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Full text of "MENERS GROBES RONNERTATIONS LEXIKON"

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MENERS GROBES 
RONNERTATIONS: LEXIKON 








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Weyers 


Großes 
Konverſations-Lexikon. 


Sechſte Auflage. 


Erſter Band. 


A bis Aſtigmatismus. 


Meyers 


Großes 
Konverſations— Lexikon. 


Gin RNachſchlagewerk des allgemeinen Wiffens. 


Sechſte, 


gänzlich neubearbeitete und vermehrte Auflage. 


Mit mehr als 11,000 Abbildungen im Text und auf über 1400 Bildertafeln, 
Karten und Plänen ſowie 130 Tertbeilagen. 


Erſter Band. 


A ois Aſtigmatismus. 


Leipzig und Wien. 
Biblivgraphifdhes Inftitut. 
1902. 


HARVARD 
UNIVERSITY 


LIBRARY 
MAR 141974 





Alle Rechte vom Berleger vorbehalten. 


Bur fedjten Wuflage von Meyers Konverſations-Lexikon. 


— 


Seitdem aus dem, Konverſations-Lexikon“, das nach dem urſprünglichen Wortbegriff nur Stoff 
und Stütze fiir die Unterhaltung fiber „Staats- und‘ gelehrte Sachen“ in geſelligen Kreiſen bieten 
ſollte, ein „Nachſchlagewerk des allgemeinen Wiſſens“ geworden ijt, ſind mit den höhern Anſprüchen 
aud) die Pflichten geſtiegen. Das moderne Konverſatlvns-Lexikon großen Stils, wie es von den 
Begründern und Herausgebern des Meyerſchen Werkes in jahrzehntelanger Arbeit unter der 
wadhjenden Teilnahme von vielen Hunderttaujenden ausgebaut worden ijt, hat längſt aufgehört, 
nur ein gejalliges Austunftsmittel fiir die Unterhaltung des Laienpublifums gu fein. Ohne jemals 
die Vediirfniffe und die Aufnahmefahigkeit dieſes Publifums, das immer die erfte und legte Vor— 
ausſetzung eines jo umfangreichen Unternehmens bleiben wird, aus den Augen gu verlieren, find 
Herausgeber und Redaftion unablajfig bemiiht gewefen, den Anhalt des Konverjations -Lerifons 
aud) gegen die ſchärfſten Waffen der wiſſenſchaftlichen Kritik hieb= und ſtichfeſt zu machen. 

Dieſe unablajfige Arbeit hat uns die Genugtuung verſchafft, dak jelbft die ftreng abgeſchloſſenen 
Kreije der Gelehrten, die jonft mit vornehmer Geringſchätzung auf die Popularifierung der Wiffen- 
ſchaften Herabjaben, fich dem RKonverfations-Lerifon geöffnet haben, weil ſeine Univerfalitat in der 
gleichmäßigen Berückſichtigung aller Sweige dee menſchlichen Wiſſens, feine Suverlajfigfeit, die pein- 
liche Ordnung in feiner Organifation und die Möglichkeit raſcher Orientierung in dem Labyrinth 
unjers geiftigen Schajfens aud) bem Spegialiften der Wiſſenſchaft volle Achtung abgerungen haben. 

Dieſes Ziel ijt freilich nur dadurch erreicht worden, dak es uns gelungen ift, fiir alle Abtei— 
Tungen unjers Werkes Mitarbeiter herangugiehen, die felbft wiſſenſchaftliche Autoritäten genug 
find, um von vornberein das BVertrauen ihrer Fadhgenoffen zu befigen, zugleich aber auch bie Fähig— 
feit haben, die Ergebniſſe ihrer und andrer Forjdhungen in allgemein verftindlicher und an- 
jiehender Form dem Auffaſſungsvermögen des Laien angupafjen. 

Unjer Werk hat fich die Aufgabe geftellt, ber Vertrauensmann der Familien wie der 
Gelehrtenwelt ju fein. Es foll feinen Platz in der biirgerliden Familie wie im Studiersimmer 
ded Gelehrten behaupten, aber auch in den Lejefiilen jeder Art zur Benutzung auflieqen und fo 
bie Macht und den Troft des Wiffens den weiteften Kreijen gugdinglich machen. Dieje Sendung 
hat unjer Werk gum Teil ſchon erfiillt; ed hat tatjachlich in vielen Hotels und Wirtshaujern, dort 
in den Leſezimmern, Hier an der Wand itber den Stammtiſchen, feinen Ehrenplatz, um als ober- 
ſter Schiedsrichter in allen ftreitigen Dingen gu walten. Um fo mehr fühlt fic der Herausgeber 
verpflichtet, das Werf immer weiterer Vervollfommnung zuzuführen. 

Vetradhtet man als „Ideal“ des Buches, dak es womöglich über alles Auskunft geben foll, 
fo foll und will es fich doch mit dem wirflichen Wiffen, mit den pofitiven, den unerſchütterlich fichern 
Werten unfers Wiſſens begniigen und nicht durch Scheinerfolge, auch wenn fie die Augen der Zeit 
genoſſen blenden, verfiihren laſſen; es foll das Fliichtige vom Dauernden zu unterſcheiden wiffen, 
aud) im höchſten Wogendrang neuer Erjcheinungen die Beſonnenheit bewahren. 

Dieſe Sicherheit und dieſe Bejonnenheit des Urteils miiffen fich zur Objeftivitat erheben, wenn 
es fich um Dinge handelt, die fich der eraften Forſchung entziehen, oder die noc in irgend einer 
Bejiehung ſtreitig find. Diele Objeftivitait muß fich beſonders dem ſchwierigſten aller in den Be- 
reich bes Ronverjations-Lerifons fallenden Wifjensqebiete, der Politif, gegeniiber bewahren. 
Nachdem alle Verjuche, ein großes engyflopadijdjes Unternehmen in den Dienjt einer politijcen 


VI Zur Einführung. 


Partei gu ftellen oder gar gum Agitationsmittel einer folchen gu machen, gefdheitert find, ijt daraus 
nur die Lehre gu giehen, daß die Frage, ob fonfervativ oder liberal, fiir den Vertrauensmann eines 
politijd vieljach gejpaltenen Volfes nicht in Betracht fommen fann, dak das Konverjations-Lerifon 
fich vielmehr jeder politiſchen Parteinahme gu entſchlagen und als oe Gefichtspuntt nur das 
nationale Intereſſe im Auge gu behalten hat. 

Iſt dieje Objektivitat von uns mit höchſtem Ernſt und peintichfter Gewiffenhaftigteit angeftrebt 
worden, jo mupten wir uns dod) biiten, der „Unparteilichkeit“ guliebe in Kälte und Trocenbeit 
gu verjallen. Much bei aller Kürze ift darauf gebalten worden, dah jeder Artikel leicht lesbar und 
verftindlich iſt. Die inhaltsloje Phraſe ijt ebenfo ftreng vermieden worden wie Unflarheit des 
Ausdrucks und Unbeftimmepeit der Faffung. Gin bejonderer Wert wurde darauf gelegt, dab die 
Beſtimmung und Erlauterung der grundlegenden Begriffe durchweg fo far und durchſichtig 
gebalten worden find, daß fich auch der Lefer, dex nur die einfachſten Elementarfenntniffe mitbringt, 
mit Neichtigfeit in die Darftellung hineinfindet. 

Da das Konverjations-Lerifon die ungeheure Geſamtheit unſers Kulturbeſitzes zuſammen— 
faffen foll und will, muß es auf durchaus erſchöpfende Darjtellung in allen eingelnen Fachern des 
Wiffens verjichten. Das ijt die Aufgabe der vielversweigten Fachliteratur; aber bie Aufgabe des 
Konverjations-Lerifons ijt es, auf feine Lefer anregend gu wirfen und fie gu weiterer Beſchäftigung 
mit dem Gegenftande, der jeweilig im Vordergrund ihrer Intereſſen fteht, anguleiten. Dazu helfen 
vornehmlich die umfangreichen Literaturnachweiſe, die von jeher den Vorzug unjers Werkes ge- 
bildet und gang befonders auc) den Beifall der Fachmänner, die fich ſchnell Aber einen Literatur- 
zweig ovientieren wollen, gefunden haben. 

Bei dem innern Ausbau unjers Werkes ift gwar die möglichſte Gleichmafigkeit in der Be= . 
handlung dex eingelnen Fächer angejtrebt worden, jo dak fich in diejem vielftimmigen Ordhefter 
nicht die cine Stimme auf Koften der andern allzuſehr vernehmlich macht. Wher es fonnte nicht 
verinieden werden, daß eingelnen Gebieten des Wiſſens andern qegeniiber ein anjdheinend verhalt= 
nismäßig grofer Raum angewwiejen worden ijt. Denn das Konverſations-Lexikon foll nicht blo 
eine ſyſtematiſche Aufſpeicherung unſers wiſſenſchaftlichen Gejamtbefiges fein, fondern eS joll auc 
den Geiſt und die herrjchende Strimung der Zeit, in der es entjtanden ift, widerjpiegeln. Im 
19. Jahrhundert find Naturwifjenfchaft und Technif die fiihrenden Mächte geweſen, und zu Beginn 
des 20. Jahrhunderts find noch feine WAngeichen dafür gu erfennen, dak jene ihre Führerrolle aus— 
geipielt haben, wenn auch allerwärts neue ethiſche und äſthetiſche Intereſſen nach Geltung drangen. 
Bei voller Beriicfichtigung dieſer unabwweislichen Tatiache ijt es bas Streben der Redaltion geweſen, 
burch cine zweckmäßige Anordnung und Verteilung des gewaltigen Stoffes ein Gleichqewicht zwiſchen 
Naturwiſſenſchaft und Technik einerjeits und den Geijteswiffenjdjaften, vornehmlich den hiſtoriſchen 
und literariſchen Fächern, anderjeits Herjuftellen und gugleid) den erforderlicjen Naum fiir die Be- 
handlung der fozialen Intereſſen zu gewinnen, die im Leben unjrer Zeit ſchnell von größter Bedeu- 
tung geworden find, indem fie alle geiftigen und techniſchen Kräfte sugleich in Bewegung geſetzt haben. 

Die hier dargelegten allqemeinen Grundjage muften felbjtverftdndlich fiir die Behandlung 
der fechjten Auflage des Werfes makgebend fein. Mit der forgfaltigften Bearbeitung aller Artikel 
verband fic) das Streben nach immer größerer Ebenmäßigkeit. Die Aufnahme des taglich anwach— 
jenden neuen Stoffes ijt durch entiprechende Beſchränkung des heute minder Widhtigen oder Be— 
jeitiqung des völlig Veralteten ermiqlidt worden. Trotzdem wird das Konverſations-Lexikon, was 
Vollſtändigkeit und Reichhaltigkeit betvifft, in erfter Linie ftehen. Ein wohl vorbereiteter 
Arbeitsplan ficherte von vornherein die Berückſichtigung der vielen Umgeſtaltungen, die fic) im 
letzten Jahrzehnt auf allen Gebieten der Forſchung, der Technif, des öffentlichen Lebens, dex 
Geſetzgebung ꝛc., vollzogen haben. Es iſt überflüſſig, hier auf die einzelnen Fächer ſpeziell ein— 
zugehen, da ſie ſämtlich von Grund aus neu zu bearbeiten waren; es ſei aber namentlich hingewieſen 
auf die beſonders einſchneidenden Veränderungen, die nach der Schaffung unſrer einheitlichen Ge— 
ſetzgebung auf dem Gebiete der Rechtspflege eingetreten ſind. Dabei galt es, einen ausgeſpro— 

Senen Standpunkt feſtzuhalten, den der praktiſchen Verwendbarkeit; in erſter Linie mußte 


Sur Cinfithrung. Vu 


das neue Recht fiir den Laien in möglichſter Ausfiihrlichfeit sur Darſtellung gebracht werden, 
wogegen die Ausfiihrungen über nunmehr veraltete Begriffe tunlichſt yu beſchränken waren. 


Der Flluftration, die feit dem Beginn unjers Unternehinens einen weſentlichen Beftandteil 
des Konverjations=Lerifons gebildet und eine vollſtändige Umwälzung auf dem Gebiete ded Illu— 
ſtrationsweſens berbeigefiihrt hat, ijt auch in der neuen Auflage die höchſte Sorgfalt unter erheb- 
licher Vermehrung de3 Materials bei entiprechend gejteiqertem Koftenaufwand zugewendet worden. 
Die Gejamtsahl der Abbildungen ijt von 10,000 auf mehr als 11,000, die Sahl der Tafeln und 
Sonderbeilagen von 950 auf 1100 (mit nahezu 1500 Tafeln) geftiegen, von denen etwa 200 in 
reichftem Farbendruck ausgeführt find. 

Wn den erprobten Grundjagen der Jl luftrationsmethode ift dagegen auch in der neuen 
Auflage feftgebalten worden. Das Konverjations=Lerifon foll fein Bilderbuch sur Befriedigung 
einer fliidjtigen Schaulujt fein, jondern auch in feiner Illuſtration denjelben engytlopadijdjen, d. h. 
allgemein lehrhaften, gründlich unterridtenden Charafter haben wie der Tert, ohne dabei auf 
künſtleriſche Durchführung int eingelnen gu verzichten. Auch in feiner illuftrativen Ausſtattung wird 
unjer Werk durch feine äußere Erjcheinung einen Gradmeffer fiir unfern gegenwärtigen Beſitz auf 
dem Gebicte der graphiſchen Künſte abgeben, wie der Illuſtrationsplan es auch inhaltlich als ſeine 
Aufgabe betrachtet Hat, den Yntereffen, die unjre Seit bewegen, fdjnell gu folgen. So ijt die der 
Völkerkunde gewidmete Tafelreihe von 36 Tafeln auf 60 Tafeln gewachjen, und im bejondern 
ijt Die Kultur der Naturvilfer, den fich jahrlich mehrenden Ergebniſſen der Forichungsreijen ent- 
jprechend, auf einer anſehnlichen Zahl lehrreicher Tafeln veranjdjaulicht worden. Ebenſo hat die 
anatomijfd-phyjiologijdhe Gruppe die Ergebniffe der neueften Beobachtungen in den Kreis 
ihrer Darjtellung gejogen. Namentlich find die Apparate berückſichtigt worden, mit deren Hilfe 
die bedeutendjten Forjchungsergebnifje gewonnen wurden. Eine gründliche Umgeſtaltung, Ver— 
befjerung und BVermehrung haben die botanifden Tajeln erfahren: neu in den Arzneiſchatz ein- 
geführte Pflangen, neue Induſtrie- und Nugpflangen forderten nicht minder ihre Aufnahme in den 
Bilderſchatz des Werkes wie die zahlreichen neuen biologijchen Beobachtungen des Pflangenlebens. 

Die goologifden Tafeln haben auch in der neuen Auflage eifrige Pflege gefunden. Wie in 
allen iibrigen Gebieten ijt auch bier ein großer Teil Glterer Bilder durch neue erjegt, die Sahl der 
Tajeln erheblich vermehrt und in der Anordnung vervollfommt worden. Von den neuen Farben- 
drudtafeln haben Aquarienfijde, Enten, Fajanen, Forftinjeften, Majer und Schmetterlinge, Land- 
wirtſchafts- und Gartenſchädlinge, Meeresfauna, Süßwaſſerfauna, deutſche Schlangen bejon- 
deres Intereſſe. 

Die Zahl der geologiſchen Tajeln und Karten ijt um etwa 25 vermehrt worden, die in einer 
forgjaltigen Auswahl von Beijpiclen (wie Whjonderung, Bergformen, Eroſion, Erzlagerſtätten, 
Höhlen, Meteorjteine, Geologiſche Formationen, die Urmeere) dem in weiten Kreiſen rege gewor⸗ 
denen Sntereffe an der allgemeinen Grdfunde entgegenfommmen. Auch die 26 Erſatztafeln gue 
Paldontologie finnen ihrem Inhalte nach als vollſtändig neu gelten. 

In zeitgemäßer Weije erneuert und vermehrt wurden auch die Tajeln zur Phyſik und Meteo— 
rologie und die zur Aftronomie, die einen planmäßigen Ausbau erfahren haben. Noch ein: 
greifender haben fich in unſerm Illuſtrationsapparat die Fortfdritte der gejamten Tedjnologie, 
bejonders auf dem Gebiete dex Maſchinen, Motoren u. dgl., geltend gemacht und eine erhebliche 
Permehrung der Tajeln (um etwa 40) erfordert. Beſonders fei hingewieien auf dte Vervollfomme 
nung der Werkzeugmaſchinen, die neueſten Erſcheinungen in der Elektrotechnik und dev chemifdyen 
Ynduftrie und die Fortfchritte im Berghauwejen, die durch cine Reihe neuer lehrreicher Tafeln 
veranichaulicht werden. 

Jn den gum Baus und Angenieurwejen gehirigen Bilderreihen führt eine grdpere An— 
zahl von neuen Tafeln Typen intereffanter oder fiir das Leben unfrer Beit wichtiger Gebäude vor 
(Bank⸗, Bibliothef- und Börſengebäude, Gefangnisbauten, Gerichtsgebäude, Kaufhäuſer, Mu— 
ſeums- und Parlamentsgebäude, Tropengebäude). Auch die in neueſter Zeit zu einem wichtigen 








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raze a, lat. A,a, der flangreidjte der Volale (ſ. Laut: 
== = ußerordentlich häufig ijt diefer Laut im Sans- 
— ~~po er etwa NBProʒ. aller vorlommenden Laute 
iacht. Bei den Phoönilern und Hebräern wurde 
— — 4 gg 4 — und erhielt die erſte Stelle im 
— abet. Die Griechen machten aus Aleph Alpha 
22*5. ala Rablyeidyen ift a = 1, aber a = 1000. 
<=> = = ha privativum (lat., >beraubendes Wipha«) be⸗ 
— — net in griechiſchen Wortern eine Berneinung, qleid) 
——eultſchen Borfilbe >un«, 5B. Upathie(» Unempfind⸗ 
= Saar eit«). Das englifde a hat vier verſchiedene Aus⸗ 
— — chen, am häuſigſten den Lautwert cines langen ¢ 
_ eines furjen a. — Dad deutſche OE (@) iſt ein im 
> SRE “ttelalter aus a mit darübergeſchriebenem ¢ entſtan⸗ 
ees Seiden, das eigentlich nur zur Bezeichnung des 
alauis (f.d.) bienen follte, 3. B. Manner, aber aud) 
| SE = andre Sorter —— B. Bar, Rafer. 
== — macht die gewöhnliche ehrsſprache meiſt nur 
zwiſchen langem a unde einen Unterſchied, z. B. 
=~ = hmen und nebmen; das furje ã wird wie das furje e 
— = eproden, 4 B. fallen wie bellen. Das fdwedijde A 
-z * dunkel, dent o ähnlich. Jn der Mathematik 
chnet utan mit a und fiberhaupt mit einem der 
= ten Buchſtaben des Alp cine befannte oder 
= —— cine unveriinderlice Größe, wabrend die le 
_ _ . duchitaben x, y,z unbefannte oder veriinderlice 
=== bedeuten. — — 
© 2 BE priidt U den Begriff des Erſten aus, z. B. von A bis 3. 
— + bh. vom Anfang bis gum Ende. In der Ojfen 
rung Johannis wird nad) dem griechiſchen an 
= oe! be bank A (Wipba) der Erſte, durch O (2, Omega) 
Der Legte, durch beide zuſammen der Begriff des 


umfafienden, Ewigen bezeichnet. 


P Pere nye 
—— A. ober a: — 2— angenommen; 
-= i fran. ———— t (Geld) age zu 
_. FP. (papier) und L. eta, Brie 


ae Ubren - == avance, bie Seite, nad) gedrehi 
= werden mus, went die It 3 qeben foll; bei Jahres: 
ungen == anno, im Jahre; beim Rennen — aged 

— (f. d.); im ital. Fahrplanen — antimeridiano (die Beit bor 
- 2 mittags); als roͤmiſcher Vorname A. = Aulus, 


” = A d. h. Kaiſer (das um⸗ 
————— ). Mnf Miingen 
aA Milngititte des Landes Bien, 
id). Endlich tft a die amtliche Abturzung ~ a die 
— iixgumg fiir * — ide Mafein 
a. a. = » 
a. a. C. G_tnne ante Christum (natam), im Sabre Alphabets 
vor Ghriiti Geb | A. Br., 3 


Mevers steal 6. Sufl., L bd. 


tes, 


cf); cal ber Gates bo, 
ber 


A. 


a. a. O. = am angeführten Ort (in Bildyern). 
a. c. = anni currentis, des lanfenden Sabres. 
‘. A. C, = Abgeordneten = Stonvent (jf. Etudentenverbin- 
ungen). 
a. Chr. = ante Christum, vor ifti — 
a. d. = a dato, von heute an 
A. D, = Anno ‘Domini, — Spry —5* 
a. D. = aufer Dienſt, 4 — a. D.; auf 


Allgemeiner Ai Buridenbund. 
Allgemeines Deputierten-Monvent (|. Stu- 


=am 
E. I. O. U. = Austriae est imperare orbi uni- 
(od. imperium orbis universi), »alles Erdreich iſt 
untertane, Wahlſpruch des romif = deutſchen 
ijers Friedrich TIL; oder Austria erit in orbe ultima 
( wird beftebert bid ans Ende der Welt). 
f. = anni futuri, finftigen 
§. = Alter Herr; A. H. A. , Mite Herren (f. b.). 
ad interim (lat.), einſmeüen, voriibergehend; 
= Ronjulate atovertejer. 
. (auch AA. LL. M.) = Artiam liberalium 
Magijter der freien Miinfte (ſ. Magister). 
ante meridiem, vormittags; aud) = anno 
sel * Erſchaffung dex Welt; tm Geld: 


ister, Magifter der (freien) Künſte. 
@. 0, = auferordentlid, 5. B. auferordentlicber Brofeffor. 
a 0. ¢. = anno orbis conditi, im Jahre nach Erſchaf⸗ 
fung der Belt. 
@. O. D. = Alter Orden der Druiden (fj. Druidenorden). 
& Pp. = anni practeriti, vergangenen oder vorigen Jah⸗ 
ober ~~ . ded laufenden Sabres. 
ap. C. = anno ( ei} im Jahre nad Giri 
Geburt. * der Erbanung Roms. 
a. p. R. c. — anno pee conditam, tm Jahre 
A. R. in ber lau n, Budbaltung = alte Rechnung. 
— ie ene, ae nig aan hon be mie 
a. alten Stils mun m julian 
= Mites Teftament. (Soteaber (al 
ma = Lerritorium ————— 
fademifder Turnbund. 
* = Wlebemitger Turnverein (j. Turnvereine). 
( = anno urbis (conditae), im Jahre nad 
Erbauung) der Stadt (Rom). 
a. 0. 8. = actum ut su a, geipehen wie oben |. Actum). 
a. BS, = anerfannter 
Alle mehr als den Anfan angebutaben enthaltenden 
gen fowie die Abkur zungen der naturwifjen- 
fchaftlichen Uutornamen find an der betr. Stelle des 
eingereiht und dort aufzuſuchen (5. B. 
- 47; Ag., S. 160). 


P>>>s 
— 


1 


VIII Zur Einführung. 


Gegenftand ftaatlidher Fiirjorge gewordenen Schubvorrichtungen gegen die elementaren Getvalten, 
wie 3. B. Taliperren, Wilbbachverbauung u. a., find in eingelnen Whbildungen und Tafeln beriic- 
fichtigt worden. 

Die Facher der Land- und H answirt{ daft weifen befonders in den neuen Tafeln Rinder= 
raffen, Hunderaſſen, Pferde rc. wertvolle, durchaus erhdhten Anſprüchen genügende und reich— 
haltige Darftellungen auf und haben auch eine auf den Obſt- und Gartenausbau ausgedehnte, 
illuftrative Neuausſtattung erjahren. 

Bon bejonderer Wichtigkeit ijt die Umgeftaltung, der bie kunſtgeſchichtlichen Tafeln in 
ber neuen Auflage untersogen worden find. Während das Blluftrationsmaterial zur Urdhiteftur 
cine bid auf die neuefte Zeit ausgedehnte Vervolljtindigung ber unfrer geitqendffijden Baukunſt 
gewidmeten Tafeln (Berliner Bauten, Wiener Bauten u. a.) erfahren hat, ift bei den größtenteils 
neu zuſammengeſtellten 20 Tafeln zur Gejchichte der Bildhauerkunſt an Stelle des leblojen Kontur- 
ſtiches eine der plaftijch-malerijden Wirking entiprechende Wiedergabe durch den Holaichnitt 
qetreten. Cine wertvolle Ergänzung daju bilden die Tafeln Berliner Denfmaler, Wiener Denk- 
miler x. Die neu aufgenommenen Blatter kunſtgewerblichen Inhalts vervollftindigen gum 
Teil ältere Tafeln, indem fie der hiſtoriſchen Kunſtinduſtrie bie moderne gegeniiberjtellen, wie die 
Farbendrucke Glasfunftinduftrie und Keramik, die Tafeln Buchſchmuck, Medaillen, Schmuck— 
jachen u. a., oder fie fiihren durchaus neue Bilderqruppen in unfer Werk ein, wie die vier Tafeln 
Brongelunftinduftric, Biichergzeichen, Moderne Tapeten (in Farbendrud), Zinnguß u. a. 

Gine vollſtändig neue Erſcheinung in unferm Werk find bie Bildnistafeln, mit deren Ein— 
fiihrung ein eigenartiger, weiterer Entwicdelung fähiger Verſuch gemacht wird, dem oft aus- 
gejprochenen, lebbaften Intereſſe gerade fiir dieſen Zweig der Illuſtration entgegenzukommen. Inner— 
halb unjrer bewährten enzyklopädiſchen Grundſätze haben wir zunächſt zuſammengehörende Einzel— 
erſcheinungen oder Kategorien von hervorragender, allgemeiner Bedeutung zu Bildnisgruppen zu— 
ſammengeſtellt: Afrikaforſcher, Bismarck-Bildniſſe, Goethe-Bildnifſſe, Reformatoren u. a. 

Der in unſerm Konverſations-Lexikon enthaltene geographiſche Atlas iſt Gegenſtand fort- 
geſetzter Sorgfalt und Pflege, weil er einen Spezialatlas entbehrlich machen ſoll. Abermals iſt 
tine Anzahl von Karten durch verbeſſerte Neuftiche erſetzt worden. Die durch die Zeitereigniſſe oder 
neue Forſchungen ndtig gewordenen neuen Blatter (China, Cuba, Deutſch-Oſtafrika, Franzöſiſch- 
Hinterindien, Guayana, Kaufafien, Kiautidoubucht u. a.) beruhen durchweg auf dem neuejten 
Material, Außerdem ift noch eine Angahl von phyfifalijehen und fulturgeographifden Karten 
vorgejehen, wie: Verbreitung des deutſchen Volfes, Andujftriefarte von Deutſchland, Deutſchlands 
Welthandel, Deutichlands Schiffahrtsſtraßen, Weltteleqraphennek, Waihrungsfarte der Welt, In— 
dijder Ojean, Groker Ozean u.a., ebenjo mehrere Gejdhichtstarten und eine Reihe neuer Stadteplane. 

Unvorbergejehene Verinderungen diejes Illuſtrationsplanes, die während des Erjcheinens 
diefer neuen Muflage eintreten follten, bleiben nach Bedarf vorbehalten. Cin genaues, fyftema- 
tiſches Verzeichnis aller Tafeln und Karten wird dem Schlußband beigegeben werden. 


Mit dieſem umjaffenden Rüſtzeug angetan, tritt unjer Ronverjations-Lerifon zum ſechſten 
Male feinen Weg durch das deutſche Volf, von Haus gu Haus an, iiberall anflopfend, wo [eben- 
diger Wiffensdurft, wo der Drang nach höherer Erkenntnis die Geifter erhebt und die Herzen 
erfiillt. Wir dürfen von uns riihmen, dah wir das Befte qewollt und dem deutichen Volfe nad 
bejtem Wiffen und Gewiffen aud) das Befte gegeben haben. Unfer Siel ijt erreicht, wenn auch 
dieje neue YAuflage unjers „Nachſchlagewerkes des allgemeinen Wiffens” den Ehrenplatz behaupten 
wird, den es ich in ſeinem nunmehr ſechzigjährigen Wirken für bie Verbreitung allgemeiner Geiſtes— 
bildung errungen hat. 


Der Merausgeber. 


A. 


A, a, lat. A,a, der tlangreichſte der Volale (ſ. Laut⸗ 
lehre). Außerordentlich haufig ijt dieſer Laut im Sans- 
frit, wo er etwa 27 Pro}. aller vorlommenden Laute 
ausmadyt. Bei den Phdnifern und Hebräern wurde 
dad A Uleph genannt und erbielt die erjte Stelle im 
Alphabet. Die Grieden madten aus Aleph Wipha 
(A, a); als Zahlzeichen ijt a = I, aber a = 1000. 
Alpha privativum (lat., »beraubendes Wipha<) be- 
chnet tn griechiſchen Wortern eine Verneinung, gleich 

deutſchen Vorfilbe un · 3B. Apathie (⸗ Unempfind 
lidhfeit«). Das engliſche a hat vier veridjiedene Uus- 
ſprachen, am häufigſten ben Lautwert eines langen ¢ 
oder eines furjen 4. — Dad deutſche HE (@) ijt ein im 
Mittelalter aus a mit darübergeſchriebenem ¢ entjtan- 
dened Seiden, das eigentlid) nur zur Bezeichnung des 
Umlauts (j.d.) dienen follte, Uh B. Manner, aber auch | | 
in andre Worter cingedrungen ijt, 3. B. Bar, Rafer. 
Hest madht die gewöhnliche ehrsſprache meijt nur 
nod zwiſchen Langem a und e einen Unterſchied, 3. B. 
lähmen und nehmen ; das kurze & wird wie das kurze e 
—X z. B. fällen wie bellen. Das ſchwediſche & 
ingt dunkel, dem o ähnlich. Jn der Mathematil 
—— man mit a und überhaupt mit einem der 
ten Buchſtaben des Ulphabets eine befannte oder 
aes cine unveränderliche Gripe, während die letzten 
Buchſtaben x, y,z unbefannte oder verainderlide Gri- 
fen bedeuten. —Qn ſprich wörtlichen Redensarten 
drückt A den Begriff des Erſten aus, 3. B. von U bis 8, 
d. h. vont Unfang bis gum Ende. In der Offen: 
barung Johannis wird nad) dem griechiſchen Ulpha- 
bet durch A (Ulpha) der Erſte, durch O (2, Omega) 
der Leste, durch beide zuſammen der Begriff des All— 
umfafjenden, Ewigen bezeichnet. 
Abkurzungen. 

A. ober a.: anf Wechſeln = alzeptiert, angenommen; 
auf frang. Kurszetteln — 
P. (papier) und L. (1 

rem — avance, 
werden mug, wenn die Uhr ſchneller geben joll; bei Jahres⸗ 
betimmmumgen = anno, im Qahre; beim Rennen = aged 


(jf. d.); im ital. Fahrplã 8 Fahrplinen — antimeridiano (die Beit vor 
12 Uhr mittags); i römiſcher Vorname A. = Aulus, 
ſouſt auf Inſ = Augustus, d. h. Kaiſer (das um- 


getehrte A [y) ok Augusta, Staiferin). Auf Diingen 
net A die erjte Miinaftitte ‘bed Landes (Berlin, Wien, 
Paris). Endlich ift a die amtliche Abtiicjung flix Ar; A. die 
Ablurzung fiir Ampere —— Maßein heil. 
a. a. = ad acta, gu den A 
a. a. C. = anno ante ——— (natum), im Jahre 
vor r ehrift @eburt. 
Meyers Ronv.=Lerifon, 6. Mufl., 1 Bd. 


— t (Geld), im. egeniage § u 
bezeichnet die Seite, nach ‘a gedreht 


©. = am angeführten Ort (in Büchern). 
= anni currentis, des laufenden Jahres. 
Abgeordneten = Ronvent (fj. Studentenvesbin: 


= ante Christum, bor Chriſti Geburt. 
a dato, von tyeute an (j. Dato). 

= Anno Domini, im Jahre des Herm (Chrifti). 
= außer Dienft, + B. Hauptmann a. D.; auf 
terjetteln x. and) = als Debiit 
. D. B. = Aligemeiner —— Burichenbund. 
. D. C. = Allgemeiner Deputierten-Konvent (j. Stu- 


verbin rg en). 
é = 
. E. Lo . U. == Austriae est imperare orbi uni- 
erso (0d . imperium orbis universi), alles Erdreich ift 
Deiterceicy untertan«, Wahlſpruch des römiſch⸗ deutſchen 
on Friedrich II.; oder Austria erit in orbe ultima 
terreid) wird beſtehen bis ans Ende der Welt). 

a. f. = anni futuri, fiinftigen 

A. H. — Miter Herr; A. H. A. Wte Herren (jf. b.). 

a. i, = ad interim (lat.), cininpeilen, voriibergehend; 
Ronjul ais Roniulatsverweier. 

A. L. M. (aud) AA. LL. M.) = Artiom liberalium 
Magister, Dagijter der freien Künſte (ſ. Magifter). 

a m. = ante meridiem, vormittags; and) = anno 
mundi, im Sabre (nad Eiſchaffung der Welt; im Geld⸗ 
weſen = al marco. 

A. M. = Artium magister, Magijter der (freien) Künſte. 

a. 0. = auferordentlid, 3. B. auferordentlider Brofefior. 

a. 0, c. = anno orbis conditi, im Qahre nad) Erjdjaf- 
jung der Welt. 

A. O. D. = Alter Orden der Druiden (|. Druidenorden). 

a. p. = anni practeriti, vetqangenen oder vorigen Jah⸗ 
res, oder anni praesentis, des laujenden Sabres. 

A. P. A. = American Protective Association (7. d.). 

a. p. C. = anno post Christum, im Jahre nad) Chrijti 
Geburt. (nad) ber Erbauung Roms, 
a. p. R. c. = anno = Romam conditam, im Jahre 

nt 


PPP 


7 


ut 


~— 


sf 


cn). 


— 


den 


—— 





A. R. in der faufm Buchhaltung — alte Rechnung. 
A. SS. = Acta Sanctorum (j. Bollandiſten). 

a, St. = alten Stils, Zeitrechnung nad dem julianijden 
a. I. = Mtes Tejtament. Kalender (j. Ralender). 
A, T. = Mrijona=Zerritorium (Nordamerifa). 

A. T. B, = Alademiſcher Turnbund. 

A. T. V. = Alademiſcher Turnverein (j. Turnvereine). 
a. u. (c.) = anno urbis (conditae), im Qabhre (nad 


Erbauung) der Stadt (Rom). 
a. 0.8. = actum ut supra, geſchehen wie oben (jf. Actum), 
a, B. = anerfannter Berein. 

Ulle mehr als den Anfangsbuchſtaben enthaltenden 
Abkürzungen fowie die Abkuͤrzungen der naturwifjen- 
ſchaftlichen Autornamen find an der betr. Stelle des 
Ulphabets eingereiht 1 und dort aufzuſuchen (3. B. 





| A. Br., S47; Ag., S. 160). 
1 


te 


A, in ber Mufil der Name cines der fieben Tine | 
der Grundffala (Stammtine) des modernen Mufit- 
fyitems. Der Gebrauch der fieben erjten Budjtaben 
des Ulphabets ale Tonnamen ijt wahrſcheinlich byzan⸗ 
tintiden Uriprungs und fam tm 9.—10. Jabrb. als 
ABCDEFG A in Gebraud (C D und GA als 
Halbtonidritte). Spater veridob fich die Tonbeden- 
tung der Buditaben im Morgenland um eine Stufe 
nad) der Hohe, um Wbendlande (bereits im 10. Jahrb.) 
um eine Terz nach der Tiefe, fo dak num die Halbton- 
jtufen zwiſchen E F und BC riidten (vgl. »B«). Als 
man (im 10. Sabrb.) zur Unterſcheidung der gleich— 
namigen Tone veridiedener Oftaventagen durd) die 
Form der Buchſtaben tiberging, wabhlte man für die 
tiefſte Lage groke Buchſtaben, fiir die nächſt höhere 
fleinere und fiir weiter folgende verdoppelte fleine 


J 9 zeigte aber bald die Verdoppelung lieber 


a, be — —— 
durch einen Verdoppelungsſtrich an (a, b, c). Bei 
weiterer Ausdehnung des Tonſyſtems gab man noch 
höhern Tönen zwei und mehr Striche (Daher die Na— 
men: große, kleine, ein⸗, zwei⸗ ꝛtc. geſtrichene Oftave) 
und bezeichnete die unter der großen Oftave liegen- 
ben Tine mit cinem Strid unter dem groben Bud 
jtaben (A = Sontra-A); vgl. Das Rotenbeifpiel: 








Doppeltontra A 


Dabei redmete man zunächſt immer von A bis G | 
in gleicher Form, erjt im 17. Jahrh. fam die Oftaven- 
teilungvon CH, ec -hx. auf. Jn Italien, Frant- 
reich und Spanien heißt der Ton A jest la; tiber die 
zuſammengeſetzten ältern Ramen A, la, mi, re x. 
ſ. Solmifatton. Nad) dem eingeftricbenen a (a') wird 
in unjern Ordjejtern nod) heute allgemein —I 
indem es zu Dem d' Der Oboe eingeſtimmt wird. Über 
die Normaltonhöhe desſelben ſ. Stimmung. 

& (frany.), in Rechnungen, Preisliſten xc. vor dem | 
Preis einer Ware foviel wie »jzu<, ofiir<, 3. B. 30 kg | 
A (oder a) 2 WE. (30 kg, deren jedes 2 WE foftet). 

1, a, Umlaut, ſ. >We. 

Aa Ud, Mad, Ude, Uden, althodd. Aha, 
ichwed. A, Din. Aa, » Wafer, Fluß«, das lat. aqua), 
Name zablreicer Flüſſe oder Bache in Deutidland und 
den angrenjenden Landern, aud in Zuſammenſetzun⸗ 
gen, 3. B. Fulda (Fuldaha), Nidda (Nidaha), Salzach 
(Saljaha). Nennenswert find: die We ftfalifde Wa, 
Nebenfluß der Werre, vom Teutoburger Wald, miindet 
bet Herford; Die Münſterſche Wa, RNebenfluh der 
Ems; die Bodolter Ua, Nebenfluß der Vilten Mſel, 
famtlich in Weitfalen; die Sarner Wa in der Schweiz 
(f. Sarnen) u. a. Auch im franzöſiſchen Flandern 
findet ſich cin Flüßſchen Ma, das bei St. Omer ſchiffbar 
wird und bei Gravelines in den Kanal mündet. In 
den ruſſiſchen Titſeeprovinzen heißen fo zwei Flüſſe: 
die Kurländiſche Aa, die, aus Memel und Muhs 
(bet Bausfe) entitanden, von Mitau ab ſchijfbar tit 
und teils in Den Weerbufen von Riga, teils (Volderaa) 
in Die Diina mündet, und die Hleinere Livlandifde 
Wa, die fid) in Den Meerbuſen von Riga ergiest. 

tia (Mia), im gried. Mythus Qnfel im fernjten 
Diten, Wohnſitz des Wetes, fpater nach Kolchis ver- 
legt, oder im ferniten Weſten, Wohnſitz der Kirke. 








maligen Ringmauer und die 


A -~— aden. 


Mad, Fuk in Baden, entiteht bei der Stadt A. 
am Giidrande des Schwäbiſchen Jura und miindet 
unweit Radolfyell in den Unterſee. Die VU. ijt cin 
unterirdijd@er Ubfluk der Donau, die bei Immendin⸗ 
gen durch Spalten einen Teil ihres Waſſers vertiert- 

Mach, Stadt im bad. Kreis Konſtanz, Umt Engen, 
im alten Hegau, auf einem fteilen Berge, 547 m ii. M., 
hat eine fath. Kirche, cine Rapierfabrif, 3 Kunſtmühlen 
und (1900) 953 Einw. — YL fam 1178 an das Domſtift 
Konſtanz und gebdrte von 1300 1805 sur öſterreich. 
Landgrafidaft Rellenburg. Am 25. Marz; 1799 fan- 
den hier Gefechte zwiſchen Ofterreidhern und Fran 
zoſen ftatt. Wm Fuße des Berges und an der Vad 
*— Dorf. 

chen (franj. Aix-la-Chapelle, lat. Aquae, meiſt 
unfleftiert Aquis, Aquisgranum; bierju der Stadt: 
plan mit Regijterblatt), die uralte Krönungsſtadt der 
deutſchen Könige, Hauptitadt des gleidnamigen Re— 
acy pay der preuß. Rheinprovinz und Stadt- 
iS, 162 m it. M. liegt im einem Keſſeltal, das von 
der Wurm bewäſſert und von 
den Vorhdhen des Hohen Venn 
umgrenst wird. A. bejteht aus 
der innern alten und der dufern 
neuen Stadt, wozu nod) neve 
Stadttetle auferhalb der ebe- 


1897 einverletbte Nachbarſtadt 
Burtſcheid fommen. Die met- 
iten Straken erinnern mit ibrer 
breiten Flucht und modernen 





Wappen von Laden. 


Gebauden nur felten an das 


Wittelatter. Wis die ſchönſten find die Wilhelms-, 


| Hodj-, Theater-, Babnbhojs-, Komphaus- und Grofy- 


lolnſtraße und die fogen. Griiben ( Templer:, Wleria- 
nergraben x.), welde die Mittelſtadt von den ehe 
maligen Vorſtãdten trennen, angufithren. Neue fcbdne 
Straken find: die Lousbergitrake, die Ludmwigs-, 
Monheims- und Heinricsatlee, der Adalbertſteinweg, 
der Borgraben x. Von den Pl Agen find ju nennen: 
der Große Markt mit der Bronzeſtatue Maris d. Gr., 
der Friedrich⸗Wilhelmsplatz, der Theaterplag mit 
dem Reiterſtandbild Kaiſer Wilhelms J. (modelliert 
von Schaper), der Münſterplatz, der Bahnhofsplatz 
mit dem Kriegerdenkmal von Fr. Drake, der Kaiſer⸗ 
plag mit monumentalem Springbrunnen, der Hanfe- 


| mannplag mit dem Denfmal David Hanfemanns von 


. Hoffmeiſter x. Bon den ehemaligen Toren der 
Stadt ftehen mur nod) das Ponttor im NW. und das 
Waricdiertor im S., zwiſchen A. und dem Stadtteil 
Burtſcheid. 

lBauwerte. J Unter den kirchlichen Bauwerten ijt 
sunddit das Miiniter gu nennen, cin ardyiteftont- 
ides Nonglomerat aus den veridnedeniten Berioden 
chriſtlicher Baufunit. Der älteſte Teil ijt die byzan⸗ 
tiniſche Bfalsfapelle Karis d. Gr., cin adtediger, 
32 m hoher Bau mit Ruppel. Dieſes Oftogon, das 
eigentliche Schiff der Mirde, wurde 796 nad byzan⸗ 
tiniſchen Muſtern beqonnen, von Meiſter Udo von Meg 
vollendet und 805 durch Kapit Leo IIT. eingeweiht. 
Die Mofaifbilder, welche die Auppelwölbung beded:- 
ten, gingen verloren; nur eins derielben, Die Majestas 
Domini mit den 24 Alteſten der Vipofalypie, ijt wieder: 
——— worden. Weſtlich von dem Oftogon ſteht 
ein Glodenturm, flanfiert pon zwei runden (farolingt: 
iden) Xreppentiirmen, die nach der tm Wittelalter 
entitandenen gotifden Reliquienfammer führen. Das 
34,5 m bobe, 25 m lange und 12,5 m breite Chor, der 
zweitälteſte Teil des Münſters, 1353-- 1413 un goti- 


(Zam Artikel Aachen.) 


— — zum ‚Plan von Aachen‘. 


Achtorstrabe 
Adalberts Steinweyg 
Adalbertstrabe 
Alexanderstrabe. 
Alexianergraben 
Alexianerkloster 
Alphonskirche 
Aiphonsstrabe 
Altdorfstrabe 

Alte evang. Kirche (Burtscheid) 
Alte Maastrichter Strabe . . . 
Alter evangelischer Friedhof. 
Au der Schanz 
Annastrabe 
Aununeiatenbach 
Antoniusstrabo. ..... as 
Archiv 


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Augenheilanstalt . 
Augustastrabe 
Augustinerbach 
Aureliusstrabe 


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Bachstrafe. 2... 6. 06 ee 
Badeanstalt, Stidtische .. - . 
Rahbnhof, Giiter- 

- Jilicher 
— Marschiertor . 


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— Templerbend 
Bahnhofsplatz 
Bahnhofastrabe 
Baracken 
Karenstrabe .. 
Hau, Grofer 

~ Kleiner 
Beeckstrabe 
Beethovenstrabe 
Begainenstrabe 
Bellewae ... 
Belvedere 
Bendelstrabo... 2. .654-. 
BendstraGe.... 
Benediktinerstrafe ..,...- 
Bergdrisch . 
Bergstraba 

Bermarts Theater....... 
Bibliothek ....-.ces00> 
Bierkeller, ... 5.54 *X 
Hischofstrabe 
NiiemarcksivruaBe .. 2.4.02 ae 
Bleiberger Strabe 
Bongard . 
Borngagao . 2... ee ee ee ee 
Botanischer Garten 
Boxgrahen 
Brabantatrabe 
Branderhof 
Hitchel 
Burgatrabe 
Burtscheid 
Burtscheider Strake . 


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Ubarlottenstrale......... 
Chem. Laboratorium 
Chorusplats 
Christuskirche 
Circus 
Circasstrabe 


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Dahmengraben 
Dammatraie 
Denkmal, Hansemann-... - 
— Kaiser Wilhelm-.... . 

— Karls des Grofen 
— Kongreb-..... bed 


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— Krieger-.......-. : 4 


Dennewartamithie 
Dreifaltigkeitskirche 
Duisburger Chaussee .. . 
DGppelstrabo ....... 


Eckenberger Strabe . 
Edelstrabe 
Edentheater 
Fifelstrabe 


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Elf Gecken .. 
Filfschornsteinstrabe 
Einhardtstrabe . 
Eintrachistrabe 
Riektrizitatewerko 
Elisabethstrabe 
Elisenbrannen 
Elsabplatz 
Elsafstrabo 
Emmastrafe ......058585 
Esels Gracht 
Evangelische Kirehe 
— Alte (Burtscheid) 
Evangelischer Friedhef, Alter 
Eynattener Strabe 


Foldstrabe 
Feuerwehrkaserne 
Fischmarkt 
Flatt 
Foersterstrabe 
Forst 
Forsthaus 
Frankenberger Strabe..... 
— Viertel. 
Franziskanerkirche ....... 
Franziskanerkloster 
Franzstrabe 
Freundter Weg 
Friedensstrabe 
Friedrichstrage 
Friedrich Wilhclm- Platz... 
Friedhof, Alter evangelischer 
» Katholischer 


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GiartenstraBe. 2... ee 
Gasanstalt 
Gasbornstrahe 
Gebrannte Mlible 
GeorgstraBbe . . 
Gewerbeachule ; 
GregorstraBo. 2.6... ee 
Grofer Bau 
GroGkolnstraia 
Griner Weg 

Grilnstrabe 
Griinthal 
Giterbahnhof 


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Gymnastum, Kaiser Karl- ..) 


Kaiser Wilbelm- 
Real- 


Habsburger Allee... 2.0... 
Hahnbrucher Strabe 
Handelstrabe . 
Hangoweiher........... 
Hansemanadenkmal 
Hansemannplatz 
Harskampstrabe 
Hartmannstrabe ein 
Hasselholg .. 6.0.4.2. 08 5085 
Hauptpostamt 
Hauptstrabe .. 0... eee es 
Heinrichsallee 
Heinzenstrate . 
Hermannstrabe 
Ilerz Jesu-Kirehe 
Hersogstrabe. .....-2-. 
Hirschgraben 
Ilochstrabe 
Hifling 
Hohenstaufenallee 
Hohenzollernallee 
Holzgraben 
Hospital, [solier- 
— Luiseu- 

Mariahilf- 
— St Boromaus 
— St. Elisabeth... 
— St. Stephan... . 
Hubertnsplats 


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Hundekirehhofsratihte 
Hitttenwerk 


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eee ewe teen e 


Irrenanstalt, Neue 
— Stadtische. . 
Lsolicrhospital 


Meyers Konv.- Lexikon, 6. Ausl., Beilage. 








Die Buchstaben und Zablen swischen den Linien 1 Be | bezeichnes dio Quadrate dea Planes, 





Ba 
C4 
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C3 
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dJakobstor..........- 
Jakobstrabe 
Jesultenstrabo. 2... 6 eee | 
Johanniterstrabe 
Josephshihe 
Josephskircho 
Josxephastift 
Judengasse. . 2... ee ee | 
Judenkirebhof. . 
JOlicher Bahnhof. . 

— Straie 
JunkerstraBe. 2... 0. eee 
Justizgebaude 


eee eee awa 


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Kaiseralice 
Kaiserbad 
Kaiserbrannen. . .. 
Kaiser Kari-Gymnasiam .. . 
Kaiserplatz 
Kaiserstrabe ..... . —* 
Kolser Wilhelm - Denkm: wl . . | 
-Gymnasium . . 


see e eer ne eee 


Kam 
Kamperstrabe 
Kapellen 
Kapellenstrabe 
Kapitelstrabe 
Kapuzinergraben 
Kapuzinerhauschen 
Karlsbad 
Karisburg.....+.- cease 
Karlsgraben 
Karlshaus.........055 
Karlstrabe 
Karmoliterstrafe ........ [ 
Karolingerallee 
Kaserne.... 
— None. 
Kasernenstrabe ...., 
Kasinostraie 
Katholischer Friedhof 
Kirberichshof 
Kirche, Christus- 
Dreifaltigkeits-....... 
Evangelische 
Alte evang. (Bartscheid) . 
Franziskaner- 
- Hera Jesu- 
Josephs- 
~- Marien- . 
St. Adalbert 
St. Foilan 
Si. Jakob 
- St. Joseph 
Si. Kreuz 
St. Leonhard 
- St. Michael . a 
St. Michael (Burtscheid) . | 
St. Nikolaus 
St. Paul 
St. Peter ... 
— St. Salvator 
- St. Ursula 
Kirehplat 
Klappergasse 
Kleiner Baa... 
— Pannenschopp 
Kieinkélnstrabe 
Kleinmarschlerstrabe 
Kleverstrabo 
Klostergasse 
Klosterplatz 
Kloster, Alexianer- | 
— Franziskaner-.-...... } 
- zum armen Kind Jesu. . 
- gam guten Hirten...  . | 
Knipp.........- te eel 
Kochbranneu 
Kockerellstrahe 
Kélnsteinweg 
Komphausbad 
Komphausbadstrahe 
Kougrebdenkimwal 
KongreGstrabe .. . 
Kénigin vou — Bail 
Konigstor . : 
Kiénigstrote 


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e+e eases epees 
serene ewe eee 
a ee | 


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A2,3 
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Namen-Register zum ,Plan von Aachen’. 








esse eeeevee 
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Kapfergasse 
Korbrunnenatra$« 
Karffirstenetrabe 
Kuorbags 
— (Bartacheid 


Lagerhausstrale.........- 


Lavenstein 


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Ludwigsplats ..... iin 


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Mariaberg 
Mariabrumn..... 
Mariabraunnatrabe . . 
Mariahilfhospital 

Marinshilfstrabe 
Marienburg. . 
Maricnhéhe 

Marienkirche........... 
Mariensaale 
Markt (Burtach<id) 


Maxstrabe ... . 
Moelatener Strabe . 
Meroder Knipp . . 
Merowinger Allee 
Meteorvlog. Observatoriam . 
Metzgerstrabe a 
Michaeisberg . 
Michawistrabe . . 
Milisariazgarett .. 
Minorienstrabe 
Mittelsirabe . 
Molkervi 
Moltkestrabe 
Monheimsallee. 
Moreilerwe¢ 
Morgenagasse . 
Mostanistrabo 
Mogartetrabe 
Mihlenberg 


ser eeree 


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Minator. . 6 ee eee | 


MGnsterplats ‘ 
Museum, Suermondt- 


Narskampstrabe 
Netteshedas ‘ 
Newe Irrenanstalt. ... 2... 
Nenes Had 
Neamarkt 


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Nissaalleo 


RCH 




















Oberstrafe.. 2... ae cp. 
Obeervaturiam, Metewrmlaz. . ci,2 
Oligebemdengasse .......- C3 
(jraniemsirabe ..... mn 
Ottestrabe ....-.....5.. ce 
Pannenschopp, Kleiner... . gE? 
Pariwer Btrabe....-...-.- DEI 
ParkstraGe . 2... 02. ee ee CH 
Pabstrabe. .. ....-2224-: ci, 
Paugespe. ...-..--425- BS 
Paalusstrabe. 2... ...-. Karton 
Peliserkergaws ...... Cb 
Peteretrabe. 2... 2... BCS 
Piaffewtarm .......-..-. AI 
Pfeilstrafe .....-65,55: ; Ca 
Pipinstrabe......-....-. ; ci 
Piusstrafe ....... ie be 
Potiseidigektion..... -..-j| Karton 
Ponelistrabe ...... ° B3 
Pontdrisch . 2. ww ew ee B2 
Pontstrabe ...-.....-..-. Re 
Pontlor...-.6.---- ee ae “| B? 
Post- and Telegraphenamt . BS 
Pottergafehen.... 2... Al 
Pottermiihle ...-... eee] AD 
Preabwez... 22... ee ae | Ad 
Promenadenstrabe ....... aed 
Pyramide,......-...-- | BI 
Quirinusbad ........... Karton 
Rathaus. ...........-. ; 82 
— (Bartscheid). -...-.., ; 4 
Realgymuasiam.......-. ' Karton 
— ela — * | 83 
Reborplatz c2 
Rehmviertel . cz 
Heichsbank. .....-...4.- Cc 
Reiehstrabe............ RCS 
Reichwweg .....--.-55. ES 
Reimannstrabe ........ c2 
Reonmbahn ......-...4.. Karten 
Reumontstrabe ......... ; HA 
Kheinischer Bahnhof...... cs 
Hiehardstrabe ......-... cs 
Riogofon .....-...-6-. Ip. 
Rittergat Bchontal ....... FA 
Robensstrabe ....... . c2 
Roehusstrabe..........6. RC? 
Roermonder Strabo ...... Al 
RolandstraBe. .......... Cl 
Rimerstrabe ........-. «3 
Roonstrabe. .....0..5.45. Lt 
Rosenbad. ....--- 2646s Karton 
Rosental ... 2... eee eee BCI 
RosstraBe. 2.0. oe es BA 
Rota Erde ... 0... cae, F2,3 
— — Rahnhef ere ke 
Kudolphstrabe... 2.0.65. J Cc 
Riweher Strabe........-. Al 
Sachsenstrabe .. ...... B2 
Salwatorberg...... . Bi 
Salvatorpromenade..,... Bl 
Salvetorstrabe . 2... 6. wee Hl 
Sandkaulstrabo ........- BR 
Sandkaultor .. . 6 eee eee he 
St, Adalbertkirehe ....... ay 
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Elisabethhospital . Karton 
Foilankirche .. Be? 
Jakobkirchea ........! AS 
Johannattel . 2.6. oO 
Josephkirche ate ie Saat tk p24 
Krouskirehe ......6.4 Bz 
Leonhbardkirche .....-. BY 
Michaelkirebe ....... ns 
— (Hurtacheid). ... 6s, 4 
Nikolauskirrbe....... 2 
Pauikiechea .....6.6.58! B2 
Poterkirche .... ee aes im 
Salyntorkirche ....6..% | Bl 
Stephanhospital .....- | Karton 
Ureolakirebe . 2... 64% he 
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Scheibenstrabe ......-5% Cir 
Schildstrabe . ....- ist 
Sehlachthof 2.6... ee ee ee Tok 
Schlachthofstrabe ,..... + - Tet 
Schieifmfible. . ... re ri 





Sebloh Frankenberg ...... 


Sebastianstrabe 


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Sc:andehaus.... . ees 
Statae Karls des tir nben oe 
Steffeusplatz ....... 

Steffensviertel 


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Taistrabe . 
Taubstumme: . 
Technische Hoeasensle —* 
Telegraphenamst . 
Telegrapheaturm ... — 
Templorbend, Bahnhof . eae 
Tempiergraben 


Theresianum, . 
‘TPheresienstrabe 
Thomashofstrabe .... 
Trappen 
Trichtergasse 
Trierer Chanssre ......5. 
Trimborn 
Trimborner Waldchen 
Turm, Langer... -..02-- 
Tarmstraia 


Ungarnsira$o......... | 
('rsalinerstrabe 


Vauelser Strabe.......... | 
- Tor 
Vereinsstrabe 
Viadukt 
Victoriaallee 
Vietoriabranvet - 
Vietorlastrabe 
Viehhot d 
Viehhofstrabe ..........! 
Villa Chawpier . 
Dittman 


— vom Hofe. .. 

Monta 
Villenstrabe 
Vinzenzstrabe 
Vinemt 2. se wwe 
Vogelgasse 


Wageonfabrik 
Wallstrabe 
Warmweiersirai« 
Weboschule . 
Weingartshef ..... 
Welbe Mithle .. — —4 
Wenzeelsirabo .-. 5 6s Hs 
Weeplenstrabe 
Wlesenstrabe 
Wiesental 2 ec e > oe 
Wilhbelmatrabe. . ...6 25 
Wingertaberg . . 
Woichsbongardstrahe .. . 


Zeise 
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Zoologischer Gartew ......, 


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Bibhiographisches Institut in Lompzig. 


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Mafstab 1:25000 


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Karton der tinern Stadt im doppeltern 
Mafistab der Biupticarte 
Bader von Burtsecheid : 
arlebal = 4 Neubad 7 Sofrwert bei 
thownhbad 8 Pinscnbad ANXehlofbact 
BAretetd = hGoldmiihtendad \Slutsentad 
++ Mecktr Stratienbahn 


Zum Artikel , Aachen’. 





Aachen (Bauwerke, Bevilterung, Erwerbszweige, Bildungsanſtalten). 


{den Stil aufgeführt, ſchließt fid) an die Oſtſeite des 
Oftogons und interefjiert beſonders durch ſeine 26,7m 
boben, 5 m breiten Fenjter, die mit pradtvollen mo- 
bernen Glasmalereien geſchmückt find. Mehrere reich⸗ 
deforierte, gotiſche Rapellen, im Innern reftauriert, 
darunter die Rarlstapelle und die Unnalapelle, flan- 
fieren beide Seiten des Achtecks und Chors. Die Ent- 
fernung von Zeilen einer dritten Bauperiode (18. 
Jahrh.), die das damals fdon planlos erweiterte Ge- 
biude verungierten, fo der im Zopfſtil wieder auf- 
gefithrten Ungarifden Kapelle, die jest den Domſchatz 
birgt, fowie geſchmackloſer Stucaturen und iiber- 
malungen im ioe und die Wiederheritellung der 
Kirche in ihrer urjpriingliden Gejtalt hat fic) der 1849 
gegriindete Rarisverein zur Unfgabe gemadt. Yn 
der Mitte bes Oftogons bezeichnet eine Steinplatte 
fälſchlich die Stelle, an der Kaiſer Karl bejtattet ijt. 
Die Grabjtatte ijt indeſſen nod nicht gefunden. Seit 
1215 ruben feine Gebeine im ſchönen Karlsſchrein. 
(Bgl. Käntzeler, Karls d. Gr. Behälter, Aach. 1858, 
und in den Bonner ⸗Jahrbüchern«, Heft 33.) Uber 
der vermeintliden Gruft hangt ein großer Kronleud- 
ter aus vergoldetem Rupfer, eine funjtvolle Urbeit 
des Aachener Meijters Wibert und vom Kaiſer Fried- 
rid J. geſchenkt. Außer Karl d. Gr. wurde aud Otto III. 
im Miinjter bejtattet. — Reich find die Schätze, die 
das Münſter birgt, an Reliquien und fojtbaren Alter— 
tiimern, unter legtern das angeblice Hifthorn Karls 
d. Gr., der weifsmarmorne, {pater mit Gold plattierte 
Kaiſerſtuhl, die pradtvolle, mit Gold iibersogene und 
mit Gemmen und Elfenbeinreliefs vergierte Evange- 
lienfanjel, ein Geſchenk Heinrids IL., ꝛc. Die Reliquien 
werden alle fieben Jahre in der Beit vom 10.— 24. Juli 
(julept 1902) dem Volfe gejeigt. Bgl. Quix, Hijto- 
riſche —— der Münſterlirche ju A. (Wad. 
1825); Debey, Die Münſterkirche zu UW. und ihre 
Wiederherjtellung (daj.1851); Sdhervier, Die Miin- 
fterfirde zu A. und deren Reliquien (daf. 1853); Flo f, 
Geſchichtliche Nachrichten tiber die Machener Heilig- 
timer (Bonn 1855); Bod, Karis d. Gr. Pfalzkapelle 
und ihre Kunſtſchätze (Nin 1866—67); Keſſel, Ge 
ſchichtliche Mitteilungen über die Heiligtiimer der 
Stiftstirde gu A. (Köln u. Neuß 1874); Beiffel, 
Die Aachenfahrt. Berehrung der Aachener Heiligtii- 
mer (Freib. 1902). 

Außer dem Münſter bejist W. nod 41 Gotteshaufer, 
darunter 10 fath. Bfarrfirchen, 3 evang. Rirden und 
eine Synagoge im maurifden Stil. Nur vier diefer 
Rirden find mittelalterlichen Urjprungs: die St. 
oillans-Bfarrlirde (aus dem 15. Jahrh.), die ſpät⸗ 
gotiſche Kirche gu St. Baul (nit einer Himmelfabhrt 
von Shadow), die Wdalbertsfirde und die Rifolaus- 
tirche. Unter den iibrigen find die gotifde Marien— 
firche und die tm romaniſchen Stil erbaute Redempto- 
rijtenfirche als moderne Bauwerke fowie die Micdaclis- 











firdhe (1628 qeweiht) wegen ibres Ultarbildes (einer | 


Pieth von Honthorjt) und die neue Yafobsfirde im 
romanifden Stil hervorzubheben. 

Das hiſtoriſch wichtigite profane Bauwerk Madens 
ijt Das an der Stelle der karolingiſchen Kaiſerpfalz im 
14. Jahrh. erbaute gotifde Rathaus. Un beiden 
Seiten der Nordfront erheben ſich nad) Vernidtung 
ibres Dachwerls durch die Feuersbrunjt von 1 
zwei jest wiederhergeitellte Tiirme, von denen der eine 
(oſtliche), Der gewaltiqe Granusturm, zum größten 
Teil nod) der alten Brats angebort. 

Das Rathaus zu A. (Yad. 1884); Rhoen, Die fa- 
rolingijde Pfalz ju A. (daj. 1889); v. Reber, Der 


ql. Reffel, | 


3 


Geſchoß enthalt das Rathaus den ſchönen, fajt 45 m 
langen und 19 m breiten Kaiſerſaal, der einft zur 
Ubhaltung der Krönungsfeierlichkeiten diente und 
mit Wandgemialden von Rethel und Kehren geſchmückt 
ijt. Cine durchgreifende Rejtauration des ganzen 
Baues ijt jest vollendet. Bon den iibrigen öffent— 
liden Gebsiuden find gu nennen: das Rurhaus mit 
grofem Nonjertfaal, das Suermondt-Muſeum, dev 
in griedifdem Stil nad) Sdinfels Plänen 1822—24 
ausgefiibrte Elijenbrunnen, das Theater, das Regie 
rungsgebäude, das gotifde Rarishaus, das ſtädtiſche 
Verwaltungsqebiude, das ſtädtiſche Archiv- und 
Bibliothelsgebãude rc. 

[Vevslferung und Erwerbszweige. J Die Zahl der 
Einwohner, die 1799: 23,699, 1867: 67,923 betrug, 
belief fic) 1900 mit der Garnijon (cin Fiijilierregt. 
Mr. 40) auf 135,245 Seelen, darunter 9354 Evan- 
qelifde und 1580 Juden. In der Induſtrie ijt bejon: 
ders die Tertilbrandje von hervorragender Bedeu- 
tung. 1900 bejtauden dort 159 Fabrifen mit 13,152 
Urbeitern, die Spinneret, Weberei, Tuchfabrifation 
(78 mit 10,365 Yrbeitern) und Färberei betrieben. 
Hauptproduft find namentlid) Herren- und Damen 
tude. Demnächſt nimmt die Nadelfabrifation cinen 
hervorragenden Rang ein (1900: 29 Fabrifen mit 4022 
Yrbeitern), dea ra die Herjtellung von Kratzen, 
Mafdinen und ftefjetn, Wagen und Waggons, 
Möbeln und Zigarren fowie die Buchdruckerei. Gonjt 
jind nod) vorhanden: Fabrifen fiir Samt-, Leinen- 
und Pofamentierwaren, Farben, Handſchuhe, Meſſer, 
Regenfdirme, feuerfejte Steine, Ton- und Steingut- 
waren, Sement, optijde und phyſikaliſche Inſtrumente, 
Knöpfe, Gloden, Tapeten, Feuerſpritzen, Cifengiche- 
reien, große Brauereien und Brennereien rc. A. ijt 
mit vier Bahnhdfen Rnotenpuntt der Staatsbahnlinic 
Rd{n-Herbesthal und zahlreicher andrer Linien. Cine 
eleftrijche Straßenbahn von 83 kin Betriebslänge jo- 
wie ein ausgedehntes Fernſprechnetz (1710 Sprech— 
ftellen) erleichtern den Verkehr. UW. ijt ein wichliger 
Stapelplatz des preußiſchen Handels. Außer den Cr 
zeugniſſen der Tertil- und Nadelfabrifation, mit jtar- 
fer liberfecifcher Uusfubr, find namentlid) Wolle, Ge— 
treide und Wein, Steinfohlen, Leder, Hol; rc. wichtige 
Handelsartifel. Zugleich ijt U. Sitz der A. Münchener 
Feuerverſicherungsgeſellſchaft (gegr. 1825 von Hanſe⸗ 
mann), der Rildvericherungsqeclidatt, ber A. Hön⸗ 

ener Bergwerksgeſellſchaft und der Altiengeſellſchaft 
Pic Vergbau, Blei- und Rinffabrifation zu Stolberg 
und in Wejtfalen. Den Geldverkehr vermiticin 
Die ReichSbanfitelle (Umſatz 1901: 1153,5 Mill. We.), 
die Filiale ber Bergiſch Märlkiſchen Bant, die Aachener 
Disfontogefellidaft, die Bank fiir Handel und Ge- 
werbe x. Ferner ijt U. Sig einer amtliden Kondi— 
tionieranjtalt fowie Berwaltungsjtelle ciner Reihe 
berufsqenofjenjdaftlider Orqane und Sit nambafter 

ewerblicder Bereinigungen (3. B. des Berg und 
Pittenmérnifchen Vereins im Aachener Bezirk, des 


Vereins deutſcher Nadelfabrikanten, des Tuchfabri— 





tantenvereins ꝛc.). 

IAnſtalten, Vehdrden.] Yn Bildungsanſtal— 
ten beſitzt A. cine techniſche Hochſchule (1900: 421 
Studierende), 2 Gymnaſien, ein Realgymnaſium, 
eine Oberrealſchule, eine Lehrerinnenbildungsanſtalt, 
eine höhere Fachſchule fiir Textilinduſtrie, eine ge— 
werbliche Zeichen⸗ und Kunſtſchule, cine Baugewerl⸗ 
ſchule, eine höhere Maſchinenbauſchule, eine Fachſchule 
fiir Heizer und Maſchinenwärter, cine Taubſtummen— 
bildungsanſtalt xc. Daneben beſtehen mehrere öffent⸗ 


tarolingiſche Palaſtbau (Münch. 1892). Ym obern | lide Bibliotheken und zahlreiche Kunſt- und natur- 


1* 


4 


hiſtoriſche Brivatjammlungen, darunter namentlid 
die Stadtbibliothef mit iiber 80,000 Banden, das 
Stadtardhiv, das Suermondt-Muſeum (fiir Ulter- 
timer, Gemälde und Rupferitide), Das Staditheater, 
zahlreiche wiſſenſchaftliche Bereme x. Von Wohl⸗ 


Aachen (Wohltitigteitsanjtalten, Behörden, Mineralquellen, Umgebung, Geſchichte). 


fuloje. Aus dem Thermalwafjer wird aud ein Tafel⸗ 
waſſer hergejtellt (Verjand jabrlic 3,2 Vill. Flaſchen). 
abl der Kurgäſte jährlich über 40,000. Val. Lie big, 
ifche Unterſuchung der Shwejelquellen Aachens 
(Wad). 1851); Lerſch, Geſchichte des Babes A. (Daj. 


tatigfeitsanjftalten find ju nennen: das Maria- 
hilffpttal (unter Leiſung von Elifabethinerinnen), die 
Ulerianer-Jrrenanftalt, das Vincenzſpital fiir Unbeil- 
bare, die Mariannen-Entbindungsanijtalt, die Annun⸗ 
ialenanftalt fiir weiblide Irre (Mariabrunn und 
ariaberg), dad Luiſenhoſpital, die Augenheilanſtalt 
fiir Den Regierungsbezirf A., das Urbeiterinnenhojpiy, | 
cin Armen- und Warfenhaus 2. 

U. ijt Sig Der Regierung, eines Landratsamts (fiir 
ben Landfreis A.), eines Landgeridts, ciner Oberpojt- 
bireftion, eines foniqliden Polizeipräſidiums, eines 
Hauptzollamts, des Stabes der 2Y. Infanteriebrigade 
fowie einer Handelsfammer. Die ſtädtiſchen Behör— 
den zählen 7 Magijtratsmitglieder und 30 Stadtver- 
ordnete. Die ſtädtiſche Jahresrechnung umfafte 1901 : 
8,144,000 Nf. in Einnahme und Ausgabe; die Schuld 
belief fid) auf 17,7 Will. Me. Der Landgeridts- 
bezirk umfapt die 16 Amtsgerichte zu A. Aldenhoven 
Blaͤnkenheim, Düren, Erkelenz, Eſchweiler, Eupen, 
Geilenkirchen, Gemünd, Heinsberg, Jülich, Malmedy, 
Montjoie, St. Vith, Stolberg und Wegberg. — Die 
Stadtfarben ſind Schwarz und Gelb. 

IMineralquellen.j Die Aachener Mineralquellen 
(ſhon von den Romern benutzt) —— zur Klaſſe 
der warmen Schwefelquellen. an unterſcheidet 
drei Quellgruppen, die am Abhang der das Rat- 
haus tragenden Höhe auf der Hof- und Biidel- 
jtrafe (obere Gruppe) und der Romphaushadjtrafe 
(untere Gruppe) hervorbredjen, ſowie die Ouellen tm 
Stadtteil Burtideid. In der obern Gruppe ijt die 
miächtigſte und heißeſte (55°) die Raiferquelle (val. die | 
chemiſche Unalyfe in der Tabelle bet Yrt. »Mineral- | 
wafjer«, VIT) im Gebdude des Kaiferbades, die aufer 
ben eignen Bädern und dem Elifenbrunnen and das | 
Bad Sur Kodnigin von Ungarn und das Neubad ſpeiſt; 
bei Dem Neubau des erjtern in der Edelſtraße wurden 
die Fundamente eines von der 6. römiſchen Legion 
zwiſchen 71 und 91 n. Chr. in der Nähe der Kaiſer— 
quelle erridjteten Badegebäudes ausgegraben. Yn 
Berbindung mit dem Kaiſerbad fteht cin Inhala— 
tionsfaal. Zu der obern Duellqruppe zählt aud die 
Huirinusquelle (50°), die das gleidynamige Bad ver- 
fieht. Zu der untern Quellgruppe auf der Romphaus- 
badſtraße gehört bie von allen Thermen Aachens 
waſſerreichſte, Das Rofenbad und das fiir Unbemit⸗ 
telte beſtimmte Romphausbad verfehende Rofenquelle 
(47,5%); ſehr waſſerreich ijt aud) die Corncliusquelle 
(45,7"), bie Das Cornelins- und Karlsbad fpeijt. Im 
Stadtteil Burtſcheid befinden fic) 25 Thermen (Koch⸗ 
falsquellen), Die mehr oder minder nad) Sdwefel- 
waſſerſtoffgas riedjen, und von denen 9 zu Heil sweden 
benutzt werden, Darunter die Schwertbadaquelle (74,6"), 
die heißeſte Quelle von Mitteleuropa, der BVittoria- 
brunnen (60"), Der gewöhnlich gum Trinfen benugt 
wird, Der Rodpbrunnen (72,5°; vgl. Tabelle bei Urt. 

»Mineralwajjers, VIL). UWbrigens befindet fic) dort 
aud) cine falte Cifenquelle. Die Thermen werden gu 
Badern benupt, aud) getrunken und zerſtäubt ein- 
eatmet. Ste wirfen befonders auf das Bfortader- 
— und bie Schleimhäute und werden angewendet 
fegen Gicht, Hautfranfheiten, Rheumatismus, Unter— 
eibsbeſchwerden, Syphilis, Neuralgien, Lähmungen, 
Folgezuſtände von Berlesungen und Entzündungen, 
Wetallvergiftungen, Rückenmarksſchwindſucht, Sfro- 








1870); Derjelbe, Die Thermalfur zu U. und Burt⸗ 
ſcheid (Daf. 1870); Sdhujter, Die Machener Thermen. 
BVerhaltungsregein 2. (3. Aufl., daf. 1876); Reu— 
mont, Die Thermen von A. und Burtſcheid (6. Warf, 
Daf. 1888); Derjelbe, Winterfuren an Sdwefelther- 
men (Wien 1877); Beiffel, Der Madhener Sattel 
und die aus demſelben vorbredjenden Thermalqueflen 


| (Mad. 1886); »A. als Rurort« (hrsg. von Beiffel, 


daſ. 1889); Fromm, Die Literatur fiber die Ther— 
men von A. (Daf. 1890). 

Umgebung. Rings um die Stadt find vortref7- 
lide Promenaden angelegt (Stadtgarten in Verbin— 
dung mit einem botaniſchen Garten). Dernahe L ou s - 
berg, cin 250m bober Hügel nirdlid von der Stadt, 
bietet herrliche Uusfidt. Bom Lousberg, jugletd 
einem ergiebigen Fundort fiir Ketrefaften der Kreide⸗ 
formation, burd einen Einſchnitt getrennt, erhebt fich 
der Salvatorberg, mit romaniſcher Rapelle, 1883 
bis 1884 in der friihern Geftalt neu aufgebaut. Weiter- 
hin bildet der fiber 1000 Heftar große Aachener Wald 
(mit Ausſichtsturm) ſchöne Partien. Cin neues, im 
Bau befindliches Stadtviertel, iiberwieqend auf Burt- 
fcheider Gebiet, umgrenzt die Franfenburg, den 
jagenbaften Lieblingsaufenthalt Karis d. Gr. und Fa- 
ſtradas, in parfartiger Umgebung. 

[Gefeyiehte.] VW. tit im der Römerzeit entitanden ; 
feine mittelalterlide Bezeichnung Aquisgrani (Aquis- 
granum) weijt auf den Mult des Apollo Granus 
bin, den die Romer bei Thermen verehrten. Sdon 
unter König Pippin bejtand dafelbjt um 765 cine kö—⸗ 
niglide Pfalz, an deren Stelle Karl d. Gr. 777—786 
einen praidtigen Neubau auffiihren lich, in Dem er 
und feine Nadfolger häufig Hof hielten. Erſt 1172 
bis 1176 wurde der Ort (die jetzige Altſtadt) auf Ge- 
heiß Kaiſer Friedrids L mit einer Mauer umgeberr 
und dadurd Stadt. Um 1300 entftand der äußere 
Mauerring. Schon 1166 gewabhrte Friedrich I. und 
1215 Friedrich IL. A. widhtige Privilegien. Wilhelm 
von Holland erteilte 1250 den vom Rate beidlofjenen 
Statuten feine Zuſtimmung; Dod) beſtanden als lö⸗ 
nigliche Beamte Vogt und Schultheiß fort. A. hieß 
»des heiligen römiſchen Reiches freie Stadt« und 
ſpielte im Landfriedensbund zwiſchen Maas und Rhein 
(1351— 87) eine hervorragende Rolle. Bon Ludwig 
dem Frommen bis auf Ferdinand I. (813—1531) 
wurden hier 32 Kaiſer und deutide Könige gefrint. 
1450 ergwangen dic Siinfte durch einen —28 An⸗ 
teil am Stadtregiment. Die Reformation fand ſchon 
früh Eingang, ja 1580 wurde der katholiſche Magiſtrat 
verdrangt, worauf 1598 die Reichsacht über UW. aus- 
—— und von dem Kölner Kurfürſten Ernſt von 

ayern vollitredt ward. Als während des jülichſchen 
Erbfolgeſtreites die Proteſtanten abermals die Ober— 
hand gewannen, wurden ſpaniſche Truppen unter 
Spinola 1614 aus den Niederlanden herbeigerufen 
und durch fie das im Sabre vorher erlaſſene Rejtitu- 
tionSmandat Raifer Matthias’ volljogen. Die Ber- 
lequng der Rrinungen nad Franffurt, die Religions: 
ftreitigfeiten und cine große Feuersbrunjt 1656 führ⸗ 
ten Aachens Berfall herbet. 1801 wurde es durd den 
Litneviller Frieden franzöſiſch und Hauptitadt des 
Roerdepartenents. 1815 fiel e3 an Preußen. Das 
Vistum A., 1802 gegriindet, wurde 1821 aufgeboben 
und bei Dem Münſter wiederum cin Kollegiatſtift cine 


Aachener Friede — Wale. 


geridtet. Bon WU. führen zwei Friedensſchlüſſe den Na- 
men. Der erfte Friede von A. beendete 2. Mai 1668 
ben fogen. Devolutionstricg (f.b.) Ludwigs XIV. gegen 
Spanien. Ludwig XIV. mute fid) mit einigen Städ— 
ten Flanderns, wie Charleroi, Douai, Tournai und 
Lille, beqniigen, wogegen Spanien die Frande-Comté 
zurückerhielt. zweite Friede von A. 18. Oft. 
1748 zwiſchen Oſterreich, England, den Niederlanden 
und Sardinien einerſeits und Frankreich und Spa— 
nien anderſeits abgelditofign. beendigte den Oſier— 
reichiſchen Erbfolgefrieg. Oſterreich trat die italieni- 
ſchen Herzogtümer Parma, Piacenza und Guaſtalla 
an den fpanifden Jnfanten Philipp ab; dafiir erfann- 
ten Frankreich und Spanien die Bragmatijde Santtion 
Kaiſer Karis VI. an. Wuf dem Aachener Rongreh 
(1. Oft. bis 14. Rov. 1818), gu dem die Monarden 
von Ojterreid), Rußland und Preußen perſönlich er- 
ſchienen, trat Frankreich der Heiligen Allianz bei, 
worauf ¢3 9. Dit. die fofortige Räumung feines Ge- 
biete3 durch die verbiindeten Truppen und die Feft- 
foun der nod) gu jahlenden Kriegskoſten auf 265 

ill. Frankf zugeſtanden erbhielt. Ferner erklärte der 
Kongreß da8 Grofherzogtum Baden, von dem Ofter- 
reid) einen Teil an Bayern verſprochen hatte, fiir un- 
teilbar und geftand den Grafen von Hodberg das 
Recht der Radhfolge in Baden gu. Val. Sdhjerning, 
YW. und feine Umgebung (Mad. 1895); Fiihrer von 
Lerſch (6. Mufl., daf. 1900), Thiffen u. a.; Wagner, 
Beſchreibung des Vergreviers W. (Bonn 1881); Quix, 
Geſchichte der Stadt A. (Wad). 1841, 2 Bde.); Haa- 
gen, Geſchichte Achens (daſ. 1874, 2 Bde.); »Feſt⸗ 
ſchrift zur 72. Verſammlung deutfder Naturforjder 
und Ärzte, Machen 1900<; Rhoen, Die ältere Topo- 
graphic der Stadt A. (daſ. 1891); Derfelbe, Die 

ro ote der freien Reichsſtadt A. (daf. 1894); 
Pid, Aus Aachens Vergangenheit (daſ. 1895); » Zeit 
ſchrift des Uachener Geſchichtsvereins« (ſeit 1879); 
»Aus Aachens Vorjeite, Mitteilungen des Vereins 
fiir Runde der Aachener Vorzeit (feit 1887). 

Dev Regierungsbesirk A. (fj. Karte »Rheinpro- 
vin3<«) unitagt 4155 qkm (75,46 OW?) mit aooo) 
614,964 Einw. (148 auf 1 qkm), darunter 24,763 
Evangelijdhe, 585,717 Ratholifen und 4325 Yuden, 
und bejteht aus den 11 Rreifen: 











Rreife |ositon omeilen Einw. Cinw. 
auf 1 qkm 

Maden (Stadt) . .| 39 071 | 13595 | — 

⸗ (Zand). . 330 5,99 127 198 385 
Ditten 2... ee 563 10,23 9) 679 161 
Grfelenjy . 2. 289 5,46 36 696 127 
Gupen . .... 176 3,20 26 083 148 
@eilenfirden 2... 197 3,58 26 476 134 
Heinsberg . -| 43 4,41 35 BRS 148 
oo 318 5,78 42670 134 
Malmedy .| 813 14,17 $1502 39 
Montjoie - | 362 6,67 17 688 49 
Sdleiben 2. 2... 824 14,97 44.839 5 





Uber die fünf Reichstagswahlkreiſe des Regierungs- 
bejirfs ſ. Karte »Reidjstagswablen«. 

re: posed —— | §. Ytadyen Geſchichten. 

Aachen: Miindener Feuerverfiderungs: 
gefellfdjaft, ſ. Feuerverſicherung. 

adl, ſoviel wie Jauche, ſ. Duͤnger u. Düngung. 

Aadorf, Dorf im ſchweizer. Nanton Thurgau, an 
der Etjenbahn St. Gallen- Winterthur, mit Baume 
wollindujtrie und (1900) 2695 Einw. 

Wak, hollind. Leichter- und Fiſcherfahrzeug mit 
fladem Boden und breitem Steven. 


5 


MaFos (Wialos), qried. Heros, Sohn des Rend 
und der Ygina, der Todjter des Flußgoites Wfopos, 
geboren auf der Inſel Onone, wobhin Reus die Ugina 
entfiifrt batte, und die fortan ibren Namen trug. 
Hier herridte A. fiber das aus Umeifen entitandene 
Volk der Myrmidonen (f.d.) fromm, weife und geredt, 
cin Liebling der Gitter, die fogar, wie die Menfden, 
ihn gum Schiedsrichter ernannten. Nach feinem Tode 
waltete er des Ricteranttes in der Unterwelt. Auf 
Ygina hatte er cin von einer Mauer aus weißem 
Marmor umgebenes Heiligtum (Wafeion), wo die 
äginetiſchen Steger die in den Feftipielen qewonnenen 
Kränze aufhingen, aud) agonijtifde Feſtſpiele. Von 
jeiner Gemahlin Endeis war er Vater des Telamon 
und Peleus (Matiden). 

frefjord, ſ. Hardangerfjord. 
, Seebad, f. Binz. 

Malborg (jpr. ot), din. Umt auf der Halbinſel 
Jütland, auf beiden Seiten de3 Limfjords, 2902 qkm 
(52,7 OWL) mit aor) 128,656 Einw. Die gleid- 
namige Hauptſtadt, an der Südſeite des Rim jords 
und an der Staatsbabniinie Frederifshavn-BVamodrup, 
hat 2 altertiimliche Kirchen, cin altes Schloß, eine Ma— 
vigations- und cine Kathedralidule, cine Bibliothet, 
ein Muſeum und (1901) 31,457 Einw. Die Induſtrie er- 
jtvedt fic) befonders auf Eiſengießerei, Spiritus- und 
Tabaffabrifation. 1899 belief fic) Der Umſatz in der 
ausländiſchen Schiffahrt auf 184,120 Ton., in der 
inländiſchen auf 79,181 T. A. befigt cine Handels- 
flotte von (1899) 103 Schiffen mit 6615 T. Die Einfubr 
bejteht in Getreide, Tabaf, Petroleum, Cifen und 
Manufatturwaren, die Ausfuhr befonders in Brannt- 
wein, Hauten, Bieh, Butter, Spec und Ciern. Die 
Stadt iſt a eines evangelifden Biſchofs und meh: 
rerer Ronfulate, dDarunter eines deutſchen. A. ijt 
mit Dem 6,3 km davon jenfeit bes Limfjords liegen— 
den Handelsplag Norre Sundby (in Vendſyſſel) durch 
zwei Briiden verbunden. — A, ſchon Ende des 11. 
a abch. bei Adam von Bremen erwähnt, erhielt 1342 
Stadtprivilegien und ijt feit 1554 Hauptort cines 
— istums. 

(bride, marinierter Aal. 

Malbrutieiter, ſ. Yale. 

Aalbuch, ſ. Jura (Deutſcher). 

Malbutt, |. Scholle. 

Male (Muracnidae), Familie dex Rnodenfijdhe aus 
der Ubteilung der Edelfiſche (Physostomi) und der 
| Gruppe der Apodes (ohne Baudfloffen), fdlangen- 
| ihntiche Fiſche mit ſcheinbar nacter Haut, die oft 

ſehr fleine Schüppchen enthält, zuweilen ohne Brujt- 
floſſen, mit einer ſenkrechten Floſſe vom Rücken bis 
zum After. Die Haut umhüllt den Kiemendeckel nebſt 
den Kiemenſtrahlen, und nur zwei (oder eins) ſeitliche 
Löcher führen zu den Kiemen, ſo daß die A. lange 
außerhalb des Waſſers leben können. Die A. ent- 
wickeln ſich aus Leptocephalus-Arten durch Meta— 
morphoſe. Sie leben als Raubfiſche im Meer und in 
den Flüſſen. 

Der Flußaal (Anguilla vulgaris Flem.), bis 
6 kg ſchwer und 1,25 m lang, mit furjen Bruſtfloſſen 
und duferjt zarten Schuppen, die fic) nidjt Deden und 
in ber ſchleimigen Haut Zichzacklinien bitden, ijt dunkel⸗ 

rin, blauſchwarz oder graugelb, am Baude ſtets 
Peller, Sein Blut enthalt, namentlid im Silden, cin 
ſehr heftiges Gift, Ichthyotoxin, das su den Eiweiß⸗ 
férpern gehört und, durch cine Wunde ins Blut andrer 
Tiere gebradt, ähnlich wie Schlangengift wirft. Der 
Wal lebt in tiefem Waſſer mit ſchlammigem Grunde, 
beſonders in Bracwaffer, ijt iiber ganz Europa ver- 





6 Halen — Maljt. 


breitet, feblt aber in den Flüſſen, die mittelbar oder 
unnittelbar ing Rafpifde oder Schwarze Meer miin- 
den. Er ijt ſehr wanderluſtig, dod) beruht der alte 
Glaube, dak er nadhts aufs Land gehe, um Sdneden 
und Gewtirm, wohl gar Erbjen ju frejjen, auf Miß— 
verſtändnis oder Berwedfelung. Er ijt durd fein 
enges Maul auf Wiirmer, fleine Krujter und Fiſche 
beſchränkt, überfällt aber auch Fröſche und foll felbjt 
Aas nicht verſchmähen. Im Winter halt er, im 
Schlamm verborgen, Winterfdlaf. Im Alter von 
4— 5 Qabhren wandert er vom Auguſt bis Oftober 
(die mannliden U. ſchon früher), hauptſächlich in 
ſtürmiſchen, finjtern Nächten, ins Meer. Hier wird 
ec geſchlechtsreif, laicht im Dezember und Januar in 
mindejtens 500 m Tiefe, und aus den Eiern fdliipfen 
die 6 cm langen, ſeitlich zuſammengedrückten, farb- 
lofen, durchſichtigen Larven, die bisher als Lepto- 
cephalus brevirostris (ſ. Abbildung) bejdjrieben twur- 
den. Die alten A. ſcheinen als Tiefſeefiſche nur furje 

eit weiter yu leben. Die junge Brut von etwa 7 cm 
Vange wird allmablid aalähnlicher, ſteigt nad einem 
Jahr, große Hindernijje iiberwindend, fiber Schleu— 
jen, fleinere Wehre und, an Felfen emporfletternd, in 





* 


——————— 


SMM ys 


Leptocephalus brevirostris. 





großen Scharen in die Flüſſe und erreidht hier in 
1'/e Jahr eine Lange von 65 cm. Alle in den Flüſſen 
lebenden A. befipen unentwidelte Geſchlechtsorgane. 
Um den jungen Aalen das Wufiteigen in die Flüſſe 
ju erleichtern, baut man neben großen Wehren, die 
cin untiberjteiglidjes Hindernis bilden, Ualbrut- 
{eitern, d. h. aus rohen Brettern mit niedrigen 
Ouerleijten pans ee. und mit Ries bedectte | 
Rinnen, die mit einer Neigung von 1:5 bis 1:8 aus 
dent Oberwaffer in das Unterwaſſer der Mühlen rei | 
chen. Bor dem untern tridjterformig erweiterten Ende 
wird Reiſig befeſtigt. Dieſe Vorridtungen werden 
von der aufſteigenden Aalbrut bereitwillig benutzt. 
In den Lagunen von Comacchio an der Pomündung 
wird ein Syſtem von Schleuſen und Kanälen im Friih- 
jabr der einziehenden YUalbrut geöffnet und begünſtigt 
im Herbjt den Fang der 4—5 Jahre alten Y., die fid 
jur Uuswanderung anjdiden. Wan fängt den Wal 
befonders bei der YUuswanderung ind Meer (Fett- 
aal), weil er Dann nicht frit, mit Netzen und Reujen, 
den jungen, ſehr gefräßigen Mal aud) mit der Ungel 
und totet thn am bejten Durd Wbtrennen des Kopfes. 
Die fehr lange anhaltende Reflertitigtcit des Rücken— 
marfs, infolge deren fic) die Stücke des toten Aals 
lebhajt winden, wird fofort beendigt, wenn man eine 
Stricnadel in das Riidgrat ſtößt. Der fettreiche Mal 
ijt überall frifd), geräuchert und eingemacht belicbt, 
namentlid) waren die angelfadfifden Stamme von 
jeher Liebhaber desfelben; Verwilligungen und Frei 
briefe wurden oft durch Zahlungen in Aalen geregelt. 
Die Klöſter begünſtigten die Anlage von Aalteichen, 
und zahlreiche Namen zeugen von der frühern Er— 
iebigkeit des Aalfanges (Ellesmore, aia Hof zc.). 
Ral. Cojte, Voyage d’exploration sur le littoral 
de la France et de |'Italie (2. Aufl., Bar. 1861); 
Nitfde, Der Flußaal und feine wirtidaftlide Be- 
dDeutung (Dresd. 1886); Linftow, Die Fortpflan- 
zungsgeſchichte der A. (Stuttg. 1900); Qeonhardt, 
Der gemeine Flupaal (daf. 1902). 





Aalen, Oberamtsjtadt im wiirttemb. Jagittreis, 
am Rocher, Rnotenpunft der Staatsbahnlinien Rarm- 
jtatt-RNirdlingen und A.Ulm, 429 m ii. M. hat eine 
evangelifde und eine fath. Rirde, cine Realfdule, 
Lateinfdule, ein Denkmal de3 Dichters Schubart, ein 
Umtsgeridft, cin Cifendrahtwert (Erlau), Geldſchrank⸗, 
Majdinen-, Pianoforte-, Tonwaren-, Schofolade-, 
Gold: und Silberwaren-, Rojfer- xc. Fabrifation, Far- 
beret, Spinneret und 900) 9058 Einw., darunter 
3113 Ratholifen. — A. war ehedem freie Reichsſtadt, 
bi es 1802 an Wiirttemberg fam. Die Gefdhidte Der 
Stadt fdhrieb Bauer (Malen 1884). 

Malefund (pr. ot-), norweg. Handelsitadt, in dem 
jum Stift Bergen gehdrigen Teile des Amtes Roms- 
dal, 1824 geqriindet, bat (1900) 11,672 Einw. und bil⸗ 
det den Sentralpuntt fiir die reichen Dorſchfiſchereien, 
die an den Küſten der Vogtei Söndmör getrieben 
werden. Die Stadt beſaß 1897: 199 Fahrzeuge von 
6728 Ton. Der Wert der Cinfubr betrug 1900: 
1,916,000 Sronen, der Uusfubr 5,954,100 Nr. (da- 
von Fijdwaren 5,058,500 Kr.). A. ijt Sig eines 
deutſchen Ronfuls. 

Mali Pafda, ſ. Wi 4). 

Mall (pr. 0, Jakob, norweg. Politifer, geb. 


27. Juli 1773 in Porsgrund, geſt. 4. Aug. 1844, ſtu⸗ 


dierte anfangs Theologie, ſpäter an mehreren deut⸗ 


ſchen Bergakademien und übernahm hierauf die Eiſen⸗ 
hütte ſeines Vaters bet Arendal. Auf der Eidsvolder 


Nationalverſammlung (1814) ſowie ſpäter im Stor- 
thing (bis 1830) vertrat er eine unionsfreundliche 
Richtung. Seine »Erindringer« (Chriſt. 1344 — 45, 
2. Ausg. 1859) enthalten wichtige Beiträge zur Vor— 
geſchichte der ſchwediſch⸗ norwegiſchen Union 1800 — 
1815. Wud) überſetzte er (1838—39) die »Heim- 
skringla« (f. d.). — Sein Sohn Hans Jörgen 
Chrijtian, geb. 1806, geit. 24. Febr. 1894, war 
1846 —77 »Ymtmanne« der Provinz Bratsberq und 
qeborte lange ju den einflufreiditen Mitgliedern des 
Storthings, wo er 1851— 69 den Vorſitz fiihrte. 

Aalmolch (Amphiuma means L., f. die Tafel 
»Schwanzlurche I<, Fig. 3), Schwanzlurch aus der 
Unterordnung der Derotremen und der Familie der 
Aalmolche (Amphiumidae), 1 m lang, aalartiq, mit 
furjen, weit auseinander gerückten Füßen, 2 oder 
3 Zehen, oberfeits duntel graugrün, unterfeits heller, 
lebt in Den Siimpfen des ſüdlichen Nordamerifa, wühlt 
ſich aud) in den Schlamm und fann längere Zeit im 
Trodnen aushalten. Er wird mit Unrecht fiir giftig 
qebhalten. 

Malmutter (Zoarces C., Blennius L.), Gattung 
der Stachelfloffer aus der Familie Der Schleimfifde 
(Blennidae), Fiſche mit verlingertem Leib, fehr klei— 
nen, in der Haut jerjtreuten Schuppen, weitem Maul, 
verkümmerten Bauchfloſſen, langen, ſchmalen Brujt- 
floſſen, ſehr langer Rückenfloſſe und über die Hälfte 
des Unterleibes ſich erſtreckender Afterfloſſe. Sie ge⸗ 
bären lebendige Junge, die ſich in einem aufgetrie— 
benen Teile der Eileiter entwideln. Die A. (Aal⸗ 
quappe, Z. viviparus L.,{. Tafel⸗Fiſche III«, Fig. 2), 
20—40 cm lang, bräunlich, oberfeits Duntel 4 edt, 
ijt häufig in Nord- und Ojtiee und im Ranal, geht 
aud) in die Flüſſe, nährt fid) von Fiſchen, Muſcheln, 
Biirmern, Laid. Die A. hat wenig ſchmachaftes 
Fleiſch, Die Rnoden werden beim Roden qriin. 

Aalporzellan, feines gelbes Borjellan, das in 
China von ca. 1650 —1725 fabristert wurde. 

Aalquappe, ſ. Ualmutter und Quappe. 

Aalraupe (Aalrutte), ſ. Quappe. 

Aalſt, Stadt, ſ. Aloſt. 


Aalſtrich 


Aalftrich, dunkler, meiſt ganz ſchwarzer oder aud 
heller Rückenſtreifen bei Pferden und Rindern. 

Aalter, Flecken, ſ. Aeltre. 

Aaltierchen (Anguillulidae), ſehr kleine Faden⸗ 
wilrnter (Nematoden), leben meiſt frei, feltener para⸗ 
ſitiſch; manche vertragen das Austrocknen lange Zeit 
und erwadjen bei Befeudjtung wieder aus dem Schein⸗ 
tode. Gewöhnlich haben fie während ihrer Exiſtenz 
im Freien eine andre Form (jogen. Rhabditis) als 
fpater, pflangen fic) aber in diefer bereits fort, und 
erjt die Jungen der zweiten Generation werden ju 
Parafiten (Heterogonie). So lebt 3. B. Rhabdonema 
nigrovenosum Rud, alg fogen. Ascaris in den Lungen 
bes Froſches und der Kröte und gebiert lebende Junge, 
die in Den Darm und von dba mit dem Kot nad 
aufen gelangen, um eine Zeitlang frei zu leben. Sm 
Innern der gejdledtsreif qewordenen und befrud- 
teten Weibden entwideln ſich einige Embryonen, die 
ſchließlich Das Muttertier aufzehren und ſpäter als 
Usfaridenform durch die Guftrabre wieder in Die 
Lunge der Frifde eimwandern. Das Eſſigälchen 
(Rietfteralden, Anguillula aceti, A. glutinis 
Ehrenb.), 1— 2 mm lang, lebt in verdorbenem Rleijter 
und der auf trübem Eſſig fid) bildenden Haut. Das 
Weizenälchen (Tylenchus scandens Schn., ſ. auf 
Tafel »>Wiirmer I<), bis 5 mm lang, erjeugt das 
Gicht- oder Radenforn, ein fleines, verbildeteds 
Sanenforn ohne Starfemehl, erfiillt mit Taufenden 
von Widen. Bei der Uusfaat verbreiten ſich die Tierchen 
im Boden, kriechen an den Weizenpflänzchen hinauf, 
dringen in die junge Whre cin und werden ſchnell qe 
ſchlechtsreif; die Weibchen legen Cier und ſterben mit 
den Männchen ab, zur eit der Reife des Nornes aber 
entwickelt fich die junge —— Brut. Der Ge- 
nuk radigen Weizens ijt fiir Menfchen und Tiere un- 
ſchädlich. Shug gegen das Weizenälchen gewährt 
nur reines Gaatgut. Das Stodilden (Stengel- 
alden, T. devastatrix Kidin), in Stengeln und 
Blattern (nie in Wurzeln) von 34 Pflanzenarten nach⸗ 

ewiefen, lebt aud) in Roggen (Stodfranfheit), 
fer, Buchweizen, Weberfarde, Gartennelfe (Ana— 
nasfranfheit) und ridtet oft empfindlichen Schaden 
an. Ramentlid) madt eS die Rardenfdpje fernfaul. 
Das Luzerneälchen (T. Hafensteini Atihn) be- 
wohnt Wurzeln und Triebe der Luzerne und des 
Rotflees und bewirkt die Verfiimmerung der Zweige. 
Vielleicht handelt es fic) übrigens bei all diejen und 
ähnlichen Nranfheiten nur um eine einzige Art von 
Tylenchus, der aud) die Ringelfranfheit der Hyazin⸗ 
thengwiebeln gujufdreiben ijt. Die Riibennema- 
tode (Heterodera Schachtii A. Schmidt) bewirlt die 
jogen. Riibenmiidigfeit des Bodens. Die jungen, 
nod) nicht geſchlechtsreifen Tiere ſetzen fid) im Friih- 
jabr in der Wurzelrinde geeiqneter Pflanzen fejt und 
entwideln fid). Die Männchen wandern dann aus, 
befrudjten die Weibdhen, und dieſe ſchwellen mim an 
und erfdeinen an den Wurjeln, deren Oberhaut fie 
dDurdbreden, wie Berlen. Im Herbſt friechen die 
jungen Tierden aus und verbreiten fic) im Boden, 
wo jie iiberwintern. Die Befimpfung geſchieht durch 
Fangpflanjen. Vgl. Ofterwalder, Rematoden als 
Feinde Des Gartenbaues (in »Gartenflora<, 1901). 

Mam (d.. Obnr), älteres holland. Flüſſigkeitsmaß, 
= 4 Unfer 3u 2 Steeffan — 155,22 Lit., fiir Bier — 
157,25 &., am Rap (Aum) — 143,84 @ 

Map, das Beſanſtagſegel auf Dreimajtern, wird 
mit Dem Wapenfall gehipt. 

Mar, altgermanifd, der Udler (adel-ar, mittelhod- 
deutſch, der Edelaar), ijt im 17. Jahrb. faſt vollſtän— 


7 


dig verflungen und wird feit der zweiten Hälfte des 
18. Jahrh. als poetiſches Wort fiir Udler gebraud)t. 
Mar (hollind., »Ader«), in Siidafrifa * wie 
unterirdiſcher Waſſerlauf, in Ortsnamen vorkom— 
mend, z. B. De Aar. 

Aar, Fluß in der Schweiz, ſ. Aare. 

Aarau, Hauptitadt des ſchweizer. Kantons Aar— 
gau, 388 m ii. M., am rechten Ufer der Ware, über 
Die cine Rettenbriide führt, Knotenpunkt an der Eiſen— 
babniinie Zitrid)-Olten, hat avoo) 7995 Einw., ijt 
Sig Der Rantonsbehirden, der Kantonsſchule, hat eine 
Rantonsbibliothe® von 80,000 Banden, naturwijjen- 
ſchaftliche, hijtorijde und ethnologijde Sammlungen, 
ein Denfmal des Schriftſtellers H. Zſcholle und zetd)- 
net fid) durch rege Gewerbtitigfeit aus. Aaraus 
Mefferjduriedewaren, Reißzeuge, phyfifalifde In— 
jtrumente, Gloden- und Kanonengießerei ſtehen in 
großem Ruf; nicht weniger Sement-, Baumivoll- und 
chemiſche Jnduftrie. Der alte Turm Rore, ehedem 
ein Ritterjig, ijt durch H. Zſchokles » Freihof von A.« 
weithin befannt geworden. — Urkundlich fdon 1267 
als ſtädtiſch organifiertes Gemeinweſen begeugt, er- 
bielt YW. von Rudolf von Habsburg 1283 Stadtredjt 
und ging 1415 bet der Er- 
oberung des Uargaus aus 
Ojterreidifdem in bernifden 
Beſitz fiber. Hier verfammelte 
ſich tm Dezember 1797 die 
letzte Tagſatzung der alten 
Eidgenoſſenſchaft. Vom Upril 
big September 1798 ſaßen 
bier Die Sentralbehirden der 
Helvetiſchen Republif; als 
dDiefe nad) Luzern iiberjiedel- 
ten, blicb UW. Hauptort ded 
neubeqriindeten Rantons Uargau. Val. Boos, Ur— 
fundenbud) der Stadt A. (Yarau 1880); »Chronif 
der Stadt A.« (daf. 1881); Merz, Das Stadtredt 
vor A. (Daf. 1898). 

Aarberg, Bezirkshauptſtadt im ſchweizer. Nanton 
Bern, auf einem von der Uare umfloffenen Gand- 
jteinfelfen, 458 m it. M., an der Eiſenbahn Viel-LyR- 
Murten, mit altem Sdlof, ciner Zuckerfabrik und (900) 
1380 Einw. Cinjt bedeutend fiir Den Tranfitverfehr. 

Aarburg, Stadt im ſchweizer. Nanton Aargau, 
Bezirt Zofingen, 405 m it. M., an der Miindung der 
; Wigger in die Uare, Knotenpuntt an der Eiſenbahn 

Diten-Bern, mit einer Befferungsanjtalt (in der alten 
Fejtung), Baunwwollindujtrie und (1900) 2308 Einw. 

Aardal (pr. or), Pfarrei im norweg. Umt Nord- 
Bergenhus, am Ende des Sognefjords, wejentlic ein 
enges Ulpental, swifden den Horungtinden; in dieſem 
liegt, oberhalb der Feljenfluft Vettisgjelet, der 
Fall Vettisfoß (260 m hod). 

Mare (franz. Urole), der mächtigſte ſchweizer. 
Nebenfluß des Rheins, entipringt 2243 m und 1879m 
hod) in ben Wargletidern (j. d.). Im Handedfatl 
iiberwinbet fie eine 46 m Hohe Taljtufe des Hasli- 
tals; bei Sunertfirden zwängt fie fid) durch die »fin- 
jtere Schlauche- in den Talboden von Meiringen. 
Hier nimmt fie rechts den Alpbach, linfs den Rei— 
chenbach (f. d.) u. a. auf, flieRt Dann in den Brienzer 
See und verlajt diefen nur, um nad lurzem Laufe 
burd) das Bödeli in den Thuner See gu miinden. 
Aus den Seitentilern de3 Berner Oberlandes fließen 
ihr Liitidine und Kander mit Simme gu. Bet Thun 
betritt Die U. die ſchweizeriſche Hodjebene, umjdlingt 
das auf einer Halbinfel liegende Bern, sieht fich in 
vielfachen Windungen durch das »Seeland«, wo ihr 


— Mare. 








Rappen von Aaran, 





8 
durch bie Juragewafferforreftion im edfanal 
cine Ublenfung in den Bieler See geqeben ijt. Weiterhin 


zieht fie fic) am Südfuß des Jura hin, den fie ſchließ⸗ 
lid), unmittelbar nad Aufnahme von Reuk 
Limmat, durchbricht, und miindet bei Koblenz (ober- 
halb Waldshut) in den Rhein. Die beträchtlichſten 
uflitije ihres Wittellaufes find linfs Gaane und 
Si rechts die Grofe Emme. Die A. ift insgefamt 
485 km lang, ihr Flußgebiet umfaßt mit 17,617 qkm, 
wovon 4850 qkm auf Gletſcher entfallen, ca. zwei 
Fünftel des Ureals der Schweiz. 
(jor. or), Emil, dan. Lyrifer, geb. 
4. Dex. 1800 in Kopenhagen, geft. 20. Juli 1856 als 
Stiftsarst in Odenſe. Er fand mit ſeinen »Digte« 
(1838) nur wenig Beadtung, während feine ſtark 
erotijden »Efterladte Digte« (»Radgelajjene Ge- 
Dicte<, 1863) Aufſehen erreqten. Seine »Samlede 
Digte« mit Charafterijtif von G. Brandes gab Lieben- 
berg Heraus (1877, neue Ausg. 1899). 

‘Kargen, ein Ranton der nordlicen perry Neg 
im N. durch den Rhein vom Großherzogtum Baden 
geidieden, im übrigen von den Rantonen Bafelland, 
Solothurn, Bern, Lujern, Jug und Zürich begrenst 
und bat cin Ureal von 1404 qkm (25,5 OW). 
gehört ndrdlid) der Linie Marau-Brugg-Baden jum 

Ketten⸗ und inabey jum Tafel- 
jura (Wafferfluh 869m), mit dem 
frudtbaren Fridtal ſüdlich der- 
felben zum ſchweizeriſchen Mittel- 
lande, das bier durch zahlreiche 
parallele undflade Taler in frucht⸗ 
bare Landſchaften gegliedert iſt 
(interaargau, Fretamt). Der 
Manton zählt 1900) 206,659 Einw. 
(147 auf 1 qkm), darunter (ass) 
106,351 Broteftanten, 85,835 Ra: 
tholifen und 1051 Israeliten. Der Mutterſprache nad 
sablte der Nanton 1888: 192,859 Deutſche, 465 Fran: 
zoſen und 163 Staliener. Der Unteraargau ijt vorherr- 
Rend proteftantifd ; dagegen find Freiamt und Baden 
fowie das Frictal überwiegend latholiſch. 95,56 Proz. 
des Ureals oder 1341,8 qkm jind Kulturland, davon 
882,5 qkm Yider, Wieſen und Weider, 27,8 Rebland, 
438,0 qkm Wald. Die Weinlagen entfallen auf die 
Jurabezirle (Fridtal, Shingnad und Wettingen), der 
Ertrag belief ſich 1899 auf 46,423 hl. 1901 zählte 
man un A. 4939 Pferde, 82,116 Rimder (Verner und 
Schwyzer Vieh), 26,631 Schweine, 13,546 Ziegen x.; 
1899 wurden 18,656 Doppelstr. Rafe produziert. Am 
Rhein, befonders in Laufenburg und Rheintelden, ijt 
die Fiſcherei cine weſentliche Ernihrungsquelle; 
insgeſamt beftehen 24 Fiſchzuchtanſtalten. Die Sa: 
linen. ju Rbeinfelden, Ryburg und Kaiſeraugſt lie- 
ferten 1898 jufanunen 261,172 Doppeljtr. Sal}. 





Wappen des 
RSantons Aargau. 


Berühmte Herlquellen find ju Baden, Sdhingnad, | 
Wildegg und Birmenstorf. Die Hauptinduftriesweige | 
bilden die Strobfledteret (ca. 10,000 Berjonen), Ta- | 
baffabrifation, Striderei, Fabrifation von Seiden: | 


band und Halbwollenftoffen (Bezirke Bohlen, Muri, 
Vremgarten). Die geqenwirtige rein demofratifde 
Verfaffung, aus der Revifion von 1884 hervor- 
gegan en, datiert vom 23. Ypril 1885. Der Große 

at als geſetzgebende Behörde, freisweife (je cin Mit- 
glied auf 1100 Seelen) gewählt, unterjtellt ſämtliche 
von ibm erlajjene Geſetze und andre widtige Erlaſſe 
dem Referendum des Bolles, deffen Abſtimmung 
sweimal jährlich, im Frithling und Herbſt, ftattfindet. 

te voll stehende Gewalt tit dem aus fünf Mitgliedern 
beftehenden Regierungérat tibertragen, deſſen Brifi- 


Aareſtrup — Aargau. 


dent den Titel Landammann führt, während ſein 





Stellvertreter der Landſtatthalter iſt. Er wird vom 
Großen Rat gewählt, wie das aus neun Mitgliedern 


und | bejtehende Obergericht. Organe der Staatsgewalt 


find in jedem Bezirk der Besirfsamtmann und das 
Bezirlsgericht, beide durch die Gejamtheit der Bezirls 
einwobner gewablt. A. hat 11 Bezirke, 248 politiſche 
Gemeinden, bildet den 36., 37. und 38. Nationalrats- 
freis mit 10 Mandaten und gebdrt militdrifd jum 
5. Divifionstreis, in fatholifd-tirdlider Hinſicht jum 
Bistum Basel. Hauptitadt ijt Marau. Außer sahl- 
reidhen Gemeinde- und 29 Sefundaridulen bat der 
Ranton ein Lehrer- und ein Lehrerinnenfeminar und 
eine Rantonsjdule, beftehend aus Gymnafium, Ge- 
werbe- und Handelsidule. Das produftive Staatsver- 
migen betrug Ende 1898 an Altiven 21,883,030 Frank, 
an ‘Baffiven 2,827,350 Fr., alfo netto 19,055,680 Fr. 
Die Staatseinnahmen betrugen 3,403,162 Fr. Die 
Landesfarben find Schwarz, Blau. 

Geſchichte. Der A. war cine alte alemannifde 
Grafſchaft, die urſprünglich das ganze Gebiet zwiſchen 
Reuß und Mare umfaßie, aber durch dieLostrennung 
fleinerer Territorien allmählich geſchmälert wurde. 
Nad) dent Exldfchen des Grafenhauſes von Lenzburg 
a gehörte der A. den Habsburgern, bis ihn die 

idgenojjen auf Untrieb des Kaiſers Sieqmund und 
des Konſtanzer Konzils 1415 dem geiidteten Her 
Friedrich entriffen. Bern nahm den wejtliden T 
(Sofingen, Marburg, Marau, Lenzburg), Luzern den 
Süden (Surfee) und * den Ojten (Monauer 
Umt); das übrige, die Freidmter und die Grafidaft 
Baden, wurde als gemeine Herrfdaften von fieben, 
refp. adt Rantonen —— In der Reformation 
wurde der berniſche UW. reformiert, die Grafſchaft 
Baden paritdtifd; die Freiämter blieben fatholifd. 
Die Revolution erlöſte 1798 den A. aus feiner Unter- 
tanenftellung und wandelte den bernifden Teil in 
cinen Stanton A., die gemeinen Bogteien in cinen 
Kanton Baden um; der heutige Nanton, mit dem das 
im Liineviller Frieden (1801) von Oſterreich abgetre- 
tene Fridtal vereinigt wurde, entitand 1803 durd die 
Mediationsafte und blühte trog der fonfeffionellen 
Verſchiedenheit der einzelnen Landesteile auf. 1814 
rettete Der junge Nanton fein Dafein gegen die Herr- 
fchaftsgeliijte Berns; dagegen wurde die reprafen- 
tative Verfaſſung durd hohen Zenfus, lange Anits 
dauern u. dgl. in oligardifdem Sinn abgedndert, 
nad der Jultrevolution aber infolge des unblutigen 
Aufſtands vom 5.— 10. Des. 1830 demofratifiert (15. 
April 1831). Als durd cine am 5. Jan. 1841 vom 
Volle fanttionierte Verfaffungsrevifion der bisherige 


Grundſatz der Parität der Ronfeffionen, der den an 


Zahl ſchwächern Katholifen die gleide Zahl Vertreter 
im Groen Rate wie den Reformicrten fiderte, auf- 
gehoben und die Bertretung nad der Kopfzahl cin- 
geführt wurde, erhob ſich in den Freiämtern ein Auf⸗ 
ruhr, der indes von den Regierungstruppen nach dem 
Gefecht bet Villmergen (11. Jan.) raſch unterdrüdkt 
wurde. Infolge dieſes Aufſtandes beſchloß der Große 
Rat, die acht Klöſter des Kantons als Herde ded fon- 
feffionellen Haders aufzuheben und thr 6'/2 Mill. Fr. 
betragendes Vermogen fiir Schul⸗ und Armenzwecke 
ju verwenden (13. yan). Die hierin liegende Ber- 
letzung derim Bundesvertrag von 1815 ausgeſproche⸗ 
nen Rlojtergarantie gat su großer Uufrequng in der 
Eidgenoſſenſchaft un —— Verhandlungen 
in der Tagfagung Anlaß, deren Mehrheit fic 31. Aug. 
1843 mit Der Wiederherjtellung der vier Frauenflditer 
jufrieder gab, wabrend die nadmaligen Sonder- 


Aargletſcher 


bundskantone nad) wie vor auf der Herſtellung ſämt⸗ 
licher Klöſter beſtanden. Bon da an ftand der A. an 
der Spige dev antiflerifalen Bewegung in der Schweiz 
und jtellte 1844 auf der Tagiagung den Untrag aut 
Uusweifung der Yefuiten. Durd) die Verfajjungs- 
revijion vom 22. Febr. 1852 wurde dem Bolf das 
Recht der Ubberufung des Groen Rates gegeben, 
wovon es 1863 bei Anlaß der von der Behorde ge- 
planten Emangjipation der Yuden Gebraud madte; 
ferner ward durch zwei Bartialrevijionen vom 20. 
Sunt 1869 und 24. Upril 1870 die obligatoriſche Volls⸗ 
abſtimmung nicht mur über Geſetze, fondern aud) über 
die Steucranlage und das Budget auf je vier Jahre 
eingefiihrt. Da die Regierung nicht nur an allen 
Schritten der Solothurner Didsejanjtiinde gegen den 
Biſchof Lachat teilnahm (j. Schweiz), fondern aud) 
bie Mufhebung der Klöſter Hermetſchwil und Gnaden- 
thal fowie des Verenajtiftes Suryad) (16. Mat 1876) 
veranlaßte, verweigerten die Ultramontanen mit 
Hilfe einer reformierten Minderheit 1877 und 1878 
fonfequent jede Staatsſteuer. Die Verwirrung, in 
die der fantonale Haushalt dadurd geriet, zwang dic 
Barteien zur Annäherung, und durd) einen Kom— 
promiß zwiſchen den Ultramontanen und Liberalen 
fam eine Verfaſſungsreviſion gu ftande (23. Upril 
1885), durd) welde ben Behdrden der Bezug von 
Steucrn bis auf eine gewiſſe Hohe ohne Referendum 
bewilligt wurde. Val. Bronner, Der Kanton AL, 
hiſtoriſch, geo aphid, ſtatiſtiſch —— — 
1844—45, 2 Bde.); Miiller, Der WL, ſeine politiſche 
Redhts-, Kulture und Sittengefdidte (Zürich 1870, 
2¥Bdce.); Rod hols, Aargauer Weistiimer (daf.1877); 
»Die Redtsquellen des Panton’ A.« (Daf. 1898 ff.); 
»Argovia, Jahresſchrift der Hiſtor. Geſellſchaft des 
Rantons A.« (Aarau, feit 1860); »Tafdenbuch der 
Hijtor. Gefellfchaft des Rantons A.« (daf. 1896 ff.). 

Aargletider, zwei Gletider in den Berner Al— 
pen, die von der Finjteraarhornqruppe in das obere 
Haslital hinabjteiqen. Der Oberaargletfder, 
10,49 qkm, ijt cin 7 km flanger Talgletider zwiſchen 
Sidelhorn im S. und Scheuchzerhorn im N. Er endet 
in 2243 m Hohe. Der 39 qkm grofe Unteraar- 

letſcher bildet fic) aus den Firnen des Finſter- und 
Cauttraarboens und der Strahlegg ju einent 17 km 
langen Talgletidjer, deſſen Bunge 1879 m bod) liegt. 
Die WU. haben durch die naturwifjenfdaftliden Stu- | 
bien Hugis (1827) und Agaſſiz' (1840) ein erhöhtes 
Intereſſe gewonnen. 

Marhue (pr. or), dain. Amt im öſtlichen Teil der 
Halbinjel Diitland, 2483 qkm (45,1 OWL) groß mit 
(1901) 186,440 Cinw. Die gleidnamige Hauptitadt, 
an einer Bucht ded Kattegat, Knotenpuntt an der 
Staatsbahulinie Frederifshavn-BVambdrup, ijt Sik 
eines evangelijden Biſchofs und mehrerer Konſulate 
(darunter eines deutiden), hat eine ſchöne gotifde 
Dontfirdhe aus dem 13. Jahrh., ein Gynmafium, eine 
Vibliothef, cin Muſeum und 1901) 51,814 Eimw. Die 
Induſtrie erjtredt fic) befonders auf Cifengieherei, 
Baunwwollmanufaftur, Bierbraueret, Gpiritus- und 
Tabatfabrifation. Die Handelsflotte zählte 1899: 
72 Schijfe mit 4806 Ton. Im J. 1899 belief fich 
ber Umſatz in der ausländiſchen Schiffabrt auf 
277,491 &., in der inländiſchen auf 87,926 T. Die 
Cinfubr bejteht in Getreide und Futtermittein, Wein, 
Petroleum, Salz, Zucker, Tabaf, Manufaftur- und 
Rolonialwaren, Cijen, Holz und Steinfohlen, die 
Ausfuhr in Getreide, Vieb, Sped, Häuten, Butter, 
Eiern und Uujtern. Das Bistum in A. wurde ſchon 
um 951 von Raijer Otto J. errichtet. 








— Aaſen. 


Aarlen, belg. Stadt, ſ. Arlon. 
rmühle, ſchweizer. Ort, ſ. Interlaken. 

Aarö, Inſel im Kleinen Belt, zum preuß. Kreis 
Hadersleben gehörig, durch den 750m breiten Ward - 
ſund vom Feſtland getrennt, 11,32 qkm grok, mit 
270 Cinw.; nidt gu verwedfeln mit der däniſchen 
Inſel Werve (7. d.). 

Aaron, älteſter Sohn Umrams und der Jochebed, 
aus dent Stamm Levi, Bruder Mirjams und Mofes', 
defien Sprecher (bibliſch ⸗Mund, Prophet« ; 2. Mof. 
4, 14f.; 7, Lf.) bet Dem israelitiſchen Befreiungs- 
und Gefepgebungswert er war. Moſes iibertrug ibm 
die erblidje Hoheprieſterwürde, die er durch Unfer- 
tigung des goldenen Kalbes und Auflehnung gegen 

oſes (4. Moſ. 12, 1) verlegte. Bon feinen Eien 
Nadab, Ubihu, Eleafar und Ithamar ftarben die 
betden erjten wegen Pflidjtverlesung eines unnattir- 
lichen Todes (3. Moj. 10, 1). W. ftarb auf dem Berg 
Hor, wo man heute nod fein Grabgewölbe zeigt. 

Aaronsſtab, Naronswurygel, ſ. Arum. 

Was, die Leichname gejtorbener oder getiteter 
Tiere, die fchnell in Faulms übergehen und dadurd 
nicht nur lajtig, fondern aud) geſundheitsgefährlich 
werden finnen. Früher beqniigte man fid, das A. 
durch den Abdecker (f. d.) einſcharren zu lajjen; jest 
wird e3 häufig tedjnifd) verwertet. Das Fleifd) der 
Riere, die nidt an innern Krankheiten eingegangen 
jind, fann roh oder gefodjt an Sdweine, Hunde und 
Gefliigel verfiittert werden; Häute, Haare, Klauen 
und Hörner, Fett, Knochen finden die gewöhnliche 
Verwendung, Cingeweide und Fleifd werden zu 
Diinger verarbeitet. Für die Verarbeitung der Ka— 
daver, der Abfälle auf Schladthdfen rc. hat de la Croix 
in Untwerpen einen Wpparat (Rafilldesinfeftor) 
fonjtruiert, der durch Rietſchel und Henneberg in 
Deutſchland cingefiihrt wurde. In diejem und abn- 
lichen Upparaten (Podewils, Hartmann) werden die 
Maſſen unter Drud mit Dampf behandelt, und man 
qewinnt eine Leimmaſſe (Boneſize), die als Schlidte 
benutzt wird, außerdem Fett und trocdnen Diinger. 
Mad) dem Rinderpelt- und Viehſeuchengeſetz find die 
Radaver bei Milzbrand, Rinderpejt, Tollwut, Rog 
durch anhaltendes Rochen oder auf dhemifdem Weg 
unſchädlich zu maden oder nad) Begießen mit roher 
Rarbolfiure, Teer oder Petroleum im einer Entfer- 
nung von mindejtens 30 m von Gebiuden, 3m von 
Wegen und Gewäſſern fo tief gu vergraben, daz die 
Radaver unter dem Grubenrand mit einer 1 m boben 
Erdſchicht bedect find. Bal. Haefcke, Die techniſche 
BVerwertung von tieriſchen Kadavern rc. (Wien 1899) 
und Literatur bei ⸗Abfälle«. 

Aasblumen, Blumen, die durch ihren Aasgeruch 
Fliegen zur Bejtiubung anloden, wie Arazeen (Aram 
maculatum u. a.), Stapelien, Ordideen (3. B. Bol- 
bophyllum Beccarii) u. a. Bgl. Fliegenblumen. 

afen (pr. dſenn, Jar Undreas, norweg. Didter 

und Spracforjder, geb. 1813 auf Sindmore, gejt. 
25. Sept. 1896 in Chrijtiania, gab als Hauslebrer 
eine »Sondmoersk-Flora« mit norwegijden Blumen- 
namen heraus, widmete fic) Dent Sammeln und Stu- 
dium der Volksdialette (feit 1851 mit Staatsjtipen- 
dium) und bildete Daraus Das »Landsmaal« (>Lan- 
desfprade«). Seine Werfe dariiber find: » Det norske 
Folkesprogs Grammatik« (1848; 2. Aufl. als » Norsk 
Grammatik«,1864); »Ordbog over det norske Folke- 
sprog« (1850; neue Ausg. unter dem Titel » Norsk 
Ordbog med dansk Forklaring«, 1873; al8 Beigabe 
Relapse dazu erſchien 1890 —92 dad » Norsk Ord- 
og« von Hans Rojs); »Norske Ordsproge« (»Ror- 


19 Aasfliege — Abalard. 


wegiſches Zprichwõrter⸗Lexilon · 2. Anil. 1861) ſowie Dralel des Apollon. Der Tempel ward erit von Xerres. 
bie Gedidhtiammiung »Symra« ¶ ·Fruhlingsblume · | Dann 346 v. Chr. vom den Thebanern im Heiligen 
5. Muff. 1875) und bas Drama »Ervingen< (»€rbe«, | Rriege seritdrt, {pater pon Hadrian wieder aufgebaut. 
6. Wufl. 1996) in Landsmaal. Ruinen ber Exarchos. 

UAasfliege , ſ. Fliegen. Ababde, den Bedida (7. d.) verwandter Volls⸗ 

MAasjager, cin Menſch, der alles ſchiet, was ihm jtamm in OCberagypten, Senaar und Taffa, 40,000 
vor bas Gewehr fommt, fetne Schonzeit adjtet, Mutter- | Köpfe jtart. Sie ſind als Wüſtenführer regelmäßig 
yg tom gee! ——— —— und zeichnen ſich durch Ehrlichkeit aus; 

Aaskafer (Silphidae Leach), Familie der Kãfer teils ſeßhaft, treiben jie Aderbau. Koblendrennen und 
iit meift elighederigen, feulenformigen Fiblern und Sammetn von BWiijtendrogen, die in den Stadten des 
ben Hinlerleib meijt ganz bededenden, felten abgeſtutz⸗ Riltals Uniaifigen aud) Handwert und Handel. 
ten Flügeldeclen. Dieca. 300 Urten finden fid vorzugs- Wbady, Fleden, ſ. Abbach. 
weife in ber gemäßigten Zone, einige augenloje in, Abaco, cine von den Bahamainiein (ij. d.). 
Hohlen (Leptoderus). Sie laufen febr fdjnell, fliegen’ Abaco, Evarijta Felice Dall’, Rompontit, geb. 
gern und geben in Gefahr eine ftinfende Flüſſigkeit 12. uli 1675 in Berona, geit. 12. Juli 1742 in Miin- 
aus dem After. Sie leben von Was oder legen dod | chen als Rammerfonjzertmetiter und kurfürſtlicher Rat, 
barin ihre Gier ab; aud) fudjen fie faulende Vege⸗ war einer der gediegeniten Snitrumentalfomponiitert 
tabilien, beſonders Pilze, auf; einige verjehren aud) jeiner Beit, deen ¢ (Op. 1—6, Kammer⸗ und 
lebendDe Schneclen und Ynfeften oder legen ihre Eier Rirdenjonaten, -Trios und -Ronjerte) um 1705 —30 
darin ab. Die Larven tind langlid) oder oval, meift | tim Drud erfdienen. Eine Auswahl derielben enthalt 
abgeflacht, mit einem alé Nachſchieber voritiilpbaren | der 1. Bd. der · Dentmaler der Tontunit in Bayern« 
Witer. Der A. (Silpha atrata Leach, jf. Tafel »sLand-| WbAad (perj.), Stadt. [(Qeips. 1900). 
wiriſchaftliche Schadlinge I+), 11 mm lang, ſchwarz., Abaddon (hebr., »Berderben, Untergang«). didp- 
mit Drei erhabenen LangSlinien auf den punttierten | teriſche Bezeichnung (Hiob 26, 6) fiir Totenreidh, Un- 
Flügeldeden, legt ſeine Eier unter moderndes Laub | terwelt (Scheol), nad rabbiniiden Sagen die tiefite 
ober in Die Erbe; die glänzend ſchwarze, unten weiße Holle; in der Offenbarung Johannis (9, 11) Rame 


Larve frifjt, wie bie von 8. opaca L., junge Runtel: | 
ritbenpflanjen und ridtet bisweilen großen Schaden 
an. Sie verpuppt fic tief in der Erde. Der Toten- 
qraber (Necrophorus vespillo Z.), 17,5 mm lang, 
mit fajt freisrundem, goldgelb behaartem Thorar 
und zwei orangefarbenen Binden auf den abgejtugten, 
ſchwarzen Flügeldecken, begräbt Mas, indem er dic | 
(Erde unter Demfelben fortidafft. In das begrabene | 
Was legt dad Weibchen feine Cier. Die Larve nährt 
ſich wie der Kafer von verwefenden tierifden Sub- 
ſtanzen und verpuppt fid) unter der Erde. 
Sfrahe, dic Raben- und Nebelkrähe. 

Aaspflanze, ſ. Stapelia. 

Aasporen, ſchwere Form der Schafpoden (j. d.). 

Aasicite, die innere (Fleifdh-) Seite von Fellen. 

Mastiere, von Was lebende Tiere, die namentlid 
in heißen Landern viel sur Befeitigung des Aaſes bei- 
tragen, wie Schafale, Hyänen, Geter, Voter x, Dann 
aud) Hatten, Spitzmäuſe, Haie, Weißfiſche, Krebſe, 
VWaslifer, Aasfliegen ꝛc., Witrmer rr. 

Matai, ſ. Glatt 2). 

Mb (alfyr. U-bu), in der affyrifdh - babylonifden 
Jeit Der Name eines Monats, bei den Yuden feit der 
babylonifdjen Gefangenfdaft der elfte Monat des 
bilrgerliden Jahres, in unfern Juli und Auguſt fal- 
fend. Am 9. Wb wurde 586 v. Chr. und 70 n. Chr. der 
Tempel der Yuden und 135 n. Chr. ihr und ibres Feld- 
herrn Bar Kochba letztes Bollwerf, die Feſte Bethar, 
— Der 15. Ab iſt wegen froher geſchichtlicher 
Ereiguifie Freudentag (chamischa assar b'Ab). 

(perf.), Waffer. 

Wb (faufm.), ab dort (genommen), ab hier (qe 
nommen), f. Fret ab. 

Aba (Ubaje, Ubbajel, auf der Sinaihalbinfel 
Ghaſiz, in Nubien WHE, in den Gallalandern 
Woyaja), braune Tider aus Baunnwolle, Kamel: 
oder Hieqenhaar, werden im Orient als drmellofer 
Rod Betvagen und jum BVerpaden von Tabat benugt. 

Aba, uralted ungar. Geſchlecht, dem aud) König 
WU. Samuel (1041 --44; val. Randra, A. Samuel, 
Wudap. 1891) entftammte; ſ. Ungarn (Gefdidte). 

Mba, im Ultertum Stadt im ny der griech. Land 
ſchaft Phokis, mit einem Heiligtum und berithmtem 





des oberjten der Teufel und ſeiner Scharen. 

Abadiden (Abadzen), Bolf, ſ. Tſcherkeſſen. 

Abai, Strom in Äbeſſinien, der Oberlauf des 
Blauen Nils (. Abeſſinien und Mil). 

Abaka, ſoviel wie Manilahanf. 

Abaka, afrikan. Volk, ſ. Mittu. 

Abakaniſche Verge, ſüdlicher Teil des Kusnez⸗ 
liſchen Ulatau (f. d.). 

Abafanff, Stadt im ſibir. Gouv. Jeniſſeiſt, am 
Abakan (linfer Nebenfluß des Jeniſſei), durch Pa— 
liſaden befeſtigt, hat 2000 Einw., worunter viele 
Verwieſene. Yn der Umgegend alte Grabhügel (»Gra- 
ber der Li Katai«) mit Urnen, Goldſchmuck und an- 
dern WMetallzeraten. A. wurde von Peter d. Gr. 1707 
als Fort angelegt. 

Abakus (lat., gried). abax, » Tafel, Platte<), bei 
Grieden und Römern eine Tafel oder Brett zum 
Wiirfein, zum Aufzählen der 
Redhenjteine bei Aufſtellung 
einer Redynung und jum 
Aufzeichnen mathematijder 
Figuren. Qn der Baukunſt 
ijt UW. die Decfplatte (a b) 
eines Säulenkapitäls als 
Verbindungsglied zwiſchen 
dieſem und dem das Auf— 
lager bildenden Gebälk. Der 
U. ijt bei der doriſchen, ioniſchen und toskaniſchen 
Säule quadratifd mit qeraden Seitenflaiden. Bei der 
forinthifden und römiſchen Saule werden die Seiten- 
flichen des A. eingezogen und die Eden abgeſtumpft. 
A. bedeutet auch Tiſchplatte. 

Abalard (WUbeilard, Ubeillard, Whélard, 
lat. Abaelardus), Peter, ſcholaſtiſcher Ehilofoph und 
Theolog, der kühnſte Denker des 12. Jahrh., geb. 
1079 in dem Flecen Balet oder Palais unweit Nan- 
te8 (Daher Doctor Palatinus), gejt. 21. April 1142 in 
der Briorei St. Marcellus bet Ehalon. Er jtudierte 
ju Baris, nadbem er vorher ſchon Roscelins Schü— 
ler gewefen war. Durd) die Bekämpfung des fogen. 
Realigmus verfeindete er ſich mit feinem Lehrer Wil 
helm von Champeaur, der fic) zuletzt fiir iberwunden 
erflairen mute. Wis Lehrer Der Draleftif, fpater aud 





ab Abakus. 


Abalienation 


ber Theologie, zuerſt in Melun, dann in Corbeil, bier- 
auf ju Baris auf dem Berge Ste. Genevieve und in 
der Pathebratidjule, zog er durd) die Kunſt feines 
Bortrags fowie durd dte Richtung feiner Theologie 
eine aukerordentlid) große Zahl von Schülern aus 
allen Ländern an. Befannt ijt feine Liebe gu He- 
loiſe, deren Oheim, der Ranonifus Fulbert, felbjt ign 
in fein Haus als Lehrer ſeiner Nichte aufnahm. A., ob- 
leid) bereits 38 Jahre alt, entbrannte heftig für das 
dine und geijtreide 17 jährige Madden und fand 
die glühendſte Erwiderung feiner Leidenfdajt. Er 
entfithrte die Geliebte nad) der Bretagne, wo fie im 
Haufe feiner Schwejter einen Sohn aan und nad) 
dem er fid) mit Helvife vermählt hatte, fehrte diefe in 
das Haus des Oheims guriid; leugnete aber die Che, 
um YW. an der Erlangung firdhlicder Würden nidt 
——— zu werden. Darüber erbittert, ließ Fulbert 
. iberfallen und entmannen. Tief gebeugt durch 
diefe Schmach, barg fid) U. als Mind) in der Abtei 
St.-Denis und bewog aud) Heloife, in Urgenteuil den 
Schleier zu nehmen, ting felbjt jedod) bald wieder an, 
ju lehren. Yn dem Streit iiber die allgemeinen Be- 
qrijfe (universalia) wanbdte er fid) mehr Dem Nomi— 
naligmus ju, indem er Dieje Begriffe nur fiir fubjet- 
tive Zuſammenfaſſungen, conceptus mentis (daber 
wird feine Lehre Konzeptualismus genannt), anfab. 
In der Theologie vertrat er offen die rationalijtijde 
Richtung, indem er den firdliden Glauben auf all- 
emcine Bernunjtpringipien zurückzuführen fudte. 
ie Freiheit des Willens faßte er als Grundlage der 
Sittenlehre; wie nur aus ihr die Zurechnungsfähig— 
feit ber Handlung hervorgehe, fo lehrte er, Dak auch 
nur die aus ihr hervorgebende Reue und Buje feli 
maden fonnten. Die Synode ju Soijjons (1121) 
erflirte feine Anſichten über die Dreieinigfeit fiir ketze 
rijd) und verurteilte ifn zur —— im Softer 
St.-Meédard. Der päpſtliche Leqat hob dieſe Strafe 
auf, und A. kehrte nad) St.-Denis guriid, verließ aber 
nad) einiger Zeit diefes Rlojter und erbaute gu Nogent 
an der Seine eine Rapelle und Klauſe, Baraflet ge- 
nannt, bie er nad) feiner Ernennung jum Abt von 
St.- Gilbas-de-Ruys in der Bretagne Heloifen und 
ihren Religiofen zur Wohnung tiberlieh. Der Wot 
ilhelm von St.-Thierry erneuerte die Beſchuldigung 
Der Ketzerei gegen die Schriften Ubilards, und die 
Gegner bradten ¢3 dabin, daß das Konzil gu Sens 
1140) und, als YW. an den Papſt appellierte, Papſt 
noceng IT. feine Lehre verdammten. Peter der Ehr- 
wiirdige, Ubt ju Chigny, ſöhnte A., nachdem er feine 
Trinitats- und Erldfungstheorie widerrufen, mit fei- 
nen Feinden aus. A. lebte hicrauf, ein Muſter klöſter— 
lider Zucht, rubig gu Clugny. Als er ſchwer erfranft 
war, lief ihn Peter nad der Priorei St. Marcellus 
bei —* bringen, wo er bald darauf ſtarb. He- 
loiſe, die thm erjt 17. Mir; 1163 im Tode folgte, erbat 
fic den Leichnam und lich ihn im Parallet beqraben. 
Beider Ufde wurde 1808 in das Muſeum der fran- 
zöſiſchen Denkmäler nad Paris gebradt und 1817 in 
cinem eigen’ dazu erbauten Grabmal auf dem Rird- 
hof Pere -Ladaife beigefest. Abälards lateinifde 
Schriften und Briefe hat Wmboife —— und 
Duchesne (Par. 1616), zuletzt Coufin (daj. 1849—59, 
2 Bde.) herausgegeben. Jn Mignes » Patrologiae 
cursus completus«, latein. Ubteilung, fiillen fie Den 
178. Band. Die bedeutendjten von feinen Werlen find: 
»Introductio in theologiam«, die Ethif: »Scito te 
ipsum«, » Dialogus inter Philosophum, Judaeum et 
Christianum < (hr8q. von Rheinwald, Beri.1831), »Sic 
et none, cine Sammlung dogmatiſcher Widerſprüche 





— Abandon. 11 


der Kirchenväter, zuerſt von Couſin (Rar. 1836), dann 
vollſtändig herausgegeben von Henke und Lindenkohl 
(Marburg 1851). Sein Leben Hat W. felbjt in der 
» Historia calamitatum mearum« befdjrieben. Bal. 
Rémufat, Abélard (Par. 1845, 2 Bde.); Deutſch, 
Peter U., ein kritiſcher Theolog (Leip;. 1883); Car- 
riere, U. und Heloife, ihre Briefe und Leidensgeidichte 
(2. Unfl., Giek. 1853); Dausrath, Peter W. (Leip. 
1893); ‘Bicavet, A. et Alexandre de Hales créa- 
teurs de la méthode scolastique (Bar. 1896). 
Wbalienation (lat.), ſ. Veräußerung. 
Abaligẽter Höhle, aud Paplika (Pfajfenlod) 
enannt, mte Stalaktitenhöhle beim Dorf YU ba- 
iget tm ungar. Romitat Baranya, nordiweftlid von 
Finitirden, bejteht aus einer */s m hod) mit Waſſer 
gefiillten Eingangshshle und einem 950 m langen 
Saal mit den herrlidjten Tropfiteingebilden. Sie 
wurde erjt 1768 näher befannt, allein in Felfen ge- 
hauene Stufen, Mauerrejte, Menſchen- und Tier- 
knochen fowie eine römiſche Urnenbegribnisititte be- 
weiſen, daß die Höhle fon in alten Zeiten bewohnt 
wurde. 5 kin öſtlich bei Manfa befindet fic) cine zweite 
ähnliche Höhle, »Siralylifa« (Königshöhle) genannt. 
—— Die U. H. (Wien 1864). 
ballino, der große Bandit, Titel eines Ro- 
mans und eines danach gearbeiteten Trauer[piels von 
Heinrich) Zſcholle (f. d.). 
Abalus, cine von Plinius u. a. erwähnte Bern: 
jteininfel der Ulten, wahrſcheinlich das Gamland. 
Abändern (abarten, variieren), das Ent. 
ftehen von Ubweidungen in Form, Größe, Bau, Fär—⸗ 
bung xc. bei Pflangen und Tieren durch Cinwirfung 
innerer oder duerer, teils von der Natur gegebener, 
teils fiinftlid) geſchaffener Verhaltnijje. Uber jprung- 
** A. (Mutieren) ſ. Mutationstheorie. 
banderungsantrag, ſ. Amendement. 
Abandon (franz., ſor. abanghong Abtretung, Wuf- 
abe, Verzicht), ein ſeerechtlicher Ausdruck mit ver- 
chiedener Bedeutung. Das deutſche gan a 
braud)t die Bezeichnung U. nur in $861 und bezeichnet 
damit das Redht des iderten, in bejtimmten Fal- 
len gegen Ubtretung der in Anſehung des verjiderten 
— * ihm zuſtehenden Rechte die Zahlung 
der vollen ———— zu verlangen. Dieſe 
Fälle find: 1) Verſchollenheit des Schiffes, dD. h. wenn 
ein Schiff nad Untritt feiner Reife innerhalb einer 
bejtimmten Frift weder feinen Beſtimmungshafen er- 
reidjt hat, nod) den Beteiliqten Nachridten über das- 
felbe zugegangen find; 2) Embargo, dD. h. eine vont 
Staat ausgehende Beſchlagnahme oder Feſthaltung 
eines Schiffes ; 3) Uufbringung, d. h. Wegnahme durd) 
eine friegfiihrende Macht; 4) Unhaltung durd) Ver- 
fügung von hoher Hand; 5) Weqnahme durd) See- 
rauber. Bei den Fallen unter 2) mit 4) hat die 3ah- 
lung jedod) nur zu erfolgen, wenn nicht innerhalb 
einer bejtimmten Friſt Freiqabe erfolgt. Die Whandon- 
erflirung muß dem Verſicherer innerhalb der YWban- 
donfrijt zugehen, muß ohne Bedingung erfolgen, fic 
auf den ganzen verſicherten Gegenjtand erjtreden und 
ijt unwiderruflid. Unf Verlangen hat der Verſicherte 
dem Verſicherer einen Ubandonrevers zu erteilen, d. h. 
eine öffentlich beglaubigte Anerkennungsurkunde dar- 
über, daß ſämtliche Rechte des Verſicherten durch die 
Abandonerklärung auf den Verſicherer übergegangen 
ſind. Die Zahlung der Verſicherungsſumme erfolgt 
erſt nach — des A. durch entſprechende 
Urkunden und nad Ablauf einer angemeſſenen Prü— 
fungsfriſt. Bgl. § 861 mit 871 des Handelsgeſetz⸗ 
buds. — Außerdem fommt die Bezeichnung W. nod 


12 Abandonnieren — Abbach. 


—————————————— a) Bet beitimmten großen Abart, i. Art. Abarten, ĩ. Abandern. 
LExtermefurampen fanm jeder Ditreeder , bat, ha vom — ee ,ruff.Staats- 
——— —— von mann, geb. 5. 1821 6. Febr. 1895 m Nijzza, 
sex Jubutpticdt befreien, wenn ex binnen drei Tagen beforderte die es Sills Wie canbeas Wieranders I. Er war 
murteis gerichticcher oder notariciler Erflarung feme coms Storer 1800 6b —— 
SaoRsparten (i. d.) preisgibt (§ 501 bes Handels von 1882—93 Prifident der dritten Abtetlung des 
— ). by Rad Emmtritt eines Unfalls hat der Reichsrats 5, Stonisictretae und 1892 einige Rett Beii- 
bas Recht, durch Jablung der vollen Ber- ſident des WMuniiterrates. 
* — teak er ſich vonalln Abascal, —— Marques dela 
aus dem 


‘Concordia, geb. 1743 in Oviedo, geft. 30. Juni 1821 

— ($ 541 bes Handelsgefepbuchs). ¢) Benn im Madrid, trat 1762 im fpaniichen Heeresdienft, 
— —— — — murbe 1796 Gouvemnesr vom Guba und 1804 

wabrend der Retic fonig von Peru. Er blied beim Wbfall der Rolonien 

en ſind, fo a fag ay chter — —— — — 

fiir bie Fracht und feine übrigen en Sampfe gegen Napoleon mit Geld und Sriegsmittetn, 


Statt dberiaten(s 616bee Sanbeagcey | | regierte aber fonit fait ſelbſtandig. Indem er die bis- 


aatia une das Recht eines Schuldners, poh ss wann er das Sertrauen der Beruaner. FHibrend der 
fiber ben Yinipriichen der Glaubiger nur unter wolf Sabre —— Verwaltung (bts 1816) war Rube 
idrantung auf ein Sondergut haftet, fich Durch Hi m Peru; den Aufſtãndiſchen m Buenos Wires, Chile 
bes Sonderguts von jeder weitern Verantwortlidfeit _ und Neu — 8 A. vielfach nut Erfolg entgegen. 

zu befreien. Bgl. Burchard, Art. A. in Baumgart⸗ —— (ari ), Unvermigen, ju geben, oft ver- 


a »Hanbdworterbud ded gefamten Verſi bunden mit . dem — zu ſtehen 

wejens< (Straßb. 1698); Boyens, Das deutſche —— — leg Bases ec €mpfindung, 

Seerecht, Bd. 2 (Leip; 1901). motorifder Str — der — 
Abaudonnieren (fran}., jor. changd⸗), a eben, Bewegungen ber eine, fommt bei 

veriafjen (val. bas bei ⸗· Abandon · Gefagte). Außer⸗ und berubt auf Billensidimade, be}. 

bem fpridjt man nod) von a., 1) wenn agen Schiffs- Durd Cajcad bel plophder Retwesbigtel —— 

mann im Auslande durch ſeinen Schiffer ohne Ge “ober eqeniiber energifdem fremden Willen ver- 





nehmiqung des Seemannsamts juriidgelafjen wird ſchwindet der Zuſtand, fehrt aber zuweilen bet ſchäd⸗ 
($71 der Deutichen Seemannsordnung) ; 2) wenn ein | lider Untofuggeition oder Shwadung der Willens⸗ 
Schiff auf offener See oder an fremder Küſte von | | fraft Durd alls »liebevolle« —— 
Schiffer und Mannſchaft verlaſſen wird. Abafiner (Abaſa), Berqvolf in den Mreijen Mai- 
Abano Bagni jor. cdanodannji), Marktfleden inder | fop und Batalpaſchinſt der ruſſiſch-kaukaſ. Proving 
—— Proving und dem Dijtrift Radua, am Fuß der | Kuban. Sie find verwandt mit den Abchaſen (ſ. d.). 
aneiſchen Hügel und an der Eiſenbahn Padua- Abaffi (Mbbafy, ——— perſ. Gewicht von 
— —— 5 Sibr, als Münze = 1 türk. Piaſter — 4 Schahis; 
beriifmt durch ſeine ſchon den Römern als Fons Aponi Rechnun Fy in atin. = "14 Tilla. Qu Ruf 
oder Aquae Patavinae befannten Thermen (gips⸗ land wee es in Georgien) Scheidemünze von 20 


haltige Kochſalzquellen von 37-—83"), die aus dem bbate, ital). f. Ubbé. {Ropefen. 
Monte Irone entipringen und neun Badeanjtalten —*—— franz., fpr. aba⸗ qur), Fenſter mit 2* 
A⸗bautu, Vodlfer, ſ. Bantu. verſehen. —— — (Seller-, Gefingnisfeniter); Ober: 


Mbarbanel Abravaneh, Iſal ben — licht, Gewölbfenſter nad unten wirkender Lichtrefleltor 
geb. 1447 in Liſſabon, geft. 1508 in Venedig, der be- Abatmen, das Ausglühen der pordjen Rapellen, 
riihmtefte Sproß eines vornehmen jiidiiden Geſchlechts auf welden “erst fag Blei abgetrieben wird. 
in Spanien. Sein Wiſſen, fein Reidhtum und fein | baton, das von Artemiſia. Konigin von Rarien, 
Charafter qewannen ihm die Gunſt Ulfons’ V., Rd- | nad Petriegung der Inſel Rhodos erridtete Sieges- 
nigs von Portugal. Wis 1481 Johann IT. ben Her⸗ zeichen, von den Rhodiern fpiter iiberbaut und un- 
yea Ferdinand von Braganja aufheben liek, ward | ;ugdnglich gemacht. Auch heißt A. das mit Vorhangen 
als WMitveridworer ang ata und mufte nad Ka⸗ verſch —— Chor, das Allerheiligſte in den griechi 
ftilien fliehen, wo er ſich in Toledo literariſch beſchäf- ſchen Kirche 
tiqte. Bon 1484 bis — Vertreibung der Juden aus — (franj., fpr. dbatt’mang), ſ. Defort. 
Spanien (1492) war U. am Hofe Ferdinands des Ka-| Wbanj-Torna (jor. dda-nj-), Komitat im norddft- 
tholifden deri rae 1493 fam er nad Reapel, | lidhen Ungarn, am rechten Theifjufer (die 1881 ver- 
woſelbſt ifn Ferdinand L und Alfons II. bepiin{tige cinigten Romitate Ubauj und Torna), grenzt an die 
ten, fliidytete aber vor Karl VIII. nad Ben Romitate Gömör, Zips, Saͤros, Remplin und Borjod, 
warb in Padua beqraben. Er ſchrieb Bibelerflarun: | ijt 3260 qkm (59,2 OM.) fine und bat (1900) 192,258 
gen und oo ilofophifde Urbeiten (Rommentar | Einw., darunter 62 Proz. Ungarn, daneben Slowaten 
ju Maimonides’ » More, fleinere ſelbſtändige Schrif- | (in ben Bergen) und tein aud Deutiche. 
ten u.a.). Iſals Altefter Sohn, JudaLeon(Leo| Abazes, ſ. Uba 
Hebrius), Yrst und ——— Freund des Pico Wbba —eS »Vater«), in jüdiſchen und 
von Mirandola, verfaßte das einſt vielgeleſene und in altchriſtlichen Gebeten Unrede an Gott (J. Jeſus Chri- 
verſchiedene Sprachen —— te Bud »Dialoghi di ſtus), dann in morgenländiſchen Kirchen Titel der 
amore«(Ront1535 u.b.). Val Jim mels, Leo Hebriius, Biſchöfe und Patriarchen. 
ein judiſcher Bhilofoph der be (Breal. 1886).| Abbach (YW bac), Heden im bayr. Regbez. Nieder- 
UAbarim, wn Witertum Name des Gebirges von bayern, Bezirklsamt Kelheim, an der Donau und der 
ga (Palajtina), dftlid) vom Toten Meer. Voneinem | Staatsbahntinie Regensbur Augsburg. bat eine 
po des Pisga genannten nördlichen Teiles ded- | ſchöne fath. Kirche, Steinbriidhe, Wollſpinnerei und 
felben (Nebo) Uberſchaute Mofes das Gelobte Land. | (1900) 1188 Einw. Die Heinridsburg, Geburts- 





Abbad ef Motadid — Abbas. 


jtatte Kaiſer Heinrichs V., liegt bid auf den mächti— 
en Wartturm jest in Triimmern. Das Wildbad 
tft cine falte alkaliſch⸗muriatiſche Schwefelquelle, die 
pegen Wicht, Rheumatismus, Hautfranfheiten, Uterus: 
ident 2c. gebraudt wird. Im naben Oberndorf 
ward 1209 Otto von Wittelsbach durd) Kalatin von 
gr tp erſchlagen. 
bbad ef Motadid, ſ. Abbadiden. 

Abbadiden (Abaditen), arab. Dynaſtie, die 
1023— 91 zu Sevilla herrſchte. Gründer derſelben 
war Mohammed aus dem Hauſe der Abbäd, der 
al8 Radi von Sevilla beim Zujammenbrud des Kali- 
fats von Cordoba an die Spige der Stadt trat. Er 
und fein Sohn UbHbHAd el Motadid, der nach ihm 
1042 -69 regierte, unterwarfen eine Anzahl der be- 
nadbarten muslimifden Kleinſtaaten und bradten 
Sevilla sur hichjten Bliite. Ubbads Sohn ef Mota- 
mid (1069 —91) befeste 1070 nod) Cordoba, geriet 
aber durch die Fortidhritte der Chrijten unter Ulfons VI. 
in Bedriingnis. Der von ihm gu Hilfe qerufene Ulmo- 
ravide (ſ. d.) Juſuf ibn —2 von Marolko ſchlug 
Alfons bei Salldfa (23. Oft. 1086), beraubte aber 
1091, wie die iibrigen Emire, fo aud) den Motamid 
der Herrſchaft. Motamid war ein Freund der Künſte 
und Wiſſenſchaften und felbjt cin bedeutender Didter. 
Val. Dozy, Historia Abbadidarum (Leiden 1846— 
1863, 3 Bde.); Derfelbe, Histoire des Musulmans 
d’Espagne, Bd. 4 (daf. 1861; deutſch, Leipz. 1874). 

Abbadie, Antoine d', franj. Reifender, geb. 
1810 in Dublin, gett 19. März 1897 auf feinem 
Schloß Abbadia in den Pyrenäen, wurde mit feinent 
jlingern Bruder, Urnauld d'A. ged. 1815, in Frank⸗ 
aa erzogen, unternahm cine Reife nad) Brafilien 
und nut jeinem Bruder 1837— 48 die Erforfdung 
Ubeffiniens, aud) der Damals wenig befannten fiid- 
lidjen Landjdaften Enarea und Raffa. Ihre Reiſe 
war mit vielfacen Schwierigfeiten verknüpft; aud 
wurden jie in politifde Umtriebe und in den Sturz 
der fatholijden Miſſionare ju Adua verwidelt. Mit 
reidjen wiſſenſchaftlichen Schagen aller Urt, zahlreichen 
altathiopijden Manuſkripten und Bofabularien fehr- 
ten fie nad) Frankreich zurück. Den zuſammenfaſſen— 
den Reijebericht lieferte Urnauld d'A. in feinem Werk 
»Douze ans dans la Haute-Ethiopie« (Rar. 1868, 
Bd. 1). Untoine, der bedeutendere der beiden Bril- 
der, feit 1867 Dtitglied der Ufademie, veröffent— 
lichte außer jerjtreuten Aufſätzen: »Catalogue rai- 
sonné des manuscrits éthiopiens« (Bar. 1859); 
»Géodésie d’Ethiopie« (1860 —73); » Observations 
relatives à la physique du globe faites au Brésil 
et en Ethiopie« (1873); » Dictionnaire de la langue 
Amarinna« (1881); von der »Géographie de l’Ethio- 
pie: ce que j'ai entendu, etc.«, einer bunten Zu— 
ſammenſtellung von Mitteilungen der Cingebornen, 
Nachrichten andrer Reifender rc., erſchien nur der erjte 
Band (1890). Sein Vermögen und die auf feinem 
Schloß erridtete Privatiternwarte vermadte er der 
franzöſiſchen Alademie. 

bbadöna, in Klopſtocks »Meſſias« cin Teufel, 
der den Abfall von Gott bereut und ſchließlich beim 
— begnadigt wird. 

Abba Garima, Ort in der abeſſin. Landſchaft 
Tigré, 9km öſtlich von Udua, Mittelpuntt der Schlacht 
von Adua oder W., in der am 1. März 1896 die 
Italiener eine vernidtende Niederlage durch die Abeſ⸗ 
finier erlitten ft Ubejjinien). 

ſ. Uba. 

MAbbafen, dic Ranten cines Fahrwaſſers mit Ba- 

fen bezeichnen. 


13 


Abbalzen, die Balzzeit der Waldhiihner und Fa- 
janen beenden. 

Abbas (jpr. adsag), 1) OHeim Mohammeds, geboren 
um 570 n. Chr. in Meffa, gejtorben um 652 in Medina, 
ſchloß fic) erjt furz vor der Eroberung Mekfas (Un- 
fang 630) der Gadhe feines Neffen an, genoß aber 
troßdem als Oheim des Propheten das größte An— 
ſehen. Infolgedeſſen vermochten ſeine Nachkommen, 
die Abbaſiden (ſ. Kalifen) den Verfall des Omai- 
jaden Kalifats fiir ſich auszunutzen und ſich 750 der 
Herrſchaft zu bemächtigen. Ihr Regierungsſitz war 
ſeit 763 das von ihnen gegründete Bagdad. Seit der 
Mitte des 9. Jahrh. wurde ihre weltliche Madt mehr 
und mehr beſchränkt, ftellenweije ganz aufgehoben; 
al Oberhiuptern der Religion blieb ihnen einiger 
geijtlider Cinfluj, vermige dejjen fie es Ende des 
12. Jahrh. wieder zur unmittelbaren Herrſchaft über 
Bagdad und Umgegend bradten. Dieſer madte 1258 

| die Croberung Bagdads durd die Mongolen ein Ende. 
| Einige Mitglieder der Familie retteten ſich nad Syrien 
und wurden von bier nad Ugypten qebradt, deffen 
| Sultane ihren Nachlommen den Ralifentitel bis zur 
Eroberung des Landes durd) die Tiirfen (1517) ge- 
laſſen haben. Bal. Weil, Geſchichte der Kalifen 
| (Bd. 1—3, Mannh. 1846 —51; Bd. 4—5, Stuttg. 
1860 — 62). 

2) U. J., der Groke, Schah von Perſien, geb. um 
1557, geſt. 1629, Sohn des Schahs Mohammed Cho- 
dabende, aus der Dynaſtie der Sefewiden, wurde im 
Laufe der innern Wirren, die gu Ende der Regierungs- 
zeit feines Vaters Perjien veriwiijteten, von der Pro- 
ving Chorajfan jum Herrſcher ausgerufen und 309 
fiegreid) 1586 in der Hauptitadt Kaswin cin. Ge- 
ſchickt befeitigte er die allzu mächtig qewordenen Ba- 
fallen und ſchuf durch cine neue Heeresorganifation 
cine zuverläſſige Armee. Mit ihrer Hilfe vertvich er 
1597 die Osbegen aus Choraſan, nabm den Tiirfen 
Ujerbeidfdan, Schirwan und Georgien wieder ab 
(1603— 1607) und eroberte 1623 fogar Bagdad. Jur 
Bunde mit den Engländern jerjtdrte er 1622 die blii- 
hende portugiejifde Rolonie Ormus; dod) jdheiterten 
feine Verjude, den Seehandel felbft in die Hand zu 
nehinen. Wahrend er die Sunniten grauſam verfolgte, 
| zeigte er fid) gegen die Chrijten tolerant. Er ſchmüdte 
das von ihm zur Reſidenz erhobene Ispahan und 

andre Städte mit Bradtbauten, belebte den Verkehr 

durch Unlage von Straßen und Karawanjeraien und 

brachte hierdurch wie durch die energiſche Herjtellung 
der öffentlichen Ordnung das Land zu großer Bliite. — 
Sein Urenfel A. II. 1642-—67, gewann Kandahar 
von den indifden Mongolen zurück, verfiel aber bald 
dem Trunf und andern Wusfdhweifungen, fo dah er 
weiterhin wenig leijtete. Den Europäern bewies er 
ſich fehr geneigt. — Der lepte Herrſcher aus der Dy- 
naftie der GSeewiden, U. II., Sohn des Schahs 
Tahmasp I., wurde 1732 von dem faktiſch herrſchen⸗ 
den Oberjeldherrn Tahmasp Kuli Chan auf den Thron 
erhoben, ftarb aber ſchon 1736. J 

Abbas Paſcha, Statthalter von Agypten, Sohn 
von Mehemed Alis jung verjtorbenem Sohne Tufun 
undeciner arabifden Beduinin, geb. 1813 zu Dſchiddah 
in Hidſchas, geſt. 13. Juli 1854. Jn Kairo erzogen, 
erbielt er durch die Gunjt feines Großvaters friih- 
jeitig hohe Verwaltungsimter, ward Gencralin{peftor 
der Provingen, bald darauf erjter Miniſter und Prä— 
fident des Rates von Kairo. Im fyrijden Rriege 
(1841) befebligqte er cine Diviſion der agqyptifden 
Armee. Ex ward von Mehemed Wii, der im Juli 1848 
in Kranfheit verfiel, zu feinem Stellvertreter eingefept, 





14 

tee per fone Cecor Secaan Soke oer Ania 
oe Pore seen i iat “ies 
‘he Tie. leer. eet too ant : 


IMs) und 1642 befampfte W. mit Erfola die feit lan⸗ 
en unbotmafigen Häuptlinge von Choraian. Yn 
Winnahme von Herat hinderte ihn nur fein plig- 
lidher Zod. Sein Altefter Sohn, Mohammed Mirja, 
ved 1444 ben Thron von Perfien. 
bad: Tuman, Bad im ruffifh-transtautaf. 
Moun. Tiflis, 14km nordweſtlich von Achalzych, ſchön 
— in ber Schlucht von Oplhe, hat vielbeſuchte 
dhwefelquelien (40,6 49%), Militarbad mit Hofpital, 
Sternwarte (Lue m f. WL) und 260 Einw. 

Abbaſy, |. Vbaifi, 

Abbate (Vibate, ital.), ſ. Abbe. 

Abban (aud Ausbau), die Verlegung eines 
Wauernhols unter Abbruch des alten aus dem Dorf 
auf die Heldbmart; auch die Anlage von neuen Bor: 
werfen auf größern Gutern. Der A. fommt vielfad 
in Berbindung mit ber —— (f.d.) und 
ber Murregelung (f. b.) vor und bedeutet einen Über⸗ 
gang vom Dorfſyſtem gum Hoffyitem (ſ. b.). Der 
erfte befannte VW. fam nad) Diy (⸗Geſchichte der Ver⸗ 


2* 
Geuges oe — Der & oe texia Beb- 
peden: beget coe Grabs sez ni Ber 

i eciige. Ie der 
€Ser-z be rc e om 


RET EGR E i 
0 


J 


l 


Qovrana (clebialis Lurtturort amt Serbad). 

Radics, UAbbazia (Bien 1884), Not, Tage: 
W (Teiden 1884); Syemere, Der See- 

flimattide Bircterfurort WL 1 Stuttg. 1885); 


B 


atte von Karl Seif in Jena m Ver⸗ 
bindDung, wurde 1875 Mitinbaber derjelben, iiber- 
nahm nad dem Tode von Karl Zeiß die Veitung des 
Inſtituts in Gemeinicaft uit deſſen Sohn Roderich 
Zeiß und jtellte nak dem baldigen Unstritte des letz 
tern das Untern in den Beſitz der 1889 von 
ihm begritndeten Karl Zeif-Stiftung. 1884 verband 
et fid) mit O. Schott zur Gründung des glastedm- 
ſchen Laboratoriums von Sdott und Genojjen in 
Jena, und 1891 lief er ſich von feinen Lehramtspflich 
ten entbinden. Bei den Verſuchen zur Herjtellung 
| neuer optifder Glafer, um praktiſch aus zuführen, was 
theoretiſch in der Optif alé nod) erreichbar angejehen 
werden mujfjte, wurden Glasforten gefunden, die in 
viel höherm Mah als die friihern bei gleichem mitt- 
lern Brechungsquotienten verſchieden große Disper: 
fion befigen. Für Die Herjtellung von Mifroffoplinien, 
aftronomifden Linſen und photographifden Objet: 
tiven wurden durch ifn gan neue Wege gangbar 
gemadt. Wit Hilfe des von ihm fonftruterten : 


Abbée — Wbbinden. 15 


denjors löſte er das Problem der Homogenen Im⸗ | juvor der Regierung, bei welder der Gefandte attre: 
merjion, das fiir die Vatteriologie von größter Be- | ditiert ijt, das Whberufungs- (Rappell-)Sadpreiben über 

deutung wurde. Er entdedte Methoden zur erperi- | geben oder ihr die A. fonjt in amtlicher Weife mit 

mentellen Beſtimmung der Brenniweite der Linfen, qeteilt werden. Die A. eines Gefandten ohne ander: 
fonjtruierte dad Refrattometer, das Speftrometer und | weitige Erſetzung desſelben bedeutct gewöhnlich den 
das Totalreflettometer und gab qrundlegende Urbeiten | Abbruch der diplomatijden Beziehungen (ſ. Abbrechen) 
fiber die Bedingungen des Uplanatismus, apodjro- | swifden den betreffenden Mächten und ijt in dev 
matijde Syjteme, über mifroffopifde Bilderzeugung, | Kegel dad Ungeiden des unmiittelbar bevoritehenden 
liber die Grenje der Leijtungsfabhigteit optijder Sy- Krieges zwiſchen denſelben. — Unter YL. verjteht man 
jteme in Bezug auf ihre Auflöſungsfähigleit x. Er | aud) die bet Ausbruch eines Krieges ergehende Auf⸗ 
ſchrieb: »Neue Upparate zur Befttmmung des Bre- | forderung des Heimatftaates an feine tm Ausland 
chungs⸗ u. Zerjtremungsvermigens fejter und flitffi- | fic) befindlichen ber eign ae in Die Heimat zurüch 
ger Mdrper« (Jena 1874); »Welche foziale Forderun⸗ zufehren. Bgl. Urtifel 20 des deutiden Staatsange: 
gen foll die freiſinnige Volfspartei in ihr Programm | hbrigteitsgefeses vom 1. Juni 1871. 

aufnehmen ?« (Daf. 1894). Bal. Seibitrfiung. Abbeſcher Apparat, {. Mikroſtop. 

Abbẽe (franj.), urjpriinglid) foviel wie Ubt. Uuf| Abbeville (pr. abo wit), 1) Urrondijjementshaupt- 
Grund cines swifden Papſt Leo X. und dem Konig | ftadt im franz. Departement Gonnne, am Fluſſe 
rang J. von Franfreid) abgeidlofienen Kontrafts | Somme, Knotenpuntt der Nordbahn, hat eine gotiſche 
ftand den Stinigen von Franfreid) das Recht gu, 225 Kirche (St. VBulfran) mit prächtiger Faſſade, eine Sta: 
Abbés commendataires fiir fajt alle frangofifden | tue von Lefueur, einen Hafen und zählt (901) 20,309 
Abteien zu ernennen. Seit Mitte des 16. Jahrh. führ- Einw., die Flachsſpinnerei, Fabrifation von Segel 
ten den Titel VW. überhaupt junge Geijtliche mit oder | tuch, Seilerwaren, Teppiden und Buder, —S 
ohne geiſtliche Weihen. Ihre 4 beſtand in und Getreidehandel treiben. A. hat ein College, ein 
einem ſchwarzen oder dunkelvioletten Gewand mit naturhiſtoriſches und archäologiſches Muſeum, cine 
fleinem Kragen, und ihr Haar war in eine runde Bibliothek, ein Theater und ijt Sitz eines Handels 
Haarlocke geordnet. Da von dieſen nur wenige zum gerichts. A., die alte, ehemals befeſtigte Hauptſtadt 
Beſitz einer Abtei gelangen fonnten, fo fungierten der Grafſchaft Ponthieu, oo urjpriinglid) der 
einige als Hauslehrer, Gewiſſensräte 1c. in angefehe- | Abtei St.-Riquier (Daher Abbatis villa) und wurde 
nen Familien, andre widmeten ſich ber Schriftſtellerei. 1180 Stadt. — 2) Hauptitadt der Graffdaft A. im 
Erſt mit der Revolution verſchwanden fie aus der | nordamerifan. Staate Siidcarolina, nordweſtlich von 
Geſellſchaft. Vielfach wendet man den Titel A. (ital. | Columbia, mit Bahnfreugung, Baumwollhandel und 
Wbate) noch in der Unrede an junge Geijtlide an. | (1900) 3766 Einw. 

Abbeermaſchine, |. Bein. Wbbiategraffo, Kreishauptitadt in der ital. Pro— 

Abbeizen (UW bbrennen), gegofjene oder geqliihte | ving Mailand, am Naviglio Grande und Naviglio di 
Metallgegenſtände durch Behandeln mit Säuren von | Bereguardo fowie an der Eiſenbahn Viailand-Mor- 
der anbaftenden Orydhaut befreien. A. des Meffings, | tara gelegen, Hat eine Sirde mit fdiner Fafjade, 
ſ. Melbbrennen. Spinneret, Viehzucht, Reisbau und (1901) ca. 6000 (als 

Abbeofiita, Hauptitadt ded Heinen qleichnamigen | Gemeinde 12,166) Einw. — 1167 wurde A. von Kai— 
Reiches Der Eqba in Wejtafrifa, 89 km ndrdlich von | jer Friedrid J. und 1245 von Friedrich I. erobert. 
Lagos an der Sflaventiijte, am linfen Ufer ded Oqun, | W. Visconti ſchlug bier 1313 die Guelfen, Giovanni 
mit 100—150,000 Einw., worunter mebhrere — de’ Medici 1524 die Franzoſen. 

Mohammedaner und einige hundert Chrijten. : Wbbiegen und Abbrechen, zwei Vanipulatio- 
| 





von einem 2—3 m bohen, 30 km langen Erbdwall | nen bei der Drejjur des Pferdes, um die Beweglich- 
und einem 3 m tiefen Graben umgebene Stadt be- | feit zwiſchen Kopf und Hals desfelben und deren Stel- 
fteht aus ciner Menge einzelner Ortidaften, die fid — zu verbeſſern. 
um iſolierte Granitfelſen gruppieren. Die gewerb⸗ bildungen. Die moderne deutſche Geſetzgebung 
fleißigen Bewohner betreiben Weberei und Farberei, unterſcheidet A., die ihrem Hauptzweck nach als Kunſt⸗ 
vornehmlich aber Ackerbau und Handel mit Palmöl, werke anzuſehen find, d. h. hauptficlich die Befriedi— 
das = Teil auf dem ſchiffbaren Ogun nak Lagos | qung des Ajthetijden Gefiihls des Beſchauers be- 
verſchifft wird, woher Die Stadt europaifche Induſtrie⸗ sweden, und A. wifjenfdaftlicher oder techniſcher Art 
produfte einführt. Seit 1898 ijt A. mit Lagos durch (einſchließlich plajtifder Darſtellungen), die nicht ihrem 
eine 75 kim lange Cifenbahn verbunden, die nad | Hauptzweck nad als Kunſtwerke gu betrachten find. 
Rabba am Riger weitergefiibrt werden foll. Die nad | Wahrend die lestern nad Maßgabe des Reichsgeſetzes, 
Der Zerſtörung des alten Reides Yoruba 1825 von | betreffend das Urheberrecht an Werten der Literatur 
Flüchtlingen geqriindete Stadt wurde bald fo mid | und der Tonkunſt, vom 19. Juni 1901 geſchützt wer- 
tig, Daf jie 1857 und 1863 die Ungriffe von Dahomé | den, find die erjtern durch das Reichsgeſetz, betreffend 
didlagen fonnte. Aus Liberia zuriidtehrende | das Urheberrecht an Werken der bildenden Riinjte, vom 
ba bradhten das Chrijtentum, das von den Haupt: | 9. Jan. 1876 geſchützt (vgl. Urheberrecht). Hinfidtlid 
lingen zuerſt gefirdert wurde, dod) vertrieb man 1867 | unjiidtiger U. und Darjtellungen vgl. Lex Heinze. 
alle europäiſchen Miſſionare, die erjt in neuefter Beit! Abbinden, dhirurg. Operation, durch die Polypen 
wieder jurtidfehren fonnten. Jetzt arbeiten in der | des Radens, Ohres, der Naſe und andre fleine Ge- 
unter englijder Berwaltung jtehenden Stadt zwei wächſe unblutig entfernt werden. Wan legt einen 
engliſche und eine amerifantide Miffionsgefellicaft. | ftarfen Faden aus Seide oder einen Draht um die 
Vol. W. Hoffmann, Ubbeofuta (Berl. 1859); Burs | Bais des gu entfernenden Gebildes und sieht die 
ton, A.and the Cameroon mountains (Lond. 1863). Schlinge fejt gu. Hierbei wird der Stil der Geſchwulſt 
Abberufung, die Zuriidberufung eines Bevoll: | fofort abgeſchnürt, oder die in ihm enthaltenen Blut- 
mächtigten von feiten jeines Uuftraggebers. Cine gefäße werden fo ſtark zuſammengedrückt, dak die Ge- 
folde, an cinen Gefandten geridtet, beendigt die Ge- ——* abſtirbt und nach einigen Tagen abfällt. 
ſandtſchaft an und fiir ſich nod) nicht, ſondern es muß | Grdpere, mit breiter Baſis aufſitzende oder ſchwer zu⸗ 








16 


gängliche Uftergebilde werden (heute faum noch) mit- 
tels eines Schlingenſchnürers (Cfrafeurs, f. Dd.) ab- 
equetfdt ; val. aud) Galvanofauftif. — Jn der Technif 
353 A. das Zuſammenlegen der Teile einer Holz— 
fonjtruftion und das Bearbeiten ihrer ———— 
auf bem Werfplage vor der Überführung auf den 
Bau. UW. (Wb pinnen) aud): mit dem Ub bindham- 
mer Figuren aus Bled) treiben. 
biffe (Abſprünge), kurze, meift jiingere 
Baumtriebe, die durd den Cingriff von Tieren vom 
Baum abgelöſt werden. Yn Fidten und Tannen wer- 
den die A. von Eichhörnchen behufs Ausfreſſens der 
Knoſpen hervorgebradt; an Micfern brechen Triebe 
an den Bobhritellen ab, die der —— Wotpeion (Hy- 
lesinus piniperda) erjeugt bat. Bgl. Abſprünge. 

Ubbifitraut 95 — 

Abbitte (lat. Deprecatio injuriae), demiitigende 
Witte um Verzeihung der zugefügten Chrenfranfung, 
im altern dDeutiden Strafverfabren cine ‘Rrivatitrafe, 
auf die bet Ehrverletzungen entweder allein oder 
neben ciner Geldſtrafe und neben Ehrenerflarung und 
Widerruf (7. d.) erfannt zu werden pflegte. Bon der 
heutigen Gefesqebung, fo durch das öſterreichiſche und 


das deutſche Strafgeſetzbuch, tft die A. beſeitigt; der | 


Schweiger Borentwurf eines Strafgefepbucds (1896) 
fennt jedod) in Yirtifel 132 die A. als Strafausidlic- 
fungsqrund bei iibler Radrede aus verzeihlichem 
Jrrtum. Das deutide Strafgeſetzbuch fest bet Belei- 


diqungen neben Geldjtrafe, Haft und Gefängnis nur | 


in beſtimmten Fallen cine an den Berlesten zu ent- 


ridtende Bufe feſt und geftattet nur bei öffentlichen 


oder durch Verbreitung von Sdriften, Darjtellungen 
oder Ubbildungen begangenen Beleidiqungen eine 
befondere Genugtuung fiir den Beleidigten durch df- 
fentlide Befanntmadhung ded Strafurteils in Tages- 
blittern ꝛc. auf Koſten des Beleidigers. Letzteres gilt 


aud) nad dem öſterreichiſchen Strafgeſetz. S. Belei- 


diqung. 

Ubblafen, Hornfiqnal fiir das Ende der Treib- 
jagd. A. der Dampffetjel und Ventile, ſ. Dampfkeſſel 
und Sicherheitsventil. 

Abblatten, Abnehmen der Blatter von Rilben, 
Rartoffein, Kraut x. behufs Gewinnung von Bieh 
futter, am unſchädlichſten furs vor der Ernte. Frühes 
A. beeintriidtigt den Zuder-, bes. Stärlegehalt. 

Abbot (pr. adder), 1) Robert, geb. um 1560, geft. 
2. Mary 1618; fet 1615 Biſchof von Salisbury, ftand 
in Gunjt bei Jafob J. Er ſchrieb Streitidriften gegen 
ben Katholizismus und fiir die fonigliche Gewalt. 

2) George, engl. Bralat, Bruder ded vorigen, 
geb. 29. Oft. 1562, geſt. 4. Aug. 1633, 1609 Biſchof 
von Coventry, 1610 von London, feit 1611 Erzbiſchof 
von Canterbury, trug ju der 1610 erfolgten Einfüh— 
rung der Epiffopalfirde in Sdottland bei und wirfte 
1612 fiir Die Vermählung der Brinyeffin Ctifabeth 
mit dem Rurfiirjten Friedrid) V. von Der Pfalz. Un 
ter Nari I. verlor er fermen Cinflug. 

3B) Charles, Lord Coldejter, ſ. Colcheſter. 

Mbbotsford (ivr. avdetsficd), ehemaliqer Landfig 
Balter Scotts in Rorburghfhire (Schottland), am 
Tweed, unfern der Stadt Melrofe, urſprünglich cin 
Bauernhof, den Scott 1811 faufte, und auf dem er 
cin gewaltiges Bauwert im mittelalterlichen Schloßſtil 
auffiibrte. A. ijt äußerſt romantifd gelegen, enthalt 
reiche Sammlungen von Gemilden, Antiquitäten, 
Büuchern, Manuffripten und gehört der Urenkelin des 
Didters, Mrs. Marwell-Scott. Der anf W. gegrün 
dete Baronetstitel Der Familie erloſch ſchon 1847 mit 
bem Lode ded letzten Sohnes Walter Scotts. Cine 


Abbiſſe — WAbbreviaturen. 


Beſchreibung des Schloſſes lieferte BW. Irving im 
den » Miscellanies«. 

Abbott, Jatob, amerifan. Qugendjdriftiteller, 
eb. 14. Nov. 1803 in Hallowell (Maine), geſt. 31. 
ft. 1879 in Farmington, war Lehrer und Geijtlid@er 

und verdffentlidte an 200 Bande Jugendidrifterr, 
unter ibnen Die vielverbreiteten »Rollo Books«. — 
Sein Sohn Lyman, geb. 1835 in Rorbury (Maif.), 
Geijtlicher, jegt Herausgeber von »The Outlook« in 
Rew Port, 54 ein » Life of Christ« (1894), »>Evo- 
lution of Christianity< (1896) u. a. 

Abbrand, beim Erhigen von Eiſen, Kupfer an 
der Luft fic) bildbendes Oxyd (Hammerjdlag); der 
Verluſt, den das Metall hierbei erleidet. 

Abbrandc, f, Kiedsabbriinde. 

Abbrechen, libergang aus einer breitern in etme 
idmale Front in der Weiſe, dak die fleinern Abtei⸗ 
lungen fic) binter eine die urſprüngliche Maridprid- 
tung beibebaltende Ubteilung feten. U. cines Ge- 
fects, dad Ubjtehen von der Erreidhung des Ge- 
fechts zweds vor der Entſcheidung oder nach erreichter 
Abſicht unter Beibehaltung der Gefechtsbereitidaft. — 
Das U. der —— Beziehungen zwi— 
ſchen zwei Staaten iſt gewöhnlich das Vorſpiel zum 
Krieg und tritt in der Regel erſt dann ein, wenn 
eine Ausgleichung der Gegenſätze auf anderm Wege 
nicht mehr moglich erſcheint. Heute wird es vielfach 
als moraliſcher Druck benutzt, um einen Staat zum 
ai co gu veranlajjen. Der Abbruch erfoigt m 
der Weife, daß ber Gefandte feine Päſſe von dem We- 
nifter des Auswärtigen juriidverlangt, oder daß Diefer 
obne folded Verlangen fie Dem Gefandten zuſtellt, 
meiſtens unter Einraͤumung emer Frijt, innerhalb 
welder der Gefandte, bei Verluſt der geſandtſchaft 
licen Borredte, das Staatsgebiet zu verlajjen bat (7. 

—— — A. in Der Reitfunit, ſ. Abbiegen. 
| brennen, ſ. Abbeizen; W. des Meffings, f. Gelb- 
brennen; val. aud) Bodenmelioration. 
| Mbbreviatoren (lat.), Beamte der päpftlichen 

Kanzlei, welche die Entwiirfe zu den Bullen fertigen. 
breviaturen (lat.), Ubfiirj;ungen von Wortern 

oder Silben in der Schrift. Die bejonders haufigen 

Abkürzungen der mittelalterliden Handidriften be- 
ruben aut bee Sigqlen (litterae singulares) und 
den notae Tironianae des romifden Ultertums. Die 

älteſten Siglen beftanden aus Dem eriten Budhitaben 
des betreffenden Wortes; als fid) die Notwendigfett 
jtirferer Ubfiirj;ung, namentlid) in den Rechtshand- 
ſchriften, geltend madte, ftellte man die Siglen durch 
die zwei oder drei erſten Buchſtaben eines Wortes ber 
oder nahm wohl aud neben dem oder den erjten 

Buchſtaben des Wortes nod folde aus der Mitte, vor 

allem folde, mit denen eine Silbe begann. Die aus 

Dem Altertum ftantmenden Siglen hat Th. Momm- 

ſen bet Retl, »>Grammatici latini«, Bd. 4 (Leipz. 1864, 

S. 265-—352), herausgegeben. Auf die Bildung die- 

fer jungern Siglen wirtten bereits die Tironifden 

Noten ein. Sie follen von dem römiſchen Didter 

Ennius erfunden fein. Der Freigelafjene des Cicero, 

Tullius Tiro (f. Tiro), bat fie vervollfonunt, in ein 

Syſtem gebracht und erldutert; endlid hat Seneca 

eine fyftematifde Sammlung von 5000 Stiid ber- 
qejtellt. Sie dienten bauptiidlid zum Nachſchreiben 
pon Reden oder Diftaten. Die Schreiber, die in dicier 

Geſchwindſchrift qeitbt wurden, hießen Notarii (da- 

von unfer ⸗Notar«). Wie ſchnell man dant ſchreiben 
fonnte, ijt 3. B. aus einer Yingabe des Dichters War- 
tial yu entnebmen, nad) der ſich berechnen läßt, dak 
feiss Ubjdpreiber in der Minute neun Berfe fried, 





Abbrunjten — Abd. 


Lexica Tironiana, d. h. Sammlungen ber Tivoni- 


ſchen Noten, find aus dem WMittelalter in ziemlicher det auf die Unfangsgriinde einer Wiſſenſchaft, 


Anzahl erhalten; die in ihnen abgebildeten UW. gehen 
in threr Mehrzahl gewiß auf das Wltertum * 


17 
AVE, foviel wie Alphabet (ſ. d.); aud) angewen⸗ 
Kunſt 

Wbebuch, ſ. Fibel. u. 


Abchaſen (Aſega), einer der beiden großen 


Von neuern Arbeiten über dieſen Gegenſtand ſei nur Stämme der Tſcherkeſſen in der Landſchaft Abchaſien 
W. Schmitz, »Beiträge sur lateiniſchen Sprach- und | (ſ. d.), mit den ſtammverwandten Wbafinern (j. d.) 
Literaturkunde« (Leip;. 1877) erwahnt. Bei der Bile | früher 125,000 Köpfe ſtark, 1892 aber nach zweimali— 
dung der einzelnen Note verfuhr man fo, daß man | ger Wuswanderung in die Tiirfei (1864 und 1878) 
aus den WMajusfelbudjtaben, mit denen das betref- | nur 72,500, wovon 60,432 im Gouv. Rutais um 


fende Wort geſchrieben wurde, dharafterijtijdhe Teile 
entlehnte und diefe Dann möglichſt miteinander ju 


einem Suge verband. So geivann man fiir Die Wur- | 
| Verwandtidaft (vgl. Kaulaſiſche Sprachen). Weiteres 
ſj. unter Tſcherkeſſen. 


gel jedes Wortes oder fiir den Stamm der zufammen- 
geſetzten Worter cin Zeiden, dem wiederum zur Be- 
eichnung der Endungen Hilfszeichen, feien es Buntte, 
bien es verfleinerte Bud)jtabennoten, beigegeben wer- 
den fonnten. Tironiſche Noten finden fh meijt nur 
vereinjelt in Büchern; bisweilen find aber aud ganze 
Cobices in folchen gefdrieben. Nach der Form, die 
den Abkürzungen gegeben ijt, fann man unterfdeiden 
folde, die Durd) Suspenſion (man fest den erjten 
Budjtaben und einen oder mehrere diejem folgende, 
und dariiber den Abkürzungsſtrich, 3. B. an — ante), 
oder die Durd) Rontraftion (man ſetzt ſtets den er- 
jten und den letzten Buchſtaben des Wortes, nimmit 
auch wohl aus der Mitte des Wortes nod) befonders 
kennzeichnende Buchſtaben, und dariiber den Abkür— 
zungsſtrich, 3. B.diio — domino) entitanden find. Die 
bejte Sammlung mittelalterlicer lateiniſcher Ablür— 
zungen findet ſich in Walthers »Lexicon diplomati- 
cum« (Gotting. 1747); Chajfant, »Dictionnaire des 
abbréviations latines et francaises du moyen-ige« 
(5. Unfl., Bar. 1884) und Cappelli, »Lexicon abbre- 
viaturarume (Leip;. 1901). In den mittelalterliden 
Handidriften, die Werle in den modernen Spraden 
enthalten, find viel weniger Abkürzungen als in den 
lateinifden choemenbit, We find zudem faſt alle dem 
lateinijden Ubfiirzungsfyftem entlehnt. Nod in die 
älteſten Drude gingen viele der damals gebraudliden 
U. iiber, aber in den legten Jahrhunderten find die- 
jelben mit gang wenigen Wusnahmen, wie 2 und x., 
fiir et cetera, villig abgefommen. Nur der Gebrauch, 
das ganze Wort durd) feinen Wnfangsbudjtaben gu 
bezeichnen, ijt befonders bei Titulaturen, und hier 
wieder am meijten in England, nod ſtark verbreitet. 
Wis Geſchwindſchrift dient jest die Stenographie (f. d.). 

Uber die jegt am gewöhnlichſten vortontmenden W., 
3. B. die in der Muſil, in einzelnen Wiſſenſchaften, in 
Handel und Wandel wie im ſchriftlichen Verkehr ein— 
geführten, ſ. die einzelnen Buchſtaben »A« (S. 1), 
Ba x. und die betreffenden Stellen im Alphabet. 

Abbrunften, die Brunftzeit des Hochwildes be- 
enden; vgl. Wbgeprunftet. 

Abbt, Thomas, philofoph. Sdriftiteller, geb. 
25. Nov. 1738 in Ulm, gejt. 3. Nov. 1766 in Biicte- 
burg, ftudierte feit 1756 in Halle und wurde 1760 
außerordentlicher Brofeffor der Philoſophie in Frank: 
furt a. O. Schon 1761 als Profeffor der Mathematik 
nad Rinteln berufen, wurde er 1765 gum Regierungs- 
und Ronfiftorialrat in Biideburg ernannt. Während 
eines kurzen Aufenthalts in Berlin war er mit Men- 
delsfohn und Nicolat befannt geworden. Unter feinen 
philofophifden, im Geijte der Aufllärungstheorie ab- 
gefaßten Schriften breiter Darjtellung find die wid- 
ligjten: » Bom Berdienjt<« (Berl. 1765) und »Vom 
Tod fiirs Baterland« (Bresl. 1761). Seine »Ver- 
mifdten Werfe« wurden herausgegeben von Friedr. 
Nicolai (Berl. 1768 —81, 6 Bde.; 2. Aufl. 1790). 
Bgl. Pentzhorn, Th. Abbt (Berl. 1884). 

Meyers RKonv.-Lerifon, 6 Mufl., L Bod. 








* 


Suchum Kalé und in dem vom Kodor durchſtrömten 
Hochtal Tſebelda und 12,000 im Kubangebiet. Die 
Sprache der A. zeigt mit dem Tſcherkeſſiſchen einige 


Abchaſien, Landſchaft im rujj. Generalgouv. Kau— 
laſien (ſ. Karte »Kaulaſien ·), zwiſchen dem Südabhang 
des Kaulaſus und dem Schwarzen Meer, der jetzige 
Suchumſche Militardijtritt,7315 qkm gro}, mit43,000 
Einw., worunter 28,000 Mingrelier und 14,000 Wb- 
chaſen. Etwa 32,000 der Bewohner wanderten nad 
den Kriegen von 1864 und 1878 in die Türkei aus. 
Das fajt ganz gebirgige Land wird vom Bſyb und 
Kodor durdflojjen und von didten Ciden- u. Walnuß⸗ 
waldern bededt. Mais, Feigen, Granaten, Wein und 
Weizen gedeihen, dod) ijt das Land im ganjen eine 
von Ruinen erfiillte Wiijte. Jn den Handel fommen 
Fudsfelle, Honig, Wads, Buchsbaumholz. Haupt- 
ort ijt Suchum Ralé, das, wie Gagri, Pizunda und 
befejtigt ijt. Unter den byzantiniſchen Kaiſern 
war Ubafjia ein bejonderer Staat; der iefige Fürſt 
von U. nimmt im ruſſiſchen Heer einen hohen Rang ein. 
— YU. war als Nadbarland von Kolchis (Mingrelien) 
den alten Kulturvölkern nidt unbefannt. 550 n. Ohr. 
fand das Chrijtentum bier Eingang; die Byzantiner 
unterbielten BVerfehr mit W., wahrend die Mongolen- 
dane ihre Heere durch dic Bewohner des Landes ver- 
ſtärkten. Zwiſchen 735 und 985 herrſchte die Dyna- 
jtie Apchaz (Leo J.III. Thewdofel. und 11., Giorgi I. 
und IL, Yoane, Adarnaſe, Bagrat, Koſtantine und 
Dimitri) über Jmereth (Laziſtan); danach regierten 
Bagrat IIL. von Karthli und feine Nachlommen bis 
1259 auch iiber Ymereth und Radeth. 1154 heiratete 
der ruſſiſche Großfürſt Isjalaf Wistijlawitjd eine 
Fiiritentodter der Abchaſen. Seit dem 15. Jahrh. 
unter türkiſcher Herrſchaft, wurde A. mohammeda— 
niſch. Abteilungen der Abchaſen ſtießen 1809 zu den 
Ruſſen bei der Belagerung von Poti, nachdem ſich 
ſchon Ende des 18. Jahrh. unter den Fürſten aus 
dem Hauſe Charwachidze (Lewan und Safar-Beg) 
—— zu Rußland gezeigt hatte. Die Erwer— 
bung von YW. durch Rußland begann mit dent Frie⸗ 
den von Adrianopel 1829. Ruſſiſche Poſten erſtanden 
längs des Meeres; 1837— 40 vollzog ſich die Beſitz⸗ 
nahme des ſüdlichen A. Allmählich wurden die ruſ— 
ſiſchen Stationen gegen das re,» hin vorgerückt; 
in Die Jahre 1839—42 fällt die Unterwerfung des 
nordweſtlichen A., vom Bſyb (oberhalb Pigunda) an. 
Dod erjt 1864 war die Befriedung des Landes voll 
fommen; feitdem ftarfe Wuswanderung (j. oben). 

Abeſchützen, Spottname der Knaben, die im Ge- 
folge fabrender Schiiler (Baganten, f. d.) des 14., 15. 
und 16. Jahrh. wanderten und fiir dieſe betteln, aud 
wohl jteblen (»fdiehen<, Daher »Scitgen«) mußten. 

Abd (arab.), Sflave, Knecht, haufig in Zuſammen— 
ſetzung mit Namen Gottes, 5. B. Ubdallah, ⸗Knecht 
Wottes«, Abd el Mader, »Knecht des Mächtigen«, Abd 
er Rahman, »Xnecht des Barmberjzigen«, Wbd ul Wiis, 
Knecht des Glorreiden« x. Das hebräiſche Ched 


wurde in gleider Weife angewendet. 


2 


18 


Abdachung, die Ubweidung einer Ebene von der 
horizontalen Lage; die Abſenkung des Landes gegen | 
das Weer hin oder das allmähliche Abnehmen der 
Vodenerhebung nad) der Meerestiijte zu. 

Abdallah (arab., »SKnedht Gottes<), 1) Vater des 
Propheten Mohammed, ſtarb nod vor der Geburt 
jeines Sohnes. 

2) U. ibn Ali, Obheim der beiden erjten abbaji- 
diſchen Kalifen, ſchlug Merwan II. 750 am Gab und 
madte damit dem Ralifat der Omaijaden ein Ende 
(j. Ralifen). WIS er nad) dem Tode feines Neffen 
Abul Ubbas deſſen Bruder Manjur den Gehorſam 
weigerte, ward er von defjen Feldherrn Ubu Muslim 
754 bet Nijibis gefdhlagen. 764 ließ ign Manſur er- 
morben. 

8) U. IT., Chan von Bodjara (f. d.), qeb. 1533 als 
Sohn Ysfander Chans aus dem Hauje der Sdhai- 
baniden (ſ. d.), geſt. 1598, trat 1556 auf, al8 Tran8- 
oranien durch innere Wirren (zwiſchen 1500 und 1560 
hatte es 9 Herrjder gehabt) und Einfälle nordijder 
Nomaden heimgeſucht war. Er jtellte die Rube wieder 
her, verleibte 1578 Bald und Badachſchan aufs neue 

rangoranien, über das er von 1583 an als Haupt- 
dan unumſchränkt gebot, ein und rig, die Bartei- 
Friege zwiſchen Seah Wbbas und feinen Rivalen in 
Perjien benugend, Herat und Merw an fic, pliin- 
Derte Meſchhed und das reide Grab Imam Rizas 
und unterwarf auf einige Zeit fogar Majenderan. 
Er erridtete Kollegien und Mojfdeen, Narawanferaien 
und Spitiler. Mit dem türkiſchen Sultan Murad III. 
fudte er die Sefewiden ju vernidten. Wit A. er- 
loſch die Dynajtie der Schaibaniden; fein eingiger 
Sohn, Wbd ul-Wumen, hatte fich furs vor feinem Tod 
erfolglos gegen ihn empört. Die nidjten 186 Jahre 
jtand Bodara unter den Aſchtarchaniden (f. d.). 

4) U. ibn Jain, f. Whnoraviden. 

5) Kalif (Mahdi) 1885—99, ſ. Whdullabi. 

Abdallah en Nafafi, arab. Dogmatifer, ſ. Ara—⸗ 
biſche Literatur. 

Abdampf (Uusdampf), der von einer Dampf- 
maſchine rc. absiehende verbrauchte Dampf, wird oft 
zum Heizen benutst, bet Schiffsmaſchinen zur Gewin- 
— Keſſelſpeiſewaſſers kondenſiert. 

dampfen (Verdampfen, Abrauchen, 
Einengen, Verdunſten, Evaporieren), die 
Verflüchtigung eines Löſungsmittels, um eine kon— 
entriertere Löſung oder den gelöſten Körper in feſter 
Form zu erhalten. Aus waflerigen Löſungen ver— 
dunſtet das Waſſer beim Stehen an freier Luft um 
ſo langſamer, je kleiner die Oberfläche der Löſung, je 
feuchter die Luft, je niedriger die Temperatur iſt, und 
je unvollſtändiger die an der Oberfläche der Löſun 
gebildeten Waſſerdämpfe durch Luftzug —— 
werden. Man gießt daher, um die Verdunſtung zu 
beſchleunigen, die Löſung in flache Gefäße oder breilet 
ſie, wie in den Salzgärten, in denen Meerwaſſer 
verdunſtet, über ſehr große Flächen aus. Auch erbaut 
man gegen den herrſchenden Wind gerichtete Wände 
aus Dorngeſtrüpp (Gradierwerke) und läßt die zu 
verdunſtende Löſung über dieſe Wände herabrinnen. 
Sie befeuchtet hierbei alle Zweige, erhält alſo eine 
ſehr große Oberfläche, und der Wind, der die Wand 
durchweht, führt die gebildeten Dämpfe ſehr ſchnell 
fort. Soll cine Flüſſigkeit unter einer Glocke in einem 
Gefäß verduniten, fo jaugt man mit Hilfe eines Ufpi- | 
rators einen Strom du 


mit der Flüſſigleit cine Schale mit fonsentrierter | 
Schwefelſäure oder mit Chlorcalcium unter die Glocke, 


Chlorcalcium getrocneter | 
Luft liber den Hlitffigteitsfpiegel hinweg. Stellt man 


Abdadung — Abdampfen. 


fo werden die gebildeten Dantpfe von den genannten 
hygroffopijden Subjtanjen fofort abjorbiert werden 
(Fig. 1). Weſentlich befdhleunigt wird die Verdunjtung 
in einem folden Exfiffator, wenn man die Luft 
unter der Glode mit Hilfe einer Luftpunipe möglichſt 
{tart verdiinnt. 

Weitaus in den meijten Fallen verdDampft man 
Löſungen bei erhöhter Temperatur, indem man fie in 
offenen Bfannen oder Rej- 
ſeln durch eine unter Diejen 
befindlidje Feuerung er- 
higt (Berdampfen mit 
Unterfeuer). —— 
viele Zwecke geeignete Kon⸗ 
uate diejer Art, Die 
Vootpfanne, zeigt Fig.2. 
Grofe Vorzüge bretet die 
Heigung mit gefpanntem 
Dampf, den man in cinen 
Mantel leitet, der den un- 
tern Teil der Pfanne um- 
gibt, oder in ein Schlan— 
genrobr, das in die Pfanne 
gelegt wird. Wetzels Ver- 
Dampfpfanne (Fig. 3) | 
beſteht aus einer halbsylindrifden Pfanne mit Dampf⸗ 
mantel, in der ein aus Dampfleitungsrdhren gebil- 
deter — Körper rotiert, auf deſſen in der 
Luft befindlichen heißen Rohren die Verdampfung 
ſehr ſchnell verläuft. Selbſtverſtändlich muß man 
bei allen Verdampfpfannen für gute Ableitung der 
Dämpfe ſorgen. Beſchleunigt wird das Verdamp⸗ 
fen nicht ſiedender Fiüſſigleilen durch Rühren mit 
der Hand oder mittels eines Rührwerkes. Wo die 
Berührung mit heifer Feuerungsgaſen nicht nad- 
teilig ijt, werden letztere direlt über die zu ver— 
dampfende ———— in Flammöfen oder Pfannen 
hinweggeleitet (Verdampfen mit Oberfeuer). 
Um grobere Verunreiniqung der Flüſſigleit zu ver- 
meiden, wendet man Generatorgafe an. Erträgt 
die gu verdanupfende Flüſſigleit nicht die Siede 
temperatur, oder foll das Unbrennen oder Sprigen 





Fig. 1. Abdampfen aber 
SaGwefelfaure. 





Fig. 2. Bootpfanne. 


vermieden werden, fo erhigt man fie meiſt in Ba- 
dern, befonders im Waſſer- oder Dampfbad (j. Bad). 

Mit großem Vorteil verdampft man Fliiffigteiten, 
Die Hohe Temperaturen oder die Einwirkung der 


Luft nicht ertragen, im Lluftverdiinnten Raum. Die 


hierzu dienenden Bakuumapparate (Fig. 4) be: 
fipen einen grofen Hohlkörper a mit Dom b und 
Heizſchlange c. Die aus dem Wpparat entweichenden 
Waſſerdämpfe gelangen durd) das Rohr d im den 
Nondenfator, wo fie durch faltes Waſſer, das aus 
Dem ringsum durchlöcherten Rohr e einfprigt, ver- 
Dichtet werden. Das geſamte Waljer wird durd eme 


Abdampfen 


Luftpumpe, die mit dem Rohr f in Verbindung fteht, 
ſortgeſchafft. Das Rohr g dient sur Fiillung und h 
jur Entleerung des Apparats. Steigt bet zu leb— 
hajtem Roden die Fliiffigfeit in den Rondenjator 
iiber, fo famunelt fie fic) an dem äußern Rohr und 
fann bei i abgelajjen werden. 

Der aus ciner verdampfenden Flüſſigleit ſich ent- 
widelnde Dampf entweidt gewöhnlich in die Luft; 
Rillieux ſchlug guerjt die Wiederbenugung des 
Dampfes sum Verdampfen andrer Flüſſigkeiten 














ee 
Bs ae 
Fig. 39. BWegels Berdampfpfanne. 





—— — 
A— — 


vor. Er lkonſtruierte einen Apparat aus drei liegen— 
den Zylindern, durch deren untere Hälfte Siederohre 
hindurchgingen. In die Siederohre des erſten Zy— 
linders wurde Dampf aus dem Dampffeſſel geleitet, 
während der zweite und dritte Zylinder mit dem aus 
der im erſten Zylinder verdampfenden Flüſſigkeit ſich 
entwidelnden Dampf geheizt wurden. Cine Luft- 
pumpe ftellte ein Valuum her, fo daß der Siedepuntt 





Fig. 4. Baluumapparat. 





(Apparate ꝛc.). 19 


u verdampfende Flüſſigkeit die Teniperatur dieſes 
ampfes angenommen bat. Dann treibt die Luft— 
pumpe den Dampf aus dem Raum über der Flüſſig— 
| feit in ben hohlen Boden, der Dampf über der Flüſf—⸗ 
figfeit wird alſo verdiinnt, jwifden den Wanden 
| des Doppelbodens erfolgt aber eine Verdidtung, und 
| infolgedefjen wird aus der Flüſſigleit lebhaft Dampf 
entwidelt, und ein Teil des tm Doppelboden be- 
findlichen Dampfes gibt feine gebundene Warme 
durd) den Pfannenboden an die Fliijjigfeit ab und 
verdidhtet fic) Dadurd) gu Wajjer. Die abgegebene 
Warme aber dient zur weitern Entwidelung von 
Dampf aus der Flüſſigkeit. Durch fortgefegte Ur- 
beit Der Luftpumpe tritt ein gewijjer Bebarrungs- 
juitand ein, währenddeſſen fic) cin fonitanter Unter- 
ſchied zwiſchen der Temperatur des im Bodenraum 
verdidjteten Dampfes und jener der dariiber befind= 
lichen Flüſſigkeit herjtellt. Das diefem Syſtem gu 
Grunde liegende Pringip ijt durch Piccard weiter 
ausgebildet worden. — Sollen beim A. die entwei- 
chenden Dämpfe wieder fondenfiert werden, um das 
Löſungsmittel nidt verloren gehen ju laſſen (bei 
alloholiſchen, atherijden Lofungen), fo wird die Ope- 
ration in Dejtillationsgefagen ausgefiibrt, und das 
A. verwandelt fic) in eine Dejtillation. 
| Qn den Wbdampfapparaten fann die Arbeit in- 
termittierend oder kontinuierlich betrieben 
werden. Im erjten alle fiillt man die Gefäße mit 
Flüſſigkeit und erbigt, bis die gewiinfdte Konzen⸗ 
tration erreidt ijt, bisweilen unter wiederholtem 
Nachfiillen von Fliiffigteit, um zuletzt eine vollſtändige 
Füllung des Gefäßes mit fonjentrierter Fliiffigtert 
yu erreichen. Bei fontinuierlidhem Betrieb dagegen 
fließt bejtindig fonjentrierte Flüſſigkeit ab, während 
friſche an einer möglichſt entfernten Stelle des Ge— 
fäßes zugeleitet wird. Dieſe Methode ijt beſonders 
bei ſehr großen Pfannen anwendbar, in denen man 
durch Anbringung von Scheidewänden den von der 
Flüſſigleit zurückzulegenden Weg möglichſt verlängert. 
Bei Benutzung kleinerer Pfannen werden mehrere zu 
einer Batterie vereinigt und terraſſenförmig aufge— 
ſtellt. Die ſchwache Flüſſigkeit tritt in die cine am 
Ende der Batterie gelegene Pfanne ein und gelangt 
| aus einer in die andre Pfanne, bis jie, hinreichend fon- 
jentriert, am andern Ende der Batterie abfließt. Da- 
bei befindet fic) Die Feuerung unter der ſtärkſten, reſp. 
| niedrigjten Pfanne, fo dak die Feuerungsgaſe die 
Pfanne mit der friſchen Beſchickung zuletzt bejtreiden. 
Das beim Gradieren benutzte Prinzip wird aud 
für höhere Temperatur verwertet. Man läßt die zu 
verdampfende Flüſſigleit in einen Turm über Kols, 
Steingutſcherben od. dgl. herabrieſeln, jo daß fie eine 
| große Oberfläche erhält, und leitet beige Luft in den 
untern Teil des Turmes. Der aufiteigende Luftitrom 
fommt Dann der Fliiffigfeit entgegen, und es wird 
cine ſehr energijde Verdampfung erzielt (Glover- 
Turm der Sdwefelfaurefabrifen). In einem andern 








der verdampfenden Flüſſigkeit hinreichend erniedrigt | Apparat (Ungerers Turm) hangen mebhrere hun— 
wurde. Derartige Upparate fanden, weſentlich ver- dert Drabhtjeile oder Ketten von der Decke vertifal 
bejjert, feit 1850 bejonders dDurd Tifdbein und | herab, und während die Flüſſigleit an dieſen herab— 
Robert in der Sucerfabrifation Verbreitung. Bei | rinnt, jteigen die Feucrungsgaje in dem Turm auf. 
Hittingers Syſtem ijteine Ubdampfpfanne mitdop- | Die Abbdampfgefäße beſtehen aus Metall (Eiſen, 
peltem Boden durch einen Deckel lufidicht verſchloſ-⸗ Kupfer, Zinn, Blei, Silber, Platin), Glas oder Ton. 
jen, und der über der Flüſſigkeit befindliche Raum Sie müſſen mehr flach als tief fein, um die Danrpf- 
jteht mit Dem Raum im doppelten Boden durd Röh- bildung gu befördern, und möglichſt diinnwandig 
ren in Berbindung, zwiſchen die eine doppelt wir- behufs leidjterer Ubertragung der Warme auf die 
fende Luftpumpe — ijt. Der ganze Appa- Fliifjiqfeit. An dieſer Hinſicht find Metallgefäße vor— 
rat ijt mit ſchlechten Wärmleitern umgeben und wird iehen, Dod) werden die Metalle (nut Ausnahme 
aus einem Dampffeffel mit Dampf gefüllt, bis die i Pa von vielen Flüſſigkeiten angegriffen. 


2* 
- 


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0 Atdantung — Abo ef Late. 


Du Aeucrung musk moolbhs voltanduse Ber: Gat Nadtecle wad Getobren betrũgerüches Qnverfchr- 
brennung des Oeymaterials umd mogiséit voltim-: Ormgen. Sur Yhesemgumg der Nadaver tit die Wb 
dige Ubertragung ber Sarme auf die Fliatet qe dederti gegemmarng bawig derdunden mit Gerberci. 
fatten. 1 qm fſteũellace lierert. wenm das Sewer Leirrrederei. Soneitye-. Qnadbermedl-, Naihinendit ., 
tm Soden erhalten wird, twa 05 kg Damor m Eoudrettetebrifanca x Bol Sebmer, Abdeckerei 
ber Minute. Erfabrungsqemay verindtet 1 qm biim- weien iim Ben's >Hendoud der Hogune«. Bo. 2. 
nes Aubierblech etwa 15 kg Domp? m der Rmute. Jena 19967; Haeide, De tedtiche Serwendung 
wenn der Tempercturunteridned qu beiden Setten von terviden Kadadern x. (wn 1599). 
bes Bleches 500 betrãgt. Soll lqm Heizilacde Oskg  Wbdeichen, te? gelegene Landitridhe durch Deiche 
Tampt m der Minute liefern, fo musk alio dre vor Dodwarer idisen 
Ltifereny 16,4” betragen und, da des ñedende Bai- Abd el Mader cher die Bedeutung des Namens 
ier 100° bengt, Ber LDamof im der Tampidlange ĩ. Abdde. Sidi el Hadichi Abd el Kader Uled 
116,44° heh ſein. was einem Drudvon 1,7 4Mtmofpbare Wabiddin, Araberbauptiing. geb. 1807 mm Der 
entipricht. Bollte man mitt Damp? von nur 108’ ar⸗ Ghetna ber Mascara, gett. 25. War 1883 zu Damas 
beiten, fo miizte man Die Cberflade Der Damptidlange tus. Als Sprdklina emer Erietterfamilie (WNara 
auf 2.qm bringen. Sehr haufig benugt man yum buts), de ihren Stamm bes zu Den Fatimiden juriid 
Heijen ber Ubdampipfannen die betwen Gate (Ab- führte. ward A. von einem Sater Sidi cf Mabiddin 
bige), Die aud andern Feuerungen, Cien x., ent- jum Vrieſter gebildet. wanderte aber, dom Dei von 
werden, und yum Heiyen von Dampfidlangen den Algier bedroht, nach Ratro aus und wurde Hadidn 
Tampf, dex in der Damptmafdine bereits Dienite durch eme Erigerfabrt nad Mekta. Rad dem Stur; 
qeletitet bat. J Jeline!, Uber Berdampfapparate des Dei 1830 zurücgetebrt und von aufftändiſchen 
und tationen (Prag 1882-—83, 2 Tle.); arabtichen Stammen det Wascara jum Emir gewãblt. 
Hausbrand, Verdampfen, Kondenjieren und Küh⸗ führte er 1852—47 den Ramo? gegen Me Franjoten. 
fen (2. Aufl., Berl. 1900). 1832 — 33 unterwarf er Die Stamme zwiſchen S- 

Abdan (Ubdifation), Riederlequng einer cara und dem Weer und ndrgte den franjoftichen 
Wiirde, insbeſ. Verzicht eines Herrſchers auf dieMrone General Desmichels yu dem Frieden vom BW. Febr. 
(Thronentfagung). Die W., die regelmäßig in 1834. Bald ernenerte er den Krieg gegen die Fran- 
einer befondern WUbdanfungsurflunde erflart zoſen, ſiegte 28. Juni 1835 fiber General Tréjel an 
wird, ſteht in ber freien Entſchließung des Herrſchers. der Wafta und 25. April 1836 über d'Arlanges an 
Durd die U. wird die Thronfolge in derjelben Weiſe der Taina und filbrte den Kleinkrieg fo gliidlicd, dak 
wie bei Dem Tode ded Herrfchers erdjfnet, indem der, er ſeine Herrichaft aber Titert und einen Teil der 
nächſte Thronfolgeberedhtigte zur Rrone berufen wird. | Provinz Algier ausdehnte. Bugeaud befreite zwar 
Der Ubdantende behalt regelmapig den bisherigen die an der Miindung der Tafna eingeidlojjenen Fran- 
Titel bei. Cine Zuriidnahme der volljogenen A. ijt zoſen und bradte W. (6. Jult) amt Silak cine Schlappe 
nicht worl bei; Dod) ſchloſſen die Franjofen 30. Wat 1837 den 

Mbdaffeln, ſ. Bremen (Inſekten). Bertrag an der Tafna, worn A. die Verwaltung der 

Abdecker Freiknecht, Fall-, Wafen- oder Provinjen Oran, Titeri und Algier erbielt, mit Mus: 
Feldmeiſter, Kafiller, Sdhinder), eine Perſon, nahme der Hauptitadte und der Witidida von Algier. 
Die in einem bejtimmten Bezirk das gefallene Bieh Wis er aber 1839 den Krieg erneuerte, mute er 
wegzuſchaffen, — und einzuſcharren bat. ſchließlich beim Sultan von Waroffo Zuflucht ſuchen. 
Bis 1817 litt der W. an ⸗Anrüchigleit⸗, war unfähig Nach der Riederlage ſeiner Truppen am Jsly( 14. Mug. 
* Eintritt in die Zünfte, in das Militär und im | 1844) ſchloß Der auch von der Seeſeite Durch den Erin - 
Fhrenjtellen, aber nicht ehrlos. Die W. befaken viel- zen von Joinville eingeſchüchterte Sultan Frieden niit 
fach fiir beſtimmte Bezirle Privilegien, wonad ihnen —— und drãngte A. 1847 über die franzöſiſche 

egen koſtenfreie Abholung nicht bloß die verendeten, Grenze; hier ward er von den Franzoſen 22. Des. 
ondern aud) die »abjtandigen« (j. Ubgeitanden) Tiere gefangen. YW. wurde erjt in das Touloner Fort La- 
unentgeltlich iiberlajjen werden muften. Diefes Bann- malgue, Ende Upril 1848 in das Schloß zu Pau tn 
recht beſteht auf Grund der Verordnung vom 29. April Béarn und endlich nad Amboiſe gebracht. Ym Ot— 
1772 im den öſtlichen Provingen Preußens gegen- | tober 1852 in Freiheit gefest, lies ſich A. zu Bruſſa 
wärtig nod und belajtigt die Landwirtidaft nidjt un- | in Kleinaſien und nad) dem Erdbeben von 1855 zu 
erheblich. Durch Gefesy vom 17. März 1866 wurde Damasfus nieder; hier nahm er fic bei der Chrijten 
den einzelnen Gemeinden das Recht der Brovofation verfolqung im Sommer 1860 der Berfolgten an. Er 
auf Ablöſung der Ubdecerprivilegien gewahrt, wo- | lebte von einer franzöſiſchen Penſion von 100,000 
von jedod) wegen der Koſten wenig Gebraud gemadt | Frank und fdjrieb ein religids - philofophifdes Bud. 
wurde. Rad) der Reichsgewerbeordnung ijt die An- das von Dugat aus dem Arabiſchen iiberjegt wurde 
lage einer Ubdederei freigeqeben, aber an die polijei- unter Dem Titel »Rappel a l'intelligent, avis a l'in- 
liche Menehmiqung qebunden. Yn vielen Landesteilen différent« (Bar. 1858). Seine Sohne nahmen teils 
bejtehen befondere landespolizeiliche Berordnungen. cine franzöſiſche Penſion an, teils traten fie in den 
Das Rinderpeſtgeſetz, das Reidsviehfeuchengejes und  Dienjt der Türkei. Bgl. Bellemare, A., sa vie poli- 
die Inſtruktion zu letzterm enthalten Bejtimmungen | tique et militaire (Bar. 1863); Churchill, LifeofA. 
liber ben Tranoport der Tierfadaver und der zu toten- | (ond. 1867); Bidon, A. 1807— 1883 (Bar. 1899). 
ben Tiere fowre fiber die Ausnutzung derjelben. Unf Wbd ef Latif, arab. Gelehrier, geb. 1160 in Bag: 
Tiere, Die an Seuchen gefallen find und nad den ge- | dad, geſt. daſelbſt 9. Nov. 1231, ſchrieb zablreide 
ſetlichen Ueſtimmungen auf befondere Art unfdad- Smriften theologifden, jurijtiiden, logifden und me- 
lich befettiqt werden müſſen, bat der A. keinen Unfprud. | diziniſchen Inhalts, worunter ein Werk über Vig ten 
Dagegen muß tm Bereich emes Ubdecereiprivilegiums zu eriwabnen, herausgegeben und überſetzt von White 
alles Bieh, bey. Fleiſch, was vom menfdjlichen Ge- | (>Abdollatiphi historiae Aegypti compendiume, 
mithy ausgeſchloſſen wird, dem A. iiberliefert werden, Oxf. 1800) und bearbeitet von de Sacy (» Relatioa 
ſoſern nicht cine Entſchädigung vereinbart ijt. Dies de l'Egyptes, Bar. 1810). 





Hbd el Malik — Abdruck. 


Abd el Malik, fünfter Kalif der Omaijaden, 
Sohn Merwans L, regierte 685 —705. A. war ein 
bedeutender Herrider (jf. Ralifen). 

Abdera, Stadt im alten Thrafien, öſtlich von der 
Miindung des Nejtos an der Miijte, 541 v. Chr. von 
Teos aus geqriindet, fam ſpäter unter die Herrſchaft 
Philipps von Mafedonien, zuletzt unter die der Romer. 
Ruinen auf dem heutigen Rap Buluftra. Ihre Cin- 
wobner jtanden int Ruf der Cinfiltigfeit, fo daß der 
Name WUbderit zum Spottnamen wurde, objdon 
Miinner wie Demofritos, Protagoras und Anaxarchos 
aus A. ftanumten. Bei uns ward der Name Abderas 
popular befonders durch Wielands Roman » Gefdidte 


Der Ubderitens, worin erin ergötzlicher Weiſe die Stadt | 


alg den Typus aller Mleinjtadteret darjtellt. Daher 
Wbderitismus; Sdhildbiirgertum, Meinjtadterei. 

Mbd er Rahman, 1) ibn Abdallah, arab. 
Feldherr in Spanien, drang 732 mit ungeheurer 
Heeresmadt in Uquitanien ein, ging iiber die Garonne 
und Dordogne, vernidtete das Heer des Herzog Eudo 
von Uquitanien, ward aber von Karl Martell, Major— 
bonus der Franfen, zwiſchen Tours und Poitiers 
acihlegen und fiel im Kampf. 

2) U. J., Sohn Muawijas und Enkel des Kalifen 
Hiſcham aus dem Geſchlechte der Omaijaden, entging 
beim Sturz diejer Dynajtie 750 (j. Ralifen) dem Mord⸗ 
jtahl ber Abbaſiden und entlam unter vielen Ge- 
fahren nad) Spanien, wo er ſich rafd) Anhänger er- 


warb, den ihm wibderjtrebenden Emir Juſuf und 


deſſen Feldherrn Someil 756 bei Mofara bejiegte und 
das Emirat von Cordoba begründete. Trogdem er bis 
an fein LebenSende gefährliche Empirungen nieder- 
juiverfen hatte, vernadlafjigte er nicht die Werke des 

ricdens und begriindete die große Mofdee in Cor- 
doba. Er jtarb 788. Er war ein hervorragend be- 

abter und tapferer, wenn auch rückſichtsloſer und 
Bintertijtiger Herrſcher. 

3) A. IT. en Näßir (oder Helfer«), Nachkomme 
des vorigen. Im Alter von 22 Jahren zur Regierung 
gelommen (912), wußte er die Wiiegertriege zwiſchen 

rabern, Berbern und Spaniern, die ſeit langer Zeit 
Andaluſien verwüſteten, durch eine ebenſo feſte wie 
verſöhnliche Politik zu beendigen, die Grenzen des 
Reiches gegen die Leoneſen, Kaſtilier und Navarreſen 
zu erweitern und den Einfluß Cordobas in Nord- 
afrila zu vermehren. 929 nahm er den Kalifentitel 
an. Den materiellen und geiſtigen Fortſchritt des 
Landes förderte er auf jede Weiſe, ſo daß unter ihm 
und ſeinen nächſten robes a das muslimifde 
Spanien das ziviliſierteſte und bejtregierte Land der 
Welt war. YW. ſtarb 961. 

4) Sultan von Maroffo, geb. 28. Rov. 1778, 
get im Auguſt 1859, folgte 1823 feinem Obeim 

tulet Soliman. Wegen der Zahlung des Tributs 
fiir den Schutz gegen Seeräuberei gerict er mit euro- 
piifden Madten in Streit, zuerſt mit Ojterreid, das 
ihn 1828 gum Verzicht auf den Tribut gwang. 1844 
30g er mit 15,000 Mann Abd ef Nader (j. d.) gegen 

igerien gu Hilfe. Uber feine Reiter wurden durd 
Marjdhall Bugeaud am Ysly (14. Aug. 1844) jer: 
jprengt, Tanger und Mogador durd den Prinzen 
von Soinville beſchoſſen. ——* darauf unter eng⸗ 
liſcher Vermittelung mit Frankreich Friede geſchloſſen 
ward, ſo dauerte doch die innere Unruhe fort, bis A. 
1847 die Kabylen über die Grenze drängte. Sein 
Nachfolger war ſein Sohn Sidi Mohammed. 

5) Emirvon Afghaniſtan, Sohn Afſal Chang 
und Enfel Dojt Mohammeds, geb. um 1830 (oder 
erjt 1845), gejt. 3. Oft. 1901, fampfte unter ſeinem 


21 


| Vater und feinem Oheim Azim Chan mit Gili gegen 
den — Emir, Afſals und Azims Bruder 
Schir Ali, und eroberte 1866 Kabul, wo Afſal die 
Herridaft tibernahm. Wis nad) des letztern Tode 
(1867) Azim von Soir Ali 1868 vertricben wurde, 
mute 1869 aud A. fliidten, von Sdir Wis Sohn 
Jakub Chan gejdlagen. Rupland gewährte ihm cine 
Penjion von 25,000 Rubel und wies ihm Samarfand 
als one an. Als nad Sdir Wis Sturz und 
Tod (1879) der von den Engliindern cingefeste 3 otub 
Chan fic) unjuverlafjiq erwies, rief 22. Juli 1880 
Lord Roberts ju Kabul W. gum Emir aus. Obwohl 
Feind der Englinder, nahm er feit 1880 bedeutende 
Jahreszahlungen (1,5, nad andern fogar 3,2 Mill. Me.) 
aus ihren Händen an und acigte ſich injofern treu, 
al8 er Rußlands Geliijten jtets Riegel vorſchob. Ejjub 
Chan, den Sohn Schir Alis, der ſich gegen ihn zu er- 
heben verjudte, ſchlug UW. 22. Sept. 1881 und hielt 
ihn nieder, bis ſich Ejjub 1887 den Engländern ergab. 
Auch Iſhak Chan, der von einer fleinen ruſſiſchen 
Penjion gu Samarfand lebt, und deſſen Sohn Ismail 
Chan hatten mit ihren 1888—90 gemadjten und im 
Herbjt 1899 wiederholten Berfucen, ihren Bruder 
und Obeim W. gu ſtürzen, feinen Erfolg. A. galt 
in feinen letzten Jahren als cin Förderer der pan- 
islamiſchen Bewegung und hat unter Mitarbeit des 
gelebrten Radfdputen Sultan Mohammed Chan, der 
als Hofmeijter 1895 Naſr Ullah nad) England be- 
leitete, eine Selbjtbiographie verfaßt (perf. Original- 
andjdrift im Britiſchen Muſeum; engl., Lond. 1900, 
2 Bde.). Bei feinem Tode hinterlie® A. fiinf Sine: 
Habib Ullah, der fofort die Reqierung antrat, Najr 
Ullah, Fath Ullah, den zwölfjährigen Mohammed 
Omar und einen dreijihrigen Knaben. Val. Whee- 
fer, The ameer Abdur Rahman (Lond. 1895). 

Abdẽeſt (perj.), Name der reliqidjen Wafdungen 
der Muslims bei Tiirfen und Perſern (ſ. slam). 

Mbdias, angeblich einer der 70 Jiinger Chrijti 
und fingierter erjter Biſchof von Babylon. 

Mbdifation (lat.), Ubdanfung (. d.); abdizie— 
ren, abdanfen. 

Wbdomen (lat.), Unterleib (ſ. Baud), der Hinter- 
leib der Gliederfiiher (f. d.); abdominal, auf den 
Unterleib bezüglich. 

Abdominales (Baudfloffer), Unterordnung 
der Knochenfiſche, ſ. Fiſche. 

Abdominalplethora, übermäßige Füllung der 
venöſen Gefäße Der Bauchhöhle, findet ſich bei Leber— 
erkrankungen, die wie die Cirrhoſe zu einer Behinde— 
rung des Pfortaderkreislaufes führen, ferner bei 
jtarfer Fettleibigkeit, bei Erſchlaffung der Bauchdecken. 
Gewöhnlich ſind Hämorrhoiden die Folge. 

Abdominalporen, Offnungen, die bei Rund— 
mäulern und Haifiſchen neben dent Wfter aus der 
Leibeshihle direft nad außen führen. 
| Abdominalfidwangerfdaft, 
ſchwangerſchaft, ſ. Schwangerſchaft. 

Wbdominaltyphus, ſ. Typhus. 
wödruck cin Gebilde, das durch Drud hervor— 
gebracht wird und cin Abbild des Driidenden oder ge- 
drückten Körpers darſtellt, 3. B. die Erzeugniſſe der 
Buchdruckerei, Kupferſtecherkunſt, des Naturſelbſt— 

drucks (. d.) ꝛ⁊c., Abdrücke in Relief find vertieft oder 
erhaben. Unmittelbare Abdrücke liefern ein verkehrtes 
Bild und dienen meiſt nur als Matrizen, von denen 
man durch abermaligen A. oder durch Abguß (ſ. d.) 
“bie verlangte Form erhält. Bal. aud) Galvanoplaſtik. 
Natiirlide Abdrücke von Pflanzen und Tieren 
findet man in vielen gefdidteten Steinen; bei ihnen 








Bauchhöhlen— 


22 


iit bie Subſtanz de organiſchen Körpers vollitindig 
verſchwunden. Whdriide des innern Hobhlraums von 
Schneckenſchalen, Muſcheln xc. nennt man Steins | 
ferne (val. Betrefaften). — Am Beitungs- und Heit: | 
ſchriftenweſen ift der A. eingelner Artikel, Das find! 
ſelbſtändige Darlequngen, die an fich geeiqnet find, | 
als Schriftwerfe cin Urbheberredt gu beqriinden, aus 
Reitungen unter deutlicher Quellenangabe zwar zu⸗ 
varia, foweit die Urtifel nicht mit einem Vorbehalt 
der Rechte verichen find und der Sinn nicht entitellt 
wird. Dagegen tit der YW. von Uusarbeitungen wiffen- 
ſchaftlichen, techniſchen oder unterhaltenden Inhalts 
unzuläſſig, auc wenn ein Vorbehalt der Rechte fehlt. 
Vermiſchte Nachrichten tatſächlichen Inhalts und 
Tagesneuigkeiten dürfen aus Zeitungen und Zeit— 
ſchriften ſtets abgedrudt werden (Arheberrechtsgeſetz 
pom 19. Juni 1901, $18). Rein tatſächliche Mitteilun— 
gen, bei denen aud) feine Selbjtindigfeit der Form 
und Einkleidung voriiegt, find iiberbaupt nicht Gegen⸗ 
tand des Urheberredts (ſ. d.). Bal. aud) Berner 

bereinfunft (f. d.), Art. 7, in Der Durd die Pariſer 
Zuſatzakte (Art. 1, Ziff. IV) abgeänderten Faſſung. 

Abdiicens (Nervus a.), äußerer ————— 
nerv, ſ. Auge. 

Abduftoren (lat., Abziehmuskeln) dienen zur 
Fortbewegung eines Gliedes von cinem andern ihm 
nabelieqenden oder von der Achſe bes Körpers. 

Abd ul Aſis (fiber die Bedeutung des Namens 
f. Ubd), 1) der 82. Sultan der Osmanen, geb. 9. Febr. 
1830, geil 4. Juni 1876, folgte feinem altern Bru- 
Der Abd ul Medichid, der ihm gegen das oomanifde | 
Hausgeſetz veridont hatte, 26. Juni 1861 auf dem | 
Thron. Anfangs wollte er ſich mit Einer Frau 
beqniigen, ſchien durch die Beſtätigung des Hatti 
iderifs von Gülhane und des Hattihumajuns von 
1856 m vorurteilslofe Bahnen einzulenken und fegte 
feine Sivilltite von 75 auf 12 Mill. Piaſter herab. 
Doch blieben alle Reformen oberfladlid. Was Heer 
und Warine von den veridiedenen Anleihen übrig 
liefen, Diente jur Verſchönerung der Hauptitadt, zu 
Reifen und Jagdvergnügungen des Herrſchers. Ber- 
ſchwendung und Sarcnteiticbat wirften bald ebenfo | 
verderblich wie friiber. Dabei hatte feine Regie 
rung fortwährend nut Schwierigfeiten yu fampten, 
wie mit Dem Aufſtand Rretas 1867 — 69, dem Ber 
langen Rumäniens und Serbiens nad villiqer Selb. 
ſtändigleit, endlich mit dem mohammedaniſchen Fana- 
tismus. Nachdem er die verſtändigen Miniſter Fuad 
und Walt in den höchſten Staatsännern belaſſen und 
1867 eine Reiſe nach Wejteuropa unternommen hatte, 
ernannte er 1871 Mahmud Nedim Paſcha jum Groß 
wefir, betrieb den Blan, anftatt feines Neffen Murad, 
den die osmaniſche Ordnung beſtimmte, ſeinen Sobn 
Juſſuf Izzedin zum Thronerben ernennen zu laſſen, 
und ließ ſich deshalb in Verhandlungen über einen 
Staatsitreich mit ruſſiſcher Hilfe cin. Wabrend er die 
Hilfstrafte des Staates vergeudete und fic 1875 vom 
ruſſiſchen Botichafter Aqnaticw ſogar verleiten lies, 
den Staatebanfrott yu erklären, loderte er Den Ver— 
band der Provinyen und ließ die ruffifchen Ugitationen 

ewabren, Die 1875 yu Aufſtänden in Bosnien, der 
der zegowina und Bulgarien führten. Endlich fam 
es 11. Wat 1876 gu einem von den Softas in Kon— 
ftantinopel geleiteten Mufitand gegen Mahmud Redim. 
A. entließ Diefen, wurde aber in der Nacht vom 2d. 
zum 30, Wat 1876 von Huffein Yoni, Midhat, Mehe 
mid Rüſchdi, Sulaiman u.a. zur Abdankung gezwun 
gen und 4. Juni um Balaft Tideragan ermorbdet. | 
881 wurden die nod lebenden Paſchas Midhat, Nurt 














ſchaffte Rußland bedeutende 
Schwarzen Meer. Die Krim, fiir unabhängig erflart, 


Abducens — Abd ul Hamid. 


und Mahmud wegen der Ermordung Wi." jum Tode 
verurteilt und in die Berbannung nad Taif in Yira- 
bien geſchickt, wo fie alle drei, ſchwerlich eines natiir- 
lichen Todes, 1884 ftarben. Val. Mitlingen (Os 
man Geify Bei), La Turquie sous le régne dA, 
1862 —1867 (Brüſſel 1868). 

2) Sultan von Maroffo, geb. 1878, Lieblingsfobn 
des Sultans Mulei Hafan, dem er 6. Juni 1864 
unter großen Schwierigkeiten auf dem Throne folate. 
Jn den Beziehungen ju den europäiſchen Mächten be- 
reitete ihm feit 1900 namentlid Franfreihs Sudan- 
politif fd were Sorgen, weil wegen des fiidafrifans- 
iden Krieges auf Englands Hilfe nicht ju rechnen war. 

Abd ul Hamid, 1) W. |, 27. Sultan der Osma⸗ 
nen, geb. 20. Mai 1725, geft. 7. Upril 1789, Sobm 
Ahmeds IIT., folgte 21. Jan. 1774 ſeinem Bruder 
Wuftafa IIT. zu emer Zeit, wo das binfalige Reich 
in der größten Verwirrung war. Die Statthalter vom 
Syrien, Agypten und Georgien waren faft unab- 
bangig. und mit Rufland war die Pforte m emen 
unqliidliden Krieg verwidelt. Der am 21. Yuli 1774 
zu Kütſchüt Kainardſchi abgeſchloſſene Friede ver- 
bietserweiterungen ant 
wurde 1783 von Rußland genommen, und die Pforte 
mußte dies 1784 beſtätigen. Auch mehrere Ba 
empörten fic); doch wurde Scheid) Tahir 1775 m 
Syrien getötet und die aufrithrerifdhen Wameluden:- 
beis in Agypten 1786 voriibergehend gebandigt. Ge- 
qen Das mit Oſterreich verbiindete Ruland erflarte 
1787 A. der fein Heer durch franzöſiſche Offistere hatte 
reorganifieren lajien, den Krieg; Diefer begann nit 
den Wiederlagen der türliſchen Flotte auf der Hobe von 
Minburn (7. und 17. Sunt 1788) und der Croberung 


‘von Oticdafow durch Potemlin (17. Dez). 1784 foll 


A. Die ihm vom Dei von — geichentte, vorber durch 
Seerduber bei ihrer Hetmfehr aus Nantes qeraubte 
Aimeée Dubuc de Rivery aus Martinique heimgeführt 
haben (j. Mahmud IT.); fein Nachfolger war fein Neffe 
Selim III. Val. Aßim Tarichi, A history of Abd 
wl Hamed and Selim ILL. (Monjtantm. 1867, 2 Bde.). 

2) A. II. der 34. türt. Sultan, sweiter Sohn Abd 
ul Wedichids, geb. 22. Sept. 1842, ward 31. Aug. 
1876, nachdem fein dilterer Bruder, Sultan Murad V. 
als wahnſinnig abgefest worden war, auf den Thron 


‘erhoben. Unfangs unter dem Einfluß der Reform 


parte: Midhat Fafdas, gab UW. 23. Dey. 1876 Dem 
osmanifden Reich eine fonjtitutionelle Berfaffung 
nad dem Entwurfe vom 1. unt, lehnte aber die Ern- 
miſchung der Großmächte in die tiirfiiden Verhält⸗ 
niffe ab. Nad Midhats Entlaffung (5. Febr. 1877) 
verfiel A. in Den Febler feiner Vorgänger, die Regie: 
rung nad Laune oder den Cingebungen mächtiger 
Miinjtlinge, wie feines Schwagers Mahmud Dantad 
Paſcha, yu leiten. Die Folgen waren wahrend des 
Mrieges mit Rupland (1877 -—7%) öfterer Wechſel der 
Feldherren und des Kriegsplans und willkürliches 
Eingreifen des Balajtes in die Lrieqsoperationen, dav 
nad forwährendes Schwanken in der Politif und 
wiederholte Miniſterwechſel, wodurd weitere Ber: 
lufte außer den tm Berliner Frieden der Türkei auf. 
ertegten Ubtretungen verurfacdt, tm Annern die Fi 

nanjnot und die Jerriittung ſehr geſteigert wurden. 
Erjt 1881 beqann A., von dem Einfluß der Gitnit 

linge befrett, mit Hilfe deutſcher Beamten die Reform 
der Finanzen und nahm felbjt die Lertung der aus. 
wartigen Bolitif in bie Hand, um ſeinen Einfluß ats 
Kalif in Weftafien und Nordafrifa zu vergrößern. 
Dabei erlitt er cigentlid) nur 1882 in Lignpten cine 


Abd ul Kerim — Wbefen. 


Niederlage. Val. Le Jeune, Comment on sanve 
un empire. Le sultan A. et son wuvre (2. Aufl., 
Par. 1894); Frémont, A.et son régne (daj. 1895); 
Hecquard, La Turquie sous A. I Grüſſel 1900); 
Dorys, A. intime (Par. 1901; deutſch, Münch. 
1902); B. Stern, A. IL. (Budapeft 1901). 

Abd ul Kerim Paſcha, türk. General, geb. 1807, 
qejt. im Februar 1885 auf Lesbos, madjte den Mili- 
tirturfus in Wien unter dem ſpätern Feldzeugmeiſter 


v. Hauslab durd, diente in Mefopotamien und r- | 


menien, ward 1850 Muſchir, befebligte im Krimkrieg 
die anatolifde Urmee, nahnt 1862 unter Omer Paſcha 
amt Feldzuge gegen Vtontenegro teil, kommandierte 
wabrend ded fretifden Aufſtandes 1867-—68 das 
Objervationsforps in Thefjalien, war dann wieder- 
holt bald Polizet-, bald KriegSminijter und madte 
jid) mit Huſſein Avni Bafda um die Reorganifation 
der Armee verdient, indem er cine reguläre Referve 
und eine Landwehr ſchuf, die Armee neu und gleich— 
mäßig bewaffnete, europäiſche Reglements bet den 
Truppen einfiihrte und Kriegsſchulen gründete. 1876 
imt Krieg mutt Gerbien ward er jum Serdar efrem 
(Oberbefehlshaber) ernannt. Frith gealtert, liek er, 
1877 mit dem Befehl iiber die Donauarmee betraut, 
ruhig die Rufjen an verſchiedenen Stellen die Donau 
überſchreiten und felbjt fiber den Balfan vordringen; 
deShalb 23. Juli 1877 vom Rommando abberufen, 
wurde er trog der ſchriftlich eingereichten Verteidigung 
auf der Inſel Lemnos, ſpäter auf Rhodos fejtqehalten. 

bdullah II., Chan von Bochara, f. Abdallah 3). 

u.; Bei, Mineralog, ſ. Hammerſchmidt. 

Mbdullahi el⸗Teiſchi e8-Saytd, Kalif, geb. 
um 1830 in Dar Fur aus dem Stamm der Baggara, 
wurde nad) dent Tode des > Wahdi« Mohammed Ah— 
ited (22. Juni 1885) defjen Nachfolger, hatte imerjten 
Jahrzehnt feiner Regierung viel mit Aufſtänden un- 
botmiapiger Uraber, namentlich der vom erjten Mahdi 
bevorgugten Dongolaner, ju lämpfen, ſchlug 9. März 
1889 den abeſſiniſchen Kaiſer Johannes, hatte aber 
mit feinem gleichzeitigen Ungriff auf Agypien leinen 
Erfolg. Im Noveniber 1893 bei Agordat von den 
Italienern gefdlagen, fand er fein Ende unter Lord 
Ritdhener: nad feiner Niederlage bet Omdurman 
2. Sept. 1898 ſammelte er gwar in Rordofan 1899 
nodmals feine Anhänger und madte einen Vorſtoß 
gegen Chartum, wurde aber 24. Nov. von der eng: 
uͤſch ägyptiſchen Armee unter Oberſt Wingate bei Om 
Debrifat ſüdlich von Dſchedid befiegt und getitet. 

Abdullah Mani, in Lyon fiir Ubeffinien und 
Marollo hergejtellter geſtreifter Seidenjtoff. 

Mbd ul Latif, ſ. Wbd ct Latif. 

Mb ul Medſchid, der 31. Sultan der O$manen, 
geb. 19. Upril 1823, gejt. 25. Juni 1861, folgte 
1. Juli 1839 feinem Bater Mahmud IL. auf dem 
Thron. Bon der Gefahr, nad) der Auflöſung des 
tiirtifdjen Heeres bei Niſib durch die Ägypter in Kon— 
ſtantinopel ſelbſt angegriffen zu werden, wurde A. 
durch das Einſchreiten der europäiſchen Mächte be— 
freit. Durch den Hattiſcherif von Gülhane (2. Nov. 
1839) ak ber von feiner Mutter, der Sultanin- 
Walide, die bid zu ihrem Tode (2. Mai 1853) die Ge- 
ſchäfte führte, und von Refdhid Paſcha geleitete A. 
die Fortführung des vom Vater begonnenen Reform: 
werfes an. WIS fic) A. in Krieg mit Ruiland (j. trim: 
frieq) verwidelt ſah, erwirften feine europäiſchen 
Ratgeber das zweite Staatsqrundgefes des türkiſchen 
Reides, den am 21. Febr. verfiindeten Hattihumajun 
vom 18. Febr. 1856, der die Uingeftaltung de3 Os— 
manenftaates im abendliindifden Sinne vollenden 














23 


jollte. Häufige Aufſtände beunrubigten befonders 
Bosnien und die Herjzeqowina. Scheinbar fah A., 
der fich feit feiner — in bas europäiſche Kon⸗ 
ert auf Dem Pariſer Kongreß (1856) »Seine Maje- 
Hite und »Raifer- nennen lie} und von Zeit zu Beit 
jeine Staaten hereiſte, ſeine Macht vermehrt. Mehe— 
med Wi von Agypten war 1849, fein Sohn Ibra— 
him fdon 1848 gejtorben; von ihren Nachfolgern 
Abbas I. (gejt. 1854) und Said drobte teine Gefabr; 
Tripolis und Tunis fiigten fid) äußerlich ebenfalls 
der o8manifden Oberberrlidfeit ; der mam von Mas- 
fat erfannte die Oberhoheit der Pforte an, und die 
Araber von Wleppo bis Bagdad wurden unterworfen. 
Uber diefe äußerlichen Erfolge mastierten nur dürf— 
tig den fortidreitenden BVerfall, den dic Haremswirt- 
ſchaft mit ihrer Verſchwendung und die Willens- 
ſchwäche des gutmütigen Herrſchers verſchuldeten. 

Abd ul men (Abu Mohammed), Grün— 
der der mauriſch-ſpan. Dynaſtie der Almohaden, geb. 
1101 in Nordweſtafrika, geſt. 15. Mai 1163, war 
Schiiler des Berbers Abdallah ibn Tomrut, de3 Stif- 
ters der muslimifden Sete Der Moahedun oder Al— 
mobaden ju Tinmal an der Sahara. Von Abdallah 

u feinem Stellvertreter ernannt, drang er 1125 bis 
aroffo vor, ward aber von dem Almoraviden Wi 
Abul Hakem geidlagen. Mit neuen Anhängern aus 
Tinmal fiegte er bet Uqghmat iiber die Wlmoraviden 
und ward nach UWbdallahs Tode 1130 gum Emir al 
Mumenin erwahlt. Nad der Einnahme von Fes und 
Maroklo bejtieg er 1149 den maroffanifden Thron. 
Er breitete feine Herrſchaft über Tunis, Rairuan, 
Nordafrifa bis Barka, Sevilla und Cordoba aus. 

Abd ul Wahhab, ſ. Wahhabiten. 

Abd ur Rahman, ſ. Abd er Rahman. 

Abecedarius (neulat.), Abeſchütz, Anfänger im 
Lefen; aud) Lehrer des UBC, d. h. nad) veralteter 
Methode des erjten Lefens; friiher Spottname der 
alles Wiſſen veradtenden Wiedertiufer. 

Abecedicren, dic Budjtaben nach dem ABC her- 
fagen; die Tonleiter fowie tiberhaupt Noten mit ihren 
Benennungen ohne Tert fingen. 

A'Veckett (vr. Abedet, Urthur William, engl. 
Sehriftiteller, geb. 25. Olt. 1844 yu Hantmerfmith 
bei London, verfakte humorijtifde Novellen und Dra- 
men untergeordneten Ranges, von denen »About 
Town« (1875) 150 Borjtellungen erlebte. 

Abegg, Julius Friedrid Heinrich, Krimi- 
nalijt, geb. 27. März 1796 zu Erlangen, geſt. 29. Mai 
1868 in Breslau, war 1821—26 Profeſſor tm Königs⸗ 
berg, dann in Breslau. Hauptiwerfe: »Syjtem der 
Kriminalrechtswiſſenſchaft« (Königsb. 3 »Lehr⸗ 
bud) des Kriminalprozeſſes« (Daj. 1833); »Lehrbuch 
der Strafrechtswiſſenſchaft⸗ (Neuſt. a. O. 1836). 

Abeken, 1) Bernhard Rudolf, Philolog, geb. 
1. Dez. 1780 zu Osnabrück, geſt. daſelbſt 24. Febr. 
1866, ſtudierte Theologie in Jena, ward 1808 Lehrer 
der Söhne Schillers, 1810 Konreltor in Rudolſtadt, 
1815 Konrektor und 1841 Rektor am Gymnaſium zu 
Osnabrück. Er gab die Werke J. Möſers (ſ. d.) her⸗ 
aus und ſchrieb: » Cicero in ſeinen Briefen« (Hannov. 
1835); » Goethe in den Jabren 1771 1775. (2. Aufl., 
Daj. 1865) u. a. 

2) Heinrid, Neffe des vorigen, qeb. 19. Aug. 1809 
zu Osnabriie, git. 8. Uug. 1872 in Berlin, jtudierte 
1827 —31 in Berlin Theologie, ward 1834 preu- 
ßiſcher Gefandtichaftsprediger tn Rom, 1841 in Lon- 
don auf Befehl Friedrid) Wilhelms IV. zur Ausfüh— 
rung des geplanten evangelifden Bistums in Jeruſa⸗ 
fem titig, begleitete 1842 Lepſius nad Ägypten und 


24 


VUthiopien und ward 1848 im preußiſchen Minijterium | 
des Auswärtigen angeftellt, dem er feit 1853 als Ge: | 
Heimer Legationsrat angebhorte. UW. wurde als Mit: | 
lied des Auswärtigen Umts von Bismard mit Bor- 
tebe mit der Abfaſſung diplomatiſcher Schriftſtücke 
beauftragt, ftand aber aud bei König Wilhelm in 
hohem Anſehen. Oft mute er den König auf feinen 
Sommerreijen als BVertreter des Auswärtigen Amts 
beqleiten und war als folder aud im Qult 1870 zu 
Ems tatig. Im Hauptquartier des Königs, dem er 
wahrend des Rrieges 1870/71 folgte, fam feine ver- 
mittelnde Natur mehrfach zur Geltung. Bon ibm 
jtammt die anonyme Schrift gegen die Grajin Habn- 
Hahn: »>Babylon und Jeruſalem« (Berl. 1851). Eme 
Biographie von W., die durch die Briefe aus dem 
Hauptquartier 1870/71 wertvoll ijt, gab jeine Witwe, 
Hedwig W., geborne v. Ol fers, heraus (»Heinridh 
A. ein ſchlichtes Leben in bewegter Seit<, Berl. 1898). 

3) Chrijtian Wilhelm Ludwig von, fadi. 
Juſtizminiſter, Neffe von A. 1), geb. 26. Nov. 1826. 
zu Dresden, gc dafelbjt 18. Oft. 1890, ſtudierte 
1845—48 in Leipzig und Heidelberg die Rechte, ward 
1856 Staatsanwalt in Borna, 1858 Bezirfs-, 1863 
Uppellationsgeridhtsrat in Dresden, 1866 Rat tm 
Juſtizminiſterinm, 1871 Juſtizminiſter und Mitglied 
des Bundesrats, 1878 geadelt. 

Abel (Hebel, d. b. — Hinfälligkeit; bedeutet 
urſprünglich ⸗Sohn« nad dem im Aſſyriſchen erhal⸗ 
tenen »habal·), der zweite Sohn Adams und Evas, 
ber bon ſeinem ältern Bruder, Kain, aus Reid erſchla⸗ 
gen wurde (1. Mof. 4, 16). Die bibliſche Erzählung 
it Durd) die Dichtung der Rabbinen, driftlider Er— 
zähler und des Korans vielfach, zum Teil poetiſch, aus 
geſchmückt worden. Den Ort der Ermordung Ubels | 
jeigt man nod) jest 120 km von Damasfus und nidt 
weit davon fein Grab. Die dhriitlichen Gnojtifer | 
madten aus UW. einen vermenfdlidten «aon, Ebel 
ober Siva, d. 6. glänzender Daud. 

Abel, 1) Karl Friedrid, der legte Gamben- | 
virtuos, qeb. 1725, geft. 20. Juni 1787 in London, 
war 1748 —58 Mitglied der Hoffapelle in Dresden, 
feit 1759 in London, wo er mit Job. Chrijtian Bad 
bis gu deſſen Tode (1782) Ubonnementfonzerte (die 
Bad) WUbel-Monjerte) leitete. A. war felbjt em ange: | 
fehener Komponiſt (36 Ouvertiiren Symphonien), 
18 Streicbquartette u. a.). 

2) Jafob Friedrich von, philofoph. Schrift- 
fieller, geb. 9. Wai 1751 zu Vaihingen an der Enz 
in Wirttemberg, geſt. 7. Juli 1829 in Schorndorf. 
Seit Dem 21. Jahr Profeffor der Philoſophie an der 
smilitariichen Bilan sidhule< auf der Solitiide (fpatern 
PHohen Rarlsidule« in Stuttgart), wo er Schillers 
Lehrer war, wurde er 1790 Profeſſor der praftifden 
Philoſophie an der Univerſität Tiibingen, 1793 Päd— 
agogiard der wiirttembergifden Gymnaſien u. Schu⸗ 
len, 1825 Generalfuperintendent in Urach, ſpäter in 
Stuttgart. Seine friihern, eflettijd qebaltenen Schrif- 
ten bezogen fid) auf Pſychologie, Metapbyiit Moral, 
bie fpdtern find mebr reliqionsphilofopbhifden In— 
halts: » Pbhilofophifde Unterſuchungen iiber die lesten 
Grunde bes Glaubens an Gott« (2. Aufl., Stuttg. 
1M20); »*Mustlibrliche Darjtellung des Grundes unfers 
Mlaubens an Unſterblichkeit« (Frankf. a. M. 1826). Bal. 
Ubders, Jafob Fricdr. U. als Boilofoph (Berl. 1893). 

4%) Marl von, bayr. Staatsmann, geb. 17. Sept. | 
1754 ju Weglar, geſt. 3. Sept. 1859 m München, 
trat 1410 in den bayriſchen Staatsdienft, wurde 1819 
Regierungsrat in München, 1827 Rat im Minijterium | 
bes Innern und ging 1832 als Reqentichaftsrat nad | 








freiſinni 


Geſandter zu Turin und 1850 in 
ſetzt. Auf 
in Die Zweite Kammer gewählt. Bgl. ⸗·A. und Waller- 
ſtein· (Stuttg. 1840). 


Abel (bibl) — Abel (Zuname). 


Griedhenland. 1834 trat er wieder in das bayriſche 
Miniſterium des — em, deſſen Berwaltung ihm 
1837 erit proviſoriſch. dann endgülti en 
wurde. 1840 ibernabm er aud — ber Oi , 
nan Wis Mimiter verleuqnete er feime friibern 
Anſichten und ĩichloß ſich tmmer enger 
an die olutijten und Ultramontanen an. 
Erlaß, der die Kniebeugung berm fatholiidhen Gottes- 
dienſt aud) fiir die proteitantiiden Soldaten anord- 
nete, madte den Unfang einer Reibe von Mafregeln, 
welche die Rechte der evangeliicen Rirche und die re- 
ligtdie Gleichitellung verletzten. Er war etfrig bemüht. 
die Bundeshefdliifie vom 28. Juni 1832 gegeniiber 
Den mit Uberetlung gegebenen ſüddeutſchen Ber. 
jaffungen« jtreng durdjufiibren und das Steuer- 
bewilligungsredht des Landtags fait wirfungslos zu 
madden. Seine Berwaltung nef endlich nidt nur m 
der Rammer, fondern aud im Reichsrate lebhafte 
Oppofition bervor. König Ludwig zweigte 1846 em 
befonderes Rultusminiiterium von ſeinem Rejjort ab, 
und als A. feine Zuſtimmung jur Indigenatserteilung 
an die Tanjerin Lola Monte; (j.d.) verweigerte, erhielt 
ev 17. Febr. 1847 feme Entlajjung, wurde bayriſcher 
Ruheſtand ver: 
ieb Der Ultramontanen wurde er 1845 


4) Niels Henrif, Mathematifer, geb.5. Aug. 1802 
im Kirchſpiel Findd im norwegiſchen Stift Chrijtian- 
jand, geit. 6. Upril 1829 auf dem Cifenwert Froland 
bet Urendal; bezog 1821 die Univerſität Chrijtiania, 
bielt fic) 1825—27 tm Ausland, beionders in Berlin 
und Karis, auf, wurde nad jeer Rückkehr Dozent 
an der Univerfitat und Ingenieurſchule m Chrijnania 
und 1828 Bertreter Hanjteens. YW. leijtete ſehr viel 
fiir Die Theorie der algebraiſchen Gleidungen, er 


ſchuf, unabbingiq von &. G. J. Jacobi und nod 


etwas frither als Ddiefer, die Theorie der elliptijden 
Funktionen und begriindete die allgemeine Theorie 
der Integrale algebraticher Funttionen, beionders 
durch fein beriihmtes »VUbeliches Theorem<. Seine 
qefammelten Werke find in franzöſiſcher Sprache zuerſt 
1839 erſchienen (2 Bde.) und auf Staatstoften voll- 
jtindiger von Sylow und Lie herausgegeben (Chriſt. 
1881, 2 Bde.). Bgl. Bjerfnes, N. H. A., sa vie 
et son action scientifique (Bordeaur u. Par. 1885). 

5) Otto, Gefdhichtidreiber, geb. 22. Jan. 1824 m 
Slojter « Reichenbad auf dem wiirttembergtiden 
Schwarzwald, geft. 28. Of. 1854 in Leonberg, wid- 
mete Dahlmann feine Erjtlingsidrift: »Mafedonien 
vor König Philipp« (Leip; 1847), tm der er den 
helleniiden Urjprung der Wafedonier nadwies. Der 
nationalen Bewegung des Jahres 1848 entfprang 
feine Schrift: »Das neue Deutiche Reid und fein 


| Raifer« (Berl. 1848), und feine Enttäuſchung über 


das Berhalten Friedrich Wilbelms IV. fpiegelt fic in 
jeiner pojthumen Schrift »Theodat, König der Ojt- 
qoten« (Stuttg. 1855) mit ihren Unjpielungen auf 
die Gegenwart wider. Nachdem er den preukiiden 
diplomatijden Dienjt, in den ihn der Miniſter Hein- 
rid v. Arnim gesoaen. 1850 verlajjen hatte, lebte A. 
in Berlin als Mitarbeiter an Den » Monumenta Ger- 
maniae historicae. 1851 habilttierte er jid fiir Ge- 
ſchichte in Bonn. Bon einer von ihm beabjichtigten 
großen Geſchichte Kaiſer Friedrichs IL. erfdienen nur 
Die einleitende Monographie »König Philipp der 
Hobhenitaufe« (Berl. 1852) und das pojthume Frag⸗ 
ment ⸗Kaiſer Otto IV. und sets sae IL.« (brsg. 
von Wegele, daf. 1856). Außerdem ſchrieb er: » Die 


Abélard — Abendmabl. 


deutſchen Perjonennamen«e (Berl. 1853, 2. Aufl. 
1889); »Die deutiden Kaiſerdynaſtien und ihre Be- 
jtrebungen fiir Die Einheit und Erblichkeit des Reichs « 
(in »>Germania«, Bd. 1, Leipz. 1851) und »Die Le- 
gende vom heil. Nepomufe (Berl. 1855). 

6)Sir Frederid Uugujtus, Chemifer, geb.1827 
in London, wurde Chemifer des englifden Rriegs- 
departementS und verbefjerte das von dem Oſterrei— 
cher v. Lent angegebene Verfahren der Fabrifation 
der Schießbaumwoͤlle. Wud lieferte er Studien über 
Wefen und Verlauf der Explofionen und bradte die 
Sprenggelatine in cine handlidere Form. 1883 war 
er engliſcher Regierungsfommijjar bei der eleftrifden 
Uusjtellung in Wien, und bei feiner Heimfehr wurde 
er geadelt. Seit vielen Jahren ijt A. allgemeiner 
chemifder Ratgeber der Regierung, Beiſitzer der Ar— 
tilleriefommijfion, Mitglied des Royal Engineers 
Committee und feit 1889 Brijident des Committee 
on Explosives. Er fdrieb: »Gun-cotton« (1866); 
»On recent investigations and applications of ex- 
plosive agents« (1871); » Researches on explosives« 
(1875); »The modern history of gun-powder« 
(1877); »Electricity as applied to explosive pur- 
poses« (1884). Wit Bloram fdrieb er em Handbud 
der Chemie (1858 u. öfter). 

7) Sigurd, Hijtorifer, Vetter von U. 4), ged. 
4. Juni 1837 in Leonberg, geſt. dafelbjt 9. San. 1873, 
ſchloß fid) Der Waigichen Schule an, habilitierte ſich 
1861 in Gottingen, ward 1868 auferordentlider 
Profeffor in Giegen, erfranfte aber ſchon 1869. Er 
fchrieb: »Der Untergang des Langobardenreidhs in 
Ntalien« (Götting. 1859) und ⸗Jahrbücher des frän⸗ 
fifchen Reiches unter Karl d. Gr.« (Leip;. 1866, Bd. 1, 
768 —788; 2. Aufl. von B. Simfon, 1888). 

Mbelard, j. Abälard. 

Abélia R. Br., Gattung (oder Gruppe der Gat- 
tung Linnaea Gronov.) der Kaprifoliazeen, niedrige 
Straucher mit nicht abfallenden, gangen Blittern und 
trichterförmig⸗ röhrigen Bliiten, an 1-—3bliitigen, 
meiſt adfelitandigen Blütenſtielen. 8 Arten in Aſien, 
3 in Merifo, werden z. T. im Kalthaus kultiviert. 

Ubelin, Johann Philipp, Geſchichtſchreiber 
aus Strapburg, wo er zwiſchen 1634 und 1637 ſtarb; 
fchrieb unter den Namen Ubeleus, PHilipp Ur- 
fanibdus und Johann Ludwig Gottfried oder 
Wothofredus dronifartige Zeitgeſchichten. Wm 
befanntejten ijt das von ifm begritndete »Theatrum 
europaeume (j. d.), ein Gejdictstalender in Folio, 
deſſen zwei erjte Bande A. verfakte. Wie feine andern 
Werke tt es mit trefflichen Nupferjtiden von Mi. Me— 
rian geſchmückt. Bgl. G. Droyfen, Arlanibaens, 
Godofredus, Abelinus (Berl. 1864). 

Abeliten, die Mitglieder des Abelsordens (j. d.). 

Abelmoschus Medik., Gattung der Malvazeen, 
meijt einjabrige, hobe, oft beſtachelte Grauter mit gan- 
ah oder qelappten VBlattern, eingeln achſelſtändigen 

liiten, ſehr verldngerter, zugeſpitzter Kapſel und 
fablen Gamen. 10—12 Urten tn warmern Landern 
der Alten und Neuen Welt. A. esculentus Mey. 
(Rofenpappel), mit qelben Bliiten, in Ojtindien (?) 
heimiſch wird in allen Tropenländern kultiviert. Die 
greene Rapfeln (O dro, Ofra, Gombo, Gumbo, 

ombro) werden unreif als Gemüſe gegeſſen, auch 
mediziniſch wie Althaea benutzt; unentiwidelt macht 
man fie wie Kapern cin. Der Stengel liefert jute- 
artige Bajtfafer (Bandakai fibre), wird auc) in Nord- 
amerifa zur ‘Rapierfabrifation benugt. A. moschatus 
Med. (Bijamitraud), 2—2,5 m hod, mit grofen, 
gelben, int Grunde dunfelroten Blumen, in Ojtindien 





25 


heimiſch, wird in allen Tropentindern fultiviert. Die 
nierenformigen, fdwarzbraunen Gamen mit erha- 
benen, braunen Rippen bilden die Ubelmofdus- 
forner (Biſamkörner), die in der Parfiimerie, 
als Perlen, in Wejtindien aud gegen Schlangenbiß 
we werden. Der Stengel liefert Bajtfafer. 

Abelſche Funftionen, ſ. Funttionen. 

Abelſche Gleidungen, ſ. Gleichung. 

Abelſcher Apparat, ſ. Erdöl. 

Abelſches Theorem, ſ. Funlktionen. 

Abelsorden, cine 1745 zu Greifswald geſtiftete, 
aber bald wieder eingegangene Geſellſchaft, deren Mit— 
— (Abeliten) in Redlidfert und Aufrichtigkeit 

bel, Dem Sohn Adams, nachzueifern ſich verpflid- 
teten. Bgl. »Der Ubelit« (Leip;. 1746). 

Wbenafi(Ubnati, von Wapanachki,⸗Männer 
des Djtens«), allgemeine Bezeichnung fiir die Mitmaf, 
Etſchemin und andre Wigonfinfjtimme in Neufund: 
land, Reufdottiand, Neubraunjdweig und Reueng- 
land. Bal. Vetromile, The Abnakis and their 
history (Mew Y)orf 1866). 

Wbenberg, Stadt im bayr. Regbez. Mittelfranfen, 
Bezirksamt Schwabach, hat eine evangelijde und eine 
fath. Kirche, ein alte3 Schloß, Spigenfloppele: in Gold- 
und Gilberdraht und (1900) 1400 Einw. Dabei das 
ebemalige Uuguitinerflojter Marienburg. 

UWbencerragen, edle3 arab. Geſchlecht in Granada, 
das nad Ibn Serradſch, dem Vertrauten des Königs 
Mohammed VII. von Granada (1392 —1407), den 
Namen WU. erbhielt. Die W. waren mit dem Gefdlechte 
der Zegris in Zwiſt geraten und jtanden auch dem 
König Ubul Haſſan (gegen 1480) in geheimer Feind- 
ſchaft gegenüber. Als nun lepterer von der Liebſchaft 
zwiſchen einem der UW. und feiner Schweſter Zoraid: 
erfahren hatte, lief er die A. in Die Alhanibra locen 
undermorden. Rod heute ay cin Teil der Alhambra 
(f. d.) »Saal der A.«. Dieſe (hiſtoriſch nicht bezeugte) 
Begebenbheit liegt Chateaubriands Erzablung: 5 
aventures du dernier des Abencérages« 3u Grunde, 
wonad Jouy das Tertbud) ju Cherubinis Oper 
»Die A.« bearbeitete. 

Abend (Wejten, lat. Occidens, daher aud Olzi- 
dent), die Himmelsgegend, in der die Sonne unter: 
geht; aud) die Zeit des Gonnenuntergangs. 

bendberg, Berg im ſchweizer. anton Bern, 
fiiddjtlid) von Interlaken, 1257 m hod; darauf eine 
Molfen- und Luftfuranjtalt (1139 m). 

Abendbsrfe, Verjammlung von Birfenjpetulan- 
ten außerhalb der durd die Börſenordnung feſtgeſetz⸗ 
ten Stunden, j. Borie. 

Abenddammerung, ſ. Dammerung. 

Abendfalter, Abendſchwärmer, |. Schmetter⸗ 

Wbendland, |. Ofsident. [linge. 

UAbendlandifche Mirdhe, dic rdmijd-fath. 8 

Abendländiſches Kaifertum, das Weſtrömiſche 

Abendlichtnelke, ſ. Melandrium. Reich. 

Abendmahl (Nachtmahl, Sakrament des 
Altars, Euchariſtie), die allen chriſtlichen Kirchen 
und Konfeſſionen, mit Ausnahme weniger Selten, 
gemeinſame, aber in Form und Auffaſſung ſehr ver— 
ſchiedene, mit dem Genuß von Brot und Wein ver— 
bundene Feier des Todes Chrijti und der Wirkungen 
deSfelben fiir die Gemeinde. Nach dem erjten Rorin- 
therbrief und den fynoptijden Cvangelien cine Stif- 
tung Jeſu, der eS bei dem lester Wahl mit feinen 
Jüngern (dem Paſſahmahſ) in der Nacht vor feinem 
Tod eingeſetzt haben foll, war das A. urſprünglich 
eine Gedadjtnisfeier Jeſu und feines Todes. Die 
Symbolik der Handlung ſchließt reiche und tiefe Be— 


26 


ziehungen auf die religidfe Bedeutung diefes Todes 
tit fic), wahrend fie an fich cinem rituellen Gebraud 
bei Der Paſſahmahlzeit der Yuden entipridt, nämlich 
Der dem Hausvater —— Austeilung des von 
ihm zuvor gebrochenen Brotes und des Bechers mit 
Wein unter beſtimmten Gebeten und Lobpreiſungen. 
Feierte das Volf Israel im Paſſah ſeine Befreiung 
aus der ägyptiſchen Knechtſchaft, ſeine Erwählung 
zum Bundesvolf, fo gibt ſich das A. einerſeits als 
cine die Stiftung eines neuen Bundes inaugurierende 
Feier, Durd) weldje Der Tod des Stifters als die ge— 
ſchichtliche und fortwirfende Urjade eines neuen Ber: 
hältniſſes Der Gemeinde gu Gott erſcheint, anderfeits 
als Feier der Gemeinſchaft diefer Jiinger untereinan- 
der, als ſpezifiſch chriſtliches Liebesmahl (Rommunion). 
Wenn trog dieſes iiberall feſtgehaltenen Grundgedan— 
fens die Lehre vom W. im Mittelalter und im Refor- 
mationszeitalter der Gegenjtand der erbittertiten Lehr- 
jtreitiqfeiten geworden iit, fo erklärt fic) dies daraus, 
daß es fich in den verſchiedenen Lehraebieten um ein 
licfgreifendes Unseinandergehen der Auffaſſungen des 
religidjen Gutes felbjt und fener Vermittelung handelt. 

Syn Der erjten Gemeinde wurde dieſe Gedadtnisfeier 
nuit Den Agapen (ſ. d.) verbunden. Bald genug wurde 
das A. aus dieſem Verband und überhaupt aus dem 
Rahmen des jüdiſchen Bildes gelöſt und dafiir in Be- 
jiehung ju Anſchauungen und Bräuchen gefept, die 
den heidniſchen Myſterienkulten angehirten, es er- 
ſcheint daher in den älteſten Rirdenordnungen als 
eine efoterijdje Feier, von der alle Ungetauften und 
unter Kirchenzucht Stehenden ausgefdlojjen blieben 
(fj. Saframent). Desgleidjen wurde nad Unalogie 
jüdiſcher und heidnifder Opfermahlzeiten der Opfer- 
beqriff auf das YW. angewendet und Ps tdhes beqriindet 
utit Dem Opfertode Chrijti. Dies geſchah zuerſt aller- 


Abendmahl (dogmatijd, kunſtgeſchichtlich). 


und geſtaltete die Kommunion trotz Beibehaltung 
einiger an die Meſſe erinnernder liturgiſcher Stücke 
u einer Gemeinſchaftsfeier um; überali, wo der re— 
at Typus gum unverfiimmerten Uusdrud ge- 
langte, nahmen aud) die Teilhaber an der Feier die 
Elemente felbjt in die Hand. Dagegen charakteriſiert 
ſich Luthers U., das er al cin wefentlidjes Glied cines 
vollftdndigen Gottesdienſtes betradhtete, als geheim- 
nisvolle Uusteilung tiberirdijder Gnadengiiter {dor 
dadurch, daß der Geiſtliche Die Elemente jedem ein— 
elnen gum Witar hingutretenden Gajt unter jteter 

ieberholuing einer die Gegenwart des wahrhaftigen 
Leibes Chrijtt bezeugenden Spendeformel darreidt. 
Sdon von feiner mönchiſchen Vergangenheit her haf⸗ 
tete in ifm das Bediirfnis nad einem mündlichen 
Genuß des wahren Leibes und Blutes Chrijti, welche 
himmliſchen Dinge der Ronfordienformel gemäß fraft 
der Cinfepungsworte in, mit und unter den Elemen—⸗ 
ten gum Genuß vorhanden find und Gottlofen wie 
Frommen gefpendet werden. Calvin nahm eine Mittel- 
jtellung ein, indem er Chrifti verflirte Leiblidhfeit vom 
Himmel herab in geheimnisvoller Weije auf die gläu— 
bigen Ubendmah{sgenoffen einwirlen und von ihnen 
geiſtlich genofjen werden lief (ſ. Ubiquitit). Wahrend 
jeit Den Beiten der Aufllärung felbjt fupernaturali« 
ſtiſche Lutheraner mehr in der Weife Calving lehrten, 
hat der Rationalismus die Betradtungsiweije Zwing- 
li8 wieder aufgenonunen, und wo die Union (jf. d.) 
und mit ihr Sibenbmablsgemeinidiatt zwiſchen ge— 
bornen Lutheranern und Reformierten eingeführt 
ward, da ging man von den Grundſätzen aus, daß 
cinmal die tm A. ftatthabende Vereinigung mit Chri- 
ſtus und die Aneignung der in ihr befdlofjenen Herls- 
iiter eine Tatfade feten, die von den beftehenden 

nterfdieden der Vorjtellung tiber den Hergang da- 


dings in durdaus ſchwanlkender, meijt alleqorijieren: | bei nicht beriihrt werde, und daß zweitens cine Haupt: 


der Weife. Urſprünglich bezeichnete das 
(oblatio) fogar bloß die Darreichung der Bedürfniſſe 
der Feier, dD. h. der Elemente (Brot und Wein), durch 
die Gemeinde; fofort aber wurden diefe Elemente vom 
Biſchof durd) ein Dankgebet abermals dargebradt 
oder geweiht, und fo hich denn bald das ganze A. 
ebenfo Danfgebet (eucharistia) wie Opfer (thysia, 


sacrificium). Schon im 3. Jahrh. beseichnete man | 


als diejes Opfer ſpeziell den eucharijtifden, d. h. im 
A. gegenwärtig gedadten wahrhaftiqen Leib Chrijti. 

Je höher in der Folge die Voritellungen von dem 
Gewidt und Erfolg des priefterliden Sandeins im 
Kultus ftieqen, deſto unwillfiirlider und unvermeid- 
licher fegten fic) die mehr oder weniger fymbolifden 


Anſchauungen um in den Glauber an —— 


ort Opfer bedeutung der Feier in ihrem ſozialen Charatter be— 


ruhe. Bal. D. Schulz, Die Lehre vom A. (2. Aufl., 
Leip. 1831); Ebrard (reformicrt), Das Dogma 
vom A. und ſeine Geſchichte (Franff. 1845); Rahnis 
luther.), Die Lehre vom A. (Leipz. 1851); Riidert, 

8 U. (Daj. 1856); H. Schultz, Sur Lehre vom Heil. 
U. (Gotha 1886); Grafe, Die neuejten Forjdungen 
liber die urchrijtlide Ubendmahlsfeier (Freib. 1895). 

Wegen ſeiner grofen gejdidtliden und rituellen 
Bedeutung ijt das A. * einer der wichtigſten Dar- 
ſtellungsgegenſtände der driftlidjen Run jt geworden. 
Erjt rethte man feine Darjtellung in die Zyklen der 
Heils⸗ und Paſſionsgeſchichte ein; nachdem das Safra- 
ment in der höchſten Steigerung des kirchlichen Be— 
griffs anerfannt war, begann man es in grofartiger 


aber reale Wirfungen, die von dem eudjarijtifden Leib | Selbſtändigleit auszuführen, indem man von zwei 
und Blut ausgehen. Die Ubendmabhlsitreitigteiten des | ganz verfdyiedenen Womenten ausging, entweder vor 
Wittelalters, die im 9. (gegen Ratrammus) und im | der Einfegung des Saframents (fo Signorelli im 
11. Jahrh. (gegen Berengar von Tours) fpielten, | Chor de3 Doms gu Orvieto, wo aber der iiblide Tif 
fiifrten 1215 zur Broflamierung des Dogmas von | entfernt ijt und Chrijtus durch die prächtig bewegte 
der Verwandlung der Clemente (Brot und Wein) in | Gruppe der Jünger ſchreitet) oder von dem Augen— 
Leib und Blut Chrijti (Transfubjtantiation). Geid- | blid, wo Chrijtus die Gewißheit des Berrats aud- 
jeitiq trat die faframentlicde Bedeutung des Ubend- | fpridt. Letzterer Moment fonnte wieder nad den 
mabls hinter der fafrifiziellen, d. h. die Rontmunion | Worten der Schrift teils fo gefaßt werden, daß ſich 
hinter der Meſſe (ſ. d.), guriid. Die Laien fommuni: | durd gleichzeitiges Ergreifen des cingutaudenden 
ierten meiſt nur nod) zu Ojtern, und in den fpatern | Biffens der Verräter fenntlid) machte (fo Undrea del 
DN ctrguwherion des Weittelalters wurde ihnen aud) | Sarto im Kloſter San Salvi), teils in der Weife, dah 
der Meld) entzogen. Diefen forderten die Huffiten und | das Wort Chrijti allein die geijtige und phyſiſche Be- 
die Reformatoren mit Erfolg zurüch, und die legtern | wequng hervorruft (ſ. Leonardo da Vinci). Hierbei 
verwarfen aud die Trangfubjtantiation, ohne es in- | luden Bie reidjen pſychologiſchen Motive (beſonders 
deſſen zur Übereinſtimmung in den poſitiven An- | der Charakter des Judas Iſchariot) zu individualifie- 
ſchauungen ju bringen. Nur Zwingli ging bewußt | render Behandlung ein. Als Bahnbrecher erſcheinen 
und fonfequent bis ju dem Gedächtnismahl zurück | nach den mancherlei Verſuchen des Mittelalters Duccio 





Abendmabhlsprobe — Aber: ... 


di Buoninfeqna mit feinem Bild im Dom zu Siena 
und Giotto mit feinem Fresfo in der Rirde der Ma— 
donna dell’ Arena ju Padua, beide zu Anfang des 
14. Jahrh.; fie folgen in ihrer ſchon ziemlich beweg- 
ten Darjtellung dem bibliſchen Beridte. Dagegen hat 
Fra Ungelico da Fiefole (im 15. Jahrh.) in dem gro— 
fren Bilde des Kloſters San Marco zu Florenz das A. 
einfach als cine firdliche Rommunion aufgefakt, an 
der er auch die Jungfrau Maria teilnehmen läßt. 
Eine Sieblingédaritellung 
feftorien Der Klöſter, und fiir Diefen Swed hat Leo- 
nardo da Binci das iiberhaupt bedeutendite Bild des 
Abendmahls, deſſen Motiv die Ankündigung des Ver- 
rats ijt, qegen Ende des 15. Jahrh. in Dem Domini- 
fanerflojter der Maria delle Grazie gu Wailand ge- 
malt. Unter den Deutfden haben Diirer, Cranah 
der ältere, Holbein der jiingere, in neuerer Seit Over— 
bed, Schnorr, Cornelius (Glaubensſchild Friedrid 
Wilhelms IV.), Heinr. Hef, Wad, Pfannſchmidt, E. 
v. Gebhardt, F. v. Uhde, E. Zimmermann u. a., in 
Frankreich Dagnan-Bouveret hervorragende Dar- 


itellungen des Äbendmahls geſchaffen. Rubens mate | 


das U. fiir die Romualdstirde in Mechel (jest in 
der Brera gu Mailand) und Nicolas Pouffin in feiner 
Darjtellung der fieben Saframente. Bal. Riegel, 
Uber die Darjtellung des Ubendmahls, befonders in der 
tostanifden Kunſt (Hannov. 1869); Dobbert, Die 
Darjtellung des Abendmahls durch die byzantiniſche 
Kunſt (Leip;. 1872); Derielbe, Das A. Chrijti in der 
bildenden Kunſt bis gegen Schluß de8 14. Jabrhun- 
derts (> Repertorium fiir Kunſtwiſfenſchaft «, Bd. 13 ff). 

Abendmahleprobe, j. Ordalien. 

Abendpfanenauge, ſ. Pfauenauge. 

Abendpunkt (Weſtpunkt), der Wutt, in dem 
der Himmelsäquator die Weſtſeite des Horizonts 
ſchneidet, und in dem zur Zeit der Nachtgleichen die 
Sonne untergeht. 

Abendröte (Abendroh, cin nach dem Unter— 
gang der Sonne über den Abendhimmel verbreiteter, 
verſchieden getönter roter Schein. Er tritt beſonders 
prachtvoll auf, wenn bei tiefblauem Himmel einige 
Wolfen im W. ſtehen. Gehören dieſe zu den geichic 
teten Federwolfen, fo erſcheinen fie meijt vor Sonnen- 
untergang als bellqraue Streifen mit ellen Rändern, 
die fpater goldgelb und darauf feuerrot werden, wah- 
rend die Wolfen tm Innern duntelblau oder, wenn 
fie die rote Erleuchtung der Rückſeite durchſcheinen 
lafjen, purpurrot poses Sg Je nad der tiefern oder 
hohern Lage diefer Wolfen gewahrt man verſchiedene 
Färbung; einige erſcheinen bereits dunkel feuerrot, 
während andre, ſcheinbar Danebenjtehende, nod) gelb 
find. Diefelbe Erſcheinung beobachtet man aud als 
Morgenrbte; wenn fic die Sonne itber den Hori- 
zont hebt, wird die rötliche Färbung immer ſchwächer, 
bis fie ſchließlich in die weiße Farbe übergeht. Wenn 
bei ſchön blauem Himmel ſich die A. als ſanftes Pur— 
purn zeigt und wenige Federwollen am Horizont rot 
gefärbt erſcheinen, pflegt ſchönes Wetter zu folgen; 
cine weißlichgelbe oder ſehr rote trübe A. bet größten— 
teils bededtem Himmel wird ebenſo wie cin ſtarkes 
Morgenrot bei bedecktem Himmel als Vorbote von 
Regen angeſehen. Val. Dämmerung. 

bendroth, Amandus Auguſtus, Bürger— 
meiſter bon Hamburg, geb. 16. Oft. 1767, geſt. da— 
felbjt 17. Dex. 1842, 1800 Senator, verwaltete 1806 
bis 1810 wahrend der franzöſiſchen Invaſion das Amt 
Rigebiittel und wurde 1810 Maire von Hamburg. 
1814 — 21 verwaltete er wieder da8 Amt Rigebiittel, 
liber das er »Rigebiittel und das Seebad Rurhaven« 


2 


ward bas U. fiir die Re: | 











27 


(1818. -37, 2 Bde.) ſchrieb, wurde 1825 Polizeiherr, 
1831 Biirgermeijter von Hamburg. — Sein älteſter 
Sohn, Uuguft, qeb.1798, geſt. 19. dirs 1869, machte 
fid) als Mitglied des Ausſchuſſes für den Neuban 
Hamburgs nad) dem Brande durch großartige Siel- 
bauten und Cinridtung von Waſſerleitungen verdient. 

Abendſchulen Schulen, worin junge, tagüber 
beſchäftigte Leute abends Nachhilfe zur Fortbildung 
erhalten. Als alleinige unterrichtliche Verſorgung 
ſolcher Kinder, die den Tag über in Fabriken ar 
beiten, iſt die Abendſchule durch die deutſche Reichs 
gewerbeordnung vom 17. Juli 1878 (5 135, Abſatz 2) 
ausgeidlofjen. Dagegen tritt die Fortbildungs- 
fdhule (7. d.) leider noch vielfach als Abendſchule (oder 
Sonntagéfdule) auf. Nur in eingelnen Landern (3. B. 
Baden: Geſetz vom 18. Febr. 1874) ijt die Benugung 
der Ubendjtunden auch fiir diefen Zweck nicht geftattet. 

Abendſchuf, ſ. Morgenſchuß. 

Abendſtern Geſperos), der Planet Venus, 
wenn er nad Sonnenuntergang am Abendhimmel 
glänzt; heißt Morgenjtern (Bho8pboros) wenn 
er bor Sonnenaufgang ain öſtlichen Himmel erfdeint. 

Abenduhr, nur die Nachmittagsſtunden zeigende 
Sonnenuhr. 

Abendweite, der Bogen des Horizonts zwiſchen 
dem Untergangspunkt eines Sternes und dem Weſt— 
punft; Morgenweite die Entfernung des Auf— 
gangspunkts vom Ojtpuntt. VW. und Morgeniveite a 
eines Sterne3 von der Deflination 5 find fiir einen 
Beobadtungsort von der Breite p durd die Gleidun 
sin a = sin 6: cos ꝙ gegeben, alfo am fleinjten, aleic 
der Deflination, fiir den Beobachter am Äquator. 

UAbendwind (Weſtwind), der aus Wbend (We- 
jten) fommende Wind, bringt in Deutfdland (vom 
Weere her) meijt Regen und bewslften Himmel und 


mabigt im Sommer die Hite, im Winter die Malte. 
Der WU. in Gebirgen heift Bergwind (jf. Wind). 


Aben Cera, ſ. Abn Esra. 

Aben Ragel, ſ. Aſtrologie. 

Wbensberg (das Castra Abusina der Römer), 
Stadt im bayr. Regbez. Niederbayern, BVesirfsanit Kel « 
heim, an der Ubens, einem Nebenfluß der Donan, 
und an ber Staatsbahnlinie Regensburg-Uugsburg, 
hat 2 fath. Rirden, Schloß, Amtsgericht, Maſchinen⸗ 
fabrif, Runjtmiible, Hopfenbau ab (1900) 2202 Einw. 
Die dortige Mineralquelle gehört gu den eifen- 
haltiq-falinifden Schwefelquellen und wird bei Haut- 
franfheiten, Rheumatismus xc. empfohlen. — A., im 
WMittelalter (1030-1485) Sig der Grafen von A., 
erjdeint urfundlich zuerſt 1406 als Stadt, ijt Geburts- 
ort des bayriſchen Geſchichtſchreibers Johannes Aven⸗ 
tinud (jf. d.), dem 1861 ein Denkmal daſelbſt erridtet 
wurde, und merfwiirdig durd) Napoleons Sieg über 
die Oſterreicher unter Erzherzog Ludwig und General 
Hiller (20, Upril 1809; vgl. Eqqmiihl). 

Abentener (a. d. mittelhowd. Aventiure; died ans 
dem franj.aventure, das feinerfetts aus dem mittellat. 
adventura ftammt), in Den Rittergeſchichten des Mit- 
telalter3 ein den Charafter des Wunderbaren an fid 
tragendes Ereiqnis, insbeſ. Bezeichnung der ritter- 
lichen Zweikämpfe und fonjtigen gefabrvollen Unter- 
nehmungen. Da das Wort W. dann auc den Beridt 
fiber foldye Dinge bezeichnete, fo entwickelte fid) hieraus 
die Perfonijifation der Frau Uventiure (fpr. avens 
thre), bie bet unjern mittelalterliden Dichtern einiger- 
maßen die Rolle der Muſen fpielt. 

Aber: ... (felt., fpr. dbder-...), Vorſilbe in zahl⸗ 
reiden walliſiſchen und ſchottiſchen Ortsnamen, be- 
deutet »an der Mündung« (3. B. Aberdeen). 


28 


— ———— f. Acht. 

Abe ravon (ips. ssberéwen), Hafenitadt (municipal 
borough) m Glamorganjbire (Wales), an der Swan- 
jeabai des Kanals von Briftol, mit Supfer- und Zinn⸗ 
biitte und —— 7553 Einw. 

Abercarn (jpr. abbertacn, Stadt in Ronmoutthhire 
ag ara 17 i nordweſtlich von —— inmit⸗ 
ten qr Kohlengruben, mit 91) 12, Cinw. 

— Ger atter-), James Hamilton, eriter 
Herzog von, geb.21. Jan. 1811, geit. 31. Oft. 1585, 
feit 1818 Marquis von Hamilton, war 1846 —59 
Oberfammerherr des Prinz Gemahls Wlbert, 1866 — 
1868 und 1874 Pp oy von .jrland und wurde 
1868 jum Herzog von A. ernannt. Wis Erbe der 
Hamiltons —— er den 1548 dem Grafen von 
Arran verliehenen Titel Herzog von Chatellerault, 
ben jedoch Napoleon IIL 1864 dem aus einer Altern, 
aber weiblidjen Linie —— von Ha⸗ 
— zuſprach. In olgte ihm 
ſein Sohn James —— * 24. Aug. 1838. 
Lord⸗ Lieutenant der Graff 

(ipe. ile oid Sir Ralph, engl. 
General, geb. im Oftober 1734 m Sehottland, aus 
altem Gej qeit. 28. Mar; 1801. Er trat 1756 
in bie Urmee, wurde 1773 Oberitleutnant, pater aber 
als Oberjt auf Halbjold geſetzt. Beim Ausbruch des 
fra Krieges trat er als Generalmajor wieder 
in Dienit, befebligte 1793 unter dem Herzog von Port 
in den Niederlanden eime Brigade und dete den 
Rückzug fiber die Baal 1795 und 1796 fampite er 
in indien gliidlich gegen Die Franjofen; 1797 
wurde er Dberbefehishaber in Irland, trat aber 1798 
zurück und ging als Oberbefehlshaber nad Schott 
land. 1799 zeichnete er fid) in Holland bei 
und Egmond aus. 1500 —— ex die ert 
Expedition gegen —— gn 1801 mit 16 evi 
nad Aghpten, ta 3 bei Wbufir und er- 
fodt 21. Marys einen den Sieg fiber die Fran- 
zoſen unter Menou, wur —* jelbjt tödlich ver- 
wundet. Sein Undenfen wurde durd ein 
in der St. Paulslirche zu London geehrt. Bal. » Liente- 
nant-general Sir Ralph A., a memoir« (hréq. von 
jeinem Sohn, Edinb. 1461). - - Sem Sohn Names, 
ged. 7. Rov. 1776, qeit. 17. April 1455, wurde 1607 
ins Parlament gewablt, wo er id den Whigs an: 
idlof, ward 1644 Wiingmetiter, war 1435 bis Mai | 
1540 Sprecher des Unterhaufes und wurde danad 
jum Baron von Dunfermiine ernannt. 

Aberdare (ivr. sotervax), Stadt in Glamorganfhire 
(Wales), am obern Cynon (Rebeniluk des Taff), mit 
ber ſchönen Mirde St. Elvan (14. Jahrh.), Roblen- 
und Eiſengruben, Erjenwerfen und (1901) 43,357 Einw. 

berdare (jor. Aberraty, Henry Auſtin Bruce, 
Lord, engl. Staatemann, geb. 16. Upril 1815, geit. 
2h, Febr. 1495, ward 1447 Rechtsanwalt in London, 
1847 Polizeichef in Merthyr - Tydvil, 1852 Witglied 
der liberalen Kartei bes Larlaments. Er war 1862 
bid 14464 Unterfiaatefefretdr im Winijterium des In— 
ner, 1K64 = fis Bizepräſident des Unterridtsfomi 
teed und Mitglied des Mehcimen Rates, 1868 —75 
Winijter bes Innern, wurde 1873 unter dem Titel 
Lord VW. in bas Oberhaus berufen und Lord-Präſi— 
bent Des Geheimen Rates, trat aber ſchon im Februar 
1474 mit Gladjtone juriid. 

Uberdaregebirge (jor. aberdir., Lord Wher 
bare Mange, for. renvfa), Berglette in Oftafrita, die 
vom Aquator öftlich vom 36.° ditl. 2. nad) SO. bis 
1.° fiidl. Br. eat bis 4100 m aufiteiqt und durd) | 
die Flußtäler des Guaſſo Njiro und Mumoni (Duell 


Aberadht — Aberdeen. 


' fliifie des Tana) vom Kenia getrennt tit. Das A. 
wurde von Thourion 1SS3 entDdedt und benannt, Damn 
von Atider und IS&T von Gra? Teicfi und Leutnant 
Hõhnel durdforidt. Bal »>Eetermanns Witteilun- 
— Ergãnzungsbert 99 (18S). 

(ec. Sera», 1) Hauptitadt ( 
—— der nad tbr genanmen —— ti teat 
nordiid an der des Dee und beiteht aus 
der ichonen Neuitadt und der nordlich gelegenen Alt⸗ 
itadt, die fich lanqacitredt bts zum Don bin;iebt- In 

liegt Die St. Wacharius Aatbedrale. 1366— 
L682 extant, woven uur tad — — — Die 
— — 1901) 143,722 Seelen. A. bat 
Leinen⸗ llen⸗ und Kammwollenfabriken. 
Raſchinen⸗ demride, Gummi: u. Ronicrvenfabrifen, 


anlagen und 1900: 253 Secidtife mit 104,103 Ton. 
Gebalt und 486 Fijcherboote; 335) Schiffe (davon 
3036 Sititenfabrer) von 929,964 T. licfen em. Bert 
der Einfuhr (bei. Hol;, Leniaat. Getretde) 991,778, 
der Ausfubr brinicder Brodufte 1 bei. Heringe umd 
Spirituoien) 102,642 Bd. Sterl. Die aus zwei Coil- 
leges (sting’s College von 1495 und Wariibal College 
von 1593) 1860 entitandene Univerfität zählt 850 Stu- 
denten (pgl. ibre Geididte von Bullod, Yond. 1895). 
Außerdem beitehen eine Schule fiir Chemie und Acker 
bau, Xunitidule, theologtide Schulen der ſchottiſchen 
Freitirche und der Katholiken und zwei Gymnajten. 
WL tit aud Sig eines deuticen Koniuls. — 2) Stadt im 
nordamerifan. Staate Suddafota, Gratidaft Brown. 
Babninotenpuntt, mit 190 4087 Emm. — 3) Stadt 
im Staate Miſſiſſippi. Graficdhaft Wonroe, am Tom. 
— mit Baumwollenhandel und (900) 3434 
Einw. 4) Hafenjtadt im Staate Waſhington. Graf 
ſchaft Chehalis, an der Miindung des Chebalisturfes 
in die Grays-Harbor-Budt des Stillen Tzeans, mit 
Holsbandel, Lachstiideret und io%» 3747 Einw. — 
5) Bezirk der britiſchſüdafrilan. Napfolonie, in der 


Denkmal Marroo, 6850 qkm mit (s91) 6542 Einw., worunter 


3108 Beige, 1104 Bantuneger und 2330 Hottentotten. 
Beim gleidmamigen Dorf Roblengruben. 

Uber (for. abberviny, George Hamilton 
Gordon, vierter Graf, engl. Staatsmann, geb. 
28. Jan. 1784, geſt. 14. Des. 1860, ſtudierte in Cam 
bridge und beretite 1804 Griedentand, von wo er als 

_begeriterter | Philhellene zurückkam. Er qriindete die 
Uthenian Society und veröffentlichte ͤnterſuchun 
gen en über die Topographie von Troja fowie iiber die 
rundſätze der Schönheit tn der griechiſchen Baukunſt. 
1806 ward A. zum ſchottiſchen Reprajentatwpeer ge- 
wählt und hielt ſich tm Oberhaus zu den Tories. 1813 
erhielt er den Wuftrag, Ojterreid) fiir den Bund gegen 
Napoleon zu gewinnen. Raddem er den Sclachter 
von Baugen und Liigen beigewohnt, bewog er Citer- 
reid) durch Den BVertrag ju Feplig jum Anſchluß an 
die Roalition und wobhnte darauf den Schladten von 
Dresden, Leipsiq und Hanau bei. Nachdem er in 
Reapel Murat bejtimmt hatte, fic) von Napoleon ju 
trennen, ſchloß er fic) 1814 den in Frankreich ein- 
riidenden Ojterreichern an, ward einer der englifden 
Bertreter auf dem Kongreß ju Chatillon und unter- 
—— 1. Juni 1814 in Baris den Vertrag, der die 
ourbonen wiedereinſetzte; für ſeine Berdienjte wurde 
er gum Biscount Gordon im engliiden Peerage er— 
nannt. Er widmete ſich ſeitdem der Landwirtſchaft. 
Nachdem er 1828 erſt als Kanzler des Herzogtums 
Lancaſter, dann (Juni d. J.) als Miniſter des Außern 
in das Miniſterium Wellington eingetreten war, half 





Aberdeenſchlag — Aberratio delicti. 


er die Ratholifenemanyipation waved wie er aud) 
Die Julidynajtie ſofort anerfannte und fid) gegen ein 
Cinjdreiten wider Dom Miquel in Portugal erflirte. 
Wit Wellington im November 1830 zurückgetreten, 
iibernahm er 1834 im Minijterium Peel das Porte— 
feutlle Des Krieges und der Nolonien und wurde, als 
‘Keel 1841 abermals an die Spitze der Geſchäfte trat, 
wieder Miniſter des Auswärtigen. Allmählich zeigte 
ſich A., unter dem Einfluß Peels, liberalern An— 
ſchauungen zugänglich, indem er die Aufhebung der 
Korngeſetze und die wirtſchaftliche Reform unterſtützte. 
Im Juli 1846 trat er mit dem Miniſterium zurück. 
Seit Peels Tode (1850) anerfannter Führer der Peeli- 
ten, bekämpfte A. Die auswärtige Politik Balmerjtons 
und übernahm nad) dem Rücktritte Derbys tm Dezem⸗ 
ber 1852 die Lettung eines Roalitionsminijteriums, 
dem auer Mitgliedern der Mittelpartei Ruſſell, Pal— 
merſton und Gladſtone angehörten. Unter dieſer Ver— 
waltung »trich England (wie A. ſelbſt fagte), in Den 
Krimkrieg hinein«, den er felbjt gern vermieden hätte. 
Die laue Kriegführung erregte die Hffentlide Meinung 
gegen YL, und 29. Jan. 1855 wurde das Miniſterium 
geſtürzt. Dod) war A. aud) jest nicht ohne Cinflup, 
* ihn die Königin als ihren Lehrmeiſter betrachtete; 
nod nad ſeiner Entlaffung erbielt er auf ihren Wunſch 
den Hojenbandorden. Val. Gordon, The Earl of A. 
(Yond. 1893). 

Aberdeenſchlag, j. Rind. 

Aberdeenſhire (or. abberdinſchtr), Grafidaft im 
nordöſtlichen Schottland, grengt im N. und O. an die 
Nordjee, tm S. an Nincardinefhire und Perthjhire, 
im W. an Qnverneffhire und Banffſhire und umfaßt 
5101 qkm (92,6 OW2) mit 901) 304,420 Einw. (59 
auf 1 qkm), Hauptitadt ijt Aberdeen. 

