſtrie x.) entſpringen
fpredjende Einrichtung der allgemein unentgeltliden Iſt infolge folder allgemein oo ee
oder wenigitens fiir Urme fojtenfreien Vollsſchule er- | die Zahl der Hilfs igen febr grog, fo bey
folgt. Geſchichtliches Intereſſe haben vor allen die A. | Tet man einen jolden Zujtand als den Der Majien-
Deutidlands, die unter A. H. Frandes, und der armut oder Des Fauperismus.
Schweiz, die unter Peſtalozzis und Fellenbergs (j.d.) Aufgaben und Organifation der Armenpflege.
Einfluß entitanden, namentlic) die fogen. Wehrli- Rad) ridtiger, auch in Deutſchland anerfannter Auj⸗
fdyulen (fj. Wehrli). Auch bejondere Sentinare fiir | fajjung bat der Arme fein Recht auf Armenunter⸗
Ucmenjdullehrer entitanden durch Anregung diefer ſtützung durd den Staat oder die Gemeinde, ſondern
Wanner, unter denen das ju Hofwil und fet 1814 höchſtens einen vor Gericht —— baren Anſpruch
die Armenſchullehreranſtalt zu Beuggen im ſüdlichen nahe, ee e Numi
Baden, von Ch. H. Geller (f. —— den weiteſten das Vorhandenſein von fiir cin ganzes Ge
Ruf erwarben. Die Lumpenſchulen (ragged schools) | meinwejen vont Übel. Schon deshalb erwadit, aud
in England find durd) cinen befondern wohltätigen wenn von humanen Riidfidjten gany abgeieber wird,
Verein (Ragged School Union, 1844 gegriindet) | fiir die Geſellſchaft im eignen Sntereye die in den beu⸗
unterhaltene Sdjulen und Aſyle fiir arme Kinder. tigen Kulturjtaaten allgemein anerfannte Verpilich
Armenftenern (Urmentaren), djfentlide Ub- | tung, fiir ihre Armen ju forgen, foweit nidt ander
aben, die fiir Zwecke der Urmenpilege erhoben werden. | weit idtete Ddafiir aufjufommen haben. Bei
ie Grundlage der befannten englijden Urmenjteuer | Beantwortung der Grundfragen des Armenweſens
(poor rate), Die an Stelle der bis dahin erhobenen | ijt Darum cinfad nur mit der Tatjache zu rechnen,
Mollefien und freiwilliqen Beifteuern trat, tit das Ur | daß überhaupt Urme vorhanden find. rum it
mengeſetz der big os Ctijabeth von 1601, wonad | aud) nicht Staatsangehirigheit alg Borbedingung der
flir jedes Kirchſpiel Die betreffenden Behdrden »durd Unterjtiigung Dilflorer au — obſchon es poluiſch
Abſchätzung eines jeden Einwohners, Pfarrers und — iſt, durch internationale Verträge für die
von jedem nutzenden Inhaber von Grundſtücken, | billige Durchführung dieſes Grundſatzes ju j
Häuſern, Zehnten, Kohlenbergwerken, verfaufliden Die deutſche Armengeſetzgebung gewahrt aud
Waldungen die nad ihrem Ermeſſen nötigen Sum-e | in Not
titrliche Ereigniije, wie Mikwads, cine
men aufbringen follen sur arbeitſamen Beſchäftigung
der Armen, sur Geldunterſtützung der Urbeitsunfaht-
qen und A Unterbringung armer Kinder als Lebr-
linge⸗ . Bemefjen wird die Steuer nach dem jährlichen
Miet- und Padtwerte der bezeichneten Kategorien des
Mealbejiges nad) Abzug der Hffentlidjen Stenern und
eratenen Ausländer Unterjtiipung. Ebenjo-
wenig ift bei der Frage, ob Hilflofe unterſtützt werden
jollen, die meijt fdwierige, oft unmögliche Unter
ſcheidung zwiſchen verfduldeter und unverjduldeter
Armut gu maden. Es geniigt darum aud) midt,
wie früher die Armut als Notſtand vorwiegend aus
dem firdlid)-religidjen oder vom friminalijtifden
Armenwejen (Mufgaben und Organifation der Urmenpflege).
785
Stanbdpuntt als Quelle des Verbrechens gu wiirdigen. | gen.) um grobe Aufwendungen handelt. Das Haupt:
Ebenfo ijt, zumal beim heutigen lebhaften Berfehr, | organ fiir
ie Yrmenpflege ijt heute die Gemeinde,
cine ausſchließlich fakultative Urmenpflege, d. h. aber unter der notwendigen Aufſicht des Staated, der
cine ſolche unzureichend, dic freiwillig durch Private | dad Verhältnis der einzelnen Gemeinden zueinander
und vorhandene Stiftungen nad) Maßgabe der vor-
handenen Mittel qeiibt wird. Dementfpredjend ijt
die Uufftellung von Urmenordnungen durd) die
geſetzgebenden Gewalten erforderlid, durch welche Ve-
dingungen und Formen der Urmenpflege beſtimmt
und geregelt werden. Dice bilden, infofern fie die
auf das A. bezüglichen Rechtsſätze enthalten, dad
Urmenredt ¢. dD.) im objeftiven Sinn. Diefe Ord-
nungen haben iu bejtimmen, wer zur WUrmenpflege
verpflichtet ijt(obligatorifde —— in wel⸗
chem Maße (Minimum, allenfalls auch Maximum)
und unter welchen Vorausſetzungen 2. Unterſtützun⸗
gen zu gewähren ſind.
Die Uufgaben der Geſellſchaft ſind teils präventive,
teils repreſſive. Die erſtern, die der Verarmung recht⸗
zeitig vorbeugen ſollen, umfaſſen einen großen Teil der
gejamten Geſetzgebung und Berwaltung (Hebung des
allgemeinen Wohlſtandes, der Bildung und der Sitt-
lidjfeit, Darlehnstajjen, Leihämter, Gewahrung von
Urbeit fiir Urbeitsloje, insbef. aber den widtigen Ver-
fidjerung3gwang). Sie haben in befondern Fallen mit
den Mahregein reprefiiver Natur Hand in Hand ju
geben. Die letztern befafjen fic) mit der Tatfadje der
rntut und der Befeitiqung ihrer ſchädlichen BWir-
fungen. Sind fie mit Zwang verbunden, fo bezeichnet
man fie als Mafregein der Urmenpolizei (Mahe
regeln gegen Vettler, Vaganten durd) Abſchiebung,
Verbringung in Urbeitshaujer mit Zwang sur Arbeit,
Unterbringung fittlid) verwabhrlofter Kinder in Ret-
tungshäuſern, Cinfdreiten gegen mißbräuchliche Ver-
ſorgungsanſprüche ꝛc.). Diejelbe ijt mit dem übrigen
Gebiete des Armenweſens, der Urmenpfleqe, foeng
verwadjen, daß jie von dieſem nidjt gu fondern ijt.
Darum hat die in Franfreid — —— Unter⸗
—— zwiſchen prévoyance (Prävention), assi-
stance (Armenpflege) und répression (Unterdriidung
Der Bettelei) mehr nur eine theoretifche Bedeutung.
Nächſt dem polizeiliden Zwang hat aud) das Strah.
recht in Wirkfamleit gu kommen, insbej. gegen die-
jenigen, die infolge von Spiel, Trunk, Muüßiggang
unfabig wurden, ibre Angehörigen gu erndbren (fo in
Deutidland nad) dem Strafgeſetzbuch, § 361, Rr. 5,
wiibrend in England cine Vejtrafung unter anderm
aud) bei Entlaufen aus dem UArbeitshaus eintritt).
Das gejamte Unterjtiipungswejen fann heute nidt
mehr ausſchließlich durch drtlid) begrengte Verwal-
tungen und Inſtitute in ausreidender Weiſe beforgt
werden, gumal dann die Lajten —— verteilt
fein würden. Die kirchliche Organiſation insbeſ. fann
heute deswegen nicht mehr zureichen, weil mit den zu—
nehmenden Wanderungen der VBevilferung die Gren-
en der ehemals konfeſſionellen Gebiete verwifdt wer-
. Uber aud) cine gentralijierte Berwaltung fiir
qroke Gebicte mit befoldeten Beamten würde nidt
geniigen, da fie leicht unberechtigte Anſprüche fördern
wiirde, und da eine gevrdnete Urmenpflege ihrer Auf—
gabe einer ausreidenden und billigen Verforgung
wirflid) Bediirftiger, durch die Der Erwerbstrieb nicht
gebemmet werden darf, nur bei geniiqender Kenntnis
aller drtliden und perſönlichen Verhältniſſe qewadjen
ijt. Dementiprecdend haben Staat, fommunale Ver-
bande, Rirde, Brivate und freie Vereine in ihrer Wirk⸗
ſamleit fid) gegenfeitig su unterſtützen und su ergänzen.
Der Staat tritt nur em, wenn es jich bei auferordent-
lichen Notſtänden (Kriegsſchäden, Überſchwemmun—
Meyers Konv.-Lexikon, 6. Aufl., J. Bd.
regeln muß und auch dafür Sorge zu tragen hat, daß
durch größere, aus mehreren Bezirken gebildete Ver—
bande (in Deutſchland Landarmenverbände) diejeni-
gen Leiſtungen übernommen werden, welche die Kräfte
einzelner Gemeinden überſteigen (vgl. Unterſtützungs⸗
wohnſitz). Die Mittel für die Gemeindearmenpflege
fließen aus allgemeinen Steuern, beſondern Armen—
ſteuern (ſ. d.) beſondern Fonds und freiwilligen Bei—
trägen. Qn der Selbſtverwaltung ſollte die Armen—
pflege möglichſt einen ehrenamtlichen Charakter be—
haupten (Armendeputationen, Arnienpflegſchaftsräte
als beſondere fiir Die Armenpflege beſtellte Körper—
ſchaften). Insbeſondere iſt ein großes Gewicht auf
die Individualiſierung gu legen, bei der jeder
Urmenpflegefall nad) feinen Eigentümlichkeiten er—
mittelt und behandelt wird. Dit giinjtiqem Erfolg
ijt Diejelbe feit 1853 in Elberfeld durchgeführt, wo je
cinem Armenpfleger höchſtens vier Pilegepoiten jue
gewieſen find. Gebt bei dem Elberfelder Syſtem,
Das ingwifden in vielen Städten Deutidlands und
terreid)s nachgeahmt wurde, dic Vereinsarmenpflege
mit der Sffentliden Hand in Hand, fo hat man m
Gablonz (Nordböhmen) die geſamte Yrmenpflege dem
Verein gegen BVerarmung und Bettelei iibertragen
(Gablonzer Syſtem). Die Privatwohltätig—
feit kann leicht trotz ihres moraliſchen Wertes dann
Schaden bringen, wenn fie planlos ſich nad augen-
blicklichen, oft nur der Schwäche und der Bequemlid-
feit entipringenden Eingebungen betiitigen wollte. Sn
— Stadten ijt der Cingelne nidjt im ftande, die
ediirftiqfeit Derjenigen, Die fid) um Almoſen be-
werben, ju beurteilen oder gu erforjden. Der Ein—
zelne foll gwar nad) Kräften fiir die Armut fpenden,
aber in der Regel nicht felbjt austeilen, wo er nicht
die genaueſte Kenntnis der Bedürftigkeitsgründe ge—
wonnen Hat, was nur in lündlichen Gemeinden mig-
lid) ijt. Biel widhtiger ijt es, dak der Cingelne, wie
beim Elberfelder Syſtem, durd) perſönliche Dienjt-
leijtung die Swede der — Armenpflege
fördern ſucht. Neben der Wirkſamkeit der Gemeinde
finden die freie Vereinstätigleit, die vorzüglich für be—
ſondere Gebiete der Mildtätigkeit ſich eignet (z. B. durch
Krippen, Kleinkinderbewahranſtalten, Rettungshäu—
ſer, Sonntagsſchulen, Aſyle für Obdachloſe, Wärme—
ſtuben, Suppenanſtalten ꝛc.), dad Genoſſenſchafts—
weſen (z. B. Hilfs- und Krankenkaſſen), Vereine fiir
Arbeiterlolonien (ſ. d.), Arbeitsnachweis (ſ. d.) 2c. ein
weites und nützlich zu bebauendes Tätigkeitsgebiet,
da die politiſchen Organe die Armenlaſt auf das Maß
des ſchlechthin Notwendigen einzuſchränken haben.
Eine beſondere Stellung nimmt der deutſche Verein
für Armenpflege und Wohltätigkeit ein, der
ſich mit der —— der Armenpflegemethoden
befaßt und ſeine Tätigkeit in jährlichen, von Ort zu Ort
wechſelnden Zuſammenkünften der Mitglieder ſowie
durch Veröffentlichung von einſchlägigen Schriften,
Diskuſſionen, Referaten, Statiſtiken ꝛc. ausiibt. Dabei
bleibt die Kirche vorzüglich zu der Aufgabe berufen,
den Wohltätigkeitsſinn anzuregen. Die Stiftungs-
angelegenheiten müſſen, wie in England feit 1853,
einer regelmäßigen Staatsaufſicht unteritellt werden.
Die Maßregeln und Unftalten der Urmen-
pilege find verſchieden, je nachdem es fid) um erwerbs-
fihige oder um erwerbsunfähige Perſonen handelt.
Während man gang oder nurteilwerfe erwerbsfahigen
50
786 Armenweſen Geſchichte der Urmenpflege).
Armen in Urbeitshaujern oder auferhalb derjelben | politijden Charalter. Jn Griedhenland fam cine
Beſchäftigung verfdaffen fann, werden erwerbsun- eigentliche Urmenpflege zuerſt in Uthen nak dem Ke
fabige ſchon im Intereſſe einer geordneten Verpflegung | loponneſiſchen Kriege zum Vorfdem, die fid anfangs
in eigne Unjtalten gebradt, jo Waijen (wofern fie | nur auf die im Sriege Verjtiimmelten, [pater auf alle
nicht, was bei fleiner Zabl aud) zwedmäßig, gegen YUrbeitsunfibigen erjtredte. Außerdem half man fid
Kojtgeld in Familien gegeben werden) in Waiſen- aud durd genofjenfdaftlidhe Verbande (eranci). Jn
baufer, alte und franfe Berjonen in Armen- Rom führte gwar die wadfende Vollsmenge fpater
häuſer, Verforgungsanjtalten, Hofpitaler, | sur Unsteilung von ftaatliden Unterjtiigungen, immer
Taubjtummen-, Jrrenhaufer xr. Unjtalten die- | aber blieb dieſen Gpenden der Charafter des allge
jer Urt find je nad ihrem Umfang und nad der Zahl meinen Biirgerredts, von dem die Reider feinen
Der zu verforgenden Perſonen bald als Gemeinde- | Gebraud madten. Erjt Cajar hob den Charafter der
oder Bezirfs-, bald als Provingial- oder Staats | Urmenpflege bei den Getreidefpenden mehr Hervor,
anjtalten gu erridjten und ju unterbalten. Sie find | indem er bejtimmte, daß nur die Urmen jie unent:
techniſch nad) eigenartigen Geſichtspunkten gu behan⸗ geltlich empfangen follten. Unter Nero und Hadrian
deln und gu würdigen; von Widtigkeit ijt dabei jedod) famen daneben nod) wirflide, aus dent Erivatver-
der Grundjag, dak in allen Unjtalten, in denen Arme pet ay der Kaiſer gejtiftete Wobltatigfeitsanjtalten,
mit Nichtalmoſenempfängern gemeinſchaftlich ver- insbeſ. fiir Kinder vor (Wimentationen), die fic dann
pilegt werden, die Scheidung zwiſchen unverfdjuldeter | aud) auf die Provingen erjtredten. Wuerdem forgien
Armut und Vermöglichkeit tunticjt gu befeitigen ijt. | befonders nod die Zünfte für die bediirftigen Kranten,
Aus diefem Grunde find auc die bejondern Urmen- | Witwen und Waiſen ibrer Mitglieder.
ſchulen (ſ. d.) fiir Die Kinder der Hilfsbediirftigen| Mit dem Chrijtentum erbielt die Wohltätigken
pädagogiſch zu verwerfen. Bei voritbergehender &r- wieder einen religidjen, jedod) nidjt, wie bei Den Yuden,
werbsunfabigkeit, wie Kranfheit des Familienvaters, | national -befdrantten Charafter. Sie wurde dadeci
oder bei teilweiſer Erwerbsunfähigleit (Witwen) wird | als Gott ——— Wert, mithin als Selbitywet
in der Regel die agile ie im letztern Fall | angefehen, fo dak es wenig darauf anfam, wem und
eine ergänzende fein muß, am beſten augerhalb folder | wie man gab. Die Rirde beanfprudte die Armen
Unjtalten, und gwar meijt durch Gewährung von | pflege als ihr zugehörig, erridtete Urmen- und Kran
Raturalien, wie Arznei, Rleidung, Bezahlung der | kenhäuſer und gab oft einen Teil ibres Einfommens
Miete rc., erfolgen (of fene Urmenpflege im Gegen- | fiir die Urmen. Dieſe firdliden Gaben reidten ſeht
fage gur geſchloſſenen in eigens dazu bejtimmten | bald nicht mehr bin, da fie bei mangelnder O
Unjtalten). Im iibrigen ijt es ſchwer, das Wefen und | fation der Urmenpflege und bei unridtiger Verteilung
die Aufgabe der Armengeſetzgebung in eine beſtimmte, (ohne Unterſcheidung von Arbeitsfähigen und Arbeits
allgemein gitltige Forme! zu faſſen. Die Bedürfniſſe unfiihigen) die Armut forderten, ftatt fie yu mindern
eines mobdernen Induſtrieſtaates mit dichter Bevdlte- | Gegen den zunehmenden Vettel erließ daher Balen
rung find weſentlich verſchieden von denjenigen eines | tinian IT. das erjte Bettelverbot. Bald fami die Kirche
in jetner Entwidelung weniger vorgefdrittenen, nur | (fo auf dem Konzil gu Tours, 567) wie auch die well!
Ackerbau treibenden Staates mit feinen mehr ſeßhaften lidje Gewalt dabin, die Gemeinden zur Erhaltung ibrer
Bewohnern. Die Befonderheit der gejamten Kulture | Armen zu verpflidten, fo ein Rapitulare Karis d. Gr
entwidelung, vorzüglich der allgemeinen religidfen | von 806. Dazu fam die Verpflidjtumg der Grund
und Redhtsanfdauungen, hat tiberall der praftifden | herren, fiir ihre Leute im Notfall gu forgen, ſowie im
Yrmenpflege ihr befonderes Gepriige verliehen. ſpãtern Mittelalter die gen oſſen ſchaftliche Armen
Geſchichte der Urmenpflege. Armengeſetzgebung. unterſtützung von Gilden und Riinfien. Dod war
Das U. hat ſchon in frither Zeit die Geſetzgebung die Urmenpflege eine zerſplitterte; aud) feblte es an
beſchäftigt; Dod) war die Urmenpflege meijt keine ge: | einer Bejtimmung dariiber, wer fiberhaupt Anſpruc
regelte und vorwiegend der Privatwohltitigteit über⸗ auf Unterſtützung habe. Einen Schritt weiter ging
fayjen. Cine eigentiimlide Stellung nimmt bierbei | man in England, wo Konig Egbert bejtimmite, day
die moſaiſche Gefegqebung ein, an weld die nur derjenige Unterjtiigung erbalten folle, der nicht
chriſtliche Kirche vielfach anknüpfte. Getreu dem theo⸗ | im ftande fet, mit feiner Hinde Urbeit fich zu erndbren,
fratijden Charafter des jüdiſchen Staates, in dem | während erjt in den ffandinavifd@en Staaten,
alles Cigentum nur als cin Lehen Jehovahs betrad- | vor allem aber in Island (die Graugans), fic ſchon
tet wird, ijt Dem Urmen ein Teil des Uclerlandes, | im Mittelalter eine geordnete Urmenpflege ausbildete
die Ackerecke (peah), Die vom Cigentiimer nidt ab-| Die Bahl der Armen, befonders der Bettler unt
cerntet werden durfte, dann alles, was nad der) Landjtreider, nahm mit der Zeit Dergefialt iiberband,
rnte auf dem Acker blieh (Nachleſe), ferner jedes daß man allenthalben durd Vettelverordnungen und
dritte Jabr der zehnte Teil der ganzen Ernte (Armen- die allgemeine Beſtimmung, wer und von wem man
zehnte) zugewieſen; endlich war in jedem fiebenten | die Unterſtützung gu —— habe, abzuhelfen
Jahr (Jubeljahr) die ganze Ernte gemeinſchaftlich. ſuchte. Mit der Heit entwidelte ſich cin vollftandigeres
Das Gejes beſtimmte aud) das Almoſen, das den | Syftem der weltliden Urmenpfleqe, und gwar
heruntjzichenden Armen gereidt werden mußte. Der zunächſt in denjenigen Landern, in denen die Refor
Arme hatte alfo einen Unfprud auf Unterjtiigung. | mation eingeführt wurde. Einzelne Reichsſtädte hatten
Ahnliche Unfchauungen finden wir im Islam ver- | bei der Unjuldnglidfeit der firdliden Armenpflege
treten. Das Almoſen ijt jedod) nach dem Koran nicht | bereits im 14. und 15. Jahrh. (Eplingen 1384, Fran!
der von Mott Dem Armen zugewieſene Unteil an den | furt a. M. 1437, Nürnberg, wo 1478 die erfte deutſche
Gütern des Landes, fondern es ijt die Siihne der Bettlerordnung erlafjen wurde, u. a.) die Fürſorge
Sünde gegen Gott und wird bald vorgefdrieben, bald | fiir Bediirftige in die Hand genommen. Dazu fam,
nur empfoblen. Im Gegenſatze zum mofaijden und | daß infolge der Einziehung von Rirdengiltern und
muslimiſchen Rechte trägt die Geſetzgebung fiber das | Mufhebung von Klöſtern frühere Organifationen fir
YU. in den Staaten des klaſſiſchen WUltertums einen | die nterftiipung in Wegfall famen und nun auch de
uit Der Religion nidjt im Zuſammenhang ftehenden | Armenpolizei durd die erftarfende landesherrliche Ge
‘
Armenwefen Geſchichtliches, Geſetzgebung).
walt wirffamer ausgeübt werden konnte. Bon befon-
derm Yntereffe iſt der Entwidelungsqang, den das A.
in England genommen hat.
{Eugland.]} Die vielen Kriege mit ihren Entlaffun-
gen von der Urbeit entwbhnten Söldnern ſowie die
allmähliche Unflifung des —— und der Leib⸗
eigenſchaft förderten die Entſtehung einer auf Bettel
und Raub angewieſenen zahlreichen Menſchenklaſſe,
während es gleichzeitig an Arbeitern zur Bebauung
des Landes fehlte. Deshalb ſuchte die engliſche Geſetz⸗
gebung die Landſtreicherei durch — (chon ſeit
1360) zu beſeitigen. Für alle Arten Arbeit wurden
Taxen geſetzlich feſtgeſtellt, die ländliche Bevölkerung
(noch bis 1662) an ihre Heimat gebunden; der Über
gang von der Feldarbeit sur Manufaltur wurde ver-
oten oder dod) fehr eingeſchränkt x. Heinrid) VIII.
verpflidjtete zuerſt die Gemeinden zur Unterſtützung,
dod) erwartete man den Ubergang zur Arbeit Blok
von der Strenge der Strafgefebe gegen Landjftreidjerei
und Bettelei (Auspeitſchen geſunder Bettler, im Riid-
fall Abſchneiden des rechten Ohres und Cinferferung,
Henlen bei der dritten Zuwiderhandlung). Urbeits-
unfabige durften nad einem Statut Ridjards I. von
1338 betteln, während ihr Heimatskirchſpiel fie im
übrigen aus dem Geineindevermigen ju erhalten hatte.
Reichte letzteres nicht aus, fo fonnte feit 1530 der
*riedensridter Bettel briefe (letters of licence) fiir
andre Gemeinden ausſtellen. Da die Gemeindearmen⸗
fafje fic) iiberall als unzulänglich erwies, fo wendet
ſich die Geſetzgebung aud) an die Mildtitigfeit der
vermigendern Gemeindemitglicder. Cin Wendepuntt
trat im englifden UW. unter der Königin Elijabeth mit
Erlaß des beriihmten Geſetzes von 1601 ein, das in
jeinen wefentlichen Buntten bid 1834 in Geltung blieb.
Die widtigften Beftimmungen diefer Ute, dte feine
Strafandrobungen gegen Pettler enthielt, find fol-
qende: Die Armenlaſten trägt das Kirchſpiel (parish) ;
die Urmenpflege wird durch Rirdenvorjteher und meh⸗
rere von den Friedensridtern ernannte Urmenauf-
feber geübt, die dafür su forgen haben, daß Urbeits-
ſähige befdhaftigt, Urbeitsunfahige unterſtützt, Urmen-
tinder zur Arbeit erzogen werden; die Mittel werden
durch ene im Rirdfpiel, event. in andern Kirchſpielen
derfelben Hundertſchaft und Grafichaft zu erhebende
Armenſteuer aufgebracdht. Die Settlement Act von
1662 tniipft wieder an das HeimatSredt als Grund-
lage der Urmenunteritiipung an, indent fie der Ge-
meinde das Redht einräumte, jede neu angiehende Per-
fon, die mutmaplich der Urmenpflege anheimfallen
fonne, binnen 40 Tagen abjufdieben. 1682 wird
die Freigiigigteit nod) weiter beſchränkt, der Erwerb
ciner Heimat nod) mehr erjdwert. Erſt die Ende des
18. Jahrh. fic) vollziebenden wirtſchaftlichen Umwäl⸗
zungen batten 1785 eine Veränderung in der Nieder-
lajjungsgefebgebung zu gunſten der Freizügigkeit
zur Folge, nur Hilfsbediirftige fonnten ausgewie-
a werden. Seit 1795 wurde, zuerſt in Bertfhire,
das Ullowancefyjtem angewendet, d. h. es wurde
PBediirftigen gu ihrem Verdienſt ein nad der Höhe
der Getreidepreife und der Gripe der Familie bemej:
fener Zuſchuß gewährt. Es fand viele Nachahmung,
bewirfte aber in Verbindung mit andern Urjaden ein
jtarfe3 Anſchwellen der Urmenlaft. Die allgemein
empfundenen Übelſtände (Uberlajtung der fleinern
lindliden Kirchſpiele, unridtige Verteilung der Unter
ſtützungen, Zunahme der arbeitsſcheuen Armen) nötig⸗
ten zu einer Reform. 1834 erſchien cin neues Geſetz, das
unter anderm folgende Beſtimmungen enthielt: 1) Se
ber Arbeitsfahige ſoll zwar von der Gemeinde erhalten, |
787
jedod) auch ftreng gur Urbeit angehalten werden. Dies
ift nur möglich Durd Arbeitshäuſer, die deshalb tiberall
anzulegen find. Der Unterhalt der Arbeifsſcheuen in
bieven iuſern foll derart fein, daß fie innerhalb der-
jelben weniger qut —— als außerhalb. Nur aus:
nahmsweiſe ſollen Bedürftige außerhalb der Arbeits—
häuſer unterſtützt werden. 2) Die ganze Armenpflege
ſteht unter der obern Leitung einer bde
in London (1867 Poor Law Board genannt, 1871
zum Local Government Board eriveitert). Cin wei-
terer Schritt der Gefesqebung war die Poor Removal
Act bom 26. Aug. 1846, die verordnet, daß cin fitnf-
jabriger Uufenthalt durdaus vor der Ausweiſung
aus der Gemeinde ſchützt (irremovability). Dieſe Be—
jtimmung wurde ſpäter nod) erweitert; heute bildet
die Unterjtiipung am Wufenthaltsort die Regel. Die
Folgen diefer Gefepqebung waren ſehr giinjtige, in-
dem die Rabhl der unterſtützten Armen und der Auf—
wand der YUrmenpflege fic) verminderten. Seit der
Union Chargeability Act von 1865 find bie Urmen-
verbände ftatt ber Kirchſpiele die Träger der Lajt, ſeit
1879 können mehrere derjelben fiir bejtimmte Zwecke
—— werden. 1871 ijt zur Entlaſtung der Zen—
tralbehorbde eine Zwiſchenſtelle zwiſchen bicfer und den
{ofalen Eingelbeamten geſchaffen worden, nämlich die
tollegialiſch zuſammengeſetzte Ortsarmenbehirde des
Board of Guardian, Die freilid) aud) nod) andre als
Urmenfaden wahrzunehmen hat. Durd) die Local
Government Act von 1894 wurde das Wahlrecht
bezüglich diefer Behirde von Zenfus und Gejdledt
unabhängig gemadt (f. Poor Law). Das charakte—
riſtiſche Clement der engliſchen Urmenpflege liegt in
der Bevorguqung der fogen. geſchloſſen en Armen—
pflege (in- door relief) in den Urbeitshaufern (work-
houses), deren Cinridjtung mit ihrer Zwangsdisziplin
darauf berechnet ijt, von der Inanſpruchnahnie öffent⸗
lider Hilfe möglichſt abzuſchrecken und durd) ciqnen
Erwerb die Aufnahme in Arbeitshäuſer zu vermeiden.
In grofen Stidten kommt jedod mehr die offene
Yrmenpflege (out-door relief) zur Geltung, fo daß
jie bereits drei Biertel aller Unterſtützten umfaßt.
Früher waren Kinder, Arbeitsfähige und UArbeits-
unfaibige in einem workhouse vereinigt, jest werden
Kinder, casual - paupers (mittellofe Wanderer), arme
Rranfe (lestere in infirmaries und sick-asylums) mehr
voneinander getrennt gebalten.
[Srantreih.} Jn Franfreich verordnete Franz I.
1536, dak die Bfarreien ihre Ortsarmen verjorgen
follen. Die Ordonnany von Moulins (1566) dehnt
Die bereits 1547 in Baris cingefiihrte Armenſteuer
auf alle Gemeinden aus. Dod) hatte diejelbe ebenfo-
wenig Erfolg wie die geqen die Wanderbettelei er:
lajjenen harten Strafgeſetze. Die Bahl der gens sans
aveu (Bettler und Landjtreidher) nahm im 17. und
18. Jahrb. ſtändig gu. Wud die Cdifte Ludwigs XTV.
(1656, 1693, 1695 und 1705), welche die kirchlichen
Wohltätigkeitsanſtalten und die Stiftungen der jtaat-
lichen Aufſicht unterjtellte, änderten nichts an diefen
Zuſtänden. Die Revolution jtellte den Grundſatz der
Staatsarmenpilege auf, da nad der Nonjtitution vor
1793 die Gefellfchaft ihren ungliicliden Mitbürgern
den Unterhalt ſchuldete. Schon 1789 wurden Rational-
werkſtätten (ateliers nationaux) eingeridtet, in denen
jeder gegen die Verpflichtung, zu arbeiten, Unterbalt
fand, doc) wurden fie wegen ihres Mißerfolges bald
wieder aufgeldjt. Die Armenpflege wurde unter Ein—
ziehung der Stiftungen jentralifiert, cine Beſteuerung
yum Zweck der Urmenpflege eingefiihrt, und aus der
Staatsfajje wurden fodann ſämtliche im »Bud) der
50*
788
dffentlichen Wobltitigkeite eingetragene Urme ver: |
Armenwejen Geſchichtliches, Gefesgebung).
ordnungen von 1701 und 1708 das Edift vom 3x.
forgt. Die Rejtauration hob dieſe Gejesgebung wieder | Upril 1748, das einer Verbindung weltlicher (land-
je Das Defret vom 24. Vendémiaire U1 beſtimmte den rätlicher) und geiſtlicher Behörden (Superiniendenten)
jogen. Unterſtützungswohnſitz (domicile de secours).
Denjelben beſitzt in einer Gemeinde, wer in derjelben
1) durch Geburt fein Domizil hat; 2) fic) ein Jahr
(oder als Lohnarbeiter 2 Jahre) aufhielt oder im Fall
der BVerheiratung 6 Monate weilte; 3) fic im Augen⸗
blick Der Not aufhalt, vorausgeſetzt, dah er als Gol-
Dat den Krieg mitmadte, oder altersſchwach wurde,
oder 70 Jahre alt ijt, oder durch Urbeit teilweije er-
werbsunfähig wurde, oder erfrantte. Dies 1796 be-
gründete Syſtem vervolljtindigten das Defret vom
11. Jan. 1811 und das Geſetz vom 5. Mai 1869.
Danach ijt die drtlidje Urmenpflege eine fafulta-
tive; fie zerfällt in eine geſchloſſene und eine offene.
Die geſchloſſene oder Unijtaltspflege, in welder der
Schwerpunkt des Armenweſens liegt, wird durd eine
Reihe von Hojpitdlern (hospices et hépitaux) bewert:
ftelliqt; fiir die offene Urmenpflege Fab Wobhltatig-
feitsbureaus (bureaux de bienfaisance) bejtimmt;
beide unterjtehen dem Einfluß der Gemeindeverwal-
tung. Die Grundlage fiir die Gewahrung von Armen—
——— bildet der Unterſtützungswohnſitz im
obigen Umfang. Eine obligatoriſche Armenfür—
jorge beſteht fiir verwaiſte oder verlaſſene Kinder, fiir
Irrſinnige und ſeit Geſetz vom 15. Juli 1893 fiir alle
hilfsbedürftigen Kranken.
IDeutſchland.J In Deutſchland hatte die Reichs—
polizeiordnung vom 15. Olt. 1552 die Armenpflege
als Gemeindejace erflart. Wenn die Gemeinde nicht
im ftande fei, ihre Armen ju ernähren, fo folle fie die-
felben mit Bettelpajfen verjehen und in die Fremde
fenden. Im iibrigen aber wurde durch den Reichs—
abjdied von 1512 und die Reichspolizeiordnungen
von 1530, 1548 und 1577 die Bettelet im Intereſſe
der allgemeinen Wohlfahrt und Sicherheit mit Strafen
bedroht. Doc fehlten dem Reich wie aud den Landes-
Herren Handhabe und Mittel gu einer durdgreifenden
Ordnung von Urmenpflege und Semmcapetioct Da-
gegen verfuchten e3 die proteftantifden Rirdenord-
nungen, wie —*— von Wittenberg 1522, Braun-
ſchweig 1528, Hamburg 1529, Lübeck 1531, Soeſt
1533, Die von ihnen anerfannte und der weltliden
Gemeinde zugewieſene Unterjtiipungspflidt unter
leichzeitiger Unterſagung des Vetielns tm Zuſammen⸗
Sang mit den firdlicden Organen und im Anſchluß
an Dem »gemein Rajten« (Armenkaſſe) zu ordnen, der
durch weltlidhe Majtenherren mit Unterſtützung durch
Urmendiafone verwaltet wurde. Insbeſondere er-
zielte Die reformierte Kirche durch Unterfudung der
rhältniſſe Der Bediirftiqen und Uberwadung threr
fittliden Haltung qute Erfolge. Doc fteigerte Heh das
Maſſenelend im 17. Jahrh., zumal nad) dem Dreißig—
jabrigen Rriege, erheblich. Die Gemeinden fudten
ſich ener Mehrung ihrer Lajten durch Erſchwerung
der Niederlaſſung zu erwehren. So wurden Bettel
und Vagabundenlum zu einer argen Landplage. Die
Landesherren begnügten fich damit, diefem übel durch
Verbot von Ulmofengeben und Bettel gu fteuern.
Letzterer wird mit ſtrengen Strafen (mod) 1751 in
Bayern Vrandmarfung der fremden Bettler, Hinrich—
tung im Wiederholungsfall) bedroht und durd) die
neugegriindeten Arbeitshäuſer befampft. Cine hu—
manere Urmenpflege beginnt erjt im 18. Jabrh., fo
in Dent neuen Armenordnungen von Kurbayern 1713,
Sachien 1729, ſterreich 1754, Kurmainz 1778,
Medlenburg 1783, Oldenburg 1787.
die Verwaltung der von Pfarrern und Ortsobrigferten
in den Gemeindebesirfen gebildeten Virmenfafien gu-
wies. Weiterhin wurde dann durd) das allqememe
Landredt von 1794 dad A. dahin geordnet, dak durch
fommunale Organe, Gutsbezirke und größere Kom⸗
munalverbändẽ die Armenpflege nach Maßgabe der
Bedürftigleit und der örtlichen Jugehdrigfeitsverhalt-
nifje unter Zuweiſung von Urbeit an die Urbeitsfit-
gen geniigend wahrgenommen werde. Durch die ber-
den Gefege vom 31. Dex. 1842 wird das Niedertai:
jungswejen geregelt und die Gemeinde, die friiber die
Aufnahme —— Perſonen, wenn dieſelben
feinen geſicherten Nahrungsſtand nachwieſen, ablehnen
fonnte, zur Erhaltung der Armen verpflichtet, ſobald
dieſelben den Unterſtützungswohnſitz erworben batten.
Die in dieſen Geſetzen aufgeſtellten Grundſätze ſind
in die heutige Dent} dhe Geſetzgebung itber Freizügig
feit, Unterſtützungswohnſitz (. d.) und Wrmenpfieee
yl und 1870) fibergegangen; nur Bayern und
ljak-Lothringen haben ihre eigne Geſetzgebung
Für Bayern ſ. Geſetz iiber Cifentlidhe Urmen- umd
Sranfenpflege vom 29. Upril 1869 und Novelle vom
17. Sunt 1896 mit Annäherung an das Prinzip des
Unterſtützungswohnſitzes (ſ. Hetmatredt). Jn Elia}.
Lothringen ijt das A. nod nad dem Altern franzöſi
ſchen Syſtem geregelt,
IOfterreich.j Qn Oſterreich war die Armenpflege
urſprünglich eine firdlich - freimillige. Joſeph OL ver
fuchie unter Benugung der firdliden Unjtalten ftaat-
lide Einrichtungen gu ſchaffen durd Einführung ber
(3. T. heute con bejtehenden) Bfarrarmeniniti
tute, die, auf die Pfarreinteilung gegriindet, vor
Pfarrern verwaltet und durd Uberwerjung von Fonds
und freiwilligen Beitraigen dotiert wurden. Dauernd
Erwerbsunfahige follten von der Heimatsgqemeinde
unterjtiigt werden; Urme mit Bettelpãſſen yu verjehen
und in die Frembe gu fenden, wurde verboten. Al
mählich verwandeln fid) die Bfarrinjtitute in drtlide
Anſtalten fiir Ortsarme; den Schwerpunkt der Yirmen:
ordnung bildet das Heimatredt, deſſen Erwerd on
19. Jahrh. immer mehr erſchwert wird, und das durd
Gejes vom 3. Dez. 1863 neu geregelt wurde. Dre
weitere Regelung des Armenweſens wurde 1867 der
Landesgeſetzgebung iiberlajjen, die 5. T. die Begute
und Lander fiir gewiſſe Zweige der Urmenverjorgung
— Durch Novelle zum Heimatgeſetz vom
5. Dez. 1896 iſt die Erſitzung eines Anſpruchs auf
Heimawerleihung durch zehnjaͤhrigen Aufenthalt nach
erlangter Selbſtändigleit eingeführt worden. Gegen
Urbeitsidheue dienen die bereits 1693 angeordneten
Bwangsarbeits- und Vefferungsanjtalten, deren eine
ent{predende Anzahl vorzuſehen die Lander durch Ge
jes vom 24. Mat 1885 verpflidjtet wurden.
In Belgien wurde durd Geſetz vom 27. Rov.
1891 das Pringip de3 Unterjtiigungswohnfiges (Er
werb nad 3 Jahren) —— In Danemart
wurde 1849 und 1866 ein Recht der Notleidenden auf
Unterſtützung (früher nur als Recht jum Betteln) an
erfannt. Die Urmenpflege ijt Gemeindefache, fiir feite
Urmenhiuster dienen die Urmenbhiufer, fitr voriiber
qebende Aufnahme die fiir mehrere Gemeinden ge
meinſchaftlich beftehenden Urmen- oder Urbeitshdfe.
Das neue Geſetz vom 9. April 1891 gibt eine Nodi-
fifation des geltenden Rechts mit einigen humanen
Erweiterungen. Jn Italien ijt die Urmenpflege
In Preufen folgte auf die Urmen- und Bettler- | noch cine ungeregelte, durch Stiftungen geiibte. 1865
Arme Partei — Armfelt.
wurde cin Bettelverbot erlajjen. Das Geſetz vom 17.
Juli 1890 über die öffentlichen Wohltätigkeitseinrich—
tungen ſtellt die milden Stiftungen in den Dienſt des
Staates und ſchafft einen Unterſtüttzungswohnſitz. Jn
ber Schweiz ijt dad A. Kantonsſache; meiſt find die
Gemeinden zur teal tae verpflidtet, Dod) ijt Dem
Armen fein Recht auf folde zugeſtanden.
{Riteratur.] Bol. die bezüglichen Abſchnitte in
Schönbergs »Handbud) der politifden Okonomie«
und im + Sanbiebeiextund) Der Staatswifjen|daften«
(2. Unjfl., Bd. 1, Jena 1898); Emminghaus, Das
VW. und die Urmengefesqebung in curopaifden Staa—
ten (Berl. 1870); »Schriften des deuiſchen Vereins
fir Urmenpflege und Wobltitigteit« (Leipz. 1886 ff.,
bisher 61 Hefte); E. Münſterberg, Die deutfche
Armengeſetzgebung und das Material gu ihrer Reform
(daſ. 1886); Derjelbe, Die Armenpflege. Einfiihrung
in die praftijde Pflegetitigheit (Berl. 1897); Rod oll, |
Sytem des deutiden Armenpflegerechts (daf. 1872);
Böoöhmert, Die Urmenpflege in 77 deutfden Stadten
( Dresd. 1886); Kurtz, Die Urmenpflege im preußiſchen
Staate, Gefege und Verordnungen (Breal. 1896);
Mifdler, Die Urmenpflege in den öſterreichiſchen
Städten und ihre Reform (Wien 1890); Reitzen—
ftcin, Die Urmengefepqebung Frankreichs (Leipz.
1881); Ufdrott, Das englijde A. (daſ. 1886; eng-
liſche Ausg. mit Zuſãtzen von Brejton- Thomas, donb.
1902); Little, Poor Law Statutes (ond. 1901—
1902, 3 Bde.); Nidolls, History of the English
Poor Law (2. Aufl., Daf. 1902, 2 Bde.); Lucdhini,
Le istituzioni pubbliche di beneficenza nella legis-
Iazione italiana (Flor. 1894); Geiſer, Geſchichte
des Armenweſens im Nanton Bern (Bern 1894);
Ra rn er, Geſchichte der kirchlichen Urmenpflege (2.
Wnjl., dceiburg 1884); Ublborn, Die crijtlice
Viebestitigfeit (Stuttg. 1882 —90, 3 Bde.; 2. Aufl,
ohne Unmerfungen, 1895); Miinfterberg, Biblio.
graphie de3 Urmenwejens (Berl. 1900).
Arme Partei wird mandmal die Partei genannt,
der das Armenrecht (ſ. d.) bewilligt ijt.
Armeria (ital., fpan.), 3eughaus, Riijtfammer,
—
Armeria Willd. (Gragnelfe), Gattung der
Plumbaginazeen, niedrige, rajenbildende, ſchmal—
blatterige, ausdauernde Kräuter und Halbjtriuder
mit blattlofem Stengel, der cin Köpfchen kleiner, meiſt
rofenroter Bliiten trägt. Etwa 50 Urten in der ndrd.
lidjen gemãßigten Bone und in Siidamerifa. A. vul-
garis Willd, (Grasnelfe, Grasblume, Sand:
uelfe), mit rofenroten, aud) weiken Bliiten, wächſt in
WMitteleuropa. A. maritima Willd. (Meerſtrands—
rasnelte, Seenelfe, Mecergras), an den Kü—
jten Mitteleuropas, dient, befonders in der Form
A. Laucheana, mit leudjtend roten Bliiten, sur Cin-
fof der Gartenbeete.
rme Ritter, in Mild und Ci eingeweichte undin
Butter gebadene Scheiben von Weißbrot, Zwiebach re.
Armer Konrad (Urmer Rung), Benennung
verjdiedener Bauernbiinde, die fich wm 1500 bildeten,
.* bei Bühl in Baden und im wiirttembergijden
emstal. Die Erhebung des legtgenannten Bundes
gegen den Herzog Ulric) von Wiirttemberg 1514 ge-
drt gu den Vorläufern des großen Bauernfriegs (j.d.).
gl. Schreiber, Der Bundſchuh gu Leben und der
arme Ronrad gu Bilhl (Freiburg 1824); Heyd, Ul—
rich, Herzog ju Württemberg, Bd. 1 (Tiibing. 1841).
Armfeile, ſ. Feile.
Armfelt, 1) Karl Guſtav, ſchwed. Feldherr, geb.
9. Nov. 1666 in Ingermanland, geſt. 24. Olt. 1736
789
in Finnland, diente 1685—97 mit Auszeichnung im
franzöſiſchen Heer, tat fid) aud) in Finnland, wo er
feit 1701 Oberadjutant, feit 1713 Oberbefehlshaber
der ſchwediſchen Armee war, mehrfach durd) Tapfer-
feit hervor, mußte aber nad) der Niederlage bei Napo
(1714) da8 Land den Rujjen preisqeben. Auch fein
beriihmter Winterfeldjug mit 7500 Mann nad Nor—
wegen (1718) miflang, und auf dem Rüchkzuge ging
die Halfte feiner Truppen durd Hunger und Kälte
gu Grunde. 1731 in den Freiherrnitand erboben,
ward er 1735 Gencralbefebishaber des in Finnland
jtationierten Heeres. Val. Sdhenftrim, Armfeltska
karolinernas sista tig (Stoch. 1890).
2) Rarl Gujtav, Freiherr, finnlind. Militar
und Politifer, Sohn des vorigen, geb. 14. Juli 1724
in Finnland, geft. 5. Jan. 1792 in Malmö, kämpfte
al8 ſchwediſcher Offizier 1741—42 gegen Rupland,
1757-59 gegen Preußen, jtand 1745 — 51 und 1753
bis 1755 in —2 Kriegsdienſten, erhielt, ſeit
1787 Gouverneur der finnländiſchen Provinz Ny—
land⸗Tavaſtehus, 1788 beim Ausbruch des ruſſiſchen
Krrieges als Generalmajor den Oberbefehl über cin
finnländiſches Armeekorps, nahm jedod) bald den Ab—
fied und gehirte gu den nambafteiten Mitgliedern
ded Unjalabundes (fj. d.). 1789 verbhafiet, ward er
1790 gum Tode verurteilt, aber gu lebenslinglidem *
a beqnadigt.
3)GujtavMorig, Graf, finnlind. Staatsmann,
Urenfel von A. 1), geb. 31. März 1757 in Juuva
(Finland), geft. 19. Uug. 1814 gu Zarsfoje Selo,
führte als junger Gardeohiigier in Stodbolm, {pater
in Petersburg, Berlin und Paris ein ausidweifen-
deS Leben, ward infolge eines zufälligen Sujammen-
treffens in Spaa (1780) der erflarte Giinjtling Gu—
ſtavs III., Dem er während des Krieges 1788 — 90,
beſonders in den fritifden Tagen des Unjalabundes
(f. d.), treu zur Seite ftand, lettete 1790, nad) einer
ſchweren Verwundung jum Generalmajor befordert,
die Friedensverhandlungen mit Rugland und ward
vom König 1792 auf feinem Sterbebette teftamenta-
rij) gum Stodbolmer Oberitatthalter fowie zum Wit-
gliede der Regentſchaft fiir Pring Gujtav ernannt,
ging jedoch, da er als Legitimijt die franzoſenfreund—
lichen Neiqungen de3 Herzog Regenten Karl und ſeines
Wiinftlings Reuterholm mißbilligte, alg Gefandter
nad Stalien. Hier plante er, unzufrieden mit der in-
nern und auswirtigen Politik der Vormundſchafts—
regierung, mit feinen Landsleuten v. Ehrenſtröm und
v. Uminoff voriiberqehend cine vorzeitige Miindig-
feit8erflarung Brin; Guſtavs mit ruſſiſcher Hilfe. Nach
Entdeckung der ⸗Armfeltſchen Konſpiration« ſollte er
Anfang Februar 1794 in Neapel verhaftet werden.
Von fener intimen Freundin, der Kdnigin Karoline,
qewarnt, erreidjte ex unter vielen romantifden Uben-
teuern Rufland, wo Katharina II. ihm Kaluga als
Wufenthaltsort anwies. Seit Ende 1797 lebte er in
verfdiedenen Landern Europas, 1798 —99 in Berlin.
Nachdem feine 1794 in contumaciam erfolgte Ver—
urteilung jum Tod und zur Giiterfonfistation 1799
| von Guſtav IV. Wdolf aufqehoben war, fehrte er 1801
nad) Schweden juriid, wo der neue König ihn mit
Gunſtbezeigungen überhäufte. 1802 — 1804 Botſchaf⸗
ter in Wien, fampfte er als OberbefehlShaber in Pom—
mern (1805 —1807) gegen die Franzoſen, 1808 in
Norwegen, ward 1809 nad) der Thronrevolution
Präſident des Rriegsfollegiums, nahm aber ſchon
1810 feinen Ubjhied und erbielt wegen fener Sym-
pathien fiir die entthronte Wafadynajtie 1811 einen
Ausweiſungsbefehl, worauf er in feine 1809 mit Ruj-
790
land vereinigte finnländiſche Heimat tiberfiedelte. Wis
leidenſchaftlicher Gegner Napoleons I. und durd fein
bejauberndes Wejen wußte ex in Petersburg binnen
kurzem fejten Fuß ju fajjen. Seit dem von thm mit:
—— Sturz des ruſſiſchen Reichsſekretärs Spe-
ranſtij (ſ. d.) war er bis zu ſeinem Tode der allmäch—
tige Günſtling Alexanders I. 1811 gum Vorſitzen
den des Petersburger Komitees fiir die finnländiſchen
Yngelegenheiten, 1812 zum Univerſitätskanzler von
bo ernannt und in den Grafenjtand erhoben, wirtte
er bei allen Finnland betreffenden Fragen auf den
Kaiſer enticdheidend cin. Bor allem war ihm die Wie-
Dervereinigung der 1721 und 1743 an Rufland ab
etretenen Teile mit Finnland gu verdanten. Geine
Selbſtbiographie erſchien in Adlerſparres (jf. d.)» Hand-
lingar« (Stodh. 1830, Bd. 1u. 2). Bgl. Elof Tegnér,
Gustaf Mauritz A. (2. Aufl. Stoch. 1883—94, 3 Bde.);
Hartman, De tre gustavianerna Gustaf Mauritz
A., J. F. Aminoff och J. A. Ehrenstrim (Qelfingf.
1899); Jngman, Gustaf Mauritz A. (daſ. 1900). —
Vordere Klappe
Hintere Klappe Speiserbhre
Big. 1.
Sein Sohn, Graf Alexander U., finnlind. Staats:
mann, geb. 18. April 1794 in Riga, gejt. 8. Jan. 1876
in Petersburg, bis 1827 Offiszier, 1842 —76 Minijter-
jtaatsfefretir fiir Finnland, gehörte gu den vertrauten
Ratgebern Weranders II. und wußte feine Stellung
geſchickt im Intereſſe der fonjtitutionellen Entwidelung
des Groffiiritentums Finnland (f. dD.) gu verwenden.
Armfloſſer (Pediculati), Familie der Knoden-
fiche, f. aiidbe.
Armfiifer (Bradiopoden, Brachiopoda),
Gruppe von Tieren, wegen ihrer äußern Ähmlichtkeit
mit Muſcheln früher zu den Weidhtieren geredynet,
jetzt aber mit den Würmern oder Moostierchen ver
einigt (Molluskoiden) oder beſſer als eigne Klaſſe auf—
gefaßt. Ihre den Weichkörper umſchließenden Kall
idalen find nicht, wie bei den Muſcheln, eine rechte
und eine linfe, fondern eine obere und eine untere;
unter ihnen liegen die fie abjondernden Mantellappen,
dD. h. große Hautfalten, die den Rumpf einhiillen. Die
untere Schale (Fig. 1), frither als Baudllappe be
zeichnet, ijt Direft oder mittels eines Stieles feftqemad)-
jen; meiſt ijt an ihr die obere in cinem Schloß (Schar-
nier) beweglich und wird durd Musteln ged}fnet und
geichtoffen. Die Urme find in einer fegelformigen
pirale aufgerollt, entipringen ju beiden Seiten des
‘ Oguunygrmushel der Schale
Anatomie von Waldheimia australis (Seitenanfidt).
Armflofier — Armida.
Herbeifdajfung der Nahrung im Waſſer einen Stru
del hervorrufen. Der Mund fiihrt in den von —
— Leberflügeln umgebenen Darm. Der After
ann fehlen. Auf der Rückenfläche des Darmes liegt
das Herz (es fehlt bei einigen Urten); das Blut grr
tuliert 3. T. in bejondern Gefapen, 3. T. in großen
Liiden des Mantels, der Urine rc. Die W. find meiſt
etrennt ⸗ geſchlechtlich; aus den Eiern geht eine frei
————— Larve hervor, die in mancher Beziehung
derjenigen der Ringelwürmer gleicht. — Man leumt
mehrere Tauſend Arten A., jedoch nur reichlich 100
lebende; alle hauſen im Meer, z. T. in größern Tie
fen. Die foſſilen Formen beginnen fdon in Silur.
nehmen darauf ab, werden im Jura nodmals ſtärter
und fterben dann wieder langſam aus. Cinige Gat-
tungen — ſich vom Silur bis F ood Gegenwart er:
_— an teilt die UW. in gwei Gruppen: 1) Ecar-
es, mit UWfter, aber ohne Armgerüſt und obne
Sahlop an der Schale; hierber die mit einem Stiel
verfebene Lingula, Obolus (j. Tafel »>Rambrifdje For:
ti SchieLmuskel
Fig. 2 Rildenfdale von Waldbdeimia
australis mit bem Armgeraßk
mation«, Fig. 4), nod) jetzt in den tropiſchen Weeren
jebr verbreitet; 2) Testicardines, ohne After und mit
Yrmgeriift und Schloß; hierher Chonetes, Stropho-
nema, Orthis, Orthisina Atrypa (jf. Tafel » Silurifde
formation I<), Pentamerus (Tafel I), Stringoce-
phalus, Merista, Spirifer — Rhynchonella
(f. Lafel » Devonijde Formation l«, Fig. 13), Spirifer,
Productus (f. Tafel »Steinfohlenformation I<), Pro-
ductus, Strophalosia, Camarophoria (f. Tafel » Dyas
formation«, ig. 13), Terebratula, Retzia (j. Tafel
»Tria8formation I<), Terebratula f Tafel »Qura
formation II<, Fig. 4 u. 6), Crania (j. Tafel »Sreide-
formation II«, Fig. 15). Bgl. Owen, Anatomy of
the Brachiopoda (Lond. 1835); Hancod, On the
—— of the Brachiopoda (daſ. 1858); Da⸗
vidſon, Monograph of British fossil Brachiopoda
(daf. 1851—-85) und of recent Brachiopoda (daf.
1887—88); Lacage-Duthiers, Brachio vi-
vants de la Méditerranée (Bar. 1861); Morfe, On
the systematic position of the Brachiopoda (Boſton
1873); Blodmann, Unterſuchungen iiber den Bau
der Bradiopoden (Jena 1893).
echt ls
, i. Hals.
Armida, cine der hervorragendften Frauengeftal-
ten in Taſſos »Befreitem Jerufalem«, Tochter des
zu
Mundes von einem Kallgerüſt ig, 2) und find mit | Königs Arbilan von Damaskus, die durch ihre Schön
dichten und fangen Franjen verfehen, mit denen fie zur
heit und Zauberfiinjte die Chrijtenbelden beunrubigt
Wrmidale — Arminianer.
und namentlid) den tapfern Rinaldo in ihren Rauber:
arten lodt und in Untatigteit und Wollujt gefeffelt
Balt, bis die Boten Gottfrieds von Bouillon thn be-
freien; daher A. tee eit foviel wie verführeriſches
Weib. Die herrliche Epifode ijt von Gluc und Rof-
fini al Oper behandelt worden.
Dale (jpr. armidel), Stadt im britiſch-auſtral.
Staat Reufiidwales, an der Nordbahn, Sik eines
fatholifden Bifdofs, mit anglifanifder und fat.
Rathedrale, Stadthaus, Bibliothef, Yntimon- und
Goldgruben und (1900) 4000 Einw.
Armieren (lat.), bewaffnen, in kampffähigen Zu—
tay verfegen, befonders von Feftungen, Vatterien rc.
ym Seewefen heist die Geſchütz- und Torpedoaus-
rüſtung eines ——— ſeine Armierung.
Armierungsübungen, ſ. Fejtungsmandver.
Armifer (Urimiger, lat.; neulat. Armigius),
— Knappe.
Armilla (lat.), Armband, Armring.
Armillaria, ſ. Agaricus, S. 162.
Armillarfphare (lat.-qried)., vonarmilla, »Ring:
fugel<), ein aus mehreren freisfirmigen Ringen
(Urmillen) uſammengeſetztes aſtrono⸗
miſches Inſtrument, das im Altertum
und Mittelalter zur Beſtimmung der
Sternörter diente. Je nachdem man
mit demſelben Rektaſzenſion und De—
flination oder Linge und Breite der
Sterne beſtimmen fonnte, unterfdied
man Wquatorial-W. und Eklipti—
fal-(Zodiafal-)U. Näheres f. Ta—
fel »Alte aftronomifde Jnijtrumente<,
ig. 3. File Unterrichtszwecke fertigt
man Urmillarfphiren an, welde die
widtigiten Kreiſe der Himmelskugel und
ihre gegenfeitige Lage darjtellen. Cine
Derartige U. zeigt Die nebenjtehende Ab⸗
bildung.
Armiius, Sennen: einer mythi-
ſchen Perſon im Mittelalter, angeblich
Name des Unti- oder Pſeudo⸗Meſſias,
der zugleich Bekämpfer ded jüdiſchen
Volles, ſeines Reiches und ſeiner Lehre
iſt und der Ankunft des wahren Meſſias
vorangehen ſoll. Das Wort A. ſtammt
entweder aus dem Griechiſchen und be-
deutet Vollsverderber, oder es iſt eine
Nachbildung von »Romulus«, Name
des Repräſentanten römiſcher Macht
und ſomit des Erzfeindes ded Juden—
tums. Die Armilusſage, ficher jüdi—
ſchen Urſprungs, tritt aud) in drijt-
lichen Rreifen (Antichriſt, f. d.) auf.
Armin, ſ. Urminius.
Arminia, Studentenverbindung,j.Burjden{dhaft.
Armintaner (Remonjtranten), Partei in der
reformierten Rirde in den Niederlanden, benannt nad)
ihrem theologifden Griinder Jafob Urminius (jf. d.,
S. 793). Der Streit über das Dogma von der Pri-
dejtination zwiſchen diefem und Gomarus blieb feines-
wegs ein blog theologiſcher, jondern führte, da aud
bie Maſſe des Volfes hineingezogen wurde und poli:
tiſche Motive dabei cin bedeutendes Moment abgaben,
ue Parteibildung.
791
anbderm erflirte, daß Gott gwar von Ewigfeit cinen
Beſchluß wegen der Seligfeit und Verdammmnis der
Menjden gefaßt habe, aber mit der Bedingung, daß
alle Diejenigen, die an Chrijtus glauben, felig, dte Un—
ee Bingen —— ſollten, Youle daß
hriſtus für alle Menſchen geſtorben ſei, aber nur der
Gläubige durch ſeinen Tod wirkliche Verſöhnung und
Vergebung der Sünden erlange. Die Gegner ſtellten
1611 eine Kontraremonſtranz auf (daher Kontra—
remonſtranten), und die gegenſeitige Erbitterung
wuds unter den folgenden BVerhandlungen. Daher
erließen die Stände von Holland 1614 cin Toleran}-
ebdift, worin aller weitere Streit verboten ward. Da-
gegen appellierten aber die Gomarijten an cine Ge—
neraljynode. Yhre Stiipe war der Statthalter Morig
von Oranien, der nad) Uusdehnung feiner Gewalt
ftrebte, während die A. auf feiten feiner politifden
ee ee von Holland Oldenbarne-
veldt und Hugo Grotius (j.d.), —— Die General⸗
ſymode tagte zu Dordrecht (18. Nov. 1618 bis 9. Mai
1619) unter dem Vorſitz Joh. Bogermanns, eines
entfdiedenen Sontraremonjtranten. Um Dderjelben
Armillarfphdre fiir Unterridrsywede.
dad Unfehen gu geben, als repriifenticre fie Die ganze
reformierte Rirde, hatte man nidjt mur aus den Nie—
derlanden, fondern aud) aus England, Sdottland,
Deutſchland und der Schweiz eine Schar eifriger Un-
hanger der unbedingten Bradejtination herbeigezogen.
Die W. wurden nidt als ſtimmberechtigte Mitglieder,
fondern nur jum Bebuf ihrer Verantwortung ju-
seas gro Vergebens war denn aud) ihre Verteidiqung
urd) den gelehrten Simon Epijcopius; ihre WUrtifel
Gegen die Unfduldiqungen der | wurden verworfen, die arminianijden Prediger (über
omarijten, die ete ftaatlidje Unterdriidung der WU. | 200) ey Als orthodore Lehre aber wurde feft-
forderten, leqten diefe unter Fiihrung des Predigers geſetzt: daß
Joh. Uytenbogaert 1610 bei den Standen der Pro- | teil der ganz unfä
ving Holland cine Remonjtrang (remonstrantia, da- folut freien Gnade,
r feliqmadende Glaube ohne allen An⸗
igen Ratur cin Geſchenk der ab-
ie partifulare Erwahlung zur
her Remonjtranten) ein, die in fünf Urtifeln unter | Seligfeit alfo in feiner Weife dic Wirkung, fondern
792 Arminius (Cherusterfiirjt).
nur die Urſache dedjelben fei, fowie daß die erlifende | mittlern Weſer an den Rhein zurückzukehren, machte
Wirtung des Todes Jeſu ſich auf die Auserwählten | zur Dämpfung de3 Aufſtandes einen Unuveg durch dex
beſchränke. Die Generaljtaaten bejtitigten dieje Be- | —— Wald (. d.), den heutigen Osuing
ſchlüſſe, und man ſchritt fofort sur Wusfiihrung der- | oder, nad Mommſen, das Wiehengebirge mit Fort.
felben. Oldenbarneveldt, ſchon 29. Aug. 1618 ver: ſetzung bis zur Haaſe, und wurde dort, als ſich fem
haftet, wurde 13. Mai 1619 hingerichtet, Grotius mit durch Troß und Gepäck beſchwertes Heer durch die
lebenslänglichem Gefängnis beſtraft. Die vertriebe- | engen, wegloſen, von bewaldeten Höhen eingeſchloſſe
nen A. fanden Aufnahme beim Herzog Friedrich IV.
von Sdleswig-Holjtein, aud) in England und Frank—⸗
rei. Selbjt mt Holland ward ſeit 1620, als die po-
litiſche Aufregung fic) gelegt hatte und nicht nur die
Uften der Dordredjter Synode, fondern aud) die Con-
fessio des Epiſcopius in 25 Artikeln (1622) nebjt
ihrer Upologie (1630) und der Katechismus Uyten-
bogaerts erfcienen waren, die Stimmung eine mil-
dere. 1636 erhielten die A. fiberhaupt freie Reliqions-
übung jugejtanden. Un ihrer 1634 geftifteten theo-
nen Tiler mühſam durdwand, pliglid) von alien
Seiten durd die Deutiden angefallen. Langfam umd
unter großen Berlujten fegie er feimen Dari om
erjten Lage fort; am dritten Tage aber war die Wider
jtandstraft der Römer villig gebrochen. Barus ſtützie
jich, verzweifelnd, in fein Schwert, umd bts anf einen
fleinen Teil, der fic) durch die Flucht rettete, wurden
feine drei Legionen nebjt Reiteret und Hilfsmannſchaft
(fiber 20,000 Mann) vernidtet ; die Fejte Aliſo, welde
die Romer auf deutſchem Gebiet errictet, wurde pon
der rimijden Befagung verlaſſen. So war Deutid:
logifchen Schule gu Amſterdam lehrten hervorragende
Theologen, unter ihnen Epijcopius (geſt. 1643), Lim- | land bis an den Rhein vollſtändig befreit. Die Rad
bord) (qejt. 1712), Clericus (gejt. 1736), Wettjtein richt von dieſer Niederlage erregte in Rom den größ
(qejt. 1754). Bon England aus verbreiteten die A. ten Schrecken; man fiirdtete, dak die Deutſchen den
jich auch nad) Nordamerika, wo fie fic) 3. T. dem Bap: | Rhein überſchreiten und in Gallien den Wufitand ge
tismus zuwendeten. Auch in Holland jelbjt ijt die an- | gen Rom entziinden möchten. Indeſſen begnügte man
fangs bliihende Rirdengemeinjdaft in ihrem äußern ſich auf beiden Seiten zunächſt mit der Bebauptung
Bejtand zurückgegangen; es haben fic) Clemente ver- | der Rheingrengen, bis im J. 14 der Ranupf von Ger-
ſchiedener Yirt, 5. 3. fozinianifche, mit ihnen vermijdt, | manicus, dem Gobne des Druſus, erneuert wurde,
und fo entitanden aud) unter ihnen verjdhiedene Spal: | zunächſt durch Cinfalle vom Rhein aus, bei deren
tungen, 3. B. die antitrinitarijden A. Die bedeutendjte zweitem (15) er Gelegenbeit fand, den Schwiegervater
Fraftion aber waren die rein independentijtifden | und Gegner de3 A. Segeſtes, der von ML. belaget
Kollegianten. Yn neueſter Zeit find die W. Hol- | wurde, ju befreien und ihn nebjt feiner Tochter Thus-
lands mit den dort ſich bildenden Freien Gemeinden | nelda, der mit ihrem Gatten —— Gemablin
in eine gewiſſe Fühlung getreten. Der Einfluß des | des A., in feine Gewalt zu bringen. Noch im J. 15
Urmintanismus pi ph pa und Rirde ijt un- | begann er aber nad) einent umfafjenden Blan den
verhältnismäßig groper als der lL ramps jeinerdufern | Krieg gegen A. als den gefährlichſten Feind der RS
Gemeinſchaft; durd) die Arbeiten der oben genannten | mer und zog ju Waſſer und ju Land in das Ems:
Theologen find feine Bejtrebungen vielfad) aud) in | gebiet. Er erreichte das Teutoburger Schlachtjeld und
die protejtantijde Rirde eingedrungen. Die Unab- | endlid) auch den YL, dem er eine Schlacht lieferie, die
hängigkeit von einem bindenden Bekenntnis forderte | unenticieden blieb; auf dem Rückwege hatte fein Heer
unter thnen die Schriftauslequng, die Freiheitslehre | das Geſchick de3 Barus erlitten, wenn die Deuthchen
trieb 3u einer nähern Betradtung der ethifden Uuf- | dem rubig und ———— YL. anſtatt fe
aber, H. Grotius bahnte den Weg gu einer neuen | nem ftitrmifden Obcim Inguiomerus gefolgt waren.
luffajjung der Verſöhnungslehre. Die Verfaſſung ym J. 16 fiegte Germanicus, der diesmal jein gan
der Vi. tit nach der Kirchenordnung Uytenbogaerts eine zes Heer auf Schijfen an die Emsmündung geſchafft
febr einfache. Die Leitung der Gemeinſchaft jteht bet der hatte, über A. auf Dent Idiſtaviſofelde (in der
Synode, die aus den Wbgeordneten jamtlider Ge- | von Minden) und in der Nahe des Steinhuder Mee
meinden mit den Predigern und einem Profeſſor ded | res, fah fich aber durch große Verlujte sum Rückhzug
Seminars bejteht; dic laufenden Geſchäfte in der Bwi- | gezwungen und verlor zur See viele Schiffe. Dies
ſchenzeit bejorgt cin Ausſchuß von fiinf Mitglicdern. | war der letzte Verſuch der Romer, die Grenze vom
Val. Regenboog, Hijtorie der Remonjtranten (a. d. | Rhein weiter nad) Ojten vorzuſchieben. Germanicus
Hollind., Lemgo 1781-—84, 2 Bde.). | wurde im Winter 16/17 von dem Kaiſer Tiberius ad
Arminius (Armin, cin aus deutſchem Stamm | berufen, um den Oberbefehl irr Often zu übernehmen.
römiſch gebildeter Veiname, dernidt unferm Hermann | und erhielt feinen Nachfolger. Die römiſchen Schrift
entſpricht), Fürſt der Cheruster, geb. 17 v. Chr. als jteller erfennten den Ruhm des A., Deutſchland befreit
Sohn des Cherusferfiiriten Sigimer, leijtete nad der | zu haben, bereitwilliq an. Bei feinen Landsteuten
Weiſe jener Seit mit feinem Bruder Flavus den Rö— | erntete er feinen Danf; denn naddem er den Stuy
mern als Führer deulſcher Hilfstruppen Krieg sdienjte. | des Marfomannenfinigs Marbod als emes Feinde
Als er nach cinigen Jahren in die Heimat zurückkehrte, der Freiheit herbeigefiibrt hatte (17), fand er im J
ſchaltete dort der Oberbefehlshaber des untern Ger- | 19 auf Unjtiften ſeiner Verwandten, die ihn des Stre
manien, Quintilius Barus, wie ein unumſchränkter | bens nad der Königsherrſchaft befduldigten, den Tod.
DHerricher und reizte die Deutfden befonders dadurdh, | — Hauptquellen fiir die Geſchichte des A. find Taci—
daß er unter ihnen wie in ciner Proving Recht ſprach. tus’ » Annales« (I, 55-70; I, 7—-23, 45, 46, 88),
A., erfiillt von dem Gedanfen der Befreiung feines | Vellejus Baterculus (11, 107-— 120), Florus (TV, 12,
Vaterlandes, aber einſichtig genug, um auf offene Ge- 9), Cajfius Dio (LVI, 18—24), Gueton (Ang. 23),
walt su verzichten, ſchien fich ju fiigen; insqeheimaber | Strabon (VIL, 1). Bon neuern Bearbeitungen vgl
qewann er nicht nur feine Cheruster, jondern aud die Remmer, Urminius (Leips. 1893); F. W. Fif der,
benachbarten Völker fiir feine Blane und liek num an | Armin und die Römer (Halle 1893). Reich ijt die na-
Varus die Nachricht gelangen, daß in feinem Riiden | mentlid) durch topoqraphijdes Intereſſe veranlajte
ein Wufitand ausgebroden jei (Spatjommer 9n. Chr.). | iteratur fiber die Ortlidfeit der von W. geſchlagenen
Varus, in Begriff, von ſeinem Sommerlager an der Schlachten. Bal. beſonders Mommſen, Die Ort-
Arminius (Gatos) — WArmftrong.
fichfeit ber Varusſchlacht (Berl. 1885), und Fr. Rn of e,
Die Kriegszüge des Germanicus in Deutfdland (daf.
1887, Nadtrag 1889). Cin foloffales Nationaldent-
mal de3 U. von E. v. Bandel (ſ. d.), begonnen 1838,
ſteht jeit 1875 auf der Grotenburg bei Detmold. Als
Stoff ju dramatifden Dichtungen ijt die Hermanns:
ſchlacht namentlid) von Rlopitod, H. v. Kleiſt und
Grabbe behandelt, als Vorlage fiir eine plaſtiſche Dar-
{telling von Schwanthaler am Giebel der Walhalla
Henugt worden (j. Tafel ⸗ Bildhauerkunſt XVI-, Fig. I).
Arminius, Jakob (eigentlich Harmenſen),
Stifter der Arminianer (ſ. d), geb. 10. Oft. 1560 gu
DOudewater in Siidholland, ftudierte in Utredht, Mar-
burg und Leiden, hirte 1582 in Genf Besa und be-
fudte Stalien (Rom). 1588 ward er in Amſterdam
als Brediger angejtellt. Der Kirchenvorſtand beauf-
tragte ihn mit der Widerlequng der Schriften des No—
tars Coornbert, eines bibelgliubigen Tolerangpredi-
gers, der gegen Calvin und Beja die bedingte *
jtination lehrte. Unter der Urbeit wurde aber A. fiir
Diefe mildere Uuffaffung gewormen und geriet, 1603
als Brofefjor nad Leiden berufen, mit femem Rolle-
en Gomarus in Streit durch die Behauptung: Gott
Babe von Ewigfeit dad Schictial eines jeden beſtimmt,
weil er Den Glauben des einen und-den Unglauben
des andern vorhergefehen habe. Cin aniiden den
Heiden Gegnern 1608 veranjtaltetes Geſpräch legte
den Streit nicht bei. W. aber ſtarb vor deſſen Ent:
fdeidung 19. Oft. 1609. Seine Schriften erfdienen
in Leiden 1629.
Arminiusquelle, ſ. Tinpioringe.
UArmiftitium (lat., aud) m der Mehrzahl Armi—
ftitien), Waffenſtillſtand.
Armitage (pr. armitedſch 1) Ed ward, engl. Maler,
geb. 20. Mat 1817 in London, geft. dafelbjt 24. Mai
1896, trat 1836 in das Utelier von Paul Delarode
in Baris ein, ftellte 1842 einen qefeffelten Brome-
theus aus, erbielt 1845 bei der Ronfurreny um die
Freslen der Londoner Parlamentshäuſer drei Preife
(fiir: Landung Cäſars in Britannien, Geiſt der Reli-
gion, Schlacht bet Meanee in Ojtindien), beſchickte 1848
Die Ausſtellung der Foniglichen Ufademie mit Hein-
vid) VIII. und Ratharina Barr und malte 1852 fiir
das Parlament8haus die Themfe mit ihren Neben-
flüſſen und den Tod Marmions. 1855 bereijte er die
Krim und Rleinajien, wo er den Stoff gu den Bildern:
die Garden bei Inkjerman und Kavallerieangriff bei
Balaflawa fammelte. Bor feinen Werken find nod
hervorzuheben: die Reue des Judas (Nationalgalerie
in London), der Heil. Franjisfus vor Papit Reena:
cenz IIT., Beerdigung dhrijtlider Méartyrer in Rom,
Hejtmahl der Eſther. Geine Vorlejungen an der Ala— |
demie erfchienen als »Lectures on painting (1883).
2) T. R., Arzt und Blindenfreund, geb. 1824 in
Tilgate- Hall (Suffer), qeft. 23. Nov. 1890 in Lon—
don, verlebte einen Teil feiner Jugend in Deutſchland
und Frankreich, wirkte bis 1860 in London als Arzt,
bis ihn zunehmende Schwäche der Ungen zwang, dem
ärztlichen Beruf ju entſagen. Seit 1865 jtellte er ſich
gang in den Dienjt der Blindenſache und begriindete
den »Britifdhen und auslindifden Blindenvereine ;
beſonders um die Verbreitung der Brailleſchen Puntt-
ſchrift 2c. machte er fich verdtent. Er fdrieb: »Edu-
cation and employment of the Blind«. Bal. Pe—
ters im »Blindenfreund« 1886; Meder Chee
1890, Heft 12).
Armleuchtergewächſe Wrmlendteralgen,
Characeae), ſ. Algen, S. 317.
Armlilien, ſ. Haarjterne. |
793
Armmolch (Siren lacertina L., ſ. Tafel ⸗Schwanz⸗
lurche J«), Schwanzlurch aus der Unterordnung der
Perennibranchiaten und der Familie der Armmolch⸗
(Sirenidae), 70 cm lang, aalartig, mit ſtummelför—
migen Vorderfiijen, von der Haut bededtten kleinen
Augen und drei Paar biifdhelfirmigen Riemen, ijt
ſchwarz, bisweilen weiß gefledt. Er lebt in Siidcaro-
lina in Sitmpfen unter Baumwurzeln und nährt ſich
von Umpbhibien, Wiirmern, fleinen Fifden. Unter
Umſtänden vermag er bei ausſchließlicher Luftatmung
zu leben.
Armoracia, Meerrettich, ſ. Nasturtium.
Armorial (nculat., Urmoriale), Wappenbud;
Armoriſt, Bappenfermer.
WArmorica, Vand, ſ. Uremorica.
Armorifanifhe Alpen (Armorikaniſches
Dod — ſ. Europa (Geologie) und Tertblatt
zur »Geologtiden Karte von England<.
Armring, joviel wie Urmband.
Armfdienen (Urmjeug, franj. Brassards), ſ.
Rüſtung.
Armſchutzplatten, ſ. Bogen.
Armſpannweite, die Entfernung der Mittel-⸗
fingerſpitze der einen Hand von der der andern, wenn
die Arme, ſenkrecht zur Körperachſe, horizontal aus—
ejtredt find. Die A. übertrifft die Körperlänge des
enſchen im Durchſchnitt um O—89%00. Bei den
Unthropoiden ijt fie größer als beim Menfdjen.
Armftrong, 1) 55* engl. Dichter, geb. 1709
gu Caſtleton in der ſchottiſchen Grafſchaft Roxburgh,
geſt. 7. Sept. 1779, ſtudierte in Edinburg, ließ ſich
dann als praftijdher Arzt in London nieder, ward
1749 Hofpitalarst dafelbjt und fungierte 1760 — 63
als Arzt bei der engliſchen Armee in Deutſchland. Sein
Lehrgedicht »The art of preserving health« (Lond.
1744; deutid) von Nöldecke, Brem. 1799) behandelt
einen wenig poetifden Stojf in niidterner Weiſe, nad
Art ded Pope, fand aber wegen der Korrektheit der
Sprache Beifall. Von jeinen übrigen Sdriften ver:
Dient nod das Gedicht »The economy of love« (1739,
umgearbeitet 1768) Erwähnung. Cine neue Unsgabe
feiner Gedidte beforgte Gilfillan (1859).
2) Sir Billiam George, Ingenieur, geb. 26.
Nov. 1810 in Neweaftle upon Tyne, gett. 27. Dez.
1900 in Neweaftle, ftudierte die Rechte, dann Natur:
wiffenichaft, fonjtruierte die Dampffeffelelettrifier-
majdine, widmete fid) dann der Technik und baute
1846 einen hydraulijden Kran, den er anfangs mit
Wajjerturm, tei 1857 mit Akkumulator betried. Letz⸗
terer ijt von grofartiger Bedeutung fiir die Technik ge-
worden. Yn feiner Maſchinenfabrik zu Elswick wirkte
er bahnbrechend auf dent Gebiete der Geſchützrohr—⸗
fon{truftion. Seine Ranonen wurden aud) in an-
dern Staaten — Nachdem aber ſeine erſten
Hinterlader den Erwartungen nicht entſprochen hat—
ten, lieferte er nur Vorderlader, bis dieſe bei der Auf—
gabe des Panzerſchießens ſchließlich Dod) von den Hin-
terladern iibertroffen und allgemein als minderwertiq
anerfannt wurden. Haupworzug der Armſtrongrohre
war ibre große Wideritandsteatt gegen die Wirkung
des Pulvers im Geſchütz, erreicht durc die Herjtellung
der Rohre aus Stiben, be3. übereinandergezogenen
Rohren, welches Syjtem dann von Frafer co ildet
wurde. A. wurde 1859 zum Hauptingenieur fiir das
gezogene Geſchütz ernannt, als »Baron von Crag:
ſide« geadelt und Direftor der finigliden Giekeret;
1887 erbielt er die Peerswürde. Er fchrieb: »Discus-
sions on the abolition of patents for inventions«
(ond. 1869). ;
794
Armftrongs Mifdung bejteht aus chlorſaurem
Rali und amorphem Phosphor, erplodiert ungemein
leicht; dient als Ziindung fiir Bombenrateten.
Armiire (franj.), feidenes Gewebe, deffen klei—
nes Muſter durd die Bindung, namentlic) durch ge-
ſchmückte Roper, hervorgebracht wird (7.
Abbild.), mit 55 doppelten Kettenfäden u.
55 doppelten Schußfäden auf lem. Wud
fleingemufterter wollener Damenfleider-
ftoff mit 34 Retten- u. 28 Schußfäden auf
lem. Garne: Kette Rr. 78 zweifach Kamm⸗
garn, Schuß Nr. 40 einfach Kammgarn.
Armut, im gewöhnlichen Sprad-
gebraud cin Mangel an Beſitz, im ſtren—
ern Sinne der Mangel an den nötigſten
Rebensbebdiirfnifjen und den Mitteln, fie
ju erwerben (vgl. Urmenwefen). — Fret.
willige A. galt fdon in friihen Zeiten
der chriſtlichen Kirche für verdienſtlich und
notwendig zu höherer Vollkommenheit (Matth. 19, 21).
Spiiter —————— es die Mönche, dieſe über das
Durchſchnittsmaß der geforderten Sittlichkeit hinaus-
gehende Seite am chriſtlichen Lebensideal darzuſtellen;
ſedes in einen geiſtlichen Orden eintretende Mitglied
mußte demnach durch cin förmliches Armutsgelübde
fiir ſeine Perſon dem Beſitz aller zeitlichen Güter ent-
ſagen, und die ſogen. Bettelmönche (ſ. d.) dehnten
dieſe Verzichtleiſtung ſelbſt auf die Kloſtervereine aus.
Armutszeugnis (Testimonium paupertatis),
amtliche Beſcheinigung, dak derjenige, fiir Den das
Zeugnis ausgeftellt ijt, oder feine Eltern rc. nicht fo
viel Vermögen befigen, als zur Durdhfithrung eines
qeivifjen Unternehmen’ erforderlid) ijt; fo bet einer
projeffierendDen armen Partei (f. Urmenredt), bei
Studenten und Sdiilern behufs des Erlaſſes des Ho-
norars fiir den Unterridt u. dgl. — Der Wusdrud
wird aud) ſpöttiſch in fibertragener Bedeutung ge
braucht (fich felbjt cin A. ausſtellen).
Army Cloth (engl., -Armeetuch«), ordinires
rauhes Rommiftud, wird meijt in Bradford und
Leeds fiir Kleinaſien, Syrien, Bataitina hergeftellt.
Arn., bei Pflanzennamen Abkürzung fiir Georg
Yrnold Walfer Arnott, geb. 6. Febr. 1799 in Edin-
burg, geft. 15. Juni 1868 als Direftor de3 botanijden
Wartens in Glasgow. Mooſe und Flora Ojtindiens.
Arnaboldi, Äleſſandro, ital. Lyrifer, geb. 19.
Nov. 1827 in Mailand, ftudierte die Rechte, widmete
jid) Der Beamtenlaufbahn und lebt feit 1873 zurück—
gesogen bei Mailand. Der Erfolg feiner » Versi«
(Marl. 1872) war ein außerordentlicher; indeffen rief
der erſte Enthuſiasmus cine Realtion hervor, und Pro-
feffor Rondani in Barma ſchrieb eine eiqne Broſchüre
eqen ihn: » A proposito di un nuovo poeta« (1873).
— * bleibt A., den aud) cine warme Begeiſte⸗
rung fiir deutſche Literatur (namentlich fiir Goethe)
auszeichnet, cin hodbeqabter Poet voll ernjten Stre—
bens, edel und gediegen nad Inhalt und Form. Eine
zweite Sammlung feiner Gedidte erfdhien als » Nuovi
versi« (Mail. 1888).
Arnau, Stadt in Bdhmen, Bezirlsh. Hohenelbe,
351 m it. M. an der Elbe und der Bahnlinie Chlu-
metz- Parſchnitz gelegen, Sig eines Bezirksgerichts,
hat eine alte Dechanteifirde, ein Rathaus mit zwei
jteinernen Riefen, ein Staatsobergymnaſium, qa.
idinenfabrif, 2 Bapierfabrifen, Flachsgarnſpinnerei,
Seidenweberei, Starfefabrif, 2 Bierbrauereien, Be:
ment> und Marmorwarenerzeugung, Leinwandhan-
Del und (1900) 4193 deutide Cinwohner. In der Um—
qebung bedeutende Lein- und Baumwollweberei.
Armilre.
angeſtellt.
Armſtrongs Miſchung — Arnault.
U., ehemals befeſtigt, wurde 1424 von Ziska erfolglos
belagert und fam nad der Schlacht am Weißen Berg
in den Beſitz Wallenſteins (qeqenwartiger Beſitzer der
Herridaft U. Graf Deym). 5 km nordlid) von YW.
in ſchöner Waldgegend, 423 m, das als Sommerfriſche
beliebte Forftbad.
Arnaud (pr. no), Jacques Leroy de Saint,
fran3. Marfdall, ſ. Saint-Wrnaud.
audons Griin (pr. arnodéng), aus metapbos-
phorjaurem Chromoryd bejtehender, wenig lebhafter
Farbſtoff, wird in der Färberei benugt und erſcheint
aud) bei künſtlicher Beleuchtung rein grün.
Arnawld (pr. no), 1) Untoine, beriihmeter fran.
YWdvotat, geb. 1560 in Paris, geſt. 29. Dex. 1619,
Spropling einer alten Familie in der Auvergne, trat
auf die Seite Heinrids IV., deffen Thronrecht er af
rig verfodt, und wurde von ibm jum Generaladvo-
faten und StaatSrat ernannt. Er verteidigte 15M
die Pariſer Univerjitit gegen die Jefuiten in einer
beriihmten Rede (gedrudt 1594) und ridhtete 1602
cine Denffdrift an den König (>Mémoire anu roi,
gedruckt 1602), um die Riidberufung der Jefuiten zu
verhindern. Geine 22 Stinder bildeten Der: Kern der
Janſeniſten in Frantreid, die Söhne als Witglieder
der gelehrien Gefellfdjaft, die THchter als Nonnen des
von A. gejtifteten Kloſters Port-Royal des Champs.
Bal. Perrens, L’Eglise et l'Etat en France sous
le régne de Henri IV (Bar. 1872, 2 Bde.).
2) Antoine, geb. 6. Febr. 1612, gejt. 8. Mug. 1694
in Briiffel, jiingfter Sohn des vorigen und cin Bre
der der heldenmittigen Wbtifjin von Bort-Royal, An-
elifa A., madte unter Leitung des Ubtes von St
yran, Jean Duvergier de Hauranne, des Hauptes der
Janſeniſten (ſ. Janſenismus), theologiide Studien,
ward 1643 Mitglied der Sorbonne und dann Bort
führer der Janfenijten in deren Streitigqfeiten mit den
Jeſuiten, dem Klerus und der Regierung. Aus der
Sorbonne ausgeſtoßen, trat er nach Abſchluß des fogen.
Friedens zwiſchen Papſt Clemens IX. und dem Jan
jenijten in Baris 1668 aus der Verborgenheit wreder
— und mit dem damals in Paris verweilenden
eibniz in Verkehr, der ihn vergebens für ſeine die
Vereinigung der katholiſchen und evangeliſchen Kirche
betreffenden Pläne zu gewinnen ſuchte. Vor neuen
Verfolgungen der Jejuiten floh er in die Niederlande.
wo er Streitidriften gegen Jejuiten und Reformierte
verfaRte. Seine »>(Euvres« erjdienen Lauſanne 1775
bis 1783 in 48 Banden; feine Hauptidrift: » Logique
de Port-Royal« (1662) zuletzt 1879.
Arnault (pr. -n0), Untoine Vincent, fran.
Didter, geb. 22. Jan. 1766 in Paris, geſt. 16. Sept.
1834 in Goderville bet Havre, trat 1791 mit dem
Trauerfpiel »Marius à Minturnes« auf, das fermen
Dichterruf begriindete. 1797 wurde ibm von Bona:
parte die Drganifation der Yonifden Inſeln iibertra-
gen. Nachdem er 1798 feine beſte Tragodie: » Blanche
et Montcassin, ou les Vénitiens« , zur Aufführung
gebradt, wurde er 1800 tim Miniſterium des Innern
al8 Chef der Ubtetlung des Hffertlichen Unterricts
Nach Napoleons Stury wurde YW vom
Inſtitut ausgefdloffen, dent er feit 1799 angebhodrte,
und deS Landes verwieſen und durfte erit L819 zu⸗
riidfebren. Aus der Verbannung hatte er 1817 ſeinen
*Germanicus« an das Théitre-Francats cingejandt,
deffen Auffuͤhrung durch Anſpielungen auf den Ver⸗
bannten von St. Helena eine ſtürmiſche Demonſtration
der Liberalen veranlaßte, die das Verbot des Studes
zur Folge hatte. 1829 wurde er von neuem tm die
Vifademte aufgenommen und 1833 zu threm beſtan—
Arnaut — Arndt.
digen Sefretir ernannt. Als Dramatifer war er ein
Anhänger der klaſſiſchen Tragödie und Feind der ro-
mantiſchen Schule, der er jedod) nur mittelmépige
Stücke entgegenzuſetzen hatte, obgleid) er bei feinem
Debüt durch fraftige Charakterzeichnung, einfache,
flare Handlung und elegante, forrefte Sprache große
Hoffnungen erwedt hatte. Weit hiher ftehen feine
ſatiriſchen Fabeln und graziöſen Gedichte: »Fables et
poésies« (1812, vermebhrte Mufl. 1825; allgemein be-
fannt geworden iſt das Gedicht: » De la tige détache⸗)
und die »Souvenirs d'un sexagénaire⸗ (18383, 4 Bde.),
die treffliche Charakterzeichnungen und intereſſante
Aufſchlüſſe über die — der Zeit bis 1804 ent⸗
halten. A. iſt der Verfaſſer einer »Vie politique et
militaire de Napoléon« (1822, 3 Bde.) wofiir ihm
Napoleon ein Legat von 100,000 Frank ausfepte.
Seine »Muvres« erfdienen geſammelt in 8 Binden
(Bar. 1824— 27). — Gein ailtefter Sohn, Lucien
(1787 —1863), unter der Julidynaſtie Briifett des
VUrdededepartements, ijt ——— s als Trauerſpiel⸗
dichter aufgetreten, fam dem Vater aber an Talent
nicht gleich. Seine Dramatifden Werke wurden heraus-
geqeben von Francois (Par. 1865, 2 Bode.).
ruaut, der tiirfifde Name fiir Albaneſen. Ar—
nautifdhe Sprade, albanejijde Sprade; Ur-
nautluf, Uhbanien.
Arnaut Daniel (pr. arnaud, Troubadour aus dem
Ende des 12. Jabrh., ſtammte aus Ribérac (Dordogne)
und lebte eine Zeitlang am Hofe König Ridards I.
von England. W. huldigte dem dunfeln und geſuch—
ten Stil, und feine 18 nod) vorbandenen Lieder bieten
dem Verjtindnis groke Schwierigleiten Er liebt es,
die Reime erſt in der folgenden Strophe zu binden,
und bat in der von ihm erfundenen Seſtine die Kün—
ftelei auf die S —— Dante und Petrarca
haben ihn als Fo njtler bewundert und nachge—
ahmt. Jener hat die Seſtine nach Italien verpflanzt,
dieſer wahrſcheinlich den Namen von Arnauts Ge—
liebten Laura, der ſchon dem Provenzalen Gelegen—
Heit zu Wortſpielen gibt (z. B. mit l'aura, die Luft),
von dort übernommen. Herausgegeben ſind ſeine
Gedichte von Canello (Halle 1883). Bai U., wie man
früher annabm, aud) epijde Dichtungen verfaßt habe,
bat fic) als cin Irrtum herausgeftellt.
Arnaut von Mareuil (pr. arnaut, mardp, Trouba-
dour, f. Provenzaliſche Literatur.
Arnay-le-Due (pr. arnd-t5-20d, Stadt im franj.
Depart. Cite-d'Or, Yrrond. Beaune, am Arroux und
an der Lyoner Bahn, mit Collége und (ivory) 2531
Cinw., befannt durd den ae der Hugenotten unter
Coliqny iiber den Marſchall Coſſe (27. Juni 1570).
ruberg, Johann Wolter, ſchwed. Rational-
dtonom, geb. 14. Olt. 1832 in Norrfiping, gejt. 20.
Suni 1900 in Saltſjöbaden bei Stodholm, 1856—65
als Dozent der Staatswiffenfdaften in Upfala, dann
dort und in Stodbholm als Banfdireftor tatig. war
feit 1874 Bevollmadtigter der Schwediſchen Reichs
banf. Der freibdinblecitehen Richtung angehörig, ver⸗
öffentlichte er außer zahlreichen Aufſätzen: »Om upp-
handlingsdeputationen« (1855); »Om arbetets och
bytets frihet« (1864). Gein Hauptwerk » Antecknin-
gar om frihetstidens politiska ekonomi« (Bd. 1,
Upjala 1868) ijt cin widjtiger Beitrag zur innern Ge-
ſchichte Schwedens im 18. Jahrb.
Arndt, 1) (Arn d) Johann, prot. Theolvg, geb.
27. Dex. 1555 gu Ballenjtedt im Anhaltiſchen, geſt.
15. Wai 1621 in Celle, ward 1581 Diafonus zu
Ballenjtedt und 1583 Pfarrer gu Badeborn. Hier
wegen feines Widerjtanded gegen die Abſchaffung des
795
Exorzismus 1590 abgeſetzt, ging er als Pajtor nah
Ouedlinburg, 1599 nad Vraunidiweig, 1609 nad
Eisleben, bis ihm 1611 die Generalfuperintendentur
ju Celle fibertragen wurde. Abgeſtoßen von dem un-
evangelijden Geijte der meijten Theologen ſeiner Heit,
führte er Die Religion im Sinne der alten volfstiim-
lichen Myſtik auf das Hers und das Leben zurück und
ward cin Lehrer »vom inwendigen Reiche Gottes«.
Seine astetijden Schriften find nod) jest beliebte
Erbauungsbilder. Bejonders gilt died von feinen
»Bier Biidern vom wabhren Chrijtentum« (1605),
fehr oft im Druck erſchienen und fajt in alle europai-
ſchen Spradjen überſetzt. Faſt gleiden Ruf erlangten
fein »Paradiesqirtlein aller Seithichen Tugenden«
1612), feine »Poftille« (1616), ſeine ⸗Auslegung des
atechismus Lutheri« (1617). Cine Gefamtausgabe
feiner Schriften erſchien in Leipzig und Görlitz 1734
bis 1736, 3 Bode. Mg F. Urndt, J. A. (Berl. 1838),
und Berg, De Joh. Arndtio (Hannov. 1852).
2) Ernjt Morig, deutſcher Patriot, wurde 26.
Dez. 1769 in Schoritz auf der Inſel Riigen geboren,
die nod) fdhwedifd) war, und ftarb 29. Jan. 1860 in
Bonn. Sein nod als Leibeigqner geborner Vater,
damals Inſpeltor auf einem Gute de3 Grafen Malte:
Putbus, lie ihn die gelehrte Sdule gu Stralfund
beſuchen. Seit 1789 ftudierte er zuerſt in Greifswald,
dann in Jena, neben der Theologie mit Vorliebe Ge-
ſchichte, Erd- und Vilterfunde, Sprachen und Ratur-
wiſſenſchaften. Nachdem er eine Zeitlang in der Hei-
mat als Randidat und Hauslebrer zugebracht hatte,
madte er 1798—99 eine größere Reife nad) Ojter-
reid), Dberitalien, Frankreich und zurück durch Bel-
gien und einen Teil von Norddeutſchland, die er in
den ⸗Reiſen durch einen Teil Deutſchlands, Ungarns,
Staliens und Frankreichs« (Leipz. 1804, 4 Bde.) be-
ſchrieb, nachdem er ſchon 1800 eine Schrift » Tiber die
Freiheit der alten Republifen« herausgegeben hatte.
Nach feiner Riidtehr habilitierte fid) YW. Ojtern 1800
in Greifswald al8 Privatdozent der Gejdidte und
Philologie, verheiratete fid) mit der Tochter des Pro—
feſſors Quiſtorp, die ihm aber bald wieder durd den
Tod entriſſen ward, und erbielt, nachdem er fice ein
Nahr (1803/1804) in Schweden aufgehalten, 1805
cine augerordentlide Brofeffur. Die 1803 erfdienene
»Gejdidjte der Leibeigenſchaft in Pommern und Ril-
ome zog ihm gwar Klagen mehrerer adliger Guts:
eſitzer gu, beſtimmte aber den Konig von Schweden,
1806 die Leibeigen{daft und die PRatrimonialgerichte
in Vorpommern aufgubeben. Aus derfelben Aeit da⸗
tiert das Schriflchen ⸗ Germanien und Europa⸗ (1603),
worin A. die von Frankreich drohenden Gefahren be—
leuchtete. Andre Schriften aus dieſen Jahren handeln
über die Sprache und die Erziehung. Unter dem Drud
der politifdjen Verhältniſſe gab er 1806 den erjten
Teil ſeines großen Werkes: »Geijt der Zeit« (6. Aufl.
de3 Ganzen Altona 1877) heraus, der die fommmenden
Ereignijje prophetiſch voraus verfiindete und das
deutſche Vol! gum Kampf gegen Napoleon aufrief.
U. felbjt arbeitete damals in der ſchwediſchen Kanzlei
zu Stralfund. In jener Zeit hatte er mit einem ſchwe—
diſchen Offizier, der geringſchätzig von Deutidland
geſprochen, einen Sweifampf, in dem er ſchwer ver-
wundet wurde. Nad) der Schlacht bei Jena floh er nad
Schweden und fand dort eine Unjtellung, die ihm Heit
lief}, Den zweiten Teil des Werkes »Geijt der Yeit«
auszuarbeiten, der 1809 in London erſchien und im
feurigiten patriotifden Schwung auf die Wege hin-
wies, auf denen allein Deutidland aus der Erniedri-
gung erldjt werden forme. Der Sturg feines geliebten
796
Königs Guſtav IV. bew
land zurüchzukehren und fid) nach) Berlin gu beqeben.
In dem patriotiſchen Kreije de3 Buchhändlers Reimer
empfing er Hier mannigfade Unregung, dod) lebte
ez, da er von Napoleon geächtet war, nidjt ohne Ge-
{ahr. 1810 fonnte er gwar nad) dem Friedensſchluß
zwiſchen Frantceid) und Schweden fein altes Amt in
Wreifswald wieder antreten, aber ſchon im Januar
1812 begab er fid) wieder nad) Berlin, Breslau, Prag
und fniipfte fiberall mit den hervorragendſten preupi-
ſchen Fatrioten enge Beziehungen an. Er war, erfiillt
von der Borjtellung, daß Preußen feinen politijden
und patriotifden Forderungen gerecht werden forme,
ganz Preuße geworden. Stein berief ihn zur Förde—
rung ſeiner auf die Vefreiung Deutſchlands geridte-
ten ‘Blane gu fic) nad) Petersburg, und mit ihm fehrte
A. nach der Niederlage Napoleons nad) Deutidland
zurück. Dest beqann erjt eigentlich feine durchgrei—
fende Wirkfamfleit. In giindenden Worten, in immer
neuen Gedidten, Stughdhriften und Wufrufen aller
Art rief er Das Voll su den Waffen. Unermeplich ijt
der Einfluß, den er auf die Befreiung Deutidlands
gewann durd): » Was bedeutet Landwehr und Land-
jturm ?«, den »Deutiden Volkskatechismus«, » Uber
Entjtehung und Beſtimmung der deutfden Legion«,
»>Brundlinien einer deutiden Kriegsgordnung« und
die Schrift »>Der Rhein, Deutidlands Strom, aber
nicht Deutſchlands Grenze⸗, » Uber Vollshaß und über
den Gebrauch einer fremden Sprade< (1813), Ȇber
das Verhaltnis Englands und Frankreichs ju Cu-
ropa« (1813), ⸗Noch ein Wort iiber die Franjofen
und iiber unS« (1814). Qn dem Schriftchen » Das
preußiſche Boll und Heer⸗ (1813) ſchildert er mit be:
ihn 1809, nad) Deutſch—
Arndt (Ernjt Morig).
wurden wegen de vierten Banded des »Geijtes der
Beit« und wegen Privatiukerungen im September
1819 Urndts Papiere in rin Sap rman er jelbjt
im November 1820 von feinem Amt fuspendiert und
im Februar 1821 die Kriminalunterſuchung wegen
Demagogiider Umtriebe gegen ibn erdffnet. Ste hatte
fein Rejultat: Wrndts Forderung einer Chrenerfla
rung wurde nidt erfiillt, er ward aber auch nicht fiir
ſchuldig erflart, fein Gebalt im gelajjen, die Erlaub
nig, an der Univerſität Borlejungen ju halten, jedod
nicht wieder erteilt. Cine Schilderung des Prozeſſes
gab A. ſpäter felbjt in dem ——— Bericht
aus meinem Leben, aus und mit lirfunden der demea-
gogifdjen und antidemagogifden Unttriebe« (Lew;.
1847, 2 Bde.). Jn den folgenden Jahren ſchrieb er:
»Rebenjtunden, Beſchreibung und Geſchichte der Shet⸗
landifden Inſeln umd Orfaden« (Leips. 1826);
»Chrijtlides und Türkiſches- (Stuttg. 1828); » Die
rage liber die Niederlande« (Leipz. 1831); » Belgien
und was daran Hingt« (daf. 1834); »Leben G. Aß—
manns« (Berl. 1834); »Schwediſche Geſchichten unter
@ujtav IT. und Gujtav IV. UWdolf« (Leip;. 1839);
oErinnerungen aus dem äußern Leben« (3. Bul,
daſ. 1842). Cin tiefer Schmerz traf ihn 1834 durd
den Verluſt feines Sohnes Wilibald, eines bliibenden
Knaben von 9 Jahren, der in den Fluten des Rheims
ertranf. Es war ciner der erjten RegierungSatte Fried
rid) Wilhelms IV., A. wieder in fen Amt eingujeper
und ihm feine Briefe und Papiere guriidgeben zu
lajjen. Die Univerjitdt wählte A. 1841 zum NReftor.
Es erfdienen nun: » Veriud in vergleidenden Völler
geſchichten⸗ (2. Aufl., Leipz. 1844); » Schriften fir
und anfeine lieben Deutiden< (dal. 1845—55, 4Bde.),
redten Worten, wie Preußen aus tiefitem Stury wie- | eine Sammlung feiner kleinen politiſchen Sebriften;
der auferjtanden fei durch zwei Mittel, welche die | »Rhein- und Uhewanderungen« (Bonn 1846). 1848
Staatsleiter mit wahrer Umſicht angewendet: »den
Geijt freigulafjen und das Volk friegsqeiibt ju ma-
chen«. Seine ſchönen Kriegs⸗ und Baterlandslieder,
erſchienen in zwei Sammlungen: » Lieder fiir Deutide«
(1813) und »Rriegs- und Webhrliedere (1815), fadten
die Begeijterung mächtig an. Sie gingen {pater in
die volljtandigern Ausgaben feiner » Gedidjte« (zuerſt
Frankf. 1818, 2 Bde.; Ausgabe lester Hand, Berl.
1860; 2. Aufl. 1865; Wuswahl 1889) über. Noch
1813 veröffentlichte er cinen dritten Teil feines Wer:
fe3 »Geiſt der Zeit⸗, worin er die Grundzüge eines
neuen, jeitgemajen Verfaſſungszuſtandes in Deutid)
land gab, die er weiter ausfiibrte in der Schrift » Uber
fiinftige ſtändiſche Verfaſſungen in Deutidjland«
(1814). Der Vertretung des Bauernjtandes widmete
er cine bejondere Schrift (1815). Während die deut-
ſchen Heere auf franzöſiſchem Boden kämpften, lief
er Flugblatt auf Flugblatt ausgehen, fo: »tiber Sitte,
Mode und Kleidertracht«, »Entwurf einer deutiden
Geſellſchaft«, »Blide aus der Zeit in die Zeit«, »tiber
die Feier der Leipziger Schlacht«, ſämtlich von 1814,
dann »Friedrid) Auguſt von Sachſen«, » Die rheini-
ſche Mark und die deutiden Bundesfeſtungen«, beide
von 1815. Seine publiziſtiſche Tatigteit fonsentrierte
ev in Der Zeitſchrift »>Der Wächter«, die er 1815 —16
ju Rodin Herausgab. 1817 veröffentlichte er feine
Märchen und Jugenderinnerungen« und den 4. Teil
vom »Geiſt ber Seite. 1818 wurde er Profeſſor der
Geſchichte an der neubeqriindeten Univerjitat zu Bonn,
naddem er 1817 die Schwejter Sdleiermaders,
Nanna (gejt. 16. Ott. 1869), als sweite Gattin heim:
geführt hatte. Seine afademifche Wirkſamkeit war in-
deffen von kurzer Dauer. Nad Beginn der Dema
gogenverfolgungen infolge von Kotzebues Ermordung
ward A. von dem 15. rheinpreupiiden Wabhlbesict m
die deutſche Nationalverjammlung gewählt und bier
durch feierlide Huldiqung der ganzen Verſammlung
beqriift. Dod) befdhrantte ſich feine Betetliqung an
den Verhandlungen auf furge, aber kräftige Reden
im Ginne der fonjtitutionell -erbtaijerliden Bare;
er war aud) Mitglied der großen Deputation, die dem
König von Preugen die deutide Kaiſerkrone anbieten
jollte. Yin 30. Mai 1849 trat er mit der Gagerniden
Partei aus der Verſammlung aus und zog ſich wre
dev in die Stille feines afademifchen Lebens zurud
Uber den Glauben an eine befjere Zukunft Deutid
lands verlor er nicht; dieſer Glaube leudtete aus ici
nen » Blattern der Erinnerung, meijtens um und awe
der PRaulstirde in Franffurt« (Leipz. 1849), der leg
ten größern poctifden Gabe von ibm, fowie aus i-
nem ⸗Mahnruf an alle deutiden Gauen in betrei?
der ſchleswig⸗ holſteiniſchen Gadje« (1854), Dem Biid>
lein »Pro populo germanico« (Berl. 1854), der an
mutigen »Bliitentefe aus Ultem und Neuem ⸗ (Lows.
1857) und der Schrift »WMeine Wanderungen und
Wandelungen mit dem Reidsfreiheren H. K. Fr. vom
Stein« (Berl. 1858, 3. Aufl. 1870). Wegen einer
angeblich Den General Wrede und das bayrijde M
litdr beleidigenden Stelle in legterm Werf ward A
vor das Schwurgericht in Zweibrücken geladen und,
da er nidjt erſchien, in contumaciam ju Gefangnis
jtrafe verurteilt. Rod völlig rüſtig, feierte er unter
allgemeiner Teilnahme 1859 ſeinen 90. Geburtstag. —
YW. war fein Genie, fein grofer Dichter und Gelehrter,
aud) fein großer Staatsmann, aber voll Begeijterung
fiir die erhabenjten Antereffen der Menſchheit umd
voll edelfter Hingebung fiir die Sade des Bolles, ein
mannbafter Charafter, der nod) als Greis den Idea
Arndts —
len ſeiner Jugend mit Jünglingsfeuer anhing. Wie
er durch ſeine Schriften und Lieder. die Berceiung
Deutſchlands von der Fremdberridaft höchſt wirkſam
unterjtilpt hatte, fo fudjte er in der Zeit der Reaktion
das BVerlangen und Streben ded Volkes nach dem
roßen Ziel der nationalen Einheit furdtlos und mit
uereifer aufredt ju erhalten, »wie ein altes guted
deutſches Gewiſſen⸗ die Verzagenden ſtärkend, die
Schwankenden in der Treue befeſtigend, die Feinde
des Rechten und Guten mit der Wucht ſeines heiligen
Zornes niederſchmetternd. Daher blieb er, obgleich
die Zeit viele ſeiner Anſichten überflügelt hatte, gieich—
ſam das Banner, um das auch die jüngern Genera—
tionen der Vaterlandsfreunde ſich ſcharten. Sein Inne—
res und Äußeres ſpiegelte in ſeltener Reinheit dic
Eigenſchaften, die den deutſchen Mann zieren: eine
feſte, energiſche Geſtalt, cin reiches, poetiſch geſtimm—
tes Gemüt, ſittlichen Ernſt und Strenge, heiße Liebe
zu Freiheit und Vaterland. 1865 wurde ihm in
onn ein Bronzedenkmal (von Afinger) errichtet; fei-
trem Andenlen ijt aud) der 21 m hohe Turm auf
dem Rugard auf der Ynfel Riigen (1873) gewidmet.
Von ciner Sammlung feiner Hauptidriften eridienen
6 Bande (Leip; 1892—96). Urndts Biographie
idricben Langenberg (neue Uusg., Bonn 1869),
Baur (5. WUujl., Hamb.1882), Re hbein u. Keil (Lahr
1861), Sdenfel (2. Mufl., Elberf. 1869), Thiele
(Wiitersl. 1894). Seme » Briefe an eine Freundin⸗
{Ebarlotte v. Rather) wurden lg age von Lane
qenberg (Berl. 1878), die »Briefe W. v. Hinnboldts
rund Urndt3 an Johanna Motherby« von H. Meisner
(Leipz. 1892). Bgl. aud »E. M. A., Lebensbild in
Briefen« (hrsq. von Meisner u. Geerds, Berl. 1898).
3) Wilhelm, Geſchichtsforſcher, qeb.27.Sept. 1838
gu Lobjens in Pofen, get. 10. Jan. 1895 in Leipzig,
war 1862—75 Wtitarbeiter an den »Monumenta
Germaniae historicae und babilitierte ſich 1875 als
Dozent der Geſchichte in Leipzig, wo er 1876 aufer-
ordentlicdjer, 1894 ordentlider — or wurde. Wie
fein Lehrer Waitz anregender hijtorijder Padagog,
Hat er namentlic) dad Studium der Entiwidelung
Der Schrift gefirdert durch feine »Sdhrifttafeln zur
€rlernung der lateiniſchen Paläographie- (Bert.
1874, 3. Mufl. 1897—98, 2 Hefte). Außer feinen
Uusgaben in den »Monumentas gab er beraus:
» Keine Denfmiler aus der Merowingerseit «(Hannov.
1874); ⸗-Goethes Briefe an die Gräfin Auguſte ju
Stolberg« (2. Aufl., Leips. 1881) fowie Goethes Sing:
fpiel » Seri und Bately in der urfpriingliden Gejtalt«
(Daj. 1881) und »Die Vögel« (daj. 1886).
4) Udolf, Rechtslehrer, qeb. 20. Oft. 1848 yu
Freienwalde in Pommern, ſchied 1879 als Kreisrichter
aus dem praftifden Juſtizdienſt aus, habilitierte fid
an der Univerfitit Halle und trat zugleich als Juſtitiar
beim dortiqen Oberbergamt ein, bei dem er fpater gum
Geheimen Pergrat ernannt wurde. Seit 1893 —*
ordentlicher Profeſſor, folgte er 1900 einem Ruf als
ordentlicher Profeſſor auf den Lehrſtuhl des Staats-
rechts in Königsberg. Seine frühern Schriften be—
handeln meiſt Bergrecht und Bergpolitik; hierher ge—
hören: »Zur Geſchichte und Theorie des Bergregäls
und der VBergbaufreiheit (Halle 1879); »Das all⸗
gemeine Berggeſetz fiir die preußiſchen Staaten« (daf.
1885, 2 Aufl. 1888, und als ⸗Kurzgefaßter Rommen-
tar<, Leip3. 1892); »Entwurf eines deutiden Berg:
geſetzes, nebjt Beqriindung< (Halle 1889); »Bergbau
und Bergpolitik« (Leip;. 1894). Dod) wandte er fid
bald aud) dem deutiden Staatsrecht gu. Aus diefem
Gebiet find gu nennen: ⸗Das Verordnungsredt des
797
Deutſchen Reiches« (Berl. 1884); »> Die Verfajjungs-
urfunde fiir den preußiſchen Staat« (daf. 1886, 4. Aufl.
1900); »Berfaffung ded Deutſchen Reidjes, mit Ein-
leitung und Romimentare (daf. 1895, 2. Uufl. 1902);
»Das Staatsredt des Deutſchen Reiches⸗ (Daj. 1901);
»Deutſches Landwirtfdaftsredte (Stuttg. 1901);
»Das felbjtindige Verordnungsredt« (Berl. 1902).
Zuſammen mit UW. Hellweg gab er Heraus: »Die
deutſche Strafgeſetzgebung⸗ (2. Wusg., Berl. 1886).
5) Theodor, prot. Theolog, geb. 1. Juni 1850 in
Benfendorf (Prov. Sadjen), geſt. 2. Juli 1901 in
Berlin, 1873—83 Obertehrer am königlichen Semi-
nar in Dresden, feit 1883 Prediger in Berlin, 1893
Präſident des Allgemeinen evangelifd-protejtantijden
Miffionsvereins, deſſen Organ, die Zeitſchrift fiir
Miffionshinde u. Reliqgionswiffenfdaft«, er 1886 mit-
beqritndet und bis zu —— herausgegeben hat.
rudts, Ludwig, Ritter von Arnesberg,
nambafter Redtslehrer, geb. 19. Aug. 1803 in Urns.
berg, geſt. 1. März 1878 in Wien, habilitierte fid
1826 in Bonn, ward dort 1837 auferordentlicher
Profeſſor, ging 1839 als ordentlider Brofeffor nad
WMiinden, wo er 1844 gum Mitgliede der Geſetzkom—
miffion ernannt und mit Entwerfung cine’ biirger-
lichen Geſetzbuches beauftragt wurde. 1848 in die
Frankfurter Nationalverjammilung gewählt, ſchloß
ev ſich der großdeutſchen Partei an und erklärte am
12. Mai 1849 ſeinen Wustritt. Seit 1855 Profefjor
des römiſchen Rechts in Wien, wurde er 1867 ing
öſterreichiſche Herrenhaus berufen, in Dem er21. Mary
1869 fiir bas Nonfordat ftimmte. Er wurde 1871
qeadelt und trat 1874 in Den Ruheſtand. Sein Haupt-
wert ijt Das »Lehrbud) der Pandeften« (Stuttg. 1850;
14. Aufl. von Pfaff und Hofmann, 1889; in bas
Stalienifche überſetzt von Serafini). Außerdem ſchrieb
er: »Qurijtiide Enzyklopädie und Methodologiz«
(Stuttg. 1843, 9. Aufl. von Grueber, 1895); » Die Lehre
von den Vermächtniſſen« (Erlang. 1869—75, 3 Bde.);
⸗Geſammelte sivilijtiide Schriften« (Stuttg. 1874,
3 Bbde.). Mit — und Pözl gab er die »Striti-
ſche Uberfchau der deutſchen Geſeßgebung und Rechts
wiſſenſchaft⸗· (münch. 1854—58, 8 Bode.) heraus,
aud) bearbeitete er die »Sententiaes des Paullus
(Bonn 1833) und die »Epitome rerum germanica-
rum« des Bappus (Wien 1856 — 58, 2 Bde.).
Arne (ivr. arn), THomas Auguſtine, engl. Rom:
ponijt, geb. 28. Mai 1710 in London, geft. dajelbjt
5, Mir; 1778, war urjpriinglic) gum Juriſten be-
ftimmt, aber durch qute Lehrer früh muſikaliſch qebil-
det und bradte ſchon 1733 feine erjte Oper » Rosa-
Arneburg.
| monde mit Glück heraus und wurde 1738 angeſtell—
ter Romponijt des Drury Lane- Theaters. 1742—
1744 wobnte er in Dublin, wurde aber bei feiner
Rücktehr der gefeierteſte Bühnenkomponiſt Londons.
Außer 33 Opern und Maskenſpielen ſowie einer Reihe
Schauſpielmuſiken ſchrieb UW. auc Oratorien und viele
Glees und Catdes fowie Sonaten. Geine Oper » Al-
fred« (1740) wurde beriihmt durd ihre Schlußnum⸗
mer, dad zum Nationallied gewordene »Rale Bri-
tannias. Urnes Gattin Cecilia, qeborne Young,
war eine tüchtige Opernfaingerin. Gein Sohn Mi-
chael, qeb. 1741, geft. 1786, ſchrieb ebenfalls mit
Glück fiir die Londoner englifden Theater.
Arneb, der Stern a (3. Größe) im Hafen.
MArneburg, Stadt im preuß. Regbez. Magdeburg,
Kreis Stendal, an der Elbe und der Kleinbahn Sten:
dal-Y., hat cine evang. Kirche, Korkſchneiderei, Fiſch—
fang, fiinitliche Fiſchzucht, cine Ofen-, cine Konſer—
ven⸗ und eine Tomwarenfabrif und (1900) 1893 Cinw.
798
Dabei die Triimmer einer von Heinrid I. erbauten
Burg, in der Kurfiirjt Johann Cicero 1499 jtarb.
Urnedo, Vezirfshauptitadt in der fpan. Proving
Logrofio, am Flu Cidacos, mit 900) 4341 Einw.
11 km wejtlid) der Badeort Urnedillo(1221 Cinw.)
mit muriatijder Therme von 52°.
Arneth, 1) Jofeph Calafanga, Ritter von,
Numismatifer und Gefdidtidreiber, geb. 12. Aug.
1791 gu Leopoldfdlag in Oberdfterreich, geſt. 31. Ott.
1863 in Karlsbad, jtudierte feit 1810 in Wien und
ward 1811 Brattifant, 1813 Kuſtos, 1840 Direftor
deS £. £. Münz- und Untifenfabinetts dafelbjt. Seit
1817 war er vermählt nit Untonie Adamberger (j. d.),
der einjtigen Braut Theodor Körners. Urneths
Hauptwerke find: »Gefdidte des öſterreichiſchen Kai-
jertums« (Wien 1827); »Synopsis numorum anti-
quorum« (daſ. 1837—42, 2 Bde.); »Katalog der
f. f. Medaillenftempelfammlungs (1839); »Das k. k.
Münz« und WUntitenfabinett« (1845); »Die Monu-
mente ded f. f. Wiing- und Untifenfabinetts< (1849—
1850, 3 Bde.); » Die Cinquecento-Rameen und Urbei-
ten des Benvenuto Cellini und feiner Zeitqenofjen«
(1858); »Stubien über Benvenuto Cellini« (1859).
2) Urthur, Mathematifer und Phyſiker, geb. 19.
Sept. 1802 in Heidelberg, feit 1838 Profeffor am Ly-
zeum daſelbſt, geft. 16. Dey. 1858; fdjrieb: »Syjtem
der Geometrie« (Stuttg. 1840, 2 Bde.); »Die Ge-
idhichte der reinen Mathematik in ihrer Beziehung zur
Entwidelung des menfdlidjen Geiftes« (daj. 1852).
8) Ulfred, Ritter von, Sohn von A. 1), öſter—
reid). Geſchichtſchreiber, geb. 10. Juli 1819 in Wien,
geft. dafelbjt 30. Juli 1897, wurde nad) Vollendung
jeiner juriſtiſchen Studien in der Staatsfanglei und
{pater tm Ff. Haus, Hof- und Staatsardiv angeftellt.
1848—49 war er Mitglied ded deutiden Parlaments
in Frankfurt a. M. und 1861 des niederdfterreidifden
Landtags. 1869 wurde er zum Mitgliede de3 Herren:
hauſes ernannt. A. vertrat in der deutſchen Frage
den großdeutſchen, in der innern Politif den gemäßigt
liberalen Standpuntt. Seine geſchichtlichen Arbeiten
bewegen ſich in der Beit von der Regierung Leopolds I.
bis in Die Gegenwart. Bu erwähnen find: »Leben des
Feldmarſchalls Grafen Guido Starhemberg« (Wien
1853); » Bring Eugen von Savoyen« 6 Ausg. daf.
1864, 3 Ude.); ⸗Geſchichte der Maria Thereſia« (daſ.
1863--79, 10 Bde.); ⸗Maria Thereſia und Marie
Yntoinette. Yor Briefwedfel« (2. Aufl., daf. 1866);
»Marie Antoinette, Jofeph IL. und Leopold I. Aor
Briefwedfel« (daf. 1866); »Maria Therefia und Yo-
feph I. Ihre Rorrefpondeny famt Briefen Joſephs an
feinen Bruder Leopold« (daj.1867, 3 Bde.); » Joſeph IT.
und Katharina von Rupland. Yor Briefwechſel« (daf.
1869); ⸗Joſeph IT. und Leopold von Tosfana. Nor
Briefwediel« (daf. 1872, 2 Bde.); » Briefe der Kai—
ferin Maria Therefia an ihre Kinder und Freunde«
(Daf. 1881, 4 Bde.); unter Beteiligung Geffroys:
»Marie Antoinette. Correspondance secréte entre
M. Thérése et le comte de Mercy-Argenteau « (Bar.
1875, 3 Vode.), unter Mitwirfung Flammermonts:
»Correspondance secréte du comte de Mercy-Ar- |
genteau avec l‘empereur Joseph I et Kaunitz«
(Daj. 1889 —91, 2Bde.); »Beaumardis und Sonnen
feld« (Wien 1X68); » Job. Chrift. Bartenftein und feine |
Seite (daſ. 1871); »Graf Philipp Cobenzl und feine
Memoiren« (daf. 1885); »Anton Ritler v. Sdmer-
ling. Epifoden aus feinem Leben 1835, 1848 - 1849«
(bat 1895); »Johann Freiherr v. Weffenberg, ein
Hfterreid). Staatsmann de3 19. Jahrh.« (dal. 1898,
2 Bde.) und Jugenderinnerungen unter dem Titel
Arnedo — Arnim.
»Aus meinem Leben« (daf. 1893, 2 Bde.). Seit 1868
ftand A. an der Spige ded öſterreichiſchen Staats.
ardjiv8 und erwarb re in diefer Stellung grofe Ver⸗
dienſte um die Ouellenforjdung. Sein Petipiel weit:
gebender Beriidjidtiqung fachmänniſcher Wünſche
wurde fiir die meiſten Urdivverwaltungen magebend.
Bon 1879 an war er Prifident der f. k. Alademie der
Wiffenfdhaften, feit 1880 Wirklider Geheimer Rat.
Arnheim (Urnhem), Hauptitadt der niederland.
Provinz Geldern, in finer Umgebung am Siidab-
hang der Hiigelfette der Veluwe und am Rhein (Schiff⸗
briicde), von dem fic) 2 km oberhalb die Yſel abjon-
dert, Nnotenpunft der Niederlaindifden Staatsbahu
und Hollindifden Bahn. Unter den Gebäuden find
bemerfenswert: die Groote Kerf (1452 vollendet, mit
dem priidtigen Grabmal des Herzogs Karl von Eq:
ntond), der Prinzenhof, wo vorzeiten die Herzöge von
Geldern refidierten, das Stadthaus (wegen ſeiner Ber-
jierungen »Teufelshaus< genannt) x. A. zählt C90
57,240 Cinw., darunter zahlreiche Ojtindien Rentiers
(»>Ruderlords<). Die Stadt hat ein Gymnaſium, eine
höhere Bürgerſchule, ein Seminar fiir Lebrerinnen,
eine Run tidule, cin Muſeum, ein Reichsarchiv, Bi-
bliothef, Fabrifen fiir Tiſchlerwaren, Spiegel Kutſchen,
mathematijde und phyfifalifde Inſtrumente, Schrift:
gießereien, zahlreiche Rapiermiihlen in der Untgegend,
einen Hafen und treibt [ebhaften Getreide-, Bieb «,
Tabak: u. Speditionshandel, namentlich mit Deutid
land. In der Umgebung der Stadt liegen zahlreiche
Landhäuſer mit Parfantagen (berühmt ijt der Kart
de3 Landgutes SonSbeef). — VW. gilt fiir Das Arena-
cum der Römer und wird urfundlicdh zuerſt 893 er-
wibnt; 1233. madte es Graf Otto II. von Geldern
ju einer Stadt. A. trat 1579 der Utredter Union bet,
wurde 1672 von den Franjofen erobert und Anfang
des 18. Jahrh. durd) General Cochoorn von neuem
befeftigt, 30. Nov. 1813 nahmen die Preufen unter
Bülow die Stadt mit Sturm. Dest find die ehemali—
ger Feſtungswerle in Promenaden umgewandelt.
Arnhemland, fritherer Name de3 nordöſtlichen
Teils des gum britifd-auftralifden Staat Südauſtra⸗
lien gehörigen Nordterritorinums (j. dD.) zwiſchen
dem Golf von Carpentaria und der Arafuraſee. Die
nordöſtlichſte Spige bildet RapUrn hem, in die Nord:
fiijte dringt die Arnhembai ein, ſämtlich 1623 durch
holländiſche Seefahrer nit dem Schiff Arnhem entdedt.
Arni (Ricfenbiiffel), ſ. Büffel.
Arnica Rupp. (Wohlverleih), Gattung der
RKompofiten, ausdauernde Kräuter mit meijt einfachem
Stengel, qeqenftindigen ganzen Blattern, großen, em
zeln endſtändigen, gelbbliitigen Rdpfdhen und 5—. 10
rippiger Frudt. 18 Urten in Nordamerifa, Europa,
Nordafien, bejonders in Gebirgen und bis in die art-
tiſche Sone hinauf. A. montana L. (Bergwohlverleih),
ſ. Tafel »WArgnetpflangen I<, Fig. 4.
Arnim (urfundlid aud Arnym, Arnimb, Arn
heim), märt. WUdelsgqeidledt, nad dem Dorf A. im
Kreiſe Stendal in der Altmark benannt, das 1204
zuerſt vorlommt und von dem Mitglieder nach dem
fande Barnim in der Ufermart iiberfiedelten ; fpater
liehen ſich Arnims aud in Pommern, Preußen und
Sachſen nieder. Ihre Hauptſchlöſſer waren Jehdenit,
Zichow, Gerswalde und Boi ven, bs der llfermart.
Friedrich Wilhelm v. A. auf Boipenburg wurde 1786
inden preußiſchen Grafenftand erhoben. Scitengweige
der Boigenburger Linie find die Haufer Heinridsdoryy,
Werbelow, Sucow und Kridlendorf. Zu Ehren der
Familie A., die dem preußiſchen Heere sahlreiche hobe
Offisiere (1 Generalfeldmarſchall und 7 Generale) gab
Arnim (Qohann Georg von, Achim und Bettina von).
wurde das 2. branbenburgijde Dragonerregiment
Rr. 12 nad ihr benannt. Bemerfenswert find:
1) Jobann Georg von, Heerfiihrer im Dreifig-
jabrigen Kriege, geb. 1581 gu Boigenburg in der Ufer-
marf, gejt. 8. Upril 1641 in Dresden, trat zuerſt in
ich edie damn in polnifde, 1626 in kaiſerliche Dienſte.
Von BWallenjtein mit der Velagerumg von Stralfund
beauftragt, dann nad Bolen gegen die Schweden ent-
fandt und 1628 gum Feldmarſchall befirdert, zog er
dod) al’ Protejtant 1631 den kurſächſiſchen Dient m
kaiſerlichen vor, ſchloß fiir Kurfürſt Johann Georg I.
das Bündnis mit Gujtav Adolf, befebligte bie Sach⸗
jen in der Schlacht bet Breitenfeld (17. Sept. 1631),
Drang in die Lauſitz und in Böhmen ein, bemadtigte
fic) Brags und operierte, naddem er Böhmen vor
Wallenjtein wieder hatte räumen müſſen, glücklich in
Schleſien. 1633 unterhandelte er mit Wallenjtein, 4
darn dem Kurfiirjten von Brandenburg ju Hilfe Zs
belagerte im Winter Frankfurt vergebens. Die von
ihm 1634 geführten gebeimen Unterhandlungen mit
Wallenjtein vereitelte deffen Sturz. Danad nahm
VU. Baugen, jiegte ber Colloredo (Mai 1634) bei Lieg-
nig, eroberte ‘Sittan und Grofglogau, fiel mit dem
ſchwediſchen General Banér in Pabmen ein und be-
feste nad) einem gejdeiterten Anſchlag auf Prag Line
burg und Königgrätz. Infolge ded esas Friedens
(1635) nahm —— Abſchied und begab ſich auf ſein
Gut Boitzenburg. Feindlicher Pläne gegen Schweden
beſchuldigt, ward er hier 7. a 1637 verhaftet und
nad) Stodholm gebradt. Bon dort floh U. im No—
vember 1638, bielt fid) einige Zeit verborgen und trat
dant als Generallentnant von neuem sugleid in fai-
ferliche und kurſächſiſche Dienſte. Sgl. Jrmer, Hans
— U. (Leipz. 1894).
2) Ludwig Udhim von, Dichter der romantifden
Schule, qeb. 26. Jan. 1781 in Berlin, geſt. 21. Jan.
1831 in Wiepersdorf (bei ilterbog), ftudierte in Göt⸗
tingen Naturwiffenfdaften und verdjffentlidte cine
» Theorie der eleftrifden Erſcheinungen · (Halle 1799),
wendete fid) aber bald ausſchließlich der poetiſchen
Produftion ju, lies fid) nad langern Reiſen 1806 in
Heidelberg mieder, wo er, mit Clemens Brentano en
befreundei, die »Zeitung fiir Cinfiedler« (deren Tite
Damn in » Trbjt-Cimfantfeite [f. d.] umgewandelt ward;
nett hrsg. von Pfaff, Heidelb. 1883) herausqab und
mit Brentano eme Sammlung der altern deutfden
RolfSlieder: » Des Knaben Wunderhorn« (f. Wunder:
horn), veranjtaltete (daſ. 1806 —1808, 3 Bde.). Jn
jeinen Jugendromanen: » Hollins Liebeleben« (Git-
tingen 1802; neue Ausg. von Minor, Freiburg 1883)
und »Uriels Offenbarungen⸗ (daſ. 1804), offenbarte
ſich ſchon die phantaſtiſche Willfiir, die den begabten
Dichter nie verlaffen follte. Die Novellenſammlung
» Der Winterqarten« (Berl. 1809) erneuerte vergeffene
Erzählungen. Hoherjtand der Roman » Urnuit, Reich:
tum, Sduld und Bue der Griifin Dolores. Cine
wahre Gedichte, zur lehrreichen Unterhaltung armer
Fräulein aufgeidrieben« (Berl. 1810, 2 Bde.), worin
der Dichter den Fall und die Buße einer heißblütigen
Frauennatur mit ergreifender Wahrheit, wenn aud
nicht ohne einiged ſtörende Beiwerk fdildert. 1811
verbeiratete ſich A. mit Brentanos Schweſter Eliſabeth
(Bettina), lebte von da an teils in Berlin, teils auf
feinem Gut Wiepersdorf in der Mark, wumterbroden
poetiſch tätig, überdies durch cine angiehende, im beſten
Sine ritterliche Perſönlichleit ausgezeichnet. Seine
Dramen » Halle und Yerujalem. Studentenfpiel und
Filgerabenteuer« (Heidelb. 1811) und die in feiner
» Schaubiihne«(Berl.1813) vereinigten Stiide ſchwan⸗
799
fen zwiſchen dem Ton des Ernjtes und bem toller,
phantajtijder Puppenſpiele in einer Weife, die den
rechten Eindrud gefährdet. (Vql. Bottermann, Die
Besiehungen de Dramatifers Achim v. A. zur alte
deutfden Literatur, Botting. 1896.) Dagegen find
feine Erzählungen, die teils emyeln in Tafdenbiidern,
teil gejanumelt unter den Titeln: »Vier Novellen«
(Berl. 1811), »Landhausleben« (Leipz. 1826) und
»Sechs Erzihlungen« (Berl. 1835) erſchienen, meiſt
anſchaulich und anziehend geſchrieben, von Humor
und warmem Gefühl durchdrungen, aber auch nicht
frei von barocken Ubfonderlidfeiten. Die beſten find:
»Iſabella von Ygypten«, »Der tolle Invalid auf dem
Fort Ratonneau«, » Die Majoratsherren« und ⸗Fürſt
Ganggott und Singer Halbgott«. Seine Hauptidip-
fung 6. der hiſtoriſche Roman »Die Kronenwäch⸗
ter« werden, deſſen erjter Teil nod) den Titel: »Ber-
tolds erſtes und zweites Leben« (Berl. 1817) fiibrte,
während ein zweiter, unfertiger Teil erjt aus Arnims
Nachlaß hervortrat. »Die Kronenwächter« find ein
hiſtoriſcher Roman von grofartiger Unlage und mid:
tiger Unsfiihrung ; die bedeutende Heit, der Ubergang
vom Mittelalter sur Neuzeit (Beginn des 16. Jahrh.),
ijt lebensvoll und farbenreich geſchildert, und die aus:
geführten Epijoden find voll Wärme und Heimats-
zauber. Arnims ⸗Sämtliche Werfe« mit einer Bor-
rede von YW. Grinun (Berl. 1839— 46, 19 Bode.;
1853 —-56, 22 Bde.) fanden nur ungeniigende Ber-
breitung ; bejjere wurde den »Vusgewahlien Novellen
und Erzählungen« (daf. 1853, 3 Doe. ju teil. Cine
Auswahl der Werke Urnims bejorgten Kod) fiir Kürſch⸗
ners »Deutide Nationalliteratur« und Dohme fiir
Meyers Klaſſikerausgaben (Leip. 1892). Arnims Bei-
triige zum »Gefellfdafter« aus den Jahren 1817—
1820 gab ne heraus: »Unbefannte Aufſätze und
Gedichte von A.« (Berl. 1892). Val. ⸗Achim v. A. und
die ihm nabe ftanden<, hrsg. von R. Steig u. Herm.
Grimm (Bd. 1, Stuttg. 1894).
3) Elifabeth von, gewöhnlich Bettina genannt,
Gattin de3 vorigen, Sdwejter von Klemens Brentano,
Enfelin der Sophie Larode, geb. 4. Upril 1788 im
Frankfurt a. M., geft. 20. Jan. 1859 in Berlin, ver-
lebte ihre Jugend teils in einem Kloſter, teils bei Ver—
wandten in Offenbach und Marburg, teils in Frant-
furt felbjt. In ibrer Kindheit ſchon au Sonderbar-
feiten qeneigt, gab fie fic) feit ihrer Bekanntſchaft mit
dem Stiftafrdutein v. Günderode (j. d.) franfhafter
Naturſchwärmerei hin. Später trat fie mit Goethes
Matter in cin enges Freundidhaftsverhaltnis und faßte
gu Goethe felbjt, den fie 1807 perſönlich fermen lernte,
nachdem fie ſchon vorher in Briefwechſel mit ihm ge-
jtanden hatte, cine Neigung, die Der Didter zwar
freundlich duldete, jedod) nidjt erwiderte. Nach ihrer
Verheiratung (1811) lebte fie, naddem fie mit Goethe
volljtindig gebrodjen, teils in Berlin, teils in Wiepers-
dorf, dem Gut ihres Gatten. Erſt nach deffen Tode
trat fie als Schriftitellerin auf; dabei hegte fie leb—
haftes Intereſſe fiir die fogial - politifden Peiteride.
nungen, gab ſich in Berlin mit großem Cifer der Sorge
fiir Arme und Kranke hin und nahin an den Hoffrungen
und Errequngen de3 Jahres 1848 einen Anteil, der
ibr in den — Kreiſen ſehr ſchadete. Ihre Werke
ſind geniale Improviſationen, in einem ſchwunghaf—
ten und blütenreichen, oft auch verworren jtammeln:
den und pythijd-dunfeln Stil abgefaßt. Go das be-
fannte Bud) »>Goethes Briefwedfel mit einem Minde«
(Berl. 1835, 3 Bde.), das neben viel Echtem manche
freie Ausſchmückung enthalt; aud) das Bud) » Die
Giinderode« (Griinb. 1840, 2 Bde.) bietet eine Mi—
800
jdhung von Erinnerungen und Phantafien. Später
erſchienen: »Dies Bud) gehdrt dem König« (Berl.
1843, 2 Bbe.), worin die Frage des ſozialen Clend3
au löſen verfudht wird; ⸗Klemens Brentanos Friih-
ingstranz · (Charlottenb. 1844), dem Wndenfen ihres
Bruders gewidmet; ferner: »Ilius Pamphilius und
die Ambroſia · (Berl. 1848, 2Bde.), wieder ein » Brief-
wedfel<, der eine Art Herzensverhaltnis (jum jungen
Didter Phil. Nathufius) gum Inhalt hat; endlich die
dunkeln ⸗Geſpräche mit Dimonen. Des Kinigsbuds
weiter Teil« (Daf. 1852). Cin Plan, der jie bis m
ie legten Tage ihres Lebens beſchäftigte, war die Er-
richtung eines großen Goethe-Denfmals, ju dem fie
jelber die Zeichnungen entworfen hatte, dod) wurde
nur ein Teil (Goethe und Pſyche) von Steinhaufer
(f. d.) ausgefiibrt. Ihre »Samtlidjen Werke« erſchie—
nen in 11 Banden (Berl. 1853). Bgl. »Goethes Briefe |
an Sophie Larode und Bettina Brentano« (hrsg. von
Loeper, Berl. 1879); »Bettina von A. und Friedrid |
Wilhelm IV. Ungedructe Briefe u. WUttenjtiidee (hrsq.
von Geiger, Franff. 1902); KR. Ul berti, Bettina v. We.
(Leip;.1885); Carriere, Bettina v. A. (Bresl.1887);
L. Geiger, Didter und Frauen (Berl. 1896); Berd-
row, Frauenbilder aus Der neueren deutſchen Litera-
turgeſchichte (2. Aufl. Stuttg. 1900). — Ihre jüngſte
Todter, Gifela, Gattin des gag und
Didjters Herman Grimm, geb. 30. Aug. 1827, geſt.
4. Upril 1889 in Florenz, hat fic) als dramatiſche
Schriftſtellerin verfudt; thre »Dramatifden Werke«
erjdienen in 4 Banden (Born u. Berl. 1857—75).
4) Heinrid Friedrid, Graf von A.Hein—
ridsdorf-BWerbelow, preuj. Staatsmann, geb.
23. Sept. 1791 gu Werbelow in der Ufermart, geſt.
18. Upril 1859, madte die Vefretungstriege mit, ward
dann preußiſcher Legationsfetretir in Stodholm und
in Paris, 1831 Gelandter in Briijjel, 1841 (i den
preuhifdenGrafenjtand erhoben) in Baris und 1845—
1848 in Wien, wo er fic) gang tm Geife der Metter—
nichſchen Bolitif bewegte. Wim 24. Febr. 1849 gum
WMinijter des Auswärtigen ernannt, trat er bereits
8. Mai von diefer Stelle zurück, da er mit der deut-
ſchen Unionspolitif des WMinijteriums nicht einver—
jtanden war. Bon 1851— 57 wieder preußiſcher Ge-
jandter in Wien, fuchte er das gute Cinvernehmen
mit Ojterreid), in welchem er ftets einen unentbehr-
lichen Ulliierten Preußens erblidte, gu fordern.
5) Ulerander Heinrid, Freiherr von, aus
dem Hauſe U.-Sudow, preuk. Staatsmann, qeb.
13. Febr. 1798 in Berlin, geft. 5. Jan. 1861 in Diijfel-
dorf, trat 1814 in Die Landwehrreiterei der Ulermark
und madte mit fiinf Briidern die Vefreiungstriege
mit. Im J. 1840 wurde er gum Gefandten in Griifiel,
1846 in Baris ernannt. Yn dieſen Stellungen erwarb
er fic) großes Verdienſt namentlid) durch Zujtande-
bringen des belgifd-preufifden Handelsvertrags vom
1. Sept. 1844 und durch die Entidiedenheit, mit der
er ſowohl amtlich al andy in feiner Schrift ⸗Mein
handelspolitifdes Tejtament« (Berl. 1844) den herr-
ſchenden ſchutzzöllneriſchen Anſichten entgegentrat.
Nach dem Sturz des Julikönigtums (Februar 1848)
eilte er nach Berlin und überreichte dem König 17. März
cine Denlſchrift, worin er auf liberale Reformen und
fofortige Berufung eines gum deutſchen Barlament
ju eriveiternden Landtages fowie auf Befolqung emer
deutſch nationalen Politi! drang. Bon ibm ging aud)
bie Manifeftation des Königs fiir die deutſche Sache
(21. Marg) aus. Wn demfelben Tage trat er als Mi—
nijter Des Wuswartigen in das auerft vom Grafen
Arnim Boihenburg, dann von Camphaufen geleitete
Arnim (preuifde Staatsmänner).
neue Minijterium, das jedod bereits 20. Juni zurüd⸗
trat. Darauf bemiihte ſich U., durch einige Flugſchrif⸗
ten (>Frantfurt und Berlin⸗, »Über die Mediatija-
tionsfrage«) auf eine Ldjung der deutſchen Frage bin-
suwirfen. 1849-51 Mitglied der Exjten Rammer,
hielt er gur deutid)-fonjtitutionellen Bartet und be-
fimpfte energiſch Manteuffels Politif. Nod größern
Cindrud als jeine Reden und Anträge madte Bie Bere
öffentlichung einiger »ungebaltenere Reden (> Bur
Politit der Cpigonen in Preufen«, Berl. 1850; »8ur
Politif der Contre Revolution in Preujen<, daf.1851).
Wegen der legtern Hlugidrift wurde A. auf Betreiberr
der Feudalpartei vor Geridt gejtellt und trog einer
glangenden, von ihm ſpäter verdjfentlidten Verteidi-
ung ju einer Geldjtrafe verurteilt. Seitdem lebte er
in Zurückgezogenheit, bis er nad) dem Sturz des WMi-
nijteriums Manteuffel 1858 in Berlin sum Landtag3-
abgeordneten gewählt ward. Kenntniſſe, Welterfah-
rung u. Freimut verſchafften ihm bedeutendes Unfeben.
6) Udolf Heinrid, Graf von W.-Boigen-
burg, preuß. Staatsmann, geb. 10. April 1803 in
Berlin, gejt. 8. Jan. 1868, trat, nachdem er feine afa-
demiſchen Studien in Gottingen und Berlin vollendet,
in den preupifden Staatsdienjt, ward Qandrat in der
Ufermart und 1833 Regierungsprajident in Stral-
jund. Später ward er m gleicher Eigenſchaft nad
Aachen, 1839 nad Merjeburg verſetzt, 1840 sum Cber-
prafidenten der Proving Poſen und 1842 zum Miniſter
de3 Innern ernannt. Allein bei der Auffaſſung des
Königs iiber die Stellung der Minijter, die nur feine
Befehle ausfiibren follten, und bei der Abſicht Arnims,
jtets Dem König den Rücken gu decen, vermochte der
et es Mann wenig auszuführen. Die gemäßigte
Freiheit der Preſſe, die er erjtrebte, fiihbrte nur ju
ſchärferer Handhabung der Zenfur; die Plane, die er
ur Unsbildung der Verfajjung entiwarf, fanden, da
fi das Recht sur Bewilligung von Anleihen und die
Periodizitat forderten, die vom König gedadhte fimit-
liche Vermiſchung der Rechte zwiſchen dem Landtag
und den BVereinigten Ausſchüſſen ablehnte, nicht die
Billigung Friedrid) Wilhelms. Die Ausweiſung Itz
ſteins und Heckers aus Preußen fam hinzu. So nahm
ſchon 1845 ſeine Entlaſſung, wurde aber in der
drängenden Not des 19. März 1848 vom König an
die Spitze eines neuen Kabinetis berufen. Da er aber
den Eintritt liberaler Oppoſitionsführer in das’ Mi—
nifterium fiir notwendig bielt, fo jdied er, um dieſen
gu ermigliden, fdon 29. März aus dem Minifterium
wieder aus. In einer Brofdiire hat er fiber fern Ber:
halten in dieſen Tagen felber Nachricht geqeben, in
einer zweiten Den Sinn der-am 22. Mary zugeſtande
nen Urwablen erläutert und das Zugeſtändnis der Ber-
eidigung der Truppen auf die Verfaſſung freimiitig
e einen Fehler erflart. Sein Mandat zur deutiden
Rationalverfammlung legte er bald nieder, verteidigte
bie Jnterefjen des Grundadels gegen die Steuerplane
des Winijters Hanfemann tm » Junferparlament« und
wirfte demnächſt in der Sweiten Rammer wefentlid
fiir Die Umgejtaltung der Dezemberverfaſſung. Seit
30. Nov. 1854 erbliches Mitglied des Herrenhauses,
war er bier Führer der von ibm — gemaãßigt
tonfervativen Fraktion. Während der neuen Bra op-
ponierte er entidjieden gegen die Grundjteuervorlagen
des Minijteriums und beftirwortete wabrend der on
fliftsseit nm Herrenbaus die Annahme der vom Wb-
geordnetenhaus abgelehnten Budgetvorlage der Re-
qierung en bloc. Dieſes Verhalten rechtfertigte er tn
der Schrift: »Das Recht des Herrenhauſes bei Feit-
fesung des Staatshaushalts« (Bert. 1863).
Arnim-Paragraph — Arnold.
801
7) Harry (Heinrid), Graf von, deutider Di-; mann, Graf A., geb. 20. Juni 1839, Legations-
plomat, geb. 3. Oft. 1824 zu Moitzelfitz in Pommern, | rat, gulegt bei der Geſandtſchaft in Lifjabon, nabm
aus dem freiherrliden Haus U.-Sudow, geft. 19. Mai
1881 in Nizza, trat, nachdem er die Redte ftudiert
hatte, in den diplomatijden Dienjt und ward 1864
preufijder, feit 1866 norddeutider Gefandter beim
päpſtlichen Stubl, fpielte während des vatifanifden
Ronjils 1869 —70 eine nicht unbedeutende Rolle, in
dem er die Oppofition der deutfden Bifdife gegen
das Unjehlbarfeitsdoqma unterjtiigte, und bemiibte
fic) im September 1870 vergebens, zwiſchen der rö—
miſchen Rurie und der Regierung des Königreichs
Stalien gu vermitteln. Wim 28. Juli d. J. in den
Grafenftand erhoben, erwarb er fid) in Briiffel und
Frankfurt bei den Friedensverhandlungen mit Frank:
reid) Verdienjte. Wm 9. Juni 1872 wurde er als Bot-
fchafter des Deutſchen Reiches bei der franzöſiſchen
Republif beqlaubigt. Hier mifdte er fic) in die mon-
ardijden Umtriebe gegen Thiers ein und bemiihte
ſich wiederholt, durch direkte Borjtellungen beim Raijer
Vismards Politif zu durchkreuzen, bis Bieter es durch⸗
ſetzte, daß UW. 2. April 1874 von Paris abberufen und
nach Konſtantinopel verſetzt, gleich darauf aber pen⸗
ſioniert wurde. Jetzt ſtellte ſich heraus, daß er eine
Anzahl wichtiger Staatspapiere aus dem Botſchafts—
archiv an ſich genommen hatte. Er weigerte ſich, ſie
herauszugeben, er wurde daher 4. Ott. 1874 auf!
jcinem Gut Naſſeheide bei Stettin verhaftet und in |
Berlin vor Gericht gejtellt, das ihn 9. Dez. gu 3 Mo-
naten Gefängnis wegen Vergehens wider die öffent—
lide Ordnung verurteilte; das Kammergericht ver-
ſchärfte dieſe Strafe 24. Juni 1875 auf 9 Monate.
Aud wurde zur Verhiitung ähnlicher Benutzung offi-
jieller Uftenjtiide cin befonderer Paragraph in das
Strafgeles aufgenommen (W.- Paragraph, näheres
im Urtifel ⸗Amtsverbrechen«). YW. hatte fic) der Ber-
büßung feiner Strafe durch die Reife ins Ausland
entzogen, von wo er feine Ungrijfe gegen Bismard
in Der von ihm unterſtützten »Reidsqlode« und in
einer befondern Broſchüre: »Pro nihilo« (Zürich
1875), aufs heftigſte fortieste. Der lestern Schrift
wegen ward er 5. Oft. 1876 vom Staatsgeridtshof
au 6 Jahren Zudthaus in contumaciam verurteilt.
Seit 1878 lebte UW. in Ojterreid) und verdffentlidte
nod) zwei fehr gemäßigte Broſchüren zur Verteidiqung
feiner Unjichten über die Nirchenpolitif: » Der Nun-
3ius fonnmt!« (Wien 1878) und » Quid faciamus nos ?«
(daf. 1879). Der von ibm beabjictiqten Wiederauf
nahme des Prozeſſes entzog ihn der FO.
8) Adolf, Graf von UW.-Boikenburg, älteſter
Sohn von A. 6), geb. 12. Dex. 1832 in Boitzenburg,
ejt. 15. Dez. 1887 zu Berlin, jtudierte die Rechte in
Wittingen, onn und Berlin, ward 1862 Regierungs-
ajjejfor, 1864 Hilfsarbeiter im Miniſterium des In—
nern und 1868 Landrat des Kreiſes Templin, made
die Feldzüge 1864 und 1870 als Ordonnanzoffizier des
3. Urmeeforps mit und ward im März 1873 Prä—
fident ded Bezirls Lothringen in Megs, im Dexember
1874 Oberprajident von Schleſien. Nad) der Ver—
urteilung des Grafen Harry von A. (fj. Arnim 7),
Der feit 1857 mit feiner Schwefter Sophie vermählt
war, nahm er 1877 feinen Abſchied und 309 ſich nad
Boigenburg zurück. Seit 1874 Mitglied des Reids-
tags, ſchloß er ſich der freifonjervativen Partei an. Dresden ſchon friiher von Spener pictijtifd ange
1875 feinen Abſchied, beteiligte jid) an den Angriffen
der Preffe gegen Bismarck und wurde deswegen 1877
u 3 Monaten Gefängnis verurteilt. Er erwarb die
b eccidatt Muskau und lich fid) 1887 in den Reicdhs-
tag wählen, in dem er fic) Der Reichspartei anfdlof.
Er vertrat mit bejonderm Cifer die agrarifden und
folonialen Bejtrebungen.
UArnim- Paragraph, j. Arnim 7) und Wmts-
verbredjen 9).
Arnis, Flecen im preuß. Regbez. und Kreis Schles⸗
wig, an der ſchmälſten Stelle der Schlei, mit 568 Einw.
hier 6. Febr. 1864 Schleiübergang der Preußen.
Arno, Infel, ſ. Marfhalltnfeln.
Arno (lat. Arnus), nächſt dem Tiber der bedeu-
tendite Fluß Mittelitaliens, entfpringt 1358 m bod)
am Monte Falterona, bridt als wilder Bergftrom
oberhalb des Fleckens Stia hervor und durchfließt
das frudtbare, nad) SO. gerichtete Tal Cafentino.
Durd die Ebene von Arezzo, wo der den A. mit dem
Tiber verbindende Chianafanal cinmiindet, fling!