Abergavenny (pc. abbergewenni od. edbergénd, Stadt 
(municipal borough) in Monmouthfhire (England), 
im Tal des Usk, inmitten der Berge, ijt Hauptort 
cines widhtigen Bergbau⸗ und landwirtſchaftlichen Be- 
zirf3 und bat cine alte, 1882 rejtaurierte Marien— 
firche, eine Lateinjdule, ein Irrenhaus und (1901) 
7795 Cinw. A. tit das römiſche Gobannium. 

Abergeldie Caftle (jvc. abbergeldi topo, ſ. Balmoral. 

Abergele (ior. advergete), Seebadeort in Denbigh- 
hire (Wales), 1,5 km von der Grijden See, hat mit 
Dem an Der Küſte lieqenden Badeort Penſarn (190) 
2083 Cinw. Jn der Nähe Gwryd Caftle mit ftatt- 
lider Faſſade. 

UAberglaube (Afterglaube, lat. Superstitio), 
ein BVertrauen auf übernatürliche Vorgiinge, wie es 
nicht oder nicht mehr dem herridenden Glauben der 
Mehrheit entiprid)t oder über denjelben hinausgeht. 
Bielfad) handelt es ſich dabei um Phantaſievorſtel— 
lungen, die ciner niedern Rulturjtufe tiberhaupt ent- 
ſprechen und daher in den veridiedenen Weltteilen 
mannigfade UÜbereinſtimmungen zeigen, bei fortge- 
ſchrittenen Bolfern vielfad um ll berlebfel aus einer 
diltern, durch neuere Formen erſetzten Religion (Heiden- 


tum) oder aus frither berrjdenden Anſchauungen 
{Herenglaube). Pſychologiſch betrachtet, erqibt fic als | 


Urquell fiir den meiſten Aberglauben das Perfonifizie- 
rungsbeditrfnis des menſchlichen Antellefts, dag hinter 
allen ihm unerflarliden Naturvorgdangen handelnde 





29 


götterei, Reliquienverehrung, dem Glauben an die 
magiſche Sraft gewifjer Zerentonien, durch weldje dic 
vorausgelepten übernatürlichen Mächte gu Hilfstei- 
jtungen bewogen werden follen (ſ. Magic), dent Ge- 
jpenjterglauben und Spiritismus Borjdub. Der 
prafti) dhe A. hofft von der Wirfung geheimer Zei— 
den und Seremonien Beiſtand fiir matericlle Zwecke 
und bat unter anderm den Glauben an Witrologie, 
Chiromantie und Zauberei gefördert. Hierher gebort 
aud) der A. an Wunderdoftoren, Amulette, Beſchwö— 
rungen, Befpredungen u. dql. Geſchichtlich unter: 
ſcheidet man natiirliden und philofophifden 
oder gelehrten Uberglauben. Jener ijt bei rohen, un- 
—— Völkern heimiſch, dieſer wirft dem rohen 
Irrwahn ein ſcheinbar wiſſenſchaftliches Gewand unt. 
Abergläubiſche Meinungen ſind oft harmlos, oft aber 
gefährlich. Sie machen furchtſam, unduldſam, bis— 
weilen fanatiſch. Das ſicherſte Mittel dagegen iſt 
uter Vollsunterricht. Val. Schindler, Der A. des 
Rittelalters (Brest. 1858); A. Wuttle, Der deutſche 
Voltsaberglaube der Gegenwart (3. Bearbeitung vor 
E. H. Meyer, Berl. 1900); Pfleiderer, Die Theorie 
des VUberglaubens (Daj. 1872); Mannhardt, Diz 
prattifdjen Folgen des Uberglaubens (daj. 1878); 
Lippert, Chrijtentum, Voltsqlaube und Volfsbraud 
(daf.1882); C. Meyer, Der A. des Mittelalters (Baſel 
1884); Brunnhofer, Die Quelle des Aberglaubens 
(in »RMulturwandel und BVolferverfehre, Leips. 1891); 
Lehmann, A. und Zauberei von den älteſten Reiten 
bis in Die Gegenwart (a. d. Dän. Stuttg. 1898). 
Uberfennung der Ehrenrechte, ſ. Chrenredte. 
Aberkios-FJuſchrift, viciqenannte griechiſche 
Grabinſchrift eines Uberfios aus der Zeit um 200 
n. Chr., von der zwei von W. M. Ramſay in Phrygien 


| aufgefundene Bruchſtücke fich im Lateranmufeumn be- 





finden. Der traditionellen Unnahme, dak die Inſchrift 
von dem im 2. Jahrh. lebenden chrijtliden Biſchof (7) 
Uberfios von Hieropolis (nicht Hierapolis) ſtamme, 
ijt neuerlicd) mit ſchwerwiegenden Griinden die andre 
entgegengejtellt worden, daß es fic) um cin Denfmal 
ded religiöſen Synkretismus der Naijergeit, vielleidyt 
aus dem Wttistult, handle. Val. G. Fider, Der 
heidnijde Charafter der A. (Berl. 1894); A. Diete- 
rich, Die Grabjdrift des Wherfios (Leipz. 1896). 

Aberklauen, foviel wie Afterklauen. 

Aberli, Johann Ludwig, Maler, geb. 1723 
in Winterthur, gejt. 1786 in Bern, ätzte cine Reihe 
der beliebtejten Schweizer Landſchaften in Kupfer und 
ſetzte die Abdrücke Dann in Farbe zum Verkauf an die 
Reijenden. Dadurch begriindete A. einen Zweig der 
Schweizer Nunjtindujtrie, der erjt durch die Photo— 
graphie verdrängt wurde. 

Abernethy (pr. abberniihy, Dorf in Schottland, 
10 km ſüdöſtlich von Kerth, etnjt Hauptitadt der Pikten— 
fonige, aus deren Seit der 24m hohe Rundturm jtammt. 

Aberratio (lat., »Abirrung«), in dev Biologie 
foviel wie Whanderung, ſ. Wbandern. 

Aberratio delicti oder ictiis (lat., > Wbirrung 
des Verbrechens, des Stoßes«), Cintritt des Erfolgs 
einer vorſãätzlichen rechtswidrigen Handlung bei cinem 
andern als dem vom Titer beabfidtigten Objeite, 
und zwar veranlaft nicht durch einen Irrtum des 


VPerſönlichkeiten fudt, mit denen man Verbindungen | Täters (jogen. error in persona oder objecto), ſon— 
antniipfen und unterhandeln fann. Furcht und Eigen: | dern durch äußere Umſtände, 3. B. Ablenkung ded 
nutz find die hauptſächlichen Urjaden fiir abergliubi- | Schlages durch einen dazwiſchen tretenden Dritten. 
iche Neiqungen, dod) jpielen auch aus dem Trawmleben Mach der allerdings bejtrittenen herridenden Anſicht 
abgeleitete Koritellungen cine bedeutende Rolle. Der | ijt der durd) Abirrung herbeigeführte Erfolg dem 
theoretifde A. begnügt fic) meijt mit Vorſtellungen Tater nicht zum Vorſatze zuzurechnen, fondern es 
religidjer Natur (religtdfer W.); ev leijtet der Ab⸗ bleibt nur etme verjudjte oder fabrlafjig begangene 


30 Aberration des Lichtes — Abeſech. 


Straftat zu abnden. Nach öſterreichiſchem Recht ijt | in 1 Sef. 300,000 km. Die Uberration der Firjterne 
Der Irrtum im Objet fiir die Zurechnung des Ver— | wurde zuerſt von Bradley 1725—27 wabrgenom- 
bredjenS gleichgültig, die aberratio ictus jedDod) nur | men und ridtig erklärt. Sie lieferte den erjten direkten 
beim Morde. Val. Vorſatz. Beweis der Bewegung der Erde um die Sonne und 

Aberration des Lites (Ubirrung des Lidh= beſtätigte die von Römer durd Beobadtungen der Vers 
ted), die Erſcheinung, daß wir cinen Stern nidt an | finfterungen der Jupitermonde ermittelte Gefdwin- 
der Stelle erbliden, an der er wirflich fteht, fondern | digfeit des Lidhtes. Die Drehung der Erde um ibre 
in Der Richtung der Erdbewegung verjdoben. Jit die | Achſe bewirkt auger der jährlichen noc eine täg— 
Achſe mos eines Fernrohrs AB (}. Figur) nad einem | lide A. Durch dieſe aber lann ein Stern höchſtens 
Fixſtern gerichtet, fo vereinigen fid) Die von dem Stern | um 0,3 Bogenfefunde gegen feinen wahren Ort ver- 
fonunenden Lidtitrahlen in dem Punkte m zu einem ſchoben erſcheinen, weil fic) die Erde um ibre Achſe 
Bilde des Sternes. Bewegt fid) nun das Fernrohr | fehr viel langfamer bewegt als um die Sonne. Die 
parallel mit fic) felbjt im einer 3u den einfallenden | Aberrationszeit, die Zeit, die das Licht braucht, 
Lichtſtrahlen ſenkrechten Richtung m‘m, und gwar fo, | um von Blaneten und Rometen zur Erde zu gelan— 
dag es Den Weg mim zurücklegt in der Beit, im der | gen, betragt fiir die Cinheit der Entfernungen im 
das Licht die Strede o m durchläuft, fo werden fid) | Planetenſyſtem, die mittlere Entfernung der Erde 
die am Unfang diejer Zeit bei o cingedrungenen Lidt- | von der Sonne, 497,8 Zeitſekunden. Vgl. Ketteler, 
jtrablen, unbefiinunert um die Bewegung ded Fern- Aſtronomiſche Undulationstheorie oder die Lehre von 
rohres, gwar inuner nod in Dem namliden Punfte m der W. (Bonn 1873). 
deS Raumes vereinigen; aber an diefe Stelle, dieam | Wberration, ſphäriſche, ſ. Abweichung; chro— 
Anfang jener Zeit von dem Vittelpuntte des Geſichts- matiſche W., ſ. Udromatismus. 
feldeS cingenommen war, wird im Augenblick der Wberraute (aus fat. abrotanum entjtanden), ſ. 
Vereinigung der Strablen der feitlic) qeleqene Punft m‘ | Artemisia. gang 1). 
ded Geſichtsfeldes getreten fein. Das Bild des Sternes | Wberfee (Sant Wolfgan gſee) ſ. Sankt Wolf⸗ 

Aberfichan (pr. sdverpiden), Stadt in Monmouth- 
fhire(England), mit Kohlen- und Cifengruben, Eiſen— 
hütten und (901) 17,768 Cinw. 

Abert, Johann Joſeph, Komponiſt, geb. 21. 
Sept. 1832 gu pat in Böhmen, Schiller von 
Aberration des Lichtes. Rittl und Tomajdel in Prag, 1852 Kontrabaſſiſt der 
——— ju Stuttgart, 1867—88 Hofkapellmeiſter. 
wird demnach an ciner Stelle Des Gefidhtsfeldes ge- | Er bradjte mit E olg mehrere Opern zur Auffüh— 
feben, an der bei rubendem Fernrohr Strahlen, die rung (Anna von Landsfron«, »König Enzio«, 
in der Ridtung s‘ o m/ einfallen, ſich vereinigen wiir- | »Ujtorga«, »Cffehardt«, »Die Almohaden«), ſchrieb 
den. Der Stern wird mithin vermöge diefer W., ftatt | auch zwei Synuphonien (C moll und » Friihlingsfym- 
an jeinem wabren Ort, in der Ridjtung m‘ o 8‘ ge- phonies), eine fymphonifde Dichtung »Kolumbus<, 
jeben, und man muß, um fein Bild in die Mitte des | aud) Orchefterbearbeitungen Badider Fugen, Quar- 
Geſichtsfeldes gu bringen, die Achſe des Fernrobhres, | tette fowie Lieder und Klavierſtücke. 
indemt man dasjelbe um den Winlel mo m‘ dreht, Abertham, Stadt in Böhmen, Bezirksh. Joachims— 
in Diefe Richtung einjtellen. Jedes Fernrohr ift aber | thal, im Ergqebirge, am Fuße des Pleßbergs (1027 m, 
tatfichlid) in Bewegung, indem eS von der Erde bei mit Ausſichtsturm) gelegen, hat Fabrifation von 
ihrer Bewegung um die Sonne mitgenommen wird. | Handfduhen und Spigen und (1900) 2610, als Ge- 
Es muß daher jeder Stern, deſſen Strahlen die Erd- | meinde 4004 deutſche Einwohner. 
babu fentrecht treffen, in Der Richtung der jeweiligen| Whertillerty cpr. abbertillerd, Stadt in Monmouth- 
Bewegung der Erde verſchoben erſcheinen, um einen | ſhire (England), 25 km nordweſtlich von Newport, 
Winkel mo m’‘, deſſen Größe bedingt ijt durch das | mit einer gotijden Kirche, Rohlengruben, Bledwal;- 
Verhalinis der Geſchwindigleit der Erde zur Geſchwin- werfen und (1901) 21,955 Einw. 

Digteit des Lidjtes. Steht der beobadtete Stern im | Aberwitz (Ufterwigs), das Zerrbild des Wiges, 
Pole der Ekliptik, fo fdeint derjelbe vermige der U. | d.h. des Scharfjinnes; dabher heifen ausgefliigelte und 
imt Laufe cines Jahres um feinen wabhren Ort einen in ein gewiſſes Syftem qebradte, dabei aber Dod) ver- 
fleinen Kreis su beſchreiben, deſſen Radius gleich dem nunftwidrige Behauptungen und Lehren (5. B. die 
Uberrationswinkel ijt. Diefer Rreis wird von dem  mittelalterlide Lehre vom Hexenweſen) aberwigige. 
Stern in derjelben Richtung durdlaufen, in der die Aberyſtwith cor. abberiſtith), Hafenitadt (munici- 
(Erde fic) bewegt. Cin Stern, dev nicht tm Bole der pal borough) und Seebad in Cardiganibire (Wales) 
Ekliptik jteht, beſchreibt ſcheinbar eine Ellipje, deren mit (1901) 8013 Einw. A. ijt Sig des 1872 gegrün— 
große Achſe, gleid) Dem Doppelten Uberrationswinfel, deten Univerjity College von Wales, hat eine Latein- 
sur Ekliptik parallel ijt, und deren kleine Uchje um fo fdule und einigen Miijtenhandel. In der Umgegend 
fleiner wird, je weiter Der Stern vom Kole der Ekliptit Schloßruinen, Bleigruben und -hütten. 

abſteht. Liegt der Stern in der Ebene der Ekliptik Abeſche, Hauptſiadt von Wadai im mittlern Su- 
ſelbſt, fo ſcheint ev in dieſer nur geradlinig hin und dan, an der von Chartum durch Kordofan und Dar 
her zu gehen. Nach den neueſten Beobachtungen be⸗ Fur führenden Karawanenſtraße. Der 1850 ſüdlich 
tragt Der Aberrationswinkel 20,47 Bogenſekunden | von der frühern Hauptſtadt Wara gegründete Ort ijt 
(Ronftante der Uberration). Nun ijt aber in | jest ein wichtiges militarijdes Aentrum und Haupt- 
einem redjtwinfeliqen Dreied mo m‘, deffen Winkel | jig der islamitiſchen Propaganda. Vogel beſuchte W. 
bei o 20,5 Sef. beträgt, die Seite o m 10,000mal fo | als erjter Europäer 1856, wurde jedoch ermordet; 
groß als die Seite mm‘; folglich muß aud) die Ge- Nachtigal verweilte hier 1873 gegen Dreivierteljahr; 
ſchwindigleit des Lidhtes 10,000mal fo groß fein als | Matteucci und Mafari ſahen fte 1890 und fdigten 
die Gefdywindigfeit Der Erde. Die Erde legt aber in | ihre Einwohnerzahl auf 20 —30,000. 

1 Sefunde 30 kim jurtid, folglid) durcheilt das Licht Abeſech (Abadzen), Voll, ſ. Tſcherkeſſen. 




















Abeſſinien Gebietsumfang, Bodengejtalt, Bewafferung, Mima). 


Abefjinien (Abyſſinien; ſ. Karte » Ygypten rc. <), 
Reich im nordöſtlichen Ujfrifa, in Agypten und Rubien 
Beled el Habeſch oder Beled ef Habfda, im 
abeffinifden Hofitil Uitiopya genannt. Der Name 
A. wird abgeleitet von dem Worte Habeſch (Habaſch), 
womit die Uraber das Völlergemiſch jenes Berglandes 
bejeidnen wollten. Das eigentlide UW. erjtredt ſich 
vont 15. bis über den 10.° nördl. Br. hinaus und 
vont 40.° öſtl. L. bis zum Wejtabfall des Hochlandes. 
Die Unipriiche des Herrjders dehnen fich jest auf fol- 
gende Lander aus: 














Vander |S.sitom, Cinwobner anf 
1 qkm 

Wbeffinien (Tigré, Amhara, Go> | 
bfjam) 2... ee ee ' 200000 | 2000000 | 10,0 
Edoa. . . - « «= «= © 2 2 40000 | 1500000 | 37,7 
Land ber Veni Amer u. Nachbarn 70000 100 000 1,7 
i 100.000 200 000 2,0 
« « nérdliden Somal . . 15.000 | 60 000 4,0 
Harar und Nadbargebiete . . 20000 1200000 | 60,0 
Xand ber Galla und Sidama . | 160000) 3500000 | 21,8 
Sujammen; | 605000 | 8560000 | 14,1 


Ferner beanjprucht der Nequs Negeſti das Land Tafa, 
die Hochtäler Des Rabat und Dinder, das Beden des 
Sebus, das ganje redhte Ufer des Sobat und das 
Gebiet zwiſchen Raffa und dem Rudolfiee. 
[Vodengeftaltung.] Das Land fteigt aus den 


ringsum liegenden Landjdaften im N. und S. all> | 


mählich, im O. und W. aber unvermittelt zu einem 
äußerſt zerriſſenen Alpenland von 2000 —2300 m 
nuittlerer Erhebung auf. Das Innere ijt eine Folge 

rasreider, aber meiſt waldlofer Plateaus, auf denen 
Mh zahlreiche ijolierte, malerijde FelSmafien mit 
fentredjt abfallenden Wänden erheben. Dieſe Ta- 
feln bilden ganze Landfdaften oder kleinere Tafel- 
berge (Amba) mit ſteil abjtiirzenden Randern, die fie 
gu natiirlicden Feſtungen — Der Verwitterung 
und Abtragung haben einzelne Teile des Hochlandes 
größern Widerſtand entgegengeſetzt und bilden ſo 
liber die Tafellandſchaften aufragende gebirgsartige 
Erhebungen von alpinem Charatter. Eine folde zieht 
ſich an der Nordgrenze von der Landſchaft Semién 


durch ganz A. bis in Die Nähe des Hawajfdtals, wo | 


fie nod) bis 3u 3500 m anjteigt, um fic dann gegen 
W. in die Hodjebene der Galla gu verfladen. Cine 
nad) SW. gehende Abzweigung umfaßt im S. den 
großen Tanajee und endigt tm dent wenigſtens 3600 m 
hohen Talba = Wahagebtrge in den Landſchaften 
Matſcha und Godidam. Yor gehören in Semién 
und Wogera an der Ras Daſchan (4620 m), Buabit 
(4510 m) und Aba⸗Jared (4563 m), deren Wipfel einen 
großen Teil des Jabres mit Schnee bedect find. Siid- 
wejtlid) von Semien fegen ſich die Gebirge in der 


8000 m hohen, gejtajfelten Terraſſe von Wogera fort, | 


die ſich allmahlic nad SO. verflacht und fefjelfirmig 
das grofe Beden des Tanajees umgibt. Ohne Unter- 
bredjung ziehen die Gebirge nad OD. weiter (Guna 
4280 m) bis zum trennenden Tal des Abai. Siidlid 
von dieſem jteigt aus dem Tſchokplateau der mächtige 
Berglegel des VWgfiosfatra ju 4150 m auf, während 
der Rollo nahe am Oftrande des Plateaus 4300 m 
erreidt. In den ebenfalls gebirgigen fiidlidjern Qand- 
ſchaften Raffa und Enarea haben der Nato 3150, der 
Egan 3090, der Hotta 3680 m Höhe. Die Hochflächen 
find häufig von engen, manchmal jebr tiefen, ſchluch— 
tenartigen Tälern durchfurcht, in denen die Flüſſe des 
Landed fic) ihr Bett gegraben haben. Wo breitere 
Einjdnitte find, bejteht die Hodyebene aus mebhreren 


| Wejtilante — 











31 


iſolierten Plateaus mit ſteil abſtürzenden Wänden, 
ſo beſonders im Hochlande von Schoa. Von dem 
niedrigen Küſtenſtrich, der teils aus nacktem Fels, teils 
aus toven paper bejtehenden Sambara, 
aus geſehen, gewährt A. den Anblick einer madtigen 
Burg, durd) deren Walle nur wenige Päſſe auf das 
eigentliche Hodland fiihren. 

Geologiſch ijt U. em von N. nad S. geſtreckter Horſt 
aus altfrijtallinijden Gejteinen mit einer Dede von 
rotem oder grauem Gandjtein, an Ddejjen Oſt- und 
Landfdollen im die Tiefe ge- 
junfen find. Aus den Bruchſpalten find vulfanijde 
Waffen emporgedrungen, fie haben ſich fiber das 
ganze Gebiet ausgebreitet und dem Land cin beſon— 
Deres Gepriige verlichen. Zeugen der vulfanijden 
Tatigteit find an vielen Stellen meijt in Gruppen 
bervorjprudeinde Quellen; die heißeſte, die von Fin- 
Fin im fiidliden Schoa, von 76°, die Thermen von 
Wanſage am Gumarafluk, einem der bedeutendjten 
Badeorte Ubeffiniens, von 32—37°; aud an den 
Riindern des Tanafees fteigen zahlreiche Thermen auf. 

[Vewafferung.} Die durd A. flichenden Ströme 
haben fic) meiſt ein tiefes Bett in die Felfen einge- 
ſchnitten und find als echte Gebirgswäſſer nicht ſchiff- 
bar. Der bedeutendite Strom ijt der WU bai, der obere 
Lauf des Blauen Mils (f. Ril), Dann der Wtbara 
(f.d.) mit Dem Takaſeh, ſpäter Setit genannt, und dem 
Mareb, ſpäter Chor el Gaſch. Zum Nil fließen ferner ab 
der Baro und Bato, Quellflüſſe des Sobat (f.d.). Nad 
S. gum Rudolffee ſtrömt der Omo, nad) SD. geben 
die Quellflüſſe des Dichubb und de3 Webi Schebehii. 
Der Hawaſch entipringt im Guragegebirge und bil- 
det auf cine weite Strede die Siid- und Ojtgrenje von 
Schoa, um ſchließlich in dem faljigen Whhebaddfec 
zu enden. Sm N. entſpringt nod) nahe der Mareb— 
quelle der Anſeba, der dem Chor Baraka ſich zuwen— 
det. Wit ſtarkem Gefälle und häufig von Rataraften 
unterbroden, fiibren die Flüſſe gur S rodengeit wenig 
Waſſer, überfluten aber in der Regengeit, oft furdt- 
bare Zerſtörungen anridtend, weithin das Flachland. 

Von den zahlreichen Seen ijt der bedeutendjte der 
Tana (jf. d.), der Duellfee ded Blauen Nils. Südlich 
von der Landſchaft Godſcham fendet ihm der große 
Dſchabaſchakſee (2440 m) fein Waſſer su. Wn der Siid- 
ojtqrenge der Landjdaft Gurage sieht fic) eine Mette 
mitemander verbundener Geen bin: Dembel oder 
Suai, $0909. Lanting, Abala oder Königin Marghe- 
ritafee, Abajaſee, deſſen Abfluß, der Galano Umara, 
in den Stefaniejee miindet. 

[Klima, Naturprodufte.} Das Klima zeigt qrofe 
Gegenſätze; die Ubefjinier unterſcheiden drei Klima- 
glirtel: 1) DieRolla(d. h. heißes Land), eine ſumpfige, 
mit dichtent Urwald bededte Region, in 1000 —1700m 
Hohe bis zur Iſotherme von 20°. 2) Die Woina 
Dega, das» BWeinland<«, 1700 —2400 m etwa bis zur 
Sotherme von 16° 3) Die Deqa, 3000—4500 m, 


beſitzt an Der Grenze des Getreidebaus in 3900 m 





i 


nod 7°, weiſt aber eine ftarfe nächtliche Abkühlung 


auf. Das Klima ijt im Hodland gemäßigt und an- 
genehm, auf den hohen Gebirgszügen im Winter ſehr 
falt, Schneefille find nicht felten. Qn der Sambara 
herrſchen hohe Temperaturen und groke Trodenheit. 
Im nbrdliden Hodland fallen Sommerregen, die 
Regenzeit wahrt vom April mit Unterbrechungen bis 
Oftober, in Schoa von Mitte Juni bis September; 
Wondar mit 1125 mm Niederſchlag. Bei der aujer- 
ordentlicden Reinheit der Luft erfreuen ſich die Be— 
wobner der höher geleqenen Gegenden einer aus- 
gezeichneten Geſundheit; nur Katarrhe der Atmungs⸗ 


32 Abeffinien (Naturprodufte, Bevdlferung). 


organe und Sdhwindjudt fowie rheumatifde Übel 
werden durch Die falten Winde veranlakt, und in 
Schoa qraffiert der Ausſatz. Sehr verbreitet ijt die 
Bandwurmplage infolge de3 Genuſſes von rohem 
Fleiſch. Gn den heißen Flußtälern und in der Rolla 
herrjden Dysenterie, Faulfieber und heftige ner- 
vöſe Rranfheiten. — Die Pflanzenwelt findet ihre 
Ausprägung tm Anſchluß an die Giederung des 
Landes in Klimagürtel. Ju der Gambara fehen wir 
Akazien, Kappernpflanzen, Chrijtdorn (Zizyphus), 
Tamaristen, faulenfattusartige Euphorbiajzeen, Aas— 
pflangen mit prächtigen Blumen, verjtridt durch ma- 
leriſche Schlinggewaͤchſe, am Mareb und Tafafeh 
dagegen Syfomoren, Adanſonien und Ficus-Yrten, 
Tamarinden und Rigelien, wilde Baumwolle, Seſam 
und Büſchelmais längs der Flußufer. In der mitt- 
fern Region der Rolla beginnt die Vegetation der 
Aloepflanzen. Yn 1500 m Hohe erjdeint die fiir A. 
fo charakteriſtiſche Rolfwaleuphorbie, die bis 3600 m 
Höhe aufſteigt; ihr gefellen ſich in lidten Beſtänden 
der Olbaum und die mächtige Adansonia bei. Die 
weſtlichen Ubhange jtrogpen von baumartigen Gräſern, 
die mit wildem Zuckerrohr, Moorhirſe u. a. haupt- 
fichlid) die Savannen jujammenjfegen. Die Woina 
Dega führt ihren Namen nad dem Weinjtod, der 
bi8 2500 m Höhe geht, aber nad —— der 
erſten guten Anfänge durch Krankheit heute kaum 
noch gebaut wird. Hier gedeihen Olpflanzen, Hülſen— 
früchte, Mais, Weizen, Gerſte und andre Zerealien 
ſowie Myrten, Granaten, Zitronen. Auch die Kar— 
toffel iſt eingeführt. Kaffee wächſt hauptſächlich im 
ſüdlichen A., ſeinem Heimatsland, zwiſchen 1800 und 
2300 m Höhe. Echt tropiſche Gewächſe, wie Enſete— 
banane und Phönixpalme, ſtehen oft waldartig zu— 
a In der Dega, dem gripten Teil 
ded Landes, gedeihen bis zu 3900 m nod Gerijte, 
Weizen, Einforn, der bandwurmvertreibende Kuſſo 
(Hagenia abyssinica). Cin baumartiges Hyperi- 
cum und die baumartige Heide bilden in 3500 m Die 
Baumvegetation mit ibren zahlreichen Fledten. Jn 
dDiefer Hohe beginnt die Region der merfiwiirdigen 
Wibarra (Rhynchopetalum montanum), einer Lobe- 
liazee, Die an der Grenge des Schnees plötzlich die 
orm der Balmen vor Yugen jaubert. Bis hierher 
gehen aud) bauntartige Kugeldiſteln (Echinops). Reid 
ijt Das Land an mediziniſchen Pflanzen, namentlid 
an wurnitreibenden (Hagenia, Moussena); eine Ce- 
lastrus-Yrt dient geqen Wedhfelfieber; Ricinus ijt 
hiufig. Bambus, Rotang, Syfomoren, der Olbaum, 
Alazien liefern Nughol;. — Die Tierwelt ijt nicht 


find feltener, Eidechſen und Schildkröten dagegen 
haufig. Im Atbara kommt cin Wels vor, der Haujen- 
blafe liefert. Bon Inſekten treten Heufdreden und 
Termiten oft als Landplage auf, eme Fliege (Tsal- 
tsalya) ijt in Der Regenperiode dem Vieh tödlich. — 

Von Mineralien gewinnt man Gold vereinjelt aus 
fleinern Lagerjtatten, Eiſen in Schoa und Tigré, meiſt 
Brauneiſenſtein, Steinfohlen im fiidliden Schoa, 
Brauntohlen zwiſchen Dembea und Tichelga, bei An— 
fober und aus cinem 20 m midtigen Flöz bet Debre- 
libanus, Steinſalz auf der Hochebene Taltal bei Ugame, 
Ton bei Gafat. 

[Wevslferung.]} Als Ureinwohner de3 abeſſiniſchen 
Alpenlandes find die Agau(ſ. d.) anzuſehen, die nod 
Heute den Grundſtock der ganzen dortigen Bevdlfe- 
rung bilden. Unverfälſcht wohnen fie nod in Der Pro— 
ving Ugameder und in der eigentlichen Provinz Agau. 
Ihnen nabe ftehen die Falafda (f. d.) und die heid— 
nifden Gamant. Uber das Rote Meer drangen fiid- 
femitifde Stämme, die Geezvölker, in das Hod- 
land vor, bie fic) mit den Agau vermiſchten und die 
Herrjdaft über fie gewannen. Vis dritter Typus er- 
jdeinen die Gallavodlfer mit negerhaften Zügen, 
die von S. her in das Land braden. Aus diefer Ver- 
mifdung ging die Bevdlferung Wbefjiniens hervor, 
die fid in mehrere Stämme gliedert. Die madtigen 
Umbara haben nidt nur die qleidnamige Provinz, 
fondern aud) Sdoa tm Beſitz und wohnen jeritreut 
in den iibrigen Landesteilen. Die Tigré, mit etwas 
ſchärfern Ziigen als die vorigen, wohnen in der gleich⸗ 
namigen Proving. Sie find mehr mit ſemitiſchen 
Volkselementen gemifdt als die Amhara. Bn der 
Sambara ziehen nomadiſierend die Schoho umber, 
die Steppen zwiſchen Dem obern Setit und obern Ma— 
reb bewohnen die Homran. Von groper Bedeutung 
find die Galla — welche die Zerrüttung des 
altabeſſiniſchen Reiches benutzt haben, um ſich wie ein 
Keil zwiſchen Schoa und Amhara und als Wollo— 
Galla ſogar ins nördliche Hochland einzuſchieben. 

Als ausgeſtorbene, nur noch in den religiöſen 
Büchern lebende Urſprache der Abeſſinier gilt die 
äthiopiſche oder das Ge'es, die Sprache des alten 
axumitiſchen Reiches, die zur Zeit der Einführung 
des Chriſtentums im Lande geſprochen wurde. An 
ſeine Stelle traten ſchon im Mittelalter Sprachen, die 
noch heute geredet werden: das Amhariſche, die 
Sprache urſprünglicher Hamiten, die indes eine ſe— 
mitiſche Sprache angenommen haben, in den ſüdlich 
und weſtlich vom Talaſeh gelegenen Landſchaften, als 
Verkehrsſprache aud) weit über die Grenzen Abeſſi— 


minder reid: Elefanten, Nashörner, Nilpferde, Büf- niens hinaus, das Tigré und Tigriña, Dialekte 


ſel und wilde Schweine bevöllern Woina Dega und 
Kolla, Giraffen die ſandigen ſüdöſtlichen Gegenden, 
Antilopen in verſchiedenen Arten Gebirge und Ebe— 
nen. Löwen ſchweifen in der Samhara und ſteigen im 
Hochland bis zu 1800 m empor, Leoparden hauſen 
in der Dega wie in der Kolla, der Gepard nur in der 
letztern. Hyänen find ſtellenweiſe eine wahre Land- 
plage; neben ihnen finden ſich wilde Hundearten, 
Ichneumons, Stinkmarder, Honigdachſe, Erdwölfe, 
Ratten und Mäuſe. Von Affen gbt es mehrere Ur- 
ten, darunter der ſchwarz und weiß gefärbte Guereza, 
der im Hochgebirge weilende Tſcheladapavian, der 
Silberpavian oder Hamadryas. In großer Menge 
ſind Vögel vorhanden, beſonders Geier, Adler und 
Falfen, Guinea· und Rebhiihner, Nashornvdgel und 
Strauke, legtere in den heißen, fandiqen Landjtriden. 
DasRilfrofodil lebt tm Tafafeh, Tanajee, Hawasd)u.a., 
Riefenfdhlangen in den Felsgegenden, Giftidlangen 





——— Semiten, in den nordöſtlich davon ge— 
legenen Gegenden gefproden, und gwar das Tigrina 
(oder Tigrat) im etgentliden Tigré, das Tigré jedoch 
nördlich davon; man follte beide aljo pajjender als 
Nord- und Süd-Tigré unterfdeiden. Das Amha— 
rife, das zur Regierungsfprade erhoben wurde, ijt 
die verbreitetite aller femitifden Spraden nad dem 
Urabijden. Die Spraden von Gurage und Harar 
im GS. find Scweiterfpraden des Yinharifden. 

Die Abeſſinier (ſ. Tafel »Afrikaniſche Völker I<, 
Fig. 4 u. 5) ſind von mittlerer Größe, die Männer 
1,56—1,60 m, bie Frauen 1,45—-1,48 m, gelbbraun 
oder Dunfelbraun mit einem Stic ins Rötliche, meiſt 
dolidjotephal, die Rafe ijt gerade oder gebogen mit 
jtumpfer Spite, Der Mund etwas voritehend, die 
Lippen oft wuljtiq, das Kinn etwas fpigig. Der 
Körperbau ijt wobhlgebildet; in der Sambara und der 
Rolla oft hager. Die grofen, intelligenten Augen 





Abeffinien (Kulturzujtand, Uderbau x. , Verkehrsweſen, Stände rc). 


werden vor dem grellen Gonnenlidt gern geſchloſſen, 


33 


Der Uderbau ijt in der Sambara nur in ſehr 


was den Geſichtern einen lauernden Ausdruck ver- beſchränktem Mae möglich, die öſtlichen Nollas find 


leiht. Wtaquptifde Profile find häufig. Das ſchwarze, 
nicht grobe Haar ijt gekräuſelt und wird in mannig- 
faden Frijuren getragen. Das Familienleben der 
Ubeffinier weijt wenig anmutende Bilge auf. Biel- 
weiberei ijt mur bei reidjen Leuten üblich. Die meiſt 
ohne Trauungszeremonie geidlofjene Ehe ijt ohne 
Schwierigkeit wieder lösbar. Eheliche Treue ijt äußerſt 
ſelten. Die Taufe wird in der Kirche vollzogen, 
Kinder beiderlei Geſchlechts werden beſchnitten. Der 
Abeſſinier ijt arbeitsſcheu und zügellos. Gaſtfreund⸗ 
ſchaft, Achtung der Frau, Anhänglichkeit der Kinder 
an die Eltern, cine vatelarndhatifepe Behandlung der 
Dienenden find die einzigen Tugenden dieſes Volfes. 
Die geiſtige Rultur fteht auf fehr niedriger Stufe. 
Die alte Literatur Uthiopiens (jf. Wthiopijde Sprache) 
ijt längſt verfallen; Lefen und Schreiben in amba- 
riſcher Sprache ijt ein Privilegium der höhern Klaſſen, 
namentlid) der Geijtlicfeit, qeworden. Durch dic 
Vemiihungen deutſcher Miſſionare find in London 
mehrere Biider, darunter cine Bibel, in amhariſcher 
Sprache gedrudt worden. Unter den Riinjten wird 
nur eine Art roher Malerei geübt, die Muſik erbhebt 
ſich wenig über die der Neger. Die Kleidung beſteht 
aus der Schama, einer weißen, baumwollenen Toga, 
unter der die Männer bis über die Kniee reichende 
enge Beinkleider und eine Leibbinde tragen. Krieger 


hängen noch Felle von Schafen und Ziegen über die 


eine Schulter, die Anführer ſolche von Löwen oder 
Leoparden; fie tragen dazu reichen Silberſchmuck, vor 
allem cine Stirnſpange, Akodama. Die abeſſiniſchen 
Chriſten tragen als religiöſes Abzeichen um den Hals 
das Mateb, eine dunkel blauſeidene Schnur. Kopf 
und Füße werden nicht bedeckt, nur die Mohamme— 
daner tragen Sandalen. Die Geiſtlichen ſcheren den 
Kopf glatt und ſchlingen um dieſen einen Turban von 
weifer, roter oder gelber Farbe. Gonnenfdirme find 
felbjt bei Dtinnern allgemein im Gebraud. Die 
Frauen laſſen um Schläfe und Raden Fledten herab- 
hängen. Die Schoanerinnen tiirmen auf ihrem Kopfe 
bienenforbahnlide, mit Butter cingefalbte Daarbauten 
auf oder {deren den Ropf ganz. Die Weiber der Am— 
hara und Tigrener tragen em langes Hemd, das durch 
einen Giirtel gufammengebalten wird, cine Sdama, 
in Schoa cin iiber den Kopf geworfenes, bis zu den 
Haden herabhingende3s Tud) und allerlei Schmuck 
am Hal8, an den Obren, Handgelenfen und Fuß— 
tndcheln. Die Ungenbrauen werden ausgerifjen und 
an ihrer Stelle aus blauer Farbe große Bogen gemalt, 
die Uugentlider geſchwärzt, BWangen, Hinde und Füße 
rot — Infolge ihrer großen Unreinlichkeit und 
des Einfettens ihrer Haare und Körper verbreiten die 
Abeſſinier einen ranzigen Geruch. Die Waffen be— 
ſtehen in Lanzen, ſichelförmigen Säbeln und langen, 
trummen Meſſern, runden, mit Metallbuckeln befdla- 
genen Lederſchilden, mächtigen Luntengewehren, die 
in neuerer Zeit durch Remingtongewehre verdrängt 
werden. Das grobe, ſchlechte Schießpulver bereiten 
die Abeſſinier ſelber. Die Häuſer ſind bald roh aus 
Steinen aufgeführte Gebäude, bald Lehm- und Gras— 
hütten, auch die Wohnungen der Fürſten ſind nicht 
viel beſſer, dabei iſt der Hausrat recht primitiv. Haupt⸗ 
nahrung iſt Fleiſch, meiſt durch eine ſehr ſcharfe 
Brithe gewürzt, dazu wird Brot, teils ungeſäuert, 
teils geſäuert, gegeſſen. Als Getränk dient Bier aus 
Sorghum oder Dagoſa, vor allem aber Detſch, zum 
Gären gebrachtes Honigwaſſer, das in Schoa allein 
vom König bereitet werden darf. 
Meyers Konve⸗Lexikon, 6. Aufl., J. Bd. 





wegen ſpärlicher Bevölkerung nur fleckweiſe bebaut, 
das Hauptackerland befindet ſich in der Woina Dega, 
das in der Dega in aufſteigender Richtung wieder ab- 
nimmt (. oben). Pflug, Sidel und andre Geräte find 
höchſt primitiv. Das mit Stöcken ausqedrofdene oder 
ausgetretene Korn wird in Erdgruben, bis 5 m hohen 
Körben und Lehmtdpfen aufbewabhrt und bei jedes- 
maligem Bedarf zwiſchen zwei Steinen zerrieben. 
Biehsudt bildet cine Lieblingsbeſchäftigung der 
Ubeflinier. Rindvieh, worunter eine Spiclart, das 
Sangarind, durd) foloffale Hirner ausgezeichnet ijt, 
ernibren die wieſenreichen Stride des Hodlandes in 
großer Menge; Kamele kommen am bejtenin der Rolla 
und Woina Dega fort. Schafe, sum Teil mit Fett- 
ſteißen, aud) behaarte, werden bejonders in der Pro— 
vinz Begemeder, fleine ausdauernde Pferde, Cel, 
Maultiere und Maulefel auf den Hochebenen Nord- 
abefjiniens undin den Gallacbenen gesichtet; ſehr ver- 
breitet ijt bie Bienenjudt. Jn techniſchen Dingen 
zeigt Der Ubeffinier viel Gefdid. Die als Herenmetiter 
— Eiſenarbeiter ſtellen Lanzenſpitzen, Säbel⸗ 
lingen, Pferdegebiſſe, Steigbügel, Pflugſchare u. a. 
her; dic Goldarbeiter find eingewanderte Inder, Ure 
menier und nubiſche Djaalin. Die Frauen sie 
Flechtwerk, jpinnen und weben Baumwolle. Die 
Drechsler erzeugen ſchöne Urbeiten aus Horn (ſ. Ta- 
fel ⸗Afrikaniſche Kultur II-, Fig. 15); die Gerber 
find faſt ebenfo übel berufen wie die Cijenarbdeiter. 
Der Handel geht über Zeila und Dſchibuti. An der 
Einfuhr (14 Will. Franf) nehmen in erjter Linie 
teil Baunuvollenjtoffe mit 7,5 Dull. Fr., Waffen mit 
3,1 Dull. und Glaswaren und Berlen mit je 1 Weill. 
Fr., wahrend die Ausfuhr (7 Will. Fr.) namentlid 
Kaffee, Elfenbein, Gold, Wachs und Felle umfaßt. 
Die Verkehrswege, vor allem die Handelsſtraßen 
von Seila, Bulbar und Berbera nad) Harar und 
Schoa, find verbejjert, ferner ijt der Bau einer Cifen- 
bahn von Didibuti nad Harar in Angriff genom- 
men und Ende 1900 find die erjten 140 km dem Ber- 
fehr iibergeben worden. Cine Teleqraphen- und Tele- 
phonlinie verbindet Harar mit Addis Wbeba; weitere 
Linien nad) Maffaua und Chartum find geplant. 
Ein achttäglicher Poſtdienſt iſt zwiſchen Addis Abeba 
und Harar, Dſchibuti und Zeila eingerichtet. Als 
Landesmünze dient der Bör (Ber, Mariathereſien⸗ 
taler), gleich 20 ägypt. Silberpiaſter (Göſch), auch 
der altſpaniſche Piaſter mit Zerſchneidung in Hälften, 
ferner das Metikal Gold (die Zechine). Daneben gel- 
ten als Bahlungsmittel ungemiingtes Gold nad Ge— 
widt (dem Wakih von 25,92 g¢), Ratronen, Salzſtan— 
en (Umolen, Amulies), die aus Salzlagern des Aſſal— 
ae gewonnen werden, Streifen aus Baumwollen— 
zeug (1 Gabi gu 4 Gerbab oder dem Bedarf fiir 
vier cinfade Kleider — 20 Ellen von 42 engl. Yard), 
blaufjeidene Halsſchnüre (Mateb) und Glasperlen (1 
Harf zu 40 Rebir — 120 Borjode). Das Maßweſen 
ijt nod) unentwidelt. 

Das Rolf zerfallt in Wdliqe und Gemeine. Auf 
der höchſten Stufe ftehen die Mefunen, zu denen der 
Konig, die Statthalter, die Kirchenfürſten, Die hohen 
Offijiere und Beamten gehören. Dem geringern 
Udel, Moffefo, — die andern Offiziere und Be- 
amten an. Die Gemeinen werden von den Kaufleuten, 
Handwerkern, Ackerbauern, Jägern und Fiſchern ver— 
treten. Die Gliederung der Beamtenhierarchie iſt in 
A. ſehr ſtreng und folgerecht durchgeführt. Gegen— 
wärtiger Herrſcher Megus) iſt Menelik, bis 1889 

3 


34 


König von Schoa. Cingeteilt ijt das Reich in fieben 
Provingen: Begemder und Gondar, Edfdu, Wollo, 
Aruſſi, Kaffa, Godſcham, Dſchimma; die fiinf erjten 
ſtehen unter einem Ras, die zwei letzten unter einem 
Negus. Hauptitadt ijt Addis Ulam (j.d.). Das Recht 
wurde in A. von alters her nad dem Fata Negeſt 
(Richtſchnur der Könige«) ge{proden. Zwölf Ridter 
jind Dem Negus zugleich als StaatSrat beigqeordnet. 
Die Strafen find von barbarijdher Strenge. Auch 
herrjdt nod der alte Brauch der Blutrade. 

Die herridende Religion ijt das jafobitijde, mo- 
nophyfitijde Chrijtentum, das aber auferordentlid 
jtarf mit heidniſchen, jiidijden und mobammedanijden 
Anſchauungen und Feſtſetzungen durchflochten ijt. An 
der Spitze jtehen die Ubuna von Amhara, Schoa und 
Godjdam, deren erjtere beide den Titel eines Metro— 
politen fiihren. Die oberjten Kirdenbeamten miijjen 
chelos fein. Großen Einfluß bejist Der Etſchege, der 
Beidtvater des Königs, der das Mönchs- und Klo— 
jtermefen leitet und fajt alle Rirdengiiter ju eigen 
hat. Die Sahl der niedern Geijtlidhen, der Monde 
und Nonnen tit gewaltig. Die niedere Geijtlichteit 
darf beiraten, aber nur emmal. Von Rirden gibt es 
cine augerordentlid) große Zahl. Cine Menge der- 
felben ijt in Felſen etngegraben; die vornehmſte ijt 
die Metropolitantfirde gu Axum. Kirchliche Feſte find 
der Neujahrstag, der 10. Sept., das Maskalfeſt am 
26. Sept., Weihnadten, das Fejt der Taufe Chrijti 
und das Ojterfejt. Das Qabr 1902 unſrer Heit- 
rednung ijt das 7394. der abeſſiniſchen. Jedes Jahr 
zerfällt in 12 Monate von 30 Tagen und einen 
Scaltmonat. Die fatholijden fowie die protejtan- 
tijden (Chrijdona) Miſſionare, die cine Neubelebung 
Des ju leerem Zeremoniell herabgejunfenen Chrijten- 
tums verjudten, wurden 1885 ausgewieſen, Dagegen 
hat die ſchwediſche Miſſion von Maſſaua aus Stationen 
in M'Rullo und bei Urtifo angelegt, und in Harar, 
Bubaſſa und Gera arbeiten franzöſiſche katholiſche 
Miffionare. Neben den Chrijten wohnen zahlreiche 
Mohammedaner; einzelne Landſchaften find fajt aus- 
ſchließlich von ihnen beſetzt. 

Das Lehnsweſen bedingt eine regelmäßige mili— 
täriſche Dienſtleiſtung. Das aktive Heer iſt 150,000 
Mann ſtark und beſteht aus Infanterie, Kavallerie, 
Artillerie (6 Batterien und Gebirgsartillerie), Ver— 
pflegungstruppen und Munitionspark, daneben gibt 
es irreguläre Heerhaufen zu 50 und 100 Mann. 
Diplomatiſch vertreten ſind Frankreich, England und 
Italien; die Türkei hat einen Konſularagenten. — 
Einen Orden vom Siegel Salomonis mit zwei Klaſ— 
jen ſtiftete 1374 König Johannes (ſ. Tafel⸗Orden III-, 
Big. 8).— Das Wappen ijt ein mfulierter Lowe, der 
in der redjten Pranke cin in cin Kreuz ausgehendes 
Septer halt. 

Gefhidte. 

Ubefjinien, deffen altejte Bewohner der haiti 
ſchen Raſſe (mit einem Einſchlag von Negerblut) an- 
gehörten, erhielt feine Qultur von Agypten aus. Unter 
den libyſchen Bubajtiten war das ägyptiſche Konig 
reid) in Berfall geraten; um 840 v. Chr. gelangte 
Theben in äthiopiſchen Befig, und um 770 fiibrte der 
Athiopifde Aönig Piſanchi fein Heer fogar nad) Unter: 
agypten. Tre 25. Dynajtie (um 700 v. Chr.) erfennt 
felbjt der Natalog Manethons als athiopifd an; dod 
war fie nicht von langer Dauer: 668 verlieen die 
durch aſſyriſche Angriffe geſchwächten Nubier Theben. 
Nunmehr begann das bis dahin von der höherſtehenden 
ägyptiſchen Kultur ſtark beeinflußte Athiopien (Na 
pata Reich) ſich mehr mit dem barbariſchen Süden 











Abeſſinien (Religion, Heerweſen, Orden ꝛc.; Geſchichte). 


und Oſten zu beſchäftigen; der äghptiſche Einfluß ver 
ſtärkte ſich wieder, als ein Teil der i ara gur 
Beit Pſammetichs L. um 650 v. Chr. nad Nubien aus 
wanderte. Im 3. Jabrh. v. Chr. qriindeten griechiſche 
Rolonijten an der Küſte den Qonbdelsplog Adulis 
(jetzt Ruinen von Zula). Yn früher Zeit wanderten 
Araber aus Südarabien cin, das im 1. vorchriſtlichen 
Jahrtauſend fogar die Herrfdaft fiber U. erlangte, 
hier Semitentum ecinpflangte und Sabäiſch zur 
Schriftſprache madte, aber vom 2.—6. nachchriſtlichen 
Jahrh. durch abeſſiniſche Könige beherrſcht wurde. 
Die Handelszüge der helleniſtiſchen Ptolemäer und 
Römer drangen tief ins Land cin. Um 330 n. Chr. 
fand da8 Chrijtentum von Werandria her Eingang 
und bewirfte einen nod) engern Verkehr mit griech 
ſcher Bildung. Und felbjt als die rohen Blemmher im 
Gebirgsland öſtlich vom nubifden Ril ihre Raubsiige 
begannen und den Weg durchs Riltal zeitweiſe vdtlig 
fperrten, gelangten Keime der griechiſch-römiſchen 
Ziviliſation ſüdlich nad) Merve, fo daß der öſtliche 
Sudan nidjt gon in Barbarei verjanf. Su Reros 
Zeiten ſcheint Meroe in Tritmmern gelegen gu haben ; 
dafür erhoben fic) zwei Teilreide: dad nubiſche Na— 
pata von neuem und das ſüdöſtlich gelegene UTum 
(j. d.), Das feinen Wittelpunft unter den kräftigen 
abeffinijdjen Bergvilfern fiidwejtlid) von Wdua fand. 
Die Bliite der dadurch erzeugten Miſchkultur fällt in 
das 4.—7. Jabrh. Um 900 famen aus Urabien ein— 
gewanderte Befenner des jüdiſchen Glaubens, bis 
1262, auf den Thron. Portugieſiſche Miſſionare 
(Ulvarez, Bermudez, Paez, Mende3) wirkten nad) der 
Wiederherftellung der dhrijtliden Herrſchaft im Land, 
und 1541 ward die Gefabr, dem von den Türken 
unterjtiipten Mohammed Uhmed Granj von Harar 
ju erliegen, nur durch Portugieſen unter Chrijtoph 
da Gama abgewendet, nadjdem fid) feit 1537 in die 
verödeten Landjtridje awifden Sdoa und Nord 
abeffinien Hirtenſtämme der Balla ergoſſen batten. 
Leider tradteten die römiſch-katholiſchen Prieſter, 
insbeſ. Die Jeſuiten, fortan nad unbedingter Herr: 
ſchaft; Wifons Mende; wurde vom Papjt als Pa— 
triard) nad) A. gefdidt und baute mehrere Klöſier. 
Aber ſchon 1634 wurden die Römiſchen vertrieben. 
und die monophyſitiſche Lehre gelangte durch koptiſche 
Geiſtliche wieder zur Herrſchaft; der ſeit 1880 amtie 
rende Oberbiſchof von YW. (Abuna) heißt Matthäos 

Im 18. Jahrh. wurde der König (Negus «) immer 
machtloſer. Anfang des 19. wurde der Schattenkönig 
Saglu Denghel zu Gondar durd) den Ras Wii von 
Amhara wie cin Gefangener gebalten, wahrend Saba: 
gades 1823—31 unabbangiger Gebieter von Tigré 
und den öſtlich vom Tafafeh lieqenden Gegenden war. 
Nad) der von Ras Mario 1831 gewonnenen Schlacht 
herrſchte Ubi¢ in Tigré, in Schoa dagegen Sahela Se- 
laffié. Wher 1853 ſtürzte Rajat ({. Theodor), angeb- 
lich Der Sohn eines Statthalters von Duara, feinen 
Sdhwiegervater Ras Ali und ward Herr von Amhara 
(weſtlich vom Talafeh bis zum Blauen Ril). Reliqtdje 
Verhältniſſe halfen ihm weiter. Als fic) Rafat der Eop- 
tifchen Geiſtlichkeit ficher wufte, zog er gegen Ubié von 
Tigré, und diefer unterlag 1854 bei Debrasfi. Kaſai 
nabm im Februar 1855 den Titel Theodorus (IL), 
Raifer (Negus Regejti, »Rdnig der Könige⸗) von 


Athiopien, an. Wud) Sabela Selaſſies Nadfolger, 


König Haila Malakot von Schoa, verlor feine Krone 
1856. Mun bildeten Tigré, Amhara und Sdoa Ein 
Reich. Nachdem er die Cmporung Neguſies von Tigre 
1861 unterdriidt hatte, beqann Theodoros durchgrei 

fende Reformen des Staates und der Kirche ; durd Ein⸗ 


Abeſſinien (Entdedungsgejdhidte, Literatur). 


85 


führung der Monogamie wurde die Sittlidjfeit geho- | eine entſcheidende Niederlage. Wdigrat wurde von 


ben. Theodoros 30g die Güter der Kirche cin, ficherte 
dagegen der Geiſtlichkeit cin beftinuntes Cinfommen 
und lie den Klöſtern gu ihrem Unterhalt ausreidjen- 
des Land. 1864 glaubie fid) Theodoros von England 
ſchwer verlegt, und engliſche Miſſionare und der Kon— 
jul Cameron follten ibm als Geifeln dienen, bid er 
pon England Benugtuung erlangt hatte; 1866 lief er 
aud) den englifchen Gefandten Raſſam ins Gefingnis 
werfen. Und obwohl Theodoros 1867 nur nod) in 
feinem Lager bei Debra Tabor über feine Krieger 


herrſchte, blieben die Berfudje Englands, die Befreiung 
auch Franfreich, das fic) namentlicdh fiir den Bau ciner 


der Gefangenen —— zu erwirken, fruchtlos. Im 
Oftober d. J. landeten 12,000 Mann englifd-indijde 
Truppen unter Sir Robert Napier an der Weſtküſte 
Der Unnesleybai im Hafen von Zula. Bon dem fun- 
digen Munzinger geführt, fam das Heer glücklich ins 
Innere. Theodoros madte aus Magdala 10. Upril 
1868 einen Ausfall, lieferte die Gefangenen aus, er- 
ſchoß fic) aber ſchon 14. Upril, als die Englinder 
um Sturm fdjritten. Yun folgten Sabre mnerer 
—— während deren auf Anſtiften des zum 
aͤghyptiſchen Gouverneur von Maſſaua ernannten 
Munzinger der Chedive 1872 die nördlichen Teile 
Abeſſiniens (Bogos und Menſa) anneftierte. In— 
zwiſchen hatte Rafat von Tigré den Fiirjten Gobefi¢ 
von Lajta und Godſcham bejiegt (14. Juli 1871), 
A. auger Schoa unterworfen und ſich 21. Jan. 1872 
unter dem Namen Johannes (ſ. d.) in Arum gum 
Negus Negeſti krönen fafjen. Win 15. Nov. 1875 
ward Munzinger bei Auſſa getdtet; 17. und 18. Nov. 
fiel bei Gudda Guddi das ägyptiſche Heer Urendroops 
und Wrafel Beis gegen Johannes, und 7. März 1876 
wurde aud) Hafan, des Chedive Ismail Sohn, mit 
20,000 Mann bei Gura vom Kaiſer gefdlagen. 
Daraufhin unterwarfen fic) aud) Menelik von Schoa 
(1879) und Ras Adal von Godſcham (1880). Seit 
Dem Aufftand in Ägypten 1882 und dem Wbfall des 
Sudin drobte A. von diejer Seite {eine Gefahr mehr. 


Wit dem englifden Admiral Hewett ſchloß Johannes | 


1884 einen Bertrag, der ihm freien Handel über Maf- 
jaua 3ufiderte. Als aber die Staliencr 1885 Maſſaua 
befetten, nahin Johannes cine feindlide Haltung ein. 
Sein Feldherr Ras Alula bradte den Ftalienern 
26. Jan. 1887 bei Dogali Verlujte bei; aber 9. März 


1889 fiel Kaiſer Johannes bei Metemmeh gegen die | 
fordert durch den feit 1837 dort angefiedelten Bota- 


Mabhdijten. 





Sein Reffe Mangaſcha wurde von Menelif (IL) | 


verdringt, der mit den Stalienern, die inzwiſchen 
Keren und Asmara befest hatten, 2. Wai 1889 das 
Biindnis von Utſchalli flog; das von den Ita— 
lienern befegte Gebtet wurde als Nolonie Eritrea 
anerfannt. Dod jdon tm Frühjahr 1893 wollte fid 
Menelif von der italieniſchen Vormundſchaft tos- 
maden. Diefes Berlangen wurde von Stalien nidt 
wetter beadhtet. Der Befehishaber der ttalienifden 
Truppen in Eritrea, General Baratieri, ſchlug 20. De3. 
1893 die Mahdijten bei Agordat zurück, eroberte 
17. Juli 1894 Kaſſala, riidte Unfang Januar 1895 
gegen Coatit vor, eroberte Mangafdas Lager 16. Jan. 
bet Senafe, befeste Udigrat und 1. April Wdua in 
Tigré Wis die Ataliener im Oftober die Operationen 
wieder aufnabmen, räumte Mangaida ganz Tigré 
und bat um Frieden. Uber 7. Des. 1895 wurde General 
Urimondis Vorhut unter Major Tofelli bet Amba 
Aladſchi überwältigt, Wajor Galliano in Makalle 
eingeſchloſſen und 20. Jan. zur Ubergabe gezwungen. 
Wit 26,000 Mann qriff Baratiert 1. März 1896 die 
Stellung Menelifs bei Wdua (j. d.) an, erlitt aber 





den Ubeffiniern umzingelt, Eritrea aber nicht ange- 
geiifen:; aud) Rafjala wurde bebauptet. Der neue 

berbefehlshaber, General Baldijjera, entjegte An— 
fang Wai 1896 Wdigrat, und 26. Oft. d. J. ſchloß 
Stalien mit dem Menelif den Frieden von Addis— 
Abebä, worin es auf die Schugherridaft über A. 
verzichtete, Der Negus aber geqen Erſatz der Ver— 
pflequngsfojten die (2000) Gefangenen auszuliefern 
fic) verpflidjtete. WIS Grenze zwiſchen A. und Eritrea 
wurden die Flüſſe Mareb, Belefa und Muna feit- 
geſetzt. Außer Rußland fdidten 1897 und {pater 


Eiſenbahn Didibuti-Harar (-Wddis-YWbeba) inter- 
effiert, und England, dem feit 1901, im Zuſammen— 
hange mit der Regelung der Niliiberjdwemmung, die 


| Unjtauung des Tſanaſees am Herzen liegt, befondere 
Gejandtidaften nad) A. Menelif ſetzte ſeine Crobe- 


rungen im Gilden fort, unterwarf 1898 Den Has 
Mangaſcha, gab Tigré an den juverliffigern Rags 
Wafonnen, {pater an Ras Olié, den Bruder der Kai— 
jerin, und bradjte Ubefjiniens Macht auf eine nie ge 
fannte Höhe. 

IEntdecungsgeſchichte, Literatur.) Den erjten 
Nach weis iiber U. (im Mittelalter Wbascia genannt) 
bringt das Weltbild des Fra Mauro im Dogenpalait 

u edig. Cine wiſſenſchaftliche Darjtellung des 
fandes gab auf Grund abeſſiniſcher Quellen zuerſt 
1681 Job Ludolfs »Historia Aethiopica«. 1698 
bis 1700 durchzog der Franjofe Poncet das Land, 
deſſen Berit im 5. Band der »Lettres édifiantes« 
(Bar. 1830) abgedrudt ijt. 1728 erſchien die » Voyage 
historique« von Lobo (Par.). Die angezweifelte 
Reifebejdreibung von Bruce, »Travels in Abyssi- 
nia« (Edinb. 1790; deutſch, Leip;. 1792), wurde durch 
Lord BValentias (»> Voyage to Abyssinia«, Lond. 
1814) völlig beftitigt. Die politifche Miſſion des 
Napitins Harris 1841, an der die Deutiden Roth 
und Bernag teilnahmen, eröffnete die Kenntnis 
Sdoas(»The highlands of Aethiopia«, Yond. 1844; 
deutid), Stuttg. 1847, 3 Bde.); Hemprid und 
Ehrenberg batten ſchon 1825 das Kiijtengebiet bei 
Maſſaua durdforidt, wobei Hemprich dem Fieber er- 
lag. Von auferordentlider Bedeutung war die Reife 
von Rüppell (»Reijen in A.«, Frankf. 1838 — 40, 
2 Bde.). Die Kenntnis des Landes wurde weiter ge 


nifer W. Schimper fowie durd die Miſſionare, wie 
Sfenberg und Rrapf (»Journals detailing their 
proceedings in the kingdom of Shoa<, Yond. 1843) 
und Rrapf (Reiſen in Ojtafrifas, Rornthal 1858; 
engl., Lond. 1860). Die Rejultate emer deutſchen Ex— 
pedition unter v. Heuglin und Steudner finden 
jid) in Heuglins »Reije nad A.« (Jena 1868). Die 
serge bebandein: UW. Brehm, Ergebniſſe einer 

eiſe nad Habeſch (Hamb. 1863) u. Blandford, Ob- 
servations on the geology and zoology of Abyssinia 
(ond. 1870). Val. ferner die Reijewerte von Combes 
u. Tamiſier (Bar. 1835—37, 4 Bde.), Lefebvre (daſ. 
1845 —48, 6 Bde.), Ferret u. Galinier (Das. 1847-—48, 
2 Bde.); Sapeto, Viaggio e missione cattolica fra 
i Mensa, Bogos, e gli Habab (Rom 1857); Mun— 
singer, Ojtafrifaniidhe Studien (Schaffh. 1864); A. 
d'Abbadie, Douzeans dans la Haute-Ethiopie (Bar. 
1868); Robt fs, Meine Miſſion nach A. (Daj. 1883); 
die Reijebericte von Plowden (Lond. 1868), Girard 
(Rairo 1873), Lejean (Bar. 1873), Raffray (daſ. 1876), 
Matteucci (Mail. 1880), Vigoni (daf. 1880), Wine 
jtanlery (Lond. 1881, 2 Bde.), Cedi (7. d.), Smith 

3* 


36 


(Lond. 1890), Mafjaja (j.d.); die einſchlägigen Werke 
von Baulitidfe (f. d.); Sapeto, Etiopia (Rom 
1890); Borelli, Ethiopie méridionale (Rar. 1890); 
Miinzenberger, WU. und feine Bedeutung fiir unfre 
eit (Freib. i. Br. 1892); Nicoletti-Witimari, Fra 
gli Abissini (Rom 1897); Biqnéras, Une mission 
francaiseen Abyssinie (Bar. 1897); P. De Qauri- 
bar, Douze ans en Abyssinie (Daf. 1898); Wylde, 
Modern Abyssinia (Yond. 1901); H. Vivian, Abys- 
sinia (Daf. 1901); De Churand, Carta dimostra- 


tiva della Etiopia, 1; 1,000,000 (Rom 1894, 6 Blatt). 


Bur Geſchichte vgl. nod: Cojti, Storia d’Etiopia 
(Mail. 1890); Glafjer, Die Ubeffinier in Urabien 
und in Afrika (Münch. 1897); Rrapf, The pre- 
sent literature of Abessinia (Anhang jur engl. Aus⸗ 
qabe fener oben angefiihrten Reije); Schurtz im 


Abetti — Abfälle. 


Verarbeitung der Rohſtoffe gebildet haben. Wan er- 
halt aus 100 kg Roheiſen 70—80 kg Stabeijen, aus 
100 kg Stabldrabt 60 kg Nähnadeln, aus 100 kg 
Stabeijen 45—60 kg Cijenbled), aus 1 chm Hol; oft 
nur 0,5 cbm Furniere, aus 100 kg roher Baumwolle 
70—80 kg Garn, aus 100 kg roben Flachsſtengeln 
9—15 kg fpinnbaren Fladhs. Die Jndujtrie bemiiht 
ſich, dieſe A. möglichſt 3u vermindern, die unvermeid- 
licen A. aber in den Kreis der Fabrikationsprozeſſe 
zurückzuführen oder anderweitiq lohnend zu verwer— 
ten. don vorteilhafter Verwertung der A. hangt nit 
| felten dad Gedeihen des Geſchäftsbetriebs ab. Much 
| Die öffentliche Gefundheitspfleqe hat an rationeller 
Behandlung der W. großes Intereſſe, weil manche 

durd) Cinwirfung auf Pflanzen und Tiere ſchädlich 

werden, andre durch Fäulnis cinen Herd fiir die Ent- 


3. Bande von Helmolts » Weltgefdidhte« (Leipz. 1901). | widelung von allerlet Anſteckungsſtoffen liefern, die 
Uber den engliſch-abeſſin. Feldzug vgl. Marfham, Luft, den Boden, das Flußwaſſer und Brunnen ver- 
Ahistory of the Abyssinian expedition (Lond. 1869) ; | unreinigen 2c. Zu den widtigiten Ubfallen gehören: 
die Werfe von Ucton (daj. 1868), Raffam (daf. Schlacken der Hiittenwerfe, die auf Metalle, zu Stet- 


1869, 2 Bde.); Holland und Hozier, Record ot 
the expedition to Abyssinia (amtlicder Bericht, daſ. 
1871); Rohlfs, Ym Auftrag des Königs von Preu- 


Ren in A. (Brem. 1869); Carter, Report on the 


survey operations, Abyssinia (Lond. 1869); die Be- 
ridte Der Wiifjtonare: Blanc, A narrative of capti- 
vity in Abyssinia (Daj. 1868), Stern, The captive 


missionary (Daf. 1869), Flad, Zwölf Jahre m A. 


(Bajel 1869), Waldmeier, Erlebnifje in A. (daf. 
1869). Uber den italienifd -abefjin. Feldjuq: Lu- 
jeur, Etudes critiques sur la guerre entre I'Italie 
et l’Abyssinie (Par. 1896); Milani, Le armi ita- 


liane in Abissinia (Mail. 1896); v. Bruchhauſen 


int 1. Beibeft gum » Militar Wodenblatt«, 1897; Ga- 
merra, Ricordi di un prigioniero di guerra nella 


Scioia (Mail. 1897; deutid, Berl. 1897); Ed. Xime- 


nes, Sul campo di Adua (Turin 1897); Baratieri, 
Memorie d’Africa (Daf. 1897; franz., ‘Bar. 1899). 


| nen, Zement, Glas, Waun, Kieſelſäure, Metallſal— 
| jem 2c. verarbeitet werden; Rohlenflein, das zu Bri— 

fetts (Preßlohle) geformt wird; Steinfobhlenafde, 
aus der man die Darin reidlid) enthaltenen Rofs ge- 
winnt; Holzaſche, die als Diinger und zur Gewin— 
nung von Laugen benugt wird; ſchweflige Saure, 
die aus Hiittenwerfen, Ultramarinfabrifen, Affinier— 
werkſtätten 2. entweidt, jest aber meijt auf Schwe- 
felfaure verarbeitet wird. Chlorwafferjtoffgas 
der Sodafabrifen wird verdidjtet und liefert die Salz— 
jaure, weldje die Sodafabrifen sum großen Teil felbyt 
zur Darjtellung von Chlorfalf verarbeiten. Hierbet 
entjteben wieder Manganlaugen al8 Ubfall, aus 
denen man da8 Mangan in einer Form wiedergewinnt, 
daß es Don neuem benugt werden fann. Fruher qing 
der Schwefel derin den Sodafabrifen benutzten Schwe 
felſäure verloren, und die Sodarückſtände bildeten 
eine grofe Lajt. Jest werden aus leptern Schwefel 


| 
i 








Abetti, Untonio, Aſtronom, geb. 19. Juni 1846 | und Kalk, an den der Schwefel gebunden war, wieder: 
in Görz, wurde 1868 Aſſiſtent, 1877 Udjunft der gewonnen. Die Kiesabbrände der Schwefelſäure— 
Sternwarte in Padua und 1894 Direltor der Stern: | —— werden auf Eiſen, Kupfer, Silber, Kupfer— 
warte zu Arcetri bet Florenz. Er ijt einer der eifrig⸗ vitriol, Zement und ju Bauſteinen verarbeitet. Aus 
ſten Beobachter von Nometen und kleinen Planeten. dem kondenſierten Waſſer der Gasanſtalten ge— 

Pt hn a j. Abſchoß. winnt man Ymmonial, und der Teer ijt der Rohſtoff 

Abfahrtspunkt, der durch Kreuzpeilung (j. d.) ausgedehnter chemiſcher Betriebe, befonders der Far 
nad geographijder Yreite und Lange bejtinunte | benindujtrie qeworden. Der W oll fh weif der Schaf— 
Schiffsort, der den Unfangspuntt fiir die Berechnung | wolle wird auf Pottaſche verarbeitet, Bollabfalle 
Ded gegißten Beſteds (f. d.) bildet. Abgefahrene | dienen als Filtriermaterial, und wollene Lumpen 
Lange und Ureite tit das Bejted des Ubjabrts- | verarbeitet man auf Shoddy, leinene und baumwwollene 
puntted; angefommene Lange und Breite ijt | auf Rapier. A. der Gerbercien und Schlächte— 
das Vejted des erreidjten Schifisortes. reten bilden das Rohmaterial fiir Leim-, Blutlaugen- 

Abfall, die Losſaqung von einer bisher anerfann- | ſalz- und Rnodentobhlefabritation, aud wird aus 
ten Verpflichtung ober einer bisher vertretenen An⸗ dem Blut Albumin dargeftellt und der Rücſtand auf 
ſchauung. Zu unterſcheſden iſt vornehmlich der poli- | Diinger verarbeitet. UW. aus Zuder-, Stärkezucker— 
tifde und der fonfeffronetle WL, je naddem man | fabriten, Bierbraucreten und Branntwein- 
jid) von einer polttiſchen oder religiöſen Uberzeugung, | brennereien dienen als Viehfutter; aus der Melaſſe 
Regierung, Partet ober Allianz losſagt. Wis Beifpiel | der Zuckerfabriken aber wird der größte Teil des da: 
dew politticien Vibfalls oder Ausſcheidens ganzer Lan- | rin enthaltenen Zuckers gewonnen, oder man ver: 
Desteile aus bent frithern ſtaatlichen Verband ijt der | arbeitet jie auf Spiritus und gewinnt aus der Schlempe 
WU. der Hieherlande von Spanien und als Beiſpiel des | Methylechloriir und Alkaliſalze. Weinhefe und Wein: 
relight fredplichen Abfalls die Losfagung der pros | treber liefern Weinjtein, Eſſig, Kaliſalze, Leuchtgas, 
teſſantachen Mirde von Rom Hervorjubeben. Bgl. | Frantfurter Schwarz. Val. Abwäſſer. 

Wpottate, .. Die ſtädtiſchen W. bejtehen aus den Exfremen- 

UAbfatle. Tie bei Verarbeitung der Roh- | ten, dem Stragentehridt, dem Müll und den unreinen 
ftotte Nit) ergebenden YL find vielfad) unverainderte | Wäſſern. Der Müll nimmt den Kehricht, Scherben, 
Toile derſelben (Hobel-, Sage, Feilfpane), inandern | Lumpen, Wide, Nahrungsmittelreſte rc. auf. Die 
Fallen aber Subſtanzen, die von der nugbaren Sub: | Menge der hauslicjen UW. beträgt pro Kopf und Jahr 
jtany, wie Die Natur fie bietet, abgetrennt werden | mindejtens 90 kg, mit der Aſche wohl 0,25 —O,35 cbm. 
mitijjen, oder Die ſich durch chemiſche Prozeſſe bei der | Ihre gefahrloſe Befeitiqung ijt eine dringende hygie- 


Abfallen — Abgangswintel. 37 


niſche Forderung. Liber diefe A. f. die Urtifel Wb- | lichen Verſchuldung zurüchzuführen (ſ. Kredit, land— 
wiijjer, Exfremente, Mill, auch Mas. Vol. Flee, | wirtfdaftlider). (Mu ffrifden. 
Die Fabrifation chemiſcher Produlte aus tieriſchen Wbflauen, Nadlajjen des Windes; Gegeniag: 
Abfällen (2. Uufl., Braunfdw. 1880); Fifdher, Die| Abfohlen, der GeburtSalt der Stute. 
Verwertung der ftadtijden und Yndujtricabjallitoffe| Abformen, ſ. Abguß. 

(Leipz. 1875); Simmonds, Waste products (2. Wbfrageapparate, ſ. Fernſprecher. 

Uujl., Lond. 1876); Süßenguth, Jnduftrie der Ub-| Abfuhr (Abführen), ſtudentiſch: Verwundung, 
falljtoffe (Seipz. 1879); Bogel, Berwertung der jtad- | die Den Duellgeqner kampfunfähig madt, |. Menfur. 


tiſchen Abfallſtoſſe (Berl. 1896). Ubfiihren, das Urbeiten eines Jagdhundes nach 
Abfalien, das Vorſchiff vom BWinde fortwenden. | beendeter Stubendrefjur, um denfelben zur Jagd auf 

Militäriſch in Djterreid) foviel wie Ubbredjen. dem Feld oder tm Walde ſelbſt weiter absuridten. 
Abfallhaufen, |. Kjöllenmöddinger. Abführende Mittel (Larantia, Purgantia, 


Abfallrinne, cin ſeichter Graben, der Waſſerquer Rathartifa), Arzneimittel, die angewendet werden, 
iiber cine Böſchung gu führen hat und wegen feined | um Stublgang herbeizuführen. an unterſcheidet 
jtarfen Gefälls beſonders befeſtigt werden muß. milde Laxantien: Glauber- und Bitterſalz, ge— 

Abfallrohr, ſ. Dachrinne. brannte Magneſia, ſalzhaltige Mineralwäſſer, Wein— 

Abfangen, Töten eines angeſchoſſenen Stückes ſtein, Kalomel, Schwefel, Manna, Honig, Glyzerin, Obſt 
Edelwild durch einen Stich. Geringe Hirſche, Tiere und fette De; fraftiqere Larantien: Rhabarber, 
und Rehwild werden durd) einen Stich mit dem Jagd— Rizinusöl, Sennesblätter, Uloe; drajtifde (jharfe) 
mefjer (Genidfainger) swifdhen dem Schadel und | Purgiermittel: Yalappe, Roloquinten, Kroton— 
dem erjten Halswirbel abgenidt, ftarfe Hirfde und | öl 2c. UW. M. wurden von alters her in ausgedehn- 
Sauen durd) einen Stich mit dem Hirſchfänger, bes. | tefter Weife —— ja es iſt zu manchen Zeiten 
der Saufeder in die Herzlammer abgefangen. — Ge- (gaſtriſche Schule im 18. Jahrh.) der ärgſte Mißbrauch 
ſteinsmaſſen vor dent Herabfallen durch Zimmerung | damit getrieben worden. Sie wirfen, nicht am rech— 
bewabhren; hervorbredendes Waſſer ableiten. ten Blak angewendet, oft recht ſchädlich. Es ijt des- 

Abfafen, ſ. Faſen. halb die Gewohnheit, regelmäßig jedes Jahr im Früh— 

Abfedern, gefangene oder angeſchoſſene Bagel | ling zu laxieren (Maikuren), zu verwerfen. Nament— 
durch einen Stich mit einer ausgeriſſenen Schwung- lich iſt vor dem Gebrauch draſtiſcher Tinkturen und 
feder in den Hinterkopf töten. Pillen, welche die geſchäftige Induſtrie Dem Bubli- 

Abfertigung, die zollamtliche Behandlung ein⸗ kum anbietet, ernſtlich zu warnen. Bei Neugebornen 
gehender Waren. Die die Abfertigungsanträge | und ganz kleinen Kindern ſoll man a. M. niemals 
der Abgabepflichtigen und die Ubfertiqungsver- | ohne ärztliche Verordnung anwenden; ein Kliſtier 
mittelungen der Abfertigungsbehörden oder | von lauem Waſſer (Glyzerin, kleine Spritze von 5 ccm) 
Stellen enthaltenden Schriftſtücke heißen Abferti- oder ein Seifenzäpfchen reicht gewöhnlich bet Ver— 
gungspapierez; der über das Ergebnis der A. aus- ſtopfung der Kinder aus und ijt ohne alle Gefahr. 
geitellte Schein, dann aud die Quittung fiber erfolgte | Ebenfo follten Erwadjene möglichſt mit diätetiſchen 
Jollentridtung heißt Abfertigungsſchein. Wud) Mitteln und fonjtiger Regelung der Lebensweiſe aus- 
die Feſtſtellung der Steuerpflicht bei mlandifden BVer- | zufommen fuden. A. M. find anjuwenden zur Ent- 
brauchsſteuern wird A. genannt. —— ungehörigen ober ſchädlichen Darminhalts, 

Abfett, |. Dégras. jelbjt bet heftigen Durchfällen, aud) bei Rubr, weil 

Abfindung, diejenige Leijtung, die jemand fraft | man die zerſetzungerregenden Batterien rc. entfernen 
Sonderrechts oder fraft befonderer Verembarung an | muf, bevor Heilung ju erwarten ijt. Vielleicht beruht 
Statt eines ihm fonjt juftehenden Unteils erhält, oder | auf der Entleerung folder Mifroorganismen der gute 
an Statt ihm fonjt iificbenber dDauernder Einnahmen | Erfolg, den a. M. bei atuten Fiebern aufiweijen. 
au beanfprudjen hat. Nad) dem deutiden Biirger- führmus, ſ. Sennesinus. 
iden Geſetzbuch ijt unter gewiſſen Vorausſetzungen Abfuhrſyſtem, ſ. Crfremente. 
cine A. von dem Erſatzpflichtigen gu zahlen: 1) einem; Wbgaben, im allgemeinen Vermögensleiſtungen, 
widerrechtlich Verlesten oder m feiner Erwerbsfähig⸗ insbeſ. auf öffentlich-rechtlichem Grunde berubhende, 
feit Beſchränkten (§ 843); 2) denjenigen, die gegen | wie Steuern, Bolle, Gebiihren; es famen und fom- 
einen infolge einer unerlaubten Handlung Getdteten | men aber aud) lehnsredtliche, grundherrliche und 
Unterhaltungsanjpriide Hatten (§ 844); 3) allen | privatredtlicde A. vor. Der Verfaufer emes Grund- 
denen, die gegen cinen widerredtlid) Berlesten oder | ſtücks haftet nad Biirgerlidem Gefegbuch, § 436 nicht 
Setdteten fraft Geſetzes Anſprüche auf Dienjtleijtungen | fiir Freiheit desfelben von Sffentliden W. und andern 
in ihrem Hauswejen oder Gewerbe hatten (§ 845). | dffentliden, zur Cintraqung ins Grundbud) nicht ge- 
Ebenfo fann der geſchiedene unſchuldige Ehegatte von | eigneten Lajien. Soweit die djfentliden A. nicht auf 
dem als allein fiir ſchuldig erflarten eine UW. verlangen | dem BVorbehaltsqut der Frau lajten, hat bei der all 
(§ 1580). Cin unehelides Rind endlid) fann nad | gemeinen Giitergemeinfdjaft der Ehegatte wahrend der 
§ 1712 vor dem Erber des Kindsvaters mit bem Be | Dauner der Verwaltung und Nutznießung fiir fie auf- 
trag abgefunden werden, der dem Mind als Pjlicht- | zukommen (§ 1385 des Biirgerliden Geſetzbuchs). — 
teil qebiibren witrde, wenn es ehelich wäre. Uber dic | Kaufmänniſch wird Abgabe tm Sinne von Tratte ge— 
UW. der Geſchwiſter eines Unerben f. Höferecht. — Uber | braudt (f. Wechſel). 

W. im Finanzweſen f. Uufwandfteuern. Vgl aud | Abgang, in der Dramaturgie die lesten Worte 
Ablöſung. des von der Bühne abtretenden Schauſpielers; wenn 

Abfindungsfredit, derjenige Credit, der bei Ver- effettvoll, alsdanfbarer, guter A. bezeichnet. Dann 
migensauseinanderfegungen, namentlid) bei Erbtei- | allgemeiner: effettvoller Szenenſchluß, amt Cnde der 
lungen, feiten3 des Erben oder Erwerbers eines Ge- | Utte als epigrammatiſche Zuſammenfaſſung der Er- 
ſchäfts oder Guted sur Ubfindung von Miterben und | gebniffe der Handlung oder als fpannender Hinweis 
jur Zahlung des Kaufpreiſes benutzt wird. Auf diefe | auf das Künftige berechtigt, innerhalb der tte jedod 
Yirt des Kredits ijt cin erheblidjer Teil der biuer-| AWbgangswinfel, ſ. Flugbahn. ſtörend. 








38 

Abgar, Titel der ſyriſchen Herrider des osroeni⸗ 
iden Reiches zu Edefja (f. d.) in Mefopotamien. Als 
Stifter der Dynajtie wird qenannt Orhai bar 


Chewja (cigentlid Uryu), 137 v. Chr. Unter den 30 
Fürſten tit Der 14. hervorjubeben : YW. Ufoma (der 
Schwarze), nad der Sage Sohn Urjhams, eines Bru- 
pers des Yirjafiden Tigranes I. von YUrmenien, und 
Freund des Uuguitus. Bom Ausſatz ergriffen, foll er 


Jeſus brieflich zu fic) eingeladen, diefer aber den Ruf | 


abgelehnt und einen fener Jünger zu fenden verjpro- 
chen haben. Nach der Himmel fahrt a dann Thomas 


Abgar — Abgejonderte Befriediqung. 


ex jure crediti«. Das Recht auf a. B. unterfdheidet 
jid) von dem Ausfonderungsredt (ſ. d.) Dadurd, dak 
die Ubfonderungsberedhtigten nidt Gegenjtinde aus 
der Ronfursmajje wegnehmen, fondern nur aus dem 
Erlös der fiir ihre Forderung haftenden Gegenftande 
vorweg befriedigt fein wollen. Su diefem Swe diir- 
fen fie bie Sadjen im Beſitz bebalten und fie der 
Zwangsvollſtreckung unterwerfen, fofern eine folde 
nidt vom Nonfursverwalter vorgenommen wird. 
Sind mehrere Ubjonderungsberedtigte vorhanden, 
ſo wird der Erlös unter fie 10 verteilt, wie wenn ein 


ben Thaddäus (Uddai) geſandt und dicfer den Konig | Konkursverfahren nicht beſtände; der etwaige Über— 


und die Stadt fiir das Evangelium gewonnen haben. | 
fahren braudt der Ubfonderungsberechtigte nicht teil⸗ 
Briefe wurde ſchon 494 vom Papſt Gelajius ausge | 


Die Unedhtheit der beiden von Euſebius bewahrten 


fprodjen. Die ganze Erzählung ijt die Erjindung eines 
edeſſeniſchen Chriſten, der die geſchichtliche —— 


ſchuß fließt in die Konkursmaſſe. Am Ronfursver- 


oo insbeſ. feine Forderung nidt anzumelden. 
Sr muh nur dem Ronfursverwalter von dem Beſitz 
| der Sadjen und von feinem Ubfonderungsanfprud 





Abgars IX. um zwei Jahrhunderte hinauffdob und | Mitteilung maden, aud) auf Verlangen die Sachen 
dadurch feiner Gemeinde ein hohes Ulter zufpreden | vorzeigen und ihre Abſchätzung gejtatten (§ 119, 120). 
wollte. Bgl. Lipfius, Die edeffenifche Ubgarjage | Wird auf das Abſonderungsrecht verzichtet, oder der 
fritiid unterfucht (Braunſchw. 1880); Matthes, Wbjonderungsberedtigte durd die a. B. nidt voll- 
Die edeſſeniſche Abgarſage auf ihre Fortbildung un: ſtändig befriedigt, fo darf er feine Forderung als Kon— 
terfudt (Leipz. 1882); v. Gutfdmid in der beim | fursforderung anmelden (ſ. Ronfurs); er muh aber 
Yrtifel » Edejja« genannten Abhandlung; Tireront, | dann den Verzicht oder den erlittenen Uusfall (die Aus 
Les origines de l'église d’Edesse et la légende d’A. | falléforderung) nadjweijen ($64). Bur abgefonderten 
(Bar. 1888); Harnad, Geſchichte der altchrijtlichen | Befriedigung dienen nad § 47 die der Bwangsvoll- 
Viteratur, Bd. 1, 2. Halfte (Leip;. 1893). — Die Wh» | jtredung in das unbeweglide Vermögen unterliegen- 

arusbilder, die ailteiten Bildnijje Chrijti, nach | den enſtände fiir ——— die Anſpruch auf 
ce wunderbaren Porträt, das der Sage nad Jefus | Befriedigung daraus haben. Rad § 48 dürfen Glau- 
ſelbſt ſeinem Unhanger, dem Konig A. Ufoma, jue | biger, denen an einem zur Konkursmaſſe gehdrigen 
geididt haben foll, gehdren der morgenlindifden | Gegenftand cin durd) Rechtsgeſchäft bejtelltes Bfand- 
Kirche an (feit Dem 4. Jahrb.) und find von einem | redt gufteht, daraus wegen ihrer Bfandforderung a. B. 
diijtern, finjtern Charatter, ftarr und ſchmerzvoll. verlangen. Diefen Pfandglaubigern jtellt fodann § 49 
Cine Urt Oppoſition von feiten Roms bilden die Ve- cine Reihe von andern Glaubigern wegen gewiſſer 


ronifabilder (7. D.). 
Abgaſe, ſ. Abhitze 
Abgebaut, ſ. Abbau. 


Abgeben (faufm.), ſ. v. w. traſſieren (ſ. Wechſel). 


Abgebrunftet heißt ein Hirſch, der durch die Be— 
gattung an Gewicht verloren bat; ſ. Brunft. 

Abgefahrene Lange u. Breite, ſ. Abfahrts— 

Abgekörte Tiere, |. Viehzucht. punkt. 

Abgeordneten-ſonvent (A. C.), ſ. Studenten— 
verbindungen. 

Ubgeorducter, jede durch cine größere Anzahl 
von Genoſſen mit deren Vertretung in der vorgeſchrie 
benen Form betraute Perſönlichkeit, insbef. im Sinne 
des fonjtitutionellen oder Reprajentativiyitems Mit⸗ 
qlied einer parlamentarijden Körperſchaft (7. Bolts 
vertretung). 

Abgepaft heißen gewebte Stoffe, wenn ihr Muster 
fiir einen bejtimmten Raum begrenzt ijt. 

Abgeriffen nennt man in der Heraldit einen Tier 
fopf, wenn nod) ein Stück des Halsfelles mit aus: 
gefranftem Rande gu fehen iit, im Gegeniage ju ab 
gefdnitten, wo der Rand glatt verläuft. 

Abgeſang, ſ. Aufgeſang. 

Abgeſchoben haben Wiedertiuer nad Durchbruch 
der bletbenden Schneidezähne; ſ. Rind, Schaf. 

Ubgefonderte Befriedigung, nach der deut- 
ſchen Ronfursordnung (vgl. § 4 und § 47—52) die 
Vefriediqung gewiſſer mit einem Pfandrecht oder ähn— 
lichem R 
— ead Wee oder Ubfonderungsglinu- 
biger). Sie erfolgt zwar aus Gegenftinden, die sur 
Konkursmaſſe gehoren, aber »unabbingiq vom Kon— 
fursverfahren«, d. h. außerhalb diefes ———— 
Im gemeinen Recht nannte man die a. B. » Separa- 
tton« und die Ubfonderungsberedtigten » Separatiften 


echt verſehenen Berfonen (die Ubfonde- | 


Fyorderungen, 3. B. derjenigen wegen öffentlicher Wb 
gaben, Miet- und Pachtzinſen ꝛc. qleich. Außerdem fn- 
nen diejenigen, die mit dem Gemeinfduldner in einer 
Gemeinſchaft jtehen, wegen der daraus entfprungenen 
Forderungen a. B. aus defjen Anteil verlangen, und 
erfolgt die Befriedigung der Lehen-, Stammauts- 
und F ibeitonmmifglaubiger aus dem Lehen-, Stamm: 
ober Fideilommißgut nad den Vorſchriften der Lan- 
desgeſetze (§ 51 u. 52). Weitere Abſonderungsrechte 
ſind in der GewerbeordDnung (§ 90 u. 100c), im 
| Krantenverjicherungsgeies (§ 73, Abſatz 6) und in 
dem Reidsqefes vom 5. Mai 1886, betreffend die Un— 
falls und Stranfenverjicherung der in land- und forjt- 
wirtidaftlicden Betrieben beſchäftigten Perſonen 
($ 133), vorgejehen. Das den Rachlajglaubigern und 
Vermächtnisnehmern friiher nad) dem (alten) § 43 
der Konkursordnung zuſtehende Recht auf a. B. wurde 
durch Aufhebung dieſer Vorſchrift beſeitigt, weil die 
erwähnten Berfonen durch Beantragung einer Nach— 
laßverwaltung oder eines Nachlaßkonkurſes a. B. aus 
dem Nachlaß verlangen können. Der frühere Artikel 
122 des Handelsgeſetzbuchs, nad) dem die Geſellſchafts— 
laubiger am Ronfurs fiber das Vermögen einer 
Handelsgeſellſchaft aus dem Gefellichaftsvermigen 
abgefondert zu befriedigen waren und von Den ein— 
zelnen Gefellichaftern nur wegen des erlittenen Aus⸗ 
falls Befriedigung beanſpruchen durften, ijt in das 
| neue Handelsgeſeßbuch nidt iibergegangen. 

Die öſterreichiſche Nonfursordnung regelt die a. B. 
($30 ff., 137 ff. und 163 ff.) in ähnlicher Weiſe wie 
die Deutide. Jedoch find danach bejondere Mafjen zu 
bilden, und liegt die Behändigung der dort » Real: 
qliubiger« genannten Ubfonderungsberedtiqten dem 
Maffenverwalter ob. Bal. Wott, Das Abſonde— 
rungsredjt im Konkurſe (Berl. 1892); Derfelbe in der 














Abgefperrte Arbeit 


»Zeitſchrift f. Fivilprozeß · Bd. 22, S. 244 ff. 266 jf. — 
liber Ubfonderung im Erbredt ſ. Erbredt. 

Abgeſperrte Urbeit, das Verleimen ciner Blind- 
holgplatte mit je zwei Furnieren auf jeder Seite unter 
jedesmaliger Faſerkreuzung, leiſtet großen Widerjtand 
gegen Feuchtigleit und Temperaturwechſel, fo daß 
Platten von | m Breite fic) nicht werfen. 

Mbgeftanden (a bjt indi gq) wurden cinjt dieHaus- 
tiere qenannt, die aus irgend einem Grunde fiir den 
Wirtſchaftsgebrauch wertlos geworden waren. Auf 
abgeſtandenes Bieh beziehen ſich gewijje, nod jet 
gültige Gerechtfame der Abdecker. 

Abgezogenes Blan, ſ. Indigblauſchwefelſäure. 

Abgezogene Wafer, ſoviel wie deſtillierte Wäſ— 

Abgieren, ſ. Gieren. ſſer. 

Abgiefßen, ſoviel wie Defanticren. 

Abgötterei, ſ. Goͤtzendienſt. 

— ag terry a j. Rieſenſchlangen. 

Abguf, Nachbildung körperlicher Gegenſtände mit 
Hilfe von flüſſigen, bald erſtarrenden Subſtanzen. 
Die erſte Abformung des Gegenſtandes (durch —* 
druck oder A.) ergibt die Matrize (Form), deren 
wiederholter A. dem Original völlig gleicht. Man 
benutzt zu Abgüſſen gebrannten Gips, Ton, feinen 
Sand oder Tripel (nur für feine Metallgüſſe), Schwe— 
fel, Siegellack, Legierungen, Guttapercha, Wachs, 
Schellack, Leim- und Hauſenblaſenlöſung, gebrannte 
Magneſia mit Magneſiumchloridlöſung, Metallfolie, 
Seidenpapier ꝛc. Bal. Gießerei, Gips, Stereotypie. 

Abhaaren, der ſich im Frühjahr mit Ausfall des 
dichtern Winterhaars vollziehende Haarwechſel der 
Haustiere. Unvollſtändiges und zögerndes A. iſt be— 
dingt durch Krankheiten, ungenügende Ernährung, 
falte Stallung, vernadliffigte Hautpflege und Er— 
fiiltung, unbejtindiges, faltes Wetter, ſpälen Eintritt 
des Frühjahrs 2. Behandlung: leichtverdauliches, 
nahrhaftes Futter, Appetit und Verdauung anregende 
Arzneimittel und gute Hautpflege. 

bhaken, ſ. Ableger. 

Abhalſen, einem Jagdhund das Halsband (dic 
Halſung) abnehmen. 

Abha „die Richtung des Schiffes fo ändern, 
daß es mehr ⸗vor dem Winde« ſegelt, daß der Wind 
alſo mehr von hinten in die Segel fällt. Auf einen 
Gegenſtand a. heißt gerade auf ihn zuſteuern; von 
einem Gegenſtand a. heißt ihm ausweichen. 


Abhandlung, wiſſenſchaftliche Daritellung ge: | 


ringern Umfangs, deren Inhalt, im Gegenfage zur 
Erj;ahlung und Befdreibung, feine fonfreten Vor— 
ſtellungen, fondern überwiegend abjtrafte Begriffe 
bilden. Das Ziel der A. iſt, ein Problem oder einen 
Tatbeſtand nach allen Richtungen aufzuhellen und 
die Ergebniſſe durch logiſche Beweiſe zu begründen. 

Abhang, ſ. Berg. 

Abhänge an Orten, wo Menſchen verkehren (d. h. 
auf öffentlichen Straßen, Wegen oder Plätzen, auf 
Höfen rc.), find derartig gu verdecken und zu verwah— 
ren, daß keine Gefahr für andre daraus entſtehen 
lann. Zuwiderhandlungen werden mit Geldſtrafe bis 
zu 150 WE. oder Haft beſtraft (Reichsſtrafgeſetzbuch, 
367, Biff. 12). 

Abhangigtcit, cine Urt der Relation (ſ. d.), dic 
fiir das Denfen ſich dann zwiſchen irgend welden 
Objekten (jeien es äußere Erjdeinungen, jeien es Be 
griffe und Urteile) ergibt, wenn mit einer Verände— 
rung des einen eine folche des andern notwendig ver- 
bunden ijt. So ijt bei einem Schluſſe die Folgerung 
von den Briimiffen abhängig (logiſche A.), die Didte 
cines Majed ijt abhängig von dem äußern Drud (reale 


39 


A.). Zum Ausdruck von A. dient das hypothetiſche 
Urteil (f. Urteil). 

Abhangigfeitspatent, ſ. Patent. 

Abhartung, die Gewöhnung der Organismen an 
äußere Cinwirfungen, Anſtrengungen und Entbeh— 
rungen, die bet Verweichlichung ſchädlich werden fin- 
nen. Pflanzen, die in Mijtbeeten, Gewächshäuſern 
aus Samen oder Stedlingen herangesogen wurden, 
fowie in frojtfreten Raumen iiberwinterte Pflanzen 
härtet man ab, um fie im Sommer ing Freie yu brm- 

en, indem man fie allmählich mehr und mehr dem 
Licht und der Luft ausfest. Man bringt jie Dann, am 
bejten bei tritbem Wetter, ins Freie und jtellt fie zu— 
nächſt an ſchattigen Plätzen auf. A. ijtaud notwendig, 
wenn Pflanzen aus gleichmäßig feudter Warmbhaus- 
luft in trodne Zimmerluft zur Weiterfultur gebracht 
werden. — Die A.des Menſchen hat fich dem Kräfte— 
zuſtande des Yndividuums anzupaſſen. Auf ganz 
junge Kinder und Greiſe ſind Abhärtungsmaßregeln 
kaum anwendbar, wenn auch jede Verweichlichung 
ſorgſam vermieden werden muß. Wo aber A. am 
Platz iſt, da gewährt ſie große Vorteile. Die gewöhn— 
lichjten Ubhartungsmafregein richten ſich auf Kräf— 
tigung der Haut und der Atmungsorgane und be— 
ſtehen in kalten Waſchungen und naſſen Abreibungen 
des ganzen Körpers in einem warmen Bimmer, kal— 
ten Bädern, Duſchen, Tragen zweckmäßiger Kleidung 
(ſ. d.), Benutzung eines nicht erhitzenden und nicht 
ju weichen Nachtlagers, fleißiger Bewegung im Freien, 
auch bet ungünſtigem Wetter, und möglichſt häufigem 
Offnen des Fenjters beim Wufenthalt tm Simmer. 
Vin Winter foll die Temperatur des Zimmers nidt 
fiber 19° betragen. Das Schlafzimmer fet kühl, doch 
iſt es nicht rationell, wenn man gewöhnt ijt, am Tage 
anhaltend im geheizten Sinumer ju leben, nadts im 
ungebeisten — bei offenen Fenſtern zu ſchlafen; 
jedenfalls beſorge man morgens das Waſchen und 
Ankleiden in einem nicht falten Raume. Die Mus— 
fel find beſonders bei fipender Lebensweiſe durch 
ſyſtematiſche Inanſpruchnahme (Turnen, Zimmer— 
ymnaſtilk 2.) gu kräftigen und abzuhärten, dem ge— 
unden Magen ſoll auch die Bewältigung ſchwerver— 
daulicher Speiſen zugemutet werden. übermäßiger 
| Rajfce-, Tee-, Tabat-, Alkoholgenuß ſind, namentlich 
in Dev Jugend, iu vermeiden, entpfchlenswert aber 
iſt Die A. gegen Erregungen, wie fie das tägliche Le- 
ben fo häufig bringt. Wer den geijtigen Weniden 
widerjtandsfahig madt gegen allerlei grofe und fleine 
Unbill, gewinnt an Sicherheit vor Crfranfung des 
Körpers, und wer den Körper zweckmäßig abhartet, 
wird im ftande fein, den Nerven Erheblides zuzu— 
mutter, 

Abhauben, cinem Jaqdfalfen die den Kopf ver- 
hiillende lederne Rappe abnehmen, um ibn auf em 
Wild jagen zu laſſen (zu werfen). 

Abhira, Volfsitamm, ſ. Ophir. 

Abhive (Abgaſe), heiße Gaſe, die aus Feuerun— 
gen, Ofer ꝛc. entweiden. 

Abholen, ein geſtrandetes Schiff flott machen. 

Abholzen, das Fällen des geſamten auf einer 
Fläche befindlichen Holzbeſtandes. 

Abholzig heißt ein Stamm, deſſen Durchmeſſer 
von unten nad oben raſch abnimmt. Bgl. Formzahl. 

Abhorrers (joc. abb⸗ hoͤrr⸗ »Verabjdeuende<), Bee 
zeichnung einer Partei in England, die unter Kart IT. 
jede8 Zugeſtändnis an die Oppofition und die Volks— 
| partei, bie fogen. Betitioners od. Vittiteller, zurückwies. 

Ubhorreszieren (abborrieren, lat.), verab- 
ſcheuen. 


— Abhorreszieren. 








40 Ab hoste doceri — Abkämpfen. 


Ab hoste docéri, {. Et ab hoste doceri. Sidemiten jum König ausrufen liek. Nadhdem er 

Abid), Wilhelm Hermann, Geolog und Rei- | drei Jahre iiber einen Teil Israels geherridt, fand 
fender, geb. 11. Dez. 1806 in Berlin, gejt. 2. Juli | er in einer Emporung den Tod durch Weibeshand. 
1886 in Graz, ſtudierte Naturwiſſenſchaften, wurde Wbingdon Gor. asoingd’s), Stadt (municipal bo- 
1842 Profejjor der Mineralogie 3 Dorpat, 1853 Wit- | rough) in Berffhire (England), 7 km von Orford, bei 
qlied der Petersburger Ufademte und lebte feit 1877 | der Mündung de3 Od und des Berk- und Wiltfhire- 
in Wien. Er bereijte die Lander am Kaukaſus, des fanals in die ¢, bat mehrere Rirden (St. Nicho 
armenijden Hodlandes und des nördlichen Perfien | las und St. Helen), eine Lateinſchule, Martthalle, be - 
und ſchrieb: »Uber die geologijde Natur des arme- | dDeutenden Handel in Korn und Wal; und (1901) 6480 
nifden Hodlandes« (Dorpat 1843); »Beitrage zur | Einw. Bon der im 7. Jahrh. qeqriindeten Abtei be- 
Paldontologie des aſiatiſchen Rupland« (Petersb. | itehen nocd unbedeutende Rejte. Dabei das liebliche 
1858) ; »Vergleichende geologijde Grundzüge der fau- Dorf Sunningwell, auf defen Rirdtum Roger 
taſiſch armeniſchen und nordperſiſchen Gebirge · (daſ. Bacon feine ajtronomifden Beobadtungen gemach 


1858); »Sur la structure et la géologie du Daghe- haben ſoll, und Culbam, mit Lebrerjeminar. 


stan« (daj. 1862); »Lber eine im Kaſpiſchen Meer | 
erſchienene Inſel, nebjt Beiträgen zur Kenntnis der 
Sdlammovulfane der Kaſpiſchen Region«(daſ. 1863); 
⸗·Geologiſche Beobadtungen auf Reiſen zwiſchen Kur 
und Urares« (Tiflis 1867); »Geologiide Forjdun- 
gen in den kaulaſiſchen Ländern (Wien 1878 — 87, | 
3Bde.). Aus jeinem Nachlaß eridienen: »Geologifde 
Fraqmentee (Wien 1887); »WAus faufajiiden wan 
Dern« (daſ. 1896, 2 Bde.). 

Abies, bei den Römern die Weiftanne; A. Juss., 
Pflanzengattung, f. Tanne; aud) Gruppe der Gat- 
tung Pinus Z. (j. d.). 

Ubictineen, Ulnterfamilie ber Noniferen (7. d.). 

Abictinfaure(Sylvinjdure)C,,H,,O0,, Daupt- 
beftandteil des Kolophoniums, frijtallijiert in Blatt 
chen, löſt jich in Alkohol, ſchmilzt bet 139° (147°) und 
gibt bei Crydation Trimellithjaure, Iſophthalſäure 
und Terebinjaure. 

Mbigdil (hebr., »Rater ijt Freude<), Gattin des 
Nabal zu Wadn bei Karmel, beſchwichtigte David, 
als er während feiner Verbannung ihren Mann be- 
drobte, und nahm ibn fo fiir fic ein, daß er fie, nad- 
dem fie Witwe geworden war, neben Adinoam zum 
Weibe nahm. Sie gebar ifm den Chileab, der aud 
Daniel heißt. Wud) cine Stieffdhwejter Davids fiihrte 
den Namen VW. 

Wbigieren ({at., »wegtreiben«), Vieh ftehlen; 
UWbiqeat, Viehdiebjtahl. 

Abila, Vorgebirge, ſ. Kalpe. 


aus der Unterjudung entlajjen und nur infofern 
ſprechen, als die vorhandenen Beweiſe die ihm zur 


dn- | flart, wesbal 
zeſſes bezahlen mute und die Unterjudung, fobald 





Abildgaard, Nicolai Abraham, dan. Maler, 


eb. 11. Sept. 1743 in Kopenhagen, gejt.4. Juni 1809 | 
in Frederilsdal, bildete fic) auf der Ropenhagener | 
Vtademie, ging 1772 nad Rom und wurde nad fei- | 


ner Rücklehr 1777 Brofeijor, 1789 Direftor der Ula- 
Demie. Seine Hauptwerfe, ein Zyllus von hiſtoriſch— 
alleqorifden Vildern im Schloß Chriftiansborg, find 
1794 durd) Brand zerſtört worden. Ferner malte er 
Sjenen aus Oſſian und Shafefpeare und vier Bilder 
aus Der »Andria« Ded Tereny (Galerie in Kopen— 
hagen). Da er auc) modellierte und an der Alademie 
als Lehrer der Ornamentif tätig war, wurde Thor- 
waldfen fein Schiller. 

Abilene (ivr. edvitini), 1) Stadt in Teras, Graf: 
ſchaft Taylor, an der Teras Pacific Bahn, (1900) 3411 
Einw. 


marft mit (900) 3507 Einw. 

AbimeEled (hebr., » Vater ijt KAönig«), 1) Name 
eines philiſtäiſchen Königs ju Gerar, vielleicht Wiirde- 
name der philtitaifden Herrider im allqemeinen. 
A. rechtlich und gottesfiirdtiq, verletzte das Eherecht 
Abrahams, entging aber der göttlichen Strafe durch 
deſſen Fürbitte (1. Moſ. 20). — 2) Sohn des israe— 
lifiſchen Richters Gideon, der, nachdem er feine 70 


| Jupiter«), von —— 
2) Hauptitadt der Grafſchaft Dicinfon im | ; 
djtlichen Nanfas, Bahnfnotenpunft und Produtten: | 





Brüder, auer Jotam, getdtet hatte, fick) von den 


Ab instantia abjolvieren, cinen Beſchuldigten 
ci: 


Lait gclegte Straftat nidt hinlanglid dartun. Durch 
diefe Entbindung von der Inſtanz, die dem al- 


tern deutſchen Strafprozeß eigentümlich war, wurde 


der ———— keineswegs fiir ———— er: 
er gewdhnlid) aud) die Koſten des Pro⸗ 


neue Verdadtsgriinde vorlagen, wieder aufgenont- 
men werden fonnte. Das moderne Strafprozeßrecht 
ſchreibt ſtatt deſſen für den Beſchuldigten koſtenloſe 
Einſtellung des Vorverfahrens (Ermitlelungsverfah— 
rens oder Vorunterſuchung), falls es aber bis zur 
Haupwerhandlung gekommen iſt und in dieſer die 
Straftat nicht voll bewieſen werden kann, reine Frei— 
ſprechung (absolutio ab actione) vor. Bgl. Ubfolu- 
tion, Beweis, Cinjtellung. 

Ab intestato erbte nad rimijdem, gemeinem 
und Bartifularredt, wer nicht fraft Teftaments oder 
Erbvertrags zur Erbſchaft berufen war. 

Abingen, tatar. Bolfsjtamm im ruffifd -fibir. 
®ouv. Tomsf, am obern Tom, bejonders im metall- 
reichen — Koliwan, wo er ſich mit Jagd, Fiſch— 
fang und Cifenindujtrie beſchäftigt. 

biogénefid (griech.), ſ. Urzeugung. 

Abiponen, jest erlojdener Jndianerjtamm (j. Ta- 
fel » Wmerifanijdhe Völker I<, Fig. 11) aus der Gruppe 
der Guaycuru (f. d.), bewohnte einjt die argentini}de 
Provinz Chaco und madte ſich als friegeriidjes Rei- 
tervolf den Spantern furdtbar. Ende des 18. Jahrb. 
waren fie nod) 5000 Köpfe tart. Val. Dobrizhofer, 
Historia de Abiponibus (Wien 1784, 3 Bde.). 

Ab irato (lat.), sornig, im Zorn (eigentlich: vom 
Standpunfte des Hornigen aus). 

Abirrung des Lichtes, ſ. Uberration des Lichtes. 

Ubispal, Graf von, f. O'Donnell 3). 

Abifumi, Hafenjtadt auf der japan. Inſel Kiuſiu, 
1889 dem Fremdhandel erbjfnet. 

Abiturient (neulat., »demnadjt Abgehender«), 
Schiiler, der cine höhere Schulanjtalt rite, d. h. nad 
—— Reifepriifung (ſ. d.), gu verlaſſen gedenkt. 

Ab Jove principium (lat., »der Anfang mit 
nad einem griechiſchen Vorbild 
geprägter Ausdruck, unfer: Der Unfang mit Gott. 

Abjudizieren (lat.), gerichtlich abfpreden, ab- 
erfennen; Ubjudifation, geridtlide Uberfernung. 

Wbjuration, ſ. Abſchwörung. 

Abjurieren (lat.), abſchwören, eidlich leugnen. 

Abfammen, cine Bruſtwehr durch Herabſchießen 
der Erde erniedrigen, um die Deckung für Material 
und Perſonal zu vermindern. 

Abkämpfen ſagt man beim Hochwild (Abſchla— 
gen von Sauen), wenn ein männliches Tier ein 
andres nach einem Kampfe vertreibt. 


Abfaufsgeld — Ablaß. 


Abfaufsgeld, ſ. Abſtandsgeld. 

Abklären, ſ. Klären. 

Abklatſchen (Klifdieren), einen Abklatſch 
machen, in der Buchdruckerkunſt die Vervielfältigung 
fleinerer Bildformen (Vignetten) in leichtflüſſiger Me- 
tallleqierung oder —— Val. Kliſchieren. 

Abklatſchungen, ſ. Waſſerkur. 

Abklingen der Farben, der Farbenwechſel der 
Nachbilder, die nad Betrachtung leuchtender oder ſtark 
beleudteter Gegenjtinde im aekdhloffenen Auge oder 
beim Blic auf cine helle Fläche wahrgenommen werden. 
Abkneifen, möglichſt hod) »beim Winde« (j. d.) 

eln. 

“btuiitern, defrepitierende Salze (j. Defrepitie- 





ren) erhigen, bis Das mechaniſch eingeſchloſſene Waſſer 
entfernt iſt. 

Abkochen (Abſieden), dad Roden fejter Sub- 
ftangen nuit Waſſer, um fie in irgend einer Weife zu 
verandern oder um Ddie in ihnen enthaltenen ldsliden 
Stoffe ausjuziehen. Die gu ertrahierenden Stojfe 
müſſen qut zerfleinert werden; man fodt über freiem 
Feuer oder tm Dampfbad, in offenen Gefäßen oder 
im veridlofienen Dampflochtopf (Rapinfden Topf). 
Subjtanjen, dic flüchtige Stoffe, 3. B. dtherifde Ole, 
enthalten, werden nur nit fiedendDem Wafer über— 
goſſen und bleiben im gut verſchloſſenen Gefäß 
30 Minuten ftehen. Die durd) das W. erhaltene Fliij- 
figteit heißt Abkochung, Defoft, Abſud. Bur 
Vereitung eines pharmajeutifden Delolts übergießt 
man die zerfleinerte Subſtanz in einer verſchließbaren 
Zinnbüchſe mit faltem Waffer, hängt diefe 30 Minuten 
in cin Wafferbad, foliert und preßt ab. Cin Teil | 
Subſtanz foll zehn Teile Defokt liefern. — Militä— 
riſch: die Bubereitung der warmen Mahlzeit im La- 
ger oder Viwat. 

WbFommen, die Lage der Handfeuerwaffe im 





Augenblid des Schuſſes. Dit die Biellinie genau auf 
den Haltepuntt gerichtet, fo ijt das A. »gqut«, andern- 
falls »rechts⸗, »linfs« wc. Gutes YU. wird bedingt 
durd ſcharfes Einſpielen des Kornes auf den Halte- 
punft, Atem anhalten, leichten Zug beim Abziehen, 
langſames Abſetzen. — A. heißt aud) das Wieder- 
flottwerden eines feſtgefahrenen Schiffes. — Uber A. 
im Vermeſſungsweſen ſ. Aufnahme, topographiſche. 

Abkommkanone, ein Geſchützeinſatzrohr von 
fleinjtem Kaliber, wird in Rohre großen Kalibers der 
Küſten- und Schiffsartillerie ſo eingeſetzt, daß die 
Seelenachſen beider zuſammenfallen. Zwech ijt, bei 
Richtübungen die koſtſpieligere Munition zu ſparen. 

Abkömmlinge, erate. ſ. Derivate. 

Abkreuzen heißt cin Schiff vom Legerwall (j. d.) 
frei —— Val. Kreuzen. 

Abkühlen, Kühlen, aud Wärmeſtrahlung, Spe: | 
zifiſche Wärme, Verdampfung. 

Abkühlung des Körpers oder einzelner Teile 
desſelben bei ſſarkem Fieber, Entzündung oder Blut- 
überfüllung wird durch kaltes Waſſer oder Cis herbei- 
geführt. Bei hohem Fieber benutzt man kalte Voll— 
bäder von etwa 22°, übergießungen, Abwaſchungen, 
mit faltem Waſſer gefüllte Kiſſen und Matratzen und 
erreicht hierdurch ſehr häufig eine Herabſetzung der 
durch die hohe Körpertemperatur herbeigeführten Ge— 
fahren. Mit größtem Erfolg ijt ſolche A. bei Typhus 
angewendet worden. Für oͤrtliche Abkühlungen be— 
nutzt man Eisbeutel und Eisflaſchen und andre Kühl— 
apparate (f. d.). Unter den Kühlapparaten wird die 
Haut falt, blaß (unter dem Cisbeutel fann fie fogar 
abjterben), der Fortſchritt entzündlicher Prozeſſe wird 
gebemmt, die Blutgefäße verengern ſich; auf entziind- 





Anſchla 


41 


lichen Vorgüngen beruhende Schmerzen werden ge— 
ringer, die erregte Herztätigleit wird verlangſamt. 
Chroniſch⸗ hyperaͤmiſche Zuſlände der Harnrdhren: 
und Maſtdarmſchleimhaut, Reizbarkeit und Neuralgie 
dieſer Teile werden durch A. gebeſſert. 

——— ſ. Abbreviaturen. Die gebräuch— 
lichſten A. ſind bei den einzelnen Buchſtaben (Art. 
>We, »Ba ꝛc.) und ſonſt an der betreffenden Stelle 
de3 Ulphabets verzeichnet. 

Ablader, ſ. Befradctungsvertrag. 

Ublagerungen, organijde oder anorganiſche 
Maſſen, die ein pflanglidjes oder tieriſches Gewebe 
durchſetzen und ihm oft cin ganz neues Gepriige geben. 
Bei Mollusten und Kruftenticren bilden A. von foh: 
lenjaurem Ralf das Gubere Sfelett, aud) beruht di: 
RKnodenbildung auf Ublagerung von phosphorjaurem 
Ralf im Knorpelgewebe. Krankhafte U. finden jich auch 
in natiirliden Pblungen des Körpers (Parnſedimente 
in der Blaſe), in Gelenken (harnſaures Natron bei 
Gicht), Staubablagerungen in den Lungen. Viele A. 
verharren während des ganzen Lebens in demſelben 
Zuſtande, manche phyſiologiſche A. werden durch 
pathologiſche Prozeſſe wieder entfernt (Knochenerwei— 
chung), und manche pathologiſche durch den Stoff⸗ 
wechſel beſeitigt. — Über geologiſche A. ſ. Sediment. 

Ablaktieren, cin Rind von der Mutterbruſt ent⸗ 
wöhnen; im Gartenbau eine Urt der Veredelung (ſ. d.). 

Ublandig heißt Wind, der vom Land auf die See 
webht; G ene auflanbdig. 

Abilak( In dulgen;), urfpriinglid Nachlaß einer 
von der Kirche auferlegten Bupleijtung. Der A. iſt 
hervorgegangen aus der Bußdisziplin der alten Kirche 
und bezieht ih urſprünglich auf die von der Rirde als 
Benugtuungen verhingten Strafen der Siinde. Als 
an deren Stelle auch andre qute Werte, Almoſen, 
Faſten, Gebete, Wallfahrten rc., als Genugtuung in 
qebradt wurden, fam es unter Dem gemein— 
famen Cinfluk der germanifden Redtsqewohnbeit 
der Rompenfation des Verbrechens durd Geld (Wer- 
geld) und. des kirchlichen Glaubens an die Exiſtenz 
und Ubertragbarteit iiberverdien|tlider Leiſtungen da- 
hin, daß alle Rirchenjtrafen durch Geld abgefauft 
werden fonnten. Bald wurde der urjpriin —* Gel— 
tungsbereich des Ablaſſes dahin erweitert, daß er ſich 
auf den Erlaß aud) der von Gott auf die Sünde ge— 
ſetzten zeitlichen Strafen bezog. Bejondern Aufſchwung 
nahm das Ablaßweſen durch die Kreu ssiige. Die Teil 
nahme an ihnen als ein die Kirche bejonders för— 
derndes Werk wurde als Erſatz aller Genugtuungen 
angejehen. Es entwicelte fid) die Theorie von der 
Befugnis des Papjtes, einen allgemeinen (vollfom- 
menen) A. (indulgentiae plenariae) an die Verrich 
tung eines beſtimmten religidjen Werkes zu knüpfen. 
Die aus der Praxis hervorgeqangene Gewohnheit 
wurde dann dogmatijd beqriindet durch Werander 
von Hales (jf. d.). Unter den Elenarablajjen nimmt 
ſeit 1300 die erite Stelle cin der von Bonifacius VIII. 
eingefiihrte Jubiläumsablaß, der urſprünglich 
nur alle 100 Jahre wiederfehren follte, bald aber in 
jedem vom Papſt beſtimmten Jubeljahr (ſ. d.) ge 
fpendet wurde. Bekanntlich qab der durch Tezel (7. d.) 
und andre ſchamlos geiibte Ablaßkram den äußern 
Anlaß sur Reformation. Den Angriffen der Refor- 
matoren gegeniiber belegt das Tridentinum mit dem 
Unathema jeden, der leugnet, daß der Rirde mit 
der Schliiffelqewalt das Gericht über die Siinden und 
damit die Gewalt verliehen fei, dieſelben zu erlafjen. 
Da die Reiniqung im Fegfeuer ju den zeitlichen Stra- 
fen der Siinde geredjnet wird, jo hat die Kirche, nidt 


42 


chne den Widerſpruch aud) neuerer Rirdenlehrer, 
ihren A. auc) auf das Feqfeuer ausgedehnt. Uber A. 
ijt jeither nicht mehr gum Verkauf ausgeboten wor- 
den. Dagegen ijt der A. hergebradt — für 
beſtimmte kirchliche Handlungen, beſonders als Pri— 
vilegium für beſtimmte Orden, Kirchen, Altäre und 
Feſtzeiten. Sehr leicht wird es denen, die Rom be— 
ſuchen, gemacht, überflüſſigen A. zu verdienen. Der 
A. iſt vollfommen oder unvollfommen, auf Zeit oder 
dauernd. Seine Wirkung ijt, wenigitens in der Theorie, 
aud) gefniipft an die Dispofition, d. h. die qlaubige 
und bußfertige Gejinnung, tn der Praxis vor allem 
an Die Letjtung der vorgejdriebenen Werte. Bal. Be - 
ringer, Die Ublajje, hr Wejen und Gebraud (12. 
Aufl., Paderb. 1900); Brieqer, Das Wejen des 
Ublajjes am Ausgang des Mittelalters (Leipz. 1897). 

Wblafjahr, |. Jubeljahr. 

Ablation (lat., »Wegnahmes), die Fortſchaffung 
Der durch die Verwitterung geloderten Gejteinsmajjen 
dDurd das Waſſer, das Eis, den Wind oder die Sdpwer- 
frajt allein (fj. Denudation); im engern Sinne die 
Abſchmelzung von Cis und Sdnee an der Oberfläche 
der Gletſcher (ſ. d.) — Jn der Chirurgie foviel wie 
Amputation oder Exartifulation. 

Wblationstheorie, die( heute aufgeqebene) Redhts- 
anſicht, nad) welder der Diebjtahl erjt vollendet ijt, 
jobald der Dieb die gejtohlene Sache in Sicherheit ge: 

Ublativ, ſ. Kaſus. bracht hat. S. Diebſtahl. 

Ablauf (Stapellanf), die Überführung eines 
Schiffes von ſeinem Bauplatz auf der Werft ins Waf- 
fer, vollzieht jid) von der genciqten Ebene des Hellings 
aus, nad)dem man unter das Schiff ein qut geſchmiertes 


Ablaufgerüſt, den Schlitten, qebradt hat, der Durd | 


cine Stoppvorridjtung feitqebalten wird und nad 


deren Losjdlagen mit abläuft. Gewöhnlich bewegt | 


jid) Das Schiff beim UW. rückwärts in der Ridtung 
jeiner Langenadje. Ortsverhältniſſe swingen zuwei— 
ten dazu, Das Schiff feitlid) ablaufen gu fajjen, wobei 
Kiel und Ufer parallel find. Dem oy fur; vorber 
geht die Taufe des Schiffes, die in Gegenwart hod)- 
gejtellter Berfonen mit einer Anſprache beqinnt und 
nad) Nennung des Namens durd) das Zertriimmern 
ciner mit Schaumwein gefiillten Flafche am Bug des 
Schiffes (hiufiq durd) Damenhand) beendet wird. 
Wabhrend des Ablaufs werden mit Regiſtrierapparaten 
Meſſungen der Ablaufsgeſchwindigleit und der ſenk— 
vedten Schiffsbewegung gemadt, wobei neben theo- 
retiſchen Unterſuchungen aud) der fleinjte Flächendruck 
flir jede Ablaufsneigung ermittelt wird, fiir den ein 
norntales Ublaufen nod) ficher zu erwarten ijt. Bal. 
»WMarine-Rundidaue, 1897 und 1899. 

Ablauf (griech. Upothefis), m der Urditettur 
das Bermittelungsglied a (ſ. Figur) zwiſchen einer 





Ablauf. 


etwas vorſpringenden Platte oben und einem Schaft 
oder einer Wand mit ganz oder nahezu lotrechten Ober⸗ 
flächen unten. Der a 
geſimſen, Saulenfapitilen u. dgl. haufig angewendet. 
Ablaufheber, felogtatice, f. ———— 
Ablaut, von J. Grimm erfundener Ausdruck zur 
Bezeichnung des regelmäßigen Volalwechſels in der 
Stammſilbe, namentlich der jtarfen oder ablautenden 
Verba, 3. B. binden, band, qebunden, Binde, Bund; 


Ablaßjahr — Ablehnung. 


laſſen, liek, gelaſſen ꝛc. Die in demſelben Formen- 
ſyſtem wechſelnden Vokale nennt man cine Ablaut- 
reihe. Der A. erſcheint in ſämtlichen indogermani— 
ſchen Sprachen (z. B. lat. frango, »ich breche«, Per⸗ 
feltum frégi; satus, »geſät«, semen, »der Samen<) 
und ftammt aud der Sct der indogermanifden Ur— 
gemeinſchaft. Bgl. Hirt, Der mdogermanijde A. 
(Strafb. 1900). - 

Ablegat (lat.), cin Gejandter des Papſtes an einen 
Hof in auferordentliden Ungelegenheiten fowie über⸗ 





- wird bei Zwiſchen- und Haupt: | 


haupt cin Gejandter zweiten Ranges; auf den unga- 
riſchen Reichslagen der Vertreter eines Magnaten. 

Ablegen, die Schriftform nad dem Druck aus- 
einander nehmen und die Lettern in thre Fächer zu⸗ 
riidlegen; zur Wusfiihrung dieſer Arbeit hat man 
aud) Ablegemaſchinen gebaut(j. Setzmaſchine). — 
In der Bienenzucht Heit WU. Bienen und Wachs— 
gebäude eines volfreidjen Stockes, der nicht ſchwär— 
men will oder foll, in zwei Teile teilen. Der neu— 
entitandene Stoct ijt der Ableger. 

bleger (Wbjenfer), Sweige, die man, um 
Pflangen zu vermehren, platt auf den Boden legt, 
mit Haten fefthalt (Abhaken) und 3. T. mit Erde be- 
dedt. Nachdem fie Wurjzeln gefdlagqen haben, gibt 
jede3 audgetriebene Auge cine neue Pflanze, die ab- 
gejdnitten und verpflanzt werden fann. Nelfen, Wein- 
reben, Roſen, Pappeln und andre Gewächſe, die ſich 
leicht bewurjeln, werden auf dieſe Weiſe vermehrt. 
Rann man den Zweig nidt auf den Boden biegen, 
| fo wird ein ſeitlich mit einem Spalt verſehener Sent- 
topf oder cin aus zwei Hiilften zuſammenſetzbares 
Gefäß aus Sink angefest. Man veritopft den Spalt 
des Topfes mit Moos, fiillt ihn mit quter Erde und 
Halt dieſe gleichmäßig feudt. Um die Wurzelbildung 
an Dent nut Erde bededten niedergebogenen Zweige 
zu befordern, ſchneidet, fpaltet oder ringelt man den- 
ftben dicht unter cinem Knoten, dreht thn wohl aud 
einmal unt fic) felbjt oder verfieht ihn mit einem den 
Saftfluß hemmenden Drabtring. Bei Azalien, Rho- 
dodendron, Epacris, Heiden rc. leqt man den Zweig 
auf Heideerde, bedeckt ihn mit pordjen Steinen und 
| Dann mit Moos oder Sägeſpänen. Jüngere holjartige 
Zweige wurzeln unter Glas vom Frühjahr bis zum 
Herbſt, junge Triebe von Gehölzen, die man im Juli 
einlegt, kann man im nächſten Frühſahr abnehmen, 
alte liegen ein, auch mehrere Jahre. Man wendet 
dieſe Methode an, wenn andre Vermehrungsmethoden 
nicht gute Reſultate geben. — Uber A. in der Bienen- 
zucht ſ. Ablegen. 

Ablehnung der Übernahme einer amtlichen Tätig— 
feit, z. B. der einer Vormundſchaft oder der Tätigkeit 
eines Geſchwornen oder Schöffen, darf regelmäßig 
nur aus beſtimmten geſetzlichen Gründen erfolgen 
Vormundſchaft, Schöffengericht, Schwurgericht). 
Von dieſer Selbſtablehnung iſt verſchieden die A. einer 
Gerichtsperſon oder eines Sachverſtaͤndigen durch die 
Parteien. Unter A. eines Richters verſteht man 
nad der deutſchen Zivilprozeßordnung (5342 49) den 
Antrag einer Partei, nad) dem der betreffende Richter 
in einem bejtinumten Rechtsſtreite nicht tatiq fein ſoll. 
Die W., über die vom Gericht gu entſcheiden ijt, darf 
erfolgen, wenn cin Fall der Ausſchließung (ſ. d.) oder 
wenn die Beſorgnis der Vefangenbeit, d. h. ein rund 
| vorliegt, der gecignet ijt, Mißtrauen gegen die Un— 

parteilicpfeit Des Richters ju redtfertiqen. Das Ub- 
lehnungsrecht jteht in jedem Falle beiden Parteien ju, 
darf aber nidjt mehr qeltend gemacht werden, wenn 
die Partei ſich trog des thr befannten Ablehnungsgrun⸗ 
de in cine Verhandlung vor dem Richter cingelajien 








Ableitung — Wblofung. 


oder bei ifm Anträge gejtellt hat. Der abgelehnte 
Richter hat vor Erlediqung des pe rma ab re 
nur Handlungen vorzunehmen, die feinen Aufſchub 
qejtatten. Die Vorſchriften über die YW. ded Ridters 
finden nad § 49 aud) auf die des Gexichtsſchrei— 
bers entipredende Unwendung. Yn Ojterreich ijt die 
A. der Gerichtsperfonen im Geſetz, betreffend die Ge- 
vichtSbarfeit und Zuſtändigkeit pom 1. Aug. 1895 
($19ff.), qeregelt. — UW. eines Sadverjtindigen 
(j. d.) fann nad) der deutiden Zivilprozeßordnun 
($ 406) aud denjelben Griinden erfolgen, die sur A. 
eines Ridjters beredtigen. Daf der Sadhverjtandige 
im Prozeß als Zeuge vernommen wurde, ijt jedoch fern 
Ublehnungsqrund. — Bu den in § 22 der Bilrger- 
lichen Strafprozeßordnung fiir die Ausſchließung und 
YU. von Geridtsperfonen aufgeſtellten Griinden (vgl. 
aud) § 41 ff. der Bw, at fligen § 122 
und 124 ber ilitdrjtrafgqeridtsordnung 
hingu, da aud), wer in der Sache als Geridjtsherr, 
als Unterſuchungsführer im Ermittelungsverfahren, 
alg Bertreter der Unflage oder als Verteidiger tätig 
geweſen ijt oder als Vorgefester den Tatberidt ein- 
gereicht Hat, von der Ausübung ded Richteramtes 
traft Geſetzes ausgefdlofjen ijt und abgelehnt werden 
fann. Bgl. auch Wilitargeridtsbarteit. 
Ableitung, die Wirkung folder Heilmittel, die 
franfhafte Stérungen durd Überleiten auf gefunde 
Machbargewebe heben follen. Rheumatiſche Schmerzen 
werden durch Senjfpiritus, Senfteige, Einreiben mit 
Mum, Bepinfeln mit Jodtinftur, Schröpflöpfe, Blut- 
egel, Blajenpflajter erheblid) gelindert. Friiber wur- 
den bei allen Leiden äußerer oder innerer Organe 
Haarſeile, Fontanelle, Moren und dergleiden bar- 
barijde Quälereien verordnet. Dest gebraucht man 
außer Der A. auf die Haut nod die YW. auf den Darm 
(Wbfiihrinittel), auf die Rieren (harntreibende Stojfe) 
und auf den Blutfreislauf (7. Aderlaß). — Qn der 
Wrammatif ift A. Bezeichnung fiir die Neubildung 
eines Wortes, das durch Zufügung gewifjer Ele- 
mente ju cinem andern entiteht; val. Wort und Zu— 
ſammenſetzung. — Auch foviel wie Differentialquo- 
tient, Daber Uoleiiungsreqneng, foviel wie Dif- 
feventialrednung. 
MblenFungsfarben, |.Sdhubeinridtungen (Tert- 
blatt). 
Ablepharie (qried.), angebornes oder durd Ver- 
wundung erworbenes Fehlen der Uugentider. 
Ablejemifrojfop, auf der Wibidade von ajtro- 
nomifden Meßinſtrumenten angebradtes Mikroſkop 
mit Fadenmifrometer, das fenfredt über der Teilung 
des Kreiſes fteht und fehr genaue Ublejungen der Tei⸗ 
lung ermöglicht. beweis. 
Ableugnung einer Urkunde, ſ. Urkunden— 
Ablicferungsfdhein, ſ. Auslieferungsſchein. 
Abliegender Gaug (Außengang), ESchiffbau. 
AG cor. in, Fleden im franz. Depart. Seine: 
et- Dife, Urrond. Rambouillet, an der Oriéansbahn, 
mit asoh 749 Cinw., befannt durch die Uberrumpe- 
lung der 4. Estadron de3 16. preußiſchen Hujaren- 
regiments und einer bayrijden Jnfanteriefompagnie 
durd) Einwohner und Franctireurs 7. Oft. 1870. 
Mblofation (lat.), Vermietung, Berpadtung. 
Ablöſchen, heiße, glühende Körper in kaltes Waffer 
tauchen, mit Waſſer übergießen, ſpeziell heißen Stahl 
zum Zweck der Härtung in kaltes Waſſer tauchen. 
Ablsfung, die Beſeitigung einer rechtliden Ber- 
pflichtung gegen Entſchädigung, insbeſ. und zwar 
tm Gegenfage ju einer freiwilligen Bereinbarung 
eine foldje, die auf Grund — Beſtimmungen 


43 


(der Ablöſungsgeſetze) bei Grundgerechtigleiten, Real- 
lajten und Realredten erfolgt. In den meiſten euro- 
paifden Ländern ſtand bis m das 19. Jahrh. hinein 
der ländliche Grundbefif gum iiberwiegenden Teil 
nidt im vollen Cigentum * Beſitzer und Bebauer 
desſelben. Außerdem war er mit mannigfaltigen 
Laften gu qunften der Gutsherrſchaft, der Kirche, Stif- 
tungen, fonjtiger Korporationen und Privatperjonen 
beſchwert. Dieſe Lajten werden als Reallajten be- 
zeichnet, infofern fie den apc ce Beſitzer ju einem 
pofitiven Tun verpflidten, wie die verjdiedenen Fro— 
nen, al8 Hand-, Spann: und Baudienjte, dann dic 
Zehnten, Befipverinderungsabgaben und Grundzin— 
jen aller Urt. Bon diefen werden die ibrem Weſen 
nad der römiſch-rechtlichen Servitut nabe ſtehenden 
oder mit ihr tibereinitimmenden Grunddienjtbar- 
feiten dabin unterjdieden, daß bei diefen die Ver— 
pflichtung nur in einem Dulden oder Unterlaſſen be- 
jteht. Durch foldje Grunddienſtbarkeiten oder Grund- 
eredtigteiten war, abgejeben von der Jagdgeredtiq- 
cit und von Weiderechten, weniger der bauerliche 
landwirt{daftlide Beſitz als vielmehr da8 Waldeigen- 
tum beſchwert, bei diefem jum Teil aus Verleihungen 
hervorgegangen, gum Teil aber aud) nur als Uber- 
rejt ehemaliger markgenoſſenſchaftlicher Rechte erhal- 
ten geblieben. Neben diefen Beſchränkungen der Land- 
und Forjtwirtidaft bejtand eine Reihe von gewerb- 
lidjen Realredten, bei Denen in der Form von Zwangs⸗ 
und Bannredten der ausſchließlichen Beredtiqung 
ju einem Gewerbebetriebe ein Zwang fiir die Ver— 
pflicteten entfprad, ihren Bedarf nur durd Ent- 
nabme von dem Beredtigten zu decen. Dieje ver- 
jdiedenen Beredtiqungen wurden im Laufe der Zeit 
mit Underung von Tednif und Verkehr ju einem 
Hemmſchuh der wirtfdaftliden Entwidelung. Ins— 
befondere muften die perſönlichen Laſten, bet denen 
ehemalige Gegenleiſtungen weggefallen waren, und die 
mit Dem modernen Gedanfen der perſönlichen Freiheit 
in Widerfprud ftanden, als ſchädlich erjdeinen und 
aufgeboben werden (Bauernbefreiung). Nach— 
dem bereits Joſeph II. cine Befreiung des Bauern: 
ſtandes von den driidenditen Lajten verſucht hatte, qab 
die franzöſiſche Revolution den Anſtoß ju umfaſſendern 
Reformen, indem auf Grund der von der National— 
verfamm{ung in der Nacht vom 4. Aug. 1789 gefaf- 
ten Beſchlüſſe die nur im Feudalredt wurzelnden 
Lajten ohne Entſchädigung aufgehoben wurden, wäh— 
rend fiir andre, die auf ciner Verleihung berubten und 
privatredtliden Urfprunges waren, die A. angeordnet 
wurde. Wud) in andern Lindern wurden Beidhriin 
fungen, Die auf der Guts-, Gerichts-, Bogtei-, 
Grund: oder Dienjtherrlichfeit berubten, ohne Ent— 
ſchädigung befeitigt, fo 1850 in Preußen Lajten, dte 
der freien Verfügung des Grundeigentums im Wege 
jtanden und keinen in Geld abſchätzbaren Borteil ge- 
währten, wie das Obereigentumsredt der Lehns-, 
Grund- und Erbzinsherren, das Cigentumsredt ded 
Erbverpadters ꝛc., cine Reihe von Reallajten (insbej. 
Fronen) 1848 und 1849 in ſterreich, Bayern x., 
dann in veridiedenen Landern die Jagdrechte als 
dringlide Rechte an fremdem Grund und Boden. 
In Deutfdland beginnt eine planmãßige Durd- 
fiibrung Der A. mit der Stein-Hardenbergiden oe 
gebung in Preußen. Nachdem das Edift vom 9. Ot. 
1807 mit der perſönlichen Freiheit des Bauernjtan- 
des die freie Benutzung des Grundeigentums gewahr- 
{eijtet hatte, wurde die A. der Reallajten und Servi- 
tuten, be3. deren Requlierung in zwei Cdiften vont 
14. Sept. 1811 ins Auge gefekt, aber erſt umfaſſender 


44 


durchgeführt auf Grund der Gemeinheitsteilungsord— 
nungen (fiir Servituten) vom 7. Juni 1821, vom 2. 
Märʒ 1850 und ded Ablöſungsgeſetzes (fiir Reallajten) 
vom 2. März 1850 ſowie einer Reihe ſpäterer, insbef. 
aud) fiir Die nenen Provinzen erlafjener Gefese. Als 
ablosbar wurden im Geſetze von 1850 bezeichnet alle 
beftindigen Abgaben und Leijtungen, die auf eigen: 
tümlich oder bisher erbpadhts- oder erbzinsweiſe beſeſ— 
ſenen Grundſtücken oder Gerechtigkeiten haften, wie 
Hand-, Spann- und Baudienſte, Abgaben in Kör— 
nern ꝛc., — — feſte Geldab- 
gaben rc. Ausgeſchloſſen von der A. wurden im weſent⸗ 
lidjen die Leijtungen an Staat, Kirche, Gemeinde, 
welche Die Natur Hffentlicer Pflichten haben, ebenſo 
aud) Deidlajten, Bergwerksleiſtungen rx. Zur Stel- 
fung des Untrags (Brovofation) auf A. ijt ſowohl 
der Verpflictete als der Berechtigte befugt. Der unter 
—— von Normalmarktpreiſen ermittelte 

einertrag der erechtigung fann durch Barzahlung 
des 18fachen Betrages —8 werden. Bur Erleid- 
terung der A. wurden (ähnlich auch in andern Län— 
dern) eigne Unjtalten als Ubldfungsbanfen, die Ren - 
tenbanfen (Gefege von 1850 und vom 17. Jan. 
1881), erridtet, welche Die UWbfindungsfummen vor- 
ſchoſſen und dafiir vom BVerpflidteten eine Reihe von 
Jahren bindurd Zing und Umortijationsquote cin: 
ziehen. In andern Landern wurde zu dem Swed 
cin eignes, fortidreitend mit der Tilqung wieder ein— 
zuziehendes Bapiergeld, die Grundrentenſcheine, aus- 
qeqeben. In Sſterreich wurde 1850 fiir jedes Kron— 
land die Erridjtung eines eignen Grundentlajtungs- 
fondsangeordnet. Die Kapitalsentſchädigung erfolgte 
im wejentliden durch Unsfertiqung 5proz. Schuld⸗ 
veridreibungen, die alle Vorzüge der Staatspapiere 
enießen und auf die entlajteten Realitäten und die 
fandesfonds hypotheziert fowie unter die Garantie 
des Reiches geftellt waren. Bon dem feſtgeſtellten 


Jahresertrag aller Reallajten wurde ein Drittel fiir | 


Steuererhebungsfoften und Ausfälle der Beredhtiqten 





Ablöſungsflächen — Abmadung. 


übung unter Anrechnung der Koſten der Zugute— 
machung und der Gegenreichniſſe und Unterſtellung 
eines angemeſſenen Zinsfußes. In einigen Ländern 
hat man die A. unmittelbar durch Zwang herbeigeführt 
(Umtsablifung), fo bei einigen Laſten in Bayern 
1848, in Oſterreich 1853 und in andern Landern, ferner 
in der neuern Zeit in cinigen Ländern bei auf Schutz 
waldungen fajtenden Waldgrundgeredtigheiten. Neu⸗ 
begriindDung von als ablöslich erflirten Berechtigun— 

en ijt in Den meiften Landern verboten, Erwerb der- 
Ptben durch Verjährung geſetzlich ausgeſchloſſen. 

Als Behörden zur Bearbeitung der Ablöſungen 

und andrer Auseinanderſetzungsſachen find in emi- 

en Staaten die ordentliden Verwaltungsbehirden, 
m andern die ordentliden Geridte bejtellt, wabrend 
in manden Staaten, wie in Ojterreidh, Preußen, 
Sadjen, Oldenburg, Braunſchweig und in verſchie— 
denen Staaten Thiiringens, bejondere Behdrden(A u 2- 
cinanderfepungsbebirden, Ublojungsfom- 
miffionen) damit betraut find. Das deutide Ge- 
richtsverfaſſungsgeſetz (§ 14) hat dieſe beſondern Ge- 
ridte, denn es handelt fic) dabei aud) unt ridterliche 
Entideidungen, ausdriidlid) beibehalten. Qn Preu— 
ßen bejtehen die follegialifden Generalfommif - 
jionen (eit 1817), als deren Organe an Ort und 

Stelle Spesialfommiffarien (Ofonomiefommij- 
farien und Ofonomicfommiffionsrate) fungieren. In 
einigen Brovingen fungieren jtatt der Generalfom 
miſſionen die Regierungen. GStreitigfeiten, die ert 
durch das Ubldjungsverfahren hervorgerufen wer— 
den, find inerjter Jnjtany von der Veneralfommiffion, 
rejp. da, wo die Regicrung deren Funttionen wabr- 
nimmt, von einem bejondern Sprucfollegium ju ent: 
{heiden. In gweiter und lester Inſtanz gehören fic 
vor da Oberlandesfulturgeridht in Berlin. Nur in 

Streitigteiten, die fich auf den der YW. zu Grunde fie- 
genden Rechtszuſtand ſelbſt beziehen, ijt eine dritte 
Inſtanz, das Reichsgericht in Leipzig, gegeben. 

Realgewerberechte find durch die deutſche Gewerbe— 


abgezogen. Die übrigen zwei Drittel hatte der Ber: | ordnung jum Teil aufgehoben worden. Dann wurde 
pflichtete su tragen, falls die Lajten auf emphyteuti- durd) diefelbe die A.angeordnet fiir diejenigen Bwangs- 
idjen oder andern Verträgen aus dem geteilten Cigen- | und Bannredte, foweit foldje nicht bereits früher 
tum berubten, andernfalls nur ein Drittel, mdem | durd die Landedgejesqebung verfiigt war, bei denen 


das zweite Drittel das betr. Kronland iibernahm. 
Bei Servituten(Grunddienjtbarfeiten) wurde in 
Preuhen, foweit nidt bereits allqemeine Beſchränkun— 


| 
| 


die Verpflidtung auf Grundbeſitz haftet, die Mit— 
lieder ciner Rorporation als folche betrifft oder den 
ewohnern eines Ortes oder Dijtritts vermöge ihres 


gen durch Gefese angeordnet find, die zwangsweiſe Wohnſitzes obliegt (vgl. Bannrecht). Bon widtigen 
equiierung auf Antrag zugelaſſen, d. b. eine foldhe Ablöſungsgeſetzen andrer Lander find hervorzuheben 
jeitlide und räumliche Ordnung in Umfang und die öſterreichiſchen Patente vom 7. Sept. 1848 und 
Art Der Uusiibung, bei der die Servitut nidt mehr vom 4. März 1849, ferner das Patent vom 5. Juli 
ſchãdlich wirkte. Beſtimmt bezeichnete Urten, die man | 1853 über die Regulierung und YW. der Holz-, Weide- 


als fulturfdadlid) oder ciner quien Bewirtichaftung 
fLinderlid) erfannte, wurden als felbjtindig oder ge 
legentlich ablostid) erflart, das Brovofationsrect 
wurde beiden Barteien (in andern Landern fiir gewiſſe 
Rechte nur dem Belajteten) zugeſtanden. Zum Schutz 
ded Provozierten (Provofaten), und zwar in den 
meijten Landern nur des Belajteten (fo in Preußen 
1821, feit 1850 nur nod bei Waldgrundgeredtiq- 
feiten), in einigen Landern auc des Beredtigten, wur 
den demſelben mehrfach Begünſtigungen jugejtanden, 
ſo die Wahl der Art der Entſchaͤdigung (land oder 
eld als Ubjindungsmittel), Dann der Art der Be 
meſſung des Ublofungsbetrags. Legtere fann erfol 
gen: 1) nad) dent Vorteil, der aus der Uufhebung dem 
Belajteten erwächſt; 2) nad) dem Nutzungsertrag 
oder dem Vorteil, den der Beredhtigte aus der Bered) 
tiqung steht, und gwar algdann nad Maßgabe des 
Vedarjs oder nad Maßgabe der feitherigen Wus- 


und Forjtproduften-VBejugsredte, die bayriſchen Ge- 
jeBe vom 7. Juni 1848 und vom 28. April 1872, das 


köoniglich ſächſiſche Geſetz vom 17. Mar; 1832 und dic 
württembergiſchen a vom 14, Yipril 1848 und 
17. Juni 1849 x. Bal. Judeich, Die Grundent- 
laſtung in Deutidland (Leip;. 1863); Friedlieb, 
Rechtstheorie der Reallajten (Jena 1860); Dandel - 

‘mann, YW. und Regelung der Waldgrundgeredtiq- 
| feiten (Berl. 1880 —88, 3 Tle.). 

Ablifungsflachen, |. Lithoflafen. 

Abloten, Ublotinftrumente, ſ. Lot. 

Ablozieren ({at.), vermieten, verpadten. 

Ablution (lat.), in der katholiſchen Kirche die Ab— 
ſpülung des Kelches mit Wein nad dem YWbendmaht, 
wobei der Briejter ebenfalls feine Finger nuit Wen 
und Waffer abwäſcht oder purifiziert. 

Abmachung (Vercinbarung), im Seeverjide- 
rungswefen die genaue Beſtimmung des Verlujtes, 





Abmagerung —- 


den der Verfiderte erlitten hat. Dit das verjiderte 
Wut gänzlich verloren gegangen, fo ijt der in der Po— 
lice angegebene Güterwert, ſofern derſelbe nidt als 
iibermapig hod) nachgewieſen wird, zu erſetzen. Feblt 
cine ſolche Ungabe, jo hat der Verſicherer das Ver- 
forne nad) dem Anſchaffungs- oder Falturwert ju 
bezahlen nebjt den darauf baftenden Wbgaben und 
Unfojten an Bord fowie auc) der Verjicherungspramie 
jelbjt. Die meiſten Geſetze gejtatten, Sadjen, die fo 
vernidtet oder beſchädigt find, dak die Hoffnung auj 
Wiedererlangung oder Wiederherjtellung aufgegeben 
werden mug, ju abandonnicren (j. d.), d. b. Die 
Rechte an denjelben dem Verſicherer zu überweiſen 
und dafür die Verjiderungsjumme in Unjprud ju 
nehmen. — Bei YW. von Havarie, Casco (das Schiff mit 
Subehdr) betrejfend, ijt der Unterſchied zwiſchen dem 
Werte, den das Fahrzeug zur Beit des Reijeantritts 
hatte, mit Einſchluß der gelamten Wusriijtungs- und 
Reparaturfojten und dem Wert oder Erlös des be- 
jdhadigten Schiffes vom Verſicherer gu erjegen. 

Abmagerung (lat. Macies), der Berlujt an Kör— 
perfubjtanj, ijt eme Folge ungentigender Ernährung 
und aller gehrenden stranfheiten. Am ſtärkſten wird 
das Fett verbraudt, dann die Muskulatur, am wenig- 
jten Die lebenswidtigen Organe, 3. B. das Nerven— 
injtem. Bei Fettleibigen ſucht man cine A. unter 
moglidjter Schonung der tibrigen Gewebe und na- 
mentlid) des Eiweißbeſtandes durch die Entfettungs- 
furen berbeijufiihren. Su jtarfe WL. verfudt man durch 
Wajtturen gu befimpfen. 

Abmarfung, die Erridjtung fefter Grenzzeichen 
zwiſchen zwei Grundjtiiden. Art und Verfahren der 
YL. bejtimmt fic) nad) den Landesgeſetzen oder mangels 
joldjer nad) der Ortsüblichkeit. Jeder Grundjtiics- 
eigentiimer fann von feinem Nachbar Mitwirkung 
bet Der A. verlangen, Die Koſten werden halbiert 
(Deutſches Biirgerlides Geſetzbuch, § 919). 

Abmarſch, Verlajjen einer Ortlicleit gum Be- 
ginn einer Truppenbewegqung. Jn der Taktik bezeich— 
net man den aus der Lime entitehenden YL in Rolonne 
al »redjts, linfS oder aus der Mitte« abmarjchiert. 


Jn der Strategie wird die Flantenbewegung cined | 


Heeres ähnlich als »Rechts- oder Links-A.« bezeichnet. 
Abmeierung (Abtrieb, Entſetzung, Expul— 
ſion), die Austreibung aus dem Beſitz eines Bauern⸗ 
gutes, zu welcher der Gutsherr, dem ein Obereigen— 
tum an letzterm zuſteht, in gewiſſen Fallen gegen den 
Bauer (Meier, Rolonen) befugt tit. Die A. darf nie 
ohne vorliegende Rechtsgründe jtattfinden. Golde 
Fälle find der Nonfurs des Nolonen, ſchlechte Bewirt— 
jdaftung des Gutes, Verſäumnis der Nontraltsernene- 
rung (Vemeierung), Rückſtand in Zablung von Zin- 
jen, Veräußerung de3 Gutes ohne Zuſtimmung des 
Gutsherrn und bei nidjterbliden Giitern bisiweilen 
aud) das eigne Bediirfnis des legtern. Uber die Zu— 
lajjigteit Der YW. und ihre Bedingungen findet jtets 
cin formliches rechtliches Verfahren, die Mufholung 
(Uufholungs- oder Expulſionsprozeß) ftatt. Sur Ver- 
hiitung von Verarmung und Vernidtung der kleinern 
Vejiger haben neucre Landesgejepgebungen neben 
andern feudalen gutsherrlidjen Rechten auch die A. 
(oder Raduzitat), und zwar meiſt ohne Entſchädigung 
aujfgehoben, jo die bayrifchen Cdifte vom 28. Juli 1808 
und vom 26, Mai 1818 und die preußiſche Verordnung 
vom 25. Sept. 1820. Das Meiereirecht wird durd das 
Bürgerliche Gejegbucd nicht berithrt (Cinfiihrungs- 
acies zum Biirgerliden Geſetzbuch, Art. 63 u. 64). 
bmufterung, die Berlautbarung der Beendi- 
gung des Dienjtverhaltnijjes von feiten des Schiffers 


Ibo. 45 


und der aus diejem Verhältnis ausfdheidenden Schiffs⸗ 
mannidaft. Die A. erfolgt regelmäßig vor dem See- 
mannsantte des Hafens, in dem das Schiff liegt. Ging 
dies verloren, dann iſt dasjenige Geemannsamt ju- 
jtandig, Das zuerſt angeqangen werden fann. Die A. 
wird ſowohl m das Seelabrishud des abgemujterten 
Schiffsmannes als aud) in die Muſterrolle des Schiffs 
eingetragen, zu deſſen st ot er gehörte (Deutide 
Seemanngsordnung vont 2. Juni 1902, § 18ff.). Val. 
aud Anmuſterung und Muſterrolle. Ym Binnen— 
ſchiffahrtsverkehr ſind derartige Bejtimmungen nicht 
vorgeſehen (vgl. Binnenſchiffahrtsgeſetz vom 20. Mai 
1898, § 21}7.). 

Abnabeln, dic Nabelſchnur de3 Kindes nad) ſei— 
ner Geburt abbinden und durchſchneiden; ſ. sind. 

Abnaki, Indianervolk, ſ. Abenaki. 

Abner (hebr., »Vater ijt Leudte<), Konig Sauls 
Vetter und Feldhauptmann, kämpfie gegen die Phi— 
lijter und rettete nad) Sauls Tod bei Gilboa deſſen 
Sohn Ysbofeth die Herrjdhaft iiber Israel. Much be- 
freite er die nördlichen Stämme von den Philiſtern 
und jtritt qliidlid) gegen David, ging aber, von Is— 
boſeth mit Undanf belobnt, ju David über und ward 
darauf von Joab ermordet. 

Abnicken, j. Abfangen. 

MAbunoba, lat. Name des im 3. Jahrh. aud Silva 
Marciana genanitten Schwarzwaldes. 

Abnormitat (lat.), Ubweidung von der Regel 
oder Norm ees Naturtdrpers, emer Erjdeinung zc. ; 
vgl. Anomalie. 

Abnutſchen, die Mutterlauge aus Kriſtallmaſſen, 
den Sirup aus Brotzucker mit der Luftpumpe abjaugen. 

Abnutzung, ſ. Abſchreibung. 

Abnuthzungsſatz Giebs ſatz), das aus der Forjt- 
cinrichtung bervorgebende Maß fiir die jährliche Hieb— 
größe Der nächſten Beit. Je nachdem dtefe Hiebgröße 
in Flächenmaß oder in Holzmaſſe ausgedriict wird, 
unterjdeidet man Flächen⸗ und Mafjenabnugungsjag. 

Wo (jvc. ovo; finn. Turku, ſchwed. Torg, »Markt«), 
Hauptſtadt des finn. Gouv. YW. - Bjorneborg, liegt ju 
beiden Seiten des Uurajofi, der fid) unweit Der Stadt 
in den Bottniſchen Meerbujen ergieRt und ihren Hafen 
(Bactholm) bildet, durch die Eiſenbahnlinie W. -Toi- 
jala mit St. Petersburg verbunden, hat eine jtatt- 
lide Domkirche, Hofgeridt, zwei Gymnajien, cine 
Reals, cine Navigations- und eine Handelsfdule, In— 
jtitut fiir Taubjtumme und (1897) 31,339 Einw. Wi. 
bat mebrere Fabrifen, namentlid) Baumwollſpin— 
nerei, Tabaf- und Rleiderfabrifen, Maſchinenbau— 
anjtalt, Schiffswerften und lebhaften Handel. Der 
Wert der Cinfubr (bejonders Cijen- und Stabl- 
waren, Steinfoblen, Baumwolle, Wollenwaren, Wei- 
zenmehl) betrug 1899: 30,39 Will. finnlind. Wart 
(A 80 Pf.), Der der Wusfubr (befonders Holy und 
Holzwaren, Dampf- und Torpedoboote, Butter) 
13,76 Will. finnland. Mark; 1899 liefen 955 See- 
ſchiffe von 365,707 Ton. ein, 933 aus. W. ijt Sig 
des Gouverneurs, eines lutheriſchen Erzbiſchofs und 
eines deutſchen Konſuls. Die von der Königin Chrijtine 
1640 gejtiftete Univerjitat ijt feit dem Brand von 1827 
nad Heljingfors verlegt. — VU. ijt befannt durch den 
Frieden vom 7.18. Aug. 1743, in Dem Schweden 
einen Teil Finnlands (ſ. d.) an Rußland abtreten 
mute, fowie Durd) die Ronvention vom 18./30. Aug. 
1812, in der Schweden feine Beteiligung am Kampfe 
gegen Napoleon J. zuſicherte, wogegen Rußland jeinen 
Beiſtand zur Eroberung Norwegens verſprach. Bal. 
Bidrag till A. stads historia« (Helſingf. 1884 jf.). 

2 km von der Stadt liegt an der Miindung des Yura: 


— 





46 


jofi Schloß Abohus, die älteſte Feſte Finnlands, 
früher Arſenal und Gefängnis, jetzt hiſtoriſches Mu— 

Aboazen Haly, ſ. Aſtrologie. ſeum. 

Abo⸗Björneborg, Gouvernement im ruff. Groß⸗ 
fürſtentum Finnland, 24,171 qkm (465 OM.) mit 
(1899) 440,174 Einw. (eo Sdhweden). Hauptitadt ijt 

Abolieren (lat.), tilgen, abſchaffen. (Wbo. 

Abolition (lat.), Niederſchlagung der Strafver- 
folgung vor erlajjenem Straferfenntnis und dadurd) 
von der Beqnadigung im engern Sinn als dem Er- 
laf Der rechtskräftig erfannten Strafe unterjdieden. 
Die A. ijt entweder ete generelle (abolitio generalis, 
publica, Amneſtie, Generalpardon), die einer ganzen 
Alaſſe von Berbredhern einer bejtimmten Art, oder 
cine ſpezielle, die einem Einzelnen fiir einen bejtimm- 
ten Fall ertetlt wird. Brivatanipriide aus dem Ver— 
brechen werden durd) die A. nicht aufgehoben. Die 
A. ijt m manden Berfaffungsurfunden unterjagt, 
in anbdern wefentlid) beſchränkt; in der Wiffenfdaft 
wird fie vielfach als unzweckmäßig angefodten (j. Be- 
qnadiqung). Dem Kaiſer als foldyem jteht fein Who- | 





litionsredt zu. Die reichsgerichtlichen Straffälle find 
dem etiwaigen WUbolitionsredte der Landesherren ent- 


zogen. Das Ubolitionsredt erliſcht, fobald die Gace 
in Der Revifionsinjtan; beim Reichsgericht anhängig 
qeworden ijt. Die Reidsgejesqebung hat den in den 
Einzelſtaaten bisher 
der iiberwiegenden Anſicht) unberiihrt gelajjen. Die 
Stellung, welde die einzelnen Bundesjtaaten in der 
rage der U. einnehmen, ijt eine ſehr verſchiedene. 
Gänzlich ausgeſchloſſen ijt fie im Bayern, Baden und 
Hamburg, volljtandig zweifellos ijt die Ungulaffigteit 
der A. aber nur in Bayern durd) die Beſtimmung in 
Titel VIII, § 4, der bayriſchen Verfaſſungsurkunde 
vom 26. Mai 1818. Bgl. hieriiber auger den Lehr- 
bitdhern zur Strafprozefordnung aud Heimberger, 
Das landeSherrlide Wbolitionsredht (Leipz. 1901). 
S. aud) Amneſtie. 

Ubolitioniften, die Anhänger einer auf Beſeiti— 
gung einer bejtehenden Einrichtung (fo 3. B. der Todes- 
ſtrafe) geridjteten Bewegung. In den Vereinigten 
Staaten von Nordamerifa Name der ¥bhilanthropen, 
die es fid) gur befondern Aufgabe madten, durd) Rede 
und Sdrift auf Ubfdaffung der Sflaverei hin— 
julvirfen. Schon 1775 wurde in Philadelphia eine 
pennfylvanifde Ubolitionsgefellidaft geqriindet und 
Benjamin Franflin ju deren Prajidenten erwählt, der 


179) im Kongreß die Abſchaffung der Sflaverei be- | 


antragte. Im Staat New York trat 1785 eine ⸗Ma⸗ 
numiſſionsgeſellſchaft⸗ zuſammen, ähnliche Bereine 
bildeten ſich in den Staaten Connecticut, Rhode-Is— 
land, Delaware, Maryland und Virginia. Die Abo— 
litionsbewegung erlahmte infolge der 1790 befdlojie- 
nen Wbfdarfung des afrifanijden Sflavenhandels, 
lebte bei Gelegenheit des Miſſourikompromiſſes 1820 
voriibergehend wieder auf, nahm aber erſt mit dent 
Yinfang der 30er Jahre grifiere Ausdehnung an. 
Damals begann William Lloyd Garrifon im Verein 
mit Benjamin Lundy feine abolitionijtijde Wirkſam— 
feit und griindete in Bofton 1. Jan. 1831 die Wodjen- 
ſchrift »The Liberatore. Ym 1. Jan. 1832 wurde 
daſelbſt die New-England Antislavery Society ge 
ftiftet, Die fid) bald fiber alle Nenenglandjtaaten 
ausbreitete. Unfang Dezember 1833 hielten die A. 
ihre erſte größere Verjammlung in Philadelphia ab, 
aus der Dann Die American Antislavery Society 
hervorging. Die Emangipationsafte vom 1. Jan. 
1863 madjte Der Bewegung cin Ende. 

Wbomafus (lat.), der Labmagen der Wiedertiuer. 


— Rechtszuſtand Sd 





Aboazen Haly — Abortiv. 


MAbomeé, Hauptitadt des wejtafrifanifden, unter 
franzöſiſchem Schutz ftehenden Negeritaates W., unter 
7° nordl. Br. und 2° 8 djtl. L., 325 m ü. DL, mrt 
20,000 Einw. Die inmitten einer diirren Ebene, 
100 km von Der Riijte, 1610 erbaute, friiber Durch 
ihre Menſchenſchlächtereien beriidtigte Hauptitadt des 
ehemaligen Reiches Dahomé wurde 1892 von dex 
Frangojen unter General Dodds zerſtört. Nach Neu— 
ordnung der politijden Berhiltnijje wurde die Stadt 
wieder aufgebaut und als Reſidenz von WUgo-li-agbo, 
de3 Bruders Behangins, zur Hauptitadt des Teil- 
fonigreidhs U. gemadt. Die Stadt wurde in frithern 
Beiten von Norris, Burton und Wilmot beſucht. 

——— (lat.), abſcheulich, verabſcheuungs⸗ 
würdig. 

Abominarium (lat.), Rituale der Bannformeln. 

Abonnement (franz., ſpr. mang), die Vorausbe— 
zahlung für den Genuß einer Sache gegen Verringe— 
rung des gewöhnlichen Preiſes, namentlich beim Thea- 
ter, bei Konzerten, Straßenbahnen, Schauſtellungen, 
bei Bücherverleihern, auch beim Mittagstiſch. A. 
suspendu (aufgebobenes A.) tritt cin, wenn die Thea- 
terdireftion fiir eingelne alle die Abonnenten ihrer 
Rechte fiir verlujtig erklärt, wozu fie fid) jedoch vorher 
die Befugnis ausbedungen haben muy. — Sm Finanz⸗ 
wejen ijt A. foviel wie Steuerabjindung, kommt bejon- 
ders im Verbrauchsſteuerweſen (ſ. Aufwandſteuern) 
vor, ſo bei der franzöſiſchen Weinbeſteuerung, und 
dient ſowohl zur Erleichterung der Steuererhebung 
als zur Vermeidung beläſtigender Kontrollen rc. fiir 
den Steuerzahler, indem die Steuerbehörde mit den 
Produzenten oder Händlern ſteuerpflichtiger Waren 
Verträge auf beſtimmte Pauſchalſummen ſchließt und 
es dieſen überläßt, die Geſamtſumme in Teilbeträgen 
auf Verſchleißer und Konſumenten überzuwälzen. 

Abonnementbillet, Dauerkarte, Stanmijig)- 
farte fiir Theater rc. 

Abonnent (franj. Abonné), jemand, der fid) dic 
Teilnahme an einem Genuf (Theater, Rongert 2.) 
ober den Beſitz eines periodijden Werkes, einer Beit. 
ſchrift xc. Durd) Unterzeichnen oder Borausbezahlen 
(Ubonnieren) gejicert hat. S. Abonnement. 

Abony (pr. adonj), Markt im ungar. Komitat Peſt, 
an der Staatsbabniinie Szolnok-Czegled, mit er- 
giebigem Feldbau u. (1900) 13,529 ungar. Einwohnern. 

Abonyi (jor. adonj), Ludwig, eigentlid Franz 
Marton, ungar. Novellijt und Dramatifer, geb. 
9. Jan. 1833 in Kis-Terenne, gejt. 29. April 1898 in 
Budapeſt, ſchrieb Romane aus dem ungariſchen Volls— 
leben: »Erzählungen aus der Spinnſtube-, »Beim 
Hirtenfeucr«, »Die Kuh der Witwe- und das Volls— 
ſtück: ⸗Das Tuch des armen Burſchen« u. a. 

Aboraler Pol, ſ. Achſe (zoologiſch). 

Aboriginer (v. Lat.), nad) römiſcher Sage eins 
der Urvilfer Italiens (die ab origine, von Anfang 
an, das Land bewohnten, alfo gleid) dem griechiſchen 
Wort Autochthonen), das urjpriinglic in der Gegend 
von Reate, am Fuße der Upenninen wohnhaft, von 
da, durch die Sabiner verdrängt, den Unio hinabjog, 
die in dem untern Tiberland anſäſſigen Sifuler (ſ. d.) 
vertrieb und fid), nun fic) Latiner nennend, dort 
niederließ. Als die erjten Könige werden der {pater 
als Gott verehrte Janus und Saturnus, der Stifter 
des Uderbaucs, genannt, in Ddejjen Regierung die 
fpatern Romer das goldene Seitalter verlegten. 

Abort, ſ. Wbtritt. haben. 

Abortieren (v. lat. abortus), cine Fehlqeburt (f.d.) 

Abortiv heißen auf ciner friihen Entwidelungs- 
jtufe ſtehen gebliebene, nicht fertig ausgebildete Drgane. 


Abortiva — Abraham a Santa Clara. 


Abortiva ({at.), ſ. Ubortivmittel. 

WAbortivei, ſ. Vole. 

Abortivfur, cine meijt gewaltfame Art der Be- 
handlung von RKranfheiten, durd die dieje im Anfang 
erftidt werden follen. Die Erfahrung hat aber ge- 
lehrt, Daf entzündliche Prozeſſe, Lungenentzündun 
Typhus ꝛc., ſich durch große Blutentziehungen, ſtarke 
Brech- und Abführmittel nicht nur nicht erſticken 
laſſen, ſondern daß dem Kranken durch dieſe Mittel 
nicht ſelten ſchwer geſchadet wird. Auch Schleimhaut⸗ 
entzündungen laſſen ſich durch ſtarle Höllenſteinätzun⸗ 
gen nicht coupieren, und Abortivkuren finden daher 
nur nod ſelten Anwendung (3. B. Chinin bei Wechſel⸗ 


fiebern). 

Abortivmittel (lat. Abortiva), Heilmittel, die 
eine Sranfheit im Reim erjticden follen (ſ. Ubortivtur) ; 
aud) frudjtabtreibende Mittel (Pellentia), ſ. 
Fehlgeburt und Frithgeburt. 

Abortus ({at.), ag arnt Saba in der Botanif 
das Unterbleiben der usbildung gewiſſer Organe 
ber Pflanze, 3. B. der Staubgefiige einer Bliite, die 
dann durd A. ———— weiblich iſt. 

Aboth (Pirke Aboth), »Sprüche der Väter«, der 
neunte Traktat der vierten Ordnung der Miſchna(ſ. d.), 
eine Sentenzenſammlung der jildiſchen Schriftgelehr⸗ 
ten des zweiten Staatslebens bis 200 n. Chr., welche 
die KRontinuitdt und Autorität der Tradition beweiſen 
und praltiſche Weisheitslehren geben foll. Vgl. Strad, 
Die Spriiche der Biter (Leipz. 1901). 

About (jor. aw), EDmond, franz. Schriftſteller, 
qeb. 14. Febr. 1828 zu Dieuze in Lothringen, geft. 
17. Jan. 1885 in Baris, beſuchte feit 1851 die fran- 
zöſiſche Schule gu Athen, fehrte 1853 nad) Baris zu— 
rück und widmete fic) bier ausſchließlich ſchriftſtelle— 
riſchen Arbeiten. Schon feine Erftlingswerfe: »La 
Gréce contemporaine« (1854, 7. Aufl. 1879) und 
der Roman »Tolla Féraldi« (1855) errangen ihm 
eine hervorragende Stellung unter den zeitgenöſſiſchen 
Autoren. Es folgten die Romane: »Le roi des mon- 
tagnes« (1856), »Germaine« (1857) und » Maitre 
Pierre« (1858). Cin Aufenthalt m Rom (1858) ver- 
anlaßte Die gegen die weltlide Herrſchaft des Papſtes 
qeridjtete Schrift »La question romaine« (Briiffel 
1859; 2. Aufl., Bar. 1861). Remen Anklang fand er 
mit feinen dDramatifden Brodulten; dagegen gewann 
er durch feine Erzählungen ftets von neuem die Gunjt 
des Publifums. Wir nennen: »Le cas de M. Gué- 
rin« (1862); »Madelon« (1863), die ganz befonderes 
Aufſehen machte und von Reinhard ins Deutide itber- 
fest wurde (Brem. 1873); ſie ſchildert die Ehe eines 
geizigen Wucherers mit einer verſchwenderiſchen Kur— 
tijane; »Trente et quarante« (1859); ferner die vor- 
wiegend didaktiſch qebaltenc Novelle » La vieille roche« 


(1865, 3 Bode.); »L'Infime« (1867); »Les mariages | 
de province« (1868) und »Le Fellah« (1869), eine 


Schilderung Ägyptens, das A. bei Gelegenheit der 


Eröffnung des Suejtanals bejudt hatte. A. erfreute | 


fich der bejondern Gunjt Napoleons ILL, der ihn aud 
u den Hoffeiten nad Compiegne lud. Unter der neuen 
rdnung der Dinge nahm er im »Soir« feine Un- 
griffe gegen die Ultramontanen wieder auf und fpielte 
Den gemäßigten Republifaner, feit 1875 insbeſ. als 


Chefredatteur de3 von ihm und Sarcey gegriindeten | 


»XIX. Siécles, in dem er einen erfolgreichen Krieg 
gegen die Regierung vom 16. Mai 1877 führte. Gein 
gegen die ſtandalöſen Erfolge Zolas und andrer Na- 
turalijten gericdteter Roman: »Roman d'un brave 
homme (1880) fand trog der ehrbaren Tendenz wenig 
Unflang. Seit 1884 war A. Mitglied der Alademie. 


47 


Ab ovo (lat., »vom Ei an«⸗), ſprichwörtliche Re- 
denSart, joviel wie vom Uranfang an, entjtanden durch 
Horaz' Worte in der » Ars poetica« (Vers 147): »Nec 
gemino bellum Troianum orditur ab ovo<, d. h. er 
(Homer) beginnt den Trojanifden Krieg nicht mit dem 
Doppelet (der Leda, aus dem die Helena hervorging). 

Wbpalen, ſ. Leder. 

Abpinnen, ſ. UWbbinden. 

Abplaggen, oberflächliches Abſchälen von Heide- 
boden mit wvtig apne. 

Ubplattmafdine, Hobelmajdine zur Herjtellung 
Der Abſchrägungen (Platten) an den vier Ranten von 
Tiirfiillungen mittels einer rotierenden Wefferwelle, 
seer Die Das Arbeitsſtück geführt wird. 

bplattung, der Betrag, um den die Rotations. 
achſe eines Planeten kürzer ijt ale der Durchmeſſer 
des Uquators, ausgedriidt in Bruchteilen des legtern. 
Ihre Urjache ijt die Durd) die Umdrehung erjeugte 
Sentrifugaltraft. Weiteres ſ. Erde. 

Abprefmafdine, ſ. Buchbinden. 

Abpricken, ſ. Seezeichen. 

Abprobieren, ſ. Grubenexploſionen. 

Abprotzen, cin Geſchütz von der Protze, be}. 
einen Hinter- vom BVorderwagen abbeben. Das 

enteil ijt aufprogen (jum Wbfabren). 
bprogiprige, ſ. Feuerſpritze. 

Abputz, |. * 

A. Br., bei Pflanzennamen Wbfiirjung fiir Wer- 
ander Braun (f. d.). 

Abraham, |. Hormajdine. 

Abraham, Sohn Teracdhs, der Stammovater der 
Israeliten. Nad der biblifden Erzählung (1. Mof. 
12—-25) wanderte er jugleid) mit Trea Bruders⸗ 
john Lot aus Meſopotamien in Kanaan ein, ließ ſich 
im ſüdlichen Teil des Landes nieder, wo er vertrags- 
weife einen Stammſitz gewann, und dehnte im fried- 
lichen Verlehr mit den Einwohnern feneWanderungen 
bis nad) Agypten aus. Urſprünglich Whram (-hoher 
Vater, Vater Urams«) genannt, ward ibm bei der 
Verheißung einer zahlreichen Nachlommenſchaft der 
Name A.(Völlervater«) beigelegt. Vorbildlich für die 
monotheiſtiſchen Religionen ſteht A. am Eingang der 
Geſchichte Israels. Im unbedingten Gottvertrauen 
verläßt er ſein Vaterland, bewährt im Verklehr Frim- 
migleit, Friedensliebe, Uneigennützigkeit, Treue, Hel- 
denmut, Barmherzigkeit, Ehrenhaftigleit und ijt be— 
reit, ſein glaubensſtarles Wirlen durch die Opferung 
Iſaaks, ſeines Sohnes von der Sara (ſ. d.), zu krönen. 
175 Jahre alt, ſtirbt A. und wird von ſeinen Söhnen 
Ismael (ſ. d.), Den ſeine Nebenfrau Hagar (ſ. d.) thn 
geboren hatte, und Iſaak in der Grabhoͤhle Makhpela 
bei ſeinen Wohnort Hebron begraben. Yr VW. offen— 
bart fic) zuerſt Der Gegenjas des Monotheismus ju 
den heidniſchen Raturreligionen; in feiner Geſchichte 
ijt Das Anrecht Israels auf Kanaan befundet und 
das Bundesseichen der Beſchneidung eingeführt. Die 
ſpätere Sage fiigt nod) fabelhafte kulturgeſchichtliche 
Verdienſte hinzu (Unterweifung der Agypter in Ma- 
, thematif, Witronomie und Philoſophie, Erfindung der 
| Duchiabentdeift und Traumdeutefunjt, Gründung 

der Kaaba in Weffa u. a.). Uber die fagenhafte Aus— 
ſchmückung feines Lebens vgl. Beer, Leber Abrahams 
(Leipz. 1859); Griinbaum, Nene Beiträge zur 
jemitijden Gagenfunde (Leiden 1893). 

Abraham a Santa Clara, cigentlid Ulrich 
Megerle, Kanzelredner und volfstiimlicd)-humorijte- 
ſcher Schriftſteller, geb. 4. Yuli 1644 in Kreenhein⸗ 
ſtetten bet Meßlirch m Baden, gejt. 1. Dez. 1709 in 
Wien, trat 1662 in das Barfüßer-Auguſtinerkloſter 








48 


Maria-Brunn bei Bien, wurde nad der Priefterweihe 
1666 nad) Maria-Stern bei Tara in Oberbayern ge- 
ſchickt, fehrte aber bald nad Wien juriid, wo er als 
Frediger großen Beifall fand und 1677 jum Hof- 
prediger crnannt wurde. 1682—89 war er in Graj 
tätig, Dann wieder in Wien. W. ijt der eigenartigſte 
Bertreter der geijtliden Burleste; er war ein tüchti— 
ger Seelenhirt, ſchneidiger Wortfiihrer der jeſuitiſchen 
Reaftion, ausgezeichneter Uncfdotenerzahler, derb- 
drajtiider Schilderer des Wiener Lebens feiner Beit, 
Daher tulturbhijtorijd ſehr widtig, ein ebrlidjer Wahr- 
heitSfreund, aber marftidreierifd in Wefen und Stil. 
Ron feinen Werfen heben wir hervor: »Prophetifder 
Willkomm, d. i. Ein Weiffagung von Glück ohn Tide 
(Wien 1676); »Huy und Pfuy! der Welt « (daj. 1680); 


»Merds Wienn, d. i. des wiithenden Todts umitin: | 
dige Befdreibunge (daſ. 1680); »Auff, Auff ibr | 


Chrijten!« (daſ. 1683, Predigt wider die Wien be- 
drohenden Tiirfen, von Schiller fiir die Kapuziner— 
prediqt in »Wallenjteins Lager« benugt, Neudrud 
von Sauer, daj. 1883). Das Hauptwert Ubrahams, 
in dem feine Starfen und Schwächen am lebhafteſten 
und intereffantejten gu Tage treten, ijt »Qudas der 
Erb-Sdelm« (Salzb. 1686—95, 4 Bde.; Neudrud 
in Auswahl in Kürſchners ⸗Deutſcher National-Ltt.«, 
Bd. 40). Seine »Samtliden Werle« erſchienen ju 
Paſſau und Lindau 1835—54 in 21 Banden. Bal. 
Karajan, Abraham a Santa Clara (Wien 1867); 
Serto, Ubraham a Santa Clara (Sigmaring. 1896); 
Blandenburg, Studien iiber die Sprache Abra— 
hams a Santa Clara (Halle 1897). 

Abrahamovics (ivr. «nswitit), David, Ritter 
von, Ojterreid). Politifer, geb. 1843 in Galizien, ein 
Bole armeniider Ubfunft, ftudierte in Deutſchland 
und Frankreich, widmete fid) der Landwirtſchaft und 
ward in den galizifden Landtag, 1881 aud) in den 
Reichsrat gewabhlt, in dem er fic) dem polnifden Klub 
anſchloß. 1893 wurde er zum giveiten, im März 1897 
jum erjten Vizepräſidenten und im November nad 
Rathreins Riictritt zum Präſidenten ded Whgeord- 
netenhauſes A imi Wis ſolcher unterjtiipte er Ba- 
deni durch Uufbietung der Polizei in den Reichsrat 
und Oftrovierung einer neuen Geſchäftsordnung ge— 
qen die Objtruftion der Deutfdhen, die unter ihm 24. 
bid 27. Nov. 1897 ibren Höhepunkt erreidjte. Seither 
trat er politifd) nicht mehr bervor. 

Abrahamsbaum, ſ. Vitex. 

Abrafadabra, Zauberwort, da3 man in elf um 
j¢ einen Buchſtaben abnehmenden Beilen (fo daß cin 

leichſeitiges Sdjriftdreied entitand) auf ein Tafelden 
dried, um es als Amulett gu tragen. Der Name 
ſcheint von Abraxas (f. d.) abgeleitet zu fein. 

Wbram (jor. rem), Stadt in Lancashire (England), 
5,5 km filddjtlid) von Wigan, mit Kohlengruben und 

Abramis, ſ. Srajje. (901) 6306 Einw. 

Abranchiata (Ricmentofe), nad Hurley die 
Reptilien, Vogel und Saugetiere, die zeitlebens durch 
Vungen, nie durch Riemen atmen. 

brandfraut, ſ. Artemisia. 

Abrantes, Stadt im portug. Dijtrift Santarem 
(Prov. Ejtremadura), am Tejo, über den hier eine 
Nettenbriide fiihrt, Nnotenpunft an der Eiſenbahn 
Lijjabon-Madrid, in einer an Oliven und Sildfriid- 
ten reichen Gegend, hat cin Kaſtell, eine große Rirde 
S. Vicente und 1900) 7260 Cinw., die anfehniiden 
Produftenhandel mit Lijfabon treiben. 1807 madte 
der franzöſiſche General Junot (ſ. d.) von bier aus 
fermen glücklichen Angriff auf Liffabon, wofiir ihm 
Napoleon den Titel ees Herzogs von A. erteilte. 


Abrahamovic; — Abraumfalze. 


Abranyi (pr. abranid, Rornél, ungar. Politifer 
und Schriftſteller, geb. 31. Dez. 1849 in Peſt als 
Sohn des Komponiſten und Schriftſtellers Rornel VL. 
des ältern, ftudierte die Redte, trat in den Staats- 
dienſt und war 1875 —1901 UWbgeordneter. Er redi— 
gierte mebrere belletrijtijdhe Zeitungen, von 1887 —94 
den »Pesti NaplO«. Außer Rovellen und Romanen 
verbdffentlidte er unter dem Pſeudonym Käkay 
Aranyos RN. 2: »Neue Licht- und Sdattenbilder 
aus dem ungariſchen ReidStag« (1877); ferner » Rol. 
Tiſza« (1877); »Graf Jul. Andraͤſſy⸗ (1878); »Der 
König⸗ (1895); »Nationales Ideal- (1898) und 
Aufzeichnungen und Reflerionen« (1899), ſämtlich 
in ungarifder Sprache. — Sein Bruder Emil, geb. 
| 31. Dez. 1850 in Budapeſt, anerfannter Äſthetiker, iit 
einer der begabtejten are Didter Ungarns. 
| WAbrafion (lat., »Abſchabung«), die abtragende 
| Tatigfeit, die das Meer vermige der Brandungswelle 
auf das Feſtland an der Küſte ausiibt, tm Gegenſatze 
zur Erofion (f. d.), die von flieRendem Wajjer oder 

i8 hervorgerufen wird. Die fanft anjteiqende Boden- 
flache, bid gu der die UW. vorſchreitet, heist die Wb - 
rafionsflade. Jn frühern Entwidelungsperioden 
der Erde find ganje Gebirge und Rontinente der A. 
zum Opfer gefallen. W. (Deflation) heißt auc die 

net die Felfen und einzelne Steine durch kleine, 
vom Winde bewegte harte Gejteinspartifel (Sandforn- 
den rc.) erleiden (ſ. Taf. · Wüſtenbildungen I<, Fig. 1). 
Da, wo heftige, Sandkörnchen mit fortreiRende Winde 
vorherrſchend aus einer bejtinunten Ridtung wehen 
(Sahara x.), erhalten die Steine auf der dem Wind 
ausgeſetzten Seite mit der Beit fleine Rinnen, Schram⸗ 
men oder aud) polierte Fladen (Sandfdliffe), wäh— 
rend die andern Seiten eckig bleiben. Das BVorfom- 
men ee Steine (Pyramidal. 

efdiebe, Dretfanter) wird daber haufig als ein 
—* fiir ben frühern Steppencharakter der Gegend 
angeſehen. Bal. Lop. 

braftol, ſ. Aſaprol. 

Abrauchen, ſ. Abdampfen und Ausglühen. 

Abraum, die cine Lagerſtätte nugbarer Minera— 
lien bededenden unhaltigen Erd- oder Gebirgsarten, 
die weggeräumt werden müſſen, um die Lagerſtätte 
zu entblößen. — In der Forſtwirtſchaft das beim 

olzeinſchlag im Walde zurückgebliebene geringwertige 
Hol; (Reiſig, Späne, Wipfel, Abfallholz, bet Nadel— 
hol; 5—10, bei Laubholz 12 —15 Proʒ. des Geſamt⸗ 
ertrags). Auf Aneignung des Abraums haben die 
Leſeholzberechtigten ein Recht. 

Abraumſalze, dic leichtlöslichen Salze, im we— 
ſentlichen Kalium- und Magneſiumverbindungen, die 
das Staßfurter und ähnliche Steinſalzlager bedecken 
und als wichtigſte Kaliſalze ausgebeutet werden. Das 
Staßfurter Sieinſalzlager enthält die A. beſonders 
in ſeinen beiden obern Abteilungen, 1) in der an 
40 m mächtigen Carnallitregion, die vorwiegend 
aus Carnallit (KCL. MgCl,.6H,O) ſowie aus Stein- 
ſalz und Stieferit bejteht, und 2) in der tiefern, an 
56m mächtigen Kieferitreqion, die neben voriwal- 
| tenden Steinfal; an 17 Proz. Mieferit (MgSO,.H,0) 

und 13 Broz. Carnallit enthalt. Das unter diefer fol- 
gende eigentlide Steinfalslager qliedert ſich in Die 63m 
| mächtige Bolyhalitreqion (91 Bro;. Steinſalz mit 
| 7,Rro3. Polyhalit (2CaSO,. MgSO, .K,SO,.H,0) und 
1,5 Bros. Chlormagqnefium) und in die tiefere An— 
hydritregion, 215 m madtig, die aus reinem, mit 

Unhydritidniiren durchſetztem Steinſalz beſteht. — 

In der Carnallitregion finden ſich in geringer Menge 
aud) Sylvin KCl, Schönit K,SO,.MgSO,.6H,0, 








Hbravanel — 


Rainit KCL. MgSO,.3H,O. Ferner finden fic) Tachy- | 
drit CaCl,.2MgCl,.12H,O, Boracit und Staffurtit 
2Mg,B,0,,.MgCl,, Gijenfied, Magqnetfies, Cijen- 
qlimmer, Rubidium, Cajium und Brom: Das Vor— | 
handenjein dieſer Stojfe zeigt, daß das Salslager 
durch Verdunjtung von — entſtanden iſt. 
Das Kochſalz hat tics — ausgeſchieden, und die 
übrigen in geringerer Wenge vorhandenen und leidt- 


loslichen Salze haben fid) in einer Mutterlauge ge⸗ 


ſammelt, die auf dem Salzlager zur Kriſtalliſation ge— 
langte. Auch bei Kalusz in Galizien finden ſich A. (und 
zwar Sylvin und Kainit) neben Steinſalz im ſogen. 
Haſelgebirge der Triasformation. Uber Gewinnung 
u. Verarbeitung der A. ſ. Kaliſalze u. Dünger (Kunſt⸗ 
dünger). Bgl. Biſchof, Die Steinſalzbergwerle bei 
Stapfurt (2. Aufl., Halle 1875); Precht, Die Salz— 
induſtrie von Staßfurt und Umgegend (5. Aufl. Staßf. 
Abravauel, ſ. Abarbanel. [1891). 
Abräxas, cin myſtiſch-theoſoph. Wort, das nad) 
Vellermann agyptijden, nad Grotefend pehlewifden 
Uriprungs ijt. Nac Irenäus nannte der drijtliche 
Gnoijtifer Bajilides (um 130) den Inbegriff der 365 
Tagesſchöpfungen (Himmel- oder Geijterretde), d. h. 
den ſich offenbarenden Gott | 
im Gegenſatze zu dem Gott 
an fid, A. oder Ubrafar, 
indem Diefer Name nad qrie- 
chiſcher Zählung die Zahl 365 
ausdrücken ſollie (A = 1, b 
=4, r= 100,a—1,s=— 200, 
a1, x = 60, zuſammen 
365). Daher finden viele Pa⸗ 
läographen in A. nichts an- 
dres als cine bloke Zahlen— 
ſpielerei. Das Wort ging mit 











ſeiner geheimnisvollen Be— 
deutung von den Bafilidia: | 
nern ju den Priscillianijten 

und allen magiiden und al⸗ 
chimiſtiſchen Seftierern tiber. | 
Wbrarasgemmen(Ubra- 

rasjteine), jablreid) vorfommende geſchnittene 

Steine, auf denen neben natiirliden Bildern, meiit | 
Zuſammenſetzungen aus menfdlidem Rumpf und 

Yirmen, Hahnenfopf und Schlangenfüßen, oder an: | 
dern vieldeutigen Symbolen das Wort A. oder Abra⸗ 
jax und andre unverſtändliche Worte in griechiſcher 
Schrift vorlommen; in weiterm Sinn aber auc alle 
antifen Steine mit rätſelhaften Symbolen. Beller- 
mann fdliejt den Begriff der eigentliden Abraxas— 
gemmen (bajilidiantide) in fehr enge Grenzen und 
unterjdeidet Ubraroiden (mit abweidendem Ty- 
pus) und Ubrarajter cheidniſchen Inhalts). Die 
eigentliden Ubrarasgemmen (j. obenjtehende Ubbil- 
Dung und Tafel »>Gemmen u. Kameen«, Fig. 8) mit 
menjdliden Yrmen, Hahnenfopf und Sdlangen- 
füßen, in der rechten Hand eine Peitſche, in der lin- 
fen einen Kreis oder Kranz mit darin befindlidem 
Doppeltreus, ſcheinen den Vajilidianern angugehoren, 
andre andern qnojtijden Seften; mande jtammen 
aud) aus Dem Heidentum und zeugen fiir den Zu— 
fammenhang der Ubrarasgemmen mit alerandrini- 
ſcher Theurgte, die meiiten aber wurden erit im Mit⸗ 
telalter als Amulette gefertigt. Bgl. Matter, Histoire 
critique du gnosticisme (2. Aufl., Bar. 1843-—44, 
BBde.); Dieterid, Ubraras, Studien (Leipz. 1891); 
Bellermann, Verſuch iiber die Gemmen der Ulten 
mit Dem Wbrarasbild (Berl. 1817—19, 3 Stiide); | 
Barzilhai, Gli Abraxas (Trieft 1873). 

Mepers Konv.-Lerifon, 6. Mufl., L Bod. 


AEVFACAZE 
CA KAWO 






Ubrarasgemme. 





49 


Abrechnung, jede — die das Ergebnis 
eines Geſchäfts darlegt und den Umfang der daraus 
entſtandenen Forderungen klarſtellt, insbeſ. die Aus— 
gleichung wechſelſeitiger Schulden unter Zahlung des 
überſchuſſes. Treten mehr als zwei Perſonen in ein 
foldjes Verhältnis, daß jeder femme Forderungen zur 
Einziehung an denjenigen iiberweijt, dem er jdyul- 
det, fo können groke Geſchäfte unter Erjparung von 
Rojten und Mühe mit verhältnismäßig qeringen baren 
Geldſummen abgemadyt werden. Solde Abrechnungen 
(Uberweifungen, Sfontrierungen) werden in großarti⸗ 
gem Umfange vermittelt durch dag Abrechnungs— 
haus oder Clearing-house (j. dD.) in Qondon, dann 
durch die dieſer Unjtalt nacgebildeten und feit Februar 
1883 in verſchiedenen größern Städten Deutidlands 
(Berlin, Frantfurt a. W., Stuttgart, Köln, Leipzig, 
Dresden, Hamburg, Breslau, Bremen, Elberfeld) cin: 
eer Ubregnungsitellen Der dDeutiden 
eichsbank. Un legtern übergibt jeder Teilnehmer 
dem Bertreter des Hauſes, von weldem er etwas zu 
fordern hat, die betreffenden quittierten Papiere (Ein - 
lieferungen) mit je einem die Beträge einzeln auf— 
fiibrenden ſummierten Verzeichnis und einem Schema 
u Dem nur die Endſumme enthaltenden Emp fangs 
efenntnis. Uber diefen Vorgang führt jeder cin 
Ubrednungsblatt. Bei der am Pitben Tage jtatt- 
findenden zweiten Zuſammenkunft werden die bean- 
jtandeten Papiere juriidgeliefert. Uber die bei der A. 
jich ergebenden Saldi werden Anweiſungen auf das 
Wirofonto der Reichsbank ausgeitellt, wo dieſelben 
durch Gutfdrift und Belaftung aus eglichen werden. 
Es wurden eingeliefert 1884: 1,98 Mill tite zu 12,130 
Mill. Mk., 1900 war dic Summe 5,19 Mill. Stiie mit 
29,473 Dill. Me. Val. Rod, Ubredmungsitellen in 
Deutſchland rc. (Stuttg. 1883). — Nicht zu verwechſeln 
mit dieſer kaufmänniſchen A. ijt Die Kompenſation, d. h. 
dDieMufredh nung ciner Veqenforderung des Schuld⸗ 
ners (Veflagten) gegen die Forderung des Glãubigers 
(Klägers), Die wohl auch A. qenannt wird (f. Kompen⸗ 
jation). Das Bürgerliche Geſetzbuch ſchreibt in § 782 
vor, daß Schuldverſprechen und Sduldanerfenntnifje 
auf Grund einer A. nicht der Schriftform bediirfen. 

Abredhuungsftellen , ſ. Abrechnung. 

Abreibungen, falte, ſ. Waſſerkur. 

Abreiten (Ubjtichen, Abſtoßen), Wegfliegen 
des Unuerhahnes von einem Baum oder einem an: 
dern erhöhten Punkte. — Seemänniſch heist cinen 
Sturm a.: auf offener Reede nur mit Hilfe ded Anker⸗ 
geſchirrs abiwettern. 

Abrenungiation (lat.), die »Losfagqung« ded 
Täuflings vom Teufel; vgl. Exorzismus. 

Abrichtung (Dreſſur) des Pferdes, ſ. Reitkunſt 
und Fahrkunſt; A. des Hundes, ſ. Hund. 

Abricot (fran}., for. -t6), aprikoſenfarbig. 

Abrin, j. Abrus. 

Abrifz, die in der Form der Polarfoordinaten ge- 
ebene Zuſammenſtellung der auf einer triqonometri- 
den Station vorhandenen Richtungswinkel und Ent- 

fernungen nad den umliegenden ‘Buntten. Cin voll- 


Abrogation. 


| ftdindiger A. enthalt aud die Nordridtung, unt die 


Azimute diefer Punkte bilden zu fonnen. Yn diefer 
Form werden Die Meſſungsergebniſſe der preußiſchen 
LandeStriangulation verdjfentlidt unter dem Titel: 
Ubrijje, Roordinaten und Höhen famtlicher von der 
trigonometrijden Ubteilung der Landesaufnahme be- 
ftimmten Punkte«. 

Abrogation (lat.), römiſch- rechtlicher Ausdruck 
für die vollſtändige Aufhebung eines Geſetzes; vgl. 
Derogation, Subrogation, Obrogation. 

4 


50 


Abrogieren (lat.), aufheben, abſchaffen; bei den 
Rimern: auf die Uufhebung eines Geſetzes, eines 
Beidlujjes oder einer Cinridtung auf dew gefep- 
mãßigen Weg antragen (vgl. Ubrogation). 

Abrolifpediteur , ſ. Spedition. 

Abréma Jacq. (Rafaomalve), Gattung der 
Stertuliazeen, Strauder oder Bäumchen mit großen 
gangen oder gelappten, behaarten Blattern, end- oder 

latigegen{tandigen Cymen, roten Blüten und hauti- 
en gefliigelten Rapfeln. Bon den beiden bis jetzt be- 
annten Yirten wadjt A. angustum L. fil.in Djtindien 
und dem Malaiiſchen Urdipel bis Auſtralien und lie- 
fert Bajtfajern (Woolet, Comul, perennieren- 
der indifder Hanf) ju Striden, groben Geweben 
unbd fiir die Bapierfabrifation. 

A. Brong., bei Pflanzennamen Abkürzung fiir 
UW. Brongniart (jf. d.). 

Abrotanum, ſ. Artemisia. 

Abrudbanya (Groß⸗Schlatten), Bergſtadt im 
ungar. Komitat Unterweienburg (Siebenbiirgen), in 
der Nähe des Bajaltfelfens Detunata (f. d.), mit asve 
£993 rumanijden und ungar. Einwohnern, die meijt 
vom Goldberqbau leben, dejjen ſchon den Römern be- 
fannte Hauptfundorte im Uranyostal bei Topdnfalva, 
Offenbanya, Zalathna, Verespataf rc. in porphyrarti- 
gent Geftein liegen. Jährliche Ausbeute 1070 kg. A. 
Ht Sig eines Verg- und Goldeinlojungsamtes. — Ym 
10. und 19. Mat 1849 wurde YW. von den Rumänen 
fajt zerſtört und die ungarijde Bevdlferung nieder- 


ai or 
rupt (lat.), abgebroden, zuſammenhanglos. 


Abrus L. (faternojtererbje), Gattung der 
Leguminoſen, oft fdlingende Sträucher und Halb— 
ſtraͤucher mit paarig qgefiederten, mit einer Borite | 


endenden Bittern, end- oder achſelſtändigen Trau- 
ben und meijt flader Hiilje. 6 Arten in den Tropen. 
A. precatorius L. (j. Tafel »Sdaugebilde<, Fig. 1), 
windender Straud mit blak rofenroten Bliiten und 
ſehr hartſchaligen, erbſengroßen, roten Gamen, mit 
ſchwarzem Fleck am Nabel, ijt aus Oftindien iiber 
fajt alle Tropenländer verbreitet. Die Samen (Gift- 
bohnen) dienen yu Halsbandern, Rojenfranjen, als 
Gewicht (Rati), als Semen Jequirity in der Augen— 
heilfunde (befonders zur Uufhellung von Hornbhaut: 
triibungen), in Nordamerifa aud) gegen Hautfrant- 
heiten. In Indien weidt man fie tm Milchſaft von 


Calotropis gigantea, zerſtößt fie und forntt aus Der | 
Maſſe Nadein, die, durd) die Haut eines Menſchen 


oder eines Tiered geſtoßen, ſchnell deſſen Tod herbei- 
ſühren. Die Samen enthalten fehr giftiges Abrin, 
das aus 2 Ciwethitoffen bejteht, und von dem 0,01 mg, 
auf 1 kg Körvpergewicht ins Blut gebracht, tdtet. Dre 
Wurzel enthalt Glycyrrhizin, wird argneilic) wie Siif- 
hols benugt (indifdes, amertfanifdes Süß— 
hols). Die Bewegungen der Fiederblatter fudte man 


aud) zur Vorherſage des Wetters zu verwerten (Wet⸗ 


—2* 
Abrüftung (Demobilmachung), dad Über— 
gehen aus dem Kriegs- in den Friedensſtand, Auf— 
loͤſung der fiir erſtern formierten Truppenteile ꝛc., 
Entlaſſung des einberufenen Perſonals, Verkauf der 
überzãhligen Pferde ꝛc. Bal. Mobilmachung. 
Mbriltungetonterens, j. Friedenslonferenz. 


Abruzzen (j. dic Karten bei» Stalien«), der höchſte 


Teil Des jentralen Apennin zwiſchen den Flüſſen 
Tronto und Sangro, hauptſächlich vom Uterno, tm 
Unterlauf Pescara genannt, entwäſſert. Das ganze 
Apenninenſyſtem erreicht in den A. feine größte Hobe, 
indent Der Gran Safjo d’jtalia gu 2914 m, der hid- 








Abrogieren — Abſalon. 


{ten Hohe der ganzen Halbinfel, die Majella zu 2795 m 
ſich erhebt. Das Gebirge bejteht aus zwei Parallel - 
fetten, von denen die hobere, wildere im O. ſteil zum 
Wdriatifden-Meer abfallt, aber aud) die wejtliche im 
Velino gu 2487 m anjteigt; gwifden beiden Retten 
liegt Die Hodjebene des obern Uterno (ca. 700 m), 
wabrend tm W. das Tal des Salto und das Beden 
des jest troden gelegten Fuciner Sees (655 m) es 
vom romifden Subapennin fdeidet. Das rauhe Ge- 
birgsland ijt im Winter monatelang in Schnee ver- 
graben. Schöne BViehberden weiden auf den Ber- 
gen und in den Tälern. Die Schweine- und Schaf- 
sucht ijt erheblid). Getreidebau tritt etwas zuriid, auch 
Benbau wird nur an ben Talgehingen getrieben, 
und Oliven und Feigen gedeihen nur in den untern 
Hiigelland\{daften und ant Adriatiſchen Meer. Die 
YU. werden von den Cijenbahnlinien Rom-Avezzano⸗- 
Pescara und Terni-Solmona-Hfernia durdichnitten. 
Rach dem Gebirge hat diefe Landſchaft des ehemali— 
qen Königreichs Reapel den Namen erhalten und zer- 
fallt, mit der Proving Molife zu einem Landesteil ver- 
einigt, in die Provingen Uquila, Teramo, Chieti und 
Campobaffo (Molije) mit zuſammen 16,527 qkm 
(300,2 OM.) und von 1,441,551 Einw. Die Abruz— 
zeſen find cin Hirtenvolf von patriardalijdher Cin- 
—— anhänglich an Vaterland, Religion und Re— 
gierung, wenig gebildet (52 Proz. Unalphabeten), 
aberglaubijd, muſikaliſch und gaſtfrei. Wis fraftiger, 
abgehärteter Menſchenſchlag geben fie trefflide Sol— 
daten. Viele Abruzzeſen wandern jabrlid) auf einige 
Monate aus, um in den benadbarten Provingen Hir- 
ten= und Erntearbeit ju verridten. Das Banditen- 
wejen ijt jest ausgerottet. Bgl. Bindi, Monumenti 
storici ed artistici degli Abruzzi (Neap. 1889, 2 Bde.). 
ot play in Baden joviel wie Wedfelproteit. 
Abſalom (hebr., »Bater des Friedens<), dritt- 
geborner Sohn Davids, ein ſchöner Mann, wegen ſei— 
ner Leutjeligteit beim Volke beliebt, rächte die Schmach 


ſeiner Schweſter Thamar an ſeinem älteſten Bruder 


Amnon durch deſſen Ermordung und ward deshalb 
von David verbannt, aber nad) 5 Jahren als Thron— 


erbe anerfannt. Bon Herrſchſucht bejeelt, benupte er 


die alte Stammmeseiferjudt Judas und mannigfade 
Unjufriedenheit mit Davids Regiment von Hebron 
aus jucinem Aufſtand gegen ben Sater. David mute 
mit wenigen Getreuen Jeruſalem verlajjen, worauf 
YW. von der Hauptitadt und dem Harem ſeines Vaters 
Beſitz nahm. Dem Rate Hufais vertrauend, verzdgerte 
er gegen den Rat Udhitofels die Verfolqung Davids, 
der ingwifden in Madanaim ein Heer fammelte. Ym 
Wald Ephraim befiegt, ward A., auf der Flucht mit 
jeinem langen Haar an einer Terebinthe hängen blei- 
bend, von Joab erjtoden (2. Sam. 13—18). Das 
jogen. Grab Ubfaloms im Kidrontal bei Jeruſa— 
lem f. Tafel »Wrditeftur II«, Fig. 14. 
Ubfalon, dan. Ratgeber Waldemars L und 
Rnuts VL, geb. 1128, gejt. 1201, fälſchlich auch Axel 
enannt, ward 1158 Biidof von Rosfilde, 1178 aud 
Erzbiſchof von Lund, kämpfte ſeit 1159 mehrmals er- 
folgreid) gegen die wendijden Seeräuber, erridtete 
1167 gur Verteidiqung der däniſchen Küſte an der 
Stelle, wo jest Nopenhagen liegt, eine feſte Burg 
(poetijd) Urelhus) und zwang 1184 Herzog Bogis- 
law I. von Bonunern zur Ynerfennung der danifden 
Oberlehnsherrjdaft. Yn Paris qebildet, ordnete er 
das däniſche Rirdenwejen, erwirfte die Unnahme bed 
feelandifchen Rirdengefeses und veranlate Svend 
Aageſön fowie Saro Grammaticus zur Abſaſſung 
ihrer Geſchichte Dänemarks. 


Abſam — Abſchlagszahlung. 


Abſam, Dorf, ſ. Hall (in Tirol). 

Abſarii (mittellat., von absus, unbebaut), im 
fränliſchen Reiche — Hörigen, denen die Auf⸗ 
gabe oblag, unbebautes Land urbar zu machen; nach 
andern diejenigen Dienſtleute, die ohne mansus (Hufe, 
Ackerland) waren. 

Abſatz, der Ubergang von Waren aus der Hand 
des Produjenten oder Handlers in die des Käufers; 
Summe der Waren, die in der Zeiteinheit (Jahr) ab- 
gejebt werden. Je mehr mit zunehmender Urbeits- 
teilung von den Cinjelwirtidhaften nur bejtinunte 
Waren erzeugt, je ausgedehnter die Vertehrsqebiete 
und je vielfaltiger die wirtſchaftlichen Beziehungen 
und die Bediirfnijje werden, um fo ausgedehnter wird 
der U. Freilid) wächſt damit fiir die etngelnen Pro— 
—— auch die Schwierigleit, ihre Produktion in 

bereinſtimmung zu halten mit den Bedürfniſſen, 
bez. mit Der Zahlungsfähigleit der Konſumenten. Es 
tritt leicht Uberproduftion und damit Abſatzſt ockun— 
gen und Abſatzkriſen (jf. d.) ein. 

Abſatzgenoſſenſchaften, Genoſſenſchaften (ſ. d.), 
die Den Abſatz von ‘Brodulten oder gewerblichen Er— 
zeugniſſen der Mitglieder vermitteln. 

Ubjagtrijen nennt man mehr oder weniger um- 
fangreiche Stodungen des Abſatzes von Waren, die 
auf bem Martte Ribtbare Störungen hervorrufen. 
Ihre Entitehung wird durd größere Uusdehnung der 
Urbeitsteilung und des Marktgebiets gefordert, da 
fie burd) cin unvorbergefehenes oder infolge falfder 
Spefulation hervorgerufenes Mißverhältnis zwiſchen 
Vorrat und Bedarf (Uberproduftion) bedingt it. Fast 
man den Begriff im engern Sinne, ſo ſind A. als 

leichartig mnt den Handelskriſen (ſ. d.) anzuſehen. 
n weiterm Sinne ſpricht man jedoch ſchon von A., 
wenn entweder 1) eine Überfüllung des Marktes mit 
einzelnen Waren cintritt, die fiir dieſe ein Zurückgehen 
der Preiſe fowie eine Geſchäftsſtockung in den betref- 
fenden Broduftions- und Handelszweigen zur Folge 


51 


Enthält die Flüſſigleit geldjtes Eiweiß, fo gerinnt dies 
beim Sieden und ſchließt dabei in der Flüſſigkeit ent⸗ 
haltene ungelöſte Subſtanzen ein. In beiden Fällen 
tritt mit Dem YL. eine Klärung der Flüſſigkeit ein, und 
um folde gu erreichen, fest man der J wohl 
Eiweiß zu und kocht auf. 

Abſchelferung, ſ. Abſchuppung. 

Abſcheren, die Abweichung eines geſchleppten 
Bootes aus der Richtung des —9— Schiffes; 
durch Legen des Ruders iſt das A. beliebig zu regeln. 

Abfden, ſ. Hak. terrecht. 

Abſchichtung (Abſonderung), ſ. Eheliches Gü— 

Abſchied, die Entlaſſung aus dem Dienſt oder 
Amt und die Beſcheinigung einer ſolchen Entlaſſung, 
j- B. bei Militärs (ſ. Offizier). — Yin frühern Deut- 
ſchen Reiche bezeichnete man mit Reichsabſchied 
(recessus imperii) die vom Kaiſer genehmigten und 
bet der jeweiligen Entlaſſung des Reichstags vertiin- 
deten Beſchlüſſe des Reichstags. Seitdem der Reichs— 
tag permanent in Regensburg tagte, fam diefe Ein— 
— in Wegfall; ber lebte, fo en. jiingjteRetds- 
abjdied datiert von 1654. Die bejte dronologi- 
ide Zujammenjtellung der deutſchen Reichsabſchiede 
ijt von Sendenberg und Schmauß (Franff. a. M. 
1747, 4 Bde.). Die Cinridtung eines folden Wb- 
ſchiedes ijt aud) in mandjen deutſchen Einzelſtaaten 
adoptiert und bis auf die Gegenwart beibehalten wor- 
den, wenigitens infofern, als am Schluß der Seſſion 
des Landtags ein Landtagsabjdied publiziert 
wird, der, wie 3. B. in Bayern, cine Zuſammen— 
jtellung der mit Dem Landtag vereinbarten (»verab- 
fchiedeten«) Gefese und den Staatshaushaltsetat ent- 
halt. In England vertritt das Parlamentsjtatut, 
weldjeS einen wortliden Abdruck aller Gejese und 
Beſchlüſſe, aud) der ſchon publizierten, in etner einzi⸗ 
ar Alte nodmals zuſammenfaßt, die Stelle eines 

bichiedes. Endlich bedeutet A. aud) Abſchoß (7. d.). 

Abſchlag, foviel wie Preisverminderung; dann 


hat, ohne dak weitere Kreife in Mitleidenſchaft gejogen | aud) foviel wie Ausſchlag (ſ. d.) oder jtilles Gutgewidt 
werden (fpegielle U.); oder 2) wenn eingelne Gebtete | (j.d.); in Metallgtepereien die abgetrennten Guß— 


durd) Verfehrsjtirungen am ordnungsgemäßen Wb- 
fas ihrer Waren gehindert find, letztere ſich deshalb 
aufitauen, wodurd) rein drtlide Preisfentungen und 
Gejdhaftsjtodungen entjtehen (lofale A.). Ste treten 
leicht cin infolge von BVertehrsunterbredhungen, 3. B. 
bei Kriegen, rafd) cintretenden Zollerhohungen x. 

Ubfagpreffe u. -—Wusglasmafdine, — Schuh. 

Abſäugen, ſ. Veredelung. 

Abſcedieren, Abſcefi, — Abſzedieren rc. 

Abſchatz, Hans Upmann, Freiherr von, 
Dichter der zweiten ſchleſiſchen Schule, geb. 4. Febr. 
1646 ju Würbitz im Liegnitziſchen, geſt. 22. Wpril 1699, 
jtudierte in Strahburg und Leiden, bereijte Holland, 
Frankreich und Stalien und ward nad) jeiner Riid- 
kehr gum Landesbejtallten und BVertreter des Fiirjten- 
tums Liegnitz bet den Breslauer Fürſtentagen ernannt. 
U. iibertrug Guarinis »Pastor fido« und traf in fei- 
nen cignen Gedidten und Spriiden gelegentlic) einen 

infadjen und voltstiimlidjen Ton. Seine » Roetijden 

berjefungen und Gedidte« erfchienen Leipzig 1704, 
cine Uuswahl in W. Müllers ⸗Bibliothek deutjder 
Riaffiter de 17. Jahrhunderts<, Bd. 6 (daj. 1824). 

Abfdhagung, |. Taration. 

Abſchaãnmen, den an der Oberfläche einer fiedenden 
Flüſſigkeit fidh bildenden Schaum entfernen. Legterer 
entiteht gum Teil dadurch, daß in der Flüſſigkeit ent- 
haltene * Teilchen feſter Körper zur Bildung von 
Dampfbläschen Veranlaſſung geben, die an die Ober— 
fläche jteigen und dabei jene Teilchen mit emporheben. 


| nabte und Guptdpfe; in der Miingted nif die Ab— 


driide tief gravierter Stempel auf weichem Metall zur 
Veurteilung der Stempel oder fiir Sammlungen als 
Wbbilder alter Stempel. 

Abſchlagen, Segel von den Raaen oder Gajfeln 
ablijen. Wis Jägerausdruck ſ. Ablämpfen. 

— — — ſ. Altie und Abſchlagsver— 
teilung. 

Abſchlagsverteilung, die nach der deutſchen 
Konkursordnung, § 149, 4 oft bare Mafje vorhanden 
ijt, vorgunehmende vorläufige Vericilung. Die dabei 
bezahlten ——*— werden Abſchlagsdividende 
genannt. Vgl. Verteilungsverfahren. 

Abſchlagszahluug (Stitdsahlung, Teil— 
zahlung), die zur teilweiſen Tilgung einer Schuld 
geleiſtete Zahlung. Jede Zahlung hat, wie überhaupt 
jede Leiſtung, die aus einem Schuldverhältnis zu be- 
wirfen ijt, jo gu geſchehen, daß der Gegenjtand der 
Forderung gang geleijtet wird. Der Schuldner ijt, 
wenn eS ſich nicht um verſchiedene, Durd) das Schuld- 
verhältnis begriindete felbjtindige Forderungen han- 
delt, gu Teiljahlungen nidt beredtigt (Ditrgerlides 
Gefesbud), § 266). Wusnahmen find fiir Wedbdjel- 
ſchulden (Wedjelordnung, Urtifel 38 u. 98), beim Teil- 
urteil (Zivilprozeßordnung, § 401), bei der Aufrech⸗ 
nung (Biirgerlides Gefegbud), § 389), bei der 
Ubidlagsverteitung im Sonfurs (Konfursordnung, 
§ 149) und im Zwangsvollſtreckungsverfahren (Yt 
vilprosepordnung, § 757) vorgefehen. Abſchlagszah⸗ 

4* 


~ 


52 


lungen finnen übrigens aud beliebig vereinbart 
werden; vgl. Abzahlungsgeſchäfte. 

Abſchlingern, Abbrechen der Majten durd jtartes 
Schwanten (Sdlingern) des Sdhiffes. 

Abſchluß, als Börſenausdruck die feſte, verbind- 
liche Zuſage ju einem Geſchäft, feſte Bejtellung. Uber 
A. der Buͤcher vgl. Budhaltung. 

AbjfHhlufprifung, Bezeichnung der mit den Lehr- 
planen vom 6. Jan. 1892 m Preußen neu eingefiihr- 
ten Briifung nad dem 6. Jabrqang der neunjtufigen 
höhern Schulen. Sie ijt Durd foniglidjen Erlaß vom 
26. Nov. 1900 aufqeboben. 

Abſchmatzen, |. Bodenmelioration. 

Abſchmelzſicherung, ſ. Bleiſicherung. 

Abſchmiegen, dic Kante eines Gegenſtandes ab- 
ſchrägen, ſo daß eine ſchräge Fläche entſteht. 

Abſchneiden, einem Heeresteil den Rückzug ver— 
legen. YU. bei Beſichtigungen, das Glücken der Vor— 
jtellung, »gut oder fdjlecht « a. — Sid a. ſagt manvom 
Hunde, der den Riemen, an dem er befeftigt tit, zerbeißt. 

Abſchnitt (Seqment), cin Teil emer Linie, einer 
ebenen Fläche oder eines Körpers. Ym erjten Fall 
wird er durch zwei Punkte 3 im zweiten durch 
eine gerade Linie und durch den Rand der Fläche, im 
dritten durch eine Ebene und ein Stück der Oberfläche 
des Körpers. Uber den Kreisabſchnitt vgl. Kreis. — 
Jn der Geländekunde ein durch natiirlide (Ge— 
wäſſer, Höhen 2.) oder fiinjtlide Hindernijje zur Ver- 
teidiqung geeigneter Geldndeteil. Bei Befejtiqun- 
gen werden Ubfdnitte meijt hinter der Hauptvertei— 
Digungslinie hergeftellt, um das Feſtſetzen und ſchnelle 
Uusbreiten des Ungreifers yu hindern. Abſchnitte in 
den Minen find Quermauern mit eifernen Türen, 
durch die fid) die Mannſchaft vor dem Rontermineur 
zurückzieht. — Uber A. bei We ieren vgl. Uppoint. 

Ab duiiren, eine gerade Linie mittels einer ge- 
jpannten Sdnur herjtellen, indemt man Die mit Krerde 
oder Stohlenpulver gefärbte Schnur anzieht und gegen 
die feite Unterlage (Balfen rc.) ſchlagen läßt. 

Abſchöpfgerſte, ſ. Mal;. 

Abſchoſj Abſchied, Freigeld, Weglaſſung, 
Detractus), eine Abgabe, die von in fremdes Gebiet 
übergehendem Vermögen erhoben wird. Der A. fam 
in zwei Formen vor: 1) als Erbſchaftsgeld (de- 
tractus realis, census hereditarius, gabella heredi- 
taria, quindena), das von an Ausländer fallen- 
den Erbjdhaften und Schenkungen ju entridten war; 
2) als Ubfabrts-, Abzugsgeld, Nachſteuer 
(detractus personalis, gabella emigrationis), die 
von Auswanderern nad der Höhe des von ihnen weg: | 
gefithrten Vermögens erhoben wurde. Diefelbe wur- | 
zelte in den friibern Leibeigenſchaftsverhältniſſen und 
der durch dieſelben bedingtin Redtsgejtaltung. Im 
Verkehr zwiſchen deutiden Landern wurden beide Ub- | 
qabenarten durch die deutſche Bundesakte aufgeboben, | 
und gwar ohne Entſchädigung, aud) wo Private zur 
Erhebung berechtigt waren. An Preujen wurde 1822 
beitimmt, daß gegen andre Staaten, in denen das 
jus detractus nidt mehr zur Anwendung fomme, | 
fortan weder A. nod Abfahrtsgeld erhoben werden | 
jolle. Rady der Verfaffungsurfunde von 1850 ijt die | 
Erhebung von Abzugsgeldern iiberhaupt nidt mehr | 
zuläſſig. Aber aud im BVerfehr zwiſchen andern Län— | 
Dern find fie metit Durch internationale Bereinbarun- 
gen befeitiqt. Das Erbſchaftsgeld wird allerdings 
entricdtet, jofern die Steuer nad) Maßgabe der Ge- 
ſetzgebung fiber die Erbſchaftsſteuern (ſ. d.) aud von 
einheimiichen Erben gu entrichten ijt. Qin tibrigen 
triigt Der A. mehr ben Charatter der Retorjion. 








Abſchlingern — Abſchuppung. 


Abſchrägen, ſoviel wie Abſchmiegen. 

Abſch 1, heiße Gegenſtände in kaltes Waſſer 
tauchen oder falte Flüſſigleiten zu heißen gießen. 

Abſchreckungstheorie, die Strafrechtstheorie 
(f. d.) nach der durch Den Strafvollzug andre von der 
Begehung von Straftaten abgehalten werden follen. 

bſchreiben von Schriftſtuͤcken gilt als mechaniſche 
Vervielfiiltiqung, wenn beſtimmt, den Dru zu ver- 
treten (vgl. Urbeberredjt und Naddrud). S. aud 
Abſchrift. 

Abſchreibung, in der Buchhaltung die Verringe— 
tung des Soll eines Konto, wie z. B. bei der Ausfuhr 
fontterter Waren (ſ. Kontieren); dann die Berichti— 
qung oder Rijtornicrung eines unrichtig ein etragenen 
Rojtens (vgl. Rijtorno); ferner die im Verzeichnis 
des Ynventars (j. d.) einer Unternehmung vorzuneh⸗ 
mende Verminderung, die im Rapitalwert durch Ab— 
nugung oder aud) durch allgemeine Entwertung cin- 
qetreten ijt. In der Bilanz erfolgt die UW. entweder 
it der Urt, dak die betreffenden Summen auf der 
Altivſeite vermindert werden, oder, was sur Beurtei- 
lung des Ganges der Unternehmung zweckmäßiger tit, 
es bleiben die Anſchaffungsſummen auf der VWhtiv- 
jeite unverändert, und es werden denſelben die Ab— 
ſchreibungen unter den Paſſiven gegenübergeſtellt. Die 
YU. kommt namentlid) bei folden Unternehmungen 
vor, in denen grofe fire Rapitalien in Form von Ge 
bauden, Wafdinen rc. verwendet werden. Die Ab— 
nutzungen derfelben gehören unter die often der 
Produftion. Deshalb mu, wenn lestere eine nad: 
haltige fein foll, jeweilig aus Dem Ertrag der Unter: 
nehmung eine der A. entipredende Summe verfügbar 
fein, um nad vollſtändiger Abnutzung die erforder- 
lichen Erneuerungen vornehmen zu fonnen (Erneue- 
rungSfonds). Cin folder Fonds wird allerdings nidjt 
formell ausgejdieden. Seine rechnungsmäßige Be- 
riidjidtigung foll cine Gewähr fiir ridtige Gefhafts- 
fiihrung ſowie bei gefellidjaftliden Unternehmungen, 
wo Teilungen und Auseinanderſetzungen in Frage 
fommen, aud) dafiir bieten, daß als Dividenden nidt 
Summen verteilt werden, die feine Gewinne find. 
Aus dem erwabnten Grunde nennt man in über— 
tragener Bedeutung die A. aud) mitunter Umorti- 
jation (j. D.). — UW. heißt aud) die im Grundbud 
(f.d.) angugebende Trennung des Teiles eines Grund: 
jtiids von einem cingetragenen Wrunbdjtiid bei einer 
—— dieſes Teiles mit einem Rechte. Der Teil 
iſt als ſelbſtändiges Grundſtück einzutragen. Die A. 
fann unter Umſtänden unterbleiben (Reichsgrund— 
budordnung, § 6). 

Abſchrift (NK opie), Urfunde, die den Inhalt einer 
andern wiedergibt. Wan unterjdetdet tm rechtlichen 
Verkehr swifden der cinfachen und der beqlaubigten 
A., Die mit Dem Zeugnis der Ubereinjtimmung mit 
der Urſchrift feitens einer hierzu ermächtigten Behörde 
oder ſonſtigen Berfon verſehen ijt (ſ. Ropie). Zum 
Beweis durd) Urfunden (f. d.) diirfen Abſchriften 
regelmäßig nicht verwertet werden. Dod) macht die 
deutſche Zivilprozeßordnung (§ 435) cine Uusnahme 
mit beqlaubigten Abſchriften bf fen tlic) er Urtunden. 
Bal. Ausfertigung. 

— Schmieden. 

Abſchuppung (Abſchelferung, Deſquama— 
tion), ungewöhnlich reichliche Abſonderung der ver- 
hornten Zellen des Oberhäuichens (der Epidermis) 
von ihrer Unterlage, und zwar in Form kleiner 
Schüppchen, als mebhl- oder lleienartiger Staub oder 
in größern Fetzen. Meiſt erfolgt A. nad Entzündung 
der äußern Haut und reichlicherer Produktion von 


Abſchuß — Abfolut. 


Epidermiszellen, z. B. nach Scharlach, Maſern, Roſe, 
Verbrennungen. In andern Fällen beſteht eine we— 
nig auffallende Hautentzündung noch während der 
A. fort, und oft iſt die J das einzige Zeichen, daß 
überhaupt eine entzündliche Ernährungsſtörung in 
der ãäußern Haut beſteht, z. B. bei der ſogen. Pityria⸗ 
ſis, manchen Formen von Pſoriaſis, bei Syphilis ꝛc. 
Auch bei Schwindſucht und Krebslachexie, wo die Haut 
welf und trocen ijt, findet jtirfere und ſehr verbrei- 
tete UW. ſtatt. Oft läßt ſich chronifde UW. belämpfen 
durch ——————— Vaſelin und öfteres Abwaſchen 
mit lauwarmem Waſſer. Meiſtens aber ſchwindet die 
A. erſt nach Heilung des Hautübels. 

Abſchuf, die Menge Wild, die bet einer nachhal⸗ 
tigen Jagdwirtſchaft jabrlicd) erlegt werden fann oder 
foll. Man ſchießt, fofern nicht cine Vergrdferung oder 
Verringerung de3 Wildſtandes beabjidtigt wird, fo 
vicl Wild ab, wie der jährliche Zuwachs unter VBeriid- 





fichtigung des natiirliden Abganges durch Kranfheit 
und Raubzeug betriigt. [tiere (jf. D.). 
au tiffige (Devexa), Girajfen, Familie der Huf- 

Mb + ois ha Ubergang der Linie in eine gedjf- 
nete Rolonne, wobei die Marſchrichtung durd eine 
Viertelſchwenkung der Unterabteilungen nad der 
Flanke verleqt wird. 

Abſchwörung (lat. Uhjuration), cidlide Ver— 
neinung einer —— auch bisweilen eidliche Re— 
nunziation, d. h. Verzichtleiſtung auf cin Recht; im eng: 
liſchen Geridtswejen der Schwur eines Berbreders, 
binnen beſtimmter Zeit bas Land gu verlaſſen. Ab— 
ſchwörungs- oder Ubjurationseid (oath of ab- 
juration), der feit Wilhelm IL. in England von den 
Beamten geleijtete Eid auf Unerfennung der ftaats- 
rechtlich feſtgeſtellten Erbfolge in der Regierung und 
auf Vermeidung ciner jeden Vorjdubleijtung fiir die 
Nachkommen der Stuarts. Der 1709 der irijden 
fatholifchen Geijtlicdfeit auferlegte Abſchwörungseid 
wurde 1868 beſeitigt. — A. der frithern Ketzerei ver- 
langt Die fatholifde Kirche heute nod von allen nidt 
fatholifden Chrijten, die zur katholiſchen Kirche über— 

Abſciſſe, ſ. Abſziſſe. [treten. 

AbSsdorf, Dorf in Niederöſterreich, Bezirksh. 
Tulln, Knotenpunkt an der Staatsbahnlinie Bien. 
Gmuünd, mit (890) 1075 Einw. 

Abſegeln, im Segeliport die letzte gemeinſchaft⸗ 
liche Seglerfabrt des Jahres. 

Abfehen, j. Aufnahme, topographifde. 

Wbfeigern, ſ. Seigern. 

Abjender, j. Adreſſat. 

Abjengen, ſ. Uppretur. 

Abſenker, foviel wie Wbleger. 

Abſent (lat.), abwefend. Das Abſent, in Bayern 
der Teil des Bfarreinfommens, den ein rejiqnieren: | 
Der Pfarrer fid) vorbehalt als cine vom Nadfolger | 
an ign gu zahlende Benjion. Whfententijte, Ber: | 

eichnis der Fehlenden. Abſentation, UWbjentierung, | 
ntweidjung; ſich abfentieren, fic) wegbegeben. 

Abſentismus (engl. absenteeism, fpr. -ti-ism, v. 
absent, abtwejend), die gewohnheitsmäßige Ubwefen: | 
Heit der Großgrundbeſitzer von ihren Bejigungen. Er | 
wirtt wirtſchaftlich und ſozial in hohem Maße ſchäd⸗ 
lich. Die Verwaltung und Bewirtſchaftung des Gutes 
bleibt hier Wdminijtratoren und Pachtern überlaſſen. 
Bei Verpadtung in vielen fleinen Parzellen ſchieben | 
ſich Zwiſchenpachter, Generalpadter oder Ugenten ein, 
bie Dem Beſitzer den Berfehr mit Badtern und aud 
dad Rififo des Pachtbezugs abnehmen, aber die Meine | 
padter oft in rückſichtsloſer Weiſe bedriiden. Der | 
Cigentiimer ijt lediglich Rentner, der ſich aller Pflich 





u. feidenen Waren zur Anwendung. 


53 


ten, die mit dem Beſitz verbunden find (Hebung der 
landwirtſchaftlichen Technif, Teilnahme an den öf— 
fentlidjen Ungeleqenheiten xc.) entſchlägt. Bejonders 
ſchlimm find die Zujtinde Dann, wenn der Groß— 
ee die Rente im Ausland verzehrt. Das 

ort A. jtanumt aus Irland, wo die Halfte bis drei 
Viertel des Bodens Englindern gehört, die nidt in 
Irland wohnen, aber alljährlich mehrere Hundert 
Millionen Mart Rente aus Irland bejiehen. Auch 
beim ruſſiſchen Adel ijt der A. häufig, weit jeltener 
in Deutfdland, wo in den fieben öſtlichen Provinzen 
Preußens, dem Gebiete de3 Großgrundbeſitzes, nur 


(14,4 Proz. aller Cigentiimer nicht auf ihren Giitern 


wohnen. Der W. fann iibrigens aud) beim Fleinen 
und mittlern Bejig da vorfontmen, wo ſich das ſtädti— 
ide Rapital cines großen Teiles des Landes bemiich- 
tigt hat und es durch Verpachtung nutzbar madt, fo 
in Stalien, Spanien, Frankreich, Nordamerifa, aud 
in einigen Teilen Wejtdeutfdlands. Die gegen den 
U. vorgeidlagenen Mittel: Erhebung von Abſenz— 
eldern, ergwungene Reſidenz u. dgl., diirften ſchwer— 
id) zum Ziele fiihren. 
bſenz (lat.), Whwefenheit (j. d.), Verjaumnis. 
Abſenzgelder haben die Domberren ju entridten, 
wenn jie während ihrer Reſidenzzeit einzelne Tage 

Wbfewdod, ſ. Doct. [abwejend find. 

Abfesen (Abſpenen), das Entwobhnen der fau- 
genden Jungen von der Muttermild und Gewöhnen 
an andre Nahrungsmittel. Fohlen werden abgefest 
nad) 12—18, Efel nad 12—20, Schladtfalber nad) 
3 Aufzuchtkälber nad) 8—16, Lämmer nad 14— 
16, Scladtferfel nad) 3—4, Zuchtferkel nad 6—9, 
Riper: nad) 6—10 Woden. 

Abſetzende Riper, Gewedc, bei denen der Roper 
nur fleine Gratſtücke bildet und dann 
unt einen Teil hiher oder tiefer be- 
ginnt (ſ. Abbildung). Diefe Webart 
lommt in baumwollenen, wollenen 





Mbfegenbe 
Riper. 


Abfieden, foviel wie Abkochen. 

Abſinken, bergmänniſch, foviel wie Wbteufen. 

Abſinth (Extrait d'absinthe), aus Wermut mit 
Unis und Bejtandteilen der Genippifrauter, wie Ar- 
temesia mutellina, spicata, glacialis, rupestris, be- 
reiteter grünlicher jtarfer Schnaps mit 55 Vol.Proz. 
Alkohol, der vorzüglich in Frankreich, meiſt mit Waſſer 
vermiſcht, genofjen wird. tibermipiger Genuß erzeugt 
bis gu Rrampfen fic fteigernde Nervenreizung mit 
fpaterer Lähmung (Whfinthismus). Die Stunde 
deS Ubjinths (l'heure de l'absinthe), in Baris 
die Beit von 4—6 Uhr nadmittags. Seit Wlfred 
De Muſſet heißt der YW. in Baris Muse verte, weil er 
die mangelnde Begeijterung erſetzen foll. Bal. Mag— 
nan, De l’alcoolisme (Bar. 1874), und cine Thefe 
von Leonidoff (Lille 1896), 

Abſfis (Abſide), ſ. Upfis. ſſei fern; ſ. Omen. 

Absit omen (lat.), cine ſchlimme Vorbedeutung 

Abſolũt (lat.), wörtlich ſoviel wie vollendet, ab- 
geſchloſſen. In abgeleiteter Bedeutung heißt a. (im 
Gegenſatze ju relativ, ſ. d.) dasjenige, was in keiner 
Weiſe eingeſchränkt oder bedingt it. Die Einſchrän— 
fungen und Bedingungen, die betm Abſoluten weg— 
fallen, können entweder nur gedadte oder auch wirk— 
lich bejtehende fein, und je nachdem hat aud) das Ab— 
folute felbjt cine zweifache (cine bloß logiſche oder eine 
reale) Bedeutung. So wird bei der abjoluten Majoritit 
von der Vergleichung der betreffenden Stimmenzahl 
mit den eingelnen Minoritäten, beim abjoluten Gewidt 
von ber Vergleichung deSfelben mit dem Rauminhalt 


54 


des Körpers abgefehen ꝛc.; dagegen bedeutet abjolute 
Herrſchaft die in ihrer Ausübung durch nichts einge- 
ſchränkte Herrſchaft, abſolute Harte den Härtegrad, 
der jede Zuſammendrückung, abſolute Genauigkeit 
die, die jeden Fehler ausſchließt; das abſolute (radi— 
fale) Boje ijt das Böſe in voller Ausſchließlichkeit und 
im höchſten Grad; abjolute Utome find die unter 
allen Umſtänden unteilbaren Bejtandteile der Materie ; 
abjolutes Wefen (absolutes Sein, abfolute Subjtan;) 
ijt cin infeinem Dajein von feinem andern abhängiges 
Wejen. Jn der Wirklichkeit fommt cin Wbfolutes 
wegen der Endlidfeit und Bedingtheit aller Dinge 
natiirlid) nirgends vor, dod) ſtellt Der Begriff desſelben 
cin notwendiges Ideal der menfdliden Vernunft dar, 
die fiberall vom Endlichen und Vedingten jum Un- 
endliden und Unbedingten jtrebt, wenn es ihr aud 
niemals gelingt, von dieſem ausgehend jenes ju be- 

reifen, wie der Migerfolg der das Ubfolute an den 

nfang ftellenden metaphyfifden Syiteme eines Spi- 
moja. Schelling, Hegel u. a. beweiſt. Bol. Metaphyfit. 

bfolute tigfeit, ſ. Luftfeuchtigleit. 

Abſolute ſik, die Muſik an ſich, ohne Be— 
ziehung zu andern Künſten oder zu irgend welchen 
außer ihr liegenden Vorſtellungsobjelten, im Gegen— 
ſatze zur »malenden« oder »Ddarjtellenden« und zur 
Seoprammmuit «. 

A —5* Nullpunkt, ſ. Temperatur. 

Abſolutes MRulturiand, Bodenfläche, die ſich 
nach Beſchaffenheit und Lage nur für eine beſtimmte 
Kulturart eignet, abſolutes Uder-, Weide-, Wieſenland. 

Abſolutes Maſtſyſtem, ſ. Maßſyſtem, abſolutes. 

Abſolution (lat.), Frei-, Losſprechung, insbeſ. 
das am Schluß einer Haupwerhandlung öffentlich 
ergehende richterliche Erkenntnis (absolutorium de- 
cretum), wodurch in bürgerlichen Rechtsſtreitigkeiten 
der Kläger mit der erhobenen Klage abgewieſen und 
in Strafſachen der Angeklagte von der gegen ihn ge— 
richteten Anklage freigeſprochen wird (ſ. Ab instantia 
abjolvieren). — In der Kirchenſprache bezeichnet A. 
die Losſprechung von kirchlicher und göttlicher Strafe 
nad abgelegter Beichte (ſ. d.). 

Wbfolutismus (lat.), dicjeniqe monarchiſche Re 
gierungsform, bet welder der Herrider unumſchränkt 
tit. Die Berfrperung des A. auf dem Throne war 
Ludwig XIV. von Frankreich. Den Gegenias zur 
abjoluten bildet die fonjtitutionelle Monardic. Erjtere 
ijt in Europa mit Ausnahme von Rußland und der 
Türkei befeitiqt. Uber StaatSabfolutismus f. d. 

Abſolutiften, in der Politik die Anhänger und 
Verfechter der unumſchränkten Gewalt des Herricders 


lutismus); in religidfer Hinfidht die Anhänger der 
Lehre von dem Decretum absolutaum oder Dem un 
bedingten Ratſchluß Gottes fiber die Menſchen, nad 
dem er von Ewigleit die cinen zur Seliqfeit, die an 
dern jur Verdammnis beftimmt haben Poll (Calving 
Lehre; vgl. Bradeftination). 

Ubfolutorinm (lat.), die in gehöriger Form und 
bon Der zuſtändigen Behörde nad vorausgeqangener 
Priifung ausgeiprodene Befreiung von einer Ber 
bindlichfeit, Verantwortung oder von einem Anſpruch 
(befonders im Rechnungsweſen). Bal. aud Abſolu 
tion u. Decharge. VW. oder Ubfolutorialpriifung 
auch foviel wie Reifepriifung. 

Ubfolvieren (lat.), frei-, losſprechen; vollenden, 
abfertigen, beenDdigen. 

Absonderung(naturwiffenfdaftlid). 1) An 
Der Geologie (hrerju Tafel »Wbfonderung der maj 
figen Gefteine<) die Serfliiftung oder Trennung der 








Abjolute Feudtigteit — Abjonderung. 


Geſteinsmaſſen, wie fie ſowohl bei den geſchichteten 
(f. Schichtung) als bei den maffigen Gejteinen auftritt. 
Bei den erjtern ift die A. teils durch die Urt threr 
Entjtehung (jf. Gefteine) bedingt, teil eine Folge Des 
{pitern Austrocknens der aus dem Wafer abgeſetzten 
Lagen; bei den maffigen, aus feurig-flüſſigem Zu— 
jtand erjtarrten Gefteinen bat fie fid) bei Dem Erjtar- 
ren Dderfelben gebildet, wobei es aber nod) unentſchie⸗ 
dent ijt, ob durch Kontraktion, welde die Silikatgeſteine 
bet dem Übergang aus dem fliiffigen in den fejten 
Aggregatzuſtand erfabren haben mögen, oder, wie 
mande Geologen glauben (vgl. Lang, Parallel fafe- 
rung und Sdulenabjonderung, Stuttg. 1875), infolge 
des innern Druds, der fic) bei der Verfeftiqung und 
Der dabei ftattgefundenen Volumenvergrdferung der 
Sililatgeſteine in dieſen entwidelt haben müſſe. (Wa- 
heres j. Lert auf Riicfeite der beifolgenden Tafel.) — 
2) Jn der Mineralogie ungebriudlider Name 
fiir Sefretion (ſ. Ronfretionen und WMandeljtein). 

3) Im Pflanzenreich find unter den Organen 
des Ubfonderungsgewebes Driijen, gangfodr- 
mige, mit abjondernden Hellen (Sefretionszellen) aus- 
getleidete Hohllanäle (Sefretqdnge) und Extretbebal- 
ter, d. h. einzelne oder zu Gruppen vereinigte, mit be- 
ſtimmten Stoffen angefiillte Sellen, gu unterſcheiden. 
Die Driifen treten auf der Oberfläche der Pflanzen 
(Gautdrüſen) oder tm innern Gewebe derſelben 
(innere Driifen) auf; im erjtern Fall erſcheinen 
jie als flebrige Hautflächen des Stengels, 3. B. bei 
Viscaria, der dann als Leimrute fiir auftriechhende 
Inſekten dient, oder fie bilden auf den Zähnen der 
Laubblitter im Knoſpenzuſtand engbeqrengte Flecke, 
deren A. Die jungen Snofpenteile mit einem ſchützenden 
UÜberzug verſieht. Oft entitehen durch haarförmige 
Ausſackungen der Oberhautzellen ſehr verſchieden ge- 
ſtaltete Drüſenhaare, Zotten oder Schuppen, die teils 
klebrige oder zuckerhaltige Stoffe, teils ätheriſche Ole 
abſondern. Der Geruch vieler Pflanzenteile verdankt 
derartigen Drüſen ſeine Entſtehung. Die als Leim— 
zotten (Rolleteren) bezeichneten Drüſen der 
Knoſpenſchuppen überziehen dieſelben mit einer 
Schleim-, Harz- oder Gummiſchicht und ſchützen die 
zarten, eingeſchloſſenen Blattteile dadurch vor dem 
Einfluß der Kälte oder der Verdunſtung. Zucker— 
abſondernde Drüſen bilden Wnlodungsmittel für In— 
jeften; beſonders die innerhalb der Blüten ange- 
bradten, honigabjondernden Stellen, die Neftarien 
(jf. d.), find von grofer Bedeutung fiir die Blüten⸗ 
bejtiubung (f. d.); dod) kommen auch außerhalb der 


Blüuͤte ftebende Honigdriifen vor. Die Driifen der 
im Gegenfage zu den Ronjtitutionellen (vgl. Abſo— 





inſektenfreſſenden Pflanzen⸗ (f. d.) beſitzen beſondere 
Einrichtungen zum Fang und zur Verdauung kleiner 
Tiere. Die Spitzen mancher Laubblatter, z. B. von 
Calla aethiopica, die Blattzähne von Fuchsia u. a. 
fondern Waffer in Tropfenform ab; in der Regel tritt 
hierbet das Wafer aus Wafferfpalten, d. h. 
grofen, nicht luftfiibrenden Spaltijfnungen, aus. 

ud) Der Honig mandjer Neftarien wird durch Spalt- 
djinungen (Saftventile) ausgefdieden. Whnliche 
Bildungen find aud) die falfabfondernden Drüſen bei 
manden Yrten von Saxifraga. Die innern Driifen 
jondern in der Regel ätheriſche Ole oder Harz ab und 
jinden fic) häufig in lederartigen Blättern fowie in 
der Schale vicler aromatiſcher —2 Die ſchlauch— 
förmigen Sekretionsorgane Gekretſchläuche) 
bilden im Innern der Pflanze blind endende, iſolierte 
oder netzartig zuſammenhängende Röhren, deren 
Wand von den Sekretionszellen umgeben wird, und 
die Harz, OL, Schleim oder Gummi enthalten. Sehr 


Absonderung der massigen Gesteine. 


— —— — . oT | 









x 

tr — 

CF ate ou NS OE ee 
Bacay ON ene 


| i 
= 


1. Kubische und plattige Absonderung des Granits (Wackel- 
stein). Madelstein im Riesengebirge. 


fi - a — 


| 2. Unregelmifpige siulen- und pfeilerférmige Absonde- 
rung. Porphyr bei Bozen. 








— — —— — aN . So Se. ——— 

5. Kugelig-schalige Absonderung. Melaphyr bei 6. Bankférmige und prismatische Absonderung. 
Winnweiler (Pfalz). Obsidian im Yellowstone National Park der 

Vereinigten Staaten. 






* 


7. Sdulen und Kugeln bei Basalt. Scheidskopf bei Remagen. 


Meyers Konv.-Lexikon, 6. Aufl. Bibliogr. Institut in Leipzig. Zum Artikel ,Absonderung’. 


Zur Tafel .Absondernng der massigen Gesteine*. 


Die Gesteine zeigen da, wo sie in ihrer ganzen Masxe 
der Keohachtang meginglich sind, aleo vorzuglich an 
stetlen Felawanden, in Waveserrissen, in Steinhrichen 
owl andern kinstlichen Anfschlassen, mehr oder we- 
niger dentliche Trennune-flichen, die den stetizen 
Zasammenhang des Gesteina onterbrerhen and das- 
aelbe in verachieden gestaltete Rérper zerlewen. Diese 
Trenmnangstlichen oder Absonderungstlichen sind ent- 
weder bereits wahrend der Bildung des (resteins ent- 
standen and entaprechen dann cinem [ntervall indem 
(jesteinsabentz oder einer Anderang in den Bedingun- 
gen, anter denen das Gesteinsmaterial sich xusam- 
menhanfte ‘man hezeiehmet sie dann gewhhnlich als 
Fugen, oler sie haben sich erst nach der Bildung 
dew Gesteins darch Schrampfang der Gesteinsmasse 
oder dorerh andre, von anfen her wirkende mechani- 
oche Vorginge nach and nach entwiekelt und werden 
dann Alufte genannt. Die Pagen «Schichtfugen, Ge- 
steinsfagen, sind Znsammensetzonesflichen, die fur 
die geacrhichteten (resteine (a. Geatrine und Schichk- 
tung, charakteristixeh sind. Die Klifte dagegen sind 
Trennangstlachen; sie sind entweder eine Folge der 
Zasarmmenvichang, welche die geachichteten Gesteine 
bei ihrer Anstrocknang oder die Fraptivgesteine bei 
ihrer Eretarrong erlitten haben, oder sie sind durch 
meechanivehe  froek-, Zag- oder Torsions-; Wirkun- 
gen entaianden and werden dann als soven. Diaklasen 
is. Lithoklasen, der ersten Art von Trennungstlachen, 
den Leptoklasen oder Absonderunqaflichen im engern 
Sinne des Wortes, vecventthergestellt. 

Man unteracheidet folgende Absondernngsformen : 
1) Die unregelmibig polyedrische Absonderang. Dic 
Cresteinamasee zerfallt durch die Zerkliftangstiachen 
in regellos g=staltete, vieleckige, meist seharfkantige 
Gesteinssticke, Diese Abeonderangsform findet sich 
sowoh] bei Sedimentgestcinen, wie Grauwacke, Kalk- 
stein, Quarzit, ala auch bei Eruptivgesteinen, wie 
firanit, Porphyr and Diahas, sehr verbreitet. 

2, Die sinlenfirmige Absonderung kommt beson- 
ders bei Eraplivgesteinen vor. Das Gestein zerfallt 
inlanter mehe oder weniger regelmabige, prismatische 
Teile, LAnve ond Doarchmesser der Siulen ist sehr ver- 
echieden, innerhalb derselben Gesteinsmasse aber ge- 
wohnlieh xiemlich gleich. Die Sanlen sind drei- und 
mehrmeitiz, am haufigsten sechs- and fiinfseilig: mei- 
stens sind sie gerade, selten gehogen, Sie stehen im 
allgemeinen senkrecht auf den Begrenzungs-, bez. 
Abkihlangsflichen: in (iingen sind sie wie Holz- 
acheite r-chiwinklig 2a dem Salband gelagert (s. Tafel 
Erosion, Fig. 205 in Decken oder Strémen stehen 
sle lotreeht; bei Kappen findet man cine meilerartige 
Grappierung (fig, 7)oder cin strahlen{ffirmiges Diver- 
gieren, Ot sind die Saalen auch noch quer (frana- 
vrreal) zerteilt; diex führt za kurzprismatisehen und 
bei Abrunduang der Kanten zu ellipseidischen und 
kageligen Abeenderangsformen (Kiasegrotte bei Bert- 
riche, Am schéneaten zeigt sich die Siulenabsenderung 
am Hasalt: die bekanntesten tnd grolartigsten Vor- 
kommnise von Saghenboealt in haropa sind dersegen. 
Rietendanm an der Nordkiiste der Grafsechaft Antrim 
anf Irland, die Insel Staffa mit der Fingalshthle 
(Fig.3), der Schecidskopf bei Remagen (F iq, 7), War- 


gotech bei Aussig, Seltener ist die sinlenfiirmige Ab- | 


vonderung bei dem Quarsporphyr, wo sie Uberginge 
in eine anregelmalig pfelen@rmige oder parallelepr- 
pediache geint (fig, 2), hei Obsidian (hig. 6), hel Tra- 
ehyt a. Tafel Adsteatalliungen HL, Fig.5), bei Diorit, 
Phonelithete, Auch Seclimentgesteine lassen, obschon 
viel seltener, eine Sdalenalsonderung erkennen, seo 
der tertidre Gips am Montmartre bei Paris, der Bant- 


sandstein bei Toalon, viele Toneisensteine : hesonders 
da, ¥o Sedimente mit Eruptivgesteinen in Beriihrung 
kommen, ist durch die starke Erhitzung und spatere 
Abkthlung und Zosammenziehang oft eine deutliche 
Sanlenabsonderang in jenen entstunden, z.B.im Bunt- 
semistein an der hlauen KRappe bei Eschwege und am 
Wildenstein bei Badinzgen, in der Braunkohle de 
Meiféner. Aach Gestellsteine von Hochdfen zerfallen 
nach einiger Zeit des Gebrauchs in sanlige Sticke. 

2 Die kugeiize Absonderung ist haufig mit der 
sainleniirmigen verknitpft (Fig. 7), tritt aber zuweilen 
erst bet der Verwitterung des (iesteins deatlich her- 
vor. Das Gestein erseheint dann aus lanter nub- bix 
metergroien Kageln zasammengesetzt, denen haufig 
ein konzentrisch-schaliger Ban zakommt, so daB sie 
schlieblich in zahlreiche, gwiebellGrmig sich umhal- 
lende Schalen zerfallen;Fig.35). Die Kugelabsonderang 
kommt hei Basalt, Melaphyr, Diabas and Mineite hau- 
fig vor, auch bei Porphyr und Granit; auch die perli- 
tische Struktur des Perlits s.d.) gehért in gewissem 
“inne hierher, Selten findet sich die kugelige A bsonde- 
rung bei Sedimentgesteinen ‘Sandstein, Granwacke). 

+. Die plattenformige Absonderung. im ganzender 
Sehichtung und Sechieferung sehr dhnlich. Das Ge- 
stein zerfallt in parallel gelagerte Platten von ver- 
echiedener Dicke; die Flachen der Platten sind meist 
eben, selten etwas gekriimmt ‘krummschalige Abson- 
derung:. Die Klifte liegen immer parallel der aubern 
Gesteinsgrenze, also bei horizontal ausgebreiteten 
Decken von Eraptivgesteinen horizontal, in Gangen 
parallel dem Salband, Haufig hangt die plattenfr- 
mige Absonderung mit ciner Parallel- oder Fluidal- 
struktur des Gestcins zusammen, Sie findet sich sehr 
oft bei Phonolith (Fig. 4) und Porphyr, aber auch bei 
Trachyt, Basalt; bei erstern zeigen die Platten zuwei- 
len so dinne Dimensionen (hiitterige Absonderung), 
daf sie zum Dachdecken verwendet werden koönnen. 
Besitzen die Platten, wie bei manchen Graniten | selte- 
ner bei Obsidian), griébere Dimensionen, und sind sie 


'insbesondere ziemlich dick im Verhiltnis ru ihrer 


Flachenausdehnung, so epricht man auch von einer 
bankformigen oder matratzenformigen Absonderung 
fPelg. fm, 6). 

5) Die kubische oder parallelepipedische, auch 
quaderférmige Absonderung jst bei Granit und Sand- 
stein sehr verbreitet und bedingt durch drei sich naheru 
rechtwinklig schneidende Klufisvsteme, Der Granit 
zerfalit haintig in deutlich kubisehe Blicke, die auch 
wohl mit dickhankig abgesonderten Gesteinsstiicken 
abweehseln und sich ehenso wie diese an den Ecken 
und Kanten randen kénnen: Uherginge indie kagelige 
Absonderung), wodurch das Ganze an aufeinonderge- 
schichtote Wollsicke erinnert ( Wollsackahsonderung). 
Zaweilen raht ein grefer, an den Kanten und Ecken 
gerundeter Block nur noch vuf ciner kleinen Basis 
auf, so dab er darch Siibe in Rewegung gesetzt wer- 
den kann (Waekelstein, Schaukelstein, Lottelfels, wa- 
eking stone, Fig. 1), Wenn Gesteine mit parallelepi- 
pedischer Absondernng bei fortschreitender Verwitte- 
rang zerfallen, entstehen an den Abhangen gern An- 
hiufungen von Blocken (Felecomeere, Teufelamtih- 
fen), wie sie viele Granit- und Dioritherge ( Brocken, 

tiesengchirge, Odenwald, Sehwarewald, Fichtel- 
gebirge; ubersiehen; sie haben oft die abenteuerlich- 
sten Hypothesen tber ihre so leicht erklarbare Ent- 
stehung wachgernfen, Bei den Sandsteinen kommt 
die quadersirmige Absonderung darch die Verbindung 
prismoatischer Absonderung mit den Schichtfugen, die 
das eine Klufisystem vertreten, zu stande ‘s. Tafel 
Erosion, Fig. 7, und Tafel Bergformen IT, Fig. 3). 


Abjonderung — Abſorption. 


verbreitet ſind unter andern die Harzgänge bei den 
Nadelhölzern, deren Blatter und Zweige in mannig— 
fachſter Art von ihnen durchzogen werden. Das aus- 
fließende Har; ſchützt bei Verlepungen die Wundjtellen 
vor Luftzutritt. In den Extretbehältern ſammeln 
ſich ebenfalls Auswurfſtoffe, in andern Fallen aud 
Baumaterialien der Pflanze an; fie enthalten Schleim 
(Sh leimbeh alter) bei den Rafteen, Malvazeen u.a., 
Har, oder OL Garz- und Olbehalter) bei den 
Ringiberageen, Piperazeen, Laurazeen, bet der Aloe, 
Gummi (Gummigdnge) bei Cyfadazeen, Sterfu- 
liazeen u. a., ferner Gerbſtoff ———— 
und endlich auch Kriſtalle von oxalſaurem Kalk 
EKriſtallſchläuche). Letzterer tritt in Form von 
quadratijden oder monoflinen Cinjelfrijtallen, als 
Kriſtallſand, in Bündeln flanger, nadelfirmig dinner 
Rrijtalle (Raphiden) oder in morgenjternartigen 
Drujen auf. Biologijd dienen Gerbjtojfe, Raphiden 
und andre Ertrete bei zahlreichen Pflanzen als Schutz⸗ 
mittel gegen Schnedenfraj. Stranfhafte W. find der 
Harzfluß (j. d.) und der Gum miflug (f. d.). 

4) Jn Der Phyſiologie verjteht man unter A. 
(Sefretion) die Bildung und Ausſcheidung von 
Flüſſigkeiten (Sefreten), fei es, daß dieſe Uusfdei- 
dung nad außen (Schweiß, Tränen) oder in eine der 
Körperhöhlen erfolgt (Magenfaft, Galle), Die W. von 
Blutbejtandteilen in die jerdfen Höhlen (Hergbeutel, 
Bauchhöhle rc.) hat man frither aud als Trans: 
judation, ihre Brodufte (Perifardial-, Bleura-, 
Peritonecalfliiffigtit) als Transfudate bezeichnet, 
indem man fic) voritellte, daß hier die Blutflüſſigkeit 
durch die Gefäßwände gewiſſermaßen hindurchſchwitze, 
filtriere oder diffundiere. Indes dürfte zwiſchen dieſen 
Abſonderungen und den eigentlichen Sekretionen ein 
prinzipieller Unterſchied nicht mehr anzuerkennen ſein. 
Die Abſonderungen im engern Sinn (Sekrete) ſind 
die Produlte beſonderer Abſonderungsapparate. Sie 
enthalten neben dem aus dem Blut ſtammenden 
Waſſer eigentümliche Stoffe, die ſich durch chemiſche 
Prozeſſe bilden. Letztere verlaufen oft unter Wärme— 
bildung in den abſondernden Zellen, die je nach der 
Art des Organs zur Bildung ſpezifiſcher Sekretſtoffe 
befähigt find. Ber gewiſſen Wbjonderungen, wie 3. B. 
in Den Geſchlechtsdrüſen, entitehen neue Formelemente 
(Ei und Samenfdrperden) als Umwandlungspro— 
bufte Der Driijengellen. Bet manden Sefreten gehen 
Die ſpezifiſchen Bejtandteile aus einem Zerfall von 
Driijenjellen hervor (Mild, Hauttalg ꝛc.). Die eine 
fachiten Ubjonderungsvorridtungen bilden die mit 
Blutfapillaren und emer einfachen Zellſchicht verſehe— 
nen ferdjen Haute, welche die oben erwähnten Hdhlen- 
jliiffigtetten liefern. In andern ijt die ſezernierende 
Fläche durch Einſtülpungen, in manden durch Aus— 
ſtülpungen vergrößert. Eine eingeſtülpte ſezernie— 
rende Fläche bildet eine Drüſe, eine ausgeſtülpte eine 
Rotte; erſtere find außerordentlich verbreitet, letztere 
finden ſich in den Synovialhäuten. Die Sekretion vie- 
ler Drüſen ſteht unter dem Einfluß des Nervenſyſtems. 
Dieſer kann bewirken: a) eine Veränderung des Blut- 
ſtromes in den Abſonderungsorganen durch Erweite— 
rung oder Verengerung der Blutgefäße; b) eine An— 








regung der in der Drüſe verlaufenden chemiſchen Pro⸗ 


zeſſe. Veränderungen der erſten Art kommen durch 
Se raitisheme der Gefäßnerven (ſ. Blutbewequng) zu 
ſtande, während die andern an die Tätigkeit ſpezifiſch 
jefretorijmer Nervenfafern (Ubjonderungs: 


55 


kreatiſche Saft, die Galle, teils führen fie die betm 
Stoffwechſel fiir den tieriſchen Haushalt unbraudbar, 
ja ſchädlich gewordenen Stoffe fort (Harn, Schweiß), 
teils vermehren ſie die Beweglichkeit der Organe, wie 
der Schleim der Bindehaut des Auges, die Gelenkflüſ—⸗ 
jigteiten, oder fie ſchützen die innere und äußere Ober— 
flache des Körpers vor ſchädlichen Einwirkungen, wie 
der Schleim der Schleimhäute, der Hauttalg, teils die- 
nen jie zur Erhaltung der Art, wie der tieriſche Game 
und das Ci. über innere A. ſ. Innere Sefretion. 
Ubfonderung im Konkurs, Ubfonderunge- 
laubiger, ſ. Abgeſonderte Befriedigung. A. tm 
Erbredt, ſ. Erbrecht. 
Abſonderungsgewebe, ſ. Abſonderung. 
Absorbentia (lat.), ſoviel wie Austrocknende 
Mittel. [in Anſpruch, ganz in fic) aufnehmen. 
Abſorbieren (lat.), auf- einſaugen; vollſtändig 
Abſorptiometer, von Bunſen konſtruierter Appa— 
rat zur Beſtimmung der Abſorption von Gaſen durch 
ii figteiten. Auch ein von Wiederhold angegebener 
Ypparat zur Priifung der Ole, befonders der Schmier- 
dle, auf thre Neigung, Sauerjtoff aufzunehmen, be- 
jteht aus einer Glasfugel, in der das auf Baumwolle 
verteilte OL Der Einwirkung der Luft ausgejept wird. 
Die Menge des abjorbierten Sauerſtoffs ergibt fid 
aus dem Steigen des Quechkſilbers in emem mit der 
Glaskugel verbundenen VBarometerrohr. 
Abjorption (lat., »>Cin-, Aufſaugung«). 1) Die 
W. der Gaje durch Flüſſigkeiten yt tm allge- 
meinen bei niederer Tentperatur größer als bei höherer 
und wird febr ftarf Durch den Druck beeinflupt. 1 Lit. 
Waſſer verſchluckt bei 15” ſtets 1L. Kohlenſäure, unter 
weldhem Drud aud das Gas ftehen mag; da nun 
(bet unverinderter Temperatur) die Gasdidte dem 
Drud proportional ijt, folgt, daß das Gewicht der 
von 1 &. einer Flüſſigkeit verſchluckten Gasmenge in 
Dentjelben Verhältnis zu⸗ oder abnimmt wie der Drud, 
unter dem Die A. jtattfindet (Henrys Geſetz). — 
Cin Raumteil Waſſer abjorbiert bei 15° 727 Raum— 
teile Ammonialgas, 450 Chlorwaſſerſtoff, 43,5 ſchwef⸗ 
lige Säure, 3,25 Schwefelwaſſerſtoff, 1 Kohlenſäure, 
0,03 Sauerſtoff, 0,014 Stichſtoff; 1 Raumteil Alkohol 
dagegen verſchluckt 3,2 Raumteile Kohlenſäure. Dieſe 
Zahlen, welche ausdrücken, wieviel Raumteile eines 
Gaſes von einem Raumteil einer Flüſſigkeit verſchluckt 
werden, nennt man Wbforptionstoeffijienten. 
Aus einem Gemenge von Gaſen abjorbiert eine 
Flüſſigkeit fo viel von jedem einzelnen Gas, als dem 
Drud (Parttaldrud) entjpridt, den dieſes Gas 
ausiiben wiirde, wenn es allein vorhanden ware 
(Daltonfdes Geſetz). Daher wird 3. B. die ab- 
jorbierte Kohlenſäuremenge nicht vergrößert, wenn 
man in den über dem Waſſer befindlichen, mit Kohlen— 
ſäure erfiillten Raum cin andres Gas, 3. B. atmo- 
ſphäriſche Luft, hineinprept. Die atmoſphäriſche Luft 
iit ein Gemenge von 21 Raumteilen Sauerſtoffgas 
mit 79 Raumteilen Stickſtoffgas; da aber der Gauer- 
jtoff cine größere Ubjorptionsfabigteit befigt als der 
Stichſtoff, fo bejteht die vom Wafer abjorbierte Luft 
aus 35 Proj. Sauerjtoff und 65 Proj. Stichſtoff. 
Dieſes Verhalten ijt wichtig fiir die mit Riemen ver- 
jehenen Wajfertiere, welche die un Waſſer absorbierte 
Luft atmen. — Wajfer verſchluckt bei 0°: 1,8, bet 
15°: 1, bei 20°: 0,9 Raumteil Kohlenſäure. Bern 
Erwärmen entweidt daber cin Teil des Gaſes aus 
einer gashaltigen Flüſſigkeit, und durd Sieden werden 


nerven) gebunden find, die direft an die Drüſen- | die meijten abjorbierten Gaſe volljtindig ausgetrieben. 
jellen treten. Die Ubfonderungen dienen teils der | Fejte Körper können Gaje anſcheinend nidt abjor- 
Becbauung, wie der Speidel, der Magenfaft, der pans | bieren, jedenfalls nicht in gleichem Verhältnis wie 


56 Abjorptionsfabigteit des Bodens — Abjperrung. 


Fiüſſigleiten. Mande Metalle, namentlich Silber | Nicht immer ijt das Speftrunt des durch cinen far- 
und Kupfer, die tm geidymoljenen Zujtande Sauerſtoff bigen Körper dDurdgegangenen oder ded von ihm zer- 
abjorbieren, geben das veridjludte Gas beim Erfalten | jtreuten Lichtes (das UWbforptionsfpeftrum) fo 
wieder ab, wobei das aus dem nod fliiffigen Metall | einfach wie bei rotem Glas oder rotem Papier; viele 
ſtürmiſch entweichende Gas feine Tropfen des Metalls  farbige Stoffe veridlucen von den Strablengattungen 
umberjdleudert (Spragen). Beim Gefrieren des des Speftrums nur eine oder mehrere Bartien (> aus- 
Wajjers entweicht die abjorbierte Luft in Bläschen, wählende- A.), während fie benadbarte oder da— 
die meift im Cis eingeſchloſſen bleiben. Palladium, zwiſchenliegende Partien unangetajtet lajjen; das 


das cine Zeitlang in verdiinnter Schwefelſäure als 
negativer Pol einer galvanifden Säule gedient hat, 


funn das 986 fade feines Rauminbhalts an Waſſer— 
ſtoffgas in fid) aufnehmen. Dieſe Crideinung (Ok⸗ 
tluſion) berubt vermutlich teilweiſe auf einer che— 
miſchen Bindung des Waſſerſtoffs und zeigt ſich mehr 
oder weniger auch bei andern Metallen. Platin und 
Eiſen abſorbieren in der Glühhitze Waſſerſtoff, letzteres 
beſonders leicht auch Kohlenoxyd, und halten dieſe 
Gaſe dann auch bei gewöhnlicher Temperatur zurück. 
S. aud) Adſorption. — Uber die Apparate ꝛc. die in 
ber Technif zur A. der Gaſe benugt werden, ſ. Gaſe. 


2) Abforption des Lidjtes (und andrer Strablen, | 
3. B. der ftrablenden Wärme). Stellt man in, 
den Weg der Strahlen eines Speftrums eine dunfel: | 


rote Glasſcheibe, fo werden die Farben vom Gelb bis 


gum Violett ausgelöſcht. Das rote Glas läßt von | 


janttlichen tm weißen Licht enthaltenen Farben nur 
Rot und Orange durd, die andern werden von ihm 
verfdludt oderabjorbiert, fiir fie ijt dieſes Glas 
undurdfidtiq. Aus diejem Grunde erſcheint das 
Glas m einem aus dem Rot und Orange des Spef- 
trums gemiſchten roten Farbenton. Griines Glas 


lat vorzuqSweife Die qriinen Strahlen durd und, 


veridludt die übrigen mehr oder weniger vollſtändig. 
Farblofes Glas läßt alle im weißen Licht enthaltenen 
farbigen Strablen gleich qut durd. 

Läßt man das Speftrum auf rotes Papier fallen, 
fo bleibt nur das rote Ende des Spektrums ficdtbar. 
Die auf die rauhe Papierfläche treffenden Lichtitrahlen 
dringen nämlich, che fie Durd) diffuse Zurückwerfung 
(j. Diffufion) nad allen Seiten zerſtreut werden, bis 
zu einer geringen Tiefe unter die Oberfläche und unter: 
liegen bier der YL, welche Der das Papier iibersiehende 
Farbſtoff ausiibt; diefer aber Lakt nur die roten 
Strablen durd) und verſchluckt alle iibrigen. Daraus 
erflart fic, warum dieſes Rapier in weißem Tages: 
licht rot erſcheint. Weißes Papier wirft alle im weißen 
Licht enthaltenen einfaden Farben m threm ur: 
fpriingliden Miſchungsverhältnis juriid. Grau 
heißt cine Oberfläche, dte fiir alle farbigen Lidhtarten 
cin gleichmäßig geringes Abſorptionsvermögen be- 
fibt; fd) wary erideint cin Körper, der alle Strahlen- 
qattungen abjorbiert. So erklärt fich Die Mannigfal- 
tiqfeit der Rr perfarben (natiirliden Farben) 
aus der Lidtabforption; die Farbe eines Körpers tit 
die Mifdhfarbe aus denjenigen farbiqen Strabhlen, dte 
von dem ihn beleudtenden weiken Licht nad Abzug 
der abjorbierten Strablenarten iibriqgeblieben find. 
Hiernach fann cin Rorper im durchgelaſſenen und im 
dDiffus zurückgeſtrahlten Lichte nur folde Farben 
zeigen, die in Dem cinfallenden Lichte ſchon enthalten 
find. Im Lidhte der Natriumflamme, die nur einfades 
qelbes Licht ausftrablt, ericheint blaues Rapier ſchwarz. 
Bei diejer einfach qelben Beleuchtung verſchwinden 
iiberhaupt alle Farbenunterichiede; man unterſcheidet 
nur nod Hell und Dunfel. Im Lichte der Gas 
flamtmen und Kerzen find die gelben Strablen febr 
reichlich, Die blauen und violetien verhältnismäßig 
weit fparjamer vertreten als im Tageslicht. Es er 
jheint daher im Vergleich mit diejem getb. 


' 


| Speftrum jeigt dann mehr oder minder jablreice, 


| bald breitere, bald ſchmälere Ubſorptionsſtreifen, 


deren Lage im Speftrum fiir die chemiſche Beſchaffen⸗ 
heit des betrejfenden Stoffes bezeichnend ijt und den- 
jelben von andern ju unterideiden qejtattet (val. 


| Speftralanalyje). Der Dampf von Unterjalpeteriaure, 


Jod u. a. zeigt in Dem durd fie geqangenen Lichte 
zahlreiche ſchmale, dunkle Abſorptionsſtreifen, die in 
ihrem Ausſehen mitden Fraunhoferſchen Linien 
des Sonnenſpeltrums (j. Farbenzerſtreuung) große 
Ahnlichkeit haben. Die Fraunhoferſchen Linien ſind 
feine Abſorptionsſtreifen, hervorgebracht durch die A., 
welche die in der Atmoſphäre der Sonne enthaltenen 
Gaſe und Dämpfe auf das von dem weißglühenden 
Sonnenkörper ausſtrahlende Licht ausiiben (val. 
Spektralanalyſe). — 3) A. im phyſiologiſchen 
Sinne, ſ. Reforption. 

Abſorptionsfähigkeit des Bodens, ſ. Boden. 

Abſorptionsgewebe (Abſorptionsſyſtem), 
bei Pflanzen die Geſamtheit der Bellen, die zur Wuf- 
nahme fliijfiger Stoffe von außen befähigt ſind. Bei 
den int Waſſer lebenden Algen und den in nährſtoff⸗ 
haltiqen Flüſſigkeiten lebenden niedern Pflanzen, wie 
z. B. Hefes und Spaltpilzen, dient die gefamte Ober- 
Hide der Rahrungsaufnahme, und cin befonderes A. 
feblt daber. Dagegen find die Wurzeln der Land- 
pflanzen mit einem A. zur Aufnahme von Waffer und 
in demſelben gelöſter Nährſalze ausgeſtattet (ſ. Wur— 
zel). Bei den höhern Pilzen dient ein vielfach ver— 
zweigtes Geflecht von Faden, das Mycelium (ſ. Pilze), 
als Vi. Die Schmarotzerpflanzen bilden im Innern 
ihrer Nährpflanzen mut A. ausgeftattete Organe aus. 
Endlich findet ber der Neinvung (j.d.) mancher Bliiten- 
pflanzen die Ernährung des Keimlings auf Koſten 
der aufgeſpeicherten Nährſtoffe Durch ein eigentümlich 
—— A. ſtatt. 

bſorptionshygrometer, ſ. Hygrometer. 

Abſorptionskoeffizient, ſ. Abſorption 1). 

UAbjorptionspringip nennt man im Strafrecht 
den Grundſatz, die Strafen der mehreren Berbreden, 
welche durch eine Handlung veriibt wurden, nicht zu 
häufen (Kumulationsprinzip), fondern nur das Ge 
ſetz anzuwenden, welches die ſchwerſte Strafe androbt, 
wodurch die übrigen Strafen getilgt werden (poena 
ma ue absorbet minorem). 

bſorptionsſpektrum, ſ. Abſorption 2). 

Abſpannung Erſchlaffung, lat. Relaxatio), 
ein Zuſtand des ganzen Körpers, ſeltener des Muskel— 
oder Nervenfyjtems allein, der nad) energiſcher Arbeit 
eintritt und Durd) Rube und Nahrungszufuhr ſchwin—⸗ 
Det; Daucrnde A. it Utonte (7. d.). 

Abjfpenen (Abſpänen), ſ. Abſetzen. 

Abſperrgitter, ſ. Bienenzucht. 

Abſperrung, die Verhinderung des freien Ver— 
lehrs. Was die internationalen Beziehungen an— 
langt, ſo geſtattet zwar jeder Staat unverdächtigen 
Fremden den Eintritt in ſein Gebiet und den Aufenthalt 
in demſelben, ebenſo iſt, allerdings unter Beobachtung 
der Zoll⸗ und Handelsgeſetze, Verkehr mit Gutern aus 
fremden Ländern und in dieſelben geſtattet; dod) iit 
nicht nur die Zulaſſung Fremder und ihrer Waren 


— ———— — 


Abjperrventil — Abſtimmung. 


Sache des freien Willens eines jeden Staates, ſondern 
in einzelnen Fällen wird auch die A. vom Völkerrecht 


gebilligt. Im Kriege namentlich wird jeder Verkehr 


zwiſchen feindlichen Bolfern aufgehoben. Den aus— 
gedehnteſten Gebrauch von dem Rechte der A. hat in 
alten Zeiten Agypten, dann China, Japan und in 
neuerer Zeit Paraguay unter Francia gemacht. Uber 
die im Yntereffe von Handel und Induſtrie angeord- 
nete UW. vgl. Prohibitivſyſtem. Endlid) dient die A. 
ur Berhinderiung des freien Verfehrs zwiſchen einer 

ohnung, einem Haus, einem Ort oder einer ganzen 
Gegend und der Nadbarjdajt, meijt sur Verhinde— 
“wie der BVerbreitung von anitedenden Rrantheiten 
der Menfden und Tiere. Näheres f. Rinderpejt, Vete 
rindrpolijet, Ynfeftionsfranfheiten. 

Abfperrventil, ſ. Ventil. 

Abſprung (Widergang), Seitenfprung ded 
Wildes, um den BVerfolger von feiner Fährte abju- 
lenfen. Der Haje macht regelmäßig Widergänge, be- 
vor et fic) in fein Lager drückt. 

Abſprünge (Abſpliß), verholste, meijt einjährige 
und ſchwächliche Seitenſproſſe, die ſich mit ihrer Be— 
laubung zu einer dem Wachstum noch günſtigen Zeit 
durch einen organiſchen Prozeß von Eichen, 
Weiden und andern Holzarten abgliedern. Die Ab— 


löſung wird durch cine Korlſchicht an der Gliederungs⸗ 


ſtelle bewirft. Bal. Abbiſſe. 

Abſpüren, das Aufſuchen der Spuren oder Fähr—⸗ 
ten Des Wildes. Beſonders bei friſchem Schnee (dem 
»Reuen«) und nad Regen fann der fihrtenfundige 
Niger durd) UW. die Urt und Bahl des Wildes mre 
vee Wufenthaltsort ermitteln. 

bſtammungsachſe, Sproj einer Pflanze, aus 
dem cin ſeitliches Glied hervorgegangen iit. 

Abftammungsehre, ſ. — — 

Abſtand (Dijtan;), im allgemeinen ſoviel wie 
Entfernung. A. zweier Punlte iſt die Länge der fie 
verbindenden Geraden; dieſe Gerade iſt die kürzeſte 
Linie zwiſchen beiden Puntten, da ihre Lange kleiner 
iſt als die Länge jeder andern Linie, die man zwiſchen 
dieſen ziehen kann. Geodätiſchen (kürzeſten) UW. 
zweier 35. auf einer krummen Oberfläche nennt 
man die Länge.der kürzeſten Verbindungslinie, die 
man auf der Fläche zwiſchen den beiden Punkten 
ziehen fann; die Verbindungslinie ſelbſt heißt eine 

eodätiſche (kürzeſte) Linie der Fläche. Auf der 

gel ſind die geodätiſchen Linien die größten Kreiſe 
(f. Kugel). — Yn der Aſtronomie ijt A. zweier 
Sterne der ſie verbindende Bogen eines größten Krei 
ſes auf der ſcheinbaren Himmelskugel oder der Winkel, 
den die vom Auge nach den beiden Sternen gezogenen 
geraden Linien einſchließen. 

Abſtändig heißt cin Baum, der abzuſterben be— 


ginnt. — Abſtändige Haustiere, ſ. Abgeſtanden. 
Abftandsgeld (Abkaufsgeld), die Summe, 


die ein Kontrahent dem andern zahlt, um dadurch 
vorzeitig von ſeinen Verbindlichfeiten frei zu werden. 
Val. auch Abfindung und Reugeld. 


Abſtechmaſchine, Vorrichtung zum Zerſchneiden 
von Meiallſtangen, röhren ꝛc. in kurze Stücke, beſteht 
weſentlich aus einer kurzen Drehbank mit hohler Spin: | 
del, Die das Arbeitsſtück aufnimmt und an ſelbſttätig 


vorgeſchobenen Meſſern vorbeidreht oder am Kopfe 
Meſſer trägt, die unter ſelbſttätigem radialen Vor 
ſchub das feſtliegende Arbeitsſtück umkreiſen und ab 
ſtechen 


Abftecen, nach Maßgabe von Zeichnungen oder 
auf Grund arithmetiſcher Vorarbeiten Puntte, Linien, 
Winkel, Flächen derſelben in das Feld iibertragen und 


appeln, | 


57 


dort fichtbar maden. Man benugt hierzu diefelben 
| Meßinſtrumente, welde fiir die entgegengefesten Auf⸗ 
gaben der Feldmeß-, Aufnehme- und Rivellierfunit 
erforderlich find, Siqnalinjtrumente zum Bezeichnen 
von Buntten auf kürzere Zeit Piketts (Markpflöcke, 
Pfähle), die im den Boden getrieben, mit Num— 
mern u. dgl. bezeidynet werden; Fludtitabe, Ba- 
ten, weiter ſichtbare, längere, mit je zwei grellen 
Farben abwedjelnd bemalte gerade Stabe oder Stan: 
gen; Meßfahnen (Jalons), ähnliche Stangen, 
mit bunten Fähnchen verfehen; Signaltafeln, Kreuze 
u. v. a.; zur Not Bohnenjtangen mit Strohwifden 
oder Wiepen; fiir die Nadt und in Schächten und 
Stollen: Lidter, Lampen, Teerjtangen und -Fäſſer 
'(Fanale); auf fehr weite Entfernungen die Heltotro- 
ven (f.d.), nantentlic fiir hdhere geodätiſche Arbeiten. 
Die widhtigen, der Sufunft aufqubewabrenben Punkte 
der Gradmeſſung, Triangulation, Landesaufnahme 
und des Separations-, Konſolidations- und Verkop— 
pelungsverfahrens, der großen Nivellements, bez. der 
großen ftaatSiwirtidaftlich - feldmefferifden Arbeiten 
verjteint man mit Steinfignalen (Obelisten, 
Säulen, Quadern x.). Für ftaatlide Urbeiten ſtehen 
alle Siqnale und deren Bodenfläche unter dem Sdu 
der Gejepe. Gerade Linien werden abgeſteckt — 
Einrichten mit Fluchtſtäben od. dgl.; ſind dieſelben 
begrenzt, ſo erfolgt die Meſſung der Länge mittels 
Stabe, Kette oder Bandmaß. Zum A. von Winkeln 
benutzt man den Winkelſpiegel, Winkelkopf, das équerre 
d miroir, Prismenkreuz, den Sertant, Refleftor, die 
Buſſole, den Meßtiſch mit Diopterlineal oder Ripp- 
regel, vorzugsweiſe (wenn nidt aus einer Zeichnung 
unntittelbar abguiteden) den Theodolit oder das Ta- 
Hymeter. Man jtellt das Inſtrument fejt im Scheitel- 
punkbte ded absujtecenden Winkels auf und verfährt 
Dann mit Den einzelnen Schenfeln, dieſelben abvijie- 
rend, wie mit Der geraden Lite. Das. von Höhen, 
von Brofilen gejdicht mit Hilfe der Mivellierinjtru- 
mente. Krumme Linten werden als gebrodene, 
dieſe in ihren Elementen, Linienjtiiddhen und Polygon⸗ 
winfeln abgeſteckt. Für die Abſteckungen von Kurven 
beim Waſſer⸗ (Kanal⸗), Straßen⸗ und Eiſenbahnbau 
Tunnel) ſind oft große trigonometriſche Vorarbeiten 
und umfangreiche Rechnungsarbeiten erforderlich. Die 
Kurven, z. B. Kreiſe, Ellipſe, Parabel, Ubergangs— 
turven Der Gleiſe, werden vor der Feldarbeit arith— 
metiſch oder geometriſch in ihre geradlinigen Elemente 
zerlegt. Val. v. Bauernfeind, Clemente der Ver— 
mefjungsfunde (7. Aufl., Stuttg. 1890); Jordan, 
Handbud) der Vermeſſungskunde (4. Aufl., Daj. 1895 
bis 1897, 3 Bde.). Erdarbeiten. 
Abſteckung von Dämmen und Einſchnitten, ſ. 
Abſteigende Linie, ſ. Linie (Rechtsſpr.) 
Abſteigende Zeichen, ſ. Niederſteigende Zeichen. 
Abſteigung, gerade, oder Geradabſteigung, 
ſoviel wie Geradaufſteigung (vgl. Himmel); ſchiefe 
A., ſ. Aufſteigung. der Glieder. 
Abſterben einzelner Glieder, ſ. Einſchlafen 
Abſterbeordnung, ſ. Sterblichkeit. 
Abſtich, das Ablaſſen von geſchmolzenem Roheiſen 
Abſtieben, ſ. Wbreiten. [aus dem Hochofen. 
Abſtimmung, die förmliche und ausdrückliche 
Willenserklärung der Mitglieder einer Verſammlung 
oder eines Kollegiums über cine beſtimmte Frage. 
Wilt die A. der Bezeichnung einer beſtimmten Perſon, 
jo heißt jie Wahl (ſ. d.). Zu einem gültigen Beſchluß 
tit Beſchlußfähigkeit, d. h. die Anweſenheit der vor— 
ſchriftsmäßigen Anzahl von Mitgliedern, und je nach 
dem einzelnen Fall und nach den beſtehenden Vor— 








58 


ſchriften Stimmeneinbelligteit oder Stimmenmehrheit | 
erforderlid. In legterer Beziehung wird entweder | 
eine bejtinumte (qualifizierte) Mehrheit, 3. B. zwei 
Drittel der Mitglieder, oder abfolute Mehrheit (mehr 
als die Halfte ſämtlicher Stimmen) oder nur rela- 
tive Mehrheit erfordert. Letztere liegt dann vor, wenn 
fich fiir eine Meinung gwar nicht mehr als die Halfte, 
aber dod) mehr Stimmen erklären al8 fiir jede ein- 
zelne fonitige Meinung. Die YW. erfolgt entiweder 
oͤffentlich durch Handaufheben, Aufſtehen von den 
Sitzen, Unuseinandertreten, Zuruf (Alllamation), oder 

eheim durch Stimmzettel, Stimmtäfelchen oder 

chwarze und weiße Kugeln (Ballotage). Eine weitere 
Art der öffentlichen A. iſt die durch Namensaufruf, 
bei Dem mit »Ja« oder »Rein« geantwortet wird. 
Nach der Gefchaftsordmung des deutſchen Reids- 
tags find Die Fragen, die zur UW. fommen, fo zu 
ftellert, daß fie einfach durch ⸗Ja« oder ⸗»Nein« bee 
antwortet werden können. Unmittelbar vor der A. 
iſt die Frage zu verleſen. Iſt vor einer A. infolge 
einer darüber gemachten Bemerkung der Präſident 
oder einer der dienſttuenden Schriftführer zweifel— 
haft, ob eine beſchlußfähige Anzahl von Mitgliedern 
anweſend fei, fo erfolgt der Namensaufruf. Er: | 
flirt Dagegen auf die erhobene Bemerfung oder einen 
firmliden Untrag auf Auszählung des Hauſes der 
Präſident, dak fein Mitglied des Bureaus fiber die 
Anweſenheit der beſchlußfähigen Anzahl von Mitglie- 
Dern (199) zweifelhaft fet, jo find damit Bemerfung 
und Yntrag erledigt. Die W. geſchieht nad abjoluter 
Mehrheit durch Aufſtehen oder Sigenbleiben. Dit 
bas Ergebnis nach der Unjicht des Präſidenten oder | 
eines der dienſttuenden Sebriftfiibrer aweifelhaft, fo | 
wird die Gegenprobe gemadt. Liefert auch dieje | 
nod) fein ſicheres Ergebnis, fo erfolgt die Zählung 
des Haufes, und zwar, nad engliſchem Muſter, 
durd) den fogen. Hammelfprung m der Urt, daj | 
die Witglieder, nachdem fie den Saal verlajjen haben, 
auf cin — Glockenzeichen durch zwei offen 
gelaſſene Türen, diejenigen, die mit ⸗Ja⸗s ſtimmen 
wollen, durch die eine, diejenigen, welche mit > Reine 
ſtimmen wollen, durch Die andre wieder cintreten und 
Dabei gezählt werden. Nur der Prafident und die 
Dienjttuenden Schriftführer geben ihre Stimmen nad- 
triglih ab. Auf namentliche UW. mit Aufruf ſämt— 
lider Witglieder des Reichstags fann beim Schluß 
der Beratung vor der Uufforderung zur A. angetra- 
gen werden; ein folder Yntrag muͤß aber von we: 
nigitens 50 iy arts unterftiigt werden. Rad 
Beendigung des Vufrufs wird durch Wiederholung 
des Alphabeis Gelegenheit zur etwaigen nachträglichen 
A. gegeben. Bei allen nicht durch Namensaufruf er— 

folgten Abſtimmungen hat jedes Mitglied des Reichs— 
tags das Recht, ſeine von dem Beſchluß der Mehrheit 
abweichende A. kurz begründet ſchriftlich dem Bureau 
zu übergeben und deren Aufnahme in die ſtenogra 

phiſchen Berichte ohne vorgängige Verlefung im 
Reichstag zu verlangen. 

Rad) der Geſchäfisordnung fiir das öſterreichi— 
ide Abgeordnetenhaus jtellt zunächſt der Prä— 
ſident die Anweſenheit der zur Beſchlußfähigkeit er— 
forderlichen Anzahl von 100 (im Herrenhaus vor 40) 
Witgliedern des Hauſes fejt. Jit er über die Beſchluß— 
fähigkeit zweifelhaft, fo wird die Bahl der anweſen— 
den Witglieder durch Namensaufruf ermittelt. Im 
Verlauf der Sitzung ijt der Präſident nur dann ver- 
pilichtet, die Beſchlußfähigkeit des Hauſes feſtzuſtellen, 
wenn Dies von einem Milgliede des Hauſes ausdriic 
lich gefordert wird. Zu einem giiltigen Beſchluß tit, ab 





Abjtimmungsapparate — Abſtimmungspoſtkarten. 


geſehen von Verfaſſungsänderungen, abſolute Mehr— 
heit erforderlich und genügend; bei Stimmengleichheit 
gilt die Frage als verneint. Die abändernden Untrage 
werden vor dem Hauptantrag, und zwar die weiter 
gehenden vor den —* ur A. gebracht. Die A. 
erfolgt perſönlich durch uffteben und Sigenbleiben. 
Jit Das Ergebnis nach der Anſicht des rifibenten 
sweifelbaft, ſo wird die namentliche UW. vorgenommen 
(im Herrenhaus jedoch nur dann, wenn aud die Ge- 
genprobe erfolglo3 geblieben), aujerdem nur dann, 
wenn fie bon mindejtens 50 Mitgliedern begehrt wird 
(im Herrenhaus ijt ein Beſchluß des Hauſes erforder- 
lid). Das Haus fann aud die geheime UW. durch 
Stimmzettel beſchließen. 

Bei der Beratung der Gerichtshöfe erfolgen die 
Entidheidungen regelmäßig nad der abjoluten Stim- 
menmehrheit (Gerichtsverfaſſungsgeſetz, § 194 ff.) 
Sur Bejahung der Sduldfrage it nad § 262 der 
Strafprozehordnung eine Mehrheit von zwei Drittein 


| Der Stimmen erforderlich. Ebenſo iit nad § 322 Ff. 


der Militarjtrafgeridtsordnung die Abſtimmung im 


| Militarjtrafverfahren geregelt. Die Reihenfoige bei 


der A. richtet ſich nad Dem Dienjtalter, bei den 
Schöffengerichten und in den Kammern fiir Handels- 
jachen nad) Dem Lebensalter: der jiingite ſtimmt zu— 
erjt, Der Vorſitzende zuletzt. Wenn cin Beridteritatter 
ernannt ijt, jo gibt Diejer feine Stimme zuerſt ab. 
Bei der A. der Geſchwornen richtet fid) die W. nach 
der Reihenfolge der Uuslofung. Der Obmann jtinumt 
zuletzt. Gleiche Grundſätze bezüglich des Strafver- 
—** enthält die öſterreichiſche Strafprozeßordnung 
vom Jahre 1873. Hinſichtlich des Zivilverfahrens vgh 
die § 9—13 ded Geſetzes vom 1. Aug. 1895 (Juris⸗ 
diftionsnorm) und § 84 des Geridtsorganijation3- 

cfepes vom 27. Nov. 1896, Die Reibenfolge bet der 

l. Der deutſchen Militargeridte ijt bei den Stand- 
und Kriegsgerichten und dem Reichsmilitärgericht ver- 
ſchieden geordnet (vgl. Militärſtrafgerichtsordnung, 
§ 324 und 87). 

UWbftimmungsapparate jur Abſtimmung mit Ja 
und Nein, beftehen aus einem rucweije rotierenden 
Behälter mit voneinander getrennten ſchwarzen und 
weien Kugeln, von denen je die unterite durch Zurück 
jiehen eines Hebels frei wird. Die Plage der Ubjtim- 
menden find durch Röhren mit dem Wbftinmmumgs- 
apparat verbunden, und durch Druck auf einen Ja: oder 
Neintaſter wird eine weiße oder ſchwarze Kugel in Be- 
wequng gelest. Bei andern YWpparaten wirlt der 
Abſtimmende Durd cine Rurbel direlt auf einen Zähl⸗ 
apparat oder Durdlodt durch Druck auf einen Knopf 
den Wahlbogen an einer beſtimmten Stelle. Die 
Ubjtimmungsteleqraphen werden eleltriſch be- 
trieben. Den erjten, nicht zur Anwendung gelangten 
baute de Brettes 1849, bet Dem Apparat von Werner 
Siemens (1859) wurde die Abſtimmung auf einen 
Papierſtreifen neben den Namen des Abſtimmenden 
gedruckt oder durch Kugeln, wie oben angegeben, aus- 

eführt. Vgl. Zetſche, Handbuch der elektriſchen 
Telegraphie, Bd. 4 (Berl. 1881). 

Ubftimmungspoftfarten, Bojttarten, die an 
Der Berliner Börſe bei Zeitgeſchäften in Anwendung 
fommen. Diejeniqen Waller, die als Selbjtfontra: 
benten (Ubernahmsmakler) auftreten, fenden ibren 
Auftraggebern am Abende desſelben Tages einen 
Schlußſchein über den Abſchluß zu, der Makler erhält 
feine Beſtätigung über die Richtigkeit des Schlußſchei— 
nes. Zur Vermeidung von Irrtümern werden des— 


halb die Engagements mit den Auftraggebern zweimal 
im Monat mittels ſogen. A. ſchriftlich abgeſtimmt. 


Abjtimmungsteleqraphen — Abt. 


AUAbftimmungstelegraphen, ſ. Whjtimmungs- 


apparate. 
—— ({at.), Enthaltung von gewiſſen Gegen⸗ 
ftanden des Genuſſes, um einer moralifden oder re- 


ligiöſen Pflicht nachzukommen; bei den Ratholifen 
insbej. bie Enthaltung von Fleiſchſpeiſen am Freitag 
und andern Fajttagen (Abſtinenztagen). — Ym 
phyfiologifden Sinn ijt A. Enthaltung von Speife 
und Tranf, von Genußmitteln, befonders vom Al— 
fohol. —Ubjtinieren, ſich eines Genuſſes enthalten. 
Abftofen , ſ. Wbreiten. [namifde Kraft. 
Abſtofſung, elektrodynamiſche, ſ. Cleftrody- 
Abstractum, cine Arzneiform in den Vereinigten 
Staaten, ein alfobholifder Auszug von Vegetabilien, 
der mit fo viel Mild suder verdampft wird, daß 1 Teil 
des gepulverten Rüchtandes das LHSliche aus 2 Teilen 
der angewanbdten Pflanzenſubſtanz enthalt. 
Ubitrabhieren (lat.), weg-, absiehen; von etwas 
abjehen, es aufgeben; das BWefentlide vom Zufälligen 
in der Erſcheinung eines Gegenjtandes abjondern. 
Abſtrakt (lat. »abgezogen<), ſ. Abſtraktion. 
Abſtrakten (franz. Abrégés), diejenigen Teile des 
Regierwerkes der Orgel (ſchmale Holzleiſten oder 
Drabhte), die ziehend wirken, im Gegenſatze gu den 
driidend wirfenden Stedern (f. d.). 
Wbftrafte Zahl (undenannte Zahh, f. Bahl. 
Abftraftion (lat., wörtlich⸗Abziehung«) bedeutet 
im Gegenfage sur Determination (f. d.) diejenige Gei- 
ſtestätigkeit, durch die aus einem Vorſtellungsganzen 
(3. B. der Vorjtellung eines Cingeldinges) ein oder 
mebrere Bejtandteile abgefondert und fiir fid) gum 
Gegenſtande des Denfens gemadt werden. Die W. in 
Diejem allgemeinjten Sinn ijt die Grundlage und 
Vorausfegung alles Denkens, da dasſelbe von vorn- 
herein die Wirklichfeit mur dadurd auffajjen fann, 
daß es aus Der unendliden Mannigfaltigteit der Ei— 
genfdaften und Beziehungen der Dinge einzelne her» 
aushebt und gum Ynbalt fener Begriffe von den 
Dingen madt. Weiterhin aber bemächtigt fic die A. 
aud) der Vegriffe felbjt und erzeugt aus ibnen neue, 
natiirlid) inhaltsärmere Begrijfe. Dabet fann das 
Verfahren cin doppelteds fein, je naddem die bloße 
Unterſcheidung der Beſtimmungen eines Objetts oder | 
Begriffs oder die Vergleichung desfelben mit andern 
Veranlajjung ju der abjtrahierenden Begriffsbildung 
gibt. Auf dem erjtern Wege der tfolierenden A. 
qelangen wir 3. B. zur begrifflichen Beſtimmung der 
einzelnen (im eictiichteit verbundenen) Eigenſchaften 
eines Dinges ; dagegen kommt die vergleichende A. 
vorzugsweiſe bei der Klaſſifikation (f. d.) Der Natur: 
Gegen|tinde sur Geltung, indem die Beqriffe der Ar— 
ten, Gattungen ꝛc. durch ftufenweife A. des einer 
Mehrzahl von Objetten Gemeinjamen entwidelt wer: 
den. Es ijt im Wefen der A. begritndet, wenn man 
die abjtrafte Betrachtungsweiſe im allgememen als 
cine einfeitige anfieht, die dem vollen Inhalte der Wirk: | 
lidteit nicht gerecht wird, aber Dod) fann das Denken 
nur auf diefem Weg in die Zuſammenhänge der Dinge 
allmählich eindringen. Wabhrend alſo im allgemein: | 
jten Sinne jeder Begriff abjtratt genannt werden | 
finnte, fo wird dod) gewöhnlich dieſe Bezeichnung auf 
folde Beqriffe eingeſchränkt, die fid) nicht auf Dinge, | 
fondern auf Eigenſchaften, Zuſtünde oder Beziehun— 
en von Dingen besiehen, und deren Anhalt aljo nicht 
elbjt als cin Seiendes, fondern nur als Beſtimmung 
eines Scienden vorgeftellt werden fann. Der Gegen- 
jag ijt fontret (f.d.). Bal. Begriff, Generalijation. 
Abſtränze, weife, ſ. Peucedanum. 
Ubjtreiden, das Fortfliegen eines Raubvogels 








8 


59 


ober eines Federwildes von dent Ort, an dem es vor- 
hee actetfen (qejtanden) bat. 

bſtreichmeißel (Abſtreichmeſſer), Vorrich— 
tungen, welche die arbeitende Fläche von Walzen, 
Mühlſteinen rc. durch Abſtreifen rein erhalten. 

Abſtreifen, das Abziehen der Haut (des Balges) 
von einem Hafen, Fuds, Marder, Iltis, Fifdhotter. 

Abſtrich, ſ. Blei. 

Abſtrũs (lat.), dunkel, verworren, unverſtändlich. 

Abſtumpfen, in der Chemie, ſ. Neutraliſieren. 

Abſũd, ſ. Ablochen. 