ſich dann der Fluß um den Bratomagno herum gegen
MN. und bildet cin zweites, dem Cafentino paralleled,
aber nördlich geridtetes Längental, das fruchtbare
obere Val d'A. (125 —150 m it. M.). Bei Pontaf-
fieve, wo er die Sieve, feinen bedeutendjten Neben-
fluß, aufnimmt, wendet er fic pliplic nach W., durch⸗
fließt die frudtbare Talebene von Floreng (cinen
ehemaligen Sec), aus der er fich in Dem engen Durd)-
brudstal von Golfolina cinen Weg in die Miijten-
ebene gebabnt hat, der er in fich ftetig verbreiterndem
Tal suflicht. Die ganze fumpfige, jest funjtvoll ent-
wäſſerte Ebene um Piſa ijt em vom A. und Serdio
ausgefüllter Golf. Sämtliche linke (Greve, Peja, Elfa,
Cra) wie rechte Nebenflüſſe (Bijengio und Ombrone)
durchfließen dem Urno- und Sievetal parallele Tiler
und ftehen fenfredt auf dent OQuertal des U. von Pon-
taffieve bis gur Miindung. Der Canale Imperiale
verbindet den YW. durch den frühern See von Bien-
tina (f. d.) mit Dem Serdio bei Lucca; von Piſa führt
der Kanal Foſſo dei Navicelli nbrdlid) von Livorno
jum Meere. Die Linge des A. betriigt 248 km,
ſchiffbar ijt er von Florenz an (106 km).
Arnobins, Rhetor su Sicca in Numidien, ſchrieb
nad feinem Übertritt sum Chrijtentum um 300 n. Chr.
eine Apologie desjelben: »Adversus nationes libri
Vil« (or8q. von Reifferſcheid, Wien 1875), eine wid)-
tige Quelle für die Kenntnis des Damaligen Heiden:
tums und feiner Rulte.
Arnold, Stadt in Nottinghamihire (England),
unweit Nottingham, mit Strumpfwirkerei, Spitzen
fabrifation i (901) 8757 Cinw.
Arnold, 1) Chrijtoph, alsajtronomifder Beob
adter befannter Bauer, qeb. 17. Dey. 1650 in Gom-
merfeld bei Leipzig, geſt. 15. Upril 1695, entdedte den
Kometen von 1683 und beobadhtete 31. Olt. 1690 den
Durdgang des Merfur durd die Sonne. Er ſchrieb:
»Göttliche Gnadenzeichen, in einem Sonnenwunder
vor Augen geftellt« (Leipz. 1692).
2) Gottfried, luther. Theolog, qeb. 5. Sept. 1666
in Unnaberg, gejt. 20. Wai 1714 in Perleberg, ward
1697 Profeſſor der Geſchichte in Gießen, leqte aber, in
t,
Im November 1878 ward er zum erjten Vizepräſi- alsdann in Quedlinburg einem myſtiſchen Separatis
denten des Herrenhauſes erwahlt und führte aud) mus zugeführt, 1698 femme Profeſſur nieder, um nad
1879 in der erjten ordentlichen Generalſynode Preu- Ouedlinburg juriicjufehren. Dod) änderte er feine
fens den Vorſitz. 1880—81 ward er Prafident de3 Anſicht wieder, ward DHofprediger der verwitiveten
deutſchen Reidhstags. -
Meyers Konv.«Lerifon, 6. Aufl., L Bo.
- Sein jiingerer Bruder, Her Herzogin von Sadjen-Cifenad in Wiljtedt, verbeira-
51
802
tete fid) 1701 und wurde 1704 Prediger su Werben,
1707 in Perleberg. Sein Hauptivert ut die ihrer Zeit
ſchon Durd die deutſche Darjtellung Aufſehen erreqende
Unparteiiſche Kirchen⸗ und Kegerhijtorie« (bejte Aus—
gabe, Schajfhauj. 1740—42, 3 Vde.), worin er den
i ein Streben nach wahrem Chriſtentum zuſchrieb
und ihre Beredtigung durd) die Mängel und Wus-
artung der Rirde nadwies. Val. Dibelius, Gott
jried YW. (Berl. 1873); Fliring, Gottfried A. als
Rirdenhijtorifer (Darmijt. 1883).
3) Georg Daniel, Redtsqelehrter, auc als elſäſſ.
Dichter befannt, geb. 18. Febr. 1780 in Straßburg,
geſt. dafelbjt 18. Febr. 1829, ward 1806 Profeffor
de3 Code civil an der Rechtsſchule zu Koblenz, 1809
Profeſſor der Geſchichte zu Straßburg, 1811 zugleich
Rrofejjor der Rechtswiſſenſchaft, 1820 Präfekturrat,
weldje Stelle er aber wieder aufgab. Er ſchrieb:
»Elementa juris civilis Justinianei, cum Codice
Napoleoneo et reliquis legum codicibus collata«
(Strahb. u. Par. 1812). Bekannt ijt fein Lujtipiel
» Der Pfingſtmontag« (»Le lundi de la Pentecdte«),
int Strafburger Dialeft (Stragb. 1816, 2. Aufl. mit
einer Auswahl von Gedidten und Viographie 1851;
aud) in Reclams Univerjal-Bibliothef), das Goethes
befonderes Lob erntete.
4) Sriedrid, Unatom, geb.8. Jan. 1803 in Cden-
foben, gejt. 4. Juli 1890 gu Heidelberg, ftudierte feit
1821 dafelSjt, wurde 1826 Proſeltor an der dorti—
en Unatomie, 18385 Profeſſor der Unatomie in
Zürich, 1840 in Freiburg, 1845 in Tiibingen und
1852 Profefjor der Unatontie und Phyſiologie in Hei-
delberg. Er bereidjerte die Anatomie veto mehrere
widtige Entdeckungen und lieferte bedeutungsvolle
Veitrage zur Unatomie des Zentralnervenfyftems, des
Wuges, der Gelenfe und Bander fowie Unierſuchun—
en fiber Gallenabjonderung, Lungenfapagitat x. Er
—* Über den Ohrknoten« (Heidelb. 1828); »Der
Kopfteil des vegetativen Nervenſyſtems« (Daf. 1830) ;
Uber dad Auge des Menſchen⸗ daſ. 1832); ⸗Icones
nervorum capitis« (2. Aufl., bat 1860); »Phyjiolo-
gie Des Menſchen⸗ (Sir. 1836—42); »Tabulae ana-
tomicae« (daf. 1838—42); » Handbuch der Unatomic
des Menfden« (Freiburg 1844—51, 3 Bde.); > Zur
Phyſiologie der Galle« (Mannh. 1853); »tiber die
Atmungsgröße des Menſchen« (Heidelb. 1855) u. a.
5) Fedor Karlowitſch, ruff. Forjtwirt und
Staatsmann, geb. 1819 tn St. Petersburg, geft.
8. März 1902, Sohn des Begriinders der Mosfaucr
praftifdjen Handelsafademie und Bruder des Kom—
poniften Georg K. A. Seit 1842 wirfte er theoretiſch
und praftifd) fiir Ein ührung eines geregelten Forjt: |
wirtfdaftsbetriebes. Bon 1842—H8 war er Direftor
des Forftdepartements; daneben hielt er feit 1847 Bor- |
fefungen an der Forjtafademie und wurde 1858 Pro-
feffor an der lands und forſtwirtſchaftlichen Alademie
zu Betrowffoje bei Mosfau, deren Direftor er von
1876—83 war. 1883 wurde er jum Mitgliede des
Minijteriums fiir Landwirtidaft und das Rronver-
mögen ernannt. Er fdrich: »Handbud) der Forſt—
wirtfdaft«, « Forjttarationen«, » Forſtwiriſchaft inden
rujfifden Waldern« (1880), »Veranſchlagung der in
den ruffifden Waldungen arbeitenden Kapitalten und
deren Refultate und Verzinfung« (1884) und » Der
ruffifde Wald« (3 Bde).
6) Wilhelm, Redhtslehrer, qeb. 28. Oft. 1826 zu
BVorfen in Heſſen, geft. 3. Juli 1883 in Marburg, habi⸗
litierte fid) 1850 in Marburg, wurde 1855 Profeffor |
in Baſel und 1863 in Marburg. Er jdricb: »>BVerfaf- |
ſungsgeſchichte Der deutſchen Freijtidte im Anſchluß an
Arnold.
die Verfaſſungsgeſchichte der Stadt Worms < (Hamb.u.
Gotha 1854, 2 Bde.); » Zur Gefdidte des Cigentums
in Den deutſchen Stadten« (Bafel 1861); »Rultur und
Rechtsleben · (Berl. 1865); ⸗Kultur und Redht der Rd-
mter« (Daf. 1868); »Unfiedelungen und Wanderungen
deutſcher Stämme, zumeiſt nach heſſiſchen Crtsnamen«
(Marb. 1875, 2 Bode.); »Deutſche Urjeit« (3. Uni,
Gotha 1881); »Friintifde Zeit (Daf. 1882); ⸗Stu⸗
Dien gur deutſchen Rulturgefdidte« (Stuttg. 1882).
7) Julius, Mediziner, Sohn von A. 4), qeb. 19.
Aug. 1835 in Zürich, ftudierte feit 1854 in Herdel-
berg, ließ fic) dafelbjt 1861 als Arzt nieder, habili—
tierte fid) 1863 als Privatdozent und wurde 1870
Profefjor fiir allgemeine Pathologic und pathologiſche
Anatomie und Drrettor des pathologifd)-anatomriden
Inſtituts in Heidelberg. Er fand die nervöſe Spiral-
fafer und die perizellulären Nervennetze an den fynt-
pathijden Gangliengellen, aud) gelang thm der Nad
weis atypifder Rernteilungsfiquren und der plurt-
polaren Mitoſen in Geſchwülſten; er lieferte Unters
ſuchungen fiber die Morphologie der extravastuliren
und intravastuliren Gerinnimg, fiber Blutdriifen,
Rreislaufitirungen, Geſchwülſte, Mißbildungen x.
jowie Beitriage gue Morphologie und Biologie der
Sellen und der Plasmoſomen. Er ſchrieb: »ilber die
Bindehaut der Hornhaut und den Greijfenbogen«
(Deidelb. 1860); » Das qlatte Musfelqewebe< (Leips.
1870); »Wnatomijde Beitrage zur Lehre von den
Schußwunden« (Heidelb. 1873); »Beiträge zur Ent
widelungsgefdidte des Uuges« (Daj. 1874); » Unter
judungen iiber Staubinhalation und Staubmeta-
jtafe« (eips. 1885); »UÜber den Kampf des menſch⸗
lichen Körpers mit den Balterien« (Heidelb. 1888).
8) Johann, Miller, f. Arnoldſcher Prozeß. S. 804.
9) Dans, Pſeudonym, f. Bülow (Babette von).
[Englifhe Muſiker und Sdriftiteller.] 10) Sa-
muel, engl. Romponijt, geb. 10. Yug. 1740 m Lon-
don, get. dajelbjt 22. Oft. 1802, wurde in der könig⸗
lidjen Bofalfapelle unter Gates und Rares gebil-
det; 1763 Komponiſt fiir das Coventgarden-Theater,
1769 —71 felbjt Theaterunternehiner (Marylebone:
Wardens), 1783 Nadfolger von Nares als löniglicher
Rapellfomponift, 1793 aud) Organijt der Wejtminiter-
abtei. Seit 1789 leitete er aud) Die Concerts of ancient
music, begriindete mit Calcott den Glee-Club, ijt über⸗
haupt eine der Damaligen Londoner Muſiknotabili⸗
titen. A. hat 48 Opern und Intermezzi gefdyricben,
ferner 5 Oratorien, aud) Konzerte, Ouvertiiren, So
naten und firdliche Werke, ſetzte die von Boyce be-
qonnene Sammlung »Cathedral music« fort (1790,
4 Bde.) und redigierte cine (fehlerreide) Gejamtand-
gabe der Werke Hiindels (1786 ff., 86 Bde.).
11) Thomas, geb. 13. Junt 1795 m Cowes auf
der Inſel —* geſt. 12. Juni 1842 in Orford, cin
fiir das firdlide Leben und das Erziehungsweſen
Englands hodwidtiger Mann, wirkte — als
Mentor von Privatzöglingen, dann als Vorſteher der
öffentlichen Schule in Rugby. Seinen Sinn fitr deut-
fiche Literatur betitigte er als Bearbeiter von Riebubrs
rimifder Geſchichte (» History of Rome«, 3 Bde., um-
vollendet, 1846—49 u. b.). Er war emer der älteſten
und klarſten Bertreter der breitlirchlichen Partei und
entſchiedener Gegner des Puſeyismus. 1841 über-
nahm er die Profeſſur der Geſchichte zu Oxford. Bgl.
Stanley, Life and correspondence of Th. A. zulegt
1901; deutfd), Botsd. 1846); Zinzow, Thomas U.
(Stett. 1869); Wuttig, Thomas VW. (Hannov. 1884);
vith, Th. and Matthew A. and their influence
on English education (Lond. 1897).
Arnold von Brescia —
12) Matthew, engl. Didter und Kritifer, Sohn
de3 vorigen, geb. 24. Dez. 1822 in Laleham (Middle⸗
fer), geft. 15. April 1888 in Liverpool, ftudierte feit
1840 in Orford, war 1847—61 rivatjefretir des
Lords Lansdowne und ſpäter Schulinfpeftor. An
Didjtungen hatte er (anonym) »'The strayed revel-
ler, and other poems« (Lond. 1848), »Empedocles
on Etna« (1853, neue Ausg. 1868) und »Poems«
(1854, 2 Bde.) verdffentlidht. 1857 wurde er Pro-
feſſor der Boejie in Orford, ftudierte 1859 im Auf—
iraq der Regierung in Franfreid), Deutſchland und
Holland das Unterridt3wefen. Seine Unfidten dar-
liber gab er in »A French Eton, or education and
the state« (1864) und »Schools and universities on
the Continent« (1868, 3. umgearbeitete Aufl. 1882).
Seinen poetifden Formenfinn bewährte er in den
» New Poems« (2. Aufl. 1868) und in feiner Homer-
überſetzung in engliſchen Herametern. Dariiber han-
Delte er theoretifd in Dem Werf: »On translating
Homers (1861). Died gujammen mit feinen » Essays
on criticism « (1865, 2. Aufl. 1869; zweite Folge 1888)
und mit feiner »Celtic literature« (1867) find feine
fritijden Hauptwerte. 1867 legte er feine Profeſſur
in Orford nieder. Bu feinen populiir- theologifden
Schriften gehören: »St. Paul and Protestantism«
(2. Uufl. 1871); »Literature and dogma« (1873);
»God and the Bible« (1875); » Last essays on church
and state« (1877). W., der allmählich von den ortho: |
Doren Unfidjten der englifden Staatsfirde gu febr |
freien Uberzeugungen vorſchritt, iſt als Proſailer und
Kritiler von viel größerm Einfluß geweſen denn als
Dichter. Er hat als Kritiler durch das Herausfehren
des perfinliden Elements geradezu reformatorifd |
qewirtt. Cine volljtindige
erſchien 1877 in 2 Bänden, 1890 in 1 Band. Seine
Briefe wurden von peg W. E. Rufjell heraus-
gegeben: >The letters of Matthew A. 1848 — 1888«
(ond. 1895, 2 Bde., neue Wusg.1901). Val. Saints:
bury, Matthew A. (Yond. 1899); H. Baul, M.A.
usgabe feiner Gedidte |
(daf. 1902).
13) Sir Edwin, engl. Didhter, Sprachgelehrter
und Journalijt, geb. 10. Juni 1832, ftudierte in Ox—
ford und wurde gum Direftor des Government Sans-
crit College in ‘Buna ernannt. Bon Jndien 1861
nad England jurtidgetehrt, leitet er feither den » Daily
Telegraph«, auf dejjen Soften die Entfendung des
Aſſyriologen G. Smith nad Niniveh erfolgte, und
teilweife Die Expedition H. Stanleys zur Auffindung
Livingjtones. Cr veröffentlichte allgu wörtliche Uber-
ſetzungen aus dem Griedifden(»The poetsofGreece«,
1869; »Hero and Leander<, nach Muſäos, 1873) und
das Drama »Griselda« (1856), »Poems, narrative
and lyrical« (1853, DdDarunter »A ma future«) und
als Früchte feiner orientaliſchen Studien: »The book
of good counsels« (Ausgabe und abgefiirste Uber-
jebung der »Hilopadeja«, 1861), »The Indian song
of songs« (1875, neue Wusg. als »Indian poetry«,
1883). »The light of Asia-, cin großes Gedicht über
Veben und Lehre des Buddha (1879, in vielen Auf—
lagen erfdienen; deutfd) von Pfungſt, Leips. 1891),
iit fein Hauptwerl, dem als ſchwächeres chriſtliches
Gegenſtück 1891 »The light of the world« folgte.
Wud) ſchrieb er ene » History of India under the ad-
ministration of the Earl of Dalhousie« (1864, 2Bde.),
»India revisited« (1886) und gab eine Sammlung
| wurde er von der aufgeregten Menge im St. Jafobs-
flojter vor Waing 24. Juni 1160 verbrannt.
Mainzer mupten diefe Tat 1163 mit dem Verluſt ihrer
feiner Reiſebriefe von feiner 1889 unternommenen
Weltfahrt u. d. T.: »Seas and lands« (1891) heraus
jowie 1892 »Potiphars Wife and other poems«.
A. danft feine Erfolge hauptſächlich der glücklichen
803
Stoffwabhl. Als Überſetzer ijt er etwas pedantic, und
als freier Dichter fehlt e3 ibm an guter Technik und
ſtiliſtiſchem Reiz.
Arnold von Brescia, der kühnſte und tatkräf-
tigfte Geqner der Hierardie im 12. Jahrh., qeboren
umt 1100, gejt. 1155, war ein Schüler Abälards und
Geiſtlicher in ſeiner Vaterjtadt Brescia. WIS die Quelle
des Verderbens in der Kirche erfannie er die weltlicde
Macht und den Reidhtum der Geiſtlichkeit. Demgemäß
forderte er, daß Die Geijtlicjen auf allen irdiſchen Be-
ſitz verzichten, fid) mit freiwilliqen Spenden der Gläu—
bigen beqniigen und fic) die Armut der Apoſtel gum
Vorbild nehmen follten. Solche Lehren, durch) nüch—
terne Sittenſtrenge befréftigt und mit hinreißender
Veredjamfeit verfiindigt, jammelten zahlreiche An—
Hanger um ihn. Wher auf die Unflage des Biſchofs
von Brescia hin wurde A. durch die Lateranfynode
von 1139 ſeines Amtes entſetzt, aus Ftalien verwiefen
und begab fid) gu Abälard nad) Franfreid), wo er in
dev Verkündigung feiner Lehren fortfuhr. Wud) von
bier auf Veranlaſſung Bernhards von Clairvaur ver-
trieben, floh er 1142 nad) Biirid), gehörte 1143—45
zum Gefolge de3 Rardinals Guido, Legaten fiir Böh—
men und Mähren, und fehrte 1145 mit Genehmigung
Eugens II. nad Italien zurück. Erſt 1147 begann
ec in Rom, das die päpſtliche Herrſchaft abgeſchüttelt
hatte, wieder öffentlich gu predigen und wurde das
eiftige Haupt der römiſchen Republif, während der
apjt ihn als Reger bannte. Als aber Eugens Nach—
folger Hadrian IV. 1155 das Ynterdift über Nom ver-
hängte, wurde YW. durd) ben Senat ausgewiejen. Er
floh nad) Tuscien, wo ihn Friedrid I. in feine Gewalt
bradte; dem römiſchen Stadtprafetten ausgeliefert,
wurde er, nachdem er den Widerruf veriweigert hatte,
am Galgen hingerictet; fein Leichnam wurde ver:
brannt und die Ufde in den Tiler gejtrent. Bal.
Giefebredt, U. von Brescia (Munch. 1873); Cla-
vel, Arnaud de Brescia et les Romains du XII.
siécle (Par. 1868); Bonghi, Arnoldo da Brescia
(Hom 1885); Hausrath, UW. von Brescia (Leips.
1892). Dramatijd ward Arnolds Sdidjal von Bod—
mer und Yiccolini bearbeitet.
Arnold von Lübeck, deutidher Geſchichtſchreiber
des Wittelalters, Wbt de3 Johannesflojters zu Liibed ;
jtarb 1212. Er fegte die Slawendronif Helmolds
(j. d.) unter ſtärkerer Beriidjidtiqung der Univerjal-
geſchichte feiner Zeit bis 1209 fort. Seine Gewährs—
manner waren der Biſchof Heinrid) von Liibect und
der laiſerliche Kanzler Ronrad von Querfurt. Her-
ausgegeben ijt feine Chronif in den »Monumenta
Germaniae historicac, Ud. 21, in dDeutider Uber-
ſetzung von Laurent (Berl. 1853). Bql Damus,
Die Slawendronif Urnold3 von Lübeck (Liib. 1873).
Arnold von Selenhofen, Erzbiſchof von Mains,
aus einem angefehenen Mainzer Dienſtmannen—
geſchlecht, ſtudierte in Paris, wurde Domberr und erz—
biſchöflicher Stadtfimmerer, dann Dompropjt in
Waing, 1151 Kanzler Nonrads ITT. und 1153 Erz-
biſchof von Maing. Tatkraftig und rückſichtslos in der
Verwaltung feines Stiftes, rief er die Widerſetzlichkeit
jeiner Dtinijterialen und der Stadt Maing hervor, die
während fetner Abweſenheit in Stalien, wo er fiir
Arnold von Selenhofen.
Anerkennung de3 faiferlidjen Gegenpapſtes wirkte, in
offene Rebellton ausbrad. Als er fich, zurückgekehrt,
mut den Aufſtändiſchen in Unterhbandlungen einließ,
Die
Privilegien und der Schleifung ihrer Befeſtigungen
51*
204
SGien Bal Segele. Av. S. (jena 1855); Baum⸗
bad, H. Exsbrihot von Mam; (Beri. 1472).
Gothatide
i (deren Direftor er
bis qu ſeinem Tode war), jene 1821, dieie 1829 ge-
n bebe axf bem Scandia der Gegenicitighe!
d. Seit 1616 trat A. eifrig fir f
fremder Baren herbeizuführen.
— Jollvereins war U. mit Erfolg bemiibt,
die Heugettaltung der Dt
fiir Deutidland aus zu⸗
nugen. So wurde die : abrifation aus Runtfel-
riiben vornehnilich durd thn im ndrbdliden Deutſch⸗
land juerit eingeführt oder
Yin
** Sorgfatt gu. Schon 1817 war daielbjt auf
ſeine Beraniay das faufmanniide Inſtitut der
Imungshalle mit —— 9
Sql. Em minghaus, Ernit Wilhelm A. (Weim. 1878)
2) Bilbelm, Biſchof von Trier, geb.4. Jan
in Badem bei Bitburg in der Eifel, gejt.7. Jan. 1864,
befudjte das ‘Priefterieminar in Trier, empfing 1821
bie Priefterweihe und erhielt bald darauf eine ef.
jur am Prieſterſeminar zu Trier, die er jedod) 1826
mit Der Pfarret gu Laufeld in der Eifel vertauſchte,
von wo er 1831 als Stadtpfarrer nad Wittlich, 1834
alé Domprediger und Domfapitular nad Trier be-
rufen wurde. Seiner Wahl jum Bifdof 1839 ver-
weigerte bie Regierung die Beſtätigung, weil A. die
Vereinbarungen fees Vorgängers mit der Regierung
fiber Die Mitchehen befaimpfte. Doch veridatfte der
Thronwechſel in Preußen einer sweiten Wahl Urnol-
dig die fonigliche Bejtatiqung (1842). A. zeigte ſich
jtreng firdlid) und begiin{tigte die Stiftung von Klö—
jtern. Großes Aufſehen erregte die von ihm im qutem
Glauben und bejter Abſicht 1844 veranjtaltete Aus—
eg Des ungendhten Rodes Chrijti, die weithin
bie ſchaͤrfſte Erbitterung hervorrief und den Anlaß
zur deutid-fatholijcden Bewegung gab. Für firdliche
Stunft zeigte er hohes — Lol J. Kraft, Bil-
helm A., Biſchof von Trier (Trier 1865).
Arnoldiften, die Anhänger der Lehren ded hin—
eridjteten Urnold von Brescia (f. d., S. 803). Bal.
De artats, Die A. (Leipz. 1895).
Arnoldſcher Proxzefz, cin merfwilrdiges Beiſpiel
Wud
itfem. 1819
angeregt. den: fi
enbeiten ſeiner Bateritadt wendete A. fort mitteilte, fonnten
ndet worden. , Gersd
. 1798 |
Atnoldi — Amoldider Lrowek
gegen Gersdorñ am die Lititriner Regicrung (Dd. §. tos
¥ ut) umd, vom becier chgemicien, mxit emer
— ft am den Somig, der ibm 21. Wag 1779 in
Vots dam zu
die Ritirrmer Regierung beauttragte. emen
mid dah Ur-
nold nidt Unrecht geſchehen; er bielt alles fiir cme
wiſfentliche R Ba iten der Edelleute
ff un r ließ die drei an der
da fie bei ihrer Meinung blieben, ms Gefangnié
führen; der Großlanzler v. Fiirit erbielt ſeine ibm
übrigens ſchon vorber in Ausſicht geſtellte Entlaffung
Der König befahl ce te ae ijter v. Red
‘lif, die jtrenge Bei der Rate gu forgen.
Da i dieſer ye wie der ———— des Aam⸗
mergerichts deſſen weigerte, verurteilte der König
1. Jan. 1780 zwei jener Rite, Graun und Friedel,
und mebrere Mitglieder der Küſtriner Regierung aus
eigner Madtvollfommenheit jur Kaffation, zu ein⸗
| jabrigem Feftungsarrejt fowie sur Sablung des von
YUrnold erlittenen Schadens und befabl, daß der Wul⸗
ler wieder in Beſitz der Mühle geſetzt werde. Die Ber-
| urteilten blieben bis 5. Sept. 1780, bid fie Arnold
entſchädigt batten, in Spandau und wurden nicht wie-
der angettellt. Erſt nad) Friedrichs Tode wurde das
| Verfahren revidiert, die Beamten fiir unfchuldig er:
| flart und ibr Berlujt ihnen erjegt. Friedrich I.
14. Dez. 1779 in der »Speneriden Zeitumg< das am
11. Dez. von ihm felbft aufgenommene Protokoll pu-
blizieren und den Qujtizfollegien die ſtrengſte Unpar⸗
| tetlichfeit aufs ſchärfſte anempfeblen lafjen, dba Bri
und Bauer, Bettler und König vor der Juſtiz glei
feien. So ungerecht Friedrichs Verfahren gegen die
Beamten war, fiir die das Berliner Publikum offen
ber Kabinettsjuſtiz Friedrichs IL. von Preuſſen. Der Vartei ergrijf, fo machte dod) dieſes fo entſchiedene
Miller Johann Urnold beſaß die Krebsmühle bei | Cintreten fiir die niedern Stände großes Auffehen
Pommerzig in der Neumark, fiir die er dem Beſitzer und verſchaffte ihm im Wuslande den Ruhm des ge-
ded Gutes, Dem Grafen v. Schmettau, eine jährliche rechteſten Königs. Er felbjt fab fpater ein, dah er ge
Erbpadt in Rorn ju entridten hatte. Wis num der täuſcht worden war, hielt aber cin abſch des Bei⸗
VYandrat v. Gersdorff, dem dad oberhalb der Mühle jpiel gegen die Großen dennod fiir ndtiq. Ubrigen’
qeleqene Gut —— 1770 drei Karpfenteiche gab der Fall den Anſtoß gu der Beſchleumni der
anlegte, erflarte Yrnold, da ibm das Wafer zur neuen Prozeßordnung, die 1781 erſchien, und *
Wiihle dadurch genommen werde, zahlte von 1773 an | endung des Landredts. Val. Sengebufd, Hijto-
den Erbfanon nicht mehr und wies anc alle Bergleicds- | rifch - rechtliche Würdigung der Cinmifdung Fred-
anerbietungen Sdymettaus zurück. Da die Miihle je- | richs d. Gr. in die Rechtsſache des Miillers Urnold
dod) fortwahrend im Gange geweſen, alſo Waſſer genug (Altona 1829); die Urfunden bei Preuß, Friedrich
vorhanden war, wurde Arnold von Schmettau ver- | d. Gr., Bd. 3, Anhang (Berl. 1834), und deſſen »Be-
flagt und 7. Sept. 1778 die Mithle im Rechtsweg ver- ſchichte des Arnold-Gersdorffſchen rozeſſes (in der
fteigert. Jetzt wendete ſich Arnold mit einer Beſchwerde » eitidrift fiir preuß. Gefdhichte«, 1864); Stölzel,
Arnoldus Villanovanus — Arnsberg.
Brandenburg: Preufens Redtsverwaltung u. Rechts-
verfaffung, Hd. 2 (Berl. 1888), S. 272 ff.; Didel,
Friedrich D. Gr. und die Brogeffe des Millers Urnold
(Marb. 1891); Holge, Bum Müller Arnoldſchen
Pros (Berl. 1902).
rnoldus Villanovanné, ſ. Villanovanus.
Arnolfo di Cambio, ital. Architekt und Bild-
Hauer, geb. unt 1232 gu Colle di Bal d'Eſta im Flo-
rentinijden, gejt. 1310, war ein Schüler des Niccold
Piſano. Seine Hauptwerfe find: die gotifde Klo—
ftertirde Santa Croce; der Plan des Domes Santa
Maria del Fiore su Floreng, deſſen Bau er von 1294
bis gu feinem Tode leitete; der Palazzo Vecchio da:
jelbjt (1298 begonnen), das gotifde Tabernafel in der
Kirche San Paolo bei Rom (1285) und das Grabmal
de Kardinals de Braye in Gan Domenico gu Orvieto.
Arnon, antifer Name des tief in da3 Hochland
von Moab eingefdhnittenen Wadi Mödſchib, der die
Nordgrenze des eigentlidjen Moab bildete.
Arnott, 1) Neill, Arzt, geb. 15. Mai 1788 zu
Arbroath in Angusſhire, geſt. 2. März 1874, jtudierte
feit 1801 in UWberdeen und London, wurde Wundar3t
im Dienjte der Ojtindifden Rompagnie und ließ ſich
1811 in London nieder. Er hielt Vortrage fiber Phyſik,
erfand einen Bentilator und Ofen, bas Wafferbett und
andre Vorrichtungen fiir mediginijde Zwecke und for-
derle befonders aud) die Hygiene. YL ſchrieb: »Elements
of physics« (7. Aufl. Lond. 1876); » Treatise on the
smokeless fireplace« (1855); »A survey of human
progress towards higher civilization « (2. Aufl. 1862).
2) Georg Urnold Waller, Botanifer, f. Arn.
Arnowld (jor. an), Sophie, franz. Schauſpiele—
rin, geb. 14. Febr. 1744 in Paris, gejt. 1803, fam zu—
erjt in die königliche Rapelle und 1757 zur Oper, an
der fie big 1778 der Liebling des Barifer Publikums
war. Gie glänzte ebenjofehr durch ihren Gefang wie
durd) ihr ſchönes Spiel. Nicht weniger bezaubernd
war ihre Liebenswürdigkeit aujerhalb des Theaters.
Cine zweite Rinon, fab fie die geiſtreichſten und ge
lehrteſten Männer in ihrem Hauje; d'Alembert, Di-
derot, Mably, Duclos und J. J. Rouſſeau ehrten fie
durd) ihre Beſuche. Dorat, Bernard, Marmontel und
Favart haben fie beſungen. Yor zuweilen fehr beifen:
der Wi madte fo großes Glück, daß man ihre Bon—
nots unter dem Titel: »Arnoldianae (Bar. 1813)
fammelte. Lamotte-Langon gab ihre ⸗Memoiren⸗
heraus (Par. 1837, 2 Bode.). Rol. Moncourt, So-
phie A. (Bar. 1877); Douglas, 8. A., actress and
wit (Lond. 1898; fran3. UÜberſetzung, Bar. 1898).
Arupeck, Veit, Geſchichtſchreiber, geb. 1440 in
Landshut,
Baterjtadt. Wie Andreas von Regensburg (f.d., Bd. 1,
S. 502) Borldufer Uventing, bat er in der deutſchen
Bearbeitung femmes » Chronicon Baivariae « (bis 1495)
mehr, als es bis dahin üblich war, nach Volkstümlich
leit geſtrebt. Ausgaben bei Bes, » Thesaurus anecdo-
torums, Bd. 3, und Freyberg, »> Sammlung hijtori
ſcher Schriften«, Bd. 1. Val. Joe we, Veit Aernpelch,
ein Vorläufer Aventins (> Berhandlungen des hijto
riſchen Bereing fiir Niederbayern«, Bd. 29).
Aruprior (jpr. érnpraier), Stadt in Ontario (Ka-
nada), nabe der Viindung des Madawasfa in den Ot-
tawa, mit Fabrifen, Holjhandel und (1891) 3341 Cinw.
MArns , Dauptitadt der ehemaligen Grafidaft,
jetzt des preuß. Regierungsbezirks A. m der Proving
eſtfalen, auf einem Bergrücken, der auf drei Seiten
von der Ruhr umfloſſen wird und die Ruinen des al—
ten Stammſchloſſes der Grafen von A. trägt, und an
der Staatsbahnlinie Frindenberg-Kajfel, 208 m it. Ve,
ejt. um 1505, war Geijtlider in feiner |
805
ijt Sig der Regierung, eines Land- und cines Amts—
erichts, ciner Handelskammer rc. und hat 2 fatholi-
Rie und cine evang. Rirde, Synago e, Gymnaſium,
Eiſenbahnhauptreparaturwerlſtätte, Papier- und Ba
pierjtofffabrifen, eine Dampfſägemühle und (900)
8490 Cinw., Darunter 1622 Cvangelijde. — A. er
hielt 1237 Stadtredt und wurde fpdter Mitglied der
Danja; aud) war hier cin »Oberfreijtubl« der Fem
geridjte. Rad) der Befignahme durd) Köln (1368)
wurde A. häufig Reſidenz der
Kölner Kurfürſten ſowie Sitz
der weſtfäliſchen Kanzlei und der
Landtage. Die ehemalige Graf⸗
ſchaft ü wurde im 11. Jahrh.
von den Grafen von Werl ver-
waltet, Die ſich feit 1082 nad
U. benannten. Unter ihnen ijt
ant — Friedrich der
Streitbare (geſt. 1124), ein En-
fel Ottos von Nordheim; er be-
leitete 1110 Heinrid V. nad
Italien, empörte fic) 1114 im
Bunde mit Kurköln gegen denſelben, unterwarf fic
dann aber. Wit feinem Sdhwiegervater Graf Gott-
fried von Cuyl folate die weibliche Linie in Der Graf-
ſchaft; Gottfried IV. verfaufte fie 1369, da er finder:
los war, an Rurfdln. Während die Hauptlinie 1371
erlofd, blühte der Zweig Rietberg (j. d.) bis 1564.
Die Graffdhaft gehörte fortan sum Kölner Herzogtum
Wejtfalen, wurde 1802 an Hejjen abgetreten und fam
1815 an Preufen. Bgl. Féaur de Lacroir, Ge-
ſchichte Arnsbergs (Arnsb. 1895); Derjelbe, Fiibrer
durch U. und Umgebung (2. Wufl., daſ. 1902). — Der
Landgerichtsbezirk A.umfaßt die 20 Amtsgerichte
u A., Attendorn, Balve, Berleburg, Bigge, Brilon,
urbach, Förde, Fredeburg, Hilchenbach, Kirchhundem,
Laasphe, Marsberg, Medebach, Meſchede, Neheim,
Olpe, Siegen, Warſtein und Werl. — Der Regie:
rungsbezirk A. (jf. Rarte »Weſtfalen«) zählt (900)
auf 7696 qkm (139,77 DY.) 1,851,319 Einw. (dar
unter 1,017,560 Evangeliſche, 810,882 Ratholifen
und 11,802 Yuden), 241 auf 1 qkm, und beſteht aus
den 24 Rreifen:
Wappen ber Stadt
Urnsberg.
Rretfe | Daitom. OMeilen’ Einw. Einw.
| auf lak
AA ee | 64 12,06 96 482 145
Mrngberg . . . 677 12,30 4 898 81
Bodum (Stadt). . 6 O11 65551 —
Bodum Candd . | 123 2,23 160649 1308
Grilon . 2... . 789 14,33 39 640 50
Dortmund (Stadt). | 238 0,51 142733 | —
Dortmund (Kand) . 246 4,47 147 047 | 602
Gelſentirchen (Stadt) | 3 0,05 36935 | —
Gelfentirden (Wand) = = = 75 | 1,86 | 188033 267
Hagen (Stadt) . . | 17 0,31 50612, -
Hagen (Vand) . . 242 4,40 774221
Hamm (Stadt) . 23 0,42 81371 |
Hamm (and) 40) 7,41 73874 172
Hattingen. . . . | 141 2,56 79821) 566
Horde 2 wk 170 | Boo | 115754) 681
Merlo . . . 332 6,03 | 85506 | 257
Rippftadt . . . 500 9,08 41093 82
Mefede . . . . | TB l4jis | 38194 49
BUG 6. 6 wise | 618 11,22 41179 67
Sdhwelm .. ‘ 157 2,45 71627 406
Siegn. . . . 647 11,75 98511 152
Goejt ..... 530 9,63 56 420 107
Witten (Stadt) . . 9 0,16 33517 —
Wittgenſtein 487 8,84 23318 48
Über dic acht Reichstagswahlkreiſe des Regierungs-
bezirks ſ. Karte »Reichstagswahlen«.
806
Arnsberger Wald, bewaldete Hodebene in Weſt⸗
falen, zwiſchen Ruhr und Möhne, nördlich von Arns—
berg, bis 414 m bod.
rusburg, frithere Cijtercienferabtet bei Hungen
in Oberbefjen, Kreis Gießen, um 1151 geqriindet, 1503
aufgehoben; jest gum Teil verfallen und im Beſitz des
Grafen von Solms-Laubad, mit Rettungsanjtalt ver
wahrloſter Rinder und (1900) 71 Einw. Bgl. Sauer
und Ebel, Die Ciftercienferabtet A. (Gieß. 1895).
Arusdorf, 1) Dorf im preuß. Regbez. Liegnitz,
Kreis Hirfdberg, am Riefengebirge und an der Eiſen
bahn Zillerthal⸗ A., 435 m ii. M, hat eine evangeli- |
ide und eine fath. Rirde, cin Schloß, cin Denfmal
des Kaiſers Friedrich III. ‘Bapier-, Lederpappe⸗ und
Holzſtofffabrilation, Garnbleicherei und (iv00) 1916
Einw. — 2) Dorf in Böhmen, ſ. Haida.
Urn , Dorf und Schloß bei Neujtadt a. d.
Orla (Sadfen- Weimar), ehemals Sig der Grafen
von A., deren Beſitzungen swifden Saale und Orla.
lagen. Das Geſchlecht, dejjen Anfänge ſich bis ins
12. Jahrh. verfolgen laſſen, teilte ſich in fünf Linien,
die Arnshaugkſche, Elſterbergſche, Leuchtenburgſche,
Lobdaburgſche und Burgauſche; 1290 ſtarb es mit
dem Grafen Otto aus. Deſſen Witwe Elijabeth (Tod
ter des Vogts Heinrid) ju Plauen) heivatete den Wart
qrafen Albrecht den Entarteten und ftellte den Frie
den swifden ihm und feinem Sohn Friedrid) dem
Freidigen her. Diejer erwarb durch feine Vermablung
mit Ottos Erbtodter Clijabeth dem Haus Meißen dre
Grafſchaft A. Durd den Arnshaugker Vertrag
von 1428 überließ Kurfürſt Friedrich von Sachſen die
Burggrafſchaft Meißen an Heinrich) von Plauen. VW.
verblieb bet der Teilung von 1485 der Erneſtiniſchen
Linie. 1567 fam es als Pfand und 1660 völlig an
die Ulbertinifde Linie; 1815 fiel es an S. « Weimar.
Arnftadt, Hauptitadt der ſchwarzburg-ſonders
haus. Oberberrjdaft, an der Gera, Nnotenpuntt an
der Linte Neudictendor | - Ylme
282 m it. M. hat etm fürſtliches
Schloß mit Porzellan= und We
mäldeſammlung und grofarti-
gem Turm der 1560 erbauten,
1798 zuſammengeſtürzten Hof
und cine fatholtiche), darunter
dic cvangelifde reitaurterte Lieb-
frauenfirde mit romanifdem
Portal (angeblid) von 970) und
zwei adjtediqen Tiirmen aus frühgotiſcher Zeit, em
altes Rathaus (1581 erbaut) und (90) 14,411 ment
evangeliſche Einwohner. Die Indujtrie erjtredt fid
auf Eiſen- und WetallgieReret, Fabrifation von
Handiduben, Leder und Schuhwaren, Feuerſpritzen,
Gummiwaren, Fleiſcherei- und Schuhmacherartikeln,
Pavier, Wäſche, Brückenwagen, Geldſchränken ꝛc. Han
delsmüllerei, Mineralmühlen, Bierbrauerei, Kunſt
und Handelsqarineret rc. In der Nähe beſinden ſich
reiche Steinſalzlager (Satine Arnshall) mit Solbad.
A. tit Sitz eines Landratsamts, eines Auilsgerichts und
hat cin Gymnaſium und eine Realſchule. In derUm
gebung ſind der ſchöne Schloßgarten, der Fürſtenberg,
die Eremitage, dte Alteburg (mit Dent 1902 eröffneten
Kaiſerturm) und die Reſte derKäfernburg bemerfens
wert. — Auf dem Reichstag zu VW. 954 unterwarfen
jid) Die aufſtändiſchen Herzöge Ludolf und Nonrad
dem König Otto 1. Spiiter gehörte W., das 1266
Stadtredt erbielt, teils yur Abtei Hersfeld, teils den
Wappen von Arn—
ftadt.
Wrafen von Käfernburg, bis es 1306 durch Kauf an
nau der Preußiſchen Staatsbahn,
burg, 5 Kirchen (4 evangeliſche
Arnsberger Wald — Arnulf.
die Grafen von Schwarzburg fam, die bis 1716 bier
refidierten. A. ijt merfiwiirdiq als Wohnort J. S.
Bachs (f.d.), des Schriftitellers YW. Wleris (W. Haring),
Der 1871 in A. ſtarb (Denfmal), und der Roman:
ſchriftſtellerin E. Marlitt (CE. John). Bal. Hejfe,
Arnſtadts Vorzeit und Gegenwart (Yirnjt. 1842);
W. Uleris, W., etn Bild aus Thiiringen (1851);
Glidner, Solbad A. (Arnſt. 1883); ——
Beiträge zur Heimatkunde von A.« (daſ. 1901 Ff.).
Arnſtein, Stadt im bayr. Regbez. Unterfranlen.
Bezirksamt Karlſtadt, an der Wern und der Staau
bahnlinie Schweinfurt-Gemiinden, bat 2fath. Kirchen.
eine Synagoge, cine Präparandenſchule, ein Amts
gericht, Bierbrauerei, Weinbau, Handel mut Getreide,
Sieh, Hols 2c. und (1900) 1745 meiſt fath. Einwohner.
Arnftorf, Fleden im bayr. Reqbes. Riederbayern,
Bezirfsamt Eggenfelden, an der Qotatbabn Landau
a. aN. hat 3 fath. Rirden, 2 Schlöſſer, emt Bhnts-
gericht, Viehzucht und (1900) 1415 Einw.
Arnswalde, sreisjtadt im preuß. Regbez. Frant.
furt, zwiſchen drei Seen, Rnotenpunft der Staats-
babniinien Bojen-Stargard und Rallies-W. und
der Eiſenbahn Glaſow-A., hat eine gotiſche evang.
Rirde, eine Synagoge, eine woblerhaltene Stadt-
mauer, Amtsgericht, die Diveftion der Neumärkiſchen
Landfeuerſozietät, Cifengieherei, Wafdinen- und
Viirjtenfabritation, Wollſpinnerei, Dampfſaͤgemühle
und (1900) 8665 meiſt evang. Einwohner. — A. wird
juerjt 1269 urkundlich erwähnt. Am 12. Jan. 1807
wurde in A. der franzöſiſche General Victor gefangen
und ſpãter gegen den gefangenen Blücher ausgeliefert.
Arnulf, 1) rim. Kaiſer, natiirlider Sohn des oft
fränkiſchen Ronigs Rarlmann, geboren zwiſchen 845
bis 853, gejt. 899, erbte nad femmes Vaters Tode (880)
Pannonien und Kärnten und wurde nad Karls ded
Dicken Abſetzung (887) König von Ojtfranfen. Er
ſchlug 891 die Rormannen bet Lowen an der Dyle
Vom Papſt Formoſus gegen Guido von Spoleto, der
nad) der Kaiſerwürde tradhtete, zu Hilfe qerufen, machte
er 894 einen Sug nad Stalien, mußte jedoch infolae
des Ubfalls der Großen in Piacenza umfebren. Seine
Macht blie auf Bayern, Franfen und Schwaben be
ſchränkt. Weniger gliiclid) waren feine Sriege gegen
Swatopluf von Maͤhren (892—93). 895 aber von
neuem in Stalien, benutzte er die Streitigfeiten zwi—
ſchen Dem Herjoq Berengar von Friaul, der fic) zum
König von Stalten aujgeworfen, und Guidos Sogn
Lambert um die Kaiſerwürde fo geſchickt, daß ihn For:
moſus 22. Febr. 896 in Rom, das er im Sturm ge
nommen hatte, gum Kaiſer krönte. Er wurde in St.
Enuneran in Regensburg, ſeiner gewöhnlichen Refit:
denz, beqraben. Dom folgte als König fem Sohn
Ludwig das Rind (jf. d.). Bon einer Beijdlaferin,
Holenrada, hatte A. zwei Sohne: der eine, Awenti-
bold, ward 895 König von Lothringen, der andre,
Ratold, wird als Ahnherr der Grafen von Weran
angefehen. Bgl. Dümmler, Gefdichte des oftfrink-
ſchen Reiches, Wd. 2 (2. Wufl., Berl. 1888).
2) Bifcdhof von Mes, Ahnherr der Urnulfinger
und Rarolinger (ſ. d.), geb. um 582, get. 16. Yug. 641,
unter Theudebert I. auſtraſiſcher Ralaftaufieber, trat
in Den qeijtliden Stand und wurde 612 Biſchof von
Mek. Mit dent Majordomus Pippin von Landen,
deffen Todter Begga an Unfegifel, Arnulfs ehelichen.
vor Eintritt in den geijtliden Stand erzeugten Sobn,
verheiratet war, gemeinfam war er als Ratgeber der
Merowingerlönige Chlotar IT. und Dagobert L ein
flußreich. 627 leqte er fein Bistum nieder und zog
jid) nad) Horenberg im Wasgau zurück. Wrnulfs
Arnulfi — Aromatiſche Mittel.
807
Leichnam wurde 642 in der ſeitdem Wrnulfstirde ge- | Sarnau der Preußiſchen Staatsbahn, 272 m ii. M.,
nannten Upoftelfirde in Megs beigeſetzt.
3) Herzog von Bayern, Sohn de3 Markgrafen
Luitpold, der 907 gegen die Magyaren fiel, ſchlug
dieſe 913 am Inn und madte fich gum Herzog. Ge-
gen Konrad I. wabrte er feine Selbjtindighett; Hein.
richs I. fonigliche Oberhoheit ertannte er zwar 921 in
einem Bertrag an, bebielt ſich aber widtige Hobeits-
redte, auch die Beſetzung der VBistiimer, vor. Er ftarb
14. Juli 937 in Regensburg. — Sein Sohn Eber-
hard verlor im Kampf gegen Otto J. 938 das Her-
zogtum, das 945 Dem Gemahl feiner Todter Judith,
Heinrich, verliehen wurde.
4) Pring von Bayern, geb. 6. Juli 1852 in
Miinden, dritter Sohn des Pring-Regenten Luitpold,
tratin das bayriſche Jnfanterieleibregiment ein, wurde
rajd dejfen Nonmandeur, dann Brigadefonunandeur |
im 1. Urmecforps, Kommandeur der 1. Divijion, 1892
General der Infanterie und Kommandeur ded 1. bay:
rijden Armeekorps; er ijt Inhaber de3 bayrifden
12. Jnfanteriereqiment3 Bring A., Chef de3 preupi-
iden Infanterieregiments Nr. 52 und Oberjtinhaber
deS k. u. £. — — Nr. 80. Er iſt ſeit
12. April 1882 mit der Prinzeſſin Thereſia von und
zu Liechtenſtein (qeb. 28. Juli 1850) vermählt; ſein ein⸗
ziger Sohn, Bring Heinrich, ijt 24. Juni 1884 geboren.
Arnulfi, Ulberto, piemont. Dialeftdidter, geb.
13. Juli 1849 in Turin, gejt. 27. März 1888 in Rom;
verfaßte: »Maciette turineises, cine Sanunlung fa-
tiriſcher Gonette (unter dem anagramunatijden Pſeu⸗
donym Fulberto Alarni, Tur. 1879), und das
Lujtipiel »Drolarie« (abgedruct mit den »Sonetti e
poesie in vernacolo piemontese« , Tur. 1889). Jn
Gemeinſchaft mit Eraldo Baretti (f.d.) dichtete A. das
politifdje Tendenzdrama »I Duchi di Nemi« (1887).
Arnus, Fluß, ſ. Arno.
Aroa, Städtichen der ſüdamerikan. Republik Vene—
zuela, im fruchtbaren Aroatal, mit dem Hafen Tuca—
cas durch Eiſenbahn verbunden, unter 10° 80‘ nördl.
Br., hat in der nahen Sierra de A. reiche Kupferberg—
wertfe, Die 1886 — 88: 72,6 Will. ke Kupfer lieferten.
Aroania, antifer Name de3 2355 m hohen, heute
Chelmos genannten Gebirges im ndrdliden Arka—
Arogi, ranntwein aus Datteln. ldien.
Aroideen, ſ. Arazeen.
rokſzaͤllaͤs (ivr. arotßalaſch, Stadt im ungar. Ko—
mitat Jaͤsz⸗ Nagy Kun⸗Szolnok, am Cfirjjarfa Kanal,
mit {diner Fath. Kirche und (1901) 12,067 magyar.
Cinwobhnern.
Arolas, Juan, jpan. Didter, geb. 22. Juni 1805
in Barcelona, gejt. 25. Rov. 1849, trat in Valencia,
wo er feit 1814 lebte, in Den Orden der Piarijten, war
1825 —42 dajelbjt als Gymnaſiallehrer feines Or—
dens tätig, erfranfte 1844 an einem ſchweren Gehirn—
leiden, das ſpäter in völligen Wahnſinn itberging. |
Seine Gedichte, meijt erotiſchen Inhalts, zeichnen fid
durch ſchöne Form und glänzende Bhantajie aus;
auch in der lyriſch⸗ epiſchen Romanze leijtete er Bor-
zügliches. Ausgaben feiner poetiſchen Werke in3 Bain: |
Den erfdienen in Valencia 1860 und 1867 ; neuerdings
alg »Poesias religiosas, orientales, caballerescas
y amatorias« (1879, 1883 u. 1890) und » Poesias va-
rias« (1895). Bgl. Lomba y Pedraja, El P. Aro-
las, su Vida y sus versos (1898).
Arole (pr. arow), frang. Name ded Fluſſes Uare (j.d.).
Arolla, Gletider und Tal, f. Colon.
Arolsbeere, ſ. Sorbus.
Arolfen, Haupt> und Reſidenzſtadt de3 Filrjten-
tums Walded, an der Aar und der Linie Warburg-
|
ijt Sig der oberjten Landesbehirden, hat eine evan:
—— und cine fath. Kirche, Realprogymnaſium,
{nttSgeridjt und (veo) mit der Garnifon (ein Bat.
Infanterie Nr. 83) 2734 Einw.
In dem Schloß (1710 — 20 er-
baut) bejinden ſich eine Biblio-
thef mit Manujfripten, cin Kup⸗
ferſtichkabinett, pompejaniſche
Altertümer und eine Gemälde—
ſammlung. A. ijt Geburtsort
des Bildhauers Rauch, dem
hier ein Denkmal errichtet iſt,
und von dem ſich drei Marmor⸗
ſtatuetten in der Stadtkirche be-
jimden, ferner der Maler W.
und F. Kaulbach.
Aroma (lat.), die flüchtige Subſtanz, die Vege
tabilien und aus dieſen bereiteten Braparaten den ge:
wiirgigen, aromatiſchen Geruch erteilt, meiſt ein athe-
riſches OL, bisweilen Cumarin (Waldmeifter) oder
ein zuſammengeſetzter ather (Wein). — A., Aro—
matikum, Würzmittel, Gewürz; aromatiſieren,
aromatiſch machen.
Aromatiſche Körper (aromatiſche Verbin—
dungen), kohlenſtoffreiche und waſſerſtoffarme Ver—
bindungen, von denen viele durch aromatiſchen Ge—
ruch ausgezeichnet find. Zahlreiche a. K. finden ſich
im Körper der Pflanzen und Tiere, andre entſtehen
bei der trocknen Deſtillation organiſcher Subſtanzen.
Die aromatiſchen Körper leiten ſich nach Kekules Ben—
joltheorie von dem Kohlenwaſſerſtoff-Benzol C,H,
ab und enthalten aljo mindeftens 6Stoblenitotfatomes
Refulé gab dem Benjol nebenjtehende
Wappen von
Mrolfen
Formel, im der Die 6 Utome ded vier- H
wertigen Kohlenjtoffs ringfirmig (Ben- 7es
jolrtirg) verbunden find. JndemBen- HCs «CH
jol, dem einfachſten aromatiſchen Aörper. |
fonnen H-Ytome erfest werden dDurd) HCs sCH
Halogene (Chlor-, Brom-, Jodbenjole), Sé4
durch Nitrogruppen NO, (Mitrobengole), H
durd) YWmidogruppen NH, (Umidoben-
zole), durch Hydrorylqruppen OH (‘PBhenole), durd
Rarborylgruppen COOH (Säuren), durch Aldehyd—
ruppen CHO (Aldehyde), durch CH,.OH (Alkohole)ꝛc.
Werden 2 Atome H im Benzol erſetzt, fo können drei
iſomere Verbindungen entſtehen, je nach den Stel—
lungen der beiden erſetzten Atome. Zählt man die
C-YUtome, wie die Zahlen in obiger Formel angeben,
fo entiteht Durd Vertretung des Waſſerſtoffes an 1
und 2 eine Orthboverbindung, durch Bertretung
des Wafferitoffs an 1 und 3 cine Metaverbindung
und durd) Vertretung des Waſſerſtoffs an 1 und 4
eine Baraverbindung. Bei den Derivaten, die
auf ſolche Weiſe entitehen, ijt swifden dem Benzol—
fern, d. §. der Utomgruppe von 6 ringfdrmig mit:
cinanbder verbundenen Robhlenjtoffatomen, und den
Seitentetten gu unterſcheiden. Erſterer ijt fehr be-
ſtändig und bteitt z. B. bei Orydationen unverandert,
wihrend fic) die Seitenfetten in Rarborylqruppen ver-
wandeln. Das Studium der aromatifden Körper hat
in Den letzten Jahrzehnten cinen grofen Teil der Che-
miler beſchäftigt und ijt von bedeutendem Einfluß auj
die Technik gewefen. Val. Refulé, Chemie der Ven:
jolderivate (Erlang. 1867); Ladenburg, Theorie
der aromatifden Verbindungen (Braunſchw. 1876).
Aromatijde Krauter, ſ. Aromatiſche Mitte.
Aromatiſche Mittel, würzige, cin ätheriſches
Ol enthaltende Arzneimittel, welche die Abſonderung
808
von Speidel und Magenfaft fowie die Magen- und
Darurbewequng befordern und dabher bei Verdauungs-
jtdrungen angewendet werden. Auch wirfen fie er-
regend auf das Blut- und Nervenfyjtem. Am wid-
ligjten find: Kalmus, Ingwer, Bibernelle, Zimt,
Hinttfaffie, Lorbeer, Muskatnuß, Rardamomen, Pfef—
fer, Piment, Gewiirznelfen, Vanille, Safran. Aro—
matiſche Wäſſer (Kinderbalſam), alkoholhal—
tiges Deſtillat über Salbei, Rosmarin, Lavendel, Fen-
chel, Pfefferminze, Zimt; aromatiſche Kräuter,
re py aus Pfefferminze, Thymian, Quendel, La-
vendel, Gewürznelken, Rubeben, zu Badern und Ba-
hungen; aromatifdes Pulver, aus Sint, Rar
damomen, Jngwer, aromatifde Tinktur, wein-
geijtiger Auszug aus Zimt, Ingwer, Galgantwurzel,
Mewiirgnelfen, Kardamomen.
Aromatifder Eſſig, ſ. Effige, aromatiſche.
Aromatiſcher Spiritus, |. Karmelitergeiſt.
Aromatiſche Verbindungen, ſ. Aromatiſche
Körper.
Aromia, ſ. Bockkäfer.
Aromunen (Zinzaren), ſ. Rumänen.
Aron, Pflanze, ſ. Arum.
Arona, Stadt in der ital. Provinz Novara, an der
Siidjpipe des Lago Maggiore, Endpuntt der Cifen-
babniinien von Novara und Seſto Calende undDampf
ſchiffſtation, hat cine Hauptfirde (mit ſchönen Ge-
malden), Theater, Baumwollſpinnerei, Ralfbrennerei,
Schiffswerft und (1901) 4700 Einw. — A. ijt Geburts-
ort ded Heil. Carlo Borromeo, dem auf einer Anhöhe
nidrdlid) der Stadt 1697 cin 22 m hohes Erzſtandbild
crridtet ward.
Arongewade, {. Arazeen.
Aronia, ſ. Amelanchier.
Arons, Leon, Phyfiter, geb. 15. Febr. 1860 in
Berlin, jtudierte dajelbjt und in Straßburg, wurde
Uffijtent von Kundt und fam als folder 1888 nad
Berlin, wo er fid) 1889 als Privatdojzent an der Uni-
verſitãt habilitierte. Als A. auf Vorſchlag der philo-
fophifden Fakultät jum Profeſſor ernannt werden
follte, lehnte die Unterrichtsverwaltung dies ab, und
naddem cin Geſetz über die Privatdozenten erlajjen
worden war, wurde YW. von der Univerſität entfernt,
weil ev fic) sur Sozialdemofratic befannte. A. arbei-
tete iiber Interferenzſtreifen im Speltrum, über Ber-
dünnungswärme und Wairmefapajitit von Salz—
ldfungen im Hinblic auf dad Energiegeſetz, über Meſ—
fung der eleftromotorifden Gegenfraft im elektriſchen
Lidtbogen, über die Cleftrizitatsfonjtanten leiten:
der Flüſſigleiten, über die Fortpflanzungsgeſchwindig—
feit elektriſcher Wellen in iſolierenden Flüſſigleiten
und in einigen feſten Iſolatoren. Eingehende Vebeit
wandte A. auf die Erforſchung des eleftrijden Licht
bogens, aud) eriveiterte er die Kenntnis des Kohärers
durch mifroffopifde Beobachtung.
Aronsſtab(Aronswurz, Aronsſtärke), ſArum.
Arope, ſ. Malagawein.
Aröſa, neu entſtandener, im Sommer und Winter
ſehr beſuchter Luftkurort in Graubünden, im Quell—
gebiete der Pleſſur (Aroſerwaſſertal), 1892 m it. M.,
in geſchützter Lage, mit zahlreichen Hotels und (i900)
1097 Cinw. Meteorologiſche Station. Bal. »Curo-
padifde Wanderbilder«, Heft 225/226 (Biir. 1894).
Aronet, Familienname von Voltaire (f. d.)
_ Arowafen (Arawak, Aruak,»Mehlleute«, weil
jie Die Tapiofabereitung erfanden), Vollsſtamm in
Guayana, der frither den ganjen Küſtenſtrich zwiſchen
dem Umajzonenjtrom und Golf von Paria fowie dic
benadhbarten Inſeln bewohnte, aber durch die Kariben
Aromatijdher Eſſig — Wrpino.
qrijstentetls vernidjtet wurde. Wad) ihm benannte
v. d. Steinen die grofe Gruppe der Nu-Arual oder
WMaipure (f.d.), die von der Amajzonasmiindung nad
Norden bis yur Halbinfel Goajira und ſüdlich bis
jum obern Paraguay verbreitet ijt. Bgl. Sdom-
burgk, Reifen in Britijh-Guiana 1840-1844 (mt
Granmiatif von Quandt, Leip3. 1847—48, 3 Bde.);
von den Steinen, Unter den Raturvilfern Jen:
tralbrajiliens (Berl. 1893).
Arpaͤd, erjter Großfürſt der Magyaren, Sobn des
Stammeshäuptlings Ulmos (um 890— 907), begrün—
dete dic Urpadifde Dynaſtie, die zunächſt als
Großfürſten, von Stephan dem Heiligen (1001) an
als —— ungariſchen Thron innehatte und mit
Andreas IT. (geſt. 14. Jan. 1301) in der männlichen
Linie erlofd. 4 war von den Magyaren zum Haupt
erwählt worden, als ſie das Land zwiſchen Sereih und
Dnjepr bewohnten; unter thm eroberten die Ungarn
ihre neue Heimat. Seine teilweije ſagenhaften Taten
wurden vielfad) in Kunſt und Poeſie der Ungarn ver⸗
Herrlict; als dem »Landeseroberere wurden thm auf
| der Inſel Cfepel, bei Racateve, auf dem Thebner Burg-
j berg und amt Czenk (Nronjtadt) Denfmaler gefest.
Arpeggio (jpr. <odfa0, Arpeggiato, ital., von arpa,
»Harfe«), mujifal. Bezeichnung, die andeutet, daß
die Tone eines Uffords nidt gleichzeitig, fondern wie
auf der Harfe nadeinander gebradt (qebrodyen) wer-
den follen. Das A. wird entweder durch die wortlicde
Vorſchrift (auch abgekürzt arp.) oder durch folgende
Zeichen gefordert:
* == — —
caren sere =
Früher unterjdied man befondere Heiden fiir das A.
von unten (a) und das von oben (b), heute muß das
A. von oben durd) fleine Noten (c) angedeutet werden.
— — = =
bag es ap
Die gewöhnliche Ausführung des A. ijt einmalige
fdnelle Folge der Tine der Reihe nad, einſetzend unt
Dem Akzent; friiher war. es jedod) üblich, ſich des
Zeichens des A. als Ubfiirjung fiir allerlei Wfford-
bredjungen gu bedienen, die natiirlid) vorher einmal
ausgeſchrieben fein muften.
Arpeggione (ital., fpr. arpeddfgine, Guitarre-
Violoncell), cin 1823 von G. Staufer in Wien er
bautes, jebt vergefjenes, der Gambe ähnliches Streid-
injtrument, fiir Das Fran3 Schubert cine Sonate ge:
ſchrieben und V. Schujter cine Schule herausgegeben
hat. Die feds Saiten waren geſtimmt in EAdghe’.
Arpent (pr. pang), altfranz. Feldmaß von 100 per-
ches carrées , hauptſächlich: A. de Paris — 34,199 Vir;
A. d'ordonnance oder légal — 51,072 Wr fiir Staats
liter; A. commun == 42,208 Ur fiir viele Provinzen
In der Schweiz foviel wie Judart.
| Arpi, altital. Handelsitadt in der apuliſchen Ebene,
im N. der Heutigen Stadt Foggia, gehörte gu den
alteiten Städten ——— infolge des Anſchluſſes an
Hannibal verlor es, nachdem es von Fabius Cuncta-
tor wieder eingenommen war, ſeine Bedeutung; nur
geringe Ruinen zeigen nod) feine Lage an.
Arpicordo (ital.), wie das englijde harpsicord
foviel wie Klavizimbal (f. Klavier).
Arpino (das alte Arpinum), Stadt in der ital.
Proving Caferta, Kreis Sora, an der Eiſenbahn Roc.
cajecca-Baljorano, hat Tuchfabrifation und (ee)
Arpino — Arrangement.
10,607 Einw. — Y., berühmt al3 Baterjtadt de3 Ma-
riud und Cicero (deren Biijten den Palazzo del Com-
mune gieren), gehörte urſprünglich den Volsfern, dann
den Sammiten, denen es die Rimer entrijjen. Nod
heute erinnern Rejte der alten fyflopifden Mauer,
cin 6 m breites fyflopijdes Tor und das fogen. Grab-
mal des Saturn an die alte Stadt.
Arpino, il Cavaliere d', cigentlid Giuseppe
Cefari, genannt A., ital. Maler, geb. um 1568 in
Arpino, gejt. 3. Juli 1640 in Rom, fant mit 13 Jah
ren nad) Rom und rieb hier zuerſt fiir die im Vatikan
beſchäftigten Maler Farben. Er fah ihnen ihre Pra:
rid ab und entwickelte feine Fähigleiten fo ſchnell, dah
er bald als der erjte Maler Roms galt und von Cle
mens VIII. gum Ritter und Direltor von San Gio
vanni in Laterano erhoben wurde. Wit dem Auf—
treten der Carracci und des Caravaggio ſchlug jedod)
Die römiſche Schule, die er völlig beherrſcht hatte,
andre Bahnen ein. A. war ein iiberaus gewandter,
mit lebbafter Bhantafie beqabter Künſtler; feine Ar—
beiten find mit Feuer entworfen und von angenehmem
Kolorit, aber nur fliidtig durdgebildet. Sein Haupt: |
werl find die Fresfen aus der römiſchen Gejdidte
im Gaal der Ronjervatoren auf dem Rapitol.
Arqua Petrarca, Dorf in der ital. Proving Ka:
dua, Kreis Monfelice, am Fuß der Euganeiſchen Hiigel,
mit Thermalquellen und (1901) 573 Einw., beriihmt
alg Uufenthalts- und Sterbeort Petrarcas, dejjen
Haus mit Reliquien de3 Didhters nod) gezeigt wird;
fein Grabmal ijt vor der Rirdye.
Arquebuse, ſ. Arlebuſe; A. à croc, Halenbüchſe.
Arquerit, Mineral, ſ. Silberamalgam.
Arques -la- Bataille (pr. artAa⸗batar), Stadt im
franz. Depart. Riederjeine, Urrond. Dieppe, an der
Weſtbahn, mit Sdhlokruinen und (1901) 1082 Einw.
— Am 21. Sept. 1589 Sieg Heinrichs IV. iiber den
Liquijtenfiihrer Herzog von Mayenne.
rrabida, Gebirge und Wallfabrtsort, |. Setubal.
Arrabona, antifer Name der Stadt Raab (j. d.).
Arracacia Bancr. (Aracacha, Urratat} da),
Gattung der Umbelliferen, kräftige Stauden nuit Mol-
liger Wurzel, dreifad) gejiederten oder fiederſchnit—
tigen Blättern, großen vielſtrahligen Dolden mit bis—
weilen purpurnen Bliiten und zweiſchnäbelig zu
eſpitzten Früchten. Etwa 20 wejtlid amerilaniſche
rten, beſonders in den mexilaniſchen Hochländern.
A. xanthorhiza Baner. (A. esculenta DC.), in den
Unden um Santa Fé de Bogota, wird dort, wie einige |
verwandte Arten im andinen Gebiete des tropifden
Umterifa, wegen der nahrhaften und wohlſchmeckenden
Wurzeln angebaut. Unter dem Namen A. verſteht
man im ndrdliden Sildamerifa aud andre Pflanzen
mit geniefbaren Wurzeln, 3. B. zwei Oxalis-Urten
(A. del Pern) und fälſchlich aud die Maniokwurzel.
Arrah, Hauptort des Dijtrifts Schahabad (Divi
fion Ratna) in der britiſch ind. Broving Bengalen, an
der Eaft-Qndia-Cijenbahn und dem mit Dampfern
befabrenen YUrrabfanal, mit (891) 46,905 Cinw., dar-
unter etwa */4 Oindu und Mohammedaner. —
Hier verteidigten fid) wenige Englinder gegen zahl
reidye Sepoys 27. Juli bis 3, Mug. 1857.
Arrak (Kal), in Ojtindien jedes gegorne Getränk,
in Ägypten (Wrali) ein alfoholijdhes Getränk aus
Palmenfaft, in Turfijtan Branntwein aus Gerijte |
und Hirſe oder Friidhten, in Perſien foldher aus Ro- | verfehr müſſen die durch Vermittler »per A.« ge:
jinen, in Schiraz Dattelbranntwein x. Das alfoho- ſchloſſenen Gejdafte dem von dem dortiqen Wiro- und
liſche Getränk, das in Europa U. qenannt wird, ſtammt Kaſſenverein erridteter Urrangementsbureau
aus Java, Malabar, Ceylon und Siam. über die | iibertragen werden; hier erfolgt das U. nach den fogen.
Darjtellung, die in den Händen von Chinefen liegt, | Urrangementsbogen, auf denen Käufe und Verfaufe
809
ijt Zuverläſſiges kaum befannt. Auf Ceylon gewinnt
man aus gequetidten und angefdnittenen Bliiten-
folben der Rofospaline den Toddy, den man garen
läßt und dann deſtilliert. Aus Dem zuerſt erbaltenen
Lutter erhilt man durch Reftififation UW. Auf Java
bereitet man A. aus Reis mit Melaſſe und Toddy,
aber aud) aus Reis allein, und in diefem Fall erfordert
die Heritellung des Reismalzes beſondere Sorgfalt.
Mande woh! meiſt am Erzeugungsort ſelbſt genoſſene
Sorten von A. erhalten nod) Zuſätze, welche die be—
tãubende Kraft des Getranks erhöhen, z. B. den Saft
von Hanf und einer Stechapfelart. Der Alkoholgehalt
der Handelsware ijt durdidnittlid 58—60 Volum⸗
progent. A. färbt fid) durch Lagerung in Eichenfäſſern
qelblic), wird aber fiir Den deutſchen Markt mit Kno—
chenfoble entfarbt. Am beliebtejten und verbreitetiten
ijt in Europa der A. aus Batavia, neben demfelben
tommen die fogen. Riijtenarrafs (Cheribon u. a.) vor,
bie von den Bucterfabrifen erzeugt werden. Unter
®oa-VU. verjteht der deutſche Handel cine gelblide oder
sr Sorte, dod) fcheint aus Goa gar fein UW. nad
utidland zu fommen. Hauptfonjument des Ar—⸗
rafg in Europa ijt Sdweden, wo er zur Herjtellung
des ſchwediſchen Punſches benugt wird. Edter A.
beſitzt ein charakteriſtiſches feines, durchdringendes
Aroma, er wird aber ganz allgemein mit Spiritus
und Waſſer geſtreckt, auch wird Pe viel A. aus Spi:
ritug mit Sjohannisérot, ee Banille, Reroli-
il, Uthern rc. hergeitellt. Edjter W. enthalt ſehr wenig
Fuſelöl, Ertraft und Aſche. Die Echtheit einer Urrak-
probe ijt durch chemiſche Unalyfe nicht ficher feſtzu—
jtellen. Uber die Giite cines Urrals enticheidet die
—— Bunge eines Sachverſtändigen. Bgl. Sell,
ber Rognaf, Rum und YW. (Berl. 1891).
Arrakan, |. Arakan.
Arrakatſcha, ſ. Arracacia.
Arran (pr. acven), Inſel im Firth of Clyde, zu
Buteſhire (Schottland) gehörig, 430 qkm (7,5 OW)
qrof mit (1891) 4824 Einw., von denen die Halfte nod
qalifd ſpricht, ijt namentlid im N., wo der Goatfell
(Gaedhidein oder Windberg) zu 876 m anjteigt, fehr
gebirgig. Im N. herriden Granit und Glimmer—
chiefer, im S. von Baſalt und Porphyr durdhbrodene
Sandjteine vor, und die ganze Inſel ijt reich an male—
riſchen Bartien, Wafferfallen xc. Die Bewohner trei-
ben Viehzucht, Uderbau, Fiſchfang. An der Oſtküſte
liegen Brodick, mit altem Schloß, Sitz des Herzogs
von Hamilton, und Lamlaſh, am großen, durch Holy
Island geſchützten Hafen; an der Wejtfiijte mündet,
ſüdlich vom Baſaltvorgebirge Druimodune, das frucht—
bare Tälchen von Shiskan. Der Sage nach ijt A.
lester Unfenthaltsort Offians; aud) findet man viele
Rejte aus der Heit der Druiden.
Arran, Grafen von, f. Hamilton; feit 1762
aud) Grafentitel der irijden Familie Gore.
Arrangement (franj., fpr. angich mang), WUnord-
nung, Einridtung; Abfindung, Vergleich, gütliche
Übereinkunft. Blumen-A., Blumengewinde, Blu—
menforb. — In der Muſit heißt UW. insbeſ. die Be—
arbeitung eines Tonſtücks für andre Inſtrumente,
als der Komponiſt es geſchrieben (z. B. der Klavier—
auszug eines Orcheſterwerls oder umgefehrt die Be—
arbeitung eines Klavierwerkes fiir Orcheſter u. dal.);
Rechtliches vgl. Adaption. — Yim Wiener Börſen—
810
Arraninſeln —
Arreſt.
einander gegenübergeſtellt werden, es iſt alſo eine Seeland, ſeit 1618 Biſchof von Drontheim, wegen an—
Art Clearing- house fiir Effekten.
Arraniuſeln, ſ. Araninſeln.
Arraroba, ſ. Chryſarobin.
Arrasð (jor. arr oder arraf), Haupiſtadt des franz.
Depart. Pas-de-Calais, 67 m it. M., an der ſchiffbaren
Searpe (Nebenfluß dev Schelde), Rnotenpunft an der
Nordbahn, ijt Feſtung erſten Ranges und regelmäßig,
bereits in flämiſchen Charafter qebaut. Unter den
Bauwerken find die neue Rathedrale, die ehemalige
Benedittinerabtei St. Waaſt und das Rathaus mit
ſchönem Turm hervorzuheben. A. zählt 901) 25,552
Einw. Die Induſtrie erſtreckt ſich auf Fabrikation von
Spitzen, Strumpfwaren, Rübenzucker, landwirtſchaft—
lichen Maſchinen und auf Bierbrauerei. Der Han—
Del mit Getreide und Ol ijt anſehnlich. A. iſt Biſchofs—
fis, hat ein Handelsgericht, ein College, cine Normal:
ſchule, eine Bibliothef (50,000 Bande) und cin Mu—
feum. — YL, Die Hauptitadt de feltijden Volkes der
Ytrebaten, bie Nemetocenna (Nemetacum), {pater
Atrebatae und ward 407 von den Bandalen 3er-
jtirt. In der Folge Hauptitadt der Grafſchaft Urtois,
fam es mit Diefer an Burgund. Hier wurde 4. Sept.
1414 der Friede zwiſchen Burgundern u. Urmagnacs,
im Oftober 1419 das Bündnis zwiſchen Konig Hein-
rid) VI. von England und Herzog ‘Philipp dem Guten
von Burgund und endlid) 21. Sept. 1435 der Friede
zwiſchen Dem letztern Fürſten und Rarl VIL. von
Frankreich, aud) 23. Dex. 1482 der Friede awiiden
Ludwig XI. und den niederlindijden Standen ge:
ſchloſſen, in Dem YW. an Frantreid) abgetreten ward.
1493 fiel jedoch Die Stadt wieder an Ojterreid) und
blicb im deſſen Beſitz bis 1640, wo die Franjofen A.
eroberten. Yin 6. Jan. 1579 batten bier die belgiſchen
Provinzen Urtois, Hennegau und Welfdflandern
einen Bund zur Verteidiqung der fatholijden Lehre
geſchloſſen, aus dem die Trennung der ſüdlichen Nie—
derlande von den nördlichen hervorging. Im Pyre—
näiſchen Frieden 1659 blieb A. bet Frankreich und
wurde unter Ludwig XIV. von Vauban als Feſtung
ausgebaut. UW. ijt der Geburtsort der Brüder Robes:
pierre. Val. Lecesne, Histoire d'A. jusqu'en 1789
(Arras 1880, 2 Bde.); Derjelbe, A. sous la Révolu-
tion (daſ. 1882-—83, 3 Bde.).
und Silbererze amalgqamiert werden.
Arratel (Libra A.; Blural: Urrateis), Handels:
gewidt bis 1868 in Bortugal, bis 1873 in Brajilien |
zu 16 Oncas — 458,976 g¢; in Goa — Ve Dora, auf |
Madeira frither 458,55 g. Für Arzneien 12 Oncas.
Arrazzi (Arazzi, ital.), nach Kartons beriihmter
Mater zu Arras in Flandern, ſpäter aud) in Brüſſel
und Gent qewebte Teppiche, befonders die zehn nach
Raffaels Zeichnungen mit Szenen aus der Upojtel
eſchichte in farbigen(feidenen, wollenen) und goldenen
Fäden 1515 —19 von Peter van Welft in Brüſſel fiir
Die Sirtintiche Kapelle gewebten Teppide (jest im
Vatifan). Ein zweites Exemplar diefer A. befindet fid |
im Berliner Muſeum (9 Nununern), ein drittes im
foniglichen Balajt zu Wadrid. Die fechs in der Dres
dener Galerie befimdlicen find im 17. Jabrb., wabhr-
ſcheinlich in England, angefertigqt worden. Bal. van)
DPrival, Les tapisseries d’Arras (Arras 1864);
Guiffrey, Miing und Pinchart, Histoire géné-
rale de la tapisserie (Bar. 1878 85); Mitng, La
tapisserie (Daj. 1883, mit 105 Tafeln); Farabulini,
L'arte degli arazzi (Rom 1884).
Arrebo, Unders, din. Dichter, geb. 1587 in
Aröstjöbing auf Ärd, geft. 1637 in Bordingborg auf
ſtößigen LebenSwandels 1622 abgeiept, ſpäter Bre
diger in Bordingborg. Er führte in der überſetzung
von Davids Pſalmen den gereimten Herameter und
in Dem Schdpfungsgedidt »Heracmeron« (Nabil
dung eines Gedichtes des Franzoſen Du Bartas) den
YWlerandriner ein und wird daher »Bater der dam
ſchen Didhttunft« genannt. Seine Biographie ſchrieb
Rirdam (Sopens. 1857, 2 Bde.).
Arrebol (portug., meift in der Mehrzahl: Arre—
böes), Farbenſpiel bei Sonnenaufgang um brafilt-
iden Urwald.
Arrecifes, Dijtrittshauptort der argentin. Pro—
ving Buenos Wires, am Fluß W., Nebenfluß des
Parand, an der Bahn Lujan - Kergamino, in frucht⸗
barer Landſchaft, mit (see) 3100 Einw.
Arrectores pilorum, ſ. Ganjebaut.
Arrée, Gebirge von, niedriger, plateauartiger
Hbhenriiden im franz. Depart. Finistere, der aus
Wranit befteht und im Mont St.Michel, einem dem
Granit aufgefesten Gandjteinfeqel, mit 391 m dic
höchſte Erhebung in Nordweſtfrankreich erreicht.
Arrénde (Urende, lat.), Pachttontrakt, wodurch
Die Nutzung einer Sache gegen cine beſtimmte Ab—
gabe iiberlajjen wird; früher aud) Das Pachtkorn, d.b.
dasjenige Korn, das nad Abzug der Uusfaat und des
Wirtidaftstorns als reiner Ertrag iibrigblieb und
Dem Padter gu Geld angeicdhlagen wurde. Urren-
dator, Pachter, bejonders in Polen und Rugland;
arrendicren, ein Gut in Pacht qeben oder nebmen.
Arrefee, der größte Landjee Danemarts, im nord-
öſtlichen Teil der Inſel Seeland, im Amt Ferederifs-
borg, 41 qkm grog, aber von geringer Tiefe, durch
einen unter Friedrich IV. erbauten Ranal mit dem
Rosfildefjord (f. Rosfilde) verbunden.
Arreſt (v. mittellat. arrestum, entitanden aus dem
fat. ad, gu, an, und restare, bletben, zurückbleiben
—— im allgemeinen eine gerichtliche henmende.
beſchränkende Maßregel.
1) Nad) der deutſchen Zivilprozeßordnung
($916 —-945) Dient der gemeinjam mit den »einit-
weiligen Berfiigungenc (j. d.) geregelte W. zur Side
rung der Bwangsvolljtredung in das bewegliche oder
_ unbeweglide Vermögen eines Schuldners wegen einer
Arraͤſtres (ipan.), Kollermühlen, auf denen Gold- |
Weldforderung oder eines Anſpruchs, der in eine
Geldforderung übergehen fann. Das Verfahren, in
dem ein folder YL. ausgewirkt werden fann, wird
YUrrejtverfahren oder Arreſtprozeß genannt
Der U. findet ftatt, wenn die Swangsvolljtredung
nod) nicht möglich, aber gu bejorgen ijt, dak obne
jeine Verhängung die fiinftige Swangsvolljtredung
vereitelt oder wefentlich eridwert werden wiirde. Fir
jeine YUnordming ijt fowohl das Bericht Der Haupt.
jache als das Umtsgeridt zuſtändig, in deffen Beg
Der mit A. zu belegende Gegenitand fic) befindet. Der
Antragſteller muß in dem Arreſtgeſuch den Anſpruch
und ſeine Gefährdung, den Arreſtgrund, gland
haft machen und, falls das Gericht dies für nötig er
achtet, Siderheit wegen der dem Geqner aus der Ar—
reſtanordnung drohenden Nachteile leijten. Die Ent
ſcheidung über das Geſuch kann ohne miindliche Ber
handlung durd Beſchluß (Urrejtbefehl) oder nad
ſolcher durch Urteil erfolgen. Wird gegen den Be-
ſchluß Widerſpruch erboben, fo ijt darüber durch
Endurteil zu entſcheiden, ohne daß dadurch die Boll
iehung des Arreſtes gehemmt wird. In dringenden
Fällen darf aud) der Vorſitzende ded Gerichtä Aber
das Geſuch entſcheiden. Der Schuldner kann durch
Hinterlegung eines im Arreſtbefehl feſtzuſtellenden
Arreſt — Arrest of judgment.
Geldbetrags den A. befeitigen. Die Erhebung der
Hauptflage fann dem Urrejtantrag nadfolgen, fie
muß aber birmen geridtlider Friſt erfolgen, wenn
der Schuldner died beim Arreſtgericht beantragt. Einen
bejondern Geridtsjtand des Urrejtes fennt die Zivil-
rozeßordnung nicht. Urreftiaden find Ferien:
Rn chen. Ungeredtfertigte Erwirkung cines Arreſtes ver-
pflidtet nad) (dem neuen) § 945 zu Schadenerſatz. Die
Vollziehung des Arreſtes in beweglides Vermigen
wird durch Pfändung bewirkt, die ein Pfandrecht (We
rejtpfandredht) begründet. Verſteigerung der Pfänder
iſt nur bei Koſtſpieligkeit der Aufbewahrung oder bei
Gefahr des Verderbens geſtattet. Die Vollziehung des
Arreſtes in Grundſtücke oder ihnen gleichgeſtellte Be—
rechtigungen erfolgt nad) § 932 durch Eintragung
einer Sicherungshypothel fiir die Forderung (Arreſt⸗
hypotheh. Außer in das Vermögen des Schuldners
au vollziehenden ding liden Arreſtes findet aud) ein
perjinlider Sicherheitsarreſt ſtatt, wenn er erfor—
Derlich ijt, um die gefährdete Zwangsvollſtreckung in
Das Vermögen des Schuldners gu ſichern, z. B. um gu
verhindern, daß der Schuldner ſich durch Flucht dem
Offenbarungseid entziehe oder fein Vermögen ver-
fcbleppe. Die Bollyieung des perſönlichen Arreſtes
—5 entweder mittels Haft oder durch ſonſtige vom
rreſtgericht zu treffende Maßregeln, wie Beſchlag⸗
nahme von Ausweispapieren, Beigeben einer Wache,
Hausarreſt. Der Gläubiger hat die Koſten vorzu—
ſchießen. Perſonalarreſt als Vollſtrechungsmittel
findet nicht mehr ſtatt (ſ. Haft). Bgl. Merkel, Ajund
einſtweilige Verfügungen (Halle 1880); Dorendorf
unter dent gleichen Titel (Berl. 1884); Werner, Das
Recht de3 Urrejtes im Zivilprozeß (Crlang. 1884).
2) Offener W. nad der deutiden Konkursord—
nung ($ 110, 111, 118), die bet der Eröffnung des
Ronturjes vom Geridt gu verfiigende und öffentlich
befannt zu madjende Anordnung, durd) welde allen
Perjonen, die cine zur Konkursmaſſe gehörige Sade
im Beſitz haben oder zur Konkursmaſſe etwas ſchul⸗
Dig find, aufgegeben wird, nidts an den Gemein-
ſchuldner zu verabfolgen oder gu leijten. Dadurd
wird ihnen zugleich die Verpflichtung auferlegt, von
Dem Beſitz der Sade und von den Forderungen, we-
gen deren fie aus der Sache abgejonderte Befriedi- |
gung in Anſpruch nehmen, dent Rontursverwalter
innerhalb beſtimmter Friſt Anzeige zu maden. Ubri-
gens ijt der offene A. nur eine Warnung; die trotz—
dem an den Gemeinſchuldner bewirften Leiſtungen
find nad § 8 nicht ohne weiteres ungültig.
8) Im Strafverfahren wird der Uusdrud A.
vielfad) qleid)bedeutend mit Haft gebraucht f. Frei⸗
heitsſtrafe). Im Militärſtrafrecht insbeſ. ijt A.
nad) dem Strafenſyſtem des deutſchen Militärſtraf—
eſetzbuches (§ 16—28, 44, 52, 54) die militäriſche
—— bis zur Dauer von 6 Wochen (darüber
hinaus: Gefängnis oder Feſtungshaft). Sie zerfällt
in Stubenarreſt (gegen Offiziere und obere Mili—
tärbeamte), Verbot des Verlaſſens der Wohnung und |
der Annahme von Beſuchen; als geſchärfter Stuben—
arreſt (gegen Hauptleute, Rittmeiſter und Subaltern⸗
offiziere) in einem beſondern Offizierarreſtzimmer zu
verbüßen. Gelinder YW. (gegen Unteroffiziere, un:
tere Militärbeamte und Gemeine), Einzelhaft. Mitt—
lerer A. (gegen Unteroffiziere ohne Portepee und
Gemeine), Einzelhaft mit harter Lagerſtätte bei Waſ—
fer und Brot. Die Schärfung fällt am 4., 8., 12. und
demnächſt an jedem 3. Tage hinweg. Strenger U.
nur gegen Gemeine), nidt tiber 4 Woden, zu ver-
üßen wie der mittlere, jedoch in emer dunkeln Ar—
811
reſtzelle. Die Scharfungen fallen am 4., 8. und dem:
nächſt an jedem3. Tage hinweg. Der ftrenge A. ijt mi!
wenigen Uusnahmen nur gegen den lait, Der we:
gen militarijder Verbrechen oder Vergehen bereits
eine Freiheitsſtrafe erlitten hat. Iſt eine in dem Ge-
ſetz angedrobte bejtimmte Urrejtart gegen den Tater
nach ſeinem Militärrang nicht ftatthaft, fo wird auj
die nadjtfolgende nad) feinem Range ftatthafte Wr:
rejtart erfannt. Nad) § 457 der Militirjtrafgeridts-
ordnung kann die Volljtredtung des Urrejtes im In—
terefje Ded Dienjtes auf Unordnung des fommanpdie-
renden Generals (Mdmirals) aufge}doben werden. —
Jn Ofterreid fommt der A. aud) als Strafmittet
im Siviljtrafredht vor, und gwar bei Vergehen und
Ubertretungen. Man untericheidet einfachen A., wobei
dem Gefangenen, wenn er fic) felbjt verpflegen kann,
Die Wahl der Beſchäftigung iiberlaffen bleibt, und
jtvengen A., wobei der Urrejtant in Begiehung auf
Verpflegung und Urbeit fo gehalten wird, wie es die
Cinridtung der Strafanjtalt mit ſich bringt, und ihm
feinerlei Unterredung ohne Gegenwart des Gefange-
nenwärters geftattet wird. Die Dauer des Urrejtes
jhwantt zwiſchen 24 Stunden und 6 Monaten (dod
aud) 1 Jabr, § 335). Wud) den Hausarreft fennt das
öſterreichiſche Strafgeſetzbuch (§ 246).
Arreſt (pr. and, Hetnrid Louis d’, Ujtronom,
geb. 13. Juli 1822 in Berlin, gejt. 14. Juni 1875
tm Ropenhagen, ftudierte feit 1839 in Berlin, wurde
1848 Obfervator an der Stermwarte gu Leipzig, 1857
Profefjor in Kopenhagen, wo er den Bau der 1861
vollendeten Sternwarte leitete. Er entdedte iiber 200
neue Rebelflede und Sternhaufen und 3 Rometen,
unter Diefen 27. Juni 1851 einen periodijden von
6,7 Jahren Umlaufszeit (d'Arreſtſcher Kometh.
Er ſchrieb: »Reſultate aus Beobachtungen der Nebel⸗
flecke und Sternhaufen« (Leipz. 1856); »Siderum
nebulosorum observationes Hafnienses« (Mopenh.
1867); »Unterjudjungen über die nebulofen Sterne
in Bezug auf ihre {peftralanalytijden Eigenſchaften ·
(daf. 1872); »Instramentum magnum aequato-
reum in specula Universitatis Hafniensis erectum«
(dai. 1860).
Arreftdant (mittellat.), der Antragſteller (Impe⸗
trant) im Arreſtprozeſt (ſ. Arreſt 1); haufiger: cin im
Arreſt Vejindlider, Verhafteter, Haftling. Urreftat,
der Smpetrat im Arreſtprozeß; ein Urretierter. Ar—
rejtatorium, Haftbefehl; dffentlider Aufruf der
Glaubiger bei einem Konkurs, Gantverfiigung (vgl.
Yrrejt 2).
Arreſtbefehl, ſ. Arreſt 1).
Arreſtbruch Verſtrickungsbruch) liegt nad
$ 137 des Strafgeſetzbuchs vor, wenn jemand beweg—
lidje oder unbeweglide Sadjen, die durch die zuſtän—
digen Behörden oder Beantten gepfindet oder in Be-
ſchlag genommen worden find, vorſätzlich zerſtört oder
beifeite geſchafft hat. Die Handlung ridtet ſich gegen
die Amtsgewalt; daher kann aud) der Cigentiimer der
verjtridten Sachen fic) des Vergehens ſchuldig madjen.
— —* ſ. Arreſt 1).
Arrefthypothek, das durch Vollziehung des Ar—
reſtes entſtandene Pfandrecht an einem Grundſtüchk.
S. Arreſt 1).
Arrest of judgment (engl. jpr. arreſt of dichoddſch⸗),
im engl. Strafprozeß die —— der Vollſtreckung
eines gefällten Strafurteils, die dadurch bewirkt wird,
daß der verurteilte Angeſchuldigte eine nochmalige
Prüfung des Erfenntnijjes beantragt. Das A. ent-
ſpricht der Revijion (ſ. d.) im deutſchen Strafverfahren
und bezweckt die Wufhebung des angefodtenen Urteils.
812 Arrejtpfandredht — Arrianos.
Arreftpfandredt JArreſt 1) ein8 der bejten Obergräſer, muß aber als folded
Arreftprozeh } f. Wereft 1). herrſchend fein, weil es friibere Ernte fordert als an-
Arrét (fran}., for. ra), in Frankreich ein amtlider | dere Gräſer. C3 ijt weniger nabrhaft als mandes
Beſcheid oder cin Haftbefehl; im engern Sinne dag | andre Gras, entſchädigt aber durd) großen Ertrag
Erfenntnis eines Geridtshofes legter Inſtanz, im | und reides, gartes Grunt. Zuſammenſetzung, |.
BWegenfage su jugement, dem appellabeln Erfermtnis | Tertblatt zu Sutter und Fütterung«.
eines Untergericts. Arréts d'amour, Wusfpriide der | Arrhenius, 1) Joban, Votanifer und Agro
Minnehöfe um Veittelalter; A. de réglement hieß ehe: | nom, geb. 27. Sept. 1811 zu Qaereda im Kalmar—
dem die Verordnung eines Parlaments oder Conseil | Lain, qejt. 5. Sept. 1889, wurde 1848 Borjtand des
supérieur, die in feinem Reſſort Gefegestraft hatte, | landwirtſchaftlichen Inſtituts zu Ultuna bei Upjala,
aber aud) vom betreffenden Barlament oder Konſeil war 1862—81 Sefretiir der landwirtſchaftlichen Ala—
abgeiindert oder aujgeboben werden fonnte. Der | demie in Stodholm und gehörte 1867—72 der Erjten
König, in dejfen Namen (au bon plaisir) diefe Ver- Kammer an. Hodyverdient um den ſchwediſchen Land-
ordnungen crlajjen wurden, fonnte jie ebenfalls, wenn | bau, fried er (in ſchwediſcher Sprade): »Lehrbuch
aud) nur in gewiſſen Formen, annullieren.
Arrét de prince (fran}., for. arrã d' priingf’), Die |
vorlãufige Zuriichaltung oder Beſchlagnahme von in |
den Häfen eines Staates befindliden fremden Han-
delsfchiffen, insbeſ. Schiffe der neutralen Widte, um |
fiber gewijfe innere Vorgänge feine Runde ins Wus-
land gelangen 3u laſſen (1. Embargo). Bgl. v. Lif zt,
Das Völkerrecht (Berl. 1902).
Arrété (fran3.), die Entſcheidung einer untern
Verwaltungsbebhirde, wie des Prafefturrats, des Prä-
fefter, Marre rc.
Arretieren (franj.), etwas im Laufe anbhalten,
hemmien ; verhaften, gefünglich einziehen; in Beſchlag
nehmen (f. Urreit).
Arreticrungsflanfel, der Vermert auf der Rück⸗
feite einer Wechſelkopie, d. h. einer einfachen, rechtlich
bedeutungslojen Abſchrift eines Originalwechſels:
bis hierher Kopie⸗, »von bier ab Originale, oder
cine ähnliche Bezeichnung. Wird die Wedhjelfopie als. |
dann nod mit einem Originalindojjament verſehen,
fo verpflichtet Dasfelbe den Jndoffanten (Wedfelord-
ming, §70 und 71). Bal. Wedel.
Arretiniſche Gefafe, nad dem etruskiſchen Arre⸗
tiumt (jetzt Arezzo), Dem Hauptfabrifationsort in den
legten Jahrhunderten der Republif und der drei erjten
der Kaiſerzeit, benanntes Tafelgeſchirr von forallen: |
roter Farbe, nut Glajur und sierlichen Reliefs. Noch
verbreiteter waren im römiſchen Reich die Durd treff
liche Urbeit und ausgezeichnete Harte beriihmiten »ſa
mifdjen« Gefäße (benannt nad) der Inſel Samos), |
worinter man einfades, ebenfalls qlajiertes und mit |
Reliefs verfehenes Tiſchgerät verjtand; insbeſ. be- |
zeichnet man die den arretiniſchen ähnlichen, zierlichen
Reliefbecher von weniger roter Farbe und härterm
Ton als ſamiſche. Überall, wo Römer geſiedelt haben,
findet man beide Sorten. Bal. J. v. Hefner, Die
römiſche Töpferei in Wefterndorf (Münch. 1862);
Fabroni, Storia degli antichi vasi fittili Aretini
(Arezzo 1840); Keller, Die rote römiſche Töpfer—
ware (Heidelb. 1876).
Arretium, Stadt, ſ. Arezzo.
Arrha (lat), Angeld, Draufgabe (ſ. d). A. nup-
tialis oder sponsalitia, Morgengabe (jf. d.); Wider
lage, d. h. Ausſetzung eines Bermigens jeitens des
Mannes für die Frau als Aquivalent der dos (ſ. Mit-
gift), Daher qleidjbedeutend mit donatio propter nup-
tias; A. poenitentialis, Neugeld.
Arrhenathérum Beauv. (Glatthafer), Gat-
tung der Gramineen, drei YUrten von haferähnlichem
Habitus in Curopa, Nordafrita, Weſtaſien. A. ave-
naceum Beaue.(hoberGlatt- oder Wieſenhafer,
gt gh Gr Ratqras, f. Tafel »Gräſer I<,
vig. 2), in Wittel- und Sildeuropa, in Nordamerifa
wel angebaut, 60 — 140 em hod, mit nur wabrend
der Bliite ausgebreiteter, gelblicher, glänzender Rijpe, |
der Botanif« (5. Mufl. 1882, 2 Bde.); ⸗Handbuch des
ſchwediſchen Ackerbaues · (6. Uufl. 1893—94, 2 Tie.);
»Grundzüge der Ackerbaulehre⸗ (4. Aufl. 1890) und
qab das Sammelwerk »>Smiirre skrifter i landthus-
hAllningen« (1858 —89, 28 Hefte) beraus.
2) Svante, Chemifer, geb. 19. Febr. 1859 in
Wo bei Upſala, ſtudierte feit 1876 in Upfala, wurde
1884 Privatdozent dafelbjt, arbeitete 1886—89 in
den Laboratorien von Ojtwald in Riga und Leip:
zig, Kohlrauſch in Würzburg, van 't Hoff in Umiter-
dam und Bolpmann in Graz und wurde 1891 Ero-
fejfor in Stodholm. Yn feiner Jnauguraldijfertation
»Sur la conductibilité galvanique des électrolytes«
(Stoch. 1884) ſuchte er die hauptſächlichſten chemi—
ſchen Eigenſchaften der Cleftrolyte aus ihrer Leit>
fähigleit zu berechnen. Diefe theoretiſchen Überlegun—
gen wurden unter dem Einfluß von van 't Hoffs Em—⸗
declungen 1887 bedeutend verbejjert, und im Der Ab—
handlung über die Dijfoziation der in Wafer ge
lifter Stoffe wurde die Theorie der elektrolytiſchen
Diſſoziation begründet, nad) der Die Salze, Baſen
und Säuren in wäſſeriger Löſung mehr oder weni-
ger in die Jonen jerfallen find. Weitere Arbeiten
qalten der Ausbildung diefer Theorie, der qalvani-
iden Leitung der Flammengaſe, dem Cintius der
Lichtſtrahlen und der eleftrijden Entladungen anf
den Durdgang des elektriſchen Stromes durch ver-
diinnte Luft und dem Cinfluk des Sonnenlichtes auf
die eleftrifden Erjdeinungen in der Erdatmofphare.
Sein »Lehrbuch der Elektrochemie⸗ (1890) wurde von
Euler ing Deutſche überſetzt (Leip;. 1901).
Arrhephoricen , ſ. Errhephorien.
Arrhythmie (qriec.), Mangel an Rhythms.
Arria, die heldenmiitige Gattin des Römers Ca-
cina Pätus. Als diefer, als Teilnehmer an einer Ber
ſchwörung gegen den Kaiſer Claudius 42 n. Chr. jum
Tode verurteilt, in dem Entſchluß, fich felbft zu tdten,
wantte, ſtieß fie fid) Den Dolch in die Brujt und reichte
ihn dem Gatten mit den Worten: ⸗Pätus, es ſchmerzt
nicht!« Die gewöhnlich »A. und Pätus« genannte
ſchöne Marmorgruppe gehört zu der pergameniſchen
Darſtellung der Gallierkämpfe (ſ. Gallierjtatuen).
Arrianos, Flavius, griech. Schriftſteller, geb.
um 95 n. Chr. gu Nikomedia in Bithynien, geſt.
um 180, Schüler und Freund des Stoikers Epittet,
ſtand wegen ſeiner —— praktiſchen ——
feit bei Hadrian in hoher Gunſt und bekleidete ho
Staatsimter, wie das RKonfulat (um 130) und de
Statthalterfdaft von Rappadofien (131 —137). Qn
Uthen, das ihm tn ſpätern Leben eine zweite Heimat
war, erbielt er das Biirgerredt und war 147 Urehon.
Jn feinen Schriften zeigt er ſich als Nadahmer feines
Vorbildes Xenophon, auch in der Wahl feiner Gegen-
jtinde. Go zeichnete er, um dem Epiftet gu werden,
was jener Dem Sofrates, nut wortgetrener Genauig-
Arriaza y Superviela — Arrivabene.
leit deſſen Vorträge (»Diatribae Epicteti«) in 8 Bü—
chern auf, von denen Die erſte Hälfte erhalten ijt (hrsg.
von Schweighäuſer in » Philosophiae Epicteteae mo-
numentas, Leips. 1799; Sdjenfl, daſ. 1894; deutſch
von Enf, Wien 1866), und ſchrieb das »Enchiridion
Epicteti«, cin kurzes Handbud) der Moral (hrsg. mit
den » Diatribae« zuſammen; deutid von Cong, Stuttg.
1869). Bon feinen hiſtoriſchen Schriften ijt das Haupt-
wert die in Uthen verfaßte » Anabasis« (die Geſchichte
Alexanders d. Gr. in 7 Büchern), nach den bejten Quel⸗
len, wie Ptolemäos, Urijtobulos, mit Kritik qearbeitet
(hrsq. von Krüger, Berl. 1835-— 48, 2 Bde.; Sin:
tenis, 2. Aufl., daf. 1867; Abicht, Leip;. 1871 —75,
2 Bde.; deutſch von Clef, Stuttg. 1862—65, 4 Bde. ;
Hartung, Leipz. 1861). Eine Fortfesung war die
» Gefchidyte der Nachfolger Alexanders⸗ in 10 Biicdern,
von der nur Brudjtiice erhalten find (hrsg. von |
Reitzenſtein, Brest. 1888). Cine Geſchichte Bithyniens
und der Partherfrieqe unter Trajan ijt verloren.
Weographifden Jnhalts find die Hadrian gewidmete
Befdreibung einer 131—132 gemachten Küſtenfahrt
um das Schwarze Meer und die in ioniſchem Dialett |
abgefajten »Indicas, ein Exrfurs zur »Anabasis<,
eine Sdhilderung Yndiens, ſeiner Bewohner rx. nad
quten Ouellen (betde am bejten in den »Geographi
graeci minores« von Müller, Bd. 1); fälſchlich bei-
gelegt ijt thm ein Periplus des Roten Meeres (hrsg.
von Fabricius, Leipz. 1883). Ferner find erhalten
»Kynegetika« , eine Xenophon erginjende Abhand—
lung fiber die Jagd —— Sauppe, Helmſt. 1840),
und ein — d aktik. Geſamtausgabe von
Dübner und Müller (Par. 1846; Überſetzung von
Dörner, Stuttg. 1829—34, 6Bde.), der »Scripta mi-
nora ——— (2.Aufl. von Eberhard, Leipz. 1885).
Arriaga y Superviela, Juan Bautijta de,
jpan. Didter, qeb. 1770 in Madrid, geſt. daſelbſt 1837,
3u Segovia gebildet, trat in die diplomatifde Lauf-
abn ein, in der er fid) als cin treuer Anhänger des
abjoluten Königtums Ferdinands VII. bewahrte. Mit
feiner politiſchen Tätigleit, deren Pringipien er in den
»Discursos patrioticos« darlegte, ging die poetiſche
Hand in Hand. Er war Meifter der Form, weniger
ausgezeichnet durch Originalitét der Auffaſſung. Bon
feinen lieblichen Boejien find die wichtigſten: »Las
primicias« (Madr. 1797; 6. Aufl. 1829—32, 2 Bde.),
»Emilia«, ein didaktiſch beſchreibendes Gedicht (da.
1803), und befonders glut- und ſchwungvolle »Can-
tos patrioticos« (Qond. 1810; 3. Wufl., Madr. 1815),
weld die fpanifden Guerrillas jum Todestampf qe-
gen die Franzoſen anfeuerten. Die »Profecia del
irineo«, eine politifde Ode, kommt an Kraft und
Wirtung der Marfeillaife qleid. Cine Auswahl aus
feinen lyriſchen Gedichten findet fic) in Ferd. Wolfs
»Floresta de rimas modernas castellanas«, Bd. 2
(Far. 1837) und in Rivadeneyras »Biblioteca de
autores espaiioles« (Md. 67).
Arridaods, Sohn des mafedon. Königs Philipp IT.
und der Tänzerin Philinna aus Lariffa, Halbbruder
Wleranders d. Gr., ſchwachſinnig, angeblich infolge
eines Gifttranfes, Den ihm Olympias beigebradt,
wurde nad) dem Tode Ulerander$ 323 v. Chr. von
dent Die heimatliche Uberlieferung vertretenden mafe-
donijden Fußvolk unter dem Namen Philippos zum
König erhoben. Von dem Reichsverweſer Perdiftas
mit einer Enfelin Philipps, der herrſchſüchtigen, alle
feine Handlungen beſtimmenden Eurydike, vermählt,
—— er jenen auf ſeinem Zuge gegen Ägypten,
ſchloß ſich nad) deſſen Ermordung (321) dem Anti—
patros, mit dem er nach Europa zurückkehrte, dann
813
dem Kaſſandros an, wurde beim Einfall der Olym-
pias in Makedonien 317 gefangen genommen und
auf ihr Geheiß mit Eurydike ums Leben gebracht.
rrieregarde (fran. arriére-garde, Nad trab,
Nadhut), Ubteilung einer marjdierenden Truppe,
Die Dem Gros mit bejtimmtem Wbftand folgt, um
dasfelbe beim Rückmarſch (j. Rückzug) gegen feind-
lice Ungriffe zu ſichern und ihm beim Nachdrängen
Des Feindes Zeit zum Nehmen der Kampfitellung gu
ſchaffen. Stirfe und Zuſammenſetzung der A. hängen
von den Verhältniſſen ab. Bei Arrieregarden—
(Rückzugs-gefechten handelt es ſich meiſt um
Behauptung von Straßen und Ortlicteiten, wobei
die Mitwirkung der Artillerie werwoll iſt. Ein ſol—
ches Gefecht muß zu jeder Zeit abgebrochen werden
lkönnen.
Arrighi, Scan Touſſaint UW. de Caſanova,
Herzog von Padua, franz. General, geb. 8. März
1778 auf Korſita, geſt. 22. März 1853 in Paris,
Verwandter Bonapartes, trat 1796 in die Yrmee, be-
leitete 1797 Joſeph Bonaparte als Geſandiſchafis—
efretdér nad) Rom und focht dann in fajt allen Rrie-
| gen Rapoleons. 1808 erbielt er den erbliden Titel
eines Herzogs von Padua und reide Güter in Deutfd-
land. 1813 lies er trop des Wajfenjtilljtandes das
Lützowſche Freiforps durd Fournier bei Rigen über—
fallen. 1814 zeichnete er fic) nod) bet Nogent und
Laon und bet der Verteidigung von Paris aus.
Wabhrend der Hundert Tage 1815 ward er vom Kai—
fer nach Rorjita gefandt, nad) defen Sturz geächtet,
aber 1820 antnejtiert. Er lebte feitdem auf ſeinem
Landſitz Courſon. 1849 wurde er in die Geſetzgebende
Verfammlung gewählt und gehörte hier zu den Häup—
tern der bonapartijtijcden RRartel Im Roventber
bd. J. ward er von Ludwig Napoleon jum General
Direftor der Pojten, nad dem Staatsjtreid) vom
2. Dez. 1851 jum Mitgliede der Konſultativlommiſ—
fion, 1852 gum Genator, endlich jum Gouverneur
des Invalidenhauſes ernannt. Bgl. Du Caffe, Le
général A. de Casanova, duc de Padoue (Bar. 1866,
2¥Bde.). — Sein Sohn Erneft Louis Henri Hya-
cinthe A. de Cafanova, Herzog von Padua,
| geb. 26. Sept. 1814, gejt. 28. Marz 1888 in Paris,
ward 1849 von Ludwig Napoleon gum Präfekten
von Berjailles, 1852 sum Requetenmeijter im Staats-
rat, 1853 zum Senator ernannt und fungierte vom
Mai bis November 1859 als Miniſter des Innern.
Nach 1870 einer der Führer der bonapartijtifden Par-
tei, begrüßte er 16. März 1874 den fiir miindig er-
flirten kaiſerlichen Bringen in Chislehurſt.
Arrivabenc, Giovanni, Graf, ital. National:
bfonom, geb. 24. Juni 1787 in Mantua, gejt. da-
jelbjt 12. San. 1881, wurde 1820 als Rarbonaro ver-
haftet, jedoch nad) 7 Monaten wieder freigelajfen.
Bald darauf mute er wegen einer Unterſtützung der
aufftindifden Piemonteſen fliichtig werden und be-
qab fid) nad) der Schweiz und von da nad Frank:
reid) und England, während die öſterreichiſche Regie:
rung feine Giiter einzog und ihn felbjt 21. Jan. 1824
in contumaciam jum Tobe verurteilte. Sn London
widmete ſich A. nationalökonomiſchen Studien, als
deren Ergebnis fein Werk fiber die englifden Wohl—
tätigkeitsanſtalten (»Beneficenza della citta di Lon-
dra«, Lugano 1827—382, 2 Bde.) erfchien. Nach
Belgien iibergefiedelt (1827) und daſelbſt nationali-
fiert (1840), beſchäftigte er ſich mit der Lage der ar—
beitenden Klaſſen. Er veranſtaltete mit andern 1846
den volkswirtſchaftlichen Kongreß zu Brüſſel, aus dem
die Belgiſche Ofonomijde Gefeliſchaft hervorging.
814
deren Präſident er wurde. 1860 fehrte er nach Fta-
lin zurück, wo er gum Senator ernannt und von der
Nationalökonomiſchen Gefellfdaft gu Florenz gum
Prafidenten erwählt wurde. Seine Hauptidrifien
gab Dino Carina heraus (+Scritti morali ed eco-
nomici+ , lor. 1870). A. hat Memoiren ſeines be-
wegten Sebens (»Intorno ad un epoca della mia
vita 1820 —1822¢«, Turin 1860; deutſch, Botha 1861)
un) »Memorie della mia vita, 1795—1859« (Flor.
1879) veröffentlicht.
MArrivieren (franj.), ankommen; fic) ereignen.
Arrö, Inſel, ſ. Aeroe.
Arroba, 1) früheres ſpaniſches und portug. Han-
delsgewicht, = '/s Ouintal, dort 25 Libras cajtellanes
== 11,502 kg, bier 32 Urratets — 14,687 kg; in Yra- |
gonien 27 und in Barcelona 22°%/s taſtil. Pfund. Am
Va Plata enthalt die YW. 11,485, auf Cuba 11,5, in|
Maroffo fiir Gerjte 7.19 kg. — 2) U. métrica in |
Spanien = 10 kg. — 3) Fritheres fpan. Fliiffig: |
leitsmaß: die UW. menor fiir Ol — 12,563 Lit. und
die UW. mayor oder Cantara (jf. d.) fiir Wein und,
Branntwein — 16,134 L., daneben viele ältere.
Arroche (pr. rj’), ſ. Atriplex.
Arrodicren (lat.), annagen, anfrejjen, 3. B. bei
franthaften Brojejjen im Magen, in der Lunge.
Arrogant (lat.), anmaßlich; Arroganz, An—
maßung, Diinfel.
Arrogation, (lat.), die Annahme einer felbjtin-
digen Perjon an Kindes Statt; ſ. Unnahme an Kine
des Statt.
Arrom, Cecilia de, f. Caballero.
Arrondiermafdine(W il; maj dine, Finier-
majfdine), Vorridtung zur genauen Vearbeitung
der Arbeitsflächen der durch Gintdueiden oder Gießen
roh vorgebildeten Zähne an namentlicd fiir Uhren be-
ſtimmten Zahnrädern, um möglichſt vollfommenen
Eingriff su ſichern. Die W. beſteht aus einer Feile, die
nad) der Zahnform profiliert und in einem bin und
her gehenden Rahmen eingefpannt ijt, oder aus einer
ſchnell umlaufenden, ebenſo profilierten Fräſe.
Arrondierung (ranz.), Abrundung; daher Ar—
rondierungspolitit eine ſolche, die cin Staats—
gebiet auf Koſten der Nachbarſtaaten abzurunden be—
müht ijt. Wud) wird der Ausdruck A. gleichbedeutend
mit Zuſammenlegung der Grundſtücke (Separation)
einer Flurgemarkung gebraucht (ſ. Flurregelung).
Arrondieren, abrunden, zuſammenlegen.
Arrondiſſement (franj., jpr. arrongdifmang), Run—
dung, Wbrundung einer Sade; Unterabteilung (Be-
jitf) der franzöſiſchen Departements, der ein finter-
präfelt vorjteht; aud) Benennung der Guartiere, in
die mehrere franzöſiſche Städte eingeteilt werden, wie
5. D. Paris.
Arrosage simple (jran}.), ſ. Bewäſſerung.
Arrofement (franj., fpr. arcofmang, Wrrofie-
Lung), Vefeudtung, Anfriſchung; im bildlicen Sinne
Zahlung der Spielſchulden an die Mitſpielenden; aud
nadtriglide Zahlung zu dem Swed, um eine friihere
Sahlung ju ſichern, wie bei Aktien bet Unzulänglich—
feit des Wrundfapitals und bei Staatsfdulden (}. d.).
Arroux (pr. arra), rechter Nebenfluß der Loire,
entfpringt in 449 m Höhe auf der Cite d'Or, fließt
ſüdlich Durd Das Depart. Sadne-et-Loire und mün—
det bei Digoin. Seine Linge betrigt 120 km.
Arrowroot (cngl., for. arro-rat, »Pfeilwurz«),
meift aus fnolligen Wurgeljticen tropifder und jub-
tropijder Pflanzen bhergejtellte reine Stärkeſorten,
hauptſächlich das Stärkemehl mehrerer Maranta-
Urten, beſonders M. arundinacea, das als weſt—
Arrivieren — Arrowroot.
indiſches oder Jamaika-A. von den verſchieden⸗
ſten Punkten der Erde in den Handel kommt. Haupt:
probduftionSort ijt St. Vincent. Die reifen Wurzel⸗
ſtöcke werden gewafden, geſchält, wieder gewafden
und zwiſchen Walzen in Brei verwandelt, der dann
unter Waſſerzufluß auf Sieben verarbeitet wird, bg
das Stirfemehl (Fig. a) rein ijt, das möglichſt an
der Sonne getrodnet wird. Seit Ende des 18. Jahrb.
wird UW. aus Jamaifa ausgefiihrt, und in Deutid-
land fand es Anfang des 19. Jabrh. Cingang. Cit-
indijhesU.(Kurfumaftarfe, Tif, Tifurmedl
Travancorejtarfe, Fig. b), aus den fultivierten
@y* 9 ae) ey]
J ge
b Rurfumafrarte
Ge
0,4
a Marantaftdrte.
°
®
e Vatatenftarte e Cannaftdrte
Wurzelſtöcken von Curcuma angustifolia und C. len-
corrhiza gewonnen, wird befonders in Madras und
an der Malabartiijte qewonnen. Aus Brajilien umd
Tahiti fommt das A. von Tahiti (Biamrehl) in den
Handel, das aus den Wurjeln von Tacca pinnatifida
gewonnen wird. Sonjt fommt nod Cannajtarte
(Fig. c) aus Wurzelſtöcken von Canna edulis in Bra-
ſilien, Beneguela, Martinique, Guadeloupe, Réunion
und befonders in Queensland (WU. von Oueens-
land, Toloman), brafilifdes U. aus den nok
len von Manihot Aipi (jig. d, vgl. Tapiofa), Ba—
tatenjtdrfe (Fig. e) aus den Knollen von Batatas
edulis in den Handel. Unreife Bananen werden in
Franzöſiſch- und Britijd)-Guayana, in Brajilien und
auf Jamaila an der Sonne getrodnet, gemablen und
ejiebt. Uns diefem Mehl (Conquintay) wird in
uropa cin A. (Vananenftarfe) hergeſtellt. Die
nidt febr reine Yams jtarfe aus Rnollew von Dios
corea alata liefert Das YU. von Guayana. ns
Natal kommt ein W. von unbefannter Abſtantmung.
WU. bildet cin feines weißes Pulver von den Cigen-
Arrowjmith — Arjen.
ſchaften des heimiſchen Stirfemehls und gibt mit
Waſſer einen geruch- und gefdmadlofen Kleiſter.
Cine fidere —— der Sorten iſt nur mit
Hilfe des Mikroſtops mig id). A. gilt als leichwer—
Daulides Nahrungsmittel fiir Kinder und Rrante,
Ceijtet aber wohl kaum mebr als unſre einheimifden
Stärkeſorten. Man gibt es mit Mild) oder Bouillon
mehrmals des Tages. Auch dient es sur Darjtellung
feiner Spcifen und Backwerke.
Arrowsmith (pr. arvo-fmits), Aaron, engl. Karto⸗
graph und Hydrograph, geb. 14. Juli 1750 ju Wins-
fon in Durhamſhire, gejt. 23. April 1823 in London,
war der Sohn eines Pachters und anfangs gu glei-
chem Beruf bejtinunt, widmete fic) {pater der Mathe-
miatif und Geographie und gründete 1770 in London
einen Rartenverlag, aus dem zahlreiche Utlanten und
Karten hervorgingen, darunter die Weltfarte nad
Mercators Projeftion 1790, die große Marte von
Sehottland 1807 und der »General Atlas« 1817. —
Sein Neffe John, geb. 23. Upril 1790 in Winston,
gejt. 2. Mat 1873, trat in feines Onkels Geſchäft und
hat fic) Durch Den »London Atlas of universal geo-
graphy« (1832—37), durch Schulfarten und Karten
qu. neuern Reifewerfen ebenfalls einen Namen als
Startograph erworben.
Arruinfelu, ſ. Uruinfeln.
Ars (lat., Mehrz. Artes), Kunſt, Lehrfyftem, Lehr:
bud); a. amandi, die Kunſt ju lieben (Gedidt von
Ovid); a. angelica oder spirituum , Magie.
Mrs, 1) A. an der Mofel (W-fur-Mofelle,
for. ar-fllr-mofil’), Stadt im deutſchen Bezirk Lothrin-
gen, Landkreis Mess, an der Moſel und der Cijenbahn
Stieringen-Novéant, hat eine fath. Rirdye, ein Wmts-
gerid)t, zwei große Cijenwerte, cine Papierfabrif, Rejte
einer alten Wafjerleitung und asoo 4081 Einw. —
2) U-en-RE, franz. Hafenort, ſ. Ré
Arfa, ſ. Kumys.
Arſa, Küſtenfluß in Iſtrien, fließt ſüdlich, nimmt
die Gewaͤffer des ſhlammigen Cepitfees (4 m_ nef,
600 Heltar groß) auf und mündet, 22 km fang, mit
dem fdiffbaren fjordartigen Arſakanal in den
Arfakes, ſ. Urjafiden. Quarnero.
Arſakiden, 1) Dynaſtie des Partherreichs, durch
Arſales I. gegründet, herrſchte von 250 v. Chr. bis
227 n. Chr.; ſ. Barthien. — 2) Urmen. Dynajtie,
geqriindet durch Valarſes (Walarfhaf), der von ſei—
nem Bruder, dem aang Arſales VL. Mithra-
dates L, 147 v. Chr. auf den Thron Armeniens ge-
hoben wurde. Seine Nachkommen regierten bis 430
mn. Chr.; f. Urmenien (Gejd.).
Arfamads, Kreisſtadt im ruff. Gouv. Rifhnij Now-
gorod, an der Miindung der Urjdja in die Teſcha und
an der gur Zeit (1901) im Bau befindliden Cifen-
bahn Romodanowo - Rijhnij, mit 30 fteinernen Rir-
den (darunter mehrere Kathedralen), 7 Klöſtern, be-
deutender Leder-, befonders Qujtenfabrifation und
s97) 10,591 Einw.
Arjamas, Name einer ruſſ. literarifden Gefell-
ſchaft, die, von Karamſin 1815 in Petersburg be-
gründet, cine Anzahl hervorragender ruffifder Schrift⸗
ſteller (Graf Bludow, Daſchkow, Shukowſtij, Al. und
Rik. Turgenjew, Puſchkin, Batjuſchkow, Wiaſemſtij
u. a.) gu ihren Mitgliedern zählte und in ſatiriſcher
Weife reaftionaire Tendenjen, wie fie damals nament-
lid) durch den Staatsſekretär Schiſchlow vertreten
wurden, belämpfen wollte. Der Verein beftand mur
bis 1818. Sein Name rithrt von einer fatirijden
Erzählung des Grafen Bludow her, die in der rujfi-
ſchen Stadt A. fpielt.
5
81
Arſchin: a) ruff. Cle, — 70 engl. Yard — 1s
Saſchehn — 16 Werjdof —71,119cem; 1 OY. —0,5008
qm ; b) perf. Längenmaß, ſ. Göß; c) friiher türk. Feld⸗
mag (Adim) — 2 Radem — 75,774 em.
Arſchleder, cin am Giirtel der Bergleute befejtig-
ter Lederlappen gum Schutz beim Sigen in naſſen
Grubenbauen oder beim Rutſchen auf Stein oder Hol}.
Arſen (Arſenilh) As, dem. Element, findet ſich
ree alg Sdherbenfobalt (Napfdentfobalt,
Fliegenſtein, Cobaltum) namentlid) auf Gängen
im kriſtalliniſchen Schiefer- und Ubergangsgebirge,
in feinfornigen bis dichten Uggregaten, derb, einge-
fprengt, traubig, higeliq, weißlichbleigrau, gräulich—
ſchwarz angelaufen, im Ersqebirge, bet Undreasberg,
in Baden x., haufiger mit Eiſen verbunden als Ar—
jenifalfies FeAs, mit 66,3—72,75 Broz. YL, zuweilen
— mit Eiſen und Schwefel verbunden als
rſenkies FeS,.FeAs, mit 46 Proz. A., mit Antimon
als Antimonarſen, mit Wismut als Arſenglanz, mit
Robalt- als Tefferalties, mit Nickel als Chloanthit,
Rots und Weipnicelfies, Nickelarſenkies, mit Kupfer
als Urjenfupfer, mit Schwefel als Operment und Real:
gar; ferner in mandjen Eiſen-, Robalt-, Ricel-, Bint-,
inne, Kupfer⸗ und Silberergen, in fajt allen Schwefel-
fiefen, Dann oxydiert als arjenige Säure (Arſenit)
und als Arſenſäureſalz in vielen Mineralien, auc in
Mineralwaffern (Levico, Roncegno, Guberquelle in
Bosnien) und deren Abſätzen, in bituminöſem Schiefer,
Kallkſtein, Udererde, Flußſchlamm, Braun⸗ und Stein-
| foble, Pflanzenaſche, Rejjeljteinen und im BVerdamp-
fungsriidjtand von Meerwaſſer, bei Tieren im der
Schilddrüſe (7,5mg in Lkg menſchlicher Schilddrüſe),
| im Thymus und im Gebirn, im läuflichen Schwefel,
| Bhosphor, Zink.
Man gewinnt W. durd Sublimation von gediegen
A. oder Durch Erhitzen von Arſenkies oder Urjenifalfies
in qlajierten Tonrdhren mit rbhrenfdrmigen Vorlagen
und einent fpiralig aufgerollten Cijenbled) zwiſchen
beiden. Der Urfenties gibt hierbei Schwefeleijen und
A., Der Urfenifalfies Werencifen und A. Das. lagert
ſich in der Bledfpirale in kriſtalliniſchem Zujtand,
in Den Borlagen als Pulver (qraues A.) ab, weld
lefteres zu andern Yirjenifalien verarbeitet wird. Auch
als Nebenprodutt bet der Verarbeitung mander Nicel-,
Robalt-, Silber- und Kupfererze wird A. gewonnen.
Reines W., durch Sublimation des käuflichen er-
halten, iſt grauweiß, ſtark metalliſch qlingend, ſchup—
pig⸗kriſtalliniſch, ſpez. Gew. 5,727, Atomgewicht 75,
verflüchtigt ſich beim Erhitzen, ohne zu ſchnielzen (beim
Erhitzen unter Druck ſchmilzt es bei 480"), und bildet
farbloſen, knoblauchartig riechenden Dampf. Aus der
Dampfdichte ergibt ſich, daß das Molekül des Arſens
4 Atome enthält, doch zerfällt das Molekül bei Weiß—
glut. A. läuft in feuchter Luft ſchnell an, in lufthalti-
gem Waſſer und beim Erhitzen an der Luft verwandelt
es ſich in arſenige Säure. In Sauerſtoff verbrennt
es mit blendend weißem Licht; es verbindet ſich diveft
mit Schwefel, Chlor, Brom, Jod und den meiſten
Metallen und wird von konzentrierter Schwefelſäure,
Salpeterſäure und von ſchmelzendem Kalihydrat ory-
diert. Mit chlorſaurem Kali gemiſcht, detoniert es
durch Stoß. Es löſt ſich in fetten Olen beim Erwärmen.
WmorphesA. erhalt man als dunkel braunſchwarzes,
ſpiegelndes Sublimat (Arſenſpiegel), wenn man
eine geringe Menge A. in einem unten verſchloſſenen
Glasrohr erhitzt oder Arſenwaſſerſtoffgas durch em
glühendes Rohr leitet oder in die Flamme des Arſen—
waſſerſtoffes kaltes Porzellan hält. Dies A. wird bei
360° unter ſtarker Wärmeentwickelung plötzlich kriſtal⸗
816
liniſch. Uns Arſendampf ſcheidet ſich bei ſchneller Ab—
tühlung gelbes A. in regulären Kriſtallen ab, das
äußerſt lichtempfindlich und in Schwefelkohlenſtoff
löslich iſt. A. bildet mit Phosphor und Antimon eine
natürliche Gruppe und iſt dreiwertig. Seine wichtigſten
Oxydationsſtufen ſind arſenige Saure H,AsO,, von
Der nur das Anhydrid As,O, befannt ijt, und Arſen—
ſäure H,AsO, mit dem Anhydrid As,O,; mit Waj-
jerjtoff bildet eS den Arſenwaſſerſtoff AsH,. Wan
benugt A. zur Schrotfuncifation, zu Kupferzinnlegie⸗
rungen (Spiegelmetall), deren Glanz und Politure |
fähigleit es erhöht, als Flieqengift (da es mit Waffer
an der Luft arſenige Säure bildet; durchaus verwerj: |
lid)!), gu Signalen, indem man es in Sauerſtoff
verbrennt (indifdes Feuer). Die Schwefelverbin—
dungen des Arſens wurden von den Witen unter dem
Namen sandarache und arsenikon als Urgneimittel
und Farbſtoffe benust; Geber jpridt ausfiihrlid von
der arjenigen Säure, und Lemery jtellte 1675 metal-
lifes UW. Dar, das Albertus Magnus erwahnt, das
aber vielleicht ſchon Seber befannt war.
—— ſ. Seughaus.
Arfenate, ſ. Urieniate.
Arfenbafen, ſ. Bafen.
Arjenblende, gelbe, foviel wie Auripigment,
rote, foviel wie Realgar.
Arfenbromid (Urjentribromid, Bromar-
fen) AsBr, entjteht betm Cintragen von Arſen in
cine Ldjung von Brom in Schwefellohlenſtoff, bildet
farbloje, zerfließliche Striftalle, ſpez. Gew. 3,66, ſchmilzt
bei 25°, ſiedet bei 220° und wird Durd Wafer zerjept ; |
Dient als Arzneimittel.
Arſeuchloride Arſentrichlorid, Chlorarſen)
AsCl, entſteht bet Einwirkung von Chlor auf Arſen,
aud) beint Behandeln von arſeniger Säure mit Salz—
ſäure. Farbloſes, an der Luft rauchendes Ol vom
ſpez. Gew. 2,205, ſiedet bei 134°, erſtarrt bei —-18°,
ift mit wenig Waffer, Alkohol und Uther mifdbar,
zerſetzt ſich mit viel Wafjer zu Chlorwaſſerſtoff und
arjeniger Säure und ijt febr giftig. Beim Roden
arſenhaltiger Flüſſigleiten mit Salzſäure entiteht A. (1),
auch iſt Salzſäure, mit arſenhaltiger Schwefelſäure
bereitet, ſtets arſenhaltig. A. wird arzneilich benutzt.
Arſendimethyl, ſ. Kalodyl.
UArfendifulfid, ſ. Arſenſulfide.
Arſeneiſen, Mineral, ſoviel wie Urfenifalfies.
Urfencifenjinter, Mineral, ſ. Cijenjinter.
Arſenfahlerz, Mineral, ſ. Fabler;,
Ar englad, }. YUrjenjuljide und Arſenige Saute.
Arſeniate (Urfenate), foviel wie Arſenſäure—
ſalze, 3. B. Natriumarfeniat, arfenfaures Natron.
Arsenicum, Arſenik; A. album, arjeniqe Säure
(Yrfentrioryd); A. flavum, Wuripiqment; A. rubrum,
Mealqar.
AUArfentde , fovicl wie Urienmetalle.
Arſenige Saure (Urfenigfiureanhydrid,
Urfentrioryd, weikerUrfen, Weißglas, wet-
hes Urfenglas, Hiittenraud, Rattenpulver,
Giftmehl) As,O, findet ſich in der Natur in requ-
liven Rrijtallen (ifomorph, mit Sanarmontit Sb,O,)
als Urfenit (Wrfenifbliite) auf Gangen bei An—
dreasberg, Joachimsthal, Schwarzenberg, Martird,
in monoflinen Krijtallen al8 Claudetit (Bortugal),
bildet jich beim Erbigen von Arſen oder arjenhaltigen
Erjen an der Luft und wird meijt als Nebenproduft
beim Röſten arjenhaltigqer Silber-, Kupfer-, Robalt-,
Nidel-, Zinnerze, feltener aus gediegen Urfen, aus
Urienfies FeS,.FeAs, und Urjenifalfies FeAs, auf
Gifthiitten gewonnen. Die aus dem Röſtgut fid
Arjenal — Arfenige Saure.
| entwidelnden Dämpfe leitet man in lange liegende
Raniile oder in qroke Kammern, die in Gifttürmen
iibereinander angebradt find. Es fondenjiert fid
gaues Arſenmehl, das in gußeiſernen Keſſeln durch
Sublimation raffiniert wird und dann eine ſchwach
elbliche, glafige, durchſichtige Maſſe mit muſcheligem
& (Urfenglas) bildet.
Die außerordentliche Giftigtcit der meiſten Urjen-
verbindungen erfordert ganz befonders ausgedehnte
| Unwendung und ftrenge Durdfiibrung von Schut
maßregeln. Seit Erlaß des Haftpflichtgeſetzes iſt der
Geſundheitszuſtand der Arbeiter ein befriedigender.
ja in manchen Fällen cin günſtiger. Die Hiitte ijt
gegen die Umgebung gut abzuſchließen, Rüchſtände
und Scherben der Upparate find jorgfaltiq beifeite ju
ſchaffen. Grubenwäſſer, Mufbercitungswaffer und
durch Erz- und Berghalden fidernde Meteorwöſſer
find, wenn ndtig, mit Ralfmild gu miſchen und nad
Abſetzen des Niederſchlags abzulaſſen. Die Umgebung
der Arſenhütten ijt meijt bis auf 150 und mebr
Schritte unbewohnt, die nächſten Bewohner find Ar-
beiter und Beantte, die an die Mufnahme minimaler
Urfenmengen gewöhnt find. Sdhadiqungen der Um—
gebung kommen nidt vor. Qn unimittelbarer Um—
gebung der Werke wird man weder Gemüſe nod Fut-
terpflanzen bauen.
YU. S. ijt farb- und geruchlos, ſchmeckt ſchwach me-
talliſch ſüßlich. Reguläre Krijtalle entitehen bei ſchneller
Abkühlung des — und beim Erkalten einer
warm gefattigten wajferigen Löſung, ſpez. Gew. 3,70.
Wonofline Krijtalle entitehen biswerlen bet Sublima:
tion von As,O,, ſpez. Gew. 4,15. Amorphe a. S. entitebt
bei der Sublimation, wird an der Luft allmablid
kriſtalliniſch (regulär), porzellanartig, milchweif, ſpez
Gew. 3,798. Kriſtalliſierte a. S. verflüchtigt ſich beim
Erhitzen, ohne zu ſchmelzen, ſchmilzt nur bei plötzlichem
Erhitzen oder unter Druck und erjtarrt dann qlafig.
Umorphe a. S. ſchmilzt bei 200°. Der Danipf it
farb- und gerudlos. A. S. loft fic) ſchwer und lang:
jam in Waffer, doc) weiden die Angaben über he
LHslichteit ſehr ftarf voneinander ab. Yn Allohol
ijt a. S. wenig, in Sauren, befonders in Salzſäute,
leichter löslich. Aus der ſalzſauren Löſung der amor:
phen arſenigen Säure ſchießen Rrijtalle unter Licht-
entwidelung an; beim Erbhigen der Ldfung entweidt
Arſenchlorid. Aus Löſungen in Ammoniat und fob-
lenſaurem Kali ſcheidet ſich a. S. im freien Zuſtande
wieder ab. Oxydationsmittel verwandeln a. S. in
Arſenſäure; Kohle, Metalle, Waſſerſtoff und Cyan
kalium reduzieren a. S., und beim Erhitzen entwidelt
ſich Rnoblauchgerud, beim Urbeiten in einem Gias-
robr entſteht cin Urfenfpiegel (fj. Urien). Die Ldfung
der arjenigen Säure in Salzſäure entwickelt mit Zint
Waſſerſtoff und Arſenwaſſerſtoff; alfalifde Erden und
fohlenfaure Ulfalien geben beim Schmelzen mit arje-
niger Säure Arſenſäureſalz und Arſen; Scwefel-
waſſerſtoff fallt aus fauren Ldfungen der arſenigen
Säure alles Arſen als gelbes Schwefelarfen, das in
Schwefelammonium löslich ijt. Mit Eſſigſäure und
überſchüſſigem Kali zur Trocne verdampft, entwidelt
a. S. beim Glühen tm Glasrohr penctranten Gerud
nad Rafodyloryd. Die BVerbindung As,O, ijt das
Anhydrid der eigentlichen arſenigen Saure H,AsO,,
die in ber Löſung deSfelben vorhanden, aber in fejter
orm nod nidt erhalten worden ijt. Die Löſung
reagiert ſchwach fauer und bildet mit Bafen die Ar—
—— (Urfenite).
an benugt a. S., welche die Nuance der meiſten
organiſchen und anorganifden Farbjtoffe erhöht, in
Arfenighdurejalje — AUrjenifvergiftung.
der Farbenindujtric, in der Rattundrucerei zur Fixie
rung der Eiſen- und Tonerdebeizen, sur Darjtellung
von Sdweinfurtergriin, Ladjarben ꝛc., bei den Ko—
balt- und Nickelhüttenprozeſſen, gu Robaltultramarin,
Rinmanns Griin, zum Beizen der Haare in der Hut-
maderei, zum Reinigen des Glajes während des
Schmelzens (durch Orydation von Kohle und Cijen-
orydul), sur Darjtellung eines Cmails, des Uuripig:
ments und der Arſenſäure, in Natronlauge gelöſt als
Redultionsmittel, in Salzſäure gelöſt zum Graubeizen
pon Meſſing und Bronze und zuweilen gum Harten
von Cijen, zur Vertilgung der Ratten r., zum Kon—
fervieren ausgejtopfter Ticre und gum Imprägnieren
des Saatgetretdes (gegen Brand und Ungeziefer),
aud) als Arzneimittel (}. unten).
YU. S. ijt, befonders int geldjten Zuftande, höchſt
giftig. Jn ſehr geringer Doſis (0,002 g) genonmen,
erregt fie Warmegefiihl in der Magengegend und ge-
fteigerten Uppetit, bet fortdauerndem Gebraud fann
fic) Der Organismus unter nod) nidt näher feſtge—
ftellten Verhältniſſen an das Mittel gewöhnen und
gedeiht dabei auffallend qut. So herrſcht in Steier-
mart, Salzburg, Tirol x. die Sitte ded Urfenil-
eſſens, und Die ihr huldigen, erreiden 3. T. cin hohes
Ulter, werden bei gleichbleibender Ernährung kräf—
tiger, oder ihr Körper nimmt an Gewidt bedeutend
gu, wenn ibre Urbeitstraft nidt in Uniprud genom: |
mien wird. Die Leute beginnen mit ſehr geringen
Dojen, nehmen den Arſenik (Hidri) in mehrtägigen
Faujen und jteigen bis 0,3 g und höher; fie find aber |
arſenige Säure, jeltener durch arjenigjaures Natron,
an das Mittel gebunden und verfallen beim Ausſetzen
desfelben in große Ubgefpanntheit. Auch bei Pferden |
wird a. S. angewendet, um fie — fett und feurig
erſcheinen zu laſſen, ebenſo bei Rindern und Schafen
ur Erhöhung der Maſtfähigkeit. Das Fleiſch folder
J enthalt nad dem Schlachten unſchädliche Mengen
von Arſenik. A. S. wird durch lebendes Protoplasma
zu Arſenſäure oxydiert, die fic) ſchnell wieder in a. S.
verwandelt und dabei altiven Sauerſtoff abgibt. Dieſe
Prozeſſe üben einen mäßigen Reiz auf die Gewebe
aus und fördern die Energie des Wachstums, wirken
aber bei größerer Intenſität zerſtörend. So vernichtet
a. S. aud) die geformten Fermente und wirkt daher
qarungs- und faulniswidrig, während bei Überſchuß
der Fermente die a. S. gu Arſenwaſſerſtoff redugiert
wird. Jn Löſung wirten 0,2 g a. S. fajt ſtets tödlich,
dagegen können größere Stiide von mehreren Gramm
ohne Schaden verfdludt werden. Wan benugt a. S.
bet Wechſelfieber, Neurojen, Hautfrantheiten, Bleid-
fudt, gegen bdsartige Lymphome, äußerlich als Vp:
mittel. Uber Urfenifvergiftung f. d. A. S. wird
in Deutſchland hauptſächlich in Freiberq und auf
cinigen fleinern Werken des Erzgebirges, aud) ju
Reichenjtein in Schleſien dargejtellt und kommt als
Pulver und als Glas in den Handel. Sehr viel a. S.
liefert England. Die Gewinnung der arjenigen Säure
aus natiirlidemt Schwefelarſen war den Alten befannt.
Arſenigſäureſalze (Arſenite) entitehen bei
Neutralijation von arſeniger Säure mit Basen oder
Durd) Wechſelzerſetzung; fie find bis auf die Allalien
in Wajfer ſchwer oder nidt, in Säure leidt löslich,
mande frijtallijieren, alle werden durch verdiinnte
Sauren (die löslichen fogar durd) Kohlenſäure) zerſetzt,
und die Löſungen der arjfenigfauren Allaliſalze bilden |
an der Luft allmählich Arſenſäureſalze. Cine Lifung |
von arjenigfaurem alt K,AsO, wird argneili
benupt. Die Löſung de3 Natronſalzes dient in
der Maganalyfe zur Beſtimmung von unterdloriger
Säure, Chlor, Jod r-., and) tränkt man Flieqenpapter
Meyers Ronv.+Lerifon, 6. Aufl., J. Bb.
817
damit. Von der Unlslidfeit de3 arfeniqfauren
Cifenoryds und der arjenigfauren Magnejfia
madt man bei Yirfenifvergiftungen Gebraud. Cin
Kupferſalz ijt das Scheelſche Grün, umd aus
lochender Safung von arjeniger Säure fallt Griinjpan
Sdweinfurtergriin.
Arſenik, foviel wie Arjen (ſ. d.) oder arjenige
Säure (j.d.); gelber W., Auripigment, u. roter W.,
Realgar, ſ. Urjenfulfide; weifer W., arjenige Säure.
Wrfenifalien, Arſenpräparate, namentlid) auf
Hiittenwerfen dargejtelltes metalliſches Urjen, arjenige
Säure, Raujdgelb, Realgar, dann aud Arſenſäure
und arjenjaures Kali. Transport und Handel mit
A. unterliegen den Vorſchriften, die den Verlehr mit
Wiften regeln.
Arfenifalfies (Arſeneiſen, weidher Gift-
fies), Mineral, kriſtalliſiert rhombiſch, findet ſich meijt
derb in fornigen und ſtãngeligen Aggregaten, ijt jilber-
weiß bis ftablqrau, Härte 5— 5,5, ſpez. Gew. 7,1—
74. Die meijten Varietäten find nahezu reines Arſen—
cijen FeAs, mit etwas Schwefel (Lillingit), wie
die von Lolling in Kärnten, Schladming in Steier-
marf. UWndre (Leufopyrit) find nahezu Fe,As,,
wie die von Reidenjtein in Schleſien (hier qoldhaltig),
Pribram in Böhmen.
— —— Mineral ſ. Arſenige Säure.
Arſenikkies, Mineral, ſoviel wie Arſenkies.
Arſenikrubin, ſ. Arſenſulfide.
Arſenikvergiftung entſteht am haiufigiten durch
Schwefelarſen (Opernient, Realgar), Schweinfurter—
grün ꝛc., und gwar meiſt durch Einverleibung des Ar—
jenits in Den Magen; aber aud) vom Wajtdarm, von
Der äußern Haut, von Wunden und Geſchwüren aus
fann Arſenik in den Körper aufgenommen werden.
Einatmung von Urfenjtaub und Arſendämpfen kommt
namentlich bet Hiittenfeuten und andern Yrbeitern
vor, dod finnen aud) mit arjenbhaltiqen Farben be-
drudte Tapeten und Gewebe arjenhaltigen Staub
entwideln, und auf feudjten Tapeten follen arjenbaltige
Farben Arſenwaſſerſtoff entwideln. A. tritt in ver-
jdiedenen Formen auf, je nad Menge und Beſchaffen—
Heit des Giftes, nad) der geldjten oder ungelijten Form
deSjelben, nad dem Einverleibungsort x. Die atute
YU. bejteht gewöhnlich in ciner ſehr heftigen Magen-
entzündung, der fid) Darmentziindung gugefellt. Da-
her jtellt jid) bald nad) Einführung des Gifted heftiqes
Erbreden mit Magenſchmerz, Zuſammenſchnüren des
Halies, Empfindlichkeit der Magengrube bei Berüh—
rung, brennender Durjt und grofe Angſt ein. Es
bejtebt fortwabhrendes Wiirgen und Aufſtoßen, aud)
wohl Blutbreden, dann treten Durchfälle, Leibſchmerz,
blutige Stühle, Stuhlzwang x. auf, wabrend das
Geſicht auffallend entitellt, bleid) und kühl, eingefallen,
die Gliedmaßen falt, der Puls flein und frequent ijt.
Nicht felten gefellen ſich hierzu Muskelſchwäche, Ohn—
macht, Krämpfe, Zittern der Glieder, Schluchzen und
andre nervöſe Symptome, die, zuſammen mit dem
ſchon erwähnten Erbrechen und Durchfall, das Krank⸗
heitsbild der A. höchſt ähnlich einem Choleraanfall
geſtalten. Bisweilen geſellen ſich auch Utenmot und
Bluthuſten, mandmal Blaſenſchmerz, Blutharnen xc.
hinzu. Der Tod tritt bet der aluten A. binnen einem
oder wenigen Tagen, manchmal ſchon nach wenigen
Stunden cin. Die chroniſche UW. als Gewerbe—
krankheit entiteht durch längere Zeit hindurch fort-
geſetzte Einverleibung kleinerer Mengen von Arſenik
und kommt bei Bergwerks- und Fabrifarbeitern vor.
52
818
Sie äußert fic) durch ſchleichende Magen- und Darm-
entzündung, mit Gelbſucht, Leibſchmerzen, Durd)-
fällen, Sale. Speichelfluß und namentlid) einer zu⸗
nehmenden Ubmagerung und Hinfilligfeit, mit Aus—
ſchlägen und Geſchwüren, Wusfallen der Haare und
Rigel. Hiermit verbinden ſich Leap lle herum⸗
ziehende Schmerzen, Krämpfe, Angſt, Unruhe, Sdlaf-
loſigkleit, Lähmungen. Der Tod erfolgt beſonders
durch die ſchleichenden Entyiindungen und Verſchwä⸗
rungen des Darnifanals und der Lungen oder durd)
Entkräftigung, Waſſerſucht und Auszehrung.
Behandlung. Auf der äußern Haut befindlicher
Urjenif wird fortgeſchafft, man reinigt die Haut, reibt
jie mit feuchtem, möglichſt warmem Cifenhydroryd
oder Magnejiumbhydroryd und wäſcht fie nut effig-
jaurem Eiſenoxyd. Dit das Gift dem Magen einver-
leibt worden, fo ſucht man Erbreden i" erregen durch
Kigeln des Schlundes und ſpült den Magen mit febr
viel Waffer aus. Die dann nod im Magen verblei-
benden Rückſtände des Giftes ſucht man durd eine
friſch bereitete Miſchung von Cifenhydroryd und
Magnefiumbhydroryd (Antidotum arsenici) zu binden
(von 10 au 10 Minuten einen Eßlöffel voll). Um
das in den Darm eingedrungene Gift raſcher ausju-
fiibren, reicht man Abführmittel, falls nicht ſchon
Durchfall beſteht. Bei lähmungsartigen und großen
Schwächezuſtänden empfehlen ſich warme Bäder,
Hautreize, dabei viel Getränk, Kaffee, Tee. Bei der |
dronijden A. muß der Kranke zunächſt den frant-
madenden Cinfliijjen entzogen werden. Die Behand-
{ung ijt Dann cine rein fymptomatijde. Am wid-
tigiten ijt qut nabrende, leichtverdauliche Koſt: Milch,
Schleimjuppen, Fleiſch, Fleiſchbrühen, rohe Cier 2.
Daneben jind warme Schwefelbäder von Nugen.
Die Nadweifung des Urfens im Körper de3
Vergifteten geſchieht mit Hilfe des Marſhſchen Appa—
rates (jf. Wcenwajferitof und gelingt nod, aud)
wenn Die Leiche bereits lange in der Erde gelegen Hat.
Die Empjindlidjfeit der Methode erheiſcht aber große
Vorſicht, da der Boden ſehr oft Urjen enthalt, das,
durd) das bei der Fäulnis entwickelte Ammoniak gelöſt,
zur Leide gelangt fein fann. Arſenleichen find durd
das Gift bis zu einem gewiſſen Grade gegen Fäulnis
geidhiigt und trodnen öfters ein (mumifizieren). Der
Schimmelpilz Penicillium brevicante zerſetzt auf
verſchiedenen Subſtanzen, auf denen er gu wadjen
vermtag, namentlid) auf Brotbrei, darin enthaltene
Yrjenverbindungen unter Bildung ſtark nad) Knob-
laud) riechender flüchtiger Körper. Dieſe Reaftion ijt
äußerſt empfindlich; Antimon, Wismut geben ſie nicht.
Ral. Bunſen und Berthold, Cifenorydhydrat, das
Gegengift geqen arjeniqe Säure (2. Aufl., Götting.
1837); Schuchardt, Unterſuchungen iiber die An—
wendung des Magnejiahydrats als Gegenmittel ge-
gen arjeniqe Säure (daſ. 1852).
Arfenit, Mineral, ſ. Arſenige Säure; Urfenite,
Arſenigſäureſalze, 3. B. Kaliumarſenit, arjenigjaures
Rali.
Arſenius, 1) der heilige, vornehmer Romer,
Erzieher Der Söhne Theodofius' d. Gr., lebte fpater
als Einſiedler in Agypten, ftarb gegen 450. Gedächt-
nistag Der 8. Wai (griechiſche), Der 19. Quli (latei-
niſche Kirche).
2) Genannt Antorianus, 1255—67 Patriard
von Konſtantinopel, wozu ihn der Kaiſer Theodoros
Vasfaris erhoben hatte. Infolge ſeines Widerſtandes
gegen Den Ufurpator Michael Paläologos, der den
jungen Johann Lastaris hatte blenden laſſen, nad
Prolonneſos in der Propontis verbannt, jtarb er hier
Arjenit — WArjenpraparate.
1273. Seine Anhänger (die Urfeniten) fohnten fid
erjt 1312 mit der Regierung aus.
Arſenjodid (Urjentrijodid, Yodarfen) AsJ,
entjtebt beim Erbipen von Yrien mit Yod als Subli-
mat, beim Roden von atherifder Jodlöſung mit Ar⸗
ſen und bei Einwirkung von Jodwaſſerſtoff auf Ar—
ſenchlorid. Es bildet rote Kriſtalle vom ſpez. Gew.
4,39 und löſt ſich in Allohol und viel Waſſer. Es
wird arzneilich benutzt.
Arſeukies (Arſenikkies, Arſenopyrit, Miß—
pidel, barter Giftkies), Mineral, frijtallifiert
rhombijd), findet fic) ein- oder aufgewadfen, aud
derb in fornigen und ftangeligen YUggregaten, ijt
jilberweif bis licht ftablqrau, Harte 5,5—6, ſpez. Gew.
5,8—6,2, bejteht aus 46 Arſen, 34,4 Eiſen und 19,6
Schwefel: FeS,.FeAs,, enthilt bisweilen 6—9 Broz
Robalt (Robaltarfenfics, Danait), auc Silber
(Weißerz) und Spuren von Gold. Er findet fid auf
zahlreichen Erzgängen, aud eingejprengt in viclen
Gejteinen und wird auf Urjen oder auf Robalt und
Silber verarbeitet.
Arfenfobaltfies (Teſſeralkies, Stutteru-
| Dit), Mineral, Yrjenfobalt CoAs,, mit 20,7 Nobalt,
| trijtallifiert tejjeral, aber aud) derb in fornigen Aggre
gaten, ijt zinnweiß oder bunt angelaujen, Harte 6,
ſpez. Gew. 6,5—6,8. Es findet fic) bei Shutterud in
Norwegen und wird auf Robalt verarbeitet.
Arfenfupfer (Domeyfit), Mineral, befteht aus
Kupfer und Arjen Cu, As mit 71,7 Kupfer, traubig oder
nierenformig, derb u. eingeſprengt, zinnweiß, oft gelb
und bunt angelaufen, Harte 3—3,5, ſpez. Gew. 7 —7,s.
Es findet ſich zu Coquimbo und Copiapo in Chile, aud
lim Porphyr bei Zwickau. Cin andres A., Cu, As mit
| 83,5 Kupfer, auf der Grube Algodones bei Coquimbo,
wird Algodonit genannt. S. auch Weißlupfer.
Arfenlegierungen, ſ. Urfenmetalle.
Arfenmetalle (Arſenide, Urfentegierun:
gen). Verbindungen der Metalle mit Arſen, finden
ſich 3. T. in der Natur, wie Arſeneiſen (Arienifalfies),
| Urfennicel (Rupfernidel) x. Urfenflupfer, f. Weiß—
fupfer. Sie entſtehen 3. T. durd Zuſammenſchmelzen
Der Metalle mit Urien oder mit arjeniqer Saure und
Kohle. Sie find fprdde und leichter ſchmelzbar als
die Metalle, werden beim Erhitzen zerſetzt und geben
beim an” an ber Luft arfenige Saure und We:
tall oder Wetalloryd oder bajifd arjenjaures Metall
oye (Röſtprozeſſe arjenhaltiger Erze).
rſennickel, ſ. die Urtilel: »Chloanthit, Rotnickel⸗
fies und Weißnickellies«.
Arſennickelglanz, Mineral, ſ. Nicdelarjentics.
enopyrit, Mineral, ſ. Yirjenfies.
Arjenpentafulfid, ſ. Arſenſulfide.
Arſenpentoxyd, ſ. Arſenſäure.
Arſenpillen, ſ. Aſiatiſche Pillen.
Arſenpräparate, arzneilich benutzte Priiparate,
die Arſen als weſentlichen Beſtandteil enthalten, na
mentlich arſenige Säure (Acidum arsenicosum, Ar-
senicum album); Liquor kalii arsenicosi, cine 26
jung von arfenigjaurem Rali in Waffer, Allohol und
Lavendeljpiritus, mit 1 Proj. arfeniger Säure, tit
an die Stelle der Solutio arsenicalis Fowleri getre
ten. Pearjons Urjeniffliiffigteit (Solutio arsenicalis
Pearsoni) enthält 0,06 arjenjaures Natron in 30 Te
len Wajjer; ferner Urjentridjlorid, Yrjentribromid,
Yirjentrijodid, Arſenſäureſalze von Ralium, Ratrium,
Supfer, Chinin, ein Ätzpulver (Pulvis Cosmi) aus
arjeniger Säure, Dradenblut, Zinnober und Leder-
ajde; Pitulae asiaticae, Urjenpillen mit je 1 mg
arjeniger Säure. Bgl. Arſenikalien.
Arjenradifale —
Arfenradifale, Verbindungen de3 Urjens mit
Wltoholradifalen, zu denen das Kalodyl gehört.
Urfenrubin, i. Arſenſulfide.
Arſenſäure H,AsO, findet ſich in zahlreichen
Mineralien und wird durch Oxydation der arſenigen
Säure mit Salpeterſäure oder durch Behandeln einer
Löſung von arſeniger Säure in Salzſäure mit Chlor
erhalten. Aus ſirupdicker Löſung kriſtalliſiert in der
Kälte gerfliehlides 2H,AsO,+H,O, das bei 100°
ſchmilzt und damm HAsO, in kleinen farb- und ge: |
rudjlofen, leich ldstiden Radetn liefert. W. fehmedt
ſauer metallifd, — ſauer und bildet mit Baſen
die Arſenſäureſalze (Arſeniate). Sie löſt Eiſen und
Zink unter Entwickelung von Arſenwaſſerſtoff, der
fic) aud) entiwidelt, wenn arſenſäurehaltige Schwefel⸗
oder Salzſäure auf jene Metalle wirft. Bon ſchwef—
liger Säure wird fie in wäſſeriger Löſung gu arſeni—
er Säure, von Kohle, Metallen, Cyanfaliun beim |
rhigen unter Entwickelung von Knoblaudgerud zu
Arjen redusiert. Schwefelwafferjtoff reduziert A. unter |
Ubfdeidung von Sdwefel und fallt dann Sdhwefel- |
arjen. Gewöhnliche UW. (Orthoarfenfiure) it)
dreibafifd) und liefert bet 140—180° unter Uustritt
von WafferNrijtalle von PB yroarfenfdure H,As,O,, |
bei 206° unter weiterm YWustritt von Waſſer perl
mutterglänzende Metaarfenfaiure HAsO,, die bei
ſtärlerm Erhigen Urfenfaureanhydrid (Urfen: |
pentoryd) As,O, binterlaft. Dies ijt farb- und
gerudlos, amorph, bygroffopiid, in Wafer langjam
ſöslich und gerfallt bet nod) höherer Temperatur in
Sauerjtoff und Urjeniqfiureanhydrid. Man benugt
U. als Surrogat der Weinſäure in der Beugdrucerci,
ihr Natron- und Ammoniakſalz als Arzneimittel. A.
iſt nicht ſo giftig wie arſenige Säure, das Anhydrid
erzeugt aber aa der Haut Blajen, und felbjt ſehr ver-
dünnle Löſungen wirken bei häufigem Cintaudjen der
Hände nadteilig. Man ſchützt fic) durch häufiges
Waſchen mit Kallkwaſſer.
Arſenſäureſalze (Arſeniate) finden ſich viel
fach in der Natur und werden durch Neutraliſation
der Säure mit der Baſe oder durch Wechſelzerſetzung
erhalten; fie haben große Ähnlichkeit mit den Salzen
der Phosphorſäure, und, wie dieje Säure, bildet aud
Arſenſäure drei Reihen Salze. Sie find teils frijtal-
lifierbar, teils amorph, in hober Temperatur fehr be-
ee qeben aber beim Erhigen mit Kohle metalli-
hes Arſen. Nur die Salze der Alkalien find in Wafer
löslich Urfenfaures Natron (Natriumarfe-
niat) H,NaAsO, wird durch Erhitzen von arfeniq:
faurem Natron mit Natronfalpeter erhalten und bildet
fe, farblofe, luftbeftindige, leicht lösliche Kriſtalle.
13 Nebenproduft qewinnt man das Sal; beim Glühen
Der gerdjteten Nicelfpeife mit Soda und Chilifalpeter
behufs der Darjtellung von Nickeloxyd. Es ijt febr
iftig und dient in der Färberei sur Befeſtigung der |
eizen und als Surrogat des Kuhkotſalzes; aud
wird es arzneilich benutzt (vgl. Urjenpraparate). Wr
fenfaures Rali (Raliumarfeniat) H,KAsO,
wird wie das Natronfal; erhalten, bildet weihe Rri-
ftallfrujten, ijt ſehr giftiq und dient in der Seug
Druderei als Beize.
Siclestvienst + Mineral, ſ. Rotgiltigers.
Arfenfpiegel, ſ. Arſenwaſſerſtoff.
Arſenſulfide (Schwefelarſen), Verbindungen
des Arſens mit Schwefel. Arſendiſulfid (Arſen
julfid, Arſenſulfür, rotes Schwefelarſen)
AsS findet fic) in der Natur als Realgar und wird
durch Zuſammenſchmelzen der Bejtandteile inrictigem |
Verhaltnis und Sublimation oder aus Urjenties und |
Arjenwafferjtoff. 819
Schwefel und Schwefelties gewonnen. Das erhaltene
Rohglas wird geſchmolzen, zur Srlangung dunflerer
Sorten mit Schwefel verfest und nad Entfernung der
Unreinigfeiten in luftdicht verdedbare Blechgefäße ab-
geſtochen. Es ijt kriſtalliniſch, rubinrot, unlislic in
Wafer, leicht ſchmelzbar und verbrennt an der Luft gu
arfeniger Säure und ſchwefliger Säure. Das Hiitten-
mãnniſche Broduft ijt amorph und nicht die reine chemi⸗
ſche Verbindung, fondern enthalt Arſen und Schwefel
in foldem Verhaltnis, daß ein ſchön rubinrotes Produkt
entſteht, Das ein orangegelbes Pulver liefert (Real -
qar, roter Urfenif, rotes Arſenglas, Arſen—
oder Urfenifrubin, Rubinſchwefel, Rauſch—
rot, Rotglas). Es Diente frither als gelbe Farbe,
jebt als Redultionsmittel des Indigos, als Redul-
tionSmittel in Der Glasfabrifation, in der Sdhrot-
| fabrifation (der Schwefel ſcheidet cinen Kupfergehalt
des Bieies ab, und das Arſen geht ins Blei), m der
Gerberei zum Enthaaren der elle, mit 12 Teilen
Salpeter und 3,5 Teilen Schwefel gemifdt, als Weif-
feuer zu Sigqnallidtern, ju Unjtrichen fiir Schiffs-
biden (Schutz gegen das Anſetzen von Seetieren).
Urfentrijulfid Urfenfuperfulfiir, Arfen—
ſulfid) As,S, findet ſich in der Natur als Uuripig-
ment (Operment), entjteht bei Sublimation von ar-
feniger Saure mit Schwefel und wird aus der Ldjung
der arjenigen Säure durch Schwefelwaſſerſtoff gefällt.
Es iſt kriſtalliniſch oder amorph, zitronengelb, un—
durchſichtig, länzend, unldslid) in Waſſer, ſchmilzt
und verdampft bet 700° und verbrennt wie das vorige.
Mit baſiſchen Schwefelmetallen bildet es Sulfar-
fenite (Thivarfenite), von denen die der Allalien
mit gelber Farbe in Wajfer löslich find. Das Hiitten-
produft, aus arjeniger Säure und Schwefel zuſam—
mengeſchmolzen, bejteht wefentlid) aus arjeniger
Säure mit wenig mehr als 1 Broz. Schwefel (Gelb—
las, gelber Urfenif, gelbes Arſenglas,
Rauſchgelb, Königsgelb) und wird als gelbe
Malerfarbe und, wie das vorige, im Orient, mit 9 Tei
len gelöſchtem Ralf und Wajfer gemiſcht, als Ent—
haarungsmittel (RHusma) berugt. Bei der Reini-
gung der Schwefelſäure mit Schwefelwaſſerſtoff wird
es al8 Nebenprodutt erhalten.
Urfenpentafulfid (Urjenfuperfulfid) A,S,
entiteht beim Zuſammenſchmelzen von Arſen mit
überſchüſſigem Schwefel und wird aus einer ſchwach
ſalzſauren erwarmten Lifung von Arſenſäure durch
Schwefelwaſſerſtoff gefällt. Es ijt ein qelbes, leicht
ſchmelzbares Pulver und bildet mit baſiſchen Schwefel⸗
metallen Sulfarſeniate (Thioarſeniate).
Arſentribromid, ſ. Arſenbromid.
—— f. Arſenchlorid.
Arſentrijodid, |. Arſenjodid.
Arſeutrioxyd, ſ. Arſenige Säure.
Arſentriſulfid, ſ. Arſenſulfide.
Arſenwa ſſerſtoff AsH, entſteht, wenn bei Ent-
wickelung von Waſſerſtoff aus Schwefelſäure oder
Salzſäure und Zink eine lösliche Urienverbindung
jugegen ijt. Urjenhaltiqe Salz- oder Schwefelſäure
entivicelt mit Zink oder Cifen arſenwaſſerſtoffhaltiges
Wajferitofiqas. Es foll fid) auch aus arienhaltigen
Farben an feudten, mit Schimmel bededten Wanden
entwideln. Rein erhalt man es bei Zerfesung vor
Yrjennatrium mit Wafer. Farblofes, moblauchartig
riechendes Gas vom ſpez. Gew. 2,9 wird bei —40°
jliiffiq und fiedet bet 550, erjtarrt bet —113°, iſt
wenig löslich in Wafjer und verbrennt mit bläulicher
Flammie zu arfeniger Saure und Waſſer. Mit Metall
ſalzen bildet es Arſenmetalle, nit Silbernitrat gelbes
52*
820
Arjine — Art.
Urjenfilbernitrat Ag,As(NO,),, das durd) Waſſer | Burg beſetzen, die beiden jiingern Sohne der W. er-
ſchwarz wird. A. ijt ſehr giftig und wirkt höchſt hem- | morden und verbannte dieſe jelbjt nad der Inſel
tiidijd. Auf faltem Porzellan bildet die Flamme Samothrafe. Bon dort entfloben, vermählte fie ſich
dunfle Flee von metallijdem Arſen (Urfenfpie-
el). Diefe Flee entitehen, wenn man A. durd ein
lasrohr leitet und dies an einer Stelle zum Glühen
erhigt. Hierauf berubt eine ſehr empfindliche Methode,
Urjen nachzuweiſen. Man bringt in die Gasentwide-
lungsflaſche des Marſhſchen Upparates (7. Ab—
bildung) die gu unterſuchende Flüſſigleit mit reiner
Schwefelſäure und reinem Zink, trodnet das ent:
weichende Gas im Chlorcalciumrohr b, erzeugt dann
in dem Gadleitungsrohr durch Erbhigen den Spiegel
Marſhſcher Apparat.
(cd), entgiindet das ausſtrömende Gas, bildet aud ; — In der
mit ihrem Bruder Ptolemäos IL. Philadelphos von
Agypien, der deswegen feine erjte Gemablin Arſinoe.
cine Todjter des thrafijden Königs Lyjimados, ver-
bannte, und wurde defjen Viitregentin. Schon gu
ihren Lebzeiten wurde fie mit dem Ramen Poiladel-
phos, »die ihren Bruder liebt«, zur Gottin erhoben;
aud) führen mebrere Städte Kleinaſiens und Agyp-
ten ihren Namen.
2) Todjter des Ptolemaos III. Euergetes, Gemab-
lin ihres Bruders Ptolemaos lV. Philopator, Mutier
des Ptolemäos V. Epiphanes, von Livius
Kleopatra genannt, half in der Schlacht bei
Raphia (217 v. Chr.) an der Seite ihres Ge-
mahls dieſem fiber Yntiodos d. Gr. fiegen,
ward aber auf Betrieb des Soſibios ermordet.
8) Tochter des Btolemaios XIII. Auletes,
ward im fogen. Werandrinijchen riege, waib-
rend Cäſar ibren Bruder Ptolemäos XIV.
gefangen bielt, zur Königin ausqerufen umd
belagerte mit dem Agyptijden Heer Wleran-
dria. Rad) Beendigung des Krieges nabm
Cajar U., um ibrer Schweſter Kleopatra den
Thron ju fidern, mit nad) Rom und fiibrie
fie tim Triumph auf. Der Triumvir Antonius
lie jie 41-v. Chr. auf Verlangen der Kleopatra
ju Ephefos im Tempel der Urtemis ermorden.
Arſis (qried., »~Hebung<), in der antilen
Wetrif der beim Slandieren durch Uufheben
der Hand oder ded Fußes bezeichnete ſchledne
Taltteil im Gegenſatze zur Thejis, dem durd
MNiederfdlagen der Hand oder Uujtreten des
Fußes bezeichneten guten Taltteil; bet den
Neuern umgefehrt der durd den Akzent her⸗
vorgehobene Teil cines Versfußes im —*
ſatze i dem nidt hervorgehobenen (Zh ef i).
ufift der leidjte oder ſchlechte Taltteil
auf Porzellan Spiegel und unterſucht dieje, um fie | (Auftakt) im Gegenfage jum guten (Thefis). Legterer
vor ähnlichen Antimonſpiegeln, die Untimonwaffer:
ſtoff unter denſelben Verhältniſſen liefert, gu unter-
ſcheiden. In dieſer Weise läßt ſich noch 0,01 mg Arſen
Arſine, ſ. Baſen. nachweiſen.
Arſindẽ, im Altertum Name mehrerer Städte auf
Cypern, in Agypten, Äthiopien ꝛc. Die bedeutendſte
war Die in der Landſchaft Faytim am See Möris; fie
wurde von Ptolemäos Ebhiladelphos erweitert, der
feine Schweſter A. zur Stadtgittin erhob; nad ihr
wurde die Landſchaft Fayiim als »arſinoitiſcher Gau«,
die Stadt als »Stadt der arjinoitijdhen Gaubewoh
ner« oder fur; A. bezeichnet. Der alte Name von A.
war Sdjetet, ihrem Gotte Sobel waren die Krofodile
Hheiliq; Daher bie U. bet den Griechen aud Rrofo:
Dilopolis; Ruinen nbrdlich von Medinet ef Fayiim.
Arſindẽ, 1) Todter des Ptolemäos J. von Agyp—
ten und der Berenife, zuerſt 299 v. Chr. mit Konig
Lyſimachos von Thrafien verbheiratet, der ihr Hera:
fleia und mehrere andre Städte ſchenkte, gerfiel mit
ihrem Stiefjohn Ugathofles und bewirkte 234 deſſen
Hinridjtung. Wis in Dem daraus entbrannten Kriege
Lyſimachos 281 gegen Seleufos von Syrien gefallen
war, flog fie in das feſte Kaſſandreia in Matedonien
und madjte von Hier aus ihre Anſprüche gegen ihren
Halbbruder Ptolemäos Reraunos qeltend, der nad)
der Ermordung des Seleufos (280) ſich Thratiens
und Maledoniens bemächtigt hatte. Als fie Reraunos
|
wird nämlich beim Taftgeben durd den Riedericdlag
marfiert, wie aud) die Alten beim Chortang die ſchwere
Beit durch Uuftreten mit dem Fuge hervorboben.
Ars longa, vita brevis, »dic Kunſt ijt lang,
das Leben furge, lat. Form des Anfangs der » Wpho-
ri8men« des Hippofrates.
Ars magica (lat.), die Magie.
Ars memorandi (lat., »dte Kunſt, auswendig
ju lernen«), Unfang des lateinifden Titels einer im
15. Jahrh. in Deutidland, Frankreich und den Rieder:
landen gebraudliden, mit Holzſchnitten verfehenen
Unleitung, fid) den Inhalt der Evangelien nad Ka
piteln und Verſen zu merfen.
Ars moriendi (lat., »die Qunjt, zu fterben«),
ein im 15. Jahrh. in Deutidland, Frankreich und den
Niederlanden verbreiteter Zyllus von Holzſchnitlen,
die, zu einem Buch vereinigqt, eine Ermabnung jum
bupfertiqen Sterben und den Hinweis auf Himmels
freuden und Hollenjtrafen enthielten. Eine neve Au—
gabe beforgte Specht Sa 1878).
Arſonvaliſation, ſ. Elettrotherapie.
Ars poetica, ſ. Horatius.
Ars spiritaum (lat., »Geijterfunjt«), die Magie.
Arius, Ruinenſtätte im Heutigen Palajtina, f.
Upollonia 3).
Art (lat. species) heift in der Logil ein Begriff,
fofern er cinem höhern Vegriff untergeordnet ijt, der
binterlijtiq in die Ehe gefithrt hatte, öffnete fie ihm ‘dann fein Gattungsbeqriff (genus) heißt. Go find
die Love VON Kajjandreia. Sofort lies aber jener die | Tugend, Farbe, Tier Gattungsbegriffe fiir die Arten
Art — Arta.
Tapferteit, Rot, Vogel. Cin Urtbegriff lann natiirlid)
im Verhältnis gu emem nod) miederern felbjt wieder
Gattungsbegriff fein: fo ift dem Begriff Vogel der des
Raubvogels als Artbegriff untergevrdnet.
Im naturgejdhidtliden Ginne hat der Be-
riff der A. weſentliche Umwandlung im Laufe der
Seiten erfahren. Im allgemeinen betradjtete man
urfpriinglid) die durch Ähnlichteit ihrer äußern Er-
fdeinung und Lbereinjtimmung in allen Hauptkenn⸗
zeichen ausgezeichneten Yndividuen als gu derſelben
A. —— ehörig und vereinigte dann die einzelnen
Urten, z. B. der Veilchen oder der pferdeartigen Tiere
gu einer Gattung (genus). Der Begriff wurde erjt
durch die ſchon friiher angewendeten, aber von Linné
durchgeführten Doppelnamen (bindre Nomen:
flatur) einigermaßen feftqelegt, jofern man nun mit
einem unſern Taufnamen pS i a Beinamen
die A., mit dem unfern Cigennamen entiprechenden
und voranjuftellenden Hauptnamen aber die Gattung
bezeichnete (Viola odorata, das wohlriechende Beil:
chen, Viola tricolor, das dreifarbige Belden oder
Stiefmiltterchen). Im übrigen blieb der Begriff der
A. fowohl wie der Gattung ein fonventioneller, da
der eine Forjder denfelben Formentreis viclleidt in
fiinf und der andre in zehn Urten teilte, obwohl fid
öfter cine gewiſſe qejunde Realtion gegen zu weit
qetriebene YUrtzeriplitterung geltend madte. Die Be:
rengung des Urtbeqriffs tt in manden Fällen fehr
chwierig, und fejte Regeln dafür find faum aufzujtel-
fen. Linné fagte, daß es fo viele Arten gebe, als ur-
ſprünglich —588 worden ſeien. Cuvier definierte
die A. als »die Vereinigung derjenigen ——
Körper, die voneinander oder von gleichen Eltern ab—
ſtammen, ſowie derjenigen, die dieſen ebenſo wie
einander ähnlich jind«. Es wurde alſo als Merkmal
die Blutsverwandtſchaft oder gleichartige Abſtam—
mung herbeigezogen, und man behauptete, nur männ⸗
liche und weibliche Individuen einer und derſelben
A. fonnten miteinander fruchtbare Nachkommen er—
zeugen. Selbſterſtändlich ſchließt dieſe Auffaſſung
jede weitergehende Veränderung oder Umwandlung
der Arten aus und fordert die Annahme ded Lehr: |
beqriffS der Bejtindigfcit oder Konſtanz der
Arten. Allein man hat nicht nur aus der Bereini-
ung fiir durchaus verſchieden angejebener Arten
———— Baſtarde hervorgehen ſehen, die neue Arten
821
beſtimmte äußere Verhältniſſe, wie ungewöhnliche
Hike, Kälte, Feuchtigleit, klimatiſche Einwirlungen,
Jahreszeitenwechſel ꝛc. hervorgerufen werden und im
Artbegriff aufzunehmen ſind, wie z. B. die klimati—
ſchen Abweichungen und die Formen des Saiſon—
dimorphismus (jf. d.), Die Den Alpenpflanzen ähnlichen
Bergformen der Riederungspflangen x. Da mit dem
Dogma von der Unveränderlichkeit der Arten jede
Unterjudung iiber das Zuſtandekommen des pflang-
lichen und tieriſchen Formenreidjtums ausgeſchloſſen
wurde, fo begann die durch beſtimmte Beobadtungs-
tatſachen ſtutzig gemadte Forſchung einerfeits die
Wiiltigteit desſelben ju bezweifeln und anderfeits Be—
lege fiir Die Verän derlichkeit der A. gu ſammeln,
wobei fid) die Wahrideintidfeit herausitellte, daß die
Varietäten oft alg beginnende neue Urten ane
jufehen find, deren Trennung von der Mutterform
durch Sfolierung begiinjtigt wid, aber aud) ohne die-
ſelbe eiutritt, wenn durd) weitergehende Divergeng der
Charaftere das Keimplasma fid) fo verändert, daß
| eine frudjtbare Rreuzung mit der Mutterform febr
erſchwert wird (f. Darwinismus). Nicht felten fieht
man aud) plötzlich durch Heterogeneſis oder Mu—
tation ganz neue Arten auftreten, die ſich erhalten
und pe Vermehrung des Formentreijes beitragen
(vgl. Mutationstheoric), ein Vorgang, der ſich erklären
wiirde, wenn man dic U. mit de Vries als Miſchung
beftimmter Gejtaltungseinheiten (Pan gene) betrach—
ten dürfte, von denen einige plötzlich ausſcheiden kön—
nen. Falſch ijt tibrigens die Unjidt, als ob nach den
neuen Unfdauungen von Arten im naturhijtorijden
Sinne, d. h. von einer wohl trennbaren Gruppe in
bejtimmten wefentliden Charafteren übereinſtimmen—
der Individuen, nidt mehr die Rede fein könne; die
Syjtematif fann ohne eine folde Klaſſifikationsſtufe
gar nicht ausfommen. Nur der Begriff der natur-
wiſſenſchaftlichen U. hat qewedjelt. Bal. Rageli, Ent-
jtebung und Begriff der naturhiſtoriſchen WU. (2. Aufl.,
| Miind). 1865); H. de Vries, Die Mutationstheorie
(Leips. 1901).
In Der Mineralogie rednet man alle diejenigen
fejten und tropfoar fliiffigen anorganijden Natur—
firper ju ciner A., die in Den wejentlidjten Eigen:
fchaften, wie Rrijtallform mit der zugehörigen Mole—
fularjtruftur, Didte, Harte ꝛc. und chemiſcher Zu—
ſammenſetzung, mitemander iibereinjtimmen; weil
darſtellten, fondern es treten aud) ab und gu an den
Nachkommen legitimer Verbindimgen Ubanderungen
auf, die teils als aus innern Urſachen entitanden, |
teils als Folge äußerer Einflüſſe, wie Klima, Lidht,
Nahrung ꝛc, erſcheinen. Treten foldhe an Merfmalen
auf, die man aus Erfahring fiir ſchwankend und va
riabel erlannt bat, wie Farbe und Gripe, und erreiden |
jte feinen folden Grad, dah fie die charalteriſtiſchen
Merfmale der A. in Frage ftellen, fo fakt man die
dicfelben darbictenden Individuen unter dem Namen
einer Barictat, Ubart, Unterart oderSpielart |
zuſammen, von weldjen Ausdrücken man den letzten
meijt auf die Abänderungen begieht, die plbgplich und |
ſcheinbar launenhaft an unweſentlichen Merkmalen
erſcheinen. Dieſen Varietäten gegenüber, denen oft ein
dritter lateiniſcher Beiname beigelegt wird, ijt der Will-
kur des Syftematifers cin weiter Spielraum geſchaffen,
und man hilft ſich wohl damit, daß man fogen. qute |
und ſchlechte Urten, d. h. wohlumgrenzte und ſchwan⸗
fende, ju Abänderungen (Abarten-Bildung und
Ausartungen) geneigte Arten unterſcheidet. Von
den —“ Abarten ſind aber die Nebenfor—
men zu trennen, die immer in derſelben Weiſe durch
aber Kriſtallform und chemiſche Zuſammenſetzung
nicht unlösbar miteinander verbunden erſcheinen, wird
jeder dieſer Eigenſchaften eine zur Abgrenzung der A.
genügende Selbſtändigkeit zuerkannt. Als überein
ſtimmend in der Kriſtallform werden alle diejenigen
Mineralien angefehen, die in ihren Kriſtallen die gleiche
geometrijde und phyfifalifde Symmetric beſitzen und
cine Rrijtallreihe bilden, d. b. auf die gleiche Grund:
form zurückgeführt werden finnen. Bolymorphe Kör—
per (ſ. Polymorphismus), wie RKalffpat und Arago—
nit, Rutil, Anatas und Broofit, find alfo ebenfo viele
jelbjtindige Yrten. Auch find die amorphen Verbin-
Dungen von den frijtallijierten als beſondere Urten
abzuſcheiden.
Art, altdeutſches Wort für Bebauung, Bearbei—
tung mit dem Pflug, dann ſoviel wie gepfliigtes Feld;
nod) jet iiblid) in Den Wortern Artacker, Artfeld,
Yrtland. Artbar, foviel wie urbar, traqbar.
Art., bei naturwiſſenſchaftl. Namen Abkürzung
fiir Beter Urtedi (jf. d.).
Arta, 1) (türk. Narda) Hauptitadt des gleich-
namigen gried. Nomos (1390 qkm mut (1896) 89,144
Einwe, 28 auf 1 qkm) und einer der zwei zugehöri⸗
822
gen Epardien, an der türkiſchen Grenze, am gleich—
namigen Fluß (dem alten Arachthos), 13 km ober-
halb ſeiner Mündung in den G ol fv on V., einen Bujen
des Joniſchen Meeres, Sik eines griechiſchen Metro
politen, eines Gerichts und eines Staatsgynmajiums,
Artabad — Artel.
2) A. IL, Mnemon (der »Gedichtnistarfe<),
älteſter Sohn und ſeit 404 v. Chr. Nachfolger des
Königs Dareios Nothos (ſ. Perſien, Geſchichte), be—
ſiegte und tötete feinen jiingern Bruder, Kyros, der,
von 10,000 griediiden Sildnern unterjtiigt, gegen
hat eine mittelalterliche Zitadelle, cine große Kirche ihn gezogen war, in der Schlacht bei Qunara, nord.
aus dem 9. Jahrh. und (1896) 7582 (Gemeinde 9575) | wejtlid) von Babylon, 401. Yn dem Kriege mit Sparta
griech. Einwohner, da die Mohammedaner fajt alle | (399—394) rettete fich U. vor dem fiegreidhen Ageſi—
ausgewandert find. Der friiher bedeutende Handel laos nur durd) Geld, womit er eine Koalition Grie
ijt jett Dem Anfall an Griedenland (1881) febr gue | chenlands gegen Sparta bewirkte. Die fortdauernde
riidgegangen. YW. bildete 13875 —1400 ein felbjtan- Uneinigheit der Griedjen ficherte A. vor weitern An—
diges Fiirvtentum unter Johann Spata; 1789 wurde | qriffen Durd) dieje, und der Untalfidijde Friede (387)
es durch Wii Bafcha von Janina erobert. Hier 16. gab ihm die Herridaft iiber die kleinaſiatiſchen Grie-
Yuli 1822 Sieq Reſchid Paſchas über die Grieden | chen zurück, während im Innern des Reiches die Ber-
unter Wer. Maurofordatos und dem Württemberger
vy. Normann. YW. liegt an der Stelle des alten Am—
brafia. — 2) (Urtd) Stadt auf der fpan. Inſel Mal-
lorca, Bezirf Manacor, mit Seidenraupengudt und
(1900) 56831 Einw. Yn den Bergen nördlich von A.
se jich kyllopiſche Steinbauten undeime gropartige |
ropfiteingrotte,
Artabad, da8 perſiſche Trockenmaß von 50 Sche⸗
nikas, = 65 Liter.
Artaban, Name mehrerer parthiſcher Könige aus
bem Geſchlechte der Arſaliden (ſ. Parthien).
Artabãzos (Artabazes), 1) perſ. Feldherr, be-
gleitete nad) der Schlacht bet Salamis Xerxes mit
60,000 Marm medijder Rerntruppen an den Helles-
pont, eroberte auf dem Rückweg nad) Griedenland
Olynth, belagerte aber 3 Monate hindurch vergeblich
—— Mit Mardonios vereinigt, ergriff er in der
Schlacht bei Platää mit 40,000 Mann die Flucht.
2) Perſ. Satrap, empörte ſich als Statthalter von
Myſien, Phrygien und Bithynien 356 v. Chr. wider
Yrtarerres Ochos und ſiegte mehrmals über deſſen
Truppen, bis ihn der pao | ſeiner griechiſchen Bun-
desgenoſſen zur Flucht nach Makedonien nötigte. Sein
Schwager, der Rhodier Mentor, wirkte ihm die Er—
laubnis zur Rückkehr aus. Unter Dareios Kodoman—
nos befehligte A. in der Schlacht bei Arbela. Nach
deſſen Ermordung begab er ſich zu Alexander, der
ihn zum Satrapen von Baktrien ernannte.
Artal, Mehrzahl von Rotal (jf. d.).
Artanthe, j. Piper.
Artaxäta (armen. Urtafdat), Hauptitadt von
Urmenien, auf emer Inſel des Urares, ward vom
König Artaxias I. nad) einem Plane Hannibals um
180 v. Chr. erbaut, von Neros Feldbherrn Corbulo
50 n. Chr. zerſtört, worauf in der Nähe eime neue
Hauptitadt, Valarſchapat (beim heutiqen Etſch-—
miadfin), errichtet wurde, die bis ins 5. Jahrb. ert-
jtierte. Dest Ruinen Urdaf dir.
Artaxérxes (altper|. Artachſchatra, hebr. Ar—
tachſchaſta, neuperſ. Urdafdtr), perſ. Königs
name, ſoviel wie großer König. Bemerkenswert ſind:
1) UL, Longtmanus (griech. Makrocheir, » Lang: |
hand«), Sohn des Xerres, folgte diefem 465 v. Chr.
Bet Beginn femer Regierung hatte er in Baltrien
mit Unruben zu kämpfen. In Agypten wurde der
Wnfitand des Inaros 455 trotz der atheniichen Hilfe |
unterdriidt. Gegen die Athener ſelbſt erlag feine Streit: |
macht in Der Doppelſchlacht bet Kypros 449, wodurd |
die Fleinafiatijden Griechen tatfachlic) fret wurden. |
Eine Empirung de3 ſyriſchen Satrapen Megabyzos
wurde durch Unterhandlungen gedämpft. Rad ſei—
nen Lobrednern foll YW. ſich durch Abſchaffung von
Mißbräuchen Verdienſte erworben haben; aber feſt
ſteht nur, daß er von Weibern und Günſtlingen ab
hängig war. Cr ſtarb 425 (j. Perſien, eidhidyte). |
zur
Zwecken verbinden. Die Organiſation der Artelle tit
rüttung mehr und mehr zunahm. Die Satrapen em—
pörten ſich einer nad) dem andern; beſonders gefabr-
lid) waren die Aufſtände des Ariobarzanes von Phry⸗
gien und des Datames von Kappadofien (368 —362),
Die mur Durd) Ermordung des erjtern und verviite
rijde Gefangennahme des legtern beendigt wurden.
A. ward volljtandig von feiner abſcheulichen Mutter
Paryſatis beherridt. Er ftarb in hohem Alter 358.
Unter YW. fiibrte Esra feine Rolonie nad Paläſtina
und wirfte Nehemia zu Jeruſalem.
3) A. IIL, Ochos (perj. Vahuku, der »Wagen
fabrer<), Sohn und feit 358 v. Chr. Nachfolger des
vorigen, Wiederheriteller des zerrütteten Reiches, be-
fiegte Die aufſtändiſchen Satrapen Artabazos (j. dD. 2)
und DOrontes und zerſtörte Sidon. Langer dauerte
der —— Agypten, das erſt gegen 345 durch den
Rhodier Mentor bewältigt ward. Um ſich vor dem
maledoniſchen König Philipp zu ſichern, unterſtützte
A. 340 das von jenem belagerte Perinthos. Er ſtarb
337, vergiftet durch den Eunuchen Bagoas, der 335
aud) den ſtatt ded Vaters eingeſetzten juͤngſten Sohn
des A., Arſes, beſeitigte.
4) UW. IV., ſ. Beſſos. — S. auch Ardaſchir.
Artaxias (Artaſhẽs), erſter König von Gro}
armenien (189 —159 v. Chr.), ſ. Armenien, Geſchichte.
Artedi (Arctädius), Peter, Zoolog, geb. 22.
Febr. 1705 in Angermanland, geſt. 25. Sept. 1735
in Amſterdam. Er ſchrieb: » Bibliotheca ichthyolo-
gica« (hrsg. von Linné, Leiden 1738, 5 Bde.; new
hrsq. von Walbaum, Greifsw. 1789, 2 Bde.).
rtefaft (lat.), Kunſterzeugnis.
Artel (Urtjel), Name der ſchon feit alter Zeit in
Rufland bejtehenden, friiher »Drufhina« oder »Wa-
taga« genannten, auf patriardalijd - genoſſenſchaft
lidher rundlage rubenden Vereiniqungen von meb-
reren Berfonen, die fich unter folidarijdem Eintreten
mit Kapital und Arbeit oder nur mit Urbeit allem
bernahme von Arbeiten oder ju wirtſchaftlichen
ſehr verſchieden. Meiſt wird das Bringip der gleichen
Veredtiqung aller Genojjen (Urtelfahtf Hilt) ftreng
aufredt erhalten (qleiche Urbeit, gleicer Lohn), viel-
jad) im Intereſſe der Vertrauenswiirdigfeit die Er-
füllung beſtimmter Aufnahmebedingungen verlangt re.
Die Artelle bildeten ſich ſchon tm 13. und 14. Jahrb.
zunächſt sur qemeinfdaftliden Uusitbung der Jagd
und des Fiſchfanges. Neu angeregt durd) die Schulze
Deligiche Genoſſenſchaftsbewegung in Deutfdland,
haben fie ſich auf die verſchiedenſten Gebiete wirtſchaft⸗
licher Berufstätigkeit ausgedehnt. Man unterfdeidet
ewerbliche, Ronjum-, Kredit⸗, Verſicherungsartelle.
Die Konſumartelle bezwecken die Beſchaffung gemein-
ſamer Koſt und Wohnung, die Kreditartelle die Ber—
mittelung von Berjonal- und Reallredit; die Ber-
jicherungsartetle betreiben Spar-, Hilfs- und Ben-
Artemia —-
ſionskaſſen, Feuer-, Hagel-, Viehverjiderung auf
Gegenfeitigfeit x. Die widtigiten find die qewerb-
lidjen Yrtelle, die Handwerfer- und Börſenartelle.
Die Mitglieder der Handwerferartelle liefern außer
der Urbett aud) Kapitaleinlagen, um ——
auszuführen oder ihre Erzeugniſſe durch einen Ge—
noſſen vertreiben gu laſſen. Die Börſenartelle der
Hafenſtädte, insbeſ. diejenigen von Petersburg, die
1712 dadurch entſtanden, dak Peter d. Gr. zur För—
derung der Schiffahrt Löſchmannſchaften aus Alt—
rußland lommen ließ, beſorgen den Transport der
Schiffsgüter von und nach dem Lande, die beim Zoll-
amt vorfommenden Urbeiten fowie verſchiedene Ron-
torarbeiten. Gie refrutieren fich nur aus bejtinnnten
LandeSteilen, erheben ein Eintrittsgeld von neuen Mit-
gliedern, haben fejte Taren fiir ihre Urbeiten xc. und
genießen durch ihre Pünktlichkeit und Zuverläſſigkeit
einen guten Ruf. Die bisher erwähnten Artelle ſind
ſelbſtändige, d. h. fie arbeiten auf eigne Rechnung und
Gefahr. Daneben gibt es unſelbſtändige, im Dienſte
Dritter ſtehende Artelle (Arbeiterartelle), bei denen
ein Teil des Ertrags an dieſe abgeliefert, der Reſt an
die Genoſſen verteilt wird. Viele Artelle ſind wan—
dernde Vereinigungen, die Arbeiten an verſchiedenen
Orten ausführen. Vgl. Grünwaldt, Das Artel—
weſen und die Hausinduſtrie in Rußland (Petersb.
1877); Stähr, Urſprung, Geſchichte, Weſen und Be-
deutung der ruſſiſchen Artels (Dorpat 1890— 91);
Tidernjawfli, Das ruſſiſche A. (Leipz. 1896);
Apoſtol, Das Artjel (Stuttg. 1898).
Artemia, ſ. Kiemenfuß.
Artemidsros, 1) griech. Geograph aus Epheſos,
um 100 v. Chr., bereijte die Küſtenländer des Weittel-
meers und eines Teils des Utlantifden Ozeans und
berichtete dDariiber in cinem von Strabon u. a. viel-
benutzten Werke von elf Büchern (wahrſcheinlich »Geo-
graphumena« betitelt), wovon nur Bruchſtücke und
cin diirftiger Auszug (in Müllers »Geographi graeci
minores«, ‘Bar. 1837) erhalten find.
2) U. (qenannt der Daldianer, nach der lydiſchen
Stadt Daldis, dem GeburtSort feiner Mutter) aus
Epheſos, im 2. Jahrh. n. Chr., verfaßte »Oneirokri-
tika« (Traumpdeutungen) in fiinf Biidern, eine Theo-
rie der Traumdeu tung nebjt praftifder Unwendung an
Veifpielen und einer Sammlung von erfiillten Träu—
nen, fulturgefdidtlid) von Wert (hrsg. von Herder, |
Leipz. 1864; überſetzung von Krauß, Stuttg, 1881).
Artemis, in der griech. Mythologie die jungfrau: |
Artemis. 823
(Riegen, Rinder, Pferde) unteriteht ihrer Obhut (als
Pflegerin der Rinder heißt fic Tauropolos). Als
ihr Lieblingswild galt der Hirſch, Daher man ihr im
Frühjahr das Felt der Claphebolien (GHirſchjagd)
mit Opfern von Hirjden oder Kuchen in Hirſchgeſtalt
feierte. Als waffenfiihrende Godttin hatte fte aud) frie-
geriſche Bedeutung: von den Spartanern ward ibr
vor der Schladt eine Siege qeopfert, und in Athen
opferte man ihr im Monat Boedromion (September
bis Otlober) zur Feier des Sieges von Marathon
500 Biegen. Wie allem Werden und Wachſen in der
Natur * Fürſorge gilt, ſo auch im Menſchenleben.
Sie gehört zu den Hochzeitsgöttern, daher ihr
Bräute vor der Vermählung eine Locke, den Gürtel,
das Mädchenkleid u. a. weihten; ferner iſt ſie eine Göttin
der Entbindung, als die ſie Locheia oder Eilei—
thyia (f. d.) heißt, vor allem aber aig Paidotro—
phos oderNurotrophos eine Pflegerin der Jugend,
insbej. Der weiblicen. Ihr feierte man in Sparta ein
Ummenfeft, an dem die Ammen die Säuglinge in
ihren Tempel bradten, opferten, ſchmauſten und tany-
ten. Bei dem Fejt der Brauronien ju Brauron in
Wttifa wurden die Madden von 5—10 Jahren in
frofusfarbenen Gewändern von ihren Müttern in Bro-
zeſſion der Göttin zugeführt und ihrem Schutz empfoh—
len. Yn manchen Gegenden wurde ihr am Feſt der
Upaturien das Haar der Rnaben dargebradt. Faſt
tiberall verehrien die Mädchen dic jungfräuliche Göt⸗
tin als Sdiigerin ihrer Keuſchheit. Auch zum Meer
ſteht A. in Beziehung, indem fie als glückliche Fahrt
verleihende Göttin in Häfen und an Vorgebirgen
vielfach verehrt wurde. Die anfangs wohl nur lo—
fale Auffaſſung der A. als Mondgötlin (ſ. Selene) ijt
zu allgemeiner Verbreitung im Volksglauben (weni—
ger tm Kult) erſt allmählich gelangt, wahrſcheinlich
ſeit der Gleichſetzung des Apollon mit der Sonne.
über ihr Verhältnis zu Hekate ſ. d. In alter Zeit
waren der A. aud) Menſchenopfer dargebradt wor-
den; an deren Stelle trat in Sparta der Praud, jähr⸗
lid) die Rnaben am Altar der WU. Orthia (der »Yuf-
redjten«, vielleidht von der Haltung des altertiimliden
Holsbildes) bis aufs Blut gu geißeln. Wie an andern
Orten (3. B. Brauron) fah man in Sparta das alte Bild
der Gottin als das durd) Yphigeneia und Orejtes von
der Taurifden Halbinjel entfiihrte Bild der tauri-
{den A. an, einer urſprünglich nicht griechiſchen Gott:
| ett, Die mit Menfdjenopfern verehrt wurde. Bielfad)
haben die Griedjen die YW. mit fremden Naturgittin-
lidje Tochter des Reus und der Leto (Latona), nad) | nen gleidgeftellt, wie Unaitis, Bendis, Britomartis-
der gewöhnlichen Sage auf Delos als ältere Zwillings- Diftynna (j. Britomartis). Diefer Urt ijt namentlich
ſchweſter de3 Upollon qeboren, neben dem fte an allen | die von den Yoniern Aſiens verebrte WU. von Ephe-
widtigern Stätten des Upollondientes verehrt ward, | fos, eine Perfonififation der auf Bergen, in Wäldern
namentlich in Delos auf dem Berge Kynthos (daher |
Kynthia), Delphi, Didyma, dem Heiliqtum der
Rwillinge. Wie er führt fie Bogen und Pfeile und
fendet mit ihren Geſchoſſen pliglichen Tod, nament-
lich Frauen und Mädchen; neben ihm kämpft fie gegen
den Draden Python und die Giganten. Wenn a qe:
wöhnlich als Jagdgöttin gedacht wird, fo ijt das nur |
ein in ihrem Kult fajt qar nicht hervortretender Neben⸗
jug ihres Wejens. Sie ijt cine im der freien Natur |
mit ihren Bergen und Tälern, Waldern, Wiefen, |
und im Feudjten wirfenden, die Vegetation, Tiere
und Menjden nährenden Naturfraft, die nicht jung-
fräulich, fondern, wie es die vielen Brüſte ihres rohen
Vildes ausdriidten, miitterlid) und ammenartig qe
dacht war. Ihr nad) afiatijder Art ekſtatiſcher Dienjt
wurde auf die Amazonen zurückgeführt. — Die Romer
jtellten der U. ihre Mondgöttin Diana (ſ. d.) gleid.
Während die ältere Kunſt in A. mehr die licht- und
feqenipendende Gittin, die Beſchützerin von Tier und
Menſchen widergibt, faßt die ſpuͤtere Beit fie mehr als
Ouellen, Baden, Seen im Verein mit ihren Genoſſin⸗ | die jungfräuliche Jagerin auf. Bogen und Fadel wa-
nen, den Nymphen, waltende Gottheit. Als thr lieb⸗ ren thre gewöhnlichen Attribute; thre Rleidung war
ſtes Revier galt das berg- und waldreiche Urfadien. | im altern Stil lang herabwallend und faltenreich,
Wie die Früchtbarkeit der Vegetation in Wald und fpater kurz geſchürzt und der der Amazonen verwandt.
Held fördert fie das Gedeihen des Wildes, das fie frei- | Un den Filßen trügt fie häufig Jügerſchuhe. Jor Ge-
lid) auch al8 feine Herrin jagt (als Jägerin heißt fie ſichtsſchnitt zeigt Herwwandtidart mit Dem des Apol⸗
Ugrotera); aber aud) die Viehzudht auf freier Weide | lon, nur find die Formen garter und rundlicer. Als
824
Jägerin erjdeint A. häufig in lebhaftem Ausſchritt,
ae dem amt Riiden hangenden Bogen gretfend, an
ihrer Seite cin Reh; fo die berithmte A. von Verſailles
im Qouvre (vgl. die Ubbildung). Wis Hegerin des
Wildes nit langem Gewand und wallendem Mantel
zeigt fie die archaiſierende Statue von Gabii in Mün—
den. Elegante Nachahmung eines altern Kultbildes ijt
die Statue aus Pompeji in Neapel, mit langem, zier
lichem Gewand, den Richer auf dem Riicen. Bon gro-
fer Schinheit ijt auch die ebenfalls in Gabii qefundene,
als Jãgerin dargejtelite A. im Louvre zu Paris, in der
wahrſcheinlich die Nachbildung eines Werfes von Pra⸗
iteles erhalten ift (j. Taf. »*Bildhauertunijt V «, Fig. 6).
1. Roſchers »Lerifon der Vtythologie«, Sp. 558 ff. ;
Artemis (Diana von Berfailles; Louvre, Paris),
Pauly - Wijfowas » Real -Enjyflopadiec, Bd. 2, Sp.
1335 ff. In der neuern Munjt wurden Darjtellungen |
der A. (Diana) und ihres Sagentreijes von den Ita—
lienern der Renaiffancezeit mit Eifer aufgenommen.
Tizian hat A. und Akltäon fowie A. und Rallifto meh
rere Male gemalt (Hauptbilder bei Lord Ellesmere in
London). Cin Hauptwerk von Domenidino zeigt A.
nuit ihren Nymphen m einer Landſchaft (in der Galerie
Borgheſe zu Rom). Am häufigſten hat Rubens VW.
dargeſtellt, namentlich auf der Jagd, auf der Riidfebr
von der Jagd und bei der Ruhe nad der Jagd (Haupt:
bilder: VU. auf der Hirjdjagd, im Muſeum ju Berlin;
A. auf der Rückkehr von der Jagd, in den Galerien zu
Darmitadt und Dresden; Rube nad der Jagd, in der
Pinafothel su Minden; A. und Rallifto im Muſeum
zu Madrid). Bon plaſtiſchen Werken der neuern Kunſt
iſt die ruhende YW. von Goujon im Louvre (f. Tafel
»Bildhauerkunſt XI«, Fig. 2) das hervorragendite.
Auch fpdter haben die franzöſiſchen Künſtler A. mit
Vorliebe in Plajtif (Tafel XI, Fig. 3) und Malerei
Dargeftellt; in neuefter Zeit hat die W. von Falquiere
Artemisia — Artemifia.
(Tafel XX, Fig. 9), die in Nachbildungen weit ver
breitet iit, Den größten Erfolg gehabt.
Artemisia L., Gattung der Kompoſiten, meiſt
grau⸗ oder weifhaarige, aromatifd riechende strauter,
DHalbjtriuder oder Sträucher mit qangrandigen, meiſt
fiederteiligen Blattern und fleinen Bliitenfopfden in
einfachen oder rijpigen Trauben oder Ahren. Etwa
200 meiſt der ndrdliden Erdhalfte angebdrende Ar⸗
ten. A. Dracunculus L. (Dragunbetfug, Ejtra-
gon), mit fablen, lineal -lanjettliben Glattern und
faſt fugeligen, nidenden Bliiten in Riſpen, in Ruk-
land und der Mongolet heimifd, wird in Deutidland
ſeit alter Zeit tultivtert. Die bliihenden Stengelſpitzen
riechen angenehm gewiirshaft, fdymecten bitterlid und
dienen als Riidengewiir; und jur Bereitung des
| Ejtragonefjigs. A. cina Berg, ein Halbjtrand jn
Turkiſtan, mit fablen, rifpigen Stengeln, fiederfdnitti-
gen, fajt fablen Glattern, licfert in ihren länglichen.
qraus oder gelblidbraunen Bliitenfipfden den Zit-
werfamen (Flores Cinae). Diejer riecht aromatic,
ſchmeckt widerlich bitter, kühlend und enthalt atheriides
Ol und 1,5—2 Proz. Santonin. Er wird fiber Rifonij
Nowgorod in den Handel gebradt. Man benutzt thn
als kräftiges wurmwidriges Mittel und sur Darſtel
{ung von Santonin. A. Abrotanum J. (Stabmwury
Aber- oder Eberraute, Eberreis, Abrand-
fraut, Dofraute, Zitronelle, Zitronenfraut),
in Siideuropa, bei uns in Garten und auf Grabern
(Doffmanns Baum, altdeutfh Hofrun) fulti-
viert, ijt jtraudartig mit in fadenfirmige WUbfdmitic
geteilten Blattern und Heinen, gelbliden Blitten, riecht
gewürzhaft, sitronenartig, ſchmeckt ſchwach bitterlid
und wird wie Abſinth angewendet. A. vulgaris L.
(gemeiner Beifuß, Mutterfraut), mit einfad
fiederteiligen, unterfeits weißfilzigen Blattern, m Eu—
ropa, Aſien, Nordamerifa, Küchengewürz fiir Gänſe
und Entenbraten. Die Wurjel wird gegen Epilepfie
benutzt, wurde frither als WMittel gegen Ermüdung
an die Füße gelegt (Daher Beifuß), diente auch alé
Zaubennittel. A. pontica L. (rimifder Beif ug),
“mit Ddoppelt gejiederten, unterjeits filberqrau filzigen
Bliattern, von Siideuropa bis zur Songarei, auch in
Deutfchland, wird als Zierpflange und wie A. arborea
L. in Griechentand aud als Urzneipflange fultiviert;
lestere dient zur Herjtellung von Wermutweinen, war
Der Iſis heilig und wurde bei Aufzügen von den Brie
jtern getragen. A. Absinthium ZL. (Wermut), mit
qrauen, fiederſpaltigen Blattern und gelben Bitten,
findet fich in Nordafrifa, fajt gang Europa und Nord
aſien, riecht gewürzig, ſchmeckt jtart bitter, entbalt
ätheriſches OL, Bitterſtoff (Abſinthiin) und wird
als Bittermittel gu bitterm Likör (Abſinth), Ber
mutwein und zum Denaturieren von Sal; angewen:
det, wird nod jest in fatholifden Kirchen geweibt
(Weihbund an Marie-RKrautweiben) und dann vom
Landvolf gegen Zauberei benugt. A. Mutellina VikL
(Edelraute), A. spicata Jacq. u. a., in Den Alpen,
find als Genipptfrauter beim Bolfe als Arznei⸗
mittel ſehr beliebt und werden aud) sur Vereitung ded
Ubjinths benugt. Cinige Arten, wie A. argentea Ait.
nuit ſilberweißen und A. Stelleriana Bess. mit weifj-
qrauen Blättern, werden zu Blattpflanjyengruppen
und Teppichbeeten benugt. Die feinen, baumwoll⸗
ähnlichen Faſern von A. chinensis Z. und A. Moxs
Bess, dienen ju Brenngylindern (Moren).
Artemiſia, 1) Todter des Lygdamis, Herrſcherin
von Halifarnajjos und Ros, folgte ban Perjerfinig
Xerres 480 v. Chr. mit fiinf Schiffen auf dem Suge
nad) Griedjentand und zeichnete fid) bei Salamis jo
Artemifion — Arterienerweiteriung.
aus, daß XerreS fagte: feine Méinner hitten wie Wei—
ber, die Weiber wie Manner gefodten. Nach Ptole—
miéiog endete fie Durd) cinen Sprung vom leufadifden
Felſen, nachdem fie einem abydenijden Yingling, der
ihre Liebe verſchmähte, tm Sdlaf die Mugen aus: |
geſtochen hatte.
2) Königin von Karien, Todjter des Hekatomnos,
Schweſter, Gemahlin und Nadfolgerin des Maufo(t)-
los, berühmt durd) ihre Trauer wm den 352 v. Chr.
veritorbenen Gemahl. A. miſchte nicht bloß, unt felbjt |
fein Grab gu fein, die Aſche des Toten unter ihr tig: |
liches Getraͤnk, fondern lie® ihm aud) durch griechiſche
Künſtler cin Grabmal (Mauſoleum) erridten, das |
gu den ſieben Weltwundern gerednet wurde. Cin
andres merfiwiirdiges Denfmal (ſ. Abaton) fete fie
auf Rhodos, als dies in ihre Gewalt geraten war.
A. jtarb 350.
Artemifion, Heiligtum der Urtemis. Bemerkens—
wert ijt befonders das YL. an der Nordfiijte von Eubia,
zwiſchen dem Heutigen Kurbatſi und der Pevlibucht,
wo 480 v. Chr. das erjte dreitägige, aber unentidie-
dene Seetreffen zwiſchen den Berjern und den Grie-
chen unter dem Spartaner Eurybiades geſchlagen
wurde, dem bald darauf die Schlacht bet Salamis
folqte. Ruinen Wi Giorgi.
Netemifios, der fiebente Monat im Kalender der
Wfianer, vom 24. März bis 23. Upril; auch der fie-
bente Monat im mafedonijden Kalender.
MUrtemius, 1) Martyrer unter Diofletian, wahr-
ſcheinlich 304, Gedächtnistag der 6. Juni.
2) Rom. Heerfiihrer, unter Qulian Upoftata als
Chriſt zum Tode verurteilt, geſt. 363. Gedadnistag
der 30. Oftober. Er wird als römiſcher Soldat dar-
qeftellt, mit Sdwert und Gidgententpel, den er an-
zündet, ald Hetligenattributen.
Artemon (aud Artemas), ſ. Monardianer.
Artenay (jer. art'nd), Flecen im — Depart.
Loiret, 20 km nördlich von Orléans, an der Eiſen—
bahn nad Paris, mit avon 961 Einw., befannt ge-
worden durch dad ſiegreiche Gefedt des Generals
v. dD. Tann (10. Oft. 1870) gegen die Lvirearmee,
worauf Orléans (jf. d.) 11. Oft. von den Deutjden
bejest wurde; ferner licferte Das 9. deutſche Korps
3. Dey. bei W. den Franjofen cin ſiegreiches Treffen.
Arte peritus (lat.), Kunſt-, Sachverſtändiger.
A ektaſie (griech.), Arterienerweiterung, ſ.
Aneurysma.
Arterien(griech, Bul3-,Shlagqadern),Wdern,
die das Blut aus dem Herzen nach allen Körperteilen
hinleiten. Durch das Zuſammenziehen der muskulöſen
Herzwand wird das Blut aus dem Herzen in die A.
getrieben, lefstere werden hierbet erweitert, fofort aber
Durd) die Elaſtizität der Urterienwand und der in ihr
enthaltenen glatten Wustelfajern wieder verengert
(Bulsſchlag, der den Venen abgeht). Die Haupt-
arterie beift Morta (j. d.). Die Verteilung der A.
ijt in Den beiden Körperhälften im allgemeinen die—
felbe, alſo ſymmetriſch; wegen der Einzelheiten ſ. Blut:
efäße (mit Tafel, auf der die U. rot gedruckt find).
aS in den A. fliekende Blut ijt tetls ſauerſtoffreich
(arteriell), teil fauerjtoffarm (venös), teils (bei den
niedern Wirbeltieren) gemiſcht, je nachdem es ſchon die
Utmungsorgane (Rienten, Lungen) paffiert hat oder
erjt auf Dem Wege zu thnen ijt. Im allgemeinen ver-
gieigen die A. fic) baumförmig ju numer feinern
ſten, in denen das Blut langfamer fließt als in den
ftartern Äſten, und der Pulsſchlag nicht mehr wahr⸗
nehmbar ijt (vgl. Unaitomofe). — Die Wande der
A. beſtehen aus ciner innern, bindegewebigen Sdidt, |
825
die nad dem Hohlraum yu von einfaden Bellen aus—
efleidet wird (ſ. Abbildung, a), einer mittlern, aus
Sfeln und Vindegewebe bejtchenden (b) und einer
äußern, ebenfalls bindegewebigen (c) Schicht. Die
Wand der W. wird von flei-
nen Aſten andrer Blutgefäße
verjorgt (vasa vasorum) und
ebenfo beſitzt fie feine Ner—
ven, die gu Den Musfelfafern
hingiehen (j. Gefäßnerven).
Einfacher qebaut und vielfach
der Muskulatur ganz entbeh-
rend find die A. der wirbel-
loſen Tiere.
Urterienentziindung
Arteriitis), nad ihrem
Sif in Den einzelnen Häuten
der Urterien und nad ibrer
Urſache verjdiedene Erfran-
fung. Sie fann vorwiegend
die dubere Schicht betreffen
(Periarteriitis) und ijt
dann gewöhnlich aus der
Nachbarſchaftfortgeleitet, wie
die afute Nabelentziindun
der Reugebornen, die —
einer Infektion beruht und
meiſt tödlich verläuft. Die A. kann ferner vorwiegend
die mittlere Haut betreffen (Mefarteriitis), oder,
und gwar im höhern LebenSalter, hauptſächlich die
innere Lamelle. Sie heißt Dann Endo- oder End-
arteriitié und erjtredt fic) bald nur auf einige und
gwar auf die größten, wie die Aorta, bald betrifft fie
it alle Urterien des Ndrpers, aber in verfdieden
hohem Grade. Dieſe Prozeſſe verlaufen chroniſch. Die
Innenhaut der Arterien verdidt fic) diffus oder fled:
weife, die verdidten Stellen unterlicgen einer fettigen
Metamorphofe, verlieven dadurch ihre Fejtigteit und
finnen felbjt ju cinem Brei erweiden (Wtherombrei,
Daher atheromatifer Prozeß). Werden die er-
weidten Stellen vom Blut aufgewühlt, fo entſtehen
atheromatife Gefdhwitre auf der Innenfläche
der Arterien, Die ſpäter wieder vernarben fonnen.
Die fettige Entartung erjtredt fic) auch auf die mitt-
lere Yrterienhaut, und da dieſe hierbei ihre Elajtigi-
tit verliert und dem Druck de3 Blutes nicht mehr
den erforderliden Widerjtand entgegenſetzen fann, fo
werden die erfranften Gefäße verlingert, nehmen einen
geſchlängelten Verlauf an und erweitern fich teils in
mehr gleichmäßiger Weije, teils in Form eines Sackes
oder Uneurysmas. Kleinere Yirterien, die der Sik die
fer hronifden A. find, zerreißen leicht, und es kommt
ju Blutungen. Namentlich disponiert dieje A. zu
Gehirnblutungen oder Sdlagfliijjen. Sehr bauhg
finden fid) in den entgiindeten Yrterien Ral fein-
lagerungen, die dann Die Arterie härter und nod)
unelaſtiſcher machen, als fie bereits Durch die chroniſche
Entzündung ijt. Ob eine primaire Urterienverfalfung
obne entzündliche Vorgänge möglich ijt, ijt noc jtrittig.
Die chroniſch veriaufende UW. (Wrteriofttlerofe) ftellt
wahrſcheinlich cinen Abnutzungsprozeß dar, fie ijt die
typiſche Wltersfranfheit der Gefäße. Frühzeitige Ar—
terioſtleroſe kommt namentlich bei Syphilis und Gicht
vor. Die Behandlung der Arterioſtleroſe ijt cine vor-
beugende, infofern als man alles gu vermeiden fudt,
was ju jtarfen Blutdruciteigerungen und der Gefahr
de3 Platzens eines Gefäßes Fibeen fann. Außerdem
ſcheinen die Jodpräparate günſtig ju wirken.
Arterienerweiterung, ſ. Aneurysma.
b
Stid ciner Arterie
(Start vergrdpert.)
826 Arteriengeraujde — Arthur.
Arteriengeranfde Urterientine), Geräuſche ſozialpolitiſchen Krieg mit dem flandrifden Grofen
und Tone, die bet dem Wufiesen des Horrohres fiber | Ludwig II. von Waele verwidelt war, yum >criter
Urterien unter veridiedenen Bedingungen gehort wer- | Hauptmann« gewahlt. Nachdem er (3. Mat) den Gra-
den. In den dem Herzen nabhegelegenen grofen Ge- | fen vor Briigge beftegt und diefe Stadt erobert hatte,
fäßen Hirt man zwei Tone, die tetls auf de Fort- ſchloß fich fart ganz Flandern freiwillig oder unfree
pflangung der am Herzen entitandenen ju beziehen, willtg den Gentern an. Auf Antrieb des mit der Tow:
teils aus Der Spannung der Urterienwand abjuletten | ter des Grafen vermählten burgundiiden H
jind. Unter pathologitdhen Verhältniſſen hort man | Philipp des Kühnen (ſ. d.) erſchien jedoch ein franzo-
aud) in entferntern Yrterien Tine, die ſich aus eter | ſiſches Heer unter König Marl VL, das die landriiden
jtarfen und raider Spannung und Entipannung der | Biirgerwehren bet Roojebefe (27. Nov. 1382) betnabe
—J erflaren laſſen. Sie lommen beſonders vernichtete. A. fiel in der Schlacht. Bal. Kervyn
bei Aortentlappeninſuffizienz vor. Auch bet Druch auf de Lettenhove, Jacques d'A. (Gent 1863); Buyl-
die Urterien, 3. B. mit dem Hörrohr oder dem Finger, | jtefe, Eenige bijzonderheden over de A. (Daf. 1873);
fommten in der Arterie infolge der veranderten Bint. BVanderfindere, Le siécle des A. (Briiff. 1879);
ſtrömung Geräuſche zu jtande. Hutton, James and Philip Van A. (Yond. 1882);
Urterienverfalfung ſ. Urterienentsiin- die gleichlautende Preisſchrift von jh Ley (dai. 1883);
Arteriitis (gried).) : 5 Pirenne, Geſchichte Belgiens, Bd. 2 (deutſch von
e (qried.) bung. Arnheim, Gotha 1902).
Arteriotomie (qricd.), Aderlaß aus einer Schlag⸗ Arth (Wrst), Heden tm ſchweizer. Ranton Shwn;
aber; veraltete Operation. am uke des Rofberges und am Suger See, an der
Artern, Siadtim preuß. Regbez. Merieburg, Kreis Gottharddahn und Musgangspuntt der Arther Rigi
Sangerhaujen, an der Unjtrut, die hier die Helmeauf- bahn (fj. Rigi), mit Kirſchwaſſerfabrikation, Seiden:
nimmt, Knotenpunft der Staatsbahniinien Sanger- fpinneret, eumniederlagen u. (1900) 4738 Einw
haufen-Crfurt und Y.-Naumburg, 127 m ii. W., hat | Arthois (pr. artia), Jacques Dd’, flam. Waler,
eine evang. Kirche, Umtsgeridt, landiwirtidaftlide eb. 1613 in Briiffel, geſt. 1686, bildete ſich nach den
Winteridule, Saline nebjt Solbad (|. Mineralwäſſer, Landſchaftern aus Rubens’ Sdule, befonders nad
Labelle IVa), Malz-, Majdhinen-, Zuder- und Schuh: | Wildens. Seine zumeiſt umfangreiden Landſchaften
warenfabrifation, ene Handelsmühle und (1900) 5092 | find durd fraftvolle Färbung ——— Ta fie
meijt evang. Einwohner. A. fommmt fdon 760 vor oft mit Fiquren aus der heiligen Geſchichte ftaffiert
und geborte fett 1448 den Grajen von Mansfeld, die | find, wurden fie gern für Rirden und Klöſter gekauft
langere Beit hier refidierten. Die Saljquellen wur- | Seine Vorwürfe entnahm er befonders dem Walde
den fdon im 15. Jabrh. benugt. Aus A. ſtammte | von Soigny. Jn fajt allen Hauptgalerien trifft man
Goethes Grofvater (|. Goethe). Werke von thm an.
Arteſiſche Brunnen, ſ. Brunnen. A lgĩe (qried).), Gelenkſchmerz.
Artes liberales (lat.), ſ. Freie Künſte. ritis (qried., »Gelenfentyiindung<), Gicht.
Artevelde, Jakob van, berühmter flandr. Volls Lith (qried.), im Gelent Gichttranker auf⸗
tribun, geb. unt 1287 als Sohn eines wohlhabenden tretende Konkretionen aus Harnſäure.
Biirgers, erwarb fic) während einer induftriellen Rrifis | Arthrocãce (qried)., »Gelentverjdwarung:<). f.
in Flandern das Vertrauen feiner Mitbiirger, die thn | Gelenfentziindung.
nad) einem —— Aufſtand gegen den flandri-| Arthrodie (qried.), dad Kugelgelenk, ſ. Getent.
ſchen Grafen Ludwig I. von Nevers (Ende Dezember | Arthrodynie (qriecd.), Gelentidmers.
1337) jum »Hauptmann« wablten. Nachdem A.(Juni Arthrogastra, Ordnung der Spinnentiere, &
1338) Frankreich und England sur Unerfenmung der | Gliederjpinnen.
flandrifden Neutralitat und Handelsfreiheit bewogen Sige Ofe (griech.), Gelentverfriimmung.
und dadurch den Cinflu Gents innerhalb der Graf-| Wrthro (qried.), Gelenkmaus
ſchaft gefteigert hatte, bejtimunte er diefe jum Abſchlußß Arthropathia tabidorum, cin Gelenfleiden
von Handelsvertragen nit Brabant (3. Dey. 1339) und | bei Rückenmarksſchwindſucht, das der deformicrenden
Hennegau- Holland (April 1340) ſowie zu einem Bünd⸗ Gelenfentziindung ſehr ähnlich ijt. Die Zerſtörun
mis mit Eduard IT. von England (1340). Die Folge | der Gelenkenden der Knochen des betroffenen Getentes
hiervon war der offene Übergang Flanderns ing La- vollzieht fich äußerſt ſchnell bei vollfommener Schmetʒ·
ger der Geqner Frankreichs und des mit diefem ver⸗ | lofigfeit, ohne Fieber und ohne Entzündun chei ·
findeten Grafen Ludwig. Da jedoch die Belagerung nungen bet oft grofer torung, felbit Bruch der
von Tournai (1340) miflang, erlitt das Anſehen Arte· Knoden. Das Leiden ijt ſtets mit Gelenfwafferfudt
veldes einen empfindlichen Stoß. Jn mehreren Städ⸗ | und iiberhaupt ftarfen Gelenkſchwellungen verbunden.
tenFlanderns, das die Oberherridaft Vents nur wi- ppt te Ofis (qriech.), Gelenlentzuͤndung
derwilliq ertrug, fam es zu blutigen Rampfen. Auch Wethrop (aries »Glied⸗ Gelenfbildung-),
madte man YW. fiir die unregelmäßige Auszahlung ſ. Refeftion.
der engliſchen Hilfsgelder verantwortlich. Bor allen Arthropoden, ſ. Gliederfüßer.
aber erſtand ihm bald in ſeiner Vaterſtadt eine mad | Arthrösis (griech.), Gelenk.
tige — Wis Opfer einer Verſchwörung der Arthrostraca, ſRingelkrebſe.
ber fand er, bei ſeiner Rückkehr von einer Zuſam— Arthrozoa, {. Gliedertiere.
menfunft mit Eduard III., während eines Srrafen-| Arthur, ſ. Artur.
tumults 24. (7) Juli 1345 den Tod. Sein Leben ijt) Arthur, Chejter Ullan, der 21. Brafident der
mehrfad) in Dramen (f. Roquette) und in Romanen | Vereinigten Staaten von Rordamerifa, geb. 5. Ott
(j. Confeience) behandelt worden. Jn Gent ward ihm | 1830 yu Troy im Staate New York, geſt. 18. Aug
1863 ein prächtiges Standbilderridtet. — Sein Sohn | 1886 in New York, ftudierte die Rechte und ward 1850
BHiltpp van °., qeb. um 1340 in Gent, lebte feit | Wdvofat in New Pork. Auch an der Volitik nahm er
1345 einige eit in England und ward 24. Jan. 1382 | eifriq teil und ſchioß ſich den ftrengen Republifanern
von feiner Baterftadt, die damals in einen erbitterten | an. Wahrend des Biirgertrieges leiitete er als General-
Articulata — Artillerie.
quartiermeijter ſchätzbare Diente und ward dafiir 1871
mit dem eintraglidjen Poſten des Hafenfolleftors in
New VYork belohnt, von dem ihn aber 1878 dev Prä—
827
vortreten lafjen. Daher artifulierte Qaute folde
Laute, Die m einer irgendiwie grofen Lautverbindung
unterjdieden werden können. Aus der Unfabhigteit,
fident Hayes wegen Amtsmißbrauchs entfernte. Als | artifulierte Laute hervorjubringen, entiteht das Lallen.
einer Der Führer Der » Stalwarts« in New York ward
er im Juli 1880 auf der republifanifden National-
fonvention in Chicago zum Vizepräſidenten der Union
gewählt. Durd) den frühen Tod Garfields 19. Sept.
1881 Prajident der Union geworden, erwarb er ſich
als folder gegen alle Erwartung allgemeine Zufrie—
Denheit. Val. Stoddard, Lifes of Hayes, Garfield
and A. (Jew York 1889).
Articulata (Urtifulaten), f. Gliedertiere.
Articulatio (lat.), Gelent.
Artifex (lat.), Riinjtler, Werkmeiſter; Wrtifi-
zium, Kunſtſtück, Kunſtgriff.
Artifiziell (franj.), künſtlich, kunſtgemäß; arti-
fiziös (fran3.), kunſtreich, kunſtvoll; Rin, ſchlau.
Artigas, Departement der ſüdamerikan. Republit
Uruguay, an der braſiliſchen Grenze, 11,380 qgkm
mit (1900) 23,334 Einw. Hauptitadt San Eugenio.
Artikel (lat.), cin Redeteil, den viele Sprachen dem
Subjtantiv beifiigen, um den Begriff als einen be-
ſtimmten (der Wann) oder als einen unbejtimmten
(ein Mann) vorzujtellen. Der Name ſtammt aus dem
Latein (articulus) und ijt eine Überſetzung des zuerſt
von Ariſtoteles gebrauchten griechiſchen Ausdrucks
Arthron (Glied, Gelenk«), d. h. ein Wort, das nur
gur bejjern Gliederung der Sage dient. Der deutide
bejtimmete YW. ijt ebenfo wie der A. andrer, alter und
neuer indogermanifden Spradjen weiter midts als
das Demonjtrativpronomen, und ¢3 handelt fich über⸗
all, wo der fogen. A. auffam, nidjt um Unuvertung
eines alten Wertes, fondern nur darum, daß eine alt-
tiberfommene Verwendung de3 Bronontens, die nicht
obligatorijd war (jo wurde 3. B. »den Manne bei
Homer ſowohl durd) ror dvdpa als aud) durch dydpa
allein ausgedriidt), gewohnheitsmäßig durchgeführt
wurde. Lewtereds ijt nicht geſchehen, alſo fein A. ijt
entwidelt worden im Latein, Sanskrit und in den
meijten ſlawiſchen Sprachen. Das franzöſiſche le, la,
das italientiche lo oder il und la, dag fpanifde el und
la geben auf das lateiniſche Demonjtrativpronomen
ille, illa (»jener, jene«) zurück, das Den Sinn »Dder«
bekommen hatte. In einigen Balfanfpraden, dem
Albaneſiſchen, Rumäniſchen und Bulgarijden, fowie
in Den ffandinavijden Idiomen wird der A. nach—
eftellt. Der unbeſtimmte W. ijt überall cine be-
ondere Gebrauchsweiſe des Zahlworts fiir eins und
eine jiingere Entwickelung. — W. nennt man aufer-
Dem aud) die einzelnen im fic) abgefdlofjenen Ab—
ſchnitte oder Unterabteilungen einer Schrift, 3. B.
eines enzyklopädiſchen Werkes, eines Bertrags, eines
Geſetzes (Raragraph), einer Denk- oder VBefenntnis-
ſchrift; Daher Fricdend-, Kriegs-, Glaubensartifel. —
ain der Kaufmannsſprache ijt A. foviel wie Handels-
—
rtikelbriefe, Patente, durch welche Kriegsherren
einen Feldoberſten ermächtigten, ein Regiment auf-
zurichten. Vgl. Kriegsartikel.
Artikulaten, ſ. Gliedertiere.
Artikulation, ſ. Sprache (phyſiologiſch), auch
Taubſtummenanſtalten. — In der Muſik verſteht man
unter A. das Binden und Stoßen der Töne, das Le—
gato, Staccato, und deren Miſchung, wofür manche
irreleitend die Bezeichnung Phraſierung gebrauchen.
Artikulieren (lat.), gliedern, etwas Punkt für
Punkt vortragen; die einzelnen Teile eines Ganzen,
Artikuliertes Verhör, wn friihern deutſchen
Strafprozeß das Verhör über Fragen, die nicht eine
zuſammenhängende Erzählung von ſeiten des Beſchul⸗
digten, ſondern nur kurze Antworten bezweckten. Da—
bet wurde zwiſchen allgemeinen (articuli generales),
den Lebenswandel, die Verhältniſſe vc. des Inquiſiten
betreffenden, und beſondern (articuli speciales), ledig-
lich auf die Unjchuldigungspuntte geridteten Yirtiteln
unterjdieden. Yn dem neuern Strafverfabren ijt das
artifulierte Verhör nicht mehr üblich.
MArtillerie (franj., feit Anfang de3 17. Jahrh.
Urtolorey, Urdalei, Urdallei, abgeleitet von
ars und tirare, von arcus und tollere, ars tollendi,
ars und telum ꝛc.), Dauptiwaffengattung des Heeres
neben Ynfanterie und RKavallerie, dann das gejamte
Material an Gefdiipen, Wagen, Munition r., end-
lid) Die Wiſſenſchaft (ſ. Artilleriewiſſenſchaft). Die
A. als Waffe zerfällt in mehrere Bweige: die Feld-
artillerie fampft in BerbindDung mit den beiden
andern Hauptwaffen im offenen Felde. Sie bedarf
dazu groper Beweglidfeit in jedem Gelände bei größt⸗
—— Wirkung gegen alle vorkommenden Ziele.
Beide Anforderungen ſtehen in Widerſpruch, denn
große Wirkung erfordert ſchweres Geſchütz, und dies
vermag nicht feta zur redten Zeit vom ricdtigen Ort
aus ju wirfen. Dic Steigerung der Feuerwirfung
zwingt ferner Die Truppen fid) der Dectungen gu be-
Dienen, und gegen qut gededte Siecle liefern nur Steil-
bahngeſchütze Erfolg. Wan halt deshalb allgemein
die Bewaffnung nit einer rafant ſchießenden Schnell-
feuerfanone, deren Wirtung durch leichte Feldhaubitzen
ergänzt wird, fiir die geeignetſte. Die Manövrier—
fabigteit ijt dadurch, daß alle Bedienungsmannjdaf-
ten mit den Geſchützen der fabrenden oder reiten-
den Vatterien befirdert werden, möglichſt gejteigert.
Batterien lesterer Urt jind nur in folder Sat vor⸗
handen, wie es Die Zuteilung ju den Kavalleriedwi—
ſionen erfordert. Ebenſo richtet ſich die Zahl der Ge—
Pd beep jes nad) dem Bedarf des Heeres. Die
Zahl dev Feldbatterien betrug vor Beginn der Neu-
bewaffnung 1896 in den Grobitaaten:
Feld⸗
batterien
“Reitende | Gebirge⸗ —
Batterien | batterien
Deutfhland . . | 447 47 | — =| 2064
Frantreidh . 426 52 20 | 8048
England 198 22 10 ' 1380
talien . | 186 6 15 | 1042
erreid-Ungarn | 224 16 i4 | 14
Rupland 384 44 6 | 3232
Inzwiſchen fand ſchon durch Bildung neuer Urmee-
forp3 und Cinjtellung der neuen Geſchütze cine Ber:
mehrung der A. jtatt. Jn Deutſchland joll die Bahl
der Batterien auf 574 gebradt werden. Am 1. Oft.
1901 waren 94 Feldartilleriereqimenter vorhanden
(mit Den reitenden Batterien und den leichten Feld-
haubigbatterien). Jn Rußland wurde 189s die Zahl
der Batterien auf 492 Feld-, reitende, Mörſer- u. Ge-
birgsbatterien angegeben mit einer Geſchützzahl von
2888 im Frieden, 3774 im Kriege; ſpätere Angabe:
537 Batterien mit 4138 Mefdligen. Franfreid
hatte 1898: 496 Vatterien (430 fabrende, 52 reitende,
14 Gebirgsbatterien), gußerhalb des Mutterlandes
nod) 12 Batterien. Ju Oſterreich-Ungarn, Ita—
indbef. die Laute und Silben der Wörter, deutlich her< | lien rc. iſt über eine Vermehrung der VW. nod) nicht
828
entidicden. Jun England hat man eine Vermehrung
pon 12 Batterien — 72 Geſchützen mit verbejjerten
Rohrtonftruftionen eintreten laſſen, demnächſt aber
wurde die Einführung von Schnellfeuergeſchützen be-
trieben. Zunächſt wurden 15 Batterien aufgeſtellt
und 1899: 3 neue erridjtet, dann aud) Beſtellungen
im Auslande gemacht. Auch hier wurden außerdem
fiir Feldgebrauch beſtimmte 13 cm- (127 mm) Hau-
bipen bereitgeftellt. Die Vereinigten Staaten
von Nordamerifa find ebenfalls mit Herjtellung
vor 200 modernen Feldgeſchützen beſchäftigt. Die
Gebirgsartillericbefindet fich hinfichtlid iprer Be-
waffnung nocd im Ubergange zu Sdnellfeuerfanonen
kleinſten Ralibers oder leidjten Haubitzen, su deren
Bejpannung Maultiere, Ponys rc. geeignet jind. Die
Stärke der tm Felde gebraudten W. hat im Laufe der
Heit vielfad geſchwankt. Cine größere Geſchützzahl
führte zuerſt Gujtav Adolf (38 —4 auf 1000 Mann);
die Zabl ſtieg im Siebenjährigen Kriege auf 6 —7'/2,
fanf unter — auf 3—4, bob ſich aber bald
wieder, und dic Ruſſen ftellten ihm 6 Geſchütze fiir
1000 Mann gegenitber. Im Kriege 1870/71 führten
die Franzoſen 3,5, die Deutſchen 2,7 Gefdiige, und in
Zukunft werden fid) diefelben vorausſichtlich wieder
auf 6 fiir 1000 Mann erhdhen. Die Organijation
der Feldartillerie und ihre Zuteilung zu den Trup-
pen wird durd) Umbewaffnung und BVermehrung be-
einflugt. In Deutſchland foll jede der beiden Divi-
fionen cines Urmeeforps eine Urtilleriebrigade zu
2 Regimentern erhalten, jedes Regiment ijt aus 2 Ab—
teilungen mit je 3 Batterien gebildet, einigen Regi-
mentern ijt etme Abteilung zu 2 reitenden Batterien
ugeteilt. Hiermit ijt die friihere Cinteilung in Divi-
ieee und Rorpsartilleric, wie fie andre Heere
nod) beibehalten, befcitiqt. Jede Divifion fiihrt 72,
das Armeekorps aljo 144 Geſchütze. Jn Franfreid
follen nad) dem Reglement von 1902 auf jedes der
20 Urmecforps 2Reqimenter kommen, von denen das
cine 12, das andre 6 fahrende Batterien hat. Erjteres
wird mit je 6 Batterien an die Divijionen verteilt,
während lepteres, Dem nod) 2 reitende Batterien hin-
zutreten, das Korpsartillerieregiment bildet. Letzterem
werden aud) zwei 12 cm-Haubigbatterien angefdlof-
jen (einſchließlich 2 reitenden und 2 Feldhaubipbatte-
rien). Dem deutſchen oſtaſiatiſchen Erpeditionsforps
waren 2 Batterien ſchwerer A. des Feldheeres
zugeteilt, deren Bedienungsmannſchaft cine Fußartil—
leriebatterie ſtellte. Dieſe zum erſtenmal auftretende
A. ijt aus der Notwendigkeit, in Zukunft häufig den
Kampf um befeſtigte Stellungen aufzunehmen, her⸗
vorgegangen. Zur Durchführung eines ſolchen halt |
man die Wirkung der leichten Feldhaubitzen nicht im
mer fiir genügend und teilt deshalb der Feldarmee
unter Umſtänden Steilbahngeſchütze größern Kalibers,
Artillerie (Organiſation).
Kanone erhalten, die fiir die Einſtellung in ſchwere
Batterien des Feldheeres geeignet ijt. wir Daubigen
hielt man die Raliber von 12—13 cm (127 mm fran
zöſiſch und engliſch), aud) wohl 15 cm in Deutfdland,
ſterreich⸗ Ungarn, Frankreich, in England 14 em
(137 mm), fiir Mörſer allgemein die von 15 cm (ya
erjt ruſſiſch) entiprechend. Solchen fitr ſchwere Feld-
batterien gleid)falls geeiqneten Geſchützen ſchloſſen ſich
fiir leichte —— nod) Kanonen bis
jum 12 cm: und Steilbahngeſchütz von 15 — 21 cm:
Raliber (erleichterte Morjer) an, die Dem Bormarid
einer Feldarmee gu folgen im ftande find. Für dieſe
A. find verſchiedene Bezeichnungen, wie Fußartille—
rie mit Beſpannung (dutſch) mobile Belage—
rungsgruppen Grſterreichiſch-ungariſch), üblich
Von Sdnellfeuerfeldfanonen und leichten Feldhau—⸗
bitzen pflegt man jest allgemein 6 in emer Batterie jx
vereinigen, Frankreich will jedoch die Geſchützzahl fir
alle Batterien auf 4 fejtiegen. Der deut chen Krieg⸗
batterie von 6 Gefdiiben werden 6 Munitions - und
2 Vorratswagen jugeteilt, die ruffifden leidten und
reitenden fiibren 12, die ſchweren Batterien 16 und
die Mérferbatterien (auger 6 zweiſpännigen Muni⸗
tionsfarren) 18 Ptunitionswagen und je cine Referve-
lafette mit. Die frangdjifde Kriegsbatterie hat 4 Ge—
ſchütze, 12 Munitionswagen xr.
Die Belagerungsartillerie fuchte den Anfor—
derungen gugeniigen, die das Entiteben neuer, großer.
| mit den ftdrfiter Verteidigungsmitteln verjebener
Waffenplätze jtetler. Wud) mußte man die Sabl der
bereitzujtellenden Geſchütze erhöhen und außer dex
leichten Belagerungsgeſchützen aud) ſchwere Geſchütze
in Trains zur Verfuͤgung halten. Ebenſo war die
Vermehrung an Malerial und Perſonal bei der
Feſtungsartillerie notwendig. Auch hier war
hauptſächlich Erleichterung des Materials anzuſtreben.
weil man gegenwärtig zwecks einer aktiven Berteidi-
qung gendtigt ijt, au Seichitge großen Ralibers im
Bor- und Swoitdiengelande von Befejtigungen in
Tätigkeit gu bringen. Ferner mute man die Ein-
ridtungen fiir ſchnelles Laden möglichſt allen Ge-
ſchützen geben und bei der gejteigerten Bedeutung des
Steilfeuers die Bahl entſprechender Geſchütze mog-
lichft vermehren. Die Fejtungsartillerie, und bejon-
Ders dic Riijtenartilleric, werden aber unter Umſtänden
nod) von größern Ralibern (28 cm, 30,5 cm x.), als
die Belagerungsartillerie mitführen fann, vortetibaft
Gebraug niaden.
Belagerungs- und Fejtungsartillerie, die jest als
Fußartillerie zuſammengefaßt werden, erbhtelten
auch weſentliche Verbefjerungen der Organifation, die
leichtern Geſchütze follen der Feldarmee ummittelbar
folgen, und erforderlichen Falles foll man aud die
ſchweren fdjnell sur Belagerung heranjieben fonnen.
ſchwere Feld - (15 cm) Haubitzen und 21 cm-Miérjer | Das Perfonal wurde in größere Verbande (ahnlich
zu. Schon früher hatte man, namentlich in Ländern, wie bei Feldartillerie) zuſammengefaßt, um in dieſen
deren beſondere Verhältniſſe dic Verteidiqung von Po- | verwendet zu werden. Die Batterien beſitzen in der
fitionen zur Hauptaufgabe macht (Schweiz), eine Po- | Regel 6 Geſchütze (Normalbatterie), bei größern Rali-
fitionsartilleric. Da ed fich bei diefer um Flac: | bern gewöhnlich 4. Panzergeſchütze werden in fleiner
bahnfanonen von größerm Kaliber als bei der Feld- Zahl, meijt zu jweien oder einzeln, aufgeftellt. Durch
artillerie tiblid), hauptſächlich aber um Steilbahn- | den Sieg des Hinterladejyitems auch bet den großen Ka
qeidilbe (Haubitzen und Mörſer) handelte, fo erbhielt | libern und durch Musbildung des Steilfeuers gewann
man auf diefem Weg cine leichte Belagerungs: | die Leijtungsfabigkeit der Fufartillerie fo an Bedew-
artilleric. Wn folden Flachbahnkanonen beſaß
Frankreich bercits die aus der Feldartilleric ausgeſchie
denen 95 em ⸗Kanonen, ſonſt bediente man ſich der
Kaliber von 10 cm (engliſch), 10,5 cm (öſterreichiſch
ungariſch) bis zu den Batteriegeſchützen von 10,7 em
(rujfifd)). Auch die deutſche A. hat jetzt cine 10 cm
tung, daß fic) Bermehrung, bez. Neuorganijation,
Anderungen in der Einteilung und Verwendung auf
dem Rampffelde daraus erqaben. Deulſchland befigt
jest 38 Fuhartilleriebataillone gu 4 Rompagnien (im
18 Regimentern, eine Vermehrung um 6 —10 Kom
pagnien ſteht bevor), Franfreid) 18 Bataillone mit
Artillerie (Geſchichtliches, Literatur).
829
112 Batterien (davon 8 in Algerien und Tunis), 2 | lehrte zuerſt ihre taktiſche Verwendung, befonders aber,
Bataillone haben 9, die Mehrzahl 6, einige nur 3 und
4 Geidiige. Auch in England ijt man der Trennung
der Fuß von der Feldartillerie gefolgt. Man hat das
bisherige Regiment (Royal Regiment of Artillery)
in berittene und unberittene A. geteilt. Bu erjterer ge-
hören die reitende und Feldartilleric, gu legterer dic
Gebirgs-, Fejtungs- und Velagerungsartillerie, inner-
halb der Gruppen werden Regimenter gebildet. Uber
Rufland find die Nachridten unſicher, dod) wurden
1898; 57 Fejtungsartillerieregimenter, auferdem Be-
Jagerungsartilleriebataillone —— In Ojter-
reich⸗ Ungarn wurden bei der Reorganiſation von
1890: 6 Feſtungsartillerieregimenter gu 2, bez. 3 Ba-
taillonen und 3 felbjtindige Bataillone gebildet, fo
daß Daraus 72 Feldfompagnien und 18 Kadrefom-
ag gebildet werden können.
Die Artilleriſten, Mannſchaften der A. zerfallen
beim Landheer nach dem Zweig der Waffe, in dem ſie
dienen, in fahrende, reitende und Fuß- (Fejtungs-)
Artillerie. Schiffs- und meiſt auch die Küſtengeſchütze
werden von der Matrofenartillerie bedient (ſ. Marine⸗
artillerie). Bei der fahrenden und reitenden A. unter-
ſcheidet man Fabhrer und Bedienungsmannfdaft (les.
tere bei der reitenden A. beritten). Die Bewaffnung
beſteht fiir die berittenen Feldartilleriften in dem Ar⸗
tilleriefabel, fiir die unberittenen in Dem Ynfanterie-
jeitengewehr wM, auferdem in dem Revolver 83.
Die unberittenen Bedienungsmannjdaften der Feld-
artillerie erbielten friiher nur ausnahmsweiſe Feuer-
— jetzt Halt man fiir fie einen Revolver erfor-
erlidh. Die Fuk (frither Fejtungs -) Urtilleric fiihrt
Dagegen neuerdings ſtets Stugen, Rarabiner oder Ge⸗
webre, die deutidje Den Rarabiner 98 und das Seiten-
gewehr 98/02.
IGeſchichtliches. J Erſt [eit 1300 hat man unfidere
Nadhridten über das erjte Auftreten unbeholfener Ge-
ſchütze (Die faule Grete in der Mark). Die W. war
zunftmäßig (Meijter, Gefellen, Lehrlinge) eingerichtet.
— Stiid, wurde von Stiidinedten be-
Dient und jtand unter einem Büchſen- (Pidjen-)
Meijter. Ws zu den Kanonen andre (Wurf⸗) Geſchütze
traten, deren Munition komplizierter war, übertru
man die Bedienung Feuerwerfern und nannte biete
wie aud) die Biichjenmeifter feit dem Dreißigjährigen
Kriege Ronitabler. Uber ihre Pflichten wurden fie
durch die von Kaiſer und Reid) genehmigten Artikuls—
briefe belehrt, und die Leiting fiir das Zujammen-
wirfen von Geſchützen Offizieren itbertragen. Auf
einem größern Kriegsjuge zeigte fid) die UW. zum erjten-
mal von Bedeutung, als fe beweglicer geworden,
von Rarl VII. von Frankreich 1499 nad Stalien mit-
eführt wurde, dann wieder, als die faiferlide A. bei
avia 1525 die Gejdwader Franz’ I. von Franfreid)
vernidtete. Für die Herjtellung einer dem Feld-
—— entſprechenden leichten A. wirkten dann bahn⸗
rechend Guſtav Adolf (lederne Kanonen), von
dem auch die Einteilung in Batterien herſtammt, und
um mehr als ein Jahrhundert ſpäter Friedrich d. Gr.
durch Errichtung der reitenden A. Letzterer war aber
auch genötigt, * Angriff ſeiner Infanterie durch
Batterien ſchwerer Geſchütze (GBrummer von Leu—
then) vorzubereiten. Inzwiſchen entwickelte ſich die
A. von Zunft zur Waffe, man ſtellte 10 12Geſchütze
(Batterie) zuſammen, teilte aber aud) der Infanterie
zur Erhöhung ihrer Feuerfraft ſolche fleinen Kalibers
Regimentsgeſchütze) gu. Cine neue Periode
bahnte Napoleon I. an, mdem er die A. in fejte Bat:
tevien, Divijions: und Referveartillerie qliederte. Cr
nr ee — — —
dak Die Maſſenwirkung der WU. (bis 100 Geſchütze) und
deren Einſetzen zur rechten Zeit am richtigen Orte die
Schlachtentſcheidung herbeiführen könne. Abgeſehen
von der neuen Waffe, der reitenden A., die mit Kühn—
heit und Erfolg beſonders von Preußen und Ruſſen
1813—15 gebraucht wurde, war die A. aber fiir tak—
tijche Verwendung ju ſchwerfällig. Es begannen de3-
halb die Beſtrebungen sur Erleidterung des Feld-
artilleriematerials (1842), die bis heute fortgefest wur-
den, denen aber zunächſt der Umſtand hinderlich war,
daß man wegen der Wirfung neben der fedjspfiindi-
gen Die zwölfpfündige Kanone und neben deren Voll-
die Hohltugeln der Haubitzen (zehn- und fiebenpfiin-
dige Granaten) nicht entbehren fonnte. Um nun Be-
weglidfeit und Wirfung in Cinflang zu bringen,
bejtrebte man fid), ein Ein cits g ef dh ii § in der wolf:
pfiindigen Granatfanone ju ſchaffen. Als man jedod
mit der Cinfiihrung begann, war dies Geſchütz ſchon
durd) den preußiſchen Hinterlader (C/59. 61) überholt.
Diefer zeigte fich auc) den gezogenen Vorderladern
(oſterreichiſches Syſtem Lenf), die den im italieniſchen
Sricge 1859 bewährten franzöſiſchen (Syjtem Labitic)
nadgebildet waren, iiberlegen.
Obwohl dann nad) dem deutfch - franzöſiſchen Krieg
alle Heere fic) dem Hinterladefyjtem zuwendeten und
man nad ——— Verbeſſerungen ſchließlich zur
Schnellfeuerfeldklanone gelangt war, fo machte te
aud fiir die Feldartillerie das Bedürfnis geltend,
neben dem wirkungsvollſten Fladfeuer eine an-
ung durd) Steilfeuer leichter Haubitzen gu ſchaffen.
td) die —— der Feuerwirkung wurde aber
auch eine vermehrte Anwendung der Feldbefeſtigung
bedingt, und man ſtellte der Feldartillerie nicht mur
die Aufgabe, den Feind aus den Deckungsmitteln zu
vertreiben, bez. dieſe zu zerſtören, ſondern fie ſoll aud
befähigt ſein, beim Erſcheinen vor permanenten Be—
feſtigungen mit dieſen den erſten Kampf aufzunehmen.
Dies führte nun zuletzt in allen Armeen zur Auf—
ſtellung einer ſchweren A. des Feldheeres. Dieſe Ver—
änderungen im Material, die von der Feld- auch auf
die Fufartillerie iibertragen wurden, mußten aud
Einfluß auf Organijation, Fechtart der W., thre Stel-
—— in der Armeeeinteilung, in Friedends- und Kriegs-
glicderung haben.
[iteratur.] Fronsperger, Vom Geſchütz, Feucr-
wert und Feftungen (1557); v. Decker, Verfuch einer
Geſchichte des Geſchützweſens (Berl. 1812); Sdarn-
horft, Handbuch der YW. (Hannov. 1804—14, 3 Bde.);
immerban3, Essaid'un traité d'artillerie (Briif-
jel 1339 — 46, 3 Bde.); Scheuerlein, Grundsiige
der allgemeinen Yrtilleriewiffenfdaft (Berl. 1846);
v. Sdhirrmann, Berjud gu einem Syſtem der Ar—
tilleriewiſſenſchaft (daſ. 1860); Witte, Urtillericlehre
daj. 1878, 3Bde.); Wiebe, Die Urtillerictruppe des
Feſtungskrieges (Daj. 1888); Bring Kraft gu Hohen:
lohe-Ingelfingen, Uber Feldartillerie (2. Aufl.,
daſ. 1887); H.v. Miller: Die Entwidelung der Feld-
artillerie von 1855— 1892 (daf. 1893—94, 3 Bde ),
Die Entwidelung der deutſchen Fejtungs- und Be-
lagerunggartillerie von 1875 — 1895 (bat 1896) und
Die Tätigkeit der deutiden Fejtungsartillerie im
deutſch⸗ franzöſiſchen Kriege (Daf. 1898 —1901,4 Bde.),
Witte, Fortidritte und Verinderungen im Waffen:
wejen (2. Wufl., daf. 1900, mit drei Rachtrdigen),
Dolleczek, Geſchichte der djterreichifden AW. (Wien
1887, 2 Bde.). Zeitſchriften: »Archiv fiir die Ofii-
ziere der königlich preußiſchen Artillerie- und In—
genieurkorps« (Berl.), »Mitteilungen über Geger:
830
jtande des Urtilleric: und Genieweſens⸗ (Wien), » Re-
vue d'Artillerie« (Bar.), »Seiticdhrift fiir die ſchweize⸗
riſche A.« (¥rauenfeld).
Artilicricafademic, |. Artillerieſchule.
Artilleriebedeckung (Kartifular-,Spesial-
bededung), fleine Detadyements der Infanterie oder
Kavallerie, Die Den Feldbatterien im Gefecht und auf |
Märſchen gum Schutz gegen feindliche Angriffe bei-
gegeben wurden. Da die Artillerie jetzt nur in größern
Verbänden auftritt und dadurch ſelbſtändiger gewor—
den iſt, fo entfällt meiſt die beſondere Bedectung.
Artilleriebelagerungspark ꝛc., ſ. Belage-
rungspark.
rtilleriedepot, Behörde zur Verwaltung der
Beſtände an Waffen und Munition für alle —
pen, ſoweit ſich dieſelben nicht in deren Händen oder
Verwaltung befinden, ſowie des ſonſtigen Artillerie
materials. Dem Depotvorſtand (in Feſtungen Ar—
tillerieoffizier vom Blas) titein Zeugoffizier als
adminijtratives Witglied iiberwiefen. YW. heißt aud
das Gebaude, in dem die Behörde ihren Sig hat; der-
felben find Zeug- und Feuerwerfsoffiziere sur Ver-
waltung der Bejtinde jugeteilt. Zu jedem A. (in
Oſterreich Artillerieze ugs depot) gehört ein Labo-
ratorium (. d.). Wrtillerierevifionsfommif-
ſionen beitehen aus dem Depotvoritand und einem
oder mehreren Urtillerie- oder Feucrwerfsoffizieren.
S. aud) den folgenden Vrtifel.
Artilleriedepotdircttion , vorgeleste Behörde
der Virtilleriedepots. Es bejtehen deren in Deutid-
land fiinf: in Voſen, Stettin, Köln, Straßburg i. E.
1. Minden. Oberbehirde ijt die Urtilleriedepot-
infpeftion, die der Feldzeugmeiſterei des Kriegs—
minifteriums unterjtellt ijt.
rtilleriedireftor, |. Urtillevicoffijier vom Platz.
Artilleriegewidt, das vom Landesgqewidt ab
weidjende Gewicht, das in der Geſchützlunde sur An—
wendung fant. Bemerfenswert war die Kaliberbexeidh-
nung der Haubiben und Mörſer nad) dem Gewidt
jteinerner Bollfugeln (7°, 10+, 25-Pfünder ꝛc.).
Artillerichandwerfer, zu militäriſch techniſchen
Inſtituten kommandierte Handwerker. Yn Deutſch—
land kommen, nachdem die frühern Artilleriehand—
werlskompagnien (in Preußen 1863) aufgelöſt wur-
den, nur noch Zivilhandwerker in Betracht.
ß Artilleriekomitee, ſ. Artillerieprüfungskommiſ
ion.
Artilleriekonſtruktionsbureau, ſ. Techniſche
Inſtitute der Artillerie.
Artilleriemafitab (Kalibermaßſtab), In—
ſtrument zum Meſſen von Gegenſtänden des Artille—
riematerials. Man bedient fic) dabei des Meterſyſtems,
nur Robr-, Seelens und Geſchoßlängen werden aud
nad) Ralibern (f. Raliber) beſtimmt.
Urtillericoffizier vom Platz (Artillerie—
direftor), ein Offizier, der alle auf die Verteidigungs-
fabigfeit der Feſtung bezüglichen artilleriſtiſchen Ein—
richftungen gu überwachen und im Kriege die artille—
riſtiſche Verteidigung ju leiten hat. Er ijt Vorſtand
des Artilleriedepots (ſ. d.), in großen Feſtungen ijt
ihm ein zweiter A. zugeteilt, der dieſen Dienſt verſieht
und der Yirtillerierevijionsfonuniffion präſidiert.
Artillerieparf, jede Vereinigung von Artillerie⸗
material ſowie der Ort, wo ſich dieſes befindet; ge⸗
wöhnlich der artilleriſtiſche Teil des Belagerungsparks.
Artillerieprüfungskommiſſion, cine aus Offi—
zieren der Artillerie und Marine zuſammengeſetzte
Behörde (Berlin), die alle das Artilleriematerial be— |
treffende Fragen zu bequtadten hat. Sie bejteht aus |
Artillerieafademie — MArtillerietednif.
einem Brafidium und zwei Ubteilungen, eme fiir die
Feld-, cine fiir die Fuß- (Fejtungs-, Velagerungs,
Küſten- und Warine-) artillerie. Gine Reriuchsabter-
lung (mit Depotverwaltung) laRt durd thre auf Dem
Schießplatz Kummersdorf (45 km von Berlin an der
Milita reifenbahn) fafernierte Veriuchhsfompagnie nebit
Marinedetachement die bezüglichen Verſuche aushih
ren. In Ojterreich heißt die gleiche Behörde Wrtil-
leriefomitee. ‘Depot.
Artillerierevifionsfommiffion, ſ. Artillerie⸗
— — ſ. Schiehitbungen.
Artillerieſchiefiſchulen zur Ausbildung von
Lehrern fiir die Artillerietruppen, zur Erweilerung
der Kenntniſſe in der Schießkunſt und im Gebraugd
und der Behandlung der —— beſtehen eine für
Feld-, eine fiir Fußartillerie in Jüterbog. Sie ſind
einem —— und zwei Regimentskomman⸗
deuren unlerſtellt. Für die Feldartillerie tit cin Leht⸗
regiment (8 Batterien in 3 Abteilungen), fiir Die Fuß⸗
artillerie ein Lehrbataillon(3 Rompaqnien) vorhanden,
Bu den zwei Kurſen im Jahr werden jiingere Offiziere
fommanbdiert, mitunter werden aud Stabsofiizierfurie
angeordnet und höhern Truppenfithrern Gelegenbeit
geboten, fid) über die Fortidritte der Waffe zu unter
ridten.
Artillerieſchiff (Artillerieſchulſchiff), em
Kriegsſchiff, das als Geſchütz, Exerzier⸗ und Schich
ſchule der Flotte dient, um einheitliche Bedienung der
Schiffsgeſchütze gu ſichern; aud) dient das A. zur Eri
fung neuer Ronjtruftionen in der Schiffsarttllerie.
Artillerieſchule, Unjtalt zur fadlicen Bildung
von Offizieren der Urtillerie, haufig mit den Yngenieur-
ſchulen verbunden. Deutidland bejigt ſeit 1816 cine
» Vereinigte Urtilleries und Yngenieuridule< in Ber-
lin (Charlottenburg) und eine in München. Die Leut-
nants der Yrtillerie und des Pionierforps werden nag
2— djahriger praftijdher Dienjtleijtung zur A. fom:
mandiert. Ein Teil derfelben wird ju einem obern
Lehrgang jugelajjen, in defjen Verlauf auch große
Induſtriewerke (Krupp, Grujon u.a.) beſucht werden.
Ym Schluß der Lehrgänge finden Priifungen fratt.
| Der Unterricht findet vom 1. Oft. bis Ende Juni, bey
Ende Juli fiir den untern, bez. obern Lehrgang ftatt.
In Oſterreich befteht der ⸗Höhere Urtilleriefurs« in
Wien, in Franfreid die Ecole d'application de
lartillerie et du génie in Fontainebleau und die
Ecole militaire de l'artillerie et du génie in Ber-
jailles, in England die Militdrafademie zu Wool-
wich mit halbjährlichem Anſchlußlkurfus bei der Shieh:
fdjule in ShoeburyneR, in Rußland die Midacl-
| Urtillericafademie ju Petersburg, in Ytalien die
WMilitdrafademie gu Turin mit Anſchlußkurſus bei der
| Upplifationsfdule fiir Urtilleric und Genie. Seit An⸗
fang des 16. Jahrh. werden ſchon Artillerieſchulen ex-
wibnt: in Benedig, in Burgos in Spanien und in
Sigilien; ferner 1675 in Frankreich gu Monteijon eine
UÜbungsſchule im Schießen und Werfen, die 1679 zu
einer theoretifdjen A. in Druay umgeſtaltet wurde;
Sachſen erbhielt 1766 cine A.
Artillerieſchulſchiff, |. Artillerieſchiff.
UArtillerietechuik beſchäftigt ſich mit der Heritel-
lung des Yirtillertematerials, des Pulvers, der Lafet-
ten, Brogen und Wagen, des Geſchützubehörs und
Der Urtilleriemunition. Außer in Erivatfabrifen, wie
Krupp ꝛc., gefdieht die Herjtellung im dem techni—
ſchen Inſtituten (ſ. Dd.) Der Artillerie, deren In-
ſpeltion der Feldzeugmeiſterei unterſtellt ijt. Die Offi
ziere der techniſchen Artillerie tragen die Uniform
der Regimenter, bei denen ſie la suite geführt werden.
Artillerieverjudsfommando — Arton.
Artillerieverſuchskommando, cine Marine:
behirde, die sur Inſpeltion der Marineartillerie ge-
hort und dem Reichsmarincamt unterftellt ijt, um
neue Erfindungen und Cinridtungen der Schiffs—
artillerie ju priifen und Verſuche damit anjujtellen.
Dem A. fteht cin befonderes Urtillerieverfuds-
ſchiff sur Verfügung, das ſoviel wie miglid) aud) als
Artillerieſchulſchiff dient.
Artillericwerfitatten, in Deutſchland unter mi-
litäriſcher Direftion ftehende Fabrifen, in denen die
Artilleriefahrzeuge und Urtilleriegeriite angefertigt
werden. Colder U. gibt es in Spandau, Denk, Dan-
zig, Strafburg i. €., Dresden und München; Ojter-
reid): in Wien. Val. Techniſche Inſtitute der Urtillerie.
Artilleriewiſſenſchaft, die Lehre von dem ge-
famten Artillerieweſen, umfaßt die Urtillerietecdnif
(Lehre vom Material), die Artillerieſchießkunſt (Bal-
lijtif) und Urtillerietaftif (Gebraud der Geſchütze).
Artilleriezengsdepot, ſ. Artilleriedepot.
Artilleriſt, ſ. Artillerie, S. 829.
Artilleriftenmaat, ſ. Marineartillerie.
teen die Raargcher, f. Huftiere.
Artiſchocke (ital. articiocco, aus dem Arab.),
Fylanjengattung, ſ. Cynara.
Artift (frany.), Künſtler, insbeſ. Geſamtbezeichnung
für Kunſtreiter, UWfrobaten, Gymnojtifer, Clowns,
Tierbindiger (Dompteurs) 2. Yn Leipzig wurde
neuerdings die \nternationale Urtijtengenos-
fenfdaft beqriindet, die durch Hilfs- und Sterbe-
fafjen, Engagementsvermittelung rx. zur Hebung des
ganzen Standes der »fabrenden Leute« beizutragen
ucht. Jn Berlin erjdeint eine »Internationale Ar⸗
tiſtenzeitung· (ſeit 1896), in Leipziq »Die Artiſten⸗
tribiine« (jeit 1895), in Düſſeldorf »Der Urtijt«
(feit 1883) und der »Ynternationale Urtijtenfalender<
(5. Jabrg. 1901). Cin »rtiftenterifon< gab H. W. |
Otto (Siqnor Saltarino) heraus (2. Aufl., Düſſeld.
1895). Artiste dramatique oder Artiste ſchlecht—
weg, in Frankreich: Schaujpieler, Opernſänger. Wr-
tijtifd, künſtleriſch, auf Kunſt bezüglich.
Urtiftenfafultat, bei den Univerſitäten ehemals
bie Fafultat der freien Künſte, jest philoſophiſche Fa-
fultat; f. Univerſitäten.
Artium liberalium magister, {. Magijter. |
Artjel (rujj.), ſ. Urtel.
Artocarpus Forst.(Brotbaum, Vrotfrudt-
baum), Gattung der Morajeen, Bäume mit großen
lederartigen, ungeteilten oder fiederlappigen, felten
gefiederten Blattern, monöziſchen Bliiten auf fuge-
liqent oder feulenfirmigem, bisweilen langem Bliiten-
boden und einer die Uchenen einſchließenden Schein:
frudt. Etwa 40 Arten, von Ceylon durd) den Indi—
ſchen Archipel bis China. A. incisa L. fil. (qemeiner
Brotfrudtbaum, ſ. Tafel »Nahrungspflanjen II«,
Fig. 8), 12—-18m hod, mit eingefdnittenen Blattern, |
aut den Sundainjeln heimiſch, aber iiberall in den |
Tropen, hefonders auf den Inſeln des Stillen Ozeans,
fultiviert, tragt 40cm lange und 24cm Dide, fletichige |
Früchte. Dieſe enthalten unveif weißes, mehliges Mark |
und bilden fiir Die Siidjeeinfulaner das vorzüglichſte
Nahrungsmittel. Sie werden roh und geröſtet qenof-
fen. Drei Baume ernahren einen Menſchen jahraus
jahrein, Denn während der drei Monate, wo der Baum
eine Friidte hat, leben die Jnfulaner qrofenteils von
der cingemadten Frudt. Die villig reife Frucht mit
breiigem, gelbem Mark ſchmeckt unangenehm. Ward) |
Die Hliqen Samen find genießbar. Auf Martinique,
Réunion, in Guayana und Braſilien bereitet man aus
den Früchten Stärkemehl. Der Stamm gibt gutes
831
Nutzholz. Aus dem Bajt junger Zweige fertigen dic
Ynfjulaner Reider. A.integrifolia Forst.(indifder
Brotbaum, Jack-tree, Jaqueira), in Djtindien, aber
iiberall in den Tropen fultiviert, mit verfehrt-cifirmi-
gen Blittern, trägi an den dicen Ujten und am Stamm
bisweilen bis jur Erde herabhängende, bis 15 ky
ſchwere Früchte (afta), die auc im reifen Buftand
— ſind. Auf Ceylon dienen ſie einen großen
eil Des Jahres über als Nahrung. Der indiſche Brot-
baum liefert Kautſchuk und hartes Holz (Jakholz,
Jaqueiraholz, Orangeholz), das wie Maha:
oni benugt wird; die Rinde dient zum Gerben und
— A. pubescens Willd., ein anſehnlicher Baum
in Oftindien, deſſen Hol; fehr hart, inwendig rotlid
ijt. Die Frucht ijt fauſtgroß, weichſtachelig, dem Stech—
apfel ähnlich, febr mobltdinedend : übermäßiger Ge⸗
nuß bewirkt Durchfall, den jedoch Wurzel und Rinde
des Baumes heilen. Das Holz wird zu Kiſten und
Kähnen verwendet. Bal. Forſter, Geſchichte und
Beſchreibung des Brotbaumes (Kaſſel 1784).
Artois (jpr. artũa, deutſch Atrech t), ehemalige Pro⸗
vinz (Grafſchaft) im nordweſtlichen Frankreich, gehört
jetzt größtenteils zum Depart. Pas-de-Calais . d.).
Haupiſtadt iſt Arras. — A., das Land der Atreba—
ten, wurde erſt von den Rimern, im 5. Jahrh. von
den Franfen erobert und fam durd die Heirat von
Karls de3 Kahlen Todter Judith mit dem Grafen
Balduin Eifenarm 863 an Flandern. Philipp, Graf
von Flandern, gab A. 1180 feiner Nichte Iſabella von
Hennegau, der Gattin Philipps IT. Auguſt von Frank⸗
reid), zur Mitgift. 1237 erhob Ludwig IX. W. gu einer
Braff daft fiir feinen jiingern Bruder, Robert. Spä⸗
ter fam YW. durd Heirat an das Herzogtum Burgund.
Nach dent Tode Karls des Kühnen (1477) nahm Lud-
wig XI. von Frantreid) auch A. in Unfprud und er-
bielt ¢3 im Frieden von Arras (1482) zugeſprochen.
Allein im Frieden zu Senlis (1493) fiel es nebſt der
librigen Mitgift Margqaretas von Ojterreid) (Tochter
Kaiſer Marintilians) an Ojterveid) zurück und teilte
'pon da an die Sdhicfiale der öſterreichiſch-ſpaniſchen
MNiederlande. Jim Pyrenäiſchen Frieden (1659) mufte
Spanien fajt gang A. an Franfreich abtreten. Yn der
Folge ward durd) die Friedensfdliiffe von Nimuwegen,
Rijswijf und Utrecht Frankreich der Beſitz der ganzen
Grafſchaft A. beſtätigt und diefe mit der Picardie zu
einem Generalgouvernement vereinigt. Ludwig XV.
verlich ſeinem dritten Enfel, Karl Philipp, den Titel
cine3 Grafen von A. den derfelbe bis zu ſeiner Thron-
bejteiqung alg Karl X. (1824) führte.
Artofarpoideen(Urtofarpeen, Brotfrudt-
bäumey), Unterfamilie der Morazeen, milchſaftfüh—
rende Holzpflanzen der Tropenzone, die ſich von den
Moroideen durch die meiſt ſtengelumfaſſenden Neben—
blätter und die gerollte Knoſpenlage der Laubblätter
unterſcheiden. Die fleiſchigen Fruchtſtände einiger
Artocarpus-Urten (Brotfruchtbaum) ſind eßbar,
ebenſo die der Feigenbäume. Der Milchſaft von An-
tiaris toxicaria liefert Pfeilgift, der Milchſaft des
Kuhbaumes wird genoſſen.
Artolatrie (qried., »Brotdienft<), Anbetung der
Hojtie; Urtolatrift, Brotanbeter.
Artoloreh, ſ. Artillerie.
Arton (eigentlich Aron), Leopold Emil, Ban—
fier, geb. 1849 in Straßburg, ſeit 1871 m Baris, ver
teilte hauptſächlich die Beſtechungsgelder der Panama—
gelellicvatt an Staat8manner und folitifer, um die
enehmigung der Kammern für die Finanjoperatio-
nen Der Geſellſchaft ju erlangen. Er floh 1892 ing
Ausland und wurde erjt Ende 1895 in London ver-
832
hajtet und ausgelicfert, worauf er 1896 wegen Be: |
trugs gegen cine Dynamitgeſellſchaft zu 6 Jahren
Bwangsarbeit verurteilt wurde.
Artopton, j. Wieurometer.
ArtHt (pr. arts), Déjirde, eigentlic Montagney,
Opernfingerin, geb. 21. Juli 1835 in Paris, Todter
des Hornvirtuofen Jean Defiré ep ely | e
nannt A. (geb. 1803 in Brüſſel, geſt. 1887), und ‘Ste
des Biolinijten J of eph A. (qeb.1815, qejt.1845), wurde
von Frau BViardot-arcia fiir die Biilhne ausgebildet
und debiitierte 1858 auf Meyerbeers Veranlaſſung an
der Pariſer Groen Oper als Fides mit glänzendem
Erfolg, gab aber jdon nad) furjer Zeit das Cngage-
nent Ay um fortan nur nod) in gang Europa ju
ajtieren und gu fonzertieren. 1860 fam fie nut der
‘orinifdjen Geſellſchaft nad) Berlin, wo fie ebenfalls
ga bei ihrem erſten Auftreten (im » Barbier von
Artoptou
villa«) den entfdiedenften Erfolg hatte. Frau A.
ehirt su den wiirdigiten Vertreterinnen ded italient- |
den Kunſtgeſanges, ſowohl im Konzertſaal als auf
der Biihne. Seit 1869 ift fie mit dem ſpaniſchen Bari- |
tonijien Padilla y Ramos (geb. 1842 in Murcia) |
verheiratet. Beide nahmen 1884 ihren Wohnſitz in
Berlin, verlegten ihm aber 1889 nad Baris.
Artotypie, in Umerifa foviel wie Lichtdrud (f.d.). |
Art poétique (franj., for. a pottit), Unieitung
zur Didtfunft, ſ. Boileau - Despréaur.
Artur (Artus), brit. Held, der um 500 gelebt
haben foll und den Mittelpunft cines ausgedehnten
Sagentreifes bildet. Die Didter des Miittelalters, die
in Den Urturromanen das Ideal de ritterliden
Lebens zur Darjtellung bradten, haben die Stoffe mit
einer oft an Willfiir grengenden Freiheit behandelt |
und dem Elemente des Wunderbaren vollen Eingang
verjtattet. Die Dichtungen, durd) die dieſe Gagen
jum Gemeingut der abendlaindifden Volker wurden,
ehiren der altfranzöſiſchen Literatur an. Uber die
Scant ob ihre Quellen in Wales oder in der Bretagne
jut fuchen find, ijt unter den Gelehrten cin Streit ent-
brannt, in dem fich Rhys und Gajton Paris ju gun—
jten von Wales, H. Zimmer und W. Förſter, auf ſtär⸗
fere und fadlidjere Griinde geftiist als ihre Geqner,
fiir Die Bretagne entſchieden any In der Literatur
fommt YW. zuerſt bei Dem Englander Nennius vor,
deſſen lateinifdje Chronik ing Ende des 8. Jahrh. ge—
feBt wird. Hier wird er als Feldherr (dux bellorum)
bezeichnet und fiegt fiber die Sachſen und Pilten in
zwölf Sdladten, von denen die größte und lebte in
Monte Badonis (wabricdeinlid) Boudenhill am Yvon)
qcidlagen wurde. Die welf de Urturfage tritt uns
ungetriibt nur in der fymrifden Erzählung von
»Kilhwe und Olwen« oder »Arturs Eberjagd«, aus
Deut 12. Jahrh., entgegen. Hier ift A. nod) ein tap-
ferer Held, der überall at Hand anlegt, wabrend er
in Den bretonifden Sagen zwar Mittelpuntt der Er—
zählungen geblieben, aber ju einem untatigen Zu—
ſchauer, einem bloßen Statijten, geworden ijt. Wud
in Der Bretagne nuijfen Sagen iiber U. früh verbreitet
gewefen fein, da fdjon in der Mitte des 9. Jahrh. Ur-
tur als Berfonenname dort gang gewöhnlich ijt. Diefe
Sagen haben fid) mündlich verbreitet, nod) ehe fie
ſchriftlich fixiert wurden; in Italien kommt der Name
A. ſchon gu Ende des 11. Jahrh. vor. Qn der latei—
niſchen Literatur ijt das Hauptwerk iiber A. die » Histo-
ria regum Britanniae« des Gaufrid (oder Gottfried)
von Monmouth, um 1136 (brsg. von San Marte,
Halle 1854), welche die fagenhafte Geſchichte Britan- |
niens von dem Stanmuater Brutus bis auf Cadwal-
fader (geft. 689) erzählt. Hier ijt U. ein mächtiger Jondbloct, Haag 1850, und von |
— Artur.
König und Beqriinder eines großen wefteuropariden
Reiches. Auf die Nomantiteratur hat es geringen
Einfluß geiibt, ijt aber haufig in die mittelalterlider
Sprachen iiberjest worden (ins Franzöſiſche von Wace
1155, ins Englijde von Layamon um 1204, zwermal
ing Kymriſche ꝛc.). Gaufrid gibt mit Benugung des
Nennius hauptſächlich dic welfde Ubertieferung, bat
jedod) allerlei Züge aus der bretonijden Sage ein-
gefügt.
Nad) Bimmer unterſcheidet ſich die bretoniſche
Arturſage von der welſchen durch folgende Punlte.
Mur die bretoniſche Sage fennt Arturs Schweſter, die
yee Morgan (vgl. Fata Morgana), und ihren Wobn-
jit, die Inſel Abalon (ſ. d.); Die Verſetzung des ver-
wundeten A. auf diefe Inſel nad feiner letzten Schlacht;
den im Mittelalter als bretonifde Hoffnung fpric-
wörtlichen Glauben (ſhon 1113 bezeugt), dah VW. nicht
ejtorben fei und dereinſt zurückkehren werde, um fein
Reid) im alten Glange herjujtellen (um dieſen Glau—
ben zu zerſtören, liek Heinrid) IT. 1189 die Gebeine
Arturs m Glaftonbury auffinden, das man mit Ava—
{on identifizierte); die Tafelrunde (zuerſt bei Bace)
mit ihren zwölf Sigen als Nachahmung der Kairs
| Rarls d. Gr. Rei, in der welfden Sage ein tapferer
Ritter, ijt in Der bretoniſchen gu einer lomiſchen Figur
geworden. A. rejidiert urjpriinglich zu Carduel, dem
heutigen Carlisle in Cumberland: fo in den bretoni-
ſchen Sagen; in den welſchen ijt feine Rejidens weiter
ſüdlich, nad) Carleon am Usk, verlegt, wahrſcheinlich
weil die bis ins 10. Jahrh. hinein in immer neuen
Scharen vor den Angeln flüchtenden Cumberlander
die Arturſage in ihrer neuen Heimat lokaliſierten.
Owein und Peredur find nad) der welſchen Auffaffung
Helden einer ſpätern Zeit und erſt von den Bretonen
in Zeitgenoſſen Arturs verwandelt worden. Auch
Cornwall war an der Sagenbildung beteiligt: Arturs
Geburt in Tintagel iſt ein Zug corniſcher Sage, und
der Name Modred (Arturs Neffe, der ihn tödlich ver⸗
wundet) hat cornifde Form.
Die franzöſiſchen Urturromane jerfallen in zwei
@ruppen, indem fie teils in Verſen, teils in Proſa ge:
jdrieben find. Bon jenen find die älteſten der nod
ungedrudte »\der« und die Romane de3 Chriftian vor
Troyes (zwiſchen 1160 u. 1180): »>Erece, »Lancelot«,
»Main«, »Perceval«. Wlle diefe Romane haben bre
toniſche Traditionen benutzt. Einen echt keltiſchen Ra-
men führt Urturs Neffe Walwain (Gauvain). Andre
Ramen find vielfad lateinifden Uriprungs. Der
Name W. (altfranz. Urtus) entipridt wahrideinlid
cinem lateinifden Artorius. Y)vain ijt die bretonifce,
Owen die welfde Form des Namens Eagenius. Sein
Bater Urien heißt bei Nennius Urbgen (lat. Urbi-
genus). Eree hieß cin Graf von Nantes (981); im Wel
ſchen wird er Geraint qenannt (von Gerontiog, einem
Feldherrn Nonftantins, mit Gerennius verſchmolzen).
Lancelot iſt vielleicht Lantbert, ein Marlgraf der Bre—
tagne aus der Zeit Ludwigs des Frommen. Lancelot
befreit Guenievre, Arturs Gattin, aus der Unterwelt,
wobin fic Meleaquant oder Maheloas entfiihrt bat,
alfo ein mythifder Stoff. Nn Perceval (Peredur) tit
die Urturfage mit der Gralſage fombiniert. Schon
die Namensformen zeigen, dafy » Ader (welſch Edern)
und die Romane Chritians auf bretoniſche Quellen
zurückgehen; die Verbreitung der Sagen haben die
romaniſierten Bretonen in der öſtlichen Bretagne bee
wirft. Unter den Brofaromanen ijt der verbreitetite
der »Lancelot«, der cinen Zyllus von 5—6 Romanen
zuſammenfaßt und nur in Teilen gedrudt iit (von
mivall, »La
Artursfig — Aruinfeln.
Queste del saint Graal«, ond. 1864). Dante hat
ihm in der Epifode von » Francesca da Rimini« eine
bedeutende Rolle zugewieſen. Cinen Teil dieſes Ro-
mans fdreiben Me Handfdriften dem Balter Map
(jf. d.) gu. Die welfden Romane ftehen in dent fogen.
»Roten Bud)« von Hergeft, einer Handfdrift des 14.
Jahrh. Man nennt fie gewöhnlich Mabinogion,
obwohl dice Benennung eigentlid) vier andern Er-
zählungen derſelben Handfdrift zulommt. Da fie
ihrem wefentliden Anhalt nad ‘an den franzöſiſchen
Darftellungen de3 Chriftian von Troyes beruhen, fo
haben fie feinen originellen Wert. Es find: ⸗Owen⸗
— ·Geraint · (Erec), »Beredur« (Perceval). Sie
ind ins Franzöſiſche überſetzt von Loth (»Les Mabi-
nogion«, Bar. 1889, 2 Bde., wo aud »RMilhwee und
»Oiwen« überſetzt ift). Uber die Wirtursege baben M6
legt gehandelt O. Simmer in den »Gottinger Ge⸗
lebrten Wnyeigen«, 1890, Rr. 12 und 20, und in der
»Seitidhrift fiir franzöſiſche Sprade und Literature,
Bd. 12 und 13 (Oppeln 1890 u. 1891); BW. Förſter
in ben Cinleitungen Qe Chrijtian von Troyes; G.
Faris im 30. Bande der »Histoire littéraire de la
France« (Bar. 1888); Rhy 8, der oft miythiſche Grund⸗
lagen vermutet, in den »Studies on the Arthurian
legends (Orford 1891). Die altfranjdfifden Proſa
romane find überſetzt von P. Paris (»>Les Romans |
de la table rondee, Bar. 1868 77, 6 Bde.).
Jn Die deutſche Literatur wurde der Artur—
roman durch Hartmann von Aue (f. d.) eingeführt,
der bald nad 1191 den »Erece und vor 1202 den
Iwein · (Liwenritter) Corésiens von Troyes poetiſch
bearbeitete. Schnell fanden andre franzöſiſche Artur—
dichungen in deutiden Rachahmungen Cingang. Dem
— bald der »Lanzelet⸗ des Schweizers Ul
rid) von Sagifhoven, dem ⸗Iwein · der » Wigalois«
des Oftfranfen Wirnt von Grafenberg und der ⸗Par⸗
gival« Wolframs von Eſchenbach, durch den zuerſt die |
Wralfage in Berbindung mit der Arturſage in Deutid: |
land verbreitet wurde. Richt mur dem Stil, fondern
aud) dem Ynbhalt nad wurden die Epen Hartmann,
Wirnts und BWolframs vorbildlich far die fpatern
deutſchen Virturdidter. Schon der Kärntner Heinrich
von Tiirlin (1215 20) entlehnt ihnen in feinem um- Bq
faingliden Roman von Mrturs und Gaweins Aben
teuern, den er » Die Mrone« nannte, mande Motive
neben der ing oy franzöſiſcher Quellen; bei jin
gern Dichtern tritt die franzöſiſche Tradition gegen
i¢ eigne —— und Nachahmung der —
Arfurromane allmaͤhlich ganz guriid; fo in Strickers
» Daniel vom blithenden Tale, in dem ⸗Wigamur«
eines bayriſch ðſterreichiſchen Fahrenden, dem · Garel ·
Tandarois·Meleranz · des Pleiers, dem »Gauriel
von Muntabel« des Konrad von Stoffeln. Mit dem
14. Jahrh. erlahmte die Broduftion auf diefem Ge—
biet, bis um 1490 Ulrich Füetrer Den ganzen Syflus
der Virtur- und Ccalfage in feinem » Bud) der Yiben-
teucre nod cinmal nod) den dltern deutſchen Epen
firopbifd) bearbeitete. Qn die reiche Brofaliteratur,
die fett dem 15. Jahrh. die epiſche Dichtung verdrangte.
fand aus der Arturſage mur der »Vanjelet« und in
einer Uufldfung aus Wirnts Gedicht der » Wigalois«
Eingang, der nod) 1664 neu gedrudt wurde.
Mrtursfig (Arthur's Seat), Berg, ſ. Edinburg
Mrtus, |. Yrtur.
Artushof (hunferhof, Tafelrunde), ur-,
runglich eine tm 13. und 14. Jahrh in den ritter
ichen und fiirftliden Kreiſen mit Vorliebe gefeierte
—— dann die Raͤumlichteiten, tm denen die
Gelage und Turniere ſtattfanden. Jn Koſtum und!
Megers Konv.- vezifon, G Aufl, L Be.
833
Zeremoniell wurde dabei cine Nadbildung der in den
Damaligen Rittergedidten gejdilderten Tafelrunden,
befonders der des fagenhaften Königs Artus oder
Urtur (f. d.), angeftrebt. Golde Urtushife find nad-
weislid in England, Deutidland und den Niederlan-
den, Franfreid) und Spanien gehalten worden; am
meijten und glänzendſten in Frantreid unter Karl VI,
defien Gemahlin Iſabella von Bayern fie sur Zer—
ftreuung ihres in Melandolie verfunfenen Gatten ver-
anftaltete, und in England, wo fie in Beziehung sum
heil. Georg geſetzt und Nationalfefte wurden, aud
innerhalb Bes Slifterorbens vom Hofenband nod heute
fortbejtehen. Eigentlich auf den Ritterftand befdrintt,
haben fie auch in reidjen und vornehmen Biirgertrei-
fen Eingang gefunden; daber rühren die hier und da
nod) vorbandenen, ballenarti rer VUrtushofe,
— B. in Danzig, Thorn ꝛc. virſch, Über den
Irfprung der preußiſchen Artushöfe (⸗Zeitſchrift fiir
preußiſche Geſchichte und Landesfunde«, 1864).
Artufi, Giovanni Maria, ital. Mufitidrift-
ftefler, um 1600 Ranonifus in Bologna, ef. da⸗
ſelbſt 18. Aug. 1613, vertrat als Theoretifer p >» L’arte
del contrappunto«, Bened. 1586 -- 89; »L'Artusi,
ovvero delle imperfezioni della moderna musica«,
daf. 1600) einen fonfervativen Standpunft gegen:
fiber den Neucrungen der mufifalifden Dromatifer
und Ynjtrumentalfomponijten.
Artwin, Hauptitadt des Bezirls A. (3906 qkm
mit 56,456 Ginw.) im ruffifeh-transtautas. Gouv. Sit-
tais, am Tſcharuch, mit 3 armenifd-fathol. Kirchen,
einer armeniſch⸗gregorian. Rirde, 6 Moſcheen und
(1897) 7000 Einw., die Obitbau, Lederfabrifation und
Bienelbrennerei betreiben.
Artynia, See, ſ. Rhyndalos.
Arual, Indianerſtamm, f. Wrowafen.
Aruba, niederländiſch-weſtind. Inſel, vor dem
Molfe von Maracaibo, 30 km von der Riljte von Ve
nejuela, 165 qkm mit (1899) 9349 Einw. (meiſt fatho-
liſche Mifdlinge). Die bid 183 m hohe, aus Diorit
und Storallenfalf beftebende Ynfel ijt wafjerarm und
wenig frudtbar, veridifft aber Phosphat, Dividivi,
Pindanilffe rc. im Werte von (1898) 163,783 Gulden.
1. Martin, Bericht tiber cine Reiſe nad Nieder-
ländiſch - Weftindien (Leiden 1886 - RS, 2 Vde.).
Aeriigo (lat.), Griinfpan; A. nobilis, die Batina
auf aah oder Bronye; A. crystallisata, frijtalli-
— effigfaures Supfer; druginieren, Griinipan
anfegen.
ruinſeln (Arruinſeln), sur niederlind. Refi-
dentjchaft Amboina geborige Inſelgruppe des Indi⸗
ſchen Archipels (ſ. Marte »Hinterindien«), 1875 von
Veccari durcdhforidt, zwiſchen 5 und 7° ſüdl. Br. be-
jtebt aus einer 125 km langen, 82 km breiten Haupt-
infel (malaiih Tanna Beſar, sqrofes Land«), die
durch zwei flußähnliche, unfdiffbare Randle in drei
Inſeln: Wofan, Robrur und Trangan, geteilt
wird, und 80 kleinern, meiit unbewohnten Eilanden.
inégefamt 8614 qkm mit (es) 21,599 Finw. Dre Vb
find niedrig und haben ſchwer zugängliche, im O. von
Norallenritfen cingefahte Steilluſten. Der Boden iſt
Morallentalf, aber frudtbar und mit fippiger Bege-
tation bededt. Wuffallend tit der Reichtum an Treren,
befonders an Rogeln, die großenteils mut denen von
Neuguinea fibereinftimmen, Auch die Bewohner
lei⸗
chen mehr denen Neugumeas als denen ——
Wallace hat daraus geſchloſſen, daß die VW. urſprung—
lich ein Teil von Neuguinea waren. Der ganz in den
Handen der Chineſen, Malaſſaren und Buggiſen be
findliche lebhafte Handel mit Trepang, Schildpatt, efj-
53
—
834 Arum — Arundo.
baren Schwalbenneftern und Paradiesvigeln fonjen- | Kanaren bis Trapezunt, wird die Wurzel auf Starfe-
triert fic) im Hafen Dobbo auf der Inſel Wamar. | mehl (Wrrowroot) verarbeitet. A. dracunculus L.
Val. Riedel, Der Uruardipel und ſeine Bewohner (Dracunculus vulgaris Schott. Sdlangenfraut,
(Berl. 1885); Ribbe, Die W. (Dresd. 1888). Drachenwurz, ſ. Abbildung), mit ſchlangenartig
Arum ZL. (Aron, Alajlronswurz, Ulalrons- geflecktem eyo fupformigen Blattern, innen dDun-
jtab, Zehrwurz), Gattung der Urazeen, Kräuter | fel braunroter Kolbenſcheide, ftinfendem, braunrotent
mit {ugeliger oder eiförmiger Knolle, großen, qrund- | Kolben und roten Friidten, im ganzen Mittelmeer-
ftindigen, gejtielten ſpieß- oder pfeilförmigen Blattern gebiet, wurde im Altertum arzneilich benutzt und gilt
und furjent, blattlofem Stengel, an deſſen Spite eine | als Schutzmittel gegen Schlangenbiß. Blatt und Blůte
einblitterige Spatha (Hiillblatt) einen feulenformigen | wurden frühzeitig als Motiv gu einem Ornament
Kolben umgibt, der an der Basis mit weibliden, dar- | benugt, das nod) heute fehr gebräuchlich ijt (j. Tafel
iiber mit manntichen Bliiten, oft mur mit Fruchtkno- »Pflanjenornamente Ie, Fig. 3, 9—14). Die Pflanze
ten und Staubgefäßen und über diefen mit rudimen- wird, wie auc) andre Yirten, als Sierpflange fultiviert.
tiren Blittenanlagen bejegt ijt (fj. Tafel »Bliiten- | A. palaestinum Boiss. (A. sanctum hort.), mit Dun-
ftdinde«, Fig. 1) und fich in einen blütenloſen Anhang fel purpurjamtiger Scheide, in Paläſtina, wird als
verlingert. Während der Bliite ijt in der Blumenfdeide | Trauerfalla in Gärten fultiviert.
eine Warmeentiwidelung bemerfbar; die Frucht ijteine| Arumartige Gewadfe, |. Urazeen.
Aruncus Kostel, Gattung der Roſazeen, ftattlice
Stauden mit zwei⸗ bis dreimal fiederjdnittigen Blat-
tern und aus — traubigen Äſtchen zuſammen ·
geſetzten Blütenſtänden. Bon den zwei Arten ijt A
silvester Kostel (j. Tafel »Zierpflangen I<, Fig. 16)
in mebhreren Unterarten fajt Durd die ganze nördliche
gemäßigte Zone verbreitet und wird als Zierpflanze
in Garten fultiviert.
Arundel (pr. arrindey, Stadt (municipal borough)
in der engl. Grafidaft Suffer, am Arun, der 7 km
unterhalb in den Kanal miindet, aber fleinen Küſten—
fahrern den Sutritt sur Stadt gejtattet. A. bat em
großartiges Schloß des Herzog von Norfolf mit ſchõ—
nem Barf, eine Bfarrfirde, St. Nicholas (von 1380),
eine Dom 353 1873 geſtiftete, prachtvolle katholiſche
Kirche im Stil des 14. Jahrh. und (1901) 2738 Cinw.
Arundel (pr. arröndeh, THomas, Graf von A.
und Surrey, geb. 7. Juli 1586, get. 4. Oft. 1646,
legte gu Beginn des 17. Jahrb. eine der erften Samm-
lungen altgriedifder Kunſtdenkmäler an, die er be-
fonders in Griedenland und in der Levante felbjt
oder durch feine Ugenten zuſammengebracht hatte. Die
teil weife in J. Selden Werk » Marmora Arundetiana«
(1628) publizierten Runjtwerfe famen ſpäter in ver-
ichiedene Orte, die bedeutenditen an die Univerfitat
Orford. Am berühmteſten davon iit die von Paros
oder eos ſtammende Arundelſche Warmortafel
(Marmordronif), mit einer (angefodtenen) Chro⸗
nologie der hellenifden Geſchichte; ihre Ungaben rei-
| chen bis 264 v. Chr., erflirt von Bodh im zweiten
Bande de3 »Corpus inscriptionum« (Berl. 1843).
Arundel -Gefellfdjaft (Arundel Society for pro-
verkehrt- eiförmige Beere. Etwa 15 Urten im Mittel- | moting the knowledge of art), cine 1848 in Lon:
meergebiet und in Mitteleuropa. A. maculatum L. don gegriindete und nad dem Grafen Thomas von
(gemeiner Aronsſtab, See Deutfdher Arundel und Surrey (j. oben) benannte Geſellſchaft
Sugwer, Efelsohr, Masblume, f. Tafel »Gift- zur Förderung der Kunjtfenninis. Sie verdjfentlichte
pflanzen Ie, Fig. 9), in ſchattigen Wäldern Mittel- | Stiche, Chromolithographien, Photograpbhien und an-
und Siideuropas, mit pfeilformigen, in manden Ge- dere Nachbildungen von Werfen alter Meriter, aufer-
genden braun gefledion Blittern, hellgriiner, innen | dem aud) kunſtgeſchichtliche Monograpbien. Bal.
weiher Spatha, feulenformigem, oben purpurrotem Maynard, Twenty years of the Arundel Society
Nolben und ſcharlachroten, erbjengrofen Friidten. | (Lond. 1869); Derjelbe, Descriptive notice of the
ile Teile der Pflanze find fcharf, ätzend, giftig, bejon- _ drawings and publications ete. (daſ. 1870).
ders Die Ueeren, die heftiqes Brennen, wre ſpaniſcher Arundo L. (Robr, Schilf), Gattung der Gra-
Efeffer, und Blaſen im Mund verantafjen. Die! mineen, hohe Rohrgräſer mit fajt holsigem Stengel
Knolle Qlronswurjel, Magenwurzel) enthalt | und breiten, fladen Blattern. 6 Arten m den war:
cinen fcharfen Milchſaft, der fic) beim Trodnen und | mern Ländern. A. Donax L. (Spanifdes, Ita—
Rojten zerſetzt; fie liefert auch qetrocnet und gekocht ein lieniſches Rohr, Schalmeienrohr, Clarinet:
qejundes Nahrungsmittel u. qibt 25 Pros. Starfemehl tenrohr, Bfahlrohr), in den Mittelmeerländern,
(Uronsjtarfe, Wrrowroot). Bon A. italicum L. dort und in Siidamerifa hultiviert, bis 5 m bod, mit
(f. Tafel »Fliegen- und Schneckenblumen⸗, Fig. 12), ‘Im langer, vivlettgelber, ſilberglänzender Rijpe. Es
mit pfeilfirmigen, weiß qeaderten Vlattern und30cm | wird als Bierpflange an Teichen fultiviert. Die hol:
flanger Spatha, im ganjen Mittelmeergebiet, von den | zigen, bis 2,5 m Ddiden Halme dienen gu Pfadlen,
Arum dracunculus (S @langenfraut).
en
. . Ay — ye
Da se
wey
pe ate
Arve oder Zirbelkiefer (Pinus Cembra)
MAicyers Aonv.-Lesikan, & Aull Kiblogr Institut in Lenpsig Zum Artikel Aeoe
1. Zweijilriger Trieb der Arve (Pinus Cembra) mit Zapfen und einem weiblichen Blitenzipfchen. — 2. Mann-
licher, 3, weiblicher Bliitenstand. — 4, Reifer Zapfen, — 5. Zapfenschuppe, AuBenseite. — 6. Innenseite mit den ,
2 Samen, — 7. Seitenansicht. — 8. Keimpflanze. — 9. Stammknospe cerselben. |
Aruns — Arjneidofis. 835
Gartenzãunen, Spazieritiden xc. Im WUltertum lie | den Zapfen und ungefliigelten, eilänglichen, ſtumpf
ferten jie Pfeile und Scbreibfedern. dreifantigen, 1 cm langen Nüſſen Girbelnüſſe,
Aruns, etruskiſches Wort, das den jiingern Sohn | Piniolen). Sie findet ſich in den Alpen zwiſchen
bezeichnet. Von den Rodmern werden jo genannt ein | 1500—2500 m, in den Karpathen bei 1130 —1400m,
Bruder des römiſchen Königs Tarquinius Priscus, bildet in den deutſchen Alpen kleinen zuſammenhãängen⸗
ferner ein Sohn des Tarquinius Superbus, der in der | den Waldgürtel, ſondern tritt nur an einzelnen Stel:
Schladt am Wald Arjia im Zweikampf mit Brutus | len maffenhaft auf und verſchwindet unter den Schä—
fiel, und einer des etrusfiiden Königs Porſena. digungen der Jungwüchſe durd das Weidevieh mehr
Aruraharz, |. Spondias. und mehr. Das Hols wird zu Schnibereien und Haus:
Aruſſi, Stamm der Galla in Ojtafrifa, ſchon ge- | gerat benugt, es ijt, da die Jahresringe wenig her-
gen Ende des 1. Jahrb. auf der berühmten Inſchrift vortreten, jebr fein und gleichmäßig und wird aud
von Adulis als Rhauſi erwahnt, im dem vom 39.° | zu Reſonanzböden gefudt. Wis Sierbaum eignet ſich
öſtl. L. und 8.° ſüdl. Vr. durchſchnittenen, mit Durra, | die A. nur fiir fan agen, ihren grotesfen Charal-
Sorghum und andern Kornfrüchten wobhlbejtellten | ter erreidht jie erjt im hohen Ulter. Bol. BW odit{ dla,
ebenen Gebiete. Die Birbe und ihre Kultur (Wien 1900).
Aruwimi, rechtsicitiger Nebenfluß des Kongo, ent- Arve, Gebirgsfluß in Savoyen, entipringt auf dem
fpringt in jablreiden Quellflüſſen in den Blauen | Col de Balme, durdjtrimt das Chamonirtal, tritt,
Bergen am Wejtufer des Albertſees, heißt nad Ver- nachdem er mehrere Bergflüſſe (Gijfre, Menoge u. a.)
einiqung Dderfelben Ituri und tritt unter 30° dftl. L. | aufgenommen, in den Kanton Genf und mündet nad)
im Das ausgedehnte, bis zum Kongo ſich erjtredende | 100 km langem Lauf unterhalb Genf in die Rhone.
Waldgebiet, nimmet rechts den Nepofo auf, fest jeinen Wrvérner (Arverni), felt. Völkerſchaft in Uquita-
ftromidnellenreiden, mit jeinen jablreiden Windun- | nien, am Cevernagebirge (in der jetzigen a
en fiber 1300 kin, in Luftlinie nur 520 km fangen | geboten einjt über fajt ganz Siidgallien; 121 v. Chr.
auf als Novelle, Subali, Bijerre fort und miindet | wurden fie von Domitius Whenobarbus und Fabius
unter 1°30‘ und 23° 50’ dtl. L. in Den Kongo. Von der | Maximus geidlagen, ibr Konig Bituitus gefangen.
Mündung ijt er bis Jambuja (25° 18’ Hjtl. L.) ftveden- | Gegen Cajar leifteten fie unter Vercingetorir hart-
weife ſchiffbar. Stanley entdedte 1883 die Miindung des | nädigen Widerjtand in ihrer Feſte Gergovia. Ihre
A. und verfolgte jeinen Lauf 1887 bis zum Wlbertfee. | Hauptitadt war Nemoſſus oder Auguſtoneme—
Der Kongojtaat leqte 1884 an der Miindung die Aru- tum (Clermont-Ferrand im Depart. Puy-de-Dinre).
wimijtation, Stanley 1887 die Station Jambujaan.| Arvevron (jpr. avaring, Name dreier in die Arve
rba, nördlichſtes ungar. Komitat, wird von Gali- | miindender Wildbäche im Chamonirtal, die den Wb-
zien und den Nomitaten Trentidin, Thuröcz undLip- | fluß der Montblancgletider le Tour, d'Argentiere
tau begrenjt, hat 2018 qkm und (1901p) 84,950 Cinw. | und Mer de Glace bilden und den Beinamen hiernad)
(meijt Slowafen). Sik ded Komitats ijt AlſoKu—- | fiihren.
bin, Marft mit asoh 1674 Einw., Finangdireftion| Arvicdla(lat.), Wiihlmaus; Arvicolidae (Wühl⸗
und Bezirksgericht. Bei dem Ort W.-Bdralya jtehen | mäuſe), Familie der Nagetiere (ſ. d.).
auf hobem Kegelfelſen die Ruinen der alten Feſte a. Uryballos, bei den Griechen cin kugelförmiges
Arvalbriider (Fratres arvales), in Rom eine ur- | Olfläſchchen, das man zur Paläſtra mit einem Riemen
alte Bricjterjdaft, fiir Den Kult der Flurgdttin Dea | am Handgelenf trug.
Dia, deren Hain und Tempel univeit von Rom am! Arysgs, Stadt im preuk. Regbez. Gumbinnen, Kreis
rechten Tiberufer lagen. Die dort feit 1570 bis in| Johannisburg, am fanalijierten Abfluß de3 Arys—
die neuejte Zeit gemachten injdriftliden Funde geben | fees, Hat eine evang. Kirche, Amtsgericht, einen
Protofolle über die Umtshandlungen der Priejter- | Truppeniibungsplag und (1900) 1617 Einw. Yn der
ſchaft von 14—241 n. Chr., nebjt dem uralten Feſt- Nahe Hiinengriber. W. ijt feit 1725 Stadt.
lied (Arvale carmen), dad zu unjern friibejten Denft-| Argberg, Stadt im bayr. Regbez. Oberfranten,
malern der lateiniſchen Sprache — Das drei⸗ Bezirksamt Wunſiedel, an der Rosla, dem Fichtel—
tãgige Hauptfeſt der Göttin Ende Mai war mit einem | gebirge und der Staatsbahnlinie Nürnberg-Eger,
bint verwidelten Seremoniell verbunden (vgl. Am- 480 m ü. M., hat eine evangelijde und eme fath.
barvalia). Die Anzahl der A. war in der Regel zwölf, Kirde, ein Forjtamt, 3 Borzellanfabrifen, Eiſenerz—
ihre Wiirde lebenslänglich, ihr Abzeichen ein Ahren- bergbau, Spinnerei, Nagelſchmiederei, Gerberei und
fran; nut weiker Kopfbinde. Der Borjteher (magi- | (1900) 2588 meijt evang. Einwohner. Im nahen Wei-
ster) ward jährlich am zweiten Tage des Hauptfejted | ler Eliſenfels Baunuwolljpinnerci. Y., das ſchon tm
von den übrigen gewählt; die Wahl neuer Mitglieder | 15. Jahrh. Stadtredt erbielt, wurde 1876 wieder zur
geſchah durch Rooptation. Yn der Kaiſerzeit qebirten Stadt erhoben.
der Bruderfdhaft die angeſehenſten Manner, aud) die] Arzen, Hafenſtadt in der alger. Provinz Oran,
Kaijer an. Val. Marint, Atti e monumenti de’ fra- | am grofen Golf von A. Kopfſtation der Bahn nad
telli Arvali (Rom 1795); »Acta Fratrum Arvalium< | Min Gefra, mit (1901) 5555 Einw., worunter 2257
(hrsg. von Henjen, Berl. 1874); Birt im Rofders | Franzoſen und 2353 andre Europäer, hat einen aus-
»Lerifon der Mythologie-, Vd. 1, Sp. 964 ff.; gezeichneten Hafen und führt namentlid) Halfa und
Wiſſowa in Paulys »Realenzyklopädie«, Bd. 2, Sal; aus dem 14 km ſüdlich qelegenen See von A.
Sp. 1463 jf. aus. Yn der Nähe Muinen des alten Arsenaria.
Arve (Zirbelkiefer, Pinus Cembra L., hierzu Arzignano (pr. sinjano), Dijtriftshauptort in der
Tafel »Arve Lu. II«), cin bis 20 m hoher Baum mit | ital. Proving Vicenza, mit altem Schloß, Weinbau,
anfangs pyramidenfirmiger, ſpäter unregelmapiger | Seidenfpinnereien, Gerbereien und (1901) ca. 5000
Srone, qraubrauner, querriffiger Rinde, fein braun: | (als Gememde 10,312) Einw.
wolligen Sweigen, 5—8 cm langen, ju fiinf ftehen-| Arzneibuch fiir das Dentſche Reich, ſ. Bhar-
den Nadeln mit zwei bläulich-weißen Streifen auf der | makopbe.
Unterfeite, 5—8 cm langen, eirunden, ſchmutzig vio- — *—— die vom Arzt vorgeſchriebene Menge
letten, zuletzt zimtbraunen, tm zweiten Jahr abfallen- eines Arzneimittels, die auf einmal genommen wer—
53*
836
den foll. Bei ftart wirfenden Gadjen erhält der
tient die Urgneiform in einzelnen Doſen (Pillen, *
bletten, abgeteilte Pulver), bet flüſſigen Arzneimitteln
wird eine beſtimmte Tropfenzahl verordnet, und man
rechnet von Waſſer, Säuxen xc. 16, von Tinkturen,
Allohol, Olen 25, von Äther 50 Tropfen auf 1 g.
Bon nicht abgeteilten Pulvern wird eine Meſſerſpitze
(2 g) oder ein Teeldffel (qebrannte Magneſia 0,5,
Pilangenpulver 1—1,5, Buder und leidte Salze 2,
ſchwere Salze 2,5—3 g) verordnet. Bon Flüſſigleiten
(Mixturen) rednet man auf einen Teeldjfel 4, einen |
Rinderliffel 8, cinen Eßlöffel 15, ein Wemaglas oder
Taffenfopf 120, einen Mineralwafjerbeder 180 g.
Arzneiformen, die Formen, in welche die Arznei—
mittel fiir ihre Verwendung gebradt werden. Wan
unterjdeidet fete Formen: Leegemijde (Species) aus
zerfleinerten Pflanzenteilen, Pulver, Tabletten, Pil-
len, Bijjen(Boli, veraltet), Granula, Gelatinefapjeln,
Gelatineblättchen, Cupediae (Zucterwerfsformen, Pa⸗
jtillen, Trochisci), SGuppojitorien (Stubljapfden, Ba-
inalfugeln), Bacilli medicati (Cereoli oder Wund-
täbchen, Antrophore oder — pment Ätzſtifte,
Quellſtifte. Weiche A. ſind Latwergen, Gallerten,
Paſten, Pflaſter, Salben und Linimente. Flüſſige A.:
Löſungen, Mixturen (Saturationen, Sdiittelmirtu-
ren, Tropfen), Aufgüſſe (Infusa), Abkochungen (De-
cocta) und Emulfionen. GS. die einzelnen Artilel.