Abſfurd (lat.), der Etymologie nad eigentlich das, 
was von einem Tauben kommt, daher, da der Taube 
oft etwas ſagt, was gar nicht zur Sache gehört, ſoviel 
wie ungereimt, abgeſchmackt. Im engern logiſchen 
Sinne verſteht man darunter das, was einen (oft ver— 
ſteckten) Widerſpruch enthält. Dieſen klar herausſtellen 
heißt »ad ahsurdum fithren« (vgl. Upagoge). Im 
weitern Sinne heißt auc) dasjenige abſurd, was einer 
— als ausgentadt geltenden Wahrheit wider⸗ 

bfiiften, ſ. Wuswafden. ſpricht. 

Abſynth, Schnaps, ſ. Abſinth. 

Abſynthiin, ſ. Artemisia. 

Absynthiun, ſoviel wie Wermut, ſ. Artemisia. 

Abſyrtides, Inſeln, ſ. Quarnero. 
Abſyrtos, im griech. Mythus Sohn des Königs 
Aetes von Kolchis, wurde nad der einen Sage von 
ſeiner Schwejter zerſtückelt, nad) Der andern von Jaſon 
erjdlagen. S. Urgonauten. 

Abſzedieren (lat.), weg-, fortgehen; eitern. 

Abſzeff (lat. abscessus, aud) Apostema, »Weq:, 
Bortgange, Citerbeule, Eitergeſchwulſt), eme 
mit Citer gefiillte Höhle innerhalb der Gewebe des 
Körpers. Der heife A. entiteht durch intenjive, aber 
begrenzte Entziindung in kurzer Beit und verrät ſich 
bet oberfladlider Lage durch Rötung und Hitzegefühl 
der Haut, namentlich aber durch heftige jtechende oder 
flopfende Schmerzen. Beim Aufſetzen zweier Finger 
und abwedfelndem Wusiiben eines leichten Druckes 
hat der rubende Finger dad Gefiihl der Schwappung 
(Fluftuation), die neben den Schmerzen bei tief ge- 
ieqenen Abſzeſſen oft das eingige Erfennungsmittel 
derſelben ijt. Abſzeſſe können iiberall im Körper vor- 
fommen, fonnen nad längerm Bejtehen durch Auf— 
jaugen des Inhalts aushetlen. Ofter aber erfordern 
jie künſtliche Offnung mit dem Meſſer und können, 
wo dies verſäumt wird oder ſchwierig ijt (3. B. in der 
Leber, im Gehirn), ju ſchweren Erfranfungen und 
zum Tode fiibren. Sie entitehen durch verſchieden— 
artige Batterien, die auf irgend weldem Weg in das 
Wewebe gelangt, bier Entziindung und Anſammlung 
von Citerforperden verurjaden (ſ. Eiter). Dent ge- 
genüber entitehen die falten oder Lymphabſzefſſe 
durch Verflitifiqung hronifd entziindeter Gewebsteile 
bei Strofuloje, Tuberfuloje und ſchweren Ernäh— 
rungsſtörungen, fie enthalten eine dent gewöhnlichen 
Citer Ahnlide, aus Gewebsſtrümmern bejtehende Fliif- 
jigfeit. Rongejtions- oder Senkungsabſzeſſe 
jind folche, deren citriger Inhalt Dem Verlaufe von 
Sehnen, Mustein, Geffen entlang nad) tiefer ges 
leqenen Teilen hin fortidreitet, jo gelangt berm 
Pſoasabſzeß der an der Lendenwirbelſäule entitandene 
Citer in der Leijtengegend an die Oberflade. Wenn 
entzündungserregende Batterien durd den Blutſtrom 
von einem Krankheitsherd aus verjdleppt werden, fo 
entitehen metaftatifdhe Abſzeſſe. 

Abſziſſe, ſ. Koordinaten. 

Wht (v. fyr. Abba, »BVater«), aus einem allgemei⸗ 
nen firdliden Ehrennamen entitandener Titel eines 


60 Abt — 


Kloſtervorſtehers, der feit dem 11. Jahrh. bet manden | 
Orden Guardian, Erior, Reftor rc. heißt. Der A. hat 
das Recht der Dissiplin und der Vermigensverwal- 
tung. Gewählt wird er, wo nicht bejondere Rechte 
entgegenjteben, von den Brofefjen des betreffenden | 
Kloſters auf Lebensseit oder, wie bei den Bettelorden, 
auf beſtimmte Jahre. Die Weihe geidieht mit Uber- | 
reidhung der Inſignien, des Stabes, Ringes, der Mütze 
und der Handſchuhe. Cinige ubte, 3. B. die zu Korvei 
und Fulda, hatten volle biſchöfliche Gewalt und cigne 
Diözeſen, andre (dic infulierten Abte) nur biſchöfliche 
Titel u. Inſignien. Von diefen wirkliden (R —— 
äbten) find su unterſcheiden die Saifularabte, die 
nur die Ubtei und ihr Einkommen als Benefizium er- 
halten hatten und fich Durd einen Bitar vertreten laſſen 
mußten. Die Zahl derjelben war bejonders in Frank: 
reich groß (ſ. Abbe). Yn der friihern Beit gab es aud 
Laiendbte, Ritter und Fiirjten, denen dic Einkünfte 
cined Rlojters vom LandeSherrn zugewieſen waren. 
Kom mendataradbte heifen diejenigen Äbte, welde 
die Temporalien (j. d.) genießen, aber feine geiſtliche 
Amtsgewalt ausiiben. Den Abten entipreden in den | 
Nonnenkldjtern Whtiffinnen, welche die Redhte, die 
fie ald Frauen nicht felbjt ausitben finnen, durd einen 
Bifar verwalten laſſen. — Qn der protejtantifden 
Kirche ijt Der Titel beibehalten fiir die Vorſteher einiger 
Stifter (z. B. Lokkum) und hier und da als Chrentitel. 
Mbt, brani, Liederfomponiit, geb. 22. Dez. 1819 | 
in Eilenburg, geſt. 31. März 1885 zu Wiesbaden, 
abjolvierte in Leipzig die Thomasjdule, beqann hier 
das Studium der Theologie, ging aber zur Muſik 
liber, wurde 1841 Rapellmeijter m Bernburg, im 
Herbjt d. J. in Zürich, 1852 in Braunfdweig, wo er | 
1855 gum Hoffapellmeiiter ernannt wurde. 1881 trat 
ec in Rubejtand und fredelte nad) Wiesbaden iiber. | 





Abtrieb. 


der die geringſten Anſprüche an den Nährſtoffvorrat 
im Boden macht. 

Ubtragslaffen. Man pflegt die verſchiedenen 
Bodenarten, die bei Herjtellung von Erdeinfdnitten 
abgetragen werden müſſen, in eine Anzahl Klaſſen 
einzuteilen und zwar mit Rückſicht auf die Werkzeuge, 
die zum Abtragen erforderlich ſind. Bodenarten, wie 


Humus oder lockern Sand, die einfach mit der Sdhau- 


fel abgehoben werden können, bilden die erjte Klaſſe; 


Erden, die zweckmäßig mit cinem Spaten abgejtodjen 


werden, Die zweite Klaſſe rc. 
Ubtreiben(Rupelliere n), Abſcheidung von Gold 
und Silber aus Blei durd orydierendes Schmelzen 
(j. Blei), auch die Ermittelung de Silbergebalts in 
Erzen und hüttenmänniſchen Produften durch das- 
jelbe Verfahren. Uber A. im Seewefen f. Drift. 
Ubtreibung der Leibedsfrucht, die vorſätzliche, 
rechtswidrig herbeiqefithrte Ausſtoßung emes un— 
reifen oder noch nicht völlig ausgetragenen Kindes 
aus dem Mutterleib oder Tötung eines ſolchen im 
Mutterleib, ſei es durch mechaniſche Kunſtgriffe, ſei 
es durch innere arzneiliche Mittel (ſ. Fehlgeburt und 
Frühgeburt). Das deutſche Strafgeſetzbuch (§ 218ff.) 
ſtraft die Schwangere, die ihre Frucht vorſätzlich ab— 
treibt oder im Mutterleib tötet, mit Zuchthaus bis 
zu 5 Jahren und bei mildernden Umſtänden mit Ge- 
fängnis bis zu 5 Jahren und nicht unter 6 Monaten. 
Gleiche Strafe trifft auch denjenigen, der mit Ein— 
willigung der Schwangern die Mittel hierzu bei ihr 
angewendet oder ihr beigebracht hat. Hat der Be— 
— dieſes gegen Enigelt getan oder ihr gegen 


| Entgelt die Mittel gu der von ihr veriibten A. ver: 


ſchafft (fogen. Lohnabtreibung, häufig gewerbsmäßig 
betrieben), ſo ſteigert ſich die Strafe auf Zuchthaus 
bis zu 10 Jahren. Wurde aber die A. vorſätzlich ohne 


Abts Kompoſitionen (mehrere hundert Werke, über- Wiſſen und Willen der Schwangern vorgenommen, 
wiegend Quartette fiir Männerchor und Lieder) zeich-⸗ jo tritt Zuchthausſtrafe von mindeſtens 2 bis gu 15 
nen fich durch Melodienreidtum, gefallige Harmonie und, wenn dadurd) der Tod der Schwangern herbei- 


und leichte Sangbarfeit aus und erlangten sur Zeit | 
große Bopularitat. 1891 wurde thm —— —* 
ein Denkmal errichtet. 

Abtakeln (Abzeugen), einem Schiff die Take- 
{ung (ſ. dD.) abnehmen, wenn es außer Dienſt geſtellt 
wird, bei Reparaturen, um fein Gewicht ju mindern. | 
Das MAufbringen der Tafelung heißt Auftakeln. 

Abtei, jedes unter cinem Abt jtehende klöſterliche 
Stift mit ſeinem Gebiet; ſ. Abt. 

Abteital, ſ. Enneberg. 

Abtenau, Marktflecken in Salzburg, Bezirksh. 
Hallein, 712 m it. M., am Fuße des Tennengebirges, 
über Der Lammer (rechter Nebenfluk der Salzach, mit 
Wafferfall und Schluchten, den fogen. Lammeröfen), 
mit alter Rirde, Bezirksgericht und (1900) 752, als 
Gemeinde 8983 Einw. Ojtlich Der Kurort Zwieſel— 
bad mit Bitterwafjerquetle. 

Abterode, Dorf im preuk. Regbez. Masel, Kreis 
Eſchwege, hat ete alte evang. Kirche, Amtsgericht und 
(1900) 873 Einuw.; weſtlich der Weiner. 

Abtenfen (Abſinken), Schächte oder Bohrlicer | 
durch bergmänniſche Urbeit oder Tiefbohrung her— 
jtellen. Bal. Bergbau und Tiefbohrungen. 

Abtragen, cinen Leit- oder Schweißhund, der eine | 
Fährte richtig qearbeitet hat, vorn aufbeben und von 
der Fährte forttragen, damit er auf derjelben nicht 
weiter fuche; aud) einen Jagdfallen fo zähmen, dah 
ev fid) auf Der Fauſt tragen und ſich das gefangene 
Wild abnehmen läßt. | 

Ubtragende Frucht, die Pflanze, welche die letzte 
Srelle in der Fruchtfolge cinnimmt, gewöhnlich Hafer, | 


geführt wurde, Sudthausjtrafe von mindejtens 10 
Jabren bis auf Lebenszeit ein. Wud der Verſuch der 


A. tit ſtrafbar. Yin Gegenjage zu dieſem fogen. fri- 


minellen Abortus jteht der künſtliche, d. h. der 
vom Arzt aus therapeutiſchen Griinden ausgefiihrte 
Abortus (vgl. Feblqeburt und Frühgeburt). Nad dem 
öſterreichiſchen Strafgeſetzbuch (§ 145 ff.) wird 
Die verfuchte YW. mit cinfachem Rerfer von 6 Vlonaten 
bid zu cinem Sabre, die vollbrachte mit ſchwerem Ker— 
fer von 1—5 Jahren bejtraft; zu der gleichen Strate 
ijt Der Vater zu verurteilen, wenn er mut an dem Ber- 
brechen Schuld trägt. Die Ubtreibung der fremden Lei- 
besfrucht wider Wrifen und Willen der Mutter wird, 
wenn fie aud) nur verjudt wurde, mit ſchwerem Ker— 
fer zwiſchen 1—5, und wenn zugleich der Mutter durch 
das Berbreden Vefabr am Leben oder Nachteil an der 


Geſundheit verurſacht worden iit, zwiſchen 5—10 Jah— 


ren geahndet. — Selbſt die vom Arzt geleitete A. zieht 
oft chroniſche Leiden und andre ſchwere Folgen nach 
ſich. In manchen Ländern beſteht die Unſitte, daß 
ſelbſt verheiratete Frauen die A. vornehmen, um zu 
reichem Kinderſegen vorzubeugen. Bal. v. Fabrice, 


Die Lehre von der Kindsabtreibung (Erlang. 1868); 


Ploß, Zur Geſchichte, Verbreitung und Methode der 
Fruchtabtreibung (Leip;.1883); Reich, Geſchichte und 
Gefahren der Fruchtabtreibung (daſ. 1892); Lewin 
u. Brenning, Die Fruchtabtreibung durch Gifte und 
andre Mittel (Berl. 1899). 

Abtretung, ſ. Zeſſion. 

Abtrieb, beim Kahlſchlagbetrieb das Fällen des 
geſamten auf einer Fläche befindlichen Holzbeſtandes; 


Abtriebsnugung — Abtritt. 


bei der natiirliden Verjiingung Der Hieb, der die 
legten alten Samen- oder Schutzbäume fortninnut. 
Der A. erfolgt bei einem bejtimmten Ulter des Be- 
ſtandes (Abtriebs-, Hiebsalter), und ein Beſtand 
iit abtriebSsbediirftiq, wenn der Zuwachs den 
wirtſchaftlichen Unforderungen nicht mehr geniigt, 
wenn der Bejtand jo licht geworden ijt, daß die Er— 
haltung der Bodenkraft in Gefahr gerat. Der Beitand 
ijt abtriebs- oder hiebfähig, wenn fein A. die 
angrenjenden Beſtände nicht ſchädigt. Der btriebs- 
wert tit der durch den A. eines Baumes oder Beſtan— 
des wirklich gewonnene Wert. — A. auch ſoviel wie 
Abmeierung. 

Abtriebsnutzung (Abtriebsertrag), forſt— 
wirtſchaftlich der Holzertrag, der durch Abtrieb eines 
Holzbeſtandes behufs Beſtandserneuerung durch Holz⸗ 
nachzucht erfolgt. Den Gegenſatz bildet die Vor— 
nugung (Vorertrag), d. b. der Holzertrag, den 
weiter wachſende Bejtande liefern. Analoge YWus- 
driide find Hauptnupung u Zwiſchennutzung. 
Die Hauptnugung entnimmt Stamme, um fie durd 
Jungwuchs zu erfesen, die Zwiſchennutzung Stämmie, 
deren Fortnahme im Beſtande feine oder nur eine un« 
wefentliche Liide hinterläßt (vgl. Durdforjtung). 

Abtriebsfdiag, ſ. Samenjdlagbetried. 

Abtrift, un Seewejen, ſ. Drift. 


Wbtritt, das Gras, welded der Hirſch beim Wuf- | 


treten mit feinen Schalen abjdneidet. 

Abtritt (Wbort, Appartement, Rommodi- 
tit, Rlofett, Retirade, Privé), der zur Unter: 
bringung von Borridjtungen fiir Wufnahme der 
menſchlichen Exrfremente bejtimmte Raunt oder dieſe 
Vorrichtung felbjt. In Sildeuropa, Rupland und 
dem Orient bejteht der W. nur aus einem abgeidlof- 
fenen, oben offenen Raum mit einem oder mehreren 
in Die Erde gegrabenen Löchern ohne Sipgelegenbeit. 
Vei uns hat man auf dem Lande nod vielfad feine 
Häuschen mit Sipbrett über ciner Grube. Der VW. in 
Wohn haäuſern foll fiir die Bewohner leicht erreichbar 
fein, Der Raum muß geniigend hell und tuftig, aber 
nicht zugig fein, der Fupboden joll aus undurdlafji- 
gem Waterial bejtehen. Die Sige erhalten, nament- 
lich bei Maſſenaborten, in Kaſernen u. dgl., im Rücken 
des Sitzenden cin ſchräg geſtelltes Brett, welches das 
Beſteigen der Sitze hindert. Die Trichter ſind ſo 
einfach wie möglich zu geſtalten. Die Röhren wer— 
den aus emailliertem oder aſphaltiertem Gußeiſen 
oder aus glaſiertem Ton hergeſtellt und müſſen recht 
ſteile Trichteranſchlüſſe erhalten. Gruben find nicht 
zu gh und waſſerdicht auszuführen, unter feinen 
Umſtänden unter Dem Wohnhauſe fetbjt und möglichſt 
weit entfernt von einem Brunner. Beweglide 
Behälter zur Uufnahme der Exrtremente find ent- 
weder gewöhnliche Kübel, Eimer u. dgl. oder den Wb- 


fallrohren dict angeſchloſſene Tonnen und Metall: 


behilter. Bei beiden Ubortarten ijt fiir möglichſt 
gründliche Lüftung der Borridtung zu forgen. Sic 
erfolgt durch Geben von Zu- und Wbluft von und 
nad außen, tunlichſt unter Zuhilfenahme cinerWarme- 


quelle zur Regelung und Beförderung des Luftwed- | 
4: gegeben (der | 


fels, oder Die Suluft wird durch den ni 
aljo Dann nicht zu verſchließen ijt), und fraftige Ab— 
faugung erfolgt durch einen hoben, erwarmten Sdlot 
od. dql. (D'Urcetides Syſtem). Chenfalls fiir 
beide Wbortanlagen werden häufig Einridtungen zur 
Trennung der fejten von den fliiffigen Ex— 
frementen (ehr vollfommen 3. B. beim ffandi- 
navijden Lufttlofett) oder sur Desinfettion der Un- 
lage getroffen. Oft werden aud) beide Vorfehrungen 








61 


vereinigt, fo 3. B. bei dem Müller-Schürſchen, 
dem Friedrichſchen und dem Siivernfden Kloſett. 
Die Desinfeftion erfolgt durd) Cifenvitriol, Aſchen— 
lauge, Karbolſäure u. dgl. m. Sehr verbreitet find 
die WUbtritte, bei denen die Extremente mit Erde, Wide 
oder Torfmull gemijdt werden, fo da Moulefde 
Erbdflofett, das Roddaler Ujdhentlofett, das 
namentlid) fiir größere Anlagen und ländliche Ver— 
hältniſſe geeignete Poppeſche Streukloſett u. a. 
Sie bezwecken zunächſt Geruchbeſeitigung, laſſen ſich 
aber aud) mit Desinfeltionsvorlehrungen verbinden 
(Petrifdhes Pulver). Befonders wird das Torf— 
ſtreuſyſtem in neuejter Seit viel bevorzugt. Biel 
befjer als dieſe Wbtritte find diejenigen nut Waffer- 
jpitlung, Die im der zweiten Halfte des 18. Jahrb. 
in England gebräuchlich wurden. Sie befigen einen 
Tridter aus emaillierten Gußeiſen oder Stemgut, 
Der unten mit Siphon verieben, 
alſo jtetS durch Waſſerverſchluß 
vom Abfallrohr getrennt iſt. Am 
XN ceinlichſten tit das Piedeſtal— 
> wajferflofett (f. Abbild.), eine 

< X  freijtehende, nicht verkleidete Sits- 
wa vorridtung mut aufflappbarem 
Sibbrett. Der Tricdter beftebt 

/f mit Dem Geruchverſchluß (a) aus 
AVM einem Stiic qlaftertem Ton oder 
VPorzellan. Zur Fortſchaffung der 











BWaffertlofett mit Spültaſten 


Uusleerungen dient eine Spiilvorridtung, die über 
dem Sif an der Wand angebradt ijt und nad der 
Entleerung automatijd dDurd einen Schwimmer im 
Spiilfajten reguliert wird. Zur Siderung eines un- 
gejtirten Betriebes des Wa jjerflofetts muß das mehrere 
Rlofette aufnehmende Fallrohr offen iiber Dad ge- 
leitet oder möglichſt weit, der Siphon aber eng fem; 
andernfall3 fann, wenn das abjtrimende Waſſer den 
ganzen Querſchnitt des Fallrohrs einnimmt, der Si- 
phon leergezogen und der Waſſerſchluß gebroden 
werden, fo daß Die Gaſe ungehindert Durd das Klo— 
jett auStreten fonnen. Bei Verjtopfung de3 Abfluß- 
rohrs fann das im Beden angefammelte Wajjer zu 
einer Verunreiniqung de3 Trinkwaſſers Verantajjung 


| geben, und es werden Ddeshalb bejondere Upparate 


sur Ubjperrung der Wajjerleitung bei Verjtopfung 
des Kloſetts angewandt oder getrennte Leitungen an- 
gelegt. — Bei den fiir das männliche Gefdledt emge- 
ridteten Piffoiren (Pißanſtalten) muß das Beden, 
die Rinne oder Wand, wobhin der Harn abgefithrt 
wird, und der Fußboden aus undurdlafjigem Mate— 
rial bejtehen. Die betreffenden Behälter oder Wande 
werden periodiſch oder Dauernd mit Waſſer befpiilt. 
Bees hat 1892 einen Olitand eingefithrt, deſſen vom 
Harn getroffenen Teile täglich mit einer Teeröl— 
miſchung abgerieben werden. Der Harn läuft in einen 
Siphon, in dem eine Olfdhicht den Verſchluß bildet. 


62 


Diefe Olſtãnde (Olpijfoire) find geruchloſer und billi- 
r als die mit Waſſer geipiilten. Bgl. Mollinger, 
ndbudh der zwedmäßigſten Syiteme von U.-, Senf- 
tuben> und CSielanlagen (2. Aufl., Halle 1867); 
aquet, Gerudlofe Unjammlung und Wbfubr 
menjdlider Ubfalljtoffe (Heidelb. 1878); Lorenz, 
Ubtritts. undSenfqrubenanlagen (Reichenberg 1878); 
Klette, Ubortsanlagen (Rarisr. 1881); Sdujter, 


Das Exrdflofett-Syitem (3. Aufl. Warau 1892); Rupe | 


baum, Wernid und Hueppe, Das Wohnhaus 
(im 1g »>Handbud) der Hygiene«, Jena 1896). 
btadorf (tided. Dpatov), Marttflecken in Boh⸗ 
men, Bezirtsh. Leitomiſchl, an der Staatsbahnlinie 
Bien - Prag, mit (1900) 2020 deutiden Cinwohnern. 
Mbts Glienbabufyitem, j. Bergbabnen. 
Abtsröder Hohe, ſ. Rhön. 
Abtſtab, ſ. Krummiſtab. 
Abtun, das Abgehen angeſchoſſenen oder kranken 
Hod)-, Reh- oder Schwarzwildes von einem Rudel. 
Abu (arab.), »Bater«, wird zur Bildung vieler 


mannlider Eigennamen gebraudt, 5. B. Abul Kajim | 


(Bater ded Kajim), Ubu Juſſuf ꝛc. Während in diefen 
Ramen VW. das wirflide Verwandtſchaftsverhältnis 
beseidynet, bedeutet es in andern foviel wie Beſitzer, 


Inhaber, wie in Ubul Feda (Vater der Erldjung), | 
Ubu Didahl (Vater der Torbheit), gleid) dem hebraͤi⸗ 
iden Wb in Eigennamen wie Ubner (Vater des Lich: | 


tes, D. h. Der Leudhtende), Ubjalom (Bater des Frie- 
dens). Jn diefem Sinne dient es aud) den Heutigen 
Urabern jur Bildung jablreider Beinamen, 3. B. 


Ubu-burneita (Vater des Hutes, Huttrager), womit | 


der Europäer bezeichnet wird, Ubu-jdwarib (Vater 
des Schnurrbartes), Ubu-naddara (Vater der Brille, 
Brillentriager). 

Abu, ifoliertes, qipfel- und jeenreidhes Bergplateau 
amt Südende Der YUriwalifette tm wejtlidjen Radſch— 
putana (Britiſch⸗Indien), bis 1714 m hod, engl. 
Sanatorium und einer der heiligiten Wallfahrtsorte 
der Didhaina, mit fiinf Tempein, von denen zwei, 
1031] und 1200 n. Chr. erridjtet, gu den ſchönſten 
Denfmalern indifder Baukunſt gehören. 

Abuam, Hauptort der Daje Tafilelt(Siidmaroffo), 
unter 31° nördl. Br., von Catllié (1828) und Roblfs 
(1864) befucht. 

Abu-arba (> Vater der vier<), arab. Beiname des 
altern Piaſters von Carolus II. wie Ubu-medfa 
(»Bater der Kanone«) fiir den Saulenpiajter und 
Abu⸗nukte (⸗Vater des Punktes«) fiir den Maria— 
thereſientaler. 

Abu Bekr, 1) mit dem Beinamen es Siddik (»der 
Wahrheitsliebende⸗), geboren um 570 in Mekla, geſt. 
634, ſchloß ſich gleich bei Mohammeds Auftreten die— 
ſem an und ward ſein treueſter Gefährte. Neben der 
Tatkraft Omars haben ſein ruhiger und verſtändiger 
Rat am meiſten zum Siege des Propheten beigetragen. 
Mohammed heiratete 624 Abu Befrs Tochter Wijda 
(jf. d.). Nad) Mohammeds Tode (632) ward A. zum 
Malifen erwählt (ſ. Kalifen [Die leqittmen Raltfen)). 

2) Almoravidiſcher Herrider, f. Almoraviden. 

Abu Dawud, arab. Theolog, ſ. Arabiſche Literatur. 

Abu Habba, Ruinenjtitte der uralten babylon. 
»Sonnenjtadt« Sippar zwiſchen Bagdad und Baby: 
lon. Ausgrabung des dortigen Gonnentempels und 
Uuffindung des großen Tempelarchivs durd) Raj- 
fam 188). 

Abu HPammed, Stadt in Nubien, am redten 
Nilufer und am nördlichſten Punkte des Bogens, den 
ber Strom zwiſchen Berber und Dongola madt. Der 
cinjam inmitten Der Wüſte gelegene Ort zieht feine 











Abtsdorj — Abul Mla ef Ma'arri. 


Exiſten ʒmittel aus der woblangebauten Nilinfel Mo- 
— Unusgangspuntt der Karawanen durch den Nil⸗ 

ogen, jetzt durch Eiſenbahn mit Wadi Halfa (320 km) 
und Chartum verbunden. 

Ubu Hanifa ibn Thäbit, Stifter einer der vier 
orthodoren mobammedaniiden Redhtsidulen, f. Ara⸗ 
biſche Literatur und Hanefiten. ; 

MAbufir, fleiner Ort an der Nordküſte Ägyptens, 
23 km norbddjtlidh von Ulerandria, mit Dem es Durd 
Eiſenbahn verbunden tit, an der Bai von A., mit 
150—200 Einw. verfallenem Kaſtell, Leucdhttunn 
und ſeichter, durch Sandbanfe geſchützter Reede. Nord- 
Hitlich liegt Die Ynfel A. ſüdlich von A. der 14,000 
Heltar grope See von A. (Behéret Maadiye). Der 
Ort liegt vielleicht an Stelle deS alten Zephyrion mit 
demt Tempel der Arſinoe Aphrodite, nahebei Ruinen 
des alten Ranopos. Wuf der Reede wurde 1. Aug. 
1798 die groke Seeſchlacht bei A. geſchlagen. Das 
von Bonaparte zur Eroberung von ÄAghpten bejtimmte 
Heer war 1. Juli 1798 bei Wlerandria gelandet. Wit 
13 Linienfdiffen und 4 Fregatten legte ſich Admiral 
Brueys 6. Bult auf der Reede von UW. didt am Lande 
vor Anker. Der englifde Ronteradmiral Neljon, der 
die franzöſiſche Flotte feit Woden vergeblich gefucht 
hatte, eridjien 1. Aug. mit 13 Linienjdiffen und 3 
Fregatten vor der ägyptiſchen Küſte. Er ſchickte einen 
Teil ſeiner Schiffe in den engen, ſeichten Kanal zwi⸗ 
ſchen dem linken Flügel der feindlichen Linie und dem 
Ufer, während die übrigen im Bogen vor der fran— 
zöſiſchen Flotte anlerten. Gegen 7 Uhr abends be— 

ann die Schlacht, und ſchon vor 8 Uhr waren fünf 
—— Schiffe in den Grund gebohrt oder ge— 
nommen. Yn Stelle des am Kopfe verwundeten Rel- 
jon übernahm Kapitän Berry das Kommando. Hart- 
näckig ſetzten die franzöſiſchen Schiffe Die Schlacht die 
Nacht hindurch fort. Admiral Brueys fiel; ſein Schiff 
LOrient geriet in Brand und flog mit der Befagung 
in bie Quft. Nach 3 Uhr morgens endigte die Schlacht 
mit der Flucht der nocd iibrigen zwei franzöſiſchen 
Linienſchiffe und zwei Freqatten nad) Rorfu. Bona- 
parted Flotte verlor die Halfte ihrer Mannſchaft und 
3705 Gefangene; die Englander batten 900 Tote unt? 
BVerwundete. Qn dem weitern Verlaufe der ägyp— 
tiſchen Expedition wurde dic * von A. zweimal 
Zeuge von Landſchlachten. Witte Juli 1799 lan- 
deten 18,000 Tiirfen unter Mujtafa bei A., wurden 
aber von 8000 Franjofen 25. Juli geſchlagen. Am 
8. März 1801 landeten 17,000 Englindern unter 
Ubercromby, ndtigten den General Friant zum Riid- 
jug, eroberten das Fort UW. und nahmen 30 km da- 
von eine verſchanzte Stellung. Hier wurden fie 21. 
März von Menou angegriffen; aber Ubercromby um- 
gins bie Franjofen, und, obwohl er felbjt an einer 

erwundung jtarb (28. März), war die villige Räu— 
mung Wguptens von den Franzoſen die Folge. 

Abul Wia ef Ma’arri, der bedeutendjte arab. 
Dichter der nachklaſſiſchen Beit, geb. 973 in dem 
nordjyrifden Flecken Ma'arret en⸗No'mãn, geſt. da- 
ſelbſt 1057. Cr erblindete als Rind an den Blattern, 
jtudierte gleichwohl cifrig in feiner Vaterſtadt und in 
Aleppo und wurde 1008 in Bagdad in freigetitige 
Kreiſe eingefiihrt, deren Anſchauungen er ſich voll zu 
eigen machte und fonjequent weiter entividelte. Seine 
Jugendgedichte (»Ssikt es-send«, qedrudt mit emem 
von WU. ſelbſt verfaßten Kommentar Betrut 1884, mit 
anbdern Nonunentaren Bulaf 1869, Rairo 1886—87, 
lithographiert Tebris 1860) zeigen cin jtarfes Streben 
nad terachtibec Eigenart, bewegen fic) aber im iibri- 
gen bei aller Meiſterſchaft im fonventionellen Gleiſe 


Abul Faradſch — Abu Simbel. 


und find namentlid) nicht frei von Wnlefmungen an | 
Mutanabbi(j.d.). In den Gedichten feines retfern Wl: | 
ters Dagegen (>Lusim ma 1a ialsem«, lithographiert 
Bombah 1886, und gedruckt Kairo 1891; Auszüge mit 
Uberjegung von A. v. Kremer im der » Zeitfdrift der 
Deutiden Morgenländiſchen Gejelljdhaft«, Bd. 31— 
33, 38), die voll}te religidje und fittlidje Unabbangig- 
feit, riidjidjtslofen Freimut, tiefjten Ernjt und einen 
erſchütternden Peſſimismus atnien, geht er völlig feine 
eignen Wege. Bedeutend find aud jeine Briefe (hrsq. 
und iiberjegt von Margoliouth, Orf. 1898, gedructt 
mit Ronmmentar, Beirut 1894). Bgl. Rieu, De Abul- 
Alae vita et carminibus (Bonn 1843); v. Kremer, | 
Uber die philoſophiſchen Gedichte des W. (Wien 1888). | 

Abul Faradjd, ſ. Bar Hebrius. 

Abul Feda, Jsmail ibn Ali, arab. Fürſt 
und beriihmter Gelehrter aus dem Geſchlechte der 

jiubiden, geb. 1273 in Damastus, wohin fein Bater 

lif Ufdhal, Bruder des damaligen Herrjders von 
Hamat, vor den Mongolen geflohen war, geit. 26. 
Olt. 1331 in Hamat, fampfte {don 1289-—91 bei 
Der Erjtiirmung von Tripolis und von Alkon mit, 
tat fid) aber bejonders in dem Sriege gegen Die Mon- 
golen bervor und erbielt 1310 die Statthalterſchaft 
m Hamat. Obwohl Vajall AUgyptens, ward er dod | 
von Ddejjen Beberridern mit der erbliden Sultans- 
wiirde beehrt und hod) geadjtet. Er hat eine Welt- 
geididte binterlajjen, die bis 1329 reicht und cine 
reiche Fundgrube fiir die Geſchichte des Oſtens bietet. 
Gie erjdien 1869 in vier Teilen in Ronjtantinopel ; 
Fleiſcher gab davon heraus die » Historia anteisla- 
mica« (nut lat. Ubderjepung, Leips. 1831), Reisle das 
anje Werk mit Uusnahme der anteislamitijden Ge- 
chichte unter dem Titel: »Annales muslemici« (mit 
lat. liberjefung, Ropenh. 1789—94, 5 Bode.). Wert: 
voll ijt aud) eine allgemeine Geographic Abul Fedas, 
herausgegeben von Reinaud u. de Slane (Bar. 1840), 
liberjegt ms Franzöſiſche von Reinaud (Bd. 1 und 
1. Teil des 2. Bandes, daj. 1837 —48, der 2. Teil 
von Guyard, daj. 1883), autographiert von Sdier 
(Dresd. 1846). 

Abul Ghazi Behadur, tatar. Chan und Ge- 
fdhidjtidreiber, geb. 1605, gejt. 1664, angeblicer 
Spropling der Familie Dſchengis-Chans (j. d.), be- 
ſtieg 1644 den Thron von Chiwa und dehnte zwei: 
mal die Grenzen feines Landes bis an die Ufer des 
Serafidan in Bochara aus. 1663 legte er die Regie: 
rung ju gunſten feines Gohnes nieder und begann 
im oſttürliſchen Dialeft cine Geſchichte des Geſchlechts 
Dichengis-Chans, die, nad feinem Tod von jeinem | 
Sohn vollendet, als die glaubwiirdigite Geſchichte 
feines Seitalters angefehen wird. Die bejte Wusgabe | 
lieferte Desmaiſons (mit fran. Uberjesung und Rom- 
mentar, Betersb. 1871-74, 2 Bde.). 

Abulie (qried)., » Willentojigtcit<), eine auf Ver- 
fangjamung, refp. Hemmung der geijtigen Vorgänge 
berubende Willensſchwäche und Entidlugunfabigfert, 
fommmt als Symptom bei Melancholie, Hypodondrie 
und —— ſchweren Formen der Neuraſthenie vor. 

Abul Käſim, Chalaf ibn Was, aud Albu— 
kaſis (Abulcaſis), Arzt, geboren gu Zahra bei 
Cordoba, geſt. 1106 oder 1107 in Cordoba, war haupt⸗ 
ſächl ich Chirurg und ſchloß fic an Baul von Ägina 
an. fiir die Geſchichte der Medizin ijt fein das ganze 
Gebict umfajfendes Werf » Altasrif< widtig. Cine 
(unvollitinbdige) lateiniſche Uberſetzung desfelben lie⸗ 
ferte Grimm (»Liber theoricae... Alsaharavii-, 
Augsb. 1519, Wien 1532); der Abſchnitt iiber Chi- 
rurgie, der bas Vejte iiber diefen Zweig der Medizin | 








63 


aus der Araberzeit enthalt, wurde mit lateimifder 
Ubertragung herausgegeben von Channing (Orford 


1778, 2 Bde.). 


Abullonia Gil, fleinajiat. See, ſ. Royndalos. 

Mbu Ma'ſchar, arab. Aſtronom, f. Arabiſche 
Literatur und Aſtrologie. 

Abu - medfa, ſ. Wbu-arba. biſche Literatur. 

Abu Merwan ibn Zohr, arab. Arzt, f. YWra- 

Mb und an Frengen, mit einem Segelſchiff ab- 
wedjelnd iiber een Bug auf die Küſte zu und über 
den andern Bug von ihr weg ſteuern. Bgl. Kreuzen. 

WUAbundantia (lat.), Berjonijifation des Über— 
fluſſes, auf römiſchen Kaiſermünzen thre Gaben aus 
einem Füllhorn ausfdiittend dargejtellt. Ihr ver- 
wandt ijt die Domina Abundia (altfranz. Dame Ha- 
bonde), in Didtungen des Weittelalters: ein gütiges 
Weſen, das Gedeihen und Überfluß bringt, wenn es 


| mit ſeinem Gefolge (dominae nocturnae) von nadts 


offen bhingejtellten Speijen und Getranfen, ohne fie 
ju mindern, geniept. 

Abu-nukte, j. Ubu-arba. 

Abu Nuwae, ciner der größten arab. Didter der 
nadflafjifden Zeit, geb. um 750 in Dem perjijden 
Ahwas von einer perjijden Mutter (vielleidt war 
aud) fein Vater perſiſcher Herfunft), geſt. um 810 in 
Bagdad an den Folgen einer Mißhandlung, die er fid) 
Durd cin Schmähgedicht zugezogen hatte. Er verlebte 
jeine Jugend in Baßra und Rufa, wo er die Vorleſun— 

en hervorragender arabiſcher Bhilologen befuchte, 
oll aud) cin Jahr lang das unverfälſchte klaſſiſche 
Arabiſch in Der Wiijte bet den Beduinen jtudiert haben 
und gewann ſchließlich cine feſte Stellung in Bagdad 
am Hofe der Nalifen Harun und Emin. A. war ein 
genial veranlagter Dichter, aber fittlid) haltlos und 
frivol. Seine Lieder zeichnen fic) infolgedeffen zwar 
durch fpradliden Wohllaut, Stimmung, Weijt und 
Wis aus, aber es feblt ihnen an Tiefe und Ethos, 
und der crynifde, oft geradezu rohe Ton, der z. T. in 
ibnen herrſcht, wirtt abjtogend. Am beriihmtejten 
jind feine Weinlieder (wie er denn dem Weine, neben 
der Knabenliebe, aud) tm Leben beſonders gefrint 
hat). Wher er ſcheint weder in diejen, nod) in feinen 
Lob- und Spottgedidten, feinen Liebesliedern, Ele- 
gien und Jagdidilderungen der arabiſchen Poeſie 


wirklich neue Wege gewiejen 3u haben. Sein » Diwan⸗ 
erſchien lithogr. Kairo 1860, gedr. Beirut 1884; die 


Weinlieder veröffentlichte Ahlwardt (Greifsw. 1861), 
cine Deutide Bearbeitung des » Diwans« lieferte Kre— 
mer (Wen 1855). A. wurde früh populär, fo dak 
ev ſpäter als Der Held zahlreicher im Bolle lebender 
Schwänke und Unefdoten erjdeint (geſammelt u. ge— 
dructt Kairo 1865 u.d., lithographiert Bombay 1889). 
Abuſchehr, Stadt, ſ. Buſchir. 
Abu Schodſcha', arab. Juriſt, ſ. Arabiſche Lite— 
Abuſenna, ſ. Acacia. ratur. 
Abu Simbel (arab.,⸗Vater der Rornabhre«), vor 
den Franjojen J bfamboul genannt, Name mehrerer 
Sandjteinfelfen am linfen Nilufer zwijden den Ka— 
taraften von Aſſuan und Wadi Halfa, berühmt durd 
zwei von Ramſes I, (1324—1258 v. Chr.) angelegte 
igyptifde Felstempel, die gu den großartigſten Dent- 
malern des äghptiſchen Wtertums gehdren. Sie find 
1812 von Burdhardt aufgefunden und 1817 zim 
erſtenmal von Beljoni ausgeqraben worden; {pater 
mußten fie wiederbholt vom Wüſtenſand befreit wer- 
den. Der größere von beiden war dem Wmon- Re 
von Theben und dem He- Harmadis von Heltopolis 
qeweibt, neben denen aud) Ptah von Memphis und 
der König felbjt ihre Rulte Hatten. Vor ſeinem 36 m 


64 Abujir — 


breiten, 32 m hohen Eingang (i. Tafel » Urditeftur I<, 
rig. 6) erheben fid) vier aus dem Felſen gehauene, 
20 m hohe Sigbilder Ramſes' IT. ; an dem beiden fiid- 
lichen interefjante kariſche, griechiſche und phönikiſche 
Inſchriften von Söldnern, die auf ihren Heerzügen bis 
hierher gelommen waren. Das Innere, das ſich 36 m | 
tief in den Felſen erjtredt, bejteht aus einem qrofen 
Pfeilerſaale (nut widtigen Darjtellungen der Hethiter- 
friege des Königs), zwei fleinern Salen, drei Rapellen, 
in Deren mittlerer, Dem Ullerheiliqiten, die Statuen 
der vier im Tempel verehrten Wottheiten ſtehen, ſowie 
mehreren Nebengemächern. Wud vor dem fleinern 
Tenrpel, welder der Liebesgöttin Hathor und der Kö⸗— 
nigin Refretere geweiht war, ftehen fechs iiber 10 m 
hohe Riejenjtatuen des Königs und ſeiner Gemabhlin. 
Reben dem qrofen Tempel liegt nod eine flee, 1874 
entdeckte Feljenfapelle. Yn den Feljen finden fic) nod 
zahlreiche Denfinjdriften und Gedächtnisniſchen. Val. 
Champollion, Monuments de l'Egypte, Bd. 1 
(Bar. 1835 — 45); Lepfius, Denfmaler aus Agyp— 
ten, Ubt. 3, 185 — 191 (Berl. 1849—59); Gau, Denk: 
miler Nubiens, Tafel 55—61; Diimiden, Der 
äghptiſche Felfentempel von A. (Berl. 1869). 
bufir, zwei Orte in Agypten, ſ. Buſiris. 

Abusive (lat.), mißbräuchlich. 

Abiisus, {. Mißbrauch. 

Abu Temmam (Habib b. Aus), arab. Dichter, 
geb. ca. 807 su Dſchãßim in Syrien, geſt. um 842 in 
Moſul, lebte in Agypten, Damastus, Woful und 
voriibergehend aud am Hofe zu Bagdad. Er madte 
fid) beſonders Durd) die Sammlung der »Hamäſa« 
(j. d.), weniger durch ciqne Didjtungen verdtent; fein 
» Diwan ijt in Kairo 1875 gedrudt. 

Abutig, ägypt. Hafenjtadt und Dampferjtation 
amt linfen Rilufer, 24 km fiidlid) von Siut, in ge- 
treidereidher Gegend, mit (1882) 10,772 Cinw., Lauter 


Fellahs. 

Abutilon Gärta. (Schmuckhmalve), Gattung der 
Malvazeen, Kräuter oder Sträucher, jeltener Baume 
mit meiſt herzförmigen ganjen oder gelappten Blat- 
tern, meijt einzeln achſelſtändigen, oft qelben Bliiten | 
und zweillappig aufipringender Frudt. Etwa 80 tro- | 





Abwäſſer. 


piſche Arten. A. Avicennae Gdrtn. (Sida A. L., 
Samtpappel, Baftardetbijd), einjährig, mit 
filjiqen Blattern und gelben Bliiten, aus Ojtindien 
bis Nordajien und Südeuropa, nad Amerila und 
Auſtralien veridleppt, wird in Chma als Faſerpflanze 
tultiviert. Bon A. esculentum St. Hil. (Bengio de 
Deos) genießt man in Brajilien die Bliiten und un- 
reifen Früchte als Gemiije. A. indicum G. Den, in 
Indien, fultiviert, licfert Gejpinitfajern. Webrere 
andre Yirten werden zu mediziniſchen Zwecken benutzt, 
andre, wie A. insigne Planch. (j. Tafel⸗Zimmer— 
pflanzen I<), aus Reugranada, mit dunfelroten, heller 
gezeichneten Blumen, in vielen Varietäten und Ba- 


jtarden, werden bei uns als Winterbliiber in Wann- 


haujern und Zimmern fultiviert. 

Ubwagiri, ſ. Aleurites. 

Mbwarme, die Wärme, die in dem Whdampf (j.d.) 
einer Dampfmafdine, in den Abgaſen von Wotorcn 
und Feuerungen oder in den heißen Abwäſſern man- 
cher Betriebe enthalten ijt. Die A. wird oft mubbar ge- 
madt, befonders wird Abdampf yu Heizzwecken und 
jum Betrieh der Kaltdampfmaſchine (j. d.) benugt. 

Abwartung der Haustiere, ſ. Haustierpflege. 

Abwaſchung, ſ. Waſſerkur. — Uber den fird- 


lichen Gebraud ſ. Ablution. 


Abwäſſer, die den Haushaltungen (Küchenſpül⸗ 
waſſer, Badewaſſer, Waſchküchenwaſſer, Wasjerflo- 
ſetten) und der Straße (Regenwaſſer, Schmutzwaſſer, 
Sprengwaſſer) ſowie der Induſtrie entſtammenden 
unreinen Wäſſer, beſitzen ungemein veridiedenartige, 
aber meiſt ſolche Zuſammenſetzung und Beſchaffen— 
heit, daß ihre ſchnelle Beſeitigung oder Reinigung aus 
hygieniſchen Gründen dringend notwendig erſcheint. 
Sie durchnäſſen den Boden und die Mauern und be— 
günſtigen die Vermehrung Krankheiten erregender 
Bakterien. Die Hauswäſſer zeigen, wenn das von 
den Straßen abfliejende Meteorwaſſer mit ihnen fich 
miſcht, große Ubereinjtimmung im Gebalt an ſchwe— 
benden und gelöſten fäulnisfähigen Stoffen, gleichviel 
ob ihnen die fejten Exfremente aus Wajfjerflofetten 
beigemiſcht find oder nidjt. 100,000 Teile A. ¶ mit fe- 
jten Ertrementen, IT ohne fejte Extremente) enthalten : 








O rganif chen 








—— — 
feften Kohlen⸗ Spee 
|Ridftand) — ftoff | Stidftoff | mat 
62,0 22165 | I,516 0,430 
{ou ie he -{ 160,7 6504 | 50a 30,350 
Durchſchniti . 82,4 41st | 1975 | 5,435 
| OL 3,235 0,690 2,030 

Or Sarees . : g . 
- — {| 91,1 7,046 | 2,040 25,960 
Durchſchniti ee 72,2 4,096 | 2,208 6,703 


Die Jujammenfepung der A. ſchwankt mit den Jab: | 
reszeiten (Ungleidheit des Waſſerverbrauchs und der 
atmoſphäriſchen Niederſchläge) und entiprecdend den | 
Lebensgewohnheiten an den Wodentagen und in den 
Tagesitunden. Für Die Menge Der Hauswäſſer 
it Der erfahrungsmäßige BVerbraud an Reinwasjer | 
fiir Ropf und Taq maßgebend. Dieſer ſchwankt zwi— 
ſchen 10 und 200 Sit, flir 1 Taq, d. h. 8,00 und 73 cbm 
fiir Ropf und Jahr. Davon geben etwa 10 Pro}. in- 
jolge von BVerdunjtung ab, wahrend die menfdlicen | 
YMuswurfitoffe hingufommen, fo daß fic) für Kopf und 
Jahr etwa 4,78 74,1 chm ergeben. Jin Durchſchnitt 
fann man fiir Tag und Perjon 150 L., d. h. 54,75 chm 
UW. tm Sabre, redynen. Dazu kommt das von den | 
Straßen abjlichende Sdnee- und Reqenwafjer. 
Wan wird defien Menge auf 50 - 75 Pro. der gee | 
ſamten Niederſchläge berednen können, d. h. auf 











Ritrate | Snaſtoff Schwebeſtoffe 
lind gefamt| Chlor | mimes | orga | mse 
| Ritrite | ralijde | niſche qefamt 
— | 1s — 23,18 lie: | Sto 
— | 30,638 — 13,18 33,38 46,56 
-- 6,451 Iisa | 17,1 21,30 39,11 
— 2,371 5,6 3,68 6,36 10,04 
— 24,325 20,6 0,84 27,12 36,96 
0,003 | 7,728 10,06 24,18 20,51 44,0v 

















(0,5 — 0,75) ag ebm, wenn h die Jahresniederfdlags- 


höhe fiir den betreffenden Ort in Villimetern und F 
die Sammelfläche in Ouadratmetern bezeichnet. Im 
allgemeinen fann man 0,6 chm Regenwafjer auf 
L qm rednen. 

Durd Gojjen, Rinniteine und Randle mit durd- 
laffiger Soble hat man fdon frith die A. zu ſammeln 
und aus den Stadten zu entfernen geſucht. Cine ein: 
heitliche Nanalifation bauten in Deutidland zuerſt 
Hamburg (1848) und Witona (1857); Frantfurt a. M. 
beqann 1867, Danzig 1869 und Berlin 1873 mit der 


Kanaliſation. Jn England, das friiher als Deutid- 


land Ranalifation in mehreren Städten beſaß, leitete 


man die abgefiibrten A. in die nächſten Flüſſe, und da 


England nur fleine Flüſſe bejigt, fo trat eine uner- 
traglide Verunreiniqung derfelben cin, die um die 


Abwäſſer (Reinigung, Berwertung). 


Beit, al8 man in Deutſchland zu fanalijieren begann, 
zu rigorojen Makregein gegen die Verunreiniqung der 
Wafjerliufe fiihrte. Yn Deutſchland verbot man die 
Cinleitung der A. auch in große Flüſſe, und nad dem 
Vorbilde von Croydon bei London wurden bei —— 
und Berlin Rieſelfelder (ſ. d.) angelegt. Später qa 
man, nachdem ſich gezeigt hatte, daß Rieſelfelder der 
Bodenbeſchaffenheit oder ber ökonomiſchen Berbiilt- 
niſſe halber nicht überall durchführbar find, einer mil- 
dern Auffaſſung Raum. Die Flüſſe entledigen fic) der 
in jie hineingebradten Schmutzſtoffe nad mehr oder | 
nuinder langer Beit und nad dem Durdlaufen einer | 
mehr oder weniger groken jtrecle (Sel bftreini- 
qunq). Sinfftoffe fallen gu Boden, differente Stoffe 
werden in indifferente übergeführt, gelöſte Stoffe wer- 
den Dis zur Unauffindbarfeit verdiinnt, durch ae 
ſetzung, Flächenattraktion, durch Einwirkung von Bat- 
terien, niedern und hdhern Pflanzen befeitigt und die 
zahlreichen eingeſchwemmten Batterien durd Abſetzen 
oder Abſterben zum großen Teil beſeitigt. 

Die Frage, ob A. einer Stadt ohne weiteres in einen 
nahen Fluß eingeleitet werden dürfen, iſt von Fall zu 
Fall zu entſcheiden und z. B. zu bejahen, wo ein reißen⸗ 
der Fluß, wie die Iſar bei München, die Schmutzſtoffe 
ſchnell hinwegführt, oder wo der Fluß bald ins Meer 
mündet, wie Der Tiber. Yn andern Fallen find die A. 
vor der Einführung in die Flüſſe gu reinigen. Man 
fängt die Schwimmſtoffe mittels — ———— Apparate 
ab; Rienſch wendet Rechen an, die durch eine Maſchine 
abgekratzt werden, der Schmutz wird auf Transport⸗ 
bändern fortgeſchafft. Meiſt wird der Schlamm beim 
langſamen Hindurchfließen durch Becken mittels Se— 
dimentierung entfernt. Frankfurts Klärbecken hat- 
ten bei 80 m Lange und 4 m Sdynelligfeit in der Mi- 
nute einen Nutzeffekt von rund 80 Proz. Wo die 
Sedimentierung nidt ausreidt, muh man Klär— 
mittel (Ralf, Eifenoryd xc.) anwenden. Diefe be- 
giinjtigen die Abſcheidung der ſchwebenden Stoffe, 
ohne indes wefentlich mehr gu erreiden als eine lan: | 
gere Sedimentierung; auf die geldjten Stoffe wirfen 
Nie wenig cin, dagegegen tdten mance, wie der Ätz⸗ 
falf, Die Bafterien, wahrend andre, wie Wluminium- 
julfat, die Balterien einſchließen und medanifd ju 
Boden reißen. Die Sedimentierung ijt ohne nen- 
nenswerten bafteriellen Erfolg. Wo Klärmittel viel 
Schlamm abjdeiden, wird Diefer, da er fiir die Land⸗ 
wirtſchaft ziemlich wertlos ijt, febr lajtig, und wenn 
Astalt im üͤberſchuß zugeſetzt wird, fo wird zwar qute 
Desinfeftion erreicht, aber aus dem gereinigten Waſſer 
jcheidet fic) in Fliijjen und Baden ————— Kall 
ab, in welchem nuit niedergegangene Schlammreſte 
faulen, ſo daß der Übelſtand bisweilen größer wird 
als bei Einleitung von nicht gereinigtem Waſſer. 
Immerhin dürfen die in den Abwäſſern enthaltenen 
Krankheitserreger nicht unberüchſichtigt bleiben, und 
jedenfalls dürfen blog mechaniſch geflarte A. in Flüſſe 
nur dann eingelaſſen werden, wenn das Flußwaſſer 
auf weite Strecken hinab zum Trinken überhaupt nicht 
und für Hausgebrauch nur wenig benutzt wird. Kön— 
nen A. unter ſolchen Verhältniſſen undesinfiziert in 
Flüſſe geleitet werden, ſo muß doch Sorge getragen 
werden, daß ju Epidemiezeiten das geflarte Rayer 
Desinfiziert werden fann. Dies geſchieht durd) zwei—⸗ 
jtiindige Cinwirfung von 1 kg Chlorfalf auf 15 cbm 
Wafer. Gute Erfolge erzielt man mehrfad mit dem 
Trennſyſtem, welched die Kondenſationswäſſer der 
Fabrilen, aud) einen Teil ded Regenwaſſers rc. direlt 
dem Fluß zuführt. Dadurd wird die Menge der 
ju reinigenden A. geringer, und man fann mittels 
Meyers Kony. + Lerifon, 6. Aufl., L Bd. 


65 


Druckluft Terrainſchwierigleiten leicht überwinden 
(Shone-Mertens-Syſtem). 

Nach dem Verfahren von Röckner-Rothe wer— 
den die WL. auf kleinſten Raume mittels in flache Brun⸗ 
nen eingeſenkler Eiſentürme oder Dome filtriert. Die 
A. treten unten in den Brunnen cin und von dort in 
den luftleer — Turm bis 6 m hinauf. Hier- 
bei filtriert Das Waſſer von unten nad oben durd 
jeinen eignen Schlamm bindurd, der durd) Bujak 
von Ralf rc. bejdjwert wird. Beim Rohlebreiver- 
fahren von Rothe-Degener werden auf 1 chm A. 
1—2 kg febr feine3 Braunfohlenpulver und dann 
710 — 260 g Eijenfulfat beigemijdt und das Ganze 
durch die oben beſchriebenen Rotheſchen Titrme ge- 
leitet. Bei diefem Verfahren werden gelöſte organijde 
Stoffe bis gu 90 Proz. entfernt, und wenn das gerei- 
nigte Waſſer ein Sdinfilter paffiert, fo wird es voll- 
fomunen blank. Der Schlamm fault nicht und gibt ge⸗ 
preft ein gutes Brennmaterial. Das abjliejende Waſ⸗ 
jer ijt nit mehr faulnisfibig und eignet ſich wegen 
feines hohen Gehalts an anorganijdem Stidjtoff sum 
Beriejeln von Wiefen x. 1879 fucjte Wler. Müller 
UW. durch die Cinwirfung von Balterien (Garungs- 
prozeſſe) und nadtraglide Oxydation in drainiertem 
Mierelland ju reinigen, und Frankland wandte Filter 
an, die abwedfelnd mit Flüſſigkeit und mit Luft ge- 
fiillt wurden. Mit diefem Verfahren erzielte man in 
mebreren Stadten Maſſachuſetts günſtige Refultate. 
Mad Dibdin, der dieje Methoden weiter ausbildete 
(biologiſches Verfahren), werden die VW. 24 Stun- 
den unter Sauerſtoffabſchluß und Wärmeſchutz in 
Faulfammern fid) felbjt überlaſſen und dann unter 
Balterienwirfung und Sauerſtoffzufuhr oxydiert. 
Man fieht aber aud) von dem Fäulnisprozeß ab und 
leitet fofort die Orydation ein in Been, die mit Kols 
gefiillt find. Das Waſſer pajjiert cinen Sandfang 
und einen Reden und bleibt dann 2—6 Stunden in 
den Been ftehen. Nachdem fic) der Nols eingearbeitet 
hat, halt er bis 90 Prog. der fuspendierten Stoffe und 
56—80 Proj. der organijden Subjtanjen zurück. 
Der Geſamtſtickſtoff vermindert fid) um 24—51 Pro}. 
Das Wafer erfdeint leicht gelblich, fajt far, und ent- 
widelt feinen iibeln Geruch. Die vom Koks guriid- 
gebaltene organifde Sübſtanz wird von den Balte— 
rien in der Zeit, wo das Filter mit Luft gefiillt ijt, ger- 
legt, und fo entitehen nur geringe Wengen Schlamm. 
Du Temperatur des Waſſers erhöht ſich um 5°, und 
e3 wird viel Kohlenſäure entwidelt. Das gereinigte 
Wafjer ijt reid) an Wineraljtoffen und anorgani- 
idem Stichſtoff und fann daber ju landwirtſchaft⸗ 
lichen Zwecken verwertet werden. Leider ſtellt ſich das 
Verfahren nod ziemlich teuer, da 1 qm Filterfläche 
am Tage nicht viel mehr als 1 chm YW. reinigt. Bet In— 
feftionsgefabr muß das gereinigte Wafjer mit Chlor- 
falf DdDesinfizjiert worden. Bur eleftrolytiiden 
Reinigung der A. ſchlug Webjter vor, den Strom 
mittels Cifenelettroden durch Das Waſſer zu leiten. 
Die Hauptwirfung beruht woh! auf der Vildung von 
Eijenhydroryd, das die fuspendierten Stoffe nieder- 
ſchlägt. Vorhandene Bakterien werden nicht getdtet. 
Das abfließende Waſſer ijt gut, allein für eine Stadt 
von 200,000 Einwohnern werden jährlich über 700 
Ton. Eiſen verbraucht. Die meiſten ſonſtigen Ver— 
fahren beruhen auf der elektrolytiſchen Chlorentwide- 
lung. Hermite ſtellt eine desinfizierende Löſung (Her- 
mitin) aus Meerwaſſer oder emer Löſung von Koch— 
ſalz und Chlormagneſium mit Magneſiumhydroxyd 
dar und leitet die erhaltene Desinfeltionsflüſſigleit 
zur Benutzung in die Häuſer. 

5 


66 Abwajjern 

Die Induſtrie liefert A. verſchiedenſter Urt. | 
Solche, die nur Schwebſtoffe enthalten, reinigt man 
metit in Clãrteichen. A. mit vorwiegend gelöſten mi— | 
neralijden Subjtanjen fonnen nur chemiſch gereinigt | 
werden, dod) werden fie bisweilen aud nur bis zum | 
Beridwinden jeder ſchädlichen Wirkung verdiinnt. | 
Mande Reinigungsverfahren ftellen jid) als indu⸗ 
jtrielle Prozeſſe dar, zu deren Uusfiihrung die Fabri- 
fanten Durd die Ronfurren; gezwungen wurden. Dieje 
Lrozeſſe liefern dann wieder A., Die aber minder | 
ſchãdlich find al3 die uripriingliden. Am ſchädlichſten 
jind A. mit hohem Gebalt an faulnisfahigen Gub- 
ſtanzen (Starfe-, Zucerjabrifation), da dieſe Durch 
Bu dung von Fäulnisgaſen die Luft verpeften und 
bie Gewäſſer, in die fie gelangen, in unertraglider 
Beije verunreinigen. Wan trennt 3. B. in — 
ſabrilen die Fallwäſſer und Kondenſationswäſſer, die 
nur geringe Spuren von Zucker oder Ammoniakver⸗ 
bindungen enthalten, von den übrigen, kühlt ſie und 
fann fie Dann ohne weitere Reinigung ablaſſen. Die 
viel unreinern Rübenſchwemm- und Waſchwäſſer 
werden durch Fanqvorridjtungen von Riibenteilen | 
befrett und find dann weiter zu reinigen, können aber 
in waſſerreiche Waſſerläufe ohne weiteres abgelaſſen 
werden. Fir Die ſchlimmſten A., wie Schnitzelpreß- 
Knochenlohlewaſchwäſſer ꝛtc., empfiehlt fid) Riejelung 
oder das biologiſche Verfahren. — Für das Studium 
der Abwäſſerfrage, Prüfung neuer Methoden und 
Auskunftserteilung und ſanitätstechniſche Beratung 
auf dieſem Gebiet tit die königliche Verſuchs- und 
Prüfungsanſtalt fax Walferverisrgune und) 
Ubwafferbefeitigung 1902 in Berlin geqriindet 
worden. Bal. König, Die Verunreinigung der Ge- 
wiffer (2. Aufl., Berl. 1899, 2 Bde.); Gerfon, Die 
Verunreiniqung der Waſſerläufe durch Abflußwäſſer 
aus Städten und Fabriken und ihre Reinigung (daſ. 
1889); Fadejeff, Die Unſchädlichmachung der ſtäd— 
tiſchen Kloalenauswürfe (deutſch von Menzel, Leipz. 
1880); Juriſch, Die Verunreinigung der Gewäſſer 
(Berl. 1890); Benedict, Die A. ber fabrifen (Stuttg, 
1896); Burfhardt, Die A. und ihre Reinigung 
(Berl. 1897); Weyl, Flupverunreiniqung, Klärung 
der VL, Selbjtreiniqung der Flüſſe (Qena 1897); Bo - 
gel, Das Rohlebreiverjahren (Berl.1899); Sd midt- 
mann, @utadten, betr. Stadtefanalijation und Ub- 
wiifferreinigung (daj. 1900); Dunbar u. Thumm, 
Beitrag zum dergeitiqen Stande der Ubwajferreini 
qungsfrage mit bejonderer Berückſichtigung der biolo- | 
Aſchen — — (Berl. u. Münch. 1902); 
Fi Aer. Das Waſſer (3. Aufl., Berl. 1902). 

bwaffern, ſ. Auswaſchen. 

Abweichen, ſ. Durchfall. 

——— (Deklination), der Abſtand eines 
Geſtirns vom Aquator, gemeſſen auf dem durch die 
beiden Weltpole und den Stern gehenden größten 
Kreis, Dem Deklinationskreis; vgl. Himmel. A. 
aud) foviel wie Parallaxe. — Sphäriſche A. oder 
Aberration nennt man den Fehler der Linſen und 
ge?rümmten Spiegel, die von einem Punkt ausge— 
a “ge Lichtſtrahlen nicht genau wieder in einem 

unfte gu vereinigen. Diefer Fehler rithrt von der | 
fugelformigen (ſphäriſchen) Geftalt ihrer Oberflächen 
ber und fonnte vermieden werden, wenn man diesen 
laden cine andre (elliptiſche oder parabolifde) We 
ftalt gabe, was aber bei optifden Anitrumenten nidt | 
geſchieht, weil nur Kugelflächen mit der erforderliden | 
Menauigteit techniſch beritellbar find. — Chroma 
tifde oder Farbenabweidung, ſ. Adhromatis. | 
mus. — UW. der Magqnetnadel (magnetifde | 





— by. 


Deflination, aud Variation), der Winkel, um 
den die Ridtung emer horizontal frei fdpwebenden 
Magnetnadel vom geoqraphijden Meridian abweidt ; 
vgl. Erdmagnetismus. — U. Der Geſchoſſe von der 
normalen Flugbahn findet in der Schußebene nad 
oben und unten, aus der Schuebene nad rechts und 
linfs jtatt und verurjadt die Streuungen. — Im See: 
wejen ijt U. (Abweitung) die mit dem Barallel- 
kreis zuſammenfallende Rathete im Rursdreied (7. d.). 

Mbrweiler, j. Bubne und Prellſtein. 

Abweijung der Cage, ſ. Klage und Ubjolution; 
Ubweifung eines Untrags, ſ. Untrag. 

Abweitung, ſ. Ubweidung (am Schluß). 

Abwerfen, das Verlieren des Geweihes der 
Hiride und Rehböcke; ſ. Geweih. 

Abweſenheit (Absentia) kommt für den Abſchluß 
eines Vertrages (ſ. d.), fiir das gerichtliche Verfahren 
und ſonſt im Recht mannigfach in Betracht. Nach 
§$ 1911 des Bürgerlichen Geſetzbuchs muß fiir cine 
volljabrige Perſon, die abwefend oder unbefannten 
Uufenthalts ijt, cin Ubwefenheitspfleqer auf- 
gejtellt werden, wenn die Sorge fiir deſſen Bermigens- 
verhältniſſe dies notwendig erſcheinen läßt (vgl. Ber- 


ſchollenheit). Uber das Verfahren gegen Abweſende 


im Strafprozeß ſ. Kontumaz. 
Abweſenheitéproteſt, ſ. Wechſel. 
Abwickelbare Fläche (developpableFläched, 

frumue Fläche, die fic) ohne Riſſe oder Falten in eine 

Chene ausbreiten läßt, 3. B. die Mantelflache eines 

Rylinders oder Regels. Der Inbegriff aller Tangenten 

einer Rurve doppelter Kritmnuung (ſ. Lurve), 3. B. emer 


Schraubenlinie, bildet ſtets cine folde Fläche, die Kurve 


jelbjt height Dann Riidfehrfurve oder Riidtehr« 
fante Der Fläche. Bei einer Kegelfläche ſchrumpft 
die Riidfehrfante auf einen Punkt (die Spitze) zuſam⸗ 
men, der bet einer Zylinderfläche im Unendlichen liegt. 
Abwidelungsburean, dem Stationsdef unter- 
ſtellte deutſche Marinebehirde bei jeder Marinejtation, 
bie nad) Uuherdienjtitellung der Schiffe deren Rech— 
mungen zu priifen und die riidjtindigen Verwaltungs- 
geſchäfte abzuwickeln bat. 
Abwiepen, ſoviel wie Abſtecken (f. d.). 
Abwracken (Loswraden), cin geſtrandetes 
Schiff hin und her bewegen, unt es los zu belommen. 
iby, Chrijtoph Theodor, Anthropolog, geb. 
25. Febr. 1835 auf Guttenbrunn bei Pfalzburg, geſt. 
7. Juli 1885 in Bilin, ftudierte feit 1853 in Bajel 
und Göttingen, habilitierte fic) 1858 als Privatdozent 
in Bafel, ward 1863 Profeſſor der Unatontie in Bern, 
1884 in Brag. Er lieferte viele Unterjudhungen jur 
mifvoffopifden Unatomie, eine neue Cinteilung der 
Schädelformen (Eury- und Stenofephalen), zeigte 
aud, daß die Mikrokephalie cine pathologiſche Bil— 
dung ſei (Beiträge zur Kenntnis der Mikrokephalie 
int ⸗Archiv fiir Anthropologie⸗, 1873), und wies die 
Bedeutung des Luftdruckes fiir alle Gelenfe nad. Er 
ſchrieb: »Unterſuchungen fiber die Fortpflangungs 
eſchwindigkeit der Reizung im der quergeſtreiften 
ustelfafer« (Braunfdw. 1862); »Cine neue Me- 
thode zur Beſtimmung der Schadelformen von Men— 
ſchen und Siugeticren« (daf. 1862); » Die Schädel⸗ 
formen des Menjdhen und der Affen« (Leipz. 1867); 
Der Bau des menfcdlichen Körpers mit befonderer 
Rückſicht auf ſeine morphologifde und phyftologifde 
Bedeutung« (daf. 1871); »über das Berhiltnis der 
Mikrokephalie zum Atavismus« (Stuttg. 1878); » Der 
Bronchialbaum der Saugetiere und des Menſchen« 
(Leips. 1880). Mit Fellenberg und Gerwer ſchrieb er: 
Das Hodgebirge von Grindelivald« (Kobl. 1865). 


Abydos — Abzeichen. 


Abijdos, 1) im Altertum Hafenſtadt der Troas 
in Kleinaſien, am Hellespont, Seſtos gegenüber, um 
700 v. Chr. von Mileſiern gegründet und berühmt 
durch die Sage von Hero und Leander ſowie durch 
die Brücke, die Xerxes 480 in ihrer Nähe über den 
Hellespont ſchlagen lie}. Die Bewokhner von A. jtan- 
den in übelm Rufe, leijteten aber dod) Philipp IL. von 
Mafedonien heldenmiitigen Widerjtand. W. wurde 
196 v. Chr. von den Römern fiir fret erflart und nad- 
mals von den Türken zerſtört, die unweit ſüdlich davon 
Tidhanal Kalejfi erbauten. — 2) A. (ägypt. Wh dtu), 
eine der älteſten und beriihmtejten Stadte Ägyptens, 
deren Ruinen fid) oberhalb Girgeh bei den 14 km 
wejtlid) vom Nil gelegenen Dörfern Urabat ef Mad- 
fune und El Cherbe befinden. Der Stadtgott war 
Oſiris, »der Herr der Wejtliden«, deſſen Grab bier 
faq und eins der Hauptheiligtiimer Agyptens war. 
Es ijt 1898 in dem Hiigel Umm ef Ga'ab durch Amé 
lineau wieder aufgefunden worden. Yn feiner Nahe 
lagen die Graber der älteſten figuptifcyen Könige der 
erjten und zweiten Dynajtie, vielleicht aud) nod aus 
friiherer Bett, die ebenfalls von Wmélineau und Fling 
ders Petrie entdedt worden find (vgl. Petrie, The 
royal tombs of the earliest dynasties, fond. 1900— 
1901, 2 Bde.). Seit dem Ende des alten Reichs (etwa 
2200 v. Chr.) erridteten fic) in UW. auch Privatleute 
ihre Grabbauten oder lichen wenigſtens ihre Leidje 
ur Weihung an die heilige Statte ſchaffen; aud) wur- 
ces Denkſteine bei dem Oſirisgrab aufgeftellt, welde 
ben Berjtorbenen der Gnade de3 Ojiris empfehlen 
follten. Bon den Heiliqtiimern der Stadt war bas 
größte der von Sethos 1. erridtete Crinnerungstem- 
pel, von Strabo das Memnonium genannt, der nod) 
jebt erbalten ijt. Er war den —— von 
A., Oſiris, Iſis und Horus, ferner dem Ptah von 
Memphis, Harmadis von Heliopolis und Ymon von 
Theben fowie dem göttlich verehrten Konig Sethos ge— 
Weiht, von denen jeder feine Rapelle hatte. Ein zweiter, 
von Ramfes I. erbauter Tempel, der wenig nördlich 
von dem erjtgenannten liegt, ijt jetzt fehr zerſtört. 
Bon dem bei El Cherbe gelegenen altejten Oftristem- 
pel von A. find nur geringe Rejte vorhanden. Zahl⸗ 
reide ägyptiſche Grab- und Erinnerungsſteine find 
aus A. in die Muſeen gewandert. A. war auch eine 
Hauptkultusſtätte des Gottes Bes (ſ. d.), Der hier nod) 
unter Ronitantin cin befudtes Drafel hatte. Val. Ma- 
riette, A., description des fouilles (Par. 1869—80, 
2 Bode.). 

Abyſche Horijontale, ſ. Schädel. 

Abyſſinien, ſ. Abeſſinien. 

Abyſſiſch (griech.), die größten Tiefen, d. h. das 
Innere der Erde betreffend, daher ſtammend. 

Abyffodynamifd, durch Kräfte aus der Tiefe, 
aus dem Erdinnern wirfend. 

Absahlungsgefdafte (Teilzaäahlungs- oder 
Ratengefdafte) heißen die Detailgeſchäfte, deren 
Beſonderheit darin bejteht, daß die Waren gegen Zah— 
{ung des Naufpreifes in (widentlidjen, monatlichen rc.) 
Raten, d. h. Teilen der Kaufſumme, abgefest wer- 
den. Die A. fiihren gewöhnlich gleichzeitig (daher 
aud) der Name: »Abzahlungs bafar«) Hauseinrich⸗ 
tungsgegenſtände, Belleidungsartifel, Taſchenuhren, 
Schmuckgegenſtände, Maſchinen (namentlich Näh— 
mafdinen), Bücher, Lofe (ſogen. Ratenlofe) x. Die 
A. taudten in Deutſchland zuerſt Unfang der 40er 
Yah re des vorigen Jahrhunderts auf; die erjten 
Ubsahlungsbafare entitanden in den 50er Jahren, 
ire legge Verbreitung datiert feit etwa 1880. Die 
große Vermehrung der Wbjahlungsbajare und da- 








67 


durch hervorgerufene Konkurrenz fiir die übrigen 
Detailgeſchäfte in Verbindung mit den Schäden des 
Ratenhandels fiihrte in den legten Jahren gu einer 
lebhaften Ygitation gegen die U. m Deutfdland 
und Ojterreid). Man tadelt die ungebiibrlidje Ber- 
leitung gum Rauf, die bet ſchlechter Qualität hohen 
Preiſe und die vielfach rigorofen und wuderijden 
Vertragsbejtimmungen, namentlid) den Cigentums- 
vorbehalt und die Verwirfungsflaujel, die den Ver— 
fiufer beredtigen, bei Zahlungsſäumnis des Käu— 
fer8 die Ware wieder an fic) gu nehmen, ohne die 
gezahlten Raten guriidgeben ju müſſen. Aber aud 
andre Mlaufeln, deren Bedeutung der untundige 
Käufer nidjt gu iiberjehen vermodte, wurden in den 
Verpflidtungsurfunden der Käufer (in den Raten- 
briefen und Ratenſcheinen) aufgenommen. Ge— 
qen folde benadteiligende Vertragsbejtimmumgen 
wendet ſich das deutſche Geſetz über die A. vom 16. 
Mai 1894. Danach kann ſich der Verkäufer gwar den 
Rückfall des Eigentums bis zur vollſtändigen Zah— 
lung ſichern oder bis dahin das Eigentum vorbehal⸗ 
ten, dagegen ijt die Berwirkungsklauſel, wonach 
im Falle des Verzugs des Käufers auch die bereits 
bezahlten Raten vom Verkäufer behalten werden dür⸗ 
fen, für nichtig erllärt. Eine zur Umgehung dieſer 
Beſtimmung etwa ſtipulierte Vertragsſtrafe kann, 
wenn ſie zu hoch und noch nicht entrichtet iſt, durch Ur⸗ 
teil angemeſſen —* werden. Auch die ſogen. 
Fälligkeitsklauſel, wonach bei Verzug des Käu— 
fers ſofort die ganze Reſtſchuld fällig wird, beſteht 
nur dann zu Recht, wenn der Käufer mit mindeſtens 
zwei aufeinanderfolgenden Zahlungen im Verzug iſt 
und der Betrag des Verzugs mindeſtens einem Zehntel 
des Kaufpreiſes gleidhfommt. Analoge Bejtimmun- 
gen beſtehen auch in Oſterreich nach Geſetz über die 
Ratengeſchäfte vom 27. April 1896. A. mit Lotterie⸗ 
loſen und Prämieninhaberpapieren ſind in Deutſch— 
land (ebenſo in Ojterreich) ſirafbar. A. find aud nad) 
§ Bia der Deutiden Reidsgewerbeordnung vom Hau- 
jierhandel ausgefdlojjen. In Deutfdland fann un- 
ter Umſtänden aud) das Wudergejes vom 19. Juni 
1893 auf U. Anwendung finden. Val. Cohen, Die 
volfswirtidaftliche Bedeutung des Wbjahlungsge- 
ſchäftes (Leipz. 1891); Lidtenthal, Das Ratenjah- 
lungsjyjtem (Berl. 1891); Fanta, Zur Reforne des 
Ratenhandels in Oſterreich (Prag 1892); Lazarus, 
Das Recht des Abzahlungsgeſchäftes (Berl. 1898); 
Mataja, AUrtifel ⸗»A.«, un »Handwodrterbud der 
Staatswifjenfdhaften«, Bd. 1 (2. Aufl., Jena 1898). 

Mbsehrung, ſ. Auszehrung. 

Abzeichen, bei Haustieren das Auftreten wei— 
ßer Haare, dunkler Flecke ꝛc. am Körper. Die weißen 
Haare ſtehen am Kopf einzeln (Stichelhaare), bil- 
ben kleine Flecke (Flocke, Blümchen) oder einen 
dreieckigen Fleck an der Stirn (Stern), einen bis zur 
Oberlippe herabreichenden Streifen (Bläſſe), einen 
weißen Fleck auf der Oberfläche (Sdhnibbe), oder fie 
bedecten den größten Teil des Vorderfopfes (Laterne). 
Yn den Füßen unterideidet man weiße Ballen, 
weiffe Rrone, weiße Feſſel. Reicht die weiße Fär— 
bung bis zur Witte des Mittelfußes, fo tit das Pferd 
halbgejttefelt, geſtiefelt dagegen, wenn der ganze 
Mittelfuß weiß ijt. Die höchſten Stiefel reichen bis 
zum Körper. Flede am haarlojen Waul bilden das 
Krötenmaulz ſchwarze Flede an roten, haarlojen 
Geſchlechtsteilen entitehen bei Melanoſe. Were Flecke 
bleiben aud) als Folge von Wunden und entitehen 
durd) Den Koppriemen am Kehlfopf und durch den 
Drud des Sattels am Riicen. 

5* 


68 


Abzeichen, militarifde, Unterſcheidungszeichen 
an der Bekleidung fiir Waffengattungen, Truppen⸗ 
teile, ben Rang oder das Dienjtverhaltnis von Mili⸗ 





Abzeidhen, militäriſche — Abziehſteine. 


pedooffiziere und Maſchineningenieure das i 
der Maate. Nur Seeoffiziere tragen ſilberne * 
pen. Abzeichen fitr Sdynellladefanoniere : Granate mit 


tarperfonen. Sdynitt der Uniform, Farbe der Kragen drei Flammen; Geſchützführer tragen den Winkel der 
und Aufſchläge, der Udhfelflappen (mit Regiments- | Obermatrojen darunter; Exerziermeiſter Granate mit 


| 


numuner, Nanienszug, Krone ꝛc.), der Knöpfe und Ve- 
fdhlage bilden die Unlerſcheidungszeichen bei Waffen- 


wei jolden Winfeln; Rohrmeiſter roten Torpedo mit 
infel Darunter; Torpedoinjtrufteure den Torpedo 


qattung, Regimentern x. Rangabzeichen in der) mit zwei Winkeln darunter. 


Urmee: Gefreite Meine, Obergefreite große Adler— 


(Bappen-)ndpfe am Kragen iiber den Sdhultern, alle | 


Unteroffijiere Treffen an Kragen und Vufidlage ’ 
Sergeanten und Feldwebelflafje auferdem große Ad— 
ler=(Wappen-)Mmopfe, Feldwebelklaſſe das Seiten- 
gewehr der Offiziere. Die Offiziere tragen im gewöhn— 
lichen Dienjt Achſelſtücke und bes. Feldbinde, bei be- 
fondern Gelegenbeiten Epauletten und bez. Scharpe. 
Uchfelitiide und Epauletten haben die qleiden Ab— 
zeichen (ReqimentSnummtern 2c.) wie die Achſelllappen 
der Mannichaft, bei Feuerwerlsoffiszieren bejteht das 
Abzeichen in cinem F, bei Sanitätsoffizieren m einem 
Astulapitab. Oberleutnants, Dberjtleutnants und Ge- 
neralleutnants tragen dajelbjt cinen qoldenen Stern, 
Hauptleute, Oberiten und Generale (der Jnfanterie, 
Mavallerie oder Yirtillerie) zwei, Generaloberiten drei 
dergleichen, Generalfeldmarjdhalle zwei Sterne mit 
darüber gekreuzten Marſchallſtäben. Bei Hufaren, 
Ulanen und Truppenteilen in Bayern, Sachſen und 
PBiirttemberg lommen Abweichungen in den Abzeichen 
der Uniform vor. In Oſterreich beſtehen andre Rang- 
abzeichen, und bie Sterne (Dijtinftionsfterne) fipen 
porn in ben Rrageneden. Bal. Dienſtauszeichnung. 

Rangabseidhenin der Marine. Obermatroje 
und Oberheijer u. f. f. tragen auf dem linfen Ober- 
armel cinen Winkel von qelbem Tud. Einjährige 
ftatt deſſen ſchwarz⸗weiß rotwollene Schnüre. Unter- 
offiziere: Bootsmannsmaate unflaren Anler (ein Un- 
ler, um den ſich ein Tau windet) in Gold; Feuer— 
werfsmaate und Artilleriſtenmaate klaren Unter mit 
gekreuzten Ranonenrohren ; Siqnalmaate flaren An— 
fer mit gefreusten Flaggen ; Majdhinijtenmaate flaren 
Anler nut Zabnrad; Torpedomedanifermaate ebenſo, 
dazu ein T im Zahnrad; Hoboiſten klaren Unter mit 
Lyra; Feuermeiſtersmaate {laren Anker mit gekreuz— 
ten Kohlenſchaufeln; Torpedermaate klaren Unfer mit 
Minengefäß gekreuzt; Materialienverwaltersmaate 
unflaren Ynfer in Silber; Exerzierunteroffiziere fla- 
ren Anker mit gefreusten Gewehren; Obermaate eine 
Maifertrone darüber; Abzeichen fiir Matrofendivifio- 
nen in Wold und Gelb, fiir Werftdivifion in Silber 
und Wei; Feldwebel Maren Anker mit Krone dar- 
liber, Dedoffisiere tragen obige Abzeichen auf Achſel⸗ 
ftiiden aus blauem Tuc. Offisiere tragen als Ab— 
zeichen goldene Armelſtreifen: Admirale breite und 
ſchmälere, Mapitane bis Oberleutnants zur See vier bis 
eine ſchmälere Treſſe; Leutnants eine ſchmale Treffe, 
alle Seeoffijiere Dariiber die Kaiſerkrone in Gold. Zabl- 
meiſterperſonal Silber ; Sanitatsoffisiere Wold, augers 
dem YUotulapitdbe auf den Udhfeljtiiden und Epaulet- 
ten. Epauletten der Admirale dide, loſe, brillantierte 
Raupen, tm goldenen Halbmond Unter und Adler. 
Mapitin dide, lofe Raupen, Sterne als Abzeichen 
deo Manges. Mapitanleutnants und Oberleutnant 
See diinne, lofe Franfen; Leutnants sur See feine 
Franſen. Vebfetitiide: Admirale tragen Gefledht aus 

olbenen und filbernen Schnüren mit Schwarz und 
Mot durdflodten; Kapitäne Geflecht aus filbernen 
Schnüren; Nidhtitabsoffisiere Achſelſtücke aus filber- 





nen Sdyniiren durchflochten; Jeugoffisiere und Feuer⸗ 
werlsoffiziere cin Z und F auf den Achſelſtücken; Tor: | 


bzeichen der Reichspoftbeamten. Der dun- 
felblaue Rod (Waffenrod) hat orangefarbenen Bor- 
ſtoß. Dieje in der preuftiden Pojtverwaltung hiſto 


| tijd) gewordene Pojtfarbe wird mut den innigen Be- 


ziehungen des Großen Kurfiirjten, des Grinders der 
preußiſchen Bojt, gu dem Hauſe Oranien (Orange) 
in Berbindung gebradt. Die Streifenfolge (orange, 
dunfelblau, orange) am Kragen wiederbolt ſich bei 
der Mütze; der Untacbenatientrogen bat Spiegel und 
Plattidniire. Sonſtige Abzeichen find em leidter 
Degen, Sterne in den KLrageneden, Achſelſtücke, Ko— 
farde und Adlerſchild. Der Galaanjug der Bojtillone, 
die fiir gewöhnlich febr einfach gefleidet find, wirtt 
maleriſch Durd) die breite orangefarbene, mit Sdleife 
und Quaſten verzierte Leibbinde. Der Rod zur Gala- 
uniform der Beamten (Verordn. vom 16. Dez. 1888) 
bat den Schnitt des altbrandenburgifdjen Waffenrods. 

Abzeichen, politifde, Seiden, durch die fid 
äußerlich die Glieder einer Partei erfennen, oft zu⸗ 
fallig entjtanden, fo Der Bundſchuh der ſchwäbiſchen 
Bauern, der Geufenpfenniq. Stanuneseigentiinidy- 
feiten gaben den Wallijern den Laud, den Schotten 
Die Dijtel sum Abzeichen. Die Anhänger der Stuarts 
trugen einen Eichenzweig, weil fid) Karl II. nad der 
Schlacht bei Worceſter in Bis Eiche verborgen hatte. 
In Schweden unterfdieden fic) zwei grofe politiſche 
Parteien durch Mützen und Hüte. In Frankreich war 
ſeit 1789 die Trifolore (blau-weif-rot) das Zeichen 
der Progrefjijten, die weiße Farbe das der Rohaliſten 
(Bourbonen). Das Veilden war 1815 und ijt nod 
jebt Seichen der Bonapartijten. Jn Deutidland wur- 
den nad) 1815 die angebliden alten deutiden Reids- 
farben: Sdwars-Rot-Golb, dad Abzeichen der Bur- 


ſchenſchaft und andrer patriotifder Vereinigungen als 


Seiden nationaler Gefinnung, bis ein Bundesgeſeh 
vom 5. Juli 1832 den Gebraud der politijden Ab— 
zeichen aufer den Landesfarben verbot (ſ. Deuticde 
Farben), 1848 vom Bund zu ReidSfarben erflart, 
1849 aber wieder aujer Gebraud) geſetzt. Seit der 
Warjzrevolution 1848 gilt die.» Blutfarbee Rot als 
Abzeichen der Sogialdemofraten und ertrem radifalen 
Farteien (der »Roten<). Auch die Tract, der Schnitt 
des Haares, des Barted (» Demofratenbirtes) rc. haben 


| vielfad) als Abzeichen gedient. Die englijden Roya⸗ 


lijten des 17. Jahrh. trugen Loden, die republitani- 
ſchen Buritaner fdoren ihe Haar (Rundköpfe) fury. 
Die beſtimmteſten politifden Abzeichen find immer 
Bander, Schletfen, Kolarden. 

Abzeugen, foviel wie Wbtaleln (7. d.). 

Ubsiehbilder, ſ. Metachromatypie. 

Abziehen, die zweite der elemeniaren Rechnungs 
arten der Arithmelik, ſ. Subtrallion; cine Flüſſigkeit 
liber einer Subſtanz, die flüchtige Stoffe enthält, 
deſtillieren; dic Oberfläche von Gegenſtänden glatten, 
. B. Holy mit der Ziehllinge; die Grubenräume in 
Bergwerken vermeſſen (j. Markſcheidekunſt). 

Abziehmaſchine, cine Art Kehrmaſchine, die be- 
ſonders auf Chauſſeen und Aſphaltſtraßen zur Rei— 
nigung verwendet wird. 

Abziehmuskelu, ſ. Abdukloren. 

Abziehſteine, ſ. Schleifſteine. 


Abzug — Acanthosicyos horrida. 


Abzug, im Handel foviel wie Tara, Disagio 
ſ. Ugio); Kruſte auf dem geſchmolzenen Blei (i. 

fei); A. amt Gewehrſchloß, ſ. Handfeuerwaffen; A. 
der Truppen, ſ. Gefecht und Kapitulation. Jim Buch— 
drud und Buchhandel ſoviel wie Abdruck, gedrucktes 
Exemplar (vql. — 

Abzugſchuur, ſ. Geſchützzubehör. 

Abzugsgeld, ſ. Abſchoß. 

Abzweigmuffe, tleine gußeiſerne Tröge, in denen 
ſolche Abzweigungen von einem Kabel vorgenommen 
men werden, die dauernden Be— 
ſtand haben fol- len. Die Abbil⸗ 
dung jeigt eime YU. mit abgenom- 








menem Dectkel. Durch zylindri⸗ 
ſche Offnungen werden die Kabel 
eingeführt, ihre Enden freigelegt 


und durch Klam— mern miteinan⸗ 


Abzweigmuffe. 


der verbunden. Der innere Raum der Muffe wird 
mit Iſoliermaſſe egoſſen. 

Acacia Willd. (Atazie), Gattung der Legumi— 
noſen, unbewehrte, ſtachelige oder dornige Baͤume, 
ſelten Kräuter mit doppelt gefiederten oder auf einen 
blattartigen Stiel (Phyllodium) reduzierten Blättern, 
fehlenden oder kleinen häutigen, ſelten zu Dornen 








69 


* und Hülſen dienen jum Gerben und Schwarz⸗ 
ärben, der Stamm liefert Gummi. Bon der aujtra- 
lijden A. dealbata Link werden in Siidfranfreid 
Bweige geſchnitten, durd) künſtliche Wärme gum Blü— 

n gebracht und im Vorfrühling nad dem Norden 
verjandt. Ebenſo wird A. floribunda Willd. und A. 
dealbata, auf floribunda neptroptt, an der Riviera 
verwertet. A. Giraffae Willd. (Rameldorn), 13 m 
hober, fehr dider und fer alt werdender Baum in den 
trodenjten und heißeſten Gegenden Wfrifas, liefert 
äußerſt hartes Holy und ziemlich gutes Kapgummi. 
A. arabica Willd. (A. nilotica Da. A. vera C. D., 
Sfant, Sont, Kikar, Babul), f. Tafel »Gerbmate- 
vialien liefernde Pflanzen«, Fig. 10. A. horrida Willd. 
(Rapfdotendorn, Weißdornakazie), int auper- 
tropijden Siidafrifa weitverbreiteter Strauch mit über 
10 cm langen, weißen Dornen, liefert den größten 
Teil des Kapgummis und dient zu Heden. A. Seyal 
Del, (A. fistula Schweinf., Sfoffar), mit langen, 
jtarfen, am Grunde ftets aufgetriebenen hohlen, el- 
fenbeinweißen Dornen, in denen fie wahrſcheinlich 
Umeifen beherbergt (vgl. A. sphaerocephala Cham. 
et Schlecht., in Mexilo und Mittelamerifa, bei » Wmei- 


| fenpflangen«), in Rubien und Senaar, liefert rötliches 


Gummi und bildet mit A. stenocarpa Hochst, (Talc, 
Talha, Suaf, Raful), die ähnliches Gummi lie- 
fert, auSgedehnte Walder im Gebiete des Wtbara 
und der Zuflüſſe des Bahr ef Asrak. A. albida Del. 
(Anabaum), ein riejiger Charafterbaum des tro- 
piſchen Afrika, deffen lange, weiße Äſte fic) bis zur 
Erde herabbieqen und dann wieder emporwachſen. 
A. Senegal Wild. (A. Verek Guill et Perrott., Da- 
ſchab, Bere), ſ. Tafel »Yndujtriepflangen I<, Fig. 8. 


umgewandelten Rebenblittern, kleinen, jahlreiden, | Die Rinde von A.anthelmintica Baill. in Ubefjinien 


meiſt gelben Blilten in gejtielten Köpfchen oder Ahren 
und etformiger bis linealijder, gerader, gekrümmter 


und Rordofan (Mouffena, Maffena, Bajena, 
Ubufenna) wird geqen Bandwurm benugt. A, Ca- 


oder gedrebter, flader, fonverer oder ftielrunder, bis- | techu Willd., ſ. Tafel »Farbpflanyen«, vig. 3. liber 
weilen holziger, sweiflappiger oder nidt nds landre Urten vgl. Albizzia. Webhrere Urten werden 


der Hiilfe. Gegen 450 Urten der tropifden oder 
tropiiden 
ſonders in Afrika und Uujtralien. Die ca. 280 Yirten 
mit Phyllodien gehören fajt ausſchließlich Neuholland 
an. Mande bilden Walder und beftimmen den Cha- 
rafter weiter Gebiete. A. armata R. Br. (Ringu- 
rubbdorn), im aukertropifdjen Uujtralien, dient als 
Hedenpflanje und gum Befejtigen des Diinenfandes. 
A. pycnantha Benth., in Victoria und Siidaujtralien, 
mit ſehr gerbjaurereider Rinde (Golden Wattle, 


Mimofarinde), liefert auch cine Art Katedu, den | 


ripten Teil des auſtraliſchen Gummis und Drechsler— 
Dols A. melanoxylon R. Br., riejiger Baum in Siid- 
ojtaujtralien, liefert fejtes, ſchwarzes Nutzholz (Black- 
wood) und fatedjuartiges Gummi. A. excelsa Benth. 
in Oftaujtratien liefert Roſenholz. — A. decurrens 
Wilid., |. Tafel »Gerbmaterialien liefernde Pflanzen⸗, 
vig. 9; A. penninervis Sieber (Fig. 7), in Neufiidwales 
und Ducensland, liefert die Gold wattle und wird 
jut Gewinnung der Rinde in Schälwäldern fultiviert. 

ieſe Alazien geben 14mal größern Ertrag als unire 
Ciden{dilwalder. — A. Farnesiana Willd, (Un- 
tillenfaffie), wahrſcheinlich aus Wejtindien, jest 
in ben warmern Gegenden aller Weltteile, in Europa 
guert in den Farnefifden Garten gu Rom (daber 
Der Rame) angepflanjt, cin dorniger Straud) mit 
Doppelt gefiederten Blattern und gelben Blütenköpf— 
den in endjtindigen Trauben, wird in Franfreid) 
und Oberitalien der köſtlich duftenden Bliiten halber 
kultiviert, die (fälſchlich) als Kaſſienblüten in der 


Bulettbinderei und Parfümerie benutzt werden. Wur⸗ 


| 





ub- als Zierpflangen fultiviert. Vgl. Geemann, Die tn 
enden Der Alten und Neuen Welt, be- | Europa eingefiihrten Wfazien (Hannov. 1852). — 


Ufazienbaum, unedhte Ufazie, Schotendorn, 
j. Robinia. 

Académie francaise, ſ. Alademie. 

Acadia, Acadian Highlands, ſ. Aladien. 

Acafrao, ſ. Bixa. 

Acajouhols (ipr. -4Gu-), das Hol; von Anacardium 
occidentale (weifes Mahagqonth ols), auch foviel 
wie Kailzedraholz; in Frankreich foviel wie Vtahagoni- 
holz. Wcajouniiffe, ſ. Anacardium und Seme- 
carpus; Ucajougummt und Ucajoudsl, ſ. Ana- 
cardium; Acajou femelle, ſ. Cedrela. 

Acaléphae,, j. Alalephen. 

Acanceh, Ort im merifan. Staate Yucatan, fiid- 
öſtl. pon Merida, Bahnitation und Sijalbanfmartt, 
mit 0895) 22,916 Einw. 

Acanthias, ſ. Haifiſche. 

Acanthocephali, ſ. Kratzer. 

Acanthodes, ſ. Fiſche. 

Acanthopterygii (Stachelfloſſer), Unter— 
ordnung der Knochenfiſche, ſ. Fiſche. 

Acanthosicyos horrida Welw. (Naras, ſ. 
Tafel »Wiijtenpflangen«, Fig. 9), eine Kulurbitazee 
in Sildwejtafrifa um die Walfiſchbai, faſt aufrechter, 
ſehr äſtiger, blattlofer, jtarrer Straud) mit vielfad) 
vergweigten und ineinander gewirrten, bis 12 m lan- 


gen Ranfen, paarigen Dornen, armdider, bis 15 m 


langer Wurzel und zweihäuſigen Blitten. Sie bildet 
auf den Abhängen der Dünen Hecden von 1—1,5 m 
Höhe. Ihre unveif bitter, ſpäter angenehm ſchmecken⸗ 


79 


ben, ſehr aromatiſchen Friidte von 10-— 15cm Durd- 
meſſer bilden neben den nufartig idmedenden Samen 
eine iffe Beit tm Jahr das — 
der Eingebornen, die fie auc) trodnen, um fie zu fon- 
jervieren. Der Genuß der frifden Frudt erregt bei 
dbenjenigen, die nicht daran gewöhnt find, ſiarkes 
Brennen im Maftdarm. Der Saft bringt bet 35° 
Milch sum Gerinnen. Die reifen Früchte werden aud 
viel vom Schafal gefrejjen, der Dadurd) zur Verbrei- 
tung Der Pflanze beträgt. Die Samen werden als 
butter pits nad) dem Kapland ausgeführt. 
Acanthus L.(Barenftlau), Gattung der Ufan- 
thazeen, hohe Kräuter oder Straucher mit meiſt qro- 
hen, buchtig ausgerandeten und mehr oder weniger 
ſtachelig gezahnten Blättern und an- 
jebnlidyen, im end- ſtändige  Whren 
geftellten Blitten mit yz, oft groken und 
ſtachelig gezahnten Brakteen. Mehr 


a — 
aie ao. 
















alg 20 Yrten im 4 wärmern Vien 
und Afrila, aud) im q Mittelmeergebiet. 
A. mollis L. (weidhe , oder echte Ba- 


renflau; ſ. Abbil— 
hod), beſitzt über 50 
ſpaltige Blätter mit 


Dung), bis 1 m 
cm lange, fieder: 
buchtig gezahnten, 
nicht ſtacheligen 
Lappen, weißliche 
oder rötliche Blit- 
ten und rötlich— 
braune, qlanjende 
Kapſeln. Ste fin— 
det ſich im Mittel⸗ 
meergebiet und 
wurde ſchon im 


Acanthus mollis (Gärentlau) 


a Bluͤte. 


Altertum als ZJierpflanze kultiviert. Früher wurden 
Blatter und Wurzeln (Bärenklau) arzneilich benugt. 
A. spinosus L., daſelbſt, bat tiefer eingeſchnittene 
Blatter mit kurzen, dornigen Zähnen an den fajt drei- 
edigen Lappen. A. ilicifolius L., im tropiſchen Wien, 
in Sitdojtafrifa und Bolynefien, bededt in der Brac: 
Wajjerregion den Strand oft meilenweit. Das Akan— 
thushols, aus dem die Alten Statuen verfertiqten, 
ſtammte wohl von der Acacia vera und A. arabica 
oder cinem andern ftadeligen Boum. Das Akan— 
thusblatt fond in ftilifierter Form aud in der 


Kunſt, an den Kapitälern der forinthijden und rdmi- | 


ſchen Shuler, an den Konſolen der römiſchen Kunſt 
und Renaijfance fowie an den Ornamenten ihrer 
Frieſe und Geſimſe vielfache Ymwendung. Bei den 
mittelaltertiden Ornamenten dienten haufiger die 
Heinern, weniger ſchönen Blatter von A. spinosns 
zum Muſter. 





sql. Die Beiſpiele auf der Tafel-⸗Pflan⸗ geſehene 


Acanthus — Acciajuoli, 


lai argos des griechiſchen Wanthusorna- 
ments ( . 1896). 

a cappella (ital.), »im Rapellitil«, mehrſtimmiger 
Gefang ohne See ae te Rapelle. 

Acapulco, Secjtadt im merifan. Staat Guerrero, 
am Gtillen Meer, mit 5780 Einw. (meijt indian. 
Mijdhlinge), an einer weiten, von hohen Grani en 
umgebenen und gut geſchützten, 45—62 m tiefen 
But, in der 500 Schiffe dicht am Ufer ſicher vor 
Anker liegen fonnen. Yn der Nabe da3 Fort San 
Carlos. Das Klima ijt febr bei, aber nicht ungejund. 


Erdſtöße find häufig und zerſtörten 1799 1837 
die Stadt fajt villig. A. hatte ſeine Glanzzeit, ald es 
1778 das ausſchließliche Recht fiir den Del Des 


fpanifden Mutterlandes mit Ojtindien erhielt. Durd 
den mexilaniſchen Unabhängigkeitskrieg und Erd- 
beben verwüſtet, ijt UW. mit dem Wufbliihen Kalifor— 
niens als eine Hauptdampferitation wieder etwas 
emporgekommen (Schiffsverlehr 1899 : 548,686 Ton.). 

Acarus, Die —— Acarina, Ordnung der 
Spinnentiere, ſ. Milben. 

Acarya, |. Bhaslara. 

Acatenango, erloſchener Vulkan im ſüdlichen 
Guatemala, 4150 m hod). Südlich davon Solfataren. 

Ace., Abtürzung fiir accepi, id) habe erhalten, 


angenonumen. 
Bee... f. Wet... oder Bf... 


Acca Laréntia (Larentina), in der rdm. Sage 
bald Geliebte des Herfules und Gattin des reichen 
TuSsfers Tarutius, defjen geerbte —— ſie dem 
römiſchen Volle vermachte, bald Frau Hirten 
Fauſtulus, Amme des Remus und Romulus; dieſen 
adoptiert ſie nach dem Tod eines ihrer zwölf Söhne 
und gründet mit ihnen das Kollegium der » Flurbrii- 
der« (fratres arvales). An ihrem Grab im Bela- 
brum bradten ay pain am 23. Dez. die Pontijices 
und der Flamen Quirinalis cin Totenopfer dar, das 
die römiſche Gemeinde — Dank fiir thr Vermächt⸗ 
nis angeordnet hatte. Die sa pe Bedeutung 
Der A. tit nicht gu ermittein. Val. Mommſen, Rö— 
miſche Forjdungen, Bd. 2 (Berl. 1879). 

Accedieren, Weeeleration ꝛc., ſ. UFxe... 

Accédo (lat.), ich trete bei, ſtimme bei. 

Accelerando (ital., for. attſchee), beſchleunigend, 
allmablid ſchneller werdend. 

Accent, ſ. Alzent. 

Accentor, Flüevogel; Accentorinae, Unterfami— 
lie der Sänger (ſ. cdots eri ie 

Accentus ecclesiastici ({at.), dic Weifen, die 
der Brediger bei gefangahnlider Verlejung der Evan- 
gelien- und Epiſielabſchnitte zu beobadten hat. In 
ein und demſelben Tone vorgetragen, erhielt die 
Weije nur am Ende einer Periode verſchiedene genau 
beſtimmte Biegungen. Die A. e. haben fic) in der fa- 
tholifd@en und anglifanifden Hochkirche, 3. T. aud) in 
den lutheriſchen Antiphonien und Molleften erhalten. 

Accépi (lat.), »ich babe —— Accepisse 
(Wesepilfe), ~Empfangenhaben«, Empfangſchein. 

ceept, Aceh ꝛc., ſ. Alzept, Alzeß xe. 

Accessorium (lat.), das Pinzulommende, Hin— 
zutretende; Nebenſache, Vetwerk (ſ. Atzeſſion). 

Acciaccatiira (ital., {pr. atſcha-, »Zuſammen— 
ſchlag«), cine jegt veraltete Verzierung beim Orgel- 
und Mlavierfpiel, die im gleichzeitigen Anſchlag der 
fleinen Unterjefunde mit einem Wftordton bejtand, 
mit fofortigem Wiederloslaffen des Nebentones. 

Acciajuoli (Meciajolt, for. atiga-), alte und an— 
Delsfamilie, die, unt 1160 aus Brescia in 


jenornamente Is, Fig. 4 8, und Meurer, Die Florenz cingewandert, hier durch Handels- und Ban- 


Accidens — Wcerra. 


fiergeidafte gu qrokem Reidhtum und grofer Bedeu- | 
tung gelangte; jie erfofd) 1834. RNiccold U. (geb. | 
1310, gejt. 1366), berühmter Feldherr König Roberts 
von Reapel, erwarb anſehnliche Beſitzungen in Grie- 
chenland; infolgedefjen herrſchten sil A. als Her- 
zöge von Athen, Theben und Korinth bis zur türki— 
ſchen Eroberung. Bgl. Tanfani, Niccold A. (Flor. 

Uccidens, Mecife ꝛc., ſ. Weyzi... (1863). 

Accipiter, Dabidt; Accipitridae, familie der | 
galfen; Accipitrinae , Unterfamilie derjelben. 

Accis, joviel wie Baraquaytee, ſ. Ilex. 

Accius (Uttius), L, rom. Dichter, geb. 170 
v. Chr. zu Piſaurum in Umbrien als Sohn eines 
Freigelaſſenen, gejtorben um 90, erhob die römiſche 
Tragödie auf ihren Gipfel. Jn feinen Stiiden, von 
denen etwa 50 durd) Titel und Fragmente befannt 
find, bearbeitete er nad) griechiſchen Dichtern fait alle 
Sagentreife, daneben aud vaterländiſche Stoffe (Vru- 
tus und Decius). Außerdem behandelte er gramma- 
tiſche, literarhiſtoriſche und antiquarifde Bragen nad 
der Mode feiner Zeit in metrifder Form (5. B. in den 
» Didascalica« und »Pragmatica« dramatiſche Poeſie 
und Biihnenwefen). Die dramatifden Bruchſtücke bei 
Ribbed, »Tragicorum roman. fragmenta« (3. Aufl., 
Leipz. 1897), die übrigen in Lucian Müllers »Luci- 
lius« (Daf. 1872). Bgl. Ribbed, Die römiſche Tra: | 
gödie im Zeitalter der Republif (Leipz. 1875). 

Accoͤlti, Bernardo, ital. Didjter, geb. 1465 in 











Arezzo, geſt. 1. März 1535 in Rom, Sohn des Hu— 
manijten Benedetto A., Kanzlers der Republif 
Florenz. Sein glänzendes Talent als Improviſator 
und feine ſchwülſtigen, inbaltlofen Gedichte erwarben 
ihin bet den bewundernden Zeitqenoffen den Beinamen 
l'Unico Aretino (»der einzige Yretiner«). Leo X. er- 
nannte ifn jum apoſtoliſchen Sefretir(abbreviatore). 
Seine poetiſchen Werfe (Vened. 1519 u. 6.) beftehen 
aus vermiſchten Gedidten und cinem Lujtipiel: » Vir- 
ginia« (1494), das die Geſchichte Der Giletta von Nar- 
bonne (nach Boccaccio, Decamerone III, 9) behandelt. 
Val. Guarnera, Bernardo A. (Palermo 1901). 

Accoménda (mittellat., von accomendare, »an- 
vertrauen«) oder Commenda, die Borlauferm der 
heutigen Kommanditgeſellſchaft (ſ. d.), ein mittelalter- 
liches Kreditgeſchäft geſellſchaftlichen Charafters, darin 
beſtehend, daß ein meiſt in der Heimat verbleibender 
Kapitaliſt (commendator) Waren, Geld, Schiff einem 
reijenden Unternehmer (tractator, commendatarius) 
hingab, der mit Dem anvertrauten Kapital überſeeiſche 
Geſchäfte zu machen übernahm. 

Accompagnato (ital., fpr. vanjãa⸗, »begleitet «), 
techniſcher Ausdruck fiir das mit fortgehender Beglei— 
verſehene Regitativ (f. d.). 

ceoramboni, Vittoria, Herzogin von 
Bracciano, die ſchöne und geiſtreiche Gemahlin 
Franceseo Perettis, eines Neffen Sixtus' V. vermählte 
ſich 1581 mit dem Mörder ihres Gemahls, dem Für— 
ſten Orſini, der aber ſchon 1585 ſtarb. Cin Ver— 
wandter des letztern, Ludovico Orſini, ermordete 21. 
Dez. 1585 ſie ſelbſt nebſt ihrem Bruder Flaminio, 
um ſie ihres Vermögens zu berauben. Sie iſt die 
Heldin eines Romans von Ludwig Tied (» Vittoria 
A.«). Bgl. Gnoli, Vittoria A. (Flor. 1870). 

Accord, ſ. WUfford. 

Accouchement (fr}., for. acuſchmang), Entbindung, 
Geburtshilfe; Uccoudeur Gor. de), Geburtsbelfer. 
Accrescéndi jus (Iat.), ſ. Unwadjungsredt. 

Accrescendo (ital., fpr. acreſchendo, abgefiirgt: 
accresc.), mujifalijdhe Vortragsbezeichnung, foviel 
wie anwachſend, ſtärker werdend. 


| 











A. rejidiert in Matera) und (901) 4499 


71 


—*— (jpr. Gdringt'), Stadt (municipal bo- 
rough) in Lancaſhire (England), hat eine Kirche St. 
Janes aus dem 16. Jahrh., mehrere moderne Rir- 
chen, ein hübſches Stadthaus, Rattundrucerei, Baum- 


wollſpinnerei, Bleichen, chemiſche Fabrifen, mecha⸗ 


niſche Werkſtätten und (901) 43,095 Einw. In der 
Nähe die Fabrikorte Church (6463 Cinw.) und 
Clayton le Moors (8153 Cinw.). 

Aceurfius (Uccorfo), berühmter ital. Redta- 
gelehrter, geboren um 1182 ju Bagnolo bet Floreng, 
lehrte feit 1221 in Bologna, jtarb awifden 1259 und 
1263, Berfajjer der fogen. Glossa ordinaria zum 
Corpus juris civilis (j. Gloſſe). Bgl. Landsbera 
Die Goffe des W. (Leipz. 1883). 

Acenaphthen (Uthylennaphthylen) C,,H,, 
oder C,,H,(CH,), findet fic) im Steinfoblenteer, ent- 
jteht berm Erhigen von Athylnaphthalin, bildet fard- 
loſe Nadeln, ſchmilzt bei 95°, jiedet bei 277°, gibt 
mit Chromfiure Naphthaljaure C,,H,(COOH),. 

Acephala, f. Utepbalen. 

Acer, der Ahorn. 

Acerathérium Kaup., nashornähnliches Säuge- 
tier, ohne Horn, den Tapiren nahejtehend; mit ftarf 
entwicelten Schneidezähnen im Ober: und Untertiefer ; 
im Oligocdn bis Pliocin der Witen Welt und Nord- 
amerifas. 

Acerazeen (Ucerineen, Ahorngewächſe), 
difotyle, etiva 100 Arten umfaſſende Pflanzenfamilie 
aus der Ordnung der 
Askulinen, baumartige 
Holzgewächſe mit meiſt 
wäſſerigem Milchſaft, ge⸗ 
he igen, gejtielten, 
meijt einfadjen, handför⸗ 
mig gelappten oder un- 
paarig gefiederten Blit- 
tern obne Nebenblätter 
und GSpaltfriidten mit 
zwei gefliigelten, nußarti⸗ 
gen aed then. Die meijten Urten gehören in die 
Wattung Acer (jf. Whorn). Vorweltliche A. find aus 
dem Tertiär befannt. Vgl. Rar, Monographie der 
Wattung Acer, in Englers Jabrbiidern, Bd. 6 —8. 

Acerbi (jr. atigersy, Giufeppe, ital. Reifender, 
geb. 3. Mai 1773 in Cajtel Goffredo bei Mantua, geſt. 
Dafelbjt 25. Uug. 1846, bereijte 1798 als erjter Ita— 
liener Sfandinavien bis zum Nordfap und 1826—36 
als öſterreichiſcher Generalfonful Unters und Mittel⸗ 
aignpten. Er verdffentlidte: »Travels through Swe- 
den, Finland and Lappland to the North Cape 
1798—1799« (Lond. 1802, 2 Bde.; deutſch von Wei- 
land 1803) und »Lettere sul Egitto« in der von ihm 
1816 in Mailand gegriindeten » Biblioteca Italianae. 

renza (jpr. atip-), Stadt im der ital. Proving 





Blite von Acer Psendo- 
platanus. Durchſchnitt. 


Potenza, auf einer Anhöhe iiber dem Bradano, hat 


cin Rajtell, cine ſchöne Kathedrale (der oy og vor. 
inw. 

Acerina, ſ. Kaulbarſch. 

Acerineen, ſ. Acerazeen. 

Acernns, Sebaſtian Fabian, ſ. Klonowiez. 

Acerosae, ſoviel wie Nadelhölzer, ſ. Koniferen. 

Acerra (lat.), Weihrauchkäſtchen; in der Huma— 
niſtenzeit beliebter Buchtitel für Sammlungen des 
Denkwürdigſten aus dem Gebiet einer Wiſſenſchaft, 
B. A. philologica (philologiſches Schmucttäſtchen). 

Acerra (pr. atig), Stadt m der ital. Proving Ca- 
jerta, Kreis Nola, an der Eiſenbahn Rom-Reapel, 
Biſchofsſitz, mit einer nad dem Erdbeben von 1788 
umgebauten Rathedrale, Sdwefelquellen und (1901) 


72 


16A43 Coup. — A. erfielt 331 v. Chr. dad romijde | 
————— 
| 

Aectabularia, Algen (Grinalgen). 
Acetabalum ({ct.), re Gelenfpfanne tm Beden | 
far ben Ropi des Cberichenlels, ſ. Beden. ! 
Acetai Arhylidendiathylather) C,H,,0, | 
eter CH, CH OC,H,), findet ft in durch Kohle fil: | 
filation und m alten Benen; es entitebt bei Oryda- | 
tom von Alfobol mut Sraunitemm und verdiinnter 
— Sete Re eee — 
a article Fiifigtet riecht enehm 
Geter, exiritend, tne Gewicht 0,201 bei 23°, fcdet | 
bri 166°, lich m 14 Tetlen Gaffer, miſchbar mit | 
AttoboA, grit ent EFigiaure Uthylacetat und Aldehyd 
wut Cfroccigure Eigiãure. U. wirtt idlafbringend 


ogratamhten s (juftein). 
UcetaldehH, |. 7 


Mecetaldozim , |. Aldoxime. 

Micetale (LH, (OCH, entſtehen bei Oxy⸗ 
batson vom Alloholen burd) Beremiqung der Ulfobole | 
mart unter Austritt von Waſſer, find in | 
Balier wemg, in Allohol und ther leicht löslich und 
werten berm Erwãrmen mit Salzſãure in ihre Be- 
ftanbterle yeriegt. 

MUcttanilid (HNO oder C,H,NH.CO.CH,, cin | 
Finda, m dem 1 Atom Waſſerſtoff de3 Wmmonial- 
recites Durch Acetyl C,H, O vertreten tit, entitebt beim 
Erhitzen von Unilin mut faure oder Thiveffig- 
fdure, bildet farb- und gerudjlofe, ſeidenglänzende 
Kriitalle, lit Hid — in faltem, leichter m heißem 
Bafjer, Ulfohol und Ather, ſchmilzt bei 112°, fiedet 
bet 304° und wird als Untifebrin gegen Fieber, 
mehr als ſchinerzlinderndes Mittel angewendet, hat 
aber bidwerlen fible Rebenwirfungen. 

Acetate, joviel wie Eſſigſãureſalze, 3. B. Natrium- 
acetat, eſſigſaures Natron. 

Aceteffigidure (Acetyleſſigſäure) C,H, 0, 
oder CH,.CO.CH,.COOH eine -Retonfiure, findet 
jid) an Natrium gebunden im Harn bei Zuckerruhr 











Acetabularia — 


, tronlauge wieder zerjebt werden ( 


Acetylbenzol. 


des benutzten Efſigs und des jugefesten Ammonials, 
woraus ſich der Gehalt an Gfaghaure berechnen lapt. 

Aceton (Dimethylfeton, Eſſiggeiſt, Bren; - 
effiqgeitit) C,H, O oder CH,.CO.CH, findet fid m 
der ausgeatmeten Luft, mm Blut und m Harn, be- 
fonder bei 3uderrubr(Ucetonurie), entitebt bet trod- 
ner Dejtillation eifigiaurer Salje oder aus Eſſigſaure⸗ 
Dampfen bei Rotglut, findet ſich daher im rohen Holz⸗ 
geijt und in den Broduften der trodnen Dejtillation 
vieler organiſcher Subjtangen. Reines UW. erbalt man 
durch trodne Dejtillation von eſſigſaurem Baryt. Jn 
der Technik deftilliert man re estat Stalf und 
reinigt das Dejtillat durch Chemifalien und Reftin- 
fation. A. bidet eine farblofe Flüſſigleit von ftarfem, 
an Effigather erinnerndem Gerud und brennendent 
Geſchmack, ſpez. Gew. 0,792 bei 20°; es miſcht fid mit 
Bafjer, Ulfohol und Wther, fiedet bet 56° und laßt ſich 
leicht entziinden. Wit den Bifulfiten der Witalien bil- 
det A. Erijtallijierende Berbindungen, die dDurd Ra- 
utzung jur Rei⸗ 
nigung von robem A.). Durch Chromſäure wird er 
ju Ameiſenſäure und Eſſigſäure oxydiert, durch Na— 
triumamalgam zu Sfopropylalfobol reduziert. A. löſt 
Kampfer, Fette, Schießbaumwolle und ſcharf gedarr— 
ten Kopal und dient zur Bereitung von Firniſſen (7. 


| Zapon), zur Darjtellung von Sulfonal, Chloroform 
und Jodoform, rauchſchwachem Pulver, Zelluloid- 


waren. Ucetondle ———— bet der techni⸗ 
iden Darjtellung von YL.) bejtehen aus Ketonen, Al- 
debyd, Rondenjationsproduften des Ucetons r¢., fie 
ſcheiden fic) aus dem erjten Dejtillat ab und fommen 
al8 leidte (Siedepunft 75 —130°) und ſchwere (130 
bid 250°) im Den Handel. Sie dienen jum Reinigen 
von Unthrazen. Als geheimer Weingeiſt wurde 
A. ſchon von den Udepten mediziniſch benugt und fin- 
det aud) jeBt nod) Verwendung bei Schwindſucht und 
Reuralgien. Bgl. Beder, Das A. und feine medi- 
ziniſche Anwendung (Mühlh. 1867). 

Acetonamie , ſ. Acetonurie. 

Acetone, ſ. Ketone. 

Acetonurie (lat. grch.), bad Uuftreten von Uceton 
im Harn bei fieberhaften Rranfheiten, chroniſchen 


und entiteht bei Einwirlung von Natrium auf Effig- | Magen: und Darmfranfheiten und bei der Zuckerharn⸗ 
fauredthylather. Das zuerſt entitehende Broduft gibt | rubr. Das Uceton kommt dann gleichzeitig aud) tm 
mit Effighiure Uceteffigdther, aus dem die U. durch Blute vor (Ucetonamie). W. kennzeichnet ſich durch 
Berjeifen gewonnen wird. Sie ijt —— zer⸗ | objtartigen Geruch des Atems, weil ein grofer Teil 
fallt beim Erwarmen m Kohlenſäure und Uceton. des Ucetons durch die Lunge ausgefdieden wird. Jn 
Wceteffighduredthylather (Uceteffigadther) | Berbindung mit A. findet fid aud Diaceturie, d.b. 
CHO, oder C,H,.C,H,O, bildet eine farblofe | das Uuftreten von Uceteffighiure im Harn. 

Ziuff leit, riecht obſtartig, ſpez. Gew. 1,026 bei 20°,| Acetophenön (Phenylmethylketon, Ucetyl - 
ſiedet bei 181", ijt in Waſſer wenig löslich, mit Waſſer- ben zoh) C. H,.O oder C,H,.CO.CH, entſteht beim 


dampfen flüchtig, verhält ſich gegen Baſen wie eine 
einbaſiſche Saure. Mit alloholiſcher Kalilauge zerfällt 
ex in 2 Moleküle Eſſigſäure und Allohol, mut ver- | 


Erhitzen von efiiqhaurem mit benjoejaurem Ralf, aud 
beim Roden von Benzol mit Ucetyldplorid und Alu—⸗ 
miniumadlorid. Farblofe, große Kriſtallblätter, riecht 


dunnter wäſſeriger Kalilauge in Aceton, Kohlenſäure angenehm aromatiſch, ſchmeckt ſchlecht und ätzend, 
und Allohol. Er tauſcht zwei Waſſerſtoffatome gegen | reagiert neutral, ſchmilzt bet 20°, ſiedet bet 202°, ijt 
Wifyigruppen um und gibt mit Widehydanumoniat | fehr wenig (Batic) in Barer, mifdbar mit Allohol und 
Eyridinderivate, mit Anilin Chinolinderivate x. Ex | Uther, wird als ſchlafmachendes Mittel (Oypnon) 
tft für Die chemiſche Synthefe von Wichtigfeit. ewendet. 
cetine, Eſſigſäͤureeſter des Glyzerins; aud fon- cétphenetidin, ſ. Bhenacetin. 

jentrierte Cifighiure als Ugmittel. | Acétum (lat.), Eſſig; A. aromaticum, aromati— 

Acetometer (Ucetimeter, Effigmeffer), von | fdjer Eſſig; A. glaciale, Eiseſſig; A. pyrolignosum, 
Otto angegebener Apparat zur Briifung der Stärle Holzeſſig; A. plumbi s. saturninum, Bleieffig; A. 
des Effigs, beitebt aus einer an einem Ende zuge vini Weineſſig; A. scillae, Meerzwiebeleſſig. 
ſchmolzenen Glasröhre, worin der mit etwas Lagmus eicethi „die Atomgruppe CH,.CO, die in vielen 
linttur rot gefärbte Eſſig mit ſehr ſchwacher Upam- Verbindungen vortommt, wie im Aldehyd CH, . COH, 
moniaffliiffiqtert fo lange verfegt wird, bis die rote in der Eſſigſäure CH,.COOH x. 
Harbe eben in Wau tibergeqangen, der Effig alfoneu-| WeetHlaldehyd, f Aldehyd. 
tralifiert iſt. Die Sfala an Der Rohre ergibt die Wenge Acetylbenzoi, ſ. Acetophenon. 


| aw 


Acetylen — Achäer. 73 


Mcetylén (Uthin, Klumegas) C,H, findet ſich 
in geringer Menge im Leudtgas, befonders nm Digas, 
entiteht aus den Elementen, wenn man den eleftri- 
iden Flammenbogen swifden Kohlenfpigen in Waſſer⸗ 
jtoff ergeugt, beim Erhigen von Chloroform mit Ra- 
trium, berm Bebandein von Äthylenbromid mit al- 
tobolifder Ralilauge, aus Äthylen, Wifohol- und 
Utherddimpfen im gliihenden Rohr, bei unvolljtindi- 

er Berbrennung von Lendtgas und wird durd 
—J—— von Calciumfarbid mit Waſſer dargeſtellt: 
CaC, + 2H,O = C,H, + Ca(OH),. 1 kg Calcium- 
farbid liefert etwa 340 Lit. A. Bei der Serfegung 
des Calciumfarbids durch Waſſer wird viel Warme 
entwidelt; trifft Das Waſſer auf überſchüſſiges Cal- 
ciumfarbid, fo entitehen infolge ftarfer lofaler Er— 
hitzung benjol- und teerartiqe Produfte, und wenn 
fid) Das Gas dabei unter Drud befindet, tinnen Ex- 
plojionen eintreten. Sur BVermeidung dieſer Ubel- 
ſtände find viele Upparate fonftruiert worden. Bei 
dem Upparat von Pintſch fallt das zerfleinerte Kar— 
bid durch ein ee auf einen unter Wafjer befind- 
lidjen dDrehbaren Roſt. Das entwickelte Gas entweidt 
durd) das Wajfer, während das gebildete Kalfhydrat 
durd) den Roſt fallt und durd cin am Boden des 
VUpparats befindlides Mannloch nad Bedarf entfernt 
wird. Das robe U. enthalt geringe Wengen Phos— 
phorwaſſerſtoff, Sdwefelwa * Ammoniak ꝛc. 
und einen ſchwefelhaltigen Körper, der ihm einen 
höchſt unangenehmen Geruch verleiht. Das A. iſt um 
ſo reiner, je ſorgfältiger bei der Darſtellung Erhitzung 
vermieden wird, und fann durch Chlorfalf leicht ge- 
reinigt werden. A. ijt ein farblofes Gas von ange- 
nehni ätheriſchem Geruch, fpe3. Gew. 0,008, verflüſſigt 
ſich bet O° unter einem Druck von 21,5 Atmoſphären. 
Die kritiſche Temperatur ijt 37°, der tritijde Drud 
betriigt 68 Atm. Das ſpezifiſche Gewicht des fliijfigen 
A. bet O° beträgt 0,45, es erjtarrt bei ſchnellem Ver— 


löſt Wafjer fein gleiches Volumen W., Alkohol 6 Vol., 
Uceton 25 Vol., bei 12 Utm. Drud 300 Vol. Es 
brennt mit bell leudjtender, ftarf rugender Flamme. 
A. ijt fehr leicht zerſetzlich, durch den elektriſchen Fun- 
fen oder eine Knallquechſilberpatrone ällt es in 
Waſſerſtoff und Kohlenſtoff, und hierbei wird ſo viel 
Wärme frei wie bei der Verbrennung des gleichen 
Volumens Waſſerſtoff zu Waſſer. Bei gewöhnlichem 
Drud pflanzt fic) dieſe Zerſetzung im remem A. nicht 
über die nächſte Umgebung hinaus fort, bei einem 
Druck von mehr als 2 Utm. explodiert aber die ganze 
Maſſe. Viel ſtärker und leichter erplodiert dag fliiffige 
UW. Mit 125—2O0 Vol. Luft bildet W. ein erplojives 
Gemenge. Die Entziindungstemperatur des A. liegt 
bei 480°. Beimenqungen von Äthylen, Olgas machen 
A. auch unter höherm Druck unempfindlich gegen 
Knallquechſilberzündung, aud die Löſung in Uceton 
explodiert nidjt. Mit Waſſerſtoff verbindet ſich A. zu 
Athylen, mit Chlor verpufft es im Sonnenlicht, mit 
Kalilauge bildet es im Tageslicht Eſſigſäure, auch 
polymeriſiert es ſich leicht, indem aus 3 Molekülen A. 
1 Mol. Benzol C. H, entſteht. Die beiden Waſſerſtoff— 
atome im A. ſind durch Metalle erſetzbar. Die Alkali— 
und Erdallkalimetallverbindungen ſind in der Hitze 
beſtändig und entwickeln mit Waſſer A. Acetylen— 
tupfer und Acetylenſilber, aus ammoniakaliſcher Kup⸗ 
feroxydul⸗, bez. Silberlöſung durch A. gefällt, find 
beſtãndig gegen Waſſer, aber trocken äußerſt exploſiv. 
Beim Einatinen größerer Mengen von A. wirkt es 
betãubend. Man benutzt A. in der chemiſchen Analyſe 
zur Fällung des Kupfers aus ſeinen Löſungen, in der 








Technik als Heizgas für Gasmotoren (1 kg Calcium⸗ 
larbid liefert etwa 2 Pferdeſtunden). Der hohe pyro- 
metrifde Effelt der entleuchteten Ucetylenflamme 
wurde ausgenutzt zur Ronjtruftion eines Schmelz— 
ofens fiir Temperaturen von 1500° und dariiber, em 
Ucetylengeblafe fann das Knallgasgeblife erſetzen. 
Von Kieſelgur und einem fauerjtoffabgebenden Kör— 
per aufgejogenes flüſſiges A. wird als Sprengitoff 
entpfoblen. Flüſſiges U. ijt ein Sprengitoff im Sinne 
des ReidhSgefepes vom 9. Juni 1884.) Die Stahl- 
indujtrie benugt YW. zum Zementieren von Stahl und 
um Stahlgeriiten bis gu emer gewifjen Tiefe größern 
Gehalt an Kohlenſtoff zuzuführen. Unter einem Druct 
von 2 Utm. liefert 1 chm YW. bei Zerſetzung durch 
einen eleftrifden Funfen oder einen glühenden Drabht 
1 kg ſehr weiden leidten Ruf. Größte Verwendung 
findet A. als Leudtgas (jf. d.). E8 wurde 1836 von 
Edmund Davy entdedt, als er Raliumfarbid mit 
Wafer übergoß (Ralium — Klumia). Willſon ſtellte 
es in Amerila im großen aus Calciumfarbid dar 
und fudjte 1894 mit Diderjon die Ucetylenbeleud- 
tung eingufiifren. Bgl. Tenner, Fabrifation des 
Calciumfarbids und des A. und feine Verwendbarfeit 
(Schineb. 1896); Bictet, L’Acétyléne (Baf. 1896); 
Liebetanz, Handbud der Calciumfarbid- und Ace— 
tylentedjnif (2. Aufl. Leip;. 1899); Vogel, Ucetylen- 
pare (alle 1901); ⸗Jahrbuch fiir A. und Rar- 

id« (daſ., feit 1900); Vato, »A. in Wiſſenſchaft 
und Induſtrie⸗ (daſ., ſeit 1898). 

Acetylene (Alkine), Kohlenwaſſerſtoffe von der 
Formel C,H,,-, mit dreifader Bindung CH=CH, 
vereinigen fid) mit Waſſerſtoff im Entitehungsmoment 
gu Olejinen, die alsdann m Paraffine tibergehen fin- 
nen. Sie werden durch fonjentrierte Schwefelſäure 
abforbiert, wobei fid) einige ju aromatifden Kohlen⸗ 
wafferjtoffen polymerijieren. Mit ammoniafalifden 


Löſungen von Silberjaljen und Rupferorydulfalyen 
Dunjten und ſchmilzt Dann wieder bei —S81°. Bei 18° | 


geben die monoalfylicrten A. wie Ucetylen felbjt fri- 
ſtalliniſche Verbindungen. 

Acetvlfaticylfaure, foviel wie Wspirin. 

AcetHlfaure, foviel wie Eſſigſäure. 

Ach, Flu, f. Wa. 

Ach., bei Pflanjennamen Ubfiirjung filr Criq 
Udharius (f.d.). 

Adhadh, |. Hajchiidh. | 

caer, einer der vier Hauptitamme des helleni- 

ſchen Bolted, der feinen lirjprung von Wd ios, einem 
Sohne des Xuthos und Enfel des Hellen, ableitete. 
Sie waren den Woliern nahe verwandt und fafen 
an verjdiedenen Stellen der qriechiidhen Küſte, fo 
in PHthiotis, wo Peleus und Achilleus herrſchten. 
Bon da breiteten fie fid) guerit in Urgolis und dann 
liber einen grofen Teil des Peloponnes aus, fo daß, 
da in der ——— das adhiiifde Königshaus der 
Utriden in ganz Griedenland von vorwiegendent 
Cinfluk war, bet Homer der Name W., wie der 
der Argeier und Danaer, aud) zur Bezeichnung der 
Grieden insgefamt gebraudt wurde. Die Dorijde 
Wanderung (j. Dorier) madte fajt allen ihren Staa- 
tenbildungen im Beloponnes allmählich ein Ende. 
Die Bewohner vermifdten fic teils mit den Erobe— 
rern. Cin andrer Teil wandte fid) im Verein mit 
Aoliern nad) der nordweſtlichen Küſte von Kleinaſien, 
wo fie in langwierigen Kämpfen Dardanien (Troas) 
eroberten. Die fie verherrlidjenden Sagen und Lieder 
jind ſpäter mit andern gu der »Dlias« zuſammen-— 
gefaßt worden. Nur in Arkadien behaupteten die A. 
ihre Unabhängigkeit und nahmen von bier aus, unter- 
jtiigt von Stammesgenoſſen aus YUrgolis, den Jo— 


74 


niern da8 nördliche Küſtenland (Ägialos) ab, da8 
ſeitdem Wdaia (f. d.) genannt wurde. Die zwölf 


Achderwein — Achalzych. 


waned ſ. Griechifde Weine. 
ia (in älteſter Reit Agialos, f. Karte »Wit- 


Städte de3 Landed bildeten einen Staatenbund und | qriechenland<), ei Landſchaft des alten Pelopon⸗ 
jtanden anfangs unter der Herrjdaft von Königen, ne’, auf der Nordfiijte gelegen, fiidlic) von Urfadien, 

es Orejtes Nachfommen, deren legter Ogyges war. | ſüdweſtlich von Elis begrenst. Es hat nur im BW. 
Auf das Königtum folgte eine gemäßigte Demofratie. | eine größere Strandebene (das Gebiet der Stadt 
Den Verwidelungen des iibrigen Griechenlands blie- Dyme), im iibrigen ijt es von Gebirgen erfiillt, und 


ben die W., durch die Ubgefdloffenbeit des Landes 
begiinjtigt, bis mS 4, Jabrh. v. Chr. meiſt fern, aber 
bet Charoneia (338) kaͤmpften fie mit für Griechen⸗ 
lands Freibeit. Die makedoniſche Herrjdaft wurde 
von dem achäiſchen Boll, das von urjpriinglider und 
traftvoller Art war, befonder3 hart empfunden. Die 
A. benugten deShalb die Thronjtreitiqteiten und andre 
Verwirrungen in Makedonien zur Vertreibung der 
Bejagungen und zur Erneuerung des im Laufe der 
Zeit aufgeldften alten Achäiſchen Bundes (280). 
Wrapere — dieſer Bund aber erſt 251, 


als Aratos von Sikyon zum Bundesfeldherrn (Stra⸗ 


tegen) gewählt wurde. Die bedeutendſten Städte des 
Peloponnes, wie ſtorinth, Epidauros, Megalopolis 
und Argos, auch mehrere Städte des mittlern Grie— 
chenland, z. B. Megara und ſelbſt Athen, traten dem 
Bunde bei, der bei möglichſter Gleichheit und innerer 
Freiheit der cag. age Staaten nad) außen fejt und 
einig daſtand. 

Strateg, der mit dem Hipparden und Nauarden die 
Streitfrafte befebligte und mit den zehn Damiurgen 
(Rat&mannen) die regelmäßigen Bundesverjamne- 
lungen in Agion zur EntidetdDung über Krieg und 
Frieden und iiber Biindnisvertraige zuſammenberief 
und Ieitete. Den ganzen Peloponnes fiir den Bund 
zu gewinnen, fdeiterte an Spartas und Elis’ Weige— 
rung und an der Eiferſucht der Utolier. Yn dem aus- 
bredjenden Kampfe jog Aratos den kürzern und rief 
Daher den — — König Antigonos Doſon zu 
Hilfe. Die Schlacht bet Sellajia (221) entſchied zwar 


fiir die A., aber aud) der Achäiſche Bund ſelbſt hatte | 
jeine nationale Bedeutung verloren. Erneute Kämpfe 


gegen die Atolier (Bundesgenoſſenkrieg, 220 — 217), 


Dann gegen Die Römer im Bunde mit Philipp V. von 


Maledonien (211— 205), zuletzt geqen die Makedonier, 
gegen die fie thre frühern Feinde (ſeit 198) unter- 
ſtützten, Streitigfetten Der Bundesjtadte untereinan- 
der und der politifden Parteien in den einjelnen 
Städten und auf den Tagfagungen, daneben die er- 
bittertiten Kämpfe mit Nabis und Madhanidas, den 
Tyrannen von Sparta, rieben die Rrafte des Bundes 
auf. Während des dritten römiſch-maledoniſchen 
Krieges 171—168 blieben die A. neutral, gerieten aber 
gerade dadurch in völlige Abhangigfeit von den Sie— 
gern, die 1000 Der edelften A. wegen mafedonifder 
Sefinnung im J. 167 nach Rom zur Verantiwortung 
forderten und fie in Stalien als Gefangene zurück 


hielten. Fernere Gewalttaten der Romer reizten die | 


W. endlich 146 zur Kriegserllärung. Jor Strateg Kri— 
tolaos wurde aber von Metellus bei Sfarpheia, fein 
Nachfolger Dios von Mummius bet Leufopetra be- 


Der oberite Bundesbeamte war der | 








gwar teilS pon den nördlichen Vorbergen des nord- 
arfabdifdjen Randgebirges, teils vom Banadjaifon 
(Boidias), das fich etwa in der Mitte des Landes 
1927 m hoch erhebt und feine Abhänge fächerförmig 
egen N. bis ans Meer ausbreitet. Vor den * 
tuürzen zahlreiche, meiſt nur zur Regenzeit Waſſer 
führende Bäche herunter, die ihre Geſchiebe an den 
veränderlichen Ufern ablagern und an der Mündung 
meift fleine Deltas bilden. Die bedeutendjten diefer 
Gießbäche find der Pieros (Kamenitza), Selinus (jetzt 
Fluß von Bojtitia), Erajinos oder Buraifos (Flu 
von Kalavryta), Krathis (Wfrata) u. a. Die Gebirge 
waren im UWltertum mit dichten Wäldern bedectt und 
reid) an Wild, die untern Abhänge und der Küſten— 
faum mit Frudtfeldern und Weingärten, an deren 
Stelle jest lings der Küſte meiſt Rorinthenpflangungen 
getreten jind. Die urjpriinglide Bevöllerung bejtand 
aus Soniern, die aber ſpäter den von O. ber ein: 
dringenden Achäern weiden mußten. Die von den 
erjtern gegriindeten zwölf Stidte: Dyme, Olenos, 
Pharä, Patri, Rhypes, Ugion (mit dem Bunded- 
heiligtum des Beus), Helife (an Stelle der beiden 
letztern ſpäter Yeontion und Rerynia), Bura, Agä, 
Hyperafia, Pellene und Tritaia, lagen meiſt an der 
Riijte und bildeten eine Eidgenoſſenſchaft fleiner Ge- 
meinwefen, die im letzten Jahrhundert der ſelbſtän⸗ 
digen Geſchichte Griedenlands gu grofer Bedeutung 
qelangte (jf. Achäer). Sur Beit der Romer begriff 
man unter A. im weitern Sinne das ganze Gri : 
fand mit Ausſchluß Theffaliens. — Im bHeutigen 
Königreich Griechenland bildet A. einen Nomos mit 
(iso 144,800 Einw. und der Hauptitadt Batra. 

Achäiſcher Bund, ſ. Achäer. 

Achalandieren (franj., for. aſchalangd⸗), Kunden 
an ſich ziehen, in Kundſchaft bringen. 

Achalm, iſoliert liegender Berg der Rauhen Alb, 
701 m bod, mit den Ruinen der gleichnamigen Burg, 
ſchöner Ausſicht und ciner Mutterichaters am Ab⸗ 
hang. Eine Grafidaft A. wird ſchon 603 erwähnt. 

chal Teffe, früher Kreis des rujfijd-afiat. 
Transfafpifchen Gebietes, ditlich vom Kaſpiſchen Meer, 


zwiſchen Dem Bezirk Kraſnowodſt und der Wiifte 


fiegt, Norinth, wo eine larmende Tagiagung die For⸗ 


dDerungen der Homer verworfen hatte, zerſtört, der 
Achãiſche Bund aufgelöſt u. ganz Griechenland in eine 
römiſche Proving (Wd aia) verwandelt (146 v. Chr.). 
Bal. Klatt, Forjdungen zur Geſchichte des Achäi 
ſchen Bundes (Gert. 1877); Derfelbe, Chronologiſche 
Beitrage sur Geſchichte dee Achäiſchen Bundes (daf. 
1883); M. Dubois, Les ligues étolienne et aché- 
enne (Bar. 1884), Capes, History of the Achaean 
league (Lond. 1888); Freeman, History of federal 
government in Greece and Italy (2. Aufl., daf. 1893). 





Karakum im N. und Perſien im S., jest Kreis Af dha - 
bad genannt, cin Dafenjtrich, der fic) von Kiſil Arwat 
als ein 250 km Langer, ſchmaler Landjtrid lings des 


Kopet Dagh über Bami, Gök-Tepe, Aſchabad bis nad 


Serachs zieht und aud) die Bezirke Attel (Hauptort 
Naafa) und Durun (Hauptort Badarden) umfaft. 
Zahlreiche Bache entitrdémen dem Kopet Dagh, die, 
von den (1897) 92,275 Bewohnern, meiſt Tefingen, 
in unzählige Randle gelcitet, in dem vortreffliden 
Boden überall itppiges Leben erweden. Hauptbe— 
ſchäftigung ijt Viehzucht (Schafe, Kamele, Pferde, 


Rinder). Der Bezirk wird in ſeiner ganzen Lange 


von der Transkaſpiſchen Eiſenbahn durchzogen. 
Hauptitadt iſt Aſchabad (f. d.). Das Gebiet wurde 
nad Erſtürmung von Git: Tepe (f.d.) durch Stobelew 
1881 in Rußland emverleibt. 

Achalzych (georg. Achal side, »Neuſchloß«) 
Kreis des ruff. Gouv. Tiflis (Transkaulaſien), 
2656 qkm mit (1897) 69,144 Cinw., sur Halfte Urme- 
nier, ein Drittel Tataren. Die gleidnamige Haupt- 


Achämenes — Achat. 


ftadt und Fejtung, links am Poſchowtſchaj, Neben- 
flu der Kura, nahe der türkiſchen —— 1029 m 
ti, M., hat in der Zitadelle eine ſchöne Moſchee, dic 
in cine ruſſiſche Rirdhe umgewandelt und mit einer 
höhern Unterridt3anjtalt verbunden ijt, bedeutenden 
Handel mit Produlten de3 Uderbaue3 und der Vieh- 
dt und (1897) 15,387 Einw. (Urmenier, Georgier, 
uden, Ruffen). —- Urſprünglich die Hauptitadt emer 
georgiiden Provinz, feit 1579 die von Türkiſch-Ar— 
menien, wurde YW. 1828 von Paskewitſch genommen 
und Ende 1853 von den Tiirfen blociert. Seit 1846 
war A. Kreisſtadt des Gouv. Rutals, dann von Tiflis. 
Hamenes (griech. fiir das perj. Hacha manis), 
altper}. Name des (vielleidht nur mythifden) Whn- 
herrn der über Berjis und Sufiana herrſchenden 
Familie der Achämeniden, die mit Kyros die 
Herrſchaft über gan; Borderafien erlangten und bis 
330 v. Chr. regierten. S. Perſien. 

Achamoth, in dem grot. Sytem des Valentinus 
(j. d.) und der »Pistis Sophia« die niedere Weisheit, 
die als das leidenſchaftliche Weſen der höhern Weisheit 
von dieſer abfallt, in Das Reich der Materie verſtoßen, 
bier ben Stoff befeelt, Mutter des Weltbildners (De- 
miurgos) wird und nad langer, banger, namentlid 
in Dem Bude » Pistis Sophia« romanhaft gefdilderter 
Wanderung infolge der Erlöſung durch Chriftus 
wieder zu Gnaden aufgenommen und in die gottliche 
Fülle des Äonenreichs zurückgeführt wird. 

odes, foviel wie Achene. 

Achaos, ſ. Achäer. 

Achard, Fran; Karl, Phyſiler und Chemiler, 

eb. 28. April 1753 in Berlin, geſt. 20. April 1821 
in Runern, jtudterte Phyſik und Chemie und wurde 
1782 Direftor der phyſilaliſchen Klaſſe der Alademie 
der Wijfenfdjaften. UW. befchaftiqte fich feit 1786 auf 
feinem Gute Kaulsdorff bei Berlin mit dem Anbau 
der Runfelriibe und der Gewinnung de3 Zuckers aus 
dDerjelben. Nachdem von der Regierung veranlafte 
Verjude in Berlin ein spiinttiges Refultat geliefert 
Hatten, gewährte der König YW. ein Darlehen von 
50,000 Zir. zum Unfauf des Gutes Runern in 
Sdhlefien, auf dem 1801 die erjte Runfelriibenguder- 
fabrif erbaut wurde. Dicfelbe wurde fpater im Rriege 
— 1810 aber ſo weit sates a 5 veo unt alg 

ebranftalt dienen zu können. YW. ſchrieb: »Bor- 
lefungen fiber Erperimentalphyfit« (Berl. 1791—92, 
4 Bde.) und »Die europäiſche Ructerfabrifation aus 
Runfelriiben« (Leipz. 1809, 3 Bde.; 2. Mufl. 1812). 
Val.S heibler, Ultenitiicde sur Gefchichte der Riiben- 
guderfabrifation in Deutidland (Berl. 1875). 

Adharius, Crid, Botanifer und Arzt, geb. 10. 
Olt. 1757 in Gefle, geſt. 14. Mug. 1819 zu Wadjtena, 

raktizierte feit 1782 in Sdhonen, feit 1789 in Wad- 
tena, wurde 1801 daſelbſt Profeſſor der Botanif. A. 
beqriindete die Syſtematik der Flechten durch feine 
Sdriften: »Lichenographiae suecicae prodromus« 
(Linfoping 1798); »Methodus, qua omnes detectos 
lichenes ad genera redigere tentavit« (Stod. 1803; 
Hanib. 1805, 2 Tie.) ; »Lichenographia universalis« 
(Gotting. 1810); »Synopsis methodica lichenum« 
(Lund 1814). 

Aharna, der größte der attiſchen Demen, nörd— 
lid) von Athen, weitlid) und penta vom beutigen 
Menidi gelegen, durch Ol- und Weinbau beriihmt, 
von jablreidjen Roblenbrennern bewohnt, deren Mei- 
ler im Barnes lagen. Nach A. heißt cine Komödie 
des Ariſtophanes. 

Acharnar, Stern a (1. Größe) im Eridanus. 

A'chary-zira’, türk. Längenmaß, — 1 cm. 


75 


Achat (von dem Fluß Achates [Drillo} auf Sizilien 
herjuleiten), Mineral, und zwar weſentlich Chalcedon 
(aljo mifrofrijtallinifche ticket aurce) mit einer deutlich 
Hervortretenden Binderung, bei der die eingelnen La- 

en verfdiedene Farbe und Didtigheit zeigen (Fig. 1). 
Die einjelnen Lagen find oft fo diinn, dak an hun- 
dert auf 1 mm fommen. Die verfdhiedene Farbe rührt 
gewöhnlich von Eijen- und Manganverbindungen her; 
in den Onyxen wedfeln ſchwarze und weife, in den 
Sardonyren rote und weiße Lagen miteinander 





- Bandadat 


ab; weniger dichte, mehr pordfe Lagen fann man mit 
Farbſtoff tränken und künſtlich färben (vgl. unten). 
Der meiſte A. kommt aus ſogen. Achatmandeln 
(f. Tafel »Mineralien und Geſteine«, Fig. 12), die 
in Melaphyr- und Porphyrgeiteinen auftreten. Sie 
finden ſich gewöhnlich vereinjelt, in grdperer Menge 
namentlich tm Melaphyr bei Oberjtein a. d. Nabe, hier 
äußerlich oft mit Griinerde befleidet und im Innern 
nicht felten Hohl und mit Amethyſt oder Ralffpat und 
— ausgekleidet. Auch aus Uruguay kommen 
eit 1834 ſehr viele oft rieſige Mandeln von A., die 
fid) dort wefentlic) in Form von Gefdieben finden 
ber fogen. brafilifde W.). Bei Oberjtein ſchmiegen 
id) alle Chalcedontagen der äußern Wandelform an, 
in den brafilijden Mandeln findet ſich im Innern 
zuweilen cine Schicht planparalleler, horijontaler La- 
gen. Nicht felten werden beim Durchſchleifen die Ka— 
nile blofgelegt, durch welche Riefelfiure in den Man- 
delraum etngedrungen ijt. Jn dieſem find die einzel⸗ 





Fig. 2. Triimmeradat. 


nen Lagen, von außen nad innen fortidreitend, aus 
der wäſſerigen Löſung abgeſchieden, wobei nicht felten 
im Innern ein Hohlraum übrigblieb. Vom Monte 
Tondo bei Vicenza kannte ſchon Plinius Chalcedon- 
kugeln, durch deren durchſcheinende Wände man im 
Innern Fliiffigfeit wahrninunt (Enhydros). Zu— 
weilen bildet der A. auch die gangartige Ausfüllung 
von Spalten in Melaphyr, Porphyr oder anderm 
Geſtein. So findet ſich ein vielſtreifiger Bandachat 
gangförmig bet Schlottwitz in Sachſen; an einer 


76 


Stelle iſt die ältere Achatmaſſe dieſes Ganges jer- 
triimmert, und die Bruchſtücke find ſpäter durch Sie- 
felfaure (Chalcedon) wieder verfittet (Triimmer- 
adat, — und Tafel ⸗Mineralien und Geſteine⸗, 
Fig. 20). Undre Benennungen, wie Fejtungs-, Ko- 
——— x., beziehen ſich auf den zufälligen Ver— 
lauf der Zeichnungen; der Moosachat (Baum— 
achat, Mokkaſtein, ſ. Chalcedon) enthält ſchwarze 
Mangandendriten; der Wolkenachat unregelmäßig 
begrenzte wollige Trübungen (Mineraleinſchlüſſe); 
der Regenbogenachat zeigt als Interferenzwir— 
fung der dünnen Lagen Newtonſche Farbenringe. 


Is ländiſcher A. ijt Obſidian, Löhlbacher A. it, 


roter Jaſpis oder Eiſenklieſel, mexikaniſcher A. it 
Onyrmarmor, orientaliſcher A. ſchön gefärbter 
und durchſcheinender A., of;identalifder A. ein 
weniger ausgezeichneter A. 

Verwendung. Schöne Achate wurden ſchon von 
ben Alten als Schmuchkſteine verwendet. Gegenwärtig 


verarbeitet man jie ju Reibſchalen, Glättſteinen, Ka— 


meen, Ringjteinen, Agraffen, Armbändern, Stoch⸗ 
tnidpfen, Meſſerſtielen, Schuſſern xc. Durch Brennen 
veriindern manche Achate ihre Farbe, und da einzelne 
Lagen des Steines porös genug find, um Flüſſigkeiten 
poe sar net wibrend andre died nicht tun, jo läßt 


jid) A. aud) farben. Erwärmt man A. anbaltend m | 


verdiinnter Donig- oder Zuderlijung und fodt ibn 


dann in fonjentrierter Schwefelſäure, jo wird der | 
aufgefogene Zucker verfoblt, und die poröſe Schicht 


farbt fic) ſchwarz, während die undurddringlide 
weige Schicht nod heller und glänzender erjdeint. 
Durd) verſchiedene Chemifalien lajjen ſich manderlei 
Farben erjeugen. Zum Sdleifen des Achats be- 


nugt man große Sdleifjteine von Sandjtein, die am | 


äußern Umfang ebene Babnen oder Hohl- und Rund- 
fehlen bejigen. Das Polieren geſchieht meijt auf 
Waljen von hartem Holz, die mit feinem feudjten 


Tripel oder Bolus bejtriden werden. Zum Bobhren | 


dienen fdynell rotierende Stahlſtifte mit Diamantjtaub 
oder Diamantitiiddhen. 

U. wird in Yefaterinburg am Ural, in Sdlefien, 
Baden, Sadjen, Bihmen, aud in China, Japan und 
Pinterindien gefdlijfen, und in der Gegend von Idar 
und Oberftein bildet die Achatſchleiferei cine Qn 
dujtrie, die fid) urfpriinglid) auf das Borfommmen des 
Achats in der Dortigen Gegend jtiigte, und deren An— 
fange bis ns Mittelalter juriidgehen. Einen großen 
Aufſchwung nahm fie in Der zweiten Hälfte des 


18. Jabrh., wo man anfing, Wdhatwaren juerit in 


Silber, Dann in vergoldeten Tombak zu faſſen. Nach 
1813 entdedte man die Farbenverinderungen der 
Steme durd) Brennen, und feit 1819 fennt man in 
Dar das Geheimnis des Schwarzfärbens. Seit 1834 
entwidelte ſich Die Uchatindujtrie auferordentlid, be 
fonders, da die fiidamerifanifden Onyre das Auf— 


bliihen der Steinfdyneidefunjt in Baris und Idar ver- | 


anlajten. Für Ufrifa werden aus ſtreifigem A. Amu 


lette(Oliven, Turmringe x.) gearbeitet. Val. Lange, | 


Die Halbedeliteine aus der Familie der Quarze und 
Die Gefdichte der Achatinduſtrie (Kreuznach 1868); 
Nöggerath, Die Achatindujtrie im Fiirjtentum Bir— 
fenfeld (Beri. 1877). 

Achates, der treue Gefährte des Äneas auf der 
Flucht von Troja; daher fidus A. ſprichwörtlich fiir 
treuer Genoſſe. 

Achatglaë, buntfarbiges, dem Achat ähnliches 
Glas, das erhalten wird, wenn man verſchieden ge 
färbte Glasſtücke bis gum Zähflüſſigwerden mitem- 
ander erhitzt, Dann umrührt und ſofort verarbeitet. 


Achates — Achen. 


tjaſpis (Jaſpachath, Halbedelſtein, in dem 
durchſichtige Lagen von Chalcedon (Achat) nit un- 
durchſichtigen Lagen von Jaſpis wedfeln. 

Adhatmandeln, |. Achat. 

tſchnecke (Achatina Lam.), Gattung Der 
Lungenidneden. Die maurifde W. (A. mauritiana 
Lam.), die Rebhbubnidnede (A. perdix Lam.), 
16 cm lang und 8 cm Did, kreuzweiſe gejtretft, mut 
braunroten, welligen Langsflammen, m Siidafrifa, 
und die Zebraſchnecke (A. zebra Lam., ſ. Tafel 
Schnecken I<), 16 cm lang, wei, mit welligen, brau- 
nen und roten Linien und Langsitreifen, auf Mada- 
gastar, gehören ju den größten Landjdneden und 
ſchädigen die Gewadfe. Scheibenfirmige Schalenjtiide 
von Udatidneden dienen in Ungola als Münze. Ber 
un finden fic) einige Meine Yrten, am häufigſten A. 
lubrica Brug., 5—6 mm lang, länglich oval, horn- 
farbig, durdjidjtiq, mit rotlidem Mundſaum, m 
feudhtem Moos, unter Steinen. 

my org — Chadem), f. Pariavölker. 

, {- Ya. 

A (Akeh), in Oberguinea — Vie Unze Gold- 
ſtaub = 1,275 g, wird gegen andre Werteinheiten in 
Ebrijtiansborg, Kumaſſi x. mit 6 Frank angerednet. 

Achelis, 1) Ernjt Chriftian, prot. Theolog, 

eb. 13. San. 1838 in Bremen, 1862 Bfarrer ju 
Haſtedt, 1875 in Barmen, feit 1882 ordentlider Bro- 
feffor Der praftifden Theologie in Warburg. Bon 
jeinen Schriften find ju nennen: »>Chrijtusreden<, 
Predigten (Freiburg 1890 —94, 3 Bde.); » Zur Sym- 
bolfrage« (Berl. 1892); »Lehrbud) der praftiiden 
Theologie« (2. Unfl., Leip3. 1898, 2 Bde.), im fiir- 
zerer Faſſung als »Grundriß der praftifden Theo- 
logie« (3. Aufl., Freib. 1899); »Wndreas Hyperius’ 
Homiletif und Katechetik, verdeutſcht« (Berl. 1901). 

2) Thomas, Ethnolog. und Philoſoph, geb. 17. 
Juni 1850 in Gripelingen bei Brenien, jtudierte m 
Göttingen und ijt fett 1874 Lehrer am Gymnaſium 
zu Bremen. Er ſchrieb: » Die Entwicelung der mo- 
| Dernen Ethnologie« (Berf{. 1889); » Die Entwidelung 
| Der Ehe« (Daf. 1893); » Uber Vinthologie und Rultus 
von Hawat« (Braunfdw. 1895); »Moderne Balfer- 
lunde, deren Entwidelung und Aufgaben« (Stuttg. 

1896); ⸗»Ethik« (in der Sammlung Göſchen, Leipz. 

1898) und » Soziologie« (ebenda, 1899); —— 
der Lyrik Goethes« (Bielef. 1900); »Die Wandlun- 
gen der PAdagogif im 19. Jahrhundert« (Berl. 1901); 
» Die Efitafe in Religion und Kunſt« (daj. 1902) u. a. 
Seit 1897 gibt er Das »Archiv fiir Religionswisjen- 
ſchaft« heraus (Freib. i. Br.). 

Acheldos, bedeutendſter Fluß des nördlichen Grie- 
chenland, dem jetzigen Meg dova und dem Unterlauf 
des USpropotamo entſprechend, entſpringt auf dem 
Pindos, ſüdlich von Metiſovo, durchfließt in ſüdlicher 
Richtung ein langes, enges Tal, zuletzt, als Grenz— 
fluß der alten Landſchaften Ätolien und Akarnanien, 
cine breite fruchtbare Ebene und mündet unfern des 
Cinganges zum Bufen von Patras, der Anfel Kepha— 
lonia gegeniiber, ins Joniſche Meer. — Jin Mythus 
| ijt A. Der Gott diefes Stroms, der Sohn des Oleanos 
und der Tethys, der älteſte der 3000 Bruderſtröme 
und ihr König. Als er fic) tim Kampfe mit Herafles 
um Deianeira (f. d.) in einen Stier verwandelt, bridt 

ihm jener cin Horn ab, das er gegen das Horn der 
Amalthea wieder eintaufdt. W. war in der ganzen 
Griechenwelt verehrt. Er wurde bald als gehörnter 
Greis, bald als Meerdrace oder Stier mit menjd- 

lichem Geficht und langem Bart abgebildet. 
Achen, Fluß, f. Achenſee; vgl. Ya. 








Achen — 


Achen, Johann von, Maler, der ſeinen Namen 
von der Stadt Aachen, dem Geburtsort ſeines Vaters, 
erbielt, geb. 1552 in Köln, geſt. 6. Jan. 1615 in Prag, 
gina in feinem 23. Jahre nad Stalien, wo er fic) in 
Venedig und Rom meijt nad) Tintoretto und Midel- 
angelo bildete. Nad) Deutſchland suriidgefehrt, trat 
er 1590 in bayrijde Hofdienjte, 1592 in die Raifer 
Rudolfs IL. in Prag. VW. gehörte der Ridjtung der deut- 
ſchen Malerei an, die dem italieniſchen Manierismus 
folgte. Die kaiſerl. Galerie in Wien beſitzt eine Reihe 
ſeiner Werke (bibliſche, mythologiſche und Porträte). 

Achenbach, 1) Undreas, Maler, geb. 29. Sept. 
1815 in Kaſſel, fam mit ſeinem Vater 1823 nad 
Diijjeldorf, wo er von 1825—35 Schüler der Aka— 
Demtie war und fic) unter Schirmers Leitung gum 
Landſchaftsmaler ausbildete, dDaneben aber auch den 
Einfluß Rethels erfubr, der befonders auf Achenbachs 
Vorliebe fiir cine dramatiſch bewegte Staffage jeiner 
Landjdaften eingewirft hat. Nachdem er anfangs 
Landſchaften nad rheinijden Motiven gemalt hatte, 
lernte er 1832 auf ciner Reiſe nad Holland die Nord- 
und fpdter die Ojtice fermen und jog feitdem aud) die 
Warinemalerei in den Kreis feines Schaffens. Cine 
Marine mit einem Leudtturm (1835) und ein See— 
jturm an Der ſchwediſchen Küſte (1836, in der Neuen 
Pinafothef zu Minden) find feine erjten Werke diefer 
Wattung. Naddem er fid) 1836 in Miinden und 
1837 in Franffurt a. M. aufgehalien, wo er unter 
andern einen Seejturm mit cinem ftrandenden Schiff 
(im Städelſchen Muſeum dafetbjt) malte, madte er 
1838 jeine erjte Reife nad Norwegen, dejjen Hod- 
gebirge und Fjords abermals ſeinen Stofffreis er- 
weiterten. Er nahm dann feinen Wohnſitz tn Düſſel⸗ 
dorf, wo in den folgenden Jahren die beiden Haupt- 
werfe feiner erjten Beriode: der Untergang des 
Dampfers Priijident im Cife des Atlantiſchen Ozeans 
(1842, in Der Runjthalle zu Karlsruhe) und der Har- 
danger Fjord bei Bergen (1843, in der Nunjthalle zu 
Düſſeldorf) entitanden. 1843 trat A. gum Ratbholi- 
zismus iiber, und in demſelben Jahr unternahm er 
cine Reiſe nad) Ntalien, wo er bids 1845 blieb, ohne 
dak dieſer Uufenthalt feine von Grund aus realijtifde | 
Naturauffajjung wejentlid) beeinflupte. Die Pon— 
tinijden Siimpfe (1846, in der Neuen Pinalothek ju 
WMiinden), die Syflopenfelfen (1847, im Muſeum ju 
Philadelphia), cine Landſchaft von Corleone (1852) 
und bie Scylla an der Küſte von Sizilien find die 
Hauptfriicte diefer ttalienifden Studien. Bei weitem 
mehr al8 diefe beſchäftigte thn in Den 5Oer und 6Oer 
Jahren die nordijdje, befonders die niederlandijde 
Strandlandjdhaft, Die ihm Die Vorwürfe ju ciner 
großen Zahl von Bildern gab, in denen er das Treiben 
und Scaffen der Fifder und Seeleute am Strand 
oder auf der See in der Nahe der Küſte, oft im Kanipfe 
mit Sturm und hohem Seegang, darjtellte. Jn dem 
Grad, als feine Gegenſtände immer bewegter und dra- 
matifder wurden, entwidelte fic) aud) feine Technik 
gu immer ftarferer und reicherer Ausdrucksfähigkeit, 
befonders tn der Wiedergabe der Lidjtwirfungen und 
Luftitimmungen. Das Hauptwerk aus bicker Beit 
feines Schajfens ijt Der Fiſchmarkt in Ojtende (1866, 
in Der Berliner Nationalgalerie). Daneben malte er 
aud) jablreiche Binnenlandfdaften und Stadtean- | 
ſichten, Straßen und Blaise, immer mit darafte- 
riſtiſcher Staftage verfehen, in Ol und Aquarell, nad 
Motiven vom Yiederrhein, aus Hildesheim, Amſter— 
dam (Judenviertel) u.a. In den Ter Jahren fteigerte 
ſich dic Tätigkeit Achenbachs gu einer Maſſenpro— 
duttion, aus der nur wenige Meiſterwerke, wie z. B. 








Achenbach. 77 


die Überſchwemmung am Niederrhein (1876), hervor- 
ragen. Wit dem Begin der 8er Jahre vertiefte er 
ſich wieder ju größerer Rube und Sorgfalt, wofiir 
cine Gebirgsmiible und cine Mondnadt (1882), der 
hollaindijde Hafen in der Berliner Nationalgalerie 
(1883), das Lotjenboot, der Sturm in Ojtende, der 
einlaufende Dampfer (1888), cine wejtfalijde Mühle 
bei Mondidein cin Zeugnis ablegen. Bgl. Voj, 
Undreas YW. (Wien 1896). 

2) OS wald, Bruder des vorigen, ebenfalls Maler, 
geb. 2. Febr. 1827 in Diifjeldorf, trat 1839 als 
Schitler in die Dortige Ufademiie ein und gebdrte ihr 
bis 1841 an. Seine malerijde Richtung ſchließt fic 
Der Des Bruders an, bei Dem er aud) als Shiller 
lernte, Dod) wählte er jeine Motive fajt ausſchließlich 
aus Italien, und danad) bat fic) ene mehr roman: 
tiſche Naturanſchauung bet ihn ausgebildet. Seit 
1845 hat er unablajjig Reiſen nad Bayern, der 
Schweiz und Jtalien gemadt, und legteres Land hat 
er nad) allen Richtungen dDurdwandert. Die Haupt- 
wirtungen feiner Gemalde liegen in Dem koloriſtiſchen 
Reiz, in der vollendeten Wiedergabe aller natürlichen 
und künſtlichen Lichtwirfungen, in der meiſterhaften 
Behandlung der Luft und in der wirkſamen Hinein- 
ziehung von Figuren, die auf feinen Bildern eine nod 
grohere Rolle ſpielen als auf denen feines Bruders. 

r weiß aud Urditefturen mit groper Schärfe und 
Menauigteit wiederzugeben, und das italieniſche Volls⸗ 
leben bat er fo griindlid) fennen gelernt, daß ſeine 
mit Figuren ftaffierten Landfdaften zugleich cinen 
ethnographijden Wert haben. Seine Hauptwerle 
find: Abendlandſchaft bei Uriccia mit dem Cingug 
eines Kardinals (1853), nächtlicher Leichenzug in Pa— 
leſtrina (Kunſthalle in Düſſeldorf), Pilger aus den 
Abruzzen bei Civita Caſtellana vom Sturm über— 
raſcht (1861), Meſſe bet den Schnittern in der rö— 
miſchen Campagna (1863), Mondnadt am Strande 
von Neapel (1864), Rocca di Papa im Albanergebirge 
und das Feſt Der heil. Unna in Cajamicciola auf 
Jschia (beide in der Dresdener Galerie), der Nemiſee, 
Billa Torlonia bei Frascati und der Marklplatz von 
Umalfi (1876, beide in der Berliner Nationalgalerie), 
Santa Lucia tm Mondenſchein (1878), der Palajt der 
Rinigin Johanna bei Reapel (1878, Muſeum zu 
Breslau), Gewitterjturm bei Neapel, die vier Jahres— 
zeiten nad) Motiven der oberitalienijden Seen (1887), 
Bia Appia nuova mit Blid auf den Lateran, das 
Blumenfejt von Genzano (1889), die Tempel von 
Päſtum, der deutide Friedhof in Rom mit der Cejtius- 
pyramide, der Mont Pincio in Rom, Auf der Briide 
zwiſchen Albano und Ariccia bei Mondidein. Bon 
1866 —72 war U. Lehrer der Landjdaftsmalerei an 
der Diifieldorfer Ufademie. Er lebt in Düſſeldorf. 

3) Heinrid von, preuk. Staatsmann, geb. 23. 
Nov. 1829 in Saarbriiden, gejt.9. Juli 1899 in Pots- 
Dam, jtudierte die Rechte, trat 1851 in den praftijden 
Juſtizdienſt, habilitierte fid) Daneben aber 1858 als 
Privatdozent fiir deutſches Recht in Bonn und wurde 
1860 Brofejfor und Oberbergrat dajelbjt. Er be- 
gründete bier die ⸗Zeitſchrift fiir Bergrecht ⸗ (Bonn 
1860 ff.). Bon Bonn wurde A. 1866, während er 
in Das Abgeordnetenhaus cintrat, wo er die frei 
fonfervative Partei mitbegriindete, als vortragender 
Rat in das preußiſche Handelsminijtertum berufen. 
1871 ward er vortragender Rat im Reidsfansler- 
amt, 1872 Unterjtaatsjefretiir im Kultusminiſterium 
Falls, 1873 Unterſtaatsſekretär im Handelsminiſte— 
rium und 13. Mai 1873 Staatsminiiter fiir Handel, 
Gewerbe und djfentlide Urbeiten. Mit Bismard, der 


78 


im Eiſenbahnweſen Sentralijation und Beriidfidti- 
gung der Intereſſen der deutidjen Induſtrie wiinidte, 
geriet er wiederholt in Differenzen, die 1878 zu dem 
Untrag der Erridtung eines Erfenbabnminijteriums 
und 40. Mary ju Achenbachs Entlajjung fiibrten; A. 
ward Cbherpraitdenten der neuerridteten Pro 
ving Weitpreuen und 15. Febr. 1879 gum Oberprii- 
fidenten von Brandenburg ernannt. Nachdem er den 
Prinzen Wilhelm, jepiqen Ratjer Wilbelm IL, 1885 
im Staatsverwaltungsdienjt unterridtet hatte, ward 
er 1888 durch Matfer Friedrid) qeadelt. Bon feinen 


Schriften find hervorzuheben: » Dad franzöſiſche Berg: | 
recht und die Fortbilbung deSsfelben Durch das preußi⸗ 


ide allgemeine Berggeſetz (Bonn 1869) und » Das 

gemeine deutſche Bergredt« (1. Teil, Daf. 1871). 
Achene (iat. Achaenium), eine trodenjdalige, nidt 

aufipringende Frudt. Näheres ſ. Frucht. 
Achenen, ſ. Flachs. 


fee, 920 m it. Dt. gelegener, ſchmaler Alpen- 


fee in Tirol, Bezirlsh. Schwaz, 7 qkm grok, bis 
133 m tief, ndrdlid) vom Unterinntal und 400 m 
höher gelegen als dieſes, von fteilen Felsbergen um- 
eben (Darunter der wegen feiner ſchönen Ausſicht hau- 
fig beſtiegene Unnütz, 2077 m), mit berrlicer blauer 
Faͤrbung, der größte und ſchönſte See in Deutſch— 
Tirol. ce entfendet cinen Abfluß (den Uden) nad 
N. durch das Udental zur Iſar. Die am A. gelege— 
nen Gaſthöfe: Scholaſtika, Seehof, Fürſtenhaus (Per- 
tifau) u. a., find beliebte Sommerfriſchen. Der See 
wird von cinem Dampfboot befahren. Bon der Sta- 
tion Jenbach der Suüdbahnlinie Kufſtein -Innsbruck 
führt eine Straße und cine 6,4 km lange ſchmalſpu— 
rige Lofalbahn (davon 3,5 kin al’ Rabnradbabn) 
jum A. Die Strake fest fic) längs des öſtlichen 
Ufers nördlich über Udhentirden (341 Cinw., Ge- 
nteinde Achenthal) und den Achenpaß nad Kreuth 
in Bayern fort. 

Achenwall, Gottfried, Statijtifer, geb. 20. Oft. 
1719 in Cibing, geft. 1. Mai 1772 zu Gottingen, habi- 
litierte fic) 1746 m Marburg als Brivatdozent, wurde 
1748 Profeſſor der Philoſophie, ſpäter der Redte in 
Gottingen. Er hat juerjt die Statijtif als »Staats- 
funde« aufgefaft und im ſeinem ⸗Abriß der neuejten 
Staatswiſſenſchaft der vornehmiten europaifden 
Reiche und Republifen« (Gotting. 1749) in beſtimmte 
orm gebradt. 

Acher, ſ. Eliſcha ben Ubuja. 

Achern, Bezirksamtsſtadt im bad. Kreis Baden, 
an der Acher, in Der Ortenau, 146 m ii. M. Knoten⸗ 
punft der Staatsbahnlinie Mannheim-Konſtanz und 
der Eiſenbahn U.- Ottenhifen, hat eine fath. Kirche, 
höhere Bürgerſchule, ein Amtsgericht, Senfen-, Ton— 
waren⸗, Stubl-, Hut-, Faßhahn- und Zigarrenfabri— 
fation, Seſſelflechterei x. und (900) 8962 Einw. Zu 
WU. gehört dte Jrrenanjtalt Illenau (f. d.). A., zuerſt 
1050 erwähnt, wurde 1808 Stadt. 

Acheron (jest Bhanariotifos), Fluß in der 
epirottiden Landſchaft Thesprotia, durchſtrömt einen 
ſumpfähnlichen See (Acherusia palus), der zum Hafen 
Elda abflieft. In der Mythologie ijt W. cin Fluß 
der Unterwelt, in den der Byriphlegethon und Kokytos 
ſtrömen, fpater der Hauptfluß, der die Unterwelt um- 
grenzt. A. bezeichnet aud) oft dieſe ſelbſt und ibre 
Schreckniſſe. Perſoniſiziert iſt A. Sohn der Erde (Gaia), 
der Die Den Himmel ſtürmenden Titanen mit Waſſer 
verfah und deshalb von Zeus in einen fdlammigen 
Fluß vVerwandelt und in die Unterwelt verwiefen 
wurde. Val. Uderufia. 

Acherontia Atrépos, Totentopf (Schmetterl.) 


Achene — Achilles. 


Adherifia, Name mehrerer Seen und Siimpfe, 
| die, mite den Ucheron, die Mythe der Ulten mit der 
Unterwelt in Berbindung bradte: fo em See bet Her- 
mione in Argolis; em andrer bet Cuma in Kampanien 
Getzt Lago dt Fujaro); befonders aber der 3 km lange 
Sumpf m Epirus, den der Uderon (f. d.) durchfließt. 
a cheval-Stellung (px. o-jawoll-), eine Truppen- 
‘ jtellung ju beiden Seiten eines Berfehrswegs, emes 
Dammes x., fo daß die Richtung der letztern die 
Frontlinie nahezu ſenkrecht ſchneidet. 
„ſJ. Tafel⸗Induſtriepflanzen 1 « (Bambusa). 
ilie (gried.), angeborner Wangel der Lippen. 
Achill (for. acu, »Wdler<), Inſel an der Weſtküſte 
Irlands, von dem feſtländiſchen Teile der Grafſchaft 
Mayo durd einen engen Weeresarm (mit eiferner 
Briide) qeidieden, 142 qkm (2,6 OM.) mit 4970 Cinw. 
Gin wildes Sciefergebirge nimmt den größten Teil 
der Inſel em, die tm Slievemore 672 m Hobe erreidt. 
Achilléa L. (Sdhafgarbe), Gattung der Rom- 
pofiten, nad) Udilleus genannt, der mit der Pflanze 
die Wunde des Telephos geheilt haben foll, aus- 
dauernde Krauter, feltener Halbjtraucer, mit gezahn⸗ 
ten, meiſt 1—3fad fiederteiliqen Blattern, merit flet- 
nen ebenſträußigen Köpfchen und weißen und gelben 
Bliiten. über 80 Urten in der ndrdliden gemäßigten 
Zone, befonders der Ulten Welt. A. millefolium L. 
| (gemeine —————— in Nord- und Mittel⸗ 
europa, Nordaſien, Nordamerila, in Neuſeeland und 
Südauſtralien eingeſchleppt, mit faſt bis zur Mittel⸗ 
rippe doppeltfiederſpaltigen Blattern, die gewürzhaft 
riechen und bitter jdmeden. Sie enthalten wie die 
| Biliiten blaues ätheriſches OL, einen Bitterſtoff (Achil— 
fein) und Uconitjdure. Sdafgarbe galt frither als 
Mittel geqen Wunden, die durch cijerne Waffen her- 
vorgebradt waren (Daher aud) Symbol des Krieges), 
ſpäter hatte fie großen Ruf als Mittel geqen Peſt und 
BViehiterben. Jn Nordeuropa wurde fie als Bierwürze 
angewendet (Feldhopfen, Valhumall). Der friſch 
ausgepreßte Saft der Blatter dient bei Friihlings- 
furen, aud) benugt man die jungen Blatter als Ge- 
müſe und gu Kräuterſuppen und fat die Pflanze 
mit Weißllee und Grajern auf Weiden. Jn Garten 
benutzt man fie gur Herjtellung von Bierrajen. A. 
Ptarmica L. (weifer Dorant, Berufungs- 
fraut, Deutfder Bertram, weißer Rainfarn, 
Sumpfgarbe), 50 cm hod, mit linienformigen 
Blattern, grofen weißen Bliiten, in Garten oft ge- 
füllt, auf der nbrdliden Halbfugel, in Nordamerifa 
eingeſchleppt, wird al8 Hausmittel benugt und als 
Zierpflanze fultiviert. A. atrata L. (ſch wärzliche 
Sdhafgarbe), auf den Ulpen, mit weidhaarigem 
| Stengel, fiederteiligen Blättern und Bliiten mit wet- 
fem Strahl und gelblichweißer Scheibe, bildet mit der 
weiffiljiqen A. nana L. und der folgenden das edjte 
Genippt der Schweiyer, das als toniſches Mittel 
in Gebraud ijt. A. moschata Wulf. (Mofdus- 
fdhafgarbe, Yva), auf den Ulpen, niedrig, mit 
weigen, großſtrahligen Bliiten, riedt angenehm aro- 
matiſch, ſchmeckt brennend gewiirshaft-bitter, enthalt 
neben Achillein nod) Jvain, Ivaödl und Mofdatin 
und dient zur Bereitung des Ivalikörs. 
Achilléa (Dispositio A. Achilleiſches Haus— 
qefets), ſ. Albrecht 7). 
Achillea, Inſel, ſ. Schlangeninſel. 
Achillein, ſ. Achillea, 
Achilles, ſ. Achilleus. 
Achilles, befannter Trugſchluß des eleatifden 
Philofophen Seno oder feines Lehrers Parmenides, 
der beweiſen follte, dak alle Bewequng nur ſcheinbar 











Adhillesferfe — Achillini. 


79 


fei. Er behauptete nämlich, ein Gegenſtand, der ſich der Entführung ſeiner Lieblingsſtlavin Brifeis (ſ. d.) 
langſam bewege, z. B. cine Schildkröte, könne von | veranlaßt, bilden den Inhalt von Homers »Ilias«. 
einem ſich ſchneller bewegenden, z. B. A., nie eingeholt Auf Thetis' Fürbitte verleiht Zeus den Troern den 
werden, wenn jene auch nur einen kleinen Vorſprung Sieg, die ins Griechenlager eindringen und die Schiffe 


voraus habe; denn während A. die Hälfte des an- zu verbrennen anfangen, währen 
fänglichen Zwiſchenraumes zurücklege, gewinne die Seinen vom Kampfe 2 


Schildkröte ſchon wieder cinen neuen Vorſprung, da 
A. nun abermals erjt die Hälfte des jegigen Ubjtandes 
(vor dem ganzen) juriidlegen müſſe, gewinne jene aufs 
neue cinen Borjprung u. |. f. ohne Ende. Der Fehler 
liegt Darin, daß hier die Möglichkeit, eine Strece in Ge- 
danfen ohne Ende ju teilen, als eine wirflide Zuſam— 
menſetzung derjelben aus unendlich vielen Ubfdnitten 


are wird, was nun mit der Zurücklegung der- | 


elben in endlicer Zeit in Widerſpruch gu ſtehen ſcheint. 

Ahillesferfe, ſ. Udhillesfehne. 

Achillesfehme (Tendo Achillis), dad fehnige Ende 
der Wadenmusteln, womit diefe an dem Ferjenfnoden 
befejtigt find (f. Tafel ⸗Muskeln«). Sie tft etwallem 
fang, 1,5—2,5 mm breit und 5—6 mm Did und trigt 


gegen 400 kg. Un ihr ziehen die Wadenmusteln die | 


Ferſe nach oben, ihre Zerreißung macht daher das 
Stehen und Gehen fofort unmöglich; ihre franfhafte 
ire re: wobdurd) die Ferſe Dauernd iiber dem 
Boden bleibt, erzeugt den »Pferdefuß«, Der bei zuneh— 
mender Verkürzung der A. cin formlider Klumpfuß 
werden fann. n bielt friiher Wunden an der Ferfe 
fiir befonders gefährlich. Achilles ftarb an den Fol- 
gen eines Pfeilſchuſſes in die Ferfe (Daher Udilles- 
ferfe foviel wie verwundbare Stelle; vgl. Achilleus). 

Achilleus (lat. Wdhilles), der gefeiertite Held 
des qriechifchen Heroentums, Urenkel des Reus, Enfel 
des Halos, Sohn des Myrmidonentinigs Peleus und 
der Meergottin Thetis. Während Homer ihn von fei- 
ner Mutter im VBaterhaufe großziehen und mit feinem 
Freunde Patroklos aufwachſen läßt, unterridjtet von 
Phonir (jf. d.) und Chiron (jf. d.), ſchmückt ſpätere 
Dichtung ſeine Jugend mannigfaltig aus. Um ihn 
unſterblich zu madjen, falbt ibn Thetis bet Tage mit 
Ambroſia und Halt ihn nachts ing Feuer; von Weleud 
dabei gejtirt, verläßt fie Gatten und Rind und fehrt 
mu den Nereiden zurück. Nod) jiinger ijt die Sage, 
ß Thetis ihn durd) Baden im Wafer de3 Styr am 





ganjen Körper unverwundbar gemacht habe mit Wus- | 


nahme der Ferſe, an der fie ihn hielt. Nad) Thetis’ 
Entfernung bringt ihn Beleus zu Chiron, der ihn 
mit Barenmart nährt und in allen ritterliden und 
muſiſchen Künſten unterweijt. Bei Homer folgt A. 
fogleid) mit Batroflos und dem alten Phönix der 
Aufforderung zum Zuge nad Troja. Nad) fpaterer 
Sage bringt a etis auf die Weisfaqung des Kalchas, 
Troja forme ohne A. nicht crobert werden, und jeinen 
Tod in dieſem Kriege vorausfehend, den Neunjährigen 
nad) der Inſel Sfyros, wo er in Weiberfleidern unter 
den Töchtern des Königs Lyfomedes aufwächſt und 
mit einer derſelben, Deidameia, den Neoptolemos 
zeugt; Kalchas verrät den Verſteck, und Odyſſeus mit 
Diomedes entlarvt A. durch Liſt: als Kaufmann ver— 
kleidet, breitet er vor den Mädchen allerlei Schmuck 
aus und legt Schild und Speer daneben, dann läßt 
er das Kampfſignal blaſen, und A. greift nach den 
Waffen. Bei der erſten Landung der Griechen ver— 
wundet er Telephos (ſ. d.) bei der zweiten Kyknos (ſ. d.). 
Bor Troja ijt er.der Hauptheld, durch Heras und 
Athenes Gunjt und eigne Vorzüge Freund und Feind 
iiberragend. Yn den neun erjten Kriegsjahren ijt er 
Anführer der Griechen auf den zahlreichen Beute- 
jligen in Diellmgegend von Troja. Die Ereigniſſe des 


zehnten Jahres, die fein Swijt mit Agamemnon wegen | 





A. fich mit den 
ern Halt. Qn der höchſten Not 
ejtattet er Dem Batroflos, in feiner Riijtung mit den 
WMyrmidonen die Troer aus dem Lager zu werfen. 
Patroflos fallt von Heftors Hand; die Waffen find 
verloren, nur der Leidynam wird nad) heißem Kampf 
qerettet. Schmerz und Radedurjt laffen A. den Ha- 
der vergeijen. Unf Thetis’ Bitte von Hephajtos mit 
neuen, pridtigen Waffen ausgeriijtet, sieht er gegen 
Heftor aus, obgleich er weiß, Dak er bald nach dieſem 
jterben muß. Scharentweife mäht er die Feinde nieder ; 
unter Troja8 Mauern mit Heftor zuſammengetroffen, 
jagt er thn dreimal um die Stadt, durchbohrt thn mit 
der Lanje und ſchleift den Leichnam am Wagen ins 
Lager, wo er ihn den Vögeln und Hunden zum Fra 
hinwirft. Dann bejtattet er Patroflos feierlichjt und 
ftellt ihnt gu Ehren Leidhenfpiele an. Heftors Leich— 
nam gibt er großmütig dem Priamos zur Bejtattung 
zurück. Nod) manche Heldentat vollbringt er (ſ. Mem- 
non, Penthejileia); da erfiillt fid) Das von thm felbjt 
ewählte Geſchick eines furjen, aber rubmretden Le- 
8, ftatt eines langen, aber ruhmloſen. Am ffai- 
iden Tor traf ihn Upollos Pfeil, oder Paris ſchoß 
ihn in die allein verwundbare Ferje im Heiligtum 
des thymbraifden Apollo, wohin er fic) unbewaffnet 
zur Vermählung mit Priamos’ Todter Polyrena 
begeben. Seine Wide wurde neben der des Patroflos 
und Untilodos in dem Leidenhiigel auf dem Bor- 
ebirge Sigeion beigeſetzt. Bei Homer weilt feine 
Seele wie Die aller Berjtorbenen tm Hades. Nad 
jpaiterer Sage entfiihrt Thetis den Leichnam vom 
Scheiterhaufen nad dem Eiland Leufe an der Donau- 
miindung, wo der verflarte Held als Herrjder des 
Pontos mit Aphigenia (oder Medeia oder Helena) 
vermablt fortlebt. Er hatte jahlreiche Kultitatten, 
vor denen die vornehmſte Die auf Sigeion war. Die 
Kunſt ftellte A. dem Wres ähnlich dar mit edlen und 
gewaltigen Körperformen und mähnenartig empor- 


— Haar. Von den nach ihm gewöhnlich 


annten Statuen (z. B. A. Borgheſe in Paris) ijt 

es zweifelhaft, ob ſie nicht Ares darſtellen. 
chillens Tatios, griech. Romandichter aus 
Alexandria, im 6. Jahrh. n. Chr., iſt Verfaſſer eines 
Romans in 8 Büchern, von den Abenteuern des Lie— 
beSpaares Kleitophon und Leufippe, in der Form nicht 
ohne Unmut, dod) oft mit qelehrtem Beiwerk iiber- 
laden (hrsq. in den »Scriptores erotici graeci« von 
Hirſchig, Bar. 1856, und von Herder, Leipz. 1858). 
Achillini Gor. at), Aleſſandro, Philojoph und 
Arzt, ged. 29. Oft. 1463 in Bologna, geſt. dafelbjt 
1512 (oder 1518), lehrte zuerſt in Badua, dann in 
ſeiner Vaterjtadt Philofophie und Medizin. Er war cin 
qenauer Renner des Ariſtoteles, ſchloß ſich aber in 
deſſen Auffaſſung dem Wverrhoismus an. Unter 
feinen Schriften liber Bhilofophie (»Opera omniac, 
Bened. 1545 u. 1568) ijt die bedeutendjte » De intelli- 
gentiis« in 5 Biidern. — Sein Bruder Giov. Fi- 
loteo YL, geb. 1466 in Bologna, war Gelehrter und 
Didter und ſtarb 1538. Seine beiden Lehrgedichte: 
»Il Viridario« (Bologna 1513), in Oftaven, und +1 
Fedele« (daf. 1523), in Terjinen, gehiren zu den 
literariſchen Seltenheiten. Seine » Annotazioni della 
lingua volgare« (Bologna 1536) find cine Satire 
auf den toskaniſchen und cine Lobrede auf den bo- 
logneſiſchen Dialeft. — Größern Ruf als diese betden 


80 


erfangte Claudio A., geb. 1574 im Bologna, get. 
1640. Er jtudierte hauptſächlich die Rechte in femer 
Bateritadt, wirfte dann hier wie in Ferrara und Parma 
als Profeijor und trat zu Papit Gregor XV., König 
Ludwig XII. und Kardinal Ridelieu m nähere Be- 
ziehung. Als Dichter (> Rime et prose«, Vened. 1673) 
folgte er der Richtung Marinis. 


im, Dorf und Kreisort im preuß. Regbez. 


Stade, an der Staatsbabhniinie Wunjtor{ - Bremer: 
haven, hat eine evang. Kirche, Synagoge, Umtsgeridt, 
Sigarrenfabrifation und (1900) 3076 Einw. 
Achiménes Brown, Gattung der Gesneriazeen, 
Kräuter mit bejduppten unterirdijden Wuslaurern, 
gegenjtindigen Blattern und einjelnen oder gebii- 
ichelten, ment roten bis violetten Bliiten in den Blatt- 
adjein. Etwa 25 Yirten im tropiſchen Umerifa, von 
denen mehrere, wie bejonders A. grandiflora DC. 
mit purpurnen oder violetten Bliiten in zahlreichen 
Varietäten, A. mexicana Benth. et Hook. (Scheeria 
mexicana Seem.) mit großen blauen oder purpur- 
roten Bliiten, A. amabilis DC. (j. Tafel »3immer- 
pflanzen I1<) bet uns in Warmbaujern ähnlich den 
Gloxinien fultiviert werden. Durch Kreuzungen tit 
cine Anzahl danfbarer Gartenpflanjen ergielt worden. 
Achioti, Farbſtoff, joviel wie Orlean. 
irie (gried).), angeborner Mangel der Hande. 


lath, alte Stadt tm tiirf. Urmenten, am Nord- | 
‘phen, der fid) durch etnfade, aus Zergliederung der 


ufer Des Wanſees, Sig eines armenifden Biſchofs, 
hieß im Altertum Chelath und war lange die be- 


rühmte Refideny der armenifden eae mit mebr | 
ſchelãl eddin 


als 200,000 Einw. 1226 wurde fie von 
Schah, 18 Jahre jpater durch cin Erdbeben zerſtört. 


Auch in Der Folge wiederholt verwilijtet (jo 1400 durch 


Timur), wurde A. ee immer wieder aufgebaut 
und durch Soliman II. fogar ju einer ſtarlen Fejtung 
umgeſchaffen, ging aber ſtetig zurück und tit beute 
nur ein fleiner Ort mit etwa 4000 Emi. 
Achleitner, Arthur, Schriftſteller, geb. 16. Aug. 
1858 in Straubing, durchwanderte den größten Teil 
Europas, war zeitweilig Redakteur und lebt jest in 
München. A. ſchrieb zahlreiche Erzählungen, beſonders 
aus dem bayriſchen Volls⸗ und Jägerleben, von denen 


wir nennen: »Aus dem Hodland« (Münch. 1892); | 





» Vin Gamsgebirg« (Daf. 1893); » Die Dobratfdroje« | 


(Stuttg. 1896); » jm grünen Tann«, Schwarzwald— 
novellen (Berl. 1896) ; » Der Forſtmeſſias⸗ (Daj. 1897); 
esi Gebiet des Grofglodners« (Daj. 1900) u. a. 
Achlya Nees v. Esenb., Biljgattung aus der Fa⸗ 
milie Der Saprolegniageen (j. Buje). Der aus un- 
eqliederten, wenig versweigten Schläuchen bejtehende 


Achim — Achromatismus. 


Achmed, |. Ahmed. 

Admim (Ulhmym), anſehnliche Stadt in Ober- 
agypten, am redten Rilufer, Dampferjtation, mit 
(1897) 28,000 Emuw., meiſt Ropten, unter denen viele 
Cbrijten, lebbaften Warten und vielen Baunuvoll- 
webercien. Sdon tm Ultertum waren die Weberecien 
von A. beriibmt. A. ſteht an der Stelle des altigyp- 
tiichen Chente-WMin (Chmin, Sdmin), der Stadt des 
(von den Grieden dem Ban gleicgeftellten) Gotteds 
Win (j.d.); bet den Griedhen hiek es opolis. Rady 
der griechiſchen Sage jollen von U.-Chemmis Danas 
und Lynfeus nad Hellas übergeſiedelt fem. In den 
alten Grabern von A. find neuerdings pradtige Stiide 
antifer Webereien entdedt worden. Bal. Forrer: 
Die Gräber- und Tertilfunde von VW. -Panopolis 

Straßb. 1891), Die rdmifden und byzantinifden 
Seidentertilien aus dem Griberfelde von UL. -Bano- 


| polis (Daj. 1891), Die frühchriſtlichen Wltertiimer aus 


dem Graberfelde von UL. -Banopolis (daj. 1893). 

Acholie (qriecd.), Feblen der Galle; acholiſcher 
Stubl, Stubl ohne Galle (7. Gelbjucht). 

Achonry (ivr. adenrei), Kirchjpiel und fathol. Bis- 
tum m der Grafidaft Sligo (Irland). 

Achor, altere Bezeichnung emer kleinen Pujtel der 
Schadelbaut, Kopfgrind. 

Achorion Schoenleinii Remak (Favuspilz), 
Fadenpilz mit jelliggegliederten, reichverzweigten Hy- 


yaden hervorgehende Konidien vermehrt. Seine Stel- 
lung im Gyjtem ijt unfider. Nad) neuern LUnter- 
judungen wird A. fiir eine Sammelart gebalten, die 
ſich in wobl unterfdeidbare Arten trennen läßt. A. 
lebt parajitifd) in der Haut und erjzeugt bei Menſchen 
den Waben-, Kopf- oder Erbgrind, bei Mäuſen und 
Ragen ähnliche Hautfranfheiten, die aud auf den Men- 
iden übergehen, vielleicht aud) den weifen Kamm der 
Kotſchinchinahühner und die Nagel- und Hufgeſchwüre. 

Achras Sapota L. (Sapotillbaum, Ris- 
pero, Mijpelboom), f. Tafel »Rabrungspflan- 
jen III«, Fig. 14. 

Achroit, Mineral, farblofer Turmalin. 

Achroma (qried.), angeborner oder erworbener, 
auf einjelne Stellen beſchränkter Mangel des Haut- 
pigments. Die Fede erſcheinen mildweik. Der Zu⸗ 
jtand ijt obne weitere Bedeutung, der Behandlung 
aber nicht zugänglich. 

Achromatismus (Achromaſie, gried., »Farb- 


loſigkeit⸗), Ablenkung des weißen Lichtes durch Pris 


Vegetationsfirper einiger Arten, wie A. prolifera und | 


ramosa, bildet, im Waſſer untergetaudt, auf Tier- 
und Pflanzenleichen dichte, flocige beri e. A. pro- 
lifera Nees v. Es. (j. Tafel »Pilje Ue, io. 3 u. 4) 
tritt häufig als Schadling in Fiſchteichen und Fiſch— 
brutanjtalten auf, tndem fie lebende Fiſche oder die 
Fiſcheier befallt. Früher wurde fie aud) fiir Den Ber- 
urjader der Krebspeſt qebalten. 

Aechméa Ruiz et Pav., Gattung der Bromelia- 
geen, ausdauernde Pflanzen nut becherförmig ſich um⸗ 
ſchließenden, roſettenartig geſtellten, lederartigen, ein— 
fachen Blättern und pradtvollen, forallenartig feſten 
Blüten in Riſpen, Trauben oder Ahren. Etwa 40 Ar— 
ten, wachſen epiphytiſch auf Bäumen im tropiſchen Süd⸗ 
amerika. Schöne Warmhaus- und Zimmerpflanzen, 
wie A. spectabilis Brongn. mit ſcharlachroten Blü— 


ten, A. distichantha Lem. mit rotem Kelch und blauer | 


Biiite, A. rhodocyanea Hook. (j. Tafel »Blattpflan 
gen Le, Fig. 16). 





men und Linſen ohne Zerlequng desfelben im feine 
farbigen Bejtandteile. Die dDurd ein Prisma abge- 
lenften und zu einem Speftrum ausgebreiteten Son⸗ 
nenjtrablen werden durch ein zweites ganz gleiches 
Prisma, deſſen Schneide nad der entgegengeſetzten 
Seite gewendet iſt, wieder an ihre urſprüngliche Sielle 
zurückgelenkt und zuſammengeſchoben, ſo daß ſtalt 
des Speltrums ein weißer Lichtfleck in der Richtung 
der einfallenden Strahlen erſcheint. Um nur die 
Farbenzerſtreuung, nicht aber auch dic Ablenkung auf- 
zuheben, müßte das zweite Prisma fiir ſich allem ein 
ebenſo langes Spektrum entwerfen, dasſelbe aber 
weniger ablenfen als das erſte. Nun gibt ein Flint— 
glasprisma ein etwa doppelt fo langes Speftrunt wie 
cin Mronglasprisma, wenn der Winkel an der Kante 
bei beiden gleich groß ijt, jedoch bei weitem nidt 
die Doppelte Wblenfung. Ein Flintprisma, deſſen 
Winkel etwa halb fo groß ijt wie derjenige des Rron- 
prismas, bringt daher zwar ein ebenfo langes Spef- 
trunt, aber eine beträchtlich geringere Ablenkung ber- 
vor als Diefes und wird, mil ihm in entgegengelepter 


Adhromatopfie — Achſe. 


Lage vereinigt, die Farbenzerſtreuung desſelben be- 
ſeitigen, die Ablenkung dagegen nicht völlig aufheben. 
Die Vereinigung beider Prismen bildet ein achro— 
nat tf des (farblofes) B Prisma, das auf dem Schirm 
einen gur Seite gelenften weifen Lidtfled er: 
zeugt. Ahnliches gut fiir Linjen. Infolge der un- 
gleiden Brechbarkeit verjdiedenfarbiger Strahlen faßt 
cine gewöhnliche Sammellinſe die Strahlen, die von 
einem Bunt ausgehen, nicht wieder genau in einen 
Punkte zuſammen; die ſtärker gebrodenen blauen 
Strahlen vereinigen fic) in cinem der Linfe näher ge- 
legenen, die weniger bredbaren roten erjt in emem 
entferntern Bunfte. Die Bilder, die eine ſolche Linfe 
entwirft, find nidt ſcharf begrenzt, fondern von far- 
bigen Saumen umgeben (Farbenabweidung, 
dromatifde Uberration), und man gelangte 
Daher erjt zu wirllich braudjbaren Linfenfernrohren, 
alg es gelungen war, Linfen ohne Farbenabweidung 
(achromatiſche Linfen) gu verfertigen. Um die 
Farbenzerſtreuung einer Sammellinfe aus Kronglas 
(AB der Fiqur) aufzuheben, bringt man unmittel⸗ 
bar binter fie cine Rerjtreuungdlinfe aus Flintglas 
(CD), die nur eine halb fo große Wblenfung, aber 


die gleidje Far: | 


AC 


benjerjtreuung 
wie jene her- 
. vorbringt, und 
gwar beides mm 
entgegengefep- 





BD tem Sinne wie 
Adromatifde Linfe. Wate 


wird von der Rronglaslinje in einen Farbenfider 
ausgebreitet, deſſen roter Strahl die Achſe in p, deſſen 
violetter Strahl jie in v trifft. Durd) die Flintglas- 
linfe werden die Strahlen wieder von der Achſe jo weg- 
elenft, daß jie, ju cine m weißen Strahl vereiniqt, die 
hfe in dem Punkte p’ fehneiden. Die beiden Linjen 


miteinander vereinigt, bilden eine achromatiſche 


Linfe. Durd das Rufammenwirfen der Krone und 
Der Flintqlastinfe erzielt man die Vereiniqung zweier 
bejtimmter Strahlen des Speftrums, 3. 
Strahles, welder der Fraunhoferjden Linie B ent- 
fpridt, und ded violetten Strables G. Waren in den 
Speltren des Kron- und ded Flintglaſes die zwiſchen⸗ 
liegenden Farben in denjelben Verhältniſſen ihrer Wb- 
ſtände verteilt, fo wiirden aud) dieſe Strablen fic) mit 
jenen beiden genau vereinigen und einen vollfommen 
farblojen Bildpuntft resi Dies ijt jedod nicht der 
Fall, und daber bleibt nod cine geringe Farbenjer- 
ſtreuung übrig, dDieman al8 fefundaresSpeftrum 
bezeichnet. Abbe und Schott in Jena haben optiſche 
Gläſer hergejtellt, deren Speftren proportionale Far- 
benverteilung zeigen und vollfommen farblofe Linfen- 
bilder liefern. Dan nennt folde bejonders zu Mikro— 
ftopobjeftiven verwendete Linfen apodromatifd. 

Achromatopſie (qried.), Farbenblindheit. 

Adhroodertrin, p Dertrin. 

UAhsbriide , ſ. Eiſenbahnunfälle. 

Achsbüchſe (Achſenbüchſe), bei Lofomotiven 
und Eiſenbahnwagen cin Ronjtruftionsteil, in dem 
cin Zapfen der Radachſen gelagert ijt. 

Udhisarimow, Nifolay Dmitrijewithd, 
ruff. Belletriſt und Sritifer, geb. 15. (3.) Dex. 1819 
in Petersburg, geft. 30. (18.) Ung. 1893 auf feinem 


Gute bei Mosfau, erhielt (bi3 1839) feine Mushildung | 
auf dem Lyzeum in Zarffoje Selo, trat dann in dic | 





. Des roten | 





81 


ſität und Kunftafademic. Seine erjte, mit Beifall auf- 
—— Novelle ijt »Der Doppelgänger« (1850). 

on ſeinen ſpätern Romanen find bemerfenswwert: 
»Der Spieler«, » Der falſche Name⸗, »>Cin ungewöhn⸗ 
licher Fall«<, > Das Modell<, »Die Bewohner des Wal⸗ 
des«, »>Der Mandarin« u. a. 

Achſe (Ure, lat. Axis, aud Umdrehungs- oder 
Rotationsadfe), in der Mechanif cine durch cinen 
Körper qehende gerade Linie, um die fic dieſer fo ber- 
umbewegt (fid) dreht oder »rotiert«), daß jeder feiner 
Puntte einen Kreis bejdreibt, deſſen Ebene zur A. 
fenfredt ijt, und deſſen Mittelpunkt auf der A. liegt. 
Da durd) dieje Kreisbewegung jedes Körperteilchen 
das Bejtreben erlangt, fid) von der UW. gu entfernen 
(SZentrifugalfraft), fo übt es auf die U. einen 
Drud aus, der durch cinen gleidjen, aber entgegen- 
geſetzt geridteten aufgehoben wird, wenn die Maſſe 
des Körpers rings um die UW. gleichmäßig verteilt ijt. 
Eine foldje U., auf die fein aus der Umdrehung ent- 
{pringender Druck wirkt, heist freie A. Da jedes 
um eme freie A. rotierende Maſſenteilchen vermige 
der Triigheit in feiner jur A. fenfredten Drehungs- 
ebene gu beharren ſtrebt, fo zeigt aud) die freie A. das 
Bejtreben, ihre Ridtung im Raum beizubehalten, 
und fest Daher einer äußern Kraft, die fie aus dieſer 
Ridtung bringen will, einen wm fo größern Wider- 
jtand entgegen, je groper die Wudt der Rotations- 
bewegung ijt (Stetfheit der W.). — Ähnlich ge 
braudt die Geometrie das Wort A. zunächſt bei 
Umbdrehungs - (Rotations -) laden oder Körpern, die 
dadurch entitehen, daß man ſich eine Linie oder einen 
ebenen Fladenraum um eine Gerade, die dann A. 
der Fläche oder des Körpers heift, qedreht denft. So 
entiteht die Kugelfläche (der Kugelkörper), wenn fid 
ein Halbfreisbogen (cine Halbkreisfläche) um den 
Durchmeſſer als A. dreht. Im weitern Sinn tit geo— 
metrifde A. einer Fiqur oder eines Körpers jede Ge- 
rade, um die Die Punkte der Fiqur (Des Körpers) mit 
ciner gewiſſen Regelmäßigleit verteilt find (vgl. Sym- 
metric). Dement}predend nennt man in der PHY fit 
U. eines Magnets dic Verbindungslinie feiner beiden 
Pole, U. einer Linfe die Verbindungslinie der Kritm- 
mungsmittelpunkte ihrer beiden kugeligen Oberflächen, 
A. eines Fernrohrs die gerade Linie, auf der die Krüm⸗ 
mungsmittelpunkte aller ſeiner Linſen liegen. — Jn 
der Rrijtall of Sh i heifen Achſen gerade Linien, 
die Durd) Den Wittelpunft eines Kriſtalls gelegt ge— 
dacht werden und entweder zu vorhandenen Sym- 
metrieebenen fenfredt ftehen oder parallel vorhande- 
nen oder möglichen SRrijtallfanten verlaufen. Alle 
Teile ded Rrijtalls liegen regelmäßig um die Achſen 
verteilt. Die Längenverhältniſſe und die Lage dieſer 
Achſen find bezeichnend fiir bie Krijtallformen. Bei 
doppeltbredenden Kriſtallen nennt man optifde A. 
jede Richtung, nad) der fich in Denfelben die Lichtwellert 
nur mit einer einzigen Geſchwindigkeit fortpflanjen. 
— Yn der Mafdhinenlehre entipridt die A. im all- 

emeinen der geometrifden A. ees Körpers. VW. einer 
aſchine, die Durd) deren Hauptteile beſtimmte Mittel⸗ 
linie (f. aud) Achſen) — A. des Himmels (Welt- 
adfe), die gerade Linie, um die fid) der Himmel bei 
jeiner ſcheinbaren täglichen Rotation dreht; ihre End- 
puntte find der Nord: und Südpol am Himmel (vgl. 
Himmel). Die Erdachſe ijt das Stiie derjelben, das 
in den Erdkörper fallt; ihre Endpuntte find der irdiſche 
Nord- und Siidpol. Da die Weltadfe auf der Ebene 
des Aquators und den Ebenen aller mit diefem pa- 


Kanzlei des LrieqSminiiteriums ein und befudte, nad): | rallelen reife fentrecht fteht, fo ijt fie zugleich A. des 
dem er 1845 biete Stellung aufgegeben hatte, Univer- | Uquators und der Parallelfreife; ebenfo find 


Meyers RKonv. + Lerifon, 6. Aufl., J. Bd. 


6 


82 Achſel — Adht. 


die Achſen der Ekliptik und des Horizonts diege-| Adhfenpflangen, die blattbildenden Pflanzen tm 
raden Yinien, die ſenkrecht auf der Ebene der Ettiptif | Gegenfage su den biattlofen Zellpflanzen, bei denen 
und der ded Horizonts jtehen. Da die Rlaneten und ein Gegenſatz zwiſchen Blatt und Stamm nidt vor- 
Someten in Regelidmitten laufen, fo bat bet ihren Arhjenftrahi,j.Lmje [banden ijt. 
Bahnen der Uusdrud A. die bet Den genannten Kur-| Wchjenwinkelapparat, j. Rrijtalloptif und Po- 
ven übliche Bedeutung. — Uber UW. in der Botanik Achſenzylinder, |. Nerven. lariſation. 
ſ. Achſenorgan. — Jn der Zoologie tit die Haupt⸗ Achskilometer, Kilometer. 

achſe diejenige Linie, Die man ſich tm Körper ſo ge Achsſcheutel, j. Jad. ois 
jogen denft, daß fie den Mund (oralen Pol) und) Acht, im der Rethe der Zahlen die erjte, welche die 
die ihm entgegengefeste Stelle des Körpers (abora-  dritte Potenz einer fleinern, der Zwei, tit. Diefer und 
len Pol) trifft. — Jn der Arditeftur nennt man ähnlicher Eigenſchaften balber galt die U. tm Witer- 
U. die gerade Linie, die Durd) Die Mitte eines Ban- | tum fiir eine ebenfo vollfommene Zahl wie die Drei. 


werfes oder Bauteiles der Lange (Längsachſe) oder der | 
Breite nach (Querachſe) gezogen wird. Durdgebhende, 

gebrodjene, gleiche, wechſelnde xc. Achſen find weſent⸗ 
lid) mitbeſtimmend fiir den Charafter des Bauwerks. 

Achſel (lat. Axilla), der äußere Teil der Schul— 
ter (j.d.); Achſelhöhle, die Aushöhlung unter der 
A. zwiſchen Oberarm und Brujt, wird von diefen, dem 
großen Brufjtmustel und dem breiten Rückenmuskel 
gebtldet. Große Rervenjtimme und die große Schlag: 
ader des Armes treten durch die Udjelbdhle vom 
Mumpf jum Arm. Die zahlreiden Lymphdrüſen der 
Achſelhöhle erleiden oft Entziindung und Vereiterung. 
Das Sefret der Schweifj- und Talgdriijen, der Ud - 
ſelſchweiß, riecht ſehr ſtark und zerſetzt ſich leicht 
unter Bildung von Ammoniak und flüchtigen fetten 
Siuren ; feine iibermapige Ubjonderung fiihrt zu Er- 
faltungen, Entzündungen und Furunfelbildung. Zur 
Belampfung dienen tiglide kühle Wafdungen, und 
jur Uuffaugung des Schweißes trage man einen oft 
erneuerten handtellergroßen Bauſch Salicylwatte. Die 
wafjerdidten Schweißblatter find verwerflid. — Jn | 
der Votanil heift A. der Winkel zwiſchen Sweig und 
Blattitiel oder Ujt und Zweig; achſelſtän dig, was 
in Diefem Wintel ſteht. 

Achſelklappen, Tuchjtiide auf den Schulterteilen 
der Montierung; ſ. Bekleidung. 

Ahfeimannitein, Badeort, ſ. Reichenhall. 

— ae ial j. Achſel. 

UAchfeljprofr, |. Jiweig. = 

Achſelftücke werden in jedem Dienjt, nur nidt 
bei Paraden und befondern Gelegenbheiten, jtatt der 
Epauletten getragen. Sie bejtehen bei Generalen aus 
breiten goldnen, ſilberdurchwirlten Schnüren, bei 
Stabsofngieren aus breiten, jilbernen, ſchwarzdurch— 
wirften Sdniiren, bei Haupticuten und Leutnants aus 
vier filbernen, ſchwarzdurchwirkten Schnurbreiten. 

Achſen (Uren), Mafdhinenteile sum Tragen um- 
laufender oder ſchwingender Teile (Mader, Hebel), 
jind mit diefen Teilen (durch Längskeile, Drucidrau- 
ben, Querjtifte) fejt verbunden und dann felbjt dreh- 
bar gelagert, oder fie jind undrehbar befejtiqt, und 
die von den A. getragenen Wasdinenteile drehen fic 
auf denfelben. Wan unterjdeidet Tragadjen und 
Stiipadfen, je nadjdem die jie beanfprudenden 
räfte fenfredt oder parallel zur Längsrichtung der 
VU. wirlen. Hergeftellt werden die A. aus Stahl und 
Schmiedeeiſen mit kreisförmigem oder freisringfir- 
migem Ouerfdnitt. A. aus Gußeiſen und Hols wer- 
Den jest faum nod) verwendet. Val. Rad und Welle. 

Achſenbüchſe, |. Udsbiichfe. 

Achſenfarbe, ſ. Dichroismus. 

Achſenorgan Achſe), bei ſſamm- und blattbil— 
denden höhern Gewächſen jedes Glied, das durch 
Spitenwachſtum mittels eines an ſeinem Ende be— 
ſindlichen freien Vegetationspunttes ſich verjüngt und 
unterhalb dieſes fortwachſenden Endes ſeitlich Blätter 
erzeugt. Naheres ſ. Sprofs. 





Nach der bibliſchen Erzählung von der Sündflut blie- 
ben acht Menſchen iibrig. Dre Griedhen unterſchieden 
adt Hauptwinde, und m der chaldäiſchen Aſtrologie 
Dienten die acht Orter ded Himmels zur nähern Be- 
ſtimmung der —— Die Gallier wählten 
fiir thre Tempel die Geſtalt eines Achteds (Oftogons), 
und tm Wittelalter wurde diefelbe Fiqur als heilig 
beim Bau chriſtlicher Kirden ju Grunde gelegt. 
Acht (althodd. Ahta, mittelhodd. achte, Berio 
gung<), die Durch Urteil verhängte Friedlojigteit. Der 
Geaidhtete (Udter, Berfejtete) war nad germani- 
ſchem Recht von der pig aways ausgeſchloſ⸗ 
ſen. Er durfte und ſollte als Feind des Volles von 
jedermann verfolgt und getötet werden. Es war ver⸗ 
boten, ihm Unterſtützung, Obdach, Unterhalt zu ge— 
wabren; die A. ſetzte thn außerhalb der Sippe und der 
Familie; feine Frau ward Witwe, feine Kinder Wai— 
jen. Wollte er fein Leben retten, fo mufte er fliehen; 
er haujte im Walde. Daher hieß er aud) Waldganger 
(altnordiſch skoggangr) oder Wolf (altnord. vargr). 
Uud das Gut des Friedlofen ward friedlos; ¢3 fiel an 
den König oder das Gemeinwejen. Die W. wurde in 
der Landes oder Gerichtsgemeinde, ſpäter durd den 
Konig verhingt und verfiindet. Wn die ÄAchtung 
(Udhtserflarung, Friedloslequng) ſchloß fid) häufig 


das Riederbrennen oder Niederreigen von Haus und 
Hof des Geächteten durd) die Genoſſen der Geridts- 


gemeinde an. In Der franfijden Beit ward die A. 


| jum prozeſſualen Zwangsmittel ; der König verhangte 


jie über Denjenigen, der ohne Beſcheinigung edter Not, 
d. h. ohne Berufung auf geſetzliche Hinderungsqriinde, 
auf eine gegen ihn erhobene Klage nicht vor Gericht 
erſchien oder nad Fällung des Urteils ſich weigerte, em 
Sühneverſprechen absugeben, d. h. die Letjtung der zur 
Wiedergewinnung des Friedens erforderlichen Geld- 
ſumme zuzuſagen. Der fo Geächtete fonnte ſich inner: 
halb Jahr und Tag durch freiwillige Gejtellung aus 
der A. löſen. Andernfalls verfiel er Der Oberadt 
(Wberadt), d. h. der vollen Friedlofigfeit, die durch 
den Udhtbrief befannt gemacht wurde. Der mit Ge- 
walt vor Geridt gebradte Achter erlitt nad) ſeiner 
Uberfiihrung jtets die Todesjtrafe. Zuſtändig zur Ber: 
hängung der Reichsacht, einer A., die ſich über das 
ganze Reid) erjtrectte, waren im Mittelalter das Reids- 
hofgericht fowie die faiferliden Landgerichte; Beran: 
laſſung hierzu bot insbej. die Verweigerung der Heeres- 
folge Durch Die ReichSfiirjten, die Wergerung, die Land- 
friedensgeſetze zu beſchwören, die Verhängung eines 
erſt durch den weltlichen Arm wirkſam zu machenden 
Kirchenbannes (ſ. Bann). Späler ging das Recht, die 
Reichsacht gu verhängen, an die beiden höchſten Reichs 


gerichte, Den Reichshofrat und das Reichskammer⸗ 


gericht, über. Durch die ſtändige Wahlkapitulation von 
171104Art. 20) wurde ihnen jedoch die Zuſtändigleit in 
Achtprozeſſen wieder entzogen. Es blieb ihnen nur die 
Jnjtruftion des Prozeſſes; die Entſcheidung lag nach 
vorber erſtatletem Gutadten ciner » Reidsdeputation< 


Achtal — WAciditat. 


bei Kaiſer und Reichstag. Die Reichsacht wurde zum 
legtenmal 1706, und zwar über Rurfiirjt Mar Ema- 
nuel von Bayern, verbangt. Bgl. Brunner, Grund- 
jlige Der deutſchen Rechtsgeſchichte (Leipz. 1901). 
tal, arab. Dichter, ſ. Arabiſche Literatur. 
UAchtbriidertaler, ſ. Achtlöpfige Taler. 


Achteck (Oftagon, Oftogon), ein Viele mit | 


adt Eden und Winkeln. 


Achtel, altered deutides Teilmaß, zuweilen joviel | 


wie Walter; im Bergwejen Preußens Lachter 
= 10 Yoll von 10 Primen. 

Michten, ſ. Acht. 

Achtender (Achter), ſ. Geweih. 

Achter, der plattdeutſche Ausdruck fiir hinter, z. B. 
Achterſteven, ſoviel wie Hinterſteven. 

Uchter, ſ. Acht. 

Achteraus, hinter dem Hee eines Schiffes; recht 
a. = genau in der Heckrichtung; a. holen, das Schiff 
mit Trofjen rückwärts von der Stelle ziehen. 

Achterbraſſen, die Braſſen (f. d.) des AUdhter- 

Achterdeck, ſ. Dect. ſchiffs (7. d.). 

Achterfeldt, Johann Heinrich, kath. Theolog, 

eb. 17. Juni 1788 in Weſel, act 11. Mai 1877 im 
onn, ward 1818 Profeſſor in Braunsberg, 1826 in 
Bonn, 1844 als Anhänger der vom römiſchen Stubhl 


als Irrlehre verworfenen Lehre von Georg Hermes | 


(f. d.), deſſen » Chrijttatholijde Dogmatif« er heraus- 
gab, vom Erzbiſchof von Köln fuspendiert. 

Achterlaſtig, |. Hinterlajtig. 

Achterlicher als dwars nennt man alle Rich— 
tungen, die mehr als 90° oder 8 Strid) von der Bug- 
ridjtung eines Schiffes abliegen. 

Achierliche See, cine Wellenbewegung, die von 
hinten auf den Hinterteil des Schiffes zuläuft. Bei 
achterlicher See heift: bet ungefähr in der Kursrich— 
tung deS Schiffes laufender Wellenbewegung. 

Uchtermann, Wilhelm, Bildhauer, geb. 15. Aug. 


1799 bei Münſter, gejt. 26. Mai 1884 m Rom, ere 


lernte das Schreinerhandwerl und lieferte Schnitze—⸗ 
reien, Die wegen ihrer Feinheit und Zierlichkeit be- 
wundert wurden. Schon 32 Jabre alt und ohne alle 
Vorbildung, widmete er ſich der Kunſt. Jn Berlin ar- 
beitete er in Den Ateliers von Raud und Tied. Durd 
Verfauf kleiner Urbeiten verſchaffte er fich die Mitte! 
gu einer Reife nad Italien, wo er bis an fein Lebens- 
ende blicb. Gein erited, in Rom ausgeführtes Werf 
war cine Bieta, die fich jest im Dom von Münſter 
bejindet und in kleinern Nadbildungen verbreitet tit. 
Sein umfangreichſtes Werk ijt cine aus fiinf über— 
lebensgroßen Figuren bejtehende Kreuzabnahme aus 
farrarijdem Marmor (1858 tn Dom ju Münſter 
aufgeſtellt). Seine legte größere Urbeit war ein goti— 
ſcher Ultar mit dret Reliefs aus dem Leben Chriſti fiir 


den Dom zu Prag (1873). Obwobl reid) an Empfin: | 


dung, vermodte YW. nicht völlig die plaſtiſche Form ju 
beherriden. Val. Hertkens, Wilhelm UW. (Trier 1895). 
Achtermannshihe, Berg des Harzes, ſüdweſtlich 
vom Broden, 926 m hod, regelmäßiger Hornfels- 
fegel mitten im Granit, mit ſchöner Ausſicht. 
Achterſchiff, dic hintere Halfte des Schiffsrumpfes. 
Uchterwaffer, Sce am wejtliden Miindungsarm 
der Oder (Peene) in Pommern, der den nordweſtlichen 
Teil der Inſel Ujedom vielfach gliedert, nur durd 
eine ſchmale Landenge von der Oſtſee getrennt, etwa 
80 qk (1,45 OW?) grog, aber nicht tref ijt. 
Achtflächner, von acht ebenen Flächen beqrens- 
ter Körper. 
Achtfufton , in der Muſik foviel wie in Normal- 
tonhöhe, der Notierung entfprechend, f. Fußton. 


83 


| auteiſen, adtfantig gewalztes Stabeifen. 
Achtköpfige Taler, 1728 fiir S.-Gotha-WUlten: 
— dem Bilde des Herzogs Friedrid IL, auf 
der Riidjeite Dem feiner Sohne geprägt. Der Acht— 
briidertaler von 1606 trägt die Brujtbilder der 
unmiindigen Söhne des verjtorbenen Herzogs Jo— 
hann von GS. - Weimar - Cijfenad. 

Adhtiba, Miindungsarm der Wolga, der fid 
oberhalb Zarizyn lints absweigt, fic) unweit des 
Meeres mit den andern Armen der Wolga vereinigt 
und tm Frithjabr bis Zarew ſchiffbar ijt (ſ. Wolga). 

Achtum, ſ. Wjtony. 

Achtundvierzigflächner, ſ. Kriſtall. 

Achtung, das Gefühl, das aus der Vorausſetzung 
des perſönlichen Wertes, jet es bei ſich (Selbjtadtung), 
ſei es bei andern (A. andrer), entſpringt. Gegenteil der: 
ſelben iſt die Verachtung, dad Gefühl, das der Vor— 
ausſetzung perſönlichen Unwertes bei ſich ſelbſt (Gelbjt- 
verachtung) oder bei andern (Verachtung andrer) ent: 
ſtammt. Verbindet ſich die Selbſtachtung mit der Ver— 
achtung andrer, ſo entſteht, wenn beide berechtigt ſind, 
berechtigtes, find ſie dagegen unberechtigt, unberech⸗ 
tigtes Selbſtgefühl (Dodmut, Selbſtüberhebung). 
Verbindet ſich die Selbſtverachtung mit der A. andrer, 
ſo entſteht, wenn beide berechtigt ſind, berechtigte, 
ſind ſie dagegen unberechtigt, unberechtigte Demut 
Selbſterniedrigung). Die Demut geht, falls die Ge- 
ringſchätzung jeiner felbjt nur geheuchelt wird, in 
Ductmaufertum fiber. Berbindet ſich die Voraus— 
ſetzung des perſönlichen Wertes andrer mit der Bor: 
jtellung ihrer iiberlegenen Machtfülle, fo geht die A. 
in Ehrfurcht iiber. ment. 

Achtung! als militär. Kommando, ſ. Avertiſſe— 

Lichtung, ſ. Acht. 

Achtijrka, Kreisſtadt im kleinruſſ. Gouv. Chartow, 
an zwei Flüſſen, Achtyrla und Guſſeniza (zur Worffla), 
und zwei Seen gelegen, gegründet 1642, an der Sumy⸗ 
bahn, mit einer 1753 gebauten Kathedrale (Darin ein 
berühmtes Muttergottesbild), einem Progymnaſium 
und (1897) 23,390 Einw., die Fabrifation von Talg, 
Lichten, Leder betreiben. Ym Vai findet hier cine bes 
Deutende Meſſe (Vieh und Getreide) jtatt. 

Achtzehner, ſ. Oftode;. 

Achund (perſ.), Name der Prieſter und Religions. 
gelehrten in Berjien, Wittelajien und Indien; ent- 








ipridt dein Titel Molla in der weſtlichen Islamwelt. 


Achyranthes, j.Iresine. Säure, ſ. Eiweiß. 

Acidalbumin, Verbindung von Eiweiß mit einer 

Acidalia , Sdymetterling, ſ. Spanner. 

Acidalins (deutid Havefenthal), Balens, 
Humanijt und genialer Kritiker, geb. 1567 in Witt- 
jtod, gejt. 25. Mai 1595 in Neiße, jtudierte in Roſtoch, 
Greifswald und Helmitedt, war 1590 in Ytalien, 
lebte Dann gu Breslau und ging 1595 als Rektor nad 
Neiße. Hervorjzuheben find jeme Wusgabe des Bele 
lejus Baterculus (Paderb. 1590), die » Animadver- 
siones in Curtiume (Frankf. a. M. 1594), »Poe- 
mata« (Liegn. 1603), »Centuria prima epistularume 
(Hanau 1606), » Divinationes et interpretationes in 
comoedias Plauti« (¥ranff. 1607), »Notae in Taciti 
opera« (Danau 1607), »Notae in Panegyricos ve- 
teres« (in Der Gruterfchen Ausgabe, Franff. 1607). 
Val. Udam, Der Neifer Reftor V. A. (17. Bericht 
der Bhilomathie in Neiße, 1872). 

Acidimetric, ſ. Witalimetrie. 

Aecidiomyceétes, ſ. Pilze. 

MAciditat (lat.), die Eigenſchaft der Baſen und Al⸗ 
kohole, mit Säuren Verbindungen einzugehen. Je 
nachdem die Moleküle der Baſen und Allohole mit 
6* 





84 


1, 2 oder mehr Säureäquivalenten Galje, refp. Eſter 
bilden, nennt man fie einſäurig, —— 

Acidite, Eruptivgeſteine mit einem im Gegenſatze 
zu den Baſiten höhern Gehalt an Kieſelſäure (etwa 
55—75 Proz.). Es entſprechen dieſe Bezeichnungen 
den von Bunſen trachytiſche und pyroxeniſche 
genannten Geſteinen. 

Aéeidium, Fruchtform der Uredineen, ſ. Pilze; 
aud) Gattung der Roſtpilze (ſ. d.). 

Acidobutyrometrie, Methode zur Beſtimmung 
des Fettes in Milch und Molkereiprodukten, beruht 
auf der Löſung aller Nichtfettſtoffe in Schwefelſäure 
vont ſpez. Gew. 1,820—1,825 unter Zuſatz von etwas 
Amylalkohol und ſoll der gewichtsanalytiſchen Fett- 
beſtimmung an Genauigkeit völlig gleichkommen, führt 
aber ſehr viel ſchneller zum Ziel. 

Acidum (lat.), foviel wie Säure; A. aceticum, 
Eſſigſäure; A. arsenicicum , Arſenſäure; A. arseni- 
cosum, arjenige Säure; A. benzoicum, Bengzoefaiure ; 
A. boricum, Borſäure; A. butyricum, Butterfaure ; 
A. camphoricum, Kampferſäure; A. carbolicum, Kar- 
boljaure ; A. carbonicum, Koblen{daure; A. chloricum, 
Chlorſãure; A. chloronitrosum, Königswaſſer; A. 
chromicum , Chromſäure; A. cinnamylicum, Simt- 
faure; A. citricum, Zitronenſäure; A. cresolicum, 
Rrefol; A. formicicum , Umeifenfiure; A. gallicum, 
Gallusſäure; A. gallotannicum, Tannin; A. hydro- 
bromicum, Bromwaſſerſtoffſäure; A. hydrochlo- 
ricum, Chlorwaſſerſtoffſäure; A. hydrocyanicum, 
Cyanwafjerjtofffiure; A. hydrofluorosilicicum, stie- 
ſelfluorwaſſerſtoffſäure; A. hydrojodicum, Sodwaffer- 
ſtoffſäure; A. hypophosphorosum, unterphosphorige 
Säure; A. kakodylicum, Katodylſäure; A. lacticum, 
Milchſäure; A. molybdaenicum, Molybdänſäure; A. 
muriaticum, Chlorwaſſerſtoffſäure; A. nitricum, 
Salpeterfaiure; A. nitricum fumans, raudende Sal- 
peterfdure ; A. oxalicum, Sleefiure; A. phosphoricum, 
Phosphorſäure; A. phosphoricum glaciale, glas- 
artige Wetaphosphorjiure; A. phthalicum, Phthal- 
ſäure; A. picronitricum, Pitrinſäure; A. pyrogalli- 
cum, Pyrogallusſäure; A. pyrolignosum, Holzeſſig; 
A. salicylicum, Salicyljfiure; A. silicicum , Kieſel- 
faure; A. silicohydrofluoratam, Kieſelfluorwaſſer— 
jtofffaure; A. stearinicum, Stearinfaure; A. sub- 
sulfurosum , unterjdweflige Säure; A. succinicum, 
Bernſteinſäure; A. sulfuricum concentratum , eng- 
liſche Schwefelſäure; A. sulfuricum dilutum, ver- 
diinnte Schwefelſäure; A. sulfuricum fumans, rau- 
chende Schwefelſäure, Nordhäuſer Vitriolöl; A. sul- 
furosum, ſchweflige Säure; A. tannicum, Tannin, 
Gerbſäure; A. tartaricum , Weinſäure; A. trichlor- 
aceticum, Tridjloreffiqfiure; A. uricum, Harnſäure; 
A. valerianicum , Baldrianſäure; A. vanadinicum, 
Vanadinſäure; A. wolframicum, Wolframfaure. 

Acinéta, ſ. \nfuforien. 

Acinus , Driijenblasdhen, ſ. Driifen. 

Acipenser, der Stir. Acipenseridae, Familie 
der Schmelzfiſche (Ganviden), f. Fiſche. 

Aciveale (ivr. atisi-), Kreishauptitadt in der ital. 
Proving Catania (Sixilien), am filddjtliden Fuß ded 
Atna, an der Eiſenbahn Mefjina - Catania, auf ſteil 
jum Weer hinabjtiirzendem Lavagrund erbaut, be- 
liebter flimatijder Kurort mit heilfraftigen Thermen 
(Ucqua Santa Venera, Schwefelkochſalzwaſſer mit 
Jodgehalt) und Seebädern, ijt Sig eines Bifdofs, 
hat cin Gymnaſium, tedmifde und Kunſtgewerbe— 
ſchule. Die Cinwobner, (1901) ca. 26,000, alg Gemeinde 
35,418, beſchäftigen ſich hauptſächlich mit Weinbau, 
Ugrumentultur, Teigwaren-, Mbbel- u. Lederfabrita- 





Acidite — Ackerkulte. 


tion. Sudlich von A., nahe der Küſte, erheben ſich Die 

ſieben Baſaltklippen Scogli dei Ciclopi (oder Fara- 

glioni) mit der ſagenhaften Höhle des Polyphem. 
Acis, ſ. Wiis. 


— 

Acker, früheres Feldmaß in Mitteldeutſchland und 
nod gebräuchlich in Surinam. Bal. Flächenmaße. 

Ackerbau, Teil der Landwirtſchaft, der ſich auf 
die Nutzbarmachung des Grund und Bodens durch 
Hervorbringung pflanzlicher Rohſtoffe bezieht. Nur 
die Pflanze vermag die unorganiſchen Stove des Boz 
dens fiir jid) und zur Ernährung der Tiere nupgbar zu 
maden. Die Lehre vom A. (Wqronomie) ſtützt —* 
daher auf die Kenntnis des Pflanzenlebens (BH yto - 
biologie) und nimmt ihren Uusgang von der Er- 
drterung der Wadhstumsbedingungen, d. h. Boden und 
Utmofphire, welde die Stoffe und Kräfte fiir die Ent- 
widelung der Pflanzen bieten. Sie erdrtert die Kultur⸗ 
maßregeln zur Dauernden (Melioration) oder zeit⸗ 
weiligen (Bodenbearbettung, Diingung) Ver- 
befferung des Pflangenjtandortes, hat ſchließlich die 
Rulturverfahren anjugeben, die während des Kei— 
men&, Wachfens und Reifens der Kulturpflangen zur 
Ausführung gelangen, um unter den gegebenen oder 
verbefferten egal “or von der Boden- 
fliche den möglichſt hohen rag von Pflanzen⸗ 
produtten ju erjielen. Die Lehre vom A. im allge- 
meinen wird aud) al8 allgemeiner Pflanzenbau von 
dem befondern Pflanzenbau(ſ. d.) unterſchieden. Bal. 
Rrafft, Uderbaulehre (7. Aufl. Berl. 1899) ;Rofen- 
berg-Lipinfty, Der prattijde A. (7. Aufl., Brest. 
1890, 2 Bde.). S. aud) Landwirtidaft. 

Ackerbauchemie, ſ. Agrikulturchemie. 

Ackerbaugeſellſchaften, ſ. Landwirtſchaftliche 
Vereine. lonien. 

Ackerbaukolonien, ſ. Arbeiterkolonien und Ko— 

Ackerbaulehre, ſ. Ucerbau und Landwirtſchaft. 

Ackerbau ohne Vieh, ſ. Landwirtſchaftliche Be- 
triebsſyſteme. 

Ackerbauſchulen, ſ. Landwirtſchaftliche Lehr— 
anſtalten. ſyſteme. 

— — ſ. Landwirtſchaftliche Betriebs⸗ 

Ackerbeete, Abteilungen des Ackers, die durch 
das Pflügen gebildet werden. S. Bodenbearbeitung. 

Acker llung, Bearbeitung des Ackers fiir die 
Saat, Einſaat, Samenunterbringung und Anlegung 
von Waſſerfurchen. S. Bodenbearbeitung. 

Ackerbohne, ſ. Vicia und Hülſenfruchtbau. 

Ackerdiſtel, ſ. Cirsium. 

Ackerdoppen, ſ. Knoppern. 

Ackerdrofſſel, ſ. Hirtenſtar. 

Ackereinteilung, ſ. Feldeinteilung. 

Ackererde, der Kulturboden, ſ. Boden. 

Ackereule, ſ. Eulen (Schmetterlinge). 

Ackerfuchsſchwanz, ſ. Alopecurus. 

Ackerfunde, ſ. Erdfunde. 

Ackergare, ſ. Boden. 

eräte, die Vorrichtungen zur Bearbeitung 
des Bodens: Pflug, Egge, Walze, Grubber, Hachgeräte. 

—— (agrariſche Geſetze), ſ. Ager pu- 

Ackerkamille, Anthemis. blicus. 

Ackerkrone, |. Agrostemma (A. Githago). 

Uderfrume, ſ. Boden. 

Ackerkulte (Feldfulte), bei allen Ackerbau trei- 
benden Völlern verbreitete reliqidfe oder aberglaubi- 
ſche Gebräuche, die das Gedeihen der Feldfrudt fidern 
follen. Sn Gegenden ohne Regenzeiten, tiberjdwem- 
mungen rc. handelt e8 fic) meiſt um die Verehrung 
einer Erdgittin, welche die Saaten beſchützt, und der 
Himmelsgötter, die ihr Wachstum begiinftigen. Die 


Aderland — Adermann. 


Griechen verehrten in der Demeter (Cere3 der Römer) 
und ihrem Giinjtling Triptolemos die Bringer und 
Schiiper des Ackerbaues, in der Perjephone (‘Brofer- 
pina Der Romer) die Uderfrudht felbjt, die sur Unter- 
welt hinabjteigt, um wieder neu emporzufommen. 
Die Romer verehrten nicht nur eine ganze Scar von 
Göttern und Göttinnen, die jeden emyelnen Wads- 
tumsſchritt ded Getreides gu beſchützen Hatten, eine 
Seja fiir das begrabene Korn, eine Segetia fiir 
die Keimung, einen Nod otus fiir die Knotenbildung, 
eine Bolutina und Patella fitr die Knoſpen- und 
Speljenbildbung, eine Lacturcia fiir die Samen— 
bildung x., fondern man fudte aud) dem Getreide 
feindliche Gottheiten, wie die Roſtgöttin Robigo, 
durch Opfer an bejtimmten Tagen ju verſöhnen. Die 
Prieſterſchaft (Arvaliſche 





85 


der ſeiner nachmaligen Gattin, ging 1746 nad Danzig 
und 1747 nad) Rupland. 1751 warb er in Deutfd- 
land eine eigne Truppe, die vornehmlich in Rinigs- 
berg, Danzig, Mainz, aud) m Polen und der Schweiz 
Vorjtellungen gab. 1764 fam A. mit feiner Gejell- 
ſchaft nad) Hamburg, wo er bis ju feinem Tode die 
Veitung der Truppe bebhielt, mit Wusnahme der Jahre 
von 1767— 69 (der Beit der fogen. Entreprife, wäh— 
rend der Lefjings »Dramaturgie« entitand). Wis 
Sdaufpicler war er befonders in komiſchen Rollen 
tätig. Die Leitung fibernahm nad) feinem Tode feine 
Witwe und deren Sohn Friedrich Ludwig Sdrider. 
Jn Mosfau hatte U. nämlich 1749 Sophie Char- 
Lotte, geborne Biereichel, Witwe des Organijten 
Schröder in Berlin, geheiratet. Diese ebenfalls aus. 


rider, ſ. d.) fudjte | gezeichnete Schaujfpiclerin war 10. Mai 1714 geboren 


durch feierliche Umzüge und Weihen das Gedeihen der | und trat zuerſt 1740 bei der Schönemannſchen Truppe 


Feldfrucht ju fidern. Bon diefen Umzügen haben fic | m Lüneburg auf. Von 1742—44 leitete fie eine 
bid jest Deutlidhe Spuren in der Einſegnung der Fel- | Truppe, die in Hamburg und Rojtod ſpielte. 


der und Feldfriidhte, in den Umgaingen des Mai- | 1746 in Danzig, 1747 in Rubland, 4 ger fie feit 


königs (j. Maifeſt), in den Vittgangen gur Heit der 
Diirre und Trodenheit, in den Zeremonien zur Frucht⸗ 
barmadung der Felder und Weinberge (ſ. Gonnen- 
fultus) und in der Einſegnung der Alpen (Alpen— 
weihe) erhalten. Verſchiedene diefer Gebrauche bei 
uns gehen auf da8 deutide Heidentum juriid, im dem 
Thor, Freyr und verfdiedene Gottinnen als Beſchützer 
des Ackerbaues verehrt wurden und der Nerthus 
(Hertha) ähnliche Umzüge gewidmet waren. Auch 
Oſter⸗ und Johannisfeuer Hatten deutliche Beziehung 
auf die Frudjtbarmadung der Felder und Beſchützung 
der Haustiere. Nächſtdem glauben Naturvilfer, day 
das Leben der Rulturpflangen durch eine Yirt Damon 
perfonifiziert werde. Go verehrten die alten Beruaner 
eine Maismutter und eine Rartoffelmutter, 
denen fic) bei und eine Rornmutter oder Roggen- 
muhme an die Seite ftellt, die im Felde ſchutzend 


umgehen und in Peru wie im alten Deutſchland bet | 


der Ernte durch Puppen aus Mais- oder Roggen- 
jtroh dargejtellt wurden. Dieſen ſchützenden Wott. 
heiten ftellten fid) feindlide entgegen, fo der böſe Feind 
der Bibel (Matth. 13, 25), der Lold (in Sfandinavien 
»Lofis Hafer«) unter das Getreide fit, m Rom der 
Dornengott (Deus spiniensis) und die Robigo, die 
Dijteln und Brand ſchickten, und bei den germanifden 
Stämmen der Roggenhund oder Roggenwolf, 
Vilwig, Bilmes-, Binfen- oder Viljenfdnit- 
ter, Tauſchlepper x. Den Roggenwolf jehen die 
Landieute im Getreide gehen, wenn es tm BWinde 
Wellen ſchlägt und die Halme niedergeworfen werden, 
ihm ſchreibt man aud) die Entitehung des Mutterforns 
(Wolfszahne) gu. Der Bilwitz mäht mittels fleiner, an 
den Reber befeitigter Sicheln die beften Halme weg, 
und der Tauſchlepper nimmt den Feldern in der trod: 
nen Jahreszeit den Tau. Bgl. die Schriften von W. 
Mannhardt: Wald-und Feldfulte (Berl. 1875—77, 
2 Bde.), Roggemwvolf und Roggenhund (2. Aufl., 
Danjig 1866), Die Korndämonen (Berl. 1868), My— 
thologtide Forjdungen (Straßb. 1884); Pfannen- 
ſchmid, Germanifde Erntefeſte (Hannov. 1878); 
Jahn, Die deutſchen Opfergebriiuce bei Uderbau 
und Viehzucht (Bresl. 1884). 

Ackerland, Kulturart, bei welder der Boden gum 
Anbau von Feldgewadjen benutzt wird. 

Ackermann, 1) Ronrad Ernſt, einer der erjten 
Schauſpieler de3 18. Jahrh., Mitſchöpfer der deutſchen 
Schaubühne, geb. 1. Febr. 1712 in Schwerin, geſt. 
13. Rov. 1771 in Hamburg, fam 1740 zur Schöne— 
mannſchen Gefellidaft, gehörte dann 1742—44 gu 





1749 U. auf fetnen Reifen und blieb bis gu feinem 
Lode die erjte Schauſpielerin der Hamburger Biihne. 
1780 gab fie die Ackermannſche Geſellſchaft auf und 
widmete ihre letzten Lebensjahre der Bildung junger 
Schaufpielerinnen. Sie ſtarb 14. Oft. 1792. Mit einer 
durch edlen Unjtand gehobenen ſchönen Wejtalt ver- 
band fie trefflidje Regitation und ausdrucSvolle WUt- 
tion; namentlid) wird ihr Händeſpiel als unnachahm⸗ 
lid —— Ihre höchſte Meiſterſchaft zeigte ſie in 
der Darſtellung des Pathetiſch⸗Tragiſchen und Fein⸗ 
Komiſchen. Vor ihren beiden Töchlern zeichnete ſich 
beſonders Charlotte (geb. 23. Aug. 1757 in Straß⸗ 
burg, geſt. 10. Mai 1775 in Hamburg) durch Liebens- 
wiirdigfeit, geijtige Bildung und mimiſches Talent aus. 
O. Miller hat fie zur Heldin eines aud) dramiatifierten 
Romans: » Charlotte A.« (Frankf. 1854), gemacht. 
2) Rudolf, Ynduftrieller, geb. 20. Upril 1764 in 
Sdneeberg, gejt. 30. März 1834 in Findley bei Lon- 
don, griindete 1795 in London eine Kunjthandlung, 
ſchuf der Lithographie in England Boden und be- 
gründete die Literatur der englifden »Annualse, dic 
er 1825 mit fetnem »Forget me note erbdjfnete. Er 
gab ferner beraus: »The microcosm of Londons 
(1808 —11, 3 Bde.), »> Westminster Abbey« (1812, 
2 Bde.), »University of Oxford« (1814, 2 Bde.), 
» University of Cambridge« (1815, 2 Bde.), »Col- 


leges of Winchester, Eton, Westminster« (1816), 





» Picturesque Tours« (1820—28), » World in minia- 
ture« (1821—26, 43 Bde.) und begriindete das wie 
die genannten Werke gut illujtrierte »Repository of 
arts, literature and fashions« (1809— 28). 

3) Louiſe Victoire, geborne Choquet, franj. 
Dichterin, geb. 30. Nov. 1813 im Paris, geft. 3. Aug. 
1890 bei Nizza. Ihre philologijden Studien fiihrten 
fie nad) Berlin, wo fie ji) 1844 mit Dem Theologen 
und Bringenergieher Paul A. verhetratete, der den 
franzoͤſiſch-literariſchen Teil der Werke Friedrichs IT. 
zur Herausgabe vorbereitete. Nad) dem Tode ded 
Gatten (1846) 30g fie fich einſiedleriſch auf einen Land- 
fis bei Nizza zurück. Man hat von ihr drei Bande 
Didtungen: »Contes en vers« (1855, hauptſächlich 
dem Orient und dent griedifden Wltertum entnom- 
men; vermebhrte Uusg. 1861), »Contes et poédsies« 
(1863) und » Poésies philosophiques« (1874), aujer- 
Dem »Pensées d'une solitaire (mit Selbjtbiogra- 
phie, 1882). Ihre Didtungen find mit Ausnahme 
der Sugendarbeiten auf einen leidenſchaftlich peffi- 
mijtijden Ton gejtimmt. Vgl. O. d'Sauſſonville, 


| Madame A. (Bar. 1891). 


86 Adermannden — Aconitum. 


4) Karl Gujtan, ſächſ. Nonfervativer, geb. 10. | liefern den Somal und Zulu cin febhr ſtark wirkendes 
April 1820 in Elſterberg (Vogtland), geft. 1. März | Pfeilgift, das Ouabin (Ouabain), mittelafritani- 
1901 in Dresden, ftudierte die Rechte, ward 1847 | fden Stämmen das Wabaio, das Taita oder 
Ratsaftuar in Dresden, 1849 Wdvofat und Notar, | Guaheligift. 

1857 zugleich Syndifus der Dresdener Fondsbirje,| Weofa (⸗Kummerlos«), ſ. Baumfultus. 

1865 Gynditus der Sadjifden Bank, 1880 Hofrat| Weoka (jor. afota), 259-—226 v. Chr. König des 315 
und Finangprofurator. Seit 1853 Mitglied, feit 1865 |v. Chr. von feinem Grofvater Tidandra Gupta 
Borjteher des Stadtvcrordnetenfollegiums in Dres- | begriindeten Magadhareidhs tn ndrdliden Vorder- 
den, ward er 1869 in die ſächſiſche Zweite Kammer | indien, machte feine Reqierung durd den tibertritt zum 
und gleichzeitig in Den norddeutiden, 1871 in den | Buddhismus (249) und die Förderung diefer Lehre 
deutſchen Reidstag gewählt, wo er fid) der deutſchen berühmt. Unter ihm fand das (dritte) buddhiſtiſche 
Reichspartei anſchloß, obwobhl er partifularijtifden | Konzil zu Pataliputra (Patna) jtatt. Bon W. find 
Anſichten huldiqte; aud) war er einer der Führer der zahlreiche hijtorifde Feljen- und Säuleninſchriften 
Schutzzollpartei und Gegner der Gewerbefreiheit. Bon | vorhanden (nit tiberjepung und Kommentar hrsq. 
1880—83 war er zweiter Bizepriajident des deutſchen von Senart, Par. 1881—86, 2 Bde.; von Biibler 
Reichstags, feit 1891 aud) Präſident der ſächſiſchen in der -Zeitſchrift der Deutſchen Morgenländiſchen Ge- 
Zweiten Rammer. 1898 legte er wegen wiederholter ſellſchaft-, Bd. 37, 39, 40,41,43). Val. BW. Smith, 
Yngriffe auf fetne kommunale Tatigfeit feine dffent-| Asoka, buddhist emperor of India (Lond. 1901); 
lichen Amter nieder und fdied aus dem ſächſ. kandtag. Hardy, Konig W. (Mains 1901). 





Ackermäunchen, joviel wie Bachſtelze. Acoela, darmloje Strudeliviirmer (ſ. d.). 
UAcermans, j. Wiihlmaus. Acollas cpr. ta, Emile, franz. Rechtsgelehrter 
Rdermennig, j. Agrimonia. und Publiziſt, qeb. 25. Juni 1826 in La Chatre, geft. 
UAernuf (Crdnujs), ſ. Lathyrus. 17. Oft. 1891 in WSnieres bei ‘Baris, nabm am So- 
—— ſ. Feldeinteilung. zialiſtenkongreß zu Genf 1867 teil, wodurch er ſich 
rraine, ſchmale Raſenſtreifen an den Gren- nad) ſeiner Rückkehr eine einjährige Gefängnisſtrafe 


en der Äcker, durch die viel Land unbenutzt bleibt; | zuzog. Während der Herrſchaft der Kommune 1871 
Jie find Brutſtätten fiir ſchädliche Pflangen und Tiere. | wurde er vom Direftorium jum Defan der Pariſer 
Ackerſchachtelhalm, |. Equisetum. Nurijtenfafultét ernannt. Gein Hauptwerk iit das 
Ackerſchleife Ackerſchlichte), cin hilzernervier- | »Manuel de droit civil« (1869, 3 Bde.). 1878 begrün⸗ 
ecliger, mit ftarfen, biegjamen Ruten durdflodtener dete er die Monatsfdrift »La Science politique «. 
Rahmen, der von zwei Pferden fiber den Uder ge-| Weoncagua, 1) (Cerro de A.) höchſter Berg der 
zogen wird, wobei ſich der Führer auf den Rahmen | Kordilleren Siidamerifas, 6970 m hod), liegt unter 
jtellt. Die ſchon im Altertum gebräuchliche W. dient | 32'/s° ſüdl. Br. unweit der chileniſchen Grenze auf 
jur Unsgleidung von Unebenheiten, sur Zerfleine- | argentiniſchem Gebiet, cin alter, erlofdener Vulkan, 
rung von Sdollen, jum Verteilen von Kompoſt oder | den Giiffeldt 1883 bis 6400 m erjtieq. Südlich um 
Mergel u. zum oberfladlicjen Unterbringen der Saat. | ihn fiihrt Der Doppelte 4070 und 3967 m hohe Cum- 
Ackerſchlichte, ſ. Ackerſchleife. bre= oder Uspallatapaß von Santiago nach 
Ackerſchnecke Garten-, Erdſchnecke, Limax Mendoza, über den bereits eine Telegraphenleitung 
agrestis L.), cine Art der Lungenſchneckengattung führt und die transandiniſche Eiſenbahn ihren Weg 
Eqel{dnede (Limax L.), ijt 4em lang, oben ge- nehmen foll. Bal. Fitzgerald, Highest Andes. 
wöhnlich grau oder rötlichgrau, unten weißlich, legt First ascent of A. and Tupungato (Lond, 1899). — 
im Herbjt zwiſchen feuchtes Moos, in die Erde oder | 2) Chilen. Proving, grengt im N. an die Proving 
unter faulende Pflanzenteile gegen 400 Eier in@rup- | Coquimbo, tm W. an Valparaiſo, tm S. an San— 
pen von 10-—30 Stiid, die ſich im Frühjahr oder | tiago, imO.an Argentinien, wo die Unden die Grenze 
Derbjt entwideln. Die A. vermag einen meterfangen | bilden, 16,126 qkm mit (1891) 156,636 Einw. Sie 
Schleimfaden ju erjeugen und fich an demfelben von | iſt von mebreren Ausläufern der Under durchzogen, 
Kräutern ꝛ⁊c. herabjulaffen. Sie ijt cin nächtliches größtenteils fahl und unfruchtbar, hat aber m den 
Tier und wird bei feudjter Witterung den Garten- | vom Aconcaguag und vier andern Flüſſen bewaj- 
und Feldgewächſen höchſt ſchädlich. —* fängt fie | ſerten Tälern eine herrliche Vegetation; Weizen, Gee 
unter mit Schmalz beſtrichenen Brettern und kann milfe, Luzerne, Wein und europäiſche Fruchtbäume 
fie auc) durch Schweine oder Enten vertilgen laſſen. gedeihen trefflidh. Born Mineralien wird Kupfer ab- 
Die Ketlerjdnede (L. maximus LZ.) ijt afdgrau, | qebaut. A. wird eingeteilt in fiinf Departements: 
oft ſchwarz gefledt oder gejtreift, bis 13 em fang, lebt | Betorca, Ligua, Putaendd, San Felipe und Andes. 
in Waldern und Kellern und wird wie die VW. gefangen.  Hauptitadt jt San Felipe. 








Ackerſchwertelwurzel, ſ. Gladiolus. a condition (fran}., for. tongdißſöng), auf Bedin- 

Ackerſenf, ſ. Brassica. gung, bedingungsweiſe (»bediw.<), insbeſ. von Wa— 

Ackerſpörgel, ſ. Spergula. ren, die der Empfänger im Fall des Nichtabſatzes 

Ackertreſpe, ſ. Bromus. oder der Nichtverwendung zurückgeben darf; findet 

Ackerveilchen, ſ. Viola. beſonders beim Buchhandel jtatt. 

Ackerwagen, ſ. Wagen. Aconin ꝛc., ſ. Alonin rc. 

Ackerwalze, ſ. Walje. | Aconitum LZ. (Ufonit, Eiſenhut, Sturm— 

Uerwinde, ſ. Convolvulus. hut, Venuswagen), Gattung der Ranunfulageen, 

Acne, f. Finne; A. mentagra, Bartjinne; A. ro- | Stauden mit häufig knollig verdicten Rhizomen, hand- 
sacea, Kupferausſchlag. foͤrmigen, meiſt tief gelappten Blättern und blauen 


Acocanthéra G. Don., Gattung der Apocyna— | oder gelben Blüten in gipfelftindigen Trauben, mit 
geen, unbewehrte Sträucher oder Bäumchen mit ge- | fiinfolatteriqer Bliitenhiille, welche die zwei lang- 
genftandigen, lederartigen Blattern, dichten Bliiten-  gejtielten Honighlatter mit kurzer Platte völlig ein— 
rifpen, weißen oder rotlicjen, woblriedenden Bliiten ſchließt, und deren oberſtes Blatt belmforntig tt. Gime 
und beerenartigen Früchten. A.- und Carissa-Yrten | 60 Yrten in Europa, Aſien, Nordamerifa. A. Na- 


Acontius — Acquaviva. 


pellus L. (j. Tafel »Giftpflanjen IT.), mannshoch, 
nut dDunfelblauen Bliitén in reichblütiger Traube und 
riibenformigem (Napellus, dag Riibchen) Rhizom; 
wächſt geſellſchaftlich in der Bergregion des mittlern 
Europa bis Siebenbürgen, im Himalaja, in Sibirien. 
Alle Teile ſind ſtark giftig, beſonders die Knollen, die 
ſcharf rettichartig riechen, ſchwach ſüßlich, aber bald 
äußerſt brennend ſcharf ſchmecken, wie die Blätter und 
Samen Akonitin enthalten und im 18. Jahrh. durch 
Störck in den Arzneiſchatz eingeführt wurden. Un 
Pſeudoakonitin ijt beſonders A. ferox Wadllich., aus 
dem Himalaja, reich, welches das in Yndien als eins 
der ſchrecklichſten Gifte geltende Bikh (Biſh) liefert 
und als Pfeilgift benutzt wird; von A. heterophyllum 
Wallich. und andern Arten in Oſtindien werden die 
RKnollen (Wtee) gegejjen. A. variegatum L., in Ge- 
birgswaldern, entwidelt mehrere, aber armbliitige 
Trauben und bildet mit A. Napellus einen Bajtard, 
A. Stoerkeanum Rchb., mit blauen und weißen Blü— 
ten, der als Gartengierpflanje fultiviert wird. A. Ly- 
coctonum L. (Wolfseifenhut, gelber Eiſen— 
Hut) blüht gelb, fein Rhizom wirtt höchſt narkotiſch, 
aber nidjt ſcharf und enthalt Lyfafonitin und Myok-⸗ 
tonin. A. Anthora L., in den Alpen, mit riibenfir- 
migen Knollen und gelben Bliiten wurde bis ing 
16. Jahrb. von den Alplern zur Bereitung von Pfeil: 
gift benugt. Rad) qriechifdher Mythe ijt A. aus dem 

ifer Des Cerberus erwadjen, und auc in der nor- 
difden Mythologie ſpielt es cine Rolle. über die Gif- 
tigfeit des A. wurde viel gefabelt, und nach Theophraſt 
wuchs neben der überaus giftiqen Thora das heilende 
Ynthora, das Gegengift des erſtern (Antagonismus 
zweier Gifte). Bei Galen werden A. Napellus oder 
thm gleidwirfende Urten als Wfoniton und Parda— 
liandeS erwähnt. Bei Vergiftungen nut A. tritt 
zunächſt Brennen und Taubjein im Mund ein, über 
Den ganjen Körper verbreitet fic) Warmegefiihl, 
—— Pelzigſein, der Puls wird ſeltener, 
kleiner, die Atemzüge werden langſamer, mühſam. 
Die Pupille iſt erweitert; ſpäter folgen Schwindel, 
Mattigkeit, Kältegefühl, Muskelſchwäche, bis zuletzt 
Puls und Atmung ſchwinden und der Tod eintritt. 
Bei Ufonitvergiftung ijt ſchleunigſt der Arzt zu rufen 
und einſtweilen ſtarkes Erbrechen herbeizuführen. Bal. 
Reichenbach, Illustratio specierum Aconiti gene- 
ris (eip;. 1823-—27); Laborde u. Duquesnel, | 
Des aconits et de l'aconitine (Bar. 1883). 

Acontind (Akontios), ſ. Kydippe. 

a conto, ſ. a fonto. 

Acorus L. (Nalmus), Gattung der Arazeen, 
Kräuter mit friechendem Wurzelſtock, zweireihig jtehen- 
den, ſchwertförmigen Blättern, langem, blattähn— 
lichem Blütenſchaft, walzenförmigen Blütenkolben, 
ſchwertförmiger Blütenſcheide und rötlichen Beeren. 
Zwei Arten. A. Calamus L., mit fleiſchigem, walzen— 
jormigem, geringeltem, auf den Blattnarben punk— 
tiertem, blaßrotem, aromatiſchem Wurzelſtock, findet 
ſich weit verbreitet auf der nördlichen Halbkugel, im 

rößten Teil Aſiens, auf den Philippinen, auf einigen 
** des Indiſchen Archipels, in Abeſſinien und an⸗ 

eblich verwildert im größten Teil Europas und in 

dordamerika an Teichen, Flußufern re. Die Frucht 
reift in Mittel- und Weſteuropa nicht. Der Wurzelſtock 
(Kalmuswurzel, Rhizoma Calami) ijt geſchält, 
geſpalten und getrodnet gelblichweiß, ſchwammig, 
ſchmeckt ſtark aromatiſch bitterlich, riecht aromatiſch 
und enthält ein bitteres Glyfofid, Uforin, und ge: 
trodnet etwa 1,5 Broz. gelbes at herifdes OL vom 
ſpez. Ger. 0,96 —0,97. Dies ift in verditnntemWUlfohol 











87 


iemlich ſchwer löslich und wird als Urjneimittel, zu 
tifdren und in der Barfiimerie benutzt. Die Wurzel 
dient bei atonijder Verdauungsſchwäche, zu Zahn— 
pulvern und Badern; fandierter Kalmus ijt etn be- 
jonder8 im Orient beliebtes Ronfeft. Berjern und 
Urabern gilt die Wurzel als kräftiges Aphrodiſiakum. 
Kalmus war fdon in der altindiſchen Medizin, aud) 
bei Grieden, Römern und Arabern gebriuchlid. An— 
geblich fultivierte Clufius 1574 zuerſt Kalmus, den 
er aus Ronftantinopel erhalten, bei Wien, und von 
dort foll ſich Dann die Pflanze fehr ſchnell verbreitet 
haben. Der ebenfalls aromatijde fleine A. grami- 
neus Aif, wird in Japan zur Gewinnung von äthe— 
riſchem Ol fultiviert. Gem Rhizom ijt ſehr ölreich 
(5 Broz.) und das Of viel leichter in verdiinntem Al— 
fobol löslich als das der erjten Art. 

Acofta, 1) Jofé de, ſpan. Jeſuit und Gejdidt- 
ſchreiber, geb. um 1539 in Medina del Campo, gejt. 
15. Febr. 1600 in Salamanca, ging 1571 nach Ame— 
vifa, wo er Provinzial feines Ordens von Peru wurde, 
und erbielt nad) ſeiner Rückkehr nad) Curopa (1588) 
das Reftorat der Univerſität zu Salamanca. Sein 
Hauptwerk ijt die »Historia moral y natural de las 
Indias« (Sevilla 1591). 

2) (Da Cofta) Gabriel, {pater Uriel, Reliqions- 
philofoph, geb. um 1590 in Oporto, gejt. im April 
1640. Er entjtammte einer portugiejijden Marran- 
nenfamilie, ftudierte die Rechte und ward um 1615 
— a sts einer Stiftstirde. Seine Zweifel an der 
fatholifd = jefuitijden Dogmenlehre fiibrten ihn dem 
Studiunt des Ulten Tejtaments gu, und diefes be- 
qeijterte ihn fiir die Religion feiner Uhnen, das Juden- 
tum, das er mit Dtutter und Briidern in Amſterdam 
ffentlid) annahm. Da aber das rabbinijde Buden- 
tum mit feinen vom WMofaismus gewonnenen An— 
ſchauungen nidjt übereinſtimmte, ſuchte er es durch 
Wort und Schrift zu bekämpfen, wofür ihn das Am— 
ſterdamer Rabbinat mit dem Bann belegte und der 
Arzt da Silva gegen ihn, den Leugner der Unſterb— 
lidjfeitSlehre, die Schrift »Tratado da immortalidade 
da alma« (Amſterd. 1623) ridjtete. Er verteidigte 
feine Meinung im »Examen dos tradicoens Phari- 
seas conferidas con a Ley escrita por Vriel Jurista 
Hebreo, com riposta a hum Samuel da Silva seu 
falso Calumniador« (Amſterd. 1624) und ward auf 
die Rage der jüdiſchen Alteſten vom Rate der Stadt ju 
einer Geldjtrafe verurteilt. 1633 widerrief er, worauf 
er wieder in die Gemeinde aufgenonmien wurde. Auf 
Grund neuer Befduldiqurgen jtand er fieben Jahre 
unter Dem Bann, bis er fic) endlicd) der Buje unter- 
warf. Ym Innern jerriittet, beendete er fein Leben 
im Wpril 1640 durd) einen Piſtolenſchuß. Seine 
Selbftbiographie (>Exemplar humanae vitae«) gab 
PH. Limbord nad einem im Ucojtas Hauſe 40 Jahre 
nad) feinem Tod entdedten Ylutograph 1687 und 
Volkmann in der »Fejtidhrift sur 250jährigen Ju— 
belfeier des Gymmajiums gu St. Maria Magdalena in 
Breslau am 30. Upril 1893 « heraus. Bum Helden einer 
Novelle (»Der Sadduzäer von Amſterdam«, 1834) 
und einer Tragödie (ollriel A.«) madte thn Gutzkow. 

& coup perdu (franj., for. tu perdi), aufs Ge- 
ratewohl, auf gut Glück. 

Acquapendénte, Stadt in derital. Provinz Rom, 
auf hohem Bafaltfelfen tiber dem Paglia, Sig eines 
Biſchofs, mit ſchöner Kathedrale und (1901) ca. 5000, 
als Gemeinde 6432 Einw. 

Acquaviva (WU. delle Fonti), Stadt tn der ital. 
Provinz Bari, an der Eifenbahn Bari-Taranto, hat 
cine ehemalige Rathedralfirde, ci Gynmajiunt, eine 


88 


techniſche Schule, ergiebigen Wein- und Objthau, Ol- | 
berettung und (1901) 10,994 Einw. 

Mequt (jor. atwi, das alte Aquae Statiellac), Kreis: | 
bauptitadt in der ital. Proving Aleſſandria, an der 
Bormida, Knotenpuntt an der Erfenbahn Uleffandria— | 
Savona, Sit eines Bifdofs, hat em altes Schloß, 
cine fiinfidiffige gotiſche Rathedrale (im 12. Sabrb. | 

eqriindet), alte} Stadthaus, Reſte eines römiſchen 
Viquabults, ein Gymnaſium, techniſche Schule, Wein⸗ | 
bau, Fabrifation von Weinjtein und Möbeln und} 
ago) ca. 11,500, als Gemeinde 13,786 Einw. Die 
Stadt ijt beriifmt durd ihre ſchon gu Plinius' Zeiten 
befannten Schwefelquellen (39—74°), die befonders 
ju Schlammbädern benugt werden. Bal. Roffi, A. 
e dintorni (Zurin 1901). 

Acquirieren, ſ. Ulquirieren. 

Acquit (franj., fpr. aci) Quittung, Empfangſchein; 
pour a., ſoviel wie den Empfang beſcheinigt, empfan⸗ 

en. — Beim Billard bedeutet A. das Ausſetzen des 
alles (f. Billard). 

Acquit & caution (pr. afi-t-a topjéng), in Frank⸗ | 
reich etn gegen Siderjtellung der gu zahlenden Ubgabe 
fiir joll- und fteuerpflichtiqe Waren ausgeftellter Be- | 
gleit}dein, der fiir Den Trangport von Getränken, 
Salz, Tabaf xc. im Innern des Landes, dann na: | 
mentlich im Beredelungsverfehr große Bedeutung er- 
langt bat. Seit 1836 wurde die zeitweiſe zollfreie 
Cinfubr von Gegenjtinden zugelaſſen, die in veredel- 
ter Form wieder ausgefiifrt werden follten. Dabei | 
wurde am Grundjag der Identität feſtgehalten. Die 
Durchführung diefes Grundſatzes erforderte bei vielen 
Waren eine läſtige Kontrolle, und fo hatte man in| 
der Praxis bet einigen wichtigen Urtifeln, insbeſ. bei 
Mehl und Eijen, von derjelben Ubjtand genommen 
und die Zulaſſung gewabrt, wenn nur iiberhaupt die 
entipredjende Menge an fertigen Produften innerhalb 
beſtimmter Frijt ausgefiibrt wurde. Infolgedeſſen 
entitand eine Urt Ausfuhrprämie fiir heimiſche Er— 
zeugniſſe. Getretde wurde tm Sitden des Landes einge- 
* um dort dem einheimiſchen Verbrauch zu dienen, 
während dafür Mehl aus dem Norden ausgeführt 
wurde. Auf Grund von Reklamationen der Inter— 
eſſenten wurde 1873 beſtimmt, dak die Mehlausfuhr 
nur über diejenigen Zollbureaus ftattfinden dürfe, 
liber welche der Weizen eingegangen fei. Dadurd | 
hat der A. bei dem Weizen feine Bedeutung verloren. 
Dagegen bat er diefelbe noch bet wichtiqen Cifenforten 
behauptet. 1857 wurde das Recht, Eiſen zeitweiſe 
zollfrei einzuführen, auf Hiittenbejiger und Konſtruk 
teure beſchränkt, die Beftellungen aus dem Wuslande 
nachweiſen, wobei die Rompenjation durd Ausfuhr 
von aus inländiſchem Robjtoff gefertiqten Eifenwaren 
pean wird. Dadurd ijt die iibertragung von in 

planco ausgeftellten Einfubrvollmadten an Dritte 
ermöglicht, wogegen rechtzeitig eine entipredende 
Menge jener Waren zur Ausfuhr gelangt. Seit 1870 
müſſen Stabeifen und weiter verarbeitetes Eiſen bei 
tempordrer Sulajfung unter jollamtlider Kontrolle 
wirflic) in die einfubrberedtigte Fabrif transportiert | 
werden, und fo beſchränkt fid) Denn der Ucquithandel | 
heute tm weſentlichen nod) auf Gießereieiſen. Bal. | 





Lexis, Die franjofijden Ausfuhrprämien (Bonn | 


1870); _»Enquéte sur l'application du décret du 
15 février 1862« (Par. 1867); »Conseil supérieur 


Fruchtfleiſch. 


Acqui — Act. 


= 40,4671 Ur. 30 Acres bilden 1 Yard of land, 


| 100 Acres = | Hide of land, 640 — 1 Square Mile 


von 258,980 Heftar. Jn den Vereinigten Staaten 
ijt ein A. of land — 40,47179 Ur; 640 Acres = 1 Mile 
of land oder Section (square mile) von 8 Lots; 36 
Sections = 1 Township von 93,247 qkm. 

Acredala, ſ. Meiſen. 

Acri, Stadt in der ital. Provinz Coſenza, auf einer 
Anhöhe über dem Mucone gelegen, hat Wein⸗ und Ol⸗ 
bau, Baumwollkultur, Bereitung von eingeſalzenem 
Fleiſch und Schinken und (von ca. 11,500, als Ge- 
meinde 13,944 Einw. 

Acria (lat.), ſ. Reizende Arzneimittel. 

Acrididae (Feldheuſchrecken), ſ. Heuſchrecken. 

Acridin 2c., ſ. Alridin xc. 

Acrocephalus, ſ. Schilfſänger. 

Acrocomia Mart., Gattung der Palmen, mit 
dornigem, oft in der Mitte verdidtem Stamm, fdonen, 
Qefiederten Blattern, großen, rutenfirmigen Bliiten- 

olben und fugeligen Steinbeeren mit febr dickem 
Steinfern. Sieben Arten in Siid- und Mittelamerifa 
und auf den Untillen. A. sclerocarpa Mart. (Ma- 
cawbaum, Macoya, Macahuba), auf Jamaica, 
Trinidad und in Brafilien, tragt dunfle, genieRbare 
Früchte, die von den Negern gu Schnitzarbeiten be- 
nutzt und zur Gewinnung von fettem Of gemablen 
und gepreft werden. Das Fett (Macajabutter) 
ift goldgelb, von Butterkonſiſtenz, riedt veildenartig, 
ſchmeckt ſüßlich, dient zu Seifen und font namentlid 
aus Wejtindien nad) Europa (Palmöl). Die jungen 
Blatter werden als Gemüſe gegeſſen. A. lasiospatha 
Mart. (Mucuja), in Brajilien, hat genießbares 
ebrere Urten werden in Palmen— 
häuſern fultiviert. [terqiirtel. 

Acromion (lat.-qried.), Schulterhöhe, ſ. Schul⸗ 

Acronycta, ſ. Eulen (Schmetterlinge). 

Acréstichum ZL. (Zeilfarn), Farnkrautgat— 
tung aus der Familie der Polypodiazeen, zahlreiche 
tropiide, auf Baumen und Felfen wadfende Urten 
mit meiſt ungeteilten Wedein, auf deren Riidfeite 
dict gedrängt nadte Frudtfapfeln jtehen. A. bar- 
batum Karst., in Brafilien, f. Tafel »>Farnel<. Uber 
A. alcicorne und ähnliche Urten ſ. Platycerium., 

C8 (jpr. atim), Markt tm ungar. Romitat Komorn, 
an der Staatsbabniinie Raab-Romorn, mit SdloR, 
Zuckerfabrik, «s90) 4501 ungar. Eimwohnern und 
einem Denfmal fiir die im Gefedht bei A. 1849 ge⸗ 
fallenen Honveds. 

Acfady (er. atſchad), Ignaz, ungar. Geſchicht- 
ſchreiber, geb. 9. Sept. 1845 in Nagy-Rdroly, war 
zuerſt pubüziſtiſch tätig und widmete ſich ſpäter bijto- 
riſchen, beſonders finanzgeſchichtlichen, Studien. Er 
ſchrieb (in ungariſcher Sprache): »Maria Szechy ⸗ 
(1885); »Ungarn im Zeitalter der Rückeroberung 
Ofens« (1886); —— Finanzen unter der Re— 
gierung Ferdinands J.« (1888); —— ſtaatswirt⸗ 
ſchaftlichen Zuſtände im 16. und 17. Jahrhundert« 
(1889); ⸗Geſchichte der Dreiteilung Ungarns« und 
Zeitalter Leopolds J. und Joſephs J.« (Bd. 5 und7 
der »Geſchichte Der ungariſchen Nation«, Millen— 
niums⸗Ausgabe, 1898). 

Act (engl., for. adt), in England und Nordamerifa 
Beſchluß einer Behörde oder etner ſtändiſchen Körper⸗ 
ſchaft, z. B. A. of Parliament oder A. of Congress, 


du commerce, ete. Admissions temporaires« (daf | cin vom Parlament oder vom Kongreß gefaßter Be— 


Acraeidae, ſ. Ufraiden. 
Acraspéda, ſ. Medufen. 


[1878). ſchluß. Dahin gehört 3. B. die berühmte Schtffabrts- 


afte (Navigation A.) von 1651. A. of settlement 


Acre (engL., fpr. er, *Uder«), engl. Feldmaß, ent- | heift die Rarlamentsatte, wodurd) die britiſche Thron: 
Halt 4 Roods su 40 Square Roods — 4840 OYards | folgeordnung fejtgejtellt wurde, fpejiell aber dad 


Acta — Acton. 


Thronfolgeqeies, das Wilhelm III. fur; vor feinem 
Tode nod) fanftionierte, und wodurd das Haus 
VBraunjdhweig-Liineburg-Hannover auf den britijden 
Thron berufen wurde. 

Acta (lat.), im rim. Rechtsweſen geordnete Nie- 
derſchriften öffentlicher Verhandlungen, imsbef. der 
von den Magiſtraten, ſpäter den Kaiſern, erlaſſenen 
Verfügungen (A. magistratuum, A. principum). A. 
hießen auch gewiſſe Gerichtsakten. — Über A. im 
heutigen Sinn ſ. Alte. 

Actaea L. (Chriſtophskraut), Gattung der 
Ranunfulazcen, Stauden mit Heinen weißen Blüten 





in furjen Trauben. Bon den 13 Urten tm Europa, 


Ujien, Rordamerifa wächſt A. spicata L. (ähren- 


tragendes Chrijftophstraut, Schwarzkrauth, 


89 


deren die fofortige Zwangsvollſtreckung erfolgen fann. 
Dahin gehiren die Notariatsinjtrumente und die von 
franzöſiſchen Geridten ausgefertigten Erfenntnifie. 
A. législatif, eine von den geſetzgebenden Faltoren 
beſchloſſene und verfaſſungsmäßig verfiindete Redts- 
norm. A. de gouvernement, Maßnahmen der Re- 
gierung, gegen die es fein Rechtsmittel gibt. A. re- 
spectueux, tm frangdfijden Rechte der formlide An— 
trag eines Rindes auf Erteilung der elterliden Zu—⸗ 
ſtimmung zur Berbeiratung. Uber Bundesatte f.d. 

Acting (engl.), vor Offisier$- und andern Titeln, 
foviel wie intertmijtifd), jtellvertretend. 

Actiniae, ſ. Seeanemonen. 

Actinocrinus Mull., Gattung der Haarſterne 


mit Fretjelformigem Kelch, der von sablreiden, mit 


mit dreizühlig Doppelt gefiederten Blattern, eiformiger radialen Erhdhungen vergierten Platten gebildet ijt; 
Bliitentraube und erbſengroßen, ſchwarzen Beeren, | die Ventralfapjel tit in eme lange Wfterrdhre aus: 
in Europa und Nordafien und ijt narfotifd -giftig; | gesogen. Die Gattung A. findet ſich in der ſubkarbo— 


wird nebjt andern Urten als Zierpflanze fultriert. | 
Bon A. racemosa L. in Nordamerifa dient das Rbi- 
zom gegen Aſthma und Bruſtleiden. 

Acta Apostolérum, die Apoſtelgeſchichte. 

Acta consistorii, ſ. Xonjijtorium. 

Acta diurna (lat.), im alten Rom die von Cafar 
(59 v. Chr.) eingefiibrten amtlicden Verdffentlidungen 
Der ⸗Tagesereigniſſe⸗ (aud a. d. urbis oder populi, 
und acta publica genannt), die fid) mit Der Beit nad 
Art unfrer Seitungen gejtalteter. 

Acta Eruditoérum, Name der erjten deutiden 
qelehrten Seitidrift, die vom Profeſſor Otto Mende 
(j. D.) nad) dem Vorgang des » Journal des Savants« 
redigiert und zuerſt 1682 herausgegeben wurde. Das | 
Unternehmen, ju dem fic) die erjten Gelehrten jener 
al wie Carpjov, Leibniz, Sectendorff, Cellarius, 

homafius, Sagittarius, Wagenſeil u.a., mit Mende 
vereinigt batten, thronte bald als oberjter Richter fiber 
janttlichen Leiſtungen der deutſchen Literatur. Nad 
©. Mendes Tod übernahm 1707 fein Sohn Job. 
Burfhard Mende und von 1732 an deffen Sohn 
Friedr. Otto Mende die Redaftion, der eine neue 
Folge unter dem Titel »Nova A. B.« begann. Rad 
faſt 100jabriger Dauer ging die Zeitſchrift 1782 ein, 
im weldjem Sabre der bis dabin verſpätete Jahrgang 
von 1776 erſchien. Zu einem vollitindigen Exem— 
plar gehören folgende Bande: A. E., 1682 —1731, 
50 Bode.; Nova A. E., 1732—76, 43 Bde.; A. E. 
Supplementa, 1692— 1734, 10 Bbde.; Ad Nova A. E. 
Supplementa, 1735-57, 8 Bde.; Indices, 6 Bde.; 
gufammen 117 Bande. 

Acta Pilati (lat.), cin angeblid) von Pilatus ab- 

efakter apofryphifder Bericht über die Verurteilung 
Sef, der in feiner jetzigen Gejtalt erjt dem 4. Jahrb. 
angehirt und den eriten Teil ded Evangeliums des 
Rifodemus (jf. d.) bildet. Dod werden angeblich offi- 
jielle Uften des Pilatus ſchon im 2. Jahrb. erwabhnt. | 
Bal. Lipfius, Die Pilatusatten, kritiſch unterſucht | 
(neue Ausg., Riel 1886). [Dijten und Heilige. | 
Acta Sanctérum oder Martyrum, ſ. Sollan- 
Acte (franj., fpr. adt), tm franz. Rechtsweſen Be⸗ 











nijden Formation Europas und Rordamerifas. S. 
Tafel »Steinfohlenformation I«. 

Actinomyces Harz.(Strablenpil), Gattung 
niederer Pilze, deren Stellung tm Syjtem nod) un- 
fier ijt. Der Vegetationsfdrper bejteht aus einem 
farblofen, fadigen Mycel, defjen mitunter an der 
Spite folbenfirmig gefdwollene Zweige von einer 
— Partie nach allen Seiten ausſtrahlen. Die 

ermehrung erfolgt durch Zerfall der Mycelfäden in 
einzelne unregelmaͤßige oder konidienartige Teilſtücke, 
die zu neuen Mycelien auswachſen. Einige Arten 


von A. verurſachen beim Menſchen oder bei Tieren 


die Aktinomyloſe (f. d.). 

Actinotrocha, ſ. Bhoroniden. 

Actinozia, ſ. Strabltiere. 

Actio (lat.), in der Recht8fprade der Romer das 
Klagerecht, die rechtliche Möglichkeit der angriffsweifen 
Privatredtsverfolqung vor Gericht gegen bejtimmte 
Ferjonen. S. Kage. 

Actio ad exhibendun, ſ. Exhibition. 

Actio et reactio (lat.), »Wirfung und Gegen⸗ 
wirfung«, Formel, die befagt: die Wirfung jeder Kraft 
erfolgt nad) zwei entgegengefegten Ridjtungen mit 
gleicher Stärke. 

Action de jouissance (franz., fpr. atßiong d'ſchui⸗ 
fangf’), Genußſchein, ſ. Wetie. 

Actio Pauliana, ſ. Unfedtung. 

Actis testantibus (lat.), nad) Ausweis, Beug: 
ni8 der Uften. 

Actium, fat. Name von Uftion (f. d.). 

Acton (jvc. ate’'n, Wohnſtadt weſtlich vor London 
in Middlefer (England), mit (1901) 87,744 Einw. 

Acton (pr. idt'n), 1) Gir John Francis Ed— 
ward, Minijter Ferdinands [V. von Neapel, qeboren 
im Mai 1736 in Bejancon, wo fein Bater, em fatho- 
liſcher Englander, Arzt war, geft. 12. Aug. 1811, trat 
in tostaniſchen Marinedienft und zeichnete fid) 1775 
als Fregattenfapitin bei der Expedition gegen Algier 
aus. 1779in neapolitanifde Dienjte berufen, gewann 
er die Gunjt der Königin Karoline, wurde Warine-, 
dann Kriegs⸗, Finanz- und endlid Premiermunijter. 


zeichnung jeder Urt vor Urfunde, die als Beweis- Ehrgeizig und ränkeſüchtig, beeiferte ex ſich der Königin 
mittel fiir trgend eine Tatſache, namentlich eine Wil- | zuliebe, Neapel im den — gegen Die franzöſiſche 
lensertlärung, dienen foll. Man unterfdeidet: Actes | Revolution zu verwideln. Nachdem 18. Dez. 1792 
sous seing-privé (Privaturfunden), die der Aner- | der franzöſiſche Admiral Xa Touche Die Anerkennung 
kennung der Parteien bedürfen, um eine rechtliche der Republik und die Neutralitãt Neapels erzwungen 
Wirkung hervorzubringen; Actes authentiques (df- | hatte, ſchloſſen A. und die Königin 12. Juli 1793 ein 
fentlid) beqlaubigte Urfunden), die aud) ohne Uner- | Biindnis mit England, und A. ſuchte nun die italie- 
fennung Perweis aft haben, bid fie in geſetzmäßiger nifden Staaten ju einem Bunde gegen Frankreich ju 
Weiſe fiir unecht oder verfälſcht erflart werden; Actes | vereinigen, indem er alle Kräfte des Staats auf die 
exécutoires (volljtredbare Urfunden), auf Grund Verſtärtung der Flotte und des Landheeres wandte. 


90 


Die Regierung fiihrte er namentlid) feit 1794 in| 
jtreng abſolutiſtiſchem Sinne. Durd) Bonapartes 
Siege bedroht, ging W. gu Brescia (5. Juni 1796) 
einen Waffenjtilljtand ein, dent der Friede gu Paris 
(10. Oft. 1796) folgte. Aber ſchon 1798 ſchloß ſich 
Neapel dem Bündnis gegen die franzöſiſche Republit 
wieder an, und auf Nelſons Rat griff das neapoli- 
tanifde Heer das franzöſiſche im Kirchenſtaat an. 
Nady dem ungliidliden Uusgange des Krieges floh A. 
mit Dem Konig nad) Palermo (Dezember 1798). Vis 
die Parthenopeiſche Republif 1799 durch den Kardinal 
Ruffo geſtürzt wurde, brad) der König auf Uctons 
Mat die abgeidlojjene Kapitulation, und A. errichtete 
nun ein blutiges Schreckensregiment in Neapel. Der 
Friede gu Floreny (28. März 1801) löſte Neapels 
Verbindung mit England und beraubte A. des offenen 
Einfluſſes. 1804 auf Berlangen Frankreichs vom 
Hof entfernt, begab er fid) nad) Sizilien, intrigierte 
aber im gebeimen fort; auf feinen Rat verletzte Herdi- 
nand IV. den mit Napoleon geſchloſſenen Neutrali- 
tat8vertrag, indem er im November 1805 ein ruffijd- 
engliſches Heer Landen ließ und dem Ruſſen Lacy den 
Oberbefehl iiber femme Truppen gab. A. wurde hierauf 
zuriidgerufen und von neuem an die Spige der Ver— 
waltung gejtellt, dod) durch den Einmarſch der Fran- 
zoſen tm Februar 1806 abermals — 

2) John Emerich Cdward Dalberg-A., 
Lord W., geb. 10. Jan. 1834 in Neapel, get. 19. 
Juni 1902 in Tegernfee, Entel des vorigen, deſſen 
Vater nad feiner Ehe mit einer Todjter des Herzogs 
Emmerid Joſeph von Dalberg (j.d.) den Namen Dal- 
berg⸗ A. angenommen hatte, war 1859-—66 Mitglied 
des engliſchen Unterhaujes und zählte zu den hervor- 
ragenditen Geqnern der ultramontanen Bartet unter 
den englifden Ratholifen. In diejem Sinne begriin- 
dete er 1861 die »Home and Foreign Review<, in 
der er 1863 mit dem ungliidliden Verſuch auftrat, 
die von ihm wieder an das Licht gezogenen » Mati- 
nées royales« als ein Werf Friedrids I. von Preußen 
gu erivetjen. Wahrend des Vatifaniiden Konzils ver- 
weilte U. in Rom; Friichte feines dortigen Aufent- 
halts find feine Schriften »Sendſchreiben an einen 
Deutiden Biſchof des vatifanifden Konzils« (Münch. 
1870) und » Sur Geſchichte ded vatikaniſchen Rongils « 
(daſ. 1871). Im J. 1869 wurde er gum Peer mit 
dem Titel Baron A. of Aldenham erhoben; 1872 er: 
hielt er von der Münchener philofophifdhen Falultät 
honoris causa die Doftorwiirde; 1876 wurde er zum 
— Mitgliede der Münchener Akademie er— | 
wãhlt. Gladjtones Sdyrift liber die vatifanijden De: | 
frete beleuchtete Lord A. 1874 in einer Reihe von | 
Briefen, die in den »Times« abgedrudt wurden. 
1892— 95 war er Kammerherr der Königin; 1895 
wurde er jum Profeſſor der neuern Geſchichte an der 
Univerjitat Orford ernannt. Mehrere feiner Schriften 


— — — — — — — —— — — — — 





Actor — Adal. 


Actus (lat.), im rim. Recht jede gerichtliche Hand⸗ 
lung, dann aud eine außergerichtliche Handlung, an 
die rechtliche Wirkungen geknüpft find. Wud) bezetch- 
nete A. dad dingliche Recht, über das Grundjtiid eines 
andern Bieh ju tretben und mit Wagen ju fabren 
(Xriftgeredhtigteit), fowie anderfeits die dieſem Redt 
entipredyende Verbindlichkeit (vgl. aud) Grunddienit- 
barfeiten). An höhern Schulen heißt Uftus (Rede— 
aktus) eine öffentliche Feierlichteit mit Vorträgen, 
Geſang x. 

Aculeata, die Hautflügler mit Giftſtachel. 

Aculéus (lat.), Stachel (7. d.). 

Acusticus (Nervus a.), Hörnerv, ſ. Ohr. 

Acutus (fat.), ſ. Akzent. 

Acvin (or. apwin), in der indifden (vedifden) My⸗ 
304 8 zwei paarweiſe aujtretende Gottheiten, ver- 
gleidjbar den griechiſchen Diosturen. Sie find die 
früheſten Lidtbringer am Morgenhimmel, die himm- 
liſchen Ärzte, die alle Krankheiten vertreiben; fie 
bringen befonders bedrängten Schiffern Rettung. 
Man hat vermutet, dak urjpriinglid) Worgenjtern 
und Ubenditern diejer Vorjtellung ju Grunde fliegen. 

l. L. Myriantheus, Die Acvins oder arijden 

o8turen (Mind. 1876); Mannhardt in der 
» Reitidhrift fiir Ethnologie«, Bd. 7, S. 312 Ff. 

Achanoblepfie (Wtyanoblepfic), ſ. Farben- 

Acykliſch, |. Azykliſch. blindheit. 

Ad (lat.), ju. 

Ada (tiirf.), in gtk Ortsnanten, 
bedeutet »Inſel⸗ (3. B. Wda Kaleb). 

Ada, Wart im ungar. Konritat Bacs-Bodrog, an 
ber Theiß und der Eiſenbahn Sjabadfa-O-Becse, mit 
Dampfmiihle und agoo) 12,081 Einw. 

Ad absurdum fiibren, {. Ubjurd. 

Ad acta (lat.), »zu den Akten⸗, von cinlaufenden 
Sdriftitiiden, die einer Behirde ju Maßnahmen fei- 
nen YUnla geben; etwas ad acta legen, etwas fiir 
abgetan anjehen, einer Bittſchrift rc. feine Folge geben. 

Adagio (ital., fpr. adavfgo), mujif. Tempobezeich⸗ 
nung, die jdon gu Anfang des 17. Jahrb. vorfommt, 
hg cigentlid) foviel wie bequem, behaglich, hat aber 
ür die Muſik im Laufe der Zeit die Bedeutung vor 
langſam und ſehr langſam erbalten. A. it das 
eigentliche Tempo breiter Melodieentfaltung, während 
Largo, Lento und Grave iibermagig langſam, ge- 
waltſam gehemmt erfdeinen und Andante bereits 
riijtiger vorwarts fdreitet. Die Diminutivfornt Ada- 
gietto bedeutet cin langjames Sätzchen von furjer 
Dauer. Bal. Tempo. 

Ada Kaleh (> Feitungsinfel«), Donauinjel zwi— 
jden Ungarn und Serbien, 2 kim unterhalb Orjova, 
mit einem Heinen tiirf. Dorf und den Uberrejten der 
ehemaligen Feſtung (aus der Beit Karls VI.). YW. (aud 
Neu-Orfova genannt) war friiher Cigentum der 
Tiirfei, wurde jedod 1878 infolge ded Berliner Ver— 


find von Imelmann ins Deutſche überſetzt, fo die bios trags an ſterreich- Ungarn abgetreten, das A. ſeit⸗ 
graphiſche Sfizze ⸗George Eliot« (Berl. 1886) ſowie | dem beſetzt halt. Die Bewohner ( Tiirten) treiben Ta- 
die Studien: »Uber Die neuere deutſche Geſchichts- bak- und Weinbau fowie Rofentultur, find bis auf 


wiffenjdaft« (Daf. 1887) und » Liber das Studium der 
Gejdyichte« (Daj. 1396). 

Actor (lat.), in rom. Rechte der Kläger, d. b. | 
Derjenige, der cine Klage erhoben hatte; dann aud 
der Vertreter einer nicht prozeßfähigen Partei bei der 
Prozeßführung. Bgl. Klage, Bewerstaft. 

Actuarius ((at.), ſ. Uftuar. 

Actum (lat.), »verbandelt, gefdyehen«, am Ende 
oderam Cingang von Urtunden. Eine häufige Schluß⸗ 
forme! in Protofollen xc. ijt; »Actum ut supra«, ge 
ſchehen, wie oben ju leſen. | 





weiteres jteuerfret und vom Wilitardienjt befreit. 

Adaktylie (qried.), das Fehlen einzelner Finger, 
fommt wie Polydaktylie erblicd) vor. 

Adal (Wdel), oftafrifan. Küſtenlandſchaft an der 
Tadſchurrabai (j.d.), unter franzöſiſchem Brotettorat. 
Dem jteil zu ſchmalem Sandjtrand abfallenden Mee: 
resufer mit den Orten Obof, Tadſchurra, Sagallo (jd). 
jind erloſchene baſaltiſche und trachytiſche Bulfane auj- 
geiedt. Durd) einen Lavajtrom abgedämmt ijt der 

Hifalfee (ſ. d.). Die ftellenweife reichliche Vegetation 
bietet gute Weidegriinde. Die Cingebornen, die Adali 


Adalbert — Wdalia. 


oder Adaiel (in Abeſſinien Adal genannt), ein 
Stamm der Danafil (7. d.), jtehen nominell unter dem 
Sultan von Auſſa. Bgl. Paulitſchke, Die geogra— 
phiſche Erforſchung der Adalländer (Leipz. 1884). 
Adalbert (Adelbert, »der an Geſchlecht Glän— 
ende⸗), 1) A. von Prag (eigentlid) Wojted), 
Spoftel der Preuken, Sohn des böhmiſchen Fürſten 
Slavnif und gu Magdeburg gebildet, wurde 982 gum 
Biſchof von Prag geweiht. 988 begab er fic) nad 
Monte Caffino und von da in das aventinifdhe Kloſter 
gu Rom. 993 in fein Bistum zurückgerufen, verließ 
ev feinen Sprengel von neuem und ſuchte das Chrijten- 
tum in Ungarn zu verbreiten. 996 begab er ſich von 
Rom aus zum Kaiſer Otto IT. nach Maing und von 
da nad Polen gum Herzog Boleslaw, um den dor- 
tigen heidnifden Bolfern, namentlid) den Preußen, 
das Chrijtentum verfiindigen, ward aber 997 er- 
ſchlagen. Geine Leiche ijt im Dom gu Gneſen bei- 
geſetzt, von wo fie angeblid) 1038 nad) Prag über— 
geführt wurde; bier fand man die Gebeine 1880 in 
einer Gruft am Domplatz und begrub fie in der Dom- 
firde. Gedächtnistag der 23. Upril. Die Biographien 
Udalberts von dent Mind Canoparius und dem Erz— 
biſchof Bruno find abgedrudt in den »Monumenta 
Germaniae historica«, Scriptores IV (deutfd) von 
Hüffer, Berl. 1857). Val. Kaindl in den »Mittei- 
lungen des Inſtituts fiir öſterreichiſche Geſchichtsfor⸗ 
ae Bd. 19 u. 20. 
biſchof von Hamburg - Bremen, Sohn des 
Grafen S iebridh von Gofed, qeboren um 1000, geft. 
16. Marz 1072 in Goslar, trat als Mitglied des Hal- 
berſtädter Domijtiftes in den geijtliden Stand und 
ward von Saifer Heinrid) TIT. 1043 (oder 1045) zum 
Erzbiſchof ernannt. Er war von feingebildetem Geijt 
und reinem Lebenswandel, neigte aber ju Stoly und 
Citelfeit. Mit dem ſächſiſchen Herzogshaus der Bil- 
lunge verfeindet, ſchloß er fic) eng an das Königtum 
an. 1053 von Bapjt Leo IX. zum Leqaten im Norden 
ernannt, erbielt er die geijtlide Herrſchaft über gan; 
Sfandinavien und breitete das eee bei Den 
BWenden aus. Seit 1063 mit dem Erzbiſchof Anno 
von Köln Vormund des nese oki Heinrich IV., 
wufte er Anno gu verdriingen und den jungen Für— 
ften fo yu beberriden, dak er nach 1065 das Reid 
allein regierte. Obgleich ihn die Reidsfiirjten im 
Januar 1066 auf dem Reichstag zu Tribur vom 
Hofe Heinrichs verbannten und zur Niederlegung der 
Reichsgeſchäfte nbtiqten, war er dod) ſchon 1069 wie- 
der im Beſitz feines friihern Einfluſſes. Seinen Blan, 
ein nordifdes Batriardat ju gründen, vereitelte dic 
römiſche Kurie; überdies erlitten die Kirche und Wdal- 
berts Einfluß tm Ojten und Norden gerade damals 
große Verlujte. Sein Leben beſchrieb Adam von Bre- 
men (f.b.,S. 94). Bal. Griinhagen, A. von Bremen 
und die Idee eines nordijden ‘Batriardats (Leipz. 
1854); v. Noor den, Hijtorifdhe Bortrage (daſ. 1884). 
3) Erzbiſchof von Maing (1111—37), Sohn eines 
Wrafen von Saarbriicen, wurde geijtlich, fand friih 
Aufnahme in der kaiſerlichen Kanzlei und erlangte 
von Heinrich V., als diefer 1105 —— Vater die 
Krone entriß, zum Kanzler gewählt, beim König gro— 
ßen Einfluß. Eifrig verfocht er die königlichen Rechte 
egenüber dem Papſt, ihm verdankte im beſondern 
einrid) den Sieg über Papſt Paſchalis II. beim Rö— 
merzug 1111. ‘dur Velohnung zum Erzbiſchof von 
Maing ernannt, ward er nun des Kaiſers heftigiter 
Gegner. Als er fich mit den aufſtändiſchen ſächſiſchen 
Fürſten verband, liek ihn der Kaiſer verhaften und 
abſetzen; Dod) wurde A. 1115 durch die Mainzer 


91 


Biirger befreit und fprad fogar den Bann fiber 
Heinrich aus. Fortwährend ſchürte er den Biirger- 
krieg; wiederhalte Vertreibung aus Maing konnte ihn 
nicht beugen. Auch nad) der Schlichtung des königlich⸗ 
papjtliden Streites tm Wormfer Ronfordat (1122) 
hörten feine Hegereien nidt auf. Nach Heinrids Tode 
wirfte er fiir Die Wahl des papjtlich qefinnten Lothar. 
Val. Kolbe, Erzbiſchof A. I. von Maing und Heine 
rid) V. (Heidelb. 1872). 