Argneifapfelu (Capsulae), Heine Behälter aus
Gelatine zur Uufnahme übelſchmeckender Arzneimit⸗
tel, wie Kopaivabalſam, Farnextrakt, Rizinusöl 2.
Arzueikunde, ſ. Pharmalologie.
Arzueimittel (Medicamenta), chemiſch wirklſame
Stoffe, die zur Heilung von Krankheiten benutzt wer-
den. Als A. dienen Pflanzen und Pflanzenteile,
auch einige tieriſche Subſtanzen, aus Pflanzen dar—
eſtellte Körper und zahlreiche chemiſche Präparate.
etztere und die iſolierten Pflanzenbeſtandteile wer
den in chemiſchen Fabriken oder in Apotheken her—
geſtellt und für den Gebrauch nach der Verordnung
des Arztes in geeignete Form gebracht. Die jedesmal
zu gebrauchende Menge heißt Doſis; für eine An—
zahl A. iſt geſetzlich eine höchſte zuläſſige Gabe (Ma—
rimaldojis) vorgeſchrieben, die nur ausnahms-
weiſe überſchritten werden darf; der Arzt hat dieſe
Überſchreitung durch ein! auf dem Rezept gu ver⸗
merfen. Die Prieſterärzte der alten Agypter, & ben,
Griechen und Inder hatten neben diätetiſchen Mitteln |
viele Arzneiſtoffe, bejonders aus dem Pflanjenreid,
im Gebraud), deren heilſame Wirkung durd Er:
fabrung fejtgeitellt worden war. Cine große Bereiche—
rung des Arzneiſchatzes trat Durd) die alerandrinijde
Schule ein (300 v. Chr.), aber erſt durch den römi
fen Arzt Claudius Salenus Ende des 2. Jahrh.
n. Chr. erhielt die Lehre von den Arzneimitteln ein
mehr wiffenfdhaftlides Gepräge, indem er die Wir-
fung der A., 3. T. durch Erperimente an Gefunden,
fejtgujteflen und bejtimmte rationelle Indikationen
fiir die Uniwendung der A. ju geben verſuchte. Wäh—
rend des Wittelalters fam man iiber Galen nicht hin—
aus, erſt im 16. Jahrh. dDrang Paracelfus darauf,
daß die in der prattifden Medizin herrſchende ſchola—
ſtiſche Michtung verlaffen werde, und daß man fid)
wieder der Natur zuwenden folle. Baracelfus fiihrte |
die Metallfalse in den Arzneiſchatz cin, deren Be
war. Yn den folgenden drei Jabrhunderten gab man
der Lehre von den Arzneimitteln je nad) der herrſchen—
den Richtung in der Medizin bald mehr eine meda-
niſche, bald mehr eine chemiſche, oft auch cine Dyna: | Gaben das Organ beeinflujjen.
seg sr sol von den Alchimiſten gefunden worden |
Arzneiformen — Arzneimittel.
a⸗miſtiſche oder geradezu myſtiſche Grundlage. Im 19.
Jahrh. wechſelte mit den ältern Schulen die Honwo-
pathie Hahnemanns und die »verſtandesgerechte Er
fabrungsheillehre« Hademaders,und ſchließlich wurde
ein günzlicher Nihilismus, die vollftandigite Gering
ſchäßung fajt aller A. tultiviert. Jn den letzten fünf
Jahrzehnten etwa ging man daran, obne alle Bor-
ausfegungen und Borurteile die A. nach ibren chemi
iden und phyfifaliiden Beziehungen gu ftudieren und
ihre Wirtungen fowohl auf den — als den
franfen Organismus zu prüfen. Bei der Fülle alter
überlieferter Mittel, die dieſe Feuerprobe der de-
miſchen, experimentellen und therapeutiſchen For:
ſchung zu beſtehen hatten, bei der Unſicherheit unfrer
Kennlniſſe über die feinern chemiſch-phyſiologiſchen
Vorgänge des Stoffwechſels an Geſunden und Rran-
fen, bei Der Schwierigfeit, die Einwirkung der Arz—
neien auf das Nervenfyftem gu deuten, fonnte dieler
Wiffensaweig nod nidt gu groken abgeſchloſſenen
und fejtitehenden Lehren gelangen. Wenn ſich im
Magen durd abnorme Prozeſſe cine große Menge
Sure gebildet hat und man Magnejia oder Doppelt-
foblenfaures Natron einfiihrt, fo ijt die Bejeitiqung
der Saure leichtverſtändlich, da fid) diefelbe mit der
Magnefia oder dem Natron ju einem neutralen Sal;
verbindet. Es gibt aber nur fehr wenige Fälle dicier
Art, und fiir die Mehrzahl der A. —* uns die
Einſicht in die chemiſchen Prozeſſe, die ſich zwiſchen
denſelben und gewiſſen Beſtandteilen der Gewebe
abſpielen, und auf welche die Wirlung der W in
lester Reihe zurückzuführen ijt. Ebenfo fennen wir
aud) nur von wenigen Urgneimitteln die Schicfate,
Die fie im Körper erleiden. Viele A. unterlieqen der
Cinwirtung der Verdauungsſäfte und der die Gewebe
durchtränkenden Flüſſigleilen. Hieraus ertlärt fid
3. T. die Tatſache, daß manche A. bei direfter Ein⸗
— ins Blut ſehr energiſch wirfen, vom Magen
aus aber gar nidt oder nur ſchwach wirffam eridei-
nen. Bedeutungsvoll filr die phyfiologiide Wirkung
ijt häufig die demiidhe RKonftitution der A., daher
fann oft cine geringfügige Underung derfelben (etwa
durd Einfügung an fic) indifferenter Moletiilqrappen
in die urfpriinglide Verbindimg) die Wirkungsweiſe
cines Urgneimittels völlig verindern. Hierauf gritmdet
ſich Die in neueſter Beit jebr lebhaft betriebene Syn-
theje von Subjtanjen, die als A. benutzt werden follen,
und unter denen fid) mance wertvolle A. befinden.
Die Unwendung der W. ijt entweder cine Srt-
lide, wie 3. B. die der faulniswidrigen Arzneien umd
der Ubmittel, oder die Wirtung ijt eme all gemeine,
d. h. fie wird durch die Aufnahme der UW. ins Blut
bervorgebradt. Um die legtere zu erzielen, werden
die Mittel dem Blut entweder unmittelbar beigebradt
oder unter die Haut ecingefprigt (jubfutane oder
hHypodermatifde Anjeltion) oder auf der Haut
verrieben (Qnunftion), oder fie werden durch den
Magen und Darm aufgenommen in Form von Wir-
turen, Bulvern, Billen, Paſtillen, Tropfen, Latwer-
en, Aufgüſſen, Abkochungen r., oder endlich) werden
fe durd) Die Lungen eingefiibrt in Form von Dämpfen
und Zerſtäubungen (Ynhalation). Qn allen Fäl—
len kommt alſo der wirffame Beftandteil entweder
einfach gelijt oder bereits durch die Verdauungsſäfte
und das Blut chemiſch verändert in Berührung mit
allen Geweben des Körpers, und der Arzt muß wiſ⸗
fen, auf welche Organe dad einzelne U. vornehmlich
eine Rae ausiibt (fpezififde Wirkung), und
in welcher Weise Heine und in weld andrer Art große
Die meiſten A.
{Zum Artikel Arzncipflansen.}
Zur Tafel ,Arzneipflanzen I.“
Fig. 1. Smilax ornata Lem., cine car Familie der
Liliazeen gehrende Schlingpflanze anus der Gattang |
Smilax Tourn., von der mehrere meist noch nicht
sicher festgeatellte Arten, die durch etwa 30 Breiten-
grade fiber das nérdliche Sidamerika (wie es scheint,
mit Ausnahme der Westkiste) verbreitet sind, anch
in Zentralamerika und in den sidlichen Kiistenlin- |
dern Mexikos wachsen, die arzneilich benutzte Sar-
saparillewurzel (von Zarza oder Salsa, stachelige
Schlingpflanze, and Parilla, dem Diminutivam von
Parra, Rebe}. Diese Pflanzen finden sich im dichtesten
Walde tropischer Flabufer u. Simpfe, wo ihre stache-
ligen, verworrenen Stengel an den Baumen empor-
klettern, In den Handel gelangen nor die Wurzeln
oline Stengel und Blatter, und ex ist daher sechwer zu
sagen, von welchen Arten die anatomisch recht gut an-
terascheidbaren Sorten abstammen, 8S. medica Schlecht.
et Cham, gilt als Stammpflanze der ostmexikanischen
oder Veracruzsarsaparille, S. officinalis H. B. K. resp.
S.ornata Lem. als die der Wurzel, welche von Jamaika |
verschifft wird, von S. papyracea Duham, in Guayana
und Brasilien wird die Parasarsaparilie abgeleitet,
wihrend die Abstammung der im deutschen Arznei-
bach vorgeschriebenen Hondurassarsaparille nicht
bekannt ist. Die Warzeln sind bis 2m lang, 7-—-S mm
dick, gelbbraun bis dunkelbraun, langsfaltig und
zeigen auf dem Querschnitt cine michtig entwickelte,
wie das sentrale Mark meist weile, seltener blabrit-
liche Rinde und einen gelblichen, Rinde und Mark von-
einander trennenden, in letzteres bogig einspringenden
Holzring. Sie sind fast geruchlos, schmecken suerst
schleimig, dann kratzend und enthalten auber den
gewShnlichen Bestandteilen, anter denen sehr viel
Starkemehl, drei Saponinsubstanzen, niimlich Ptri-
glin (Smilacin), ein dem Saponin verwandtes kristal-
lisierbares Gilykosid, Sarsasaponin und Smilasaponin.
Die Warzel kam 1536 oder 1545 durch die Spanier
nach Europa und gelangte bald xa grobem Raf als
Mittel gegen konstitutionelle Syphilis and Merkuria-
lismus, Man gibt sie als eins der starksten schweib-
und harntreibenden und alle tbrigen Sekretionen an-
regenden Mittel in Abkochung mit andern Mitteln
als Zittmannsches Dekokt.
Fig. 2. Uragega (Psychotria) Ipecacaanha Bail!.
fechte Brechwureel, Hrecheetilchen), cine krautige
Pilange aus der Familic der Rabiageen mit anterinliseh
kriechender Achse, aufsteigendem, 10—U em hohem
Stengel, lunglich-ovalen Blattern, serechlissenen
Nebenblattern, weifen Bliiten und erbsengrofen
blanen Heeren, in den dichten W aldern und Talsechlach-
ten Westhrasiliens von Bahia bis Rie de Janeiro, Die
eigentimlich knotig gegliederte geiblicherane Wurzel
ist etwa 5S mm dick, mit geringelter, oft bis auf den
Holzkérper cingveschnirter Rinde, riecht dampf,
schmeckt widerlich bitter und enthalt neben einer
Spar ekelhaft rieehenden Atherischen Oles amorphe,
bitter schmeckende Jpehaktwanhamivre CIE},
und drei Alkaloide: farbloses, amorphes Aiactin
CEE GN, O,, das bei 65° ehmilzt, an der Luft gelb
wird und leicht losliche, Kristallicierbare Salze bil-
det, Cephaelin COHN O,, das dem Fimetin ahotich
ist, aber bei Lu’ echeilet, and Paychetrrn, Thos
Emetin wirkt besonders expektorierend, Cephaclin
dagercen brechenerregend, Die meiste Ipekakuanha
liefert die brusilisehe Proving Mato tiresse im Quell-
Meyers Kyov.- Letikon, 6. 4qd., Beilage,
gebiet des Paraguay (Rio-Ipekakuanha), eine andre
Sorte (Karthagena-Ipekakuanha} von unbekannter
Abstammung kommt aus Neugranada in den Handel,
Sie enthilt ebenfalls Psychotrin, ebensoviel Emetin
wie die Riowurzel, aber doppelt soviel Cephaelin, Ipe-
kakuanha wird als Brechmittel und in kleinen Dosen
bei Bronchial- und Darmkatarrh benutzt. Als Brech-
mittel hat sie vor Brechweinstein (mit dem sie meist
zusammen gegeben wird} voraus, dab das Wirgen ge-
ringer ist, das Erbrechen selbst sich nicht so oft wie-
derholt, der nachfolgende Kollapsua viel unbedeuten-
der ist und nor selten Darchfall eintritt. Bei Ruhr
benutzt man eine vom Emetin befreite Wurzel. Die
Ipekakuanha wurde zuerst von einem portagiesischen
Ménch, Michael Tristram, der 1570—100 in Brasilien
lebte, erwihnt, aber erst 1644 durch Piso und Mare-
graf in Europa genauer bekannt. Der Arat Helvetius
in Reims gab sie 1656 als Spezifikam gegen Ruhr and
verkaufte dieses sein Geheimnis fiir 1000 Lonisdor an
Ladwig XIV. Die botanischeA bstammung wurde L500
durch den portugiesischen Arzt Gomez festgeste)|t,
Vel. Jacquemet, Etude des ipécacaanhas (Par. 1848).
Fig. 3. Orchi smilitaris 1. (Knabenkraut), eine etwa
20 em hohe Orchidee mit saftiggriinen Blittern and
roten Bliiten, schmickt bei uns mit mehreren andern
Arten die Wiesen. Sie besitzen cur Blitezeit zwei
Knollen, eine derbe, vollsaftige, die an der Spitze
das Knéspehen zeigt, aus dem sich im niichsten
Jahre der neve Stengel entwickelt, and eine ver-
welkte Knolle, auf deren Kosten sich der blihende
Stengel entwickelt hat. Man sammelt die Knollen
nach der Hlitezeit, briht sie nach dem Reinigen and
Abreiben der lockern braunen Anfenhant und trock-
net sie, Sie bilden den Salep ts. d.). Orchis maculata
L., ©. latifolia Z. u. a, haben handférmig geteilte
Knollen, die im Volksaberglauben als Johannis- oder
(iliickaliindchen (Radix palmae Christi) eine grobe
Rolle spiclen,
Fig. 4. Arnica montana /.. (Bergiwoklverteih, Faltl-,
Engel-, Johannistlumenkraut, Monchs-, Mutterwurt),
eine Komposite, die aaf Wiesen der siid- und mittel-
europiischen Gebirge, in Norddeutechland in der
Ebene, auch auf Labrador wichst, einen schief in der
Erde liegenden Warzeletock, einfachen , 30 — 0 em
hohen, drisig-kurzhaarigen Stengel, sitzende, ober-
seits kurzhaarive, unten kahle Blatter und grobe,
dunkel goldgelbe Blatenkérbchen besitat, Die Wurvel
riecht schwach aromatiseh, sehmeckt scharf sewdrz-
haft, etwas hitterlich: sie enthalt Gerbstalf, Arnicin
und atherisches Ol, Arntéadd, das aus dem Dimethyl-
ither des Thymehvdrochinens mit etwas [sobatter-
saurephlorylather besteht, und wirkt in grobern (in-
ben brechenerregend, Die Bliiten, die eigentimlich
echwach, nicht unangenehm riechen, enthalten neben
Arnicin ein kamillenartig riechendes atherisches Ol,
Die Arnika scheint als Volksmitte] seit langem in
Gebrauch ga sein, gu allgemeiner melizinischer An-
wendang kam sie aber erst im 14. Jahrh.; sie genab
einen auberordentlichen Raf, geriet aber sehr bald
wieder in Vergessenheit. Arnitutinktur, ale Volks-
hetimitte! dlarch Anepreseen der ganzen blahenden
Pilanze und Mischen des Saftes mit Spiritus, in den
Apetheken durch Digerieren von t Teil Bliten mit
10 Teilen Spiritus gewennen, wird als zerteilendes
und ale Wandmittel eeruhat,
Arzneipi
Fracht. $ ar
at 2. Uragoga (Psychotria) Ipecacuanha
(Brechwurzel).
1. Smilax ornata (Sarsaparille).
6. Cinnamomum Camphora. 7. Althaea officinalis (Eibisch), a Karpell der Frucht. 8. Aloe soce
anzen I.
— aS
- —*—
— 3— *
eS
>
S.
1 (Aloeh 9 Rheum officinale (Rhabarber). 10 Toluifera Peretrae (Balsambaum:
netitut im Leiprig.
V370O(¢ IQ L
Zur Tafel ,Arzneipflanzen I’.
Fig. 5. Citrullus Colocynthis Arnolt (Kologuinte,
Pomaquinte, Alhandal), eine ausdauernde Kukur-
bitazee mit dinnem, krautartigem, scharf behaartem
Stengel, zerstrenten, gestielten, fiinfteiligen, steif be-
haarten Blittern, deren Zipfel buehtig fiederspaltig
sind, gelben, griin geiiderten Bliiten und kahler, auben
gelber Frucht, deren diinne, zerbrechliche Rinde ein
weibes, schwammiges, sehr bitteres, leichtes Fleisch
einschlieit, in dem sechs Gruppen eiliinglicher
Samen eingebettet liegen. Die Koloquinte wachst,
vielfach kultiviert und z. T. verwildert, von der Siid-
kiste des Kaspischen Meeres durch ganz Persien
bis zum Persischen Golf, in Mesopotamien, auf Melos,
im Gebiete des Roten Meeres und des Nils, durch die
Sahara bis Marokko und tief nach dem Sudan, in Ost-
indien, auf Ceylon, wird auch auf Cypern und in Spa-
nien angebaut. Die getrockneten, geschilten Friichte
von Apfelgrife (Fractus Colocynthidis) kommen aus
Marokko, Spanien, Syrien, Cypern, komprimiert aus
Persien in den Handel; sie enthalten einen heftig ab-
fiihrend wirkenden, schwer kristallisierbaren Bitter-
stoff, Kolocynthin (in dem schwammigen Fleisch
0,6 Proz.), der durch Siuren in Zucker und harz- |
artiges Kolocynthein gespalten wird. Das Pulver, mit
einem Fiinftel Gummiarabikum zu einer Paste an-
gestohen, liefert die Masse zu den Trochisci Alhandal
(priparierten Koloquinten), Die Wirkung der Kolo-
quinte gleicht derjenigen der Aloe, ist aber ungleich
stiirker. Man benutzt sie als Arzneimittel, namentlich
bei hydropischen Zustinden, auch zur Vertreibung
des Ungeziefers, indem man mit der Abkochung Bett- |
stellen wiischt und Tinche und Tapetenkleister damit
vermischt. Die gertsteten Samen werden von der
armern Bevilkerung der Sahara gegessen. Die Kolo-
quinte war schon den Alten bekannt, bei den Arabern |
unter dem Namen Handal. Was Karl d. Gr. anzu-
bauen gebot, war wohl Momordica Elaterium Rich. ;
auch andre Kukurbitazeen sind als Surrogat der Ko-
loquinte in Anwendung gekommen, so die brasilische |
Luffa purgans Mart, und L. drastica Mart. ; in Siid-
europa Cucurbita aurantiaca Willd.
Fig. 6. Cinnamomam Camphora Nees et Eberm.
(Kampferbaum), ein lindeniihnlicher, 8—10 m hoher |
Baum aus der Familie der Laurazeen, mit brauner, |
runzeliger Rinde, wechselstandigen, gestielten, eiftr-
migen bis oblongen Bliittern, kleinen, weifen Bliiten
und dunkelroten, erbsengrofen Beeren mit pfeffer-
kornihnlichem Samen, in Kotschinchina und den
sidlichen Provinzen Chinas bis nérdlich vom Amur
und durch Japan sehr verbreitet, in gréfiter Menge
im Kiistenland zwischen Schanghai und Amoy und
auf Formosa dichte Walder bildend, auch auf Ceylon
und in einigen Gegenden Ostindiens, auf Madagaskar
und in den siidlichen Staaten Nordamerikas einge-
burgert und hier und da mit Erfolg angebaut, ist die
Stammpflanze des echten Kampfers (s. d.), wonach
auch alle Teile des Baumes, besonders die Wurzel,
riechen und schmecken. Der Kampferbaum gedeiht
in allen tropischen und subtropischen Landern, sogar
in gunz Italien, schon beiGenua und in der Provence,
mub aber bei uns im Kalthaus iiberwintert werden.
Das harte, fein gemaserte, etwas rétliche Holz wird
in China und Japan als feines M6belholz benutzt und
auch fir Insektensammlungen nach Europa gebracht,
da es den Kampfergeruch dauernd bewahrt.
Fig. 7. Althaea officinalis 7. (gemeiner Eibisch,
weihe Pappel), eine zur Familie der Malvazeen gehd-
rende Staude mit starkem Rhivom, 1—1,95 m hohen,
filzig -zottigen Stengeln, eiférmig spitzen, schwach
drei- bis fiinflappigen, weichfilzigen Blattern und gro-
fen, fleischfarbigen Bliten, wichst auf feuchtem, am
liebsten salzigem Boden in Siid-, auch in Mitteleuropa
bis zur Ostsee, im gemiifigten West- und Nordasien,
in Nordamerika und Australien, wird besonders bei
Bamberg, Nirnberg und Schweinfurt, in Frankreich
und Belgien wegen der als Radix Althaeae offizinellen
Wurzel kultiviert. Diese wird im Herbst von der zwei-
jahrigen Pflanze gesammelt und frisch geschalt, ist
weibgelblich, riecht siiflich, schmeckt fade schleimig
und enthilt viel Asparagin, Schleim, Pektinstoffe,
Starke (30 Proz.), Zucker, Salze ete, Sie dient zu
Brusttee, zur Bereitung von Altheesirup (Altheesaft,
wiisseriger Auszug der Wurzel mit Zucker aufge-
kocht), Lederzucker (Pasta gummosa), bei der Ap-
pretur ete. und wurde schon von den alten Griechen
arzneilich benutzt. Auch die geruchlosen, schleimig
schmeckenden Blitter werden arzneilich benutzt.
Fig. 8, Aloe socotrina Lam, (Aloe), cine Liliazee
mit 1—1,75 m hohem, meist einmal gabelistigem
Stamm, blaulichgriinen, unterseits weii gefleckten
Blittern mit weifen Stachelzihnen, reichblitiger
Traube und purpurroten, an der Spitze grinlichen
| Blitten, wiichst im Kiistengebiet Ostafrikas und am
Kap, nicht auf der Insel Sokotora, wo vielmehr Aloe
Perryi Baker vorkommt. Ihre Blitter werden auf
Aloe (s. d. verarbeitet.
Fig. 9. Kheum officinale Baillon (Rhabarber), eine
zur Familie der Polygonazeen gehdrende, bis 2 m
hohe Staude mit 15—20 cm tiber den Boden hervor-
ragendem, mehrképfigem Rhizom, sehr grofen, hell-
griinen, rundlichen, eingeschnittenen Blittern und
dichten, traubigen, zu grofen, terminalen Rispen ver-
einigten Blitenstiinden, wurde 1867 im stdéstlichen
| Tibet entdeckt, wird dort auch kultiviert und findet
sich auferdem wahrscheinlich im westlichen und nord-
westlichen China, Sie wichst auf den Weiden der
Hochebene in den chinesischen Provinzen Petschili,
Schansi, Schensi, Honan, Kansu, die sich bis zar Gobi-
wiiste und der Grenze Tibets erstreckt, in Tsinghai
und in den Gebirgen yon Setschuan und liefert in
ihrer Wurzel den Kantonrhabarber, der jedoch zum
Teil auch von andern Arten stammt. Die Warzel
wird wohl von sechs- bis achtjahrigen Pflanzen ge-
sammelt, alsbald geschilt (mundiert)}, durchbohrt,
auf Faden gereiht, getrocknet,spiiter dann noch auf
| verschiedene Weise zubereitet. Die Sticke des Han-
dels sind von unregelmiibiger Gestalt, etwa 10 em
Jang, auben gelb, mit weiben, kérnig-kristallinischen
Feldern, von gliinzenden, gelben bis dunkel brann-
roten Adern durchzogen. Weiteres s. Rheum,
Fig. 10. Toluifera Pereirae Klotzsch ( Balsambaum),
ein bis 17 m hoher Baum aus der Familie der Legu-
minosen, mit 2—3m itberdem Boden sich entwickeln-
den aufstrebenden Asten, unpaarig gefiederten Blat-
tern, mit zahlreichen Olraumen durchsetzten Bliatt-
then, lockern Bliitentrauben und bis 10 em langen,
3 em breiten Hiilsen, in denen ein ansehnlicher
Same zwischen zwei mit dickflissigem, schwach gelb-
lichem Balsam gefiillten Hohlriiumen liegt. Der Baum
wiichst im ganzen nérdlichen Sidamerika bis Mexiko,
wird seit 1868 auch in Singapur kultiviert, aber nur
in dem Kiistenstrich (Costa del Balsamo) der Repu-
blik San Salvador zwischen Acajutla und dem Coma-
lapa wird aus der Rinde des Baumes Perubalsam is. d.
gewonnen. Die Hiilsen liefern den weifen Perubalsam
| (Balaamito), der aber nicht in den Handel kommt.
{Zum Artikel Arsneipfansen.)
Lur Tafel ,Arzneipflanzen I’.
Fig. 1. Piper Cubeba Z. fl. (Aubechenpfeticr), ein
bis 6 m hoher Strauch aus der Familie der Pipera-
zeen, mit kurzgestielten, linglich- bis eif6rmig-ellip-
tischen, zugespitzten Blattern, schlank walzenformi-
gen minnlichen Bliitendhren, dickern weiblichen
Ahren und gestielten, fast kugeligen Beeren, in Sud-
bornes, aufJava und Sumatra heimisch, wird auf den
beiden letztern Inseln und in Westindien (haufig in
Kafleeplantagen) kultiviert a. liefert dieKubebents.d.),
Fig. 2. Tamarindas indica 1, ( Tamerinde), ein bis
25m hoher, immergriiner Baum aus der Familie der
Leguminosen, oft yon & m Stammumfang, mit weit
ausgebreiteter Krone, abwechselnden, paarig gefie-
derten, vieljochigen Bittern, lineal - inglichen
Blattchen, wenigblitigen, endatiindigen Blitentrau-
ben, gelblichen, purpurn geiiderten Bliten und ge-
stielten, bis 15 cm langen, 2,5 em breiten, Linglichen
oder lineal - Minglichen, meist etwas gcekriminten,
mibig gasammengedriickten Hilsen, die in dunner,
zerbrechlicher, gelbbrauner, rauher Schale ein schwar-
ges oder braunes Mus und in diesem rundlich vier-
eckige, glinzend rotbranne Samen enthalten, Die
Tamarinde ist wahrecheinlich im tropischen Afrika,
sidwarts bis zum Sambesi, heimisch, in den Tropen
beider Weltteile weit verbreitet, aber wohl meist nur
angepflanzt. Die Frocht ist fur die trocknen, vegeta-
tionsarmen Hinnenlinder Afrikas von héichster Be-
deutung; man geniefit sie als Obst, macht sie auch ein
und bereitet darnus erfrischende, gesunde Nahrung,
kiihlende Getrinke und durch Zusammenkneten der
entrindeten, von Gefifstriingen und Samen befreiten
Friichte, besonders in Gudscharat, im Dek han, auch in
Konkan, das Jumartndenmus, das besonders aus Kal-
kutta in den Hande] kommt. Tamuarindenmus ist
dunkelbraun, riecht siuerlich weinartig, schmeckt
sublichsauger und enthalt Zucker, Weinsaure, Pektin-
saure, (summi ete, Es dient als leicht abfubrendes
Mittel and zu Tabaksaneen. Westindien und Fenailor
hefern hellbraunes, schicimiges, weniger siuerliches
Mus, dasin England bevorzuvt wird, Das feste, harte,
yelbliche Helz des Raumes wird von Wurmern nicht
angegrifies und daher vielfach benutet, Pie alien
Agvpter, Grieehen und Koémer erwahnen die Taima-
rinde nicht, im alten Indien diente die Froacht 2am
Wethsieden dee Silber, Die miltelalterlichen Schrift-
steller der Araber ond Perser erwahnen die Tama-
rinden al» incdisehe Datteln (tamr hindi:
FP Cinehona Ledgeriana Youens.)CAcnariaden-
fetum,, ein Taom aus der Familie der Raloageen,
wird aoeh als Form von (.Caliava Weide. betrachtet,
Letetere bildet einen hohen, dickstammicen Baum
mit auegebreiteter, reichbelaubter Krone, verkedhrt-
eiformig-langliehen, &--1% 0m langen Plattern, mit
baewelen rotlichen Matietielen and rotlohen Mittel-
rippen, evformigen oder faet doldentrauligen Hhiten-
riepen iu. feisehroten, weiehhaangen, wohl riechenden
Hliuten.
Enoquisivi, Yoougas, Lareeaja, Canupelicean and in des
Sie wachst in den boliviantiehen Provinzen
peruaniachen Proving Carnbava gviechen tl and
tis) mm Seehohe, €. Laigerians stammt ane Sanien,
dhe am Tio Mamere in Bolivia gesatumelt warden
und durch Leiger nach Javea karen.
elliptische, unterseits pote, fast ledlerartige, kable
Blatter, kleine, gethliche, nicketle Hluten und fast
kreasfirmige Kayenta. Jhre Kinele ist che bed weiter
Sthalnidteichete Chinarigde, ae enthalt bie 11,4 Prog,
Vel.
Megers Kone
Sie hat «hmal-
(hii. CC enchoned,
lastivs, & dud , Heal ase
Fig. 4. Exegenium Parga Benth, (Jalapenwinde),
eine Staude aus der Familie der Kukurbitazeen, mit
windendem Stengel, herzfirmigen, zugespitzten, ganz-
randigen Blittern und grofen, stieltellerfirmigen,
purpurroten Bliiten zu 1—-3 auf achselstindigen
Sticlen, wichst am Setlichen Abhang der mexikani-
when Anden in einer Hohe von 1800 m und wird
in tropiachen Gegenden, 2. B. aach in Jomaika, kul-
tiviert. Die ausdauernde Knolle, die knollig ver-
dickte Ausliufer treibt, wird in cinem Netz tber
Feuer getrocknet and nach Jalapa gebracht, von wo
sie üher Veracruz in den Ilandel kommt. Sie bildet
die Julape (dulaperacurzel, Purqierwurzel, schwar-
zer Rhabarber, Tubera Jalapae; des Handels, ist ge
trocknet birniérmig, von weniger als 1 em Durch-
messer bis liber fnustgeroG, sehwer, fest und hart,
dunkelbraun, auf dem Bruch gleichmabig hornartig
oder im Innern mehlig. Sie rieeht schwach nach
Rauch, sehmeckt erst fade, dann ekelhaft, kratzend,
enthalt Starkemehl (bis 16 Proz.i, unkristallisier-
baren Zucker (his 19 Proz.i, Gummi, Farbsteff und
Harz (10--17 Prov. Letzteres besteht im wesent-
lichen aus Avarofrulin C)H,O,,. Dies ist farb-,
geruch- und geschmacklos, amorph, wenig lslich in
Wasser, nicht in Ather, s«chmilat bei 150’, lost sich
in Alkalien, zerfillt beim BKehandeln mit Salzsiure
in Zucker, Methvlithylessigaiure and Oxypentade-
evisiure, Das Konvolvulin ist der wirksame Bestand-
tei) der Jalape. Letztere wirkt stark purgierend, lin-
gerer Gebrauch beeintrichtigt nicht ihre Wirksam-
keit, und es bleibt keine Neigung zur Verstopfung
vuruck; sie reizt aber stark und erzeugt in eréhern
Dosen Entzindung. Jalape oder andre dbnliche,
gleich wirkende Wurzeln verwandter Pflanzen wur-
den gegen Ende des 16. Jahrh, den Spaniern be-
kannt; die Wurzel von Exogoniam Purga war bald
nach 1600 in Frankreich und Deutschland verbreitet
und 1604 ihr Hare i Kesina Jalupaec, durch Ausziehen
der Wurze!l mit Spiritus gewonnen: allgemein im (ie
brauch. Tie Mutterpfangze lernte man aber erst [> 24
durch Cox in Philadelphia kennen,
Fig. 5. Copaifera Langsdorffii ©. Ktre. (Kopaira-
ban), cin Haum aus der Familie der Leguminosen,
mit paarig gefivlerten, helerigen, Sldrusenreichen
Blattern, kleinen Bluten in endstandigen, rispig xa-
~wiminengesetzten Nlutenstanden und geetielten, leder-
artigen, zweiklappigen Hlulsen, wachst in Brasilien
und jiefert mit anders Arten den Kopuivabnlsam
¥ vl. Cigna ruil,
Fig. 6. Cassia sentifolia Jorelife ¢Senneshldtter-
struuchiein cit bem beher Stmach aus der Familie
der Leguininesen, tit etwas lelerortiven, ovalen, ang ·
lichen oder lanylich-Jangettfrmigen, kurr stachel-
spitvigen, mehr ler weniger cart behaarten Blatt-
chen, tchselstandicen Blutentrauben, gelhen Riiten
and pergamentartigen, faehen bHluleen mit zusamimen-
gedruckten samen, wachet im mittlern Nilgehiet von
Aesnan durch Dongols bie Kordofan, liefert im we
a nuichen die alexandrinischen Senneshlatter «a. d.i
hig. 7. Valeriana officinalis J.) fiildrian, Theriak-
eine Stnode aue der Pamulie der
Valenanaveen, out kurvem, aufrechtem, bie f cm
‘lekem, oft Auslaufer trebendem Rhisom ond rahl-
reichen duonen, stielrutlen Nebenworsein, 0
(tem hohem, oben verusteliom Stenzel, anpaarig
fiedertesligen BLattern, doldenraprgen Hlutenstanden
und tlessehroten, wohlnechenden Hiuten, variiert
wurst, Aciltemwurt
1. Piper Cubeba (Kubeben-
plefier).
* Copaifera Langsdorffii
(Kopaivabaum).
Durchechnittene
Prueht.
—— — — —
a ' } Nes y
ee : 4 ia’
os 2 v —
7. Valeriana officinalis (Baldrian). 8. Strychnos nux vomica (Kriihenaugenbaum), 9. Ricinus con
" Bibliographis<
iby Google
4
anzen Il.
3. Cinchona Ledgeriana\
(Chinarindenbaum)
Kite,
LAngsschaitt
6. Cassia acutifolia
(Sennesblatterstrauch)
_ Rome
—* = a ”
dete » a fi ’ .
— ire PES: . we "7. Oy se
—p ta * — — — — —
4s (Wunderbaum). 1. Crocus sativus (Safran), a eine der 3 Narben. 11, Olycyrrhiza glabra (Sdssholz).
—
autut im Leipzig.
Zur Tafel ,Arzneipflanzen IT’.
—
stark, wiichst in ganz Mittel- und Nordeuropa, Nord-
asien, Japan und liefert die Baldrianwurzel, eins der
wichtigsten Arzneimittel, mit brauner Aubenrinde,
nach dem Trocknen eigentimlich kampferartigem
unangenehmen (von den Katzen sehr geliebten) Ge-
ruch und siiflich-bitterlich gewirzhaftem Geschmack, |
Die trockne Waurzel enthilt '/s—2 Proz. itherisches
Baldrianél. Sie war als Nardus gallicus schon den
Alten bekannt und seitdem stets viel im Gebrauch.
Der Name dirfte mit valere, gesund sein, zusamimen-
hiingen. Im deutschen Mittelalter hiefi die Pflanze
Denemarcha, noch friher Tenemarg, wie noch heute
in einem Teil der Schweiz. Man bereitet aus der
Raldrianwurzel ein Atherisches Ol (s. Baldriandl),
eine alkoholische und eine atherische Tinktur (#atl-
driantinktur) und ein Extrakt und benutzt sie als
krampfstillendes und nervenstiirkendes Mittel beson-
ders bei hysterischen Zustiinden.
Fig. S. Strychnos nux vomica L. (Kridhenaugen-
baum, Brechnufbaum), ein Baum aus der Familie
der Loganiazeen, mit karzem, dickem Stamm, breit- |
eiférmigen, kahlen Blittern, endstiindigen Trugdol-
den und grober, kugeliger, orangefarbener Beere, in
deren weiber, gallertartiger Pulpa 1—38 Saimen lie- |
gen, wiichst in ganz Indien, auch auf der Malabar-
kiiste, in Siam und Kotschinchina und liefert in den
Samen die argneilich benutzten Ardhenaugen ( Brech-
niisse, Semen Strychni, Nux vomica), Diese sind
flach kreisrund, bis 3 cm breit und 0,5 em dick,
graugelb, anliegend behaart und dadurch glinzend,
mit warzenférmig erhéhtem Mittelpunkt, schwer zu
pulvern und zu schneiden, schmecken sehr stark and |
anhaltend bitter und wirken héchst giftig. Sie ent-
halten etwa 1,5 Proz. Strychnin und etwas mehr Bru-
cin, gebunden an organische Siuren, und werden |
hanptsichlich als Stomachikum bei Dyspepsie, Diar-—
rhée und Obstipation, auch gegen Liihmungen be-
nutzt. In den Argzneischatz wurden sie vielleicht
durch die Araber eingefiihrt und in Deutschland
durch Valerius Cordus, Banhin und Gebner im 16.
Jahrh. nither bekannt. Die sehwiirzlich aschgraue
Rinde des Baumes kam zu Anfang des 1%. Jahrh.,
der Angosturarinde beigemischt, in den Handel (falsche
Angosturarinde), ist jetzt aber wieder verschwunden.
Fig, 9, Ricinus communis J. (Wunderbaum), ein
einjibriges hohes Kraut aus der Familie der Eu-
phorbiazeen, das sich in den wirmern Gegenden
strauchartig entwickelt, kahl, oft blau bereift, mit
wechselstiindigen, sehr grofen, handformigen, sieben- ,
his viellappigen Blittern und gesiigten Abschnitten, |
Die anseliniichen Bliten bilden einen fast rispigen,
endstiindigen Bliitenstand, in dem die obern Blä-
ten minnlich, die untern weiblich sind. Die glat-
ten oder stacheligen Kapseln enthalten drei grofe,
eifirmige, marmorierte Samen. Der Ricinus stammt |
wohl aus Afrika, ist aber jedenfalls sehr früh als Kul-
turpflanze weit verbreitet worden und ist so akkom-
modationsfahig, da& cr noch bei Christiania seine |
Samen reift. Er wird bei uns als Zierpflanze in meh-
reren Varietiten kultiviert (17 verschiedene Typen,
Unterarten| and bildet eine der schénsten Blattptlan-
zen fiir den Rasen. Die Bliitter des Ricinus dienen
der bengalischen Seidenraupe (Bombyx Cynthia) als
Futter und werden auf den Antillen und am Senegal
gegen Migriine und zur Beforderang der Milehabson-
derung benutzt. In Italien wird die Pflanze beson-
ders hochgeschiitzt (Palma Christi, rfmische oder
tndische Bohne, Tfilenfeige, Sonnenkorn, Schaflaus,
Olkagice, Pomadenbohne), und man kultiviert sie zu
Florenz in Glashiiusern, um auch im Winter Blitter
davon mm haben, Die Samen (Purgier-, BrechkGrner}
schmecken herb und beifend scharf, sind giftig und
enthalten Ricin und gegen 40 Proz. fettes Ol (s. Ri-
zinusdl), das in Indien, Italien, Frankreich, Nord-
amerika durch Pressen gewonnen wird, Man benutzt
‘es als mildes Abfubrmittel. Der Ricinus war schon
dem Herodot bekannt, zu dessen Zeiten das O1 in
Agypten als Brennél und zu Salben benutzt wurde;
der ,Kirbis‘ yor Jonas’ Hutte (Jonas 4, 6), den ein
Wurm stach, dab er verdorrte, scheint ein Ricinus
gewesen zu sein, der in der Tat gegen Verletzungen
sehr empfindlich ist; auch in Griechenland wurde die
Pilanze, wie noch jetzt, unter dem Namen Aisi kul-
tiviert; Theophrast nannte sie Croton, Dioskorides
| wandte die Samen als Abfahrmittel, das Ol au bertich
an, Auch Albertus Magnus kultivierte den Ricinus,
und im 16. Jahrh, erscheint er als Gartenpfianze
unter dem Namen Ricinus oder Kik. Spiiter kam die
Pflanze in Vergessenheit, und erst in der zweiten
Hiilfte des 18, Jahrh, wurde das Ol von Westindien
aus wieder als Abfiihrmittel empfohlen, um bald dar-
auf allgemeine Anerkennung zu finden.
Fig. 10. Crocus sativus L. (echier Safran, Herbst-
safran), ein Knollengewiichs aus der Familie der
lridayeen, mit niedergedrickt kugeligen Knollen,
| sehr schmalen, linienférmigen, am Rand umgerollten,
, dunkelgriinen Blittern und kurzgestielten, lilafarbe-
‘nen Bliiten, deren Narben yon der Lange des Peri-
gons, spiter herabhangend, fast flach, nach oben all-
mihlich und wenig erweitert, fein gekerbt sind. Der
Safran stammt wahrscheinlich aus Kleinasien und
Persien und wird in Asien und Europa seit vorchrist-
| licher Zeit vielfach kultiviert. Keine wilde Form
von ©, sativus ist mit der kultivierten Pflanze
identisch. Diese ist stets steril und kann nur mit
dem Pollen einer wilden Form befruchtet werden.
Auch ist sie sebr konstant, wibrend die natérlichen
Arten stark variieren. Die Pilanze gedeiht in leich-
tem, humusreichem Boden in warmen Gegenden, be-
sonders auf siidlichen sanften Abdachungen, so weit,
wie der Weinstock noch sũbe Frichte bringt. Die
Ernte beginnt im Herbst, wenn die Bliten vollkom-
men entwickelt sind, wobei man aus den gepflickten
| Bliten die drei Narben ohne den gelben Griffel aus-
| list. Sie bilden getrocknet den Safran (s, d.) des
Handels. Auf der Balkanhalbinsel werden die Knol-
len roh und geréstet gogessen.
Fig. 11. Glycyrrhiza glabra Z. (SiiGholz), eine
Staude aus der Familie der Leguminosen, mit zahl-
reichen langen Wurzeln und weithin kriechenden
Ausliiufern, fast 2m hohen, meist einfachen, kleberig-
-driisigen Stengeln, zerstreut stehenden, fiinf- bis
achtjochigen, kurz behaarten, drisig punktierten,
bis 20 em Jangen Blittern, langgestielten Bliten-
ihren mit weib- und Jilafarbenen Bliten und lang-
| Jich - linienférmiger Hiilse, ist in Siideuropa, von
Spanien bis Ungarn und SidruGland, auch im Kau-
kasus, in Kleinasien bis nach Persien und in Nord-
afrika cinheimiseh, wird besonders in Spanien und
Italien im grobken kultiviert, auch in Deutschland
‘Bamberg), Siidfrankreich, Mahren, Ungarn und Eng-
land, und liefert in dem sehr entwickelten Wurzel-
system das SiiSholz (Sifholzwurrel, Lakritzenwurzel,
Radix Glycyrrhizae s. Liguiritiae), Eine Varietiit,
‘Glyeyrrhiza glabra glandulifera, wiichst in Ungarn,
Siidrufiland, Kleinasien und in Mittelasien bis China
und liefert das offizinetle russische Sibholz, Naheres
8, Glycyrrhiza,
[Zum Artikel Arsneipsfanzen,]
baum, Eisenveilchenbaum), ein Baum aus der Fami-
lie der Myrtazeen, wiichst in Australien und Tasma-
nia, erreicht eine HShe von 110 m und einen Stamm-
umfang von 30 m, er besitxt bliulichgriine, lanzett-
formige, in der Jugend breitere gegenstindige, spilter
wechselstindige, bleibende Blitter, kurzgestielte
Bliten, deren xu ciner Mitze verwachsene Blumen-
blitter gemeinsam abfallen, und vielsamige Kapseln.
Wegen seiner Schnellwiichsigkeit und der aromati-
when Ausdiinstungen seiner Blatter hat man ange-
fangen, den Baum in sumpfigen Gegenden angupflan-
zen, um eine Luftverbesserung herbeizufihren. Man
findet ihn jetzt flr diesen Zweck angepflanzt in Süd-
frankreich, Spanien, Portugal, Griechenland, Italien,
Valistina, in dem Hochland Indiens, in Nord- und
Siidamerika, in Sidafrika, auf Cuba, St. Helena, in
Agypten, Korsika, Algerien. Er soll auch in Siid-
england ausdavern und bis Girz gedeihen, Uherall
hat sich bestiitigt, dab er vermige seines auberordent-
lichen Verdunstungavermigens das Klima verbessert
Fig. 1. Eucalyptus globulus Latill.( Blauer Gummi: |
Zur Tafel ,Arzneipflanzen III.
and Sumpfficber beseitigt. Die Blitter sind ungemein -
reich an fitherischem ©) (frisehe Bitter lefern 0,7,
trockne 1,.6— 3 Proz.). Das Holg ist sehr fest und
hart und eignet sich unter anderm vorziiglich zu
Schifanhols, Eisenbahnschw ellen, Wasserbauten etc.
Aus der Rinde wird Papier bereitét, auch werden
Rinde, Blatter und das fitherische O) gegen Fieber
benutzt. Der Baum wurde 1792 von Labillardiére
auf Tasmania entdeckt und 1856 durch Ramel in
Europa eingefiihrt, das O1 ist seit etwa 20 Jahren
regelmibiger Handeleartikel, Vgl. Bentley, On the
characters, properties and oases of Eucalyptus glotn-
los | Lond.1854); Hamm, Der Fieberheilbaam (2.Aati,,
Wien 1578
Fig. 2. Pedophyllam peltatam /. (Fufhlatt, En-
tenfub, wilde Zitrone, Maiapfel, Mandrake), eine
Staude aus der Familie der Berberidareen, mit krie-
chendem Wurzelstock, finf- bis neunlappigen Blat-
tern, groben, weiben, nickenden Bliten und cifirmi-
gen, gelblichen, etwa einer kleinen Zitrone dihnlichen
fleischigen, vielxamigen Frichten, wichst an feuch-
ten, schattigen Stellen in Waldern des atlantischen
Nordamerika. [hr Kraut ist narketieh, giflig, das
siuerliche Fleisch der Fracht aber genichhar, wie
wohl yon ekelhaftetn Geruch. Der Wurtreletock lie-
fert cin harziges, bitteres Fatrakt /dophyllin,
Vegetable calomel, ein Gemenge von Harz mit einem
Colykosid, das als Verlaunung befirderndes und als
Abfibrmittel, daberlich ale hautreizendes Mittel an-
gewendet wird, Man bereitet es aus einem alkohwli-
echen Ausrug der Wureel durch Fallen mit Wasser,
rig. 4. Filecarpus pinnatifelius Lem. (destesret ied },
ein cor Familie der Rutazeen gehtrender Straach mit
iieht retgelbhaarigen Zu cigen, lederigen, kurzgestiel-
ten, cin- bis dreipechigen, unterseite korzhaarigen
Kiattern, lineal-oblongen, stumpfen,am Rand amgeto-
genen Hlattehen and endetandigen, dichten Tranhen
mit kleinen grinen Bluten and einsamigen Kapseln,
liefert, wie auch P. Selloanas Engl. in Sudbrasitien,
Pareguay und Uroguay und P. paucitlorus S¢, 2th!
in Brasilien, die Jaborandr)laitter, die heim Zerreiten
aromatisch riechen, echarf echmecken and Jiloborpia
enthalten, Letzteres wind ale harn- ond ec hweibtrei-
bendes Mittel bei flassigen Exeudaten, Nierenenteun-
dung, cu ablenkenler Wassetergiebung nach anuben,
bei Bronchitis, Prurige, Dnabeter benutet, Andre J abw-
Meyrra Koa... Lerilon, 6. dud , Hesiage.
randisorten liefern verschiedene Piperazeen (Piper
mollicomam Ath. ete.), Skrofulariazeen (Herpestis
gratioloides Ath. etc.) sowle Zanthoxylon elegans
Engl. and Monnieria trifoliata L.
Fig. 4. Hagenia abyssinica Willd, (Kussobaum,
KXussala), ein Baum aus der Familie der Rosazeen,
der in der abessinischen Bergregion heimisch ist, bis
20 m hoch wird, gottig behaarte Zweige, wechsel-
stiindige, unpaarig gefiederte Blitter, achselstindige,
grofe Blitenrispen, weibe Bliten und kurzgesehnii-
belte, eif6rmige Niifechen besitzt. Die weiblichen,
bereits abgeblihten Rispen, bei denen die ausgewach-
senen Kelchblitter dunkel parpurrot geworden sind,
bilden das offizinelle Ausso (Avseso, Flores Koso).
Sie schmecken schleimig, dann kratzend, bitter und
adstringierend, riechen sechwach holunderartig und
enthalten wenig fAtherisches Ol, Kosoin und Koso-
toxin, ein starkes Muskelgift, Kusso ist in Abessinien
seit langer Zeit bei Menschen und Schafen gegen den
Bandwurm im Gebraach; durch den franzdsischen
Arzt Braver kam es nach Paris, and seit 1542 fand
es allgemeine Verwendung als Bandwurmmittel.
Frische Bliten wirken ebenso rasch and sicher wie
Wurmfarn and Granatrinde, machen auch dieselben
Nebenerscheinungen wie diese.
Fig. 5. Marsdenia Condarange Rehb. fl., eine
samtartig behaarte Liane aus der Familie der As-
klepiadazeen, mit gegenstindigen, breiten Blattern
und in der Regel gepaarten korymbdsen Blitenris-
pen, die meist cinachselig sind, kleinen Bliten und
dicken, sugespitryten, glatten Follikeln, wichst in
Eeuador und Columbia und liefert die Condurango-
rinde (Geierrinde). Diese bildet etwa 10 em lange
und 1—7 mm dicke verbogene Rohren oder rinnen-
formige Stiicke, ist auf der Oberflache briiunlich oder
branngrau, langsruncelig und hickerig, auf der Innen-
seite hellgrau, derb, langsstreifig. Sie «chmeckt bitter-
lich, scharf, kratzend und riecht eigentiimlich »chwach
aromatiseh, Man gibt sie bei Magenleiden, am Appe-
tit, Verdauung und Allgemeinbefinden zu heben,
namentlich such bei Verdacht auf Krebs des Magens
und der Speiserfhre. Die Rinde enthalt ein Glyko-
sid, Condurangin, ein gelbliches Pulver, das sich
durch Lixungamitte! in zwei Korper zerlegen last.
Die LAung des wasserlislichen Kérpers trabt sich
beim Erwarmen, und eine 2 prox. LAsang erstarrt
gallertartig weit unter dem Siedepunkt, 1571 kam
eine Condurangorinde nach Europa, die von det Askle-
pindazee Gonolohus Condarange Triana abgeleitet
wurde, Vel. Jukna, Cher Condurangin | Dorpat 18%).
Fiy. 6. Physostigma venenosem Maly, ( Aulubar-
bohne), eine mebrjahrige Kletterpfianze aus der Fa-
milie der Legumineen, mit helzigem Stamm von
fem Dicke, der mehr als 15 m emporsteigt, eete-
derten Hiattern mit drei groben Blattehen, achselstan-
digen, hangenden Blitentranben, groben purpurreten
Bluten und etwa 14 em langen, breit-lnealischen,
etwas zusammengedrickten Iluleen, die 1 oder 3
nierenformige, schokoladenbraane Samen mit einer
tiefen, von ethabenen Handern umgebenen Hinne
enthalten. Ite I'flange wachet in Westafrika vor
Kap I’'simas his Kamerun und ist auch in Indien
and Hrasilien vingefubrt worden, De Kingehornen
henuteen die fast geruch- and geechmarkloern, aber
hiehst gifticen Kohnen vu einer Art Cottesurteil,
d. ho man gilt sie den der Hexerei Reechuldigten sum
Verchlucken, und Frbrechen oder Nichterbreehen
Bitite,
Fracht._ Langeschnitt.
1. ——— globulus
(Blauer Gummibaum).
ao Junger, nicht blihbender
Zweig.
Stempel,
Lingeachnitt,
Fruchtknoten,
—J—
Same,
Stempel.
lanzen T.
geſundheitspolizeilichen An
—* Kreidargt ſteht das Recht
dlicher als in den übrigen
Aj die Borfdriften, die von
rin die Brivatirren:
¢, die als Bertrauens
» mgdgefellidajten fungic:
—» ber ausjuftellen, ob der
\ vinlichfett bat, die nor
yer. In Der deutſchen
. Sung werden ſeit 1. Jan.
Echiedsgerichten fiir
wiwiblt. Ws Sad
Gericht ift der A. be
yern, fobald er fürch
seimmnis ju verlepen,
=
‘iefe Verlegung ein⸗
: ich § 52 der Straf
7 ungeieplich, fo
Verſchwiegenheit
nicht beamteten
tide Tätig—
tragen werden.
om toll aud der
wurd Die prew
‘™ 18538 und
eſchrie⸗
Atteſt nam
der Beran
Awedes, zu
BS pPimnstifecs sere
al
\ PA
y
» mg, dah
rm
J nicht
apt
——
a
Arztelkammern — Arztliche Vereine,
gemifen Ermeſſen
2 Ah yu |
839
| Arztekammern, durd) Verordnung vom 25. Mai
1887 etngefithrte Standesvertretumgen der Ärzte in
vreußen Bayern, Baden, Sachſen, Württemberg,
Hejfen, Oldenburg, Hamburg, Vraunidweig, Elſaß
Lotbringen und den thiiringtiden Staaten zur Er
drterung aller Fragen und Angelegenheiten, die den
ärztlichen Beruf oder die dffentlide Geſundheitspflege
betreffen. Sede Proving wabhlt cine Arztelammer aus
mindeftens zwölf Mitglieder. Die Witglieder wer
den auf 3 Jahre gewahlt und gwar auf 50 Wahl
beredtigte cin Mitglied. Wahlberedtigt und wabhlbar
ijt jeder approbierte Arzt, der im Wahlbezirk wohnt.
| Ders Vorſtand beſteht aus mindeſtens fünf Migliedern.
Die A. haben Vorſiellungen und Anträg⸗ an die
Staaltsbehörden zu richten und wablen Vertreter, die
an wichtigen Sitzungen der Brovinzialmedizinal
lollegien und der Wiſſenſchaftlichen Deputation fiir
| Das Medisinalweien tetlnebnien. Nady Verordnung
vom 6. Jan. 1896 bilden Delequerte der VL. (je emer)
fiir Die Dauer der Wahlperiode der Kammier einen
Arzteklammerausſchuß mit dem Sp in Berlin
und der Aufgabe, vermittelnd zu wirken zwiſchen dem
Miniſter und den Sammern und zwiſchen letztern unter
einander. Der Vorſitzende des Ausſchuſſes beruft ihn
in Der Regel jährlich einmal. Nach Geſeg vom 25. Nov.
1899 ijt Die Arztelammer befugt, von den wahlberech
tigten Yrgten des Kammerbezirls einen von thr feſt
zuſetzenden Beitrag sur Deckung des Rafjenbedarfs yu
erheben. Rach demfelber Geſetz wird im Breuhen fir
den Bezirk jeder Arztelammer em ärztliches Ehren
eridt und fiir den ganzen Staat cin Ehrengerichts
bot gebildet. Criteres hat yu erkennen fiber Die Ber
letzung der arztlichen Standespflichten durch De ap
probierten Arzie. Auf Antrag eines Yirqtes muß cine
ehrengeridtlice Entſcheidung fiber ſein Verhalten
herbeigefuhrt werden. Bolitticdde, wiſſenſchaftliche und
| religidje Wnfidten oder Handlungen bilden nicht
den Gegenftand chrengeridtlidien Berfabrens. Als
Ebrenrat bat das Ebrengericht bie Beilegung von
Streitigheiten su vermitteln. Beamtete Arzte, Wiki
tir- und Marineärzte unterſtehen nicht dem Chren
| gericht. Gegen die Entſcheidungen des Chrengeridts
Berufung an den Ebrengeridtebor sulaitig
Dicier beſteht aus dem Leiter der Mediginalabteilung
des Minijteriums, vier gewablten Mugliedern des
rptefammeraudsiduffes und zwei pom Konig et
—— Arzten. Bgl. Altmann, Arztliche Ehren
ichte und ärztliche Standesorganiſation im Preu
(Berl. 1900).
Arztetag, ſArztliche Bereine
Arniqhe Ehrengerichte, Arztelammern
Mrgtlides —— —— Dic Abſicht,
a Dem praftisterenden Arzien Die Fortſchrille Der Wen
¢.
»
veya ( Melonenbess::
* lentitut im Letpese
-
aa
leithter zuganglich zu maden, bat pir Einrichtung
HOR alljabriid ftattfindenden Kurien an den Univer
titen und an grofen gemeindlichen Sranfenanjtal
&%. B. Hamburg, Dresden) geführt. in denen na
i auch die Erningenidatten der Spewalfader
figung finden. In Preußen beſteht ein
titer für Dads ärztliche Foribldungeweſen.
ng, bes. Einrichtung und Abhaltung
Milither Murie fiir Uryte durch Holpitallerter,
inyie x. ſich gur Aufgabe madt. Bal. tut
B Arptliche Fortbildungsweien in Breufen
Ww
Wereine dienen namentlid wiſſen⸗
M Oder wirtidaftlidben und Standesinterei-
4 age ded frei organſierten Arytlichen
dl bildet Der 1875 in Leipsig gegrundete
ita
tn
> en
\ xt ¢ gle
1. Piper Cubeba (Kubeben-
piefier).
5 Copsitera Langsdorffii
(Kopaivabaum).
4
a. Durchechnittene
— — Fracht.
Digitized by Google
lanzen Il.
i Cinchons Ledgeriznz}
(Chinarindenbeum)
‘ 4 wtifeo!
APA Cassia acutil
yh Sennesblitierstrauch)
_ Sy Tas
pe
J
—— — ee
> - -
—⸗ a —— —
& underbaum: i Crocus sativus ySatran), @ cine der J — 11 Gisavertuzea glatea (Sdssholz},
‘atm Lespry »
| zed by Goog
Zur Tafel Arzneiptlanzen It’.
~
stark, wiichst in ganz Mittel- und — Nord- ,
asien, Japan und Jiefert die Baldrianwurzel, eins der
wichtigsten Arzneimittel, mit brauner Aufenrinde,
nach dem Trocknen ecigentiimlich kampferartigem
unangenechmen (von den Katzen sehr geliebten) Ge-
ruch und siiblich-bitterlich gewiirzhaftem Geschmack.
Die trockne Wurzel enthiilt '/2—2 Proz. iitherisches
Baldriand), Sie war als Nardus gallicus schon den
Alten bekannt und seitdem stets viel im Gebrauch.
Der Name dirfte mit valere, gesund sein, zusamimen-
hiingen. Im dentschen Mittelalter hieb die Pflanze
Denemarcha, noch früher Tenemarg, wie noch heute
in einem Teil der Schweiz. Man bereitet aus der
Baldrianwurzel ein iitherisches Ol (s. Baldriandl),
eine alkoholische und eine fitherische Tinktur (Jal-
driantinktur) und ein Extrakt und benutzt sie als.
krampfstillendes und nervenstirkendes Mitte] beson- |
ders bei hysterischen Zustiinden.
Fig. 8. Strychnos nux vomica L. (Arithenaugen-
baum, Brechnufbaum), cin Baum aus der Familie !
der Loganiazeen, mit karzem, dickem Stamm, breit-
eiférmigen, kahlen Blittern, endstéindigen Tragdol- |
den und grober, kugeliger, orangefarbener Beere, in
deren weiber, gallertartiger Pulpa 1—8 Samen lie-
gen, wiichst in ganz Indien, auch auf der Malabar-
kiiste, in Siam und Kotschinchina und liefert in den
Samen die arzneilich benutzten Ariihenaugen | Brech-
niisse, Semen Strychni, Nux yomica). Diese sind
flach kreisrund, bis 3 cm breit und 0,5 em dick,
graugelb, anliegend behaart und dadurch gliinzend,
mit warzenformig erhéhtem Mittelpankt, schwer zu
pulvern und zu schneiden, sehmecken sehr stark und |
anhaltend bitter und wirken héchst giflig. Sie ent-
halten ctwa 1,5 Proz. Strychnin und etwas mehr Bru-
cin, gebunden an organische Siuren, und werden
hauptsiichlich als Stomachikum bei Dyspepsie, Diar-
rhie und Obstipation, auch gegen Liihmungen be-
natzt. In den Arzneischatz wurden sie vielleicht
durch die Araber eingefiihrt und in Deutschland
dureh Valerius Cordus, Bauhin und Gebner im 16.
Jahrh. niher bekannt. Die schwiirzlich asehgraue |
Rinde des Baumes kam zu Anfang des 19. Jahrh.,
der Angosturarinde beigemischt, in den Handel (faleche
Angosturarinde), ist jetzt aber wieder verschwunden.
Fig. 9. Ricinus communis 1. (Wunderbaum), ein
einjihriges hohes Kraut aus der Familie der Eu- |
phorbiazeen, das sich in den wiirmern Gegenden !
strauchartig entwickelt, kahl, oft blau bereift, mit
wechselstindigen, sehr groben, handfirmigen, sieben-
bis viellappigen Blattern und gesigten Abschnitten, |
Die ansehnlichen Bliiten bilden einen fast rispigen, |
1
!
!
endstindigen Blitenstand, in dem die obern Blu-
ten miinnlich, die untern weiblich sind. Die glat-
ten oder stacheligen Kapseln enthalten drei grobe,
eiformige, marmorierte Samen. Der Ricinus stammt !
wohl aus Afrika, ist aber jedenfalls sehr früh als Kul-
turpHanze weit verbreitet worden und ist so akkom- |
modationsfihig, dal er noch bei Christiania seine
Samen reift. Er wird bei ans als Zierpflanze in meh-
reren Varictiiten kultiviert (17 versehiedene Typen,
Unterarten) und bildet cine der schénsten Blattpflan- |
zen fiir den Rasen, Die Bhitter des Ricinus dienen
der bengalischen Seidenraupe (Bombyx Cynthia) als
Futter und werden auf den Antillen und am Senegal
gegen Migriine und zur Beftrderung der Milchabson- |
derung benntzt. In Italien wird die Pflanze beson-
ders hochgeschitzt (Palma Christi, rémische oder
indische Bohne, Tfillenfeige, Sonnenkor n, Schaflaus,
Olkafice, Pomadenbohne), und man kultiviert sie zu !
-schmecken herb und beiBend scharf, sind
Florenz in Glashiusern, um auch im Winter Blitter
dayon gu haben, Die Samen (Purgier-, Brechkdrner)
giftig und
enthalten Ricin und gegen 40 Proz. fettes Ol (s. Réi-
zinusél), das in Indien, Italien, Frankreich, Nord-
amerika durch Pressen gewonnen wird. Man benutzt
es als mildes Abfiihrmittel, Der Ricinus war schon
dem Herodot bekannt, zu dessen Zeiten das O1 in
Agypten als Brennél und zu Salben benutzt warde;
der ,Kurbis‘ vor Jonas’ Hiitte (Jonas 4, 6), den ein
Wurm stach, dal er verdorrte, scheint cin Ricinus
gewesen zu sein, der in der Tat gegen Verletzungen
sehr empfindlich ist; auch in Griechenland wurde die
Pflanze, wie noch jetzt, unter dem Namen Avdi kul-
tiviert; Theophrast nannte sie Croton, Dioskorides
wandte die Samen als Abfihrmittel, das Ol auBerlich
an. Auch Albertus Magnus kultivierte den Ricinus,
und im 16. Jahrh. erscheint er als Gartenpflanze
unter dem Namen Ricinus oder Kik, Spiiter kam die
Pflanze in Vergessenheit, und erst in der zweiten
Hiilfte des 18. Jahrh. wurde das Ol von Westindien
aus wieder als Abfuhrmittel empfohlen, um bald dar-
auf allgemeine Anerkennung zu finden.
Fig. 10. Crocus sativus 1. (echter Safran, Herbet-
safran), ein Knollengewiichs aus der Familie der
' Iridaveen, mit niedergedriickt kugeligen Knollen,
sehr schmalen, linienférmigen, am Rand umgerollten,
dunkelgriinen Blittern und kurzgestielten, lilafarbe-
nen Bliiten, deren Narben von der Linge des Peri-
gons, spiter herabhangend, fast flach, nach oben all-
mihlich und wenig erweitert, fein gekerbt sind. Der
Safran stammt wahrscheinlich aus Kleinasien und
Persien und wird in Asien und Europa seit vorchrist-
licher Zeit vielfach kultiviert. Keine wilde Form
von C, sativus ist mit der kultivierten Pftlanze
identisch. Diese ist stets steri] und kann nur mit
dem Pollen einer wilden Form befruchtet werden.
Auch ist sie sehr konstant, wihrend die natiirlichen
Arten stark variieren. Die Pflanze gedeiht in leich-
| tem, humusreichem Boden in warmen Gegenden, be-
sonders auf sudlichen sanften Abdachungen, so weit,
wie der Weinstock noch siibe Friichte bringt. Die
Ernte beginnt im Herbst, wenn die Bliiten vollkom-
men entwickelt sind, wobei man aus den gepflackten
Bliten die drei Narben ohne den gelben Griffel aus-
list. Sie bilden getrocknet den Safran (s. d.) des
Hiandels. Auf der Balkanhalbinsel werden die Knol-
len roh und gerdstet gegessen.
Fig. 11. Glycyrrhiza glabra ZL. (Siifholz), eine
Staude aus der Familie der Leguminosen, mit zahl-
reichen langen Wurzeln und weithin kriechenden
Ausldufern, fast 2m hohen, meist einfachen, kleberig-
driisigen Stengeln, zerstreut stehenden, fiinf- bis
achtjochigen, kurz behaarten, driisig punktierten,
bis 20 em langen Blittern, langgesticlten Bliten-
_ahren mit weib- und lilafarbenen Bliten und lane-
lich - linienférmiger Hiilse, ist in Siidenropa, von
Spanien bis Ungarn und SidruGland, auch im Kan-
kasus, in Kleinasien bis nach Persien and in Nord-
afrika einheimisch, wird besonders in Spanien und
Italien im grofien kultiviert, auch in Dentschland
(Bamberg), Stidfrankreich, MAhren, Ungarn und Eng-
land, und liefert in dem sehr entwickelten Wurzel-
system das SiiGholz (SiiSholewurzel, Lakritzenwurzel,
Radix Glyeyrrhizae s, Liquirttiae), Eine Varietit,
Glycyrrhiza glabra glandulifera, wiichst in Ungarn,
SiidruBland, Kleinasien und in Mittelasien bis China
nnd liefert das offizinelle russische Sibholsz, Niheres
s. Glycyrrhiza,
[Zam Artikel Arzneipjlansen.}
Zur Tafel ,Arzneipflanzen III.
Fig. 1, Eucalyptus globulas Labill. (Blauer Gummi- |
baum, Eisenveilchenbaum), ein Baum aus der Fami-
lie der Myrtazeen, wiich»t in Australien und Tasma-
nia, erreicht eine Héhe von 110 m und einen Stamm-
umfang von 30 m, er besitzt blaulichgriine, lanzett- |
formige, in der Jugend breitere gegenstindige, spiiter
wechselstindige, bleibende Bliitter, kurzgestielte
Bliiten, deren zu einer Mitze verwachsene Blumen-
blitter gemeinsam abfallen, und vielsamige Kapseln,
Wegen seiner Schnellwiichsigkeit und der aromati-
schen Ausdiinstungen seiner Blitter hat man ange-
fangen, den Baum in sumpfigen Gegenden anzupflan-
zen, um eine Luftverbesserung herbcizufiihren, Man
findet ihn jetzt fir diesen Zweck angepflanzt in Sid-
frankreich, Spanien, Portugal, Griechenland, Italien,
Palastina, in dem Hochland Indiens, in Nord- und |
Siidamerika, in Sidafrika, auf Cuba, St. Helena, in
Agypten, Korsika, Algerien, Er soll auch in Sid-
england ausdauern und bis Gorz gedeihen, Uberall
hat sich bestatigt, dab er vermége seines auberordent-
lichen Verdunstungsvermégens das Klima verbessert
und Sumpffieber beseitigt. Die Blatter sind ungemein
reich an itherischem O1 (frische Blatter liefern 0,7,
trockne 1,6—3 Proz.). Das Holz ist sehr fest und
hart und cignet sich unter anderm yorziglich zu
Schiffbauholz, Eisenbahnschwellen, Wasserbauten etc,
Aus der Rinde wird Papier bereitéet, auch werden
Rinde, Blatter und das dtherische Ol gegen Fieber
benutzt. Der Baum wurde 17%2 von Labillardiére
auf Tasmania entdeckt und 1856 durch Ramel in
Europa eingefihrt, das Ol ist seit etwa 20 Jahren
regelmAbiger Handelsartikel. Vgl. Bentley, On the
characters, properties and ases of Eucalyptus globu-
lus | Lond.1854); Hamm, Der Fieberheilbaum | 2.Autl.,
Wien 18784
Fig. 2, Podophyllam peltatam J. (/uéb/att, En-
tenfuh, wilde Zitrone, Maiapfel, Mandrake), cine
Staude aus der Familie der Berberidazeen, mit krie-
chendem Wurzelstock, finf- bis neunlappigen Bliat-
tern, groben, weiben, nickenden Bliten and ecifirmi-
gen, gelblichen, etwa einer kleinen Zitrone dhniichen
fleischigen, vielxamigen Friichten, wiichst an feuch-
ten, schattigen Stellen in Waldern des atlantischen
Nordamerika, Ihr Kraut ist narkotisch, giftig, das
sinerliche Fleisch der Fracht aber geniebbar, wie-
wohl von ekelhaftem Gerach, Der Wurzelstock lie-
fert ein harziges, bitteres Extrakt (Podophyllin,
Vegetable calomel, cin Gemenge von Harz mit einem
Glykosid, das als Verdauung bef®rderndes und als
Abfihrmittel, duberlich als hautreizendes Mittel an-
gewendet wird. Man bereitet es aus einem alkoholi-
when Ausrug der Wurzel durch Fallen mit Wasser.
Fig. 4, Pilecarpus pinnatifolins Lem. (Joborand®),
ein cur Familie der Rutareen gehérender Strauch mit
dieht rotgelbhaarigen Zweigen, lederigen, kurrgestiel-
ten, ein- bis dreijochigen, anterseits karzhaarigen
Blattern, lineal-oblongen, stum pfen,am Rand amgeho-
genen Blattehen and endstandigen, dichten Trauben
mit kleinen grinen Bliten und einsamigen Kapeein,
liefert, wie auch P. Selloanus Engl. in Sudbrasilien,
Pareguay und Uruguay und P. pauciflorus St J/ill.
in Brasilien, die Jaborandihiitter, die beim Zerreiben
aromatisch riechen, scharf schmecken and /i/okurpin
enthalten, Letzteres wird als harn- und schweibtrei-
bendes Mittel bei fliissigen Exsudaten, Nierenentzin-
dung, zu ablenkender Wasserergiebung nach auben,
bei Bronchitis, Prurige, Diabetes benatzt, AndreJabo-
Meyers Konr.-Leriton, €. Aufl , Heilage.
randisorten liefern verschiedene Piperazeen (Piper
mollicomum Ath, ete.), Skrofulariazeen (Herpestis
gratioloides Ath, ete.) sowie Zanthoxylon elegans
Engl. und Monnieria trifoliata L.
Fig. 4. Hagenia abyssinica Willd. (Kussobaum,
fussala), ein Baum aus der Familie der Rosazeen,
der in der abessinischen Bergregion heimisch ist, bis
20 m hoch wird, zottig behaarte Zweige, wechsel-
stindige, unpaarig gefiederte Blatter, achselstindige,
grofe Bliitenrispen, weife Bliten und kurzgeschnii-
belte, eiférmige Nibchen besitzt. Die weiblichen,
bereits abgeblihten Rispen, bei denen die ausgewach-
senen Kelchblitter dunkel purpurrot geworden sind,
bilden das offizinelle Ausso (Kosso, Flores Koso),
Sie schmecken schleimig, dann kratzend, bitter und
adstringierend, riechen schwach holunderartig und
enthalten wenig Atherisches O1, Kosoin und Koso-
toxin, ein starkes Muskelgift. Kusso ist in Abessinien
seit langer Zeit bei Menschen und Schafen gegen den
Bandwurm im Gebrauch; durch den franzdsischen
Arzt Braver kam es nach Paris, and seit 1842 fand
es allgemeine Verwendung als Bandwurmmittel.
Frische Bliten wirken ebenso rasch und sicher wie
Wurmfarn und Granatrinde, machen auch dieselben
Nebenerscheinungen wie dicse.
Fig. 5. Marsdenia Condurange Rehb. fil., eine
samtartig behaarte Liane aus der Familie der As-
klepiadazeen, mit gegenstindigen, breiten Blittern
und in der Regel gepaarten korymbdsen Bliitenris-
pen, die meist cinachselig sind, kleinen Bliiten und
dicken, zugespitzten, glatten Follikeln, wachst in
Ecuador und Columbia und liefert die Condurango-
rinde (Geierrinde). Diese bildet etwa 10 em lange
und 1—7 mm dicke verbogene Réhren oder rinnen-
MWrmige Sticke, ist auf der Oberflache briunlich oder
braungran, langsrunzelig und héckerig, auf der Innen-
seite hellgrau, derb, langsstreifig. Sie sehmeckt bitter-
lich, scharf, kratzend und riecht eigentiimlich,schwach
aromatisch. Man gibt sie bei Magenleiden, am Appe-
tit, Verdauung und Allgemeinbefinden zu heben,
namentlich auch bei Verdacht auf Krebs des Magens
und der Speiserdhre. Die Rinde enthalt ein Glyko-
sid, Condurangin, ein gelbliches Pulver, das sich
durch Lésungsmittel in zwei Korper zerlegen 1abt.
Die Lisung des wasserlislichen Korpers tribt sich
beim Erwirmen, und eine 2 proz, Lésung erstarrt
gallertartig weit unter dem Siedepunkt. 1571 kam
eine Condurangorinde nach Europa, die von der Askle-
piadazee Gonolobus Condarango Triana abgeleitet
wurde, Vel. Juéna, Cher Condurangin : Dorpat 1554)).
Fig. 6. Physostigma venenosum aly, ( Kulabar-
bohne), eine mebrjahrige Kletterpflanze aus der Fa-
milie der Leguminosen, mit bolzigem Stamm von
4em Dicke, der mehr als 15 m emporsteigt, gefie-
derten Blattern mit drei groben Blattchen, achselstan-
digen, hangenden Blitentrauben, groben purpurroten
Bldten und etwa 14 em langen, breit-linealischen,
etwas susammengedriickten Hileen, die 1 oder 3
nierenformige, schokoladenbraune Samen mit einer
tiefen, von erhabenen Randern umgebenen Rinne
enthalten. Die Pflanze wachst in Westafrika vom
Kap Palmas bie Kamerun and ist auch in Indien
und Hrasilien eingefuhrt worden. Die Eingebornen
benutzen die fast gerach- und geschmacklosen, aber
hochst giftigen Bohnen su ciner Art Gottesurteil,
d. ho man gibt sie den der Hexerei Beechuldigten com
Verschlucken, und Erbrechen oder Niehterbrechen
a
”
Arzneipt
Fruchtknoten,
Lingsechnitt.
Frucht. Langesebuitt,
1. Eucalyptus globulus
(Blauer Gummibaum).
a Junoger, nicht blubender
Zweig.
. Frucht.
= —
—
| 6. Phyrostigns venenosum (Kalabarbohne). . 7. Strophanthus hispidus. 8 Carica Pap
Bibliographisches *
lanzen Ill.
. — * oie \ ‘
—— e >
. 8 Se /
} 4 \4
J i "4 .
J Frucht fa .
Proebt
5. Marsdenia Condu-
F
or ee
—
So. the » iu
4 Aspidosperma Que bracho Precbt, Qeerechkait. Prechte. —
#)2 (Melonenbaum). blanco, 10. Mallotus philippinensis (Kamalabaum),
institut in Leipzig.
entscheidet über die Schuld des Individuums. Die
Pflanze wurde 1840 durch Daniell bekannt, 1859
beschrieb sie Balfour, und wenige Jahre spiiter ent-
deckte Fraser ihre eigentiimliche arzneilicheWirkung.
Diese beruht auf dem Gehalt an cinem Alkaloid,
Physostigmin(Eserin) C,,H,,N,O,, das farb-, geruch-
und geschmacklose, in Alkohol und Ather leicht, in
Wasser etwas schwierig lisliche, alkalisch reagierende,
bei 105° sechmelzende Kristalle und mit Siuren leicht
xersetzliche Salze bildet. Es wirkt direkt lihmend
auf das zentrale Nervensystem, auf das Gehirn friiher
als auf das Riickenmark, und bewirkt ganz bedeu-
tende Pupillenkontraktion. Man benutzt salizyl-
saures Physostigmin besonders bei Untersuchung der :
Augen, um die nach Atropineintriiufelung entstan-
dene Pupillenerweiterung zu beseitigen, auch als Heil-
mittel bei Augenkrankheiten, bei Erschlaffang des
Darmes mit Kotstauung und gasiger Auftreibung des
Bauches, bei Tetanus, Neuralgien, Epilepsie ete. In
der Tierheilkunde gibt man schwefelsaures Physo-
stigmin in subkutaner Einspritazung als Abftihrmittel
bei Kolik und Anfblihung des Darmes. Neben
Physostigmin sol] in den Kalabarbohnen noch ein
dem Strychnin ähnlieh wirkendes Alkaloid, Calaba-
rin, und indifferentes Physosterin yorkommen.
Fig. 7. Strophanthus hispidas DC., ein holziger
Kletterstraach aus der Familie der Apocynazeen, in |
Oberguinea, mit kreuzgegenstiindigen, ganzen, rauh-
haarigen Blittern, endstiindigen, reichblitigen Dicha-
sien und geschwiinzten Blumenkronenzipfeln, windet
sich an den hichsten Biumen empor und trügt paar-
weise stchende, 30cm lange Kapseln, die bis 200 Samen
enthalten. Die 2 em langen, schmalen und flachen,
braunen, seidenglinzend behaarten Samen tragen an
der fein ausgezogenen Spitze einen fast 9 cm langen
Stiel mit zartem Pappus. 8. Kombé Oliver, mit arm-
blitigen Bliitenstiinden an kurzen, wenig beblitterten
Seiteniisten, am Sambesi, liefert 17 mm lange, bis
5 mm breite, hell griinlichbraune, glinzend behaarte
Samen, auch benutzen die Eingebornen die Pflanze
zur Bereitung eines Pfeilgiftes (Komb¢, Ince, Onage).
Die Samen enthalten als wirksamen Bestandteil Stro-
phantin C,,11,,0,,, ein weibes, kristallinisches stick-
stofffreies Glykosid, das sehr bitter sehmeckt, in Was-
ser und Alkohol leicht léslich ist und bei 185°schmilzt.
Es steigert die Kontraktilitiit der Muskeln, besonders
des Herzmuskels, ohne Verdauungsstérungen oder |
kumulative Wirkungen zu zeigen. Man benutzt es
deshalb wie'Digitalis bei Herzkrankheiten und asthma-
tischen Anfillen. In gréfern Dosen fiihrt es schnell
tédliche Muskelstarre herbei. Offizinell ist eine ans
1 Teil Samen u. 10 Teilen Weingeist bereitete Tinktur.
Fig. 8. Carica Papaya L. (Melonenbaum, Papay
oder Mammona), ein astloser, 6 m hoher Baum aus ,
der Familie der Passiflorazeen, mit schwammigem
Holz, gedriingten, langgestielten, handférmigen Bliit-
tern, monézischen, achselstindigen, blaigelben Bli-
ten, von denen die miinnlichen in langen Trauben
stehen, und linglichen, gefurehten, melonenartigen,
oft gegen 7,5 kg schweren, gelben Friichten. Er ist |
im wilden Zustand nicht bekannt und wahrscheinlich
ein Bastard aus mehreren in Mexiko heimischen Arten.
Bald nach der Entdeckung Amerikas wurde er als
Obsthaum üher alle Tropenliinder verbreitet. Er
schieit ungemein schnell aus dem Samen auf, bliiht
und trigt das ganze Jahr hindureh, stirbt aber
schon im vierten Jahr ab. Das Holz strotzt von
gelbem, bitterm Milchsaft, der verdiinnt als Wurm-
mittel benutzt wird. Die Friichte haben ein wohl-
Zur Tafel ,Arzneipflanzen TT’.
schmeckendes, zuckerreiches Fleisch mit milchigem
Saft und vielen, etwas scharf, kresseartig schmecken-
den Samen. Sie werden yon den Eingebornen roh
und frisch, mit Zucker oder Salz und Essig genossen.
Die unreifen salzt man entweder wie bei uns die
Gurken ein, oder kocht sie, in Stiicke geschnitten,
als Gemiise. Der Milchsaft des Melonenbaums macht
das ziiheste Fleisch miirbe, wenn man es damit ¢in-
reibt oder eine kleine Quantitit Saft dem Wasser, in
dem das Fleisch gekocht werden soll, zusetzt. Er
bringt auch durch ein Ferment Milch zum Gerinnen.
Die Benutzung der Blitter des Melonenbaums xar
Zubereitung alten Fleisches soll in der Heimat des
Baumes sehr alt sein. Der getrocknete Saft dient
wie das daraus dargestellte Pipayotin (Papatn) gegen
Diphtheritis und Dyspepsie. Es kommen verschie-
dene Priiparate yon sehr ungleicher Beschaffenheit
im Handel vor. In den Bittern findet sich ein Alka-
loid Carpain C,,H,,NO,, das als teilweiser Ersatz
der Digitalis empfohlen wurde. Bei uns kultiviert
man den Melonenbaum hiinfig in Gewichshdusern.
Fig. 9. Aspidosperma Quebracho blanco Scht.,
ein Baum oder Strauch aus der Familie der Apocy-
nazeen, mit sehr hartem Holz, dinnen, hiingenden
Zweigen, quirlstiindigen, kleinen, elliptisch - lanzeti-
lichen, stachelig zugespitzten, blaulichgriinen, gelb-
gerandeten Blittern, achselstiindigen, gelben Bliiten
und grofen, holzigen, randlichen Kapseln, wachst
in Argentinien und liefert die Quebrachorinde, welche
sechs Alkaloide, Aspidospermin C,,H,,N,O etc. ent-
‘halt, die der Zusammensetzung nach verschiedenen
Chinaalkaloiden dhneln. Die Rindegelangte 1878 nach
| Europa und wurde als Ersatz der Chinarinde gegen
| Fieber empfohlen, Jetzt wird sie noch bei Asthma be-
nutzt. Vgl. Hansen, Die Quebrachorinde (Berl, 1850).
Fig. 10. Mallotus philippinensis Miill.-Arg. | Rott-
lera tinctoria Rorb., Kamalabaum), ein Strauch oder
kleiner Baum aus der Familie der Euphorbiazeen,
mit abwechselnden, gestielten, ganzen eifénnigen,
zugespitzten, unterseits filzig behaarten und mit roten
Driisen besetzten Blittern, innen rotdrisigen Blites
in achselstiindigen Bliitenstiinden und mit scharlach-
roten Driisen dicht besetzten, kirschgroben Kapseln,
wiichst in mehreren Varietiten auf Cevlon, in Vor-
derindien, Assam, Hinterindien, auf den Sundainseln,
Philippinen, im siidéstlichen China und in Nord- und
Ostaustralien und liefert in den Drüsen der Kapseln
die Kamala und aus den Samen ein fettes Ol, das
gam Brennen und als Abführmittel benutzt wird.
Die Kamala gewinnt man in Indien durch Schiitteln
oder Abreiben der Frichte. Sie ist geruch- und ge-
schmacklos, enthalt auber den unregelmiifig kugeli-
gen, ziegelroten Driisen als Beimengungen Biischel-
haare, Bruchstiickchen der Friichte und Biliitter,
Staub ete. Sie wird von Wasser kaum angegriffen,
gibt an Alkohol, Ather und Kalilauge ein rotes Harz
ab, enthalt Spuren yon atherischem Ol, Zitronen-
und Oxalsiure, im wesentlichen aber Harze (Kama-
larot) und Rottlerin C,,H,,O,. Letzteres bildet gelbe
Kristalle, lést sich in Wasser, Alkohol und Ather, in
wiisserigen Alkalien mit tiefroter Farbe, ist nicht
fliichtig und entsteht auch bei Behandlung von Aloin
mit Salzsiure. Kamala (Werrus) dient in Indien
| seit alter Zeit zum Fiirben der Seide and gibt ein
schönes Orangebraun; seit der Mitte dea 19. Jahrh.
' wurde es in Europa als Bandwarmmittel benutzt. Vor
Kusso hat es den Vorzug, dab es weniger leicht Ubel-
keit u. Erbrechen erregt und zugleich abfiihrend wirkt.
_Auch gegen Hautkrankheiten ist es benutzt worden.
Argzneimitteltrager — Arzt.
werden im Laufe von 1—3 Tagen durch den Darm
und Die Nieren wieder ausgefdieden, und es bedarf
erneuter Einfuhr, wenn ihre Wirfung fortdauern foll;
eingelne Stojfe Dagegen, 3. B. Digitalis, wirfen nod
— Tage nad, und dieſe Wirkung ſteigert ſich
bei andauerndem Gebrauch bis zu bedrohlichen Ver—
gc nine, (fumulative Wirfung).
is zu einem gewijfen Grad find die Folgen, die em
UW. hervorrufen wird, wenn man es in Diefer oder
jener Menge gibt, mit Beſtimmtheit vorauszujagen;
wenn es trotzdem Schwankungen gibt, wenn cine er-
wartete Wirfung ausbleibt oder eine andre unerwar—
tete Nebenwirfung cintritt, fo fann cine mangel-
hafte Bejdajfenheit der Arznei die Schuld daran
tragen, oder es fan cine gewifje abnorme Realtion
Des Körpers, eine — ju Grunde liegen. —
Der Grohvertehr mit Urgneimitteln ijt das eigent—
liche Objeft des Drogenhandels, die Whgabe an die
Ronfumenten fällt den Wpothefern ju, dod) treiben
jehr viele Drogijten aud) Handverfauf. Cine faifer-
lide Verordnung vom 22. Olt. 1901 regelt den Ver—
fehr mit Arzneimitteln im Deutſchen Reid) und fest feſt,
welche Bubereitungen, Drogen und chemifden Prä—
parate nur in Apotheken feilgehalten werden diirfen.
Bal. die Hand- und Lehrbiider der Urgneimittellehre
von Huſemann (3. Mufl., Berl. 1892); Noth-
nagel und Roßbach (7. Aufl., daj. 1894); Ra-
bow und Bourget (daj. 1897); Bing (Grund—
züge«, 13. Uufl., daf. 1901); Cloetta-Filehne
(10. Wufl., Freiburg 1901); Tappeiner (4. Aufl.,
Leipz. 1901); Sd miedeberg (Grundriß«, 4.
Aufl., daſ. 1902); Bing, Vorleſungen über Phar-
makologie (3. Aufl., Berl. 1891); Fiſcher, Die
neuern A. (6. Aufl., daſ. 1894); Peters, Die neue-
ſten A. und ihre Doſierung (3. Aufl., Leipz. 1902);
Lewin, Die Nebenwirkungen der A. (3. Aufl., Berl.
1899); Fränkel, Die Urgneimittelfynthefe (daf.
1901); Dolfert, Volfstiimlidhe Arzneimittelnamen
(2. Aufl. 1898); Hand- und Lehrbiider der Urgnei-
verordnungslehre von Ewald (13. Aufl., Berl.
1897; Ergänzungsheft 1901), Liebreid und Lang:
gaard (5. Aufl., daf. 1902); Bittqer, Die reidhs-
geſetzlichen Beſtimmungen über den Verfehr mit Arz—
neimitteln (4. Aufl. daſ. 1902); Lebbin, Verkehr nt
Heilmitteln u. Giften im Deutſchen Reich (daſ. 1900).
Arzneimittelträger, ſ. Arzneiſtäbchen.
Arzneipflanzen ſhierzu Tare Arzneipflanzen I
bis IiL« mit Lert), die zur Bereitung von Arzneimit⸗
teln dienenden Pflanzen. Seit den erſten Anfängen
der Heilkunde wurden zahlreiche Pflanzen wegen ihrer
wirklichen oder vermeintlichen Heilkraft verwendet,
und Roſenthal zählt in ſeiner Synopſis über 8000 YU.
auf, ohne damit irgendwie Vollſtändigkeit zu erreichen.
Unter dieſen Pflanzen gibt es aber ſehr viele von ge—
ringer oder keiner mediziniſchen Wirkſamkeit, und die
neuere Medizin, deren Streben auf Vereinfachung
der ärztlichen Verordnungen gerichtet iſt, hat ſehr viele
früher geſchätzte W. fallen laſſen, während neuere Ein—
führungen, beſonders wieder in der jüngſten Zeit,
—— auftauchen, aber nur ſelten als wirkliche Be—
reicherung des Arzneiſchatzes ſich dauernde Geltung
verſchaffen. Seit 1870 find mur etwa zwölf neue Dro-
— das deutſche Arzneibuch aufgenommen worden.
deutſche Arzneibuch von 1900 führt im ganzen
etwa 140 Pflanzen auf, von denen cine Anzahl gar
nicht als A. gu bezeichnen find und andre faum nod
von Arzten angewendet werden. Bon den A. gehört
etwa der vierte Teil den Kryptogamen und Monoto-
tylen an. Die meijten Drogen liefern Kompoſiten,
837
Labiaten, Umbelliferen, Solanazeen und Papiliona—
zeen. Nach ihrem Vaterland verteilen ſich die A. ſehr
ungleich. Schon Theophraſt ſuchte 1588 zu beweiſen,
He die im cignen Land gewadjenen A. den Bewoh—
nern beilfamer feien als frembde, upd. dementipredend
gehört aud) bei uns die Mehrzahl der A. Europa an,
ebenſo bevorzugen Indien, Mexiko und Nordamerifa,
ausgejproden jeit etwa 60 Jahren, vereingelt auch
idjon erbeblich friiher, ihre heimifchen Gerwiidhye. Unſer
Arzneiſchatz enthält nächſt europäiſchen beſonders aſia
tiſche, afrilaniſche und amerilaniſche A. Einige der
wichtigſten A. find auf beifolgenden Tafeln abgebil—
det und beſchrieben. Die A. werden meiſt an den Or—
ten geſammelt, wo ſie wild wachſen, viele werden auch
kultiviert, in größtem Maßſtabe beſonders der China—
rindenbaum und der das Opium liefernde Mohn. In
Deutſchland nahm die Kultur der A. ihren Ausgang
von dem »Capitulare de villis et hortis« Karls d. Gr.
Gegenwärtig blüht fie an wenigen Orten. Feldmiapige
Kultur findet fid) befonders bei Kölleda, wo WUngelifa,
Levijtifunt, Wermut, Pfeffer⸗ und Kraufeminge, Bal—
drian 2. — werden. Erfurt liefert Kümmel, Ko—
riander, Anis, Foenum graecum, Mohn, Senf;
Schneeberg im Erzgebirge: Ungelita, Baldrian,
Meum; Schweinfurt und Iiirnberg bauen Withaa
und Stoctrofe; Ufen a. E.: Königskerze, Minze, Wer-
mut, Melijje x. Jenalöbnitz reprifentiert den Typus
der Gartenfultur, die fehr zahlreiche A. liefert, in ge-
ringerm Umfang aud) bei Duedlinburg und andern
— vertreten iſt.
rzueiſtäbchen Wundſtäbchen, Cereoli),
meiſt biegſame oder elaſtiſche runde Stäbchen, die in
ihrer ganzen Maſſe oder nur in der äußern Schicht
—— enthalten und zur Einführung in Ka—
nile des Körpers beſtimmt nd, Untrophore be-
fiben eine Metallfpirale als Traiger der bei Körper—
tentperatur ſchmelzenden, den Arzneiſtoff enthalten-
den Maſſe aus Gelatine, Glyzerin und Wafer.
Araneitabletten , ſ. Tabletten.
Arzneitaxe, die von den Regierungen feſtgeſtell—
ten Preisbeſtimmungen für Arzneimittel und fiir die
bei Unfertiqung von Arzneien vorlommenden Urbei-
ten, an weldje die Upothefer bei Verabreichung der
Arzneien gebunden find. Geit cag garg: Se:
werbeordnung von 1869 wird die A. als Maximal:
tare betradjtet und nur ihre Überſchreitung mit Strafe
bedroht. Vielen Urjneitaren liegt das Prinzip gu
Wrunde, fiir billige Waren einen hohen, fiir teure
einen geringen Aufſchlag zu gewähren, und die da:
durch hervorgebradten hohen Greife der billigen Wa:
ren haben den Wpothefer in den Verruf der hohen
Prozente gebracht. Von Feit ju Heit wird die A. nad
den laufenden Drogenpreiien revidiert.
Arzt (altdeutſch arzait, v. qried. archiiter, »Ober⸗
ar3t«; lat. Medicus), em Wann, der fic) berufs:
—* mit der Behandlung von Krankheiten beſchäf
tigt. Nach der deutſchen Gewerbeordnung iſt
die Ausübung der Heilkunde ohne Nachweis der Be—
fähigung jedem geſtattet. Das frühere Verbot der
Kurpfuſcherei (Medilaſterei) iſt weggefallen, und der
U. ijt lediglich dem allgemeinen Strafgeſetz unterſtellt,
das fahrläſſige Tdtung und Körperverletzung mit
Strafe bedroht. Dabei gilt es aber als ein jtraferhohen-
des Moment, wenn der Titer vermige ſeines Berufs
oder Gewerbes gu der Aufmerkſamleit, die er aus den
Augen fete, bejonders verpflidtet war, wie dies bei
einem A. der Fall ijt. Die frühern Beſchränkungen
Der praftizierenden Arzte hinfidtlid) der Wahl Bes
Wohnſitzes, eben⸗ — Zwang zur ärztlichen
838
Hilfeleijtung find durd die Gewerbeordnun
worden. Es beſteht nur die allgemeine ſtrafrechtliche
Vorſchrift, wonad der bet Ungliidsfallen oder ge-
meiner Gefahr oder Not von der Polizeibehörde zur
Hilfe Aufgeforderte dicfer Uufforderung Folge zu
leijten hat, wofern er der letztern ohne erheblide eigne
Gefahr geniigen fann. Die Beſtimmung ded ärzt—
lidjen Honorars unterliegt der freien Vereinbarung.
Nur fiir ftreitige Falle fonnen aud) fiir die Ärzte
Taren von den Zentralbehirden feſtgeſtellt werden,
die mangelS einer Vereinbarung fiber das Honorar
mafgebend find. Durd) Verträge mit den Nachbar⸗
jtaaten wurde fiir die Grengbesirfe den Medizinal—
perjonen die wechſelſeitige Freie — e⸗
ſichert. Die Ungeigepslidt des Arztes erj a
auf Geburten, wenn der ehelidje Bater oder die Heb-
anuine an der Ungeige verhindert, bes. nidt vorhanden
war, und auf die in der Praxis vorlommenden Faille
widhtiqer und dent Gemeinwejen gefahrdrohenden
— ſowie von plötzlich eingetretenen verdäch⸗
tigen Erfranfungs- und Todesfällen. Dagegen ijt
der A. (nicht aber Berfonen, die ohne Approbation
Strante behandeln) durch § 300 des Strafgeſetzbuchs
verpflichtet, Tatſachen, die ifm in Wusiibung feines
Berufes befannt qeworden find, als Berufsgeheimmnis
ju bewahren. Eine jtaatlide Upprobation ijt
fiir alle diejenigen Berjonen nitig, die fic) als Ärzte
(Wund-, Uugen-, Zahn⸗, Tierärzte, Geburtshelfer)
oder mit gleidjbedeutenden Titeln bezeichnen wollen.
Die Priifungsordnung fiir Ärzte ijt durch Bundes-
ratsbeſchluß vom 28. Mai 1901 geregelt. Zur Uppro-
bationsertetlung find die Bentralbehirden (Minijte-
rien) derjenigen Bundesjtaaten befugt, die eine oder
mehrere Candesuniverjitdten haben. Die Wpprobation
gilt fiir Das ganze Reichsgebiet. Diefelbe fest voraus
Reifezeugnis eines deutſchen humaniſtiſchen oder
Realgymnaſiums, ein Studium von zehn Semeſtern
an einer deutſchen Univerſität, Ablegung der ärzt—
lichen Vorprüfung (tentamen physicum) nad) dem
fiinften Semejter und der ärztlichen Prüfung (Staats-
examen) nach dem zehnten Semeſter, endlich (ſeit J.
Ott. 1903) die hierauf folgende einjährige Beſchäfti—
gung an einer Univerjititsflinif, “Boliflinif, an einem
mediziniſchen, nicht kliniſchen Univerfitdtsin{titut, an
einem größern, mindeſtens 60 Betten zählenden
Krankenhaus, das von der zuſtändigen Zentralbehörde
als geeignet anerkannt iſt, oder an einem medizini—
ſchen wiſſenſchaftlichen Inſtitut innerhalb des Deut-
chen Reiches. Die Approbation iſt (in der Regel)
Vorausſetzung für die Sulafjung zur mediziniſchen
Doftorpromotion (preußiſcher Miniſterialerlaß vom
31. Marz 1898), doc) wird letztere mur fiir die Zulaſ—
fung sur Kreisarztprüfung gefordert. Die Upprobation
fann bei Aberkennung der bitrgerlidjen Chrenredte
fiir Die Dauner des Ehrverluſtes aufqehoben werden,
ferner dann, wenn die Unrichtigkeit der Nachweiſe dar:
qetan wird, auf Grund deren fe erteilt wurde. Nicht:
approbierten ijt die Unsiibung der Heilfunde im Um—
herziehen verboten. Derjenige, der fic), ohne hierzu
approbiert ju fein, als A. (Wund-, Uugen-, Zahn-,
Tierarst, Neburtshelfer) bezeichnet oder einen ähn—
liden Titel dba ot durch den der Glaube erivedt
wird, der Inhaber desfelben fei cine gepriifte Medi-
— hat Geldſtrafe bis zu 300 We. und im
Invermigensfall Haft bis zus Woden verwirft. Cin
A. der cin unrichtiges Zeugnis iiber den Gefundheits-
zuſtand cines Menſchen jum Gebraud) bei einer Be—
pdrde oder Verſicherungsgeſellſchaft wider befferes
Wiſſen ausftellt, wird mit Gefingnis von 1 Monat
Arzt (Pilidhten, ſtaat
lide Upprobation ꝛc).
befeitigt | bid zu 2 Jahren bejtraft; auch farm auf Verluſt der
biirgerliden Ehrenrechte erfannt werden. Ebenſo
trijft Denjenigen, ber unter der thm nicht suitebenden
Bezeichnung als A. cin Geſundheitszeu ausſtellt.
clings bis au 1 Jahr. — Wis beamtete
Arzte bezeichnet man Urgte, die im Intereſſe Der Sffent-
lichen GefundbeitSpflege und zur Durdfiibrung der
Medizinalgefegqebung vom Staat auf Grund ciner
beſondern Průfung angeitellt find Kreisarzt. Be-
zirlsarzt) — Qn Ojterreich fept die Berechtigung sur
usiibung des ärztlichen Berufs im allgemeinen die
Erlangqung des medizinifden Doftorgrades an einer
inlandifden Univerjitdt voraus (§ 1 der Rigoroſen⸗
——— die mediziniſche Falultät von 15. April
1872). Wundärztliche Diplome werden ſeit 1875 nicht
mehr erteilt. —* Vorleg — Doftordiploms
an die politijde Behirde tt i r graduierte A. be-
rechtigt, an einem beliebigen Orte jich niederzulaſſen
und jeine Kun jt auszuüben. Der ärztliche Beruf zahlt
nämlich in Ojterreid) nicht unter die Gewerbe, ſon—
dern unter die fogen. freien Beſchäftigungen, wabrend
Der A. in Deuticsland als Gewerbtreibender gilt.
Frauen fonnen im Deutiden Reid sur ärztlichen
Prüfung zugelaſſen werden, wenn fie die ſchulwiſſen—
ſchaftliche Vorbildung nachweiſen und (aud ohne Im—
matrifulation) einen ſachlich ordnungsmäßigen afa-
demifchen Studiengang gemadt haben. In Djter-
reid) können Frauen bet den mediziniſchen Fafultaten
immatrifuliert werden. Vorausfepung bildet die djter-
reichiſche Staatsangebhirigfeit und das Reifezeugnis
eines Gymnafiums. Es jind vorzugsweiſe Ruſſin—
nen, UWmerifanerinnen und Franzöſinnen, die fich
teils auf den Univerſitäten und Fachſchulen ihrer Her-
‘mat, tells auf Schweiger und deutidjen Univerjitaten
dem Studium der Medizin, insbeſ. der Geburtsbilfe,
| Frauenfranfheiten und umern Medizin, widmen und
öfters aud) den Doltorgrad erwerben. Die hobe Wus-
bildung der Medizin hat zur Folge gebabt, daß cim-
zelne Ärzte als Spezialärzte fid) der Behandlung
einer bejondern Klaſſe von Rranfheiten widen. Ge-
winnen Diefe Arzte auf ihrem Gebiete tiefere Cinficht,
größere Erfahrung und Geſchiclichkeit, fo fest ihre
a Dod) eine Unusbildung fiir das ganze Gebtet
der Medizin voraus, da bei jeder Erkrankung der Zu⸗
jtand des gefamten Organismus in Betradt lommt.
In allen größern Stadten find von der Gemeinde
bezahlte Armenärzte bejtellt, die erfranften Yrnten
unentgeltlich Hilfe leijten. Die Kranlenverſicherungs
pflicht der Yrbeiter, geregelt durch Reichsgeſetze von
1883 und 1892, hat den Krankenkaſſenarzt ge—
ſchaffen. Während in den meiſten Kleinſtädten die
Krankenlaſſen beſondere Kaſſenärzte angeſtellt haben,
die cin jährliches Honorar meiſt nad) der Kopfzahl
der Kaſſenmitglieder beziehen, hat ſich in vielen Groj-
ſtädten das Syftem der freien Arztewahl durd-
gerungen, das dem erfranften Kaſſenmitglied gejtat
tet, Den YW. ſeines BVertrauens zu Rate zu jiehen, Die
Kaſſen liefern cine bejtimmte Summe an den Arzte⸗
| verein ab, die diefer nad) cinem Bon: oder Pointſyſtem
ant die behandeinden Ärzte verteilt. Bei bef drant-
ter Arztwahl ſchließt die Kaſſe mit einzelnen Urzterr
Vertriige ab. Yn etwas weniger ausgiebtger Weise hat
der UW. aud) bei Der Unfall- und Invaliditäts—
verfidjerung der Arbeiter mitzuwirken.
Der U. als Leiter cines Privatfranfenhau-
ſes bedarf der Konzeſſion der höhern Verwaltungsd«
behörden. Die Konzeſſion kann verweigert werden
1) wenn der Unternehmer in ſeinem Vorleben Be—
weiſe von Unzuverläſſigkeit gegeben bat, 2) wenn das
Arztekammern —
Unternehmen nicht den gefundheitspolizeiliden Un- |
forderungen entjpridjt. Dem Kreisargt fteht das Redht
der Revifion gu. Umſtändlicher als in den iibrigen
Privatkrankenhäuſern find die Vorſchriften, die von
der Aufnahme Geijtesfranter in die Privatirren-
—— — Ärzte, die alg Vertrauens—
ärzte für Lebensverſicherungsgeſellſchaften fungie—
ren, haben Gutachten darüber auszuſtellen, ob der
Aufzunehmende die Wahrſcheinlichkeit hat, die nor: |
male LebenSdaucr gu erreidjen. In der deutſchen
Unfall- und Jnvalidenverfiderung werden ſeit 1. Jan.
1900 Vertrauensärzte bet den Sdhiedsgeridten fiir
Urbeiterverfiderung jährlich gewählt. Wis Sach—
verſtändiger und Zeuge vor Gericht iſt der A. be—
rechtigt, fein Zeugnis zu verweigern, ſobald er fürch-⸗
tet, durch dasſelbe cin Berufsgeheimnis zu verletzen,
und es iſt ſeinem — pflichtgemäßen Ermeſſen
iiberlajjen, wann er glaubt, daß dieſe Verletzung ein⸗
tritt; allein dieſe iy Be ijt nad) § 52 der Straf- |
prozeßordnung vom 1. Febr. 1877 ungefeplid), fo-
bald ev von der Verpflichtung zur Verſchwiegenheit
entbunden worden ijt. Auch einem nidjt beamteten
U. fann jedergeit cine gerichtsärztliche Tatig-
Feit, 4. g cine Leidhendffnung, iibertragen werden.
Bei der Abfaſſung von Uttejten foll aud) der |
nicht beamtete A. ſich möglichſt an die durch die preu—
ßiſche Zirkularverfügung vom 20. Yan. 1853 und
11. Febr. 1856 fiir die Tebiginalbearaten vorgeſchrie⸗
bene Form halten. Es ſoll jedes ärztliche Atteſt näm—
lich enthalten: 1) die beſtimmte Angabe der Veran—
laſſung zur Ausſtellung des Atteſtes, des Zweckes, zu
dem es gebraucht, und der Behörde, der es vorgelegt
werden joll; 2) die etwaigen Angaben des Kranken
oder feiner Angehörigen; 3) die eignen tatſächlichen
Wahrnehmungen des Beamten; 4) die aufgefundenen
wirfliden Krankheitserſcheinungen; 5) das motivierte
Urteil über die Krankheit, oder über die fonjt geſtell—
ten Fragen; 6) die dienſteidliche Verjicherung, daf |
das Atteſt der Wahrheit entipridt. Cin Ret au
irgtliden Eingriffen befteht als ſolches nicht
(Entſcheidung des ReidhSgericdhts vom 31. Wai 1894),
jondern nur Der Wille des Kranken legitimiert den |
U. gu Cingriffen, die fonft als Körperverletzungen
ball ae Delifte bilden wiirden. — Die Zabl der Ärzte
betrug 1901 in Deutjdland 27,347; auf 100 qkm -
famen im Deutiden Reid) 5,06 Ärzie. Auf 10,000
Einw. famen in Deutidland 5,24, in Preußen 5,18, |
Bayern 5,22, Sadjjen 5,41, Wiirttemberg 4,23, Ba-
den 6,30, Heffen 6,57, Mecklenburg-Schwerin 4,52,
Medlenburg-Strelig 3,55, Sachſen Weimar 6,13, im |
Stadttreis Berlin 14,07, Charlottenburg 26,06, Bre-
men 7,18, Hamburg 8,58 Ärzte. Vol. Ziemßen, Der
YU. und die Unfgaben des ärztlichen Berufes (Leips.
1888); Guttſtadt, Deutidlands Gefundbheitswefen |
(daj.1892); Rapmrund u. Dietrich, Arztliche Rechts:
und Geſetzeskunde (Daf. 1899); Beder, Lehrbuch der |
ärztlichen Sachverſtändigentätigleit (4. Aufl., Berl. |
1900); Schwalbe, Beſtimmungen über die Bulaf- |
jung sur ärztlichen Praxis tm Auslande (Leip. 1899) ; |
Peters, Der A. und die Heilfunjt in der deutfden |
Vergangenheit (daj. 1900); Placzet, Das Berufs: |
eheimnis des Arztes (2. Wufl., Berl. 1898); Moll,
rztliche Ethif (Stuttg. 1902); Bagel, Biographi-
ſches Lerifon hervorragender Arzte des 19. Jahrhun—
derts (Wien 1901, 5 Tle.); Wehmer, Die neuen
Medizinalgefese Preußens (Berl. 1902); Birners
»ReidSsmedizinalfalender« (Leip;.); Sdiirer von
Waldheim und Kafka, Arzte-Koder (Sammlung
Der öſterreich. Geſetze ꝛc., 2. Aufl., Wien 1897).
'
=
Arztliche Vereine, 839
Arztekammern, durd Verordnung vom 25. Mai
1887 eingefiihrte Standesvertretungen der Ärzte in
Preufen, Bayern, Baden, Sachſen, Wiirttemberg,
Hejfen, Oldenburg, Hamburg, Braunſchweig, Elſaß—
Lothringen und den thiiringifden Staaten zur Er:
drterung aller Fragen und Angelegenheiten, die den
ärztlichen Beruf oder die öffentliche Geſundheitspflege
betreffen. Sede Proving wählt eine Arztekammer aus
mindeftens zwölf Mitgliedern. Die Mitglieder wer-
den auf 3 Jahre gewahlt und gwar auf 50 Wabhl-
beredhtigte cin Mitglied. Wahlberechtigt und wählbar
ijt jeder approbierte Arzt, der im Wahlbezirk wohnt.
Der Vorjtand bejteht aus mindejtens fiinf Mitgliedern.
Die W. haben Vorſtellungen und Anträge an die
Staatsbehirden gu ridten und wählen Vertreter, die
an widtigen Sipungen der Provingialmedizinal-
follegien und der Wiſſenſchaftlichen Deputation fiir
das Wedizinalwefen teilnehHmen. Rad BVerordnung
vom 6. Jan. 1896 bilden Delegierte der A. (je einer)
fiir Die Dauer der Wabhlperiode der Kammer cinen
Ärztekammerausſchuß mit dem Sig in Berlin
und Der Aufgabe, vermittelnd gu wirfen zwiſchen dem
Minijter und den Kanrmern und zwiſchen letztern unter-
einander. Der Vorſitzende des Ausſchuſſes beruft ihn
in Der Regel jährlich einmal. Nach Geſetz vom 25. Nov.
1899 ijt die Arztelammer befugt, vor den wahlberech—
tigten Ärzten des Kammerbesirts einen von ihr fejt-
zuſetzenden Beitrag zur Decung des Kaſſenbedarfs zu
erheben. Nach demfelben Gejeg wird in Breuken fiir
den Bezirk jeder Ärztelammer ein ärztliches Eh ren-
geridjt und fiir den ganzen Staat cin Chrengeridts-
hof gebildet. Crjteres hat zu erkennen über die Ver-
lefung der ärztlichen Standespflichten durch die ap-
probierten Arzte. Auf Untrag eines Arztes muy eine
sGoneniciaitioe Entideidung iiber fein Verhalten
herbeigefiihrt werden. Politiſche, wiſſenſchaftliche und
religiöſe Unfidten oder Handlungen Hilden nidt
den Gegenjtand ehrengeridtlicen Berfahrens. Als
Ehrenrat hat das Ehrengeridt die Beilequng von
Streitigfeiten zu vermitteln. Beamtete Ärzte, Mili-
tiir> und warinelirate unteritehen nicht Dem Ehren—
ericht. Gegen die Entideidungen des Ehrengerichts
it Berufung an den Ehrengerichtshof zuläſſig.
Dieſer befteht aus dem Leiter der Medizinalabteilung
de3 Minijteriums, vier gewählten Mitgliedern des
AÄrztekammerausſchuſſes und zwei vom König er—
nannten Ärzten. Vgl. Altmann, Äürztliche Ehren—
gerichte und ärztliche Standesorganiſation in Preu—
pen (Berl. 1900).
Mrgtetag, ſ. Ärztliche Vereine.
Arztliche Ehreugerichte, ſ. Ärztekammern.
Arztliches Fortbildungsweſen. Die Abſicht,
den praktizierenden Arzten die Fortſchritte Der Medi—
zin leichter zugänglich zu machen, hat zur Einrichtung
von alljährlich ſtattfindenden Kurſen an den Univer—
ſitäten und an großen gemeindlichen Nranfenanjtal-
ten (3. B. Hamburg, Dresden) geführt, in denen na-
mentlich aud) die rrungenfdaften der Spesialfader
Berückſichtigung finden. In VPreußen bejteht ein
Rentralfomitee fiir das ärztliche Fortbildungsweſen,
das die Förderung, bez. Emridtung und Ubhaltung
| unentgeltlicjer Kurſe fiir Ärzte durch Hofpitalteiter,
Spezialärzte rc. ſich zur Aufgabe macht. Bal. Kut—
mer, Das ärztliche Fortbildungsweſen in Preußen
| (Leip;. 1902).
« Mrgtliche Vereine dienen namentlich wiſſen—
ſchaftlichen oder wirtidaftliden und Standesintere)-
jen. Die Grundlage des frei organijierten ärztlichen
Vereinswejens bildet der 1873 in Leipzig geqriindete
840
Ärztevereinsbund, der zur Beit aus 279 ärzt⸗
liden Bereinen mit iiber 15,000 Mitgliedern bejteht,
einen 21köpfigen Geſchäftsausſchuß beſitzt, das »Argt-
liche Vereinsblatt· fiir Deutſchland herausgibt und all-
jährlich einen Ar ztetag veranſtaltet. Ein vom Ärzte—
vereinsbund errichtetes Syndikat mit dem Sig in
Berlin ſoll bei Schaffung neuer Gejege die Wünſche
und Bejtrebungen der Ärzte jum Uusdrud bringen.
Während diefer Verein alle oben bezeichneten Inter—
eſſen gu fordern bejtinuntt ijt, hat ſich unter dDemt Drud
der veridlecterten Erijtensbedingungen der Ärzte
neben ifm cin Wirtſchaftlicher Verband orga—
nifiert, der fid) mit großem Cifer der materiellen ärzt⸗
liden Standesintereſſen annimmt. Wratlide Un-
terjtiipungstaffen beſtehen sur Zeit 82 in Deutid-
land, die größte ijt bie Zentralhilfskaſſe fiir die
rjte Deutſchlands, in die jeder gejunde, nod)
nidjt 50jährige deutſche Arzt fiir 10 We. cintreten
fann, und aus der er cintretenden Falls eine Inva—
liden= oder Altersrente von 500 —1500 We. erhält.
Ral. Rapmund u. Dietrich, Ärztliche Rechts- und
Geſetzeskunde (Leipz. 1899); Graf, Das ärztliche Ver-
einsweſen (da}. 1890); Berger, Gefchidte des ärzt—
lichen Vereinswefens in Deutidland (Frankf. 1896).
As, in der Chemie Zeichen fiir cin Utom Arſen.
AS, in der Muſik das durd) > erniedrigte A (Lap,
ital. La bemolle, franj. La bémol, engl. A flat).
Ws, die Eins im Karten und Fiirfelfpiel, in vielen
Rartenfpiclen das höchſte Blatt.
As (lat.), bei Den Römern die Cinheit im Gewichts
und Münzweſen. Wis Gewidt (Libra, Pfund ge-
nannt) wurde das As zwölfmal geteilt, und ‘ie As
madjte eine Uncia (Unze) aus. Geine Teile waren:
As Unjen As Unjen
as... «== 1 ober 12} quincunx . = 5/12 ober 5
deunx . . == Mig + 11/ triens . . = Ys 4
dextans. . — 5 10 quadrans.— Ye « 8
dodrans. — Ms 2 9 | soxtans = Nig s 2
bes . . . = 3% 06s) Bf uneia . w= he ee 1
septunx . — thea « 7! semuncia. = 44 « Me
semis . — Ye = 6] sextula ='ha + We
1 As war nad) Bidh — 32745 g. WIS Kupfer—
münze (Die zuerſt unter Servius Tullius mit Bil-
dern von Tieren [Daher pecunia, von pecus] bezeich—
net wurde) wog 1 As urjpriinglid) 12 Unjen; tat-
fiichlid) aber batten die Miingen nur 10 Unzen und
waren jtart mit Zinn und Blei legiert. Bon Teil-
miingen hatte man den Semis, Triens, Quadrans,
Sextans und Die Uncia. Beide Seiten der Münzen
wurden feit 500 v. Chr. durd) Bilder bezeichnet, die |
cine Seite fpater gewöhnlich durch einen Schijfidnabel
und die Wertbezeichnung in Miigelden, die andre Seite
durch Götterlöpfe (Whbildung }. Tafel »Wiingen I<).
Die altejten, uns erhaltenen Stiide gehen jedod) nicht
liber 300 v. Chr. hinaus. Auf dem As erfcheint der
Doppelfdpjige Janus, auf dent Semis Dupiter, auf
dem Triens Viinerva, auf dem Quadrans Herfules,
auf dent Sextans Mercurius, auf der Uncia wieder
Winerva oder die als Göttin perjonijigierte Noma.
Dieſe Münzen waren das geſetzliche und ausſchließ—
liche Kurant von den Dezemvirn (451 v. Chr.) an bis
As — Aſaky.
(2. Bearb., daj. 1882). — Geit dem Mittelalter diente
befonders das holländiſche As sur Grundlage fiir ge-
naue Bejtimmungen der Gold-, Silber- und Münz⸗
gewichte. Die Amſterdamer Troismark enthielt
5120 Aſen, das alte Pariſer Pfund ihrer 10,184,62,
woraus 1 g — 20,s80592 Us und 1 US — 48, /6324 mg
berechnet ijt. Die alte Kdlner Mark von 233,s123 g
wurde in 4020 Kilner US (deutide Dulatenas), 60
auf das Rauhgewidht des Dulatens, fowie in 4332
Kölner Eßchen und im 4422 ſächſiſche Dulatenas, 66
auf den Dufaten, und die Wiener Markl von 2s0,e0g
in 4824 Peta pa eingeteilt. Jn Preuken nabm
man die Kölner Wark von 233,855 g — 4864 bollan-
diſche US an, teilte jedod) das Grin 1831 in Sech—
Ce und nannte Ddiefe 1854 »preukifde US<, die
uünzmark = 4608; feit 1857 war das neue Miiny-
pfund von 500 g in 1000 Tauſendſtel gu 10 Us geteilt,
bis das metrijde Sytem dem cin Ende madte.
8, Singular von Wf ar (j. d.).
Aes (lat.), Erg, befonders antife Bronze; A. Co-
rinthium, forinthifdes Erz; A. cyprium, Kupfer,
das im VWitertum von Cypern fant.
Aſa (Uj ja), Konig des Reiches Quda, Sohn und
Nachfolger Ubias, Urenfel Salomos, 955—914, nach
andern 909—869 v. Chr., bob die Webrfraft des
Landed, bejiegte im 11. Regierungsjabre die Agypter
bei Marefa, reinigte den Kultus von heidnifden Zu-
taten und Klug mit Hilfe Syriens Baeja von Israel.
Aſaba, f. Aſſaba.
Asa duleis, ſoviel wie Benzoe.
Asa foetida (Ufant, Stinfafant, Teufels:
dred), der erhartete Milchſaft der Wurzel von Ferula
Assa foetida L., im Steppengebiet Berjiens und in
Turfijtan, die aud in einigen Gegenden fultiviert
wird, und von Ferula Narthex Bovss., in Afghani—
jtan und Tibet. Man gewinnt die A. durch Abſchnei
den der Stengel und des Kopfes der ſehr ftarfen Wur—
zel und Einſammeln ded erbairteten Saftes. A. in
granis bildet fleine, gelblidje oder braune Korner, A.
in massis, eine fornige Grundmaffe, in der neben
erdigen Veimengungen Körner —— liegen. A.
ijt anfangs milchweiß, wird an der Luft zart rot, dann
violett, endlich braun. Sie ijt weich wie Wachs, flebend,
in Der Kälte ſpröde und leidt pulverifierbar; fie riecht
höchſt unangenehm noblaudartig, ſchmeckt widerlich,
icharf bitter und aromatijd, befteht aus Harz (Ferula⸗
ſäure-Aſareſinotannoleſter), Gummi und ſchwefel⸗
haltigem ätheriſchen Ol. Die A. ijt weder in Ällohol
nod in Wafer vollandig löslich, gibt aber mit letzterm
leicht cine Emulfion. Die A. ijt im Orient feit langem
gebräuchlich und war der Salerner Schule ſchon im
| 11. Jahrb. befannt. Jest benugt man fie bei Hyſterie
und habituellem Wbortus. Jn Perjien und Yndien
| (angeblid) auch in der feinern franzöſiſchen Ride)
dient A. gur Würze von Speijen und Getränlen.
| Asagraea, {. Schoenocaulon.
we ivi (tiirf.), Die Truppen, das Heer.
| Aſaky, Georges, rumän. Schriftiteller,
1. März 1788, geft. 24. Nov. 1869 in Jaſſy, erbielt
in Deut}dland und Italien eine forgfaltige Erziehung
1860); Hultſch, Griechiſche und römiſche Metrologie
kurz vor Anfang des erſten Puniſchen Krieges. Der | und ſtudierte zu Wien höhere Mathematik und Aſtro
Wert dieſes As iſt 47 Pf. Bei Einführung des Silber nomie. Yn die Heimat guriidgefehrt und jum Mi
geldes (268 v. Chr.) wurden 3 As, fpiiter fogar 6 As nijterialrat ernannt, jtellte er fic) die Wiederdelebung
aus cinem Bfund Kupfer gepriigt, wonad) fid) der | und Reinigung der rumäniſchen Sprade und die Zi—
Nurswert de3 As entipredend bis zulegt auf 4 Pf. | vilifation ſeines Baterlandes zur Lebensaufgabe,
reduzierte. Urſprünglich hatte das altrdmifche Bfund ſchrieb Schulbiicher in rumäniſcher Sprade, ridtete
Rupfer einen Wert von 1 Wie. 94 PF. Val. Momm: | die erjte rumäniſche Drucerei cin und qriindete das
jen, Geſchichte des römiſchen Muünzweſens (Berl. | erjte rumäniſche Journal, da er 30 Jahre lang re-
jam — Asben.
digierte. WIS Chef des Minijteriums fiir öffentlichen
Unterridt (jeit 1856) madhte er jid) Durd) Griindung
zahlreicher Elementarfdulen und höherer Bildungs-
anjtalter und der rumäniſchen Wtademie verdient.
Unter feinen »Gedichten« (2. Aufl. Jaffy 1854) ftan-
den befonder3 die Oden in Anſehen; auch überſetzte
er cine Anzahl deutſcher und franzöſiſcher Theater:
tiie inS Rumiinifde und ſchrieb eine -Geſchichte
uflands« in zwei Banden.
Aſam, bayr. Künſtlerfamilie de3 17. u. 18. Jahrh.,
deren Haupt, Hans Georg A. (gejt. 1696), Wand-
malereien in der Stiftstirde gu Hall und in der Kirche
i Benediltbeuern ausgefithrt hat und als Lehrer der
aufunjt in Brag tätig war. Seine Sine, der Ma—
fer Cosmas Damian A. (1680 —1742) und der
Vildhauer und Stulfateur Egid Quirin A. (geft.
nad 1746), batten in Rom jtudiert und ließen fid
1715 in München nieder, von wo aus fie zahlreiche
Rirchen und Klöſter mit malerifdem und plajtifdem
Schmuck im itppigen Stile de3 rimifden Baro ver:
ſahen. Sie arbeiteten im Dom gu Freiſing, in den ſtlö—
jtern Maria-Cinjiedein und gu Metten, m der Stifts-
firde St. Emmeran gu Regensburg, in der Rirde auf
dem Weißen Berge zu Prag u. a. O. Dbre felbjtin:
digen Hauptiverte frp die NohanneSfirde und ihr
eignes Haus in München und der Rongregationsfaal
in Ingolſtadt. Vgl. Halim, Die Künſtlerfamilie der
A. tind. 1896).
Aſanen (Uffanen), cin urfpriinglid) gu den
yperboreern gehoriger, jest tatarijierter dhrijtlider
ollsſtamm, bis Ende des 18. Jahrh. am Jeniffei,
im Streis Kraſſnojarſk, jest am Uſſolka wohnhaft und
teil mit Ruſſen, teils nut Katſchinzen verſchmolzen.
Aſant, jtinfender, foviel wie Asa foetida,
wohlriechender, foviel wie Benzoe.
Afante, Negerreich, ſ. Aſchanti.
Aſautſchewſky, Michael von, ruſſ. Romponift,
eb. 1839 in Mosfau, geſt. 24. (12.) Jan. 1881 in
Retersburg, madte 1861—62 unter Hauptmann und
Richter in Leipgig feine Studien, lebte 1866 —69 in
Baris und war 1871—76 Direftor de3 Konſerva—
toriums der Muſik gu Petersburg, dem er feine reiche
Muſikbibliothek vermadhte. Wis Komponiſt trat er
nur mit wenigen Inſtrumentalkompoſitionen hervor.
Asaphus , Gattung dev Trilobiten aus dem un-
tern Silur, enthalt die größten Formen der Trilobiten.
Aſapröl (Ubrajtol), naphtholmonofulfojaurer
Ralf, weißes Pulver, ſchmeckt bitterſüßlich, ijt löslich
in Waſſer, wird als antiſeptiſches Mittel, gegen Neur—
algien, Gelenkrheumatismus und ſtatt des Gipſes
gum Konſervieren von Wein benust.
Aſar (jdwed., fpr. sjar, Plural von V8, »Bergrücken,
Grat«), Gebilde der Eiszeit in Schweden, wallartige,
bis 60 m hohe Gerdll- u. Gandbiigel, die ſich mehrere
Kilometer lang durd dad Land hinziehen (f. Cisseit).
Ujarhaddon, König von Ujjyrien, Sohn Gan-
heribs, noch bei Lebseiten feines BVaters jum Regen-
ten liber Babylonien bejtellt, wurde gegen Ende des
Jahres 681 auch feines Vaters Nachfolger auf dem
aſſyriſchen Throne, nachdem er eines in Aſſyrien aus-
—— Aufſtandes Herr geworden war. Er ließ
as von ſeinem Vater dem Erdboden gleich gemachte
Babylon aus ſeinen Trümmern neu erſtehen. 677
beſtrafte er Sidon durch Zerſtörung und begann hier⸗
auf ſeine Unternehmungen wider Agypten, wo Tir-
hata (agypt. Tahara), der »König von Wthiopien,
feit 691(?) auf dem Thron fak. 675/674 gogen feine
Deere gegen Agypten, aber der Hauptidlag erfolgte
erjt 671, in weldem Jahr A. Memphis erjtiirmte und |
841
ganz Ägypten gu einer aſſyriſchen Proving made,
regiert von aſſyriſchen Statthaltern, an ihrer Spige
Neco, der Statthalter von Sais und Memphis. Zur
Verherrlichung feines Sieges liek UW. an der Veiindung
des Sundsftutfes bei Beirut eine Gedenftafel an der
Felſenwand anbringen und in der nordfyrifden, jest
indfdirli (Sendſchirli) genannten Ortſchaft jene rie-
ige Stele mit Aſarhaddons Rolojjalbild in Relief und
einer langen Keilinſchrift aufridten, die jeBt dank den
Uusgrabungen des Berliner Orientfonutees im Ber—
liner Muſeum aufgeſtellt ijt. Der qrokartige fogen.
Siidweftpalajt, den A. in Kelach (Nimrud) erbaute,
blieb unvollendet. A. ftarb am 10. Mardesvan 669.
Sein Nachfolger war fein Sohn Aſurbanipal (j. d.).
Wfarja, ſ. Drei Männer im Feuerofen.
As&érum Tourn. GGaſelwurz), Gattung der
Urijtolodiageen, ausdauernde Krauter mit lang:
Qejtielten nieren-, herz- oder fajt pfeilformigen Blät—
tern und endjtindigen Blüten. 13 Arten in der ge:
mäßigten Bone der nördlichen Halbfugel. A. euro-
paeum L. (wilde Narde, Leberfraut), mit frie-
dhendem, gegliedertem Wurjeljtod, nierenformigen,
weichhaarigen Blittern und bor furggejtielter, aupjen
jottiger, grünroter, innen dunfelroter Bliite, in Eu—
ropa und Gibirien. Die Wurzel riedjt fampfer- und
pfejferartig (friſch unangenehm baldrianartiq), ſchmedt
ſcharf, widerlich bitter und enthält ätheriſches Ol, das
aus Pinen, Methyleugenol und Aſaron (Haſelwurz—
fampfer) C,,H,,O, beſteht. Letzteres, ein Propenyl⸗
trimethoxybenzol, das ſich aud) im Kalmusöl findet,
bildet farb-, geruch⸗ und geſchmackloſe Kriſtalle, ſchmilzt
bet 67° und iſt nicht flüchtig. Der Staub der Wurzel
erregt Nieſen, die Wurzel wirkt bredenerregend und
purgierend; fie dient aud) als Niesmittel. Bon dem
nordamerifanifdjen A. arifolium Michx. (wilder
Ingwer) ſchmeckt die Wurgel ſchwach ingiwerartig.
Die wohlriedhhende Wurzel von A. canadense L. wird
argneilid) angewendet, aud) dem Wein zugeſetzt. Das
daraus gewonnene ätheriſche Ol benugt man m Nord-
amerifa in der Parfiimerie.
Asas Na das durch bb dDoppelt erniedrigte A.
Aſaſel, nad einigen jüdiſchen Schrifterflarern
fälſchlich ein böſer Geitt der Wiijte, Den man jahrlid
ant großen Verſöhnungstag zugleich mit Gott durd
einen Bod verſöhnte; nach andern hat das Wort, das
ſich nur bei der Beſchreibung de3 Sühnealts am Ber:
fdhnungstag findet (3. Moſ. 16, 8. 10. 26), die Bedeu-
tung » weit wegfontmende«, vielleidt aud) »Cinddec.
Uber zwei vom Bolf dargebracdte Böcke warf der
Hobhepriejter das Los, unt zu entſcheiden, welder Bot
fiir Gott, welcher fiir A. fei. Nachdem hierauf der
Gott gugefallene als Sitndopfer fiir das Volk ge-
ſchlachtet und die Verſöhnung von diefer Seite voll-
bracht war, ließ der Hoheprieſter den fiir UW. beſtimm—
ten Bod herbeibringen, legte fee Hande und damit
alle Siinden YSrael3 auf den Kopf des Tieres und
fandte dasſelbe durch einen Mann in die Wiijte, da-
mit es fid) und alle Miffetat des Bolles weit wegtrage
(Daher der Uusdrud Siindenbod). Sferigerweile
veritanden die Rirdenvater, die Vulgata, Luther u. a.
unter A. den in die Wiijte geſandten Boe felbjt (caper
emissarius, lediger Bort), darin cin Symbol der Weg:
nahme und Bergebung der Siinden durd Gott er-
blictend.
Asbach, Dorf im preuß. Regbez. Koblenz, Kreis
Neuwied, an den Linien Honnef-A. der Brölthaler
Eiſenbahn, hat eine evangeliſche und eine kath. Kirche,
Amtsgericht, Seidenweberei und (1900) 460 Einw.
Asben, Landſchaft, ſ. Wir.
842 Usberg —
Asberg, Stadt, ſ. .
Nivel (v. gried). —— »unverbrenntlid«),
Wineralien, die dick- oder feinfajerige, elaſtiſch bieg-
jame Aggregate von weiflider, grünlicher oder braun:
licher Farbe daritellen, oft feidenartiqen Glanz zeigen,
teild fettiq, teils mager angufiiblen find oor Horn:
biende und Serpentin in enger genetifder Beziehung
jiehen. Sie finden fic) daher mia meiſt in Geſellſchaft
dieſer Mineralien, die bisweilen ſo allmählich in A.
lübergehen, daß cine beſtimmte Grenze nicht anzugeben
iſt. Die chemiſche Zuſammenſetzung des Aſbeſtes iſt
ſehr ſchwankend; der Hornblendeaſbeſt ijt waſſerfrei,
dev Serpentinaſbeſt aber enthält Waſſer. Man unter—
ſcheidet: Amiant (v. gried). amianthos, »unbefleckt-,
Bergflachs, Byſſolith) oft ſehr lange, feine und
biegſame, weiße bis grünliche Faſern mit ſeidenartigem
Schiller, ijt ein dew Aktinolith gleich zuſammengeſetzter
Hornblendeaſbeſt und kommt beſonders in Horn:
blendegeſteinen in Geſtalt von Schnüren, in Talk—
und Chloritſchiefer, aud) in Kalkſtein vor und ijt zu—
weilen in Bergkriſtallen und Ralffpat ——
Gr findet fic) auf Korſika, in Steiermark, Tirol, Pie—
mont, Savoyen, am St. Gotthard, zu Dijans in der
Dauphiné und im Gouv. Perm, wo er bei Newjanit
einen ganjen Berg bildet. Schillernder A. Nh By
fotil, v.gried). chrysos, »Gold«, und tilos, »yaler«)
ijt ein weicher, in feinen Fafern bieqfamer Serpentin-
ajbejt mit lebhaftem bellmetallijden Seidenglanz,
meijt faud)- umd digriin, wenig durchſcheinend, durd)-
jept in Platten und Schnüren in parallelfaferiger Zu—
ſammenſetzung den gewöhnlichen Serpentin, mit dem
ec in chemiſcher Hinſicht vollklommen tibereinjtinumt;
er findet fic) befonders bei Reichenſtein, Zöblitz (Sad:
fen), in Den Alpen rc. Eine Abart dieſes fehillernden
VUjbejtes ijt der weiße oder hellgriine Leukotil (v.
qvied). leukos, »weiß«) von ſilberähnlichem Seiden-
glanz. Unveinere Barietiten find der gemeine A.
mit grobern, weniger biegfamen Faſern fowie der
Bergkort (Vergleder, Vergpapier), bei dem
ſich Die filzartig ineinander gewobenen Fafern ſchwer
voneinander trennen laffen. Legterer ijt matt oder
wenig ſchimmernd, undurdjidtiq, grau, qriin, braun
und kommt in Serpentin und Hornblende fiihrenden
Gejteinen vor, am St. Gotthard, in Tirol und Spa-
nien, aud) auf Erzlagern in Schweden. Beim Berg -
hols (Sterzing in Tirol, Ranada) find braune Tetle
zu einer Holjartiqen Maſſe feſt verbunden. — Italie—
niſcher und griechiſcher Amiant wurde von den Alten
yu unverbrennlichen Tafel- und Leichentüchern (as-
bestinum) verarbeitet. Rad) Pauſanias beſaß die
goldene Laterne der Minerva in Athen einen Docht
aus taryſtiſchem Flachs. Iroleſen und Huronen ha—
bern ans M. Kleider hergeſtellt, und in Urug fertigen
die Eingebornen aus A. Gefäße. In Sibirien trägt
man Handſchuhe, in den Pyrenäen und in Como fer—
tigt man mittelfeine Spigen aus A. Die neue Aſbeſt—
indujtrie verarbeitet UW. aus den Gruben von Que—
bec, Die 1878 entdecit wurden und neun Sehntel des
in Der ganjen Welt verbraudjten Aſbeſtes liefern,
1898: 15,892 Ton. Rupland, Sdweden, Tirol, Un—
garn, Stalien, Korſila, Sibirien, Siidamerifa, Siid-
afrifa, Auſtralien liefern weniger A. Kurzfaſeriger A.
(Afſbeſtolith) wird in Sall Mountain in Georgia
gewonnen, Jn der Hegel find die Faſern glatt und
jeiDenartig, die fanadifden gekräuſelt, 5 —6 em lang,
ipes. Sew. 2,5. Der blaue UW. vont Kap ijt linger,
feinfajeriger, viel leichter als ttalientider und fana-
diſcher. Die durd) Sprengarbeit gewonnenen Blide
werden auf Kollergängen oder Walzmühlen zerklei
—
— — — — — — — — — — — — —
Asbjörnſen.
nert und durch Maſchinen in lang⸗ und kurzfaſerige
Ware geſondert. Die langen Faſern werden zu Garn,
gu Seilen und Schnüren meiſt mit etwas Baum-
wolle verſponnen (12,000 m feiner Aſbeſtfaden wiegen
1kg). Seile aus VU. vom Rap ſind etwas leichter als
Hanffeile und —— zwei Drittel ihrer Haltbarkeit,
während jie durch ————— leiden. Afbeſt⸗
gewebe werden aus reinem Aſbeſtgarn oder mit Kette
aus Baumwolle, Wolle, Seide, Draht hergeſtellt und
überall benutzt, wo Feuerſicherheit in Betracht komutt.
Schürzen und Gewänder aus Aſbeſtkautſchuk die—
nen in Hüttenwerken zum Schutz gegen ſpri
Metallguß und ſtrahlende Hitze. Aſbeſtſchnüre t
man in der chemiſchen Technik und zum Befeſtigen
der Glühſtrümpfe. Kurzfaſeriger A. wird mit Papier⸗
brei oder einem andern Bindemittel gemiſcht und ju
Papier, Pappe verarbeitet. Das Papier dient zu
Dokumenten, Theaterdeforationen; Aſbeſtpappe als
Wärmeſchutzmittel, zur Erhöhung der Feuerſicherheit
(Türen, Vorhänge rc.), zu Dichtungen an Damvf-
maſchinen ꝛc. pate Seyniire), zu Fiillungen in Geld-
ſchränken, als Einlegeſohlen, als Dfoliermaterial in
der Eleftrotednif xc. In Bulverform mit Waſſerglas
und Mineralfarben gemijdt, liefert A. contin
- | Unjtrid (Aſbeſtemail). Aus kurzfaſerigem UW ge-
winnt man durch Druck und Brennen bei boher Tem-
peratur eine porjellanartiqe Maſſe. Sehr ausqedebhnte
Verwendung hat A. in den petdlicheniuen tecemen
im Baufad gefunden, namentlid wn Bauteile der
Cinwirtung de3 Feuers zu entziehen, sur Errichtung
von Sdeunen, Urbeiterhaujern, Baracten, Ravillons,
Tropenhiujern x. Vol. Luſchin, W., deffen Bor:
fommen und Berarbeitung in Ojterreid) - Ungarn
(Wien 1890); Jones, Asbestos, its properties, oc-
currence and uses (ond. 1890); Roll, Der A. umd
feine Verwendung (Geejtemiinde 1901).
Afbeſtik, der kurzfaſerige und pulverförmige Teil
des Aſbeſtes, der nad) dem Ausziehen der langern
Ufbeftfafern verbleibt und zur Herjtellung von Wj-
beſtmörtel (ſ. d.) benugt wird.
fbeftmirtel, Möriel aus Aſbeſtik mit wenig
Ralf, Gips oder Bement und Wafer, wird wie ge-
wihnlider Wandputz behandelt. Er zeichnet ſich durch
Glätte, Beſtändigleit und große Feuerſchutzwirtung
aus. In den Vereinigten Staaten von Nordamerita
ijt bet jtaatlidjen Bauten die Verwendung von WL. in
ewifjem Umfange vorgefdrieben, und die Feuerver-
icherungsgeſellſchaften gewähren ſolchen Haufern ge-
ringere Prämienſätze. Yt ijt ein fcbledter Wanne-
leiter, dämpft den Schall und bildet einen Walgrund,
auf dem die Farben Beſtändigleit zeigen.
Ufbeftolith, ſ. Aſbeſt.
Asbjöruſen, Peter Chriſtian, norweg. Foll⸗
loriſt und Naturforſcher, geb. 15. Jan. 1812 in Chri⸗
ſtiania als Sohn eines Glaſers, geſt. 6. Jan. 1885,
ſtudierte ſeit 1333 Medizin und Naturwiſſenſchaften
und begann während eines vierjährigen Landaufent-
haltes als Hauslehrer und auf Reiſen zuſammen mit
ſeinem Freund Moe norwegiſchen Vollsſagen ju
ſammeln. 1849-—50 war er mit cinem norwegiſchen
Krieg schiff in Kleinaſien und Äghpten, ftudierte dann
Forſtwiſſenſchaft, wurde 1860 Forjtmeifter und zeich⸗
nete auf feinen Dienjtreifen Sagen und Warden ge-
nau auf. Er ſchrieb cine »Naturhistorie for Ung-
dommen« (1839-49, 6 Bde.) und den Tert fiir
Tönsbergs »Norge i Tegninger« (1855) und gab
» Norske Folke-Eventyr« (mit Moe, 1842—43; ver⸗
mehrte Ausg. 1852 u. 1866, allen), ferner » Norske
Huldre-Eventyr og Folkesagn« (allein, 1. Samm:
Asbolan — Aſchaffenburg.
lung 1845, vermehrt 1859; 2. Sammlung 1848,
vermehrt 1866) mit lebensfrifden echten Natur- und
Bolfslebensbildern aus den Landesteilen, wo er fie
—— heraus. Deutſch erſchienen: »Norwegiſche
ollsmärchen· (Berl. 1847) und »Wuswahl norwegi⸗
fcher Vollsmärchen u. Waldgeifterjagen« (Leips. 1881).
Asbolan, Mineral, foviel wie Robaltmanganers.
Asbury Park, Stadt und Seebad im nordamert-
fanifdjen Staat New Jerſey, ſüdlich von Long Brand,
mit (1900) 4118 Cinw.
UAscalingium, ſ. Lingen.
Ascalobatae, ſ. Geconen.
Ascan., bei Tiernamen Ubfiirgung fiir Peter
Uscanius, geb. 1723, geft. 1803 als Arzt in Kopen—
ge Vearbeitete die nordiſche Naturgefdidte und
gab namentlid) Abbildungen von Tieren. ;
Uscanius (gried. Us fanios), Sohn des Äneas
und der Rréufa, aud) Jullus (ulus) genannt, an-
geblidjer Griinder von Alba Longa (vgl. Aneas) und
Stammvater der Yulier.
Ascaridae, Ascaris, {. Spulwiirmer.
UAfeendenten, Ajcenfion zc. , ſ. Aſzendenten x.
Wseenfianus, ſ. Badius.
Ascensio Domini, ſ. Himmelfahrisfeſt.
Aſcenſion (engl., jpr. afennig’n, Him melfahrt3-
infel), 88 qkin große, 5u Ufrifa gerednete britiſche
Infel im Utlantijden Ozean, unter 7° 55’ fiidl. Br.
und 14°23' weſtl. L., ward am Himmelfahrtstag 1501
von dem Portugiejen Juan de Nova Gallego entdectt
und daber A. benannt. Gie bejteht durchaus aus
jungvulkaniſchem, fajt vegetationsloſem Geftein. Nur
am Green Mountain (835 m), mit der eingigen, aber
febr ergiebigen Quelle der Inſel, findet ſich üppige
Vegetation. — W. wurde 1815 von den Briten bejest,
um den auf St. Helena gefangen gehaltenen Napo-
leon I. gu bewachen; pe paßte Die Inſel als Pro—
viantdepot für das zur Unterdrückung des Sklaven
handels beſtimmte Geſchwader, und da das Klima
alle Stufen vom heiß tropiſchen bis zum kühl ge—
mäßigten in den höhern Teilen aufweiſt, fo wurde
* eine Geſundheitsſtation angelegt. Seit 1881 ijt
nur nod Kohlenſtation. Der einzige Ort, George⸗
town, an der Mordiwejtfeite, hat (sso) 140 Einw.,
bejtehend aus der Garnijfon, cinigen Frauen und
afrifanifden Dienern, die England 8000 Pfd. Steril.
Jahresausgabe verurjaden.
Aſcẽſe (Aſzeſe), ſ. Asleſe.
Aſch, ſ. Bar (Sternbild).
Aſch, Stadt in Böhmen, nördlich von Eger, 633 m
i. M., am Fuße de3 Hainberges, nabe der bayrifden
und ſächſiſchen Grenge, an der bayrifden Staats:
babniinie Eger-Hof gelegen, Sig einer BVegirfshaupt-
mannſchaft, eines Bezirlsgerichts, Hauptgollamts und
einer evangelijden Superintendentur, bat eine pro-
teſtantiſche und cine fath. Pfarrfirde, cin Kaiſer Jo—
feph- und cin Luther-Denfmal, eine Fachſchule für
Weberei und Wirkerei, bedeutende Fabrifation von
Reiderjtoffen und Wirkwaren, Bleicherei, Färberei
und Uppretur, Spitzenerzeugung, cine Maſchinen—
fabrif, Dampfziegelei, Dampfbrettſäge, Bierbrauerei,
Was- und Elektrizitätswerk und (1900) 18,675 deutſche
Einwohner (12,462 Cvangelijdje).
Wid, Adolf, Freiherr von UW. gu Aſch auf
Oberndorff, bayr. Kriegsminiſter, qeb. 30. Ott.
1839, trat 1858 in die bayriſche Urmee, madjte den
Feldzug von 1866 als Leutnant, den deutfd- fran-
zöſiſchen Krieg als Udjutant v. d. Tanns mit, war
mehrere Jahre zur kriegsgeſchichtlichen Ubteilung de3
Großen Generalſtabs in Berlin kommandiert, um den
843
Anteil der bayriſchen Truppen ant ſtriege von 1870/71
zu bearbeiten, wurde darauf in den Generalſtab der
2. bayriſchen Divifion verſetzt und 1885 jum Chef
der Perſonalabteilung im Kriegsminiſterium ernannt.
Hierauf wurde er Rommandeur de3 1. Ynfanterie-
regiment3, 1889 der 7. Jnfanteriebriqade und 1893
der 2. Divijion in Augsburg und 6. Juni 1893 zum
Kriegsminiſter ernannt.
jd), ſchweizer. Ort, ſ. Klauſenpaß.
Aschabad, Hauptitadt des Transkaſpiſchen Ge—
biets und des Kreiſes A. (früher Achal Tekke) in Ruf-
ſiſch Zentralaſien, an der Transkaſpiſchen Eiſenbahn,
ijt Hauptquartier Der Truppen des Transtafpijden
Gebiets, Si des Gouverneurs, hat cine Eiſenbahn—
ſchule, Seidenbau, ſchnell wachſenden Handel und
(1897) 19,428 Cinw. (2260 Ruffen, 5800 Perſer). Vor
der Croberung durd) die Ruſſen 1881 war W. Haupt:
ort ber Achal Teffe-Dafe.
Aſchach, Marktflecten in Oberdjterreid), Bezirksh.
Wels, am redten Ufer der Donau, an der Lokalbahn
WelS-W., hat ein graflid) Harrachſches Schloß mit
Part, Granitbritde, Dampfſäge und (1900) 1433 (als
Gemeinde 1598) Einw. Weytlid) die Burgruinen
Stauf und Sdauenburg, öſtlich jenjeit der Donau das
Vad Mithlladen mit erdig-alfatifdyer Cijenquelle.
Aſchaffeuburg, chemaliges Fiirjtentum, am
Main, jest ein Teil des bayr. Regierungsbezirks Un—
terfranfen, ca. 1700 qkm (30,88 So.) gro, wurde
1803 meijt aus furmaingijdem Gebiet gebuldet und
dem Surerszfangler von Dalberg als Dotation ver:
liehen. Geit 1806 gum Großherzogtum Franffurt
gehörig, fam das Fiirftentum 1814 nad) dem Verzicht
des Großherzogs auf feine Staaten an Ojterreid),
wurde aber jogleid) an Bayern gegen Wbtretungen
in Tirol und Salsburg vertauſcht.
Aſchaffenburg, unmittelbare Stadt im bayr.
Regbez. Unterfranfen, an der Widhajf und am Wain,
141 m ii. M., ijt Rnotenpuntt der Staatsbahniinien
Treudtlingen-U., W.-WUmorbad u. a. Das Schloß
S ofannisburg), von dem Kurfürſten von Mainz,
Johann Schweikard von Rronberg, 1605—14 im
Stil der Renaifjance erbaut, enthalt eine Gemälde—
alerie, eine Kupferſtichſammlung und cine Bibliothet.
Inter den gottesdienjtliden Gebduden (eine evange-
liſche, 9 Fath. Rirden, cine Synagoge) ijt die Stifts-
firdje zu St. Peter und Wlerander hervorzuheben, eine
romanijde Kreuzbaſilila mit unregelmäßigem Grund-
rig, mit dem Grabmal des Rardinals Albrecht von
Brandenburg von Peter Viſcher (j. Tafel »Grab-
mäler«, Fig. 13), um 976 geqriindet und 1870—81
reſtauriert. Andre bemerfenswerte Gebäude find:
der Schönborner, Baſſenheimer und Dalberger Hof,
das ſogen. pompejaniſche Haus, die getreue Nach—
bildung der in Pompeji ausgegrabenen Casa del
questore, die König Ludwig I. von Bayern 1842—
1849 ausfiihren ließ. YW. zählt (900) mit der Garni-
jon (ein Jägerbataillon ir. 2) 22,184 Einw. (dar:
unter 2779 Evangelifde und 604 Quden), die Fabri-
fation von Buntpapier, Rellulofe und Papier, Hols.
jtoff, Farben, Lad, Cisfdriinfen, Kochherden, Zigar—
ren, Leim, Lifdr re. betreiben ; ferner gibt es anjehnlide
Bierbrauereien, eine Gamenflenganjtalt, Steinhaue-
ret, Schiffahrt ꝛc. Der Handel, unterjtiigt durch die
Kettenſchiffahrt auf dem Main fowie durd) die Aſchaf—
fenburger VolfSbanf und mehrere Banfinjtitute, be-
fast fid) vorgugSweife mit Holz, Vieh, Wein, Wald-
jamen, Sand- und Ralffteinen ꝛc. Wn Anſtalten beſitzt
A. cine Forjtlehranjtalt, cin Gymnaſium mit Latein-
ſchule, cin Studienjeminar, eine Realfdule, ein Leh—
844
rerinnenfeminar, eine Muſikſchule x. A. ijt Sig cined |
Bezirlsamts und eines Landgeridts (fiir die zehn
UnitSqeridte zu Alzenau, Amorbach, A. Llingenberg,
Lohr, Maritheidenfeld, Miltenberg, Obernburg, Schöll
frippen und esa Beluſtigungsorte und
Spaziergänge in der Umgebung der Stadt ſind das
»ſchöne Tal«, partihnlide Anlagen, die ſich faſt rings
um A. ziehen; die Faſanerie und der vielbeſuchte
ſchöne Buſch⸗, ein großer Park mit Seen, Irrgarten,
Reſtauration ꝛc. Auf dem Friedhof ruhen W. Heinſe,
der Verfaſſer des »Urdinghello«, dem Konig Ludwig I. |
an der Mauer einen Denfitein ſetzen ließ, und der |
Didter Klemens Brentano. — YL, im Weittelalter
Aſchafaburg, aud Askenburg genannt, bejtand als
Rajtell ſchon zur Römerzeit. a 10. Jahrb. fam A.,
das bereits im 8, Jahrh. als Stadt genannt wird,
an den Herzog Otto von Sdwaben, der 974 dafelbjt
das Stift der Heiligen Peter und Alexander griindete.
Das Stiftsqebiet fam bald an Kurmainz, dad bis
1558 die Bropjtei A. bejtehen lich. Auf dem Fürſtentag
eu YW. ſetzte Enea Silvio tm Juli 1447 die Losfaqung
r deuiſchen Fürſten vont Bafeler Konzil und die
Unerfermung des Papjtes Nifolaus V. durch und}
bereitete Das Wiener Ronfordat vor, das deshalb auch
Aſchaffenburger Konkordat benannt wird. Im
Dreißigjährigen Kriege wurde YW. von beiden Par—
teien wiederholt eingenommen. Rach Auflöſung des
Erzſtifts Mainz (1803) ward A. Hauptitadt des gleich—
namigen Fürſtentums (ſ. oben) und fam mit dieſem
1814 an Bayern. Bei A. wurde 14. Juli 1866 die
öſterreichiſche Diviſion Neipperg von der preußiſchen
Diviſion Goeben geſchlagen und die Stadt von dieſer
erſtürmt. Vgl. Schober, Führer durch VL x. (4. Aufl.,
Aſchaffenb. 1902).
Aſchaffit, Geſtein, ſ. Kerſantit.
Aſcham (jvc. agtim), Roger, engl. Gelehrter, geb.
1515 in Rirby-Wiste (York hire), geſt. 30. Dex. 1568,
{tudierte in Cambridge, wurde Profeſſor des Griedi-
ſchen und 1548 gum Lehrer der ſpätern Königin Eli-
jabeth berufen. Die Jahre 1550-—53 bradte er als
Sekretär des Gejandten Moryfine am Hofe Karis V.
in Deutſchland gu; über feine hier angejtellten Beob-
achtungen beridjtete er in Dem » Report and discourse
of the affairs and state in Germany« (1553). Dann
wurde er, obwohl Proteſtant, lateiniſcher Sefretir der
Königin Maria und nad deren Tode (1558) der Kö—
nigin Clijabeth. Seine »Epistolae familiares« waren
als Wuiter des lateiniſchen Briefjtils berühmt. Cr
war jettlebens und mit Erfolq bemiiht, England fiir
die antiken, beſonders die hellenifdjen Ideale zu er:
ziehen; hierzu ſchrieb er fein Hauptwerf: » The school-
master, or the plain way of teaching children to |
the latin tongues (hrsg. von Arber in Den » English
reprints«, 1870). Qn einem eignen Bud (> Toxo-
philus«) empfabhl er das YUrmbrujticdieken. Cine Ge—
jamtausgabe feiner Werke bejorgte Wiles (Lond. 1864 |
bis 1865, 4 Bde.). Val. Kiriten, Uber Aschams
Leben und Schriften (Gotha 1874); Natterfeld,
Roger °., fein Leber und feine Werke (Strajb. 1879);
BWeidemann, W als Pädagog (Berl. 1900).
Aſchangokette, waldiges Gebirge im Hinterland
von Franzoöſiſch Kongo, das von NW. nad) SO. quer
liber Dem 2.° ſüdl. Br. sieht und im Olomba 783 m
Höhe erreicht (ſ. Karte -Aquatorialafrika«). Zahl—
reiche Flüſſe ſtrömen von ihm zum Ogowe und Kuilu.
Unter den Aſchango an der Weſtſeite fand Du
Dentjera trotz ſeiner holländiſchen Kanonen beſiegte;
Chaillu 1858 das Zwergvolf der Obongo (ſ. d.). Bal.
Du Chaillu, A journey to Ashango land (Lond.
1867).
Aſchaffit — Aſchanti.
Aſchanti (Aſante, engl. Ashantee), ehemaliges
Negerreich in Weſtafrila (}. Rarte bei »>Guinea«), um
18. Jahrb. entitanden, jest sur brit. Rolonic Goldlüſte
gehörig, bat 27,500 qkm nit 500,000 Einw., wab-
rend es früher bis an Dic Küſte reidhte und 193,000 qkm
mah. Das Land ijt voriviegend eine frudtbare, wald
reidhe Ebene, die gegen N. terrajjenformig aufiteigt
und vom Bra, Ofe und Dra bewäſſert wird. Das
Udanfigebirge im S. und die Wduarifenniberge im M.
jind von geringer Erhebung. Das Klima ijt gemäßigt.
e3 gibt zwei Regenzeiten, Ende Mai und Ende Of
tober. Die Walder enthalten Balinen, Gummibaãume,
Baumwollbiume, Gununi-, Farb- und Luxushölzer.
Kultiviert werden Yams, Durra, Mais, Hirje, Reis,
Tabak, Kürbiſſe. Von wilden Tieren finden fide Ele
| fanten, Biiffel, Untilopen, Affen, Lowen, Leoparden,
Schatale, Eber. Schlangen kommen iiberall vor, von
der kleinen Hausjdlange bis zur Boa Constrictor.
Die Viehzucht beſchränkt fic) auf lleine Rinder und
Schafe mut haarartiger Wolle. Hunde (die haarloſen,
nicht bellenden Guineahunde) werden der Jagd wegen
chalten, ihc Fleiſch gehört gu den Liebling sipeiien.
ahmes Gefliigel gibt es in allen Ortſchafien. Die
A. find Suddnneger, welde die Tſchiſprache fprecen
und ſehr geſchickte Farber, Töpfer, Gerber, Sinnner-
leute, Teppichweber und Goldarbeiter find. Das Land
ijt das eigentlide Goldland von Guinea und Gold,
das teilS aus den Flupbetten gewafden, teils aus
ruben gewonnen wird, fajt das einzige Geld, daz
hier in Fleinen Stangen von bejtimmtem Gewidt im
Umlauf ijt. Nur im Mleinhandel zahlt man auch mit
Raurintutdeln. Der Handel hat eine große Aus—
dehnung gewonnen, der Warentransport wird, da es
an Lajttieren fehlt, durch Trigerfarawanen beforgt.
Ausfuhrartikel find Gold, Palmöl, Elfenbein, Gummi
und Farbhiljer. Die Einfuhr bejteht in Gewehren,
Sdichpulver, Metallen, Spirituofen, Webwaren.
Durd diefen Handel herrſcht in A. ein fiir Neger un-
erwarteter Luxus in Mleidern und Hausgeriiten.
Die Verfajfung von W. war monardijd-arijto-
fratiid, indem den König cine Urt Reichsverſamm-
tung der Vornehmen umgab, ohne deren Rat in Krieg
und Frieden feine wichtige Entſcheidung erfolgte. Die
Broken, die man mit einem verderbten portugieſiſchen
Wort Caboſir nennt, beanſpruchten auch einen An—
teil an den Tributen und haben mehr als einmal
einen König entthront. Überhaupt bildete A. weni
einen einzigen Staat als eine i mebr
weniger feibstandiger Landjdaften, die 3. T. neben
ciqnen Fürſten ihre eiqnen Verfaffungen beibebalten
Hatten und meijt mur tribut- und heerespflichtig waren.
Die bei den A. gebräuchliche Vielweiberet war bei
dem König auf die höchſte Spitze getrieben; er hatte
3333 Weiber, welche Zahl wegen ihrer myſtiſchen Be-
Deutung bejtindig voll erhalten wurde. Die Made
des Staates berubte auf den reidjen Cinnabmen, die
der Sflavenhandel brachte; nad) deſſen CErldfden
wurden die geraubten Bewohner der Nachbarländer
meiſt als Menſchenopfer hingeſchlachtet. Die harten,
rohen Sitten jind aber feit Dem ungliidliden Sriege
mit England gemildert, aud die Menſchenopfer wur-
den abgeſchafft. Die Religion ijt Fetiſchdienſt, dag
Chriſtentum ſuchen wesleyanifde Miſſionare zu ver-
breiten. Hauptſtadt ijt Kumaſſi (f. d.).
Geſchichtliches. Für den Gründer des Aſchanti
reichs gilt Oſai Tutu, der 1719 den Fürſten von
auf dem eroberten Gebiete wurde von ihm Kumaſſi
erbaut. 1807 wurde den ſtammverwandten Fanti durch
Aſchbach — Aſche.
Oſai Kwamena die Küſte entriſſen. Den Engländern
wegen des Verbotes des Sklavenhandels grollend,
ſchlugen die A. den einen Tribut verweigernden Gou— |
verneur von Sierra Leone 21. Jan. 1824, und erſt
1826 gelang e3 dem Gouverneur Campbell, die A.
Hinter den Prahfluß guriidgutreiben. 1863 brad
abermals Krieg mit A. aus, der ungliidlid) fiir die
Briten verlief; es qelang nur, die W. von der Küſte
abzufdneiden. Als Kofi Karikari (Kalkalli) von neuen
Anſpruch auf die Herrſchaft über Axim, Elminaꝛc. und
die Fanti erhob, wurden die A. 1873 über den Prah
zurückgetrieben. Oberſt Wolſeley rückte 4. Febr. 1874
int Kumaſſi cin; Kalkalli zahlte 50,000 Unzen Gold
als Kriegsentſchädigung, räumte alle Küſtenpunkte
und verſprach Abſchaffung der Menſchenopfer. 1895
mußte der 1894 zum König ernannte Häuptling von
A. wieder gedemütigt werden. Seitdem iſt A. bri—
tiſches Proteltorat. Doch noch 1900 brachte ein Auf—
ſtand den Gouverneur Hodgſon in große Not (ſ. Gold-
fiijte). Bal. Bowdid, Mission from Cape Coast
Castle to Ashantee (Lond. 1819, neue Uusg. 1873;
deutid, Weintar 1820); Dupuis, Journal of a resi-
dence in Ashantee (Lond. 1824); Reade, Story of
the Ashantee campaign (Daf. 1874); »Ashantee
war, by the Daily News correspondent « (Daf. 1874) ;
Gundert, Vier Jahre in Ujante. Tagebücher der
Miffionare Ramſeyer und Kühne (Baſel 1875); Hay,
Ashanti and the Gold Coast (fond. 1874; deutſch,
Berl. 1874); Weithbredt, Four years in Ashantee
(Mond. 1875); Freeman, Travels and life in A.
and Jaman (daf. 1898); Urmitage und Monta-
naro, Ashanti Campaign of 1900 (daf. 1901) und
die Literatur bei Yrt. y sae
Aſchbach, Joſeph, deuticher Geſchichtsforſcher,
eb. 29. April 1801 in Höchſt am Main, geſt. 25.
ril 1882 in Wien, ſtudierte in Heidelberg Theologie
und Philoſophie, dann Geſchichte, lehrte fet 1823 am
Gymmaſium ju Franffurt, wurde 1842 als Profej-
jor der Geſchichte nad) Bonn und 1853 nad) Wien be-
rufen, wo er bis gu feiner Verſetzung in den Ruhe⸗
ftand 1872 wirfte. Wud) ward er 1856 Mitglied dev ,
dortigen Ufademie und 1870 in den Ritterjtand er⸗
hoben. Seine Hauptiverfe find: »Geſchichte der Weft |
oten« ( Frankf. 1827); »Geidicte der Omajjaden in
panien« (daſ. 1829—30, 2Bde.; neue Ausg., Wien |
1860); »Geſchichte Spanien und Portugqals zur Zeit
der Herricdaft der Wimorawiden und Almohaden—
(daf. 183337, 2 Bde.); »Gefchichte der Heruler und.
Mepiden« (Frankf. 1835); »Geldichte Kaiſer Sigis
munds« (Hamb. 1838 —45, 4 Bde.); »Urkundliche
Mefdidjte der Grafen von Wertheim« (Franff. 1843,
2 Bde.); »Wllgemeines Rirdhenlerifon« (daſ. 1846
1850, 4 Bde.); »Gejdichte der Wiener Univerjitite |
(Wien 1865—77, 2 Bde.; Bd. 3 aus feinem Nachlaß
1889, bis 1565 reidjend), als Feſtſchrift gu ihrer
500jährigen Gritndungsfeier. Aufſehen ervegte die |
Schrift »Roswitha und Konrad Celtes« (2. Aufl.,
Wien 1868), worin A. nachzuweiſen ſuchte, daß der
bisher der GanderSheimer Nonne zugefdriebene Pa: |
negyrikus auf Raijer Otto d. Gr. von Konrad Celtes,
alfo aus dem 16. Jahrh., ftamme. Dod) wurde dieſe
Unfit von Köpke und Waitz widerlegt.
Aſche, der bei der Verbrennung von Pflanzen—
und Tierjtoffen erhaltene feuerbejtindige Riidjtand.
Wile Organismen beditrfen zu ihrer Entwidelung und
Erhaltung mineralifder Stoffe, die im Körper be-
ftimmtte Funttionen ausiiben und daber auch in den
einzelnen Organen in ungleider Menge und Mijdung
vorhanden find. Yn Knollen und flei}digen Friidten
845
iiberwiegt ſtets Nali, in Blattern Ralf und Silifate,
in Samen Ehosphate, Kali, Magnejia. Beim Ver-
brennen werden die ingen Spl der Or⸗
qani8men in Kohlenſäure, Waffer rc. verwandelt, und
die mineraliſchen Stoffe bleiben als A. zurück. Indes
find dieſe großenteils nicht in der Form, wie fie in der
A. vorliegen, in den Orqanismen enthalten geweſen.
Die Salje der Kilangenfiuren 3. B. evideinen in der
A. al8 Kohlenſäureſalze. Auch cin Teil der Schwefel-
ſäure- und Phosphorſäureſalze entiteht erit bei der
Verbrennung, indent thr Schwefel- und Bhosphor-
ehalt in der lebenden Pflanze und im Tier als Bee
ttandteil von Eiweiß und ähnlichen Körpern au denfer
ift. Alle grünen Pflanzen enthalten ſtets Phosphor,
Schwefel, Kalium, Calcium, Magneſium, Eiſen, faſt
immer Chlor, Kieſelſäure, Natrium, Being Sob, Fluor,
Mangan, ſelten oder äußerſt ſparſam Bor, Brom,
Lithium, Rubidium, Baryum, Strontium, Alumi—
nium, Zink, Kobalt, Nickel, Kupfer. Bei derſelben
Pflanze ſchwankt der Gehalt an A. und die quantita:
tive Zuſammenſetzung derjelben in gewiffen Grengen
nad) der Befdhajfenhert des Bodens, dem Witer und
EntwidelungSszujtand der Pflanze und vielleidt aud
nad) klimatiſchen Verhältniſſen. Die W. der meijten
Pflanzen reagiert alfalifdh, nur wenige Pflanzenteile,
—— proteinreiche Samen liefern eine durch
Überwiegen der Phosphorſäure ſaure A. Gute Durch—
ſchnittszahlen gibt die Tabelle auf S. 846. Die Zah—
len beziehen 34 auf Reinafde, d.h. auf Rohaſche,
wie fie bei der Einäſcherung gewornen wird, absiig-
lich Kohleteilchen, Gand und Kohlenſäure. Tierijde
W. ijt durchweg reider an Phosphorſäure, am mei-
ten Phosphorſäure enthalt Rnodenafde; blutfreies
Fleiſch licfert falirciche, Blut natronreide A. Pflan—
zenaſche gibt an Waſſer fohlenfaures, ſchwefelſaures,
fiefelfaures Wifali, Chlorfalium, Chlornatrium und
etwaige Jod⸗ und Bromverbindungen ab, wiihrend
Kieſelſäure⸗, Kohlenſäure- umd Phosphorſäureſalze
von Ralf, Magneſia, Eifenoryd und Manganoxyd
ungelöſt zurückbleiben. Strandpflangen geben natron-
reide, Landpflangen kalireiche A. Die W. von Tangen
ift reid) an. Jodverbindungen.
Man benutzte die A. friiher sur Pottafde- und
Sodabereitung ; auferdem dient A. gu pordfen Herden
fiir hüttenmänniſche Prozeſſe, als Diinger, ju Ba:
der, als ſchlechter Warmeleiter zur Wusfiitterung
feuerfeſter Schränke, Steinkohlenaſche zur Darjtellung
von Zement, Braunkohlenaſche zur Ziegelfabrilation,
Seetangaſche (Kelp, Varech) zur Gewinnung von
Jod- und Alkaliſalzen, Knochenaſche zur Gewinnung
von Phosphorſäure und Phosphor x. Val. Wolff,
Aſchenanalyſen von landwirtſchaftlichen Produkten xc.
(Berl. 1871—80, 2 Tle.); Bunſen, Anleitung zur
Analyſe der Aſchen- und Mineralwaſſer (2. Aufl.,
Heidelb. 1887). — Die A. ijt fait bet allen Völkern
Symbol der Verginglidfeit. Das Beſtreuen des
Hauptes nit W. war bet den Israeliten ein Heiden
der Bufe, Reue und Trauer. Auch in der alten cdhrijt-
lichen Kirche gehirte das »Gehen in Sad und A.«
zur Rirdenbuye.
Aſche, Metallafde, veralteter Name fiir Metall:
a 3. B. Bleialde foviel wie Bleioryd.
ſche (qeolog.), feinfandiger, jtaubartiger Dolo-
mit der Dyasformation. — BVulfanifde ., feinite,
jtaubartige Eruptionsprodutte der Vulfane, ijt etme
zu Staub erplodierte Lava, die vom Vulfan hod
emporgejdleudert und durch Luftſtrömungen oft in
ſehr große Entfernungen getragen wird. Wit dem
Mifroftop laſſen fic) in der mieiſt hellfarbigen A.
846
Aſche — Aſchehoug.
Aſchenanalyſen (jum Artifel »Aidee, S. 845).
Biejengras 1,2
Rotfle. . . . . 04
Rugerme. . wwe 1
Futterbafer 0,2
Buchweijzen 0,5
GriimrapS . 2... 2,2
@riumaig. 2. 1... 0,3
Welwyn. 2. wee 0,4
Moggen. . . . - - 0,4
Gerjte . 2... se 0,5
pS 0,4
Mais... . ws 0,1
Girfe «ww we 0.
Buchweizen 0,2
Reis, geſchalt *
MOOG 6 ck ae % 1,3
Belem. sw ew te te 0,4
WOH cS Gas <e S* a, % 0,1
Mohn . . . - ee 1,0
Grbjen .. ww we 0,8
Widen. 2. we 0,9
os), a re —
Rupimen 2 wt 2,3
Gigen. 2 | Os
Roftaftanien. . . . | O2
Budden. . 2... 0,6
Traubenferne. . 0,0
Mpfel 2... 2. 0,3
Birmen. . 2. we 0,2
RisiGen. 2. we es 0,3
Pflaumen. 2... . 0,3
Stadelbeeren. . . 02
Rartoffel 2. . . . 0,6
Topinambur . . . . | 03
Runtelrilbe .| Of
Weife Rilbe . . . . | Of
Grofoblrabt . 0,8
tL ae 0,6
Ridorienwurjyel . . . | Lo
SRartoffelblatter . . . | Oe
Suderriibenblitter . . | 1,4
Weiffraut. 2 2. Lt
Leinpflange 1,6
Hanfpflanje . . | 0,8
Hopjenvflanye 4,8
ra a 7,7
Heidefraut. 2 2... 1,6 |
BWinterweisenftroh . 1
Winterroggenftroh . 0,8
Commerroggenftroh 1,2
Geritenftroh . 1o
Haferftroh. . . . . | 1s
Waisftroh. . 2. . . | 2,6 |
Erbſenſtroh | 2,8
Bucdweiyenftroh., . 2 | 27
Vuchenblitter. . | 2,1
Riefernnadeln . OS
Mpfelbaumboly . 2 . | 0,3
Noptajtanienbol; i |
Buchenboly . 0,1
Cidenbols. . . | On
Zannenboly . . ' O01
Kiefernholy OO;
Virfenrinde 0,2
Tannenrinde . 0,5
Fidtenrinde . . | 02 |
Schwerer, didjter Torf | 8,65)
Leichter, foderer Torf | 5,09)
Braune f von Artern . | O17)
foble | von Cbeleny (12,35)
— aus Wales 3. 4
kohle | aus Schottland 8,38
17,5
16,4
8,8
7,9
5,2
8,7
1,6
2,7
5,6
5,9
0,6
0,5
1,1
0,4
0,7
1,4
1,6
11
1a
1a
11
1,5
0,6
1,3
2,0
14
3,3
9,0
7,1
18
2,3
1,0
3,1
lo
1,8
3,8
3,8
fan
2,4
1,3
0.8
5,9
| O
0,3
OO)
j 0,3
0,8
0,7
0,8
3,58
1,13
0,2
0,3
0.
2,26/0,64
1,03|0,29
3,12) —
— |86,01/1,66
0,40)59,27) —
1,15/61,66
’ Bon bier an Gifenoryd und Tonerde
0,2
0,2
0,2
0,1
0,5
04
0,3
0,4 [0,6
2,3 |0,0
1,3 lo
0,55) —
3,1
73,1
3,1
64.
4,6 |
4,4)
3,3
3,6
5,0
18,6
9,5
25,8
| 26
7,4
| 3,
i 1a
13
5,2
19,6 |
l4,0
45,75
14,3
3,1 |
0,20/0,44 33,29,
0,99/1,72)20,56
2,38 /0,38
15,62
6,08
2,62
0,6
2,4
11,3
28,1
23,9
7,78°
26,06
62,28
28,75
29,09
24,43
diefelben Beftandteile wie in den Laven,
nämlich Glasteilden, Magneteifen, Frag
mente von Augit⸗, Feldfpat- oder Leucit-
friftallen 2¢., erfennen (f. Bulfane, Bulfa-
nijde Geſteine).
che (Thymallus C.), Gattung der
Lachſe (Salmonidae), gejtredt qebaute Fi—
ſche mit fleinem Ropf, enger Mundſpalte,
hober und langer Rückenfloſſe und mittel-
groper Sduppen. Die W.(Sprengling,
ota, ehativas widaoat te Niis.,
ſ. Tafel ⸗Künſtliche Fiſchzucht I<, Fig. 1),
bis 60 cm lang und 1,5 kg ſchwer, mut
jehrgrofer, purpurroter Riidenflofje, grau-
riinem Riiden, filberweiffen Seiten und
chwarzen Längsſtreifen, bewohnt Mittel⸗
und Oſteuropa und Nordamerifa, bevor⸗
ug! are, ſchnell flichendDe Bache und
ei fie mit kieſigem Grimbde, ſchwimmt ſehr
ſchnell, nährt jich von Inſelten, Schnecken,
Würmern, Fiſchbrut und laicht im Mary
und April, ohne ihren Wohnort ju ver⸗
laſſen. Dabei erhalt das Mann cin
goldgriin ſchimmerndes Hochzeitskleid und
wühlt mit bem Schwanz im ſandigen Grund
eine Grube aus, in die das Weibchen die
Eier legt, die nach der chtung mit
Sand bedeckt werden. Die A. wird gean—
elt oder mit Grundnetzen gefangen. Das
a —— oi inter e ae
berg, Dorf im preuß. Regbez
Miinjter, Kreis Liidinghaufen, bat cine
fath. Stirdhe, ————— Dampf⸗
mühlen und (900) 3137 Einw. Dabei
Schloß Romberg.
A , Rutger, Graf von,
ſchwed. Feldherr, yo. 2. Juni 1621 in
Kurland, gejt. 17. Upril 1693 in Goten-
burg, kämpfte auf ſchwediſcher Seite mit
Auszeichnung im Dreifigiibrigen Rriege,
1655 — 60 im Nordiſchen Krieg, 1665
1666 im Bremifden Krieg ſowie nament-
lid) 1675 —79 im Krieg gegen Danemart.
Bon feinem Gönner Karl XL. 1678 zum
Feldmarſchall, 1681 zum Reichsrat er-
nannt und 1687 in den Grafenſtand er-
hoben, ward er 1680 Generalgouverncur
der —— Sdonen, Halland und
Gotenbu ohus, die er vorzüglich ver-
waltete. Seine Biographie ſchrieb Lager-
bring (Lund 1751, 2. Wufl. 1805).
Aſchehoug, Torfel Halvorfen,
norweg. Jurijt und Folitifer, geb. 27.
Juni 1822 in Jd (Smaalenene), rit 1862
Profeffor der Rechtswiſſenſchaft in Chri-
jtiania, fpielte als Mitglied des ſchwediſch⸗
norweqifden Unionsfomitees 1865 —67
cine beſonders einflußreiche Rolle, gehörte
als Vertreter der norwegiſchen Hauptſtadt
im Storthing (186382) ununterbrochen
dem Lagthing an und galt ſeit dem Tode
Profeſſor weigaards (1870) alg un⸗
beftrittener Führer der Sonfervativen.
Außer dem epodemadenden Werk »Nor-
ges offentlige ret« (1. Ubt.: »Statsfor-
fatning i Norge og Danmark indtil
1814+, Chrift. 1866; 2. Abt.: »Norges
nuvaerende statsforfatning«, 1874—81,
3 Bde. ; 2. verbefjerte Aufl. 1891 — 93) ver⸗
Aſch-Ejektor — Aſcherſon.
öffentlichte er ein kurzgefaßtes Kompendium: »Den |
nordiske statsret« ( Aopenh. 1885), in Marquardjens
Handbuch des Hffentlichen Rechts die Monographie
»Das Staatsrecht der vereinigten Königreiche Schwe—
den und Norwegen« (Freib. i. Br. 1886) fowie in
ffandinavifchen und ausländiſchen Zeitſchriften zahl⸗
reiche Aufſätze. Sein politiſches Glaubensbekenntnis
bat er in der Abhandlung »Om Unionskomiteens
udkast til en ny foreningsakt« (Chriſt. 1870) nie
dDergelegt. Hier, wie in feinen iibrigen Werfen, zeigt
er ſich alS ein warmer Anhänger der Union und des
ſtandinaviſchen Cinheitsqedanfens, ohne jedod) die
Selbjtindigkcit der verſchiedenen Bolter preisgeben
ju wollen. Seine nenejte Verdffentlidung ijt die
»Socialikonomik« (Cbhrijt. 1902).
Nj - Ejeftor (Uj dhenauswurf), ein Dampf-
ftrablapparat jum Hinauswerfen der Aſche aus Schif-
Aſchenbad, ſ. Bad. fen.
Aſchenbrödel (eigentlich »ſchmutziger Küchen—
junge⸗), Hauptperſon eines bekannten Vollsmär—
chens, ein Mädchen, das von ſeinen hochmütigen Stief—
ſchweſtern auf das erniedrigendſte behandelt wird,
bis ſeine Tugend und Schönheit ihm Herz und Hand
eines Königsſohnes gewinnt. Das Märchen bildet
den Stoff von Platens ſatiriſcher Komödie »Der glä⸗
ſerne Pantoffel- und den Opern: »Cendrillon« von |
Iſouard und »Cenerentolae von Roffini; aud der
bildenden Kunſt diente es vielfach zum Gegenjtand
(jo Vt. v. Schwind). Bal. M. R. Cox, Cinderella
(Lond. 1893).
Aſchendorf, Dorf und Kreishauptort im preuf.
Regbez. Osnabriict, unweit der Ems, an der Staats-
bahnlinie Miinjter-Emden, hat eine fath. Kirche, Syn-
agoge, Senfenfabrifation und (1900) 2264 Einw.
ſchenkegel, ſ. Bulfane.
Aſchenkiften, etruskiſche, ſ. Ciſta.
Aſchenkraut (Cineraria), ſ. Senecio.
Aſchenkrüge (Aſchenurnen), ſ. Gefäße, vor⸗
geſchichtliche.
Aſchenpaſte, ſ. Plaſtiſche Maſſen.
Aſchenpflanze (Cineraria), ſ. Senecio.
Aſchenregen, das Niederfallen oft groper Quan⸗
titäten vulkaniſcher Aſche (ſ. d.), die bet vulkaniſchen
Ausbrüchen bis zu bedeutender Höhe emporgeſchleu—⸗
dert war. Ein durch den Veſuv hervorgebrachter A.
zerſtörte 79 n. Chr. die beiden Städte Herculaneum
und Pompeji, und 1835 warf der Vulkan Cofimina |
in Guatemala ungeheure Aſchenmaſſen aus, die durch
den obern Paſſat bis nad Jamaita (ca. 1500 km).
fortgefiihrt wurden. Der Krafatau in der Sunda—
ſtraße ſchleuderte nad) 200jabriger Rube 20. Mai 1883
ungeheure Aſchenmengen in Form einer mächtigen
Säule bis ca. 10,400 m empor, die fic) dann aus-
breitete und cinen A. zur Folge hatte, der bis 22. Mai
fajt ununterbrodjen anbielt. Nad) dem Hauptaus-
brud) (27. Aug.) trat den Tag fiber ftarfe Finjternis
ein, und der A. Dauerte ununterbroden bis 29. Mug.
Mande Vulfane, jo die indiſchen, liefern bei Erup-
tionen iiberhaupt feine zuſammenhängenden Lava- |
ſtröme, fondern jtets nur A.
Aſchenſtröme, vulfanifche Aſche (7. Wiehe), die bei
Regengiijjen von den Bergabhängen fic) abwarts |
ergießt; aud) foviel wie Schlammſtröme (j. Bulfane). |
Aſchenzieher, Mineral, foviel wie Turmalin.
Aſcher (Aſſer, hebr., »der Gliidlicdee), Sohn |
Jakobs von Silpa, Stammvater eines der zwölf is: |
raclitifchen Stämme. Diefer erbhielt bei der Vertei—
lung Kangans einen ſchmalen Landjtrid) längs der
Nordfiijte vom Karmel bis Sidon.
847
Hider, Mijdung von Holjajde oder Vottaſche
mit Wpfalf zur Bereitung von Lauge; ein Brei aus
Ygtalf zum CEnthaaren der Helle, aud wohl die
Grube, im der die Helle gefalft werden; Miſchung
von Holj-, Knochenaſche 2c. zur Herjtellung poröſer
| Ubtreibherde; Miſchung von Blei- und Jinnoxyd jur
Herftellung emailartiger Glajuren auf Fayence.
Aſchera, Bezeichnung der geweihten »heilbringen-
den« Pfähle oder Baume, welche die Kanganäer neben
den Altären eingufenfen oder aufzuſtellen pfleqten;
fie glaubten, daß jid) Die Gottheit, wie in Steinen, fo
pei in Baumen bejonders gern offenbare. Sm Alten
Teſtament findet fic) Dann A. auc) als Göttin gefaft
und mit Aſtarte (f. d.) identifiziert.
Aſcheraden, Schloß, ſ. Friedrichſtadt 2).
Aſchermittwoch (VM jdhertag), der Mittwoch nog
dem Sonntag Eſtomihi, der erſte Tag der großen
Faſten, ſo genannt, weil an dieſem Tag in der ka—
tholiſchen Kirche die Häupter der niederknieenden Gläu⸗
bigen zum Zeichen der Buſſe mit geweihter Palmen—
aſche beſtreut werden. Dabei ſpricht der Prieſter:
»Memento quia pulvis es ctin pulverem reverteris«
(»Wedenfe, daß Du Aſche bijt und wieder ju Aſche
werden wirjt<).
UAfchersteben (fat. Ascania), Stadt (Stadtfreis)
im preuß. Regbez. Magdeburg, an der Eine, Knoten—
punft der Staatsbahnlinien Halle-Sellerfeld und U.-
Rodthen und der Kleinbahn Nien⸗
hagen-U., hat 4 evangelifde und
cine fath. Rirde, eine Synagoge,
cin ſchönes Rathaus von 1518,
Gyninajium mit Realfdyule,
Amtsgericht, Reichsbankneben⸗
ſtelle, ein bedeutendes Kaliſalz—
bergwerk, Braunkohlengruben,
Maichinenfabritation, Cifengie-
ßerei, Zuckerfabrik, Fabrifen fiir
Papier-, Blech- und Wollen:
waren, Dampffejiel, hemijden
Diinger ꝛc., Vierbraucrei, Sa»
menzucht, Gerberei und (1900) 27,245 Einw., davon
974 Katholifen. Yn der Nähe cine Solquelle mit Bad
(Wilbelmsbad) und anf dem Wolfsberg die fogen.
Vite Burg, cine Burgruine mit Anlagen und dem
Bismarckſtein. — A. (urfpriinglic) UScegerestebe) ijt
zuerſt um 1130 nachzuweiſen, erbielt 1266 Stadtredt,
qehirte bis 1315 dem Haus Anhalt, deffen Stamm—
burg Askanien (j. d.) bet A. lag, und wurde 1322
nebjt der Grafſchaft dem Bistum Halberjtadt einver-
leibt. 1648 fam A. an Brandenburg und gehörte
1807—18 gum Königreich Westfalen, worauf es wie-
der preufife ward. Val. (Drofihn) W. im 19. Jahr⸗
hundert (Widerst. 1900).
Aſcherſon, Raul, Botanifer, geb. 4. Juni 1834
in Berlin, ftudierte dafelbjt 1850 — 55 Wedizin und
Naturwiſſenſchaft, wurde 1860 Wifijtent am botani-
iden Garten, 1865 aud am foniglichen Herbarium,
habilitierte fic) an der Univerfitat und ward 1873
zum Brofejjor ernannt. A. begleitete Rohlfs 1873
1874 während feiner Erpedition nach der Libyſchen
Wüſte und ging 1876 allein nach der Kleinen Daje
dDajelbjt, 1887 nad der ägyptiſchen Tothmaswüſte.
Er ſchrieb: » Flora der Proving Brandenburg« (Berl.
1864, in der das Braunſche Syſtem mitgeteilt wurde;
2. Aufl., gemeinfam mit Grabner, als »Flora des
nordoſtdeutſchen Flachlande3<, daj. 1899); ⸗Nordoſt⸗
deutſche Schulfloras (mit Gräbner und Beyer, dof.
1902); »Synopfis der mitteleuropäiſchen Flora⸗ (mit
Gräbner, Leip;. 1896 ff.). Er beteiligte ſich auc) an
Wappen von
Afdersleben.
848 Aſcherudſchud
Schweinfurths⸗Beitrag zur Flora Wthiopiens« (Berl. |
1867), bearbeitete fiir Rohlfs' »Reife von Tripolis |
nad) der Dafe Kufra« (Leipz. 1881) die Pflanzen
des mittlern Nordafrifa fowie die Botanif von Ojt- |
afrifa in v. d. Dedens Reifewert (mit Kuhn u. a.,,
daſ. 1879) und gab mit Ranig den »Catalogus cor-
mophytorum etc. Serbiae, Bosniae etc.« (Mlaufenb.
1877) fowie mit Schweinfurth die » Illustration de la
flore d'Egypte« (Rairo 1887, Suppl. 1889) heraus. |
Aſcherubſchud (Dirhem), Silbermiinge in Ma-
roffo, = 10 Mufunas — 31 Ff. Talerwährung.
Aſchhuhn, ſ. Ralle.
Aſchines, 1) A., genannt der Sokratiker, war
einer der treueſten Schüler des Sokrates. Er lebte
eine Zeitlang zu Syrakus am Hof des Dionyſios und
verfaßte ſieben Geſpräche moraliſchen Inhalts, in
denen er den Sokrates möglichſt getreu darſtellte. Es
ſind nur unbedeutende Fragmente davon übrig, wäh—
rend drei noch unter dem Namen des A. erhaltene
Geſpräche unecht find. Bgl. K. Fr. Hermann, De
Aeschinis Socratici reliquiis (Götting. 1850).
2) A. der fechjte unter den zehn attiſchen Rednern,
geb. 389 v. Chr. in Uthen aus niederm Stande, geſt.
314, war in jiingern Jahren Gebilfe in der Elemen—
tarjdule feines Vaters, dann Schreiber und {pater |
Schauſpieler in dritten Rollen. Wusgeftattet mit
großem Rednertalent, wobhlflingender Stimme und
Der Fähigkeit, fid) mit Wiirde zu bewegen, trat er
356 als Redner auf und war bald cine angeſehene
Perſönlichkeit. Wis Mitglied der 347 an Philipp von |
Mafedonien gefdicten Friedensgejandtidaft von dem
König gang in ſein Intereſſe gezogen, förderte er
deſſen fuͤr Athen ſo verderblichen Pläne. Deshalb
345 von Demoſthenes und Timarchos des Hochver⸗
rats angeklagt, entging er der Gefahr durch eine
Gegenflage gegen letztern. Auch als Demoſthenes,
der ihn alg Haupt der mafedonifdjen Partei fo bitter
hafte, wie er von ihm gehaßt wurde, 342 die durch
die Rede von der Truggeſandtſchaft unterſtützte An—
flage erncuerte, wußte A. den Angriff durch feine
leichbetitelte Rede abzuwehren. Nur das Intereſſe
Boitipps im Auge, veranlafte er 339 ben zweiten
Heiligen Krieg gegen Lofris und die Ubertraqung des
Dberbefebls an den König und damit den Krieg, der
gur Riederlage Uthens und Thebens bei Charoneia
und gur Vollendung der mafedonifden Oberherridaft |
führte. Sein Hak gegen Demofthenes führte feinen |
Sturz herbei. Als er 330 Ktefiphon, der fiir Demo-
fthenes als Lohn fiir feine Verdienjte cinen qoldenen |
Kranz beantragt hatte, wegen Geſetzwidrigkeit ver- |
flagte, verlor er infolge der Meijterrede des Demo: |
ftheneS »vom Stranj« den Prozeß vollſtändig und
ging in die Verbannung nad) Rhodos, wo er eine
Rednerſchule qriindete. er jtarb auf der Inſel Sa—
mos. Die drei Reden gegen Timardjos, über die |
— Aſchylos.
Charakteriſtik des Redners A. (Jena 1876); Caſtets.
Eschine, étude (Par. 1875).
Ufdinow, Rifolat Iwanowitſch, der »freie
Rofat«, cin friiherer ruff. Hauptmann, wollte Wbef-
finten fiir Rußland und die griechiſch katholiſche Rirche
gewinnen und begab fid) 1883 nad) Ubeijinien, wo
| ihm der Negus Johannes Verfpredungen made, die
durd) eine Abordnung des abeffinifden Klerus bei
dem Rirdenjubildum tm Kiew (1888) bekräftigt wur-
den. 1889 unternabm er eine bewajfnete Expedition
nad Ubefjinien, um den Plänen der Englander und
| Staliener dort entgegenjutreten; der franzöſiſche Ad
miral Obry zwang thr jedod) zur Ergebung. Die
Expedition wurde nad) Rugland juriidgeidatft und
A. 1891 polizeilich ins innere Rupland verwiefen. Bal.
Conjftantin, L'archimandrite Paisi et l'ataman
Achinoff (Bar. 1891).
Aſchkenas (Wsfenas), nad der Völlertafel
(1. Mof. 10, 8) Eigenname eines nordafiat. Bolfed,
das in Urmenien oder in der Nachbarſchaft desielben
zu fudjen ijt. Die fpatern Yuden bezeichneten mit Wt
Deutidland. Minhag ., der gottesdienftliche Ri-
tus der Juden in den meijten Gemeinden Deutid-
lands im Gegenfage zu dem ihn entitammenden pol-
niſchen und gum ſephardiſchen (paniſch-portugieſi⸗
ſchen) Ritus.
Aſchkuchen, ſ. Napfkuchen.
Aſchmum, Hauptitadt des gleichnamigen Diſtrilts
der ägypt. Provinz Menufieh am Südende des Deltas,
42 km nordweſtlich von Kairo, mit (882) 6752 Einw.
Aſchmunẽn (Uj hmunein), Dorf in Oberagyy-
ten, gwifdjen Dem Nil und dem Yofephsfanal, mit
Ruinen de alten Chmunu (foptijd) Schmun), der
Hermopolis magna, der Hauptfultusjtitte des Thoth.
A.Chmunu war von alters her die Hauptitadt eines
Gaues, bis Kaiſer Hadrian das von thm 122 n. Chr.
am redjten Nilufer geqriindete Untinoopolis (f.d.)
dazu madte.
Aeschna, f. Wafjerjungfer.
Aſchref, Stadt in der perſ. Proving Maszenderan,
—— Sari und Aſtrabad, unweit des Kaſpiſchen
eeres, war einſt cine prachtvolle Stadt nuit 300 Bä—
dern und mehr als 20,000 Einw., Lieblingsſitz des
Schah Abbas, der hier glänzenden Hof hielt; jetzt ein
unbedeutender Ort von 840 Häuſern. Unter den
qrofartigen Trümmern, die denfelben umgeben, er:
regen die des Suffiabad (»>Sternwarte«) und cin
Grabqewilbe Unufmerffamfcit. In A. wurde 3. Oft.
1727 Friede zwiſchen Tiirfen und Perfern gejdlofien.
Aſchtarchaniden, transoran. Herrſcherhaus, be-
riindet um 1466 durch Rafim, einen Enfel Rutidut
WMohanuneds (um 1425) und Radfonunen Timur
Rutlufs (f. d.) aus dem Haus Ordas, des Begriin-
ders der »Weißen Horde« von Oſtkiptſchal, zogen fic
an die untere Wolga in das Chanat von Aſtrachan
Truggejandtidaft und gegen Kteſiphon, von den Al- (»Aſchtarchan⸗) zurück. Uber durch das Wachstum
ten als Die drei Grazien bezeichnet, qehiren nächſt des Gropfiiritentums Mosfau 1554 gum Auswan—
den Reden des Demoſthenes zu den vorzüglichſten Lei- dern gezwungen, fanden fie bei dem Schaibaniden
ftungen der griechiſchen Beredſamkeit (hrsq. auger in Qsfander Chan von Gamarfand Wufnahme und
den Sammlungen der attifden Redner von Bremi, herridten, nad Didan, dem Stifter dieſer neuen,
Zürich 1823, 2 Bde.; Franke, 3. Aufl. von Blak, | die Schaibaniden ablifenden Dynajtie, Di daniden
Leipz. 1896; Schultz, das. 1865; Weidner, Berl. 1872; genannt, 1599— 1785 fiber Trangoranien. Ihre
die Rede gegen Kteſiphon von lesterm, Leipz. 1872 | Nachfolger waren die Mangiten (1785-—1868).
u. Berl. 1878; überſetzt von Benjeler, Leipz. 1855— |
1860, 3 Yde.; Wortinder von Preuß, daj. 1896). |
Die unter des A. Namen vorhandenen zwölf Briefe
(in Herchers »Epistolographi graeci«, Bar. 1873) |
jind ohne Zweifel unedht. Val. Blah, Attiſche Be—
redjamfeit, Bd. 8 (2. Ausg. Leip;. 1898); Mardand, |
Aſchur, ſ. Calotropis.
rl wurzel, ſ. Dictamnus.
HjdHlos, dev älteſte der drei großen griech Tra
qifer, 525 — 456. Chr., geboren ju Cleufis in Attika,
Sohn des Cuphorion aus einem Eupatridengeſchlecht.
Mittampfer der Schlachten von Marathon, Salamis
Aſchynit — Asclepias.
und Platää, trat als Didter zuerſt 500 auf, qewann |
aber den erjten Sieg erjt 484. Um 475 bielt er fic)
in Sijilien bet Hieron von Syrafus auf, wo er zur
age der von dem König — Stadt
tna die ⸗Atnäerinnen- dichtete. Nad) einem zwei—
ten Aufenthalt in Syrakus um 470 nad Athen zu—
rückgekehrt, erlag er 468 dem jungen Sophokles
gleid bei defjen erſtem Wuftreten, ſiegte aber bereits
wieder im folgenden Jahr. Nach Aufführung feiner
Rar er
»Orejtiee (459) wieder nach Sizilien gereijt,
in Gela. Die Athener ehrten —* fein Andenken
durch den Vollksbeſchluß, daß ihm bei jeder Auffüh—
rung ſeiner Stücke wie einem Lebenden der Sieges—
kranz geweiht werde. W. ijt der eigentliche Begrün⸗
der der attiſchen Tragödie, indem er durch Einfüh—
rung eines zweiten Schauſpielers den eigentlichen
dramatiſchen Dialog ſchuf und dieſen durch allmäh—
liche Beſchränkung der lyriſchen Chorpartien zum
Hauptteil der Dichtung machte. Auch den ſzeniſchen
Apparat vervollkommte er teils, teils ſchuf er ihn
neu: er ſorgte für die Ausſtattung der Bühne durch
Dekorationsmalerei und Maſchinerie, führte für die
Schauſpieler die Charaktermasken ein und gab ihnen
durch reiche Koſtümierung, den hohen Kothurn, Haar-
aufſätze und andre Mittel ein über das Gewöhnliche
hinausgehendes Anſehen. Wud) die trilogiſche Kom—
poſition hat er vervolllommt, wo nicht geſchaffen.
Sein Hauptcharakter liegt im Pathos und in der Er—
habenheit, die fic) nicht felten bis zum Furdtbaren
und Sdredlichen fteigert. Der Plan feiner fajt aus-
nahmslos Homerijde Stoffe behandelnden Dramen
ijt durchweg einfach; von einer Schürzung und
Löſung des tragiſchen Knotens ijt faum die Rede.
Die Charattere find mit wenigen kühnen und ftarfen
Biigen entworfen: lauter rieſengroße Gejtalten. Dem
—— iſt auch die Sprache groß und ſtreng,
voll majeſtätiſchen Wortpompes, nicht ſelten ſchwer
verſtändlich. — Die Zahl der von W. gedichieten
Stiide wird auf 90 angegeben, die Bahl fener Siege
auf mindeſtens 13. Erhalten find nur die folgenden
7 Stiice: 1) die »Perfere, von 472, ein hiſtoriſches
Stück, Xerxes’ Niederlage bei Salamis behandeind
(hrsg. von Merkel, Leipz. 1869; Schiller, 2. Aufl.
von Conradt, Berl. 1888; Teujfel, 3. Wufl. von Weed:
lein, Leipz. 1886; überſetzt von Köchly, 2. Aufl.,
Heidelb. 1900); 2) die ⸗Schutzflehen den«, die Auf—⸗
nahme des fliidtiqen Danaos und ſeiner Töchter in
Argos, aus derfelben Heit wie die »Perſer« (hrsq.
von Schwerdt, Berl. 1858; Oberdid, daf. 1869);
3) die »>Sieben gegen Theben<, von 467, bilde-
ten mit »Laios« und »Odipus« und dem Gatyr-
drama »Sphinr« eine Tetralogie (hrsg. von Ritſchl,
2. Ausg., Leipz. 1875); 4) der -Gefeffelte Rro-
metheus«, um 475, cine der tieffinnigiten und
— — Dichtungen des Altertums (hrsg. von
dimann, mit überſetzung, Greifsw. 1844; Weck
lein, 2. Mufl., Leipz. 1878); 5—-7) die »Oreſteia«,
die eingige aus dem Wltertum erhaltene Trilogie, 458
quigefiifrt (br8q. von Weelein, Berl. 1888; mit
berjesung von Wilamowitz, daf. 1885 ff.); cine der
erhabenjten Dichtungen, ju denen fic) je menſchliche
Phantaſie emporgeſchwungen hat: fie bejteht aus dem
»Agamemnon« (hrsq. von Sdneidewin, 2. Wufl. von
Henſe, daf. 1883; Enger, 3. Aufl. von Plüß, Leip;.
1895; überſetzt von YW. v. Humboldt, daf. 1816), den
»Choephoren« (hr3q. von Bamberger, Botting. 1840;
de Jongh, Utrecht 1856) und den »>Cumeniden« (hrsg.
von ©. Willer, mit Uberſetung Götting. 1833;
Merkel, Gotha 1857; überſetzt von Schömann, Greifs—
Meyers Konv.-Lerifon, 6. Aufl., L Bo.
849
wald 1845) und behandelt Agamemnons Tod und
Orefte3’ Rade und Sühnung. Neuere Gefamt-
ausgaben von BW. Dindorf (julest Leipz. 1865 u.
1869}, G. Hermann (2. Aufl., Berl. 1859), Weil
Gießen 1858 —67, Leipz. 1884), Mertel (Oxf. 1871),
Kirchhoff (Berl. 1880), Weelein (day. 1885 u. Wthen
1891); Sammlung der Fraqmente bei Naud: »Tra-
gicorum graecorum fragmenta« (2. Aufl., Leipz.
1889). Uberfegungen von Bok (Heidelb. 1827),
Droyjen (4. Aufl., Berl. 1884), Donner (2. Mufl.,
Stuttg. 1887), Bruch (Vresl. 1881), Marbach (Leips.
1882). »Lexicon Aeschyleum« von Wellauer (Leipz.
1831) und Dindorf (daj. 1876). Val. Blay des, Ad-
versaria in Aeschylum (alle 1895).
Mfehynit, Mincral, nivbtitanjaures Cer mit Thor-
ſäure, Lanthan und Didym, Yttrium, Calcium und
Eiſen, findet fid) in rhombifden Rrijtallen von cifen-
ſchwarzer Farbe, metallqlingend, Harte 5, ſpez. Gew. 5,
eingewadjen in granitijden Geſteinen vorzüglich in
Norwegen und gu Miaſt am Ural.
Aeschynomene L. (Herminiera Guill. et Perr.,
Aedemone Kotschy), Gattung der Leguminoſen, Kräu⸗
ter, Halbſträucher oder Straucher mit gefiederten Blat-
tern, meijt kleinen Bliiten in meiſt acdjeljtandigenTrau-
ben und gejtielten, mehr oder weniger lincalijden Hül⸗
jen. Uber 50 Urten in den Tropen der ganzen Welt,
befonders in Ufrifa und Siidamerifa. A. elaphroxylon
Taub. (Am bak, Ambatſch), bis 7 m hober, über—
aus ſchnellwüchſiger, dicht weichſtacheliger, reichblühen⸗
der Strauch, Charalterpflanze an und in den Gewäſ⸗
fern de tropifden Ufrifa, deren leichtes, ſchwammiges
und dod) dauerhaftes Hol; zu Flößen dient. A. aspera
L. wird in China fultiviert, aus den fdwammigen
Stengeln wird eine Art Papier hergejtellt.
Aſciano (jpr. aſchano), Dorf in der ital. Broving
Siena, am Ombrone, KRnotenpuntt an der Cifenbahn
Empoli-Chiuji, hat mehrere Rirden mit quien Ge-
mälden, Mineralquellen und (1901) ca. 3600 (als Ge-
meinde 7618) Einw. Sildlid) davon liegt auf waldi-
er Felshöhen des Berges Acona die Abtei Monte
liveto, die Pflanzſtätte der Olivetaner (f. d.), mit
berühmten Fresfen aus dem Leben des Heil. Bencdift,
von Soddoma und L. Siqnorellt.
Ascidiae (U3 ;idien), ſ. Seeſcheiden.
Ascidium (lat., Blattſchlauch), eine 5. B. dem
Rannenjtraud (Nepenthes) eigentümliche Blattform,
die bei den Inſektenfreſſenden Pflanzen (j. d.) bejon-
dere biologifde Bedeutung gewinnt.
Aſcii (lat.), ſ. Umphiicii.
Ascites (lat.), ſ. Bauchwaſſerſucht.
Asclepias L. (Sd watbenwur 3), Gattung der
Usflepiadageen, Milchſaft fiihrende Stauden mit freuj-
gegenſtändigen, quirlig oder fpiral gejtellten Blattern,
vielbliitiqen Dolden, dicen, zugeſpitzten Balgfrüchten
und zahlreichen, mit langen, ſeidenglänzenden Haaren
verfehenen Samen. Etwa 80 meiſt nordamerifanijde
Yirten. A. Cornuti Decsne. (A. syriaca L., Seiden:
pflange), in Nordamerifa, den Mittelmeerländern,
Oberöſterreich, Deutidland und Siidrupland ver-
wildert, 1,5 m hod, mit qegenftindigen, unten weif:
grauen Blättern, rötlichen Blitten und 10—13 cm
langen Fruchtkapſeln, wurde wegen des weiken, jeiden-
glänzenden, bis 2,8 cm [angen Samenbhaars (vege:
tabilifdhe Geide) und des Baltes gum Anbau
empfoblen, aber ohne Erfolg. Dagegen ijt die Pflanze
vortreffliches Bienenfutter. Sie 3 von ſcharfem
weißen, Milchſaft. Die Samen enthalten 25 Proz.
fettes OF Qn Nordamerifa gilt die Wurzelrinde als
Heilmittel, und die sarten Sproſſe werden wie Spargel
54
850
qenofjen. Bgl. Meitzen, Über den Wert der A. Cor-
Ascoli — Wfemie.
Ascoli Satriano, Stadt in der ital. Proving
nuti(Gotting. 1862). Wis Faſerpflanzen kommen aud | Foggia, Kreis VBovino, an der Cijenbahn Foggia -
in Betradt A. curassavica L. und A. volubilis L., Polenza, Biſchofsſitz, hat 90n als Gemeinde 8550
beide in Wejtindien und Siidamerifa. Undre Urten | Einw. Das alte Ausculum Apulum oder A. Satria-
wie A. incarnata L., A. tuberosa L., beide in Nord- | num, beriihmt durd) den Sieg des Eyrrhos fiber die
amerifa, find Zierpflangen. A. gigantea, ſ. Calotro- | Römer (279 v. Chr.).
pis; A. acida, f. Sarcostemma.
ASeoli, Graziadio Iſaia, ital. Spradforjder,
cb. 16. Juli 1829 in Görz, wurde zum Kaufmann
Beitimmet wandte fic) aber Dem Sprachſtudium zu und
bradte es ohne Unleitung fo weit, dak er ſchon im |
16, Lebensjahr cine vortreffliche Urbeit über das Friau-
life verijjentlidjen fonnte. Das Hauptſammelwerk
ſeiner friibern Urbeiten bilden die »Studj orientali e
linguistici« (Gir, 1854f.). 1860 an dic Akademie zu
Maitland berufen, hat W. durch Wort und Schrift das
Intereſſe an Spradvergleidung, romanijder Sprad-
forjdung und SanSfritjtudien unter Den Italienern
bedeutend — die namhafteſten jiingern Gelehr⸗
ten ſeines Vaterlandes nennen fic) ſeine Schüler. Viele
neue Entdeckungen hat A. beſonders in dem Bereich der
Lautlehre gemacht, auch in Deutſchland iſt er als einer
der erſten Renner und ſchärfſten Beobachter des Laut⸗
wechſels in den indogermaniſchen Sprachen und als |
einer der bedeutendſten Romaniſten anerkannt. Sein
Hauptwerk ijt ſeine »Fonologia comparata del sans-
crito, del greco e del latinos (Zurin 1870; deutſch,
Halle 1872); aud) die »Studj critici« (Flor. 1861—
1877 ; deutſch, Weim. 1878) enthalten meijt lautliche
Unterſuchungen, ebenfo die gehaltreichen »Lettere
glottologiche« (Xurin 1886; deutſch, Leipz. 1887).
Seit 1873 gibt A. das in Mailand erjdeinende » Ar-
chivio glottologico« heraus, defjen erjter Band feine
höchſt wichtigen »Saggi ladini« enthilt, und in defjen
iibrigen (bis jetzt 15) Banden A. ebenfalls fehr wert-
volle und 3. T. qrundlegende Forſchungen tiber ladi-
nifde und italienifde Dialeftologie veröffentlicht hat.
Von der fdniglichen Akademie der Wiſſenſchaften gu
Berlin wurde A. 1887 zum forrejpondierenden Mit-
glied, von der italienifdjen Regierung 1889 zum Se-
nator des Königreichs ernannt. 1902 trat er in den
Ruhejtand. Bal. »Miscellanea di linguistica in
onore di Graziadio A.« (Zurin 1902).
Wseoli Piceno (pr. -tigeno), cine zur Landfdaft |
der Marfen gehörige Proving Mittelitaliens, grenzt
im O. an das Adriatiſche Meer, im S. an die Proving
Teramo, im SW. an Uquila, im W. an Perugia, im
RW. und N. an Macerata und hat einen Fladenraum
von 2056 qkm (37,3 OW?.) mit (1901) 245,883 Einw.
(119 auflqkm). Die Proving jerfallt in zwei Kreife:
Yl. und Fermo.
Ascoli Piceno, Hauptitadt der gleidnamigen
ital. Broving (jf. oben), auf einem Hiigel über dem
Tronto, 166 m ii. M., an der Fliigelbahn U-Sam-
benedetto gelegen, hat cin antifes romifdes Tor, cine
{chine Rathedrale(an derStelle eines Herfulestempels),
cin Gymnaſium, Lyzeum, eine techniſche und eine Acker⸗
bauſchule und (1901) als Gemeinde 28,882 Eimw., die
Seide, OL, Papier, Wagen rc. herjtellen. Die Stadt
ift Sik cines Bifdyofs und eines Präfekten. — A. hieß
im Altertum Asculum und war die Hauptitadt der
Picentiner (Daher Asculum Picenum), unter den Rö—
mern cin Munizipium. 90 v. Chr. gab A. durch die
Ermordung des Prokonſuls O. Servilius das Signal
um Bundesgenoſſenkrieg und wurde deshalb durch
en Konſul Pompejus Strabo (89 niedergebrannt,
erholte ſich aber bald wieder. Das mittelalierliche A.
wurde 1242 von Friedrich I. eingenommen und ge—
pliindert und fam ſpäter unter papjtlidje Herrſchaft.
UMseonius, Quintus A. Pedianus, rim.
Grammatifer, wabrideinlid) aus Padua, um 3—88
n. Chr., verfafte unter Claudius und Nero fiir feine
Set at Sohne auf damals nod vorhandenen Alten⸗
ſtücken beruhende wertvolle hijtorifde Nontmentare ju
Ciceros Reden, von denen nod) die ju fiinf Reden (mm
ſehr verjtiimmeltem Sujtand) erhalten find. Beite Aus—
gabe pon —— und Schöll (Berl. 1875). Halide
id) tragen feinen Ramen die Sdolien zu Ciceros Ver⸗
rinifdjen Reden. Val. Madvig, De Asconii Pediani
commentariis (Ropenh. 1828).
Ascotaͤn, Ort in der dilen. Proving Untofagaita,
an der Grenge gegen Volivia und der Cijenbabn A—
Huandaca, 8750 m ii. M., am Siidufer des Salz—
jee3 U., mit Borarwerf, anfehnlicdem Handel und
(1889) 421 Einw.
Aseot Heath (pr. astott sith, große Heideebene in
Berkſhire (England), 7 km von Windjor, wo alljahr-
lid) tm Juni berithmte Wettrennen (Ascot races)
| jtattfinden.
Usculapius, ſ. Astlepios.
Aesculinae, ſ. ÄAskulinen.
Aescũlus, ſ. Roffajtanienbaunt.
Aseus (lat.), ſ. Sporenſchlauch.
Asdingen, Königsgeſchlecht der Vandalen, das
mit Hraus und Hraptus (um 171 n. Chr.) auftrat
und mit Gelimer, Tzazo und Ammatas (533) endete;
das befanntejte Glied ijt der Eroberer Nordafrifas,
Geiferid. Bal. L. Schmidt, Gedichte der Wan-
Dalen (Leipz. 1901).
Asdod (qried). Azotos), die erjte der fiinf Für—
ſtenſtädte der Philiſtäer, Sit des Dagondienjtes. Dem
Stamm Juda zugeteilt, erſcheint es nod ju Nehemias
Beit als philiſtäiſche Stadt. Die Aſſyrer croberten A.
um 715 v. Chr., 100 Qabhre ſpäter Pſammetich von
Agypten nad) 29 jabriger Belagerung ; der Maftabaer
Judas und nad thm jein Bruder Jonathan nabmen
es ein, und legterer gerjtirte es; doch ftellte Der römi⸗
iche Feldherr Gabinius den Ort 55 v. Chr. wieder her.
Jn chriſtlicher Zeit war A. Biſchofsſitz; jest ES dud.
Afebie (qried).), Gottlojigkeit, Frevel.
Afebotozin, ſ. AUndromedotorin.
Aſebu, j. Andromeda.
Aſega, der bei den alten Frieſen vom Bolle ge-
wiiblte, neben dem Richter und der Gerichtsgemeinde
funttionierende Redtipreder oder Urteilfinder, welcher
der entideidenden Geridtsgemeinde das Urteil über
den verhandelten Redtsfall vorfdlug. Bgl. Recht-
fpredher.
Wfegabuch, Sammlung der alten frie]. Geſetze mit
dem Landredjte der Riiftinger, aus dem Anfang des
13. Jabrh., in altfrieſiſcher und plattdeutidher Sprache
geidrieben. Vogl. Wiarda, Ujeqabuc (Berl. 1805);
v. Richthofen, Frieſiſche Rechtsquellen (das. 1840).
WUfeitat (neulat.), Selbjtwejenheit, Selbjtindigkert,
in Der ſcholaſtiſchen —— die abſolute Unab⸗
argaten Gottes, vermöge deren er den Grund fei-
ner Exiſtenz lediglich in fic) felbjt hat.
Aſeleniſch (qriech.), mondlos.
Asellus, f. Aſſeln.
MAfemie (Aſymbolie, qried.), dad Unvermigen,
fid) Durd) Worte, Gebärden, Schriftzeichen xc. mit der
Umgebung gu verjtiindigen. Bgl. Aphaſie.
Nien — Wfeptol.
Aſen (altnord. Aesir, im Sing. Ass), in der nord.
Mythologie das miidtighte Göttergeſchlecht, das jedoch
nicht von Ewigkeit her beſteht, ſondern den Rieſen
ſeinen Urſprung verdankt. Die erſten A. waren die
drei Söhne des Rieſen Bur, Odin, Wili und We,
von denen aber die beiden letztern, nachdem ſie ſich an
der Schöpfung der Welt (ſ. Nordiſche Mythologie) be-
teiligt Hatten, ganz zurücktreten, obwohl von threr
eigentliden Abſetzung nirgends die Rede ijt. Als Be-
herrſcher des Alls und als Stammvater der re
Gittergeneration (daher fein Name Ullvater[alfadir})
gilt vielmehr Odin allein. Mit Jord (der Erde)
zeugte er den Donnergott Thor, mit Frigg Bal-
der und Bragi. Odins Söhne find ferner Tyr,
Hod, Heimdall, Bali, Bidar, Hermod. Und
Hönir, Ull, Forſeti gehiren gu den A. (ſ. die ein-
zelnen Urtifel). Bon den weibliden Gottheiten, den
Wfinnen(altnord. asynjur), find neben Frigg Idun
und Saga die befanntejten. Die W. find dem Ein—
fluf der Zeit unterworfen ; die Sage erzählt von ihrer
Jugend fowie von ihrem Untergang. Die Kindheit
der A. verfloß in forglofer Rube, in fortdauerndem
Frieden und unter frohem Wiirfelfpiel auf dem ſchö—
nen Ydagefilde; das Ende dieſes goldenen Reitalters
wurde dadurd herbeiqefiihrt, dak aus Yotunheim drei
Rieſenmädchen (die Nornen) erſchienen, die Lenfe-
rinnen des Schickſals, das ſelbſt die Witter nidt zu
wenden vermigen. Durd die Fügung der Nornen
fam es ju Dem erſten Weltfriege gwifden den A. und
cinem zweiten Göttergeſchlechte, Den Wanen (f. d.).
Durd cinen Vertrag wurde er beigelegt, nad) welchem
von den Wanen der mächtige Njord mit feinen Kin—
dern Freyr und Freyja als Geifeln ju den A. fa- |
men, wahrend jenen dafiir Hönir gu teil ward. Um |
ſich gegen fernere Ungriffe fidjerzujtellen, beauftrag: |
ten die A. einen Ricjen mit der Befeſtigung ihres
Wobhnfifes US qgard(f.d.); da jedod) dem
den Beſitz von Freyja, von Sonne und Mond aus:
und den Riejen aus, der bid zum Ende der Welt dauern
wird. Yn jenen find die dem Menſchen niiglidjen und
wohltätigen Mächte der Natur, in diefen dic zerſtören—
den und ſchädlichen Elemente perfonifigiert. Der er-
bittertite Feind der Rieſen ijt Thor, der deshalb fort:
während gen Ojten sieht, wo die Riefen hauſen, um
fie gu befampfen und gu toten; er wird aud von den
Riejen amt meiften gefiirdtet. Go fehr die W. den
Rieſen überlegen find, fo haben die lestern dod) durch
Rauberei cine gewiſſe Gewalt iiber die U.; vorzüglich
tradjten fie nad) Iduns verjiingenden Äpfeln, durch
deren Genuß die A. fic) jung erbielten. Auch Frevja,
die Schinjte in Asgard, fuden die Rieſen zu gewin-
nen fowie überhaupt ſchöne Frauen gu entfiihren, wm
felbft Die Vater ſchöner Minder zu werden. Der all-
emeine Weltbrand aber wird endlich nicht nur alle
Schipfungen der A., fondern dieſe ſelbſt vernidten
(ſ. sitter aig — Den UW. wurden Opfer und
Gebete dargebradt. Bei bevoritehendem Krieg opferte
man befonders dem Odin; wenn Peſt und Hungers-
not bevorjtanden, dem Thor als dem Reiniger der
Luft und Wettergott, und wenn Hochzeiten gefeiert
werden follten, dem Freyr; Freyja wurde in Liebes:
—— —— Neben Odins Minne
(o>Medaidjtnis<) wurde Thors und Freyrs Minne ge:
trunfen, Odins Beder wm Sieq und Macht, Freyrs
Horn um qutes Jahr und Frieden. — Nach Cinfiih-
rung des Chriftentums deutete man die Mythen von
den YU. euhemeriſtiſch und betradjtete fie al8 ein aus
aumeijter |
der verſprochene Lohn vorenthalten ward (er hatte ſich
| Wafden mit Seife und warmem Wafer, Wifohol und
bedungen), fo brad) cin neuer Krieg gwifden den A.
851
Ufien eingewandertes, ia alae chlecht
(Snorri Sturluſon, Garo Grammatikus; vgl. Nor—
diſche Mythologie). Daß die Verehrung der A. auch
den übrigen germaniſchen Völkern nicht fremd war,
beweiſt fiir die Goten Jordanis, der im 13. Kapitel
erzählt, daß das Boll feine als Halbgdtter angeſehe—
nen Ahnen mit dem Namen Anſis (d. h. anseis) be-
eidynet habe; fitr die Wejtgermanen das häufige Vor-
munen des Wortes in Cigennamen (Wnsgar, Os—
wald x.). Bei den —— hieß auch noch eine
Rune Os, und cine Zauberformel erwähnt cine Krank⸗
Heit »Aſenſchuß⸗ (ésa gescot).
Liſen, das Freſſen des Eldy-, Rot-, Dam- und Reh—
wildes und de3 Hafen. Aſung, dad Futter dieſer Tiere.
Aſepſis (griech, Ufeptif, afeptifde Wund-
behandlung), eine Operations: und Wundbehand-
{ungSmethode, die zielbewußt alle Jnfeftionserreger
von der Wunde fern gu halten ſucht. Sie wurde vor
Der v. ef ayy Schule cingefiihrt und trat an
Stelle der Untifepfis (ſ. d.). Die W. will in erſter Linie
die Gefahren der Ynfeftion, dic der Wunde durch Be—
riifrung mit den Handen ded Operateurs, mit In—
jtrumenten, Nahmaterial, Schwämmen, Tupfern und
Verband eventuell erwachſen, möglichſt fernhalten.
Daher die Forderung: alle Gegenſtände, die mit der
Wunde in Kontakt kommen, müſſen fteril, d.h. abjolut
feintfrei fein. Beim Verbanditoff, Ynftrumenten 2.
läßt fid) Durch Erhitzung im gefpannten ſtrömenden
Dampf oder durd) einfaches Kochen vollſtändige Keim—
freiheit erreichen, dagegen nicht im idealen Sinne bei
der Haut. Die Frage, ob die Hände des Operateurs
mit annähernder Sicherheit keimfrei gemacht werden
finnen, haben vereinzelte Autoren auf Grund ein—
gebender balteriologiſcher Unterfudung bejahen zu
dürfen geqlaubt, die Mehrzahl der Operateure ver-
neint fie, um freilid) zuzugeben, daß diejenigen Mifro-
organismen der Haut, die ſich bei der ſorgfältigen
Desinfeftion der Hand (Methode von Fiirbringer:
Sublimat) nidt entfernen lajjen, relativ gutartig find
und nur in feltenen Fällen cine gefährliche Entzün—
dung und Citerung hervorrufen. Die betreffenden
Keime find in den natiirliden Boren der Haut (Haut-
driijen, Haarbälgen) enthalten und werden wäh—
rend des Operationsaftes medanifd oder durch den
Schweiß an die Oberfläche befirdert. Um auch diefe
Reime der tiefen Hautfdidten von der Wunde fern-
jubalten, empfeblen einige Chirurgen das Tragen
von Handfduben; die hiermit verbundene Einbuße
an Feinfühligkeit und Bewegungsfreiheit der Hand ijt
nur gering; bon andern Operateuren wird freilid
die Zweckmäßigkeit der Handſchuhe ftarf angezweifelt.
Weitere Forderungen der A., wie die ftrengtte Des:
infeftion des Operationszimmers, de3 Operations:
tiſches, Der Reider ded gu Operierenden wie des Ope-
rateur8, ergeben fid) nad) dem Gejagten von felbjt.
Sql. Shimmelbufdh, Unleitung zur afeptijden
ations omapen, (2. Aufl., Berl. 1893); Braag,
Grundlagen der Wfeptif (Stuttg. 1893).
Aſeptik, Aſeptiſch, ſ. Aſepſis.
Aſeptin, ſ. Borfiure.
Aſeptöl (Sozolſäure, Sulfofarbol) C,H,SO,,
cine 33,33 pro3. Löſung von Orthophenolſulfoſäure,
wird aus Phenol und fonjzentrierter Schwefelſäure
erhalten, bildet cine ſchwach ritliche Flüſſigkeit, ſchmeckt
ſauer, riecht ſchwach phenolartig, ijt nicht giftig, miſch⸗
bar mit Waſſer, Allohol und Glyzerin, färbt ſich am
Licht dunkler und geht mit der Zeit in Paraphenolſulfo—
ſäure über. A. wird als antijeptijdes Mittel benutzt.
54*
852 Aferbeidfdan — Ajhland.
Aſerbeidſchan (Aderbeidſchan, da alte Atro-
patene, f. Karte »Perſien«), nordweſtlichſte Proving
Perjiens, grenzt an die Türkei und Ruſſiſch-Kauka—
fien. A. ijt cin gerflitftetes, grohartiges Alpenland:
jtrengjter Winter mit 9 Monate lieqendem Schnee
neben ſchönſtem Friihling und beifiqtem Sonuner ;
unerſteigliche Bergriefen neben tiefen, wohl befiedel-
ten Talern. Unter den Gipfeln erreiden der Sehend
ſüdlich von Tebriz 3680, der tote Bulfan Sawalan
bei Urdebil 4820, der Kleine Ararat an der Rord-
weſtgrenze 4030 m. Hauptgewäſſer find die Gren}:
flüſſe Aras und Kiſil-Uſen und der Urmiſee (ſ. d.).
A. iſt reich an Tuff, Marmor, Alabaſter, Salz. Die
Pflanzen- und Tierwelt iſt teils dem alpinen Gebirge,
teils dem Salzboden der Niederung angepaßt, die
Alpenflora ſpärlicher als in der Schweiz. Die Be—
wohner (etwa 2 Mill.) find im NO. Tiirfen, im SW.
Rurden, im SO. Berfer, am Urmiſee Aramäer; die
beiden erjten find Romaden, in den Tälern auch Acker⸗
bauer u. Baumzüchter. A. gehört zu den reidjten Ge-
bieten Perjiens, die Städte find gewerbtätig. Die Aus—
fubr (getrodnete Früchte, Teppidje) betrug 1898/99: |
64 Mill., die Cinfuhr (Baumwollen- und Wollen-
zeuge, Zucker, Tee, Seide) 13,6 Mill. ME, wovon 5,9 |
till. Mt. auf England fielen.
Liſernia, Stadt, ſ. Iſernia.
Wsgard (Asgardhr), das im Himmel gedachte
Reich, in dem die Aſen (ſ. d.) wohnen. Dede Gottheit
hatte dort ihren eignen Bezirk, in dem der prächtig
ausgeſtattete Palaſt ſich erhob (wie die irdiſchen Gotter-
tempel innerhalb cines Haines ju ftehen pflegten).
Durd die Ynterpolationen in dem eddiſchen Gedicht
Grimnismal find uns die Namen von 13 folder
Witterfige erhalten, von denen jedod) Odin zwei zu-
—— werden, während andre Götter (z. B. Tyr,
ragi, Idun) leer ausgehen, nämlich: 1) Thrud—
Heim oder Thrudwang ( Welt oder Gefilde der
Stärke«), das Reid) des Donnergottes Thor; 2) Y)da-
lir (»Cibental«), der Wohnort des treffliden Bogen:
ſchützen Ullz 8) UL FHeim(>Clbenwelt<), der Sig des
Freyr; 4) Walajfjalf (> Rundfig< ?), die cine von
Odins Wohnungen, in der aud feine »Fenſterbank«
Hlidfſtkjalf fid) befindet, von der er die ganze Welt
überſchauen fann; 5) Söktwabekk(Gder tief liegende
Sitz«), wo Saga wohnt, die dort Odin täglich in gol-
dener Scale den Trunk reidt; 6) Gladsheim
(Freudenwelt«), die andre von Odin’ Wohnungen,
in welder Der herrlide Saal Walholl (»Halle der
Wefallenen«) fich befindet, wo die im Kampf um-
—— Helden (die Einherier) bei Odin ſelige
Tage verleben; ) T hry mbheim(> Welt des Lärms«),
der Wohnſitz von Skadi, Njords Gemablin, der Toch—
ter des Rieſen Thiagi, der ehemals dort haujte (daher
Thrymheim mit Unrecht in die Reihe der himmliſchen
Räume geraten ijt); 8) Breidablik (Breitglanz«),
Valders Heimſtätte; 9) Himinbjorg (> Hummels:
berg<), der Sig des Götterwächters Hermdall, am
Mande des Hinnnels g
Brücke Bifroſt (der Regenbogen) vom Himmel zur
Erde nieder; 10) Folkwang (Volksgefilde«), der
Freyja zugehörig, die in dem Saale Sefsrhmnir
(viele Sitze habend«) die ihr zukommende Halfte der
in Der Schlacht Gefallenen aufnimmt; 11) Glitnir
(der Glänzende«), Die Dalle des Forfeti; 12) Noatun
(> Schijfsjtatte<), die Wohnung de3 Njord; 13) Widi
(»Weites), der Landfig des Widar.
UAsha (> Finger<), perf. Längenmaß, == 6 oder
aud) 7 Dieho; 24 W. = 1 Berajid.
Ufhantee, Negerreich, ſ. Aſchanti.
elegen; von hier aus geht die
Ajfhberrys Metall, ſ. Britanniametall.
Aſhbourne (Aſhborne, fpr. aſchbörn), Stadt in
Derbyſhire (England), 20 km nordweſtlich von Derby,
an der Mündung des malerifchen Dovedale, hat cine
alte Kirche (aus dem 13. Jahrh.) mit 64 m bobem
| Turm, Lateinfdule, Handel in Rafe, Wolle und orn,
orellenfifderet und (1901) 4039 Einw.
Aſhburton (pr. afgsire’'n), Fluß int Nordweijtteil
des Staates Wejtaujtralien, der aus vier Ouellflif-
fen beiderfeits des Wendefreifes entiteht, nordweſt
lich fließt und unter 21° 40° fiidl. Br., nördlich vont
Exmouth Golf, in den Yndifden Osean fallt. Ein
echter Steppenfluß, ſchwillt er zuweilen zu 300 m
Breite bei 2O m Tiefe an und ſchrumpft dann wieder
zu einer Reihe von Wafferbecten jufammen. Seinen
Unterlauf erforjdte Sholl 1866, fein Ouellgebiet
Wiles 1876. ‘
Sigey be la Goes, ſ. Baring.
Aſhby de la Zouch (pr. ajgdi de (4 faim), Stadt in
Leicejterfhire (England), mit Schloßruine (15.3abrbh.),
gotiſcher Kirche, Strumpfiweberei, Roblengruben, Mi—
neralbad (Jranhoe Bath) und (001 4722 Einw.
In Der Mahe Ruine des Nonnenflojters Grace Dieu
(1286 gegriindet, 1539 aufgehoben).
Aſher, Udolf, Budhandler und VBibliograph,
geb. 23. Uug. 1800 zu Kammin in Pommern, get.
1. Sept. 1853 in Venedig, verweilte, jum Raufmanns-
ſtand bejtinumt, mehrere Jahre in England, fpater in
Petersburg und wandte ſich dem Bud, infonderbeit
dem Untiquariatshandel gu, den er erjt in Petersburg
und feit 1830 mit grofem Erfolg in Berlin betrieb.
WIS Bibliograph bewährte fid) A. durd die Schriften:
» Bibliographical essay on the collection of voyages
and travels published 1598 — 1600 by L. Hulsius«
(Berl. 1839), » Bibliographical essay on the Scrip-
tores rerum germanicarume« (daj. 1843) und die mit
Uberjepung und Anmerkungen verjehene Ausgabe des
»Itinerary of Rabbi B. Benjamin of Tudela« (daf.
1840). Das Verlags- und (vorwiegend internatio-
nale) Sortimentsgeſchäft A. u. Romp. ijt gegenwärtig
im Beſitz von Wd. Behrend und Cug. Goldjtiicer.
Afheville (or. Aaqwim, Hauptitadt der Grafſchaft
Buncombe in Nordcarolina, am Frend Broadfluß
und zwiſchen den höchſten Uppalacdentetten ſchön ge-
legen, mit bedeutendem Fremdenverkehr und Tabak:
handel und (1900) 14,694 Einw.
Af hford cpr. ajafor), Stadt in der engl. Grafſchaft
| Rent, am obern Stour, mit gotijder Kirche (Turm
aus der Beit EduardsIV.), großen Werkſtätten der
Siidojtbahn und (1901) 12,808 Einw.
pit — Lord, ſ. Albemarle.
Aſhingdon (jor. debingd’n, früher Aſſan dumn), Ort
in der engl. Grafſchaft Cfjer, berühmt durch die Schlacht
von 1016, in ber König Edmund Cifenfeite von Knut
d. Gr. von Dänemark durd) Verrat befiegt wurde.
Ufhington (vr. ajaingr'm, Stadtgemeinde in der
engl. Grafidaft Northumberland, 5 km öſtlich von
Morpeth, mit Kohlengruben und avon 13,956 Eimw.
Aſhland (pr. aſch Name mehrerer Stadte in den
| Vereinigqten Staaten, darunter: 1) Hauptitadt der
Grafſchaft A. in Wisconfin, mit trefflidhem Hafen am
Obern See, Bahnfnotenpuntt, mit Hochöfen, ftarfer
Cijener;-, Holz⸗ und Sandjteinveridiffung und (190m
13,074 Einw. — 2) Stadt in Kennfylvanien, Graf-
{daft Schuyllill, inmitten eines ergiebigen Steinfoh-
lenbezirks, mit (1900) 6438 Einw. — 3) Stadt in Ken⸗
tudy, Grafidaft Boyd, am Obio, Vahnftation, mit
Hochöfen, Walzwerk, ftarfer Eiſenerz-, Roheifen- und
Soblenverfradtung und (i900) 6800 Einw. — 4) Stadt
Aſhley — Aſiatiſche Gefellfchajten. 853
in Oregon, Grafſchaft Jadfon, am Bahniibergang| Aſiatiſche Baniſe, Name eines ſeiner Zeit viel—
fiber die Siffiyou Mountains, mit 2634 Cinw. gelefenen Romans von H. W. v. Ziegler (ſ. » Ziegler
Wfhley (or. ajo, 1) Unthony Evelyn Mel- | und Kliphauſen«).
bourne, engl. Scriftiteller und Politifer, qeb. 24.) Afiatifae Briider, den Roſenkreuzern verwand-
Juli 1836 als jiingerer Sohn des Grafen von Shaftes: | ter Geheimbund, der 1780 in Ojterreid) entitand und
bury, wurde 1863 Sadwalter in London und war | fid) von da fiber Deutſchland verbreitete.
1858— 65 Privatſekretär Lord Palmerftons. Im Aſiatiſche Cifenbahn, dic von Tſcheljabinſk im
Mai 1874 wurde er ins Unterhaus gewählt. Er ſchloß duferjten Ojten des europ. Rußland nad Wladiwojtot
fid) der liberalen Bartei an, wurde im Upril 1880 (oſtchineſiſche) und die nach Port Arthur abgweigende
Sefretiir des Handelsamtes und im Mai 1882 Unter- | (ſüdmandſchur.) Cifenbahn, wurde 1901 fiir provifori-
ſtaatsſekretär im Rolonialminifterium. Im Juni 1885 ſchen Verkehr erdffnet. Näheres ſ. Sibiriſche Eiſenbahn.
trat A. mit dem Miniſterium Gladſtone zurück und Aſiatiſche Geſellſchaften, Vereinigungen von
verlor bei den Neuwahlen Ende des Jahres ſeinen Sitz Gelehrten zur Erforſchung der Geographie und Ge—
im Unterhaus. Er ſchrieb als Fortſetzung der Vio- ſchichte, ber Religion, der Sitten, Sprachen und Lite—
raphie von Lord Dalling and Bulwer: »Life of | raturen Ufiens. Die älteſten derartigen Geſellſchaften
fenry John Temple, Viscount Palmerston, 1846— | haben fid) in Ufien felbjt unter den Unrequngen euro-
1865« (Lond. 1876, 2 Bde.). paifder Rolonifation qebildet. Voran jteht die Bata-
2) Unthony, Lord, ſ. Shaftesbury 2). viansch Genootschap van Kunsten en Weteuschap-
Aſhmole (or. sjomo0, Elias, engl. Ultertums- | pen, gu Batavia 1779 gegriindet, die »Verhande-
bie und Heraldifer, geb. 23. Mai 1617 gu Litdh- | lingen« (feit 1779, mit ſchäßenswerten Beiträgen zur
ield in Staffordihire, gejt. 18. Mai 1692 in Windjor, | Kenntnis der fiidafiatifden Inſelwelt) herausgibt,
praltizierte zuerſt als Hbvotat, lich fid) 1649 in Lon- friiher aud) cine »Tijdschrift voor Nederlandsch
don meder, erbielt nad Karls I. Thronbejteiqung die | Indié« (feit 1842) erſcheinen lies, an deren Stelle 1853
Stelle eines löniglichen Heraldifers gu Windjor und | die »'Tijdschrift yoor Indische Taal-, Land- en Vol-
wurde ſpäter Mitglied der Royal Society. Beriihmt | kenkunde« trat. Wenig jiinger ijt die Asiatic So-
find fein »Theatrum chymicum britannicum« (1652) | ciety of Bengal, die 1784 von W. Jones begründet
und feine »Gefdidte des Hojenbandordens<«. Seine wurde und die beriihmten » Asiatic Researches« (Kal-
reide Sammlung von antiquarifden, numismatifden | futta 1788 —1836, 20 Bde.) herausgqab, an deren
und literarifden —— ward 1679 größtenteils cin | Stelle ſeit 1832 das » Journal of the Asiatic Society «
Raub der Flammen. Den Rejt vermadte WU. der Uni- | erfcheint, feit 1865 in zwei Seftionen (eine natur-
verfitit Orford, wo fie im UfHmolean Mufeum wiſſenſchaftliche und cine philoſophiſch-hiſtoriſche) ge—
— iſt. teilt und von den Sitzungsberichten (Proceedings«)
priest Park pr. ſchridſch), ſ. Berfhampitead. | begleitet. Unter Aufſicht diefer Geſellſchaft erſcheint
Aſhtabula, Stadt im nordamerifan. Staat Ohio, | feit 1846 in Ralfutta die » Bibliotheca indica«, cine
Grafſchaft A., am Erieſee, Bahnfnotenpunkt und | Sanunlung widtiger Quellenfdriften zur Kenntnis
Hafenplag mit ftarfer Erz- und Kohlenverſchiffung, des Orients. Im 19. Jabrh. wurden viele derartige
Mafdhinenbau, Gerberei und (1900) 12,949 Einw. Geſellſchaften in Europa, namentlicd) in England und
Ashton in Makerfield (vr. aioe nin metecfi), Stadt | Frantreid), gegründet, als deren bedeutend}te die fol-
in Lancaſhire (England), 6 km ſüdlich von Wigan, | genden zu nennen find: Die Société asiatique ju
mit Rohlengruben, Fabrifation von Sdlofferarbeiten ris, Die, 1821 von S. de Sach, Klaproth, W. Wému-
und (1901) 18,695 Cinw. fat, Chezy u. a. geqriindet, ein reiches Muſeum beſitzt,
Afhton under Lyne (jpr. afape'n Snder tain), cine der | feit 1822 das »Journal asiatique« herausgibt und
filtejten Städte Lancafhires, 8km von Mandhejter, | orientalijde Werke veröffentlichte, 3. B. die wichtige
mit (1901) 43,890 Einw., die mit den nahe dabei ge- | »Collection des auteurs orientaux« u.a. Die Royal
leqenen Städten Stalybridge und Dufinfield einen der Asiatic Society of Great Britain and Ireland ju
amt dichteſten bevilferten Bezirke der Graffdaft ein- London, 1823 eröffnet, beſtätigt 1824, verfiigt eben-
nimmt. Baumwoll- und Wolljpinneret ijt Haupt: falls tiber cin bedeutendes Muſeum und eine reiche
induftriezweig. In der Nähe find ergiebige Kohlen- Bibliothef. Wn die Stelle ihrer » Transactions« (Lond.
g ben. Dabei der Fabrifort Hurſt (7145 Cinw.). — | 1824-34, 3 Bde.) trat feit 1833 das ungemein reid
-, feit Dem 14. Jahrb. im Beſitz der Familie Aſſhe- haltige »Journal of the Royal Asiatic Society«. Mit
ton, gehört jest dem Lord Stamford. thr verbunden wirfte feit 1828 ein Oriental Trans-
Aſia, im qried. Mythus Todjter des Ofeanos und | lation Committee durch Herausgabe von Überſetzun—
der Tethys, Gemahlin des Prometheus, nad) der Aſien | gen orientalifder Werke. Hierauf erfolgte die Grün—
genannt fein follte. dung der American Oriental Society ju Vojton 1842,
MAfiago, Dijtriftshauptort in der ital. Provinz Vi- deren »Journal« feit 1850 in New Yorf und Rew
cenga, 990 m it. M., Hauptort der fogen. Settecomuni | Haven erjdeint ; aud) fie gibt » Proceedings« heraus.
(j. Comuni), mit altem Wergidlok, Tabatbau, hedeu- Die Deutſche Morgenlindifde Geſellſchaft,
tendem Viehhandel u. (1901) als Gemeinde 6128 Einw. 1845 gegründet, halt mit den Philologen und Schul
MAfianer, bei den Chronologen dic Bewohner ioni- | mannern Verjammlungen und gibt feit 1846 eine
ſcher Stadte im ehemaligen Heiche des Uttalos (Der Zeitſchrift nebjt »Whhandlungen jur Runde de3 Mor-
römiſchen Asia proconsularis). enlandes« heraus; aud) bat fie viele 3. T. ſehr um:
Aſiarchen (qriech.), wabhrideinlid) die Ubgeord- | —— orientaliſche Werke drucken laſſen und die
neten der einzelnen Städte zum Landtage der römi- von W. Weber herausgegebenen »Indiſchen Studien«
iden Proving Aſien, die 4. von dem Yandtag zur (Berl. 1849 ff., 17 Bde.) unterjtiigt. Die Societa
Wahrnehmung der Geſchäfte an den dem Naijerfult Asiatica Italiana gibt feit L887ein » Giornale. heraus.
—— Provinzialtempeln gewählt wurden. Das Einen beſchränktern Kreis haben die Société orientale
mt qalt als eine hohe Ehre. de France zu Paris 1842, weldje die »Revne de
Asiatic Researches (pr. rifsrtiia), ſ. Aſiatiſche l'Orient, de l'Algérie et des colonies« herausgibt,
Geſellſchaften. und das 1859 in Alexandria gegründete Institut
854
égyptien, von dem feit 1862 »Bulletins« und »Mé-
moires« erjdeinen. Die Literary Society of Jeru-
salem, zur Erforjdung de3 Heiligen Landes 1850
geſtiftet, ijt feit mebreren Jahren eingegangen. Da—
gegen wurde im November 1870 in London durch
S. Bird und J. Bononi die Society of Biblical Ar-
chaeology geqriindet, in der feit 1871 mehrere friihere
Geſellſchaften ähnlichen Swedes, nämlich das Anglo-
Biblical Institute, die Syro- Egyptian Society, das
Chronological Institute und die Palestine Archaeo-
logical Association, aufgeqangen find. Gie ver-
Difentlidjt wertvolle » Transactions« (feit 1872) und
nod) wichtigere »Proceedings«. Für die Erforſchung
Palijtinas ijt feit 1865 der English Palestine Ex-
ploration Fund titiq, der »Quarterly Statements<«
herausgibt. Cine gleidnamige amerifanifde Gefell-
ſchaft verfolgt denfelben Zweck Seit 1877 bejteht aud
ein Deutidher Verein sur Erforjdung Palajtinas, der
eine Zeitſchrift herausgibt (Leipz. 1878 ff.), Wus-
grabungen bei Jerufalem (1881) veranjtaltet hat und
Spiifenichafttidye Reiſen unterjtiigt. Noch find gu er-
wähnen: die Wiffenfdaftliche orientalijde Geſellſchaft
gu Beirut (feit 1882 bejtehend, die Nadfolgerin der
1847 von Thomſon dajelbjt —— Geſellſchaft
der Wiſſenſchaften) und die iffenſchaftliche maroni⸗
tiſche Geſellſchaft ebendaſelbſt, die beide 1882 ihre
erſten Schriften veröffentlichten; ferner das Kon. In-
stitut voor de Taal-, Land- en Volkenkunde van
Nederlandsch Indié zu Amſterdam, das feit 1853
»Bijdragen« verdjfentlidt; die Société orientale ju
Ronftantinopel, die 1852 geqriindet wurde, fic) aber
bald wieder auflijte; das Athénée oriental in Löwen;
die Asiatic Society of Japan in Tofio, die »Trans-
actions« herausgibt; die Pali Text Society in Indien,
die Baliterte und cin »Journal« erjcheinen läßt; die
Société Académique Indo-chinoise zu Baris (mit
»Bulletins«); die neugegriindete, aber durch den jüng⸗
jten Krieg ernſtlich gefibrdete Peking Oriental Society,
mit cinem »Journale; die Société sinico-japonaise
in Baris, die »>Mémoires« herausgibt (»Le Lotuss);
die Societa d'Italia, die ein »Bullettino« herausgibt.
Geqemwartig ijt in Ronftantinopel ein türkiſcher Ver—
ein, Eschschark, neben der faiferliden WUfadentie, dem
Endschiimenidanisch von 1851, entjtanden. Auch die
Alademie der Wifjenfchaften gu St. Petersburg gibt
feit 1849 aus ihrem »Bulletin« die das Morgenland
betrejfenden Stiide als » Mélanges asiatiques« (philo—
logiſchen Inhalts) nod) befonders heraus. Yn der
Kaiſerlich ruſſiſchen archäologiſchen Geſellſchaft beſteht
eine eigne morgenländiſche Abteilung, die wichtige
» Trudy « (Urbeiten) veröffentlicht. Im Orient bildeten
fich außerdem die Madras Literary Society (1827) und
die Literary Society of Bombay (+*Transactions«,
ond. 1819
1828 und 1829 mit der Royal Asiatic Society ju
London und fiihren feitdem die Namen Bombay, be3. |
Madras Branches of the Royal Asiatic Society; von
erſterm erſcheint cin befonderes »Journal« feit 1841,
von dem andern feit 1833. Wud) auf Ceylon und in
Singapur bejtehen foldhe Zweige; befonders widtig
ijt Der China Branch of the Royal Asiatic Society
ju Dongfong und Schanghai (North China Branch),
Der cin »Journale herausgibt.
Aſiatiſche Pillen MW rfenpillen, Pilulae asia-
ticae), Billen aus arjeniger Säure mit Pfeffer- und
Süßholzpulver, enthalten je 1 mg arſenige Saure.
Aſiatiſches Departement, cine Ubteilung des
ru ſiſchen Miniſteriums de3 Außern fiir politifde und
Pandelsangelegenheiten in der Levante und in Aſien.
23, 3 Bde.); beide aber verbanden fic |
Aſiatiſche Pillen — Aſien. i
—22 Sprachen, ſ. Aſien, S. 863.
Aſiati Tiirkei, |. Türkiſches Reich.
Aſiderite, Meteorjteine, die fein gediegen Eiſen
enthalten.
Aſien (hierzu swei Karten: »Aſien, Fluj- und Ge⸗
birgsſyſteme⸗ und »Politijde Überſicht⸗), der größte.
höchſte und nad feiner geſchichtlichen Cntwidelung
älteſte Erdteil. Der Name ſtammt von dem affyre
ſchen ⸗·Aszu⸗ — Aufgang (Der Sonne), tn Gegen—
jae gu Ereb (dem Dunkel oder Gonnenuntergang),
wovon Europa (vgl. Erdteil). Uberjicht des Inhalis:
Lage, Grépe, Geftalt S. 854) Bevdlterung. . . S. 863
Bobengeftaltung . . . 854 Überſicht ber Spraden . set
Inſeln, Fliffe unb Seen 856 | Sosiale Verhältnifſe. st
Geologiſche Verhaltniffe. 857 | Religionen . . . . . Net
Nutzbare Mineralien. . 859) Erwerbs zweige, Berfebr. 865
RANG eS ar Sew 860 Gnibedungsgejdidte . . 865
Pflanjenwelt . . 860 | Geſchichte Aſiens feit 1884 #74
aierwelt . 2. 2 2 we 862 | Literatur, Rarten. . . #75
Lage, Grofre und Geftalt.
Die Ausdehnung des Fejtlandes beträgt vom Rap
Ticheljuftin (77° 34 nördl. Br.) bis Rap Buru in
Malakfa (1'/s° nördl. Br.) 8620 km, vom sap Baba
in Rleinajien (26° 4° öſtl. L.) bis gum Ojtfap an der
Beringſtraße (169° 44’ weſtl. L.) 9646 km. Der
Pladeninhalt ijt auf 44,179,400 qkm berechnet
worden, wovon 41,499,700 qkm auf das Fejtland,
2,679,700 qkm auf die Inſeln entfallen. Rund drei
BViertel gehören der ndrdliden gemagigten Bone an,
j¢ cin Uchtel der falten und der heißen Zone.
Die Grengen find: im N. das Nördliche Eismeer;
im ©. der Große Ozean, der längs der Küſte von A.
die Namen Ochotſtiſches, Japanijdes, Gelbes, Chine
ſiſches Meer trägt; im GS. der Indiſche Ozean als
Bengaliſches und Arabiſches Meer; im W. das Rote
Meer, die Landenge von Suez, das Mittelländiſche
und Schwarze Weer, beide verbunden durch die Dar—
sr geal a das Marmarameer und den Bospo
rug, und innerhalb des Feftlandes ferner etwa der
Raufafus, der Uralfluk und das Uralgebirge. Der
Rumpf Aſiens gleidt einem Trapes, defjen vier Eden
in die —— von Suez, den Golf von Tonafing,
das Kariſche Meer und den Anadyr-Buſen (fidlicd
vom Ojtfap) fallen. Die Nordjeite des Trapezes ijt
mit 4450 km Die fiirjefte, die Weſtſeite mißt 4570,
die Ojticite 6820, die Siidfeite 7550 km. Yn Diefen
Rumpf jind weit vorjpringende Halbinfeln an:
gegliedert: im N. die Tichuttidenhalbinfel, tm O
Kamtſchatka und Korea, im S. Hinterindien mit dem
langgejtredten WMalaffa, Borderindien und YUrabien,
im W. Rleinafien, zuſammen etwa ein Filnftel des
Sefamtareals. Im Reidhtum der Gliederung ſteht A.
| hinter Europa bedeutend zurück; m A. fommen auf
eine Küſtenmeile 105 OM. Nontinent, in Europa nur
87. Dagegen ijt A. der infelreichfte Erdteil, auch haben
die Inſeln (ſ. S. 856) meiſt eine auffallend felbjtan
dige Stellung gum Fejtlande. Die Glieder, Inſeln
und Halbinieln zuſammengenommen, verhalten ſich
zum Rumpf des Rontinents wie 1:3.
Vodengeftaltung.
Das Tiefland nimmt in A. etwa 17,340,000 qkm
cin, d. h. nur etwa 37 Brox. der Geſamtfläche, wad.
rend das Verhältnis in Nordamerifa 45, in Süd
amerifa 55, in Europa 68 Proj. betragt. Bom Tief
land fallt cin Fünftel auf Rentralofien, faft die Halfte
(8 Mill. qkm) auf Sibirien und nur etwas über
3 Will. qkm auf die peripherifden Gebiete: China
(1,1 Mill. qkm), die indogangetifde Niederung Vor
derindiens, Wefopotamien und da8 fleine Tiefland
(von Siam. All diefe Niederungen ordnen fid) im
ASIEN
| FLUSS-v.GEBIR GSSYSTEME.
Mafistab 1:50000000 —
! he
Kilometer
| ®
DFE RETR GR: Fe?
GF 43 ERE” On Be te
ma. RAIS *
xX
——
3
2 »
= xi,
fer
— —
Hihen-und Tiefenschiehten.
TE]. 0- 200m t O 200m on
| (hear dh. Mewre unter d Meere Se
— — 4 —
200- 500 | so0-2000 0
| 500-1000 000-4000
-_ | 1000-2000 4000 6000
2000-4000 6000 BOO
4000-6000 Gler SOO
Hithen tiber 6000 Meter sind wet gelassen
— Senkeungen des fheten Landes
an unter dem Mrerecapicgel
Bibliorraphise!
Meyan Kone Lerten €& tuft
y Google
we
of”
eo —R
J
AN oe,
a
he
x
fasten -6 ee
4
— ote .
* — Seals Xe be ARS,
ertitat in Leiprte Zum Artihed . Asien
=
*
— —
_~ Saree . —
DW, , ne
ASIEN
POLITISCHE UBERSICHT
MaGstab 1: 56.000000
sere see — eo £08
= Avlometer
EUROPAISCHE BESITZUNGEN:
(Ez Britische CEO Franz, Qe Niederl
CE Deutsche TH) Portud. URE) Tark.
— Liar pterrenien == Aabel
Schang hai -Chinasiache, Japan.u Kernan Fertrigs hafin
Meyers Konr-Lexikon 6 Aufl
—
—— — L ae AUSTRAEIEN.
@ + Greenwich mo" to" tz0" 0 ua
« laststut tn Leipzig Zum Artikel Aston
tized by Google
Aſien (Bodengeftaltung).
Kreis um das jentrale Hodland. Der feiten Beſiede
find nicht alle günſtig, wurden aber andernfalls
die Schauplige der — Vollerverſchiebungen
in ſich und nad S. und W.
[Gebirge.}] Yn Kettengebirgen und Hodplateaus
beſitzt A. den größten Rompler von Maſſenerhe—
bung auf der Erde; über zwei Fünftel (etwa 18,72
Wall. qkm) des Erdteils entfallen auf dieſe Maſſen—
erbebung einſchließlich Der Stufenlinder. Drei Hoch⸗
gebirgsipiteme: Himalaja, Kwenlun und Tienſchan,
verfnoten fic) unter 75° djtl. L., wo von NO. her nod)
die Ausläufer des Ultaifyjtems, von BW. der Hmdu-
tuich —— Der Himalaja (f. überall die be
ſondern Artikel), dad höchſte Gebirge der Erde, bildet
die Grenye zwiſchen dem reichen Indien und dem öden
Sentralatien; cine ftattlide Zahl von Gipfeln erreidt
iiber 8000 m (Gaurifanfar 8840 m; Die mittlere Paß
bdbe 5340 m). Parallel dem wejtliden Himalaja bil-
det der ebenjo hobe Raraforum (Godwin Aujten: |
Pik 8620; mittlere Rakhdhe 5610 m) die Grenze ge:
gen Turfijtan. Das von W. nad O. —* dehnte
wenlungebirge vollendet auf der Nor ** die
Umgrenzung des Hochlandes Tibet in einem Mauer
abfall, der nad ©. an Hobe abnimmt. Wabrend im
Himalaja tippiger fubtropifder Pflanzenwuchs bis
3000 m hinaufiteigt, iit Tibet Steinwiijte oder Steppe.
Die hodchiten Unfiedelungen liegen im Himalaja bei
2700 m, in Tibet bet 3500 m (Mlofter Hanle fogar
4606 m mit 2,3° mittlerer Jabrestemperatur), tm
Kwenlun bei 3600 m (Rarafaidtal). Das Kwen
lunſyſtem beitebt aus vielen veridieden benannten
Barallelfetten, die das Hochland von Tibet faſt in
= Vreite durchſetzen. nah O. aber an Zahl und
te jufammenidrumpfen, io dah nad Chima mur
nod cine Mette (Tfinlingichan mit der dĩtlichen Fort
fepung Funiuſchan bis 113° dit. 2.) quer binermraat
Nim ſudoſtlichen Tibet entwidelt ſich dag meridionale
Dinterindi fhe Gebirgsinitem, das im zahlteichen
Hochletten von etwa 30° ndrdl. Br. nat der benter
indiiden Halbiniel ausitrablt. Das ubrige China
wird von dem Diagonalen (+ SH.--HO.» Sime
ſchen Gebirgsſyſtem beberrict. deifem Kerten tm fd
licen China in ein fait regelloies Hu rliand auf zeloit
find, mit der Annaherung an den Titnln:itan und
Die hinterindiſchen Retten aber immet ar ivre D. ben
erreichen. Auch der Gebtrasmell nerd! + oon Ke! 14,
auf der Grenze gegen Bie Wormer, art. ct jem St
niſchen Syitem, wabrend Nertwett ra an yrtut
teS Tafelland darſtellt Hetecctisot ot bee neuciters
durch v. Hicbthoten maters ene ferccrun tate,
Die von Der Mandichurer an -iti ed eo ot
RRC. nad Sth mm t~ ere gt ovr PE 4 etter
durdbsiebt. etn Oithit wrferes * — erent ‘a+ teen
Ge biet ſcheidend cn NPS wt! tee te eh hoe 4 ord
qtenye Chinas eritret: 4 be cee Fo unt Steppe
erfiillte mwelliae Gotesete toa Cert ton yer pee
Mongolei. degrees KPA ee Toe 4 we
Wltat, tm C. burt bes: 7
meriMonale Ubtrcenm ee oe
dem fidb dbnl: t< & cten '
tm ©. (Burns cter &.
ndediiche Acrtiepenm = "=e tee
Werr(Stames: «kh: + ce
1800 m Mercrs cw reer ee
Win den tistecber --
Gm mr iSite He beets «
femfemgemiir 8 = ee ae
due them pars _ |: ‘ f. gan ‘. ce Be ‘
der tm Mores # ‘ ia ;
’ * -s @ .
?
‘
.
.
{
j
$55
Die veridiedenen Retten des Ultai (Alatau, Tarbe
gatai xc.) mit 4800 m mittlerer Gipfelhöhe preter
| ſich nad O. teils in die Mongolet hinein, teris bilden
ſie Deren Grenze gegen das fibtrtidje Tieflamd ( ditische
ee ae als Sajaniſches Gebirge)
| Rad) W. feblieGt ſich dem Tienſchan das Hla:
|
‘fyftem an, dad tm Trangalai 7000 m (Bet Raut
mann) erreidht und Ben Nordrand des über 4a) m
hohen Bamirplateaus bildet, das femeriests om C
—
—
*
vom Saryk Rol (Muſtagata 7444 m). on
Laralorum und deſſen weitlicher Fortjiegung, dem
Hindukuſch, eingeſchloſſen wird. Tas Ptadataſa
| ebirge (Tiratichmit 7740 m on C , fibet moh
itafien hinüber, indem es bad ndcdlidke Wichem
jtan durchſetzt und mut ſeinen weſtlichen Aocchiges
den Nordrand des iraniſchen Hodlambdes bel det.
Das Hodland von Weitafrem zerfällt a den
Teile: Jran, Armenien mit Rurdriten und Klemuiies.
Iran wird im R. durch dee gewaltige Geber pomauer
des Elburz (Demamwend 5) m) gegen Das Raipriche
Weer begrenst. Der Weitrand itent gegem ee mee
potamiſche Ebene tm Elwend zu 3453 m om aed peor
bei \spaban in den Sudrand des rom er Hodis
des mit dem SIM) m hobem Rube Tema ike ier
Citrand bilden das Suleomerseher ye Ne HA. m.,
Em ſchmaler Kuitenitr · mc Mer ext len Cer
Uleranders d Gir. verderzi fem Ste om “Sete oet
trennt Iran vom Wer Qa Oere ¢icemer capt
die Bergzüge Be See me Sher be Ther emper
weitwarts bet des Ferean 1 ee) me Ee Let bet
waldreichen Gebtrjeren? tom Sener be. mmr gt
den Blateaufichen HDoéecmecrems. bee Sper
1625 mi von mittee Mercer eet Oooeer st
Gberrogt wr> Ta⸗ rote Oe es eres or
rnit bom ben ®t: lem Soar on
Nemrtd Tesh ber iéve wtea Fo 0ôO—
Meptel Aruer⸗ers vt ber erste Merrsc” 7 mB
Tee troten vechroe Rar? coms cS bes Sia
merben durch brete. Proc’ sere 2iaiF ue Ieee
anber octrenmt. Den wero fem Saict bes Qodecs
bes bidet Bas cu? Dre Secem Poe Mic corsue
Dodlend von Rieine‘ien, em den Secresfcure
von Miederunien umicut. vom bemes beece Tk
laden ine Dodland brine uchem. Tos vom erme
n iden Bergland beremmretende Geberge fag bes
4m aut Langs der Nordtulte pericott bas bes
2ynem brle Fontifd® Bitboniide eelrerge ma
hem Stloriten Clomp ber Brutia (2>9) m> umd
hen focenre tem Ida Am C. bildet Der Annautus
ve) muy be Lo siertte yoriden Cupbrat und
wit Rew Urter ben (bergen an Ber zubMuite
rte 4t tor of Se Taurus wesdm, dee at cine Dobe,
ster te ‘ee [gm bten ausqedebmien Berg
tomtg oe te opie ber Wt Dib mit 26m Te
rete Steen eet Peo * fem Zal\heppen um
ten ccom cf oe Fee G2 see
ae te ceo of cue ber cs aemeltix
“eros oe 6 Steen 8M pian
* ee tf ep pet on Me petba ch
: ere be oc at 5 auton ce toe heuer* te
4 ‘wu be ' 9 te * — —9— ib
a ’ tee te PPD 2 4T NO
2 ‘¥ ‘ *. Bee om
. : ‘yy ¢ - treat * rte bat S
1 4 ¢t
f Wiese ‘ we? ep tl oeee 1 tle ber
— a 06 & © te Bt er fi certare:
J 1 J Wee. o“ ‘ ! ‘+
i eeru, Bere *% 4, we be
856
das Lãngsial von Bafan (Roleiyrien) in den Libanon |
mm 38. (3067 m) und den Antilibanon im ©. (Grofer
on 2769 m) geſchieden. Daran idliest Nich ſũd
lich die merfwiirdige Jordanipalte mit dem Tiberias
fee (205 m unter dem Weer) und dem Toten Meer
(204 m unter dem Weer), als Bod ef Mraba fort:
fepend, dann vom Buſen von Alaba durd eine Boden
ſchwelle (250m i. WR.) getrennt. Im B. dieſer Spalte
liegen die Plateaus von Galilda ( Tabor 561 m), Sa:
maria (Garizim 63 m) und Judãa (800 m mittlerer
dhe). Die mm FS. anidliekende Wüſte Tih, bis yum
Sinai (2602 m) ausgedehnt, iteigt bis ber 1400 m
an. Die Plateaus von Palditina fallen nad B. in
Stufen zur Küſte (Karmel 465 m) yu den Ebenen
von Sephela, Saron und Alla ab, nad ©. jteiler zum
breiten Jordantal, auf defjen ditlicer Sette Das Berg-
land Hauran wieder bis 1439 m aniteigt, um ſich
dann in Die arabijd -fpriide Büſte zu verflachen.
Bon den Gliedern des Feitlandes wird das tm
Innern wenig befannte Arabien von Plateau
abjtiirzen umrandet, die im S. von Alaba Gipfel von
270 m, die hichite Erhebung Dichebel Ufhdar3018m),
in Oman haben. Die Borderindifdhe Halbiniel
wird als Plateau durd die Bindhya- und Sat-
puratette von der indogangetiidhen Niederung, durd
die Ojt« und We jtghats (Milgiri 2630 m) von den
Riijten —“
1IJIuſeln.J Bon den Inſeln tm S. und O. find die
Malediven und Laffadiven niedere, in der Senfung |
riffene Koralleninſeln, alle übrigen fajt Durdaus |
gebirgig (Cenfon bis 2540 m). Der große oſtaſia⸗
tifdhe Ynfelbogen von Sumatra tiber Java, die
Meinen Sunda-Jnfein, Molukten, Celebes und Phi⸗
lippinen nad den Japanifden Inſeln und weiter |
fiber die Kurilen ijt eine großartige Reihe tatiger Bul: |
fane mit 3. T. hohen Wipteln (aut Sumatra bis 3736, |
auf Java bis 3666, auf Bali bis 3200, auf Lombok |
bis 4200, auf Sumbaiwa bis 3090, auf Ojtcelebes |
bis 2019, auf Nippon bis 3750, auf Iturup in den |
Rurilen bis 1631 m). Auf Borneo, der größten In—
fel Der Erde (bis 4175 m), find nur fleime tatige Bul-
fane, auf Formoſa (bis 3290 m) gar feine befannt.
wliiffe und Seen.
Der mridtigen Entwidelung Aſiens entfpridt die
Fülle und Größe feiner Gewafer. Unter den Strö—
rien ragen in Sibirien drei hervor: Ob, Jeniſſei
und Lena, allerdings weil ind Eismeer miindend,
nur während des kurzen Sommers ſchiffbar und dann
nit vielen Meinern Flüſſen Hauptvertehrswege, 3. T-
mit Danpfern. Dem Groen Ozean ſtrömt ju Der |
Anadyr, un äußerſten Nordoſten, der Amur, dem
Uſſuri und Sungari aus der Mandſchurei ju
flieRen. Unter den zahlreichen Küſtenflüſſen zwiſchen
Amur und Hwangho iſt nur der on Unterlauf ſchiff
bare Peiho von Widhtigteit, der den Zugang ju
Yeking crdjfnet. Hwangho (4100 km fang) und
Jangtſekiang (ctwa5100km lang), die gewaltigen
chineſiſchen Zwillingsſtröme, entipringen im Kwenlun
in Nachbarſchaft und entfernen ſich dann in entgegen—
geſetzter Richtung, um ſich im Mündungsgebiet wie
der enge ju beriibren.
Ins Südchineſiſche Meer miindet bei Kanton mit
nod) zwei andern Flüſſen der Sifiang, in Tong:
fing Der Songfoi, an der breiten Siidfpike von
Hinterindien Der aus Tibet fommmende Mefhong,
der trog grofer Waſſermenge feiner Stromſchnellen
wegen wenig Wert fiir Die Schiffahrt hat. Die wid
tigtten Ströme Hinterindiens find ferner der Menam
in Siam, der Salwen, der, auch in Tibet entſprin⸗
Afien (jniein, Flüſſe und Seen).
gend, in den Baien von Begu mi=det. az? der ra:
wadiin Birma
Som Himalaja flichen dem Yate Ogeaz e
Brahmaputra, Ganges und Jndas. Brehucsvatre
und In dus entipringen m Tite ond
fajjen, entgegengeiest laufend (der Judes mad NE.
der Tiangpo, der Cueilfiug des Grobmepatra. mod
SE.), fait die gene Hrmalajafette met des nPrhiebes
Ganges: und Dj iden tec. Der I⁊
dus empfangt linfs den Satledid ma femmes Se
flüſſen Tidenab, Dſchelam und Ravt., recdes bez
Rabul und miindet nad 2916 km langem Yauf oe
Arabiſche Meer. Der Brabmaputra verinri den
Namen Tiangpo berm Mustritt aus Tibet, bese maz
Dibong, m Aſſam Brabmaputra und itroet dee
oe — jen ju. Der zuflußteiche Gar
es (2460 km ) entipringt am —— de⸗
——— etwas weſtlich Die Didamna; bei -
habad vereinigt fliehen fie Bengalen ju. Schon ber
der Züdbiegung des Fluſſes begmmt die Deltabridung,
deren widdtigiter Urm der Hugli it. Aulege ver-
einigen fid es und und miinden
in zahlloſen Kanalen in den Bengaliſchen Weerbaier.
Im = Siidplateau Indiens flichen RNarbada and
Tapti nach B., alle andern größern Mie (Mabe.
nabdi, Godaweri, Rijtna, Raweri) oſtwarte
In Wejtafien find Cuphrat und Tiqris Ne en-
jigen bedeutenden Zuflüſſe des Indiſchen Dzeans Der
Tigris entipringt aus zwei Armen, auf der Nord-
, Kurdijtans, bez. nordweſtlich von Diarbett
Euphrat entſteht auf den Hochebenen Arme-
niens. Bon der Grenze der Syriſchen Wüſte an wm.
idlichen beide Strime das obere Mefopotamicn
und münden vereimigt als Scatt ef Arab in den Ber-
ſiſchen Golf. Ura bien hat feinen bedeutenden Flak. —
Von den abflußloſen Binnengebieten hat das groste
Stromipitem Ojtturfijtan, wo der Tarim den Kho
tan, Jarfand und Kaſchgarfluß aufninunt und in der
Vob- Nor miindet. Im wejtliden Afghaniſtan tit
Setitan Gaminelbeden fiir den Hilmend, deen
Cuellgebiet bis gum Hindukuſch reidht, und den Ha-
rud, die beide Dem grofen Sumpf Hamun guitrd
men. Jin Sande verlaufen Herirud, am Cytrande
der perjiiden Wiijte, und Murghab im Turfmenen
land. tiberall werden diefe Fliiyje verwendet yur Be
wäſſerung der Felder und Obſtgärten. Ins Schwarze
Meer miinden Safaria und Kiſil Armaf Ha.
lys), Der am Nordende des Untitaurus entipringt und
einen madtigen, nad O. geöffneten Bogen
uid ' bildet ;
weiter djtlid) Jeſchil Irmak, Tidorul, der Haupt
fluß Lafijtans, und vom Kaulaſus kommend der fagen-
reiche Rion (Phaſis) und der Ruban, deſſen Guellen
am Cibrus liegen. Das Marmarameer empfingt
mehrere fleinere Sufliijje, deren berühmteſter, der
Granikos, vom Ida fommt. Ins Agäiſche Meer
fallen Hermos (Gediz) mit dem goldreichen Valtolos
und Mäanderz auf der Südküſte Gök-ſu, Seihan
(Saros) und Djthan (Pyramus). Zum ſyriſchen
Niiftenlande gehören Orontes (Nahr ef Wii) umd
Litant, beide in Kolefyrien entfpringend. Unter den
Küſtenflüſſen Balajtinas ijt der längſte der Kiſon
Oſtlich in einer tiefen Spalte fließt der Jordan, der,
am Oſtfuß des Großen Hermon entſpringend, die Seen
Merom und Tiberias durchfließt und in das Tote
Meer mündet. Aus dem über 1600 m hohen Gebirgs-
land Hauran fließen die Bade, meiſt in der Wuͤſte
verfieqend oder in Seen endend, nach allen Ridtungen.
{Seen.] Mit 438,688 qkm ijt das Rafpiide
Meer der größte Binnenſee der Erde. Seine Haupt-
Aſien (geologiſche Verhältniſſe).
zuflüſſe ſind Em ba (aus der Kirgiſenſteppe), Ural
und Wolga (aus dem Innern Rußlands), Teret
und Kur (aus dem Kaulaſus), Atrek auf der perſi—
iden Grenge. Das Kaſpiſche Meer liegt um 25,5 m
tiefer als das Schwarze Deer. Der Lauf de3 Ma—
ny tſch ftellt cine natiirliche, breite Waſſerverbindung
zwiſchen dem Rafpifden und dem Aſowſchen Weer dar |
und wurde nod) im 17. Jahrb. befabren. Der U raljce
ijt Der zweitgrößte Binnenſee Ufiens mit 67,769 qkm ;
Der Waſſerſpiegel liegt 76 m hiher als der des Kaſpi—
ſchen Meeres. Er empfiingt den Amu Darja und
Sir Darja. Sein Wajfer ijt ſchwach ſalzig. Der
Tſchu bildet zuletzt den
(Zaras) den Raratulfee, der Gari Gu ben Tele-
857
obern Kreide und de3 Cocins fowie aus eocinen Num⸗
mulitenkalken und jungtertiiren Süßwaſſerkalken und
Meeresbildungen, dazu fommen grope Maſſen jiinge-
rer Eruptivgeſteine. Im Taurus treten aud Gra:
nit (an Der Nordſeite des Plateaus des Ardſchiſch),
Marmor, Tonjfdiefer und paläozoiſche Kalkſteine (mit
Gijenerslagern und dem Bleiglanjvorfommen von
Gillet. Boghas) auf. Ungeheure Bulfane, deren be-
Deutenditer der Grohe Urarat (Undejit) ijt, waren
bier in der Tertiärzeit (der Urarat nod im 15. Jahrb.)
tätig, woran nod) jest häufige und ftarfe Erdbeben
erinnern. In der Mitte ded armenifden Hodlandes
‘
amatfulfee, der Talas | biegen die nordöſtlich ſtreichenden Gebirge nad) SO.
unt in Die Retten Des perfifden Hodlandes. Die nbrd-
fulfee, alle tm Stromgebicte des Sir Darja; der | lidjte, der Elburz, hat etwa den gleichen Bau wie
größte See Turfijtans ijt der Iſſyl-kul (1615 m ii. M.)
zwiſchen Tienſchan und Alatau. In Armenien liegen
die hoch gelegenen ſalzigen Binnenſeen von Urmi
(1330 m ii. M), Goltſcha und Wan (1666mü. M.);
in Kleinaſien der abflußloſe Tis Tſchöllu (770 m)
und viele Eleinere, in Syrien der Gee Tiberias und
das Tote Meer (394 m unter dem Mittelmeer). Zu
Weſtſibirien gehort der bitterfalzige Balchaſchſee
(18,432 qkm), deſſen bedeutendjter Zufluß der Ili
ijt; gu Ojtjibirien der Baifalfee, der größte Süß—
wajjerfee Der Alten Welt (34,180 qkm), der in 469 m
Höhe — ſteilen Felswänden mit Schneegipfeln
liegend von der Angara durchfloſſen wird. Zahlreich
ſind in den Steppen kleine Salzſeen. In Oſtturkiſtan
ſammelt die Abflüſſe des weſtlichen Mwenlun und Tien-
ſchan der große Sumpf Lob-Norz in Oſttibet ijt das
geſchloſſene Becken des Kuku-Nor (3070 m ii. M.)
von Hochgebirgen umringt. Im ſüdlichen Tibet iſt
der größte Salzſee der Tengri⸗-Mor (4630m ii. M.).
Geologiſche Verhaltniffe.
A. wird geologiſch in zwei ungleich große Teile von
verſchiedenem Bau geſchieden. Grier, Arabien und
Borderindien find Rejte eines alten, feit Schluß der
paläozoiſchen Beit nidt mehr gefalteten Kontinents
(Indo⸗Afrikap der einen großen Teil des heutigen
Indiſchen Ozeans ausfiillte und fajt das ganze Afrika
untfapte. Das ganze iibrige YW. wird mit Dem nabe
verwandten Curopa ju Curafta zuſammengefaßt.
Hier fanden bis in die Tertiärzeit hinein Faltungen
(Schub meijt gegen S.) ftatt, die befonders im S.
und auf der Grenze gegen Jrdo-Wfrifa gewaltige
Kettengebirge aufjtauten und gleichzeitig zur Bildung
der abjluplofen Gebiete im Innern Anla qaben, die
in folder Ausdehnung fein andrer Erdteil befits.
Als divette Fortſetzung des Balfans und fomit aud)
der Rarpathen und Wipen werden die Gebirge der
Rrim und des Kaukaſus betradtet. Granite, Gneiſe,
frijtallinifdje Schiefer, oberfarbonijde Fujulinenfalfe,
Jura (nuit Flözen trejflider Steinfohle), Rreide und
Tertiär (bejonders Nummutlitenfalf), aud) ungeheure
Maſſen tradhytifder und andeſitiſcher Eruptivgeſteine,
die unter andern die beiden höchſten Gipfel, den Kas—
bef und den Elbrus, zuſammenſetzen, beteiligen
ſich an dent Aufbau. Die Faltung erfolgte im Pliocan.
Urmenien, Rleinafien und das öſtlich an-
ſtoßende Gebict entſprechen geologijd den Dinarijden
Alpen, d. Hh. Den Kettengebirgen, dic von der Balkan—
halbinfel über Griechenland öſtlich ausjtrahlen, aus
dem Vgiifdyen Meer nur als Inſelreihen (Kreta, Cy
pern) aufragen und in Rleinajien wieder gripere
Höhen gewinnen. Sie beftehen aus vielfad ———
und aufgerichteten kriſtalliniſchen Schiefern, die ein
jugendliches Alter (Kreide) beſitzen ſollen, und aus
Hippuritenkalken und flyſchähnlichen Geſteinen der
der Taurus; Paläozoikum, Jura (mit Kohlen), Kreide
und: Nummulitenkalk bilden das gefaltete Gebirge,
das von dem nod) nidt vollftindig erlofdenen Bul-
fan Demawend iiberragt wird. Jn Belutſchiſtan
und an der indifden Grenge ändert fid) wiederum
das Streidjen der Ketten; fle biegen zuerſt nad) O.,
dann nad RO. bis N. um und vereinigen fid) gu dem
ewaltigen Syſtem de3 Hindulufd, an defjen
ufenrand, {don im Pandſchab, die verwidelt ge-
baute Salzfette (Salt Range) lagert, mit roten Gand-
jteinen und feit uralter Zeit abgebauten falghaltigen
Schichten, zu unterjt (Paläozoikum), dariiber Rohlen-
falf, Perm, Trias, Jura, ältere Kreide und mächtiges
Tertiär. Das mächtige Kettengebirge des Hindukuſch
(bejonders frijtallinijde Gejteme) dringt nad MO.
gegen die nod gewaltigern Ketten des Himalaja und
Rwenlun vor, fest fic) aber nad) der Begegnung mit
dieſen Gebirgen ohne Unterbredung in dte Ketten des
Bamix fort und dann in den Tienfdan. Paläo—
zoikum, mariner und pflanzenführender Jura, febr
Piiitresehe obere Kreide (Rudiſtenkalke) und unteres
Tertiär (Nummulitenkalk) find hier die hauptſächlich—
ſten Sedimentbildungen; daneben kommen Granit
und Syenit und vielleicht vullaniſche Gejteine vor. .
Während die bis jest erwihnten Gebirge etwa das
Alter der Alpen haben, fällt die Aufſtauung des Hi-
malaja und des Rwenlun, der höchſten Gebirge
der Erde, die bis auf die nad) S. geſchobene Faltung
den Alpen ähnlich gebaut jind, tn eine viel ſpätere
Beit. Im Himalaja find nod) jungtertiäre Wblage-
rungen mit Rejten von Elefanten, Majtodonten, Nas-
hirnern, Hippopotamen und Rindern von der Fal-
tung mitbetrojfen. Außer den jungtertiaren Süß—
wajjerbildungen von bisiweilen fiber 1000m Mächtig—
feit (Sivalifidichten), die den äußerſten Saum des
Gebirges gegen die indiſche Ebene cinnehmen, beteili-
gen ſich an dem Aufbau des Himalaja nod viele andre
foſſilreiche Schichten (vom Silur bis zum eocänen
Nummulitenkalk, Triasablagerungen von alpinem
Charafter und gewiſſen nordiſchen [ruffijdhen] Vor—
kommniſſen ähnliche Jurabildungen), dann vor allen
triſtalliniſche Geſteine, aus denen gerade die höchſten
Ketten und Gipfel bejtehen. Auch im Kwenlun find
frijtallinijdje Gejteine, Triaskalke, obere Rreide ent-
wictelt.
Von den hinterindifdhen Gebirgen meridio-
naler Richtung ijt die wejtlicjte am Kap Negrais en:
Dende Kette innerhalb Birmas qut erforfdt. Sie be-
ſteht aus Trias von alpinem Charafter, madtigen,
dem Flyſch und Maeigno der Wlpen ähnlichen Sand-
ſteinen und Sdhiefertonen mit maffenbaften Serpen-
tineinlagerungen, eigentümlichen kriſtalliniſchen Schie-
fern, denen Griechenlands und Kleinajiens ähnlich,
und Nummulitenkalk. Die Uhnlicfeit des geologiſchen
858
Afien (geologiſche Verhältniſſe).
Baues mit den Dinariſchen Alpen iſt auffallend. Das breitet find ferner pflanzenführender Jura an einzel⸗
Gebirge fest fic) qleichbleibend iiber Die Undama- |
nen und Nifobaren, dann in den großen Oſt-
ajiatifden Inſelbogen fort. Diefer jerfallt in|
nen Stellen, 3. B. Rertſchinſt, tm OQuellgebdiete* des
Amur, am Mittellauf de3 Wiluiflujjes, auch marmer
Jura und Kreide. Ym Ultai herricden kriſtalliniſche
mebrere einzelne Bogen, entipredend den von ihnen | Schiefer und Granit vor; auc find Tonichiefer mit
eingeſchloſſenen Binnenmeeren (Senfungsfeldern) :
Siid- und Oſichineſiſches, Japaniſches, Schotſtiſches
Meer; die zugehörigen Inſelbogen ſind: Sundainſeln
mit Moluklen und Philippinen, Riufiuinfeln, Japa⸗
niſche Inſeln, Kurilen mit Kamtſchatka, ſämtlich von
Vulkanen beſetzt, die gu den höchſten und tätigſten der
Erde gebdren (Musbruch der Krafatau 1883). Die
vullaniſche Tätigkeit auf Dem Inſelgürtel ijt durch das
Vorwalten von Schlammſtrömen und Aſchenregen
gegenüber den Lavaergiifjen ausgezeichnet. Geologiſch
am beſten befannt ſind Java (alte Formationen durch
mãchtige Miocänablagerungen bedeckt) und die Ja—
paniſchen Inſeln, die in der Längsrichtung von
einem ſchmalen Urgebirgsſtreifen mit angelagerten
efalteten Sedimenten des Devon, Kohlenkalk, Jura,
Streide und des Tertiär erfiillt find. Die Vulkane
Japans (31 erlofdene, 19 tätige) find in parallelen
Ketten angeordnet. Die innern Kettengebirge Hinter-
indiens fepen ſich durch Malaffa nad Bangla und nad
Borneo x. fort. Sie beitehen vielfad) aus alten fri-
ſtalliniſchen Schiefern und Granit (darin die Zinn—
lager von Malaffa und Bangka) und aus paläozoiſchen
Sedimenten; die Riederungen zwiſchen den Ketten ent-
halien Tertidrablagerungen (beriihinte Fundjtelle fiir |
Säugetierknochen am Jrawadi), die große Ähnlichkeit
Wahrſcheinlich lag die große nordajiatijdhe Niederung
des Himalaja aufweifen und aud) in Java und Ja-—
mit den pliocinen Süßwaſſerbildungen am Südfuß
pan auftreten.
Die geologiſchen Verhältniſſe von China find
hauptſächlich durch v. Richthofen in ihren weſentlichen
Zügen aufgetlart worden. Der öſtliche Kwenlun (Tſin—
lingſchan), der das Land quer durchſetzt, beſteht aus
zwei eng verſchweißten Längszonen, von denen die
nördliche höher ijt und den Urgebirgsfern enthält,
während in der ſüdlichen die paläozoiſchen Sedimente
vorwalten. Im nordchineſiſchen Gebirgsroſt über—
wiegt neben Urgeſtein die Siniſche Formation (etwa
— Kambrium). Das Plateau der Provinz Schanſi ijt
aus den Schichten der Steinkohlenformation zuſam—
mengeſetzt, die ſich nach W. durch Schenſi und Kanſu
fortſetzt. Das ganze nördliche China ijt überſchüttet
mit einer mächtigen Decke von Löß, die das Tafelland
einhüllt und hod in die Gebirge hinaufſteigt. Auf die
Erforidung der unvergleidlich großartigen Lößver—
breitung in China qriindete v. Richthofen feine be-
riihinte Theorie von deffen Erzeugung durd den Wind
(Staubjtiirme). Die Lößdecke erſtreck ſich auch auf die
Mandidurei, Mongolet und das nordajtliche Tibet.
Das Hiigetland des ſüdlichen China ijt geologifd nod
fehr wentg erforidht; Urgeftein tritt an der Küſte und
in eingelnen Zügen des Annern auf, bedeutende Ver—
breitung haben paläozoiſche (finifde) und meſozoiſche
Sedimente, die befonders großartig im »Roten Becken«
von Setſchuan auftreten.
Uber die Veologic de3 Unturlandes und Nord.
oftfibiriens und zumal der Gebirge, welde die Bla-
teaus Ynnerajiens vom fibirifden Tiefland trennen,
haben erjt die Arbeiten der ruffifdjen Geologen im An—
ſchluß an den Bau der Transjibirifden Citenbabr in
nenejter Beit genauere Aufklärung geliefert. ym
Unturland bis zum Baifalfee fesen kriſtalliniſche Schie-
fer in ungemem grofer Ausdehnung fowie Ablage—
rungen der Steinfohlenformation mit Porphyr und
Einlagerungen von Ouarzit, Hornftein und Sand-
jtein fowie Ralfiteine der Silur⸗ Devon: und Rarbon-
formation recht verbreitet. Brodultives Steinfoblen-
gebirge findet jid) am Nordabhang; aud wge⸗
ſteine, Porphyr und jiingere ſerpentinartige Gejterne
werden — Für die Goldgewinnung wichtig
ſind die diluvialen und alluvialen Schuttmaſſen am
Fuß des Gebirges. Jüngere Eruptivgeſteine treten
als Decken an der untern Tunguſta auf.
Die Tiefebene Sibiriens und Turkiſtans iit
noch wenig durchforſcht. An einzelnen Stellen iſt die
Steinkohlenformation (Kohlenkalk) nachgewieſen von
der gleichen Entwickelung wie auf Nowaja Semlja und
—— Verſteinerungsführende untere Trias,
reich an Ammoniten, lennt man von der Wiindu
des Olenek. Bis an die Ufer des Stillen Ozeans find
allenthalben, wo die fibirifden Strime ti
eingeſchnitten find, marine Schichten der fogen. Boigas
jtufe (oberer Yura und untere Rreide) bloßgelegt.
durd jahlreidhe Ummoniten und befonders Durd Die
Muſchelgattung Aucella dharafterifiert. Auch find im
ſüdlichen Teil de3 qroken Fladlandes, in Turan, febr
Neheheckicnatediee Schichten der obern ſtreide, gleich
falls mariner Entſtehung, aufgefunden, wibrend obere
Kreide im eigentlichen Sibirien in befannt ijt.
in der obern Jurazeit vollſtändig unter dem Weer,
am Ende der Kreidescit aber, als das Meer nod das
ganze jentrale A. bededte, bereits gum größten Teile
trocken. Qn der Diluvialjeit war die weite fibirifde
Tiefebene cine ähnliche Steppe, wie jest em großer
Teil des Annern des Rontinents vielfad von
Flüſſen durchſchnitten, an deren Randern ein reid:
lider Baunt- und Graswudhs den fie bevdlfernden
Siugetieren Nahrung lieferte. Der Steppenboden
entitand durch Sandjtiirme. Es bildeten ſich Moräſie
und Salzſeen, wie ſie noch jetzt in den ausg
an Salzausblühungen reichen abflußloſen Depref-
ſionsgebieten im weſtlichen und mittlern A. vorlom
men NRaſpiſee, Aralſee, Hamunſee im perſiſchen Hoch
land, Balchaſchſee, Lob-Nor rx. in der Wüſte Gobi,
Tengrifee ꝛc. in Tibet). Aus den morajtartigen Bil-
dungen der Diluvialjeit bildete fic) in der Eiszeit der
Cisboden, ohne ſpäter wieder volljtindig aufzutauen;
ev beherbergt in qrofer Sahl Skelette des Mammuts
und andrer Steppentiere, zumal im N. an der Mün
dung der Lena, die damals das nbrdlide Sibirien in
—* Herden bevilferten. Man ſchätzt die Zahl der
ammutindividuen, die in Den letzten 200 Jahren
durd) Tauen ded Bodens, oft nod lebendfriſch, mit
Fleiſch, Haut und Haaren, bloßgelegt oder Durd) die
Gewäſſer ausgewaſchen wurden, auf 20,000; etwa
der Dritte Teil des in Den Handel gebradten Elfen-
beings ſtammt von deren Stoßzähnen. Dak das ſibi—
riſche Flachland in der Diluvialzeit von Gletſchern
bededt gewefen fei, hat Nanſen wenigſtens für die
Nordfiijte Aſiens nachgewieſen. Mud in den gebirgi-
gen Teilen swifchen Baitalfee und Ochotſtiſchem Meer
finden fic) deutliche Spuren der Vereifung; fie feblen
aber dem Altai trog feiner bedeutenden Hobe mangels
= ender Niederidlige. Wud im Kaukaſus, im
ienſchan, tm Himalaja und im Ural find Spuren
einer bedeutenden alten Vergletſcherung beobadjtet
Melaphyr die Gebirge und Plateaus zuſammen. Ver⸗ worden.
Aſien (Gupbave Mineratien).
Die feit dem Schluß der paläozoiſchen eit nicht
mehr gefalteten Gebiete von Borderindien, YWrabien
und Syrien zeigen in ihrem Bau grofe Ähnlichkeit
mit Ufrifa. Die vorderindifde Halbinfel, fiid-
lid) von den weiten Alluvialebenen des Yndus und
Des Ganges, ſetzt ſich, zumal in ihrem ndrdliden, djt-
lichen und ſüdlichen Teil, aus Gneis, trijtallinen Sdie-
fern, Marmor zuſammen; aud Granit und Syenit
treten bedeutjam auf. Yn der Windhyakette liegen
auf dem gefalteten Grundgebirge in ziemlich flader
Nagerung verſteinerungsleere Sandjteine, Schiefer
und Malfiteine, die wohl paläozoiſchen Alters find.
Dann folgen die Gondwanajdidten, pflanzen—
und reptiltenfiibrende Sandjteine (zuweilen mit ab-
bauwürdigen Rohlenflizen), ausſchließlich Binnen-
ablagerungen von der Mitte der Steinfoblenforma-
tion bis Ende der Trias. Wn ihrer Baſis liegen die
Taldhiridhidten, tarbone Tone und ———
Sandſteine nut eingeſtreuten größern Blöcken und Ge—
ſchieben fremdartiger Geſteine, anſcheinend unter der
Mitwirkung von Cis ebildet, entſprechend den Ecca-
Ronglomeraten — Die ältern Ablagerun—
en der Gondwanaſtufe liegen vorzugsweiſe in Ver—
sr ei der dltern Formationen, wahrend die obern
Gondwanaſchichten ſich ziemlich gleichmäßig bis in die
Mitte des Landes erſtrecken. Jüngere Meeresablage—
rungen finden ſich nur an den flachen Küſtenſäumen.
Man kennt im NW. an der Indusmündung Jura—
bildungen in auffallender Überei nſtimmung mit denen
Curopas, ferner verjteinerungsreidhe Rreidegefteine
bei Ponditſcherri und Madras, nahe verwandt mit den
Vorkommmiſſen in Siidafrifa, in Japan, tm Amur—
gebiet und an der Weſtküſte von Rordamerifa. — Wie
Der Granit dem Silden Defhans feinen Charafter
aufdrückt, fo Der Basalt im N., wo er in beifpiellofer |
Ausdehnung auftritt. Bon Malwa bis zur obern
Kiſtna, von Madras bis zum Lande des Nizam dectt
er alles Land mit feinen Tujfen und Mandeljteinen
und bildet das große Plateau Norddefhans. Bon nod
jiingern Bildungen bejist in Dekhan eine weite Ver—
breitung der Die Ojtgehange der Weſtghats und fajt
alle Ebenen Defhans bedecfende iiberaus frudtbare
Regur (⸗ ſchwarze Erde«). — Ceylon ijt ganz aus
Granit, Gneis und kriſtalliniſchen Schiefern aufgebaut.
Jn den befannten Teilen Arabiens bejigen die
kriſtalliniſchen Sdhiefer eine weite Verbreitung. Am
Meerbujen von Akabah lagern Gneis und Glimmer—
fdhiefer an ausgedehnten Granitmaffiven; auch die
Gebirge ſüdwärts durch Hidſchaz bis Jemen, in Oman
und Hinter den laden Küſten des Perſiſchen Golfes
zeigen Denjelben Bau; mur wird im O. das Grund:
gebirge von Nummulitenkalk, an der Siidfiijte aud
nod) von der Nreideformation iiberlagert. Spuren |
vullaniſcher Tatigteit, die an den Küſten des Roten |
Meeres bis in die neuefte Zeit (1834) fortgedauert hat,
finden jid) namentlid in der Gegend von Medina und |
Uden; die Stadt Uden felbjt liegt im mächtigen Kra— |
ter eines alten Vulfans. Wm Suͤdende der Smaihalb: |
injel titrmen fid) großkörniger Granit und Syenit su
Hochgipfeln auf und ſetzen ſich jenfeit der Bucht von |
Alabah nad) O. bis in die NRähe des Toten Meeres |
fort, begleitet von Urgebirge, aud) von rotem Bor: |
phyr und Diorit. Darauf liegt der braune (nubiſche)
Sandjtein, in feinem obern Teil von cenomanem Alter,
nad) unten vielletdt bis jum Narbon reidend. Auch
Diejer Sandjtein erlangt namentlid) an der Ojticite
des Toten Meeres cine groke Uusdehnung und ſcheint
in den roten Sandjtein ded Libanon iiberzugehen.
Auch Kreide und Nummulitenlalle finden fic über dem
859
nubifden Sandjftein, auf der Sinaihalbinfel nad Pa—
Laftina hinüber, weiterhin in den Bergen von Judäa
bis zum Berge Karmel. Denfeit der Senfe von Jes:
reel, mit vulkaniſchen Gejteinen, ſetzen fich die Kreide—
falte mit ſchollenförmig aufgelagerten Nummuliten—
falfen bis in den Libanon fort. Hier treten aud grün
liche flyjchartige Gejteine und buntfarbige Sandſteine
mut mächtigen Kohlenlagern auf; in dunfeln Mergein
bei Schad) ef Alma, nördlich von Beirut, ijt die be-
rithmte, wohl eocäne Lagerititte der foffilen Fiſche des
Libanon. Im Untilibanon ijt alles Kreide. Mreide-
und Nununulitenfalfe hat man auc) bis in die öſtliche
Syriſche Wüſte verfolgt, jie herrſchen auf der Oſtſeite
des Jordans, deſſen Tal in feinem ſüdlichen Teil ciner
roßen, nod) jugendliden Grabenverjenfung ent—
pricht. Weiter nad O. hin werden die Sedimente von
vulfanifden, wefentlid) bajaltijden Maſſen bedect;
dieſe reichen nördlich bis Wleppo, weſtlich bis in den
Libanon; im gripten Maßſtab tritt Basalt in Mittel—
jyrien auf, wo er die mächtige Gebirgsmajje El Hau-
ran zuſammenſetzt und ausgedehnte Dijtrifte in der
Ledſcha und nordöſtlich vom Tiberiagsfee bededt. Hiiu-
fig find Erdbeben und heiße Quellen, deren beriihm:
tejte Die von Tiberias, Gadara und Kallirrhoé find.
Die Syrifde Wüſte bis gum Euphrat hin wird von
einem fladgelagerten Gandjtein eingenommen.
Rugbare Mineralien.
Aſiens Schätze an edeln Metallen und Steinen wa:
ren ſchon im Altertum beriihmt. Gold wurde na
mentlid) in den vom Hindufujd fid) absweigenden
Gebirgszügen am Rordrand von Chorajan (Baktrien)
fowie in den fiidfibirijden Gebirgen, im Kaukaſus
und ant Bhafis (Sage vom Goldenen Vlies) gewon-
nen; aus dem Sande der Flüſſe Baftolos und Mäan—
der wurde Gold gewafden. Wud) der Bergbau auf
Silber ijt fon alt. Um berühmteſten war dafiir der
weſtliche Kaukaſus. Auch der Gebrauch der Cdeljteine
reicht weit über die perſiſchen Zeiten hinauf. Jetzt wird
Gold vielfach in den Alluvionen des obern Indus, am
Südweſtabhang der Nilgiri, in Siam, Borneo, Celebes
und Sumatra, China (Tibet) und Japan fowie am
Ultai und in den am Oberlauf des Ob, Jeniſſei und
Der Lena qeleqenen Landern, aud) in Turfijtan undim
Ural (f.d.) gewonnen. Die geſamte Goldausbeute Si-
biriens in den letzten 200 Jahren wird auf 1,2 Dill. kg
veranſchlagt, dod) wird jie durd) die Entdectungen
von Moldreidtiimern im Often wohl nod bedeutend
jteigen. Silber-, Blei- und Kupfererze finden
fic) in Kleinaſien, im kriſtalliniſchen Gebirge Border:
indiens (Bengalen, Radjdputana), m Hintevindien,
China, Japan, am Ural, am Altai, wo feit 1743 ein
reger Vergbau im Betrieb ijt, und tm Nertſchinſtiſchen
Gebirge. Platin fomme vn Ural und im Edeljand
von Borneo zuſammen mit andern feltenen Metallen
der Platingruppe vor; Sinn vornehmlich in Seifen
auf Malaffa und Bangla. An Eiſenerzen fehr reid
jind Ural, Rleinajien, Perſien, Indien, Tibet, China
und Japan; in China finden fic) mächtige und fehr
gute Eiſenerze in der produftiven Steinkohlenforma—
tion eingelagert. Steinfohlen bergen in größter
Menge China, ferner Indien (in Bengalen und in
den Sentralprovingen fiidlic) von der Narbada), Ker:
jien, der Ultai und die Tertiarformation von Japan;
Petroleum fiefern viele Quellen in Urmenien
(Baki), auch in Perfien, Birma und Japan wird Betro-
leum qewonnen. Uf phalt findet fic) am Toten Meer,
Wraphit in den kriſtalliniſchen Schiefern Sibiriens
und des Urals. Die ſchönſten Edelfteine liefern
Ceylon und Yndien, erjteres als ſchöne Spinelle, Zir-
860
fone, Saphire, Rubine und Granaten; Vorderindien
licfert die ſchönſten Diamanten, wenn aud jest dic
Ausbeute mur nod porns ijt, Hinterindien pradt-
volle Smaragde, Rubine und Saphire; China
(Tibet), Perjien, Hochajien und der Ural den Lafur-
ſtein und cine Menge andrer Edeljteine (Topas, Chry-
oberyll, Rubellit). Der Türkis wird in Niſchapur
und anderwirts in Perjien, aud am Sinai gefunden,
Maladit in Ural, RepHhrit in den kriſtalliniſchen
Sdhiefern des Rwenlun, Marmor in febr verfdie-
denen Arten namentlich in Kleinaſien. Erwähnt feien
noch der Meerſchaum aus der Gegend von Eski—
ſchehr in Kleinaſien, die für die chineſiſche Porzellan—
induſtrie fo wichtigen Kaolin lager in der chineſiſchen
Provinz Nganhwei und in dem angrenzenden Kiangſi,
und die reichen Salzvorräte in den meiſten Ländern
Aſiens. Steinſalz findet ſich beſonders im Pan—
dſchab, in Perſien, im Innern Kleinaſiens und Arme—
niens, vor allem in den Steppen und vielen Seen;
Salmiak kommt aus der Hohen Bucharei, Borax
und Salpeter aus Tibet, Schwefel aus Perſien.
Klima.
Aſiens klimatiſche Verhältniſſe find bedingt durd
die große Uusdehnung des Fejtlandes, das im Gom-
mer eine febr ftarfe Crhigung, im Winter eine ent-
jprechende Abkühlung erfährt. Daraus ergibt fic,
daß auf dem Zentrum des Erdteils im Sommer eine
Region ſtändig niedrigen, im Winter eine folde ſtän—
diq Hohen Lujtdruds (Kern im N. des Arabiſchen
cerbujens) lagert, die alle andern Elemente des Kli—
mas beſtimmt, zunächſt die Windridtung, davon ab-
hängig wiederum die Niederſchläge. Im Winter fen-
det Das Gebict hohen Luftdrucs im Innern die Winde
nod) allen Seiten in die peripherifden Teile des Feſt—
fandes, im Sommer faugt es fie umgekehrt von allen
Seiten an. Somit wird der Nontinent tin Winter
rößtenteils beherrſcht von trodnen, falten Landwine |
m, im Sonuner von frijden, feuchten Seewinden
(Monjune). Daraus entipringt die ſegensreiche Tat-
fade, daß alle peripherifcden Lander von A. (aufer
Vorderafien) Sommerregen haben, die jedod) in das
Innere nidt cindringen, weil den feudjten, von S. her⸗
kommenden Seewinden der Weg durd) hohe Gebirgs-
mauern verſperrt wird, an denen fie ihre Feuchtigkeit
riftenteils abgeben müſſen. Die peripherijden Lan
r find umgekehrt vor den winterliden Landwinden
geldhiigt. injowweit fie vom innern YW. durch hobe Ge:
irge getrennt find, was in Ojtajien nidt genügend
der Fall ijt. (Vgl. die »Temperaturfarte« bei Urtifel
»Lufttemperatur«, nit Tertblatt.)
Im ndrdliden und innern A. muh alfo ein ſcharf
ausgeſprochenes Kontinentalflima mit großen Gegen-
jagen jwijdyen Sommer und Winter herriden, den
jtairfiten auf der Erde iiberhaupt. Mit 63° nördl. Br.
beqinnt das arftifde Klima; alle hihere Vegetation
erjtirbt, während in Europa unter qleiden Breiten
nod) Feldbau gqetrieben wird. Im N. diefer Grenze
ijt der Sommer nebelig, die Flüſſe nur von Juni bis
September eisfrei. Der jahreszeitliche Gegenſatz nimmt
nad) O. bis zur Lena und Jana zu, reicht aber bis
liber die Oſtküſte weit ins Meer hinaus. Der Kältepol
Der Erde liegt bei Werchojanſt, nahe der Jana, mit
— 53° mittlerer Qanuartemperatur; Minima vor)
— 60° find gewöhnlich, im Winter 1886 famen — 66,5"
vor. Im Sommer jteigt die Wärme bis 35 und 40°,
bie Vegetation iit in Oſtſibirien reider als unter glei⸗
cher Breite in Deutſchland. Die ftarfen Winde in Sibi
rien und den ruffiiden Steppen werden Burane ge
nannt und find im Sommer driicend hei} und jtau
Ajien (Mima, Pflangenivelt).
big, im Winter furdtbar falt und mit Schnee beladen.
Die Winterburane ridten oft ungeheuern Schaden
unter den Biehberden, aud) an Menfdenteben an.
Nordtibet wird von Sommerregen reichlich befeuchtet,
der Winter bringt wenig Schnee, aber, wie aud das
Frühjahr, viele Stiirme. Die Wiijten Ujiens gehören
ju den regenärmſten der Erde, indem fie meiſt von
nördlichen Landiwinden iiberweht werden. Yn der
Mongolei und Ojtturtijtan ijt dieanhaltende Triibung
der Luft durch Staub bemerfenswert. Siiddina bat
Sommerregen (Siidojtmonjun). Japan hat mildern
Winter, reidlidjere Niederſchläge (Maxima im Frith-
fommer und Herbjt) als die Oſttüſte Aſiens, wo übri—
gens der Monſun bis Ochotſt hinaufreidt. Der fiid-
aſiatiſche Sommermonjun, der die allgemeine Regen:
zeit bringt, beeinflußt die Umgebungen des Arabiſchen
Ieeres, Border- und Hinterindien bis gum Himalaja
und die Inſeln im S. und O. bis gum Aquator und
etwa 140° öſtl. L. Er fest an der afrifanifden Küſte
im März ein, erreicht im April Siidperjien, Mitte
Juni Bombay. Im September hiren mit ihm die
Regengiijje auf, das Wetter wird dann nur felten
durch groke Wirbeljtiirme beunrubigt. Ende Oftober
febt Der Nordojtmonjun ein und weht bis Mar; oder
April mit großer Beſtändigleit, das Wetter ijt faſt an-
haltend fdhon, die Temperatur minimal. Im Frühjahr
hebt fic) die Temperatur raſch und erreicht bis Juni
den höchſten Wert. Die größte befannte Regen-
menge der Erde fällt zu Tſcherrapundſchi (Khaſſia
berge) in 1200 m Seehöhe, nämlich jabrlid 12,090 mm,
d. h. 17mal mehr als in Deutſchland. Dieſe Regen
menge tritt indes hier ganz lofal auf, indem der Cid.
weftmonfun bei hoher Temperatur und gefattigter
Luft befonders raſch emporjteigt. Sebr große Regen-
mengen fallen aud) in den Wejtghats (Mahabaleswar
6630 mm), Binna (Wfyhab 5020 mm), Sandoway
(5380 mm) und an der Weſtküſte von Ceylon. Witt
lere Jahresertreme: Halodate 29°, —17°, Tofio
34°, —7°, Colombo 33°, 21°, Madras 43°, 16°, La
hore 48°, 0°, Andamanen 35°, 20°, Hongfong 33°, 1°,
Sifawei 36°, —9°, Batavia 33°, 20°; weiteres f. tm
Yirtifel »>RMufjifdhes Reich⸗ Gewittertage im Jahre
(nad) Kuhn): Perfien 25, Tiflis 25, Ultat 19, Rlein-
ajien 20, Ojtturfijtan fajt 0, Untermefopotamien 12,
Hindoftan 56, Borneo 54, Sumatra 86, Java 97.
Schneelinie: Ultai, Siidabhang 2600 m; Kau:
fajus, W.: Nordabhang 3300, Südabhang 2900,
D.: Nordabhang 3900, Siidabhang 3500; Tienſchan
3300, Trangalat 4250, Urarat NY. 4370, Himalaja
RN. 6300, S. 4920, Naraforum N. 5800, S. 5500 m.
Untere Gletiderrander: Wunfo-Sardyf (Irkutſth
$240, Wai 1240, Kaulaſus SW. 1954, RN. 3163,
Wlaigebirge SW. 2700, Biafaro (Wefttibet) 3012 m.