4) Heinrich Vilhelm W, Bring von Preußen, 
Sohn des Pringen Wilhelm, des jüngſten Bruders 
Konig Friedrid) Wilhelms III., und der Prinzeſſin 
Maria Unna von Hefjen-Homburg, qeb. 29. Oft. 1811 
in Berlin, geft. 6. Juni 1873 in Karlsbad. Bom 
Konig fiir die Urtillerie beſtimmt, wurde ev 1831 ihr 
al8 Kapitän überwieſen, 1839 mit der Fiihrung der 
Gardeartilleriebriqade betraut und 1843 nad) dent 
Tode des Pringen Auguſt zum Erſten Inſpekteur der 
Artillerie ernannt. Allein von früheſter Jugend an 
waren ſeine Neigungen dem Seeweſen zugewendet, 
und obwohl nur von wenigen Zeitgenoſſen (wie Gnei⸗ 
ſenau) gefördert, erkannte er ſchon früh in Der Schaf⸗ 
fung einer preußiſchen Flotte ſeine Lebensaufgabe. 
Solange die Beſchränktheit der Mittel auf lange Zeit 
die Uusfiihrung feiner Pläne hinderte, fand er Erſatz 
in weiten Reiſen, wodurd) er Die fremden maritimen 
Einrichtungen fennen lernte. Seine Brafilienfahrt 
beſchrieb er felbjt (»>Uus meinem Reijetagebud) 1842 
bis 1843<, al’ Manuffript gedrudt Berl. 1847). 
Seine feeminnifden Erfahrungen legte er mannig- 
fad in Denkſchriften nieder; ſchon 1836 fiihrte er Dem 
nse aus, daß Der unbejtrittene Sieg des Dampfes 
liber die Segelfraft fiir Preußen die Gelegenheit bite 
gur Erlangung einer von vornberein gewaltiqen See- 
madt. Bon der Spite einer preußiſchen rines 
lommiſſion wurde er durch den Reichsverweſer Erz— 
herzog Johann zur Leitung der techniſchen Marine⸗ 
tommiſſion nad Frankfurt berufen. Nach Berlin 
girüchgelehrt, wurde er gum Oberbefehlshaber ſämt— 
licher Schiffe, 1853 sum OberbefehlShaber der Marine 
und 1854 gum Wdmiral der Küſte ernannt. Als fol- 
cher bejtrafte er Die Weqnahme eines preußiſchen Kauf⸗ 
fabrers dDurd) Rabylen 1856 durd) eine Landung bei 
Rap Forres, leitete die Operationen der preußiſchen 
Schiffe im däniſchen Krieg 1864 in der Oſtſee und 
hob die Marine trotz vielfader Hemmniſſe auf dic 
Stufe, auf der Dann das Deutſche Reid) weiter bauen 
fonnte. In Wilhelmshaven, um defjen Erwerbung 
und Uusbau W. ebenfalls Berdienjte fid) erworben, 
jteht fein Denfmal. Bal. Batſch, Admiral Pring W. 
von Breuer (Berl. 1890). — Vermählt war Pring 
U. feit 20. Upril 1850 mit der gur Frau von Varnim 
erhobenen Therefe Eller in morganatijder Che, aus 
der ein Sohn ftanunte, Freiherr Udalbert von 
Barnim, geb. 1841, gejt. 12. Juli 1860 auf einer 
mit R. Hartmann unternommenen Reife in Roſſeires 
am Blauen Nil. Bal. Hartmann, Reife ded Frei- 
herrn A. v. Barnim durd) Nordojtafrifa (Berl. 1863). 

Mdalgifil, ſ. Anſegiſel. Babenberger Fehde). 

Adalhard, cin Babenberger (ſ. Babenberg und 

Adalia (im Altertum Attalia, ſ. d.), Stadt im 
Wilajet Nonia, an der Siidfiijte von Kleinaſien am 
Golf von U. herrlich gelegen, wird von zwei byzan— 
tiniſchen Mauern umſchloſſen, hat einen guten Hafen, 
Handel mit Holz und Pferden, meiſt über Sniyrna 
—— Weberei und 25,000 Einw., davon 7000 

riechen, 18,000 Türken. Uns römiſcher Kaiſerzeit 
hat ſich ein Prachttor des Hadrian erhalten, ferner 
ſchöne Bauten aus der Seldſchukenzeit. 


92 


Adam (hebr.), Menfd, der von adama (Erde) | 
Geſchaffene; dann von 1. Moj. 4, 25 an Cigenname 
des erjten Menſchen. Nach dem erjten, allgemein ge- 
haltenen biblijden Beridt, 1. Mof. 1, 26-—31, der 
jeine Ergänzung in der Genealogie, 1. Moſ. 5, 1—5, 
findet, ijt Der erite Menſch am ſechſten Tage der Schöp— 
fung nad allen andern Lebewefen als das vollendetite, 
und zwar Mann und Weib zugleid), tm Ebenbild 
Gottes (qottverwandt, mit Bernunft und Sprade 
begabt) geſchaffen und zum Herrn der Erde eingefest 
worden. Nach dem zweiten fpesiellern Beridt (1. Mof. 
2, 7ff.) tit zunächſt der Mann aus Erde, die der 
Wottesodem belebte, Dann das aus feiner Rippe ihm 
zur Gebilfin beſtimmte Weib (Cova) gebildet worden. 
eiden ijt ju Genu und Pflege das Paradies an- 
gewiejen, das fie durch Ungehorſam verlieren; nun 
jinten fie Durd) Strafurteil m die gegenwärtigen Le- 
bensverhältniſſe mit ihrem wedfelnden Schickſal herab, 
wie dies ihre Familiengeſchichte zeigt. Die fdlichte 
Erjzihlung von der Schöpfung Wdams, wofiir fid 
Anklänge bet Perſern und Grieden finden, betont 
egenüber den phantaſtiſchen mythologifden Bor- 
tellungen des Heidentums und den modernen wiffen- 
ſchaftlichen Hypothejen, daß die geſamte Menſchheit 
ein und derſelben Schöpferidee das Daſein verdankt, 
dad Gepräge der Göttlichkeit trägt und als Einheit nur 
eine Beſtimmung hat. Dieſe reliqiss -fittlide Idee 
ijt bis jest Durd die Hypothejen der phyfiologifd- 
anatomifden Forſchung, der Philologie und Geſchichte 
nod) nicht erjdiittert worden. Der einfade Bibel: | 
bericht wurde ſpäter, vornehmlich in der jüdiſch alexan⸗ 
driniſchen Literatur, im Midrafd, bet den ſyriſchen 
Chrijten, Den Kirchenvätern, im Talmud und Koran 
von jablreiden Sagen und Legenden umgeben, die 
alle Udamsfagen des Mittelalters beeinflujjen. Go 
bradte man yur Zeit der Kreuzzüge die rote Erde 
(terra rossa) von Damadsfus, aus der A. gebildet | 
fein follte, als Reliquie heim und fudte bei Hebron 
die Spuren feines nachparadiefifden Lebens in riejen- 
haften Cindriiden der Felfen, Höhlenwohnungen xe. 
Das ſpätere Mittelalter nannte feinen Körper aus 
allen Elementen zuſammengeſetzt und bielt thn Fate 
einen Inbegriff aller geijtigen und körperlichen Boll 
fommenheiten (Weisheit, Gite, Größe, Schönheit, 


Adam (Gibliſch x.) — Adam (Zuname). 


ſchen Sagenfunde (Leiden 1893); Bez 01d, Die Schatz⸗ 
höhle (yriſch u. deutſch, Leipz. 1883—88); Dilt- 
mann, Das Adambuch (deutſch, in Ewalds »>Qabr- 
büchern⸗, Bd. 5, Götting. 1853); Ginsberg, Die 
Haggada bei den Rirdenvatern (in der » Monatsfdvift 
fiir Geſchichte u. Wiſſenſchaft des Judentums«, 1899). 
In der bildenden Kunſt fommen Darjtellungen 
von A. allen und in Gemeinfdaft mit Eva ſchon 
feit den erjten Seiten der crijtliden Kunſt auf Sar- 
fophagen, Goldglijern, Wandgemilden der Rata- 
fomben u. a. m. vor und blieben fortan ein bevorjug- 
ter Gegenftand aller Künſte. Am meijten wurden die 
Szenen vor und nad) dem Siindenfall und die Ber- 
treibung aus dem Paradieſe, feltener die Erſchaffung 
Adams und Evas und Szenen aus der Zeit nach der 
Vertreibung geſchildert. Im ſpätern Mittelalter wur- 
den fteinerne Figuren von WL. und Eva beſonders haufig 
an Rirdhenportalen angebradt. Bon Meijtern de3 15.— 
17. Jahrh., die den Stojf in hervorragender Weiſe be- 
handelt haben, find die Briider van Cyc (Cingelfigu- 
ren von A. und Eva am Genter Ultar), Mafaccio (er. 
treibung aus dem Paradies in der Brancaccifapelle 
in Florenz), Hhibertt (Relief mit Sdhipfung und Sun⸗ 
denfall an den Bronzetüren des Baptijteriums gu Flo⸗ 
renj, f. Tafel ⸗Bildhauerkunſt VII<), Midelangelo 
(die Erſchaffung von A. und Eva und der Siindenfall 
an der Dede der Sirtinijdjen Kapelle in Rom), Ref- 
fael (Vertreibung aus dem Paradies in den Loggien 
de3 Batifans zu Rom), Palma Vecchio (W. und oa 
tm Baradies tm Muſeum ju Braunfdweig), A. Dü— 
rer (WL. und Eva im Prado-Mufeum gu Madrid), Lu— 
fa8 Cranad (Paradies) und Jan Brueghel d. a. (Pa⸗ 
radieS) gu nennen. In der modernen Kunſt ijt A. 
allein und nit Eva ebenfalls häufig Gegenjtand der 
Darjtellung geweſen, weil die Gefdichte von A. und 
Eva den Riinjtlern die erwiinfdte Geleqenbeit zur 
Behandlung des nadten Körpers gab. Bon Werken 
der Malerei find A. und Eva tm Faradies von Vz v. 
Schwind (nad Haydns » Schipfung«, im Wiener Hof- 
operntheater), die Bertreibung aus dem Paradies von 
A. Cabanel (Maximiliancum ju Miinden) und das 
verlorene Paradies von F. Stud, von Werken der Pla- 
jtif die Statue des UW. von UW. Hildebrand (Muſeum 
u Leipzig), das erjte Begräbnis (A. und Eva mit der 


Kraft r.); nod) Luther in den »Tifchreden< lat ihn | Leiche Abels) von L. E. Barrias, A. und Eva von 
meilenweit fehen und hören, alle Tiere an Stérte iiber- | P. Breuer (f. Tafel »Bildhauerfimjt XIX«, Fig. 2) 
treffen x. Das ſpätere Menfchengefdlecht wurde als | und der Zyflus von zehn Gruppen: die erſten < 
eine Entartung diefes vollfommenjten Urwejens an- | iden von G. Eberlein, hervorzuheben. Val. Büttner, 
geſehen u. dgl. Als Repriifentant der Gattung be- | A. und Eva in der bildenden Kunſt bid Michelangelo 
zeichnet A. in der bibliſchen Sprache (Upojtelgefd. 17, | (3. Aufl. Leipz. 1889); Breymann, A. und Eva in 
26) Die gefallene Menſchheit in ihrer jiindigen Ent- | der Kunſt des chriſtlichen Altertums (Wolfen. 1893). 
widelung, ihm gegenübergeſtellt wird daber Chrijtus,| Adam, 1) Robert, engl. Architelt, ged. 1728 in 
der Anfänger und Reprifentant der erneuten Menſch- Kirkcaldy, geſt. 1792 in London, bildete fich auf der 
heit, als Der »neue A.« Rad) einer andern Ridtung | Univerſilät m Edinburg, bereijte Jtalien und Dalma- 
hin aber bezieht unfer Sprachgebrauch in og erie | tien, war 1762—68 Architelt des Königs. Seine be- 
Wortern A. auf die uripriingliche fittliche Unfdhuld | deutenditen Bauwerke find: die Reddleſton Hall bei 
der Menſchen. In den qnojtifd-ebionitifden Syjtemen | Derby, das Regijter-Houfe, dad Univerſitätsgebäude 
ijt A. Kadmon der himnilifche Menſch, der Urmenfdh, | und die St. Georgsfirde in Edinburg. Er ſchrieb: 
der reine Ausfluß aus der Gottheit, Darum beinahe | »The ruins of the palace of emperor Diocletian at 


otigletdh. — Gin großer Teil der neuern Natur: | 
orjder redet von einem mebhrfacen Urfprunge des | 
Menſchengeſchlechts, von ⸗Koadamiten«, wahrend dic 
neuerdings von Ymerifanern wieder aufgenommene 
Theorie des Iſaal de la Peyrere (1655), dah 1. Moſ. 1 
die Erfchaffung der Heiden, 1. Moſ. 2 aber die des 
Stanunvaters der Kaulaſier berichtet werde, »Braada- | 
miten« anninunt, fid) auf die Bibeljtelle ftiigend, dah 
Kain ein Weib von den » Töchtern des Landes < genom: | 
men. Val. Griinbaum, Reue Beitriige zur femiti- | 





Spalatro« (Lond. 1764, mit 71 Qupfern). 

2) Sir Frederid, engl. General, geb. 17. Quni 
1784, geſt. 17. baa 1853, auf der Urtilleriefdule 
ju Woolwid ausgebildet, madte unter WUbercromby 
Die Feldzüge in den Niederlanden und Ägypten mit 
und riidte bis 1812 jum Oberjt auf. Bon 1806 —11] 
focht er auf Sijilien, 1812 und 1813 im Spanien, wo 
ev bet Ulicante und Ordal ſchwer verwundet wurde. 
1814 ward er Generalmajor; bei Waterloo fomman- 
Dierte er Die Brigade, die den legten Ungriff der Garde 


Adam (Zuname). 


Napoleons juriidjdlug. Bon 1817—-22 war er Be- 
febishaber der Truppen in Malta, 1824—31 Lord- 
Oberkommiſſar auf den Joniſchen Inſeln. 1830 zum 
Generalleutnant befirdert, war er von 1832 —37 
Gouverneur von Madras und wurde 1846 General. 
Bal. v. Reumont, Zeitgenoſſen, Bd. 2 (Berl. 1865). 

3) Charles Udolphe, frang. Komponiſt, geb. 
24. Yult 1803 in Paris, gejt. Datel 3. Mai 1856, 
Sohn de8 als Mavierpidagog angejehenen Louis 
A. (qeb. 1758 in Miittershols nn Elſaß, gejt. 8. April 
1848 in Paris, 1797 —1843 Profeſſor am Ronferva- 
tortum, Berfajjer Der »Méthode de piano«, 1802; 
deutſch von Cerny, 1826), wählte gegen den Willen 
des Baters dic Mujif als Rebendberut und erwarb fic) 
die Mittel zum Studium durd Privatunterridt und 
Rompofjition von Romanjen xc. Dod) wurde er ſchon 
1817 ing Konſervatorium —— und genoß 
einige Zeit den Unterricht Boieldieus. Seit 1829 trat 
ex als Opernfomponift an die Offentlichkeit, hatte aber 
entideidenden Erfolg erjt 1836 mit feiner 16. Oper: 
»Der Pojtillon von Longjumeauc. Ihr folgte bald 
cine Rethe ähnlicher Werke tm leichten fomifden Genre, 
wie »Der Brauer von Prejton«, »Die Rofe von Pe⸗ 
ronnec, »Der König von Yvetot«, »Giraldae, »Die 
—— Puppe« u. a., durch die ſich A. einen ehren⸗ 
vollen Platz unter den Komponiſten der Neuzeit er- 
rungen hat. Biel Glück machte aud fein Ballett »Gi- 
seller. UW. wurde 1844 zum Mitglied des Inſtituts 
ernannt. 1847 gritndete er in Paris ein Opernthea- 
ter, bas infolge der Februarrevolution zu Grunde 
gins 1849 wurde er an Stelle feines Vaters jum 

ehrer der Rompofition am Konfervatorium ernannt. 
1897 wurde ihm ju Longjumean ein Denfmal (Biijte) 
erridjtet. Er fdrieb: »Souvenirs d'un musicien« 
(Par. 1857) und »Derniers souvenirs« (daſ. 1859). 
Bgl. Rougin, Adolphe A. (Par. 1876). 

4) Lucien, franz. Gelehrter, hervorragender Renner 
der amerifanijden und der finnifd-tatarifden Spra- 
den, geb. 31. Mat 1833 in Nanch, ftudierte Redts- 
wiſſenſchaft, war 1857—60 Beamter in Cayenne, 
dann in Montmiedy, Epinal, Nancy und wurde 1883 
Priijident des Uppellationsgeridts ju Rennes. Außer 
einigen politifdjen und literarbijtorifden Schriften 
veröffentlichte er eine gujammenfaffende Darjtellung 
der »Bofalharmonie« im Finnifd-Tatarifden oder 
Uralaltaifden in »De l'harmonie des voyelles dans 
les langues ouralo-altaiques« (Bar. 1874) fowie eine 
mandſchuriſche und tunguſiſche Grammatik; ferner 
verſchiedene Schriften über allgemeine Linguiſtik, z. B. 
»Du genre dans les diverses langues« (1883); na⸗ 
mentlid) aber reorganifierte er die » Bibliothéque lin- 
guistique américaine« und gab eine Reihe auf die 
Yndianerfpraden bezüglicher Urbeiten heraus. 

5) Paul, frang. Romanjdriftjteller, geb. 7. Des. 
1862 in Baris, ftammt aus einer flandrifden Offi- 
rhe eager dod) ſtand bereits fein Bater als Poſt⸗ 

ireftor des faiferticen Haufes unter Napoleon IT. 
in franzöſiſchen Dienjten. Sein erjter Roman: »Chair 
molle« (1885), führte zur Unflage wegen Immora⸗ 
litãt, aber das Gericht fprad A. frei. Es folgte »Soi« 
(1886), die Pſychologie einer unglücklich verheirateten 
Frau, und der Novellenband » Le Thé chez Miranda« 
(1886, mit 3. Moréas), mit dem W. an die Spige der 
ſymboliſtiſchen Schule trat. Bon feinen gablreidjen 
weitern Romanen, die er in zwei Serien, »Les vo- 


lontés merveilleuses« und L’Epoque«, einteilt, find | 


die bemerfenSwertejten: »>Robes rouges« (1891), eine 
Satire auf die Geridtswelt; »Le mystére des foules« 


(1895, 2 Bde.), Roman de3 Boulangismus in der | 





93 


Proving; der Biihnenroman »L’année de Clarisse« 
(1896); »La bataille d'Uhde« (1897), eine fingierte 
Kriegsgeſchichte; »Lettres de Malaisie< (1897), eine 
phantaſtiſch⸗ſatiriſche Unsmalung des Kolleltiviſten⸗ 
jtaats der Sufunft. Dit »La Force« begann A. 1899 
cine auf gründlichen Studien berubende, fret erfun- 
dene Familiengeſchichte, die unter Napoleon I. anfangt. 
Die Fortjegungen »L’Enfant d’Austerlitz« (1901) 
und »La Ruse« (1902) fpielen unter der Rejtauration 
und der Qulimonardie. Der hijtorijde Roman aus 
Byzanz: » Basile etSophia« (1900), zeigt neben glans 
gender Schilderung mand unſchöne tibertreibung. 

Adam, Miindener Malerfamilic. 1) Ulbredt, 
Schlachten- und Pferdemaler, geb. 16. Upril 1786 in 
Nordlingen, gejt. 28. Aug. 1862 in München, ging 
1804 als Ronditorgebilfe nad Niirnberg und madte 
dort feine erjten künſtleriſchen Studien bei bem Direk⸗ 
tor ber Zeichenſchule Chrijtoph Swinger. Seit 1807 
bildete er ſich in München durch Kopien nad den al- 
ten Niederländern, bejonders nach Wouwerman, und 
fand Dort in dem General Grafen Froberg einen Be— 
ſchützer, der es ihm ermiglidte, den Feldzug Napo- 
leons gegen Djterveid) 1809 mitzumaden. In Wien 
nahm thn Pring Eugen von Leudtenberg in feine 
Dienjte, bet dem er in Mailand tätig war, und den 
er aud) auf dem Feldzuge gegen Ruwland begleitete. 
1815 fiedelte UW. wieder 29 Deiinden über und ent 
faltete von da ab eine äußerſt fruchtbare Titigteit in 
Reiterbildnifjen, Pferdeporträten, Sport- und Jagd- 
ſzenen und in —— aus den Napoleoniſchen 
Kriegen, von denen eine Epiſode aus der Schlacht bei 
Abensberg (1826, in der Berliner Nationalgalerie) 
und bie Schlacht an der Mosfwa (1835, in der Mün— 
dhener Reſidenz) die hervorragendjten find. Weitere 
Stoffe gaben ihm die kriegeriſchen Ereigniſſe feit 1848 
in Oberitalien, wo er ſpäter die Schladjtfelder beſuchte 
und Terrainjtudien madte, mit deren Hilfe er unter 
anderm die Schlachten von Cujtogza und Novara (in 
der Neuen Pinafothek zu München) malte. 1851 unter- 
nahm er eine Reiſe nad) Ungarn, weil ibm der Raifer 
von Ojterreid) den Uuftrag zu mehreren Darſtellun— 
gen von Schlachten, unter andern der bei Temesvar, 
erteilt hatte. Geine letzten größern, unter Dtitwir- 
fung feines Sohnes Franz entitandenen Gemälde 
waren: die Erjtiirmung der Diippeler Schangen (in 
der Neuen Pinafothef) und die Schlacht bet Zorndorf 
(im Maximilianeum zu München). A. hat auch zahl- 
reiche Steinzeichnungen ausgeführt. Cr hinterließ 
eine Selbſtbiographie, die H. Holland mit Ergänzun⸗ 

en und den — ————— fetner Söhne unter dem 
itel: »>Wlbrecht A. Aus dem Leben eines Schlach—⸗ 
tenmaler$< (Stuttg. 1886) verdffentlidte. 

2) Benno, älteſter Sohn de3 vorigen, Tiermaler, 
geb. 15. Juli 1812 m München, gejt. 9. März 1892, 
zeichnete fic) befonders durd) Darjtellung der jagd⸗ 
baren Tiere und Jagdhunde in fiqurenreiden Kom— 
pofitionen (Hirſchjagd, Fuchshetze, Sauhag, Halali) 
und der HauSstiere aus. — Sein Gohn Emil, geb. 
1843, Schüler feines Oheims Franz, dann von Por⸗ 
taels in Brüſſel, malt vorzugsweiſe Pferdebilder, Rei— 
terporträte und Jagdſzenen. 

8) Franz, zweiter Sohn von A. 1), Schlachten⸗ 
und Pferdemaler, geb. 4. Mai 1815 in Mailand, geſt. 
30. Sept. 1886 in München, war Schüler und Mit⸗ 
arbeiter feine3 Vaters, bis er feit 1849, wo er mit 
ſeinem Bruder Cugen einen Teil des öſterreichiſchen 
Feldzuges in Oberitalien mitmadte, zu felbjtindiger 
Tätigkeit qelangte. Die von den Briidern dort ge- 
madten Studien erſchienen unter Dem Titel: » Cre 


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innerungen an die Feldzüge der öſterreichiſchen Armee 
in Stalien 1848 und 1849« in 24 von Franz U. litho- 

rapbierten Blaittern, die von einem vierten Sohn 
Mibredht Adams, Julius (1821—74), der Lithograph 
war, gedrudt wurden. 1851 begleitete Fran; A. ſeinen 
Bater nad Ungarn, wo er unter anderm die Motive 
gu den Bildern: Schafherde an der Theiß, Sdhijfs- 
fibre und Wallfabrer m einem Schiffe fand. Der 
Strieq von 1859 tn Oberitalien bot ihm die Stoffe zu 
den Bildern: die Strake zwiſchen Solferino und Va— 
leggio am Tage der Schlacht vom 24. Juni und Ge- 
fecht zwiſchen öſterreichiſchen Ulanen und piemonte- 
jijchen Dragonern. In den 60er Jahren entitanden 
einige Bilder aus dem Feldzuge Napoleons gegen 
Rufland. Zu höchſtem Aufſchwung gelangte feme 
reiche Begabung fiir die Sdilderung wildbewegter, 
dramatiſcher Szenen in feinen figurenreichen Darjtel- 


lungen aus dem deutſch-franzöſiſchen Rriege von | 


Adam de la Halle — Adamberger. 


Adam von Bremen (Adamus Bremensis), Ge- 
ſchichtſchreiber, wahrſcheinlich aus Oberſachſen ftam- 
mend, wurde 1069 von Erzbiſchof Adalbert zum Dom - 
jdolajter ernannt. Jn saline »Gesta pontificum 
Hammenburgensium« gab er auf Grund gelehrter 
Forſchung und mündlicher Mitteilungen de3 Dänen—⸗ 
finigs Sven Ejtrithjon die Geſchichte ded Erzſtifts und 
der nordifden Miffion bis 1072. Das 3. Buch ent- 
halt die auch fiir die Reichsgeſchichte wertvolle Ge- 
ſchichte ded Erzbiſchofs Udalbert (j.d.2). Das 4. Bud: 
»Descriptio insularum Aquilonis«, enthält iiber 
Dänemark, Sfandinavien und Rußland widhtige Nach— 
ridten. Rach einer von Bartholin im Kloſter Sord 
aufgefundenen Handſchrift wurde das Werk zuerſt von 
Undr. Sever. Vellejus (Vedel) herausgegeben (Kopenh. 
1579). Beſte Ausgabe ijt die von Lappenberg im dei 
» Monumenta Germanicae« (Bd.7, 1846; deutſch von 
Laurent + Wattenbad, 2. Wufl., Berl. 1888). Bal. 


1870/71. Die erjte und zugleich qenialjte ijt der 1873 | Giinther, U.v.B., dererite deutfide Geograph (Prag 
fiir Den Herzog von Sachjen-Memingen gemalte Un- | 1894); Bernard, De Adamo Bremensi geographo 
griff franzöſiſcher Ravallerie auf deutſche Infanterie Adamas (lat.), der Diamant. (Bar. 1895). 
bei Floing wahrend der Schlacht bet Sedan (cine) Adamadua, Reich in weſtlichen Sudan (VUfrifa), 
Wiederholung von 1879 in der Berliner National: | zu Sokoto gehdrig (f. Karte »Kamerun«), zwiſchen 
galerie). Es folgten: eine Epifode aus der Einnahme | 11. und 6.° ndrdl. Br., umfaßt eine Zahl von Fulbe- 
von Orléans (in Der Neuen Pinafothef gu München), ftaaten fiidwarts bis zum Mbam. Wus der welligen, 
ein Wefangenentransport nad der Schlacht bei Sedan | qrasbededten Gneisebene erheben jid) sum Teil an- 
(1880) und der Reiterangrijf der Brigade Bredow ſehnliche Granitgebirge mit ſeltſam gejtalteten Gipfetu, 
bei Mars-la-Tour (1886, Berliner Nationalgalerie). | wie nördlich vom Binue das Mandaramaffiv, füdlich 

4) Eugen, Bruder des vorigen, dritter Sohn von | Ulantifa (2700 m) und Gendereberge (3000 m). Leg: 
UW. 1), geb. 1817, geft. 1880 in München, behandelte | tere bilden mit den nad) ©. fic) fortiegenden Hdhen- 
als Sdladtenmaler bejonders friegerifde Epiſoden zügen die Waſſerſcheide zwiſchen Binue, Logone (zum 
und Genreſzenen, ju denen er während des ttalieni+ | Tjadfee), den Quellflüſſen des Sangha (zum Rongo), 
ſchen Feldzuges 1848 und 1849 die Studien geſam- de3 Mbam (zur Bat von Biafra) und des in weitem 
melt hatte. Er bielt fich bis 1856 in Htalien auf und) Bogen jum Binué flieRenden Katſena. Der Binué 
malte feitdem in Minden Bilder aus dem Rriegs-, | empfiingt bier rechts den Mao Kebbi und Gongola, 
Volls- und Jagdleben. Bal. »>Das Werk der Miin- | links Faro nebjt Tuffa. Das Klima tit feudt, die 
chener Riinjtlerfamilie A.« (Reproduftionen, mit Tert | Vegetation tropifd. In den Gavannen mit Baobab, 
von Oolland, Nürnb. 1890). Giraffenafazien, Butterbiumen u. a. find Elefanten 

Adam de la Halle (cigentlih de le Hale), frang. | haufig. Ungebaut werden Reis, Mais, Weizen, Sefam, 
Dichter u. Komponiſt, genannt le Boſſu (der Budelige)  Baunvwolle, Jndigo, Ingwer; Vieh und Gefliigel find 
d'Arras, wiewohl er nidt mifgeitaltet war, geboren | reidlich vorhanden. Blet, Eifen, Kupfer werden von 
um 1235 in Arras, entjagte dem theologifden Stu- | den Cingebornen gewonnen und bearbeitet. Die Be- 
dium, um gu beiraten, und begleitete 1283 Robert IL, | vilferung befteht aus heidniſchen Negern, über die 
Grafen von Artois, nad) Neapel, wo er 1286 oder | von NW. hereingedrungene mobannnedanifde Fulbe 
1287 ftarb. A. bat cine größere Anzahl von Liedern, | herriden. Der Handel mit den als Tribut von den 
Rondells Motetten u. zwei Singſpiele hinterlaſſen, die im S. wobhnenden heidnijden Negerhauptlingen ge- 
älteſten nicht getjtliden Dramen aus Franfreid. Das | lieferten Sflaven jteht in voller Blüte. Hauptitadt tit 
eine: »Le ju Adan ou de la fuellie« (»Das Spiel | Nola, von ihm abhängig find Ngaundere, Banjo, 
Adams oder das Sptel tr der Laube«), vom 1. Mai Kontſcha, Ribago u.a. Denham qelangte 1824 nur 
1262, ſchildert die perfimlichen Verhäliniſſe des Dich- | bis zur Grenje, qliidlider war Barth 1851, Flegel 





ters mit ſatiriſchen Ausfällen auf deſſen Mitbürger 
von Arras. Das andre iſt ein Schäferſpiel mit ein— 
gelegten Volksweiſen, »Le jeu de Robin et de Ma- 
rion<, ſehr anmutig, zuerſt in Neapel aufgefiihrt, dann 
nad) dem Tode des Dichters in Arras wiederholt und, 
wie es ſcheint, nod) hundert Jahre fpater tn Angers 
alljährlich gefpielt. Wdams »(Eavres compleétes« ſind 
herausgegeben von de Coujjemater (Bar. 1872), die 
Dramen aud) von Rambeau (Marburg 1886). Adams 
Candons und Bartures gibt R. Berger (Halle 1900, 
Bd. 1) beraus. Über YW. als Nomponiiten handelt 


bereiſte 1879 und 1882 das Land, das Zintgraff 1889, 
Morgen 1891 und 1893—94 v. Udtrig und Baf- 
jarge durchzogen. Der größere öſtliche Teil von A. 
qehort der deutſchen, der fleinere weſtliche mit Jola 
der engltiden Intereſſenſphäre an. Bgl. Paſſarge, 
Adamaua (Berl. 1895). 

MAdamberger, Unt onie, Schauſpielerin, geb. 30. 
| Des. 1790 in Wien, geit. daſelbſt 25. Dex. 1867, bit 
dete fid) unter Leitung des Didters H. J. v. Col- 
lin zur Schauſpielerin aus und war feit 1807 am Dof- 
| burgtheater tm Fad) der tragifden und naiven Lieb- 





Lavotr tm »Recueil de motets francais«, Gd. 2 | haberinnen tätig. Sie fpielte unter andern die Haupt- 
(Bar. 1884). Eme Neubearbeitung des Schaferipiels | rollen in den 1811 und 1812 in Wien aufgefiihrten 
bejorgte W. Tappert (Berl. 1884). A. ijt aud) der | Trauer+ und Lujtipielen Th. Körners, der fic) mit 
Held etner Oper: »Adam de la Halle«, von Ernjt | thr verlobte. 1817 30g fie fic) von der Bühne guriid 


Frank (1880); Bal. . Guy, Essai sur la vie et les 
ceuvres littéraires du trouvére Adan de la Hale 
(Bar. 1898); Derielbe, Bibliographie critique du 
trouvére (daf. 1900), 


und verheiratete jid) mit dem Numismatifer J. C 
Yrneth (f.d.). Val. Laten dorf, Liebes- und Liedes⸗ 
grüße an A. A. (aus Körners Nachlaß, Leipz. 1885); 
v. Ja den, Th. Körner und ſeine Braut (Dresd. 1896). 





HAdamello — Adams. 


Adamello, Gruppe des ſüdlichen Zuges der Rä— 
tijden Alpen an der Grenze von Südtirol und Ita— 
lien (f. Karte »Tirol«), beyteht aus einem mächtigen 
Tonalitmaffiv (mit gewaltigem Firnfeld), an das ſich 
langgejtredte Felskämme und plateauartige Gebirgs- 


maſſen anſetzen. Das Quelltal der Sarca (Val di Ge⸗ 


nova) trennt von Dem Hauptmaffiv des VW. Den fächer⸗ 
artigen Stod der Brefanella. Neun Spitzen ragen 
iiber 3400 m empor, Darunter ‘Brefanella (3564 m), 
Udamello (3554 m), Care Wito (3465 m). Bon 
Den zehn Unterfunjtshiitten, die Wusgangspuntte der 
Bejteigungen in Der Gruppe bilden, ijt die Mandron⸗ 
oder Leipziger Hiitte (2441 m) hervorjubheben. Der 
A. wurde 1864 guerjt von Bayer erreicht und durd)- 
forjdt. Bgl. Bayer, Die U.-Prejanella-WUlpen (Er- 
gänzungsheft a » Betermanns Witteilungen«, 1865). 

Adamin, Mineral, baſiſch arjenfaured Zink, su- 
weilen mit Robalt und Kupfer, fleine rhombijde Rri- 
jtalle und firnige Uggregate, gelb, rot und grün, 
qlasglangend, durdideinend; Harte 3,5, ſpez. Gew. 
4,3. Fundorte: Laurion, Rap Garonne und Chaiiar- 
cillo in hile. 

Adamiten, Name einer angeblid im 2. Jahrb. 
hervorgetretenen gnoſtiſchen Sefte, die ihren Gottes- 
dienjt nadt, Weiber und Manner gemeinſchaftlich, 
abgehalten haben foll, um fo Adam und Eva ähnlich 

u werden. Gleiden Namen fiihrt eine vom radifalen 

Valdenfertum beeinflupte Frattion der Taboriten. Sie 
vertraten die Notwendigleit eines vollitindigen Bru- 
des mit der Rirdenlehre, jteigerten Den Rommumis- 
mus — bis sur Weibergemeinfdaft und follen 
fic), völlig entfleidet, bei nächtlichen Tänzen groben 
Ausſchweifungen ergeben haben. Die zuerjt um 1787, 
dann wieder 1848 im Chrudimer Kreis aufgetretene, 
als adamijtijd und kommuniſtiſch verfeperte Bewe- 
gung ſtand mit den taboritijdhen Schwärmern in fei 
nem nadweisbaren Zufammenbang. 

Adamkiewicz jpr. tewitia), Albert, Mediziner, 
geb. 11. Aug. 1850 in Jerkow (Prov. Poſen), ſtudierte 
in Königsberg, Breslau und Würzburg, wurde 1875 
Oberarzt für Nervenkranke in der Charité zu Berlin, 
1880 Profeſſor in Krakau und ſiedelte 1890 nach Wien 
liber. Er gab eine empfindliche Reaftion auf Eiweiß 
an, entdedte das Syjtem der Schweißnerven und die 
»bilateralen Funftionen«, den Kreislauf der Ganglien- 
gellen und die RNervenfdrperden und arbeitete iiber 
Die Gefäße im Rückenmark und verlingerten Maré, 
liber Den Gebirndrud, iiber Rranfheiten des Riiden- 
marfs, tiber dad Gedicdtnis, das Doppel-Ich und 
nantentlid) fiber Heilbarfeit des Krebſes. Er ſchrieb: 
»Der Blutfreislauf der Ganglienjelle« (Berl. 1886); 
»Tafeln gur Orientierung an der Gehirnoberfläche«⸗ 
(2. Uufl., Wien 1894); »Die Natur und der Nahr: 
wert des Peptons« (Berl. 1877); » Die Sefretion des 


Sdweihes« (daf. 1878); » Die mechaniſchen Blutſtil⸗ 


lungsmittel Der verlegten Urterien+ (daj. 1872); » Die 
Rückenmarksſchwindſucht« (Wien 1885); » Die degene- 
rativen Rranfheiten des Rückenmarks⸗ (Stuttg. 1888); 
»UÜber den padymeningitijden Prozeß im Rücken— 
mart«(Wien 1890) ; » Unterjudchungen iiber den Krebs « 
(daſ. 1893); » Die Funftionsjtirungen des Großhirns⸗ 
(Berl. 1898); » Die Kreislaufitérungen in den Orga- 
nen des entralnervenfyitems< (daf. 1899); »Die 
Grofbhirnrinde als Organ der Seele« (Wiesb. 1902). 
Adams, Fleden im nordamerifan. Staat Maſſa— 
chuſetts, Grafidaft Berfhire, am Hoojac, mit Baum- 
woll- und Papierfabrifen und (900) 11,134 Einw. 
Adams (pr. dvdims), 1) Samuel, nordamerifan. 
Staatémann, geb. 27. Sept. 1722 in Bojton, geſt. 








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daſelbſt 2. Oft. 1803, war Naufmann und feit 1765 
Mitglied der Leqislatur von Wafjachufetts. Wis 
Sprecher bet den Mectings tatig, die anti-englifde Be— 
wegung in den Kolonien in Gang zu bringen, und 
1774 als Ubgeordneter von Majjadufetts in den De- 
legiertenlongreß * drang er hier alsbald auf 
den Kampf mit England und wirkte beim —— 
kommen der Unabbangigteitserflirung mit. Waſhing ⸗ 
tons Beſtrebungen fiir Erweiterung der Macht der 
Bentralregierung trat er entgegen und ſchloß fic) der 
Bartei der Demofraten an. 1789—94 belleidete er 
den Pojten eines Gouverneurs von Maſſachuſetts und 
trat 1797 vom öffentlichen Schauplah ab. Bal. Wells, 
Life and public services of Samuel A. (Boit. 1865, 
3 Bde.); Morfe, Samuel A. (daſ. 1884); Hosmer. 
Life of Samuel A. (daſ. 1885). 

2) John, sweiter Präſident der Vereinigten Staa- 
ten von Nordamerifa, geb. 31. Olt. 1735 3u Brain: 
tree (jest Quincy, Maſſachuſetts), geſt. 4. Juli 1826, 
erdjfnete feine politiſche Laufbahn damit, dak er in 
mehreren Sdjriften die Rechte der Nolonien mit Wärme 
und Sadfenntnis Darlegte. 1774 als Bertreter von 
Maſſachuſetts in den erjten Kongreß von Philadel— 
phia gewabit, war er bei der Unabhängigkeitserklä— 
rung vom 4. Juli 1776 beteiligt. Nachdem er die Kon⸗ 
jtitution von Maſſachuſetts hatte abjajjen belfen, fam 
er Ende 1779 zur Anknüpfung von Friedensunter— 
handlungen mit England nad Paris, dann als Ge- 
jandter nad) Holland, wo er durch Unterhandlungen 
und Sdjriften Kabinett und Bolf fiir die Sache feines 
Vaterlandes gewann. Bon dort fehrte er 1782 wieder 
nad Paris zurück und bradte hier, von Franflin, Jef⸗ 
ferjon, Jay und Laurens unterſtützt, den Frieden mit 
England glücklich gu ſtande (3. Sept. 1783). Jn den 
Rampfen um die UnionSverfafjung war er einer der 
Führer der föderaliſtiſchen (antijentralijtifden) Bar- 
tei; trogdem berief thn Wajhington als Vizepräſident 
an feine Seite, und nad) deſſen Rücktritt wurde er 
trot Der Gegenbejtrebungen der Untifsderalijten 1797 
jum Präſidenten der Union erwählt. Durd die Maf- 
regeln, die er zur Erhaltung der Neutralitat der Re- 
publif Frankreich geqeniiber ergriff, namentlich durch 
ſeine Fremden- und Aufruhrakte bei der demokrati— 
ſchen Partei, die Anſchluß an Frankreich verlangte, 
mißliebig geworden, unterlag er bei der Neuwabhl 
1801 ſeinem Gegner Jefferſon. VU. trat in dad Privat⸗ 
leben zurück und ſtarb auf ſeinem Landgut Quincy. 
Unter ſeinen Schriften tit bejonders die Defence of 
the constitution and government of the United 
States« (1787, 3 Bde.) hervorzuheben. Seine fimt- 
lichen Werke mit Biographie (Life and works of 
John A.«, Bojton 1850—56, 10 Bde.) und die » Fa- 
miliar letter sof John A. and his wife Abigail, dur- 
ing the revolutions (Mew Yorf 1876) wurden von 
jeinem Enfel Charles Francis A. (ſ. unten 4) heraus- 
qeqeben. Bal. J. O. und C. F. Wdams, Life of 
John A. (Boſton 1871, 2 Bde.); Morſe, John A. 
(Daj. 1884); Chamberlain, John A. (daj. 1898). 

3) John Quincy, ſechſter Prajident der Ber- 
cinigten Staaten, Gobn des vorigen, geb. 11. Juli 
1767 in Braintree, gejt. 23. Febr. 1848, begleitete 
feinen Bater 1778 nad) Frankreich, dann nad Holland 
und England, trat 1791 als Anwalt auf, ging als 
Geſandter 1794 nad) Dem Haag und 1797 nach Ber- 
lin. Unter Sefferfons Brajidentidaft als Anhänger 
Der föderaliſtiſchen Grundjage feines Naters 1801 
abberufen, widmete er fid) wieder der Udvofatur und 
wurde 1802 in den Senat von Wajjadufetts, 1803 
in Den Senat der Union gewählt. Wis Verteidiger der 


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eqen England erlajjenen Embargoalte mit feinen | 
Qrarteigenoffen gerfallen, lebte er in Zurückgezogen⸗ 
Heit, bis ihm unter Madiſons Prafidentidaft 1809 
der Gefandtidaftspoiten in Petersburg tibertragen 
wurde. Nachdem er 24. Dex. 1814 mit Gallatin und 
S. Clay den Frieden von Gent abgejdlofjen und 
dann als Gefandter in London fungiert hatte, ward 
er 1817 vom Präſidenten Monroe sum Staatsſekretär 
deS Auswärtigen ernannt, nad Monroes Riicttritt 
aber im War; 1825 zum Präſidenten der Union er- 
wiiblt. Schon vorber war A. ins Lager der Anti— 
fideralijten (Zentralijten) iibergetreten. Da feine 
Verwaltung in der äußern Politif Unglück hatte, un- 
terlag er 1828 bei der Priifidentenwah! gegen Jackſon. 
Er jog fich deShalb zunächſt aus dem —28 Le⸗ 
ben zurück, ward aber 1831 wieder ins Reprajentan- 
tenhaus gewählt, wo er eine unabbangige Stellung 
einnahm. Bon feinen Sdriften find die » Briefe über 
Schleſien« (juerjt im »Portfolio«, Philad. 1803; 
überſetzt von Frieſe, Brest. 1805) aud) in Deutfdland 
befannt geworden. Bgl. »Diary of John Quincy A.« 
(or8q. von C. F. Udams, Philad. 1874—77, 12 Bde.) 
und die Biographien von Seward (Rew Yort 1853), 
Yofiah Outncy (Bojt. 1858), Morſe (daf. 1882) 
und Stoddard (New Port 1887). 

4) Charles Francis, nordamerifan. Juriſt und 
Staatsmann, Sohn des vorigen, qeb. 18. Aug. 1807 | 
in Bojton, gejt. 21. Nov. 1886. Raddem er al8 An⸗ 
walt und Publiziſt ſich befannt gemacht, jtellte ihn 
1848 bie Freibodenpartei als Kandidaten fiir die Vize⸗ 
prifidentidaft auf. Seit 1859 als Bertreter von Maſ⸗ 
ſachuſetts im Kongreß, ward er 1861 von Lincoln gum | 
Gefandten fiir London ernannt, wo er viel dazu bei- 
getragen bat, den während des sig’ rel, op leiniy - 
1865) drohenden Bruch zwiſchen England und der 
Union abjuwenden. Ym Winter 1871/72 war er Mit⸗ 

lied ded Genfer Schiedsgeridts in dem Alabamaſtreit. 
Gr qab die binterlajjenen Papiere feines Grofvaters 
und Baters (j. oben, 2 u. 3) heraus. Seine Biographie | 
ſchrieb fein gleidnamiger Sohn (f. unten: Wdams 8). 

5) Willtam, einer der bedeutendjten erbauliden 
Sehriftiteller Englands, geb. 1814, get. 1848 als 
Vilar ju St. Peter in Orford. Seinen Ruf gründete 
er Durd) die »Sacred allegories« (oft aufgelegt). 

6) John Cound, Ujtronom, geb. 5. Juni 1819 in | 
Laneajt bet Launcejton in Cornwall, geſt. 20. Jan. 
1892 in Cambridge, ftudierte dajelbjt, begann 1841 
Unterjudungen der Unregelmäßigleiten m der Be— 
wequng des Uranus und berechnete zuerſt Maſſe 
und Bahn des ſtörenden Planeten (vgl. Neptun). 
1858 wurde A. Profeſſor in Cambridge. Er ſchrieb: 
»An explanation of the observed irregularities in 
the motion of Uranus« (ond. 1846); » Lectures on 
lunar theory «, hréq. von Sampjfon (Daf. 1900). Seine 
»Scientitic Papers« gibt Udame heraus (Bd. I, Cambr. 
1896, mit Biographte von Glaiſher; Bd. 2, 1900). 

7) Charles Rendall, nordamerifan. Hijtorifer, 
qeb. 24. Jan. 1835 in Derby (Vermont), ftudierte an 
Der Univerſität von Michigan, der er fett 1867 als 
Brofeffor der Geſchichte angehörte, wurde 1885 Prä— 
jident der Cornell -Univerfitat (Athaca) und 1892 Prä— 
fident Der Unwerſität von Wisconfin in Madiſon. 
Er fdprieb: »Democracy and monarchy in France« 
(Rew Port 1874; deutſch. Stuttg. 1875); »The rela- 
tions of higher education to national prosperity « 
(Rew Yjorf 1577); »Manual of historical literature « 
(3. Aufl., daf. 1889); »Christopher Columbus« (daf. 
1892) und gab » Representative British orations« 
(Daf. 1884, 3 Bde.) heraus. 








Adamsapfel — Adamsthal. 


8) Charles Franci8, vollswirtſchaftlicher und 


politiſcher Schriftiteller, Sohn von A. 4), qeb. 27. Mai 


1835 in Bojton, bis 1890 Präſident der Union- 
Pacific - Eiſenbahngeſellſchaft; ſchrieb: » Railroads, 
their origin and problems« (Rew Y)orf 1878); » Life 
of Richard H. Dana- (daſ. 1890, 2 Bde.); »Three 
episodes of Massachusetts’ history« (Daf. 1892, 
2 Bde.); »Massachusetts, its historians and its 
history« (Daf. 1893) und die Biographie ſeines Ba- 
ters: »Charles Francis A., by his son« (Daf. 1900). 
Udamsapfel (Paradiesapfel, jüd. Esrog, 
Pomum Adami), die Frudt von Citrus Pomum 
Adami Risso, cirund bis birnfirmiq, mit bijabn- 
lichen Narben und Wuljten der goldgelben Sehale, 
ijt nad) dem Talmud die Frudt, von der Adam tm 
Paradies gegen Gottes Gebot fojtete. Er wird mit 
dem aus Palmwedeln, Weidens und Myrtenzweigen 
bejtehenden, auf die alte Heimat deutenden Feſtſtrauß 
von den Juden am Laubbhiittenfeft während des Frith- 
ottesdienjteds unter Ubjingung von Pſalmen benutzt. 
Der A. wird aus Korfu, Siiditalien und Parga am 
Adriatiſchen Meer mit einem die ridtige Art der Ein— 
jammlung verbiirgenden Sertififat eines Oberrabbi- 
ners verjeben, zugleich mit jungen Blattern der Dattel- 
palme verjandt. * Vollsmund heißt A. aud der her⸗ 


vortretende obere Teil des männlichen Kehlkopfes, fo 


genannt, weil ein Stück des genoſſenen Apfels dem 
Adam in der Kehle ſteclen geblieben fein foll. Vgl Citrus. 

Adamesbriide, 23 km lange Reihe von Sand— 
bänlen und Felſen zwiſchen der Inſel Rameswarant 
an Der indiſchen Küſte und der Inſel Manaar an der 
Riijte von Ceylon. Drei feidhte Hauptfaniile, von denen 
der Pambamfanal auf 4 m Tiefe ausqebaqgert tit, 
führen bindurd ; eine Eiſenbahnüberbrückung der Den 
Wolf von Manaar im N. nahezu fperrenden A. wird 


— Die Brahmanen nennen die A. Brücke des 


dma, der auf ihr fein Heer nad) Ceylon hiniiber- 
führte. Bgl. Walther, Die U. und die Korallenrijfe 
der Palfftrake (Ergänzungsheft 102 zu ⸗Petermanns 
WMittetlungen«, 1891). 

Adamefeigen , j. Ficus. 

Adamsia, {. Seeanemonen. 

Adams Motor, ſ. Gastraftmafdine. 

Adamsnadel, Pflanze, ſ. Yucca. 

Adamspif, Name cines von Buddhiſten, Brah- 
manen und Wohammedanern fiir heiliqg qehaltenen 
Berges auf Ceylon, der fic) auf der innern Hodebene 


(Neura Ellya) der Inſel unter 6° 51‘ nördl. Br. und 


80° 35 öſtl. L. zu 2260 m Hohe erbhebt, von den 
Singhalefen Samanala Rand (»Verg des Gottes 
Saman«) qenannt. Auf der 21 m langen und 10m 
breiten Fläche feines fahlen Gipfels, die von einer 1 m 
hohen Mauer umgeben ijt, ftebt cin Tempel, unter dem 
eine 1,45 m lange und 0,5 m breite Bertiefung, wahr- 
ſcheinlich durch Nachhilfe von Menſchenhand, die Form 
einer rieſigen Fußſpur hat, welche die Buddhiſten 
Sripäda (⸗Fußſtapfe des Glückes«) nennen und fiir 
die Fußmarke ihres Religionsſtifters halten. Sie wird 
von einem reid) mit Edeliteinen beſetzten Goldrand 
eingefaßt. Die Mohammedaner verehren den A. weil 
fie in jener Vertiefung die Fußſpur Adams erfennen, 
der hier, 1000 Jahre lang auf einem Fuße ſtehend, 
den Verluſt des Paradieſes beweint haben ſoll. Noch 
andre Tempel und Unterkunftshäuſer für die Tau— 
ſende der Pilger ſind auf dem Berg errichtet. 
Adamspreffc, |. Schnellpreſſe. Jahrh.). 
Adamsfpiel, ſ. Franzöſiſche Literatur (12. 18. 
Adbamesthal iſchech Adamov), Dorf in Mäh— 
ren, Bezirlsh. Brünn, an der Zwittawa und der 


Adana — Adäquate Reise. 


Staatsbahnlinie Wien- Prag, mit neuer gotifder 
Kirche, Villen, Majdinenfabrif, Dampfidige und (1900) 
792 meijt tſchech. Cinwohnern. Ojtlich, bei Kiritein, aus- 
gedehnte Kalkſteinhöhlen mit prähiſtoriſchen Funden. 
dana, türk. Stadt im ſüdöſtlichen Kleinaſien, am 
ſchiffbaren Seihun (Saros) in der frudtbaren Rilifi- 
ſchen Ebene, hat als Schlüſſel zu Den Tauruspäſſen 
cine hobe jtrateqijde Bedeutung und war deshalb 
nod) in ——— (1839) lange der Gegenſtand des 
Kampfes zwiſchen der Türkei und Ygypten. Im Al⸗ 
tertum wetteiferte A. mit dem nahen Tarſos an Größe 
und Macht. Die jetzige Stadt, Hauptort des gleich— 
namigen Wilajets (mit den Liwas Itſch Ili, Merſina, 
Adana, Kozan und Dſchebel Bereket, 39,900 qkm 
Areal und 422,400 Einw.), ijt qut qebaut, mit Mer- 
fina durch Eiſenbahn verbunden, befitt cine antife 
Briide iiber Den Saros und gilt 60,000 Einw. (viele 
Yirmenier), die Handel mit Wolle, Baumwolle, Ge- 
treide, Wein und Objt treiben. 
Adangbe, Ort im deutſchen —— (Weſt⸗ 
afrifa), am Hahofluß, mit 7— 8000 Einw. 
Adanfon (pr. adangping), Michel, Botanifer, geb. 
7. Upril 1727 zu Wir m der Provence, geſt. 3. Aug. 
1806 in Baris, bereijte 1748 —53 das Senegalgebiet 
und fdrieb » Histoire naturelle du Sénégal« (Bar. 
1757 ; Deutich, Brandenb. 1773 u. Leipz. 1773). Sein 
Wert »Familles des plantes« (Par. 1763, 2 Bode.), 
in neuer Bearbeitung u. d. T. »Méthode nouvelle 
pour apprendre à connaitre les différentes fa- 
milles des plantes« (Daj. 1764, 2 Bde.), enthilt 
viele neue Entdedungen. Er ſchrieb aud) über den 
Ujfenbrotbaum und über die Osyillatorien, machte 
1751 den Sitterwels zuerſt befannt, deſſen Schläge 
er mit Denen Der Leidener Flaſche verglid), und wies 
wohl gue auf Strandverjdiebungen an der Küſte 
bin. Bon feinen Sehriften erjdienen nod): »Cours 
d'histoire naturelle fait en 1772« (Bar. 1844-45, 
2 Bde.); »Histoire de la botanique et plan des fa- 
milles naturelles des plantes« (2. Aufl., Daf. 1864). 
Im Jardin des plantes ju ‘Baris wurde 1856 feine 
Marmorjtatue aufgejtellt. Bgl. Cuvier, Eloge his- 
torique (Bar. 1819). 
Adansonia L., nad Undanjon benannte Pflan— 
— der Malvazeen, Bäume in Afrika und 
uſtralien mit gefingerten, drei- bis neunzähligen 
Blättern, aus den Blattwinkeln herabhängenden ein— 
zelnen Blüten, länglicher, nicht aufſpringender Frucht 


mit holziger Schale, mehligem Fleiſch und zahlreichen 
nierenförmigen Samen. Bon den drei Arten ijt A. | 
digitata Z. (Uffenbrotbaum, Baobab in Weſt— 


afrifa, Mb uju in Ojtafrifa, Mowana in Siidafrifa, 
Vinka in Mittelafrifa, Dinna, Tabaldie tm Su- 


dan, jf. Wbbildung) 12—22 m hod, mit Stamm: | 


umfang von 47 m und mehr, bildet einen ungeheuern, 
halbfugeligen, mit feimem untern Rande den Erd- 


boden beriibrenden Wipfel von 38-—48 m Durd)- | 


mejjer und trägt an fajt meterlangen Bliitenitielen 

roke weiße Bliiten. Den größten Teil des Jahres 
freht Der Baum aber fahl, nur behangen mit qrau- 
braunen, melonenähnlichen, bis 45 em langen Früch— 
ten. Der durd) Cadomojto 1454 befannt gewordene 


Baum erreicht ein fehr hohes Witer, das nach Cin: | 


zeidynungen der erjten Europäer, welche die Gegend 

etraten, auf mehrere tauſend Jahre berechnet wurde. 
Der Uffenbrotbaum tit in troptiden Wfrifa heimifch, 
wird in Indien und Siidamerifa fultiviert. Er ijt 
fajt überall ein Gegenjtand der Verehrung fiir die 
Cingebornen; in Wejtafrifa dient er den Negern zur 
Wohnung und als Begraibnisplag fiir Zauberer; in 

Mevers Konv.« Lerifon, 6. Aufl., J. Bo. 





97 


Oftafrifa beherbergt er Herden von Kleinvieh in fei- 
nem meijt hoblen Stamm. Aus dem febr leidten 
weiden Holze machen die Neger Fahrzeuge. Die Blät⸗ 
ter (Lalo) werden gegeſſen, fie follen die iibermapige 
Sdhweiabjonderung verhindern; das fauerlidye 
Hrudtmart liefert kuͤhlendes Getränk. Der fehr zähe 
Baſt dient ju Striden und als Bapiermaterial. Die 


—— 





Duerſamitt 
ber Frucht. 


Adansonia digitata (Affenbrotbaum). 


Rinde enthilt Adanſonin, deſſen Wirkung der des 
Strophantings entgegengefest ijt. B. Gregorii Fr. 
Miill., in Nordaujtralien, hat furggejtielte Bliiten 
und faures Frudtmart (Saurequrfenbaum). 

Adaptation (lat.), ſ. Unpajjung. A. des Auges, 
die Unpajfung an verjdiedene Helligkeitsqrade; ſ. 
Geſicht. 

Adaptieren (lat.), anpaſſen, anbequemen. 

Adaption (lat.), Anpaſſung (j. d.); mittelbare 
——— fremden Werkes in der Weiſe, daß 
das neue Werk im Verhältnis zu dem benutzten ein 
Erzeugnis von ſelbſtändiger Cigenart ijt (Utilijation, 
Yrrangement). Das Reigegeier, betrejfend das Ur- 
heberrecht an Werfen der Literatur und Tonkunſt vom 
19. Juni 1901, enthalt in § 13 den Grundſatz, daß 
die Freie Benutzung eines fremden Werles zuläſſig ijt, 
wenn dadurch cine eigentümliche Schöpfung hervor- 

ebracht wird, unbefchadet jedoch Der ausſchließlichen 

efugniſſe, die Dem Urheber nad) § 12 zuſtehen (val. 
Urbeberredt). Nach der Berner übereinkunft, betref⸗ 
fend die Bildung eines internationalen Verbandes 
zum Sdube von Werfen der Literatur und Munit 
(Yirtifel 10), gehört zu Der unerlaubten A. cine nicht 

enehmigte indirefte Uneignung eines ſolchen Werkes, 
jofern fie lediqlid) die Wiederqabe im derfelben oder 
einer andern * mit unweſentlichen Anderungen, 
Zuſätzen oder Abkürzungen darſtellt, ohne im übrigen 
die Eigenſchaft eines neuen Originalwerkes zu beſitzen. 

Adaptiv (lat.), ſ. Anpaſſung. 

Adäquät (lat.), volllommen angemeſſen, überein— 
ſtimmend. Cin Begriff tit a., wenn er das Weſen 
deſſen, was er bezeichnet, volljtandig ausdriidt; eine 
Erfenntnis, wenn fie der Beidvattenbeit ihres Ge- 
genſtandes genau und vollitindig entſpricht. 

Adäquate Reize, ſ. Sinne. 

7 


Adar — 


Adar (v. affyr. Monatsnamen Adda-ru ſtam- 
ntend), fedjjter Monat des jiidifden Mondjahres, in 
unfern Februar oder März fallend. UW. {deni oder 
Beadar, der alle 19 Jahre fiebenmal sur Ausglei— 
Gung des Mondjahres mit dem Gonnenjahr einge- 
fchaltete 13. Monat. Der 13. A. ijt als Fajten-Ejther 
(Taanith esther), der 14. als Purimfeſt bejtinunt. 
Rad) der Sage war der 7. A. der Geburts- und 
Sterbetag Moſes'. 

Adare, Kap (ivr. dvix), Nordojtipise von Viftoria- 
fand unter 71° 18’ ſüdl. Br. und 171° öſtl. L.; hier 
fiberwinterte 1899 die engliſche antarftijde Expedi⸗ 
tion unter Bordgrevint (7. d.). 

Ad arma (lat.), »zu den Waffen«, ans Werk! 

Adarme, friiher ſpaniſches und nod) fiidamerifan. 
Gewidt, — Vie —* = 36 Granos Silbergewicht. 

A dato (lat.), ſ. Dato. 

Mdauli (engl. adowly), Hohlmaß in Bombay; bei 
Getreide (aud) Pehli, engl. paily) —4 Sihr = ‘16 
Parah; bei Reis — 7'/2 Sthr; bet Salz — 2/21 Parab. 

Ad bene placitum (lat.), nad) Belieben. 

Ad bestias (lat., »3u den Tieren<), tm Altertum 
die Todedsjtrafe, bet welder Der Verurteilte den wilden 
Tieren vorgeworfen wurde. Der Uusdrud galt aud 
von den Gladiatoren, die um Lohn mit wilden Tieren 
lämpften und daber Bestiarii hießen. 

A. D. C., bei Pflanzennamen Abkürzung fiir 
UW. De Candolle (jf. d.). 

Ad calendas graecas, Witzwort des Kaiſers 
Auguſtus von faulen Schuldnern. Die Griedjen hat- 
ten inſofern feine calendae (der Monatserjte, bei den 
Römern Zabltag), als ihre Seitrednung mit der rö— 
miſchen nicht ſtimmte; ene Vertrdjtung »auf die grie— 
chijden calendae« bedeutete alfo ſoviel wie »auf den 
— 

Adda (lat. Addua), linfer Nebenfluß des Bo, ent⸗ 
fpringt am Paß Ulpijella in den Ratijden Wlpen 
(2238 m), durchfließt das Fracletal, tritt, nachdem fie 
mehrere Schluchten paffiert bat, in das Beltlintal und 
ergießt fid) bei Colico m einem fumpfigen, raſch vor- 
riidenden Delta in den Comerfee (7. d.). Bei Lecco 
verläßt die U. Den See an feinem Siidojtende, bildet 
nod) die kleinen Seen von Pescate und Diginate, tritt 
hier ſchiffbar und fiſchreich in die lombardijde Ebene, 
fpeijt mehrere Randle (Marteſana, Muzza) und mün—⸗ 
det bei Porto Stanga oberhalb Cremona in den Po. 
Die Lange des Fluſſes betragt bis sur Mündung in 
den. Comerfee 130, vom Austritt aus demfelben 
180 km, wovon 50 km ſchiffbar. Die wichtigiten Ne- 
benfliijje find (linfs) Der Brembo (f.d.) und Serio. — 
An der U. fiegten 11. YWug. 490 die Ojtqoten unter 
Theoderich tiber Odoafer, 10. Mai 1796 bei Lodi die 
Franzoſen unter Bonaparte über die Ojterreider. 

Addax, Mendesantilope, ſ. Untilopen. 

Addénda (lat., »Hinzuzufügendes«), Zuſätze. 

Adder, foviel wie Kreuzotter. 

Adderley (pr. dover), Sir Charles Bowyer, 
j. Rorton. 


98 











Addictio in diém (lat.), die bei einem gegen: 
jeitigen Bertrage getroffene Nebenbeſtimmung, wo- 
nad) Der Vertrag fiir den veräußernden Teil nicht 
qelten foll, wenn jich innerhalb einer bejtimmten Zeit 
cin Dritter findet, der das Geſchäft unter vorteithaftern 
Vedingungen cingugeben bereit ijt. Nach dem öſter 
reichiſchen allgemeinen bürgerlichen Geſetzbuch ($ 1083, 
1084) wird die A. dann als Rejolutivbedingung be 
handelt, wenn das Rarfitiid iiberqeben wurde, an 


Addiſon. 


Addiermaſchine, Abdierſtift, ſ.Rechenmaſchine. 

Addiktion (lat.), gerichtliche Zuſprechung. Bgl. 
Adjiudikation. 

Addington (pr. doding’'n), Henry, ſ. Sidmouth. 

Addington Park, Schloß, ſ. Croydon. 

Wddis Abeba (Adhis Ubaba, Udi Abbas, 
friiher Finfinni), widtigite Stadt Sdoas und bis 
1901 Reſidenz des Nequs Menelif von Ubeffinien, 
in Der Landidaft Sdoa, 3000 m ii. M., 1885 er⸗ 
baut, hat in der Mitte einen von Palifaden umgebe- 
nen ‘Balajt des Herrjders und einen grofen, täglich 
vielbefudjten Martt. Die amphitheatralijd von Bers 
gen umgebene und von zahlreichen Gebirgsbaiden 

—— Stadt wächſt nach dem Ausſterben An— 
lobers (1892) ſchnell und ſoll bereits 50,000 Einw. 
—— Karawanen gebrauchen wegen der ſchwierigen 

ge bis zur Küſte 2 Monate. — Hier wurde 26. Olt. 
1896 Der Friede zwiſchen den Staliencrn und Menelif 
geſchloſſen (ſ. Ubeffinien, S. 35). 

Addis Alam, ſeit 1901 Reſidenz des Herrſchers 
von Abeſſinien, liegt etwa 60 kim wejtlic) ded bisheri⸗ 
gen Regierungsjipes Addis Ubeba, immitten alter 

ldungen, jedoch in wafferarmer Gegend. Der 
Grund zur Verlegung der Hauptitadt war weniger 
politijder Urt, als dak infolge von Waldverwüſtung 
um Addis Ubeba, wo die europäiſchen Bertreter und 
RKaufleute vorläufig verblieben, angel an Bau- und 
Brennholz eingetreten war. 

Wddifon (pr. dovivn), Jofeph, engl. Dichter, Ge- 
lehrter und Staatsmann, geb. 1. Mai 1672 zu Milston 
in Wiltfhire, geft. 17. Juni 1719 in Holland Houſe, 
jtubierte feit 1687 in Orford Theologie und zeichnete 
ſich ſchon bier durch Abfaſſung lateiniſcher Verſe aus. 
Durd den Schatzkanzler Montague und den Lord 
Somers erhielt er zur politijden Uusbildung ein Jah⸗ 
resgebalt von 300 Pfd. Sterl., worauf er Frankreich 
und Stalien bereijte. Der Tod König Wilhelms be- 
raubte ibn dieſer Unterjtiigung, jedoch erwarb er fid 
Ruf und die Gunjt der Whigs durd cin Gedicht auf 
die Schladt von Blenheim: » The Campaign « (1704). 
A. begleitete 1705 Lord Halifar nad Hannover, wurde 
durd) deſſen Verwendung Unterſtaatsſekretär und ging 
mit dem Vizekönig Warton nad Irland als Setretar 
der Regierung. Bedeutenden Wnteil nahm er an dem 
von ſeinem Jugendfreund R. Steele herausgegebenen 
»Tatler« (»Der Blauderer<), der erjten moralifden 
Wodenfdrift, nod) mehr an dem »Spectator«, den er 
hauptſächlich ſchrieb. 1713 wurde fein Trauerjpiel 
»Cato« aufgefithrt, formell eine ftarre Unwendung 
frangofijd -flafjifcher Kunſttheorien, mbaltlid eine 
Verherrlidung der Whigpolitif, daher beflatidt. In 
Derfelben Zeit nahm A. an Steeles wefentlid poltti- 
ſcher Zeitſchrift >The Guardian« teil fowie an dem 
» Whig Examiners. 1714 begleitete er den Vizelönig 
Grafen Sunderland wieder als Sefretir nad Irland, 
1716 hetratete er die verwitwete Gräfin von Warwich. 
Dem Poften eines Staatsfefretirs, den er 1717 er- 
hielt, entfagte er 1718 tranfheitshalber, bebielt aber 
eine Benfion von 1500 Bid. Sterl. Er ward in der 


Weſtminſterabtei beigeſetzt. A. zeichnete ſich durch Ror- 


rektheit aus, durch eine wohltemperierte Freiheitsliebe, 


durch cine deiſtiſch angehauchte Feinſinnigleit. Jn li— 
terariſchen Streitigleilen mit Steele und Pope 


zeigte 
er manchmal die Eitelleit Der Beit; Den meiſten Rut 
und Danf aber gewann er durch den Humor feiner 
ſittenſchildernden Eſſays, der nod) Didens befrudtete. 
Seine Schriften, Darunter »Evidence of the chris- 


dernfalls als Suspenfiwbedingung. Bal. Bedingung. | tian religion«, famen feit 1721 in Qondon öfter her- 


MAddieren (lat., »hinzufügen«), ſ. Wddition. 


aus (bejonders ſchätzenswert in Bohns »Standard 


Addijonjde Krankheit — Adel. 


Library«, 6 Bde.), wurden aud) faſt ſämtlich ns 
Deutide überſetzt. Die -Essays« erfdeinen immer 
wieder in Neudruden, gum Teil als Schulbiider; cine 
Uberſetzung lieferte S. Auguſtin (⸗Beiträge zum Zu— 
ſchauer und Plauderer«, Berl. 1866). Bol. Aikin, 
The life of A. (Sond. 1843, 2 Bde.); Macaulay, 
Critical and historical essays<«, Bd. 2; Thaderay, 
English Humorists of the XVIII. Century; Mafd- 


meter, Addiſons Beiträge ju den moralijden Wo: | 


chenſchriften (Berl. 1872); UW. Hanfen, A. som lite- 
rer kritiker (Mopenh. 1883); Courthorpe, Joseph 
A. (Mond. 1884); Vetter, Der Spectator als Quelle 
der »Disfurje der Maler« (Frauenf. 1887). 
Addiſonſche Mrankheit, ſ. Nebennieren. 
Addition (Summation, lat.), die erjte der vier 
Spezies oder Hauptrednungsarten der Arithmetik. 
Sie lehrt, mehrere gegebene Zahlen, die Summan- 
den (Wddenden, Poften), gucinander addieren, 
d. b. eine neue Sahl, ihre Summe, bilden, die eben- 
joviel Einheiten enthalt wie die gegebenen Zahlen zu— 
jammen. Das Zeichen fiir die A. tit +, gelejen plus; 
3. B. wird die Summe von 12 und 17 gefdrieben: 
12 + 17 und ijt gleid) 29, kürzer: 12 + 17 = 29. 
Für die WU. gilt Das fommutative Geſetz, d. h. dic 
einzelnen Gummanden oder lieder ciner Summe 
lönnen beliebig untereinander vertaujdt werden, ohne 
daß fich Der Wert der Summe ändert, z. B. 5345547 
—74345— 15. Ferner gilt das aſſoziative 
Geſetz, d. h. man kann beliebig viele der Summanden 
zu einer Teilſumme zuſammenfaſſen, dann von den 
noch übrigen Summanden wieder beliebig viele zu 
einer Teilſumme u. ſ. f, die Summe der ſo entitehenden 
Teilſummin ijt jtets gleich der Summe der urſprüng— 
lichen Summanden. 3. B. iſ3 + 5 + 7 + 8 = 23, 
anderjeits 8+ 7 = 10, 54—8 —13 und 104+ 13 
wieder — 23. Will man mehrere Summanden ju 
einer Teiljumme zuſammenfaſſen, fo ſchließt man ihre 
Summe in Klammern ein, 3. BV. 34+5+7+4+8 
= (38 + 5) + (74+ 8) = (8 + 7) + (56 + 8); Das 
aſſoziative Geſetz ſagt daher aus, daß bet Bildung 
einer Summe das Setzen oder Weglaſſen von Klam— 
mern ohne Einfluß auf das Ergebnis iſt. Will man 
prüfen, ob man die Summe einer größern Anzahl 
von Summanden richtig gebildet hat, ſo wiederholt 
man Die YL, nachdem man die Zahlen anders an— 
geordnet hat, oder man faßt erjt cingelne Der Gunt- 
manden gu Teiljummen zuſammen und addiert dann 
diefe Teiljummen, oder man wendet die Neuner- 
probe an, Die freilid) auch feine unbedingte Sicher— 
heit gewährt (ſ. Neun und Elf). Bal. Krönig, Neue 
Methode gur Vermeidung von Redhenfeblern (Berl. 
1855). Urſprünglich werden bei der 
UW. alle Summanden als pojitiv vor- 
ausgejebt, man fann aber aud) den 
Begriff der A. fo verallgemeinern, daß 


. / p man negative Summanden zuläßt, 
J, vgl. Regative Sahlen. Die Geome- 
. trie fennt eine A. der geraden Linien. 
4 Man denft fid) dabei die gerade Linie 


ibrer Lange und Ricdhtung nad ge- 
geben und betrachtet zwei ſolche gerade Linien (Strecden 
oder Beftoren) al8 gleich), wenn fie gleiche Lange und 
gleiche Richtung haben. Zwei ſolche Streden AB 
und AC (jf. Figur) addiert man, indem an den End- 
puntt B der cinen AB eine Gerade BD fet, die nad 
Größe und Ricjtung mit der andern AC überein— 
jtimmt; AD ijt dann die qeometrifdhe Summe 
von AB und AC. 

Udditional (lat.), zuſätzlich. 


99 


MAdditionalafte (franj. Acte additionnel, » Zu- 
fagatte«), Zuſatzvertrag zu einem Staatsvertrag, Nad: 
trag ju einer Verfaffungsurfunde, insbeſ. das Geſetz 
vom 22. April 1815, das Napoleon I. bei fener Riid- 
kehr von Elba in Form eines Zuſatzes gu den Kon— 
jtitutionen des Maijerveids gab. Diefe A. dnderte die 

Verfaſſung des Kaiſerreichs, indem es eine erblice 
Pairslammer und eine Deputiertenfammer mit fünf— 
jähriger Wahlperiode bewilligte und die geſetzgebende 
| Gewalt dem Raijer und beiden Kammern zuſammen 
juries. 

Mdditionsmafdine, ſ. Rechenmaſchine. 

Additionsprodukte, chemiſche Verbindungen, 
die durch Vereinigung zweier Subſtanzen entſtehen, 
ohne daß andre Atome oder Moleküle eintreten oder 
ausgeſchieden werden. Bei der Bildung von — 
bromid aus Alkohol wird Waſſer ausgeſchieden: 
C,H,0 + HBr=C,H, Br + H,0, bei Bildung von 
VUthylenbromid aus Wthylen findet Wddition ftatt: 
C,H, + 2Br=C,H,Br,. 

Additive Cigenfdaften, phyjifalifde Cigen- 
ſchaften eines Gemiſches, die fid) aus den betreffenden 
Eigenſchaften der Bejtandteile des Gemiſches bered)- 
nen lajjen: die Maſſe, dad ſpezifiſche Volumen, das 
ſpezifiſche Brechungsvermögen. Auch die Eigenſchaften 
der Salzlöſungen laſſen ſich durchgängig auf additive 
zurückführen. 

Se a 

Addata, Fluß, ſ. Adda. 

ModduFtoren (lat, An ziehmuskeln), dienen zur 
Annäherung, Herbeiziehung (Wddultion) eines Glie— 
des an ein andres oder an die Achſe des Körpers. 

Adebar (Adebär), im Niederdeutſchen der Storch, 
beſonders als Kinderbringer, Glücksbringer. 

Adeciduata, ſ. Säugetiere. 

A découvert (franj., fpr. vetuwir, »ungedeckt«) 
verfaufen, Wertpapiere oder Waren ——— ohne 
ſie zu beſitzen. 

Adel, ſoviel wie Jauche, ſ. Dünger und Düngung. 

Adel, Landſtrich in Ojtafrifa, j. Adäl. 

Adel (von adhal, das Geſchlecht, die Herkunft, 
zuſammenhängend mit éthel, Erbgut), bevorzugter 
Stand, der ſich in allen europäiſchen Ländern, mit 
Ausnahme von Norwegen und der Türkei, vorfindet. 
Der deutſche A. war in der germaniſchen Urzeit em 
Weburtsjtand, vor den Freien durch hdheres Wergeld 
(jf. d.) ausgezeichnet. Er fete fic) gufammen aus den 
Mitgliedern derjenigen Geidledter, aus denen man 
die Könige, die Fürſten, die Priejter zu nehmen pflegte. 
Im fränkiſchen Reide war neben dem altgermani- 
fdjen, Durch die Geburt begriindeten Geſchlechtsadel 
der friinfijdhe, auf der Ehre des Rriegsdienjtes be- 
ruhende Dienjtadel, der fid) aus den foniglidjen Be- 
antten, den Biſchöfen und Grofgrundbefigern bildete. 
Im Laufe des Mittelalters verſchmolzen Gejdledts- 
und Dienjtadel zu cinem Stande, dem freien Ritter- 
jtande. Die Bugebhdrigkeit gu dieſem Stande jepte 
auger der edlen Abſtammung den Beſitz einer adligen 
Grundherrſchaft fowie ritterltdhe Heeresfolge voraus. 
Eine bevorzugte Stellung innerhalb des Standes 
nahmen die Fiirjten und Grafen cin. Aus dem freien 
Ritterjtand entwicelte ſich der fpater fogen. hohe A. 
(j. Reichsritterſchaft). Dagegen ging der jogen. niedere 
A. aus dem Stande der a a itter, Der Winijte- 
rialen oder Dienjtmannen hervor. Die Minijterta- 
Lem waren Dienjtleute des Königs und der Groen, 
die ausſchließlich tm Hofdienjt, als Reifige oder als 
höhere Aufſichtsbeamte Verwendung fanden. Jeder 
Miniſteriale, der ein gewiſſes Alter erreicht hatte, 

7* 








100 


fonnte die Belehnung mit einem Benefizium verlan- 

en. Dierdurd wurde die Annäherung des unfreien 
Shittertiandes an den freien Ritterjtand gefirdert. Jn 
ihrer Eigenſchaft als Ritter traten die Miniſterialen 
trotz ihrer Unfreiheit unmittelbar biter den Stand 
der freien Ritter (»Herren«) und gingen fclieflich in 
ihm auf, nachdem fid im 13. und 14. Jahrh. ihre 
Unfreiheit verloren hatte. Aus belehnten Cigenleuten 
hatte fich ein freier Lehnsadel entwidelt (vgl. Schrö— 
der, Lehrbuch der deutſchen Recht 


eLehnsadels« innerhalb dieſes einheitliden Standes 
lebte der friihere Unterſchied von freien und unfreien 


Rittern nod) fort. Die Ritterfdaft, urfpriinglid ein 


Gemijd) von Beburts- und Berufsjtand, wurde all- 
mählich von dem Erfordernis »ritterlider Lebens— 
weiſe⸗ unabhängig und fo ju einem Geburtsftande. 
Ritter war nicht nur derjenige, Dem die »Schwertleite« 
erteilt war, jondern aud) derjenige, der durch tonig- 
liches Diplomt oder durch Promotion bet einer jurijtt- 
iden Fakultät die Eigenſchaft eines Ritters erworben 
hatte. In ſpäterer gett trat eine Scheidung zwiſchen 
hohem und niederm A. cin. Zum hohen A. gehörte, 


wer die Reichsſtandſchaft beſaß, d. h. Sts und Stimme 


(sessionem et votum) auf den ReidStagen hatte. | 


Die Reichsſtandſchaft fonnte, fofern fie fid nicht auf 
unvordenfliden Beſitz ſtützte, nur durd) faiferliche 
Verleihung erworben werden. Dem Kaiſer verblieb 
Dies Recht bis zur Auflöſung des Reidhes. Dagegen 
war die Uusiibung der das Wefen der Reichsitand- 
ſchaft ausmadenden Rechte feit der sweiten Halfte des 
17. Jahrh. auger von dem Erwerb fiiritenmapiger 
ober graflider Reichsgüter jowie der Einlaſſung ju 
einer ſtandeswürdigen Steuer in einem beſtimmten 
Kreis aud) von der Einwilligung des Rurfiirjten- 
folleqiums, de3 Reidsfiirjtenrates, der Grafenbant, 
d.h. von dem Konſens des Reichstags, abhängig. Der 
niedere A., der feine Reichsſtandſchaft belay. ſchied 
ſich in den Reichs- und Landesadel. Die Mitglieder 
des Reichsadels waren im Beſitze der landesherrlichen 
Gewalt und hatten als Reichsunmittelbare den per— 
ſönlichen Gerichtsſtand vor den höchſten Reichsgerich— 
ten ſowie dad Recht der Autonomie (ſ. d.). Der Lan— 
desadel war nicht reichsunmittelbar, vielmehr der 
Landeshoheit unterworfen. 
Privilegien, Titulaturen rc. des deutſchen Adels. 
Von den einſtmaligen ſtaats-, lirchen- und privat— 
rechtlichen Privilegien des Adels ſind, abgeſehen 
von der dem hohen A. ausſchließlich zukommenden 
Reichsſtandſchaft, hervorzuheben: die Schriftſäſſigleit, 
d. h. das Recht, nicht vor einem Gericht unterer In— 
ſtanz Recht zu nehmen; Steuer-, Zoll- und Militär— 
freiheit; Vorrecht auf gewiſſe Amter, z. B. beim Reichs 
lammergericht; Siegelmäßigkeit, d. h. das Recht, einer 


Urkunde durch Beidrückung des adligen Siegels die 


Wirkung einer öffentlichen Urkunde beizulegen; Kir— 


chenpatronat und Patrimonialgerichtsbarkeit, ſofern 


der Adlige begütert war; in Ojterreich fiir Ritter und 
Herren die Fabigheit, landtaflige Giiter ju erwerben 
und die mit Dtejen Gütern verbundenen fogen. Do 
minifalredte (3. B. das Jagdrecht) auszuüben; Be 
freiung vom kirchlichen Aufgebot; Autonomie, d. b. 
das Recht, m gewiffem Umfange nicht nur fiir die 
ciqnen Nachkommen und Erben, fondern aud) fiir 
Dritte verbindliche Normen fiber Familienangeleqen- 
heiten feſtzuſtellen; cin ausſchließliches Recht auf den 


Gefdledtsnamen und das Geſchlechtswappen; die | lun 
ausſchließliche Fähigleit zum Erwerb von Lehen und die § 


eſchichte, § 42). | 
Nur im der Unterfdheidung der »Cdlen« und des | 





Adel (Deutſchland und Ofterreid). 


der Landjtandfdaft; Ehrenvorrang vor den ig oa 
lichen (vg! bie Pradifate weiter unten und Titel). Bei 
einigen Diefer Rechte wurde nod — daß der 
Adlige eine beſtimmte Anzahl von Ahnen (ſ. d.) auf⸗ 
weiſen konnte. 

Die RheinbundeSatte und die Verfaſſungen der 
neuentitandenen Staaten verringerten allenthalben 
die Vorrechte des Adels oder hoben jie, wie in Weſt⸗ 
falen, auf. So fommt 8, daß wirflide Vorredte 
heutzutage nur dem Hoben A. zuſtehen. Diejer Hobe 
W. umfaßt die Familienangehorigen der ſouperänen 
Fürſtenhäuſer und der mediatijierten Familien, die 
frither im Beſitze reichSunmittelbarer Territorien wa- 
ren und Reichsſtandſchaft hatten. Jn Unfehung der 
letztern war in der deutfden Bundesatte vom 8. Juni 
1815 bejtimmt, daß aud) die Mediatijierten künftig ju 
Dem hohen A. in Deutfdland gerednet wiirden, und 


daß ihnen Das Redjt der Ebenbürtigkeit (j. d.) mit den 
| regierenden Häuſern bleiben follte. Ferner follten die 








beſchnitten und nur das Redht der erblichen 


Mediatifierten und ihre Familien die privilegiertefte 


Untertanenflajje, namentlich im Unfehung Der Be- 
jteuerung, bilden; ihre nod) bejtehenden Familien— 


verträge jollten aufredt erhalten werden, und es follte 


ihnen aud) fortan die Befugnis zujteben, fiber ihre 
Giiter und Familienverhaltniffe autonomijde Unord- 
nungen gu trejfen. Endlich follte dem hohen A. em 
privilegierter Geridhtsjtand, die Befreiung von aller 


| Militdrpflichtigteit, die Uusiibung der Gerichtsbarkeit 


in erjter und, wo die Beſitzungen groß genug, auch in 


zweiter Inſtanz, die Forjtgeridtsbarfeit, Ortspolizei 


und Aufſicht in Kirchen- und Schulſachen zuſtehen. 
Allein dieſe Rechte ſind in den —— ſehr 

itglied⸗ 
ſchaft in der Erſten Kammer ijt den Mediatifierten in 
allen Staaten mit Zweilammerſyſtem erhalten wor- 
den. Der privilegierte Geridtsjtand und die eiqne Ge- 
ridtsbarfeit (wenigitens in jtreitigen Rechtsſachen) 
find durch die Deutichen oder öſterreichiſchen Juſtiz 
geſetze vollſtändig bejeitiqt. Dagegen ijt die Befreiung 
von der Militärdienſtpflicht tm Reichswehrgeſeß auf⸗ 
recht erhalten. Hinſichtlich der Autonomie (ſ. d.) des 
hohen Adels beſtimmt Art. 58 des Einführungsgeſetzes 
zum Bürgerlichen Geſetzbuch, daß in Anſehung der 
—— — und der Güter der vormals 
reichsſtändiſchen und ſeit 1806 mittelbar gewordenen 
Häuſer ſowie der ihnen diesbezüglich durch Beſchluß 
der vormaligen deutſchen Bundesverſammlung oder 


vor dem Inkrafttreten ded Bürgerlichen Geſetzbuches 


durch Landesgelets gleichgeſtellten Hauser die Bor- 
ſchriften Der Landesgefege und nad deren Maßgabe 
die Vorfdriften der Hausverfaffungen unberührt 
bleiben, und daß dad Gleiche aud) zu gunſten des vor- 
maligen Reichsadels und Dderjenigen Familien des 
landſäſſigen Adels gilt, die vor Dem Inkrafttreten 
des Viirgerlichen Gejesbudes dem vormaligen Retchs- 
adel durch Landesgeſetz qleicdhgeitellt worden find. Da- 
qegen hat der niedere A. heutzutage, abgeſehen da- 
von, dah in eingelnen Staaten, wie 3. B. m Bayern, 
nur Udlige ein Familienfideikommiß (f. d.) beſitzen 
fonnen, feine befondern Rechte mebr. 

Die Stufenteiter der iibliden Pradifate (Titu- 
faturen) ijt sur Beit folqende: Der cinfache Edel⸗ 
mann bis zum Freiherrn aufwärts erhalt das Prä— 
difat »Hodwobhlgeboren«, der Graf »HModgqeborens ; 
die Haupter der ——— * Grafenfamilien er- 
hielten durch Beſchluß der deutſchen Bundesverſamm— 
q vom 13. Febr. 1829 das Prädikat ⸗-Erlaucht«; 
— Der vormals reichsſtändiſchen, jetzt ſtan⸗ 


Errichtung von Familienfideilommiſſen; das Recht desherrlichen fürſtlichen Familien erhielten durch Be— 


Adel (Frantreid), Stalien). 


ſchluß der Bundesverſammlung vom 13. Aug. 1825 
den Titel »Durdlaudt« ; tm Bereich der öſterreichiſch⸗ 
ungarifden Monardie fiihren die ſämtlichen Mit— 
glieder folder Familien, foweit in ihnen die Fürſten— 
wiirde fiir alle Dejzendenten erblich ijt, das Praditat 
»Durdlaudt«. Die Häupter der iibrigen fürſtlichen 
Familien können den Titel >Durdlaudt« nur dann 
fiibren, wenn er ausdrücklich verliehen ijt. Viele folder 
Titularfiirjten haben nur das Priadifat »Erlaucht«. 
Hinfidtlid) der erbfolgenden Söhne beftehen feine 
fejten Regeln; fo fiihrt 3. B. der altefte Sohn des 
giiriten Bismard die Grafenwitrde und den Titel 
Hochgeboren«, der älteſte Sohn, reſp. Erbfolger des 
Fürſten Havfeld-Wildenburg die Titel »Pring« und 
Fürſtliche Gnaden«. 

Unlaplic) der Cinfithrung des Biirgerliden Geſetz⸗ 
buchs ijt jtreitig geworden, ob das Udelspradifat sum 
Samiliennamen tm Sinne dieſes Geſetzbuches gehört 
oder nidt. Wer 3. B. an Kindes Statt angenommen 
wird, erbalt nad) $1758 den Familiennamen des An—⸗ 
nehmenden. Die ridjtige, von Staudinger und Gohm 
vertretene Unjicht (gegen v. Bülow, Kriicdmann, Opet, 
Pland, Rehbein) qeht dabin, daß das legtere zutrifft. 
Rimmt Herr v. Müller jemand an, fo heift der An— 
qenommene nur Müller. Der A. ijt ein Titel, ein 
Prädilat, und darum etwas Ojfentlichredtlidjes , der 
Rame etwas Privatrechtliches. Am Wdelsrecht hat 
dad Bürgerliche Geſetzbuch alfo nichts geändert. Unter- 
jagt der Mann nad) der Eheſcheidung feiner allein 
fiir ſchuldig erflirten Frau die Fortfiihrung ſeines 
Ramens (§ 1577), fo verliert fie aud) das Adelsprä— 
difat, aber nicht, weil es mit demt Ramen ein Ganges 
bildet, fondern weil die Frau durd) dieſe Unterjaqung 
aus der Familie, die dieſen Titel hat, ausfdjeidet. Die 
Ausführungsgeſetze sum Bürgerlichen Geſetzbuch von 
Braunſchweig, Heſſen, Lübeck und den beiden Mecklen⸗ 
burg beſtimnien ausdrücklich, daß das Recht zur Füh— 
rung des Adels ebenſo privatrechtlich qeidiitst fein 
joll, wie §12 ded Bürgerlichen Geſetzbuches das Recht 

unt Gebraud eines Namens gegen Mißbrauch oder 
jtreitung ſchützt. Daj durd) Chelidfeitserflirung 
oder Unnahme an Kindes Statt der A. nur unter 
Hinzutritt landesherrlicher Beſtätigung erworben 
werden kann, ſchreiben ausdrücklich die mecklenburgi⸗ 
ſchen Ausführungsgeſetze zum Bürgerlichen Geſetz— 
buch und das Heſſens vor. Das lippiſche Ausfüh— 
rungsgeſetz verlangt Genehmigung des Landesherrn 
nur für übertragung des Adels durch Annahme an 
Kindes Statt. 

Die verſchiedenen Maffen ded niedern Adels. 

Wie im vormaligen Deutſchen Reiche gibt es aud 
jet nod) verſchiedene Klaſſen des niedern Udels, jedod) 
obne bejondere praftijde Bedeutung. Bn Ojterreid 
oi es 4. B. nod) die ſechs alten Klaſſen ded Reiches : 

itulargrafen, Reidsfreiherren oder Barone, Edle 





oder Bannerherren, Ritter, Edle von, auf oder zu, 


endlid) Udlige mit dem Lradifat »von«. Das Wuf- | 


rücken in eine höhere UdelSflajje und der Erwerb des 
Adels iiberhaupt von feiten cines Biirgerliden er- 
folgen durd) Verleihung des Adels oder einer höhern 
Klaſſe durdy einen Landesherrn. Der W., der fich auf 
eine foldhe Verleihung — heißt Briefadelz; die 
darüber ausgeſtellte Urkunde heißt Wdelsdiplom 
oder Adelsbrief (ſ. d.). In Deutſchland kommen 
ſeit Kaiſer Karl IV. Verleihungen des niedern und 
des hohen Adels vor, und das Recht dazu gehörte 
vormals zu den Reſervatrechten des Kaiſers, d. h. zu 
den Rechten, die ſich der Kaiſer in allen deutſchen 
Landen vorbehalten hatte. Ubrigens hatten oder be- 





101 


haupteten viele Filrjten bas Nobilitationsredt 
(Redt, den A. gu verleihen). Endlich erbhielten feit 
dem Anfang des 17. Jahrb. viele fleinere Fiirjten 
und felbjt Familien des niedern Adels, 3. B. die 
Wrafen von Schönborn, das Nobilitationsredt auf 
Grund eines laiſerlichen Privilegiums, des Balatinats 
oder der Nontitive (ſ. Pfalzgraf). 

Gegenwärtig fteht das Recht, den W. zu verleihen, 
jedem ſouveränen Fürſten zu; dod) bedarf der Unter- 
tan der Genehmigung feines Landesherrn, um den 
ifm von cinem frembden Herrſcher verliehenen YU. fiih- 
ren ju fonnen. In Bayern, Wiirttemberg und Ojter- 
reid) werden nur die immatrifulierten Gejdledter (7. 
Udelsmatrifel) alg adlig anerfannt. Der A. wird 
bald al8 ein auf die ehelichen Nachlommen tibergehen- 
des Recht erteilt (Geburts- oder Erbadel), bald 
nur an die Perſon des Veliehenen gefniipft (Per- 
jonenadel!). Un diefen letzten ſchließt fid) Der Ver- 
Dienjtadel an, db. h. cin Individual- oder perfin- 
lider U., der von felbjt mit einer Wiirde oder einem 
Amte verfniipft ijt. Sur Heit des alten Deutiden 
Reiches Hatten die Biſchöfe und Erzbiſchöfe einen fol- 
den perjintiden und gwar hohen A., während die 
Wiirde eines Doftors der Rechte die meijten Redhte 
des niedern Udels gab. Das Reichskammergericht in 
Weblar behauptete einen Unjprud auf den erbliden 
U. fiir jeden nidtadligen Ynhaber einer Kammer- 
gerichts⸗Beiſitzerſtelle. Auch gegenwartig fommt in 
einzelnen deutſchen Staaten etm niederer Verdienjt- 
adel vor, 3. B. in Ojterreid) bei langgedienten Ojji- 
jieren. In Bayern gewahrt der Beſitz ded Militär— 
Mar Jofeph-Ordens und des Bivilverdienjtordens der 
bayrijden Krone und in Wilrttemberg die Ver- 
leihung des Rronenordend den perſönlichen A., und 
in Preußen pfleqt den biirgerlicjen Rittern des 
Schwarzen Udlerordens ein UdelSdiplom verliehen zu 
werden. Cine andre Art, den YW. zu erwerben, iſt die 
Verjahrung. Bu dem Berjabrun Sadel zählen 
ſolche Familien, die nad) cinem unvordenfliden (ca. 
100jährigen) unbejtrittenen, wenn aud) unberedtiq- 
ten Gebraud) des WdelSpradifats die UdelSqualitat 
erlangt haben. 

Stelung ded Adels im Auslande. 

Wn Franfreid trat der Unterſchied zwiſchen hohem 
und niederm A. nidt fo ſcharf bervor wie in Deutſch— 
land; dod) redynete man die Princes, Ducs, Marquis, 
aud) einiqe Comtes und Vicomtes jum boben, die 
iibrigen Gdelleute gum niedern UW. Zum niedern A. 
gehirte aud) die fogen. noblesse de la robe (die Wit 

lieder der hohen Gerichtshöfe und Barlamente). Die 
Revolution hob den Erbadel 1790 auf; Napoleon I. 
fiihrte ihn 1806 und 1808 wieder cin; nad) der Fee 
bruarrevolution fprad) die proviforifde Regierung 
durch Defret vom 29. Febr. 1848 die Abſchaffung 
aller frithern UdelStitel aus. Seitdem ijt der A. nicht 
förmlich rejtituiert worden. Bal. de Mailhol, Dic- 
tionnaire historique et héraldique de la noblesse 
francaise (Bar. 1895—97, 2 Bde.). 

Yn Italien bildete ſich der A. ähnlich wie in 
Deutidland aus. Der A. geht nebjt dem ungeteilten 
Bairiequt nur auf den älteſten Sohn iiber. Es gibt 
dort cine Menge fleiner Parzellen, deren Beſitzer ge- 
wöhnlich den Titel Conte (Graf) oder Marchese 
(Marquis) fithren. Größere Grundbefiger find tm 
RNeapolitanijden die Duchi und Principi. Im ehe- 
maligen Rirdenftaat ijt eine befondere Adelsklaſſe 
durd) die Cinverleibung von Geſchlechtern in die Mu- 
nizipalitat entjtanden. Außerdem wurde der YW. da- 
durch erteilt, daß der Papjt cinem Beſitztum den Rang 


102 


einer Baronie rc. beilegte oder einen nidt auf den 
Beſitz, fondern die Familie gegriindeten Adelstitel 
mittels Breve erteilte. Erworben wurde der A. mit 
Genehmigung des LandeSherrn durd) den Rauf eines 
Gutes, mit dem ein Titel verbunden ijt. Mißbräuch— 
lid) wurde die Zahl der Conti durd) die Bererbung 
ded ehemals rein perſönlichen Titels der Conti pala- 
tini ſehr erweitert. Der perſönliche A. war mit ge- 
wiſſen Umtern und Würden verbunden, 3. B. mit der 
Prilatur, den höhern Militärgraden, den oberjten 
Stellen bei den Regierungsbehirden, mit der Ordens- 
ritterjdaft. Ein Rardinal teilte feinem eignen Ge- 
ſchlecht den A. mit. 

In Spanien gibt es hohen und niedern A. Jenen 
bilden die Granden (früher Ricos Hombres, d. h. reidje 
Leute), deren es dret Klaſſen gab, jede mit befondern 
Prärogativen, die aber unter der Herrſchaft des Kon— 
oe ee ſämtlich befeitigt worden find, und 

ie fogen. Titulados (Wetitelte), als Duques, Mar- 
queses, Condes, Vicecondes und Barones, Die alle 
mit Grundbefig ausgeſtattet fein mitjjen, der Majo- 
rat (mayorazgo) ijt. Der niedere A. befteht aus den 
Hidalgos (eigentlid) Hijosdalgo, d. b. Söhne von 
etwas), deren Zahl fehr grok ijt, da fich jeder fiir einen 
Hidalgo ausgqeben darf, der fein bürgerliches Gewerbe 
treibt (vgl. Hidalgo). Nach der Reſtauration wurde 
1875 das königliche Recht wiederhergejtellt, Grande- 
zas de Espaiia und Udelstitel zu verleihen. — Ähn— 
lich find die UdelSverhaltniffe in Portugal, wo die 
Fidalgos die unterjte Adelsklaſſe bilden. 

In nd Wt wird die Gejamtheit des britifden 
hohen Wdels, die Beerfdaft, mit dem Namen 
Lords oder aud) Barone bezeichnet, weil jeder, aud) 
der Herzog, Lord oder Baron tit. Der Titel »Baron« 
fam mit den Normannen (1066) nad England und 
bezeichnete damals einen Kronvajallen. Der Titel 
Viscount (Vice-Comes) iſt ſeit Heinrid VI. (1440) 
als UdelSbezeidhnung gqebraudlid. Die Würde des 
@rafen (Earl) war urſprünglich an den Beſitz eines 
gewiſſen Landſtriches geknüpft; aber ſchon unter Kö— 
nig Johann ſind die Grafen nichts als die erſte Klaſſe 
der Barone, ohne Grafenamt, ohne Grafſchaft, wenn 
auch mit großem Grundbeſitz. Seit mehreren Jahr— 
hunderten wurden die Grafen durch Urkunden (letters 
patent) ernannt, indent die Krone den Titel von cinem 
Landbefis, Dorf oder Familiennamen hernahm. Der 
Name Markgraf (Marquess , Marchio) bezeichnete 
cigentlid) einen Grafen, der an den Grengen (von 
Schottland und Wales) befehligte; feit 1386 war er 
blofer Chrentitel. Marquiſate wurden durch Urkun— 
den ertedt. Die herzogliche Würde hat Cduard III. 
cingefithrt, Der 1337 ſeinen älteſten Sohn, den Schwar- 
gen Bringen, jum Duke (Herjoq) von Cornwall er- 
nannte. Als Rechte des hohen Adels find hervorzu— 
heben: Die Peers find vom Arreſt wegen Sdulden 
fret und fonnen tm Zwilprozeß, 3. B. wegen Ridht- 
erſcheinens vor Gericht, nicht fiir geſetzlos erflart 
werden. Die Durdhfudung und Verhaftung eines 
Peers ijt nur beſchränkt zulaͤſſig. Sie werden bei Kri- 
minalverbreden nur von Standesqleiden abgeurteilt, 
als Geichworne geben fie thre Ausſprüche (verdict) 
nidt auf Cid, fondern auf tbr Ebremwort. Sdmahun- 

en gegen cinen Beer werden befonders qeahndet. Er 
iſt als erblicher Rat des Königs befugt, vom König 
jum Bortrag Gehör zu verlangen. Er vertiert feinen 

. nur durch Berurteilung ne biirgerlichen Tod 
(attainder) oder Ausſterben. Der Rang der einzelnen 
Peers derſelben Klaſſe rictet fic) in der Regel nach 
dem Alter. Der Erzbiſchof von Canterbury jtebt als 





Adel (Spanien und Portugal, England 2¢.). 


Lord-Primas von ganz England an der —* der 
Peers. Das wichtigſte ——— für alle Lords 
von England aber iſt der erbliche Sitz im Oberhaus. 
Außer den erblichen Lords gibt es noch Lords durch 
gewiſſe Amter; die Erzbiſchöfe und Biſchöfe ſind Lords 
thrent geiſtlichen Umte nad und ſitzen wie der Lord— 
Rangler im Oberhaus. Auch die höchſten Richter, der 
erjte Beamte mehrerer Städte u. a. fiihren den Titel 
Lord. Als niedern A. fann man die Gentry gelten 
laffen, wenigſtens ihre erjte Rlafje, die Baronets, 
deren Standeswiirde forterbt, während fie bei allen 
andern nur perſönlich ijt. Die Baronets fegen ihrem 
Namen das Wort Sir, das immer mit dem Tauf— 
namen und häufig mit dieſem allein, aber niemals 
mit Dem Familiennamen allein verbunden wird, den 
Namen ihrer Frauen das Wort Lady vor und führen 
ein Wappen. Die Wiirde wurde von Yafob I. und 
Kart J. eingefiihrt und wird jest aud) ausgezeichneten 
Gelehrten, Militärs xc. von der Krone verliehen. Nicht 
erblich iſt die Würde der Knights oder Ritter. Die 
wahrſcheinlich von Eduard J. geſchaffene Würde des 
Knight Banneret, die nur auf dem Schlachtfelde 
verliehen wurde, ſtand der aller andern Knights 
voran; ſie iſt aber ſchon ſeit langer Zeit nicht mehr 
verliehen worden. Wud) die Knights führen das Wort 
Sir vor dem Taufnamen und thre Frauen den Titel 
Lady. Die nächſte Wilrde, Esquire, gebührt heut- 
zutage von Rechts wegen nur den Ablömmlingen 
adliger Familien, die cin Wappen fiihren, aber feinen 
Titel haben, ferner gewiſſen höhern Hofbeamten oder 
Offijieren vom Hauptmann aufwarts, den Doftoren 
der Rechte und der Medizin, den Mitgliedern der 
Royal Academy u. a.; faktiſch fiihrt diefen Titel aber 
jeder Gentleman (f. Esquire). 

Jn Holland wie in Belgien gibt es gwar einen 
Wdelftand, der ſich in Grafen, Barone und Ritter 
teilt, Der aber obne politiſche Bedeutung ijt. 

In der Schweiz, wo zur Beit der Befreiung von 
Der öſterreichiſchen Herrſchaft ein A. ganz in deutſcher 
Weiſe beſtand, geſtaltete er ſich ſpäter in ein Patriziat 
um, das, aus reichen Bürgerfamilien ſich bildend, in 
einzelnen Kantonen cine ariſtokratiſche Regierungs- 
form begründete, während in andern die Demofrati- 
ſche Verfaſſung unangetaſtet blieb. 

In Dänemark hat der A., der aus dem Herzog 
von Holjtein -Gliidsburg, cinigen Grafen, Baronen 
und niedern Wligen bejteht, nod) einzelne Vorredte 
(Jaqd-, Patronatsredt r.). 

YUnders in Sdhiweden, wo der AW. alB der erjte 
Stand bedeutende Borredte hat. Der ſchwediſche A. 
teilt fic) tn Dret Klaſſen: a) Herrar, Herrenftand, zu 
dem Die Grafen und Freiherren gehören; b) Riddare, 
Ritterjtand, ju dem diejeniqen Geſchlechter gehören, 
die erweifen finnen, daß emer oder mehrere threr 
Vorfahren cine Reichsratsſtelle gehabt; c) Swenner, 
die einfachen Edelleute ohne Titel. Jedes adligqe Fa- 
milienbaupt bat nad erreichtem 24. Lebensjabre 
Sutritt zum Reichstag. Der ſchwediſche A. tft im all- 
gemeinen arm, weil er eS verſchmäht, ſich an fommer- 
stellen u. induſtriellen Unternehmungen zu beteiligqen. 
Jn Norwegen ward der A. durch das Reichsgrund— 
geſetz vom 4. Nov. 1814 gang abgeſchafft und völlige 
Gleichheit aller Norweger vor dem Geſetz begriindet. 

Jn Bolen war der W. feinem Urfprunge nad) 
reiner Kriegsadel. Daher bejtand hier friiber fein 
Unterichied zwiſchen hohem und niederm A. Fürſten⸗ 
und Grafentitel waren von auswärtigen Dynajtien 
verliehen und beqriindeten durchaus keine Vorrechte 
Die Udligen heißen Siladecicen. 


Adelacr — Adelaide. 


Yn Rufland war der A. urſprünglich an Grund- 
beſitz geknüpft. Knjäſe und Bojaren bildeten den 
die übrigen Udligen den niedern A. Peter d. Gr. 
befeitigte diefen alten A. “nic bei a von Rang- 
tlafjen, wodurd) alle Standesvorgiige lediglich mit 
faijerliden Dienjtverhaltnifjen verbunden wurden. 
Die niedern ee geben nur perfinlidjen, die 
höhern erbliden A. Legterer wird erworben durd 
Verleihung von feiten des Kaiſers, durch Beforderung 
gum Offiziersrang im Militdr- und zur achten Klaſſe 
un Zivildienjt und durd) Deforation mit einem ruſſi⸗ 
fden Orden. Perſönlichen A. haben fonjtige Zivil- 
beamte von Offijiersrang. 
Qu Ungarn unterfdied man früher zwiſchen 
ras ar und gewdhnlidem A. Wahrend jene 
—— ich auf dem Reichstag erſchienen, war dieſer 
Abgeordnete vertreten. Ihre frühern Vorrechte 
ſind jetzt im weſentlichen aufgehoben. Der titulierte 
A. iſt in Ungarn ſehr ſpät —— worden (her- 
ezeg = Fürſt, grof, bard). Der neuernannte A. 
wurde häufig mit Lehnsgütern verjehen, von denen 
er einen Bunamen erbielt; außerdem exijtiert nod) 
ein | geringerer Briefadel ohne Grundbejig. 

Sind nun aud) nad dem Borjtehenden die Bor- 
rechte ded Adels allenthalben beſchränkt und vermin- 
dert worden, fo bat er dod) aud) nod) heutzutage eine 
nidjt — ¢ Bedeutung, die namentlich darauf be- 
rubt, daß ibm (in Deutſchland freilid) nur dem hohen 
YU.) eine bevorzugte Stellung in der Bolfsvertretung 
eingerdiumt * daß die höhern Hofdargen eine Prä— 
rogative des Adels find, und daß er fich faft überall 
im Bejige der höchſten Staats- und Militärämter ju 
behaupten gewußt bat. Aber ebenfo gewiß ijt es, daß 
die Ausſchließung der Bürgerlichen vom Hofdienſt, 
von den höchſten Staatsämtern und von den höhern 
Offiziersſtellen ſowie die mit dem Geiſt und der Bil- 
rong be rer Zeit nicht vereinbaren adligen Vorurteile 
die Haupturjaden einer gewiſſen Abneigung gegen 
den U. find, die man zuweilen bei den iibrigen Stan- 
Den findet, umd die 1848 fo ſcharf Hervortrat, dap 
man faft itberall auf eine ginglide Uufhebung des 
Adels drang, die in den fogen. deutfden Grundredten 
aud) wirflid — wurde. Während die 
einen den A. als einen notwendigen Vermittler zwi— 
ſchen Fürſt und Volk aud) nod) unfrer Zeit empfehlen, 
fpredjen die andern das Gegenteil aus. Dod) hat 
man neuerdings wiederholt aud) in Deutſchland das 
grortbejtehen des WdelS als wünſchenswert bezeich 
net, weil ein durch Reidjtum und —* 
lung von der Regierung unabhängiger Stand den 
politiſchen Intereſſen des Volfes beſonders zu dienen 
berufen und befähigt ſei, was freilich von einem 
bloßen Hof- und Dienſtadel nicht zu erwarten ſteht. 

l. v. Strantz, Geſchichte des deutſchen Adels 
(2. Aufl. Baldenb.1851,3 Bde.); Liebe, Der Grund⸗ 
adel und die neuen BVerfafjungen (Braunſchw. 1844) ; 
v. Maurer, Uber das Wefen ded älteſten UdelS der 
deutſchen Stämme (Miind. 1846); Gneift, W und 
Ritterſchaft in England (Berl. 1853); Heffter, Die 
Gonderredte der jouveranen und der mediatifierten 
Häuſer in Deutſchland (daf. 1871); Griinhuts » Zeit- 
ſchrift für Privat- und öffentliches Redt«, Bd. 5 u. 6 
(Unfjage von Mejer, Befeler und Gierfe fiber den 
age . und die Geſchlechtsgenoſſenſchaft); Rofe, 

A. Deutſchlands und feine Stellung im Deut- 
ſchen Reid) (Berl. 1883); G. Meyer, Lehrbuch des 
deutſchen Staatsrechts (5. Aufl., Leipz. 1899) und die 
Gothaiſchen »Genealogifden Taſchenbücher · darun- 
ter das ⸗Taſchenbuch der adligen Häuſer⸗ (feit 1900). 





103 


— (px.-lax), norwegiſch⸗ dän. Seeheld, ſ. 
eler. 

Adelaide, Fluß im ſüdauſtral. Nordterritorium, 
nimmt rechts den Margaret auf und mündet, weit 
hinauf ſchiffbar, in die Wdambai bir mtg 9 Die 
an feiner Mündung angelegte Niederlaſſung Escape 
Cliffs wurde bald fiir Batrreriton aufgegeben. 

Adelaide, Hauptitadt des britifey-aujtral.Staats 
Siidaujtralien, unter 34° 57’ ſüdl. Br. und 138° 38° 
öſtl. L., ſchön gelegen am Fue des Mount Lofty und 
beiderjeits des wajferarmen, Hier gu einem großen 
Beden aufgeddinunten Torrensflufjes, über den fünf 
Briiden führen, 9 km nordöſtlich von feinem Hafen 
Port Udelaide (fj. d.), Knotenpunkt von fiinf Cifen- 
bahnen (ju den Seebädern Semaphore und Glenelg, 





(Sle ele NOTES, 7 
Lageplan von Adelatde. 


ins Jnnere, nad) Melbourne), mit Balajt des Gou- 
verneurs, Rathaus, Generalpojtamt, Regierungs- 
gebäude, mebhreren ſchönen Banfgebiuden, Yrren- 
anjtalt, Hofpital, Barlamentsgebaude, anglitanifder 
und fath. Rathedrale (außer 28 andern Rirden), Syna- 
oge, mehreren Klubhäuſern, ſchönem botanijcen 
trten. Die Stadt hat Gas- und Waſſerleitung, 
zählt mit den durch die breiten Parflands getrennten, 
durd Pferdebahnen verbundenen 27 BVororten avow 
162,094 Ginw., darunter 6000 Deutide. Die In— 
duſtrie ijt im Aufblühen, der febr bedeutende Handel, 
ber fajt Die ganze Kolonie und die Nachbarſtaaten ver- 
jorgt, wird gefdrdert durch eine Handelsfammer, Ge- 
werbefammer, Börſe und 9 Banfen. Bon Bildungs- 
jtatten find gu nennen die Univerfitat mit Biblio 
und Mufeum, Sternwarte, 4 Colleges, Mufitatade- 
mie, 2 Mujterfdulen. Es erjdeinen 5 tägliche und 
21 andre Beitungen, darunter eine deutſche. Die 
Stadt ijt Sig des Gouverneurs, der Regierung und 
des Parlaments, des Obergeridts, eines fatholifden 


104 Adelaide — 


Erzbiſchofs, eines anglifanijden Biſchofs und eines 
deutſchen Konſuls. 

Adelaide, franz., eigentlich aber ital. Form des 
Namens Wdelheid. 

Adelaide-Inſel, antarktiſche Inſel, weſtl. von 
Grahamland, unter 67° 15* ſüdl. Br. und 68° 20° 
weitl L., 1832 von Biscoe entdectt. 

Adelantado (ipan.), ein ⸗Avancierter«, Obert, 
Statthalter; Ehrentitel. 

Adelbert, j. Udalbert; A., cin Babenberger, ſ. 
Urt. »Babenberg<e und »Babenberger Febhde«. 

Adelboden, Gemeinde im Engitligental, zum Be- 
zirk Frutigen des ſchweizer. Nantons Vern gehörig, 
1357 m i. M., wm N. des Wilditrubel, mit (1900) 1569 
Cinw., befudter Luftturort. tiber das Hahnenmoos 
(1954 m) führt ein Bergpfad nad An der Lenk tm 
Oberfintmental. 

Udelborft, holland. ——— für Seefähnrich. 

Adelegg, Bergzug im württemberg. Donaukreis, 
öoſtlich von Jsny, ein Ausläufer der Algäuer Alpen, 
im Schwarzen Grat 1118 m hod. 

Adeler (aud Udelacr), Curt von, ar 
dan. Seeheld, geb. 16. Dey. 1622 in Brevik (Nor- 
wegen), geft. 5. Nov. 1675, hieß uripriinglid C. Si— 
vertfen, trat 1637 als Secfadett in niederländiſche 
Dienite, fainupfte 1642—61 in der venezianiſchen Flotte 
mit Auszeichnung gegen die Tiirfen und ward 1663, 
nad feiner Rückkehr in die Heimat, zum däniſchen 
Generaladmiral und BVizeprajidenten des Admirals— 
rats ernannt. Bald darauf unter dem Namen W. in 
den Udelftand erhoben, ſchuf er in wenigen Jahren 
cine vorzügliche Flotte, erlaq aber als Oberbefehls 
haber der däniſchen Secmadt fury nad Ausbruch 
des Srieges mit Sweden einer anjtedenden Kranlk— 
Heit. Sein Leben beſchrieb Bruun (Nopenh. 1871). 

Adelfelchen (Adelfiſch), ſ. Renke. 

Adelheid (altdeutid) Adalheit, »ſtrahlend an 
Geidledt«), weiblicher Name. Merkwürdig find: 
1) Gemahlin Kaiſer Ottos I. (feit 951), Tochter König 
Rudolfs I. von Burgund, geb. um 931, geſt. 16. Dez. 
999 im Kloſter Selz im Elſaß, war zuerſt mit Lothar, 
dem Sohne König Hugos von Italien, vermählt, ſollte 
nad) deſſen Tode (950) den Sohn Berengars II. von 
Jvrea, Udalbert, Hetraten, nahm aber ju Otto J. thre 
Zuflucht. In der Reichsqeidichte Deutſchlands und | 


Ilaliens hat fie unter den Drei Ottonen, namentlicd | 


wihrend der Unmündigkeit Ottos IIT. (983—996), als 
Reichsregentin eine bedeutende Rolle gefpielt. Bal. 
Biefebredht, Geſchichte der deutſchen Kaiſerzeit, 
Wd. 1 u. 2. 

2) Udelatde Eugénie Louife von Orléans, 
Todter des Herjogs Ehilipp von Orléans, jiingere 
Schweſter des Königs Ludwig Philipp, qeb. 23. Aug. 
1777, geft. 80. Dey. 1847, ward nuit ihrem Bruder 
durd Frau v. Genlis erzogen, mubte 1792 aus Frank 
reich fliidhten und fand bis 1814 Zuflucht in Belgien, 
der Schweiz und Deutſchland. 1814 febhrte fie nad 
Frankreich zurück und madjte das Haus thres Bru 
ders, dads Palais Royal, zum Sammelpuntte der libe- 
ralen Partei. Nach der Julirevolution 1830 verfodt 
fie cifrig die Unnabhme der Krone durch Ludwig Philipp. 

Adelheidsdenare, Silbermünzen der fachfifden 
Kaiſerzeit, die auf dem Avers cin Kreuz nebjt Namen 
und Titel Kaiſer Ottos (III.), auf der Rückſeite ein | 
Kirchengebäude mit der Umſchrift »ATALHEID« 
(aud) in andern Formen des Namens) nae Sie 
wurden 991 -—995 gepriigt, als Adelheid (. A 
Bormiinderin ibres Enfels war. 

Adelheidequelle, |. Heilbrinm. 


Adelsbrief. 


Adelholzen, Wildbad in Oberbahern, ſüdlich von 
Traunſtein, 3 km von Bergen an der Staatsbahn- 
linie Miindjen-Saljburg, 640 m ii. M., hat drei erdig- 
alkaliſche falte Quellen, die bei chroniſchem Magen- 
fatarrh, Rheumatismus ꝛtc. Anwendung finden. Bgl. 
Sauer, Führer in und um A. (Münch. 1874). 

Adeli, Landidaft an der Sflaventiijte Weſtafrikas, 
in Der deutſchen Kolonie Togo (j. d.). 

Adélieland, antarftijdes Land, zwiſchen 66 und 
67° fiidl. Br., 1388 und 144° öſtl. &., ein Teil von 
Wilfesland (j.d.), 1000 —1200 m hod, wurde nit dent 
wejtl. Davon liegendDen Clarieland 1840 von Du- 
mont d' Urville entdedt. S. Rarte » Siidpolarforjdun- 

Adeljaweine, |. Algierſche Weine. [qen«. 

Adelnau (poin.Odalanow), Kreisjtadt im preuß. 
Regbez. Poſen, an der Bartſch, hat cine evangeliſche 
und cine fath. Rirde, Untsqeridt u. 1900) 2310 Einw. 

Adelphismus (v. gried). adelphos, Bruder), Ver⸗ 
briiderung; Adel phie, Verwadjung derStaubfaden. 

Adels (flowen. Bojtojina), Marftfleden in 
Strain, 548 m ii. M., auf dem Sarjtplateau und an 
der Siidbahn, Sig einer Bezirfshauptmannjdaft und 
eines Bezirksgerichts, mit einer Dampfſäge und cise 
1709, als Gemeinde (1900) 3636 meijt flowen. Ein— 
wohnern. Nordiwejtlid) davon der Schloßberg (676m) 
mit den Ruinen der Burg YW. und die beriihmte 
Wdelsberqer Grotte. Der vordere Teil derjelben 
war ſchon fett 1213 befannt, der größte Teil iſt aber 
erjt 1818 entdeckt. Der Eingang liegt 19 m tiber dem 
Fluſſe Boif, der ſich hier in die Grotte ſtürzt und nad 
einer Strede von 800 m unterirdiſch verſchwindet. 
Die Grotte ijt bisher auf 4172 m zugänglich gemacht; 
ihre Ridtung geht von SW. nad) RO. Der tiefite 
Punkt am Cintritt der Poik ijt 514 m, der höchſte 
(577 m it. M. Die Temperatur betraigt 9—11° Die 
Grotte fann auf einer 2561 m langen Rollbahn be- 
fabren werden und wird tim Sommer täglich eleftrifd 
beleudjtet. Der jtollenartige Gang erweitert fid) ju- 
nicdhjt sum Großen Dom mit qrotesfen Tropfitem- 
qebilden; ſeitwärts biervon befindet fich dic alte Grotte 
mit vielen Inſchriften. Die 1818 entdeckten Raume 
enthalten die Ferdinandsqrotte, den Tanjfaal, 
in Dem jahrlid) am Pfingſtmontag das Grottenfeit 
qefeiert wird, das Belvedere, den Kalvarien- 
berg, den grofartiqiten Teil, 58 m hod, mit den 
Triimmern von vielen Hundert zum Teil riefiger 
Siiulen, das Grab, einen Stalaqmit von 16 m Um— 
fang, u. a. Andre Grotten in der Nähe von A. find: 
die Magqdalenengrotte, berithmt als der erfte 
Fundort des Grottenolms (Proteus anguineus), die 
Poikhöhle, durch welche die Poik ihren unterirdifden 
auf nordiwiirts fortfest, die Grotten von Otok und 
Klanina, die Höhlen von Luegg (f.d.). Bal. 
SH midl, ZurHdhlenfunde des Karites (Wien 1854), 
und deffen » Weqweifer« (2. Aufl. daf. 1858); Kraus, 
Höhlenkunde (daf. 1894). 

Adelsbrief (Wdelsdiplom), die Urfunde, die 
einem Neugeadelten sum Beweiſe der Adelsverleihung 
erteilt wird. Dieſe Diplome werden in Fraftur auf 
Pergament gefdrieben, von dem LandeSherrn, der 
jie erteilt, eigenhändig unterzeichnet, und es wird 
ihnen in alter Weiſe das in einer Metallkapſel ver- 
wahrte Siegel angehingt. Dag in ben verfdiedenen 
landeSfiiritlichen Kanzleien Deutidlands fowie Ojter- 
reids gebräuchliche Formular der Adelsbriefe iſt im 
weſentlichen dasſelbe, das vor vier Jahrhunderten 





elheid 1) unter den Kaiſern Siegmund und Friedrich TT. in 


Gebrauch war. Der ſo erworbene Adel heißt Brief— 
adel (jf. Wel, S. 101). 


Adelsheim — Ademtion. 


Adelsheim, Amtsſtadt im bad. Kreiſe Mosbach, 
an der Seckach, 278 m ii. M., Knotenpuntt der Eiſen⸗ 
bahnlinien Heidelberg-Wiirgburq und Jagſtfeld- 
Ojterburfen, hat eine evangelifde und eine fath. 
Rirde, 3 Schlöſſer, UmtSgeridt, Bledwarenfabri- 
fation und (1900) 1428 Einw. 

Mdelsfrone, in der Heraldif cin mit Perlen und 

Edelſteinen bejegter Goldreif mut adt perlentragen- 
den Spigen, von denen fiinf 
ſichtbar jind (f. Abbildung). 
Die eigentliche A. ijt die alte 
Königskrone, bet der auf dem 
Reif swifden vier Blattern, 
pon denen drei fidjtbar find, 
Berlen jtehen. Die Berlei- 
hung der A. auf dem Helm in Udelsdiplomen bildete 
ſich als Vorrecht des Udels in der zweiten Halfte des 
16. Jahrh. aus. 
_ Adselsmatrifel, in Bayern, Wiirttemberq und 
Oſterreich amtliche, von befondern Behsrden geführte 
Regijter, in die ſich alle adligen Geſchlechter des Landes 
eintragen laſſen müſſen. Nur die timmatrifulierten 
Geſchlechter werden amtlid) als adlig anerfannt. Jn 
Bayern ijt die A. durch Edift vom 28. Yuli 1808 
eingefithrt, und zwar nur eine Perfonal matrifel. 
Die württembergiſche U. ijt angeordnet durd 
Defret vom 15. Yan. 1818. Sie zerfallt in eine Per— 
fonal- und Realmatrifel. In erjterer werden die per- 
ſönlichen Verhältniſſe, in ber Realmatrifel Rittergiiter 
und folde Beſitzungen eingetragen, auf denen ehe— 
mals eine Reichs - oder Kreistagsſtimme rubte. 

Adelspradifat. Dic Pripofition »von« vor dem 





— — — 
> =) Me 

— —— as 
Adelskrone. 


Familiennamen bezeichnet urſprünglich lediglich den 


Wohnſitz, die Herrſchaft oder die Gerichtsbarkeit, wie 
Herzog von Sachſen, Graf von Stolberg. Bei den 
Bewohnern der mehr bevölkerten Städie hatte der 
Wohnort nidts perſönlich Kennzeichnendes, aufer bei 
Familien, die, aus andern Städten iibergefiedelt, ſich 
nad ihrem alten Wohnort fdrieben. Perſonen, die 
ben rittermäßigen Wdel erwarben, ſchrieben ſich nur 
dann von cinem wirklich vorhandenen Orte, wenn fie 
mit ifm belehnt wurden, was nad 1400 nur nod 
felten vorfam. Geit dem 16. Jahrh. wurde den Neu: 
geadelten, wenn fie dic entſprechende Tare bezahlten, 
ein fingierter Ort8name als Pradifat verliehen. Erſt 
um 1630 wurde es üblich, Den Neugeadelten einfach 
em »von« vor den Fantiliennamen ju ſetzen, was in 
ber Folge aud) ältere adlige Familien taten, die ſich 
nidt von einem Orte fdhrieben. Wo dies unterblieb, 








entftand mit der Beit der Arrtum, dah die betreffende | 


Familie den Udel abgelegt hatte. Einige Ausnahmen 
bejtehen nod) heute, fo die Rnigge 
das A. nicht angenommen haben. 
namen find in Ojterreich ſtark im Schwange geblieben. 
Wn den Uferbezirken der Nordſee gibt es aud) zahl— 
reiche bitrqerlidje Familien, die ihrem Namen die Prä— 
pojition »von«, in Holland »van«, vorfesen, ohne als 
adlig gelten ju wollen; aud) das »de« ijt in Holland 
nidt Das YL, jondern der Urtifel (3. B. de Dobbeler, 
» der Spieler). Vielmehr ijt dort das UW. » Jonkheer«. 
Die unbefugte Unnahme eines Adelsprädikats sieht 
nach Dem deutſchen Strafgeſetzbuch ($360, Nr. 8) Geld⸗ 
ftrafe bis su 150 We. oder Haft bis zus Woden nad ſich. 
Adelsprobe, urfundlicder Racheoeis der adligen 
Abjtammung ; f. aud) Ahnen (Whnenprobe). 
UAdelsvorfdub (Erzfall, Bonanja), ershal- 
tige Teile, die auf gewiſſen Erzlagerſtätten ſtrichweiſe 
vorfommmen und ringsum von ergleeren, fogen. tauben 
Streifen beqrengt werden. Val. Erzſäule. 


und Pflugk, die | 
ie fingierten Orts- | 


— 





105 


Adelung, 1) Johann Chrijtoph, deutider 
Grammatiker und Lerifograph, geb. 8. Aug. 1732 in 
Spantefow bei Unflam, geſt. 10. Sept. 1806 in Dres- 
den, ſtudierte Theologie in Halle, war 1759—61 
Profejfor am evangelt{den Gymnaſium zu Erfurt, 
gab aber fein Amt auf und widmete fic) in Leipzig 
literariſchen Arbeiten. 1787 wurde er als Hofrat und 
Oberbibliothefar nad Dresden berufen. Wdelungs 
grammatiſche Regeln, die namentlich in der Lehre 
vom Sag recht verdienſtlich find, haben lange eit die 
deutſchen Schulen beherridt. Seine hauptſächlichſten 
Were in diefer Hinjicht find: > Grammatifd-tritifdhes 
Worterbud der hochdeutſchen Mundart« (Leipz. 1774 
bis 1786, 5 Bde.; 2. Aufl. 1793— 1802, 4 Bode.); 
»Deutſche Spradlehre fiir Sdulen« (Berl. 1781); 
»Umſtändliches Lehrgebäude der deutſchen Spradje< 
(Leipz. 1782, 2 Bde.); ⸗Uber den deutſchen Stil« 
(Berl. 1785 —86, 3 Bde.; 4. Aufl. 1800, 2 Bde.); 
»Anweiſung sur Orthographie« (Leip. 1788, 5. Aufl. 
1835) und die Zeitidrift »Magazin für die deutſche 
Sprache« (daf. 1782—84, 2Bde.). Auf alle Spraden 
ber Erde follte fic) fein Werf »PMeithridates, oder all- 
gemeine Spradjenfunde« (Berl. 1806, Bd. 1) erjtrecen, 
das von Yoh. Sev. Vater fortgefest und vollendet 
wurde. Eine Frucht feiner Studien zur ſächſiſchen 
Wefchidjte war das »Directorium diplomaticum< 
(Meigen 1802), wahrend er das Studium des Mittel- 
lateinifden durch ſeinen vielfad) bereicherten Auszug 
aus Ducange »Glossarium manuale ad scriptores 
mediae et infimae latinitatis« (Halle 1772 —84, 
6 Bde.), die Gelehrtengeſchichte Durd feine Fortiepung 
ju Jöchers »Gelehrtenterifon« firderte. 

2) Friedrid von, Sprad: und Geſchichtsforſcher, 
Neffe des vorigen, geb. 25. Febr. 1768 in Stettin, 
geſt. 30. Yan. 1843, jtudierte in Leipzig Rechtstunde 
und Philofophie, lebte fpater in Riga, Dann in Peters⸗ 
burg, wurde hier 1801 Direftor des deutſchen Thea- 
ters, 1803 Lehrer der Groffiiriten Nifolaus und 
Michael, 1824 Direftor des Orientalifiden Ynitituts. 
Aus feinen Studien iiber die auslindifden Quellen 
fiir die Geſchichte Rußlands gingen die Werke her- 
vor: »Siegmund Freiherr von Herberitein« (Petersb. 
1818), »Auguſtin Freiherr von Meyerberg und feine 
Reife nach Rußland« (daf. 1827) und ⸗Kritiſch-literä⸗ 
riſche Uberjicht Der Reifenden in Rußland bis 1700« 
(daſ. 1846, 2Bde.). Unter feinen linguiſtiſchen Schrif- 
ten find hervorjuheben: »Überſicht aller befannten 
Spraden und threr Dialefte<« (Petersb. 1820) und 
„»Verſuch einer Literatur der Sanstritiprade« (daſ. 
1830; 2. Aufl. u.d.Z. » Bibliotheca sanscrita«, 1837). 

Adeémar pr. ade), 1) Geſchichtſchreiber des 11. 
Jahrh., qeb. zu Chabannais in Ungouléme, im Klo— 
iter St.Wartial su Limoges qebildet, ſpäter Prieſter 
in Angoulẽme, ſchrieb eine Geſchichte der Franfen 
bis 1028 (hrsg. in den »Monumenta Germaniae 
historica«, IV). A. jtarb, wahrſcheinlich auf einer 
Wallfahrt nad dem Heiliqen Lande, 1029 oder 1030. 

2) U. von Monteil, Biſchof von Ruy (Siidfrant- 
reich), ein kluger und ritterlider Prälat, nahm, nad. 
dem er ſchon einmal das Heilige Land befucht hatte, 
1095 auf der Kirchenverſammlung zu Clermont als 
der erjte Das Kreuz aus der Hand Papſt Urbans I. 
und ward von ihm zu ſeinem Legaten während des 
Kreuzzuges ernannt. Er nahm an diefem im Heere 
Raimunds von Touloufe teil und ſtarb nad der Cin- 
nahme von YUntiodia 1. Aug. 1098, 

Aedemone, ſ. Aeschynomene. 

Ademtion (lat.), Weqnahme, Entziehung einer 
Sade; Ademtio civitatis, Entziehung des Bürger— 


106 Aden — 


Adenium. 


recht, Ausſtoßung aus dem Staatsverbande, biirger- | Hunter, Account of the British settlement of A. 


lider Tod; A. libertatis, Beraubung der Freibeit; 
wegen A. (Widerruf) des Legats ſ. Vermächtnis. 

n, 54 qkin große, ſeit 1839 den Engländern 
gehörende Halbinſel an der Südſpitze Arabiens, unter 
12° 46 nördl. Br. und 45° 5’ öſtl. L., hängt mit dem 
Feltlande durd einen 1233 m breiten Fladlandjtreifen 
—— (f. Blan). Sie beſteht aus einem ſteilran⸗ 

‘gen erlojdenen Bulfan, der im Dſchebel Scham- 
ſchan zu 531 m aufiteigt. Wm Ojtabhang liegt, von 
ye ——— Felsmaſſen umgeben, die Stadt 

., 87 mil. M. gegenitber der befeftigten Inſel Sirah. 
Die Hafenftadt (>Steamer-point<) ltegt nordweſtlich 
davon an der von Bergen umſchloſſenen Bai Tuwaji. 
A. war ſchon im Ultertum (als Adana) und nament- 
lich im Mittelalter ein widhtiger volfreider Handels⸗ 
plag, geriet aber ſpäter in Verfall; 1838 war die Ein— 
wobnerjahl auf 600 —— Die Engländer er- 
jtiirmten die Halbinfel 9. Jan. 1839, befejtigten fie 





— — —— ead 








ma = 
— — 


Lageplan von Aden 


ftarf und madten fie zu einem äußerſt wichtigen Stiip- 
puntt fiir den indiſch⸗ oſtaſiatiſchen Seeverfebr. Auch 
Die Ausfuhr von Kaffee, Harz, Federn, ‘Perlen, Hau- 
ten und Fellen ijt bedeutend und betrug 1889/90: 52,2, 
1897/98: 44,3 Will. WME, die Einfuhr 42,8, bey. 54 
Mil. We A. mit Scheid Othman und Perim hatte 
1891: 44,079 Cimw., Darunter 23,998 Araber, 8631 
Inder, 7364 Somal, 2271 Curopéer, meijt Eng 
lander. Seit Eröffnung des Suesfanals hat fic) dre 
Bedeutung der Stadt, die den Emgang jum Roten 
Weere 
Flottenſtation tit, von der aus der Eingang ju jenem 
Meere blodiert werden fann, ungemein gehoben. Der 
vollfonumenen Ausnutzung der Lage jteht zur Zeit 


nur nod) die Schiwierigfeit der Süßwaſſerbeſchaffung 


—— Quellen fehlen gänzlich, und das Trink— 
waſſer muß teilweiſe durch Dejtillation von Seewaſſer 


beſchafft werden, wenn die durch die Römer in die 


zog Heinrich 


ar nicht beherrſcht, aber eine höchſt wichtige 


Cond. 1878). 
Abdenalgie (griech.), Drüſenſchmerz. 
Adenanthera L., —— Leguminoſen, 
wehrloſe Baume mit doppeltgefiederten Blattern, wei⸗ 
ßen oder gelben Blüten in adbfetitandigen oder an Den 
Bweigenden rifpigen, ahrenformigen Xrauben und 
linealiſchen Hülſen. Bon den dret Urten wächſt A. 
pavonina ZL. im tropifden Aſien und Afrika, wird 
in Umerifa angebaut. Hol; ijt als Rorallen- 
hol; im Handel, die glingend roten Gamen (Moral - 
lenerbfen, Condor) werden als Zierat getragen, 
aud) gegefjen. 
Adenan, Fleden und Kreisort im preuß. Regbez. 
Koblenz, in der Eifel, an der Staatsbahnlinie Rema- 
—— oa eine evangelijde und cine fath. Kirche, 
dwirtſchaftliche Winterſchule, Amtsgericht. 2 Ober- 
förſtereien, Tuchfabriken und (1900) 1684 Einw. Qn 


Adenet (jpr. na, »derfleine Udam-«), altfrany. Did- 
ter De3 13. Jahrh., mit dem Beinamen le Roi, was 
man als Sapellmeijter (roi des ménestrels) deutet. 
€r war —— Brabant und wurde vom Her- 

und defjen Sohn Jean befdiigt, 
machte den letzten Kreuzzug im Gefolge des Gra 
Gui de Dampierre mit und lebte dann in Paris am 
Hofe der Rinigin Maria, der Todter feines erjten 
Beſchützers. 1297 finden wir ihn wieder am Hofe ded 
Grafen von Flandern. Wir haben von ihm vier grö— 
here Dichtungen; dret davon find Neubearbeitungen 
alter Vollsepen, nämlich »Ogier«, » Berte« (neubeard. 
von R. Bérié, Bar. 1900), »Buevon de Commar- 
chis« ; Die vierte, cin YWbenteuerroman, »Cleomades«. 
A. ijt ein fehr glatter nnd formgewandter Didter. 
Seine Werke find herausgegeben von Scheler (Brüſſ. 
1874, 3 Bde.), mit Ausnahme des »Cleomades<, den 
van Hafjelt herausgab (daj. 1865, 2 Bde.). Bal. Bovy, 
A. le Roi et son cuvre (»Annales de la Société 
d’archéologie de Bruxelles« , 8d. 10 —12, 1898). 

Wdenie (griech.), Krankheitszuſtand, mit Schwel⸗ 
lung der Lymphdrüſen, und zwar bald der einen, bald 
der andern, bald vicler Gruppen gleichzeitig. Bal. 
Pfeudoleufamie, Lymphom. 

Adenin (Uminopurin) C,H,N, findet fid im 
tieriſchen Sellfern als Spaltungsproduft der Nuflein- 
ſäure, wird aus Banfreas, auc aus Teeblattern dar- 
— farbloſe Blättchen mit 3 Molekülen Waſſer, 

chmilzt bet 3603650 unter Zerſetzung, löſt ſich in 
Waſſer, verhält ſich wie eine Baſe (Nukleinbaſe) und 
gibt mit ſalpetriger Säure Hypoxanthin C. H. N O. 

Adenitis (griech.), Drüſenentzündung. 

Adenium . et Schult., Gattung der Apo⸗ 
cynazeen, unbewebrte Fettgewächſe, mit häufig un- 
formlich didem Stamm, etwas fleiſchigen Blattern, 
anſehnlichen Bliiten in didten Dichajien und ſpreizen⸗ 
den oder juriidgebrodenen zylindriſchen Teilfrüchten. 
Fünf Arten im tropiſchen Afrika und Arabien. A. 
obesum Roem, et Schult., mit unförmig verdidtem 
Stamm, nadten, mit ciner Blattrofette endenden 
| eae und oleanderähnlichen Bliiten, wird bis 3m 

hod) bet emem Durchmeſſer von 1 m, findet fic an 


| der Nähe die Hohe Acht (ſ. d.) und die Niirburg. 





elfen gebauenen, von den Engliindern wiederber- der Ojttiijte Ufrifas, im Somalland, am Weißen Ril, 
geſtellten Sijternen verjagen. Die Halbinfel mit dem | auch tm tropijden Arabien. Hier bededt das A. die 
ndrdlid) davon auf dem Fejtlande geleqenen Schutz- Felswände mit einem Rofenflor. Am Ugallafluſſe 

ebiet (etwa 21,000 qkm mit 184,000 Einw.) ijt der | dient der Gaft der Pflanze zum BVergiften der Wan— 

rajidentidaft Bombay unterjtellt. Kabel verbinden qimaifijde. A. Boehmianum Schinz., ein 2 m ober 
U. mit Bombay (1650 Seemeilen entfernt, Reiſe fiir | Straud mit een. verfebrt-cifirmigen Blattern und 
den Danwpfer 5—7 Tage), Suez, Sanfibar und Port pfirſichroten Blüten, wächſt in Siidwejtafrifa. Den 
Natal. A. ijt Sig eines deutſchen Konſuls. Bgl. | Milchſaft benugen die Cingebornen zur Bereitung 


Adenoid — Aderlaß. 


von Pfeilgift (Ed ujagift), welded ein heftiges Her3- 
gift, das Glyfofid Edujin, enthält. 

Adenoid (qriech.), drüſenähnlich, ſ. Adenoma. 

Wdenvidve Vegetationen des Najen-Raden- 
raumes, Wudherungen der lymphatiſchen Wpparate 
der bintern und obern Rachenwand, kommen befonders 
bei Rindern vor und bilden fich bet Erwadfenen meijt 
zurück. Erreichen die adenoiden Vegetationen cine 
gewijje Gripe, fo verlegen fie die hintern Naſen— 
Dffnungen, dadurch wird die Nafenatmung erfdwert, 
Die Kinder find geswungen, durch den Mund zu atmen, 
fie fdmarden deSwegen in der Nacht und Halten den 
Mund gedjfnet. Da die normale Filtration der Luft 
durch die Rafe wegfallt, fo erfranfen foldhe Kinder 
leicht an ———— und da die erſchwerte 
Atmung ihre Uufmerffamfeit in Anſpruch nimmt, 
ſind ſie oft in der Schule unaufmerkſam, denkfaul, be— 
ſonders wenn die adenoiden Vegetationen die Euſta— 
chiſchen Röhren verlegen und ſo auch Schwerhörigkeit 
zur Folge haben (Aprosexia nasalis). Man kann 
manche Erkrankungen, das nächtliche Aufſchrecken, das 
Bettnäſſen in einzelnen Fällen, auf a. V. zurückführen, 
bez. nach deren Beſeitigung ſchwinden ſehen. Die Be— 
handlung ijt eine operative, die kleine Operation ijt 
meijt ohne Gefahr. Val. Halbeis, Die adenoiden Ve- 
getationen des Nafen-Radhenraumes (Münch. 1892). 

Adendma (Wdenoid, griedh., Dritfen- 

eſchwulſt), eine Geſchwulſt, die aus übermäßigem 
chstum von Drüſen hervorgeht, kommt in den ver- 
ſchiedenſten Drüſen und auf Schleimhäuten (3. B. als 
Naſen-, Magen-, Maſtdarmpolyp) vor und iſt meiſt 
gutartig. Aus dem A. kann ſich Krebs entwickeln. 

Adenophora Fisch, (Drüſenträger), Gat— 
tung der Kampanulazeen, Stauden mit abwechſelnd 
oder wirtelſtändigen einfachen Blättern und niden- 
den blauen Blüten in lodern Trauben oder Rifpen. 
Etwa 10 Arten in Mittel- und Ojteuropa und im ge- 
mapigten Teil von Aſien. A. liliifolia Ledeb., 1 m 
hod), wird, wie auch einige ſibiriſche Arten, als Garten- 
zierpflanze fultiviert. 

AdenofFlerofe (qried.), die gleichmaßige Infil⸗ 
tration der Lymiphdriijen bet konſtitutioneller Syphilis. 

Adephagie (qried.), Frepiucht. 

Adeps (lat.), Fett, Schmalz; A. lanae, Wollfett; 
A. benzoatus, Benzoeſchmalz; A. suillus, Schweine⸗ 
ſchmalz. 

Adepten (lat.), bet den Alchimiſten die Meiſter, 
diejenigen, die Den Stein der Weiſen gefunden hatten; 
bie weniger Vorgeſchrittenen hießen Wichimijten, die 
Sdhiiler Bhitofopher. 

der, in Der Unatomie foviel wie Gefäß (f. d.), 
bejonders Blutgefäß (Wrterie und Bene). In der 
Geologie Mineraljefretion in fehr diinnen Spalten. 
Über Blattadern ſ. Blatt. Yn der Elektrotechnik cin 
mit einer Schicht ifolierender Maſſe überzogener Kup⸗ 
ferdraht eines Rabels. 

Aderbeidſchän, ſ. Wierbeidfdan. 

Aderbein, |. Krampfadern. 

Aderfigur, ſ. Geſicht. 

MUAderfiftel (UderlaRfijtel, Wderfropf) entiteht 





107 


Aderhaut, ſ. —— 

Aderhautentzündung (Chorioiditis), eine 
Augenkrankheit, die in zwei Hauptformen: der cite- 
rigen A. (Chorioiditis suppurativa) und der nicht 
eiterigen U.(Ch.exsudativa), auftritt. Bei lesterer 
findet man im Wugenhintergrunde belle und dunfle 
Flecke. Die Kranken Flagen zuerſt über Flimmern 
vor den ay und ſehen die Gegenſtände verbogen, 
jpater fann die Sehſchärfe beträchtliche Einbuße erlei- 
den. Die Urſache tft meiſt in einer Wilgemeinerfran- 
fung ju fudjen (am häufigſten Syphilts, dod) aud 
Tuberfuloje, Rheumatismus u. a.). Die Behandlung 
Hat fic) vor allem gegen das Ullgemeinleiden zu rich⸗ 
ten. Die citerige A. verläuft viel ſtürmiſcher unter 
Flockenbildung im Glasfirper metjt mit fdnellem 
libergreifen des citerigen Prozeſſes auf den Ciliarfir- 
per (Tyelitis, f. d.) und auf die Iris (Qritis, f.d.). 
Es fann zur vollfommenen BVereiterung des Auges 
fommen GPanophthalmitis), im weniger bert 
gen Fallen tritt Schwund des Auges ein (Augen— 
phthiſe, ſ. Uugenvereiterung). Die Behandlung 
fann nur eine Linderung der Beſchwerden der Rran- 


‘fen erreiden, oft muß das erfranfte Auge entfernt 
werden. tiber UW. bet hochgradiger Kurzſichtigkeit f. 
Kurzſichtigkeit. 


rholz, im Gegenſatze zu Hirnholz (ſ. d.) ge- 
ſchnittenes Holz, deſſen Schnittfläche dem Laufe der 
Faſern parallel liegt. 

Aderknoten, j. Krampfadern. 

Wderfrebs, ſ. Blutſchwamm. 

Aderkropf, ſ. Aderfiſtel. 

Aderlaf; (Phlebotomie, Venaesectio), die 
kunſtgemäße Eröffnung einer Vene, meiſt der Vena 
mediana in der Armbeuge, um ſchnell dem Körper 
cine größere Quantität Blut gu entziehen. Man läßt 
den Batienten ſich leqen oder ſetzen, umſchnürt den 
entbliften Oberarm mit einer Binde, bis die Benen 
jtart anfdwellen, und öffnet dann die Bene durch 
einen fleinen Schnitt mit der Lanzette. Um das Aus— 
fließen des Blutes gu befordern, läßt man den Kran- 
fen einen Stock abwechſelnd fejt erfaffen, drehen, die 
Finger fdlicken und öffnen, Damit durd) die ſich zu— 
famunenziehenden Muskeln das Blut mehr in die ober- 
flächlichen Hautvenen getrieben werde. Sind 100— 
150 com Blut abgelafjen, fo löſt man die Binde, ver- 
ſchiebt die Haut etwas, reinigt den Arm und befejtigt 
eine aſeptiſche Rompreffe mit einigen Bindentouren. 
Der Arm muss dann etwa 24 Stunden rubig gehalten 
werden, und der Verband wird erjt nach dret Tagen 
entfernt. Der A. ftand ſchon bei den alten indifden 
Vrzten in ausgedehntem Gebrauch, und Hippofrates, 
Celfus, Galen iibten ibn, in Bibel und Talmud ijt 
er erwähnt, bis vor 50 Jahren wurde fajt jeder Menſch 
mehrmals tm Jahre zur Ader gelaffen. Für die Het- 
lung afuter Entziindungen, befonders des Gehirns, 
jowte fiir lebensgefährliche Blutitanungen (bei Lun— 
genentzündung, Herzfehler) blieb der A. aud) bis in 
die neuere Beit cine febr beliebte UWbleitung. Der Ge- 
braud) des Uderlafjes ijt aber gegen friiher einge— 
ſchränkt worden, injofern man nur Kranke, aber nidt 


bet Bferden und Rindern nad dem Aderlaß (jf. d.) mehr Gefunde zur Uder lift. Val. Bauer, Ge- 
meijt infolge von BVerunreiniqung der Aderlaßwunde. ſchichte der Wderlajje (Mind). 1871); Gumpredt, 
Durch Entziindung der Gefäßwand bildet fid) cin | Tedynif der ſpeziellen Therapie (2. Aufl. Jena 1900). 


Blutpfropf, die Bene ſchwillt nad) dem Kopfe hin zu 


Uderlak bei Haustieren. Bei Pferden und 


einem diden, harten Strang an, und es entſteht eine | Rindvieh läßt fic) am bejten die große Halsvene (Droſ⸗ 
Citerfijtel. Tierärztliche, bisweilen operative Behand- | felvene) öffnen. Umi ihre Lage ſichtbar zu maden, 


lung ijt erforderlich. 
Aderflügler, |. Hautflitgler. 
Adergeflerht , |. Gejledt. 


ſchert man am untern Ende des obern Halsdrittels 
oberfalb der Luftröhre die Haare (nicht unbedingt 
ndtig) und bringt die Ader dadurch gum Anſchwellen, 


108 


Aderlaßfiſtel — Adiabatiſche Expanſion. 


dajy man um den Hals cine Schnur feſt anzieht, oder | die Glasplatte nicht, ſondern bildet auf ihr abgerun- 
daly man die Finger geqen die Bene andriidt. Bei | dete Tropfen wie Waſſer auf einer fettiqen Oberfläche. 
Rindern wird bisweilen nod an den Mildhadern (die | Ym erjtern Fall tit die W. des Waſſers zum Glas größer 


vont Euter am Bauche nad) vorn siehenden Benen) 
gur Ader gelajjen, bei Schafen aud) unter dem Auge, 
am Schwanz, an der Rinnlade. Bei Schweinen wird 
cin Stück vom Schwanz weggenommen oder man 
ſchneidet quer über den Rücken der Ohrmuſchel cin; 
beim Hund wird die Halsader benugt. Den Pferden 
läßt man höchſtens 3—4, gewöhnlich nur 1,5—2,5 kg 
Blut ab; dem Rindvieh bei einem ftarfen W. 2,5 ke 
(gewöhnlich nur halb ſoviel und lieber wiederholt); 
einen Haustieren 70-—250 g. Das Nadhbluten 
wird dadurch verbindert, daß man eine Stecnadel 
durch beide Wundriinder ſticht und um diefelbe einen 
Faden oder Schweifhaare widelt. Der A. wird aud 
bei Tieren jetzt feltener angewendet als früher. 
Aderlaß an Bäumen nennt man das Aufritzen 
der harten Hinde von der Krone bis zur Wurzel, um 
Dem durch fie cingeengten Stamm etn gedeihlideres 
Wachstum zu verfdjaffen. Man wendet es bei dünn 
und fpindelig gebliebenen Stämmen an, die am obern 
Teil eine Menge Holztriebe entwideln, auch bei fol- 
den, die im Verhältnis zu ihrem Alter zu wenig 
Fruchtholz maden. Wirkſam ijt weniger die geringe 
Saftentziehung als vielmehr der durd) den Schnitt 
erzeugte drtliche Reiz, der eine reichlichere Stoffzufuhr 
an den betrejfenden Stammſtellen zur Folge hat. 
Aderlaffiftel, ſ. Aderfiſtel. 
Adernkratzer (Nutenreifer), Tiſchlerwerkzeug 
zur Herſtellung der nutartigen Furchen, in die bei 
eingelegter Arbeit die Holzadern eingeleimt werden. 


Auch benutzt man dazu einen dem ſtellbaren Nut- | 


hobel nadgebauten Udernhobel oder cine der Qua⸗ 
drierſäge aͤhnliche Adernſäge. 





Mderno, Stadt in der ital. Provinz Catania (Si⸗ 


gitien), amt fiidwejtliden Fuge des Atna und an der 
Sifenbabn Catania -Ripojto, hat cin normannifdes 
RKajtell, Rejte antifer Bauten (vom alten Wdranon), 
ein Theater und (901) 25,859 Einw. 

Aderpil;, ſ. Merulius. 

Aderpreſſe, ſ. Tourniquet. 

Adersbach (Ober- und Nieder-W.), Dorf in 
VBohmen, Besirtsh. Braunau, an der Quelle der Met- 
tau, nabe der preußiſch-ſchleſiſchen Grenze, bat ein 
Schloß mit Bark, Flachsſpinnerei und (1890) 906, bez. 
754 deutſche Einwohner. Dabei die merfwiirdige 
Sandjteingruppe der Adersbacher Felfen oder 
Steine (4 km lang und bis 2 km breit), die durd 
die Einwirkung des Wajfers durchfurcht und in zahl— 
lofe, bis 65 m hohe, ſäulenartige Quadern jerfliiftet 
worden ijt, Die nach ihren zum Teil auffallenden For 
men mit allerlet Namen belegt wurden. Als Fort 
ſetzung ſchließen fich ſüdöſtlich von A. die Felfen von 
Wekelsdorf(ſ. d.) an. 10 km fiidlich von A. liegt 
Der »veritcinerte Wald« von Radowenz (durd Rie 
ſelſäure verſteinerte Stämme von Uraularien). 

Aderſchwamm, ſ. Merulins. 

Adet (arab.), das Gewohnheitsrecht der Moham— 
medaner (jf. Scheriat). 

Adhärenz (lat.), Anhänglichteit, Anhang. 

Adhärieren (lat.), anhangen, anhaften; über a. 
im juriſtiſchen Sinne ſ. Adhäſion. 

Adhäſion (lat. Anhangkraft, Flächenanzie— 
hung), die Kraft, die Das Aneinanderhaften zweier 
mitemander in Berithrung gebrachter Körper bewirkt, 
im Gegenſatze zur Kohäſion oder dem innern Zu— 
ſammenhang der Körper. Waſſer zerfließt auf einer 
reinen Glasplatte und benetzt fie; Quediilber benetzt 


als die Kohäſion der Waſſerteilchen unter ſich, wäh— 
rend im zweiten Fall die Kohäſion des Quechſilbers 
feine UW. gum Glas oder die Kohäſion des Waſſers 
feine A. gum Fett tibertrijft. Feite Rorper haften bei 
inniger Berührung aneinander, befonders dann, wenn 
der cine Körper anfangs fliifjiq war und durch Ber- 
dunſten oder Erjtarren fejt geworden ijt. Hierauf 
beruht das Sdreiben und Malen, dad Leimen, Kitten 
und Löten. Chen gefdliffene Glas- oder Metallplat- 
ten haften aneinander nidt blo} dDurd A., fondern 
vorzugsweiſe Durd) den Luftdrud (fdeinbare A.). 
Val. Kapillarität. — Jn der pad hah he nennt 
man A. die Verldtung oder Verwadjung der Weid- 
teile untereinander durch cin auf Dem Wege der Ent- 
jlindung (adhäſive Entzündung) neugebildetes 
gefdbbattiges Bindegewebe. — Jin Rechtsweſen ijt 
. die dltere Bezeichnung für Anſchließung (f.d.), Ad— 
häſionsprozeß diejenige fiir das UnidlieRungs- 
verfahren. Wuf dem Gebiete des Völlerrechts wird A. 
Der Beitritt eines dritten Staates zu einem Staats- 
vertrag genannt (jf. Atzeſſionsvertrag). 
Adhafionsbahuen (NR cibungs bahnen),Cijen- 
bahnen mit gewdhnliden Schienen; f. Cijenbahn- 
fyjtemt. Fahrzeuge. 
Adhäſionsgewicht, ſ. Bewegungswiderſtand der 
Ad hastam (lat.), zu öffentlicher Verſteigerung 
(Subhaſtation), ſ. Hasta. 
hemar, Alphonſe Joſeph, Mathematiker, 
geboren im Februar 1797 in Paris, geſt. daſelbſt 1862 
als Privatlehrer der Mathematik, ſchrieb mehrere Ele- 
mentarbücher ſowie unter dem Titel⸗Cours de mathé- 


/ matiquesal'usage de l'ingénieur civil« (Bar. 1832— 


1856, 14 Bde.) eine Anzahl von Handbüchern über 


verſchiedene Teile Der remen und angewandten Ma— 


thematif. Sn feinem Werf »Révolutions de la mer« 


(Bar. 1842; 3. Aufl., daf. 1874) behauptete er, die 





Eiszeiten wiederholten ſich periodifd) und wanderten 


von der einen Erdhälfte zur andern. 

Adherbal, Konig von Numidien, Sohn des Mi- 
cipfa, Enfel des Majinijja, wurde nad der Ermor- 
dung feines Vruders Hiempfal durch feinen Better 
Jugurtha ju einer Teilung des Reidhes gezwungen, 
in Der er Den ärmern öſtlichen Teil des Landes erhielt 
(115 v. Chr.), dennoch aber von Jugurtha befriegt, 


in Cirta eingeſchloſſen und, naddem die Romer ver- 


qeblid) Vermittelung verſucht batten, zur Ubergabe 


genötigt und ermordet (112 v. Chr.). 


Ad hoe (lat., »fiir dieſes⸗), Bezeichnung fiir eine 
ju einem ganz beſtimmten Swed bejonders getroffene 
Einrichtung. So wird cine Volksvertretung a. h. ein 
berufen oder cin Beamter a. h. bejtellt, wenn es fich nur 
um Erlediqung cines einzelnen Gegenjtandes handelt. 

Ad hominem demonftricren, ctwas nach der 
Anſchauungsweiſe und Faſſungskraft emes andern, 
insbeſ. etwas recht handgreiflich beweijen od. erflaren. 

Ad hond6rem (lat.), ehrenhalber, ju Ebren. 

Adhue (lat.), bis jest, noch; a. sub judice lis est, 
die Streitfacde tit nod) unentidieden, ſchwebt nod. 

Adiabate (qricd.), ſ. Dructurven. 

Adiabatiſch (v. griech. a, nicht, und diabasis, 
Wechſel) heißt cin Borgang, der ohne Wbgabe oder 
Aufnahme von Warme verläuft. 

Adiabatiſche Expanſion, Ausdehnung einer 
Luftmaſſe, ohne daß Wärme zugeführt oder entzogen 
wird, kommt in Frage bei der Wolkenbildung in auf- 
jteigenden Luftſtrömen. Fällt bei der adiabatifden 


Adiabene 


Expanſion aus der Luftmaffe dad in ihr dampfförmig 
enthaltene Waffer als Regen oder Schnee heraus, fo 
nennt man die weitere Zujtandsinderung pſeudo— 
a diabatiſch und bei —— Darſtellung des 
Vorganges die ſich ergebende Kurve Pfeudoadia- 
bate. Bal. W. v. Bezold, Zur Thermodynamif der 
Atmoſphaäre (Sigungsberidjte der Berliner Ufademic 
Der Wijjenfdaften, 1888). 

Wdiabene (fpr. Chadiab), Landſchaft im nörd— 
licen Ufiyrien, am grofen Zab (Lytos) gelegen, feit 
Dem 1. vordrijtliden Jahrhundert genannt, deren 
Fürſten meijt Bajallen der parthijden, voritbergehend 
aud der armeniiden Könige, ſchließlich von Septi- 
mins Severus bis auf Jovtanus Roms waren. 


Adiantum L.(Rrullfarn, Daarfarn), Farn- 


frautgattung aus der Familie der Polypodiazeen, zier⸗ 
liche, meiſt tropifdhe Gewächſe mit zwei- bis dreifach 
gefiederten Wedeln (ſ. Abbildung) und auf nad unten 
umgeſchlagenen braunen 
Lappden des Randes 
ftehenden Fruchthäufchen 
(a). A. Capillus Veneris 
L. (gemeines Frauen— 
Haar), mit wageredtem, 
friedhendem Wurzelſtock, 
bis 0,5 m hohen, bellqrii- 
nen Wedeln auf zarten, 
rötlich ſchwarzbraunen, 

länzenden Stielen, an 
ae ae Mauern und Fel- 
jen in Siideuropa, Aſien, 
Ufrifa, Umerifa, auf den 
Sandwichinſelnꝛc. wurde 
fritherals Frauenhaar 
(Herba capilloruam Ve- 
neris) arjneilid) benugt 





vo — —— und war ſchon bei griedhi- 
a Fruchthäufchen. ſchen und römiſchen Arz— 


ten in Gebrauch. Viele 
Arten von A. find Warmhaus- und Zimmerpflanzen, 
Die 3. T., wie namentlid) A. cuneatum Langsd. et 
Fisch, aus Siidamerifa, tin großen fiir die Butett- 
binderei fultiviert werden. 

Adiaphon (qried., -unveritimmbar«), aud Ga- 
belflavier genannt, cin 1882 von Fifder u. Fritzſch 
in Leipzig fonjtruiertes neues Rlavierinjtrument, bei 
dem Stahigabeln die tongebenden Medien find. Das 
Inſtrument Hat wegen der jtumpfen Klangfarbe ſei— 
ner Tone feine Verbreitung gefunden. 

Adiaͤphora (gried)., »nicht zu Unterſcheidendes«) 


heißen nad) Dem Vorgange der Stoifer in der Ethik 


Dinge und Handlungen, die weder als Güter nod 
als übel, bez. weder als qut nod) als ſchlecht ju be 
zeichnen find, fo Dak in Bezug auf die erjtern fo wenig 
Grund vorliegt, jie zu begehren als fie ju verabſcheuen, 
in Bezug auf die lestern das Tun und das Laſſen 
gleicherweiſe ftatthaft find. — Der fogen. adiapho- 
rijtifde Streit entipann ſich über » die Mitteldinge, 
die man ohne Verletzung göttlicher Schrift halten 
mage, infolge des Leipziger Interims 1548, in dem 
Melandthon und feine Freunde in die Beibehaltung 
der biſchöflichen Qurisdittion und gewiſſer fatholijder 
Kultusgebräuche eingewilligt Hatten, wahrend Fla- 


cius u. a. Darin eine Verleugnung des evangelifden | 


Glaubens fahen. Der mit Heftigkeit geführte Streit 


— Adipid. 109 


Speners Schule handelte es ſich um die Zuläſſigkeit 
von Spiel, Tanz, Theaterbeſuch u. dgl., was jene als 
Mitteldinge verteidigten, dieſe aber, indem fie den Be- 
qriff UW. iiberhaupt verwarfen, fiir des Chrijten un- 
würdig erflairten. ſtrahlen. 

Adiatherman (griech.), undurchläſſig fiir Wärme— 

Adickes, Franz, Oberbürgermeiſter von Frank— 
furt a. M., geb. 19. Febr. 1846 in Harſefeld bei Stade, 
jtudierte 1864 —67 in Heidelberg, München und 
Göttingen die Rechte, trat in den Staatsjuſtizdienſt, 
machte den franzöſiſchen Krieg 1870/71 mit, wurde 
1873 gum Beigeordneten von Dortmund, 1877 zum 
zweiten Biirgermeijter von Witona und 1883 zum 

berbiirgermeijter daſelbſt gewählt. Er erwarb fid 
um die Neugejtaltung der Stadt und die Selbitverwal- 
tung der Proving Schleswig Holſtein große Verdienfte. 
1890 wablte ihn Frankfurt a. M. zum Nadfolger 
| Miquels als Oberbiirgermeijter. Er ſchrieb: » Zur 

Lehre von den Redhtsquellen« (Gdtting. 1872); » Bur 
Lehre von den Bedingungen« (Berl. 1876) u. a. 

Aedicila (lat., »ausden«), Tempel, Kapelle, 
Nifche, Ahnenbilderſchränkchen. 

A, Diet., bei Bflangennamen Abkürzung fiir 
Ulbert Dietrid, geb. 1795, geſt. 1856 in Berlin 
(»Flora regni Borussici« , 1833-44, 12 Bde.). 

Wdiew (jranj., fpr. adjs), »mit Gotte, lebewohl, 
deutſch formiert ade, fo jest wieder Don Dichtern und 
in Der höhern Sprade gebraucht. 

Adige (pr. adivfpe), ital. Name der Etſch. 

Adigetto (jor. -ofHetto), ſchiffbarer Kanal in Ober- 

italien, Der bei Badia von der Etſch ausgeht, die Bro: 
vinz Rovigo durchfließt und in den Bo di Levante 
mündet. 

Adighe, einer der beiden Zweige der Tſcherkeſſen. 

Adika (Dikafeth, ſ. Ditabrot. 

Adilen (Aediles, v. lat. aedes, Tempel), rim. 
Beamte, die zuerſt 493 v. Chr. zugleich mit den Volls— 
tribunen aus der Plebs gewählt und jenen als We: 
hilfen bet Ausübung ihrer Redjte, namentlich der Kri— 
minalredtspjleqe, beigeordnet, allmählich aber von 
ihnen unabhangig gemadt wurden. Su diefen zwei 
plebejifden YW. famen 367 ebenfo viele zunächſt nur 
aus den Patriziern gewählte, kuruliſche (curules) ge- 
nannt, weil ſie vor den plebejijden A. die mur den 
höhern Wagijtratsperjonen zukommende Ehre ded 
kuruliſchen Stuhles voraus hatten. In der Stufen— 
folge der Ämter ſtand die Ädilität zwiſchen Quajtur 
und Prätur. Die ſich hauptſächlich auf die ſtädtiſche 
Verwaltung erjtredende amtliche Wirkſamkeit ſämt— 
licher A. beſtand in der Überwachung des Handels— 
verkehrs, in der Aufſicht über Die Straßen, die öffent— 
lichen Bauten und auch die Sitten und Götterver— 
ehrung und ſpäter (bid 22 v. Chr.) beſonders im der 
Ausrichtung von Spiclen, durd) die fie fich der Weg 
3u Den höhern Unitern bahnten. Uber die Grundſätze 
threr Amtsführung namentlid fiir den Marftverfehr 
pileqten fie beim Antritt cin Edift (Edictam aedili- 
cium) zu verdffentliden. Der Wirkungskreis der A. 
wurde unter Den Kaiſern immer mehr beſchränkt, be— 
fonders durch den Praefectus urbi, bis ihre Würde 
im 8. Jahrh. ganz aufhörte. Bal. Labatut, Les 
édiles et les meeurs (Bar. 1867); Derſelbe, L'édit 
des édiles (Daj. 1879). 

Ad infinitam (lat.), in’ Unendliche. 
Adinole, Kontaktgeſteine von Tonſchiefern an Dia: 











ſchied zuerſt die ſtrengen Lutheraner von den Melan— bas, mit relativ hobem Natrongebalt (bis 10 Proz.), 
thontanern und wurde erjt durch die Ronfordien- | leicht ſchmelzbar, weſentlich Quarg - Ulbitgemenge. 


forme! beendigt. Jn einem zweiten adiaphorijtijden 
Streit swijden den Orthodoren und den Pietijten aus 


Ad interim (lat.), unterdejjen, einſtweilen. 
Adipid (adipHs), fett, fettig. 


110 Adipinjaure — Adjutant. 


Udipiniaure Hexrandifaure) C,H,,0, oder — fiir das ſtarke (mit unbeſtimmtem 
CO,H(CH,),.CO,H entitebt bet Orydation der Fette Artilel) und das ſchwache A. (mit beſtimmtem) ent- 
mit Salpetertdure. aus Jodproptonjdiure mit Silber | widelt (em blinder Mann, der blinde Mann; blinde 
bei 140”, buldet farbdloie, in Wasjer, Alkohol und Wther | Manner, die blinden Manner ꝛc.). Hiermit hängt es 
ldoliche Nevitalle. ſchnilzt Det 148° und ijt fliidtig. fammen, daß im Neuhochdeutſchen auc) em Uinter- 


WMdipecire | fran;.. we. 4), Letchenfett. chied swifden dem attributiven und dem pradi- 
Wdipesinas (qroew.). allgemeine Hypertrophie ded | fativen W. bejteht, dem erjteres, von verein zelten 
Fettge wedeo. altertümlichen Redeweiſen (ein Gulden rheiniſch, unſer 
a dirittiira (itel.). ſ. Adrittura. Bater ſelig u. dal.) abgefeben, ftets mit Rafusendun- 
Wdirwds Tichai, Jus. ſ. Rhyndakos. en verſ cheint (ent blinder Mann, der blinde 


Adirondackgebirge, cin Hauptglied ded nord- n x¢.), legtered aber derfelben immer ermangelt 
appalachtſchen Gedirgerpitems (j. Uppaladen), nimmt | (der Mann ijt blind, die Manner find blind). 
den ndrDincher Tetl des New Yorfer Staatsgebiets cin| Adjoiut (frany., jor. Hiding), Amtsgehilfe, nament- 
und erdedt fich mit norddjtlicher Streichung feiner | lid) Des Maires (Biirgermeijters); Adjunkt nad der 
Meborucken aus den Talern des Champlainſees, des Gemeindeordnung der bayrijden Pfalz. 
Mohawt umd des Lorenzſtromes bis 1641m (im Mount Adjoue, Teig aus geſtampften Dattein, Handels 
Warey oder Tawahus). Tiefe Schluchten und Täler | artifel in den Häfen des Perſiſchen Meerbujens. 
(Yujadle Chasm), gegen 1300 malerifde Seen (Sa-| Wdjudifation (lat.), die Begriindung oder liber- 
ranac , Naquette-, Thateaugay-, Sdroon-, George: | tragung eines dinglichen Rechts durch Ridteriprud, 
See) und dichter, vielfad nod) fehr urjpriingli im römiſchen Recht befonders die ridjterlide Zuerten⸗ 
Waldwuchs maden das Vebirge ju cinem Der beliebte- | mung eines Rechts im Teilungsprozeß, die der Ge- 
ſten ameritaniſchen Ausflüglerziele, —* Magnet- meinſchaft ein Ende macht. A. heißt endlich die gericht⸗ 
enſteinlager (det Ticonderoga, Crown Point, Wu- | lide Überweiſung des Cigentums an emem jwangs- 
jable, Ehateaugay) yu einem widtigen Bergbaurevier. | weife verfauften Grundjtiid, die jest regelmäßig durch 
a dneestion (frany., fpr. disteepiong), nad) Be-| den Zujdlag an den WMeijtbietenden erfolgt. So— 
twden. aul Gnade oder Ungnade. weit dariiber cin befonderes Zeugnis erteilt wird, 
Aditio hereditatis (lat.), ſ. Erbſchaft. fonumt dafiir die Bezeichnung Adjudikationsbrief 
Ditia, ur der indiſchen (vedifden) Mythologie die | oder Refognitionsjdein vor. Val. 3wangsvoll- 
eben © oone Dee Aditi, Dd. b. Der Freihett. Ste find | ftredung und Zuſchlag. — Auch das Völlerrecht fennt 
wadriweind urſprunglich mit den Ameſcha Spenta die U. als ſchiedsrichterliche Zuerlennung eines von 
Dow Viveria identiſch. Dre Annahme Oldenbergs (»>Re- zwei oder mehr Staaten beanjprudten Gebietes oder 
on Dow Wedae), Dak fie urfpriinglid Sonne, Mond  Gebietsteiles. 
WAD Planeten veprdfentieren, ijt vielfach bejtritten  WdjudiFationsbrief , ſ. Udjudifation. 
woydou. Pre hochſten von ihnen find Varuna und Adiudikativ (lat.), juerfennend. [iprechen. 
Weta GL Bgl Roth, Die bichften Gitter der A ieren (lat.), geridtlid) guerfennen, jue 
wr sOon Wolter (ut der > Yeitidrift der Deutſchen Mor- ft (lat.), Umisgebilfe; adjungieren, ber 
Wwelandnwen Wefellidart«, Bd. 6, 1865); Darme- | fiigen, beiordnen; im amtliden Spradgebraud »als 
Metes Ovuazd et Ahriman (Bar. 1877). | Gebilfen (A.) beftellen«. Friiher wurde einem dienit- 
Aoditaus (lat), bet Den Romern der Wufjeher unfähig gewordenen Beamten (Geiitliden, Lebrer: 
vein Coumpols, an dem nicht ein befonderer Briejter Emeritus) oft cin A., bisweilen mit der Ausſicht au? 
Aen war, aud) Der Die Reiniqung des Tempels Nachfolge (cum spe succedendi), beigegeben, Der aus 
. Yad, {beio ende Diener. dem Amtsgehalte zu befolden war. Ym ffandimavi- 
Wedja peut lat), antiegend, angrensend; Anwohner. ſchen Norden, wie ehedem in Deutidland, führen aud 
WPpetties (lat), Ubergebot bei er ſonſt jiingere Lehrer höherer Schulen den Titel A. 
WeoietHivam (Nomen adjectivam), Cigen-  Wdjunftion (lat, -Hinzufügung ·), eine Art der 
HO atiowert. Wermwort, wurde von den Gramma: — (f. d.). 
teevene Doe eriumne noch nicht wie jest als beſon⸗ unta, ind. Dorf, ſ. Adſchanta. 
Devye Wet angeteben, Den VMusdrud »Epitheton., | — (neulat.), in Richtigleit bringen, be— 
wore Mae hiteauihbe + Adjectivame und unjer Bei-  ridtigen (3. B. eine Rechnung); ausgleiden, beilegen, 
move tetne Wu tube Uberſebung iſt, bat zuerſt Ariſto- z. B. einen Streit; abgleichen, übereinſtimmend ma- 
tied ebomdl VWeſ den griechiſchen Granunatifern | hen, eichen (Daher UW djujtieramt, Cidamt); cin In— 
ridety Dan bas Cpatbetow eine Der Klaſſen, in die fie ſtrument mittels einer Feinjtellidraube (MD jujtier- 
Dae Bomen aber bſtantivum gerlegten. In neue | ſchraube) genau cinjtellen; tm Viingwejen das Be- 
Hoy ee Bat Me Mdogermaniſche Spradwitfenfdhaft richtigen des Gewidtes der gu prägenden Platten (7. 
ve boty Ba dae WE ed Dae Subjtantivum in der Tat Münzweſen); aud) Schußfertigma der Artillerie 
Wet by stl cones geweſen ſind; Dod tft Die Geſchlechts- geſchoſſe; einkleiden, ordentlich anziehen. 
dnnng Bean Bnbnantwum beſchränkter als beim | Adiuſtierſchraube, ſ. Adjuſtieren. 
Wo getang (Romparation) ijt von Haus aus! Adjutänt (lat.), ein dem Truppenbefehlshaber zur 
Wee dem le@term etqem, und das VL. kann gwar ftets | Beſorgung ded Bureaudienjtes und zur Unterjtiigung 
* aninn aber das Subjtantivunt im der im ausübenden Dienſt beigegebener Leutnant. Bon 
AWE neht Ofte weiteres um VL werden. So kann der Brigade aufwäris ** man die Adjutanten 
(we Hulſihen aud dem WM efrere einfach durch Vor (GHauptleute, Stabsoffiziere) zur höhern Wdjutan- 
pl ee Deo Mititvle Dae Subjtantivum oder Freie- | tur, gu Der aud) die perſönlichen WDdjutanten ded 
EH OEE Her Den, dagegen muß an dad Wort »Meijte, Monarden, fürſtlicher Perſonen, des Kriegöminiſters, 
Maun man CO EE ein M. verwandeln will, Die Silbe | des Generaljtabsdefs der Urmee und andrer Chefs 
Thats Mebangt Werden: »geiſtig · Wud) das Barti- hoher Behdrden gehdren. Die Wdjutanten des Kriegs 
CEO THE UTE Era tte att dem VL. eins gewefen, nur herrn, General- und Fliqeladjutanten, ſind 
Es HAO UE webreren Begehungen Dem Charatter | Generale, bes. Stabsoffiziere. Ral. Borowi fi, Hand 
Ne Weeds gemadbert. Im deuſſchen hat fic) cine | bud) fiir Den Wdjutantendtenjt (Berl. 1891). 





Adler. 





‘sappy jayiay unz “Mizdiay ut payysuy sayosiydeisforyqrg 


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* vi JS GOAGIAM “EL — * Gilſoiae smoene) 49; Peaas sausau 
4D ‘Epeu %, “(snygeyey uoipued) sa;pegnty ‘sa ;peYyosi 4 “pl %, “(snpeydaroonay snygeyeyy) saypeaas eur ' 
Aa i —— smorneph 454pr ——— — *, *Gopyonaysap eXdsepyy) arAdaepy ‘OL — * EGEnsoontaq smjgezids) saypesdwey ‘Gg — * “(sypeptdio20 smjaezids) 


8), *(xepne eynby) sappezuemyYyrsi{ay ‘9 — * ‘(eyeuuad eynby) sa;pessamz “g — %, “(stpeyuayso epinby) 
ot, ſeupriuod eyinby) aL py sayy .a[JaH ‘sap peasy as “¢ ‘, ‘(snjgeuejam epinby) say pessruoy ° 


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ioe i 8 — Mr “(RpRIOSE) etinby) aT Ppespyriqeyy ‘z - — deat feieeeie ag 
Jajpeuaddays * 


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—— 





Adjutant — Abler. 


, Bogelart, ſ. Marabu. 
t (lat.), Gebilfe, ſ. Hilfslehrer. 

Adjuvantia (lat.), Arzneien, die man andern 
zuſetzt, um deren Wirkſamkeit gu — 

Ad latus (lat., »jur Seite⸗), Beirat, Beiſtand; 
Offiziere a. 1. ſind in Ojterreid) als Beirat, in Ruß— 
land als Pomoſchtſchnik (Gehilfe) den fomman- 
dierenden Generalen, eventuell auch zur Stellver- 
tretung zugeordnet. 

Adier chierzu Tafel ⸗Adler«), Gruppe aus der 
Unterfamilie der Buſſarde (Buteoninae) und der Fa- 
milie Der Falfen (Falconidae), große, gedrungen ge- 
baute Raubvigel mit befiedertem Kopf, bohem, am 
Grunbde geradem, gegen die Spitze gekrümmtem 
Sdnabel, nadter Wadshaut, fajt gerundeten Flügeln, 
mittellangem, fraftigem Lauf, oft mit Loderm Sdjenfel- 
aefieber (Sofen, und ftarfen Krallen. Das Weibdhen 
Ht größer und meijt ſchöner als das Mannden. Die 
A. * ſen in der Regel nur friſchen Raub. Sie be— 
wohnen die ganze Erbe und finden fid am häufigſten 
in Den warmern Gegenden und im Wald, einjelne 
find Gebirgs-, andre Steppenbewohner, und mande 
leben an Küſten oder Binnengewäſſern. Die größern 
Arten find bei uns Stand- und Stridvigel, die fleinern 
wandern. Sie bauen auf bervorjpringender Fels- 
platte, in Baumfronen, tm Notfall auf fladem Boden 
thren Horjt, der auf langen, ſtarken Knüppeln rubht 
und fejt qeididtet ijt. In der Nahe dulden fie fein 
zweites Baar. Das Weibdjen lent meijt nur 1 oder 
2 Gier und jeitigt fie in 4—5 Woden. Männchen 
und Weibdhen zeigen fid) gleid) beforgt wm die Brut. 
Die Jungen ſtreichen mehrere Jahre eingeln umber, 
ebe fie fid) an einem bejtinumten Ort anjiedeln. Jn 
der Gefangenj daft dauern manche Wdlerarten aujer- 
ordentlid) lange (104 Jahre). 

Der Steinadler (qemeiner, fdwaryzer, 
brauner, Raudfupadler, Goldadler, Aquila 
chrysaétus L., Fig. 1), bis 95 cm lang, 2m und 
dariiber breit (Weibden), dunfelbraun, am Raden 
und Hinterhals rojtbraungelb, der Schwanz an der 
Wurzelhälfte weiß, dann ſchwarz gebändert oder ge— 
flectt, an der Endhälfte ſchwarz. Se Färbung wwedhpelt 
mit dem Alter. Er bewohnt die Hodgebirge und 
grofien Waldungen Europas und Aſiens, Nordafri— 

a8 und Nordamerifas, horitet im bayrifden Hod)- 
ebirge, in Ojtpreufen, felten im Riefengebirge, viel 
ufiger in Den ſchweizeriſchen und öſterreichiſchen 
Ulpen und in Siidofteuropa. Auf dem Zug erfdeint 
er vereingelt in gang Deutfdland. Er lebt und jagt 
paarweife und wird namentlid) dem Kleinvieh febr 
gefährlich; aud) ſtößt er bisiveilen auf Kinder und 
reift felbjt Erwadjfene an. Was verſchmäht er nidt. 
ridlungene Haare und Federn fpeit er als Gewölle 
wieder aus. Das Weibden leqt 2—3 weißliche oder 
qriinlidgraue, grau und briiuntich geflecte Cier. In 
Annerafien ridjtet man den A. sur Jagd auf Füchſe, 
Wolfe, Untilopen ab. Die Unterſchwanzdeckfedern 
(Wdlerflaumen) und die Krallen werden in Tirol 
und Bayern als Schmuck getragen; die Wongolen 
benugen die Schwingen ju Fächern, zur Befiederung 
der — und als Opfergabe. Der Königs- oder 
Kaiſeradler (A. melanaétus L., Fig. 2), 86 cm 
fang und 2,2 m breit, ijt dDunfelbraun, mut bellerm 
Kopf und Raden, großem weißen Fleck auf den Schul 
tern und grauem, ſchwarz gebändertem Schwanz. Er 
bewohnt als Zugvogel Sudoſteuropa und Aſien bis 


111 


er auf dem Zug in Deutſchland und ſterreich; er 
jagt hauptfadlid) kleineres Wild. Der Horſt jteht auf 
Baumen, in der Steppe auf dem fladen Boden. Die 
Eier find weiß, violettgriin, blak purpurrot oder hell- 
braun gefledt. Als Beizvogel leiſtet er nicht die Dienſte 
wie der Steinadler. Schreiadler (gefleckter A., 
Rauchfuß-, Gänſe- oder Entenadler, A. po- 
marina Brehm, fig. 3), 65—70 cm lang und 1,7— 
1,85 m breit, faffeebraun, im Raden und unterjeits 
heller, bewohnt Mittel- und Siideuropa, als Brut- 
vogel Ojt- und Mitteldeutſchland, weilt bei uns vom 
Ypril bis September, einzeln aud) im Winter, lebt in 
feudjten Laubwaldern, jagt Fröſche, Schlangen, Na- 
qer, in Der Brutzeit auch Vogel, junge Hajen und frift 
Aas. Er nijtet auf hohen Bäumen und legt 2 weife, 
blaßbläulich gefledte Cier. Der Steppenadler (A. 
orientalis Cab,, Fig. 4), von der Gripe des Raifer- 
ablers, braun, auf den Flügeln mit breiten rojtfarbe- 
nen Binden, bewohnt Ojteuropa, Wittelajien, befon- 
ders Die Steppen, geht bts Indien und China, briitet 
ausnahmsweife aud) im djtliden Deutſchland. Der 
Swergadler (Hieraaetus pennatus Gm., A. pen- 
nata Rehw., Fig. 5), 51 cm lang, 121 cm breit, braun, 
unterſeits hellgelblich und braun geflect, mit gelblid)- 
weifer Stirn und weißem Sdulterfled, bewohnt Siid- 
europa, Nordafrila, Siidwejt- u. Mittelafien, erſcheint 
ſehr felten in Deutfdland, lebt ſtets paarweiſe, jagt 
hauptſächlich kleine Vogel, nijtet in Laubwaldern in der 
Nahe größerer Flüſſe und legt im Mai 2 gelblide oder 
hellgriintide, gelb oder rot gefledte Cier. Der Keil— 
ſchwanzadler (A. audax Gray, Fig. 6), 100 em 
lang, 230 em breit, ſchwärzlichbraun, braun geflect, 
bewohnt Wujtralien, raubt fleinere Känguruhs und 
Schafe, frist aber aud) Aas. Er horjtet auf Baumen, 
und das Weibden legt 2 runde, rauhſchalige Cier. 
Der Habidtsadler (Bonellis Udler, A. fas- 
ciata Vieill., fig. 7), 78 cm lang, 155 cm breit, 
oberjeits braun, unterjeits wei mit ſchwarzen Schaft- 
jtvidben, auf dem Schwanze mit Dunfeln Duerbinden, 
bewohnt Siideuropa, Nordiweftafrifa, Indien, befon- 
ders waldlofe Gebirge, und nährt fid) von fleinen 
Säugetieren und Bogeln. Er ijt der gefürchtetſte 
Feind der Hiihner und Tauben. Der Horit ſteht auf 
Felſen. Der Schopfadler (Spizaétos occipitalis 
Gray, ig. 8), 50—52 em lang, 120—130 cm breit, 
dunfelbraun, mit aufrichtbarem Schopfe, findet fid 
weitverbreitet in Ufrifa und ijt tim Weſen unferm 
Habicht vergleicbar. Er horjtet auf Bäumen und 
legt 2 fajt runde, bleide, rotbraun — Eier. Der 
Kampfadler (S. bellicosus Levaill., Fig. 9), 86 em 
lang, oberjeits afdqraubraun, unterjeits weiß, fait 
flecdenlos, mit Fliigelbinde und gebändertem Schwanz, 
ijt weit verbreitet m UWfrifa und wohl der gewaltigſte 
Raubvogel des Gebietes. Er niftet auf den höchſten 
Bäumen und auf Felsvorjpriingen. Die Harpyie 
(Harpyia destructor Z., Jig. 10), 1 m lang, mit 
jebr fraftiqem Körper und grofem Kopf, ijt an Kopf 
und Hals qrau, unterfeits wei, an Flügeln und 
Oberbrujt ſchwarz, bewohnt Merifo, Vittelamerita 
und Brafilien, lebt ay in wajjerreiden Waldern 
und wird wegen ihrer Räubereien fowte wegen ihres 
als Schmuck hochgeſchätzten Gefieders eifrig verfolgt. 

Bur Unterfamilie der Weihen (Milvinae) gehört 
der Schreiſeeadler (Haliaétus vocifer Gray, Fig. 
11), 70 em lang, braunrot, nur an Ropf, Hals, 
Oberbrujt und Schwanz, Wantel und Schwingen 


jur Wongolet und lebt in Cbenen, ſelbſt im baumloſen bläulichſchwarz, lebt in den Urwäldern Afrikas an 


Steppen und in der Nahe von Ortſchaften, ſtreicht im 
Winter bis Indien und Ubeffinien ; ſehr ſelten erſcheint 


— 


| 


roßen Strömen, meijt paarweife, und erregt durd) 
lige Schönheit und feine laute Stimme allgememe 


112 


Bewunderung. Er nährt ſich von Fiſchen und Aas, 
horitet auf hohen Baumen oder Feljen und leqt 2—3 
weiße Cier. Der qemeine Seeadler Ceiid:, 
Ganfeadler, Stetngeier, Bein- oder Stein- 
bredher, Weißſchwänziger U., H. albicilla L., 
Fig. 12), bis 95 cm Lang und 2,5 m breit, bräunlich- 
gelb, an Oberriiden und Mantel duntel erdbraun, 
mit weißem Schwanz, bewohnt Europa, Nordafien, 
Ygupten, nijtet bei und im Küſtengebiete der Oftſee, 
erjdheint im Winter auc) im Binnenland und gebt bis 
Andien und Nordajfrifa. Außer der Brutzeit lebt er 
ziemlich eſellig, jagt auf Waſſervögel und Fiſche und 
frißt po Was. Er nijtet auf Felfen, Bäumen, Ge- 
büſch, im Röhricht und auf dem Boden und legt 2—3 
weiße, oft braun geflecte Eier. Auf Sizilien wird er 
gegeſſen. Der weißköpfige Seeadler (H. leuco- 
cephalus L., fig. 13), 85 cm lang, 211 cm breit, 
dunfelbraun, an Kopf, Oberhals und Schwanz blen- 
dend weiß, mit ſchwarzen Schwingen, bewohnt Rord- 
amerila, verfliegt ſich aber bisweilen nach Europa. 
Der Fiſchadler (Flußadler, Blau-, Weiß— 
fuß, Weißbauch, Fiſchraal, Pandion haliaétus 
L., Fig. 14), 56 em lang, 164 cm breit, ijt auf Kopf 
und Nacken gelblichweiß, ſchwarzbraun gejtreift, ſonſt 
braun, am Unterkörper weiß, der Schwan; ſchwarz 
und braun gebändert. Er bewohnt Europa, Nord- 
und Mittelaſien, qeht im Winter bis Sitdafrifa, In— 
dien, Yujtralien, Senfeeland, weilt bet uns vom Upril 
bis Oftober, nährt fid) von Fifchen, nijtet auf hohen 


Bäumen und legt 3—4 weiße, qrau oder rojtfarben | 


gefleckte Cier. Er ijt fiir die Teichwirtſchaft fehr ſchäd⸗ 
lid) und wird deshalb iiberall eifrig verfolgt, nur in 
Amerila ſchützt ihn der Uberglaube. 

Symbolifhe Vedeutung des Adlers. 

Wn der Mythologie bedeutet der A. gewöhnlich 
bie Sonne. Der mächtige mythifde W. der Inder, 
Garuda, ijt dad Rof des Gottes Wiſchnu, das Son- 
nenroß, durch feinen Glanz ſiegreich tiber alle Un— 
geheuer. In der —— und deutſchen 
thologie wird die Geſtalt des Adlers mit Vorliebe 
von finſtern Dämonen 
oder doch von Gott 
(Odin), der in der fin⸗ 
jtern Nacht oder der 
windigen Wolfe ver- 
borgen ijt, angenom⸗ 
men. Der Sturmriefe 
Hräſwelgr ſitzt in Ad⸗ 
lergeſtalt am Ende des 
Himmels und bläſt den 
Wind über alle Völler. 
Auf der Welteſche Ygg⸗ 
draſil beobachtet ein VU. 
alles, was geſchieht. 
Als Zeus ſich zum 
Kampfe gegen die Ti— 
tanen rüſtet, bringt thm 
der A. ſeinen Pfeil, wes- 
halb Seus thn gu fei- 
nem Feldzeichen nahm. 
Er hält den Donnerkeil 
des Zeus in ſeinen Klauen und verkündet den Helden 





— 
1 
' 


Rbmifde LegionBadler. 


bald den Sieg, bald die hichite Macht. Der qriechifche 


U. tft der König der Vogel und gleich Zeus ein 
Spender von Licht, Frudhtbarfeit und Gliid. Folge: 
rect wird mun der YW. aud) Der Bote des Yeus und 
verfiindet den Willen Gottes. Wis Sinnbild der 
Gdtter wird der A. aud) Sinnbild der Unſterblichkeit 
und der menſchlichen Seele, die jid) nad) Dem Tod 


Adler (iymbolifde Bedeutung, Heraldiſches) 


emporjdwingt. Auf ähnliche Weife wurde der A. 
Sinnbild der irdifden Macht. Sdon bei den 
Perjern war er das Königszeichen. Jn Europa fiibrte 
thn Wlerander als königliches MUnz- und Wappen- 
—* ein, und die Diadochen folgten ihm hierin. 

us dent ptolemaifden Agypten bradte ihn Dftavian 
nad Rom als kaiſerliches pen. Bei der Wpotheofe 
der Kaiſer verjinnlidte cin vom Scheiterbaufen em- 
porjteigender YW. die Aufnahme des Abgeſchiedenen 
unter Die Gotter. Fir alle Yugurien war der A. von 

iinjtiger Borbedeutung. Auch in der drijtlichen 
Symbolif bat er Verwendung gefunden; dem Cvan- 
—— Johannes — der A. als Symbol göttlicher 

egeiſterung. Vgl. Sittl, Der A. und die Weltkugel 
als Uttribute des Reus (Leipz. 1884). — Als Feld- 
zeichen der Legion (ſ. d.) wurde der A. mit erhobenen 
M igetn durch Marius (104) eingefiihrt. In der 
Republif von Silber, aber mit goldenem Bligbiindel 
in den Strallen, bejtand er in der Kaiſerzeit ganz aus 
Gold (Fig. 1—3). Auf dem Marjd ijt fein Play an 
der Spige, in der Schlacht hinter der erjten Kohorte, 
im Lager in ciner Rapelle neben dem praetorinm, wo 
er religidfe Berehrung genoß. Sein Verluſt bedeutet 
die Auflöſung der Legion. 

[PHeraldifses.} Da man dem VW. im Mittelalter 
eine Reihe vorzüglicher Eigenſchaften: Verjüngungs⸗ 
kraft, Freigebigkeit, Mut, nachrühmte, wurde er von 
Fürſten und LandeSherren jum Wappen gewabtt, 
jo von den Raifern, den Herzögen von Bayern, Böh— 
men, Sdlejien und Djterreich, den Königen von Polen, 
| Den Marfgrafen von Brandenburg. Nad Einfiihrung 
der Wappenbricfe wurde der A. zum verbreitetiten 
Wappenbild. Der A. der neuern Heraldif hat ge- 
wihnlid een eingigen, zur Rechten gefehrten Kopf 
mit ausgeſchlagener 335 liegt auf dem Rücken mit 
vorwarts gelehrtem Vaud, ausgebreiteten Flügeln, 
geſpreizten Füßen und Klauen und fogen. krauſem 
Schwanz. Der in manchen Wappen erſcheinende ge— 
ſtümmelte A. (bet Den Franzoſen alérion) ijt der 
untern Teile Der Beine und des Schnabels beraubt. 

Der deutſche Reidsadler war urſprünglich ein⸗ 
köpfig und ſoll von Karl d. Gr. nach ſeiner Krönung 
in Rom zum Symbol ſeines Reiches erhoben worden 
ſein; nachweiſen läßt er ſich auf der Reichsfahne 
zuerſt unter Otto II. Der Doppeladler, mit dem 
einen Kopf und Hals rechts, mit dem andern links 

ewendet, findet fid querft 1325 auf einer unter 

udwig dem Bayern geidlagenen Reichsmünze. Dod 
führte Der Kaiſer nur emen cinfaden A., ſchwarz in 
Hold; aud) bas Siegel der Goldenen Bulle von 1356 
trägt einen einfachen A. Erſt unter Siegmund, von 
1433 an, wurde der Doppeladler beſtändiges Wappen-— 
jeichen Der Deutfdjen Kaiſer, während der römiſche 
König den einfaden A. führte. Bgl. Römer-Büch— 
ner, Der deutfide A. nach Siegeln geſchichtlich er— 
läutert (Frankf. 1858); Hobhenlohe-Walden- 
burg, Sur Geſchichte des heraldiſchen Doppeladlers 
Etuttg. 1871); E.Gritzner, Symbole und Wappen 

des alten Deutſchen Reiches (Leipz. 1902). Nad Auf— 

löſung des heiligen römiſchen Reiches 1806 nahm der 
| Maifer von Oſterreich den Doppeladler fiir ſeine Mon: 
archie in Anſpruch (7. Tafel »Ojterreidhifd) angarifde 
Länderwappen⸗). Rufland entlehnte 1472 unter 
Awan Bajiljewitid den Doppeladter vom bysantini- 
ſchen Kaiſertum, das ihn feit Der Teilung ded römiſchen 
Reiches führte. Der A. des jepiqen Deutfden Rei- 
ches ijt einlöpfig, rechtsſehend, Schnabel, Bunge und 
Klauen rot, ohne Zepter und Reichsapfel, auf der Bruſt 
der preußiſche Wappenſchild mit dem Stammwappen 








Adler — 


der Hohenzollern; um den Schild ſchlingt ſich die Mette 
des Schwarzen Udlerordens. Uber dem Ropfe des 
Reichsadlers ſchwebt die deutſche Kaiſerkrone mit flie- 
genden Bändern. Der Kaiſer führt den Reichsadler 
in ſeinem Wappen in goldenem Schilde (ſ. Tafel 
»Deutfder Reichsadler rc.« bei Artikel⸗Deutſchland⸗ 
mit Tertblatt). Urfpriinglich Reichsadler ijt der preu- 
ßiſche A., der den Deutſchen Rittern von Raijer 
Friedrich IT. verliehen wurde und ihnen verblieb, als 
Siegmund den Doppeladler fiir das Reid) cinfiihrte. 
Ex erjdheint rechtsſehend, Schnabel, Fange und Krone 

olden, Sunge rot, mit geen Kleeſtengeln auf den 
—* und goldenem Namenszug R auf der Bruſt 
wappen-«, Fig. 3). Auch 
ejien, Ojtfriesland und 


— — — 


. Tafel ⸗Preußiſche Provin 
Brandenburg, Poſen, 











6. Lubed. 
Adler in deutſchen Stäbdtewappen. 


Wie 4. Aachen. 


viele deutſche Stadte, befonders die, in denen die deut- 
{hen Rafer des alten Reiches rejidierten oder gekrönt 
wurden, 3. B. Aachen, Franffurt a. Vt. (Fig. 4 u. 5), 
GoSlar, fiihren den A. im Wappen; andre, dar- 
unter Friedberg, Lübeck (Fig. 6), Den Doppeladler. 


Sonjt führen den A. nod) das Kinigreid) Polen (einen | j 


weißen gekrönten UW. in rotem Felde), die Bereinigten 
Staaten von Mordamerifa, Merifo u. a. (f. die Tafeln 
»BWappen I—IV«). Yn Frankreich wurde der A. durch 
Napoleon I. gum Symbol des Kaiſerreichs erhoben, 
nad ſeinen Sturz beſeitigt, von Napoleon III. wieder 
hergeftellt und 1870 abermals entfernt. Dieſer Na- 
poleonifde A. hatte natürliche Gejtalt, mit Blitzen in 
t dngen und zum Aufſchwung bereit. Der A. 
ift aud) das Zeiden der Fahnen und Standarten der 
preußiſchen, djterreidifdjen und ruſſiſchen Heere und 
mebrerer Ritterorden (ſ. Wd{erorden). — liber Be- 
deutung des Wortes A. val. Yar. 

Adler (jpan. Aquila), Munzbezeichnung, f. Eagle. 

Adler Erlitz, iſchech. Orlice), linter Nebenſiuß 
der Elbe in Böhmen, entiteht bei Tiniſcht durch Ver— 
—— zweier Quellflüſſe, der Wil den A. (in den 

eldern entſpringend) und der Stillen A. (vom 
—* Sdmeegebirge), miindet, 82 km fang, bei 
iggrätz. 

Abier, 1) Friedrich, Architelt und Kunitidrift- 
ſteller, geb. 15. Olt. 1827 in Berlin, ſtudierie unter 
Strad an der Berliner Bauafademie und unternahm 
dann grofere Reifen bis nad Griechenland, der Tiir- 
lei und Meinafien. Die gewonnene Uusbildung ver- 
Wertele er als Lehrer an der Bauatademie und ted)- 
nifden Hochſchule und in Kirchenbauten, von denen 
die Chrijtustirde, die Thomastirde in Berlin (1864 
bis 1868), die Clijabethtirde in Wilhelmshaven, dic 
Paulsirde in Bromberg und die Erldjertirde in Se- 
tufatem ju nennen find. A. hat ſich als Forſcher um 
die Geſchichte der alten und mittelalterlidjen Baulunſt 

dienſte erworben, um eritere durch ſeine Beteili— 
Ung an den Ausgrabungen su Olympia, wo er im 
ftrage bes —* von Griechenland das Muſeum 
sur Bergung der Funde entworfen hat, um leptere 
Revers Ronv « Lerifon, 6. Aufl., L Wd. 


DEY bee Sep 
ORES 


Ae J 
a Js 


5. Fyrantfurt a. M. 


Adlerberg. 118 


durch die Werke: »Mittelalterliche Baditeinbauwerte 
des preupifden Staats« (Berl. 1859—98), »Bau- 
—— Forſchungen in Deutſchland« (daſ. 1870 
is 1879, 2 Tle.) und durch Unterſuchungen über die 
Dome von Regensburg und Straßburg. Wud) als 
vortragender Rat im Miniſterium der öffentlichen Ur- 
beiten hat fid) U., bis er 1899 in den Rubejtand trat, 
verdient gemadt. Bon feinen literarifden Urbeiten 
find ferner anzuführen: »Andreas Sdliiter, Leben 
und Werfe« (Berl. 1862); »Die Weltitadte in der 
Baufunjt« (2. Aufl., daf. 1872); »>Der Felfendom und 
die heilige GrabeSfirde zu Jeruſalem« (daj. 1873); 
»Das Mauſoleum zu Halifarnag« (daſ. 1900) und 
feine Aufſätze in den amtlidjen Berichten über die 
Ausgrabungen in Olympia. 
2) Guido, Mufifgelehrter, geb. 1. Nov. 
7 1855 in Eibenſchütz (Mähren), ftudierte 
in Bien (zugleich am Ronjfervatorium), 
promtovierte 1878 gum Dr. juris und 1880 
‘mit der Ubhandlung »Die hijtorifden 
Grundklaſſen der abendlindijden Muſik 
bis 1600« gum Dr. phil. und habilitierte ſich 
1881 mit der »Studie gur Geſchichte der 
Harmonies (iiber den Faurbourdon, Wien 
1881) al8 Privatdozent fiir Muſikwiſſen⸗ 
{daft an der Wiener Univerſität. 1885 
wurde er ———— der 
Mufifan der deutſchen Univerſität in Brag, 
1898 als Nachfolger Hanslicks ordentlicher Profeſſor 
für Muſik an der Piener Univerjitat. Er ſteht dafelbjt 
an der Spite cined mit erhebliden Mitteln ausgejtat- 
teten mujifwiffenfdaftliden Qnijtituts. 1884—94 re- 
dDigierte er mit Spitta und Chryfander die » Viertel- 
jahrsſchrift fiir Muſikwiſſenſchaft⸗ gab 1892—93 eine 
Auswahl der mufjifalijden Werke der Kaiſer Ferdi- 
nand ITT., Leopold L. und Joſeph J. heraus und leitet 
ſeit 1894 die von der Regierung unterſtiltzte Heraus- 
gabe der »Denfmiiler der Tonfunjt in Ojterreid)«. 
3) Georg, deutider Sogialpolitifer, geb. 28. Mai 
1863 in Poſen, ftudierte in Berlin und Freiburg i. B., 
habilitierte fid) 1886 al8 Privatdozent der National- 
dfonomie zu Freiburg i. Br., wurde 1893 als aujer- 
ordentlider Profeſſor nad) Basel berufen, wo er fiir 
die Regierung 1894 den erjten Geſetzentwurf über 
obligatorijde Verjiderung der Urbeiter gegen die 
Folgen der Urbeitslojigtett verfaßte, ging 1899 an 
das Orientaliſche Seminar nad) Berlin und erbielt 
1900 cinen Ruf nad Riel an die Univerſität und an 
die Marineafademic. Er ſchrieb: »Geſchichte der erjten 
ſozialpolitiſchen Arbeiterbewegung in Deutfdland< 
(resi. 1885); » Die Grundlagen der Karl Marxſchen 
Kritik der beftehenden Vollswirtſchaft· (Tiib. 1887); 
»Die Frage des internationalen Arbeiterſchutzes« 
(Miind). 1888); Ȇber die Wufgaben des Staats an- 
geſichts Der YUrbeitslofigkeit« (Tiib. 1894) ; »Geſchichte 
des Sozialismus und Kommunismus« (Leipz. 1899, 
Bd. 1); »Die ſoziale Frage⸗, im 7. Bande von Helm- 
olts ⸗·Weltgeſchichte⸗ (da}. 1900); »Die Zufunft der 
ſozialen Frage⸗ (Jena 1900) u. a. Neuerdings hat 
YU. Den Gedanfen der ——— Alters⸗ und In⸗ 
validenverſicherung des Mittelſtandes verfochten. 
Adlerbaum, Adlerholz, ſ. Aquilaria. 
Adlerberg, WladimirFeodorowitſch, Graf, 
ruſſ. General, geb. 18. Nov. 1790 in Wiborg, geſt. 
20, März 1884, Sohn eines Oberjten aus der ſchwe— 
diſchen Familie Suvebelius, die 1684 unter dem Na- 
men A. in den Weljtand erhoben wurde, trat 1811 
ins Heer, machte die Feldzüge von 1812--14 mit und 
ward 1817 Udjutant und BVertrauter des Großfürſten 
8 


114 


Adlercreug — Adlerorden. 


Nifolaus, in deſſen Gefolge er 1828 als Stabschef Mdicrorden. 1) Der weike Mm Rakiem?, ur- 


dem tiirfifden Fels beiwobnte. 1833 ward er Ge- ſprünglich em polniider 
—— — des Pojtwejens | tit uralten 


neralleutnant, 1841 
(bis 1856), 1843 General Der Anfanterie, 1847 in 
ben Grafenjtand erboben und — tire Sa aa 
jerlichen Haufes (bis 1872) und Ordenstangler. Auch 


unter CUlerander 1. bebielt er perſönlichen Einfluß. 


Winiiter bes laiſerlichen Hauſes ward 1872 jem älte⸗ 
fter Sobn, Ulerander Bladtmirowitid, Graf 
WL. (geb. 13. Mai 1818, geft. 4. Oft. 1488), General 


Winiiterpott jivetter 
Sobn, Ritolaus Wladimirowitid, Graf, geb. 
1819, gejt. 25. Dez. 1692 in München, General der 
nfanterie t, war 1866 —81 Ge- 


“olerereny, ari Johann, Gref, ſchwediſch 
finnland. Feldherr und Politifer, geb. 27. April 1757 
in Siala (Finnland), geit. 21. Aug. 1415 m Stod- 
holm, nabm als Offizier 1788 - Sheed bran Sa 


Be 
Hh 


eigentliche 
ihm die Rufjen in mehreren Gefechten — 
ren ge my Unteritiipung fdhwedtiderients —— 
jed Spatiommer den aed cai 
19. Rov. die Ronvention von O 
— ————— verpilichtete. 
Seit Unfang 1809 in S m, ex ſich an 


ematlhertes Stren; 
— Adler rubt. Es wird an emem breuen delblauen 


bet mur Gxer emne 
Uriprungs, wurde 1706 vee au: 
IL. ernenert und 1815 m der polntiden 
ung om rufitichen Saifer aif Simig vox Bolen fart 
den eriten Des Reiches erfldrt, Durch bas orgentiche 


Statut vom 26. Aebr. 1832 aber m dar Redbe Der ri - 
ſiſchen verſeßt, wo er als ber dritte rangurt. Das 


Band itber ie rechte Schulter getragen. dazu em gol- 
dener Stern mit der Devije »Pro fide, rege et lege« 
Für Den Glauben, den das Geietz · um em 
Kreuz tm Mittelſchilde auf der Bruit. Der Orden 
verietht ben erblichen Mdel. — 2) Der fdwarje W, 
edly apse ying —— 

— ne ee aes 


‘und verleibt den Erbadel. Das 


betetliqte 
der Thronrevolution vom 13. War; und verhaftete , ( 


bnlid er, | 
adfolger Marl Xu ernannte ibn 1810 sum Staats- 
rat, 1811 =~ Weneral und erhob ibn 1814 in den 
— egen war ſein Verhältnis zum 
Py 2 sot (f.d.), deſſen Generalftabs- 
acu er — des Herbſtfeldzuges der Nordarmee 
Napoleon (1813) ſowie während des kurzen 
es in No en (1814) war, namentlich vor 
öllerſchlacht bei Leipzig, durch militäriſche Mei— 
ch Sveridiedenbeiten getriibt. 
ferdollar (Udlerpiajter), der merifan. Peſo 
duro von gefeplic) 27,0643 g und 9027,» Taufendjtein 
Feinheit = 4,504 WE des Talerfußes, befonders in 
Ojtajien verbreitet. 

UAdblerfarn, ſ. Pteris. 

Adlerfifd (Sciaena aquila Risso), Stachelfloſſer 
ber Umberfiſche (Sciaenidae), 2 m lang, filberqrau, 
auf Dem Rücken braunticdh, am Bauche heller, | Tebt qe 
fellig tm Wittelmeer und im öſtlichen Utlantifden 
Oyean, erideint aud in der Oſtſee. Er gibt ein ftar 


§ 
es 


tes, orgeltonartiges Geräuſch von fid. Sein Fleiſch 


war ſchon im Vltertum febr geſchäßzt. 
Adierflanmen, |. Adler, S. 111. 
Adlergebirge, ſ. Bohmiſche Kämme. 
35 AUloeholz und Aquilaria. 
oftelets, Stadt in Bdhmen, Besirlsh. Rei- 
denon, am UAdlerfluß und der Bahnlinie Chlumetz- 
Wittelwalde, hat cin gräflich Kinslyſches Schloß mit 
Part, cine Realfdrule, cin Begirfsgeridt, eine qrofe 
Vederfabrif, Sdhubwarenfabrif, Bierbrauerei, Jucker 


fabrif, Miihlen, Weberet und Farberet, Cifenguejeret | 


und (1900) 4920 iſchech. Einwohner. 
Adlertal ſchön 
mit Burgruine, 
Enwohnern. 


ſtlich Der im 


terbraneret und (i900) 1052 tſchech. 


oe Warftileden Pottenſtein 


Wuitav IV. adolf (7. d.). Deifen 


Ordensjyeuben tit 
blaues achtiprgiges Kreuz nut Adlern ia ben Sintein 
und der Namenschiffer F. R. (Fridericus Rex) mr 
Een Schilde (i. Tafel ⸗Orden I, Jig 20). Der 

rden wird an cinem orangefarbigen Band fiber die 

line Schulter getragen. Dazu gebdrt auf der Brujt cin 
;  Sthermer adits ex Stern (71g. 22) unt ſchwarzeni 
Adler tn on arbenem Feld und der Deviie >Suum 
cuigque« (> }edem das Seine<). Die Kette bejtedt aus 
Udiern mit Donnerteilen und vierfad Ra: 
und mens zug umidlungen von blauem Band und der De- 
oss Schilde. Die Ritter find zugleich Grogtrenge 
roten Adlerordens. Bei Fejten roter Samtmantel. 

YL. Schneider, Das Bud vom A. 

(Bert. 1870); Heng jt, Die Ritter ded ſchwarzen Adler⸗ 
ordens (bai. 1900). — 3) Der rote A., unter Dem 


‘Ramen Ordre de la sincérité 1705 vom 





Erbprinʒen 
Georg Wilhelm von Brandenburg geitiftet, ward 1792 


zum giweiten preußiſchen Orden erhoben und umfakt 
5 Klaſſen in 40 Ubjtufungen. Die Inſignien find etn 
weiß emailliertes adjteciges Kreuz, auf defjen weißem 


Mittelſchild fic) vorn der gefrinte rote Adler, auf der 
Kehrſeite die Chiffer F.W. mit dariiber gefepter Krone 
befindet (f. Tafel »Orden I<, Fig. 13), und das von 
allen Klaſſen, nur in verjdiedener Grdpe, an einem 
weiß gewajierten Bande mit breiten, en 
Streifen und ſchmalen weifen Randern getragen wird. 
Die Groffreuse tragen cin adtipipiges mutt Dier 
goldenen, rot emaitlierten Adlern m den und 
einen Golbdjtern; Die Rette beiteht aus 25 Gliedern 
von gefrinten Schilden und goldenen, durch Schwert 
und Septer gefreugten Kränzen. Die Ritter der eriten 
Klaſſe tragen aufer dem Kreuz am Kordon auf der 
linfen Bruſt einen filbernen adtipigigen Stern mit 
Dem roten Udler, auf deſſen Bruit das hohenzollern 
fiche Wappen mit der Umſchrift »Sincere et constan- 
tere (Aufrichtig und ftandbhaft«) fic) befindet; die 
—* weite Klaſſe teilt ſich in ſolche mit und ohne Stern. 
ttern der dritten Klaſſe kann eine am Ring über 
dem — zu tragende Schleife, Rittern der drei 
erſten Klaſſen eine Verzierung von Eichenlaub 
geben werden, wenn ſie zuvor niederere Grade gehabt 
beides nur Preußen. Für im Feld erworbene Ver— 
dienſte wird der Orden mit Schwertern verliehen. Er⸗ 
hält der Betreffende eine höhere Klaſſe dieſes Drbens, 
fo werden bie Schwerter am Ringe der Klaſſe — 
gen. Die Ritter erſter Klaſſe tragen das Or 
zeichen an einem breiten Band um die Schulter, die 
ber zweiten Klaſſe um den Hals, die der dritten und 
vierten Mlajfe an fdmalerm Band im RKnopflod. 


J 


Wdlerpult — Ad marginem. 


1900 wurde Dem Orden cine Rote WUdlerorden- 
medaille affiltiert, Die Unteroffizieren Der Leib- 
fompaqnie des 1. Garderegiments verliehen wird. 
Bgl. LX. Schneider, Der rote W. (Berl. 1868); 
Hoftmann, Der preußiſche Rote A. (daf. 1879). — 
4) Beier W, ferb. Orden, gejtiftet 22. Febr. 1882 
vom König Milan I. sur Erinnerung an die Profla- 
mierung des jerbifden Königtums, in fiinf Klaſſen 
und mit Statut 23. Jan. 1883 verjehen. Die Defo- 
ration bejteht in einem von einer Königskrone iiber- 
ragten, weiß emaillierten, dDoppelfdpfigen, gefrinten 
Wdler mit goldenen Fängen, beleqt mit einem ovalen 
roten Mittelſchild mit weiß emailliertem Kreuze, zwi⸗ 
ſchen deſſen Armen ſich vier goldene Feuerſtrahlen 
befinden. Aus der Krone flattern hinter den Adler— 
köpfen blaue Bänder 
herab. Der ovale Mit⸗ 
telſchild des Reverſes 
zeigt das — ge⸗ 
krönte onogramm 
MI und darüber cin 
blaues Band mit der 
ferbijden Legende: 
»22. Februar 1882<. 
Die fiinfte Klaſſe tragt 
die Deforation von 
mattem Silber. Die 
beidenerjtenGradetra- 
gen einen Brujtitern 
von Gold, achtitrabli 
und dDiamantiert, aut 
dem der Orden liegt. 
Das Ordensband ijt 
rot mit gwei ſchmalen 
lichtblauen  Streifen 
(j. Tafel »Orden I<, 
Fig. 27). — 5) Der 
von Kaiſer Marini- 
lian 1. Jan. 1865 ge: 
itiftete merifanifde 
A. ift fett Maximilians 
Tod erlojden. 

Adlerpult, das an den Lettnern der mittefalter- 
lichen Rirden angebradte oder aud) felbjtindig ge 
braudte Pult gum Vorleſen der Evangelien, das von 
einem Adler mit ausgebreiteten Fliigein als Dem 
Symbol des Cvangelijten Johannes getragen und 
in Metallquy oder Holzſchnitzerei ausgefiihrt wurde. 
Solde Udlerpulte aus der romanijden und gotifden 
Beit finden fic) nocd 3. B. in Den Domen yu Halber- 
jtadt, Aachen (ſ. Ubbildung), in St. Severin zu Rodin, 
im Germanijden Mujeunt zu Nürnberg. 

Adlersfeld, Cufemia von, geborne Grafin 
Balleſtrem, Sdriftitellerin, geb. 18. Aug. 1854 in 
Ratibor, lebte in Hirſchberg und Brestau, veröffent— 
lichte feit 1876 cine Reihe von Novellen, mehrere 
Bande Gedidte und die Romane: » Lady Melujine« 
(Berl. 1878), »Heiderdsiein« (Brest. 1880), » Violet « 
(Dresd. 1883), »Die Falfner von Falfenhof« (daj. 
1890), » Die weißen Roſen von Ravensberg« (Leips. 
1897), Die Humoresfern »Romtefje Kathe« (Daf. 1894, 
10. Aufl. 1899) u. a. Außer einigen Unthologien und 
Überſeßungen gab fie aud die Brachtwerfe: » Am 
Glanje der Krone. Fürſtinnen aller Zeiten und Lain 
der« (Berl. 1880) und »\ Maria Stuart « (Hamb. 1889) 
fowie genealogijhe Schriften und mit H. Lingg 
»Staldenflinge. Balladenbuch zeitgenöſſiſcher Did 
ter« (Gresl. 1883) heraus. Sie lebt, feit 1884 mit 
dem Major von A. verbheiratet, in Zürich. 





Adlerpult (Dom gu Machen). 





115 


Adlershof, Dorf im preuß. Regbez. Potsdam. 
Kreis Teltow, unweit der Spree und an der Staats- 
bahnlinie Berlin⸗Königswuſterhauſen, hat eine evang. 
Kirche, eine chemiſche Fabrik, Filz- Cmailleidilder:, 
Elettrodraht-, Wellbled-, Holzleiſten⸗ und Fahrrad⸗ 
fabrifation und (1900) 8006 Einw. YW. ijt Gemeinde 
feit 1879. 

Udlershorft, Dorf bei Bromberg, ſeit 1893 sur 
Gemeinde Schwedenhöhe (ſ. d.) gehörig. 

Adlerſparre, Georg, Graf, ſchwed. Feldherr 
und Politiker, geb. 28. März 1760, geſt. 23. Sept. 
1835 auf Gujtafsvif (Wermland), geriet als Ritt- 
meijter während des Strieges 1788—-90 in ruffifde 
Gefangenſchaft, nahin 1793 feinen Abſchied, war 1797 
bis 1801 Mitherausgeber der inhaltreiden Zeitſchrift 
»Lisning i blandade Imnen«, fampfte als Brigade: 
def 1808 an der norwegifden Grenge mit Auszeich⸗ 
nung, ging indeſſen bald ins Lager der Gegner Gu- 
jtav IV. Adolfs (j. d.) über und gog nach Veröffentli— 
dung einer ſcharfen Broflamation (7. März 1809) mit 
einer größern Truppenabteilung nad Stodholm, um 
den Konig 3u entthronen. Dod) war dejjen Ubjepung 
bei feiner Unfunft (22. März) fdon erfolgt. Bon 
Rarl XIII. hierauf sum Staatsrat ernannt und in 
den Freiherrenjtand erhoben, bradte er die Verhand⸗ 
fungen mit Bring Chrijtian Auguſt von Holftein- 
Auguſtenburg über deſſen Wahl gum fdwedifden 
Thronfolger jum Abſchluß und gelettete ifn 1810 nad 
Stodholm. Durd) defjen pligliden Tod fowie durd 
die Regierungspolitif sum Austritt aus dem Staats- 
rat bewogen, war er 1810-24 Landes hauptmann 
der Proving Sfaraborg. 1812 erfoigte feine Befir- 
Derung jum Generalmajor, 1816 feine Erhebung in 
ben Gretenitand. Die Herausgabe der widtigen Quel⸗ 
lenjammilung »Handlingar rérande Sveriges äldre, 
nyare och nyaste historia« (Stodh. 18380 — 33, 
9 Bde.) gog ihm 1831 cine Geldjtrafe wegen Pregver- 
gehens ju. Vol. Sjdgren, Georg A. (Stodh. 1881). 
— Sein älteſter Sohn, Kart bales Say qeb. 1810, 
geſt. 1862, verdjfentlidte mehrere Gedichtſammſun— 
gen fowie die biographifden Urbeiten: »Historiska 
tidstaflor ur Sveriges nyare historia« (Stodh. 1850, 
5 Bde.); »Anteckningar om bortgangne samtida« 
(daf. 1859-62, 3 Bode.). 

Adlerſteine (Geoden, Uétiten, Klapper— 
ſteine), Eiſenſtein- oder Mergelkonkretionen von ver- 
ſchiedener, meiſt ſphäroidiſcher Geſtalt, ſchaliger Strut: 
tur und mit lockerm Kern, der ſich von den äußern 
Schichten abgeſondert hat, ſo daß die Steine klappern. 
Sie hatten einſt großen Ruf (Plinius); der Aberglaube 
läßt ſie in Adlerneſtern entſtehen und ſchreibt ihnen 
heilende (auch magiſche) Kräfte zu. Sie finden ſich, 
zumal in Jura- und Kreideſchichten, ziemlich häufig. 

Adler und Antindus (Aquila et Antinous), 
Sternbild am nördlichen Himmel, enthalt drei in ge— 
rader Linie ftehende Sterne, von denen der mittelſte 
(a, Altair, Utair) erſter Größe ijt. Bal. Taf. » Firjterne 
de3 nördlichen Sternenhinimels<, mit Tertbeilage. 

Adlervitriol , tupferhaltiqer Cijenvitriol. 

Adlerweibchen, ſ. Jungfraucnadler. 

Ad libitum (lat.), nad Belieben; ſ. Libitum. 

Adlich, tiirf. Goldmünze von 1827 ju 12 Guruſch 
= 8,345 WE, feit 1843 nur 17'/2 Piaſter — 3,143 WE. 

Adliswil, Dorf im ſchweizer Ranton Zürich, Be- 
zirk Horgen, an der Sihl u. der Sihltalbahn, mit Sei- 
denweberei, Baumwollſpinnerei u. 1900) 4691 Einw. 

Ad manus proprias (lat.), zu eignen Handen. 

Ad marginem (lat.), an den and (Bemerfung) 
bei Schriftitiiden xc. 

8* 


116 


Adwmetos, im griech. Mythus Sohn des Pheres | 
und der Periflymene, Konig von Phera in Theffalien, 
Teilnehmer an der falydontiden Jagd und am Urgo- 
nautengug, ein Jahr lang Dienjtherr des Apollon. 
Dieter t von den Moiren, A. mit dent Tode ju 
verſchonen, falls ein Angehöriger freiwillig fiir ibn 
jtiirbe, was feine Gattin Witeitis (f. d.) tat. 

Admination (neulat.), Bedrohung. 

Adminiftration (lat.), Verwaltung, insbejondere 
Staatsverwaltung; in der Landwwirtidaft der Wirt- 
ſchaftsbetrieb im Uuftrag und fiir Rechnung des Guts- 
beſitzers durch Beamte (Udminijtratoren, ſ. Landwirt- 
ſchaftliche Unternehmungsformen). 

Adminiftrativ (lat.), zur Verwaltung gehörig, 
von den Verwaltungsbehörden ausgehend; admi— 
niſtrative Verſchicung, in Rußland die ohne 
vorherige gerichtliche Unterſuchung angeordnete Ver⸗ 
bannung. 

Adminiſtrativjuſtiz (Verwaltungsrechts— 
pflege), die Entſcheidung von Rechtsfragen aus dent 
Gebiete des Sffentliden Rechtes und von Privatredts- 
jtreitigfeiten, die aus befondern Zwedmapig«eits- 
qriinden den Berwaltungsbehdrden zugewieſen find, 
durch die letztern. Derartige Sachen jind 3. B. BWaf- 
ſerrechtsſachen, Gewerbeja u. dgl., die man aud 
alg adminijtrativ-fontentidfe Saden be— 
zeichnet. In neuerer Heit ijt fiir Die Verwaltungs- 
rechtspflege meijt em befonderes Berwaltungsitreit- 
verfahren cingefiibrt worden (jf. Berwaltung und 
Contentieux administratif). 

MAdminiftrator (lat.), Verwalter, d. h. cin Bevoll- 
madtigter, der frembde Giiter im —— des Eigen⸗ 
tiimers oder ſonſtiger Berechtigter, z. B. der Glau- 
bigerſchaft im Konkurs (a. massae, bonorum), ver- 
waltet; im Kirchenrecht zeitweiliger Berwalter eines 
Rirdenamtes, insbef. einer vafanten Pfarrei; dann 
der vom Papſt bejtellte Berwalter eines Bistums 
sede impedita, d. h. wenn es durch gewaltjame Fern- 
haltung des Biſchofs ohne Regenten ijt; in Deutſch⸗ 
land ehedem Titel der Verwefer von friiher katholiſch 
gewefenen Erz⸗ und Hodjtiftern, von den Rapitein 

ewãhlter (pojtulierter) protejtantijder Fürſten; im 
rühern Staatsredt foviel wie Regierungsverwefer. 

Adminiftrieren ({at.), verwalten; fiir Rechnung 
eines andern ein Gefdaft leiten; austeilen, fpenden 
(}. B. das Saframent). 

Admirabel (lat., franj.), bewundernswiirdig. 

Admiral, Sdymetterling, ſ. Eckflügler. 

Admiral (v. arab. amir, »Oberbefehishaber«<, mit 
lat. Anhängſel alis und Kreuzung des fran}. amiral 
mit admirandaus, einem ehrenden Beiwort fiir hoch— 
gejtellte Perſonen im WMittelalter), Oberbefehishaber 
jur See. Diejer Titel wurde durd die Mauren zuerſt 
in Spanien gebréudlid und fam in England 1216, 
in Franfreid) 1248 in Gebraud. Heute unterfdpeidet 
man denGrokadmiral, den Admiral, den Bize— 
und Den Konteradmiral mit den Rechten und Siel— 
lungen eines Gencralfeldmarjidalls, Generals, Ge- 
neralleutnants und Generalmajors. Früher führte 
der A. neben Dem Befehl über die ganze Flotte zu— 
qleid) Den iiber das Gros. Der Vizeadmiral befehligte 
Die Borhut, der Ronteradmiral die Nachhut. Eng 
land hat den Rang eines Lordgrofadmirals und eines 
A. of the fleet, Rußland den Generaladmiral. Sn 
Holland heift der Konteradmiral Schout- bij - nacht, 
weil ihm friiher die Sicherheit der Flotte bei Nacht an- 
vertraut war. Der englifde Ronteradmiral heißt Rear 
A. Die Wdmirale führen zum Zeichen ihres Momman 
dos an Bord Flaggen (Flaggoffiziere). Diefe Wd- | 











Admetos — Admiralitatsrat. 


miralsflaggen (j. Tafel » Deutfce Flaggen · bean- 
fprudjen Salut als Ebrenbeseiqung. Das Schiff, wor- 
auf ein A. den Befehl führt, heißt Flaggſchiff (ſ. d.). 
Admiral, mit Rotwein bereiteter Eierpunſch. 
Admiralitat, die oberite Behdrde cingelner Ma- 
rinen. Ym Deutſchen Reid fiihrte bis 1889 der 
Chef der A. den Oberbefehl nad) den Unordnungen 
des Kaiſers und leitete die Berwaltung unter Verant- 
wortlidfeit Des Reichslanzlers. Dest führt der Kaiſer 
den Oberbefehl, die Verwaltung beforgt das Reichs 
marineamt. jn England gibt es einen Board of Ad- 
miralty mit 6 Lords, von denen der First Lord dent 
König und dem Parlament verantwortlid ijt. 3u den 
Geſchäften gehdrt nur die Leitung, BVerwaltung und 
Ergänzung der Kriegsflotte. Jn den Vereinigten 
Staaten von Nordamerifa ijt der Prajident der 
oberjte Befehishaber der Marine; er ernennt den Se- 
cretary of the navy. Jn Jtalien liegen dem Marine- 
miniſterium die Verwaltung der Kriegsmarine, die 
Geſetzgebung fiir die Handelsflotte, die Fiſcherei und 
die Seepolizei, Invaliden⸗ und Schulweſen der feemiin- 
nijden Bevolferung ob. Der fran zöſiſche Minijter 
der Marine und Kolonien hat einen ähnlichen Wir- 
kungskreis, teilt jid) mit dem Handelsminijter in das 
Beleuchtungs- und Betonnungswefen und leitet die 
Militir- und Zivilverwaltung der überſeeiſchen Ko— 
lonien. Qn Ojterreidh bejteht eine Marinefettion 
deS Kriegsminijteriums unter einem Vizeadmiral. 
Rufland hat ein Marineminijterium. 
Udmiralitatsgerict, der einer Admiralitit 
oder cinem Marineminiſterium beigeordnete Geridts- 
hof, der entweder in Friedenszeilen über Streitig- 
feiten Der HandelSmarine, 3. B. im Havariejaden, 
Strandungsfillen ꝛc., als höchſte Inſtanz entideidet, 
oder in Kriegszeiten über internationale Streitfalle, 
„. B. hinfidtlid) der Redhtstraftigfeit und des Bra- 
ches einer Blodade, hinjidtlid) Der Geſetzmäßigkeit 
der Wegnahme von Sdiffen ꝛc., befindet. Für die 
leftgenannten Streitfille bejteht in Deutſchland eine 
eigne Gerichtsbarkeit, die fogen. Prifengerihts- 


barkeit (j. d.). 


Admiralitatsinfelu, Inſelgruppe des deutſchen 
Bismarck-Archipels (ſ. Karte ⸗Bismarck-Archipel«), 
zwiſchen 2—3" ſüdl. Br. und 146 —1480 öſtl. @, 
meiſt flein und flach, von Korallenriffen umgeben, 
einzelne jedoch hod) und bergig, 2276 qkm grok. Die 
Grohe Udmiralitatsinjel, 1952 qkm, tit teils 
bergiq, teils eben, mit iippiger Vegetation bededt ; pon 
Den fleinern find Jeſus Maria (170 qkm), Lowinjel 
(43qkm) und St. Gabriel (22 qkm) die bedeutendjten. 
Auch die Ecdhiquierinfeln (50 qkm), die Eremiten-, 
Unachoreteninfeln u. a. im W., zuſammen 162 qkm, 
werden gu den YW. geredynet. Die Ddunfelbraunen, 
fraushaarigen Bewohner (ſ. Tafel »Wujtralier xc. I-, 
Fig. 12 u. 13) find durchſchnittlich 1.5 —1,6 m groß. 
Die U. wurden juerjt 1616 von Sdhouten geſehen, 
Carteret qab 1767 der großen Inſel den Namen, der 
{pater auf die ganze Gruppe iiberging. Sie wurde 
1885 mit den übrigen Bejigungen der Neuguinea- 


Kompagnie unter deutſchen Schutz geſtellt. 


Admiralitätepolice, ſ. Admiralſchaft. 

UAdmiralitatsrat, cine vom Kaiſer einberufene 
Kommiſſion von Seeofiizieren, Schiffs- und Wafdi- 
nenbauingenicuren und hdhern Verwaltungsbeamten 
jur Beratung ſchwieriger Fragen der Organifation 
oder Der Tedhnif, löſt ſich nach Erfiillung ſeiner Auf— 
qabe wieder auf. Als Titel entipridt A. dem Regie- 
rungSrat. Höhere Stufen find der Wirkliche A., der 
Geheime U. und der Wirklide Geheime A. 


Admiralfhaft — Adolf. 


Admiralſchaft, früher ein Verband, in den zum 
——— Schutze mehrere eine gemeinfdaftlide 

eiſe machende Kauffahrer traten. Sie wählten für 
die Reiſe einen Admiral. Ihm hatten die Mitglieder 
der Sozietät pünktlich Folge zu leiſten, und Zuwider- 
handlungen verpflichteten zum Erſatz des den andern 
daraus erwachſenden Schadens. Der Vertrag hieß die 
Admiralitätspolice. Ward ſolchen Kauffahrtei— 
ſchiffen von der Regierung ein Kriegsſchiff zur Be— 
ſchützung mitgegeben, ſo nannte man dies Convoi, 
mit Convoi fahren; den Vertrag darüber Zeyn- oder 

Admiralſchiff, ſ. Flaggſchiff. Seynbrief. 

Admiralſtab, dem Generaljtab (j. d.) entipre- 
chende Marinebehirde, deren Chef, cin Vizeadmiral, 
unmittelbar bem Kaiſer unteritellt ijt; die Geſchäfte 
de8 Udmiraljtabs umfaſſen die Entwidelung der See- 
jtrategie und Seetattif, die Flottenfiihrung im Rriege, 
die Vorbereitungen für den Seekrieg, die militäriſche 
Verwendung der Auslandſchiffe. Seeoffiziere werden 
auf längere Zeit in den YL. fommandiert. Jährliche 
Wdmiralftabsreifen fiihren ſtrategiſche Aufgaben 
unter Bereifung de3 angenommenen Kriegsſchau— 
plage Durd). 

Admiralſtabsoffizier, meiſt cin Rorvettentapi- 
tin des Udmiraljtabeds, gehört zum Stabe der Divi- 
fion eines Geſchwaders und führt deren Admiral⸗ 
ſtabsgeſchäfte. 

miranten, Inſeln, ſ. Amiranten. 

Admiſſarius (lat.), Zuchthengſt, Beſchäler. 

Admiſſion (lat.), Zulaſſung; Admiſſions— 
dampf, bei Expanſionsmaſchinen der während der 
Volldruchperiode (A.) aus dem Keſſel in den Zylinder 
ſtrömende Dampf, deſſen Druck, die Admiſſions— 

pannung, aus dem Indilatordiagramm ſich ergibt. 

Admission temporaire (franj., ſor. ißjong tang: 
pordr’, » zeitiweilige —— in Frankreich die Ge- 
—— zollfreier Einfuhr von Waren für den Fall 

r Wiederausfuhr; vgl. Veredelungsverkehr. 

Admittãtur (lat., »er oder es werde zugelaſſen«), 
Zulaſſungsſchein. 

Admodiation (lat.), die Verpachtung eines Gutes 
mit allen dazugehörigen Gerechtigkeiten; Dann die ver⸗ 
tragsmäßige Vergebung öffentlicher Urbeiten von fei- 
ten der Staatsverwaltung an einen fadjverftindigen 
Unternehmer. 

Ad modum Minelli, ſ. Dinell. 

Mdmonieren (lat.), warnend erinnern, mahnen, 
zurechtweiſen; Wdmonition, Ermahnung, War- 
nung, bejonders als Disziplinarmaßregel. 

mont, Marttileden in Steiermarf, Bezirksh. 
Liejen, 646 m ii. M., im weiter Ennstal an der 
Staatsbahniinie Umijtetten-Selsthal ſchön gelegen, 
bejudte Sommerfriſche, mit beriihmtem, 1074 geqriin: 
detem Benediftinerftift (ad montes, d. h. am Ge- 
birge, genannt), das, 1866 teilweiſe abgebrannt, feit- 
dent wieder aufgebaut wurde, einer Badeanjtalt, 
einem Senfenwert, einer Dampfſäge, Holzhandel und 


Altarbild von Witomonte und zwei 70 m hohen, go- 
tijden Tiirmen fowie cine Bibliothel, die in einem 
ſchönen, mit Fresfen von Ultomonte ausgeftatteten 
Saale 80,000 Bände, 1000 Handjdriften und 800 
Ynfunabeln enthilt. Yn der Nahe die dem Stift qe- 
hörigen Schlöſſer Röthelſtein und Kaiſerau, die Wall- 
fabristirde Frauenberg und öſtlich von A. dad Ge— 
ſäuſe (ſ. d.). Auch werden von YW. der große Buchſtein 
(2224 m), das Sparafeld (2245 m) rx. beſtiegen. Bal. 
Rienaft, W. und feine Umgebung (3. Aufl., Ling 
1895); Widner, Geſchichte des Benediftiner|tifts A. 


117 


—* 1876 —80, 4 Bde.); Derſelbe, Kloſter A. und 
eine Beziehungen zur Kunſt (Wien 1887), zur Wiſſen⸗ 
ſchaft und zum Unterricht (Graz 1891). 

Ad nauséam usque (lat.), bis jum Elel. 

Adnexe (lat., »Anhängſel, Zubehöre«; vgl. Un- 
ner), tm mediziniſchen Spradgebraud alle ſeitlich von 
der Gebarmutter im fleinen Becken liegenden Ge— 
ſchlechtsteile, alſo namentlid) die Tuben, Cierjtice, 
Die breiten Mutterbänder ꝛc. 

Aduominaler Kafus, ſ. Kaſus. 

Ad notam (lat.), sur BVemerfung, zum Vermerk. 

MAdnoticren (Unnotieren, lat.), aufzeichnen, an: 
merfen. Udnotanda, Anzumerkendes; Mdnotata, 
Unmerfungen; Udnotation, Anmerkung. 

Adnes., bei naturwiſſenſchaftlichen Namen Ab— 
türzung fiir Adanſon (j. d.). 

Ado, Heiliger, geb. 799 in der Champagne, gejt. 
16. Des. 874, als Benediftiner in der Ubtei Ferrieres 
gebildet, wurde 850 Erzbiſchof von Vienne. Er ſchrieb 
ein Martyrologium und das »Chronicon de sex 
aetatibus mundi«, eine Hauptquelle fiir die Geſchichte 
der fränkiſchen Ronige (hrsg. in den »Monumenta 
Germaniae historica« I). 

Ad ocũlos (lat.), vor Wugen; a.o. Demon deh : 
ren, etwas fo deutlid) erflaren und darlegen, dak man 
e8 gleichſam vor den Augen hat. 

olf (entitanden aus dem got. Utaulf), 1) A. 
von Raffau, deutſcher König, Sohn de3 Grafen 
Walrant von Naſſau, geboren unt 1255, gejt. 2. Juli 
1298, ein tapferer und gebildeter Ritter, ward ned 
dem Tode Rudolfs von Sabsburg von den Sturfiir: 
jten 5. Mai 1292 zum Könige gewahlt, naddem er 
ſich Durd) driidende Verſprechungen ju ihren gun: 
jten aller Macht beraubt hatte. Wibredt (fj. d. 1) 
von Ojterreich, Rudolfs Sohn, unterwarf ſich ihm 
nur fdeinbar, die Städte miztrauten dem »Pfaffen- 
fonig«. Gegen Frantreid verbiindete er ſich mit Konig 
Eduard L. von England. Um ſich die fiir dad könig 
lide Unjehen notwendige Hausmadt gu qriinden, 
erhob er Unjprud) auf die Mark Meißen und da3 
Oſterland als erledigte Lehen, faufte dem mit feinen 
Söhnen Friedrid) und Diezmann in Hader lebenden 
Wlbrecht dem Entarteten (j. d. 14) von Thiiringen die 
Nadfolge in Thiiringen ab und unternahm 1294 — 
1296 swei Feldzüge gegen Thitringen, dod) ohne Er- 
folg. Dagegen eroberte A. Meifen und das Oſterland. 
Die Kurfürſten organijierten jest den Aufſtand gegen 
den König und festen ihn in Maing formell ab. Al— 
bredht von Ofterreich ward sum Nachfolger auserſehen; 
bei Göllheim in der Rheinpfalz fam es 2. Juli 1293 
ur Sdladt, wo A. fiel. Seine Leiche wurde im Rlojter 

ofenthal, 1309 in der Kaiſergruft gu Speier bet- 
efest. Val. Roth, Gejdichte des römiſchen Königs 
vi 1. (Wiesb.1879); Domeier, Die Ubjepung Wdolfs 
von Rajjau (Berl. 1889). 
{[PHolftein.] 2) UW. IL, Graf von Holftein, aus 


dem Hauje Schauenburg, folgte 1128 ſeinem Vater 
(1900) 1306 Einw. Das Stift umfaßt cine Rirde mit | Adolf J. in der Grafidaft, verlor, als nad) Kaijer 


Lothars Tode Konrad LIT. das Herzogtum Sachſen 
an Albrecht den Baren verlieh, als Lehnsmann der 
Welfen fein Land und erbielt es erjt 1142 wieder. 
1143 aud) Herr in Wagrien qeworden, firderte A., 
unterſtützt vom Miſſionar Vicelin, Chrijtentum und 

ermanijde Kultur. Das eben erjt wiederhergejtellte 
Wibed mußte er 1158 Heinrid) Dem Lowen abtreten. 
1159 begleitete er Friedrich Barbaroſſa nad Stalien, 
leijtete 1164 Heinrid) dem Lowen gegen die Obotriten 
Heeresfolge und fiel 6. uli bei Verchen (in der Nähe 
von Demmin). 


118 Adolf (fürſtliche Perjonen). 


VII itei | J 6) Ergbifdhof von Mains, geb. 
25 " ee 808 ——— 1958, gen 6. tebe. on Urenkel des Königs Wdolf 
ryt ye Wht pr —— —— von Rafjau wurde 1371 Bifdof von Speier und 
— Or incite gathent iq, | verdriingte 1373 von einem Teile des Rapitels gum 
und der Prinzeſſin Katharina von —— ängte, —— 
i ä IV. Er Erzbiſchof von Maing erwählt, eit eg 
folgte 1427 ſeinem ältern Bruder, Heinrich IV Erzbi 
Hi —* in ce onder ben Bene —— = —— und berben Papjten —— 
— ingialh irae it. 14 ning fei inzug, ftand fortan an der Spige der 
Hiding op ic bnilge Ruane oeh vernatetie ober ble| Pcferpariel watt coke fie ble Wheaniem bs er 
da jean Gat 1 iſti ſtifti itoriums; am 24. Jan. 1390 ſtiftete er 
————— mi et appa ———— ig —— — Val. Friedensburg, Land- 
—— teines Gciaiebis ix G leswig: raf Hermann IH. von Heffen und Erzbiſchof A. J. 
der Mannesſtamm feines Geſchlechts in Schleswig: grat dheins Gitarbucy 1980. 
Poljtein (j. d.). . 7 ~~ ; =2 e. 7) A. Geor — Fürſt zu 
gonad Bat eat ad lod bd hd — ——— 1. Aug. 1817 in Biide- 
eee — te Uke ack Dhce burg, gejtorben daſelbſt 8. Mai 1893, regierte feit 21. 
—e— F ürſtlichen '1860, {ehlof fic) 1866 vreußen an; jeit 1844 war 
fiom a * i Soup ea ———— — ra Genin Hermine von Walded —— 
— Sian | i f in älteſter Sohn, Georg. Sein vier— 
— like Bi lume See Eee ¥ — * Oe abe if (rb 80. uli 1859), vermählt mit 
wads —— * zoe foals or to Berbindung Kaiſer Withelms Il. Schwejter Vittoria, —— vont 
— San Sider Ya i i ürſ {demar (geſt. 20. März 1895) fiir ſeinen 
— Devdctoen. om Georelebe —— —— Alexander zum Regen⸗ 
Welfen durchzuſetzen. Im Gegenſahze zur te er eine | ten des Hiirjtentums Lippe ernannt, verwaltete das 
* Mena Sten re Gast Pins gb red her Fürſtentum bis zur Entideidung des Erbjtreits zwi⸗ 
——— i Linien Schaumburg-Lippe und Lippe-Bie- 
den er 12. Juli 1198 in Aachen krönte. va Wid Ballipp —8 OU Bin) peace —— ideo ————— 
—— 1905 — eden Neate Wegen des | Schiedsgerichts vom 22. Suni 1897 nad yh über. 
— com Sak Sue : ig: Polftein.] 8) Herjog von Schles⸗ 
La —— ——— —— — —————— 
ant, ie —— — Bruno —— und burgiſchen Hauſes, geb. 25. Jan. 1526 in sheer a 
cae eae tanat oii dy Bhili it. 1. Oft. 1586 in Gottorp, Sohn des Königs ried⸗ 
ey ah pecan tr I cen — —* 1544 mit ſeinen drei 
—— at it et hee usaseTicactirva oven Briidern die ſchleswig-holſteiniſchen Lande und erhielt 
Ont a iebrich TI it Des 1 i Anteil. Schon vorber hatte er dem 
weber beB GR es ubcobinien f — €iber ales Sark — 154 Moris und vor Meg 
—— —— te tact th ett 290 in Neuß. beigeſtanden; 1556 erbielt er das Bistum rie i 
Se eecia’ wi, Gatidot i idhs- 155 t a er dic Dithmarfden und teilte deren 
— wa — Gand angel Bruder Johann und ſeinem Neffen, 
gap ii By Sropger oq von Luxem- Rönig Friedrid IT. Cr vermählte —— —— 
TA. : ‘ ped | * aT ns * a on 
pore on 24. Yuli 1817 * —5221 — a Tochter Ehilipps des Großmütigen 
Dem er in öſterreichiſchem ilitärdienſt gejtanden, | F ; @. Friedeich, Mdnig vor 
Sein rie Gettin, @ifabds Tome tes weitere Sheree oa te ane 1710 auf Gottorp, geſt. 
Serhttiince Stunt tee % oi | 12. Febr 1771 in Stodholm, Sohn Herzog Chrijtian 
Groffiirjten Michael, ftarb Anfang 1645 nad) faum | 12. Febr. —— rg harry 
injabriger ¢ 3 fei t Prine | Auguſts von Holjtein-Gottorp, | 
cinjabriger Ehe. Aus ſeiner zweiten Ehe mi u —— ———— 
i ii 5 der Erb: Biſchof von Lübechk, 17% t | 
zeſſin Welheid von Deſſau (1851) ftammen Aa labios uel Weles Ulin tee 
i : 1893 mit tums filr den unntiindige 
pring Wilhelm (geb. 22. Upril 1852, feit tit | tur way tek tik eee 
* eden fin otibe Ca BB rie rar pr | —— — “a —2 Reichstag zum 
und die Prinzeſſin Hilda (ge 5. Nov, langen : finbertofen Sinine eriebrach T(t b.) 
Beidwidtiqung dee reoolatondeen Bewegung von | qewawte, seit 1744 mit Lute Ulead. Sxtelte 
1048 Wage @. Leto on oc Gpibe einer deutidhen | riedrid Gr., verhetratet, ftand er völlig unter 
Bria — * — eh id aoe ipiiter ane | oon Cini bicker Stace, aber — * 
itefeinbtiche ‘Bolitit cin. 1866 6} Diterreich, | Fiiritin, deren wenig erfolgreiche Politik nach feiner 
heitsfeindliche Politi cin, 1866 hielt er zu Djterreich, Fürſtin, de — far becker Gees: 
fein Bufludhtgort wurke Won 29, Sept. 1867 feof ex | lecung femmes fesgtthen Rechte fabete, ibe sbi 
cin Sufludtsort wurde. Am 22. Sept. 7 ng | glic Bgl enh a 
hen ei i , lichen Demütigungen feitens der a 
mit vreußen einen Vertrag, der ihm eine U bfindungs | perſön 
ſumme von 8,5 Will. Tir. zuſicherte und lebte hier herrſchen e 1766 Beitabe 8 
Teunue joule auf Sobenburg —— 
Taunus fowie auf Hohenburg in ern. S zur Fe a ‘ Setina® TL 
8oöſterreichiſcher Schweſter Eliſabeth war die Mutter Katharinas 
Sohn ward 1889 öſterreichiſcher General. Seit 1889 Schweſ 2 — ———————— 
Regent in Luxemburg für den ſchwererkrankten nie- | — aig rege patch : { — 
derländiſchen König Wilhelm III., folate — | em a aa 
23. Rov. 1890 als Grokberjog von uremburg, ſah S . 18s W401). —— 
—5 F on ote 7 | ben), odbores bosiee Toe ont 1889, ward 1653 
Yinfang Upril 1902 feinen Sohn Wilhe m S deg richall, 1657 voriibernebend Statthalter in 
halter gu ernennen. Bal. Kolb, A. Großherzog von Reichsma P antares tee 
Suuremburry (Wiesb. 1897). Preußen, follte nad teitamentariider Verfiiqung f 











Adolf Friedrich — Adoxa moschatellina. 119 


ne3 Bruders Karl X. Gujtav (j.d.) Mitglied der Vor- Val. Greve, De Adonide (Leipz. 1877); Mann- 
mundſchaftsregierung Karls XI. werden, wurde aber | Hardt, Untife Wald- und Feldfulte (Berl. 1875); 
1660 vom Reidsrat und Reidstag nicht bejtitigt | Baudiffin, Studien gur ſemitiſchen Religionsge- 
und 1664 zur Unterjeidnung einer Cntjagungs- ſchichte, 1. Heft (Leip;. 1876). 

urfunbde ate Adoniſcher Vers Qdonius), antifes Me— 

Adolf Friedrid, engliſcher Pring, Herjog | trum, eine logaödiſche (j. d.) Dipodie, von der Form 
von Cambridge, j. Cambridge 1). 6. B. Pallas honores, rojiger Morgen); 

Adolfhafen, geräumiger, guter Hafen in Kaiſer dient meijt als Sdluj der Sapphiſchen Strophe. 
Wilhelms-Land, ſüdlich vom Huongolf, unter 7°44’| Wdonisrdsdyen, ſ. Adonis. 
ſüdl. Br. u. 147° 44/ öſtl. L., 1884 von Finſch entdedt. | Wdony, Markt im ungar. Komitat Weifenburg, 

Adolfsdor, ſchwediſch-pommerſche Goldmiinje | an der Donau und der Eiſenbahn Stubhlweijenburg- 
von 10,5 Wtf. Wert. Pals, Dampfſchiffſtation, mit Bezirksgericht, Hol3- 

Adonai (hebr., der Name Gottes, Plural von ie und (1890) 4426 ungarifdjen und deutiden 
Udon, »Herre, mit dem Suffix der erſten Perſon des Cinwohnern. Hier foll die rdmifde Stadt Vetus 
ea eager Fürwortes). Die Yuden fpreden 
dDiefen Ramen tiberall aus, wo in der Bibel der vier- 
——— Gottesname JHWH (j. Jehova), deſſen 
wirkliche Ausſprache unbekannt iſt, ſteht, und deſſen 
Konſonanten meiſt mit den Vokalen von A. oder 
Elohim (jf. d.) punktiert find. Vgl. Dalman, Der 
Gottesname A. (Berl. 1889). 

Adoni, Bezirlshauptſtadt im Diſtrikt Bellary der 
britiſch⸗ ind. Präſidentſchaft Madras, an der Cifen- 
bahn Madras -Vellary, mit verfallenem ort und 
(1891) 26,243 Cinw. 

Adonis L. (Udonisrisden, Teufelsauge), 
Gattung der Ranunfulageen, benannt nad) Adonis, 
aus dejjen Blutstropfen die Pflanze erwuchs, ein- Wdoragl (neulat.), bei Tieren: in der Nahe des 
oder mehrjabrige Kräuter der nördlichen gemäßigten Mundes gelegen. 


| 

Salinum gejtanden haben. 
Bone der Alten Welt, mit fiederteiligen Blattern, ein Adoration (lat.), Wnbetung (j. d.). 

: 


MAdoptianigmus, dic Lehre de3 Elipandus, Er3- 
biſchofs von Toledo, und des Felix, Biſchofs von Ur— 
gelles (Geit 818), wonach Chrijtus gwar feiner gitt- 
liden Yatur nad der wirkliche Sohn Gottes, aber 
feiner menfdliden Natur nad) als Sohn von Gott 
Nur angenommien (adoptiert) fein foll. Die lebhaftes 
Yrgernis erreqende Lehre wurde von der fränkiſchen 
Rirde auf mehreren Synoden verdammt und durd) 
Karls d. Gr. Schwert unterdriict. 

Udoptieren (lat.), an Kindes Statt annehmen; 
allgemein: anerfennen, billigen, fic) an⸗ oder zueignen. 

doption, |. Unnahme an Kindes Statt. 


eln gipfeljtindigen Bliiten und geſpitzten Sdlick- | Adorf, Stadt in der ſächſ. Kreish. Zwickau, Amtsh. 
Priidhten. A.autumnalis Z., mit blutroten, am Grunde | Ol8nig, an der Eljter, Rnotenpuntt der Staatsbahn- 
mit cinem ſchwarzen Fed gezeichneten Blumenblät⸗ linien Reichenbach Eger und Chemnitz -A., 482 m 
tern, A. aestivalis Z., mit mennigroten, an der Baſis i. M., hat cine evang. Rirde, ein Amtsgericht, Runjt- 
violettſchwärzlich gefledten Blumenblittern, und A. | weberei, Baumwollweberei und -Spinnerei, Stide- 
vernalis Z., nut gitronengelber Blumenfrone, finden | rei, Fabrifation von Perlmutterwaren und Blas- 
fid) in Deutfdland befonders auf Ralfboden, werden | injtrumenten und (1900) 6328Einw. A. erfdeint ſchon 
als Rierpflangen fultiviert. Kraut und Wurzeln ent- | 1293 als Stadt. 1768 durch Feuer zerſtört. 

halten ein Glyfojid, Udonidin, das auf das Hers, Wdoffieren (franj.), mit dem Rücken anlehnen; 
wirft. Man benugt Wdonisblatter und Wdonidin arz⸗ abfdrigen, abdaden. Wdoffiert heift ein Vorblatt, 
neilid) wie Digitalis, fie wirfen ſchneller als dieſes und wenn es feine Riidfeite der Ubjtammungsadfe zukehrt. 
ſtärker auf den Darm, aber ohne kumulative Wirkung. Wdoucieren (franj., fpr. -dup-, —— mil⸗ 

Mdonis, im griech. Mythus cin Jüngling von | dern«, aud anlaſſen, tempern), oberflächliches 

ſprichwörtlich gewordener Schinheit, Sohn des Theias | teilweifes Cntfohlen von Eiſenguß durch Glühen in 
oder Kinyras und deſſen eiqner Todjter Myrrha oder | einer Umbiillung von fauerjtoffhaltigen Rirpern, wie 
Smyrna. Als der Vater, des Frevels innegeworden, | Cifenoryd, Braunjtein rc. Geht der entfohlende Pro— 
mit dem Schwerte die Todjter verfolgt, wird fie in | zeß durch das ganje Stück hindurd), fo erhalt man 
einen Myrrhenbaum verwandelt, aus dejjen berjten- | ſchmiedbares Gußeiſen. Bgl. Anlaſſen. 

der Rinde A. entſprang. Uphrodite iibergab das Rind | Adour (jpr. ada, fat. Aturius), Fluß in Siidfrant- 
ber Perſephone, die e8, von feiner Schönheit beriictt, | reid), entipringt am Col du Tourmalet im Depart. 
nicht wieder herausgeben wollte. Auf Zeus' Entideid | Oberpyrenden, durdjtrdmt das reigende Campantal, 
verweilte U. zwei Drittel des Jahres bei Uphrodite, | die dicht bevilferte Ebene von Tarbes und die Gand- 
ein Drittel bet Perjephone. Noch cin Jüngling, wurde flächen der Landes, wendet fic) dann in großem Bogen 
er auf der Jagd von einem Eber tddlid) verwundet. | ſüdweſtlich und miindet, an Bayonne vorbeifliejend, 
UW. (d. h. Herr) ijt eigentlich cin ſyriſch-phönikiſcher bei Boucau-Neuf in den Viscayifden Meerbujen. 
Raturgott, ein Bild der nad furjer Blüte immer wie- | Vis 1579 ergoß ſich dev Fluß 30 km weiter nördlich 
der erjterbenden Vegetation. Sein Kult ſcheint fic) | ind Meer. Bei St.-SGever wird der A. ſchiffbar. Seine 
ſchon frith bei den Griechen verbreitet zu haben; unter | Lange betriigt 335 km; feine Hauptzuflüſſe find rechts 
den Ptolemiern fam er nad) Ägypten, in dev Naifer- | der Vero8 und die Midouje, lints der Gabas, Luy, 
zeit nad) Rom. Sein Fejt (Wdonia), an dent fic) be- | Gave de Ran, die Bidouze und Nive. 

fenders Die Frauen beteiligten, fiel teils in den Friih-| Adoxa moschatellina L. (Bijamfraut, 
ling, teils in den Hochſonimer; in jenem Fall wurde Mofdustraut), einzige Urt der Familie der Udora- 
erjt fein Bild mit maßloſen Trauerbezeigungen bejtat- | geen, mit fleiſchigem, ſchuppigem Wurzeljtod, jarten, 
tet, unt es dann mit ausgelajjenem Jubel wieder ju | langgejtielten, mehrfach geteilten Grundblattern, zwei⸗— 
holen, im andern folgte der Feier des Lebenden die | blitterigem Stengel und fajt wiirfelformigem Bliiten- 
Vejtattung. Cine befondere Rolle jpielten bei dent Feſte köpfchen mit 5 —7 Bliiten. Das ſchwach nad) Moſchus 
dieWdoni Sgarten, Gefäße mit fiinjtlicd getriebenen | riechende mehrjährige Pflänzchen wächſt in Gebiijden 
und fdnell welfenden Pflanzen; fie waren aud) ſprich⸗ in der nördlichen gemäßigten Sone und wurde früher 
wörtliche Bezeichnung für alles ſchnell Vergängliche. | arsneilid) benugt. 





120 
Ad perpetiam memoriam (lat.), 3u immer: | 
wahrendem Andenken. 

Ad pias causas (aud) ad pios usus, lat.), »3u 
frommen Zwecken«, namentlid) jum Bejten der Ar— 
men, Rirden, Sdulenre., Forme! bei Vermächtniſſen. 

Adqueſt (at., »Erworbenes<), ſ. Errungene Giiter. 

Adra, Stadt in der fpan. Proving Almeria, Bezirk 
Berja, an der Miindung des Fluffes W. oder Rio 
Grande ins DMittelmeer, mit Bleiberqwerfen, Zucer- 
plantagen, einem Hafen und (1897) 9210 Einw. 


Udragantin, |. Bajjorin. 
Adraha, Stadt, ſ. Edrei. 


Adrammeled, cine Gottheit der Sepharviter, de- 
ren Kultus diefe, als fie von Sargon nad) Samarien | 
verpflangt wurden, ebendort beibebielten. Er bejtand | 
wie ber be3 Unammeled darin, dak man Kinder 
mit Feuer verbrannte (2. Kön. 17, 31). A. fcheint bier- 
nad mit Molod) verwandt gu fein. Die (jyrifche?) | 
Stadt Sepharvaim hat mit der babylonifden »Son- 
nenjtadt« Sippar (ſ. Ubu Habba) nidts gu tun. — 
A. hieß aud ein Sohn des affyrifden Königs San— 
herib, ber im Verein mit feinem Bruder Sarezer 681 
v. Ebr. im Tempel des Nisrod feinen Vater ermordete 
(2. Rin. 19, 37). — Ferner ijt ein Teufel in Klopſtocks 
»Meffias< Wdrameled benannt. 

Adrampti, Stadt im türkiſch-leinaſiat. Wilajet | 
Chodawendifjér, 8 km vom gleidnamigen Meer- | 
bufen, auf Befehl des Kaiſers Alexios an Stelle des | 
alten Udrampyttion 1100 erbaut, von großen Oibaum- 
pilanjungen umgeben, mit 6200 Em. 

Adramypttion, griech. Hafenjtadt in Myfien, an- 

eblich vom Bruder des Kröſos von Lydien gegründet, 
pater von Uthenern und Deliern befiedelt, 1100 n. Chr. 
von dem tiirf. Seeräuber Tzachas verwiijtet. Rejte | 
13 km fiidwejtlid) vom heutiqen Adramyti. 

Adraͤr (U.-Tmarr), Daſe in der wejtliden Sa- 
hara unter 19° nördl. Br. und 12° wejtl. L., 300 m 
ii. M., in den Talern mit reidlidem Baumwuchs. 
Unter 21° nördl. Br. befindet fic) ein großer Süß 
waſſerſee, Den 12,000 Menſchen umwohnen. Gerſte, 
Weizen, Mais, Hirſe und Waſſermelonen werden 
angebaut; wichtig tit der Dattelhandel (ca. 150,000 
Dattelpalmen). Gezüchtet werden Namele, Schafe, | 
Biegen, Pferde und Budelrinder. Die Bevdlferung | 
beiteht aus jtarf mit Arabern vermifdten Berbern, 
Tuareg und Negern. Hauptort und Knotenpunkt des 
Rarawanenhandels ijt Sdingeti mit 30,000 Einw.; 
Wadan mit 12,000 Einw., Walata mit 8000 Einw. 
A. tretbt bedeutenden Handel, namentlid mit Gal; 
aus der Sebcha Iſchil. Die Dafe beſuchten 1850 Banet, 
1860 Vincent, 1879 Soleillet; fie liegt in der fran- 
zöſiſchen Intereſſenſphäre. Bgl. Bonelli, El Sahara | 
(Wadr. 1887). 

Udraftcia (qried)., »Ddie Unentrinnbare«), Bei 
name Der Nemeſis (7. d.). 

MAdraftos, im gried. Mythus König von Urgos, | 
flob, von Amphiaraos vertrieben, nad Sifyon zu 
feinemt mütterlichen Großvater Polybos, deſſen Thron 
er erbte. Mit Amphiaraos ausgeſöhnt, kehrte er nach 
Argos zurück. Auf Befehl des Orakels, ſeine Töchter 
einem Eber und einem Löwen zu vermählen, gab er 
Die Deipyle dem Tydeus, die Argeia dem Polyneiles 
(f. d.), Die heimatsflüchtig nachts vor dem Palaſt des 
A. gufanumengetroffen waren und die Haute jener 
Tiere als Bekleidung trugen. Um Polyneifes wieder | 
in fein Reich eingufegen, veranlakte UW. den Sug der 
fieben Fürſten gegen Theben; er allein rettete ſich mit 
Hilfe feines göttlichen Roſſes Arion. Zehn Jahre 
darauf führt er Die Söhne der Gebliebenen, die Epi- 











Ad perpetuam memoriam — Adreßbureaus. 


gonen, su einent zweiten Zuge gegen Theben, erobert 
und zerſtört es, verliert aber feinen Sohn Uigialeus 
in der Schlacht und ſtirbt vor Gram auf der Riidfehr 
in Megara, wo er, wie aud in Athen und Sifyon, 
al8 Heros verehrt wurde. 

Ad referendum ((at.), in Der Rechtsſprache: zur 
Veridterjtattung, 3. B. einen Vergleich a. r. annehmen. 

Ad rem (lat.), zur Gace. 

Wdreffant (franj.), Brieffdreiber. 

Wdreffat, Empfänger ciner Pojtfendung oder 
eines Telegramms, die vom Wbfender auf dem Ver— 
jendungsgegenjtand mit Namen bezeichnete Perfor, 
Firma, Behörde ꝛc., welder der Gegenftand aus- 
gehändigt werden foll. Die Bevollmadtiqung Dritter 
tit zuläſſig (ſ. Voſtvollmacht). Gewöhnliche Brief- 


ſendungen dürfen außer an den Adreſſaten an andre, 


zur nähern Bezeichnungec. in der Aufſchrift (ſ. Adreſſe) 
bezeichnete Perſonen, z. B. auch an den Hotelwirt, aus⸗ 

ehändigt werden. In Aufſchriften wie: an A zu 
Banden des B, an A absugeben an B, an A fiir B, 
an A unter oder per Adreſſe Des (aux soins de, care 
of, c/o) B gilt A ſowohl als B als A. Wenn ein VW. 
feine Sendungen auf Grund einer fdriftliden, in 
Preugen mit 1 Me. ſtempelpflichtigen Erklärung ab- 
holt, fet es am Schalter, fei es durch Schließfächer 
. Poſtabholungsfächer), fo iſt die Poſt fiir die richtige 
Beſtellung nicht verantwortlich und zur Prüfung der 
Legitimation des Abholers nicht verpflichtet. Im 
Reichspoſtgebiet hat der A. kein ſelbſtändiges Recht 
auf Uushandiqung; ſolange fic) der Gegenſtand im 
Gewahrſam der Poſt befindet, jteht nur dem Mbsfender 
das Recht gu, fiber den Gegenjtand zu verfiigen; ct- 


waige Erſatzanſprüche find daber vom Abſender geltend 


ju maden. Bal. Poſtgeſetz, erliiutert von Dambad 
(6. Aufl., Berl. 1901). — Im Wechſelverlehr ijt A. 
foviel wie der Bezogene; vgl. Trafjieren und Wedel. 
Adrefbuch (Adreßkalender), cin Verzeichnis 
der Bewobhner einer Stadt, der Beamten eines Landed 
(jf. Staatshandbuch) oder der Mitglieder gewiſſer Be- 
rufé= oder Gefellichaftstiaijen, wobei diefelben nad 
Namen, Titeln, Berufsgweigen und Wobhnungen, 
meiſt unter Beifügung allgemeiner topographiſcher, 
ſtatiſtiſcher und adminiſtrativer Mitteilungen, auf— 
geführt ſind. In neuerer Zeit haben die Adreßbücher 
für einzelne Induſtrie- und Handelszweige größere 
Ausdehnung gewonnen. Aus der großen Zahl der— 
artiger Radvidlagebiicher find anjufiihren die von 
Leuchs in Nürnberg (⸗A. europäiſcher Exportge— 
ſchäfte«,A. aller Vander der Erde⸗ in vielen Banden), 
Regenhardt in Berlin, Fleifdymanns ⸗A. ded Welt- 
handelS« (Leips. 1891 — 93, 3 Bde.), das von Unnede, 
Rentzſch u. a. herausgeqebene »A. deutſcher Export: 
jirmen« (daf. 1883 —85, 4 Bde.; neue Folge 1897) 
und deren ⸗Reichsadreßbuch deutider Induſtrie- und 
Handelsfirmen« (daſ. 1892—93, 2Hde.), das »Deut- 
iche Reichsadreßbuch⸗ (2. Aufl., Berl. 1901, 2 Bde.), 
Walendes ⸗Exportfirmenadreßbuch des Deutſchen 
Reichs, Oſterreich Ungarns und der Schweiz «(3. Aufl , 
Leipz. 1896, 3 Vde.), das »Export-Handadrehbudh« 
(8. Jahrg., Berl. 1901), das » Ojterreidhifche Reichs 
Induſtrieadreßbuch« (Teſchen 1900), in England die 
von Kelly (> Directory of merchants, manufacturers, 
and shippers of the world«, zuletzt 1902) u. a. Bal. 
A. der Adreßbücher, Verzeichnis von Fach- Handels-, 
Stadte-, Länderadreßbüchern der Welt« (7. Jabrg., 
Leip;. 1902) und Mahlaus » Wdrefbiider = We. 
Adrekbureans (Adreßkontore, Nachwei— 
ſungsbureaus), Anſtalten, die ſich mit der Lieſe— 
rung von Adreſſen aller Berufszweige und Stände 


Adreſſe - 


in allen Ländern befajjen und die Adreſſen geſchrieben 
auf Kuverten, Karten, Klebezetteln oder in Lijten xc. 
abgeben. Gelegentlid) werden wohl aud) Anſtalten, 
Die fid) Der Stellenvermittelung (j. Stellenver- 
mittelungsbureaus) und dem Urbeitsnadweis (jf. d.) 
widmen, als YU. bezeichnet. 

Adreſſe (franj.), die Aufſchrift (»Anſchrift«) bei 
Poſtſendungen und Teleqrammen. Zur A. gehören 
alle °Ungaben, welde bie Beforbderung und Uushandi- 

an den Adreſſaten (ſ. d.) ficheritellen follen. Bei 


un 
—J—— muß ſich die A. auf der Außenſeite, 


bet Paleten außerdem auf der zugehörigen Batet- 
adreſſe befinden, bei Telegrammen muß jie getrennt 
vom Text und der Unterjdrift aufgeführt werden. 
Die A. muß den Beſtimmungsort und den Udrefjaten 
in fo bejtimmter Bezeichnung enthalten, dak jeder 
Ungewißheit vorgebeugt wird. Bei Pojtiendungen 
— Orten ohne Woitanitatt ijt in Der YL. außer dem 
Beſtimmungsort nod diejenige Poſtanſtalt angugeben, 
von der aus die Vejtellung bewirft werden oder dic 
Ubholung erfolgen ſoll. Bei Briefen nad) dem Wus- 
lande wird zweckmäßig in der A. Die Sprache des Be— 
ſtimmungslandes oder wenigitens lateiniſche Schrift 
angewendet; bei Briefen nad) Rufland ijt das Gou- 
vernement, bet ſolchen nad den Bereinigten Staaten 
von Umerifa der Staat und womöglich aud) der 
Kreis (county, parish) dem Beſtimmungsorte hinju- 
jufiigen. Die Freimarten müſſen auf den Sendungen 
jtets oben rechts aufgeflebt werden. Bei Briefjen- 
Dungen nad Berlin ijt die Nummer der Bejtellpojt- 
anjtalt, 3. B. Berlin W. 35, anjugeben. Über die A. 
auf pojtlagernden Sendungen ſ. Bojtlagernd. Auf 
der Außenſeite gewöhnlicher und eingefdriebener 
Brieffendungen fonnen auger der A. des Empfdngers 
die U. Des Ubjenders jowie weitere Angaben, die nidt 
die Eigenſchaft einer brieflidjen Mitteilung haben, 
und Ubbildungen angebradt werden, fofern die Auf— 
ſchrift deutlid) und Raum fiir die Stempelabdriice rc. 
bleibt. Bei Paleten muß die A. möglichſt unmittelbar 
auf der Umbiillung angebracht werden; ijt dies nicht 
mdglich, fo ijt eine haltbar befeftiqte Fahne aus Pappe, 
Hol; u.dgl. anguwenden. Bei Telegrammen ijt die 
Unwendung einer abgetiirgten W. (» Drahtanfdrift-), 
die vorher ſeitens des Empfängers mit der Tele- 
graphenanitalt feines Wohnortes vereinbart worden 
tit, gegen eine Jahresgebühr von 30 Mark zuläſſig. 
Der Inhaber darf diefe U. in den fiir ihn bejtimmten 
Teleqrammen an Stelle des vollen Namens und be}. 
der Wohnungsangabe anwenden lafjen. Telegramme 
an Empfanger in Berlin ohne abgefiirste A. milſſen, 
wenn fie durch Fernfprecher zugeſprochen werden 
follen, vor der YW. YUmt und Nummer des Fernfpred- 
anſchluſſes enthalten. 

Im politijden Sinne heißt W. cine Zuſchrift, 
worin Bitten, Bejdwerden, Vorſtellungen oder fon- 
ſtige Rundgebungen gewiffer Geſinnungen, Grundſätze 
oder Anſichten enthalten ſind. Adreſſen werden von 
Verſammlungen oder Körperſchaflen, namentlich par- 
lamentariſchen, an die Staatsregierung oder an eine 
beſtimmte Behörde oder an ein ſonſtiges öffentliches 


Organ gerichtet. Auch pflegen die Wähler nicht ſelten 


in einer A. ihrem Abgeordneten ein Vertrauens- oder 
Miftranensvotum ju erteilen. Die A. ijt em Wusdrud 
der Unerfennung, der Villiqung oder Mißbilligung 
und unterjdeidet ſich Dadurd von der Petition, die 
unmittelbar etwas verlangt, und der Refolution, 
die nur Wünſche und Unidauungen jum Wusdrud 
bringt. Jn manden Verfajjungsurfunden ijt den 
Kammern der Krone gegeniiber das Adreßrecht 








121 


ausdriidlid) eingeräumt. Die Verfaſſung des Deut. 
ſchen Reiches enthalt cine folde Beſtimmung nidt. 
Nad) der Geſchäftsordnung des deutichen Reichstags 
wird der Antrag, eine U. an den Kaiſer zu ridjten, 
wie ein andrer Antrag behandelt. Beſchließt der 
Reichstag, die Borberatung des vorgelegten. Adreß⸗ 
entwurfs einer Kommiſſion zu iiberweifen, fo wird 
dieſe aus dem Priijidenten des Reichstags als Bor- 
fipendem und 21 von den Ubteilungen des Reichstags 
zu wählenden Mitgliedern gebildet. Liegt cin Ent- 
wurf einer YW. nicht vor, fo ijt diefer von einer in glei⸗ 
cher Weiſe zuſammenzuſetzenden Kommiſſion auszu— 
arbeiten und dem Reichstag zu unterbreiten. Soll 
die U. durch cine Deputation iiberreicht werden, fo 
beſtimmt der Reichstag auf Vorſchlag des Präſidenten 
die Bahl der Mitglieder, weld legtere dann durd das 
Los gewählt werden. Der Präſident ijt Mitglied 
und alleiniger Wortfiihrer der WdreRdeputation. 
Adreſſen find im parlamentarijden Leben namentlid 
al8 Erwiderung einer Thronvede gebräuchlich. 

Adreffieren, etwas an jemand ridten, überſchrei— 
ben, binweijen, empfeblen. 

Adreffalender , ſ. Adreßbuch. 

Udreffarte , Geſchäftskarte. 

AdrefhFontore, ſ. Adreßbureaus. 

Adrefſpartei, ungar. politiſche Partei im Reichs: 
tage von 1861, die unter Dedf die namentlich auf 
Wrederherjtellung der Verfaſſung und der Geſetze von 
1848 geridteten Wünſche des Volfes in einer Adreſſe 
an den König gum Wusdrud bringen und damit fid 
zu BVerhandlungen bereit erflaren wollte, während 
die Beſchlußpartei unter K. Tisza die Wiederher- 
jtellung jener Geſetze durch Reichstagsbeſchluß be: 
antragte. Die vom Reichstag 1861 und 1865 be— 
ſchloſſenen Adreſſen rühren von Deal her. 

Adrefrecht, ſ. Adreſſe. 

Adrett (v. franj. adroit), geſchickt, nett. 

Adria (dic), foviel wie Adriatiſches Meer. 

Adria, 1) Dijtriftshauptjtadt in der ital. Brovin; 
Rovigo, am Kanal Bianco und der Cijenbahn Ro- 
vigo-Chioggia gelegen, hat eine ſchöne Rathedrale 
(der Biſchof von A. refidiert in Rovigo), ein Gym- 
najium und 1901) 15,678 Einw., die ſich mit Seiden- 
fpinnerei und Berfertiqung von Flechtwaren beidiaf- 
tigen. Zur Römerzeit lag A., Stadt der fieben Meere 

enannt, in Laqunen nahe dem Weer, dem es den 

—— gegeben hat; jetzt iſt es infolge Vorrückens des 
Podeltas 22 km vom nächſten Küſtenpunkt entfernt. 
Urſprünglich eine Gründung der Etrusfer, wie Aus— 
grabungen ergeben haben, ward A. (oder Hatria) 
von den Galliern erobert und fant infolgedejjen. — 
2) (Madria) Stadt in Picenum, ſ. tri. 

Adrialinie, |. Dampfſchiffahrt (Tertbeilage). 

Adrian (or. edrian), Hauptitadt der Grafſchaft Le- 
nawee im nordamerifan. Staate Michigan, am Raijin, 


Adrianopel. 


Bahnknotenpunkt, mit College, Bahnwerkſtätten, 


Mühlen und (1000 9654 Einw. 

Adrian, Name mehrerer Päpſte, ſ. Hadrian. 

Adrianopel (tiirl. Edirne, bulg. Odrin), Wi— 
lajet der europ. Türkei, zwiſchen Schwarzem, Mar— 
mara- und Agäiſchem Veer, dem Wilajet Salonifi 
und Djtrumelien, zählt auf 38,900 qkm vtwa 1 Weill. 
Einw. (darunter 253,000 mohammedaniſche Tiirten, 
485,000 orthodore und mohammedaniſche Bulgaren, 
220,000 Griechen, 30,000 Armenier, 15,000 moham- 
medanijde Zigeuner, 3500 orthodore Ulbanejen) und 
jerfallt in 6 Sandſchals. 

Udrianopel, befejtigte Hauptitadt des gleich— 
namigen Wilajets (j. oben) in widtiger, beherviden- 


122 Adrianopelrot — Adjdanta. 


ber Lage an der Miindung der Tundfda und Arda | ijt einformig und arm an Budten, im NW. fumrpjige 
in die Mariga, 49 m ii. ML, an der Orientbahn Bel- | oder von Lagunen begleitete Flachfiijte. Die Oſtküſte 
qrad-Ronjtantinopel (mit Abzweigung nad) Dede- Dagegen ijt zerriſſen, felſig, jteil und umſäumt mit 
agatid), hat enge, krumme, ſchmutzige Strafen. Be— | ciner didjten Nette von zahlloſen größern und kleinern 
merfenswert find: die prachtvolle Moſchee Sultan langgeſtreckten Felſeninſeln und Riffen. Bedeutendere 
Selims II. (16. Jahrh.), die von den griechiſchen Kai- Flüſſe, die in das Adriatiſche Meer münden, ſind nur 
fern herrührende Michaelisbrücke und der 600 Schritt der Bo und die Etſch, die gleich den andern von den 
lange Bajar Wi Pafdas. A. hat 71,000 Einw. (dare | Alpen kommenden Gewäſſern fortwahrend Land an 
unter 23,000 mohammedaniſche Tiirfen, 30,000 ortho: | der Küſte anfegen. Die iibrigen aus Italien fonrmen- 
Dore Griedjen und Bulgaren, 6000 Wrmenier, 8000 | den Flüſſe find faum mehr als Küſtenflüſſe, ebenfo 
Yuden), geringe Induſtrie, befonders Weberei, Fabri- | die wenigen Zuflüſſe von der djtlichen Halbinfel: Na— 
fation von Teppiden, Saffian und Ouittenfonfeft, | renta, Drin und Vioſa. Wis ein Teil des Mittel- 
ijt aber Mittelpuntt des thraliſchen Handels. Der in | meeres beſitzt aud) die Adria den fehr hohe Sal3- 
Der Nähe gewonnene Wein gilt als der bejte im der | gehalt desjelben. Der Grund des Meeres iſt in der 
Türkei. U. ijt Sig eines griechiſchen Erzbiſchofs, von Nahe der Pomündung Schlamm, an der ijtrifden und 
zwei bulgarifden und einem armenifden Biſchof und | dalmatifden Küſte Sand, Ralf und Ton, mit zabl- 
eines deutidjen Vizekonſuls. — Wdrianopels älteſter reichen Muſcheln bedeckt. Die hauptſächlichſte, aber 
Name ijt Uskudama (byzantiniſch aud) Orejtia) ſtets ſchwache Strömung geht an der dalmatiſchen 
als Hauptitadt der thraliſchen Beſſier. Vom römiſchen Küſte von SO. nad) RW. und fehrt langs der italie- 
Kaiſer Hadrian, der die Stadt verſchönerte, erbhielt fie | niſchen Küſte zurück. Ebbe und Flut jind ſchwach wie 
ihre jebige Benennung (Hadrianopolis). In ihrer | im Mittelmeer; die Flut erreicht nur eime Hobe zwiſchen 
Nähe fieqte Ronftantin d. Gr. 3. Juli 323 iiber feinen | 0,3 und 18m. Bon den Winden ijt der befanntejte 
Mitlaifer Licinius und ſchlugen die Weſtgoten 9. Aug. | die Bora (j. d.). Gefährlich fiir die Schiffahrt ijt aud 
378 den Kaiſer Valens. Nad) ihrer Eroberung 1361 | der Schiroffo. Die Fiſcherei ijt namentlich auf Thun- 
durd) Murad I. war fie bis zum Fall Konſtantinopels fife, Sardellen, Matrelen, Meeraale bedeutend. Be- 
1453 Refidens der osmaniſchen Sultane; jest nod) | riihmt find die Auſtern von Venedig; aud) Haie, Del- 
heißt fie zweite Hauptitadt. Qin ruffifd)-tiirtijden | phine und Seehunde finden fid) juweilen cin. Yn 
Kriege wurde A. 20. April 1829 durch den Feldmar- | Rovigno ijt eine biologijde Station. Pola ijt Haupt- 
ſchall Diebitſch Sabalkanſty crobert, worauf 14. Sept. | friegshafen der k. u. k. Marine. Der widtighte See- 
d. J. unter preußiſcher Bermittelung der Friede zu hafen ijt Triejt; Venedig hat fic) feit Crdjfnung der 
A. geſchloſſen wurde. Die Pforte erhielt alle von den Brennerbahn wieder gehoben. Ungarn tut viel zur 
Ruſſen in Bulgarien und Rumelien gemachten Er- Hebung von Fiume. Wusgangspuntt fiir den Pojt- 
oberungen zurück. Der Pruth und von deſſen Miin- | und Pajjagiervertehr nad —R iſt Brindiſi. Einen 
dung an das rechte Donauufer wurden als Grenze Kriegshafen erſten Ranges beſitzt Oſterreich an der 
zwiſchen Rußland und der europäiſchen Türkei feſt- Südweſtküſte von Iſtrien in Pola, kleinere in Spalato 
eſetzt, wogegen das ganze Küſtenland des Schwarzen und Cattaro, Italien in Venedig und Ancona. Den 
eeres, von der Miindung des Ruban an bis zum Poſtdampferverlehr zwiſchen Den Hafen der Adria ver: 
Hafen St. Nifolaus, Kaulaſien, der größte Teil des mitteln viele Linten des Oſterreichiſchen Lloyd, der 
Paſchalils Achalzych, diefe Stadt felbjt und das Fort | ungarifden Wodrialinie, der Navigajione Generale 
Wdhallalafi den Ruſſen verbleiben follten. Die Mol- Italiana und der Puglialinie. Deutſche Dampfer der 
dau, Walachei und Serbien blicben unter tiirfifder | Levantelinie und der Slomanlinie beſuchen die Haupt- 
Hoheit, erhielten aber eine von Rufland verbiirgte ae qelegentlidh. Bgl. Wolf und Lukſch, Phy— 
Verfaſſung. Auch trat die Pforte den von den Groh: ſiſche Unterjudungen im Adriatiſchen und Siziliſch— 
mächten 6. Yuli 1827 und 22. März 1829 iiber Grie- | Joniſchen Meer (Wien 1881); Sd weiger-Lerden- 
denland gefaßten Beſchlüſſen bei. Für die feit 1806 | feld, Die Adria (daſ. 1883); Kriſch, Die Fiſcherei 
von ruſſiſchen Kaufleuten erlittenen Berluite erbielt | im Wdriatifchen Meer (Pola 1899). Karten: ⸗Ge⸗ 
Rußland 1/2 Mill. Dufaten; die 10 Will. Dufaten | neralfarte in 4 Blattern nad den Aufnahmen der 
ſtriegsentſchädigungskoſten wurden auf 7 Will. herab- öſterreichiſch-ungariſchen und der italienijden R riegs- 
geſetzt. Zum gweitenmal wurde A. 20. Jan. 1878 | marines, 1:350,000 (3uletzt 1895, Triejt) u. »Küſten⸗ 
von den Ruſſen befest und am 31. dafelbjt der vor- | farte vom hydrographiſchen Amt der k. u. k. öſterrei⸗ 
läufige Wajfenftilljtand swifden Rufland und der chiſchen Krieqsmarine« (1890 ff, 6 Bl., 1:180,000). 
Türkei unterzeichnet. Adritttra ( eigentlich adirittura, ital., »qeradezu, 
Adrianopelrot, ſ. Türkiſchrot. direkt⸗), cin im Wechſelverkehr in verſchiedenem Zu— 
Adriatiſches Meer (Adria, ſ. Karte »Mittel- | ſammenhange verwendeter Ausdruck; fo fiir das 
meerlinder«), im Wtertum Mare Hadriaticum (aud Wechſelgeſchäft, das ohne Vermittelung cines Maklers 
Mare Superum), der die apenninifde von der Balfan- | unmittelbar jwifden Dem Nehmer und Geber des 
halbinjel ſcheidende Teil des Mittelmeeres, in dem Wechſels geſchloſſen wird; ferner fiir den Wechſel, der 
dasſelbe fic) Dem Herzen von Mitteleuropa am meiften | direft auf den Ort lautet, wo durch Überſendung des 
nabert, fo daß von Diefem cine natiirlide Straße nad) Wechſels cine Schuld getilgt werden foll; ferner mug 
dent Orient geſchaffen ijt. Die nur 72km breite Meer- | der Deckungswechſel, durch weldyen der Trajfat (ſ. Wed: 
enge von Otranto verbindet das Adriatiſche mit dem fel) vom Trafjanten die Decdung einzieht, direlt auf 
Joniſchen Meer. Die Tiefe ijt verhältnismäßig ge- den Regreßpflichtigen und dejjen Wohnort gesogen fein. 
ring; fie beträgt im S. 1000 m und erreicht gwijden Adſchanta (Ajanta, Wdjunta), Dorf in brie 
Brindiji und Cattaro das Maximum von 1590 m, tiſch- ind. Staate Haidarabad, nördlich von Cllora 
verringert fid) aber gegen N. bald auf 200, weiterhin (ſ. d.), berühmt durd die in den Fels cingehanenen 
auf 50m. Das nördliche Ende bilden die Volfe von | 24 Klöſter und 5 Tempel der Buddhiſten, deren Wände 
Venedig und von Tricit, weld) legterer durch die Halb- | mit Hresfogemalden versiert find. Ihre Aushöhlung 
infel Yitrien von dem Guarnero oder Golf von Fiume geſchah zwiſchen 200 v. Chr. und 600 n. Chr. Bal. 
qetrennt wird. Die Wejtfeite des Udriatifden Meeres | Burge, Buddha rock temples of A. (Lond. 1879). 














Adſchmir 


— Adula. 123 


Adſchmir (Ajmere), Hauptitadt des britiſch-ind. .tigt dad elektriſche Iſolalionsvermögen. Auch in Flüſ⸗ 
Territoriunis Adſchmir-Merwara (ſ. d.), ander Eiſen- ſigkeiten gelöſte Körper (Salze, Farbſtoffe) können 
bahn Bombay-VUgra, durch Zweigbahn mit der Linie | durch feſte Körper adſorbiert werden. 


Bombay-Kalfutta verbunden, am Fuße des befeſtigten 
Taragarhberges (870 m), mit (1901) 75,759 Einw. 
Cs Hindu, fayt 2/s Mohammmedaner). A. ijt von einer 
jtarfen Mauer mit fünf ſchönen Toren umgeben und 
enthalt alte Prachtbauten, wie das Grabmal des von 
Hindu und Wohammedanern verehrten Heiligen 
Khwaja Sahib, an dejjen Fefttage an 20,000 Pilger 
in Die Stabt ſtrömen, mit einent ſilbernen Bogen iiber 
dem Eimgang und mebreren Mofdheen aus weißem 
Marmor. VL. ijt Sig der britifden Verwaltung, hat 
zwei Hdhere Lehranjtalten (Adſchmir- und Mayo-Col- 
lege, letzteres für Den Radjdputana-Wdel bejtinumt), 
unterirdiſche Wajjerleitung aus dent fiinjtliden See 
Ana Sagar und bedeutenden Handel mit Salz, Baum- 
wolle, Mohn, Mandejterwaren fowie jtarfen Geld- 
verter. — A., 145 n. Chr. (?) qeqriindet, wurde 1559 
von Ufbar feinem Reid) einverleibt, feitdem Lieblings- 
reſidenz Des Großmoguls; 1756 bemiidtigten ſich die 
Marathen der Stadt, die, fait ganz zerſtört, 1818 von 
den Briten beſetzt wurde und danach fich ſchnell hob. 

Adſchmir-Merwara, britijd-ind. Territorium 
in Radſchputana, rings umgeben von Tributarjtaaten, 
zwiſchen 25" 30’—26° 45’ nördl. Br. und 73° 53’— 
75° 22° Oftl. &., umfakt 7021 qkm mit (1901) 476,330 
Cinw. (Darunter etwa 70,000 Mohammredaner, 2500 
Chriſten). Die hihern Klaſſen find Radjdputen. Der 
cingiqe nennensiverte Flug ijt der Banas. Zwei Drittel 
des von Ausläufern der Uravalifette durchzogenen 
Landes ijt Witite; von 97,558 Heftar Ackerland wer- 
den 28,159 Heftar künſtlich bewäſſert. Hungersyot 
ijt häufig. Haupttulturen: Weiser, Baumwoile, Ol- 
jcaten. Viehſtand 1891: 138,266 Rinder, 56,156 
Büffel, 206,177 Schafe und Ziegen. Hauptitadt ijt 
Adſchmir (ſ. d.). A. wurde 1818 von den Briten in 
eae genommen und jteht unter dem politifden Agen⸗ 
ten für Radfdputana, der dem Generalgouverneur 
von Yndien untergeordnet ijt. 

Adscriptus glebae (lat.), an den Grund und 
Boden gebunden, ohne Freiziigigheit, ein Leibeigner, 
cin Höriger. 

MAdfheren, ju den Weitqrufinern gehöriger Volfs- 
ftamnt, (1891) 59,495 Köpfe ftarf, ime ruſſiſch-trans 
laulaſ. Gouvernentent Rutais. 

_ Adffribieren (lat.), zuſchreiben, zueignen; Wd- 
jfription, Zuſchreibung. 

Adforption (lat.), die Eigenſchaft feiter Körper, 
Die fie umgebenden Gafe an ihrer Oberflaide gu 
verdichten; jeder Körper bedeckt fid) an der Luft oder 
in einem andern Gas mit einer verdidteten Gasſchicht, 
die Durd) Wdhafion fet an ihm haftet und nur durd 
re in oder Putzen mit Alkohol, geglühtem Tripel, 
Nohlenpulver rc. entfernt werden fann. Diese A. hängt 
bon der Größe der Oberfläche des Körpers ab und 


seigt ſich befonders bei pordfen Körpern (Holzkohle), | 


well die Innenwände der unzähligen feinen Höh— 
lungen cine auferordentlid) große Oberfläche bieten. 
So verfdludt friſch geqliihte Buchsbaumkohle 35 
Rauntteile Kohlenſäure und 90 Raumteile Ammoniak. 
Durch die Verdichtung des adforbierten Gafes findet 
Erwirnuing jtatt (ogl. Byrophore und Feuerzeuge 

Obereiners Feuerzeug)). Viele Körper adforbieren 
Waſſerdampf aus der Luft und verdidten ihn yu 
Waſſer; feſte Körper werden dadurch feucht und zer— 
fließen endiich in Dem Waſſer, z. B. Pottaſche, Chlor 
caleium (hygroffopifdhe Körper). Die auf Glas 
In feuchter Luft fid) bildende Waſſerhaut beeinträch— 


Udftringieren ({at.), zuſammenziehen, jtopfen. 

Udjtringierende Mittel (Adstringentia, zu—⸗ 
fammengtehende Urgneimittel) gehen mit den 
eiweigartigen und ———— Gewebsbildnern feſte 
Verbindungen ein und bewirken dadurch eine Zuſam— 
menziehung der Faſern der tieriſchen Gewebe. Durch 
Fällung der Eiweißſtoffe des Blutes und gleichzeitige 
Verengerung der kleinen Blutgefäße, deren glatte 
Muskelfaſern durch a. M. zur Kontraktion angeregt 
werden, ſtillen ſie kleine Blutungen (blutſtillende 
Mittel, Styptika). Bei Hautfranfheiten mit ver- 
jtartter Ubjonderung der Hautfläche (Verbrennungen, 
Aufliegen rc.) bringen a. M. das in den Sefreten der 
wunden Flächen enthaltene Eiweiß zur Gerinnung, 
erzeugen Dadurd) einen ſchützenden überzug und be- 
ſchränken andernteils die franfhafte Sefretion. Ähn⸗ 
lid) werden a. WM. bei Blutiiberfiillung, Ratarrhen, 
Eiterflüſſen u. oberflächlichen Geſchwüren der Schleim—⸗ 
haute angewendet. Zu ſtark und zu lange angewendet, 
a fie bie Schleimhäute und können Entzündung 
und Zerjtirung der Gewebe herbeifiihren. Am wid 
tigſten ijt das Tannin, dann Wbfodungen der Eiden-, 
Ulmen-, BWeiden- und Chinarinde, von Kampeſche—⸗ 
hol; ꝛc. Rino, Ratedhu, die Ratanhawuryel rc., ferner 
eſſigſaures Blei (Bleizucker), Eiſenchlorid, Kupfer: und 
Zinlvitriol, jalpeterjaures Silber (Hdllenjtein) aun. 
Als Styptifa anwendbar find vornehmlid) Gerbſäure 
und Gitenchlorid. 

Ad turpia nemo obligatur, lat. Spridwort: 
»Zu Schindlidem ijt niemand verpflicdtet«. 

Adia (Udb6a, Uddswa), ſchmutzige, enggebaute 
Stadt im Lande Tigré in Wbeffinien, unter 14° 10° 
nördl. Br., mit 3000 Einw., vielen Kirchen, darunter 
Die Dankestirde fiir die Siege tiber Aqupten; bedeu- 














tender Fabrifplag fiir Baumwollenſtoffe und Haupt- 
jtapelplag fiir ben Handel mit der Küſte. — Hier 
jiegte 1. März 1896 Konig Menelif über den italieni- 
ſchen Oberbefehishaber Baratiert: General Dabor- 
mida fiel, die Generale Urimondi und Ulbertone, der 
gu weit Dorgedrungen war, Oberjtleutnant Galliano, 
1800 andre Offijiere und Mannſchaften gericten in 
Gefangenſchaft und 50 Gefdiige gingen verloren (val. 
Ubeffinien, S. 35). 

WMdudtuFer (Aduatuci), —— Völkerſchaft im 
belgiſchen Gallien zwiſchen Maas und Rhein, Ab— 
kömmlinge der Cimbern und Teutonen, wurden 57 
v. Chr. von Cäſar unterworfen, betciligten ſich aber 
54 und dfter an Aufſtänden der ihnen benadbarten 
Eburonen und Rervier. S. aud) Tungrer. 

Mdiier (Häduer), Völlkerſchaft im lugqudunen- 
ſiſchen Gallien swifden Loire und Sadne, jtand ſchon 


vor Cajars Heit mit den Romern int Freund{dhafts- 


bund. hr Streit mit den benachbarten Sequanern 
rief Urioviftus nad Gallien, der die A. unterwarf; 
nad ihrer Befreiung durch Cäſar genoſſen fie deffen 
Gunjt. Ihr Wufitand unter Julius Sacrovir (21 
n. Chr.) wurde von dem Legaten C. Silius leicht be- 
wiiltigt; unter Kaiſer Claudius erhielten fie als erjte 





—— Völlkerſchaft das ius honorum. Ihr höchſter 
aq ſtrat hieß vergobretus. Hauptitadt war Bibracte 
oder Auguſtodunum (Autun); andre Orte: Cabillo— 
num (Chalon-fur-Sabne) und Noviodunum oder Ne⸗ 
virnum (Revers). 