Pflanzenwelt.
Die Pflanzenwelt vereinigt in fich die Gegenſatze der
Mannigfaltiqfcit und der Cinfirmigfeit. Dene wird
erzeugt durch die Erhebung breiter Laͤndermaſſen hod
iiber Das Weer. Lander einer klimatiſchen Zone jer-
fallen dadurch hinſichtlich ihrer Erzeugniſſe in meb-
rere Stride, Umgekehrt entiteht Einförmigleit durch
die grofe Ubereinjtinunung ausgedehuter Lander:
ſtriche, Die Durd) mehrere flimatijde Zonen reicen.
Den duperiten Norden Wfiens, im Samojeden-, Ja-
futen> und Tidhultichenlande fowie auf den polwarts
qeleqenen Inſeln, beherrſcht die arftifde Flora
(f. d.) mit thren ausgedehnten Moos- und Fledten-
bejtinden (Tundren). Die Vegetation an der Nord—
fiijte Sibiriens, von Der etiva 160 Bliitenpflangen be-
lannt find, bejteht aus ſpärlichen Moospoljtern, da-
Aſien (Pflanzenwelt).
zwiſchen Riedgräſer, Dryas, Cassiope u.a. Auf naſſen
Stellen treten Torfmooſe, auf Fels zahlreiche Flechten⸗
arten auf, nur auf den Abhängen blumenreiche Mat—
ten. Ym O. der Kolyma ändert ſich durch Auftreten
eigner Arten, z. B. des Rhododendron kamtschati-
cum, der florijtifhe Charafter. Südlich der Baum—
grenze, die im Taimyrland unter 71,5° nördl. Br.,
an der Lena unter 71°, an der Beringſtraße bei 64°
liegt, beqinnt die fibirifdhe Wal dzone, die bis su
den Duellgebirgen de3 Ob, Jeniſſei und der Lena Hin-
aufiteigt; weiter öſtlich qreift fie mit dem Jablonoi—
gebirge tief in’ mongolifde Steppentand ein und
reidt bis gum Ochotſtiſchen Meer und gur Halbinfel
Kamtſchatka. Die Vegetation dieſes weiten Gebietes
ijt inniq verwandt mit Der nord- und mitteleuropäi—
ſchen Waldflora und bildet mit ihr das nordifde Flo- |
renreid) Der Ulten Welt; nur dringen von S. cine
zelne Steppenpflanjen aus der Mongolei, im W. aus
Den pontijden und fafpijden Landern, im O. man-
didurifdhe Formen cin. Jn den nbrdliden Gebieten
herrſcht der Nadelholzwald mit ſibiriſcher Lärche, Zir—
belfiefer, Fichte (Picea obovata), im S. die ſibiriſche
Tanne (Abies Pichta) vor; dazu zaählreiche, auch in
Nord- u. Mitteleuropa verbreitete Staudengewächſe.
- Von Laubhiljern bilden nur Virfen, Eſpen, Erlen
und Weiden größere Beſtände, wahrend Ciden und
Buden fehlen. Im N. miſcht fich der Lärchenwald
mit der Tundra. Im W. fommt eine ähnliche Mi—
ſchung swifden Steppe und Wald als Birkenſteppen⸗
region ju ſtande, mit riejigen Doldengewächſen (He-
racleum) neben charafterijtijden Steppenpflangen
(Stipa). Im Wai folgt fiber dem Steppengiirtel, der
ain Siidabhang höher aufiteiqt als an den Nordleh-
nen, zunächſt (;wifden 300 und 800 m) die Kiefer
nebjt Birfen und Eſpen, dann die Larche, Fidte, fibi-
riſche Tanne und Sirbelficfer, welche die Waldgrenjze
(1360 m an der Nordfeite, 1700 m an der Siidjeite)
bildet. Die oberhalb der Waldzone beginnende al-
pine Region (2100 — 2300 m) zeigt floriſtiſch eben⸗
falls Unflinge an die europaijden Hodgebirge. Im
D. vom Baifaljee und vom Jablonoigebirge tritt ein
auffallender Weehjel der Arten ein. Im nordöſtlichen
Teil des Gebietes zwiſchen Stanowoigebirge und der
Küſte madht fich der EinfluR Nordwejtamerifas geltend,
von dem einzelne Baumarten, wie Picea sitchensis,
liber das Beringmeer heriibergreifen. Auf Kamtſchatla
tragen die niedern Landidaften mit Musnahme der
Weſtküſte herrliden Wald und iippige Grasfluren;
als Charafterpflange fann cine Birfenart (Betula Er-
manni) mit gewundenem Stanun und febr riffiger,
graucr Rinde gelten.
Wahrend die Zone ded ſibiriſchen Bodeneiſes, deren
Südgrenze von Samarowſt am Ob oftwarts einen
tiefqreifenden, bis ſüdlich von Jakutſk reidenden Bo-
gen beſchreibt, mit einem großen Teil der Waldjone
zuſammenfällt, ijt Der Getreidebau viel ſchärfer an die
erwähnte Grenge qebunden ; bei Jakutſk taut der Acker⸗
boden faum bis zu einer Tiefe von 1 m auf, während
er unter qleider Breite in Nordamerifa bis zu 3 m
cisfrei wird. Die Getreidebaugrenge ſinkt an der Ojt-
fitjte von A. ſogar bis 53'/s° nördl. Br. herab.
Die Hauptmaffe Ujiens, nämlich gang Inneraſien
mit Mongolei, Tibet, Turfijtan und den Kaſpi- und
Aralſeeländern, ferner das Innere von Kleinaſien,
Syrien, Perſien, Afghaniſtan und Belutſchiſtan nebjt
den nördlichen Ketten des Himalaja, bildet den Sit
einer großartig entwidelten Steppen-und Wüſten—
flora. Der Steppencharakter erſcheint nur da weni—
ger ausgeprägt, wo, wie in Der Dattelregion am Per—
861
ſiſchen Golf, Schneefälle und Frijte felten, Regenfälle
häufiger eintreten, oder wo Gebirgserhebungen, wie
ain Kaſpiſchen Meer oder im nordweſtlichen Himataja
und in Ofttibet, durch qripere Feudtigfeit das Auf—
treten zuſammenhängender Waldungen ermöglichen.
Das Steppengebiet gliedert ſich in einen orientaliſchen
und inneraſiatiſchen Abſchnitt, von denen erſterer den
Ubergang zu den nad) Südrußland übergreifenden
youtitchen: Grasſteppen verimittelt ; die pflanzengeogra⸗
phifde Grenze gegen letztere liegt zwiſchen Uralgebirge
und Rafpifdem Meer. Yn ——— Armeniens
und Jrans herrſchen halbkugelige Stadel- und Dorn⸗
pflanzen vor; viele Arten treiben Zweige, die ganz zu
Dornen auswachſen, bei andern, wie den Tragant-
ſträuchern, bleiben nur die Blattrippen als Dornen
ſtehen, fo daß dichtäſtige Stachelpoljter bis zu 1 m
Durchmeſſer entitehen. Die Steppenformen gehen im
Gebirge bis zu 4000 m Höhe und bedingen Fait aus:
fchlichlid) das landſchaftliche Vegetationsbild. Unter
den Charafterpflanzen der inneraſiatiſchen Steppen
ftehen Salſolazeen, Tamaristen, Zwiebelgewächſe und
hodwiidfige Grafer obenan. In der Steinwüſte Nord-
tibets liegen gänzlich pflanzenleere Gebicte. Im nord-
wejtliden Himalaja, deſſen Berglehnen swifden 1200
und 2500 m mannigfaltige Waldbejtinde tragen, fin-
det der Übergang zu der örientaliſch-pontiſchen Flora,
in Ojttibet gur Yecoctation Chinas und Japans ftatt.
China und Japan bilden das oftajiatijdhe Gebict
Der immergrünen Gehölze, das die Mandſchurei
bis gum Amur, Korea, das Hftliche und ſüdliche China
bis Hongfong fowie Japan mit Ausſchluß des ndrd-
lichen Sachalin umfaßt. Jn der nördlichen Mandſchu—
vei herrſchen Laubholzwälder (mit Juglans mandschu-
rica, Pirus mandschurica, Quercus mongolica u.a.),
gemiſcht mit Nadelhölzern, Wieſen, Steppen und Mov-
ren. Dann folgt int öſtlichen China cine Uberqangs:
zone mit Paulownia imperialis, Gleditschia chinen-
sis, Ailanthus glandulosa und dem Bapiermaulbecr:
baum; in Südchina find ausgedehnte, immergriine
Straudbejtinde (vorivieqend Camellia- und Eurya-
Arten) an die Stelle der durch die Bevilferung aus-
qerotteten Wilder qetreten. Auch die Nadelhilzer
(Gingko, Biota u.a.), unter den Kulturpflangen Tee-
jtraud) und Ginfeng, fpiclen cine wichtige Rolle. Die
— Jünnans zeichnet ſich durch eine reiche
endemiſche Flora mit zahlreichen borealen Gattungen
aus. Im nördlichen Nippon ſteigt die Laubwald⸗
region mit Buchen, Ahornarten, Eſchen bis 2000 m;
das ſüdliche Nippon und Riufiu werden durch immer—
riine Sträucher (Magnoliazeen, Laurazeen, Tern-
Frcdmiageen) dharafterijiert.
Das tropifde Gebiet von UW. wmfakt die Siid-
fitjte Arabiens mit einem Gemiſch von ojtafrifanifden,
abeffinifden und Saharapflanzen (Balſambäume),
ferner Borders und Hinterindien, die Sundainjeln
und Philippinen. Die indiſche Wüſte und das Pan—
dſchab gehören zu der mefopotamifden Dattelzone,
der gripere Teil Urabiens zum Sabharagebict. Jn
Vorderindien entwideln fid) tropijde, immergrüne
Regenwalder (ſ. Tropenwald) vorzugsweiſe an der
feuchten Malabarküſte und von den Suüdhängen ded
Himalaja bis zum Brahmaputra und der Ganges:
miindung. Charafterijtifd find zahlreiche Palmen
(Corypha, Caryota, Areca, Nipa, viele Urten von
Calamus), ferner Dipterofarpeen, Kluſiazeen, Ebena:
zeen, zahlreiche Arten von Ficus. Bon Kulturpflan—
zen haben Gurken, Melonen, Zitronen, Orangen, das
Zuckerrohr, die Baumwollenſtaude, die Zimibäume,
die Pfefferarten, der Ingwer, die Galgantwurzel, der
862
Kardamum und die Banane indifden Urfprung, ebenfc
aud) der Reis, deſſen Vaterland aufer dem ndrdliden
Indien aud) den Siidwejten Chinas umfaßt. Die Wald.
vegetation Vorderindiens fest_fid) aus Mangrove-
bejtinden an der Küſte, aus Gumpfwaldungen auf
MNiederungen des Innern, ferner aus echten Tropen—
wãldern mit vorherrjdenden Palen, Pandanus, Lia:
nen und Bambus fowie aus Hiiqelwaldern mit Eichen,
Ithododendron zuſammen. Weniger feuchte Gebiete
werden von ausgedehnten regengrünen Waldungen
bedeckt; in höhern Lagen treten auch Nadelhölzer auf.
Jur nordweſtlichen Himalaja ſtehen bis 900 m Tro—
penwälder mit Bambus, Palmen, Dalbergien u. a.;
dann folgt ſubtropiſcher Wald (bis 2100 m) mit im:
mergriinen Eichen, Arten von Rhus u.a., darauf eine
Waldregion gemapigten Klimas (bis 3600 m) mit
Viren, Tannen, Eichen, Walnuß, der Himalaja-Reder;
den oberften Giirtel bis sur Schneelinie (38900 m) bil-
Det die alpine Region mit Rhododendron und zahl—
reidjen borealen Staudengewächſen. Auf den Sunda:
inſeln reicht die tropiſche immergrüne Region durch—
ſchnittlich bis 300 m, die untere Bergwaldregion mit
Dipterofarpeen und gahlreiden Farnen bis 1800 m,
die obere Waldſtufe mit Podocarpus und epiphytiſchen
Erifageen bis 2700 m. Im JInnern liegen zwiſchen
1000 und 1800 m häufig ausgedehnte Savannen mit
didien, mannshohen Gräſern. Wud) die Kaſuarinen
in Sava und Sumatra bilden eine charafterijtijde,
wohl aus Auſtralien cingewanderte Vegetationsform.
Unter den in A. heimiſchen Rulturpflangen neh:
mien auer den erwähnten indifden Gewächſen die
Getreidearten die erjte Stelle cin. Die Stanunform
des Weigens war vermutlich eine orientalifde, mit
Acgilops nabe verwandte Urt. Das Cinforn (Triti-
cum monococcum) ftanunt aus Kleinaſien (Mefopo-
tamien); der Roggen aus dem Mittelmeergebiet und
Sentralafien, die Gerjte aus denfelben Gebicten; die
Kultur beider Getreidearten ſcheint von Zentralafien
——— zu ſein. Orientaliſchen Urſprung haben
aud) der Granatapfel (von den Küſten des Kaſpiſchen
Meeres und Perſien), Maulbeerbaum, Feige und
Quitte. China wird als Heimat von Aprikoſe und
Pfirſich, die fafpiiden Lander als die der Weinrebe
und SGauerfirjde betrachtet. Buchweizen und Hanf
jtammen aus der Mandidurei und Daurien, im
Indiſchen Archipel find Rofenapfel, Sefam, Betel-
pfeffer, Betelnuppalme, Brotbaum, Regqurfen, auf
den Moluffen Musfatnuk und Gewiirznelfe heimiſch.
Tierwelt.
A. beherbergt gemäß der bedeutenden Verſchieden⸗
heit feiner natiirliden einzelnen Teile cine ſehr ver-
ſchiedenartige Tierwelt. Es gehirt ju drei tiergeogra-
phifden Regionen, der arttitehen Zirkumpolarregion,
der paläarktiſchen Region und der orientaliſchen Re—
ion. Der nördlichſte, der arktiſchen Zirkumpo—
arregion angehbrige, ans Eismeer grenzende Teil
enthält deren Charaktertiere: Lemming, Renntier,
arltiſchen Fuchs, Eisbär, Vielfraß und, nicht bis an
die Nordgrenze gehend, Hermelin und Zobel. Die ſüd⸗
lich ſich anſchließende ſibiriſche Subregion der palä—
arktiſchen Region: vom Kaſpiſchen Meer bis nach
Kanitſchatla und dem Chingangebirge im O., im S.
bis gum Himalaja, umfaßt den nordajiatijden Wald.
dijtrift, das Tiefland Weſtſibiriens und die Kirgiſen—
jteppe, Ojtfibirien, den geſamten Nordrand des ine
nerafiatifden Hochlandes, die Wüſte Gobi, Tibet und
den Himalaja. Die Walder des Nordens find reid
an Pelsticren: Fuds, Marder und Verwandte und
beſonders Eichhörnchen, deren Felle einen widtigen |
Aſien (Tierwelt).
Handelsartifel bilden; in den Steppen hauſen große
Rudel von Walfen, Dſchiggetais und Wildefein. Vor
Untilopen fint fiir dieje Region charalteriſtiſch Die
Chiru- und Vierhornantilope Tibets, der Goral des
wejtliden Himalaja, die Saiqa-WUntilope der Steppen
Sibirien3. Das Mofdhustier —* ſich in Tibet, ebenfo
der Pak, von den Schafen lebt das Argali in Nord-
afien, von den Ziegen die Kaſchmirziege in Tibet. Be—
merfenswert ijt bas Vorfonmmen eines Seehundes int
Baifal-, Rajpi- und Aralſee. Die Vogelwelt nabhert
fid) fehr der europäiſchen und enthalt wenige darat-
teriſtiſche Formen (cinige Finken, das Ronigshubn und
die Flughithner der Steppen). Reptilicn und Amphi—
bien find felten, darafteriftifde Steppenbewohner find
Krötenechſen. Die Inſelten diefes Teiles von VW. Ahneln
denen Curopas. Der öſtlichſte Teil des Kontinents
nebjt Japan gehört ebenfalls yur paläarktiſchen Re-
gion und bildet die mandſchuriſche Subregion (j. Kala-
arftijhe Region). Bemerkenswerte Tiere find bier
Katzenbär, Marderhund, eigentiinilide Hirjde, haral-
teriſtiſche Inſeltenfreſſer, Fledermäuſe. Unter den Bo-
geln treten Die hier heimiſchen Faſanen hervor, von
den Fleinern Vögeln Sanger, Meiſen und infer.
Von den Amphibien ijt dae merfwiirdigite Tier der
Riejenfalamander Japans. Neben der mandfduri-
ſchen und ſibiriſchen —— greift auch die mittel⸗
ländiſche Subregion nad A. hinein, fie zieht ſich von
Kleinafien, am Kaulaſus ihre Grenze findend und die
nördliche Hälfte Arabiens einſchließend, durch Per—
ſien, Afghaniſtan und Belutſchiſtan bis zum Hindu—
kuſch und Indus.
Außer einem Teil der Zirklumpolar⸗ und dem größ⸗
ten Teil der paläarktiſchen Region umfaßt A. nod die
gejamte orientalifdhe Region (j.d.), su der außer
Dem fiidliden Teil ded Feftlandes A. auch nod die
—— Inſeln und Inſelgruppen zwiſchen A. und
uſtralien nebſt Nikobaren, Andamanen und Ceylon
gehören. Vorderindien in ſeinem nördlichen Teil ſtellt
den ärmern Teil dieſer Region dar, während die Süd—⸗
ſpitze mit Ceylon, Birma, Siam, Hinterindien und
die Inſelwelt an eigentümlichen Tierformen überreich
find. Unter den charakteriſtiſchen Tieren ſpielen unter
den —— verſchiedene Familien eine hervor⸗
ragende Rolle. Sehr zahlreich find die Affen vertre—
ten mit — Teil charalteriſtiſchen Arten, wie Orang⸗
Utan, Gibbon; außer in Madagaskar und Wfrifa
haben die Halbaffen, vertreten durch das Gejpenittier,
hier ihre Heimat, ſehr zahlreich find Fledermauje, die
Anfettenfrefjer in bemerfenswerten Gattungen, wie
Flattermaki und Spitzhörnchen. Unter den Raubtteren
jpielt Der Königstiger die Hauptrolle, augerdem finden
fic) viele Fornten der Bibetfagen und aus der Familie
der Marder; die Baren find durd) Malatijden Bar,
Lippenbir, Bärenmarder vertreten, dent Ganges und
Indus kommt cin Flukdelphin gu; weniger entwidelt
jind die Nager und einige Familien der Paarzeher,
während andre, befonders die Odhfen, in charafteriiti-
ſchen Urten vertreten find. Wie in Afrika find hier
Elefanten und Rhinojzeros die größten Landjauger.
Die Vogel find auferordentlich zahlreich; unter thnen
ragen die Gonnenvigel, Pittas, Königsfiſcher, Tro-
gon, Bfauen, Urgusfafanen und das Banfivabubn
bervor. Sehr reid ijt das fiidliche A. an Reptilien:
Peitidenidlangen, Clapiden, Waſſerſchlangen, Gru⸗
benottern, Baumeidechſen, Agame; der Gavial des
Ganges. Auch die Amphibien md durch charafterijtt-
ſche Gruppen vertreten, und die ſüßen Gewäſſer wer-
den vor zahlreichen Fiſchen verſchiedenſter Familien
bewohnt. Seiner Mollustenfauna nad zerfällt A.
Asiatische Volker I.
[Zam Artike! Aden]
*
J
⸗ x
Tafeln ,Asi
eS
~
“1D On
Meyers Kowe. Lesitten. € tu. Betiage
Digitized by Google
r q ’ ‘
—8
-
Rl on
dite
ae-".—C~rF - + %, — CU
Digitized by Google
Asiatische Volker II.
Afien (Bevdiferung, Sprachen). 863
eme Reihe von Brovingen: Kleinaſien gehört aur raat donot gehirt die Bevöllerung Wiens
epantijden Proving, Inneraſien zeigt wahrſcheinlich drei veridicdenen Raſſen an: 1) Kaukaſier tm afia
Wifdung von Ausläufern der paldarttifden | tifdyen Rußland und mn der Tiirfei, Uraber, ein Teil
na mit foldjen der indiſchen und namentlid) der | der Berfer, Afghanen, Belutiden, Oſtindier und Si—
tricftidjen ; China beherbergt eine felbjtandige Mol- | birier: ‘10 aller Bewohner; 2) Mong olen (Nord-
Stenfauna, Border- und Hinterindien find durd | und Mittelafiaten) in China, im ajiatijden Rußland
en Reidtum an Helix, Nanina und gededelten | und der Tilrfei, cingewanderte Stämme in Perſien,
Landfdneden fowie den vollitandigen Mangel der Afghaniſtan, Belutſchiſtan, Border: und Hinterindien,
Wattung Achatina ausgezeichnet. Die Mollusfen- | Japan: 1/10; 3) Malaien (Siidajiaten) in Japan,
Srikwaiferfauna ijt echt tropijh. Wiens Inſekten | Border: und Hinterindien und auf den hinterindiſchen
getehnen fic) befonders im tropijden Siiden dDurd ere | Inſeln: No. Europder leben in den europäiſchen
Jraunlice Mannigfaltigfett und Farbenpradt aus. | Befigungen (Britiſch- und Niederländiſch Yndien) als
Vevslterung. Beante, Soldaten und Kaufleute, doch mur in febr
(Séterju die Tafeln oMfiatifdhe Bolter tu. le, mit Ertldrungs- | geringer Bahl, in Ruſſiſch Aſien aber fajt 6 Mill. Da-
blatt, und »Aſiatiſche Aultur 1, mit Ertlärungebl., u. IL, III«. aca beherrſchen europaãiſche Wiichte V5 des gefamten
Fur die Bevöllerung Aſiens ijt man meijt nur auf eils und weit ilber *s fermer Bevöllerung.
Schagungen angewiejen. Zählungen liegen außer Cine Cinteilung nad Sprachen gibt fiir die Be—
fiir die europäiſchen Rolonien nur fiir Japan und völlerung Wiens ungefibr folgende Gruppen:
AF Hina (julegt 1894, aber nicht —“ vor. Wag A. Mordafiaten.
rer und Supan veranfdlagen Aſiens Vollszahl auf | | Jukagiriſch.
$13,589,000 Seelen, d. . weit iiber die Hailfte fdimt- | Mh Reriakiie,
Licher Bewobner der Erde (1479,7 Will.). Die Didy- | Ty. Hommel OMjatiie ane Rett iiro).
tigfeit der Bevdlferung ijt in den einzelnen Gebie B. Wittel- oder Hodahaten.
ten febr verichieden. eben riefiqen Streden fait
. : r L. Uralalta Spra is
unbewohnten Landes finden fic) die | at eae Mebicte a) Gam —5* — — Juratiſch, Tawgn, Cf
dichteſter Beſiedelung auf der Erde überhaupt. Cine jatijd « Camojedtfh, Nenificiid, Rama finiia.
ar Sid. und Oſtrande Hodhajiens entlang laufende b) Finniſche Gruppe: Oftjatify, Woguliſch.
Vinie ſcheidet Die didjtbevblferten von den ſchwach c) Tatarifche Gruppe: 1) Jatutiſch; 2) Tirtife;
bevidlferten Landern. Auf 1 qkm wohnen in Nord-, » —— —— 4) Tiſchagatarſch, Uiguriſch,
Sentral. und Weſtaſien nur 2, in Südaſien dagegen | urtmenifd; 5) Rirgifife.
(4) Einw., genauer: im nördlichen Waldgebiet Ose in| S Pengeliise:Sraeve: 1) Oemengeness 5)
ben Steppen und Wiijten der jentral-afiatifdyen Hod mongolifd (Ralmidifh); 3) Nordmongolije (Burdtiiao.
: : > 2” fd;
lander 1,4, des Aralolaſpiſchen Beckens 2,2 und Vor " — albadet ae —
Derafiens 5, im Wonfungebiete der tropiiden Wald- u. Qapantia.
lanbdidaft (Hinterindien und Ojtindifder Urdipel) 14, 1. Loreanifa.
int Dem Kulturland Borderindiens 67 und China lV. Indochineſtſche Sprachen.
Japan 95 Cinw. durdidnittlid. Die Bevilferungs a) Tivetife. .
Dichte Des Erdteils beträgt nur 18 auf 1 qkm. 9 l.! b) Himalajafyftem (Kbven, Zabaing, Singpho, Mrfdnnt,
Marte »Bevdllerungsdidtigteit der Erdee mit Re | — —————— wae —
bentarichen von Sudoſtaſien und Tabelle. Nady dev 4 That « — (Ziamefiia, Ean, iss, Beeutl
politiſchen Cinteilung ergibt fic) folgende Überficht Shem, Ritom). ‘ie
— — — f — e) Eprade ber Sifan. Miaotic, Lolo und andrce Stamme
| DRifom. | Ginwobner . *¥f Euddinas.
— I qkm f) Cbineſijch: Auanhoa (Tialets von Pefing und Ran
@inbeimifme Staaten: fing), Futian; Ruangtung.
Chinchiiges Nid. . . | 11 138 RRO —— » V. Modn- Anam» Sprachen.
Japon. 2 2 ; 417321 4640000 1D C. S&doRafhaten,
Bflatifge Tirter . . - 1760800 17 12 600 9 L. Drawida: Spramen:
@erfien . . .. 1 SLL _ 9.000.000 5,6 Tamil, Zeluqu, Tulu, Ranart, Ralajalam, Toda, Gond.
Qevea. .. . . — 2Ik2m 9 BTNU00 44 IL. Singhalefifte (@iu). |
Glee ce a es 64 004) 620000 «610, TLL, Malatifas polyneiifhe Gruppe.
a 8F ae 4550 000 7 | D. SiidweRafiaten,
a avd (HY S000 on) 19
Mrabifge Staaten 2. 2 . | 247290 |) DL OBO OOD On | ‘ ——— —— ie. 2 ‘
Ginaibalbinie)s =... 59.000 Mow 04 ie gd nated — 7 a:
— u 38 ⸗ vxre⸗sghiſch Amartig, Sanfumuls..
Bouton ™ 6 e} Rita Tuſch.
Sulammen; © 19166600 428491 Jun 2 d) Toherfetind, Abdali.
Guropdifage uo amerit. | : Il. Semitiihe Spramhen.
Gefigungen: a) Rordtide Gruppe: Zoriid, Afortie
Britiige : . . | 5294499 901472 000 5a , b) Biutlere Gruppe: Meira dD, ( dowiti,
Miederiandiime 8 . Ce Lh2u62e SetOOOD | oF c) Sudlige Gruppe: Aradvid, atmparis.
Muffiide. . . . _ Lasetie ebontsee py EL Qudogermanii@e Spraden.
Frans Ofiicde ‘ F OOO | AS wet | ag ai \ndtf@e Gruppe: Altindr.d «Balt, Codfriny, Rew
Umerifaniide Plirranen | B81 7 71 intit® (Bengalt, Aflamt, Crija, epats, Rate artes,
Portugichiise - e+ lve RE) im 43 Zindot, Pandigam madottant, Gudbimaran, Rarethe.
Deutide (Riauti@enu: ° may | 4 awe 14K bp Arantige Grupove: send. Aleperiind, Bedlewt,
— — reer Garhi; Reuperfiid mit tetnen Tialeften Murdiie (Mute
—— eee ae manbdigt, Jayay, Geluchor, Atyoumtid: C fletiom.
Alten (rumd): 441794 KID SHO Oe t* eo) Armentié.
© Die in die meifien geographtiden vebrbider xe uderaeqon , Die Nordafiaten zur Gruppe der Virftifer oder
gene Zahl (625,906,206 Simm.) ft burgaus unjuver larg. . Poperborcer) find merit um Ausſterben begrijfen. Tre
864
Jukagiren am äußerſten Nordrand zählen nod etwa
1000 Seelen, die Tſchultſchen (Tafel I, Fig. 1) tm
äußerſten norddjtliden Winkel etwa 7000, die Kam—
tidjadalen (Taf. I, 2) faum 2000, die Jeniſſei⸗Oſtjaken,
zwiſchen den Stadten Jeniſſeiſt und Turuchanſk, faum
1000 Köpfe. Die Rotten find bereits ausgejtorben.
Die Uino (Taf. I, 3) wohnen vornehmlid auf Sacha-
lin, Jeſo und den Rurilen, als Giljaten (Taf. I, 4)
aud) auf dem Fejtland fiidlid) vom untern Amur.
Von den uralaltaifden Völkern jigen die Samo-
jeden (Taf. I, 5) an den Küſten des Eismeeres, die
finnif den Ojtjafen in Tobolff und Tomſt (Taf. J, 6),
die Wogulen tm nördlichen Ural. Die Tataren
Sala I, 7) wohnen im SW. Sibiriens und in gang
Inneraſien zwiſchen dem Rafpiiden Weer und der
Wiijte Gobi. Sie find fajt ſämtlich Mohammedaner.
Der meijt verbreitete und kräftigſte Zweig der Tata-
ren find die Rirgifen (Taf. L, 8). Die Tataren und
die Mongolen 3. T. jind Nomaden, legtere aber
Buddhijten. Die Suvaten (Zaf. I, 9) wohnen wm den
Baitaljee, die Kalmücken (Taf. I, 10) im Altai und
zwiſchen Wolga, Don, Kaukaſus u. Kaſpiſchem Meer,
die fibrigen Wongolen in China. Die Tungufen
(Taf. I, 11) wohnen vereingelt als Jäger in den Wal-
dern Ojtjibiriens, angejiedelt im Amurgebiet neben
den Giljafen und Ghelganen oder Golden (Taf. 1, 12),
in der chineſiſchen Mandſchurei und als Soldaten zer—
jtreut Durd) gang China. Die Japaner (Taf. J, 13
u. 14) haben Uderbau wie Induſtrie gu hoher Blüte
ebracht: ihre mehriilbige Sprache ſchließt jich an das
anbdjdu u. Mongolifde an. Die Koreaner (Taf. 1,
15) haben erjt jüngſt ibr Land Fremden gedjfnet,
wogegen die Tibeter fid) nod) ängſtlich abſchließen.
ym Siacctate gibt es cine große Sahl von Rejten
ber diltern vorarijden Bewohner, jie ind im W. mehr
fultiviert, aber auc) weniger rein erhalten. In Hin-
terinbdien berridt cine große Zahl von Dialekten;
Thai ijt die Sprache der Schan oder Lao (Taf. J, 16)
wie der Siamefen. Die Birmenen find gerjtreut in
ber britifden Proving und im vormaligen Königreich
Birma; die Kambodſcher, Tongfingeien, Kotſchin—
dinejen und Unamiten bewohnen den Ojten und
Siidojten der Halbinfel, Malaien die Südſpitze.
Reſte der friihern Bewohner Chinas find in den Sifan,
Miaotſe und Lolos erhalten. Die geqenwirtigen Chi—
nefen (Taf. I, 17) zeigen in ihren phyſiſchen und in-
telleftuellen Eigenſchaften große Berjdiedenheiten.
Bon den Siidajiaten bewohnen die von den Indo—
ermanen verdriingten Drawida die unzugänglichen
Mebirgsqeqenden (Tamulen, Telugu, Kanarefen); in
Aſien (foziale Verhältniſſe, Religionen).
Rabardiner (Taf. IT, 8, 9) genannt, im nördlichen
Raufajus fommen.
Im Innern Vorderajiens bis sum Halus
herridjte vor alters die altphrygifde Sprache, eine
Todter der armenifden. Die Nordküſte war qro-
penteils mit cingewanderten thratif den Stammen
bejegt. Cine nod) größere Zerfplitterung in Viund-
arten ſcheint in den gebirgigen Siidlindern der Halb-
infel (Pijidien, Pamphylien und Rilifien) jtatiqefun-
den ju haben. Bon der femitifden Gruppe haben
wir in A. beute nur nod Die Uraber (Taf. 1, 10) und
die Juden (Taf. II, 11) und von den drei Hauptzweigen
des femitifchen Sprachſtammes wird heute nur nod der
arabifche, allerdings in großer Verbreitung, geſprochen
Die aſiatiſchen umfaſſen neben
den beiden a der Urier, den Indern und
Yraniern, noch bedeutende Bruchſtücke des flawijden
und germanijden Stammes. Die urdijde Familie
(af. IL, 13, 14) drängte, als fie aus ihrem Urſitz. der
Pamirhodebene, nad Indien —— Die vor⸗
efundene drawidiſche Bevölkerung ins Gebirge nach
S. Den Grundſtock der iraniſchen Familie bildeten
im Altertum Meder und Perſer, heute die Tadſchit
(Taf. I, 15), Parſi, Kurden, Belutſchen (Taf. 11, 16),
Afghanen, Armenier. Endlich ijt der indogermanijde
Stamm nod vertreten durch ſlawiſche Bejtandteile,
wie die Rojafen (Taf. II, 17) im aſiatiſchen Rupiand,
und durd andre Familien (germaniſche, keltiſche) im
den von Europäern folonifierten Gebicten.
Sojiale Verhaltniffe, Religion.
Die fogialen Verhältniſſe der ajiatijden Bat-
fer find äußerſt veridieden. Unter den Mohanrme-
danern und gang allgemein im ſüdlichen A. ijt die
Vielweiberei gejtattet, tatſächlich freilid auf die Rei-
chen beſchränkt. Dagegen bejteht Polyandrie auf
Ceylon, in Indien, Tibet und bei mebreren Stanumen
im Nilgivigebirge. Die Stellung der Frau ijt ungleid.
nirgends aber beneidensiwert. Sflaverei beſteht
iiberall bei Den mohammedanijden Völlern des weſt
lichen A., die ihren Bedarf nod immer meijt aus
Afrika beziehen; im Turfmenenland hat die ruſſiſche
Eroberung dieſen Zuſtand befeitigt. In China ift die
Sflaverei cine —— Einrichtung; in Britiſch—
Indien iſt die ähnliche Gebundenheit des Bauern erſt
in jüngſter Sei gemildert. Während die Hindu in
— geſchiedene Kaſten zerfallen, beſteht bei andern
Olfern völlige Gleichſtellung. Die Kultur der Aſia—
ten iſt ſeit Jahrhunderten auf derſelben Stufe ſtehen
geblieben, namentlich in China, wo ohne Berũhrung
mit frembden Völlern eine Reibe wichtiger Erfindun
Ceylon gehoren su thnen die Weddah (Taf. IL, 12). Die gen gemadt und eine großartige Literatur gefdaffen
Bewohner von Yndonefien find ju fondernin Rapua wurde. Dagegen fudjen die Japaner in Übereile die
oder Regrito (Taf. I, 18), im Innern der öſtlichen
Inſeln, und in Malaien. Lewtere bewohnen die
europãiſche Kultur anjunchmen, dod) bleibt, wie aud
in Britifeh-Andien, die Maſſe des Bolfes davon un-
Philippinen als Tagaten und Vijaya, die Halbinfel | beriihrt. Gleiches gilt von Ruſſiſch-Aſien, wo, wie in
Malaffa (Malaien im engiten Sinne), die Jnjel Java | Yndien und Japan, aud) Univerjitiiten gegriindet
als Sundaneſen (Taf. I, 1) den wejtliden, als Ja- worden find.
vaner (Taf. IT, 2) den öſtlichen Teil, woran ſich die
Vewohner von Bali (Taj. I, 3) anſchließen; als
Batta Sumatra (Taf. If, 4), als Dajafen Borneo | jtreng patriardalijd, in Hinterindien,
Hinſichtlich der ftaatlidenBVerfaffung beftehen
große Gegenſätze. In China ijt die Regierungsform
— es nicht
(Taf. TI, 5), als Makaſſaren und Bugineſen Celebes | unter europäiſcher Verwaltung ſteht, ſowie in Perſien
(Taf. II, 6). Die malaiiſchen Sprachen zerfallen in und Turan rein deſpotiſch, unter den Malaien ftaat-
die tagalifde (auf Formoja, den Marianen und| lich zerſplittert. Theokratiſch ift die Regierung von
Ebilippinen) und in die malaiojavanifde Gruppe. | Tibet, Bhutan und Siffim. Japan hat in neuejter
Die Naulafier zerfallen der Sprache nach in eine | Zeit eine fonjtitutionelle Verfaſſung nad europäiſchem
faufajifce, ſemitiſche und indogermanijde Gruppe. | Muſter eingeführt.
Von erſterer bilden die von SO. eingewanderten
Die Stifter fiimtlider höherer Religionen: Bo-
Georgier (Taf. II, 7) im S. des Kautafus den Grund- | roajter, Mofes, Buddha, Chrijtus und Mohammed,
ſtock, wozu Lesghier, Kiſten und Tſcherkeſſen, auch gehören A., und gwar der fubtropifden Zone an.
toh, Tedd aes
A amlnA odveitniad., foe aob tedal
i *
— — — —
*
ode] nodoeiisienbton tb omicruosnoteng
Jtebsjomen- dO dredirsad itt 6b. i tind -aneulet Fonityetgo® |
nine eee | ruuasal. RmxloJ |
vrxvixloll Of | ubojonse -dO} rumxlad *
— — —————
demerrwitT) seordledgaiiod oo ehh ceeko) shidsedata
wttebealonines seadtoninrh oS snseirgice')tbigiZ) stale
2 ober lidbverediondy FL suseugi Tecanel) xtaberdi 4 i
tolejonine rinie Ts fete et dneeiain TlahimA) sdideabonH ~
‘labitettgedd oo | | sbiodoe “
atserze'T inhigiZ)
es teridae: eduenBos Ay oe | amet Ui
sebsfoniee seen TL
' —R
wien TD) dttibeesgmrnls RoC . — ebiosoe Si
ips de bs ee yume amical iemihie: | atadedadal 24
po Abad metas as Deft tte el Ms or | anisdgebriobal bt)
n sau wie } i) Z
afvenzintt ; feoabwtqodme fa LE 4 ‘ ann oitoandations A Os
“hebt-avhh otrahdy $e aden ets stad ol
eb s daytime A of
~ eg gels ree ——
4 - — J « A «*
Nir Fert hy @ >
Digitized by Google
‘Zum Artikel Asien.)
Inhalt der Tafel ,Asiatische Kultur FE.
Kunsterzeugnisse der nordasiatischen Volker.
1. Zoptschmuck (Dolgan-Jakuten). 18.
2. Pelzmiitze (Jakuten). 1%.
3. Pelzmittze (Ob-Samojeden). ' 20,
4. Mutze (Cheta-Jakuten). 21.
>. Kinnsehutz (Dolgan-.lakuten). 22,
6. Brustlatz (Nigidal-Tungusen). 23.
7. Brustlatz (Taimyr-Tungusen). 24.
8S. Handschuhe (Nigidal-Tungusen). 23,
9. Scheide } 26.
Nigidal- Tumgusen ). J
10, Messer |" i } 27.
. Mess
11. Messer | Jakuten.
12. Scheide! 38
13. Tabaksbentel (Sidtungasen). 29
14. Ledertasclche
—
J XNigidal Tungusen.
15. Arbeitstasche 147 * ne
16, Pelz | Assja-Svunojeden) 32.
17. Alitagstrack “Tangasen:.
Birkenkorb (Ob-Samojeden).
Stampfkeule .
Holzmirser | (Jakuten.
Reisesack yon Quappenhaat.
Schenkelhose (Tungnsen),
Franenhose (Samojeden).
Weiberschuh (Orotschonen).
Stiefel (Taimyr-Samojeden }.
Renntieridole.
Tranflasche (Schwanenfub. Assja-
Samojeden).
. Minnerschah (Tungasen).
. Kumyshumpen (Jakuten).
30. Korb fiir Teegesehirr }
31. Birkenkérbchen '
(Tunguser.
Holzerne Hansidole.
Asiatische Kultur I.
Asiatische Kultur Il.
warre’
7
3
i
i
3S
. s .
— *8
——
J
a
.
1. Tangstat) der Batta von Sumatra (6 auch 14 2. Ahnentnid von Nias. — 2 Webstab der Aino
4 Baschkirens bmuck (6 auch 17) 5 Bronzenes Buddhatiid 6. Panzerhelm, 7 Panzerhandschuh der
Indier aus Bhuj, Katwh (6 auch IS ua 1% 8 Japanisher Feuerkessel, der Deckel in Silber getrieben
(s auch 2 9. Singhalesen - Maske
Meyers Kone.-Lewkon, 6. Aufl B.tdorgr. Institut in Leipzig Zum Artikel Auer
Asiatische Kultur III.
—
—
ror
a Se. Se es
sr
—
oy Soren.
10, Tanzstab der Batta von Sumatra (s. auch 1).
Schuppen des Schuppentiers (Manis), Borneo,
11. Kopfkérbchen der Ginanen von Luzon.
16. Kalender (13
- 12. Hut aus
13. Pfeife 14. Gerbeschaber,
15. Riickenschaber, —
16 Gerite der Samojeden, Tungusen und Jakuten). 17. Baschkirenschmuck (s. auch 4). —
18. Panzerkleid, 19. Panzerschuh der Indier aus Bhuj, Katsch (s. auch 6 u. 7), — 20. Kécher der Aino, —
21. Mandarinenstab in rotem Lack 22. Japanische Wasserkanne, Goldlack (s. auch 8).
Ajien (Ackerbau, Viehzucht, Jndujtrie, Handel u. Verkehr; Entdeckungsgeſchichte).
Beriprengte Rejte der Unhinger Zoroajters, Gebern
oder Barfi, haben ſich nod in Borderindien und in
kleinen Nolonien bet Batu erhalten. Clemente des
alten Sabäismus, mit mohammedanifden, teil-
weife aud) drijtliden Ideen verſetzt, finden wir bei
Der Jeziden am obern Tigris und den Sabiern in
Deffen Wiindungsland, Anklänge an den altfyri-
ſchen Gitterdtenft unter den Druſen und Anſa—
riern in den Gebirgen Nordjyriens. Der Brahma:
nismus mit feinen zahlreichen Seften herrſcht in
Borderindien; nad Nordafien, ja bis nad Curopa
hinein reidht Der BuddHismus, in Tibet und bei
Derr mongolijden Volfern alg Lamaismus, in|
China und Japan vermiſcht nit dem urjpriingliden
Religionsjyjtem beider Bolfer. Yn feiner vorder-
indijden Heimat ijt er durch das Brahmanentum auf
faum 200,000 Geelen und auf den Inſeln durd den
Islam bis auf wenige Refte zuſammengeſchmolzen.
Ju den leben gerjtreut fiber Den ganzen Wejten, am
zahlreichſten in der aſiatiſchen Türlei, insbeſ. in Pa—
läſtina, wo ſich auch noch Reſte der Samaritaner
finden. Das Chriſtentum hat in ſeiner urſprüng—
liden Wiege Palijtina trotz des Islam fich bis heute
erhalten. an Rleinafien und vereingelt in Syrien wie
Durd das ganje ruſſiſche A. ndrdlid) vom Kaufajus
herrſcht das griedhifdh-fatholij de Befenntnis. Die |
armenifde Rirde ijt noch felbjtindig organifiert.
In Wejtfurdijtan finden wir Rejtorianer, im Li-
banon Maroniten, in Syrien die fyrifden oder,
jafobitijden Chrijten (aud) nod) cin Rejt im fiid- |
weſtlichen Vorderindien als Thomas riften), in
Mefopotamien und Ferfien die Johannisjünger
(Sabder). Chrijftlidhe Miſſionare wirten in *
verſchiedenſten Teilen Aſiens, katholiſche arbeiten ſeit
langem in Indien, China und den Philippinen mit
erheblichem Erfolge. Die evangeliſche Miſſion arbeitet
auf mehr alg 970 Stationen mit 1420 europäiſchen
Mifjionaren und einer —— von 17,5 Mill.
Mark. Von Miſſionsgeſellſchaften bejtehen 13 deutſche,
19 englijdhe, 23 amerifanijde, 11 private englijde,
12 niederlindijde, 2 däniſche und cine, ſchwediſche.
Dic fatholifche Miffion zählt in W. 3,076,106, die pro-
teſtantiſche 1,019,500 Anhänger. Der Is lam herrſcht
in Vorderaſien, Turkiſtan, im W. Vorderindiens,
unter den Malaien und im W. Chinas; zerſtreut
ſitzen Mohammedaner in allen Teilen Aſiens. Die
ehrzahl ſind Sunniten, nur die Perſer Schiiten. Der
Konfutſianismus und Taoismus in China und
den ſüdlich angrenzenden Ländern ſowie der Ahnen—
fultus (Kamidienſt) auf Japan find praktiſch ge—
ſtaltete Religionsphiloſophien Der Schamanismus
oder der Glaube an gute und böſe Geiſter und an
auberei herrſcht von der Nordküſte bis zur Süd—
pitze Aſiens. Von den 814 Mill. Einw. entfallen
höchſtens 15 Mill. auf die (oft nur nominellen) Chri-
ſten, 80 Dill. auf die Mohanrmedaner, der Reſt, fajt
die Halfte der ganzen Menſchheit, auf Brahmanismus,
Buddhismus und Heidentum.
Erwerbs zweige, Handel, Verkehr.
Hauptbeſchäftigungen find Uderbau und Vieh—
zucht. Jn China hat fic) der Landbau gu ftaunens-
werter, alg Wartenbau fogar zu muſterhafter Stufe
crboben. Die fiinjtlide Bewäſſerung wird felbjt im
gentralen A. mit Sorgfalt gepflegt; deren Vernachläſ—
ſigung unter türkiſcher Herridaft hat frudjtbare Land—
ſchaften zu Wüſten umgewandelt. Die vornehmiten
Bodenprodutte find Baumwolle, Reis, Tee, Kaffee,
Tabaf, Indigo, ye Gewürze, Weizen, während
die Viehzucht Wolle, Häute und Felle liefert. Hin—
Meyers Konv.⸗Lexilon, 6. Aufl., J. Bo.
anders
865
ſichtlich der Seidenproduktion ſteht China überhaupt
an erſter Stelle, dann folgen Japan, Oſtindien, Sy-
rien und Kaulaſien; hinſichtlich der Teeproduttion
pag A. vorliufig nod einzig da. Die ——
er Aſiaten iſt im Vergleich zu der Fülle von Roh—
materialien wenig bedeutend, doch wird in einigen
Zweigen Bewundernswertes geleiſtet, namentlich in
der Seidenweberei der Chineſen, den Baumwolien—
fabrilaten Vorderindiens und Javas, den Schal—
webereien Kaſchmirs, den Porzellan-, Lac: und Elfen⸗
beinarbeiten Chinas und Japans, den Waffen In—
diens und Syriens, den Teppichen Indiens, Bocha—
ras, Perſiens und der Türkei. Jn Britiſch-⸗Indien hat
ſich unter engliſchem Einfluß cine bedeutende Baum—
woll · und Jute⸗Induſtrie mit moderner Technil ent:
wickelt. Gefördert wird das Aufblühen induſtrieller
Unternehmungen durch große Kohlenlager in Bri—
tiſch Indien und Japan, während die unermeßlichen
Kohlenſchätze Chinas nod ſehr ungenügend verwertet
werden. Kunſterzeugniſſe aſiatiſcher Bolter, Waffen,
Geräte scigen beifolqende Tafeln.
Der eanbel jul —8* iſt zum allergrößten Teil in
den Händen der Eingebornen; Seehandel wird in
beſchränktem Maße von Arabern, Malaien, Chineſen
und Japanern, in großem Umfang von Europäern
und Amerikanern betrieben. In China, Japan und
Korea iſt jetzt den Fremden eine Anzahl von Häfen
eröffnet. Griechiſche, öſterreichiſche und franzöſiſche
Schiffe vermitteln den Verkehr im W., britiſche,
deutſche und holländiſche im S., chineſiſche und japa—
niſche nebſt den Schiffen aller Nationen im SO. Unter
den Handelsplätzen ſind Singapur, Rangun, Yo-
lohama, Schanghai, Taſchkent, Bombay, salfutta,
Madras, Karatſchi, Batavia, Tiflis Beiſpiele des Auf—
ſchwungs; Basra, Bagdad, Aleppo, Trapezunt und
die Handelsſtädte Chineſiſch-Oſtturkiſtans Beiſpiele
des Verfalls. Der Welthandel Aſiens, an dem in
erſter Linie Britiſch⸗ Niederländiſch- und Franzöſiſch—
Indien, China, Japan, die Philippinen, Siam und
Perſien ſich beteiligen, überſteigt jährlich 6000 Mill.
Mark, wovon 2700 Mill. auf die Einfuhr, 3300 Mill.
auf die Ausfuhr entfallen.
Der Verkehr wird im Innern vermittelt durch
Karawanen; Hami, Bodara, Taſchkent, Kiachta find
Knotenpunkte der Karawanenſtraßen. Jn Sibirien
dienen Renntiere, Hunde und Pferde, weiter ſüdlich
Kamele, im Himalaja aud Yaks als Zug- und Laſt—
tiere. Die neueſte Zeit hat durch europäiſchen Ein—
fluß Eiſenbahnen entſtehen laſſen, deren Länge
40,000 kin betragen mag (vgl. Art.⸗Eiſenbahn« nebſt
ſtatiſtiſcher Tabelle), während die Länge der Tele—
raphenlinien 107,038 km erreicht. Zu den Haupt—
— Aſiens führen von Curopa, Amerila und
Auſtralien Kabellinien und Überlandtelegraphen (vgl.
die Weltverkehrskarte beim Art. »Dampfſchiffahrt«).
Entdeckungsgeſchichte.
(Hiergu bie Karten: »Forfdungsreijen in Aſien und in Zentral⸗
afiene, mit Negifterblatt.)
Die Kenntnis von W. beſchränkte ſich zu Homers
Beit auf die Weſtküſte Rleinajiens. Hekatäos, Hero-
dot und Kteſias (540 400) beſchreiben ſchon ziemlich
genau die 20 Satrapien des perſiſchen Reides, aud
mandes von Kolchis, Arabien und Yndien. Sehr
viel eer ur weitern Erfundung die Feldzüge UWler
: Gr. bei fowie die auf feinen Befebl unter-
nommenen Seefahrten, insbej. die des Nearchos
von der Indus- zur Euphratmiindung. Durd die
Feldzüge und Gefandtidaftsreifen der Diadodengeit
55
866
(Megajthenes, Patroflos) erhielt man weitere Rad:
ridjten tiber Indien, Taprobane —— den In⸗
diſchen Dzean und das Kaſpiſche Meer. Neue Quel—
fen eröffneten die von den Ptolemäern veranſtalteten
Fahrten nad Indien fowie die Entitehung griedi-
ider Königreiche in Baltrien und Indien; Asie die
Herridaft der Rdmer in Vorderafien und ihre Kriegs
jlige gener die Barther ſowie dftere Handelsreijen
nad) Mittelaſien und Andien.
Die Ulraber fubren tm 8. und 9. Jahrh. durd den
gangen Indiſchen Ozean bis nad Südchina. Curo-
paer führte ſeit Dem 10. Jahrh. religidfes Intereſſe
nad A.; man wallfabrtete nad dem Peiligen Wrabe,
ſchidte (um 1000) Miſſionen und feit LO96 in Den
Kreuzzügen bewafinete Heerhaufen nad) Palatina.
Die dren Neſtorianer gründeten feit Dem 11.
Jahrh. Gemeinden in allen Daſen der Wiijte Gobi
und in Turfijtan. Unter den Miſſionen des fpatern
WMittelalters nad) Ynner> und Ojtajien find ju nen-
nen: Rubruquis(Ruysbroef), Joh. von Montecor-
vino und Odorico von Pordenone. Der Venegianer
Marco Polo bereijte zu Ende des 13. Jahrh. m 25
Jahren die Mongolei, China, Bengalen und die ent:
legenſten Zeile Ojtafiens. Der Uraber Jon Batuta
drang 1324 53 bis Andien und China vor. Auch
Schiliberger, Ruy Gonzalez Clavigo, Barbaro und
der Venezianer Niccold Conti, der zuerſt im 15. Jahrh.
Defhan durdwanderte und nad Hinterindien vor-
drang, forderten die Kenntnis Aſiens. Nachdem Vasco
da Gama 1498 cinen Direften Seeweg nad Indien
gefunden batte und in Kalilut gelandet war, began-
nen die Entdedungen und Eroberungen feitens Por⸗
al8 durch Wlbuquerque und Almeida, Untonio
d'Abreu (entdedt 1511 —12 die Moluffen), dn
drade (Malediven), Yodo de Silveira (VBengalen),
Fernando Peres (1516 Linkininfeln).
Seit Magathies’ Weltumfegelung (1521 Ent-
declung der Philippinen) fuhr man teils um die Sid. aſi
ipige Umerifas nad) Ojtajien, teils unternahm man
befondere Reifen nad Nordojtafien, um die Frage
nad dem Zuſammenhang Umerifas mit A. zu löſen
und an dent ungeheuern Handelsgewinn der Por:
tugiefen in Ojtindien teilzunehmen. Garcia Henri:
ques befeste 1525 Celebes, Basco Laure; 1526 Bor:
neo; Pinto durchzog 1537 - 58 das Innere von China,
Japan und Yndien. Anton de Woto wurde 1542
nad Japan veridlagen. WIS Rebenbubler wurden
den Portugiejen sunddit die Spanier
die von Umerifa Schiffe nad Andien ſchickten und
1571 die Philippinen befegten. Die Eroberung Sibi-
rien3 dDurd Die Ruffen beqinnt mit Jermat Timo
fiews Bordringen 1580 ff., die Rofafen durchſtreiften
im 16. und 17. Jahrh. ganz Nordaſien. Die Lena.
wurde 1628, das Ochotifiide Meer 1639 erreicht. Die
Hollander gewannen Einfluß und Beſitz in Yndien |
zu Unfang des 17. Jahrh. Wis eriter Englander
fam Th. Stephan (1579) nad Qudien; 1600 ſchickte
die Königin Elifabeth eine Geſandtſchaft an den Grof-
mogul Albar; nod) in demſelben Jahre wurde die Bri
tii Oftindiiche Handelsfompagnie gegriindet. Tho
mas Roe ging 1611 als Mefandter nad) Dehli, def
fen Herrider den Englandern den Handel in feinem
anzen Reiche geftattete. Auch die Franzoſen fubren
eit 1601, als erſter Franz Poyrard, nad Indien,
Die genauere Kenntnis des Archipels verdanken
wir den Holländern, die hier den Vortugieſen im
17. Jahrh cine Beſitzung nach der andern abnahmen
Im 18. Jabrb. wurde beſonders Nordaſien durch
die Ruſſen, vor allem (1734 43) durch die große
gefährlich,
Aſien (Entdeckungsgeſchichte: allgemeine bis 1800, Sibirien ſeit 1800).
ruſſiſche Expedition (Gmelin, Steller, Miller, Lap-
tew, Tideljuffin, Bering, Tidirdow, Prontidnid-
tidew, WMurawiew, Bawlow u. a.) durdforidt, wo-
bei Tideljujtin bis sur Nordipige Ufiens vordrang,
wabrend Bering Die nach ihm benannte, aber ſchon
1648 von Deſchnew entdedte Strake durchfuhr. Rui-
ſiſche — entdedten 1745 die Aleuten. Dre unter
Pallas, Gmelin u. a. 1776 abgefandte Expedition er-
forfdte Sibirien und die angrenjenden Lander am
Kaſpiſchen und Aralſee, beſuchte aud) die Tatarei,
Mandiduret, Chima und Japan. Qames Coot durch
fubr bet fener Erdumfegelung 1776 79 auch die
Beringſtraße und beſuchte Kamtſchatla Jean Bitten
de Tournefort und Gundelsbeimer bereijten 1700 --
1712 Rleinafien, Urmenien, Kaulaſus. Chiwa. Buch
hohz 1714—15 Ruffiidh- Turfijtan, Chr. Burbaum
1724— 27 Kaulaſien. Perjien und das ſüdliche Sibi
tien, John Bell 1714 38 Sibirien, Raufafien. Da
gbeitan, Perjien, Tatarei und China, Hawlins 1742
i8 1750 von Nordindien nad Perjien. Rleinairen
und Syrien durdforidten Pocod (1739), Chand
ler (1764), Niebuhr (1761), Botney (1783) a a;
Wrabien Riebubr (1761 64); Tibet Deñderi
(1714ff.), Samuel van den Butte (1719, bis Chena),
Hallerjtein (1760), Bogle (1773), Turner (1783);
| China Lord Macartney (1792-94) mit G. Staun.
ton, Barrow und Hiittner; Japan Thunberg (1772),
Lapeérouſe (1786) und Larmann (1791).
Sibirien.
Auf dererften ruſſiſchen Erdumſegelung unter ru:
fenjtern 1803 - 1806 wurden die Kijten Citibinens
— aufgenommen; Sannikow entdeckte 1805
Neuſibirien; Wrangel bereiſte 1820-25 die Rord.
fiijte Aſiens und Kamtſchatta, Ledebur die Kirgiſen
ſteppe; UW. v. Humboldt 1829 mit Ebr und
Roſe Ural, Ultai, Djaifaniee, Kaſpiſches Meer und gab
juerjt eine flarere orographiſche Darſtellung Inner⸗
iens. Hoffmann unterfudte 1843 die Goldiwaiden
im djtliden Sibirien, Middendorff 1843—45 das
Taimyriand und Sibirien bis jum Ochotitriden
Weer; 1845 49 machte Caftrén linquiittide und
ethnologiſche Studien, 1855. 58 Wblquijt. 1851
1854 unterfudte Dittmar Kamtſchatta geologifid.
Transbaifalien und das Mmurland wurden feit der
Beſetzung durch die Rujfen (1854) ———
(Madde, Meglitzki, L. v. Schrent. Schmidt, Warimo.
witid, Cotta), durch v. Maidel mit C. v. Neumann
die Tſchuktſchenhalbinſel. Schwarz bereifte 1864 - 467
Transbaifalien, ein Netz von meteorologiidhen Sta.
tionen wurde in Sibirien erridtet. 1868 75 foridte
in Ojtiibirien Czelanowſti, cin polniicher Verbann
ter; 1877 wurde cin großes Rivellement bis zum Bai
falfee vollendet, das 1873 - 76 von Scharnborit und
Kulberg vorbereitet worden war. 1875 wurde Me
Triangulation von Transbaifalien begonnen. 1876
fubr der Schwede Theel den Jeniſſei binab, Botya-
fow bereijte den Ob und den Irtiſch, den Vltai, Me
Rirgifenfteppen und das Siebenſtromland, wabrend
Finſch. Brehm und Graf Waldburg Zeil tm Muftrag
der Bremer Geographiſchen Mefellichaft Das Vand von
der chineſiſchen Grenze bis yur Rarabai durcdhforidten.
1877 ertundete Ublaquift die Oftjafen und Wogulen.
Ingenieure unter Aminow unterfudten die Wanſer⸗
ſcheide zwiſchen Ob und Jeniſſei, Dte qeologtiche Unter.
ſuchung ded Baifalfees wurde begonnen. Jadringew
machte Volkerſtudien im Altai; Wichaelis foridte
1879 ff. am Schwarzen Irtiſch und Saiſanſee; Rune-
berg ermittelte 1883 Die Woqlichfeit ciner regelmaßi ·
gen Dampfidiffabrt auf der Mngara.
[Zum Artikel Asien.]
Register zu den Karten ,Forschungsreisen in Asien
und in Zentralasien seit 1856‘.
I. Alphabetisches Register.
Die Buchstaben und Zahlen zwischen den Linien | E5
bezeichnen die Gradfelder der Karten. — Die Routen, die auf
der Karte » Hentralasions dargestellt sind, sind durch ein ninter d den Namen geactztes Z., Amundsen (Z.), kenutlich gemacht.
ES
a" — 1512 earner ea L-N®
Agassin 1901 .......4.-. Hs
Albaquerque 1507, 1513. 6, F-H7
Amandsen (Z.) 1898—9... 16
Andrade 1517 ........-. LM6-8
Anz 1808 1. wc ccc eee MNS
Baber (Z.) 18TR 2... ee. Lb
aikow 1654.......... | H-M3,4
Isarents 1504—96 ....... B-G1
Barthélémy 18% 2.0... L7
Bastion ISGL.. 2... 2 eee K6,7
Bell (Z.) 1886 2... 6... J-M4, 5
Renoist nnd Mechin 1883. . N4
Bering 1728, 1741 i) R-T2, 3
—e \ q-T3, 4
Berry 1880-81 ., ..... 81
Bishop 1896 ......-... L5, 6
Black 18) .....0=..... Li
Blukiston 1861 ......... LMS
Blumentritt 1874 sh Gia Ni
Blunt 1879 ........... | DES,6
Bock 1873—80..,....... MB
Bock 1883 ........ Li
Hogdanowitseh 1898 2... . og
Bonin (Z.) 1899-1000 ... G-M4, 5
Bonvalot, Capus (Z.) 188687 HS
Bouvalot u. Henri Orleans
(Z.) 1389—90 . J-L4-6
Borissow 1800... .. Fl
ower (Z.) L801. . H-LS
Bendfoot IBS9 .,. 2... LW -. G
Bhlicking 1898. ........-. NB
Burckhardt 1814—15 . DES
Burroughs 1556... . 72... | A-Fl-1
Cagni/Exp. d. Hag. d. Ahru--
zen) 10. ...... Fla
Carey {Z.) 188587. ..- H-K4,5
Carles ISKH. ee N4,5
Cernik 1872—73...... DES
Chabarow 1650 Nw, 4
Chamberlain 1804... .. NOG
Chariton Laptew 1741. . J-Li
Cholnoky 1806-98 .. 0... MN#
Clifford 1895 ,..... ya 18
David (Z.) 1872-78. ..... 1L.MS
Deusy (Z.) 1899 . . HJS
Dechy I897—98 ...... K4
Deschnew 148 2.2.2.2... R-T1,2
Desgodin (Z.) IS81-—78 K5, 6
Diener 1B92 .......04- HI6
v. Diest 1806, D809, ....,. D445
Dmitr] Laptew 1749 —41 O-RI
Doughty 1876—i8. . DEG
Uyrishenke seit 1897 LS
lupuis 1869-72 2... 0°... LA
Dupuis (Z.) I869—T2..... 14
— aaa 180% —O4 JS
lias (4) 1872. . | K-M4
E lings 1868 2... MS
Elphinstone 1S Pek pie GHS
Erman 18258, 182. .... G2, Q3
Pedische nko {Z3 —E GHA
Fernandez 1511 ...... Li,8
Forsyth (Z.) 1870, IAT4. . HIS
Freshfield uy . J6
Fritsche ISON —72..... : M4
Fritsche (Z.j 18d8—72 2...) LMd
v. FuG und Bunge 130. LM4
Putterer u. Holderer (%.) 1898 H-K4
(rnedertz INOS... 0... MS
Gardiner IS9M 2... 00.0. ik
Crebriider Schlagintweit (Z.;
IB56 ST 2. tre ws HS
frenthy LUO), . Bee N4
Gill (Zp) 1577. .. ee KL5, 6
(vlaser INSS 1... | a7
Gods 1603-100 . , G-K4,5
Goldschmid 1872* PGS
(rottsche ISS4 .......58. NS
Grombtishewski (Z.) [S880 H5
Grueber und W'Orville 1661. | J-M5,6
Gram Graimailo (Z.) 1890, . | J-LA,S
dirfinau 1897. ...-..-... N5
Hatévy ISTO 2... .. B7
Meyers Konw. +
llepri d'Orléans — i 1895 .
Henri d'Orléans 1901
Hzg. d. Abrozzen 1809—~ 1100
Hooker 1849
Hosie (Z.) 1882-84, ....
Huber 1878—S81 u. 1884 .
Hue und Gabet 1844—46
Hubn 1879-81 ......
A. ¥. Humboldt 1829
Ides 1692...
Iwanow (Z.) 1883
Jackson 1804—97
James 1836,
Joannette-Exped, (de Long)
1s80—81
Jermak 1580
John 1872
Johnson (Z.) 1868
Junghubn 1845—64
Kampfer 1690 —92
v. Kaulbars (Z.) 1869
Kaznakow (Kozlovsche Expe-
dition) (Z.) 1899
Kbanikoff 1858
Kiepert 1842
Konschin [880—85
Kosaken 1610 .........
Kostenko (Z) 1876
Kotschy 1859 2.00,
Kozlovsche Expedition @)
"1899-1900 .......
Krishna (Z.) 1879-82...
Kruyt 186 u. 1899
Ladyghin (RKozlovsche Exp.)
(Z.) 1899
oeuvre veaees
a ee
ee *
ee ee ee
se ee eee
Pe ee a —
e+e ewe
see tee
e+ wee ee eer eae
Lagrée u. Garnier 1867-64 |
Lagrée u. Garnier (Z.) [367—t4S
Lapérouse 1787
Laptew, Chariton 1741...
Laptew, Dmitrj 17Su—41 ..
Leclére I89B~—99 .. . ‘
Leod 1887 ...........
Littledale tz) 15)
ovreove es
Littledale (Z.) 1895
Ljachow 1773
Logan Jack (Z.) 1) ..
Lovett 1872
Lyman 1876—78...
Lynch 1889 ....
—— 121.
. Maltzan 1871
Malygin u. Skuratow 1736 — 37
Manzoni 1880
Marco Polo 1272—85.....
v. Marignola 1339-53
Martin 18&3— 85
Martin 1I891—#2,,..-....
ores eee eee
DES, 6
K-M5
DES, 6
D-J3
MN3, 4
H5
EF 14
N4
N-TI
FGS
FS
HJ5
LM9
OPS
H4
KIA
FGS
C5
4, 5
Ji,2
H5
D5
E-Hi, 2
Ei
B-M4-8
1l)-M4-8
L-N8
NOY
Maunsell 1892
Menezes 1526
Meyer 1882.....---++,;
Middendorff 1843
Middendorff 1R44 .. . .
Miles 1884
v. Méllendorf 1874—7¥... .
Moolengraff 1893-—04
Mooreroft 1812 .
Monnier 1887. .......
Moskwitin Ido .
Munainger IR70 2...
Nain Singh (4) IS73.....
Naij 15M
Nansen 1894---(6 -
Naumann 1875—85
Needham a, Mol (Z,) 1885
Neis 1889
Nicolo Conti 1430— 35
Nic. u. Maffeo Polo 1262
oe ee eee ee
Ce —
86
Niebuhr 1762—™5 .......
Nieuwenhuis 1896-07... .
Nordenskjéld I878—78....
Oberhummer 186... 2...
Obrutschew (Z.) 189b—4 . .
Odorich ¥. Pordenone 1516—
1318 ,
L-O8
Ni
JK, 2
L-O8
F6
M4
LMB&, 9
JS
NS
OP?2, 3
Ei
H-K5, 6
C-HI
A-O1
OPS
K6
Li
D-NS-7
D-1lA
D-H5-7
MY
B-T1,2
bS
K5
D-M4-9
,, Oppenheim 1893...
TES
Lexikon, 6. Aufl., Betlee. . —
SS eee —— — — *
Oschanin (Z.) 1878 ......
Osten-Sacken (Z.) 1887. . Ha
Owzyn 1734—37 2.2... GH1-3
Palgrave 1862—63....... DE6
Pallas 1772 ......2. 5.4. LM&, 4
Pavie 1886—91 ........ ' 16,7
Payer u. Weybrecht 1873. .° E-Gis
Peily 1004 | Ke
Pevisoff (Z.) 1888—00 ., HdJ4, 5
Pojarkow 1643... ......., N-P2-4
Polo, Marco 1272-95 .. B-M4-8
Polo, Nicolo u. Maffeo 1262 D-IA
Potanin (Z.) 1884-86... | K-M4,5
Pottinger 1810.. ...... G6
Prontschischew 1735 u. 1786 | MNI
Praewalskij (Z.) 1870-—88 .. | K-M4,5
Putiati u. Bendersky (Z.) 1883 HS
Radde seit 1863 ........ E4
Radde und Konschin 1886 . PGS
Regel (Z.) 1879... ....... Jt
Regel (Z.) 1881—83 . GHS
Rein 1878—75 2... 022. . OPS
vy. Richthofen 1862 ...... Ki
y. Richthofen (%.) 1870-72 . | LM4-6
Riedel 1879 ........-. Ng
Roborovsky u.Kozlov(Z.) 1894 | KLS
Rockhill (Z.) 1889 ......., KIS
Ronaldshay-Penton 1901. 6
Rosenberg 1840—66 ..... N&, 9
Rosmuis 1768 ......... } Fi
Rob 1865 ......-.25-% ); G6
Rubruk 1253-55. ....... » D-L3-5
Ruy da Cunha ISI] 2... . ! KL7,8
Saint John 1848—61..... | M8
Saint - Yves (4) 1890... ., ; HS
P. und F. Sarasin 1893—95. | N81
Sarre 1690.. FS
Sehah Rukbs Gesandtsehaft
Ce. rr | (MA, *
Schindler 1877--80 ...... EFS,
Schischmarew (Z.) 1868 . K- a
Schlagintweit, Gebr. 1856—5S7 HS
Schweinfurth 1889 .. . : Ei
Soqueira 1500... ..-4.. H-LS
Serrfo 1512. ....... N8, 9
Sewerzow (Z%.) 1864...... H4
Sewerzow (Z.) I878...... HS
Siboga-Exp. 1899 u, 1900. . MNY
Siebold 1828—80........ OPS
Sladen 1865 ..... ss a K6
Smith 1882..... «++.| EFIa
Sossnofsky (Z.) 1875 eevee JIA. 3
Stahl 1800—¥4......... EFS
Stopel 1898......2.... N6
Sven Hedin (Z.) 1894—97 . . | G-M4,5
Sven Hedin (Z.) 1899-1902 | H-K4,5
Swoboda 1802... DS
Sykes 188—1901....... E-G5, 6
Széchenyi (Z.) 1879—80 ... | K-M4,5
Toll 1OW—1901... 0.2.4. I-P1
Tscheljuskin 1742....-.- J LMI
Tschichatscheff 1848—58 C-E4, 5
Turley I898 . 0... ee ee | N4
Turner 1783 .......-.. ; 6
Vambéry 184 ......... i G45
Vasco da Gama 1408 | E-H7-9
Vaughan 1888 ... ..... | FS
Veth IS77—79 .....0.2.4. 1 Li, O9
Volz 1898. ...... Ks
De Vries 1045 , . N-P4-8
Wallace 1834—62....... MNB, 9
Wallin 1848 ...-..-... DES, 6
Webb 1808 .......26.5. HJS
Wellby (Z.) 1896 ....... H-M4, 5
Wellmann 1898—09 ..... E-Gla
Wellsted 1836... . - Fo
Wilcox 1826 ..... — K6
Wilkizki 1894—95.......] H1,2
Wood 1838 ..........-. HS
Woodthorpe (Z%.) 1885 KS
Workman 1899 .......-. H5
v. Wrede 1848 ........ EFT
Yamasaki 1806--97 ...... N6
Younghusband /Z.} 1886--10 | H-K4,5
Zwemer 1800190] FA
Register zu den Karton perechua gare isen in Asien ete’
Altere Reisen in Gesamtasien ‘uals
Ausnahme von Sibirien) bis 1700.
Rubruk... 2... 1253—55 | D-L3-5
Nicolo und Maffeo | |
Polo ...... 1262 D-tA
Maroo Pole .. . 1272—95 BeM48
Odorich v Pordo-
MONE 2.65 .-- 1316—18 | 1D-M4-0
v. Marignola.... 133¥—33 D-M4-8
Sehah Rukhs Ge- |
sandtechaft . ' 1490--22 | G-M4,5
Nieolo Conti ... 490—88 D-N5-7
Vaseo da Gama . 1498 = E- H17-9
Albuquerque .. 1507, 1513 Fé, FHT
Sequeira. . 1509 HLS
Fernandes ..... isl L7,8
Ray da Cunha, . 1511 KL7,8&
dAbrea F siz L-NO
Sermo .... 1512 NSD
Andrade ...... 1517 LM6-5
Magalhies . 1521 N-Q7
Monezes .. 1526 L.-O8
Gols... 0. 16083 —1605 G-K4,5
De Vries... ... 1430 | N-P48
Grneber and d'tr-
ville ...... 1661 J-MB5, fi
Kampfer.... 1690—92 | OPS
Kleinasien, Arablen, Persien,
Afghanistan u. Tarkistan.
Niebuhr .. . | 1762—66 | D-H5-7
Elphinstone .... | 1808 GHS
Pottinger... ... 1810 Gh
Hurekhard: 1sl4—15 DEG
Weillbsted .. 2... 1836 Fé
Wood... 1848 HS
Hradfoot . . 1839 GOS
Klepert. . -| 1842 Cs
vy. Wrode 1844 EFT
Wallin ....... 148 | DES, 6
Twchichatscher?. . | 1S48—-58 | © E45
Khanikof® ..... ; 3858 FOS
Kotschy ...... 1859 DS
Abich. ... 1862 ES
Palgrave... is62—é3 | DEB
Hadde... 2... seit 1863 4
Vainbery . ° 1844 4, 5
Pollg wc centan 1865 —X
Hob... . 26 ee | 1885 (HW
Halévy .....-, 1870 kB?
Munzinger..... 18700 | sR
v. Maltzan..... 1871 ET
Goldschmid ... . 1872 FGS
John . 1872 FS
Lovett .. 1872 FS. 6
Oermpik .... 0. Is72—Ta DES
Doughty , | 1876—TR DES
Sebiodler 1877—sU EFS, 6
Blunt... .. 1879) =| DES, 6
Heber . 879-8184 DES, 6
Mangonl .. . 1880 ET
Konschin . 1880 — 85 P4,5
Milus ......5. 1ak4 Fé
Radde u. Konschin | Tang PGS
(laser . 1 RRS E7
Vaughan. ..... ; I1Re8 | FS
Lyneh........! 1889 EFS
Sehweinfurth . . . 1889 Bi
Stabl .. 1800—34! EFS
Maunsell... ... 182 ES
vy. Oppenheim. , 1KKS | ODES
Sykes... 2... 1BUS—97 | £45, 6
Oberhummer ._ . 18960 | CODD
vw. Diest ...... 11896 a 9) D4
Dechy lav7—98 | OES
Sarre .... . isso |S
cwemer ....., jp POO—— 190) rs
Ronaldshay-Penton 1001 14
Swoboda.. . or} ODS
Vorder- a. Hinterindien, Niederl.-
Indien, China a. Japan.
Tarmer ......., 1286 Ka
laperouse .... , 1387 MPa
Webb... les JS
Mooreroft ..... i
Siebold . .
Wileox .....6:
vy. Pui and Bunge
Junghobn ... .
Rosenborg... . -
Hue and Gabet.
Saint John
Hooker... ...
Wallace ....
Bastian... ..
Hlakiston . .
v. Richthofon e
Lagrée u. Garnier
ee
Bluiwentritt . . .
v. Mollendorf .
Naumann
Veth .
Lyman
Hiedol
Meyer. .......
Hock .
Nels .
Benolst a Mechin
Gottsche . .
Carles,
James
Pavie . oe
Martin .....
Diener .
Molengraff
PF, and FP. Sarasin
Chamberlain... .
Clifford
Bishop .
Black ..
Harthelemy ..
Nieuwenhuis
Yamasaki
Cholnoky. .. .
Krayt,...-
Monnier
BOcking ..
Hiaederts
Stépel
Volz...
Leclére. .. .. . .
tee ae
eee ees
er
Tarley ...
Workman
Siboga-Expedition
Agassiz
(lenthe
Henri d'Orieans .
oe ee eee
ies⸗
II. _ Chronologische | Cbersicht.
181?
1823 30
1826
—X
18480 4
1837
1440 —60
144 40
1848—61
1849
1854—62 |
1861
1861
1862
| 1867—68
1874
1874—79
1875—R85
invi—i9
Ik76—78 |
1K79
1 RRS
1883
1881
184
1885
1886
Ts86--9]
1391 —92
ae
1803.-14
1893 — 14
1894
1895
1896
1806
1896
1205-97
1806—7
Lsh6—
18% uw 9?
1887
1898
1s
Ison
1898
IBS. 99
1809
4899
inves
1sv9
lave
1899 a. 1004
Log
1v01
191
} J5
OPS
K4
LM4
LM?
KIA, 7
NB, 9
K-MS
MS
36
MN®
| K6,7
| LMS
, Ki
| L-MS-7
MS
K6
M4
14
OPS
MS
N7
M4
Ors
LY
14
Ni
Li
L7
N4
NS
N45
N4
1A,7
NUY
HiJdé
LMe %
Nx, 0
Nous
LS
LA, 6
L7
Li
MS
NG
MN4
NG
NS
NA
MS
NGé
KA
14
MNS
Jt
Hs
N4
HS
MNY
is
Na
La
Sibiriea o. Polarliinder.
Burroughs ....
Jermak...
Nalj
Harents. .
Kosaken ..-.
Moskwitin . .
Vojarkow
Deschnew. oo...
Ubabarow ....
eee es eee
Hering .
(warn
Vrontechisechew. .
Malygia und Sko-
ratow
Dinitr] Laptow . .
Chariton Laptew
Teecheljaskin. . .
Kosmale . 4
Pallas...
1554
1b)
154
1504
16019
14699
1643
1648
16d
1654
1692
1728, 1741
1794-47
1735
‘My
1736
7aa
1741
a7
41
44
A-F13
4
1
| BGI
41,2
ors
N-P2-4
K-T1,2
N23
HU Ma. 4
MNS, 4
iR-T?, 3
WTA, 4
GOHI-3
MNI
E-H1,?
OH
Tl
Erman .......- ALS, LSSY tbe, Apo
A. v. Hamboldt Lae t> 33
Middendorf . | 43 JRL?
Middendorff. . . ime t-aat
Payer, Weybrecht SiS, Etsi«
Jeannette - Expt
(de Lang). . IO — 8 1 A-T?
bat ‘ 1 aei)-— 81 aL
Smit, : . } Rend 432
Martin ..... ikI-—85 L-ND
Nansen. . invs—-9G A
Wilkieki . ive - 9S th, 2
Jackson . 1S --40 kbie
Drishenko ..... welt 107 is
Bogdanowltsch . ss
Wellmann . 1Svh.-99 Khe
Borimow...... lars Fi
Hag. d. Abruzen \aol—lik ER i«
Cagui (Exp. d. Hzg
a. Abruzzen) . . oun Fis
Tell . IMO—1tyi Le Ph
Zentralasien seit 1856,
Schagintweit, (ie- |
briider . 1854 —57 113
—X 1s61—7* ki 4
Sewernsow . I m4 114
Osten - Sacken 187 the
Lagree wu Goeruler LSd7—ee is
Jobnson ... 184 NsS
Schischmarew. . . Lees K M6
Fedtschynke iss —71 tobe
Fritsche . lkAan—T Ms
v. Kaulbare . sau ite
Dapais . {heG— 72 1A
Forsyth. ; Is7O, 1874 H3>
v. Richthofen . ist0--72 LMt«
Preewalski) .... IS70—= K-M4
Ellas ... 1872 K-M4
David . 1872-73 LMS
Oschanin, ..-.. j 1874 (oHé, S
Nain Singh ..../! L873 H-BA &
Sosanofsky.. | 1875 4-14.5%
Kostenka ; 1874 es
CHL ws 1577 KLA@
Baber. . 1878 La.
Sewertuw 147* aks
Hegel... ... 1879 44
Saechenyi .. . . Is7o—sO OK MA.
Krishua....... isid—ae KIA 8
Kegel. . IS81--%t 0 GES
Hosie. . . 188 — 1s
Iwanow ...... | Rad HS
Putiati und Ben
dorsky . | 15s HS
Potanin : 1ss4—e =K-M4, 5
w oodthorpe . | 1885 K4
Needham and Mol, 1 1RRS— Bs KS
Carey 1SkS—s7 | N-KRGOS
Rell... 2.2.25. 1 S84 JM4,%
Bonvalot wu Capus 1886-87 HS
Younghusband .. I886--e URES
(jrombtshewski Ja ms HS
Povtsof . ie—P OHS
Rockhill ..... sey Kis
Bonvaiet a. Henri
@Orieans ..., 1889 -9 J-L4&4
Gram Greimaiio . | ae J-LA.3
Littedale . | seme 3
Hower .. 2.2.68. 181 MIs
Tratreai) de Khins Inua—oe dKS
Ubrutechow .... Ievi— bd KA
Koberorsky andl
Kouef. . asl} Kis
Sven Helin . . 1834—97 45
Henri d‘tirleane . 1-5 AS
Wellby 2.2... i ne Te
Putterer a Holderer bata H-RA
Amundsen. ..., 18%— 30 14
Katnakow Koslov .
eche Expelition 1809 KLA
Ladyghin (Kozler
sche Rxpedsuion In JK4
Saint - Vue~ iw) HWA
Henin . (SP) |e a. Wa
Aogloveche r <p. isy i=: KRLAD
Svea Iledia ,lsue -ilml HW Ka!
—
FORSCHUNGSREISEN
ZENTRALASIEN
seit 1856.
Wlyrneter
4 Mie fiertiryers Ligon bratvtvhiwn die Heise »
c renten meat Angube der Nant df Rersercern
eto at Beit Lie verschiedenen Barber arittog:'
' tohen evatir vinzeinen Betan xuvertolgen .
—ñ
tes
ON.
———
shan
ah
mae J
xa tad u
*
—
Ade
Ks
a EP by] ee E F 2 —
ishe Latuare 80 von Greenwirh
Mevers Kony Leatkon 6 Auf? Bibliographisches Institut in Leipzig. Zum Artibet . Asien’
: FORSCHUNGSREIS EN
ASIEN
MITTELALTER uno NEUZEIT.
In Zentralasien sind die neueren Reisenmelt 165 .
lasern, diewelben sind auf einer Spesialkarte dargestellt |
Mafiatab 1: 56000000
“Gee eee Kilometer
die fartigen Linton bescichacn die Rrivereton mit Ange-\
te ctor Namen der Reisenden und der Leet Pie verechioden
Parten ——— evaaam Arwen au vorMlya
Dig chen Orton Babin beorwhnen tus eriinduny cade “wo
Mewers Kone larcthon 6 daft Hiblbodraphieche
Digitized by Google
ei oS ; ; 1300 o er r
wvG ch 100 . ——
instatut on |eapasg
Digitized by Google
Aſien (neuere Forſchungsreiſen: Turan).
Die glückliche Fahrt Nordenſtjölds durchs Cismeer
(1878— 80) erwedte die Hoffnung auf eine regel-
mäßige Handelsverbindung mit den fibirifden Flüſ⸗
fen, aber erjt 1887 gelang dem Rapitin Wiggins
die Wiederholung der Fahrt, die feitdem jahrlid je
nad) den Eisverhaltniffen mit mehr oder minder Er-
folg wiederbolt worden ijt. Die Tidhuttidenhalbinjel
wurde von Artur und Aurel Krauſe 1881 befudt,
das Ynnere Kamiſchatkas feit 1879 von Dzybowſti,
Kettlewell, Bowell und Guillemard. Poljakow unter-
fudte 1880—81 Sadalin, Gommier madte 1880
ethnographifde Studien am untern Ob. Nadarow
bereijte 1882 — 83 den obern Uſſuri, Bergingenieur
Martin 1882—86 Oſtſibirien, Jacobsen madte 1885
fiir das Berliner Muſeum fiir Bilferfunde ethno-
raphijde —— in Oſtſibirien. Vorſtudien
fic eine Eiſenbahn iiber den nördlichen Ural madte
1883. -84 Nofjilow, das Obgebict bereijte 1884 Go-
lodwajtow gum Studium der Produftion und des
Handels; de Dobbeler nahm an der erjten Dampf-
ſchiffahrt vom Ob nad) dem Tasbufen teil und fehrte
auf neuen Landwegen nad Surqut am Ob zurück;
Dubrow madte ethnographijdhe Foridungen unter
ben Buräten bei Irkutſt und in Trangbaifalien, Sa-
wenfow prähiſtoriſche am obern Jeniſſei, wo aud) die
Entomologen Emberg und Hammerſtröm fammelten. |
1885—87 unternahmen Bunge und Baron Toll
ihre widtige Forſchungsreiſe nad der untern Lena,
der Jana und den Neufibirifden Inſeln.
Ru archäologiſch- ethnographiiden Sweden reijten
1886 Jadrinzew in Weſtſibirien, Wargaritow im
Amurgebiet, Wipelin 1887 am obern Jenijfei. 1888
339 Stelling erdmagnetiſche Beobachtungen im
Goud. Irkutſt, Preyn botaniſche im Angaragebiet,
Makerow geologiſche in den Uferlandſchaften an den
linken Zuflüſſen des Amur, Katanow 1889 ethnolo-
giſche und linguiſtiſche unter den Turkſtämmen am
obern Jeniſſei. Grinewetzli ſtudierte 1887—89 die
—— der Tſchuktſchen, Jeliſſeſew 1889 die Be—
wohner des ruſſiſchen Uſſurilandes und von Teilen
der Mandſchurei. Der Bau der Transſibiriſchen Bahn
ab ſeit 1893 Veranlaſſung gu umfangreichen For-
chungen tiber die Landesnatur, namentlich mit Be-
jug auf Geologie und Mineralſchätze (Bogdanowitſch,
Rrasnopolfti, Obrutidhew, Inoſtranzew, Wenjufow,
Iwanow in Weſtſibirien, Transbatfalien und den
Webieten der Ojttiijte). Der Baikalſee unterliegt feit
1897 einer auf 5 Jahre beredyneten hydrologiſchen
Unterſuchung durd) Drifhenfo. Um die Erforidung
Nordfibiriens erwarben fic) der Geolog Tſcherſti
1891-92 und befonder3 Baron v. Toll (Neufibirifde
Inſeln) feit 1893, Dann wieder feit 1900 große Ver:
dienjte, namentlid) wurden die Mammutreſte unter-
fudt. Auch Nanſens Fahrt 1893 und Wilkizſtis
Riijtenaufnahmen swifden Ob und Jeniffei (1894—
1895) filhrten gu erhebliden Beridtiqungen der Kü—
ftenfarte. Völkerkundliche Forſchungen betrieben Frau
Potanin, Katanow, Sjerofdewifi (Jakuten), Chaf-
fanjon (1896), Huth (1897), Laufer (1898 — 99),
Labbé, Martin, Graf Ridy (1898—1900), nach dem
Urfprung der Ungarn in A. fudend, und befonders
die grabertige ethnologifd -ardaologifde amerifa:
niſche Jefup-Expedition (jeit 1898). Für die Gebiete
des OH und Jeniſſei haben die zweijährigen Urbeiten
von Marfgraf aufflarend gewirtt, fiir das Altaiſyſtem
Soboljew, Michelis, Peretoltidin und Sapofdnifow.
Turan,
Yn den Laindern am Kafpifdhen Meer und
Aralfee waren tätig: Klaproth 1807 (Kaukaſus),
867
Porter 1817-20 (Georgien, Armenien und Ver—
jien), Murawiew 1819 (VBodara und Chiwa), Negri,
Eversmann und Meyendorff 1820—21 (Bodjara),
Eichwald 1825 (Naufajien, Georgien), Baer und Hel-
merſen feit 1827 (ebenda), Rod) und Thiimmel 1836
(Raufafus), Lehmann 1841—42 (Bodara und Sa-
marfand), Bajiner 1842—43 (Chiwa), Harthaujen
1843 (Transfaulajien), Sdulg 1847-49 und Mel⸗
qunow 1863 (Kaſpiſches Meer und Uralfee), Which
1850 ff. (Naufajus und Armenien), Radde 1864 ff.
(Raufafus). Die faufafifden Lande bis zum Ara—
rat wurden ſorgfältig trianguliert (1860—62, Dberit
Chodzto). Mit der Beſiedelung des Tſcherleſſengebiets
durch ruſſiſche Einwanderer und der Eroberung des
Kirgiſenlandes hat hier die Erkundung begonnen.
Radloff bereiſte feit 1861 wiederholt —*28 die bei⸗
den Alatau, das Ilital, 1871 SGamarfand. Yn der Pro—
ving Turtijtan begann Butafow 1853 Aufnahmen am
untern Sir; den Tienſchan bereijten Oſten⸗Sacken und
Sewerzow 1867. Eine nad Perjien und Herat aus-
gefiibrte politifde Miffion Mhanifows (1857—59) gab
neue Aufſchlüſſe. Bambéry —* 1863-—64, als Der⸗
wiſch verfleidet, von Teheran durch das Turkmenen⸗
qebiet nad) Chiwa, Bodara und Gamarfand und
fehrte tiber Herat nad) Perjien zurück. 1868 ff. drang
Fedtidento durch Turfijtan ins Pamirplateau ein und
erforjdte den Serafſchan, v. Raulbars 1869 ff. den
Tienſchan. Daneben find gu nennen: Sfobelew1871
und v. Marfofow 1872 in Transkaſpien. Koſtenko
befuhr 1873 den untern Amu und den Aralſee; 1874
erforidte die grofe Um Darja- Expedition unter
Sfoljetow den Strom und fein Delta. 1874—76
arbeitete Der Geolog Muſchketow im Wlai und Tien-
ſchan; 1875 ff. Majew im Bergland von Hijjar, Lu-
pandin nabm den Usboi auf. 1876 folate die große
Expedition unter Sfobelew bid sum Karatul (Pamir:
plateau), 1877 die hauptfidlic) ethnographiſche Reife
Ujfalvys, 1877—78 die naturwiſſenſchaftliche Sewer:
zows durd) Ferghana bis gum Rangful und den
Witidur- Pamir; Oſchanin erforfdte 1878 Karategin,
Byfow nahm den mittlern Amu auf, v. Middendorff
jtubdierte die landwirtſchaftlichen Berhaltnijje von
Ferghana, Matwajew ging nad der weftlidjen Dſun—⸗
— Romanowſti und Muſchketow erforſchten die
eologie von Ferghana, Ruffow die des füdlichen
Sirgebiets und des Serafidanbesirfs.
Die qropartigite Unternehmung war dieSamara-:
Expedition unter vig Tia ee 1878 ff. fiir die ge-
plante Transfajpifde Eiſenbahn und zur Unter—
ſuchung der Schiffbarfeit des Amu, wobei letzterer
von ſeinen Quellflüſſen an abwärts befahren wurde.
Die geplante Wiedereinleitung des Amu int fein ver—
meintliches früheres Bett (ſ. unten) blieb unaus-
geführt. Die Unterwerfung der Turkmenen von
Merw hatte die Reiſen von Leſſar 1881ff., Glady—
dew, Lukianow und Komarow zur Folge. Balcha—
ſchin fudjte neben ethnologifden Arbeiten 1880 einen
Fahrweg durd die Rirgifenfteppe nad) Tajdfent;
v. Schulz unterfuchte 1880 das Terrain fiir cine Eiſen⸗
ban von Orenburg zum Uraljee; Capus und Bon—
valot bereijten 1881-82 Chiwa, Bodara, Ferghana;
Muſchketow und Iwanow 1880 die Gletſcher des obern
Serafidan, Fetijjow 1879 su botanifden Sweden den
weſtlichen Tienſchan. Das nod) gang unbefannte Dar-
was am Pandſch befudjte 1881 der Botanifer Smir-
now, 1881 und 1882 Regel, der aud) das nod) un—
erforjdte Schugnan und 1883 mit Iwanow und
Putjäta das Hjtlidhe Bamirplateau durchzog, wobhin
bisher nur der Pundit Abd ul Gubhan 1878—81
55*
$458
ous war. Ende 1884
von Jadien aus gefommen & begann
ene bristic - rstitide
ber von Aigbentitan
©. Roker berevite 1565 —469 und 1583 —84 Beit-
turfiitan. 1544 erforidte A Regel den ditlichen Tel
der Turantiden Bite von Vodhara zum obern Murg
bob, Sorotin den ruitiden Tienichan arddolo-
giih und botantié. Ronidin madte 1S) —86 geo
logtide Foridungen m der Bitite Karalum, julegt
als Wrtgiied der groken Raddeidhen Expedition nad
Transtatpien und Rorddoraian, wobei er nachwies
bak ber Amu mie Durch en Usboi geflovien iit, aud
nicht Durch ibn m das Raiptidhe Meer gelettet werden
form. 1564 Durcdhforidte Grum-Gribimailo Ferghana.
1885 die weitliden Borlander des Pamir. Dre Fer⸗
tigiteflung der 1200 km — — Translaipiſchen Bahu
li) durchGeneral Annenlow forderte Die Rennt-
mis febr bedeutend, weil fie bad friiber fo veridlojjene
Gebiet leicht zugãnglich madte. 1885 lie das rui-
ſiſche Rriegsminriteram durch Cherit Bjeljawifi den
Umu von teiner Mimdung bis nach Tihardicdut auf-
nehmen. Yin der Raddeichen Expedition (1886) nabmen
aud Walter und Konſchin tel, befonders zu zoolo
giſchen und botaniſchen Forſchungen. Shwar; führte
zahlreiche aftronomiſche und hypſometriſche Beſtim
Se ee ee ſeine Begleiter
, Rudnew und Glago ow geologridhe und
topograp ifche Arbeiten; im
bereitte BWeijelowifi das Tal 7 Serafidan. Die
Franzoſen Capus, Bonvalot und Pepin gingen vom
ndrdlicen Berjien fiber Merw nach Tidardidui und
Samartand, iiberidritten tm Winter den Pamir bet
—44°, wurden aber in Tiditral fejtgebalten. 1887
madten Bogdanowitid und Cbirtidew in Bochara
und Transtatpien geologiide Unterfudungen, Ni⸗
folffi in der Umgebung des Balchaſchſees, wabrend
Lidifi 1888 das 3 bitlide Bodara und Karategin er-
ihre Firbeiten gur f
iden Intereſſe
foridte. Im letzten Jahrzehnt arbeiteten Hier der,
Ethnolog Bajtian, der Wineralog —— a
Geologen Undriffow, Nifitin und Walther, der
tanifer Romarow, die Zoologen Schmidt und v. *
maſſy, Fedtſchenlo u. a. Die Gletſcher des Alatau
wurden erforſcht von Leonow und Fedtſchenlo (1897
bis 1898).
Oocha ſien.
Nach Tibet drangen von Indien aus vor: Webb
(1805), Fraſer (1815), Moorcroft (1822), Stradey |
(1828), Cſoma (183-4), Dent wir die erjte genaue Gram:
matif und ein Worterbud) des Tibetiſchen verdanken;
Cunningham (1846 und 1847), Hodgion (1848, Sit
fim). 1856-— 58 erforjdjten die Gebriider Schlag:
intweit Den Kwenlun, der eine (Wdolf) wurde 22. Aug.
1858 in ſtaſchgar ermordet. Dasjelbe Schidfal hatte
Hayward in Kafirijtan 1870 ndrdlid von Yaſſin, nad-
Dem er 1865 --69 mit Forjyth und Shaw Kaſchgar
erreicht hatte. Dardijtan erforidte 1866 —69 Leitner.
Shaw madjte 1868 —-74 drei Reifen nod Ojtturfijtan,
1870 und 187% leitete Forjyth englifde Geſandtſchaf⸗
ten Dorthin, Die zweite mit reichen wiſſenſchaftlichen
Ergebniſſen. Permilin forſchte 1857 am See Koſſo
gol, Walichanow 1858—.59 am Iſſyl kul und Kaſch⸗
Sewerjow 1664 68 im Tienſchan bis zu den
uellen des Sir, 1867 Drang Oſten-Sacken bis über
den Südrand des Tienſchan vor. 1870 durchzogen
Matuſowſti und Pawlinow die weſtliche Mongolei,
Valladius die Mandſchurei, Prſichewalſtij auf ſeiner
erſten großen Reiſe durch die Gobi nach Peling und | i
über den Stufu-RNor bis an den obern Jangtſeliang.
1872 begaben fid) Raulbars und Scharnborjt nut
Wfien (meuere Foridungéreiien: Hocatien
—
—
A
i
J
f
5
a
E
i
i
—
ite
teria
dem Jeiuiten Gores infang des 1
Turfan in Citturtiiten.
Die nordweitlide Mongol
ging 1879 Potanm an den
ſudwãrts nad Robdo, 1883 von
Die ſũdliche retite
Robdo durd die i nad ĩchõ
und zurũck uber fe und Ulianſutai
Fridewalitij ging 1879 ũber Satian und Jaden
nad dem Quellgebieie des Nangtie und ũber Das Tanie
gebirge, konnie aber Lhahia nicht erreichen. ge
ba and exeldteer — —
aus ert er 1880 das des
— —— of cera Rt
nad Sdigatie am Tiangpo gegangen
pweiter Pundit, N..m..y¥, 1878 77.
320 kim weiter ditlid i verfogte. ig und Woirs-
worth 1885—86 und der Pundit R— N—
dieſe Foridhungen fort, aber erjt der Pundit
vermodte Die des a one mit
maputra nachzuweiſen. Jarfand wurde 1879 und 1880
von Rey Clias, Kaſchgar 1880 von Retrow befucht
Ausgedehnte Reijen im öſtlichen Tibet und der ſud
lichen Mongolei machte 1878 —S2 der Eundit Kriidna
(unter der Chiffer A-- K—), der etm volles Jahr m
Lhajja verweilte. Bridewaljfij ging auf einer vierten
Reiſe 1884 — 85 von Kiachta zu den Quellen des
Hwangho, nach der Salzwüſte Zaidam und dem Mord
rande des tibetiſchen Hochlandes, wieder zum Lobd-
Nor, dann über Tſchertſchen nad — und Yiffu
und fiber den Tienfdhan juriid. Er jtarb beim Yin-
tritt fener fiinften Expedition nach Tibet in dem nad
ibm benannten Starafol am sa ful. Sen Unter:
nehmen fiibrte Oberjt Pjev —— in
von Prſchewalſtijs treuen itarbeitern R
und Koslow und des Geologen Bogdanowitid. Sie
erreichten 1889 Jarfand, gmgen nad Chotan ,
ria, der Daie Rija und drangen in Tibet ein.
nin erforjdte 1884—87 mit jeer Frau und Bere-
ſowſti die Mongolet, Drang in die nod) nie von Euro-
päern betretene tibetiſche Proving Amur cin und kehrte
iiber Den Rufu-Nor, den Nanſchan und durch die
Gobi nad) Sibirien guriid. Carey erforſchte mit Dal-
qleifh (ermorbdet) das Tarimbeden, die Gobi und das
nördliche Tibet. Grombtſchewſti bejtimmte 1885 die
Grenze Ferqbanas gegen China, ging dann nag
Kaſchgar, Jarkand und Chotan, tite 1887 den
Hindufuld und gelangte bis in Das 1889 aud
Younghusband befuchte Chanat Kundſchut, 1889-— 90
foridte er auf dem Pamir, in Wachan, Ojftturfiftan
und Kundſchut. Grim-Gribimalo forfdte 1886-87
auf dem Pamir und 1889 90 mit ſeinem Bruder
Gu
—
Dagh. Ignatiew und Krasnow unterſuchten 1886 das
Gleiſchergebiet des Chantengri im Tienſchan. Die erſte
Aſien (neuere Forſchungsreiſen: China). 869
Durchkreuzung Zentralajien3 von O. nad BW. fiihrte | in Japan. 1844 —46 zogen Huc und Gabet durd
1887 Yjounghusband, und gwar von Peking über Ru- | China, die Mongolei und das Hjtlidje Tibet. Nady der
fudoto, Chami, Turfan, Kaſchgar und Kafdmir | amerifanijden Expedition unter Perry (1853 — 64)
nad Yndien, aus. Jn demfelben Jahre durdforfdte | nad) Japan und jeit dent franzöſiſch-engliſchen Krieg
Bill Ojiturfijtan, verſchiedene ruſſiſche Reifende das gegen China (1858) haben ſich die Reiſen in beiden
Sajaniſche Gebirge. Im Chin —— arbeiteten Reichen gemehrt.
1887 die Brüder Harnak und Ruin. uffildTur-| Uber China berichteten die Miffionare Gützlaff,
fijfan, den Tienſchan, Pamir und Ojtturtijtan durch- Edkins, Eitel und die Mitglieder der ruſſiſchen Miſ—
wanderte 1888 Duvergne; Natanow ging 1889 gu | fionin Peking fowie der China Inland Mission. Außer
ethnographiſchen Studien in den öſtlichen S ienidan, den ſchon erwähnten Reijen, deren mehrere das chine:
Troll von Ruſſiſch-⸗Turkiſtan über Kaſchgar und Jar: ſiſche Gebiet trejfen, find nod anzuführen die Befah—
fand nad Indien, Martin von R. her über den Kuku- rung und Aufnahme des Yangtfefiang und Sifiang
Nor. Younghusband unterfudte 1889 die Päſſe 1858 ff. durd) Bullod, Blafijton, Sarel, die gleich—
iiber den Hindufufd und Karaforum; Bonvalot und zeitigen Forſchungen des Oberften Budogowſti im
Pring Heinrid) von Orléans gingen 1889 von Kul— Ui anrgebiet und bis Korea hin; die Aufnahmen an
dſcha über ben Tienſchan gum Lob-Nor, freugten das | den Riijten von Korea (Freqatte Pallas und Guerin)
Ultyntaggebirge, erreidhten den Tengri-Nor, zogen 1854 und 1856, der Mandſchurei (Hill und Freeman)
bet Lhajja, das fic nicht betreten fonnten, voriiber | 1855—56, des Golfs von Liautung 1858; die Reijen
und famen iiber Tatſienlu und Yiinnan 1890 nad | Sdhismarews 1864 und 1868 in der Mongolei; Mi—
Tongfing. Der Umeritaner Rodhill wollte 1889-— | dies und Pumpellys 1863 ff., des Abbé David For-
1890 vom Rufu-Nor aus Lhaſſa erreichen, reijte aber | ſchungen in China und Tibet (1861—74); ferner Ney
an den Quellſeen des Hwangho durd) das djtlide | Elias, Swinhoe, Orenham 1868 ff. Fritide 1868—-
Tibet gum Oberlauf des Jangtiefiang. Yadrinjew | 1871, Roder, Balladius, Prſchewalſtij 1870 jf. Leg-
bercijte 1889 und wieder 1890 mit dem Archäologen terer zog mit Pjevjow durch die Gobi nad) Peking
Clemens und dem Sinologen Rod) die nördliche und über Tibet nad Sibirien zurück. Jünnan wurde
Mongolei. 1889 erforjdte Younghusband mehrere | 1866—68 von Rotidindina aus durch die Expedi-
Päſſe zwiſchen Kaſchmir und Oftturfijtan, und Due | tion De Lagrée (mit Garnier) auf dem Mekhongfluß
vergne madhte eine zweite Reiſe über den Naraforunr | erreidt; Cooper nahm 1868 den Weg von Chinas
paß gum Pamir, von da über den Hindufujd zurück | Küſte nad) Tibet ; v. Richthofen 40g 1868 jf. von Ranton
nach Gilgit. Ruſſiſche Forſcher haben aud) im vori- | bis Pefing, bereijte außer der ſüdlichen Mandſchurei in
en Jahrzehnt die größte Urbeit iibernommen, be- | fieben Reifen die meijten Provinzen Chinas. 1875 reiſte
—8* die Brüder Grum Grſchimailo (1889— 91 | Margary durch Kweitſchou und Jünnan bis Bhamo,
Tienidan, Ojtturfijtan, Kufu-Ror); Pjewzow nit | wurde aber auf der Rückreiſe ermordet; ſeit 1875 be-
Bogdanowitid und Roborowſti (1889—90 Ojtturfi- | reijte auch Grosvenor mit Baber Diinnan und dann
ftan und Nordtibet), Gronibtidewffi (1889-90 Ba- | Baber 1877 Setſchwan und Jünnan, wobet er die
mir, Wai), Roborowfi und Koslow (1893-—94 Oſt- unabbingigen Loloſtämme erfundete. Gill erreidte
turfijtan und Nanjdan, Koslow wieder feit 1899 im | von Tidingtu, der Hauptitadt Setſchwans, über Ta-
Altai undin der Gobi), Obrutſchew (1892 Nanfdan). | lifuBhamo in Virma. 1878 ging Morrijon von Han-
Bon groptem Wert jind die Urbeiten des Schweden | fau nad) Ranton und vom Dangticfiang sum Peiho,
Sven Hedin im Pamir, Ojtturfijtan und Tibet (1894 | Graf Szechenyi jog mit v. Loczy und Kreitner den
bis 1896 und wieder 1899—1902); er bejtieg Den Mu- Jangtſekiang hinauf, dann gum Kuku⸗Nor, dann fiid-
ftagata, lifte die Lob-Nor-Frage und durdwanderte | warts nad) Bhamo; jahlreiche Miffionare der China
A. bis Peking. Wichtige Reiſen durch Tibet unter- | Inland Mission durchwanderten feit 1876 Kanſu, das
nahmen 1891 —-92 Bower und Thorold (von Yue | wejtlide Setſchwan, Schenſi, Schanſi, Hunan, Honan,
dien nad China), Rochill 1893-—94, Dutreuil de | Kwangſi, Kweitſchou und Jünnan. Soltau und Ste-
Rhins (vorher in Ojtturfijtan, in Ojttibet ermordet) | venfon qelangten 1880-—81 zum erſtenmal von Bhamo
mit Grenard; Littledale mit femer Frau 1893 (Durch⸗ aus * Itſchang am Jangtſekiang. Viele dieſer Rei—
querung Aſiens von Batum bis Peling) und 1895, | fen bezweckten die Auffindung einer bequemen Uber:
Wellby und Malcolm, Deafy. Futterer und Holderer | landroute nad) dem ſüdlichen China, fo auc die Reiſe
gingen 1897 — 98 von Tiflis durch Ojtturfijtan, die von Colquhoun, der 1882 von Nanton aus den Si—
obi und Nordojttibet sum Oberlauf des Gelben fiang und Jüliang hinauffuhr, beide Flüſſe aufnahm
Fluſſes, Dann durd China bis Sdanghai. Ym Par , und dann über Pefe, Kaihua und durd das nod) un—
mirgebiet betitigten jid) Nafarow (1892), Bower und | erforidte Gebiet des obern Papien iiber Talifu nad
Younghusband (1892—93), Olufjen (1896 und 1898 | Bhamo ging. Im nördlichen Setſchwan reijte neuer:
bis 1899), auch die Mitglieder der engliſch-ruſſiſchen dings Parker. Der Dijtrift Hundes im weſtlichen Ti—
Grenjfommifjion 1895 und verſchiedene cingelne ruf- | bet wurde 1877 durd Ryall 3. T. aufgenonunen. Ju
fiide Forfder. Jn der Mongolei reijten PButjata | dasfelbe Jahr fallt die Reiſe des Ubbe Desgoding von
1891 (Hftlidjes Randgebirge: Inſchan, Chingan), der | Batang in Tibet nad) Tatſienlu in Setidwan. 1877
Ethnolog Chajfanjon 1895 im O. bis in die Man: | bereijte von Möllendorff den nördlich der Grofen
dſchurei, Monnier 1896, die Archäologen Radloff | Mauer gelegenen Teil von Tihili, und 1878 ging
(nordlide Mongolei) und Klementz (Djungarei), der | Baber in Setidjwan nad Tatjienlu. 1879 befuchte
Zoolog Leder (jeit 1899). Riley von der China Inland Mission mit Mollmann
- China, Korea und Japan. den Oinifdan, den berühmten Gotterberg im weſtlichen
Uber China gaben dic Aufzeichnungen Marco Polos | Setſchwan; Cajton reijte im äußerſten Nordweſten.
Die erſten zuverläſſigen Aufklärungen, fpater befonders | Die Mandſchurei durchkreuzten 188 1 de Mailly-Chalon
die iefuitirchen Miironare, dann die beiden englifden | und Baron Bénoijt -Viédhin von Dingtfe am Weer-
Gefandtidaftsreifen, die ebenfo wie die Reije Tim: | bufen von Liautung aus. Jn das Annere der Inſel
lowſtis ſchon erwãhnt wurden. 1830 begleitete Bunge | Hainan drang 1882 zum erjtenmal Henry mit Jere-
ruſſiſche Miffionare dorthin, 1823 —- V9 weilte Siebold | miaffen. Zu kommerziellen Zwecken bereijte 1883 der
870 Afien (neuere Forſchungsreiſen
engliſche Ronful Hofte dad Beden von Setidhwan, den
f r unbewobnten und neutralen Grenzſtrich zwi⸗
iden China und Norea 1884 Webjter und RoR und
1885 Gardner, die Brovingen Setſchwan, Jünnan,
Kwangſi und Kweitſchou 1885 — 86 Bourne; 1886
entdedten James, Younghusband und Fielford die
Ouellen des Sungari, den Sifiang befubr Schröter,
die Provinzen Fufién und Kiangſi durdwanderten
Wey und de Groot, den obern Jangtſeliang befubr
1887 Little ju Vorjtudien sur Ausdehnung der Dampf—⸗
ſchiffahrt. 1892 — 93 reijte Potanin mit Obrutidew
in China (Setſchwan) und den Gebirgen des nord-
Ditlichen Tibet, 1894 — 98 hat der Franzoſe Monnier
ausgedehnte Gebiete Djtajiens von Tongfing bis Korea
durchwandert und fehrte über Sibirien, Turan und
Perjien nad 32,000 km langen Streifzügen zurüch,
1899 der Belgier Fivé die nördlichen Provingen.
1897 -- 98 unterjudjte Cholnofy die große chineſiſche
: Korea, Japan, Hinterindien).
fiber Japan fonnte Pagis 1859 jon 672 Hef
fape und Werle verzeichnen. Wie erwabnt, eridloties:
die Umerifaner 1854 das Reid; Ojterreich fandee Er-
peditionen 1857(Ddie Novara) und, 1868, Breufem 1SSe
Die Urbeiten v. Scherzer und ſeiner Witarberter be
reifen den ganzen Ojten Aſiens; Fiore and”
ai beidrieben Hofmann und Sicbold, welch lew
terer fic) 1859 wieder auf 3 Jahre nad) Qapam be
gab. Naumann begann 1879 die Landesaufmabene
in Bezug auf Topographie, Geologie, agronowsride
Verhältniſſe, Ery- und Kohlenlagerſtätten x. Cure
pder und Japaner find bejtrebt gewejen, dad Imel
reid) gu bereifen und nad allen Ridtungen zu er
forjden, fo Rein 1874-75, Warfhall, SMmppeng
1875 ff., v. Draſche 1876, Wojeilow 1876, Yowecn
1876 ff., Kempermann, Gebauer, BWenjufow 1878 Ff.
| S Schur.
Wada, Wagener, Woolley, ’
Sdheube 1881, Siebold der jiingere 1882. ——
Ebene. Bon S. her find mehrere franzöſiſche Forſcher ſetzen die regelmäßigen Aufnahmen der offtsieliee
nad China gegangen: Madrolle 1893, Pring Hein- | Topographen und Geologen die Forjdjung fort.
rid) von Ori¢ans 1895, Bonin in zwei grofen Reijen PHinterindien.
1896 und 1898 -1900, während Wingate 1898 -99| Lange blieb diejer Teil Ujiens den Europdern vSlieg
von Shanghai nad) Bhamo und Yiinnan jog; ferner verſchloſſen, dod tat Crawfurd feit 1821 und Belle
die Expedition der Handelslammer von Lyon 1896 —- | qoir feit 1830, 1850 aud) Bowring viel fir die Er
1897. De Baulferre und Amundſen erforjdten 1898 | fundung. Mac Leod forfdte 1837 zwiſchen Salen
bis 1899 den mittlern Jan een Die Erwerbung und Mefhong; Heathcote nahm mit Suite und Remmoer
von Padtgebieten und Cifenbabn ffionen nate den untern Irawadi auf, wo feit 1856 aud Brandes
die europäiſchen Großmächte hat die Erforfdung der arbeitete. Außerdem bereijten Hintermbdien
betrejfenden Landesteile und deren Umgebung geför· Moubot (1859 — 61), v. Ridthofen (1861
dert, ruffjifderfeits in Der Mandſchurei, deutiderfeits Baſtian (1861 — 64), letzterer gu amen
namentlid) in Schantung (Frangius, Gaederg), durd jtudien. Kambodſcha wurde durd die frangdfiiden
Frangofen in Südchina (Hainan); verfdiedene Han- Eroberungen, das Grenzgebiet gegen China durch dee
delslommiſſionen wurden, | oo aud ind Innere, ent- Berſuche der Englander, von Birma fiber Bhamo emen
fendet. Die friegerijden Operationen der jiingften Handelsweg nad) China yu eröffnen, Defannt Dor
Dern
> 3
Vergangenheit haben dagegen der weitern Erforidung franzöſiſche tae Mens burdjog 1866 - 67
faum etwas Nennenswerles eingetragen. (S. übri- das Laosgebiet. Der Verſuch Coopers (1870), ao
gens aud den vorigen Ubfdnitt: Hodafien.) Irawadi zu gelangen. blieb ofme
oe nad Junnan
Die Erweiterung unfrer Kenntnis von Korea haben | Erfolg. Zu nennen find nod: Dupurs’
wir hauptſächlich n ju dDanfen, das 1879 die Er⸗ ded Songfoi in Tongfing (1870 ff.) und fein
öffnung von drei Hafen erlangte, worauf nod andre | Handel mit Junnan anjufniipfen, was 1873 zut Ern
Staaten (aud Deutidland) Vertrige mit Korea fdlof- — —— fiibrte (Zod Garniers); die Rev-
fen. Bis sur Poffjetbudt an der Nordgrenze drang fen von Morice in Franzöſiſch Kotſchinchina (1871
der ruſſiſche Oberſt Barabafd von der Ufjurimiin: | 1876), von Strettel im ndrdlichen Birma (1873-74),
dung durch nod) unbefannte Teile der Mandſchurei Vifludo- Waclay in Malaffa(1874—-75), wo 1755
vor. Oppert unternahm 1866 69 drei Fahrten nad
Korea. 1884 wanderte Bowland von Soul nad Fue
fan, Bernerfton von Söul nad Bengiang, Gottſche
unterjudte das Land geologifd. Carles folgte den-
felben Routen zur Unterſuchung der Brodufte und
ded Handels, 1885 befudte er auc dieGoldminen von
Phyonyang; 1485 —-87 bereijten Ralinowsfi und De-
latfewitid) Das Vand. 1888 madte Barat bier ethno-
qraphiide Studien, Webel 1889 umfangreiche Wuf-
aud Daly und 1879 Hervey Aufnahmen machten
Harmand überſchritt suerjt (1875 --77) die Basler.
ſcheide gwifchen Dem Welhong und dem Chinefiiden
Meer von W. her nad Hue. Viele andre
Reifende, Blanc, Uymonier, Boulangier, Bi
d'Angis mit Courtin Gautier, Delaporte, Reis, Sep-
tans, unternabmen von Kotſchinchina aus nad Stam,
Kambodſcha und Anam Erpeditionen. Auch im weit.
lichen Hinterindien waren neben engliſchen Forſchern
nahmen; Chaillé Long beſuchte 1888 die Inſel Quel- Franzoſen tätig, wie Marche und Deloncle in Walakta
part. Campbell unterſuchte 1889 das nördliche Rorea; Garanger unterſuchte 1882 die wirtſchaftlichen Ber-
fpater reiften bier der Ethnolog Varas, Brak, Wader, hältniſſe in Oberbirma, Bod die Tierwelt tm nörd
Gritnauu.a. Turley erforidte dad Grenggebiet gegen | licen Siam; der Pundit A -a nabm 1879-—80 emen
China. Auf Formosa reijten Bernard, Sdeetelig, noch unbefannten Teil des obern Irawadi bis in fem
Brooker, Thomfon (1872), Ibis und Beajely (1875), Quellgebiet (26° 8°) auf, wodurd die Wnnahme der
Corner (1876) und Steere. Seit der Bejigerqreifung Jdentitit des Sangpo mit dem Irawadi dbefeitagt
durd die Napaner haben fie auch auf Formoſa (1889 wurde. Mac Carthy fiibrte 1881- 87 cine Aufnahune
bis 1890 Durdquert von Ede) cine rege Tatigheit ent: der wichtigſten Teile von Siam aus; 1883 fiberfdprrtt
faltet; der Morrifonberg wurde 1897 und 1898 (dDurd Pater Blanc vom ſüdlichen Tongting and die Waijer-
Stdpel) eritiegen. Die Liuliuinſeln wurden in ihrem ſcheide des Mefhong nad Tran Nimb, Bater Babel
nordliden Teil von Döderlein, {pater von Chamber | erforfdte dic Flüſſe Am und Chao m Tong Te
fain und Furneß Durchforidt. Auf Hainan verweilte | loncle unterſuchte die ſchmälſte Stelle der
Swinhoe ſchon 1868, ſpäter Stuhlmann, 1881 nabm | Malaffa im Hinblid auf ibre Durchſtechung. Ness
Carpenter die Weſtluſte auf, Taylor unterfuchte den unterfuchte 1883 84 den Melhong und nabm [ANS -
Ojten, Warburg madte botanijde Sammiungen. | 1886 an der Fejtiegung der Grenge zwiſchen China
Aſien (nenere Forſchungsreiſen: Ojtindien, Indonefien).
und Tongfing teil. Das Gebiet der Sdan unter: |
fudjten 1883 — 84 Berucca und 1887—88 Jadfon.
1884 nahm Humann den Oberlauf de3 Langa auf,
Hardouin reijte int wejtliden Siam, Tenifon Woods
bejtieg den Gunong Bubu, Naville reijte von Süd—
anam yum Mefhong, Holt-Hallett in den Grenzſtrichen
awifden Birma und Siam, Woodthorpe und Mac:
qregor mit wiffenfdhaftliden Begleitern unteriudten
von Aſſam aus das Duellgebiet des Yrawadi, den
1885 Cairns oberhalb Bhamo bis Mogoung aufnahm.
Im Sultanat Pahang foridten 1885 Cameron, Swel⸗
tenbam und T. Woods. Die Stromidnellen des Me-
fhong itberwanden 1885 Reveilliere und 1886 de Fe:
figny und gelangten bis zu den obern Rataraften,
Vaudens unterfudte den Schwarzen Fluß in Tong:
fing. Die Annexion Birmas durd) die Englander
1886 get ihren Anlaß gu lebhafter Forfdungstatiq-
feit. Der Yrawadi wurde 1887 von Rimmer unter:
fudt und bis 240 km oberhalb Bhamo ſchiffbar be-
funden ; Gordon unterſuchte die beriihmten Rubinen—
— von Mogok; Woodthorpe u. a. vermaßen den
fdhindwin, den größten rechtsſeitigen Zufluß des
Yrawadi. Pavie verjuchte 1887 eine Verbindung zwi⸗
ſchen dem Mefhong und Tongfing zu erdffnen, dod
elang ihm fein Vorhaben erjt 1888 auf einer dritten
rpedition. Gauthier befubr 1887— 88 den Mefhong
von Luang- Prabang bis zur Miindung, Urder reijte
1888 nad) Sdiengtong und vermittelte die Unter:
werfung der Schanjtaaten unter engliſche Herrſchaft.
Archäologiſch tätig waren feit 1887 Tauptin und Four:
nereauin Kambodſcha und Siam. Cine Unterfuchung
des obern Songfot dburd Gouin ftellte die Beſchiffung
bis Laofai als unmöglich dar, wohin aber ein cigens
ebauter Dampfer 21. Juni 1889 dennod gelangte.
Für cine Eifenbahnverbindung zwiſchen Wham und
Birma unterfuchten 1888 Needham und Michell das |
Land zwiſchen Aſſam und Oberbirma, Roffet madte
1888 — 90 ethnographijde Reifen am Mefhong und |
Donnai, Anrep⸗ Elmpt ethnologijde nad Kambodida,
dann nach Siam, wo er dem Fieber eriag; 1888 —89
unterfudten Marquis de Mores, Thorel und van Drie:
fche die Grenze zwiſchen Tongfing und China. 1889
fonnte Heurtel wiederholt mit fleinen Dampfern die
Stromfdnellen des Mekhong forcieren; die ndrdlide
Grenze von Siam im Sdhangebiet nahm Ney Elias
auf, die ſiameſiſche Grenze gegen Tongting und Anam
Favie, der aud) 1890 den gangen Schwarzen Fluß
erforjdte. In Birma madten die Englander feit 1887 |
ratte Aufnahmen und bahnten feit 1889 eine |
qenaucre Crforidung des wilden Berglandes zwiſchen
igalen und Oberbirma an. Die beiden Quellflüſſe
des Srawadi, den Mehfa und den Mali, erforjdten |
1890 — 91 Barwid und Hobday.
Auf Hinterindien bezogen fich 3. T. die S. 870 er⸗
wãhnten Reijen des Pringen von Orléans (Aufklärung
der Jrawadiquelle) und v. Boning. Jn Birma forjd-
ten Walfer, Needham und Gray 1891 — 97; in Sian
und Malaffa Wanington Smyth 1891—96, Sfeat
1899 (naturwiffenichaftlich) befonders in Walaffa;
in den Schanitaaten der Geolog Ndtling 1891, Wr
der 1890 91, Lamington 1891, Pavie 1889 —
1891, Frau Maſſieu 1896 —97, Carey 1899; in
Franzöſiſch⸗Indochina Capet 1890 — 91(Lavs), Herſin
1892—-93, Simon 1896 (Mefhongfdiffahrt), Bel
1896 —97, Barthélemy und Warfay 1899 (ram).
Stevens erforjdte 1888 — 95 die hinterindifden Na: |
turvilfer; Otto Ehlers (der 1895 in Neuguinea einen |
frithen Tod fand) durchzog 1891 --92 9 interinbien
von Birma bis Tongfing.
871
. Oftindien.
Um die Erforſchung von Britiſch-Indien erwardb
fic) Die »Aſiatiſche Gefellfdaft von Bengalen« (ge:
riindet 1874) die größten Verdienſte. Wiffenfdaft-
ide Reifen madten Moorcroft 1812ff. am Indus
und in Kaſchmir, 1821— 42 Cſoma in Kaſchmir und
“und Labor, Wood 1835 —36 am Yndus, v. Hiigel
1835 — 386, v. Orlid) 1842 ff. in Hindoftan. Im
Himalaja forſchten Waugh feit 1844, die Botanifer
Hooler und Thomfon 1847—51. In dreijähriger
naturwiſſenſchaftlicher Reiſe erforjchten feit 1854 die
drei Gebriider v. Schlagintweit alle Teile Indiens,
des Himalaja und fogar nördlich desfelben. Godwin
Auſten madte 1860 Ff. tm weftlichen Himalaja bis
nad) Tibet hinein Wufnahmen; Lejean bereijte 1866
das Indusgebiet bis Kaſchmir; verſchiedene Punditen
durchzogen Nepal und Ladak fowie das ſüdliche Tibet,
Biantord, Dechy und Harman befudten den Siffim-
Himalaja, Woodthorpe machte mit Harman 1877 ff.
an der Grenze von Aſſam Aufnahmen, wo Baftian
1882 die Bergvilfer jtudierte. Ujfalvy arbeitete ethno-
fogifd) 1881— 82 im wejtlichen Himalaja bis gu den
Indusquellen, der afghanijdhe Miffionar Munſchi
Synd Schah 1882 und der Feldmeſſer Mac Nair 1883
in Kafiriſtan. Im Himalaja erjtieg Graham mehrere
Gipfel; Himalaja, Kafdmir, Hindojtan und Ceylon
wurden von E. Riebect durchzogen, Ceylon von Haedel,
wo 1884—86 F. und P. Sarajin gründliche For-
ſchungen anjtellten. Die Andamanen wurden 1880
burd) Hobday, die Nifobaren 1886 durd Strahan
aufgenommen. 1885 gingen Lodhart, Woodthorpe,
Hiles u. a. nad Gilgit und fiber den Hindufufd in
das Duell gebiet des Amu und nad Badakidan. Port:
man wurde 1886 mit der Vermeffung der Küſten be-
auftragt. 1888 madte Wahab in den Schwarzen
Bergen wertvolle Uufnahmen, Hartert leqte zoologi⸗
ſche Sammlungen in Wifam an, Walther führte geo-
logiſche Unterjudungen in Siidindien und Ceylon aus.
E. Schmidt forjdte 1889 unter den Drawida Ojt-
indiens und Ceylons; ju ethnographifden Sweden
ging Baſtian 1890 nad Ojtindien. Der Geolog Diener
madte 1892 bedeutjame Studien im mittlern Hima-
laja, deſſen Hochſpitzen und Gletſcher nenerdings die
Alpiniſten angelogt haben (White 1891, Mummery
1895, Workman und Frejhfield 1899). Bon andern
MReijenden find zu erwähnen: Ehlers (gl. den Ab—
fdynitt »Hinterindien«) 1890-91 quer durch Nord:
indien, night, der damalige Thronfolger von Ruf:
land mit Radde und Uchtowſti 1890-—91, Jagor und
Ehrenreid) 1891, Geiger 1895 —96 (Ceylon). 1892
wurden die Landfdaften Hunza und Nagas, 1893
Tidhilas von den Englindern eingesogen.
Yudonefien.
Auch dieNiederlander find in Erforſchung thres
Kolonialbeſitzes unermüdlich tätig qewefen, befonders
durch das Niederländiſche Inſtitul für Sprach-, Land-
u. Völkerkunde fiir Niederländiſch-Indien (feit 1853).
Ein wertvolles Werk lieferte 1820 Crawfurd. Jung—
hubn unterjudte namentlid Java, ebenſo gründlich
find die Urbeiten von Zollinger und Rofenberg auf
den Sundainfeln und Moluffen 1840 — 66. Seit 1857
war aud F. Jagor tätig. Wallace bereifte feit 1854
Bornes, Celebes und andre Inſeln mit ausgezeich—
netem Erfolg, Bernjtein 1855 die Moluffen, v. Ridt-
hofen 1860 Nava, Semper 1858 ff., UW. B. Meyer
1870—-71Gelebes und die Philippinen, Beccari 1865 ff.
Borneo, Montano 1879 jf. Borneo und die Philip-
pinen. Cine qrofe holländiſche Erpedition (Schouw,
Santwoort, Veth) erforſchte 1877—79 Sumatra, wo
872
1879 B. Hagen den Tobafce befudte. Borneo wurde
dburd) Bod, Tromp und Hager 1879 ff. und durd
Grabowffi 1881 von S., durd Gerlach 1881 von B.
, Witti 1881 Ff. und Hoffyn im RN. erforfdt.
ethnographifden Zwecken weilte Bajtian 1879 auf
umatra und Java, Charnay unterſuchte die mad-
tigen Tempelbauten auf Java. Im nördlichen Borneo
waren 1478 --87 tätig Dobree, Prettyman, Witti,
Pryer, v. Donop, Davies, F. Hatton, Treader und
Dalrymple, Daly, Hendrich, Waller, Beejton, Sefton
und Little. Forbes arbeitete( 1878 — 83) im weſtlichen
Java, im ſüdlichen Sumatra, auf Amboina, Timor:
laut, Buru und Timor. Riedel fdilderte die Uru-
infeln und bereiſte 1879 das niederländiſche Timor.
Dietz und Hagen reijten 1883 nach dem Tobafee auf
Sumatra. Ban Rijn van Wifemade befubr 1885 den
Siaf in Sumatra. Rapitiin A. Langen madte eine
Aufnahme der Keyinfeln. 1888 — VO forjdten bier
Planten und Wertheim. 1886 fiibrte Modigliani For-
ſchungen auf der Ynfel Nias aus. Das Innere von
Celebes unterſuchten Frang auf Wetalle, Widmann |
und Weber 1888 Flores geologifd) und zoologiſch,
van den Booef qeodatifd. Widmann forjdte 1889
nod) auf Sumbawa, Roti, Java. Guppy unterfudte
1888 die Norallenbauten ; Jacobson und Kühn mad:
ten 1887 —88 ethnologiide Sammlungen auf den
fleinen Inſeln. Die Battalander in Sumatra durch—
freugten 1887 v. Brenner und v. Medel, befubren
aud) den Tobafee, ebenfo Modigliani. Drei Expedi-
tionen nad) Flores unter van Sdelle 1889 — 90 hat⸗
ten mit den Emgebornen fdwer ju fampfen. Dod
wurde es 1890 von Meersburg durchkreuzt. Jin leg
ten Jahrzehnt wurde die Erfundung von Borneo febhr
gefordert durch Dunlop 1890, Hold 1891, Hariland
1892, van der Willijen 1894 (Durdquerung Südoſt⸗
borneos), vor allem aber durch die Expedition Mo—
lengraaff 1893—94, die naturwiſſenſchaftliche Studien
bejonders im Gebicte des Napuas madte. Rieuwenhuis
gelang 1896 die erfte Durdquerung der Inſel in ibrer
größten Breite. Jizerman durdquerte 1891 mit qrofer
wiſſenſchaftlicher Ausbeute Sumatra ; außerdem forſch⸗
ten bier Claine, Romewinfel, Heyting, Weſtenberg.
Volz. Die geologiſche Aufnahme von Java und Ma:
dura beſchloſſen 1896 Verbeel und Fennana durd eine
qrokartige Urbeit. Qn Celebes find an erjter Stelle
die Forſchungen der Briider Sarafin 1893 -95 ju
nennen, Dann die von Kruijt 13893 99 (Poffo: und
Lindufee). Die Kleinen Sundainſeln unterfudte Ten
Rate 1891, die Wolulffen Martin 1891 — 92, Külenthal
1893 94. Größere Musdebnung durch Den ganzen
Indifden Urchipel batten die Reiten von Pleyte und
die Hydrologiidh bedeutiame Tieffce Expedition von
Weber 1899 1900 (Schiff Siboga). Die Mentarwei
infeln wurden 1897 von A. Waak, die Chrijtmasinfel
1897 98 von Andrews, dic Malediven u. Lafadiven
von Gardiner 1899 (Morallenforfidungen) befudt.
Mnf den Ebilippinen forſchten Warde 1879 ff.,
Schadenberg und Roth 1881 (Manila), Landau und
Hans Meyer (Luzon) 1882, auf Luzon und Fala:
wan madte Marche 1879 --80 ethnograpbhifde und
anthropologiſche Studien, der Geolog Woods ftu-
Dierte Die Dortigqen Bulfane, Worceſter und Bournes
1889 M1 Dic Pflanzen- und Bogelwelt. Seit der
Beſitzergreifung durch die Amerilaner (1898) wird
die Erfundung der Rbilippinen, die baldige Pazifi—
gierung vorausgeſetzt, plarmafiger werden.
ran.
Die Kenntnis wurde gefördert durch die Geſandt
ſchaftsreiſen Elphinſtones 1808 — 1809 nad Rabul,
Aſien (nenere Forſchungsreiſen: Yran).
Pottingers 1810 nad Relat, Conollys 1829 vem
Raufafien nad Indien, Stinners 1835 fiber Baby-
lon nad Perfien, aud) durd Stoddart und Coneiips
Reife 18407. von Yndien durd Wfgbaniitan noc
Bodara. Wuf Blaramberg 1837-— 40 folgten om
Perjien Du Couret 1846 —47, Ubbot 1849¢.. Ser
YW. Williams of Rars und Loftus 1850f7., Egar-
notta 1852, der den von Kotſchy 1843 zum eritemment
wiſſenſchaftlich unteriudten Demawend erjtieg. 1457
bereijte Blau von Sinope aus einen Teil i
v. Seidlig 1856; 1859 —-60 begab fic ee preuriche
Geſandtſchaft unter Minutoli und Brugid nad Ber-
ſien, wobei abermals der Demawend unteriudyt wurde,
wabrend eine ruſſiſche Expedition unter Chanpfew
1858 —59 einen proben Teil Perjiens beretite umd
aufnabm. Die Yirbeiten der englifden Grenjfommert
jion 1870-—72 find befonders widtig fiir Den Citen.
Bellews reijte 1871--72 vom Indus durd Belu-
tſchiſtan nad dem *— bas nördliche Beriien, ma-
mentlid) Chorafan, beretjten 1873 Bafer und Gull,
1874 Napier, 1875 Mac — 1874 beginnen dec
Ausgrabungen von Undreas bet Buſchir und de ems
edehnten Reijen des Bhotographen Stolye um weit.
iden. Perfien. Gleichzeitig gab der Geolog Tiege
neue Aufſchlüſſe über Elburz uud Demawend. Sect
1875 madte Houtum + Schindler wertvolle Routen.
aufnahmen im periiiden Dienjten. Mac Ot er:
forſchte 1877 mit Lodwood das ndrdlide
jtan. Der engliſch-afghaniſche Krieg 1878 erweiterte
die Nenntniffe von Afghaniſtan durch Ruſſen umd
Englinder. Wn der Grenge von Ufghanijtan umd
Kaſchmir forfdte der indifde Bundit -Wolla«; am
andrer, Abd ul Subban, ging vom Kabul fiber den
Hindukuſch nad Faijabad. An Perfien beretite Ste-
wart 1880 ff, Chorafan und Daragez, Gafteiger Chan
1880 die Grenze gegen Belutſchiſtan, eine wiitentaft-
liche djterreidhifche Crpedition unter Bolaf, Wabner a
Prehler feit 1882 den Wejten, Lovett 1881 den Norden.
Jn Afghaniſtan wurde die Rordgrenye 1884 -
1888 durch cine britiſch- ruſſiſche Nommuiifion feit.
geſetzt. Die englifchen Delegierten nabmen daber dee
— Provinz Herat, faſt ganz Afghaniſtan⸗-Turti⸗
tan ſowie große Teile Des Hazaralandes und der
perſiſchen Provinz Choraſan auf. Eine 1884 vom
dſchab unternommene militäriſche Expedition
“flibrte sur Mufnahme der Tiler Zhob und Bort m
Oſtafghaniſtan, fpiter von Holdich —— Rey
Elias bereijte 1885 die Grenggebiete von Ufghantitan
und chineſiſchen Befis. Griesbad erforidte 1887 -
1889 Ufghaniftan auf ſeine Mineralfchage und unter-
fudte Dann mit Oldfield ebenfo Belutidijtan. Dos
franzöſiſche Minijterium entfandte Develay und Bei-
fon nad Berfien und Afghaniſtan, die britiſch indiſche
Aufnahme wurde auch auf Belutſchiſtan ausgedehat.
Aus den legten Jahren find befonders die Forſchum
gen von Mac Mahon und Holdich an der mdrichen
hrenze von Afghaniſtan und Belutſchiſtan gu nennen,
auferdem die von Leontiew und Katrin in der Waite
von Belutfdijtan. In Perſien madte Preece rm
Auftrag der engliſch indiſchen Telegraphengeſell ſchaft
1884 topographiſche Aufnahmen von Sdray bes
Dſchaſt am Arabiſchen Meer, Oberſt Bell durchreiſte
das ſudweſtliche Verſien, 1888 89 Belutſchiſtan und
Verſien. Dieulafoy unternahm 1885 Ausgrabungen
in den Ruinen des alten Suſa, Reed Durdwanderte
das unbefannte Gebiet zwiſchen Ragwim und Hama-
ban. 1886 befudte Radde Chorajan, das Bogdano-
witid 1886. -87 geologiid unterjuchte, Gore reijte
iiber Herat durd die Wuſte Lut nad Bender Abbas
Aſien (neuere Forjdhungsreifen: Vorderaſien).
Rodler unternahm eine geologiſche Reife in das Bad-
tijarengebirge und gum obern Karun, wo 1889-—90
aud) Curzon reijte; Lynd erforfdte das Badtijaren-
qebiet, Baughan die innere Wiijte. Hedin. bejtieg
1890 den Demawend, Stahl madte 1890 —-94 um: |
fajjende Reiſen durch Perſien, ebenjo wicder der Eng:
Linder Houtumt-Sdhindler. Umfangreiche Forſchun—
gen unternahmen ferner Curzon 1889-—-91, Biddulph
1891, de Morgan 1891-—92 und 1897—98 (archäo⸗
logiſch) Maunfell 1892, Sawyer, Syfes 1893-97,
Garre 1897-— 98, %. Stahl 1890—94. Die ardiio-
logiſche und cthnologijde Erfundung von Armenien
hat durch Beld und Lehmann (Rudolf Virdow-Stif-
tung) grofe Fortſchritie gemacht.
Vordrerafien.
Urabien, das im 18. Jahrh. trotz Niebuhrs Reife
fajt unbefannt blieb, wurde im Norden von Seegen
1807, Burdhardt 1812 und Sadlier 1817 ff. durd)-
ogen, Burdhardt fonnte 1814 jf. fogar Meffa und
edina beſuchen, Welljtedt bereifte 1834 die Siid-
und Siidojtfiijte, Brede 1843 Hadramaut, Du Couret
und Wallin aud das Innere, Burton durfte 1853
gleichfalls die heiligen Orte Arabiens betreten. Pal—
rave drang 1862—63 durd das Innere bis gum
Berfiiden olf vor, ¢8 folgten Guarmani (1864),
Belly (1865), Germain (1867), v. Maltzan (1865
und 1870). Seit 1870, wo Halévy feine archäolo—
gild widtige Reife von Hodeida tiber Sana nad
edfdran ausfiilhrte, Munginger und Miles Hadra-
maut, v. Malgan die Umgegend von Aden erfun-
dete, rubte die Erforfdung, bis 1876 Peters die
heißen Ouellen von Beſcheir und Miles Birema,
beides in Oman, beſuchte. 1877 reijte Doughty durd)
Hidſchas und Kaſim und erreidjte als erjter die Rui—
nenjtadt El Hidſchr (f. d.). Fajt diefelben Gegenden
durchzog Huber (1884 auf einer neuen Reife ermor-
det); Manzoni beſuchte 1877-80 dreimal Gana.
Eine Forjdungsreife durd) Siidweftarabien fojtete
Langer 1882 das Leben. Sein Nachfolger wurde
hier 1883 —84 Glafer. Blunt reijte 1878—79 mit
feiner Frau von Damaskus nad) Didof und durd
die Sandwwiijte Refud nad Schammar. Den Nord—
wejten bereijte zu epigraphiſchen Zwecken 1883 — 84
Euting unter Lebensgefahr. Snouck Hurgronje be-
fudjte 1885 unter Der Mase eines Schriftgelehrten
Meffa, Glaſer unternahm feine zweite und 1887—88
jeine dritte Forſchungsreiſe nach Yemen, wobei er
viele alte Inſchriften auffand. Hierher reijte 1887
aud) der Botanifer Deflers, im fiidliden Yemen
madte Schweinfurth 1888 reide botanifde Gamm-
lungen. Glajer febte 1892 feine Forſchungen zwiſchen
Hadramaut und Meffa fort. Als wichtigſte Reiſen
der letzten Jahre find ferner zu nennen Rie von L.
Hirſch 1893 (HMadramaut), Bent mit Frau 1893—94
und 1897 (Fadhli und Yafei), H. Müller mit Jahn
und Burg 1899 (Siidarabien und Sofotora).
Syrien, Palaftina und Sinaibalbinfel.
Ym Oſtjordanland und auf der Sinaihalbinfel forjd-
ten 1802 Leafe, 1803—1807 Seefen, 1808 — 12
Vurdhardt, 1831f. Midaud. Jn Paläſtina begann
1835 Titus Tobler feine über 30 Jahre verteilten
Forſchungen, 1838 Robinjon die feinigen. Weitere
Falajtinareijende find: 1837 Schubert, Moore und
Bele, 1841 Symonds, 1850 —51 Sauley, 1851 van
der Velde und Midon, 1852 Smith u. a. Bon Be-
deutung find ferner die Hdhenmeffungen von Roth
(feit 1857), die Expeditionen Grahams (1857) und
Wetzſteins (1858) in den Hauran und die djtlide
Wiijte, Gudring (1863 und 1870 —71) in Samaria |
873
und Galildia, Garovaglios und Vigonis (1869), Kie—
perts (1870) im Transjordanland, befonders aber
die von Tyrwhitt Drafe 1871 erdjfnete volljtindige
Vermefjung von Palajtina im Auftrag des Palestine
Exploration Fund, während Steever im Auftrag
einer aimerifanijden Gefellfdaft und 1881 Conder
die Aufnahme des Transjordanlandes in Angriff
nahmen. 1880 forſchte Lortet am Gee Tiberias,
Langer 1881 im Trangjordanland, Hall am Toten
Weer und im Wadi ef Uraba; 1885 fiihrte Sdu-
mader cine Aufnahme der vulfanifden Landſchaft
Didolan aus. Die Sinaihalbinjel wurde 1868 von
Wilſon und Balmer aufgenommen, Midian 1877—-
1878 von Burton erforjdt. Syrien bereijten Seiff
1871-72, Fraas 1875, Blunt 1877—79, Cahun und
Sadau 1879— 80, Hartmann mit Sdhumadper,
Euting, der 1883 bei Palmyra Inſchriften fammelte,
und Stiibel bis gum Hauran. Der 1883 aufgetaudte
Plan, den —— mit Dem Wadi ef Araba zu ver—⸗
binden, erivies fic) al8 unmiglid. Huil machte hier
eologijde und topographifde Aufnahmen, Walther
tudierte 1887 Fragen der dDynamifden Geologic;
Moris war 1884 und 1885 gwifden Damasfus und
dem Cuphrat und in Mejopotamien titig und bereijte
1885 mit Diener Mittelfyrien. Wuf Syrien und
Nordarabien erjtrectte fich die Reife von Baron Nolde
1893. v. Oppenheim madte 1893 und 1899 in Sy-
rien widtige arddologifde Entdeckungen. Zimmerer
und Oberhummer gingen gu gleichen Sweden 1896
von Mordfyrien nad Rleinafien. Jn Paläſtina
madte Blandenhorn 1894 geologijde Studien, Ker—
jten ridjtete meteorologijde Stationen ein. Blij-
Macalijter decte bei Tell-es-Safi (Judäa) Rejte eines
fanaanitijden Tempels auf. Rothpletz unterſuchte
1891 die Weſtküſte der Sinaihalbinjel geologi{d.
In den Euphrat-Tigrislandern unterjudte
Chesney 1835 f. das Cuphratbett behufs Herjtellung
einer Pojtverbindung mit Jndien, und 1872—73
vermaß Gernif cine bier gu erbauende Eiſenbahn.
Um Erforjdung der Ruinen in Mefopotamien mad:
ten ſich namentlich verdient (feit 1843): Botta, der
Entdeder der Ruinen von Ninive, Layard, Place,
Grant, Perfins, Shiel, Rid), Lynch, Ainsworth,
Sulgence, Fresnel, Oppert, Spiegel, Rawlinjon,
Smith u. a. WMefopotamien und Armenien
wurden 1849 von Walpole, 1853 von Langlois und
Petermann, 1855 ff. von Seidligp, Blau, Tidida-
tidew, Rotidy und Abich, lepterer durch Kurdiſtan
bis Perſien, 1880 von Cahun und Raſſam beſucht.
Wud) Moltfe, Schaefli, John Taylor, Floyer 1875,
Joſefowitſch 1882, Puchſtein und Sejter, Wünſch
1882 gaben Nachrichten über Rurdijtan. 1885—s86
madte Oberjt Bell cine militdrifche Meife in Meſo—
potamien und YUrmenien, Moris und Roldewey mach—
ten 1887 Wusqrabungen in den Rumen des ſüd—
lichen Babylonien. Der Ceolog Naumann ging
1890 nad) dem Quellgebiete des Cuphrat jweds Stu⸗
dien für die geplante Euphratbahn. Wundervolle
Ergebniſſe haben die 1888—96 betriebenen Ausgra—
bungen der Umerifaner Beters und Haynes in den
Ruinen von Nippur gebradht, die feit 1899 nod) fort-
geſetzt werden; fett 1898 forfdjte Noldewey in den
Ruinen des alten Babylon.
Kleinafien durdforfdten 1800 Wittmann, Leake
und Beauchamps, 1802 Browne und Seeger, 1809
bid 1815 Burdhardt, 1810 Clarfe, 1816 v. VProkeſch—
Oſten, 1823 Parthey, 1830 Midaud, 1834 ff. Texier,
1835 Hamilton (bis nad) Unmenien), 1835 ff. Ruſ—
feqger und Kotſchy, 1838 Fellows, 1839 Winsworth,
B74
1841 {. Micpert (im Rordweiten). Unter den fpatern
Crioridern ſtehen Ticuchatichew (iechs Retien, 1447
bis 155* und Kotichy. Der auc Copern, den Tau
rué, Syrien und Murdriten unterfudte (1840 -62),
in eriter Reihe. Wud foridten Hier Wordtmann
(18%) «5%, Loftus 1444. 52), Barth (1858 - 59),
Yejean (1465 67). Virchdologriche Unteriucungen
unternahmen Curtius und Hirichfeld 1871 f7., Ranet
und Thomas 1472ff7., Baumeriter, Eqgert, Favre,
Wandrot 1X74, Schliemann 1579 ff., VBirchow 1479,
Humann und Clarfe (die legtern in den alten Land⸗
fchaften von Troas und Pergamon, Humann 1882
aud) bei Vingora); ferner: Biſchoff 1451 und Benn-
bor? ISK] «KZ im Rilifien. Sen 1880 läßt England
bie ganye aftatiide Türlei aufnehmen. Seit 1881
war ber Ethnolog v. Luſchan bier fait alljabriid
tatig (188 90 mit oldewey) bei Ausgrabungen m
Sindſcherli im nördlichen Syrien. Der Umerifaner
Sterrett madte 1484 ~-85 archäologiſche Reiſen,
Ramſay beſuchte 1444 mit Smith, 1490 nut Hogarth |
mebrere Landſchaften, H. Miepert fete 1886 und,
1H8H feine Reiſen im Weſten fort, 1486 3. T. mit,
Schuchardt, der 1447 die lange geſuchten Ruinen von
Kolophon auffand, 1884 mut Fabricius, der fpater
bas Imolusgebirge relognoszierte. v. Dieſt nahm
1886 die Umgebung von Pergamon auf und machte
dann eine Reife gum Schwarzen Meer. Der Ruſſe
Cliffejew verfolgte 1486 von WUlerandrette nad) Sam.
fun anthropologifde 4wede, de Launay madte geo
logiſche Forſchungen in Lesbos, Thafos und Samo-
thrafe, Die Briider v. Quaſt geographiſche und ar-
chaologiſche im Nordwwejten. Geologiid tätig war im
Welten 1890 v. Burtowſti. im lepten Jahrzehnt
forſchten in Meinaſien arddologifd) 1890 -- 91 und
wieder 1498 Munro, Hogarth, Underjon, 1895 Sarre,
IHW Gebr. Norte (Gordium); botanifd) Bornmiiller
ISK . 90; geologiſch Schaffer 1900 (Rilifien); an-
thropologiid) Ramſay; geographifd) Märler 1893,
Wunro 1k4, Bureſch RSS 95 (Lydien), v. Dieft
1816, Leonhard 1800 1900(Aladagh), Figner 1900
(Bithynifche Halbinfel).
Kaukaſien bereiiten im Unfang ded 19. Jahrb.
Slaproth, IN11 Engelhardt, 1817 Porter, 1826 Schulz,
Ik2 Barrot. Sie drangen bis nach Armenien vor,
wo 1838ff. aud) Terier, Ya Guiche und Labourdon.
nave tatig waren, I5.44 52 Morig Wagner. 1836 ff.
forſchte Der Botaniker Rod, 1843 der Nationalifo
nom v. Harthaufen in Transfanfajien, wo 1850
Chod;to, Chanyfow u. a. gelegentlid) der Triangu-
lation ben Ararat beſtiegen. 1864 begann Radde in |
Tiflis ſeine verdienftvollen Forſchungen in Trans |
faufafien, Hocharmenien und im Siiden vom Kafpi-
ſchen Weer. Kaukaſien befucten 1875 O. Schneider,
Nov. Seidlip, Zagurſti, Prof. Miller, Romarow;
Yrmenien Deyrotle 1870, Tozer 1879, Clayton 1881.
Naturwiſſenſchaftliche Forſchungen unternahmen, be
fonders an den Wletidern, Dinnik, Roffifow (zuletzt
IMSH) UND Simirnow. 1887 führte Fürſt Maſſalfti
ethnographrſche und botaniſche Forſchungen in Trans. |
faufajien aus, “raf Bobririft eryelte cme reiche ar:
chaologiſche Ausbeute aus alten Rurganen, Tulatow |
erllomm IS8S Den Kasbel. Baron v. Ungern-Stern
berg erreichte die Spipe Des Elbrus, während am |
felben Tage Warfow, Bopow und WManufow den
Ararat eritiegen. Wummery bezwang den Koſchtan
tau, Holder, Codin und Wolley aud die benacbar |
ten Bitsy am Bezingigletſcher, wabrend Donkin und
vor bier thr Leben embiiften, Kunezow madte 1888 |
bid IRKY botaniide Beobachtungen auf der Nord
Afien (widstige Ereigniife feit 1884).
fette des Maufains, und im
1589 tatig Areibfield, Bowell.
Maltener 8. und €. Sella. Neucrdings rit
faius mel von Alpiniſten erfundet
Sella 1590, Merzbacher und Burticdeiicr 1691 (Ei
brug, Masbef) und 1592 (
v. Dechy 1897—G8. Der
eritieg 1890 -- 91 mebrere Gipfel (1893 —94 amd Dem
Vrarat, den 1894 Arzruni geologii® umteriandtri
Radde bat feine Erforidung atiens alydibrts
fortgeiegt. Buſch ftudterte 1896 die Gleticher des
Saufaius, Levier mt Sragnow 1890, Albew 1A,
Seiditg 1894 deſſen Elanyenwelt. Nwancwik ond
Wartow befucdten 1893, bey 1894 den Gotricherice.
1895 foridten tm Saufafus der Geolog Undreiies
und der Botanifer Kußne zow
Wichtige Ereignifie der Geſchichte Aliens feit SNE.
ISS4. 31. Jan.: Die Mevw-: Turfmenen unteveeriee BS
Begirte: und Here, er
britiſche Norbborneo Kompagnie erwirht bas
Putatanfluſſes. — 6. Quni: Anam erlennt
Protettorat ber Anam und Tongfing an. — 146. Jpeni-
Tranébaifalien, bas Amurgebdiet, bas Kiftengebiet
Wladiwoftot und Sachalin aus der Cocrverwaltang OS
fibiriens lodgetrennt und dem nenen Generalgowverne-
ment des Amur unterjtellt. — November: Der Babes
diftrift auf Borneo von der britijden Nordbormes . Ge:
fellidjaft erworben.
1885, Chinas Bertrag mit Franfreid fiber die
bon Tongfling. Aus den weftliden Teilen vom Pavia,
den Gebieten von Hami und Tidenti, den Nord ond
GSild - Tienfdhanlindern und dem dhinetiichen C¥trerfihas
wird bie mene Proving Cintfiang mit der Hampeieds
Urumtfi gebildet. — 7. Mary: Ldercinfommen goridee
England, Deutidland und Spanien: Die Juſeln Beles
bang, Banguey, Matarwalli 2. an der Nordipige vom Ger
neo ju Britiſch⸗ Nordborneo geidlagen, dem am 1.
April aud) die Mantiinfeln cinverteibt werden.
1886. 1. Qan.: Oberbirma bem indiſchen Kaiſerreich
vericibt. — Im Staate Qolebu auf der Halbiniei We
latta britiſche Verivaltung eingeführt. — China und Rep-
land vereinbaren die Grenge an ber Bucht vow Wiedore
ſtol. — Die Keelinginſeln dem Gouverneur der Streca
Settlements unterjtellt. — Qn Tirtiid=Armenien fai
neue Wilajets: Derjim, Ma Muret il-Asig, Deardetr,
Bitlis und Wan.
1887, 1. Jan.: Das Generalgouvernement Turfiftan enge-
begrengt und in drei Provingen geteilt: Str Darje (ded
Gebiet Sonu Darja mit dem Diftrift Sir Derja:, Ge
martand (friiher Serafidan) und Ferghana. — Der Zapema
Sten in Jentral= Nippon (Qapan) von Iſankawa abye-
zweigt. — 2. Juni: Das Generalgouvernement von OF
fibirien aufgeboben und die Gouveruements Demijew!
und Yrfutit nebſt der a cot Jakutſt zu cinem Gene.
ralgouvernement Jaku veretitigt. — 1, Ju: Gag
land und Rufland jcliehen in St. Petersdurg cimen Ber:
trag liber die Nordweſtgrenze Don Afghaniſtan. — 24. Yutt:
Formoſa, bisher sur Proving Fultan gehörig, ga emer
ſelbſtändigen Provinz mit ber Hauptitadt Taweifu ex
hoben. — 1. Rov.: Die Grenje zwiſchen Sind amd Bex
luticifian qenauer beftimmt und die Landſchaften Sho
rarud, Piſchin, Mas Mawas, Harnai, Thal, Chortalt wad
Sibi gu einem Verwaltungobe zirk alse Bnitridh. Belatan
ftan vereinigt. Die dftlicen Schanftacten unter britides
Schuß geſtelli — 4. Dez.: Der Staat Pabang anf bx
Halbiniel Malaffa ſchließl mit England einen Fremnd
ichaftevertrag.
ISNS, 1. Jan.: Tad neue BWilajet Beirut gebildet, Belta
großtentels jum Wuteifariflit Jeruſalem geſchlagen amd
das Wilajet Damastus auf Damattus, Hama un)
Hauran befdrinft, — Vt. Marg: Tre Cirhalfre ded Ge
bieté der Mara: Nogater vom Gouvernement Stawrep<!
qetrenut und dem Terefgediet cimvericibt. — 12. Wei
o?
Aſien (wichtige Ereigniſſe feit 1884;
Nordborneo unabhingigerStaat unter engliſchem Shug. —
6. Juni: Die Chriftmasinfel den Straits Settlements un-
terjtellt. — 9. Juni: Der Sif der Regierung der ruffifd-
jibixvijden Küſtenprovinz von Chabarowla nad Wladi-
woſtok verlegt. — Britiſch-Belutſchiſtan durd) Khetran
nebft den Barthantilern vergrößert. — Pahang anf der
Halbinjel Malatta erhilt einen britiſchen Rejidenten. —
17. Sept.: Englands Proteftorat iiber das Sultanat von
Brunei und iiber Sarawak. — 3. Dex. : Auf der japanifden
Inſel Shifofu das Ken Kagawa von Ehima und auf
Kiuſhiu Meyaſali von Ragofhima abgetrennt.
1889. Das transfajpijdhe Gebiet nad Bollendung der
Transtajpifden Eijendahn von Raufafien abgetrennt und
dem Generalgouvernent bon Turliſtan unterjtellt.
1890. 1. Qan.: Die Verwaltung der britiſchen Kolonie La=
buan der britijdjen Nordborneo-Kompagnie iibertragen. —
Die Nordgrenge von Kaſchmir bis an die Langstiler
des Narafaid) und Rastem Darja vorgejdoben. — 17.
März: Bertrag gu Kalkutta: China erfennt das englijde
Proteftorat fiber Sittim an.
1891. Qanuar: Britiſche Truppen riiden von Kohat in die
Tiiler des Sefid Koh, um den Miranzai die britiſche Schutz—
herrſchaft aufzuzwingen.
1892. Die Landſchaften Hunza und Nagos dem indiſchen
Kaiſerreich einverleibt.
1893. 1. Oft.: Siam verzichtet auf dads linle Ufer ded
Mekhong gu gunſten der franzöſiſchen Schutzſtaaten Anam
und Kambodſcha. — 24. Nov.: Rußland tauſcht mit Per=
fiert die Gebiete von Hiſſar und Abaffabad gegen den
Landſtrich Firiuſe in Chorofan aus, — Aus dem nord-
öſtlichen Sibirien zwiſchen 62 und 70° nördl. Br. und
134 und 166° öſtl. L. die nene Proving Anadyr gebildet.
1894. Afghaniſtan erkennt die Beſetzung von Tidaman
burd) die indijde Regierung an. — 1. Mai: Yatung in
Tibet als Vertragsmarft den Ausländern geöffnet.
1895. 11. März: Engliſch-ruſſiſche Verſtändigung über den
Pamir: Die Landſchaften Roſchan und Schugnan an Rub-
land iiberlafien, dafiir an Afghaniſtan Wadan und Teile
ber Landjdhaft Darwas. — 17. April: Friede von Simo-
noſeti. China tritt an Yapan die Inſel Formoja und die
Pescadoresinieln ab; Korea fiir unabhängig erflirt. —
20. Juni: Frantreid) und China vereinbaren die Grenzen
des Tongting und der din. Broving Jünnan. — Augquit:
Spanien und Japan verjtindigen fic) fiber die Grenj-
linien jivifden den Philippinen und den Pescadores-
inſeln. — Afghaniſche Truppen erobern Kafiriſtan. —
Tidhitral bem indijden Kaiſerreich einverleibt.
1896. 1. Quni: Teile der arabijden Halbinjel Ratar am
Perſiſchen Meerbuſen unter britiiden Schuß geftellt. —
Die malaiijdhen Staaten anf der Halbinjel Malatta: Pe—
rat, Selangor, Negri Sembilan und Pahang, Staaten:
bund unter britijder Oberhoheit.
1897. Aufſtand der Afridi und Aralzai an der indijden
Nordweſtgrenze. — 4, Juni: Der Unterlanf des Sitiang
in China fiir fremden Handelsverfehr freiqegeben. — 12.
Juni: Frantreid) erhalt von China die Erlaubnis jum
Bau einer Eiſenbahn von der Grenze Kotidhindinas nad
der Haupt{tadt von Yiinnan. — 3. Juli: Reorganifation
ber Serwaltung in Franzöſiſch-Indochina. — 14. Nov. :
Deutſche Marinetruppen bejepen die Kiautſchoubucht.
1898, 6. März: Bertrag zwiſchen Deutſchland und China:
bie Kiautſchoubucht auf 99 Jahre mit allen Hoheitsred)-
ten an Denticdland überlaſſen. — Unter ähnlichen Bedin—
qungen ertverben Rupland Porth Arthur und Talienwan
(auf 25 Jahre vorldufig), England 1. Juli (auf 99 Jahre)
den Hafen Wei-hai= wei. — 10. April: China fidjert die
Hergabe des VBodens fiir die Cijenbahn von Franzöſiſch—
Kotſchinchina nad Jünnan gu. — 27. April: Das Padht=
gebiet von Kiautſchou durch faijerlide Berordnung deut-
ſches Schutzgebiet; Sig des Gouvernenrs in Tjintau. —
10. Deg.: Friede zwiſchen Spanien und den Vereinigten
Staaten in Paris: Spanien tritt feine Hoheitsredte fiber
die Philippinien und Suluinjeln gegen 20 Mill. Doll.
an die Sereinigten Staaten ab.
1899, 20. Juni: Spanien vertanft die Rarolinen, die
Balan und die Marianen (ohne Guam, das die Ameri—
taner bejegten) fiir 16,750,000 Wt. an Deutſchland, das
den neuen Beſitz unterm 18, Juli gu deutſchen Saupe |
geographiſche Literatur und Karten), 875
gebieten erfliirt. — Ottober und November: Talſächliche
Beligerqreifung der Karolinen durch den deutſchen Gou-
verneur v. Bennigſen (auf Yap 6. Nov.). — Ottober:
Beginn de3 Winterfeldzugs de3 amerifanifden Generals
Otis gegen die Filipinos unter Aguinaldo.
1900, 13. Quni: Beginn der Boxerunruhen in Peking;
17. Juni: Erjtiirmung der Tatuforts; 13. und 14. Quit:
Kämpfe um Tientſin; 26. Yuli: der ruſſiſche Vizeadmiral
Mlerejew bejeBt den Hafen von Niutſchwang; 16. Ang. :
Entjag derin Peling belagerten Geſandtſchaften; 27.Gept. :
Graf Walderjce trifft als OberbefehlShaber der internatio-
nalen Streittriifte in Tientſin ein; 1. Nov.: ruſſiſch—
chineſiſches Abfommen über die Nordprovingen Chinas;
18. Dej. : Wiedererdffnung der Eiſenbahn Tientſin-Peling.
1901, 3. Jan.: Sturm der Deutiden unter Obert Pavel
auf die Befeſtigungen von Go-phu nördlich von Pefing. —
11. Jan.: Ofterreich-Ungarn ficert fic eine Riederlaffung
in Tientſin; Fengtin=Abfommen swifden Rupland und
China fiber die provijorijde Serwaltung der Mandſchurei;
20. Febr.: Gefechte der Deutſchen unter Hoffmeifter bei
Kwang-tſchang und am An⸗-tſu-ling; Ende Februar: Aus—
lieferung der Eiſenbahn Beling-Shan-hai-Rwan an die
Englinder; 4. April: Rußland läßt den Abſchluß des
Mandfdurei=Abfommens mit China vorläufig fallen;
9. April: Eröffnung der Eiſenbahn Tſingtau-Kiautſchon;
23. und 24. April: Kampf der Deutfden unter General
von Stettler bei Ku⸗Kuan gegen den chineſiſchen General
Lin; 25. Mai: Auflöſung des Oſtaſiatiſchen Expeditione⸗
forp3; 3. Juni: Abreiſe Walderjeeds aus Peling. — 7.
April: Aufhebung aller Binnenzölle in Perjien. — 7. Gept. :
Unterzeichnung des Friedensprotofolls gu Pefing. —
13. Oft.: Gutſchein fiber 450 Dull. Taëls von China an die
europ. Vertretung geqeben. — 6. Nov.: Lihungtidang q-=
ftorben, — 14. Dey. : Rückkehr des chineſ. Hofs nad Tſchili;
Aidingwanteds dem internation. HandelSvertehr geoffnet.
[Literatur.] Spezialdarjtellungen über gang A.
ſind nur in geringer Zahl vorhanden. Die Berichte
Der Forſchungsreiſenden bleiben daher die Haupt-
quellen fiir deſſen Renntnis. Von zuſammenfaſſen—
den Werken find hervorjuheben: YW. v. Humboldt:
Fragments de géologie et climatologie asiatique
(Par. 1832; deutid) von Lowenberg, Berl. 1832),
Asie centrale, recherches sur les chaines de mon-
nes et la climatologie comparée (Bar. 1843,
3 Bde.; deutſch von Mahlmann, Berl. 1844, 2 Bde.),
Die Beragfetten und Bulfane Jnnerafiens (in Poggen—
dorffs »Yinnalen der Phyſik«, Bd. 94, 1830); Rit
ter, Erdfunde von A. (2. Aufl., Berl. 1832 —59,
20 Boe.); Brauer und Plath in Stein-Hörſchel—
mann »Handbud) der Geographie und Statijtif«,
Bd. 2 (Leip;. 1858-64); Keane, Asia, with ethno-
logical appendix (Lond. 1896, 2 Bde); E. Reclus,
Nouvelle géographie universelle, Bd. 6— 9 (Par.
1881 ff.); W. Sievers, A. Cine allgemeine Landes:
funde (Leipz. 1892).
{ftarten.] dD'Unville, Carte de l'Asie (Par. 1751
bis 1753, 6 große Blitter); Ritter, Wtlas von VW.
(zu feiner » Crdfunde< gehörig, bearbeitet von Grimm,
Wahlinann und Riepert, Berl. 1833 — 54, 20 Bl.);
Klaproth, Tableaux historiques de l'Asie (Par.
u. Stuttg. 1824); v. Spruner, Utlas sur Geſchichte
Ufiens (2. Aufl. Gotha 1855, 10 Bl.); v. Spruner-
Sieqlin, Atlas antiquus (im Crjdeinen begriffen,
34 Bl., davon 1 —-14 auf A. Bezug nehmend); Grunde-
mann, WMiffionsatlas von VW. (daf. 1868 —70, 28
Karten); Kiepert, Phyſilkaliſche Wandfarte von A.
(1: 4,000,000, 4. Aufl., Berl. 1889); Johnſton,
General Map of Asia (4 Bl., 1: 9,218,000, Lond.
1889); Sydow-Habenidt, Wandfarte von A.
(1: 6,000,000, Gotha); v. Haardt, Überſichtskarte
der ethnographiſchen Verhialtnijje von W.(1 : 8,000,000,
Wien 1887); »Rarte der fiidlichen Grenggebiete des
aſiatiſchen Rußlands« (1 : 1,680,000, Petersb. 1894,
876
Zi BL;; €. Roverifi, Rarte des añatijchen Rug:
fand und ieiner Radbarlander (1: 8 A0),000, dan
1 Gd. Eriduterungen, Petersburg, Alademie der
Bijenidaiten, 140)); Carte d Asie< (1: 1,000,000,
Paint woe ara eat ti tm Erjcheinen
m
ber Ritite von Sarbimien den Golf von AW Die
Made von 50,9 qkm mit etwa 500
Afingo (Ujingo), See in Franjifid- Rongo
(BeEtafrita), ndrdtih vom Unterlaut des Ogowe, durch
den er geipetit wird, und in den er wieder abiließt.
wodurd cine um den ganjen See ftarfe Str:
— exyeugt wird. Der A. umidlieft cine pa
rde 1882 von Espinaijy aufgenommen.
—— — Pollio, Gajus, rom. Feldherr und
Staatsmann, Hedner, Geidichtidretber und Dichter,
. 76 v. — Py eit. 4n. Chr., ſchloß fic im Bürger⸗
aſar und Pompejus an erſtern an,
—* mit ihm 49 den Rubico, nahm ſodann an
Kriege Curios in Afrila teil, nad deſſen Nieder
lage durch König Juba er die überreſte des Heeres
rettete, wohnte der Schlacht bei Pharſalos, dem Afri—
laniſchen und Spaniſchen Kriege bei, war 47 Bolts:
tribun, 45 Prator und bierauf Statthalter im jen-
feiti Spanien. Rad Cajars Ermordung nahm
rtei fiir Antonius und fiir Die Triumvirn, ver-
waltete als Legat das transpadaniſche Gallien, wo er
fic) des durch Die ilungen bedriingten Bergil
hilfreid) annahm, befleidete 40 das Konſulat und
führte 39 strieg gegen t die Parthiner in Illyrien, wobei
er aud die Stadt Salona in Dalmatien eroberte.
Seitdem widmete er fic, mit Antonius zerfallen und
als ———— jut ſtolz, um auf die Verſuche Octa⸗
vians, ihn in das öffentliche Leben zurückzuziehen,
einzugehen, hauptſächlich literariſchen ——— und
Beſtrebungen und übte als ſcharfer Kritikler und als
Beſchützer junger Talente einen großen Einfluß aus.
Ferner gründete er aus der dalmatiſchen Beute die
erſte difentlide Bibliothel zu Rom im Vorhof ded |
Tempels der Freiheit auf dem Uventinifden Berg |
und feqte eine allgemein zugängliche reiche Kunſt⸗
jammiung an. Bon feinen zahlreichen Werlen hat
ſich leins erhalten. Den meiſten Ruf genoſſen ſeine
Reden, die nad) Quintilian durch Reinheit und Be⸗
ſtimmtheit des Ausdrucks, Gedankenreichtum und Leb-
ftigleit ſich auszeichneten, aber ohne ciceronianiſche
nmut waren (Fragmente in H. Meyers Oratorum
roman. fragmentas, S. 487/f., Bir. 1842). Ferner
fdjrieb er cine Geſchich⸗ der Bürgerkriege vom erſten
Triumvirat (60) an, vielleicht bis 42 reichend, denen
Tüchtigleit der Geſinnung. Selbſtändigleit des Urteils
und kerniger Ausdruck nachgerühmt wird ( Fragmente |
bei Peter, Histor. roman. fragmenta, S. 262 ff.). Mud
verfafte er Tragödien u. Epigramme. Val. Thorbede, |
De Asinii vita et scriptis (Leiden 1820); Wulard.
Hi
Anento —
Askenas.
unter gleihem 3 intel (Far. ea — Die
E. (Vem, 1996).
Asiaus (ct). Ciel ———— oder Gil sem
Logie
Embla (> >ilime<?) die Stammmutter; ſ. ——
Muthologie.
Astaion (jept UStalan), eine der fim? Haum-
ftadte der alten Ehuiiter am Wittetmerr, nõrdlich Dor
en juriideroberte = auf Saladins Befebl ge
idleift ; Richard Lowenbher; wollte fie wieder
befeſtigen. aber tm Baifenitillitand mit den Woslems
wurde beſtimmt. daß A. wilt bleiben ſollte. Bibars
lic® 1270 die Jeritorumg vollenden. Anſehnliche Rejte
beim beutigen Dorf C1 Didora
Astalonijde Jwiebel (Sdhalotte), i. Laud.
AStania (jest Isnit Gol), See im bellespont.
Phrygien, deijen Waier durch den Fluß Askanios ſich
in Ben Meerbuſen von Kios (Gemlif) ergießt. An
ſeinem —— lag einſt Hifaia (Rita), * Isnil
Astauien (Aſcharien), alte deutidhe Grafidaft,
das Stammiand des — ROBES espana
führte den Ramen von der — Bur
Aſchersleben. Stammovater der Askanier ijt be
Adalbert von Ballenſtedt (um 1000, ſ. Anhaut
ſchichte ä Sein lUrenfel Otto nannte ſich juerit *
von WU. Deſſen Sohn, Graf Albrecht, erhielt 1134
die Mart Brandenburg, die fein Geſchlecht bis 1319
beberridite. Der zweite Sohn Albrechts, Bernhard,
belam 1180 das — Sachſen, das ſich unter
den Nachfo —— ſeines ältern Sobnes, Albrecht, in
die Linien Wittenberg und Lauenburg teilte; jene er
warb die —— und erloſch 1423, dieie erloid
1689. Der jiingere Sohn Bernhards, Heinrich L.
begründete das anhaltiſche Fürſtenhaus (ſ. Unbalt).
Naͤch einer zweiten Zeritdrung (1140) bald wieder:
| bergeftellt, wurde die Burg W. 1252 die Rejideny emer
| Seitentinie des aslaniſchen Fürſtenhauſes. der Grafen
von A. oder Aſchersleben, die 1315 erloſch. Die Graj⸗
idaft fam darauf an das Bistum Halberjtadt. Die
Burg wurde 1444 an die Stadt Aſchersleben verfauft.
die fie abbredjen ließ. Mit der Safularijation des Bis
tums Halberjtadt fam die ehemalige Grafidaft YW ax:
Brandenburg; dod) fiihren die Fitrjten und Herzöge
| von Anhalt nod) heute den Titel »Grajen von We
Wsfanios, ſ. Ascanius.
Askariden, ſ. Spulwürmer.
UAstenads, i. Aſchlenas.
Askerfund — Asklepiadiſche Verfe.
MSerfund, Gafenjtadt im ſchwed. Lin Orebro,
int ſchöner Gegend an der ndrdlidjten Bucht des Wet-
terjee3, durch Zweigbahn mit der Linie Orebro-
Mijölby verbunden, mit (1g09) 1723 Cinw.
. Mskefe (griech. Askeſis; Aszeſe), eigentlid
Llbung; insbe}. die enthaltjame, miifige Lebensweife
Der qriedifden Athleten zur Aneignung und Erhal-
tung Der forperlidjen Kraft und Gewandtheit wih
rend der Vorbereitung auf die Nampfipicle; auf das
Jittliche Gebict iibertragen, das zur Erlangung höherer
Vollfommenheit auf Entſinnlichung geridtete Han-
Deln, ſowohl die freiwillige Enthaltung von finntliden
Geniijjen als die Crtdtung der finnliden Empfin—
Dungen und des Fleiſches iiberhaupt; im weitern
Sinn alles Handein, das die Erwerbung fittlider
Fertigkeit rein als folder gum Zweck hat. Die As—
Fetif bildet als Theorie der A. einen Teil der Etbit.
Bei fortidreitender Sittlichkeit wird ftatt einzelner
asketiſcher Handlungsweiſen (Tugendmittel) mehr nur
eine asletiſche Tendenz dic fittlide Pflichterfüllung be-
gleiten. Als Mittel, deren ſich die A. zur Erlangung
religiöſer und ſittlicher Volllommenheit bedient, gel:
tem, was die religiöſe Seite betrifft: 1) die Andacht,
weldje die Meditation und die Rontemplation in fid
ſchließt, und der fich als Hilfsmittel dic asletiſche oder
Erbauungsliteratur darbietet ; 2) die Bibelforſchung;
3) das Gebet; 4) djfentlide Gottesverehrung, Haus-
qottesdienjt, Erbauungsjtunden und NKenventifel;
5) der Gebraud der Saframente. YWuf der fittlicen
Seite ftehen: 1) die Selbjtpriifung und Selbjtbeurtei-
lung, gefordert durch Einſamkeit; 2) Umgang mit fitt-
lic) gereiften und vorbildlich wirfenden Perſönlich—
feiten. Herkömmlicherweiſe find es beſonders drei
Grundformen, in denen fic) die YW. in den Dienſt der
fittlichen Arbeit gu ſtellen unternimmt: 1) die formate
ibung der Willensfraft zur Beherridung unvillfiir-
licher Empfindungen, 3. B. des Ekels oder des Ab—
fdyeues; 2) das Entjagen, deſſen —— und na-
tiirlichjte Urt das Fajten ijt; aber aud) Eheloſigkeit
(Zölibat), freiwillige Armut und Gebhorjam, welde
drei Bunfte in der fatholifden Kirche als Consilia
evangelica empfoblen werden ; 3) die eigentliche Selbſt⸗
peinigung. Das Mönchtum, in dent die fatholifche
Kirche eine hihere Stufe des fittlidhen Lebens fieht, ijt
nichts andres als die durchgeführte, entwidelte und
organifjierte UW. in diefem engern Sinn, und das Wort
A., asketiſches Leben, gilt hier als gleichbedeutend mit
Mönchtum (Frankf. 1897, 2 Bde.).
Askẽt (griech.), ein der Wstele jid) Widmender, |
Büßer. Asketen (continentes, agonistici) werden
feit Witte des 2. Jahrh. diejeniqen Chrijten genannt,
Die fid) de3 Genuſſes von Speiſen durch häufiges Fajten
enthielten, nicht ehelichten oder den ehelichen Umgang
aufgaben, ihr Vermögen an die Armen verſchenkten.
Seit dem 3. und 4. Jahrh. haftet der Name an denen,
die al8 Unadoreten (f. d.) und Eremiten (7. d.) fid
von der Welt zurückzogen oder im Kloſter fid) ver-
cinigten. Asketik, Lehre von der Askeſe (7. d.).
soklepiadazeen (Seidenpflanzen, Schwal—
benwurzpflanzen) difotyle Familie aus der Ord-
nung der Kontorten, meift idlingende Pflanzen mit
groenitinbigen Blattern, vier⸗ oder fünfzähligen
litten (Fig. 1) und öfters zu einem frangformigen
Gebilde verwachſenen Anhängſeln der Staubblitter.
Der Bliitenftaub der A. bildet cine zufammenhangende
Majfe (Pollinien, f. Bliitenbejtiubung). Der Griffel—
fopf (ig. 2) ijt et grofer, oft fiinfedigqer Körper,
der Den beiden getrennten, oberjtindigen Frudttnoten
877
—— iſt und unterſeits die Narben trägt.
ie Samen beſitzen am Nabel einen Haarſchopf. Von
den etwa 1500 Arten iſt die Mehrzahl in der warmen
Zone, beſon⸗
ders in Süd⸗
afrifa einhei⸗
miſch. Alle
enthalten bit- /
ter = fcharfen, a4.
nicht ſeiten WS“ f
ätzend —— — 0
gen ilch⸗ — Sf \
ſaft. Die Bajt- i / \ \
fajern einiger sig 1. Bate von Fig. 2 Diefelbe Biite
Arten dienen Asclepias Cornuti. vergrdpert. Durchfemitt.
zu Geweben.
Asklepiaden, die angeblidjen Nachkommen des
Sohnes des Usflepios Machaon, die zunächſt berufen
waren, in den Heiligtiimern des Gottes als Priejter
und Vermittler de3 Heilverfahrens zu wirfen. Die
im Laufe der Zeit durch Erfahrung gewonnenen me-
diziniſchen Kenntniſſe erbten von ater auf Sohn
fort und wurden lange feinem Fremden mitgeteilt.
Bejondern Ruf genoſſen die U. von Epidauros, Knidos
und Ros; zu den foifden W. gehörte Hippofrateds
(f.d.). USflepiospriefter hießen nod) bis in die ſpäteſten
Zeiten W., und es ijt bekannt, daß dieje oft, ohne ärzt⸗
lide Kenntniſſe, mur bemüht waren, ihren Cinfluj
auf das Volk mit allen Mitteln, die ihnen der Uber:
glaube darbot, gu erhalten. Bal. Welder, Kleine
Schriften, Bd. 3, S. 8977. (Bonn 1850); Uffel-
mann, Die Entwidelung der altgriedijden Heil-
funde (Berl. 1883).
AsFlepiades, 1) qricch. Dichter aus Samos, um
270 v. Chr., Verfaſſer von BY meijt erotifdhen, durd
Zartheit der Empjindung und Formſchönheit ausge—
zeichneten Epigrammen in der griechiſchen Unthologie.
2) Arzt aus Pruſa in Bithynien, lebte in der erjten
Hälfte des 1. Qahrh. v. Chr. in Rom, anfangs als
Rhetor. Er verwarf den Gebrauch anaqreifender und
fompligierter Yrsneimittel und empfahl als Haupt-
mittel Didt, bald Wein, bald faltes Waſſer, Frottie-
ren, fdrperlide Bewegung x. Ob ihm die Erfindung
des Luftrihrenjdnittes mit Recht zugeſchrieben wird,
ijt sweifelhaft. Mit feinem Anhänger Themiſon galt
ev für den Stifter der methodiiden Schule. Die er-
( haltenen Fragmente feiner Sdjriften gab Gumpert
Mönchs- und RKlojterleben. Val. Zöckler, A. und
heraus (Weim. 1794). Vgl. Raynaud, De Ascle-
piade Bithyno, medico ac philosopho (Bar. 1862).
UAslleptadifde Verfe, swei antife Metra, der
Eleine, gebildet von zwei durch Zäſur getrennten
kataleltiſchen trochäiſch- daftylijden Tripodien, von
Denen Die erjte den Daktylus an zweiter, die zweite
an erjter Stelle hat:
*
wet lfuvws wu
und der groke, bei dem zwiſchen dieſe beiden Hälften
nod cin Choriambus eingeſchaltet ift. Nad) ihnen find
benannt die fünf asflepiadifden Strophen, von denen
die erjte von dem wiederholten Heinen, die fiinfte von
Dem wiederholten großen asflepiadijden Vers, die
zweite von dem dreimal wiederholten Fleinen und cinem
Glykoneus, die dritte von dem abwechſelnden Glyko—
neus und fleinen aSflepiadifchen Vers, die vierte von
dieſem zweimal wiederholten Bers, dem Pherefratens
und Glyfonens gebildet wird. Beiſpiel lesterer Art:
Sahin ift, Mutter Natur, deiner Erfindung Pradt,
Muf bie Fluren jerftreut, ſchöner cin froh Gefidt,
Das den grofen Gedanten
Deiner Schöpfung nod cinmal denkt.
878
Usklepicen Gries. Ustlepieia), Feſt su Chren | gi
des Usflepios, bejonders in Epidauros alle 5 Jahre,
7 Tage nad) den Iſthmiſchen Spielen, mit Prozeſſio—
nen, —— und muſiſchen Wettlämpfen gefeiert.
We lepicion, cin Heiligtum ded Asklepios (ſ. d.).
ASflepioddtos, griech Schriftſteller des 1. Jahrh.
v. Chr., heißt Verfaſſer eines Abriſſes der qriedifd-
mafedonijden Taftif (taktika kephalaia), Der indes
aud) feinem Lehrer, dem Philoſophen Poſeidonios
(j. d.), zugeſchrieben wird (Hrsg. v. Köchly-Rüſtow,
»Griechiſche Kriegsſchriftſteller · Bd. 2, Leipz. 1855).
Asklepios (lat. Asculapius), der griech. Gott
der Heilfunde, nad) der gewöhnlichen Sage Sohn des
Asklepios (Paris, Louvre).
Apollon und der Roronis, der Todjter des Phlegyas
u Lafereia oder Triffa in Theffatien, der Wiege fener
erehrung. Als Koronis, von Urtemis wegen threr
Untreue getitet, auf dem Scheiterhaufen verbrannt
werden follte, rettete YUpollon das Kind aus den Flam—
men und lich eS Dom Kentauren Cheiron aufziehen,
der es befonders in der Heilfunde unterridtete. Da
ex fogar Berjtorbene erweckte, erſchlug ihn Zeus in
der Befiirdtung, die Menſchen möchten durd A. ganz
dem Tod entzogen werden, oder auf Beidwerde des
Hades mit dem Blitz. Bei Homer ijt W., deſſen Söhne
Madjaon und Podaleiriog die Arzte des Griechenheeres |
find, cinfacher Heros, ebenfo bet Bindar; feine Ver—
gottlidung bat eben erjt allmählich allgemeine An—
erfermung gefunden. Als jeine Gemahlin galt Epione
(> die Lindernde«), als jeine Kinder namentlid) Hy—
Asflepieen — Aslaug.
cia und Telesphoros (ſ. d.). Sein Kult war
liber Die ganze Griechenwelt verbreitet; als Borort
galt Epidaurogs, wo ihm das berühmteſte Feſt (ſ. Us-
flepieen) gefetert und von wo aus eine Rethe vor
Todterjtatten begriindet wurden, wie Ros, Perga-
non, Rom it. a. Mit den gewöhnlich in Hainen, bet
Heilquellen oder auf Bergen erridjteten Tempeln
des UW. (WSflepicien), in Denen zunächſt das Geſchlecht
der USflepiaden (jf. d.) den Dienjt verſah, waren Kur-
anjtalten verbunden. Vielfad) wurde die Inkubation
(j- d.) angewendet, das Schlafen int oder am Tenrpel,
um im Sdlaf von dem Gott unmittelbare Heilung
oder die Offenbarung des Heilmittels zu erhalten.
Die Gebheilten hangten im Tempel Botivtafein auf
mit Dem Bericht iiber die Mur. Cine größere Sahl
folder haben die neueſten Ausgrabungen zu Gi
dauros zu Tage gefördert. Das übliche Opfer Ge-
neſener war ein 84 Stehendes Symbol des A.
iſt die Schlange; daher wurden vielfach in ſeinen
empeln Schlangen gehalten. Solche verſendete man
zut Begründung neuer Kultſtätten, ſo von Epidauros
nad Rom, als dort der Dienſt 203 v. Chr. bei einer
Pejt auf Befehl der Sibylliniſchen Bücher cingefiihrt
wurde. Yn Rom ftand der Tempel auf der Tiberiniel.
Val. Thramer in Roſchers »Lerifon der Mytholo-
a Bd. 1, Sp. 615ff.; Pietſchmann in Pauly⸗
iffowas »Realengyflopaidie«, Bd. 1, Sp. 1642 FF. —
A. gehdrt 3u den von der alten Kunſt am haufigiten
dargejtellten Gottheiten. Der gewdhnlide Ydealtypus
| acigt Den Gott bärtig, im Geſichtsausdruck ähnlich dent
Reus, nur milder und jugendlider. Die erhaltenen
Statuen zeigen ihn meiſt ftehend, im langen, die Bruft
frei lajjendDen Mantel, mit der redjten Achſel geftiipt
auf einen —— von der Schlange umwun⸗
denen Stab, den linken, vom Mantel verhüllten Arm
an die Seite geſtemmt, häufig auch gruppiert mit Hy-
gieia. Der ſchönſte Kopf (aud als Zeus erflart), aug
elo3 ſtammend, ijt im Britijden Muſeum, eine
—— angelegte Statue im Louvre zu Baris (ſ.
bildung). Bgl. v. Sallet, UW. und Hygieia (Pert.
1878); ©. Qiwe, De Aesculapi figura (Strajb.
1887); Brunn, Griechifche Götterideale (Münch.
Asfogon , ſ. Pilze. [ 1893).
MAsfoltn (Glycerinum sulfurosum), fonjentrierte
Löſung von fdwefliger Säure in Glyzerin, wird
äußerlich und innerlich als Arzneimittel benutzt.
Aſskomyzẽten, Ordnung der Pilze (. d.).
Askoſpore (griech.), ſ. Sporen und Pilze.
Askr, ſ. Wst.
Ustulap (Asculapius), ſ. Asklepios.
Dotulapſchlange, ſ. Nattern.
Ustulapftab, von ciner Schlange umwundener
Stab, Uttribut des Asklepios (ſ. d.), Symbol der Heil⸗
funde; Ubseichen an den Achſelſtücken der Militärärzte.
Mstulin, ſ. Roffajtanienbawm.
MUsfulinen (Aesculinae), difotyle Bilanyenord-
nung, darafterifiert durch vier bis fiinfgliederige
Bliitenfreije, zwei oft durch Ubortus unvollzählige
Staubblattfreije und zwei- bis vierfächerige Frucht⸗
tnoten; fie beqreift die Familien i Ace⸗
razeen, Sapindazeen, Hippolaſtanazeen, Vochyſiazeen,
Erythroxylazeen und Polygalazeen.
Aslarer Erde, cin at USlarer Hiitte bei Wetz⸗
lar dargeſtelltes Englifdrot.
Aslaug, nad der Ragnarsjaga Todter Sigurds
| und Der Brynhild, die Stammmutter der norwegiſchen
Könige. Sie wuchs als cine Urt Aſchenbrödel eran,
bis ber däniſche König Ragnar Lodbrof, der fury zu⸗
vor Witwer geworden war, fie fand und gu feiner Ge-
ASmanit
malin erhob. Ihre Enfelin Ragnhild wurde die Mut-
ter Harald Schönhaars, des erjten Alleinherrſchers
von gan; Norwegen. Un slau ace Ivar, der die
Stadt Yorf geqriindet haben ſoll, hat ſich die befannte
Sage von der Odjenhaut (Didojage) angefniipft.
Smanit, Viineral, von Maskelyne im Weteor-
teint von Breitenbad in Böhmen entdedt und wegen
ieſes Vorkommens nad dem indijden Wort A-Sman
(Donnerfeil) benannt, bildet Körnchen, die anſcheinend
rhombijd find, im iibrigen aber dem Tridymit, aud
in chemiſcher Hinjicht, entſprechen.
MAsmara, Ortidaft am Ojtabfall de3 abeffin. Hoch⸗
landed, 90 km fiidweftlid von Maffaua, 2327 m ii. M.,
1888 von Stalien befept, befejtiqt und mit einer Gar-
nifon belegt; A. ijt ſtrategiſch widhtig, da es die Haupt-
ſtraßen vom Meere nad) dem Hodland beherrſcht.
AS modi (qried). USmodaios, im talmud. Idiom
Aſchmedai, »Verderber, Dämon«), in den Apokry—
phen (Zob. 3, 8) der Cheteufel, Stirer der Che. Das
ort ent{pringt der Zendſprache (aeschma-daeva —
Aẽeſchma⸗Dämon) und bezeichnet den wolliijtiqen Kö—
nig der Damonen, der in der talmudifden Salomons-
fage cine große Rolle fpielt.
Wane, 1) Geor .
27. Nov. 1830 in Giehen, geſt. 1. Mai 1892 zu Bonn,
jtudierte in Gießen und Freiburg, war 1854—62 als
Ingenieur titig, übernahm dann bergbaulidhe Ar—
beiten in der Region des Obern Sees in Nordamerifa,
ließ fich in New York nieder und qing 1884 nad Curopa
zurück, wo er Lingern Mufenthalt in Berlin nahn.
Großen Erfolg hatte unter den Deutfden Amerikas
fein »>Wmerifanifches Skizzebüchelche⸗ in oberheſſiſcher
Mundart, cine Epijtel in Verfen von fojtlidem Humor
(1875). Cine zweite Epijtel erfchien im nächſten Jahre
(neue Ausg. in 1 Bd., Leipz. 1891); ferner die Novelle
»Camp Paradise (daf. 1877) und das »Gedichtbüchel⸗
chen⸗ (daf. 1891, mit zwei einaltigen Luftfpielen).
2) Pfeudonym fiir Matth. Claudius (7. d.).
MsSnieres (jor. anir’, W.-fur-Seine), Dorf im
franz. Depart. Seine, YUrrond. St.-Denis, 5km nord⸗
wejtlich von Karis, links an der Seine und der Weſt—
bahn, ijt der Mittelpuntt der Parifer Bootfahrten,
mit Bauwerfititten fiir Boote, Fabrifation von Reiſe—
artifeln, Starfe, Rarfum, cinem ſchönen Schloß nebjt
arf, zahlreichen Villen und (1901 31,836 Einw. In
der Mahe der 1900 eröffnete Pariſer Haustier-Fried-
hof (fiir Hunde, Ragen und Vogel).
MsnyF, Udam, poln. Didter, qeb. 11. Sept. 1838
in Kaliſch, geft. 2. Aug. 1897 in Rrafau, jtudierte in
Warſchau, Prestau und in Heidelberg, wo er 1866
als Doftor der Philofophie promovierte, feit 1870
lebte cr in Rrafau. Die zahlreichen lyriſchen Gedichte,
die UW. feit 1865 in polniſchen Feitidriften unter dem
Pſeudonym El... y verdjfentlidte (zuerſt qefammelt
Lemberg 1869, jest Krafau 1894, 4 Bde.; in Aus—
wahl deutſch von
hören zu den zierlichſten Erſcheinungen auf dieſem
Gebiet. Seine erſten dramatiſchen Verſuche, die Luſt—
ſpiele » Der Heliotropenzweig · (Lemb. 1869) und » Der
Kampf der Barteien« (Mrafau 1869), ferner das
Drama »Cola Rienzi« (daſ. 1874), auc) das mit Er-
folg aufgefiihrte Drama »Der Jude« (Daf. 1875) hal-
ten cine jtrenge Prüfung nicht aus. Bedeutend da-
gegen ijt das mit Dem Fredroprets gekrönte hiſtoriſche
Traueripiel -Kiejſtut · (Rrafau 1878; deutid von We.
v. Reden, Poſen 1880), das den tragifden Tod des
litauiſchen Großfürſten diefes Namens fdildert, nod
hervorragender die Luftfpiele ⸗Gebrüder Lerde« und
die »Konkurskomödie« (beide Rrafau 1888).
deutidamerifan. Dichter, geb.
. Gumplowic;, Wien 1887), ge: |
— Aſow. 879
Aſodiſch (griech.), mit Ekel oder Angſt verbunden.
Aſoka, |. Äcota.
Aſolo (pr. aßolo), Diſtriktshauptort in der ital. Pro⸗
vinz Treviſo, auf einer Höhe über dem Muſone, mit
Ringmauern, einem alten Schloß, worin Caterina
Cornaro (Königin von Cypern) 1489—1510 einen
literariſch glänzenden Hof hielt, und (von ca. 2750
(al8 Gemeinde 5847) Einw. Auch Rejte antifer Bader
und cine Wafferleitung find vorhanden.
Aſomaͤtiſch (qriedh.), unkörperlich, forperlos;
Ujomaton, ein unforperlides Wejen, Gott.
Mfon (Wifon), Bater de3 Jaſon (j. d.).
& son aise (fran}., fpr. a fonn A), nach feiner Be—
quemlichkeit, Gemächlichkeit; davon ſtammt das ſcherz⸗
haft⸗ vulgare: »in ſeinem Esse fein<.
à son gout (franz., fpr. a pong gi), nach ſeinem Ge⸗
Asopia, {. Zünsler. ſſchmack.
Aſõpos, antiker Name des Fluſſes von Hagios
| Weorgios tm Peloponnes, entipringt weftlid) von
Phlius, durchſtrömt die Ebene von Srfyon und mün—
det in Den Korinthiſchen Meerbuſen. Cin andrer A.
(jest Vuriendi) entfpringt im ſüdlichen Böotien un-
fern von Platää, durchſtrömt öſtlich die Landſchaft
Paraſopia und mündet auf attiſchem Gebiet unfern
Oropos ins Meer. Nach beiden find Flußgötter be—
nannt. Der böotiſche A. ijt Vater der Antiope (ſ. d. 1),
der fifyonifche der Ygina (ſ. Aakos). IS dieſer nad
deren Entfiihrung durd) Zeus auf Anraten des Si-
fyphos den Olymp ſtürmen wollte, wetterte ihn Zeus
in fein Bett zurück, wo man ſeitdem Kohlen findet.
Mfopos, der beriihmte Fabeldichter, dem die im
gangen Ultertum beliebte Kunſt, praftijde Lehren der
| ebensweisheit in jinnbildliche Erzählungen (Fabeln,
| Gleichniſſe) einzukleiden, ihre Wusbildung verdantt,
lebte um 550 v. Chr. Bon feinem Leben ijt als ſicher
nur befannt, daß er Der Sflave des Samtiers Jadmon
war und in Delphi eridlagen wurde. Dak er am
Hofe des Krdjos gelebt habe und mit den jieben Weifen
zufanunengefommen fei, ijt ſpätere Erdidjtung, ebenſo
| was Don feiner Haplidfeit und Eulenſpiegelhaftigkeit
| gemeldet wird. Cinen vollftindigen Roman fiber ſein
| eben haben wir aus dem Veittelalter fälſchlich unter
dem Namen de3 Planudes (Hrsg. von Eberhard in
»Fabulae Romanenses«, Bd. 1, Leipz. 1872). Sein
Name ward in der Folgeseit gleichſam Gattungsname
fiir Die Fabeldichtung iiberhaupt. Seine in projaijder
| orm gehaltenen Fabeln beftanden lange nur durd)
Tradition im Volfsmund; eine Sammlung foll zu—
erjt Demetrios Phalereus um 300 v. Chr. veranftaltet
haben. Aus dem Wltertum erhalten find uns nur die
| poetifdjen Bearbeitungen de3 Babrios, Phädros und
Avianus (f. d.). Wus dem Mittelalter ſtammen pro-
ſaiſche Metaphrafen äſopiſcher Fabeln (Gejamtausqabe
von Korais, Rar. 1810, und Halm, Leipz. 1863; tiber-
ſetzung von Binder, Stuttg. 1869). Bal. Grauert,
De Aesopo et fabulis Aesopicis (Bonn 1825);
Welder, Reine Schriften, Bd. 2 (Daf. 1847); ©.
Keller, Unterjuchungen über die Geſchichte der grie—
chiſchen Fabel (Leips. 1862).
Aſöt (griech.), Wiijtling, Schlemmer; Wfotie,
Wüſtlingsleben.
Afow, Flecken im Doniſchen Gebiet (Rufland),
am Don, unweit deſſen Miindung in das Aſowſche
Meer, war früher eine wichtige Feſtung und eine blü—
hende Handelsſtadt, iſt aber infolge der Verſandung
des Hafens in Verfall geraten. Es zählt (1885) 16,581
Einw., die vornehmlich Fiſchſalzerei treiben. Etwa
15km nördlich fag im Altertum die griechiſche Kolonie
Tanais, die im 4. Jahrh. n. Chr. von den Hunnen
Biow (i. — vit en Buen des Séwaryen
Rubangebiet
imbalt von 37,605 qkim (653 C§ ), woven 106 —
auf bie Inſeln entiallen. Es nimmtt aus dem ĩĩudlichen
Ruhland ben aniehnliden, nichteiden Ton und ie
bas —— (f. —— ——
durch die gelangt. Der
reichtum bes Ufowichen Meeres ijt ſehr qrok und lie:
—— bedeutende Cuantitaten Leim. Ravtar, ge
und gefalyene Fiſche Seine größte Tiefe
tragt nur 15 m und finft auf der Reede von Tagan-
rog auf 3,5 m herab. Dieſe Seichtigleit, verbunden
mit dem U daß es vom Rovember bis Upril
meiit mit Gis bededt und ftetS von beftigen Stiirmen
heimgeſucht ijt, fegt ber Schiffahrt und dem Handel
roße Gefabren und Beidrantungen entgegen. Seine
Hextretyaaetie find bie Hafen von Berdjanif, Mariupol
und befonbders Taganrog (7. die einzelnen Vrtifel).
Leider madt ſich bei legterm Hafen eine auffallende
Ubnahme des Meeres bemerflid, fo dak qrofere Schiffe
jest bis 30 km vom Lande entfernt anfern miifjen.
Genaue Meffun _ haben ergeben, da das Niveau
des Aſowſchen Meeres bei der Weerenge von Stertid)
um 1,451 höher liegt als das des Schwarjen Meeres.
zr. Gr:
- NH,CH.CO,H umd @mmoniaf. Sai deriem
ne
Aivaragiz CHAN, ster CHSVt NE_NS.
CHLOO, HL dos fim? Dez Ghemboberercigers. tae
“a tm vncien Giengen. nementied oe Secs - Soe
oc, Yeqummoien-, Gerreibe- ced «
Sunterahe. Qerietein x). belie: tare az? oor
love tr-talle, idumed: fede. wiberind Loe SS bee =
berm Roden mut Wifaiien oder Saure= Lizlsaize
Teqimiaure, Wmdobcrmirmiaure. «Hi, art
fommt aud fuzidymedendes Recht saiparegi a oe
das ñch von jenem nur durch die Lage der
iden Sriitalliadhen + Rechts mad Vote
aiparaginiaure fic) zu emer cpt meal
tipen Vit a bat WL. arzneilich bea
——— (Spargel), —— der Vas
yen, Krãuter oder Halbitrauder mit untertrdcher
Grumbadie, von der die oberirdiiden. mehr oder
—— verzweigten. — ——
ee Achſeln — Wite oder Bade!
von ſterilen, Imealifcben lem, bidweilen aud
ein zelne blattartig verbreiterte —
iteben, neben denen einzeln Blůtenjtiele oder Dolden
oder Trauben auftreten. Die Frucht ijt cine
einſamige Beere. Etwa 100 Yirten m der Alten
bejonders in regenarmen Gebieten. Son mebreren
Vrten, bei uns von A. officinalis L., werden die jungen
Zchoſſe gegefien (jf. Spargel). Wndre Yirtem, mee A
decumbens Jacq. vom Sap, mit unſcheinbaren. fit
lich —— Bliiten, A. Sprengeri Rgi. aus den
bergen, A. plumosus Bak., ein fa
rnãhnlicher
| Halbitraud) Siidafrifas, A.acutifolius L. und A. ten-
Im Wittelalter hatten Venezianer, Genueſen und
Viſaner bedeutende Riederlajjungen an ſeinen Siljten
—— unter denen Tana (i. Aſow) die größte
andelsberuhmtheit erlangte.
friegs wurde im Wai 1855 von den Weſtmächten eme
Erpedition unter Lyons und Canrobert nad Kertſch
und dem Aſowſchen Meer unternommen, wobei viele
ruſſiſche Sdhiffe und mehrere Küſtenplätze zerſtört
wurden.
Aſowſche Steppen, die diirren, unfrudtbaren,
höchſtens als Biehweiden ju benugenden Ebenen am
untern Manytid) (f.d.) und Don bis an das Aſowſche
Während des Krim⸗
nifolius Lam. aus Siideuropa, A.medeoloides Thue.
(Medeola oder Myrsiphyllum asparag cides), mit bin
und ber gebogenen verjweigten Stengeln und eiform
ger. fpipen Boyllofladien, vom Sap, find beliebte
— ——— und Zimmerpflanzen und idee Ga treff-
liches Bindegriin. Val. Harms, Flieder und A. Lebr-
bud) der Anzucht, Kultur und Treiberei (Erfurt 1897).
Ufpafia, beriihmte Frau de3 Ultertums, Todpter
des Axiochos, fiedelte aus ihrer Geburtsjtadt Wilet
mit ihrem Vater nach Athen über und entzückte bier
alle Manner durd) ihre feine Bildung und thre an-
mutige, geiſtreiche — ſelbſi Sofrates ſuchte
Weer. Der Woden, offenbar früher Meeresgrund, auf, um ihrer Rede zuzuhören. Eine bedeutendere
unter deſſen Oberfliiche ſandige
en, ate te mit Diirftiger Vegetation, von tief ein⸗
chneidenden, triage dahinſchleichenden Bächen durd)-
ſchnitlen. Dem Acerbau faſt gang unzugänglich, bie-
Kalfiteinfdichten lies Stellung erlan
te fie durch die Belanntſchaft mit
Perifles, der fic) von feiner Gattin trennte und wm
445 v. Chr. mit A. verheiratete; da Ddiefelbe jedoch
eine Ausländerin war, fo war die Ehe nidt rechtlich
Afpafiolith — Aſpern.
vollgültig. Bald von den Gegnern des Perikles in den
Komödien als die Hera des olympiſchen Zeus, als die
neue Omphale oder Deianeira, die den Herakles ge—
bändigt, verſpottet und ſogar von Ariſtophanes die Ur⸗
heberin des Peloponneſiſchen Krieges genannt, wurde
fie furs vor deſſen Beginn 432 von dem Komödien—
Didter Hermippos der Gottloſigleit und der Verfup-
pelung freigeborner Frauen an Perifles angeflagt,
Der fie felbjt unter Tränen verteidiqte und ibre Frei-
fpredjung erreidjte. Nach Perifles Tode vermiablte fie
fich mit dem reidjen Lyfifleds, einent feiner Freunde,
verlor ibn aber ſchon ein Jahr darauf, bat dann in
Vitifa weiter gelebt und ijt dort aud) gejtorben. Die
ihren Namen tragende Biifte in Batifan ijt nidt ihr
Portrait. Val. Beeq de Fouquitres, Aspasie de
Milet 1 son 1872). R. Hamerling hat U. zur Heldin
eines Romans (1876) gemacht. — Cine jiingere W.,
ihrer blithenden Gefichtsfarbe wegen urfpriinglid
Milto (die Geſchminkle«) qenannt, die Tochter des
Hermotimos aus Phokäa in Yonien, war die cinflup-
reiche Freundin des jiingern Kyros und fam nad
Dejjen Tode bei Kunaxa, 401 v. Chr., in den Harem
Des Perjerfinigs Urtarerres, der fie ebenfalls ſehr
auszeidnete. Später (um 362) wurde fie die Ber:
anlafjung ju einer Empirung von deſſen älteſtem
Sohn Dareios, der dabei ums Leben fam.
Ajpafiolith, Mineral, Zerjegungsprodult de3
Cordierit (f. d.).
Aſpe, jovicl wie Efpe, ſ. Pappel.
Ajpe, 1) (Vallée d'.) ein romantifde3 Tal der
weſtlichen Pyrenäen, das, vom Gave d'V. durd):
flojjen, am 2707 m hohen Bic dU. auf der jpanifden
Grenje beginnt und ſich in nördlicher Richtung 50 km
bis Oloron erjtredt. Die Sahl der Bewohner beträgt
etwa 9000. Unter legtern befindet fic) im Dörfchen
Djfe feit Jahrhunderten cine protejtantifde Gemeinde
vow etwa 150 Berjonen. Bei Urdos liegt die merk—
wiirdige Felfenfejte Bortalet. Das Aſpetal war friiher
ene Hepublif unter dem Schutz der Fiirjten von
Béarn. Aus dem Tal führt iiber den 1640 m hobhen
Col de Somport(Summus portus) eine alte Rimmer:
jtrake nad —— — 2) Stadt in der ſpan. Pro—
ving Wlicante, Bezirk Novelda, mit Objt- und Wein-
bau, Marmorbrüchen, Branntweinbrennereien und
(1900) 7927 Einw.
Aſpekten, die gegenſeitigen Hauptitellungen der
Planeten, der Sonne und des Mondes im Tterfreis
Die bemerfensiwertejten find: vangenunterſchied
4 ber Geftirne
Sonjunttion (Qufammenfunft) . 4 oe
Dppofition (Gegenjdeinm) . . . 8 180°
Trigonals (Gebdritt-) Schein . A 120°
Quadrats (Gevierts) Sein 2 . J 90"
Serxtil- (Gejedft-) Sdein. 2 . 60°
Abgeſehen von den beiden erjten, haben die A. wenig
Bedeutung fiir die Wijjenfdaft. Um die AW. anju-
geben, werden die ſymboliſchen Zeiden der Blaneten
zu denen der A. felbjt gefest; 3. B. Ato bedeutet:
Jupiter und Mars in Konjunttion. Befindet fic) der
Mond mit der Sonne oder die Sonne mit den obern
Planeten im Quadratidein, fo gebraucht man dafiir
den Undsdrud Quadratur. Yn der Uftrologie haben
die A. ihre bejondere Bedeutung; die Ronjunttion des
Jupiter und Saturn 3. B. heist die große und, wenn
fie in Dem Zeichen des Widders erfolgt, die größte.
Wfpele, ſ. Mespilus.
Mspelt, ſ. Keter von Wspelt.
Aspen City, Bergbauftadt im nordamerifan.
Staat Colorado, Grafſchaft Pitkin, (goo) 3303 Einw.
Meyers Ronv.- Lezifon, 6. Mufl., L Bo.
881
Aſpendos, im Witertum durd Handel bliihende
Stadt in Pampbhylien, am Eurymedon, 12 km von
deſſen Minding, Kolonie der Urgiver. Unter ihren
der Kaiſerzeit angehdrigen Triimmern (beim Dorf
Bally) befinden fich cin gut erhaltenes römiſches Thea-
ter mit pradjtvoller Szenenwand, cin Nymphäum,
cine Bajilifa und eine grofartige Waſſerleitung.
Asper (lat.), rauh; Spiritus a., ſ. Spiritus.
Wfper (neugriedh. UWspre), vormaliger Weiß—
pf pose! in Den Landern der ottomanijden Pforte,
mit Dem Tugra auf ciner friiber hohlen Seite, Grimd-
lage der Redynung; 1 Bara —= 3 gemeine UW. Das
Ditinggeleg von 1843 teilte den Bara der Goldvaluta
in 2,5 UW. (oder Mina), der Silbervaluta in 3 U. Jn
Vgypten hat der Piajter 100 gute oder 120 Kurant—
U., in Raivo aber 80 Kurant⸗A. von 0,2 PF. Wert.
In Tunis hatte der Piafter 52 A. zu 2 Flus, in Al—⸗
gier der Karub 14 fupferne W. (Drahem fegar).
Asper, Hans, Maler, geb. 1499 in Zürich, geſt.
dajelbjt 1571, war in feiner Vaterſtadt viclfad als
Fajfaden:, Fahnen- und Wappenmatler, als Zeichner
fiir den Holzſchnitt, vornehmlid) aber als Bildnis-
maler titig. Bon feinen Portriiten, die ihn als tüch—
tigen Riinjtler mittlern Ranges ausweiſen, befinden
ſich cinige, darunter das Zwinglis, in Zürich.
Asperg (Usberg), Stadt mm wwiirttemb. Necar-
freis, Oberamt Ludwigsburg, an der Staatsbahulinic
Bretten - Friedridshafen, 270 m it. M., hat cine
evang. Rirdhe, Cisfdrantfabrifation, eine chemiſche
Fabrik, Gipswerk und (1900) 2609 Cinw. Dabei die
ehemalige Bergfejtung Hohenasperg (f. d.).
—— (lat, beiprengen.
Aſpergillum (lat.), der Weihwedel.
Aspergillus Micheli, Pilzgattung aus der Ord-
nung der Askomyzeten. Die Sporenſchläuche entitehen
im Innern kleiner fugeliger, rings geſchloſſener Frudt:
forper (Perithezien) und werden bei der Reife durch
Rerfall der Frudjtfirperwand (Peridie) frei. Die
Perithesienbildung tritt verhältnismäßig felten ein
und ijt fiir manche Urten nod) unbefannt. Cine reid:
lidere Vermehrung erfolgt durd) Konidien, die an
zahlreichen, von dem blaſenförmig aufgetriebenen
nde aufredter Aſte ausftrahlenden kurzen Stielzellen
(Steriqmen) in langen Ketten abgeſchnürt werden.
Die A.-Urten bilden meiftens auf toten organifden
Körpern, namentlid) Objt, Brot, Mist, ſchimmelartige
Ubersiige und werden wegen der Gejtalt der Konidien—
träger als Kolbenſchimmel bezeichnet. A. herba-
riorum Fisch. (qraugriiner Rolben{dimmel
bildet qraugriine bis olivgriine Überzüge auf feudt
lieqenden Pylangenteilen, bejonders auf eingemachten
Früchten. A. fumigatus de By. bildet ſchmutzig
braungriine Raſen und veruriadt auf feimender
Gerſte cine Erhigung derjelben bis auf 60°. A. ory-
zae Cohn wird in Japan bei der Herjtellung des Reis-
weines (Safé) und der Sojafauce techniſch verwendet.
Viele Urten von A. können bei Menſchen und Tieren,
wenn ihre Sporen in den Atmungsorganen oder int
Gehörgang zur Keimung gelangen, CErfranfungen
(Aſpergillusmykoſen) hervorrufen. Vgl. Weh—
mer, Die Pilzgattung A. in morphologiſcher, phyjio-
logiſcher und yſtemaliſcher Beziehung (Genf 1901).
Afperifoliageen, joviel wie Borraginazeen.
Aſpermãtiſch (griech.), famentos; Wj permatis-
mus, Samenloſigkeit bei Mannern; manntide Un-
frudtbarfeit wegen Mange! an Gamen.
Aſpern, Dorf in Niederdjterreich, Bezirlsh. Grof-
Engersdorf, an cinem linfen Seitenarm der Donau,
an der Dampfitrakenbahn Wien - Gro} - Enjersdorf
56
882
elegen, bat cine Zünderfabrik und ose egy ne n
5 —* liegt das Dorf Eßling (7. d.). Oſtlich
und ndrdlid) brettet fi das Marchfel d ans, das im
BW. vom Biiamberg begrenzt wird. Bei dieſem frand
feit 16. Mai 1809 die Armee des Er, $ Sari.
der fid) nad) den ungliidlichen Kämpfen bei Regens-
burg auf dem Umweg über Bobmen wieder nad der
Donan juriidge,ogen hatte, entidlotjen, den ftrateqtid
— be wo ſich Die Straßen * —— en.
ahren un arn vereinigen. gegen Napoleon zu
verteidigen. Die jen waren 13. Mai in Bien
eingeriidt und ftanden. etwa 90,000 Mann jtart, auj
bem rechten Ufer der Donan, die fie zu iiberidreiten
entidlojjen waren (vgl. nebenitebendes Tertfartden
‘, —
ſRärtchen der Schlacht bet Aſpern (A. Mai 1309).
ber Schlacht bei A.). Zum —** wãhlte
Napoleon die Stelle, wo, etwa eine Meile unterhalb
Wien, die Inſel Lobau von zwei Armen der Donau
umſchloſſen wurde. Am Mittag des 20. Mai began:
nen die Franzoſen den uͤbergang über den nördlichen
ſchmälern Flußarm und beſetzten die Dörfer A. und
Eßling; ſie hatten bis zum Nachmittag des 21. etwa
32,000 Mann auf das linte Donauufer geſchafft, und
zwar fo, daß Maſſena bei A., Cannes bet Eßling und
wifden beiden die Reiteret unter Napoleon ſelbſt
fonben, als Erzherzog Karl mit feiner ganzen Armee
(87,000 Mann) jum Angriff febritt. Erſt nad ftun-
denlangem Kampf in den Straken und tn den Häu—
fern, und nadjdem der franzöſiſche Reiterangrijf an
der Kaltblütigleit der öſterreichiſchen Infanterie ge—
ſcheitert war, gelang es dem Erzherzog Karl, die Fran—
zoſen aus A. hinauszudrängen; ihre Verſuche, das
Dorf wieder zu nehmen, mißlangen. Dagegen ſchei—
terten die Angriffe der Oſterreicher auf Eßling, und
die Franzoſen behaupteten ſich zwiſchen den beiden
ſeitigen Verluſte ſchwanlen.
Mann fiir die franzöſiſche. 26—27,000 Wann fiir die
öſterreichiſche Armee an; die öſterreichiſchen Schlach
weit größer als der ſtrategiſche, der
| Fegberfett bed big babin Unde
Afperfion — Afpbalt.
ibre volle Kraft zur Ausnũtzung des Sieges i
aud den Rüchzug Napoleons nicht gejtdrt. Dre
jache ari ii
der Suriidbaltung des
art. Darans leicte ugujt Menge
alle
(i uten) bad Sted ab, dem Erzherzog alle Feldhertn
aben abjuipreden. Die aben uber Die beider-
ier8 gibt 15——16,000
berichte jprechen von 30 — 45,000 Wann, die Rapo-
leon an Toten, Berwundeten und enen ber
toren habe. Der moraliſche Erfolg des Sieg
ganjen Welt den größten Eindruck. Die zweite Er
Lace der Tiroler und da3 Aufflammen der Sri
luſt in Norddeutidland bangt damit zuſammen. VJ
A.Strobl, W und ram (Wien 1897); G. Sme-
fal, Die Schlacht bei W. und Eplingen (daf. 1899);
Sasti, Campagne de 1809 en Allemagne et en
Autriche (Bar. 1899 —1900, 2 Bde.); Menge, Die
Schlacht bet A. (Berl. 1900).
Psd pe (lat.), Beiprenquna.
Aſperſorium (lat.), das Weihbeden.
Asperila L. (B8aldmeijter), Gattung der Ru-
biazeen. Rrauter oder Halbjtrauder mit quirlförmig
geſtellten Blattern, meiſt weigen Bliiten in lodern
oder fopfig zuſammengezogenen Dichaſien und zwei⸗
tnöpfiger, trodner Frucht. Etwa 80 Arten, bejonders
im Wittelmeergebiet und Wejtafien. A. odorata L.
(qemeiner Baldmeifter, Mf ch), mit kriechendem
hijom, lanzettlichen Blattern und weißen, wobdl-
riechenden Blumen in lodern Dichaſien, wächſt in
Europa, Vorderaſien, Nordafrila in Laubwaldern,
enthalt Kumarin und riecht getrocknet angenebin ge⸗
würzhaft; dient zur Bereitung des Maitranles
Aſphaleia, Name eines Sicherheitsſyſtems im
neuern Theaterbau, ſ. Theater.
Aſphalt (griech, Erdpech), Mineral, ſchwarz bis
ſchwarzbraun, fettglänzend, undurchſichtig, Harte 2,
ſpez. Gew. 1,1—1,2, riecht, zumal gerieben, ſtart bitu-
minds, ijt brennbar, ſchmilzt bet 100°, löſt ſich in
Terpentin, Petroleum und Benzin. Es findet ſich
derb, eingeſprengt, in Hohlräumen verſchiedenartiger
Geſteine, auch als Kluftausfüllung und auf
gen, als Imprägnation von — und Kall⸗
ſteinen, ſelten lagerartig, wie bei Avlona in Alba
Aſphaltdachfilz — Asphodelus.
nien. Unf Trinidad erfiillt es das Becten cines Sees
(Afphaltfee), der mehr als 1000 Schritt fang und >
120 Sehritt breit ijt; aud) auf Cuba findet es fich maf-
ſenhaft (merifanifder YF), enthalt aber an bei-
Den Fundjtitten erdige Beimengungen (bis 35 Proz.).
Venezuela hat zwei fiir den Welthandel widtige Fund-
— nahe der Mündung des Orinoko. Auch im
oten Meer findet ſich U., von dem oft Stücke durch
Erdbeben vom Boden des Meeres losgeriſſen und
ans Ufer getrieben werden. A. beſteht ans Roblen-
Loft. Waſſerſtoff und Sauerſtoff und ijt meiſt durd
ufnahme von Sauerjtoff aus Erdöl entitanden.
Erdðl orydiert fic) in den der Luft zugänglichen obern
Gebirgslagen fehr bald, verliert feine fliidtiqen Be—
ftandteile, wird braun, dickflüſſiger, ſpezifiſch —
und verwandelt ſich fcblieflid) in Bergteer, vondem |
man einige Barietiiten als Ulbertit, Grahamit
und Giljonit unterfcieden hat. Dieſer findet fid
beſonders in fandigen Sdidten und lodern Sand—
fteinen in Der Nähe der meijten Erdölquellen, wie
bei Palembang in Ojtjumatra und wird durch Wa—
ſchen oder Rochen mit Wajfer abgeſchieden. Der Rück—
ei ijt cin zähes, glangend ſchwarzes Bed), das in
ex Technik als Goudron minéral benugt wird. Wie
Den Sand, durddringt Bergteer aud) Kallſtein und
bildet fo den Aſphaltſtein, der fich unter anderm
im Bal de Travers, bei Seyſſel an der Rhone, in der
Auvergne, bei Raguſa in Sizilien, Lobfann im Elſaß
und Limmer in Hannover findet. Aſphaltſtein von
Seyſſel enthalt 6—8, der von Limmer 14, der aus
Dem Val de Traver3 11—12 Pro3. A. Der Bergteer,
Der dad Gejtein — iſt eine Miſchung ver—
ſchiedenartiger Körper. Beim Erhitzen deſtillieren
unter 2000 Kohlenwaſſerſtoffe über, die noch als Pe—
troleum bezeichnet werden können; zwiſchen 200 und
250° deſtilliert Petrolen, und als Rückſtand bleibt |
ſauerſtoffhaltiges Aſphalten, das ſchwerer als Waj-
fer, im der Kaͤlte briidig, in Äther unlöslich, aber
löslich in Terpentinöl und Erdot ijt. F
A. dient als braunſchwarze Farbe in der Olmalerei
(j. Aſphaltmalerei), aud) zu ſchwarzen Firniſſen und
Laden, als ÄAhgrund fiir Kupferſtecher, zu Kitten, Sal- |
ben, Pflaſtern ꝛc. Eine dünne Aſphaltſchicht wird durd
Einwirtung des Lichted in Äther unlöslich, und hier: |
auf berubt die Benutzung des Aſphalts beim photogra: |
phifden Steindruck (ſ. Ujphaltverfahren). Im Alter—
tum diente A. zum Einbalſamieren von Leichen und
als Baumaterial (Babylon, Ninive). 1712 erhielt der |
riechiſche Arzt Eirinis eine Konzeſſion fiir die Wiphalt> |
agerjtitter um Bal de Travers, aber obwohl er die
günſtigſten Refultate ergzielte, qeriet die Gade in Bere |
eſſenheit. 1802 wurde das Gictouuca vor A. bei
eyſſel entdectt und 1832 die Uiphaltindujtrie durch
Saſſenay neu beqriindet. Man benutzte A. gu den
verichiedenartiqiten Sweden, ju denen man jest viel |
883
benugt. Cine nene Cpodhe fiir die Wiphaltindujtrie
wurde durch Merian in Bajel angebabnt, der zuerſt
erwärmtes Ujphaltpulver auf die Strae ſchüttete
und fiinjtlid) zuſammendrückte. Derartig hergefteltte
Strafen werden feit 1868 mit dem A. des Bal de Tra-
vers, von Seyſſel (Depart. Wisnes) und Raguſa (Si-
zilien) qebaut. Der Verwendung des Wiphalts ijt die
Unterjdiebung von SGurrogaten aus cingefodtem
Steinfohlenteer fehr nachteiliq qewefen. Zum Nach:
weis einer Verfälſchung von WU. mit Teer wird cin
auf etwa 200° erbigtes Stic der Maſſe von etwa 1 g
nad dem Abkühlen und ‘Bulvern mit etwa 5 cem Al—
fohol von 80° in einem Reagensglas behandelt. Bei
nur 2 Proz. Gehalt an Ped erhalt der Alkohol eine
deutlich gelbe Farbung mit qriinblauer Fluoreszenz
von oben geſehen. Farbung und Fluoreszenz nehmen
an Intenſität mit Erhdhung des Pedhgehalts gu und
eben endlid) ing Duntelweingelbe mit qriingelbcr
Fluoreszenz über. Bal. Jeep, Der A. und feine
Anwendung in der Technik (2. Aufl., Weim. 1898);
Meyn, Der A. undfeine Spare i den Straßen⸗
bau (Halle 1872); Shubarth, Uber Aſphaltſtraßen
(Berl. 1881); Dietridh, Die Aſphaltſtraßen (dal.
1882); Malo, L’Asphalte (3. Aufl., Bar. 1898);
Rovacs, Uber U., fem Borfommen, feine Verwen—
dung 2. (Budap. 1901); »A.- und Teerindujtrie-
geitung« (Berl., feit 1901).
Siphaltdachs, |. Daiiparpe
Aſphaltflechte, cin Flechtwerk aus Baumwolle re.
mit geſchmolzenem Aſphalt imprigniert, wird als
Iſoliermittel bei Bauten benugt.
Afphaltmatlerei. Wis dunfelbraune Laiurfarbe
hat der Wiphalt ſchon lange in der Malerei, befonders
in Der altniederländiſchen, qedient; da er aber im na—
türlichen Sujtand in der Olmalerei auswächſt und
ſchmutziggrau wird, fo löſte man ihn in Weingeiſt,
um ihn haltbarer zu machen. In neuerer Zeit iſt die
A. wegen ihrer Unzuverläſſigleit jedoch aufgegeben
worden.
— — das Tote Meer.
Aſphaltſtrafen, |. Straßenbau.
Aſphaltverfahren, von Niepce um 1816 erfun—
denes Reproduftionsverfabren, nach dem man cine
Binfplatte mit einer Aſphaltlöſung überzieht und unter
cinemt Regativ belidtet. Da der Aſphalt durd) die
Velichtung unlöslich wird, fann man das Bild durd
Walden mit Terpentinöl entwideln und die Platte
sur Benutzung fiir den Dru agen. Cin nach farbiger
orlage geſchaffenes Halbtonnegativ liefert, mit Ter-
pentindl entwicelt, die veridiedenen Tonabjtufungen
in ſehr feiner Aörnung, und cine auf Stein hergeſtellte
Kopie läßt fic) wie eine lithoqraphierte Kreidezeichnung
behandein. Val. Ul bert, Verſchiedene Reproduftions-
verfabren (Halle 1900).
Asphodélus ZL. (Aſphodill, Uffodilh, Gat:
vortei{hafter Bement verwendet; aber uniibertrojfen tung der Liliazeen, Stauden oder einjährige Nrauter
ijt Die Brauchbarkeit des Wiphalts fiir Straßen, Trot- | mit grundjtindigen, linealen Blattern, blattlofem
toirs und Terrajjen iiber niedrigen Stocwerten oder | Blütenſchaft, qroken, meijt weißen Bliiten in Trau—
Kellerbauten. Aſphaltmaſtix Wiphaltfitt), der ben und fajt fugeliqen Kapſeln mit meiſt einfamigen
in Broten von 26h kg in den Handel kommt, ijt ein Fächern. Sieben Yirten in den Mittelmeerländern.
maharong lage gra Gemiſch von Uiphaltitein und | Bon A. luteus L., mit gelben, woblriedenden Blü—
ergteer oder jtatt des legtern einer Miſchung von | ten, in Sizilien und Griechenland, werden die jungen
Trinidadajphalt mit Erdöl. Dieſe Miſchung bildet | Stengel wie Spargel gegeſſen. Die Wurzel war friiber
den Goudron. Aſphaltmaſtix dient als Mörtel bet
Wajjerbauten, sum Bekleiden der Wände von Waſſer
behiiltern, feuchten Kellern, Wbtrittsqruben. Er wird
aud) mit etwa 5—6 Broz. Bergteer und 60 Pro}.
grobem Sand zuſammengeſchmolzen und als Guß— |
afphalt zu Fußböden, Dachflächen, Iſolierſchichten re. |
arzneilich und als Amulett im Gebrauch. Von MA. alhus
Willd. (A. ramosus LZ. 3. T., ſ. Abbildung, S. 884).
nit weißen Bliiten, in Siideuropa oft in qroker Zahl
die Wielen ſchmückend, wurde die aufen ſchwarze,
ſcharfe, bittere, an Stirfemehl und Zucker ſehr reide
Wurzel gegeſſen (ſchon von den Pelasgern). Wan
56 *
884
— ee ee ee ee
in ®ranfreih ‘Languedoc, Ment fe pur Spiritus
fabrifation. 100 Sit. Sait geben & 2. angenchm rie
chenden Spiritus von 86". Ger den Griechen war
diefe Art Der Beriephone (aud der Demeter) che ;
man ſchtieb ibr -
frafte zu und pilanyzte fie
au? Graber. In dex Conic!
wird bautig ber Aipbo-
deluswieſen gedacht als
bãlt. Wud die Javaner
pilanyen und ĩtellen weißen
Anm̃ odill auf Graber und m
Beqrabrishallen. Der febr
ſchieimreiche Burzelitod
von A. Kotschii (?) om Li⸗
banon und Antilibanon
wurde unter dem Namen
Nourtoali¥erugummt)
alg Surrogat des Salep
und als Klebemittel emp-
foblen. Schwach gerditet
(Bafforabin) wirderals
Verdidungsmittel imZeug-
drud benugt. Die Wurzel⸗
tnoflen von A. albus L.,
A. neglectus Schult., aud
Die gan; verſchieden gebil⸗
dete Zwiebel von Lilium
Martagon L(AAffodill-,Affolder-,Goldlilien-
und Dredliltenwurjel) wurden frither als Arz—
neimittel benützt. — —
Afphyzie (qricch.), Pulsloſigleit, daher Schein—
tod. Man nennt Sdeintote, namentlich wenn jie es
durch Erjtidung wurden, Aſphyktiſche. A. der.
Reugebornen, der Zujtand des Scheintodes, der |
durch vorzeitiges Utmen des Rindes vor der Geburt be⸗
dingt ijt. Das alphyftiiche Rind bietet außer dem Her;-
ſchlag fein Lebenszeichen, fann aber durd) geeignete
Behandlung jum Leben juriidgerufen werden. Bei |
ber — Form geniigen nach jofortiger Abnabelung
Hautreize, Frottieren, faite übergießungen tm war-
men Bade, bei der ſchweren Form tit vor allem künſt—
lide Utmung anguwenden, Ausſaugen veridludten
Waſſers aus der Luftrdhre und Cinblafen von Luft. |
Aspidistra Gawi., Gattung der Liliajeen, Ge-
wächſe mit auf der Erde auflieqendem Rhizom, qropen, |
qeitielten, lanzettlichen, langdauernden Blattern, ein
zelnen, 3. T. im Boden ftecdenden Bliiten und großen,
fleiſchigen Beeren. Drei Arten im öſtlichen Aſien, von
denen A. elatior Blume (Plectogyne variegata Link, |
f. Tafel ⸗Blattpflanzen I+) int ſüdlichen Japan vine
ſehr dauerhafte Zimmerpilanze iit.
Aspidium Swartz (Schil dfarn), Farngattung
aus der Familie der Polypodiazeen, über die ganze
Erde verbreitete Gewächſe mit meiſt gedrungenem,
ſtodartigem Rhizom, cin» und mehrfach gefiederten
Wedeln und auf dem Rücken der Nerven ſtehenden
Fruchthäufchen mit oberſtändigem, rundem, ſchildför⸗
migent, nur im Wittelpuntt angeheftetem oder nieren⸗
förmigem Schleierchen (ſ. Tafel »Farne I<, Fig. 10). |
Von dew etiva 200 Arten find die meijten in den,
Tropen heimiſch und nur & in Deutidland. A. Filix
mas Swartz (minnlides Farnfraut, Farn-
frautmadunden, Surmfarn, Baldfarn, Teu: |
felstlane, Johanniswuryel), in Nordeuropa, |
Aſien, Amerila, in feudten Waldern, mit groper, gee |
bing ——
Asphodelus albus. a Olite,
b
Vise reas Phe Einidaltung eines
Aivborie — Aipirationzinjtrumente.
* Redein. 3 Aoioni —
Rethen von Arudthiuiden mut
Sdlewr tragen. Dos Nhtjom ‘ Rhizoma Filicés) mm
* Bedeibaten enthalt Hipwdei (_H,.0
\farblote Sriitallblatden, lõstich in Wilfobol und
Sther, imilʒt bet 136.5"), Filtriaure und Filicin. und
ders Bandwirmer, angemendet. Webrere Arten von
A. werden als 3 tim Sannbauiern kalti⸗
tert. A. Wallichii. 7. Tafel »>Farme I<, Fis 15.
—— mat hel erage
Aspi art. et Zucc., Gattung der
Upocynazeen
febr bartes Rughol; (Cuebrado), doch itammt des
ide Cuebradhobol; von Schinopsis Balansae.
45 Quebracho Schlecht. ſ. Tafel »Yirgncipfien-
«, rig. 9.
Aſpik (Fran;. Gelée d'aspic), Fleiih-, Fiidsiul;
oder -Siilje; Aspic de volaille, de homard, Gefliigel,
Hummer in Sul; oder Gallert. {mame}.
Ajpinwall (oc. tirin-aas0, {. Colon (Stadt in Be-
Aſpiraut (lat.), Bewerbder (um ein Mmt x); ¢.
Cifijeraipiranten.
Aſpirata (lat.), ein Laut, auf den ein Hanc folgt.
3. B. das griechiſche ph (vgl. Lautlebre). Afpira
sit Uusiprade; Hoffnung auf, Streben
nad ;
UAjpirationsinftrumente, Thermometer, Ho-
eter und Pindrometer, die durch einen krãftigen
‘uftitrom vor dem Cinflug ftrablender Wärme und
vor der —— Wärme andrer Körper als
der Luft geſchützt ſind. Cin unzurei⸗
chendes Aſpirationspſhhrometer fon:
ſtruierte John Welſh 1852. Unabhan⸗
ig davon veröf—
entlichte Aßmann
1887 ein Qnitru-
ment mit weientliden Vorzugen, das
1892 unter Mitwirfung von Bartid
von Sigsfeld und Fueß feine jesige
Gejtalt erbielt. Die beiden Thermo»
metergefäße des Pindrometers (). Ab⸗
bildung) fteden jum Schutze gegen
ftrahlende Warme in je zwei zleich—
adjigen, vernidelten Wejjingrobren
cc, die augen und innen Hodglany
politur beſitzen. Um die Wärmezufuhr
moöglichſt zu verringern, erhalten dieſe
Rohren ſowohl tunlichſt lleine Ware
und Oberfläche, als auch thermiſche
ſchlechten Wärmeleiters. Sie ind in
die Elfenbeinringe dil eingeſchraubt
und ſtehen durch Die Roͤhren ff, durch
welche die Thermometer hindurch—
gehen, mit Dem Rohr ¢ mr Verbin—
dung. Auf diefem fist cin Zentrifu—
qalajpirator t, bei dem die zwiſchen
zwei fdjnell roticrenden Scheiben be-
findliche Luft an deren Peripherie aus⸗
geſchleudert und aus ciner gentralen,
die Drehungsachſe umgebenden Offnung der Scheibe
die enttpeedzenbe Luftmenge nadgejaugt wird. Die
Vipirationsideiben erhalten durch ein Laufwerk eme
mittlere Gefdhwindigfeit von 20 Umbdrehungen in der
Nfpirations:
plodrometer.
Afpirationsmajdine — Aſpirator.
885
Sekunde, und dadurch wird erreicht, daß jede horizon: | Zuflußrohr b eingeſchmolzen oder mittels eines durch—
tale Luftſchicht des innern Umhüllungsrohres nur
wiihrend 'z7 Sefunbde mit der Oberfläche desſelben in
Berührung bleibt, fo daß die Erwärmung der Lujt
durch die Maſſe des innern Rohres nur eine ganz un-
bedeutende fein fann. Die Erwärmung des äußern
Rohres durch direfte Sonnenjtrahlung überſteigt bei im
Gange befindlicher Ufpiration in feinem Falle die Tem—
peratur der umgebenden Luft um 3°, was ohne Cin:
fluß auf den Stand des Thermometergefäßes iſt. Die
Umdrehungsgeſchwindigkeit der Aſpirationsſcheiben
von 20 in der Sefunde entſpricht fiir die Bewegung der
Luft in den Umhüllungsröhren der Thermometer-
gefihe einer mittlern Geſchwindigkeit von 2,3 m in
r Sefunde. Cine Gefdhwindigfeit von 2 m in der
Sefunde ijt ausreidend, wim dem Apparat ungefähr
ebenſoviel Wärme zu entziehen, wie ihm durch Strah—
lung in derſelben Rit zugeführt wird, während eine
Verringerung der Geſchwindigkeit unter 1,7 m in der
Sefunde fiir ftarfe Sonnenſtrahlung nicht mehr ge:
niigt. Da die gewöhnlichen Pſychrometertafeln fic
eine Luftbewequng von 0,8 m in der Sefunde bered)-
net find, müſſen we flix das Aſpirationspſychrometer
umgerechnet werden.
Ujpirationsmafdine, ſ. Dampfmaſchine.
Aſpirationsmeteorograph, von Aßmann fon:
ſtruierter Apparat, der Luftdruck, Lufttemperatur und
Luftfeuchtigkeit fortlaufend aufzeichnet, und deſſen
empfindliche Teile, meiſt durch Seaiferantrieh aſpi⸗
riert find (f. Aſpirationsinſtrumente).
Ajpirationsfyftem, ſ. Ventilation.
Ajpirationswinde, Winde, die von dem in Ge-
bieten niedrigen Luftdruds aufiteigenden Lujtitrom
— werden.
fpirator, Apparat zur Erzeugung eines Luft:
ftromes oder eines luftverdiinnten Raumes. Der cin-
fachſte A. bejteht aus einer grofen, am Boden mit
einer ſeitlichen Offnung verſehenen Flajde, die nit
Wafer gefiillt und oben mit einem Kork verſchloſſen
wird, in dem ein knieförmig gebogenes Glasrohr ſteckt.
Fließt Das Wajfer unten ab, fo tritt an deſſen Stelle
durd das knieförmige Rohr
Luft in die Flafde; wenn man
aber mit dem Rohr Trocken—
oder Ubdantpfapperate verbin-
det, fo muß die Luft zunächſt
durch diefe Apparate ſtrömen.
Vorteilhafter benutzt man zwei
Flaſchen (Fig. 1), von denen
jede mit einem dicht unter Dem
Kork endenden und einem bis
auf den Boden der Flaſche rei-
chenden Knierohr verſehen ijt.
Man ſtellt die eine Flaſche hö—
her als die andre, verbindet die
beiden langen Röhren durch einen Kautſchukſchlauch
und läßt die obere Flaſche ſich durch Heberwirkung in
die untere entleeren. Vertauſcht man rechtzeitig die
Plätze der beiden Flaſchen, fo wirkt der YW. ununter-
brochen. Bei dem Dreh- oder Reverfionsafpi-
rator find zwei durch Röhren miteinander verbun:
dene Gefäße in cinemt drehbaren Geftell dDerartiq an:
qebradt, daß das untere Gefäß leicht gum obern und
das obere gum untern gemadt werden fann. Der
Tropfajptrator (Fig. 2) bejteht aus einem ca.
2 cm weiten, in eine Spige ausgesogenen Rohr a,
das unten in eine 3—4 mm weite Rodbhre f auslauft.
Yn dieje wird das gleidhweite Fallrohr angefest. In
bas obere Ende von a ijt das mit f eta gleidweite
Cinfader
Fig. 1.
Afpirator.
bobrten Korks luftdicht und derartig eingeſetzt, daß
i feine Achſe mit der von f mbglidjt zuſammenfällt.
Das Seitenrohr d dient jum Anfügen
eines Apparats, aus dem der Luft:
jtrom in der Ridtung von e in den
A. tritt, Man läßt durch b Waſſer
einfließen, und zwar ſo langſam, daß
es in geſonderten Tropfen e in den
engen Teil des äußern Robhres tritt.
Seder Tropfen befördert nun eine
Quantität Luft aus dem Apparat,
und durd d wird um fo fraftiqer cin
Luftſtrom angejogen, je tiefer ſich das
am YW. befeſtigte Fallrohr fortſetzt.
Kräftiger wir bie Bunfenfde
Waſſerluftpumpe (Fig. 3). Dieſe
bejteht aus zwei ineinander ſtecken—
den Glasrihren, von denen, die in-
nere e unten in eine feine Ojinung
ausläuft, Dagegen die dujere c dieſer
Offnung gegeniiber einen furjen, ca.
8 mim weiten Anſatz d und außerdem
oben cin kurzes Zweigrohr w befigt.
Wn erjtern wird das als Fallrohr dienende, 8 mm
weite Bleirohr angefiigt, das, wenn eine möglichſt
ſchnelle u. weitgehende Luftverdünnung ergielt werden
foll, cine Höhe haben muß,
welde die Des Waſſerba—
rometers erbeblich über—
trifft. Das feitlide Zweig⸗
rohr wird mit einem
Wafjerleitungshahn ver:
bunden. Das innere Rohr
e fteht mit dem Mano—
meter f und dem Gefäßeh
in Verbindung, an weld)
letzteres mittels des Gum⸗
miſchlauches gk der Ap⸗
parat iangeſchloſſen wird,
deſſen —*9
verdünnt
werden ſoll.
Die Ouetid-
hähne a und
b Dienen jur
Regulierung
des Waſſer—
zufluſſes. Be-
itzt das in den
Apparat ein⸗
ſtrömende
Waſſer den
richtigen
Grad von Ge⸗
ſchwindigkeit,
ſo ſaugt es
durch das von
ihm umſpül—⸗
te Saugrohr
Maſſen von
Luft ein, und
ſelbſt große
Gefäße wer—
den ſchnell bis
zum erreich—
baren Maximum evakuiert. Uber Wajjerjtrahtluft-
pumpen f. Strahlapparate. — In der Medizin wen-
det man Wipiration an, um franfhafte Fliiffigkeits-
Fig. 2. Tropf⸗
ajpirator.
Fig. 3. Bunfens Mafferluftpumpe.
886
anjammlungen aus Körper
Brujthdhle, zu entfernen. 1
hle mittels einer Gohlnadel ein, die durch einen
Schlauch mit einer Saugpumpe oder beſſer mit einer
Flaſche verbunden iſt. Bei letzterer wird die Saugkraft
durch Heberwirtung mittels Tiefitellen der Flaſche
oder durch Schajfung eines Luftverdiinnten Raumes
in der pertijlotienen Blaldee erzielt.
Aſpirieren (lat.), hauchen, mit einem Hauch ſpre—
chen; anſaugen; beim Rezitieren, Singen ꝛc. an un⸗
gehöriger Stelle Atem holen; nad) etwas jtreben.
Aspirin (Acetylſalizylſäure) CLH,O, oder
Afpirieren — Ajfabbai.
Hhlen, bejonders aus der | pagna, Cujtojja und Volta bei; am 13. Aug Sffmese
an ſticht in die betreffende | ihmt Brescia die Tore. Ynfang, 1849 jum
mieiſter ernannt, erwarb er durch bie Critirmung vem
Mortara (21. Marz) und m der Schladt bet Rowers
(23. Mary) neue Lorbeeren. Wis Militarfomrmandext -
in Parma vereinigte er fid) zur Yntervention tx Tos
fana 10. Mai 1849 mit den andern diterreideieex
| Truppen und nahm Livorno mit Sturnt. —— Chote:
| 1849 erbielt er Das Rommando fiber Das 6. Vermeer
CIL,CO.0.C,H,.CO,H, flee, weiße Kriſtallnadeln.
Meſſina endigt. Das Gebirge tit raub und itarf be-
idymect fdywady faiuerlidy, löſt ſich ſchwer in faltemt,
leicht in heißem Waſſer und in Alkohol, ſchmilzt bet
128° und wird durch Roden mit Natronlauge in ſeine
Bejtandteile gefpatten. Wan benugt
mittel bet Gelenfrheumatisnus, sfelrheumatis
mus, Gicht, Ischias, Hexenſchuß, Bruſtfellentzün⸗
dung. Da es den Magen na
und erſt tm alkaliſchen Darmſaft xc. geſpalten wird,
ſo ee es nicht Den Appetit.
Aspis, ſ. Brillenidlange
—— romiſcher Rund child, j. Schild.
Asp fee, ſ. Gdtafanal.
Asplenium L. (Streifenfarn, Stridfarn, .
Milzfarn), Farngattung aus der Familie der Poly:
podiayeen, ſehr formenreide, fiber die ganze Erde ver-
breitete Gewächſe mit efiederten oder ganzen Wedein
(j. Tafel »Farne I<, aig. 17 u. 18), in abgebrodjenen,
geraden Linien Raherbes Fruchthäufchen und jeit-
warts mit dem ganzen dujern Rande dem Rerv an:
gewachſenen Schleierchen (j. Tafel »Farne [1 «, Fig. 11).
A. trichomanes L. (Athon, roter Widerton,
rotes Frauenhaar), in ganz Europa an Feljen
wadfender sierlider Farn nut dunfelbraunen Wedel-
jtielen, an denen Die runden, kleinen Fiederabſchnitte rub
m einiger Entfernung voneinander fipen. A. ruta
muraria ZL. (Wauerraute), in Europa und Aſien an
alten Mauern und in Felsrisen wachſend, mit fleinen
Wedeln, von denen die untern cinfad) oder doppelt
efiedert find, und wimperartig zerſchlitzten Schleiern.
A. als Arznei⸗ herrl
forps in Padua.
Afprino, Weinſorte, ſ. Uverja.
Afpromonte, der Vebirgsitod, mit dem der tado-
briſche kriſtalliniſche Apennin an der owe
waldet, reid an prächtigen Raturbildern umd beetet
von ſeinem Gipfel, Dem 1958 m hohen Wortalte, ex
ides Panorama dar. — Hier wurde Vo. ag.
1862 Garibaldi vom italientiden Oberiten Ballere-
u unzerſetzt paſſiert gq
8 unfrer gemeiniten Farnkräuter, A. Filix fe- |
bery tm Juni 1895 nahm A. feine Braris als Reches-
mina Bernh. (weiblider Streifenfarn,falfaer
Burmfarn), hat 0,3 - 1,25 m hohe Wedel mit ſpitz
gezahnten Abſchnitten und hufeifenformig gekrümm—
ten Schleierchen. A. negléctum Arst. und A. nidus
Arset., das epiphytiſch auf Bäumen wächſt, ſ. Tafel
W I<, Fig. 7 u. 18.
Aſpre, Konſtantin, Baron OV. und Hoo-
breud, öſterreich. General, geb. 18. Dey. 1789 in
Vriijfel, geit. 24. Mai 1850 in'Babua, 2 Sobn des aus
Ment ftammenden FeldDmaridallleutnants Karl dV.
(qejt. 1NO9), trat L806 ins öſterreichiſche Heer, madte
den Held ju pon 1809 mit, focht 1813 15 in Illy
rien und Italien und bahnte bier 1815 durch den
fiitnen Lberfall des neapolitanifden Lagers bet Mi
guano den Weg ‘nad Reapel. 1820 machte er die Ex-
pedition nad Heapel und 1830 als Oberit Die nach der
Romagna nut; 1833 ward er als General nad Boh:
men, 1X35 nad) Innsbruct, 1840 als Feldmarſchall
leutnant nad Italien verſetzt und im Auguſt 1846
jum Qonumandanten des 2. Yirmeeforps in Padua
ernannt. Einen Streit zwiſchen Wilitdr und Studen
ten unterdriidte er ftreng. Der Musbruc der Revo
lution zwang ibn jum Rüchzug nad) Verona und von
da nad Brescia. Wis Radesly die Offenſive ergriff,
rite UW. 28. Wai 1844 in Wantua cit, befetite 10. Junt
Vicenza und trug ju den Siegen bei Sommacam geſchüßten Hafen und fteht durch
cini nad kurzem Gefecht mit ſeiner Scar gefanges
enommen.
Aſproniſi, Inſel, ſ. Santorin.
Aſpropotãmos, Hauptfluß N
—— Grensgebrrge
nad) 185 kin langent, wad) &. 3S.
liber Rephallinia in das Joniſche
auf des A. und fein 3uiluz Dey dova entipredden 8
ſammen dem Acheloos (j. d.) Alten.
Aspull, Stadt in Lancaſhire (England), 4 km
norddjtlid von Wigan, bat Baumwollfpmmeret, Rod
lenbergbau und (1901) 8387 Einw.
Asquith, Herbert Henry, engl. Politifer, ged.
12, Sept. 1852 zu Morley, wurde 1876 Redtsarmalt
in London. 1886 wurde er ing Un qewmabit,
wo er fid) der liberalen Partei anidlo® und durch ber>
vorragende Rednergabe auszeichnete. In dem 1s
—— Proʒeß gegen die Fuhrer der iriſchen Bome
rtei fungierte A. als Verteidiger Varnells umd
tat ſich dabei — in ‘ber Wahibewequng von 188
jo febr hervor, daß Gladſtone ibm, der bisher mie emm
Staatsamt befleidet hatte, im Auguſt 1892 das Ir
nifterium des Innern anvertraute, nachdem auf ſernen
Antrag 12. Mug. das Mißtrauensvotum gegen dee
fonfervative Regierung vom Unterhaus angenommeern
worden war. Rad) dem Sturs des Miniſteriums Rote-
anwalt wieder auf, blicb aber im Barlament einer ber
nambaftejten Führer der liberaten Cypofition.
Asra, arab. Volfsitamm, ſ. Beni Usra.
Aſrak, Bahr el, ſ. Ril.
UAffab, ſ. Aſſabbai.
Aſſaba (Ujaba), militäriſches Hauptauarticr der
Royal Niger Company, am rechten Nigerufer, mrt
engliſcher proteſtantiſcher Miffionsitation.
ſſabbai, Bucht an der Siidweitfiijte des Noten
Weeres, unter 12° 50° nordl. Br. und 3x° Lor tL LL
(f. Marte ⸗Agypten x.“), an der 1870 die italienside
Danrpfergefellidaft Rubattino einen Memen Miiften-
jtrid erwarb und ibn 18800 an Die ttalieniide Regie-
rung abtrat. Diefe nahm von der Bai, den vorliegen⸗
den Inſelchen Omm ef Bachar und Nas er Ramil und
einem 4 km langen Küſtenſtrich Befig und beqritndete
damit Die Kolonie Eritrea, nachdem 1884 Die Ridite
bis Nas Dermab, 1885 bis Maſſaua und 1889 nord-
wirts bid Ras Rafar, 18° 2 ndrdi. Br., von Ntalien
‘erworben war. Der Ort Aſſab mit Sdn) Cin. (Ara ·
bern, Afar, Somal, Juden, wenigen Italienern im
Oder, völlig wafferlofer Gegend. bat ber dem | km fad-
licher qelegenen Dorfe Buia einen —— wobl-
gyptiſche und ua ·
————egg
Aſſagai — Aſſam.
lieniſche Dampfer mit Maſſaua und andern Häfen des
Roten Meeres, durch Rabel mit Maſſaua und Perim
in Verbindung. Die Einfuhr (Mehl, Salz, Seife,
Zucker, Baumwolle, Gewebe, Tabak) betrug 1892:
2,7 Dill. Me, die Ausfuhr (Perlen, Perlmutter,
Elfenbein, Goldjtaub, Haute und Felle) 3,4 Mill. Me.
1. Licata, Assab e i Danachili (Wail. 1885).
flagai(Zagai), Waffe der Hottentotten, Kaffern
und Bet}djuanen, mit einem 1,25—2 m langen Shaft
aus Daffagatenso'g (von der Kornazee Curtisia fagi-
nea), der an der Spige fingerdied ijt, nad) unten bis
ju Federkielſtärke verlauft und cine 16—48 cm lange,
* am Sdaft3—6 cm breite, zweiſchneidige eijerne Klinge
trägt, die meijt Durch Pflanzenſtoffe vergiftet wird. De
Waiie wird auf Entfermungen von 30 —40 m gewor-
fer. Die Klingen dienen aud) als Dolce, Meſſer und
Tauſchmittel.
Assai (ital. »geniigend, ſehr«), wird ber Tempo—
bezeichnung von Tonſtůcken als Verſtärkung beigefügt:
Adagioa., —— langſam; Allegro a., ſehr ſchnell.
ai, Beerenmus, |. Euterpe (Kohlpalme).
Affal (Aſal), ſalziger Kraterſee im Land Adäal,
14 km von Der Tadſchurrabai, 14 km fang, 6 km
breit, 174m unter dem Meer. Aus feinem tiefblauen
Spiegel erhebt fic) bet niedrigem Wafferjtand ein flei-
ner tiongfegel. Wn feinen Ufern gewinnt man
bedeutende Salzmaſſen fitr ben Handel mit Abeſſinien.
Assala, ſ. Tigerjdlange.
Affam, Proving des britifd)-ind. Kaiſerreichs
(f. Karte »Ojtindien«), begrengt von Bengaten, Bhu-
tan, Tibet, Oberbirma und Manipur, zwiſchen 24—
28° 17’ nördl. Br. und 89° 45‘—97° 5’ dtl. V., um⸗
faßt mit Lufhai 189,200 qkm. Wn der Nordgrenje
zieht fic) das ungefunde Waldgebict des Tarat hin,
dann folgt der Brahmaputra, defjen breites Tal den
norbdliden Teil in qo er Lange durchzieht und meijt
erjt in bedeutender Entfernung von dent vielverzweig⸗
ten, —— Flußbett bewohnbar iſt. Unter ſeinen
—— ebenflüſſen ſind 62 ſchiffbar. Die von
. nad) O. ziehenden Garo⸗ und Khaſiberge (Schil—
long Peak 1970 m) bilden die Waſſerſcheide gegen die
Surmah und den Barak, die der Megna zugehen. Im
MO. bildet das Patkoi- oder Poagebirge die Grenze
egen Oberbirma. Kriſtalliniſches Urgebirge, obere
eide und Tertiär ſowie in der breilen Ebene des
Brahmaputra quartäre Bildungen ſetzen den Boden
von A. zuſammen. Das Klima iſt bis auf die fumpfi-
gen Riederungen nicht ungefund; die ntittlere Jahres-
temperatur ijt 23—24° (Minimum Januar 15—17°,
Maximum Auguſt 28-— 29°, mittlere Jahresextreme
36 und 8°). YW. hat regelmagiqe Gommermonfun-
regen, aud Frithlingsregen. Die jährliche Regenmenge
beträgt im Mittel 3690 mm, Minimum 1750 mm bei
Wauhati, Maximum 12,090 mm bei Tſcherrapundſchi
im MKhaffiagebirge, lestered ijt die größte befannte
Regemmenge überhaupt; oft fallen dort an einem Tage
über 500 mm Regen (etwa drei Viertel der Jahres—
menge in Deutfdland). Dieſe Regenmaffen verdanfen
ihren Urſprung dem auffteiqenden, mit Wafferdampf
reid) beladenen Monſun. WU. ift vielleicht die pflan-
zenreichſte Gegend Indiens. Ausgedehnte Walder
von tropiſcher uͤppigkeit bedecken die Berghänge. Ym
häufigſten iſt der Salbaum (Shorea robusta), dann
die Geſpinſtpflanze Careya (Myrtazee), zahlreiche Aka⸗
zien, der Gummibaum (Ficus elastica), der Siſſoo
(Dalbergia Sissoo) und der Tielbaum (Tectona gran-
dis). fommt didjtes Unterhol; von Lorbeer-
büſchen und Maqnolien, wahrend Rotangarten (Cala-
mus) die tropifdjen Lianen vertreten. Wud) ijt hier der
887
Teeſtrauch wild gefunden worden. Viele Waldbäume
verlieren in den heißen Monaten ihr Laub. Die Pal-
men find mur vertreten durch Caryota urens, Walli-
chia, Calamus, Phoenix silvestris und humilis. Sei-
ner Fauna nad gehört W. zur orientalijden Region.
Walder und Didangeln find lohnende Ja dgriinde.
Zu nennen find Tiger, Leoparden, Biiffel, Hirſche,
Rhinozeroſſe, Clefanten (deren Fang Regierungs-
monopol ijt), Gazellen, Bwerghiride, wilde Pfauen
und Hühner. Un Mineralien, vornehmlich Eiſen,
Rohle (Lager auf 40 Mill. Ton. geſchätzt) u. Kalkſtein,
ijt Das Land reid). Zur Uusbeutung der Kohlenlager
im NO. find Eiſenbahnen von Dibrugarh (wo aud) Pe-
troleum vorfommt) nad Sadya und Dſchaipur erbaut
worden. Wud) findet man etwas Gold im Schwemm—
land. Die Bevölkerung betrug 1901: 6,122,201
Cinw., wovon etwa 3 Vill. Hindu, 11/2 Mill. Mo-
hammedaner, 17,000 Chrijten, 9000 Buddhijten und
1 Mill. Heiden. Bon den zahlreichen, ziemlich rohen
Stimmen find die Katſchari, Naga, Khafi, Garo und
Mifir die bedeutendjien. Das Außere der Bewohner
von A. erinnert durch das platte Geſicht, die hervor-
tretenden Backenknochen, die fleine, ſtämmige Geftalt
an die Chinefen, doc) ijt die Sprache der bengali-
fchen verwandt. Die jet ſehr geförderte Bodenfultur
hat eine jtarfe Urbeiterbevilferung aus Bengalen ins
Land gejogen. Für die Uusbreitung de3 Chrijten-
tums jorgen englifde und amerifanijde protejtanti-
ſche Gefellfchaften fowie die fatholifche Miſſion. Die
Volksbildung fteht nocd auf niedriger Stufe. Rach
dem Renfus von 1891 fonnten leſen und fdreiben
162,553 Manner und 5761 Frauen; zugleich wurden
2641 Schulen von 68,315 Schiilern und 4680 Schüle⸗
rinnen befucht. Es erfdeinen vier Zeitungen in A.
Der Ackerbau erzeugt hauptſächlich Reis, dann Senf,
Hülſenfrüchte, Zuckerrohr, Mais, Kartoffeln, Tabak,
Baumwolle, Tee. 1890 waren 92,415 Heftar mit Tee
—— die jährliche Ausfuhr überſteigt gegenwär—
tig 3 Mill. Pfd. Sterl. Die In duſtrie liefert nur
grobe Seidenzeuge aus heimiſcher Seide, Baumwollen⸗
eug, Meffing- und Töpferwaren, Elfenbeinſchmuck⸗
aes u. a. r Handel mit Bengalen benutzt faft
allein die Wafferwege; die jährliche Ausfuhr (Tee,
Genf- und Leinfamen, Bauholz, Baunuvolle, Kalk—
fteine und Ralf, Reis, Lad, —88 Jute) überſteigt
3,6, die Einfuhr (Induſtrieerzeugniſſe, Salz, Zucker,
Eiſen, Meſſing, Kupfer u. a.) 1,7 Mill. Pfd. Sterl.
Dem Verkehr dienen gute Straßen, jene wenigen
Eiſenbahnen und die Dampfſchiffahrt auf dem Brah—
maputra. Die Verwaltung liegt in den Handen
eines Chief-Commtiffioner, unter|tiigt dDurd cine Po⸗
lizeitruppe von 1529 Mann und 4 Regimenter Infan⸗
terie. Die Cinfiinfte betrugen 1899/1900: 14,644,426,
die Uusgaben 10,083,450 Rupien. Regierungsfig iſt
Shillong. — A., in der alten Geſchichte Indiens
RKRamaripa genannt, bildete im 7. Jahrh. n. Chr.
ein brahmanijdes Königreich; im 15. Jahrh. zerfiel
es in zwölf fleine Staaten, und trog innerer Kämpfe
leijtete e3 den Wngrijfen der Mogulfultane von Hin-
doſtan Widerjtand. Anarchie veranlafte 1815 Radſcha
Tidandrafanta, die Birmanen, die unter Schembuan
fon einmal (um 1770) YL. beſetzt batten, gu Hilfe gu
rufen; diefe festen ihn wieder cin. Wher 1824 wur-
den die Birmanen durd die Englander vertrieben, die
fic) im Frieden von Ava 24. Febr. 1826 W. abtreten
ließen. Seit 1874 ijt A. von der Präſidentſchaft Ben—
galen abgetrennt und ſteht unmittel bar unter dem Vises
fonig. Bgl. Fler, Pflanzerleben in Indien (2. Aufl.,
Berl. 1875); Bif hop, Sketches in A. (Malfutta 1885);
888
Hunter, Statistical account of A. (Lond. 1880,
2 Bde.); »Census of India 1891. Assam« (Sdillong
1892, 2 Bde.) und namentlich die jetzt jährlich ver-
dffentlidten » Reports of the Administration« (Daf.).
Uffamar fred pat ap der jedenfalls nidt ein⸗
heitlide Stoff, der beim Röſten und Braten der Nah—
rungsmittel pie ae denfelben den angenehmen
Rditgeidmad veri
ami, —5 ant Aſſam, 1881 von 1,361,759
Menſchen geiprocen, cine Tochterſprache des Sans-
frit mit cigner, aber Diirftiger Literatur. Grammatif
von Brown (1848), Worterbud von Bronjon (1877).
Affaudun, Schlachtort, ſ. Aſhingdon.
tear Aſanen.
Aſſanieren (aſſainieren, fran}., for. affan-), nach
den Regeln der Hygiene einrichten, geſund machen,
z. B. ia⸗ Eigenſchaften des Bodens durch Drai
none befeitigen.
Haph, Sang: und Mufitmeifter Davids, dem bei
der Sammlung der Pſalmen Pſ. 50 und 73 - 83 zu⸗
geſchrieben wurden.
MAffaffin (frany., jor. fing), um Geld ———
Meuchelmörder; Uffaffinat, Meucelmord
ditenmord; Uffaffinator, Unitifter zu einem Meu—⸗
chelmord. Das Wort, im Franzöſiſchen des 12. Jahrh.
uerft gebraucht, ſtammt aus dem Arabiſchen (j. Aſ—
*
Affaffinen (Aſſaſſiden, Aſſaniten, Haſſe—
finen), politiſch-religiöſe Selte der Mohammedaner,
die während der Kreuzzüge zwei Jahrhunderte lang
in Vorderaſien eine furchtbare Rolle ſpielte. Sie ſind
cin Ableger der Ismaeliten (ſ. d.); ihe Stifter war
pes) ein fanatifder Schiite aus Rai (beim jetzi
Aſſamar — Ajjeln.
anzuknũpfen; bald sete zeigle fich die Unvertrisinh
feit Der beiderſeiti en, und 1152 marke
erg enw w * Tripotis, von den & cruzer
In Perjien trat 1162 Haſſan IL am bir Spege
bea ex tat 1164 den gefährlichen Scbrett, feeb mete
mehr als Rertreter des verbo orgenen Imam⸗ (Set
gionShauptes), fondern als Imam felbit ja pretic
mieren und gleichzeitig die Lehre von der
ded islamiſchen Geſetzes offenbar yu machen
gutglãubige Anhãnger wurden dadurch trre; Dowd Star
ben die Mimmer nod furdtbar. 1256 madre dex
—— Hulagu dem Treiben der VW. in Berieew ox
In Syrien hatte feit 1169 der Bertreter des
—— Räſchid ud-din Sindn, feo >
ſtãndig gemadt ; in Kriege mit Moslems und Cherie
wußte er fid) betden furdtbar 3 maden, fo dek iibe
en Teheran), der feit 1081 in Perjien eine Anzahl
trägt Die Ruinen der 1258 jeritdrten Uffeburg, des
Glaubenseifriger Jünglinge um fich fammelte, die er
u ſchwärmeriſcher Begeiſterun
shang Fidäwi (rein fid Deleaterct, cin Name,
der ihre — 9% andeutet, fiir die Ausführung
der ihnen erteilten Befehle ihr Leben einzuſe
Crden jerfiel in mehrere Grade; an der Spitze ‘ftand
der Scheich ul Didi bal, was die Ubendlander mit
Vetulus de montanis oder der Ulte vom Berge
liberfepten. Lehre und Organijation waren die der
Ismaeliten; nur hatte Hajjan, wm die Unterwürfigkeit
der Genoſſen unter die Obern yu blindem Gehorjam
ju fteigern, cin teufliſches Mittel erfonnen. Aus den
Blattern der Haſchiſchpflanze (des Hanfes) wurde nam
lid) cin ftarfer Tranf bereitet, um damit die Jüng—
linge yu betduben, Die in dieſem Zuſtand an einen
Crt, wo alle Reise des Sinnengenuſſes threr warteten,
gebracht, nad) wenigen Tagen aber auf dieſelbe Weife
wieder von Dort entfernt worden fein follen.
glaubten dann bereits Die Freuden des Paradieſes ge:
noſſen zu haben, und, von Sehnſucht nad ähnlichen
Meniijien getrieben, gaben fie gern ibr irdiſches Da
fein Dabin. So waren fie die willenlofen Werlzeuge
ihrer Obern und veriibten jede blutige Tat auf deren
Befebl. Wis »Hanfeljer« nannte man den Fidäwi
aud Hafdichafdt; daraus haben die Franfen Aſſaſſin
gemacht. 1090 iiberrumpelte Haffan das Schloß Wla-
mut tn Berfien, von wo aus er nad und nad eine
Wenge Fejtungen in Farfijtan, Chorafan, Syrien
und bejonders tm Libanon in feine Gewalt bradhte.
Die VW. yablten bereits 60,000 Köpfe; vergebens be
fimpfte fie Sultan Melikſchah. Hafan ftarb Ende
Auguſt L124 finderlogs. Unter feinen Nachfolgern tru-
gen die A. Durch fortgefepte Kriege und
jum Berfall des Seldichufenreiches bei. Mit den Für
ſten der Kreuzfahrer ſuchten fie anfangs Besiehungen
ordtaten |
zu erregen wußte, die |
=
Sie |
Saladin ihn
ulegt gewahren lies. Er frard Lise.
nad feinent
ode wurden die A. m Soren meeder
von den perſiſchen Oberhauptern abbangrg.
| Die Mongolen hielten fic) einige ihrer ——
dem ãgyptiſchen Mamelucenſultan Baibars dera
| ten fie nicht zu widerjtehen, 1273 fiel thre lepre Aefte
Sore bis jetzt in Syrien, Berfien und bis Indien an.
ter Dem Ramen der Ismaeliten erhaltenen Rete jexd
harmlofe Seftierer. ‘Bgl. Defrémery im »-Joursal
asiatiques (1554 —60); Guyard (ebenda, 1877}
Die A. find im Abendland —X vicler Sages
und Romane geworden; ſſaſſin
Sidhe, Flecen in ce belg. Brovin, Brabext.
Yrrond. Brüſſel, an der Staatsbabniime Sraiict-
Dendermonde, hat (1900) 7883 Cimuw., die lebboften
Handel mit Getreide, Hopfen x. tretber.
Wife, bewaldete Hiigelfette im Braunichweigiiden.
ſüdöſtlich von Wolfenbiittel, 224 m hoch. Erne sMuppe
Stammobaufes des ——— — jest nee ter
ſchlechts. Auf der A. cin Bisma
Aſſekurant, Verjicerer, ſ. Verjicherung.
bos hl a (fat.), — d.).
Aſſekurat, Verjicerter, f icherun
Affeturationseid, Der Huldiqungsetd ) oe
Uuslander, die im Inland Grundvermögen erparder
(Landfafjen, Forenfen), dent Landeshervn zu lerſten
batten.
Affel, Kirchſpiel im preuß. Reghe;. Stade, reat
Mehdingen, in der Elbmarid, an der Kehdinger Krewe
bahn, hat eine evang. Mirde, ein Nebenjollamt L
Biegelbrenneret und (1900) 2854 Einw.
Aſſeln (Iſopoden, Isopoda, »Gleichfiaer<).
Gruppe der Ringelkrebſe. Ihr Leib rit m der Reget
von oben nad) unten zuſammengedrückt (7. Zatet
»Mrebstiere I<). Die Beine des Brujtabidnitts be
‘Jigen Rrallen, find alfo jum Gehen eingerichtet, dec
ahnliche Umgeftaltung erfabren.
Beine des Hinterleibes find breit, dienen alfo gam
Schwimmen, auferdem find leptere mit Remenandan
gen verichen, Die bet Den Landaijeln eine belomdere,
fiir Das Leben in (feudter) Luft — lungen
Inter Den jabirn
chen Familien find die widhtigiten: be Sderen:
affetn(Tanaidae) mit ftarfer Schere am eriten Brault
beinpaar; die Fif dh yeden(Cymothoidac), Berafiten
auf Der Haut oder in Der Wundhdbhle von Ariden,
witterig, unter ibnen die griften Vt. ( Bathynomes,
aus 2000 m Tiefe, wird ber 20 cm lang und 10 ee
breit); Die Rugelaffeln(Sphaeromidac) formen fied
wie Jae! zuſammenrollen; die Wafferaffelm (Asel-
lidae); Die Binnenaffeln (Entoniscidac), dard
Paraſitismus in Krebſen bis yur Unkenntlichkeit ent.
ſtellte W.; endlich Die Qandafieln (Oniscidac). Su
Aſſeln — Aſſertion.
den Waſſeraſſeln, die meiſt im Meer wohnen, ge: |
889
Assemblée (franz., fpr. aſſangble), Verſammlung,
hört die Bohraſſel (Limnoria lignorum), höchſtens Geſellſchaft, insbef. eine glänzende Abendgeſellſchaft,
4mm lang, erſt ſeit 1797 bekannt, richtet an den bol:
ländiſchen und —— Küſten durch Benagen des
aber unter Waſſer Schaden an. Die gemeine
afferaffel(Asellusaquaticus L.,j. Tafel »Mrebs-
tiere I1<), fiber 10 mm fang, mit gang flachem Kör—
per, griinlidgrau, lebt in Teichen und Landfeen und
flettert an Wafjerpflangen herum. Die Landaſſeln
leben meijt an feudjten, Duntpfigen Orten, voriviegend
auperhalb der Wendefreife, aber 3. T. durch Verſchlep—
pung faſt fosmopolitijd. Die Relleraffel (Meller:
eſel, Oniscus scaber Latr., ſ. Tafel »MrebStiere II«),
iiber 10 mm lang, mit eiförmigem, flad gewölbtem
Körper, matter, grauer Haut, lebt in Kellern, an
Mauern, in Gewächshäuſern, unter Brettern, Stei-
nen 2¢., meiſt gejellig und wird durch Benagen von |
Objt, Wurzeljtiden, Keimlingen und Bliitenteilen |
ſchädlich. Man fängt fie durch Auslegen von Kartof-
fel-, Mohren-, Kürbisſchnitten, hohlen Stengeln rc.
Sie wird als BVolfsheilmittel benutzt. Die Rollaffel
(Armadillo officinalis Brandt), 20 mm fang, mit
zuſammenrollbarem Körper, glatt, olivenbräunlich,
gelb gefleckt, in Südeuropa und im Orient, war frü—
her ein vielgebrauchtes Arzneimittel (Millepedes).
Aſſeln, Dorf im preuß. Regbez. Arnsberg, Land-
kreis Duisburg, an der Staatsbahnlinie Welver-Duis-
burg, hat eine evangeliſche und eine fath. Kirche, Stein:
fohlenbergbau und (1900) 5032 Cimp.
MUffelfpinnen (Pantopoda), ſ. Bantopoden.
Affeltyr cpr. stain), Jan, wegen feiner verwachſe
nen Hand Crabbetje (kleine Krabbe«) genannt,
hollind. Maler, geb. 1610 zu Dieppe in Franfreid, |
eft. 1652 in Unijterdam, Schiiler des Efaias van de
Velde, hielt fi lange in Rom auf, wo Peter van Laar
jein Borbild in Behandlung der Figuren und Claude
Lorrain in der Landſchaft wurden. 1651 lie} er fic
in Umjterdam als Biirger aufnehmen. Cr war na:
mentlid) Landſchaftsmaler, pflegte aber aud) Die
Schlachten- und Tiermalerei. Seine Landfdjaften,
zumeiſt Motive aus Atalien, zeichnen fic) durch cine |
reidje Kompoſition, flare und ſcharfe Beleuctung und
eine vortreffliche Staffage aus. Werke von A. beſitzen
bas Louvre in Baris, die Muſeen in Brüſſel, Dresden,
Amſterdam, Miinden und namentlich die Akademie
3u Wien. Rembrandt hat fein Portrait radiert.
Aſſemani, 1) Joſeph Simon, beriihmter Orien-
talijt, geb. 1687 3u Tripoli in Syrien aus einer Ma-
ronitenfamilic, jtudierte in Rom, unternahm dann
Reijen durd Lignpten und Syrien, auf denen er zahl⸗
reiche orientalijde Handſchriften xc. fiir die vatifani
ſche Bibliothef jammelte, und jtarb 14. Jan. 1768
in Frankreich Bezeichnung für die Volfsvertretung,
3. B. A. nationale constituante 1789 bis September
1791, A. législative 1791— 92. A. nationale wird
in der franzöſiſchen Verfaſſung von 1875 die Ver:
einigung der Deputiertenkammer und des Senats ge-
nannt. A. galante bie} die von Richelieu unter Lud-
wig XIV. au Rueil erridtete Ufademice der Liebe.
fren, Dauptitadt der niederlind. Proving Drenthe,
an der Staatsbahnlinie Meppel-Groningen und ant
Drentidhe Hoofd-Ranal, der durch die Schmilde nad
| Meppel führt, hat ein Gymmafium, eine höhere Bür—
geridule, Bezirtsgeridt, Handelstammer, Muſeum
(Witertiimer) und (i900) 11,329 Einw., die Landbau,
Handel und Torfgräberei treiben. In der Nabe find
die fogen. »Hiinenbetten von A.«, Refte vorgeididt-
licher, aus gewaltigen Steinblicen erbauter Graber,
die einſt mit Erde bedectt waren.
Affenheim, Stadt in derheff. Provinz Oberhefjen,
Rreis ——— am Zuſammenfluß der Wetter und
Nidda und an der Linie Friedberg-Hanau der Preu—
ßiſchen Staatsbahn, hat eine evang. Kirde, eine Syn⸗
agoge, ein Schloß des Grafen Solms-Rödelheim,
eine große Kunſtmühle und (900) 970 Einw.
Aſſens, Hafenjtadt auf der din. Inſel Fiinen, Unt!
Odenfe, am Kleinen Belt und an der Staatsbahniinie
| Tommerup-VW., mit (901) 4665 Einw. und einer Deut:
ſchen Ronfularagentur. — Am nabelieqenden Orne-
bjärg (> Dchienberg«) 11. Juni 1535 Sieg des Danen-
fonigs Chrijtian III. über Die Unhanger Chrijtians IL.
und die Liibecter unter Graf Chrijtoph von Oldenburg.
Affentieren (lat.), zuſtimmen, militäriſch foviel
“wie tauglich erflaren; UWifentierung, in Oſterreich
| Refrutenaushebung.
als Rujtos der lestern. Sein Hauptiwerf ijt » Biblio- |
theca orientalis Clementino-Vaticana« (Rom 1719
bis 1728, 4 Bde.), die orientalijden Manuftripte der
genannten Bibliothek behandeind (deutider Auszug
von Pfeiffer, Erlang. 1776, 2 Bde.). — Sein Neffe
Stephan Evodius A., feit 1768 Kuſtos der Vati—
cana und Ersbifdof von Apamea, jtarb 24. Nov. 1782.
— Gin andrer Neffe von W., Jofeph Aloyſius °A.,
ward Profejjor der orientaliſchen Spraden in Rom
und jtarb daſelbſt 9. Febr. 1782.
2) Simon, Berwandter der vorigen, gleicfalls |
hervorragender Orientalijt, geb. 20. Febr. 1752 in
Tripoli, jtudierte in Rom, ward 1785 Profeſſor der
orientaliſchen Sprachen in Badua und jtarb dafelbjt
8. Upril 1821. YW. ſchrieb namentlich: »Catalogo dei
codici orientali della biblioteca Naniana« (Padua
1787— 92, 4 Tle.).
|
Aſſer, israclit. Stamm, f. Wider.
Affer, 1) (Aſſerius Menevenfis) Brite aus
Wales, fam 885 an den Hof Wifreds d. Gr., deſſen
Lehrer er wurde, war Abt mehrerer Klöſter, zuletzt
Biſchof von Sherborne, wo er 910 ftarb. YW. ſchrieb
Alfreds Leben: » Annales rerum gestarum Aelfredi
magni« (in den » Monum. histor. brit.«, Yond. 1848).
2) Tobias Midact Carel, niederlind. Staats:
mann, geb. 28. Upril 1838 in Amſterdam, wurde
1862 Brofejjor der Rechte am Athenäum, 1876 an
Der Univerſität Amſterdam (bis 1893). 1875 wurde
er Minifteriatrat im Auswärtigen Amt und bewahrte
fid) hier alS Nenner des internationalen Rechts, na:
mentlich ded privaten. Seit 1893 ijt er Mitglied des
niederlandifchen Staatsrats. Die niederländiſche Re-
qierung ordnete ihn wiederholt zu imternationalen
Diplomatifden Konferenzen ab: 1899 zur Haager
Hriedensfonferens, 1900 jum Urbitragebof im Haag ;
auch ausländiſche Mächte erbaten bei mternationalen
Dijferengen wiederholt feinen Rat. Er ſchrieb: »Le
duché de Limbourg et la Confédération Germa-
nique< (Haag 1863); »Schets van het nederlandsche
handelsrecht« (9. Ausg., Paarl. 1901); »Schets van
het internationaal privaatregt« (Daf. 1879; deutid),
Berl. 1880; auch in mebhrere andre Spraden tiber:
jest); »Studién op het gebied van recht en staat«
(Haart. 1889); »La codification du droit internatio-
nal privé« (Bd. 1, Daj. 1901). ——
Aſſerieren (lat.), mit Beſtimmtheit ausſagen, be-
Aſſermentieren (franj., fpr. anangt-), eidlich in
Pflicht nehmen, vereidigen.
Uffertion (lat.), Behauptung, Rerjiderung ; ins
befondere im römiſchen Redht in Bezug darauf, ob
jemand cin Sflave oder freier Warn fet.
99
BhertoriiG Sc
‘ectorsig@er E:b.
om
. veradernd. Hi
WMierpat (at), en Ghegemitand, be
foubers im ber Geridnsiprade in Simliaden eme zu
ben Vitten aAberreicne lirfunde ober en bem eric:
fibrung ober em fonitiger
Vmslingien vorgefunbener Gegenitand,
ridfshanben genommen worden tit.
, Regierungs , Mreis-, Gerichts, Bergamts-,
Medyinal-, Polixer , Magritrats , Fyoritaijeworen x.
Had bem preußiſchen Geiey vom 6. Wat 14% und
bem Lorain deat omagog pom 22. Aug. 1579 wird
ber Heferendar, nach bem er cine vierjabrige Borberei
lungs zeit im praftiidhen Dienit bet den Gerichten eriter
und zweiter Inſtanz, bei ber Staatsanwaltidaft und
bei ben Rechtsanwalten und Notaren guriidgeleqt bat,
yur zweiten, fogen. großen Staatépriifung (Uieffor:
eramen) sugelaijen. Nad) beftandener Priifung wird
cr jum téaffelfor ernannt. In der Berwaltung
erfolgt die Ernennung jum Regierungsafjeijor gemay
tt et “na Mefes vom 11. Mars 1879, nachdem
ber Wetreffende die erſte jurijtifde Prüfung beitan
ben, giver Jahre bei ben Gerichtsbehörden gearbeitet |
t, fobann sum Reqierungsreferendar ernannt, zwei
Jahre in ber Berwaltung tatiq geweſen ijt und als
dann das zweite Cramen ——— hat.
Aſſibilation (lat.), die Verwandlung eines Gut⸗
turals, auf den i oder j folgt oder folgte, in einen |
Ziſchlaut. Seiner Natur nad berubt diefer Laut.
wechſel auf Aſſimilation (f. d.). Cin Beifpiel bietet |
lateiniſch faciat (bis in die Kaiſerzeit fakiat qeiproden), |
woraus italienifd) faccia (co wre tech), portugieſiſch
faca (fassa geiprodien) franzbſiſch fasse. — Wifi- |
bilieren, ziſchend ausipreden.
Wifidieren (lat.), beijigen.
Aſſiduität (lat.), Ausdauer, Beharrlichkeit.
Aſſiento (ſpan. asiento), »BVertrag, Aklord⸗, be
ſonders der Vertrag, durch den fremden Staaten von
der ſpaniſchen Regierung auf eine beſtimmte Anzahl
von Jahren gegen eine gewiſſe Abgabe der alleinige
Handel mit Negerſtlaven aus Afrika nad) den ſpani
ſchen Kolonien in Amerila zugeſtanden wurde. Mart V.“
erteilte flamiſchen Schifſern 1517 das Vrivilegium,
allſaͤhrlich 4000 Reger in Amerika einzuführen, 1580 |
erhielten Dasfelbe Die Genueſen, Die es Durd cine bri
tifdhe Handelsgeſellſchaft ausbeuten lichen, 1702 die
frangdfifche Guinealompagnie auf 10 Jahre, 1713 die
engliſche Siidfeefompagnie fiir 40 Qabre. Der von
derfelben in Berbindung mit diefem Handel betriebene
Schmuggel fiibrte yum Kriege zwiſchen England und
Spanien (1740). 1750 wurde der Bertrag gegen Ent
ſchadigung vor 100,000 Pfd. Stert. *— ehoben.
ffiette (frany.), Teller, Meine flache Schüſſel;
aud) Memiltojtimmung, Faſſung; in der Reitkunſt
ſoviel wre fefte Haltung,
Werth —
Aimilatien
nach und ned far 45.575 Will ensgrorten. eee
nod viele gcfalidte famen. Wan bette A pom 5 is
zu
von weijem, geibem. bianem,
Die pucrit fitbrten Me Wuficorri:
maines nationaux«. Kurze Set turiterten
gleich barem Gelde ; dod fant the Murs trog Saeerns-
regiment und Guillotine jofort gegen Wetall. cls &
in idrantentoier Betie vermebrt wurden. 1795 gales
he faum nocd 1 Bro}, io da Die Waren zu
€reiien in Eapier verfauft wurden. obne dak der
fepliche Anor dnung nicht zu dbericdbrettender Warrmat
pretie hiergegen helfen konnte. Im Xvoxus⸗ 17
wurben jie auger Murs gejegt und gu ‘os, fpdter gt
‘ioe thres Nominalwerts
—
bie felbit wieder nach wenigen Monaten auf farm
3 Proz. zurückgingen, nachdem fiir 2400 Will Yoores
*
¥.
a
‘mit Zwangskurs ausgegeben worden waren. fo
21. Wat 1797 wurden a
nod nicht gegen Mandaten ausgetauſcht waren. Bis
| der 3wangsturs der leftern im Februar 1797 axt
ehoben wurde und die öffentlichen Kaſſen Der Wen
— jum Tagespreis annahmen, ftand der lepeere
auf ‘soo thres Nominalbetrags. | Stours
Les finances de l'ancien régime et de la Révolativa
(Par. 1885, 2 Bde).
Affiguation (lat.), Anweiſung (i. d.); Wifre-
nant, der Uniwerjende; Usfiqnatar, der Wnmwe
jungsempfinger; Usfiqnat, der Angewieſene
ffiguationsbanf, Name der von der Ratieren
Satharina IL. in Petersburg erridteten Staateyettet-
banf, Die 1848 anfgeboben wurde. Dic von
ausgegebenen Noten (Vantaffiqnationem) bride
ten feit 1780 das Hauptyablmittel Rußlande Qe
allzu qrofer Menge — fant ibr Aurs. bs
1839 durch Geſetz 34's Rubel Rapier gleich 1 Rubel
Silber qefegt wurden. Sie wurden {pater gegen cin
neucs Sapiergelb, die Reichskreditbillets, umgetawict.
Aſſignieren (lat.), anweiſen.
Aſſimilation (lat., »Verdibulidung<), der Ber-
gana, durch den Beſtandteile der Nahrung mnerbalb
lebenden Wefen zu Bejtandteilen von deren Roeper
werden. Hierbin ijt bet den Tieren gu rechnen Me
Verwandlung der im Verdauungslanal aus den ge
nojjenen Eiweißlörpern entitandenen Eeptone im or-
qanifiertes Eiweiß (Sellprotoplasma), die Budung
Der in der Veber fic) aufſpeichernden tieriſchen Stare
(Glykogen) aus dem Suter der Rabrung, die Ent-
jtebung des Blutfarbftoffes ua. In der Botan!
veritebt man unter A. die Bildung von Soblebydraten
aus Roblenfiure und Waffer unter Abicheidung ver
Sauerſtoff. Legterer Vorgang ijt auf dad chlorophail-
haltige Aſſimilationsſyſtem (Mifimilationdee-
webe) befdranft und an de Mitwirtung des Sonnen-
Affimilationsfyftem — Aſſireten.
lichtes gebunden. Das Aſſimilationsſyſtem tritt nur
in grünen Blättern und Stengelteilen auf und beſteht
in der Regel aus ſchlauchförmigen Zellen, die zur
Oberfläche des tragenden Pflanzenteils ſenkrecht ge-
ſtellt ſind (ſogen. J———— und deren
zahlreiche Chlorophylltörner der beſſern Durchleuch—
tung wegen an den Seitenwandungen der Zellen an-
gebauft Jind, während fie in den vielarmigen, durch
zahlreiche Luftginge unterbrodenen Schwamm—
parenchymzellen ihre Stellung je nad) der Licht—
intenſität ändern. Das Wijimilationsgewebe nimmt
ferner, um die günſtigſten Durchleuchtungsbedingun—
gen gu erhalten, jtets cine möglichſt peripherifde Lage
an der Pflanze ein und ijt deshalb an apes
Organen alljeitig im Umkreiſe derjelben, bei cinfeitig
beleucteten borigontalen Blattern dagegen nur an
der Oberſeite entwicelt. Vertifal geftellte, ache Blatt:
organe haben eine an beiden Seiten gleichmäßig aus-
— chlorophyllführende Schicht. — In der
rammatik bezeichnet A. die ausgleichende, nivel-
lierende Wirkung, die benachbarte Laute aufeinander
ausüben. Progreſſive, d. h. vorwärts wirkende,
A. liegt z. B. vor in dumm, dummes aus mittel—
fochbeut ch tump tumbes und in Iateinijd) anatem
(>Gan8<) fiir anitem. Nod) häufiger ift die regreſ—
five, d. h. rückwärts wirfende, U. Beifpiele fiir die-
felbe find auf dem Gebiete der Bofale im Deutichen
Der Untlaut (f. d.) und die nrg A d.), im Grie-
chiſchen die Epenthefe (ſ. d.) ded i. Regreffive YW. der
Konſonanten zeigt fid) 3. B. im italieniſchen sette,
fatto au3 lateiniſch septem, factus, im lateinifden
summus fiir sup-mus x. WIS gegenfeitige U.
farm man ¢3 bezeichnen, wenn durch Verſchmelzung
weier benadbarter Laute ein dritter, in Der Mitte
ieqender, entiteht, 3. B. ai gue, au gu o im Fran
zöſiſchen und Sanstrit.
Affimilationdsfyftem Wj fimilationsge-
webe), f. Uffimilation.
Mffimilieren (lat.), verähnlichen, anarten.
Affing, Ludmilla, Schriftitellerin, geb. 22. Febr.
1827 in Hamburg, Todter der Dichterin Roja Ma—
ria W. (1783 -—1840), gejt. 25. März 1880 in Flo-
reng. Rad) dem Tod ihres Vaters (1842) zog fie gu |
ihrem Oheim Varnhagen von Enje nad Berlin, durd)
den fie aud) in freundſchaftliche Beziehungen gu A.
v. Humboldt, Bettina v. Urnim u. a. fam. Ihre eviten |
größern Werke waren die Biographien: »Gräfin Clife
von Ahlefeldt« (Berl. 1857) und »Sopbhie von La
Rode, die Freundin Wielands« (daſ. 1859), denen
fic) ſpäter »Piero Cironi, cin Beitrag zur Geſchichte
der Revolution in Italien« (zuerſt in ital. Sprache, |
Prato 1865; deutſch, Leip. 1867) und » Fiirjt Her-
mann von Piidler-WMustau« (Hamb. 1872, 2 Te.) |
anſchloſſen. Nad dem Tod ihres Oheims mit der Her-
—— ſeines Nachlaſſes betraut, veröffentlichte ſie
zunaͤchſt die Aufſehen erregenden »Briefe Alexander
v. Humboldts an Varnhagen von Enſe⸗ (1.—5. Aufl.,
Leipz. 1860), fodann des letztern »Tagebitdher« (dal. |
weifel wertvolles, wenn |
1861—71, 14 Bde.); ohne
aud) mit größter Vorjidht zu gebrauchendes geſchicht—
liches und kulturgeſchichtliches Material. Nach dem
Erſcheinen des 3. und 4 Bandes wurde die A. wegen
Verletzung der Ehrfurcht vor dem König 1863 zu
acht Monaten, nach Herausgabe des 5. und 6. Bandes
1864 zu ati Jahren Gefängnis verurteilt. Sie war
indejjen bereits 1861 nad Floren iibergefiedelt, wo
fie aud) nad) der Amneſtie von 1866 blieb. 1873
heiratete fie einen italieniſchen Offizier, Cavaliere Gri-
melli, von dem fie 1875 wieder gefdieden ward. Sie
891
ftarb geiſteskrank. Aus dem fchier uneridipfliden
Nachlaß Varnhagens gab fie nod) den »Briefwechſel
zwiſchen Varnhagen von Enſe und Ol8ner« (Stuttg.
1865) fowie ⸗Aus Rahels Herzensleben, Briefe und
Tagebud)blatter« (Leip3. 1877) heraus, ferner: » Brief:
wedjel und Tagebitder des Fürſten Pückler« (HSamb.
u. Berl. 1873—76, 9 Bde.). Aus dem Dtalienifden
iiberjegte fie Cironis »Die nationale Preſſe in Ita—
lien und die Kunſt Der Rebellen« (Leipz. 1863) und
die »Schriften von Mazzini (Hamb. 1868, 2 Bde.).
Aſſini, franz. Schutzgebiet an der Clfenbeintiijte
(Guineagolf), bejteht aus einem ſchmalen, fladen
Küſtenſtreifen, Hinter dem fid) die Lagune von
Tando oſtwärts bis ing anſtoßende britiſche Gebiet
zieht, und einem — Binnenland. In die La—
= miindet von NW. der Bia (Rinjabo), der beim
Lustritt ins Meer VW. heist, mit ſchlechter, ſchwer er-
fermbarer, nur fiir Fahrzeuge von 1,6 m Tiefqang
braucbarer Cinfahrt und gefährlicher Mundungs
barre, an der weſtlich Bort W., öſtlich Fort YW,
auperdemt mehrere Faktoreien liegen. Nördlich von
der Lagune liegt cine ausgedehnte franzöſiſche Kaffee—
pflanzung. Die Bewohner find cin wobhlgebauter,
reinlicher Menſchenſchlag. Der König, der von Frant-
reid) cinen Jahresgehalt von 6000 Frank begzicht,
wohnt in dem lebhaften Handelsplatz Rinjabo am
Bia mit 2500 Einw. Die Franjofen qriindeten 1840
in A. eine Niederlajfung, erwedten aber dadurch die
Feindſeligleit der Cingebornen. 1871 wurde die Bee
ſatzung aus dem 1853 erbauten Fort Dabu zurück—
gezogen; in den Mer Jahren überließ aber der König
ein bedeutendes Areal dem Hauſe Verdier, in deffen
Auftrag Vrétiqni¢re und Chaper 1882 das Land
bereijt batten; 1883 fam Rogozinſti hierher.
Aſſiniboia, Dijtrift von Ranada (ſ. Karte bei
oRanada«), grengt im W. an Wiberta, im N. an Sas-
fatdewan, im ©. an Manitoba, im S. an die Unions.
ftaaten Norddafota und Montana, 233,920 qkm mit
(1901) 67,385 Einw. Es ijt ein gegen 500 m hobhes,
eee Prärie- und Steppentand, durchzogen vont
ſchiffbaren Sitd- Sasfatdewan und dem frudjtbaren
Tal des Qu'appelle. Das Klima ijt troden, im Som:
mer fehr heiß (bis 43°), im Winter ſehr falt (bis
— 655°), die froftfreie Beit beſchränkt fic) auf Mitte
Suni bis Mitte Auguſt. Der Uderbau begegnet qro-
fen Schwierigkeiten, dagegen gedeiht die Viehzucht
qut (1891: 23,449 Pferde, 69,420 Rinder, 44,376
Schafe, 10,020 Schweine). Jin SO. (am Souris Ri-
ver) und BW. (bei Medicine Hat) finden ſich große
Kohlenlager. Hauptverfehrsjtrahe ijt die Kanadiſche
Pacifiebahn mit ihren Verzweigungen, Hauptitadt
Regina (j. d.). Wus dem Nordwwejtterritorium, das
bis 1869 der Hudſonbaigeſellſchaft qehirte, wurde der
Diftrift 1886 ausgefdieden.
Aſſiniboine (pr. beam, Fluß im wejtliden Ka—
nada, vom dem Hiigellande im BW. des Manitobajees,
nimmt von redts den Qu'appelle und Souris auf
und mündet nad 7000 km langem Lauf bei Winni-
peq in Den Red River des Nordens. — Mad) thm be-
nannt ijt der Indianerſtamm der YL, der nord:
wejtlidjte Zweig der Dafota (j. d.), von denen fie ſich
im 17. Jahrb. als erbitterte Feinde trennten. Ihre
Mefamtzahl betragt etwa 8000; geqen 1700 Leben im
Staat Montana (Note Stein-Y. und Obere A.), die
fibrigen in Manitoba (YW. der Walder und YW. der
Prarien). Ihren Namen (Steinfocher, Steinindia-
ner) führen fie, weil fie Das Fleiſch mittels glühender
Steine fochten.
Aſſireten, Kaſte der Kurden (ſ. d.).
892 Aſſiſen — Afjos.
Aſſiſen (franz.). uripriinglich jede feierliche Sitzung der Niederwald (j. d.) mit bem Rationaldenfwea’ px
(sessio); fpater nur im Sume von Geridtsfigung ge· dem von * cine Zahnradbahn führt
braucht, in England ſeit dem 12. Jahrh. namentlich er, ſ. Rheinweine
von der feierlichen Hegung einer ſolchen. In Frank⸗ Asvoctated Press (eng|., for. anoiayem), § Tete
reid) ordnete Ludwig lige öffentliche Gerichts- | graphenburcaus.
figungen an, um fowobl Beidwerden der Vaſallenn Association en participation (fran;), | Se
oder Untertanen fiber ibre Beamten anjubdren als legenheitsgeſellſchaft.
aud) fiber die Berufungen gegen en Urteile unterer Ge | AFF (fran}., for. Sozius) Rompagnan
ridjtsitellen zu entſcheiden e Aſſiſengerichte Geſellſchafter, iſt Der Teilhaber einer Hanbdelsgeied -
befaßten ſich ſowohl mit Zivil⸗ als Kriminalprozeſſen ſchaft, insbeſ. der offenen, der Rommandit wed ber
und zerfielen in fogen. grandes oder petites assises. ſtillen Geſellſchaft; ſtiller A. wird der Gefeliichater
W verſteht man unter A. insbeſ. die Sitzungen der genannt, der fic) mur mit ECinidiefung exes Maye
urgeridte (f. d.), aud) diefe ſelbſt. Ubrigens ver: tals beteiligt. Näheres fiber die —* Strlleng
ftand man in Frankreich unter Assise auch eme wid) des W. ſ. Handelsgefell daft.
tigere Verordnung oder Verfiigung, namentlid cine | Wffolement( fran. for. affol' ming), |. ¥elDernterbems,
von den Aſſiſenverſammlungen erlajjene. Gottfried, Aſſollaut (or. Aang), Ul fred, franz Zéorrininetie:.
von Bouillon liek, naddem er 1049 Jeruſalem er- geb 20. März 1827 in Aubuſſon (Creufe), geſt _—
obert hatte, die Statuten fiir feine beiden Geridts 1886 in Baris, verdjfentlidte u. d. T.: sSetmes de
bife, das Hofgeridt und das Landgericht. in folden | la vie des Etats-Unis. (1858) mebrere Rovellen, de
Verſammlungen entwerfen, wovon dies Uftenjtiid durch die Lebhaftiqkeit der Darjtellung und der Letet
»Assises de Jérusalem« genannt wurde (fran. hrsg. farbe Aufſehen erregten. Yn raider eridtence
von Ya Thomafjiere, Bourges 1690). Selbjt die nun neue Romane, m denen freilich eare qewrije Shea
von den Aſſiſenverſammlungen bewilligten Steuern | gültigleit gegen Ordrung und Ebenmaß fowie Bor
nannte man Assisa, und Die von Wififengeridten ju liebe fiir paradore Behauptungen immer jtarfer Ber.
erfannten Strafen biejen Assises. vortraten. Wir nennen: » Brancas« (1850), » Dees
Aſſiſi, Stadt in der ital. Provinz Perugia, Kreis amis en 1792« (1859); »Histoire fantastique ée
Foligno, an der Eifenbahn Terontola- Foligno, am célébre Pierrot« (1860); »>Les aventures de Kart
Abhang des Subafio 410 m it. WM. gelegen, Meburts Brunner« (1861); »>Marcomir« (2. Aufl 1873); »tke
ort des beil. Franjisfus von A., der hier 1209 den brielle de Chénevert«( 1865); » Pendragon «( 1881 px
nad ibm benannten Orden itiftete (f. Avanzistaner). Seine frühern politifden Urtifel ſammelte er umter dex
Unt weſtlichen Ende der Stadt erhebt fic) die beriihmte | Titeln: »D'heure en heure«( 1862); » Vérité! were *«
Mofterfirde San Francesco, bejtehend aus einer hoben, | (1863); » Pensées diverses« (1864) u. a. Spater teat
einſchiffigen Oberlirche, niedriger Unterlirche, beide im er als politiſcher Schriftſteller, mehr und mebe per
otiſchen Stil 1228-52 erbaut, mit Fresfen von | bittert, nur nod in den Organen der Ronumuneparsn
imabue, Giotto und deſſen Schiilern u. a., fowie auf, wie er cata cide leant Dentidenbak (+ Le dac-
einer unter beiden in den Felſen gebauten Rrypte von | teur Judassohn« , 1873) bei jeder Gelegenbert Lat
1822 mut den Reften des Heiligen. Bemerfenswert | ju madden pjflegte.
find auferdem: der Dom (von 1140), die gotiſche Assoltito(ital.), abſolut. | unbedingt ; prima douma
Kirche Santa Chiara (von 1260), der antife Minerva- | assoluta, erfte(Soloratur:) San —— obne Einchrũn
tempel, Die mittelalterliche Burg Rocca grande, alte | kung, d. h. die leine Gleichgeſtellte neben ſich bat.
Stadtmauern, römiſche Baurefte und aujjerhalb der Mifonans (fran , »Ynflang<), Gleichtlang der
Stadt die dreifchiffiqe Ruppelfirde Santa Waria deqli Volale in * Pe swortern der Serie, ohne Berit
Angeli (von Vignola, 156%), welche die Rapelle Bor | ſichtigung der Nonjonanten, z. B. Berg - Held, Raden -
tiuncula, das einſtige Bethaus des bheil. Franjisfus Sdlafen x. Die W. ijt in Spanien heimiſch und ver
(mit Overbedts Fresto: Das Rofenwunder ded Heil. | mag dafelbjt bet dem Reichtum der Sprache an pedi
Rranjistus), einſchließzt. A. zählt coon ca. 7100 (als ténenden Auslauten (z. B. daga, alma) eber den Reve
Wemernde 17,378) Cimw., tit Biſchofsſitz und bildet zu erfegen, zumal da in der ſpaniſchen Romangenpoehee
das Biel zahlreicher Wallfabrer. Es ijt das alte Asi- ſich Die gleichen Reimvofale durd) cin ganzes Gedecht
sium, Geburtsort des Eleqifers Proper; (48 v. Chr.) | oder einen ganzen Abſchnitt wiederholen. Buch das
aud ber Dichter Metaſtaſio wurde in A. geboren. altfranzöſiſche Epos fennt die WU. In Deutidland,
Aſſiſtent (lat.), Gehilfe, Beijtand, befonders Gehilfe frither nur als unveiner Rem —— wurde
eines Arztes, eines Melebrten, tm Berwaltungs und, die A. un eitalter der Nomantif in Uberjebunge⸗
Rechtsweſen, aud) Geiſtlicher, der bei gottesdienſtlichen ſpaniſcher Dichtungen (Calderon von Schlegel umd
Handlungen dem Amts oder emem höhern Geiſtlichen von Vries, Romangen von Dies u. a.) wie aud om
beiſteht (affiftiert). Wifritens, Hilfe, Beiftand, Ge | Originaldictungen (von Tied, Ubtand, Ridert, Bte-
enwart bei einer Sache, Daber die Bezeichnung Wit | ten, Chamiſſou. a.) eingeführt, obne fic) aber Damernd
ſtenzrat. Arzt u. dal. Vaſſive Aſſiſtenz nennt die ju halten.
latholiſche Nirde die bloß zeugenmäßige Gegenwart Affortiment (frany.) oder Sortiment, fadge-
des fatholifchen Briejters bei der Erklärung der Che mäße Vereiniqung und Anordnung ee
ichlichung, der die Kirche Den Segen veriagt. ger Sachen, befonders cin nad den veridiedenen Gat
Affiftieren (lat.), beiſtehen. elfen. tungen und Yirten (Sorten) der Handelsartifet —
Aſſiut, dquyt. Stadt, ſ. Siut. ‘netes Warenlager. Wjfortieren, dad Yager mit
Afmannshanjen, > Dorf im preuh. Regbez. Wied verſchiedenen Arten (Sorten) von Waren veriedert,
baben, Rbeingaufcers, rechts am Rhein und an der bes. vervollftandigen und diefe nad Sorten emterien.
Staatsbahnlinte Franffurt a. W.-Niederlabnitem, bat Affos, 1) tm Ultertum lesbiſche Kolonie im der
eine fath. Kirche, cine Lithtonquelle von 35° nebit Bade Troas (Myſien), bod Uber dem Adramyttiſchen Meer ·
und Kurhaus, Reſte römiſcher und mittelalterlicher bufen (Buſen von Edremid), von der nod bedeutende
Bader, Weinbau (befte rheiniſche Rotweine), Quarzit Reſte beim heutigen Behram ldt brig find. 1881
britde, Weinhandel und coe L028 Einw. Nabhebci , 1883 veranftaltete das amerilaniſche Inſtitut far We-
Affoziation — Aſſyrien.
chãologie in A. Ausgrabungen, durch welche die Agora
mit Stoa und Buleuterion, ein vierſtöckiges Bad, ein
Heroon, Theater, Gymnaſium ꝛc. aufgedeckt wurden.
— 2) Dorf mit venezian. Kaſtell auf Rephallinia (f. d.).
Aſſoziation (neulat., »BVergefellfchaftung<), im
weitern Sinne jede Vereiniqung von Kräften und Ka—
pitalien zur Erfiillung gemeinfdaftlicer Swede. Sind
Diefe Rwede politifder, religidjer, gemeinnütziger Urt,
fo nennt man die A. aud kurz Verein. Aſſozia—
tionSredt bedeutet Dann das Recht zur Vereins—
bildung unter Beobadtung gewiſſer geſetzlicher Vor—
ſchriften. Im engern Sinn iſt A. eine freie, zur
Erreichung eines dauernden Zweckes geſchloſſene Ver-
einigung im Gegenſatze zu denjenigen Verbindungen
(Staat, Gemeinde), denen man unter beſtimmten Vor—
ausfepungen auf Grund eines dffentlich - rechtlicjen
Bwanges angehirt. Unter denfelben fpielen diejeniqen
eine widtige Rolle, die Produftions- und Erwerbs—
alvecten gewidmet find und die auf einem zivilrecht—
lichen Gefellfchaftsvertrag beruhen (societas) oder,
wie die Handelsgqefellichaften und Genojjenidaften,
durch beſondere eſetze geregelt ſind. — Koopera—
tive A., int engern Sinne ſoviel wie Genoſſenſchaft
(f. d.), im weitern Sinne jede folleftive, von Unter—
nehmer und Yrbeitern gemeinſam betricbene Unter-
nehmungsform (Produktivaſſoziation).
In der Mineralogie bezeichnet A. die Vergefell-
fchaftung der Gefteinsgemengteile in einem Gejtein.
Gewiſſe Gemengteile ſcheinen ſich gegenſeitig auszu⸗
ſchließen, ſo Quarz und Nephelin, Sodalith und
Mustovit, während andre fajt regelmäßig zuſammen
vortommen, wie Nephelin und Noſean, Diſthen und
Staurolith. Man hat die Regelmäßigkeiten in der A.
‘der Geſteinsgemengteile in den ſogen. Aſſoziations
geſetzen zu formulieren verſucht. Für die tiv⸗
geſteine und für die (metamorphiſchen) kriſtalliniſchen
Schiefer iſt entſprechend ihrer verſchiedenen Bildung
die A. eine durchaus verſchiedene; für die klaſtiſchen
Geſteine gibt es natürlich keine geſetzmäßige A.
Aſſoziation der Ideen, ſ. Ideenaſſoziation.
Affoziationsfyftem, ſ. Gefängnisweſen.
Aſſoziationszentren, ſ. Gehirn.
—— vereinigend, verbindend. Aſſozia—
tives Geſetz, ſ. Addition und Multiplikation.