Adufe (arab.), Scellentromme!, Tamburin. 

UDdiila, mächtige Gebirgeqruppe der Gneisalpen- 
zone der Ojtalpen (f. Alpen), zerfällt durch das Bal 


124 


Mefocco, den Bernhardin und das Hinterrheintal in 
Die Gruppe des Rheinwaldhorns im BW. und N. und 
in die Kette des Tambohorns im O. und S. Das 
Rheinwaldhorn erreidt im Piz Valrhein 3398 m; 
an feinem Ojtabhang entipringt aus dem Zapport- 
gletider der Hinterrhein. Bedeutende Vipfel ind hier 
nod) das Güferhorn (3393 m), der Bogelberg (3220 m) 
und das Fanellahorn (3122 m). Nach R. gehen zwei 
im BVerlauf fich fpaltende Hauptzüge, welche die Berg: 
täler Lugnez und Safien einfaſſen, nad) S. zwei, das | 
Bal Calanca einſchließend. Die ſüdlich gerichtete 
Tambofette gipfelt im vergletiderten Tambobhorn 
(3276 m) und verliert am Bak von San Jorio (1656 m) 
den Hodgebirgsdharatter. Das Rheinwaldhorn be- 
ſtieg zuerſt der Difentifer Rater Blac. à Specha (1789), 
das Tambohorn J. J. Weilenmann 1859. 

Mdular, Mineral, f. Orthoklas. 

Adulation (lat.), Schmeichelei. 

MdAlis (jet Zulah), griechiſche, zur Ptolemiier- 
gett bliihende Hafenjtadt am jesigen Annesleygolf de3 

oten Meeres, ſüdlich von Maſſaua, die Elfenbein, 
Stlaven, Felle und Schildpatt ausfiihrte. Cine zweite 
Blütezeit erlebte UW. unter den Königen von rum, 
fiir Deren Staat es Hafenplas war. Im 6. Jabhrh. 
fand hier der Qndienfahrer Kosmas das fiir die alte 
Geographie jener Gegenden wichtige Monnmentaum 
Adulitanum, eine Inſchrift des Ptolemãos IT. Euer- 
getes. Bal. Ufritanifdye Wtertiimer. 

Adullam, alte fanaanit. Stadt, im Gebicte ded | 
Stammes Juda, befannt durd die HdHle, in der fid | 
der Sage nad (in Wahrheit war es cine Burg) Da- 
vid vor Saul verbarg. Nach der Tradition ijt es die 
Höhle bei Charetiin unweit Bethlehem. Doch lag A. 
wahrſcheinlich bet Der Ruine Yd el-Mije. — Wdulla- 
miten war in England 1866 wahrend der Debatten 
liber die Reformbill ber Spigname von cinigen Miß— 
vergniigten der liberalen Bartei (Lord Elcho, Robert 
Lowe ꝛc.), Die mehrfad mit den Konfervativen ftimm- 
ten und den Sturz des Miniſteriums Rujjell-Gladjtone 
herbeifiibrten. 

Adulter (lat.), Ehebrecher; Adult era, Ehebredhe- 
rin; adulterteren, chebreden, verfaliden; Adul— 
teration, Berfalidung; Adulterium, Ehebrud; 
Udulterinus, tm Ehebrud erzeugtes Rind. 

A dar (ital. La maggiore, fran3. La majeur, 
engl. A major), in Der Muſik foviel wie A mit großer 
Ter}; A dur-Wfford — a cise; A dur-Tonart 
mit Drei vorgeseidneten Kreuzen, ſ. Tonart. 

Aduröl, cine photographiiche Entwicklerſubſtanz, 
beiteht aus Monodlorhydrodinon. 

Advaita (janstr.), Richtdualismus, Monismus. 











So heißt das VBedantajyitem (f. Andifche Philofophie), 
infonderheit in der ftreng moniſtiſchen Geſtalt, die thin | 
der qroke Lehrer Canfara (um 800 n. Chr.) qeqeben 
hat, während die Lehre des Rämänudſcha (12. Jahrh. 
n. Ebr.), nad der das all-cine Brahma in ſich felbjt 
Clemente der Vielheit tragt, als vicishta-advaita 
(qualifijierter Nichtdualismus) bezeidnet wird. Bal. | 
Thibauts Cinleitung zu feiner Uberjegung der >» Ve- 
dinta-Sitras« (»Sacred Books of the East«, Bd. 
34, Yond. 1892). 

Ad valorem (lat.), nad) dem Wert, gebräuchlich 
von nad) dem Werte der Waren bemejjenen Zöllentſ. d.). 

Ad valvas curiae (lat.), an den Rathaustiiren | 
(namic) anjufdlagende Vefanntinadung). 

Advent (lat., »Ankunft«), die Vorbereitungszeit 
auf die Werhnadtsfeier, im der griechiſchen Mirdhe 40 | 
Tage umfajjend, in der lateiniſchen mit dem vierten | 





Sonntag vor Weihnachten beginnend, der jugleich | 


Adular — Advocatus diaboli. 


als Unfang des Rirdenjahres gilt; urfpriinglid, und 
in der fatholifden arihe nod) heute, eine Fajtenjeit ; 
nachweisbar feit dem 6. Jahrh. 

Udventiften, religidje Sette in ben Vereinigten 
Staaten von Nordamerifa und in England, die an 
ein in nächſter Zeit fommendes tauſendjähriges Reid 

laubt, das mit Chrijti Wiederfunft in fidtbarer Ge- 
—* beginnen foll (vgl. Chiliasmus). Der Gründer 
der Sekte, William Miller (geb. 15. Febr. 1772 in 
Pittsfield, Maſſachuſetts, geſt. 20. Dez. 1849 in Low 


Hampton, Rew York), ſcharte ſeit 1831 in Rew VYork, 


Maſſachuſetts, Maine rc. viele Unhanger (Mille- 
riten) um fic) und fagte den —— Welt 
zuerſt für März 1843, dann 1844 vorher. Nad) dieſen 
Mißerfolgen trat eine Spaltung in mehrere Sekten 
(Evangelical Adventists, Advent Christian Church, 
Seventh-Day Adventists, Life and Advent Union 
und Age-to-come Adventists) ein, Die nur in einigen 
Punkten ihres religidfen Befenntnijfes voneinander 
abweiden, wie 3. B. über die Uuferjtehung der Böſen, 
liber Unjterblidfeit u. a. Jede der oben aufgefiibrten 
Abteilungen unterhalt wenigitens cine Zeitſchrift, aud 
ſonſt ijt die publiziſtiſche Tätigkeit der A. fehr rege. 
Ihre fonjtige Organifation ijt mit wenigen Ausnab- 
men ziemlich loſe; ihre Rirden beſitzen ſehr wenig 
Eigentum, ihre Prediger finden ihren Lebensunter- 
halt fajt ausſchließlich außerhalb ihres geiſtlichen Be- 
rufs. Die Seventh-Day Adventists (Sabbatarier, 
Sabbatijten), die den jüdiſchen Sabbat feiern und 
jtreng mäßig leben, treiben durch Wanderlehrer überall 


| eine jtarfe und gut —— Propaganda (deutſches 
Hauptorgan: »Herol 


der Wahrheit«). Die europai- 
ſche Generalfonferens hatte 1901: 7700 Mitglieder, 
gu denen die 3 deutſchen BVereiniqungen (40 Prediger, 
63 GWemeinden) 2033 ftellten. Jn den Vereinigten 
Staaten zählte man 7 Unionfonferenzen mit 65,000 
Wliedern. Val. Dresbach, Die protejtantifden Set- 
ten der Coes: (Barm. 1888). - 

Adventivbiloungen , |. Vildungsgewebe. 

Adventivfuofpe, |. Knoſpe. 

Adventivivursgel, |. Wurzel. 

Adventizgut, |. Pekulium. 

Adverbaler Kaſus, ſ. Kaſus. 

Adverbium (lat.) Umſtandswort, Beſtim— 
mungswort, wortlid »der beim Verbum ſtehende 
Redeteil⸗, der die Bedeutung desſelben näher beſtimmt, 
z. B. »fchlaf wohl«. Der Name A. ijt cine Uberfegung 
der von den alexandriniſchen Grammatikern ded Ulter- 
tums herrithrenden Bezeichnung Epirrhema. Ihrer 
Entitehung nad find die meijten Adverbien urfpriing: 
lic) Rajus von Subjtantiven, die aber nicht mebr a's 
jolcbe empfunden werden, 3. B. swunderbareriweije-, 
sabends«. Yn jeder Sprache finden fid) gu allen Rei: 
ten lebendige Rajusformen im Ubergang jum A. be- 
qriffen, bei und heute 3. B. »ftehenden Fujes« u. dg. 

Adverſarien (lat.), bei den Rdmern foviel wie 
Kladde, Brouillon; aud) cin Konzeptbuch, insbef. (ſcit 
dem 15. Jabrh.) cine Sanuntung von Notizen fiber 
Geqenitinde der Grammatif, Bbhilofophie re. 

Dverfitat (lat.), Widerwärtigkeit, Mißgeſchidck. 

Advertiser (engL., for. dodwertaijer), Anzeiger, Name 
engliſcher Seitungen. 

Advocati ecclesiae (Defensores, Actores ec- 
clesiae , lat.), ſ. Kirchenvogt. 

Advocatus diaboli (lat.), Teufelsadvolat, Be— 


zeichnung deſſen, der beim Kanoniſationsverfahren 


(j. Heilige) von Amts wegen Bedenten gegen die Hei- 
ligſprechung anjubringen bat. Die Verteidigung 
iibernimmet ibm gegeniiber der advocatus dei. 


Ad vocem — Yéroflinojfop. 


Ad vocem... (fat.), »zu dem Worte ...« (ijt zu | 
| Bec 1602 in Delft, gejt. 1658, cin ausgezeichneter 


bemerfen, dabei fallt mir etn), 
fran}. & propos. 

Advofat (lat.), Rechtsbeijtand, Sadwalter, friiher 
aud) Bors und Fürſprecher genannt ; eigentlich, wer 
neben einer Partei vor Geridt auftritt, im Gegen- 
fage zum Brofurator oder Anwalt (vgl. Anwalt und 
Redtsanwalt). 

Advofatenbirne, ſ. Persea. 

Advofatenfammer, ſ. Anwaltslammer. 


ähnlich gebraucht wie 





125 
Aelſt Gr. an, 1) Evert van, niederländ. Maler, 


ertreter des Stilleben= und Blumenfades, deſſen 


| Bilder aber felten find. — 2) Willem van; Neffe 


und Sdjiiler des vorigen, geb. 1620 in Delft, geſt. 
1679 in Umijterdam, malte ebenfalls Stilleben mit 
länzendem Rolorit, befonders mit Friidten, toten 
Vögeln und Gefäßen aus Rrijtall, Gold und Silber. 

Meltre (fpr. altre, Walter), Flecken in der belg. 
Provinz Ojtilandern, Yrrond. Gent, an der Eiſen— 


AUdvofaten-Kurrentientarif, in Ojterreich der | bahn Briijjel-Ojtende, unweit ded von Gent nad 
Rame fiir die Gebiihrenordnung der Udvofaten. Bur | Briigge fiihrenden Kanals, mit Holz-, Butter- und 
Zeit gilt der UW. vom 11. Dez. 1897 mit Ubanderung | Leinwandhandel und (1900) 7265 Cinw. 


vom 16. Rov. 1898. 


Aér (lat. u. griech.), Luft, atmoſphäriſche Luft; viel- 


Advofatiir (lat.), Rechtsanwaltſchaft; Wirkungs- — etzungen: Aërobat, Aëronautiku. a. 


kreis eines Rechtsanwalts (ſ. d.). 
Advozieren (lat., »herbeirufen<), als Rechtsan⸗ 
walt Prozeſſe führen. 
(pr. ed, Sir John Miller, brit. General, 
qeb. 1819 in Rent, gejt. 26. Aug. 1900, trat 1836 in 


ndim, ſ. Durdliijtungsgewebe. 

Aérides Zour. (Quftblume), Gattung der Or- 
Hidazeen, mit fleijdigen Luftwurjeln an Baumjtim- 
nen baftende Bewohner feudjter Walder im warmen 

Ujien, mit zweizeiligen, ſchmalen, lederartiqen Blat- 


die Urtillerie, madjte den Rrimfrieq und den Kampf | tern und grofen, pradtvoll gefiirbten Bliiten in lan- 
gegen die Sepoys als Generaladjutant der Yrtillerie | gen, hängenden Trauben, jeltener in Rijpen. Bon den 
nut, nahin 1863—64 am Feldjug in Ufghanijtan teil | 15 Urten werden A. odoratum Lour., mit 30—45 cm 


und ward 1870 Direftor der Urtillerie im Kriegs— 
minijtertum, 1875 Generalmajor und Gouverneur 
der Militarjdhule in Woolwid, 1879 Generalleutnant 
und 1884 General. 1882 war er Generaljtabsdef 
Wolſeleys während des agyptifden Feldzuges und 
darauf bi 1886 Gouverneur von Gibraltar. Er ſchrieb: 
»The defence of Cawnpore in Nov. 1857« (Lond. 


langen Trauben, wei, und rot gefledten, jehr wobhl- 
ri den Blüten, u. a., in Warmhäuſern hiltiviert. 
Arius, Presbyter zu Sebajte in Pontus (um 

| 355), veranlapte cine Rirdhenjpaltung, weil er, ob⸗ 
wohl ſelbſt Asket, das gebotene Fajten, die iiber- 
ſchätzung der Eheloſigkeit, die Fiirbitte fiir Die Ver— 
jtorbenen, aber aud) die geijtliden Vorrechte der Bi- 





1858); »A review of the Crimean war in the winter | ſchöfe als der freien Suttlidfeit widerſprechend be- 
of 1854—1855« (1860); »Sitana, a mountain cam- | fampjte. Weil die Protejtanten ähnliche Vorwiirfe 
paign in 1863« (1867); »The British Army in 1875« | gegen die katholiſche Rirde erhoben, gab man ihnen 


(1875); »Recollections of a military life« (1895). | 
Adynamte (qried).), Kraftloſigleit, Schwäche. 
AdbHton (qriech.), das Allerheiligſte von griechiſchen 

Tempeln und Rirden, in das nur die Priejter ein- 

treten dDurften; ſ. Tempel. 

itation, ſ. Beiladung. 

Medon, im griech. Mythus Todjter des Randareos | 
von Milet, Gemabhlin des Zethos von Theben, Mutter | 
des Itylos. Reidifd) auf den Kinderreichtum ihrer | 
Sdhwagerin Niobe (j. d.), will fie deren Altejten Sohn | 
ermorden, titet aber verjehentlic) ihr Rind. Reus 
vberwandelt die Verzweifelnde in die Nachtigall, dic | 
ihren Sohn immer beflagt. Nad) Späteren ijt ihr 
Gatte der Künſtler Polytednos zu Kolophon in Ly— 
Dien. Als fie ihr Eheglück fiber das der Hera ftellt, | 
erregt diefe zwiſchen dem Baar einen Kunſtwettſtreit, 








den Kegernamen Werianer. 

Aërobãt (gried)., »-Luftwandler<), Seiltinger; 

jpottweije foviel wie Ideolog. 

Aérobien (griech.), niedere Organismen, die ohne 

asförmigen oder in Waſſer geldjten Sauerſtoff nidt 
eben finnen, im Gegenjage ju den Unaerobien, 
die nur bei völliger Abweſenheit von freiem Gauer- 
jtoff leben (obligate Unaérobien) oder wenigitens 
auch bei völligem Sauerſtoffmangel gu leben vermögen 
(fakultative Unaérobien). 

Aërobomben (griech.⸗franz.), ſ. Qufttorpedos. 

Aérodynami (qricd.), ſ. Aeromechanik. 

Aërodynamiſches Paradoxon, die von Clé⸗ 

ment und Deſormes 1826 beſchriebene Erſcheinung, 
die ein in einen Trichter gelegtes Papierfilter zeigt, 


wenn man verſucht, es hinauszublaſen. Durch den 


in dem A. mit Heras Hilfe ſiegt. Polytechnos rächt Luftſtrom wird die Luft zwiſchen Trichterwand und 
ſich durch Schändung ihrer Schweſter Chelidonis. Wis Papier teilweiſe mitgeriſſen, es entſteht ein luftver- 
ſie mit dieſer dem Polytechnos den eignen Sohn Itys dünnter Raum, und der äußere Luftdruck preßt das 


zur Speiſe vorſetzt, werden ſie alle in Vögel verwan⸗ 
delt. der Mann in einen Pelikan, A. in cine Nachti- 
gall, Chelidonis in eine Schwalbe. 

Mela (pr. ata), Piz d', f. Err, Piz d’. 

Aelen cpr. Men), ſchweizer. Ort, ſ. Wigle 1). 

Melfric (pr. &-), Name von vier angeljadj. Kirchen⸗ 
männern, deren Perſönlichkeiten und Werke häufig 
verwedfelt werden: 1) Wbt von Malmesbury, am 
Ende des 10. Jahrh., dem cin nicht mehr vorhandenes | 
Werf: »De naturis rerum«, beigelegt wird. —- 2) A. 
von Canterbury, ein pradtliebender, kriegeriſcher 
Derr aus einer edlen Familie Kents, Biſchof in Wile | 
ton und 995 Erzbiſchof von Canterbury, was er bis 
zu feinemt Tode (16. Nov. 1006) blieb. — 3) Erzbiſchof 
von York, 1023—51, mit dem Beinamen Butta. — 
4) U., der Mönch und Schriftſteller in der nationalen 
Sprache, ſ. Angelſächſiſche Sprade und Literatur. 





Papier an die Tridterwand. 

Meroe (Arrö), din. Inſel, fiidlid) von Fünen, 
jum Amt Svendborg gehörig, 92 qkm (1,60%.) mit 
(1901) 12,509 däniſch fpredjenden Einwohnern, cin 


hügeliges, frudjthares und waldlofes Land. A. ge- 


hörte friiher zu Schleswig, wurde aber 1864 an Diine- 
mart abgetreten. Hauptorte find Aeroeskjöbing 
und Marjtall (ſ. d.). Nicht gu verwedjeln mit 
Aarö (j. d.). 

Mérogamen (qricch.), foviel wie Bhanerogamen, 
weil bei thnen die Bejtiubung der Narbe an freier 
Luft erfolgt. 

Aërokarpie (qricd.), Eigenſchaft der Pflanzen, 
die Frucht in der Luft zu entwickeln, im Gegenſatze zu 
Geokarpie (j. Erdfrüchtler). 

Aëroklinoſkop (qried.), Sturmwarnungsſignal 
an der Küſte, cin Hober Pfahl mit Querarm, deſſen 


126 Aérolithen 


nad R. weifende Halfte rot, die fiidlide wei} ange- 
jtrichen ijt. Steht der Arm horizontal, fo ijt fein 
Sturm ju befiirdten, das Wetter ijt aber um fo drohen- 
Der 3u erwarten, je hier das ſüdliche Ende des Quer— 
armes aufgejogen ijt. 
Aérolithen (qried., »Luftiteine<), Meteorjteine. 
Méromechanif (griech, Bueumatif), die Lehre 
von dem Gleichgewicht (Wéeroftatif) und der Bewe— 
qung der luftformigen Körper oder Gaſe (Wero- 
dynamif). 
Méronantif (qricd.), Luftſchiffahrt; Merona — t, 
fabrt. 


— f 
onautiſches Objervatorium, ſ. Luftſchiff⸗ 

Aérdpe, im griech. Mythus Tochter des Katreus 
von Kreta, Gemahlin des Utreus (j. d.), Mutter des 
Agamemnon und Menelaos, wurde wegen Buhlſchaft 
mit Thyeſtes ins Meer geworfen. 

Mérophon (griech.) von Ediſon erfundenerSignal- 
apparat, der die menſchliche Stimme auf größere Ent- 
fernungen hörbar madt. Er bejteht aus einem groken 
Spradrobhr mit telephonifd)-phonographifder Platte. 
Wird gegen legtere geſprochen, fo öffnen und ſchließen 
ihre Schwingungen ein Ventil in der durd den Balg 
ay Tönen gebradten Pfeife und gwingen den tönen⸗ 

en Luftitrom, jene Sdwingungen ju wiederholen, 
mithin in feinem Rlange gleichzeitig die Artikulation 
der menfdliden Stimme wiederjugeben. Gewiſſe 
Worte find auf 6—7 km Entfernung Hirbar. — Auch 
foviel wie Harmonium. 

Aérophor (griech.), cin Turbinenventilator (von 
Treutler u. Schwarz in Berlin) mit Waſſerbetrieb zur 
Reinigung der Luft in gefdloffenen Raumen; aud 
ein Utmumngsapparat fiir Taudjer. Bal. Refpirations- 
apparat. ſchiffahrt. 

Aéroplan (griech.), Flugmaſchinentypus, ſ. Luft⸗ 

Aéroffop(gried.), von Pouchet angegebener Appa⸗ 
rat zur Unterſuchung von Luft auf ihren Staubgehalt, 
bei dem ein Luftſtrom gegen eine mit einer Miſchung 
aus Traubenzucker und Glyzerin überzogene Glas— 
platte getrieben wird. Die Platte fängt die Staub- 
teilden auf, die nad) Durdhgang einer bejtimmten 
Menge Luft durd) den Upparat mifroffopifd gezählt 
und näher unterfudt werden. 

Aéroftat (fran;., v. Griech.), der Luftballon. 

MéroftatiF (qried).), ſ. Ueromedjanit. 

Méroftation, ſ. Luftſchiffahrt. 

Aëroſtatiſche Preſſe, |. Auslaugen. 

Aẽëroſtatiſche Wage, |. Archimediſches Prinzip. 

Aéroftier (franz., (pr. acroſtje), Luftſchifferſoldat. 

Aërotaxis (griech.), der beſtimmende Einfluß, den 


die Luft, bez. deren Sauerſtoff, auf die Bewegungs⸗ 


richtung von Organismen übt. Gewiſſe Balterien u. a. 
ſammeln ſich an Orten höherer Sauerſtoffſpannung 
an; andre fliehen nach den Orten geringſter Sauer— 
ſtoffſpannung. 
e (griech.) Utmungsturen (ſ. Qne 
halationskuren und Pneumatiſche Kuren). 
Mérothermotherapie(qricd).), Cinatmung heifer 
Luft zu Heilgweden. 
onometer (qried.), cine von Pflüger er- 
fundene Borridtung jum Meſſen der Spannung der 
im Blute vorhandenen Gaje. 
MUérotropismus (griech.), Beeinfluffung der 
Badstumsridtung von Pflanzenteilen (5. B. Wur- 


— Wétius. 


Knotenpunft an der Eiſenbahn Uachen - Antwerpen, 
hat cine gotiſche Pfarrfirde aus dem 14. Jahrh., 
eine Staats-Rnabenmittelidule, cin biſchöfliches In— 
jtitut St. Joſeph, Brauereien und (1900) 6956 Einw. 
In der Nahe iiberrejte eines Turmes aus der Romer: 
jeit. — A., im Wittelalter cine Baronie, wurde 1507 
gum Marquijat und 1533 zum Herzogtum erboben. 

Aerſſen (pr. arfier), Francois van, Herr von 

Sommelsdyk, niederl. Staatsmann, geb. 1572, 
ejt. 27. Dex. 1641, wurde friih der niederlandijden 
ſandtſchaft su Baris beiqegeben und 1598 Gejandter 
in Paris. Nad) dem Tode Heinrichs IV. (1610) feines 
Pojtens enthoben (1613), wurde er der Feind Olden- 
barneveldts (jf. d.), Dem er feine Entlajjung zuſchrieb. 
Unter den Prinzen Morig und Friedrich) Heinrich half 
A. lange die Beziehungen der Republif jum Aus— 
lande leiten. Er wurde 1620 mit einer auferordent - 
lichen Geſandtſchaft nach Venedig geſchickt, ſpäter wie- 
derholt nach England und Frankreich: Richelieu ſchätzte 
ihn hoch. 

Meted, im griech. Mythus Sohn des Helios, König 
von Aa (Kolchis), Vater der Medeia (ſ. d.). 

Aethelney (Ucthelings-Ey), Burg in Somer- 
fet zwiſchen Gomerton und Taunton, von wo aus 
Ulfred d. Gr. die Befreiung Englands von den Nor: 
mannen begann. 

Aétion, griech. Maler, vermutlich der fleinafia- 
tijden Schule angebdrig, ein Zeitgenoſſe Wleranders 
bd. Gr. und berühmt durd ein Gemalde, das den König 
mit Rorane im Brautgemad darjtellte, cin Gegen- 
jtand, den nad) Lufians Bejdreibung aud) Soddoma 
behanbdelt hat. 

Aẽtios, quied. Arzt aus Amida in Mefopotanien, 
im 6. Jahrh. n. Chr. faijerlider Leibarzt in Konſtan⸗ 
tinopel, verfafte einen Abriß Der qefamten Heilfunde : 
slatrica«, in 16 Biidern. Davon wurden verdffent- 
lit: Bud) 1—8 in der Aldina 1534, Bud 9 in den 
»Anecdotac de Muſtoxydes und Schinas (BVened. 
1816), Bud 12 von Coftomiris (Par. 1892), Bud 7 
(Uugenheilfunde) mit deutider überſetzung von Hirid- 
berg (Leip. 1899), Bud) 16 von Zervos (daf. 1901). 
Cine Ausgabe ded 16. Buches haben auch Bagel und 
Wegideider ju Virchows 80. Geburtstag vorbereitet. 

étiten , ſ. Udleriteine. 

Métings, 1) U., Fiilhrer der jtvengen Urianer (Ano⸗ 
möer), f. Urianifder Streit. 

2) A., Feldherr und röm. Patrizier unter Honorius 
und Balentinian III. der letzte tapfere Verteidiger des 
abendlindijden Reiches, geboren um 395 yu Duro- 
jturum (jest Silijtria) in Niedermöſien, gejt. 454, 
Sohn des Reiteranfiihrers Gaudentius, ſchloß ſich in 
den Kämpfen nad Honorius’ Tode zuerjt an defjen Ge⸗ 
beimjdreiber Johannes an, dann an Valentinian III., 
der unter Vormundſchaft feiner Mutter Placidia durch 
| Den oftrdmifden Kaiſer Theodofius IT. tm Wejten als 

Kaiſer cingefest wurde. Am faiferliden Hofe gu gro— 
jem Cinfluk qelangt, führte er qliidliche Kriege gegen 
die Weſtgoten, Franfen und Quthungen und ergwang, 
nachdem er 432 vor Bonifatius (f. d.), dem Statt- 
halter von Afrila, hatte weidyen müſſen, feine Ernen⸗ 
nung jum Batrizier, Konſul und Oberfeldherrn. Seit- 
dem lag 20 Sabre lang das Schictfal des Reiches in 
A.' Hand. Gleich tüchtig als Diplomat wie als Feld- 


| herr, wußte er Die barbariſchen Bilfer im Zaume yu 


zeln) durch Die atmoſphäriſche Luft, insbef. durd deren | halten und fogar den Qntereffen Roms dienftbar yu 


Sauerjtoff. Bal. Durchlüftungsgewebe. 
Mérozoen griech.), foviel wie Uérobien. 
Aerſchot (ivr. ars-dor, Aarſchot), Stadt im der 
belg. roving Brabant, Arrond. Lowen, am Demer, 


madjen. Er ſchlug die Burgunder , unterdriidte den 
immer von neuem ausbredenden Aufſtand der galli⸗ 


ſchen Bauern (Bagaudae), webrte mit Erfolg den 
Einfällen der Wejtgoten und ſchlug (445) den Fran- 


Aétomorphen — Affen. 


fenfinig Clodio an der Somme. Die glorreichſte Tat 
des YU. war der Sieg, den er 451 in Gemeinſchaft mit 
Dem König der Weſigoten, Theoderich, auf den Kata— 
launifden Feldern (bei Troyes) fiber Uttila, den Hun- 
nenfonig, gewann. Auch als 452 Uttila Oberitalien 
verheerte, wandte er mit geringen Streitfraften grö— 
peres Unbeil von Stalien ab. Dennod gelang oh 
Eunuchen Heraclius, in der Seele des ſchwachen Va— 
lentinian YUrgwohn gegen A. zu erwecken; als A. fiir 
jetnen Sohn die verſprochene Hand der Kaiſerstochter 
Eudokia forderte, jtief ihm der Kaiſer fein Schwert 
in die Brujt (454). 

Aẽëtomorphen, nad Hurley die Raubvögel. 

Aétosaurus ferratus Fraas (gepanzerte 
Vogeleidechſe), foffiles Rrofodil aus dem mittlern 
Keuper (Stubenjandjtein) bei Stuttgart. Es war etwa 
050,66 m lang und mit Knochenplatten bededt; im 
Sfelett und bejonders am Schädel mande Beziehung 
gu den Vögeln. Bal. Fraas, A. (Stuttg. 1877). 

Afandjjew, Alexander Nikolajewitſch, ruff. 
Mythenforjder, geb. 23. (11.) Bult 1826 im Gouv. 
Woroneſh, get. 5. Oft. (23. Sept.) 1871 in Mostau, 
ftudierte in Wosfau Recdhtswifjenfdaft, war 1849— 
1862 daſelbſt Beamter am Hauptardiv des Auswär— 
tigen, Daneben aber vielfad) literariſch titig, befon- 
ders auf dem Gebicte der ruffifden BollSiiberliefe- 
rung. Seine Hauptwerfe find: »Die poetifden Na- 
turanjdjauungen der Slawen« (Vosfau 1866 — 69, 
3 Bde.), eine rt jlawifder Mythologie, eine SGammee 
tung ruſſiſcher Vollsmärchen (2. Mui, daf. 1873, 
4 Bde.), »Ruſſiſche Kindermärchen« (2. Aufl. 1886, 
2 Tle.); außerdem ſchrieb er zahlreiche Abhandlun— 
gen: »Hexenmeiſter und Here« (1851), »Die zoomor⸗ 
phiiden Gottheiten der Slawen⸗ (1852) xc. 

Afan de Rivera, Udille, Marcheſe, ital. Ge— 
neral, geb. 19. Jan. 1842 aus einer fpanifden Fa— 


127 


| Affeftionswert (Uffettionsintereffe, Ge- 
fühlswert, Pretium affectionis), der bejondere 
(höhere) Wert, der einer Sade oder einer Leijtung 
von feiten einer bejtimmten Perſon vermöge indivi- 
ducller Gefiihle und Neigungen beigelegt wird. Bgl. 
Intereſſe und Schadenserjag. 

Affen (Simiae, Pitheci, hierzu Tafel » Wjfen I— 
Vic), fälſchlich Vierhänder (Quadrumana) ge- 
nannt, bilden mit Dem Menſchen die erjte Ordnung 
der Säugetiere, die Primaten, und find unter allen 
Lieren dem Menſchen körperlich und geijtiq am ähn— 
lichſten. Der Schädel erſcheint tieriſcher durch die jtarfe 
Ausbildung der Kiefer- und Muslelleiſten, ex ijt in 

| dec Jugend menſchenähnlicher, weil die Miefer weit 
weniger als im Wer privalieren; ſpäter beträgt der 
Geſichtswinkel bei den veridiedenen Yrten 60, 45 und 
nur 30°, gegeniiber Dem des Menſchen von 80—85°. 
Die Naje geht ohne Abſatz in die Lippe über und tritt 
nur bei Semnopithecus nasica betraidtlid aus dem 
Geſicht Hervor. Die Zähne nähern fic) denen ded 
Menſchen, dod) findet fic) niemals eme geſchloſſene 
Zahnreihe, vielmehr ragen die Eckzähne aud) bei den 
hodjten A. jtarf hervor, und zwiſchen ihnen und den 
nächſten Zähnen ijt ſtets cine derartige Liide, daß beim 
Schluß der Miefer die Echzähne nicht auf-, fondern 
nebeneinanbder qreifen. Die Augen ftehen naber bei- 
einander als beim Menſchen; dad mäßig große Or 
ijt ſtets ohne Ohrlappden. Wie der Daumen läßt ſich 
gumeijt aud) die groke Bebe den andern vier gegen- 
überſtellen (Greiffup). Die vordern Gliedmajen 
find oft länger als die hintern ; leptere find ebenfowenig 
wie das Becken fiir den aufredten Gang geeiqnet, da 
fie, wie aud) die Muskulatur, zu — —8 Trotz⸗ 
dem erheben ſich die A. gelegentlich zu aufrechter Stel⸗ 
lung, müſſen ſich jedoch dabei ſtützen; ihr Gehen ijt 
| (aud) bei den höhern A.) ſehr unbehilflich. Die haupt- 





milie, trat 1860 als Urtillericleutnant in die neapo- ſächlichſte Ortsbewequng bejteht im Klettern, dag fie 
litaniſche Armee, känipfte am Bolturno und in Gaeta! mit Hilfe ihres Greif- oder Wickelſchwanzes vorzüglich 
fiir Die Bourbonen, trat darauf in das italienifde | ausgebildet haben. Der Körper ijt bis auf eingelne 
Heer und riidte 1888 sum Generalinjpeftor der Ar— Stellen des Gefidhts, der innern Hand und ded Ge 
tillerie, 1896 zum Generalleutnant auf. Geit 1890 ſäßes mit Haaren bedeckt; die haarloſen Stellen ; eigen 
Mitglied der Deputiertenfammer, ward er 1896 zum | oft auffallende, rote oder blaue Färbung. Das Gehirn 
Unterjtaatsfetretir tm Rriegsminijterium und 1898 | hat einfadere Windungen und ijt aud relativ leichter 
gum Minijter der öffentlichen Urbeiten ernannt, trat | als beim Menſchen. Die Mustulatur ijt bei vielen 
aber nad) wenigen Woden wieder zurück. | Urten äußerſt fraftig. Die Spigen der Finger und 

Uffabel (lat.), geſprächig, umganglid; Affabi- | des Greifſchwanzes find mit ſehr feinem Gefiihl beqadt. 
lität, Umganglidfeit, Leutſeligkeit. Auch der Geruchsſinn ijt gut ausgebildet. Die ſeeliſchen 

Affaire (franz., for. affar’), Angelegenheit, Vorfall; Eigenſchaften der A., beſonders thr Talent gu geſchick— 
Geſchäft; Gefecht; a. d'amour, Liebeshandel; a. d'hon⸗ ter Nachahmung, find ſehr entwickelt. Der »Sprache ⸗ 


neur, Ehrenſache, Zweilampf. 
Affe (Inſtrumenh), ſ. Storchſchnabel. 
Affectiones der Heiligen Schrift, Kunſt— 
ausdruck der alten lutheriſchen Dogmatik zur Bezeich— 
nung der Eigenſchaften, durch welche die Bibel als 


göttliches Buch von aller ſonſtigen Literatur zu unter⸗ 


ſcheiden fein follte. ſ. Affektieren. 

Affektation (lat.), erkünſteltes Weſen, Ziererei; 

Affekte, ſ. Gemütsbewegungen. 

Affektieren (lat.); den Schein von etwas zur 
Schau tragen; fic) zieren; affettiert, gekünſtelt, ge- 
ſucht, geziert. 

Affektion (lat.), das paſſive Verhalten einer Sache 
oder Perſon von außen kommender Einwirkung ge— 
genüber; dann Zuneigung, Gunſt, inſofern dieſe ein 
von dem geliebten Gegenſtand abhängiger Gemüts— 


der VW. Hat man in neuerer Zeit cin genaueres Stu- 
dium gewidmet (Garner, Die Spradye der A. deutſch 
von Marfhall, Leipz. 1900). — Die A. freſſen vor- 
zugsweiſe Früchte, aud) Inſekten; in der Gefangen- 
ſchaft gewöhnen fie fich meijt an die Speijen des Men— 
ſchen. Sie bringen die Nahrung mit den Händen oder 
dem Greiffdwange zum Munde. Das Weibden wirjt 
in Der Regel nur em Junges und faugt es an den 
| Zitzen der Brujt. Unter den A. finden ſich Mono- 
gamiſten und Polygamrijten ; jene leben vereingelt, dieſe 
| bilder aus Familten bejtehende Scharen, die das 
älteſte Männchen anfiihrt, zumeiſt leben fie auf Bäu— 
men. Gie find fajt nur auf die Heike Sone beſchränkt 
und überſchreiten nirgends den Verbrettungsfreis der 
Palmen; am ndrdlicjten wohnen die Mafafos (Inuus 
ecaudatus) von Nordafrifa und Gibraltar. In der 


zuſtand ijt. Daber die friiher beliebter Uusdriide: | Gefangenſchaft find die A. febr hinfallig und geben in 
in A. nehmen, foviel wie liebgewinnen; affettio=| nidt langer Zeit an Erfranfungen der Lunge und 
niert, gewogen, geneigt. — Jn der Medizin foviel | des Magens zu Grunde; im ganzen halten fid) die dev 
wie franfhafte Veranderung. Alten Welt beſſer als die Der Neuen Welt. 


128 


Die lebenden A. (25 Gattungen mit über 230 Wr: 
ten; wegen der foffilen ſ. unten) bringt man in 3— 
5 Familien unter. 

1. Familie: Rrallenaffen (Arctopitheci, Hapa- 
lidae). Niedliche Äffchen mit meift dichtem Wollpels, 
langem, bebufdjtem Schwanz und rundlichem Kopf, 
platter Nafe mit feitliden Rafenlidern und vorſtehen⸗ 
den, oft mit Haarpinfeln geſchmückten Ohren. Finger 
mit fpipen Krallennägeln, nur die große Behe mit 
Plattnagel; Daumen den andern Fingern fehr wenig 
oder gar nidt entgegenjtellbar. Meiſt wenig größer 
als cin Eichhörnchen; gefellig auf Baumen von Früch⸗ 
ten und Inſelten febend, zähmbar und eßbar. Jn 
den tropifden Wäldern Sildamerifas. Nur Hapale 
mit fiber 30 Urten; hierher unter andern H. jacchus, 
Seidenaffe, H. leonina, Löwenäffchen, H. rosalia, 
Rotelajffden (Tafel V, Fig. 3). 

2. Familie: Breitnafen, Plattnafen (Platyr- | 
rhini, Cebidae), mit breiter Rajenfdeidewand und | 
daher weit voneinander getrennten Rafenlidern). | 
Wile Finger mit Ragen; Dawmen nie vollfommen 
gegenitellbar, fann aud) feblen; der Schwanz ijt ge- 
wohnlich fehr lang, nur felten gum Greifen geeignet. 
Mehrere Urten haben am Bungenbein eine weite 
Knochenblaſe, die mit dem Kehlkopf in Verbindung 
jteht und die Stimme verjtirtt. Namentlich ijt dies bet 

nm Briillafjen (f. d.) der Fall. Ausſchließlich ameri- 
laniſche A., Daher aud W. Der Neuen Welt ge 
nannt. Meiſt fleiner als die U. Der Ulten Welt, we- 
niger wild und lebhaft, leichter zu zähmen. Die 10 
Gattungen mit etwa 80 Urten bringt man in zwei 
oder mehrere Unterfamilien: a) mit ſchlaffem Schwanz 
(Pitheciina), bierher Brachyurus, Kurzſchwanzaffe 
(Scharladhgefidt, B. calvus, Tafel V, Fig. 1), Pithe- 
cia, Schweifaffe (Satansajfe, P. satanas, Zottelaffe, 
P. hirsuta, Tafel VI, Fig. 3 u. 4), und Nyctipithe- 
cus, Nachtaffe (Mirifina, N. trivirgatus, Tafel VI, 
dig. 5); b) mit Greif- oder Wickelſchwanz (Cebina), 
hierber Ateles, Rlanumeraffe (Goldjtirnaffe, A. Bart- 
lettii, Tafel V, Fig. 4), Lagothrix, Wollaffe (qrauer 
Wollaffe, L. Humboldtii, Tafel V, Fig. 2), Mycetes, 
Briillajfe (M. niger, Tafel VI, Fig. 1), Cebus, Roll- 
ſchwanzaffe (Napusiner, C. capucinus, Tafel VI, 
vig. 2), und das Totenfdpfden (Chrysothrix sciurea, 
Tafel V, Fig. 5). 

3. Familie: Sdmalnafen (Catarrhini), mit 
ſchmaler Nafenfdeidewand und daher dicht nebenein- 
ander jtehenden Rajenlidern. Dem Menſchen am 
ähnlichſten; dies gilt auc) fiir das Gebiß, Das freilid 
nod) nit ftarfen Eckzähnen und ſchräg nad vorn ge- 
jtellten Schneidezähnen verfehen ijt. Das Geficht merit 

linn behaart, jedod) an Lippen, Rinn und Baden 
Bärte bildend, zuweilen mit Badentafden und Geſäß— 
ſchwielen. Beine lang und dünn; die Füße meiſt voll- 
ſtändiger entividelt als Die Hinde, an denen der Dau- 
men zuweilen nur cin Stummel ijt; Finger und Zehen 
famtlid) mit Nageln. Schwanz nie cin Greif- oder 
Wickelſchwanz, haufig kurz oder fehlend. Die Schmal—⸗ 
najen find die A. der Alten Welt. Qn der Jugend 
Jind jie jehr gelehrig, im Alter ſehr traftig, verteidi- 
gen fie fid), indem . Stöcke und Steine als Waffen | 

enugen. Drei Unterfamilien: a) Die Hundsaffen 
(Cynopithecina), sum Teil mit Hundegefichtern, d. b. | 
nut bervorragender Schnauze, Badentafden und 

Schwänzen, alle mit Geſaäßſchwielen. Sieben Gattun: | 
qen mit fajt 70 Arten; bierher unter andern Cyno- | 
cephalus, Pavian (Hamadryas, C. hamadryas, Wan- 
drill, C. mormon, und Dril, C. leucophaeus, Ta- 
fel LV, Fig. 1—3), Cercopithecus, Meertatse (Mohren⸗ 








Affenblume — Affenſtein. 


affe, C. fuliginosus, Tafel IIT, Fig. 4), und Macacus, 
Wafato (Mafat, M. cynomolgus, und Magot, Inuus 
ecaudatus, Tafel IV). b) Die Schlankaffen (Sem- 
nopithecina), mit langen Sdwangen und runden Ge- 
fidhtern, ohne vorfpringende Schnauze und Baden- 
tajdjen. Nur zwei Gattungen (mit etwa 40 Arten), 
Colobus, Stummelaffe (Guereja, C. guereza, Ta- 
fel ILL, Fig. 3), und Semnopithecus, Sdlantajfe (Gul- 
nan, S. entellus, Budeng, 8. maurus, Tafel IT, 
Gig. 1 u. 2). c) Die menfdenahnliden U. oder Un- 
thropoiden (Simiina, Anthropomorpha), alle ohne 
Bacentaſchen und Schwanz, fajt alle ohne Geſäß— 
idwielen. Nur die 4 Gattungen (mit 12 Urten) Go- 
rilla, Gorilla (Tafel ID), Troglodytes, Schimpanſe 
(Zafell), Pithecus, Orang-Utan (Tafel D, und Hylo- 
bates, Gibbon (Lar, H. Lar, Tafel I). 

Den letztern jteht der foffile, von Dubois auf 
Java entdedte, in mander Hinfidt febr menfdjen- 
ähnliche Pithecanthropus nabe. Rejte anthropomor- 
pher UW. fennt man aus dem Tertiär, und ebenda 
finden fid) aud) Rejte von W., die fic) an die heute 
lebenden anfdliefen. Solche unde find ſowohl in 
Curopa al aud) in Umerifa und Ufien gemadt wor- 
den, und ganz bejonders widtig find die auf Mada— 
gastar gefundenen foffilen A., die auf der einen Seite 
Die echten UW. mit den Halbaffen zu verbinden fdeinen 
und auf Der andern Seite geeignet find, eine Briide 
zwiſchen den A. der Ulten und der Neuen Welt zu ſchla⸗ 

en. In den Knochenhöhlen Brafiliens hat man neben 

ejten von Hapale, Mycetes, Cebus 2c. aud eine aus- 
gejtorbene Urt von bedeutender Gripe, Protopithe- 
cus, gefunden. In der älteſten Tertiärzeit bewohnte 
ein Malako das ſüdöſtliche England und Frankreich, 
doch ſcheint er den indiſchen näher geſtanden zu haben 
als den jetzt auf dem Felſen von Gibraltar hauſenden. 
In der mittlern Tertiärzeit fanden ſich menſchenähn⸗ 
liche A. (Pliopithecus, Dryopithecus (f. Lafel »Zer- 
tidrformation III.), Troglodytes) in Ditindien, Süd⸗ 
und Mitteleuropa. Bgl. Wudebert, Histoire natu- 
relle des singes (Bar. 1800); Schlegel, Monogra- 
phie des singes (eid. 1876); Hartmann, Die 
menſchenähnlichen A. (Seipz. 1883); Denifer, Re- 
cherches anatomiques et embryologiques sur les 
singes anthropoides (Par. 1886); Broca, Mémoires 
sur le cerveau de l'homme et des primates (daf. 
1888); Selenfa, Studien iiber Entwidelung und 
Schadelbau der Menſchenaffen (Wiesbad.1898 — 1900, 
3 Hefte; Heft 4 von Walfhoff, 1902). 

Affenblume, |. Mimulus. 

Affenbrotbaum, ſ. Adansonia. 

Affenfelle, ſchwarze, lang, diinn- und glatthaa- 
rige Felle ohne Grundwolle aus Wejtafrita, Java, 
Siidamerifa (Sdeitelaffen vom Teufelsaffen, fel- 
tener vom Budeng) und qraugeperite mit dunfel braun- 
rotem Riicenjtreifen von ebendaher (Perlaffen von 
der Diana), dienen zu Muffen und Deden. Die Felle 
der afiatifden Mampbergiege (f. Ziege) kommen ſchwarz 
gefärbt (Affenziegen) als Jmitation der Sdeitel- 
affen in Den Handel; fie befitsen Wollhaare. 

Affenhelm, ſ. Helm. 

Affenmenſchen, ſoviel wie Vitrofephalen. 

Affenpinſcher, ſ. Hund. 

Affenſpalte, cine dic Mittelrinne des Gehirns in 
der Gegend des Scheitels faſt ſenkrecht kreuzende, nach 
beiden Seiten laufende Furche, die bei den Affen ſtär— 
fer ausgeprägt iſt, beim Menſchen aber nur ausnahms⸗ 
weiſe (infolge einer Nichtentwickelung der innern obern 
Scheitelwindung) deutlicher hervortritt. 

Affenſtein, ſ. Bezoar. 

















2. Schimpanse (Troglodytes niger). ‘io. (Art. Schimpanse,) 


Meyers Konv.- Lexikon, 6. Aufl. Bibliogr. Institut in Leipzig. Zum Artikel ,Affen. 


Affen Il. 





MAS 


1. Gorilla (Gorilla gina), Ari. Gorwta. 2. Lar (Hylobates lar). ! Art. Grbbom, 


le 


Affen Ill. 








1. Hulman (Semnopithecus entellus). %,9. (Art. ScMenkage. — 2. Budeng (Semnopithecus maurus). ! 4». 
(Art. Schankage.) — 3. Guereza (Colobus guereza), ‘yo. (Art. Stommetage.) — 4. Mohrenaffe (Cercopithecus 
fuliginosus). "Js. (Art. Meerkatee.) 


Meyers Kony.- Lexikon, 6. Aufl. Bibliogr. Institut in Leipzig. Zum Artikel ,Affen. 











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- (weeny wy eg WGnarudo nat snfeqdaroudy) Id B- “Ne (wouuou snyeydaroudy) IIIApurx —⸗ *, “(seXupewey snyeydarouty) sekapemeyy “| 





‘Al YoY 





1. Scharlachgesicht (Brachyurus calvus). 44. (Art. Kursschwanzage.) — 2. Wollaffe (Lagothrix 

Humboldtii). 4a. (Art. Wottoge.) — 3, ROteldffchen (Hapale rosalia), ‘9. (Art. Seidenage.) — 4. Gold- 

Stirnaffe (Ateles Bartlettii). 44). (Art. Alommeroge.) — 5, Totenképfchen (Chrysothrix sciurea). ‘6. 
(Ant, Totenkip/chen.) 


Meyers Konv.- Lexikon, 6. Aufl. Bibliogr. Institut in Leipzig. Zum Artikel Affen’, 





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TA uouv 


Affenthal — Afghaniſtan. 


MAffenthal, Dorf im bad. Kreis Baden, Amt Bühl, 
Gemeinde Eifenthal, hat Unbau von Rotwein (YU f fen- 
thaler) und (900) 350 Einw. 

Affenziegen, ſ. Uffenfelle. 

Mier, foviel wie Halbaffen, Lemuriden. 

Affettudso (ital.), mujifal. Bezeichnung, foviel 
wie gemütvoll, mit viel Wusdrud (und freiem Bortrag). 

ffiche (frany,, for. Aſch), eine öffentlich, möglichſt 
auffallig angeflebte Kundmachung, cin Anſchlagzettel 
(i. Yinidlag). Uffidenfdriften, f. Plafatidhriften. 

Affichieren (franz., fpr. chie⸗), einen Zettel an- 
ſchlagen, etwas zur Schau tragen. 

Wyfidavit (v. lat. affido, in der mittelalterlichen 
Rechtsſprache: ich beſchwöre), im engl. Redht eine 
ſchriftliche Erklärung, die vor einer autorijierten Per- 
fon (einem ridterlidjen Beaten, »Commissioners, 
Notar, Ronful) unterzeichnet und deren Ynhalt vor 
dieſer Perſon befdworen wird; dann die gerichtlich ab- 

ebene u. eidlich bekräftigle Erllärung eines Schiffs⸗ 
Pibrers, daß er auger den in den —— ver⸗ 
zeichneten Gegenſtänden keine Fracht an Bord habe. 

Affiliation (lat.) -Unnahme an Sohnes oder 
Rindes Statt«, UWdoption; in der Freimaureret Wuf- 
nabme einer bereits fonjtituierten Loge fowie eines 
cinzelnen Maurers in eine andre Loge; bei religidjen 
Orden Uufnahme von Laien, die fic) dabei nicht auf 
die Ordensregel, fondern nur que Bibeung eines 
frommen Lebens oder aud) gur Beforderung der Or- 
Densinterefjen in ihren Kreiſen verpflichten; über— 
haupt Bezeichnung fiir eine befonders enge Verbin- 
dung. Wffiliterte Gefellfdaften find Vereine 
mit einheitlider Tendenz, die in organifder Verbin- 
dung zueinander ſtehen; Durd) die modernen Vereins- 
geſetze meiſt unterjagt. Wud) ſpricht man in demſelben 

inne von Medaillen und andern Auszeichnungen, 
die einem Orden »affiliiert⸗ find. 

AUffiniernng (Uffinage, Uffination), die Ab— 
ſcheidung von Gold und Silber aud ihren Legierungen, 
befonders die Scheidung mit Schwefelſäure, welde 
Kupfer und Silber löſt und Gold ungeldjt lapt. Bal. 
Gold und Silber. 

Affinität (lat.), Verwandtſchaft durd) Heirat, 
Schwägerſchaft (f.d. und Ehehindernijje). A. tm chemi. 
ſchen Sinne, ſ. Chemifde Verwandtidayt. Sexuelle 
W., in der Botanif, ſ. Fruchtbarkeit. 

Affirmation (lat.), Bejahung, Beſtätigung; Ge- 
genſatz der A. ijt Die Negation (j. d.); affirmatin, 
bejabhenb. 


129 


mit dem König und erfannte 1848 die Februarregie- 
rung an. Er fand feinen Tod, als er imt Juniaufjtand, 
um Frieden zu jtiften, die Barrifaden bejtiegen hatte. 
Bgl. Cruice, Vie de Denis Auguste A. (Par. 1849). 

Affrettando (ital.), beſchleunigend (stringendo); 
affrettato, bejdjleunigt (pid mosso). 

Affricata (lat.), ſ. Lautlehre. 

Affrico, {. Africus. 

Uffront (franj., fpr. frng), Schimpf, Beleidigung. 

Affrös franz. affreux), abſcheulich, ſcheußlich. 

Afghaniſche Sprache und Literatur, ſ. Af⸗ 
ghaniſtan, S. 131. 

Afghaniſtan (Drangiana und Ariana der 
Ulten, von den Cingebornen Urlajat, »Stannm- 
fand«, genannt; f. die Karten »Zentralafien« und 
»Perjien«), das norddjtlide Iran gwifden Yndien, 
Belutſchiſtan, Bodara und Ferjien. Das durch die 
—— afghaniſch⸗indiſchen Grenzgebiete unter 
britiſche Verwaltung und eine Verſchiebung der Nord⸗ 
weſtgrenze gu gunſten Rußlands auf 624,000 qkm 
beſchränkte Gebtet liegt zwiſchen 30 — 37° 45! nördl. 
Br. und 61—72° djtl. L. A. iſt reid) an Ultertitmern 
aus griechiſcher und bubddbijtifder Zeit (Nabultal, 
Tal von Peſchawar, Bamian). 

—————— . A. iſt ein nad SW. und 
MN. fid) abdachendes Hodland, im RO. von dem 
maffigen Hindukuſch (Tiratſchmir 7750 m) erfiillt 
mit feinen Ausläufern nad W.: Sefid Roh (Roh-i- 
hiffar 4525 m) und Baropamifus (2612 m) lings 
des Nordufers de3 Herirud, Roh-i- Baba (5140 m), 
Sija Koh lings dejjen Sitdufer. Vom Hindutufdh 
zweigen fic) auc) Retten nad) S. ab: cin zweiter Sefid 
Roh (Sifaram 4760 m) an der indifden Grenje, die 
weiter fiidlid) Dem Kamm der weftliden Guletman- 
fette folgt. Rad) SW. ftrablen dieſe Gebirgszüge 
fächerförmig aus, den zahlreichen Flüſſen die Richtung 
anweiſend. Von den Hauptpäſſen an der indiſchen 
Grenze gehören jetzt zu A. nur noch der Chaiberpaß 
(2081 m) zum Kabul, der kürzeſte und meiſt benutzte, 
weiter ſüdlich der Paiwarpaß (2600 m), der Sar— 
wandi (2286 m), nod) fiidlidjer Der Kodſchak (2200 m), 
der fiber das Chadſcha Amrangebirge nad Piſchin 
fiihrt und von Ulerander d. Gr. benugt wurde. über 
den Hindukuſch gehen der Chawak (3550 m), von 
Ulerander d. Gr. und Timur durdjogen; der Kalu 
(Madjdhi fof, 3500 m) nad) Bamian, durd) den 
Didengis-Chan, Nadir Schah und Leutnant Sturt 
(1840) zur Probe mit Urtillerie gogen. Die Fliiffe 


Affix (lat., »WAnfiigungs), die am Anfang oder | find nur fiir die Bewäſſerung ded Landes nutzbar. 


Ende eines Wortes angehängten Silben, die den 
Begriff deSfelben näher bejtimmen, 3. B. Alich« in 
weiblich⸗ Bgl. Sprade. 


Der bedeutendfte ijt der Hilmend, der wie Chaſchrud, 
Fararud und Harud in den großen Hamunſumpf im 
S. fich ergieBt. Der Kabul fließt ſüdöſtlich zum In— 


Affizieren (lat.), Cindrud maden auf etwas, er- | dus. Alle diefe Fliifje entipringen am Siidhang de3 


qreifen, rithren ; in Der Medizin : franfhaft verändern. 

Affluieren (lat.), hingufliejen, -jtrimen; Af— 
fluens, Zufluß, Überfiuß. 

Wheto: Phlangengattung ſ. Asphodelus. 

Affre or. of), Denis Auguſte, Ersbifdof von 
Paris, geb. 27. Sept. 1793 in St.-—Rome de Tarn 
(Aveyron), geſt. 25. Juni 1848, ward 1818 Profeſſor 
der Theologte am Seminar von St.-Sulpice, 1821 
Generalvifar ju Lucon, 1823 3u Amiens und erwarb 
ſich große Verdienjte um Cinridtung und Hebung von 
Volfsfdhulen, Bildung der Geijtlidjen und um die 
ſinanzielle Verwaltung der Diözeſe. Seit 1834 als 
Dontherr und Titularvifar in Baris lebend, ward er 
1840 Erzbiſchof dafelbjt. Bisher ein eifriger Galli- 
faner, zerfiel er in Der Frage der Unterridtsfreiheit 

Meyers Konv.= Lerifon, 6. Aufl, L Wd. 


Hinduluſch und feiner weſtlichen Fortſetzungen. Erſt 
weſtwärts, dann nordwärts ziehen Herirud, der in 
ſeinem Unterlauf die Grenze gegen Perſien bildet, 
und Murghab; fie verlieren ſich im Turfmenen- 
gebiete. Der Amu Darja bildet einen Teil der Nord- 
renze. Das Klima iſt vorherrſchend trocken; die 
Jahrestemperatur iſt im Gebirge niedriger als im 
benachbarten Indien (jtrenger Winter mit Schnee⸗ 
jtiirmen); die Tiefliinder zeigen Extreme der Hike 
(bis 50° im Schatten). Un Mineralien tit A. reid. 
Wold findet fic) im Sande des Kabul, cine Goldgrube 
ijt nenerdings bei Kandahar eröffnet, aud) die Gebirge 
im MNO. ſcheinen goldreich. Der Hindukuſch hat Wdern 
von Gilber, Kupfer, Zinnober, Blei, Untimon, Zink, 
Schwefel; Eiſen und Kohle find mehrfach gefunden 
worden, Steinſalz in Menge; Badachſchan vt wegen 
9 


130 Afghanijtan Gevöllerung, Ackerbau, Viehsucht, Jndujtrie u. Handel, Staatsverfajjung 2¢.). 


feiner Rubinen beriihmt. Die Vegetation hatin den 
höhern Striden ganz europaifden Charafter. In den 
Waͤldern find die Pinusarten, Maulbeeren, Tamaris- 
fen, Weiden, Platanen und Pappeln die gewöhnlichſten 
Baume; viele unfrer ſchönſten Zierpflanzen wachſen 
wild; fehr häufig find Stinfajant (Asa foetida) und 
Rbabarber. Jn be Tierwelt beqeqnet man Lowen 
und Leoparden, Tigern, Wolfen, Baren, Hyänen, 
Schatalen; im fiidliden A. dem Kiang, einer befon- 
dern Art wilder Efel, im NO. Wifen. 

Die Bevölkerung foll 4,550,000 Köpfe betragen. 
Sie gehört zur großen iraniſchen Volferfamilie und 
beſteht aus einer Anzahl von Völlern, vereinigt durch 
den Islam und die politiſchen Erfolge im 18. Jahrh. 
Die Afghanen ſind nach ihrer überlieferung Ein— 
wanderer aus Syrien, wohnten zuerſt im W., zogen 
im 7. Jahrb. n. Chr. oſtwärts und haben heute Kan— 
dahar und die bier cinmiindenden Tiler zu Haupt- 
fipen. Gie nennen fic felbjt Bafdtun (Mehrzahl 
Paſchtaneh) und ſcheiden fic) in eine weſtliche, djtliche 
und indifde Ubteilung. Die legte qehdrt ganz, die 
zweite zum Teil gu Britiſch-Indien. Bon den zahl— 
reichen Stämmen ijt der Der 800,000 Köpfe zählenden 
Durant, bejonders zwiſchen Herat und Kandahar, 
der herrſchende, feitdbem Achmed Sdah 1747 aus 
dieſem damals Ubdali genannten Stanume fid zum 
Herrſcher unter dem Titel Duri-Duran (> Perle des 
Jahrhunderts«) aufwarf. Noch ſtärker, nad andern 
nur 600,000 Köpfe, follen die Ghilzai fein, die das 
Hodplateau nördlich von Kandahar einnehmen, öſtlich 
zur Suleimanfette und nordwärts gum Kabul fic er- 
ſtrecken. Qn ihrem Gebiet ziehen die Nafir umber, 
wahrſcheinlich eingewanderte Belutiden. Die Ju— 
fuf sai (700,000 Köpfe) bewohnen ein großes Gebiet 
nördlich von Peſchawar. Fajt ganz unter britijder 
Botmapfigleit jtehen die Rafar (200,000), KRhattak 
(100,000), Utman Rel, Ufridi, Oralzai und 
Sdinwari. Die Ufghanen find groß und fdlant, 
mit ſchwarzem Haar und meijt blafjer Hautfarbe. 
Die einjticigen Baditeinhaiujer mit plattem Dad 
find im Innern ohne Tiſche und Stühle; Zelte, deren 
Boden mit didem Fil; oder wollenen Decen belegt 
iit, fiibren die nomabdijierenden Stämme. Siel- 
weiberei ijt qejtattet, Die rau aber mehr geadtet als 
bet den wejtlichen Mohammedanern. Der Afghane 
ijt auSdauernd und unerjdroden, cin geborner Rrie 
qer, —* im Angriff, aber aud leicht entmutigt, 
verräteriſch, treulos und unerſättlich in der Rache. 
Von den nicht afghaniſchen Völlerſchaften find die be— 
deutendſten die Tadſchik (f.d.) als anfaffige, Aclerbau 
treibende Bevölkerung, in den Stadten Handwerfer. 
Vermutlich find fie die urfpriinglichen Bewohner und 
in ihrer äußern Erideinung den Afghanen ähnlich. 


Gie find eifrige Sunniten. Dagegen find die in den | 


Städten als Raufleute, Ärzte, Schreiber wohnenden 
Kiſilbaſchis Schiiten, ein ſchöner, körperlich und 
geiſtig den Afghanen überlegener Menſchenſchlag, 
denen nebſt den Tadſchik und den über das ganze 
Land als Geldwechſler und Großhändler verſtreuten 
Hindki (Hindu) A. alles verdankt, was es an Reich— 
tum beſitzt. Auch gibt es als Landarbeiter, Barbiere, 
Muſiker zahlreiche ſunnitiſche Dſchat. Die Geſamt— 
zahl dieſer Vollsſtämme wird auf 1/2 Mill. geſchätzt. 
Von entidieden mongoliſchen Typus find die nocd faſt 
vollig unabbingigen Hazara im ſchwer zugänglichen 
Hinduluſch und thre Nachbarn, die Wimal, beide Sun- 
niten, zuſammen 200,000 Seelen. Jn den ſüdbſtlichen 
Verglandidhaften und am Hilmend wohnen Belutiden. 

Ackerbau und Viehzucht find Hauptbeſchäftigung. 


Weizen bildet meiſt die Hauptnahrung, auferdem 
baut man Gerſte, mehrere Linſenarten, in den heißern 
Strichen Reis, Zuckerrohr, Baumwolle, Tabak und 
die Dattelpalme, in den kühlern Aprikoſen, Birnen, 
Apfel, Walniſſſe und Wein, der hier einheimiſch tit. 
In den niedern Gegenden erntet man zweimal im 
Jahre. Die Viehzucht beſchäftigt ſich vornehmlic mit 
den teils weißen, teils braunen oder ſchwarzen Fett- 
ſchwanzſchafen. Die Kühe ſind ſehr milchreich, ihre 
Produlkte bilden einen wichtigen Teil der Nahrung. 
Kamele beider Arten werden überall gezogen, das ein- 
höckerige ijt einheimiſch. Jagdhunde werden in mehre⸗ 
ren Gegenden gezüchtet. Die In duſtrie iſt unbedeu—⸗ 
tend. Die frühere Teppichweberei in Herat hörte durch 
die Auswanderung der Weber nach Birjand 1863 auf. 
Nennenswert iſt die Erzeugung von Seide, meiſt zu 
einheimiſchen Verbrauch, von Filzen, Zeugen aus 
Wolle, Ziegen- und Kamelhaar, von Schafpelzen, die 
in bedeutenden Mengen im Pandſchab verbraucht 
werden, und von Roſenkränzen (in Kandahar), die 
beſonders nad) Mekla gehen. Der Handel bewegt 
ſich bei Dem Mangel an ſchiffbaren Flüſſen und Fabr- 
itraken auf den uralten Karawanenſtraßen von Perſien 
nad Herat, von Bochara nach Herat und Kabul, vom 
Pandſchab nad) Kabul oder Kandahar. Als ein Uber- 
bleibjel alter Zeiten ziehen die Povinda (jährlich 7000 
Männer mit 35,000 KRamelen) in großen, militäriſch 
organifierten Narawanen witGen Synbien, Chorafan 
und Bodara und dringen felbjt bis Aſſam und 
Rangun vor. U. führt nad Indien namentlich Bolle, 
Pferde, Seide, Früchte, Pelzwaren, Farbſtoffe, Asa 
foetida aus und empfängt Baumwollen⸗, Wollen- 
und Seidenwaren, Suder, Tee, Indigo, Gold- und 
Silbertrejjen, Schärpen, Lederwaren u. a.; 1891 
empfing Indien von Kabul fiir 208,637, von Tirah 
und Badjdnur fiir 102,621, von Randabar, Sewejtan 
und Relat fiir 384,314 Pfd. Sterl. Waren und fiihrte 
dorthin fiir 469,870, be3. 104,456 und 1,617,468 Ryd. 
Sterl. Waren aus, wahrend Bochara 1889 Waren 
fiir 0,46 Mill. ein- und für 0,71 Will. Pfd. Sterl. aus- 
führte. Der Povindahandel ijt zum größten Teil 
Tranfithandel und durd die Davon erhobenen Durd- 
—— fiir UW. wichtig. Allgemeine Geldſorten, 
aße und Gewichte gibt es nicht, zumal der Handel 
vielfach auf Warentauſch beruht, auch die Abgaben 
oft in Erzeugniſſen bezahlt werden. 
Staatsverfaſſung und Verwaltung. UA. iſt 
eine unumſchränkte Monardie unter einem Emir, 
erblich feit 1862 in Der Nachfommenjdaft Doſt Mo— 
hammeds; dod) bejteht darunter cine militäriſche 
Yrijtofratie und innerhalb diefer cine Anzahl Feiner 
Republifen, die nur durd) ihre Trennung ju be— 
herridben find. Die gewöhnliche Cinteilung in fiinf 
Provinzen: Rabul, Ghasni, die Hochtäler fidlich 
von Rabul, Randabhar, der Siidojten, Seiſtan, 
der Siidwejten des Landes, und Herat oder das Tal 
des Herirud, find zugleich Cintetlungen nad hiſto— 
riſchen, geographifden und politiſchen Gefichtspunt- 
ten. Die Einfiinfte des Emir, aus einer Grundſteuer, 
Durdgangs-, Ein- und Ausfuhrzöllen und den mith: 
jam eingetriebenen Abgaben bejtehend, follen ſich auf 
30 Mill. WUE. belaufen, wovon ein großer Teil in na- 
tura gejablt wird, angeblid) 8's Will. We. auf das 
| Heer verwandt werden, das fett 1869 nad europat- 
ſchem Muſter organijiert und dejjen Geſamtſtärke auf 
50,000 Mann nut 123 Geſchützen zu ſchätzen ijt. In 
der Rechtspflege gilt neben dem Koran ein alted, robes, 
ungeſchriebenes Gewohnheitsrecht, das Pukhtunwali. 
Haupiſtadt und Reſidenz des Emir ijt Kabul. 





Afghaniſtan (Sprade, Literatur; Geſchichte). 


Die afgbanifdhe Sprache, die fic) ſelbſt als 
Paſchtu (nad englijher Schreibung Pushto oder 
Pushtu) bezeichnet, tit nad) Trumpp und Spiegel 
eine jelbjtindige Sprade, die cin Wtittelglied zwiſchen 
Indiſch und — bildet, nad) den neuern For- 
ſchungen von Hübſchmann dagegen eine edht iraniſche 
Sprade, die nur in il apg jpater Beit tm 
Wortidas, in der Flerion und in der Syntar von 
Yndien aus ftart becinflugt wurde, wie fid) 3. B. die 
fiir alle iranijdjen Spraden charafterijtijde Gejtal- 
tung der Ziſchlaute aud) im Afghaniſchen  findet. 
Bal. die umfajjenden grammatiſchen und leritalijden 
Urbeiten Ravertys (»>Grammar of the Pushtos, | 
8. Mujl., Yond. 1867; »Dictionary«, 2. Aufl., daj. | 
1867, und »Pushto manual«, 2. Yufl., daf. 1889); | 
Belews Grammatif und Lerifon (beides daf. 1867) | 
und die durch wiſſenſchaftliche Haltung ausgezeichnete 
»>Grammar of the PaSto, or language of the Af- 
ghans« (Daf. 1873) von Trumpy, ſowie Hübſchmanns 
»Iraniſche Studiene (im 24. Bd. der -Zeitſchrift fiir 
vergleichende Sprachforſchung«). Die Spradje jer- 
fallt in verſchiedene Dialefte. WS Schrift dient cine 
Ubart des arabijden Wlphabets. Die Literatur 
ijt in ihrem Geiſte durch den Islam, in ihren Formen 
durchweg durch perſiſche Vorbilder bejtimmt. Cin 
Bild derſelben geben die Sammelwerke von Dorn 
(»Chrestomathy of the Pushtu«, Petersb. 1847), 
von Raverty (⸗&The Gulshan-i-Roh, being selec- 
tions prose and poetical«, 2. Aufl., Lond. 1867; 
»Selections«, daſ. 1867) und Trumpp in der » Zeit- 
ſchrift der Deutiden Morgenländiſchen Geſellſchaft« 
(Bd. 21 u. 23). Cine Sammlung afghaniſcher Volfs- 
lieder veröffentlichte James Darmejteter in »Chants 
populaires des Afghans, recueillis« (Bar. 1889—90, 
2 Tle.). Viele afghanifche Texte find nenerdings in 
Dehli herausgegeben, 3. B. »The poetical works of 
Abd ur Rahmans (1882) u. »> Mulla Ahmad’s Mirat- 
ul-Muslimin« (1888). 

[Gefdidte.] Die Linder, die dad jetzige A. bilden, 
waren cinjt meijt von arifden Bolfern bewohnt, die 
pon A. aus nad) Indien vordrangen, und bildeten 
im perjijdjen Reich) die Brovingen Drangiane, 
Ureta und Uradofia. Die legte Landſchaft hieß 
aud) Paktyike nad den Hirtenjtimmen der Paktyer 
oder Bachtan, wie fic) ihre uns unter dent perſiſchen 
Namen Afghanen befannten Nachkommen nod) nen- 
nen. Wlerander d. Gr. eroberte UW. 330-329 v. Chr. 
und qriindete hier Die Stadte Wlerandreia Areion 
(Herat) und Wlerandreia YUradoton (Kandahar). Die 
herrſchende Religion war die des Zarathuſtra. Seit 
dem 3. Jahrh. v. Chr. gehörte der größte Teil von 
VW. gum Bartherreid), ſeit 226 n. Chr. gum mittelper- 
ſiſchen Reich der Sajaniden; nur die ndrdliden und 
bjtliden Landjdhaften wurden ihnen von den griechiſch⸗ 
indijden und qriedijd - battrijden Rinigen jtreitig 
gemadt. Bon Südweſten her breiteten fic) die Pach— 
tdn oder Ufghanen mehr und mehr aus und fiibrten 
die nod) jest bejtehende Stammesverfafiung em: das 
Volk teilte ſich in Stämme mit einem Chan als Ober- 
baupt, dieſe in Geſchlechter und diefe in Unterabtei- 
lungen, mit Malits, Muſchirs und Spingeprah (Weif- 
bart) an der Spite. Der Stamm wie die cingelnen 
Ubteilungen heifen Uluß. Die Dirgha, die Gefamt- 
heit der Familienhiupter, gleichzeitig aud) das Geridt, 
ftand iiber den Chanen. an 7. Jabrh. wurde A. von 
den Urabern erobert und zum Islam befehrt ; es jtand 
mit Dem von den Yrabern eroberten Teil von Yndien 
unter einer Statthalterſchaft. Sdon 812 erfolgte die 
erjte Auflehnung der arabijd-indijden Statthalter | 





131 


(in Herat der Gamanide Blyas) gegen die Ralifen, 
und e8 bildeten fic), freilid) immer nur auf kurze Zeit, 
ſelbſtändige Reidje. 1001 eroberte Mahmud aus der 
962 gegriindeten Dynaſtie der Ghasnawiden gan; 
A.; Dod) zerfiel deren Reich ſchon 1186. Wud) die 
folgende afghanijde Dynajtie der Ghoriden be- 
hauptete nur die Herrſchaft über Hindojtan, die den 
Afghanen erjt durd) Baber (Schlacht bet Panipat) 
1526 entrijjen wurde (1540 — 55 herrſchten feds 
lieder der afghaniſchen Dynajtie Sir nadeinander 
liber Bengalen), naddem A. felbjt 1215 von den 
Chwaresmiern unterworfen war; nur in Herat biel. 
ten fid) Malifs aus der Familie Kurt 1245 —1389. 
Erſt im 17. Jahrh. gelangte, naddem Kabul und san: 
Dabar gum indijden Mogulreid), Herat gu Perjien 
gehört hatte, wieder cine afghaniſche Dynajtie zur 
Regierung und beherrjdte 1722 —29 auch Perfien. 
Nach der Ermordung Nadir Schahs von Perſien qriin- 
Dete UHmed Schah Wbdali aus dem Geſchlechte der 
Durrani 1747 ein Ufqhanenreid), das von Chorajan 
im BW. bis Serhind im öſtlichen Pandſchab, vom Orus 
im N. bis gum Indiſchen Ojean im S. reidte. In— 
neve Streitigfeiten fiibrten bald ju Teilungen und zu 
fremder Einmifdung. Schah Schudſchah, cin Entel 
Uhmeds, fonnte fid) nur in Herat gegen Dojt Mo- 
hammed, den Kabul und Randabar fett 1826 bejest 
haltendDen Sohn des Wejirs Payinda Chan und Bru- 
der de3 mit Demfelben Amte betrauten Fath Chan aus 
Dem die Weſire von A. liefernden Geſchlechte der Ba- 
ratjai, behaupten und rief 1838 die Hilfe Englands 
an. Yin Friibjahr 1839 riidten 9000 Englander aus 
Indien in A. ein, bemächtigten fid) 21. April Ran- 
dahars, 23. Juli Ghasnis und festen 7. Aug. Schu⸗ 
dſchah in Balabijjar, der Königsburg von Kabul, 
wieder cin; nad) ciner neuen Niederlage ergab fid) 
Dojt Mohammed 5. Nov. 1840 den Englandern. Uber 
durch den Uufitand Ufbars, eines Sohnes von Dojt 
Mohammed, wurden im November 1841 außer Sdu- 
dſchah aud) die Europäer (unter andern General Mac 
Naghten, der Reijende Wlerander Burnes) in Kabul 
ermordet. Das englijde Heer von 6000 Mann, das 
ſich in einem befeſtigten Lager bei Rabul behauptet 
hatte, fand auf dem Rückzug durd) den Chaiberpah 
mit Den Frauen und Rindern der in Kabul getdteten 
Europäer durd Hunger, Kälte und die Mordſtreiche 
der fanatifden Bevdlferung den Untergang. Nun 
unternahm Gouverneur Cllenborough 1842 einen 
neuen Feldjug gegen W. Die Generale Pollod und 
Mott drangen durd) die Gebirgspäſſe, ſchlugen Wfbar 
und befreiten die Geiſeln und Gefangenen. Das flade 
Land wurde verwiiftet, Kabul und Iſtalif verbrannt. 
Nachdem die Englander Dojt Mohammed in Ra: 
bul als Herrider eingeſetzt batten, febrten fie nad 
Yndien zuriid. Dojt Mohammed befiegte darauf Ko— 
handil Chan, der Kandahar beberridte, und unter- 
warf 1862 Herat, jo daß A. wieder vereinigt war; 
mit den Engländern ſchloß er 1855 und 1857 neue 
Vertrage und erbielt bis gu feinem Tode (9. Juni 
1863) Jabrgelder. Gegen ſeinen zum Thronfolger be- 
jtimmten Sohn Schir Uli Chan lehnten fic defjen 
Brüder Azim und Uffal auf; nachdem beide Kabul 
cingenommen und 10. Mai 1866 Sdir Ali geſchla— 
gen batten, lie fic) Uffal 21. Mai als Emir von A. 
ausrufen und wurde von England anerfannt. Rad) 
feinem Lode (Dft. 1867) —— Azim zu Kabul. 
Den Süden und Weſten von A. hatte indes noch Schir 
Vi inne; er wurde aber 17. Jan. 1867 bei Kabul ge- 
idlagen und mute nad) Herat fliehen. Bon hier aus 
gelang es ifm mit Hilfe von Bald, im September 
9* 


132 


1868 Kabul zu nehmen und im September Azim bei 
Ghasni ju befieqen. Uffals Sohn, Abd er Rahman, 
verjudte 1869 a wiederjucrobern, wurde aber zur 
Flucht nad Turfijtan genötigt. Nun erjt wurde Sdir 
Wii vom indifden Vizelönig Lord Mayo im Mar; 
1869 anerfannt und ihm Hilfsgelder angele Durd 
innere Reformen, Loderung der Lehnsverbdnde, 
Bwingen der Vaſallen und Verbiindeten zur Heered- 
folge reizte Schir Wii die Ultnationalen zum Wider- 
jiand. WIS fid) dieſem fogar Shir Alis Sohn, Jakub 
(Chan, der ſeit 1871 in Herat herridte, anſchloß, wurde 
ev 1874 in Kabul gefangen genonmmen und Whdallah 
Dſchan zum Thronerben ernannt; Herat wurde 19. 
Jan. 1875 von den Truppen Sdir Wis befest. Dod 
ſuchte Schir Wii sur Sicerung feiner Herrjdaft und 


jum Schutze gcse die Rujjen in Turfijtan bei Eng: | 


land um ein Schutz⸗ und Trugbiindnis nad; die da— 
nals liberale englijde Regierung lehnte dies ab. Schir 
Wii empfing nun, als die Englander im Februar 1877 
Duetta befepten, den ruſſiſchen Gefandten General 
Stoljetow 23. Juli 1878 in Kabul mit auffallendem 
Entgegenfontmen, wogegen er den oe Ge⸗ 
ſandien Sir Neville Chamberlain an der Grenze beim 
Fort Alimusjid beleidigend zurückwies. Daraufhin 
überſchritten die Engländer 21. Nov. 1878 in drei 
Heeresſäulen die Grenze, die erſte unter General 
Browne im Chaiberpaß, die zweite unter General Ro⸗ 
berts im Kurampaß und die dritte unter Biddulph 
von Quetta aus. Schir Wli verlies Mitte Dezember 
Kabul, fete den aus der Haft befreiten Jafub Chan 
al8 Regenten ein und floh nad) Turtijtan. Dod) war 
Rußland nicht geneigt, einen Krieg mit England zu 
beginnen. Jn der Verbannung ftarb Sdir Wii 21. 
Febr. 1879. Inzwiſchen hatte Browne 20. Dez. 1878 
Dſchelalabad beſetzt, Roberts den Paiwarpaß erobert 
und die Ufghanen im Chojt-Tal gefdlagen, Stewart 
von Quetta aus 8. Yan. 1879 Kandahar eingenom- 
men. Qafub Chan ſchloß deShalb 19. (26.) Mai 1879 
u Gandamaf einen Bertrag, worin er gegen einen 
A abresgebalt von 60,000 £71d. Sterl. die von Yndien 
nad A. fiihrenden Päſſe an England abtrat, ihm die 
äußere Bertretung Ufqhanijtans übertrug und in Ka— 
bul einen britifden Gejandten aufzunehmen verfprad. 
Major Cavagnari zog 24. Juli 1879 in Kabul ein 








und wurde vom Emir ehrenvoll aufgenommen; aber | 


ſchon 3. Sept. wurde er mit feinem Gefolge (67 Ber- 
fonen) von meuterifden Soldaten und Cinwohnern 
ermordet. Sofort riidte General Roberts von neuem 
in A. cin. Qafub Chan erjdien 27. Sept. in ihrem 
Lager bei Kuſchi, wurde zur Ubdanfung veranlaft 
und nad) Indien gebracht. Nachdem Roberts die af- 


ghanifden Truppen und die wilden Ghiljai tiber- | 


wunden hatte, rückte er 12. Oft. in Kabul ein und lief 


die Radelsfiihrer hängen, die aufſtändiſchen Land: | 
fcdhaften verwiijten. Uber 10. Dez. mute fid) Roberts | 


nad dem befejtiqten Lager von Schirpur zurüchziehen. 
Nad) dem Cintrejfen von Verſtärkungen unter Gene- 
ral Bright beſetzte er 27. Dez. mit 10,000 Mann Ka— 
bul von neuem. Obwohl nun 12,000 Mann von Ke- 
ſchawar in Unmarjd waren, 9000 Mann in Manda- 
har und 9150 Mann im Kuram-Tal ftanden, braden 





tiberall newe Aufſtände aus. Yn Ghasni wurde 1880 | 
Jakubs kleiner Sohn Muſa = Emir ausgerufen | englifde Sahlung fortenpfing. 


und Mohammed Chan gum 


ormund- Regenten er: | 


Afghaniſtan Geſchichte). 


den Bergſtämmen am Hindukuſch gum Herrſcher aus— 
gerufen wurde, erkannte auch England ihn an. So 
wurde auf einer Verſammlung afghaniſcher Haupt- 
linge ju Kabul Abd er Rahman (f. d. 5) 22. Juli 
1880 zum Entir von U.gewahlt. Inzwiſchen aber war 
Eijub Chan, den fein Bruder Jafub jum Gouverneur 
von Herat ernannt hatte, Ende Juni mit 12,000 Mann 
und 36 Gefdiigen geqen Kandahar geriidt. Dte ein- 
heimiſchen Truppen des englandfreundliden Wali 
Sdir Wi von Kandahar liefen davon, und General 
Burrows’ englijd -imdijde Brigade wurde 27. Juli 
bei Rujdl-i-Nafhud von Ejjub faft aufgerieben; der 
Reſt floh nad) Kandahar, wo General Primroſe mut 
5000 Mann und 18 Gefdiigen 10. Aug. von Ejjub 
eingeſchloſſen wurde. Nun marfdierte eral Ro- 
bert mit 10,000 Mann, 8000 Mann Lagertrof und 
4000 TranSporttieren von Kabul nad Relat in Ghil- 
jai (23. Uug.), 50g deſſen na oe — 1200 Mann 


an ſich und riidte 31. Aug. in Randabar ein. Ejjub, der 


am 23. Mug. die Belagerung aufgehoben hatte, wurde 
15 km nordivejtlich am Baba Wali mit 20,000 Mann 
1. Sept. von Roberts volljtandig gefdlagen und floh 
nad Herat. Die Englinder räumten Kabul, wo fid 
nun Abd er Rahman befejtigte, und im Wpril 1881 
aud) Randahar, wo Mohammed Haſſim Stattbhalter 
wurde. Dicjer ward fdon 26. Juli 1881 von Ejjub, 
der in Herat feine Streitmacht wieder organifiert hatte, 
bei Karez⸗i⸗Alta bejiegt. Ejjub bemächtigte fid) Kan— 
dahars, —— aber 22. Sept. bei den Ruinen des 
alten Kandahar dem Heer Abd er Rahmans; 4. Oft. 
ward Herats Befagung von Anhängern des Emirs 
vertrieben. Ejjub mute auf perſiſches Gebiet fliid- 
ten. Nunmehr war Wbd er Rahman, der aud in 
Herat zum Entir ausgerufen wurde, Herr von ganz 
U. unter engliſchem Schutz. Dafiir fob Rufland 
feine Grenge von Merw her und auf dem Bamirpla- 
teau immer weiter vor und gwang A. 13. Febr. 1886 
gur Hergabe von Penfdhdeh, 28. Yuli 1887 zur Wb- 
tretung des Gebiets swifden dem Kuſchk und Mur— 
geet. Den Emir tried dies natiirlid in die Urme 
— 2. Ott. 1893 nahm er Sir Mortimer Du- 
rand in Rabul auf. Nad) dem zwiſchen England und A. 
12. November 1893 abgefdloffenen » Durand Ugree= 
— (vervolljtinbdigt durd das —— 03 
Ibereinfommien vom 11. März 1895) erfannte YL. die 
Beſetzung von Tidaman durch die indiſche Regierung 
an, trat Teile von Schugnan und Rofdan an Rup- 
land ab, gab die Anſprüche auf Swat, Bedſchur, Tidi- 
tral und Wasirijtan ju gunſten Englands auf und 
erbielt dafiir, außer ciner Erhihung der Penjion um 
die Hilfte, Usmar und Wadan. Am 9. April 1895 
verzidhtete die indiſche Regierung auf Rafirijtan; fo- 
fort veriviijteten Die Truppen des Emirs das Land 
furdtbar, Um den britifden Einfluk auf A. den Ruj- 
jen gegenüber, die im November 1899 Herat befesten 
und Friihjabr 1900 eine ſtändige diplomatifde Agen— 
tur in Kabul planten, gu fidern, wurde zur Fort- 
fiibrung der Quettabahn nad) Kandahar ein Tun- 
nel durch die Chodfda Umrunberge gebaut und in 
Nutſchaman cine Station erridtet. Nad dem am 
3. Olt. 1901 erfolgten Tod Abd er Rahmiins folgte 
ihm fein Sohn Habib Ullah (geb. 1872), der die 


{iteratur.] Bol. Bellew, A. and the Afghans 


nannt, bis er 19. April 1880 von den Englindern | (Lond. 1879); Derjelbe, The races of A. (daf. 1880); 


befiegt und Ghasni ecingenommen ward. 
Abd er Rahman, der Sohn Uffals und Enel Doſt 
Mohammeds, der bisher unter ruffifdem Schutz in 
Samarfand gelebt hatte, in Badadfdan und von 


| 


{8 nun! Yate, Northern A. (daf. 1888); Spiegel, Erani- 


ſche Ultertumsfunde (Leipz. 1871); Yaworftij, 
Reife der ruff. Gefandtidaft nm UW. und Buchara 1878 
bis 1879 (deutſch, Dena 1885); Rosfofdny, A. 





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134 Afrika (Kiijten, Halbinfetn, 
alles Feſtlandes und cin Siebzehntel der Erdober- 
fläche cin. 


Unter allen Erdteifen hat A. die geringjte Gliede- 
rung; feine Küſtenlänge beträgt nur 27,638 km 
(1 km Küſte auf 1067 qkm Yreal, in Europa 1 km 
Küſte ſchon auf 278 qkm Areal), wovon auf das 
Mittelmeer 6254, auf den Atlantiſchen Ozean 10,840, 
auf den Indiſchen Osean 8584, auf das Rote Meer 
2960 km entfallen. Diefe geringe Riijtenentwide- 
lung erweijt fid) als verkehrsfeindlich, da fie Den Zu— 

ang in das Innere erſchwert. Die Beſchaffenheit der 
Sititen ijt wechſelnd. Steilküſte herrſcht am Roten 
Meer, ebenſo vom Rap Guardafui bis zum wquator, 
dann wieder von Der Delagoabai bis nördlich von 
Rapitadt. Felſige Strecen kommen aud) an der Küſte 
von Riederquinea, ferner jzwifden dem Gabun und 
den Calabarfliijjen vor. Auch Oberquinea fällt ftreden- 
weife ſteil ab, ebenfo der Nordwejten fowie der Norden 
(Rif in Maroffo bi Rap Bon, Tafelland von Barta). 
Die dazwiſchen liegenden Strecen find flad, fandig, 
fumpfig, fo das Nildelta, die Küſte an den beiden Syr- 
ten und der Sahara zwiſchen Wadi Draa und Sene- 
gal. Die ganze Oſtküſte Ufrifas vom Äquator bis 
um Gululand umſäumt ein breiter, flacher Streifen 
bia gum Rande ded innern Hodlandes, befonders 
breit aber ijt der Tieflandjtreifen an den Riijten von 
Tripolis und Seneqambien fowie Teilen von Guinea. 
Cigentlide Halbinſeln bejigt A. nidt. Das große 

orn bes Somallandes, die Tafel von Barta, die 
Landvorjipriinge von Tunis, Tanger, Rap Verde haf: 
ten mit breiter Bafis am Feftlandsrumpf. Nur nit 
wenigen breiten, weit geöffneten Buchten qreift das 
Meer in das Land cin. Den Nordrand gliedern dic 
Große und die Kleine Syrte oder Golf von Babes, 
den Wejtrand der riejige plu Wolf von Guinea 
mit den Baien von Benin und Biafra, den Ojtrand 
die Delagoabai, die Mafjanfanibai und der Golf von 
Uden mut der Tadfdurrabai. Das Rote Meer läuft 
in den Spipgolf von Sue; aus. Sehr unbedeutend 
find an der Südweſtküſte Die Walfiſchbai und Angra 
Pequena, an der Küſte des Raplandes die Tafelbai, 
Falſche Bai und Moſſelbai. 

Im Cinflang mit der geringen Gliederung des Kon: 
tinents ſteht feine Urmut an Ynfeln. Der Rordtiite 
feblen fie fajt gänzlich. Im Atlantiſchen Ozean haben 
wir Madeira, die Kangariſchen und die Napverdifden 
Inſeln, Fernando Fo, Sao Thomé, Unnobom, St. 
Helena, Ujcenjion und Trijtan da Cunha. Auf der 
Oſtſeite trejffen wir die Romoren, Madagasfar, dic | 
drittgrößte Inſel der Erde, die Mastarenen (Réunion, | 
Mauritius, Rodrigues), die Amiranten, Sefdellen, 
Mafia, Sanjibar, Kemba, Sofotora, endlich in hoben | 
Breiten Neuamjterdam, St. Baul, die Crojzet- und 
Stergueleninfeln. 

Vodengeftaltung. 

Wie in der horijontalen Gliederung zeigt W. auch | 
in Der vertifalen eine große Gleichförmigkeit auf weite | 
Sireden. Die aufgewuljteten Ränder der ſüdlichen 
Hodtafel, Bulfantegel am Rand und im Innern des 
RKontinents und die Faltengiige des WUtlas ſchließen die 
hidjten Erhebungen ein. Die mittlere Höhe Ufrifas 
berednet H. Wagner auf 650 m, wahrend Aſien eine 
folde von 900 m, Europa von nur 300 m aufweijt. 
Der Silden ijt bedeutend höher als der Norden. Auf 
das hohe Tafelland im S. mit 1200 m mittlerer Hohe 





folqt das Becen des Ngami mit 900 m, bas Gam 
befital an den Rictoriartillen mit gegen 800 m, die 
Waſſerſcheide zwiſchen Sambeſi und Kongo mit 1100 
bis 1300 m, das Kongobecken mit 400 m, die Waſſer- 


Inſeln, Bodengeftaltung). 


{decide gegen den Schari mit 500m, das Tſadſeebecken 
mit 270 m, die Sahara mit 500 m, die Depreſſion 
der Libyfden Wiijte mit —20 m. Nod) groper ijt 
der ye a zwiſchen dem Often und dem Weſten. 
Faſt alle großen Höhen Ufrifas liegen im O. des 25. 
Langengrades. Yur W. erreidjen 4000 m nur der Vik 
von Kamerun und das Utlasgebirge; der erhdhte Weſt- 
rand der Siidtafel erhebt fid) bloß zu 2000—2500 m. 
Cine Linie von Sao Paolo de Loanda nad Kaſſala 
fcheidet den hohen Teil Ufrifas im SD. von dent nies 
drigern imt WW. Wie Aſien ona aud A. Depref- 
fionen (Vodenfenfungen unter dem Meeresſpiegel). 
Die wichtigiten find: die der algeriſchen Schotts (Schott 
el Melrhir —31 m, Schott Gharja —21 m), die am 
Nordrande der Libyfchen Wiijte (die Dajen Aradſch 
—70, Siwah —-30, Uttiah —20, See Sittra —25 m), 
das Birfet el Kerun im Fayiim (—43 m), der Uijal- 
fee (—174 m), der See Wlalebadd fowie die Salz- 
jteppe Deqhed (—61 m) am Ojtrande von Abeſſinien. 

Bei Betradhtung der orographijden Verhält— 
nijfe fajjen wir zunächſt das Atlasſyſtem, dann die 
Tafellander der Sahara und des Sudän, endlicd die 
des fiquatorialen zentralen, des ojtafrifanijden und 
fiidafrifanifden Hochlandes ins Auge. 

Der Utlas (f. d.) zerfällt in Wlgerien in drei Teile, 
den Rleinen Atlas oder Tellatlas im N., das Hoch— 
land der Schotts und die ſüdliche Nette de3 Großen 
oder Saharifden Atlas, während in Tunis und Ma— 
roffo die Steppenhodlandsjone ausſcheidet. Wo die 
fiidlide algeriſche Randfette fid) qeqen NW. wendet, 
ninunt der Hobe oder Maroftaniiche Atlas jeinen An⸗ 
fang. Seine höchſte Erhebung iſt der Dſchebel Aja— 
ſchi (4500 m), nad) Thomſon der Tamjurt (4700 m), 
während der Tellatlas im Dſchebel Lalla (2308 m) 
die fiidliche Nette tm Chelia (2310 m) gipfelt. Zahl— 
reiche Päſſe fiihren meijt in bedeutenden Höhen über 
das Gebirge. Barallel im S. wrt i ijt Der Anti⸗ 
atlas. Wahrend das Utlasgebirge dem euraſiſchen 
Faltenfyitem angehört, * das iibrige A. ganz den 
Charakter eines ungeheuern Tafellandes. Die Plateau⸗ 
tok der Sahara (fj. d.), fait fo groß wie Europa, 

urchziehen ifolierte Bergzüge, gewaltige Hdbenmaj- 
five, die Oberfläche beſteht aus fleinern Flächen von 
Felsblöcken (Charaſchaflandſchaften), nacten barten 
Hochflächen (Hamadas), Kiesiteppen (Serirs), Dit- 
nenregionen (Erg), endlich aus Steppen, Oaſen und 
Rulturfand. Der Charafter der weſtlichen Sahara ijt 
der einer Hanada, dic Durd) Diinenregionen geteilt 
ijt. In der Witte der Sahara erheben ſich maffige 
Berglandſchaften; die von Tibeſti (2700 m) und deren 
Ausläufer bilden die Scheide zwiſchen der wejtliden 
Sahara und der Libyſchen Wüſte. Der Boden der 
legtern jtcigt vom Mittelländiſchen Meere gegen S. 


ſtetig an, fo dak Rufra 3. B. ſchon in 490 m Seehöhe 


liegt. Wm Nordrande der Libyſchen —* findet ſich die 
Depreſſion, in deren Nordweſten das Wüſtenland zu 
dem Plateau von Barta anſteigt (400 —600 m). Der 
ſüdöſtliche Teil Der Libyſchen Wiiite bildet cine jteinige 
Hochebene mit einigen Dafen. Oſtlich vom Nil erſtreckt 
jid) die Wüſtentafel als Arabiſche Wüſte bis sum 
Roten Meer; fiber ihre 500 —1000 m hohe Fade 
erheben ſich mehrere anſehnliche Bergzüge (Dſchebel 
Sebara 2280, Um Delpha 2180 m). Kulturland findet 
ſich nur in den zahlreichen Dafen (ſ. d.), die aber zu— 
ſammen fajt fo qrof wie Süddeutſchland find. 

Im S. des Saharagebietes dehnt fich die Plateau— 
zone des Sudan im YW. zwiſchen 5'/2 und 14°, im O. 
zwiſchen 92 und 161 2° ndrdl. Br. aus. Die Senle des 
—** teilt ihn in zwei Hälften. Der Charafter 


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stitut in Letpaig Zum Artikel , Afriha’ 


Afrifa (Bodengejtaltung, Flüſſe). 


des Gebietes ijt im allgemeinen der ciner hügeligen 
Landſchaft, im W. fogar der einer Ebene, deren Sdhutt- 
maſſen eingelne Granit+ und Gandjteinmafjen durd- 
bredjen. Das durchſchnittlich 400 —570 m hohe Hügel⸗ 
fand erbebt fic) ju grifern Hihen im Dfdebel Marra, 
Dent Hauptgebirge Dar Furs (1830 m), tm Mendif 
ſüdlich vom Tſadſee (2000 m), tm Saranda (2100 m) 
bei Jafubu und in den Genderebergen (3000 m) ſüd⸗ 
lid) von Jola. 

Siidlid) der Cinfenfung des Binué- und Sdhari- 
tales breitet fid) Das Gquatoriale Zentralafrifa 
im BW. des mächtigen Seengebietes aus, das wefent- 
lid) mit dem Flußgebiete des Kongo zuſammenfällt. 
In feinem ndrdlidjen Teil durchſchnittlich 800m hod, 
erreicht es in ſeinem — vom Kongo durchſtröm⸗ 
ten Becken nur eine Durchſchnittshöhe von 400m. Den 
Wejtrand des Plateaus vom Golfe von Benin bis zur 
Miindung des Coanjza bilder mit der Küſte parallele 
Höhenzüge, die aber von der Coanja - bis zur Ogowe— 
mündung bogenfirmig nad) O. suriidtreten. Sie find 
bis 1800 m hod); im duferiten Nordweſten erhebt fid 
jedod) der ifolierte vullaniſche Gebirgsſtock des Name: 
run bis 4075 m. 

Das oftafrifanifdhe Hodland ijt das höchſte 





und maffigite des Erdteils. Yn einer geſchloſſenen 
Rone von meiſt tiber 1000 m Höhe steht es vom 

ffafee nad) N. und erreicht erjt bei fiaua das 
Meer. Zwiſchen RKilimandfdaro und Kongo 1200 km 
breit, nimmt es nad S., nod) mehr aber gegen N. ab. 
Das oftafrifanijde Tafelland wird von zwei Steil- 
randern im ©. und im W. begrenst. Der djtlide ijt 
befonders ſcharf ausgeprägt in Ubeffinien, dad von 
200— 800 m pliglicd) gu 2000— 3000 m aufiteigt. 
Das Hodland ijt durch Brudjlinien zerſtückelt, die m 
den beiden Hauptridtungen RRW.— SSO. (ery- 
thriijde Rictung) und SSW. —NNO. (Somatrid- 
tung) auf weite Strecen durch das Land ziehen. Aus 
Dicjen Briiden find vulkaniſche Waffen gu hohen 
Gipfeln aufgeltiegen, von denen im Bereid) des ojt- 
afrifanifden Grabens der Renia 5600 m, der Kilima— 
ndjdaro 6010 m, der Meruberg 4460 m, der Gurui 
3473 m, der Rungwe 3100 m erreidjen. Auch die 
Ränder des großen jentralafrifanijden Grabenbru- 
ches weiſen bedeutende Erhebungen auf, den Kirunga, 
3475 m, und den gewaltigen Gebirgaitod des Run- 
foro, iiber 5000 m Höhe. Aus ciner Barallelfpatte ijt 
Der 4280 m hohe Clgon (Majawa) emporgedrungen. 
Rad N. dacht fid) das Hochland zum obern Nil, nad 
BW. gum Kongobecken ab. 

Das ſüdafrikaniſche Tafelland, cin Fiinftel 
Ufrifas ausmadend, erſtreckt fich vom tief eingeſchnit— 
tenen Tale des Sambeft bis zur Südſpitze Wfrifas. 
Hier herriden die Hodfladen von 1000 —1200 m 
ii. M. vor, die terraſſenartig und ſteil von den Küſten 
des Utlantifdyen und Indiſchen Ozeans aufiteigen. 
Bon der WMiindung des Dranjeflujjes sieht fid) rings 
unt die Südſpitze cin ſchmaler, niedriger Küſtenſaum, 
pon dent zum Plateau des Hochlandes drei Randfetten 
emporitcigen. Sie fiihren in ihren einzelnen Teilen 
verfdiedene Namen. Gut ausgeprigt —* ſie indes 
nur vom Olifant bis zum Sundayfluß. Die erſte 
dieſer Terraſſen (80 —100 m Höhe) trägt Berge von 





1000 —1500 m, Die zweite, die Grohe Rarroo (f. 
Karroo), ragt wie eine Fejtungsmauer empor und ijt | 
nur auf den fdlundartig gedffneten Päſſen yu er: | 


reidjen. Ihre Kammhöhe betragt 1200— 1500 m, | 


erreid)t aber im Seven Weels Poort 2325 m. Die 
dritte Stufe erſcheint in ihrem wejtlidjen Teile nur | 
von der Siidjeite aus als Gebixer ~ Charafter 


135 


nad O. hin deutlider ausgepriigt ijt. Sie fteigt im 
Kompahberg gu 2440 m, im Champagne Cajtle und 
Mont-aur-Sources ae ge og gu 3160 m, 
be3. 3400 m, im Spigfop und in der Mauchſpitze bei 
Lydenburg ju 2220, bez. 2660 m und fest fich bis 
jum Siidufer des Limpopo fort. Weſtlich von dieſen 
midtigen Randgebirgen breitet fic) das Hochland der 
Burenjtaaten aus, das nad MN. gu in das 1200 — 
1500 m hohe Tafelland der Matabele iibergeht. Nad 
M. gu fallt letzteres ſteil zum Sambeſi ab, während 
nach der Küſte zu weite Terraſſen den Abſtieg bilden. 
Das große Gaſaland öſtlich vom Limpopo iſt eine 
einzige weite Ebene. Nach W. ſenkt ſich das Plateau 
ju Dem abflußloſen Gebiete des Ngamibeckens, an das 
lic) fiidlich Die Kalahari (j. d.) anfiigt. Im W. wird 
dieſe Cinjenfung abgeſchloſſen durch den aufragenden 
Steilrand der afrifanijden Tafel, der vom Dranje 
bis gegen den Nunene sieht. Cine Terrajjendildung 
hat nur der nördliche Pil Dort folgt auf cine die 
ganze Weſtküſte entlang laufende, 50 km breite Niijten- 
terrafje eine zweite von 600 —700 m und cine dritte 
von 1100 — 1200 m mit ecingelnen bedeutenden Er- 
hebungen (Ontotato 2300 m). 

Die Inſeln find fajt ſämtlich gebirgig, meijt aud 
vulfanijder Natur, fo die im Atlantiſchen Ozean ge- 
legenen; im Indiſchen Ozean find fie häufig von Ko— 
rallenriffen umfaumt, wie die Romoren, auf denen 
fid) ein tatiger Bulfan von 2250 m Höhe befindet. 
Madagastar wird von einem 1400 m hohen Tafel- 
lande durchzogen, das nad S. auf 1100—1200 m, 
nad) Jt. auf 800 —900 m berabjinft, tm Unfaratra- 

ebirge aber zu 2680 m aufiteiqt. Die Maslarenen 
ai ſämtlich vulkaniſch, die Amiranten dagegen Ko— 
ralleninſeln. Die Küſteninſeln tragen durchaus den 
Charafter des Feſtlandes, aud) das im Dſchebel Hag— 
gier (1419 m) gipfelnde Sofotora erjdheint nur als 
eine Fortſetzung des öden Somallandes. 
Fliiffe und Seen. 

Die klimatiſchen Verjdiedenheiten in Verbindung 
mit Dem Bau des Bodens bedingen in U. große Ge- 
genidige in den hydrographiſchen Verhältniſſen. Das 

tlasſyſtem gejtattet nur die Bildung einer Küſten⸗ 
flüſſe, wie Medjerda, Scheliff, Muluja, Sebu, Tenfift, 
und zahlreicher waſſerarmer Binnenflüſſe, die teils 
in Salsfiimpfen fic) verlieren, teils, wie Wadi Draa 
und Gagiet el Hama, den Ozean zuweilen erreicen. 
Im regenreiden Tropengiirtel dagegen beſitzt A. eine 
große Bahl madtiger Strdme und ausgedehnter 
Binnenjeen und fteht an Waſſerreichtum keinent ane 
dern Erdteil nad. Das Mittelmeer erreidt mur der 
Mil, während zahlreiche Flüſſe in den Utlantijden 
und Indiſchen Ozean münden. Der Nil (j.d.) bat 
unter den Flüſſen Ufrifas mit 5900 km den längſten 
Lauf, fein Stromgebiet umfaßt 2,803,000 qkm. Das 
abeſſiniſche Hochland entwäſſert nad W. zum Mil, 
nad O. und SDH. flieRen Hawaſch, der Webi Schebeli 
oder Doboi und der Dſchubb, diefer mit einem Strom- 

ebiet von 196,000 qkm. Bom Kenia fonunt der 
Tana, vom Kilimandſcharo der Pangani, legterer, 
wie Wami, Rufu und Rujfidſchi, auf deutſchem Ge- 
biet, während der Rovuma (Stromgebiet 145,000 
qkm) defjen Südgrenze bildet. Der bedeutendite Fluß 
Der Ojttiijte ijt fe Sambefi, der ein Ureal von 
1,330,000 qkm entwäſſert, während der ihm parallel 
fließende Ofavango, ſpäter Tioge und Botlele ge- 
nannt, nad) Durdfliejung des Ngamiſees in fleinen 
Seen und Sümpfen fic) verliert. Die Ojtfiijte erreidt 
der weit fleinere Sabi mit einem Delta, und weiter 
ſüdlich fiihrt Der Limpopo oder Inhampura die 


136 


Gewiifjer aus cinem Stromgebiet von 400,000 qkm 
nabe sur Delagoabai. Vom Kranze des Naphodlandes 
fommen nur Küſtenflüſſe, wie der Tugela in Natal, 
der Grohe Fiſchfluß im Rapland, wabhrend ſich die 
auf Dem innern Gehänge der Umwallung entfprin- 
enden Gewäſſer gum Oranjefluß (960,000 qkm) 
race: der ſich in Den Atlantiſchen Ozean ergieft. 
Die Flußbetten von Deutſch-Südweſtafrila führen 
als bloße Regenflüſſe ſehr ſelten Waſſer, während der 
Die Nordgrenze bildende SMunene (137,000 qkm) ſtän⸗ 
dig Wafer enthalt. Der Weſtküſte ſtrömen ferner gu 
der Coanza in Angola (149,000 qkm) fowie der 
mächtige Rongo, emer der Riefenjtrdme der Erde, 
deſſen Beden 3,960,000 qkm umſchließt, und der cine 
Anzahl großer, meijt ſchiffbarer Flüſſe in ſich auf- 
nimmt. Die in den Golf von Guinea ſich ergießen— 
den Flüſſe, wie der Oqgowe und im deutſchen Kamerun: 
gebiet Riong, Mbam, Kamerun, find von weit geringe- 
rev Größe und Bedeutung. Der Riger aber, der m 
Denjelben Golf miindet, feat fic) mit einem Strom-~ 
ebiet von 2,092,000 qkm als Dritter den Riefen- 
trömen Ufrifas sur Seite. Dabei ijt feine Waffermenge 
an der Deltamiindung größer als die Des Nils, Dod) 
bedeutend geringer als die des Kongo. Bon den zahl⸗ 
reidjen Stiftenflatien der Guineafiiite find der Bolta 
und der Comoe die bedeutendjten. Die Quellen des 
Rio Grande, Gambia und Senegal befinden ſich in 
eringer Entfernung voneinander. Faſt ſämtliche 
lüſſe find nur ſtreckenweiſe ſchiffbar, da Stromidnel- 
len ihren Lauf wiederholt unterbrecdhen. Am günſtig— 
ſten geſtellt find —* und Kongo; bei letzterm liegt 
die Sperre unweit der Mündung. 

Seen. Das oſtafrilaniſche Tafelland enthalt gt 
reidhe Seen und Siimpfe, lestere vielfach als Rejte 
fdhrumpfender, abfluglofer Seen, wie den Schirwa— 
oder Milwafee im O. des Schire, den Mifwafee, den 
Banagweolofee, den Manjarafee, den Natronjee und 
ben Stefanieſee. Bulfanifden Urſprungs find die 
meijten oſtabeſſiniſchen Seen und der Jipeſee am Ki— 
limandjdaro, andre liegen in langen Mrabenverjen- 
fungen, wie der Nyaſſa, Tanganjifa, Kiwu, Wibert 
Edward- und Albertſee. Die Meereshihe betriigt bei 
dem Tanafee in Ubefjinien 1755 m, dem Naiwaſcha 
1860 m, Bictoria Nianſa 1190 m, Albertſee 680 m, 
Albert Edwardjee 900 m, Tanganijita 814 m, Rifwa 
800m, Nyaija 520m. Un Größe tiberragt der Victoria 
Nianfa wut 68,000 qkm Flade alle andern; auf ibn 
folgen der Tanganijita mit 40,000 qkm, der Nyaſſa mit 
27,000 qkm, der Rudolffee mit 9000 qkm, der Moero 
mit 5200 qkm, der Albertſee mit 4500 qkm, der Tana- 
und Vibert Edwardſee mit je 2980 qkm. Die meiſten 
der oftafrifanifchen Seen find von Flüſſen durchzogen, 
der Nyaſſa felbjt iit Der Quellfee des Schire, wahrend 
der Tanganjifa durd den Luhiga zuzeiten zum Kongo 
entivaifert. Abflußlos find der Rudolfſee und die 
fibriqen in Dem Graben fiidlid) Davon liegenden klei— 
nern Seen. Im nördlichen Tieflande liegt in 244 m 
Meereshdhe der flache Tfadfee, bei Niedrigwaſſer 
27.000 qkin, bet Hochwaſſer das Doppelte betragend. 


Oitlid davon in Wadai liegt die große Fitri Lagune | 


und ſudöſtlich von Diefer in irmi die Iro Lagune. 
Dem Kongogebiet gehören der ——— und der 
Leopold II. See an. Qn Siidafrifa finden wir nur 
ſeichte Beden, wie den Ngami - und Soafee, ähnliche 


Bildungen aud im O. des abeffinifchen Hodlandes, | 


wie Mantina - oder Buturlinefee, Hoga + und Dembal- 


fee, Aſſal- und Wb Hebaddfee u.a. Yn Nordafrila sieht | 


ſich in Ulgerien und Tunis die Kette der Schotts hin. 
Bon dem Gefamtareal Virifas entfallen auf das 


Afrita (Geen, 


Geognojtiicies). 


Zuflußgebiet des Atlantiſchen Ozeans 10,541,000 qkm 
(36,05 Proz.), auf das des Mittelländiſchen Meeres 
4,351,000 qkm (14,88 Bro}3.), auf das des Indiſchen 
Ozeans 5,403,000 qkm (18,48 Proz.) und auf das 
abjluflofe Gebiet 8,940,000 qkm (30,50 Bro3.). 
Geoguoſtiſche Befdhaffenbeit. 

Die geologiide Durchforſchung Ufrifas hat mit der 
topographifden Aufnahme nidt gleichen Scritt ge- 
alten. Immerhin lafjen die gewonnenen Ergebniffe 
Die Grundzüge des Bodenbaues erfennen, fie zeigen 
vor allem den Gegenſatz zwiſchen dem erdgeſchichtlich 
jungen Faltungsgebirge des Utlasfyjtems und dem 
alten ftarren Rumpf frifas, der feit Dem Aus 
gang des Paläozoikums eine Stdrung durch Falten- 
bildung nicht mehr erlitten hat. Erſt in jiingerer Fert 
find beide Teile zuſammengewachſen. 

Das Utlasgebiet (fj. Allas) befigt enge Be- 
jiehungen zu den in der Tertiärzeit gebildeten euro- 
paifden Faltungsbigen, sur bätiſchen Kordillere und 
dem YUppennin. Der Innenrand ded Utlasbogens 
wird bezeichnet durch cine Reihe vulfanifder Bildun- 

en von Der tuneſiſchen Inſel Galita bis zu Den Cha- 
Prinadinfeln im W., Bafalte, Tradyte und Pbono- 
lithe, die einen Teil des fabylifden landes bri 
Dellys aufbauen. Wn diese ſchließt fich cin archaifches 
und altpaläozoiſches Gebirge aus alten Schiefern. 
Gneis und Granit, dad nabe der Miljte bis yur Stroke 
von Wibraltar verlauft. Als dritte Zone Gane rote 
Sandijteine und Ronglomerate des Rarbon und Perv 
und als vierte Sone bis sur Sabara, wo das Gebirge 
mit einem Steilrand abbricht, erheben fic) die ſtart 
gefalteten Ketten des Mreidefalfgebdirges, Die im S 
von Oran durch Gebirge des Sura erſetzt werden. 
Zwiſchen den Faltenfatteln find ausgedehnte tertiare 
Vildungen, eocine Nummulitenlalle wie aud jin- 
qere Tertiärſchichten zur —— — Der 
Varallelismus der Sireichrichtung .—- BSB. 
lommt aud in vielen Langstilern gum Ausdruckh 
Das Utlasgebiet hat mannigfade Erslageritatten, tre- 
fert ſchönen Warmor und vt reid) an Steinſalz. Wn- 
ſehnliche Schiwefelablagerungen wurden wohl durch 
ſchwefelwaſſerſtoffreiche Quellen erzeugt, und nok 
| heute befigt Ulgerien in ben Hammam Westutim Ther - 
men (95"), Die gu den heißeſten Der Erde gebdren. 
Das nordafrifanijdhe Wijtenplateau be- 
qinnt fiidlid) vom Atlas und erjtredt fic) von der 
atlantiſchen Küſte bis zum tiefen Grabeneinbruch 
Des Moten Meeres. Cigentiimlic ijt fiir das Wüſten 
ebict die horijontale Lagerung madtiger paldoyzoi- 
cher Schichtenreihen über aufgeridtetem kriſtallini 
ſchen Grundgebirge fowie dad ii ifende Auftreten 
der ebenfalls horizontal qelagerten mittlern Kreide 
formation iiber betden. tiche, triadiſche und zu 
raſſiſche Sedimente fehlen vollſtändig. Das kriſtallini⸗ 
ſche Grundgebirge, aus Gneis, Glimmerſchiefer, Chlo- 
ritſchiefer in Verbindung mit Granit, Syenit. Dtorit 
und rotem Borphyr bejtebend, ſetzt den arabiſchen 
Gebirgszug an der Küſte des Roten Meeres zu 
ſammen und steht ſich in wechſelnder Breite bis tn Dae 
Wegend von Verber. Auch an vielen Orten der Sa— 
hara wird die Sedimentdede vom Grundgebirge, merit 
Wranit, durchbrochen; fo tritt in Adrar und Schingbet 
Mranit unter ſalzführendem Sandjtemgebirge berver, 
und ähnlich ſcheint das öſtlich gelegene Hochland Ba- 
dan qebaut su fein. Sandjteine, nag von Kallen 
und untergeordneten Tonfdiefern, in denen Leng ber 
Tenduf Roblenfalf-Petrefatten auffand, find hier dee 








herrichenden Gejteine; fie ſchließen nicht felten Steen - 


ſalzlager ein, fo befonders cin widtiges Lager in der 


Afrika (Geognojtijdes). 


großen Einſenkung El Dſchuf (»Leib der Wiijte«), 
welded das reine, wenn auc) ſchwarz gefärbte Krijtall- 
fal; von Taudeni liefert. Devoniſche Meeresfoſſilien 
und Steinfohlenpflangen find aus der Gegend von 
Murſuk, Rhat und ſüdlich von Temaffinin befannt; 
hier jind neben mehr untergeordneten Ralfiteinen (bei 
Murſuk) und Tonen mit Steinfals (bei Mofen) 
ſchwarze Sandjteine verbreitet, die im Hochlande von 
Tibeſti und in Borku auf buntem Marmor liegen; 
bas Devon erjtredt ſich von Hier aus bis nach der 
diirren Tintümnawüſte, die fich tiber der Kallſtein— 
platte von Kanem erhebt, fowie bis nad) Bagirmi 
öſtlich und Sofoto wejtlid) vom Tſadſee, deſſen Ufer 
von jungen Süßwaſſerkalken umſäumt werden. 

In Dar Fur und Rordofan treten neben Graniten 
und Gangquarjiten Gneife und frijtallinifche Schiefer- 

ejteine und in den ausgedehntern Berggebieten aud 

Shyllite und fornige Kalke auf. Die Sdidten find 
liberal ſtark disloziert und fteil aufgeridtet. Zwiſchen 
cingelnen Bergqruppen, den Rejten eines abgetragenen 
mächtigen Faltengebirges, dehnt ſich eine weite Chene 
aus ſchwarzem, ftart tonigem Boden aus. 

Wabhrend fic) das Verbreitun —— der palãozoi⸗ 
ſchen Ablagerungen von W. ia . hin verſchmälert, 
verhalten jid) die Sedimente der Rreide umgefehrt. 
Vom Sitdrande de3 algerijden Utlas fallen cenomane, 
turone und fenone Kreideſchichten mit etwa 40° nad 
der Wüſte hin ein, nehmen dort eine horizontale Lage 
an und verbreiten fid) nad S. in dad fteinige Wüſten⸗ 
plateau der Hamadas, wo der ſchwarze devonifde 
Sandjtein unter ihnen hervortritt. Die größte Fläche 
bedecken Turon und Genon, beide von der gleiden 
Entwidelung wie im ſüdlichen Wlgerien; Cenoman 
erſcheint unter der jiingern Rreide nur als ein fe maler 
Saum im S. und in der Gegend von Tripolis, wo 
die von dem Phonolithfeqel des Taful iiberragten 
Ghurianberge ganz aus Kreide beftehen, tritt aber 
recht ausgedehnt weiter im O. auf als cine mächtige 
Folge von Sandjteinen mit verfiefelten Stammen, 
al8 der fogen. Nubiſche Sandftein. Bon Esneh 
reicht er 10 Breitengrade ſüdwärts bis Chartum, wo 
fid) bas Grundgebirge unter ihm hervorhebt. Seine 
Hauptverbreitung fallt auf das linke Nilufer; nur in 
einzelnen Lappen qreift er aud) auf dad rechtsſeitige 
Gebiet tiber, und am arabifden Gebirge zieht er fid 
in ſchmalem Saume nordwarts. Uber dem Cenoman 
folgen in fonjentrifden Bogen, tmmer mehr dem 
Nildelta fic) nahernd, die Schichten der obern Mreide 
und von Siut bis gum Mofattam die des eociinen 
Nummutlitenfalfes. Die niedern Plateaus der Land- 
enge von Sue} fest dann ein miociiner, verſteine— 
rungSarmer Sandjtein zuſammen und die Küſte als 
jüngſtes marines Gejtein der Meereskallſtein, defjen 
Bildung nod fortdauert. Die Talfohle des Nils und 
die weite Ebene Unterägyptens ijt vom Nilſchlamm 
bedeckt, einem dunkel aſchgrauen Lehm, reid) an Sal— 


und organijden Stojffen. Mit Wusnahme der | 


en 
dpitatluvien lafjen ſich die genannten Bildungen auc 
nad O. und W. bis in die Wüſte verfolgen. Nur der 
Nummulitenkalk fehlt an der Seite ded 
gänzlich, und jiingeres Tertiärgebirge mit Schwefel— 
ablagerungen und der Rorallenfalf der Küſte folgen 
dort unmittelbar auf die Kreide. In der Libyſchen 
Wiifte reicht die Nordgrenje des Sandſteins bis zur 
Dafe von Dadhel, öſtlich von Theben, nördlich davon 
der Streidefalfitein bis sur Kleinen Daſe; dann folgt, 
wie im Niltal, der Nummulitenkalk und dieſem (in 
der Daje Siwa) Gips und Steinfal; fiihrender Ton 
und cin jiingerer Tertiärkall. Die Natronfeen der 











oten Meeres | 
bis zum Lande der Gomal und auf der Inſel So— 


137 


Makariuswiljte gehören der Zone des Tertiärgebirges 
liber dem Nummulitenlalk an. Diefer felbjt retdt 
nod) nad) Barfa hinüber, dann tritt er erjt in Al— 
gerien wieder auf; aus dem Innern Afrilas ijt er 
bisher nod) nidt befannt. Rad) alledem erſcheint die 
Wiijte nidt als ein einförmiger Sandozean, fie baut 
fic) vielmehr aus einer Reihe von terrajjenformig iiber- 
einander aufiteiqenden Blateaus auf, die im N. vor- 
herrjdjend aus Ralfjtein, im S. aus Sandjteinen ge- 
bildet find, und über die fic) granitiſche Gebirge er- 
heben, bier und da (in Tripolis und im W., in Wdrar 
und Sdinghit) durdbroden von phonolithifden, 
bafaltifden und trachytiſchen Gejteinen. Die jtetig 
wirfende Verwitterung der Gefteine liefert loſen Sand, 
den die Winde in Die Niederungen zujammentreiben 
und gu Diinenreiben aufgehaiuft haben. Bei der Re- 
genarmut dieſer Sone ent}tehen fo jene furdtbar diir- 
ren, glühenden Hodjebenen, die Hamadas, und zwiſchen 
ihnen glühend heiße RiedDerungen; nur, wo in den 
Tälern und Talfejjeln die Unterlagen, auf denen ſich 
das Waſſer jammelt, zu Tage treten, gibt es natiir- 
lide Quellen. 

Im fidlidhen A. (fj. die geologifde Karte bei 
Art. ⸗Kapkolonie«) treten Granit und frijtallinifde 
Sdhiefer, zuſammenhängend im O. und W., vereingelt 
an der Südküſte, als Unterlage einer mächtigen 
Schichtenfolge von Sedimenten der Rapformation 
auf; ihr der Küſte paralleler fongentrijder Verlauf 
bewirlt das terrafjenfirmige Unjteigen des Kaplandes. 
Die meijt marinen Vildungen, Gandjteine, Sdiefer 
und Kalke, von devonifdem bis farbonifdem Ulter, 
find im S. ſtark gefaltet, weiter nördlich dagegen hori- 
zontal gelagert. Daritber liegen ungeftirt die Bil- 
Dungen dDerNarrooformation, Gandjteine, Schie 
fertone und Songlomerate, die etwa vom Karbon bis 
sur obern Trias abgelagert worden find und weite 
y afeliladhen bilden. Un der Baſis der Rarrooforma- 
tion liegen die oberfarbonijden, an 400 m madtigen 
Eccaſchichten, die, wie die qleichalterigen Taldir- 
ſchichten Borderindiens (vgl. Ujien), aus graublauen 
Tonen mit eingebetteten größern Bliden und Ge- 
riflen von Granit, Gneis, Quarzit und Tonſchiefer 
bejtehen und jedenfalls cine Glazialbildung darjtellen. 
Die jiingern Stufen der Rarrooformation, die ſich 
bis nad Deutſch⸗Oſtafrila fortſetzen, wo ſie im N. des 
Nyaſſaſees und aud) im Küſtengebiet auftreten, ent— 
ſprechen Der permiſchen und triadiſchen Formation 
und enthalten cine an die untern Gondwanaſchichten 
Indiens erinnernde Flora und Fauna, aber niemals 
marine Organismen. Mächtige, ausgedehnte Lager 
und Deden von Eruptivgeiteinen (Porphyr, Wela- 
phyr, Diabas) find der Narrooformation eingefdaltet. 
BenterfenSwert find, bejonders in dem vom Baal- 
fluß durchſtrömten Griqualand, die cigentiimlicden, 
mit granitartigem Grus und ferpentinabntidjen Tuff 
mafjen angefiillten kraterähnlichen BVertiefungen, dte 
wegen ihres Gehalts an Diamanten vielfach durd- 
ſucht worden find. 

Auch ndrdlid vom Oranjefluk, im Beden ded 
Sanrbefi und bis gu den großen Aquatorialjeen, ja 


fotora, ebenfo am obern Rongo, am untern Niger 
und felbjt nod in dem Gebirgslande von Oberguinea 
und Senegambien treffen die Reifenden allenthalbern 
auf Granit und kriſtalliniſche Schiefer, 3. T. über— 
lagert von horizontal geſchichteten Gandjteinen, die 
meijt den Gandjteinen Der Rarrooformation nabe- 
zuſtehen deinen. 

Meereshildungen jiingern Alters als Trias beglei- 


138 


Afrika (geologifde Entwickelungsgeſchichte). 


ten mehrfach als Saum die Küſte, greifen aber aud | baſaltiſche Geſteine und trägt in ihrem nordiweftliden 
tranSqredierend mit Schicdten des Dogger und Malm | Tetle nod) vier tätige Bulfane. Die Masfarenen und 


tiefer m dad Land hinein. Dem Jura entfpreden 
marine Ublagerungen an der Küſte von Moſambik, 
im Küſtengebiet von Deutfdh - Ojtafrifa und bei Mom- 
bas im ©.; ebenda finden fich aud) als Neofom er- 
fannte Rreidefedimente und über dieſen oberkretazeiſche 
Bildungen, die Mafondeidicten, deren Ublagerung 
im Cenoman begann. Zum Reofom werden aud die 
fogen. Llitenhage- Series in der Algoabai gejtellt, in 
denen Schidten mit Landpflanjen und ſolche mit 
Meeresfondylien wedfeln; als Gault oder Cenoman 
qelten die nur 8—10 m it. M. geleqenen foffilreidyen 
Sandſteinbänke von den Eloby-Ynfeln in der Corisco- 
bucht und Ublagerungen bet Moſſamedes fowie ver- 
einzelte Borfomminifje an der Küſte von Natal. Nicht 
ſicher beſtimmt find ähnliche Ablagerungen an der 
Küſte von Senegambien. Wher auch jungltertiäre und 
quartire marine Ublagerungen find von vielen Stellen 
am Strande des Fejtlandes befannt geworden; fo be- 
jigen im S. von Deutſch-Oſtafrika die fogen. Mikin— 
danijdidten eine große, weit binnenwärts reichende 
Verbreitung. Von jiingern Ublagerungen im Jnnern 
des Landes find bejonders die Süßwaſſerkalle aus 
der Umgebung der großen Seen, vom mittlern Sam- 
befi und aus der Nalahariwiijte, ferner die Alluvien 
der Flüſſe wegen ihrer oft enormen horizontalen Ber- 
breitung, Dann aber aud) die Lateritbildungen, d. h. 
unter Dem Cinfluk des tropiſchen Klimas entitandene 


die meijten Inſeln des Atlantiſchen Ozeans find vul- 
fanijder Entitehung. Cingehender unterjucht find 
von den Utlantifden Inſeln namentlich die Azoren 
mit noc tätigen Rratern auf den Inſeln San Miquel, 
Fayal u. a., fowie die Kanaren, unter den letztern 
insbeſ. Tenerife mit dem mächtigen Pik, Gran Ca— 
naria, Fuerteventura, Lanzarote und Palma mit der 
berühmten Caldera und dem Baranco, ausgezeichnet 
durch einen Kern von alten Eruptiogeſteinen. 
Werfen wir nach den gegebenen Tatſachen einen 
Rückblick auf die aeatentiae Entwidelungs- 
geſchichte Afrikas, fo finden wir cine auffallend 
roße Verbreitung des Urgebirges, der kriſtalliniſchen 
Schiefer und des Granits, und wir diirfen woh! ane 
nehinen, da zur Zeit der Bildung des Ubergangs- 
gebirges große Teile Ufrifas als Urgebirgsinſeln tiber 
Dem Weer hervorragten, in deren Umkreis ſich die 
————— Geſteine ablagerten. Aber ſchon mit 
dem Ende des jüngern Paläozoikums bildete ſich ein 
roßes — ängendes Feſtland (Indoafrila) 
— T. niemals wieder vom Meere bedeckt 
wurde. Yn Siidafrifa begleitete eine der großartigſten 
Porphyreruptionen dieje Hebung. Die Flora des 
Steinfohlengebirges fiedelte fid) auf dem neuen Fejt- 
land an, und in einer ſpätern Beit folgte cine Fauna 
3. T. riefiger Reptilien tm S., ebenjo ijoliert pon der 
Reptilienwelt Europas, wie es damals der afrifanifche 


cifenreiche tonige Serjesungsprodufte der verſchieden- Rontinent war. Eine lange Zeit der Rube fcheint ge- 


artigſten Gejteme, zu erwabnen. 

n dem Aufbau von YW. beteiligen fic) ferner jung- 
eruptive Gejteine. Wan fennt folde aus den weit 
lichen Küſtenländern, von Moſſamedes und nament- 
lid) von Oberquinea in grofer Ausdehnung; aud 





folgt ju fein. Erſt mit dem Lias, als etwa die Bil— 
dung des Heutigen Indiſchen Dzeans ihren Anfang 
nahm, beginnt eine Zeit der Senkung; fie betraf, ab- 
efehen von der tiefern Eimfenfung des Indiſchen 
scans, anfinglid) nur den äußerſten gegenwärtigen 


von Senegambien und aus der weſtlichen Sahara Küſtenſaum im NW.; vom Ende der juraffiichen Beit 


(Hodland von Wdrar) werden Bafalte und Trachyte 
erwabnt. Ant Golfe von Biafra, auf Fernando ‘Bo 
und Sao Thomé erheben fic) auf granitiſcher Bajis 
Baſalte und Trachyte zu anſehnlichen Bergen; aud 
das Ramerungebirge beiteht aus Bafalt. iter im 
Innern enthalt das Wdamduamaffiv jungeruptive 
Weiteine. Ferner finden fid) Bafalte und Trachyte, 
3. T. in obfidianartiger WUusbildung, am Kilima— 
ndjdaro, am Kenia und am Nordende des Nyaſſa 
und Tanganjifa, vor allem aber in Abeſſinien, wo 
alttertiare vulkaniſche Maſſen gewaltige Lavafelder 
geliefert haben. Jünger find die doleritiſchen und 
trachytiſchen, von Obſidian und Bimseſtein begleiteten 
Laven an den Gehängen des öſtlichen Randgebirges 
und im Küſtenlande ſüdlich von Maſſaug bis zum 
Aquator. Yn dieſem liegen zahlreiche Bulfantegel; 
einer von ihnen, der Vulkan von Erteadi an der Da- 
nafilfitjte, war 1861 nod) tätig. Auch im Annern 
des Kontinents ijt die vullaniſche Tätigkeit feinesivegs 
abgeſchloſſen, aus den Bruchfpalten im O. haben ſich 


und aud) das Land um den Südabſchnitt des Rudolf 
ſees weijt rezente Ausbrüche auf. Auf friibere vul 
laniſche Tatiqfeit deuten auch die heißen Quellen, be- 
fonders Schwefelquellen, im Damaraland, in Natal, 
Transvaal, bei Tete und bei Tanga. Ebenfo wie A. 
der bereits in Der Tertiärzeit begonnenen vulfanijden 
Tiitigfeit feine höchſten Höhen im O. und BW. ver: 
dantt, fo find auch die meiſten feiner Inſeln vulfani- 
ſchen Uriprungs. Auch die qroke Inſel Madagasfar, 
die vorberridjend aus Granit und Gneis befteht, an 
der Weſtlüſte aber aud) juraſſiſche und tertiäre Meeres- 
ablagerungen befipt, enthalt in groper Ausdehnung 





an finden wir aber den ganzen Norden in Senlung 
7s apt fo daß die jiingern Glieder der Kreide weit 
tiefer nad) S. reidjen als die Altern. Sm O. erhob 
ſich Damals das Urabiide Gebirge als weit nad N. 
voripringende Halbinfel mit zahlreichen tiefen Fjorden, 
in die Das Rreidemeer eindrang. Daß aud) der Siiden 
und Ojten Afrilas gleichzeitig cine Senkung erfubr, 
beweijt die Umſäumung der Küſte Durch einen ſchma— 
len, wenn aud) ftellenweife unterbrochenen Streifen 
von marinen Gebilden. Die Beſchränkung des Num— 
mulitengebirges auf das Küſtenland des Atlas, auf 
Barfa und das nördliche Agypten deutet auf eine der 
Senfung folgende neue Hebung, die ſchließlich mit 
der Auffaltung des Atlasſyſtems ihren Höhepunkt 
erreidte. Die nun beginnende Zeit der trachytiſchen 
und bajaltijden Eruptionen war fiir A. eine Zeit 
qrokartiger, aber partieller Hebungen und Senfun- 


‘gen, in deren Folge das Meer wieder in viele Budten 


von N. her eindrang, fo in Algerien. Zu gleicher 


Zeit erlangten die Süßwaſſerſeen im Innern des 
im N. des Tanganjifa die Virungavulkane erhoben, 


Siidens wie ded Nordens ihren größten Umfang und 


ſetzten fich Die Süßwaſſerkalke ab, in deren Witte wir 


gegenwärtig die Seen ſinden. Etwa am Ende der 
ertiärzeit war Afrikas Geſtalt in threm geqenwir- 
tigen Umriß vollendet, wenn aud) im N. und O. das 
langſame Anſteigen des Kontinents noch fortdauerte. 
Spater erſt entſtand neben andern ausgedehnten 
Bruchbildungen die Grabenverſenkung des Roten 
Meeres und damit der faſt vollſtändige Abſchluß gegen 
Aſien. Yn der Küſte Oſtafrikas wechſeln ſäkulare 
Hebungen und Senkungen, wie die Korallenbildungen 
unter anderm zeigen, in hiſtoriſcher Zeit erfolgte eine 


poſitive Strandverſchiebung. 


Afrika (nutzbare Mineratien, Mima). 


[{Nugbare Mineralien.] An mineralijdhen Shien 
ijt W. nicht arm. Es finden fid) Diamanten im Rap- 
land (Kimberley), Smaragde in den Zubarabergen 
am Roten Meere, Tigeraugen am Oranjefluß und 
fonjtiqe Edelfteine in Zentralafrifa und Madagasfar. 
Wold ijt befannt aus Wejtafrifa, wo es in den Allu— 
vien an der Goldküſte, vor allem aber im den durch 
ihre Goldwäſchereien weitberiihmten Ländern Bam- 


139 


felbjt auf der Ebene nod Frojt vor. Ym Ynnern ded 
Raplandes treten ebenfalls oft heftiger Froit und 
Schnee cin. Bal. die »Tentperaturfartes bei Art. 
»Lufttemperature, mit Tertblatt. 

1) Tropifdes Wejtafrifa. Jn Seneqambien 
und Sierra Leone gibt es nur zwei Jahreszeiten: die 
trockne, friſch angenchm und gefund, insbeſ. an der 
Riijte, und die naſſe, unerträglich und ungeſund fiir 


buf und Bure gewonnen wird, aus Damara- und den Europäer. Nad) dem Aquator hin ninunt die 
Namaqualand, aus Siidafrifa (Natal, Witwatersrand | Regenhäufigkeit (ebenfo die Gewitterhäufigkeit) und 
und andre Gebiete in Transvaal) und Sofala, wo die | die Regenmenge rajd) gu (St. Louis 422 mm, Sierra 
Goldgewinnung jest durchſchnittlich jährlich Will. | Leone 4300 mm). Wabhrend der ganzen Dauer der 
ME. betriigt, aus Rordofan und aus Ubeffinien. Sil- Regenjeit gewährt Senegambien einen gleichförmigen 
ber und Mupfer finden fid) befonders in Siidweftafrifa, Anblick in jeder Hinjidht. Die mittlere Temperatur 
nördlich und fiidlid) vom Oranjefluß, Kupfer in Dar | ijt itberall fehr nabe bei 27°, die Schwankungen find 
Fertit und Ef Hofra fiidlid) von Dar Fur, in Mor- | fehr gering. Die Luft ijt nahezu fonjtant mit Feud), 
dofan und in Waroffo, Blei und Zink in Ulgerien, | tigteit gefattigt. Die Regen fallen im Überfluß, und 
Eiſen fajt im ganzen Erdteil, namentlid) bei den Bas | die Flüſſe überſchwemmen die Riederungen. Die Gee 


tofa am Sambefi, fowie rings um die grofen Seen 
und in Ujanga an der Djttiijte, auch im Berglande der 
Bari (Magnetetfentager in den frijtallinijden Sdjie- | 
fern). Steinfohle wird im Rapland ausgebeutet ; aud) | 
bei Pieter-Marikburg in Natal, bei Tete am Gam- 
befi und am Nordende des Nyaffajees Hat man Roh: | 
lenflöze erſchloſſen. Steinfal; fommt auger an den 
bereits genannten Stellen im S. von Maroffo und 
jonjt nod) vielfad) in der Sahara, in den Nilländern 
und Abeſſinien, in Ungola, in Benquella, am Sam- 
beji, in Den Salzpfannen Siidafrifas fowie in Mada- 
gaskar vor. Marmor wird in ausgezeichneten Varie— 
ſäten in Algerien und Tunis, Wlabajter in Ägypten 

ewonnen. Vortreffliche Baujteine find der Nunrmu- 

ttenfalf, aus dem die Byramiden von Gizeh qebaut 
find, und der nubiſche Sanditein (ſ. oben, S. 137), der 
in Der Talenge von Cdfu das Material fiir die Bauten 
Dberiighptens geliefert hat. Bal. die Karte »Borfom- 
men der nutzbaren Mineralien in Siidafrifa« bei Ar— 
tifel »Rapfolonie«. 





lima. 
U. ijt cin ausgeſprochen tropiſcher Erdteil, fajt ganz 
beherrjdt von den Paſſaten beider Hemijpharen. Nur 


die ndrdlidjten und ſüdlichſten Gebietsteile reiden | 
nod) in die jubtropijde Zone hinein. Der Regen: | 


reichtum in der YUquatorialjone zwiſchen den betden 
Paſſaten, die Reqenarmut in den Pafjatgebieten wie 
aud) in den fubtropijden Zonen, der feudte, an Wald 
und Weideplätzen reiche Sudan und die ausgedehnten 





Wüſten und Steppen des Nordens und Siidens jtehen 
mitetnander in ſchroffem Gegenſatz. Im BWinter it 
der niedrigite Luftdrud an der Guineatiijte etwas 
nördlich vom UAquator zu fuchen, daber Nordojtwinde 
iiber Der Sahara und dem Sudan; im Sommer liegt 
der niedrigite Quftdrud an der Südgrenze der Sahara, 
Daher die Reudhtigtet des Suddn und die Regenarmut 
der Sahara. Die Regen wandern in A. mit der | 
Sonne von N. nad S. und wieder zurück von S. nad 
R., fo daß wir in den dquatorialen Gegenden Gebiete 
mit Ddoppelter Regenzeit innerhalb des Jahres an- 
treffen. Der Wärmeäquator mit 27,5° mittlerer Jah: | 
restemperatur läuft etwa 5° nördlich vom YAquator | 
hin. Im Utlasqebiet erfolgen allwinterlid) Schneefälle, | 
in Ubeffinien meift nur in der Hihenlage tiber 2500 m | 
und im übrigen YW. ausſchließlich auf den höchſten 
Berggipfeln. Cwiger Sdnee und Gletſcherbildung 
find auf die höchſten Berge Kenia, Kilimandſcharo 
und Runforo beidrantt. Jn den Tropen trifft der 
Froſt in die trodne Zeit; aber im Großnamaland ijt 
dices Eis vom Mai bis Juli häufig, ebenfo fommt 
* auf dem Plateau des Damaralandes bis gum Tſchobe, 


witter find zahlreich, die Vegetation iſt im Maximum 
ihrer Kraft. Mäßige, an der Küſte friſche Winde, mit 
Windjtillen wedfelnd, wehen aus wejtlider Richtung. 
Mit der Herrſchaft des Nordojtpafjats tritt die trodne 
Jahreszeit ein, wobei die Temperatur unter dem Cin- 
fluß djtlider Wide im Annern rafd, an der Küſte 
langfam ihren höchſten Stand erreidht. Die mittlere 
Jahreswärme beträgt in St. Louis 23,4, in Fodor 
28,1, in Wediné 28,7 und in Bafulabé 27,6°; von 
Dezember bis Quni ijt das Land fonnendurdgliibt, 
Mitteltemperatur des heißeſten Wonats (Wpril) in 
Mediné 33,5° Die Temperaturidwanfungen nehmen 
nad) O. hin ftarf gu, Maxima iiber 40° find im 
Innern häufig. Wis Extreme wurden beobadytet in 
St. Louis 8 und 45° Das Klima von Ober- und 
Niederquinea fteht unter der Herridaft der Siid- 
winde, die tim ſüdhemiſphäriſchen Winter am leb- 
hafteiter wehen. Landwinde jind von Januar bis 
Mai an häufigſten. ls Jahresertreme find hier 
durchſchnittlich 15 oder 37° 3u erwarten; am wärmſten 
find April und Dezember, am kühlſten Auguſt und 
September. (Jahresmittel: Mifahihe [470 m] 25,7, 
Lagos 26,6, Ufajja 25,5, Ramerun 25,2, Baliburg 
the m] 18,0, Wabun 24,5, Loanda 23,6°; Regen- 

dhe: Miſahöhe 1638, Lagos 1760, Alaſſa 3655, 
Kamerun 4016, Baliburg 2743, Gabun 2272, Loanda 
820 mm. Sehr hohe Niederſchläge weijt der Weſtfuß 
des Kamerunberges auf, dort Bibundi mit 10,485 
mm (1897) ber reqenreid)jte Ort Ufrifas. Die Kiijten- 
qebiete des Golfes von Guinea haben zwei Regen- 
jeiten, indem beim niedrigiten ndrdliden Gonnen- 
jtand in der Regel eine Unterbrechung der Regenzeit 
eintritt. Südlich vom Äquator ijt die Küſte unter 
dem Einfluß der andauernden Südweſtwinde und 
des falten Meeresſtromes reqenarm, teilweije fajt 
reqenlos. Cine bemerfensiwerte Ciqentiimlidfert des 
Riunas ijt ber Harmattan, etn febr trocner, feinen 
Staub mit fich fiihrender Ojtwind, der von November 
bis März auftritt. Die tropifden Sommerregen wer- 
ben durch die Kalahariwüſte von den Winterregen 
des Raplandes getrennt. 

2) Das Klima des tropiſchen Ojtafrifa unter- 
ſcheidet fic) von Dem der Weſtlüſte durch höhere Wärme 
(welder Gegenſatz ſich nad) S. hin nod ſtetig verſchärft) 
und durch Den Reqenreidtum, der bejonders durch den 
Südoſtpaſſat, der von den warmen Meeresſtrömungen 
reichlid) Waſſerdampf erhalt, bedingt wird. Cin Ge— 
biet extremer Erwärmung bilden die ſüdlichen Küſten 
des Roten Meeres. (Mitteltemperaturen und Regen- 
hohe: Maſſaua 30,3° 222mm, Gondar 19° 11251nm, 
Sanjibar 26,3° 1623 mm, Warangu [1560 m] 17° 


140 


Afrifa (Pflanzenwelt). 


1100 mm, Tanganjifafee 24,8° 1268 mm.) Wuf der | Das Klima des aufertropifden Silbafrifa mit Be- 


anzen Oſtſeite Ufrifas bis zur Südſpitze und im 
Innern bis gegen die Weſtküſte herrſchen Sommer— 
regen. An der Küſte von WMaffaua zeigt ſich eine 
doppelte Regenzeit, von Ende November bis April 
und von Mitte Juni bis Ende Auguſt, wobei der 
Juli außerordentlich gewitterreich iſt. Auf den nörd— 
lichen Hochebenen Abeſſiniens beginnen die Regen im 
Juli und dauern bis Oktober. Gewitter und Hagel— 
fall find häufig. Qn Abeſſinien find während der 
Regenjeit die Flußtäler überſchwemmt und alle Ver- 
bindungen unterbroden. Die ſüdlichen Hodebenen 
haben zwei Regengeiten: vom Yuli bis September 
und im Februar und März. Wud im Somallande 

ibt es eine Doppelte Regenzeit, im allqemeinen vom 
Stpril bis Juli und vom Oftober bis Desember. In 
Sanſibar fallen die größern Regenmengen vom März 
bis Wai, die kleinern vom Oftober bis Dezember; 
faſt regenlos ijt ber Septentber. Weiter nad S. hin 
nimmt die Regenzeit immer mehr ab, wobei die Jah: 
resſumme geringer wird. 

3) Nordafrifa. Nördlich vom Sudän liegt die 
umfangreidjte Wiijte unfrer Erde, die Sahara. 
Yn der Nordgrenje derfelben liegt tm Winter relativ 
hober Luftdrud, daher ein Ubilienen der trodnen Luft 
nad Innerafrika. Ym Sommer liegt hoher Luftdrud 
auf dem Wittelmeer und dem Wtlantijden Ozean, 
niedriger an der Nordgrenze des Sudan, daber find 


nördliche und norddjtlide Winde vorherridend, dic | 
urjpriinglid) feudt find, aber raſch fic) vom Satti- | 


gungspunkt entfernen, da fie in warmere, trodne Ge- 
genden bineinweben. Zuweilen, insbef. im Friihjabr, 
weben in der Sahara auch fiidliche Winde, die, wenn 





riidfichtiqung der geographiſchen und wirtidaftliden 
VBeziehungen (Botting. 1888). 
Pflanjenwelt. 

Die Pflanzenwelt Ufrifas gliedert fic in —— 
pepe wire 1) die Zone immergriiner . 
höl ze Nordafrifas, die von der atlantijden und der 
WMittelmeerflora beherrſcht wird; 2) der nbrdlide 
Wiiftens und Steppenqiirtel in der Sahara, der 
Libyiden und Nubiſchen Wüſte fowie in Kordofan 
und den Somalländern; 3) das tropifde Gebict 
nit Regenwäldern und Gavannen, nördlich und fiid- 
lid) vom Aquator (etwa bis zum 17.° nördi. Br. und 
bis zum 24.° ſüdl. Br.); 4) das ſüdliche Wiijten- 
und Steppengebiet in Siidafrifa; 5) die ſüd— 
lide Zone retort td bated Gehölze im Rapland. 

Das nordweſtliche A. mit den Azoren, Madeira und 
den Kanaren ijt der Sig ciner ausgepragten atlan— 
tifden Flora mit immergriinen Erilazeenſträuchern; 
einzelne Bejtandteile der Vegetation, wie Tamarisfen, 
fleiſchige Euphorbien und cine Dattelpalmenart (Phoe- 
nix Jubae), erweijen jedod) dDeutlid) Den Sufammen- 
hang mit Der fibrigen Flora Ufrifas. Auch in Marokfo 
und Ulgerien herrjdt nod) der atlantiſche Charafter, 
dod) treten hier mehr und mehr Elemente der Mit - 
telmeerflora (jf. d.) auf, indem 3. B. in den niedri- 
gern Teilen Ulgeriend Beftinde von Oliven, Korkeichen 
und Zwergpalmen tonangebend werden; von Nadel⸗ 
hölzern find die Wleppoftefern und eine Sedernart 
(Cedrus atlantica), die bis 1900 m aufiteigt, am 
meijten bemerfenswert. Auf den Großen Utlas geht 
fein einziges Charafterqewids Madeiras und der 
Nanaren iiber; cin Kranz verfiimmerter Eichen bildet 


fie ftarf auftreten, an den Ufern des Mittelmeeres hier bei 2400—2700 m Hobe die Baumgrenge, über 


hohe Wärme und Trodenbheit bringen. Die Ober- 
fläche Des Wiijtenbodens fann fich iiber 70° erwarmen. 
Völlige Regenloſigkeit diirfte aud) in der Sahara nidt 
herrſchen. Die hichjte Temperatur der Sahara liegt 
wahrſcheinlich ndrdlid) vom Wendefreis, wobei Ex— 
treme vorfommen Diirften, Die fiber 50° fliegen. 
Das Klima Agyptens bildet den Nbergang von der 
Sahara zu den Wittelmeerlindern. Charafterijtiid 
fiir Das Nima der an das Wittelmeer ftohenden 
Lander find reqenarme Sommer und Beſchränkung 
Der Niederſchläge auf den Winter oder Friibling und 
Herbſt. Die regqenlofe Seit dauert in Wlerandria 


nahezu 8 Wonate (April bis Witte Oktober), auf 
Madeira (Mitte Mat bis Witte Oftober) und an der | 


algertichen Küſte nur 5 Monate, an der maroffanijden 
Küſte aber 6 —7 Monate. Die Regenmengen nehmen 
von N. nad S. und im ganzen aud) nad) W. bin ab. 
Im allgemeinen find die 
mäßig gering. Bemerfenswert find die Wüſtenwinde 
Rordafrifas, Samum, in Ygypten Chamſin genannt, 
die ſchwere Sfaub- und Sandwolfen aufheben und 
die Temperatur bis 50° und dariiber erhiben. 

4) Siidafrifa zeigt hinſichtlich feines Klimas 
einen Gegenſatz zwiſchen W. und O. Der Weſten ijt 
(wegen der kalten Meeresſtrömung) kalt, der Oſten 
(wegen der warmen Meeresſtrömung) warm, tm BW. 
tit Der Sommer troden, der Winter feudt, nad O. 
hin werden die Sommerregen vorherridend, im BW. 
größte Bewölkung im Winter, kleinſte im Sommer, 
un ©. umgekehrt. Während an der Südküſte die 
Temperatur nidt unter den Gefrierpuntt finft, fom 
men im Innern jtarfe Fröſte vor. Die Regenmengen 
find metitens gering (Jahresſummen: Kaplandfiijte 
36, Siidfaplandfiijte 48, Napland-DOjten 65, Nama- 
qua 24, Natal M4, Inneres etwa 40cm). Bal. Dove, 


egenmengen verhältnis⸗ 


} 





welder fid) alpine Formationen mit vielfachen euro- 
päiſchen Anklängen entwideln. Yn der Steppenregion 
herrichen hartblatteriqge Steppengrifer, Darunter Die 
als Halfa ausgeführte Stipa tenacissima, Wermut: 
arten und Salzpflanzen (Salfoleen). Weiter öſtlich 
tragen die Kyrenaifa und der nördliche Küſtenſaum 
Aghptens nod) die immergriinen Buſchbeſtände der 
Wittelmeerfora, während die Ufer des Nils eine lang- 
qejtrectte Nulturoafe inmitten dev Wüſte darjtellen. 
Klimatiſch bildet die Wüſtenzone Ufritas den 
weſtlichen Abſchnitt des reqenarmen Gebietes, dad fich 
von der Sabara fiber Urabien bis jum Indus er- 
ſtredt; auch floriſtiſch bejtebt zwiſchen den aſiatiſchen 
und afrikaniſchen Teilen dieſes Gebietes ein naher 
Zuſammenhang. — ganz vegetationsloſe 
Strecken finden ſich in der Sahara auf felſigem, mit 
Geröll bedecktem Boden oder auf Flugſand; in den 
Salzwüſten feblen wenigitens Halophyten felten. Im 
übrigen entwidelt fid) in den trodnen Flußbetten 
(Wadis) und den Oafen eine mannigfaltige Pflanzen⸗ 
declke; beſonders an den Rändern der Talſohlen treten 
nicht ſelten heckenartige Beſtände von Astragalus, 
Nitraria, Calotropis und zahlreichen Gräſern in wir- 
rem Durdeinander auf. Schilfrohr und Tamaristen 
ragen bisweilen hod) über die Köpfe Der Kamelreiter 
fort. Charafterijtijd) ſind ferner blattlofe Giniter- 
ſträucher (Retama), die Salſolazee Traganum, Rolo- 
quinten (Citrallus Colocynthis), mehrere aus dem 
ndrdliden Suddn cingedrungene YUfasienarten u. a. 
Manche Wüſtenpflanzen zeichnen ſich durch eiqenartige 
Anpaſſung an ihren Wohnort aus (ſ. Wüſtenpflan⸗ 
yen). Der Hauptdharatterbaum der Oajen ijt die 
Dattelpalme (Phoenix dactylifera), deren Südgrenze 
ungefabr mit der der Sahara zuſammenfällt; aufer 
ihr Dringt nur nod) eine cingige andre Balmenart ~ 


Afrifa (Pflangenwelt). 


(Hyphaene Argun) aus dem Tropengebiet in die 
Nubijde Wiijte ein. Sporadiſch kommt in cingelnen 
Dafen die Euphratpappel (Populus euphratica) vor. 

Yn die Wüſtenzone ſchließt ſich ſüdwärts in Kor— 
dofan ein Grasſteppenland an, in das zahlreichere 
Elemente der tropiſchen Wald- und Savannenflora, 
wie vor allent die gabeläſtige Dumpalme (Hyphaene 
thebaica), cintreten. Wud) an der ojtafrifanifdjen 
Riijte, in Den Somallindern, entwideln fic) über einer 
diirftigen Strandvegetation befonders an den Gebirgs- 
tereaffen cigenartige Vegetationsformen der Wiijten- 
jteppe, wie fleifdyiqeRandelaber-Euphorbien, Aloe⸗ und 
Ufazienarten, cine giftitropende Upocynee (Adenium) 
mit feqelfirmigem Stamm und fpdrliden, blatt- 
biifdeltragenden Aſten u. a. Beide Gebiete liegen 
bereits in Der Tropenjone. 

Das afrikaniſche Tropengebiet zeichnet ſich durch 
beſonders hohe Temperaturen und geringere Nieder⸗ 
ſchlagsmengen vor den gleichnamigen Teilen Aſiens 
und Amerikas aus, wes 
niger bunt und mannigfaltig erſcheint. Dazu kommt 
der einſchränkende Einfluß der Gebirgsentwickelung. 
Walder von echtem Tropendarafter treten vorzugs— 
weife im dem zentralen Seengebiet fowie in Guinea 
und im nördlichen Kongogebiet auf. Wit einzelnen 
Bäumen, wie befonders dem Baobab (Adansonia 
digitata), der Delebpalme (Borassus flabelliformis) 
und der weiter nad N. qreifenden Duntpalme (Hy- 
phaene thebaica), durchſetzte Gavannen find fiir den 
Sudan, das ſüdliche Rongogebiet und die vom Sam- 
befi durchſtrömten Lander charafterijtijd. Für die 
Tropenwelt Guineas ijt die Olpalme (Elaeis gui- 
neensis) Harafterijtijdh, deren Verbreitungsgqebiet bit- 
lid) bis gur Waſſerſcheide des Nils und Kongo, fiid- 
lich bis Angola reicht. An der Loangoküſte beſtimmen 
beſonders Schopfbäume, wie Pandanus candelabrum, 
das Landidaftsbild; weiter landeinwarts wächſt hier 
die Heilfraftiqe Kolanuß (Sterculia acuminata). Am 
obern Nil, im Nigergebiet und am Rongo bilder die 
Papyrusitaude (Cyperus Papyrus) und der durd 
fein leidjtes Hol; ausgezcidnete Umbatidjbaum (Her- 
miniera elaphroxylon) dichte Uferbeſtände. Galerie- 
wilder begleiten die oft von Seeroſen geſchmückten 
Flußläufe; ausgedehnte Savannen und Sumpfland— 
ſchaften durchſetzen in vielfacher Abwechſelung die ge— 
ſchloſſenen Baumformationen. Die Bradt tropiſcher 
Lianen und Epiphyten entfaltet ſich am reichſten in 
den Urwäldern des feuchten Weſtens in der Nähe des 

quators. Dic Küſten werden vielfach von Mangrove- 
wãldern umfiumt. 

Eigenartig hebt ſich von der tropiſch-afrikaniſchen 
Pflanzenwelt die der Gebirgsregion in Abeſſinien, auf 


den Kamerunbergen und am RKilimandfdaro ab. In 


erjterm Lande breiten fid) in den tiefern Lagen Ber- 
treter der immergriinen, mittelmeeriſchen Buſchfor— 
mation (Erica arborea, Juniperus procera u. a.) 
aus, die aud) auf den dquatorialen Gebirgen Afrikas 
wiederfehren und hier, je weiter nach S., defto mehr 
von Pflanzen der Rapflora (Calodendron, Podo- 
carpus, Protea) abgelijt werden; iiber Dem Straud- 
— liegt zwiſchen 2000 und 2500 m die baumloſe 
eqaregion, in welder der Raffeebaum (Coffea ara- 
bica) und der ein vorgiiglides Bandwurmmittel Lie- 
fernde Rujjo (Hagenia abyssinica) ihre Heimat haben. 
Die bei 83000—3500 m beginnende Hod)gebirgsregion 
ijt von Pflanzen beſiedelt, deren nüchſtverwandte Sip- 
pen teils in Südafrila, teils im Mittelmeergebiet und 
Drient einheimiſch ſind. Auf dem ſchneebedeckten Ki— 
Aimand{daro beginnt über der Steppe des Miijten- 


{b aud) die Vegetation we: | 








141 


Gebietes cine bis 1000 m anjteigende Buſchwaldzone, 
dann folgt bis 1800 m frudtbares Rulturland, dar- 
liber bis 2000 m wwiederum cin Giirtel hoher Ge- 
büſche, den bis 3000 m didter Urwald mit zahlreichen 
Farnen ablojt; bet 4500 m beginnen jtraudlofe Gras— 
fluren, von deren Bliitenpflanzen Senecio Johnstoni 
am höchſten fteigt; höher hinauf finden fic) nur nod 
Mooſe und Fledten. 

Ein Übergangsgebiet swifchen der tropijden Flora 
und der des Raplandes fonunt an der afrifanijden 
Djtfiijte swifden der Delagoas und Wigoabudt zur 
Uusbildung, indem fic) hier tropijde Formen, wie 
Cyfadeen, fleiſchige Cuphorbien, cine Dattelpalme 
(Phoenix reclinata) u. a. mit chrafterijtifden Kap⸗ 
pilangen, wie Podocarpus, Widdringtonia, Calo- 
dendron u. a., miſchen. 

Von der Siidgrenge des Baobab unter 18° fiidl. Br. 
imt BW. und 24° im O. erjtrect fid) das regenarme 
Steppen- und Wüſtengebiet Siidafrifas fajt 
bis zur duferiten regenreidhern Siidede des Crd- 
teils. Die Steppenwüſte bey Ralahari bictet ftellen- 
weife ein Bild qrauenvoller Ode; nur nad reidlidern, 
in Uusnahmejahren eintretenden Niederſchlägen be- 
dedt fid) Der Boden mit einer rt Wafjermelone 
(Acanthosicyos horrida), deren Früchte Menſchen 
und Bieh eine willkommene Erfrifdhung gewähren. 
Die tiberwiegende Vegetation der Kalahari bilden 
Dornſträucher und Gräſer; eine ihrer jonderbarjten 
Pflanzenformen ftellt die Gnetagee Welwitschia mi- 
rabilis bar, deren tief im Gande ftedender Stamm 
an feinem verbdicten, freien Ropfende mur zwei rieſige, 
——— und zerriſſene Blätter ee Reich⸗ 
lichere Grasfluren, hier und da auch Waldbeſtände 
von WUfazienarten zeichnen die Oranjeſtromkolonie und 
Transvaal aus, während vom Oranjeflu die nad S. 
anjteigende Hochfläche meijt nur kümmerliche Buld- 
formationen von Heidearten und zahlreiche Stroh- 
blumen (Helichrysum, Eriocephalus u. a.) hervor- 
bringt. Cin fdymaler, von der Viiindung des Oranje- 
bis gum Olifantflu und den Bwartebergen reichender 
Landſtreifen, die während der Trocdenperiode trojtlofe 
und vorzugsweiſe mit Dorn{traudern (Acacia deti- 
nens, Giraffae u. a.) befegte Rarrooregion, überzieht 
ſich nach Regenfällen in furzer pet mit einent reichen 
Bliitenflor von Belargonien, Oralideen und einer 
Reihe fleiſchiger Staudengewadfe. 

Die Zone immergriiner Gehölze des Kap— 
Landes beſchränkt fid) auf die Südweſtſpitze Ufrifas 
und geht nur an der Oſtküſte allmählich in tropifde 
Formationen fiber. Hochwälder mit Riefenftimmen 


von Podocarpus, Elaeodendron, Crocoxylon, Curti- 


sia u. a. zieren vorzugsweiſe Die Südlüſte zwiſchen Dem 
Gaurif= und dem Krommefluß und die untern Gee 
hinge der Onteniquaberge. Die tibrige Flora des Nap- 
landed zeichnet fic) durch eine außerordentlich große 
abl hier allein vorfommender Proteazeen, Erifazeen, 
Pelargonien und Suffulenten, wie Mesembryanthe- 
mum u. Aloé, aus, Niedrige Buſchbeſtände von bläu— 
lidgriiner Farbe bedingen den vorherridenden Cha- 
rafter Des Landidaftsbildes, Das nur an den Schluch— 
ten der Bergabhänge hihere Baumformen aufweijt. 

Unter den afrifanijden Inſeln befigen die Kap— 
verden cine Flora, die cine Witteljtellung zwiſchen der 
atlantifden und der ſenegambiſchen einnimmt. Tri- 
jtan da Cunha ſchließt fic) floriſtiſch am meijten an 
Siidafrifa an, während Aſcenſion und St. Helena 
eine ozeaniſche, in ihren Erzeugniſſen vom Crdteil 
unabbingige Flora bejigen. Auf Wadagastar fom- 
men tropiſche Formen, wie hohe Pandanusarten, rie- 


142 


Afrifa (Tierwelt). 


fige Bananen (Ravenala), Palmen (Raphia Ruffia), | Verhaltniffein Klima, Bodengejtaltung und Pflanzen⸗ 
tautſchulliefernde Apozyneen (Vahea) u. a., ju iippi- | Dede bedingen eine fehr weile Verbreitung der ein— 
gerer Entfaltung als jelbjt auf dem Fejtland. Cine | zelnen Tiere innerhalb der Athiopijden Region, Dod) 


nidt unbedeutende Zahl von Gattungen (gegen 100) 
ijt auf Der Inſel endemiſch, fo daß dieſe mit den 


| 


lajjen fid) aud) bier Unterabteilungen nachweiſen, 
nämlich die oftafrifanifde, weftafrifanifde, fiidafrifa - 


Mastarenen und den Sefchellen als cin befonderes | niſche und madagaſſiſche Subregion (Näheres ſ. Athio— 


Florengebiet zuſammengefaßt werden fann; die Ver— 
wandtſchaft der Pflanzenwelt, teils mit Siid- und Djt- 
afrifa, teils mit Indien, bildet ihren widtigiten Cha- 
rafterzug. Bon den Mastarenen zeichnen ſich Réunion 
und Rodriguez durch großen Reidjtum an Farnen, 
Darunter auc) mehrere Baumfarne (Cyathea), aus, 
Auf den Sejchellen iit eine Fächerpalme (Lodoicea 
Sechellarum) mit jebr langfam (etwa 10 Sabre) rei- 
fenden Früchten einheimifd. 

Die Sahl der in W. einheimiſchen Rulturpflan- 
zen erjdeint geringer als die Aſiens; aud find meh— 
reve in A. weitverbreitete Nutzgewächſe, wie die Ba— 
nane, mehrere Yamswurzelarten (Dioscorea), die 
Erdnuj (Arachis) u. a., als eingefiihrt zu betradten. 
Unter den Getreidearten afrifanijden Urſprungs ſteht 
die Mohrenhirfe (Andropogon Sorghum) obenan. Jn 
Abeſſinien wird als Brotfrucht vielfad der Tef (Era- 
grostis abyssinica mit Der Stammform E. pilosa) 
gebaut, defen Früchte in andern afrifanijden Län— 
Dern aud an wild wadjenden Pflanzen geſammelt 
werden. Bon der Regerbirje (Pennisetum spicatum 
Keke.) und der Daquija (Eleusine coracana) ijt die 
afrifanijde Sectuntt zweifelhaft; dagegen find Die 
Erdbohne (Voandzeia subterranea) und Die Kaffee— 
biiume (Coffea arabica und liberica) ſicher urſprüng⸗ 
lidje Erzeugniſſe des afrifanifden Bodens. 

Tierwelt. 

Der afrifanijde Continent mit den ihm zugehörigen 
Inſeln gehört zwei tiergeographifden Regionen an, 
der paldarftifden und Der äthiopiſchen, doch ijt nur 
der nbrdlichite Teil Ufrifas bis zum Wendekreis nod 

ur erjtern und gwar yu deren mittellindifden 
Subregion gu zählen. Die Fauna Nordafrifas 
zeigt in ihren weſentlichen Zügen eine große Uberein- 
———— mit ſüdeuropäiſchen Typen, was durch 
eine in verhältnismäßig junger Zeit noch vorhanden 
geweſene Landverbindung zwiſchen Spanien und 
Marokko ſowie zwiſchen Tunis und Sizilien ſich er— 
tlären läßt. Charalteriſtiſche Säugetiere Nordafrifas 
ſind Magot, Schwein, Hirſch, Damhirſch, Schaf, 
Siege, beſtimmte Antilopen, Springmaus, Alakdaga, 
Stachelſchwein, Bär, Dachs, Stinkmarder, Wolf, 
Schakal, Wüſtenfuchs, Zibetlatze, Genette, zahlreiche 
Fledermäuſe, Spitzmaus u.a. Unter den Vögeln 
ſpielen einige Geierarten und ferner eine große An— 
zahl von Sumpfvögeln, Flamingo, Ibis, Pelikan, 

eiher die Hauptrolle. Auch die übrigen Tierklaſſen 
ſchließen ſich der paläarktiſchen Fauna an. Daneben 
geiat ſich cin Einſchlag athiopifder Form, wie Löwe, 
Zeopard, die von S. cingewandert fein fonnen, erjterer 
war nod) in hiſtoriſcher Zeit bis nach Europa, 3. B. 
Grichenland, verbreitet. Bon den afrifanifden Inſeln 
ehören Wadeira, die Nanaren und Azoren dieſem 
Faunengebiet an, das bejonders m den Vögeln deut 
lich ausgeprägt ijt. 

Dem jum paläarktiſchen Faunengebiet gehörigen 
Norden ſteht der ganze übrige Nontinent als die 
&thiopifde Neqton gegeniiber, cine der beitbe 
grenzten zoologiſchen Regionen. 

wiſchen beiden tiergeographiſchen Bezirlen bildet die 
Sahara, die in ihrem nördlichen Teile der paläarkti 
ſchen Region angehört, ſüdlich aber der äthiopiſchen. 
Die auf weite Strecken hin gleichen phyſilaliſchen 








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piſche Region). Bon dieſen ijt die madagaffifde 
Subreqton am bejten differengiert und vielleicht 
jogar als eigne Region ju betrachten. Bejonders 
charafterijtifd) find fiir UW. die Säugetiere; als Re- 
prajentanten der echten afrifanijden fauna fonnen 
von dieſer Klaſſe qenannt werden der afrilaniſche Ele- 
fant, das afrifanijde Rhinozeros, das Flußpferd, das 
Barjenfdwein, zahlreiche Untilopen, die fid) in ihrem 
Vorfommen auf die cingelnen Teile Ufrifas verteilen, 
und von denen fpegiell eine Anzahl auf den Siiden be- 
ſchränkt ijt; ferner der ajritanifihe BPiljfel, in mehreren 
Arten unterjdieden, die Giraffe, die ebenfalls in meh- 
reren Arten vorfommenden Zebras, das Erdferfel, 
von den Magern die Stadelmaus, der Springhaje, 
von den Qnfeftenfreffern die Familie der Rohrrüßler 
und der Goldmaulwurf, von den Raubtieren befon- 
Der3 Lowe und Hyiine und der fiidafrifanijde Erd- 
wolf, jablreide Fledermäuſe, hauptſächlich Früchte 
freſſende Vampire, von den Affen Paviane, Meerkatzen 
und vor allen Gorilla und Schimpanſe. In den Fluß;⸗ 
miindungen der tropifden Weſtküſte find die Fiſch— 
ſäugetiere Durd) den Qamantin oder Manati vertreten. 
Meben dem Vorkommen von vielen auffallenden 
Saugetieren i die äthiopiſche Region nidt minder 
ausgezeichnet Durd) das Fehlen jonjt weitverbreiteter 
und aud im ndrdlidjen YW. gum Teil vorfommender 
Tiertypen; folde find die Baren, die Hirſche, die Zie⸗ 
en, die Schafe, die echten Ochſen und die eigentliden 
Schweine. Bemerfenswert ijt bei den Gaugetieren 
Ufrifas die erjtaunlide Häufigleit einzelner Urten, 
und gwar befonders der grofen Pflanzenfreſſer, der 
Elefanten und der Flubpferde. uch die Untilopen- 
arten ſowie die Zebras finden fid) meijt in grojen 
Herden. Minder charafterijtijd als die Säugetier— 
fauna ijt Die Bogelwelt Ufrifas. Dod) finden fid 
aud unter dieſer mance dieſem Weltteil und ſpeziell 
der äthiopiſchen Region eigentiimlide Gruppen, fo 
die Piſangfreſſer und die Maufevdgel, und von andern 
@ruppen find zahlreiche Gattungen fiir A. charafte- 
riſtiſch, ſo unter ben Nashornvögeln, Fruchtdroſſeln, 
Fliegenfängern, Würgern, Krähen, Staren, Raub— 
vögeln; zu den befanntejten afrilaniſchen Vogeltypen 
zählen die Webervögel, die Perlhühner, der Sefretir- 
Dogel, bejtimmte Bapageien, wie der graue Papagei, 
und Der afrifanijde Strauß. Bon den größern Bogel- 
qruppen feblen in A. hauptſächlich Zaunfdnige, Baum- 
laufer, Spechtmeifen, edhte Faſanen. Für die tiber- 
wiegende Mehrzahl der europäiſchen Wander hug) 
vögel ijt A. das Winterquartier; im allgemeinen 
halten ſich dieſe Zugvögel allerdings an die Küſten— 
lander Afrikas, allein nicht wenige dringen aud) bis 
ins tiefſte Innere des Erdteils vor, indem ſie die 
Aquatorialländer als Winterquartier wählen. Im 
allgemeinen hält ſich die Zugſtraße für europäiſche 
Vögel an den Verlauf des Nils, und die Wanderer 
verteilen fic) von den Flußrändern aus iiber das Land. 
Bon den Reptilien find cine Reihe von Schlangen, 
wie Die zweiſtreifige Rieſenſchlange, die afrifaniide 


Die Verbindung Brillenſchlange, die Dornviper u. a., fiir A. charalle— 


rijtifd), ebenjo von den Eidechſen die Warane, das 
Chamileon und beſtimmte Ringelecdhjen; von Am— 
pbhibien findet fic) ausſchließlich in A. Die zu Den Kröten 
gebdrige, cine eigne Familie bildende Gattung Dacty- * 


Afrikanische Volker I. 











a . Monbuttn. 
, — ak uw Mann. a. 4 


‘ Schulineger. 
*| Abessinier, Mann und Frau. 





~'| Hottentotten, Mann aiid 1 


8. Betschuanen- Madchen, ~ ae as 
v. Akka. — 


| “11 | Busehmann, Mann wand Fram 
12. Hova yon Madayaskuy th es 


1. Suaheli you Sansibar, — 
= Somal, Mann Fran — 
15. Bagirmi-Knabe. | a pal , 





Meyers Kons -Lerihun. © Aut, Ketlage 


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[odie\h bodine cro3) 







hbun anßl / — D———— 
— * 


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Afrifa (Bevdiferung, Rajjen). 


lethra. Charalteriſtiſche Fijche Afrilas find die Gat- 
tungen der Mormyriden und Gymnardiden, ferner 
Die Sitterwelfe und vor allen der afrifanijdhe Shlamm- 
fii, Protopterus annectens, der in der trodnen 
Jahreszeit in einer Sclammfapfel einen Gommer- 
ſchlaf halt. Unter den Landſchnecken finden ſich die 
Yirten der Gattung Achatina, deren BVerbreitungs- 
miittelpuntt A. Darjtellt, Die größten überhaupt exiſtie⸗ 
renden Landſchnecken, die bis 20 em meſſen. Unter 


den Inſelten ſpielen Termiten und Weſpen cine Haupt: | manche Ahnlichkeit miteinander haben. 


143 


Südweſten Afrilas bis 19° ſüdl. Br. zurückgedrängl. 
Sie zerfallen in die eigentlichen mittelgroßen Hotten- 
totten (Taf. I, Fig. 6 u. 7) und in das Jägervolt 
der weit kleinern Buſchmänner (Taf. II, 10 u. 11). 
Db ibnen die Zwergvölker Sentralafrifas, von denen 
die licht anger Alta (Taj. 11,9) höchſtens 1,5 m 
Größe haben, nabeitehen, ijt unjicher. Die zweite 
Gruppe umfaßt die Bantu und Suddanneger, die, ob- 
wohl phyſiſch vielfach voneinander abweidend, dod 
Bu den 


rolle; von den afrifanijden Käfern ragt der maidtige Bantu gebdren alle an der Ojttiijte Ufrifas vom 
Goliath hervor; als läſtige Blage erſcheint der neuer- Nap bis an den Yquator und den 55.° nördl. Br. 
dings von Siidamerifa nad A. verjdleppte Sandfloh; wobnenden Stämmie, darunter die kriegeriſchen Sulu 


aus der Wurmfauna ijt beſonders befannt der beriid- 
tigte Guinea- oder Medinawurm, der befonders häufig 
an der Goldfiijte vorfommt und im Unterbautbinde- 

ewebe des Menſchen ſchmarotzt. Unter der niedern 
beet deS ſüßen Waſſers finden fic, foweit hierüber 
bisher Unterſuchungen vorliegen, gemäß dem fosmo- 
politijden Charatter diejer Formen Tiere identijd 
oder nabe verwandt mit europadifden Arten. 

Cine ganz ao pal Fauna weijt die madagaf- 
ſiſche Subregion auf, Madagasfar, die Mastarenen, 
Seichellen und Comoroinjeln umfaffend (jf. Athiopiſche 
Region). Im übrigen vgl. zu dem ganzen Abſchnitt 
Die tiergeographiſchen Karten bei den Yirtifeln » Sauge- 
tiere, Bogel und Reptiliene. 

Vevdllerung. 


(Taf. 1, 14), der treuejte Typus der Raſſe, die durch 
ihre gewerbliche Gefdhiclichteit beriihmiten Betſchuanen 
(Zaf. II, 8), die ſchon mit Semitenblut vermifdten 
Suabheli (Taf. IL, 13), die Rongovilfer (Taf. 1, 13), die 
Mpongwe (Taf. 1, 1 u.2) und die von O. eingedrunge 
nen fan (Taf. I, 9) am Gabun u. a. Die Sudan— 
neger bewohnen den ganzen nördlichen Teil vom Se— 
negal Durd) den Sudan hindurd. Am reinjten bat ſich 
der Typus erhalten bei den Wolof (den » Schwarzen< 
im Gegenjage zu den Fulah, den »Gelben«) zwiſchen 
Senegal und Niger; zu den echten Suddnnegern gehö— 
ren ferner die Kru an der Pfefferfiijte, die Mandmgo, 
Sonrhai, Haujja, am Niger und Binue die Koto (Taf. 
I, 8), die Bewohner von Bagirmi (Taf. I, 15), Dar 


| Fur (Taj. L, 11) u. a. Zwiſchen den Negern und am 


Gier ju die Tafel Afritaniſche Bolter Tu. Ie, mit Ertldrungs- Rande des Regergebiets figt cine Reihe von Völlern, 
blatt, umd ⸗Afritaniſche Kultur l, mit Ertlarungsblatt, u. UL, Ute.) in Der Witte ftebend zwiſchen Negern und mittellän— 


U. lennzeichnet ſich als cin Raum grofer Vilferver: | 


fchiebungen. Scarfe natiirlide Grenzen, welde die 
BWanderungen der Volfer gu hemmen vermodten, fehe 
len im Innern Afrilas, und jelbjt die Wüſten üben cine 
fondernde Wirfung nur in befdranttem Mak aus. 
Trog der Sahara find die Neger cin bedeutendes Miſch⸗ 
cement der — von ganz Nordafrila. Der 
Gebirgsbau und das Flußſyſtem ſind beide nicht be⸗ 
fähigt, der Vilferverbreitung ſtarle Hinderniſſe ent⸗ 
——— Dazu waren, mit Ausnahme der 
neice alle andern Bolfer Ufrifas Natur- oder Halb- | 
turvilfer, unjtet in jeder Beziehung und Darum der | 
Vermiſchung, Vernichtung oder umgejtaltenden Er 
neuerung im höchſten Maß ausgefest. Cine Abwande⸗ 
rung über See hat vor dem Eingriff durch Europäer, 
die zahlloſe Neger nach Amerila verpflangen nir⸗ 
—— ſtatigefunden, denn die nautiſchen Leiſtungen 
Afrikaner verharrten auf niedriger Stufe und er- 
hoben fic) nicht iiber Den Bau einfader Ruderfanoes. 
Der Nord: und Nordojtrand jtanden durd die Yn: | 
naberung an Aſien und Europa der unſtigen Cur- 
wirfung fremDder Siviliiation offen. Siber je weiter 
wir uns von Diefer entfernen, dejto mehr verdunfeln 
fid) Die Geſittungszuſtände Afrilas, bis wir an der 
Siidipipe in den Vuidimdnnern cin Boll auf niedrig 
fter Multurjtufe finden. Nord- und Ojtrand emp- 
fingen Die meiiten fremden Einflüſſe, ja fremde Völ— 
fer, wie denn ſelbſt Malaien auf Madagaskar ſich me- 
derliejen. Die Bewegung von O. nad W. bat aber 
fhon vor Der Musbreitung nachweisbar aftatifder 
Cinwanderer geherricht. 
Den Kern der farbigen Bevilferung Afrilas (ſ. die | 
Ethnographiſche Marte · beim Art. · Menſchenraſſen ·) 
bilden Die hellerfarbigen Hottentotten und Buſchmän⸗ 
ner, die älteſte Bevolferung ded Erdteils, und die 
dunlelfarbigen Bantu und Sudanneger, deren Wohn⸗ 
ſihe den weitaus größten Raum einnehmen. 
Die Hottentotten, einſt weitverbreitet durch ganz 
A. fiidlid) vom Kunene und Sambeſi, find jeht in den 








diſchen Hamiten, die lodenbaarigen nubifden Bal- 
fer, Die dritte große Gruppe, die ſprachlich in eine 
wejtlide Ubteilung, die Fulah, und eine öſtliche, die 
Nubier, zerfallen. Su legtern gehören insbef. die ech- 
ten Nubier (Taf. L, 12), die das Niltal von Ujjudin bis 
Wadi Halfa bewohnen, und wahrſcheinlich aud die 
faffeebraunen Monbuttu (Taf. IL, 1) im S. des Uelle 
nebjt den nördlich Davon wohnenden Niam-Niam 
(Taj. IL, 2) und dem Qagervolf der Sdhuli (Taf. II, 3) 
norddjtlid) vom Albertſee. Bon Der mittelländi— 
iden Raffe tit in UW. der hamito ſemitiſche Stamm 
vertreten durch die ägyptiſche, die Libyide und die 
ithiopifche Familie (Hamiten) und die Yraber nebſt 
den Vewohnern von WMmbara und Tigré (Semiten). 
Sur ägyptiſchen Familie qehdren die chriſtlichen Kop⸗ 
ten (af. L, 6 u.7) tm untern Niltal ſowie die moham⸗ 
medanijden Fellahs (Taf. 1, 5), bei der ſich der alt: 
ägyptiſche Typus viel weniger rein erhalten hat, ferner 
die Berber (Taf. I, 10) in den Utlaslandern und in 
den Oafen der Sahara. Über dieſe Berber hat fic 
erobernd durch ganz Nordafrifa, dieſem fein Gepräge, 
ſeine Religion und ſeine Sprache aufdrückend, der 
ſemitiſche Stamm der Araber (Taf. 1, 3 u. 4) ergoſſen. 
Zwiſchen thnen figen am ganzen Nordrande dic eben 
falls ſemitiſchen Juden, die fic) bier blutrein erhalten 
haben. Als dritte ſchließt man an Me vorigen wegen 
threr entfernten Spradverwandtidaft im R. von 
Vbeffinien die Bedſcha oder Biicharin, die Bogos im 
Mebirgslande, nordivejtlid) von Maſſaua, und die 
ſüdweſtlich davon wobhnenden Sobo oder Schobho, die 
Agau im Quellgebiete des Tafaieb, die Falaſcha, die 
Danafil am Roten Weer, die Malla zwiſchen Abeſſi 
nien und den mittelafrifaniiden Seen und die Somal 
(Zaf. I, 14 uw. 15) tm ganzen Ofthorn Afrilas bis 
um Didubbfluk. Endlich qebdren jut Den ſemitiſchen 
zöllern nod die eigentlichen Abbeſſinier (Taf. II. 4 
u. 5). Die malaiti de Rajfe wird auf Wadagaslar 
durch das berrichende Boll der Howa ( Taf. 11, 12) vere 
treten, wabhrend die Safalaven den Vantuvdlfern bei- 


144 


Afrika (Sprachen, Religion, Gewerbe rc.; politiſche Verhältniſſe). 


zuzühlen find. Die Jndogermanen endlid) haben be- | feit geraumer Zeit eingefest und arbeitet an der Küſte 
reits größere Kolonien gegriindet, fo namentlid) in| wie im Innern auf zabhlreidjen Stationen. 


Wlgerien, dem Kapland, den Burengebieten, und figen | 


vereinjelt an allen bedeutendern Küſtenpunkten. 


Die Sprachen der afrifanijden Bolter seigen cine | su Den nomadifden Hirtenvdl 


Gewerbe. Zu den Jagdvölkern gehdren die 
Buſchmänner und viele Völker des — Kernes, 
ern Die Raffern, 


qripere fundamentale Verſchiedenheit, als wir nad) | Maſſai, Somal, Galla, die Tuareg der Wüſte, aber 


der körperlichen Ähnlichteit der Ufrifaner erwarten | 
follten. Näheres ſ. Afrilaniſche Spradjen. 

Der Einfluß aſiatiſcher Kultur kommt in A. mehr- 
fach zum Ausdruck, ſo hat die Kenntnis der Eiſen— 
bereitung ſicherlich mit manchem andern aus Agypten 
und Weſtaſien ihren Weg vom Norden nad) dem Sits | 
den genommen. Edt ägyptiſche Urbilder der Formen 
von Werlzeugen, Muſikinſtrumenten u. a. finden wir 
bei den ſüdlichſten Stämmen des Erdteils, und ma- 
terielle und geijtige Kultur jteht nad) dem Innern ju 
höher als in den mehr peripherifden Landfdaften. 

Der Charafter der eingelnen Völker ijt auker- 
ordentlid) verfdieden, wenngleid) fid) fiberall gemein- 
jame Grundzüge erfernnen laffen, die aud) in der 
ãußern Erſcheinung bervortreten, fo in der Tatowie- 
rung, dem Wusbredjen oder Spisfeilen der Zähne, der 
Bejdneidung, dem Vergieren der Lippen und Oren, 
der kindiſchen Freude am Pug durch Glasperten, Arm⸗ 
und Beinringe, im Haupthaarpug u. a. Der Haus- 
bau ijt nur im Gubddn höher entwidelt, gemeinhin be- 
jtehen die Wohnſtätten aus Stroh- und Lehmbiit- 
ten. Was die Familienverhaltniffe antlangt, fo 
herrfdt fajt durd) ganz A. Polygamie; meiſt zeugt 
die Bahl der Frauen fiir den Reichtum de3 Mannes, 
denn die Frau wird gefauft und ijt Urbeiterin, 
wenn aud) bei einigen Bantuvblfern die Frauen eine 
bevorgugte Stellung ecinnehmen. Unter vielen Bol- 
fern gilt als Erbfolgegefes, daß nad) dem Tod cines 
Hauptlings nidt fem Sohn nadfolgt, fondern der 
Bruder oder der Schweſterſohn des Berjtorbenen. 
Die Sflaverei ijt cine uralte Inſtitution; die meijten 
Sflaven find aber KrieqSgefangene oder fie find ge- 
jtoblen, felten —— verfauft. Dieſe große 
Unſicherheit der Exiſtenz hat unter den Negern zur 
Blutbrüderſchaft geführi. 

Religion. Wo nicht der Islam und an einigen 
Funften das Chriſtentum Eingang gefunden haben, 
herrſcht fajt fiberall roher Fetifddienjt. Einigen Völ— 
lern ſcheint jede religiöſe Vorſtellung, jede Ahnung 
von einer Fortdauer des Daſeins zu fehlen, ſo den 
Buſchmännern; dagegen ſchlachten die Kaffern den 
Geiſtern ihrer Vorfahren (Amahlozi) Opfer. Verbun—⸗ 


den mit dem Glauben an eine Fortdauer nach dem 


Tode, finden wir darin eine Erklärung vieler Züge 
der Grauſamkeit, des Hinſchlachtens von Sklaven, 
ſelbſt der Frauen, des Mitgebens von Speiſe und 
Tranf rc. Gegenſtände des religiöſen Glaubens find 


böſe und qute Geijter, die unter Der Gejtalt von Tie. | 


ren und Götzenbildern aller Urt verehrt werden, und 


denen man Opfer, ſelbſt Menfdenopfer bringt. Die | 


Priejter find zugleich Arzte, Bahrfager und Zauberer, 
bei den Kaffern und Hottentotten wenigitens Regen: 
mader. Dede Kranlheit, jeder Tobesh 

Hererei jugefdrieben, und Gottesurteile werden an- 
gerufen. Diefem rohen Heidentum gegeniiber bewirft 
der Islam einen Fortidritt in der Gefittung der 
Reger. Er ijt bereits fiber den ganzen Norden, dann 
im Suddn und in Ojtafrifa verbreitet. Das Chri- 





all wird der | 


aud) bie Damara und Namaqua und ein groper Teil 
der Fulbe. Die Halbnomaden, wie die Schua 
(Uraber) im Sudin, ziehen in der trodnen Beit mit 
ihren Herden umber und bebauen zur Regenjeit das 
weld. Cin großer Teil der Bevdlferung lebt aber von 
Uderbau, der oft mit Viehzudt, bei einigen Volfern 
nur mit der Zucht von Hiihnern und Hunden, ver- 
bunden wird. Beridiedene Hirfearten, Durra, Dochn, 
Mais und Maniok find mit der Erdnup die widhtig- 
jten und verbreitetiten Pflanzen ded tropifden UW. Nur 
im S. und N. findet aud) Unbau des europäiſchen 
Getreided ftatt. Bon In duſtrie zweigen finden wir 
fajt überall bie Töpferei; nidt fo allgemein ver- 
breitet ijt Die Nunjt, Haute gu gerben und ju ver- 
arbeiten, wohl aber die, Matten zu fledten. Der Ror- 
Dofaner wie der Batola, der Ovambo und der Be- 
wohner des Sudan wifjen aus Erzen Eiſen und Stahl 
zu gewinnen, der Ovambo u. a. aud) das Kupfer, der 
——— der Goldküſte das Gold. Weberei und Fär—⸗ 
berei find auf cingelne Gegenden beſchränkt; berühmt ijt 
Rano im Sudan durd Weberei, Farberei, feine Leder- 
waren, geſchätzt die Goldſchmiedearbeit der Aſchanti, 
und vielfad) wird die einheimiſche Baumwolle ver- 
arbeitet. Kunſterzeugniſſe, Waffen, Geriite rc. ver- 
idiedener —— Völler zeigen die beifolgenden 
Tafeln ⸗Afrikaniſche Kultur 1— I<; weiteres auf 
den Tafeln ⸗Afrikaniſche Witertiimer« (S. 156),⸗Ge⸗ 
rate, Wohnungen der Naturvöller«, »~Raudgeriites re. 
Politifdhe Verhaltniffe. 
(Bgl. bie Karte eMfrita, politiſche Überſicht«, bei S. 133.) 

Als die erfte geordnete Staatenbildung Ufritas 
tritt uns Ägypien entgegen. Unter den Bharaonen 
eu hoher Macht und Bliite qelangt, fiel es nadeinan- 
cr in Die Hinde der Perfer, Wleranders d. Gr. und 
jeiner Nadhfolger, endlid) der Romer. Dieſe dehnten 
ihre Herrjdaft aud) iiber den gangen Nordrand aus, 
an Dem vorber die phinifijden Rarthager ein madti- 
ges Reid —— hatten. Auf die Herrſchaft von 
Rom folgte die von Byzanz, bis in der Mitte des 
7. Jahrh. die Uraber ganz Nordafrifa iiberfluteten 
und felbjt nad) S. bis fiber die Sahara hinaus Staa- 
ten bildeten. Ihre Herrjdaft wurde aber im größten 
Teile Nordafrifas Unfang des 16. Jahrh. durch die 
Tiirfen vernicdtet. Wud) an der Ojtfiijte ſetzten fich 
die Uraber Ende des 15. Jahrh. bis über Mombas 
hinaus feſt. Am Sambefi bejtanden zu jener Zeit die 
méadtigen Staaten Mocaranga und Wonomotapa. 
Damals braden aud) die Galla von ihren Wohnfigen 
amt obern Tana hervor und drangen nad N. bis nad 
Wbeffinien und Oberagnpten, nad W. bis zum Ulerewe 
vor, wo fie bas Reid) Nittara griindeten, das fpater 
in Die Reiche Uganda und Unjoro zerfiel. An den 
Ufern des Kongo fanden die Vortugieſen ein großes 
Königreich, das ebenſo ſchnell aufblühte, als es wieder 
verfiel. Südlich vom mittlern Niger errichteten die 
Mandinka im 13. Jahrh. das große Reidy Melli, das 
im 15. Jahrh. unter die Herridaft der Sonrhai fam, 
die fic) bis zum Tſadſee erjtrectte, aber ſchon 100 Jahre 


ftentum, vor Mitte des 7. Jahrh. iiber ganz Nord- ſpäter durd) die Herrſcher von Marofto zerſtört wurde. 
afrifa verbreitet, danach durch Den Islam unterdriidt, | Unfangs des 19. Jahrb. bradjen die Fulbe vom Sene- 
hat fic), freilich in febr verderbter Form, nur bei den gal er als Eroberer in den Sudan ein und gründe— 


Kopten in Ägypten und in Ubeffinien erhalten. Die 
Miffion (atholiſche und evangelifde) hat hier ſchon 


ten hier cine Unjahl mächtiger Reiche, von denen einige 
nod) heute beftehen. Alle Diefe Lander Huldigen Dem 











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144 Afrika (Sprachew Wetiniav Aba. ¢ 


(Zum Artikel Afrita.} 


Inhalt der Tafel ,Afrikanische Kultur I. 


Ostafrikanische Kunsterzeugnisse. 


1. Koptschmuck (Wanjamwesi). 17. Bemalter Schild (Massai). 
2. Peitsche (Somal). | 18. Schwert (Massai). 

3. Stirnschmuck (Wasika). 19. Schwert (Watnta). 

4. Kriegsschmuck (Massai). 20, Wasserflasche (Somal). 

5. Kriegsmaske (Wasika). 21. ButtergefiB (Soma). 

6. —— 22. Geflochtenes Körbechen (Somal). 
Palle — 23. Schiisseldeckel (Uganda), 
8. Halsschmuck (Somal). 24. .4 

9. Franenschmuck (Somal). gy | Betiseh (Syssre, Wayne). 
10. Knieglocke (Massai). 20, Periicke (Uganda). 

11. Armbinder (Suaheli). 27. 


12. Nashornkeule (Massai), 28. Tongefiifie (Cdschidsehi). 
13. Beinschmuck aus Affenfell (Massai). 29. 


14. Tasche mit Muscheln (Somal). 30. Tontopf (Ugogo). 
15. Wasserschépfer (Stabeli). 31. Speiseschiissel mit Deckel (Soinal). 
16. Wasserkalebasse (Suaheli). $2. Matte (Somal). 


Mawece Kemer. - Lexikon 2% -bed., Betinge, 


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1. Amulett von Kafferndoktoren. -- 2. Kopfschmuck eines Hererwetbes 3. Dolch der Marutse 
4. Koptbedeckung der Lattuka, Lango und Schull. 5. Schurz cines Barweibes 6. Wurfeisen der Lur. 
7. Amulett aus Ubudschwe ts. auch Pig. 1h 8. Geachoitstes Holrgetaé mit Deckel aus Guinea, 


Meyers Konv.-Leckon, 6, Aufl. Bidliogr. Josttut in Leipzig Zum Artiket Aliika', 











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9. Zieraxt aus dem Manganjagebict. 10. Amulett aus Ubudschwe (s. auch Fig. 7), — 11. Geschnitzte 
Keule aus Lunda 12. Schwert in Scheide vom Gabun. — 13. Messingstab der Ogboni-Neger von Lagos. — 


14. Frauensandale aus Kano. -- 15. Schmuckkamm aus Abessinien. 


16. Korbschiisseln aus Kuka. — 17. Stilett 


in Scheide und Wurtholz aus Dar Fur. 


Afrika (politifcye Verhältniſſe). 


Islam, nur Ubeffinien hielt am Chriftentum, wenn 
aud) an einem wenig reinen, feft. aber von 
einheimiſchen Staatenbilbungen bis auf unfre Tage 
ſich erhalten hat, das geht langſam, aber fider in den 
Kolonialbeſitz der enropaifden Mächte fiber. Wahrend 
nod) vor furjem der fiberwiegende Teil Ufrifas im 
unbejtrittenen Beſitz barbarijder oder halbbarbari- 
ſcher Bolter war, iſt —— die Teilung Afrikas 





























in ber Hauptſache vollzogen, find die Intereſſenſphären 
abgegrenst. 
Politifhe Cinteilung Afrikas. 
. Auf 
Gebiete Eston. | eostterun om 
I. Einheimiſche Staaten, 
Marotto (ohne Tuat und die 
WAR). 2 ww et tw 439240; 8000000 18 
Mbeffitien 2. 1 1 ee 540000 | 4000000 iA 
Bibesla 2 a te te a 85 350 767 500 g 
Sujammen: | 1064590 | 12767500 | 12 
Il. Rolonien und Be: 
figungen, 
Algerien (obne Sahara) 477913 | 4774042 10 
UE 6. ose 99600 | 1906000 19 
Algeriſche Gabara. . . . . 819857 50000 0,2 
Mauriide SHuggediete . . — 8800000 | — 
Wilitdrterritorium des Sudan 
Glfenbeinffifte . . . ... 823000 | 2250000 7 
DPabomé . . 2. ww ee 152000 | 1000000 7 
Frranjofifd-Guinea . . . . | 224000) 1500000 7 
Framofiidh«Rongo . . . . 
WMilitdrrerritor. bes Tfadjees . }3000000 | 10000000 | 3 
Franzoſtſche Somalfiifte. . . | 120000 200.000 2 
Madagastar und Dependenjen 501967 | 2244872 4 
Réunion. 2. 2 1 2 ew ee 1 980 173192 | 8&7 
ROM. oe ek we 1606 67000 4—0 
Mavyotta . . « «= « o « 2 366 | 18000 50 
St. Paul und Neu⸗Amſterdam 730 — — 
Kergueleninſl 2414 — — 
Frankreich — | gTors000 | — 
@emBla wa sees 1069 4B 
Gierra Leone 2. 2... 719000 275.000 3,8 
@oldfiifte. . 2... wee 187900, 10000 8 
Yagoé und Soruba . . . . 52000, 3000000 58 
Gebiet der Rigergefellfdaft und 
Rigertiften Protettorat. . | s9s000 | 24000000 27 
Raptotonie mit Betiduanen: 
land und Walfifdbai. . . 746333 1590980, 2 
Zrantvacl . . . . 2... 308500 | 1043075 3 
Chem. Oranje. Freiftaat. . . | 131070 0703 =o 
@Pondolam’ . . . 2... 10470 120000 14,3 
Wafutolanb. . . . ... $1490 263 600 8 
Betidhuanen> Proteftorat . . 
— ee 1665310) 1350000 Os 
Brit. Jentralafrifa-Protettorat J 
Ratal und Sululand 70800 929970 13 
@enfidlar. . . 1. 1 sw a 2M 210000 82 
@Pritifm-Oftafrifa. . 2... T0000 | 2500000 3 
Uganda « Proteftorat 150000 | 1000000 6,1 
Somalfifte ....... 176000 1 000 0,3 
@oletra . . . 2 2 «2 3579 12000 «68 
Mauritius und Dependensen 2812 409300 «143 
Gantt Helena. 2 . 123 98) = 80 
Gifeenfion. . 2... ww RS 444 5 
Zriflan ba Cunba. . . . . 14 70 04 
Grofidritannien: | 5219891 |) Sk6O0 166 7a 
Wage 2 2 es ew wt th 87200! 2200000 | 23 
Mamerun. .. 2... ee 493600 | 93500000 7 
Deutich⸗ Siidweftatrifa 830 960 200 000 0.9 
Deufa-Oftefrifta. . . . . | M1100!) A108 000 6 





Deut{gtand: | 2352K00 | 14806000 | 6 
Mevers Rony, Leriton, 6. Mufl., 1. Vo. 


bild 


145 
Auf 

Gebiete | BRilom. Renbiterung Mf 
Mabeira 2 ww tee 815 1394040 | 164 
Kapverdiſche Inſeln $851 114000 | 30 
Guinea 2. ww we ee 37 000 200 000 6 
Sao Thomé. . . . . 929 85000 | 37 
Brincios 3. ok ee we 151 4100 | 27 
Gugola . 2 1 6 ew ww 1815460; 4180000 3 
Mofambil (Freiftaat v.Oftafrifa) 768740) 3120000 4 





Portugal: | 2129685| 7787140 | 3,7 

















Militdrpoften in Maroffo . . 35 11008 | 314 
Rie: be UNO ee ke i ow 188 600 — — 
Aanariſche Inſeln... 7273) s94521 | 46 
Fernando Po . . 2. we 1998 25000 | 13 
Annobom. . . . . 2. se 17 3000 | 176 
Rio Muni 2... we. 25 600 | — = 
Spanien: | 223528 | - — 
i ee 247 300 829516 i,3 
Somalfiifte. 2. 2... 181293 | 210000 1 
Stalien: | 428593! 599516 1s 
Ggopten 2° 2. | 994300! 9821045 | 10 
Tripolié und Warfa. . - | 1083400 | 1000000 1 
Tirtei: | 2027700 | 10821045 | 5s 


Rongofaat 2252780 |14—30 i.| — 


Eine genaue ziffernmäßige Darjtellung der Bertei- 
lung des Areals und der Devatterung Erdteils 
auf Die einzelnen ſtaatlichen Gebiete läßt fid) nicht 
eben, da Die von den europäiſchen Mächten bean» 
pruchten Gebiete nod nidt fidher abgegrenst find. 
Der einginge ſelbſtändige Staat Nordafritas ijt jept 
nur n roffo; mit Mühe vermag die Türkei 
ihren Beſitz in Tripolis vorlaufig noc feſtzuhalten. 
Südlich von Maroffo hat Spanien einen langen Ril» 
ſtenſtrich erworben und feine Intereſſenſphäre aud in 
bie Sahara hinein ausgedehnt. Jn der Sahara woh: 
nen nomabdijierende Staͤmme, die es zu einer Staaten- 
nidt bringen fonnten. In dem dicht bevöl⸗ 
ferten Sudan finden wir aber Deipotien von an⸗ 
fehnlichem Umfange; dod) ftreben bier Franjofen, 
Englander und Deutſche mit aller Kraft nad Er— 
weiterun ger Yntereffeniphairen bis tief ind Innere 
hinein. Yin der Weſtküſte ijt in Liberia cin Staat freier 
ve, durd) Nordamerifa gegriindet worden. Ym O. 
hat Ubeffinien feine Unab igteit Italien gegenüber 
erhalten und deſſen —— am Roten Weer uit 
Waffengewalt eingeidriintt, wibrend England durd 
weitgehende Abmachungen, aud mit Deutidland, ſich 
die Freiheit der Bewegung bis ins Niltal ficberte und 
fo ben Anſchluß feines oſtafrilaniſchen Territoriums 
mit Aqupten vorbereitete. Yn das Kongogebiet haben 
ſich Frankreich, der Durd Die Rongotonferens yu 
Berlin geſchaffene Kongoſtaat und Portugal getetit. 
Siidlich und Hjtlich davon ijt alles and in den Han- 
den von Portugal, — —— und Deutſchland. Die 
Regierung wird in allen einheimiſchen Staaten in 
mehr oder weniger deſpotiſcher Weiſe geführt, nur 
beſchränkt durch gewiſſe Gewohnheitsrechte. Die mei⸗ 
ſten Reiche find durch Eroberung entſtanden; Daher 
hat ſich haufig cin bevorzugter Stand und damit cin 
Feudalfyitem ausgebildet. Sebr weit verbreitet fine 
den wir Dad Regiment erblicher Hauptlinge, fone 
in Dorfgemeinden, fo dak ganze Landjtriche am Ril, 
im Suban, in Jentralafrika und weiter nad S. ohne 
größern ftaatliden Berband leben. Dod) bat zuwei⸗ 
| len, wie bei den Hottentotten und den Vundavdlfern, 
außere Gefahr ju grifern Vundesgenoifenichaften ge 
- filbrt. Diefe Zerjplitterung mußte cine Befegung durd 
lu 


_— 8 8 © 8 ow 








146 


Europäer ungemein erleidtern. Die Inſeln find jest 
fãmtlich im Beſitz europäiſcher Mächte. Val. die » lber- 
ſicht der geſchichtlichen Ereigniſſe feit 1884« (S. 154f.). 

Die re famtlider Sewobner Ufrifas läßt fid 
natiirlid) nur anniibernd bejtimmen. Für den bet 
weitem größten Teil find wir auf Vtutmapungen an- 
gewieſen. Nad) Supan fommen auf 1 qkm in Nord- 
afrifa 7 (in Tunis 13, in Tripolis 1) Cinw., in der 
Sahara 0,9, in der nordtropijden Zone 10 (im mitt- 
fern Sudan 18, in Nordojtafrifa 7), in der fiidtropi- 
ſchen Zone 4 (in Ungola 9, in Deutſch-Südweſtafrika 
0,2) und im auertropifden Siidafrifa 3 (in Swafi- 
und Tongaland 4, im ehemaligen Oranje - Freijtaat 
1,6), in gang A. 5 Einw. Die Gejamtbevdlferung 
wird mit influ der Inſeln auf 168 Mull. berechnet. 

Handels: und Verkehrsverhältniſſe. 

{[Pandel.] Die vornehmiten Erzeugniſſe Ufrifas, 
die in Den Welthandel gelangen, find Palmil, Palm⸗ 
ferne (von der Wejtfiijte), Ropra, Kolosöl, Rautfdut, 
Elfenbein, Kaffee, Harze, Strauffedern, Diamanten 
und Gold (meiſt aus Siidafrifa), Gewiirgnelfen (von 
Sanjibar), Farb- und Schmuckhölzer. Das Kapland, 
Natal, Ugypten und Algerien führen Wolle u. Baum- 
wolle, die beiden leftern aud) Getreide aus, Mauri— 
tius, Ugypten, Réunion und Natal Zuder, das Trans- 
vaal Gold, das Kapland Diamanten, Maroffo Getreide 
und Bieh; Elfenbein klommt aus vielen Ländern. Der 


Silavenhandel iiber See ijt gum grogen Teil un: | 


terbunden, Dauert aber im Innern nod vielfad un- 
geſchwächt fort. Jn Bezug auf den internationa- 
ten Handel nimmt A. unter allen Erdteilen die nie- 
drigite Stelle cin, von dem auf 66 Milliarden Mt. 
geſchätzten Wert desfelben fommen auf A. nur 1'/2 
WMilliarde. Den Außenhandel vermitteln faſt aus- 
ſchließlich Europäer. 

[Wertehrdwefen.] Ym transozeaniſchen Verkehr 
wurde A. bis gegen die Mitte des 19. Jahrh. nur von 
Segelſchiffen erreicht, die Dampfſchiffahrt hierher hat 
ſich erſt viel ſpäter ausgebildet. England unterhält 
nach dem Kapland die Union-Caſtle-Linie nach St. 
Helena, Kapſtadt, Port Elizabeth, Eaſt London, Natal, 
Delagoabai, den portugieſiſchen Häfen der Ofttiijte. 
Mad) der Wefttiijte Ufrifas, den Guineahafen bis 
Loanda gehen die Dampfer der British and African 
Steam Navigation Company und der African Steam- 
ship Company von Liverpool und Hamburg fiber 
Rotterdam und Gran Canaria, wahrend die Ojttiijte 
von der British India Steam Navigation Company 
ſüdlich bis Delagoabai angelaufen wird. Bortugqal 
hat cinen reqelmagigen Poſtdienſt durd) die Dampfer 
der Empresa nacional de Navegaciio nad den portu- 

iefifchen Hafen der Weſtküſte und durd) die Empresa 

nsulana nad den Azoren eingeridtet. Die franzöſi— 
ſchen Dampfer der Messageries maritimes und der 
Compagnie Havraise laufen Ganjibar, Madagastar, 
Réunion, Mauritius und die Sefdellen an. Un der 
Wejthiijte verbinden zwei franzöſiſche Linien Bordeaur 
und Marjeille mit den Hifen Senegambiens und Free: 
town fowie mit Franzöſiſch-Kongo; im RN. werden 
Maroffo, Ulgerien und Tunis von franzöſiſchen Li- 
nien von Warjeille und Port Bendres aus befudt. 
Nad) dem Sirs führt von Untwerpen eine belgifde 
Linie. Deutidland hat feit Jahren eine Verbindung 
mit Der Wejtfiijte bis Kapſtadt durd) die Woermann- 
linie, die zahlreiche Häfen bis Loanda mit Hamburg 
verbindet. Die Ofttiijte von Uden bis Durban befahrt 
die Deutfde Ojtafrifa-Linie, und die Dampfer der 
Utlaslinie und der Oldenburg-Portugiefifden Reede- 
ret verfehren swifden Hamburg und Maroffo. Im 


Afrifa (Handel, 


Verfehrswejen). 


Mittelmeer werden Wlerandria, Port Said und int 
Roten Meer Suez von deutiden, englijden, franzöſi— 
iden, Bfterceichitcher italienijdjen und äghptiſchen 
Dampfern beſucht, Guatin auc von britifden, Maſ⸗ 
jaua von italienijdjen und britifden, Dſchibuti vor 
franzöſiſchen. Tunis-Goletta und Tripolis haben ita- 
lienijde und franzöſiſche Verbindung. — Das afri- 
fanijde Cifenbahnnesg ijt nod) befdrantt. Ins— 
geſanit umfaffen die Bahnen in Algerien und Tunis, 
ut der Kapkolonie bis hinauf nad) Britijd)-Betidua- 
nenland, in Natal, den ehemaligen Burenjtaaten, 
Deutſch⸗Südweſtafrila, Rhodejia, Deutfd)- und Brie 
tifd)-Ojtafrifa, die Delagoabahn, die Kongobahn, die 
Senegalbahu, die ägyptiſchen Bahnen, die Strede 
Majffaua-Saati, die portugiefifden Bahnen in Weſt⸗ 
| und Djtafrifa und die Bahnen auf Mauritius und 
| Réunion rund 20,000 km. Im Bau find jablreicde 
| Verlingerungen diefer Bahnen. Cijenbahnen jmd um 
| fo notwendiger, als nur der Rongo, der Niger⸗Binuẽ 
und der Sambeſi-Schire brauchbare Waſſerſtraßen 
bieten. Nil und Senegal tragen ebenfalls Dampfer, 
andre Strime fonnten jtredenweife benugt werden. 
Deutſche Dampfer befahren neben fremden Booten den 
Tanganjita u. Nyafjajee. Die Teleqraphenlinien 
| in gang A. haben eine Linge von (1898) 160,065 km, 
Rabel verbinden den Erdteil mit allen fibrigen. An den 
Endpuntten der Dampfſchiffs- u. Cifenbahniinien tritt 
der afrifanifde Charafter der Verkehrsmit— 
tel gu Tage. Yn Nordafrifa bis gum Sudan dient 
das Ramel als Reit- und Lajttier, in Siidafrifa ijt der 
mit 10—24 Debfen bejpannte ſchwerfällige Wagen das 
bewahrte Transportmitte!. Pferde und Maultiere ver- 
wendet man in Siidafrifa meijt nur bei den ſchweren 
Poſtkutſchen. In BWejtafrifa ijt der Reititier ein febr 
viel verwendetes Reifentittel, aber nur in den von der 
Tfetjefliege freien Gegenden. Jn Nordojtafrifa find 
Reijen gu Pferde und zu Kamel möglich, im mittlern 
Ojtafrifa werden fie durch den Efel erſetzt. In Lunda 
und Loango ijt als Reifemittel die Tipoya, eine Sänfte, 

ebriudlid. Gepäck und Warenlajten müſſen aber 
Bier, wie im ganjen jentralen A., mit Trigerfarawa- 
nen befirdert werden. Bedingt durd) die Natur des 
Landes haben fich beſtimmte Rarawanenjtraken aus, 

ebildet. Yn Nordafrifa haben fich die Züge derjelben 
in Den letzten Jahren merflid) verjdjoben. Der Handel 
von Wadai geht nidjt mehr über Kaua und Murſut, 
jondern durch die Libyſche Wüſte fiber die Dafen Kufra 
und Wudjdila nad) Bengafi. In der wejtliden Sa- 
Hara sieht eine grofe Karawanenſtraße von Timbuktu 
iiber Fubeni nad) Tafilet und von da zur Küſte. Für 
den Saljhandel aus den Ratronfeen in Fezzan und 
aus Vilma bejtehen Stragen nad Tripolis, nad dem 
mittlern und djtlidjen Taudeni, nach den wejtliden 
Teilen der Sahara und des Sudan. Aus dem Wejten 
führt die große Pilgerſtraße nad Meffa. Bon Sofoto, 
Wurno und Kula ziehen Handelsſtraßen nad dem 
Niger und VBinué und nad) Timbultu. Bon W. her 
führen drei Strafen ing Innere Ufrifas: Loanda- 
Malanſche-Kaſſandſche-Kimbundu und weiter ser 








Reid) des Muata Janwo, Venguella-Bihé zur Waſſer⸗ 
ſcheide zwiſchen Kaſſai und Sambeſi, endlid) von Mof- 
ſamedes nad) dem Rubango-Quellgebiet und dem 
obern Sambefi. Bon O. geht die Route Bagamoyo- 
Mpwapwa-Tabora ing Land, fie fpaltet ſich in meh— 
rere Routen, die den Bictoriafee und den Tanganjifa 
erreidjen. Die Strede Tanganjifa-RNyangwe bildet 
das Mittelglied zwiſchen den öſtlichen und weſtlichen 
Routen. Qn Siidafrifa endlich fiihrt eine große Han- 
delsſtraße von Kimberley Durd) das Betſchuanenland 





[Zam Artikel Afrika.) 
Register zur Karte ,Forschungsreisen in Afrika‘. 


Die Buchstaben und Zahlen zwischen den Linien | 3,4 I bezeichnen die Gradfelder der Karte. 


— — —U— 


d'Abbadie 1843..........) Fad Felkin und Wilson 1879 














oe EFS Mey er,H., 1887,1889, 1898 * 1894 | A2 











d'Albéca 1891. eens a, acuta Ct Ferrandi 1891,........+-. G4 Minutoli 1820...... El 
Aliun - Sal 198263 . seeeeee | ABS Fischer (G. A.) 1883/86... . . V5 Mizon 1883/92... . «1... D4,5 
Anderson, A, A. 1864/80 . E7 Fischer eobald) 1899 .... Bl Mohr 1870. .......... E6,7 
Anderson, B, 1868........ AB4 Fiatters 18S0/81.......... 1,2 Montell 189192,....... .| BCS 
Andersson, C, J. 1851/59... . | D6,7 Flogel 188084........4. CbD3,4 | Monteiro 183182.....-... F6 
d'Andrada "1881. aes mia aot Fé Foucauld J883/84........- Bl Morgen 1889/91. ......... D4 
Antonelli 1883 ......-... G38 Foureau 1890...... Cl,2 Moustier, s. Zweifel. 
Arnot 188586..........6. EA Fouresu und Lamy 1898) 1900. CbD2,4 | Mallens 1873 . — G6 
Ascherson 1876. ........45 EF2 Fournenn 1889/91 .......- D4 MungoPark1795/97 ABS, “1805; 1806) BC3 
Aubry 1889385 .......+5- FG3, 4 | v. Frangois 1888/90 BC3,4, 1891 | DE6 | Munzinger 1861/71........ FG3 
Austin 1900 2.2... 6.4 e eee Ft Francois u. Grenfell, s, Grenfell Nachtigal 186974... ..... . | DEI3 
Baikie 1854... .6..2265- cD4 — u. Wissmann, s. Wissmann. Nachtigals Diener 1873... . . DEA 
Baines 1861/71 .......--. DEG, 7 | v. Fritsch 1863 .......... A2 Nilsen - Lund 1887 . eee Gi 
Baker 1864 .....- 04205 ra Gallieni 1880 .... ....-. ABS O'Neill 1881/84 ........-. F6 
Halfour 1880. .. . . s van Géle 1886... 2.0... DE4 | Oudney 1822 .,........-. | Ds 
Barth, Heiprich 1845 . ; Fe Gendron 1899/1900. ...... | D5 Overweg 1850/52... = ..... D3 
— — 184546 DEI, 1856/55. B-D2,3] Gentil 1897 .........5-- | D3,4 } Panet 1850 ............ A2,3 
v. Barth 1876 —8 1876. — Karton | Gessi 1876........ — (ee Passarge 1893/04 D4, 189698 . | E6,7 
Bastard 1896/99 . oes Gi Gibbons 1899/1900...... E5, 6 Paulitschke 1885 .........  G3,4 
Bastian I8ST7 2... 2. ee ee DS Girand 1883.......... , EF6 Pearce 1899. 2.2... ee ee | ¥F6 
Baumann 188692... ...... C4, EPS] Gétzen, Graf von 18%... . . EFS Peters 188990,.......... | FG5S 
Bent 1801 .....-50- eee ¥6,7 Gouldsbury 1881... .... Au. 4 Petherick 1862/)63......... 
Bernsmann, s. Bohm, Grandidier, A. 1868)70..... | G6,7 Pigott 1889 ....-.... eo PS 
v. Beurmann 1860/63 ...... D-F2,3] Grandidier, G, 1898/09, 1001 Gi Pogge 1875 ........ E5, 6 
Binger 1887/89 ......---+. Ba, 4 Grant, s. Speke. Pogge u.Wissmann, s. Wissmann. 
Bébhm und Bernsmann 1877. . | D6,7 Greeff 1880... we eee C4 Pohle 1885 ..0e sc eesene bi 
Bohm, Reichard u.Kaiser 1883/84 | E5,6 | Gregory 189293 ......... FS Pombeiros 1806. ......... E5, 6 
Bohndorff 188083 .......-- EA Grenfell und v. Francois 1885 | DE4,5 | Prout 1875/76........--. EFs 
Bonchamps 1897 ........ . r4 Grogan 1899 .......4-.+5. EFS Prayssenaere 1859/4 ..... ‘ Fs 
Bornhardt 1895),97 ........ F5,6 Gruner 1895. ......... . | BC3,4 | Purdy 1873;76........+.. EF2, 8 
Rottego 189597. ......-..- *4 Gabteldt 1879/75 ....... 2.) CDS Ragazzi 1887 .....-.6-6+ G4 
Bottego-Grixoni 189293 .... G4 Habn 1866...-..-...-.. D6,7 | Rath, s. Hahn. 
Bourg de Bozas 1901/1902... | FG4 Hahn und Rath 1857 . D6, 7 Rebmann 1G47 we cc cvsess FS 
Bowrel 1860 .........-- A3 Hartert u. Staudinger 1885.86 - C3, 4 Reichard, s. Béhm. 
Brazza, Giacomo di 1885. ...| D4,5 | Hartmann 1900.......... | D6 Reif 1860 2... eee ee eee A2 
Brazza, Savorgnan di 1878/82. D5 Hath 18GB 16 sec | Ga.4 Révoil 1880/83 .......--. GH3, 4 
Brenner 1867 ........+4-+ PG4,5 | v. Heuglin 1856.76 - ... | EF8,4 | Richardson 1877........-.- Gi 
Bricebetti- Robecchi 1890/91 . . G4 Hildebrandt 1872/73 . 3508 FG8 Richardson, J. 1850. ......) C2,3 
Browne 179896. ......... E2,3 | Hodister 1800,.......... E4,5 | Roget 1890 ......-5-505 | FA 
Bruce 1772 ........+.- ° F3 v. Hobnel und Teleki 188788. | F4,5 Rohlfs 1862/64 B-D1,2, 1865,67 CD14 
vV. Bash 1015 2 svc csaees A2 Holub 1873/79. .......54+ E7,8 — 1869/79 DEI,2, 188081 . F3 
Buchner I878/81 ......-..- DES, 6 | Hornemann 1798......... DE2 Roseher 1860 ........--:. Fé 
Bu Derba 1858.........- C1,2 | Hostains d'Ollone 1899 ..... B4 Rouvier 1886 .......6555 5 D5 
Bu-el-Moghdad I861...... A? Houlder 1576.. | G6 Russegger 183799 ..... ~+-]| P28 
Buot und Bernard 1900, .... D+ Hourst 1830688 BC3 Rutenberg 1877/78 .....56 +> G6 
Burekhardt 1819/14. ....... F2,3 Hiibner 1670.......... Ei Schinz 1885.....+.5 ..... | DEST 
Burin, s. Colonien. Ivens, 3, Capello, Schmidt 1886 .........-.+| G6 
Burton 1854.......65555 G3 | Jackson 188990 ......... F4 Schnitzer, s. Emin, 
Barton und Speke, s. Speke. James 1885 ......--0+-- G4 Seliran 188590 .......+..- | CD4 
Bittner 1885 ........... D7 Janssen 1889 ........0554 BA, 5 Schuver 1881/83 ......... | Pad 
Caillié 1824 AS, 1827/28 . AB1-3 | Johnston 188990,....... | Fs Schwelnfarth 184486 ...... EF?2-¢ 
Cameron 1873/75 oe agees DES, 6 | Julien 1899 .......-4-.-. FA Schynse 1891 .......5- ae FS 
Capello und Ivens 1877/79. D5,6 | Junker 1875 EF, 1876.....) F3,4 Selous 187888 ......6.... EF6 
— — 188495 ......646- D-F6 ee | eeerare ee er es RF¢ Serpa Pinto —— Sate eas D-F6, 7 
Garon 186T 1. ce vecsease BS Kaiser, s. Béhm. Sharpe 1890. Sree EF4 
Cavendish 1897. .........- Ft Kandt 1898/1902 . 2... .-. EFS Silva Porto 185258 ....... EF6 
Cecchi und Chiarini 187880. .| FG3,4 ] King 1886........ act G3 Simony 1888 ....... A2 
Chanler und v. Hébnel 1892 . | F4,5 Kirby 1884 ........... ° B4 Smith 1894/95 PGs, 1690/1900 . F4 
Chavagnac 188] ......... Bl Kling 188890 ........... C4 Soleillet I874...... ; C2 
Chiarini, s. Ceechi. Klunzinger 1863/75. ....... Fr Speke 1855 2.6.6 eee eee G3 
Cholet D4,5 | Knothe 1888...........- EF? Speke und —— 1883 . : — — 
{| CD2,3,] Krapf 184552........... F5 Speke, Burton, Grant 4, 
Clapperton 1822/26 a. 1826/27 .)| “og"s"] Kramp 1701..........-. yo | Stanley 1871 FS, IST4/77. « | DEA, 5 
Clarke 1887 ..........., ‘ ET Kund und Tappenbeck 188589 | DE4,5] — 188789 .....-.-- +++ | EFS 5 
Colomb 1856/57. ......... cl Laing 18956........... B2,3 Staudinger, s. Hartert. 
Colonien und Burin 1860 ...] Cl,2 Lander 1826.30 ....... -.| C34 Stecker 1881/82..... ...+) FGS4 
Colston 1875 2.2... -054. rs Langheld 1897 ........ ‘ F5 v. Stein 190] . 2.2... 00s ee D4 
Comber 1880 .........-. DS Largeau 1875 ......-00.:5 cl Steinticker 1888. ......+-- di 
Crampel 1888/91 .,....... |) DE4,5 ] Le Marinel 1890........, E5, 6 Steudner 1861/63 ......... F3 
Dants 1898/1900 ......... F5 Lenz 1874/80 ......-.+.. BOCl-4 | Stewart 1879 2... 6.6... 06: F6 
v. d. Decken 186065 ...... {| PG4,5 | Le Roux 1901 ........ | F8,4 Stocker 1888 ...... oee--| BY,8 
Decoeur und Baud 1895 .... | BC3,4 ] Linck 1900 ..........-. F3 Stuhlmann, « Emin. 
Delbrel 1899 ......., eve Bl Livingstone 1841/49. ...... | DE6-8 | Tappenbeck, s. Kand. 
Deleommune 1888/89 ...... ES 1853/56 D-F5,6, 1859 F6, 1867/73 | EFS,6 ] ‘Teleki, s. v. Héhnel, 
Denham 1822/24...... ...+ | OD2,3 | Lagard 1891/92 FG4,5, 1894/05 (4 Thomson 18794........6- EF4, 5 
Doelter 188081..........|Karton | Lupton 188183 ..........) EF4 Thomson, Jos, 1888....... Bl 
Donuls 1887 2... ce eee ee A2 Macdonald 189708... 2.2... F4 Traversi 1886......-++.+. ¥F4 
Doyle 1891 ....046.05+..+] FOOT Maclaud 1899........... AS, 4 Vineent 1860 ......, —XR a2 
Dromard 1898/1#00 ...... . B4 Mage 185980. . . ABS Voeltzkow 1889/95... .... G5-7 
Du Chailia 1865 ,........ CDS Magyar 1851 ........4.-. DES,6 | Vogel 185456.......-.-- C-FS, 4 
Duyeyrier 185960 Cl, 1860/61 | CD1,2 | Maples 1881... ........ | FPG6 | Wellby 1999............| Fé 
Dybowski 1891.......... DE4 Marchand 1897/99 er ecener | B-G4 Weillsted 1834, ........., H3 
Ellis 18625....... ..+. G6 Mardochée 1858 ........- B2 Wilkinson 189)......--.. El 
Elton 1870...... 2 EF7 Marno 1880 .......... BRF4 Wilson, s. Felkin, 
Emin (Schnitzer) 1877/89... . F4 Mason 187677 ...... -... | EFS,4 | Wissmann ou. v. Frangois 1885 | DES 
Emin und Stuhlmann 1891/92. | EF4,5 | Matteucei 1880/81 ....... CDS,4 | Wissmann u. Pogge I88L82..) DES 
Eggers 1899..... teeecevas DES Mauch 1866/72 ......... | EP6,7 | Wolf 1885/86 DES, 188889 ..) Ca,4 
Ensor 1875/76........... EFS Mayo 1882.......+e00-: D6 Zeaner 1889. .......-.+55 cD4 
v. Erlanger and Neumann 1900 | FG4 [| Mechow 1880.......-..-- DS Zintgraff 188889... .+| D4 
Erakine 1872/75.........5 Fi Ménard 1891/92.... .... | Bd Zweifel und Moustier 1879 .. | ABI 


Meyers Konv.- Lexikon, 6. Aufl., Briluge Digitized by Google 


he Ubersiche der 


Fors«chung-ereisea in Afrika. 











Chroneloegi« 
Nord westefrika, TAbvad .. 141 äM bo Ls 
17%—9T ama | Barth. Metered -. 1m rt Maples el —* 
Mange Pork 4 2 | Lepees is4S Fr? Woeetaas a r. gee AP 1 
7. Bach }**% Aa Rartes .. ta tre | ONev) _ js-l 4 a) 
Osdoey 1ss? ir Speke i= 3 Maro pz I~ 
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Hebran..... 188590 CI4 Cavendish... ... 1897 74 
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Afrika Entdeckungsgeſchichte). 


nach Schoſchong und weiter zum Sambeſi. Dieſer 
Route folgt die dort jetzt ſchon weit vorgeſchrittene 
Eiſenbahn. An allen dieſen Verkehrsſtraßen befinden 
ſich wichtige Märkte. 

Die Geldforten und Tauſchartikel ſind in A. 
ganz eigentümlicher Art. Der in Oſterreich noch immer 
geprägie Mariathereſientaler mit der Jahreszahl 1780 
gilt an der Weſtküſte bis tief im Innern des Sudan 
und in Sanſibar; an der ganzen Oſtlüſte und in Abeſ— 
jinien die indijde Rupie, in Deutſch- und Britiſch— 
Ojtafrifa ſeit kurzem aud) die von der Deutſch- bez. 
Britijd Oſtafrikaniſchen Geſellſchaft geprägten Rupien 
(. Tafel ⸗Münzen VI«). Goldmünzen werden nur 
in den europäiſchen Kolonien als Zahlungsmittel an- 

enommen. Reber. dem von Europäern verbreiteten 

[de hat einbeimifdes Eiſengeld weite Verbreitung, 
am Saari in Form diinner Platten, am obern Kongo 
in Form von Haden, am Wibertfee in Form von Speer- 
ſpitzen. Rupfergeld in Form von Kreuzen ijt im Rongo- 
becten verbreitet, die Kaurimuſchel gilt tm gangen weſt⸗ 
lichen Sudan, Sal; in Stangen im fiidliden Gudan 
und Ubeffinien, Baumwollenzeuge, Glasperlen, auc 
Eiſen- und Meſſingdraht find das Geld vieler Teile 
Wnnerafrifas. Dazu fommen nod Gewehre, Muni— 
tion u. a. Überall fudjen die Hauptlinge Soll gu er- 
heben, fet es in Sflaven oder in Waren, und cifer- 
ſüchtig jtreben mance Stämme der Küſte, ihr Han- 
delsmonopol ju wabhren, indem fie den Europäern 
das Bordringen ins Innere verivehren. 


Entdeckungsgeſchichte Afrikas. 
(Hiergu die »Rarte ber Forjdungsreijenc, mit Negifterblatt, und 
Portrattafel oMfritaforjder I ou. Lhe.) 

Sdon die alter Wg ypter unternahmen Biige 
nad) den Negerlaindern 5 ae und nad) dent 
Oſthorn des Erdteils. Konig Necho beauftragte 600 
v. Chr. phöniliſche Schiffer, UW. vom Roten Meer aus 
zu a sr was ihnen aud) gelang. Phöniker 
Hatten übrigens jdon von 1100— 950 an der Wejt- 
fiijte Maroffos von Elmehaſſen bis zum Draa 300 
Rolonien begriindet. Von Karthago aus drang um 
470 der ältere Hanno mit einer Flotte bis über 
Sierra Leone hinaus vor. Von Griechen bringen Nach— 
ridjten fiber den Rontinent Herodot, Eratojthe- 
nes, Hippard, vor allem aber Rlaudios Btole- 
mäos, der das genaueſte Bild von A. im Altertum 
entwarf. Er ftellte die Lehre von dem »Mondgebirge« 
und den »Rilquellfiimpfen« auf. Rimifde Heer- 


führer zogen Durd) bie Sahara (Alius Gallus, Sue: | 


tonius Baullinus, Septimius Flaccus, Cornelius 
Balbus, Julius Maternus), und Kaiſer Nero ent- 
fandte cinige Offiziere den Nil aufwarts. Das Wiſſen 
Der Alten von UW. wurde ein Erbe der Uraber, deren 
roße Geographen es anſehnlich erweiterten, fo Maf- 
Adi (947), Ibn Haulal (976), Obeid ef Bekri, der 
1067 die erjte Geographic der Regerliinder ſchrieb, 
Idriſi, der das arabiſche Wiſſen tiber A. aud farto- 
—— niederlegte, Jon Chaldun, Ibn al Wardi, 
bulfedã (1273—1332), Bakui, Leo Africanus 
(1492 —1526), Jon Batutä, der den Sudan und 
die Ojttiijte bereijte, u. a. Den Kirchenvätern und Ge- 
lehrten des frithen Mittelalters galt Innerafrika 
al8 Wüſtenei voller Untiere und menſchlicher Mißge— 
jtalten. Gebr viel trugen zur Erfenntnis Afrilas ita. 
lieniſche Raufleute im 13. und 14. Jahrh. bei, die 
gang Nordafrifa durchzogen und den heimatlichen 


artographen (Marino Sanuto, Giovanni Leardo, 
Fra Mauro u. a.) unſchätzbares ‘al lieferten. 
Das Verdienjt, dic wahre Küſten feſt⸗ 


147 


geſtellt zu haben, gebührt den Portugieſen. An— 
geregt von dem Infanten Heinxich dem Seefahrer 
(1416-—60), ſchritten die portugieſiſchen Expeditionen 
immer kühner am Weſtrand Afrikas nach S. vor. 
1434 wurde Kap Bojador umſegelt; 1456 umfuhr 
Ludwig Cadamoſto das Kap Verde und gelangte 
bis zum Gambia, 1472 wurden Sao Thomé, Unno- 
bom und Principe erreicht. 1484 drang Diego Cio 
(in Des deutſchen Ritters Behaim Begleitung) an der 
Wejtliijte weit iiber Den Kongo nad S. vor. Barthol. 
Diag entdedte 1486 die Südſpitze. Schon 1498 wurde 
das Rap von Basco da Gama umjdifft, die Ojttiijte 
VUfrifas befahren und von Melinde aus endlich Indien 
erreidt. 1503 langte Saldanha am Rap Guardafut 
an; 1520 erreicdhte man Ubeffinien, 1541 fant Ejteban 
da Gama bis Sues. Englander, vor allen aber Hol- 
lander, {pater aud) Dänen, griindeten Handelsplage 
an den Küſten Oberquineas und riffen den Handel an 
fid). 1682 legte Brandenburg Faltoreien an der Gold- 
fiijte an, die aber 1720 an Holland verfauft wurden. 
1697 ſetzten ſich die Franzoſen am Senegal feſt. 

Die Verarbeitung des Wiſſens über A. im 
16., 17. und 18. Jahrh. war eine ſehr rege. Die wich— 
tigiten Werke aus diefer Reit find die von Pigafetta 
(1591), Marmol del Carvajal (1573—79), Alvarez 
(1533), Cauche (1651), Flacourt (1658), Suchelli, 
(1712), Dapper (1668), Ludolf (1681), Boncet (1712), 
Lobo (1728) u. a. Cine kritiſche Bearbeitung der Karten 
von A. nabmen die franzöſiſchen Geographen del’ Isle, 
vor allen aber Bourguignon d'Unville in Ungriff. 
| Unter den Forjdern der Folgeseit feien unter vielen 
andern genannt: Shaw (Maroffo), Peter Kolbe (Kap⸗ 
| land), Adanſon (Genegambien), Bruce (Abeſſinien), 
Patterſon (Siidafrifa), Sparrmann und Thunberg 
(Rap). Seit 1788, dem Griindungsjahr der African 
| Association, ward die Erforjdung des Erdteils fyjte- 
matiſch in Angriff genonunen. 1873 wurden durch 
die Griindung der Deutfden Gefellfdaft sur Erfor- 
jung Uquatorialafritas die Kräfte und Mittel ded 
deutſchen Volles, 1877 durch Konjtituierung der Brilf- 
ſeler Snternationalen Ufritanifden Aſſoziation die 
Mitarbeit der gangen jivdilifierten Welt su gemeinſamer 
Forſchung in A., zur Bekämpfung de3 Sflavenhan- 
dels und zur Bivilijation des afrifanijden Feſtlandes 
lonzentriert. 

Neuere Forſchungsreiſen im Nilgebiet. 

Bon der Nor dküſte war der Weg nad) dem Innern 
von A. durd) den Lauf de3 Rils von der Natur vor- 

gezeichnet. Den Nil aufwarts follte 1788 Ledyard 
| tm Wuftrag der African Association dringen; er jtarb 
| in Der Libyfdjen Wüſte. Gliidlider war 1792 W. G. 
Browne, der Dar Fur erreidte. Die franzöſiſche Offu- 
pation von Ägypten (1799) veranlajte die Reijen 
v. Waldeds, Hamiltons, Denons, Girards im obern 
Niltal. Wn der Erforſchung des obern Nilgebietes 
beteiligten fid) ferner Burdbardt (1814—17), Li- 
nant (1827), Rujfeqger und Kot] dy (1836—38), 
Werne (1839—41). Min Bahr ef Ubiad (Weißer Nil) 
unternahmen J. Knoblecher feit 1849 und F. Mor- 
lang feit 1859 bemerfenswerte Reijen; ferner Brun 
Rollet 1848—51, Cuny, der 1857 nad) Dar Fur vor- 
brang; J. Betherid 1848—63, die Gebriider Boncet 
feit 1860, Giovanni Mia ni, der 1860 bis 2°30‘ nördl. 
Br. tam und 1871—72 eine Reife bis gu den Mon— 
buttu ausfiihrte; Undrea de Bono 1861, der Mardefe 
Untinori 1860—61, Ulfred Peney 1860 —61, Guil- 
faume Lejean feit 1861, Frau Tinné mit ihrer Tod. 
ter Alexine 1862—63, van Pruyfjenaere aus Briigge 
1863 u. a. Die Expedition Theodor v. Heuglins, 

10* 








148 


an der Steudner, Th. Kinzelbach, M. Hanfal und 
Schubert teilnahmen, und der fic in Neren Werner 
Munzinger anſchloß, ging 1861 bis an die Nord- 
grenze Abeſſiniens, wo fie ſich trennte; Heuglin durd- 
reiite mit Steudner und Schubert Abeſſinien und fam 
erjt im Juli 1862 nah Chartum, von wo Munzinger 
und Kinzelbach einen Vorſtoß nad Wadai vergeblid 
verſucht hatten. Rad dem Tode von Steudner und 
Schubert fehrte die Expedition 1863 heim. Wdalbert 
v. Barnim (Sobn de3 Prinzen Wdalbert von Preußen) 
retite mit Rob. Hartmann von 1859 an in Nordojt- 
afrifa und ftarb 1860. Am Blauen Nil drangen 
1869 und 1870 Ernit Marno, Wilhelm v. Harnier 
aber bid GonDdoforo vor und fam 23. Nov. 1861 auf 


der Büffeljagd ums Leben. Sam. White Baker, der 


icon 1861 Die Zuflüſſe des Utbara in Abeſſinien er- 


forict batte und 1862 von Chartum aus bis Gondo- | 


foro retite, wo er mit Spefe (j. unten) zuſammen⸗ 
traf, brad, durch dieſen zur Nilforſchung angeregt, 
nach S. auf und entdedte tm Mar; 1864 den Mwutan 
(Wilbert Niania). Bruyffenaere bereijte eile des 
Gebietes zwiſchen Dem Beißen und Blauen Nil, Klun⸗ 
singer beqann feine Forſchungen am Noten Meer, Biſ⸗ 
ion und Slaſſich retiten am Utbara. Georg Sh wein- 
furth befuchte 1864 die Landſchaften am Roten Meer 
und erforidte feit 1868 die Landichaften der Didur, 
Por, Riam-Riam und Monbuttu. Er drang bis 
3° 35‘ nordl. Br. vor, fand den leile, entdeckte das 
Swergvolf der Alla jowie einen anthropoiden Uffen 
und febrte 1871 Durd das nod unerforidte Dar 
Fertit zurück 

Weitere Aufſchlüſſe brachten die Feldzüge des Che- 
diveim Sudan. Dar Fur wurde erobert, aufgenommen 
und erforidt (Pfund. Purdy, Coljton, Gordon, Prout) 
und die Aqnptiiden Grenjen im S. bis nabe an die Nil⸗ 
jeen vorgeſchoben. Den Nil aufwarts dehnten feit 1874 
die ãguptiſchen Generaljtabsoffiziere ihre Aufnahmen 
aus (Long, Chippendall, Wation, Linant de Belle- 
fonds, Geſſi). R. Geffi und Maſon befubren den 
Wwutan und jtellten femme Umrandung feit. Im Dienjt 


Agyptens erforidte fett 1877 der Deutiche Schniger | 


(Emin) die Gebtete weitlidh vom obern Ril und durd- 
30q das Vand der Bari-, Latula⸗, Sculi- und Madi- 
ſtamme; unter, der ſchon 1876—78 Die obern Ril- 
lander durchforſcht hatte, dDrang 1880-—83 in Die 
Lander der Niam-Niam und der Monbuttu bis an 
den Uelle und Bomofandi vor. Bohndorff beretite 
Dar Fertit. Cafati foridte 1882 in den Niam-Niam- 
lindern. Der Mufitand de3 Mahdi feste den Forſchun⸗ 
gen in dieſen Gebicten ein Biel. Nad der Bernid- 
tung der Mahdiherrſchaft 1897 wurde das obere Nil- 
gebiet wieder von R. ber zugãnglich. Inzwiſchen hatte 


die franzöſiſche Expedition Mardand vom Kongo | 


her 1898 Faſchoda am Nil erreicht, mußte den Blog 
jedoch räumen und ging dann den Sobat und Baro 
aufwarts nad O., wabrend Bondhamps 1897 ver- 
geblich veriudht batte, den Ril von Abeſſinien ber zu 
erreichen. Der Sobat wurde 1899 von Marie und 
Capper befabren; diefen Fluß aufwarts ging ferner 
Auſtin mit Bright, fie drangen bts zum Rudolffec 
vor und febrten nad N. yum Baro juriid. Lind 
fiibrte 1900 geologiſche Unterfudungen m Rordofan 
aus; am Blauen Nil waren Crosby und Le Nour 
tatiq. De Dafengruppe tm BW. des untern Rils wurde 
porwiegend ju arddologifden Sweden beſucht, ded- 
leichen Myrenaifa und die Cale Siwah. Turd die 
ridhung dieſes Gebiets zeichneten fich aus: Boutin. 


gem, Gailliaud, Letorjyec, Drovetti. Rananti, Della Cella, 
OS Bacifico (1817), Pacheco (1824), Minutoli (1820), 


Afrika (Forſchungen im Rilgebiet und im ndrdlidjen Ufrifa). 


Hosfins, Hamilton (1852), Rohlfs (1869) und Stein- 
dorff (1899). Die Daſen am Ril erforidte Gerhard 
Rohl Fs (1872—73) im Begleitung von Zittel, Jor⸗ 
danund Aſcherſon. Sdhweinfurth erforjdte Char- 
qeh, Rohlfs und Steder (1879) da8 vom DO. Her 
früher nicht erreidjte Rufra; Camperio durchzog 1881 
Syrenaifa. 
Forſchungsreiſen im nördlichen Afrika. 

Der Deutſche Hornemann ging 1798 von Kairo 
fiber Murjul nad dem Sudéan, wo er jtarb. Nach thm 
zogen 1817 Ritdhie, Lyon, Depon und Belfort geqen 
* zan, wo die Expedition nad) dem Tode Ritchies ſich 
au tsite Glücklicher waren 1822 die Englinder H ud - 
pag f Denham, Clapperton, die nad Bornu und 
in die Haujjajtaaten vordrangen. Major Laing ge— 
| langte 1825 von Tripolis über Inſalah nad Timbuftau, 
wurde aber auf der Riidreife ermordet. 1849 entiandte 
die englifde Regierung eine Expedition nad bem Sar- 
dan unter Ridardjon, Overweg und Barth. 
Richardſon, dann Overweg (1853) jtarben in der Rabe 
von Stufa, nur Barth fehrte nad) 5'/s Jahren iiber War 

und Tripolis mit hodwidtigen Ergebnijjen im die 
| Heimat juriid. Vogel aber, der 1853 nadigejendet 
‘wurde und nad) Barths Heimreiſe feine Foridungen 
weiter fortiegte, fiel gu Wara in Wadat 8. Febr. 1856, 
| ein Opfer des Fanatismus. Um fein Schidjal feſtzu⸗ 

itellen, wurden v. Beurmann und Gerhard Rohlfs 
ausgeſandt. Erſterer ging von Bengaſi tiber Bilma 
nad Sufa, beſuchte Satoba, wurde indes in Wadai 
im Februar 1863 ermordet. Gerhard Rohl fs be- 
| fudhte 1861 zuerſt das weſtliche Marokfo bis jum Wadi 

Draa und der Oafe Tafilet, gelangte 1864 über den 
Atlas nad) Tafilet und Tuat und wendete ſich über 
| Ghadames nad Tripolts (29. Dez. 1864). 1865 ver⸗ 
ſuchte er vergeblidh, fiber Murſul in Wadat einzu⸗ 
| Dringen, wandte fic) num nad Kuka und von da über 
| Den Riger nad) Lagos zur Miljte (1867). Dem Ita⸗ 
liener Matteucci gliidte 3 1880—81, von Guafin 
| fiber Dar Fur, Wadai, Bornu und Kano zur Riger- 

miindung ju —— Buonfanti reijte 1881 83 
pon Tripolis ũber Kula, Nano, Timbultu nad Lagos. 
Um dem Sultan Omar von Bornu Geſchenke des Ad 
nigs Wilhelm I. von Preußen gu fiberbringen, rũſtete 
Guſtav Nachtigal 1869 cine Expedition in Tripo- 
lig aus. Zugleich mit ihm brad Ulerine Tinné nad 
S. auf, wurde aber fchon unfern Murſuk von den 
Tuareg ermordet (Juni 1869). Radtigal aber unter- 
nabm eine Reije zu den Tibbu, deren Land (Tu oder 
Tibeiti) er als der erjte Europäer erforjdte. Halb 
veridmadtet und beraubt, langte er nod glücklich int 
Januar 1871 in Kula an. Jn den beiden folgenden 
Jahren erforidte er Borqu, Bodele und Bagirmi, 
dann Wadat, durchquerte Dar Fur 1874 und gelangte 
von ba glücllich an den Ril. 

Tunis uw. Algerien erforidten Bory de Saint- 
BVincent, der 1840-44 die Exploration scientifique 
de l' Algérie leitete, franzõſiſche Heerfiibrer (Cavaig- 
nac, Réliffier, Durrieu, Duboc, Chevarrier, Dubos. 
quet), Berbrugqger, Coffon (Botanifer), Mares, Bonne- 
main, Defor, Cider von der Linth, Wimpffen, Tiraut, 
Rebatel, de Colomb, dann Colonieu und Bouvin, die 
nach Gurara vordrangen. Duvehrier unterfudte 
jeit 1859 die algeriſche Sabara, Ghadames, Ghat und 
das Land der Tuareg. Weiter forſchten bier Robi Fs, 
M. Wagner, Solerilet, der 1874 Inſalah befudte, 
Largeau (1875), Wucapitame, Flatters u.v.a. Ber- 
geben’ ſuchten Dournaur-Dupéré und Joubert von 
Wigerien nach Timbuktu vorzudringen, der Deutidhe 
v. Bary verlor 1877 fein Leben in Mir anf dem Wege 








Afrikaforscher I. 














Heinrich Barth. David Livingstone, 
Geboren 16, Februar i521 in Hamburg, gestorben 25. November 1465 Geboren 19. Marz 1415 im Blantyre, gestorben 1. Mai 1873 
! in Berlin. in Afrika, 











Gerhard Rohlfs. Georg Schweinfurth. 
Geboren 14, April 1531 in Vegesack, gestorben 2% Juni 1996 Geboren 29, Dezember 1456 In Riga. 
in Godesberg. 





Meyers Konv.-Lexikon 6. Aufl. Bibliogr. Institut in Leipzig. Zum Artikel ,Afrika'. 


Afrikaforscher II. 





Gustav Nachtigal Henry Morton Stanley. 
Geboren 3. Februar 1534 in Eichstedt bei Stendal, gestorben Geboren 24. Januar 1841 bel Denbigh in Wales. 
1® April 1885 am Bord der Miwe auf der Hibe von Kap Palmas. 





Emin Pascha (Eduard Schnitzer), Hermann von Wissmann. 
Geboren 20. Mira 1540 in Neibe, ermordet 20. Oktober 1892 Geboren 4, Beptember 1653 In Frankfurt a 0, 
In Afrika, 


Ajrifa (Forjdungen im Norden, Vordringen vom Nordweſten). 


nad den Rillindern, Rrauje —— 1878 Tripolis. 
In Algerien und Tunis machten Lameſſan, Leroy, 
Riviere, Fallot, Barabom, Campon, Mayet rc. natio- 
naldfonomijde Studien; hier arbeiteten aud die Deut⸗ 
fdjen TH. Fifer, W. Robelt und R. Fitzner. 
Die Unterjudungen der Shotts durd) Roudaire, 
Stade u. a. bradten widtige geographijde Ergeb- 
niſſe. In der algerijdjen Sahara erforidte Foureau 
die Landſchaft Mader und das Tademait - Plateau, 
ferner 1895—96 Die tunejijdj-algerijde Sahara und 
dDurdquerte 1899 mit Lamy die — über Wir auf 
der Barthiden Route gum Tadfee. 

In Maroklo forjdten Lempriére (1789), Olaf 
Agrel, Ali Bei ef Abaſſi (1803—1805), Rintgen, der 
Englander Gray Yadjon (1804), Graberg v. Hemſö 
(1815—23), Cojjon, Didier, Keating, Vidal, Botteler, 
Schott (1835), Barth, ire i Lambert, de Murga 
(1863), Ridardjon, Rohlfs, Gattel (1865), Balanja, 
Beaumier. Hooker, Maw und Ball (1870), Noll, 
v. Fritſch, J. Rein und Rod) haben das Land 
naturwiſſenſchaftlich erforjdt und aud) De3 Portes, 
Francois, Parifot (1877), Décugis, Duro, Leared 
Materialien im Lande geſammelt. Widtige Daten 
bat ferner Leng geliefert, der 1880 von Maroffo 
iiber Timbuftu glücklich gum —— gelangte. Fou- 
cauld wanderte als Jude verfleidet 1883—84 über 
den Atlas nad) Siidmarolfo; de la Martiniere un- 
terfudjte bie Rejte der Romerherrjdaft. Oueden- 
feldt forjdte 1880 —81 und 1883 in Maroffo, 1884 
in Ulgerien, 1885—86 abermal3 in Maroffo, 1887 
am Rap Jubi und 1888—89 in Tripoli und Tunis. 
Doult landete zwiſchen Rap Bojador und Rio Oro, 
durchſtreifte als Gefangener der Uled Delim die weftlide 
Sabara bis sum Wadi Draa und wurde 1889 auf der 
Retje nad) Timbuftu ermordet. Duveyrier fonnte 
1885 Die Höhe von Fe bejtimmen. Foucaulds Fuß— 
ftapfer folgte 1888 Jofeph Th ompfon, der den Utlas 
tm Teluetpak iiberidritt und das Quellgebiet der 
Draatributdre erreidte. Die Unlage einer engliſchen 
Faktorei bei Rap Juby und die Beſitzergreifung der 
Küſte am Rio Oro durd) Spanien firderten die Rennt- 
nis der Küſte wie der niidftliegenden Dafen. TX. 
Fiſcher führte 1899 und 1901 widtige Forſchungen 
vom Küſtengebiet bid zu den Utlasvo en aus und 
erfundete ben Lauf des Tenfift und Um-er-Rbia. 
Delbret ging 1899 von Fes durd) das Wadi Inaun 

ur algerijden Grenge. Die franzöſiſche Expedition 
ames nd drang über Tidifelt bis Uin Salah vor. 
———— forſchte 1899 im Gebiete des Um⸗er⸗ 
ia. 
Vordringen bom Nordweſten. 

Von W. aus wurde zunächſt die Löſung des Bro- 
blems des Niger in Ungrijf genommen. Houghton, 
Watt und Winterbottom drangen nur wenige Meilen 
tief in Das Binnenland Wejtafrifas. Der Sdhotte 
Mungo Part erforfdte 1795—97 und 1805—1806 
unter grofen Gefahren den Niger von Gambia aus 
und verlor bei Buſſa fein Leben. Auch Peddie, Camp- 
bell und Cowdrey (1815) erlagen am Senegal dem 
Klima, be Gray und Dodjard famen (1816 —21) bis 
Galam. Der —— Mollien gelangte 1818 von 
Senegambien aus bis Timbo und entdeckte die Ouellen 
des Senegal, Gambia und Rio Grande. Clapper- 
ton drang 1826 von Benin bid Sofoto vor, wo er 
1827 jtarb, nur fein Diener Lander fehrte mit den 
—— nach England zurück. Lander erreichte 
ſpäler mit ſeinem Bruder John von Badagry an der 
Stlavenküſie aus den Niger bei Buſſa und verfolgte 
den Strom bid ju feiner Miindung, 1832 fubr er 


149 


um zweitenmal im Dampfboot unter Laird den 
iger jtromaufwarts. Die erjte fidjere Runde von 
Timbultu bradte der Franjofe Caillié, der im 
Bettlergewand 1824—28 ganz Nordwejtafrifa durd- 
jog, Timbuktu beſuchte und gliidlid tiber Marotfo 
hermfehrte. Unter Oldfield wurde bis 1834 die Er— 
foridame des untern aa fortgeſetzt. Durch die Er: 
gebniſſe der Barthſchen Reije angeregt, erfolgte fpater 
(1854) nod) eine englifde Expedition unter Baifie 
nad) dem Tſchadda (Binuẽ), auf der Jola nahezu er- 
reidht wurde. Der Deutide Flegel unternahm vom 
Niger aus eine Reife nach Sofoto, drang dreimal nach 
Adamaͤua vor und entdectte die Duclle des Binué. Bom 
Senegal aus verjudjte man wiederholt, zum obern Ri- 
ger vorzudringen, jo 1841 unter Thomſon nad Timbo 
und 1843 u. 1846—47 unter Raffenel. Leopold Panet 
reijte 1852 von St. Louis iiber Wdrar nad Mogador 
und Jon Moghdad (1861 auf demfelben Weg) durd 
die weſtliche Sahara. Von Senegambien aus er- 
forjdten Hecquard 1853 Futa Dſchallon, Bascal 1859 
Bambuf und UW. Lambert 1860 Futa Dfchallon, 
Braoudyec 1858—59 Futa, Mavidal Senegambien, 
Aliun Gal und Bourel 1860 Walata, H. Vincent 
1860 Udrar, Sdhijfsleutnant Mage und Marinearzt 
Ouintin 1863—66 das Nigergebiet von Sanfanding 
bis Sequ. Jn neuejter Zeit haben die Franjojen thre 
Herrjdaft vom Senegal aus bis an den Niger aus- 
gedebnt. Die Expeditionen von Gallient (1880) 
und DesSbordes (1881—82) verliefen nidt gliid- 
lid. Bayol erforjdte 1881—82 Futa Dſchallon, wo 
aud) Gouldburys Expedition 1881 eintraf. Diejelbe 
Landſchaft befudten 1879—80 die Franjofen Aimé 
Dlivier und Gaboriaud. Biittifofer madte 1886— 
1887 in der Negerrepublif Liberia wertvolle Unter- 
judungen. In einem 1884 nad) Bamafo am obern 
Niger geſchafften Dampfboot wurde diefer Fluß 1887 
bis Timbultu befahren. Colin durdpreijte 1883— 
1884 das Gebict swifden Bafel und dem Faleme, 
Lenoir forſchte snildsen dem obern Gambia und dem 
Caſamanze. Wud) die militäriſchen Operationen der 
Oberjten Frey (1885—86), Gallieni (1886—8s), 
deS Rapitins Urdinard (1888—89) u. a. forderten 
die Renntnis Seneqambiens. Zu gleicher Zeit durch⸗ 
querte Rapitin Binger das Wandinfaland vom 
obern Niger bis zur Goldfiijte, von wo ihm Treid- 
Laplene entgegenfant. 1890 erreichte Leutnant Jaime 
Roriume bet Timbuktu; nad Waſſulu gingen von 
Gierra Leone der britifdhe Kommiſſar Garrett und 
von Rap Palmas der franzöſiſche Kapitän WMonteil, 
während Rapitin Ménard von Groß-Baſſam itber 
Rong nad) Safhala in der Landſchaft bier es 9 ing, 
aber 1. Febr. 1892 ermordet wurde. Das Tal des 
Faleme wurde durch Leclerc erforidt; 1897 erfolgte 
| die Grensfeftlequng gegen Sierra Leone. Den Niger 
abwarts von Bonnie bis Alaſſa befubr als Erjter 
1896 Schiffsleutnant Hourjt; größere Strecken des 
Stromes wurden darauf befahbren 1897 durd 
Cheviqné von Timbultu bis Jmentabonaf, 1899 
von Bammafo bis Say durch Baillaud, der 
dann das ganze Nigerfnie durdquerte, und durch 
Grandrye von Kuliforo bis Say. Jin Rigerbogen 
waren 1896—97 Boulet und Chanoine tatig, 
lesterer ging 1898—99 durch Moffi und Gurma nad 
Say, wo er fid) mit Boulet gu einem Vorſtoß jum 
Tſadſee vereinigte. Um 14. Juli 1899 ermordete die 
meuternde Expedition den ihr nadgefandten Oberjt- 
feutnant Rlobb, wurde aber durch Pallier entwaif- 
net und nad dem Tod ihrer Führer von Jolland 
jum Tfadfee geführt. Die unbefannte Küſtenſtrecke 


150 


—— Grof-Baffam und Liberia, die Frankreich 
nfang 1890 anneftiert hatte, bereijten fur; danach 
Quiquerrez und de Segonzac, wobei erjterer feinen 
Tod fand. Der Grengfluk Cavalli wurde 1899—1900 
burd Hoſtains und d'Ollone erforjdt. 

Bur Erforjdung der Guineafiijte, von Dahomé 
und Ujdanti wurden jablreiche Crpeditionen unter- 
nommen. Ridet bereijte 1812—13 und Bowdid 
1817—18 Widanti, Adam 1823 Dahomé, Freeman 
und Chapman 1838—43 Dahomé und Aſchanti; 
ebenjo jeit 1840 Forbes und Norris Dahomé, Cruid- 
fhant 1850 die Goldfiijte, Hornberger und Brutidin | 
1853 die Slavens und Goldküſte, Borghero 1862 
Dahomé, Bonnat 1866—68 Wjdanti. Winwood | 
Reade drang 1868—70 bis Farabana vor, Anderſon 
gelangte 1868 bis Mufardu, Ramjeyer und Riihne | 
wurden 1870 in Aſchanti in Gefangenſchaft qehalten. 
Blyden forjdte 1872 in Sierra Leone; auch der eng: 
liſche Feldzug gegen Aſchanti (1873) bradjte der | 
Wiſſenſchaft manchen Gewinn. 1875—76 jtellte 
Bonnat ſeine wertvollen Forſchungen am Volta an. 
Im deutſchen Togogebiet forſchten ſeit deſſen Beſitz⸗ 
ergreifung durch Deutſchland 1884 Hugo Zoller, 1886 | 
Pater Baudin, 1887 Henrici, feit 1888 im Auftrage 
der deutidben Reichsregierung Wolf und v. Fran- 
cos. Legterer Drang von Bagida über Salaga in | 
das Gebiet von Moſſi unter 11° 28’ ndrdl. Br. vor. | 
Wolf legte die Station Bismardburg an und madte 
von bier aus zahlreiche Vorſtöße. Leider jtarb Wolf 
ſchon 26. Juni 1889 auf einer Reije nach Dahomé. | 
Leutnant Herold, dem der Botanifer Biittner bei- 
gegeben wurde, griindete Miſahöhe. Hauptmann 
Kling durdforfdte das Hinterland von Togo. G. 
A. Rraufe Drang von Salaga 1886 bis Wagadugqu | 
und 1887 ſogar bi3 Duenja, nahe dent 17.° nbrdl. Br., | 
vor. Die BVerwidelungen zwiſchen Dahomé und 
Frankreich hatten einige fleinere Reifen zur Folge, 
fo Die Befahrung des Wheme über Abome hinaus | 
durch Ballot in emem Ranonenboot und die genaue 
Beſtimmung der Lage der Stadt durch Bayol. Im 
Hinterland von Togo waren Gruner und v. Car- 
nap 1894—95 tätig neben den Expeditionen von 
Lugard und Decoeur, ferner machten wichtige Auf— 
nahmen €. Baumann, Graf von Zed, v. Dö— 
ring und —— 

Die Quellen des Niger zu entdeden, gelang 1879 
Mouftier und Zwei el von der Gunineaküſte aus. | 
Der Riger, in deſſen Delta franzöſiſche Offigiere, wie. 
Kapitän Brognard de Corbiqny feit Ende 1862, 
Charles Girard 1866 und 1867 u. a., mit fartogra- 
phifchen Aufnahmen beſchäftigt waren, wurde land- 
einwärts durch den britifden Leutnant Glover auf- 
genommen. Durd die energiſche Ugitation R. Fle— 
gels wurde 1884 in Hamburg die Deutide Binue- 
gefellichaft mit einem Rapital von 500,000 Mart 
geqriindet. Wher Flegels Gefährten, mit denen er 
1885 Hamburg verließ, erfranften; Flegel felbit ſtarb 
11, April 1886, naddem fein Zweck, das reiche Gebiet 
fiir Deutſchland zu erwerben, durch die Royal Niger | 
Company vereitelt worden war. Wajor Vlacdonald | 
befubr den Kebbi, einen nördlichen Nebenfluß ded 
Vinue, in einem Dampfer 1890. Ym Nigerdelta 
foridjte 1895 Copland-Crawford; 1897 bereijte 
Vandeleur Vida und Alorin. Bom Niger her 
brang der Wiffionar Robinfon 1895 nad Kano 
vor und febrte nad Lofodfda juriid, während Wal. 
lace von Mano über Sofoto nad) Gomba am Niger | 
und Buſſang nad W. ging. Die Biſchof Tugwel lice 
Expedition drang 1900 bis Kano vom Niger her vor. | 








1 


Afrifa (Foridungen in Oberquinea). 


Rapitin Burton und der Botanifer Mann un- 
terfuchten 1859-—62 das Ramerungebirge. Weitere 
Forſchungen jtellten hier 1872—73 Reidhenow, 


Buchhotz und Lühder an. Aud Grenfell, Rok 


und Comber erforjdhten die Umgebung der Kamerun⸗ 
bai. Die Belipergreifung Kamerun durd Deutid- 
land erweckte neue Tatigfeit. Un die Reiſe de3 Polen 
Rogozinſti ſchloſſen fic) die von Zöller, Johnſton, 
der Schweden Valdau und Knutſon (1885), vor allem 
aber die Expeditionen der 1887 vom Reich ausge— 
ſandten Reifenden Zintgraff und ber beiden Leut- 
nants Rund und Tappenbed. Leider jtarb Tap- 
penbed bald, aud) Kund mußte ſchwer verletzt heim⸗ 
fehren. Zintgraff legte mit Leutnant Zeuner die 
Barombiſtation an und drang 1889 bis Ibi am 
Binuẽ vor. Leutnant Morgen reiſte 1889 über die 
Jaundeſtation bis Ngila und iiber den Wham am 
Sannaga juriid zur Küſte und brad tm Mai 1890 
jum Binue auf, den er unter 10° öſtl. L. erveidte. 
int der Küſte bon Kamerun nahm der deutſche Kreuzer 
Habicht Vermeffungen vor, das Ramerunbeden und 
jeine Zuflüſſe nahm 1885—90 Bauinfpeftor Sdhran 
auf. Seutnant Ra mi fay madte 1892 wertvolle Auf⸗ 
nabmen tm Ganagagebict; 1893 ging v. Stetten 


durch das Wuteland nad Udamaua. Der BWettbe- 


werb um das Hinterland veranlakte die Ausſen- 
dung franzöſiſcher, Dann aud) deutſcher Expeditio- 
nen. Mizon durchzog Adamaua von Yola über 
Ngaundere und Kunde zum Sangha, während 
Maiſtre von O. über Lame nad Garua am Binue 
maridierte. Bon groper Bedeutung wurde die 
deutſche Expedition unter v. Ucht ritz und Paſſarge, 
die, von Yola ausgehend, nördlich bis Marrua, im S. 
bis Ngaundere gelangte. Topographiſche Aufnahmen 
machten ferner v. Beſſer, v. Stein, Dominik, 
Preuß, v. Carnap, Conrau, Plehn, Nolte, 


Glauning und v. Shimmelpfennig; geologiſch 


arbeiteten Anochen hauer und Eſch. 
Die Gabunmündung u. die nod ſüdlichern Ogowe⸗ 


muündungen unterjudte feit 1856 Du Chaillu und 


drang 1864 bis in das Land Aſchango vor, wo er das 
merfwiirdige Zwergvolk der Obongo fennen lernte. 
Ebenfalls rm Ogowegebiet foridten 1861 Griffon du 
Bellay und Serval, 1864 Genoyer und 1866 Walfer, 
1867 die Franjojen Aymes und Barbedor; um die 
Küſtenaufnahmen madte ſich dort de Langle verdient. 
1873 bereijten wieder Walfer und Sdulje, dann 
de Compiegne und Marde den Ogowe, undLen 5 
beqann an diejem Strome feine Tatigfeit. Die 1873 
in Berlin geqriindete Deutich-Ufritanstche Geſellſchaft 
entſandte unter Güßfeldt cine Expedition, die 1873 
bi 1876 die Loangoküſte Durdforidte. Foureau 
gelangte 1898 von Ueſſo am er zum Come und 
untern Ogowe, während Oswald 1900 die Sciff- 
barfett des Ogowe unterjudte. 

Savorgnan de Brazza (1877 jf.) fand die 
Quellflüſſe des Ogowe auf, erreidte den Nongo und 
durchforſchte fpater mit Mizon das Vebiet zwiſchen 
den beiden Flüſſen. Auch —8* Bruder war hier 
tätig. Crampel erforſchte das Hinterland von 
Gabun und Ogowe und verſuchte 1890 von Ubangi 
jum Tſadſee durchzudringen, dod) wurde die Expe- 
dition völlig aufgerieben. Run übernahm Vrazza 
die Führung einer neuen Expedition, mit der er 1892 
am Sangafluß aufwärts marfcierte und in Comafa 
unter 3° 40’ nördl. Br. mit Mizon zuſammentraf, 
der den Niger und Binue aufwarts gezogen war und 
jid) Dann ſeitwärts gewendet hatte. Die Mörder 
Crampel$ wurden durch Dybowſti von der Station 


Afrika (Forjdungen im Kongogebiet). 


Bungui am Ubangi aus gezüchtigt. Mit großer 
Energie —* die Franzoſen ihren Weg zum Tſadſee 
fort. Die Waſſerſcheide zwiſchen Ubangi und Schari 


erkundeten Hanolet und van Calſter; Gentil, 


dann Behagle drangen bis in das Scharibecken vor, 
während Clozel 1893—95 vom —— aus zum 
Logone gelangte. 1897 befuhr Gentil den Schari 
mit einer Dampfpinaſſe bis zum Tſadſee, bagegen 
wurden die Expeditionen unter Cazemajou, der 
1898 Sinder erreidt hatte, unter Behagle und ded 
diejem folgenden Bretonnet 1899 durch Rabab, 
den Ufurpator von Bornu, vernidtet. Inzwiſchen 
waren die Erpeditionen unter Jolland von W. her 
und unter Foureau und Lamy 1900 von R. her 
am Tſadſee cingetrojfen, Rabah wurde gefdlagen und 
fiel, aud) Lanty blieb; die BVerbindung mit Gentil 
fonnte hergejtellt werden. Darauf unternahm Prins 
eine Reife sum Sultan Snuffi von Dar Runga. Das 
franzöſiſche Rolonialreid) in Weftafrita war zuſam— 
mengefdweift. 
Forfdungen im Rongogebict. 

Die Mündung de3 Stromes wurde zuerſt 1486 
entdedt; einen Gerjud), den Fluß weiter hinaufzu— 
gehen, madte aber erſt Tudey 1816, ihm folgten 
1848 Ladislaus Magyar, 1863 Burton auf kurze 
Streden. Living{tone hielt den 1867 von ihm ent- 
deckten Quapula fiir den Oberlauf des Nils, doch wies 
Cameron 1874nad, daß die Nilfeen niedriger liegen 
al8 der Qualaba bei Nyangwe. Erjt Stanley jtellte 
burd) feine Fahrt von Nyangwe bis Boma (5. Nov. 
1876 bid 8. Aug. 1877) fejt, dak der Lualaba mit 
dem Kongo identifd fei. Die ſüdlichen Zuflüſſe des 
Stromes waren ſchon ſeit langer Zeit befannt, ohne 
daß freilich ihr Zuſammenhang mit dem Kongo — 
wire. Schon 1796 hatten Pereira und 1798 Lacerda, 
1802—11 aud) die Pombeiros Petro und WUntonio 
Joſé das ſüdliche Kongobecken durdjogen. Zum 
Reide des Muata Yamvo waren Graga 1843—46 
und Ladislaus —— 1850 —51 vorgedrungen. 
Livingſtones Entdeckungen von der Waſſerſcheide 
des Sambeſi durch Lunda nach Angola (1852—54) 
und am Moéro- und Bangweoloſee (1867 und 1868) 
wurden durch ſpätere Reijende vervollftindigt. Lur 
fam nur bis Rimbundu, aber Pogge fonnte 1875 
ſichere Radhridjten tiber dad Lundareid) gewinnen, 
nad ifm Budner —— Schült marſchierte 
1878—79 ben Tſchikapa aufwärts und gelangte als 
erjter Europter bis Mai Munene am Raffat (6° 53‘ 
fiidl. Br.). Capello und Ivens erforſchten 1877 
bid 1879 den Oberlauf de3 Kwango, Tſchikapa und 
Kaſſai. Bo $e brad) 1880 mit Leutnant Wiff- 
mann von YUngola auf und gelangte bis Nyangwe, 
von wo Wiſſmann die Durdquerung de3 Kontinents 
bis Sanfibar vollendete, während ‘Rog ¢ 1884 nad 
Loanda juriidfehrte, leider aber bald darauf ſtarb. 
Seine Urbeit nahmen 1884 die Leutnants Schulze 
und Sind, Wolf als Anthropolog und der Bo— 
tanifer Bilttner auf. Major Medow, ein andrer 
Gendling der Ufrifanijden Gefellidaft, drang den 
Kwango entlang gegen N. vor. Stanley legte im 
Uuftrage der Bnternationalen Ufrifanijden Aſſo— 

iation Stationen am untern Kongo an, Drang den 

ongo aufwärts bis zum Aruwimi vor und entDdedte 
1882—83 bie Seen Leopold I. und Mantumba, 
deren Verbindung miteinander und mit dem Kongo 
Grenfell 1886 und Bentley 1887 fejtitellten. Die 
feblende Verbindung zwiſchen Oberlauf und Miindung 
der Rufliiffe bradten die nun folgenden Forjdungen. 
Wiffmann ftellte 1884 mit Wolf, Frangois und 


| 





151 


Mik (ler die Verbindung des mächtigen Kaſſaĩ mit dem 
Hauptitrom fejt. Wolf befuhr 1885—86 den Sanfuru 
bis 6° ſüdl. Br., den Lulongo befubren 1885 Grenfell 
und Francois, den Lupori 1886 van Gele. Den Ober- 
lauf des LQualaba und feiner Zuflüſſe fowie die Reiche 
Mſiris und Raffongos erforfdten 1883-84 Böhm 
und Reidard, 1884—85 Capello und Ivens, 
1886—88 Urnot. Bon Leopoldville gingen Rund 
und Tappenbed 1885 nad O. und gelangten nad 
Uberfdreitung de Kwango, Kuilu und Raffai gum 
Lufenje(Qfalla). Wiffmann durdquerte 1886 —87 
vom Stanley Bool aus gum zweitenmal den Ronti- 
nent, wobei er das Land der Baluba gritndlid) durd)- 
forjdjte. Den Lubilafd oder Boloko befubr Janſſen 
1889 bis 4° 27/ fiidl. Br. Bon den redhtsfeitigen 
Rufliiffen wurden durch Hanſſens 1884 der Mongalla 
und Itimbiri, durch Grenfell 1885 der Ubangi und 
Ilimbiri, durch Baert 1886 und Hodijter 1889 der 
Mongalla erforſcht; van Gele drang 1888 fiber die 
Songoftromfdnellen de3 Ubangi bis 23° öſtl. L. 
vor, und Stanley verfolgte den Uruwimi bis nahe 
an feine Ouellen. Damit war cine Anknüpfung an 
die Forſchungen von Schweinfurth, Qunfer u. a. 

eſchaffen und die Uéllefrage geldjt. Bon andern 
Forſchungen feien nod) erwähnt die von Müller, 
Pagels und Gleerup 1883 —86 am Mittellauf des 
Kongo und die von Bentley, Crudgington, Johnjton, 
Pedhuel-Loefde, Chavanne, Dandelman, Comber cm 
Unterlauf. Bon Franzöſiſch-Kongo aus arbeiteten 
hier aufer Brazza nod) Guiral, der 1881 von France⸗ 
ville den Stanley Pool erreidjte, Rouvier, der 1886 
von Bragjaville gum Ubangi jog, Cholet, der 1889 
den Ganga bid 4° nördl. Br. befubr, und Crampel, 
der ebenfalls am Ubangi foridte. Rartographijd 
wurde der Rongo aufgenommen von Leng, Baumann, 
Rouvier u.a. Ym Königreich Rongo madte VBajtian 
1857 ethnologijde Gtubien. Der Portugieje Serpa 
Pinto durdquerte 1878f. von Bibé aus lings des 
Sambefi den Erdteil, cin wiirdiger Nachfolger von 
Welwitid (1853 —65), Duparquet (1868), feiner 
Landsleute Travaſſos Valdez und J. Monteiro (1858 
bi8 1873) und Vorläufer von A. de Paiva und 
van Beth (1885 —86), welche die wejtliden portu- 

ieſiſchen Brovingen durchforſchten. Heſſe und der 
Across von Uzes unternabmen eine Forſchungsreiſe 
in das Rongogebiet, Rapitiin Stairs eine folde nad 
Katanga, flat aber 1892 auf der Rückreiſe ju 
Sdhinde. Die Expedition des Ratanga-Syndifats unter 
Hodifter wurde von den Urabern vernidtet, wahrend 
van Rerdhoven einen gliidliden Vorſtoß vom Kongo 
nad) dem Uélle und nad) Wadelai machte. Auf dem 
Marſch aus dem GSeengebiet zum Rongo wurde 
Emin Paf da 23. Oft. 1892 von Urabern zu Kinena 
ermorbdet, dagegen gelang es 1894 Graf v. Götzen, 
den Urwaldgiirtel vom Rivufee her nach Kibonge ju 
burdfdreiten. Den Rongolauf zwiſchen Nyangwe 
und der Lufugamiindung erforjdten 1895 Mohun 
und Hinde, während Braffeur 1896 die nod un- 
erforſchten Streden des Qualaba und Luapula, der 
Quellflüſſe ded Kongo, befubr. Ende 1896 unter- 
judjte Rerdel, ein Mitglied der Ratanga-Exrpedition 
Lemaires, die Hihlen am Lufira. Cinen neuen 
Weg von Uganda. zum Kongo fand 1898 Lloyd, 
der von Toru * den Urwald zum Ituri mar— 
jdierte und diefem bis zur Diindung folgte. Den 
ganjen auf des Quapula nahm Weatherley auf, 
nadbdem er den Bangweolofee umfahren hatte. Vom 
Mbomu, einem Ubangizufluß, — Liotard zum 
Bahr el Gazal vor und durchforſchte die Waſſerſcheide 


152 


m Ril. Im Gebiete des Leopold IT.-See3 war 

acqueé tatig, der den untern Lubenge, das Gebiet 
im ©. des Sees und die Lander der Kundu, Baboma 
und Babele erfundete; Bolle drang im Dampfer 
ben Luhenge nocd etwas weiter hinauf. Bei der Cr- 
forjdung der Flüſſe Lohoro und Lulabu fand 
Schiötz Rolonien anthropophager Zwergſtämme. 
Eine Durdquerung WUfrifas führte Mardand 1897 
bi8 1899 aus, der von Loanda iiber Brazzaville zum 
obern Ubangi, dann iiber Land in das Flupgebiet 
des Bahr el Gazal ging, fiinf Monate in Fafdoda 
weilte und nad) dem Zwiſchenfall mit England den 
Gobat und Baro aufwirts fubr, wm über Land 
Addis Ubeba und ſchließlich Dſchibuti gu erveiden. 
Im Flußgebiete des Sangha forſchten 1897 v. Car— 
nap-Ouerheimb, 1898—99Rud. Blehn, der lei— 
der 24. Nov. 1899 fiel, und 1900 —1901 Freiherr 
v. Stein, ferner Unfang 1900 der Franzoſe Jo bit, 
der den linfen Zufluß Lifuala aufnahm. Cine 
Reife an der Ojtgrenge des Kongoſtaates fiihrten 
Sillye und Siffer 1900—1901 aus. 

Forſchungsreiſen im Siiden, 

Die Rolonialpolitif Hollands lick vom Rapland 
aus lange Zeit wenig fiir Die Renntnis des Innern 
—— rit 1777 fonnte Gordon den Oranjefluß 
en m und Batterfon 1778 deſſen untern Lauf. 
Mit dem Erideinen der Englander wurde das anders. 
Barrow und Lidtenjtein Drangen, jener zu den Kaf— 
fern, diefer su Den Betiduanen, ns Innere vor. Evan- 
gelifde Miſſionare ließen fid) feit 1807 tief im Innern 
nieder, fo die Englander Campbell, Moffat, Philip, 

milton, Ray, die Deutiden Hahn, Rath u.a., denen 
id) Burdell, Thompjon, A. Smith, Steedman, Rapi- 
tin Ulerander (Entdecder des Damaralandes), Har- 
ris und fpater Anderſſon anjdlofjen. Durch die Wan- 
derung der Buren feit 1835 wurden bisher unbefannte 
Lander eridlojjen. ager, wie Gordon Cumming, 
der Schwede Wahlberg, Gaffiot (1851), Galton, Fr. 
Green (1852), Southerland, drangen tief ing Land, 
amt bedeutungedoliiten aber wurden die Reiſen des 
Miffionars David Livingitone. Er erreichte 1849. 
den NRgamifee, Durdquerte 1853 —56 den Silden des 
Kontinents von Loanda bis Ouillimane, erforfdte 
1858—64 bas Gebiet des Sambeſi, entdedte dabet die 
Seen Ryaffa und Schirwa und durchforſchte 1868 —73 
das ganje große Gebiet um die Seen * Tan: 

anjifa, Moero und Bangweolo. Yn Curopa ver- 
chollen, traf er in Udſchidſchi den zu feiner Uuffindung 
(1871) entfandten Stanley und jtarb, bis ans Ende | 
als Forſcher tatiq, 1873 in Mala am Bangwweolo. 
In feine Fubitapfen traten Baines und Chapman 
(1858 jf.), Grout, Rretidymar, de Froberville, Döhne, 
Cafalis, Hardeland, Nofaphat und Theophil Hahn, 
Wangemann (1866 f.), Calderwood, Baldwing, An— 
derſſon, die von Der Walfiidhbat bis an den Sambeſi 
ogen. Fritſch durdwanderte 1864—66 den Oranje 
Freiſtaat und Betſchuanenland, Bleek erforidte die 
fiidafrifaniiden Spraden. Das Reich Mofilitatfes 





— Mauch wiederholt, ging 1872 bis zum 
Sambejt und entdecte dabei die Ruinenſtätte Sim 


babje. Hier forfdten aud 1869 Mohr und Hiibner, 
dann Krönlein, Thomas, Griesbad), Button, Me 

renjfy, wahrend Vincent Ersfine den untern Lauf 
des Limpopo, namentlid) deſſen Mündung auffand 
(1868 —75). In neuefter Zeit (1872 ff.) forſchten in 
Siidafrifa Clton, Berthoud, Cohen, Rope, Oates, | 
Ernſt v. Weber, Lady Barker, Stevenfor, Morton, | 
Salgrave (1876), Depeldjin (1879). Der Böhme 

Emil Holub durdwanderte dreimal, 1872 —74, | 





Ajrifa (Forſchungen im Siiden und Ojten). 


1875—76 und 1886 —87, das Betiduanenland bis 
iiber ben Sambeſi hinaus. Aurel Sdhulje drang lings 
des Tidhobe nad) W. bis gum Nubango vor. Die Cin- 
fart in den Limpopo wurde 14. Upril 1884 durd) 
einen Dampfer erjwungen. Sd ing durd)freugte 1885 
bis 1887 Deutfd)- Siidwejtafrifa von S. nad) N. bis 
jum Runene und nad O. sum Rgamifee. Paiva d'Yn- 
drada, Browne und Donnel madten Reiſen in das 
Gafaland; die Ziige von Selous (1887-89) beſtätig⸗ 
ten Den Goldreichtum de3 Mafdonalandes. Lloyd be- 
reijte ben untern Kubango, Wookey die Kalahari und 
Clarfe das Bafutoland; Stoder bejtieg einige der 
höchſten Gipfel im Rathlambagebirge. Nördlich vow 
Sambeſi und wejtlid) vom Roafiarce erforjdte mod 
Sharpe 1889 und 1890 ein nod) nie zuvor betretenes 
Gebiet; Francois reijte 1890 vom Damaraland jum 
Nyaffajee, 1890—91 gum Tidobe. Umfaſſende Rei- 
jen vom Rap jum Sambefi fiibrte 1895—98 Pen— 
ther aus. Hartmann durdforjdte 1895 das Kao- 
fofeld, Qugard und Paſſarge das Betjduanen- 
fand bis zum Ngamifee. Gibbons, Reid und 
Bertrand arbeiteten im Flupgebiete des Sambeſi 
und im Barotielande. Bom Sambeji aus durdquer- 
ten 1895 Ufrifa Miot, dann Descamps undChar- 
gais. Foa erforjdte 1896 Tidipata und Mafanga 
am Sambefi, wo er Goldfelder entdedte, wandte ſich 
darauf nad) N. in das Rongogebiet und durdquerte 
den Erdteil nad W. Um Ruando und Sambefi waren 
1897 Gibbons, Quide und Stevenfon-Ha- 
milton, erjterer durchzog das Quellgebiet des Sam- 
beji und Kongo und erreidte im Mat 1900 den Wer- 
jen Nu. Baum fiihrte 1899 cine Expedition vom 
Runene gum Gambejt, während Marl Peters und 
dann Sdlidter die Statte des alten Simbabje auf- 
ſuchten. Die begweifelte Verbindung zwiſchen den 
Ofavango- und Tidobefiimpfen jtellte Percy Read 
feft. Leutnant Eq gers ging 1899 von Grootfontein 
zum Ofavango, Undrade unterfudte den Kevefluß in 
Bengquella, Grandjean den Komati an der Citfiiite. 
PForfdungéreifen im Often. Die Yufeln. 

Ron der Ojtieite Ufrifas war 1789 Lacerda nach 
der Reſidenz des Cazembe gezogen, ſpäter (1831) 
Montairo und Gamitto, wahrend Guillain die Küſten 
erforjdte. Moſambik erforfdte Peters. 1843 beretite 


Krapf und feit 1846 J. Rebmann die Suabelifiijte, 


jie zogen Erfundigungen tiber die Sdyneeberge und 
Uquatorialjeen ein, leidjen Erhardt. Erjt 1856 fF. 
entdedten Burton und Spefe den Tanganjifa und 
18607. Spefe und Grant den Ulerewe, den Quell— 


fee des ils. 


Im dquatorialen Ojten wurde durch deutiche For- 
ſcher ein weites Gebiet erſchloſſen. Baron v.d. Deden 
drang 1861 und 1862 mit Thornton bis an den Ki— 
limandſcharo vor, den er auf einer zweiten Reife mit 
Kerſten bis zur Höhe von 4300 m erjtieg. Leider 
wurde der verdienjtvolle Forſcher 1865 bet Bardera 
am Didubb ermordet. Sein Begleiter Brenner beretite 
das Land der ſüdlichen Galla, während Kinzelbach ju 
Makdiſchu im Somalland 1868 dem Fieber erlag. 

Um Livingjtone aufzujuden, ging 1873 Cameron 
von der Ojtfitite nad Üdſchidſchi, umfeqelte Den Tan— 


ganjika und Drang von bier bis Ungola durch. Stan- 


ley maridierte 1874 von Sanjibar gum Victoria 
Nianfa, den er umfubr, zog von hier durch Uganda 
jum Albert Nianfa und erreidte den Tanganjifa, 
den er gleichfalls befubr, worauf er ſeine Fahrt den 
Lualaba abwarts jur Rongomiindung vollendete. 
Die Landidaften am ndrdliden Nyaſſa erforidten 
Elton und Cotterill (1877), Young befubr dicien See, 


Afrifa (Forſchungen im Ojten). 


zahlreiche Mijfionare, Wilfon, O'Neill, Clarke, Smith, 
—* Hore (1879—80), Craven, Hildebrandt, Raff⸗ 
ray, Denhardt und Fijder, die an der Ojttiijte ar- 
beiteten, der ungliidlide Whbé Debaize (1878) und 
K. Johnſton, Marno und Sendlinge der Ynternatio- 
nalen Ufrifanijden Aſſoziation (Crespel - Cambier, 
Macs, Wautier, Dutrieur, Popelin, v. d. Heuvel, 
Carter u. a.), fie alle arbeiteten riijtiq an der Ent- 
jleierung Ojtajrifas. J. Thom ſon, der auf feinen 
Foridungen am Nyaſſa und Tanganjifa (1878—80) 
den Rifwafee entdeckt hatte, reijte 1884 zwiſchen Mi- 
limandidaro, Renia und Victoria Rianta und ent- 
dedite Das Uberdaregebirge ; die Gebriider James zogen 
von Berbera bis Bavi am Webi, Johnſton verwerlte 
fajt cin halbes Jahr am Rilimandfdaro, fonnte aber 
nur bis 4940 m Höhe gelangen, wogegen Hans 
Meyer nad dreimaligem Verſüch 1887, dann 1888 
mit 


Purtideller die höchſte Spike des Berges erjteiqen 
fonnte und den erjten Gletider Ufritas entdedte. Bor 


Meyer hatte Graf Teleki 1887 den Kilimandfdaro | 
bejudt, Dann den Renia bejtieqen und im N. den | 


Rudolf- und den Stefaniefee entDdedt. O'Neill ftellte 
feft, daß Der Schirwajee feinen Abfluß hat. Zur Be- 
freiung der Durd) die Mahdijten abgeſchnittenen For- 
ſcher unter, Emin, Cajati, Lupton wurden 1886 
mehrere Expeditionen entjandt. Fifder fonnte nidt 
iiber den Victoria Nianfa vordringen, dod) gelang 
es Junfer 10. Dez. 1886, Sanſibar ju erreidjen. 
Stanley zog mit emer großen Erpedition den Kongo 
hinauf bis jum Aruwimi und dann diefen aufiwarts 
jum Wlbertfee, von dem er nad nodmaligem Rück⸗ 
marſch zum Kongo mit Emin und Caſati 18. Mai 
1889 nad) Bagamoyo abmarſchierte. Peters zog 1889 
am Tana aufwairts gum Baringofee und fehrte, da 
Emin bereits an der Küſte war, über Uganda zur 
Küſte zurück. Die Britijd-Ojtafritanijde Gefelliceatt 
fandte zu demfelben Swed 1889 Swayne, Jadfon und 
Pigott den Tana aufwärts. Die — einer Ex⸗ 
pedition nach dem Victoria Nianſa übernahm Ende 
1891 Baron v. Fiſcher, der aber 2. Juli 1892 in Nje— 
geſi am See ftarb, während der in Mpwapwa erfrantte 
Borchert die Leitung feiner Expedition dem Grafen 
von Schweinitz überlaſſen mupte. Die Inſel Uferewe 
im ſüdöſtlichſten Teile des Victoria Nianja unterſuchte 
im Upril 1891 der Miffionar Dermott. Eine von dem 
Umerifaner WUjtor Chanter, der bereits 1890 einen 
Jagdzug nad) dem Kilimandſcharo unternommen 
hatte, ausgerititete Expedition ging unter diefem und 
v. Höhnel von Lamu aus, um den Rudolfſee und den 
Renia gu erforjden. Den Lauf de3 Tana nahm 1890 
Rapitin Dundas auf. Baumann jog Unfang 1892 
von Tanga durd) die Maffaijteppe zum Victoria 
Nianja und entdectte unterwegs den großen Salzſee 
Ejaſſi und den fleinern, ebenfalls ſalzigen Manjarafee. 

Die Uberfiihrung eines Dampfers zum Nyaſſaſee 
leitete 1892 Wiſſmann mit Bumiller, wahrend Emin 
Pajdha mit Stuhlmann über Tabora jum Victoria 
Nianfa und in das Quellgebiet des Dturi ging und 
dann in das Rongogebiet vordrang, wo er ermorbdet 
wurde, wahrend Stuhlmann mit reidjen Ergebnijjen 
zur Küſte zurückkehrte. 

Dank dem großen Fleiß und Eifer der deutſchen 
Offiziere, Beamten und Reiſenden gehört Deutſch— 
Oſtafrika jest zu Den topographiſch am beſten erforſch— 
ten Gebieten Afrilas. Aus der großen Fülle der Rei— 
ſen ſeien hier nur genannt: die Expedition des Gou— 


umann, wobei er durch den Aufſtand der Ara⸗ 
ber in drohende Lebensgefahr geriet, endlich 1889 mit | 











| 


153 


Reife des Grafen von GS hen 1894 zum Rivufee und 
von dort sum Kongo, des Oberjtleutnants v. Trotha 
1896—97 durd) die Majffaijteppe zum Bictoriafee und 
die Forfdungen Ramfays im Quellgediete des 
Ragera. Um Kilimandſcharo waren Bolfens und 
Lent 1893—94 wifjenidaftlid) titig, doch wurde 
lepterer ermordet; Hans Meyer unternahm 1898 
nodmals eine Beſteigung de3 Kibo, entdeckte mehrere 
neue Gletider und fiihrte die Unterfudjung des Ber- 
gee gum Abſchluß. Das airangigebiet ee 1896 

13 1897 Werther. Im Nyafjagebiet — * 
hardt geologiſche Aufnahmen und wies das Bor- 
fommen der Steinkohle nad); daſelbſt führten Fül le— 
born und Gig biologiſche Beobachtungen aus. Seit 
1898 ijt Randt am Rivujee und im Swifdenicen- 
gebiet mit widtigen Forſchungen befdiaftigt. Wert- 
volle Ortsbeſtimmungen bradte die Rendelerpedition 
1899— 90 unter Koöhlſchütter und Glauning. 
werner madten topographijde Unufnahmen Lang- 
held, Hermann, Johannes, Engelhardt, 
Prince, Stadlbauecr, Bethae, v. Writtwig, 
v. Veringe, Rannenberg, P.Capus,P.Adams, 
Th. Meyer, Wallace u. a. Die Fauna des Nyaſſa— 
und Tanganjifafees wurde 1895—97 und 1899— 
1900 durd) Moore cingehend unterjudt. 

Wm Tana madte 1894—95 G. Den hardt wiſſen⸗ 
ſchaftliche Sammlungen. ©. Neumann erreidte 
1896 ben Rudolfſee von S. her und verfolgte def- 
jen Ojttiijte bis Randile. Sd bller reijte 1896—97 
in Uganda. Die erjte Bejteiqung des Kenia fiihrte 
Madinder 12. Sept. 1899 aus, jie ergab eine Hohe 
von 5520 m. Rolb, der feit 1894 im Gebicte titig 
war, wurde djtlid) vom Rudolffee durd ein Nas- 
horn getötet. Auſtin erforjdte das Land zwiſchen 
dem Baringofee u. Mount Elgon. Jn Uganda führte 
Macdonald große Reijen vom Wibert -Cdwardjee 
bis gum Rudolfſee aus, dort war ferner Johnſton 
tätig, Der fiber den Semliki nad) W. vordrang und 
auf dem Rückmarſch den Runforo bis zu 4500 m er- 
jtieg. Das Gebiet gwifden dem Victorias und Nai- 
watdagebiet wurde Ende 1899 von Gorges erfundet. 

Den Miijtenrand des Somal- und Gallalandes 
nahm Rapitin Guillain auf (1846—48). Burton 
30g 1853 mit Stroyan, Spefe und Herne bis Harar; 
der Pater Léon des Uvanders zog Erfundigungen 
iiber Das Innere der Gallas und Gomallinder cin 
(1858). Später (1871) erforjdjte Kapitän Milles die 
Geqend um das Rap Gardafui, und 1874 erlag 
Haggenmader den Streiden wilder Galla, naddem 
er einen Vorſtoß bis Harar vom I. her ausgeführt. 
Nad der Eroberung von Harar durd) die Agypter 
(1875) wurde dieſes (1882) von Baron John Müller 
und Sacconi beſucht; Giulicttt war daſelbſt 1881 er- 
ntordet worden. Révoil forſchte 1877—78 an der 
Nord: und Dittitjte des Somallandes, ebenfo 1875 
Hildebrandt. Seitdem fic) die Franzoſen in Obof, die 
Italiener in Aſſabbai feſtgeſetzt, erforſchten italieniſche 
Reiſende (Antinori, Cecchi, Martini, Chiarini, Graf 
Antonelli 1880—82) Schoa und die angrenzenden 
Gebiete, von wo auch 1882 der Franzoſe Soleillet 
nach Kaffa und Enarea vordrang. v. Hardegger und 
Paulitſchke gingen 1884 von Zeila nad Harar und 
erforjdten die Gallas und Somalländer. Hier madte 
aud) 1892—93 Graf Salimbeni geographifde Stu- 
Dien. Die in Sdhoa weilenden Traverji und Ynto- 
nelli erforjdten den Suaifee, Uubry beendete 1882 
feine geologiſchen Forſchungen zwiſchen Hawafd, Ubai 
und Omo, Borelli beretite 1885—88 das ſüdliche 


verneurs v. Sdele 1893—94 gum Nyaffafee, die | Äthiopien und erforjdte den Omoflu bis 7° 22 


154 


ndrdl. Br. Bon Obia unternahm Bricdhetti-Robecdhi 
cine Reije bis nabe an das Rap Guardafui, und 1890 
madte der italienifche Hauptmann Baudi de Vesme 
von Berbera cinen Uusflug ins Gomalgebiet. Die 
Expedition des Pringen Ruspoli zum Rudolfice ſchei— 
terte durch die Feindfeligteit der Somal, die auch Fer⸗ 
randis Marſch nach Bardera am Dſchubb, freilich 
vergebens, ju hindern fudten. Leutnant Nurſe unter- 
nabm im Oftober 1890 cine Reife su politiſchen Sweden 
pon Dunfaraita nad Bulbar. Graf von Wicken burg 
fiihrte cine Jagdreiſe durch Schoa und Kaffa gum 
Rudolfjee aus. Donaldfon-Smith ging 1894— 
1895 von Berbera jum Webi Schebeli, dann zum 
Rudolf- und Stefaniefee und kehrte 1899 —1900 in 
das gleiche Urbeitsgebiet zurück. Mit einer jtarten 
italieniſchen Expedition brad B. Botteqo 1895 von 
Brava nad) Lugh am Dſchubb auf, legte dort cine 
Station an und erreidjte von dort quer durd das 
Borana-Gallaland den Rudolffee, wurde aber 1896 
von Ubefjiniern im Gallaland erjdlagen, nachdem 
ex wichtige Forſchungen ausgefiibrt und den Nach— 
weis Der Omomündung in den See erbradt hatte. 
Den See erreichte ferner 1896 von Berbera aus über 
Lugh der Englander Cavendifh; ebendabin 3 im 
Sunt 1899 der ruffifdhe Graf Leontiew mit abeſſini— 
fchen Truppen und unterfudte den Lauf de3 Omo. 
Die Kenntnis der Geographie de3 Ojthorns wurde 
weiter gefordert durch die Reiſen 1894 von Main- 
waring 1895, von Elliot, Pring Czetwertinski, 
Humpelmayr, Baron Nolde und Graf Kreutz, 
die bis gum Rudolf- und Stefaniefee vordrangen, 
1898 von Weld-Blundell, der von Berbera jum 
Blauen Ril —F 1899 von Wellby, der über den 
Rudolfſee zum Sobat ging, und von Bulatowitſch, 
der die Waſſerſcheide — Omo und Sobat er— 
forſchte. Die Engländer Whitehouſe, Harriſon 
und Butler reijten durch das abeſſiniſche Hochland 
um Stefaniefee und fiber den Varingofee dann nad 
ombas. Die Expedition v. Erlanger und Neu- 
mann durchforſchte zoologiſch 1900 die Gebiete ded | 
Hawaſch und des Webi Sdhebeli und wendete ſich vom 
Ubbajafee nordwärts nad Wddis Ubeba. 
Ubeffinien bejudten 1805—10 Salt, 1821—25 
die Deutſchen Hemprich und Ehrenberg, 1832 —33 
Rüppell, 183443 Jienberg, Krapf und andre Mij- 
fionare; 1837 lief fich hier Der Naturforſcher Schim- 
per nieder, 1838 —48 forſchten bier die Brüder d'Abba⸗ 
die, 1839, 1842 —44 Rochet d'Héricourt, 1840 —42 | 
Ferret und Galinier, van Bele, 1841 Harris, zu Be⸗ 
qinn der 40er Jahre Parkyns, Trémeaur, 1851 Sa- 
peto, 1852—-53 Th. v. Heuglin, 1854—61 W. Mun— 
ginger 1861—63 v. Heuglin, Steudner und Kinzel⸗ 
ad. 1860 —62 beretite S. Baler die Landidaften 
am Atbara. Der englijde Belbjus gegen Kaiſer 
Theodor (1867—68), an dem aud Rohlfss teilnahm, 
rief viele Schriften iiber Ubeffinien ins Leben. Qn den | 
7Oer Jahren forſchten hier Untinori, Piaggia, Raff- 
ray, Mitdhell, Reinifch, Rohlfs und Steder. Schwein: | 
furth machte 1891 botanijche Forfdungen fildlid von 
Wafjaua; in der Rolonie Eritrea wurde 1890 —91 ein 
Ureal von 10,000qkm in Hamafenu. Senhit vermefjen. 
Die Anfeln. Uber die Ranarifdhen Infeln 
verdjfentlidten Bory de Saint-Rincent, Dupetit- 
Thouars, Leopold v. Bud, Barfer, Webb und Berthe- 
lot, v. Fritih, Hartung, Löher, Hand Meyer, Die | 
A. v. Humboldt folqten, eine Reihe nambafter Werte. 
Liber Madeira ſchrieben Schacht, Mafon, Eders— 
berg, Hochftetter, Smyth u. a. Die Rapverden er- 
forſchte geologifd) Dolter, auf Fernando Bo reifte | 











Afrika (wichtige Ereigniffe feit 1884). 