Aſſoziieren (neulat.), vergeſellſchaften, vereini—
gen; zu einer Handelsgeſellſchaft verbinden.
po sage Bewegungen, |. Mitbewequngen.
Affudu (das alte Syene), Stadt in Agypten,
rechts am Ril, der hier ſeine letzten Katarakte bildet,
unter 24° 5’ 30” nördl. Br., Endftation der Cifen:
babn, zwiſchen Palmen- und Akazienhainen gelegen,
mit (1397) 13,000 Einw. Unter den A. rings umageben-
den Ultertiimern aus der Bharaonen- und Ptolemäer—
cit find bemerfenswert dic fiber 6 km fangen Stein-
bride roten Granits, aus dem jablreide Obelisken
und Koloſſalſtatuen der ägyptiſchen und athiopifden
Tempel qebildet wurden. Am linfen Ufer 5* die
Felſengraͤber, gegenüber und nach S. hin eine Menge
reizender, fruchtbarer Inſeln, darunter Elephan—
tine (jf. dD.) und BHila (7.d.) mit berühmten Tempel—
ruinen. A. hat Poſt- und Telegraphenamt, hübſchen
Baſar und treibt anfjehnliden Handel mit den Cr-
zeugniſſen ded Sudan, war aber friiher weit bedeu-
tender, da einntal bier 20,000 Berfonen an der Peſt
ejtorben fein follen. Im Witertum zog man durch
yene irrtiinilid) den Wendefreis des Krebſes.
Affuay, Proving von Ecuador, f. Azuay.
Aſſumieren ({at.), annehmen, gelten laſſen; as-
893
wodurd) man die einem andern obliegende Pflicht sur
Vornahme einer Leijtung übernimmt.
AUffumptioniften (Peres de l'Assomption, Wu-
—— von der Himmelfahrt Maria), franz.
ongregation mit der Auguſtinerregel, ſeit 1320, durch
den Abbé d'Alzon 1847 erneuert. Yu Frankreich ha—
ben die A. ihre Tätigkeit in neueſter Zeit hauptſächlich
Der flertfal-ultramontanen ‘Bolitif gugewendet und
inSbef. eine einflußreiche Preßtätigleit entfaltet (»>La
Croixe, in 190,000 Exemplaren täglich verbreitet),
was 24. Jan. 1900 zur Auflöſung der A. führte. Jn
England widmen fie jich in erjter Linie der Seelforge
fiir die fatholijdhen Watrofen. In Ronjtantinopel
leiten fie bas von Leo XIII. geqriindete Inſtitut zur
Uusbildung orientalijd-fatholiidher Prieſter und and
die Haupttrager der Unionsbejtrebungen zwiſchen
Ront und den orientalifchen Kirchen.
AUffumtion (Wi jumption, lat.; ital. assunzione,
assunta), Un-, Wufnahme ; Aufnahme in den Himmel ;
daher aud) Bezeichnung von Genälden der Himmel-
fabrt Chrijti, der Maria r.
Aſſunguy, Kolonie im braſil. Staat Parand,
105 km ndrdlid) von Curitiba, im frudtbaren Ribeira-
tal, mit Koloniſten der verſchiedenſten Nationalitäten
beſetzt, die namentlich Tabak bauen.
Wffur, richtiger Aſur (»der Heilbringende, Hei—
lige«), Name des aſſyr. Nationalgottes. Die älteſte
Hauptitadt Aſſyriens, jetzt bezeichnet durch die Rui—
nenſtätte Kileh —— am rechten Tigrisufer, un-
gefähr 13 Meilen ſüdlich von Moſul, hieß A. und
gab zugleich dem ganzen Lande dieſen Namen.
Aſſurauce (fran}., fpr. aſſurängh'), Sicherheit, Zu—
verſicht; ſoviel wie Aſſeluranz, Verſicherung (ſ. d.).
Aſſurbanipal, ſ. Aſurbanipal.
Aſfſyrien, im engſten und urſprünglichſten Sinne
der von dem ſemitiſchen Stamm der Aſſyrer be—
wohnte Landſtrich zwiſchen Tigris, dem untern Zab
und den kurdiſchen Bergen, der bei den Aſſyrern ſelbſt,
deren Stammland er war, Aſſur (7. d.) hieß. Spä—
ter wurde darunter alles Land zu beiden Seiten des
Tigris und am Fuh der Gebirge bis gum Diala
ſüdwärts verjtanden, und nod) weitere Ausdehnung
erhielt der Name durd) die Eroberungen der ajfyri-
ſchen Könige, die ſchon im 12. Jahrh. v. Chr. unter
Tiglathpilejer I. voriiberqehend bis an das Wiittel-
meer reidten und feit Aſurnazirpal (884 — 860) ſich
iiber Babylonien, Wejtmedien, Armenien, Mefopota-
mien, Syrien, Paläſtina und Agypten ausdehnten.
Die Griechen verſtanden unter A. meiſt das ſyriſche
Küſten- und das untere Euphrat-Tigrisland mit, ja
beſchränkten zuweilen den Namen auf legteres. Das
cigentliche A. ijt eine räumlich beſchränkte, fruchtbare,
durd) viele Gebirgsbäche bewäſſerte Ebene, die von
niedern Höhenzügen vielfad) Durchichnitten ijt. Der
Muſchelkalk derjelben und große Tontager lieferten
qutes Baumaterial, die nahen Gebirge Marmor, Ala—
bafter, Silber, Kupfer, Blei und Eiſen, wodurch Bau-
funjt und Sfulptur mächtig gefirdert wurden. Dic
widtigiten Städte waren Wjjur, Kelach, Ninua oder
Ninive, ſämtlich am Tigris gelegen, und Yirbailu (Ar—
bela, heute Erbil) zwiſchen den beiden Zab.
[Gefchicshte.] Dic griechiſchen Erzählungen von der
Gründung des aſſyriſchen Reiches und ſeiner Haupt-
ſtadt Ninive durch Ninos (ſ. d.) und den Erobe—
rungszügen ſeiner kriegeriſchen Witwe, der Halbgöttin
Semiramis (j. d.), der weichlichen Herrſchaft ihres
Nadfolgers Ninyas und weiter der Derfetaden find
ſpũtere Sagen perjiiden Uriprungs. Die Aſſyrer wa—
sum(p)sit, »er hat iibernommen«, das Berjpreden, | ren babylonijde Nolonijten (vgl. 1. Moſ. 10, 11 f.).
894
Ihre erjte Niederlafjung war, wie es fdeint, die auf
dem redjten Tigrisufer, 64 km von der Mündung
des obern Sab ſtromabwärts gelegene Stadt Aſſur
(f. d.), nach der Das ganze Land Aſſur (zuerſt in ba- |
bylonifden Briefen um 2250 v. Chr. erwähnt) ge⸗
nannt wurde. Aſſur war der älteſte nachweisbare
Sit aſſyriſcher Herrider, der fogen. Iſſalkus (Pa-
tejis) oder »Stellvertreter« des Gottes Aſur, unter
denen die erſten uns befannten Jsme-Dagan (ca.
1840 v. Chr.) und fem Sohn Gamfi-Ramman
find. Der Veginn ded affyrifden Königtums mag
in Die Sabre 1700 —1600 fallen; als älteſter König
wird Bel-faptapu genannt. Die politijden Beziehun—
gen Aſſyriens zu Babylonien begannen wm 1480,
um welde Zeit Whur-bel-nifefu fic) mit dem babylo-
niſchen König Raraindas L. friedlid) fiber die gegen-
jeitigen Grenjen einigte. Uber ſchon bald mifdten fid)
die ajjyriiden Könige in die babylonifden Ungeleqen-
Heiten, und e3 begann eine faſt ununterbrodene Reihe
von Kämpfen, in denen die Aſſyrer meift die Ober-
a bebielten; ſchon Bel-nirart (ca. 1380) entrif den
abyloniern das —— nördlich vom Fluſſe
Diala. Salmanaſſar J. (ca. 1330) erweiterte die
Grenzen Aſſyriens gegen NW. und erbaute eine neue
Reſidenz, Kelach (ſ. Nimrud). Sein Sohn Tukulti—
Adar J. brachte nae atin voriibergebend in feine
Gewalt. Von 1210 ab werden abermals Kriege zwi—
ſchen Den beiden Reichen beridtet: das Glück wechſelt,
ijt aber vorzugsweiſe auf aſſyriſcher Seite. Der baby:
lonijde Rinig Mardul-nadin-ade befiegte (1107)
— Tiglathpileſer J., doch drang dieſer nachher in
abylonien cin und eroberte Opis, Sippar, ja Ba- |
bylon felbjt. Tiglathpilefer I. (ca. 1120) ijt der erjte
afyeiice Monard, von dem wir größere Schriftdent-
miler befipen. Ihnen zufolge eroberte er das ſüdliche
Armenien, befimpfte die aramäiſchen Stimme am
Euphratufer und bradte zuerft transeuphratifdes
Gebiet jeitweiliq an UW. Bald nad) Tiglathpilefer 1.
verjiegen die keilſchriftlichen Ouellen: wo fie wieder
gu fliegen beqinnen, hören wir wiederum von baby-
lonifd)-affyrijden Rriegen, zunächſt jolden zwiſchen
Dem Aſſyrer Adad-nirari IT. (911— 890), mut deſſen
Regierung der aſſyriſche ⸗Eponymenkanon« anbebt,
und dem babylonifden König Samas-mudammit
jowie deſſen Nadfolger. Cinen grofen Aufſchwung
nahm das Reich unter Ufurnagirpal (884-860),
der viele Kriegszüge nad allen Seiten, fonderlid) nad
Den Ufern des mittlern Euphrat, unternahm und be-
reits Den Phönikern Tribut auferlegte, ferner Kelach
neu griindete und den fogen. Nordweſtpalaſt dafelbjt |
erbaute, und feinem Sohne Salmanaffar IL. (860
bis 824; f. Salmanajjar). Tiglathpilefer UL
(745 —727) beqriindete die affyriide Weltmadt: er
eroberte ganz Urmenien und einen großen Teil Me-
Diens, nahm 741 Yrpad, 732 Damasfus und madte |
Die Könige von Israel und Juda ju Vaſallenfürſten.
Vis nad Urabien und der Agyptijden Grenge debhnte |
er feine Feldzüge aus. Näheres f. Tiglathpilefer. Une
ter Salmanaffar IV. (727—722) empörten fid
Die Phöniker und Hofea von Israel; Salmanafjar
unterdriidte den Aufſtand, belagerte, freilid) vergeb-
lich, Tyros und ſchloß Samaria ein, das fic) aber erjt
jenem Nachfolger Sargon ergab(722). Uber die legte |
aſſyriſche Königsdynaſtie Der Sargoniden, iiber Sar-
qon (722 —705), feinen Sohn Sanberib (705 —
681), deffen Sohn Aſarhaddon (681—669), den
Croberer Agyptens (671), und endlid deſſen Sohn
Ufurbanipal (669 —625) f. die betreffenden Ar—
titel. Für Die Jahre 647 — 625, während deren Ufur-
|
Affyrien Geſchichte, Kultur).
|
banipal unter dem Namen Randalanu (Rineladan)
den babylonifden Thron innehatte, ſowie fiir die
librige Zeit bis gur Zerſtörung Rinives mangeln leil-
ſchriftliche Berichte. Dod) wifjen wir aus andern Duel-
len, vornehmlich aus Herodot, daß der erjte tödliche
Stoß gegen W. und das aſſyriſche Weltreid) von Me-
Dien autging. das fid) unter der Fiihrung des Ge-
ſchlechts des Dejofes aus vielen fleinen iirjtentitmern
u einem einbeitliden Reich entwidelt und unter
braorte3 feine Oberhoheit iiber die Lander ringsum
zur Geltung gebradt hatte. Phraortes wagte den
erjten Angriff gegen Ninive, aber die Aſſyrer ſiegten,
und Phraortes fand mit bem größten Teil ſeines
Heered den Untergang (ca. 624). Gliidlicher war fein
Sohn und Nachfolger Kyarares, der zwei Sabre nad»
her abermals gegen A. vorriidte, die Aſſyrer befiegte
und Rinive belagerte. Dod) brachten die von Often
und Nordoſten her eimbredjenden und alle Lander
von Medien bis nad) Philiſtäa überſchwemmenden
ſakiſchen Sfythen noch einen letzten Aufſchub fiir das
aſſyriſche Reid). Diefer Hereinbruch der wilden ſtythi⸗
ſchen Reiterfdaren Ddiirfte fic hauptſächlich zur Feit
von Aſurbanipals Sohn und Nadfolger Uj ur-etrt>
ilani (-ufinni) volljogen haben. Unter ded letztern
Nadhfolger Sinfar-istun (»Sin hat den Romig
bejtellt<), dem Sarafos der Griechen, erfolgte dann
Aſſyriens Untergang. Wie es fceint, wurden de
WMeder unter Kyarares zuerſt der ſtythiſchen Bolter:
bewequng Herr; fie bejiegten und vertrieben Die Bare
baren aus ihrem Land und verbiindeten fich weiter:
hin mit dem Chaldder Nabopolajjar (ſ. d.) zum
Kriege gegen A., der 606 mit der Einnahme Ninives
und Dem Untergang de8 affyrifden Reiches und Bol-
ted endete. UW. und Mefopotamien fielen an die We-
der, Syrien an die Chaldäer.
{ftultur.}] Wie ſchon bemerft, waren die Aſſyrer
babylonijde Rolonijten. Ihre Sprade war diendim-
liche wie die babylonijce, gleich dieſer mit Der hebräi⸗
ſchen und arabijden nächſtverwandt. Ihre Sdrift
, (Reilfdhrift, f. d.) iff aus der babylonifden hervor⸗
gegangen und in vielen Stitden ihr gleich. Ihre
eligion Dect fich ziemlich mit der Der Babylomer
(. Babylonien), nur trat an die Spite des Ban-
| theons der affyrifde Nationalgott Aſur. Auch in der
Baukunſt und den tibrigen Künſten und BWiffen-
jchaften, obenan der Ujtronomie, zeigen fic die Aſſy—
rer abhängig von ihren babyloniſchen Alwordern.
Sie waren ein eminent kriegeriſches Volk, aber in
geiſtiger Beziehung feine Bahnbrecher, obwobl fie in
manden Stiicen ihre babylonifden Lehrmeijter über⸗
holt haben und ibrerjeits wieder zu Lehrmeiſtern fiir
die vorderafiatijde Welt qeworden find. Sonderlid
in Der Architektur und Skulptur haben die Ufforer
eine hohe Stufe erreicht. Ihre Tempel und Balafte,
die fic) gleich den babyloniſchen auf künſtlichen Ber:
qen oder Terraſſen erhoben, waren aus Bachkſteinen
und Balfen errictet, die Wiinde aber mit großen
Kalkſtein⸗ oder Wlabajterplatten befleidet, die mit Bild-
werfen und Inſchriften bedectt waren (ſ. Tafel » Ud
teftur II«, Fig. 1 und 2, und Tafel »Ornamente I+,
Fig. 1—5). An den Eingängen der Sale und Hallen
jtanden gefliigelte Sticre mit Menſchenköpfen, Lowen:
tolojje, i uren von Göttern und Genien u. dal.
(fj. Tafel »Bildhauerkunſt IT«, Fig. 1 —4). Da fait
_ jeder — neue Paläſte erbaute und an ibren Wan-
den ſeine Taten in Bild und Schrift verherrticte, fo
vertraten diefe Dionumente die Stelle von Archiv und
Chronilk des Reidhes. Zugleich lernen wir aus ihnen
Die gefamte Lebensweiſe und Beſchäftigung der Wy
Ajfyriologie — Aſt.
fee in Krieg und Frieden kennen. Der aſſyriſchen
fulptur ijt ein gewiſſes ftarres, ftereotypes Weſen
eigentümlich; bejonders fiir Hauptjiguren, wie die
Ronige, bildeten fid) typifche Formen aus, die Natur
wird modglidjt genau nadgeabmt, ohne Freiheit und
Individualität; die Tiergejtalten, befonders die Fi-
uren von Löwen, find fiinitlerijder als die der Men—
Pen. Ulles weift auf eine lange geiibte Tedjnif hin,
bie mit der Zeit in einer bejtimntten Manier erjtarrte.
Die Könige waren unumſchränkte Herrider, die un-
ter Dem unmittelbaren Gadus der Gottheiten deren
Gebote ausfiihrien. Die Bahl der Beamten war be-
deutend, ihre Rangordnung genau feſtgeſtellt. Das
Kriegsweſen war wobhlgeordDnet und hod) entiwicelt.
Das Fupvoll war teils ſchwer, teils leicht bewaffnet.
uch Reiterei fehlte nicht. Die Aſſyrer verjtanden es,
ibr Lager gu befejtigen, feindlide Städte mit Ein—
ſchließungswällen zu umgeben und mit Belagerungs-
majfdinen gu bejtiirmen. Wenn die Alten viel von
Dent Wobhlleben der Uffyrer erzählen, fo wird dies
durd die Monumente beftatigt, wo wir die cingelnen
Perſonen mit reichen, bunten, fein gewobenen und
gejtidten Gewändern fowie fojtbarem Schmuck an-
pact ſehen; das Haar ijt forgfaltig gepflegt, bejon-
er$ der Bart, der bis auf die Bruit reidt; um den
Kopf ijt eine geidmiidte Binde gefniipft (f. Tafel
>Rojtiime Ie, Fig. 3). Die Hausgeriite jmd reid) ver=
von Metall, Holz, Elfenbein; befonders die
ffen jind funjtvoll gearbeitet und mit Köpfen von
Löwen, Widdern ꝛc. als Griff verfehen. Teppide und
Gewiinder find gut gewebt. Die aſſyriſchen Jndujtrie-
produfte wurden aud) nad andern Ländern aus.
geführt; aſſyriſche Urbeiten in Gold und Silber, Glas:
und Tonwaren, Teppiche und Webereien wurden ſelbſt
in Griedenland nadgeahmt. Um die Wusgrabun-
‘= in YW. haben fic), ſeitdem CL. J. Rich, Reſident
cr Ditindijden Kompagnie in Bagdad, Ninive in den
beiden — ———— Sujundidi und Nebi Yunus
(gegeniiber von Moſul) wiederentdedt hatte (1820),
bejonders verdient gemacht: der franzöſiſche Konſul
Emil Botta (1842—45) nebjt dem Urchiteften Victor
Place (1852), welde die Sargonsjtadt ausqruben;
ferner die Englinder Auſten Henry Layard (1845 —
1847, 1849—51), Horniuzd Raſſam (1852—54,
1877— 82) und George Smith (1873, 1874, 1876);
näheres f. unter Chorjabad, Nimrud, Ninive.
Literatur. Botta und Flandin, Monument de
Ninivé (Bar. 1847 —50, 5 Bde.); Victor Place, Ni-
nivé et l’Assyrie (daf. 1866—69, 3 Bde.); Layard,
Niniveh and its remains (Lond. 1849; letzte Ausgabe
1854, 2 Bde.); Derjelbe, Discoveries in the ruins of
Niniveh and Babylon (daf. 1853), nebjt einem Atlas
vor 100 (daf. 1849) und 71 Tafel (1853), betitelt:
»The monuments of Niniveh< ; beide Werfe Layards
aud) deutſch (Leipz. 1854 u. 1856); G. Smith, Assy-
rian discoveries (7. Uujl., Lond. 1883); Hormuzd
Raffam, Excavations and discoveries in Assy-
ria (daſ. 1879); Derjelbe, Asshur and the land of
Nimrud (Cincinnati 1897). Zur Geſchichte vgl. M.
v. Niebuhr, Geſchichte Ujjurs und Babels feit Phul
(Berl. 1857); Oppert, Histoire des empires de
Chaldée et d’Assyrie (Berfailles 1865); G. Raw-
linfon, The five great monarchies of the ancient
eastern world (4. YWufl., Lond. 1879, 3 Bde.); Le-
normant, Manuel d’histoire ancienne de lOrient
0. Aufl., Bar. 1882, 3 Bde.; deutſch bearbeitet von
uſch, 2. Unjl., Leips. 1873, 2 Bde.); Hommel, Ge—
ſchichte Babyloniens und Aſſyriens (Berl. 1885); C.
P. Tiele, Babyloniſch-aſſyriſche Geſchichte (Gotha
895
1886 —88, 2 Tle.); Mürdter, Geſchichte Babylo-
nienS und Aſſyriens (2. Aufl., neubearbeitet von F.
Delitzſch, Kalw 1891); H. Windler, Geſchichte Ba-
byloniens und Aſſyriens (Leip;. 1892); F. Kaulen,
U. und Babylonien (5. Wujl., Freib. i. Br. 1899).
Ausführliche Literaturiiberjidt bei Friedr. Delis fd,
Aſſyriſche Grammatif (2. Aufl., Berl. 1902).
Aſſyriologie, cin Zweig der ſemitiſchen Sprach—
und Altertumswiſſenſchaft, welcher die Erforſchung
des aſſyriſch-babyloniſchen Wltertums nad Sprache.
Geſchichte, Religion und Kultur zur Aufgabe hat, da-
neben aber aud) die Erforfdung aller in Keilſchrift
geſchriebenen Sprachdenkmäler, d. h. der elamiti-
ſchen, armenifden und der auf den Tontafeln von
el-Umarna erhaltenen nidtbabylonifden Inſchriften
und Schriftſtücke. Es ijt alfo, vom Witperjifden ab-
geſehen, das eine Domine der indogermanijden
Sprachwiſſenſchaft ijt, UW. und Keilſchriftforſchung
—— das nämliche. Die größten Verdienſte um die
ründung der A. haben ſich Sir Henry Rawlinſon
und Jules Oppert erworben. In Deutſchland wurde
fie eingebiirgert durch Eberhard Schrader, vornehm:
lid) Durd) deſſen Schrift: »Die affyrifd - babyloni-
ſchen Keilinſchriften: kritiſche Unterſuchung der Grund-
lagen ihrer Entgifferung« (Leipz. 1872). Gramma—
tiſche Werle: Oppert, Eléments de la grammaire
assyrienne (2. Aufl. Bar. 1868); Ménant, Manuel
de la langue assyrienne (Daf. 1880); D. G. Lyon,
An Assyrian manual (Chicago 1886); Fr. Delitzſch,
Aſſyriſche Grammatif (2. Aufl. Berl. 1902). Wörter⸗
bücher: Fr. Delibid, Aſſyriſches Handworterbud
(Leip;. 1894— 95); Bruno Meißner, Supplement
gu den affyrifden Worterbiidern (Leiden 1898). Die
widhtigiter, dem Ausbau der YW. ſpeziell dienenden
Sammelwerfe find: » Ujjyriologijche VBibliothel <(hrsq.
von Fr. Delisfd und Baul Haupt, bis jest 17 Bande,
Leipz. 1881 jf.); »Zeitſchrift fiir Keilſchriftforſchung ·
(hrsg. von K. Bezold und F. Hommel, daſ. 1884 —
1885, 2 Bde.); ⸗Zeitſchrift für A.« (hrsg. von K.
Bezold, bis jetzt 16 Bände, daſ. 1886 ff.); »Revue
d'A. et d’Archéologie orientale« (hrsg. von Oppert
und Ledrain, ‘Bar. 1884 ff.); »Beiträge sur YW. und
ſemitiſchen Sprachwiſſenſchaft« (hrsg. von Fr. Delitzſch
und Haupt, Leipz. 1889ff.). Bal. ferner: ⸗Recueil
de travaux relatifs à la philologie et a l’archéolo-
gie égyptiennes et assyriennes« (hr8q. von Maſpero.
ar. 1879 jf.); »Transactions« und » Proceedings of
the Society of Biblical Archaeology « (Lond. 1872 ff.,
be3. 1879 }7.); »Mélanges d’archéologie égyptienne
et assyrienne< (hrsg. von Mariette Vey, Bar. 1872
bi 1876) u. a.
Aſt, Pflanzenteil, der aus einem friiher vorhan-
denen Pflangzenteil nrittels einer Knoſpe entiprungen
ijt und mit jenem in morphologiider Besiehung als
ein Organ von gleider Urt und Bedeutung erfdeint.
Vjte eines Baumes oder Strauches find die unmittel⸗
bar aus dem Stamm oder der Hauptivurzel aus:
gebenden erſten Verteilungen, Zweige aber die wei-
tern BVerteilungen der Aſte. Der Winkel, den ein Wit
mit Dem Stamm, ein Zweig mit dem Aſt aufwarts
bildet, heist Aſtwinkel (Aſtachſel, Ujtgabel, lat.
ala, axilla).
Aſt, Georg Anton Friedrid, Philolog und
Philoſoph, qeb. 29. Dez. 1776 in Gotha, geſt. 31. Ot.
1841 3u Deiindhen, ftudierte feit 1798 in Sena, ward
1802 Privatdozent dafelbft, 1805 ordentlicder Bro-
feffor der Philologie gu Landshut, fiedelte 1826 mit
der Univerſität nach München über und wurde hier
jum Mitglied der Alademie der Wiſſenſchaften ernannt.
896 Aſtaboras
Ym Geiſte Schellings ſchrieb er: »>Handbuch der Hithe: |
tif< (Leip;. 1805) ; »>Grumbdrif der Geichichte Der Philo
fopbie< (2. uf, dai. 1825); »GrumDdDintien der Philo
fopbie« (2. Anil, dai. 1809) ua Als Philolog wid-
mete A. feine Tãtigleit dem Paton, indem er emycine
Schriften desielben bearbeitcte und die jamtlichen Werte
Piatons mit lateiniſcher Überſetzung und Rommen-
taren (daj. 1819-32, 11 Bde.) berausgab, aud das
» Lexicon Platonicum< (dai. 1835—38, 3 Bde.) ver-
Offentlidte. In femem Werfe »Platons Leben und
Astacidae, j. Strebje. Astacus, f. Flußkrebs
Aſtakos (aud Cibia qenannt), alte Stadt in
Bithynien, am Ojtende de3 Meerbuſens von Ismid,
bon arern, 3u denen {pater Uthener fich geſellten.
riindet. Die Bewohner wurden 264 v. Chr. von
ifomedes IL. von Bithynien in Nifomedeia (Ismid
—
ſtaroth (Aſchtaroth), Name von zwei oitjor-
daniſchen Orten in Baſan, einer, Heft
Rinigs Og von Baſan, jubenannt Rarnaim, aud
Beesthra (d. h. Tempel der Ujtarte), im beutigen
Tellel Ufdtara geſucht wird, während der andre
füdlicher, beim Ruimenbiigel Tell el Widari, lag.
Astarte Sow., Muſchelgattung, der Gattung Ve-
nus ähnlich, aber den Rarditiden naberitebend. Die
Schale ijt did, lonzentriſch gerippt oder geitreift, mit
brauner oder ſchwãrzlicher Schalenbaut. Die metiten
und größten Yirten finden fic) in Den hochnordiſchen
und nordijden Meeren. Wan fernt 200 foſſile Arten
vom Lias an (Wjtartenfalfe). A. borealis, ſ. Tafel |
»Diluvium I+, Fig. 10. |
Wftarte (qried).; aramäiſch Uttar, tanandijd- |
bebraiid) Uf dtoreth), größte ſemitiſche Göttin, die
Gemahlin des Gottes Baal und als ſolche auch Baal⸗
tis (Baalat) genannt. Im Gegenſatze ju Baal, |
tem minnliden, zeugenden Bringtp, dem Herrn der
Schöpfung, dem Lidjtgott, verforpert im Sonnenball
(f. Baal), rt A. das werblice, empfangende, gebärende
Pringip, die Gottin der Ressinoiicalt der Natur,
die Gottin des Naturlebens in feimem Entjtehen und
Vergehen. Die Mondſichel, mit der ihr Haupt bis-
weilen geſchmückt erjdeint, Deutet darauf, daß der
Mond als ihr Gejtirn — A. iſt die Göttin der Liebe,
der Fruchtbarkeit und der Zeugung. Ihren Prieſtern
war Eheloſigkeit, ihren Prieſterinnen ſtrengſte Keuſch⸗
heit zur Pflicht gemacht. Dagegen verlangte ihr Kul⸗
tus, daß ſich Die Jungfrauen an ihren Feſten preis-
qaben und ibren Erwerb an das Heiligtum abliefer- |
ten oder ju Opfern verwendeten, als welche fie am
liebjten Siegenbddlein darbradten (wie die Hetdren |
der Uphrodite Pandemos bei den Grieden und die
BVerehrer der Liebesgöttin in Paphos). Daneben feblte
es aud) nicht an männlichen Hierodulen. A. war aber
aud) Gitlin des Krieges; ald ſolche erſcheint fie mit dem |
Speer bewaffnet und bald auf einem Lowen, bald auf |
cinem Stiere reitend. — Über die babyloniſch⸗ aſſyri⸗
ſche Göttin Iſtar, die mehrfach beſondere Züge auf- |
weijt, mandje aber aud) mit der weitafiatifden WL teilt
(ingbej. ben unjiidjtigen Kultus) und in einigen fo-
a (3. B. Der Tammuz-Mythe) die aujer loni⸗
chen Aſtarteſagen beeinflußt haben dürfte, ſ. Iſtar.
Wie ber den Babylonier-Aſſyrern der Name Iſtar
auch fiir Gottin überhaupt gebraudt wurde, fo trug
aud) bet ben Phdnifern und Aramäern jede Baalat, |
d. h. jede Göttin als Gemablin cines beliebigen Baal
oder Stanun+, Stadt+, Berggottes rc. (f. Baal), mit |
Des
— Aſter.
Borliebe den Namen Aſchtoreth
nod der Name ihres Gemabis t werden fonnie;
B. Midtor des Ramojd in b ſowie die ara-
maiide Gottin Atargatis, d. h. Uttar des Gottes Hate,
woraus Derfeto (j. d.) forrmmpiert iſt.
Aftafie (qriec.), j. Abaſie
Afratifdy (qrieh., -unitet, leicht beweglich«) heitt
eine Wagnetnadel, die durch den Erd zmus
mit ſeht geringer Kraft im der Gleichgewichtslage fen
ehalten wird; man erreicht Dies, indem man m Der
abe einen Wagnet derart anbringt, daß er Die Wit
fung de3 Erdmagnetisnms nahezu aufbebt, oder in⸗
dem man zwei Wagnetnadein an derjelben vertifaien
Achſe fo befeſtigt, daß der Nordpol der obern Radel
iiber Dem Siidpol der untern liegt. S. Galvanometer.
Aſtatki, Ruͤccſtand von ber Petrotcumbeltilletion,
dient als Feucrungsmaterial.
Aſtegorrhinie —5 die Form des knochernen
Rajenriidens beim Tier, der im Vergleich zu dem
menidlicen feinen giebeligen Borjprung bejigt. Bgl.
Rbyndognatbie.
Aten, Friedrich Emil von, Aſtronom, ged.
26. Jan. 1842 in Rodin, geit. 15. Mug. 1878 m St.
Petersburg, wurde 1871 Wdjunft - Aſtronom an der
Sternwarte in Bulfowa, lieferte eine Bahnberechnung
der UranuSstrabanten und Bejtimmung der Uranus.
maije, Hilfstafein zur Reduftion der Lalandeſchen Fit
iternbeobadtungen (Leip;. 1868) und zwei Wbband-
lungen iiber den Endeiden Rometen (St. Petersb
1871 u. 1877).
Aftenberg, ſ. Kabler Ujtenberg.
Aster L. (Sternblume), Gattung der Lompo-
jiten, meiſt ausdauernde Gewächſe mit einfachen Bia:
tern, riſpig, ebenſträußig oder einzeln endſtändigen
Blutenlöpfchen und langliden, zuſammengedrücten
Achenen mit zwei⸗ oder dreireihigem Pappus. Uber
200 meiſt Der nördlichen Erdhälfte, Dorgiiglidy Nord-
amerifa, angehörige Urten. A. alpinus L. (f. Tafel
Zierpflanzen I<, Fig. 2), mit nur cinfaptigem Sten.
gel und blauen Randbliiten, im Nordaſien und den
höhern Gebirgen Mitteleuropas, wird als Zierpflanze
auf Steinbecten fultiviert; A. Amellus LZ. (Birgils-
ajter), in Mitteleuropa, auf Bergen und diirren Ha
geln, bis 50 cm hod, mit blauvioletten Randbliiten;
A. Tripolium Z. (Sumpf-, Strandajter), mit
lilafarbigen Bliiten, am Meeresjtrand und auf Sal;
boden in Europa und Aſien, fowie mehrere andre ans
dDauernde, namentlich nordamerifanifde Arten ſind
als Herbſtaſtern in Garten beliebt und z. T. bei
uns verwildert. A. chinensis, ſ. Callistephus.
After, 1) Ernſt Ludwig von, preuß General,
, Uttar, woju dann
— 5. Ott. 1778 in Dresden als Sohn eines fur
ächſiſchen Angenicurgenerals, geſt. 10. Febr. 1855
in Berlin, trat 1794 in das ſächſiſche Angenicurforps,
madte 1806 den Feldzug gegen die Frangofen mut,
wurde 1809 zum Kapitän im Generaljtab, 1811 auf
Napoleons Verantajjung, dem er einen Blan zur Ver
feftiqung Torgaus vorlegte, jum Major im General
jtab befordert und zeichnete fid) 1812 im Feldzuge
egen Rufland aus. 1813 zum Oberjtleutnant und
des Weneraljtabes Thielemanns in Torgan et
nannt, ging er nad) der Schladt bet Großgoͤrſchen
weil tO er fid) an den BVerhandlungen mit dn
Ulliierten beteiligt hatte, in Deren Hauptquartier,
fiibrte 1813 an der Spite einer Koſalenabteilung
mebrere fiihne Handjtreide in der wage wy a und
focht Dann bei Baugen und Leipsig. Bei Reor-
qanifation der ſächſiſchen Truppen ward er Cher:
quartiermeijter, {pater Chef des Generaljtabes beim
Afterabad
7. deutſchen Urmeeforp3 und 1814 Oberjt. Bei der
Teilung der ſächſiſchen Armee 1815 trat er in das
preußiſche Ingenieurkorps und nahm als Chef des
Generalſtabes de3 2. Urmeeforp3 an den Schlachten
bei Ligny und Belle-Wiliance teil, 1821 zum Chef
Der Ddritten Yngenicurin{peftion ernannt, leitete er die
Befejtiqung von Kobleng und Ebrenbreitjtein, bei der
er Dag neue preußiſche Befeſtigungsſyſtem anwendete,
das in den Feſtungen nicht nur Sicherheitsplätze ſah,
alle Pedanterie verwarf und frei und vollſtändig das
gegebene Terrain ausnutzte. 1825 wurde er Feſtungs⸗
fourmandant von Koblenz und Ehrenbreititein, 1837
Mitglied de3 Staatsrats und Generalinjpeftor der
preupifden Fejtungen, 1838 Chef des Angenieur-
forps und Rurator der Urtilleries und Yngenieur-
fdjule gu Berlin, 1842 General der Infanterie und
erhielt 1844 mit dem Sd warjen Udlerorden den Erb-
adel. 1849 nahm er feinen Ubfdied. A. war ciner
Der gelehrteften Offiziere und ein ausgezeichneter Ma-
thematifer. Seine »Madgelajfenen Sdjriften« erjdie-
nen Berlin 1856-—61, 5 Bde. (Bd. 1, 2 u.5 in 2. Uufl.
1878). Bgl. Eilers, Betradtungen und Urteile de3
Generals v. W. über die politiſche, firchlidje und pädago⸗
giſche Parteibewegung unfers Jahrhunderts (Saarbr.
1859, 2 Bde.); »Kurzer Lebensabriß des Generals
Ernſt Ludwig v. A.« (mit drei politiſchen Aufſätzen
Ujters, Berl. 1878); v. Bonin, Gefdidte des In—
genicurforps in Preußen (daf. 1877—79, 2 Te.).
2) Karl Heinrid, Bruder des vorigen, Militär—
fchriftiteller, geb. 4. Febr. 1782 in Dresden, 1796 —-
1834 ſächſiſcher Urtillericoffizier, geſt. 23. Dez. 1855
in Dresden. Hauptiwerfe: »Die Lehre vom Fejtungs-
frieq« (3. Unfl., Dresd. 1835, 2 Bde.); »Schilderung
der Kriegsereigniſſe in und vor Dresden im Jahr
1813« (daf. 1844); »Die Gefedhte und Schladten bei
Leipzig im Oftober 1813« (Leipz. 1852 53, 2 Bde.).
fterabad, perf. Provinz am Kaſpiſchen Meer,
im S. vom Elburzgebirge abgeſchloſſen. Sie ijt ſehr
waldreich; riefige i
Pterocarya caucasia, Quercus castaneafolia be-
Deden die Berghänge; der Wein gedeiht wild. Das
Klima ijt feucht und ungefund; zahlreiche Waldbäche
ſtürzen Dem Meere zu. Haupttultur tit Reis; die
Erze (Vlei, Nupfer, Cifen, Silber, Kohle) liegen
brad. Die Bewohner, teils Sunniten, teils Sdiiten,
find faul; nur die von den Berfern veradteten Gu-
daren treiben Acker- und Gartenbau, Seidenraupen-
und Biehzucht. Das Land ijt ſchwer zugänglich. Im
Sommer dienen die fandigen Flußbetten als Wege;
die im 17. Jahrh. von Schah Abbas erbaute grofe
Strake ijt zerſtört. — Die Hauptitadt W., univeit
des Kafpif Meeres, 116 m ü. Ve, am Fuh cined
Baldriidens, ijt Stammſitz der regierenden Kinigd-
familie Der Kadſcharen und hat 1350 maſſive Hau-
fer, 395 BVerfaufsliden, 47 Mofdeen. Als Wus-
qangspuntt der großen Straßen nad Meſchhed-Herat
und Teheran-Aspahan tried A. einjt lebhaften Han-
Del, zählt aber jet jtatt Der angeblicd) nocd) 1808 an-
jaffigen 15,000 Familien nur 20-—30,000 Einw. Wus-
fubrbafen mit Handelsverbindungen nad Rußland
(ſeit 1844) ijt Ges, 4km weftlid am Kaſpiſchen Meer.
MUftéria, im qricd. Mythus Todter des Titanen
Köos und der Phöbe, Schweſter der Leto, Mutter der
Hefate, ward, weil fie die Liebe des Reus oder des
Pofeidon verſchmähte, in eine Wachtel (ortyx) ver-
wandelt und ftiirste fich ind Meer. Nad) ihr wurde
die Inſel Delos U. und dann Orty gia genannt, bis
fie ihren ſpätern Namen erbielt.
A „ſ. Seeſterne.
Meyers Konv.=Lezifon, 6. Aufl, L Be.
rentplare von Parrotia persica, |
— Aſthetik. 897
Aſterie, Sternſtein, Sternſaphir, ſ. Korund.
Asterion, ſ. Schädel. lherrührend.
Aſtẽriſch (lat.), ſternähnlich; von den Sternen
Asteriscus, ſ. Odontospermum.
Aſfteriskos (griech.⸗Sternchen ·), kritiſches, ge⸗
wöhnlich rotes Zeichen (* oder X), wodurch die alten
Philologen Stellen einer Handſchrift vom Verdacht
der Unechtheit oder Verſetzung freiſprachen oder auch
fiir ſchön und bemerfensivert erklärten. Entgegen—
geſetzt war der Obelos (— oder +), gewöhnlich
ſchwarz, cin Zeichen für Unechtheit und Wertlofigtcit.
Jetzt verwendet man Sternchen in Schrift und Druck
als Zeichen bald von Lücken, bald einer Anmerkung,
bald zur Hervorhebung gewiſſer Mitteilungen 2c.
Aſterismus (v. lat. aster, »Stern<), die von ber
Lichtbrechung abhängige Eigenſchaft gewiſſer Mine-
ralien, nach beſtimmten Richtungen im reflektierten
oder durchgelaſſenen Licht ſtreifige, freis- oder ſtern⸗
förmige Lichtſcheine zu liefern. Bei ben Sternjaphi-
ren liegen Verwachſungen des Krijtalls mit zahl—
reichen in aang hain eingeſchalteten Lamellen
vor, bei andern Mineralien, wie Glimmer, Einlage-
rungen frembder Krijtalle in regelmapiger Anordnung.
fterius, 1) fappadof. Sophiſt, Perjaiier ariani⸗
ſcher Kommentare und Streitſchriften um 330.
2) Biſchof von Amaſea in Pontus (geſt. vor 431),
vor dem fic) 21 Homilien erhalten haben.
Afteroideen, ſ. Seciterne.
Afteroiden, ſoviel wie Planetoiden, ſ. Planeten.
Asterolepis, ſ. Fiſche.
Afterophijlliten, ſ. Equiſetinen.
Aſterſtein, Fort, ſ. Ehrenbreitſtein.
Aſtfäule, ſ. Rotfäule.
Aſtflechte, ſ. Cladonia.
Aſthenie (qried., »Kraftlofigteit«), der Zuſtand
der Erſchöpfung infolge ſchwerer Rrantheiten. With é-
nifd, kraftlos; aſtheniſches Hieber, mit groper
Erſchöpfung de3 Kranfen verbundenes Fieber.
Afthenopte (griech, Geſichts ſchwäche, Augen—
ſchwäche), Zuſtand leichter Ermüdbarkeit der Augen
bei Naharbeit, beruht entweder in Störungen des
Alkommodationsvermögens, namentlich bet gleich—
zeitig beſtehender Überſichtigkeit Gypermetröpie;
akkommodative W.), oder auf einer Gleichgewichts—
ſtörung der innern geraden Augenmuskeln (mus
kuläre W.), oder ſchließlich auf allgemeiner nervöſer
Grundlage (nervöſe W.), namentlich bei Hyjterie,
Neurajthenie u. dgl. Wusruhen der Uugen, Verord-
nung der ridtigen Brillen, Stirfung des Wil gemein-
| guftandes befeitigen die Klagen der Kranken.
UH fthefiologie (qricd.), die Lehre von den Sinnes⸗
werkzeugen und deren BVerridtungen.
| Mfthefiometer (griech.), von Sievefing angege-
| bene Inſtrument zur Pruͤfung des Raumfinnes Der
' Haut, befteht aus einem Stab mit Maßteilung, der
an einem Ende eine furze, redtwinkelig abjtehende
Elfenbeinſpitze und eine zweite ähnliche, aber auf dem
Stabe verſchiebbare und durch cine Schraube fejtitell-
| bare Spige befist. Man ermittelt mit dem W., ähn—
lid) wie mit Dem Taftergirfel, den Minimalabjtand,
in bem zwei Reize nocd) deutlich als räumlich verſchie—
den empfunden werden. Cine bequeme Form hat
diefem Inſtrument neuerdings Griesbad) gegeben.
i (qriech., eigentlid) »Empfindungslehre«),
die Wiffenfdjaft von dem Wefen und den Bedin-
gungen derjeniqen Eindriide der Wahrnehmung, die
allein wegen ibres Gefühlswertes der menſchlichen
Seele anziehend erſcheinen. Gegenſtände äſthetiſcher
Wahrnehmung finden ſich ſehr zahlreich in der Na—⸗
57
ben mur Burd — —
mittee: Dw ctterte af ovumg mmerdewet nh
emteriets Dom Der orteficftucier ond amderiets vow
ber votumiatiwen: due tmtelt ———⏑
gebt ext die Gewormmy Serer
volte fd pomct exter —
itrafter Beqrme umd List Dee Arnage. weldie Gevirls-
eindrũde ĩolche Gedantemproywe berverrufen. gj
betiette; Dee polantat: de Mxttrvung eg: Sh pM
loten fam, mi Dem Hurterqrund gedranc. Die &ahe-
tithe Wuftarung ot daber vom der cuteilefherlien
eee
wobl fommen gem-r¢ ebwetsuberGretumgen ber
beiden Secten dor: abitrafte Gedanfen formen Burd
das Write der Allegorie m der bildenden Murnt.
durch dieies und obne dieſes in Der Dichttumit aus
gedrũck werden; hier verbindet fic alio Die mutefict-
tuelle Auff mit der Githettidben. Anderiens
vereinigt die zisſe Kumt das dolumative Ele
ment mit bem aithetticden : fie bemũtt ih, fir
zirt der dithettidhen Untfatiung, gelten jedoch als nur
dbuldende Wb pon Der rem dithetiiden
Babhrend die intelieftucile und voluntative
Unufiatiung die Gegenitande tn grogern 3ufammen-
einordnet, einem Syitem dDienitbar macht, die
einyeine Erichetnung aber nicht als jolde etner tio-
herenden ausjeichnenden Betrachtung wiirdigt, wird
umgefehrt der dithettihe Gegenitand in feiner Jio
lierthert bloß um ſeines Gefuhlswertes willen geidagt.
Ter einzelne a oder Borgang wird mit
Anteil vergeqenwartigt, weil er das Gemut in Bewe-
qung fet. "Swe Fattoren der ajthettiden Wabrneh-
mung find zu unterideiden: der objettive Sinnes⸗
eindrud emerietts und die fubjeftive Gefiiblsreaftion,
bie fid) an dieſen Sinneseindrud im Der Seele des
Auffafſenden anſchließt, anderieits. Hierbet find zwei
Halle möglich: erjtens, daß das Aithetiiche C djett der-
art beſchaffen tit, daß es in Der Seele jedes normalen
Menidhen eme Gefühlsbewegung von bejtimmter Qua⸗
lität hervorruft; mecitens ber all, daß fic) an den
duster ster jemer Nixheung qebemde Bedeutung
mag ; Don der Hedeztiamfert des Lebensgehal-
tes bamot der ã Gr exjeers Scene cb.
Sefenting par Steugerumg des GeribisermBends
— * ⏑ Sir ben Sieee
‘emben meu Uf. dee Reabert bidet te poem: Gere
omenbart: be Steigetung durd Lontrafe &
Det dee rue Hedeagung Lief emmgresfem in uxer Ge-
ragisieben femm fermer mur ded, wes univer ject ust
unirer Nation qemiy it: Der metionel:
und volfstimlide Gebelt due wierte Be
dungumg- frermer Duirfen Dee emnjelmen jmecmamber ge
borqem Sestem des dithetiichen Gebildes insbei_ Xora
und Inbalt. nicht im Wigverbalns uetmander itehex:
die Fientte Bedergung der aithetriden Sittecag Ht dabe:
bee Der Darmontie der juemanbder gehdrigen Teds
: allju beftiqer Wifett labmt unter Gemuiit und berawle
Bid arg cars reir andere ag
Berhaltens ausmacht: als fechite
daber Die Abtonung des aithetijchen
tes, Die Damprung und Soenlifierang eller berjemigrs
Clemente, die, —— heurmend wirlen. dinu
ſtellen. Wabrend die Einſtreuung i Ete
mente das aithettide Verhalten ftort, wirft anjdan-
liche Lebensfülle anregend: als fiebente Bedingung i
baber die bes fonfreten Qebensgebaltes
ju machen. Sollen die — —
des Lebens als idealiſierte Spiegelbilder der Wirfind-
teit exjdetnen, jo mitijen fle nach Gejegen geftatiet
jem, die Denjenigen der wirfliden Belt entſprechen:
als achte Bedingung dithettider Wirkungen tit daber
bic ber Schenswabrécit — on thr fan
unter Umſtãnden abgeichen werden, wenn ums der
Schaifende ausdrüdlich in cine Welt entrückt. in der
die Naturgeſetze nicht gelten. Will er jedoch Wbbilder
der Wirklichleit geben, fo muß er aud deren Gejege
anerfennen. Wag er Neufchdpfungen des wirllichen
aſthetiſchen Gegenſtand nidt ohne weiteres und fiir Lebens oder Phantaſieſchöpfungen geben, auf alle
jeden bejtimmte Geflihlsbewegungen anidliesen, fon-
bern daß fie vielmehr nur dDurd die ciqenartige Auf⸗
faſſungsweiſe eines beſtimmten Jndividuums ju dem |
Gegenſtande hinjugefiigt werden. Die aithetiichen Ge- |
fühle der erften Art find die objeftiven aithetifcen
Fälle wird er fic) von den fundamentaten fittlichen An⸗
ſchauungen nicht emanjipieren diirfen. Wenn er aud
m nebenſächlichen Punkten feſt gewurzelten ſittlichen
Anſchauungen nicht zu genügen braudt, wenn es ibm
aud frei ſteht, über wichtige Dinge einen Standpuntt
Wefiihle; hierher gehören: das Schöne im engern _cingunebmen, dent Die Zeitgenoſſen nicht teilen. fo muh
Sinne ded Wortes, das Erhabene, das Tragiſche und et doch irgendwie eine Regel ded ſittlichen Handeins
dad objeftiv Komiſche; die Aithetifdhen Gefühle der zwei⸗ fermen und geltend machen: in dieſem Sinn it als
ten Art find die fubjeftiven ajthetiiden Gefiihle: |
neunte Bedingung des Ajthetifden Eindrucks die An
Aſthetik (geſchichtliche Entwicetung). 899
erfennung einer fo oder fo gearteten moraliſchen der Vernunft. Beide haben das Wahre und Gute
Anſchauung gu nennen. Endlich dürfen die einzel- oder furg die Vollfonunenheit sum Gegenjtande. Die
nen eile eines fonrpleren äſthetiſchen Gebildes nicht | Erkenntnis, die aus dem höhern Vermögen fließt, ijt
obne —— ſein, ſondern ſie müſſen ſich zu die logiſch klare, begriffliche; die ſinnliche Erkenntnis
einem einheitlichen Ganzen gliedern: als zehnte und dagegen ijt unflar und verworren, mur eine unvoll-
letzte Bedingung ijt dabher die der Cinheit des Ajthe- | tommene Vorſtufe jener. Mit diefer verworrenen Er-
tijden Gebildes angufiifren. Wenn alfo unfre Wahr⸗ kenntnis nun wird die äſthetiſche Auffaſſung oder
nehmungen, die unfrer Erfenninis- und Willens- Vetradtung entijiziert ; und von ihr handelt die A.
region entriidt find, dieſen zehn Bedingungen entfpre- | Es fehlt bet Baumgarten die Anerlenntnis der Tat-
den oder annähernd entipredjen, fo werden fie jenen fade, da} der Genuß im Fithlen bejteht, und dap
lebendigen und leichten Abfluß der Gefiihle ermög- Fühlen etwas andres ijt als (fei es flares, fet es un—
lichen, der das charalteriſtiſche Merkmal der ajthett- | Hares) Crfennen. Letztere Einſicht tritt bei den fon-
ſchen Muffaffung ausmadt. Das lebendige Spiel | ftigen Mjthetitern der Wolffſchen Schule, wie Eſchen—
Der Gefiihle ijt aber nur cin Ungeichen der gu hodjter burg, Eberhardt, Sulzer (»Theorie der ſchönen
Leidfigteit ejteigerten allgemeinen Seelentatigteit. Ritnjtes), nNendelsſohn, deutlider hervor. An—
Der Ajthetiide Zujtand ijt derjenige höchſter innerer derſeits madt Leſſing, unbeirrt durch die Schule
Freiheit. In der äſthetiſchen Anſchauung kommt wei- und ohne eigne Neigung yu allgemeinen Begrijfs-
terhin das Wefen der Welt gu reinjter Darjtellung: | bejtimmungen, im einzelnen äſthetiſche Entdedungen
wiihrend der Forſcher fic) in abjtratten Gedanfenope- | von gripter Widtigteit. .
rationen von der Vergegenwartigung des unmittel- | Einen weitern Fortſchritt in der A. bezeichnet Rant
bar Gegebenen oft abwenden muß, waͤhrend der prak⸗ (⸗Kritik der Urteilskraft⸗.. Seine Erklärung: ſchön
tiſch Handelnde nur für das Blick beſitzt, was ſeinen ſei, was in der bloßen Vorſtellung ohne Intereſſe an
Zwecken dienlich tit, haftet der äſthetiſch Schauende an ſeinem Daſein und ohne Begriff allgemein und not-
den Bildern der konkreten Wirklichkeit. Ge- wendig gefalle, enthält eine Einſicht von epoche⸗
fteigert wird die Bedeutung dieſer äſthetiſchen Un- madender Bedeutung. Zugleic hat aber Kant durch
ſchauung nod) dadurch, dab fic) an die Gegenſtände der
Wahrnehmung mannigfaltige Vorjtellungs- und Ge-
fühlsaſſoziationen anfdlichen, und daß das Gegebene
äufig als Symbol bedeutjamerer und allgemeinerer
rideinungen auftritt, die unwillfiirlid) in Der Seele
deS Uufnehmenden lebendig werden. Trogdem der
äſthetiſche Gegenjtand ifoliert ijt, jteigert er ſich dod
durd) derartige Ausſtrahlungen oft gu einer in weite
gerne hindeutenden Offenbarung tiefiten Seelen-
lebens (j. Ujthetifche Upperzeptionsformen). Ym ein-
zelnen find die Schipfungen der veridiedenen Künſte
in hohem Grad abhangig von den Darjtellungs-
mitteln, iiber die fie verfiigen. Die einheitlich ge—
priigte Form, in der fic) die äſthetiſche Gefühlsauffaſ⸗
jung de3 Schaffenden unmittelbar fpiegelt, ijt der Stil
de3 Kunftwerkes. Liegt dem Darjtellenden daran, den
Lebensgehalt ſtark gu dampfen und absutinen, fo
ſchafft er in idealiftifdem Stil; läßt er dagegen die
Befonderheiten der Lebensgebilde ohne tiefer emagrei-
fende Verinderungen zum Ausdruck gelangen, fo be-
Dient er fich de3 realijtifden Stils, wahrend endlid
der Naturalismus nur eine unkünſtleriſche photo-
graphiſch treue Wiedergabe der Wirklidfeit bezweckt.
Wis abgegrengte und mit ee ab Namen be-
—— Wiſſenſchaft beſteht die A. ſeit den von dem
olffianer A. G. Baumgarten (ſ. d.) 1750 heraus⸗
gegebenen ⸗Aesthetica«. Dod finden ſich bemerlens⸗
werte äſthetiſche Beſtinmungen ſchon im Altertum.
Platon bezeichnet im ⸗Phädros« das Schöne, alſo
den Hauptgegenſtand der W., als Nachbild des allein
wahrhaft Seienden, d. 6. Der ⸗Ideen«, in deren Reid)
das Gute die Sonne ijt, beſtimmt anderfeits im » Poi
leboS« die Freude am Sdinen als die Luft, die durch
die Wahrnehmung eines Verhaltnis- und Ebemnafi- |
gen erzeugt wird. Für Wrijtoteles ijt das Schöne
a8 weder gu Grofe nod) ju Kleine. Im übrigen
begeqnen wir bei ihm wertvollen Cinjeleinfidten,
insbej. betreffs poctifder Fragen. Blotinos defi-
niert das Schöne als die Gegenwart ber Idee im
Sinnliden, Wlerander Baumgartens Ausſchei—
bung der Ä. als einer befondern Wiſſenſchaft hängt
zuſammen mit der Wolffiden Unterjdeidung eines
doppelten Erfermtnisverntdgens, eines niedern, der
Sinnlidfeit, und eines höhern, des Verjtandes oder
die Urt, wie er das »Wobhlgefallen ohne Vegrijf<
näher bejtimmt, einem das Schöne feines Sinnes
und Inhaltes beraubenden mit den Tatfaden und
ſich felbjt in Widerjprud ftehenden abjtraften For—
malismus Vorſchub qeleijtet, den Darn Herbart (⸗All⸗
tne praktiſche Philoſophie⸗ und »Lehrbuch zur
inleitung in die Philoſophie⸗) und fein Schüler Ro-
bert Zimmermann( Allgemeine W. als Formwiſſen⸗
jdaft«, 1865) zu einem Syſtem der formalijtifden A.
weitergebildet haben. In jenem Formalismus ijt
aud OGilter teilweiſe befangen. Aber er geht zu—
gleich darüber hinaus bis zur Identifizierung des
Schönen und des Widerſcheins des Sittlichen in den
Formen. Wenn er doch zugleich die Vernichtung des
Stoffes durch die Form als Aufgabe des Künſtlers
bezeichnet, ſo iſt damit ſchließlich nur geſagt, daß es
nicht auf den Wer! des Stoffes oder des ⸗Sujets«
al ſolchen ankommt, fondern immer mur auf den
Wert desjenigen, was aus der Form uns unmittel⸗
bar entgegentritt. —— Kant tritt mit nicht überall
klarer Leidenſchaftlichkeit Herder auf, um (in der
Kalligone⸗) das Schöne als itberall ausdrudsvoll
und durd) feinen Inhalt unſre Sympathie wedend
zu preifen. Die idealijtifde Philoſophie vor allem
der Hegelſchen Schule bezeichnet dann als Inhalt
des Schönen allgemein das Abſolute, die Idee, die
Gottheit, und macht es ſich zur Aufgabe, die Art, wie
dieſer Inhalt des Schönen in die unmittelbare Er—
ſcheinung tritt und ſo die verſchiedenen Gattungen
des Schinen ſich verwirklichen, als denknotwendigen
Prozeß zu begreifen. Neuere aus dieſer Bewegung
— — Äſthetiler haben mit den metaphy-
ſiſchen Grundgedanten derſelben wertvolle, auf ein—
dringender Kenntnis des Schdnen berubende und 3. T.
außerordentlich tiefes Verſtändnis verratende Einſich⸗
ten im einzelnen zu verbinden gewußt. Hierher ge—
hört vor allen Friedrich Theodor Viſchers geniale,
in den allgemeinen Paragraphen vielfach abſtruſe
und mit Begriffen ſpielende, in den Ausführungen
vont Geiſt fprithende » Witheftit« (Stuttg. 1846 — 57,
3 Tle.) famt den das Syjſtem vielfach forrigierenden
Kritiſchen Gängen«, daneben die ⸗»Aſthetik- von M.
Carriere (3. Aufl. Leipz. 1885, 2Bde.) und nicht zu⸗
letzt die »Gefdhichte der A. in Deutſchland« von Loge
57*
900
(1868), die iiberall fein und geiſtreich mit der Geſchichte
die Mritif und die Darlequng cigner Unjdauungen
verbindet. Auf den Standpunft der Erfahrung und
der induftiven Forfdung Pelt fid) mit Bewuptfein
Fechner (»Beitrag zur erperimentellen A.«, Leips.
1871, und »Vorſchule der AÄ.«, daf. 1876, 2. Aufi.
1897), der den fymbolifden Faltor Lopes als aſſozia—
tiven dem Diretten oder jinnlichen Faftor der Schön—
heit entgegenitellt. Für die YL. der Architeklur und der
techniſchen Künſte find bahnbrechend geworden Bot-
tidhers »Teftonif der Hellenen« und Sempers ⸗Prak⸗
tiſche A. oder der Stil in den techniſchen und teftori- |
ſchen Künſten«.
Bgl. auger den ſchon genannten Hauptwerfen: |
Jean Baul, Vorſchule der WM. (1804), mit vortreff—
lichen Bemerfungen über Romif und Humor; Sdel-
ling, Uber das Berhaltnis der bildenden Künſte zur
Natur (1808); Derfelbe, Vorlefungen über Philofo-
phic der Runjt (Bd. 5 der ⸗Sänitlichen Werke«, 1859) ;
Solger, Erwin. Vier Geſpräche über das Schöne und
die Kunjt (Berl. 1815); Hegel, Borlefjungen über A.
(daſ. 1835 —38); Sdleiermader, Borlejungen |
liber YU. (Daj. 1842); Schopenhauer, Die Welt als
Wille und Borjtellung; K. Chr. F. Krauſe, Abriß
der YL. (Witting. 1837); Beife, Syitem der W. (Leipz.
1830); Die »jthetifen« von K. Köſtlin (Tiibing.
1869), Schasler (Leipz. u. Brag 1886), Lemcke
(>Poputire W.<, 6. Uufl., Leips. 1890), J. v. Kir dy-
mann (Berl. 1868), Ev. Hartmann (Leip;. 1887);
Lotze, Grundgiige der H.(2. Wujl., daf. 1888); Köſtlin,
Uber den Schinheitsbeqriff (Titbing. 1878); Derjelbe,
Prolegomena zur W. (daf. 1889); Groos, Einleitung
im die YL. (ie, 1892); Derſelbe, Der äſthetiſche Ge-
nuß (Daj. 1902); Elſter, PBringipien der Literatur:
wiſſenſchaft, Bd. 1 (Halle 1897); Jonas Cohn, All⸗
pemeine A. (Leip;. 1901). Eine volljtindige Geſchichte
r UW. hat zunächſt Rob. Zimmermann gelicfert
(Wien 1858), dann Sdasler (Berl. 1872); die Ge-
ſchichte Der U. inDeutidland behandelt Lotze (fj. oben),
die A. nad) Rant Neudeder econ 1878) und E.
vb. Hartmann (Berl. 1886), die vor Kant H.v. Stein
(»Entjtehung der neuern R.«, Stuttg. 1886), die ¥.
Rants Herm. Cohen (Berl. 1889).
Aſthetiker, ciner, der über Äſthetik (f. d.) ſchreibt;
Kunſtforſcher, Kunjtgelehrter (int weitern Sinne).
LU fthetifeh, auf Ujthetif (j.d.) bezüglich, wohlgefällig.
Aſthetiſche Upperzeptionsformen heißen be-
ſtimmte Auffaſſungsweiſen, durch weldye zu einem äſthe-⸗
tiſchen Wahrnehmungsinhalt Gefühls- und Vorſtel⸗
lungsgebilde —— werden, die deſſen Wert er—
heblich ſteigern und ihn oft erſt zu eigentlich äſtheti—
ſcher Bedeutung erheben. Vier Formen deräſthetiſchen
Apperzeption ſind zu unterſcheiden: 1) die beſeelende
oder perſonifizierende Apperzeption, 2) die metapho-
riſche Upperjeption, 3) die antithetifche Apperzeption,
4) Die ſymboliſche Upperzeption. Die befeelende |
Apperzeption bejteht darin, daß der Auffaſſende dem
Gegenſtand feiner Wahrnehmung menſchliches oder
menſchenähnliches Denken und Fühlen verleiht, insbeſ.
nicht bejeelten Gegenſtänden Seele ſchenkt. Bor allem
tritt die beſeelende Apperzeption in dem Naturgefühl
zu Tage: in dem mythologiſchen Naturgefühl primi—
tiver Seiten, wonad etiva Berg und Wald, Fluß und
Hain, Baum und Strauch durch menſchenähnliche
göttliche Wefen befeelt qedacht werden; in dem fenti-
mentalen Raturgefiihl der modernen Seit, das am
mãchtigſten durd Rouſſeau entiwidelt worden ijt, wird
Die unbejeelte Natur qleichfalls als mit Menſchen—
(eben ausgeftattet, mitfühlend und teilnehmend ge-
Aſthetiker — Aſthma.
dacht. Die Beſeelung kann ſich aber auch auf Ubjtrofis.
auf künſtliche Gebifbe der Menfdenband und andre
beziehen. Das Charatteriftijde der gweiten Apper
jeptionsform, der metaphorifden Apperzeptien
bejteht Darin, daß Der Muffaffende yu ciner gegebence
Vorjtellung cine andre nut ihr in Beziehung ſtehende
oder ibr vergleidjbare hinjufiigt und häufig einfod
die neue ftatt Der urfpriingliden Borjtellung cinfest
Durd diefes Hingudenfen einer Barallelvorjtellung
wird Der jeweilige Inhalt des Bewußtſeins erheblia
bereichert (ſ. Metapher). Die antithetifde Apper
zeption, Die von geringerer Wirkung ijt und emer
mehr verjtandesmagigen Eindruck madt, bereichen
oder eriveitert Den Ynbalt der Wahrnehmung dard
Hinzufügung einer Kontrajtvorjtellung (ſ. Antitheſe
Die bedeutendſte Apperzeptionsform liegt in der
ſymboliſchen Apperzeption vor, die man bezeich
nen kann als cine Metapher im verjüngten Wapitabe
Während nämlich bei der metaphoriſchen Apperzeptien
gu einer gegebenen Vorſtellung nur eine Analogie
| vorjtellung bingutritt, ijt es bas Wejen des Symbols.
dak fid) mit einem unmtittelbaren Wahrnehmungs-
inbalt von oft nur geringer Bedeutung cine Ang
logievorjtellung von weit ausfdauender Bedeutung
vertniipft, fo daß Der Inhalt des Symbols ins lin
endlide auszuſtrahlen ſcheint und oft wobl tiefſinn⸗
er Uhnung, nicht aber mehr dem logiſch erfennenden
Berjtand erfakbar erjdeint. Viele Symbole find
fonventioneller Art, wie etwa die Darbietung pou
Brot und Salz, das Berjdneiden de3 Tifchtucs, das
Raudhen der Friedenspfeife u. dgl. Daneben bejtehen
individuelle Symbole, die von Dem eingelnen Künſt⸗
fer gefdaffen werden und im Gegenfage ju den fon:
ventionellen in ihrem a Inhalt nicht immer aus⸗
zudeuten find. Die Kraft ſymboliſcher Obergedanten
ijt fiir die Größe einer künſtleriſchen Berfontlicfeit
mebr als alles bezeichnend. Das Symbol fest die
Phantajie des Aufnehmenden in rajtlofe Bewegung
und läßt in der einzelnen Erjdeinung dad legte
Ratjel des Lebens ahnen. Das Symbol tommet insbeſ.
aud) in der Form jum Wusdrud. Gewiſſe Riige der
dem Auge oder Obr fic) darbietenden Form fonnen
einen Snbalt abnen lajjen, den der Verfafjer nur im
leifen Undeutungen vertirpert hat. Übertreibungen
der fymbolifden Wpperjeption haben fid) bet den
Symobolijten in der Malerei und Dichtkunſt in nene-
rer eit oft gezeigt, im der Dichtung bejonders auf-
fallend in Frankreich. Vol. Elſter, Pringipien der
Viteraturwijjenfdaft, Bd. 1 (Halle 1897); über das
Symbol insbej. vgl. Siebed, Das Wefen der äſtheti
ſchen Anſchauung (Berl. 1875); Volkelt, Der Sym—
bolbegriff in der neueſten Withetif (Jena 1876), und
vor allem Fr. Vifder, Das Symbol (im den »Pdi-
lofophifden Aufſätzen. Ed. Zeller gu ſeinem 50jähri⸗
gen Doktorjubiläum gewidmet«, Leipz. 1887).
Aſthma (griech, Bruſtkrampf, Engbriijtig:
feit), erſchwertes Atmen, Utenmot. Man unterſchet⸗
det das A. cardiacum, Die durch ungenügende Her}:
tatigfeit bedingte Utemnot (f. d.), und das eigentliche
A. (A. bronchiale oder nervosum). Letzteres ſtellt
eine tn Unfallen auftretende Utenmot dar, die man
gewöhnlich auf einen Rrampf der Brondialmustula
tur, fiir einzelne Fille auch auf einen Zwerchfell
frampf juriidfiibrt. Das U. kommt bei fonjt qejunden
Leuten vor und wird dann wobl merit refleftorifd
ausqgeldjt; fo fann man es Durch Berührung der Rasen:
ſchleimhaut hervorrufen, und Leute mit Nafenpolypen
leiden häufiger an A. Ferner gefellt ſich A. wenn aud
nidt in typiſcher Form, oft zu chronifder Brondites
Aſti — Aftiqmatismus.
und Emphyſem. Der aſthmatiſche Anfall ſtellt eine
diberaus quälende und beängſtigende Utenmot dar,
einen Luftmangel, der bei Nacht die Traumvorſtellun
Des Ulpdriicens erjeugen fann. Die Utempiige find
Taut pfeifend, giemende Geräuſche und Sdnurren fiber
Den Lungen find oft auf Entfernung hörbar, die Kran—
fen werden blaurot, fie ftemmen dite Hinde auf, um
die Hilfsmusfeln der Atmung beffer benugen gu fon-
nen (j. Orthopnie), fie fürchten gu erjtiden. Nad eini-
ger Zeit läßt der Anfall nad, es wird cin überaus
saber Schleim in ſpärlicher Menge herausbefirdert.
ieſer Schleim enthalt oft fpiralig zuſammengedrehte,
mit blokent Wuge wahrnehmbare Gebilde, fogen.
CurſchmannſcheSpiralen und kleine oktaedriſche
Kriſtalle (Aſthmakriſtalle). Die Behandlung
hat zunächſt mit der Erforſchung des Grundes des
Aſthmas zu beginnen. Naſenpolypen z. B. müſſen
entfernt, ebenſo Dinge vermieden werden, die bei dem
einzelnen Kranken erfahrungsmäßig Anfälle auslöſen,
wie Magenüberladungen, oft aber gang bizarre, ſchein⸗
bar gar nicht mögliche Urfaden. Haufig tut cin Klima—
wedjel gut, außerdem müſſen begleitenbe Bronditiden
forgjam behandelt werden. Wis Spezifikum gilt der
lingere Gebrauch von Jodfalium. Gute Dienjte leijtet
aud) eine Behandlung mit fomprimierter Luft. Der
Anfall ſelbſt wird häufig mit Erfolg durd Einatmung
von Salpeterdaimpfen (Salpeterpapier) oder Raud
von verbrannten Stechapfelblättern bekämpft. Die
zahlloſen Geheimmittel, Aſthmazigaretten r., enthal-
ten faſt alle Stechapfel (Stramonium). Bgl. Brii-
——— , Das A., fein Weſen und ſeine Behand—
ung (4. Aufl., Wiesbad. 1901). — UW. der Kinder,
j. Stinunrigenframpf; A.der Pferde, f. Dämpfigkeit.
Ajti, Kreishauptitadt in der ital. Proving Aleſſan
dria, 142 m it. M., am Einfluß des Borbore in den
Tanaro, Knotenpunft der Eiſenbahn Aleſſandria-
Turin, in frudtbarer Gegend gelegen, hat alte Mauern
nit Tiirmen, eine ſchöne gotiſche Rathedrale (von
1220), awet Tauffirden: San Giovanni und Gan
Pietro (11. Jahrh.), cin Muſeum fiir vaterlindifde
Denkwürdigkeiten im Palazzo Alfieri, eine Reitesjtatue
des Kinigs Humbert (von Tabacchi), eine Statue und
das Geburtshaus des Dichters Alfieri, Weinbau (be-
riihmter Schaumwein), Seidenfpinnereien, ehemals
berithmte Budpdrucereien, Fabrifation von Zündhölz—
den, Weinjtein, Zuckerfrüchten, Gold- und Moſail—
arbeiten, Fäſſern ꝛc., lebhaften Handel, ein techni—
ſches Inſtitut, zählt avon ca. 24,000 (als Gemeinde
38,045) Cinw. und ijt Biſchofsſitz. — W., im Wter-
tum Hasta, unter den Langobarden Hauptort eines
Herjogtums, unter den Franfen einer Graffdaft, war
jeit Dem Ende der Staufer cine der bedeutendjten
Städte Piemonts. 1313 von Heinrid VIL. an Savoyen
cidentt, iibergab die Stadt ſich Lieber an Robert von
eapet, wurde 1339 von Dem Markgrafen von Mont⸗
ferrat erobert und 1340 den Visconti von Mailand
tiberlajjen. Bon diefen fam A. durd Heirat 1387 an
Die Herzöge von Orléans und nad der Thronbefteiqung
Ludwigs XI. an die franzöſiſche Krone; 1529 wurde
es durd) den Frieden von Cambrai an Karl V. ab-
etreten und von dieſem 1530 an Savoyen überlaſſen.
% 1. Graffi, Storia della citta d’A. (1890, 2 Bde.).
mitie, Jean Frédéric, protejtant. Theolog, geb.
1822 in Neérac (Lot - ct- Garonne), geft. 20. Mar 1894
in Qaufanne, feit 1856 dafelbjt Brofeffor der Philo-
jophie und oa wer an Der Fakultät der freien
Kirche des Nantons Waadt. 1848—53 wirlte er als
901
Vorſtand ciner franzöſiſch-ſchweizeriſchen Gemeinde
in Rew Port. Cr verijjentlidte: »Esprit d’Alexan-
dre Vinet« (Bar. 1861, 2 Bde.); »L’explication de
lévangile selon saint Jean« (Genf 1862 —64, 3 Bde.);
»Histoire de la république des Etats-Unis« (Bar.
1865, 2 Bde.); »La théologie allemande contem-
poraine« (Genf 1874); »Mélanges de théologie et de
philosophie« (Qaujanne 1878); »Le Vinet de la lé—
gende et celui de l’histoire« (Par. 1882). Geit 1868
ab er mit Builleumier die »>Revue de Théologie et
e Philosophie« heraus.
Aftigmatismus (qried., »Punltloſigkeit«), die
Eigenſchaft von Linfen, als Bild eines Punktes im
allgemeinen nidt genau einen Punkt, fondern je nad
der Entfernung vom Sdirm cine kleine Linie, cine
Ellipie oder einen Kreis (Kreis der kleinſten Ron-
fufton) ju geben. Linienfirmige Bilder werden in
zwei Abſtänden erhalten, und zwar find beide Linien
gueinander fenfrecht. Nur ein durch die Mitte der
Linje gehendes Strahlenbiindel ijt anaftig matifd,
d. h. gibt ein genau punktförmiges Bild und nur dann,
wenn. die Linfe von genauen Kugelflächen begrenzt
ijt. — W. heißt aud) eine Sehſtörung, bei der die
Wegenjtinde verzogen und mit veridhwommenen Kon—
turen erfdeinen, berubt auf einer Aſymmetrie de3
lichtbrechenden Upparats im Auge, zunächſt auf einer
sai ees Krümmung der Hornhautoberflice
und der Kriſtalllinſe. Auch am gefunden Auge find
die genannten Teile nidt vollfommen ſymmetriſch ge-
baut, allein die Aſymmetrie ijt hier fo geringfü ig, daß
fie fiir gewöhnlich von keiner wahrnehmbaren Stoͤrun
begleitet iſt. Die Gegenſtände werden verzogen un
an den Rändern verſchwommen geſehen, ohne ſcharfe
Grenzen. Ein Lichtpunkt erſcheint als ſenkrechter oder
wagerechter Lichtſtreifen. Der A. iſt in der Regel,
wenigſtens in ſeiner Anlage, angeboren und erweiſt
ſich öfters als erblicher Bujtand. Bei männlichen In—
dividuen ſcheint er öfter als bei weiblichen vorzukom—
men. Er betrifft gewöhnlich beide Augen, biete aber
nicht immer in gleichem Grade. Die den A. charakte
riſierende Geſichlsſtörung wird gewöhnlich erſt in den
ſpätern Kinderjahren entdeckt. Solange die Aklkommo—
dation des Auges noch eine ſehr leichte iſt, macht ſich
der Fehler weniger fühlbar, wird auch wohl ganz
überſehen. Sobald aber im reifen Alter die Aklkommo—
dationsbreite mehr und mehr abnimmt, werden ſelbſt
ſchwächere Grade des A. unangenehm empfunden. Jit
nur ein Auge von ſtärkerm A. betroffen, fo vernad)-
laffigt Der Kranfe gewöhnlich dieſes Auge und ridtet
feine Aufmerkſamleit nur auf diejenigen Cindriice,
die ihm das gefunde Auge vermittelt. Der A. fann
erworben werden durch alle entziindliden Prozeſſe,
in deren Gefolge dic Hornhaut Hervorwilbungen oder
Verflachungen erleidet. Bei triiben Flecken oder Nar-
ben in der Hornhaut ijt der A. faſt immer, nach Stars
operationen oft in febr fühlbarer Weife vorhanden.
Der U. fann forrigiert werden durch Glaslinjen, fogen.
Bylinderglafer, durd) welde die Aſymmetrie de3
optifden Apparats ausgeglichen werden farm. Dit
Der A. mit Kurzſichtigkeit oder Überſichtigkeit verbun-
den, fo werden bs haritdh-shlinbrifche Brillenglifer an-
ewendet, d. h. lifer, deren zylindriſch geſchliffene
Riche den YW. forrigiert, während die andre, ſphäriſch
eſchliffene, zur Rorreftur der Kurzſichtigkeit oder
Weitfichtigheit bejtimmt ijt, Bal. Donders, Die
Anomalien der Refraftion und Akkommodation des
Auges (Deutid von O. Beder, Wien 1866).
Verzeichnis der Abbildungen im J. Sand.
Wasen, Ztadtolan ‘mit Regiiserbicts, . F
Abioaderuug der maiſigen Geiteine, Taiel mt int
der, Zatel .
Wen, Tate LI, ILIV, vVI — Bestter
Pfrita, Marte ber Fluß- und Gebdirgéiviteme . . .
— politiie Uberũchtstarte
— Satie von Aguatorialairita .
— Rarte dex Foridhungéretien «uit ——
Ajritaniſche Bolter, Tafel L. II in oe (matt ——— Tafel in —
Ertlaͤrungsblatt
Ufrifaniidhe Kultur, Tafel lJ in Serbia mit &
flarungéblait)
— Tafel Te WW .....
Afrilaforider, Portrattafei 1 uw. it
Afritaniſche Altertiimer, Tafel mut Tert -
Agypten, Dor Fur und Abeiſinien, Marte . .
— Altaqyptiide Maleret, Tafel m =
Ahorn, Tafel Tu. . .
Aleranders bes Grofen Reid, Sarte ‘
Alerandria, Stadtplan .
Algen, Tafel Lin Jarbendrud . . .
— Tafel Iu. WI. .
Mlgerien, Marotto und Tunis, arte
Alpen, Höhenſchichtenlarte imu Regiiterdlatt) .
— Ginteilung ber Alpen, Karte
- Geologiidje Karte (mit Tertblatt)
Hipenpansen, Tafel in Farbendrud (mit Zextblatt)
Ameifen, Tafel Lu. II.
— Tafel IL Ameiſen und vᷣtenen
Ameiſenpflanzen, Tafel .
Amerifa: Sarten zur Geſchichte Amerilas
Amerifanijde Altertiimer, Tafel L in Farbendruck (mit
(Erflirungeblatt) . . 2... . ;
— Tafel I u. III
Amerilaniſche Bolfer, Tafel L u. it i in Sarsentrud
(mit Erllärungsblatt
Ammoniter, Tafel
Amſterdam, Stadtplan .
Angelgerate, Tafel mit Text ..
Antilopen, Tafel L und WH.
Wntwerpen, Stadtplan. . 2. 2. ww we
Maden, Stadtwappen ;
Male: Leptocephalus brevirestris
Aarau, Stadtwappen
Brilagen.
Zene tee
2 Spictiorten, Tafel in jerbenbrat . . . 6722
54 Appreturmaidizen, Taiel mit Tat a os
111 Aguarum, Tate 1: Seeweher-A., in — — €35
123 Textblett: Anhalt der Takei L — Cinricdeurg
— der Simmer: Aquarion, mit 4 Abbildanaen 6&5
- 132) — Fate O: tide des Siifwaier-Aguariamée . £43
134 Aqnatorial, Zaiell u. Ii, Tertblatt zur Tefei me
Arbeiterwohnhãuſer, Tafel IVIII mit Tet 8
Argentinien, Chile, oe Uruguay und Feragzay,
- 14 Rarte. . .. : : . 12
. 144 Arttiidje Fauna, Tafel in —— a - daa
. LS Arve, Zofd In II. Se oe: tar ee
156 Arzneipflanzen, Tafel I-III, drei ‘Blatter mit Zest £37
iS} Mfiet, Karte der Fluß⸗ und — |
. 192 — politiide ũberſichtstarte Si
. 207, — Rarten ber Goridgungéreiten im Siien ‘mdb in Sie
. 24 tralafien (mit Reqtiterblatt) AS
. D4 Aflatijdhe Völler, Tafel J u. If in Sachenbrad ( ‘writ
. B15 Erflirungsblatt: : se
-. 215 Afiatiide Rultur, Tafel I in Farbendruc mit €:
. 319 fldrungsblatt) . . . . o 2 owe ww SS
. Ml — ofl Pa WE... . -..
. 362 Am Schluß bes Vandes:
BHT . Seittafel suc Geſchichte der Architeltur (Tertblatt).
370 Architeltur, Tafel ITXII, im folgender Anordawaq-
. 417! L “Aquptifde Bautunft.
Il, Aſhriſch⸗ Babyloniſche, Perſiſch-Mediſche, Meia-
———— aſiatiſche Rosnitiicy - Sebraiidhe Bantunie
. 429 HLL. Griechiſche Bantimnft.
IV. Etrustijde und Romiſche Baukunſt.
a . 431) V. Römiſche Baulunſt.
432) VI. Wtdriftlidhe und Byzantiniſche Bautunit.
VIL. Arabiſche und Mauriide Baufunft (7.—14. Rabrs..
. 435| VOL Romanijde Baufunft (9.—13. Jahrh.).
- 445! EX. Gotijder Stil 13. und Lh. Qabrh.).
. 459 X. Italieniſche Renaiffance (15.—17. Nabrh.).
. B12) XI Deutſche, Franzöſiſche und Engliſche Renaiiiance
. 577 (16. und 17, Jahrh.).
. 599! XII. Barod- und Rofotogeit (17. und 18. Yabrb.).
Abbildungen im Gert.
Seite | Serte
. 2) Aargau, Kantonstwappen .
. &) Abafus (am Mapitell) Sos wee £00
7 | Mbdampf-Apparate, Fig. Ld. . . . . CL BH
J
©. io
Verzeidhnis der Abbildungen im L Band.
Mberration beS Liddtes 2. 2...
Ablauf (Architeltur
Abrarasgemine .
Abjegende Raper
Abtritt (Waſſerlloſett
Ab zweigmufſe
Acanthus Bärenllau), mit Bliite .
Acerazeen: Bliite von Acer Pseudoplatanus .
Adat, Fig. Lue 2. .
Achtomatiſche Linſe
Adansonia digitata (Sfenbrotbaum).
Addition (mathematiſche —
Mdclaide, Lageplan
Adelofrone
Woden, Lageplau
Adiantum cuneatum, Bedclabjditt ‘
Mdler der rdmijden Legionen, Fig. 1-—-3
Adler in deutſchen —— a —
Mdlerpult. . . .
Agram, Stadtioappen : .
Ahulichteit — sinus 7
Mibagemebe . . . .
A jour - Gewebe
—— Fig. 1: Gewiditattumuiator
— Fig. 2: Luftdrudaffumulator
— eae. Stromjammier) Fig. 1—5 .
Atroterien, Fig. 1 w. 2
Mhidon (Marmorgruppe im erie ‘Ruleum) .
Aluſtiſches Reattionsrad
A la greeque · Verzierung.
Mlasta, Marte . . .
Mlauntrijialle
Alda, Chorhemd . x an
Wibegrever, Heinrich : Monogram .
Albobrandiniithe Hochzeit Freoto im Batifan)
Aleuronfdruer, Fig. 1—4.
Alcxandria, Plan ded alten
Algier, arte der Limaebung .
Ahnomazeen: Bluͤte von Mem nT
Alfohotometer, Fig. 1 mw. 2
Rilianywappen . .
Alpenpflan zen ( — ais. th u.
Altar, * 1: Antifer Witar .
— jig. 2: Helbaltar cined Groktomturs F
Altborfer, Albrecht: Monogranun
Uliena, Stadtwappen
Ritenburg, Stadtipappen
Ritona, Stadtwappen ‘
Aluminium: Apparat von Hérouls .
Amarvllidajyeen: Vite von Narcissus .
Amajoue 1 ctatue im Berliner Muſeum
Mmberg, Stadtwappen
Mimbo, alichrijtlicher ;
Ammon und Mut Aguptiide Gottherten)
Ammoniat: Apparat von Graͤnchera
Amphion und Zethos (Neltef im Hom:
Amphioxus lanceolatus .
Amphora, fig. dw. 2.
Amfperdain, Stadtwappen .
Seite |
BO | Anamorphoien (nad Scift).
42 | Anastatica (Rofe bon Sevidy) .
49 | Andalufit (Chiaftolithtrifiall) .
63 | Anemometer, Jig. 1: Wildſche Windfaline .
61
EEEERBEERERE
— Fig. 2: Schalentreuj- Anemometer .
| Angola = Merpebe
| Angfter (Trintgefaf) . F
| Wufer, Fig. 1—-7: Schiffeanter .
— Fig. S—I1S: im Bounwefen .
Mnflam, Staduwappen .
MAnlafier (elettrijder) .
Anlauf (Architettur)
Mnomalie (Aftronontie; .
2 Anobach, Stadtwappen .
Anſchovis
109 | Mntennen bon Snietien .
- 112}
113
Lib
176
. 207
210
. 216
: oy
- 220)
. 230-231 |
. 24 |
235
Anthrazen, Sublimationsapparat .
Antimongiangtrijialle . —
Antinoos (Helief der Silla nidani
Antipatallel mathematiſche FJigur
Antwerpen, Stadtwappen.
Anubis (agnptijder Gott) .
| Molipile umd Wolipile = Beblijelampe, Sig. \ u.
| Aphrodite pon Knidos ;
Wpocynageen: Blute von Vinca —
Apollon Lyteios (Mapitol) .
Mpoftelfrmg 2. 2 41
| Mpoftelloitel .
Apotheter zeichen
Appenzell, Kantonewappen
Aquatorial der Nizzaer Sternwarte
Atraliazeen: Blute von Aralin japonica
Ardometer, Fig. 1 wu. 2 .
Ardopotnometer .
Ardimediidys Pringip, Fig. i u. 2 .
Mrco, Stadtivaypen .
Ares (Mars ber Silla Gudovifl).
Uriftolodiaseen; Blite von Aristolochia Chea mn ·
titis ,
Sunbruft Vveieher ‘bee 16, “abrbunderte
Armfußer Waldheimia australia, Jig. 1 a. 2
Armillarſphare fir Unterrichte zwede
Armure, Gewebe
Arusberg. Stadtwappen
Arnſtadt, Ztadtwappen
Arohen, Stedtwappen .
Arrowroot : Stirfe:, 4 Figuren .
Arienwaticritof: Maribidher Apparat .
Mrtemis Diana von Seriasles: .
Arterie . : :
Arum Drac — 2Fiquren
Aicheveleben, ctadtwappen
oe Bluͤne von Asclepins (ornuti,
wig. 1 u. . .
Aolleptoe — bes Louvre
Awpern, Rarichen der Echlacht ber .
Asphedelus;: Hiate und Frucht von A. albus .
Aptralone podcomeicz
Awuator, jig. L—3
Eeite
ARS
414
. 506
523
726
—
837
AO
ae
*241
eM) |
5
558
Verzeichnis der Mitarbeiter
an der fedften Muflage von Meyers Grofem Konverfations-Lerifon.
Geſchichtswiſſenſchaft.
Dr. F. Arnheim, Berlin.
Prof. Dr. P. J. Blof, Leiden.
Prof. Dr. H. Breflau, Straßburg.
Landesardivar Dr. B. Bretholy,
Vriinn.
Erof. Dr. H. Brofien, Berlin.
Prof. Dr. F. Delitzſch, Berlin.
Prof. Dr. A. Fiſcher, Leipzig.
KR. ruff. Staatsrat Dr. J. Girgenſohn,
Treptow.
Prof. Dr. M. Haebler, Dresden.
Dr. Hans F. Helmolt, Leipzig.
Prof. Dr. F. Hirſch, Berlin.
Prof. Dr. 2B. Mangold, Budapeſt.
Prof. Dr. W. Oedheli, Zürich.
Oberfdjulrat Prof. Dr. H. Peter,
Meißen.
Prof. Dr. M. Philippſon, Berlin.
Prof. Dr. L. Riek, Totio.
Prof. Dr. R. Röhricht, Berlin.
Dr. S. Salfeld, Maing.
Prof. Dr. G. Steindorff, Leipsig.
Dr. Armin Tille, Leipzig.
Geographic.
. ©. Braileanu, Stuttgart.
Prof. Dr. H. Brofien, Berlin.
Th. Bud, St. Petersburg.
Kartograph E. Debes, Leipzig.
Dr. ©. Dedert, Berlin.
W. Draayer, Leider.
Dr. R. Fitzner, Roftor.
Prof. Dr. J. Frith, Zürich.
Dr. R. Haſenöhrl, Wien.
Prof. Dr. KR. Haffert, Koln.
Dr. R. Hermann, München.
Dr. Emil Jung, Lcipsig.
Direltor W. Keil, Halberjtadt.
Dr. R. Riepert, Berlin.
Prof. Dr. Aurel Krauſe, Berlin.
Dr. &. Kretidmer, Berlin.
Prof. Dr. 2. Mangold, Budapest.
Emil Meyer, Kopenhagen.
Prof. Dr. Y. Rielfen, Chriftiania.
Dr. 3. F. Ryſtröm, Upjala.
Prof. Dr. F. Regel, Würzburg.
Prof. Dr. A. Sapper, Tiibingen.
Dr. R. Schoener, Nom.
H. Sievers, Madrid.
Dr. &. Tieſſen, Berlin.
Prof. Dr. W. Polfenhauer, Bremen.
Hofrat Zander, Liffabon.
(Daneben zahlreiche Bearbeiter ein—
zelner Linders und Stidteartifel.)
Sprachen, Literaturgefdidjte. |
Prof. Dr. A. Brandl, Berlin.
©. Braufewetter, Berlin.
Prof. Dr. Æ. Brugmanu, Leipsig.
Prof. Dr. U. Conrady, Leipzig.
Prof. Dr. F. Delitzſch, Berlin.
Dr. B. Didfy, Budapeit.
Prof. Dr. G. Eliger, Berlin.
Prof. Dr. E. Elfter, Marburg.
A. vom Ende, New Port.
| Prof. Fr. A. Hilder, Leipzig.
» Prof. Dr. Rud. Fifer, Innsbrud.
| Prof. Dr. H. Gering, siel.
| Prof. Dr. M. Hartmann, Berlin.
Prof. Dr. J. F Mehr, Gottingen.
Frau Dr. Rite ſtremnitz, Berlin.
Prof. Dr. H. Oldenberg, Kiel.
Dr. P. Rachte, Gamburg.
Prof. Dr. R. Sholvin, Leipzig.
Prof. Dr. O. Seyffert, Berlin.
Prof. Dr. G. Steindorif, Lcipsig.
Prof. Dr. H. Sudhier, Halle.
Prof. Dr. A. Thumb, Marburg.
Frau Dr. Karoline Michaklis de Bad-
concellos, ‘Porto.
Prof. Dr. F. Bogt, Breslan.
Dr. Felix Bogt, Paris.
Rrof. Dr. B. Wieſe, Halle,
Philofophie, Theologie, Unter-
ridjtswefen, Künſte.
Prof. Dr. M. Heinge, Leipzig.
Dr. Edm. Rinig, Sondershaujen.
Prof. Dr. G. Kriiger, Gießen.
Dr. F. Cohrs, Eſchershauſen.
| Dr. S. Salfeld, Maing.
Schulrat F. Sander, Bremen.
Prof. Dr. H. Stiirenburg, Dresden.
| Dr. € Johnen, Bierjen.
Dr. A. Rojenberg, Stuttgart.
| Prof. Dr. H. Riemann, Leipzig.
| Rethtswiffenfdjaft, Volkswirt-
| ſchaft, Derkehrswefen un. a,
Prof. Dr. H. Albrecht, Berlin.
Geh. Reg. = Rat KM. Brümer, Berlin.
O. Biker, Oranienburg.
Prof. Dr, KR. Th. Eheberg, Erlangen.
Db.-Landesqer-R. Frande Hannover.
Oberbibliothefar Dr. R. Heifig, Leipsig.
Poftrat &K. Hieronymus, Berlin.
Prof. Dr. Ki, Reuburg, Erlangen.
Reichsger.-R. a. D. Dr. Peterfen,
Minden.
Dr. R. Schwede, Erfurt.
Prof. Dr. &. Sehling, Erlangen.
| Dr. H. Th. Soergel, Freilaſſing.
Eiſenbahndireltor be Terra, Guben.
Naturwiſſenſchaften, Medizin u. a.
Prof. Dr. H. Bücking, Straßburg
Dr. G. Buſchan, Stettin.
Dr. O. Dammer, Berlin.
Prof. Dr. F. Engel, Leipzig.
Prof. Dr. &. Giefenbagen, Minder
Dr. &. Raffner, Berlin.
Prof. Dr. E. Korſchelt, Marburg.
Dr. E. Rraufe, Eberswalde.
Stabsarzt Dr. Lambertz, Berlin.
Prof. Dr. O. Langendorff, Roftod.
Prof. Dr. O. ehmann, Karleruhe.
Dr. med. §. Lommel, Jena.
Dr. Lüdeling, Potsdam.
Prof. Dr. M. Mathes, Nera.
Oberfiabsarjt Prof. Dr. Pannwik,
Berlin.
frof. Dr. R. Schmaltz, Berlin.
Prof. Dr. R. Shorr, Hamburg.
Dr. G. Sdhott, Hamburg.
Prof. Dr. E. Seler, Berlin.
Prof. Dr. R. Wenle, Leipjig.
Technik, Kriegsweſen u. a.
Dr. ©. Dammer, Berlin.
Prof. Diek, München.
Prof. Dr. J. M. Eder, Wien.
Prof. G. Franfe, Berlin.
Rud. Fried, München.
Ingenieur BW. Geutſch, Beriin.
Prof. Dr. Gerland, Klausthal.
Theodor Goebel, Stuttgart.
Prof. A. Sorring, Berlin.
Regierungsrat H. Grundfe, Berlin.
Mar Heiden, Berlin.
Geh. Baurat O. Hoßfeld, Berlin.
Prof. E. v. Hoyer, München.
Prof. F. Mreuter, Miindhen.
Prof. R. Lauenſtein, Karlsruhe.
Dr. Joh. Luther, Berlin.
Major Mocedebeck, Reife.
Webſchuldireltor Olbner, Werdau
Dr. O. Piper, Miindjen.
Jugenieur W. Trapp, Karlsruhe
Kap.-Lt. G. Wislicenns, Grofflotthe?.
Oberft W. Witte, Charlottendurg.
Land- und Forſtwirtſchaft,
Jagd, Sport u. a,
Direttor Dr. B. Blande, Oranienburg
Dr. v. Butiel-Reepen, Bertin.
Prof. Dr. Guido Krafft, Wien.
C. v. Kuhlmann, Berlin.
Garteninjpettor Fr. Ledien, Dreeden
| &. v. Otto= Mredwik, Amalienburg
Forſtmeiſter Sellheim, Minden.
Oberforjtmeijter W. Weife, Munden.
Trud vom Bibliographiſchen Inſtitut in Letpsig.
(Zu den Tafeln Architektur I- XII)
Zeittafel zur Geschichte der Architektar.
— — — — — — — — — — — — — — — —
| Ubersicht des Inhalts:
| 1. Agyptische, Rabytonisch-Assyrische, Medische und | IV, Mohammedanische Architektur in Syrien, Agypten,
Persische, Phonikieche und Hebrdiache, Klein- Sisilien, Spanien ete. Russische Architektur.
Gsiatioche Architektur. V. Christlich-mittelattertiche Archifektur, — Komani-
Il. Griechische, Etruskische und Romische Architektur. scher wad Gotiacher Hauatil,
III. Alfchristliche Architektur. — Basilika, — Byzan- VIL Newere Architektur, — Renaissance, Barock- wnd
tinischer Zentraiban ete. Rokokoetitl. — Architektur im £9. Jahrhundert.
I. Architektur der afrikanischen und asiatischen Volker. Tafel I u. LI.
Agyptische Architektur. Tafel I.
Bis 670 v, Chr,
Pyramiden: Gizeh (Fig, 1 u. 2); Sarkophag des KOnigs Menkaure aus der Pyramide von Gizeh (Fig. 3),
4000 —3000 v. Chr, Obelisken (iltester zu Heliopolis, Ende des 3. Jahrtausends v. Chr.}.
2100 — 1600 v. Chr. unter den Hyksos Stillstand,
Blitezeit 1600—1200 v. Chr. Denkmiler von Tempeln und Grotten in Theben, Luksor ‘Fig-4. u. 5),
Fdfa (Fig. 8 u. %), Memphis, Abu Simbel ‘Fig. 6), Phila (Pig. 1), Tempel Ramses’ d. Gr. (Rameaseum,
Fig. il). Einzelne Stilfermen von Medinet Habu, Dendrah vgl. Fig. 15, 17 u. 18.
Assyrisch-Babylonische Architektur. Tafel IT.
Babylon bis um 1000 v. Chr. Ninive bis um 606 v. Chr. Ruinenstéitten von Chorsabad, Kujundschik
(Fig. 1 a. 2) und Nimrad.
Persische und Medische Architektur. Tafel IT.
Ekbatana. Persepolis (Propylien und Halle des Xerxes, Fig, 3—6; Felsengrab des Darius, Fig. 5),
Pasargada (Grab des Cyrus, Fig. 7) bis 467 v. Chr.
Dazu gehorend:
Die sassanidische Architektur. Von 226 --641 n. Chr.
Ramiach-byzantiniecher Finglu&: Palaste zu Al Hathr, Diarbekr, Firuz Abad, Sarbistan, Ktesiphon ete,
Felsentore von Takt i Bostan, Takt i Gero, Frueraltare bei Nakech | Rustem.
Phinikische und Hebriiische Architektur. Tafel IT.
Phintkiach: Tempel in Sidon und Tyros. Mauern, Hafenanlagen und Gniber von Karthago 873— 144
vy. Chr, Grabmal und Tempel in Amrit (Fig. 0 a. Ih.
Heberiiisch; Salomos Tempel in Jerusalem 1014— 1007 v. Chr. (Fig. 11), Konigsgraber in Jerusalem,
segen. Grab des Absalom (Fig. 14.
Ruinen von Sendschirli in Nordeyrien (Hethiter: um SOU Tou v. Che.
Kleinasiatische Architektar. Tafel IT.
Lydien am T00-—5 CUr. Sogen. Goab des Tantalos, Graber bei Sardes, Grab des Alvattes ‘Herodot:.
Phrygien, 6. Jahrh, v. Chr. Grab des Midas.
Lykien. 5.—3. Jahbrh. v. Che. Graber in Myra, Telmiseos (Fig. 13, Antiphellos Fig. 12:, Frelban:
Nereidendenkmal aus Xanthos sin London),
Méyere Kany. Leziton, €. Auf., Heilage.
41 Zeittatel gar Geschichte der Architektar.
Il. Die griechisch-rémische Architektur. Taf-i ILIVV.
Die griechische Architektar. Tazl IIL
Ysieia we wad wack bevtionmicn (poocters cuaptecteeer Sinica ou.
Vorrrit.
Maserviruktcr der Pelaager. Kykiopenmaurs Fig.t, Liwester cod Mazer m Mrkend’ Fic. 2 2 3:
Galere ia Ticyes Fig. 4; Apotobeiligtam aaf Delos Fhy. 5 -
Osrischer $51 worgcher Sti
Steongs (sbaundenheit, einfach kiare Gesetumibigten Shlankeres Sveem : Fic anmutiz bewerter Formen:
io Keestroktioe and Form. Senar! rammelierte Same stumof kaseeiiests Saale mit Basis, verrierter Echimes
ehne Basis mit E-hioue and Abakes ale Kaptiell mit asliegenden Volasen, reciederser Archi:rar, Fries
giatier Arciitrat, Tigiyphen und Mewopen am Fries. cane Tragirphen.
Eres Epoche.
9) —479 v. Chr., von der Solonischen Zeit bis m den Perserkriegen.
Tempel in Selinuat, Agrigent ete. Poseidontempel im Tempei der Hera auf Samos. Artemistempel in Epb--
Pastam Fig. 7,, Zeastempel m Athen ete. sos um 54) v. Chr... a
Zorvite E pote.
470 v. Chr., ron den Perserkriecen bis sur mskedonischen Oberherrschai.
Parthenon im Athen, 435 v. Chr. (Fig. 6. Propylaen. Tempel der Nike Apteros, 49 v. Chr. Erechtheior
431 v. Che. Fig. 5, um #8 v. Car.
Dritte Epoche.
Von der makedonischen Herrschafi bis sam Untergang Griechenlands«
Verfall dea ttreng dorischen Stile. Tempei der Athene in Priene, 34) v. Chr.
Tempel der Athene Alea in Tegea, 3%) v. Chr.
Korinthischer Sti.
Spatere spielende Abart der andern Stile; eigentumlbch nur das Kapitell, von schlanker, kelchfarmiger
Gestalt mit Abanthasbiattern ete. reichverziert, spater Kranzgesims mit Konsolen.
Denkmal des Lysikrates Fig. @,, 304 v. Chr. umd Turm der Winde ‘Fig. 11) im Athen. Manrsoleun
in HalikarnaS. 254 ¥. Chr. Apollontempel in Milet. Theater in Segesta Fig. 10).
Die etruskische Architektur. Tafel IV.
Erde nachweiabore Anwendung des Bogenbauca.
Denkmiler pelasgischer Art: die Mauern der Stadt Cossa. Bogenbildung durch Uberkragung hori-
tontaler Steinschichten: Quelilhaus in Tuseulam ‘Fig. 1) und Spitzbogen des Tors von Arpino. Ge-
withebaw (Konstruktion des Randbogens, Fig. 2): Tor von Volterra ‘Fig. 3\, Perugia (Fig. 4), Cloaes
maxima in Rom ‘Fig. 5). Bei dem Tempelbau ‘Fig. 6 u. 7) griechischer EimfluS. Tempelreste fehlen.
Grabmaler bei Norchia, Castellaccio und Castel d'Asso, Cacumella bei Volei und sogen. Grab der Hora-
tier und Curiatier bei Albano Fig. 3—11).
Die rémische Architektur. Tafel IV o. V.
Verbindung dea Bogenbaues mit dem Sdulenbau.
Einflué der etruskiechen Bauten um 30 v. Chr. Entwickelung des cdruskischen Bogens rum Tonnea-
gewilhe (Taf. IV, Fig. 12), Kreuzgewdlbe (Fig. 13), dann Kuppelbau.
EinfluG gricchischer Bauten nach Unterjochung Griechenlands um 150 vy. Chr.
Anwendung dea Sdulenbaues der Griechen: Hallen, Markte, Basiliken.
Bedeutung der rimiechen Architektur: Verbindung der alten Formen des Saulenbaues und des nenen
Konstruktionsprinzips der Wélbung zu einem neuen Stil.
1) Glanzepoche zur Zeit des Kaisers Augustus (31 v. Chr. bis 14 n. Chr.:: Pantheon (Taf. IV, Fig. 14
bis 16), Theater des Marcellus, Mausoleum des Augustus. Aquadukt des Claudius (Taf. V, Fig. 3)
in Rom. Die Privatgebdude in Pompeji (Taf. V, Fig. 4—6).
2) Glanzepoche unter den Flaviern, seit 69 n. Chr.: Kolosseum (90 n. Chr.), Triamphbogen des Titus und
Konstantin ‘Taf. V, Fig. 7), Mausoleum des Hadrian ‘Taf. V, Fig. 8 u. 9), Basilika des Konstantin,
Tempel der Venus und Roma, 135 n. Chr. (Taf. IV, Fig. 17 u. 15) in Rom. Amphitheater in Nimes
(Taf. V, Fig. 1 a. 2).
3) Spdtrimische Bauten: Thermen des Caracalla (Taf. V, Fig. 10) in Rom. Palast des Diokletian in
Spalato (Taf. V, Fig. 11 u. 12), 305 n. Chr.
Sdulenordnung (vgi. Tafel »Saulenordnunge bei Art. >Siinle<),
Doriach, Den Etruskern entlehnt; verziertes Kapitell, Basis; mibbriuchlich toskanische Ordnung ge
nannt. Tabularium in Rom, Sarkophag des Scipio 250 vy. Chr. (im Vatikan).
foniach. Fintkleidung des ionischen Stils von seiner zarten, lebensvollen Anmut. Tempel der Fortuna
Virilis in Rom.
Korinthiach, Am Sonnentempel Aarelians (sogen. Frontispiz des Nero). Auf den obern Teil des Ka-
pitells warden an Steile der leichten Spiralstengel breite Voluten samt dem Echinus des ionischen Kapitells
gelegt, woraus das Komposit- oder rémische Kapitell entstand. Titusbogen 70 n. Chr, (Rom).
Zeittafel zur Geschichte der Architektur. Til
Ill. Die altchristliche Architektur. ‘Tafel VI.
Erste Anfinge: Katakomben (unterirdische Begriibnisstitten).
Der altchristliche Basilikenbau, ;
entatunden aus dem rimischen Wohnhanse und der rbmischen Basilika durch Uberhihung und wagerechte
Deckung dea friiher offenen, unbedeckten Mittelraumsa, Isolierter Glockenturm. Basilika St. Paul vor Rom
(Fig. 1--3); Sant? Agnese, 6. Jahrhundert. Santa Prassede, 0. Jahrhundert.
Der bysantinische Zentralbau,
Verbindung der altrémischen Kuppel mit quadratischem Grundrif (Fig. 6). Griechische Kreuzform (Fig. 7).
Seit dem 6, Jahrh, San Vitale in Ravenna, 526—547 (Kapitelle aus Ravenna, Fig. 10-12). Sophienkirche
in Konstantinopel (Fig. 8 u. 9). 532—537.
Die alichristliche Architektur bei den Germanen.
Nachahmung spdtriimischer Architektur.
In Italien: Palast Theoderichs in Ravenna, Grabmal des Theoderich, jetzt Santa Maria della Rotonda in
Ravenna (Fig. 40.5). Palast della Torre in Torin, 8 Jahrh. Im Norden: Porta nigra und Dom in Trier. —
Rauten Karla d. Gr.: Palastkapelle in Aachen 796— 804, Eingangshalle sum Kloster Lorsch (Taf. VIII,
Fig. 2). Michaelskirche in Fulda (Taf. VIII, Fig. 1).
Dieseg, Bauepoche noch angehérend: Die georgische und armenische Architektur,
Von byzantinischen Einwirkungen gingen aus: Georgisch: Kirche in Pitzounda, Armenisch: Kathedrale in Ani.
IV. Die mohammedanische Architektur. Tafel VIL
Spitzhogen, Hufeisenbogen, Kielbogen, Stalaktitengewilbe, Fliichendekoration.
Syrien, Agypten und Sizilien.
Omarmoschee in Jerusalem, um 650—700. Moschee Amru in Alt-Kairo, 643, und Ibn Tulin, 885
(Pig. 2). Moschee des Sultans Hassan (Fig. 5), 1356, und el Moyed el Aksa in Kairo, 1415. Schloh der
Kuba bei Palermo, 1180.
Spanien.
Moschee in Cordoba (Fig. 1), 786. Minaret Giralda in Sevilla, 1195. Burg Alhambra, gebaut im
Laufe dea 13, und 14. Jahrh, (Abencerragen-Halle, Fig. 3; Vorhof, Fig. 4). Alkasar in Sevilla (Fig. 6).
Indien, Persien und Titirkei.
Anfiinge gegen Ende des 12. Jahrh.; Blatezeit 16.-17. Jahrh. Kutab Minar und Grobe Moschee in
Dehli. Palast Akbars in Agra. Persien, 8. Jahrh., Bliitezeit 16. Jahrh. Meidan Schahi in Ispahan, Mo-
schee Achmeds in Konstantinopel, 15. Jahrh. Vel. Jndische Aunet.
Die russische Architektur.
(Byzantinischer Pomp mit asiatischer Verwilderung.)
Uspenskij-Kathedrale (1475—79) und Wassily Blashenny-Kathedrale in Moskau (1554),
Retspiele in der Walachei: Kirche in Kurtea d’Argyisch.
V. Die christlich-mittelalterliche Architektur. ‘Tafel VIII u. IX.
Reginn sur Zeit der Auflieung des karolingischen Reiches,
Der romanische Stil. Tafel VIII.
Ausbildung dea Rundbogenbaues, organische Verbindung von Turmbau wnd Kirche.
Beginn um 1000. Bhitezeit 12, Jahrbandert. Verfall 13, Jahrhundert.
Die flach gedeckte Basilika.
Abteikirche in Laach. St. Godehard in Hildesheim.
Die gewdlbte Basilika.
Dom in Speyer. Kirche in Hecklingen.
Der sogen, Chergangsstil, 1175 — 1200.
Dome in Bamberg (Fig. 3 u. 4) und Mainz. Miinster in Basel. Apostelkirche In Kolm (Fig. 5).
Abweichende Anlagen.
Cistercienserkloster Manlbronn (Fig. 7), Palast des Kaisers Harbarossa in Gelnhausen. Holzbau:
Kirche in Hitterdal ‘ Norwegen).
Der gotische Stil. Tafel IX and die Tafeln »Kélner Dom« (bei Art. » Kéln«).
Organische Aushildung dea Spitebogenbanes als Ausdruck dea germaniachen (i cistea,
Reginn 12. Jahrhundert. Blitegrit 1250-1550, Verfall 1350 — 1450
Feathaliten der durch diz gewillte Basiliba geqebenen Grendlie, Crundgr ects der Konstreltion: das Npits-
bogengewrdie mat Sirchepfeilern ; auberdem charakteri#aiech Nirebechogen, Hiinddpfeiler, resvehe Rogengliede-
rung ou Kreue-, Stern- wad Netagewtihen, Mafwerk, Pialen, Krabben, Kreustlamen.
Dome in Koln (begonnen * Tafel »>Kotner Dome , Freiburg (15. Jaheh.i, Stragberg (S18), Wien
t4. Jahrh.;, Reims 1212 —%5, Taf. IX, Fig, 2, Notre Dame in Parie 116) —12%7 , Kathedrale in York
14) bis um i4io, Taf. IX, Fi 61, —— tbeyennen 1s), Siena ‘Taf. IX, Fig. 4), Burgos :begonnen
J21, vollendet 1442—7, Taf. fx, Fig. : Toledo ‘hegonnen 127. — Dogenpalast und Palast Casore in
Venedig, Marienbury, Rathaus in sath Mecho fbegoennen um 12/4), Taf. IX, Fig. 5), Lowen (1445—6i,
Tuchhalle iu Ypern (Taf, [X, Fig. t
IV Zeittafel zur Geschichte der Architektur.
VI. Die neuere Architektur. Tafel X—XIL
Die Renaissance und der Barockstil in Italien.
1. Feriode; Frthrenaissance. 1420 —1500,
Florentinische Schule: Dom und Palazzo Pitti in Florenz von Fil. Brunellesco; Certosa von Pavia,
1473 von Borgognone begonnen; Palazzo Strozzi in Florenz, 1489 von Ben. da Majano begonnen (Taf. X, Fig. i).
Venezianische Schule: Palazzo Vendramin Calergi, 1451 von Pietro Lombardo erbaut; Scuola di San
Marco, 1490 von Martino Lombardo — — Scuola di San Roceo, 1517 unter Bart. Buono begonnen,
spiter durch A. Searpagnino beendet; Hof des Dogenpalastes, von Ant. Rizzo begonnen; San Zaccaria,
1457 angeblich von M. Lombardo erbaut.
2. Periode: Hochrenaissance. 1500 —1590.
Rémische Schule: Palast der Cancelleria in Rom; Palast Pandolfini in Florenz von Raffael; Peters
kirehe in Rom, 1506—1667, von Bramante, Raffacl, Peruzzi, Ant. da Sangallo, Michelangelo, Maderaa,
Bernini (Taf. X, Fig. 2—4).
Bibliothek von San Marco in Venedig, 1536 von Jac. Sansovino begonnen (Taf. X, Fig. 5); Kirche
del Redentore in Venedig von A. Palladio, 1576.
3. Periode: Barockstil, 1580 — 1800,
Palazzo Barberini in Rom, Kolonnaden des Petersplatzes von Bernini; Sant’ Agnese in Rom von
Borromini (1599 — 1667); Palazzo Borghese in Rom von Mart. Junghi. Paliiste in Genna (Taf. X, Fig. 6.
Die Renaissance, der Barock- und Rokokostil in den iibrigen Lindern.
Frankreich: Schlof in Chambord, 1526 von P. Nepveu begonnen; Hotel de Ville, 1533-1628: Westfassade
des Louvre von P. Lescot, 1541, Hoffassade des Louvre (Taf. XI, Fig. 6); Pantheon, 1713—81 von Sowfite
erbant (Taf. XII, Fig 6); Tuilerien in Paris von Phil. Delorme, 1564. (Letste Entwickelung des Stile: Rokoko.,
England: Landsitze und Schlésser (Taf. XI, Fig. 3), Somersethouse in London; Paulskirche in Londen,
1675—1710 von Christ. Wren erbant.
Niederlande: Bérse in Antwerpen, 1531; Rathaus in Amsterdam von J. tan Campen.
Spanien: Neuve Kathedrale in Salamanca, 1512 nach den Plinen von Egas und Kodriguez von Hor-
tanon erbaut; Kloster Escorial, 1563—84 von Juan de Toledo und Juan de Herrera erbaut.
Deutschland und Osterreich: Belvedere auf dem Hradschin ond Palais Czernin in Prag (Taf. XII,
Fig. 1); Heidelberger Schlo& (Otto-Heinrichs-Bau, 1556—59; Taf. XI, Fig. 1); Gewandhaus in Braunschweig,
1589; Rathduser in Koln (Taf. XI, Fig. 2), Paderborn (Taf. XI, Fig. 5) und Augsburg, 1615—20 von E. Holl
erbaut; Zeughaus daselbst (Taf. XI, Fig. 4); Zeughaus in Berlin, 1685 von Nehring begonnen, vollendet von
de Bodt (Taf. XI, by 3 2); Koénigliches Schlof in Berlin von A. Schliiter, 1699—1706 (Taf. XU, Fig. 3); Karls-
Kirche in Wien von J. B. Fischer v. Erlach, 1716 (Taf. XII, Fig. 5); Zwinger in Dresden, 1711 (Taf. XU, Fig. 4).
Die Architektur im 19. Jahrhundert.
Im vorhergehenden Jahrhundert des Zuzammenhanges in sich und mit dem Leben verlustig geworden, folgte
sie dem allgemeinen, groBen, geistigen Zug. In der griindlichen Durchforschung, im treuen Studium der
neuentdeckien Werke aus der griechischen Bliitezcit fina die Baukunst Liuterung und schlo& sich spdier
an die Vorbilder der Renatssance-, Barock- und Rokokozeit an. Im letzten Jahrzchnt des Jahrhunderts
Geyenbewegung gegen die historischen Stilarten und Ringen nach neuen Kunatformen, die den Geist der
neuen Zeit zum Ausdruck bringen sollen.
Deutschland. Berlin: Das Alte Museum, Schauspielhaus und Bauakademie von Schinkel, Petrikirche
und Nationalgalerie von Strack, Synagoge von Anoblauch, Neues Museum und Markuskirche von Stiler,
Bérse und Reichsbank von Hitziqg, Michaeliskirche von Soller, Reichstagsgebiiude von Wallot. Minchen:
Bibliothek von Gértner, Glyptothek und Allerheiligenkapelle von Alenze, Mariahilfkirche yon OkImiiller,
Bonifaciuskirche von Zichland, Bahnhofsgebiiude von Biirklein, Neue Pinakothek von Voit, Rathaus von
Hauberrisser, Bayr. Nationalmuseum von G. Seidl. Dresden: Museum und Theater von Semper, Kunst-
akademie yon Lipsius. Leipzig: Museum von Lange und Lich!, Stuttgart: Kénigl. Villa bei Berg von
Leins, Wilhelma von v. Zanth, Polytechnikum von Egle, Bahnhof von Morlock. Hannover: Christuskirche
von Hase. Karlsruhe: Bahnhof von Lisenlohr, Kunstsehule und Theater von Hiihsch. Braunschweig:
Residenzschlobh von Ottmer. Hamburg: Nikolaikirche von Scott, Kunsthalle von Schirrmacher und Hude.
Uber die neueste Entwickelung der Architektur in den Hauptstidten Deutschlands s. die Artikel iber
die ejnzelnen Stidte nebst den dazu gehérigen Tafeln (Berlin, Dresden, Hamburg, Leipzig, Minchen etec.).
Osterreich. Wien: Altlerchenfelder Kirche von Miller, Arsenal yon Férster und Hansen (Waffen-
museum), van der Nill und Siccardshurg (Kommandantur); Synagoge von Firster, Kirche der nichtunierten
Griechen und Friedhofskapelle von Hansen, Votivkirche und Universitit von Feratel, Lazzaristen- und Weib-
girberkirche von Schmidt, Neues Opernhaus von van der Nill und Siccardsturg, Heinrichshof von Hen-
sen, Rathaus von Schmidt, Parlamentshaus und Kunstakademie von Hansen, Hofmuseen von Semper und
Hasenauer, Hofburgtheater von Semper, Justizpalast von v. Wielemans, Neue Hofburg von Jasenaner a. a.
Vgl. die Tafel »Wiener Bauten« bei Artikel » Wiens.
Frankreich. Paris: Madeleinekirche yon Vignon, 1808—43; Verbindungsbauten des Louvre und der
Tuilerien von Vieconté und Lefuel, 1852—57; die Neue Oper von Garnier, 1861—75, St.-Vineent de Paul
von Hittorf, 1824—44; Ste.-Clotilde von Gaw und Baliu, 1846—57; Bibliothek Ste.-Geneviéve von Labrowste ;
Trocadéropalast von Davioud und Bourdats.
Belgien. Briissel: die neue Börse yon Zuys, der Justizpalast von Poelaert. Gent: Justizpalast und
Universitit von Roelandt. Antwerpen: die neue Bérse, der Justizpalast, das Museum.
England. London: Parlamentshiuser von Barry, Bankgebiude von John Soane. Coventgarden-
Theater von Rohert Smirke.
Raufland. Petersburg: Kathedrale von Waronchin, Isaakskirche von Montferrand.
Schweiz. Ziirich: Polytechnikum von Semper. Basel: die Elisabethenkirche von Stadler.
Uber die neueste Entwickelung der Architektur im Auslande s, die Artikel iber die Hauptstddte der
einzelnen Lander.
Jhews —— ö·
wi Compe 3 tata
—_s_~
— *
— — — —
z :
2 |
⸗ ⸗ ———— St Servis - Simo sde ~ ine Span urs <:
Yi. 4 Bie Terr pe tn Witt Sam wet Fe ox -RE:« —
wae Nay oe a Px Sctucseenen S21
y* sr zerasz.ce..¢
%. Fesettecpei oe Aw EMAü exter Macses IL
20. Grundri6 eines Wohnhauses.
9. Grun
7. Hathor-Pleiler aus
Abu Simbel.
#)
— —
⸗ J — ye a ⸗ __
1K, Pletles aus Medinet Habu. 5. Lingendurchs:
Meyers Konv.- Lexikon, 6. Aufl.
ktur I.
Baukunst.
"Zs
; ~ 24
J >. yer
J
—
2. Durchschnitt der groben (Cheops -) Pyramide. 16. Palmenkapitell
von Esneh.
A Abhihoehihhehnh Uhhh Lhe hi eh bh ht hh hhh tthe hate h ees
—— — —
mn
— *R - =
amiden von Gizeh. ora ma
ach E. Korner.) 19. K
—
‘eis. OO S..
<0e ——
in Luksor. (Nach Chipiez.)
a e
o 2
o0 *
eoo*o00909°%8
21. Wohnhduser. (Nach Wandgemalden)
17. Hathor Saule
aus Dendrah
{ des Tempels in Luksor
Bibliogtaphim bes Inet tut ta Leiprig
Arch
Assyrisch - Babvionische. Persisch - Medis<><
2. Relief aus Chorsabad
(Babyion:. Kuinen von Ninive.
7. Grab des Kyros (Persien). 400 v. Chr.
Querschnitt
von a b.
5. Sdule von Persepolis. 12. Lykisches Grabmal in Antiphellos 14. Sogen. Grab des /
(Kleinasien). ca. 400—300 v. Chr. bei Jerusalem. (Hebr.)
Meyers Konv.- Lexikon, 6. Aufl.
tur Il.
yasiatische, Phénikisch-Hebraische Baukunst
i —
Il. Vom Unterbau des Salomoni- 9. Tempel in Amrit
schen Tempels. 1000 v. Chr. (Phdnikien).
Pte
4
reepolis. (Rekonstruktion.) & Felsengrab (Grab des Dareios) bet Naksch | Rustem (Persien)
— — —
siomim K drontal 1h Lyk.sche Orabtassade in Telmissos (Alernasien: 6 Sdule son Persepolis
det 2 Jatth v Che 4 Jatrh vy Chr
Kt ygraphin tes Inst tut in Leipzig
Bp SS ee
1. Kyklopische Mauer.
GrundriB
zu Il. f — ee —
pF eM Sill AU SSI
Vows wae si ———
aT eS MAL T TTT TT -
11. Der Turm der Winde in Athen.
2. Jahrh. v. Chr. Korinth. Stil.
LT —
— = - “"
—
8. Das Erechtheion in Athen (Rekonstruktion), Um 410 v. Chr. lonischer Stil. 7. Inneres des groty
Meyers Konv.- Lexikon, 6. Aufl.
tektur III.
sche Baukunst.
—
* —
|
Grundrib
zu 9.
—
Athen (Rekonstruktion)
9. Denkmal des Lysikrates in Athen
8454 438 v. Chr. Dorischer Stl 3M ov. Chr. Korinth. Stil.
Ser Ge ’
weg th. '-
so5 2h -2 hs 5 =, 4
Temp °
Mpels in Pastum 10 Das Theater in Seygesta (Rekonstruktion gach Strack)
bibl: yraphin tes Institut in Leipzig
Digitized by Google
Architer
Etruskische und B-
11. Grabcippus 1, Quellhaus in
(Seitenansicht). Tusculum.
3. Tor in Volterra. 6. Etruskischer Temp
(l—11: Baw
15. Fassade des Pantheons in Rom. 14. Grundrif des Pantheons in.
f)
2*
—
q “) q + SA, 7 *
yg ee ray Aedes ap re ae OR Sle
X —— ei
S53
‘Srhea —
a
12. Tonnengewolbe.
(Rémisch,)
13. Kreuzgewalbe. 7 ?
(Rémisch,) 17. Tempel der Venus und Roma in Rom. (Restaury
Meyers Konv.- Lexikon, 6. Aufl.
ctur IV.
Mmische Baukunst.
10. Etrusk. Grabmal 8. Sdule von der 9. Sog. Grab der Horatier
in Castel d'Asso. Cucumella in Volci. und Curiatier.
el nach G. Sempers Rekonstruktion.
akunst der Etrusker.)
5. Die Cloaca maxima in Ros
(6005v. Chr.)
ri —
* ——
PPP Pr rrr Pye —
PEPE rr rr) = ry
- IS Grundnié des Tempels der
erter Durchschoitt.) Romsh TM Cher Venus und Roma
Bibliographies bes Institut in Leipzig
Jeueeeeten
is
Vestibulum Ostiom Liteon — ‘Tablinam Peristylinm Occns
5. Haus des Pansa. Langendurchschnitt von A nach B.
——— — — —— is
/ '
», a SP EES
~
eae Se. he oe 2 ee owes ae
6. Haus des Pansa. Rekonstruierte perspektivische innere Ansicht
von A nach B des Grundrisses (4).
8. Grabmal des Hadrianus in R
Restaurati:
— —
—
at wees
— ——
— —
T oy Ane
— — ⸗ as eee —. ee
toner
he
—
eT ee |
| 2. Grundri6 des Amphitheaters in Nimes.
A ble eur Hohe der letaten Stufen der Kabersten Umechtiebang,
n bls aur Hihe der ewelten, C bis sur Hihe der ersten Um- 10. Saal aus den Thermen ¢
echiicbong. D Durchechnitt an der Dodenfliche, Rek
Meyers Konv - Lexikon, 6. Aufl.
ttur V.
Baukunst
sn ie eed t P
: BEES OAR ‘
4 = :
Cen | nae ued. Mabie” (Metrizen! =a s
te 0 oem . °
A sews des — zu Pompeji. Grundrié zu 5 u. 6.
Fe ood
fe ale
in seiner urspringlichen Gestalt,
son Borgatti.
——
mals des Hadrianus.
bt te
Lines AF
aa |, EP
il — vom Palast des Diocietianus in Spalato
6 n. Che
—
>
( stacalla in Rom. 216 a Che. 12 —— und Siulendekoration an der Porta
trukten aurea vom Palsst des Din tetianus
Bibl: graphiw hes Inet tut im Leips x
Archi
Altchristliche und
——
10. Kapitell aus San Vitale in
Ravenna. (Byzantinisch.)
* — —
a —
oft #4)
i
fil
——
TE
a
et —— — — —
4
12. Kapitell aus Ravenna.
(Byzantinisch.)
6. Konstruktion der byzan-
tinischen Kuppel.
3. Querschnitt von St. Paul.
SSeS eee eeeeeeseeaue
SSTCSeeseesereseres
Teese eee eee eeeene
2. Grundrif von St. Paul. 1. St. Paul vor Ror
Meyers Konv.- Lexikon, 6, Aufl.
‘tur VI.
rantinische Baukunst.
Sl Font
, at) vi iat * —
a a —— Soret eee | PT
nim “9 in
=
—J
=|
mean a8d “a —
A iW 0s i THE
— — —
— IE ee
der Sophienkirche in Konstantinopel. 532 537. 11. Kapitell und Sdulenbasis aus
hy zantinischer Stil, Zentralbau). San Vitale in Ravenna.
oe
weser vJ
—
/azazeca |
Altcbristhcher Basilikenbau. 4 Grabrnal des The aferch tn Ravenna
lm ati
both graph shes Inst tut in Leipsig
Archite
Arabische und Maurische
Ou
"yer =
—_
Ee
i3
6. Hauptportal des Alkasar in Sevilla. 1369—79. 1. Moschee in ©
Meyers Konv.- Lexikon, 6. Aufl.
ur VII.
kunst (7.—14. Jahrhundert).
ombra bei Granada. 13. -14. Jahrh. 5. Moschee des Sultans Hassan in Kairo. 1356.
‘a Begonnen 786. 4 Verh of der Moschee in der Alhambra
Bb ographisshes Institut in Leaprig
Digitized by Google
Archite
Altchristliche und 8
——
10. Kapitell aus San Vitale in
Ravenna. (Byzantinisch.)
9, Grundri® der Sophienkirche.
12. Kapitell aus Ravenna.
(Byzantinisch.)
7. Griech. Kreuz als Basis 6. Konstruktion der byzan-
des Zentralbausystems. tinischen Kuppel.
SSaetveeesaseeereasares
Serer e et ee ee eee ee
2. Grundrif von St. Paul. 1. St. Paul vor Rom
Meyers Konv.- Lexikon, 6. Aufl.
‘tur VI.
rantinische Baukunst.
SS ta
=
=
Hem
Li.
=
ie
der Sophienkirche in Konstantinopel. 532 . 537. 11. Kapitell und Siulenbasis aus
i-yrantinischer Stil, Zentralbau). San Vitale in Ravenna,
Ait hristhcber Basilikenbau 4. Grabmal des The sder uh in Ravenna
lm “ah
Heth) graph.sches Institut in Leipzig
Archite
Arabische und Maurische
J
?
*
*
——
J
j
oy
— @ |
ray al
2. Moschee Ibn Tulfin in Kairo. Gegriindet 8&5.
6. Hauptportal des Alkasar in Sevilla. 1369 —79. 1. Moschee in ©
Meyers Konv.- Lexikon, 6. Aufl.
tur VII.
skunst (7.—14. Jahrhundert).
ambra bei Granada. 13. -14. Jahrh. 5. Moschee des Sultans Hassan in Kairo. 13%.
‘a Begonnen 786 4 Nothot der Mowhee in der Alhambra
Ho tlvggtaphiss hes Institut in Leipeg
: ea. F FF
—
» CBR AEE
SS Cer ’ i | a —
iow we.
—
~
\
. a Mi
i]
i)
3. Dom in Bamberg. Ostseite, erbaut 1009 — 1012.
Meyers Konv,- Lexikon, 6, Aufl.
Architek
Romanische Baukuns
7. Refektorium des Klosters in
4. Grundrif des Dos
6. Grundrif der Apos
ur VIII.
9 —13. Jahrhundert).
?,
==
BSOMARVErH wT;
=i ware —
—
| , wy, 2
a —
1. Mittelbau der Michaelskirche in Fulda. 817—82
\\ "onan ——— a eee a |
BEROD
|
}
|
¢
lasibronn, 1215 — 20.
t a |
a :
wr
<@
n Hamberg
i ae
»®- 4
(oe &
' + -
> . 4
bee i
la.tche in Kola. 5. Apustelkirche in Koln. Hey: noen um LAD
Bibliographisches Institul in Leipzig
Arch
Gotischer Stil
5. Altstadt- Ratha
Begonnen um |.
3. Kathedrale in Burgos. 2. Kathed:
Begonnen 1221, vollendet 1442—-87 durch Johann von KOln. Begonnen 1212, vollendet
Meyers Konv.- Lexikon, 6. Autl.
»ktur IX.
und 14. Jahrhundert)
a Hraunschweig.
vellendet 1468
1. Tuchhalle in Ypern. 1201 - 1442.
—A
-
a
«
— ss
=
s
s
—s
—3
—
——
*
*
> —
» © Heine 4 Dom in Sena) Begennen um 12)
> durch Kibert de Coucy Bau det bassade von Giovanni Prsane se.t LOM, fortgesctst tue 1.457
B.ootiegraphia hes Institut in Le prig
It€
Arch
Italienische Renaissa-.
4. Grands |
Hauptfront.
2. Die Peterskirche in Rom.
-
vil
ni
it
ietttt
tt}
|
/
:
r
1. Palazzo Strozzi in Florenz.
Begonnen 1489.
Majano.
Hauptfront von B. da
Meyers Konv.- Lexikon, 0. Aufl.
ctur X.
(15.—17. Jahrhunderf).
ii | BB i
Peterskirche in Rom. Langsachaitt.
mnen 19% von Bramante, fortgefahrt von
. San Gallo und seit 1446 von Michelangelo,
votlendet 1626 von Maderna
—— — X
ii A iil
— eee Tass —
Asthusbibliothek in Venedex 6 Patarro Rey a Universita ta Genus
ven Jacopo Sansevino Lim 44 Fingangshaile vou B Biame lest
Bitiicgraph shes Inst.tut in Leipzig
Arch
= “Te 3h
Ss
=a - =
*
-
<=
ace -
ae
PO Te few
| IE 7
J
ee Aeliade
| piles gE os... AG ‘
——
—un——
ae el fe "i 4
— pe
1. Vom Schlos 2 Heidehe-
it
4.
4. Zeogtaus in Augvourg, von El.as H:
> ⸗
“0
6. Pavillon de I'Horloge (Sully) des Lo
1594.
Hofportal.
4%. Cobham Hall (Grafschaft Kent).
Meyers Konv.-Lexikon, 6. Aufl.
ur XI.
a‘ssance (14 und 17. Jahrhundert)
Ih,
1614
5. Rathaus in Paderborn
— 59.
t» Heinrich-Bau. 1556
"es wth. a.
— — —s +.
we"
In, wou W Vern. ke
Hheases in A
wthalle des Ra’
2. V
Beyonnen von Lemercier 1624
‘in Paris
thes Inmetitut im Lespeig
taphe
Hibl.cng
Archite
Barock- und Rokokozeit
* NUE * *
— ws A NS Met Sopra lt sd Ris
i le
— —*
— — — Ps C37 a Tt, eee
(Se, + ———
— ——— — —
2. Ehemaliges Zeughaus in Berlin, von Nehring und de Bodt. 1. Palais Czernin in Prag, von G. B
1694 — 1702.
Meyers Konv.- Lexikon, 6, Aufl.
ur XIl.
7. und 18. Jahrhundert).
Sten, von D. Péppelmann 5. Kariskirche in Wien, von J. B. Fischer von Erlach und
oer Ostseite. 1711 -— 22 A, E. Martinelli. 1716 37.
* yas oe
err — —2— id
ea
3. Konighches Schic8S in Bertin
Hoffassade des Portals Vi von A Schluter Tee 1706
Bibliographisches Institut in Leipzig
Verlag des Bibliographischen Instituts in Leipzig.
ses et tod Werke.
Meyers Grosses Konversations- testhen: sechste, géinztich
neubearbeitete und vermehrte Auflage. Mit mehr als 11,000 Abbildungen, Karten
und Plinen im Text und auf fiber 1400 Illustrationstafeln (darunter etwa 100 Far- |
bendrucktafeln und 300 Kartenbeilagen) sowie 130 Textbeilagen. (Im Eracheinen.) ,
Gebeftet, in 320 Lieferungen ru je 50 Pf. — Gebunden, in 20 Halblederbinden . . . . Je
Meyers Kleines Konversations - Lexikon, sechste, umgear-
beitete Auflage. Mit 168 Illustrationstafeln (darunter 26 Farbendrucktafeln und
56 Karten und Plaine) und 88 Textbeilagen.
Geheftet, in 80 Licferungen mu je 30 Pf, — Gebunden, in 3 Halblederbinden
— Werke.
Brehms Tierleben, dritte, neubcarbeitete Auflage. Mit 1910 Abbildungen
im Text, 11 Karten und 180 Tafeln in Holzschnitt und Farbendruck.
Gebeftet, io 130 Lieferungen eu je 1 Mk. — Gebunden, in 10 Halblederbinden . . . . je
(Ba. 1-111 »Sdugetieree — Bd. 1V—V1 1Voyele — Bd. VII »Kriechtiere und Lurches —
Bd. Will sFiaches — Bd, IX simacktene — Bd. X »Niedere Trerec.)
Gesamtregister xu Brehms Tierleben, 3. Auflage.
Gebunden, in Leitnwand
Brehms Tierleben, Kleine Ausgabe fiir Volk und Schule.
Zweite, von R. Schmidtlein neubeardeitete Auflage. Mit 1179 Abbildungen im
Text, 1 Karte und 3 Farbendrucktafeln.
Gebeftet, in 55 Lieferungen cn Jo 1 PL — Gebunden, in 3 Halblederbanden
Die Schipfung der Tierwelt, von Dr. With. Haacke, Er-
ginzungsband gu >Brehms Tierlebens.) Mit 469 Abbildanyen im Text und auf
20 Tafeln in Holeschnitt und Farbendruck und | Karte.
Gebefiet, in 13 Lieferungen zu Je 1 Mk. — Gebunden, in Halbieder
Der Menach, von Prot. Dr. Joh. Ranke. Ziceite, neubearbeitete Auflage.
Mit 1398 Abbildungen im Text, 6 Karten und 35 Farbendrucktafeln.
Gebefiet, in 26 Lieferungen eo je 1 Mk. — Gebnndon, in 2 Halbiederbanden F . je
Volkerkunde, von Prot. Dr. Friedr. Ratzel. Zweite Auflage. Mit 1103
Abbildungen im Text, 6 Karten und 56 Tafeln in Holzschnitt und Farbendruck.
Gohbeftet, in 28 Lieferungen xa jo 1 Mk. — Gebnnden, in ® Walbiederbinden. . . . . je
Pflanzenleben, von Prot. Dr. A. Kerner von Marilaun, Zweite,
nenbearbeitete Auflage, Mit 44% Abbildungen im Text, 1 Karte und 64 Tafeln
in Holzschnitt und Farbendruck.
Geheftet, in 28 Lieferungen meu fe 1 Mi. — Gebunden, in 2 Halblederbanden
hichte, you Prot. Dr. Melchior Newmayr. Ziceite, von Prof.
Dr, V. Uhlig neubearbettete Auflage. Mit 872 Abbildungen im Text, 4 Karten
und 34 Tafeln in Holzechnitt und Farbendrock,
Gebefiet, in 28 Lieferungen m jo 1 Mk. — Gebunden, in 2 Halblederbanden
Daa Weltgebdtude, Fine gemeinverstandliche Himmelekunde. Von Dr, M.
Wilhelm Meyer. Mit 287 Abbildungen im Text, 10 Karten und 3} Tafela
in Heliograviire, Holzschnitt tnd Farbendrock.
Geheftet, in 14 Lieferungen eu je 1 Mk. — Ciebanden, in Malbleder .
Ausfihrliche Prospekte zu den einzelnen Werken stehen kostenfrei zur Verfigung.
Die Naturkriifte. Gemeinverstindlich dargestelit yon Dr. M. Wilhelm »
: Meyer. Mit etwa 500 Abbildungen im Text und 26 Tafeln in Holzschnitt, |
Atzung und Farbendruck. (In Vorbereitung.)
Geheftet, in 15 Lieferungen zu je 1 Mk. — Gebanden, in Halbleder
Bilder-Atlas zur Zoologie der Sttugetiere, yon Professor Dr.
W. Marshall, Beschreib. Text mit 258 Abbildungen, Gebunden, in Leinwand | |
Bilder - Atlas zur Zoologie der Vogel, yon Protessor Dr. W. Mar-
shall. Beschreibender Text mit 238 Abbildungen. Gebunden, in Leinwand . .
Bilder-Atlas zur Zoologie der Fische, Larche und |
Kriechtiere, von Prof. Dr. W. Marshall. Beschreibender Text mit |
208 Abbildungen. Gebunden, in Leinwand .
Bilder-Atlas zur Zoologie der Niederen Tiere, von Prof. |
Dr. W. Marshall, Beschreib. Text mit 292 Abbildungen, Gebunden, in Leinw,
Bilder- Atlas zur Pflanzengeographie, yon Dr. Moritz Kron-
feld. Beschreibender Text mit 216 Abbildungen, Gebunden, in Leinwand . . .
Kunstformen der Natur, von Prot. Dr. Ernst Haeckel. 100 Mlu-
strationstafeln mit beschreibendem Text. In 2 Sammelkasten (im Erscheinen). . je
Geographische Werke.
Die Erde und das Leben. Eine vergicichende Frdkunde. Von Prof.
Dr. Friedrich Ratzel. Mit etwa 500 Abbildungen im Text, 21 Karten-
beilagen u. 46 Tafeln in Holzschnitt, Tonaitzung u. Farbendruck. (Im Erscheinen.)! |
Geheftet, in 80 Lieferungen zu je 1 Mk. — Gebunden, in 2 Halblederbinden 17 [=
Afrika. Zweite, von Prof. Dr. Friedr. Hahn villig umgearbeitete Auflage. |
Mit 173 Abbildangen im Text, 11 Karten und 21 Tafeln in Holzschnitt, Atzung |
und Farbendruck. |
Geheftet, in 15 Lieferungen zu fe 1 Mk. — Gebunden, in Halbleder . . . . 1. ... .17
Australien, Ozxeanien und Polarldander, yon Prot. Dr. With.
Stevers und Prof. Dr. W. Kiitkenthal, Zweite, neubcarbeitete Auflage. |
Mit 198 Abbildungen im Text, 14 Karten und 24 Tafeln in Holzschnitt, Atzung
und Farbendruck.
Gebeftet, In 15 Lieferungen eu je 1 Mk. — Gebunden. in Halbleder . . ..
Asien, von Prot. Dr. With. Severs. Mit 156 Abbildungen im Text, 14 Karten |
und 22 Tafeln in Holzschnitt und Farbendruck.
Geheftet, in 13 Lieferungen gu je 1 Mk. — Gebunden, in Halbleder . . . 2 eee ee
Amerika, in Gemeinschaft mit Dr. E. Deckert und Prof. Dr. W. Kilken-
thal herausgegeben von Prof. Dr. Wilh, Sievers. Mit 201 Abbildungen im ,
Text, 13 Karten und 20 Tafeln in Holzschnitt und Farbendruck.
Geheftet, in 18 Lieferungen eu je 1 Mk. — Gebunden, in Halbleder
Europa, von Dr. A. Philippson und Prof. Dr. L. Neumann. Heraas- |
gegeben von Prof. Dr. Wilh, Sievers. Mit 166 Abbildungen im Text, |
14 Karten und 28 Tafeln in Holzschnitt und Farbendruck.
Geheftet, in 14 Lieferungen zo je 1 Mk. — Gebunden, in Halbleder . . . . 2. 2 we ea!
Meyers Hand-Atlas. Zweite, neubearbeitete Auflage. Mit 113 Karten-
blattern, 9 Textbeilagen und Register aller auf den Karten befindlichen Namen. |
Geheftet, in 38 Lieferungen zu je 80 Pt. — Gebunden, in Halbleder
Neumanns Orts-Lexikon des Deutschen Reichs.
neubearbeitete Auflage. Mit 34 Karten und Plinen und 276 Wappenbildern, |
Geheftet, In 26 Lieferungen mu je 50 Pf. — Gebunden. in Halbleder . , 2. 1. 2 6 © we 8 U5
phte von — von Dr. A. Geist-
— Beschreibender Text mit 233 —
Bilder - Atlas zur Geographte der aussereuropdischen
Erdteile, von Dr. A. Geistbeck. Beschreibender Text mit 314 Abbild.
Gebunden, in Leinwand
Verkehrs- und Reisekarte von Deutschland nebst —
stellungen des rheinisch-westfilischen Industriegehiets u. des sid westlichen Sachsens ,
sowie zahireichen Nebenkarten. Von F Krauss. Massstab: 1: 1,500,000.
In Oktay gefalet and in Umsechlag 1 Mk. — Auf Leinwand gespannt mit Stiben zam Anfhangen
Weltgeschichts- und kulturgeschichtliche — Werke.
— —— —ñ 7t SS
Das Deutache Volkatum, herausgegeben von Prof. Dr. Hans Meyer.
Mit 30 Tafeln in Holzschnitt, Atzung und Farbendrack.
Gebefiet, in 13 Lieferungen en Jo 1 Mk. — Gebunden, tn Halbleder
Weltgesachichte, unter Mitarbeit hervorragender Fachminner herausgegeben
von Dr. Hans F. Helmodlt. Mit 51 Karten und 185 Tafeln in Farbendruck,
Holzschnitt und Atzung. (Im Erscheinen.)
Geheftet, in 16 Halbbanden su je 4 Mk. — Gebuanden, in 8 Halblederbinden
Urgeschichte der Kultur, von Dr. Heinrich Schurtz. Mit 434
Abbildungen im Text, 1 Kartenbeilage und 23 Tafeln in Farbendrack, Holz- ‘
schnitt und Tonitzung.
Gebeftet, in 15 Licferungen tu jo 1 Mk. — Gebunden, in Halbleder
Meyers Historisch-Geographischer Kalender. Mit 12 Pis-
netentafeln u. 353 Landschafts- u. Stidteansichten, Portriiten, kalturhistorischen u.
kunstgeschichtlichen Darstellungen u. einer Jahresiibersicht (auf dem Rickdeckel).
Zem Aufhingen als Abreiikalender elngerichtet. (Erecheint alljabrlich im August) set
Literar- und kunstgeschichtliche Werke.
— —— —— —
Geschichte — — ILiteratur, von Jakob Mdahly.
2 Teile in cinem Band. Gebanden, in Leinwand 3,50 Mk. — Gebdunden, in Halbleder
Geschichte der deutschen LTAiteratur, von Prot. Dr. Friedr.
Vogt u. Prof. Dr. Max Koch. Mit 126 Abbildungen im Text, 25 Tafeln in,
Farbendruck, Kupferstich und Holzechnitt und 34 Faksimilebeilagen.
Gebeftet, in 14 Lieferungen m jo 1 Mk. — Gebunden, in Halbleder . . .
Geachichte der englischen Literatur, von Prot. Dr. Rich. Wat-
ker. Mit 162 Abbildungen im Text, 25 Tafeln in Farbendrack, Kupferstich
und Holeschnitt und 11 Faksimilebellagen,
Gebeftet, in 14 Licferungen en Je 1 Mk. — Gobdunden, In Halbleder
Geachichte der ttalienischen Literatur, you Prof. Dr. B. Wiese
u. Prof. Dr. E. Péreopo. Mit 158 Abbildangen im Text und 31 Tafeln in Far-
bendrack, Kupferiitzung und Holzsehnoitt und § soe el
Geheftet, tn 14 Lieferangen su Je 1 Mk. — Gebunden, in Halbleder .
Geschichte der franzdsiachen Literatur, von Prot. Dr.
Hermann Suchter und Prof. Dr. Adolf Birch- Hirschfeld. Mis
143 Abbildungen im Text, 23 Tafeln in Farbendruck, Holzschnits und Kupfer-
Ateung und 12 Faksimilebeilagen.
Gebefiet, in 14 Lieferungen su je 1 Mk. — Gebunden, in Halbleder -
Geachichte der Kunst aller Zeiten und Valker, vou Prof.
Dr. Karl Woermann, Mit etwa 1300 Abbildungen im Text und 130 Tafeln
in Farbendrock, Holzchnitt und Tonftgung. (1m Erscheinen.)
Gebunden, in 3 MMalbledurbandes a a a ae se F
Meyers Klassiker -Ausgaben.
In Leimwand - Einband; fiir feinsten Halbleder- Einband sind die Preise wm die Halfte hoher.
Deutsche Literatur.
Arnim, herausg. von J. Dohmke, 1 Band
Brentano, herausg. von J. Dohmke, 1 Band
Birger, herausg. von A, Z, Berger, 1 Band)
Chamisso, herausg. von H. Kurz, 9 Bande
Eichendorff, herausg. von R. Dietze, 2 Bande
Gellert, herausg. von A, Schullerus, 1 Band |
Goethe, heransg. von H. Kurz, 12 Binde . 3
brag. von XK. Heinemann, 15 Bde., Je)
Hauff, herausg. von M. Mendheim, 3 Binde| 6,
Hebbel, herausg. von A. ZeiA, 4 Biinde j
Heine, herausg. von EZ. Elster, 7 Bande .
Herder, heransg. von H. Kurs, 4 Bande.
K.T. A. Hoffmann, — von Vv. —
8 Bde...
H. vy. Kleist, herausg. von H. Kurs, ‘2 Bae. . =
Korner, herausg. von H. Zimmer, 2 Bande 4 —
Lenau, herausg. von C. Hepp, 2 Bande. .|| 4 —
Lessing , berausg. von F. Bornmiiller, 5 Bde, 12 —
0. Ludwig, herausg. v. V. Schweizer, 3 Bande || 6; —
Novalis u Fouqué, herausg. v. J. Dohmke, 1 Bd.) ꝰ —
Platen, herausgeg. von G. A. Wolf u. V. | |
Schweizer, 2 Bande . . 4/-
Rickert, herausg. ‘von @. Eulinger, 2 Bande | 4} —
Schiller, herausg. y. L. Bellermann, bleine'|
Ausgabe in 8 Binden. . . . 1.16 —
grofe Ausgabe in 14 Banden. ..28 —
Tieck, bherausg. von G. L. Klee, 3 Bande .| 6 —
Uhland, herausg. von L. Frankel, 2 Bande | 4 —
Wieland, berausg. von @. L. Klee, 4 Bande! 8 —
te Siem morse
bydddiaed
A
2|
}
—
Englische Literatur.
Altenglisches Theater, v. Robert Prol4, 2 Bde. |
Burns, Lieder und Balladen, von K. Bartsch ||
Byron, Werke, Strodtmannsche — “
4 Bande ..
Chaucer, Canterbury - “Geschichten,
Hertzberg . .
Defoe, Robinson Crusoe, von x. "Altmiiller «
Goldsmith, Der Landprediger, von X. Eitner |
Milton, Das verlorne Paradies, von K. Eitner
Scott, Das Friulein vom See, von H. Viehof’'
Rhakespeare, Schleyel-Tiecksche Ubersetzg.
Bearb. von A. Brandl 10 Bde, 20
Shelley, Ausgewihite — von Ad.
Strodtmann . ; 1) 50
Sterne, Die empfindsame Reise, v. x. Eitner | 1| 2
‘Tristram Shandy, von #. A. Gelbcke | 2
Tennyson, Ausgewihite — —
Ad, Strodtmans e °
2s
— — ~ >
| Sees
Amerikan. Anthologie, von Ad. Strodtmann, 2
'M.! ‘PE.
Itallenische Literatur.
Artost, Der rasende Roland, v. J. D.Gries,2 Bde. |
Dante, Géttliche Komédie, von A. Eitner .)
Leopardi, Gedichte, von BR. Hamerling . .
Manzoni, DieVerlobten,von E. Schroder, 2Bde.
Spanische und portugiesische
Literatur. —
Camoéns, Die Lusiaden, von K. Eitmer. .
Cervantes, Don Quijote, von E. Zoller, 2Bae.
Cid, von X. Eitwer. .
Spanisches Theater, von Rapp, Braunfels
und Kurs, 3 Bande. ee e
Franzésische Literatur,
Beaumarchals, Figaros Hochzeit, von Fr.
Dingeletedt. . .
Chateaubriand, Erzihlungen, v. M. v. " Andechs
La Bruyére, Die Charaktere, von X. Eitner
Lesage, Der hinkende Teufel, v. L, Schticking
Mérimée, Ausgewihlte Novellen, v, Ad. Lawn
Molitre, Charakter-Komédien, von Ad. Laun
Rabelais, Gargantua, v. F. A. Gelbcke, 2 Bde.
Racine, Ausgew. Tragédien, von Ad. Laun
Rousseau, Bekenntnisse, v.L. Schiicking, 2 Bde.
Ausgewiihlte Briefe, von Wiegand
Saint-Pierre, Erzihlungen, von K. Eitner .
Sand, Landliche Erz4hlangen, v. Aug. Cornelius
Staél, Corinna, von M. Bock, . .
Topffer, Rosa und Gertrud, vou K. Eitner
Skandinavische und russische
Literatur.
Bjérnsen, Banern-Novellen, von EZ. Lobedans
Dramatische Werke, v. E. Lobedanz
Die . Edda, von H.Gering . .
Holberg, Komédien, von R. Pruts, 2 Bande
Puschkia , Dichtungen, von M Lowe . a: a
Tegner, Frithjofs-Sage, von H. Viehof . .
Orientalische Literatur.
Kalidasa, Sakuntala, von Z. Meier .
Morgenlindische Anthologle, von £. Meier
Literatur des Altertums.
Anthologle griechischer u. rémischer —
von Jakob Mdhly .
Aschylos, Ausgew. Dramen, von A
Euripides, Ausgewahlte Dramen, v. J. —
Romer, llias, von F. W. Ehrenthal °
Odyssee, vou F. W. Ehrenthal . .
Sophokles, Tragddien, von H. Viehoff
Worterbioher.
Orthographisches Worterbuch der deutschen rn
vn Dr. Konrad Duden. Siebente —
Gebunden, in Leinwand .
Orthographisches ——— — —
Sprache, von Dr. Konrad Duden.
Gebunden, in Leinwand . ,
Druck vom Bibliograpbisehen Institut in Leipzig.
|
— — ee CD me Oe et —— —
—— —
1111168
te eee 8o
BIBI SEI
i
SESE! |
~~
sa