1886 Baumann, 1896 P. Juanola. Für die Er- 
forjdung Madagaskars haben Lequével de La- 
combe, rnay, Barbié du msc Ida Pfeiffer, 
BW. Cis, —— Alfred Grandidier viel getan. 
Andre Forſcher, die dieſe Inſel bereiſten, find: Dupré, 
Lacaille, Sachot, M'Leod, Pollen, Lacaze, Sibree, 
Mullens, Laillet, Bordier, Hildebrandt, Aude 
Alluaud (1895), Colin (1896—99) u. a. r 
die Maskarenen berichteten Flemyng, Rouſſin, 
Draſche, Pajot, 1887 Corteſe, Roblet, Nielſen-Lund, 
1888 Ranſome und MeMahon, 1889 Catat, Foucart 
und Le Maiſtre. Auf Sokotora waren 1898 Bent, 
dann Grant und Forbes tätig. — Bgl. die hrono- 
logiſche Überſicht der widtigiten Forſchungsreiſen in 
UW. auf S. IL des Tertblattes zur Karte bei S. 147. 
Erjt 1884 ijt Deutſchland in W. mit den übrigen Rolo- 
nialmadten erfolgreich in Wettbewerd getreten. Wir 
geben deshalb im folgenden eine Zuſammenſtellung der 


fa 
widtigern Sreiguifie ont pet Geſchichte Afrikas 


1884. 21. Jan.: übergang der dem deutſchen Konſul in 
Tunis guftehenden Gerichtsbarleit anf die von Frantreid 


eingeſetzten Geridjte. — 8. Febr.: Tod Ketſchwayos ju 
Ejhowe. — 26. Febr.: Vertrag zwiſchen England und 


Portugal iiber die Rongomiindung. — 27. t.: Lon 
doner Nonvention fiber Transvaal. — 24. April: un⸗ 
gen der — F. A. E. Lüderitz in Südweſtafrila durch 

ismard unter deutſchen Schutz geſtellt. — 5. Juli: Togo 
unter deutſchen Schuß geſtellt. — Deutſche Flaggenheißun ⸗ 

en (G. Nachtigal): 14. Juli an der Kamerunmündung, 21. 

uli in Bimbia, 23. Yuli in Klein-Batanga, 7. tes 
Angra Pequena, 28. Aug. in Hidory Town. — 11. : 
Baſtaards von Rehoboth unter deutſchem Sous. — 15. 
Nov. : Eröffnung der Berliner Kongotonferens. — 21. Nov.: 
Bertrag von K. Peters mit Nguru. — 20.22. Dey. Deut⸗ 
ſche Kriegsſchiſfſe Bismard und Olga vor Kamerun. 

1885. 5. Qan.: Englijdes Protettorat fiber die Küſte bes 
Pondolandes. — 26. Jan.: Chartum von den Mahdiſten 
erobert. — 6. Febr.: Maffaua, Beilul und Gubbi von 
Italien beſetzt. — 26. Febr.: Unterzeichnung der General- 
afte der Berliner Kongokonferenz. — 27. Febr.: Saifert. 
Sdhupbrief an die Deutjh-Lftafcitanif de ellſchaft. — 
18. April: Der Konig der Dicholof unter dem Schutz Frant- 
reid. — 26. Mai: Die Agnpter räumen Harar. — 27. 
Mai: Sultanat Witu unter deutſchem Shug. — 5. Juni: 
Die Nigerdijtritte unter britijder Oberhoheit. — 10. Juni: 
Gefecht bet Moſchi. — 22. Juni: Tod des »Mahdi« Mo⸗ 

mined Ahmed in Omdurman. — 5. Aug.: Portugals 

oteftorat fiber Dahomẽ. — 30. Sept. : Britiſch⸗Betſchua⸗ 
nenland Srontolonie. — 17. Dez.: Franzöſiſches Protettos 
rat fiber Madagastar. — 24. Dez.: Bertrag zwiſchen 
prantreidh und England über Abgrenzung Kameruns. 

1886. 10. Quli: Freibrief der Royal Niger Company. — 
2. Mug.: BVertrag zwiſchen England und Deutfdland übe: 
Mbgrengung Nameruns. — 30. Sept.: Sofotora von Eng⸗ 
land beſetzt. — 29. Oft.: Abgrenzung zwiſchen der deut⸗ 
ſchen und englifdjen Intereſſenſphäre in Oftafrifa (Sanfi- 
bar). — 30. Dez.: Deutſch-portugieſiſcher Vertrag fiber 
die Sildgrenje bon Angola. 

1887. 10. Qan.: Menelif von Schoa erobert Harar. Eng⸗ 
land tritt die Muſchahinſeln an Frankreich ab. — 23. 
März: Samory unter franzöſiſchem Protettorat. — 29. 
Mars: Ambasbai und Victoria der deutſchen Kolonialver- 
waltung übergeben. — 14. Mai: Sululand englijd. — 
24. Mat: Senyid Bargaldh von Sanfibar überläßt die Ver— 
waltung der Küſte zwiſchen Wanga und Mipint der Bri- 
tiſch⸗Oſtafrilaniſchen Geſellſchaft. —6. Juli: Freundſchafts⸗ 
vertrag zwiſchen England und Tongaland. — 14. Sept.: 
Die Nene Republik als Diſtrilt Vrijheid mit der Sildafrita= 
niſchen Republit vereinigqt. — 22. Des. : Portugal vergichtet 
auf da8 Proteftorat ber Dahomé und riumt Whydbab. 

1888, 11. Febr.: — Freundſchaftsvertrag mit den 
Matabele. — 20. März: —— Frantteichs mit 
den Futa Dſchallon. — 8. Mpril: Bertrag zwiſchen San— 
ſibar und ber Deutſch-Oſtafrilaniſchen Geſellſchaft fiber 
das Miljtengebiet ſüdlich vom Umbafluß. — 25, April: Tod 


Afrika (widhtige Ereigniffe feit 1884; Literatur). 


Seyhid Bargaids von Sanjibar. — 29. April: Stanleys 
Rujammentrejien mit Emin, — 18. Juli: Tieba von Kene⸗ 
dugu unter frauzöſiſchem Shug. — 25. Juli: Britijde 
Nuterefieniphiire in Siidafrita bis gum Gambefi. —3. Sept. : 
Die Buitig-Ofafitan — erhiilt Hoheitsredte. 
Dez.: G ut lagt OSman Digna bei Suafin. 
1889. Januar: 533 Frankreichs über Kong. — 
8. Febr.: Sultan von Obbia unter italieniſchem Schutze. 
Maärz: Johannes von Abeſſinien fällt bei Metem⸗ 
meh. — 2. Mai: —— von Utſchalli zwiſchen Italien 
und dem Negus Menelit I. — 8. Mai: Wiſſmann ſchlägt 
Buſchiri bei Bagamoyo. — 8. Juli: Erftitrmung Banganis. 
— 11. Oft.: Manga von Uganda sieht wieder in Mengo 
cin. — 15. Olt.: Die Britiſch⸗Südafrilaniſche hag 
erhält cinen Freibrief fiir 25 Jahre. — 22. Olt.: Küſte 
zwiſchen der Nordgrenge bon Witu und der 5. 
von Kiſmaju unter deutſchem Schutz. — 15. Nov.: Italiens 
Proteltorat über die Küſte zwiſchen Warſchelh und der 
Didubbmiindung. — 6. Dez.: Sultan von Auſſa unter ita⸗ 
lieniſchem Schutz. — 14. Dez.: Hinrichtung Buſchiris. 
1890. 9. Marg: Niederlage Bana —— von —— — 
6. April: Segu Siloro von den Franzoſen beſetzt 
Pak Vertrag zwiſchen —— — und England —ES 
chaft im MN. des Tana beſeitigt und britij 
* chaft dort und fiber Sanſibar anerfannt; in 
ber Folge andy engliſche —— iiber üganda 
2. Juli: Deflaration zur jera latte der Briiiveler Anti= 
ſtlavereilonferenz. — 5. Mug.: Abgrengung der * 
und franzöſiſchen Intereſſenſphüre am Niger. — 3. O 
Dahomẽè willigt in franzöſiſches Proteltorat über Porto 
Novo und Bejesung von Kotonu. — 26, Dez.: Bertrag 
Mangas von Uganda mit Lugard von der Britifd- 
DOftafrifanifden Gelellidaft. 
1891. 1. Nan.: Deutſchland nimmt bie Küſte Deutſch-Oft⸗ 
efeties in Befi gegen Zahlung boy 4 Mill. Mt. an San-= 
— 18. Febr.: Tofar von ben quptern guriiderobert. 
— F ati u. is. April: Teilung des *2 Nord⸗ 
oſtafrila in eine engliſche und cine — Einflußſphäre. 
— 14. Mai: Engliſches Protettorat fiber Nyaſſaland. — 
28. Mai: Bertrag zwiſchen England und Portugal fiber 
die ſüdöſtliche Angolagrenze. Elfenbeintilite zwiſchen Ca- 
vally und St. Andreas franzöſiſch. — 11. Quni: Engliſch⸗ 
portugieſiſcher Vertrag über Britifd-Sentralafrita. — 17. 
Aug.: Niederlage Zelewſtis im Ubehe durd Awawa Ma- 
—* — 13, Olt.: Portugieſiſche Kolonie Moſambil in 
ben Freien Staat bon Oſtafrika verwandelt. — Dez.: Er— 
—* Mſiris durch den belgiſchen Kapitän Bodſon. 
1892. Jan.: Tod Tewfik Paſchas. — 1. Febr.: San— 
oo Sreihafen. — 30. Mai: Konig von Uganda unter 
ber Schußherrſchaft der Britiſch Ojtafritanijden Geſell⸗ 
ſchaft. — 20. Oft.: Ermordung Emin Paſchas ju Kinena. 
— 17. Nov.: Die Franjojen unter Dodds er 
homé. — St. Paul und Amſterdam in franzöſ. Befig. 
1898. 22. Febr.: Englands Beſitzungen am Nyaſſaſee zur 
Kolonie Britiſch⸗entralafrika erllärt. — 14. April: Ver— 
trag zwiſchen Deutſchland und Großbritannien iiber dic 
Weftgrenjse Kameruns (Rio del Rey). — 12. Juli: Ablom⸗ 
men zwiſchen England und Frantreid) fiber Aufteilung 
Oberquineas. — 17. Quli: Kaſſala von den Jtalienern den 
Mahdiften entrifien. — 25. Quli: Deutſch— — Ver⸗ 
trag über das Kilimandſcharogebiet. — 1. Nov.: Rieder= 
lage Lobengulas am Bembeſi. — Sieg der Jialiener über 
bie Mahdijten bei Agordat. — 15. Nov.: Deutih-englijdyer 
Vertrag iiber Hinterland von Kamerun (bis gum Tad). 
1894. 10. Jan.: Die Franjofen in Timbuftu. — 15. März: 
Ablommen Wwiſchen Deutſchland und Frankreich über Oſt⸗ 
grenze von Kamerun. — 5. Mai: Vertrag zwiſchen Grop- 
britannien und Stalien fiber Abqrengung tm Gediete des 
Golfes vonAden. — 12. Mai: Grengvertrag zwiſchen Groß⸗ 
britannien und dem Rongoftaat. — 17. ani: Die Ita⸗ 
liener in Kaſſala. — 19. Juni: Englands Sdhubherrvdaft 
itber dad Gebiet der Britiſch-Oſtafritaniſchen Geſellſchaft 
(Uganda = Protettoral). — 10. Aug.: Grenjvertrag zwi⸗ 
ſchen Frankreich und Siberia, — 14, Mug. : Lbereinfommen 
—— Frankreich und dem Kongoftaat (Talweg ded | 
bomo und Waſſerſcheide zwiſchen Rongo und Ri). — 
Sept.: Pondoland aur Kapfolonie. — 9. Sept.: Unter- 
werfung Hendrif Witboois unter Deutidland. — 30. Oft.: 


155 


Gouverneur v. Sdhele befiegt Rwawa Mahinya bei Kui- 
renga. — 10. Deg. : Swaſiland unterm Sdug Transvaals. 

1895. 1. San.: — Pretoria Komatipoort (Delagoa- 
Bahn). — 21. Abereintommen givifden Frantreid 
und England * ihre Grenzen im Norden und Oſten von 
Sierra Leone. — 1. April: Die Italiener in Adua. — W. 
April: Tongaland rented Schußgebiet. — 1. Mai: Bri- 
tiſch⸗ Maſchonaland »Rhodefiac. — 15. Juni: Oftafrita 

zwiſchen Tana und Dſchubb bis Uganda imter britijdem 
—* Oſtafrilaniſches Protettorat). Britiſche Kronen⸗ 
pe e Betſchuanenland zur apfolonie. — Nov.: Nörd⸗ 
Betſchuanenland britiſches Schutzgebiet. — 7. Dez.: 
Die Italiener unter Tofelli bet Amba-Aladſchi gefdlagen. 
— 29. Dej.: Einfall Dr. Jameſons in Transvaal. 

1896. 1. Jan.: Krügersdorv. — 1. März: Baratieri bei 
Adua qeidlagen. — 30. Mai: Madagastar franzöſiſche 
RKolonie. — 30. Juni: Unyoro und —— britiſchem 
Schutz. — 21. 7: —— —— Hinterland von 
Sierra Leone. Aug.: ultan von Sanſibar. 
— 31. —* Sanſibar und — »Gajt Africa Protecto⸗ 
rate<. — 23. Gept: Dongola von der 20 Bie? ate ton 
Armee den Derwiſchen entriffen. — 26 riede Don 
Addis⸗Abeba zwiſchen Italien und 3 

1897. 4. Juni: Abfommen zwiſchen Abeſſinien und Eng— 
land über rengung Britiſch⸗Somallands (England 
verzichtet auf tT). — 19. Ott.: Deutſch⸗franzöſiſches 
Abfommen apd 4g Togos. — 17. Dej.: Sulu⸗ 
land au Natal. — 25, Dez.: Kaſſala von englijd-dgypti- 
chen ruppen bejebt. 

1898. 7. Mpril: Riederlage der Mahdiſten bei Nakheila 
am Wtbara. — 14. unt; Abfommen zwiſchen England 
und Frankreich fiber thre Intereſſenſphären von der Weſt⸗ 
tiifte bis gum Tſadſee. — 2. Juli: Kongobahn von Ma— 
tadi gum Stanley Pool. — 19. Quli: Selbjtmord des 
Waheheſultans Kwawa Mahinya. — 2. Sept. : Einnahme 
bon Omodurman durd) die englijd = <igy yptiſche Armee. — 
9. Gept.: Gefangennahme Gamorys durd) Gouraud. 

1899. 21. März: Sudän-Abklommen zwiſchen Frantreid 
— land. — 8. Juni: Mbanderung der Brüßeler Anti⸗ 

-Meneralatte Bp seating der Zulaſſung von Spiri- 
—* in Afrila. — uni: Die Ländereien der Royal 
Niger Company an Me tit. Regierung. — 9. Oft: Ulti⸗ 
matum der Burenrepubliten an England; 11. Oft.: Beginn 
ded Sildafritanifden Krieges. — 21. Olt.: Niederlage Ra⸗ 
bahs durd die uy ngofen bei Kuno am Sdjari. — 14. Nov.: 
= elung der deutid-englijden Grenje Togos (Gamoa- 
Abfommen). — 24. Nov.: Tod Abdullahis bei Om Debrilat. 
1900. 1. Jan.: Britiſche Proteftorate Northern und Sou— 
—— Nigeria. — 19. Jan. Osman Digna von Englän— 
geſangen. — Jan.: Die Franzoſen fegen Ahmar 
Santhe al’ Gultan von Bornu cin. — März bis Suni: 
pgr seer —— in Kumaſſi durch die Aſchanti. — 
Rabahs bei Kuſſeri. — 25. Mai: Dent= 
—— über Poſtdampfſchiffsverbindungen mit 
faite — 2. Quni: Tod Gamorys. — 10. Sept.: — 
ſches Reichsgeſetz über dic Schutzgebiete. — 10. Ott.: 
trafttreten der laiſerlich deutiden Berordnung liber bad 
Bergweſen in Deutjd = Oftafrita. 

1901. Auguft: Tod Fadelallahs von Bornu. Sultan der 
Micourtins bei Benadic unter italieniſcher Oberhoheit. — 
19. Dez.: Uganda-Eiſenbahn am Ujer des 
Nianfa angelangt. 

1902. 31. Mai: Ende des Südafrilaniſchen Krieges: die 
Delegierten der Buren unterjeidnen in Vereeniging die 
von Ritdener und Milner geftellten Friedensbedingungen. 
[Riteratur.] Für die Kenntnis Afrilas bilden die 

Berichte der oben angefiihrten Forjdungsreifenden 

die Hauptquelle. Für die frühern Perioden vgl. Pau— 

litſchke, Die Ufrifaliteratur von 1500 —1750 (Wien 

1882). Werfe emeinen Snbalts: Ritter, Ufrifa 

(1. Teil der »>Erdhunde«, 2. Aufl. Berl. 1822); Res 

clus, Nouvelle géographie univ erselle, Bd. 10—13 

(Par. 1885 —88; davon in neuer Bearbeitung durd 

Oneſime Reclus: »L’ Afrique Australe«, 1901); 

Hahn, Ufrifa, eine allgemeine Landestunde (Leip. 

1901); Reane, Africa (in Stanfords Nompendien, 


des Bictoria 


156 Afrifana — Ajrifanijde Altertümer. 


Yond, 1895, 2 Bde.); Heawood, Geography of ſiert durdh megalithifde Grabbauten von ber 
Africa (daſ. 1896); Greswell, Geography of Af- | Art der in Fig. L—9 wiedergegebenen. Die Trili- 
rica south of the Zambesi (dai. 1892); Sir H. O. | then (Fig. 9) find auf Tripolis und die Cyrenaica be- 
Johnſton, British Central Africa, north of the | ſchränkt, wabrend Wlgerien und Tunis iiberreid) an 
Zambesi (2. Aufl. daſ. 1899); Hartmann, Die Dolmen, Menhirs und Steintreifen (Fig. 1, 
Nigvitier (Berl. 1876); Ratzel, Voltertunde, Bd. 1 2 u. 4) find; fie zählen dort nad Zehntauf 

(2. Aufl. Leipz. 1895); Futterer, A. in feimer Bee Die Dolmen bejigen teils den fogen. feltiiden Typus, 
deutung fiir die Goldproduftion (Berl. 1894); Stro- teils haben fie die Form der Bajzina und der Schu⸗ 
mer v. Reidenbad, Die Geologie der deutſchen ſcha (Fig. 5 u. 6). Yn den Steinfreijen finden fid 


Schubgebiete in A. (Munch. 1896); Vel tie, The par- 
tition of Africa (Yond. 1895); Sanderfon, Africa 
ix the nineteenth century (daf. 1898); Deville, 
lartage de l'Afrique (Bar. 1897); van Ortroy, 
Conventions internationales définissant les limites 
actuelles des possessions ete. en Afrique (Brüſſ. 
ISON, enthalt die amtlichen Wetenjtiide fiber Grenz— 
regulierungen feit 1841); H. H. Qobniton, History 
of the colonisation of Africa by alien races (2. Aufl., 
Wambr. 1902); Zimmermann, Die europäiſchen 
Nolonien (Berl. 1896 —1901, Bd. 1— 4). Sdhurg, 
Afrila (im 3. Bd. von Hefmolts »Weltgefdidte«). 
Sur Entdedungsgejdichte: Die in den Artileln 
»Numidiene, »Tunise re. angefiihrten Schriften über 
die Geſchichte der betreffenden Lander im Altertum; 
Paulitſchte, Die geographiſche Erforſchung des 
afrilaniſchen Kontinents (2. Aufl., Wien 1880); 


Jones, Africa. History of exploration from Hero- 


dotus to Livingstone (Mew Vort 1875); Wan, 
ltinéraire suivi des principaux voyageurs del’ Afri- 
que (Briijf. 1880); White, The development ot 
Africa (2. Aufl. ond. 1892); Umlauft, UW. in farto- 
qraphifder Darjtellung von Herodot bis heute (Wien 
1887). Spezialwerfe: Rofder, Ptolemäos und die 
Handelsitrajen in Zentralafrifa (Gotha 1857); 
Kunjtmann, UW. vor der Ankunft der Portugieſen 
(Miind. 1853); Wappäus, Unterſuchungen fiber 
die geographiiden Entdeckungen der Vortugieſen unter 
Heinrich dem Seefahrer (Götting. 1842); Santarem, 
Recherches sur la priorité de la découverte des 
pays situés sur la céte occidentale d'Afrique (Bar. 
1842). — Uber die Fortſchritte der Afritaforidung 
beridjten die folonialen und geographiſchen Zeitſchrif 
ten der in Betracht fommenden Staaten. 


Karten von YW. licferten Habenicht (Spesialtarte, | 


1:4,000,000, 12 Blatt; 3. Aufl., Gotha 1892), Riepert 


(» Bolitifdhe Wandfartee, 1:8,000,000, 4. Aufl., Berl. | 


1890), Berghaus (⸗Phyſilaliſche Marte, Gotha 1890), 
die Handatlanten von Stieler 1: 7,500,000 (im Erjder- 
nen), Debes (1898), Andree (1902) je 1: 10,000,000; 
» Afrique, publié par le service géographique de 
lArmée<, 1: 2,000,000, 63 Blatt (Bar. 1891, wird 
furrent gehalten; Reduftion in 6 Blatt., 1:8,000,000, 
daj. 1894); Stanford (»Library Map of Africae, 
1: 5,977,382, 4 Blatt, Lond. 1892); Friedrid), »Han- 
dels und Produftenfarte von A.« (Leipz. 1902). 
Afrifana, weier Baumwvollenitoff mit Leinwand- 
bindung und 28 Ketten- und 24Schußfäden auf lem. 
Ketten= und Sdufgarn Nr. 20 engl. 
frifander (Ujrifaander), in Siidafrifa Be- 
zeichnung fiir einen dort gebornen Weißen. Der Afri— 
tander-Bond (Bund«) wollte urſprünglich dem 
Wahlſpruch »Wfrifa den Ufrifanern« (gleichviel ob 
niederdeutſchen oder englifden Urfprungs) sum Siege 


baufig Blde von der Form, die Bia. 8 zeigt. Cine 
| weitere Art von nordafrifanifdhen Ultertiimern find 
die Hoblengriiber, die Hanuat, mit ihren verſchiede⸗ 
nen Unterarten: den cigentliden Hanuat, den Vit 
el Sadjar (Steinfammern, Fig. 7) und den Habr 
el Relab (Hundejtille). Sie alle find aus dem an- 
| jtehenden Fels herausqearbeitete Hohlräume mit hori- 
zontalem oder fenfredjt von oben verlaufendem Ein⸗ 
gang. Die lepte Art von altertiimliden Bauwerten 
in Nordafrifa find Kaſtelle von länglich vierecigem 
Grundriß mit abgerundeten Eden, 30 — 45 m lang, 
24—30 m breit, aus madtigen Bloden veridiedener 
Größe ohne Mörtel aufgemauert. Das Innere iit 


mit Erde bis gu einer gewifien Hdhe ausgefiillt, fo 
| bab bie berftebende Mauer den auf den Erdaufwurt 


jtehenden Berteidigern als Bruſtwehr diente. Rings 
um das Ganze läuft in der Regel ein tiefer Graben. 
Dieſe Raftelle find bisher nur in Tripolis und Barta 
fonjtatiert worden, ebenfo wie die Senam genannten 
Trilithen (Fig. 8 u. 9), in Denen man mit groper Wahr⸗ 
ſcheinlichleit ebenfalls Grabbdentmaler zu ſehen bat. 

Uber die Erbauer und das Ulter Defer nordafri- 
laniſchen Ultertiimer wei man nichts Beſtimmtes. 
Die in Küſtennähe häufigen, mit Inſchriften verjebe- 
nen Grabplatten find ſicher altberberifchen oder liby⸗ 
iden Urjprungs; mit groper Wahrſcheinlichkeit aud 
| die andern Bauten, felbjt die Dolmen und Menhirs 
vont feltijden Typus. Die jiingiten find nadweis- 
lich in römiſcher Beit erridtet worden. Auch die Se- 
nam baben eine Nadbearbeitung unter rdmifdem 
Einfluß erfabren. 

(iiber die Altertümer Ägyptens ſ. ÄAgypten.) Der 
Nordoſten Ufrifas ijt ebenfalls ſehr reid an alten 
Bauwerken; man kennt deren in Nubien, dem Senaar, 
in Ubeffinien und Rordofan. Yn Nubien gehoren 
dahin die Ruinen von Kerman und Defufah in 
der Rabe des Nils im Dar Dongola, die fehr an den 
Vylonenſtil Ägyptens erinnern. Ähnliche Bauten, 
Dolgqa, finden ſich vielerorts zwiſchen Aſſuan und 
Berber; ſie gehören verſchiedenen Zeitaltern an. Reſte 
von chriſtlichen Kirchen und Klöſtern finden ſich im 
ganzen nubiſchen Niltal und in Abeſſinien. Die be— 
fanntejten find die von Sobah am Blauen Nil ober- 
halb Chartum, die monolithiſchen Kirchen von Lali— 
bala in Ubefjinien und die berühmten Trümmer— 
jtatten von Wdulis und Axum an der Annesleybai. 
Eine wirkliche große Stadt bilden dann die Grabbau- 
ten am Dfdebel Maman zwiſchen Kajjala und 
Maſſaua; fie haben eine gewiſſe Ahnlichkeit mit den 
jardinifden Nurhag. Vor den angebliden Ruinen 
von Mandera zwiſchen Atbara und Blauem Ril 
unter 14° 40 fiidL. Br. ſteht es nod) nicht feit, ob fie 
nicht etwa nur ag qeformte Felſen find. 

Jn Südafrika ijt befonders Mafdonaland reid) 








verbelfen, beswedt aber feit den lester Jahren nur | an alten Bauwerfen. Das betanntefte find die Ruinen 
Die Starfung der niederdeutichen Bevdlferung in Siid- | von Simbabye (Fig. 10—13), zu denen in neuer 
afrita. S. aud) Buren und Kapfolonie. | Seit die Ruinen von Matindela, Metemo, Chilonga, 

Afrikaniſche Ultertiimer (hierzu Tafel » Wfri- | Nhami, Chiburwe und Dhlo-Dhlo oder Nambo gee 
laniſche Ultertiimer<). Der Nordrand Ufritas, von | treten find. Die weitere Erforfdung des Landes wird 
Maroffo bis zum Plateau von Barla, ijt haratteri- | ſicher nod) andre Bauwerlke erbringen. Jn dem neuer⸗ 


Afrikanische Altertiimer. 





& Trilith, Kyrensika. 6 Grabbau (Schascha), 4. Steineetsung, Algerion. 5. Grabbau (Bazina), 9. Trilith, Tripolitanien. 


Alerrien. Algcrien. 


~ 1& Aggriperien 










- — 
11, Rondbau , Simbabye. 






jeechuiteter Blefantensahn , Nenin 





14. Ateinring, SOd- und 
Ostafrika. 


1% Skulpter aus 
Simbebye. 





14. Steieringe euf 
17. Stelubell, Kleenblech, Ufpe, 





 Bronsenee blo gethopt, Benin Tt. Dronaeplatte , Nenlin 7. Steinkammercrab. Aler rien, Tunte 


Meyers Kon. -Lestkon, 6. Aufl Bidliogr. Institut in Leipzig. Zum Artikel Afrikan, Altertdmer, 


158 


König Juba von Numidien, beendet durd) Cäſars 
Sieg bei Thapjus 46 v. Chr. Die ——— 
Reitgenofjen (»Bellum Africanum«) pflegt Cäſars 
Schriften beigegeben zu werden. Vgl. Ch. Tiſſot, La 
campagne de César en Afrique (in ben » Mémoires«< 
der YUfademie der Inſchriften, Bd. 31, 1884) und 
»Géographie de l'ancien Afriques, Bd. 2, S. 721 f. 
——— Pferdehaar, ſ. Crin végétal. 
Afrikaniſche Sprachen. Afrika bietet in ſprach⸗ 
licher Beziehung, wie bei dem am wenigſten von 
höherer Kultur durchdrungenen Weltteil nicht anders 
zu erwarten ijt, das Bild emer außerordentlichen Ber- 
fliiftung. Erſt im neueſter Beit ijt es der Sprach— 
forſchung (Bleek, Lepſius, Fr. Müller, Th. Hahn u. a.) 
gelungen, auf Grund des reichen von Entdedungs- 
reijenden (wie Barth, Munzinger, Schweinfurth, 
Nachtigal u.a.) und namentlid von Miffionaren (wie 
Büttner, Chrijtaller, Endemann, H. Hahn, Iſen⸗ 
berg, Nolbe, Rolle, Rrapf, Krönlein, Moffat, Steere, 
Wuras u. a.) gefammelten, teilweife aud fdon zu 
Grammatiken und Worterbiidern verarbeitetenfprad- 
lichen Materials —— die nord⸗ und ſüdafrika⸗ 
niſchen Sprachen der Eingebornen in abſchließender 
Weiſe gu klaſſifizieren. Dagegen laſſen ſich die zahl— 
reichen, gänzlich verſchiedenen Sprachen Innerafrilas 
noch nicht mit Sicherheit in irgend einen größern 
Sprachſtamm einreihen. Von “a por Wichtigleit 
ijt Die Zugehörigkeit der meiſten Sprachen Siidafritas 
u dem groken Gpradjtamm der fogen. Bantu- 
J——— Dieſe in grammatiſcher Sesichung hod) 
entwidelten Spraden, die nad) Norden gu bis weit nad 
Hentralafrifa hineinreichen und in drei Hauptgrup- 
pen jerfallen (j. Bantu), zeichnen fid) namentlid) durch 
die höchſt harafterijtijden artifelartigen Vorſätze aus, 
fo in den Ramen der Ba-futo, der — J———— der 
Uma-fulu, der Ama-xoſa (Kaffern), der Ma-tonga, 
Ma-hloenga x. Einen gang andern Bau eigen da- 
gegen die übrigens in rajdem Ausſterben begriffenen 
talefte der Hottentotten und die mit denſelben 
durd) das häufige Vorfommen von Schnalzlauten 
verwandte, gleidfalls dem Erlöſchen nahe Sprade 
der Buſchmänner. Außerdem gehört die Haupt- 
fpradje der Inſel Madagasfar, das Malagaſſy, 
dem malaiifd-polynejtiden Spradjtamm an, von 
dem ſich aud) die Spradjen der gegeniiberliegenden 
Küſte von Moſam bil beeinfluft zeigen. Cinen faum 


minder weit als der fiidafrifanijde Bantuſtamm, aber | 
_ ten hält er fiirnad) Silden abgedriingte Verwandte der 


jetzt größtenteils über jebr diinn bevilferte Geqenden 
verbreiteten Sprachſtamm bejigt Rordafrifa in den 
hamitifden Spraden (j. a 

lichſte, die Sprache Der Galla ſüdlich von Abeſſinien, 
an Die nordöſtliche Bantuſprache, das Kiſuaheli, 
Direft angrengt. Andre hamitijdhe Sprachen ziehen 
jih bis an den Golf von Uden und das Rote Meer 
bin, und nordwärts reicen fie mit manden Ilnter- 
bredungen bis nad) Oberagypten; von hier aus er- 
jtrecen ſie fic) als Spradjen der Berber und andrer 
nomadijierender Wüſtenſtämme quer durch ganj 
Nordafrifa bis an die Weſtküſte bin. Gm Altertum 
gehörte diefem Sprachſtamm aud die durch geſchicht— 
liche Bedeutung hervorragendſte Sprache Ufrifas, das 
Altägyptiſche, nebſt ibrer ebenfalls ausgeſtorbe— 
nen Tochter, dem Koptiſchen, an, außerdem die 
Sprachen der Libyer, Numidier und andrer Völ— 
fer Nordafrifas und der Kanariſchen Inſeln. Schon im 
Altertum gab es an der nordafrifanifden Küſte auch 
bedeutende nordjemitifche (phinifijde) Niederlaſſun— 
gen; durch den Islam hat fic) cine ſüdſemitiſche 
Sprade, das Urabijde, tiber den ganzen nörd— 


miten), deren ſüd⸗ 





Ajrifanijdes Pferdehaar — Afrikaniſche Sprachen. 


lidjen Küſtenrand fowie fajt über ganz Äghpten ver- 
breitet und ijt in rafdem BVordringen nad Silden gu 
beqriffen. In Ubefjinien herrfden ebenfalls fiidfemi- 
tiſche Sprachen, von dem jest ausgeltorbenen, durch 
jeine alte Literatur hervorragenden YUthiopifden 
abjtammend. Bon den jentralafrifanijden 
Spraden find die bis jest befanntejten die der Wo - 
lof am Rap Verde, der Fulbe (Bul) öſtlich davon 
bis gum Tſadſee hin und etwa von 1O—20° ndrdl. Br. 
jildwejtlid) davon das Mandinfa und andre Man- 
defpraden, im Yiederlande von Sierra Leone das 
Temne und Bullom, am Kap Palmas das Kru, 
weiter öſtlich an Der Guineafiijte Die nabe miteinander 
verwandten Spradjen O df di (Licht) bei den Ujdanti, 
Ga in Ufra, Ewe in Dahomé, Jowwuba, Efik und 
das ferner jtehende YOo; dann tm Innern ſüdöſtlich 
von Timbuftu das Sonrhai, ſüdöſtlich hiervon das 
weitverbreitete Hauſſa, wegen feiner hamitifden 
Elemente von Lepjius u. a. fiir einen wejtliden Aus— 
läufer des hamitiſchen Stammes gebalten, djtlid vom 
Hauſſa das Ranuri in Bornu, nördlich hiervon das 
Leda oder Tibbu, fiidlid) vom Kanuri dasL ogone, 
Wandala u. a., weiter öſtlich das Bagirmi, nord: 
öſtlich hiervon die Mabajprade in Wadai, öſtlich 
hiervon das Kondſchara in Dar Fur und weiter 
ſüdlich das Tumale, die ſechs letzten nach Lepſius 
miteinander verwandt; endlich in Oſtafrika die Gruppe 
der Niljpradjen, Dinfa, Bari, Sdhilluf, Bongo 
und Oigob, und weiter ſtromabwärts die Sprachen 
der Barea und der ſchon dem Witertum befannten 
Nu bier oder Ruba. Wile dieſe Sprachen oder Sprad- 
Gruppen zeigen wenigſtens in betrejf ihres Wortſchatzes 
nidht die geringjte Verwandtidaft, weshalb Fr. Miller 
fie fiir ebenfo viele ſelbſtändige Urſprachen halt. Die 
Fulbe (Bul) und die Mubier halt er zugleich ihrer 
natiirliden Merkmale wegen fiir von den übrigen 
zentralafrilaniſchen Stammen, als reinen Negerval- 
fern, gejdiedene Raſſen und nimmt an, daß die beiden 
erjtern fowie die Bantuvolfer aus einer Vermiſchung 
mit Den aus Wien eingewanderten Hamiten hervor- 
gegangen feien. Dagegen halt Lepfius zunächſt aus 
anatomifden Griinden alle einheimifden afrifanijden 
Rajjen fiir verwandt und fudt insbeſ. bet fajt famt- 
lichen jentralafrifanifdhen Sprachen nachzuweiſen, 
dah bicketben ibrem Grunddarafter nad, namentlid 
in betreff der Klaſſeneinteilung der Subjtantiva, mit 
den Bantuſprachen identifd jeien; bloß die Hottentot- 


Hamiten, mit denen fie fpradlid) die Unterideidung 
der Geſchlechter gemein haben. Jedenfalls herridt 
daritber allgemeine Übereinſtimmung, daß zwiſchen 
den Hamiten und Semiten einerſeits und allen übri— 
gen afrilaniſchen Völkern anderſeits ſowohl ſprachlich 
als namentlich kulturgeſchichtlich eine tiefe Kluft liegt. 
Nur erſtere beſitzen eine alte Schrift, Literatur und 
Geſchichte; was ſich bei letztern von Literatur findet, 
beſchränkt ſich auf der neueſten Zeit angehörige drijt- 
liche Erbauungsbücher, Bibelüberſetzungen u. dgl. 
und einige Sammlungen von Volkserzählungen und 
Tiermärchen. Bal. die ⸗Sprachenlarte ⸗ und Kölle, 
Polyglotta afrikana (Lond. 1854); Laſt, Polyglotta 
afrikana orientalis (daſ. 1886); Fr. Müller, Grund— 
riß der Sprachwiſſenſchaft, Bd. 1 (Wien 1876 —77); 
Derjelbe, Die dquatoriale Spradfamilie in Zentral- 
afrifa (daſ. 1889); Lepfius, Nubiſche Granrmatif, 
mit einer Einleitung fiber die Biller und Spraden 
Ufrifas (Berl. 1880); Cuſt, Sketch of the modern 
languages of Africa (Mond. 1884, 2 Bde.); » Hett- 
ſchrift fiir die afrilaniſchen Spraden« (hrsg. von Wiitt- 


Afrikaniſche Truppen — Wfterpfand. 


ner, Berl. 1887— 90, 3 Bde.); ⸗Zeitſchrift fiir afri- 
fanifdje und ozeaniſche Spradjen, mit befonderer Be- 
riidjidtiqung der deutiden Kolonien« (Hrsg. von 
Seidel, daf. 1895 ff.). 

Afrikaniſche Truppen, dic Truppen ded 19. 
franz. Urmeeforps, die leidjte Jnfanterie, Frembden- 
regimenter, Chaffeurs d'Afrique, Zuaven und die 
eingebornen Turfos, Spabhis, im engern Sinne nur 
bie beiden letztern. [fhe Weine. 

Ufrifanifde Weine, ſ. Kapweine und AUlgier- 

Mfter (Anus), dic hintere Uusmilndung des Darm- 
fanalé (j. Darm). Rranfheiten des Ufters fommen 
häufig vor. Ungeboren ijt die Verſchließung des 
Ufters (atresia ani), wobei feine Darmentleerung 
cintreten fann. Unter ben erworbenen Rranfheiten 
deS Afters find die Hamorrhoiden (f. d.) die gewöhn—⸗ 
lidjten. Entzündungen ded Ufters entitehen durch 


den medanijden Reiz, den harte Unfagftiide einer | 
oder harte Rotmaffen auf dad Darme | 
A. aud) rein nervös als echter Pruritus auftreten. 


Kliſtierſpri 
ende ausüben, durch verſchluckte Fiſchgräten, Sted- 
nadeln, Objtterne, Knochenſtückchen u. DgL., die in der 
Nähe des Afters ſich einbohren oder die Schleimhaut 
daſelbſt verletzen; ferner durch Eingeweidewürmer, 
durch Fortleitung der Entzündung des Diddarmes 
oder der Umgebung auf den A., jo namentlid) der 
tuberfuldjen Veränderungen am Maſtdarm und um 
denfelben herum. Diefe Entzündungen find mit bren- 
nenden und driidenden Schmerzen im A. und mit 
unaufhörlichem Stubldrang verbunden, der nad 
jtattgefundener Entleerung nicht weſentlich erleidtert 
wird. Die ſchwächſten der genannten Reige verurfaden 
cine fatarrbalijde Abſonderung, die — Wund⸗ 
werden der Haut ſehr läſtig werden kann. In höhern 
Graden kommtes zur Geſchwürsbildung, und es können 
Fiſtelgänge (Anusfiſtel, Maſtdarmfiſtel) ent— 
ſtehen. Geſchwüre kommen namentlich beim weiblichen 
Geſchlecht vor, hier auch nach ſyphilitiſcher Anſteclung. 
Sie bewirken oft fo ſtarle Verengerung (strictura 
ani) ded letzten Darmabjdhnittes, daß die Entleerun 
unmöglich wird. Sn folden Fallen, und wenn na 
Einklemmung eines Bruches ein Teil des Darmes 
branbdig entartet iff, legt man einen künſtlichen A. 
(Rotfijtel, Darmfijtel, Anus praeternaturalis) 
an, indem man die geöffnete Darmſchlinge mit der 
Bauchwand vernäht. Solche Darmfiſteln können auch 
bei chroniſchen Bauchfellentzündungen, eingeklemmten 
Briiden r., durd Perforation von Darmgeſchwüren, 
Schuß⸗ und Stichwunden su ftande kommen. Krebs 
fomunt im A. ſtets als Geidwiir (Ranfroid) vor; vgl. 
aud) Majtdarmfijtel, Maſtdarmkrebs 2x. 
WUfterbildungen , joviel wie Neubildungen. 
' — die Brunft der Rehe im Dezember; 
Afterbürge (Nad biirge), der Bürge eines Bür⸗ 
en; er ſteht un allgemeinen — Schuld des letztern 
im gleichen Verhältnis wie dieſer zur Hauptſchuld 
(j. Biirgidaft). 
Afterdolde, foviel wie Trugdolde, j. Bliitenftand. 
Ufterdriifen (Unaldriifen), in oder am After 
miindende Driijen, die eine fette, —— riechende, oft 
ſtinlende Maſſe abſondern, wie bei Raubtieren, Nage— 
tieren, Amphibien, Inſekten. Das Sekret dient zur Un- 
lockung des andern Geſchlechts oder zur Verteidigung. 
Mande von dieſen Sekreten werden als Arzneimitlel 
(Moſchus, rope ay oder Parfiim (Ribet) hs 
Ufterfratt (Wundfein, Frattjein, Wolf, 
— * oberflächliche Hautentzündung am After, 
wobei die Haut gerötet, feucht, etwas rauh iſt und 


beim Gehen, überhaupt bei jeglicher Reibung brennen⸗ 








159 


den Schmerz verurſacht. A. entſteht gern bei fetten 
Perſonen, die leicht ſchwitzen, beim Reiten und bei 
kleinen Kindern infolge von Verunreinigung mit Harn 
und Kot. Es wird verhütet oder beſeitigt durch wieder- 
holte Waſchungen mit kühlem Waſſer oder mit Blei- 
waſſer. Weniger zu empfehlen ſind Streupulver, wie 
Bärlappſamen. 

Afterfrühlingsfliegen (Perlidae Leach.), Fa— 
milie der Falſchnetzflügler (ſ. d.), gu Der Die Uferfliege 
(Perla Geoffr., {. d.) gehört. 

MAftergallwefpen , ſ. Gallwejpen. 

Uftergetreidve, ſ. Ufterforn. 

Aftergrumt, ſ. Grumt. 

Ufterjucten (Pruritus ani), lajtige Empfindun 
am Wfter, die bei Entziindung der äußern Haut (P 
Ufterfratt, Yuden), bei Hanworrhoiden (j. d.), bei ge- 
wiſſen Ronjtitutionsfranfheiten, 5. B. Diabetes, bei 
Rindern aud) durch Cingeweidewiirmer, die abends 
Wanderungen unternehmen, auftritt. Ferner fann 


Afterkamille, ſ. Anthemis. 

Afterklauen (Aftern, Afterzehen, Aber— 
klauen, beim Rotwild Oberrücken, beim Schwarz- 
wild Geäfter), die beiden Zehen hinten an jedem Fup 
der Huftiere, die den Boden nicht berühren und nur 
ausnahmsweiſe ſo groß werden wie die Hauptzehen. 

Afterkorn Ginterfrucht, Aftergetreide, 
Hintergetreide), geringwertigere Getreidekörner, 
die beim Reinigen der Frucht von der Marktware 
ausgeſchieden werden. Verwerflich ijt die Verwendung 
von A. gu Biehfutter, weil die beigemengten Unfraut- 
famen den Tieren oft ſchädlich werden, auch feimfahig 
durd) den Darmfanal in den Diinger wandern und 
dem Acker wieder zugeführt werden. A., von dem 
das Unfraut nicht gu ſcheiden ijt, muy, wenn es feine 
giftigen Samen (Rade rc.) enthilt, vor der Verfütte⸗ 
rung gefdroten oder ſtark gedämpft werden; ſchäd— 
lides A. gehört auf den Kompoſt. 

Aft ſtalle, ſ. Pſeudomorphoſen. 

Afterlehen (Subfeudum) ijt das durch den Vaſall 
weiter verliehene ehen. Der Uftervajall (vasallus 
secundus) war Lehnsmann des erjten Vaſallen (va- 
sallus primus), wie diefer Lehnsmann ſeines Herrn 
(be3 dominus). Dieſer (der Oberlehnsherr) hatte, 
went das Recht ſeines Vaſallen (de Unterlehnsherrn) 
in Weafall fam, die Wahl, einen neuen Unterherrn 
einzuſchieben oder den Afterlehnsmann als unmittel⸗ 
baren Vaſallen anjunehmen. 

Uftermicte (Untermicte) ijt nad dem Biirger- 
lidjen Geſetzbuch 8 549, ohne die Erlaubnis des Ber- 
mieters nidt zuläſſig. Berweigert der Vermieter die 
Erlaubnis, fo fann der Micter das Mietsverhaltnis 
unter Cinhaltung der gefeslicjen Friſt fiindigen, ſo— 
fern nidt in der Perjon des Dritten etn widtiger 
@rund — Selbſt wenn der Vermieter die Er— 
laubnis zur Aftervermietung erteilt bat, muß der 
Mieter fiir cin etwaiges Verſchulden des Ufternrieters 
bei dem Gebrauche * Sache jenem gegenüber auf⸗ 
kommen. Zwiſchen dem Aftervermieter und dem 
Aftermieter beſteht ein wahres Mietsverhältnis, nicht 
aber auch zwiſchen Vermieter und Aftermieter. 

Aftermooſe, ſ. Lebermooſe. 

Afterpacht Unterpacht), dasſelbe Rechtsver- 
aig beim Pacht wie die Aftermiete (ſ. d.) bet der 

iete. 

Afterpfand (Pignus pignoris, Subpignus), das 
von einem Pfandglaubiger an einen Dritten (After⸗ 
pfandgliubiger) wetter verpfindete Bfand. Das 
Ufterpfandredt bejteht in der Befugnis, das 


160 


Pfandrecht des erjten Pfandglaubigers jum wed der 
cignen Befriediqung an deſſen Stelle geltend gu machen. 
Afterporen, Driifendjfnungen vor dem After der 


Afterporen 


Ufterraupen, |. Blattwejpen. [Cidedjen. 
Afterſchaft, ſ. Federn. 
Rosen} Familien der Gliederfpinnen. 


Ufterunternehmung, Zwiſchenunternehmung, 
bei der jemand gegen fejte Vereimbarungen fiir den | 
cigentliden Unternehmer gewijje Ausführungen über⸗ 
nimunt und bierfiir jelbjtandig Lohnarbeiter cinjtellt. 

Aftervaſall, ſ. Afterlehen. 

Afterwitz, ſ. Aberwitz. 

Afterzehen, ſ. Afterklauen. 

Afterzwang, übermäßige und ſehr ſchmerzhafte 
Kontraktion der Afterſchließmuskeln durch Reizung 
der Schleimhaut des untern Maſtdarmes. 

ee Meg iy’ Berg, f. Awaſalſa. 

Afzelius, 1) Adam, Votanifer, geb. 8. Ott. 1750 
eu Larf in Weftgotland, gejt. 20. Yan. 1837 in Up⸗ 
ala, ging 1792 nad) Sierra Leone, verlor hier durch 
Die Franzoſen feine wertvollen Sammiungen, wurde | 
1796 Gejandtidaftsfetretiir in London, fehrte aber | 
1799 nad Upſala zurück und erbielt 1812 die Bro- 
feijur Der Materia medica. Er fdrich: »Genera | 
plantarum guineensiume (Upſala 1804), »Stirpium | 
in Guinea medicinalium species novae« (daj. 1818), | 
»Stirpium in Guinea medicinalium species cog- 
nitaes (Daj. 1825) und gab die Selbjtbiograpbie 
Linnes (deutſch, Berl. 1826) heraus. 

2) Urvid Auguſt, ſchwed. Dichter und Alter- 
tumsforjfder, geb. 6. Mai 1785, gejt. 25. Sept. 1871 
in Enfdping, wo er als Pfarrer feit 1828 lebte, haupt⸗ 
ſächlich befannt als Mitherausgeber der Sammlung 
altſchwediſcher Bolfslieder: »Svenska folkvisor fran 
forntiden« (f. Geijer). [(Argentum). 

Ag, in ber Chemie Zeichen fiir 1 Utom Silber 

Ag., bei naturwiſſenſchaftl. Namen Abkürzung 
fiir eagortts (f. b.). 

tiga, mafedon. Stadt, ſ. Edefja 2). 

Ugacieren (franj., fpr. agag-), auf pifante Weife 
anregen und berausfordern. 

Agada, ſ. Dapgaba. ; : 

Agades, verddete Hauptitadt der Daje Wir (f. d.), 
Reſidenz des Sultans vom Stamme der Kelowi. Die 
Cinwobhner, friiher 50,000, jest nur nod 7000, er- 
deugen beriihmten Käſe und treiben bedeutenden 
Sal; 


banbdel. 
adir (YU. ne-Qrir, »Feltung ded Raps<), Ha- 
fenjtadt an der atlantifden Riijte von Marofto, 10km 
nördlich von der Miindung des Wadi Sus, friiher der 





bejte Hafen diefer Küſte, jetzt aber verwahrloſt, mit 
alter Sitadelle, verfallendDen Wauern und 1000 Einw. 
Die Portugieien legten hier gum Schutz ihrer Fiſcherei 
um 1500 das Fort Santa Cruz an und erbauten 
{pater eine Stadt um dasjelbe, die, 1536 von Maroffo 
erobert, ju einem widtigen Handelsplatz emporblithte. 
Dod) wurde der Hafen ſpäter geſchloſſen, und A. 
deſſen Stelle jegt Mogador einnimmt, hat nur nocd | 
alé Sollamt fiir die aus Der Sahara fommenden Waren | 
egagropilae, ſ. Bezoar. Bedeutung. 
gai, Udolf, ungar. Humoriſt, geb. 31. Mar; 
1836 in Janfovac, Begriinder (1868) und Redafteur 
des politijchen Wigblattes »Borsszem Janké«, Wit- 
lied der Kisfaludy Geſellſchaft; ſchrieb auch zahlreiche 
*—* fiir den ⸗Peſter Lloyd« u. a. 
—— Meer, f. ÄAgeus und Archipelagus. 
Agala e (griech.), dad Fehlen der Milchſekretion 
bei Wöchnerinnen, beruht auf unvolllommener Ent⸗ 


— Agäon. 


widelung der Milchdrüſen, Schwächlichteit, Blut⸗ 
armut, — ar oder ftarfen Gemütsbewegungen. 
Agallode-Blindbaum (pr. -10f4-), |. Excoecaria. 
Agallodjehols (jpc. Aoſch⸗), ſ. Alocholz. 
Agalmatolith (griech, »Schmucſtein⸗; Bild- 
ſtein, chineſiſcher Speckſtein, Bagodit), Mi— 
neral, beſteht aus Kieſelſäure, Kali, Tonerde und 
Waſſer, ijt derb, gelblich- oder grünlichgrau, aud 
fleiſchrot, digriin, matt oder ſchimmernd, kantendurch⸗ 
ſcheinend, fuͤhlt ſich fettig an, ſpez. Gew. 2,7—2,9, 
Härte 253, findet ſich beſonders in China und wird zu 
Kunſtſachen, Götzenbildern, Gewichten ꝛc. verarbeitet. 
Agãm (griech.), ſoviel wie agamiſch, insbeſ. Be— 
zeichnung fiir Die Weibchen folder Tiere, die ſich par- 
thenogenetijd fortpflanjen (ſ. Barthenogenejis). 
Agameé, sur Proving Tigré gehörige Landſchaft im 
nordojtlicken Abeſſinien. Sauptitadt ijt Adigerat. 
Agamedes, beriihmter Baunreijter der altqried. 
om wie fein Bruder Trophonios (ſ. d.). 
gamemnon, Sobn des Atreus und der Aërope, 
Enfel des Pelops, Urenkel des Tantalos. Von Thyejtes 
aus Mylenã vertrieben (j. Utreus), fliidjteten er und 
jein Bruder Menelaos nad Sparta ju Konig Tyn- 
dareos und vermählten fid mit deſſen Toöchtern, Mene- 
laos mit Helena, A. mit KAytämneſtra, die ihm die 
Lichter Iphigeneia und Eleftra und den Sohn Oreſtes 
gebar. Nad) Wiedergewinnung von Mykenä breitet 
er feine Herridaft fo aus, daß ihm als dem mächtigſten 
Fürſten Griedenlands nad) Helenas Entführung 
durch Paris der Oberbefehl in dem Rachezuge gegen 
Troja ——— wird. Er allein ftellt 100 Schiffe 
außer 60 den Arkadern geliehenen. über Iphigeneias 
Opferung in Aulis ſ. Iphigenie. Bor Troja erſcheint 
A. bei Homer als einer der tapferſten Helden; jedoch 
bringt er über das Heer ſchweres Unheil, indem er 
durch feinen Ubermut Achilleus zum Zorn reizt. Als 
er nad Trojas Fall mit der ihm als Beute zugefalle- 
nen Kaſſandra (f. d.) heinfehrt, wird er von Waifthos, 
dent Bublen der Klytämneſtra, beim Mahl erſchlagen. 
Undre laſſen die auf Kaſſandra eiferſüchtige, auch 
iiber Sphigencias Dpferung grollende Gattin thm beim 
Bad ein Netz tiberwerfen und den Wehrloſen mit dent 
Veil tdten. Seinen Untergang und feine Rächung 
durch Oreſtes (f. d.) behandelt Aſchylos in der » Drejtie«. 
A. wurde vielfad als Heros, in Lafonien unter dem 
Namen des Zeus W. als dthonifder Reus verebrt. 
amen (Agamidae), familie der Eidechſen pus 
der Unterordnung der Didjiingler, oder die Gruppe 
der beiden Familien Baumagamen (Lequane, 
Iguanidae) und Erdagamen (Humivagae), dann 
cine Gattung der Erdagamen: Agama Gray, von der 
41 Urten in großer Jndwiduenjabl von Sildojteuropa 
durd) gang Vifrifa und Siidweltajien bis Indien vor- 
fontmen. Die Siedleragame(A.colonoramDaud.), 
35 cm lang, mit feuerrotem Kopf, gelb geiprenfelter 
Kehle und jftahlblauem Körper und rotem Sdwany, 
lebt an der Goldküſte. 
Agami, |. Trompetervogel. 
Agamiĩe (griech.), Chelofigteit; agamif ch, ehelos. 
AUgamomonssie (qried.), Vorkommen von zwitte⸗ 
rigen und geſchlechtsloſen Bliiten auf derielben Pflanze. 
Agaña (ivr. anja, Stadt der amerif. Marianen- 
inſel Guam (f. d.). 
Aganippe, im griech. Mythus Todter des Fluß⸗ 
qottes Permeſſos oder Termejjos, die Nymphe der 
tfenquelle U. am Helifon. 
RU gaon, Sohn des Uranos oder des Pofeidon und 
der Gäa, einer der Hefatondeiren (ſ. d.), nad Homer 
von den Gdttern Briareds (der »Wuchtige«) 


Agapanthus 


enannt. Als Hera, Bofeidon und Wthene den Zeus 
eſſeln wollten, rief Thetis A. zu Hilfe, worauf jene 
von ihrem Borhaben abjtanden. 

Agapanthus L’ Héit. (Sd mudlilie, Qiebes- 
blunte), Gattung der Liliazeen, Kräuter mit fnol- 
ligem Wurzelſtock, grundſtändigen, langen, breit li- 
nealen Blattern, vielblumiger Dolde, blauer oder 
weiger Bliite, dreifantiger Rapfel und gefliigelten Sa- 
men. Drei Urten in Rapland und Natal. A. umbella- 
tus L’ Hérit. (1. Tafel »Zierpflanjzen I<, Fig. 17), mit 
80 cm hohem Bliitenfdjaft und blauen Bliiten, wird 
als Zierpflanze fultiviert und frojtfret überwintert. 

a (v. griech. agapé, »Liebec, Liebes- 
male), die gemeinjamen Mahlzeiten der erjten 
Chriſten, die gur Darjtellung und Betitiqung der 
bie Gemeinde verbindenden Liebe gehalten wurden 
und in der Feier des Ubendmabhls (f. d.) gipfelten. 
Als abendliche und geſchloſſene Verſammlungen er- 
regten ſie den Argwohn der Heiden, verloren aber 
auch in der Kirche an Anſehen, ſeitdem ſich das Abend⸗ 
mahl von ihnen abgelöſt hatte, um mit dem Morgen⸗ 
*2* verbunden zu werden. Die allmählich zu 

rien· und Krankenſpeiſungen herabgeſunkenen oder 
u Gaſtmählern entarteten UW. wurden ſeit dem 4. 
Sabrh, abgeſchafft. In der neuern Beit haben die 
Herrnhuter die Liebesmabhle wieder erneuert. 

Agapitus, Name zweier Päpſte: 1) A. L, ein 
Romer, gejt. 22. Upril 536, wurde 3. Juni 535 Papſt 
und 636 von dem Oſtgotenkönig Theodahad vergeb- 
lid) nad) Ronjtantinopel gefdidt, wm vom Kaiſer 
Sujtinian Frieden ju erbitten. Dod) veranlafte er 
dort die Ubfegung des der Ketzerei verdächtigen Pa— 
triarden Anthimos. 

2) U. IL, ein Romer, 946—-955 Papft, ſtand mit 
dem deutiden König Otto J. mindejtens feit 948 in 
freundlicen Beziehungen, lehnte aber unter dem Ein⸗ 
fluß des Rom beherrſchenden Patricius Wiberid) 951 
Ottos Gefud, ibn jum Kaiſer zu krönen, ab. 

Agar-Agar, aſiat. Algen, die getrocknet oder zu⸗ 
bereitet in Form von federſpuldicken, leichten, geruch⸗ 
und gefdymadlofen, hautigen Sdliuden von meijt 
3—20 cm Lange in den Handel fommen. Ceylon- 
moos (Jaffnamoos), von Ceylon und Java, be— 
jteht aus getrodnetem und gebleichtem Sphaerococcus 
(Gracilaria) lichenoides Ag., gibt mit 50 Teilen 
Waſſer cine Gallerte. UW. von Makaſſar und Java 
ijt getrodnetes Eucheuma spinosum Ag., gibt mit 
17 Teilen Waſſer eine Gallerte. UW. von Japan 
(veqetabilifdher Fifdleim, japanifdhe, oft- 
indifdhe Haufenblafe, Haithao), aus Gelidium 
corneum Lamex., Gelidium cartilagineum Gaill. x. 
durch Kochen mit Wajjer, Zerſchneiden und Trodnen 
der Wallerte gewonnen, gibt mit 200 —300 Teilen 
Wajfer cine Gallerte. UW. dient in der Heimat als 
Nahrungsmittel, fam 1840 als Heilmittel nad Europa 
und wird jetzt in Der VUppretur, im der Küche und 
Konditorei als Erſatz der Rnodengelatine, als Ber- 
fälſchungsmittel von Fruchtgelees (mikroſkopiſch nad: 
weisbar durch die Gegenwart von Meeresdiatomeen, 
die Dem VW. anhaften) und zur Kultur von Bakterien 
benutzt. Hauptbejtandteil it die peftinartige Gelofe, 
deren gallertbildende Kraft 6—1LO mal groper ijt als 
bie der Gelatine. A. quillt in faltem Wafer, löſt fid 
beim Sieden, die Löſung erjtarrt beim Erfalten ju 
Gallerte, die haltbarer ijt als tierifde. 

UAgardh, 1) Karl Udolf, Botanifer, geb. 23. 
Jan. 1785 gu Bajtad in Sdonen, geſt. 28. Jan. 1859 
in Rarlftadt, war 1812-—34 Profeljor der Botanif 
und Ofonomie in Lund, wurde 1816 Pfarrer im St. 

Meyers Aonv.«Lexikon, 6. Mufl., L Bd. 


— Agaricus. 161 


Peterslojter dajelbjt und 1834 Bifdof in Karlſtadt. 
Als Mitglied des Reichstags und des Erziehungskomi⸗ 
tees (1826 — 28) gewann er großen Einfluß auf das 
ſchwediſche Erziehungsweſen. Jn feiner »Synopsis 
algarum Scandinaviae« (Lund 1817), dann in den 
»Species algarum« (daſ. u. Greifsw. 1823 — 28, 
2 Bde.) und den »Icones algarum europaearum< 
(Leipz. 1828—35) gab er dem Syitem der Algen eine 
neue Gejtalt, das er in feinem »>Systema algarume 
(Lund 1824) vollſtändig ausgefiihrt darjtellte. Außer⸗ 
dem fdjrieb er: »Essai de réduire la physiologie 
végétale A des principes fondamentaux« (Lund 
1828), »Essai sur le développement intérieur des 
plantes« (Daj. 1829). 

2) Jakob Georg, Botanifer, Sohn des vorigen, 
geb. 8. Dez. 1813 in Sind, qejt. dafelbjt 17. Jan. 1901, 
war 1854—79 Direftor des botanijden Gartens in 
Lund. Er beqriindete eingehender als feine Vorginger 
die Syjtematif der Meeresalgen auf deren morpholo- 
gifden Uufbau und die anatomifde Struttur; ſchrieb: 
»Species, genera et ordines algarum« (Lund 1848 
bis 1880, Bd. 1— 3); »Algae maris Mediterranei 
et Adriatici< (Bar. 1842); »Analecta algologica« 
(und 1892 —99). 

Agaricus Fr. (Blätterſchwamm, Blatter- 
pils), Pilzgattung aus der Ordnung der —— 
myceten und der —* Der Agarilazeen (Blätter⸗ 
ſchwämme), Pilze mit häutigen, weichen Lamellen, 
die nach der Farbe der Sporen, dem Vorhandenſein 
oder Fehlen von Ring und Schleier in zahlreiche Un- 
tergattungen geteilt werden. — Bur Untergattung 
Hypholoma FY. mit dunfelpurpurnen Gporen, ge- 
farbtem, jtarrem Stiel und am Hutrand zurückbleiben⸗ 
dem fajerigen Sdleier gehdrt ber angenehm riedjende, 
aber widerlid) bitter ſchmeckende, giftige Sd wefel- 
fopf (Büſchelſchwamm, A. fascicularis Huds., 
j. Tafel »Pilze I<, Fig. 12), der in dichtem Rafen an 
alten Baumjtiden wächſt. — Duntel gefarbte Sporen, 
einen Ring am Stiel und freie, dem Stiel nidt an- 
—— Lamellen hat die Untergattung Psalliota, 

ie von eßbaren Arten den Champignon (A. cam- 
pestris L., ſ. Tafel »Pilze I<, Fig. 13), den Wie 
fenfd)wamm (A. pratensis Schaff.), Den Schaf— 
champignon (A. arvensis Schdjf.) und den Wald- 
dampignon(A.silvaticus Schaff.) umfaßt (f.Cham- 
pignon). — Braune oder oderfarbene Sporen und 
einen Ring am Stiel hat die Untergattung Pholiota, 
zu welder der an Baumſtämmen lebende Stod- 
; chwamm (A. mutabilis Schajf.), mit qebucdeltem, 
zimtbraunem Hut, jteifem, fduppigem, braunem Stiel 
und erjt weiem, dann braunem, verſchwindendem 
Ringe, gezählt wird, und der fettige Schuppenpilz 
(A.adiposus Baésch.), der als Barayjit an Waldbaumen 
eigentiinilide Zerfepungserideinungen tm Hol; ver⸗ 
urſacht (j. Tafel ⸗Pflanzenkrankheiten I<, Fig. 9). — 
Bon den Arten der Untergattung Clitopilus mit rofa 
gefärbten Sporen, herablaufenden, am fleiſchigen Stiet 
angewadjenen Lamellen wird der Mufferon (A. 
prunulus Scop., ſ. Tafel » Pilse I<, Fig. 11) als Speiſe⸗ 
ſchwamm geſchätzt, der friſch einen mehlartigen Gerud 
hat. — Bon den zahlreichen Untergattungen mit wei- 
fen Sporen find die Arten von Pleurotus leicht durch 
mufdelfirmigen, ſeitlich geſtielten oder jtiellofen Hut 
erfennbar, wie der eRbare, an Laubbäumen wadfende 
Budenpils oder sade | (A. ostreatus Jacg.), 
mit erjt ſchwaärzlichem, Dann braunem, endlich gelb- 
lidhem, exzentriſch gejtieltem Hut und oberwärts ver- 
didtem, am Grunde behaartem Stiel. — Bei den 
iibrigen Untergattungen ijt der Stiel immer zentral 

11 


162 Agaricus albus — Agaſſiz. 


angebeftet. — Bei der Untergattung Collybia feblen | Sdeide umgebenem Stiel. Eßbar und (jdon bei den 
die allgemeine Hiille und der Ring, der Stiel ijt for: | Alten) ſehr geſchätzt ijt 5) der Naiferfdwamm (A. 
pelig, der Hut flad, und die Lamellen laufen nidt | caesareus Scop.), mit orangerotem oder gelbem, mit 
herab; dazu ijt Der eRbare Ragelfdwamm(A. escu- —— weißen, hautartigen Reſten der Hülle be- 
lentus Wulf.) zu zählen, der einen etwas bittern Ge- | dedtem Hut und gelben Lamellen, Ring und Fleifd. 
idmad hat und an Wegen und auf Triften vom; Agaricus albus und A. chirurgorum, j. Po- 
Frühling bis Herbjt truppweiſe wächſt; fein ocergel- | lyporus. 
ber oder bräunlicher, etwa 2 cm breiter Hut ſteht auf Agarifazeen(Blaitter{dwamme), Familie der 
didem, hohlem, tonfarbenem Stiel. — Die Unter- | Hymenomyceten. 
gattung Tricholoma unterjdeidet fid) von Collybia| Agarizin (Uqarifusfdure C,,H,,0,+H,0) 
efonders durch den fleiſchigen Stiel und angebeftete, | findet fic) im Lärchenſchwamm, bildet em farb-, ge— 
am Stiel ausgqebudjtete Lamellen; allgemeine Hiille ruch- und geſchmackloſes, mifrofrijtallinijdes Pulver, 
und Ring feblen ebenfalls. Bon eßbaren Urten der- löſt fic) in 130 Teilen faltem und 10 Teilen heißem 
felben find ju nennen der Maifdwamm (A. gra- Weingeiſt, wenig in Wther und faltem Waſſer, ſchmilzt 
veolens Pers,), mit ungefledtem, grauem oder braun: | bei 140° und wird gegen ſtarke Nachtſchweiße benugt. 
gelbem Hut, und der Romonafdwamm (A. Pomo- | Starfe Doſen töten durch Lähmung des Utmungs- 
nae Lenz), mit gefledtem, weißgelbem bis braungel- | zentrums und des Herjens. 
bem Hut und ausgerandeten, miteinem Zahn am Stiel| Wgafeen, der Kudu, ſ. Untilopen. 
angewadfenen Lamellen. — Bei der Untergattung| Wgafias, griech. Bildhauer aus Cphefos, der den 
Armillaria fehlt nur die allgemeine Hiille, und die | beriihmten Borgheſiſchen Fechter (ſ. d.) geſchaffen bat. 
Lamellen laufen herab. Bom Hallimaſch (A. mel- Agass., bet naturwiſſenſchaftlichen Namen Wb- 
leus L., ſ. Tafel »Schmarotzerpflanzen II«) bildet türzung fiir Ugajfis (7. d.). 
das Mycelium die Rhizomorphaſtränge (ſ. Rhizo-| Agaſſiz cor. -f oder qs), 1) Ludwig Johann 
morpha) und erjeugt bet Nadelhölzern den Erdfrebs Rudolf, Raturforfder, geb. 28. Mai 1807 gu Mottier 
(j. D.); Der Frudjtfdrper hat einen bis 10 cm breiten, | im Ranton Freiburg, geit. 14. Dex. 1873 in Rew 
in ber Mitte gebuctelten, braungelben bis ſchwarz. Cambridge, jtudierte in Bitrid), Heidelberg und Mün- 
braunen, baarig beidyuppten Hut, mit einem Zahn | chen Medizin und vergleichende Unatomie, wurde 
berablaufende Lamellen und cinen bräunlich-gelb⸗ 1832 Profeſſor in Neuchätel, ging 1846 nad RNord- 
licen Stiel mit hangendem, flodigem Ring. — Zur Un: amerila und erbielt bier die Profeſſur der Zoologie 
tergattung Lepiota mit allgememer fduppiger Hülle, und Geologic in New Cambridge, wo er das Muſeum 
Die mit der Hutoberfläche feſt verwachſen bleibt, gehirt | fiir vergleidende Zoologie begriindete. 1865 unter- 
der wobhlidmedende Barafolfdwamm (A. pro- nahm er eine Forſchungsreiſe nad Brafilien und 1871 
cerus Scop., |. Tafel ⸗Pilze I, Fig. 12), mit gebuckel⸗ eine Tieffeeerpedition nad dem Siidatlantijden und 
tem, 7—25 cm breitem, weifem oder briuntidweigem | Stillen Ozean. Bon feinen Schriften find hervor- 
Hute, defjen dice Haut in jahlreidje qraubraune, dad | zuheben: » Pisces etc., quos collegit et pingendos 
ziegelartige Schuppen zerreißt und einen am Grunde | curavit Spix, descripsit A.« (Münch. 1829—31, mit 
folligen, brauniduppigen, bis 30 cm hoben Stiel | 91 lithographijden Tafel); » Recherches sur les pois- 
bat. — Bei der Untergattung Amanita löſt fid) die | sons fossiles« (Neudat. 1833—42, mit 311 Tafein; 
allgemeine Hiille von der Hutoberflaide ab. Bon gif- | mit &K. Bogt und Dejor); » Monographie des poissons 
tigen Arten qehdren dahin: 1) Der in Waldern hau- | fossiles du vieux grés rouge, ou systéme dévonien 
jige PerlenſchwammigraueFliegenſchwamm, | des iles britanniques« (Soloth. 1844 —45, mit 41 
A. rubescens Fr.), mit bräunlichem, ritlidjem oder | Tafeln); »Description des échinodermes fossiles de 
lederfarbenem, 7—12 cm breitem Hute, der mit vie- | la Suissee (Neuchãt. 1839—42; mut 35 lithoqraphi- 
len fleinen, weiken, mebligen Warzen befest ijt und | ſchen Tafeln; mit Valentin und Defor); »Monogra- 
von einem oben verdiinnten, 5-10 cm hohen, wei: | phie d’échinodermes vivants et fossiles« (Daf. 1838 
licen oder rötlichen, feiniduppigen Stiel — bis 1842, mit 62 Tafeln; unvollendet); »Etudes cri- 
wird. 2) Der in Wäldern fehr verbreitete Flieqen- | tiques sur les mollusques fossiles« (daf. 1840—45, 
pil; (A. muscarius L,, ſ. Tafel »Pilze I<, Fig. 11), | Lief. 1—4, mit 115 Tafeln); »Iconographie des co- 
mit orange> oder feucrrotem, 7—18cm breitem Hute, | quilles tertiaires« (Daj. 1845, mit 15 Tafein); »Mé- 
deſſen im feudjten Zuſtande flebrige Oberfläche mit moire sur les moules des mollusques vivants et 
vielen Diden, weifen Warzen bedect ijt und weife La- | fossiles« (daf. 1840, mit 12 Tafeln). 1837 formu- 
mellen bat; fein am Grunde fnolliger Stiel ijt weif, | lierte A., Durch Charpentier angeregt, feine Gletſcher 
ſelten gelblich und trägt einen fduppig gerandeten | theorie, die zu der Annahme einer Cisseit führte. Die 
Ring. Der Pil; wurde friiher aryneilid) benugt und | Refultate femer Urbeiten fiber die Gletſcher (mit De— 
diente den Bewohnern Ojtjibiriens und Ramtjdatfas | for u. a.) bradten die »Etudes sur les glaciers« 
zur Bereitung eines beraufdenden Getriints (Mu- | (Neudat. 1840, mit 36 Tafeln; deutſch, daf. 1841) 
amor), das jest durch Branntivein verdriingt ijt; | und das »Systéme glaciaire« (mit Guyot und Defor; 
ein Ahnliches Getränk ſcheint auc die in der nordifden | ‘Bar. 1847, mit Wtlas). Ferner find nod) yu erwäh⸗ 
Sagengeſchichte Hfter erwahnte Berſerkerwut ver⸗ nen: » Principles of zoology« (mit Gould, Bojt. 1846; 
anlaft zu baben. 3)Bantherfdwamm(A.panthe- | deutid, Stuttg. 1850); die »Contributions to the 
rinus DC.), mit bréuntidem, auch grünlichem oder | natural history of North America« (Boſt. 1857, 
blaulidem, am Rande gejtreiftem, 7- -12 em breitem, | Bd. 1 u. 2); »The structure of animal life« (New 
mut Warzen beſetztem Hut, einer wuljtiqen, odergelben | York 1866, neue Ausg. 1874); »A journey in Bra- 
Scheide am Grunde des Stieles und fciefem, un- | zile (daf. 1866, neue Ausg. 1886); »Scientifie re- 
regelmafigem Ring. 4)RXnollenblatterfdwamm sults of a journey in Brazil« (daf. 1870). Bal. 
(A. phalloides Fr., ſ. Tafel ⸗Pilze I<, Fig. 3), mit | »Louis A.' Leben und Briefe« (hrsg. von ſeiner Winve 
erſt glockigem, dann ausgebreitetem, ſchmierigem, Eliſabeth Cary A.; deutſch von Mettenius, Berl. 
weißem, blaßgelbem oder blaßgrümem Hut und am | 1886); Marcou, Life, letters and works of Louis 
Grunde Molligemt, von ciner teilweiſe verwachſenen A.« (Lond. 1896, 2 Bde.). 











Agates blanches 


2) Ulerander, Sohn des vorigen, geb. 17. De}. 
1835 in Neuchatel, Nadhfolger feines Baters in New 
Cambridge und Griinder der zoologiſchen Station in 
Newport (Rhode⸗Island), arbeitete namentlid über 
Edinodermen, Duallen und Fiſche Umerifas, über 
Entwidelung der niedern Tiere und über Tieffeefauna. 
Er fdjrieb: >Embryology of starfishes« (Boſt. 1865); 
»North American acalephae« (Cambridge 1865); 
»Revision of the echini« (1872, 2 Bde.); »North 
American starfishes« (1877, Unatomie und Embryo- 
logic); »On the development of the flounders« 
(1878); »Young stages of osseous fishes« (1878); 
»Embryology of the ctenophora« (1874); »Three 
cruises of the U. 8. coast and geodetic survey 
steamer Blake 1877 —1880« (1888, 2 Bde.). Mit 


feiner Mutter Eliſabeth C. A. ſchrieb er: »Seaside stu- | 


dies in natural history« (neue Ausg., Boft. 1882). 

Agates blanches (franz., fpr. agar’ blangſch'), ling: 
lichrunde, achatähnliche Glasforallen, dienen als 
Taufdurittel an der Riijte von Guinea, Ungola, Gorée. 

Agatha (Ugathe, qricd., »die Gute, Gütige«), 
Heilige, nad) der Legende die Todjter vornehmer El- 
tern gu Catania oder Palermo, ward, weil fie als 
Chrijtin die Bewerbungen de3 Statthalters Ouintia- 
nus zurückwies, in cin ——— gebracht, wo ſie 
aller Verführung widerſtand und nach grauſamer 
Marter 5. Febr. 251 im Kerker ſtarb. Die Legende 
ward mehrfach dichteriſch, auch maleriſch behandelt. 

Agathardides, griech. Grammatiler des 2. Jahrh. 
v. Chr., aus Knidos, lebte in Alexandria und verfaßte 
umfũngliche Werke über Geſchichte und Geographie von 
Europa und Aſien, in denen er namentlich aud) die 
Geſchichte Weranders und der Diadodjen bis auf feine 
Beit behandelte, eine Beſchreibung des Roten Meeres 
und der angrengenden Lander in fiinf Büchern u. a. 
Fragmentſammlung in Millers »Fragmenta histori- 
corum graec.«, Bd. 3 (Par. 1849), und »Geographi 
graeci minores«, Bd. 1 (daſ. 1855). 

Agathaumas, gehörnter Dinoſaurier aus der 
obern Kreide von Nordamerifa. 

Agathias, mit dem Beinamen Scholaſtikos, 
griech. Dichter und Gefdidtidreiber, um 530 — 582 
i. Chr., aus Myrina in Utolien, lebte feit 554 in Kon— 
jtantinopel als Advolat. Durch jeinen »Myflos«, cine 
jtofflid) geordnete Sammlung cigner und zeitgend{fi- 
ſcher Dichtungen in acht Büchern, ijt er Mitbeqriinder 
der griechiſchen Anthologie qeworden, die nod) 101 Epi- 

ramme von ihm enthalt. Vollſtändig erhalten ijt 
cine Brofop fortfegende, trog der ſchwülſtigen Dar- 
ftellung als Hauptquelle wertvolle Geſchichte der Jahre 
552-—558 in flinf Büchern (rsq. von Niebuhr, Bonn 
1828, und Dindorf in den »Historici graeci mino- 
res<, Bb. 2, Leip;. 1871). 

Agathis Salish. (Dammarfidte), Gattung der 
Roniferen, immergriine, hohe, harzreiche Baume mit 
an ben fajt wirteligen Yijten meiit zweizeiligen und 
oft paarweife zufammengeriidten, breiten, fladen, am 
Grunde jtielartig zuſammengezogenen, lederartigen 
Blattern, merit didsiichen Bliiten und kugel-eiförmigen 
Zapfen mit breit gefliigelten Samen. Bier Arten auf 
den Malaiijden Inſeln, den Philippinen, Fidſchiinſeln, 
Neufeeland rc., aud) im norddjtliden Uujtralien. A, 
australis Salish. (Qaurifidte), ein ſchöner, bis 60m 
hoher Baum im nördlichen Uuitralien und auf Neu— 
feeland. Zweige und Äſte des Baumes ſtarren von 
Harztröpfchen, und unten am Stanun und in der Erde 
am Wurzelſtock ſammelt fid) das Har; in Knollen bis 
gu 50 kg. Man jindet große Maſſen in der Erde an 
Stellen, wo friiher Kauriwälder jtanden. Es kommit 





— Agathofles. 163 
von Neuſeeland als Kauriharz (Raurifopal) in 
den Handel. Ein ähnliches Harz liefert A. ovata 
Moore in Reufaledonien. Das Hol; gleicht unferm 
Tannenbol;. A. Dammara Rich., + Patel Induſtrie⸗ 
pflanzen I<, Fig. 4 und Text; D. robusta Moore, in 
Queensland, liefert Möbelholz. Wehrere Urten wer- 
den als Zierpflanzen fultiviert. : 

ga 9, Bayi von 678—681, bielt 680 ein Konzil 
gu Rom ab, auf dent die abendlandijden Biſchöfe die 
monotheletijde Lehre verdammten; er beanfprudte 
allgemeine ee die Feſtſetzungen der rb- 
mijden Rirde in Glaubensfaden und bewirfte, dah 
das 680 zu Konſtantinopel qehaltene fechjte allgemeine 
(Trullanifde) Kongil den Befdliijjen gegen die Mono- 
theleten beitrat. 

Agathodamon, griech. Genius des ländlichen Se- 
gens, befonders ded Weines, dem man nad) dem Mahl 
einen Beder ungemiſchten Weines weihte, ward mit 
einer Scale in der Rechten, Mohn und Whren in der 
Linfen oder mit dem Horn der Umalthea abgebildet. 
Seine Genofjin ijt die Agathe Tychẽ. Ihr entſpricht 
der rimijde Bonus Eventus (jf. d.). 

Agathofles, Tyrann von Syrafus, geb. 361 
v. Chr. gu Therma in Sizilien, gejt. 289, Sohn eines 

Töpfers, der unter Timoleon nad Syrafus über— 
fiedelte, erlernte zuerſt das Handwerk feines Baters, 
nahm dann aber rie — und erwarb ſich durch 
ſeine Beredjamfeit und Tapferteit die Gunſt des Da- 
mag, eines vornehmen Syrafujiers. Nad) deſſen Tode 
(333) heiratete er feine Witwe und wurde dadurd) 
Herr eines groken Vermögens. Mehrfache Verſuche, 
die Herrſchaft der oligardijden Partei ju ſtürzen, 
miflangen ihm; er wurde zweimal aus Syrakus ver- 
bannt, aber nad) dem Sturje der Oligardie juriid- 
) gerufen und317 gum Feldherrn ernannt. Aus Fliidt- 
lingen und Abenteurern bildete er fic) cin ihm blind- 
lings ergebenes Heer, befeitigte die reichern und an- 

ejebenern Viirger teils durch Ermordung, teils durch 
Rerbannung, und machte fic) fo gum unbeſchränkten 
Herrn von Syrafus. Dann aber jtellte er die Ord- 
nung in der Stadt wieder her, ordnete dad Finanj- 
wefen und ſchuf ein zahlreiches, wohlgeübtes Heer und 
eine jtarte Flotte. Nachdem er fajt ganz Sigilien er- 
obert hatte, geriet er 312 mit den Rarthagern in Streit. 
A. wurde 311 am Himerafluk gefdlagen und dann 
in Syrafus belagert. Um fic) aus diejer Bedrängnis 
zu befreien, durchbrach er 310 mit 60 Schiffen die 
den Hafen blocierende Seemacht der Narthager und 
fegelte nad Ufrifa. Dort ſchlug er die überraſchten 
Karthager wiederholt und eroberte die meijten ihrer 
Städte, als die Erfolge feiner Gegner in Sizilien feine 
ſchleunige Riidfehr nbtiq machten (307). Es gelang 
ihm, feine Macht ſich wieder gu fidern, deſto ungiin- 
jtiger gejtalteten fid) fiir ihn die Verhaltnijje in Ufrifa. 
Sein eignes Cingreifen änderte nichts an der vers 
zweifelten Lage des guriidgelaffenen Heeres; er gab 
den Krieg Dort auf und entfloh beintlid) nach Sizilien. 
(Das Heer, das ex wegen des Fehlens einer Flotte 
nidt hatte mitnehmen fonnen, ergab fic) den Rartha- 
gen nachdem eg feine beiden Oberbefehlshaber, des 

. ciqne Söhne, ermordet hatte. Die Kunde hiervon 
verſchaffte feinen fizilianifden Gegnern, an deren 
Spitze Deinotrates ftand, anjehnliden Zuwadhs. Um 

gegen dieſe freie Hand gu bekommen, ſchloß A. B05 

Frieden mit den Karthagern, beſiegte jene, gewann 

den Deinokrates fiir ſich, — mit deſſen Hilfe 

ganz Sizilien, nannte ſich König und war der mad)- 

uͤgſte und reichſte Herrſcher in der weſtlichen Hälfte 

des Mittelmeers. Sein Abenteurerleben gab er darum 
11* 











164 


nidt auf. Er tniipfte mit den Diadodhen Beziehun— 

en an und unternahm Streifzüge gu Wafer und zu 
Sand, in Stalien und im Adriatiſchen Meere. Bor 
ſeinem Tod aber gab er die Herrfdaft, nachdem fein 
Gobhn A. von einem Enfel des A. getdtet worden war, 
dem Bolfe zurück. Außer feinem Bruder Untandros 
ſchrieben auch feine Zeitgenoſſen Timäos und Kallias 
des A. Biographie. Bgl. R. Schubert, Geſchichte 
des UW. (Bresl. 1887); Preisler, Zur Geſchichte des 
YW. (Brinn 1890). 

Agathon, gricd. Tragifer aus Uthen, geboren um 
445 v. Chr., der durd Schonheit, Reidtum und Bil: | 
dung ausgezeichnete Freund des Curipides und Fla- 
ton. Letzterer verewigte das Gajtmahl zur Feier ſeines 
dramatifden Sieges 416 durd) fein ⸗Sympoſion«; 
mit erjtermt weilte er am Hofe des Archelaos von 
Matedonien, wo er um 402 gejtorben gu fein ſcheint. 
Wieland hat ihn jum Helden feines Romans »A.« 
gemadt. A. führte manderlei rhythmifde und muſi⸗ 
falijde Neuerungen ein, war aud) der erjte, Der in 
jeiner Tragödie »Anthos« (» Die Blumec) den Stoff 
nicht Dem Wythus entnahm, fondern frei erdidtete. 
Sein Stil war zierlich und geziert nad dem Muſter 
des Sophijten Gorgias. Die Vruchitiide feiner Dich: 
tungen in Nauds »Tragicorum graec, fragmenta« 
(2. Aufl., Leipz. 1889). Vgl. Ritſchl, Opuscula, 
Wd. 1 (Leip. 1866). 

Agathophyllum, ſ. Ravensara. 

Agathésma Willd. (Woblqerud), Gattung 
der Rutazeen, immergriine Strauder mit Meinen, 
flachen oder fajt Dreifantigen Blättern, an der Spite 
der Zweige in Dolden oder Köpfchen jtehenden, weijen 
oder rdtlidjen Bliiten, etwa 100 Arten in Sildafrifa, 
von denen mehrere als Sierpflanjen tultiviert werden. 

Agãtiſche Inſeln (Agaten, ital. Egadi), Jnfel- 
qruppe nabe der Weſtküſte von Sizilien (ſ. Narte »Si- 
jilien«), zuſammen 43,2 qkm (0,8 OM.) groß mit 
(1901) 6414 Einw. Die größten find: Levango (j.d.) 
im N. Faviqnana (j.d.) im S., Marittimo (j.d.) 
im BW. Zwijden Levanzo und Sizilien liegt die Klip— 
peninfel Formica. — Bei Favignana erfodten die 
Romer unter P. Valerius Falto 241 v. Chr. über 
die Rarthager den Seeſieg, der den erjten Puniſchen 
Krieg beendigte. {Weile, = 3 Berri — 5001 m. | 

Agatich (perf. Farfang), die bisherige titrfifde | 

Wgan, Volfsitamm in Ubeffinien, sur athiopijden | 
Familie der Hamiten gehörig, die Ureinwobhner ded | 
abeſſiniſchen Alpenlandes, die nod) heute den Grund: | 
jtod der ganjen dortigen Bevölkerung bilden, unver- 
falfdt aber nur in der Proving Agaumeder und in 
Der cigentliden Proving A. wohnen ; dod wird iiberall, 
wo unter Der fultivierten Bevdlferung Tigré und Am⸗ 
bara herrjden, Wl. oder Hamtinga (Hamra) gejproden. 

Agaue, im griedh. Mythus Todter des Kadmos 
und Der Harmonia, Gemahlin des Edion und von 
Diejem Wutter des Bentheus (f. d.). 

Agave L., Gattung der Amaryllidazeen, Gewächſe 
mit qrojen, rojettenformig gejtellten, fleiſchigen, dornig 
qejabnten oder dünnern ganjrandigen, bisweilen be- 
wimperten Blättern, hohem Bliitenfdaft und fande 
laberartiger Uliitenrijpe mit febr zahlreichen glocken— 
formigen, honigqreiden und ſchön duftenden Blüten. 
50 Arten m WMerifo, dem ſüdlichſten Teil Nordame— 
rikas und in Südamerika. A. americana L. (Ma- 
quer, Meth), in Merifo, fam aus Siidamerifa 1561 
nad Europa, ijt fiber alle tropifchen und fubtropi 
ſchen Gegenden, auc fiber gany Siideuropa (nördlich 
bis Bozen) verbreitet, jum Teil verwildert. Sie hat 
1—3 m lange, oft iiber 20 cm breite, graugriine 


Agathon 





go 


leicht, gelblichweiß, glänzend, ftirfer und elaſtiſcher 


— Agde. 


Blatter, treibt im Alter von 6—10 Jahren einen über 
10 m hoben Blütenſchaft mit gelbgriinen Bliiten und 
jtirbt nad) dem Reifen ihrer dattelartigen Friidte ab, 
während zahlreiche Wurzelſchößlinge, die man que 
Bermehrung benutzt, hervortreiben. Bei uns in Ge- 
widshaufern gelangt die A. oft erjt nad) 40—60 Jah- 
ren zur Blüte (hundertjabhrige Uloe). Sie wurde 
jdon von den alten Merifanern angebaut. Gobald 
jid) der Blütenſchaft zeigt, ſchneidet man die Gipfel- 
tnofpe heraus, fo dak cin Reffel von 0,5 m Durchmeſ⸗ 
jer entſteht. Diefer fiillt fid) 1— 6 Monate lang täg— 
lid) mit zuckerreichem Safte, Der nad) der Gärung m 
ledernen Gaden den Bulque, das Rationalgetrin€ 
der Werifaner, darjtellt. Cine Pflanze liefert bis 
1100 kg Saft. Durd Röſtung der Knoſpe und der 
jlingjten Blatter und Garung erhält man den febr 
alfobolreicen Mescal. Die flanze wird als Hecien⸗ 
pflanze und gur Befeſtigung von Flugſand angebaut. 
Die Blatter enthalten cine ſ -feite Rater Bitafa fer), 
die auf cinfadje Weife gewonnen wird. Die Wurzel 
benubt man in der Heimat arzneilich. Die Blatter wer - 
den gegefien, Dienen aud) zum Daddeden, ihre Dor- 
nen als Nägel, ju Pfeilfpiben, die Blütenſchäfte gu 
Langenjtangen x. A. rigida Mill. (Chelem, Hene« 
quen, Sacci, f. Tafel »Faferpflangen II«, Fig. 5), 
in Yucatan, tultiviert in Wejtindien und Deutſch Oſt⸗ 
afrifa, liefert den Sifalbanf. Wud) von andern Arten 
werden Faſern gewonnen, und von einigen wird der 
wie bei A. americana gewonnene Saft, naddem er 
vergoren ijt, sur Gewinnung von Branntwein dejtil- 
liert. A. heteracantha Zuce. (Artle, Iſtle), im 
norddjtliden Merifo, in Teras und Rew Mexico, wird 
zur Gewinnung von Fafern (Tampifofafer) fulti- 
viert; aud) andre Arten liefern dieſe Faſer. A. vivi- 
para L., mit jebr reidlider Bildung junger Pflanzen 
in Den Udjeln des Bliitenjtandes, ijt in Ojtindien ver- 
wildert, licfert ben Bombay-Aloehanf. Yn Weſt— 
indien zur Fafergewinnung fultivierte Ugaven werden 
als Rerratto bezeichnet. Sei uns werden viele Urten 
(A. atrovirens, ſ. Tafel »Zierpflangen I<, Fig. 8) als 
Sierpflangen gezogen und frojtfrei tiberwintert. Bal. 
Terracciano, Primo contributoad una monogra- 
fia delle A. (Reap. 1885); iiber A. americana: Da- 
nielli im »Nuovo Giornale botan. italianas, 1885. 

Agavefafer (VWilochanf, Pita, Domingo-, 
Tampifo-, Rampefde-, Siſalhanf, Hene- 
quen, Bombay-Aloehanf, Rerratto, Mexican 
fibre, Mexican grass), aus den Blättern mebhrerer 
vearten in Umerifa, Ojtindien und Algerien, ähn⸗ 
wie die Flachsfaſer gewonnene Geſpinſtfaſer, ijt 


al8 Hanf, barter und weniger biegſam als Manila- 
hanf, widerjtebt Der Näſſe und erlangt unter Waſſer 
jogar cine geſteigerte absolute Feſtigleit. A. dient zur 
Herſtellung von Tauen, die viel ſtärker und elaftijder 
als hinfene find und nicht geteert zu werden brauden, 
aud) ju Breitfeilen fiir Bergwerfe, zu Pactiidern, 
Kaffeeſäcken, Teppiden, Rapier und als Yndiafafer 
zu Boljterungen. 

Agde (ivr. ago’), Stadt im franz. Depart. Hérault, 
YUrrond. Béziers, am Fluß Hérault, 4 kim von feiner 
Miindung ing Mittelmeer, Knotenpuntt an der Siid- 
bahn, am Fuße des erlofdenen Bulfans von St.-Loup 
(Mont d'V..), hat eine alte Kathedrale, Handelsgeridt, 
ollege, hydrographiide Schule, Hafen und (190 
8626 Einw., die Küſtenhandel, Fiſcherei, Schiffbau, 
Seeſalzbereitung, Fabrifation von Seilerwaren u. a. 
betreiben. A. ijt Das alte Agatha, urfpriinglid) cine 
Kolonie Der Maffilier, und war bis 1790 Bijdofsfig. 


Agdiftis — Agens. 


MAgdiftis , Beiname der Nybele (ſ. d.). 
Age (Urin), duntelgelbes, butterähnliches Fett, 
wird von merifanijden Yndianern aus einer Sdild- 


laus (Coccus axin) bereitet, die fie in Blantagen auf | 


Schinus molle ziidten. Es riedt angenehm, arnifa- 
ähnlich, bildet an der Luft eine orangerote harte Rrujte 
und auf der Haut nach rt des Kollodiums cine Mem- 
bran und wird deshalb in Merifo in der Medizin be- 
nupt. Die A. bejteht aus Glyzeriden der Laurinſäure 
und der Urinfadure C,,H,,O,. Legtere überzieht ſich 
an der Luft mit cinem Hautden und erjtarrt in diin- 
nen Schichten volljtindig. Dabei verwandelt fie fid 
in Fy mer und amorphes Aginin. 
Aged (engl., for. ebſcd), f. Alt. 
eladas, griech. Bildhauer, Haupt der pelopon- 
neſiſ Schule, lebte wahrſcheinlich feit 515 v. Chr. 
in Urgos, ſchuf Erzbilder de3 Zeus, des Herafles und 
ciner Muſe, mit Bortiebe aber Ehrenjtatuen fiir die 
Sieger in den Kampfſpielen. Daß Polyflet, Pheidias 
und Myron feine Schiiler geweſen feien, beruht auf 
einer unbegriindeten tiberlieferung. 
Agelastica, {. Blattfifer. 
Agen, ſ. Fads. 
gen (ivr. afhing), Hauptitadt des franz. Depart. 
Lot-et-Garonne, rechts an der Garonne, an der Or- 
leans⸗ und der Südbahn, hat eine Rathedrale, eine 
{chine Hangebriide und einen Uquaidult des Seiten: 
tanals der Garonne, der hier den Fluß mit 23 Bogen 
iiberfept, Metallgicherei, Fabrifation von Tuch, dhemi- 
ſchen und pharmazeutifden Broduften, Handel mit 
Vieh, Pflaumen xc. und (901) 20,879 Einw. WL. ijt 
ar des Prifelten, cines Biſchofs, eines Uppell- und 
Uffifenhofes, cines Handelsgeridts und hat ein Ly- 
scum, cine Normalſchule, Handelsfdule, eine Biblio: 
thet, cin Mufeum und Archiv. Es ijt Geburtgort des 
aie Joſeph Scaliger, des Naturforjders Lacé: 
pede und des Dichters Jasmin. — Im Altertum war 
YW. (Aginnum) Hauptitadt der Nitiobriger, ſpäter der 
Landſchaft Agenais in Guienne. 
Agence Havas, |. Havas, Agence. 
Agéende Se renogenen v. fat. agenda, · was 
etan werden foll«), in der alten Kirche Bezeichnung 
Fie ſämtliche qgottesdienjtlide Handlungen, im Vittel- 
alter insbeſ. fiir die Mejje und das Offizium, diente 
als Name eines die firdliden Gebete, Unypraden und 
Seqnungen zuſammenfaſſenden Budes, vor der Re- 
formation äußerſt felten (ein folded hieß im Dtittel- 
alter sacerdotale, manuale, rituale), häufiger in den 
Reformationstirden, die jedoch ihre Vorſchriften fiir 
den Gottesdienjt meijt unter bem Namen der Stirden- 
ordnungen gegeben haben. Unter den lutherifden 
Ugenden und Kirdenordnungen des 16. Jahrb. ſchlie⸗ 
fen fic) einige eng an die fatholijden Gebräuche an, 
wie die Brandenburger Rirdenordnung von 1540, 
bie öſterreichiſche A. von 1571; andre, wie die herzog— 
lid) preußiſche Kirchenordnung von 1525, die braun: 
ſchweigiſche von 1528 ꝛc., jtellen fic) ganz auf den von 
Luther in der »Formula missae« (1523) eingenom- 
menen Standpuntt, während die wiirttembergifden 
Rirdenordnungen von 1536 und 1555 fowie die 
Pfälzer Don 1554 2c. ben fatholifden Ordo missalis 
gänzlich verlajjen und durch radifalere Umgejtaltung 
ded Gotteddienjtes cin reformiertes Gepriige erhalten. 
In der reforniierten Kirche unterſcheiden * die Kir⸗ 
chenordnungen des 16. Jahrh., je nachdem ſie einen 
mehr Zwingliſchen Typus (ſo die Züricher und die 
Baſeler, beide von 1529) oder einen mehr Calvini— 
ſchen (wie die verſchiedenen Genfer von 1536 und 
1541 xc.) tragen; in den deutſch⸗reformierten Kirchen 


165 


| ordnungen zeigt fid), wie in der Kirchenordnung ded 
Pfalzgrafen Friedrich von 1563 und den heffijden 
| von 1566 und 1573, eine lutheranifierende, rejp. unies 
rende Tendenz. Ebenfalls aus einer Vermittelung zwi⸗ 
ſchen der reformierten und lutherifchen Gottesdienſt— 
ordnung ijt das vielfach auf alttirdlide Gebräuche 
zurückgreifende »>Common Prayer Booke«, die angli- 
fanijde U., hervorgeqangen (val. Unglifanijde Rirde). 
Gegen den Schluß des 18. Jahrh. tauchen in den pro- 
tejtantifdjen Kirchen Ugenden auf, die einen von denen 
der Reformationszeit abweidenden, dem Geijte der 
Aufklärung und des Rationalismus fic anpafjenden 
Eharatter tragen. Die Rückkehr gu den Gottesdienjt- 
ordnungen des 16. Jahrb. beginnt mit der preußiſchen 
U. feit 1816 (vgl. Ugendenjtreit), und nad dem BVor- 
bilde Preußens erfolqte aud) in den andern evangeli- 
ſchen Landestirden Deutidlands cine Rückbildung zu 
den alten agendarifden Formeln, fo 3. B. in Wiirt- 
temberg durch das Kirchenbuch von 1843, in Bayern 
durd den Entwurf einer A. von 1857, in Sachſen durch 
den Entwurf einer U. fiir die evangeliſch-lutheriſche 
Landesfirde von 1878 xc. Val. Ridter, Coangelifde 
RKirdenordnungen des 16. Jahrhunderts (Weim. 1846, 
2 Bde.); Jacoby, Die Liturgif der Reformatoren 
(Gotha 1871—76, 2 Bde.); G. Rietidel, Lehrbuch 
der Liturgif, Bd. 1 (Berl. 1900). — Allgemein be: 
deutet A. aud) foviel wie Notizfalender. 

Ugendenftreit, cin Streit, der fid) an die Ein— 
fiihrung der preufifden Hofagende 1816, bez. 1822 
knüpfte. Es beteiligten ſich dDaran nidt nur die be- 
deutenditen Theologen, wie von entgegengefepten 
Standpunften aus Sdleiermader und Auguſti, fon- 
dern aud) König Friedrich Wilhelm IIL. felbjt. Bor 
Sdleiermader wurde namentlic& das epiffopale Recht 
des Königs, liturgifdhe Unordnungen gu treffen, an- 
geariffen. Der 1826 fiir bie Unionsfirde entſchiedene 

. gab den nächſten Anlaß zur Bildung der altluthe- 
rifdjen Rirde. Vol. Union. — Als nad langer Bor- 
bereitung der preußiſche Oberkirchenrat 1893 einen 
Entwurf ju einer neuen, verbefjerten und vermehrten 
Gejtalt der Ugende herausgab, erhob fid) nicht nur 
von feiten der gejamten liberalen Theologie wegen 
der Stellung, die dem Apoſtolikum bei Taufe, Ron- 
jirmation und nad den Befdliijjen der Generalfyno- 
dalfommiffion aud) bei ber Ordination eingeräumt 
wurde, fondern aud) von feiten liturgiſcher Wutori- 
täten der lebhafteſte Widerſpruch dagegen. Dennod) 
wurde 10. Rov. 1894 die neue Agende mit einigen 
unweſentlichen Modififationen durd) dic außerordent⸗ 
lide Generalfynode einſtimmig angenommen (Rir- 
chengeſetz vom 18. Juni 1895). 

enefte (griech.), unvollfommence oder unterblie- 
bene embryonale Bildung von Organen oder Körper⸗ 
teilen; aud) Unfrudtbarfeit der Frauen. 

Agenor, Name mehrerer mythijder Helden der 
Griechen. 1) Sohn des Pofeidon und der Libya, 
König von Phönikien, Vater des Madmos und der 
Europa, fandte nad) Entfiihrung der Europa (j. d.) 
durd) Zeus feine Sohne aus, fie gu ſuchen. Da er 
ihnen die Heimfehr ohne dieſe verboten, ließen fie ſich 
an veridiedenen Orten in der Fremde nieder. 

2) Einer der tapferiten Helden der Trojaner, Sohn 
des Untenor und der Theano, Unfiihrer bem Sturm 
auf das griechifde Lager, ward nadmals von Neop- 
tolemos getitet. 

Agens (lat., »wirkend«, Mehrzahl Agenzien), 
im allgemeinen foviel wie wirlende Ürſache oder Kraft, 
ſpeziell eine Kraft, wie die chemiſche Verwandtſchaft, in⸗ 
folge deren verſchiedenartige Stoffe Verbindungen mit⸗ 








166 


cinanbder eingehen, oder die Rohajion, welde die Teile 
ein und desſelben Körpers zuſammenhält und dejjen 
Feſtigkeit bedingt. Jn der Chemie aud) Körper, jofern 
fie cine Wirkung hervorbringen, Agenzien. 
Agent (lat., »cin Handelnder<), Bezeichnung fiir 
Gefcdaftsvermittler der verſchiedenſten Art; Agen— 
tur, Agenturgeſchäft, Agentſchaft, Agentie, 
Bezeichnungen fuͤr den Geſchäftsbetrieb eines Agenten. 
Dem Haupt- oder Generalagent, der den ganzen 
Geſchäftsbetrieb unter fich hat, jtehen Unter- oder 
Spejsialagenten fiir cinzelne Geſchäftszweige oder 
bejtinrmt abgegrenste räumliche Gebiete sur Seite. 
Man fpridt von Hofagenten, welche die Privat: 
intereſſen cines fiirjtlichen Hofes wahrnehmen; von 
diplomatifden Ugenten, die im Uuftrag einer Re- 
gierung fiir dieſelbe im Uuslande tatig find; von 
eheimen UAgenten, im Gegenfage zu den dffentliden 
genten, wie Geſandten, Ronfuln; von Konſular— 
agenten, d. bh. von Privatbevollmadtigten der Ston- 
juln, die mit Genehmigung des Reidstanglers die 
Geſchäfte Der Ronfuln fibernehmen können, die feine 
obrigfeitliden Befugniſſe vorausjepen; von Reidhs- 
banfagenten, die den Reid@sbantagenturen, 


bd. h. Bantnebenjtellen, die von einer Zweigniederlaſ⸗ 
jung der Reichsbank refjortieren, vorjteben; von Ver= | 
fiderungsagenten,Gilteragenten,Auswan: | 
dDerungsagenten, Börſenagenten, Export-| 
agenten x. Befondere Vorſchriften gelten fiir die | 


Verjiderungs- und Auswanderungsagenten. Erjtere 
haben die Erdjfnung, bes. die Schließung ihrer Agentur 


innerhalb Der nächſten acht Tage der zujtindigen Be: | 


hörde anzuzeigen (GewerbeordDnung, § 14), leptere 
find durch das Geſetz über das Auswanderungsweſen 
vom 9. Juni 1897 im Intereſſe Der Allgemeinheit 
einer Reihe von Beſchränkungen unterworjen. BWeit- 
aus die widtigite Rolle unter allen Ugenten fpielen 


die Handlungsagenten. Während bisher die 


Redhtsverhiltnijje der Handlungsagenten tiberaus 


ſchwanlend und teilweife verworren waren, da es an 


einer geſetzlichen Regelung derfelben feblte, hat das 
neue Handelsgefesbuch vom 10. Wat 1897 durch die 
$ 84—92 das fiir unfer modernes Geſchäfts- und 
Wirtidafisteben unentbehrlide Inſtitut der Handels- 


agenten eingehend geregelt. Danad verjteht man unter | 


einem Dandelsagenten, wer, ohne als Handlungs- 


qebilfe angeftellt su fein, ſtändig damit betraut tit, | 


fiir Das Handelsgewerbe eines andern Gefchafte ju 
vermitteln oder im Ramen des andern abzuſchließen 
($ 84). Sein Geſchäft gilt als Handelsgewerbe im 


Sinne des § 1, Abſ. 2, 8. 7, des Handelsgefepbuches. | 


Vom Handlungsgebhilfen (ſ. d.) unterfdeidet er ſich 
dadurch, daß er nicht Ungeitellter eines andern, fon- 
dern felbjtandiger Geſchäftsmann ijt; vom Handels- 


mafler (ſ. d.) dadurch, dak er in emem ftandigen 
Vertragsverhiltnis ju dem Geſchäftsherrn fteht; vom | 


Kommiſſionär (j. d.) endlich Dadurd, dak er ſeine Ge- 
ſchäfte nicht tm eignen Ramen, fondern als Bevoll- 
mächtigter im Namen des Geſchäftsherrn abſchließt. 
Deshalb tragt der Handlungsagent aud das Riſilo 
feines Unternehinens und die often desfelben, wie 
er auch fiir gewöhnlich Dem Geſchäftsherrn gegenüber 
weder das Delfredere wegen des dritten Kontrahenten, 
nod) Ddiefem gegeniiber die Haftung fiir rechtzeitige 
und richtige Lieferung übernimmt. 

Die Pflichten des Handlungsagenten gegenüber 
dem Geſchäftsherrn beſtimmen ſich in erſter Linie 
nad) dem zwiſchen beiden abgeſchloſſenen Dienſtver— 
trag liber Die Geſchäftsbeſorgung, dem fogen. Agen 
turvertrag, auf Den die Bejtimmungen der $611 ff. 


Agent. 


und 675 des Bürgerlichen i Sg Unwendung 
jinden. Das Handelsgejesbud) jelbjt aber beſtimmit 
nod, daß der Handlungsagent bet feinen Verrid)- 
tungen mit der Gorgfalt eines ordentliden Kauf— 
manns die Intereſſen ſeines Geſchäftsherrn wahrzu⸗ 
nehmen, ihm die erforderlichen Nachrichten zu geben 
und namentlich ihm von jedem Geſchäftsabſchluß un- 
verzüglich Anzeige zu machen bat (§ 84). Bejonders 
ijt hervorzubeben, daß er fid) iiber die Zablungs- 
fabigteit des Gegenfontrahenten ju vergewiijern und 
hierüber guverlajfige Uustunft ju erteilen bat. Neben 
jeiner Tatigleit fiir den Geſchäftsherrn jteht ihm jeq- 
liche Tatigteit, alſo ſogar der Betrieb eines Ronfur- 

renzgeſchäfts (andrer Anſicht Cofad, Handelsredt, 
S. 239, Stuttg. 1900), frei, wenn und ſoweit da- 
durch das Intereſſe feines Geſchäftsherrn nicht verletst 
oder doch becintridtigt wird. Dit er nur mit der 
Vermittelung von Geſchäften betraut (Vermitte- 
lungsagent im Gegenfage jum Abſchlußagen— 
ten, der beredhtigt ijt, im Namen des Geſchäftsherrn 
abzuſchließen), fo wird die Genehmigung des Geſchäfts⸗ 
herrn angenommen, es fei denn, daß Derjelbe nach 
RKenntnis vom Abſchluß dem Dritten unverzüglich die 
Ublehnung des Geſchäfts erflart (§ 85). 

Ebenſo bejtimmen fic aud) die Rechte des Hand- 
{ungSagenten in erjter Cinie nad) dem Wgenturverirag. 
Im eingelnen beſtimmt das Handelsgejesbud noch, 
dah er Mangelanjeigen, Zurverfiigungjtellungen, 
Vorſchlãge tiber Anderung der Lieferungsmodalitaten 
und ähnliche Erklärungen entgegennehmen, Zah— 
lungen annehmen, nachträgliche —— — aber 
nur bei ausdrücklicher Ermadtiqung hierzu gewãhren 

darf (§ 86). Für ſeine Tätigkeit hat er Anſpruch auf 
eine Vergütung, die fogen. Proviſion oder Kom— 

miſſion. Erworben iſt dieſer Anſpruch aber erſt 
dann, wenn durch ſeine Tatigheit ein Geſchäft gu 
ſtande gelommen, oder wenn der Geſchäftsherr 
grundlos die Ausführung desſelben unterlaſſen bat. 

er Bezirksagent, d. h. der ausdrücklich fiir einen 
beſtimmien Bezirk beſtellte Handlungsagent, hat An— 
ſpruch auf Proviſion auch für die in ſeinem Bezirk 
ohne ſeine Mitwirkung durch den Geſchäftsherrn oder 
fiir dieſen geſchloſſene Geſchäfte, die ſogen. direkten 
Geſchäfte. Die Abrechnung über die zu zahlende 
Proviſion findet im Zweifel am Schluſſe jedes Ka— 
lenderhalbjahres ſtatt. Hierbei farm er einen Bücher⸗ 
auszug über die durch ſeine Tätigleit zu ſtande ge— 
tommenen Geſchäfte, bes. über die direkten Geſchäfte 
. oben) fordern, nicht aber lann er, nach einer Ent- 
ſcheidung des Reidsgeridhts vom 12. Yan. 1900, 
Einſicht m die Handlungs- und Gefdajtsbiider for- 
dern. Beendigt wird der Ugenturvertrag durch Ublauf 

der Zeit, auf die er gefdlofjen, durch Aündigung feds 
Woden vor Yolauy eines Nalendervierteljahres oder 
beim Borliegen eines wichtigen Grundes, woriiber dad 
Ermeſſen des Richters enticheidet, ohne Cinhaltung 
einer Kündigungsfriſt. Bgl. Jaenſiel, Das Redt der 
YUgenten und Makler, 1. Heft (Berl. 1899); Ammer 
wahr, Recht der Handlungsagenten (Wrest. 1900). 

In Oſter re ich nennt man — ⏑ —— 
jene Perſonen, die auf Grund beſonderer ſtaatlicher 
Erlaubnis all die Geſchäfte vermitteln, bez. führen 
dürfen, die nicht beſtimmten Perſonen vorbehalten 
ſind. Unter Militäragenten verſteht man Per— 
ſonen, die nach Ablegung einer Prüfung vom General⸗ 
| fommiando ermächtigt werden, als Parteivertreter vor 
Militärbehörden aufjutreten. Börſenagenten end— 
lich nennt man in Wien eine gewiſſe Gattung von 
Wechſel⸗, Geld- und Aktienmallern. Ju England 








i 





und den Vereinigten Staaten verjteht man unter 


Agents provocateurs — Ageſilaos. 


167 


zwiſchen den Patriziern, welde die oceupatio als Pri—⸗ 


U. eine Perſon, die gleichzeitig unferm Ugenten, Kom- | vileg anjahen, und den Plebejern, dann zwiſchen der 


miffionar, Mafler und Faltor ent{pridt. Commercial 
agents (Handelsagenten) nennt man nicht jurijtifd 
gebildete Perſonen, die infonderheit fic) mit der Re- 

ulierung von Nachlaß⸗ und Konkursſachen befafjen. 
Rn Franfreid verjteht man unter U. nidt nur den 
fiir einen bejtimmten Fall Bevollmadtigten (manda- 
taire), fondern aud) den in dauernder Weiſe im Dienſt 
einer privaten oder dffentliden BVerwaltung Unge- 
jtellten (fonctionnaire), wie 3. B. Agents de change, 
Wedhfelagent, Agents forestiers, Forjtbeamte, Agents 
judiciaire du trésor, Regierungsjistal 2. 

Agents provocateurs (franj., fpr. aſchang pro: 
wotatir), meiſt Gebilfen der geheimen Polizei (»Lod- 
ſpitzel ·), die politiſch verdächtige Berjonen, ſich in 
deren Vertrauen einſchleichend, zur Offenbarung ihrer 
Geſinnung, auch wohl ſelbſt zur Begehung ſtrafbarer 
Handlungen veranlaſſen, um ſie der Beſtrafung zu 
ilberliefern. Der Agent provocateur ijt als Anſtifter 
(j. d.) jtrafbar, wenn fein Vorſatz auf die Herbeifith- 
rung einer ftrafbaren Handlung geridjtet war; der 
weitere Zwech feines Tuns ſchützt ibn nicht vor ftraf- 
redjtlider Berantwortlicdfeit. l. Heilborn, Der 
Agent provocateur (Berl. 1901). 

engia Stefani (pr. adig-), ſ. age essing 

Agengzien (lat.), ſ. Ugens. (bureaus. 

Ager, Abfluß des Utterjees, miindet nad 27 km 
fangem Laufe bei Lambad in die Traun, führt der- 
felben bic Gewäſſer des Utter, Mond⸗, Zeller- und Fu⸗ 
ſchelſees gu und nimmt bei Vöcklabruck die Bddla auf. 

Ageratum L. Gattung der Nompofiten, Kräuter 
oder Striuder mit ebenſträußigen lodern oder did- 
ten Bliitenrifpen, in Brajilien, Mittel- und Nord- 
amerifa. A. conyzoides L., in den wärmern Gegen- 
den der ganzen Welt, einjährig, mit blauen Bliiten, 
wird wie die ausdauernde A. mexicanum Sims. in 
mehreren Varietäten in Garten fultiviert. 

Ngéeri, zwei Verggemeinden ded ſchweizer. Rantons 
Bug: Oberaigeri (1900: 1878 Cinw.) am Nord- 
ufer, Unterdgeri (2589 Einw.) am untern Ende 
des fifchreidjen, 7 qkim grofen Ugerifees (auf ihm 
Dampfidiffahrt), 728 m ii. M., der durd) die Lorze 
in den Zugerſee entwäſſert wird. Jn Unterägeri be- 
fudjte3 Sanatorium fiir ftrofulife Rinder. Südöſtlich 
vom Gee liegt ber Morgarten (f. d.). 

Ager publicus ({at.), im alten Rom die Stants- 
dominen, die aus den den befiegten Feinden ab- 
—— Ländereien (gewöhnlich ein Drittel) ge- 

ildet worden waren. Teile dieſer Ländereien wur- 
den bisweilen einzelnen Bürgern oder neubegrün⸗ 
deten Kolonien als feſtes Eigentum überwieſen (ager 
privatus assignatus) oder aud) von den Quäſtoren 
unter ber Bedingung verfauft, dak der Staat Grund- 
cigentiimer blieb und ihm eine wirkliche oder aud) nur 
nominelle Abgabe (vectigal) gejahlt wurde (ager 
— vectigalisque oder quaestorius); der größte 

eil verblieb den alten Cigentiimern, aber nidt als 
freies Eigentum, fondern als abgabepflichtiges Staats: 
land (a. p. stipendiarius); die unter Verwaltung des 
Staats behaltenen Teile wurden von den Seatac 
verpadtet. Bon unfultiviertem Lande gejtattete der 
Staat vorläufige Befiserqreifung (occupatio) und 
Nutznießung (usucapio) gegen eine Abgabe und unter 
Vorbehalt der Wiedereinziehung ; folded Land fonnte 
vererbt und veräußert werden, follte aber nie in 
Cigentum übergehen und hieß possessio. Dieſe Cin- 
ridjtung führte ſchon in den erjten Zeiten der Republit 





nidt mehr bloß patriziſchen Nobilitat und den unbe- 
mittelten Biirgern, die nicht nur Anteil an dem neu- 
erworbenen A. p., fondern aud) durchgehende Bertei- 
{ung der vorhandenen possessiones verlangten. Cine 
Reibe von Udergefegen (leges agrariae) brachten 
feine Abhilfe; felbjt bas wohltätige Gejeg des Gaius 
Licinius Stolo (366 v. Chr.), dad den Höchſtbeſitz an 
A. p. auf 500 iugera (31 28,2 Yr) feſtſetzte, verlor auf 
die Dauer feine Wirfung. Der infolge der großen 
Kriege und der umſichgreifenden Latifundienwirt- 
jdaft dDrohende Untergang des Bauernjtandes und 
die gunehmende Verarmung der Kieinbiirger veran- 
laßten die beiden Gracden Tiberius (133) und Gas 
jus (123) (f. Gracdhus) gu neuen Ugrargefepen, welde 
die Aufteilung des vorhandenen A. p. und der, 500 
iugera iiberjteigendDen possessiones an arme Biirger 
jum fejten, unverfiufliden, mit einer Staatsabqabe 
belafteten Beſitz bezwedten; aber nad ihrem Tode 
famen die zwar durd) Volksbeſchlüſſe qenehmigten 
Geſetze infolge des Widerſtandes der Nobilität und 
andrer Schiwierigfeiten nidt sur Durchführung. Viel- 
mehr wurde ſchließlich Das Staatsland den Anhabern 
al8 abgabenfreies Brivateigentum überwieſen, fo daß 
fiir Wit nationen nur ber eigentlicdje A. p. verbfieb. 
In der Kaiſerzeit gab e3 in Italien fajt feimen A. p. 
mehr; was davon nod vorhanden war, fiel allmählich 
Dem faijerlidjen Fiskus ju, ebenfo der A. p. in den 
Provinzen, der befonders fiir Ufjignationen an Vete- 
ranen verwendet wurde. 

Agershus, norweg. Umt, f. Alershus. 

Ageſaͤndros, gried). Bildhauer, ſ. Laofoon. 

Agefildos, jpartan. König, Sohn des Urdhidamos, 
geb. 444 v. Chr., geft. 360, einer der am meiſten be- 
wunbderten Feldherren des Altertums, folgte in der 
Regierung feinem altern Bruder, Agis (401), nad- 
dent er dejjen Sohn Leotydhides mit Hilfe des Damals 
miidtigen Lyfandros verdrängt hatte. Um die grie— 
chiſchen Städte wieder von Perſien zu befreien, Rte 
U. 396 mit 8000 Dtann nad) Kleinaſien iiber, er- 
oberte einen Teil Kleinaſiens und ſchickte ſich eben an, 
in das Herz der perſiſchen Monarchie cingudringen, 
als er nad) Griechenland zurückbberufen wurde, weil 
die Athener, Argeier, Korinther und Thebaner auf 
Anſtiften der Perſer den Spartanern den Krieg ers 
flirt hatten. Auf dem Marſche nad dem Peloponnes 
traf A. in Böotien auf ein feindliches Heer, das ihm 
den Weg verlegen wollte, und ſchlug dasſelbe in der 
Sdladt bet Roroneia (394). Dann fehrte er nad 
Sparta guriid, rubte aber nidt, fondern leitete die 
Feldzüge feined Volles aud) in den nächſten Jahren, 
befonders während des fogen. Rorinthifden Krieges 
(j. d.). In den Sdhladten bei Leuftra und Manti- 
neia filbrte er nidjt den Oberbefebhl, rettete aber zwei⸗ 
mal, 370 und 362, dDurd) Diut und Befonnenheit 
das von Epameinondas ſchon bedrobte Sparta, er- 
fannte den nad der Schladt von WMantineia ge- 
ſchloſſenen Frieden nidt an und wollte fid) 361 an 
der Spite eines geworbenen Heeres in Agypten die 
Mittel fiir die Erneuerung des Krieges beſchaffen. 
Er unterjtiigte Den Konig acho bei feiner Empö— 
rung gegen den Perjerfinig, dann, mit dieſem zer— 
fallen, feinen Better Reftanebos (II.), erfranfte aber 
auf der Riidfehr und ſtarb. Bon Statur unanſehnlich 
und an einem Fue lahm, hatte A. wegen feiner gei- 
jtigen Vorzüge und feiner fpartanijden Sittenjtrenge 
viele Bewunderer. Sein Leben ijt von feinem Freunde 


ju ununterbrodjenen erbitterten Kämpfen zunächſt Xenophon, von Plutarch, Corn. Nepos und Diodor, 


168 


unter den neuern Gefdhidtsforidern von Hertzberg 
(Halle 1856) und A. Buttmann (daſ. 1872) be- 
ſchrieben worden. 

genus, miythiſcher König von Uthen, Sohn des 
RKandion, Enfel ded Kekrops, entriß mit Hilfe feiner 
Briider Pallas, Rifos und Lyfos den Söhnen feines 
Oheims WMetion, die feinen Vater vertrieben hatten, 
Attika wieder und erbhielt die Oberherrjdaft. Selbjt 
aber von feinem Bruder Ballas und dejjen Söhnen 
gejtiirst, wurde er von feinem Sohne Thefeus (j. d.) | 
wieder auf den Thron gcleyt. Wis Thefeus, um Uthen 
von dem ſchmählichen Tribut zu befreien, den es an 
Minos ju jahlen hatte (jieben Jünglinge und fieben 
Jungfrauen, f. Minotauros), nad) Kreta jog, ver- 
fprad) er dem Bater, int Falle gliidlicher Riidtehr das 
ſchwarze Segel des Schiffes mit einem weifjen zu ver- 
taufden, vergaß es aber, und A. ſtürzte ſich in Dem 
Wabhn, daß Thefeus umgefommen fei, in das Meer, 
das von ihm den Namen de3 Ägäiſchen erhalten. 
haben foll. Uber feinen Sohn Medos von der Medeia, 
j. Medeia. 


bung, bet Erfranfung der Sungenfdleimbaut, der 
————— und gewiſſer Gehirnteile. 


Ageus — Aggregatzuſtände. 





Agevole ſital.,ſpx.abſchew⸗ Muſ.), beweglich, leicht. 

Agfa-Verſtärker, Präparat zum Kräftigen zu 
dünner photographiſcher Negative, beſteht aus Rhodan⸗ 
quedjilber - Doppelſalzen. 

Agger (lat.), der Damm, inSbef. im rimijden Be- 
lagerungswejen der in gerader Linie an einen Punkt 
der feindlidjen Mauer gefiihrte, allmählich bis zur 
Höhe derjelben anjteigende Sturmdamm. 

Agger, Fluß im preuß. Regbez. Kiln, entſpringt 
im Sauerländiſchen Gebirge, ijt 51 km weit flößbar 
und miindet unterbalb Siegburg rechts in die Sieg. 

Ugglomerat (lat.), aneinander Gehäuftes, aus 
loder jufammengefiigten oder aud) wohl loſe neben- 
einander liegenden, befonders edigen Triimmern be- 
jtehendeds Gejtein, alfo foviel wie Allumulat (f. d.); 
dann aber aud) cin Ronglomerat (f.d.), deſſen Trüm— 
mer vulkaniſcher Natur find, an Ort und Stelle ver- 
fittete Bomben und Lapilli. 

AUgglomerationsfyftem, ſ. Muſeunmsgebäude. 

Agglomerieren(lat.),;ujanumenballen,anhaufen. 

AUAgglutination (lat., »Verflebung<), die Bereini- 
qung der Rander von Schnittwunden durch eineSchicht 
von gerinnender Flüſſigkeit (»plaſtiſcher Lymphe«), 
wird unterſtützt durch Naht und Klebmittel (Agglu— 
tinantia), z. B. Heftpflaſter, Kollodium ꝛc. YW. heißt 
auch der Vorgang, der darin beſteht, daß in Bakterien 
fulturen bei Sug von Blutjerum die einzelnen Bat- 
terien klebrig werden und zu fidtbaren Flodden und 
Häufchen fic) zuſammenballen. Befonders deutlich 
ijt Die WL, wenn die Bakterienkultur mit dem Serum 
eines von derſelben Bafterienart infizierten Indivi— 
duums vermifdt wird; darauf berubt die diaqnojtifde 
Bedeutung der A. Weiteres ſ. Immunität. Val. Köh— 
ler, Das Agglutinationsphänomen (Jena 1901). 

Ugglutinierende Sprachen find ſolche, die Wor 
ter gum Swed des Beziehungsausdrucks an andre 
Worter anfiigen, ohne daß cs, wie in den fleftieren- 
den Sprachen, ju einer fejten Verſchmelzung kommt. 
Cine fejte Grenze zwiſchen diefen beiden Spradgat- 
tungen iſt freilich nicht su ziehen. 

qravieren(lat.), eridweren, ſträflicher maden; 
Ugqravation, Cridwerung, z. B. der Schuld, Strate. 
gregat (lat., Anhäufung, Unfammlung:), 
ein durch Vereinigung getrennter Teile entſtandenes 
Ganzes. Insbeſondere wird jeder Körper als ein A. 


aus voneinander getrennten (diskreten) Stoffteilchen 
Wolekülen) angeſehen. 
gregãten, difotyle Pflanzenordnung aus der 

Ubteilung der Sympetalen, charatterifiert durch dicht 
gedrangte, oft fopfige Blütenſtände, vier- bis Fiimf- 
qliederige Bliitenfreije, häufig zum Schwinden nei— 
gende oder als Pappus ausgebildete Relde und unter- 
ſtändigen, mebrtetliqen, aber ecinjamigen Fruchtkno— 
ten, begreift die Familien Valerianazeen, Dipſa zeen 
und Kompoſiten. 

+ 32226 , Unhaiufung, Haufwerk. 

Aggregatzguftande. Nad dem Verhalten der 
Körper gegen Zug: und Druckkräfte unterfdeidet nian 
fejte, fliiffige und gasfirmige Körper. Feſte 
Körper beſitzen Kohäſion und Verſchiebungselaſtizität, 
d. h. zur Zerreißung oder Geſtaltänderung (Ver— 
drillung) ijt eine endliche Kraft notwendig, und die 
Geſtaltänderung wird beim Nachlaſſen der Kraft wie- 
der riidgingig, falls die Stärke der Kraft cinen ge- 
wiſſen Betrag, die Clajtizitatsqrenje, nicht überſchrit⸗ 
ten hatte. Flüſſige Körper bejiten wohl Kohäſion 


Ugenfie (qried.), Mangel der Geſchmacksempfin⸗ (3. B. ijt gum Zerreißen einer Waſſerſäule cine Kraft 
n 


von ntindejtens 150 kg auf 1 qem Duerjdnitt er- 
forderlid), wenn feitlide Rontraftion [Ouerjdnitts- 
verminderung] verbhindert wird), dagegen ijt die Efa- 
ſtizitätsgrenze der Flüſſigleiten —O, jie gejtatten nicht 
die geringjte Dauernde elajtifde Deformation. Gaſe 
bejipen aud) feine Kohäſion, dehnen fid) vielmehr 
unter Einwirkung der fleinjten Kraft, ja felbjt obne 
ſolche aus, ſoweit ihnen Raum geboten wird (Expanſiv⸗ 
vermigen). Die fejten Körper können ftarr, bart, 
weich oder halbflüſſig fein; die Flüſſigkeiten zäh und 
leichtflüſſig. Bei diejen beiden Körperklaſſen fann 
man ferner ifotrope (amorphe) und anifotrope (fri- 
jtallinifche) unterfdeiden. Die meijten Stoffe fommen 
in drei (enantiotropen) WModififationen vor, von 
denen cine felt, die andre flüſſig, die dritte gasförmig 
ijt, und deren jede bei geqebenem Druc innerhalb 
wijjer Temperaturgrengen bejtindig (jtabil) ijt (3. B. 
Gis, Wajjer, Dampf). Nad der Vlolefularhypothefe 
jollen dieſe WModififationen aus gleich befdaffenen 
Wolefiilen bejteben und fic) nur dadurch voneinander 
unterjdjeiden, daß Die Molelüle in veridiedener Weiſe 
saggregiert« find, daher der Name A. Es foll aud 
notwendig jeder Körper in drei und nidt mehr Wg 
gregatzuſtänden auftreten. Dem entgegen hat O. 
Le * ann (1876) nachgewieſen, daß es Körper gibt, 
die mehr als drei A. beſitzen (z. B. ſalpeterſaures 
Ammoniak hat zwiſchen O und 168° vier feſte Zu— 
ſtände, f. Enantiotropie), und dak es Griinde gibt, 
anzunehmen, daß Die Moleküle der Modifilationen 
nicht gleich ſind. So beweiſen die Eigenſchaften der 
flüſſigen Kriſtalle, daß die optiſchen Eigenſchaften 
durch die Struktur der Moleküle bedingt ſind, die 
optiſchen Eigenſchaften der Modifilationen zeigen aber 
bedeutende — fomit müſſen die Mole- 
küle verſchieden ſein. Die Analogie der Uggregat- 
zuſtandsänderungen mit der Umwandlung ſogen. 
Molelularverbindungen (3. B. kriſtallwaſſerhaltiger 
Salze), die Exiſtenz beſtimmter, vom Drud abban- 
giger Unuwandlungstemperaturen, die Bindung und 
Entbindung von Wärme bei der Umwandlung, die 
Uberfiihlungs- und Uberbhigungserideinungen x. 
weiſen darauf bin, daly die Berfchtedenheit der Mole- 
fiile in veridjiedener Größe Derjelben befteht. Nun 
-ergeben aber die Molekulargewichtsbeſtimmungen 
gleiche Größe des chemiſchen Moleküls in den verſchie⸗ 
denen Aggregatzuſtänden, fomit muß unterſchieden 
werden zwiſchen phyſikaliſchen und chemiſchen 





Aggregieren — ügidius a Columnis, 


Molekülen, von welden erjtere als lofe Magrepate 
der legtern gedeutet werden. Die fogen. drei A. eines 
Körpers werden deshalb als phyſitaliſch-poly— 
mere Modififationen desfelben bezeichnet (ſ. Iſo— 
meric). Bgl. O. Lehmann, Molekularphyfil (Leips. 
1888, 2 Bde.) und »Annalen der Phyſik⸗· 1900, Bd. 2. 

Aggregieren (lat., »;ugejellen<), einen Offizier 
einem Truppenteil, dejjen Uniform er triigt, zuteilen 
behufs Gebaltssahlung x. Bei diefem tut er Dienjt 
wie die andern Offiziere, oder er verfieht cine Dienjt- 
jtellung außerhalb Der Truppe. 

Aggreffion (lat.), Ungriff; aggreffiv, angrei- 
fend, anfallend; angriffsweiſe. 

Aggriperlen, ſ. Ufritanifde Ultertiimer. 

Aggitein, wobhlerhaltene, maleriſche Burgruine 
an der Donau in Riederdjterreidh, Bezirksh. St. Pöl⸗ 
ten, als Raubnejt wiederholt zerſtört. 

ny stg Dorf im ungar. Komitat Gömör, mit 
490 Cinw., fiidlich von Rojenau, berühmt durd die in 
triafijdem ee eee UggtelelerLropf- 
ſteinhöhle, aud) Baradla (»dampfender Ort«) 

enannt (ſ. Tafel ⸗Höhlen I+, Fig. 5 u. 6). Sie 

t cine Lange von 8500 m (wovon 5798 m auf den 
Hauptarm entfallen), bejteht aus der fdjon feit Jahr⸗ 
Hunberten befannten alten und der neuen, von Adolf 
Schmidl 1856 entdedten Höhle, ijt reid) an Tropf- 
jteingebilden, enthalt Gänge, große Hallen, Sale und 
mebrere Hiigel (Moriah, Libanon) und wird von 
einem Bade durdjtrimt. Früher hatte fie nur einen 
1 m hohen und 1,5 m breiten Eingang; 1890 wurde 
cin neuer Ausgangsſchacht (5 Stunden vom Cingang) 
hergeftellt, wodurd) die eit der Durdwanderung 
von 16 auf 8 Stunden verfiir3t wurde. Wan nennt 
jie Baradla, weil bei großer Differenz gwifden der 
Hbhlen- und der niedrigern Lufttemperatur aus dem 
Schlunde Diinjte emporjteigen. Außer Fledermaujen, 
Fröſchen und Krdten lommen in der Hdble feine le— 
benden Tiere vor, dagegen werden viele Tierknochen, 
meiſt von urweltliden Höhlenbären, ebenfo aud 
Menfdhentnoden, Topfiderben und Geräte gefun- 
den. Val. Sieqmeth, Die Uggteleter Tropfſteinhöhle 
{Eperies 1890). 

Agha (mongol., »alterer Bruder<), friiher Titel 
der tiirf. Offiziere bid zum Major, jest nur nod) Titel 
der nicht sur Efendiklaſſe gehörigen Bürger und Un- 
terbeamten. Im Hofjtaate des Sultans führt der 
oberjte Eunuch des faiferlihen Harems den Titel 
Kyslar⸗Aghaſſi (+ Herr fiber die Madden«) oder Dar: 
us⸗Saãdet· Aghaſſi (⸗Herr des Haufes der Wonne«, 
Dd. h. des kaiſerlichen Harems). Die Bureaudiener 
auf der Hohen Pforte und in den Miniſterien führen 
den Titel A., ebenſo die Unteroffiziere und die Unter- 
leutnants in der Armee; der Titel wird dann, ebenfo 
wie Efendi, Dem Cigennamen angehédngt, 3. B. Ahmed⸗ 
A. Militäriſch bezeichnet der Titel Kol⸗Aghaſſi (» Herr 
des Fliigels<) Den Rang gwifden Hauptmann und 
Major, Udjutant - Major. 

Wghani (Kitab al-aghadni, »Bud der Ge- 
fiinges) heißt ein hervorragendes arabijdes Sammel⸗ 
wert, verfakt von Ubul Faradfd Uli el Ißpa— 
Hani (geb. 897 oder 898 in Ispahan, gejt. 967 in 
Bagdad), der nach feiner ciqnen Uusfage 50 Jahre 
lang daran gearbeitet hat. Die Bedeutung des Wer- 
fe liegt auf poetiſch-muſikaliſchem Gebiete. Da es 
aber aufer den ⸗Geſängen« zahlreiche Gloſſen gram- 
matijden Ynhalts, wertvolle Biographien und aus- 
führliche Nachrichten fiber das arabijde Altertum 
enthalt, ſtellt es zugleich eine reiche Fundgrube ar- 
chãologiſcher, biitoritdher und grammatiſcher Beleh- 


169 


rung dar. Wusgabe begonnen von Koſegarten (mit 
lat. Uberſetzung, Greifsw. 1840), vollſtändig gedructt 
in 20 Bon., Bulaf 1868—69, dazu Supplement von 
Briinnow (Leiden 1888), Indices von Guidi (mit an- 
Dern, daſ. 1900). — aus den A. gab Sfalhani 
heraus (Beirut 1888, 2 Bde.). 

Aghatſch (tiirf.), in zuſammengeſetzten Ortsna- 
men, bedeutet » Baume. 

UAghlabiden, arab. Dynaſtie in Nordafrita, von 
den abbafidifden Ralifen eingeſetzt, aber tatſächlich 
unabhängig, eroberte 827878 Sizilien, wurde 910 
von den Fatimiden (jf. d.) geſtürzt. 

Agiaden (Agiden), ſpartan. Herrſchergeſchlecht, 


Rigiãloso, j. Achaia. j 8 1). 
Rigide, j. Ygis. lI. Sats 1) 


Lgidi, Ludwig Karl, Staatsredjtsgelehrter, 
ge. 10. Upril 1825 in Tilfit, geſt. 20. Rov. 1901 in 
erlin, war vom März bis November 1848 als Pri- 
vatſekretär preußiſcher Miniſter, dann in der Preſſe 
tätig, 1850-—51 Redafteur der »Ronjtitutionellen 
—— und habilitierte ſich 1853 in Göttingen als 
Dozent de3 Staats -, Rirdyen- und Völkerrechts; 1856 
ward ihm von König Georg V., weil er in einem Pri— 
vatbriefe der »vaterlindifden Hoffrungens Erwäh⸗ 
nung getan, die Venia docendi fiir Staatsredt ent- 
jogen. 1857-59 war er Brofefjor in Erlangen, 1859 
publizijtifd fiir das Minijterium Hohenzollern⸗Auers⸗ 
wald tätig und fdrieb, naddent er Non 1858 Die 
befannte anonyme Schrift »Suum cuique; Dent- 
ſchrift ber Preußen« herausgegeben, die Flugſchrif— 
ten: »Preußen und der Friede von Villafranca« und 
oDer deutide Rern der italienifden Frages. Im 
Oftober 1859 ward er Profeſſor am afademifden 
Gymnafium in Hamburg, ſchrieb 1866 die Brofdiire 
eWoher und wobhin?«, ward 1868 Profeſſor der 
Rechte in Vonn, begleitete im Auguſt 1870 int Kriege 
egen Frantreid) an der Spige einer Scar Bonner 
Nothelfer die zweite Urmee, ward 1871 Wirklicher 
Legationsrat und vortragender Rat im Auswär— 
tigen Amte des Deutſchen Reichs, leitete befonders 
das Preßweſen, leqte aber 1877 diefes Umit nieder 
und wurde Honorarprofeffor der Redte an der Ber- 
liner Univerſität. Bon 1867—68 war er Mitglied 
des norddeutſchen Reichstags und des preufijden Ab⸗ 
—— 1869-—71 wieder Mitglied ded 
eichstags, von 1873 ab des Ubgeordnetenhaujfes, 
wo er 3ur freifonfervativen Bartei gehörte. YW. ſchrieb 
nod: » Der Fiirjtenrat nad) dem Liineviller Frieden« 
(Berl. 1853), ⸗Aus dem Jahr 1819« (Hamb. 1861), 
Aus der Vorzeit des Zollvereins⸗ (daj. 1865), » Die 
Schlußakte der Wiener Minijterfonferens«( Berl. 1860), 
Fret Schiff unter Feindes Flagge«- (mit Klauhold, 
Hamb. 1866) und gab nit diejem 1861—71 das 
»Staatsardiv. Sammlung von WUftenjtiiden zur Ge- 
ſchichte ber Gegenwart« heraus (fortgefest von H. v. 
Kremer-Auenrode u. a., feit 1881 von H. Delbriid). 
digidianifde Konftitutionen (Ugidianen, 
Egidianen), Gefesbuc für die päpſtlichen Staaten, 
unter Innocenz VI. durd) den Kardinal Albornoz 
(f. d.) gegeben; val. Rirdenjtaat. 
digiding a Columnis (Eqgidio de Colonna, 
nad jeinem Geburtsort Rom aud Wgidius Ro- 
manus), Scolaftifer, wegen feiner tiefen Gelehr— 
fantfeit Doctor fundatissisimus genannt, Sdiiler des 
Thomas von Uquino, dann Ergieher Philipps des 
Schönen von Franfreid), ward 1296 Erzbiſchof von 
Bourges ; ſtarb 22. Sept. 1316. Er wurde früh Wugu- 
jtiner, war ein fonfequenter Realijt und verſuchte die 
auguitinifde Lehre fcholajtij gu behandeln. Unter 


170 Agieren — Aginetiſche Runjt. 


feinen zahlreichen Werlen findet fich das Buc »De fritherm Macht wieder. Spater wurde A. abwedfeind 
regimine principum·, dag er fiir jemen fonigliden eine Beute der Watedonier, der —— Attalos. 


Zoglmg geſchrieben bat. bid es zuletzt unter romiiche Herrichaft 
eren (lat.), wirfen, handeln; als Schauipieler Die alte Pauptitadt lagander Beit: 
auftreten. (Gewandtheit. fitite in emer breiten, en Ebene. efã hr an 


ung 
{ dat.), inf, gewandt; Agilitat, Flintheit. der Stelle der heutigen Stadt A. (1896: 4851 Cimw.}, 
Agilita (ital, tor. artai-), Beweglidfeit; con a.,als war aber von weit bedeutenderm Umiang ale dieſe. 
mufifal. Bortragsbeyidhnung: lebendig.bebend idnell. Sie beiak außer eimer Reede een fiinitliden sertegs- 

Agilotfinger, daltejtes bayr. Her eidlecht, und einen Handelshafen, deren Molen nod jest mobi - 
vernntlich franfifder Herfunft, fett der Witte des erhalten find. Sonit zeugen nur wenige Saulemreite, 
6. Jahrh. qenannt. Ihrer Herrſchaft wurde 788 unter cine Fille von Scherben alter Tongefahe und tm Den 
Taffilo II. durch Karl d. Gr. ein Ende gemadt. Felsboden cingeientte Grablammern von ihr. Das 
S. (Geididhte). bedeutendite Dentmal des alten VW. find die etwe 


Aegilops, {. Triticum. 214 Stunden öſtlich von der Stadt anf 190 m hohem 
mtoé, im qrieh. Dinthus Sohn des Doros, 
Geſeßgeber der alifden Dorer, Vater des Dymas 
und Pamphylos, Udoptivvater des Hyllos (7. d.), Der 
Stammpater der drei doriſchen Phylen der Dymanen, 
Pamphyler und Hylleer. 
Migina, im griech Mythus Mutter des Hatos (j.d.). 
na, Inſel, ſüdweſtlich von Athen im 
Golf von & (jf. unten), in Form eines Dreieds, 
45 qkin grofj, mit (406) 8231 Cimw. und anfebn- 
lider Shwammfijderei, fonit ohne Bedeutung. Die 
qebirgige (bts 540 m), nur tin NW. leichter zugäng⸗ 
lidje und von zahlreichen Rlippen umgebene al ut 
jewt a ohne Bewaldung und fait ohne fließen⸗ 
bes ec. Der metit aus Kalk bejtehende Boden 
ijt fleintg und mager, jedoch bei forqiamer Behand- 
lung fir ben Unbau von Gerjte, Wein, Mandeln, 
Feigen und Ol wohlgeeignet; auferdem liefert er treff- 
lichen Tbpferton und gute Baujteine. 

Die Inſel, urfpriinglid) Onone genannt, erbielt 
nad) ber Sage den Ramen A. von der gleidnamigen 
Todjter bed Flußgottes Aſopos, die hier Dem Zeus 
den Aalos gebar. Lepterer herridte fiber das Ge— 
ſchlecht der achäiſchen rmidonen, die älteſte Be- 
vilferung der Inſel, die der Sage nach bereits Schiffe 
jimmerte und mit Segein verfah. Später wurde A. 
von Epidauros aus durch Dorier beſetzt und foloni- 
fiert, und die junge Kolonie, inmitten des Saroniſchen 
Golfs und rivaltiierender Seejtaaten gelegen, wett- 
etferte in Schiffahrt und Handel mit der Mutterſtadt, 
bis fie ſich um 550 v. Chr. von deren Oberherridaft 
befreite. Bon nun an hob ſich A. immer madtiger und 
qelangte in Der sett vor den Perferfriegen ju qroker 
Ulfite. Die Geſamtzahl ihrer damaligen Bevilferung 
wird zu Mill (wovon 470,000 Sflaven) angegeben. 
Die Aginetifden Ton. und Erzwaren, Salben u. dgl. 
jlanden in hohem Ruf. Das altefte hellenifdye Miiny-, 
Wah und Gewichtsſyſtem ging von A. aus, Mit den 
Vithenern, mit denen fie aus Handelseiferfucht bereits 
einen Strieg gefuhrt hatten, wetteiferten ſie an Tapfer— 
feit in den Schlachten gegen die Perſer, gegen die 
fie BO Tri¢ren aufftellien und in der Schlächt bei 
Salamis den erften Preis der Tapferteit errangen. 
In den Olympifden Spicten trugen die Söhne edler 
Mefdlechier Aginas zahlreiche Siege davon, die Pin— 
dar verherrlichte; und die bildende Kunſt, insbef. dic 
Erzbildnerei, gedieh auf der Inſel zu einer Vollendung, 
De wir nod) jest bewundern (ſ. Aginetiſche Kunſth. 
Rady den Berjerfrieqen lebten zwiſchen R. und Athen 
die Eiferſucht a 9 Handeloncid wieder auf, die 
Inſel mute fid) der Nebenbublerin 455 unterierfen 
und wurde 451 nad) Bertreibung der alten Cin 
wohner mit attifchen Moloniften behedelt. Vyfandros 
fiibrte gwar nad Athens Demütigung 404 aus Thy 
reotis Die zerſtreuten UÜberreſte der Vertriebenen zu 


Größe und Bauart dem 
nãchſten kommt, und deſſen (1811 aufgefundene) 





Sugel gelegenen »stãs Kolonnis« genannten Ruinen 


des berũhnmten doriſchen Athenetempels, der an 
Theſeustempel in Athen am 
—— ãltern, ſtrengen Stils jetzt den Agine⸗ 
tenſaal der Glyptothek in München zieren (weiteres 
ſ. Aginetiſche Kunſt). Ym ſüdöſtlichen Teil der Inſel 
ſtand ehemals auf dem 534 m hohen Gipfel eines 
Berges das Heiligtum des Zeus Panhellenios, ein 
einfacher, von einer halbkreisförmigen Mauer um— 
ebener Altar, an deſſen Stelle jetzt eine Kapelle des 

Beil Elias getreten ijt. 
na, Golf von, im Altertum Saronifder 


tigi 
Weerbuſen, zwiſchen dem griech. Fejtland und dem 


Peloponnes (Attila und Argolis). Bon ſeinen Inſeln 
ſind Ugina (ſ. d.) und Salamis (j. d.) die bedeutend- 
jten. Zu beiden Seiten ragen die Vorgebirge Sunton 
(Nap Nolonnas) und Stylläon (Kap Sfyli) herein. 

Agincourt, Schlacht bei, ſ. Azincourt. 
Agincourt qpt.aſqangtũur, Jean Baptiſte Louis 
Weorge Serour d’, Runithijtorifer, geb. 5. April 

1730 in Beauvais, geſt. 24. Sept. 1814 in Rom, war 
erjt Ravallerieoffizier, bereijte Dann zu Kunſtſtudien 
England, die Niederfande und Deutſchland und hielt 
ſich ſeit 1778 meijt in Italien auf. Wngeregt durd 
Windelmann, fudte er in feinent Hauptiwerk die 
Kunſtſchöpfungen des Wittelalters bis sur Höhezeit 
der Renaiffance der bisherigen rein arddologifden 
Uehandlungsweife des Gegenftandes ju entjieben 
und felbjtindiq als Momente von Bedeutung fiir 
das Studium der Äſthetit und der Kulturgeſchichte zu 
betrachten. Das erjt nad) ſeinem Tode vollendete 
Wert ijt betitelt: »Histoire de l'art par les monn- 
/ments depuis sa décadence au IV. sidcle jusqu'a 
son renouvellement au XVI.« (Bar. 1812— 23, 
6 Bde. mit 325 Mupfern in Fol.; deutſch von Duajt 
u. d. T.; »Sammlung der vorzüglichſten Dentmaler 
der Malerei, vorzugsweiſe vom 4. bis gum 16. Jahrh.«, 
Berl. 1840, 2 Quartbde. Tafel und cin Band Tert). 

Aginẽtiſche Munft. Unter den ältern griechiſchen 
Kunſiſchulen hat die auf der Inſel Agina (f. d.) bis 
gegen die Mitte des 5. Jahrh. v. Chr. bliihende friih- 
jeitig einen hohen Ruf erlangt. Sie hatte ſich bejon- 
ders an der Darjtellung von Kämpferfiguren, die den 
ss in den Kampffpielen gu Ehren aufgejtellt 

wurden, geiibt und gibt Daher Mejtalten, in denen 
mannliche Kraftfülle mit naturaliſtiſcher Scharfe und 
| nod) ohne ideale Schinheit sum Ausdruck gelangt. 
Mustein, Adern, die Verbindung der Gliedmaßen 
find febr genau — Neben dieſem Ratu- 
alismus überraſcht aber die Strenge, mit der das 
alte Geſetz der Symmetrie beibehalten wurde. Die— 
ſelbe Grundidee der Kompoſition beherrſcht z. B. beide 
um 475 entſtandene Giebelgruppen des Athene— 





rid, aber Die Inſel erreichte kaum den Schatten ihrer | tempels in Agina. Sie wurden 1811 aufgefunden, 


Aginin — Agio. 


durch Thorwalbdfen reftauriert und von dem bayrijden | 
Kronprinjen Ludwig erworben, ſpäter in die von ihm | 
erbaute Glyptothet in Miinden verjest. Bon den 22 
urfpriinglid) vorhandenen Figuren find 10 des Weſt-⸗ 
iebels (ſ. Tafel »Bildhauerfunft III«, Fig. 1) voll: 
tändig, die 11. in Fragmenten erhalten; von denen 
des Oſtgiebels ſind 5 und viele Trümmer übrig. Wei- 
tere Rejte find durch die 1901 von A. Furtwingler 
auf Rojten der bayrijden Regierung veranjtalteten 
Uusgrabungen aufgefunden worden. Beide Gruppen 
jtellen Kämpfe vor Troja vor, in denen Athene die 
griechiſchen Helden ſchützt. Sie bildet den Mittelpunkt 
Der Darjtellung, beide Wale in faft itbereinftinunen- 
der Erſcheinung. Im weſtlichen Gebel fehen wir den 
über der Leiche des Achilleus entbrannten Rampf, 
wobei Odyſſeus die Trojaner abwebrt; im öſtlichen 
Xelamon und Herafles den gefallenen Dilles gegen 
Laomedon fdirmend, eine Sjene aus dem friibern 
Kampf zwiſchen Griedhen und Troern. Während fid 
in ber hebevoll genauen Naturbeobadtung an diejen 
Marmorbildern cin wefentlidjer Fortſchrilt der grie- 
chiſchen Kunſt zu erfennen gibt, zeigen alle iibrigen 
Merkmale nod den alten naiven Stil der vorber- 
yehenden Epoche, in der die helleniſche Kunſt zuerſt 
en Verſuch madte, fich cinerfeits der Einflüſſe orien: 
taliſcher Volfer, anderfeits des jtrengen und ftarren 
Kultſtiles gu entledigen. Daher nod jenes dharatte- 
riſtiſche Lächeln in den emporgezogenen Mundwinteln, 
die ſchief ſtehenden, ag “a ugen, der Mangel 
an Lebendigfeit in der Bewegung der Körper, vor | 
allem jedod) das Feblen des Uusdruds der Seelen- 
jtimmung im Antlitz. Die Teilnehmer des Rampfes 
bewahren cin rubig mildes, freundlidjes Weſen. Nur 
im Ojtgiebel zeigt ſich an einem der Gefallenen, welche 
die Eden an beiden Giebeln ausfiillen, der Berfuch, 
den Ausdruck des Todesſchmerzes in den Zügen wie- | 
Derjugeben, wie der Ojtgiebel überhaupt eine etwas 
vorgeldrittencre Stufe der ———— zeigt, die 
wohl der Vorſtellung entſprechen dürfte, die wir uns 
von den hervorragendſten Künſtlern Aginas, Kallon 
(j. d.) und Onatas (ſ. d.) gu machen haben. Die Fi— 
uren des Tempels waren an den Gewandſäumen, 
aren, Augen und andern Details bemalt, Haare, 
Waffenſtücke ꝛc. teilweiſe aus Metall angeſetzt. Unter 
den ältern Künſtlern ijt nod) der Bildſchnitzer Smi— 
lis hervorzuheben. Bal. J. M. Wagner, Bericht 
über die äginetiſchen Bildwerke (hrsg. und mit kunſt⸗ 
eſchichtlichen Anmerkungen begleitet von Schelling, 
uͤbing. 1817); Brunn, Uber das Alter der ägine⸗ 
tijden Bildwerle (Sigungsberidte der bayrifden Ala⸗ 
demie der Wijfenfdaften, 1867); KR. Lange, Die 
Rompofition der Ugineten (Leipz. 1878); Schildt, 
Die Giebelqruppen ju Agina (daſ. 1895). 

Aginin, ſ. Age. 

Agio (franj., for. äſchio, ital. Aggio), Aufgeld, 
früher auch Überſatz genannt, der Betrag, um den 
der Preis (Murs) einer Geldſorte den Nennwert der- 
jelben überſteigt. Den Betrag, um den diefer Preis 
hinter Dem Nennwert zuriidbleibt, nennt man Dis- 
agio (Ubsuq). Dit der Preis pleid) dem Rennbetrag, 
fo ftebt die Geldjorte pari. YW. und Disagio werden 
in der Regel in Progzenten vom RNennbetrag, bei 
Miinzen bisweilen aud im abjoluten Betrag aus- 
gedriidt. Zuweilen wird aud das A. mit plus (+), 
das Disagio mit minus (—) bezeichnet. Cine Ab⸗ 
weidhung de3 Kurſes vom Nenngebalt entitand friiber | 
durch eine fislaliſche —— des Münzregals, 
wenn man gu einem leichtern Münzfuß liberging, | 
d. h. aus alten Münzen eine größere Sahl neuer mut | 








| werden, wenn dem emittierenden Staate volles 


171 


leider Benennung priigte, die ebenfo wie jene gefeb- 
ides Zahlungsmittel waren. Infolgedeſſen wurden 
fiir Zablungen nach außen nur die ſchwereren Miin- 
zen verwendet und fiir dieſe beim Umtaufd gegen 
neve Münzen ein VW. entridtet. Die gleide Wirtung 
fonnte cine durch den Verlkehr bewirfte allmähliche 
Verſchlechterung der Münzen haben. Heute bildet ſich 
ein A. einmal durch die Verwendung verſchiedener 
Metalle zu Kurantmünzen, dann durch Emiſſion von 
Papiergeld. Hat ein Land Doppelwährung, ſo wird, 
wenn der Weltmarktpreis eines der Währungsmetalle 
jteigt, die Miinge, deren Metall höher geidagt wird, 
ein A. erhalten. So hatte in Frankreich vor 1848 
Gold gegen Silber cin VW. von 1/2 Broz. 100 Frant 
in Goldmünzen waren fo viel wert wie 101'/2 Fr. in 
Silbermiingen. Nad) 1849 gejtaltete fid) das Ber- 
haltnis umgefehrt (vgl. Wahrung). Wud in Silber: 
wahrungslandern fonnen Goldmiingen, wenn diefel- 
ben in befdrintter Menge ausgeprägt und an Staats: 
fajfen gum fogen. Rajjenfurs angenommen oder ge: 
wohnbheitsmapig tarifiert werden, bei einer Anderung 
des Goldpreifes ebenfowohl U. wie Disagio erhalten. 
Überhaupt ijt das A. eine Folge davon, daß cine be- 
jtimmte, nur in verhältnismäßig befdrintter Menge 
vorhandene Geldforte fiir bejtinumte Swede befonders 
eſucht wird. WIS Mitte der 7Oer Jahre in Deutfd: 
and bei ungiinftiger Zahlungsbilang Gold fiir diz 
Wusfubr | England und Amerika begehrt wurde, 
bezahlte man dasfelbe mit einem YW. von 1 Proj. Go 
wurde aud) die franzöſiſche Ausſtellung von 1878 ju 
einer Urſache, Den Murs der zum Beſuch derjelben 
ony a franzöſiſchen Münzen zu jteigern. Weit größer 
als bei Münzen ſind die Kursſchwankungen bei dem 
Papiergeld (ſ. d.) Für dasſelbe fann A. geyabt 
{Ts 
trauen gefdentt und das nur in befdrantter Menge 
vorhandene Papier fiir Mufbewahrung und Verſen— 
dung von Geld gejudt wird. Dod findet bier das 
A. ſchon bald cine Schranke in der Verbeſſerung der 
Transporteinridtungen, der Geld- u. Kreditanjtalten 
oder aud) in der Geneigtheit zur Mehremijjion. Weit 
häufiger als ein A. tritt bei Dem Papiergeld cin Dis- 
agio cin, wenn dasſelbe in einer im Verhältnis zum 
Staatstredit und sum Verlehrsbedarf zu grofen Menge 
ausgegeben und infolgedejjen entwertet wird. Hat 
nun das Bapiergeld Swangsfurs, fo dak es fiir die 
Preisbemejjung dient, fo fpridt man nicht von einem 
Disagio des Papiergeldes, fondern von einem A., 
das fiir Münze gezahlt wird. In Ojterreid-Ungarn 
wurde lange Ra fiir Silber UW. gezahlt; war z. B. 
in Wien Silber gu 120 notiert, fo waren 100 Guld. 
Silber gleich 120 Guld. Rapier. Infolge der Silber: 
entwertung der neuern eit ijt diefes A. verſchwun⸗ 
den, an feine Stelle aber dasjenige des Goldes (gegen 
Silber und Papier) getreten. Yn Stalien und im 
Nordamerifa wurde das Disagio des Papiergeldes 
(1 Doll. Gold ftand 1864 auf 2,80 Doll. Rapier) durd 
Uufrahme der Barzahlung befeitigt. 

Jn einem andern Sinne beseidnet man aud) als 
A. den Betrag, um den eine Geldjorte eine fiir ge- 
wiffe Rechnungen übliche Summe iiberjteigt. Go er- 
hielt man in Frankreich friiher fiir Lkg Feingold, aus 


dem 34444/o Frank ausgepraigt wurden, 343444 Fr. 


indem 10 Fr. zur Dedung der Pragefojten guriid: 
bebalten wurden. Den in Prozenten bemeſſenen Über⸗ 
ſchuß Des Goldpreijes iiber 343-4,44 (feit 1877; 3437) 
Fr. nennt man ebenfalls WU. Ahnlich ijt es bei Dem 
Silber, für das als Cinheit 218,89 Fr. angenowmen 
werden, während aus 1 kg Feinjilber 222*/o Fr. aus- 


172 


emünzt werden. — Endlich ſpricht man aud) von einem 

. der Bedfel, Cffetten und Altien, wenn deren 

Kurs fiber pari jteht. Jn vielen Landern wendet man 

jedoch ftatt WM. die Bezeichnung » Priimies an (prime 

im Gegenfas ju perte in Frankreich, premium im 
Gegenſatz zu discount in England). 

ion, Küſtenſtadt im alten Udaia, feit 373 Sik 


Agion — Agiſthos. 


Agiaden (Agiden) oder Euryſtheniden, angeb— 
lich ein Sohn des Euryſthenes. Auf ihn führt die 
Tradition die —————— Heloten zurück. 

2) UW. II. (I.) Sohn des Archidamos, regierte 427 
bis 397 v. Chr. Nachdem er 426 und 425 die Pelo⸗ 
ponnefier bei ihren Einfällen in Uttifa befehliqt hatte, 
führte er 418 den Krieg gegen dad mit Athen verbiin- 


ber achãiſchen Bundesverjammlung beim Tempel des | dete Argos und fiegte bei Mantineia. 415 nahm er 
Reus Homagyrios, mit zahlreichen Heiligtitimern, von | den fliichtigen Allibiades auf und beſetzte auf ſeinen 
denen aber infolge haufiger Erdbeben nichts erhalten Rat 413 Deteleia in Uttita, verfeindete ſich aber mit 


ijt. Rejte bei Voſtitſa, das jest wieder W. heißt. 
Agioffop (qried.), Upparat jur Erjeugung von 
Rebelbildern. 
iotage (fran}., for. afsiotdty’) nennt man den 
Betrieb von Spefulationsgefdiften, die lediglid aus 
Preisſchwankungen im Geld-, Waren und Effelten⸗ 
geſchäft Borteil yu ziehen fuden, namentlich folde 
Spefulationen, die fic) unfolider und felbjt unred- 
lider Mittel, wie der Verbreitung falſcher Gertidte, 
Sdeinoperationen, trügeriſcher Reflame 2c. bedienen, 
unt die Rurfe künſtlich ju treiben und ju driiden. Die 
A. ift alfo in diefem Sinne gleidbedeutend mit dem 
Betrieb verwerflicher Differen zgeſchäfte und wird des 
wegen aud) oft ſchlechthin als Wind- und Schwin— 
delhandel (in England stock-jobbery) bezeichnet. 
Fite Die Zwecke der A. vorzüglich qeeiqnet find die— 
jenigen an der Borie gehandelten Gegenjtinde, deren 
Freije häufigen Schwanfungen unterliegen (Altien 
neugeqriindeter Unternehmungen, die fogen. »inter- 
nationalen« Bapiere xc., Waren mit ſtark wechſelnder 
Produltion oder Zufuhr, wie Getreide, Spiritus, Pe 
troleum x.). Der Ugioteur, in Paris Coulissier 
(f. Kuliſſe), in London Jobber (f. d.) genannt, d. h. 
derjenige, welder fid an der Borie gewerbsmäßig der 
A. widntet, hat um fo mehr Hoffnung auf Gewinn, 
je mehr er durch groken Rapitalbefis in den Stand 
geſetzt ijt, Die Kurſe su beherriden und die Maſſe der 
fleinen Börſenſpieler durch wirfliche Käufe und Ver— 
fiiufe in ſolche Bewegung zu ſetzen, die Den eignen 
im geheimen betriebenen Abſichten am günſtigſten 
ſind. Gegen die A. richtet ſich das Börſengeſetz von 
1896, das den Börſenterminhandel in verſchiedenen 
Wertpapieren und in Getreide und Mühlenfabrika— 


ten unterſagt, ſowie die Rechtſprechung, die in neue: | 


iter Beit Differenzgeſchäfte als nidjt fMagbar erflart. 
Ral. — — 

gir (v. altnord. &, »Waſſer⸗, got. ahwa, alſo 
Der »Waſſermann«), in der nord. Mythologie der 
dãmoniſche Beherrider des Meeres, war nad ſpäterm 
Mythus der Sohn de3 Riefen Fornidtr. Er heift 
aud Gymir und Olér und fein Wohnort Hlésey 
(jest Läſſöe im Kattegat). Seine Gattin ijt Ran, der 
die Ertrunfenen angehdren. Beide haben neun Toh 
ter, Die ebenfo wie Dic Mutter den Sdhiffenden ge 


fährlich find. Der »Schrecenshelm« Wgishialmr, | 


den in den Mythen Fafnir trägt (von dem ihn Si- 
gurd erbeutet), hat, wie es ſcheint, mit Ä. nichts zu 
tun, fondern Wort und Borjtellung find wabhridein: 


lid) von den Angelſachſen entlehnt (angelf. egesa, | 


» Schreden«). 
Agira ‘vr. adisiro), Stadt in der ital. Provinz Ca 


an ber Eiſenbahn Catania-Santa Caterina, mit 
Burgruine, Schwefelbergbau und (i901) 17,738 Cinw., 


ijt das alte A¢yrion und Geburtgort des Diodorus | 


*igirin, Mineral, ſ. Uugit. [Siculus. 

Ugiriperten, ſ. Afrilaniſche Ultertiimer. 

Agis, Name mehrerer Mdnige von Sparta: 1) A.L., 
der fagenhafte Stammvater ded Königshauſes der 





ihm und wurde die Urſache von feiner Flucht zu den 
Perjern. 405 nahm A. an der Belagerung von Athen 
teil, führte nod) einen gliidlicen Rrieq gegen Cis 
und ftarb 401; ihm folgte fein Bruder Ageſilaos. 

3) A. III. (II.), Soon Urdidamos’ III., König 
338—331, verſuchte, wãhrend Alexander d. Gr. in 
Aſien vordrang, Griechenland von der maledoniſchen 
Herrſchaft zu befreien, unterlag aber bei Megalopolis 
und fiel 331 im Kampfe gegen Antipatros. 

4) A. IV. (III.) folgte 245 v. Chr. ſeinem Vater 
Eudamidas II. Weil damals Sparta ganz in Verfall 

eraten, faßzte A. den Plan einer Herſtellung der Ly- 

rgiſchen Einrichtungen. Von einigen angeſehenen 
Männern, ſeinem mütterlichen Oheim Ageſilaos und 
Lyſandros unterſtützt, hatte er dagegen an ſeinem 
Mitfonig Leonidas II. einen heftigen Gegner. Ly- 
ſandros beantragte 242 ein Geſetz, wonach die auf 
700 zuſammengeſchmolzenen Spartiaten durch Muf- 
nahme der tüchtigſten Periölen und Fremden auf die 
Zahl von 4500 gebracht und unter dieſe alle Lände— 
reien Lafoniens ju gleidjen Teilen durch das Los ver- 
teilt werden follten. Leonidas und die Ephoren, die 
dieſen Geſetzen entgegentraten, wurden abgeſetzt und 
verbannt, und der glückliche Fortqang des Unterneh— 
mens fdien völlig gejichert, als der Eigennutz des 
Ugefilaos, der Ephorys qeworden war, alles verdarb. 
Diefer verzdgerte die Musfiihrung der Udervertetlung, 
und als U., der die fpartanifden Hilfsvilfer dem 
Achãiſchen Bunde hatte zufiihren müſſen, in die Hei- 
mat juriidfebrte, hatte ſich beim Bolfe, das feine Hoff⸗ 
nungen auf die Reform getäuſcht fab, die Stimmun 
ju ſeinen Ungunſten gedndert. Leonidas wurde mei 
Sparta zurückgerufen und bemiidtigte fic) wieder der 
Gewalt; W. wurde von treulofen Freunden verraten, 
dem Geridt tiberliefert, sum Tode verurteilt und eilig 
erdrofjelt (241). Dasfelbe Schictfal erlitt aud) feine 
Grokmutter Urdhidameia und feine Mutter Ageſi— 
jtrata. Die tragiſche Geſchichte des A. ijt von Elut- 
ard) in einer Biographie wirfungsvoll dargejtellt, 
ſpäter von dramatiiden Didtern bearbeitet worden, 
am bejten von Alfieri. 

gis, bei Homer der von Hephäſtos verfertigte 


Schild des Zeus, mit Troddein und in der Mitte das 


Haupt der Borgo (j. Gorgoneion), deſſen Sdiittein 
Blitz und Donner und alle Sdhreden erregt. Nur 
jeinen Lieblingstindern Apollon und Athene leiht fie 
Beus. Spiiter jtehendes Attribut der Wihene qewor- 
den, wird die A. als ſchuppiges oder zottiges Fell mit 
Sdhlangen umſäumt und das Gorgoneton in der 
Witte dargeftellt, das bald als Brujtpanyer der Gdttin 


Agia (io dient, bald über Schultern und Riiden herabhängt, 
tania (Sijilien), Kreis Nicofia, unweit des Salfo, | 


bald ſchildartig über den linfen Arm gefdlagen tit. — 
Die Bedeutung des Sdhildes oder Schutzes iit nod 
in Der Redensart sunter der Agide (d.b. dem Schutze) 
jemtandes« erhalten. 

Hgifthos, im griech. Mythus Sohn ded Thyejtes 
und deſſen eiqner Todter Belopia, qewann nad Er— 
mordung des Atreus (ſ. d.) Die Herridaft von Wye 
fend, wurde aber von Ugamemmon daraus vertrieben. 


Agitation — Agnes. 


Während deffen Ubwefenheit in Troja verfiihrte er 
fein Weib Klytämneſtra und ermordete mit ibr den 
heimgefehrten Ugamenmon. Dejjen Gohn Orejtes 
dj. d.) rachte an A. den Tod des Baters. 

Agitation (lat.), Aufregung, Treiberei; Anregung 
der Majje yur Teilnahme an einer gewijjen Bewegung, 
3 B. an einer Wahl (Wahlagitation). Cine W. 
wird regelmäßig durch öffentliche Reden in Verſamm⸗ 
lungen und durch die Preſſe, durch Flugblätter, Ver— 
teilung von Wahlzetteln u. dgl. betrieben. 

Agitato (ital., fpr. abdfgi-), aufgeregt. 

Ugitator (lat.), jemand, der et irgend einem 
Gebicte qeijtiger Tätigkeit, namentlich in der Politik, 
die Meinung der 5 Maſſe bearbeitet. 

Aegithalus , Beutelmeiſe, ſ. Meiſen. 

Agitieren (lat.), fiir etwas tätig ſein, die Menge 
dafür zu gewinnen ſuchen. 

Aglaͤia, cine der drei Grazien (ſ. Chariten). 

Aglaophamos, der griech. Sage nach Vorſteher 
der von Orpheus geſtifteten Myſterien zu Leibethra in 
Thralien, in die er den Pythagoras einweihte. Lobed 
wãhlte den Namen als Titel jeines gegen Creuser ge- 
ridteten Werkes » Aglaophamus, sive de theologiae 
mysticae Graecorum causis« (Mdnigsb. 1829, 2 Bde.). 

Aglauros (MU graulos), wie ihre Schweſtern 
Herje und Pandroſos urſprünglich eme Göttin länd— 
licher Fruchtbarkeit, in der attiſchen Sage Tochter des 
Kekrops, ſtürzte fic) in einem Kriege zur Rettung des 
Vaterlandes von der Burg; in dem ihr heiligen Hain 
am Nordfuß der Wfropolis leiſteten die jungen Athe— 
ner den Fahneneid. Nach andrer Sage verfielen A. 
und ihre Schweſter Herſe in Wahnſinn und ſtürzten 
ſich von der Akropolis, weil ſie ein von Athene ihnen 
anvertrautes Käſtchen, worin der junge Erichthonios 
(j. d.) lag, trotz deren Verbot gedjfnet. 

Aegle Correa, Gattung der Rutageen, ſehr nahe 
verwandt mit Citrus, dornige Baume mit dreizähligen 
Blattern, Bliiten in Trugdolden oder Rifpen und 
orangeähnlichen, kugeligen Früchten mit barter Rinde. 
Zwei Yirten. A. Marmelos Correa, in Djtindien, wird 
wegen feiner woblidmedenden und woblriedenden 
Früchte tultiviert, oft in die Nähe der Hindutempel 
gepflangt. Die Früchte werden friſch gegeſſen, fommen 
unreif und getrodnet (Velaniiife) nad Europa und 
werden argneilid) benugt. Aus den Fruchtſchalen wer- 
den Doſen gefertigt und aus den Blüten ein Parfüm. 

Migle (Wigle, die »~Glaingende<), im gried. My- 
thus Die ſchönſte unter den Najaden, von Helios Mut⸗ 
ter Der Chariten (jf. d.). 

Aeglefinus, j. Scellijifd. 

Aglei (Akelei), Pflanzengattung, f. Aquilegia. 

Agliardi (pr. ajay, Antonio, päpſtlicher Diplo- 
mat, geb. 4. Sept. 1832 in Cologno (Bergamo), jtu- 
dierte fanonifdes Recht und Theologie, war 12 Jahre 
Pfarrer in der Diözeſe Bergamo, bis er vom Papſt 
beauftragt wurde, cinen irifchen Biſchof nad Kanada 
gu begleiten. Nach feiner Riidfehr ward A. zum Se- 
fretiir Der Propaganda in Rom ernannt. Leo XIII. 
fandte ifn 1884 unter Ernennung jum Ergbijdof von 
Cãſarea in partibus infidelium nad Indien, um fiber 
die Dortige Herjtellung der kirchlichen Hierardie zu be- 
ridten, und A. ging 1887 von neuem dabin, um das 
mit Portugal abgeſchloſſene Ronfordat auszuführen. 
1887 wurde er jum Gefretir der auferordentlidjen 
firdlidjen Angelegenheiten, 1889 gum päpſtlichen 
Nunzius in München ernannt und 1892 in gleider 
Cigenfdaft nad) Wien verſetzt. Als er ſich 1895 in 
Ungarn in den dortigen Rirchenftreit einmiſchte, be- 
ſchwerte fid) die ungarifde Regierung fiber ign; A. 





173 


wurde daber 1896 abberufen und jum Rardinal un? 
Erzbiſchof von Ferrara ernannt. 

glossa (Zun — Unterordnung der 
Fröſche, auch eine Gattung der Kleinſchmetterlinge. 

Agloſſie (griech.), angeborner Mangel der Zunge. 

Agnadello (pr. anja), Dorf in der ital. Provinz 
Creniona, Rreis Crema, mit (1901) 2086 Cinw., be- 
fannt durch den Sieg Ludwigs XI. von Franfreid 
liber Die Benezianer (14. Mai 1509). 

Agnano (pr. anjano), chemaliger, feit 1870 wegen 
feiner Gefahrlidfeit als Malariaherd ausqetrocneter 
See (130 Heftar), 8 km wejtlid) von Neapel, der 
cinen der eingeſtürzten Rrater des Dortigen vulfani: 
ſchen Gebietes fiillte. Um fiidlidjen Eingang in das 
ehemalige Geebeden fliegen die Schwefeldunſtbäder 
von San Germano und die Hundsgrotte (f.d.). 

Uguaten (lat., »~Hingu-, Nachgeborne«) nennt 
man Diejenigen, weldje von einem bejtimmten Men— 
ſchen in allen Geſchlechtern (Generationen) durd einen 
Wann abjtanrmen. Sie gehen regelmäßig den andern 
Nachfommen jenes Menſchen (den Rognaten) vor 
bei Nadfolge in Lehen, Familien-Fideifom- 
miß und Landeshobeit (f. d., aud) Thronfolge) 
und gingen im altern rdmifden Rechte dieſen iiber- 
Haupt in der Erbfolge vor. 

Wguathie (qricd).), angeborner Mangel der Kiefer. 

Agnes, 1) Heilige, nach der Legende eine ſchöne 
römiſche Chrijtin zur Zeit Diofletians, wurde, weil 
fie Die Che mit dem Sohne de3 römiſchen Stadtprafetten 
ausidlug, in ein dffentliches Haus gebradt, blieb aber 
aud) da unverfebrt und wurde als Zauberin ent- 
hauptet. Shr Sinnbild ijt ein Lamm. Yn der vor 
der ‘Porta ‘Bia ben gelegenen Uqnestirde werden 
21. Jan., am Gedächtnistage der Heiligen, die Läm— 
mer geweiht, aus deren Wolle die Fallien zur In— 
veſtitur neuer Biſchöfe verfertigt werden. 

2)U. von BP vit ou, Gemablin Kaijer Heinrids III. 
Todter Wilhelms V. Herzogs von Guienne, 1056—62 
Vornriinderin ihresSohnes, Konig Heinrichs IV., hatte 
anfangs den Bapjt Viftor II. dann die Biſchöfe Giin- 
+ von Bamberg und Heinrich) von Ungsburg ju 

atgebern, ward aber von herrſchſüchtigen Großen 

ezwungen, mehrere Herzogtiimer an fie gu verleihen. 
a Wat 1062 ward ifr Sohn durd Anno von Kiln 
u. a. entführt. Danad nahm fie in Rom den Sdleier 
und ftarb dafelbjt 14. Dez. 1077. Val. Seipoldy, 
Die Regentidaft der Kaiferin W. von Poitiers (Berl. 
1887); Meyer v. Knonau, Jahrbücher des Deut: 
ſchen Reiches unter Heinrich IV., Bd. 1 (Leipz. 1890). 

3) U. von Meran, Todter des Herjogs Berthold 
von Meran, vermablte fid 1196 mit Philipp I. Uu- 
quit von Franfreid), obwobhl dejjen Sdeidung von 
der däniſchen Prinzeſſin Ingeborg durch Papft Cö— 
leſtin ITT. fiir ungültig erklärt worden war. WIS ſich 
Philipp weigerte, Ingeborg wieder als Gemahlin an- 
zunehmen, ſprach Papſt Innocenz III. über das un- 
mittelbare fonigliche Gebiet in Frankreich Das Inter— 
dift aus (Januar 1200), und dies wirkte fo auf das 
Volk, daß Philipp, trotz feiner Liebe gu Y., Ingeborg 
al feine Gemablin anerfennen mute. A. ftarb 1201 
in Poiſſy. Ihre zwei Kinder wurden fiir rechtmäßig 
erflart. Shr Schickſal ijt dramatiſch behandelt worden 
von Ponfard, Gujt. Pawikowſti und Franz Niſſel. 

4) Derjogin von Meran, cine fagenhafte Ge- 
ftalt, die mit Der Geſchichte der » Weiken Frau« (j. d.) 
auf der Plaſſenburg in Zuſammenhang gebracht wird. 
UW. foll die Gemablin des Grafen Otto von Orla- 
miinde und nad) deſſen Tode (1293) die Geliebte des 
Burggrafen Albrecht des Schönen von Niirnberg ge- 


174 


wefen fein. Die Gemahlin Ottos gehdrte zwar dem Ge- 
ſchlechte der Grafen von Meran an, hieß aber Beatrix 
_ und fonnte ſchon darum nicht die Geliebte Albrechts 
fein, weil fie die Schweſter ſeiner Großmutter war. 

5) A. von Ojterreidh, Todter des deutſchen Kö— 
nigs Ulbredt I., geb. 1281, geſt. 13. Mai 1364, ver- 
maͤhlt mit Kdnig Undreas ITT. von Ungarn (gejt. 1301). 
Nad der Ermordung des Vaters (1308) lebte fie meijt 
in Dem an der Statte Des Mordes erbauten Nonnen- 
flojter Königsfelden. Die zeitgenöſſiſche Geſchichte 
fennt fie als Vermittlerin zwiſchen ihrem Bruder Leo- 
pold (dem Glorwiirdigen) und den Eidgenoffen. Bal. 
v. Liebenau, Lebensgejdidte der Königin A. von 
Ungarn (Reqensb. 1868; Urfunden dazu 1869). 

6)A. v ony öhmen, Todter Przemyſl Ottafars IL, 
geb. 1269, geft. 1296, wurde 1278 mit König Rudolfs 
von Habsburg gleidmamigem Sohn verlobt, 1284 
verheiratet; fie iſt die Mutter Johanns (PRarricida), 
des Mörders ſeines Oheims Albrecht I. (f. d. 1). 

7) A. Sorel, ſ. Sorel. 

UAgnefenrollen, in der Schaufpielfunjt friiher Be- 
zeichnung fiir gewiſſe Mädchenrollen, nad der Ugnes 
in Molieres »Schule der Frauen« einer fehr naiven 
Perſon, der es aber an der angebornen weibliden 
Schlauheit nicht fehlt. In Deutſchland braudte man 
dafiir aud) den Namen Gurlirollen, nad der Gurli 
in Kotzebues »Yndianer in England<. 

Aguetendorf, Dorf und Luftfurort im preuf. 
Regbez. Lieqnig, Kreis Hirſchberg, am Riefengebirge, 
530 m il. M., hat Glasidleiferet, Holswarenfabrifa- 
tion und (1900) 732 Cinw. Yn der Nähe die Bis- 
marckhöhe (714 m), die Schneegruben, das Hobe 
Rad rc. Im Winter Hörnerſchlittenfahrt. 

Aguethlen (Sjent-Ugotha), Markt im ungar. 
Kontat Grop-Rofelburg (Stebenbiirgen), mit befeſtig⸗ 
ter evang. Kirche, 2 gried). Rirden, 2 Dampfmiiblen, 
Spiritusfabrif, Bezirksgericht und (seo) 3210 Cinw. 

gui, ind. Gott, Perſonifikation des Feuers (Lat. 
ignis), im Beda (f. d.) cine der höchſten Gottheiten, 
wurde nad dem Rigveda von Mataricvan, einer Art 
Prometheus, ju den Menſchen geholt. Seitdem fann 








Agnefenrollen — Wgoni. 


Agnone (jr. anjone), Stadt in der ital. Proving 
Campobafjo (Molife), Kreis Yfernia, 806 m ii. W2., 
mit Weinbau, Sandfteinbriiden, Ol- und Teiqwaren- 
fabrifation, Glocengieferet und (1901) ca. 5600, als 
Gemeinde 9793 Einw. 

Agnoſtizismus (griech.), cine beſonders von Hur: 
{ey und Herbert Spencer ausgebilbdete, mit bem trans. 
jendentalen Idealismus (Neulantianismus) ver- 
wandte Ridtung der neuern englifden Philofophie, 
die fic) nur mit dem fiir unfern Berjtand fider Er— 
fennbaren, b. h. dem Endlicen, in der Erfahrung 
— — beſchäftigt, dagegen das Nichterklennbare, 
3. B. den letzten Grund der Dinge, Daſein und Weſen 
Gottes ꝛtc., von der philoſophiſchen Betrachtung grund⸗ 
ſätzlich ausſchließt. Der A. unterſcheidet ſich daher 
vom Atheismus dadurch, daß er die Gottheit nicht 
feugnet, fondern nur befennt, nichts darüber wiffen 
zu fonnen. Agnoſtiker, die Anhänger dieſer Rich— 
tung. Vgl. Groſſe, H. Spencers Lehre von dem 
Unerkennbaren (Leipz. 1890). 

Agnoszieren (lat.), anerkennen (als richtig). 

Aguus Dei (lat. »Lamm Gottes⸗), Benennung 
Jeſu Chriſti nach Joh. 1, 29; in der latholiſchen Liturgie 
ein Gebet, das vom Prieſter während der Meſſe fury 
vor der Kommunion geſprochen wird, beſteht in dret- 
maliger Wiederholung der Worte: » A. D., qui tollis 
peccata mundi, miserere nobis« (»>D Lamm Gottes, 
weldes Du die Siinden der Welt hinwegnimmſt, er- 
barme did) unſer!«), Das letzte Mal mit den Schluß⸗ 
worten: »da nobis pacem« (»qib uns Frieden«). Es 
bildet in Der mufifalifden Mele den letzten (ſechſten) 
Sag. Außerdem heißen A. D. aud) die aus den über⸗ 
bleibjein der Ofterferzen in Rom verfertiqten Lamm- 
bilder, die Der Papſt im erjten Sabre jeiner Regierung 
und fodann alle fieben Qahre um Ojtern weiht und 
verteilt. Überhaupt ijt A. D. das als Symbol Chriſti 
— mit der gr tee verjehene Bud des 

ammes auf Fahnen, Medaillen rx. 

Agnus scythieus, ſ. Baranetz. 

Agogik (v. qried. agoge, pag Beitmag), 
in Der Muſik die Lehre von den Abſtufungen der 


er aus zwei geriebenen Hölzern immer wieder erzeugt Temponahme als Mittel des ausdrudsvollen Vor— 
werden. Als Gott des Opferfeuers ijt er Bote zwi- trags. Val. Riemann, Muſikaliſche Dynamif und 
iden Gidttern und Menjden, bei Nacht Bekämpfer WU. (Hamb. 1884). 

der Finjternis, Beſchützer der Unfiedelungen. Qn der Agomegebirge , ſüdweſtlichſter, bis 840 m hober 
brahmanifden Periode ijt A. mit andern alten Git- Ausläufer des Upofjogebirges in Deutſch-Togo, mit 
tern in Die Stellung eines untergeordneten Welt- | der 1890 angelegten Station Miſahöhe an der Strafe 


hüters guriidgedringt worden. Bal. UW. Kuhn, Die 
Herabkunft des Feuers und des Göttertranks (2. Ubdr., 
Giitersl. 1886); Hol g mann, A. nad den Voritellun- 
gen de8 Mahabharata (Strakb. 1878); L. v. Schrö— 
der, Upollon-W. (in der » Zeitidrift fiir vergleichende 
Spradforidung<, Bd. 29, S. 193 ff., 1888). 

Uguietenberg , ſ. Zwolle. 

Agnition (lat.), in der Rechtsfprache foviel wie 
Anerfennung, msbef. diejenige einer Behauptung des 
Prozeßgegners, eines Anſpruchs, emer Urtunde als 
das, woflir fie ausgegeben wird. Für die geridt- 
lide Unerfennung ijt der WUusdrud »Refognition« 


von Rlein- Popo nad Galaga. S. Karte ⸗Togo«. 
Agon (qriedh.), Rampf, Wettfampf jeder Art. Die 
Grieden unterjdieden bei ihren Feitipielen drei Urten 
von Ygonen, gumnifde, die ſich auf Leibesiibun- 
gen, bippifde, die fic) auf Fahren und Reiten be- 
jogen, und mufifde, die Muſik, Didtfunft und 
yan} zum enſtand hatten. Griechiſche Agone wa- 
ren bei den Römern ſchon in den letzten Zeiten der 
Republik häufig; in der Kaiſerzeit wurden ſie wie die 
großen griechiſchen Spiele in mehrjährigen Perioden 
gefeiert. Bis in die legte Beit des Witertums hielt 
Nid) der vierjährige fapitolinifde A., 86 n. Chr. 


(f.d.) uüblicher. Im Erbredt bezeichnete man friiher | von Domitian gejtiftet, und die hiermit verbundene 


alg A. die Unnahmeerflarung des Bermadtnisneh- 
mers begat Des ihm gu teil qewordenen Vermächt⸗ 
niffes. Bgl. Unerfennung. 

Agno dive. anjor, Fuh, f. Fraſſine. 

Agnoẽten (qried., » Nidhtwiffende«), Unhanger des 


alerandrinifden Diafons Themiftios; ſ. Monophyfi- | 
ten. Linie, weldje die Orte verbindet, deren magnetiſche 


Aguoémen (lat.), Beiname; ſ. Name. 


Sitte der Dichterfrimung fand das ganze Wittelalter 


hindurch Nachahmung. Als Berfonijitation wurde 
der A. als Athlet mit Halteren (ſ. d.) oder mit Palme, 


Binde und Kranz dargeſtellt. — Im griechiſchen 
Rechtsverfahren ijt A. foviel wie Prozeß, Rechtsſtreit. 
Agone (Null⸗Iſogone), auf Landkarten eine 


Aguomination (Unnomination, lat.), f.Bar- | Deflination gleich Null ijt; vgl. Erdmagnetismus. 


onontafie. 


UAgoni, j. Alſe. 


Agonie — Agra. 


MAgonie (qricd., »Mampf«), Todestampf; ſ. Tod. 
Agoniſt (qriech.), Wettfimpfer; Agoniſtik, die 
zum Swed des Wettfampfes getriebene Gymnaſtik, ſ. 


{qon. 

Maonothéten (griech.), bei ben Griechen die Ver— 
anjtalter fowie die Borjiger und Leiter bei Den Wett- 
ſpielen (f. Ugon), die aud) die Preiſe austeilten. 

HUgophonie (qriecd)., » Mecerjtimmes), bei der Aus⸗ 
fultation der Stimme wabhrnehmbare Verſtärkung der- 
felben mit eigentiimlicem Bittern (Medern). Wan 
hort diefelbe bei pleuritijden Exjudaten. 

Aegopédium L., Gattung der Umbelliferen, 
Stauden mit zwei- bis dreifad) gedreit-gefiederten 
Blättern und großen Dolden. Zwei Urten. A. Poda- 
graria L. (GGeißfuß, Gierfd, Ganfeftrengzel), 
int gemäßigten Europa und Aſien, mit friechender 
Wurzel, wächſt als Unfraut in lidten Waldern, Gär— 
ten, an Heden 2. und war friiber gegen Podagra im 
Gebrauch, die jungen Sprojje geben ein fpinatartiges 
Bemiije. 

Agora (qriech.), in den griech. Stiidten der Markt, 
auf dem ſich Der Geſchäftsverkehr wie das politifde 
und religidie Leben fonjentrierte, oft aud) die Volls— 
verſammlung felbjt. 

Agorafritos, qricch. Bildhauer von Paros, Lieb- 
lingsſchüler ded Pheidias, mit dem er mehrere Werke 
—— gearbeitet haben ſoll, fo dag 10 Ellen hohe 

id Der Nemeſis in Rhamnus, von der Teile der 
Baſis mit Relicfdarjtellungen aus der Helenafage 
neuerdings dort aufgefunden worden find, cine Sta- 
tue Der Gbttermutter in Uthen u.a. Yom allein wur- 
den zugeſchrieben die Erzbilder des Zeus und der 
Athene in Koroneia. 

ne hing: “rah ried)., »>Marktmeijter<), cine den 
römiſchen Wdilen ähnliche, mit Geridtsbarteit aus- 
geſtattete Behirde in qriechifden Staaten zur Uber- 
wadung des Warttverfehrs. 

Agoraphobie (griech.), ſ. Platzangſt. 

Agordo, Dijtriftshauptort in der ital. Provinz 
Pelluno, im Tale des Cordevole in den Dolomit- 
Alpen, mit Rupferbergbau und -Hiitte, Bergſchule 
und (1901) ca. 740, alé Gemeinde 2862 Einw. 

Rgospotamoi(> Zicgenfluj<), im Ultertum Name 
eines Flüßchens auf der thrakiſchen Cherfones, fiid- 
lid) von Kalliupolis (Gallipoli), Lampſakos gegen— 
liber. Un feiner Miindung fand 405 v. Chr. die 
Schlacht ftatt, welche die Macht Uthens gänzlich brach 
(j. Beloponnefifder Krieg). 

Agofta, Stadt, ſ. Auguſta (Sisilien). 

Agoftino Veneziano, f. Muſi. 

Agots, ſ. Cagots. 

oult (fpr. dg), Marie de Flavigny, Gri- 
fin d', unter dem Bjeudonym Daniel Stern be- 
fannte franz. Sdriftitellerin, geb. 31. Dex. 1805 in 
Frankfurt a. M., gejt. 5. März 1876 in Paris, war 
die Todter des Vicomte de Flaviqny, eines fran- 


175 


der Verbindung mit Lifzt, die Dann ebenfalls gewalt⸗ 
fam gelijt wurde, find ein jung verjtorbener Sohn 
und zwei Töchter hervorgeqangen, von denen Blan- 
dine (ingwijden gejtorben) ſich mit Emile Ollivier, 
Coſima juerjt nut dem Bianijten Hans v. Bülow, 
ſpäter mit Ricard Wagner vermählt hat. Der zuerſt 
im Feuilleton der »Presse« erfdienene Roman »Ne- 
lida« (1845) von A. enthalt leicht verbhiillte Selbjt- 
befenntnijje iiber jene Verbindung und die Urſachen 
des Bruches. Nad der Februarrevolution trat fie 
als politiſche Schriftſtellerin auf; die hierher gehöri— 
gen Werfe find beſonders die » Lettres républicaines« 
(1848), in denen fie die Zuſtände unter der Regie— 
rung Ludwig Philipps einer herben Kritik unterzieht, 
und die »Histoire de la révolution de 1848« (1851 
bis 1853, 3 Bde. ; neueſte Aufl. 1880), welde dagegen 
die Menſchen und die Ereigniſſe der betreffenden Heit 
Lin das giinjtigite Lidt rückt. Nod vor der legtern 
| Schrift erjdienen ihre »Esquisses morales et poli- 
tiques« (1849, zuletzt 1880; deutſch, Berl. 1862), 
jedenfalls ihr bejted Werk. Ferner veröffentlichte fie: 
»Histoire des commencements de la république 
| aux Pays-Bas, 158]—1625<« (1872), wofiir fie einen 
Preis der Akademie erhielt. Wus ihrem Nachlaß er- 
ſchien: »>Mes souvenirs, 1806—1833« (1877), worin 
fie ſehr anmutig die Gefdicte ihrer Jugend (dDarun- 
ter aud) cine Be eqnung ntit Goethe in Frankfurt) 
erzãhlt. Bgl. A. — miter, Profils contemporains. 
Mme. d’A. (Bar. 1867). 

Agout (ipr. ga, linfer Nebenfluß de3 Tarn im 
ſüdweſtlichen Franfreid, entipringt am nordwejtliden 
Hange der Monts de l'Eſpinouſe, nimmt rechts den 
Dadou auf und miindet nad 180 km langem, viel- 
gewundenem Laufe unterhalb St.-Sulpice-la-Pointe. 

A, Gr., bei Pflanzennamen Abkürzung fiir Ufa 
Gray (j. d.). 

Agra, Hauptitadt der gleidnamigen, Divifion 
(26,259 qkm mit (1901) 5,248,121 Einw. und 6 Diftril 
ten) der britiſch ind. Nordweftprovingen, unter 27° 10° 
nördl. Br. und 78° 5’ öſtl. L., 204 m i. M., rechts 
an der Dſchamna, iiber die eine grofartige Cifen- 
babnbriide führt, hat cine mittlere Tentperatur von 
25,5°. A. liegt in bem gropen Bogen, den die Didamna 
hier nad O. macht, in der Tiefe des Bogens das Fort, 
ſüdlich Davon die Rafernen der Garnijon und nord- 
| Wejtlid) Die Regierungsgebäude, dazwiſchen das weit 
| befjer als in andern indifden Stadten gebaute Duar- 

tier Der Cingebornen. A. ijt reid) an monumentalen 
Prachtbauten, ſämtlich im reinjten mauriſchen Stil. 
| Die widhtigiten find der groke Balajt Shah Dſche— 
hangirs mit der Uudienshalle und die Moti Mas- 
dſchid (> Perlenmofdees), aus pradtigem, weißem 
| Marmor mit drei Kuppeln, beide in dem von rotem 
Sandjtein erbauten Fort, die große Dſchama Mas- 
dſchid, Die Hauptmoſchee im NW. der Stadt, und vor 
allem der Tadſch (Tadfdmabhal), »cin Traum in 














zöſiſchen Offiziers, der während der Emigration | Marmors, das Kleinod von A., am rechten LU fer, das 
Marie Bethmann, aus dem befannten Franffurter | Maufoleum Schah Dſchehans (1628 —58) und feiner 
Vanfierhaus, geheiratet hatte. Sie erhielt ihre Er- | Gattin, mit weithin ſichtbarer Nuppel von 18,8 m 
ziehung yu Baris im Rofter des Heiliqen Herzens Durdmeffer, woran 20,000 Urbciter 22 Jahre unter 
Jeſu, vermählte fic) 1827 mit dem Graten d'A. und Leitung des in A. begrabenen Baumeijters Auſtin 
lebte fpater, naddem fie fid) von ihrem Gatten ge- | von Bordeaur gearbeitet haben follen. Ym Ynnern, 
trennt hatte und in ein intimes Verhältnis yu Franz umſchloſſen von einem zart in Marmor ausgefilhrten 
Liſzt getreten war, längere Zeit auf Reifen in der | Gitterwerf, jtehen zwei Kenotaphe, die wie dic Wände 
Sah weiz, wo fie mit George Sand zuſammentraf, in| reich mit Blunien aus koſtbaren Steinen und mit an- 
Deutidland und Ytalien. Ihre Todter Claire | mutigen Ornamenten gefdmiidt find. Umgeben ijt 
Chriftine, geb. 1830, wurde die Gattin des Schrift- | das aus weißem Marmor ausgefiihrte und auf einer 
jtellers Guy de Charnacé und hat felbjt unter dem | 18 m hohen Elattform rubende Gebäude von cinem 
Peudonym de Sault fich literariſch verfudt. Wus | geräumigen Garten, in dem ficd ein flanges, gerad- 


176 Agraffe — Agrarier. 


liniges Gaffin mit zahlreichen Springbrunnen be- lerieſtraße mit bem Runjt- und Gewerbemuferm. der 
jindet. Gegeniiber am linfen Ufer liegt das Maufo- pradtige Zringblatz (mit Springbrunnen und den 
leum Yhtimad-ud-Daulas, des Weſirs Didehangirs, Bujten von Chr. Frangepan, Juriſich, Shiavone und 
ein ebenfalls reichgeſchmückter Warmorbau, und Clovio) mit dem Gebdude der ſũdſlawiſchen Ufademic 
& km entfernt bei bem Dorfe Sifandra das pradtige , das aud das Nationalmujeum und cine Germalde- 
Grabmal Ufbars. Bon modernen Gebiuden jind galerie enthalt. Nebenan jteht das dhemijdhe LVabo- 
nennenSwert ein College, das Zentralgefingnis, das ratortum und dor dieſem das Standbild des Heil. 
Gerichtsgebãude, das Waiſenhaus der fatholijden | Georg (von Fernforn). Der größte Rlag ijt der Lini- 
Miffion und zwei Mirchen. Die Stadt Hat mit der verjitatsplag mit arf und der Franz Joſephs-Umi- 
@arnijon i901) 188,300 Eimw. (*'s Hindu, 's Mo- verjitat. Jn der Rabe de3 Bahnhofs erhebt ſich das 
hammedaner, einige Taujend Chrijten), ftarfe Jn- neue Villenviertel. A. zählt avoy 57,689 Cimw., mit 
dujtrie in Schuben, Pfeifen, Goldtreſſen und ſchönen Militar 61,002, tretbt bedeutenden Wein- u. Getreide- 
Mofaifarbeiten fowie lebhaften Handel mit baum: , handel, bat etme entwidelte Induſtrie (befonders fiir 
wollenen. Teppiden, Goldtrejjen und bearbeiteten Tabaf, Leder- und Leinenwaren x., insqefanut 37 Fa⸗ 
Steinen, wogegen Tabak, Getreide, Salz, Baumwolle brifen mit 3147 Yrbeitern), tit Sig des Banus, eines 
eingeführt werden. Den Handel fordern die bier ju- | romijd-fatholijden Erzbiſchofs. der Landesregierung 
fammentaufenden Eiſenbahnen und die ſchiffbare eines General- und Honved⸗ Diſtriltslommandos, der 
Dſchamna. AW. befigt vier Colleges und ijt Sig der Septemviral- und Banaltafel und jablreicher Behdr- 
oberjten Divifionsbehirden. — Unter dem Lodbhi- | den fowie einer Handels- und Gewerbefammer; der 
fonig Nizam Ystander (1488 —1517) ward A., da- | Univerjitat (1874 erdjfnet, 1901: 829 Studierende) 
mals nod) cin Dorf, Reſidenz; 1526 wurde es von fehlt die mediziniſche Fafultat. Ferner hat UW. 3 Se- 
Baber genommen, der es jedod) wieder an die Ufgha- minare, 7 Mittelidulen und 22 Volfsidulen, etme 
nen verlor. Erſt Ufbar befepte es 1559 dauernd und | fiidflawifde Ulademie der Wiſſenſchaften (feit 1867), 
machte es zur Hauptitadt. Schah Dſchehan J. (1632 cine Landesmufifafademie, eme Univerfitats- und 
bis 1656) erridtete die oben genannten Pradtbhauten. | mehrere andre Vibliothefen, ein Rationalmujeunt, die 
Uber ſchon Aurangzeb (1656 —1706) verlegte die Re- | Strofmayer-Vildergalerie, einen botanifden Garten, 
jidens nad) Dehli, und nad) feinem Tode wurde die | Parfanlagen (Park Warimir) und eine ſehr hübſche 

Stadt von den Dſchat, Perſern, Ufghanen rc. verwiljtet, Umgebung. Taglid) erſcheinen neun Zeitungen. — 
bis bie Oitindifde Rompagnie fie 1803 den Mahratten | Der Begriinder des Vistums und der KRaprtelftadt 
nahm. Wabhrend des Sepoyaufſtandes 1857 wurden | war Ladislaus I. der Nag 3 (1094). Nachdem die 
die Englander in dem Fort belagert, aber bald entjegt. | alte Unjiedelung von den Mongolen Unfang 1242 

Mgraffe, cine mit Halen und Ofe gu ſchließende zerſtört war, baute Béla IV. die Stadt neu auf und 

Vorrichtung gum Feithalten eines jujammengerafften | erbob fie zur foniglichen Freijtadt. Zwifden der Alt⸗ 
Gewandes, aud) foviel wie Brofde, Fibula, Spange; ſtadt (Napitel) und der Oberſtadt tobte indes jahr⸗ 
dann ein gebogener Halter, der die Gardinen juriid- hundertelang Fehde; erjt die Tiirfengefabr verjdhnte 
ninimt; aud) chirurgiſches, gangenformiges Inſtru⸗ die Parteien. Wahrend der Türken chaft fptelte 
nent gum Zuſammenhalten der Wundränder. UW. die Rolle einer vielbedrohten —— Der 

Agram (froat. Zagreb, d.h. »hinterdem Berge<, | neue Aufſchwung datiert vom J. 1867, als A. das 
ungar. 34 grb), froatijd-flawon. Komitat, grengt im | politiide Zentrum von Sroatien und Slawonien 

W. an Stetermart und Strain, im S. an das Komitat wurde. Um 9. Nov. 1880 und im Dezember 1901 
Wodrus-Fiume und Bosnien, im O. und N. an die | wurde A. durch Erdbeben ſchwer heimgefudt. l. 
Komitate Vt a und Belovdr, bez. Warasdin, 7211 | »>Monumenta historica liberae regiae civitatis 

qkm (130,9 | Wm) grok, bat (1901) 476,928 meiſt fath. | grabiae«, hrsg. von Tfaltié (Bd. 1—3: Diplomata 

Einwohner (Rroaten). Sig des Romitats ijt Ugram. | 1093-—1526, Ugram 1889—97); Führer von Hart- 

Agram, Hauptitadt des Königreichs Rroatien- mann (daj.) und Lihl (Darmſt. 1897). 

Slawonien, finiglice Freiſtadt, legt am Fuge des | Agrammatiemus (qried.), ſ. Alataphaſie. 
Sljemegebirges, unweit der) Agra-Moſaik, eine in Ugra in Jndien geilbte 
Save, ijt Knotenpunft der Za—⸗ Tedhnif ded Plattenmofails, bet der die Farbenfläche 
gorianer Bahn, der Babhnen | de3 Mujters aus farbigem Material (meijt Halbedel- 
nad Budapeſt, Brod, Fiume, | fteinen) ausgejdnitten und zuſammengefügt wird. 
Steinbriit, Samobor u. Ban-  Agraphte (griech.), Verlujt der Schreibefähigleit, 
jalufa und gerfallt in drei ge- die ohne Lahmung der Hand bei gewiſſen örtlichen 
jonderte Stadtteile: die amphi- Gebhirnfranfheiten gleichzeitig mit dem Verluſt der 
theatralijd) qebauteDberjtadt Sprache auftreten fann. Bgl. Aphaſie. 
mit dem Palais des Banus, MWgrarbanfen (v. lat. ager, Uder), Banten fiir 
Regierungsgebäuden, swei Kir⸗ landwirtidaftlidjen Kredit; ſ. Banten. 
chen, dem LandeSnationalthea»| WAgrarfrage, |. Landwirtidhaftspolitif. 
terunddereinepradtvolleWus- Agrargefesqebung, der Teil der Geſetzgebung, 
fidjt gewahrenden Strohmayer - Promenade liegt auf | der fid) auf die Regelung des ländlichen Grundbeliges 
dem Hügel Grit, auf den eine Bergbahn hinauffiibrt. | bezieht. Val. Landwirt}daftspolitit. 
DieMapitelftadt mit dem erzbiſchöflichen Palais und Wgrarier, politifde Partet in Deutidland, welde 
dem nad) Dem Erdbeben (1880) rejtaurierten gotiſchen die Yntereffern der Landwiriſchaft vertritt. ore Ane 
Dom (von 1099) ninemt den obern Teil des Ubhanges | fänge weijen auf eine Verſammlung bin, die auf An— 
cin, Wogegen Die moderne untere Stadt fic in co regung von M. A. Riendorf (gejt. 1878) und Elsner 
bene halbfreisfirmig ausdehnt. Wittelpunft der- von Gronow im Mai 1869 in Breslau während der 
felben und des Verlehrs ijt die Hauptſtraße Ilica und | dortigen Wanderverfammlung der deutſchen Land- 
der Jellachichplatz. Auf letzterm erhebt fid) das in Er; und Forſtwirte ftattfand und zunächſt das Erſcheinen 
xgoſſene Reiterſtandbild des Banus Jellachich (von | der »Deutſchen Landeszeitung « zur Folge hatte. In 
Fernlorn). Bemerlenswert ijt ferner die Maria Ba- | den Wahllämpfen traten die A. zuerſt 1874 hervor. 














BWoppen von Agram. 


Agrarijdhe Gejese — Agricola. 


Yn den Tagen vom 22.—24. Febr. 1876 fand in 
Berlin eine fonjtituierende Verjammlung » Deutfder 
Steuer> und Wirtidaftsreformer« ftatt, welden Na- 
men die A. feitdem offiziell angenommen haben, und 
jtellte folgende Brogrammpuntte auf: Befeitiqung 
der in det Grund-, Gebäude- und Gewerbejteuer lie- 
genden Doppelbejteucrung, Börſenſteuer, Freihan- 
Delapolitif, Uufhebung der Differentialzölle, Staats- 
bahnſyſtem, oe von Reichspapiergeld unter | 
Vejeitiqung der Banfvorredte, Umgeſtaltung der 

Uttiengefepgebung, der Gewerbeordnung, des Unter- 
ſtützungswohnſitzgeſetzes, Beſchränkung des bauer- 
lichen Erbrechts und der Verſchuldungsform. Politiſch 
ſchloſſen ſich die A. der konſervativen Partei an. Die 
urſprünglich ſtark betonte freihändleriſche Richtung 
wurde infolge der zunehmenden ausländiſchen Kon— 
furreng ſeit 1879 verlaſſen; vielmehr verbanden ſich 
die A. mit den Vertretern induſtrieller Schutzzölle und 
haben 1879, 1885, 1887 und wieder in der jüngſten 
Heit eine lebhafte Tatigheit fiir Cinfiihrung, bes. Er— 
höhung der Getreide-, Vieh- und Holzzölle enthaltet. 
Ugrarijde Tendengen vertritt in jin ee Beit beſon⸗ 
der8 der Bund der Landwirte (ſ. d.). Bal Stephan, 
Die 25jährige Tatigteit der Steuer- und Wirtſchafts- 
reformer (Werl. 1900). 

Agrariſche Gefewe (Leges agrariae, »VUder- 

aciepes) der Romer, ſ. Ager publicus. 

gtarmeteorologic, die Unwendung der Me— 
teorologie fiir Swede der Landwirt{daft. Bal. 
BWollny, Forjdungen auf dem Gebiete der Ugri- 
fulturphyfif (Heidelb. 1878 ff.); Doudaille, Météo- 
rologie agricole (Montpellier 1893). 

rpolitif, das Berhalten der ſtaatlichen Ge- 

ſetzgebung und Berwaltung in Bezug auf den land- 
wirtſchaftlichen Boden und den ländlichen Grundbefig, 
ſ. Landwirtſchaftspolitik. 

Agrarverfaſſung, die rechtliche Ordnung der 
Grundeigentumsverhaltnijje eines Landes. S. Land⸗ 
wirtſchafispolitik, Hofſyſtem; über die agrariſchen 
Geſetze der alten Römer ſ. Ager publicus. 

rarzölle, die auf Erzeugniſſe der Landwirt— 
ſchafti gelegten Zölle (ſ. d.), insbeſ. Getreidezölle und 
Viehzölle (jf. dieſe Urtifel). 

Agrate, Marco, ital. Bildhauer um 1500, hat 
ſich befonders befannt gemacht durd) die Marmor— 
jtatue des 9 Gundenen Heil. Bartholomaus im Dom 
ju Mailand, der, cin Bud) lejend, feine abgezogene 
Haut auf den Sdhultern trägt. Wegen der genauen 
Durdbildung der anatomiiden Details fand das 
Werf feiner Beit lebhaften Beifall, wofiir auch die 
prahleriſche Inſchrift ſpricht: »Non me Praxiteles, 
sed Marcus finxit Agratcs« (»Nicht Praxiteles bil- 
dete mid), fondern Marco A.«). 

Agraulos, ſ. Aglauros. 

Agraviãdos (ſpan., »VBeeintridtigte, Mißver— 
arg ed Name der Wbfolutijten in Katalonien, die 
jeit November 1826 auftraten und von der apojtoli- 
ſchen (päpſtlichen) Partei insgeheim unterſtützt wur- 
den. Im Auguſt 1827 erhoben ſich die A. und for— 
derten äußerſten Abſolutismus in Kirche und Staat, 
ſelbſt die Inquiſition; doch wurden ſie in mehreren 
Gefechten verſprengt und die Gefangenen teils zum 
Tode, teils zur Deportation verurteilt. 

UAgreda, Bezirkshauptſtadt in der ſpan. Provinz 
Soria, wichtiger Straßenknotenpunkt am Nordab- 


| Romponijten fiir die lutheriſche Rirde, 





hange der Sierra Moncayo, am Flüßchen Queiles, 
mit (1897) 2852 Einw. 
Agrégé (de l'université, franj., fpr. -42), außer⸗ 
orbdentlidjer Brofejfor, Hilfslehrer. 
Meyers Aonv.+ Lerifon, 6. Aufl., L Bb. 


177 


Agréments (franj., fpr. -mang), in ber Mufif fo- 
viel wie Vergierungen (j. d.). 

AUAgrefti, Ui berto, ital. Didter und Literarhijto- 
rifer, qeb. 24. Oft. 1844 in Neapel, wo er als Univers 
fitdtslehrer lebt; verfaßte die Dramen » Raffaello e 
la Fornarina« (1863), »Giulia Alpinola« (1864), 
»Guglielmo Tell« und »Eponina« (1865), bas dra⸗ 
matiſche Jdyll »Torquato a Sorrento« (1873), außer⸗ 
dem »Studj sulla commedia italiana del secolo XVI« 
(Reap. 1871) u. a. 

Agri, Flup in der ital. Proving Potenza, ent- 
fpringt in den Maddalenabergen und miindet nad 
136 km langem Lauf in den Golf von Tarent. 

Agricola, Udermans, ſ. Wühlmaus. 

ricdla, Gnius Julius, rim. Staatsmann 
und Feldherr, des Geſchichtſchreibers Tacitus Schwie⸗ 
gervater, geb. 40 n. Chr. zu Forum Julium (Fréjus) 
im narbonenfifden Gallien, gejt. 93. Wis Anhänger 
deS Veſpaſian in den Patrizierſtand erhoben und 77 
um Konſul ernannt, jtellte er als Statthalter in 
ritannien von 78 an die vielfad) gejtirte Ruhe her 
und gewann die Briten nad) und nad) fiir römiſche 
Sitten. Yn glücklichen Kämpfen eroberte VW. das Land 
bis an die Fava (Tay), wurde aber nad) dem glor- 
reiden Sieg am Berge Graupius iiber die Kale— 
donier und nachdem fetne Flotte die ganze Inſel um- 
fabren hatte, 85 von dem mißtrauiſchen und neidiſchen 
Kaiſer Domitian abberufen. Tacitus hat ihm in der 
beriifmten Biographie ein unverginglides Denfmal 
eſetzt. Bgl. x. Urlichs, De vita et honoribus 
colae (Würzb. 1868). 

UAgricdla, 1) Ulerander, deutſcher Komponiſt 
des 15. Jahrh. (ca. 1440 —1506), von dem zahlreiche 
Rompojitionen (Meſſen, Motetten, Chanjons) in 
Dructen Ketruccis und handfdriftlid erhalten find. 
UW. lebte an den Höfen gu Mailand, Wantua und 
jtand ſeit 1491 im Dienjte Philipps des Schönen, mit 
dem er nad Spanien zog, wo er ſtarb. 

2) Rudolf, eigentlich Roelof Huysmann, 
Humanijt, geb. 23. Aug. 1443 in Baflo bet Groningen 
(Daher Friſius genannt), geſt. 28. Oft. 1485 zu 
Heidelberg, ftudierte in Lowen und Faris, lebte feit 
1473 in Stalien, fehrte 1480 in die Heimat zurück, 
war 1482 im Wuftrag Groningens zur Erlediqung 
eines Rechtsſtreits ein halbed Jahr am Hofe Maxi— 
milians I. in Briiffel und wurde 1483 durch Bers 
mittelung Johanns v. Dalberg (f. d.), feines Freun— 
des von Italien her, nad) Heidelberg berufen. VL. ijt 
einer Der Begründer des deutiden Humanismus, 
allerdings i burd) perfinliches Wirten als durch 
jeine Schriften. Die legtern find: »De inventione 
dialectica libri IIc. ateiniſche Uberfepungen griechi⸗ 
{cher Werke, Briefe, dDarunter der an Barbirianus: 
»De formando studio«, Reden und Gedichte, größten— 
teilS gefammelt von Wlard in »R. Agricolae lucu- 
brationes« (Köln 1839, 2 Bde.). In den legten 
Lebensjabhren lernte er nod) das Hebräiſche; aud) in 
der Theologie fowie in der Muſik und Malerei war 
er erfabren. Bgl. v. Bezold, R. Agricola, Rede 
(Mind. 1884); Ihm, Der Humaniſt Rudolf A., 
fein Leben und feine Schriften (Paderb. 1893). 

3) Martin, Mufitfdriftiteller und einer der erjten 
eboren um 
1486 in Gorau, 6 10. Juni 1556 als Kantor und 
Muſildirektor in Magdeburg. Von ſeinen muſilaliſchen 
Schriften find hervorzuheben: »Ein tur; deudſch Mu—⸗ 
ſica« (Wittenb. 1528), »Muſica figuralis deudſch« 
(daſ. 1529, 2. Bearbeitung 1545), »Muſica choralis 
deudſch· (daſ. 1533), ⸗Muſica inſtrumentalis deudſch⸗ 

12 


vi Agn iecosiss — Socio 
Qrche® G-icscas xed ccmem Tad ⸗ 
pienes - Mew ae wm retaes 1. 1557 - 

6 Georg. opeacicse Sauer, der Gecrizeier P= 
neucce Dismecsionpe ant MeeBurse. oct. 24 BME; 
106 = Ganhes. oft 271. Row. 1555 m= Coes. 
wer 193+ - 22 Sicticre mm Sedan, tuber Der = 
Yrsge mms Css Seu, wurde 1527 tes =x 
Swatew orie!, 3 aber 1541 nad Obes. ro e 
+a dex Beserscce und Bem Serhan gcc xx? 
‘piter Stet-sto us und Dirraccmcsser wurte. 2 
belerte Ben S207 gt emer cu? cuipere Mets: 
grussden Urier Secbung der Wrmerchew. lider ‘mz 


»Erincume gar Somgtent< (Berl 1757) — Seime 
Geom Emits. eteree Rolient toed. 1722 = 
Sisbent. ort 175) me Seriz), war ane geichasir 
— 


cna 

Azri édecumates  jcicticnd). Yendichaft m 
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mms ber ecte, ber mrt (fad pom der Theory zur 
Srerms Gierrng Er ite: »De orta et cansis 
suvv-rraneorum:« (Boe 1546 w 155-1, »De re me- 
talivae (Det. 159) w 1561; deri als » Serameris- 
buch-«, Bel. 1557 w 1621), »Sermannus, oder Ge: 
tyridee uber ben Bergban · ¶dertich vom Zchrudt. dai. 
jm). Some mmereloctiiden Schrriten eridienen 
goammelt u. d. Z.: ⸗De natura fvssiliam< Saiel 
1657, beutiG von Lebmenn, Areaberg 1505 —13, 
4 Bite). Bol Seder, Tue Aineralogen Georg W 
unb &%. W. Serner (Aretberq 1419); Zaube, in Ben 
Mrmteilungen bed Berens titr Geichichte der Deut: 
iden tn Hothmen«, Bd. 911572); Jacobi, Der Mi- 
neralog Georg A. und fan Berbhaltmis zur Briien- 
idhatt ferner Jett / Serdau 1664); 3. Hofmann, Dr. 
Georgtus A. (Wlauchau 144%). 
by Johann, eigentlich SGnitter, aud nak fei- 
nem Geburtéort Cisieben Magister Ielebius genannt, 
. 20. April 1494 (1492), gett. 22. Sept. 1566 in 
in, ftubierte und lehrte in Wittenberg, wo er ſich 
eng an Luther anſchloß, ben er 1519 nad Leipzig 
begleitete. 1525 richtete ex Die Kirche zu Franffurt 
a, M. ein, war 1526-46 Brediger und Lehrer ju 
Wisleben und ging 1540 alé Hofprediger Joachims IL 
und Weneraliuperintendent der Warf nad Berlin. 
In etnen beftigen (ben fogen. antmomtitiidjen) Streit 
mit Luther unb Welandthon verwidelte ifn feine 
Wehauptung, bak im Neuen Bunde das Geſetz nicht 
mehr gepredigt werden Diirfe, weil die rechte Buje 
aue bem Glauben fommen miiſſe. Rod größern 
Vinitol gab er durch Die Holle, die er bei Bearbeitung 
und Cinfiihrung bes —— Interims (fj. d.) 
{pielte. Underſeits war A. cin ausgezeichneter Bre- 
biger, trefilidjer Viederdidhter, tüchtiger afademijder 
Lehrer und fleifiger Schriftiteller. Seine Sammiun 
von beutidjen Sprichwörtern mit Erfldrung (quer 


hochbeutſch 1529) fidjert ihm aud) in der deutſchen | dori 


Viteraturgeldidjte einen Play. Wal. Mawerau, 
Johann Vi (Wert, 1HH1); Latendorf, Ugricolas 
Sprichwörter (Sdywerin THE). 


ATCe. bectt em wurden mad deren Aus 
menberun? <= 1. icbrd EGt. von Sucoen emoge- 
mown: Dod meres te mur ipérinh bepolfert. Der 
Scone Sencicn pericco te dem romiben Reach an 
Domitian beorme wo ber des Ames (OD. & 
-qciperrter SScq<). Dem Trojan und namentinh Ha- 
Drum meter cmebeutm 1 Limes) G mer a. 
550 km lang, teclmece Doppelt und dreifach umd be 
itand m der nordliden Haltte aus emem Grdwall 
wit emem Graben Doror. m der ĩũdlichen ans einer 
Stemiditiima, mit Roitellen, Wadttirmen und 


boden jeugen pon der frũübern Sultur. 234 n 
—— die Alemannen ihre Angriffe auf dies rd 
ride Grenzland und iegten fie fo lange fort, dis fie 
fich feiner nad Aurelians Tode (275) volljtandig be- 
madtigt batten. Vol Hiibner, Rouriiche 
in Weiteuropa (Berl. 1890) und das tm Auftrag der 
Reidhstimestommifiion von O. v. Sarweh und Hetiner 
bearbeitete Werf » Der o iſch rãtiſche Lames 
des Römerreichs · (Heidelb. 1895 ff.). 
(griech. Ufragas), eine der größten 
und herrlichſten Stadte des Altertums, auf der Süd⸗ 


küſte Sizilien’. Durch eine doriſche Nolonie von Geia 


aus 581 v. Chr. 


eqriindet, bededte A. Die ganze 
Terraſſe zwiſchen Flüſſen Hopias (jest Fare 
Drago) und Ufragas (Fiume di San Biagio). Zur 
—— Beit, Ende des 5. Jahrh. v. Chr. hatte 

fiber 20,000 Biirger und tm ganzen an 200,000 
Cinw., beberridte cin quer Sizilien bis zur 
Nordküſte bei Himera ſich erjtrecdendes Gebiet und 
führte Feſtungsmauern von 12 km Linge und fo- 
loffale Prachttempel auf. Die befonders durch Aus 


fuhr von Wein und Schwefel und durd Gewerbe 
in plattbeutider Wundart, Wagbeb. 1528; dann | reid) gewordenen Biirger entfernten ſich früh von der 


Sitteneinfalt; Bradtliebe und üppigleit, 
aber aud) Kunſtſinn und Gajtfreundidaft waren 
Hauptzüge der Ugrigentiner. Die Berfaijung war 
vorherridend demokratiſch, mit Beibehattung alt- 


Hy) Johann Friedrich, Mufifer und Muſit- doriider Form. Unter mebhreren, die fich von Feit 
rifiſteller, geb. 4. Jan. 1720 in Dobitiden bet zu Zeit gu Tyrannen aufwarfen, nennt die Geidichte 
Viltenburg, geſt. 1, Dey. 1774 in Berlin, war als | mit Abſcheu den Phalaris (um 670 — 554), riibmend 


Stubent der Rechte in Leipzig J. S. Bachs Schüler 
und lebte fett 1741 tn Bertin, Detreuntet mit Quang. 
1761 wurde er gum Hoffomponiften und 1759 ale 
Nachſolger Grauns sum Kapellmeiſter Friedrichs II. 
ernannt, Der iides ſeine Muſit nicht liebte. Seine Kom 
politionen tallentſche Opern, lirchliche Kantaten 2X.) 
blieben Mannftript. Wie Schriftſteller wurde er be- 
fant durdy feine Polemik gegen Marpurg (Bleu 
donym Clibrio) und feine tiberfepung von Tofis 





aber Den Theron (488 — 472). Die Epoche ded Rer- 
falls der Stadt datiert von der gräßlichen Zerſtörung 


durch die Rarthager 406; danach erreichte UL. feine 


vorige Blüte nie wieder. Zwar als Timoleon nod 
S40 Roloniften aus Belia herbeifithrte, hob es fid 
von neuem, mufte aber 514 die a von Sy⸗ 
rafus anerfennen. Zu Anfang der Puniſchen Kriege 
war in W. die Niederlage der farthagifdyen Sriegs- 
vorrite. 262 wurde es deshalb von den Romern 


Agrifol — Agrifulturphyfik. 


nad) fiebenmonatiger Belagerung jum erjtenmal | 


erobert, fam wedfelnd in die Macht der Rarthager 


und wieder in die Der Römer, bei weld) letztern es ſeit | 


210 verblich. UW. wurde nun wieder eine widtige 
Stadt und blieb e3 bis gum Untergange ded weſt— 
römiſchen Reiches. 828 n. Chr. fiel es in die Hände 
der Saragenen, die fic) bis 1086 im Befig der Stadt 
behaupteten. Debt liegt an der Stelle derjelben das 
moderne Girgenti (f. d.). Die gropartigen Tem— 
pelruinen der Griechenſtadt erjtrecen eA ſüdlich 
vont heutigen Ort faſt bis jum Weer und gewähren, 
meijt dem 5. Jahrh. v. Chr. angehörend, ein voll- 
ſtändiges Bild antifer Tempeleinridtung. Am bejten 
erhalten find der fogen. Tentpel der Concordia, im 
vollendeten doriſchen Stil, der vollſtändigſte und herr | 
lidjte Tempel Siziliens, 42 m lang, 19,6 m breit, 
mit 13><6 Säulen, und der etwas Fleinere fogen. 
Tempel der Juno Lacinia. Der Tempel ded Jupiter 
Olympius, der größte, aber nie vollendete Tempel 


Siziliens (111 m fang, 55,7 m breit und 37,3 m hod) | 
und der eingige, deſſen Name geſichert iſt, jetzi ein 
moſphäriſchen —— nutzbar zu machen, in Be— 


gewaltiger Trümmerhaufe, hatte 14><7 halb ein- 
emauerte Säulen von 3,5 m Durchmeſſer und 17 m 
ange und im Innern der Cella eine Reihe riejiger 
Raryatiden. Wud) vom Tempel de8 Hephajtos, des 
Herafles, der Diosturen, des Asklepios fowie von den 
Kloalen ded Baumeijters Phaar haben fid) Reſte er- 
halten. W. war der Geburtsort des Bbhilofophen 
Empedofles. Val. Serradifaleo, Antichita della 
Sicilia, Bd. 3 (Palermo 1836); Sdubring, Topo- 
qraphie von Akragas (Leipz. 1870). 
Agrifol (lat.), der Ugrifultur, dem Landbau ge- 
widmet, Darauf bezüglich. 
Agrifolit, Mineral, ſ. Kieſelwismuterz. 
Wgrifultur (lat.), Uderbau. 


phorſãure bei der 
tigen find, während fiir die Stickſtoffanreicherung, 





— ane (Uderbaudemie), dieLehre 
von 


1 Raturgefepen des Feldbaucs, im weiterm 
und ijt in die Landwirtſchaftswiſſenſchaft aufgegan— 


Sinne die Lehre von den chemiſchen Erjdeinungen 
bei Der Entwidelung der landwirtſchaftlich widtiqen 
pflanglicjen und tierifdjen Organismen. 

Die Geſchichte der A. fallt in ihren Unfiingen 
mit Der Geſchichte der Naturwiſſenſchaften zuſammen. 
pu einer felbjtindigen Wiſſenſchaft wurde fie durd 

umphry Davy (»Elements of agricultural che- 
mistry«, Lond. 1813, deutſch 1814) erhoben. Ber— 
nard Balijjy von Chapelle -Biron (1499) erfannte 
ſchon Die löslichen Bodenſalze fiir die Bodenfrudt- 
barfeit als maßgebend, wabrend Jethro Tull (1740) 
die fein zerteilte Erde als Pflanzennahrung bezeichnete 
(Tullismus). Dann folgten die Arbeiten von 
Hermbſtädt, der wie die rationellen Landwirte Thaer, 
Schwerz, Burger, Schönleutner, Fellenberg u. a. auf 
dem Boden der Humustheorie jtand, nad) der die 
Pflanze ihre Nährſtoffe dem Humus entnehmen foll, 
der fid) beim Verweſen organifder Subſtanz bildet. 
Sprengel lieferte gwar fdjon 1828 den Nachweis, dak 
der Humus nur eine Vermittlerrolle fpielt; aber erjt 
1840 jtellten Wieqmann und Polſtorf endgültig fejt, 
dag die im Pflanzenkörper vorhandenen Elemente 
ausnahmslos von außen aufgenommen werden 
müſſen. Gleichzeitig erſchien —— Organiſche 
Chemie in ihrer Anwendung auf Agrikultur und 
Phyſiologie⸗, und vor diefem Werke datiert eine neue 
Epoche der A. Liebiq betonte vor allem die Bedeutung 
der fiir die Ernährung der Pflanzen widtigen Mi— 
neraljtoffe, die int Boden nur in beſchränkter Menge 
vorhanden feien und endlich erſchöpft werden müſſen, 
wenn nidt volijtindiger Erjag fiir die in den geernteten | 
Früchten dem Boden entzogenen Stoffe jtattfindet. . 


179 


Er warnte vor foldem »Raubbau<, fand jedoch) mit 
feiner neuen Theorie fehr viele Geqner, und namentlich 
wollten mehrere Ehemifer dem Stichſtoff, als wefent- 
licher hea escapee höhern Wert beilegen als 
den Mineralftoffen. ie BVerjude von Lawes und 


“Gilbert zu Rothamjted in England (HertforDdfhire) 


ſchienen fiir die Stidjtofftbeorie zu ſprechen; 
allein Liebig zeigte, daß fie nur zur Beſtätigung feiner 
Lehre dienten. Die Beit des Kampfes lieferte eine 
Fülle der wertvolljten Arbeiten (Wiegmann und 
Poljtorf, Salm-Horjtmar, Knop x.), und namentlid) 


hat Bouſſingault, der eine Muſterwirtſchaft in Bechel⸗ 


bronn im Elſaß leitete, ſehr viel zum Ausbau der A. 
arn Der Streit fand feine Ausgleichung in der 
rfenninis, dah alle Nährſtoffe für die Pflanzen von 
qleicher spare: Wir und daß Mali und Bhos- 
üngung vor allem ju beriiciid- 


bejonders nad) den Forſchungen Hellriegels, das Ver- 
migen der Hiilfenfriidte (Lupine, Erbje ꝛc., Stid- 
itofffammler), mit Hilfe von Batterien den at- 


tracht zu ziehen iſt. Auf Liebigs Anregung wurde 
auch die Tierchemie in Angriff genommen und durch 
Haubner, Henneberg und Stohmann, Grouven, 
G. Kühn, Biſchoff, Voit und Pettenkofer mächtig ge— 
fördert. Der von letzterm konſtruierte Reſpirations— 
apparat ermöglichte eine genaue Verfolgung der che— 
miſchen Vorgange im tieriſchen Körper, und fo ge— 
langte man in der Fütterungslehre zu mancher wid 
tigen Erkenntnis, die ihre Vervollſtändigung durch 
Erforſchung der Verdaulichleit der Futternährſtoffe 


und der Geſetze des tieriſchen Stoff- und Energie— 


wechſels anſtrebt. Yn dem Make, wie der Standpuntt 
Liebigs durch die gegenwartige wiffenfdaftlide Er- 
fenntni8 als gu cinfeitig chemiſch erfannt wurde, hat die 
U. als felbftindige Disziplin an Bedeutung verloren 


gen. Bal. Liebig, Die Chemie in ihrer Unwendung 


auf Ugrifultur und Phyfiologie (9. Aufl. von Zoller, 
Braunſchw. 1876); Bouffingault, Die Landwirt- 
ſchaft in ihrer — zu Chemieꝛc. (deutſch, 2. Aufl., 


Dalle 1851, 2 Bde.; Supplemente 1854 und 1856); 
©. Wolff, Die naturgejepliden Grundlagen des 
Uderbaus (3. Uufl., Letp;. 1856, 2 Bde.); Derfelbe, 
Die rationelle Fiitterung der landwirtſchaftlichen 
Nutztiere (7. Uufl., Berl. 1899); Mulder, Chemie 
der Ackerkrume (deutfd), Leipz. 1862, 2Bde.); Mayer, 
Lehrbud) der A. (5. Uufl., Heidelb. 1901 f., 3 Bde.); 
Sade, Lehrbuch der A. (Leipz. 1888); Biſchoff 
und Boit, Die Gefege der Ernährung der Fleiſch⸗ 
freſſer (daſ. 1860); Henneberg und Stohmann, 
Beiträge zur Begründung einer rationellen Fütterung 
der Wiederkäuer (Braunſchw. 1860—64, 2 Bde.; 
»RNeue Beiträge«, daſ. 1870—72); Dietrid und 
König, Zuſammenſetzung und Verdaulichfeit der 
Futterſtoffe (2. Aufl., Berl. 1891, 2 Bde.); Ber- 
thelot, Chimie végétale et agricole (Bar. 1899, 
4 Bde.). Reitidriften: ⸗Jahresbericht itber die Fort- 
ſchritte auf dent Geſamtgebiete der A.« (Berl. 1858 ff., 
brag. von Hilger und Dietrich); » Die landwirtſchaft⸗ 
liden Verſuchsſtationen · (Hrsg. von Robbe frit 1859, 
Berl.); »Zeitidhrift fiir das landwirtidaftlicde Ber- 
ſuchsweſen in Ofterreid)« (Wien, feit 1899); »Bieder- 
manns Zentralblatt fiir A.« (Leipz., feit 1872). 
AgrifulturphyfiF, dic Lehre von den phyfitali- 
ſchen CErjdeinungen in der Landwirtidaft. Bal. 
Wollny, Forjdungen auf dem Gebiete der A. (Het- 
delberg 1878 —97, 20 Bde.); Hollmann, Phyfit 
12* 


oa 


180 Agrifulturftaat 


(4. Uufl., Berl. 1900); Lautenfdlager, Lehrbud | 
der Phyſik fiir Landwirtidhaftsidulen (daſ. 1897); 
Weber, Leitfaden der Phyſik (2. Aufl. Stuttg. 1898). 

Agrifulturftaat, ein Staat, deſſen Bewohner ſich 
vornehmlich mit Uderbau beichaftigen, im Gegenjage 
gu Dandels- und Induſtrieſtaaten. 

Ugrifulturfyitem, foviel wie Phyſiokratiſches 
Syjtem (jf. d.). 

Agrilus, ſ. Prachtläfer. 

Agriménſor (lat.»Feldmeſſer«). Die römiſchen 
Feld⸗ oder Ackervermeſſer (aud gromatici genannt, 
von groma, das Mefinjtrument, ein Doppeltes Diop- | 
terlineal), deren Kunſt von den Römern bei dem Auf⸗ 
ſchlagen des Lagers und der Verteilung der Landereten 
don früh geiibt wurde, bildeten gegen den Wusgang | 
der Republif hin, als ihre Tatigfeit durch die Unlequng 
von Wilitarfolonien und ſpäter durd die Reichs- 
vermefjung vom Staate ftarf in Uniprud genonunen | 
wurde und demgemäß thre Bedeutung wuchs, eine 
eigne Rorporation und waren in der Kaiſerzeit feft 
angejtellte Regierungsbeamte. Sie beforgten die Ver- 
—— und Kataſtrierung, die Setzung der Grenz⸗ 
ſteine, die Anfertigung von Grundriſſen und Flur⸗ 
regiſtern. Ihre Dis ziplin, in der Kaiſerzeit in beſondern 
Schulen gelehrt, ging in ihrem geometriſchen Teil 
auf Heron von Alexandria cae und batte damit 
jurijtijde und religidje Saige aus der römiſchen Au—⸗ 
qurallehre verbunden. Bon der hierher gehörigen 
Viteratur, die im 1. Jahrh. n. Chr. anhebt und bis 
in’ 6. Jahrh. reidht, ijt weniq und aud) dies ver- 
jtiimmelt auf uns gelommen. Huger Sertus Julius | 
Frontinus (jf. d.) find von Sdriftitellern, von deren | 
Werlen ſich Rejte erhalten haben, Balbus, der altere | 
und ny oe Hyginus, Siculus Flaccus, Marcus. 
Junius Nipſus, Innocentius und Agennus Urbicus 
ju nennen. Die bejte Ausgabe der »Scriptores gro- 
matici« haben Blume, Lachmann und Rudorff (Vert. 
1848—52, 2 Bde.) geliefert. Vl. Cantor, Die rö— 
miſchen Ugrimenjoren (Leip. 1875); Stöber, Die 
römiſchen Grundſteuervermeſſungen (Mind. 1877); 
Brugt, Le dottrine giuridiche degli agrimensori 
romani (Padua 1897). 

Agrimonia L. (Odermennig, entitanden aus 
A.), Gattung ber Roſazeen, Stauden mit unterbro- | 
chen gefiedDerten Blattern und ährigen Blütenſtänden. 
Etwa 10 Urten in den ndrdliden gemäßigten Kli— 
maten und auf den Gebirgen der Tropen. A. Eupa- | 
toria L. (A. officinalis Lam., gemeiner Oder: | 
oder Udermennig, Leberflette, Stetnwury, | 
Heil aller Welt, Hetlandstee), im Europa, | 
Nordafien, Nordamerifa. Das Kraut riecht angenehm, 
ſchmeckt zuſammen ziehend bitterlich, etwas gewürzhaft 
und ijt ein altes Volksheilmittel. 

Ugrinion (friiber Vradori), Hauptort einer 
Eparchie im gried). Nomos Ufarnanien und Ätolien, 
im HW. vom gqleidmamigen See (80 qkm) und an 
ber Eiſenbahn $i serioner, ein Wittelpuntt des qrie- 
chiſchen Tabafhandels, mit (806) 6733 (Gemeinde 
9609) Einw. Angeblich das alte Agrinion, das aber 
wobl ndrdlider lag. 

Agrion, ſ. Waijerjungfern. 

Agridnia (griech.), von Frauen gefeiertes Nachtfeſt 
des Dionyſos m Ordomenos. Dre Weber fuchten 
ben Mott, bis e& hick, er fet gu den Muſen entfloben; | 
dann folgte ein Wahl, bet dem man fich Durd Ratfet | 
unterbielt. Coren andern Braud, dah der Dionyfos- | 
pricfter Frauen aus dem Minyergeſchlecht mit ſeinem 
Schwert verfolgte und die Eingeholten tdten durfte, | 











tnüpfte die Sage an die Todhter des Minyas Leufippe, | Enfelin des 


— UAgrippina. 


Arſinoẽ. Allithoẽ oder Allathoe. die, als Berachteria: 
nen de3 Gottes in Wahnſinn —— Leukippes Sobr 
ſchlachteten und dann von den Bakchen verfolgt m 
Fledermãuſe verwwandelt wurden. 

Agriétes , j. Sdnellfafer. 

Agrippa, rom. Vor-, ipater Beiname. Berũhmt 
find: 1) Narcus Vipianius A. Freund, Feldberx 
und Schwiegerſohn des Kaiſers Muguitus, war 63 


|v. Chr. geboren, ftand, obwohl nidt von vornehmer 


Abkunft, mit Oftavian im vertrautem Berfehr, be- 
glettete thn nad der Ermordung Cajar3 nad Ron, 
wurde ſein Ratgeber in allen wichtigen Ungelegen- 
hetten und batte den Hauptanteil an den Siegen, die ~ 
Oftavian zur Alleinherrichaft führten, aud) an dem 
entidetdenden bet Altion (31), fiir den er Die Flotte 
neu organijiert und geübt hatte. Auguſtus vertied 
ihm die höchſten Chrenitellen und bedeutungsvolliten 
Berwaltungsamter und vermablte ihm nad des War 
celluS Tode ſeine Tocter Julta. Mit ibm war A. 
zweimal Stonful und tat viel fiir die Verſchönerung 
der Hauptitadt und die Gefundbeitspflege ihrer Be- 
wobhner; Bader (Rantheon), Waijferleitungen und 
Wege trugen bier ſeinen Namen, aber aud) im den 
von ihm verwalteten Brovingen bat er zahlreiche 
Bauten ausgefiibrt und die dann von Auguſtus m 
einer dffentlichen Halle ausgefiibrte Weltfarte vor- 
bereitet. €r jtarb 12 v. Chr. Agrippas Todter aus 
jeiner erjten Ehe, Vipjania, wurde ſpäter Gemablin 
deS Tiberius; mit der Julia zeugte er drei Söhne, 
C. Cajfar, L. Cafar und A. Pojtumus, und zwei 
Töchter, Agrippina, ſpãter Gemahlin des Germanicn, 
und Julia. Eine charatterijtiide Biljte von A. it 
1792 in Gabii gefunden worden, jest in Baris. Bal. 
Frandjen, M. Vipjanius A. (Ultona 1836); Motte, 
Etude sur Mareus A. (Gent 1872). 

2) Menenius Lanatus, f. Menenius Ugrippa. 

Agrippa von Rettesheim, Heinrid Corne- 
lius, Schriftiteller, Arzt, Bhilofoph und berithmter 
Schwarzkünſtler, Pint 14. Sept. 1486 in Köln, gejt. 
18. Febr. 1535 in Grenoble, führte ein abenteuerliches 
Leben. Wegen feines Lobes der Rabbala erfuhr er 
ſchwere Rerfol ungen, wurde {pater im Heere Raifer 
Marimilians —————— und erhielt ſchließlich bei 
der Mutter König Franz' J. von Frankreich die Stet - 
lung eines Leibarztes, ward jedoch, weil er Luthers 
Partei gegen die Monde genommen hatte, abermals 
von diejen angefodten und zur Fludt qendtigt. Wis 
Pbhilojoph hat fic A. hauptſächlich durch die Schrift 
»De incertitudine et vanitate scientiarum<« (Ridin 
1527), in Der er Die Wiifenfdaft fiir triigerifde Vor— 
fpieqelung der Schlange und den ſchlichten Glauben 
an das Wort Gottes als eingigen Weg zur Wahrheit 
erflart, fowie Durd fein Hauptwerk: »De occulta phi- 
losophia« (zuerſt Köln 1510, umgearbeitet 1533), be- 
fannt gemacht, in Dem er eine Platoniſch-chriſtliche 
Theojophie lehrt. Qn der Kunſt, fich in den Befig der 
Kräfte Der höhern Welt zu fesen und durd diefe die 
niedere ju beherrſchen, bejteht nad ihm die Magie 
oder die erhabenjte Philoſophie und vollendetite Wers- 
heit, die als Herrſchaft liber die irdifchen Dinge natiir- 


| liche, fiber die Geſtirnwelt himmliſche und über die 


Geiſter- und Dämonenwelt reliqtdfe Magie ijt. Geme 
Schriften eridienen zu Lyon 1550, 2 Bde., und 1600 
(deutſch, Stuttg. 1856). Bal. H Morley, Life of 
Cornelius A. (ond. 1856, 2 Yde.); Siqwart, Meine 
Schriften, Bd. 1 (Freiburg 1881). 

Agrippina, 1) A., die iltere, Tochter ded M. 
Vipianius Wgrippa (f. Ugrippa 1) und der Qulia, 
ugujtus, Gemabhlin des Germanicus, 


Agrippinijde Geburt — Wguado. 


dem fie neun Rinder geboren hat, ausgezeichnet durch 
edlen und hodyhersigen Charatter, aber unfiibig, ihren 
leidenſchaftlichen Sinn ju beherrjden. Nach dem Tod 
ihres Gemahls, den fie, feine Anſtrengung fdeuend, 
auf feinen Feldzügen begleitet hatte, fam fre bei Livia 
und Tiberius in den Verdacht, fiir ihre Rinder nad 


Der Herrſchaft ie jtreben, und beſchleunigte durch ibre 
Riidjidtstofigteit ihren Untergang. Bon Sejanus 


verleumbdet, von Tiberius auf die Ynfel Pandateria 
verbannt, mute fie zwei ihrer Sohne der Urglijt Se— 
jans gum Opfer fallen fehen und jtarb 33 n. Chr. felbjt 
den Hungertod. Nur einer ibrer Sohne, der nach— 
malige Raifer Gajus Caligula, iiberlebte fie. Die 
fipende Statue im fapitolinijfden Mufeum gu Rom 
(j. Tafel »Bildhauerfunft V«, Fig. 9) gilt ohne A 4 
nilgenden Grund als ihr Bildnis. Bal. Graber, 2 
mijde Kaiſerfrauen (2. Uufl., Berl. 1880, S. 221 ff.). 
2) A. die jiingere, Todter des Germanicus und 
der vorigen, braihte e8, nachdem fie vorher an Cn. 
Domitius UWhenobarbus und Paffienus Crijpus ver- 
Heiratet geweſen, durch die niedrigiten Riinjte dabin, 
bay Kaiſer Claudius, ihr Oheim, fie gur Gemahlin 
nahm, um fo ihren Sohn erjter Ehe, den nadmaligen 
Kaiſer Nero, auf den Thron ju erheben. Danad 
wurde Claudius von ihr vergiftet und Rero als Kaiſer 
ausgerufen. Uber aud) diefem wurde ihre Herrſchſucht 
bald unbequem,; nad dem vergeblidjen Verſuche, fie 
mittels eines dazu hergeridteten Schiffes gu ertrinten, 
ließ er fie (59 n. Chr.) in ihrem Landhaus ju Bauli 
durch Goldaten ermorden. Ihren Geburtsort, Op- 
pidum Ubiorum, erweiterte A. durch Unfiedelung von 
Beteranen (50 n. Chr.), und ihr gu Ehren wurde er Co- 
lonia Agrippinensis oder Agrippina (din) genannt. 
Ihr Bildnis ijt in einer Statue aus Cervetri im La- 
teran erhalten; die beriihmte ſitzende tm Rational- 
mujeum gu RNeapel ijt ihr mit Recht abgefprocden wor- 
den. Val. Stabr, Ugrippina (2. Wut, Berl. 1880). 
iniſche Geburt, Fußgeburt, ſ. Geburt. 
Agronom (griech.), ⸗Ackerbaukundiger«, insbeſ. 
wiſſenſchaftlich gebildeter; Agronomie, Lehre vom 
Ackerbau (f. d.). 
Agronomiſche Flachlandsaufuahme, |. Geo- 
logiſch aqrononufde Flachlandsaufnahmen. 
Agropyrum Garin. (Queche), Gattung der Gra- 
mincen, 32 meijt ausdauernde Yirten in allen gemãßig⸗ 
ten Ländern. A. repens Beauv. (Triticum repens L., 
Hundsweigen, Pädengras, Sweden, ſ. Tafel 
»Griijer (Ve, Fig. 7), mit weithin kriechendem Rbi- 
gout, in ganz Europa, Nordajien, Nord- und Siid- 
amerifa fehr verbreitet, auf Uderland ſchwer zu ver- 
tilgended Unkraut, deſſen ſüßlich ſchmeckende, mannit- 
haltige Wurzelſtöcke als Rhizoma graminis arzneilich 
benutzt wurden. A.junceum Beawe, wird an ſandigen 
Riijten zur Befejtiqung der Diinen angebaut. Queden- 
wurzeln enthalten 3 Bros. Frudtzuder und 6—8 Pro}. 
Triticin, aud) bejigen fie echeblid 
muß fie kompoſtieren, um fie unſchädlich gu madden. 
Agrostemma L., Gattung der Karyophyllazeen, 
graufilzige und zottige Kräuter, mit linealiſchen Blat- 
tern, roten Blüten u. harter Kapſel ohne Scheidewände. 
Zwei Arten. A. Githago L. Kornrade, Rade, 
YUderfrone), in Europa, Aſien, Wmerifa, Auſtra— 
lien, nur auf Kulturland, befonders in Getreide. Die 
ſchwarzen, nierenformigen, hiderigen Gamen (jf. Ta- 
fel >Samenformene, Fig. 16) enthalten giftiges Sapo- 
nin und müſſen deshalb durd Reiniqungsmafdinen 
aus dem Getreide entfernt werden. Durch Röſten 
follen die Samen entgiftet werden. 
UAgroftéographie (qricd.), Beſchreibung der 


en Dungwert. Man | 





[Griafer. 


181 


Agrostis L.(Windhalm, Straußgras), Gat- 
tung der Grantineen, Gräſer mit vielfad verdjtelter 
Rifpe, gegen 100 Arten, befonders in der nördlichen 
gemapigten Bone. A. vulgaris With (qemeines 
Strauggras, fleine Meddel, ſ. Tafel »>Grijerl«, 
Fig. 6), mit nad dem Verbliihen offener Riſpe, ijt auf 
dem Ddiirrjten Land ein gutes Triftgras. A. alba 
Schrad. (A. alba L., Fioringras, Eleine Quecke, 
ſ. Lafel »Grafer I«, Fig. 7), mit pyramidaler, ſpäter 
zuſammengezogener Rijpe, in Europa, Aſien, Nord- 
afrifa und Nordamerifa, wächſt auf feuchten Wiefen, 
Mooren und bildet als Untergras cinen jarten, did- 
ten Raſen, der trefflidjes Rindviehfutter bietet. Ge- 
braudSwert des im Handel vorfonunenden Samens 
= 11 Proz., häufig mit der fiir Wiefen geringwerti- 
qen Aira caespitosa verfiljdt. A. spica venti L. 
(Windhalm, Sdling-, Taugras, große Med- 
Del) ijt ein lajtiges Unfraut des Sandbodens und 
wird vor der Ausſaat durch mehrmaliges Umadern 
befampft. A. canina LD. (HDundsftraufgras), auf 
moorigem Boden, ijt cin Futtergras zweiter Klaſſe. 
A. rubra L. (Derdengras) und A. scabra Willd. 
(Paargras) find in Nordamerifa als Futtergräſer 

eſchätzt. A. nebulosa Boiss. et Reut. (j. Tafel »Grii- 
ex Ve, ig. 11), mit überaus garter Riſpe, in Spa- 
nien, wird fiir Trodenbufetts fultiviert. 

Agrotis, Sdmetterling, ſ. Culen. 

tiimen (Agrumi, »v. ital. », fauer), die 
aus Italien fommenden Mics, Seinen 2c. 

Agrypnie (griech.), Schlaflofigfeit (7. d.). 

Agſtein (Agtſtein), veraltete Bezeichnung fiir 
Bernſtein und Gagat; orientaliſcher A., ſ. Umbra. 

tia (Volcano de U., »Waſſerſpeier«), erloſche⸗ 
ner Vulkan im mittelamerikan. Staate Guatemala, 
ſüdlich von der Stadt Antigua, cin von Obſidian— 
majjen umfdloffener Trachytfegel von 3700 m Höhe, 
mit cinem Rrater von 27 m Durdymeffer, erhielt fei- 
nen Ranten von einer ungeheuern Waſſermaſſe, die, 
wahrſcheinlich bei Schneeſchmelze, Durd einen Bruch 
der Kraterwand ausjtrintte und Ult-Guatemala (Vieja 
Guatemala) zerſtörte. Nordweſtlich davon der 4261 m 
hohe, tatige Bolcano de Fuego (⸗Feuerſpeier «). 

Agiacate, ſ. Persea. 

Agiiadilia (pr. -viujy, Departement im NW. der 
nordamerifanijd -wejtind. Sunjel Buerto Rico (ſ. d.), 
mit 99,645 Einw. (wovon nur 14 Proz. Farbige). — 
Die gleidmamige Haupiſtadt, an der Weſtlüſte, ijt 
Seehafen und Sig eines deutiden Vizelonſuls, mit 
(1899) 6425 Cinw., ſtarker Ausfuhr von Kaffee, Zucker 
und Tabat. 

Aguado, Wlerandre, reider Vanier in Paris, 
geb. 29. Juni 1784 in Sevilla als Sprößling einer 
angefehenen Sudenfamilie, gejt. 14. April 1842 in 
Faris, gehörte sur Zeit der franzöſiſchen Invaſion in 
Spanien zur Harte der Afranceſados, zeichnete fid 
in mehreren Gefechten aus und jtieq gum Oberiten 
und Udjutanten Soults. Nach dem Sturge des Raijer- 
reichs nahm er feinen Abſchied und beqriindete in Pa— 
rid cin Bankgeſchäft, das fich bald zu cinent der erjten 
emporjdwang. Er negojiierte mehrere ſpaniſche An— 
leiben, was ibm die Ernennung jum Marques de 
la Marismas del Guadalquivir durd Ferdi- 
nand VIL. einbradte, ebenjo aud) die griechiſche Un- 
leihe von 1834. Die von feinem Haus ausgeqanges 
nen Bapiere wurden Aguados genannt. Er hinter- 
lief} bei feinemt Tod ein ungeheures Vermögen und 
eine ausgezeichnete Gemäldegalerie, deren Hauptiwerfe 
Wavard in cinem umfangreichen Prachtwert (Bar. 
1839 — 47, 4 Bde.) beſchrieben hat. 


182 


gas Calientes, fidbmerifan. Binnenitaat, ert 
1853 aus Teilen von Zacatecas gebildet, zwiſchen 
21° 34‘ und 22° 20° ndrdl. Gr., von den Staaten 
Bacatecas, San Luis Potofi, Jalisco und Guanajuato 
umidiloffen, bat 7692 qkm und G90) 101,910 Einw. 
(50,478 mannlice und 51,432 weiblide). Als Teil 
bes merifantidhen Hochlandes ift er in Der Hauptiace 
Hodebene (etwa 1600 m i. WL); befonders im NRO. 
erheben fic) aber wild yerfliiftete Gebirgsletten (Sierra 
be Laurel 3001 m, Serra de Pinal), Abzweigungen 
ber bitlidhen Sierra Madre. Der frudtbare Bo 
trägt viel Weizen, Mais und Hiilfenfriidte, in den 
heißen weſtlichen Talern auch Zuderrobr. Der Berg: 
bau iit im Rüclgange (1599 nur mit 762 Virbeitern). 
~ Bie gleidmamige Hauptitadt (1900 m ft. M.) 
iit Rnotenpunft von vier Bahnen, hat 11 öffentliche 
Plage, 1S Mircden u. Mapellen und (190) 30,052 Cimw., 
bie Baumwollweberet und Gartenbau treiben. Bon 
ber ehemaligen Biiite der Stadt zeugen das ſchöne 
Muni yipalgebdude, das Gefangnis, die Markthallen rc. 
Die nad ihren warmen Cuellen (bis 40°, die bedeu— 
tendite Baiio la Contera 37,5°) benannte Stadt halt 
ju Weihnachten eine große Meſſe. 
Agudios Eiſenbahnſyſtem, ſ. Bergbahnen. 


Agueillon, Gorges d' tive. grt dagajong), ſ. Evo- 


lena. 
eſſeau (pr. aggefio), Henri Francois d’, 


Aguas Calientes — Aguti. 


Tode verdifentlidten, €r3ab 
lungen >Home influence« (deutich, Leibz 1858) umd 
» Mother's recompense « ¶ deutſch. Daf. IXX). Weitere 
Schriften ſind: »Women of Israel«, »The Jewish 
faith<, »> Woman's friendship< (deutid, dai. ISHU), Dae 
Novelle » The vale of cedars or the martyr« ¶ deutſch 
Cidenb. 1857) u. a., die alle jartes poetiſches Gefuhl 
und warme Begeijterung fiir den Glauben ihrer Bater 
befunden, dabei aber echt chriſtliche Moral predigen. 

Aguilas cor. agias), Stadt in der fpan. Proven; 
Murcia, Bezirt Lorca, am Fuh eines ms Wittelmeer 
voripringenden Felſenberges und an der Eiſenbahn 
Yorca-U. gelegen, mit Fort, 2 Hafen, Shmeljshitter 
und (1897) 12,381 Cinw., die bedeutenden Uusiubr- 
handel mit filberbaltigem Btei, Eiſenerz, Schwefel 
Eſparto und Feigen betreiben. 

Aguilera (ir. agueroa, Ventura Ruiz, fpan. 
Dichter, geb. 2. Nov. 1820 in Salamanca, geit. 1. Juli 
1881, ftudierte Medizin, wurde in Madrid journa. 
lijt und ſpäter Direftor des archäologiſchen Mujeums. 
Durd ſeine volf{stitmlichen »Cantares«, denen er » Ecos 
nacionalese und »Elegias« folgen lich, beqritnDdete 

er feinen Ruf als Dichter. Legtere wurden in fait alle 
europãiſchen Sprachen überſetzt (ins Deutide von Fa— 
| ftenrath im »> Bud meiner fpaniiden Freunde«, Bd. 2, 
| Leip3. 1870). Ebenſo großen Anklang fanden die Ge 

| Dichtiamimiungen »Armonias y cantares« (1865), 


Sangler von Franfreid), geb. 27. Rov. 1668 in Li- | »Inspiraciones« (1866) und +E! libro de la patria: 
moges, geit. 9. Febr. 1751, entftammte einer alten | Baladas y cantares« (1869). Weniger bedeutend ſind 
parlamentarijden Familie, wurde 1690 Generaladvo- die »Satyrase und die realijtiiden, balbirontiden 
fat und 1700 Generalprofurator beim Parlament zu Hirtengedidte feiner » Arcadia moderna« fowie ferme 


Paris. Wegen feiner Verdienjte um die Reform der 
Rechtspflege und um Wabhrung der Freiheiten der 
allitanifen Kirche gegenüber papitlicen Bulle 


‘nigenitus wurde er 1717 unter der Regentichaft des | 


Herjogs von Oridans Kanzler von Frankreich. Cin 
fein und humaniſtiſch qebildeter Mann, neigte er jum 
Janſenismus. Sein Wideritand gegen die Mißwirt⸗ 
fchaft des Kardinals Dubois hatte feine Entlaſſung 
1722 yur Folge. Er erlangte 1727 dDurd Den Mardt- 
nal ‘Fleury ſeine Amter wieder. Wegen Altersſchwäche 
trat er 1750 ale Mangler juriid. Seine gefammetten 
Schriften (Bar. 1759 80, 13 Bde.; 1865, 2 Bde.) 
erſchienen deutſch von Weber (Leipz. 1767, 8 Bde.). 
Bal. Boullée, Histoire de la vie du chancelier d'A. 
(Bar. 1849); F. Monnier, Le chancelier dA. (2. 
Aufl., Daf. 1464). 

Wguilar pr. agilar, 1) Bezirkshauptſtadt in der 
ſpan. Proving Cordoba, am Cabra und an der Eiſen— 
bahn Cordoba-Walaga, unweit der fiſchreichen Seen 
Hofiar und Rincon gelegen, bat cin maurifdes Kaſtell, 
Die Kloſterkirche Santa Clara nut wertvollen Gemal. 
ben, Wein u. OÖlbau und (ise7) 13,329 Einw. Jn der 
Nabe entipringen Salyquellen. 2)(V. De Campdo) 
Fleclen in Der tpan. Proving Palencia, im obern Tale 
des Pijuerga, an der Cijenbabn Benta de Baños— 
Santander, mit Schlofruinen, cinem alten Rtofter, 
beriihmten Jahrmärkten und (807) 1575 Einw. 

Aguilar ivr. agitar, Grace, engl. Schriftitellerin 


Brofaerzablungen: »Proverbios ejemplares« (186-4) 
und » Proverbios comicos« (1870). Eme Sammlung 
| finnig -ftimmungsvoller BWeihnadtslieder bietet die 
»Leyenda de Noche-Buena« (1872; deutid von Fa. 
jtenrath, Leip; 1480). A. weiß in feinen Didtun 
gen gliibendDe Baterlandsliebe und wehmütige Mage, 
warme Vegeijterung und feinjinnige Betradtung jum 
voetiſchen Ausdruck yu bringen. Bon feinen fu 
Vierjeilern find viele Vollsbeſitz geworden. Eine toe 
ſamtausgabe feiner Werle erſchien 1873 in Madd, 
cin Band ausgewablter Gedichte 1880. 

imalDo (pr. aginaloo), Fiibrer der aufitindijden 
Filipinos, ſ. Philippinen. 

Agulhas, Kap (ir. «ities, Nadelfap), 139 m 
hod, mit Veuchtturm, Südſpitze von Afrila (34°51 15" 
ſüdl. Br. und 2O° öſtl. L.), an Der Miijte des Kaplandes 
Unmittelbar davor die Ban l A. die fic, 100-140 kam 
breit, vom Sap der Guten Hoffnung bis zum Grofen 
Fiſchfluß hingieht und den Kapſtrom (YL. -Current) nad 
S. —— 

Agulhasſtrom, |. Indiſcher Osean. 

Aguontum, j. Viens. 

tigufa, Inſel, ſ. Favignana. 

| UAguftos, Stadt, ſ. Niaujta. 
Aguti (Guti, Steiftier, Dasyprocta /W.), Gat 
| tung der Ragetiere aus der Familie der Meerſchwein 
| hen (Caviidae), unterjegt gebaute Tiere mit — 
ſpitzſchnauzigem Kopfe, lleinen, runden Obren, 





aus ſpaniſch judiſcher Familie, qeb. 2. Juni 1816 in Stummelſchwanz, langen, dreizehigen Hinter- und 
Hadney bet London, geſt. auf emer Reiſe nad Bad etwas kürzern, vierzehigen Vorderfüßen und ftarten, 
Schwalbach 16, Sept. 1847 in Franffurt a. M. Sie | breiten, bufartiqen Rrallen. Sie leben in Südamerila 
war von Jugend auf von febr ſchwächlicher Gefund- | und auf den Untillen. Der VW. (Goldhafe, D. Aguti 
bett, Die durch trübe Erfabrungen nod mebr eridiit LL.) tit 40 cm lang, gelbrot, ſchwarzbraun geiprentelt, 
tert wurde. Wit 12 Jahren vollendete fie fon ein findet fic) in Guayana, Surinam, Brafilien und Nord: 
Trama: »Gustavus Wasa«. Nore weitern Sdriften, «peru, sum Teil febr häufig, fann in Suderrobrpilan- 
von denen die meiiten in zahlreichen Auflagen erſchie yungen und Gemuſegärten lajtig werden. Die Jagd 
nen, bebandein vor zugeweiſe häusliche Erziehung und auf den VL iſt ſchwierig, da er nur nadts fein Lager 
miitterliche Liebe. fo namentlich die beiden, nad ihrem verlaäßt; das Fleiſch iit wenig geichagt. 





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Agyia — Agypten. 


Hid, Hauptitadt einer Eparchie im griech. No- 
mos Lariſſa (Theffalien), am Siidhange des Kiſſavos 
(Dfja), mit (see) 2422 Cinw. 

yieus, Beiname des Upollon (ſ. d.) als des 
Gottes der Straßen und Wege. 

Agylla, pelasgijder Name der Stadt Cäre (f. d.). 
Hnie (qried).), Unbeweibtheit; agynifd, in 
otanif joviel wie ohne Piſtill. 
Aghpten (hierzu Karte »Aqypten, Dar Fur und 
Ubefjmtien«), ehemals ein großes felbjtindiges Reid, 
jebt ein unter Der Hoheit des tiirfijden Sultans und 
unter englijder Oberaufjidt von einem Bizefinig 
regierter Staat in Rordafrifa. Der Name ijt griechi⸗ 
iden Urfprungs, aber von ungewijjer Bedeutung; 
nad) Brugid ware das qried). Aigyptos entjtellt aus 
Hele Ptah, »Haus de3 Geijtes des PBtah«. Der eine 
intifdhe Name war Kemet (ſchwarzes Land); diefe 
chwarze Erde, die, vom Nil angeſchwemmt, den 
fruchtbaren Talboden bildete, jtand im ee gu 
dem angrengenden Te Teſcher (das Rote), der Wiijte. 
Bei den Hebriiern hie A. Mafar (im Dual Miſ— 
raim), it perſiſchen Keilinſchriften Mudhraja. Der 
heutige arabifde Name ijt Mafr, der türliſche Gipt 
(der abgefiirgte griechiſche, Daber Gipti, die Ropten, 
die unzweifelhaflen Nachtommen der alten Ygypter). 


I. Das heutige Agupten. 

Yn feinem jesigen Umfang liegt VW. zwiſchen 31° 35’ 
und 21° 53’ nördl. Vr. (Wadi Halfa) und 23° 45/ und 
35° Stl. L. Wn der Küſte des Roten Meeres reidt dic 
Grenze jedod) bis zu 18° 2 nördl. Br. (Ras Kaſar), 
wo eS an die italienifde Intereſſenſphäre ſtößt. Im 
W. wird WT. begrenzi von der Libyſchen Wikjte und 
Parla, im N. vom WMittelmeer, im O. von Türkiſch— 
Ufien, den Golfen von Suez und WUfaba und dent 
Roten Meere. Die Grengen des Reiches find fehr 
wechſelnd gewejen. Unter den Pharaonen reichte es 
zeitweilig bis 700 km ſüdlich von Syene. In der Folge 
aber beqrijf es nur das Niltal bis gum erjten Rata: 
raft. Die Eroberungen Mehemed Wis und feiner 
Nachfolger dehnten das Reich immer weiter nad S. 
aus, das bald Iubien, Rordofan, Dar Fur und den 
iibrigen Sudan fiidlid) bis zum Gomerfet-Ril und 
Albertſee, weſtwärts bis gum 21.° öſtl. L., fodann 
eine Ungahl von Orten an der Gomalfitjte (Geila, 
Berbera u. a.) und Harar umfapte, cin Ureal von 
2,986,900 qkm, das durch den Aufſtand des Mahdi 
1882 auf 994,300 qkm in dem angeqebenen Umfange 
zuſammenſchmolz. 

Vodengeftaltung. 

Das Land ijt gum großen Teil unfrudtbare Sand⸗ 
und Steinwiljte, fo daß von dem ganzen Gebiet vom 
WMittelmeer bis Wadi Halfa nur 27,688 qkm fultur- 
fähig find, wovon 16,070 auf Unterigqypten, 11,589 
auf Oberägypten entfallen, während das iibrige, 
namentlich der zu Aſien gehörige Teil auf der Sinai- 


Der 





Halbinfel fajt dDurdjaus wüſt ijt. In dem fic lings | 


deS Nils hingiehenden Tieflande bildet den Unterqrund 
Fels oder Sand, den eine 10--12 m mächtige Schicht 
frudtbaren Schlammes bedeckt: ein ſchmaler, im un- 
tern Zeile nirgends iiber 30 km, im obern ſelten 
mehr als 7 km breiter Streifen Landes, der durd 
feine Fruchtbarkeit die geringe Ausdehnung erſetzt. 
Dieſes eigentliche A. ie allt nad) feiner natiirliden 
Beſchaffenheit in zwei eile, Ober- und Unterägypten. 
Unteraiqypten, da8 Rildelta, das vom Mittelmeer 
bis Kairo reicht, erhebt fic) nur wenige Fuh über dic 
Meeresfläche und ijt großenteils ein Gefdent des 
Stromes, wie es ſchon Herodot genannt hat. Es ijt 


183 


eine fteinlofe Ebene, die zu den ergiebigiten Getreide— 
ländern der Erde gehirt. Im N. hat es eine bogen- 
formige Begrenzung durd das Mittelmeer an emer 
270 km langen, febr fladen Küſte. Seine grifte 
Wusdehnung von N. nad) S. beträgt 171 km. Gan; 
—— ſteigt ſanft von N. nach S. an; * 
einen Breitengrad kommen kaum mehr als 14 m 
Steigung längs des Stromes. In Oberägypten 
(Sa'ĩd), von Kairo bis Wadi Halfa beim zweiten 
Katarakt fic) erſtreckend, muß man der höher werden- 
den Ufer wegen den natürlichen UÜUberſchwemmungen 
des Nils durch Kanäle zu Hilfe kommen, um die 
ſegensreichen Fluten auch den entferntern Gegenden 
des Uferlandes zuzuführen. Bon UWjjudn an ſtrom— 
abwiirts richtet Das Niltal fic) in der geringen Breite 
von 4—6 kin juerjt gerade nad R., wird aber ftellen- 
weife durch hervortretende Felswande fehr cingeengt, 
fo namentlic) am Dſchebel Selſeleh (Rettenberg), wo 
er nur 1 km Breite hat. Später erweitert fic) das 
Tal, namentlid von Nenneh ab, am linker Ufer bis 
gum Fayiim, das gleidhfalls als cine Schipfung des 
Stromes anjufehen ijt. Das Rildelta wird von Ster= 
anbdria bis im die Nähe von Rairo und Suez von 
jiingern Zertiairbilbungen umſäumt, und gwar von 
pliocanen — — im W. und ſehr ver- 
jteinerungsreidjen oberpliocdinen Ralfen (Rorallen- 
falfen) im ©.; unter legtern treten miocine und Ab— 
fagerungen der obern Sreideformation, am Roten 
Meere hier und da auc) paläozoiſche Schidten und 
auf grojen Strecten friftallinijde Gejteine hervor (7. 
Ufrifa, S. 137). Bon Kairo aufwirts umidliejen 
den Nil Höhenzüge, die, bis 350 m aufjteigend, zu— 
weilen bis hart an den Strom voripringen. Sie be- 
ftehen auf beiden Seiten aus verſteinerungsreichem 
eocinen Nummulitenkalk, dem fid) von Siut auf⸗ 
wärts Mergel, kalkige und ſandige Geſteine der obern 
Kreide anſchließen. Bon Selfeleh an herrſcht der ceno- 
mane quarzreiche nubiſche Sandjtein, bis bei Wijudn 
eit vom Roten Meer weſtwärts ftreidender großer 
Gebirgszug von Granit, Gneis und Glimmer) diefer 
mit untergeordnetem Syenit, Diorit und Porphyr, 
der fogen. Urabijde Gebirgszug, ſich wie cin mächtiger 
Querriegel vorſchiebt, A. und Nubien ſcheidend. Durch 
dieſes —*** das ſich bei einer Breite von vielen 
Silometern bis tief in das libyſche Sandmeer hinein 
erſtreckt, hat ſich der Nil im erſten Rataraft den Weg 

ebrodjen. Zu beiden Seiten der Uferberge beginnt 
Bie Willte. Die Arabiſche Wüſte am rechten Ufer 
bejteht tm W. aus Nummulitenkalk, dann aus Sand- 
ſtein und endlid) nad) dem Roten Meere zu aus frijtal- 
liniſchem Gejtein und weijt zahlreiche, tief eingeſchnit⸗ 
tene Tiler und kühn geformte Felsmajjen von groß— 
artigem Gharafter auf. Jim Mittel 500—1000 m 
hod), jteigt fie im Djdebel Un Sidr und im Duchan 
gu 2100 m, im Djdebel Um Delpha ju 2180 m Hohe 
auf. Gie hat im nodrdliden Teil einige Quellen und 
eine anſehnliche Rraiutervegetation, die obern Hoch— 


flächen entbehren jedod) jedes Pflanzenwuchſes. In 


30—40 km Entfernung von der Küſte fällt fte ſteil 
que Roten Meer ab. Weit trojtlofer nod) als die 

rabiſche ijt die Libyf de Wüſte, eine riejige Hoch— 
flice fiidlid) von der Dafe Dadel aus nubijdem 
Sandſtein, nördlich von diefer aus Nummulitenkalk 
und jiingern tertidren Meeresablagerungen bejtehend, 
ohne größere Täler und hervorragende Wipfel, ſteinig 
und durdaus waſſerlos; in ihrem öſtlichen Teil wird 
fie von einem Daſenzug unterbroden, der von S. 
nad N. aus den Dafen Chargeh, Dachel, Fara- 
frah, Babharieh und Siwah (j. diefe Urtifel) u. a. 


184 


Agypten Bewãſſerung, Klima). 


beſteht. Wir begegnen hier einer Reihe beträchtlicher Kairo 7,5 m. Cin Zuriidbleiben hinter der normalen 


Depreſſionen. Das find die Daſen Siwah — 30 m, 
Aredſch —70 m, Uttiah —20 m, der See Sittrah 
—25 m. Auch der Birfet Karin im Fayum liegt 
48 m unter dem Meeresjpiegel. 

Charafterijtijd ijt Der mfolge der Nilüberſchwem— 
mungen fid) abjesende Schlanum, der einen großen 
Teil Der Sohle des Niltals bedeckt und insbeſ. zur Ent- 
jtehung des Deltas Verantajjung geqeben hat. Der- 
jelbe bildet eine feine tomige, etwas falfbaltige, faft 
gur Hälfte ihres Gewidts aus organifden Subjtan- 
zen bejtehende Maſſe, die getrocknet ſehr hart wird und 
von jeher aur Biegelbereitung benugt wurde. Im 
Delta wechſeln mit ihr ditnnere, aus Sand bejtehende 
Lagen. In den wüſten Hjtlidjen Regionen bejteht der 


UÜberſchwemmung (fiir unfer Zeitalter 8 m) um mur 
1 m bat in Oberagypten bereits Diirre und Hungers 

not im Gefolge, aber ſchon 50 cm mehr fann furcht- 
bare Verwiijtungen im Delta anridten. Mit Hilfe 
von Ziehbrunnen (Schadufs), von Schipfradern (Sa- 
fine) und hydraultiden Maſchinen jowie mit Dampf⸗ 
pumpwerfen bringt man das Rilwajjer aud) in der 
Trodenjeit zuweilen durch mehrere Etagen felbjt auf 
höher geleqenes Terrain, wobin die Uberjdwemmun- 
gen nidt gelangen. Das ganje fulturfaibige Land ijt 
durd Dämme in ungeheure Baſſins eingeteilt, im 
die Das befruchtende Waſſer durch Randle unter der 
Obbut befonderer Ingenieure eingefiihrt und fo lange 
auf einer gewifjen Hobe gehalten wird, bis die gehörige 


Sand aus mifroffopijd flemen Korallen{dalen (Bryo- | Menge Nilſchlamm abgefest ijt. Die Vinge Der Be 
joen), Dod) finden ſich aud) marine Mujdheln vor. | wafjerungsfandle wurde 1890 auf 16,770 km 


Vewafferung. 
Der einzige Fluß Ägyptens ijt der Nil, der in das 


Land mit dem zweiten oder Großen Kataraft bei Wadi | 


Halfa cintritt. Roch einmal ſtürzt er zwiſchen der 
Inſel Elephantine und der Inſel Philä fiber zahllofe 
Klippen zwiſchen Felswänden dahin und teilt ſich da- 
bei in viele YUrme, die bei hohem Waſſerſtande 20 In— 
jel umſchließen. Bei niedrigem Wafferitande hat er 
auf dieſer Strede eine Breite von 1000 —1200 m. 
Weiter ndrdlid) im ruhigen Laufe dabhinjtrdmend, 
verengert er jid) wieder, jo dak er bei Theben nur 
eine Breite von 400 m hat, die aber bei Stut wieder 
bis zu 800 m wächſt. Bei Deriit geht linfs der Jo- 
fephsfanal (Bahr Yusuf) ab und folgt im ſeinem 
350 km langen Lauf dem Fuße der libyiden Berg- 
fette bis zur Schlucht El Lahun, durd) die er in das 
_ Favyilm tritt, das er in vielen Urmen bewäſſert. 22 km 
unterhalb Kairo, wo das Tal fic) zur Ebene erwei- 
tert, teilt fic) der Hier °/s Stunden breite Strom am 
Batn el Bagr oder Kuhbaud in zwei Hauptarme: 
der cine, der bolbitifde der Ulten oder der von Raſchid 
(Rojette), geht nad NW., der andre, der alte phani- 
tifche oder Urm von Damiat (Damiette), nad) RO. 
Das zwiſchen beiden Armen fic ausbreitende Delta 
wird von zahlloſen Verbindungstandlen der Nilarme 
quer Durdjogen. Im Anſchluß an den Bahr Yusuf 
wurde von Deriit nad Siut der Ybrabhimfanal und 
von Siut bis Sohag der Sohagiyetanal erbaut. Der 
WMahmudiehfanal, aus dem Roſettearm von Fua nad 
Wlerandria (j.d., S. 304) ausgebend, ijt der widtigite 
des Mildeltas. Sur Requlierung der Riliiber- 


ſchwemmungen find in Oberägypten große Baſſins 


angelegt, und 1898 wurde mit Der Herſtellung eines 
großen Nilreſervoirs durch Dammbauten (barrage) 
bei Aſſuãn und Siut beqonnen. Der Damm bei Aſſuãn 
foll Den Wafferitand des Nils 106 m über Meereshöhe, 


d. 6. 20 m liber Niedrigwaffer, halten; er ijt mit einer | 
Schiffahrtsſchleuſe verjehen. Bei Siut wird ein jogen. | 


offener Staudamm von 822 m Lange erbaut, der die 


Waſſerzufuhr fiir den Ibrahimkanal in Mittelägypten 
regeln ſoll. Die Ruinen der Inſel Philä werden durd | 


jtarfe Damme gegen eine Uberflutung geidiigt. Qn 
Unteragypten wird das Ranalnes ftetiq weiter aus- 


gebaut, wie aud) am Siifhwaffertanal und bei Suey | 
neues Vand der Kultur gewonnen wird. Das Un- | 


ſchwellen des Stromes beginnt bei Ujfudn Ende Juni, 
bet Kairo Anfang Juli und erreidt in Der erjten Halfte 
des Citobers den höchſten Stand. Die darauf folgende 
Abnahme iſt fo langiam, da der Fluß erit April, 
Wai und in den erjten Nunitagen des folgenden Jah— 
re8 feinen niedriqiten Stand erreidt. Die Flutampli- 
tide betragt bei YUijudn 15 m, bei Theben 8,5 m, bei 


| angegeben, die Zabl der Dampfpumpen auf 500, die 
| der Saliye auf 


me oe Die Der Schaduf auf 70,000. 
Gin willfitrliches Nberfluten des Landes iſt jest gan; 
ausgeſchloſſen; A. hat aufgehört, zur Beit ber Ril 
ſchwelle wie ehemals ein großer See ju fein. 

Ständiger Ouellen entbehrt der größte Teil des 
Landes ganz. Wineraliide Quellen finden ſich m 
dem Ouertal zwiſchen Koſſeir und Kenneh und nabhe 
der Miijte des Roten Meeres, dann bei Kairo (Heluan), 
befonders aber im Oajenjug, deſſen Quellen cijen- 
oder ſchwefelhaltig und grofenteils Thermen find. 

Seen bejigt Min ziemlich groper Bahl. Ym Qn- 
nern find die bedeutendjten der faljige Birfet Rariin 
am Wejtrande des Fayiim (26,000 Heftar), die Bit- 
terjeen (30,000 Heftar) auf der Landenge von Sue; 
und die fleinen Natronjeen (jujammen 6000 Heftar) 
ſüdöſtlich von Wherandria. Anſehnlicher als diefe 
Binnenjeen find die vom WMittelmeer meijt mur durch 
cine ſchmale, ſandige Landzunge getrennten falzigen 
Lagunenjeen, worunter folgende die bedeutendjten 
jind: Der Birket Mariut (der alte Mareotis) bei Uler- 
anbdria, der feichte WMaadich oder See von Mbufir, 
der Edkuſee, jest fait wafjerleer, der gleichfalls ſehr 
ſeichte Burlos, fiſchreich und mit vielen Inſeln, und 
Der Menjaleh, der größte von allen, 67 km lang, 
durchſchnittlich 33 km breit und 1—1,5 m tief, mut 
vielen Inſeln, fifehreid) und vom Suesfanal durch⸗ 
jdjnitten. Merkwürdig find endlid) nod) die erjt in 
neuerer Heit genauer befannt gewordenen unter: 
irdiſchen Waſſerbecken im wejtliden Dajenzug, die 
fon im Ultertum jum Bobren arteſiſcher Brunnen 
BVeranlaffung gegqeben haben. Seit der englifden 
Offupation wird fleihiq an der Trocdenlequng der 
5420 qkm qrofen Lagunen an der Rordfiijte des 
Deltas gearbeitet. 

ftlima, 

Das Lima Ägyptens jteht ganz unter dem Einfluß 
der nahen Gabara. Wabhrend des Sommers bildet 
ſich infolge der ſtarlen Erwärmung einer ausgedehn- 





ten Landmaſſe tiber derfelben cin Gebiet geringen 
Luftdruds, in das ſchwerere Luftmajjen aus den peri⸗ 
| pherifchen Gebicten einitrimen, fo daß in A. ndrdliche 
Winde vom Mittelmeer her vorherriden. Sie bringen 
Kühlung und Feudhtigfeit und geben in Unteragypten 
wahrend der überſchwemmungszeit im Muguit und 
| September Veranlaſſung ju Rebelbildungen. Wab- 
| vend des Winters treten entgegengefegte Verhältniſſe 
cin; über der Sahara entjteht ein Hoddrudgebdiet, die 

Luftmaſſen fliefen aus der Libyſchen Wülſte feitlid 

ab und verurſachen im Niltal ſüdliche Luftitrdmungen. 
In Der Übergangszeit vom Winter jum Somuner zeigt 
ſich eine sroke Revellofigteit der Windridtungen; in 





Agypten (Rima, Pflanzenwelt). 


dieſe Beit fällt bas Wehen des gefürchteten Wiljten- 
windes Chamſin, deſſen Gluthauch eine exzeſſive 
Trodenheit verurſacht. Der Name bedeutet ⸗fünfzig«, 
da der Chamſin befonders innerhalb der 50 Tage 
nad) der Friibjahrsfonnenwende auftreten foll. Be- 
dingt durch dieſe Verhältniſſe und den Stand der 
Sonne finden wir cine fortidreitende Erwärmung 
der Luft von der Küſte des Wittelmeers nad) Ober- 
figypten. Die mittlere Jahrestemperatur betragt in 
Wlerandria 20,6°, in Kairo 21,3°, in Koſſeir am Roten 
Meer 24,6°, in Kenneh 26,5°, in Theben 29° Der 
fiiltejte Monat hat in den drei erjtqenannten Orten 
14,4, 11,9 und 18,3°, Der wärmſte 26,2, 29,1 und 29,4° 
aufzuweiſen. Unter den Gefrierpuntt fallt das Ther- 
niometer iim Niltal nicht (vereingelt wurde 1867 das 
Zuckerrohr in YW. durch Nachtfröſte befchadigt); der 
tiefjte Stand der Temperatur ijt in den Wonaten 
Dezember, Januar, Februar im Delta + 2°, in 
Ratro + 5°. Da zufolge der nahen Wiijte die Bewöl—⸗ 
fung febr gering ijt (Ulerandria hat eine mittlere Be- 
wilfung von 24 Proz., Rairo von 19 Proz.), fo er— 
folgt in der Nadt eine bedeutende ———— 
lung, und die Differenz zwiſchen der Tag- und Nacht⸗ 
temperatur betriigt oft zwiſchen 20 und 80°. Selbſt 
in Oberigqypten ſinkt in diefen Monaten das Thermo- 
meter um 5 Uber morgens bis auf 5° berab. Wus- 
nahmsweiſe ijt gu Alexandria, Rofette und bis Atfeh 
1833, 1855 zu Kairo und 1887 im Rildelta Schnee 

efallen. —— fommt Eisbildung in den das 

elta begrenzenden Wiijten und in der Oafe Siwah 
nad gefallenem Tan und bei jtarfem Rordwind vor. 
Im fiidlicen W. ijt die Atmoſphäre außerordentlich 
troden, und dieſe Trockenheit wird durch die um das 
Hriihlingsaquinoftium eintretenden Siidojtwinde und 
bejonders Durd) Den erwähnten Chamfin bis gu einem 
unertriigliden Grade gefteigert. Feuchter wird die 
Utmojphare, je mehr man fid) dem Mittelmeer nähert. 
Die Niederſchläge find fajt ausſchließlich Winterregen. 
Im Sommer breitet fid) Dagegen ein gang remer 
Himmel fiber dem Land aus, und Regenniederſchläge 
find, bejonders in Oberäghpten, eine feltene Erſchei— 
nung. Dod) hat man ju Kenneh und Theben und 
fogar in dem ſehr trodnen Südoſten mehr oder weni- 
ger heftige Regengüſſe beobadtet. Wn der Nordküſte 
reqnet es vom Oftober bis März und April haufig, 
in den übrigen Monaten aber ftellenweife gar nidt. 
Die regenreiditen Monate in Wlerandria find der 
November nit 24 Prog. und der Dezember mit 27 
Proz. Die Jahresſumme des Niederjdlags beträgt 
in Wlerandria 210, Port Said 92, Ysmailia 52, 
Rairo 32, Sue} 26mm, weiſt alſo ein ſtarkes Ubflauen 
nad O. und S. auf. Das Klima agyptens ijt, ab- 
—— von den niedrigen ſumpfigen Strichen an der 

titite Des Roten Meeres, im allgemeinen geſund und 
gilt infolge ſeiner warmen, trodnen und ——8 rei⸗ 
nen Luft als wohltätig für Lungenkranle und ſolche, 
die an Blutarmut, Dyskraſie und Rheumatismus lei- 
den. Gefährlich dagegen ijt das Klima fiir die, welde 
mit organijden Hersfeblern, ftarfer nervojer Reizbar⸗ 
feit oder Unterleibsvollbliitigfeit behaftet find oder ju 
Rongejtionen nad) dem Kopf und gu Durdfillen 
neigen. Unter den endemijden Rranfheiten find Aus— 
fas und Elefantiajis nicht jelten; eine wahre Plage 
bilden in der heißen Jahreszeit Ruhr und Uugenent- 
—— Fieberepidemien find tm Delta, beſon— 
ders in Werandria, häufig, dagegen kommen Wedjel- 
fieber in der Umgebung von Kairo und in Ober- 
ägypten felten vor. Die Pejt, die 1834 und 1835 in 
Kairo 75,000, in Wlerandria 45,000 Perſonen hinweg- 





185 


rajfte, iſt verſchwunden, die Cholera trat 1883 jum 
legtenmal auf. 
; Pflanzenwelt. 

AÄ. gliedert ſich pflanzengeographiſch in fünf Haupt- 
gebiete. Die Mittelmeerflora bildet im Nildelta 
einen ſchmalen Küſtenſtreifen, der im W. und O. an 
Breite bedeutend zunimmt. Jn dem weſtlichen Ab— 
ſchnitt zeigt ſich ein Einſchtag von Arten der kyrenäi— 
ſchen Flora; im O. nehmen dagegen die Anklänge an 
die Flora Syriens und der Sinaihalbinjel ju. Die 
Pflanzen der Wüſtenregion befiedeln die reqen- 
armen, nur in Den Cinjenfungen etivas feuchten Pla— 
teaulandſchaften Libyens, des Vithmus von Sue; und 
die Gebirgstette öſtlich vom Ril bis zur Sildgrenge 
des Landes. Die Vegetation geigt Hier vorwiegend 
halbfugelig sujammengedrangte Wudsfornen, jtarfe 
Reduftion der Blattflächen, dichte Haarbefleidbung und 
häufige Dorn- und Stadelbewayfnung (j. Wiijten- 
pflangen). Im Vergleich mit der ägyptiſch-arabiſchen 
Wüſte ijt die Libyſche auffallend artenarm. Jin S. des 
Wiljtengebietes nimmt die Flora eine größere Zabl 
von Yirten aus den Steppen Nubiens auf, wahrend 
im N. mehr Übereinſtimmungen mit der Pfianzenwelt 
der Sinaibalbinjel vorfommen. Jn höhern Gebirgs- 
lagen treten aud) Wediterrantypen auf. Die Küſten— 
region am Roten Meere (erythraijde Rone) hat eine 
Diirftige Flora. Auffallend erjcheint das Wuftreten 
der jtrandDbewohnenden Avicennia officinalis (Ver- 
benajee), die innerhalb der Flutmarfe ausgedehnte, 
waldartige Dickichte bildet und der tropifden Man— 
qroveformation (fj. Lebendiggebirende Pflangen) an- 
qehirt. Das Niltal felbjt bejigt nur wenige ihm 
eigentiimliche Urten. Seine Flora bejteht teils aus 
Feuchtigkeit liebenden Pflanzen tropijden Urjprungs, 
teilS aus Yirten, die tm Mittelmeergebiet oder auch 
bis Witteleuropa weiter verbreitet jind. Auch das 
Fayiimbeden mit adht ausſchließlichen Arten reiht 
jid) Diefer Region an. Jn den Daſen ſchaffen die 
unterirdijden Waffervorrite im Verein mit dem Bo- 
den und Klima der Wüſte gang eigenartige Vedingun- 

en des Pflanzenlebens. Die wild wadjende Flora 
Beitebt teils aus Pflanzen der Wiijtenrander, wie 3. B. 
den Roloquinten (Citrullus Colocynthis), dem milch⸗ 
faftreiden Oſcharſtrauch (Calotropis procera) oder 
der Zwergmimoſe (Prosopis Stephaniana), tetls aus 
Gewächſen feuchter Standorte, wie Cyperus Mundtii, 
dad cine weitere afrifanijdhe Verbreitung befigt, teils 
endlich aus Halophyten. Mande Dajen bewohnende 
Pflanzen find Eimwanderer, die fich ftreng an den 
bewaifjerten Kulturboden halten und vorzugsweiſe der 
Mittelmeerflora entitammen. Bon Getreidepflangen 
werden in A. vorwiegend Weizen, Gerjte, Durra und 
Reis gebaut. Auch eine Kleeart (Trifolium alexan- 
drinum), Indigo, Baumwolle und andre in warmen 
Klimaten verbreitete Nutzpflanzen werden vielfad) an- 

ebaut. Uralt ijt die Kultur der Dattelpaline, des 

Ibaums und des Weinſtocks. Auch Dumpalnien 
(Hyphaene thebaica), Balanites aegyptiaca, deren 
Früchte auc) in Mumiengräbern gefunden find, und 
zahlreiche Obſtbäume (Arten von Citrus, Prunus, 
Punica, Ficus, Morus, Ceratonia, Zizyphus u. a.) 
werden in Garten gejogen. Als Rughols geſchãtzt 
wird beſonders der Suntbaum (Acacia nilotica), zur 
Olgewinnung werden die Rizinusſtaude (Ricinus 
communis) u. a. benupt. Wud an Gemüſe- und Ge- 
wiirspflanjen ijt fein Wangel. 

Eme eigenartige Erjdemung in der ägyptiſchen 
Pflanzenwelt ijt das allmabhlidhe Uusfterben einiger 
uralter Rulturpflanjen. Der Papyrus fonunt am 


1=5 
séern Bieurn und Beihen Ril wild vor und fand 
ef xod zur Zeit der franzonſchen Offupation ver- 


emyft ber Damictte. 
ber eñatrichen Lotosblume (Nelumbium speciosum), 
—— vttomat, in 8.85 
— * nachgewieſen. Von 
SGrãberiunden, die Hortittides — ſind 
folgende Kilanzen ju nennen: Lein, Weizen, Gerite, | 
Zenfel, Eintorn. Tef (Eragrostis abyssinica), Exd- | 
manbel (Cyperus esculentus), Dattelpalme, Dum: | 
palme und Yirqunpalme(Hyphaena Argun) Oibaum, | 
Badol 


der, Sptomore, Ricinus, Bafjermelonen, Mi- ſchreden 


musops, Balanites acgyptiaca, Sapindus emargi- 
natus, Feigen, Seinbeerenlerne. Granatapfel, Acacia 
nilotica, Zwiebeln veridiedener Urt, Cidar (Calo- 





Shweinfurth, Flora Aqnptens (im 2. Bande der 
Denfidriften bes — ee ju Stairo). 


Dem Charafter feiner —— nach * A. 
großenteils nod) zur mittellandijden Provin 
palãarttiſchen Reiches, wobei aber beſonders i in 
4 bas äthiopiſche Element bereits cine ate 
olle fpielt, fo dak ſich die soogeographiidie »Gqup 
tiie Zone · (Heuglin) mm etme n und cine ae 
aqupti che jerlegen lat. Un Saugetieren tit Die : 
ziemlich arm, unter den Raubticren ijt das an ae 
lichite Die geitreifte Dydne. Sehr häufig ijt der Scha- 





fal nebjt einigen verwandten Arten, wie Der Nilfuchs, 
der rotftreifige Huds und der zierliche grofobrige 
Fenef. Seltener find Luchs, Sumpfluds, Wildfage, | 
Genettfage und Stinftier. Unterägypten gehirt di 
Pharaonsratte (Ichneumon) an. Bon den Untilopen, | 
welche die Wüſte bewohnen, ijt die häufigſte, die aud | 
dem Riltal fid) zuweilen nähert, die Dorcasantilope ; 
im Riltal und tm der Wüſte häufig ijt der ägyptiſche 
Hale, Charaftertiere der ‘ite aus der Gruppe der | 
Nager find die Djerboa oder Springmauje, in — 
igen Gegenden lebt der Klipppachs (Hyrax). Nicht 
—* ſind Igel, während das Stachelſchwein faum 





—————— 





mehr anzutreffen ijt. Bon Fledermäuſen gehört eine 
Unjahl eigentuͤmlicher Arten A. an. Affen fehlen im 
cigentliden A. Bon den Haustieren iſt das widtigite 
das Kamel; ihm reihen fic) an Eſel, Nilſchaf, Ziege 
und Pferd. Die Bogelwelt Aqnptens, — 360 | 
Arten umfaffend, enthalt infolge des Winterjuges febr | 
viele europdifdhe Urten. Bon einheimifden 84 

find ju nennen der große weißlöpfige und Obren- 
qeier, der kleine MaSqeier, einige Adler- und Falfen- 

arten und der in Dörfern und Stadten haufende 
Schmarotzermilan, ferner der Wiedehopf, der Noah- 

rabe, die Aqypttide Nachtigall und der Steinſchmätzer, 
der in Sden, fteiniqen Wüſtentälern und in Feljen lebt. 
Charafterijtiidhe Wiijtenvigel find die Sandhühner; 
einheimiſche Watvigel der Brachvogel, der Kuhreiher, 
bie beiden Silberreiher, der Spornfiebig, der ägyp— 

tiſche Reqenpfeifer, der Marabu, die Rilgans. Unter 
den Reptilien tft der größte Reprafentant das nod 
in Oberäghpten vorfommende Rilfrofodil, alg Land- 

frofodil wird die ari emai außer⸗ 

dein enthalt die Wüſte noch zahlreiche weitere Eidechſen, 
in Den Häuſern finden fic) die Geckos, auf Bäumen 
das Shamateon; — ift W. ais Land der Schlan- 

qen, deren es etwa 20 Arten enthalt, darunter die 
giftige Urillenfdlange und die Hornviper. Bon Am— 
phibien feblen gänzlich die Schwanzlurche, wahrend 





Agypten (Tierwelt; Areal und Bevditerung). 


die Froidlurche durch ihre Individuen zahl —— 
tit im Nil beionders reid) vertreten die 
Familie der Welle, Darunter der Zitterwels, charafte- 
riitiicd tit Der Flõſſelhecht. In fener Mollustenfauna 
— we a ee Dod 
dem Nil entlang aud Formen des tropiſchen 
ile oe gewandert. Unter den Inſelten zeigt A. neben 
ſpe ʒiell afrifaniichen Formen aud viele fideuropaiiche, 
unter den Käfern tit berũühmt der beilige Billenfafer 
(Atenchus sacer), der Scarabaeus Der Ulten, unter 
den iibrigen Jnjeften nebmen Die erite Stelle die Heu- 
ein, die heute nod m A. wie im fibrigen 
Nordafrila eine Landplage find. 
Areal und Bevölkerung. 
Rad dem Zenſus von 1897 betragt die 
Einwohner AgyptenS im fetmem jepigen 





Bi der 
mfange 


3 9,811,544 Seelen, die fich auf die cinjelnen admint- 
: ftrativen Vesirte wie folgt verteilen : 





Gouvernorate und —— 1. Juni 1897 


| Rannlid | BWeidlia 

















—— ‘Suiemmen 
Unterdgopten: 

Gouv. airo . . 2. . | 302857 267205 70 O62 
+ Slerenbria | 168500 ' 151167 319 766 
» Damiette . | 22921 20830 43751 
+ ort Cald u. Ranal 29760 20419 50179 
2.) QE. Sa ee | 125%, 12376 24970 
> Gf Arif® . 8586, 8405 16991 

Final - Halbinjel | 4479-4822 9301 

Mudirieh Beberah . . . | SIS8Ss 312341 631225 
> Cherties. . . | 374752! 374378 | 749190 
. Datablieh. . . 367643 380065 736708 
> Gbarbieh . | @51731 , 645925 1297656 
s Raliubied . | 186250 «185215 | 371465 
+ Menufieh. . . | 433798 430408 864206 

Oberdgypten: | 

Mudirieh Siut . » | 994957) 388463 | 782720 
s Beni: Suef - . | 15979) IOS | 31444 
. Fapim + ) 188048 | 182958 | 371006 
s Gieh . . . © | 204598 197106 | 401634 
s Minied . 279995 | 268637 S48 632 

Girgeh. 349625 | 338386 688011 
=» Seneh . . . . | B74484 | 396973) 711457 
s Nubien. . . . | 118739 | 121643 | 240382 

Gouv. Dongola . 25950 | 30476 | 56426 
» Guafn. 2. 2. 8729 6984 15713 

Daje Siwah . 2... 3000 | 2200 | 5200 








Sufammen: , 4990008 | 4831087 | 9821045 


Richt mit inbegriffen in obiger —— iſt die 

Inſel Thaſos, im Privatbeſitz des Chedive und von 
einem dqyptijden Gouverneur verwaltet. 

Die Einwohnerzahl des alten A. betrug nad prie- 
ſterlichen Angaben unter den Pharaonen gegen 7 Will, 
die in mehr als 18,000 Stadten und größern Orten 
wohnten. Herodot qibt zur Beit der größten Bevdlfe- 
rung unter Umafis 20,000 Stadte an. Nad) Diodor 
wurden unter dem erjten Ptolemäer iiber 30,000 Orte 
gezählt und ebenfovtel nod) sur Zeit jenes Berict- 
eritatters. Joſephus zählt zu Neros Zeit 7a Mill. 
Einw., wobei er die Bevilferung von Alexandria, die 
ju Diodora Reit allein 300,000 betrug, nicht mitrech⸗ 
net. Sur Beit der franzöſiſchen Oftupation (1800) foll 
A. 2,514,000 Einw. gebabt haben, in feinem größten 
Umfange hatte es 17/2 Mill. Bon der Gefamtbevilfe- 
rung waren 1897: 6,484,450 ſeßhaft, 246,529 Be- 
duinen und 112,574 Srembe, naämlich 38,208 Grie- 
den, 24,457 Italiener, 19,560 Englander und eng- 
lifche Untertanen aus Malta und Andten, 14,172 Fran- 
zoſen, 7115 Ojterveicher und Ungarn, 1281 Deutide 
(in Nairo 487, in Ulerandria 472, in Bort Said 241), 
auferdem Belgier, Spanier, Ruſſen, Schweizer, Bo- 


Agypten (Bevitterung, Religion, Vollsbildung, Ackerbau). 


fen, Rumänen, Niederländer, Amerikaner rx. Dieſe 
Bevöllerung ijt in Unter- und Oberägypten auf dem 
Kulturlande dict angefeffen. Hier lieqen auch die qro- 
fen Stadte, Die 1897 folgende Einwohnerzahl batten: 
Kairo 570,062 (1902: 534,726), Wlerandria 319,766 
(1902: 310,587), Tanta 57,289, Port Said 42,095 
(1902: 39,866), Stut 42,012, Zagaſik 35,715, Man- 
jura 34,997, Medinet ef Fayitm 31,262, Damiette 
31,288, Mehalla el Kobra 31,100, Damanbhur 27,236, 
Keneh 24,364, Schibin ef Rom 20,512, Minieh 20,404 
Cinw. Die Bevdlferung Ugyptens ijt ein Gemiſch aus 
verfdiedenen Rationen. Die fajt reinen Ubfommlinge 
der alten Yigypter find die Kopten (f. d.), die, etwa 
600,000 an Zahl, vornehmlid) in ben Städten des 
mittlern A. ſitzen. Den bei weitem größten Teil der 
Bevöllerung bilden die Fellah (Fellachen), 635,600, 
Die vielfach mit den Cinwanderern und Eroberern ge- 
mifdten Nadhfommen der alten Agypter, eine arme, 
unter Arbeit und Abgaben faſt erliegende Menſchen— 
klaſſe. In etwas beſſerer Lage befinden ſich die Fellah 
in den Städten, wo jie Gewerbe und Kleinhandel trei- 
ben und öfters zu Wohlhabenheit gelangen. Ein ganz 
andres Bolf find die BedDuinen, 236,000, die gum 
fleinern Teil anſäſſig leben, gum größern Teil in 75 
Stämmen (25 in Unterdighpten, 23 in Oberägypten, 
4 in El Ariſch) nomadifieren. Gleicher Ubjtammung 
find die Araber, 25,300, das vorherridende Element 
der Bevdlferung der grofen Stadte, wo aud) die mei- 
ften Urmenier(10,450), Qevantiner (30,000) und 
Franken leben. Die fehr verhaßten Yuden verjdwin- 
den fajt unter der Bevölkerung. Zigeuner treiben 
hier wie überall ihr Geſchäft als Getielilider, Seil- 
tinger x2. Weitere VBolfselemente find die Ababde 
(19,525), die Nubier oder Baratra (180,000) und 
bie Reger des Sudan (140,000). Vorherrſchend 
bei der ganjen Bevölkerung ijt die arabiſche Sprache; 
die Regierung verfehrt in diefer mit ihren Untertanen, 
in franzöſiſcher Spradje mit den Frembden, in tiir- 
liſcher mit der Pforte. 


Religion. Der bet weitem gripte Teil der Be- | 


187 


die unter den Ropten mit Erfolg wirfen, und durch 
die engliſche Kirchenmiſſion in Kairo (feit 1882). Bon 
der 1897 gezählten Bevolferung waren 8,977,702 
Mohammedaner, 731,235 Chrijten, 645,775 Ortho- 
dore, 61,051 Römiſch Katholiſche, 24,409 Protejtan- 
ten und 25,200 Juden. 

Volksbildung. Die geijtige und wiſſenſchaftliche 
Uusbildung fteht nod —— ſehr niedrigen Stufe. 
In den nur von Knaben beſuchten Elemenlarſchulen 
(Anhängſeln der Moſcheen oder Privatunternehmun⸗ 
gen) wird notdürftig Leſen und Schreiben (Rechnen 
nur ausnahmsweiſe) gelehrt und der Koran aus— 
wendig gelernt. Ende 1894 beſtanden 8913 Schulen 
mit 196,610 Zöglingen, davon waren Knabenſchulen 
(dreiſtufig) 8763 mit 166,340 Schülern, und gwar 
92 Regierungs- oder Watufidulen (mit den Mofdeen 
verbundene) mit 9204 Sdiilern, 108 Miſſionsſchulen 
mit 7133 Sdiilern und 8613 Privatidulen, Frei— 
ſchulen u. a. mit 151409 Sdiilern. Bon Wittel- 
jdulen fiir Stnaben gab es 28 mit 4393 Schiilern, 
davon 3 Regierungsjdulen mit 673, 24 Mijfions- 
ſchulen mit 3741 und eine Brivatidule mit 30 Sdii- 
lern. Für die Madden bejtanden 1894; 95 Elemen: 
tarjdulen mit 13,443 Schülerinnen. Die 271 ge- 
qriindete hohe Schule der Moſchee Cl Azhar gu Kairo 
it Die bedeutendjte des Orients und jugleid) Haupt: 
itz des mohammedaniſchen Fanatismus. Gegenjtinde 
des Unterrichts find indes faſt nur Religions⸗ und 
Geſetzeslehre. Als Fachſchulen wurden von der Re— 

ierung errichtet eine polytechniſche Schule, 2 Rechts⸗ 
chulen, eine philologiſche und arithmetiſche Schule, 
eine Kunſt · und Gewerbeſchule, Medizinalſchule, Acker⸗ 
bauſchule, Entbindungsſchule, Marineſchule und eine 
Schule für Ägyptologen, die ſich auf das ägyptiſche 
Muſeum zu Bulat ſtützt. Außerdem unterſtützt die 
Regierung 2 Vorſchulen in Alexandria, 1 im Kairo, 
1 Seminar, 2 Mädchenſchulen, 3 Induſtrieſchulen, 
23 Munizipalfdulen und eine Blindenanjftalt. Whn- 
lide Einrichtungen wie in Kairo bejtehen aud in 
Ulerandria, Siut und Rench. Die Ropten haben ihre 


vilterung befennt ſich zum funnitifden (orthodoxen) | befondern Schulen: eine höhere Schule in Kairo, 
Islam, deffen ay aN aber die Beduinen nidt | auperdem an verfdiedenen Orten 11 Elementarfdyu- 
t 


beobadten. Chrijten ſind allein die Kopten (ſ. d.) und 
die Frembden (Armenier, Griedhen, Htaliener, Fran: 
zoſen r.). Das Chrijtentum wurde hier bereits in den 
erjten Jahrhunderten unfrer Zeitrednung eingefiihrt, 
dod) find von den ſchon damals geqriindeten jabl- 
reichen Klöſtern nur nod die an den Ratronfeen und 
Drei weitere zwiſchen dem Mil und dem Roten Meer 
libriggeblieben. Die Maſſen der Kopten find jafobi- 
tiſche Chrijten, Monophyjiten oder Cutydianer und 
ftehen unter dem Patriarchen in Wlerandria, etwa 
25,000 jind Protejtanten oder Ratholifen. Die qrie- 
chiſch⸗ orthodoxe Kirche fteht unter einem gu Kairo 
rejidierenden Popen und Patriarden von Ulerandria, 
W., Rentapolis und Uthiopien. Die Matholiten haben 
einen Erzbiſchof in Wlerandria, einen apoſtoliſchen 
Vilar fiir Zentralafrifa jowie einen folden in A. und 
einen apojtolifden Deleqaten fiir Urabien. Die Arme— 
niet haben Gemeinden in Wlerandria und Kairo; in 
legterer Stadt rejidiert ihr Biſchof. Die katholiſche Mif- 
jion befteht hier ſchon ſeit den Zeiten König Franz' L, 
Der den Orden der Briider vom Heiligen Land ein- 
feste und unter fein Broteftorat jtellte. Die Katho- 
lifen haben jest mehrere Rirden tn Wlerandria und 
Kairo fowie Kapellen in Jemailia, Suez u. a. Die 
protejtantijde Kirche ijt in A. durch dret Miſſionen 
vertreten, durch bie Schulen der englifden Mik Wha- 
tely, durch die amerifanifden unierten Presbyterianer, 


len, Davon zwei fiir Madden, während in den isla— 
mitifden Schulen nur Knaben unterridtet werden. 
Sehr bedeutend ijt die Tätigkeit mehrerer religidjer 
Geſellſchaften auf dem Gebiete der Schule. Die fran- 
zöſiſche katholiſche Miſſion (ſ. oben) wie die protejtan- 
tijden Geſellſchaften haben zahlreiche Schulen an ver- 
ſchiedenen Plätzen erridtet. Die qriechijd-fatholifce 
Gemeinde bejigt cin Lyzeum in Wlerandria und 2 
Elementarjdulen fiir Knaben und eine fiir Mädchen. 
Die Staliener haben in Rairo das Collegio italiano 
und mehrere andre Sdulen geqriindet, cine deutſche 
Rirdenjdule beſteht in Wlerandria, ein deutſches Pri— 
vatgyumafium und Handelsjdule in Rajuleh bei 
Wlerandria, cine Mittelfdule in Kairo in Verbindung 
mit der evangelifden Kirche. Bon wiſſenſchaftlichen 
Unjtalten bejtehen cin Ynjtitut in Wlerandria, die 
Société Khédiviale de géographie ju Rairo, eine 
Sternwarte ju Abbaſijeh bei Kairo. Bon den 29 Hei- 
tungen Ygyptens erſcheinen 10 in arabijder Sprache 
(aud zweiſprachig) 9in franzöſiſcher, 5 in italieniſcher, 
3 in griechiſcher Sprache. 
Crwerbéverhiltnifie, Grundbefig. 
Hauptquelle der Ernährung im A. iit der Acker— 
bau, fiir den der alljährlich vom Nil fiberflutete Bo- 
den trefflid) qeeiqnet tit. Das Rulturland zerfällt in 
wei große Klaſſen: Landereien, die durch die Uber- 
———— ſelbſt bewäſſert werden, dicfogen. Raye, 


188 


und Landereien, die als su Hod) gelegen von der lüber⸗ 
ſchwemmung nidt erretdt werden fonnen und des- 
halb künſtliche Bewäſſerung erfordern, die fogen. 
Scharaki. Auf den Rayeländern findet in der Regel 
nur eine Ernte ſtatt, in —— im Februar, in 
Mittelägypten im März, im Delta im April. Dagegen 
erzielt man auf den Scharaliländern drei Ernten: die 
erjte mit der Winterfultur, die zweite mit der Sommer⸗ 
fultur, die Dritte mit der —— um die Zeit der 
Nilſchwelle. Zu den ausſchließlichen Winterkulturen 
Schitwi) gehoren Weizen, Gerjte, Saubohnen, Lin— 
jen, Klee; Sommerfulturen (Seſi) find Baumwolle, 
Zuckerrohr, Indigo, Reis r., faſt ausſchließliche Herbjt- 
fultur (Nabari oder Nili) Mais. Jn gang A. find 
von der Kulturjlade 20,3 Proj. mit Weizen, 15,2 Pro}. 
mit Klee, 14,1 Prog. nit Baumwolle, 12,3 Pro3. mit 
Saubohnen, 11,2 Proj. mit Mais, 8,5 Pro. mit Gerjte 
und 7,9 Prog. mit Durra bejtellt. Mehrmals bepflangt 
werden 24 Proj. (30 in Unters, 16 in Oberigypten). 
Der Vaun- und BWeinfultur find in Unteragypten 
2169, in Oberäghpten 1504 Heftar gewidmet. Im 
Delta herrjden Orangen- und Zitronenbäume vor, 
im Rildelta Feigenbiume. Von Dattelpalmen zählte 
man in Oberigypten 2,355,122, in Unteräghpten 
1,097,552, deren jahrlider Ertrag auf 100,000— 
120,000 Tonnen Datteln angegeben wird. Bon den 
Früchten, deren man mehr als 20 Arten fennt, wer- 
Den Die meiſten im Lande felbjt verbraudt; die Aus— 
fubr betraigt an 800,000 De. jährlich. 

Die Bodenbejtellung ijt, abgeſehen von den Giitern 
ded Chedive und großen Privatbejigungen, wo mo- 
derne landwirtſchaftliche Mafdinen und Werkzeuge 
Eingang gefunden haben, höchſt primitiv, die Uderge- 
riite find nod Diejelben, die uns Die UWhbildungen aus 
der älteſten Pharaonenzeit zeigen. Der Bauer war, wie 
in allen iSlamitifden Staaten, nidt Cigentiimer, jon- 
dern nur Pachter, dod) war er im Beſitz feines Grund⸗ 
jtiides gefichert, folange er die Pacht bezahlte. Die 
agyptiſchen Herrider fammelten ju Recht oder Unredt 
einen enormen Grundbeſitz in ihrer Hand, die Tidift- 
lils, Die 1878 in Staatsdomänen verwandelt und den 
europäiſchen Mächten fiir ihre gemachten Darlehen 


verpfindet wurden. Diefe Domänen umfaften | 


31. Dft. 1891: 178,747 Seftar, wovon 77,020 direkt be- 
wirticaftet wurden, 53,719 waren verpadtet, 15,068 
Heltar Urbeitern überwieſen und 32,950 Heftar un- 
bebaut. Sie liegen hauptfadlich in Unteriigypten, 
während die friiher im Brivatbefig des Chedive ſich be- 
findenden, 212,000 Heftar umfajjenden Dair Sanieh, 
die 1898 an em Konſortium verfauft wurden, meijt 
Oberiiqypten angehiren. Cin bedeutender Teil von 
Grund und Boden gehört den Mojdeen und Schulen. 
Dieſes Watuf ijt von den Englindern fiir die Offupa: 
tionsfojten beſchlagnahmt. Ein großer Tetl des Grund- 
beſitzes tit in Den Händen von Gefellidaften, nament- 
lid) Der Guesfompagqnie, ferner von Großgrundbe— 
figern, deren nicht bedeutende Zahl fic) fortwahrend 
vermindert. Den Reſt von 1,042,114 Heftar bebauen 
die Fellah als Pachter kleiner Parzellen, doch können 
fie durch Zahlung des ſechsfachen Betrags der Ab— 
gaben, die ſich auf etwa cin Fiinftel des Bodenertrags 
belaufen, in den erblichen Beſitz dea Landes qelangen. 
Der mittlere Pachtzins ſteigt von 100 Frank pro Hef 
tar in Unterdgnypten bis 200 Fr. in Oberägypten. 
Die Uderbau tretbende Bevdlterung belduft fic auf 
2,049,643 Seelen. Dem Ucerbau verdanft das Vand 
fajt ausſchließlich feine Exportfähigkeit. Die englifde 
Verwaltung hat daher mande Erleichterungen der 
ſchwer bedriidten Fellah und Meliorationen geſchaffen, 


Agypten (Grundbeſitzverhältniſſe, Viehzucht, Bergbau, Induſtrie, Handel). 


Verſuchsanſtalten zur Einführung beſſerer Nultur- 
methoden angelegt und Darlehnstajjen begründet. 

Jn der Viehzucht iiberragt Oberigypten relatiw 
etwas das Delta, dort ijt die Rinderjudt, hier Die 
Schaf- und Ziegenzucht etwas ftarfer. Wan geht qut 

eformte Rinder, Viiffel, langobrige und kurzohrige 
siege, Safe mit und ohne Fetiſchwanz und mit 
wolligem Blies, einhiderige Kamele, die im alten VL 
felten waren, von fdiwerer, ausdauernder Rajje, wobl- 
gebaute Ejel, Maulefel, Pferde (um 1800 v. Chr. ein⸗ 
geioet) von gwar nidjt ſchöner, aber braudbarer 
aſſe, und viel Gefliige!, insbeſ. Tauben maſſenhaft, 
deren Kot zur Düngung verwendet wird, während 
der der Vierfüßer als Brennmaterial ju dienen hat. 
Bei Matarich, ndrdlid) von Rairo, wird Straußen- 
udt betrieben. Der Hund treibt fid) in Unter- und 
ittelagypten herrenlos umber, erjt in Oberagypten 
findet er Gebieter. Rach ciner Schätzung von 1900 
hatte A. 80,000 Pferde, 350,000 Rinder, 300,000 
Büffel, 1 Mill. Schafe und Ziegen, 40,000 Kamele, 
120,000 fel und 10,000 Maultiere. Un Urbeitsvieb, 
befonders Rindern, macht fid) Mangel fiihlbar. 

Bergbau. Un Metallen ijt A. nicht reich. Marche 
von den Ulten ausgebentete Gruben, wie die Rupfer- 
qruben ju Didebel Halala und die Smaragdgruben 
gu Dſchebel Zumurud und Saberae, ſcheinen erſchöpft 
ju fein. Blei wird am Dſchebel Ruſſas abgebaut. 
Aus den Natronſeen und den Bitterſeen Unterägyp— 
tens werden jährlich 8 Will. kg Natronſalze gewon⸗ 
nen. Die 8 fraatlicen Salpeterwerfe licfern jabrlich 
| 700,000, die 12 Salinen 150,000 kg Salpeter, be3. 

Salz. Am wertvolljten aber find der pradtvolle rote 
Porphyr, aus dem fo viele Runjtwerke hervorgeqan- 
gen find, qriiner Marmor, Granit und der vortreff- 
lidje Wlabajter tm O. von Beni- Suef. Plaſtiſcher 
Ton liefert das Waterial zu den beriihmten pordjen 
Waſſerflaſchen, Bfeifenfopfen u. a. 

Die In duſt rie tit unter Beteiligung von fremdent 
und cinheimifchem Kapital in fortidreitender Entwide- 
lung beqriffen. Durch verſchiedene Geſellſchaften wur- 
den Sucerfabrifen, Rafjinerien, Brennereien, Dampf- 
| jlegeleien, eine Biindhdlydhen- und cine Papierfabrif, 
Dampfmühlen, ferner Baumuvollendl- und andre Ol⸗ 
prejjen, ————— 600 Brutöfen, in denen 
jährlich etwa 6 Will. Eier ausgebrütet werden, an- 
gelegt. Bemerfensivert ijt der große Aufſchwung der 
SHiqarettenfabrifen, die hauptiadlich für Deutidland 
arbeiten, Der Möbeltiſchlerei und der Schuhmadheret. 
Yn erjter Stelle fteht die 3ucerfabrifation. Die Bro- 
duftion von 17 Fabrifen lieferte 1901: 100,000 Ton. 
Suder aus 900,000 T. Suderrohr, deren Kultur 
80,000 Feddan in Anſpruch nahm. In Kairo beſtehen 
1000 Webſtühle für Baumwollenzeuge und 500 für 
halbſeidene Stoffe. Die beſten Handwerker finden ſich 
unter den Kopten, Griechen und Armeniern, die grobe 
Baumwollenſtoffe, halbwollene blaue Zeuge fiir die 
Fellah, fupferne Gefäße, feine Körbe und Matten aus 
Binſen, Wollendecken, Goldſtickereien, Poſamenten und 
in Neneh und andern Orten Oberägyptens treffliche 
poröſe Tonkrüge (Kulla), in Stut und Aſſuan zier⸗ 
liche Gefäße herſtellen. 

Handel und Verkehr. 

Der Handel, der durd) die Erdffnung des Suez— 
fanals eine fühlbare Einbuße erfabren hatte, bat fid 
feit Der engliſchen Offupation merflid) qeboben. Der 
Wert des gefamten Wufenhandels betrug 1900; 
32,488,423 ägypt. Pfd., wovon auf die Einfubr 
14,112,370, auf die Yusfubr 16,766,610, auf die 
Durdhfuhr 1,022,726 und auf die Wiederausfubr 





Agypten Gerlehr, Münzen ꝛc.; Staatsverfaſſung und Verwaltung). 


586,717 ägypt. Pfd. entfielen. Eingeführt werden In— 
———— aller Urt, insbeſ. Gewebe und Ron- 
feftionen, Metallwaren, Mafdinen, Steinfohlen, Che- 





189 


(engl. 1,248) kg, der Rantdr oder Kuß je nad der 
Ware 86—100 Ofen. Der Chedive verfiigte 1. Aug. 
1875 die Unnahme des metrifden Syjtems fiir alle 


mifalien, Rolonialwaren; die Ausfuhr begreift in der | Ungelegenheiten der Verwaltung. 


Hauptſache die oben genannten Erzeugniſſe des Acker⸗ 
baues, die fait ganz ihren Weg fiber Wlerandria neh: 
men. Den weitaus größten Unteil am Handel mit A. 
bat England, das an der Einfuhr mit 45,3, an der 
Ausfuhr mit 55,7 Pros. beteiligt ijt, dann folgen die 
Liirtei, Franfreid), Ojterreid)-Ungarn, Rupland, 
RNordamerifa.e Der Großhandel ijt ait ganz im den 
Händen von Europdern, die bier aud cine Ungahl 
von Banten erridtet haben, wie die Anglo-Egyptian 
Banking Co., Commercial Bank of Alexandria, 
Banque Franco-Egyptienne, Impériale Ottomane, 
Crédit Lyonnais, Bank of Egypt, Société Immobi- 
liére, Land and Mortgage Bank u. a. 

Der Sdhiffsverfehr det fic im wefentliden 
mit Dem Werandrias, da derjenige in Port Said und 
Suez fajt nur Tranfitverfehr durch den SGuegtanal 
und ber in Guafin und Roffir von wenig Bedeutung 
ijt; der Tonnengehalt der auSsflarierten Schiffe be- 
trug 1900: 2,364,672, davon entfielen auf Dampfer 
2,199,327. Die ägyptiſche Handelsflotte bejteht aus 
1500 Fahrzeugen, darunter 16 Dampfer auf dem 
Mittellandijden und dem Roten Meer und 40 auf 
Dem Nil. Die Cifenbahnen hatten 1900 cine Lange 
von 3392 km ; davon find die wichtigſten Linien Nairo- 
Ulerandria (211 km), Rairvo- Suez (246 km) und 
Rairo-Uffudn. Auf ſämtlichen Eiſenbahnen wurden 
11,312,000 Pafjagiere befirdert. Die Chauffeen und 
Landjtraken batten 1899 cine Linge von 1995 km. 
Die Telegraphen hatten 1900: 3510 km Linien, 
15,101 km Driihte und befirderten in 312 Ämtern 
3,288,662 Depeiden. Wlerandria ijt dey rhe 
von 5 Rabeln, 2 gehen nad La Baletta auf Malta, 
je 1 nad Sitia at reta, nad) Larnata auf Cypern 
und nad Port Said. Die tiberlandlinie bon England 
nad) Oftajien folgt der Cifenbahn über Kairo nad 
Suez. Die Pojt hatte 1900: 912 Ämter und Land- 
pojtjtationen, durch die 13,604,000 Briefe und Pojt- 
tarten, 9,341,000 Drudfaden und Warenproben und 
456,000 Bojftanweijungen mit 341,1 Mill. We. be- 
firdert wurden. Außer den durch den Guezfanal 

ehenden Poſtdampfern befirdern die Poſt 6 mit 
Steranbria verfehrende Dampferlinien, darunter die 
ägyptiſche Chedivié. Cin deutider Generalfonful re- 
Fibiect in Ratro, Konſuln in Ulerandria, Damiette, 
Rairo, Port Said, Suez; —— oder Konſular⸗ 
agenten in Kenneh, Luxor, Manſurah, Siut, Tantah 
und Zagãzig. 

Münzen. Die Einheit bildet der Piaſter (Gerſch). 
Das ägyptiſche Pfund — 20,75 Mt. ijt in 100 Piaſter 
und 1000 Djdr-el-Gerfdh qeteilt; man rechnet aber 
den Piajter zu 40 Bard (adda, Medini) von 2/2 
guten Aſpern fowie nad) Wariatherefientalern und 
anbdern fremden Währungen, wofür amtlide Tarife 
bejteben, im Grokhandel auch nad Beuteln (Mis) gu 
500 Biajtern. Man hat Goldmiingen: das ägyptiſche 
Pfund (+L. E.<, Sequin), 50 und 25 Gurufd), ferner 
4 Silber-, 3 Bronje- und 1 Rupfermiinge. Papier— 
get? gibt es nicht. Utere Make und Gewidte: fiir 

angen der Bif oder Dirda in 5 Größen, als Feld- 
ma der gewöhnliche Feddan — 59,29 Ur, fiir Hobhl- 
mae der Urdeb von verſchiedener Größe. 1 Derhem 
oder Dramm — 3,088 (nad) engl. Quelle 3,120) g iſt 
Die Cinheit der Gewidte, 12 D. — 1 Ofieh (Ackiſih); 
der Rottel der Regierung hat 15 Ofieh — 444,73 (engl. 
449,28) g, Die gewöhnliche Ola 400 Derhem — 1,235 





‘ Staataverfaffung und Verwaltung. 

WU. ijt ein Tributarjtaat der Hohen Pforte unter 
abjoluter erblicher Herrſchaft (Brimogenitur) eines 
Fürſten, der feit 26. Juni 1867 den Titel Chedive 
(Vizetdnig) und Hobeit führt und ſich Chedive von W., 
Souveriin von Nubien, de3 Sudan, Rordofans und 
Dar Furs nennt. Durd die 1882 erfolgte engliſche 
Offupation ijt die Gewalt des Chedive weſentlich be- 
ſchränkt worden, namentlich durch die Berwaltung 
der Staatsſchuld feitens einer europiifden Kommiſ— 
fion und Stellung der Armee unter einen englifden 
General. Un die Hohe Pforte hat der Chedive jahr- 
lich 665,041 ägypt. Pfd. zu gablen, bei welder jegt 
aud) die Genehmigung gum Bau von Panjerfchiffen, 
der friiber gejtattet war, cingubolen ijt. Das Mini- 
jterium bejteht aus 6 Departements, fiir Juſtiz, Fi- 
nangen, Inneres, öffentliche Urbeiten und Unterridt, 
Strieg und Marine und fiir auswirtige Ungelegen- 
heiten. Dieſe Miniſterien find ——— gypter 
beſetzt; ein Oberkommiſſar der Hohen Pforte gehört 
dem Kabinett gleichfalls an. In allen —— 
ſind indes viele der höchſten Anmter mit Europäern 
il inSbef. im Finangminifterium, im Ganitats- 
dienſt, bei den Hffentliden Arbeilen, im Cifenbabn-, 
Pojt-, Telegraphen- und Zollwefen. Cingeteilt wird 
das Land adminijtrativ in reigbhde! | kab mit 6 
Wouvernoraten und 6 Mudirich3, erdgypten 
mit 2 Gouvernoraten und 8 Mudirichs und Sudan 
mit 6 Brovingen. Die Eimteilung in Gouvernorate 
oder Mohafizate bejteht nur fiir 8 Städte, die in ihrer 
Verwaltung von dem iibrigen YW. villig unabhingig 
find. Wn der Spite jeder der Mudiriehs oder Pro— 
vingen fteht ein Mudir; ihm zur Seite cin Diwan, 
fein Stellvertreter, oder Wakil, ein Chefingenieur, cin 
Obermedizinalrat, dem aud) das obligatorifde Impf— 
weſen unterjteht, cin Rendant (Saraf) und ein Po— 
lizeibureau. Unter dem Mudir ftehen die Kreisver- 
walter (Rajdif) und die Rantonverwalter (Nazir cl 
fism), von Benen die Dorfvoriteher (Schẽch ef Beled) 
und die Borfteher der Duartiere der Städte (Schech 
el Tume) refjortieren. Der Mudir verwaltet die Pro— 
ving in adminijtrativer, finangieller und politifder 
Beziehung und entſcheidet auch in allen Rechtsſachen, 
die nicht in die Kompetenz des religiöſen Gerichts, 
dem ein Kadi vorſteht, fallen. Eine der wichtig— 
ſten Obliegenheiten des Mudirs iſt die Eintreibung 
der Steuern. Der Sitz aller Zentralbehörden ſowie 
die gewöhnliche, nur periodiſch mit Alexandria wed- 
felnde Reſidenz des Chedive ijt Kairo. Amtsſprache 
ijt Arabiſch. 

Redhtspflege. Zur Zeit beſtehen in W. nicht we- 
niger als vier getrennte Weridtsbarfeiten: 1) die ge- 
mijdten Tribunale fiir alle Biviljtreitjaden, bei denen 
die cine Partei cin Europäer ijt, 2) die einzelnen 
Ronfulargericdte fiir alle ftrafbaren Handlungen der 
Europäer, 3) die cinheimifden Tribunale fiir Zivil- 
und Straffaden der Cinheimifden, 4) dad Mehfemeh, 
weldes die auf den ‘Berfonaljtatus der Einheimifden 
fic) beziehenden Fragen nad dem Scheriat, dem reli 
giöſen Geſetz des Islam, entideidet. Die Muftis find 
die Redjtsgelehrten und Erklärer der islamitiſchen 
Rechtsſatzungen. Die Mudirs und Kadis (f. oben) find 
Die eigentlichen Richter. Mufti und Kadi gehören gum 
Stande der Ulema, der Gelehrten. Unter Said Paſcha 
erfdien cin Gefegbud, El Ranun, eine wunderlide 


199 


Verſchmelzung von religidfem und weltlidem Rechts 
wejen. Spater wurden Ridterfollegien nad) moder- 
ner Faffung, Handelsgeridte rx. eingefest. Die erjt 
vor wenigen Jahren eingeridteten gemijdten Tribu- 
nale werden auf 5 Sabre ernannt, jie find internatio- 
naler Natur und ohne Kontrolle irgend welder Art. 

Finanzen. Die heillofe Wirtidaft der frithern 
Chediven jerriittete die Finangwirtidaft auf das 
auferite, wahrend fie von den armen Cingebornen die 
qroften Opfer verlangte. Bon den Steuern fommen 
befonders drei in Betradht, die Grundfteuer (Sdharag), 
die Einfommenjteuer (Werfo) und die Marktſteuer 
(Himl). Die Grundfteuer wird nidt erhoben von den 
friibern Privatgütern des Chedive, jest Staatsdomii- 
nen (Tſchiftlils), die 178,747 Heftar ausmaden, in 
ermafigter Weiſe von den ſogen. Ibadiyeländereien 
(15,068 Heftar), die Urbeitern zur Urbarmadung mit 
vollem Cigentumsredt verlieben find (f. oben). Die 
lepigenannten Ländereien find die drei erjten Jahre 
fteuerfrei und zahlen von da ab 10 Proz. Hauptſächlich 
lajtet die Grundjteuer auf den fogen.Regierungsqrund- 


ſtücken (Arãdi ef Mirine), die alle Jahre neu abgeſchätzt, 





nad) der Giite des Bodens in drei Klaſſen geteilt wer= 


ben und fiir den Feddan (44,5 Ur) in Unteragypten | 
20 —125, in Oberdgnpten 25—70 Piajter zu zablen | 


haben, wabrend der gu zahlende Sehent in Unter: | 


digypten auf 10, 18, 26, m Oberagypten auf 8, 14, | 


20 Piafter feitgejest tit. Die Cinfommenjteuer, von 
den Handwerfern, Baſarinhabern und Kaufleuten zu 


jablen, betragt 4—20 Proz. Durd) die englifde Ver⸗ 


waltung wurde die Marftjteuer von den auf die ftad- 
tijden Märkte zum Berfauf gebradten Landespro- 
duften, dDurdidnittlid 1/2 Proz., nebjt mehreren an- 
dern drückenden Steuern neuerdings abgeſchafft, eine 
Herabjepung und gleichmäßigere Berteilung der 
Wrundjteuer in Angriff genommen, das unfrudtbare 
Yand durd) die fogen. Tawaliffommifjion von der 
Beſteuerung ausgeſchieden, die Fronarbeit, die dem 
Staate jährlich 400,000 ägypt. Pfd. (zu 20,7 Me.) 
cintrug, 1890 aufgehoben und riidjtindige Steuern 
der Jahre 1889 und 1890 im Betrage von 619,000 
digypt. Pfd. erlafien. Die Finanglage hat fid) unter 
Der engliſchen Regierung fehr günſtig entwidelt. Im 
J. 1900 ergaben die Einnahmen 11,663,000, die Uus- 
gaben 11,104,000 ägypt. Pfd. wabhrend dem allgemei- 
nen Refervefonds 484,850 Pfd. überwieſen wurden. 

Trog der {don unter ägyptiſcher Reqierung bedeu- 
tenden jährlichen Uberfdiijje ijt die Staats{duld 
jtetiq qewadjen, Es wurde dabher cine aus den Be- 
vollmadtigten ſterreich Ungarns, Englands, Frant- 
reichs, Italiens, Deutidlands und Ruflands bejte- 
hende Commission de la caisse spéciale de la dette 
publique in Rairo eingeſetzt, welche die Staatsſchuld gu 
verwalten hat. Dieſe Schuld be sifferte fic) 31. Juli 1901 
auf 103,438,580 Pfd. Sterl., wozu nod) die Mulaba- 
lahſchuld, cine innere Zwangsanleihe, dic in 50 Jabres- 
raten von 150,000 dqypt. fd. gu tilgen tit, und die 
Zinſen der 1875 von England angefauften Suesfanal- 
aftien im Betrage von 393,858 agypt. Pfd. fommen. 

Heer und Flotte. Die reguläre Urmee unter 


Befehl eines englifdjen Generals umfaßt rund 12,500 | 


Mopfe und gwar: Hägyptiſche Bataillone, 6012 Mann, 
5 ſudaneſiſche Bataillone, 3795 Mann, 1 Mavallerie- 
requnent, 773 Wann, 6 Batterien, 861 Mann, 2 Ra- 
melforps, 304 Mann, zuſammen 11,745 Mann. Die 
aftive Dienſtzeit beträgt 6 Jabre und 5 Jahre bei der 
Polizei, welde die 1. Reſervellaſſe der ÄArmee bildet. 
Die Polijei, ju der aud) Muslinder angeworben wer- 
den, ift, abgejeben von Fleinen WUbteilungen am Suez— 


Agypten (Finangen, Heer und Flotte, Wappen rc.; dad alte Agypten: Spradye). 


fanal x¢., in 4 Divifionen feſt orgqaniftert, die mit 39 
Offizieren, 1391 Mann fiir Oberagypten, 52 Offi zie 
ren, 1910 Mann fiir Unteräghpten, 25 Offizieren, 
1227 Mann fiir Rairo und 19 Offizieren, 653 Wann 
* Alexandria (zuſammen 6250 Wann) beſtimmt 
ind. Die Stärke der engliſchen Beſatzungs— 
truppen beträgt etwas über 3000 Mann, gegliedert 
in 3 Bataillone Infanterie, 1 Estadron Kavallerie, 
1 Batterie Urtillerie, 1 Kompagnie Genie; außerdem 
an Offizieren des Generaljtabes, Wdminijtration 2c. 

etwa 200 Köpfe. Bal. Bingate, Mabkdiism and the 

Egyptian Sudan (Yond. 1891). Die von Mehemed 

Ali geſchaffene, aber ſchon m feinen lesten he Foi 

jabren vernadlajfigte Flotte zählt 2 Qadten des 

Vizefonigs, 3 Transportdbampfer, 3 Depeſchenkreuzer, 

14 Hecrad-Fluffanonenboote, 11 Riijtenwadtdamp- 

fer, 4 Segler und 1 Schlepper. 

Das Wappen des Vizefonigs ijt cin blauer runder 
Schild, darin ein jilberner wadjender (die Spigen nad 
lints fehrender) Halbmond, qefiillt mit drei ſilbernen 
Sternen. Der breite Rand des Schildes ijt abwedfelnd 
mit einem Stern und je zwei abgewendeten Halbmon: 
den belegt (j. Tafel » Wappen IV «, Fig. 12). Die Rriegs- 
u. Handels flagge ijt rot mit weißſem Halbmond und 
fiebenjtrabligem weißen Stern (j. Tafel ⸗Flaggen I<). 


Il. Das alte Agupten. 

Die Ubjtammung der Agypter ijt nod in tiefes 
Dunfel gehüllt und wird wohl aud) niemals gan; 
aufgefldrt werden. Die Aqypter felbjt zweifelten nicht 
daran, dak fie in ihrem Vande ureingeſeſſen feien 
und nannten fid) kurz die ⸗Menſchen⸗ (romet), waih- 
rend fie im Unterfdied von fic ihre djtliden Nach- 
barn, die femitifdjen Bewohner Syriens und der Sinat- 
halbinfel als ‘amej, die fiidliden Reger im obern Nil⸗ 
tal alg Nehsej und die Libyer im eiten als Temeh 
bezeichneten und als beſondere Raſſen bildlid qenau 
dharafterifierten. Die Wiſſenſchaft hat dagegen fejt- 
geſtellt, daß die altägyptiſche Sprade in einem ver- 
wandtidaftliden Verhaltnis zu den fogen. ſemitiſchen 
Sprachen Vorderafiens und Ubefjiniens, zu gewiſſen 
ojtafrifanifden Spraden (Bifdari, Galla, Somal) 
und den fogen. Berberfpraden Nordafrifas jteht, und 
daß fid) die alten ÄAghpier, ebenfo wie ihre modernen 
Nadfommen, in ibrem Augern und ihrem Körper— 
bau gleich jtarf von den aſiatiſchen Semiten wie von 
den Negern Ynnerafrifas unterjdieden. Es ijt nun 
nicht unwahrſcheinlich, daß in einer fernen Urzeit das 





Niltal eine Negerbevilferung beſeſſen hat; von Aſien, 
vermutlid) von Urabien aus, fant dann ein femiti- 
ſcher Beduinenſtamm, ähnlich wie auc im 7. Jabrb. 
unfrer Seitrednung, ing Land, eroberte es und über⸗ 
trug feine Sprache auf das ecingefeijene Bolf. Qn 
chee Weife haben fic) ſemitiſche Beduinen- 
ſchwärme aud) nad) Nord- und Ojtafrifa ergofjen 
und dort bie Berber{praden und die ojtafrifaniiden 
Spraden geſchaffen. Unders erflart neuerdings Georg 
Schweinfurth die Abſtammung der Ygupter. 

Die Spradhederalten Wqypter jtebt uripriing- 
lich den ſemitiſchen Spraden verwandtidaftlid) nabe. 
Dod hat fie ſich bereits in der Gejtalt, wie fie in den 


| dltejten uns erhaltenen Terten vorliegt, weit von jenen 


entfernt und weiſt in Den Lauten, in der Wort und 





Sapbildung und im Wortſchatz erhebliche Unterſchiede 
auf. Diefe Ubweidungen find vielleicht fo zu erflaren, 
daß Die Ureinwobhner des Niltals von den Eroberern 
wohl die Sprade annahmen, aber ifr dod) eine ge- 
wiſſe Eigenart aufgepriigt haben. Die älteſten äghp⸗ 
tiſchen Sprachdenlmäler gehen bis in das vierte Jahr⸗ 


Agypten (Religion der alten GWgypter). 


taujend v. Chr. zuriid, ausgeſtorben ijt dad Agyptiſche 
erjt im 17. Jahrh., vielleidht fogar nod) fpiter. Die 
Sprache hat während der vieltaufendjabrigen Dauer 
ihres Bejtehens wejentlide Underungen erfabren. 
Man unterſcheidet jest folgende Hauptperioden der 
ägyptiſchen Spradje: 1) das Altägyptiſche, das in 
den fogen. Pyramidenterten (fj. Pyramiden) und in 
Den Terten des alten Reiches vorliegt und als gelehrte 
Niteraturjprade bis in die römiſche Zeit hinein ver- 
wendet worden ijt; 2) die Volksſprache des mitt- 
lern Reides, dic in verſchiedenen Handfdriften aus 
Diefer Beit (Dem Papyrus Wejtcar, dem medizinifden 
Papyrus Chers u.a.) erhalten ijt; 3) das Neuadgyp- 
tiſche, die Vollsſprache des neuen Reiches, die uns 
aus den jabhlreiden Papyrushandjdriften diejer Pe- 
riode befannt iſt und feit Der 20. Dynajtie aud) in 
offiziellen Inſchriften zur Verwendung gefommen 
ijt; 4) Das Demotiſche, die in einer eigentiimliden 
Schrift iiberlieferte Volksſprache der faitifden und 
griechiſch-⸗römiſchen Zeit; 5) das Koptiſche, die mit 
— Schrift geſchriebene Sprache der chriſtlichen 
gypter. Die unter 1—4) angeführten Idiome ſind 
ohne Volale geſchrieben (ſ. Hieroglyphen), nur aus⸗ 
nahmisweiſe läßt ſich die Stelle erkennen, wo der alte 
Votal ſtand. Im Koptiſchen find dagegen auc) die 
Volale bezeichnet; daher iſt dieſes Idiom grammatiſch 
am klarſten erkennbar und gibt uns vielfach auch die 
Mittel an die Hand, die Vokale der alten Wörter un— 
efähr gu bejtimmen. Cine gefonderte Vetradtung 
r ältern Spradjperioden hat zuerſt Udolf Erman 
in feiner » Neuägyptiſchen Grammatik⸗ ( Leipz. 1880), 
in der » Spradye des Rapyrus Wejtcar« (Gdtting.1889) 
und in der ⸗Agyptiſchen Grammatif« (2. Uujl., Berl. 
1902, fiir Unfinger) durchgeführt und damit die 
ägyptiſche Philologie weſentlich gefördert; er hat aud 
das Verhältnis des Ägyptiſchen su den ſemitiſchen 
Spradjen Genauerfejtge}tellt (Zeitſchrift der Deutſchen 
Morgenländiſchen Geſellſchaft⸗, Bd. 46). Durch dieſe 
und andre Arbeiten ijt fiir Die Kenntnis der Wortbil- 
bungs- und Formenlehre fowie fiir die bes Satzbaues 
in den Hauptiaden eine fejte Grundlage allmablid 
ewonnen worden. Dagegen feblt es nod an einem 
drterbud), das über den gefamten ägyptiſchen Wort- 
fdas, fo weit er in bieroglyphifder und bieratijder 
Schrift (ſ. Hieroglyphen) erhalten ijt, Aufſchluß gibt. 
Rwar find die altern Worterbiider, vor allem das 
von witb  herausgegebene »Hieroglyphifde Wör⸗ 
terbud)« ( Leipz. 1867—-82), von groptem Rugen ge- 
wejen, aber es mangelt ihnen dod die Volljtindig- 
feit; aud) gewähren fie feinen Überblick über das 
Vorfommen Eines Wortes in den verjdiedenen 
Spradperioden. Die Vearbeitung eines neuen ⸗Wör⸗ 
terbud)s der äghptiſchen Sprade«, das das gejamte, 
bisher befannte Spradjmaterial bebandeln und dem 
geſchilderten Mange! abbelfen foll, ijt jest tm Gange. 
liber Schriftwefen und Literatur ſ. Hiero- 

glyphen. 

Religion. 


1) Die Gitter. Trog der Menge von religidfen 
Terten, die aus dem alten VW. erhalten find, wiſſen wir 
von den ägyptiſchen Göttern verhältnismäßig nod 
wenig. Wit Siderheit lat fic) fagen, dak urjpriing- 
lich jede Ortſchaft ihre eigne Sdupgottheit beſaß, an 
die fic) Die Bewohner mit Bitten wandter, und deren 
Wunjt fie Durch Opferqaben zu gewinnen fudten. 
Von diefen ſtädtiſchen Göttern fennen wir fehr viele: 
Utum, den Gott von Heliopolis-On; Ammon, den Gott 
von Theben; Chnum, den Gott der Kataraltengegend 
von Aſſuan; Sobel, den Gott der Seelandfdaft 


191 


Fayiin. Haufig find e3 aud Göttinnen, die als lokale 
Wottheiten verehrt wurden: fo Hathor, die Göttin von 
Dendera; Reith, die Göttin von Sais, u. a. Häufig 
atten die Schutzgötter nicht cinmal eigne Namen, 
fondern hießen kurzweg nad dem Ort, in dent fie 
ihre Kultjtatte hatten; fo hie der Ortsheilige der ober- 
äghptiſchen Stadt Edfu »der Cdfuijde<, die Gittin 
der Deltajtadt Bajt (Bubaſtis, ſ. d.) »die von Bajt«. 
Meiſt war die Mufgabe diefer lofalen Schutzpatrone 
mit der Gorge iiber ihre Stadt erjdopft. Dod) gab es 
aud einige, die nod) bejondere Befugniſſe hatten und 
jogar im großen Weltgetriebe cine Rolle fpiclten. 
So war der thebaniſche Ammon und gewiß aud) der 
Min von Koptos cin Erntegott, der den Feldern 
Hrudtbarteit jpendete, Sobef war cin Wajjergott und 
Thout, der Heilige von Schmun (Hermupolis), war 
ein Mondgott, der die Zeiten und die Ordnung der 
Dinge — hatte und deshalb auch als Er— 
finder ber Sprache und Schrift, als Gott der Gelehr— 
jamfeit angefehen wurde. Gewann cine fleine Stadt 
an Macht und erlangte fie die Oberherridaft iiber cin 
größeres Gebict, cinen Gau oder gar cine Roalition 
von @auen, fo nabm aud) der Machtbereich ihres 
Gottes gu, der »ſtädtiſche Gott« wurde zum Gaugott 
oder zur Staatsgottheit. So ijt ſchon in vorgeſchicht— 
lider Heit der in Ombos verehrte Set gum Sdug- 
berrn von Oberaghpten, Horus von Behtet (in Unter- 
agypten) gum Patron des Deltareids geworden, und 
in geſchichtlicher Zeit ſehen wir den Ammon (j. d.) all- 
mählich zum Nationalgott des ägyptiſchen Weltreichs 
werden. Richt felten wird es aud) vorgefommen fein, 
daß bie Bewohner einer Stadt auswanderten und fic 
anderswo niederliejen; dann nabmen fie ihren Hei- 
ligen mit fid) und bereiteten ifm an ihrem neuen 
ohnort cine neue Kultſtätte. Auf diefe Weiſe find 
vermutlid) in vorgeididtlider Zeit mande unter- 
ägyptiſche Gitter, wie Horus von Behtet und Reith 
pon Sais, in Oberägypten eingedrungen. Oft fab 
man aud) wohl, wie ſtark ein Heiliger eines andern 
Ortes feine einde beſchützte und mit Wobhltaten 
überhäufte, und entſchloß fic) deshalb, ihm gleidfalls 
ein Haus zu bauen. Neben den lofalen Gottheiten gab 
es nun nod) eine beträchtliche Bahl niederer Gotter, 
Dämonen und Geijter, die Einfluß auf den Menſchen 
batten, ihm bei beſtimmten Gelegenheiten niigen oder 
ſchaden fonnten, und die man fic) darum günſtig zu 
jtimmen fudte. Ru ihnen zählen 3. B. die verſchiede— 
nen Geburtsgöttinnen, die Den Frauen in ihrer ſchwe— 
ren Stunde Beijtand leiſteten, der Toilettengott Bes 
u. a. Bisweilen hat man aud befonders angefehene 
Menſchen nad ihrem Tod als Heilige verebrt und 
al8 Götter betradtet, 3. B. den Heiligen Imhotep 
(f. d.), einen Weifen der Beit des Königs Bojer, ferner 
den Umenhotep (jf. d.), Sohn des Hapu, einen Heit- 
genofjen des Königs Umenophis LIT. Wud der ſpäter 
allgemein als Totengott angejehene Ojiris tt wohl 
cin uralter Rinig, der nad jeinem Tode fiir heilig 
ehalten, und dejjen Grab in Abydos vom ganjen 
olfe verebrt wurde (j. unten). — Schon frühzeitig 

t man aud) in YL. über die Entitehung der Welt, den 

f der Gejtirne, den Wedel von Tag und Nacht 
nadgefonnen und ijt in naiver Weife zu dem Glau- 
ben qefontmen, dak iiberirdijche Mächte die Welt er- 
jdaffen haben, ſich als Gejtirne offenbaren und den 
Lauf der Natur lenfen. Die Erde war ein Gott Geb, 
der Himmel die Gittin Mut; in den Urgeiten waren 
beide vereint, bis fie Der Luftgott Schow voneinander 
trennte, indem er die Himmelsgittin mit feinen Ar— 
men in die Hdhe hob. Die Sonne war ein Gott Re, 


192 


ber in feiner Barke bei Tage auf dem Himmelsozean 
fubr, während er in der Nacht feine Fahrt auf einem 
entipredenden Gewäſſer in der Unterwelt fortfeste. 
Eine andre Anſchauung ſtellte fic) Den Lauf der Sonne 
unter dem Bild cined Miſtkäfers (Scarabaeus, f. Pillen⸗ 
dreher) vor: wie dieſer cin Fleines Kügelchen, mm das 
er fein Gi gelegt, vor fid) herrolle, fo ſchiebe aud) ein 
großer Rafer das runde Gonnengejtirn vor fic) ber. 
Jn die grohe Menge von Gottheiten Hat man nun 
an vielen Stellen Ordnung gu bringen verſucht. Am 
belicbtejten war das Syjtem, daß man die verfdiede- 
nen, an einem Ort oder in mehreren Radbarplagen 
verehrien Gitter gu Familien zuſammenbrachte. So 
wurde 3. B. in Theben, das aus mehreren Ortidhaften 
mit verfdiedenen Heiligen zuſammengewachſen war, 
Ammon als Hauptgott verehrt, bem man die Göttin 
Wut als Gemahlin und den als Mondgott angefebhe- 
nen Ehons als Sohn beigefellte; in Memphis trat zu 
dem Sdubpatron der Stadt, Dem Gotte Ptah, die 
Göttin Sechmet als Gemabhlin und der Gott Nefertem 
als Gobn; in Elephantine, an der Südgrenze Agyp- 
tens, wurden neben dem Hauptgott Chnum nod zwei 
Wittinnen, Satis und Anukis, gejtellt. Befonders 
haben fic) um die Ordnung der Gotter die Theologen 
der uralten Stadt On-Helivpolis bemiiht. Sie ftellten 
cine Neunheit von Göttern zuſammen, an deren Spitze 
der Lofalgott Utum trat; dann folgten die tosmo- 
qonifden Wottheiten Schow mit feiner Gemabhlin Tef- 
nut, der Erdgott Geb mit ber Himmelsgöttin Itut; 
der Gott Ofiris mit feiner Gattin Iſis und der 
Schutzherr von Oberäghpten Set mit einer Göttin 
Namens Rephthys. Den Gott Utum als den hidjten 
der Gitter identifigierte man weiter mit bem Sonnen- 
gotte Re und dem gleidfalls als Gonnengott auf- 
gefaßten Horus, »dem im Horizont befindlidene (j. 
Harmachis). Diefe theologijden Unfdauungen von 
Peliopolis haben eine fehr weite Verbreitung im 
Lande gefunden; vor allem wurde der Glaube, dah 
der Lofalbheilige mit Dem Gonnengott eins fei, all- 
emein angenommen, und dDemgemak wurden die ver- 
diedenen Lolalgötter nur fiir befondere Erſcheinun— 
en Re erflart. Auch ſonſt wurden Gottheiten des 
Goͤtterkreiſes von Heliopolis mit lofalen Heiligen iden- 
tifiziert: fo wurde der alte Totengott Anubis, der 
Herr der Wejtlichen«, mit Ofiris zuſammengeſtellt, 


bie Göttin Hathor als eines Weſens mit Iſis auf: | 


gefaßt. Hierdurch ijt cine große Verwirrung in das 


ägyptiſche Pantheon gefommen, die niemals durch 
ein einheitliches theologijdes Syſtem befeitiqt worden | 


ijt. Der Verſuch Amenophis' IV., die Lehre von He- 
liopolis, daß alle Gdtter nur befondere Formen des 


Re feien, in die Praxis umzuſetzen und den Kultus 


der Sonne allgemein einzuführen, ijt febr ſchnell ge- 
ſcheitert (ſ. unten). Die Vorſtellungen, die man 
ſich von den Göttern machte, waren ſehr roh und er— 
innern ſtark an den Fetiſchdienſt, in dem nod heute die 
Regeritimme Ufrifas befangen find. So wurde der 
Bott von Bufiris in cinem Pfahl, Min von Roptos 
in einer Steinfaiule, Neith von Sais in einem Schild 
utit zwei aufgenagelien Bfeilen verehrt. Andre Git- 
ter batten ihren Wobniig in Bäumen. Das Gewöhn— 
liche aber war, dak man fid) die Gottheit als ein Tier 
dachte. So war Ammon ein Widder, Thout ein Ibis, 
Horus cin Sperber, Sedmet eine Löwin, Baſtet eine 
Kage, Die Schutzgöttin von Buto cine Schlange, die 
von Redeb cin Geier. Die Weltgdtter und aud) Oſi— 
rig wurden als Menſchen aufgefaht. Hierdurd ijt 
man wobl veranlaht worden, aud) den lofalen Fe- 
tiſchgöttern vielfach menſchliche Geſtalt zu verleiben, 








Agypten (Religion, Bautunjt der alten Ägypter). 


indem man bem Gotte den Kopf de3 ihm Heiligen Tie- 
reS auffeste: fo wurde Thout mit einem Ibiskopfe. 
Horus mit dem Kopf cines Sperbers, Sechmet mit 
einem Liwenfopfe rc. Dargejtellt. Das von der Gott- 
heit befefjene beilige Tier, das viclfad) wie Der Apis 
(ſ. d.) an befondern Abzeichen tenntlid) war, wurde 
im Tempel gehalten; erjt fpiter wurden alle Erem- 
plare derjelben Gattung fiir gdttlid) angefeben und 
dementſprechend behandelt. 

2) Der Unfterblidleitsqglaube. Auch in den 
Anſichten von dem Schickſal des Menjden nad) dem 
Tode find die Ägypter niemals gu einer einheitlicen 
Auffaſſung gelangt. Allgemein wohl herrfdt nur der 
volfstiinlide Glaube, daß der Menſch weiterlebt, wenn 
ihm die Bedingungen gu feiner Exijtens gewährt wer- 
den. Er muß Speiſe und Trant zur Nabrung haben, 
fic) wie im Leben pugen und ſchmücken formen und 
Waffen gu feiner Verteidiqung gegen etwaige Feinde 
befiten. Dieſe notwendigen Gegenjtinde werden ibm 
denn aud) ins Grab mitgegeben oder durch Gebete, 
die bon den Hinterbliebenen gefprodjen werden follen, 
auf übernatürliche Weife ber chaiit. Im Jenjeits, das 
man gewöhnlich in den Wejten verlegt, gibt es em 
frudjtbares Gelände, eine Urt elyſäiſcher Gefilde, in 
dem die Toten wie einft auf Erden die Flur bewäſſer⸗ 
ten, ſäeten, pitfigten und ernteten, und wo das Ge- 
treide fieben Ellen hod) wuchs. Wie die Lebenden jtan- 
den aud) die Toten unter dem Sdhupe der heimifden 
Götter, die fiir ibr Wohl und Wehe forgten; nur in 
einzelnen Stadten waren fie befondern otengotthei⸗ 
ten anvertraut, z. B. in Memphis dem Gotte Sokaris 
ober dent Wiijtengott Unubis, dem »Herrn der Weſt⸗ 
lidhen«, Den man fic als Schalal vorſtellte. Wn der 
Spite der Toten ſtand der mythifde König Ojiris, 
defjen Grab in Abydos fag, und mit bem der jewei- 
lige verjtorbene König identifiziert wurde. Später 
nahm man an, dah jeder Menſch cing mit Dſiris 
werden finne, und dak Ofiris iiberbaupt der größte 
Totengott fei (ſ. Ofiris). Cine andre Lehre nahm an, 
dak die Ubgejdiedenen als leuchtende Sterne an den 
Himmel verfest wiirden. Auch meinte man, dak der 
Menſch cine Seele habe, dic nad) dem Tode ſelbſtän— 
dig weiterlebe, Sie habe die Geſtalt cines Vogels und 
finne bei Tage frei in der Welt umberfliegen, miifje 
aber bei Nacht, wo draußen böſe Geſpenſter umgeben, 
in bas Grab juriidfehren. Auch fonjt war es ein 
Lieblingsqedanfe der Agypter, daß Der Tote verfdie- 
dene Gejtalten annehmen und fid) mit Hilfe von Zau⸗ 
berjpriichen in alle migliden Tiere oder Pflanzen 
(Schwalbe, Sperber, Widder, Lilie) verwandeln fonne. 
Dagegen haben die Ägypter den Glauben an eine 
Seelenwanderung nidt beſeſſen. — An der älteſten 
Zeit wurden die Leichen in hodender Stellung, ſpäter 
wie im Sdlaf ausgejtredt ins Grab gelegt. Nachdem 
im alten Reidje die Idee Play gegriifen hatte, daß 
die Forterijtens des Menſchen von der Erhaltung fei- 
nes Körpers abhängig fei, fing manan, dDurd Ein— 
balfamierung die Seinen vor Serjtirung ju fdiigen 
(ſ. Mumien). Die Cingeweide und andre edle Teile 
wurden aus dem Körper entfernt und in befondern 


Krügen (ſ. Ranopen) beigefest. 


Runft und Handwerf. 
(Gierzu bie Tafel »Altagyptiſche Malereic.) 

1) Baukunſt. An der ägyptiſchen Baulunjt (7. 
Tafeln »Urditeftur l< und ⸗Bauſtile I<) tritt ein un- 
— kräftiger, feſter und ernſter Charalter hervor, 

er in Verbindung mit koloſſaler Größe auf den Be— 
ſchauer einen überwältigenden Eindruck macht. Cha- 
ratterijtifd fiir die äghptiſche Urdhiteftur find Die 


Altagyptische Me. «i 


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wiles ton Heliopolis ntit fofaten Heiligen iden· diq weiterlebe. Ste habe die Gejtalt 
Wihert: fo wurde der alte Totengott Unubis, dex forme bei Tage frei or der Welt um 
om fer Detiiden<, mit Ojiris jufammengeitellt, | aber bei Nacht, wo draußen bdfe Ge 
Otte Hathor als cincs Wejens mit Ais auf⸗ in das Grab zurücktchren. Wud fc 
Dierdurd iit cine groge Verwirrung in das | Lieblingsgedanfe der Hgypter, dah der Be 
—— —— durch | —— annebmen dy rm Dilfe 
theologijfdes Sytem befeitigt worden priichen in alle migli 
Berjud Umenophis' IV., die Lebre von He-  (Sehwalbe, Sperber, * Lilie) verr 
Dak alle Goler nur beſondere Formen des | egen haben die Äghpter den Gla 
im die Praxis umzuſeßen und den Kultus Seelemmanderung nicht bejefien. — Sn — 
eingufiibren, tft febr ſchnell ge | Seit wurden die —** in hodender Steflas 
). —- Die Vorjtellungen, die man | wie im Schlaf ausgeſtredt ins Grab gele 
Mottern machte, waren fer roh und er | im alten Reidhe die Voce Platz geguiffe 
osnert @a den Fetifddienst, in dem nod heute die dic Fortexiſtenz des Menſchen von er 
nabs wey en find. So wurde der mes Körpers abhängig fei, fing mawan, 
Moet) von m cinem Bfohl, Win von Moptos | balfamierung die Leiden vor Yerft 
to ature Gietridule, Reith von Sais in einem Schild ({. Mumien). Die Eingeweide und 
ee ene oe werefrt. Undre GOt- wurden aus dem Körper entfernt and 
ip it Bikonen. Dai Gewdhne Mriigen (. Ranopen) beigeſetzi. — 
abe aber war. dah mon ſich die Gouhen als cain Tier Stunft und Handwerk, 
» So war Bannon cin Widder, Thout cin Idte (Sterja dic Tafel oMletguptije Maleretey 
t, Sedine cine Lhwin, Botte cme 1) Baulunjt. Qn ber dghptifden Ba 
Sdugabtiia non Bute ene Gailenge, dic Tafetn »Urchiteitur I< und — Dauftile Ne) ri 
er. Die Beligdtice umd auch Oji- | qemein fraftiger, fejter und ernſter 
alé Menſchen autyetait. Hiertweh if der in Verbindung mit foloffaler Gel Re al 
veranlafjt worder, aud den lofelen Ae ſchauer cinen iiberwiltiqenden E am 
vielfad) menfdiiche Geftali gu oevieifen, volterijtijd fiir die äghptiſche 


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A\tigyptische Malerei. 


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Nubische Hauptiinge bringe n dem agyptischen Konig ihre Geschenke 
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Mevers Konr. Le riko Ar uft, apetabe te « In in Leipeig. 


Digitized by Google 


Agypten GBaulunſt, Bildhauerkunſt der alten Woypter). 


veridiedenartigen Formen der Trager (Pfeiler 
und Siule), die fic) bereits in ben Schöpfungen des 
alten Reiches nadhweijen laſſen und fich mit nidt we- 
jentliden Underungen bis in die griechiſch-römiſche 
Seit erhalten haben. Neben dem einfachen vierecigen 
Wfeiler finden wir den adtfantigen Pfeiler und die 
jogen. protodorifde Säule. hr Schaft hat 16 leidt 
ausgehöhlte (fannelierte) Seiten und rubt auf einer 
runbden Fußplatte, wahrend eine vieredige Kopfplatte 
(Wbafus) den Ubergang zur Dede vermittelt. Weit 
häufiger als Der Feiler ijt die abgerundete Säule. 
Wahrend jener aus dem Felfenbau entitanden ijt, ijt 
dieſe aus Dem Holzbau hervorgegangen. Ihr Vordild 
ijt vielleicht Dic hölzerne Stütze, die mut allerlei Blumen 
verziert war. Die agyptijde Säule erhebt fic) auf ciner 
runden Bajis und geht nad oben in ein Kapital iiber, 
auf dem die Kopfplatte ruht. Bei der Gejtaltung der 
Saulen find drei Pflanzen bevorzugt worden: eine 
Lotusart (Nymphaea lotus), der Papyrus (Cyperus 
papyrus) und die Dattelpalme. Bald entſpricht die 
Siule einem cinfaden Pflanzenſtengel, bald jtellt fie 
mebrere durch Bander zuſammengehaltene Stengel 
Dar; das Kapital zeigt entweder die geſchloſſene Knoſpe 
oder die geöffnete Blüte. So haben wir entweder ein- 
fade Blumenſäulen oder Biindeljaulen, Saulen mit 
geſchloſſenem (snojpen-) oder ore (Bliiten-) 
Napttal, ju denen Dann nod die ſchönen Palmen— 
ſäulen treten. — Bon agyptifden Privatbauten 
ijt nur wenig erhalten geblieben, da fie aus hidjt 
vergdnglidem Material, Lehm oder lufttrodnen Bie- 
geln, erridjtet waren. Das Bauernhaus war wohl 
ebenjo einfach wie heutzutage und enthielt faum mehr 
als einen ojfenen Hof, in dem fic) die Familie bei 
Tag aufhielt, und an den ſich ein paar dunfle Sdlaf- 
räume und Biehjtalle ſchloſſen; cine Treppe führte vom 
Hof aus auf das flache, von Palmſtämmen gebildete 
Dach, auf dem fic) häufig nod ein paar kleinere Ge- 
mächer befanden. Auch in den beſſern Wohnhaufern 
(i. Tafel ⸗Wohnhaus I<) bildete der Hof den Mittel⸗ 
puntft; auf feiner Riidjeite erhob fic) eine von Säulen 
qetragene Halle. Bon hier aus fiihrte eine Tür in 
einen mehr breiten als tiefen Saal, und binter dieſem 
Jag cine jdymale, tiefe Halle, die wohl als Speifegimmer 
gedient haben mag. Dann folgten nod weitere Räume, 


wibrend fic) ſeitwärts die Frauenwohnung, Gemader | 


fiir Die Dieneridhaft, Küche, Vorratsräume und Stale 
anſchloſſen. Auch die Königspaläſte weiſen diefelbe 
Anordnung der Räume, nur in größerm Maßſtab 
auf. — Bon den zahlreichen äghptiſchen Tempeln, 
die dem Kultus der Götter geweiht waren, kennen wir 
bisher nur einen aus dem alten Reiche, das von Mi- 
nig Ha-en-wojer (5. Dynajtie) erbaute, dem Son- 
nengott geweihte Heiligtum von Ubu Gurab bei Rairo. 
Much von den Tempeln des mittlern Reides find uns 
nur wenig Rejte erhalten geblieben, unter andern die 
Triimmer des Labyrinths (fj. d.), die aber deutlich 
darauf hinweijen, daß fie ähnlich angelegt waren wie 


die Der ſpätern Beit. Bon den Tempeln des neuen | 


Reiches fornen wir uns ein Hares Bild maden. In 
der einfachſten Form entjprad das Gotteshaus dem 
biirgerlichen Wohnhaus und enthielt diefelben Haupt- 
raume wie dieſes. Die von zwei Reihen von Sphinxen 
(j.d.) eingefabte Straße fiihrte zu zwei großen Wauer- 
tiirmen, Dem fogen. Eylon, zwiſchen denen das Cin- 
qangstor lag. Durd) dieſes gelangte man in einen 
offenen sg der mit Saulenballen umgeben war; an 
ihn ſchloß ſich ein gleichfalls von Säulen getragener, 
breiter Saal, der meijtens dreiſchiffig angelegt war, 
und binter ihm lag bas Allerheiligſte, die eigentlide 
Meyers Konv.-Leriton, 6. Mufl., I. Bd. 


193 


Wohnung des Gotted, in dem das Kultbild aufgeſtellt 
war. Ojt liegen vor dem Allerheiligſten nod) mehrere 
Siile, aud) jeitlid) find nod) Räume angeiegt. Viele 
Tempel find nicht nad) einem einbheitliden Srundplan 
erbaut, fondern allmählich entitanden und weifen da- 
her cine fomplisiertere Form auf als dig hier qeidil: 
derte (3. B. der Tempel von Luffor, der große Tempel 
von Rarnaf). Die Felfentenipel dagegen weiden in der 
Unlage von den fretitehenden nidt ab. Die Innen— 
räume find mit religidjen Darjtellungen geſchmückt; 
nur die offenen Höfe und die Außenwände zeigen 
weltliche Bilder, 3. B. Kriegsdarſtellungen, Feſtzüge. 
Die Tempel der Spätzeit pind von denen des neuen 
Reiches nur wenig veridieden. — Auch die Gräber 
—— von dem hohen Stande der altägyptiſchen 
ufunjt. Es find urjpriinglid) einfache Bauten mit 
rechtecliger Grundfläche und ſchrägen Wanden, fogen. 
Majtabas (j. d.), die aus Biegeln oder Kallſtein— 
bliden aufgefiibrt wurden. Wud) das Königsgrab 
der älteſten Seit war eine foldye Majtaba, aus Ben ſich 
erſt ſpäter die Pyramide (ſ. d.) entwickelt hat, die dann 
bis gum Anfang des neuen Reiches das typiſche Kö— 
nigsgrab blieb. Bielfad wurden die Graber aud in 
Felſen angelegt, namentlid) an Stellen, wo der Wü— 
jtenboden feinen Blab fiir freijtehende Bauten bot. 
Auch die Königsgräber des neuen Reiches find Feljen- 
raber, die aus langen Norridoren und Galen be- 
ſtehen und oft, wie 3. B. im Grabe Sethos' J., 100 m 
ut Den Berg hineinfiibren. 

2) Bildbauerfunjt und Malerei. Was in 
der aypttidven Vildhauerfunjt (j. Tafel »Bildhauer- 
tunjt I<) zunächſt unfre Bewunderung fordert, iſt die 
techniſche Geſchicklichkeit der Kiinitler: aus Granit, 
Diorit, Nalfitein und andern ſehr harten Gejteinen 
find die Statuen mit meifterhafter Präziſion gemeijfelt 
und auf das jauberjte geglättet. Das Geſicht ijt meijt 
mbividuell gejtaltet, wahrend die Körperformen jde- 
matiſch bebandelt find. We Statuen, in figender, 
hodender oder ſchreitender Stellung, haben eme ſich 
jtet3 qleidjbleibende fteife Haltung: Kopf und Rump; 
ind jtreng ſymmetriſch gqebildet; nur bet den Armen 
und Beinen hat man fic) geringe Freiheiten erlaubt. 
Es herrſcht bier, wie in der Kunſt aller primitiven 
Biller, das »Geſetz der Frontalitat«, das erjt von 
den Grieden in der Blütezeit ihrer Plajtif durd- 
broden worden ijt. Die dltejten Statuen zeigen nod 
eine gewiſſe Unbebolfenbeit; aber bereits tn Anfang 
der 4. Dynajtie nahm die Kunſt einen fdnellen Auf— 
ſchwung und erreidte in der 5. Dynaſtie ihren Höhe— 
puntt. Diefer Blütezeit qehbren die berühmten Sta: 
tuen des Rahotep und femer Frau, des Dorfichul yen 
alle tm Muſeum von Kairo) und des Schreibers on 
Louvre an. Bon den Statuen des mittlern Reides 
halten die meiſten einen Vergleich mit denen der al: 
tern Beit nicht mehr aus; doch finden fich unter ihnen 

aud) ſehr gute Werke namentlich der deforativen Kunſt, 
i: B. die ſchönen, frither den Hylſos zugeſchriebenen 
Spbinre, die Statue Umenembets ILL. in Rairo u. a. 
Dasjelbe läßt jid) von den Werfen des neuen Reidhes 
jagen: während in den Statuen der Privatleute das 
Geſicht mehr und mehr in ntichterner Weise idealiſiert 
und das Hauptgewidt auf die Wiederqabe der fom- 
pligierten Daartradt, der modiſchen Gewander, der 
mannigfaden Schmuckſachen gelegt wird, finden jid) 
unter Den Yirbeiten Der Großplaſtik Stiide allereriten 
Ranges: die lieqenden Lowen, die Amenophis IIT. in 
einen nubiſchen Tempel weihte, find von unveraleid- 
lider Grdfe der Auffaſſung; die Königsſtatuen Ran- 
| fea" IL. und- Harembebs, der Kopf der Gottin Wut 

Ee 











194 


und des Mondgottes Chons (beide aus Karnak, im 
Mufeum von Kairo) verdienen aud) neben den altern 
Werten Bewunderung. In der 20. Dynaftie verfiel 
die Runjt, unt dann Mit der Äthiopenzeit unter YUn- 
lehnung an ältere Werte nod) eine fraftige Nachblüte 
zu entfalten.~— Das Verſtändnis der äghptiſchen Re- 
lief, bet Denen man Flachrelief und Hoblrelief (Koil— 
anaglyph, ſ. d.) unterſcheidet, wird dem Laien durch die 
eigentiimlide Art der Zeichnung ſehr erſchwert, die, 
in vorgeſchichtlicher Zeit entſtanden, wie eine heilige 
Überlieferung allezeit bewahrt worden iſt. Danach 
wird bei der menſchlichen Figur der Kopf von der Seite, 
das Auge dagegen von vorn gezeichnet; die Schultern 
werden von vorn, Beine und Füße wieder von der 
Seite gegeben; bei der Wiedergabe des Rumpfes wird 
die hintere Kontur von vorn, die vordere von der 
Seite gezeichnet. Wud) das Unvermögen, perjpeftivi 
ſche Verfiirzungen wiederjugeben, gab Anlaß ju be- 
frembdliden Darjtellungsweijen. Weit befjer find die 
Zeichnungen von Tieren gelungen, auf deren nature 
etrene Wiedergabe die gg ſehr viel Liebe und 
orgfalt verwendet haben. Auch bei.der Darjtellung 
fremder Bolfertypen ijt das nicht felten Humorvolle 
Charatterifierungstalent Der ägyptiſchen Meiſter gu 
bejter Entfaltung qefonunen. Die Bliitezeit des ägyp⸗ 
tijden Reliefitils fallt tx die 5. Dynajtie; wenn aud 
in fpaterer Beit der Typenſchatz der darjujtellenden 
Szenen fic) jtarf vermehrt hat, fo hat man dod in 
der Feinheit der Reliefbehandlung nie wieder die Voll- 
fontmenheit von damals erreidjt. In der 18. Dyna- 
jtie macht fid) in Der Zeichnung eine freiere, realijti- 
ſchere Richtung geltend, die unter Amenophis TV. gu 
Uuswiichfen fiihrte und darum in der Folgeseit wie- 
der verlajjen wurde. Sehr lebbaft, wenn aud) wenig 
überſichtlich find die Schlachtdarjtellungen auf den 
Tempelwanden der 19. und 20. Dynaftte. Auch im 
Relief abmt man ſeit der Athiopenzeit wieder bie Bor- 
bilder des alten Reiches nach, tednifd) mit großem Er- 
folq, aber ohne die unmittelbare Frijde und Natür— 
lidhfeit der alten Stiide. Géamtlidje Reliefs waren 
farbiq. — Die Maleret tft in der Urt der Zeichnung 
von der Der Reliefs nicht unterfdieden; man brachte 
farbige, auf Stud gemalte Wandbilder nur an, wo 
das Material fiir Reliefs ungeeiqnet war. Bal. bei- 
folgende Tafel und Tafel »Ornamente I<, Fig.6—15. 
3) Kunſthandwerk. Durdaus Bollendetes hat 
das agyptiſche Kunjthandwerk geleiſtet. Ansbefondere 
haben fich dic Goldſchmiede und Metallarbeiter die voll- 
fommenjte Herrſchaft über das Material angeeiqnet 
und ibren Werfen einen Reis der Form verliehen, wie 
er nur auf cinem Höhepunkte materieller Kulturent- 
widelung vorfommt. Hauptſächlich herrſchen Pflanzen⸗ 
ornamente vor, bei denen ſtiliſierte Lotos und Papy— 
rus die Hauptrolle ſpielen. Beiſpiele ägyptiſcher Kunſt⸗ 
fertigleit ſ. auf den Tafeln »>Gemmen« (Fig. 10, 12, 
16), ⸗Grabmäler⸗ (Fig. 1), »Softiime I< (Fig. 1—3), 
»WMufifinftrumente III« (Fig. 13), »Ringe« (Fig. 1, 
2, 4), »>Schiffstypen Ie (Fig. 1). 


Geſchichte Agyptens. 

Wigypten im Ultertum. 
[Seitresuung der alten Mgypter.] Das Kalen— 
derweſen ijt ſchon in ſehr frither Zeit in A. geord- 
net worden. Wan begann das Jahr mit dem Tag, 
an dem Der Ril ju jteigen anfing, und zählte von 
einer Uberſchwemmung zur andern, der bäuerlichen 
Beſchäftigung folgend, dret Jabhresseiten: die Uber- 
ſchwemmung, die Beit ded Sproffens der Saat und 
die Erntezeit. Ujtronomijd wurde der Jahresanfang 








Agypten (Malerei, Kunſthandwerk der alten Ägypter; Geſchichte: Zeitrechnung). 


durch eine gute Beobachtung feſtgelegt. Man hatte 
nämlich geſehen, daß der Tag, an dem die Nilüber— 
ſchwemmung in der Regel eintrat, zuſammenfiel mit 
dem Taq, an dem der hellſte Fixſtern, der Sirius 
(ãgyptiſch Sothis), zuerſt wieder in der Morgendam- 
merung fidjtbar wurde. Die Seit von einem ſolchen 
Friihaufgang jum andern betrug 3654/4 Tage, fiel 
aljo fajt genau mit dem aftronomifden Gonnen- 
jabr zuſammen. Im biirgerliden Leben hat man 
ſich freilich in alter Beit dieſes Jahres nicht bedient. 
Man redynete hier nad) 12 Monaten ju je 30 Tagen, 
denen man am Jahresſchluſſe nod) fiinf Sdalttage 
hinzufügte, um nicht allzuſehr von dem natiirlicben 
Jahr absuweiden. Da aber diejes Jahr um einen 
Vierteltag kürzer war als das ajtronomijde Strtus- 
jahr, fo entfernte fid) der Neujahrstag des biirger- 
liden Jahres von dem Striusneujahr (20. Jult) alle 
vier Jahre um einen vollen Tag. Erſt nad Ablauf 
von 1460 biirgerlidjen Jahren fonnten beide Neu— 
jabrStage wieder gujammen gefeiert werden. Trog 
dieſer Schwierigheiten ijt aber erjt unter der rdmifden 
Herrſchaft, endgültig ſogar erſt nad) Cinfiihrung des 
Chriſtentums, das Siriusjahr von 3659 Tagen an 
bie Stelle des biirgerliden Jahres von, 365 Tagen 
— Auch cine feſte ÄAra haben die Ägypter nicht 

eſeſſen. Sie beſtimmten die zeitlich feſtzulegenden 
Ereigniſſe nad den RegierungSjahren der Könige. 
Um nun ju wiſſen, wann ein friiherer König regiert 
hatte, fithrten die Briejter der Tempel große Later, 
in denen die Namen der Herrider famt der genauen 
Dauer und widtigen Creignijjen ihrer Regierung 
verjeidnet waren. Bon big Unnalen ijt nur das 
Bruchjtiid eines einzigen erhalten geblieben, der aus 
der 5. Dynaftie ſtammende Stein von Palermo. Auf 
derartigen Unnalen beruben die größern Regenten- 
verzeichniſſe, von denen wir leider aud) mur ein ziem⸗ 
lid vollſtändiges bejiben, den im Turiner Muſeum 
befindliden Ronigspapyrus. Er enthalt die Ramen 
von etwa 220 Rinigen, von Menes, dem erjten indi- 
ſchen Herrider, bis zur Hylſoszeit; bet jedem war die 
Dauer feiner Regierung angegeben. Whnlidjer Art 
find auc) die verſchiedenen Königsliſten, Die auf 
Grab« oder Tempelwanden cingemeifelt waren (Kö— 
nigSlijte von Abydos, Karnal, Saffdra), ſowie die 
wertvollen Verzeichniſſe der ägyptiſchen Könige, die 
uns von bem Geſchichtswerke des Manethos (ſ. d.) 
erhalten geblieben ſind. Die Manethoniſchen Liſten 
haben lange Zeit als die Hauptquelle der ägyptiſchen 
Chronologie gegolten, doch hat man jetzt von ihnen 
nicht viel mehr als die ſehr praltiſche Einteilung der 
ägyptiſchen — in 31 Dynaſtien beibehalten. Da 
das vorhandene Material fein vollſtändiges Verzeich⸗ 
nis aller ägyptiſchen Herrſcher bietet, fo ijt eine genaue 
Chronologie unmöglich. Man ijt darauf angewiefen, 
ungefähr die Zeiträume auf Grund der Daten der 
Denkmäler, des Turiner Papyrus, der vorhandenen 
Genealogien abzuſchätzen. Einige aſtronomiſch be— 
rechnete Zeitangaben bieten für dieſes ſchwankende 
Gebäude feſtere Stützen; ſo iſt auf Grund von ſichern 
Nachrichten über den Aufgang des Sirius das ſiebente 
Regierungsſahr Senwofrets III.auf 1876—73 v. Cor, 
das neunte Jahr Umenophis' J. auf 1545-—42, die 
Regierung Thutmoſis' III. auf 1515—1461 (nad 
andern 1503-—1449) berechnet worden. Weitere An—⸗ 
haltspuntte bieten die gleichzeitige Regierung Ame— 
nophis' IV. von A. und Burnaburiaſch' I. von Ba- 
bylonien; lepterer hat um 1400 regiert, banad muß 
erjterer um 1415— 1390 angefept werden; ferner 
wiſſen wir aus der Bibel, day Scheſchonk I. (Sijat 





Agypten (orgeſchichtliche Zeit rc. bis 2200 v. Chr.). 


gur Zeit Rehabeams (928) den Tempel von Jeruſalem 

epliindert, und endlid) auf Grund ber griedifden 
Reecticlecece, daz Pſammetich I. um 663 den a yp. 
tijden Thron bejtieqen hat. — Unfre Sabeeszah en 
fiir die ägyptiſche Gefdidte find meijt ungenau und 
finnen fiir die dltere Beit felbjt um Dabrhunderte 
ſchwanken. Man teilt die ägyptiſche Gefdidjte der 
beſſern Überſicht halber in mehrere Berioden, die 
»Reiche⸗ oder »eiten⸗ genannt werden; daneben 
geht die Manethoniſche Dynaſtieneinteilung. 

1) Die vorgeſchichtliche Zeit Ägyptens, welche 
die ſpätere Überlieferung mit einer Herrſchaft der 
Götier und Halbgitter auszufüllen ſucht, läßt ſich 
nur in den Grundzügen wiederherſtellen. Als ſicher 
darf gelten, dak das Land urſprünglich fein einheit⸗ 
liches Reich bildete, ſondern in eine Reihe kleiner felb- 
ſtändiger Fürſtentümer zerfiel. Sie wurden von Her- 

igen regiert und haben fid) in den Gauen oder 

omen CBrovingen) nod) in bijtorifder Zeit erbal- 
ten. Aus dieſen Kleinjtaaten haben fic) dann all 
mählich zwei Reiche entwidelt: das Nordland, deſſen 
Gebict das heutige Nildelta bis in die Gegend von 
Rairo umfagte, und das Giidland, das fid) von 
Rairo aus bis gum kleinen Kataraft pon UWfjudn er- 
jtredte. Der König des Nordlandes, der auf dem 
Haupte die »rote« Krone trug, refidierte in der Stadt 
Vebhtet (dem heutigen Damanbfir) im wejtliden Delta. 
Hier war aud die Hauptfultusjtitte des Horus, des 
Schutzheiligen des Nordlandes. Der König de3 Sild- 
landes, deſſen Schmuck die ⸗3Wweiße« Krone bildete, 


hatte feinen Sig in Ombos (auf dem wejtliden Ril | 


ufer, etwas nördlich von Luffor), wo ber Gott Set 
als Schützer dieſes Landesteils verehrt wurde. Aus 
den Kämpfen, die beidbe Staaten miteinander fiihrten, 
ing ſchließlich Der Norden ſiegreich hervor. Es ent- 
tand cin einheitliches ägyptiſches Reid mit der Haupt- 
}tadt On (Heliopolis), die aud) der geiſtige Mittelpuntt 
wurde, und deren Prieſterſchaft auf die Vusgeitaitun 
der ägyptiſchen Religion einen maßgebenden Cinflu 
ausgeiibt hat (f. oben). Das Reich von Heliopolis hatte 
aber feinen Dauernden Bejtand, es löſte fic) wieder 
auf, und die friihere Zweiſtaaterei trat von neuem 
ein. rarer Rinige herrjdten in Dep (Buto) 
unweit der Wittelmeerfiijte, oberägyptiſche in Nechen 
(Dierafonpolis) im Süden. Die Schlangengöttin von 
Dep war die Schutzgöttin des Nordreidjes, der Geier 
von Nechbet (qegeniiber von Nechen gelegen) die des 
Siidens. Wud) jest fam es wieder zu Kämpfen zwi— 
iden beiden Ländern; die Hierafonpoliten befiegten 
ſchließlich ihre nordägyptiſchen Geqner und fdufen 
ein neues Cinheitsreid. In dieje vorgeſchichtliche 
Periode gehören mehrere Nefropolen, die in Ober- 
daypten fett 1895 entdeckt worden find (Ballas, 

haiwe u. a.); aud) der große Sphinx von Gizeh ijt 
vielleicht dieſer Beit zuzuweiſen. 

Die in A. während der erſten Dynaſtien vorhan— 
dene Kulturſtufe erſcheint als höchſte Entwicke— 
lung der jüngern Steinzeit, da unter den Ar— 
tefatten jener Zeit kunſtvoll gearbeitete Steinkrüge, 


Vaſen aus Marmor, Figuren aus Bergkriſtall, Por⸗ 


phyr und Granit, Scheiben und Tierfiguren aus 


195 


polen, rechtwinkelige, aus ungebrannten Bachſteinen 
aufgebaute und mit engen Niſchen fiir die Toten aus- 
gejtattete Gruben. Daf der neolithijdjen Kultur Äghp⸗ 
tenSeine iltere Steingcit vorausgegangen ijt, wird 
bezeugt durd) die Wuffindung von roh zugehauenen 
Feuerſteinwerlzeugen, Feuerjteinlamellen und mit 
Schlagmarken verjehenen Steinfernen in dem Wüſten⸗ 
ebiet weſtlich und ditlid) vom Niltal. Uber die Be- 
timmung jener Steinartefafte, die man wegen ihrer 
Form als Efelshufe begeidnet, ijt nichts Naheres 
befannt. Man begegnet in den Diluvialablagerungen 
Vgyptens nicht felten Steingeriiten, die dem Sdhaber 
und dem Faujtitein von Chelles aufs genauejte 
entipreden. Wud) gu Theben, Tid) und Abydos find 
Werkzeuge des palaolithifden Menfden a 
worden. Bgl. Shweinfurth, Über den ürſprung 
der A ypter (»>BVerhandlungen der Berliner anthro- 
pologijdjen Gefellidhaft«, 1897); be Morgan, Re- 
cherches sur l'origine de Egypte (Rar. 1898); 
E. Fraas, Unthropologiides aus dem Lande der 
Pharaonen (im »Rorrefpondengblatt fiir Unthropo- 
logic«, 1898); Henning, Die nenejten Forjdungen 
iiber die Steinjeit und die Beit der Metalle in VU. 
(>Globus«, Bd. 72 u. 74). 

2) Die ältere gefhidtlide Zeit (1.und2. Dy- 
najtie), vor 2700 v. Chr. Der erjte ae Der viel⸗ 
leicht aud) A. wieder geeinigt bat, ijt Menes. Er 
refidierte in This (Oberagqypten) und foll Memphis, 
die ſpätere Hauptitadt des Reiches, und das Heiligtunt 
ihres Hauptgottes Ptah geqriindet haben. Sein qro- 
hes, aus Ziegeln gemauertes Grab hat man bei Na- 

Ade, in der Nähe von Ombos (f. oben), wiedergefun- 
en; die Grabjtatten ſeiner Nadfolger, vielleidt aud) 
einiger feiner Vorgänger, liegen bet Abydos, unweit 
von This. Sonſt wiffen wir von den Herrjdern dieſer 
Zeit nur wenig. 

3) Das alte Reid (3.—6. Dynajtie), etwa 2700 
bis 2200 v. Chr., ijt eine Zeit großer materieller und 
fiinjtlerifder Bliite. Die Reſidenz wird nad Mem— 
phis verlegt, und bier haben fic) die Könige aud) ihre 
gewaltigen Graber, die Byrantiden, erridtet. Die 
altejte uns befannte ijt die Stufenpyramide von 
Saffdra, das Grab ded Königs Zoſer (3. Dynajtie), 
dem Manethos iiberhaupt die Erfindung des Baues 
mit bearbeiteten Werfiteinen zuſchreibt. Die drei 
größten Byramiden rühren von den erjten chern 
der 4. Dynaſtie (Cheops, Chefren, Mykerinos) her. 
Die Byramiden der 5. Dynajtie liegen bet Abuſir, 
die der 6. bei Saffdra; die lesten find von befonderer 
Bedeutung, da fie fehr wichtige religiöſe Sdriften, 
die ——— enthalten. Um die Byra- 
miden herum liegen die kleinern Grabbauten der 
Großen, die uns mit ihren zahlreichen Inſchriften 
und bildlichen Darſtellungen ein klares Bild von dem 
Staate des »alten Reiches- und ſeiner Kultur vor 
Augen ſtellen: an der Spitze ſteht als abſoluter Herr- 
ſcher der Pharao, von dem eine bis ins Feinſte ge— 
gliederte Beamtenſchaft abhängig iſt. Auch nach außen 
entfaltete das Königtum ſeine Macht: auf der Sinai- 
halbinſel wurden Kupferbergwerke angelegt und gegen 
| die Nomaden dieſer Gegend Kriegszüge unternommen; 








Grauwackenſchiefer eine hervorragende Stelle einneh⸗ im S. wurde gegen die Nubier gekämpft und Han— 


men, während Gegenſtände aus Metall nur ſpärlich 
angetroffen werden. Auf einer Linge von 800 km 
ke jid) in W. längs des Nils neolithifde Wert- 

uge, dDarunter Formen, die den europäiſchen voll- 
ommen analog find und 3. T. aud) die in Europa 
weitverbreitete Muſchelung des Feuerjteins aufweiſen. 
In Oberagypten unweit Abydos finden ſich Nefro- 


delszüge bis in den Sudan und auf dem Seewege 
nad dem Weihraudlande Punt (etwa an der Somal- 
fiijte) ausgeführt. Auch die Kunſt jtand in hoher 
Blüte (ſ. oben). Unter der 6. Dynajtie erlahmt die 
Königsmacht, die Gaufiiriten treten felbjtindiqer auf. 
Schließlich löſt fic) Der Staat in mebrere Fiirjten- 
tiimer auf, die ſich gegenfeitig die Herrſchaft jtreitig 
13* 


196 


madden (Dynaftien 7—11). Aus dieſen Kämpfen 
geben ſchließlich die Fürſten von Theben ſiegreich her- 
vor und vereinigen Ober- und Unteraigypten wieder 
su einem Reide. 

4) Das mittlere Reid (12.—14. Dynaftie), 2000 
bis 1700 v. Chr., eine neue Beit der Blüte, die fic 
in zahlreichen Bauwerken äußert. Die abjolute Mon- 
ardie der Pyramidenzeit ijt veridwunden, W. ijt ein 


Agypten Geſchichte: 2000 bis 663 v. Chr.). 


der neuen Seit berührt. Amenophis IV. verſuchte 
an die Stelle der alten Religion die Berehrung einer 
ein zigen Gottheit, des Sonnengejtirns, einzuführen; 
viele der alten Götter, befonders die thebanifden, 
wurden fanatijd verfolgt, ihre Bilder und Namen 
ausgetilgt. Dod bald nad) dem Tode dieſes Königs 
bradjen innere Wirren aus, in denen die neue Relt— 
qion wieder abgefdhajft wurde. Mit Harembeb, der 


Feudaljtaat, in Dem neben dem Könige die groken | die Ordnung wiederheritellte, fam eine neue Dynajtie, 
Lehnsbherren felbjtindig hervortreten. Diefe verrin- | die 19., zur Herridjaft. Mittlerweile war im nörd— 
| lichen Syrien ein neues Reich, das der Cheta (Hethi- 


qerte Macht des Herridertums tritt ſchon äußerlich in 
dent wefentlid) kleinern Grabbauten hervor, die in der 


Nähe der Reſidenz (in der 12. Dynajtie fitdlich von | 


Memphis bet Dabjdur und Lift und im Fayfim) 


erbaut wurden. Die Fürſten — ſich ihre Gräber 


in den heimatlichen Gauen an. Nach außen wird die 
Herrſchaft über das untere Nubien feſt begründet, 
aud) mit Syrien und den Inſeln des Mäiſchen 
Meeres find enge Handelsbeziehungen gepflegt wor- 
den. Von den Königen find drei, Namens Senwojret, 
zu erwähnen, in denen das Urbild ded griechiſchen 
Sefojtris (ſ. d.) zu erfennen ijt. Wmenembet III. 
(12. Dynajtie) ijt der Erbauer de3 berithmten Laby- 
rinths (ſ. d.). Unter der 13. Dynaftie hielt ſich A. 
nod) eine Zeitlang auf der Hohe jeiner Madt; dann 
aber trat eme Periode de3 Verfalls cin (14. Dynaftie). 


Schließlich wurde das Land von einem afiatifden | 
| Die Nachfolger Ramſes' LIT. wurden ein Spielball 


Volfe, den Hyffos (ſ. d.), erobert und längere Beit 
beherrſcht. Allmählich gelang es den thebanifden 
Fürſten, die zuerſt Bafallen der Hykſos geweſen waren, 
ihre Kräfte zu ſammeln; fie erlangten die Hervidaft 
in Oberägypten, und König Amoſis (17. Dynajtie) 
verjagte ſchließlich die Feinde aus dem Lande. 

5) Das neue Reid (18.—20. Dynajtie), 1550— 
1100 v. Chr., die Epoche der ägyptiſchen Grokmadt. 
Schon von dem erjten Könige der 18, Dynajtie, Thut- 
moſis L, wurde Nubien bis in die Gegend von Don- 
gola unterworfen und unter eine feſte agnptifde Ver- 
waltung gejtellt; er unternahm ferner einen großen 
Feldzug nad Aſien und drang bis jenfeit des Euphrat 
vor. Der eigentlide Beqriinder der ägyptiſchen Welt- 
madht iit aber Thutmofis IL. (um 1500 v. Chr.), eine 
der fraftvolljten Erſcheinungen der ägyptiſchen Ge- 
ſchichte. Er eroberte Syrien und madte es zur — 
tiſchen Provinz. Jn ganz Vorderaſien wurde W. die 
Vormacht, und ſelbſt auf die griechiſche Welt übte die 
aãgyptiſche Kultur ihren Einfluß aus, wovon die Funde 
in Den Gräbern der myleniſchen Zeit und die Pa— 
läſte von Tiryns und Kreta ein deutliches Zeugnis 
ablegen. Die Herrſcher der großen Reiche Meſopo— 
tamiens, Babylonien, Aſſyrien und Mitani (am 
obern Euphrath, traten mit A. in enge Beziehungen 
und jcdidten Dem Pharao Geſchenlke. Durd bie Tri- 


bute der unterworfenen Bolfer floffen ungeheure 
Reictiimer in das Land, befonders nach Theben, das | 
jet zur Reidhshauptitadt geworden war. Das ganze | 


Staats: und Volfsleben wurde durd diefe neuen Ber- 
haltniije von Grund aus unrgeitaltet. Der von Thut- 








| 





mojis IIT. angebabnte Verkehr mit den aftatijden | 


Königen hielt unter ſeinen Nadfolgern, namentlid 


unter Amenophis III. und IV. (um 1400 v. Chr.), | 
nod an. Der Fund von El Amarna (f. d.), Der emen | 


Teil des ägyptiſchen Staatsarchivs enthält, bat die 
Diplomatifden Schreiben der fremden Herrider an 
die Pharaonen zu Tage gefördert und gewabrt inter: 
effante Einblide in die internationalen Beziehungen 
Dicier Bett, Die namentlich in gegenſeitigen Hetraten 
und Seidenfiendungen jum Ausdruckkamen. Schließ— 
lich wurde aud) das religtdje Gebtet von dem Geiſte 





ter), entitanden, das feine Macht aud) auf die dqnp 
tiſchen Bejigungen auszudehnen fudte. Sethos L 
und Ramfes IT. (j. d.) Hatten langwierige Kriege mit 
ihnen gu fiihren, bid es jdlieslich gu einem Friedens 
ſchluſſe kam, in dem das cigentlide Palajtina im 
ägyptiſchem Beſitze belajjen wurde, während die ndrd 
lichen Gebiete dem Hethiterreide tributpflidhtig wurden. 
Ramjes’ IL. Nachfolger, Merenptah, hatte einen großen 
Angriff libyſcher Stämme, die, mit Seeriubern von 
Den Küſten und Inſeln des Mittelländiſchen Meeres 
verbiindet, in dad wejtlide Delta eingefallen waren. 
Dann fam es wieder zu Viirgerfriegen, anus denen 
die 20. Dynajtie bervorging. Ramfes TT. (um 1200 
v. Chr.) Lampfte mit Gliie gegen die Libyer und gegen 
einen Anſturm fremder Bolfer, der fid von Kleinaſien 
her zu Wajjer und ju Lande gegen A. gerichtet hatte. 


in den Handen der madtigen thebanifden Oberprie 
jter, die ſchließlich mit Herihor den Thron bejtiegen 
(um 1100 v. Chr.). 

6) Die Beit der Fremdbherrfdaften (21.— 
25. Dynajtie), 1100—663 v. Chr. Die Hohenprieiter 
herrſchten nicht lange fiber das ungeteilte A. In 
Tanis (ſ. d.) erhob ſich eine neue (21.) Dynaijtie, dic 
ſich mit Den Hohenprieſtern verjdwagerte, fo dak ta- 
nitijde Pringen die einträgliche Würde des Hohen 
prieſters von Theben erlangten. Nubien madte ſich 
ſelbſtändig, vielleicht unter den Nachlkommen der the- 
banijden Briejter; aud) Paläſtina ging dem Reiche 
verloren. In dieſe Zeit fallt die Croberung Fala: 
jtinas durch die Hebräer. Neben den Kriejtern waren 
die Söldner die ſtärkſte Madt im Staate; namentlich 
Condottiert libyſchen Stammes, die fich im djtlichen 
Delta angefiedelt hatten, fpielten eine große Rolle. 
Einer derjelben, Scheſchonk J. (ſ. d.), der m Bubaſtis 
reſidierte, ſtürzte die Könige von Tanis und machte 
ſich ſelbſt * Ulleinherrider. Sein Verſuch, die 
ägyptiſche Vormadt in Palajtina wieder aufzurichten, 
blieb trog feines Sieges iiber Rebabeam von Quda 
(f. d.) 930 v. Chr. ohne Erfolg. Unter feinen Nad- 
folgern (22. Dynajtie) verfiel der Staat wieder und 
löſte fic) in einzelne Fürſtentümer (23. und 24. Dy— 
najtie) auf. Dieſe Wirren benugten die in Napata 
(j. d.) refidierenden nubifden (athiopijden) Könige, 
um die Herrſchaft über A. gu gewinnen. Sie traten 
als die Vertreter des alten orthodoren Aquptertums, 
als Schiiger der äghptiſchen Nationalitat gegen die 
Fremden auf und wurden aud von den oberdqnpti- 
iden Brieitern und vom Boilf als ſolche anertannt 
Durd die Beſiegung des Voldhoris von Sats (24. Dy- 
najtie) wurde ganz A. unter Gabafon (j. dD.) äthio— 
piſcher Beſitz und dadurd) das Reich der 18. Dynaſtie 
wiederbergejtellt, das von Der Mittelmeerfiljte bis in 
den Sudan gereidt hatte. Als die Uthiopier (25. Dy 
naſtie) verſuchten, aud) in Syrien die Grofmardts- 
plane Thutmojis’ IIL. wieder aufzunehmen, famen fie 
mit den Aſſyrern in Ronflift. Die bejtindigen Ber- 
fudje Sabatons und feiner Nadfolger (Sebidos und 








Agypten (eſchichte: 663 v. Chr. bis 640 n. Chr.). 


Taharta), die ſyriſch-paläſtinenſiſchen Fiirjten gegen 
das aſſyriſche Reid) am Tigris aufzuwiegeln und mit 
Truppen ju unterjtiigen, hatten icicle zur Folge, 
Daf der Aſſyrerkönig Aſarhaddon (j. d.) 670 v. Chr 
mit einem großen Heere in A. erjdien, Memphis er- 
oberte und Taharka zwang, nad Uthiopien gu fliehen. 
YL. wurde aſſyriſche Proving, die einheimiſchen Fürſten 
wurden in ihren Herridaften als aſſyriſche Vaſallen 
belajjen. Mebhrere von den YUthiopiern unternommene 
Verſuche, die Ujfyrer aus dem Lande gu verjagen, 
icheiterten. Erjt als die Aſſyrer infolge von Unruben 
im cignen Reide —— wurden, ihre Truppen⸗ 
macht aus dem Niltale zurüchzuziehen, machte ſich 
Pſammetich von Sais, ein Verwandier des Uthiopier- 
hauſes, jelbjtindig und jtellte ein einbeitlides ägyp⸗ 
tiſches Reich wieder her, 663 v. Chr. 


v. Chr. Unter 
Nadfolgern (Neco 610—594, Pſammetich II. 594— 
588, Apries 588 — 569, Amaſis 569 — 526) erlebte 





197 


Jin J. 343 wurde es aber von dem Perſerkönig Ochos 
suriiderobert und fiel nad) dem Sturze des Perſer— 
reichs 332 Ulerander d. Gr. ju. 

8) Die qrichijdh-rimifdhe Herrji daft, 
332 v. Chr. bis 640 n. Chr, (vgl. dad Nebentirtden 
auf der Karte des Heutigen A., bei S. 183). Alexander 
ſetzte die Politik der Perſerkönige fort und fdonte als 
Nadfolger der Bharaonen die Sitten und Kulte des 
Lande8. Das von ihm geqriindete Alexandria (j. d.) 
wurde bald der Mittelpuntt de3 Welthandels und der 
—— Weltbildung. Als nach Alexanders Tode 

8 maledoniſche Reich derfiel, fam VW. an Ptolemäos, 
den Sohn des Lagos, der 305 v. Chr. den Königstitel 
annahm. Unter ihm und feinen Nadfolgern, den 
Ptolemãern (805—30 v. Chr.), wurde A. nod einmal 


| Der Sig eines glingenden Königreichs und zeitweilig 
7) Die Spatzeit (26.—30. Dynaſtie), 663—332 | der bliihendjte und madtigite Staat der Welt. Wäh— 


| 


ſammetich (663 —610) und feinen | rend in Werandria die griechiſche Kultur gepflegt 


wurde, blieb im Binnenlande das altägyptiſche Weſen 
bejtehen, und als Pharaonen erridjteten die Ptolemäer 


das Land cine neue Bliiteseit. Durd die mit Griedhen- | den ägyptiſchen Gottheiten Tempel in altem Stil. 


land angefniipften Serbindungen hob fic) der Handel ; 
von Amaſis (ſ. dD.) wurde den Grieden die Deltajtadt 
Naufratis eingeräumt, die bald der widtigite Dandels- 
plag des Landes wurde. Die Künſte nahmen einen 
neuen Aufſchwung. Bereits die orthodoren Äthiopier 
hatte angefangen, die Borbilder der flafjijden Pe— 
riode der Agyptiiden Kunſt, des alten Reiches, nach— 
zuahmen und die altern Formen wieder zu verwen- 
den; dieſe altertiimelnde Richtung htelt nocd unter 


bieten, in der Literatur, der Orthographie der In— 
idriften, dem Titelwefen, hervor, fo dak man Ddiefe 


Nach außen hin entfaltete das Reid) zuweilen erfolg— 


| reid) feine Macht, erwarb Kyrene, Kypros und cinen 


Teil von Syrien, geriet aber ſchon fett dem 2. Jahrb. 
unter den Einfluß und bald unter die Botmäßigkeit 
Roms, zumal die Königsfamilie durd) Sittenlofigfeit 
und Zwietracht fic) ſchwächte. Nach dem Tode der 
Kleopatra wurde A. 30v. Chr. dem römiſchen Reid 
einverleibt, fiir das es als Rornfammer widtig war, 


: und von Auguſtus zur faijerliden, von einem Vize— 
der 26. Dynajtie an und trat aud) auf andern Ge- | finig (praefectus) verwalteten Domine gemadt. 


Das äghptiſche Wejen wurde aud) von den Römern 
geſchont, namentlich unter den erjten Kaiſern wurden 


cit in gewijjem Sime mit Recht die »ägyptiſche den ägyptiſchen Gittern nod) neue Tempelbauten 


4 
Renaijjance« nennen fann. Während Wijyrien mit 
dem neu aufitrebenden babylonijden und medifden 
Reich um die eigne Exiſtenz lämpfte, ſuchte Redho die 
ſyriſche Provinz wiederzugewinnen. Er rückte in 
Ralaitina ein, befiegte Den König Joſia von Juda 
bei Megiddo (609 v. Chr.) und fepte ſich in den Beſitz 
de3 Landes. Doh ſchon 605 wurde er von Nebufad- 
nejar von Babylonien bei Karkemiſch am Euphrat 
eſchlagen und verfor die auswärtigen Eroberungen. 
ud) ein neuer Verſuch des Apries, den ägyptiſchen 
Einfluß in Syrien zu befeſtigen, ſcheiterte; er unter— 
ſtützte die Juden gegen die Babylonier, fonnte aber 
die Eroberung Jeruſalems durch Nebuladnezar (586) 
nicht verhindern. Jim J. 568 zog Nebuladnezar ſelbſt 
nad A. und zwang den Pharas Amaſis, endgültig 
auf Syrien zu verzichten. 525 wurde des Amaſis 
Nachfolger Pſammetich III. von dem Perſerkönig 
Kambyſes (ſ. d.) bei Peluſium beſiegt und YW. dem 
Perſerreich als Satrapie einverleibt. — Die Perſer— 
fonige (27. Dynaſtie) traten als Nachfolger der ein— 
heimiſchen Herrider auf, ließen die alte Religion un— 





erridtet, aber auf die Dauer fonnte die ägyptiſche 
Kultur dem Griechentum nicht mehr jtandhalten. An 
den innern Kämpfen im römiſchen Kaiſerreich hat A. 
wiederholt lebhaften und entſcheidenden Anteil ge— 
nommen, und auch an gelegentlichen Verſuchen, die 
alte Selbſtändigleit wiederzuerlangen und das römi— 
ſche Joch abzuſchütteln, hat es nicht gefehlt. 268 n. Chr. 
wurde Unterägypten von dem Heere der Königin 
Zenobia von Palmyra (j. d.) in Beſitz genommen, 
aber ſchon 270 durd) den Feldherrn Probus dem 
Reiche zuriiderobert. Das Chrijtentum fand ſchon 
im 1. Jahrh. in A. Eingang, angeblid) durch den 
Evangelijten Markus, den Stifter des VBistums 
Wlerandria; dod) wurden die alten Götter erjt all- 
mählich verdrängt und der Iſiskultus in BHUa evit 
um die Mitte de3 6. Jahrh. unter Juſtinian auf- 
qehoben. Unter dem Cinflup des von öden Felsfetten 
und Wüſten eingejdlojjenen Landes fame in YW. das 
Einjiedler- und Kloſterleben unter dem Heil. Antonius 


von Theben auf. Wud) die dhrijtlid —— Ge⸗ 


lehrſamkeit wurde eifrig gepflegt, und A 


angetaſtet und ſuchten das Land auf alle mögliche 


Weiſe gu heben. So liek Darius zur Förderung des 
Handels den ſchon von Necho begonnenen Kanal vom 
Mil sum Roten Meere vollenden. Trotzdem verjudten 
die Agypter immer von neuen, ihre Selbjtandigfeit 
uriidjugewinnen. So ficlen fie nach der fiir die 

erjer unglücklichen Schladt von Marathon unter 
cinent gewiſſen Chabaſch ab und vertrieben die per- 
ſiſchen Befagungen, wurden aber von Xerres bald 
wieder unterjod)t ; aud) ein js weiter, von den Athenern 
unterjtiigter Mufitand unter Jnaros und Amyrtaios 
(463) hatte keinen Erfolg. Erſt als das Perſerreich 
mehr und mehr verfiel, erlangte W. noch einmal (400 
bis 343) feine Fretheit wieder (28.— 30. Dynajtie). 





exandria 
bald ein Hauptſchauplatz der über das Verhältnis der 
göttlichen und menſchlichen Natur in Chriſtus ſich ent⸗ 
ſpinnenden dogmatiſchen Kämpfe. Die Eingebornen 
ſchloſſen ſich meiſt der für ketzeriſch erllärten Partei 
der Monophyſiten an, erwählten ſich einen eignen 
Patriarchen und bekämpften die orthodoxe Kirche 
unter den vom Kaiſerhof ernannten Patriarchen von 
Alexandria aufs heftigſte. 

Seit der Teilung des römiſchen Reiches (395) eine 
Proving Oſtroms, teilte A. den Verfall dieſes Reiches. 
Raubzügen von Athiopien und Arabien aus wehrlos 
preisgegeben, wurde es 619 durch die Perſer unter 
dem Saſſaniden Chosroes II. bis an die Südgrenze 
durchzogen. Wenige Jahre nach ihrem erfauften Ab— 


198 


Haypten Geſchichte: Mittelalter und Neugeit). 


zug wurde 63640 von Amr, dem Feldherrn des Kalifen | nichtete 1. Mir; 1811 die Mamelucen, organijiertenad 


Omar, erobert, wobci die monophyſitiſchen Einwohner 
(Ropten) aus Hak gegen Byzanz Vorſchub leijteten, 
und nur Alexandria cine längere Velagerung aushielt. 

Ggypten im Mittelalter und in Der Newgeit. 

Nad) dem Siege des Aslam (640 n. Chr.) war das 
Chrijtentum jeder Gewalttat preisgegeben, und die 
koptiſche Bevölkerung fant in gänzliche Ohnmacht. 
A. wurde im Namen der Kalifen (658 —750 Omai- 
jaden; 750 —868 Abbaſiden) durd) befondere Statt- 
halter verwaltet. 868 warf ſich Der Statthalter Ach— 
med iin Tulfin zum unabbingigen Sultan von YW. 
auf. Nachdem 905 das Land wieder unter die Herr- 
ſchaft der Ubbajiden gekommen war, rif 935 der 
Statthalter Mohammed el-Ichſchid die Herrſchaft an 
fid). 969 fam mit Muizz die Dynajtie der Fatimiden 
auf den Thron, unter denen das Land eine große 
Bliite erreichte. Muizz qriindete die neue Hauptitadt 
Kairo und nannte ſich Kalif von A. Nach glanzvoller 
Herridaft mußten die Fatimiden 1171 Dem Kurden 
Saladin weichen, der die Dynaſtie der Ej ubiden be- 
qriindete. Dieſe beherridte aud) Syrien, und unter 
thr blühte Der Handel von Ulerandria auf. Der Kalif 
Nedſchem Eddin verteilte den größten Teil des Landes 
unter feine aus gefauften Sflaven bejtehende Leib- 
wade, die Mameluden, als Lehen, und von diefen 
wurden die Bewohner des flachen Landes völlig ju 
Leibeiqnen herabgedriidt. Wis 1248 Konig Ludwig IX. 
von Frankreich bet feinem Verſuch, A. zu erobern, in 
die Gefangenſchaft des Ralifen Moadham fiel und 
dieſer, ohne die Mamelucten ju befragen, mit dem Konig 
cinen Bertrag ſchloß, ward er 1250 von der Leibwade 
ermorbdet und von ihr Muizz Eibet gum Sultan er- 
hoben, mit dem die mameluckiſche Dynaſtie der Bah— 
riten beginnt. Einige Sultane, wie Bibars J. 
(geit. 1277) und Näſſir (geſt. 1341), herridten kräftig 
und erfolgreich; meijtens aber waren fie von den 
Mamelucenentiren abhängig, die das Land riidjicdts- 
los auspreften. Beſonders traurig war die Lage des 
Landes unter der zweiten ticherfeffiichen Mamelucten- 
Dynajtie (feit 1382), unter welcher die Mamelucen 
Emporungen, Sewalttaten und Greuel aller Art be- 
gingen; fie festen die Sultane nad) Willkür ab und 
ein und bedriicten Die Einwohner auäfs ichredlichite, 
bis der tiirfifdhe Sultan Selim J. 1517 das Qand er— 
oberte und in eine titrfifde Provinz verwandelte. 
Der vom Sultan als Statthalter eingeſetzte Paſcha 
war freilid) von den 24 Mameludenbeis abhangig, 
welche Die Miliz befebligten, die reichen Staatseintiinfte 
einzogen und nur einen Tribut an den Paſcha zahlten. 
Das Land wurde durch deren Mißwirtſchaft fait zu 
Grunde geridtet. Schließlich machten fich einige Beis 


gan} unabhängig, und zwei derfelben, Murad und | 
brahim, teilten fic) in die Herrichaft Ägyptens, als 


General Bonaparte 1798 mit einem franzoͤſiſchen Heer 
in Ubufir landete und die Mameluden bei den Pyra— 
miden ſchlug (7. Agyptiſche Expedition der Franjofen). 
Vonapartes Plan, ſich Agypiens, des Schlüſſels yum 
Crient, yu bemächtigen, ſchlug zwar fehl, und nad 
Menous Riederlage bei Abukir (21. März 1801) ſuch— 
ten Die Mameluden, von den Engländern unterſtützt, 
die friihere Macht wiedersugewinnen. Nach dem Wb- 
jug der Englander (1803) erlagen fie jedod dem 
Albaneſenkorps, dad der Sultan nach W. geididt hatte, 
und 1805 ward deffen Befehishaber, Mehemed Uli, 
Statthalter. 
Neue Heit (19. Jabrhundert). 

Mit der Wirklſamkeit Mehemed Alis begann ein 

neues Beitalter in der Geſchichte Aghptens. Er ver- 





| 


europäiſchem Muſter cin ftehendes, durch Konſtription 
erga Heer und ſchuf cine Kriegsflotte. Die Koſten 
ejtritt er aus ben Steuern, die er den Cinwohnern, 
namentlid) den Bauern (Fellahs), auflegte: außer 
einer Ropfiteuer (8'/a Mill.) wurden alle Fabrifate 
und Brodufte bejteuert. Bis 1833 wurde jedem Fellah 
jeine ganze Ernte um einen von der Regierung fejt- 
geſetzten Preis abgefauft und ihm dann um einen 
höhern Preis jo viel Getreide wieder verfauft, wie 
er gum LebenSunterhalt und zur Wusfaat braudte. 
Nad 1833 nahm die Regierung von der Ernte nur 
jo viel, wie Die Steuern betrugen, ſchrieb nun aber 
den Bauern vor, was und wieviel jie an Getreide, 
Baumwolle, Jndigo xc. bauen follten. Baumwolle 
und Yndiqo wurden fiir Monopole erflart und nur 
von ber Renerinn verfauft. Durd) umfangreice 
Damm- und Ranalbauten vermehrte Mehemed li 
den kulturfähigen Boden, forgte fiir Ordnung und 
Rube tm Innern und reformierte die Verwaltung auf 
Grund einer 1829 mit Notabeln gepflogenen Beratung. 
Er ernannte viele Chrijten gu Beamten und fdictte 
junge Uraber und Tiirfen gu ihrer Uusbildung nad 
Europa. Uuch qriindete er Schulen und Inſtitute aller 
Urt. Die dujere Macht Ugyptens breitete fen Wdoptiv- 
ſohn Ibrahim Paſcha aus, indem er 1816—18 
einen Teil von Urabien (die Landſchaft Hidſchas mit 
den beiligen Städten Meffa und Medina) unterwarf, 
bie Wahhabiten bejieqte und von 1822 an die Länder 
am obern Ril (Nubien, Senaar, Kordofan) zinspflich 
tiq machte. VIS die Pforte Mehemed Wii das fiir die 
Hilfe gegen die aufſtändiſchen Griedhen und fiir die 
dabei gebrachten Opfer (Navarino 1827) begebrte Ra- 
ſchalit Damastus fiir Ibrahim verweigerte, lies er 
dieſen 1831 in Syrien ecinriiden. Naddem Ibrahim 
jogar in Mleinafien eimgedrungen war, wurde WMebe- 
med Uli durd das Ginichreiten Ruplands zum Frie- 
den von Kutahia gezwungen (14. Wai 1833), worin 
er den lebenslingliden Beſitz Syriens erlangte. In 
einem neuen Rriege gegen die Türkei qlaubte Mehe- 
med Wii Durd) den Sieg von Niſib (24. Juni 1839) 
und den Übergang der türkiſchen Flotte sur ägyptiſchen 
die erjtrebte vollige Unabhängigkeit erreidt zu haben. 

Dod) die Quadrupelalliany uplands, Englands, 

jterreidhs und Preußens (15. Auli 1840) fprad fic 
fiir Die Herjtellung des frithern Zuſtandes aus, und 
eine britiſch-öſterreichiſch-türkiſche Flotte ſchritt m 
Syrien mit Gewalt cin. Bon dem befreundeten Frant- 
reich tin Stiche gelaſſen, unterwarf fid) Mehemed Wi 
und ſchloß mit dem Sultan 13. Febr. 1841 einen 
BVertrag, worin er auf Syrien verjzichtete, die Ober- 
hobeit des Sultans anerfannte, fem Heer auf 18,000 
Mann zu ermäßigen und ein Drittel der Eintiinfte 
alg Tribut gu jablen veriprad und dafiir die erbliche 
Herrſchaft tiber A. und die Erwerbungen am obern 
Mil zugeſtanden erbhielt. Er widmete ſich nun wieder 
mit Fifer der Rultivierung des Durd die koſtſpieligen 
Kriege ausgefogenen Landes, indem er einen pie 
Nildamm erbaute und Straßen anlegte. Dod verfiel 
er in Geijtestranfheit, fo dak mit Genehmigung der 
Pforte tm Juli 1848 Ibrahim Bafda die Regierung 
iibernahm. Diefer jtarb aber ſchon 10. Nov. 1848 und 
12. Mug. 1849 aud) Mehemed Wii. 

Sein Enfel Ubbas Pafda, der ihm folgte, ver- 
ringerte die Marine, fegte die fibermapig bohen Ge- 
halte der Beamten herab und befeitigte das Monopol 
wefen. Die Pforte unterjtiigte er mit Truppen und 
Schiffen im Krimkrieg und erbielt dafiir eimige Bu- 
geſtändniſſe, 3. B. das Recht über Leben und Tod. 


Agypten Geſchichte: 19. Jahrhundert). 


Ihm folgte 14. Juli 1854 fein Oheim Said Paſcha, 
Mehemed Alis fechjter Sohn. Er gab den Baumwoll⸗ 
und Getreidehandel fret und führte fiir bie Finanz— 
verwaltung eine Rontrolle ein, belajtete aber durch 
feine Baulujt, Reifen nad Curopa und feine Frei- 
gebigfeit das Land mit Sdulden. Nach feinem Tode 
(18. Jan. 1863) folgte der Sohn Dbrahims, Js mail 
Paj dha. Diefer betrieb mit befonderm Eifer den ſchon 
von Mehemed Wli geplanten, aber durch die von Eng- 
land geleitete P forte verbinderten Bau de3 Suegfanals. 
Mit Hilfe Napoleons IIT. wurden endlich 1864 alle 
Hinderniffe befeitigt, und der Bau des Kanals in 
Ungriff genommen. JBsmail jtellte zahlreiche Fellah 
op Frondienjt und bradte bedeutende Opfer. Um 

ie zerrütteten Finanzen regeln gu Helfer und einige 
Reformen des Geridtswefens, der Fronden 2x. zu be- 
raten, berief er 1866 wieder eine Notabelnverfamm- 
lung von 75 Mitgliedern, dod) ohne Ergebnis. Durd 
Geidenfe an den Sultan und die einflußreichſten Per- 
fonen des türliſchen Hofes erreichte Ismail fiir A. 
die Einführung der linearen Thronfolge. Neue Zu— 

eſtändniſſe erlangte er während des kretiſchen Auf— 
tandes durch den sal vont 5. Juni 1867, nament- 
lich Den Titel Che dive (ViseFdnig) ſtatt Wali (Statt- 
halter). Er ftrebte nun nad völliger Unabhängigkeit, 
vermehrte Heer und Flotte, befudte die —* 
Höfe und knüpfte mit ihnen Verhandlungen über die 
Aufhebung der Konſulargerichtsbarkeit und Neutrali⸗ 
fierung des Suezkanals an, der am 16. Nov. 1869 
unter koſtſpieligen Feierlidfeiten erdffnet wurde. Da 
verlangte der tuͤrliſche Großweſir Uli Paſcha die Uus- 
lieferung der Panzerſchiffe und der Biindnadelgewehre, 
die Reduftion des Heeres auf 30,000 Mann und die 
Cinjtellung des Verfehrs mit den auswirtigen Mad- 
ten; auch jollte der Chedive ohne Genehmigung des 
Sultans feine Anleihen aufnehmen und feine neuen 
Steuern ausfdreiben. Da der Chedive felbjt von 
Frankreich feine Hilfe zu erwarten hatte, mußte er ſich 
unteriverfen. Dod) wufte er eS nad einem Beſuch 
in Ronjtantinopel (1872) durch freigebige Gefdente 
bei Abd ul Aſis 8. Juni 1873 zu erreiden, dak der 
Ferman vom 5. Juni 1867 erneuert und ihm völlige 
Unabbangigfeit der Juſtiz und Berwaltung, das 
Recht, Verträge mit fremben Staaten abzuſchließen, 
Unleihen aufjunehmen, die Starve des Heeres zu be- 
ftimmen u. a. m. wieder eingeräumt wurden; dafitr 
follte er einen jährlichen Tribut von 3 Mill. Mek. be- 
zahlen. 1875 traten nad Uufhebung der Ronfular- 
gerichtsbarleit die neuen Gerichtshöfe, an der Spige 
ein oberſtes Gericht zu UWlerandria, ins Leben, um die 
Streitigfeiten der Cinheimijchen mit den Fremden 
und dieſer unter fich zu entſcheiden. Im Silden madte 
Ismail anſehnliche Croberungen. Der Gouverneur 
von Mafjfaua, W. Munzinger, bemächtigte fid) 1872 
der Bexirfe Bogos und Menſa im Norden von Abeſ— 
finien. 1874 wurde Dar Fur (durd) Sobehr), dann 
Dar Fertit, die Somalſtädte Zeila, Berdera u. a. und 
das Land Harar befett. 

Bald ließ ſich dic Durch die foftipielige Verwaltung 
und die Verſchwendung des Chedive verurjadhte Zer- 
riittung der Finanjen nicht mehr verbergen. Darum 
verfautte Ismail 1875 jeine Suezfanalaftien fitr 
4 Mill. Pfd. Sterl. an England und erbat jid von 
dieſem cinen tüchtigen Finanzmann; dod) ridtete der 
Generaljahlmeijter Cave nichts aus, da Ismail gu 
feiner Sparjamfeit zu bringen war. 1876 wurde die 
Zahlung der Zinſen fiir die Schulden fuspendiert und 
die verjdiedenen Unteihen ju einer mit 7 Proj. gu 


199 


doppelt erhoben, den Beamten fein Gehalt, den Lie— 
feranten feine ee bezahlt; tropdem mußte 
England mit einem Vorſchuß für Bezahlung der 
Zinscoupons an die meiften englijden Glaubiger cin- 
treten. Der ungliidlide Krieg mit Ubeffinien 1875 — 
1876 (Riederlagen bei Gudda-Guddi und bei Gura), 
der Aufſtand Sulaiman’ (de Sohns von Sobebr) 
in Dar Fur und die Beteiligung des Chedive am ruj- 
ſiſch⸗ türliſchen Kriege mit 6000 Mann fteigerten die 
finangjielle Bedriingnis. Gemäß einer Verembarung 
mit den Weſtmächten wurden tm Auguſt 1878 Nubar 
Paſcha gum leitenden, der Englander Wilfon gum 
inang- und der Franzoſe Blignieres zum Bauten- 
minijter ernannt; der Privatqrundbefif des Chedive, 
die Daira, wurde zur Verzinſung und Tilgung der 
Sdulden herangesogen. Durd eine Revolte der ent- 
laſſenen Offiziere (18. Febr. 1879) entlediqte fic) der 
Whedive Nubars und ſetzte tm April Wilfon und 
Blignieres ab; er verweigerte die Zinszahlung der 
unifigierten Sdhuld und juspendierte ihre Tilgung. 
Nun verlangten die Mächte von ihm die Abdankung; 
und als er te ablehnte, ward er 26. Suni 1879 vom 
Sultan abgefegt und fein Sohn Tewfit Pafda 
gum Chedive ernannt. Der Ferman von 1873 wurde 
aufgehoben und der von 1841 hergejtellt; dod) gz- 
jtattete der Sultan die Lech ny hl Boll- und 
— en, die ſelbſtändige Verwaltung der 
Finanzen und die Errichtung eines Heeres von 18,000 
Mann gegen einen jährlichen Tribut von 75,000 tiirt. 
Pfd. Die Regelung der Finanjen wurde einem eng- 
liſchen und einem franzöſiſchen Kommiſſar iibertragen, 
die aud) die Zahlung der Zinſen wieder aufnahmen 
und das Budget ins Gleichgewicht bradten, nicht 
ohne Bedriidung der mit Steuern belajteten Cin- 
wobner und Tafregelung der fid jelbjt bereichernden 
Beamten; aud wurden zahlreiche Offiziere entlaffen, 
ohne dak ibnen der riidjtindige Sold ausgezahlt 
wurde. Die Hierdurd veranlakte Unjufriedenheit 
benutzte die Militärpartei unter dem Oberjten Arabi 
bereits 1881 gu einigen Revolten, durd) die fie den 
ſchwachen Chedive gwang, den Premierminiſter Riay 
Paſcha, der fic) der Vermehrung des Heeres wider: 
feste, gu entlafjen und eine Notabelnfammer ju be- 
rufen. Diefe Erfolge ermutigten Urabi Pafda, der 
int Februar 1882 zum ſtriegsminiſter ernannt wurde, 
bie Abſchaffung der europäiſchen Finanzkontrolle und 
bie Befeitiqung aller europäiſchen Beamten gu for- 
dern. Da der Chedive jid) Haltlod zeigte und der 
Sultan nidt einfdhritt, fo proflamierte fic) Urabi 
Paſcha als Haupt der Nationalpartei, die das Bolt 
von allem Drud befreien werde, und reizte Den Pöbel 
fo gegen die Fremden auf, daß es 11. Juni 1882 gu 
blutigen Exzeſſen in Wlerandria fam. Als die Ubel- 
tiiter nicht beftraft wurden, beſchoß die engliſche Flotte 
unter Udmiral mour 11. Yuli die von Urabi neu 
befejtigten Forts. Die Untwort war ein furdtbares 
Blutbad unter den Europäern, deren Häuſer meift 
in Brand geftedt wurden. Nun fandte die englifde 
Regierung et Landheer unter Wolſeley nad A.; 
Ulerandria wurde beſetzt (14. Bull) und das ägyp⸗ 
tiſche Heer unter Urabi 13. Sept. bei Tell ef Kebir in 
die Flucht gefdlagen. Die Empörer wurden nad 
Ceylon verbannt und Tewfif Paſcha unter dem Schutz 
englifder Truppen, die in A. blieben, wieder in die 
Herrſchaft eingefest. Cinen empfindliden Berlujt 

atte Der Aufſtand Urabi Paſchas fiir A. inſofern zur 
Folge, als tm Sudän der Mahdi (f. d.) das — 
äghptiſche Heer unter Oberſt Hicks Paſcha 4. Nov 


verzinſenden Schuld unifiziert. Die Steuern wurden | 1883 bei Kaſchgil vernichtete. Die Ägypter riiumten 


200 


1885 aud) die Plätze am Roten Meer: Kaſſala, Me- 
tanuna und Senaar. Gordons Verſuch, den Sudan 
wiederzugewinnen, ſcheiterte; von England nidt recht⸗ 
zeitig unterſtützt, fand er 26. Jan. 1885 in Chartum 
ſeinen Tod. Wud nad dem Tode des Mahdi (22. Juni 
1885) wurde cine Wiedereroberung des Sudan nidt 
verſucht; Wadi Halfa blieb die fiidliche Grenzſtation, 
und die engliſch-ägyptiſchen Truppen in Suafin be- 
ſchränkten fic) Darauf, die Angriffe Osman Diqnas 
zurückzuweiſen. Underjeits gelang es den Englän— 
bern, bie ägyptiſchen Finanzen durch umjidtige und 
ſparfame Verwaliung zu ordnen. Mit Zuſtimmun 

der Mächte wurde 1885 eine Anleihe von 9 Mill. 
Pfd. Sterl. aufgenommen, welche die Zahlung der 
Entſchädigungsgelder für die 1882 erlittenen Ver— 
mögensverluſte ermöglichte. Die teilweiſe von eng— 
liſchen Offizieren befehligte bewaffnete Macht wurde 
auf 53000 Mann vermindert; dazu kamen 6000 Mann 
Gendarmerie und 2000 Mann engliſche Beſatzung. 
Hierdurch wurde 1885 ſchon ein erheblicher Überſchuß 
erzielt, Der ſich mit jedem Jahre mehrte und eine Er- 
letchterung der Steuerlajt gejtattete. Cine 1889 ge- 
plante Ronverticrung und ZinSreduftion der privi- 
legierten Schuld fcheiterte an Dem Widerjprud Frank- 
reichs, das fic) fiir feine Verdriingung aus A. rächen 
wollte, naddem aud) der 1887 zwiſchen England und 
der Pforte abgeſchloſſene Vertrag über die Regelung 
der ägyptiſchen Verhältniſſe und die Dauer der eng: 


liſchen Offupation vereitelt war; ebenjowenig gliidte | 


den Englindern der Verſuch, dem Land cine Ver— 
fajjung ju geben. 
Der plötzliche Tod des Chedive Tewfif (7. Jan. 


den erwiinjdten Vorwand, die Räumung AÄgyptens 
vor neuem ju veridhieben. Der junge Chedive judte 
ji) im Januar 1893 der driidenden und aud) bei 
der Bevöllerung trop der finanziellen Erfolge une 
beliebter englifden Oberherridaft zu entziehen. So- 


und des C 
1892) und die Thronbeſteigung ſeines 18jährigen 
Sohnes Abbas I. Hilmi gaben den Engländern 





Agypten (eſchichte: 19. Jahrhundert; Literatur). 


hat, nicht an eine villige Unglijierung Yignptens. Er 
erjtrebt die Entwidelung des Bafallenttaates nur nach 
der Seite von Handel und Uderbau (durd »Wgrar- 
hanbdel«) und legt Wert auf eine dementiprechende 
techniſche Heranbildung des Volfes; eine fogen. all- 
gemeine Bildung (Kenntnis des Englifden 2.) fet fitr 
die groke Maſſe wertlos. 
Im J. 1896 beſchloß England, die Wiedererobe- 
rung des 1885 verlornen agyptiiden Suddn in Un- 
riff gu nehmen. Unter General Ritdener wurde unt 
di Halfa ein 12,000 Mann jtarfes Heer zuſammen⸗ 
gezogen. Raddem eine Feldeijenbahn nilaufwarts 
gebaut worden war, befiegte das Heer die Derwiſche 
7. Suni bei Firleh und eroberte Dongola. Berber 
wurde 12. Sept. 1897 erreidt, und die Borhut der 
Derwiſche 7. Upril 1898 bei Nafheila am Wtbara ge- 
ſchlagen. Jn der Nahe von Omdurman, am Zuſam— 
menfluß des Blauen und Weißen Nils, wurde das 
anglo-agnyptijde Heer 2. Sept. 1898 von 35,000 Der- 
wiſchen unter Fihrung Ubdullabis (f. d.) ſelbſt an: 
eqriffen: der Mahdismus erlitt cine ſchwere Nieder- 
age. Kitchener beſetzte die Hauptitadt Omdurman und 
drang den Weißen Nil aufwarts bis Faſchoda vor, 
das die Expedition de franzöſiſchen Majors Mar— 
hand 10. Juli bejegt hatte, aber auf energiſches Ber- 
langen Englands räumen mußte. Wud aus dem 
Gebtet nördlich von WUbeffinien zwiſchen dem Weißen 
und Blauen Ril wurden die Derwiſche 26. Dez. 1898 
vertrieben; und Lord Cromer erflarte 6. Jan. 1899 
in Chartum, der Sirdar Kitchener werde das Land 
felbftcidig als Bertreter der Königin von England 
hedive regieren, wobei des letztern Einfluß 
nichts gu bedeuten habe. Da Abdullahi 1899 met 
einer neuen Sdar von Anhängern aus NKordofan 


| und Dar Fur gegen Chartum vordrang, liek Kitchener 


im November 1899 den Oberjten Wingate gegen den 


Kalif vorriiden; dieſer traf ihn 24. Nov. bei Om 


fort aber fete der engliſche Agent in Kairo die Ere | 


nennung des englandfreundlichen Ria; Paſcha sum 
Minijterprajidenten durch, und die engliſche Beſatzung 


wurde unt 2000 Wann veritirft. Der Miniſter des | 


WMuswartigen, Lord Roſebery, ſchrieb an Lord Cromer, 
den Reorganifator des ägyptiſchen Finanjwejens, daß 
die Zurüchziehung der englifden Truppen aus A. 


unmoglid fei, da fie nur den Rückfall des Landed in | 


die Verwirrung herbeifiibren wiirde; Witte 1899 
jtanden in A. 4404 Mann, die gum größten Teil im 
Laufe des Vurenfriegs aus dem Nillande gezogen 
werden mupten. Sur Siihne fiir cine mipfallige 


Die engliichen Offiziere mußte der Chedive fofort den 


Debrifat ſüdlich von Dſchedid: der Kalif fand hier 
mit fajt allen femen Emiren den Tod. Osman Digna, 
der allein entfommen war, wurde 19. Jan. 1900 ge- 
jangen genommen. Hierdurch war der Beſitz ded 
Subddin fiir A. gefichert. 

Die dgyptifden Finanjen gejtalteten ſich unter der 
engliſchen BVerwaltung günſtig. Obwohl 1899 und 
1900 Die Riliiberfdhwemmungen ungeniigend waren 
und Daher die Grundjteuer cinen erhebliden Ausfall 
aufzuweiſen hatte, betrugen dod) die Cinnahmen 1900 


6 Well. Bid. Sterl. mehr als 1899. 


Literatur, . 
Wltertum. Unter den Werken über VW. iit vor allen 


die durch die franzöſiſche Expedition hervorgerufene 
ußerung (im Januar 1894 in Wadi Halfa) fiber | 


Unterjtaatsiefretiir des Krieges, Maher Paſcha, ent- | 


lajjen. Als er darauf an die Stelle von Riaz Paſcha 
Nubar Paſcha berief, mupte er einen engliſchen Beirat 
tr Dem Minijtertum des Innern zulaſſen. Auf Ver- 
langen Englands jegte die Regierung im Februar 
1895 einen befondern Gerichtshof etn zur Aburteilung 
von Vergehen, die fid Cingeborne gegen englifde 
Offistere und Soldaten zu jdhulden fommen laſſen 
wiirden. Nad) Rubars Riictritt (November) wurde 
der ganz unter engliſchem Einfluß ftehende Muſtafa 
Fehmi —** intiterprajident. —— Be— 
miibungen iit aud) die Reiſe zuzuſchreiben, die der 
Chedive Mitte Juli 1901 nach Konſtantinopel unter- 
nahm, wo man fid fiber die den Qungtiirfen in WL. 
gewabrte Gajtfreundidhaft beſchwert gefühlt hatte. 
Trotzdem denft Graf Cromer, wie er mehrfach betont 





»Description del'Egypte« ju nennen, die das Alter⸗ 
tum, den jetzigen Zuſtand und die Naturgeſchichte 
des Landes behandelt (f. Agyptiſche Erpedition der 
Franzoſen). Hieran fliegen fic) in Bezug auf Ulter- 


tumsfunde die umfajjenden KLublifationen dev fran- 


zöſiſch-toskaniſchen (die »>Monumenti dell’ Egitto e 
della Nubiac, 3 Bde., von Rojellini, und die »Mo- 
numents de I'Egypte«, 4 Bde., von Champollion) 
und der preußiſchen Erpedition (die » Denfmaler aus 
YW. und Wthiopien« von Lepjius, Berl. 1849—59, 
12 Bde.) fowie die Bilderwerfe von Gau, Young, 
Caillaud, Perring, die >Monuments égyptiens« ded 
Leidener ägyptiſchen Muſeums (Hrsg. von C. Lees 
manns, Lerd. 1839-76), die Don der Mission archéo- 
logique francaise au Caire veröffentlichten »Mé- 
moires« und die Urbeiten des 1883 in England ge- 
qriindeten Egypt Exploration Fund und des damit 
in Verbindung jtehenden Archaeological Survey of 


Agyptia — Ägyptian. 


Egypt (hrsg. von F. L. Griffith). Da die Ugupto- 
logie nod ene verhältnismäßig junge Wiſſenſchaft 
ijt, veralten Methoden und Anſchauungen febr ſchnell; 
von den ältern Werfen find heute nur nod wenige 
maßgeblich, und aud) von der neuern Literatur ent- 
ſpricht nicht alles dem g enwärtigen Stande der 
Forjdung. Für die Werdidhte des alten YW. fom- 
men in Betradht: Ed. Meyer, Gefdhichte des Alter— 
tums, Bd. 1 u. 2 (Stuttq. 1884—93); Derjelbe, 
Geſchichte de3 alten YW. (Bert. 1887); W. Wiede- 
mann, Agyptiſche Geſchichte (Gotha 1884—88, 2 
Bde. und Supplement); Derfelbe, Geſchichte des al- 
ten Ä. (Ralw u. Stuttg. 1891); G. Steindorff, 
Blütezeit des Pharaonenreids (Bielef. 1900); C. 
Niebuhr, YAgypten (in Gelmolts »Weltgeſchichte«, 
Dd. 3, Leipz. 1901); Maſpero, Histoire ancienne 
des peuples de l'Orient classique (Par. 1895—99, 
3 Bde.); Petrie, History of Egypt (Lond. 1894 
bis 1896, Bd. 1 u. 2); Mahaffy, History of Egypt 
under the Ptolemaic dynasty (Daj. 1899); Milne, 
History of Egypt under Roman rule (daf. 1898); 
fiber bie Beziehungen Agyptens gu Palajtina unter: 
ridtet W. Mar Miller, Ufien und Europa nad 
altagyptifden Denkmälern (Leipz. 1893). Dre ägyp— 
tifde Kulturgeſchichte behandelte Wilkinſon m 
The manners and customs of the ancient Egyp- 
tians« (2. Aufl. von S. Bird, Lond. 1878, 3 Bde.) 
fowie in dem » Popular account« (2. Muff, daſ. 1871), 
vor allem A. Erman in feinem treffliden ⸗A. und 
ägyptiſches Leben im Altertum⸗ (Tiibing. 1885—87, 
2 Bde.); aud Brugſch in der »Agyptologie« (Leips. 
1889). Über die Religion der alten Haypter val. 
Renouf, Vorleſungen iiber Uriprung und Entwide- 
{ung der Religion der alten Ägypter (a. d. Engl, 
5h 1881); A. Wiedemann, Religion des alten 
. (Miniter 1890); Tiele, Geſchichte der Religion 
im Witertum, Bd. 1 (Gotha 1895); G. Majpero, 
Etudes de mythologie et d’archéologie égyptien- 
nes (Par. 1893—98, 3 Bde.), fowie die metjten der 
qenannten geſchichtlichen und kulturgeſchichtlichen 
Werke; iiber die ägyptiſche Kunſt insbeſ.; Perrot und 
Chipiez, Histoire de l'art dans l'antiquité, Bd. 1 
(daſ. 1882; deutid) von Pietſchmann, Leipz. 1883); 
Mafpero, Archéologie égyptienne (Bar. 1887; 
deutid) von Steindorif u. d. T.: »Agyptiſche Munijt- 
Nes Leipz. 1890). Der philologtid-hijtorifden 
andforidaing 
fic) feit der Entzifferung der Hieroglyphen durd) 
Champollion die ganze agyptologijde Schule feiner 
Nachfolger gewidmet (f. Hreroglyphen). Cine » Zeit: 
ſchrift für ägyptiſche Sprade und Witertumsfundes, 
beqriindet von Brugſch, jest von Erman und Stein- 
dorff herausgegeben, erſcheint feit 1863 in Leipzig; 
ähnliche Fachzeitſchriften in Franfreid) und England. 
Die Naturgeſchichte des Landes tit ——— 
in den großen Werfen von Ehrenberg und Rüppell, 
durch Bruner (»Agyptens Naturgeididte und An— 
thropologie«, Erlang. 1848) fowie von R. Hartmann 
(Naturgeſchichtliche Skizze der Nilländer«, Berl. 
1866), die geologiſchen orbailtniife jind von Fraas 
Aus dem Oriente, Stuttg. 1867), Janfo (> Das 
Ita Des Nils«, Budapejt 1890) und Blandenhorn 
(>Geologie Ugyptens«, Leips. 1901), die Pflanzenwelt 
durch Schweinfurth und Aſcherſon behandelt worden. 


Uber die Heutigen Verhältniſſe Agyptens val. | 


Lane (j. d.), Manners and customs of the modern 
Egyptians (deutſch, Leip3. 1856); v. Kremer, Ä., 
Foridungen iiber Land und Volf (daſ. 1862, 2 Bde.); 


G. Stephan, Das heutige W. (daſ. 1872); Liittte, | 


der äghptiſchen Schriftdenkmäler hat 


201 


| Vgyptens neue Zeit (daf. 1873, 2 Bde.); Klunzin— 
er, Bilder aus Dberdi ypten (Stuttg.1877); Ebers, 

-in Bild und Wort (daſ. 1880; der Text allein heraus⸗ 
gegeben als »Cicerone dDurd das alte und neue W.<, 
da}. 1886, 2 Bde.); Wmici, Essai de statistique gé- 
nérale de I'Egypte (Rairo 1879, 2 Bde.); »Recense- 
ment général de l'Egypte, 1. juin 1897« (Kairo 
1899, 3 Bde.) und »Dictionnaire géographique de 
lV’ Egypte< (Daf. 1900), beide Werke herausgegeben von 
UW. Boinet Bey; >Britains work in Egypt« (€dinb. 
1892); Th. Neumann, Das moderne A. mit befon- 
Dever Rückſicht auf Handel und Volkswirtſchaft (Leip3. 
1893); v. Firds, Agypten 1894, ſtaatsrechtliche Vers 
hältniſſe, wirtidaftlider Zujtand, Verwaltung (Ver. 
1895— 96, 2 Bde.); Willcods, Egyptian Irriga- 
tion (2. Wufl., Qond. 1899); Reifehandbiider von 
Meyer (in »Mevers Reifebiider«), Baedefer, Murray 
(ond.), Bénddete (Guide Joanne, Par.). 

Karten: »Survey of Egypt«, 1:30,000 (5 Blatt, 
1889); »Unteraigypten« 1: 25,000 (20 BL, Militir.« 
qeogr. Ynjtitut, Wien 1899, nod nidt im Han- 
del); Uudebeau, Souter und Colani, Carte de 
la Basse-Egypte et de la province du Fayoum 
1:200,000 (6 Bl., 1897); »Rairo«, Provinzkarten, 
herausgegeben vom Miniſterium der öffentlichen Ar— 
beiten, 1: 100,000 (im Erjdeinen beqriffen) ; Spezial⸗ 
‘aufnabmen von Sdweinfurth : Fayũm (Zeitſchrift 
| der Geſellſchaft für Erdfunde«, Berl. 1886), Natrontal 
| (ebenda 1898), Riltal von Farſchut bis Rom-Ombo 
(>Petermanns Mitteilungen«, 1901, Teil 1). Wis 

uͤberſichtskarte die auf YU. fallenden Blatter der Carte 
de l'Afrique 1:2,000,000 (Service géographique de 
larmée, Par. 1900 —1902). 
| Uber die neuere Geſchichte Äghptens val. Bune 
jen, Agyptens Stelle in der Weltgeſchichte (Hamb. 
1844—57, 5 Bde.); Weil, Geſchichte des Abbaſiden⸗ 
talifats in A. (Stuttg. 1860, 2 Bde.); Quatremere, 
Histoire des Sultans Mamlouks (Sar. 1837—41, 
4 Tle.); Paton, History of Egyptian revolution 
from the period of the Mamalukes to the death of 
Mohammed Ali (2. Wufl., ond. 1870, 2 Bode.); 
Cufieri, Storia fisica e politica dell’ Egitto delle 
prime memorie de suoi abitanti al 1842 (lor. 
1862, 2 Bde.); Rausler und Woerl, Die Kriege 
von 1792—-1815 in Europa und A. (Freiburg 1842); 
— —— Histoire de Méhémet Ali (Par. 1855— 
1858, 4 Bde.); iiber die neuejte Zeit: Malortie, 
Egypt, native rulers and foreign interference (2. 
Aufl. Lond. 1883); Vogt, Die kriegeriſchen Ereig⸗ 
niſſe in A. 1882 (Leipz. 1882); Royle, The Egyp- 
_ tian campaigns 1882-—1885 (Lond. 1886, 2 Bde.); 
Plauchut, L’Egypte et l’occupation anglaise (Yar. 
11889); Refener, W. unter engliſcher Offupation 
(Berl. 1896); Cameron, Egypt in the nineteenth 
century (fond. 1898); UW. S. White, The expan- 
sion of Egypt under anglo-egyptien condominium 
(daſ. 1899); Bréhier, L’'Eeypte de 1798 a 1900 
(Bar. 1901); Milner, England in Egypt (6. Aufl., 
Yond. 1899); Dicey, Story of the Khedivate (daf. 
1902). Bibliographiſche Hilfsmittel: Jolowiez 
Bibliotheca aegyptiaca (Leipz. 1858, Supplement 
1861); Bring Jbrahim Hilmi, The literature of 
Egypt and the Soudan (Lond. 1888, 2 Bbe.); Harte 
‘mann, The arabic press of Egypt (daf. 1899). 
uAgyptia (franz. Toiles égyptiennes), weißer 
Baumwollenſtoff mit Leinwandbindung und 32 Ket⸗ 
ten- und 34 Schußfäden auf 1 cm. Garne: Kette 
Mr. 32 engl., Schuß Nr. 26 engl. 

diahptian, ſchwarze Wedgwoodware. 








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202 


Agyptiſchblau, fine blaue Farbe, die in Alex— 
anbdria erfunden und von Veſtorius in Buteoli her— 
ejtellt wurde. Sie befteht aus Calciumfupferfilifat 
‘a0. CuO. 4810, und wird erhalten durch Zuſammen— 
ſchmelzen von Ralf, Sand, Kupferſpänen und ſchwe— 


feliaurem ali. Sie wird durch Schwefelammonium 


nicht geſchwärzt und iſt fehr widerftandsfabig. 
Agyptiſche Uugenentziindungl, ſ. Uugenent- 
giindung. =” 
MUgyptifde Bohne, |. Nelumbium. 
Rgyptiſche Chlorofe, ſ. Anchylostomum. 
Agyptiſche Erpedition der Frangofen (1798 
bis 1802). Nad) dem Frieden von Campo Formio 
(17. Dft. 1797) plante Napoleon Bonaparte cine Un- 
ternehmung gegen Uqypten. Dor Bwed war, den 
Glanz feines Namens m den Augen der Franjofen 
gu erhöhen, Frankreichs Herrſchafi auf dem Mittel⸗ 
meer ju beqriinden und ihm eine jtarte Stellung auf 
Dem Wege nad) Ojtindien gu ſchaffen. Um den ebr- 
Beizigen Feldherrn aus Frantreid) zu entfernen, gab 
as Minijterium feine Zuſtimmung zu der Expedition. 
Die tiidtigiten Generale, ferner eine Anzahl Gelehrte, 
Künſtler und Tedhnifer begleiteten Bonaparte. Am 
19. Mai 1798 verließ er mit 15 Qinienfdiffen, 14 Fre- 
qatten, 12 RNorvetten und 25,000 Mann auf 400 
Fransportidiffen den Hafen von Toulon und erſchien 
9. Juni vor Malta, das fid) 13. Juni ergab. Um 
1. Juli landeten die Franjofen bei Ulerandria, das am 
2. Juli genommen ward. Cine arabifde Proflamation 
Bonapartes verfiindete den Einwohnern Befreiung 
von der Mamelucenbherridaft und fiderte ihnen Wdh- 
tung vor ihrer Religion und Sitte gu, da er felber ein 
uter Muslim fei. Der Mamelucdenbei Murad ward 
ei Chébréiije 13. Yuli gefchlagen und fein verjdanj- 
tes Lager bei den Byramiden 21. Yuli erjtiirmt. Wm 
25. Juli zogen die Frangojen in Kairo cin. Allein die 
Vernidtung der franzöſiſchen Flotte bei Ubutic (f. d.) 
1. Aug. zerſtörte die Hoffnungen Bonapartes. Zu— 
nächſt ſchlug er einen Aufſtand zu Kairo nieder (21. 
bis 24. Oft.) und rückte dann mit 12,000 Mann dent 
in Syrien fid) fammelnden tiirfifden Heer entgeqen 
(im Februar 1799). Nad dem Falle Jafas (6. Mary) 
traf er 16. März vor St.-Qean d'Aere (Wffa) ein. 
Deſſen Verteidigung durch Dechezzar Paſcha und den 
engliſchen Admiral Sidney Smith, —— und Peſt 
nötigten ihn, obwohl er 16. April am Berge Tabor 
cine tiirfiiche Entſatzarmee unter Abdallah Paſcha 
ſchlug, 17. Mai die Belagerung aufzuheben. Mit ſei— 
nem auf die Hälfte zuſammeng chmolzenen Heer 
nach ÄAgypten zurückgekehrt, vernichtete er bei Ubutir 
25. Juli ein türkiſches Heer, das dort gelandet war, 
und hatte ſo ſeine Herrſchaft aufs neue befeſtigt, als 
ihm die bedrohlichen Verhältniſſe in Frankreich den 
erwünſchten Vorwand gaben, heimgulehren. Er über— 
gap bei feiner heimlichen Abreiſe (23. Aug.) den Ober: 
efebl an Kleber; diefer ſchlug 20, Marz 1800 bei 
Matarijeh (Heliopolis) den Grofwefir Yuſuf Paſcha, 
ward aber von etnem Tiirfen in Rairo ermordet (14. 
Suni). Der Oberbefehl fam darauf an Wenou. Am 
1. Mary 1801 erſchien die englijde Flotte unter Uber- 
cromby vor Werandria; am 21. ward Menou bei 
Ubufir gefdhlagen. Ru gleider Seit landete cine neue 
tiirfifche Flotte, und der Großweſir bedrohte von Sy— 
rien ber Natro, während alle Berfuche des Udmirals 
Gantheaume, von Franfreid aus friſche Truppen und 
Vorrate nad Agypten ju ſchaffen, ſcheiterten. Nach 
wiederholten Kapitulationen der Unterbefehlshaber 
mußte aud) Menou 2. Sept. 1801 in Alexandria auf 
freien Ubjug mit Waffen und Gepid mit den Eng- 


Agyptiſchblau — Ahab. 


ländern abſchließen und erreidte Frankreich im No- 
vember 1801 mit dem größten Teile der wiſſenſchaft⸗ 
liden Sammlungen. Im ganzen famen etwa 18,000 
Mann Soldaten nad Franfreid) zurück. 

Als Eroberungsjzug und als Berjud, Englands 
Herrfdaft an einer wunden Stelle angugreifen, war 
| die ägyptiſche Expedition verungliidt; aber auf dem 
Gebiete Der Wiffenfdhaft find ſelten größere Eroberun- 
gen gemadt worden. Die agyptifde Baukunſt ward 
Jebt erjt in ihrer Größe erfannt, und der Schleier lüf⸗ 
tete fid), Der biSher fiber einem großen Teile der Ge- 
ſchichte und Geographie Agyptens gerubt hatte. Die 
wifjenfdaftliden Refultate Der Expedition find nie- 
dergelegt tr der »Description de l’Egypte, ou Re- 
cueil des observations et des recherches pendant 
l’expédition de l’armée francaise« (Lar. 1809—13; 
2. Uusq. 1820—30, 26 Bde. u. 12 Bde. Rupfertafeln). 
Val. be la Jonquiere, L'Expédition d'Egypte 
(Sar. 1898—1901, Bd. 1—2, Berdjfentlidung des 
franzöſiſchen Generaljtabs); die »Mémoires« von 
Verthier (daj. 1827) und Reynier (daf. 1827); 
Raybaud, Histoire scientifique et militaire de 





l'expédition frangaise en Egypte (daſ. 1830 — 36, 


9 Bode.); Shneidawind, Geſchichte der Expedition 
der Franzoſen nach Aqypten re. (Zweibr. 1830, 3 Bde.); 
Burgoyne, Navaland military operations inEgypt 
1798 —1802 (Lond. 1885). 

ptiſche Finfternis, ſprichwörtlich geworde- 
ner Unusdrud nad 2. Mof. 10, 22, wo bei der 
lung der über Ugypten verhängten Plagen die Rede it 
von der drei Tage lang währenden » diden Finſternis · 

Ugyptijder Kanon, ſ. Kanon. 

Rgyptijde Schrift , ſ. Hieroglyphen. 

RUgyptijdes Korn, ſ. Gerſte. 

Ugyptifcdes treuz, ſ. Antoniuskreuz und Kreuz 

—A (griech.) Renner der äghyptiſchen Ulter- 
timer; Ugyptologie, agyptifde Wltertumstunde ; 
weiteres f. YUgupten, S. 190 ff., und Hieroglyphen. 

Rgyptos, im griech. Mythus Sohn de3 Belo’, 
Swilltngsbruder des Danaos, Croberer des Landed 
der Melampoden (⸗Schwarzfüße«), das er nad fich 
Agypten benannte. Val. Danaos. 

Agyrion, Stadt, j. Ugira. 

Wgyrten, bei den Griechen herumziehende Bettel- 
priciter und -propheten; am beriidtigtiten waren die 
logan. Metragyrten oder Galli (jf. d.). 

guitifde (agyptifde) Tage, die Tage der 
alten Kalender, an denen Wderlajjen, Retfeantritt und 
andres widerraten wurden, meijt zwei in jedem Monat. 

Whab (hebr., »Vatersbruder<), König von Israel, 
Sohn des Omri, 918 — 897, nach neuerer Annahme 
874 — 853 v. Chr., behauptete die von ſeinem Bater 
erworbene Machtſtellung. Wit Phönilien ftand er in 
freundſchaftlicher Verbindung und vermablte fid mit 
Sebel, der Tochter König Ethbaals von Sidon; auch 
mit dem Reiche Juda knüpfte er cin Familtenbiindnis 
an, indem er feine Todter Uthalja mit König Joram 
verheiratete. Er herridte iiber die Moabiter und Am⸗ 
moniter, befiegte Den Rinig Berrhadad von Damastus, 
zwang ihn gum Frieden von Aphel und webrte, mit 
ihm vereint, einen Angriff der Aſſyrer (Schladt bei 
Narfar) ab. Er befdrderte den Handelsvertehr, legte 
Stadte an und baute ſich auf einer Anhöhe m Der 
Ebene Jesreel einen prächtigen Palaſt, das »elfen- 





beinerne Haus«. Da er aber feiner Gemablin ju Ge- 
fallen in feiner Hauptitadt Samaria den phinifijden 
Gottheiten Baal und Ujtarte Tempel erridten liek, 
| erregte er bie Propheten und ihren Fiibrer Elia gegen 
| jid). A. vertrieb die Prieſter Gottes ; aber infolge emer 


Ahaggar — Ahlqpiſt. 203 


Diirre und Hungersnot erhob fid) das Vol, erfdlug! Wblefeldt, Elife, Grafin, geb. 17. Nov. 1788 
die Baalspriejter, und A. mußte den Propheten die | auf Langeland, gejt. 20. März 1855 in Verlin, Toch— 
Rückehr gejtatten. Jn einem zweiten Kriege mit Da- | ter des Grafen Friedrid von A. (1760 —1832), 
mastus fiel der Konig bet Ramoth. Dom folgte fein | feit 1810 Gemabhlin des Freiforpsfiihrers v. Lützow, 


Sohn Ahasja. 

MAhaggar (Hogar), Landfdaft in der mittlern 
Sahara, zwiſchen 24—26° nbrdl. Br. und 4—6? öſtl. L., 
von einem von RW. nad) SO. jtreidhenden, 600— 
1200 m hohen Plateau (Atakar⸗n-A.) mit den im 
Winter ſchneebedeckten Swillingsgipfeln Watellen und 
Hitena durdzogen, von denen nad S. der aus zahl— 
Injen Wadis entitehende Tin Tarabin abjlieRt. Wm 
nördlichern Tifedejtgebirge zieht Der Wadi Ighargar 
voriiber. Hauptort ijt Jdeles an der Karawanen— 
{trae von Inſalah nad) Usben. Die Daſe ijt der 
Dauptiig der räuberiſchen UW. -Tuareg, die hier 1881 
die Erpedition Flatters vernidteten. 

Ahanta, Landſchaft der brit. Kolonie Goldtiijte 
(j. d.) in Wejtafrifa. 

Ahas (hebr., ⸗Beſitzer«), Konig von Juda, 742— 
727, nad andrer Zeitrechnung 734—715 v. Chr. rief, 
bedrangt von Edomitern und Philijtern und zugleich 
durch die Könige von Israel und Damastus ange- 
qriffen, den affyrifden König Tiglath-Pilefar zu Hilfe, 
mbdem er ihm alle Schätze Des Tempels und des Kö— 
nigSpalajtes ſchickte. Tiglath-Pilefar unterwarf aud 
VU." Feinde, zwang ihn jelbjt aber, ihm in Damastus 
gu huldigen, Tribut gu zahlen und aſſyriſchen Götzen— 

ienjt in Jeruſalem einzuführen. 

Ahafiten (Untiodianer), Bezeichnung der Ver- 
fechter des Jus territoriale circa sacra, d. 4 der un- 
umſchränkten Gewalt des Landesfürſten in firdlicen 
Dingen, von der cinjt die Könige Ahas und Untiodos 
einen iibertriebenen Gebrauch madten. Vorzüglich 
wurden Thomas Hobbes, der in dem Buch »De cive⸗ 
ſolche Macht in die Hand der Fürſten legt, und ſeine 
Anhänger A. genannt. 

Ahasverus (eigentl. Achaſchweroſch), 1) die 
hebräiſche Form des Namens Xerxes (. d.). — 2) S. 
Ewiger Jude. 

aus, Kreisſtadt im preuß. Regbez. Münſter, an 
der Ua, Knotenpunkt der Eiſenbahnen Dortmund- 
Enſchede und Borken-A., hat eine evangelijde und 
eine fath. Kirche, ein Schloß, Wmtsgeridt, Jutelpm- 
nerei und -weberei, Holsidyuh-, Tabat- und Zünd— 
warenfabrifation und (1900) 3930 Einw. Die Stadt 
ehörte bis 1400 einem Wdelsqefdledt, fam dann an 
83 Bistum Münſter, fiel 1803 dem Fürſten von 
Salm-Salm ju und 1813 an Preußen. 

Ahauſen, Dorf, ſ. Auhauſen. 

MF, ſ. Uba. 

Ahl, rdtlid)brauner, eiſenhaltiger Sand und Sand⸗ 
ſtein, aus Dem bier und da der Boden in den ebenen 
Heideflächen in Jiitland u. Schleswig-Holitein bejtebt. 

Ahlbeck, Dorf im preuß. Reghe3. Stettin, Mreis 
Ujedom-Wollin, an der Ojtice und der Staatsbahn- 
linie Swinemiinde-Heringsdorf, hat eine evang.Rirde, 
cin fehr befudtes Seebad und (1900) 2000 Einw. 

Ahlbeere, ſ. Johannisbeerſtrauch. 

Ahlden, Flecken im preuß. Regbez. Lüneburg, 
Kreis Fallingboſtel, unweit der Aller, hat eine evang. 
Kirche, cin Amtsgericht, Fabrilation von Rohgelatine 
und (1900) 851 Einw. — Das dortige Schloß be— 
wobnte 1695 —1726 König Georgs I. von England 
geſchiedene Gemahlin Sophie Dorothea (daher Prin— 


zeſſin von A. genannt, ſ. Sophie) als Gefangene. | 


Ahle (Pfriemen, Ort), ge Stablwert- 
zeug jum Steden von Löchern, Wusreiben von Bohr- 
löchern, Rorrigieren von Schriftſatz 2¢. 


begleitete ihren Gatten gur Bildung des Freiforps nad) 
Breslau und dann aud ins Feld, wo fie die Berwun- 
deten aufopfernd pflegte. Infolge ihres Verhältniſſes 
ju Smmermann fied fie gütlich von Liigow. Mit 
jenem lebte fie in einem Landhauſe bei Diijjeldorf, 
lehnte aber die Vermahlung mit ibm entidieden ab. 
Rad Immermanns anderiweitiger Berlobung 1839 
trennte fie fid) von ifm und lebte bis an thr Ende ju 
Berlin. Val. Ludmilla Aſſing, Gräfin Eliſa von A. 
(Berl. 1857); E. v. Hohenhaufen, Beriihmte Lie- 
beSpaare (2. Aufl., Leipz. 1895). 

Ahlel Havif , ſ. Pariavölker. 

Ahlen, Stadt im preuß. Regbez. Münſter, Kreis 
Beckum, an der Werſe und der Staatsbahnlinie Wu— 
ftermarf-Hamm, bat eine evangeliſche und 2 kath. 
Rirden, Synagoge, Amtsgericht, Maſchinenbau, Rod)- 
geſchirrfabrikalion und (900) 6565 Cinw. 

Ahlfeld, Johann Friedrid, nambafter Kan— 
zelredner der jtreng lutherifden Ridtung, geb. 1. Nov. 
1810 gu Mehringen im Anhaltiſchen, geyt. 4. Mary 
1884 in Leipsiq, ward 1834 Gymnaſiallehrer in Zerbjt, 
1837 Reftor in Worlig, 1838 Paſtor in Alt⸗Alsleben, 
1847 in Halle, 1851 an der Nifolaifirde gu Leipzig 
und trat 1881 in den Ruheſtand. Verfaſſer ciner gro- 
pen Anzahl vielbenugter und oft aufgeleqter Predigt- 
jammlungen, dDarunter: » Predigten tiber die evange- 
liſchen Berifopen< (12. Aufl., Halle 1892) und »iiber 
die epijtolifden Peritopen« (5. Uufl., daf. 1899) ; ſchrieb 
aud —— fürs Volk« (7. Aufl., daſ. 1898). 
Bal. »Friedrid) A., ein Lebensbild« (Halle 1885). 

wet n, Ernjt, Pſeudonym, ſ. Benedict3fon. 
A thei ſ. Siitland. 

Ahlkirſche, ſ. Lonicera und Padus. 

AHiqvift, 1) Auguſt Engelbert, finn. Sprad- 
forfder, geb. 7. Uug. 1826 zu Nuopio in der Land- 
{daft Savolar, gejt. 20. Nov. 1889 in Helfjingfors, 
ſtudierte daſelbſt Philoſophie und Philologie, wid— 
mete ſich dann namentlich der Erforſchung der 
finniſchen Sprachfamilie und wurde 1863 Profeſſor 

der finniſchen Sprache und Literatur an der Univer—⸗ 
fitat i Helfingfors. Um das Finniſche zur Sdrift- 
und Landesfpradje ju erheben und eine finnifde Na- 
| tionalliteratur zu ermigliden, gründete er 1847 Die 
Zeitſchrift »*Suometare, fiir die er (unter dem Pſeudo—⸗ 
nym Offanen) wertvolle Beiträge lieferte. Er be- 
| icaiftigte fich Dann vorzugsweiſe mit Der Sprade der 
Wotjaten (7. d.), deren Grammatik er ſchrieb (» Wotisk 
| crammatik«, Delfingf. 1856), und bereijte Dreimal 
Nordrußland und Sibtrien zu ſprachwiſſenſchaftlichen 
Forſchungen, deren Ergebnis er in dem »Verſuch 
einer ——— Grammatik« (Petersb. 
1862) und den beiden Werken: »Die Ktulturvöllker der 
weſtfinniſchen Spradjen« (daf. 1871, deutſch 1875) und 
» Liber die Sprache der Nordojtjafen« (Helſingf. 1880) 
niederlegte, während er unter dem Titel » Unter Wo- 
are und Ojtiafen« (daf. 1883) feine Reifeeindriide 
eſchrieb und zahlreiche fleinere ſprachwiſſenſchaftliche 
Arbeiten in verſchiedenen Zeitſchriften veröffentlichte. 
Sein wichtiges Werk: »Uber den Bau der finniſchen 
Sprache« (Helſingf. 1877), blieb unvollendet. A. hat 
aud) Unterſuchungen fiber den Urſprung des finni- 
| fdjen Epos »Ralewala« (zulegt 1887) und finnijde 
| Gedichte unter dem Titel »Sikeniii« (> Funfen«) ver- 
öffentlicht und Schillers⸗Glocke⸗, »Kabale und Liebe« 
iu. a. ind Finniſche übertragen 








204 


Ahlsdorf — Ah 


med Sah. 


2) Alfred Guftav, ſchwed. Hiftorifer, geb. 17. ſchloß A. mit Ojterveid) 11. Nov. 1606 den (meHrmmals 
Juni 1838 auf der Inſel Oland, geft. 26. März 1881 | erneuerten) 20jährigen Waffenjtilljtand von Sitwa⸗ 
in Berid, 1864 als Dozent in Upjala, ſpäter als | torof, wodurd) der friihere Yujtand im weſentlichen 
Gynmajialoberlehrer in verjdiedenen Städten tätig, | hergejtellt, Oſierreich aber jum erjtenmal als qleich- 
hat das Ergebnis jeiner ſchwediſchen und auslindt- | beredhtigte Macht anerfannt wurde. Durd) den Frie— 
ſchen Archivforſchungen in zahlreichen wertvollen Bei- den von 1612 bejtitigte U. den Berjern die Eroberur- 


irdgen zur Geſchichte Schwedens tm Reformations: | 
jeitalter niedergelegt. Die wichtigſten find: »Om oro- | 
ligheterna i Smaland och Vestergitland 1529« 
(preisqefrint, Upj. 1863); »Om aristokratiens for- 
hAllande till konungamakten under Johan II" rege- 
rings (Daj. 1864—-66, 2 Bde.); die Monographie » Ka- 
rin MAnsdotter« (Stoch. 1874); »Konung Erik XIV* 
sista lefnadsdr« (2. umgearb. Aufl., Daj. 1878). 

Ahlsdorf, Dorf im preuj. Regbez. Merjeburg, 
Mansfelder Gebirgstreis, an einer eleltriſchen Klein— 
babn, hat cine cvang. Rirde, Kupferſchieferbergbau 
und (1900) 2624 Einw. 

AHlwardt, 1) Wilhelm, Orientalijt, geb. 4. Juli 
1828 in Greifswald, jtudierte daſelbſt und in Git- 
tingen orientaliſche Spradjen und ijt feit 1861 Bro- 
feijor der orientaliiden Spraden ju Greifswald. Er 
ſchrieb: » Uber Poeſie und Poetik der Uraber« (Gotha 
1856), »Bemerfungen fiber die Edtheit der alten 
arabijden Gedichte⸗ (Greifsw. 1872), gab beraus 
» Shalef elahmars Qaſſide⸗ (daf. 1854), den » Diwan 
des Ubu Nowas« (Daf. 1861, Heft 1, Weinlieder), 
»The divans of the six ancient Arabic poets« 
(ond. 1870), » Unonymte arabifde Chronif« (Greifsw. 


1883) u.a. Sein Hauptwerf ijt das bedeutende ⸗Ver⸗ 
zeichnis der arabijden Handidriften der fonigliden 


Bibliothet zu Berlin« (1887 — 99, 10 Bde.). 
2) Hermann, antiſemitiſcher Ugitator, geb. 21. 


Dex. 1846 in Krien bei Unflam, befucdte das Seminar | wurden von den Oſterreichern 


in 


einer Berliner Gemeindejdule. An Reden und Fluq- 


idriften trat er heftiq geqen die Juden auf und wurde | 


penfioniert. Dagegen wurde er 1892 und 1893 zum 
ReidStagsabgeordneten gewählt. Wegen der Beſchul— 


ranienburg, ward 1866 Lehrer und 1881 Reftor | 


gen Ubbas' I. Die prächtige Mofdee feines Ramens 
zu Ronjtantinopel erbaute er in fieben Jahren mut 


‘einem Aufwande von mehreren Millionen. 


2) U. IL., 21. Sultan der OSmanen, geb. 1642, geſt. 
6. Febr. 1695, Sohn Ibrahinis (qejt. 1648), ward nab 
ſeines Bruders Soliman II. Tode von den Janit ſcha⸗ 
ren 1691 auf den Thron erhoben, eine dichteriſche. 
melandolifche Natur; 19. Aug. 1691 wurde fein Heer 
unter Mujtafa Köprülü bei Slanfamen durd den 
Marfgrafen Ludwig Wilhelm von Baden geidlagen. 

3) i UL, 23. Sultan der OSmanen, geb. 1673, 
geſt. 1736, Sohn Mohammeds IV. (qeit. 1687), ge— 
langte nad) Abſetzung feines Bruders Mustafa IT. 
1703 auf den Thron. 1709 fliidjtete Karl XII. von 
Schweden mit den Triimmern feiner bei Poltawa ver- 
nidteten Urmee nad) Bender am Dnjejtr und tried 
die Bforte zum “7% gegen Rußland. Am Pruth 
ward 1711 Peter d. Gr. eingeſchloſſen; aber die Be— 
itechlichfeit deS Großweſirs Baltadſchi bewirfte 12. 
Juli einen ihm giinjtigen Frieden. A. jegte zwar 
Baltadidi ab, ratijizjierte aber 1712 den Vertrag und 
nötigte 1714 den inzwiſchen nad Demotifa bei Wdria- 


nopel gebradten Karl XIT., fein Land ju verlaſſen. 


Den Venezianern nahm der Großweſir Damad Ali 
Kömürdſchi 1715 Morea. Allein bet Peterwardein 


verlor 5. Uug. 1716 Ali gegen Prin, Eugen Sieg 
fund Leben; Temesvdr (13. Oft.) und das Banat 


—— Verluſte. 
die durch Schulenburgs glückliche Verteidigung Kor— 
fus (19. Aug.) nur geſteigert wurden. Der neue Groß⸗ 
weſir Chalil wurde 16. Aug. 1717 bei Belgrad gänz— 
lid) geſchlagen, und im Frieden von Poſcharewatz 


(21. Juli 1718) trat UW. das Banat, Nordierbien mut 


Belgrad und die Kleine Walachei an Oſterreich ab. 





digung (in den beiden Schriften » Judenjlinten «, 1892), 
bck die Löweſche Waffenfabrif den Staat durch Liefe- 
a idlechter Gewebre wiſſentlich betrogen habe, zu 
5 Monaten Gefiingnis verurtetlt, fepte er dennoch 
ſeine Unflagen gegen die Auden, daß fie das deutſche 
Boll ausbeuteten, die Behdrden ſchädlich beeinflußten, 
im Reichstag und in Verſammlungen fort. Schließlich 
ward er von einem Teil der Antiſemiten verleugnet 
und aus der Deutiden Reformpartet ausgeſchloſſen. 
Er ſchrieb nod: » Der Vergweiflungsfampf der ari— 
ſchen Boller mit dem Judentume (Berl. 1840); » Der 
id eines Juden«( 1891); -⸗Jüdiſche Taltif <( 1891) u.a. 

Ahm (Tierce), die din. Ohm fiir Wein und 
Branntwein, —4 Anker, im Großhandel ju 20 Viertel 
von 8 Potter = 154,579 Vit. angenommen. Auch fo- 
viel wie WH ming (jf. d.). 

Ahmadpur, zwei Städte im britifd-ind. Tributar- 
jtaat Bahawalpur (Pandſchab), die eine mit (1801) 
98.44 Einw. (6240 Mohammmedaner, 3602 Hindu), die 
andre (fiidlidjere) mit (1891) 4203 Einw. (2381 Hindu, 
1822 Wobhammedaner). 

AUHmed (> der Preiſenswerte⸗), Beiname des Bro- 
pheten Mohammed, dabher haufiqer mohammedanijder 
Berfonenname, insbeſ. mebrerer Sultane: 

1) A. J., 14. Sultan der Osmanen, geb. 1589 in 
Magnesia, geſt. 22. Nov. 1617, bejtieq nad) dem Tode 
jcines Baters Mohammed IIL. 1603 den Thron, ſetzte 
den 1593 begonnenen Krieg gegen Kaiſer Rudolf I. 
fort; alg fic) der gleichzeitige Krieg mit den Berfern, 
die Eriwan und Kars eroberten, ungiinitig wandte, 


einige Ordnung; Fejtungen wurden gebaut, die erite 


A., m Wollujt verfunten, überließ die Berwaltung 
den Wejiren. Trogdem fam in das Steuerwefen 


tiirftiche Drucerei errichtet. Deshalb wird Whmeds 
Regierung als der Unfang des fiir die türkiſche Ge- 

ſchichte wichtiqen Zeitalters der Cinfiihrung euro- 
| patider Einrichtungen in das osmaniſche Heid be- 
zeichnet. Gegen Ende feiner Herridaft entbrannte 
der Krieg mit den Perſern (Schah Husain) von neuem. 
Gleichzeitig erhoben ſich die mit Den Neuerungen un- 
| jufriedenen Janitſcharen; obwohl A. ihnen Weſir 
und Miniſter opferte, wurde er zur Abdankung ge— 
| nbtigt (30. Sept. 1730) und ſtarb 1736 tm Gefang- 
nis, wabhrideinlid) Durd Gift. Bal. Kruſinſki, 
Prodromus ad tragicam vertentis belli Persici his- 
toriam (Leopolis 1734); Ranke, Die Venezianer m 
Morea (Werfe, Wd. 42). 

Whmed ibn Hanbal, Stifter ciner der vier ortho 
dDoren Seften des Aslam, f. Urabiide Literatur. 

Ahmed ibu Zeni Dahlan, arab. Gelebrter, ſ. 
Arabiſche Literatur. 

Ahmed Shah, Begriinder des Reiches der Afgha⸗ 
“nen, geboren um 1724, gejt. 1773, Sobn des Seman 
Chan aus dem Stanrme der Ubdali, begleitete als Stab- 
trager (Aſaberdar) Nadir Schah auf feinen Feldsiigen. 
Rad Nadirs Ermordung (1747) ward er von den 
Hauptlingen jum Herrider von Afghaniſtan erhoben. 
Er nahm den Ehrennamen Dor Doran (> Berle der 
Beit<) an, wonad) fein Stamm fowie die Afghanen 








Ahmed Wefif Paſcha — Ahnen. 


überhaupt Durrani sea wurden, unteriwarf 
1748 die Galtida, eroberte Ghazni, Kabul, Dſche— 
lalabad, beſetzte Labor und Multan und zwang den 
Statthalter bes Pandſchab zur Tributsahlung. Dann 
nad) W. jid) wendend, nahm er 1749—50 Herat und 
Niſchapur und unterwarf Chorafan und Geijtan. 
Nachdem er durd) Vertrag mit Ahmed Schah von 
Dehli das Pandſchab nebjt den öſtlich —— 
Provinzen bis Sirhind beſetzt hatte, verleibte er 1752 
aud Kaſchmir ſeinem Reich ein. 1756 und 1760 plün⸗ 
derte er Dehli und ſchlug 6. Jan. 1761 die Marathen 
bei Panipat. Er hinterließ jeinem Sohne Timur Schah 
cin großes Reich, das jedod) ſchon im zweiten Biertel 
des 19. Jahrh. in die Gewalt des Weſirgeſchlechts der 
Barakzai geriet. 

Ahmed Wefif Paſcha, türk. StaatImann, qebo- 
ren um 1818 in Sonjtantinopel, gejtorben im Suni 
1891, Sohn eines gum Islam iibergetretenen Grie- 
chen und einer Jüdin, wurde feit 1834 zu Baris im 
College Ste.- Barbe ergogen; in die Hetmat guriid- 


efehrt, erhielt er cine Unjtellung im Überſetzungs⸗ 
| einen Parſi⸗ und 3 Hindutempel und cine große Her- 


ureau, defjen Chef er bald wurde. Seit 1847 gab er 
ein ſtatiſtiſches Jahrbuch iiber die Türkei Heraus (»Sa- 
laamé, ou Annuaire de l'Empire ottoman<). Ende 
1847 wurde er jum Rommijjar der Pforte in den 
Donaufiirjtentiimern ernannt und war 1851— 55 
Gefandter in Perjien, dejfen Bündnis mit Rugland 
er verhinderte. Nad) feiner Rückkehr ward er Mitglied 
des Staatsrats und des hohen Kriegsrats. Nady 
er 1857 kurze Seit reformfreundlider Juſtizminiſter 
und 1860—61 Gejandter in Paris oa ie war, wo 
er ſich Durch jeinen Einſpruch gegen die ſyriſche Expe- 
dition die Ungunſt des Hofes jujog, wurde er Vorjtand 
des Miniſteriums der frommen Stiftungen, madte 


jih aber durch Einjdreiten gegen Mißbräuche unbe- | 


liebt und wurde 1863 abgeſetzt. Run widmete ſich A. 
al8 » Cinfiedler von Rumili Hiſſar⸗ gelehrten Studien. 
Moliere überſetzte er ins Türkiſche und ſchrieb ein geo— 
graphiſches Handbuch fiir Bolfsfdjulen. 1877 er- 
nannte ibn Abd ul Hamid IT. gum Prafidenten der 
erjten türkliſchen Deputiertenfammer. Während des 
Strieges war er Generalgouverneur von Wdrianopel, 
Februar bis Upril 1878 Bremierminijter (Friede von 


Santo Stefano) und ging daraufals Wali nad Bruſſa, 


wo er 1882 wegen fener Strenge abgeſetzt wurde. 
Ahmedabad, Hauptitadt des gleichnamigen Di- 
jtrifts (9896 qkm mit (1891) 921,712 Einw.) in der 
nördlichen Divijion der britiſch-ind. Prajidentidaft 
Bombay, unter 23° 2 nördl. Br. und 72° 48’ öſtl. L., 
am linfen Ufer des Sabarmati, Rnotenpuntt von drei 
Eiſenbahnen nad Ugra, Bombay und der Halbinfel 
Gudſcharat, umgeben von einer befejtigten Mauer mit 
14 Toren. A. Ht beriihmt durch feine Pradtbauten, 
bet denen ſarazeniſche Kunſt mit der der Hindu und 
Dſchaina harmonijd) jufammenwirtte. Es enthalt 
15 beriihmte Mojcheen, darunter die von Ahmed Schah 
erbaute Dſchama Masdſchid, die »>Cljenbenmofdee<, 
aus Marmor mit eingelegten Verzierungen aus Clfen- 
bein, Silber, Edeljteinen und Perlmutter, ferner (als 
Hauptort der Didaina in Gudſcharat) 120 Djdaina- 
tempel, dDarunter den reid) mit Säulen aus weißem 
Marmor und koſtbaren Juwelen geſchmückten Hathi- 
ſinghtempel, die prächtigen Bauten an dem großen 
tiinjtliden Kankariaſee, in der Nähe prachtvolle 
Grabdenkmäler, Brunnen. Die Bevölkerung (1891: 
148,412) beſteht aus Hindu (67,8 Proz.), Wobant. 
medanern (21,2 Proj.) und Dfdaina, die eine an- 
ſehnliche Induſtrie in Seidenweberet mit Gold- und 














Silberbrofat, Baumwollweberei (4 Fabrifen mit | 


205 


Dampfbetried), fehr ſchöner Holzſchnitzerei, Papier, 
Töpfer- und Zinnwaren betreiben. Die Garnijon 
liegt abjeits der Stadt. A. hat ein Urienal, 18 Re— 
gierungs> und Miſſionsſchulen (4 fiir Madden), 
100 Sdjulen der Brahmanen, 2 Bibliothefen, em 
Hojpital, ein Irrenhaus, eine Unjtalt fiir Ausſätzige 
und ein Aſyl fiir Tiere (Bandfdrapol). — Im 17. 
Jahrh. die ſchönſte und reichſte Stadt Hindojtans mit 
900,000 Cinw., bliibend dDurd) Handel und Gewerbe, 
eviet A. unter der Herrjdaft der Marathen im 18. 
—5* — in Verfall, erholte ſich aber, ſeit die Briten 
die Stadt 1817 in Beſitz genommen haben. 
Ahmednagar, Hauptort des gleidynamigen Di- 
jtrifts (18,215 qkm mit [1891) 888,755 Einw) in der 
Zentraldivijion der britijd)-ind. Präſidentſchaft Bom- 
bay, unter 19° 5’ nördl. Br. und 74° 55 dtl. L., 
durd Zweigbahn mit den Linien Bombay-Allahabad 
und Bombay-Madras verbunden, ijt von einem ver- 
fallenen Erdwall umgeben, meijt aus ungebrannten 
Siegeln erbaut, hat ene Menge Mojdeen (jest viet- 
fad) Regierungsgebäude), cine amerifanifde Rirde, 


berge (Dharmjala). Außerhalb der Stadt das jfeit 
der Einnahme durd die Englander halbzerſtörte Fort. 
Die Cimwohner (1891: 41,689, meiſt Hindu) trei- 
ben Baumwoll- und Seidenweberei, Fabrifation von 
RKupfer- und Mefjinggeidirr, Teppichen (jahrlid fiir 
112,000 Pfd. Sterl.), aud) Getreidehandel. 

Ahming, Sfala in Fuß oder Dezimeter am BVor- 
und Hinterjteven, gibt den Tiefgang des Schiffes an. 

Whu, Johann Franj, Sdulmann, geb. 15. De}, 
1796 in Aachen, gejt. 21. Uug. 1865 in Neuf, ert 
Kaufmann, dann Ratafterqeometer, endlid) Lehrer, 
julept (1843—63) an der Realfdule zu Neuf. Ber- 
bie des feiner Reit weitverbreiteten -Praktiſchen 
Lehrganges der franzöſiſchen Sprachee (1. Kurſus, 
Rodin 1834, 223. Wut. 1901; 2. Kurjus, daj. 1840, 
52. Wufl. 1898), Dem ähnliche Lehrbiider der eng- 
liſchen, hollindijden, italienijdjen Sprade folgten. 
In der Methode folgt UW. dem Borgange Seiden. 
jtiiders (j. d.), indem er mit Beijpielen beginnt und 
nadber die Regeln gibt. 

Ahnen (althodd. ano, mittelhodd. an), im engjten 
Sinne Grofeltern, dann iiberhaupt Borjahren. Der 
Beweis der A. (Ahnenprobe) war eine widtige In— 
jtitution des auf die Geburtsſtände begriindeten ger- 
manijden Redts. Die aus nidt ebenbiirtiger te 
hervorgegangenen Kinder waren in verjdiedenen Be- 
jtehungen ungiinjtig geſtellt, namentlid) ſukzedierten 
jie nidjt in Die Lehen. Nur der Sohn war ebenbiir- 
tig, deſſen Bater und Mutter aus ebenbiirtiger Ch: 
—— waren. Der Sachſenſpiegel ſchreibt 
daher durchweg den Beweis von vier A., alſo der 
beiden Großelternpaare, vor. Wud) fiir das Kampf— 
gericht war die Ahnenprobe erforderlich, weil jeder 
nur ſeinen Genoſſen kämpflich anſprechen fonnte. Unter 
der Herrſchaft des Sachſenſpiegels waren dieſe Ver— 
hältniſſe fo ſtreng geordnet, daß die mit einem Dienjt- 
weib erzeugten Kinder eines freien Herrn den Adel, 
die mit einer Bauerntochter erzeugten Kinder eines 
Ritterbürtigen den Heerſchild (j. d.) verloren. Etwa 
von 1400 an wurde dieſes Recht laxer gehandhabt. 
Schon gi, oars erteilte Befretungen vom 
Zwange der Ehenbiirtigteit. Durch die Vegriindung 
des nidt feudalen Brictadels verlor die Uhnenprobe 
viel von threr frühern Bedeutung, anderjeits aber 
wurde von Dem Lehnsadel, um die »neugebadenen« 
Edelleute von den Orden, Domſtiftern, Ritterfpielen re. 
auszuſchließen, eine inumer ftrengere Uhnenprobe (ju 


206 


8, 16 und 82 ebenbiirtigen A.) eingefiifrt. Jn ee 
fien und in der Lauſitz galt bis in die neuejte Bett 
nur der »vierfdildiqes, d. h. Der von vier ebenbiir- 
tiqen Gefdledhtern abſtammende Edelmann als voll- 
berechtigt. Wer an den vier A. Mangel litt, fonnte 
feinen redjten Edelmann an Ehren verlepen, nicht 

egen ihn Zeugnis ablegen; er war in keinem Chren- 
Cebit gu brauchen, fur; er war der adligen Brivi- 
legien nicht teilhaftig. Jedes Fiirjtentum der genann- 
ten Brovingen hatte eine Ritterbanf, die von dem 
Fürſten, refp. Dem Landvogt mit einem Marſchall 
und zwölf Beiſitzern befegt wurde; außerdem fun- 
gierte bet Dem Ritterredt em Herold. Bor diefem Ge- 
ridjtShofe wurden die A. erprobt und Ehrenhändel 
im Zweilampf ausgefodten. Die Brobenden führ— 
ten Die gemalten Sdilde ihrer vier UW. vor, die von 
Ungehidrigen der betreffenden vier Geſchlechter be- 
jdworen werden mußten. Die ſchleſiſche Ahnenprobe 
war aljo cine rein heraldijde. Sim übrigen Deutfd- 
land bediente man fic) bei den UWhnenproben der 
UHnentafel(f. unten), in der ſämtliche zu beweijende 
A. mit Bors und Zunamen fowie dem ridtiqen Wap- 
pen aufgefiibrt und die Filiation urkundlich nad- 
gewiefen fem mupte. Unter der Filiationsprobe 
verjteht man nämlich den Nachweis, daß alle in der 
Uhnentafel als Chegatten aufgefiihrten Berjonen in 
rechtsgültiger Ehe gelebt haben, und dah die in der 
Uhnentafel aufgefiibrten Kinder ehelich erzeugt find. 
Hierzu mußte Dann nod) der Beweis der Ritterbiir- 
tigfeit fommen. Als Beweismittel wurden neben den 
Kirchenbüchern auch Grabjteine, Leidhenpredigten und 
das eidlide Zeugnis jweier Cdelleute angenommen. 
Da dieje Uhnenproben den Weg in die reiden Pfriin- 
den Der Domfapitel und der adligen Stifter bahn- 
ten, bielten vorjidtiqe Väter oder Freier nod tm 
18. Jahrh. ſehr darauf, fid) nad) den A. des andern 
Teiles gu erfundigen, ebe fie fic) in ein Eheverlibnis 
einließen. Mit der Safularijierung der Kirchengüter 
im Anfang de3 19. Jahrh. verloren die Whnenproben 
den legten Reſt threr rechtlichen Bedeutung. Nur fiir 
den Emtritt in das Domfapitel gu Olmütz, fiir den 
preußiſchen Johanniter-, den Deutiden, Maltefer-, 
den bayriſchen St. Georgs- und einige andre Orden 
jowie fiir Die Kammerherrenſtellen ijt Heute nod eine 
Ahnenprobe erforderlich. 

Unter Uhnentafel, vom Stammbaum (f.d.) wohl 
ju unterideiden, verjteht man cine Aufſtellung der 
viiterlicen und mütterlichen A. einer her aera, "sa 
jonlicfeit nad folgendem Sdema: 

() Grofvater © Grofmutter [ Grofvater O Grofmutter 


O Sater 


O Mutter 
Oo 
Dies wiirde eine Uhnentafel zu vier U. fein. Wird 
dDiefelbe nod weiter zurückgeführt, fo entitehen Uhnen- 
tafeln von 8, 16, 32, 64 u. ſ. f. A., da ſich Durd 
Hinjufiigung einer weitern Generation die oberjte 
Ahnenreihe muner verdoppelt. 

UhnenFultus, ſ. Manendienit. 

Uhnenprobe , ſ. Wohnen. 

Ahnfrau, die Ahnmutter, Stammmutter eines 4 
Geſchlechts; in der Sage ein Geſpenſt, das ſich anf 
gewiſſen Schlöſſern, den Tod eines Familienmitglieds 
vorberverfiindend, ſehen läßt (7. Weiße Frau). So 
jollte das Ericheinen der Melutine (f. d.) den Tod 





eines aus der Famille der franzöſiſchen Könige ver: | 
fiindiqen. Ahnliches knüpft fid) an die Schlöſſer und 
Familie Der Hobhenjollern, aber aud an andre fiirit- 
lidje und adlige Familien. | 


Ahnentultus — Ähnlichkeit. 


Ahnlichkeit, im allgemeinen die UÜbereinſtimmung 
mehrerer Dinge in mehreren oder den meiſten ihrer 
Merkmale, im Unterſchiede von der Gleichheit oder 
der völligen Übereinſtimmung mehrerer Dinge in 
allen ihren Merkmalen. Je weniger weſentlich die 
tibereinjtimmenden Merfmale an Dingen jind, 
dejto zufälliger ijt ihre A. Ob wir jedod an zwei 
Objeften eine A. finden oder nidt, hängt aud) mit 
davon ab, unter welchem Geſichtspunkt wir fie ver- 

leichen; Dinge, die in einer Hinſicht ähnlich find, 
Onnen in andrer Hinſicht Gegenſätze bilden. 

Der Begriff der A. ijt vornehmlid) in den Natur- 
wifjenfchaften und in der Vathematif von Bedeutung. 
Die Klaſſifikation der Lebeweſen geht von deren 
oder der lbereinjtimmung im Organbau aus; die 
phyfiologijden und phyjitalijden Wiffenfchaften aber 
ſuchen aus der YW. (Unalogie) der Erjdeinungen und 
Wirkungen die dieje bedingenden allgememen Natur: 

efese ju erfennen. Obwohl die A., die beſtimmte 
Lier und Pflanzenarten untereinander und mit thren 
Erzeugern befigen, in vielen Fallen von Blutsver- 
wandtſchaft oder gemeinfamer Wbjtanmrung herrührt, 
fo gibt es dod) aud) eine Durd) gleiche Erndhrungs- 
—* und Lebensbedingungen erzeugte phyſiologiſche 
und morphologiſche A. Anpaſſungs-AH, die 3. B. 
viele Waſſerpflanzen und Tiere der verjdiedeniten 
Familien einander äußerlich gu nähern ſcheint (ſ. An— 
paſſung). Durch dieſe gufammenfiihrende oder 
konvergente Züchtung iſt z. B. die A. zwiſchen 
Erdwiirmern, Blindwühlen, Amphisbänen und Bimd- 
ſchlangen entjtanden, alſo bei Lieren, die zu febr ent- 
fernt jtehenden Klaſſen gehoren, ebenfo wie es m 
äußern Bau fehr iiberemjtinnmende -Maulwürfe« 
unter Beutlern, Nagern und Inſeltenfreſſern gibt. 
Auch die natiirliche Ausleſe bringt infolge des Schupes, 
den gleidfirmige Farbung mit dem Hintergrumde 

ewährt, Y. in Färbung und Zeichnung der Tiere 

ervor (f. Schutzeinrichtungen). Nod ftrengere A 
bis in Cinjelheiten der Gejtalt, Färbung * Zeich⸗ 
nung, ruft die Mimifry (ſ. d.) bet gar nicht ver- 
wandten Tieren ms Leben. Der Syitematifer, der 
die natiirlide Berwandtidaft der Organismen er- 
qriindet, muh Daher jtreng die Gleichwertigkeit (G o- 
mologte) der ähnlichen Leile von der bloRen phy - 
fiologifden W.(Unalogic) unterideiden. Sofmd 
die Flügel der Vogel und Fledermäuſe als Umbil— 
bungen Der vordern Extremität unteretnander und 
mit den vordern Schreit-⸗, Grabs und Ruderbeinen 
der Amphibien, Reptilien und Saugetiere homologe 
Bildungen, die Schwingen der »flieqgenden Drachen« 
al8 von falfchen Rippen geſtützte Hautgebilde und die 
Flügel Der Ynfetten, die emen gang andern Urſprung 
haben, nur analoge Bildungen. Jn der Pflanzen 
welt entitehen unter anderm durch Fleiſchigwerden des 
Stengels und Riidbildung der Blatter überraſchende 

. unter Angehörigen gar nicht miteinander ver- 
wandter Bflanjenfantilien (3. B. Kafteen und Euphor⸗ 
bien). Uber ſchützen de A. ſ. Mimikry und Sdhup- 
einrichtungen. J 

In der Mathematik verſteht man unter VW, daß 
zwei Figuren dieſelbe Geſtalt, aber verſchiedene Größe 
haben. Das Zeichen der A. ijt M (cin liegendes s, 
vom lat. similis, »ahnlich⸗). Zwei ebene gerad- 
linige Bielede find ähnlich, wenn ſie gleichviele Seiten 


haben, und wenn man die Seiten des einen der Reibe 


nad den Seiten des andern fo zuordnen fann, daß 
das Verhältnis der Langen je zweier aufeinander fol- 
gender Seiten und auerdem der Winkel zwiſchen 
dieſen Seiten bet Dem einen Viele genau fo grof tit 








1, Bergahorn (Acer pseudoplatanus), blihender Zweig; la (ruchtbare Zwilterblite; 1b mannliche Blite ohne 
Kelch- und Bidtenblitter; 1c Frucht; 1d Triebspitze mit Knospen. — 2. Spitzahorn (Acer platanoides), 
Zweig mit Frucht; 24 Blite. 


Meyers Konv.- Lexikon, 6. Aufl. Bibliogr. Institut in Leipzig. Zum Artikel ,Ahorn. 


Ahorn Il. 








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3. Blihender Zweig des weissen Ahorn (Acer dasycarpum); 3a. Frucht. — 4. Zweig mit Friichten des 
eschenblatterigen Ahorn (Acer Negundo); 4a. Zweigstiick mit Bliten. 


Hhnlidhfeitspunft — Ahorn. 


wie bei den entſprechenden Seiten des andern. Zwei 
entſprechende Seiten der beiden Vielecke ſtehen dann 
ſtets in demſelben Verhältnis zueinander, und die 
Flächeninhalte der Vielecke verhalten ſich zueinander 
wie die Quadrate von irgend zwei entſprechenden Sei- 
ten. Zwei ähnliche ebene Vielecke, z. B. die Fünfecke 
ABCDE und A’'BCD'E (j. Sigur), fann man 
ftets fo legen, dak die Verbindungsiinien entſprechen⸗ 
der Eden (hier AA’, BB’ x.) alle durch einen Bunt 
8 gehen. Je zwei entipredjende Seiten (A B und A’ B’, 
BC und BC x.) find dann gueinander parallel, und 
die Wbjtinde 
des Punftes 8 
von irgend zwei 
entſprechenden 
Eden (z. B. 84 
und SA’) ver— 
halten fid) wie 
zwei = entpre- 
chende Seiten. 
Wan nennt in 
diefemt Falle die 
Vielecke ähnlich liegend, und der Punt S Heit, 
wenn er auf der Verbmdungslinie je zweier entſpre— 
chender Eden liegt (j. Fig. Lu. IID, ihr innerer, wenn 
er auf der Verlängerung diejer Verbindungslinie liegt 
(j. Sig. Iu. ID, ibe äußerer Ähnlichkeitspunki. 
Hat man cin beliebiges geradliniges Viele und wählt 
irgend einen Punkt S zum Whnlicheitspuntt, fo fann 
nian beliebig viele ähnliche und ähnlich liegende Biel- 
ede fonftruicren, indem man 8 mit allen Eden des 
Vieleds verbindet, auf einer diejer Verbindungslinien 
eine Ede des ähnlichen Vielecks beliebig wählt und 
dann die Seiten durch Ziehen von Parallelen zu den 
Seiten des urſprünglichen Vielecks ermittelt. In der— 
ſelben Weiſe kann man zu jeder räumlichen Figur 
beliebig viele ähnliche und ähnlich liegende konſtruie— 
ren, aber auch zu jeder krummen Kurve oder Ober— 
fläche; die Kurve z. B. hat man ſich dabei als ein 
Vieleck mit unendlich vielen Eden zu denfen. 

— — ſ. Ähnlichkeit. 

Ahnung, die auf unbeſtimmten Gefühlen be— 
ruhende Erwartung entfernter oder gufiinftiger Er— 
eigniſſe. Empiriſche Beweiſe für die Exiſtenz eines 
il wunderbaren » Uhnungsvermigens« feh- 
len oder laufen darauf hinaus, dak unbeſtimmte Er- 
wartungen, naddem ihnen die Ereigniffe (zufällig) 





recht gegeben haben, nachträglich für UW. ausqegeben | 


werden. Golde Erwartungen treten oft mit grofer 
fubjeftiver Gewißheit auf und find ſcheinbar gang un: 
motiviert, in Wahrheit aber entipringen fie aus be- 
jtimmten pfydologifden Urjaden; es ijt bann aud 
fein Wunder, daß fie teilweife in Erfüllung gehen, 
fofern nämlich die ſubjeltiven Urſachen der »Ahnun— 
qen« zugleich den geahnten Erfolg bewirfen (Todes- 
abnungen Stranfer), — In der Bhilofopbie haben 
Jacobi und Fries dem auf die Erfabrung beſchränkten 
Wiffen die überzeugung von der Realttat der iiber- 
jinnliden Ideale als U. entgegengejept. Weiterhin 
qebraudt man das Wort A. aud) für eine nod nicht 
völlig abgeflirte und auf Beweiſe gejtiigte Crfenntnis 
einer Sache. 

Aho, Juhani (cigentlid Johan VBrofeldt), finn. 
Schriftſteller, Schöpfer der modernen Kunſtproſa der 
finniſchen Sprache, geb. 1861 zu Jiſalmi in Savolals, 
Pfarrersſohn, — war Mitbegründer der jetzt 
verbotenen freiſinnigen jungfinniſchen Zeitung ⸗Pui⸗ 
viilehti«< (1889) und machte mehrere Auslandsreiſen 
nad Paris, Florenz xc. Seine gleichzeitig in finniſcher 








207 


und ſchwediſcher Spradje erſcheinenden Werfe find 
die Volfsbilder: »Rautatie« (ſchwed. »Jernbanen<), 
»DA far képte lampan«, »Muuan Markkinamies< 
(»>Marknadskarlan«, 1884); »Hellmannin Herra« 
(1886; »Patron Hellman«, deutſch, Berl. 1899); 
»Esimerkin yuoksi« (» Fir exemplets skull«, 1886); 
»Maailman murjomas (»Fredlis«, 1894); Die No— 
vellen: »Helsinkiin« (1889), »Till Helsingfors« 
(1893); » Yksin« (1890), »>Ensame (1890); die Sfij- 
en: »Lastujac (»Spdinor<, »Späne«, 1891— 99, 4 

de.); »Enris« (1899—1900, 2 Bde.); die modernen 
Romane: »Papin tytiir« (1885), »Priistens dotter« 
(1892; deutid): » Ellis Jugend«, Berl. 1899); »Papin 
rouva« (»Priistens hustrue, 1893; deutſch: ⸗Ellis 
Ehe«, daſ. 1896) und der hijtorifde Roman »Panu«, 
Sdhilderungen der legten Zeit er Rämpfe des Chrijten- 
tums und des Heidentums in Finnland (1898, 2 Bde. ; 
deutſch, Leips. 1899). 

Ahoi! feeminnifder Unruf: » Schiff a.!«, » Boot 
a.!« foll die Aufmerkſamlkeit tery sect erreqen. 

Ahorn (Acer L., hierzu Tafel⸗Ahorn J und L<), 
Gattung der Ucerazeen, Baume oder Sträucher mit 
ungeteilten, gelappten oder gefiederten Blättern, Blü— 
ten in Rifpen, Trauben, Dolden rc. und gefliigelten 


Früchten. Ctwa 100 Arten in der nördlichen gemä— 


pigten Sone. 

1) Dte Trauben oder Rifpen bildenden Bliiten er- 
fdeinen nad) Entfaltung der einfachen Blatter: Der 
tatarifde U. (A. tataricum L.), in Siidojtenropa 
und Borderafien, Straud) oder fleiner Baum mit 

anjen Blattern, weißen Blüten und roten Friidten, 
—* Der gemeine Bergahorn (weißer, 
jtumpfblatteriger U., Syfomore, A. pseudo- 
platanus Z., f. Tote I, Fig. 1), in Mittel- und Siid- 
europa, in Borderafien, metjt in Gebirgen, hat qrofe, 
meijt dret-, aud) fiinfteilige, ftumpflappige Blatter 
und Bliiten in hängenden Trauben. Ciner unfrer 
ſchönſten Baume, 30m hod, mit ausgebreiteter Krone, 
vollendet fein Hdhenwadhstum mit 100, erreidt aber 
ein Alter von 500 Jahren; er bildet in der Schweiz 
Wilder, tritt bet uns nur eingefprengt auf und jteigt 
in den Bayrifden Wlpen bis 1500 m. Vorzüglicher 
Ulleebaum. Sein fejtes, feines, glänzendes, hellgelb- 
liches oder rötlichweißes Hol; dient zu feinern Holz— 
arbeiten. 

2) Die doldentraubigen Blüten erſcheinen mit oder 
fur; nad) Den einfaden Blattern: Der Spitzahorn 
(A. platanoides L., ſ. Tafel I, Fig. 2), in Europa, 
Vorderajien, mehr in der Ebene, hat fiinf- und fieben- 
teilige, fpiplappige Blatter, wird 30 m hod), erreicht 
fein hohes Ulter, hat griberes Holz, zientlich zucker— 
reichen Saft und wird, wie der vorige, in mebreren 
Ubarten fultiviert. Wus den Maſern fdneidet man 
die Ulmer Bfeifenfipfe. Der Rucderabhorn (A. sac- 
charinum Wangenh.), Waldbaum im atlantifden 
Nordamerifa, fiber 30 m hod, in den Blattern une 
ferm Spigaborn ſehr ähnlich, liefert qutes Nutzholz 
(qemaferte Stiide bilder das Vogelaugenhol;), 

ottafde und zuckerreichen Saft, der im Frühjahr 
durd) Unbohren de3 Stamnes gewonnen und auf 
Zucer verarbeitet wird (j. Zucker). Der Zuckerahorn 
ijt das Nationalemblem Ranadas. Der Feldabhorn 
(nordifder Mafholder, Kreuzbaum, Maß— 
eller, A. campestre Z.), in Mitteleuropa und im 
Mittelmeergebiet, meijt tn der Ebene, ſteigt in den 
Bayrijden Alpen bis 800m, baum⸗ und ftraudartiq, 
oft mit jtarfer Rorfbildung, hat fleinere drei- und 
fiinflappige Blatter und hartes, zähes, oft ſchön ge— 
maſertes Sols, das vielfach verarbeitet wird. Der 


208 


franjdjifde Ul. (A.MonspessulanumZ.), im Mittel: | 
meergebiet und am Rhein, mit dreilappigen Blittern, | 
deren Abſchnitte meijt ganzrandig und ſtumpf find, | 
ijt ein beliebter Zierſtrauch. 

8) Die Bliiten erjdeinen lange vor den cinfachen, | 
unten bell blaugriinen Blattern: Der weiße A. (A. 
dasycarpum Ehrh.. j. Tafel I, Fig. 3), in Nord: | 
amerifa am Obio, 30 m hober, ſchöner, rafch wad | 
fender Baum mit flinftetligen, am mittelſten Abſchnitt 
qelappten, unterfeits “ap Blättern und dol- 
digen Blüten, quter Alleebaum, liefert aud SZuder. 
Der rote A. (A. rubrum L.), in Nordamerifa, Cha- 
rafterpflange der Swamps, mit dreilappigen Blattern, 
die ungleich gefagt, bisweilen cingefdnitten find, und 
roten Blüten, eins der ſchönſten Ziergehölze. 

4) Bliiten diöziſch, Blumenblatter fehlen, unpaarig 
qejiederte Blatter: Der efdhenblatterige W. (A. 
Negundo L., ſ. Tafel I, Fig. 4), im atlantijden Nord- 
amerifa, mit meijt fünfzähligen Blattern, ſchnell wach— 
fender, 15 m hoher Ulleebaum, der aud mit weiß 
panadierten Blattern ſehr verbreitet ijt. Seinen Saft | 
verarbeitet man am Red River auf Zuder. Kali | 
fornifder A. (A californicum C. Koch), im pazi⸗ 
fiſchen Nordamerifa, mit meijt dreizähligen, unterjeits | 
filsigen Blattern, der ſchnellwüchſigſte Alleebaum. 

horngewadje, ſ. Acerazeen. 

Ahovaibaum, ſ. Thevetia. 

Ahr, linker Nebenfluß des Rheins in der Rhein: | 
provin;, entſpringt auf der Eifel oberhalb Blanken⸗ 
heim, fließt mit vielen Windungen von SW. nad) RO. | 
und ergieft ſich unterhalb Sinzig in Den Rhein. Sie 
ijt 89 km lang. In dem romantifden Tale der YW. 
(Ahrgau) wachſen die Uhriveine (j.d.). Vgl. Stein- 
bach, Führer in das Uhrtal (6. Uujl., Neuw. 1897). 

Ahrbleichart Whrbleider), ſ. Ahrweine. 

Mhrden (GGrasährchen, lat. spicula) und 
thre, ſ. Bliitenjtand. 

Uhrenberg, Johann Yacob, finnlindifd- 
ſchwed. Romanfdriftiteller und Urditeft, geb. 30. 
Ypril 1847 in Wiborg, ſtudierte in Heljingfors, dann 
an Der Runjtafademie in Stodbolm, machte Stu- 
dienreijen ind Uusland, befleidete feit 1877 verſchie 
dene Staatshaudmter und ijt jest erjter Staatsardi- 
teft, aud) als Urdhitefturmaler tätig. Er veröffent— 
lichte Reifeidilderungen: »PA Studieresor« ; Novellen 
und Erzählungen: » PA friimmande botten« (1880), 
» Hemmas (1887), » Hihuliter« (1889, 2. Aufl. 1898), 
»Osterut« (1890), »Anor och ungdom« (1891), die 
Romane: »Med styrkans riitt« (1899), »Rojalister 
och Patrioter. En sommarsaga fran 1788« (1901), 
»Stockjunkarne (1892; deutid), Halle 1895), »Fa- 
miljen pà Haapakoski« (1893), »VAr Landsmann« 
(1897); ferner Schilderungen Oſtfinnlands: »Frin 
Karelen« (1894), und Sfijjen: » Bilder, minnen och 
intryck« (1895), u. a. Seme Schriften wurden teil- 
weije ing Deutſche, Engliſche, Däniſche, Franzöſiſche, 
Ruſſiſche überſetzt. 

Ahrendſee, Oſtſeebad, ſ. Brunshaupten. 

Ahrenuleſe, das Aufſuchen der bei der Ernte auf 
dem Felde liegen gebliebenen Uhren, womit arme 
Leute jich einen Heinen Erwerb ju verſchaffen pflegen. 
Moſes empfahl den Kindern Israels, »nidt alles qe- 
nau aufjulejen« (3. Mof. 23, 22). Dod) wird die YW. 
als fiir Die Landwirtſchaft ſchädlich von den neuern | 
Gefeggebern verboten. — Qn der Literatur ijt A. 
(aud) Nadlefe, lat. Spicilegium) eine Sammlung | 
von Gedidten oder Sentenjen. 

threnlilie, Uhrenrinfe, ſ. Narthecium. 

tihrenmonat, j. Auguſt. 


Ahorngewadje 








— Ahriman. 


Ahrens, 1) Heinrich, Rechtsphiloſoph, geb 
14. Juli 1808 in Knieſtedt bet Salzgitter im Hanno 
verjden, geſt. daſelbſt 2. Uug. 1874, ſtudierte in Gor- 
tingen, wo er begeijterter Unhanger &. Chr. Frieder. 
Krauſes (ſ. d.) wurde. Durd ſeine Habilitationsfdrijt 
»De confoederatione germanica« (1830) beim Bun: 
destag mifliebig geworden, Heteiligte er ſich im Ja— 
nuar 1831 an dem Putſch in Gottingen und flob mit 
ſeinem Genojjen Raujdenplatt nad Velgien und dann 
nad Baris, wo er 1833 Borlefungen iiber die Deutiche 
Philofophie jeit Rant hielt, aber ſchon 1834 dem Ruf 
alg Profeſſor der Philoſophie an die Univerjitat zu 
Brüſſel folgte. Von feinem Heimatliden Wahltreis 
wurde er 1848 in das Franffurter Barlament ge 
walt. 1850 wurde er als Profeſſor nad Graz 1859 
nad Leipzig berufen. Durd ihn wurde Lraujes Per 
loſophie nad Franfreid, Belgien, Spanien und Sũd 
amerifa verpflan3t. Er ſchrieb: »Organifche Staats- 
lehre auf philofophifd-anthropologifdher Grundlage« 
(Wien 1850, Bd. 1), fein unvollendetes Hauptwert; 
»Cours de droit naturel« (Bar. 1838; 8. Aufl. 
Leip;. 1892, 2 Bde.; deutid u. d. T.: »Naturrecht«, 
6. Aufl., Wien 1870—71, 2 Bde.); ⸗Juriſtiſche En- 
zyllopädie⸗ (Daj. 1855-—57), die ins Italieniſche 

uſſiſche und Polniſche überſetzt wurde. 

2) Deinrid Ludolf, Philolog, geb. 6. Juni 1809 
in Helmjtedt, qeit. 25. Sept. 1881 in Hannover, ftu- 
dDierte 1826 —29 in Gottingen, habilitierte ſich 1829 
dafelbjt, wurde 1830 Kollaborator am Gittinger Gym- 
naſium, 1831 Lehrer am Padagogium in Ilfeld, 1845 
Direftor des Gymnajiums ju Lingen, 1849 des Vy 


zeums in Hannover und trat 1879 in den Rubejtand. 


Seine wiſſenſchaftlichen Hauptwerfe find: »De grae- 
cae linguae dialectis« (Gdtting. 1839—43, 2 Bde 
neu bearbeitet von R. Meijter: » Die griechiſchen Dia 
leftee, daſ. 1882-89) und »Bucolicorum graeeo- 
rum reliquiae« (Leip3. 1855—59, 2 Bde.). Seine 
»Sleinen Sdriften« wurden von Häberlin heraus 
gegeben (Bd. 1, Hannov. 1891). 

hrensböck, Fleden im oldenburg. Fürſtentum 
Lübeck, an der Eiſenbahn Gleſchendorf-⸗A., bat cine 
evang. Rirde, Umtsgeridt, Oberfiriterci, Maſchinen 
und Lederfabrifation, Weberei, Spinnerei und case 
1749 Cinw. Das friiher holjteinijde Umt UW. gehörte 
bis 1867 zu Preußen. 

UAbhrensburg, Dorf in der preuj. Proving Schles 
wig-Holjtein, Sreis Stormarn, an der Hamburg- 
Liibeder Eiſenbahn, hat eine evang. Rirde, Wants 

eridht und (1900) 2087 Einw. Dabei das gräflich 
Schimmelmannide Gut W. mit Schloß. 

Abhrenshoop, Dorf im preuß. Regbez. Stralfund, 
Kreis Franjzburg, auf der Halbinjel Darß, bat ein 
Seebad und 200 Einw. 

Ahrental, |. Tauferer Tal. [der Ahr. 

Ahrgan, Gebirgslandſchaft in der Eifel (j. d.), an 

Ahriman, in der von Zoroajter geitifteter Natio- 
nalreliqion des alten Iran der Name des böſen Brin: 
zips. YU. ijt Die in Den ſpätern perſiſchen Religions- 
büchern auftretende Namensform; die griechiſchen 
Schriftſteller kannten den böſen Geiſt ihrer perſiſchen 
Nachbarn unter dem Namen Areimanios; im Send- 
avejta fommt nod die vollere Ramensform Unro- 
mainy us (böſer Geijt<) vor. Qn den Gathas, dem 
älteſten Teile des Zendavejta, wird er nur einmal 
ausdriidlid) qenannt, dod) ijt ſchon in denfelben die 
Rede von den » beiden Geijtern<, die einander in Ge- 
danfen, Worten und Werken entgegengefest find und 
die quten und bdjen Wefenheiten geſchaffen haben. 
Nad Dem 19. Rapitel Des Bendidad hat VW. cinen 


Ahrweiler 


vergeblidjen Verſuch gemadt, den Zoroaster (Jarathu⸗ 
ftra) gum Wbfall von Ormuzd (f. d.) gu verleiten. 
Dem Gebote des U. find nad dem Hendavejta alle 
andern böſen Getjter untertan, und die »ſchlechten 
Geſchöpfe⸗: Giftid@langen, Raubtiere, Ratten, Maufe, 
Ungegiefer, find von ihm geſchaffen. Sai Spiegel, 
Eraniſche Ultertumsfunde, Bd. 2 (Leipz. 1873); 
J. Darmefteter, Ormazd et Ahriman (Bar. 1877); 
Tiele, Geſchichte der Religion im Wtertum, Bd. 2 
(Gotha 1898). 

Abhriveiler, Kreisjtadt im preuß. Regbez. Koblenz, 
an der Uhr und der Staatsbahnlinie Remagen-Wde- 
nau, at eine ſchöne Lath. Rirde , eine Synagoge, 
Lrjulinerinnenflojter mit Erziehungsanſtalt, hobere 
Biirgerjdule, Weinbaufdule, Nervenheilanjtalt, 
Anisgericht, Oberforjteret, Rotweinbau, befonders 
bei dem zur Stadtgemeinde —— Walporzheim, 
und (1900) 5116 meiſt fath. Einwohner. Unfern der 
Badeort Neuenahr (jf. d.). — W., ſchon 893 er- 
wähnt, fam 1246 an das Erzſtift Köln und erbielt 
1240 Stadtrecht. 

Ahrweine, im Uhrtal im preup. Regbez. Koblenz 
gebaute Weinforten, werden bis Ahrweiler auf fanf- 
ten Hügeln, von dort an auf febr ſteilen Schiefer— 
bergen —— Der Rebſatz beſteht größtenteils aus 
fpdtem Burgunder, in den geringern fagen des Unter⸗ 
abrtals wird aud) Friihburgunder mit Borteil an- 

ebaut. Das Ureal des UWhriveinbaues umfaßt 920 
ttar. Man baut faſt ausſchließlich (618 auf May— 
ſchoß, Red) und Dernau) Rotweine, die, entſprechend 
der friibern Berbreitungsweije, bei der ein Hellrit- 
lider Wein gewonnen wurde, al8 UHrbleidarte 
(Whrbleider) in den Handel kommen. Sie befiten 
eine —— dunkel blaurote Farbe, Süßigleit 
und Blume, bisweilen etwas erdigen Geſchmack, viel 
Körper und dem Burgunder ähnliche, angenehme 
Milde, ſind aber nicht ſehr haltbar. Ausgezeichnet 
durch Feuer und Blume iſt der oe due 
(Domley, Girfammer), die Krone der A. Nächſtdem 
werden beſonders Bodendorf, Heimersheimerbderg, 
Wadenheim, Ahrweiler, Land, Witenahr geſchätzt. 
Man benugt die Uhrtrauben aud) vielfach gur Verei- 
tung von Schaumwein. 

Ml (engl., fpr. d-b3u), ein vor Topp und Tafel 

(f. d.) —— Schiff. 

Ahumada, Pedro Giron, Marques de las 
Amarillas, Hergog von, fpan. General und 
Staatsmann, geb. 1788 in Gan Sebajtian, geſt. 14. 
Mai 1842 in Madrid, ward 1806 Offizier in der 
finigliden Garde und —* im Unabbangigteits- 
fampf widtige Dienjte. Nad der Riidtehr Ferdi— 
nands VII. zog er fid), als gemäßigter Ronjtitutiona- 
lift verdächtig, auf feine Giiter guriic. Nad dem Aus—⸗ 
brud der Revolution wurde er 19. März 1820 
Kriegsminiſter, trat jedod, von den Radifalen an- 
gefeindet, im Auguſt wieder zurück. Ferdinand VII. 
ernannte ifn 1833 in feinem Tejtament um Mitgliede 
des fiir die Reit Der Minderjährigleit east Tochter 
ernannten Regentſchaftsrats, und die Königin-Regen⸗ 
tin erhob ihn gum Hergog von A. Unter Toreno iiber- 
nahm A. 1835 das Portefeuille des Krieges. Wher 
feine Entwiirfe fdeiterten an der finangtellen Be- 
drängnis und an der Unfähigleit fener Untergebenen. 
Von der Preffe wegen Nepotismus angegriffen, legte 
er fein Amt nieder. 1836, nad) Wiederaufrichtung 
der Konjtitution von 1812, verließ er fein Baterland, 
tebrte aber fpéiter nad) Madrid zurück. 

Ahunavairya (Honover), Name ded heiligiten 
Gebcetes der Rarjen, das, in der Zendſprache abgeralit, 

Meyers Ronv.- Lerifon. 6. Mufl., L Bo. 


209 


mit ben Worten yatha ahd vairyd beginnt (daber die 

Bezeichnung A.) und aus 21 Wortern bejteht. Bal. 

Haug, Die U.-Formel (Münch. 1872). 
ynramasba, ſ. Ormuzd. 

Ahus pr. o-hus), Flecken im ſüdlichen Schweden, 
in Chriſtianſtad, nahe der Mündung der Helged, 
an der Eiſenbahn V.-Ehriſtianſtad, bildet den Hafen 
der Stadt Chriſtianſtad und iſt Sitz eines deutſchen 
Vizekonſuls. — Hier 1027 Schlacht zwiſchen Knut 
d. Gr. und Olaf Haraldsſon. 

Ahwas, einſt bedeutende Stadt in der perſ. Pro⸗ 
vinz Chuſiſtan, am Karun, deſſen Schiffbarkeit hier 
Stromſchnellen unterbrechen, ſüdlich von Schuſch— 
ter, war Reſidenz des letzten Partherkönigs, Urta- 
ban IV. (bis 226 n. Chr.), und auch ſpäter nod) un- 
ter Den Arabern durch ihren Handel bliihend, geriet 
aber feit Dem 10. Jahrh. in Verfall und ijt jest ein 
armlider Ort von etwa 2000 Einw. 

Mi, ſ. Faultier. 

Mi, franj. Stadt, f. Wy. 

Aiamat, Regervolf, ſ. Felup. 

Miantien, f. Aias 2). 

Aias (lat. Ujar), Name gweier Helden im Tro- 
janiſchen Rriege: 1) U. DerRleine, Sohn des Dilens, 
König der Lofrer. Rad) Homer fampft er, flein von 
Gejtalt und leicht gerüſtet, aber ein ſchneller Laufer 
und vorzüglicher Speerwerfer, immer in ben Vorder⸗ 
reihen. Wuf der Heimfahrt liek thn die grollende 
Uthene an der Südoſtſpitze Eubdas ſcheitern, weil er, 
wie Spiitere angeben, nad Trojas Fall Rafjandra 
von ihrem Ultar wegriß und dabet das Gotterbild um- 
warf. Die Lofrer verehrten ihn als Heros und ließen 
in der Schladtreihe jtets cine Stelle fiir ihn offen. 

2) U. der Grofe, Sohn des Telamon, dabher der 
Telamonier genannt, Konig von Salamis, nad Achill 
der tapferjte im griechiſchen Heer, an Haupt und 
Schultern alle tiberragend. Cr bejteht mit Heftor den 
Zweilampf und rettet die Leiche Achills; als aber 
deffen Waffen nicht ihm, fondern Odyſſeus zugeſpro⸗ 
den werden, gibt er fic) Den Tod. Nach ſpäterer Sage 
wurbe er itber die erlittene Schmach raſend und er- 
ſchlug die Herden des Heered, die er fiir feine Geqner 
hielt; sur Beſinnung gefommen, ſtürzte er fid) in dad 
ihm von Heftor gefdenfte Schwert. Aus feinem Blut 
entſproß die Burpurlilie, auf deren Bliitenblattern 
man den Rlageruf »Ai Wie erfermen wollte. Sein 
Ende behandelt Sophokles’ Tragödie »YW.« Jn Sala- 
mi3 hatte er als QandeSheros einen Tempel und das 
Feit ber Miantien. Uuch in Uther wurde er verehrt; 
nad ihm hieß eine der attifden Phylen »Aiantis«. 

Mibling, Fecen und Bejirfshauptort im bayr. 
Beg bes, Oberbayern, an der Glon, der Staatsbahntinie 
2 stirchen-Rojenheim und der eleftrifdhen Bahn .- 
Feilenbach, 481 m it. M., hat 2 fath. Rirden, Schloß, 
Amtsgericht und (1900) 8246 Einw. Das dortige Sol- 
bad bereitet Bader aus Mutterlauge mit Moorſchlamm 

* Gelenferjudate, rheumatiſche Neuroſen rc. Auch 
ſind zwei eiſenhaltige kohlenſaure Kalkwäſſer vorban- 
den. Bgl. Krebs, Moorbad A. (Münch. 1900). 

Micard (pr. atar), Jean, franz. Dichter, geb. 4. Febr. 
1848 in Toulon, Sohn des qleidnamigen Geſchichts— 
profejjors, trat zuerſt 1867 mit den » Jeunes croyan- 
ces« vor die Offentlicdfeit, denen 1871 »Les rébel- 
lions et les apaisements« folgten, madjte fic) jedoch 
itt weitern Kreiſen erjt durch die »Poémes de Pro- 
vence« (1874) und »La chanson de l'enfant « (1876) 
befannt, weldje beide Werke von der Ufademie gekrönt 
wurden. Nod groper Unerfennung fand das pro- 
venjalijde Jdyll »Miette et Noré<« (1880). Sein 

14 


— icard. 


Midvad — 


~ 


agung des 

im Drud und 1899 mit Exfolg auf ber Slee | 
der Comédie francaise. In »Jésus« (1896) ſchildert 
er das Leben Jeju in emfacer, aber wohlgeformter | 
Bersiprade. Unter ſeinen Romanen find hervorzu⸗ 
: »Le roi de Camargue<« (1890), L’ame d'un | 
enfant« (1898) und »Tatac (1901), die ritbrenbde , 
Geſchichte einer wadern alten Jungfer. 

Aichach, Besirfsamtsitadt tm bayr. Regbe —— 
bayern, an der und der Staatsbabnlime Reqens- 
burg - Au burg, 450 m i. M., Gat 4 tath. Sixchen, | 
Umtsgeridt, Bierbrauerei, Gerberei, 2 Kunſtmühlen 
und (1900) 2576 Einw. — UW. wurde 1208 jur Stadt 
erhoben, 1634 von den Schweden, 1704 von ben | 
Diterreichern jeritort. Unfern itand ebedem die Burg | 

Aichen, |. Cichen. Wittelsbach (7. d.). | 


Aichmak, frither Flitifigheitsma’ fir Ben, = | 


tam, | 


Aigueperie. 


Aide-toi et le Ciel t'aidera inte Hilf dir 
— vik ene a aasirrsba ant» Uſchaft 


wurde. 
en von 1827 und Die fiir die Bourbonen verhangnis- 
volle Oppojition der 221 Deputierten. Nac der Yuli- 
revolution lojte fie fid) 1832 freiwillig auf. 

Midin (U.Gizelbiffar), Sauptitedt emes Liwas 
im türt. Wilajet A. (mit den Liwas Ismir, Saruhan, 
U., Denizli und Menteidhe, 55,900 qkm groß, mit 
1,396,500 Einw.), in Memafien, liegt m der Talebene 

des Waander unweit der Statte des alten Tralles und 
— — — A. 
ſteht durch Eiſenbahn mit Smyrna und Dineit in Ver⸗ 
| 1 und bat ſchöne Moſcheen, mehrere Kirchen. 
Maroquinfabrifation u. Baumwollkultur fowie Aus⸗ 
fubr von Baumwolle, Feigen, Cliven, Trauben. 

Midoiomanie( gried.),franthajterGeidledtstricb. 
Migen, 1) Schloß mit Kart, j. Saljburg (Stadt). — 


0,25 Biertel = 4 Schoppen; m Franffurt a. M. — 2) Mart m —— Bezirksh. Rohrbach, am 


1,798 Lit. in Hanau = 1,865 L. Rad der Mide von 
50 2. wird aud 
wertet. Die jachftiche Widfanne Bier halt 18 Dres- | 
dener Kannen = '/s er. 


Aichmetall, meijinggelbe Legierung aus 60 =| | ftratenferjtift Slag! mit gotiſcher Ri 


i 38,2 Zink und 1,3 Eiſen, ijt auf dem Bruce 
tabl ãhnlich, ſehr bart, widerjtandsfabiger als Eiſen, 
lait at fh falt und heiß bearbeiten, dient gu Zapfen⸗ 


erm 2. 
iba figuriertes Gewebe fiir Tiſch u. Gartendeden, 
mit 24 Setten- u. 24 Schußfäden auf 1 cm. Garne: 
Kette u. tear Baum- 
wollenjwirn Rr.8 engl. 
Die Farben wechſeln 1 
rot, lcremefarbig. Die 
Muſ wird her⸗ 
vorgebracht durch zwei 
ſtraminartige —— 
die übereinander li 
und nach Form des 
fters bald auf die — 
bald auf die linke Wa⸗ 
renſeite acht wer- 
rsa . Den *2*8 Sein: 
ag zeigt Die Abbildun 

Aide (franj., for. dv’), Gebilfe, — 

Partner; A. de camp (fpr. tang), Adjutant. 

MAidvé, Hamilton, engl. Dichter und Roman- 
idpriftiteller, geb. 1830 in 
niers und einer Tochter des Udmirals Sir George 
Collier, ward in engliſchen Schulen erzogen, jtudierte 
in Bonn, war 1845 — 52 Offizier und lebt jeitdem 
als Literat. Wuf ein Bandden en: »Eleonore, 
and other poems« (1856), folgte eine Reihe von No- 
vellen und Romanen, unter andern: »Rita« (1859), 
»Carr of Carrlyon« (1862), »>The Marstons« (1868), 
»Penruddocke« (1873), »Poet and peer« (1880), 
» Passages in the life ofa lady in]814—1816«(1887), 
eJane Treachel« (1899), »Snares of the world« 
(1901). Gedichtſammlungen erſchienen unter den 
Titeln: »The romance of the scarlet leaf and other 
poems« (1865) und “Songs V without music« (1882, 
3. Aufl. 1889). Wud tm Drama verjudte er fic 
(A Nine Days’ Wonder«, 1874; » Philips, 1877). 





Bidagewebe. 


Aides (frany., for. av’, Beibilfen«), friibere Be- Jacques Delille. 
Montpenfier. 


zeichnung fiir gewiſſe Abgaben oder Steuern. 


junger Wein am Mittelrhein ge⸗ | und an der 








— 


—— 





ris, Sohn eines Arme⸗ 


Siidab: des Bohmerwaldes , an der Großen Mud! 


[tretsbabn Urfabr-W. gelegen, bat em 


Vesirtsgeriht, Leinweberei und (1900) 1864 Cou. 
| SUdlid von A. liegt das 1218 gegriindete Prdmon- 
u. Bibliothet. 


le (ive. Sgt), 1) (beutidh Aelen) 
fm, ect ce mton Binabt, — 


der Miindung der Grande Cau im die Rhone und an 
| der Eiſenbahn Billenenve-St.-Maurice, mit Sdlok 
_Gymmafium und Induſtrieſchule. Barfettfabrit, Spar- 


nerei, Weinbau (Morne). Marmorbriiden und * 
3911 —— geſchützt und jum Winteraufen 
VL. miinden die taler in Das 


2) — 4 fran3. Stadt, ſ. Laigle. 
sad gn Yale. 
Migner, Jojeph Matthaus, Maler, —— 18. 


Jan. 1818 in Wien, geit. 18. Febr. 1886 m V 
— bei Wien durch Selbitmord, bildete ſich bei 
um Waler aus und erwarb ſich bald durch —* 
A einen geachteten Namen. Seine 
an der Revolution von 1848 führte ſeine 
zum Tode herbei, er wurde jedoch auf hohe Firiprade 
adigt und bradte Dann mebrere Jahre auf Retien 
ju. Seme manniliden Bortriite fejjelten beſonders 
durch feine Charafterijtif und breiten, energifden Bor- 
, fetne weibliden durch poetiſche, empfindfame 
uffaffung und Durd den ſchwärmeriſchen Ausdruch 
tle twerle find die Bildniſſe des Raifers Fran; 
Joſeph und der Katferin Elijabeth und der Dichter 
Lenau (im Yrrenbaus gemalt), Grillparjer, Halm 
und Feudtersleben. 
Aigonal (jor. sgted, Mont, ſ. Cevennen. 
Aigrette (franj., jor. agrete’), der federige, an der 
Spipe mander Samen befindliche Büſchel (SGamen- 
trone, Pappas); der Federbuſch auf dem Ropfe man- 


cher Vogel ; Daber ein Kopfputz aus aufrecht jtebenden 
weißen rn, cin ähnlicher Schmuck auf Baldachin, 
ar oder Dem Kopfe der Bferde. 

Hi (fran}., fpr. &g-), erbittern. 


Migueperfe ivr. ig pers), Stadt im franz. Depart. 
Buy-de-Dome, Urrond. Riom, an der Lyoner Bahn, 
bat eine gotifde Kirche mit Gemalden von Mantegna 
und Gbirlandajo und (vo: 2196 Einw., die Tuch 
und Hite anfertigen; Geburt8ort von L' Hopital und 

Rin der Rabe bie Ruinen ded Schlofies 





Higuesmortes — Ailly. 211 


Wignesmorted (pr. ag⸗ mort), Stadt im franz. Chalotais (daſ. 1900—1902, 3 Bde.). — Sein Sohn 
Depart. Gard, Urrond. ———— von Salzſümpfen Armand, Herzog von A., geboren um 1750, geſt. 
unigeben, an einer Zweiglinie der Lyoner Bahn, 4 km | 4. Mai 1800 in Hamburg, war 1789 Mitglied der 
vom Mittellandijden Meer (Golf von A.) entfernt, | Rationalverfammlung und gebdrte ju den erjten, die 
* mittelalterliche Feſtungsmauern, ein Standbild | fic) mit dem dritten Stande vereinigten und auf die 

udwigs des Hetligen und (i901) 4233 Einw., die | Privilegien ded Udels verzichteten. Cr ward als Gene- 
Sodafabrifation, Fiſcherei und Handel betreiben. — 
In A. ſchiffte fic) Ludwig der Hetlige 1248 und 1270 | ber Schreckenszeit mußte er indeſſen fliehen. 

u ſeinen Kreuzzügen etm; Hier batten Karl V. und! Aigun (Sadaliyan Ula, dinef. Hei-lung- 
i I. 1538 etme Unterredung. Bon A. fiihrt der | fiang), dhinef. Stadt in der Mandſchurei, rechts am 
Ranal La Grande Robine als Fortfegung des | Umur, 30 km unterhalb Blagowje/dtidenit, mit 
Ranals von VBeaucaire gum Hafen Grau du Roi} 15,000 Einw., jegt ganz unter ruſſiſchem Einfluß. 
mit Geebad. Bgl. Pietro, Histoire d'A. (2. Unfl. | Die mit Palifaden umgebene, unregelmapig qebaute 
1849); Martins, A. (2. Aufl., Montpellier 1875). | Stadt hat ſtrohgedeckte Lehm- und Hiegelhaujer, eine 

Miguitre (franj., jor. agiie), cin zierliches Känn- Zitadelle, iſt Sig eines Gouverneurs und treibt an- 
den mit Sdnabel, Henfel und Fuß, anfangs mit ſehnlichen Handel mit Getreide, Biegeltee, Ol, Senf, 
Becken oder fladem Unterjag, diente sum Gervieren | Knoblaud, Tabak. — A. ward urfpriinglich als Ver- 
des Waffers bei Tafel. Dieſe Kännchen wurden meift | bredjerfolonie und jugleid) als Gegengewidt gegen 
aus Edelmetall, Bronze, Zinn angefertigt und in der | die ruffijden Unfiedelungen am andern Ufer angelegt. 
Renaijjanceseit mit reidjer Ornamentif und figiir- | Hier wurde 16. Mai 1858 der Vertrag geſchloſſen, 
lichen Darftellungen in getriebener oder gegojjencr | durch den Rupland das linfe Amurufer Bis jum Cin- 
Urbeit verjehen (j. Tafel » Zinngqupwaren Me, Fig. 6). | tritte des Uſſuri und von da ab das ganze Land auf 

Miguille (franj., fpr. agwij’, »RNadel«), Bezeidynung | dem rechten Ufjuri- fer erbielt. 
von Berggipfeln in den Weſtalpen, insbeſ. der gacigen, | Wifen, Hauptitadt der Grafidaft U. im nordame- 
pyramidalen Spigen in der Montblancgruppe, dar- | rifan. Staate Sitdcarolina, Bahnſtation öſtlich von 
unter die A. verte (4127 m), UW. du Geant (4010 m), Auguſta und flimatifder Qurort, mit 900) 3414 Einw. 
A. d'Urgentiere (8901 m) x. Den Namen Uiguilles Aikin pr. wn), Lucy, engl. Didterin und Schrift⸗ 
rouges führt die an der Nordjeite bes Chamonirtales | jtellerin, geb. 6. Nov. 1781 im Warrington, geft. 

eqeniiber vom Montblane fid) bis gu 2966 m er⸗ 29. Jan. 1864 in Hampijtead bei London, Tochter des 
— Bergkette. Schriftſtellers John A., erhielt durch dieſen eine 

Aiguillon qpr.Agwijongh, 1) Stadt im franz. Depart. gediegene klaſſiſche Bildung und widmete ſich in der 
Lot-et-Garonne, Arrond. Ugen, am Lot, nahe an Fol e bejonders dem Studinm der —— Ge⸗ 
ſeinem Zuſammenfluß mit der Garonne und an der ſchichte und Literatur. Ihr erſtes Werk waren die 
Südbahn, mit römiſchen Mauerreſten und (1901) 1565 | poetifden ⸗Epistles on women« (1810), Die vielen 
(al8 Gemeinde 2988) Einw., die bedeutendDen Tabal- | Beifallfanden. Später folgten Werte meiſt hijtoriiden 
und Hanfbau betreiben. A., das alte Acilio, wurde | Charafters, wie: »Lorimer« (eine Erzählung, 1814); 
1345—46 von Johann dem Guten vergebens belagert, | »Memoirs of the court of Queen Elizabeth« (1818 
dagegen 1370 von Guedclin eingenomimen und 1599 | u. 6.); »>Memoirs of the court of James I.« (1822); 
jum Dergogtum erhoben. Bgl. Alis, Histoire de | »Memoirs of the court and reign of Charles Le 
la ville d'A. (Agen 1895). — 2) (L'A.-ſur-Mer) (1833); »Memoirs of Addison« (1843). Nad) ihrem 
Flecken im franz. Depart. Vendée, Urrond. Fontenay, | Tod erjdhienen » Memoirs, miscellanies and letters« 
an der Miindung der Lay in den Utlantijden Ozean, | (1864) und ihr VBriefwedjel mit W. E. Channing aus 
mit Muſchelzucht, Fifderei, einem Hafen und (1901) | den Jahren 1826 —42 (1874). 

1887 Einw. Die 5 km lange Landjunge von U. (mit! Wila, Stadt, ſ. tana. 
Leudjtturm) trennt gegenwartig den Ort von der hie⸗  Ailanthus Desf, (auf den Moluffen Ailanto, 
nad benannten Budt von A. (Anse de l'A.). Baum des Himmels), Gattung der Simarubazeen, 
nee ({pr. dgwijong), Urmand Vignerot | hohe Baume mit gegenjtindigen, unpaarig gefieder- 
Dupleffis Ridelieu, Herzog von, franz. Mini- | ten Blattern, kleinen polygamifden Blüten in reich— 
jter, geb. 1720, geſt. 1782, erbielt 1756 das Gouverne: | verjweigten, endjtandigen Riſpen und zuſammen— 
ment der Bretagne. Hier madte er fic) allgemein | gedriicten, einſamigen Miigelftiichten. Ctwa 7 Arten 
verhaft, ward von dem Ddortigen Rarlament wegen in Ojtindien und Ojtajien. A. glandulosa Desf. 
Veruntrenung dffentlider Gelder angeflagt und 1768 | (Gstterbaum), in China, ein ſehr ſchnellwüchſiger 
auf Choifeuls Veranlaſſung abgerufen. Yn Paris Baum mit großen Blattern, gelblidweifen, holunder- 
erwarb er fic) raſch die Gunjt der Dubarry und nahm ähnlich — Bliiten und braunrötlichen Früch— 
in der wüſten Geſellſchaft des Königs eine der erſten ten, wurde 1751 aus China nach Europa gebracht 
Stellen ein. Das Pariſer Parlament erhob trotz des und iſt jetzt als Parkbaum in der nördlich gemäßigten 
Widerſpruchs des Königs den Prozeß wider WU. von | Zone und in ſubtropiſchen Mebieten verbreitet. In 
neuem und verurteilte ibn gu einer entehrenden Strafe, | Siideuropa benugt man thn aud) jum Binder von 
und die Barlamente der —— ſchloſſen ſich dem Küſtenſand. Die Blätter ſind das Futter der Raupe 
an. Der Streit wurde ſo heftig, daß der Kanzler des Ailanthusſpinners (ſ. Seidenſpinner); das 
Maupeou 1771 die Parlamente gewaltſam aufloöſte Hol; dient zu feinen Tiſchlerarbeiten. 
und eine neue Gerichtsorganiſation einführte. Wäh- Ailinglabad, Inſel, ſ. Marſhallinſeln. 
rend dieſes Streites war A. an Stelle Choiſeuls zum Ailly cpr.ajv, Peter von (Petrus de Alliaco), 
Miniſter des Auswärtigen und des Krieges ernannt ſcholaſt. Philoſoph, geb. 1350 in Compiegne, geſt. 
worden. Im Einverſtändnis mit der Dubarry leitete 1426, Lehrer und Kanzler in Paris, Kardinal, Führer 
er nun die Angelegenheiten Frankreichs bis zuin Tode der Reformpartei auf den Konzilen zu Piſa und 
des Königs. 1774 wurde er entlaſſen und vom Hofe | Konſtanz, behauptete die UberordDnung des Konzils 
verbannt. Bgl. Marion, La Bretagne et le duc | iiber den Papſt. Er ſchloß fic) in ſeinen »Quaestiones 
d’A. (Bar. 1898); Pocquet, Le duc d’A. et La’ super libros sententiarum« (Straßb. 1490) dem 
14* 





ral in der republifanijden Urmee angejtellt, während 











214 


Airey (pr. ied, Ridard, Lord, engl. General, 
geb. 1803, geft. 14. Sept. 1881, wurde 1821 Fähnrich 
und riidte bis 1852 zum Oberjt auf. 1854 Quartier: 
meijter der engliſchen Truppen im Rrimfrieg, hatte 
er wegen der mangelhaften —& für die Belage— 
rungstruppen von Sebaſtopol Vorwürfe zu erdul- 
den, von denen er ſich 1856 vor einer Unterſuchungs⸗ 
fommifjion reinigte. Schon 1854 gum Generalmajor 
beférdert, wurde A. 1862 ———— 1871 Ge— 
neral. Nachdem er 1870 —76 Gouverneur von Gi- 
braltar qewefen war, erbielt er Den Titel Lord A. 

Airol, pear hs rae ein dunkel grau- 
qriines, geruch- und geſchmackloſes, in Waffer unlös— 
liches Pulver, wird bet Wundheilung als Streupulver 
und Bajta benugt. Die Wundflächen färben fic bei Be- 
handlung mit A. qelb bis rot, die Umgebung braunrot. 

Airolo (deutſch Eriels), Dorf im ſchweizer. Nan- 
ton Teffin, 1179 m ii. M., am ſüdlichen Eingang des 
Gotthardtunnels, Bahnitation, mit 1900) 1632 Einw. 
Sommeraufenthalt ital. Tourijten. Hier 24. Sept. 
1799 Treffen zwiſchen den Ruſſen und den Franjofen, 
durch weldjes Suworow den libergang fiber den St. 
Gotthard erzwang. A. wurde 28. De}. 1898 durch 
einen Felsſturz vom Saffo Roffo teilwerfe verſchüttet. 

Airy cipc. dev, Sir George Biddell, Ujtronom, 
geb. 27. Jult 1801 zu Alnwick in Northumberland, 
geſt. 4. Jan. 1892 in London, ftudierte in Cambridge, 
wurde 1828 Profeſſor und Direftor der Stermwarte 
Dafelbjt und war 1836—81 Direftor der Sternwarte 
in Greenwich. 1872 wurde ihm die Ritterwiirde ver- 
lichen. Er ſchrieb: »Gravitation, an elementary 
explanation of the principal perturbations in the 
solar system« (ond. 1834, 2. Wufl. 1885; deutſch 
von Hoffmann: »Die Gravitation<, Leip;. 1891); 
»Six lectures on astronomy, delivered at Ipswich 
Museume« (1851 u. ö.; deutſch, Berl. 1852); » Alge- 
braical and numerical theory of errors of obser- 
vations« (2. Aufl. 1875); »On the undulatory 
theory of optics« (2. Muff. 1877); »Atmospheric 
chromatic dispersion, as affecting telescopic obser- 
vation, and on the mode of correcting it« (1869); 
» Notes on the earlier Hebrew scriptures« (1876); 
»Sound and atmospheric vibrations« (2. Aufl. 
1871); » Treatise on magnetism « (1870; deutſch von 
Tietjen, Berl. 1874); »Numerical lunar theory« 
(Yond. 1886). Seine »Autobiography« gab Wilfrid 
Yiry heraus (Lond. 1896). 

Airys Spiraten, |. Kolarifation des Lichts. 


Ufford — ais. cisis.eis; Ais moll-Ufford — 
ais.cis.eis; Ais moll-Tonart (ital. la ¢ [diesi) 


minore, fran}. la ¢ |diése] mineur, engl. A [sharp) | t 
Baris in eine Erziehungsanſtalt gebradt. Durd ihre 


minor) mit fieben vorgezeichneten Kreuzen, ſ. Tonart. 

Aifance (fran}., jor. ajangh’), Leichtigkeit, Behaglich 
feit; Wohlſtand. Aisances, Cabinet d’aisances, Ab— 
tritt, Kloſett. 

Aiſch, linfer Nebenfluß der Regnitz in Franten, 
font vom franfiiden Landriiden (der Hohen Leite) 
bet Burgbernheim und miindet ndrdl. von Forchheim. 

Aiſcha, cine der Frauen de8 Prophelen Moham 
med, Todter des Ubu Ber (f. d. 1), die Mohammed 
unt 620 tm Alter von faunt 7 Jahren fid) verlobte 
und 624 heiratete. Durd ihr munteres, kluges Weſen 
wurde fie die Favoritin Mohammeds, nad dejien 
Tode fie durch thre genaue Bekanntſchaft mit dem 
Vropheten großen Cinflup auf weite Kreiſe der Gläu— 
bigen erlangte. Sie nugte ibn unter anderm aus 
durch leidenichaftliche Rante gegen den ibr verhaßlen 








Airey — Aijtulf. 


zum Ralifen erwählt wurde. Yn der fogen. Kamels 
Potadht (656) gefangen genommen, wurde fie von Ali 
ungefraintt nad) Dieffa entlafjen. Später lebte jie 
zurückgezogen in Medina, wo fie, als »Mutter der 
Gläubigen« hodgeehrt, 676 jtarb. 

Aiſeau cor. ajo), belg. Ort, ſ. Charleroi. 

WMislingen, Fleden im bayr. Regbez. Schwaben. 
Bezirfsamt Dillingen, hat eine fath. Pfarrkirche, ein 
Satoh und (1900) 1098 Einw. Dabei das 10 km Lange 
Wislinger Moos. 

Misne (pr. an), Fluß im nördlichen Frantreid, die 
alte Axona, entfpringt tm Urgonnenwald bei Baube- 
court, ftrimt erſt nordweſtlich durd) die Departe: 
ment3 Marne und Urdennen, dann weſtlich durch das 
qleidjnamige Departement und einen Teil de3 De- 
partement8 Dije und mündet oberbalb Compiegne 
linfS in die Dife. Die Lange betrigt 280 km. Dic 
widhtigiten Rebenfliifje find die Wire (rechts) und Beste 
(linf8). Bis Condé erjesen der Urdennenfanal und 
der Seitenfanal der U. als Schiffahrtslinien den 
Flußlauf; von dort an bis zur Miindung wird aud 
die A. auf 56 km Lange befahren. 

Misne (jpr. dn), Departement im nördlichen Frank⸗ 
reid), umfaßt einen Teil der Ale de France und der 
Picardie, iftnad dem Fluß A. (ſ. oben) benannt, wird 
im RN. von Belgien und dem Depart. Nord, im O. von 
den Departement Urdennen und Marne, im S. von 
Seine-et-Marne, im W. von Dife und Gomme be 
qrengt und hat ein Areal von 7427 qkm (134,8 OW.) 
und (1901) 535,583 Einw. (72 auf 1 qkm). Das De- 
partement jerfallt in filnf Arrondiſſements: St. 
Duentin, BVervins, Laon, Soiſſons und Chateau- 
Thierry. Hauptftadt ijt Laon. Val. Poquet, Le dé- 
partement de l'A. (aon 1869); Matton, Diction- 
naire topographique du départ. de l'A. (daf. 1871). 

Misputte, Stadt, ſ. Hajenpoth. ; 

Aiſſauas, angeblide Sette mohammedanijder 
Fanatifer, die gum Beweis ihrer religidjen Ehſtaſe, 
welche fie ſchmerzlos und giftfeſt machen foll, Bangen, 
Lippen, Bunge, Arme rc. mit allerlet Waffen durch 
ſtechen, Feuer freſſen x. Dieſe meiſt aus Marofto 
ſtammenden Leute wollen Ausläufer der arabiſchen 
Aſſaſſinen (ſ. d.) fein, allein ihre Produltionen find 
mehr oder weniger Gaufeleien. : 

Aiffe, Mademoifelle, eine der ſympathiſchſten 
und poetifditen Gejtalten de3 18. Jabrh., geboren 
um 1694 in Tſcherkeſſien (Daher ihr Name A. oder 


Haidde), geſt. 13. März 1733 in Paris. Angeblich 
Ais, in Der Dtufif das durd 2 erhdhte A. Ais dur- | 


fürſtlicher Abkunft und auf einem Pliinderungsjuge 
von Tiirfen qeraubt, ward fie um 1698 von dem 
franzöſiſchen Botidafter in Konſtantinopel, Grafen 
von Ferriol, auf dem Sflavenmarft gefauft und nad 


blendende Schönheit und ihren Geijt tibte fie bald 


großen Einfluß aus, wenn fie aud) den Anforderungen 
‘der Moral nicht immer entfprad. Cine rithrende 


Treue bewabhrte fie dem Chevalier d'Aydie, der fie, 
da er ein geijtliches Amt befleidete, nicht deiraten 
durfte. bre Beziehungen gu den beriihmtejten Ber- 


ſonen der Zeit verleiben ihren Briefen an Mad. Ca— 


landrini ein großes Intereſſe; diefelben find jucrft 
1787 mit Unmerfungen Boltaires, zuletzt 1846 von 


Ravenel herausgegeben und feſſeln durch thren leben: 
digen und grajidfen Stil. Bouilhet hat fie zur Heldin 


eines Dramas gemacht (1872), ebenfo Dejour (1898). 
Bal. Courteault, Une idylle au XVIII. siéele. 
M"« A. et le chevalier d'Aydie (Macon 1900). 

Miftulf (Wjtolf), König der Langobarden 749— 


Ali (j.d. 1), deſſen Feinden fie ſich anſchloß, als er 656 | 756, eroberte das sum griechiſchen Katjertum geborige 


| 


Hino — ire. 


und mit Binfen verfleidet. Töpferei, Metallbereitung 
find den A. unbefannt; als Boote dienen ausgehöhlte 
Stämme. Fifdfang und Jagd mit grofen Hunden 
(den rag Haustieren außer Ragen, Hiihnern, 
Enten) find Hauptbeſchäftigung; der Uderbau (Hirje, 
Bobhnen, Tabaf) tit gering. Cin Staatsweſen {deinen 
fie nie entwidelt ju haben. Cinige Werkzeuge und 
Geräte der A. geigen die Tafeln -Aſiatiſche Kultur⸗ 
Tafel 1, Fig. 3; UI, Fig. 20), »Geriitee (Tafel I, 
Fig. 50 u. 52) und ⸗Kunſt der Naturvilfer« (Tafel J, 
vig. 1). Val. Unutfdin, Der Bolfsftamm der A. 
(ruff., Mosfau 1876); v. Siebold, Ethnologifde 
Studien fiber die U. (Supplement gur » Reitfdrift fiir 
Ethnologie«, 1881); Sdheube, Die UW. (Yofohama 
1882); Ghamberlain, The language, mythology 
and geogr. nomenclature of Japan (Tokio 1887); 
Batdelor, The Ainu of Japan (Lond. 1892); Ma- 
critdie, The Ainos (Leiden 1893). 
Mino, weiblide Gejtalt in Kalevala (jf. d.). 
Min Salah (Inſalah, Inçalah), Hauptort 
— * Tuãt (f. d.). 
n 


8, Ruinen, ſ. Bethſchemeſch. 
Win , befejtigte Stadt in Algerien, End- 
ftation der Bahn Oran-UA., 1280 m ü. W., mit (ave) 


16,163 Cinw. (nur 122 Franjofen), die Viehzucht 
und Ausfuhr von Halfagras treiben. 

inSworth (pc. ensiorth), 1) William Harri- 
fon, engl. Romanfdriftiteller, qeb. 4. Febr. 1805 
in Mandejter, gejt. 3. Jan. 1882 in Reigate (Sur- 
rey), Gobn eines Rechtsanwalts, verdffentlidte, nod) 
minbderjabrig, den Roman »Sir John Chivertone, 
der ihm das Lob Walter Scotts eintrug, dann unter 
Beifall die Romane: »Rookwood« (1834) und » Crich- 
ton« (1837). Die romantijde Diebesgeſchichte » Jack 
Sheppard« (1839) wurde mehrfad in England und 
Frankreich dDramatijiert. Bewegt er ſich hier äußerlich 
in den Bahnen Scotts, fo wird ſpäter Victor Hugos 
»Notre-Dame de Paris« fein Borbild fiir pſeudo— 
hijtorijde Romane, wie: »The tower of London« 
(1840),»Old Saint Paul's« (1841), » Windsor Castle« 
(1843), deren effetthajdende Tedjnit dem Melodrama 
abgelaujdt ijt. 

2) Billiam Francis, engl. Arzt, Geolog und 
Reijender, Better des vorigen, geb. 9. Nov. 1807 in 
€reter, gejt. 27. Nov. 1896 in London, ging 1827 als 
Arzt nad) Paris, durchforfdte die Auvergne und die 
Pyreniien in geologiſcher Beziehung, leitete nad fei 
ner Riidfehr in Edinburg die Herausgabe des »Jour- 
nal of natural and geographical science<« und 
hielt Borlefungen iiber Geologic. WIS 1832 und 
1833 in England und Irland die Cholera wiltete, 
widmete er ae Dem Studium diejer nfpeit und 
veröffentlichte cine vielbeſprochene Schrift: »On pesti- 
jential cholerae. 1835 wurde er der Euphrat-Ex- 
pedition unter Oberſt Chesney beigegeben und bereijte 
auf der Riidfehr Rurdijtan, den Taurus und Klein— 
afien. 1838 mit Raſſam und Th. Ruffell wieder nad 
dem Orient gefdidt, drang er 1840 tiber Moful bis 
ay den Neftorianern vor. Er veröffentlichte fiber feine 

teiſen: » Researches in Assyria, Babylonia and Chal- 
daea« (Lond. 1838); » Travels in Asia Minor, Meso- 
potamia, Chaldaea and Armenia« (1842, 2 Bde.); 
» Travels in the track of the 10,000 Greeks« (1844); 
» A personal narrative of the Euphrates Expedition« 
(1888, 2 Bde.) und »River Karun an opening to 
British commerce« (1889). Auch gab er einen »⸗IIlu- 
strated universal Gazetteer« (neue Aufl. 1869) und 
das von Doré illujtrierte Werf » Wanderings in every 
clime« ( Lond. 1872) heraus. 


213 


Aintab, Stadt im Wilajet Wleppo, 105 km nörd⸗ 
lid) von Wleppo, mit Baumwwoll- und Lederindujtrie, 
anfehnlidem Zwiſchenhandel, alter Burg und etwa 
43,150 Cinw. (meijt Turfmenen, 6000 Urmenier und 
1200 Grotejtanten). A. ijt Hauptitation der nord- 
amerifanifd - evangelifden Miſſion. 

Air (franj., fpr. ax), Dtiene, Haltung, Unjtand; 
vornehmes Unfehen; in der Muſik foviel wie Lied, 
Geſang, wie das italienifde Aria; aud) Bezeichnung 
von Qnjtrumentalmelodien, bef. foweit dieſe nicht 
einem —— (A. de danse) entſprechen. Bal. Arie. 

Wir (Usben), Gebirgsland in der fiidliden Sa— 
bara, gwijden 16 — 20° ndrdl. Br. und 7—10° sft. L, 
das fic) in den von N. nad S. giehenden Bergen von 
Timge (1550m) fowie den Gebirgen Baghſen (1350 m) 
und Eqbhellal iiber die 650 m Hohe Wüſtentafel erhebt 
(f. Karte bet Guinea), Die Tiler find zum Teil mit 
Vegetation bededt. Niederſchläge erfolgen nur int 
September und Oftober, dann allerdings in Gejtalt 
un —— Regengüſſe. Strauße, Gazellen, Löwen, 
— ale, Wildſchweine ſind nicht ſelten. Die Be— 
wohner, etwa 50 —60,000 Seelen, cin Gemiſch von 
Berbern und Negern, verfertigen Lederwaren und 
treiben Salzhandel (von Bilma). Als Geld dienen 
rat ty und Baumwollenſtreifen. Die bedeutendjten 
Orte find Tintellujt und die bereits 1460 gegriindete 

uptftadt Ugades (j.d.). UW. wurde von Barth und 

rin v. Bary erforjdt. 

Aira L. (Sd miele), Gattung der Gramineen, 
einjährige zarte Gräſer mit feinen Riſpenzweigen. 
6 Arten in Europa, Nordafrika, eine in allen gemäßig⸗ 
ten Ländern. A. caespitosa L(gemeine od. Raſen— 
ſchmiele, f. Tafel ⸗Gräſer I<, Fig. 6), mit fladen, 
raugen Blattern, bildet auf leichtem, feuchtem Boden 
dichten Raſen, ijt aber trotz des anjehnliden Ertrags 
ein Futtergras dritter Klaſſe. A. canescens L., ſ. 
Weingaertneria. A. flexuosa LZ. (Daferfd miele), 
auf trodnem Gandboden und fandigen Triften, ijt ein 

utes Weideqras. A. pulchella L. (j. Tafel »GriaijerV«, 

ig. 12), A. elegans Gaud. und A. caryophyllea L. 
werden fiir Trodenbufetts fultiviert. 

Miravati, Sanstritname des Rawi, ſ. Jndus. 

Aird (pr. xr), Thomas, ſchott. Didter und 
Seriftiteller, geb. 28. Wug. 1802 zu Bowden in 
Rorburghfhire, gejt. 25. Upril 1876 in Edinburg, 
ftubdierte dajelbjt, wurde Journalijt und fdrieb »The 
old bachelor in the old Scottish village« (1845, 
neue Ausg. 1857), eine Sammlung von Erzahlungen 
aus dem fdottijden Bolfsleben. Seine » Poetical 
works« (darunter das popular gewordene >The 
devil’s dream «) erſchienen in Cdinburg (5. Aufl. 1878). 

Wirdrie (pr. adr, Stadt (municipal burgh) in 
Lanarfihire (Schottland), 15 km djtlid) von Glasgow, 
mit (1901) 22,288 Cinw., liegt mitten tm ſchottiſchen 
Steinfohlendijtrift und bildet das Zentrum einer 
qrokartigen Cifenindujtrie. 

Wire (pr. ke), 1) Stadt im franz. Depart. Landes, 
Urrond. St.-Sever, am Wdour und der Siidbahn, 
Biſchofsſitz, hat eine Rathedrale (12. Jahrh.) und ivory 
2657 Einw. YL, ehemals Vicus Julii, die Hauptitadt 
der YUturer, ward ſpäter Reſidenz des Gotenfinigs 
Wlarid) I. — 2) Befejtigte Stadt im franz. Depart. 
Pas-de-Calais, Urrond. St.Omer, an der Lys und 
an der Vereinigung dreier Randle, an der Nordbahn, 
hat cine ſchöne Kirche, St.-Pierre, mit hohem Turm, 
abrifen fiir Nigel, Leder, OL, Handel mit Getreide 
und Mehl und (901 5366 (als Gemeinde 8458) Einw. 
A., im 7. Jahrh. geqriindet, gehörte gu Flandern 
und wurde 1713 an Frankreich abgetreten. 


214 Hirey — 
Airey (or. ied, Richard, Qord, engl. General, 
geb. 1803, geſt. 14. Sept. 1881, wurde 1821 Fähnrich 
und riidte bis 1852 zum Oberjt auf. 1854 Ouartier- 
meijter Der englijden Truppen im Krimfrieg, hatte 
er wegen der mangelhaften Fürſorge fiir die Belage- 
rungstruppen von Sebajtopol Vorwürfe zu erdul- 
den, von denen er fic) 1856 vor einer Unterludjungs- 
fommiffion reimigte. Schon 1854 = Generalmajor 
befordert, wurde A. 1862 Generalleutnant, 1871 Ge- 
neral. Nachdem er 1870 —76 Gouverneur von Gi- 
braltar geweſen war, erbielt er den Titel Lord A. 
Airol, Wismutoxyjodidgallat, ein duntel grau— 
riines, geruch⸗ und geſchmackloſes, in Waſſer unlös 
iches Pulver, wird bei Wundheilung als Streupulver 
und Paſta benutzt. Die Wundflächen färben ſich bei Be— 
handlung mit A. gelb bis rot, die Umgebung braunrot. 
Mirolo (deutſch Eriels), Dorf im ſchweizer. Kan- 
ton Teffin, 1179 m it. M., am fiidlichen Eingang des 
Gotthardtunnels, Bahnjtation, mit (1900) 1632 Einw. 
Sommeraufenthalt ital. Touriften. Hier 24. Sept. 
1799 Treffen swifden den Ruſſen und den Franzoſen, 
durch welches Suworow den iibergang fiber den St. 
Gotthard erjwang. UW. wurde 28. Dez. 1898 durd 
einen Felsſturz vom Saſſo Roſſo teilweife verſchüttet. 
Airy (ipc. ey, Sir George Biddell, Aſtronom, 
geb. 27. Juli 1801 zu Alnwick in Northumberland, | 








Aiſtulf. 


zum Kalifen erwählt wurde. In der fogen. Kamels 
tach (656) gefangen genonunen, wurde fie von Whi 
ungefrintt nad) Mekka entlafjen. Später lebte fie 
juriidgesogen in Medina, wo fie, als »Mutter Der 
Gläubigen« hodgeehrt, 676 ftarb. 

Mifeaw (vr. ajo, belg. Ort, ſ. Charleroi. 

Mislingen, Fleden im bayr. Regbez. Schwaben. 
Bezirksamt Dillingen, hat eine fath. Pfarrkirche, ein 
Soh und (1900) 1098 Einw. Dabei das 10 km lange 
Wislinger Moos. 

Misne (pr. dv), Fluß im ndrdlidhen Frankreich, die 
alte Axona, entfpringt tm Urgonnenwald bei Baube- 
court, ſtrömt erjt nordweftlid) dDurd) die Departe- 
ment3 Marne und Urdennen, dann weſtlich Durd das 
qleidnamige Departement und einen Teil des De- 
partement8 Oiſe und mündet oberhalb Compiéqne 
linlS in die Dife. Die Linge beträgt 280 km. Die 
wichtigſten Nebenflüſſe find die Uire (rechts) und Reste 
(links). Bis Condé i Sp der Urdenmenfanal und 
der Seitenfanal der U. al’ Sdiffabrislinien den 
Flußlauf; von dort an bis zur Mündung wird aud 
die A. auf 56 km Linge befahren. 

Wisne (jr. dw), Departement im nordliden Frank⸗ 
reid), umfaßt einen Teil der Ile de France und der 
Picardie, iftnacd dem Fluß A. (ſ. oben) benannt, werd 
im N. von Belgien und dem Depart. Rord, im O. vor 


qeit. 4. Jan. 1892 in London, ftudierte in Cambridge, | den Departements Urdennen und Marne, im S. von 
wurde 1828 Profeſſor und Direttor der Sternwarte | Seine-et-Marne, im W. von Oife und Somme be- 
Dafelbjt und war 1836—81 Direftor der Sternwarte | qrengt und hat ein Areal von 7427 qkm (134,8 DW) 
in Greenwich. 1872 wurde ihm die Ritterwiirde ver- und (1901) 535,583 Cinw. (72 auf 1 qkm). Das De- 
lieben. Er fdrieb: »Gravitation, an elementary | partement jerfallt in fiinf Arrondiſſements: St 
explanation of the principal perturbations in the | Quentin, Bervin8, Laon, Soiſſons und Chateau- 
solar system« (Lond. 1834, 2. Aufl. 1885; deutſch Thierry. Hauptitadt ijt Laon. Bgl. Boquet, Le dé- 
von Ooffmann: »Die Gravitation«, Leipz. 1891); | partement de l’A. (Laon 1869); Matton, Diction- 
»Six lectures on astronomy, delivered at Ipswich | naire topographique du départ. de l'A. (daf. 1871). 


Museum< (1851 u. ö.; deutich, Berl. 1852); »Alge- | 
braical and numerical theory of errors of obser- | 
vations« (2. Aufl. 1875); »On the undulatory 

theory of opties« (2. Aufl. 1877); »Atmospheric | 
chromatic dispersion, as affecting telescopic obser- | 
vation, and on the mode of correcting it« (1869); 
» Notes on the earlier Hebrew scriptures« (1876); 
»Sound and atmospheric vibrations« (2. Aufl. 


1871); » Treatise on magnetism (1870; deutich von | 


Tietjen, Berl. 1874); »Numerical lunar theory« 
(Yond. 1886). Seine »Autobiography« gab Wilfrid 
Airy heraus (Lond. 1896). 

Airys Spiraten, ſ. Lolarifation des Lichts. 

Als, in der Wufif das durch 2 erhöhte A. Ais dur- 
Akkord — ais.cisis.eis; Ais moll-Wfford — 
ais. cis. eis; Ais moll-Tonart (ital. la ¢ (diesi] 
minore, franj. la  /diése] mineur, engl. A {sharp| 
minor) mit fieben vorgezeichneten Kreuzen, ſ. Tonart. 

Aiſance (franj., jor. djangh’), Leidhtiqheit, Behaglich 
feit; Wohlſtand. Aisances, Cabinet d'aisances, Wb 
tritt, Kloſett. 

Aiſch, linfer Nebenfluß der Regnitz in Franten, 


fomimt vom franfijden Landriiden (der Hohen Leite) | 


bei Burgbernheim und miindet nördl. von Forchheim. 
Aiſcha, cine der Frauen de3 Propheten Moham- 


j ſtechen ’ 





med, Tocter des Ubu Befr (ſ. d. 1), die Mohanrmed 


um 620 im Alter von faum 7 Jahren fich verlobte | 


und 624 beiratete. Durch thr munteres, kluges Weſen 
wurde fie die Favoritin Mohammeds, nach deſſen 
Tode fie durch thre qenaue Belanntidaft mit dem 


Propheten großen Einfluß auf weite reife der Gläu⸗ Bal. 
bigen erlangte. Sie mugte ibn unter anderm aus, Me 


durch leiden}chaftliche Nante gegen den ihr verhaßten 


Wii (jd. 1), deſſen Feinden fie fid) anſchloß, als er 656 | 756, eroberte das sum gri 


Misputte, Stadt, ſ. Hajenpoth. 

Aiffanas, angeblice Sefte mohammedaniider 
vyanatifer, die gum Beweis ihrer religidjen Efftafe, 
welche fie ſchmerzlos und giftfeſt machen foll, Wangen. 
Lipper, — Urine rc. mit allerlei Waffen durd- 

uer frefjen x. Diefe meijt aus Maroffo 
jtammenden Leute wollen Ausläufer der arabijden 
Aſſaſſinen (f. d.) fein, allein ihre Brodultionen find 
mebr oder weniger Gaufeleien. 

MAiffe, Mademoifelle, eine der fympathifdjten 
und poetijditen Gejtalten des 18. Jahrh., qeboren 
um 1694 in Tſcherkeſſien (Daher ihr Name A. oder 
Haidée), geft. 13. März 1733 in Paris. Angeblid 
fiirftlider Ubfunft und auf einem Plünderungszuge 
von Tiirfen geraubt, ward fie um 1698 von dem 
franzöſiſchen — in Konſtantinopel, Grafen 
von Ferriol, auf dem Sklavenmarkt gefauft und nad 
Baris in cine Erziehungsanſtalt qebradt. Durd ire 
blendende Schönheit und ihren Geijt übte fie bald 
großen Einfluß aus, wenn fie aud den Unforderungen 
der Moral nicht immer entiprad. Cine riibrende 
Treue bewabhrte fie dem Chevalier d'Aydie, der fie, 
da er ein geiſtliches Amt befleidete, nicht beiraten 
durfte. Dore Besiehungen zu den berithmtejten Per: 
fonen der Beit verleiben ihren Briefen an Mad. Ca- 
landrini ein großes Intereſſe; diefelben find juerft 
1787 mit Unmerfungen BVoltaires, julept 1846 von 
Ravenel herausgegeben und feſſeln durch ihren leben- 
Digen und grajzidfen Stil. Boutlhet hat fie sur Heldin 
eines Dramas gemacht (1872), ebenfo Dejour (1898). 
Courteault, Une idylle au XVIII. siécle. 
A. et le chevalier d'Aydie (Macon 1900). 
Aiſtulf (Wjtolf), Kinig der Langobarden 749 — 
iſchen Kaiſertum gehörige 


Ai. — Ajaccio, 


Exarchat Ravenna und bedrohte Rom. Auf den Hilfe- 
ruf ded Bapjtes Stephan III. belagerte der Franfen- 
finig Pippin 756 den A. in Pavia und mang ibn. 
der römiſchen Kirche Genugtuung ju leijten. Als A. 
dennod Rom belagerte, wurde er 756 von Pippin 
genötigt, die fränkiſche Oberhoheit anguerfennen. 

Ait., Abkürzung fiir BW. Miton ¢. d.). 

Aitel, Fiſch, ſ. Ddbel. 

Aitken cor. ete, Sir William, Mediziner, geb. 
23. Upril 1825 in Dundee, gejt. 25. Juni 1892, ſtu⸗ 
dierte in Edinburg, wurde 1848 Projeftor in Glas. 

ow, 1855 pathologifder Unatom in Scutari, 1860 
Brofeffor an der Army Medical School. Er führte 
das Thermometer in die engliſche Praxis ein und 
ſchrieb: » Handbook of science and practice of me- 
dicine« (1858, 7. Aufl. 1890); »The growth of the 
recruit and young soldier« (2. Aufl. 1887); »On 
the doctrine of evolution in its application to pa- 
thology« (im »Glasgow Medical Journal«, 1885*— 
1886); »On the animal alcaloids« (2. Wuff. 1889). 

Miton (pr. en, William, Botanifer, geb. 1731 
bei Hamilton in Sdottland, gejt. 1. Febr. 1793 in 
Kew. Er war feit 1759 Borjteher des botanifden 
Gartens ju Rew, den er gu dem reichſten der Welt er- 
hob. Sein »Hortns Kewensis« (Lond. 1789, 3 Bde. ; 
2. Aufl. 1810 —13, 5 Bde., hrsg. von feinem Sohn 
und ——— William Townsend A. 1766—1849) 
enthält die Befdreibung von 6000 Pflanzen mit faft 
500 neuen Arten. 

Aitzema, Lie we (Leo) van, niederlind. Ge- 
ſchichtsforſcher, geb. 19. Rov. 1600 zu Doffum in 
Friesland, geſt. 23. Febr. 1669 im Haag, ftudierte 
Politif und Staatswifjenjdaften und war 30 Jahre 
Refident der hanfeatifden Städte im Haag. Er lie- 
ferte ein wichtiges Duellenwert fiir die Beit von 1621 
bi8 1668, betitelt: »Saken van staat en oorlogh, in 
ende omtrent de vereenigde Nederlanden« (Haaq 
1655 —71, 15 Bde.; daſ. 1669 —72, 7 Bode.). 

MiwalyF (qried. Ryd oni), —— im türk. 
Wilajet Chodawendikjar in Kleinaſien, am Buſen von 
Edremid, bis 1821 eine rein griechiſche Stadt, wurde 
von den Türlen wegen Teilnahme am Befreiungs— 
fampfe verwiljtet, fpdter aber wieder aufgebaut und 
zählt jebt 20,774 meijt griech. Einwohner. A. hat 


ein @ymnafium und treibt Olivenzucht, Olhandel und | 
| — verbreitete Pflanzenfamilie aus der Ordnung der 


Schiffbau. 

Aiwas, Name chriſtlicher, meiſt armeniſcher Die- 
ner im Haushalte türliſcher Großen, denen alle Ar— 
beit obliegt, die der muslimiſche Diener verſchmäht. 
Der A. gelangt durch ſeine große Unterwürfigleit oft 
gu bedeutendem Vermögen. 

Miz (pr. ats oder a8), 1) (W.-en-Provence) Arron⸗ 
diffementShauptitadt im franz. Depart. Rhönemün— 
dungen, liegt nördlich von Marfeille, an der Lyoner 
Bahn und zerfallt in einen alten und in einen neuen 
Stadtteil, beide durch den ſchönen Cours Mirabeau 
(mit mehreren Fontänen, von denen eine die Statue 
des Königs René trägt), qetrennt, dann in die nord- 
Hjtliche und weſtliche Borjtadt. Erwähnung verdienen 
die alte Rathedrale St.-Sauveur (10.—17. Jahrb.) 
mit reichem Portal und einem von act antifen Säu⸗ 
len —— Vaptijterium, die gotiſche Rirde St.- 
Yean de Malte (aus dem 13. Yahrh.) mit Grabmilern 
der Grafen von Provence, das Stadthaus mit altem 
Uhrturm und das Gerichtsgebäude. A. zählt «901 
23,955 (als Gemeinde 29,418) Einw., beſitzt Fabri⸗ 
fen für Bement, Seife, Kerzen, Mehl, Teigwaren, 
Hüte u. a. und ijt ein wichtiger Handelsplatz fiir 
Olivendl, eingemadte Früchte und Wein. Das Bade- 


,|terbau. A. ijt 





215 


etablijjement, da8 vor zwei warmen Duellen (von 21 
und 37°) verſorgt wird, enthalt einen rimifden Un— 
ib eines Ergbifdofs, eines Wppell- 
hofs und eines Handelsgeridts, hat drei Fakultäten 
(1409 erridtet, mit 1899/1900; 250 Studierenden), 
cin Lyzeum, eine Rormaljdule, cine Kunſt- und Ges 
werbeſchule, cine Bibliothef pon 120,000 Banden und 
1200 Manuftripten, ein arddologijdes Muſeum nebſt 
Wemiildegalerie und ein naturgeſchichtliches Muſeum, 
eine Gewerbefammer, ein Rranfen- und ein Irren⸗ 
haus. — A. ward 122 v. Chr. von dem Ronjul Ser- 
tiu8 Calvinus wegen der dort entdedten warmen 
Duellen —— und nad) ihm Aquae Sextiae be- 
nannt. sjtlid) von A. erfodt Marius 102 v. Chr. 
den Sieg über die Teutonen und Umbronen. Im 
Mittelalter war es Reſidenz der Grafen, von 1501 an 
Sit des Parlaments der Provence. A. ijt Geburtsort 
des Hijtorifers Mignet, des Moralijten Bauvenarques 
und der Botanifer Adanſon und Tournefort. 

2) (A.les Bains) Stadt im franz. Depart. Sa- 
voyen, Arrond. Chambéry, nahe dem Ojtufer des 
See$ von Bourget, 258 m il. M., Knotenpunkt an der 
Lyoner Gifenbabr. mit (1901) 5437 Couw., ijt berühmt 
durch feine warmen Sdpwefelquellen (45 und 46°), 
die unter bem Namen Aquae Domitianae und Gra- 
tianae ſchon zur Zeit der Romer befannt waren und 
hauptfidlid) in Dufdenform (mit Frottierung und 
Maſſage) bet Kheumatismus und Hautfranfheiten qe- 
braudt werden. Die Zahl der Kurgäſte beträgt jahr- 
lich etwa 12,000. Bon rimifden Uitertiimern find 
der fogen. Bogen des Campanus (3. oder 4. Jahrb. 
n. Chr.), die Ruinen des Dianatempels und eines rd- 
mifden Bades erhalten. Bal. » Aix-les-Bains, Guide 
publié par la Société médicale d’A.« (Bar. 1900). 

Aix, Fle d' (pr. i dds oder oa), Inſel an der franz. 
Riijte, in Der Meerenge Pertuis d'Antioche des Atlan— 
tifdjen Ozeans, gum Depart. Riederdarente, Arrond. 
Rodefort, gehdrig, 129 Heftar groß, mit jtarfen Be— 
fejtiqungswerten, Leudtturm und (ison 406 Einw. 
eae Fiſchern). — Auf der Reede von A. iiberlieferte 
id Napoleon 15. Yuli 1815 den Englindern. 

Miz-(a-Chapelle cpr. Gs oder 48 (a ſchapãl), franz. 
Name von Yaden. 

Aizoazeen, difothle, etwa 420 Arten umfaſſende, 
vorzugsweiſe im ſüdlichen Ufrifa und in der warmen 


entrojpermen. Der gwifden Kelch und Fruchtbliit- 
tern liegende Blattfreis bleibt einfad) und bildet ſich 
ju Staubgefifen aus, oder er zerfällt durd) Spaltung 
in viele Glieder, die ſich teils als Blumenbliitter, teils 
alg Staubblitter ausbilden. Einjährige Kräuter, 
Stauden oder Halbjtriuder. Die W. jerfallen in 
Molluginoideen, meijt Steppens und Wüſten— 
pflanjen, Fifoideen und Mefembrianthemeen. 

Aja (ital.), ſ. Ujo. J 

Mjaccio (fpr. ajattigo), Hauptſtadt der Inſel Korſila, 
an dem herrliden Golf von A., an der Weſtküſte der 
Inſel, in einer fruchtbaren Chene (Campo d'Dro) ge 
legen, Unsgangspuntt der Eiſenbahn nad) Baſtia, hat 
einen weiten, durch eine Zitadelle verterdigten Hafen. 
Unter den Gebauden verdienen die ſchöne Nathedrale, 
das College Fefd) mit Mufeum und Vibliothef und 
Wrabfapelle der Familie Bonaparte, dann das Ge— 
burtshaus Napoleons I. Erwähnung. Wn Dent: 
malern befipt U. die Marmoritatue Napoleons J. als 
Erjten Konjuls, das Monument der Familie Bona— 
parte (Der Raifer gu Pferde, umgeben vor feinen vier 
Briidern) und das Standbild Generals Whba- 
tucci. A. zählt avo: 20,946 Cinw., die Fabrifa- 


216 


tion von Zigarren, Teiqwaren, Schiffbau, Rorallen- 
und Sardellenfijderet und Handel mit Holz, Wein 
und Ol treiben. Sm Hafen find 1899: 629 Schiffe 
mit 195,372 Ton. eingelaufen. A. ijt Sig eines Pra- 
feften, eines HandelSgeridjts und (fet bem 6. Jahrb.) 
eines Bifdofs und hat ein College und zwei Normal- 
ſchulen. RNeuerdings ijt es klimatiſcher Kurort, na- 
mentlich Winteraufenthalt fiir Bruſtleidende gewor⸗ 
den; vgl. die Schriften von Biermann (Hamb. 
1868), Gerber (Zür. 1883), Lang (Wien 1894). 

AjahliKeman, türk. Streichinſtrument mit einem 
Fuk, etwas fleiner alS das Cello. Bgl. Remanged. 

MAjalbert (pr. aſchalbar) Jean, franz. Wdvofat und 
Sehriftiteller, geb. 1863 in Levallois-Perret bei Paris, 
kämpfte fiir Die Abſchaffung des Privilegs der Ad— 
vofatur und wurde deshalb 1893 von der Barifer 
Udvofatengilde zeitweiſe ausgeidlojjen. Er debiitierte 
in Der Literatur mit den dem Bolfsleben entnomme⸗ 
nen realiſtiſchen Gedidten »Sur le vif« (1886), ließ 
den naturalijtijden Roman » Le P’tit< (1888) folgen, 
jdrieb nach cinem YWufenthalt in Deutfdland inter- 
efjante » Notes sur Berline (1894), beteiligte ſich mit 
Cifer am Feldzuge fiir die Revifion des Dreyfuspro- 
zeſſes und ſammelte feine geharnijdten Artilel dar- 
liber in den Büchern »Sous le sabre« (1898) und » Les 
deux justices« (1899). Sein Hauptiwert ijt der Thea- 
terroman »La Tournées< (1901). Für bad Thédtre 
Libre dDramatifierte er mit großem Erfolg Goncourts 
iiberaus naturalijtijde » Fille Elisa« (1891). 

Ajaton, jum Stamm Dan gehörige Levitenftadt 
Palajtinas. 8 nahen Tal fand die Schlacht Joſuas 

egen fünf kanaanitiſche Könige ſtatt, wobei Jojua der 
Sonne ——— gebot (Joſ. 10, 12). Jetzt Jalo. 

Ajan (Ujansf), Ort in der ruſſiſch-ſibir. Küſten⸗ 
proving, am Ochotſtiſchen Meer, 1845 angelegt, friiher 
Hafenort, feit Ubtretung Wlastas an die Bereinigten 
Staaten von Amerika faft gan verddet. 

ree ind. Dorf, ſ. Wdfchanta. 

Mjas, ehemals widhtiger, jest verfallener Handel3- 
blag tm türk. Wilajet Adana (RKleinajien), an_ der 
Bucht von Ulerandrette. Bor der antifen Stadt Ägeä 
find nur geringe Trümmer übrig. 

Ajafoluf!, Dorf im tiirtijd-fleinafiat. Wilajet 
Uidin, unweit der Miindung des Menderez, um S. 
von Smyrna, mit 2793 Einw., bemerlenswert wegen 
der Trümmer des alten Ephefus. Die ftarfen Fluß— 
anidwenmungen haben die Küſte feit Dem Altertum 
um mehr alg 5 km vorgejdoben. Der Name A. ijt 
verderbt aus Hagios theologos, der Bezeichnung fitr 

Ajax, ſ. Yias. den Evangelijten Johannes. 

Wjingo, See in Weſtafrika, ſ. Aſingo. 

Ajmere, ind. Stadt und Territorium, ſ. Adſchmir. 

WjuaceSFs (pr. ajnarjors), Bad im ungar. Komitat 
Gömör, 271 m ii. M., an der Staatsbahnlinie Fiilet- 
Mistoles, mit fdhweflig-alfalifder Quelle, zwei erdi- 
gen Eiſenſäuerlingen, der Burgruine Hajnacsfd und 
670 ungar. Einwohnern. 

Ajo (ital., fpan. Uno), Hofmeifter, Erzieher; in 
der weibliden Form Wja (jpan. Uya), Kinderfrau, 
Erzieherin. Frau Aja, der ſcherzhafte Beiname der 


Mutter Goethes, ijt aus dem Vollsbuch von den vier | 
Haimonsfindern entlehnt, deren Mutter diejen Namen | 


führte. 


a jour (frany., for. ſhar), gu Tage, durchſichtig; 
von Rechnungsbüchern x.: bts auf den laufenden | 


Taq in Ordnung. a. j. gefaßte Edeliteine find 
folde, bei denen die Faſſung den Stein nur an 
Kanten fejthalt, feine Rückſeite fret und unbededt, ihn 
alfo durchſichtig läßt (ogl. Edelſteine). 








Ajahli Reman — Ajwaſowſkij. 


aà jour· Arbeit, Durchbruch in Weißſtickerei (7. d.)- 

à jour-Stoffe, durchſichtige, durchbrochene Ge- 
webe, aus Seide oder feinen Baumwollengarnen, mit 
leinwandartigem Grund, während auf den dDurd- 
ſichtigen Stellen vier Faden gujammendrehen, fo daß 
Locher im Gewebcent- 
—— (fj. Ubbild.). Die 





ULL baby —— — —= 
ſterung ijt geſtreift eee =5 
oder farriert. Bur 2558 3hbe — 
Herſtellung durchͤroo. = 
dener Gewebe ligt STE 
man audinGetteund Sfhikdbdbdhd ro iF = 
Schuß nad mehreren A jour-Gemebe. 
wollenen Faden meh⸗ 


reve baunuvollene folgen und zerſtört ſpäter die eme 
Fadenforte burd) Karbonifierung. Die Bindung ijt 
dann nur Leinwand. 

Ajowanfriidte, ſ. Carum. 

Ajtony (aud) Udtum oder Odtum), reicher 
ungar. StammeSfiirit, ber zur Beit ded Heil. Stephan 
längs der untern Maros cine faft unabbangige Stel- 
lung einnahm und, um Stephan zu trogen, den Kai— 
jer von Byzanz als Oberherrn anerfannte. 1028 wurde 
er von Stephan gejdlagen und getötet. Sein Ge- 
ſchlecht erhielt ſich tm Banat (ſ. d.) nod bis 1350. 

Ajuda, Stadt in Wejtafrifa, ſ. Whydab. 

Ujuthja (UWjuthaja, Quthia, »die unbeficg- 
bares, auch Rrung-Rao, »alte Hauptitadt<), friiber 
Dauptitadt von Siam, auf ciner Ynfel ded Menam, 
unter 14° 20 nördl. Br. Die alte Stadt mit Hun— 
derten von Tentpeln und ricjigen Buddhaftatuen aus 
Kupfer, Silber und Gold wurde 1766 zerſtört; die 
Trümmer find von Tropenwald iiberwudert. Die 
neue Stadt hat 600 Klöſter (davon 40 leer ftebend) 
und 50,000 gewerbtätige Cinwobner. 

Ujwafowffij, 1) Gawriil Ronftantino- 
witfd, ruſſ. Orientalijt, qeb. 22. Mai 1812 in Feo- 
dofia auf der Halbinfel Krim, aus armenifder Familie, 
jtudierte im Kloſter der Mecitarijten gu St. Lazarus 
bet Venedig, wirkte dann dafelbjt alg Lehrer der orien- 
taliſchen Spraden, der Philoſophie und Theologie, 
wurde 1848 Stubdiendireftor am armenijden Kloſter 
zu Baris und gründete fpdter Das neue armenijde 
Kloſter zu Grenelle bei Paris. Er ſchrieb in arme- 
nifcher Spradje einen » Abriß der Geſchichte Ruplands « 
(Vened. 1836) und eine ⸗Geſchichte ded tiirfifden Rei⸗ 
dhes« (Daj. 1841, 2 Bde.). Wud) war er Hauptmit- 
arbeiter an UWuchers großem armenifden Worter- 
bud) und gab cine armeniſche wiſſenſchaftliche Seit- 
ſchrift: »Pozmaweb« (»Bolybhijtor<), und eine arme⸗ 
niſch⸗ franzöſiſche Revue: »La colombe du Massis« 
(Par. 1855), heraus. 

2) Jwan Konſtantinowitſch, ruff. Marine- 
maler, Bruder des vorigen, geb. 7. Juli 1817 in Feo- 
dDofia, geit. Dafelbjt 2. Mai 1900, war feit 1833 Schiller 
der Betersburger Ufademic, bildete fid) Dann weiter 
unter Tanneu und dem Sdladtenmaler Sauerweid 
(qeit. 1844) und bereijte cinen großen Teil Europas 
und des Drients. Jn feinen —— zeigte er eine 
glückliche Erfindungsgabe, eine große Virtuofitat in 
der Wiedergabe der Töne des Waſſers und der Be— 
wegung der Wellen ſowie eine elegante Pinſelführung; 
aber fajt immer ſtrebte er nad) glänzendem, oft kraſ⸗ 
fem Effelt in der Beleudtung, wodurd fein Kolorit 
qrefl und unbarmonijd wurde. Die Darjtellung der 
aufgeregten Elemente gelang ibm weniger ald die des 
rubigen Meeres. Bu den bedeutendjten feiner Effeft- 


bilder gehiren: Wondideinlandidaft in der rim, 


| Sonnenaufgang in Venedig, Gonnemuntergang ant 





WF — Afademie. 


Schwarzen Meer, Anſicht von Kertſch, Gonnenauf- 

ang über Dem Meere, die Schöpfung und die Siind- 
Pat (Die beiden leftern im Muſeum der Eremitage 
gu Petersburg), Konjtantinopel im Mondſchein und 
andre aus dem Raufafus und Armenien. 

MF, ſ. Calotropis. 

ME (tirt.), in zuſammengeſetzten Ortsnamen oft 
vorfommend, bedeutet » wei. 

Akäba (Utabet el Misrie), türk. Hafenort mit 
Rajtell an der äußerſten Spipe ded Meerbufens 
von A., ded norddjtliden Armes de3 Roten Meeres, 
und am Giidende des Wadi ef Urabah, an der Stelle 
des alten Ylana (j. d.). 

Wfademie (qried). Axadyuca, lat. academia), 
Anſtalt zur Beförderung wiſſenſchaftlicher oder künſt⸗ 
leriſcher Studien. Urſprünglich führte den Namen 
die Schule Platons, die ihn von dem Garten des 
Akademos, einem mit Anlagen verſehenen, an der 
nördlichen Seite der Stadt Athen gelegenen Platz, emp⸗ 
fing, in dem jener ſeine Vorträge zu halten pflegte. 
Die erſte Gejtalt derſelben (347—270 v. Chr.), die 
fid) nod) hauptſächlich an die Werle ded Stifters hielt, 
wird al8 Gltere (oder erjte) A., die Darauf folgende, 
Deren Griinder Urfefilaos (316 —241) fic Dem Sfep- 
tizismus näherte, als mittlere (oder zweite) A., die 
von Sarneades (214 — 129) begriindete, die Dem 
Probabilismus huldigte, als newere (oder dritte) U. 
bezeichnet (j. Blaton). Unter den ſpätern Platonifern, 
die wieder gum Dogmatismus — unter⸗ 
ſcheidet man nod cine vierte A., deren Haupt Phi— 
fon von Larijja (unt 80 v. Chr.) war, und eine filnfte, 
Heqriindet durch Untiodos aus Usfalon (um 50), der 
die Platonifche mit den peripatetifden und ſtoiſchen 
Lehren verſchmolz und dem Eklektizismus und Neu— 
platonismus den Weg babnte. 

Im neuern, durd Cicero und die fpatern Romer 
vorbereiteten, ~ Renaiſſancezeit in Ftalien ausgebil- 
deten Sinn ijt WU. entweder cine hd bherelnterridts- 
anjtalt oder, und gwar nod biufiger, eine Gelebr- 
tengefellfdaft. In der erjten Bedeutung ijt U. 
oft joviel wie Univerſität. Ym Unterfdied von der 
Univerjitdt verjteht man unter A. aud) eine Unjtalt, 
die jum Bortrag nidt aller Wifjenfdaften, fondern 
nur einer einzelnen oder mehrerer beſtimmt oder aud 
fiinjtlerifden Studien gewidmet ijt. Eine folde Lehr- 
anjtalt war 3. B. bid 1902 die A. gu Münſter in Wejt- 
falen (bid dahin mit zwei Fatultaten), und nod jest 
gehören das Lyceum Hosianum in Braunsberg und 
Die acht fnigliden Lyzeen (Alademien fiir Theolo- 
gie und Philoſophie) in Bayern hierzu; ferner die 
Rrieqsafademien gu Verlin, Miinden, die Mili— 
tirafadentien in Wiener-Neujtadt, Wien r., die Ma- 
rineafademien in Riel, Fiume; die Berqafade- 
mien zu Freiberg, Klausthal, Leoben, Peibram, 
Schemnitz x.; die Forftafademien gu Freiburg, 
Tharandt, Ujdhaffenburg, Hohenheim, Münden, 
Eherswalde rc. ; die Wfademien fiir Landwirtſchaft 
gu Hohenheim, Poppelsdorf r.; die Handelsata- 
demien ju Wien, Gray, Trieſt ꝛc. (vgl. die betreffen- 
den Urtifel: Kriegs⸗, Marine-, Bergafademie, Forjt- 
ſchulen, Landwirtſchaftliche Lehranjtalten, Handels- 
ſchulen ꝛc.). Hierher gehiren ferner die Alademien der 
bildenden Künſte (ſ. Kunſtakademien). Endlich ijt 
nod) der Muſikakademien gu gedenlen (ſ. Konſer⸗ 
vatorium), worunter man teils wirflide höhere Lehr⸗ 
anſtalten fiir Mufit, wie die Royal Academy of music 
dhervorgegangen aus der 1710 geqriindeten Academy 
of ancient music), teils Inſtitute oder Geſellſchaften 
zur Pflege der Tonfunft veriteht. Hu leptern gehiren 


217 


unter anbdern die 1669 gegriindete Académie royale 
de musique (jest Große Oper) in Baris, die A. fiir ita: 
lieniſche Opernumifif (1720 gegriindet, Durd) Handel 
beriihmt), die Accademia filarmonica in Bologna u. in 
Verona, die Singafademie in Berlin, die Muritatade- 
mien in Briiffel, Stodholm rc. Cin Mittelding zwiſchen 
Schule (Gymnaſium) u. Univerſität bildeten früher die 
jog. akademiſchen Gymnaſien und die Ritter— 
akademien (j.d.), die jetzt meiſt zu einfachen Gymna- 
ſien umgeſtaltet oder, wie aud) das alademiſche Gym⸗ 
nafium in Hamburg (1883), gang eingegangen find. 

Das Vaterland der Ufadentien un Sinne von Ge- 
lehrtenvereinen ijt ber Sache nad das gräziſierte 
Agypten mit Werandria (wo das Mufeion tatfid- 
lid) eine U. von hoher Bedeutung war), dem Ramen 
und der ganzen Cinridtung nad Jtalien. Wm Hofe 
Cofimos de’ Medici gu Floren entitand um 1470 
eine Blatonifde i) Yn der Spike diefes nicht feſt 
organifierten Vereins ftand der berühmte Platonitfer 
Marjilius Ficini, mit deſſen Tode fid) (1521) die A. 
auflöſte. Vielleicht fdjon einige Jahre friiher hatte 
ji) an dem Hof Wifons' V. gu Neapel um Antonio 
Veccadelli Ranormita ein Kreis von Gelehrten zu 
einer A. vereinigt, in der namentlid Laurentius Balla 
und Giov. Pontano (daber Accademia Pontaniana) 
hervorragten. Diefe A. wählte ſchon auswartige Mit- 
glieder und Ehrenmitglieder. Der A. von Neapel folgte 

egen 1498 die gu Rom als Accademia antiquaria. 
Ihr Griinder war Jul. Bomponius Lätus, der Hu- 
manijt und Ujtrolog, ifr Hauptzweck Erforfdung der 
italienijden Ultertiimer. Auch ſie knüpfte auswartige 
Verbindungen an, mufte ſich aber, weil einzelne Mit⸗ 
glieder vom Papjt Paul IT. wegen angeblicer Ketzereien 
verfolgt wurden, in die Verborgenheit zurückziehen und 
dDauerte als geheime Geſellſchaft mur bis 1550. Erſt 
unter Benedift XIV. lebte fie 1742 wieder auf. Bon 
qrifter Bedeutung fiir die Entwidelung der italieni- 
chen Sprache und iteratur ward die Accademia della 
Crusca (eigentlich »Rleien-W.«, weil fie die Sprade 
reinigen wollte wie das Mehl von der Kleie), die Der 
Dichter Grazzini im Oftober 1582 gu Floreng qriindete. 
Sie wurde Vorbild fiir die franzöſiſchen Ufademien 
u. fiir die deutſchen i eg oa ig des 17. Jahrb. 
ſowie fiir die zahlreichen Ufademien oder Gefellfdaf- 
ten der Wiſſenſchaften (Sozietäten). Über die italie- 
niſchen Alademien der ſpätern Heit f. unten (S. 219). 

Das Guftitut de France gu Paris. 

Unter den allgemeinen Wlademien gebiibrt den 
unter den Ramen Institut de France zuſammen— 
gefaiten Ufademien zu Paris die erjte Stelle. Die 

nfdnge bejtanden in einem $rivatverein fiir die 
Pflege der franzöſiſchen Sprache, der fich feit 1629 bei 
Valentin Conrart verjammelte. Rardinal Ridelicu 
erweiterte diejen Verein (2. Jan. 1635) gur Académie 
francaise, die amt 10. Juli 1637 ihre Sitzungen be- 
gann und von Unfang an, wie heute nod), 40 Mit- 
qlieder zählte. Bier von ihnen —— von Colbert 
1663 den beſondern Auftrag, die Abfaſſung und Re— 
daktion der Inſchriften auf den öffentlichen Denk— 
mälern ju leiten. Dieſe Konmiſſion, La petite Aca- 
démie genannt, erhielt 1701 den Namen Académie 
royale des inscriptions et médailles und ein Reqle- 
ment, wonad) die Bahl ihrer Mitglieder auf 40 feſt— 
gele t und der Kreis ihrer Titigfeit auf Geſchichte. 

äologie und Philologie ausgedehnt wurde. Em 
Defret des Regenten vom 4. Jan. 1716 dnderte den 
bisherigen Namen um in Académie royale des in- 
scriptions et belles-lettres. Die Académie dcs 
sciences wurde 1666 durch Colbert den beiden bis- 


218 Afademie (das Ynjtitut de France, die Berliner U. der Wiſſenſchaften ꝛc.). 
herigen Ufademien hingugefiigt, 1699 neu gegliedert 
und 1785 erweitert. Eine finiglidje U. der Bildhauerei 
und Malerei (de sculpture et de peinture) war 
fdjon 1648 von Mazarin erridtet und 1655 von 
Ludwig XIV. beſtätigt worden. Als —“ Ein⸗ 
richtungen wurden dieſe Ufademien durch das Dekret 
des Konvents vom 8. Aug. 1793 aufgehoben, aber 
bereits 25. Oft. 1795 durch das Direftorium als In- 


Sie beſchäftigt fic befonders mit einem » Dictionnaire 
de ]’'Académie des beaux-arts«, wovon 5 Bande er⸗ 
fdjienen find, mit Gutadten und jablreidhen ‘Erete- 
verteilungen. — Die fünfte Rlafje, die Académie 
des sciences morales et politiques, zählt 40 ordent- 
lidje, 6 freie, 6 fremde und 48 forrefpondierende Mit⸗ 
glieder. Sie hat auch verjdiedene Preiſe zu verteilen. 
Die Ufademien Deutſchlands und ice. 


stitut national — mit einer Gliederung 
in drei Klaſſen, die Napoleon I. 1803 gu vier Klaſſen 
ertweiterte. Seit 1806 heißt Der Gefamtname Institut 
de France, je nad) der Regicrungsform de3 Landes 
mit Dem Zuſatz royal, impérial oder national. Die 
alten Namen Académie frangaise, Académie des 
inscriptions et belles-lettres, Académie des sciences 
wurben wieder eingefiibrt und als vierte Ubteilung 
die Académie des beaux-arts Hingugefiig. Als fiinfte 
A. trat 1832 auf Guizots Veranlaſſung die Académie 
des sciences morales et politiques hinzu. Unter—⸗ 
einander find dieſe Alademien dDurd eine Anzahl ge 
meinfdaftlider Cinridjtungen verbunden. Jedes 
ordentlide Mitglied des Ynjtitutd bezieht einen Jahr⸗ 
ehalt von 1500, ber Sefretiir jeder Klaſſe von 6000 
ant. ede Klaſſe verſammelt fid) getrennt von 
den itbrigen; nur einmal im Jahre, jept 25. Oft., 
lommen in feierlicher Generalverjammlung alle Glie- 
der ded Inſtituts zuſammen. Die Sipungen de3 In— 
jtituts finden im Balais de l'Inſtitut ftatt. Val. Wucoc, 
L'Institut de France. Lois, statuts et réglements 
(Par. 1889); Graf de Franqueville, Le premier 
siécle de l'Institut de France (daj.1895—96, 2 Bde.). 
Die erjte Rlajje, die Académie francaise, mit 
ihren ziemlich treu bewahrten urjpriingliden Statu- 
ten und 40 Mitgliedern (les quarante immortels), be- 
baut als ihr ausſchließliches Feld franzöſiſche Sprache 
und Literatur; tbr Hauptwert ijt das große » Diction- 
naire de l’Académie« (juerjt 1694, 7. Aufl. 1878). 
Durd die zahlreichen jährlich verteilten Preife fiir 
verdienjtvolle Werfe übt die A, auf die Literatur einen 
bedeutenden Einfluß aus. Überdies ſteht ihr eine 
Anzahl von Preifen fiir edle Taten zur Verfiiqung. 
Bal. Mesnard, Histoire de l’Académie francaise 
(Rar. 1859); Rouxel, Chroniques des élections a 
l' Académie francaise (2. Aufl., daſ. 1888); »Les 
Registres de l’'Académie de France, 1672—-1793« 
(Daj. 1896, 3 Bde.). — Die sweite Rlajje, die Aca- 
démie des inscriptions et belles-lettres, beſchäftigt 
ſich mit der Geſchichte, Archäologie und laſſiſchen 
Literatur. Sie hat 40 ordentliche, 10 freie, 8 aus⸗ 
wiirtige, 50 forrefpondierende Mitglieder und verfilgt 
iiber eine Anzahl 3. T. betradtlider Breife. Unter 
ihren Urbeiten ftehen die von den Benediftinern iiber- 
fommene »Histoire littéraire de la France«, der 
» Recueil des historiens de France« und das »Cor- 
pus inscriptionum semiticarumé obenan. Bal. Des « 
jardins, Comptes rendus des séances, etc. (Bar. 
1858). — Der dritten Klaſſe, der Académie des 
sciences, find Naturgeſchichte, Phyſik, Chemie und 
Mathematif sugewiefen. Sie bejteht aus 68 ordent- 
lichen, 10 freien, 8 auswartiqen und 100 forrefpon- 
dierenden rin re und jerfallt in elf Seftionen 
von je ſechs Mitgliedern (zwei beſtändige Sefretire 
ſtehen außerhalb der Seltionen). Die veröffent⸗ 
lit: »Comptes rendus hebdomadaires des séances« 
und »Mémoires«. Bgl. Maindron, L’Académie 
des sciences (Par. 1887).-— Die vierte Klaſſe ijt die 
Académie des beaux-arts. Gie befteht aus 41 ordent- 
licen, 10 freien, 10 fremden und 40 forrefpondieren- 
Den Witgliedern, die fic) in fiinf Seftionen qliedern. 





Unter den Deutf den Ufademien ijt zuerſt zu men- 
nen die U. der Wiffenfdaften ju Verlin. Sie 
wurde unter Dem Namen »Sosietit der Wiſſenſchaf⸗ 
ten« 1700 von Friedrid I. nad Leibniz’ großartigem 
Plane gejtiftet, aber erjt 1711 erdjfnet. Leibniz war 
ihr erjter Prafident. Unter Friedrid) Wilhelm T. zu— 
rückgedrängt und verfiinumert, wurde fie durch Mau⸗ 
pertuis unter Friedrid) I. ganz nad franzöſiſchemn 
Wtujter reorganijiert und erhtelt, mehrmals verandert, 
24. Jan. 1812 ihre jepige Verfaffung. Nad) derjelben 
zerfallt fie in vier Seftionen, die phyfifalifde, mathe- 
matifde, philoſophiſche und hiſtoriſche, die fich zu zwei 
Klaſſen, gu einer mathematiſch-phyſikaliſchen und 
einer philoſophiſch-hiſtoriſchen, zuſammenordnen. 
Jede dieſer Klaſſen hat zwei auf Lebenszeit gewählte 
Sekretäre, die in den —** abwechſelnd je ein 
Vierteljahr me" | den Vorſitz flibren; ihre Beſoldung 
betriigt 1200 Wt. Die Mitglieder find tetls ordent- 
liche (ca. 50, mut je 600 Wet. befoldet), tetls ausmar- 
tige, Ehrenmitglieder und Korrefpondenten. Die YL 
veröffentlicht (jeit 1811 in ununterbrodener Reibe) 
eine Auswahl threr Ubbandlungen, anfangs unter 
dem Titel: » Miscellanea Berolinensia«, fpater, von 
1770 an, alg » Mémoires de l'Académie royale des 
sciences et belles-lettres 4 Berlin«, Dann als ⸗·Ab⸗ 
handlungene, während die »Monatsberidte< fitryere 
Nachrichten von den Sitzungen geben. Die Verteilung 
der Jahrespreife geſchieht am Geburt8tag thres Griin- 


ders Leibniz. Sowohl durd den Ruhm ihrer Mit⸗ 


—— (Schleiermacher, die Brüder v. Humboldt, die 
rüder Grimm, v. Savigny, Böckh, Ritter, Lach— 
mann ꝛc., um der Lebenden nicht gu gedenken) als 
burd Zahl und Bedeutung der von ibr veranlaften 
und gefirderten Werle (»Corpus inseriptionum grae- 
carum«, »Corpus inscr. latinarums, »>Monumenta 
Germaniae historica«, die Werfe des Uriitoteles, 
Friedrichs Dd. Gr., »Commentaria in Aristotelem 
graeca«, »Mants geſammelte Schriften « xc.) ijt Die Ber⸗ 
liner VU. dem Barifer Inſtitut m jeder Weiſe eben 
biirtig. Bgl. Harnad, Geſchichte der finiglich preu- 
ßiſchen A. der Wiſſenſchaften zu Berlin, im Auftrag 
Der A. bearbeitet (Berl. 1900, 3 Bde.; Ausgabe in 
1 Bd. 1901). — Sodann verdient unter den deutiden 
Die 1759 geftiftete UW. der Wiffenfdhaften ju Minden 
eine ehrende Erwähnung. Sie erbielt, nachdem fie 
anfangs meijt auf vaterlandifche Geſchichte befchrintt 
geweſen, aus welder Epoche die wertvollen »Monn- 
menta Boica« ſtammen, 1809 einen allgemeinern 


wiſſenſchaftlichen Wirkungskreis und wurde 1829 in 
| Drei Klaſſen gegliedert: eine philofophiid-philologifdhe, 


hijtorifde und mathematiſch⸗phyſikaliſche. Sett Grün⸗ 
dung (1858) einer mit ihr verbundenen ⸗Hiſtoriſchen 
Kommiſſion« (f. dD.) Durd) Maximilian LL. ijt die ure 
fpriinglide Ridjtung auf Geſchichte wieder beſonders 
belebt worden. Ihre Abhandlungen erſcheinen unter 
dem Titel: »Abhandlungen der Bayriſchen A.«, denen 
frither ſich febr —— Gelehrte Anzeigen⸗ zur 
Seite ſtellten; ſeit deren Eingehen bringen ⸗Sitzungs 
berichte Notizen und aud Abhandlungen. — Die 
»Ronigliche Sozietät⸗, nachher »Gefellichaft der Wiſ⸗ 
ſenſchaften · in Gottingen wurde 1742 auf Ulbredt 





Afademie (Deutſchland, Ojterreid), Ausland). 


v. Hallers Betrieb gegründet und 1770 zweckmäßiger 
fonftituiert. Sie bejteht aus drei Klaſſen, einer ma- 
—5 phyſilaliſchen und hiſtoriſchen. Seit 1752 
gab fie heraus: ·Commentarii Societatis«, feit 1772 
»Novi Commentarii Societatis«, fodann »YUbband- 
lungen«. Außerdem hat fie fid) verdient gemadt 
durch Griindung und Erhaltung der älteſten unter 
den nod) bejtehenden literariſch-kritiſchen Zeitſchriften 
in Deutidland, der »Gittingifden gelehrten An— 
gcigen, feit 1741. Andre deutſche Whademien find: 
i¢ »Königliche A. gemeinniigiger Wiffenfdaften« zu 
Erfurt (1758 geqriindet), die »>Oberlaufiper Gefell- 
ſchaft der Wiſſenſchaften⸗ gu Görlitz (feit 1779) und 
als die jüngſte Die ⸗Königlich ſächſiſche Gefellfchaft 
der Wiffenfcaften« gu Leipzig, 1. Juli 1846 ers 
öffnet, die fic) vornehmlich bilot iſche, bijtorifde, 
mathematifde und ———— licker feta 
en zur ——— geſtellt hat, aud) größere wiſſen— 
chaftliche Arbeiten aus dieſen Gebieten unterſtützt. 
Die Mitglieder (aus dem Königreich Sachſen und den 
ſächſiſchhüringiſchen Staaten gewählt) ſind teils or- 
dentliche, teils außerordentliche und zerfallen in zwei 
Klaſſen, eine philologiſch-hiſtoriſche und cine mathe- 
matifd -phyfifalifde. Ihre »Wbhandlungen« fowie 
» Beridte< fiber die Sitzungen erfdeinenim Druck, und 
jivar feit 1849 die beider Klaſſen gejondert. Sdjon 
1768 war in Leipzig von dem Fürſten Joſeph ler. 
Jablonowſti die — arith Sablonowffijde Gefell- 
ſchaft ber Wiſſenſchaften⸗ peftifiet deren neun Mit⸗ 
lieder jetzt agli Mitglieder der Königlichen Ge- 
Peiticatt iſſenſchaften find (f. Jablonowſti 2). 

Unter den Utademien Ofterreids ijt die »Böh— 
miſche Gefellfchaft der Wiſſenſchaften in Prag, die 
als Brivatgejelljdaft 1769 gegriindet und 1785 als 
ftaatlide Rorporation anerfannt wurde, die älteſte (ihre 
Geſchichte ſchrieb Kalouſek, Prag 1885). Jn einem 
Gegenſatze gu dieſer jetzt tſchechiſch nationalen Alademie 
wurde 1891 in Brag von Privatleuten die »Gefell- 
ſchaft sur Forderung deutfder Wiſſenſchaft, unit 
und Literature gegriindet, die nicht regelmäßig wiſ⸗ 
fenfchaftliche Mitteilungen veröffentlicht, fondern nur 
wifjenfdaftlide Unternehmungen und künſtleriſche 
Intereſſen unterjtiigt. Die »Raijerlidje U. der Wiſſen⸗ 
jdhaften« gu Wien, fon von Leibniz in Anregung 

ebradt, wurde durch Patent vom 30. Mai 1847 ge- 
tiftet. Sie zerfällt in zwei Klaſſen, eine philojopbitey- 
philologifche und hiſtoriſche und eine mathematifd- 
naturwiſſenſchaftliche (ihre Gefdhidhte ſchrieb Alf. Hu- 
ber, Wien 1897). Uukerdem find zu nennen: die 1825 
eqriindete ungarijde UW. 3u Budapejt, die »Siid- 
lawifde A. der Wiſſenſchaften« in sof —— (1861) 
und die A. der Wiffenfchaften gu Krafau (1872). 
Ufademien des Auslandes. 

Das Vaterland der neuern Alademien, Italien, 
erbielt bald nad) der Entitehung der oben erwähnten 
eine große Anzahl von Wfademien. Sie leqten ſich 
einen meijt Eifer und —— bezeichnenden 
Namen bei, z. B. Accesi, Silenti, Ardenti, Infiam- 
mati, Gelati xc., beſchäftigten ſich aber Der Mehrzahl 
nad) nur mit der Bearbeitung der Mutterſprache und 
mit poetifden Ubungen, oft recht dilettantenhafter 
Art, und gehören unter die Rubrik der befondern 
Wfademien. Eine allgemeinere Richtung hatte die nod 
jetst in Anſehen jtehende W. gu Floren; ebenfo die 
A. gu Mailand, jest fonigliches Inſtitut (Istituto 
Lombardo di scienze), das (jeit 1820) »Memorie« 
erfcheinen läßt, und die »Accademia delle scienze« 
3u Genua. Auperdem find nod) gu nennen die A. 
der Wiſſenſchaften zu Turin, 1757 als Privatverein 


219 


egriindet, 1783 zur »Rdnigliden U.« erhoben, die 

ecademia dei Lincei in Rom, begriindet 1603, von 
Bedeutung feit 1609, ſpäter mehrmals erlofden und 
wieder ing Leben gerufen, erjt 1870 feit ber Bereini- 
gung Roms mit Ftalien neu belebt. Gie erbielt 
1883 von der italienifdjen Regierung die offizielle Un- 
erfennung als »A. der Wiffenfdaften« und bette in 
den Palazzo Corjini fiber, defjen bisheriger Beſitzer 
ibe bedeutende Sammlungen juwandte. Ferner die 
»Königliche A. der Wijfenidaften« in Neapel, ge- 
gritndet 1780; die »Königliche A. der Wiſſenſchaften · 
in Lucca (jett 1585) und Palermo (jeit 1750); 
das finiglidje »Istituto Veneto di scienze< in Be: 
nedig (feit 1806); die Wfademien ju Catania, Mef- 
fina, Rovigo, Piftoja, Siena ua. 

In Frankreich befteht — den Ufademien des 
Inſtituts (ſ. oben) nod eine Anzahl von Wfademien 
in den Hauptitddten der alten Departements, welde 
die Einridtung gelehrter Gefellidaften haben und 
»>Mémoires« verd}fentliden, iiber die in Der »Revue 
des sociétés savantes« und, feitdem Dieje eingeqangen 
ijt (1882), in den » Bulletins du Comité des travaux 
historiques et scientifiques« beridtet wird. Hervor⸗ 
—— find die gu Lyon (ſeit 1700), Caen (1705), 

rfeille (1726), Montauban (1744), Touloufe 
(1782), Bordeaux (1783) ꝛc. im ganzen gegen 30. 
Daneben fiihren jedod) auch die yom (16) Brovin- 
zialbehörden für das öffentliche Schulweſen Frant- 
reichs (in Aix, Beſançcon, Bordeaux, Caen, Cham- 

, Clermont, Dijon, Grenoble, Lille, Lyon, Mont- 
pellier, Nancy, Paris, Poitiers, Rennes, Touloufe) 
den Titel⸗A.« In Spanien iſt die von Philipp V. 
1713 gegritndete »Real Academia espaiiola« ju 
Madrid, in Portugal die 1779 vom Herzog von 
Lafdes geqriindete, 1834 und 1840 reformierte und 
1851 neugegliederte » Academia Real das Sciencias« 
gu erwähnen. In den Riederlanden wurde »Het 
Koninklijk Nederlandsch Instituut« im Auguſt 
1808 al8 jtaatlidje Rorporation geqriindet von Konig 
Ludwig Bonaparte, 6. Upril 1816 erneuert von Rd- 
nig Wilhelm J. von Oranten, 26. Oft. 1851 durd) die 
naturphilofophifde Abteilung einer »>Koninklijke A. 
van Wetenschappens erjegt, womit 23. Febr. 1856 
nod eine fiterarijde Ubtetlung verbunden wurde. 
Außerdem gibt e8 in den Riederlanden nod eine gri- 
—— Anzahl von Privatgeſellſchaften. Belgien be— 
itzt eine »Académie royale des sciences, des lettres 
et des beaux-arts« in Brüſſel, berdorgeqangen 
aus einem dafelbjt 1769 von dem Grafen Cobensl, 
sera en, Minijter der Kaiferin Maria The- 
refia in den Iiederlanden, gejtifteten literariſchen Ver- 
ein. Diefer Verein fonjtituterte fid) 1773 als ſtän— 
dige Gefelljdaft mit dem Titel » Académie impériale 
et royale des sciences et des belles-lettres«. 1794 
durd) die Revolution aufgeldjt, ward fie 1816 vom 
König Wilhelm I. der Riederlande als » Académie 
royale ete.« wiederhergeftellt; 1832 wurde die Klaſſe 
der fchinen Künſte hinjugefiigt. Vgl. »Centiéme anni- 
versaire de fondation, 1772 —1872« (Briifj., 2 Bde.) ; 
Mailly, Histoire de l'Académie des sciences, etc., 
de Bruxelles (Daj. 1883, 2 Bde.); » Académie royale. 
Notices biographiques et bibliographiques« (1887). 

In Rufland ijt die »Raijerliche A. der Wiſſen⸗ 
fdhaften« gu St. PeterSburg gu nennen, gu der 
unter Wolfs und Leibniz' Beirat ſchon Peter d. Gr. 
den Blan entworfen hatte, iiber deren Griindung er 
jedod) ftarb, fo daß die Eröffnung derjelben (1725) 
erjt unter Ratharina J. ftattfand. Unter Peter II. 
geriet die U. in Berfall, hob fic) unter der Kaiſerin 


220 


Anna, ſank dann wieder, bis fie Durch Elifabeth von 
neuem gehoben wurde. Erforſchung der afiatijden 
Spradjen und griindliche Renntnis des Ojtens ijt das 
Hauptverdienft der PeterSburger W. Sie befigt eine 
bedeutende Sammlung von Manujtripten, eine große 
Bibliothel, verſchiedene Mufeen (zoologiſches, zooto— 
miſches, botaniſches, mineralogiſches und aſiatiſches) 
und ein Miingfabinett. Seit 1841 ijt die 1783 ge— 
riindete ⸗A. fiir ruſſiſche Sprache« mit der Raifer- 
iden A. der Wiſſenſchaften verbunden. 4 Pe— 
farflij, Geſchichte der kaiſerlichen A. der Wijjen- 
ſchaften in St. Petersburg (rujj., Petersb. 1871— 
1873, 2 Bde.). Mud in Warſchau bejteht eine Ge- 
ſellſchaft der Wiſſenſchaften und Künſte (gegriindet 
1824). Befondere Verdienjte um Sprachwiſſenſchaft 
erwirbt ſich in dem finnifden Helfingfors die »So- 
cietas scientiarum Fennica«. 

Jn Sdhweden gibt es mehrere Ufademien, von 
denen das von Benzelius 1710 in Upfala gejtiftete 
»Collegium Curiosorum« al8 die älteſte angeſehen 
werden fann. Aus diejer bald aufhirenden Geſell— 
8 entwickelte ſich die Upſalenſer Geſellſchaft der 
Wiſſenſchaften (» Upsala Vetenskapssocietet«), deren 
erjte Sigung 17149 jtattfand. Sie bejteht nocd heute; 
Schwedens vorzüglichſtes naturwiſſenſchaftliches In⸗ 
ſtitut, die A. der Wiſſenſchaften (» Vetenskapsaka- 
demien«), wurde 1739 geſtiftet, und eine andre be— 
deutende A., »Vitterhetsakademien+, wurde 1753 
fiir die Humanijtifden Wiſſenſchaften eingeridtet, 
deren Namen man 1786 in »Vitterhets-, Historie- 
och Antiquitetsakademiens, d. h. eine A. fiir die 
hiſtoriſchen Wijfenidaften, dnderte. Sdwedens be- 
Deutendjte Gejelljdaft ijt »Svenska Akademien«, 
geſtiftet 1786 von Gujtav III. mit gleichen Aufgaben 
wie die franzöſiſche A.; Die Anzahl der Mitglieder ijt 
nur 18. (Bgl. Ljunggren, Svenska Akademiens 
historia 1786-1886, Stodh. 1886.) Su erwähnen 
ijt nod) »Vetenskaps- och Vitterhetssamhiillet« 
(Gefellfchaft der Künſte und Wiſſenſchaften) in Go- 
tenburg (finigl. Defret 1778). Norwegen bejipt 
die » Videnskabs-Selskabet« ju Chrijtiania (1857 
gegeiindet) und die » Kon; clige Norske Videnskabers 

elskab« ju Drontheim (gejtiftet 1760 vom Biſchof 
Wunnerus); Dinemarf endlich cine A. der Wiſſen— 
ſchaften (Kongelige Danske Videnskabernes Sel- 
skab) in Ropenbagen, die 1743 vom König 
Chrijtian VI. zum fonigliden Inſtitut erhoben wurde. 

Grofbritannien und Jrland haben weniger 
alademiſch fonjtituierte Gejellidhaften fiir die Befir- 
derung allgemeiner Wiſſenſchaft, dejto mehr Vereine 
(societies), die bejondere Zweige des menjdliden 
Wiſſens pflegen. Die Royal Society in Qondon 
(begriindet 1662), die Royal Society m Edinburg 
(jeit 1783) und die 1782 beqriindete Royal Academy 
of science ju Dublin pflegen fait ausſchließlich dic 
mathematijden und Naturwiſſenſchaften. Auch in 
Bukareſt befteht feit 1866 eine A. der Wiſſenſchaften. 

Bur altejten VW. in den Vereiniqten Staaten 
von Rordamerifa gab B. Franflin 1743 durd 
die Schrift »A proposal for promoting useful know- 
ledge among the British plantations in America« 
den Anſtoß und griindete 1744 die » American philo- 
sophical Society«. Nad) einiger Beit ging fie ein, 
lebte jedod) 1769 unter dem alten Namen in Phila— 





delpbia wieder auf und befteht nod heute. Sor | 


foigten 1780 die »American Academy of arts and 
sciences« zu Bofton, 1818 das »Lyceum of na- 
tional history«, das jeit 1876 »New York Academy 
of aciences« eit, und ähnliche Anſtalten ander- 


| 
j 


| 


Afademie (Ausland; Internationale Vereinigung der Ufademien). 


wart’. »The National Academy of sciences« zu 
Wafhington, 1863 durd den Kongreß inforporiert, 
unterſucht und erdrtert wijjenfdaftlide Fragen, die 
ihr von den verjdiedenen Regierungsdepartemrents 
vorgelegt werden; gu erwähnen ijt nod) die »>Smith- 
sonian Institutions, gegriindet 1846 in Der Bundes- 
auptitadt. Unter threr Obbut jteht feit 1858 das 
Rationalmufeum in Wafhington. Sie unterjriigt 
wijjenfdaftlide Unterfudungen mit Geld und ver 
Offentlicht »Annual Reports« feit 1846 u. a. 

In Ufien bejtehen afademijdh fonjtituierte Gefell- 
ſchaften für allgemeine Wiffenfdaften, z. B. im Kal— 
futta die Royal Asiatic Society (gejtiftet 1784); 
in Batavia die Geſellſchaft ber Wiſſenſchaften und 
Künſte (erridtet 1778); in Bombay, Rolombo 
und Sdanghai Zweiggeſellſchaften der Royal 
Asiatic Society xc. Als eigentlide Ufademien fornnen 
im Orient jedod) nur die innerhalb des tiirfifchen 
Reiches bejtehenden beiden Inſtitute, die faijerl. -~End- 
schtimeni danisch« in Ronjtantinopel (feit 1851) 
und das » Institut Egyptien« Said Bajdas in Alex⸗ 
andria (jeit 1859), gelten. — Jn bea bade bas 
ben jich aud) Geſellſchaften gebildet, die Royal Socie- 
ties in Sydney, Melbourne, Hobart u. a. 

Cin auf einer Verjammlung in Leipjiq 1893 be- 
—— Kartell der Alademien von Wien und 

ünchen und der Gelehrten Geſellſchaften von Göt— 
tingen und Leipzig bezweckt ebenſowohl, gemeinſam 
wiſſenſchaftliche Arbeiten aya gr lg wie wiſſen⸗ 
fdhaftlicde Unternehmungen ing Leben gu rufen. Die 
fartellierten —— machen ſich regelmaßig 
Mitteilung über ihre Unternehmungen uns fenden 
Delegierte gu Verjammlungen, in denen gemeinfame 
Ungelegenheiten beraten werden. Golde Verfamun- 
lungen find feit 1893 regelmäßig in einer der be- 
treffenden Städte abgebalten worden. Befakt bat 
jid) das Kartell bisher unter anderm mit der Her- 
ori des Thesaurus linguae latinae, ber zu er— 

deinen angefangen bat, und der Uusgabe einer ma- 
thematijden Enzyklopädie, mit der Ynordnung vor 
Schweremeſſungen in Ojtafrifa, wie mit dem mter- 
nationalen Natalog der Naturwiſſenſchaften. Es hat 
bisher größere Bedeutung fiir die mathematifd-phy- 
ſiſche Klaſſe ald fiir die phtlofophifd)-hijtorifde gehabt- 
Bon diejem Kartell und eimigen einzelnen hervor— 
ragenden wiſſenſchaftlichen Bert Onlidfeiten ijt aud der 
Unjtof zur Griindung der Jnternationalen Vere 
einigung der Ufademien gegeben worden. Aut 
€Eimladung der Berliner A. * der Londoner Royal 
Society fand eine Konferenz von Beriretern der be— 
deutendjten Utademien der Welt im Oftober 1899 zu 
Wiesbaden ſtatt. Vertreten waren Berlin, Göttingen, 
Leipzig, London, München, Paris (A. des sciences), 
Petersburg, Wafhington und Wien. Das Ergebnis 
der Beratungen war der Beſchluß, eine internationale 
Vereinigung der hauptſächlichſten Alademien der Wels 
gu gründen gu dem Swed, wiſſenſchaftliche Unter- 
nehmungen von allgemeinem Jnterejje, Die von einer 
oder mehreren der verbundenen Körperſchaften emp— 
fohlen werden, in Ungriff gu nehmen und ju for- 
dern und um den wifienidattliden Verlehr der vere 
ſchiedenen Linder ju erleichtern. Nonjtituiert wurde 
formell dieſe Bereiniqung (Association internatio- 
nale des Académies), die 17 Alademien und gelehrie 
Gefelljdhaften umfaßt (auker den oben erwaihnten nods 
die Accademia dei Lincei ju Rom, die zu Umijter- 
dam, Brüſſel, Kopenhagen, udapeft, Stodholm, dia 
Académie des inscriptions et belles-lettres und die 
A. des sciences morales et politiques ju Bari), im 


Afademieftiide 


Juli und Unguft 1900 zu Paris, wo aud im April 1901 
ibre erjte ee ee Bon den 
Beſchlüſſen, die hier gefaht wurden, feien nur erwahnt 
Die betreffs der gegenfeitigen Verleihung von Hand- 
ſchriften und Urdivalien, einer vollſtändigen Wus- 
gabe der Schriften Leibnis’, cines volljtindigen Ber- 
zeichniſſes aller erſcheinenden naturwiſſenſchaftlichen 
— — —— und einer Realenzyklopädie des Islam. 
Akademien fiir befoudere Wiffenfdaften. 

Inter den Wfademien fiir befondere Wiſſenſchaften 
Ftehen die fiir Adela: Uk be Prag Die älteſte 
Der Sprachfritif gewidmete A. ijt die von Aldus Pius 
Manutius ju Venedig 1495 erdffnete, die über ab- 
judrudende Rlafjifer und Verbeſſerung des Terted 
abrer Werke beratidlagte. Die widtigite fiir italieni- 
{che Sprache und Spradforidung iſt die bereits (S. 
217) erwabhnte Accademia della Crusca oder Aca- 
edemia furfuratorum in Florenz. Jn Madrid ftif- 
tete Der Herzog von Escalona 1714 eine A. fiir fpa- 
niſche Sprache, die 1713 mit mehreren Privilegien 
au einer fdniglichen Anſtalt erhoben wurde (j. oben). 
Eetersburg erbhielt 1783 ebenfalls eine A. fiir ruf- 
ſiſche und afiatifde Sprachen, die jest mit der A. der 
Wiſſenſchaften verbunden iſt. Cin ähnliches Inſtitut 
beſteht in Peſt ſeit 1830 fiir die ungariſche Sprache. 

Für Altertumskunde find mehrere Alademien 
tatig. Fir die Erforſchung der etruriſchen Altertümer 
wurde zu Cortona in Italien die Accademia etrusca 
1727 errichtet, die ſehr ſchätzbare Urbeiten geliefert 
Hat. Reichliches antiquariſches Material ftand den 
italieniſchen gelehrten Bereinen jur Verfiiqung. So 
itiftete fiir Die in Herculaneum und Pompejt aufge- 
fundenen Denfmalerin Neapel der Minijter Tanacci 
1755 die hereulaniſche WU. Gegenwärtig befigen 
bie meiiten bedeutendern Stadte Englands und Frant- 
reichs Bereine fiir Ultertumstunde. Über die Wlade- 
mien und Gefellidhaften, die ihre Tatigheit fpesiell 
der Gefdidte und der eel hb widmen, f. 
Hiſtoriſche Gefelljdhaften und Geographijde Gefell- 
ichaften. 

Auch das Gebiet ber Naturwiffenfdaften be: 
arbeiten mit Erfolg jablreiche Utademien. Die Royal 
Society in London, anfänglich ein Rrivatverein we- 
niger Naturforſcher, wurde von Karl IT. 1663 als ⸗Kö⸗ 
nigliche privileqierte Gefellfdaft« inforporiert. Welt- 
beriihmtheit erlangte fie zuerſt unter dem Vorſitz New⸗ 
tons (1703). Sie gibt die ebenfo befannten wie wid- 
tigen » Philosophical Transactions« beraus. Mud die 
ſchon erwabnien Royal Societies in Edinburg und 
Dublin widmen fid hauptſächlich der pars, a Na⸗ 
turwiſſenſchaften. Außerdem find bier aus dem Aus⸗ 
land ju nennen: die »Société de physique et d'his- 
toire naturelle« in Genf; die » Academia operoso- 
rum« in Laibach (qeqritndet 1693, reftauriert 1781); 
die »Accademia delle scienze« in Padua (geſtiftet 
1520, erneuert 1770); die ⸗Kaiſerliche Geſellſchaft fir 
Mineralogiec in Petersburg; die ⸗ Alademiſche Ge⸗ 


ſellſchaft naturhiſtoriſcher Freunde« in Mosfau; die | 


1603 beqriindete » Accademia dei Lincei« in Rom 
4f. oben, S. 219). Weitered ſ. Naturwiſſenſchaftliche 


Vereine. — Für Medizin war dieLeopoldinifde | 


U. Der Naturforſcher 1652 von J. L. Banſchius in Wien | 
unter bem Namen » Academia naturae curiosorum « 
geſtiftet, die fpdter gu Ehren der Kaiſer Leopold J. 
und Rarl VIL den Namen » Academia Caesarea Leo- 
poldino-Carolina Germanica naturae curiosorum« 
annabm und feit 1808 thren Wiittelpunft in Bonn, 





— UAfalephen. 221 


fermo (1645), Genf (1715), Madrid, Liffabon 
(1780), Petersburg (1799), Baris (1820). 

Val. Achmet d’Hértcourt, Annuaire des sociétés 
savantes (Par. 1865—66, 2 Bde.); Stöhr, Ufa- 
demiſches Jahrbuch (Leipz. 1876 u. 1877); Miiller, 
Die wiſſenſchaftlichen Vereine u. Geſellſchaften Deutſch⸗ 
lands im 19. Jahrhundert. Bibliographie ihrer Ver- 
öffentlichungen feit ihrer Beqriindung (Berl. 1884). 

Akademieſtücke (aud Ufademien), die Zeich— 
nungen der die Kunſtſchulen befuchenden Schüler, 
meijt Darjtellungen von Köpfen, Füßen, Händen und 
andern Körperteilen fowie des ganzen menfdliden 
Körpers, die ſowohl nad lebenden (Alten) als nad 
in Gips geformten Borbildern und Vorlegeblittern 
ausqefiibrt werden. 

kadẽmiker (qricch.), Mitglied ciner Ufademie. 

Akademiſch, auf cine Utadenric (Univerſität) be- 
jliglich; 3. B. alademiſcher Senat, afademijder Biir- 
qer, afademifde Studien, Würden, afademifche Frei- 
eit, alademiſche Geridtsbarfeit (ſ. Univerſitäten). 
Auch allgemein: gelehrt, ſchulmäßig. Daher parta- 
mentariſch — von praftijd oder aktuell. In 
der Kunſttritik fdyulgerecht, regelmäßig, mit dem 
Nebenſinn: fteif, pedantifd. 

kademiſche Vlatter, Organ des Kyffhäuſer⸗ 
verbandes der Vereine deutſcher Studenten (Berlin, 
ſeit 1886); ſ. Studentenverbindungen. 

Akademiſcher Turnverein (A. T. V.), ſ. Turn⸗ 
vereine und Studentenverbindungen. 

Akadien (engl. Acadia, franz. l'Acadie, von 
indian. cadie, d. h. Fundjtitte), der alte Name fiir die 
atlantijden Küſtenprovinzen Ranadas und insbej. 
fiir Neuſchottland. Seit 1604 von Franjofen beſie 
Delt, wuds die Rolonie langſam und zählte 1687 
erjt 900 Köpfe. Nad) den Kriegen gwifden England 
und Frankreich wurde A., deſſen Bewohner nut den 
ihnen verbiindeten Qndianern hartnadiq gegen die 
Englander fimpften, im Frieden von Utrecht 1718 
an legtere abgetreten, Doch kämpften die Aladier nod 
lange gegen Die neuen Befiper, und ſpäter wanderten 
5000 nad Louifiana, Georgia rc. aus, wihrend 2000 
zwangsweiſe entfernt und m Neuengland a 
wurden. Man ſchätzte 1858 die Bahl aller Aladier 
auf 95,000, davon 30,000 in Neubraunfdweig, 20,000 
in Neufdottland, je 15,000 auf den Inſeln Cape 
Breton und Prin; Edward, 8000 an der Rordfiijte 
der Baie des Chaleur, der Rejt auf den Magdalenen- 
infeln, in Qabrador, auf St.- Pierre und Miquelon. 
Val. Moreau, Histoire de l'Acadie francaise (Par. 
1873); Rameau de Saint-Pere, L’Acadie (daj. 
1889). — Ucadian Highlands heißen die beiden 
Hoöhenzüge, Die Neufdottiand durchziehen, ein fiid- 
lider granitifder und ein nördlicher friftalliniicher 
(Cobequid Mountains). S. Uppaladen und Neu: 

Akajouholz ꝛc., ſ. Ucajoubhol;. ſſchottland. 

Akalai, Negerſtamm, ſ. Balelai. 

Akalephen (Scyphomedufen, Acalephae), 
Ubteilung der Cdlenteraten, den Norallenpotypen am 
nächſten verwandt. Bon den Hydromedufen unter 
ſcheiden fie fic) außer Durd die Entwidelung durd) 
mande Cigentiimlicdfeit tm Bau, fo 4. B. durch den 
Velip der Magenfäden (Gaftralfilamente), 
beſonders aber Sud das Veblen des musfuldjen 
Randfaums (Velums). Die A. find in ber Regel ge— 
trennten Geſchlechts. Aus den Ciern entwidelt Re 
nur ausnahmaweife (1. B. Pelagia, ſ. Tafel »We- 
duſen I<) direft Die Meduſe, fonft ein Bolyp (das 


Dann in Nena und Dresden, feit 1878 in Halle hatte. Scyphiftoma), der ſich der Quere nad vielfad ein⸗ 
Undre medisinifde Ulademien befinden fid) in Pa⸗ ſchnürt (Strobila) und gulegt in eine Menge ganj 


222 


fleiner Medufen (Eph yren) zerfällt; es bleibt jedoch 
oft ein Reft übrig, der nach einiger Zeit von neuem 
in derjelben Weije Meduſen liefern fann; aud fann 
fid) Das Seyphijtoma nod durd Rnofpung vermeh- 
ren. Gelten bleiben die A. —— als Polypen 
feſtgewachſen (Lucernaria). Bgl. Meduſen. 

ali (ind.), die Verehrer des WLAL, d. h. des zeit⸗ 
lofen höchſten Weſens, eine Klaſſe zelotiſcher, friege- 
riſcher Geiſtlicher bei den Silh. Bgl. Trumpp, Die 
Religion der Sikhs (Leipz. 1881). : 

anjaru, {tart veridilfter Fluß in Uquatorial- 
afrifa, ent{pringt am Ojtrande des Ufrifanifden Gra- 
bens, fließt auf der Grenze zwiſchen Ruanda und 
Urundi und bildet nad feiner Vereinigung mit dem 
Nyawarongo den Kagera (f. d.). 

Akanthazeen (Akanthusgewächſe), difotyle, 
etwa 1400 Arten umfaſſende Pflanzenfamilie der tro⸗ 
piſchen und ſubtropiſchen Zone, aus der Ordnung der 
Tubifloren, von den verwandten Familien beſonders 
durch das fehlende Endoſperm des Samens verſchie— 
den. Kräuter oder Sträucher, ſelten lleine Bäume mit 

egenſtändigen Blättern und in Ähren oder Trauben 
flebenden Biiiten. 

Afanthion ſ. Schädel. 

Akanthit, Mineral, ſ. Silberglanz. 

Akanthodier, ſ. Fiſche. 

Akauthokephalen, ſ. Kratzer. 

Akanthopterygier (Stachelfloſſer), Unter— 
ordnung der Knochenfiſche, ſ. Fiſche. 

Akanthos (jest Hieriſos), Stadt am ſchmalſten 
Teil der Landzunge Alte auf Chalkidike, am Strymo- 
niſchen Meerbuſen, erlangte Berühmtheit durch Xer- 
xes, der hier einen Kanal graben liek, damit ſeine 
Flotten nidt den Berg Uthos umſchiffen mußten. Der 
nod) erfernnbare Streifen heißt nod jest Provlita 
(Durchſtich«). 

Akanthõo ſis (griech.), Vermehrung des Hautpig⸗ 
ments Dunkelfãrbung) an ſymmetriſchen Stellen 
des Körpers, wobei die Hautpapillen (auch der Zunge) 
wachſen, ſo daß ſich Haut und Schleimhäute wie 
Samt anfühlen, während Haare und Nägel trocken 
und brüchig werden. Meiſt bildet ſich ſpäter Krebs aus. 


—— ewächſe, ſ. Alanthazeen. 
anthusholz 

Akanthusornament f. Acanthus. 

Akapuie (qried., »~Raucdlofigteit«), ſ. Bergkrank⸗ 
Afariafis, ſ. Milbenſucht. heit. 


Afarnanien, dic weſtlichſte Landſchaft des alten 
Hellas (f. Karte ⸗Alt-Griechenland«), ein wald⸗ und 
weidereides Bergland, im ebenen Often durd den Ache⸗ 
loos von YWtolien, im N. durch den Ambratiſchen Golf 
von Epiros gejdieden und im BW. und S. vom Yoni- 
ſchen Weer befpiilt. Stadte waren Stratos, Alyzia, 
Ynaftorion, Aktion (Actium), Oniadd. Die Ufar- 
nanter trieben meiſt Viehzucht und qliden in Cha- 
rafter und Sitten mebr ibren barbarijden Nachbarn 
in Epirus als den Griedhen, denen fie erit feit dem Belo- 
ponnefifdjen Rriege näher traten. Griechifde Sprache 
und Sitter nahmen fie erjt feit dem 7. Jahrh. von 
den an ihren Küſten angefiedelten forinthijden Rolo- 





Mali — Akbar. 


einigte U. wieder mit dem byzantiniſchen Reidhe, writ 
dem eS unter die Herrjdhaft der OSmanen fam. Bal. 
OberhHummer, A., Umbrafia x. tu Ultertarrne 
(Mind. 1887). — Gegenwärtig bildet W., mit Wt o - 
lien (j. d.) vereinigt, einen Nomos des Königreichs 
Griedenland, der ndrdlich an die Romen Yirta umd 
Triftala, weſtlich und ſüdlich an das Meer, öſtlich an 
den Nomos Phthiotis und Phokis grenzt und auf 
7489 qkm (136 OW.) Fläche see) 170,565 Ein. 
(23 auf 1 qkm) zählt. A. gerfallt in fechs Eparchien 
und hat Miſſolunghi zur Hauptitadt. 


Mfdrocecidien, dic durch Milben an Pflanzen 


hervorgebradten Gallen; ſ. Gallen. 


Wfarodomatien , ſ. Domatien. 
Akaroidharz (Votanybaibar;, Nutthary 


Erdfdellad), Harze mehrerer Urten der Pflanzen— 
gattun 
australis und arborea, bildet flade, — 4 cm Dice 
Stiide, bisweilen von Handgröße, zeigt deutliche Refte 
von Struftur und ſchließt unverharztes Gewebe cir. 
ijt rotbraun, gibt einen orangeroten Strid), riecht 
ſchwach benzoeartig und ſchm 
ähnlich. Das gelbe Harz von X. hastilis bildet rund⸗ 
liche oder längliche, kleinere oder größere Stücke, tt 
auf friſcher Bruchfläche dem Gummigutt ähnlich, über⸗ 
zieht ſich an der Luft mit einer tief rotbraunen Schicht. 
riecht benzoeartig, ſchmeckt aromatiſch, etwas ſüßlich 
und enthält ebenfalls organiſierte Beimengungen. 
Beide gre löſen ſich in 

halten 

aldehyd und Tannol, das gelbe Harz aud) Simt- 
ſäure und Styracin. Sie dienen zur Darſtellung von 
Siegellack und gefärbten Firniſſen, die am Licht nicht 
verbleichen und ſich gum Anſtreichen der Fenſterſchei⸗ 
ben photographiſcher Dunkellammern eignen, ferner 
zur Darſtellung feinerer Seifen, Pikrinſäure, Bara- 
fumarfiure, zum Leimen feinerer Papiere ꝛc. UW. wurde 
im 18. Jahrh. als Magenarznei tn England benutzt. 
techniſch erjt ſeit etwa 1840 in England und feit 1860 
auf dem Rontinent. 


Xanthorrhoea. Motes YW. ſtammt von X. 


unangenehm zimt⸗ 


{fobol und Äther; fie ent. 
arafumarfiure, Benzoeſäure, Paraoxybenz⸗ 


Mfaftos, ſ. Peleus. 
Akatalektiſcher Vers, ſ. Katalexis. 
Akataphaſie (Agrammatismus, griech.), das 


Unvermigen, Saige grammatiſch gu formen, Sym— 
ptom bei gewiſſen 
bei hochgradigem Schwachſinn. 


irn- und Geiſteskrankheiten ſowie 


Akathiſtos (griech. snidt im Sitzen⸗), im der 
ried). Viturgie eine Hymme auf die Jungfrau Maria, 
ie am Gonnabend vor dem Sonntag Qudifa die 


Nacht hindurd ftehend gefungen wird. 


Mfatholifen (qried)., »Nictfatholifen«), von der 


römiſchen Kurie, friiher allgemein (bejonders in Ofter- 
reid) und Bayern) gebrauchte Bezeichnung der nicht⸗ 
latholiſchen Chrijten, namentlich Der Brotejtanten. 


Akazie, j. Acacia und Robinia (unedte A.). 
Wfazienbliiten, die Bliiten des Schwarzdorns. 


Prunus spinosa. 


Akaziengummi, ſ. Gummi arabicum. 
MAfbar, der Grohe Ubu l-fath Didalal ed- 


din Mohammed), Großmogul von Indien, geb. 


nijten an. Im übrigen zeichneten fie fid) durch große 14. Olt. 1542 in Amirkot, geſt. 15. Ot. 1605 in Agra. 
Treue und Energie aus und hielten in Kriegszeiten folgte feinem Bater Humayun 23. Febr. 1556, die 
feſt zuſammen. Üls alte Feinde der Utolier fanwften | erjten drei Sabre unter der Vormundſchaft ſeines Wee 
fie {pater fiir Philipp LIL von Mafedonien gegen Rom, | firs Beiram. Jn glücklichen Kriegen erward er im ©. 


teilten aber nad) der Eroberung Norinths das —* 
meine Schickſal Griechenlands. Im Mittelalter be— 


Bengalen und Behar, im S. Malwa und Teile des 
Defhan bis an die Godaweri, weſtlich Gudſcharat und 


mächtigten fid) die Normannen von Htalien aus de8 | Sind, im N. Kaſchmir (1586). Durd eifrige Organi- 
Landes, und Roger, Konig von Sizilien, nannte fic | fation gelangte fein großes Reid) unter thm gu emem 


Fürſt von A. und Utolien«. Kaiſer Undronifos ver- 


nie wieder erreidten Wohlſtande: der Stenernertrag 





Whe — Affa. 223 


belief fid) auf 345 Mill. ML. im Jahre. Gläubiger MWfers-Douglas (jor. eters-ddggiia, Uretas, engl. 
Woslim, war er dod duldjam gegen andre Religto- | Staatsmann, geb. 21. Oft. 1851, ftudierte in Oxford, 
nen und pflog gelehrte Disputationen mit Hindu und | wurde 1875 Rechtsanwalt in London und 1881 als 
Jeſuiten; eine feiner Frauen (Hauptfrau war feine | Mitglied der fonfervativen Partei ins Unterhaus ge- 
Baſe Raqyah Sultan Begam) ſoll Chrijtin gewefen | wählt. 1885 und 1886 —92 war er Ratronagefetretir 
fetn. Das Denfmal über feinem Grab in Sifandra bei | im Sdhagamt; 1891 wurde er jum Mitglied des Ge- 


feiner Reſidenz ae ijt cin’ der größten Bauwerfe | hetmen 


jeiner Art. Nad 


ats und 1895 3um First Commissioner of 


olger war fein Sohn Dfdihangir. | works (Miniſter der öffentlichen Wrbeiten) mit Sig 


Bal. v. Noer, Kaiſer A. (Leiden 1880 — 85, 2 Bde.). und Stimme im Kabinett Salisburys ernannt. 


WFé, Ruinenjtitte in Yucatan, zwiſchen Merida 


AFershus (Ugershus), Amt im norweg. Stift 


und Jzamal, die Charnay (1881) fiir eins der älteſten Chrijtiania, am Chrijtianiafjord, 5321 qkm(96,6DM) 


Toltefenwerfe (100 Jahre alter als Urmal) hilt. 
Akeh, Gewicht, ſ. Acheh. 


nut (1900) 115,113 Einw., umfaßt die drei Vogteien 
Ufer und Follo, Nedre und Ovre Romerike. 


Akelei (Aglei), Pflanzengattung, f. Aquilegia.| Wbhiffar, 1) tiirf. Stadt, ſ. Kruja. — 2) Stadt 
_ Wen, Stadt im preuß. Regbez. Magdeburg, Kreis | im tiirfijd) -fleinafiat. Wilajet Widin, norddjtlid von 
Kalbe, an der Elbe und der Staatsbahnlinie Kdthen- | Smyrna, wohin ere Eiſenbahn führt, mit 12,000 
A., hat 2 evang. Rirden, ein altes Rathaus, Hafen, | Cinw., das alte Thyatira, wo cine der ſieben in der 
Anitsgericht, Fabrifation ätheriſcher Ole, Eſſenzen Offenbarung genannten drijtlicjen Mirden ſtand. Die 
(Romershaufenjdes Augenwaſſer) und von Sprit, | Umgegend hefert Baunuvolie und Farbjtoffe. — Bei 
Dampfmühle, Schiffbau, Schiffahrt und (1900) 7358 | W. ſchlug Valens 366 n. Chr. den Ufurpator Broco- 


meiſt evang. Einwohner. 
Aken, Hieronymus van, ſ. Boſch 1). 
Akenſide (or. erngaiv’), Mark, engl. Dichter und 
Arzt, geb. 9. Nov. 1721 in Newcaſtle upon Tyne, 
gejt. 23. Juni 1770 in London, ftudterte, unterſtützt 
von der Geſellſchaft der Diſſenters, Theologie in 
burg, dann in Leiden Medizin. Sein Lehrgedidt » The 


ins | ftaub = 3,60 


pius (einen Berwandten Julians), Sultan Murad 
1425 den Fürſten von Widin. 

MFhmim (WEHmym), Stadt, f. Admin. 

Ati, ſ. Blighia. 

Ati (engl. — im brit. Guinea 4/16 Unze Gold⸗ 
Akiba, Ben Joſeph, Sdiiler Rabbi Cliefers 


pleasures of imagination« (1744) fand Durd Bradt | und Rabbi Nadum Gimſos, ward nad einer in Un— 
Der Sprade und Ernjt der Empjindungen aufer- | wiffenheit verbradten Jugend durd jahrzehntelangen 
ordentlichen Beifall. In einer raeigy panier rajtlofen Cifer der einflußreichſte jüdiſche Gelebrte tn 
zeigte er fid) als Schiiler Milton’. Er wurde 1751 | 2. Jahrh. n. Chr., der, während er ſeinem Lehrhaus 
Milglied des finiglidjen Kollegiums der Ärzte zu in Bue brat vorſtand, felbjtidipferijd und vorbild- 
London, ſpäter Letbargt der Königin und verfapte | lich den jiidifden Traditionsjtoff fyjtematijierte und 
mediziniſche Schriften, unter denen eine lateinifde | ordnete. Seine Urbeit »Mifdna des Rabbi A.« ijt die 
liber die Dysenterie (ond. 1764) geriihmt wird. Die | Grumblage der Mifdyna (j. Talmud) geworden. Fälſch— 
erjte volljtindige Ausgabe feiner poetijden Werke er⸗ | lid) find ihm beigelegt das fabbalijtijde Werk » Sefer 
ſchien London 1804. Bal. Bude, Life, writings and | Jezira« (ſ. Jezirah) und »Otiot oder Wlphabet ded 
genius of A. (Yond. 1832); Dyce, Memoir, in der | Rabbi A.« Bm Aufſtand gegen die Romer (132— 
Ausgabe von 1834, abgedrudt in der Aldine Edi- | 135) nahm er fiir Bar Roda (jf. d.) Partet und ſtarb 
tion der Werfe 1886. den Märtyrertod. — Ben AU. ijt der Name eines 
Wfephalen (Acephala, griech, »Ropflofe<«), Mu- | Oberrabbiners in Gublows »Uriel Ucojtac, der den 
ſcheln (ſ. d.); auch kopfloſe Mißgeburten. Wirkliche Sprud im Munde fiihrt: »Wlles ſchon dagewefen.« 
Akephäalie fommt nidt vor, es fehlt den WU. nur das} Widopeiraftif (qriech.), foviel wie Whupunttur. 
Gebirn, und jie heißen Daber bejjer Unentephalen.| Wkinefis (qried.), motorijde Lähmung. 
Akephaliſch (qvied.), topf-, anfangslos, 3.B.von| Akinẽten, |. Algen. 
Büchern, deren Anfang nicht mehr vorhanden ijt. Akir, Fleden in Paläſtina, f. Ekron. 
Afephaloi (qried.), j. Monophyfiten. MHS (Acis), Sohn des Faunus (Pan) und der 
kerhielm (ir. oterjeim, Gujtav Samuel, Frei- | Nymphe Symäthis, ward als bevorzugter Licbhaber 
herr von, ſchwed. Staatsmann, geb. 24. Juni 1833 | der Galatea von dem Syflopen Bolyphem mit einem 
in Stodbolm, gejtorben dafelbjt 2. April 1900, war Felsſtück zerfdmettert. Galatea verwandelte das un- 
1854—68 al8 Offizier, Minijterialbeamter und Diplo⸗ ter dem Felfen hervorflieRende Blut in den Fluß A., 
mat titig, ſtimmte auf dem Stindereidstag 1865— | der durch die Kälte feines Waſſers berithmt war; wabr- 
1866 fiir Den neuen Repriifentationsentwurf und war ſcheinlich ijt Darunter der Fiume Freddo (falter 
jeit 1870 ununterbrodjen Mitglied der Erſten, beg. | Fluß«) zwiſchen Taormina und Catania auf Sizilien 
Sweiten Reidstagstammer. 1874 jum Finangmint: | ju verjtehen. 
jter ernannt, verzichtete er ſchon 1875 auf diefes Unt | Akiurgie (qried.), die Lehre von den blutigen 
und beſchränkte ſich in den nächſten Jahren auf eine | Operationen, |. Chirurgie. 
eifrige Tätigkeit tm Reichstag, namentlid) bei den dads , Bwergvolf Ynnerafrifas, das zuerſt von 
Reidsiduldens und Bankweſen betrejfenden Brogen. Sdweinfurth beobadtet wurde. Die A. wohnen in 
Seit Mitte der Ber Jahre Anhänger der ſchutzzöllne- | eingelnen Kolonien inmitten andrer Stiimme am Ober- 
rijdjen Bewegung, ward er im Juni 1889 Minijter des | auf des Aruwimi und am Nepolo, nennen ſich felber 
Unswartigen fowie einige Monate ſpäter Bildts (f.d.1) | Efé, werden aber von den Monbuttu A., von den 
Nadfolger als Staatsminijter und Minijterprijident. | Gandeh Titi-Tifi, von den Monfu Moriu und 
Cine 1891 von ihm privatim gehaltene Rede, im der | von den Mabode Afifi genannt. Sie find 1,30— 
er fic) ciner verjtedten militäriſchen Drohung gegen | 1,50 m gro}, haben cine rotlidjbraune, mit rötlichen 
Norwegen ſchuldig gemadt haben follte, rief dort etme | Haaren didjt bedectte, faltenreide Haut, was ihnen ein 
joldje Grbitterung bervor, dah er ſeinen Abſchied nahm. greifenhaftes Uusfehen gibt, een verhältnismäßig 
Später gehirte er gu den Führern der Hodfonjerva- | großen Kopf auf ſchwächlichem Halſe, ſtark vorſprin— 
tiven der Erjten Kammer. gende Stiefer, langen Oberlörper, abſchüſſige Schul— 


224 


tern, Hãngebauch, sierlidhe Hinde, aber grobe Füße 
und gehen meift völlig nadt. WIS echtes Jägervoll 
fiihren fie Bogen und Pyeit (den fie vergiften) auferjt 

eſchickt und werden als Krieger von den grdpern 
O suptlingen, an deren Hofen viele leben, fehr geſchätzt. 
Ihre Hiitten find flein, bienenforbfirmig; oft leben 
fie aud) gang ohne folde in haufiger Ortsveränderung. 
Val. Urt. »>Zwergvilfer« u. Tafel »Afrilaniſche Völ⸗ 
fer ITe, Fig. 9. 

Akka (in der Bibel Ulfo, im Mittelalter Saint- 
Jean d'Acre), uralte Hafenjtadt in Palijtina, ijt 
Hauptitadt eines Liwa des Wilajets Veiriit, Sig eines 
griechiſchen Erzbiſchofs, hat verfallene Befeſtigungen, 
6 Moſcheen, einen wohlverſehenen Baſar und 10,400 
Einw. (darunter 1800 Chrijten). UW. war bisher der 
Hafen- und Ausfuhrplatz fiir das fruchtbare Gebiet 
imt BW. des Hauran, wird aber wegen der Verfandung 
ſeines Hafens von Haifa iiberfliigelt. Der Handels- 
verfebr belief fid) 1901 auf 4,759,162 Fr., davon ent- 
fielen auf die Ausfuhr 2,888,670 Fr., auf die Cin- 
fubr 1,870,492 Fr. — A. war als Aklo cine Stadt 
der PHonifer, gehirte gu Tyros, jtand um 1400 unter 
agyptijder Oberhoheit und blühte als Handelsjtadt 
jur Zeit der Eroberung des Landes durd) die He- 
briier, die fie gum Stammgebiet Aſcher ſchlugen; um 
700 unterwarf fie ſich Sanherib und ward um 650 
mit Uſhu gufammen durd) Aſſurbanipal gezüchtigt. 
Unter der Herrſchaft der Ptolemäer erhielt die Stadt 
den Namen Ptolemais, wurde 69 v. Chr. durch 
Tigranes von Armenien belagert und kommt bereits 
im 2. Jahrh. n. Chr. als Biſchofsſitz vor. Bur Beit 
der Kreuzzüge erhob es fic) zu Glan; und wurde, 1104 
von den Rreusfahrern erobert, Sammelplas der 
fränkiſchen Flotten. Es erhielt dDamals den Namen 
Saint-Jean d'Ucre von einer jest verfallenen 
Dauptfirde ded Heil. Johannes. Naddem VW. 83 Jahre 
unter chriſtlicher Herrſchaft geftanden, ward es 1187 
von Saladin genommen, 1191 aber im dritten Kreuz— 
ug von ben Chrijten abermal3 erjtiirmt. Seitdem war 

. Hauptjig der Johanniter, bis 1291 der ägyptiſche 
Ralaunide Chalil die Stadt eroberte; damnit hatte die 
Franlenmacht in Syrien ein Ende. 1517 fiel A. in 
bie Hande der Tiirfen. Un dem Widerjtand, den in 
U. 1799 Djezzar Pafda und Sidney Smith 61 Tage 
lang leijteten, fdeiterte Bonapartes Blan der Erobe- 
rung Syrien8. Ybrahim Bafda nahm A. 27. Mai 
1832 mit Sturm, und durd den Frieden von Kutahia 
(14. Mai 1833) blieb e3 in Den Händen des Bize— 
fonigs Mehemed Wii. Infolge des Vertrags vom Juli 
1840 aber ward A. von der engliſch-öſterreichiſch-tür⸗ 
liſchen Flotte zwei Tage lang bombardiert und 4. Nov. 
sur Ubergabe gezwungen. 

Akkadiſch, jovicl wie Sumeriſch (f. Sumerer). Ws 
geographifder Name bejeidnet Allad Rordbabylo- 
nien im Unterfdjied von Sumer oder Siidbabylomen. 

Akkal, ſ. Drujen. 

Akkaparement (fran}., fpr. mang), der wucherhafte 
Muftauf (ſ. d.) von Waren und die wucheriſche Her— 
beifiibrung des Steigens oder Fallens der Waren: 
preife und Wertpapiere (in Frankreich als Bergehen 
—— Utfapareur (jpr. Be), wucheriſcher Auf— 

ufer. 

WFferman (altilaw. Bj éig or od, »>Weifenburge), 
Kreisjtadt im ruff. Gouv. Befjarabien, am Liman des 
Dnijejtr, hat 8 Rirden (darunter eine alte griechiſche), 
cine Synagoge, Sollverwaltung, Lichte- und Seifen- 
fabrifen, Fiſchſalzereien in der Nähe, einen Hafen fiir 


Dampfſchiffe, die den Verlehr fiber den Liman nad) | 
| und jid) nicht in einem Land erhalten fdnnen, wo die 


Owidiopol vermitteln, Wembau und (1997) 28,308 








Akka — Wfflimatifation. 


Einw. (Ruffen, Grieden, Urmenier und Yuden). Der 
Kreis A. baut in großem Umfang Wein. — Hier 
tand einſt die milejifde Rolonie Tyras. Wahrend der 
dlferwanderung zerſtört, ward die Stadt fpater von 
den Genuefen unter Dem Namen Mauro Cajtro 
wieder aufgebaut und 1484 von den Liirfen erobert. 
Die Ruſſen nahmen A. zu wiederbolten Malen, zuletzt 
1806. Yin 6. Oft. 1826 wurde hier zwiſchen Rußland 
und der Pforte ber Bertrag von A. geſchloſſen. 
deffen Nichterfiillung feitens der Pforte den ruſſiſch 
türkiſchen Krieg von 1828 sur Folge hatte. 
Akklamation (lat.), sok bejonderS der des 
Peifalls, der Freude. Bei den Rimern gab es ftehende 
Formeln der U. bei Triumphen, Vermahlungen x. 
Unter den Raifern wurden lange, gefangartiq vorge- 
tragene Ufflamationen voll der niedrigiten Schmeiche⸗ 
leien üblich. Auch wir haben ftebende Alllamationen 
des Beifalls und des Tadels, ſo das franzöſiſche Vive! 
und A bas!, das engliſche Hipp Hipp Hurrah! und 
For shame!, das bei Den Deutſchen übliche Vwat! 
und Bereat! Bravo! x. Auch Beſchlüſſe und Wahlen 
geſchehen »durd A.«, indem bei zweifelloſer Einmü—⸗ 
tigfeit einer Verſammlung der Vorſitzende den zur 
Beſchlußfaſſung ſtehenden —E— fiir angenontmen 
erflirt, falls fein Widerfprud dagegen — 
Akklimatiſation, die Gewöhnung lebender Weſen 
an die klimatiſchen Einflüſſe eines ihnen fremden Ortes 
mit neuen meteorologiſchen Verhältniſſen. Die ver- 
ſchiedenen Pflanzen und Tiere beſitzen ſehr un— 
gleiches Ufflimatifationsvermigen. Mande find auf 
enge Gebicte angewiejen, nur den bier berridenden 
fpejiellen Verhaltniffen angepaft, andre gedeihen auc, 
wenn fie in Lander mit erheblicd) abweidendem Klima 
gelangen. Pflanzen und Tiere haben tm Laufe fehr 
langer Heitraume große Wanderungen ausgefiibrt, 
und man fann im allgemeinen annehmen, daß fie fo 
weit borgedrungen find, wie die klimatiſchen Verhält⸗ 
nifje gejtatteten. Der Verbreitung der Pflanzen und 
Tiere find von der Natur aber aud) andre als flima- 
tijde Grenzen gefest, und wenn man fie in weit emt- 
leqene Gebtete mit abnlidem Klima wie tr den Gren}. 
gebieten ihres natiirliden Vorfommens bringt, fo ge 
Deihen fie 7 vortrefflid. So war in einer friibern 
Epoche der Erdgeſchichte das Pferd in Wmertfa ver- 
breitet, ftarb Dann völlig aus, wurde aber im Mittel- 
alter mit foldem Erfolge wieder eingefiihrt, dak es 
jebt in groken Herden verwildert dort lebt. Ahnliches 
gilt fiir Pflanzen, die vor der Eiszeit in Mitteleuropa 
vorhanden waren, dann zu Grunde gingen und jest, 
von neuem eingeführt, febr gut gedethen. Rord- 
amerifanifde Brangen find zu uns und europäiſche 
nad Uujtralien gelommen, und ftellenweife mußte die 
heimifde Flora vor den Fremdlingen zurückweichen. 
Ugaven und Opuntien haben fic) in Siideuropa, Eri- 
geron canadense, Oenothera biennis x. in Nord- 
deutidland eingebiirgert. Chenfo ijt die Schopfwachtel 
in Frankreich, die —— Wachtel in Irland, das 
rote Rebhuhn in England eingebürgert; viele amert- 
laniſche Fiſche stichtet man jest in Europa, umgefehrt 
europadijde in Nordamerila und Auſtralien. In letz⸗ 
term Erdteil gedeihen Star, Hänfling, Budfink, Lerche, 
Drojjel, und in Nordamerifa verdrangt der Sperling 
die dort hetmifden Singvögel, Jn allen diefen Fallen 
handelt es fid) aber um eine Uberfiihrung in ähnliche 
Klimate, und es wurden nidt ſehr große Unforde- 
— an die Ufflimatifationsfihighett qejtellt. Miß⸗ 
erfolge ergaben fic) trogdem 4. B. bei Bilangen, bie 
völlig auf Bermehrung durd) Samen angewiejen find 








Afflimatijation (der Pflanzen, de3 Menſchen, Alklimatiſationskrankheiten). 


Inſekten fehlen, die allein die Befrudtung vermitteln. 
Auch chemiſche und phyſikaliſche Berhaltniffe des 
Bodens8, Mangel an geet netem Futter bei Tieren rc. 
haben bisweilen die Einbiirgerung verhindert. Die 
A. von Pflanzen wird fehr begünſtigt, wenn fie wie 
laubabwerjende Gehölze, Knollen- und Swiebelge- 
wade tm Winter in einen Ruhezuſtand geraten. Die 
Grenje, die auc) hier gezogen ift, wird nod) bedeutend 
liberfdritten, wenn man dic Pflanzen gegen die Cin- 
wirkungen ded Winters und Friihlings ſ 4 Viele 
Gehölze, Stauden, Knollen und Zwiebeln, jelbjt ge— 
wiſſe J5 laſſen ſich bei uns im freien Lande durch 
Einbinden oder Bedeckung hinreichend ſchützen, von 
andern nimmt man die Zwiebeln, Knollen, Wurzel— 





ſtöcke im Herbſt aus der Erde und überwintert ſie 
froſtfrei, von andern im freien Land erwachſenen 
Pflanzen erntet man im Herbjte ben Gamen, bewahrt 
dieſen geſchützt auf und fat ihn im Frühjahr wieder 
aus. Hier fann man nidt von A., nicht einmal von 
Cinbiirgerung fpreden. Es ijt aber aud) beobachtet 
worden, daß cingebiirgerte oder durch künſtlichen 
Schutz erhaltene und ſorgfältig gevitegte Pflanzen tm 
Naufe der Generationen guriidgehen, ſchwächlicher 
werden, verlümmern. C8 liegt wohl faum ein Bei- 
fpiel vor, dah fic) Pflanzen im Laufe der Genera- 
ttonen an ein neues, erheblich abweidendes Rima 
gewodhnt Hatten, widerſtandsfähiger qeworden waren, 
während allerdings, wie aud) bet Lieren und Men— 
ſchen, oft cine Ynderung des Habitus erfolgt. 





Die mehrfad behauptete absolute Ufflimatijations- 
fähigleit des Menſchen ijt durd feine Tatſache er- 
wiejen. Der Menſch ertragt leidjter als das Tier 
flimatijdhe Unterfdiede, weil er fid) durch Wohnung 
und Mleidung ſehr wirkſam fdiigt und feine Lebens- 
weife dem neuen Mima anpaft. Wieviel in diefer | 
Hinſicht gefdehen fann, beweijt namentlid die Stati- | 
{tif der tropifden Urimeen (f. unten). Immerhin ge- | 
jtaltet fic) dad körperliche Befinden und nod mehr 
Die Leijtungsfabhigkeit des Menſchen am günſtigſten 
in Dem Klima, dem dad Individuum nad feimer Wb- 
ftammung angebirt. Wie BVolferwanderungen aus 
hijtorijder Zeit betreffen nur die Unfiedelung in einem | 
Lande, defjen Mima dem der Heimat der Muswanderer 
ähnlich tft. Anderſeits haben die Erfahrungen bei 
Wuswanderern in tropijde Gegenden, befonders Afri⸗ 
fas, gelehrt, dak Der Europäer unter giinjtigen Ver— 
hältniſſen und bei geniigender Vorſicht eine Zeitlang 
dort aushalten fann, dak aber von einer wirklichen 
W. nur felten die Rede ijt. Selbſt fiir fubtropijde 
Gebiete ijt der Beweis ciner vollen VW. des Nordländers 
nod nidt erbradjt. Der Deutſche gedeiht in Algerien 
fo gut wie irgendwo in der Dlivenregion, und dod 





liberwiegt felbjt in den fiihlern Gebieten die Zahl der 
Todesfälle die der Geburten bedeutend. Betrachtet 
man das Schichſal der dritten Generation als ent- 
ſcheidend, fo ijt zu bemerfen, daß es felbjt in Ugypten 
nidt gelang, ein paar ſüdeuropäiſche Familien von 
liingerer Dauer aufzufinden. Die feit 1821 in Chile 
cingewanderten Familien find, ſoweit fie fid) unver- 
miſcht erhalten haben, fajt ſämtlich ausgeſtorben. Dieſe 
Tatſache erklärt, warum Vandalen, Ojt- und Weſt— 
goten ſo ſchnell zu Grunde gingen, nachdem ſie ſich 
un der Olivenregion angefiedelt, warum die Lango— 
barden nur nodrdlid) ded Upennin dauerten, und 
warum von der Normannenarijtofratie in beiden Si- 
gilien nad) fo furzer Zeit jede Spur verſchwunden ijt. 

Soweit die Erfahrung und die beſonders von fran- 
zöſiſchen Forſchern gemadten Beobachtungen reichen, 
ijt eine A. an kältere Klimate durchaus zu ermög⸗ 

Meyers Konv.-Lexilon, 6. Aufl., J. Bd. 





225 


lichen. Beſonders fommt dabei ju Hilfe, daß der 
Menſch ſich gegen die Kälte eher fdiigen fann als 
gegen die Hike, und anderfeits wirkt die Kälte auf den 

rganismus an fic) bei weitem weniger ſchãdlich. Bon 
den int 70er Kriege verwendeten afrifanijden Truppen 
find trog der jtrengen Wintermonate nur ganz wenige 
erfranft. Auch Reger, die beliebig lange in nördlichern 
Klimaten leben, zeigen faſt ausnahmstos eine bedeu⸗ 
tende Unpaffungsfabigteit. Biel fdjwieriger gejtaltet 
fid) die U. an heiße Klimate. Unfangs fdeint der 
Cinwanderer nicht belajtigt zu werden, fein Ausſehen 
und Gebaren bilden emen auffallenden Gegenfag zu 
der Gupern Erjdeinung der ſchon lange an dem tro- 
pijden Wohnorte weilenden Landsleute. Uber nad 
Woden oder Monaten ſinken die Leiſtungsfähigkeit 
und die Kriifte, es tritt cine Ubfpannung ein, die Funk⸗ 
tionen Der Haut und der Leber jteigern ſich, während 
Ernährung und Blutbereitung an Cnergie verlieren. 
Sehr aiinftig wirtt eine gcitweife Unterbredung der 
A., fei es durch Cintritt kühlerer Jahreszeit, durch 
eine Seereiſe oder durch Aufenthalt an hochgelegenen 
Punlten. Tritt ſolche Unterbrechung nicht ein, fo 
ſteigern ſich die angedeuteten Störungen, und es tre— 
ten rebel ea agg, a (Akklimatiſations— 
krankheiten) em. Unter günſtigen hygieniſchen und 
individuellen Verhältniſſen machen erheblichere 
Geſundheitsſtörungen wohl erſt nach mehrjährigem 
Aufenthalt bemerkbar, oder fie bilden wohl auc Uber- 

änge zur Gewinnung einer neuen, etwas verjdobenen 

leichgewichtslage des individuellen Geſundheitszu⸗ 
ſtandes, womit alsdann die A. erreicht ijt. 

Bei der Veurteilung diejer Borginge muß man 
bie Bedeutung des Elimatifdhen Moments 
als Krankheitsurſache in gemapigten Himmels- 
ſtrichen in Betradt ziehen. Der Friihling wird woh! 
durch allju fdjnelle —— der Blutfülle, der 
Sommer durch Verminderung der Eßluſt, der Herbſt 
durch relativen Blutmangel und der Winter durch 
große Anforderungen an die Atmungswerkzeuge und 
an die Organe des Blutumlaufs kränklichen oder ſchad⸗ 
haften Körperkonſtitutionen gefährlich; indes ſind doch 
nur wenige Krankheiten tatſächlich als Witterungs- 
krankheiten aufzufaſſen, und namentlich erzeugen auch 
die extremſten Wetterſchwankungen niemals Cpide- 
mien in der dem Klima angepaßten —— Iſt 
aber letztere noch anderweitigen gemeinſamen krank⸗ 
machenden Lebensbedingungen unterworfen, ſo zeigt 
fic) die Einwirkung der Witterungsſchwankung oft nut 
enormer Heftigfeit. So wideritebt der Soldat am Un- 
fang des Feldzugs, folange Enthehrungen, Strapa- 
jen rc. nod) nicht die Blutmifdung und Sirfulation, 

ie Widerjtandsfahigkeit der ſonſtigen Körperorgane 
verändert haben, den Sdwanfungen und Unbilden 
des Wetters vortrefflid), während ſelbſt kleine atmo- 
ſphäriſche Schwankungen die Entſtehung zahlreicher 
Krankheiten veranlaſſen, ſobald das Gleichgewicht der 
Ernährung — ijt. Dann treten nad einem ein— 
zigen Nadtfrojt, nad) einem jtarfen Regenguß nidt 
mehr leichte Ratarrhe und Rheumatismen, fondern 
heftige Lungen- und Hersbeutelentsiindungen, ſchwere 
epidemiſche Dysenterien, mafjenhafte Typhen, tödliche 
Hirnhautentgiindungen auf, die eine vorber jedem 
Wetter — bietende Truppe dezimieren können. 

Yn allen Tropenklimaten und bei jedem dort leben- 
den Europäer tritt friiher oder ſpäter eme Berminde- 
rung der Blutbildung mit ihren Folgen hervor, und 
diefe Anämie tit um fo ausgebildeter, je mehr pojitive 
Schädlichkeiten (Uberarbeitung, ſchlechte Pflege, ernſte 
Krankheiten, beſonders Ruhr) vorhanden ſind. Fahle, 


15 


226 AFflimatijation (Tropentrantheiten, hygieniſche Mafnahmen, Utflimatijationsvereine). 


wad8artige Bläſſe, Hervortreten der Knochen, Ber- 
lujt jeder lebhaften rofigen Färbung, allmabhlices 
Gintrodnen des Fettpoljters unter der Haut findet 
man aud bei Perſonen, die gar nicht von wirklichen 
Rranfhetten heimgejudt wurden. Während aber dieſe 
Erſcheinungen nur die Folge eines Rückganges der 
Blutbereitung mit gleidsettiger Herabſetzung des 
Waffergehalts im Blut und entſprechender Cntlajtung 
des Herzens und des Lungenfreislaufes jind, gibt es 
aud anamiſche Zuſtände, inter denen als —* der 
Krankheit eine wirklich fehlerhafte Blutmiſchung ſteht, 
die unaufhaltſam zur tiefen Zerrüttung und zum Zer— 
fall bes Körpers führt. Geht die Bildung derartiger 
Uniimien nod mit größern Blutverlujten einbher (wie 
bei Der Rubhr), fo tritt bald direfte Lebensgefahr ein. 
Von einer Steigerung der Widerjtandsfahigteit nord- 
europaijder Cinwanderer in die Tropen gegen deren 
ſpezifiſche Krankheiten fann nidt entfernt die Rede 
fein, tm Gegenteil ftetgert ſich Die Geneigtheit gu Er— 
franfungen mit Dem Aufenthalt in den tree Bon 
den Kranfheiten, die als fpejielle Tropenfrant- 
Heiten den Reucinwandernden gefahrlid) werden, 
find aufer Ruhr (Dysenterie) und Malaria 
das Gelbfieber, Leberfranfheiten, Cholera, 
Veriberi, Boden und die Peſt hervorsubheben. 
Wan fann zwar nicht zahlenmäßig angeben, wieviel 
Prozent der Cingewanderten von diejen durch Para- 
fiten bedingten Kranfheiten befallen werden, doch ſteht 
im allgemeinen fejt, bak befonders in den h cif feu ch - 
ten Gegenden jeder in fiirzerer oder langerer Beit 
Diejen Epidentien einmal verfällt. Abhängig iſt die 
Infektion von den jeweiligen brtliden Berhaltnifen, 
den Hygienijden Maßnahmen und der Widerjtands- 
fabigtert bes Organismus (Dispofition). 

Neben lepterer find zur Fernbaltung einer An— 
ftedung und iiberbaupt zur Erreichung der A. die 
hygieniſchen Maßnahmen Baer 4 pe 
von höchſter Wichtigheit. Gewiſſe = wurden aud) 
fon, folange Rolonien erijtieren, befolgt, dod hat 
fich erjt in neuerer Zeit ein ſelbſtändiger Wiſſenszweig 
iiber dieſe Dinge herausgebildet. Wis widtige Regeln 
der Tropenhygtene gelten: abfolutes Fernhalten vom 
Bodenanbau mittels eigner Kirperanjtrenqung, Er- 
richtung Der Wohnung auf fieberfreiem Baugrund, 
event. Herjtellung emes folden durch Aufhöhung 
und Drainage, Fernhaltung ungefodten Waſſers aus 
der Nahrung, Erſatz desfelben — priiparierte Ge⸗ 
tränke (ohne oder mit nur leichtem Alkoholgehalt), 
Vermeidung ungewohnter, mangelhaft gelochter Spei— 
jen, Regelmäßigkeit in ber Lebensweiſe, große Mäßi— 
gung im Geſchlechtsgenuß, prophylaktiſcher Gebrauch 
von Chinin in der Fieberſaiſon. Die Kleidung hat 
ſich den tropiſchen Verhältniſſen anzupaſſen. Anfangs 








Erfolg, gang verwerflich ijt aber, vor dem Betreten 
der Tropen zunächſt mehrere Monate in ſubtropiſchen 
Wegenden ju verweilen. Der Ankömmling langt dann, 
durch Flimatifde Unforderungen bereits erjchdpft, am 
Bejtimmungsort an und erliegt nun dem eigentlichen 
tropifden Klima um fo fdyneller. 

Wie bedeutend die Erfolge hygieniſcher Maß 
find, geigt die Statiftif der tropriden Yirmeen. Bon 
den europaifden Soldaten der hollandijd-oftindijcben 
Armee ftarben 1819—28 während eines heftiqen Krie 
qe3 und unter dem Wilten der Cholera jährlich 170, 
von den Eingebornen 138 auf 1000. Dagegen jtar- 
ben 1869—78 während ded Atſchinkrieges und ſchnell 
aufeinander folgender Cholera-Epidemien von euro 
piifden Soldaten 60,4, von Eimgebornen 38,7 auf 
1000 und in Dem Jahrzehnt 1879— 88, obgleich Krieg 
und Cholera fortwiiteten, von den Europaiern nur 
30,6, von den Gingebornen 40,7. Ähnliche Zablen 
gibt die englifde Statijtif. Jn der indiſchen Armee 
\tarben von europäiſchen Soldaten 1800— 1830: 84,6, 
1830—56: 57,7 auf 1000, Dagegen 1869-78: 19,24 
und 1879 — 87 nur 16,27 auf 1000. Auch bier ſteht 
die Sterblicdfeit der europäiſchen Goldaten zur Zeit 
hinter derjenigen der ajiatifden Truppen weit zurüch 
Auf Jamaifa ftarben 1820—36 nicht weniger als 
121 europäiſche Soldaten, aber nur 30 Negerjoldaten 
auf 1000, 1879—87 bagegen 11,02 Europaier und 
11,62 Reger. 

Die Akklimatifationsvereine, die neue Pflanzen 
und Tiere einjufiihren ſuchen, lieferten bis jest meijt 
nur interefjante naturwiſſenſchaftliche Ergebnijfe. Es 
find große Hoffnungen gewedt, und mit vielem Eifer 
ijt an zahlreichen Orten gearbeitet worden, aber Die 
praftijden Refultate find ſehr gering. Wirklich wert- 
voll war die Cinfiihrung der italientiden und 
tijden Biene und mander Fiſche, wahrend die . 
fude mit den neuen Seidenſpinnern nod zweifelhaft 
blieben. Auch die Einführung auslindijder Stuben- 
vögel ijt erwahnendwert, weil diejelbe zur Schonung 
der heimiſchen Singer beitrigt. Bon allen Ufflimati- 
fationSvereinen ijt die Société d'acclimatation m 
Paris mit ihren Filialen in Ulgerien, Nancy, Grenoble, 
unterjtiigt durch die Marine und die Rolonien und 
begiinjtigt burd das Klima Franfreidhs, am beften 
jituiert; fie erdjfnete 1860 auf einem Terrain von 
20 Heftar einen VWfflimatijationsgarten und publiziert 
ihre Ergebnijje im »Bulletin de la Société d’accli- 
matation«. Ähnliche Vereine entitanden in den Rieder: 
landen, in Palermo, Berlin, Mosfau, im Nord- 
amerifa und Auſtralien. Im WMittelalter haben fic 
die Mince große VBerdienjte um die A. erworben, 
und fiir Spanien baben in ähnlicher Weiſe die Uraber 
gewirtt. Bal. Hehn, Rulturpflangen und Haustiere 


tritt felbjt bet vollfontmener Rube Tranſpiration ein, | (7. Aufl., Berl. 1902); Simonnot, De l’acclimate- 
mit Der Ubnahme des Blutwaffers aber wird felbjt | ment des Européens dans les pays chauds (1. inter- 
anhaltende forperliche Anſtrengung nad einiger Zeit | nationaler mediziniſcher Kongreß. Bar. 1867); Bir - 
ohne iibergroge Hauttitigfeit ertragen, wenn die dow, Uber Altlimgtiſierung Verſammlung deutſcher 


Haut nicht dauernd verweichlicht, ſondern nach und 
nach mehr exponiert wird. Nicht zu häufige Bäder, 
Abreibungen und Übergießungen find empfehlens- 
wert. Dre Nahrung foll allméablich fticftoffirmer 
werden. Anfangs vt den heimiſchen Gemüſen und 
Früchten gegeniiber Vorſicht geboten, ſpäter follten 
Ne immer mehr das Fleiſch erſetzen. Wlfoholreicde 
Getrinfe find ſchädlich. Neben geiſtiger Tätigleit und 
geiitigen Vergniigungen find mit vorfdreitender UW. 
Mdrperbewegungen und felbjt Körperanſtrengungen 
im Freien in immer grdferm Make vorzunehmen. 


Naturforſcher und Ärzte in 


trahburg 1885); Jouf- 


ſet, Traité de l’acclimatement et de l'acclimata- 


| tion 





—* 1884); Buchner, Dispoſition verſchiedener 
Menſchenraſſen gegenüber den Infeltionskrankheiten 
Hamb. 1888); Magelſſen, Abhängigkeit der Krank⸗ 
heiten von der Witterung (deutſch, Leipz. 1890); 
Stofvis, Uber vergleichende Rajfenpathologie und 
die Wideritandsfahiqteit des Europäers in den Tro- 
pen (Berl. 1890); Bastian, Klima und A. nad eth- 
nifden Gejidtspunften (daj. 1889); Rohl ftod, Arzt⸗ 
licher Ratgeber fiir Oftafrifa und tropifde Malaria: 


[berall verbiirgt die allmahliche Steigerung den bejten | gegenden (daf. 1891); Scheube, Die Krankheiten der 


Akkludieren — Akkord. 


varmen Länder (2. Aufl., Jena 1900); F. Plehn, 
Beitrag zur Pathologie der Tropen ꝛc. (in Virchows 
Archivp⸗, 1892); Schellong, A. und Tropenhygiene 
‘Jena 1894); Aßmann, Das Klima (daſ. 1884). 

WFF(udieren (neulat.), anſchließen (cinem Schrei⸗ 
ben). Akklüſum, Anſchluß, Beilage. 

Akko, Stadt, ſ. Ula, S. 224. 

WFfolade (fran;., ⸗Umarmung«), die Reremonie 
bet Aufnahme der Ritter m einen Orden, wobei der 
Broßmeiſter den Aufzunehmenden umarmte. — Jn 
der Buchdruckerei Klammern von größerm Umfang. 

WEFommobdation (lat., » Unbequemung.:), im all- 
meinen Das Bejtreben, das eigne Berbalten den 
Wiinjden, Gewohnheiten und Shwadbeiten andrer 
gemäß einguridjten; insbef. in der Didaltif die Her- 
ablaſſung des Lehrers gu dem Standpuntte des Schü— 
fers. Die Theologie hat die A. bei der Uuslequng 
der Bibel ju Hilfe genommen, um anjtipige Aus 


ſagen Derfelben ju verteidigen oder ihren Widerfprud | 


gegen Dogmatif oder Vernunft exegetiſch überwinden 
u fonnen. — U. Des Auges iſt die Cinjtellung des 
uges auf verſchieden weit entfernte Geſichtsobjelte. 
Obne eine folde wiirden die Rephautbilder nur fiir 
beſtinumte Sehweiten ſcharf fein. Die U. wird beim 
Menſchen und den —— Tieren durd Kriimmungs- 
ainderung, bei eigen Tieren durch Lageveriinderung 
der Strijtalllinfe herbeigefiihrt. Bgl. Geſicht. Das Ut- 


fommntodationsvermigen ninunt normaleriveife mit | 


Den Jahren gleichmäßig ab. Ju den 40er Jahren ijt 
es nicht mehr grof genug, um unſer Auge bequem 
auf Gegenſtände, die ca. 25 cm von ihm entfernt find, 
einzuſtellen. Es ijt dDeshalb feinere Naharbeit, Lefen 
fleinen Drucks xc. unmöglich oder dod) beſchwerlich 
(beginnende Altersſichtigkeit, Weitſichtigkeit, 
Bresbyopic). Krankhaft find die Lähmungen 
des Uffommodationsvermigens, wie fie bei Bleid 
ſüchtigen, bei Sypbilitifern, ena bei Gebirnerfran- 
fungen, bei Verlesungen, nach Diphtherie, nad) Wurjt-, 
Fleiſch-⸗, Käſevergiftungen, bet Diabetes u. a. vor- 
fontnen. UWlfommodationsfraimpfe, die das 
Auge kurzſichtig erſcheinen laffen, fommen hauptſäch— 
lich nach Kontuſionsverletzungen, bei Hyſterie, bei 
Überanſtrengung vor. Die Behandlung der Störun— 


gen des Uffommodationsvermigens hat lediglid) die | 


Lrfadje gu beriidfictiqen, das fehlende Ulfommoda- 
tionsvermigen fann durch Brillen erſetzt werden. 
Uffommodationsbreite , ſ. Gejicdt. 
UFfommodationstheorie, |. Deſzendenztheorie. 
Akkommodationsvermögen,.Atkommodation. 
Akkommodement (franj., fpr. mang), Ausglei— 
chung von Differenzen; Vergleich, z. B. eines zah— 
lungsunfibigen Schuldners mit ſeinen Gläubigern. 
— — (lat.), anbequemen, anpaſſen; 
zurichten, zubereiten; ſich fügen; ſich vergleichen. 
Akkompagnement (franz., ſor. adongpan mang, ital. 
accompagnaménto, »Begleitung«), in Muſilſtücken, 
die für Soloinſtrumente oder Geſang geſchrieben ſind, 
die mehr nur harmoniſch und rhythmiſch ſtützenden 
übrigen Stimmen (Orcheſter-A. eines Soloſtücks, 
Riavier-W. und Lieder rx.), beſonders im 17. und 
18. Jahrb. die auf Grund einer bezifferten Baßſtimme 
ausgefiifrte Begleitung am Klavier, der Orgel (Ge: 
neralbaf). Akkompagnieren, begleiten; Uffom- 
pagniſt, friiher bejonders der Generalbafjpieler. 
ord (franj. accord, »Ubereinjtimnumgs), in 
der Muſik ein Zuſammenklang mehrerer Tne (Har- 
monie). Die altere Muſiltheorie (bid gu Ende des 
16. Jahrb.) fah im UW. nur das zufällige Zuſammen— 
treffen Der Tine verſchiedener Stimmen. Dod) wies 


227 


bereits Zarlino (»Istituzioni armoniche«, Bened. 
1558) auf die grundlegende Bedeutung de3 Dur- und 
Mollaffords hin. Durd die um 1600 auffommende 
Generalbaßbezifferung (ſ. d.) bildete fich erjtmalig 
eine Urt Schematiſierung der migliden Zuſammen— 
flange durd) die bald allgemein angewandten Ab— 
fitrzungen fiir die paufigiten Formen der WUWtfordbil- 
bung. Anſchließend an die Generalbaßziffern wurde 
jeder Bujanunenflang nad) den Biffern benannt, 
Die ihn fordern, dabei aber (wohl anſchließend an 
SZarlinos Aufweiſung) die aus Ter; und Quinte be- 
—— am häufigſten vorlommende Bildung, welche 
| Die Generalbaßbezifferung unbezeichnet ließ, Dreiflang 
| (Armonia perfetta, Harmonie parfaite, engl. Com- 
mon chords) benannt. Der durd) cine 6 verlangte, 
aus Terz und Quinte bejtehende A. hieß der Sert- 
afford, der durch cine 2 verlangte, aus Sekunde, Quarte 
und Gerte bejtebendDe Sekundakkord, der durch 7 ver- 
langte, aus Terz, Quinte und Septime bejtehende 
Septimenafford x. Durch J. RH. Rameau (> Traité 
de l'harmonie«, Bar. 1722) wurde an Stelle diefer 
rein ſchematiſchen, an die Begifferung anlehnenden 
Ufforddbenennung, bet der nidt einmal Zarlinos 
Unterfdeidung de3 Dur- und Mollakkords fenntlid 
war und pe — B. h df einen Dreiflang auf h 
vorjtellte, eine Gruppierung der Ufforde nad 
ihrem harmoniſchen Sinne verjudt. Seine 
Lehre von der »Umfehrung der Wlforde«, die 3. B. 
ceg,egceund gce als verfdiedene Lagen desfelben 
Uffords betradhtet, wurde ſchnell allgemein anerfannt ; 
dod) blieb die Generalbafterminologie und -beziffe— 
rung tropdem in allgemeinem Gebraud), und die newe 
Lehre wurde an diejelbe angefiipft, derart, dak nun 
3- B. alle Sertafforde und Duartiertafforde als Um— 
fehrungen von Dreiflangen betracdtet wurden, ebenfo 
alle Ouintfertafforde, Terzquartfertatforde und Se— 
fundafforde als Umfehrungen von Septimenafforden. 
Wis Grundafforde (Accords fondamentaux) galten 
nunmebr alle aus übereinander gejtellten Terzen ge- 
bildeten, der Dreiflang, Septimenafford, Nonenafford 
und bei den Schematifern des ausqehenden 18. Jahrb. 
aud) nod) der Undezimen- und Terzdezimenalkord: 


Je nachdem 
F 


man die hier 











notierten Al⸗ — 
korde mit dem “——— af — — 
einen oder 7 eu B 


anbdern der — —— Schlüſſel lieſt, hat man 
einen A. ganz andrer harmoniſcher Bedeutung vor 
ſich, z. B. in dem Dreiklang einen Durakkord, Moll- 
afford oder verminderten Dreiflang, in allen Fällen 
aber nad) der damit gegebenen Faſſung der Lehre 
einen Grundafford. Soweit man nun irgend cinen 
Zuſammenklang durch Oftavverfesungen einzelner 
Line auf einen ſolchen Grundakkord zurückführen 
fonnte, erfannte man ihn als eine Umkehrung eines 
joldjen, aud) wenn 4. B. fiir Den Undezimen- oder 
Terzdezimenafford der cine oder andre der mittlern 
Tine feblte. Für den damit inaugurierten niicter- 
nen Sdematismus darf Rameau nidt verantwort- 
lich gemadt werden; derſelbe fommt vielmehr auf 
Rechnung feiner qeijtlofen Nadfolger J. A. Sorge 
(1745 ff), J. BH. Kirnberger (1774), J. H. Knecht 
(1792f.). Leider wurde nur von wenigen Zeitgenoſſen 
eine andre, viel wichtigere, in Rameaus »Traité« ſtiz— 
ee Lehre verjtanden, nämlich die Lehre von der 
Bedeutung der Wfforde fiir die Logif des Sages, deren 
Fundament die Ubleitung der diffonanten Ak— 





jforde von den fonfonanten ijt. Rameau weif 


15* 


228 Afford — Akkumulator. 


nichts von gleichberechtigten Dreillängen auf allen | Akkord (franj3.), in der Rechtsſprache foviel wie 
Stufen der Tonleiter, —— führt vielmehr die | —— Vergleich, Vereinbarung. Im Konkursver⸗ 
Sfala auf die Elemente dreier fonfonanten Wfforde | fahren der Vertrag, durd den einem jzablungsunfahi- 
suriid, nimlid der Tonifa, Dominante u.Gub- gen Schuldner von feinen Gliubigern cin Radia’ 
Dominante. Derverminderte Dreiflang h d f ijt für bewilligt wird oder Rahlungsfrijten eingeräumt wer- 
ibn in C- Dur eine rag weet Form des Domi | den; ferner wird aud der Zwangsvergleid (f. d.) 
nantaffords mit Septime (jtatt ghdf), und fitr hdfa | mandmal A. und das gur Ubwendung der Ronfurs- 
ninumt er in C⸗Dur ebenfo cin Fehlen des eigentliden | erdffnung dienende Ausgleichsverfahren (ſ. d.) Ufford- 
Wrundtons g an, fieht aber in A-Moll in der Bildung | verfahren genannt. 

einen D-Mollakford mit hingugefiigter Unterter; h.| WFfordarbeiter, landwirtfdaftlide, fF 
Nur J. Fr. Daube (⸗Generalbaß in drei Alkorden«, Landwirtſchaftliche Betriebserforderniſſe. 

1756) bat Rameaus Aufweiſung der Tonifa und der| WFordion (griech.), ſ. Biehbbarmonifa. 

beiden Dominanten als Grundpfeiler dertonalenHar-| Wfordlohn, ſ. Arbeitslohn. 

monif beqriffen, und erjt Gottfried Weber (Verſuch Wfordpaffage, in der Muſik ein ſchneller Gang 

einer geordneten Theorie der Tonfesfunjt«, 1817 ff.) | durd) die Tone ees Alkords im —— zu der 

nahm einen neuen Anlauf zum Ausbau der Lehre die melodiſchen Zwiſchenſtufen berührenden Tonleiter- 

von der Bedeutung der Akkorde, indent er die Ufford- paſſage; vgl. Arpeggio. 

—— von der Generalbaßbezifferung emanzi⸗ a (bei den — N tran), Stadt an 

pierte und die Bezeichnung de3 Duraffords durch einen | der Goldfiijte (Wejtafrifa), unter 5° 31‘ nördl. Br. 

großen und die des Mollakfords durd einen fleinen | hat etwa 16,000 Cimw., darunter nur wenige Eurv— 

Buchitaben (C,c) zum Ausgang nahm. Die Weberſche | pier, ijt der bedeutendjte Handelsplag an der Gold- 

VUfforddijfrierung wurde dann unter andern von Ot- | fitjte, Sif eines deutſchen Konſuls und war, feit 1850 

tingen (»Harmoniefyjtem in dualer oni He britijd, bis 1875 Rejideng des Gouverneurs der Gold- 

1866) und Hugo Riemann (⸗Skizze ciner neuen We- | küſte. — A. wurde 1862 durd cin Erdbeben fajt gang 

thode der Harmonielehre«, 1880) aufgenomumen und zerſtört. Das friihere Negerreich W. bildet jetzt einen 

weiter ausgebaut. Wenn aud) nicht um die UWffordbe- Fel der Goldfiljtenfolonie. 

nennung und Chiffrierung, fo dod) um die Erflarung 
der Ufforde madhte ſich rer. tis (» Traité complet de 
la théorie et de la pratique de l’harmonie«, 1844) 
verdient. Die nunmehr geflirte Lehre von der Be⸗ zen ihrer Gendung oder ihres Auftrags zu vollsieben- 
deutung der Alkorde unterſcheidet zunächſt fonjonante | den Handlungen iibernchmen. Go affreditiert dic 
und diſſonante Ufforde. Ronfonant find nur der Dur- Staatsregierung diplomatifde Perfonen gum Behuf 





WfFreditieren (franj.), jemand beglaubigen oder 
durd cin Vollmadticdretben die Gewahrieijtung fir 
die von ciner bejtimmten Perſon innerhalb der os 


afford und der Mollatford. Diffonante Ufforde find | der Uusridtung allgemein diplomatifcher Funttionen 
nur 3u erfliren als Umgejtaltungen irgend welder Art oder beftimmter Aufträge an auswartigen Hdfen und 
von fonfonanten, haben alfo nicht einen primiren, | Regierungen. Die damit Betrauten, Botfdafter, Ge- 
ſondern einen abgeleiteten Sinn. Die Hauptgruppen, | jandte ꝛc., pflegen die besiigliden Beqlaubiqungs- 
in die man die diffonanten Wffordbildungen ſcheidet, ſchreiben (Uffreditive) dem auswirtigen Staats- 
find: 1) Dur- oder Mollaftorde, denen etn dijfonie- | oberhaupt in der erjten Audienz (WUntrittsaudien;) 
render (d. h. ein ihnen fremder Ton) hingugefiigt ijt | perſönlich gu fiberreiden. — Ym faufminnifden Lc 
(3 B.ceg|b,ceg|a,ceg|h; fis| ace x.) oder | ben verjteht man unter Uffreditierung dad Verſchaffen 
aud) nod) cin vierter, ja fiinfter Ton (gh d/ fa, | von Kredit durd Empfehlung, insbef. die Ausſtellung 
ghd|facx.). 2) Durafforde oder Mollafforde, in | cines Utfreditivs oder Kreditbriefs (f. d.). 
Denen an Stelle cines feiner Tone cin Nachbarton cin-| WFreszengredht, ſ. Unwadfungsredt. 
geſtellt ijt, ſei es, daß er nodjauseinervorhergehenden | Wtrimination (lat.), Unjduldigung, Unflage. 
Harmonie beibehalten ijt, um fic erft fpiter in dem | Akkulieren (franz., for. atta), in der Bolte nicht 
i | mw Altordton fortzubewegen (Vorbhalts- | weit genug vorgehen; fich gu weit aufs Kreuz des 
ft el | e—f afforbde, vgl. Beifpiel 1), oder dak von | Pferdes ſetzen. 
he le einem Wffordtone aus ju einem Nach⸗ Akkum, hebr. Ablürzung pon »Wbodath kocha⸗ 
gg g bartone fortgefdritten wird (durd)- | bim umafjalot« (Kultus der Sterne und Sternbilder) 
Re le gehende Dijfonanjen, vgl. Beifp. 1). | und »Obed fodabim umaſſalot« (Diener der Sterne 
3) Durafforde oder Mollafforde, in | und Sternbilder — Gdgendiener), eine Erjindung 
denen ein Ton chromatiſch veriindert ift (alterierte UE- | der Benfur fiir die urjpriinglicen Lesarten der tal- 
forde), 3. B. cegZ, pacer. 4) Das gleichseitige | mudiſchen Literatur: Uboda jara (Götzendienſt), Goi, 
Auftreten mebrerer der unter 1—3 aufgewiejenen BVer- | Nodri u. a. (Nichtjude). Senfurfreie Ausgaben und 
ainderungen im Dur- oder Mollafford. Nähere Nach— Handidriften fennen dieſe Bezeichnung nicht. Bal. 
weife der allmählichen Entwidelung f. bei H. Rie- Strad, Cinleitung in den Talmud (Leip3. 1901). 
mann, Gejdichte der Mujiftheorie rm 9.—19. Jahr- WFFumulat (lat.), aus lofen Triimunern bejtehen- 
hundert (Leipz. 1898). des Gejtein (vgl. Agglomerat), im Gegenfage zu den 
Mit A. (Stimmwerh) bezeichnete man aud friiher | aus verfitteten Triimmern bejtehenden Breccien und 
cine Gruppe von Ynjtrumenten derfelben Familie von | Ronglomeraten (jf. d.). 
verfdiedener Größe und Tonlage (in Sopran-, Wit, | umutlation (lat.), Un-, Aufhãufung. 
Tenor- und Baßlage), wie folde tm 16. Jahrb. fiir! Akkumulative Vererbung, ſ. Erblidfeit. 
den injtrumentalen Bortrag von Gefangsfompofitio-| Wfumulator (lat., »>Sammier«, Rraftfamm- 
nen ſich herausgebildet hatte. Cin ſolcher A. iſt z. B. ler, Kraftſpeicher), von Sir W. G. Armſtrong 
unſer Streichquartett. Qn der Violin⸗ und Lauten- erfundener Apparat, in dem Druchwaſſer fiir bydrau- 
literatur Des 17.—18. Jahrh. verſteht man aud) un— liſche Maſchinen mit unterbrochenem Betriebe (Hebe- 
ter A. (accord) Die ju Anfang einer Kompoſition ge- | mafdinen, Preſſen rc.) durd eine fontinuierlich arbei- 
* Anweiſung fiir cine ausnahmsweiſe vorge- tende Pumpe aufgeſpeichert wird, um für die kurze 
chriebene Stimmung (scordatura) des Inſtruments. Arbeitszeit jener Maſchine eine deſto intenfivere Vers 











Affumulator (elektriſcher Stromſammler). 


ſtung zu geſtatten. Bei dem Gewidtsatlumula: 
tor (ig. 1) iſt à ein Zylinder, in dem ſich cin Kolben 
b bewegt. Deſſen oberes Ende trägt eine Platte c, an 
der mittels ae en d die Platte e hängt, die am 
Bylinder geführt it und die Belaftungsgewidte f 
aufnimmt. Bei g ijt die Rohrieitung nad) der Pumpe 
und den Urbeitsmajdinen (hydraulifde Preſſen, 
Krane, Aufzüge rc.) angefdloffen, durch die das Waf- 
jer ein- und austritt. Hat der Kolben feine höchſte 
Stellung erreidt, Dann wird durd) eine felbjttatige 
—————— Pumpe ausgerückt. Bewährt hat ſich 
bei den Akkumulatoren ein Druck von ungefähr 50 
Atmoſphãren —= 50 kg auf 1 qem. Bei einem A. der 
befdriebenen Ronjtruftion 
bleibt der ausgeiibte Druc 
immer fonjtant, wenn man 
nidt etwa die Belajtung 
ändert. Goll fic) aber der 
Drud des Betriebswafjers 
entſprechend dem jedesmali- 
gen Widerjtande der Ar— 
eitsmaſchine variieren laſ⸗ 
fen, fo benutzt man Alklumu⸗ 
latoren, bei denen man mit 
Hilfe einer Steuerungsvor⸗ 
richtung verſchiedene Waſſer⸗ 
preſſungen erreichen kann. 
Das —* des hierhin ge- 
eee ffumulators von 
Deinrid in Brag berubht 
darauf, dak cin fonjtantes 
Belaſtungsgewicht auf einen 
roßen oder einen fleinen 
olbenquerfdnitt oder auf 
die Differens beider wirffant 
gemadt wird (Differen- 
tialaffumulator). Man 
verjieht aber auch die Ar— 
beitsmafdinen jelbjt mit 
mehreren Rolben von ver- 
ſchiedenem Ouerfdnitte, dic 
nad Bedarf cingeln oder zuſammen zur Wirfung fom- 
men. Die oft außerordentlich ſchweren Gewidte der 
Uffumulatoren haben manderlei Nachteile, insbeſ. 
verurjadjen fie bisweilen bei ſchneller Urbeit heftige 
Stöße und geben damit die Méglichfeit von Zerſtö— 
rungen in der Unlage. Diefer übelſtand wird ver- 
mieden bei den Dampfaflumulatoren, bei denen 
jtatt des Gewidtes ein grofer, in cinem Zylinder 
dicht anfdliehend beweglider Kolben vorhanden ijt. 
Diefer jteht mit dem Kolben des Waſſerzylinders in 
Verbindung und befommt den ndtigen Dru durd 
Dampf, der in feinen Zylinder eingelaffen wird. Jn 
ähnlicher BWeife benugen ein elajtifdes Drudmittel 
die Luftdrudaffumulatoren. Bei dem A. von 
Prött u. Seelhoff (Fig. 2) tritt Drudwajjer durch a 
in den Waſſerzylinder D und bringt den Rolben C 
und mit ibm den Kolben B gum Stetgen. Hierdurd) 
erhält die in A eingeſchloſſene Luft eme Spannung, 
die bet bape erage, er von B wie eine Gewidts- 
belajtung wirkt. Zur Erzielung größerer Gleichmafig: 
feit wird A febr groß gemadt und durd) r mit vier 
großen Luftkeſſeln verbunden. Soll eine verhiiltnis- 
miapig ſchnelle Zu⸗, bez. Abnahme de3 Druckes erzeugt 
werden, fo wird r abgeſperrt. Die Luft in A erhält 
ewöhnlich cine Spannung von 50 Utmofpharen, und 
die Fläche des Kolbens B fajt zehnmal groper als 
die von C ijt, fo betragt der Wafferdrud 500 Utmo- 
ſphären. Zur Verbhiitung de3 Entiveidens von Luft 






h 


UDR EAE 


VV 





Gewichtsaltu— 
mulator. 


Fig. 1. 











229 


enthält A etwas Glyjerin (bis ww), das durd G 
eingefiillt wird. Die Zugitange p und der Arm m 
Dienen gum Wusriiden des Akkumulators beim höch— 
i — Zur Vermeidung von Stößen ſetzt 
id) der finfende 
Rolben auf höl⸗ 
gerne Bufferrin- 
ge h auf. Rin- 
nen die Alkumu⸗ 
latoren nicht an 
frojtfreien Orten 
aufgejtellt wer- 
den, Dann wird 
dem  Betriebs- 
waſſer zur Ber- 
hinderung des 
Einfrierens 
meiſt Glyzerin 
oder eine andre, 
den Gefrierpuntt 
herabſetzende 
Subſtanz juge- 
ſetzt. Alkumula⸗ 
toren finden Ver⸗ 
wendung zum 
Betriebe von hy⸗ 
drauliſchen He—⸗ 
bemaſchinen (in 
Geſchäftshäu⸗ 
fern, Fabrik⸗ u. 
Hafenanlagen, 
Diittenwerfen 
2¢.), Don hydrau⸗ 
liſchen reſſen 
in OF, Bapier-, 
—— Pulver⸗ 
fabrilen ꝛc.), von 
hydrauliſchen 
Schmiedepreſſen, 
Nietmaſchinen ꝛc. 
Val. Ern ſt, He- 
bezeuge (3. Aufl., Berl. 1899, 3 Bde.); Uhland, 
Hebeapparate (Jena 1883); Breslauer, Kraft- und 
Hebemafdinen (Leip;. 1900); Robin fon, Hydraulic 
powerand hydraulic machinery (2.Yujl.,Lond.1893). 
Affumulator (Sammler, ſekundäres gal- 
vanijdes Element, Qadungsfiule), elettro- 
chemiſcher Upparat zur Aufſpeicherung von Strom: 
arbeit behufs ihrer fpdtern Verwendung an beliebigent 
Orte. Der U. wurde 1850 von Wilhelm Siemens 
und unabbingig von ihm von Sinjteden erfunden, 
aber erjt 1859 im einer fiir Die Tedjnif braudbaren 
Form von Planté Hergejtellt. Cin Alkumulatorele— 
ment bejteht aus zwei Bleiplatten, von denen die poji- 
tive (4) mit braunem Bleifuperoryd (PbO,) tiber- 
pogen ijt, wabrend ſchwammig aufgelodertes Wei (Pb) 
ie Oberfläche der negativen (—) bildet; beide Plat. 
ten werden in cinem mit verdiinnter Schwefelſäure 
(H,SO,) gefiillten Gefäß einander gegenübergeſtellt. 
Gewöhnlich ſtellt man eine größere Anzahl Platten 
jo in ein Gefäß von Glas, Ebonit oder mit Bed) aus- 
geqojjenem Holz, daß jede + Platte gwifden zwei 
— Platten fteht, alfo ftets cine — Platte mehr vor- 
handen ijt als + Platten. Fig. 1 (S. 230) zeigt in 
ſchematiſcher —— von oben drei Uffumu- 
latorzellen mit je fieben Blatter, von denen die 
drei pojitiven mit dicen, die vier negative mit zarten 
Linien ausgejzogen find. Wuf der einen Seite der aellen 
werden die pojitiven, auf der andern die negativen 





230 


durd) angelitete Bleijtreifen b miteinander verbunden, 
fodann durd einen Draht die + Platten der einen an 
die — Platten der andern — (Schaltung 
hintereinander oder in Serie) oder, wenn man 
bie mittlere Zelle herumdreht, die ſämtlichen + BPlat- 
ten und die ſämtlichen — Platten zuſammengeſchaltet 
(Schaltung nebeneinander oder parallel). 
Verbindet man die + Platten einer Zelle mit den 
—Patten durch cinen Draht, fo durchfließt diefen 
ein Strom in der Richtung von jenen 3u diejen. Er 
erlegt die Schwefelfaure in Waſſerſtoff (H,) und den 
durerejtSO,, von denen letzterer ſich, der Stromrid- 
tung in der Flüſſigkeit oe, an die —latte 
begibt und Bleijulfat (PbSO,) bildet: Pb + SO, — 
PbSO,, wahrend der Waſſerſtoff zur + Platte gebt 
und dort das Weijuperoryd PhO, ju Oryd PbO re- 
duziert, das Dann ebenfalls Sulfat bildet: 
PbO, + H, + H,SO, = PbSO, + 2H,0. 
Die Flüſſigkeit verliert alfo die zur Sulfatbildung 
nötige Schwefelſäure, und der A. tit vollſtändig ent- 
laden, fulfatifiert, wenn alles Superoryd in Sul- 
fat iibergegangen ijt. Ehe es aber bis zur Halfte auf- 
— iſt, wird durch Abnehmen der Drabhtver- 
indung der Strom unterbrochen. Um den A. in den 


J— b 


—— 












Drei Attumulatorzellen. 


Fig. 1. 
anfingliden Zuſtand ante verbindet man 


die + Platten der Hellen mit dem pofitiven, Die 
—latten mit dem negativen Pol einer Dynamo- 
mafdine oder einer galvanifden Batterie und leitet 
deren Strom bhindurd. Dann wandern H, und SO, 
in entgegengelepter Richtung, es bildet fi) wieder | 
Superoryd an der + Platte, während an der — Platte 
Wei auftritt: PbSO, +H, = Pb+H,SO,. Boll: 
ſtändig fulfatijierte Wfumulatoren laſſen fic) nicht 
wieder laden, weil bei ihnen beide Platten mit einer 
zuſammenhängenden dicen, den Strom nidt leiten 

en Schicht von Bleifulfat bededt worden find. Um 
Den YW. gu formicren, die + Platte mit Superoryd 
(aftive Mafie), die —Platte mit ſchwammigem 
Blei yu überziehen, ftellte Planté die Bleiplatten in 
die Saure, Lud den A. in immer längern Zwifden- 
räumen und entlud thr wieder, lich thn aber dazwi— 
ſchen längere Zeit geladen jtehen. Das vorhandene 
Superoryd hatte dann Beit, feme Unterlage in Blei— 
oryd (PbO) zu veriwandeln, indem es felbjt in folded 
liberging. Das Oryd verband fic) mit der Schwe— 
felſäure zu Sulfat, und diefes fonnte bet erneuter 
Ladung wieder in Superoryd verwandelt werden. 
Faure überzog die Platten mit einem Brei aus Blei 
— (PbO) und verdiinnter Schwefelſäure, der beim 

aden das Sulfat bildete, oder bedectte fie mit Dien 
nige (Pb,O,), die mit Schwefelſäure angefeudtet war, 
und fdidte einen Strom bindurd: 

Pb,O, + 2H,SO, = PbO, + 2PbSO, + 2H,0. 
Die fo erhaltene aftive Maſſe pflegt nicht ſehr feſt an 
Den Platten zu haften. Fällt fie heraus, fo bilden, 
wenn die Flatten bis zum Boden des Gefäßes rei 
chen, die herabgefallenen Teilchen Kursidhlup, und der | 








| Bwifden die Platten 


mit Rippen verjehen, die nad 


Akkumulator (elettrijdjer Stromſammler). 


Strom in der Belle bleibt dauernd geſchloſſen. Dann 
aber tritt bald Sulfatijierung ein, und da Der Strom 
wegen des geringen Widerjtandes der Belle fehr ſtart 
ijt, werden Die Platten bald unbraudbar. Wan ver- 
meidet dies, indem man die Platten auf Glasprismen 
jtellt ober mittels gweier najenartiger Unfage am 
Rande der Gefäße aufhingt. Weil aber dad Glas by- 
qroftopifd ijt, breitet fid) die Schwefelſäure auf der 
Innen- und Mupenfeite der Gefäße aus, und diefe 
müſſen daber ftets auf ifolicrende Porzellanfüße, die 
wie die Iſolatoren der Telegraphendrähte cmen vor- 
fpringenden Rand haben, gejtellt werden. Gefdhieht 
Dies nicht, fo bildet 
der Erdboden, mit 
dem die Platten in 
leitendDe Verbindung 
fommmen, einen dau⸗ 
erndenStromfdlup, 
der den A. langſam 
entladet. 

Big. 2 zeigt eine 
Belle mit fieben Plat- 
ten der Uffumulato- 
renfabrif gs 
fellfdaft in Berlin 
(friiher Hageni.W.). 





Fig. 2. Atlumulatorgelle ber 
Uftumulatorenfabrif Att.⸗Geſ. in 
Berlin. 


jind Glasrbhren ge— 
jtellt, die Deren Be- 
riihrung verbindern, 
nian fept fie aud) wohl auf Zapfen, die auf Bleijtrei- 


fen befejtiqt find, um fie gegen Umfallen zu fichern. 


Zwei zwiſchen die äußerſten Platten und die Glas- 
wand gejtedte Bleifedern driiden die Platten gegen 
die Glasröhren. 

Die Platten find Seclenplatten, Gitterplat- 
ten oder Maffeplatten, je nachdem fich die aftive 
Maſſe gu beiden Seiten eines sie Bleiferns, oder 
in den Maſchen eines negartiqen Gitters, oder in einem 
Rahmen von Hartblei (Antimonblei) befindet. Die 
Platten des abgebildeten Utfumulators ſind Seelen- 
platten, die — Platten Gitterplatten. Jene werden 
außen weiter werdende 


— 


Zellen bilden, in 
welche die Formie⸗ 
rungapajte geftri- 
chen wird. Sofann 


jie fic) beim For— “4 hs 


menanbwem ite oped SS x 


— 











mit der Zeit her⸗ 


ausfilt, fmd <a_©, A 

durd) Die dftern SO. F a a 
Ladungen und “<a as 
Entladungen Die Fig. 8. Correndfhes Bitter. 


Oberfliden der : 
Platten felbit fo weit in aftive Maffe verwandelt, daz 
dieſe Berlujte {eine Bedeutung mehr haben. Fig. 3 


zeigt ein Stück dDer Gitterplatten von Correns. 


Sie bejtehen aus quadratijcden Feldern, die auf bei- 
den Seiten um die halbe Quadraticite verjegt find, 
jo daß auf die Quadratmitten der Riidfeite auf 
der Vorderfeite fallen. Der Querſchnitt der prisma- 
tifchen Stabe bildet cin Dreied, defjen Spitze nad 
innen liegt. Wn ihren RKreujungspuntten find fie 
durd) Bolen verbunden. 

Yn den Endplatten einer offenen Wffumulatoren- 
batterie muß ftets freie Cleftrizitiit vorhanden fein, 
die, fobald betde miteinander durch cinen Leitungs- 





Affumulator (elektriſcher Stromfammier). 


draht verbunden werden, in diefen den eleftrifden 
Strom treibt. Dazu mus fie eine gewiſſe Kraft, die 
Spannung (elettromotorifde Kraft), befipen. 
Der Spannungsunterfdied erreidjt beim oe ches 
nen A. feinen größten Wert von 2,5 Bolt, aber 
beim Entladen erjt langjam bis auf 1,8 Volt, dann 
raſcher nod) weiter. Jit die Spannung auf 1,8 Bolt 
herabgegangen, fo muß die Entladung unterbroden 
werden, wenn der A. nicht geſchädigt werden foll. 
Den Grad der Eniladung bejtimmt man durd) Mef- 
fung ber Ubnahme derSpannung mittels eines Volt- 
meter8 oder durch cin Urdometer, da während der 
€Entladung die Säure verdiinnter wird. Ym gelade- 
nen A. betriigt ibr foegifiicyes Gewidt 1,18—1,2. Das 
Prodult aus der in Volt gemefjenen Spannung in 
bie in Umpere ausgedriidte Stromitiirfe ergibt die 
eleftrijde Urbeit, die in Voltampere oder Watt 
ausgedritdt wird. Dieje bei der Entladung erhal- 
tene eleftrifdbe Urbeit ijt geringer als die zur Ladung 
verbrauchte, der A. ijt mithin nicht volljtindig re- 
verfibel. Rad) Dolezalel erfliirt fid) dies durch das 
Uuftreten vonKonjzentrationsjtrimen, die swi- 
ſchen den Platten, der weniger fonyentrierten Säure, 
in deren Boren und der fonjentrierteren auferhalb 
der Platten freifen. Um diefe Rongentrationsunter- 
ſchiede foviel wie möglich zu vermeiden, fest man die 
nad vollendeter Ladung eintretende Entwidelung von 
Sauerjtoff und Waſſerſtoff eine — fort und 
bewirkt dadurch eine weitgehende Mi 
ſigteitsſchichten. Das 
durch Zuſatz von Waſſerglas, der eine Ausſcheidung 
von gelatinöſer Kieſelſäure bewirkt, dürfte mithin 
ſchädlich ſein, wenn es auch bei transportabeln 
Atkumulatoren das aufen der Säure ver- 
hindert. Den Birkungsgrad (Güteverhält— 
nis) eines Alkumulators nennt man das Ber- 
Haltnis der bei der Ladung aufgewendeten Elet- 
trizitätsmenge oder eleftrifden Urbeitsleijtung 
u Der bei der Entladung wieder zuriiderbaltenen. 
ie Eleftrizitdtsmengen werden in Ampereſtun⸗ 
den, die Urbeitsleijtungen in Wattitunden ge- 
meffen. Bei einem Verſuche von Heint wurde ein 
U. mit einer Stromjtirfe von 40 Ampere und 
einer mittlern Gpannung von 2,28 Bolt wib- 
rend 40 Stunden geladen und während 3,02 
Stunden mit 48 Umpere und 1,89 Bolt (im Mitte!) 
entladen. Der auf die Elektrizitätsmengen bezogene 
Wirkungsgrad war alfo: 
48.3,02 145 Mmpereftunden 
oe ge ee = 0,907 oder 90,7 Bro3., 
der auf die geleijteten Wattitunden bezogene dagegen: 


189.48.3,02 274 Wattftunden 
TS — 0,153 oder 75,3 Proz. 


Der nad Wattſtunden berechnete idan muß 
der lleinere fein, aber er allein fann der Berechnung 
der Vetriebstojten ju Grande gelegt werden. Das in 
Ampereſtunden gemeffene Produft aus der zuläſſigen 
höchſten Stromitirfe in Beit heißt die Rapazitat 
des ULtumulators. Da die Spannung fid) nur wenig 
ändert, fo erbalt man die in einer bejtimmten Beit 
ausgegebene eleftrifde Urbeit, wenn man die Kapazi— 
tit mit der Spannung multipliziert. Die Lebens- 
dauer des Uffumulators hängt hauptſächlich davon 
ab, daß er rechtzeitig immer wieder geladen, und daß 
—— Kurzſchluß vermieden wird. Die Lebensdauer 

er Platten wird erhöht, wenn zu ihrer Herſtellung 
Blei und Bleiſalze von großer Reinheit verwendet 
werden. Die Beimiſchung von Glyzerin, Leim, Pflan- 
acnalfaloiden rc. gur Paſte erhöht die Kapazität des 










231 


Uffumulators, aber auf Koſten der Lebensdauer. Die 
Elektrizitätsgeſellſchaft Gelnhauſen bereitet die Paſte 
ihres Bleiſtaubakkumulators, indem ſie Blei durch ein 
Dampfſtrahlgebläſe tropfen läßt, den erhaltenen Blei- 
taub mit Schwefelſäure anmacht und dem erhaltenen 
ei cinen indifferenten pordjen Körper zuſetzt, ebe 
er in die Rippen ihrer Seelenplatten geftridjen wird. 
Um von einer Uftumulatorenbatterie nad Bedürf⸗ 
nis Bellen zu⸗ und abjdalten zu können, benutzt man 
Zellenſchal— 
ter (Fig. 4u. 5). 
—— 
ertafel iſt für 
jede Zelle eine st q L? 
qrifjere Kon— 7 3 £ 
tattplatte aufge- aS 7 OS /K — 
Je 


fest und mit thr i 





leitend verbun⸗ 1) 
den. Das cine 

Ende der Ver⸗ 

brauchsleitung ig. 4. Schema eines Zetlen— 


ijt an das letzte fdalters, 
Rontattitiid (6, 

Big. 4) gelegt, das andre liegt an der Achſe cines He- 
bel8 mit Handgriff, in Fig. 5 an einen Meffingring, 
auf Dem Dauernd ein mit der Udfe verbundener Ron- 
taft fdleift. Swifden den Rontaftplatten find ebenfo 
viele fleinere villig ifolierte Platten angebradt. Der 


fdhung der Flüſ⸗ Handgriff bewegt aufer dem Schleiffontatt einen qabel- 
Gelatinieren der Säure formigen Hebel ZK (Fig. 4), deffen flauenformige 


| 


Enden ebenfoweit wie zwei benadbarte Kontaftplat- 
ten voneinander abjtehen. Z ijt durch den Eboniteinjag 


‘ 3B — 
*8* 





Fig. 5. Zellenſchalter. 


ivon K ifoliert. In der gezeichneten Stellung des 
Hebels geht der Strom durch die Bellen 6, 5,4, 3 
und durch K zur Verbraudsteitung. Soll nun 3 aus- 
geidhaltet werden, fo wird K nach tints gefdoben und 
onunt auf das blinde Rontattitiid zwiſchen 3 und 4, 
während zugleich Z auf 4 riidt. Nun geht der Strom 
durch die 3 en 6,5 und 4, Durch Z nach K und durd 
den Neufilberwiderjtand zwiſchen beiden, der fo grok 
ijt, daß Kurzſchluß nicht eintreten fann. 
Uffumulatoren dienen in Laboratorien sur Strom- 
lieferung, namentlich fiir ftarfe Ströme, feciar zum 
Betriebe kleinerer Beleuchtungsanlagen oder sur Be- 
leuchtung von Bahnwagen, aud) als bewegende Kraft 
eleltriſcher Bahnen, dod kommt man davon je länger 
je mehr ab. Dagegen unterſtützen ſie die Dynamo— 
maſchinen, die eleftrifde Bahnen, Hebezeuge, För— 
dermaſchinen ꝛc. antreiben, namentlich in der Lieferung 
der zum Anfahren nötigen großen Kraft, indem ſie 
als Pufferbatterien zugleich etwa auftretende 
Stromſtöße aufnehmen oder Ungleichheiten ausglei- 
den und fo einen gleichmäßigen Gang der Dynamo- 
mafdine ermöglichen. Zu diejem Behufe ſchaltet man 
fie Den Maſchinen parallel. Sie verhiiten ferner bei 
eleftrifdjen Bahnen den Spannungsabfall in den 


232 Affurat — 


Sdhienen und beugen dadurd) dem Austritte der ſchäd— 
lidhen vagabundierenden Ströme vor. Gie ermög— 
lichen den Betrieb einer Beleuchtungsanlage mit Hilte 
einer Wajjertraft, die Tag und Nacht läuft und eine 
Dhnamomajdine treibt, die wahrend des Tages die 
Uffirnulatorenbatterie ladet, bei Nacht mit bicker jue 
fantmen die dDoppelte Anzahl Lampen fpeijt, als durd 
die Wafferfraft allen unterhalten werden könnte. Auch 
finnte man die ungleichmäßig einſetzende Kraft des 
Windes gu Beleudtungs- oder Bewegungszwecken 
ausnutzen, indem man, fo oft die Windjtarfe aus- 
reicht, mit Hilfe einer Dynamomajfdine eine Akkumu— 
latorenbatterie ladet, aus der man dann nad Bedarf 
die Energie wieder eninehmen fann. Val. Heim, 
Die Uffumulatoren fiir ſtationäre eleftrifde Untagen 
(3. Aufl., Leipz. 1899); Shoop, Die Sefundirele- 
mente (Halle 1895—96, 3 Tle.); Derfelbe, Handbuch 
der eleltriſchen Aklkumulatoren (Stuttg. 1898); Elbs, 
Die Wffumulatoren (3. Aufl., Leipz. 1901); Zacha— 
rias, Die Wffumulatoren (2. Aufl., Jena 1901); 
Sieg, Die Uffumulatoren (Leipz. 1901); Doleza- 
fef, Die Theorie des Bleiaftumulators (Halle 1901). 

Akkurãt (lat., ital.), qenau, ſorgfältig, pünktlich; 
Utfurateffe, Genauigteit, Sorgfalt, Piinttlidhfeit. 

Uftufativ, ſ. Kaſus. 

Akline (Nuͤll-Jfokline, magnetiſcherüqua— 
tor), auf Landfarten eine Linie, welche die Orte ver- 
bindet, deren magnetiſche Jnflination gleid Null ijt; 
vgl. Erdmagnetismus. 

Mme (qriech.), 1) Gipfel; Höhepunlt, Kriſis einer 
Kranfheit ; 2) ſ. Finne (Hautfranfheit). 

MEF-Metidhet, Stadt, ſ. Simferopol. 

MAFmit, Wineral, f. Augit. 

Afmolinff, Proving des ruſſiſch-zentralaſiat. 
Generalgouvernements der Steppe, 594,673 qkm mit 
(1897) 678,957 Einw., wovon 349,000 nomadijierende 
Rirgifen. Der nördliche Teil ijt Steppe und wird vom 
Irtiſch, vor defjen Nebenfluß Aichim und mehreren 
in abfluflofen Salzſeen endenden Flüſſen durchzogen; 
der mittlere, hügelige und faſt allein bewohnte Teil 
ijt reid) an Supfer, Steinfobhlen und etwas Gold, der | 
fidliche mit Dem wieder in Salsfiimpfen endigenden 
Sary-Su und Tſchu iſt grofenteils erfiillt von der | 
Steppe Belpat-Dala. Hauptitadt ijt Omſte(ſ. d.). — 
A., die Dauptitadt des Kreiſes A. (128,052 qkm 
mit 184,297 Einw.), bat 3 Rirden, 5 Schulen, an- 
ſehnlichen Rarawanenhandel nad Tafdfent und Bo- 
dara und (1897) 9557 Einw. 

Wfna - Sugatag, Bergwerk, ſ. Sugatag. 

Mune (qriet.), Hautfranfheit, foviel wie Finne. 

Ads, der Odenburger Eimer, — 71,075 Lit. 

Wfoimeten (qriech., »Schlafloſe⸗), cine Rongre- 
gation von Winden in dem um 460 gegriimdeten | 
Kloſter Studion bei Ronjtantinopel, die, m mitein: 
ander abwedfelude Chore geteilt, Tag und Nacht un 
unterbrodenen Gottesdienſt bielten. 

Akoin (Diparaanifylmonoparaphenetyl- | 
quanidindlorbydrat), weißes frijtallini{des 

ulver, löslich in Waffer, dient zur Erzeugung loka⸗ 
ler Anäſtheſie befonders bei Augenkranlheiten. 

Wfolhuer, nordamerifan. Bolf vom Stamme der | 
Rahuatl, das um 1150 in Anahuae eimwanderte und | 
mt den einheimiſchen Chichimefen verſchmolz. Sie 
beqriindeten einen bliibenden Staat mit der Haupt: | 
ftadt Tezeuco, der ſpäter in Mexiko aufging; als ihr 
berühmteſter König wird Netzahualpilli (geſt. 1470) | 
genannt. Bgl. Merito (Geſchichte). 
Alkoluthen (griec., -Begieiter«), in der alten Kirche 
jiingere Kleriler, die den Biſchof begleiteten und die 








Akquirieren. 


Geſchäfte der heutigen Kirchendiener und Chorknaben 
ju verſehen hatten. Daher die Symbole der Alboluthen 
weihe: Leuchter und Weinkinnden. Das Unt beſteht 
nur noch nominell in der Stufenleiter der Weihen als 
Durchgangspunkt zum Prieſter und bezeichnet die 
höchſte der vier niedern Weihen. 

Akoluthenleuchter, zwei niedrige, meiſt aus 
Meſſingguß gefertigte Leuchter, mit denen die Wfo- 
lutben (j. d.) oder Wtinijtranten den Prieſter zum 
Altar begleiteten. 

Wfominatos, Midacl fried. Gelehrter, Bruder 
des Nifetad Wfominatos (jf. Rifetas 1), qeboren wm 
1140, gejt. 1210 gu Chonda (Rolojfa) in Phrygien, in 
Ronjtantinopel unter Euftathios, dem fpatern We- 
tropoliten von Theſſalonike, flaflifd) qebtldet , wurde 
um 1175 Metropolit von Uthen und zog ſich nach der 
Cinnahme Uthens durd) die Franfen auf die Inſel 
Reos juriid, wo er fein Leben beſchloß. Seine fiir die 
Kenntnis der Zuſtände in Uttifa wertvollen Schrif 
ten (Homilien, Briefe, Reden, Gedichte) wurden vor 
Lambros herausgegeben (Athen 1879—80, 2 Bde.). 
Val. Elliffen, A. von Chona (Gotting. 1846). 

fonin, ſ. Wfonitin. 

Wfonit, ſ. Aconitum. 

Ufonitin C,,H,,NO,,, Wlfaloid, findet ſich in den 
Wurzelknollen und Blättern verſchiedener Aconitam- 
Arten, beſonders von Aconitum Napellus (bis 1,25 
Proz.), bildet farblofe Kriſtalle, ijt geruchlos, ſchmedt 
ſtark bitter und ſcharf und erzeugt auf der Zunge 
——— Prickeln, ijt in faltem Waſſer faum, m 
Ulfohol ſchwer, in Uther leichter löslich, ſchmilzt ber 
198°, reagiert alfalijd, bildet mit Säuren frijtalli- 
ſierbare Salze und fpaltet fic) bei anhaltendem Roden 
mit Wafjer in Pifroafonitin, Benzoeſäure, Ejfia- 
ſäure und Ufonin C,,H,,NO,. A. ijt überaus giftig 
u. wird als Arzneimitiel bei Neuralgien (Trigeminus 
neuralgie) und bei rheumatiſchen Fieberzuſtaͤnden be: 
nutzt. 0,0025 g lann Vergiftungserjdeinungen, O. 
0,002 g Den Tod eines Erwachſenen herbeifuͤhren; wird 
in Andien jum Vergiften grofer Raubtiere benutzt. 

Ufonitjaure (Cquifetj/aure) CHO, oder 
CO,H.CH,.CO,H.C.CO,H. CH findet fic im &rant 
von Aconitum, Ritteriporn, Schafqarbe, Runfelriiben. 
Zuckerrohrſaft, in Schachtelhalm (Equisetum), ent- 
jteht unter Uustritt von Wafer aus Ritronenfaure 
C,H,O,, bildet farb- und geruchloje Rrijtalle, ſchmeckt 
jauer, löſt fid) leicht in Wafer, ſchmilzt bei 191° und 
zerfällt Dabet in Itakonſäure C,H,O, und Cohlenſäure. 
Jor Uthylejter ſchmeckt bitter und riecht falmusartig. 

Mfontios (Acontius), f. Kydippe. 

a fonto (ital.), auf Rechnung, auf Ubfdlag. a £ 
ftellen oder ſchreiben heißt cine empfangene 3ab- 
lung auf die laufende Rechnung ſetzen, fie gutſchreiben. 
af.-Sablung, foviel wie Teilzahlung auf cine 


Schuld. 


Akorie (griech. Apleſtie), Ausbleiben des Sat- 
tigungsgefühls nach dem Eſſen, kommt bei ſchweren 
Gehirnkrankheiten, Hyſterie und Geritestranfheiten vor 
und veranlaßt Uusbildung der Freßſucht. VW. entſteht 
nad) Durdjdneidung des 10. Hirnnervenpaares. 

Aforiperten, ſ. Uirifanifde Wltertiimer. 

Akoemiemus (qried;.), beseichnet im Gegenſatze 
zum Atheismus, d. h. derjenigen Lehre, die cine » Welt 
obne Gott «, eine ſolche, die einen » Gott ohne Welt « ſetzt. 
d. b. Die Welt fiir einen bloßen weſenloſenSchein erflart. 

Wfotyledonen (qried., »Samenlappentofee), int 
Juſſieuſchen Pflanzenſyſtem die Kryptogamen. 

Akquirieren (lat.), erwerben; Ufquifition, Er- 
werbung. 


Wfragas — Afron. 


a Stadt, ſ. Ugrigentum. 

Ufra (Acraeidae), Familie ber Xagfalter, 
Schmetterlinge mit vollſtändig ausgebildeten Vorder⸗ 
beinen und haͤufig zur Hälfte unbeſchuppten Flügeln, 
ſind artenreich in allen Tropenländern vertreten. 
Acraea Igati auf Madagaskar, ſ. Tafel ⸗Schmetter⸗ 
linge L«, Fig. 9. 

franier, ſ. Wirbeltiere. 

WAfraspeden , j. Meduſen. 

WFratos, in Athen verehrter Damon des un- 
gemifdten Weines, cin Gefährte ded Balchos. 

Afratothérmen (griech.), indifferenteHeilquellen; 
ſ. Mineralwajjer. 

Akreyri (Akureyri, din.O fjord), Stadt auf Js— 
land, am Eyjafjord an der Nordküſte, neben Reyfjawit 
Der bedeutendjte Handelsplag der Inſel, mit 605 Cinw. 

WFribie (qried.), Genauigteit, Sorgfalt. 

bometer (qricd.), Inſtrument zu genauer 
Meſſung fleiner enjtande. 

Afridin C,,H,N, cin Anthrazen, deffen eine mitt- 
flere CH-Gruppe durch Stichſſtoff erſetzt ijt, findet 
ſich tm Steinfohlenteer und wird bem Rohanthrajen 
durd) Schwefelſäure entzogen; es entiteht beim Er- 
Higen von Diphenylamin mit Ameiſenſäure und 
Chlorzink. Hierbei entiteht zuerſt Formyldiphenyl- 
amin, dag unter Verluſt pon H,O in A. ilbergebt. 


CoHs/ | SCH, = CH | CH, 4H,0. 
CHO ‘CH 


A. bildet farbloje Rrijtalle, löſt fic) in Allohol und 
Uther, wenig in Waijer, feine Löſungen fluoreszieren 
Hlau, ſchmilzi bei 110°, ijt flüchtig, ſehr beſtändig, erregt 
auf der Haut jtarfes Brennen; Staub und Kimpte 
reizen Die Utmungsorgane heftig. Mit Säuren bildet 
<8 gelbe Salje. im €rbigen von Diphenylamin 
amit Benjoefiure und Chlorzink entiteht Phenyl— 
afridin C,,H,(C,H,)N. Die Diamidoafridine find 
ausgeiprodene Farbitoffe (Weridingelb, Akridin— 
orange) und erjeugen namentlid auf Seide ſchön 
fluoreszierende Farbungen, find aber nicht febr lidt- 
et. Bon den Diamidophenylafridinen gibt das 
Benzoflavin auf tannierter Baumwolle, Wolle 
und Seide cin ſchönes Gelb. Hierber gehört aud das 
CHhrysanilin, das bei der Darjtellung von Fuch— 
fin als Nebenprodulft erhalten wird und den Haupt- 
bejtandteil des Phosphins bildet. [ichen. 
Afridophagen (gried.), Inſelten effende Men- 
Wfrifios, im gried. Mythus König in Argos, 
Urenfel des Danaos, Vater der Danaé (jf. d.), durch 
Deren Sohn Perſeus (j. d.) er, wie ein Orakel geweis⸗ 
ſagt, das Leben verlor. 
frit, ſ. Fruchtzucker. 
Akroamaͤtiſch (qried.), »was zum Anhören ein- 
—— ijt<, >was durch Hören vernommen wird. 
kroamatiſche wurden von Spätern die ſtreng wiſſen⸗ 
ſchaftlichen Schriften des Ariſtoteles genannt, weil in 
ihnen Urijtoteles jid) Hfter an ⸗Hörer ⸗ wendete, und 
weil viele Derfelben fiir mündliche Vorlejungen be- 
jtimmt oder aug folden entitanden waren. So fam 
£8, dafein afroamatifder Bortrag ein wiſſenſchaft⸗ 
dider war im Gegenfage gum gemeinfafliden. Dept 
verjteht man unter afroamatifd@er Lehrform 
gewöhnlich die Art des Unterrichts, bei welcher die 
Schüler nur zuhören, im Gegenſatze zu der erotema— 
tiſchen — —— und katechetiſchen 
Methode der eigentlichen Schulen, wo die Schüler ge 
fragt werden. Die afroamatifde Lehrform findet da 
ibre Stelle, wo e3 mehr auf Mitteilung von Kennt⸗ 
nijjen als auf Ubung der geijtigen Kräfte anlommt. 


233 


Akrobaten (gried., »Hodgiinger<, Luftkünſt— 
ler), qumnnajtifde Riinjtler, die * geſpanntem Seil, 
auf Stuhlpyramiden, rollenden Kugeln und Walzen 
äquilibriſtiſche Künſte ausführen. 

kroblaſten (griech.), ſ. Monofotyledonen. 

Akrochordon griech.), kleine geſtielte Geſchwulſt 
an der Haut des Dalles und Rumpfes; auch cine kleine 
Warze oder hypertrophierte Talgdrüſe am Mugentid. 

Akrodont heißt cin Sahn, der auf dem Rande des 
mies —* iſt, wie bei vielen Eidechſen. 

— e (griech.), Die Hochätzung (j. d.). 

Akrokarp (griech.), ſ. Mooſe. wn 

Akrokephalie (qriedh., Oxylephalie, »Spig- 
jhidel<, aud Pyrgokephalie, ⸗Turmſchädel«), 
Schädelform, bei der die Schädeldecke zuckerhutförmig 
in die Hohe geht. A. ijt die wahrſcheinliche Folge 
gleichzeitiger vorzeitiger Verwachſung der feitliden 
Kreuznähte und der hintern Pfeilnaht. 

oferannia (Reraunia, jetzt Tſchika), cin 
bis zu 2045 m anjteigendes Ralfgebirge im nordweſt⸗ 
liden Epirus, nad RW. in cine lange Halbinjel und 
in ba8 Ufroferaunifdhe Vorgebirge (Rap Glojja 
oder Linguetta) auslaufend, das mit dem Fejtlande 
die Budt von Uvlona (Balona) bildet. 

Afroforinth, die Burg von Korinth (jf. d.). 

Akrolein (Akrylaldehyd, Wllylaldehyd) 
C,H,O oder CH,.CH.CHO entſteht bet Oxydation 
von Allylalkohol, bet Deſtillation von Glyzerin mit 
Raliumbdifulfat und bei Serfefung der Felte durch 
Hitze (beim Ausblaſen eines Talglichtes). Es ijt 
eine farblofe, brennend ſchmeckende Fliiffigfeit, riecht 
unerträglich ſtechend, ſpez. Gew. 0,841 bei 20°, ſiedet 
bei 52°, brennt mit leuchtender Flamme, löſt ſich in 
2—8 Teilen Waſſer, miſcht ſich mit Alkohol und Uther 
und geht an der Luft durch Oxydation ſchnell in Wry! - 
fdure(Bropenfaure)C,H,O, oder CH,.CH.COOH 
liber, Die Der Eſſigſäure ähnlich riecht, bei 7° ſchmilzt 
und bei 140° fiedet. 

Afrolithen (qried., »an den Enden von Stein«) 
nannte man in der griedh. Kunſt Holsbilder, deren un- 
befleidete Teile (Ropf, Hande und Filipe) aus Marmor 
gebildet waren. Bgl. aud) Goldelfenbeinkunſt. 

Wfromegalte (qried., »Vergrdperung der Körper⸗ 
enden«), feltene Erfranfung des Sfeletts mit franf- 
haftem Riefenwuds, befonders der Hände, Füße und 
des Gefichts, befteht hauptſächlich in einer Verdickung 
ber Rnoden dieſer Körperteile. A. beginnt meijt im 
jugendliden Alter und fommt bei Männern und 
Frauen vor. Rad unbedeutenden nervöſen Beſchwer⸗ 
den, beginnen Hande und Filipe, namentlic) in den 
Endgliedern der Finger und Zehen, größer, plumper 
und ungefdidter, »tagenartig« ju werden; Rafe und 
Kinn vergrößern ſich; die Lippen werden wuljtig auf- 
geworfen, das ganze Geſicht erhält einen plumpen, oft 

rotesfen Uusdrud. Nach 3—5 Jahren erreidt das 

eiden jeinen Höhepunkt. Auch Bruſtbein, Rippen, 
Wirbelfiule, Herz, Nieren, Gehirn und der Hirn- 
anhang (Hypophyſis) werden vergripert. Wis Urjade 
ninunt man eine trophijde Störung vorzugsweiſe der 
Knochen, weniger der Weidteile, an. Einer Behand- 
lung tjt A. nicht gugdinglid. Bgl. Sternberg, Die 
YU. (Wien 1897). [qiirtel. 

Mfromion (griech.), Sculterhihe, ſ. Sdulter- 

— — (griech.), Gedicht, worin jeder 
Vers mit dem Endbuchſtaben des vorhergehenden be- 

innt. Ufromonofyllabifon, Gedidt, worin das- 
—* mit den Silben der Fall iſt. 

Akron (jpr. Ares), Hauptſtadt der Grafſchaft Sum⸗ 

mit im nordamerifan. Staat Ohio, 48 km ſüdlich von 


234 Afronyktijd 


Cleveland und am Obio-Eriefanal, der hier in ben vom 
Cuyahogaflug geſpeiſten Schleufen bedeutende Waſ⸗ 
ferfra  dietet, mit Rornmiiblen, Kautſchuk-, Woll- 
und Mafdinenfabrifen, Jrrenanftalt und (1900) 42,728 
Einw. Richt fern finden fid) Naturgas, Kohle und 
feuerbejtandige Mineralfarben. 

Akrounktiſch (qried.), in den Beginn der Nacht 
fallend (von dein bei Sonnenuntergang erfolgenden 
Auf⸗ und Untergang der Gejtirne gebräuchlich). 

Mfropoalid Atropole, pe »DOberjtadt«), 
Burg, Feſte. Durch folde Utropolen, hod) gelegene, 
durd) Natur und Kunſt befeitiqte und die Stadt und 
Umgegend beberridende Burgen, die gewöhnlich 
aud nod) Tempel in ſich ſchloſſen und als Zufluchts⸗ 
ſtätten Dienten, waren in der Regel die anjehnlidern 
griechiſchen Stadte geſchützt. Am berühmteſten find 
die Alropolen von then (vorzugsweiſe A. genannt), 


Theben (Kadmeia), Korinth (Akrokorinth), Meſſene durchwehten Ei 


(Ithome), Argos (Lariſſa), Pergamon. 

Akroſe, ſ. Fruchtzucker. 

Akroſporen (griech.), durch Abſchnürung auf Ba- 
ſidien ſich bildende Sporen (f. d.). 

Akroftichon (griech.), Gedicht, bei dem die An— 
fingSbudjjtaben der Verſe (Zeilen) zuſammengereiht 
ein Wort oder einen Satz bilden. 

Akroftolion (griech.) die mit Bildwerlen verzierte 
Spitze am Vorderteil der altgriechiſchen Schiffe. 

oterien (griech.), im weitern Sinn bei den 
Ulten die äußerſten Teile eines Gegenjtandes, 3. B. 
die Schnabel der Schiffe, die Fliigelenden der Nite; im 
: engern Sinn 
die an den 
hichiten und 
tiefiten Bunt- 
ten der Giebel 
angebrad)- 
ten, zur Ber- 
dedung der 
Firſtziegel u. 
Dachrinnen 
dienenden, 
unten nach 
der Neigung des Daches abgeſchrägten, oben hori- 
—— Platten, die teils unversiert blieben, teils als 
Interlagen ſymboliſcher Aufſätze, wie Leiern bei einem 
Tempel des Upollon und Greife bet einem Tempel 
Der Uthene, dienten. Wn deren Stelle traten in der 
ſpätern Zeit vegetabilifde, befonders dem Blatte der 
Fächerpalme nadgebildete Ornamente (Balmetten), 
die als Auflöſungen der Eden des Giebcldreieds 
dienten und an den Traufen cin halbes, an den Firiten 
ein ganzes Blatt enthielten. Dies, fowie auf welche 
Weiſe die Ralmetten wieder durch kleinere, elaſtiſch 
gebogene Blatter und ſpiralförmig gewundene Ranken 
mit den A. vermittelt wurden, zeigt der Traufziegel 
vom Tempel des Theſeus in Athen (Fig. 1) und der 
Stirnziegel vom Tempel der Artemis zu Eleuſis 
(Fig. 2). Dieſe kurzweg A. genannten architeltoniſchen 
Verzierungen wurden aus Marmor, häufiger aus be— 
malter Terralotta hergeſtellt. Wud) in dem aus der 
Hons ro Runjt abgeletteten römiſchen und Renaij 
anceftil hat man die A. als Bekrönung von Gebäude 
giebeln beibehalten und verſteht darunter gewöhnlich 
die ganzen, aus Godel und Balmette beitehenden 
WUuffage. Die auf Sarfophage und in der Kunſtindu— 
trie (3. B. auf architeltoniſch qehaltene Möbel) über— 
tragenen A. dienen gleichfalls sur Charafteriftif von 
ate) 





Atroterien. 


faldefyd, |. Atrolein [Endungen. 
lalfohol, ſ. Uilylalfohol. 


— Akſakow. 


MfrHljaure, ſ. Utrolem. 

Akſaͤkow, 1) Sergej Timofejewitid, ruff. 
Seériftiteller, geb. 1. Oft. (20. Sept.) 1791 in Ufa, 

ejt. 12. Mai (30. Upril) 1859 in Mosfau, befuchte 

ag @ymnajium in Rafan, Dann feit 1805 die Dafel bit 
neuerridtete Univerſität und begab fid) 1808 nad 
Petersburg, wo er bei der Kodisifationstontmifjion 
cine Stelle als Überſetzer befleidete, bis er 1812 nad 
Mostau zuriidtehrte und 1816 fid auf fein Erbgut 
im Goud. Drenburg zurückzog. Nachdem er 1826 wie- 
der nad) Mosfau ibergefiedelt war, tibernahm er bier 
eine Stellung als Benfor, gab aber 1832 aud) diefes 
Untt wieder auf und wurde zwei Jahre darauf In— 
fpeftor, ſpäter Direftor des Feldmeßinſtituts. 1839 
nahm er fener angegriffenen Geſundheit halber ſeinen 
Abſchied und widmete fid) fortan ganz der Literatur. 
Die liebenswiirdigen, von einem fiinitleriiden Haud 
ſchaften feines Welens fpiegein ſich 
in allen feinen Schriften wider. Sein Hauptwert ijt die 
»Familiendronif und Erinnerungen« (Most. 1856; 
deutſch von Raczynſti, Leipz. 1858), cin Meiſterſtüd 
einfacher, gemüwollerSchilderung ruſſiſchen Familien⸗ 
ſtillebens, cin wahrhaft klaſſiſches Werk ruſſiſcher Lite- 
ratur (Bruchſtücke davon erſchienen bereits 1846 im 
»Moskovskij Shornik«). Diejelbe anmutige Darjtel- 
{ung und warmeTonfirbung, verbunden mit aufmert- 
famem Blick fiir das gebeime Leben und Weben der 
Ratur, atmet aud fein erjtes Werk » Mufseicnungen 
fiber Das Ungeln« (Most. 1847) fowie die ·Aufzeich⸗ 
nungen eines Jãgers des Gouvernements Crenburg « 
(Daf. 1852) und dte » Erzahlungen und Erinnerungen 
eines Jägers · (Daf. 1855). Eine Fortfepung der ⸗Fa⸗ 
milienchronik⸗ bilden die ebenfalls vortrefflichen »Rim- 
Derjahre Bagrows, des Enfels« (Most. 1858). Wus ſei⸗ 
nem lepten Lebensjahre ſtammen nod » Die Schmetter⸗ 
lingsjammlunge, »Der Wintermorgen<, »Das Zu- 
fammentreffen mit den Martinijten« und die Novelle 
Nataſcha⸗. Wffafows —— Werke find 1887 
in Petersburg in 6 Banden erjchienen. 

2) Ronjtantin Sergejewitſch, gleichfalls nam- 
hafter ruſſ. Sdriftiteller und Dichter, älteſter Sobn 
des vorigen, geb. 10. April (29. März) 1817 auf dem 
Gute Akſalowo (Gouv. Orenburg), gejt. 19. (7.) Deg. 
1860 auf der Inſel Bante. Er bezog 1832 die Unt- 
verſität in Mosfau, wo er literarhiſtoriſche Studien, 
Philofophie und fremde Sprachen trieb und 1841 
nad Verteidiqung fener Differtation »>Lomonoffow in 
der Geſchichte der ruffifchen Literatur und Spradec 
(erjt 1847 erſchienen) Den Magiftergrad erwarb. Vor 
1846 an war A. einer der tätigſten Mitarbeiter aller 
Zeitſchriften flawopbhiler Ridtung und der Chorfiihrer 
der flawopbhilen Bartei. Am deutlichiten treten ſeine 
Anſichten fiber die vermeintliche Miſſion der Slawen 


im Rulturleben der Boller hervor in den Sdriften: 


Das Leben der alten Slawen überhaupt und der 
Ruffen insbefondere«(Mosf. 1852) und» Bemerfungen 
zur neuen adminiftrativen Organifation der Bauern 
in Rupland« (Leipz. 1861). Bemerfenswerter als fein 
Luftipiel » Fiirjt Lupowicfij <(Leip;. 1857 ; 3. Aufl. dal. 
1861), feine Dramatifde Parodie ⸗Oleg vor Ronjtan- 
tinopel « ( Petersb. 1858) und feine eiqnen lyriſchen Ge- 
dichte, Die infolge der Zenſurverhältniſſe evit nach und 
nad in den letziten Jahren veröffentlicht wurden, find 
feine Ubertraqungen einiger Gedichte von Schiller und 
von andern wefteuropaijden Didtern. Bon einer auf 
5 Bande beredneten Gefamtausqabe feiner Werke find 
bisher nur 3 Bände (Bd. 1: ~iitoriide Schriften, 
Mosf. 1861; Bd. 2 und 8: ⸗Philologiſche Sehriften«, 
daf. 1875 — 80) erfichienen. 





Akſchehr — Akte. 


8) Iwan Sergeiewitſch, Bruder des vorigen, 
Schriftſteller und Slawophile, geb. 8. Olt. (26. Sept.) 
1823 auf dem Gute Nadeſhino (Gouv. Ufa), geſt. 8. 
Febr. (27. Jan.) 1886 in Moskau, beſuchte bis 1842 
Die Petersburger Redtsfdule und wurde dann im 
Mosfauer Senat und 1848 beim Miniſterium des 
Innern angejtellt. 1852 verliek er Den Staatsdienſt 
und widmete fid) der Journaliſtik; bod) der zweite 
Band feines »Moskovskij Sbornik« bradte ihm das 
Verbot cin, Herausgeber oder Redafteur einer Reit- 
ſchrift 3u fein. Er bereiſte Dann 1853 im Auftrage 
der Ruſſiſchen Geographiſchen Geſellſchaft ane 
land; ſeine 1858 herausgegebenen »Unterſuchungen 
fiber den Handel auf den Jahrmärkten der Ufraine« 
(vgl. Bodenjtedts » Ruffifdhe Fragmente<, Leipz. 1862) 
wurden preisgekrönt. Nachdem er fic) 1859 wieder 
bie ndtige Erlaubnis erwirft hatte, wurde er Heraus- 

eber mebrerer flawopbhiler Zeitungen, die jedoch ſämt⸗ 
id) verboten wurden: des »Den’« (» Der Tage, 1861 
bis 1865), der »Moskva« (1867 bis Oftober 1868), 
des » Moskvié« (> Der Mosfauer<) u. a. 1874 wurde 
ex Direftor ciner Mosfauer Privatbanf. Wegen einer 
zur Zeit des Berliner Kongreſſes im Slawijden Ko— 
mitee gehaltenen Rede aus Moslau ausgewieſen, lebte 
WL. einige Monate auf dem Lande im Gouv. Wladimir. 
Seit November 1880 gab er in Mosfau die ſlawo— 
phile Beitung »Rus’« (»>Rupland«) heraus, bis ihn 
int Fruͤhjahr 1885 körperliche Schwäche zur Uufgabe 
jeiner ſchriftſtelleriſchen Tatigteit swang. Seine Werte 
wurden von feiner Frau, Todter ded Dichters Tjutt- 
fchew (f.d.), herausgegeben ; auferdem erfdienen von 
ihm zwei Bande Briete und eine Sammlung Gedidte. 

Akſchehr (⸗weiße Stadt), das alte Philomelium, 
Stadt im tiirf. Wilajet Ronia in Meinafien, am Nord⸗ 
fuß des Sultan aug), mit 6—8000 Einw. Jn A., 
wo der gefangene Sultan Bajefid ftarb (1403), be- 
finden ſich bemerfenSwerte Seldfdufenbauten. 

Akſerai, fleine Stadt im aſiatiſch-türk. Wilajet 
Konia, ſüdöſtlich des Tug Tſchölil, 1060 m hod, halb- 
wegs zwiſchen Kaiſarieh und Konia gelegen, mit 2500 
meiſt türk. Eimwohnern; Handel nut Salpeter. 

Ff, j. Yrum. 

Akſun(⸗Weißwaſſer⸗, chineſ. Bin-fu-tfdou), 
Stadt im chineſ. Turkiſtan, unter 41° 7 nördl. Br. 
und 80° 81° öſtl. &., ijt von einer Mauer mit 4 To- 
ren umgeber, foll 16 Mofcheen, 5 Medrefjen, 6 Ka— 
rawanferaien und 50,000 Einw. türkiſcher Raſſe, 
Nachkommen der alten lliquren, haben, die vorzüg— 
lide Baumwollenzeuge (Bas), Leder, Sattel, Baume 
und Metallwaren fabrizieren fowie Edelſteine be- 
arbeiten, die Durd) gan —** gehen. Auch wird 
hier die Silbermünze (Tankeh) für die Provinz ge— 
prägt. YW. hat eine chineſ. Garniſon, iſt Knotenpuntt 
des Karawanenverkehrs zwiſchen China, Rußland, 
Oſt⸗ und Weſtturkiſtan, Kaſchmir, Ladaf und Indien 
und Sitz des Gouverneurs (Tautai) der vier Städte 
(A., Krutſcha, Karaſchar und Utſch-Turfan). — Die 
Stadt, früher Sitz eines ſelbſtändigen Chanats, wurde 
1716 durch ein Erdbeben faſt zerſtört, 1867 von 
Jakub Beg beſetzt, 1877 aber von China zurück— 
erobert. Beſucht wurde A. von Kuropatkin 1876 77, 
von Prſchewalslij 1885 —86, Carey 1885 —86 und 
von Younghusband 1886. 

({at.), im ee Handlung, Verrichtung, 
3. B. feierlicjer U., VW. der Geredhtigteit; Daher: von 
etwas U. nehmen, eine Sade ut Brototoll nehmen 
(um fie demnächſt als Beweis ju gebrauden), allge- 
mein: fid) etwas genau merfen. — Jnsbefondere tm 
Drama ein Hauptabsdnitt der Handlung. Inſofern 








235 


jede dramatiſche — drei Unterabteilungen: 
Auseinanderſetzung oder Expoſition, die Spitze oder 
die Höhe der Verwickelung und die Löſung oder 
Kataſtrophe, zerfällt, wäre die Einteilung in drei Akte 
die naturgemäßeſte. Da indes die Entwickelung im 
Verhältnis zur Expoſition und Kataſtrophe bei weitent 
der reichhaltigere Teil iſt und ſich meiſt nicht in einen 
A. zuſammendrängen läßt, ſo zerfällt ſie in den 
—* ern Stücken in der Regel wieder in drei Teile, 
o daß Das Ganze aus fiinf Alten beſteht. Nach Frey: 
tag entſprechen die fünf Akte im weſentlichen den fünf 
Hauptteilen des Dramas: Einleitung, Verwidelung, 
Höhepunkt, Umkehr, Ratajtrophe, innerhalb deren die 
dret dDramatifden »Momentee angebradt find: Das 
erregende Moment am Schluß der Cinleitung, das 
tragifde Moment nad dem Höhepunkte, das Moment 
der legten Spannung vor der Ratajtrophe. Jeder 
einzelne A. foll fiir fid) cine Urt Ganzes bilden, zu— 
gleig aber aud) wieder cin lied, das erjt in Ber- 
indung mit andern Gliedern, d. h. mit den übrigen 
Uften, einen lebendigen Organismus ausmadt. Mehr 
alg fiinf Ute kommen felten vor. Die Einſchnitte 
nad jedem Uft, unpaffend Zwiſchenakte genannt, 
wurden in frühern Jabrhunderten oft durd Zwiſchen⸗ 
fpicle ausgefüllt, nod jest häufig durch Muſik. Jn 
ältern deutſchen Stiicen iſt der Uusdruc A. wörtlich 
durch Handlung wiedergegeben; in andern findet 
man Aufzug, dod) wurde der Vorhang am Alt— 
ſchluß erjt tis etwa der Witte des 18. Jahrh. nieder- 
qelafjen. — Jn der bildenden Kunſt verjteht man 
unter A. ſowohl die Stellung, in die man ein lebendes 
Modell bringt, um Studien danad gu madden, als 
aud die Danad gefertigte Zeichnung. Solder Stu- 
dien, die als Vorbereitungen fiir größere Rompo- 
fitionen angefertigt find, beſitzen wir nod cine grofe 
Anzahl, von der Hand beriihmter Meijter (Ditrer, 
Raffael Michelangelo u. a.). Zur Erleidterung der 
Wltjtudien fiir Künſtler, denen es an Gelegenheit gu 
Studien nad) dem lebenden Modell fehlt, dienen die 
See eee ee Rod u. Rieth, Der W., 100 
Modelljtudien (Berl. 1894—95); PB ei fer, Der Kinder⸗ 
aft, 50 Blatt (daf. 1896); Bovi, Malerifche Rinder- 
afte (Stuttg. 1897); Roth, Der Altſaal (2. Aufl. daſ. 
1898); Rod), Fretlidjt, 50 Modelljtudien (Berl. 1900). 
Aktãon, griech. Heros, Gohn des Ariſtäos und 
der Uutonoé, Todter des Kadmos, von Chiron (f. d.) 
zum Sager gebildet, wurde von Artemis im einen 
Hirſch verwanbdelt, weil er fie im Bade belaufdt, oder 
weil er fid) ſeiner Fertigteit im Weidwerf gerithmt 
hatte, und von feinen eignen 50 Hunden auf dem 
Berge Kithäron zerriſſen. Die Hunde fudten dann 
ihren Herrn überall und wurden erjt von Chiron, 
der ihnen fein Bild geigte, beſchwichtigt. Wan jtellte 
fein Bild auf Bergen und Felfen auf jum Schutz 
gegen Die verderbliden agar oy der Hundstags- 
bike. Wahrſcheinlich war er felbjt Sinnbild der zur 
Hundstagszeit hinwelfenden Natur, wie die 50 Hunde 
der 50 Hundstage. Die Kunſt hat fein Geſchick häufig 
Dargejtellt. Am befannteften ijt die antife Marmor- 
ftatuette im Britiſchen Muſeum (vgl. Wobild., S. 236). 
Akte (iat, eine iiber einen wichtigen — ent. 
enommene Urkunde, insbeſ. Staatsurfunde, 3. B. in 
eutſchland die Bundesatte (ſ. d.), in England die 
Parlamentsafte. Unter Uften (acta, gesta) verjteht 
man die Sammlung der auf eine gewiſſe Ungelegen- 
heit, 3. B. cine Prozeßſache, bezüglichen Schriftſtücke. 
Die emgelnen Gattungen der Uften werden nad der 
Stelle, wo fie geführt werden (3. B. Ratsatten, Ge- 
ridtSatten, Landtagsatten), vorzugsweiſe aber nad 


236 Akte — Aftie und Aktiengeſellſchaft. 


ihrem Gegenſtand (z. B. Prozeßalten, Zivilprozeh- | Aktenadhibierung ſtatt. Werden verlorne oder 
alten, Alten der ag Gerichtsbarkeit, Grund- beſchädigte Alten (ſoweit möglich) wiederhergejtellt, 
aften, Hypothelenalten, Nachlaßakten, Berfonalatten) | fo ſpricht man von Uftenredinteqration. Wf- 
benannt. Den von Staatsbehörden angelegten (Of- | tenmapig oder aftenfundig nennt man einen tr 
fentliden) Uften fest man die Manual-, Hand- | den AUtten beurfundeten Borgang. Das altere Pro- 
oder Privatakten der Parteien und Sadwalter ent- a leqgte auf die Alten ganz beſondern 
egen. Der Uniwalt einer Partei ijt beredhtigt (deut- tt, indem es den Ridter verpflidtete, nur Akten⸗ 
dhe RechtSanwaltsordnung, § 32), diefe Handatten jo material bei jeiner Entſcheidung ju berückſichtigen 
lange zurückzubehalten, bis er von ihr wegen feiner | (>Quod non est in actis, non est in mundo<), etm 
Gebiihren und Uuslagen befriedigt ijt Uttenreten- | Grundiats, der jedoch im modernen Geridtsverfabren. 
tion). Je naddem der Utteninbalt allgemeine Un- | das durch das Prinzip der Miindlicfeit beberrjdt 
elegenheiten oder ſpezielle Fälle betrifft, wird zwiſchen wird, aufgegeben ijt. CErflarte der Ridter in dem 
— l-und Spezialakten unterſchieden. Man frühern bine ratty ee dak alles fiir Den betreffen- 
ben Prozeßabſchnitt Erheblide zu den Alten gebradt 
fei, fo wurde dies Alten ſchluß genannt, demqemay 
jpridt man aud) im gewöhnlichen Leben nidt ſelten 
davon, daß die Ufter liber einen Gegenjtand geidloj- 
fen feien, fobald er vollitindiq flargejtellt it. S— 
Ad acta (legen). 

Wfte (sGeitabes), 1) ſüdöſtliche Landzunge der 
Halbinfel Chalfidite swijden dem Singitijden und 
dem Strymonifden Meerbufen, deren duperite Spige 
der Berg Uthos (f. d.) bildete. — 2) Name der Ort- 
fiijte ber Argoliſchen Halbinjel, dann aud der ganzen 
Halbinjel. — 3) Teil von ttifa (7. d.). 

Akten, ſ. Alte. 

Akteneinſicht (Inspectio actorum), die Durch— 
fidt von Ulten behufs Kenntnisnahme von ihrem 
Inhalt. Ein Recht darauf ſteht regelmäßig nur fol- 
den Perjonen zu, die ein beredtigtes Intereſſe Darar 
haben. Es gibt aber auch öffentliche Regijter, vor 
denen jedermann Einſicht nehmen darf, dabin gehö— 
ren unter anderm die StandeSregijter, die Handels⸗ 
regijter, die Lijte von Genojjen einer eingetragenen Ge- 
nojjenfdaft, das Schiffsreqtiter und die vom Reids:- 
patentamt geführten Rollen fiir Patente, Gebrauds- 
mujter und Warenbezeichnungen. Nad) der deutſchen 
Bivilprojefordmung (§ 299) dürfen von den Prozeß⸗ 
aften auger den Larteien nur folde Perſonen Cin- 
ſicht nehmen, denen der Gerichtsvorſtand dieſe mit 
Rüchlſicht auf ihr rechtliches Intereſſe gejtattet. Dieſe 
Vorſchrift gilt nad § 72 der Konkursordnung auch 
fiir Die Cinfidt der Nontursaften. Im Strafver- 
Altdon (Britiſches Mufeum in London). fahren bat der Beſchuldigte nur ein beſchränktes Recht 
auf A., das er zudem, wre Der Privatflager, nur durch 
pilegt bie Uiten zweckmäßig in der Weife einzurichten, feinen Berteidiger ausiiben fann. (Strafprojepord- 
daß Die zu einem Aktenband (Witenfassifel) qehdrigen | mung § 147, 194, 425.) 

Stiide in hronologifder Ordnung zuſammengeheftet ftenverfendung, im frithern Prozeßverfahren 
und die Blatter, feltener die Seiten mit fortlaufenden | die Verſchickung der im einem Zivil- oder Kriminal- 
Zahlen verjeben (foliiert, paginiert) werden. In ein: prozeß gefiihrten Wtten behufs der Erkenntnisfällung 
jelnen Landern, 3. B. in Ojterreid), find aud nod | an einen Schöffenſtuhl oder an cine Jurijtenfatultat 
vielfach die ungebefteten oder fogen. Settelatten ge- an Stelle der Unrufung eines Redtsmittelgericts- 
brãuchlich, Die in den Umidlag oder bet größerm Befondern Ruf hatten hier die Hofgeridte ju Witten 
Umfang tn einen Sarton loſe cingelegt werden. Das berg und Dresden, die Schöffenſtühle gu Leipzig. 
erjte Uttenblatt enthalt häufig cin Inbaltsverjeidnis Magdeburg und Halle fowie die Juriſtenfakultäten 
(YU ftendefiqnation, Rotulus), und jeder Faszikel ijt | yu Seipsig und Wittenberg. Jn Preußen, Bayern 
regelmajiq mit einem Umſchlag (Teftur) verfeben, | und Oſterreich wurde die A. ſchon gegen das Ende 
worauf das Rubrum, kurze Ungabe des Inhalts, fo | des 18. Qahrh. befeitiqt und fpater in den meiſten 
benannt nad) ber friihern Gewohnheit, dasfelbe mut | deutſchen Staaten tetls ganz abgeſchafft, tells febr 
roter Tinte gu ſchreiben. Händigt eine Parte ihre | beſchränkt. Endgültig befeitigt wurde die A. durdy 
Dandatien an die Gegenpartei oder an das Gericht | die neuen —— Juſtizgeſetze im J. 1879. 

aus, fo nennt man died Uftenedition, und iiber | Attie und Aftiengefellfdaft. Die Ultien- 
fdvictt ein Untergeridt feine Alten an das ibm vor. | gefellfdaft ijt nad) dem Handelsgefesbud eine 
geſetzte Obergericht, fo heißt dies Alteneinſendung, Handelsgeſellſchaft, bet der ſich (im Unterſchiede 
die auf Veranlaffung ded letztern geſchehen fann (we gegen Die andern Urten von Handelsgeſellſchaften) 
tenavofation). Werden den cine Sache betreffen. | ſämtliche Gefellfchafter (Uftionadre) nur mit Ein— 
den Alten andre mit ibr in irgend einer Verbindung | lagen beteiligen, ohne perſönlich weiter fiir die im 
ſtehende Alten, 5. B. des beſſern Verſtändniſſes hal. | Namen der Geſellſchaft eingegangenen Verbindlich- 
ber, beigelegt, fo findet Wltenadjunftion oder | feiter yu Haften. Das durd diefe Einlagen in Geld 





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— 
⸗ 











Aktie und Wktiengefellfdhaft (tie, Dividende 2.) 


vder in andern Gegenjtinden (j. Upport) sufammen- 
— bez. gezeichnete Rapital(Grund-,Stamm- 

ftienfapital) ift in eine feſte Anzahl von An— 
teilen (Wftien) zerlegt. Mit diefen Unteilen find 
aud) die Anzahl der Unteilredte und das Ultien- 
fapital fejt gegeben, während die Anzahl der Mit— 
glieder wedjeln fann. Die Firma der Gefellfdaft foll 
in ber Regel cine Sadjfirma und dem Gegenjtande 
der Unternehmung entlehnt fein; fie muß die Be- 
zeichnung »Altiengeſellſchaft« enthalten. Als reine 
Kapitalgeſellſchaft, bei welder die Perſönlichleit voll- 
ſtändig m den Hintergrund tritt, wird die Uftien- 
gejellidjaft (befonders in Frankreich) im Gegenfag zur 
offenen Handelsgefellidhaft aud als anonyme Ge: 
ſellſchaft (société anonyme) bezeichnet. Außer gum 
Vetrieb von Handelsgeſchäften können ſolche Gejell- 
ſchaften aud fiir Swede gemeinniigiger und gefelliger 
rt erridtet werden und find aud in dieſem Falle 
Handelsgefellfdhaften. Bon dem Grundfapital gu 
unterſcheiden ijt das im Laufe ded Betriebes ver- 
dinderlide Geſellſchaftsvermögen, deſſen attive 
Vejtandteile aus indujtriellen Unlagen, Grundſtücken, 
ausitebenden Forderungen, Wertpapieren, barem 
Gelde rc. bejtehen, und an weldem jeder Aktionär im 
BVerhaltnis ſeines WUltienbefipes zur Geſamtheit der 
ausgegebenen Aktien Anteil hat. Bei Ermittelung 
Desfelben ijt jedod) nicht, wie bei Aufſtellung der 
Vilan;, das Grundfapital unter den Pafjiven in Wb- 
pus é bringen. Wn diefes Vermögen fonnen fid 

ie Gliubiger, deren Anſprüche bet einer etwaigen 
Liquidation denen der Aktionäre vorgehen, wegen 
ihrer Befriediqung halten, während der einzelne 
Altionär mit feinem Privatvermigen fiir Gejell- 
ſchaftsverbindlichkeiten weiter nidt haftet. Cine Ber- 
pflichtung zu weitern Geldzahlungen außer der Ein⸗ 
lage fann den Aktionären nicht auferlegt werden, wohl 
dagegen (nad dem Handelsgeſetzbuch vom 10. Mai 
1897) durch Statut die Verpflichtung gu wiederkeh— 


renden, nicht in Geld bejtehenden Leijtungen, 3. B. bei | 


Riibenjuctergefelljdhaften gu Riibenlieferungen. 
Uftie, Dividende, Refervcfonds rc. 
Tiber die erfolgten Einzahlungen der Altionäre 


werden Dokumente ausgegeben, welde Uftien (ure | 


ipriinglid) holländiſche Form des lat. actio, fran. 
Actions, engl. Shares), aud) Wftienbriefe oder 
=fcheine heißen, wenn die Unteile voll eingezahlt 
find, und Qnterimsfdeine, Qnterimsquit- 
tungsbogen, Jnterimsaltien, wenn nur Raten- 
ablungen auf den gezeichneten Uftienbetrag geleijtet 
—* Die Aktien foOnnen ſowohl auf den Inhaber 
als aud) auf cine bejtimmte Perſon (Nominativ-, 
Namensaktie) ausgeſtellt werden. Jn lesterm 
Falle werden fie in das Uftienbud (Uttienlifte) 
eingetragen. Um ju bewirken, daß kleinere Leute von 
der Veteiliqung an Uftienunternehmungen ſich mög— 
lichit fern balten, und dak der Wohlhabende vor dem 
Erwerb von Uftien das Unternehmen vorjidtig prüfe, 
wurde 1884 bejtimmt, daß die Uttien auf einen Be- 
trag von mindejtens 1000 We. (frither bei Namens- 
aftien 150, bei Jnhaberattien 300 Mt.) geitellt werden 
müſſen. Jedoch find Namensattien gu einem geringern 
Betrag, aber nidt unter 200 Mt. (Kleinaftien), 
zugelajjen, und zwar dann, wenn die Ubertragung 

er Uftien an dic ——— der Geſellſchaft ge- 
bunden ijt; aud) fann die Ausgabe von Meimaftien 
vom Bundesrat genehmigt werden im Fall eines 
befondern örtlichen Bedtirfnijjes fiir ein gemein— 
nütziges Unternehmen fowie fiir den Fall, daß fiir 
ein Unternehmen das Reich oder cin Bundesſtaat oder 


237 


ein Provingial-, Kreis- oder Umtsverband oder cine 
ſonſtige Offentlide Rorporation auf die Altien cinen 
beftimunten Ertrag bedingungslo3 und ohne Zeit: 
bejdjrantung gewabrieijtet hat. Dieſe Beſtimmungen 
a aud —8 Interimsſcheine. Altien fSnnen von 
m Inhaber nicht geteilt oder teilweiſe auf dritte Per⸗ 
ſonen übertragen werden. Die Inhaberaktien finnen 
nach geleiſteter Vollzahlung ganz in der Art wie die 
Inhaberpapiere überhaupt auf andre Perſonen über— 
tragen werden. Die übertragung der Namensaktien 
erfolgt, wie bei Weehfeln, durch) Indoſſament, und 
war, jofern nichts andres beſtimmt ijt, ohne dah cine 
Sinwilligung eingeholt gu werden braudt. Dod muß 
der Ubergang des Cigentums auf cine dritte Perſon 
angemeldet und im Uttienbuch vermerft werden, da 
im Verhaltnis sur Geſellſchaft nur diejenigen alsCigen- 
tiimer gelten, die in dieſem Buche verzeichnet ſind. 
Jedoch fann aud bet auf Namen lautenden Uftien 
die Ubertragqbarfeit fiir die Zeit des Beftehens der Ge- 
fellfdaft im Statut ausgeſchloſſen (3. B. durch Bei- 
fiigung der Klauſel »nidt an Order« auf den Alktien— 
ſcheinen) oder beſchränkt werden (3. B. durch das Er- 
fordernis der Rujtimmung der Gefellfdaft). Die 
Interimsſcheine, die auf den Namen des Wftien- 
zeichners auszuſtellen und im Uftienbud) cingutragen 
jind, werden nad erfolgter Vollzahlung gegen di: 
Altie jelbjt (die fogen. Definitivaltice) umgelauſcht. 
Für jede Aktie wird entweder fiber jede einzelne Zah— 
lung je eine Ouittung mit fortlaufender Nummer 
erteilt, oder eS wird nur ei Quittungsb “4 aus: 
gefertigt, auf weldem die einzelnen nad Bedarf ein: 
eforderten Ratenzahlungen vermerft werden. Die 
Raterimatdeine, auf denen nad) geleijteter Boll- 
zahlung die Aushändigung der tie ausdrücklich zu— 
gelidert wird, nennt man aud Aktienpromefſfen 
oder ſchlechthin Bromeffen. Bei Gnbaberattien 
durften bis 1884 nad Einzahlung von wenigitens 
40 Proz. aud Ynterimsfdeine oder Promeffen 
auf den Inhaber ansgejtellt werden, die man 
Aktienzertifikate nannte. Im Gefelljdhaftsvertrag 
war gu bejtimmen, ob und unter welden Bedingungen 
die erjten Reider nad) diefer Einzahlung von der 
weitern Haftung entbunden feien. Das Uftiengefes 
vont 18. Juli 1884 unterfagt dagegen jede Entbindung 
bor — des vollen Nennbetrages ſowie die Aus 
abe von Altien vor dieſem Zeitpunkt. Säumigkeit in 
t Cinjahlung des eingeforderten Altienbetrages sieht 
flir Den gulept im Aktienbuch eingetragenen Bejiger 
die Verpflidtung gu Verzugszinſen nad fid. Auch 
fonnen Ronventionaljtrafen feytgefegt und endlid die 
in den Handen der ſäumigen Zabler befindliden In— 
terimsfdeine in Gerfall erflart werden GRaduzie— 
rung). Bei Verjiderungsgeiellidhaften, die nicht 
das ganze Grundfapital gum Geſchäftsbetrieb nötig 
haben, wird der nicht eingezahlte Vetrag(Garantic- 
fapital genannt) fees Dinterlequng von Sidt- 
wechſeln ſichergeſtellt. Uber Kommanditaktien val. 
Kommanditgeſellſchaften, über Aktienhandel ſ. Börſe. 
Der alljährlich zu ermittelnde Anteil am Reinertrag, 
der an die Uftiondre nad) Maßgabe ihres Altienbeſitzes 
als (gewöhnlich in Prozenten ausgedriidte) Divi- 
Dende zur Verteilung gelangt, wird gegen Cinliefe- 
rung der den Wien für eine Reihe von Jahren bei- 
gegebenen Dividendenfdheine (oft auch Zinscou- 
pons genannt) ausgesablt, nad deren Verbraud gegen 
Einreichung de3 Talons ein neuer Couponbogen ver- 
abfolgt wird. Bei etwaigen BVerlujten der Unter: 
nehmung diirfen Dividenden fo lange nidt zur Ver— 
teilung kommen, als der Gefamtbetrag der Cinlagen 


238 


(Uttienfapital) nicht wieder bis gu feiner vollen Hobe 
ergaingt ijt. Dementipredend ijt aud) das Grundfapi- 
ta 


Aftie und Aktiengeſellſchaft (Crridtung, Verwaltung). 


ſchei der verſchiedene wichti 
—————— enthalten ber 


aben 
ad hierauf 


in ber Bilanz unter die Raffiven gu jtellen. Zur | erfolgter Unmeldung bei dem Regijtergeriht beruft 


Deckung folderVerlujte ijt ein Refervefonds(Riid- 

Lage) gu bilden; in denfelben ijt einzuſtellen: 1) von 

dent jabrliden Reingewinn mindejtens der 20. Teil 

fe * als der Reſervefonds den 10. oder den im 
eſell 


bei Errichtung der Geſellſchaft oder einer Erhöhung | 


des Gefamtfapitals durd) Ausgabe der Uftien fiir ſonſtige Berm 
Hern als den Nennbetrag erzielt wird. Vgl. wenn die Geſellſchaft cine Vergiitung fiir Auslagen 


einen pe 
HandelSgefepbuc), $262. Zuweilen ijt den Altionären 


durch Zinsgarantie Dritter ein feiter Zins als Divi- 
Dende zugeſichert. Dit dann der wirflid oe Ge- 
winn groper, fo nennt man den rſchuß desſelben 


über jenen feſten Zinsſatz Extra- oder Super— 
dividende. Oft wird auch ein Teil des —— Ge⸗ 
winnes dazu verwendet, fiir auf Grund übernom— 
mener Zinsgarantien gewährte —— Riiderjas 
ju leiſten. Im übrigen fann eine Pinimalverjinfung, 
da die Höhe der Dividende vom wirfliden Crgebms | 
der Unternehmung abbangt, nidjt verfprodjen werden. 
Die Zahlung von Ubfdlagsdividenden (aud 
» Zinjen«), d. h. von vorlaiufigen, vor Feſtſtellung der 
Jahresrechnung erfolgenden Zablungen auf wabr- 
ſcheinliche Gewinnanteile, denen nad) der deftnitiven 
Jahresbilanz die Reſt- oder Superdividende. 
folgt, ijt, fofern fie nicht aus dem geniigend angewad)- 
fenen Refervefonds erfolgen kann, nidt geftattet, da 
nur verteilt werden darf, was fic) nad der jährlichen 
Bilanz als verwendbarer reiner Uberjduy =. 
Dagegen finnen Bau jinfen(j.d.) bedungen werden. 
ng. Werwaltung. 
Notwendiges Erfordernis fiir die Errichtun 
einer Altiengeſellſchaft tit der Gefellidhaftsvertrag (aug 
Statut oder Statuten genannt), durd den alle 
Verhältniſſe der Geſellſchaft nach innen und aufen 
geregelt werden. Derfelbe muß enthalten die Bezeich— 
nung der Firma und des Gegenjtandes der Unter- 
nehmung, dann Angaben über die Höhe des Grumd- 
fapitals und der Aktien fowie fiber deren Urt und 
Bahl, ferner über die Zufantmenfegung des Bor: | 
jtandes, iiber Die Form der Berufung der General: 
verjammiung und der gefellidaftliden Befanntma- 
dungen. Der Inhalt des Gefellidhaftsvertrags iit 
durch wenigitens fiinf Berfonen, vow denen eine jede | 
mindeſtens cine Altie übernehmen mu, in geridt- | 
licher oder notarieller Verhandlung fejtzujtellen. Der | 
Bertrag wie aud ſpätere Ynderungen desielben find. 
in das Handelsregijter aufzunehmen (Regijtrierungs: | 
swang), dod) ijt vor der Emtragung, durd) weldje die | 
Gefellidhaft juriſtiſche Perſönlichkeit erlangt, feſtzuſtel⸗ 
len, daß das ganze Grundkapital gezeichnet ijt, und daß 
mindeſtens 25 Prog, des Nennbetrags und im Fall 
einer Ausgabe der Uftien fiir cinen höhern als den 
Reunbetrag auc diefer Mehrbetrag eingezahlt find. 
Bei der (in der Praxis in der Regel vorfonmmen: 
den) Simultangriindung, d. b. emer ſolchen, bei 
Der famtliche Allien Durd) die Griinder übernommen 
werden, gilt mit der Übernahme die Geſellſchaft als 














diefes die Generalverjammlung jur Beſchlußfaſſung 
fiber die Errichtung der Geſellſchaft. Beſonderes gilt 
fiir die fogen. qualifizierte GriindDung. Bon einer 
folden fpridt man, wenn Uftiondren ein bejonderer 
chaftsvertrag bejtimmten höhern Teil des Ge- | Vorteil 
famtfopitals nidjt tiberfdjreitet; 2) der Gewinn, der | barem 
wenn vorbandene oder berjujtellende Ynlagen oder 


— wird, wenn Einlagen, die nicht in 
Ide beſtehen, angerednet werden foller, 


ensſtücke übernommen werden ſollen. 


übernehmen ſoll. Hierüber ſowie überhaupt über die 
Gründung vgl. Handelsgeſetzbuch, § 181 Ff. 

Für die Beſorgung der Angelegenheiten der Geſell⸗ 
ſchaft, die Verwaltung des Vermogens und Führung 
der Geſchäfte derſelben find DretOrqane vorhanden: 
1) dic Generalverfammlung (. dD.) als Willens- 
organ; 2) der Mufjidtsrat (}. d.) alS Rontroll- 
organ und 3) der Vorjtand (Direftion, Direftoren) 
als Uusfiibrungsorgan, beſtehend aus einer oder meh⸗ 
reren befoldeten oder unbefoldeten Berjonen (Altio—⸗ 
naire oder Dritte), der die Geſellſchaft qeridtlic und 
außergerichtlich vertritt, diejelbe Durd) die in ihrem 
Namen abgeſchloſſenen Rechtsgeſchäfte beredtigt und 
verpflidtet und im Handelsregiſter eingetragen wer- 
den muß. Durd) ibn wird die Generalverſammlung 
berufen, foweit nidt nad) dem Gejeg oder Dem Ge— 
ſellſchaftsvertrag aud) andre Berjonen dazu befugt 
find. Er hat Sorge zu tragen, daß dic erforderlichen 
Bücher der Geſellſchaft gefiihrt werden, und bat bin- 
nen bejtinunter Friſt fiir jedes verflofjene Geſchäfts 
jabr eine Bil eine Gewinn > und Verluſtrechnung 
ſowie einen Bericht fiber den Vermögensſtand und die 
Verhältniſſe der Gefellfdaft dem Aufſichtsrat und der 
Generalverjanunlung vorjulegen. Den Mitgliedern 
de Vorjtandes ijt ebenfo wie den perſönlich battenden 
Gefellfdhaftern einer Kommandit-Aktiengeſellſchaft 
unterfagt, ihrer — Geſellſchaft RAonkurrenz zu ma⸗ 
den. Ihre Beſtellung iſt jederzeit willkürlich wider- 
ruflich, unbeſchadet der Gehalts⸗ und ſonſtigen An— 
ſprüche aus dem der Beſtellung zu Grunde liegenden 
Dienſtvertrage, dagegen iſt eine Beſchränkung der 
Vertretungsbefugnis Dritten gegenüber unwwirfjam. 

Mehrung, Minderung des ſtapitals. 

Das Grundlapital bleibt in der Regel bis zur Auf⸗ 
ldfung der Gefellfchaft unverändert. Cs fann durd 
Riidforderung der Einlagen nicht vermindert werden, 
da die Uftiondre fein Recht hierauf haben, fondern 
diefelben, folange die Geſellſchaft beſteht, nur emen 
Anſpruch auf den reinen Gewinn haben, der nach Ab⸗ 
zug der Vetriebs- und Verwaltungsfojten fowie der 

um Refervefonds zu binterlegenden, zur etwaigen 

—— und Tilgung von Anleihen gu verwen⸗ 
denden und als Vergütungen an die Mitglieder von 
Vorſtand und Aufſichtsrat zu zahlenden Summen 

ſ. aber Handelsgeſetzbuch, § 245, Wf. 1) als verteil- 

r fibriqbleibt. 

IErhöhung ded Grundfapitals’. Prioritäten.] 
Reidt das isis eg Uftienfapital zur vollſtaͤn⸗ 
digen Ausführung oder zum Betrieb der Aktienunter⸗ 


errichtet. Bei der Sufseffivgriindung, bei der nehmung nicht ju, fo farm, da die Wftiondre über den 
nidt alle Uftien von den Gritndern iibernommen Betrag ibrer Aktien binaus zu Beiträgen nidt ver- 
werden, hat der Errichtung der Geſellſchaft die Feſt— | Ptictet find, die Beſchaffung neuer Napitalien ent- 
fiellung des Bertragsinbalts fowie die anton, bad weder dadurch erfolgen, daß das Grundfapital dDurd 
nod) iibrigen Ultien durch Dritte vorherzugehen; diefe | Ausgabe neuer Uftien vermehrt wird, oder da Schuld⸗ 
Zeichnung, ju der die Griinder cine öffentliche Auf- obligationen ausgegeben werden. Unt ju verbilten, 
jorderung (Brofpeft, Blan) ergeber lajjen, hat | dak die Emiffionstatigfeit zur Erzielung von Gritn- 
durch ſchriftliche Erfldrung auf dem Zeichnungs- | dergewinnen alljufehr ausgedehnt werde, darf eine 


Aftie und WAftienfapital (Erhdpung und Berminderumg de Kapital). 


Erhbhung des Grundfapitals nidt vor der 
vollen Einzahlung desfelben erfolgen. Für Berjide- 
rungsgejellidaften, bei denen die ſtaatliche Beauf- 
fichtigung einem Mißbrauch jteuert und das Grund⸗ 
fapital vorwiegend dazu dient, als Referve in dem 
Palle benugt ju werden, wenn durd die laufenden 
Pramien die entitandenen Schäden nicht gedeckt wer- 
Den, fann ber Gefellidaftsvertrag ein andres bejtim- 
men. Für die neu auszugebenden Uftien (die alten 
ULtiondre find zur Übernahme der neuen Uttien nicht 
verpilidtet; wohl dagegen si ell ein Bezugsrecht 
auf Diejelben, wenn nidt in Beſchluß itber die 
——— des Grundkapitals ein andres beſtimmt iſt) 
fann die Leiſtung eines höhern (nicht aber aud eines 
eringern) als des Nennbetrags feſtgeſetzt werden. Die 
Beri er Der neuen (jungen) Altien jind ebenfo wie die 
Der frühern Mitglieder der Gefellfdaft und — 
amt Gewinn und Verluſt nad Verhältnis des Nenn- 
betrags ihrer Aktien teil. Steht das Unternehmen 
giiniig, fo können die newen Wftien leicht iiber pari 
egeben werden. Der dadurd ergielte Gewinn (Unter: 
ſchied zwiſchen Preis und Rennbetrag) fließt Dem Re- 
jervefonds ju. Bei weniger giinjtigem Stande der 
Unternehmung und mangeindem Bertrauen de3 Pu— 
blikums ijt bie Weiellichatt jedoch gendtigt, den ſpätern 
Emiſſionen, um deren Abſatz — gewiſſe Vor⸗ 
rechte vor den zuerſt ausgegebenen Uftien, die man 
Stammatftien (actions originairement émises, or- 
dinary shares, original shares) nennt, einzuräumen. 
Sie erhalten etwa vor den legtern einen beſtimmten 
Prozentſatz von dem zur Verteilung gelangenden Ge- 
winn, wabhrend die Stammattien erjt an dem ver- 
bleibenden Rejt einen Unteil erhalten, oder es wird 
ihnen aud wohl bei der Liquidation ein Vorzug an 
dem nach Abzug der Paffiva noch übrigen Gejell} hafts- 
vermögen vor den Stammattien gewährt, während 
ihre Inhaber im RMonfursfall allerdings ebenfo- 
wenig zur Maſſe liquidieren können wie die der letz— 
tern. Mitunter wird aud den Beſitzern folder Altien 
ein ausgedehnteres Stimmrecht als denen der Stamm- 
aftien in der Generalverſammlung eingerdumt. Begen 
Diefer Vorredte nennt man folde Uttien Brioritats- 
aftien,Stammprioritatgaftien, Brioritats- 
jtammaftien, Stammpriorititen, aud oft 
tur; Prioritäten (actions privilégiées, preference 
shares, preferred shares). Bon denjelben find wohl 
gu unterjdeiden die Brioritétsobliqationen 
(aud fur; Brioritaten, frither oft fälſchlich Prio— 
ritätsaktien genannt), die auf den Inhaber aus- 
—— Schuldſcheine der Geſellſchaft ſind und gern 
geben werden, wenn die Ausgabe weiterer Altien 
wegen des niedrigen Kurſes der bereits emittierten 
als untunlich oder bei gegründeter Ausſicht auf Di— 
videndenerhöhung, an der Die neuen Altionäre An— 
teil haben würden, als unvorteilhaft erſcheint. Mit 
dem Ausdruck Priorität ſoll angedeutet werden, daß 
der Reingewinn zunächſt zur Verzinſung dieſer Obli- 
gationen verwendet wird, ehe die Aktivnäre davon 
etwas erhalten. Zuweilen wird auch den Inhabern 
dieſer Prioritãten ein ausdrückliches Pfandrecht an dem 
Immobiliarvermögen der Geſellſchaft beſtellt; als— 
dann ſind dieſelben bevorzugte Gläubiger. Ein Kün— 
digungsrecht iſt ihnen in der Regel nicht zugeſtanden. 
Dre Altien unterſcheiden ſich von den Obligationen 
dadurch, daß die Inhaber der letztern nicht Milglieder, 
ſondern Gläubiger der Geſellſchaft find. Sie beziehen 
einen feſten Zinsbetrag, den ſie auch zu fordern be— 
rechtigt ſind, wenn das Unternehmen keinen Rein— 
gewinn abwirft. Oft ijt ihnen cin Kontrollrecht ein⸗ 


239 


geräumt. Das durch Emiſſion der Obligationen auf- 
gebrachte Kapital gehört nicht zum Grundkapital und 
wird in der Regel während des Beſtehens der Geſell— 
daft unter Uufitellung eines Tilgungsplans durd 

mortijation wieder heimgezahlt. Bgl. v. Strom. 
bed, Uber Prioritatsjtammattien (in Bufhs ⸗-Archiv 
für Theorie und Praxis des Handelsrechts«, Bd. 33, 
1876); Meili, Die Lehre der Prioritatsaltien (Zür. 
1874). 

(Germinderung des Grundfapitals. UAmortifa: 
tion.J Zu einer Berminderung des Grundfapitals 
fonnen Berlujte, dann aud der Umjtand Veranlaſſung 

eben, dak das ganze urſprünglich vorgeſehene Ultien- 
‘apital gum Betrieb der Unternehmung nicht ver: 
wendbar ijt, dak erzielte hohe Gewinne eine Cin: 
ſchränkung (Reduftion) unter Rückzahlung beſtimmter 
Klaſſen von Altien geſtatten, oder daß cine allmähliche 
Tilgung wegen fpatern unentgeltlichen Heimfalles an 
cine dritte Perſon (3. B. an den Staat bei Cifen- 
babnen nad) Ublauf der Konzeſſionsdauer in Frant- 
reid) und Ofterreich) erforderlich ijt. Bei Berlujten und 
bei einer teilweifen Rückzahlung des Grund- 
tapitals A ernst hed eines Teiles der bereits ein⸗ 

ezahlten Beträge oder »Liberierungs der Interims— 
—— von weitern Einzahlungen) kann der Nenn— 
betrag der Aktien durch Abſtempelung herabgeſetzt 
werden, oder es werden, insbeſ. wenn der Nennbetrag 
ſonſt unter den geſetzlich zuläſſigen herabſinken follte, 
mehrere alte Aktien »zuſammengelegt«, d. h. unter 
Kaſſation derſelben durch eine neue Jedoch darf 
eine teilweiſe Zurückzahlung nur erfolgen auf Beſchluß 
der Generalverſammlung, der, ſofern nicht weitere 
Erforderniſſe aufgeſtellt ſind, durch eine Mehrheit 
von drei Viertel des in derſelben vertretenen Grund- 
fapitals gefagt fein mu, fowie unter Beobachtung 
der gefeblichen Beſtimmungen, die sur Wahrung der 
Intereſſen der Gläubiger erlajjen find. Gind ver- 
ſchiedene Gattungen von Uftien ausqeqeben, fo bedarf 
eS gu Dem von der gemeinfdaftliden — * 
lung gefaßten Beſchluß der Zuſtimmung einer be— 
jondern Generalverſammlung (Sonderverſammlung) 
der benachteiligten Uftiondre. Die Aktiengeſellſchaft 
darf eigne Uftien im geſchäftlichen Betrieb, fofern 
nidt eine Nommiffion gum Cinfauf ausgefithrt wird 
(Interimsſcheine aud) Dann nidt), weder erwerben 
nod jum Pfande nehmen (in Verſatz nehmen, be- 
lehnen). Dagegen ijt eine Umortifation eines 
Teiles der Altien auf dem Wege der Ausloſung, 
d. h. Rückzahlung des Unteils ant Grundfapital mit 
Raffierung der Uftienbriefe, zuläſſig, fofern fie unter 
—— der fiir die Zurückzahlung oder Herab— 
ſetzung des Grundkapitals maßgebenden Vorſchriften 
(Siderjtellung der Gläubiger) erfolgt. Ohne Be— 
spent derſelben darf die Geſellſchaft ihre Altien 
nur aus dem nad der jährlichen Bilanz ſich ergeben— 
den Gewinn und nur in dem Fall amortijieren, daß 
died durch den urfpriingliden Geſellſchaftsvertrag 
oder Durd) einen den letztern abändernden, vor Aus— 
gabe der Uftien gefaßten Beſchluß zugelaſſen ijt. Bu 
unterjdeiden biervon ijt die Mortifitation (ſ. d.), 
die bisweilen aud Umortijation genannt wird. An 
die Stelle von zur Rückzahlung ausgelojten Uttien tritt 
bi8weilen der Genußſchein (franz. action de jouis- 
sance). Der Ynbaber desfelben bezieht nidjt mehr die 
feſtgeſetzten Dividenden (fogen. infer), bleibt aber 
im iibrigen im Zweifel im Beſitz aller Rechte des 
Uftionars; insbef. ijt er gum Bezug der Superdivi- 
Dende berechtigt. Bet Auflöſung der Geſellſchaft und 
erfolgender Vermbgensverteilung wird ibm bei Be— 


‘att extcigg: teat Ser om Geeliact 
sere; ies set 6 eek Sex Eee set 
ms6é. Sen GiexbeSeet oe Femi. Oeceo 
2 surt ExSiimay tes Roafares. Ser $e emex S- 
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beborte, pean bu Ge = Gee Sr reacemr cae Oaxd 
lunge ober Unterie~ cuca 55-2. maér. tars Su 
des Grmermmoll 17: 5st rd. 9S. Soryens cok 
Berne tet Beegiad, § 42. 
Les fermines cnet ex‘. tten BS ee 1S 
mict nad T-irar: Seer Sulton weer Bs A oeire 
nod ferteiias Sree Bum’! 2.cmtenomécacts tet: 
tet, je5ou tm Sjteree Bex Gyicuc- cer mite ocr AD 


gs Gerufexsee Geecocfeumecog ere Ee: Sri 


Saad eanel: Seteee® mani bees Dectten: tiniest Sexist 3a 


Sperrjahry und uncer Ledunyz ihoebenter Beroad- 
—— und itren· zet Acederumoen durch OÄcarer 


| Erfolgt ne Wufictung emer Girl‘ aah 
—— — 


durch (Fpahiony mit emer anbdern, is vt 
bas Bermogen berielten fo lange getrennt px vermeil: 
ten, bis thre Zchulden — Gb 


Uttiengeleflidaft entipridt emem —— 
ſchaftlichen Bedirins, folange fie mds durch eine 
beffere Unternefmungstorm eriegt werden fann. fair 
biefelbe ift bie Kapitalbeſchaffung eine praftiid unbe- 
idjranfte, viele fletne Qapttalien werden fur iolche 
Hwede veremigt, benen ein zelne Arafte nicht gewach 
fen find. Bre ſchon frühzeitig ber Bergbhau durch 
Wilbung don Muren (i. d.), fo tind heute uberbaupt 
viele grote, widhtige Unternehmungen ( Habnen ) durch 
erlegung in icra ermdglidt worden. Tie Altie 
— aud weniger Bemittelten die Veteiligung an 

ſchaften, beren — eine unberechenbare tit. 
Geſahrliche umfaffende Riſiklos lonnen geteilt, Meme 
Summen datan gewagt werden, da im ungünſtigen 
Falle nur die —— en verloren gehen. Das Altien⸗ 
fapttal ift Dem individuellen Reize sur Minderun 


Verzehrung entsogen, iberhaupt von allen S Sadlaien . 


und ufdlligfetten individueller Natur getrennt, und 
eo cignet ſich deshalb die Uttiengefellidaft im we- 


ſentlichen mehr fiir ſolche Unternehmungen, die auf: 


cine lingere Dauner berednet find. Dagegen ijt das 
Viftrenwelen aud) mit bedenflidjen Schattenfeiten und 


Wefahren verfniipft. Das Uttienfapital fann nidt be⸗ 


hiebiq qednbert werden, wenn aud) {ibertragungen ju 
anbern weclen ober :4ufiihrungen aus Erlibrigungen 
alé wunſchenswert erideinen, Iſt die Tispofitions- 


ſahiglen ber Betriebolertung allzuſehr befdranft, ſo 


feibet Der UWetrieh an Sdpwerfilliqfett und fann auf 
often der Rentabiliat zu febr g elaͤhmt werden. Wird | 
derfelben dag enen ein freierer —— gelaſſen, ſo 
entſpricht ihe fein gentigendes Maß von Verantwort 


bGfet anf Juecsfe. and cit wen Ine Gecried 


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1000 «wc ws 261 HMOse ls 
| Se ae 138 | 18.260; le 


Geſchichte, Gef Gefeagebung, Staatéanffiat. 

Die Uttiengefellidaft entwidelte fic tetls aud der 
italieniſchen Staatsglaubigervereinen, teils aus i 
delsgeſellſchaften, die fid) unter ſtaatlicher Privil 
rung in Holland, England, Frankreich und sa 
fand in Anlehnung an die Reederei gebildet batten. 
Erjtere waren Bereiniqungen von Perfonen, die das 
von ihnen au —— Kapital dem Fistus als Dar⸗ 
leben gaben. Staat jtattete fie mit Rorporations« 
redten und Privilegien aus. Sie hießen — oder 
montes, die Anteile der Mitglieder loca, luoghi. Ein 
befanntes Veifpiel yh die 1404 errichtete Bant des Heil. 
, Georg in Genua. Die 1694 — Banl von 
England ſollte nur bis zum Betrage des der Regie 
rung —— Darlehens von 1,200,000 Pfd. Sterl. 
Schulden machen dürfen, für weitere Schulden waren 


—— 


Aktie und Aktiengeſellſchaft (Gejdidte). 


241 


die Altionäre nad) Maßgabe ibres Aktienbeſitzes per- bejtimmungen einzuhalten hatte. Dies Geſetz wurde 


ſönlich haftbar. Unabbangig von diefen Glaubiger- 
vereinen nahmen einige Seehandelsvereine alftienredt- 
lice Verfaſſung an und erbielten ihr befonderes Recht 
Durd) eigne ftaatlicde Privilegien (octroi). Vorzüg— 
lic) qab der liberjeciide Handel zur Griindung folder 
privilegierter Uftiengefell{daften unter dem Titel von 
Handelsfompagnien (f. d.) Veranlaſſung, fo der Eng: 
liſch Oſtindiſchen (1599), der Gollandifdr-Ditindifchen 
(1602), der Holländiſch-Weſtindiſchen (1621), der 
engliſchen Südſeekompagnie, der franzöſiſchen Com- 
pagnie des Indes occidentales (1628), der Com- 
pagnie d’occident (1717), die zuerſt Inhaberaktien 
ausgab, u. a. Cine hervorragendere Bedeutung ge 


wannen aber die Uftiengejellfchaften mit der modernen | 
Anderung der Technik und des Verkehrsweſens, dic | 


mehr Gelegenheit zur ——— Unternebmun- 
gen geſchaffen hat (Fabriken, Bergbau, Eiſenbahnen, 


erſicherungsweſen). Uber wie zur Zeit der Handels⸗ 


fompagnien (Südſeeſchwindel in England, Laws Un— 
ternebmungen in Frantreid), fo boten auch die Cigen- 
tümlichleiten Des Aktienweſens in Der neuern Heit ein 
weites Feld der Betätigung fiir Spiele und Gewinn- 
fucht, Ubervorteilung und Schwindel. 

Die Quelle diejer Ubelftande fucht man meiſt im 


Wftienredt und deſſen Entwidelung. Nad Renaud | 


laſſen fich in Der Gefchichte der Altiengeſetzgebung zwei 
Ridtungen unterjdeiden. Die eine, welche auf dem 
curopdijden Rontinent vorherridt, betradhtet die Al— 
tiengeſellſchaft als eine neue Rechtsbildung, die nur 
als Ganzes tätig ijt, deren Mitglieder in keinem obli- 
qatorijden Verhältnis unter ſich fteben und den Ver- 
einsgläubigern nicht haftbar find. Die Mitgliedſchaft 
ijt iibertragbar, die Yusgabe von Inhaberaktien ge- 
ftattet. Die andre Richtung ijt Dem englifd-nord- 
amerikaniſchen Recht eigentuͤmlich. Diefelbe betrad- 
tet, von bejondern Privilegien abgefehen, die Vereine, 
Deren Napital von mehreren Durd) Aktien zuſammen— 
gebracht ijt, als Gejellidaften im Sinne des Zivil— 
geſetzbuchs, bet denen alle Genoſſen folidarijd fiir 
Die von den Vertretern der Geſellſchaft in deren Namen 
eingegangenen Verbindlicfeiten haften. Hiernad ijt 
Die mit folder Haftung unverträgliche Inhaberaktie 
nicht geſtattet. 

Beſonders interefjant ijt nun die Entiwidelung des 





durch cin andres vom 24. Juli 1867 aufgehoben, das 
nur Die eine Art der Sociétés anonymes zuläßt, die- 
jelben vom Erfordernis jtaatlicher Genehmigung be- 
freit, dagegen jur Verhiitung von Mißbrauch dic glei- 
chen Beſchränkungen anordnet wie das erjtere Geſetz 
(qeringjte Mitgliederzahl 7 Perſonen; geringjter Be- 
trag Attien und Uftienanteile 100 Frank, wenn das 
Rapital nicht größer als 200,000 Fr., fonft 500 Fr.; 
Zeichnung des ganzen Kapitals und Einzahlung von 
25 Proz.; genaue, von einer zweiten Generalverjamme- 
lung gu genehmigende Einſchätzung der Sadeiniagen 
ſowie der fiir einzelne Dlitqlieder ausbedungencn Bor- 
teile als Bedingung fiir Entitehung der Geſellſchaft; 
Verkäuflichkeit der Altien als Nontinativaltien nad 
Cingablung von 25 Proz. ihres Nennwertes; die Ge- 
neralverjanumlung fann, wenn dies ftatutenmafig 
zuläſſig, auch die Ausgabe von Anbaberaftien be- 
ſchließen, fobald 50 Broz. des Rapitals eingezahlt find, 
dod) bleiben die erjten Zeichner und weitern Inhaber 
der Uftien nocd) zwei Sabre lang fiir den Reſt haftbar. 
Eine RNovelle vom 1. Aug. 1893 hat diefe Betriige 


auf 25, bez. 100 Fr. ——— das ganze Kapital 


muß gezeichnet ſein, und 


ei Aktien von 25 Fr. an 


| muk der ganze Nennwert, bei foldjen von LOO Fr. an 





VUftienredts in Franfreih und England. Yn Frank⸗ 
reid) gab es ſchon feit Dem 17. Jahrh., vorgiiglid | 


aber in Den erjten zwei Jahrzehnten des 18. Jahrh. 
jablreidje Aktiengeſellſchaften mit befchrantter Haf— 
tung, mit der Generalverjammlung als höchſtem 
Vereinsorgan mit durch den Altienbeſitz bedingtem 
Stimmrecht und mit dem Rechte der Ausgabe von 
Inhaberaktien als »negoziabler Ware«, die ſpäter, 
jedoch nur vorübergehend, verboten wurde. Eigen— 
tümlich iſt dieſen Geſellſchaften die Lig ae 79 vy og 
Wbhingigkeit von der Regierung mit ſtaatlicher Uber- 
wadung. Neben den privilegierten Rompagnien bil- 
Deten fic) im 18. Jahrb. auch Privatgeſellſchaften, die 
durd Anwendung von Rechtsflaujeln fic beſchränkte 
Haftbarfeit zu fichern ſuchten. Dod) ftellt ein Geſetz 
von 1793 ausdriidlich die Forderung der Staats- 
qenehiniqung auf. Nachdem das Recht der Aktien— 
geſellſchaften (sociétés anonymes) im Code de com- 


merce gevegelt worden war, und zwar unter Vefreiung | 


der Kommanditgeſellſchaft auf Wftien von der jtaat- 

lichen Bewilliqung, qeitattete cin Gefes vom 23. Mai 

1863 neben denfelben auc) die Société A responsa- 

bilité limitée, fiir die Staatsqenehmiqung nidt er 

forderlid) war, die aber gewiſſe gefeblidje Normativ- 
Meners RKonv. - Lerifon, 6 Mufl., L Bo. 








müſſen wenigitens 25 Proz. davon eingezahlt fein). 

Sn England fithrte der Südſeeſchwindel mit fei- 
nem Börſenſpiel zum Erlaß der Bubble Act vont 
18, Aug. 1720. Nachdem vorbher zahlreiche nicht pri- 
vilegierte Geſellſchaften fic) qebildet hatten, die fid) der 
jolidarifden Haftung durch Uusqabe von Ynbhaber- 
aftien gu entziehen fudjten, wurden jest alle nicht von 
Der Rrone durch Freibriefe oder vom Parlament ins 
forporierten Gefelljdaften unterdriidt und die Grün— 
dung neuer Vereine mit Ausſchließung der Solidar- 
haft verboten. Das Jahr 1824 brachte ein neues 
Griindungsfieber. Infolgedeſſen wurde 1825 die ge- 
nannte Ute aufgehoben, und es trat das gememe 
Recht fiir Uftiengefellidaften wieder in Kraft. Das 
Eiſenbahnweſen mit den an dasfelbe qetniipften Miß— 
bräuchen gab Veranlaſſung sum Geſetz vom 5. Juli 
1844, dasfelbe jtellte fiir alle andern als die durch 
königliche Freibriefe oder Durd das Barlament infor- 
porierten Rapitalgefellidaften die Solidarhaft wieder 
her (joint stock companies without limited liabi- 
lity). Dod) wurden feit 1855 wieder Erleidterungen 
gewährt. Die Joint companies’ Acts von 1856 und 
1857 gejtatteten allen Bereinen (jedod den Banken 
von 1858, den Verſicherungsgeſellſchaften von 1862 
ab), fid) als Joint stock companies with limited lia- 
bility 3u fonjtituicren. Weiter ging die Companies’ 
Act vom 7. Aug. 1862, nad) der ſich jeder Verein von 
wenigitens fieben Perſonen mit oder ohne Zerlegung 
jeines Vermigens in Kapitalanteile (shares) fret bil: 
den fann. Es wurden gejtattet Kapitalvereine: 1) mit 
unbeſchränkter Solidarhaft (company unlimited hav- 
ing a capital divided into shares); 2) mit auf die 
Anteile beſchränkter Haftung (company limited by 
shares); 3) mit einer bejtimmt beqrengten , fiber den 
Betrag der Ultie hinausgehenden Haftung oder Nach- 
ſchußpflicht (company limited by guarantee and hav- 
ing a capital divided into shares), Bei befdrint- 
ter Haftbarfeit miijjen Firma und Ungeigen mit dem 
Beiſatz »limited« verjehen fein. Die Staatsaufjidt 
ijt nur eine reqreffive, direfte Regierungseinmiſchung 
jindet nur auf Antrag eines Teiles der Altionäre jtatt. 
War durd) diefes Geſetz die Inhaberaltie nod) ver- 
boten, jo wurde fie Durd die Companies’ Act vom 


| 20, Aug. 1867 fiir Geſellſchaften mit beſchränkter Haft- 


16 


242 


barfeit unter der veers ogy Sard vollen Einzahlung 
ded Altienbetrags gejtattet. Auch fann das Handels- 
amt die Errichtung von Gefellichaften mit beſchränk— 
ter Haftbarfeit und mit Ausſchließung der Dividenden- 
sahlung zu gemeinniigigen Zwecken erlauben. End- 
lid) qejtattete Die Companies’ Act vom 15. Aug. 1879 
allen Geſellſchaften nut Solidarhaft, fic) in foldje mit 
beſchränkter Haftbarteit zu verwandeln. Dagegen 
bleibt bei Notenbanfen, mit Uusnahme der Bank von 
England, die volle Haftbarfeit bejtehen. Die Griin- 
bung erfolgt einfach durch Vereiniqung von wenig- 
jens fieben Perſonen und durch Cintragung beim 
Regijtrierungsamt. Cine Uufbringung des Grund- 
lapitals wurde nicht gefordert, fo daß alfo Die Zeich— 
mung von je einer Altie gu 1 Pfd. Sterl. feitens der 
jieben Gritnder genügte. Drei Gejese vom 18. Aug. 
1890 betrafen cingelne Punkte des Aktienrechts; fo er- 
höhte eines derfelben die Haftung der Direftoren und 
Griinder, Grundlegende Anderungen bradte (nach— 
Dem die Act von 1898 eber als cin Riidfdritt zu be- 
cidynen war) die Companies’ Act vont 8. Aug. 1900. 
ie Erlaubnis gum Geſchäftsbetrieb (nidt zu ver- 
wedfeln mit Dem Certificate of incorporation) wird | 
erjt nad Zeichnung de3 im Profpeft und Statut ge- | 
nannten Minimalfapitals und nad Cingahlung von | 
5 Proj. erteilt. Weitere Underungen betreffen dic 
Behandlung der Sadeinlagen, den Griindungsauf- 
wand, die Ernennung des Verwaltungsrates, die erjte 
Generalverfammlung, die Prüfung der Geſchäfts— 
biidjer u. a. 

In Deutfdland gab es zwar aud) friiher Gejell- 
ſchaften mit ähnlichen Cinridtungen wie die heutigen 
Altiengeſellſchaften, fo die Aqlauer Tudtompagnie 
(1592-1620), die 1719 in Wien geqriindete Orien- 
taliſche Rompagnie fowie einige unter Friedrid IL. in | 
Preußen ing Leben gerufene Gefellfdaften; dod waren 
die meiſten Gefellidaften Staatsanjtalten mit privaten | 
Vermigenseinlagen, erridtet auf Grund verlichener 
Spezialprivilegien (Oftrois). Nun madte der Eiſen- 
bahnbau den Erlaß allgemeiner gefeslider Beſtim— 
mungen nötig, fo in Preußen des Eiſenbahngeſetzes 
vom 3. Nov. 1838, des Geſetzes über Aktiengeſell— 
jdhaften vom 9. Nov. 1843, des öſterreichiſchen Pa 
tents vom 26. Nov. 1852. Eine allgemeine Regelung 
trat Durd) das Handelsgefepbud) cin, das wie Die 
frühern Geſetze am Erfordernis jtaatlider Genehmi- 
qung (fiir Ervidtung von Gefellichaften, Statut, Ab— 
anderung desfelben, Auflöſung der Geſellſchaft durch 
Vereinigung mit andern rc.) feſthielt, jedoch den Lan— 
desgeſetzen die Befugnis zugeſtand, hiervon abzuſehen. 
Demeniſprechend wurde die Genehmigung nicht ge— 
fordert in den Hanſeſtädten, in Oldenburg und Sach— 
ſen, während ſie in Württemberg und Baden nur für 
beſtimmte Geſchäftsbetriebe aufrecht erhalten wurde. 
Doch wurde der Konzeſſionszwang für das Deutſche 
Reich durch Geſetz vom 11. Juni 1870, ebenſo der 
Unlerſchied zwiſchen Altiengeſellſchaften, die Handels 
geſchäfte treiben, und den übrigen (Zivil) Aktiengeſell⸗ 
ſchaften, die früher durch Landesgeſetze geregelt wur⸗ 
den, aufgehoben. 

Erjag fiir die Staatsgenehmigung ſollten gewiſſe 
Normalipbeſtimmungen bei der Errichtung bieten. 
Diſe geſetzlichen Kauelen erwieſen fic jedoch in der 
Gründerperiode, 1870 —73, in der allein in Preu 
fen 843 Mefellichaften mit 2484 Will, ME. errichtet 
wurden, als Durdaus unzulänglich, und der Wunſch 
nad Reformen war nur ju beredtiqt. 

Die Reformbejtrebungen sielten teils auf Wie. | 





| 





| 





Aftie und Aktiengeſellſchaft (eſchichte). 


weiterung der Staat8aufjidt ab. Ferner wurde vor- 
geidlagen, Die Altiengeſellſchaften möglichſt durch 


öffentliche Unternehmungen (Staatseifenbabnen, Ge- 


meindeanſtalten) gu erſetzen, während von andrer 


Seite größere perſönliche Verantwortlichkeit der Griin- 


der und Geſellſchaftsorgane, volle Offentlichkeit, Weg⸗ 


fall ſtatutariſcher Vorbehalte für Gründer und erite 
Zeichner, Erweiterung der Individualrechte der Al— 
tionäre, Ermöglichung einer ſchärfern Kontrolle xc. 
gefordert wurden. Nicht alle Vorſchläge ſind unbe— 
denklich. Die Geſchichte des Altienweſens beweiſt, daß 
Schwindel und Mißbrauch bei den verſchiedenſten ge— 
ſetzlichen Regelungen vorkamen. Laſſen ſich dieſelben 


auch durch geſetzliche Reformen zum Teil mindern und 


befeitigen, ſo wird dod) das Publikum ſelbſt durch He: 
bung der wirtſchaftlichen Einſicht und Förderung einer 
— Gefhaftsmoral das Widtigite zur Beſſerung 
eitragen miifjen. Das deutfde Uftiengejes vom 18. 
Juli 1884 bejtrebt fid, 3. T. nad dem Vorgang 
des ungarifden von 1875, die Mängel der feitherigen 
Geſetzgebung dadurd) zu befeitigen, Daf es unter Klar— 
ſtellung des Gründungshergangs und Kennzeichnung 
der Gründer die letztern verantwortlich macht, daß es 
die Pflichten des Aufſichtsrats ſchärfer präziſiert, ſeine 
Verantwortlichkeit erweitert, über cine Reihe von Ge- 
genſtänden ausſchließlich die Beſchlußfaſſung der Ge— 
neralverſammlung vorbehält, den Mehrheitsbeſchluß 
derſelben möglichſt unverfälſcht zum Ausdruck brin⸗ 
en und den Äktionären Gelegenheit zur eignen Brii- 
ng der Sadlage verjdhaffen will, dak es ferner dic 
Minoritätsrechte, infoweit eS fid) um Berufung einer 
Generalverjammiung oder der Einſetzung von Revi- 
joren bebufs Priifung des Griindungshergangs oder 


der Geſchäftsführung bandelt, in erweitertem Umfang 


jur Unerfennung bringt, die Haftung bei nicht voll ein- 
gezahlten Altien ausdehnt, dDurd) neve Beſtimmungen 
iiber die Bildung eines Rejervefonds eine größere Si- 
cherheit für Unternehmen und Beteiligte ju erzielen 
judjtrc. Auf Zuwiderhandlungen gegen die geſetzlichen 
Vorſchriften find jtrengere Strafen geſetzt, insbeſ. aber 
ijt noch allgemein mit Strafen bedrobt, wer in öffent⸗ 
liden Befanntmadungen wiſſentlich faliche Tatjaden 
vorjpiegelt oder wahre entitellt, um zur Veteiliqung an 
einem Aktienunternehmen zu bejtinumen, Dann wer in 
betrügeriſcher Ubjidht auf Täuſchung berechnete Mittel 
anwendet, um auf den Kurs der Aktien cingutwirfer. 
Das neue Handelsqeieybud vom 10. Mai 1897 (im 
Nraft feit 1. Jan. 1900) enthalt feine prinzipiellen 


| YUnderungen des bejtehenden Redtsjtandes, es bringt 


nur einige Verbeſſerungen. Es jorgt 3. B. fiir größere 
Unabbangigfeit der Reviforen und erweitert deren 
Unfgaben bei der Priifung des Griindungsherganges. 
Endlich) verſucht das Birjengefes vom 22. Juni 1896 
durch verjdiedene Bejtimmungen über die bdrjen- 
mäßige Behandlung der Wertpapiere (über Zulaſſung 
der Aktien gum Börſenhandel, Kursfeſtſtellung, Emij- 
jion tc.) das Publikum vor Benachteiligung zu ſchützen. 
Daß aber hierzu ſelbſt die beſten Geſetze allein nicht aus- 
reichen, haben die Ereigniſſe des Jahres 1901 gezeigt. 

Eine bedeutſame Einſchränkung der freiheillichen 
Entwidelung der Uttiengefellfatten bringen zwei 
neuere Geſetze. Nad dem Hypothefenbantengejes vom 
13. Juli 1899 bediirfen Uttiengefellfdaften und Nom 
manditgefellfdaften auf Uftien, bet Denen Der Gegen⸗ 
jtand des Unternehmens in der bypothefarifden Be- 
leihung von Grundſtücken und der Ausgabe von 
Schuldverſchreibungen auf Grund der erworbenen 
Hypothefen bejteht, sur Wusiibung ihres Gefdafts- 


Ddereinfilhrung der Staatsgenehmigung, teils auf Er⸗ betriebs der Genehmigung des Bundesrats (bes. bei 
% 





Aftie und Aktiengeſellſchaft Geſchichte; Literatur). 


lofal beſchränktem Gejdhaftsbetriebe der Landesregie⸗ 
rung) und unterjteben ſtaatlicher Aufſicht. Ebenſo ijt 
ftaatlicde Rongeffion und eine intenfive Staat8auffidt 
vorgeſchrieben fiir Gejellfchaften, die ſich mit Verjide- 
rungen beſchäftigen. Zum Betriebe der veridiedenen 
Arten der Lebensverjiderung, der Unfall-, Haftpflict-, 
Feuer und Hagelverjiderung darf die Erlaubnis nur 
an » Verjiderungsvereine iar Gegenfeitiqtcit« und an 
Aktiengeſellſchaflen erteilt werden. (Bete, betr. die 
privaten Verjiderungsunternehmungen vom 12. Mai 
1901, in Rraft feit 1. Jan. 1902.) 


Uber die Den Uftiengefellfdaften nae verwandten | 


Geſellſchaften mit beſchränkter Haftpflidt 
f. Handelsgeſellſchaft. 

Yn Ofterreid (Cisleithanien) find der Konzeſ— 
ſionszwang wie überhaupt die diesbezüglichen 2 
jttnrmungen des Handelsgeſetzbuches nod) in Kraft. 
Das im Verordnungsweg erlajjene Altienregulativ 
vont 20. Sept. 1899 (das fid) aber nur auf neu yu 
qriindende induftrielle Aktiengeſellſchaften begieht) 
verbleibt beint Konzeſſionszwange, trifft aber ver- 
ſchiedene Neuerungen; fo * es Reviſoren beim 
Gründungshergang ein, enthält Beſtimmungen über 
Sacheinlagen x. der Mindeſtnennbetrag der Altie 
iſt auf 200 Kronen feſtgeſetzt. Ungarn hat den 
Konzeſſionszwang 1875 beſeitigt. Bei der Zeichnung 
find 10 Proz., vor der Konſtituierung 30 Proz. bar 
einzuzahlen. Der Zeidner tit fiir 50 Proz. fo lange 
haftbar, bis ein neuer Beſitzer im Altienbuch einge- 
—— iſt. Inhaberaktien können vor der Vollein— 
zahlung ausgegeben werden, doch iſt auf dem Schein 
die tatſächlich eingezahlte Summe anzugeben. Kom— 
manditgeſellſchafien auf Uftien find nicht zugelaſſen. 
Belgien (eſetz vom 18. Mai 1873, abgedndert 22. 
Mai 1886) hat das Uttienwefen ähnlich geregelt wie 
Frankreich (j. S. 241). Als Befonderheiten find her- 
vorzuheben, dak aud) Ouotenaftien (Ausſtellung 
der Vftie auf cine Duote am Unternehmen jtatt auf cine 
fete Summe) zugelaſſen find, daß die Obligations- 
inhaber die widtigiten Sdriftitiide einſehen dürfen 
und in der Generalverjammlung beratende Stimmen 
haben. Die Erridtung ciner Geſellſchaft erfolgt auf 
höchſtens 30 Jahre, dod) ijt Brolongierung zuläſſig. 
In den Niederlanden ijt nad dem Wetboek van 
koophandel vom 20. April 1838 fiir Errichtung lönig⸗ 
liche Genehmigung erforderlid, ebenſo in Schweden 
(Verordnung vom 6. Oft. 1848) für die Statuten. 
In Ftalien Gandelsgeſetzbuch von 1882) finnen 
Handelsgeſellſchaften als Aktiengeſellſchaften qebildet 
werden. Sivilgefellidaften finnen fid den geſetzlichen 
Beſtimmungen über Aktiengeſellſchaften unterwerfen. 
Notwendig iſt Vollzeichnung des Grundkapitals und 
Einzahlung von drei Zehnteln. Höhe der Aktien unbe- 
ſchränkt. Inhaberaktien find erſt nad Volleinzahlung 
zuläſſig. Königliche Genehmigung iſt nicht mehr, wie 
früher, erforderlich. Die Schweiz dagegen (Obli— 
gationenrecht vom 14. Juni 1881) läßt Inhaber— 
aftien nach Einzahlung von 50 Proz. ju. Spanien 
Geſetz vom 22. Aug. 1885) gibt ſeinen Uftiengejell- 
ſchaften cine Sonderitellung, indem diejelben nur als 
eine befondere Art der fommmergiellen Handelsgefell- 
ſchaft angefehen werden. Wusgabe von Inhaberaktien 
ijt erjt nad) Einzahlung von 50 Pro}. der jtatutarifden 
Cinlage zuläſſig. Die Altionäre haben feinen großen 
Giniluh auf die BVerwaltung, die durd) Mandatare 
beforgt wird; die Generalverſammlung ijt nur fiir 








243 


währt den Uftionaren einen umfangreiden Schutz. 
Rur —— Altien können Inhaberaktien ſein. 
Das mexikaniſche Geſetz vom 1. Yan. 1890 (als 
Teil des neuen Handelsgeſetzbuches) fordert Reqijtrie- 
rung und regelmäßige Berdffentlidung der Bilany, 
Jn den Vereinigten Staaten Nordamerifas 
iit Die Geſetzgebung fiber WUftiengefellfdaften Sache 
der Cinjelftaaten; nur ausnahmsiweife werden von 
der Bundesregierung Norporationsredte fiir beſon— 
dere — verliehen. Früher war die Bildung von 
Geſellſchaften dadurch erſchwert, daß die Rechte einer 
juriſtiſchen Perſönlichkeit je nur durch ein beſonderes 
Geſetz unter großen Koſten verliehen wurden. Erlangte 
Privilegien waren jedoch übertragbar; fie wurden m- 
folgebeften ein Gegenſtand de3 Schachers jum Borteil 
fiir einflußreiche Verſönlichkeiten. Heute ijt überall 
die Erridtung geftattet, fofern mur den im Geſetz ge- 
nannten Bedingungen geniigt wird. Bisweilen find 
Mindeſtbeträge fiir Bie ftien, aber aud) Höchſtbeträge 
fiir bas Grundfapital feſtgeſetzt. Rmänien hat 
durd) Gefes vom 31. März 1900 fein Uftienredt res 
formiert, inSbef. die Beſtimmung getroffen, dak nur 
ein Drittel ber BVerwaltungsratsmitglieder rumä— 
nifder Nationalitat fein miifjen. Fiir Bulgarien 
gilt das Handelsgefes vom 12. Jan. 1898. 
[iteratur.) Val. Endemann, Das Recht der 
Ultiengefellfdhaften (Heidelb. 1873); Primker, in 
Endemanns »Handbud) des Handelsrechts⸗, Bd. 1; 
Renaud, Das Redht der Altiengeſellſchaften (2. Aufl., 
Leip3. 1875); Auerbach, Das Uftienwejen (Frankf. 
1873); Keyßner, Die Aktiengeſellſchaften ꝛc. unter 
dem Reichsgeſetz vom 11. Juni 1870 (Berl. 1873); 
Hoeland, Die Organe der Uftiengefellfdaften (Jena 
1886); Hergenhahn, Berufung und Tätigkeit der 
Generalverſammlung der Aktiengeſellſchaften (Berl. 
1888); Derjelbe, Der Vorſtand der Aktiengeſellſchaft 
(Leipz. 1893); Welti, Die Organijation der YWftien- 
getell chaft (Siirid) 1890); Simon, Die Bilanjen 
der Uiftiengejellfdaften (3. Wufl., Berl. 1899); tiber 
Bejteuerung: Simon, Die Staatseinfonunenjtener 
der Wftiengefellidaften rc. in Preußen nad) dem Ge- 
ſetz vom 24. Juni 1891 (daſ. 1892); Herrfurth, 
Die Kommunglabgabenpflicht der Altiengeſellſchaften 
(daf. 1886). Uber Rritif und Reformvorjdlige val. 


Gareis, Die Borie x. (Berl. 1874); » Schriften des 


Vereins fiir Sozialpolitif«, Bd. 1 u. 4 (Leipz. 1873 
u. 1874); Liwenfeld, Das Recht der ftiengefell- 
ſchaften (Berl. 1879); Ochelhäuſerx, Die Nadteile 
des Aktienweſens x. (daj. 1878). Uber das Geſetz 
vom 18. Juli 1884 val. die Rontmentare von Boldern- 
dorjf (Erlang. 1884), Ring (2. Uufl., Berl. 1892), 
Eſſer (5. Uujl., daf. 1890), Veierſen und v. Pechmann 
(Leipz. 1890), Rayfer (2. Aufl., Berl. 1891), Her- 
ow (daf. 1891). tiber das neuefte Hecht val. 
eyl, Handbuch des deutſchen Altiengeſellſchafts— 
rechts (Freib. 1896); R. Lehmann, Das Recht der 
Altiengeſellſchaften (daf.1898); Kin ner, Das deutſche 
Utienredt (Berl. 1899); R. u. F. Effer, Die Altien— 
ejellfdaft (2. Aufl., daf. 1899); die Lehrbiicher des 
B anbelBredjts von Cofad (5. Mufl., Stuttg. 1900) u.a. 
sRommentare zum Handelsgeſetzbuch⸗ von Staub (7. 
Aufl. Berl. 1900); Keyßner und Simon, Altien— 
geſellſchaften (5. Uufl., daſ. 1900); RieRer, Die Neue- 
rungen im deutſchen Aktienrecht (daſ. 1899). Stati— 
ſtiſches: Salings ⸗Börſenjahrbuch« (Berl.), ⸗Jahr⸗ 
buch der Berliner Börſe⸗, »Handbud) der deutiden 


— — und Verminderung des Kapitals ſowie | Uttiengefellidaften«, Jahrbuch (Leipz.), fiir Oſter⸗ 
nderung und Auflöſung der Geſellſchaft kompetent. reich-Ungarn der ⸗-Kompaß, finanzielles Jahrbuch- 
Das portugieſiſche Geſetz vom 28. Juni 1888 ge⸗ Wien); Zeitſchriften: der ⸗Deutſche Ofonomijt«, » Der 


16* 


244 


Viftionaire, Holbheims »Monatsfdhrift fiir Altien— 
redi<; »Compte général de l'administration de la 
justice, ete,« (feit 1825); »L’écopomiste frangais« 
Pariſer Wocenfdrift); Sfinner, The stock ex- 
change yearbook and diary (ond.); »The Econo- 
mists (Vondoner Wodenfdprift). 

MUftienpromeffen, ſ. Yitie ꝛc., S. 237. 

WFtine (qriedy.), Intenſität der Sonnenjtrahlung. 

Attintahafen, von RNordenffjdld 1878 entdedte 
Wai der Taimyrhalbinſel gegenüber der Taimyrinſel. 

Aktinien, ſ. Seeanemonen. 

Aktiniſche Strahlen, die chemiſch wirlſamen 
Strahlen des Sonnenſpeltrums; ſ. Licht (chemiſche 
Wirkung ded Vidi). 

Aktinoelektriſche Sricheinungen, ſ. Lidjtelet- 
triſche Erſcheinungen. 

Artinvelektrizität, die durch Licht und Wärme— 
ſtrahlen in einigen Kriſtallen, wie Bergkriſtall, her— 
pap aie Elektrizität. 

ftinograph (griech. »Strablenfdreiber<), ein 
von Bouillet erfundenes Inſtrument zur Beſtimmung 
dev Dauner des Sonnenideins mit Hilfe von pho- 
tographifdem Papier, ijt durch den Sonnenſchein— 
autographen (f. d.) erfept worden. Auch ein Inſtru— 
ment zur Beſtimmung der chemifd wirfenden Kraft 
der Strablen verfdiedener Lichtquellen. 

Artinographie (qricd.), Photographie mit Rdnt- 
qenitrablen. 

Aktinolith, Mineral, ſ. Hornblende. 

Aktinolithſchiefer, ſ. Hornblendefels. 

ftinometer (qricc., »Strablenmejjer«), von 
Verſchel 1834 erfundenes Inſtrument jur Meſſung 
der erwaärmenden Kraft der Sonnenſtrahlen. Gleichen 
weden Ment Sauſſures Heliothermometer und 
ouillets Borbeliometer (ſ. d.. Sur Meſſung der 
Sonnenſtrahlen benugt man jetzt meiſt cin Thermo: 
ureter mut geſchwaͤrzter Kugel, Me in einem luftleeren 
Gefaß stedt; da aber die Schwärzung nicht unverin 


Ver Angſtroms Rondenfationspyrdbeliometer, 
dem neueften und beſten VUpparat, wird der cine von 
zwei ganz Abnltden, Minnen, einſeitig geſchwärzten 
Wetallſtreifen der zu meſſenden Strablung ausgeſetzt. 
der andre, durch einen Doppelſchirm gegen de Strah 
lung geſchutzt. wird Dard einen eletirochen Strom 
erwarun. Wird die Stronütarke fo reguliert. Dak die 
Erwarmung der beiden Streifen gleich wt. fo rit aud 
Me Stradlunqsenengic gleich Der Mand den eleftrriden 
Strom gugehudrten Energie. A. deißt aud em von 
Vonllet angegedenes Inſtrument pur Wertung der 
mddtlader Barmeitradlung Gi. Ardrroſtop und der 
Whimagrapd (fh. 
Wftimemerph greed... tradttge derkt eee 
Btute Me fed durch mindeiteno geet Edenen ot pre 
aerdudirco gle Wine tele laitt wie ale rogel 
mas gen Bite 
WAftinemofeic, vor BoUmger 1877 erfannte 
cErdantung am Sirabienp.g a Actinemvoes, i. d.d. 
Neen Raenge nadeg ante Bouin's: bton mt 
Siogemt Wis a8 tanMoritrey Romer. 2 Boon 
Wwe. zu er?.r vnen fad. BWreanco sur det Ate kre 


Shae ow > A rewer Mr te eter eect aut der 
Weesieea Nae Bao Bid eoouter & 
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WMeedD = arte dw Rose *“Stutoam. Doles 3 





Aftienpromefjen — tion. 


YU. beim Rind am häufigſten als Kiefergeſchwulſt 
(Winddorn), Holzzunge oder Rachenaftinom i. 
beim Schwein in den Halslymphdrüſen auf. im 
Rind ijt jede Beule am Unterkiefer verdächtig; ber 
Rückgang des Nährzuſtandes tit die Bunge gu unter> 
ſuchen. ließlich köͤnnen die Tiere nicht mehr kauen, 
weshalb baldiges Anmäſten und Schlachten zu em- 
pfehlen iſt. Thomaſſen hat bei Kühen das Jod als 
ſpezifiſches Heilmittel erkannt (Jodtinktur in die 
Krankheitsherde eingeführt und zugleich Jodlalium 
innerlich). Operationen allein führen ſchwer gum Riel, 
da ſich Die Pilze meiſt nicht gründlich beſeitigen laſſen 
und neu wachſen. Um ſo größer iſt die Bedeutung 
der Prophylaxis; vor allem ſind die Stallgeräte ſorg 
fältig gu reinigen und die beim Schlachten der Tiere 
gefundenen Rranlheitsprodufte unſchädlich gu bejetti- 
gen. — Beim Menſchen fommt die A. hauptſächlich 
in Gejtalt von Eiterungen in der Umgebung de3 Mun⸗ 
des, Dor der Wirbelfiule, nm den Lungen, im Darm 
und deſſen Umgebung vor. Jn dem entleerten Citer 
finden fid) die Altinomycesdruſen als fleinjte gelbe 
Körnchen. Auch entiteht brettharte Sdwellung in 
der Umgebung des Pilzherdes (Hol; gel chwulſt cm 
Halſe). Die A. ijt eine fehr ernjte Rranfheit, doch 
werden Die aftinompfotijden Herde nach kürzerer oder 
langerer eit ausgejtohen, amt fdnelliten tn Fallen, 
die fick) auf Kopf und Hals beſchränken. Schwerer 
find die Falle in der Qunge und im Unterleib. Die 
Behandlung muß etne chirurgijde fem, dock lajjen 
ſich Die Geſchwülſte häufig nicht ganz und bei tieferm 
Sige gar nicht exjtirpieren, und man unterjtiigt des - 
halb den chirurgijden Cingriff durch Sod. Eine direfte 
lbertraqung der A. von Tieren auf Menſchen war 
wenigitends nicht immer nadweisbar, Dagegen wird 
der PU; durch Einbohren von Getreidegrannen, 3. B. 


beim Serfauen von Ahren x., in die Schleimhaui ded 


Wundes, in Ne Wandeln, or den Darmfanal und 


durch boble Yabne eingeimpft. Auf dem Lande fomumt 
derlich blerbt, erbalt man damit keine abſoluten Werte. | 


daher A. baufiger vor Erntelrankheit) als in Mr 
Stadt. S. Madurafuß. Bgl. Ponfich, Die A. des 
Menſchen (Berl. 1882. 

Mftion (lat.), Handlung, Tarigher ; Rechtsmittel. 
Klage G. Actio); Gefedt, Treffen; Gebardenfptel ; 
fritber auc allqemeine Benennung von Theaterjtiicen, 
Dauber ber Musdrud Haupt. und Staatsaltionen 
i. DL); in Der Hettfunit Me Art und Weiſe ber Be 
wegung des Vierdes, beionders m den ſchnellern Gang 
arten «bobe, runde. face, lenbte oder ichwere WL). 

Aktion (Actinm, jest wieder A. friiber Akriſi. 
tm Altertum em Borgebdirge der griech. Landſchaft 
Atarnanten, am Eingengem den Umbrafiiden Golf, 
mut einem Tempel des Yipollon, der jett 425 Bundes 
beiliatum Mr Alarnanen war. und emer flemen Ort 
idatt. we hd Antentus vor kr Schlacht gegen ct 
taman lagzerte. be amt 2. Sept. 31 p. br. das Schictjal 
Noma mood. Cttebren bore sis) Mann Aug 
rell, 2 ce) Never od vs) Qrogehdeve, Viateams 
umd Riespetra Tuo kann Augrols, 12,000 Meter 
. Ast den Act Nicopatres wablte 
Antonine den Rome? sur See. Nod ypoetrimneem 
Nome mR Marco. ONorizze Waal, dard ge 
.eette Veeecorien metres Ycite m Vnteem 
SS.cdtime. Posdelo®soo R.ccpetra mit thren boaters 
NT Stet bee Vienne cco lcetee GO) Satie. 
end No Mets itr foe, Bor der Seog fair CF 
‘stom emDccayn, Dae tombe merece weber 
Po der toe ox? Ne WD tre Ruccche ad ergad 
S2 Nees KR seo ds so toe Heer gchagert war, 


— 


gieabkts CMsrae ke Sih Ad ee a: 


aioe 8 


Aktionär — WAFujtif. 


rrenerte den alten Tempel de3 Upollon Aktios, wäh— 
rend er die dort feit alters von den Alarnaniern ge- 
feierten Spicle in erweiterter Gejtalt nad) Nifopolis 
verlegte. Schon 435 v. Chr. Hatten bet A. die ag eh 
in ciner Seeſchlacht über die Rorinther gefiegt. Weiter 
ſiegte bei A. der türkiſche Admiral Chaireddin Barba- 
at 28. Sept. 1538 iiber die Flotten der Spanier, 
Des Papſtes und Venedigs. 

Wftionar (franj.), Attienbeſitzer. 

AFftionator (neulat.), Kiger; Matkler;altionie- 
ren, geridtlid) belangen. 

Aklionsradius (Dampfitrede), der Seeweg 
in Scemeilen (ju 1,85 km), den Kriegsſchiffe mit ölo— 
nomijder Fahrgeſchwindigkeit (meiſt 10 Seemeilen) 
ohne Rohlenerganjzung juriidlegen können. Der A. 
ijt abhängig vom Gebrauchszweck der Schijfe, vom 
Alter der Maſchinen und Keſſel, von der Grope der 
Bunfer (Rohlenraume). Den grdpten A. haben die 

roßen Kreuzer: in Der deutiden Marine Bring 
—— (6720 Seemeilen), in der engliſchen Powerful 
(15,000), in der franzöſiſchen Gloire (10,000), im der 
ruſſiſchen Roffija (19,000), in der nordamerifanijden 
Columbia (19,000 Seemeilen). Linienſchiffe haben 
einen A. zwiſchen 3000 und 6000, Küſtenpanzerſchiffe 
bis zu 2000, Fleine Kreuzer zwifden 8000 und 9000, 
Torpedoboote etwa 2000 Seemeilen. 

Aktionsſtröme, cleftrijhe Ströme, die bei der 
Tätigkeit der Muskeln und Nerven in diefen entitehen. 

Wftionsturbine, ſ. Waſſerrad. 

Aktionszeutren der Atmoſphäre, nach Teiſ— 
ſerene de Bort jene ausgedehnten ſtändigen Gebiete 
hohen und niedern Luftdrucks, durch deren Lagever— 
ſchiebungen und Intenſitätsänderungen die verſchie— 
denen —E für verſchiedene Gegenden 
bedingt werden. Beſonders wichtige A. ſind das Luft— 
drucknaximum über den Azoren, das Gebiet niedern 
Luftdrucks bei Island, das Luftdruckmaximum über 
Sibirien ſowie dasjenige über dem Indiſchen Ozean. 
Die Luftdruckſchwankungen an den Azoren und bei 
Island weiſen in den metiten Fallen einen völlig ent: 
gegengefesten Charafter auf, während die ent{predjen- 
Den Rabhlenwerte von den Azoren und Gibirien auf- 
fallend iibereinjtimmen. Ferner beobadtet man an 
den Underungen de3 Barometers fiber dem Indiſchen 
Ozean und über Sibirien den entgegengefesten Sinn. 
Hinſichtlich der Niederſchläge haben rid ähnliche Be- 
ziehungen ergeben, die bejondern Wert fiir Broqno- 
jen ——— Zeit beſitzen (ſ. Wettervorherſage). 

Aktiſteten (griech.), Partei der Monophyſiten 
(j. d.), Die Den Leth Chriſti fiir »unerſchaffen« hielten. 

Aktiv (lat.), tätig, wirlſam; im Dienjte ftehend. 
lg aftiven Militärdienſtſtand gehören alle 

ilitdrperjfonen des Friedensjtandes ſowie die aus 
dem Beurlaubtenjtand zum Dienſt Cinberufenen und 
int Kriege freiwillig Eingetretenen bis sum Tag ihrer 
Entlajfung. Aktive Drenjtzeit, die Dienjtzeit bet 
der Fahne im Gegenſatze ju der im Referve-, Land- 
webr- und Landjturmverhaltnis. Aktivität, Tatig- 
feit, Wirkfamfeit. 

(fat., WEtiven), die pofitiven Beſtandteile 
eines Vermögens im Gegenjage gu den Paffiva, den 
Sdulden, durd) deren Abzug fic) die Bilanz (ſ. d.) 
ergibt; alſo Grundjtiide, Mobilien, Waren, bares 
Geld, auhenjtehende Forderungen, weld) lestere vor- 
zugsweiſe mit gemeint find, wenn jemand ein Geſchäft 
emit allen Uftiven« iibernimmt. Das Verzeichnis 
der U. und Paffiva, das nad) dem Gandelagefesbudh 
($39 ff.) jeder Kaufmann alljährlich aufzujtellen hat, 
heißt Ynventar. Werden in ciner Vermögensmaſſe 


— — — — — — — — — — — — — — — —— —— —— —— —— —— — — — 


9 


245 
die U. von den Paſſiva überwogen, fo befindet fie fid 
im Zuſtande der Inſuffizienz oder Inſolvenz; das 
gum Zweck der Cinleitung des Nonfurjes foldhenfalls 
aufzunehmende Verzeichnis wird Status qenannt (ſ. 
RKonfursmaffe). Rechnungsmäßig werden in der Bi- 
fanz unter Den Paſſiven alle Soll-Pojten, nidjt nur 
eigentliche Schulden des Eigentümers oder Unternel- 
mers aufgefiihrt, demgemäß bei Aktiengeſellſchaften 
aud) Grundfapital und der Refervefonds (ſ. Altie ꝛc., 
S. 238). 

Aktivgeſchäfte, im Bankwejen diejenigen Ge- 
ſchäfte, die fiir Den Geſchäftsinhaber ein Guthaben be- 

riinden, wie die Disfontierung von Wechſeln, das 

ombardgeſchäft, die hypothefarifden Darlehen ꝛc. 
Den Gegenfag zu den Altivgeſchäften bilden die Paſ— 
fivgefd afte, d.h. folche, aus denen Verpflidtungen 
erwadfen, wie 3. B. die Annahme von Depofiten, 
die Uusqabe von Bantnoten, Pfandbriefen x. Bgl. 
Banten. 

Aklivhandel betreibt cin Volf, wenn es Aus⸗ und 
Einfuhr jelbjt beſorgt. Den Gegenſatz ju demfelben 
bildet Der Baffivhandel, d.h. derjenige Handel, bei 
dem ein Volk ſich von Fremden feine Erzeugniſſe holen 
und feinen Bedarf an fremden Waren herberfiihren 
lift. Visweilen verjteht man unter A. auch den Handel, 
der eine Forderung an das Ausland begründet (Aus— 
fubrhandel), unter Baffivhandel den, aus dem einem 
Land eine Schuld an andre erwächſt (Cinfubrhandel). 

Uftivftand, der wirkliche Vejtand, 3. B. eines Ver- 
migens, einer Forderung, eines Heeres ꝛc. 

Aktivum, die tätige Form des Verbums (jf. d.). 

Aktivvermögen, —* wie Aktiva (ſ. d.). 

Aktöl, milchſaures Silber, weißes, geruchloſes 
Pulver, löſt ſich in Waſſer, wirkt ſtark antiſeptiſch und 
wird zum Gurgeln und zu Spülungen, auch bei 
Zahnkrankheiten benutzt. 

Aktor (lat.), Kläger, Aktorium, Klagevollmacht. 

Aktſche, Nebenbezeichnung des türk. Bara (j. d.). 

Aktualität (franz.), gegenwärtige Wirklichkeit oder 
Bedeutſamkeit, Zeitbedeutung. 

Aktuar (lat. Actuarius), Beamter, der bei Be— 
hörden die Protokolle rc. anfertigt; ſ. Gerichtsſchreiber. 

Aktuell (lat.), wirklich), gegenwärtig, von unmittel- 
barer Bedeutung (f. Wirklich); daher a. fein, auf der 
Tagesordnun — 

Aktuelle ergie (kinetiſche Energie), ſ. 

Aktus (lat.), ſ. Actus. Energie. 

Akuminaten (Condylomata acuminata), ſ. Feig— 

Akupreſſũr (lat.), ſ. Blutung. ſwarzen. 

Akupunktüũr (lat. ⸗Nadelſtich«), Einſtechen forg- 
fältig gereinigter feiner Nadeln in frante Körperteile, 
meiſt zu Unterſuchungszwecken (Wkidopetrajtif). 
Die UW. des Herzens mit zwei Nadeln und eingeſchal— 
tetem eleftrijden Strom (Eleftropunftur) ijt als 
Mittel sur Abhaltung des Todes bei Chloroformver— 

iftungen entpfohlen worden. Die A. joll zuerſt von 
Chineien und Japanern ausgefiihrt worden fein. Im 
17. Jahrh. wurde fie in Europa befannt, tit aber aus 
der modernen Medizin fo qut wie verſchwunden. 

Akureyri (Stadt), ſ. Wfreyrt. 

MFuftiF (qried.), die Lehre vom Schall (jf. d.), be- 
trachtet die Geſehe der Fortpflanzung und Zurüch⸗ 
werfung der Schallwellen, die Erzeugung von Schall⸗ 
ſchwingungen durd Pfeifen, Saiten, longitudinal und 
tranSverjal fdwingende Stäbe, durd Blatter und 
Bloden, die Schwingungsverhiltnijje und abjoluten 
Schwingungszahlen der muſikaliſchen Tine, die In— 
terferen; der Schallwellen, die Entitehung der Stöße 
und RKombinationstine, die Zuſammenſetzung der 


246 Akuſtiſch — Alzent. 


Klänge aus einfachen Tönen — endlich 
— UL.) die pe omg der Stimme und den 
Vorgang des Horens. liber die Geſchichte der A. f. 
Rhye Bal. Helmbholg, Die Lehre von den Ton- 
empfindungen (5. Ausg. Braunfdw. 1896); Tyn- 
dall, Der Schall (3. Aufl. daf. 1897); Blaferna, 
Die Theorie ded Schalles in Beziehung zur Mufit 
(Leip}. 1876); Radau, Die Lehre vom Schall (2.WMufl., 
Miind. 1875); Rayleigh, Die Theorie des Schalles 
(deutſch, Braunfdjw. 1880, 2 Bde.); Melde, Utuftit 
(Leip;. 1883); Bellner, Vorträge iiber A. (Wien 
1892, 2 Bde.); Q. Riemann, Populäre Darjtellung 
der A. in Beziehung zur Muſik (im Anſchluß an Helm- 
hols, Braunſchw. 1886); Jonquieère, Grundriß der 
muſikaliſchen A. (Leipz. 1898). S. aud) den folgen— 
den Artilel. 

Akuſtiſch, der Aluſtik (ſ. d.) entſprechend, nennt 
man einen Raum, wenn tn ihm Rede, Geſang ꝛc. 
liberall qut und deutlid) gehört werden. Dies ijt der 
Fall, wenn die Schallwellen weder in der freien Fort⸗ 
pilanjung vom Erjeugungsorte zum Obre de3 Hörers 
durch Hindernijfe oder ungünſtig refleftierte Wellen 
geſtört, noch durch falſch behandelte Wände, zu viel 
Stoff tm Raum rc. »verſchluckt« werden. Buverlaffige 
Regeln fiir die akuſtiſche Gejtaltung von Raumen gibt 
es nod nicht. BWertvolle Winkle enthalten: Sturm- 
höfel, Die Akuſtik de3 Baumeiſters x. (2. Aufl., 
Dresd. 1898); Derjelbe, Sentralbau oder —— 
(daſ. 1897); Orth im »Handbuch der Architeltur«, 
8. Teil, 6. Band (2. Aufl. Darmſt. 1891). Val. aud 
Rhode, Theorie der Schallverbreitung fiir Baukünſt⸗ 
ler (Berl. 1800); Canghaxs, Uber Theater oder Be- 
merfungen über Ratafuftif (daſ. 1810); Orth, Die 
Vfujtit großer Räume (daf. 1872); Lache z, Acous- 
tique et optique des salles de réunions (2. Aufl., Bar. 
1879); Favaro, L’acusticaapplicata (Turin 1882). 

Akuſtiſche Bewegungserſcheinungen. Cin 
zylindriſcher Reſonator, der auf den Ton einer Stimm⸗ 
gabel abgejtimmt ijt und vor der Miindung des Refo- 
nanzkäſtchens der Stimmgabel an Fäden hangt, wird 





Akuſtiſches Realtionsrad. 


feiner Mündung die Luftidhidten abwedfelnd aus 
und cin. Beim Austreten übt die Luft einen a he 
aus, und diefer ijt größer al8 die entgegengeſetzte Wir⸗ 
tung beim darauffolgenden Hineintreten der Luft, wer! 
beim Wustritte die Luft nicht nur horizontal fort- 
geſtoßen, fondern aud) Luft von feitwwarts angeſaugt 
und tn der Richtung der austretenden Luftmaſſe writ- 
geriffen wird. 

Akuſtiſche Erideinungen am Flammenbo- 
gen, f. Flammenbogen. 

Pitanitese Telegraphie, ſ. Teleqraph. 

Mufti} dhe Wolfe (atujtifde Triibung),durdh 
ungleichmäßig verteilten Waſſerdampfgehalt der Luft 
erjeugte Serjtreuung der Ujtrablen durch Bre- 
dung, bedingt Undurddringlidfeit der Luft fiir 
Sdhallfignale auf weitere Entfermingen. Bei Tage 
wird der Schall viel weniger weit gehört als bei Nacht, 
weil im erjtern Fall der Schall durch die zahlreichen 
Suriidwerfungen, die er an den ungleich erwärmten 
und deswegen ungleid) didten Luftſtrömen erleidet, 
geſchwächt wird, während er fic) in der gleichmäßig 
erwarmten Nadtluft ungebindert fortpflanzt. Nebel⸗ 
fiqnale, die an den Riijten zur Warnung der Seefah- 
rer Durd) Dampfpfeifen oder große Sirenen gegeben 
werden, find bei nebeligem Wetter oft viel weiter zu 
hören als bei flarer Luft, weil legtere Durd die Gon- 
nenjtrahlen ungleid) erwarmt und dadurd) fiir Den 
Schall weniger pte abe ijt. Diefelbe Urſache be- 
dingt als optiſche Wolle Luftipieqelungen. Nad 
Tyndall (1873) entipridt optifde Triibung aluſtiſcher 
Stlarheit und optijde Klarheit aluſtiſcher Triibung 
(j. Atmoſphäre). 

Mt (lat), ſcharf, fpigig, heftig. Ulute Krank— 
heiten haben cinen furjen Verlauf von etwa 2-—4 
Woden, im Gegenjage zu den hronifden, lang: 
Wierigen Kranfheiten, Die monate- oder jabrelang 
dDauern. Sehr viele Rranfheiten verlaufen bald afut, 
bald chroniſch. 

Mfyab, Hauptitadt de3 Regbez. Arakan und des 
Diftritts A. (37,621 qkm mit (se: 416,305 Camp.) 
der britijd-ind. Provinz Birma, an der Miindung 
des Ruladanflujjes, unter 20° 7 nördl. Br. und 92" 
56’ öſtl. L., hat einen quten Hafen mit ſehr bedeuten- 
der Ausfuhr von Reis (1900: 91,688 Ton.), Haiuten, 
Hörnern, Petroleum, gefaljenen Fiſchen, Betelnüſſen. 
Zollhaus, Hofpital, 2Kirchen. Die Bevöllerung( 1891 : 
37,938), nur ju einem Viertel weiblichen Geſchlechts, 
befteht aus Buddhijten, Mohammedanern, Hindu und 
etwas iiber 1000 Chrijten. — A. ijt feit 1826 britifd, 
Sits deS Chief Commiffioner der Proving und eines 
deutſchen Konſuls. 

Akyanoblepſie (griech.), ſ. Farbenblindheit. 

Akylas, jüd. Proſelyt, ſ. Aquila. 

Akzeleration (lat.), Beſchleunigung (j. d.). 

Akzent (lat. accentus, bei den Griechen prosodia, 


| *Beigefang«), m der Grammatif die Bet onung und 


die zur Bezeichnung derjelben üblichen Zeichen (Al— 
zente). Die griechiſchen Atzente wurden von dem 


angejogen, wenn man die Stimmgabel sum Tönen alexandriniſchen Grammatifer Ariſtophanes von By- 
bringt. Er wird abgeſtoßen, wenn man thn geniigend | zanz (3. Jahrh. v. Chr.) erfunden. Für den A. gibt 
verſtimmt. Befeſtigt man vier leidte, fugelformige | es im Griechiſchen drei Beichen: die oxeia prosodia(‘), 
Refonatoren an den vier Armen eines leichten, auf | »der ſcharfe oder Hodhton« (accentus acutus); die 


einer Spige ſchwebenden Kreuzes, fo daß fie ihre Miin- 


bareia prosodia (*), »der gefentte oder Tiefton« (ac- 


Dungen Horijontal und tangential nad) der gleichen centus gravis), und die perispomene prosodia (>), 
Richtung fehren (ſ. Wbbildung), fo gerat der Apparat | »der gewundene U.«, nad der Geſtalt des Zeichens 
tit Dem Der Richtung der Miindungen entgegengeſetzten (accentus circumflexus), womit ein gedebnter, ſich 


Sinn in Drehung, fobald man ihm den Rejonany 


erjt hebender und dann fenfender Ton bezeichnet 


fajten einer gleichgeſtimmten Strmmgabel näheri. wurde. Auch die alten indiſchen Grammatifer find 
Wenn nämlich cin Refonator tint, fo ſchwingen an | die Erjinder eines Syſtems von Alzentzeichen, die fie 


Afsentuierte Buchſtaben - 


jedod nur in den vedifden Schriften sur Anwendung 
bradten. Sie unterjdjieden einen »gehobenen Ton« 
(udatta), einen »ungehobenen Ton« (anuditta) und 
einen »tonenden A.« (svarita), der als cine Rombi- 
ration eines höhern mit cinem tiefern Ton befdrieben 
wird. Der griechifche wie der indifde A. driidten die 
muſilaliſche Hohe oder Tiefe des Tones aus. Dagegen 
beruht in den neuern europäiſchen Sprachen der A. 
meiit of mehr oder weniger lauter Ausſprache der 
Silbe, aljo auf der Yntenfitat de3 Tones. Den mufi- 
talifden A. haben wir Deutſchen vornehmlid als 
Sabton, der von dem Wortakzent wohl zu unter- 
fcheiden ijt; fo hat 3. B. in dem fragenden »wirflid ?< 
die zweite Silbe cinen höhern Ton als die erjte, die 
ibrerjeits ft arfer betont ijt und den Wortakzent trägt. 
Nach der Stellung des Hod)- und Haupttons im Worte 
hat man ju unterjdeiden zwiſchen Spraden mit freier 
Betonung, in denen der A. an feine beftimmte Stelle 
im Worte gefeffelt ijt, und foldhen, in denen er eine 
fejte Stellung im Wortforper einnimmt. Bu den 
erjtern gehört 3. B. das Ruſſiſche, gu den legtern 3. B. 
das Laleiniſche, wo der UW. regelmäßig auf der sweit- 
oder drittletzten Silbe fteht, das Deutfde und das 
Tſchechiſche, wo ihn die Stammſilbe, gewöhnlich die 
Anfangsſilbe, und das Polniſche, wo in die vorlepte 
Silbe trigt. In Sprachen, in denen die Tonſtärke vor- 
waltet und der A. auf den Anfangsſilben ruht, haben 
die nachfolgenden ſchwachtonigen Silben im Laufe der 
Zeit ſtets ſtärlere lautliche Verluſte erlitten, z. B. neu- 
ochdeutſch der vorderjte aus althochdeutſch fordardsto. 
gl. Brugmann, Grundrij der vergleidenden 
@rammatif, Bd. 1 (2. Mujl., Strakb. 1897); Sievers, 
Grundzüge der Phonetif (5. Aufl., Leipz. 1901). 

GSR” Uber bad in »Mevers Ronverfations-Leritone auf man⸗ 
den Stichwörtern verwendete Betonungsyeiden f. bie Be 
merfung beim Art. »>Musfpracec. 

In der Mufif verjteht man unter A. die Hervor- 
hebung einjzelner Tine durch größere Tonjtirfe und 
(geringfiigige) Dehnung. Regelmipige Akzentträger 
find die Schwerpuntte der Motive, die unjre Noten- 


ſchrift durch den Taktſtrich fowie (in zufammengefepten | 


Taftarten) durch Unterbredhung der Querbalfen der 
Achtel, Sechzehntel rc. anzeigt. Dod erfolgt deren 
Alzentuierung nidt plötzlich, ruckweiſe, fondern ift die 
Wipfelung des Dem Wuftatt ufommenbden crescendo; 
reicht das Motiv mit einer —— weiblichen Endung 
fiber den Taktſtrich hinüber, fo ijt fiir dieſe das dimi- 
nuendo die felbjtverjtindlide Vortragsweife. Diefer 
aus der TaftordDnung fic) ergebenden grundlegenden 
Ufsentuierung fteht gegenüber die Alzentuierung ein- 
ne Tine aus melodijdhen Griinden (Gipfelnoten 

er Melodie) oder aus harmonifden Griinden (Diffo- 
nanzen, moDdulierende Tine) fowie die ſtärlere Be- 
tonung der Wnfangsnoten der Motive, die einzelne 
hellere Lichter aufſetzen. Bal. die Urtifel »>Tatt, Rhyth- 


mif, Phrafierunge. WS Name einer Verzierung ijt | 


A. foviel wie Vorſchlag (jf. d.). 

Akzentuierte Buchſtaben, im Buddrud alle 
Buchſtaben mit einem Wfjent oder Ausſprachezeichen 
(alfo nicht blog a, &, A, & x., fondern aud fran}. ¢, 
fpan. fi, ſchwed. 4, dän. o, poln. a, tſchech. &, F u. a.). 

Aktzepiſſe, ſ. Accepi. 

Akzept (lat., »angenommen«), die auf einen ge— 
zogenen Wechſel (ratte) gebrachte Erllärung des He. 
gogenen (Trajjaten), bez. auch des Notadrefjaten, dah 
er den in Dem Wechſel enthaltenen ———— 
annehme (»atzeptieres). Der Bezogene wir ro be 
al8 Akzeptant jedem rechtmäßigen Inhaber des 
Wechſels felbjtindig und wechſelmäßig zur Zahlung 


Akzeß. 247 


der alzeptierten Summe verpflichtet. Als Form ge— 
nügt nach der deutſchen Wechſelordnung die einfache 
Zeichnung des Namens, bez. der Firma auf der Bor- 
derſeite des Wechſels; üblich ijt es, das YW. quer über 
den linfen Teil desſelben (die Anfünge der Zeilen) gu 
ſchreiben, oft mit dem Zuſatz sangenommene, aud 
wohl unter BWiederholung der Verfallzeit und der 
Summe. Die Wiederholung der Summe in Buch— 
ftaben ijt in allen Fallen dem Akzeptanten gu em— 
pfeblen. agg des Datums der Wtzeptation ijt 
nur ndtig bet Wedjeln, die eine gewiſſe Zeit nad 
Sicht, d. h. von der Vorzeigung (Prijentation) zur 
Unnahme an gerednet, fällig werden. Dit das WL. 
falfd) oder gefalfdt, fo bleiben gleichwohl Indoſſant 
und Ausſteller wechſelmäßig verpflichtet. Wird das 
A. verweigert oder auf cinen Teil der Wechſelſumme 
beſchränkt (Teilafgzept), fo fann der Prajentant 
Proteſt (ſ. d.) mangels Annahme erheben laſſen. Rad 
kaufmänniſchem Sprachgebrauch verſteht man unter 
A. aud den atzeptierien Wechſel. Übrigens pflegt 
man auch die Annahnie eines anderweitigen gezogenen 
Wertpapieres von ſeiten des Bezogenen (Adreſſaten, 
Aſſignaten, Traſſaten) A. gu nennen, fo namentlich 
die Annahme eines Checks oder einer Bankanweiſung. 

Akzeptabel (lat.), annehmbar. 

Akzeptant, im — * derjenige, der auf 
einen Wechſel cin Alzept (ſ. d.) ſetzt. 

Akzeptanten, kirchliche Partei, ſ. Janſenismus. 

Akzeptation (lat.), »Unnahmes eines Auftrags 

ur Zahlungsleiſtung, insbeſ. berm Wechſel (ſ. Akzepl). 

. per onore (ital.), »Ehrenannahme« bei Wechſeln 
(jf. Wechſel). Akzeptationskonto (Akzepten— 
fonto, Trattenkonto), das Konto, auf dem Aus— 
ſteller von Tratten entweder ſchon nach Empfang des 
Aviſes oder nad erfolgter Annahme debitiert werden, 
während nach erfolgier Einlöſung der Tratte das 
Kaſſenkonto Laſten des Akzeptationskontos zu kre— 
ditieren iſt. Alzeptationstredit, dad Vertrauen, 
das ein Kaufmann dadurch genießt, daß die von ihm 
ausgeſtellten Wechſel bis gu einer beſtimmten Sunme 
ohne vorausgegangene Deckung alzeptiert werden. 
Atzeptationszeit, die gcieeta vorgefdrieben: 
Friſt, in der ein Wechſel dem Bezogenen zur Unnahine 
prijentiert werden und diefer fich iiber Unnahme oder 
Nidtannahme erklären muh. 

Akzepteinholung, ſ. Poſtauftrag. 

Akzeptieren (lat.), annehmen, namentlich einen 
präſentierten Wechſel. Val. Alzept. 

Akzeptilation (lat.Empfangseintragung«), f. 
Quittung.— Ju der Dogmatik ijt A. die von Duns 
Scotus und von den Urminianern verteidigte Lehre, 
| Daf Die von Chrijtus geleijtete — zwar nicht 

an ſich ausreichend geweſen, von Gott aber als ge— 
nügend angenonimen worden fei; ſ. Chriſtologie. 

Ufseptprovifion, die Vergiitung (meiſt — Vs 
Pro}3.), die Bankhäuſer dafür berechnen, daß fie Trat- 
ten alzepticren, die auf Grund bewilligten Kredils 
| (de3 Alzeptationskredits) auf fie qezogen werden ; dann 

die Dem — ———— zu zahlende Vergütung, 
wenn derſelbe nicht zur Zahlungsleiſtung gelangt, weil 
der Bezogene oder ein andrer Intervenient gezahlt hat. 

Akzef (lat.), Zutritt, Zugang; Anwartſchaft; 
insbeſ aber die Zulaſſung junger Juriſten zur prak⸗ 
tijden Ubung bet einem Gericht oder einer Berwal- 
tungsſtelle. Utzeffift, ein fo Zugelajjener, bei man- 
den Geridten aud) Uustultator oder Auditor Que 
horer) qenannt; überhaupt Anwärter, einer, der An— 
warticdaft auf eine Unftellung hat; in Ojterreid) auch 
Benennung fiir Militdrbeamte im Leutnantsrang, 

















248 Akzeſſion — Alabama. 


wie Medifamenten- (Apotheker⸗), Kaſſen-, Verpfle- | Alzipieren (lat.), empfangen, annehmen. 
oe und Rechnungsakzeſſiſt. Alziſe (Assisia, Accisia, Cisa, daber früher aud 
fxeffion (lat. accessio, »Beitritte), Zuwachs, Ziefe), Bezeichnung fiir verfdiedene verbrauds- und 
jur Hauptiade nod) Hinzukommendes (ſ. Anwach- verlehrsſteuerartige pare namentlid) aber fiir 
jung). Früher aud) foviel wie Regierungsantritt, | im Jnland erhobene indirefte Uufwandjteuern von 
Thronbejteiqung. | feilgebotenen Verbrauchsgegenſtänden, und zwar als 
Akzeſſionsvertrag, vilferredtlidh cin Vertrag, Fabrikakziſe am Erzeugungsorte der ju beſteuern— 
durd den cine Macht dem jwijden andern Mächten den Waren, als Torakziſe beim Cingang in einen 
abgeidlofjenen Bertrag mit gleiden Redten und! bewobhnten Ort erhoben. Der Name findet ſich heute 
Pflichten wie die Vertragidliegenden beitritt (ſ. Wd- nur nod in England (Excise), in Rupland und den 
Hifion); dann die Vereinbarung, durd welde die Re-  Niederlanden. Jn Baden und Wiirttemberg ijt »der« 
gierung oder cin wefentlider Teil der Regierungs- | Immobilienalzis cine Abgabe von Liegenjdafts- 


redjte an einen andern Staat tibertragen wird, obne | tibertraqungen. 


daß cin völliges Aufgehen oder eine eigentlide Cin- 
vericibung ftattfinde. So ijt 3. B. durch die Akzeſ— 
ſionsverträge vom 18, Juli 1867, 24. Nov. 1877 und 
2. ai 1887 Die ganje Verwaltung des Fiirjtentums 
Wal 
jeine ciqne Gejegqebung bebalten hat. 

Utseffitt, |. Nen ie 

Meszéffit (lat. accessit, »er ijt hinjugefommens), 
bei ————— zweiter oder Nebenpreis. 

Alzeſſo 1. hingutretend, -fommend. 

Akzeſſori Beltandmaiten eines Gejteins, dic 
in ihm befindliden Nontretionen, Sefretionen 
und Einſchlüſſe fremdartiger FelSarten. Akzeſſori— 
jhe Bejtandteile, dicjeniqen Gemengtetle eines 
Geſteins, die nicht weſentlich gu ihm gehören. Bal. 
Gejteine. Ufzefforifde Bliitentertle, die aufer 
Steld)-, Blumen-, Staub- und Frudtblattern vor 
handenen Bliitenteile, wie Nebenfrone, Neftarien rc. 
Atzeſſoriſche Knoſpen, in der Blattadjel neben 
oder iiber Dem Achſelſproß entitehende Knoſpen. 

Akzidens (lat. accidens), das Verinderlide, Zu— 
jallige an einem Ding tm Gegenfage ju dem unver- 


dnderlidjen Wejenstern, der Subjtany (j.d.). Wile ſinn⸗ 
lid) wahrnehmbaren Cigenidaften gehören gu den Al— 


ziden sien, da fie den Gegenſtänden nur unter beſtimm— 
ten Bedingungen jufommen. Noch weitergehend faßt 
Die moniſtiſche Metaphyſik die endliden und verging: 
lichen Cingeldinge ſelbſt als bloße alzidenzielle Modi— 


ſilationen od. Erſcheinungsweiſen der unendlichen, der 
Erſcheinungswelt ju Grunde liegenden Subſtanz auf. | 
Akzidentalen Akzidenzien, lat.), in der Muſit 


joviel wie Verſetzungszeichen (7. d.). 
WFsidentalien (lat., »{ufilligteiten<) find Jn 


halisbejtandteile eines Rechtsgeſchafls, die weder zu 


ſeinem Zuſtandelommen notwendig jind (essentialia, 
substantialia negotii, weſentliche Crfordernijje), nod 
mangels befonderer Bartewwereinbarung von der 
Rechtsordnung als vorhanden angenommen werden 
(naturalia negotii, ergãnzbare Bejtandteile), fondern 
jedesinal befonderer —* ung durch die Vertrag 
ſchließenden bedürfen, um 
abreden). 

Alzidentell (lat.), zufällig, außerweſentlich, was 
leiner beſtimmten Regel unterworfen iſt. 

Akzidenzen (lat.), im Gegenſatze zum Werk⸗ und 
Seitungsdrud der Druck von Wertpapieren, Altien, 
Rechnungsformularen, Tabellen, Preiskuranten, Bir 
fularen, Programmen, Etifetten rc. Dieſe Druchſachen 
werden häufig mehrfarbig und mit Golddruck und 
unter Anwendung verſchiedener graphiſcher Manieren 
ausgeführt, und gwar meiſt durch beſonders geſchulte 
Akzidenzſetzer und-drucker und auf Aktzidenz 
maſchinen, ſ. Schnellpreſſe. 

zien (lat.), zufällige Nebeneinnahmen, 

im firdliden Vermögensrecht ſoviel wie Stolgebiih 
ren (f. D.). 


eltung ju haben (Neben 


Al, in der Chemie Zeidjen fiir 1 Utom Aluminium. 
M1, ſ. Morinda. Deutet »bunt<. 
Mla (tirt.), in zuſammengeſetzten Ortsnamen, be- 
Mla (lat., »Fliigel«), tm Heere der rdmifden Re- 


f auf Breujen libergeqangen, wabrend jenes | publif bis zur Crteilung des Biirgerredts an die 


italiſchen Bundesgenoſſen, 89 v. Chr., das je einen 
Flügel der Schlachtordnung bildende Kontingent der- 
jelben, deffen Geſamtbetrag fiir ein fonjulariides 
Deer (2 Legionen) ca. 10,000 Fußſoldaten und 1800 
Reiter war. Die Infanterie jeder A. zerfiel m 10 Ko— 
horten und hatte Drei römiſche Oberoffiziere (pracfecti 
socium), unter denen Die ——— Offiziere 
(praefecti cohortium) ſtanden. Im engern Sinne 
bezeichnet A. eine Abteilung der Bundesreiterei zu je 
300 Mann in 5 Turmen, in der Kaiſerzeit, wo die 
Reiterei aus den Provinzen ausgehoben wurde, Ab— 
teilungen von 500 Mann in 16 oder 1000 Mann in 
24 Turmen; die Befehlshaber hießen praefecti equi- 
tum. Im römiſchen Haufe hiek A. jeder der beiden 
Seitenraume im hintern Teil des Atriums; bier ftan- 
den bei Witaliedern Der Nobilitat in kleinen Schrei— 
nen die Wadsmasfen (imagines) Der Vorfabren. 

Wla, Stadt in Siidtirvol, Besirfsh. Rovereto, an 
der Etſch und der Südbahnlinie A.-Kufſtein, mit 
Grenzbahnhof gegen Stalien, hat ein Bezirksgericht. 
Hauptjollamt, Gymnaſium, bedeutenden Wembau, 
Seidenraupengudt, Scidenfpinneret, Samtfabrifa- 
tion, Holz⸗ und Rajehandel und (1900) 4933 ital, Cin: 
wobner. 

Ala. , Abkürzung fiir Alabama (Staat). 

Mela (or. sta), Piz d', ſ. Err, Piz d’. 

Wlaaf (niederdeutidh), hod auf! hod! 

a la baisse (jranj.), ſ. Baiſſe. 

Wlabama (VU. River, indian. »Hier ruben wir«), 
Fluß im —— nordamerilan. Staat, bildet 
ſich aus den ſüdappalachiſchen Gebirgsſtrömen Cooſa 
und Tallapooſa und vereinigt ſich mit dem Tombig— 
bee jum Mobile River (j. d.), bis Wetumpfa, 600 km 
von der Mobilebai, ſchiffbar. Wn feinen Ufern wur- 
den viele foffile Tierrejte (Hydrarchus) gefunden. 

Alabama (abgekürzt Ala.), ciner der Siidjtaaten 
der nordamerifan. Union (jf. Rarte » Vereinigte Staa- 
ten, djtlides Blatt «), swifden 30" 10‘— 35° nördl. Br. 
und 84" 53°— 88° 35‘ weſtl. L., 135,320 qkm groß 

und umgrengt von Miſſiſſippi, Tennejjee, Georgia, 
Florida und Dem Golf von Werifo. Den norddjt- 
lichen Teil durchziehen ſüdappalachiſche Gebirgswälle 
(Choccolocco-, Loofout-, Racoun⸗, Red Mountains) 
bis 630 m bod) und reid) an Eiſenerz- und Roblen« 
| lagern. Hier find die Wirtſchafts- und Nulturverbalt- 
niſſe ähnlich wie in den nördlichen Unionsitaaten 
und Wetreidebau, Bergbau und Induſtrie ſtark ent- 
wickelt. Der mittlere Feit ijt hügelig, etwa 100 m 
hod), gum Teil nod) Kohlenland (am Big Warrior 
River), vor allem aber durch eine breite Zone reichen 
| fretazetidhen Kallſteinbodens (den fogen. Blad Belt 


Alabama — 


oder Schwarzen Giirtel) ausgezeichnet. Bon Natur 
mit berrlidem Waldwuchs von Eichen, Rajtanien, 
Hifory:, Nuß- und Tulpenbäumen, Magnolien, Bla- 
tanen, Pappeln, Tupelos, lang- und furjnadeligen 


Stiefern 2. bejtanden, ijt dieſe Gegend durch die Kultur | 
Die Hauptitatte des Baunnvollbaues geworden, mit | 
ſtark iiberwieqender Negerbevilferung. Den Silden | 


ninimt eine Niederung ein, die, teils jandig und mit 
ee Riefern (Pinus australis, P. cubensis, 
P. taeda) bewadjen, teils ſumpfig und hobes Röh— 
ridjt (Canebrafe) mit Sumpfzypreſſen und Zwerg— 
palmen tragend, die Hauptititte der Terpentingewin- 
nung und Holzſchlägerei ijt. Der allgemcinen Ab— 
Dadjung des Landes gegen S. entſpricht der Lauf der 
Flüſſe, von denen mur Der mächtige Tennejjee (ſ. d.) 
das Gebiet in nordweſtlicher Richtung verlagt, wäh— 
rend der Mobile River (ſ. d.) ebenjo wie der Escambia, 
Choctawhatdee und Chattaboodee (an der Grenze 
gegen Georgia) ſämtlich unmittelbar in den Merifa- 


nifden Golf miinden. Die 56km im das Staatsgebiet | 
cingreifende Mobilebai ijt ein ſeichtes Haff; dod hat | 


man durch Ausbaggerung ein 7 m tiefes Fahrwaſſer 
bis gu dem Gemates Mobile (j. d.) geſchaffen. Bon 
der Bodenflide find 312,000 Heftar Kohlenfläche, 
7 Dull. Heftar Waldland, 3,3 Vill. Heftar Rulturland, 


1,160,000 $eftar mit Baunwwolle und 1,080,000 | 


Heftar mit Mais bebaut. Das Klima ijt im allge- 
meinen gefund, die Sonumer find aber lang und heiß, 
und int S. fowie im den Flugniederungen find Ma- 
lariaficber häufig. Die Temperatur ſchwankt im Som- 
mer zwiſchen 15 und 40°, im Winter zwiſchen —27 
und + 28° Schnee fällt im N. reichlich. Die jähr— 
lice Regenmenge beträgt im Durdfdnitt 1250 mm 
(Mobile 1640 mm, Montgomery 1130 mm). Die 
Bevölkerung zählt (900) 1,828,697 Seelen (gegen 
1,513,017 im J. 1890, oder 20,9 Bro3. Zunahme), wo- 
von 916,764 mannlide, 911,933 werblide, 1,001,152 
Weife, 827,545 (45,2 Pro3.) Farbige und nur 177 
Indianer, 58 Chinejen und 14,592 im Ausland 


Geborne. Die Bevöllerungsdichte betriigt alfo nur | 


13,5 auf 1 qkm, und in den (6) Städten von fiber 
4000 Einw. wobnen nur 7,3 Proj. der Bevblferung. 
Sdulfinder gibt es (898) 567,110 (312,660 weiße 
und 254,450 farbige); fiir Den höhern Unterridt 
forgen 8 Rolleges mit 118 Lehrern, 1543 Sdhiilern, 
105,800 Bibliothefbanden und 108,779 Doll. Cin- 
fiinften. Die Staatsuniverjitat befindet fid in Tus- 
calooja. In A. erſcheinen 231 Zeitungen. Baum- 
wolle erjeugte A. 1900: 1,005,313 Ballen, Mais 
29,355,942 Bujhels, Weizen 916,351 B., Hafer 
4,480,754 B., Bataten (1890) 4,339,170 Bufhels. Wn 
Bich zählte man: 133,546 Pferde, 132,321 Maul- 
tiere, 511,080 Kinder, 171,799 Schafe und 1,5 
Mill. Schweine. Der umfangreide Bergbau und 
Hiittenbetrich forderte 1899: 7,484,763 Ton. Kohle, 


2,098,621 T. Eiſenerz und (1897) 947,831 T. Roheiſen. 


Wn Gold wurden 1793 —1898 nur 260,841 Doll. 
zur Münze qebradt, an Silber nur470Doll. Die Jn 
dujtrie hat fid) in den letzten Jahrzehnten ſehr ent: 
wicelt und ijt bejonders bedeutend in Eiſen und Stahl 
ſowie im Maſchinenbau (Birmingham, ſ. d.), in Ziegel 
brennerei und Tonwaren, in Baumwolle, in Sage 
werfen und Getreidemiiflen. Cijenbahnen gab es 
1899: 6479 km, Schiffahrtsſtraßen 3200 km, Tele- 
raphenlinien (806) 6567 km. Hauptfeehafen und 
Oeabelgvla ijt Mobile (f. d.), Hauptausfuhrgegen- 
jtande find Baumwolle, Holz, Kohle, Terpentin und 
Har}. Das jteuerbare Cigentum wird 1899 auf 266,2 
Mill. Doll. veranfdlagt, die Staatseinnahmen be- 


249 


| tragen (1898) 2,283,875 Doll., die Musgqaben 2,208,632 
Doll., die Staatsſchuld 9,5 Mill. Doll. — Nad der 
Verfaſſung von 1868 ruht die geſetzgebende Gewalt 
in Den Handen eines Senats von 33 und eines Ab— 
geordnetenbaujes von 100 DMitgliedern, von denen 
erjtere auf vier, leBtere auf zwei Jahre gewählt werden. 
Der Gouverneur, die obern Staatsbeantten und ſämt⸗ 
liche Richter werden vom Volfe gewählt. Im Kongreß 
ijt UW. durd) neun Repriifentanten vertreten. Die 
Staatsmilis ijt 2322 Wann jtarf. Hauptitadt ijt 
Montgomery. 

Gel dhidtlides. Das Gebiet von A. bildete an- 
fangs einen Teil des fpanifden Florida. 1698 landete 
aig ti P)berville in der Ubjicht, zwiſchen Frank— 
reid) und dem Miſſiſſippiland eine nähere Verbindung 
herzuſtellen, nidt weit von der Stelle, wo jest Mobile 
liegt, was 1702 die Erridtung eines Forts dafelbit 
zur Folge hatte. Bis 1800 —— jedoch wenig zur 
Koloniſierung des Landes. Nach dem Unabhängig— 
ae gehörte der größte Teil von A. ju Georgia. 
Dies überließ aber 1802 alles Land weſtlich vom 
Chattahoodee der Union, die daraus und aus dem 
zwiſchen Dem Perdido und Miſſiſſippi gelegenen Teil 
von Wejtflorida ein Gebiet bildete. Hieraus wurden 
1817 zwei Territorien gejdieden, wovon das öſtliche 
nad feinem Hauptfluß Wiabama genannt, das weſt— 
lide gum Staat Miſſiſſippi qefidlagen wurde. 1819 
nahm das Territorium cine Ronjtitution an und trat 
1820 als Staat in die Union ein. 1861 fagte ſich A. 
von der Union LoS und ſchloß ſich der ſüdlichen Kon— 
foderation an, deren Sentralgewalt anfangs in A. 
ju Montgomery tagte. 1868 ijt W. wieder als voll. 
beredtigter Staat in die Union aufgenommen wor- 
den. Val. Pidett, History of A. (1851; neue Ausg., 
Ytlanta 1896); Hillyard, The new South, its re- 
sonrces and attractions (Valtimore 1887); MeCal— 
ley, Report on the valley regions of A. (Mont- 
gomery 1896 — 97, 2 Vde.). 

Alabamafrage, Streitfrage zwiſchen den Ver— 
einigten Staaten von Nordamerifa und England, 
veranlaßt dDurd) Den Schaden, den Gaperidife Der 
ſüdlichen Konfdderation wahrend des Sezeffionstriegs 
dem Handel der nordamerifanijden Union zugefügt 
atten, fo befonderS die in Liverpool ausgeriijtete 
Wlabama unter Kapitin Semmes, die endlich 
19. Juni 1864 von dem amerifanifden Kriegsſchiff 
Rearjarge bet Cherbourg zerſtört wurde. Nady ihr 
wird der ganze Streit YW. genannt. Die Regierung 
der Vereinigten Staaten von Nordamerifa erblicte 
nämlich in Dem Verfahren Englands, das nichts ge— 
tan hatte, um das Yuslaufen Der fiidlichen Piraten⸗ 
ſchiffe aus englifden Hafen ju verbiiten, einen Neu— 
tralitätsbruch und verlangte Erſatz fiir allen durch 
die Alabama und ähnliche Schiffe angerichteten direften 
und indireften Schaden. Nady Beendiqung des Se— 

zeſſionskriegs beqannen die Verhandlungen über dieſe 
* die nicht ſelten eine ſo ernſte Form annahmen, 
daß ein Krieg zwiſchen den Vereinigten Staaten und 
England auszubrechen drohte. Beide Mächte ſetzten 
endlich eine gemeinſame Kommiſſion im Februar 1871 
nieder, und das Ergebnis ihrer Arbeiten war der 
Vertrag zu Waſhington vom 8. Mai 1871, demzu— 
folge cin internationales Schiedsgericht die Wlabama- 
jorderungen Nordamerifas gegen England priifen 
follte. Dieſes tagte feit Januar 1872 in Genf und 
bejtand aus fünf Berjonen, ernannt von den Ver— 
einigten Staaten (Ch. F. Wdams), England (Sir 
A. Codburn), Italien (Graf Sclopis, Prayident), der 
Schweiz (Stämpfli) und Brafilien (Baron Itajuba). 


Wlabamafrage. 














Alabandin — Wlagon. 


le-Monial (f.d.). In ihren Versiidungen verfehrte 
jie mit Jeſus als ihrem Berlobten, der fie nrit Lieb- 
fofungen fiberjdiittete und ihr den Auftrag erteilte, 
mit Hilfe des Jeſuiten La Colombiere die Andacht 
jum Allerheiligſten Herzen zu jtiften. Sie ftarb 17. 

ft. 1690 und wurde von Pius IX. 1864 feliq qe 
fproden. S. die Urt. »Heiliges Her; Dejuc und »Ge⸗ 
ſellſchaft des Heiliqen Herjzens Jeſu⸗ Vgl.Languet, 
Leben der gottfeliqen Marg. Mar. A. (1729; deutſch. 
Regensb. 1864, 2 Bde.); Bougaud, Histoire de la 
bienheureuse Marguerite-Marie (10. Wufl., Bar. 
1900); » Vie et uvres de la bienheureuse M. etc.< 
(3. Aufl., Daf. 1901). [fientaler. 


250 


England erfannte den Grundfab an, dak eine neue 
trale Macht fiir den Schaden verantwortiich fei, den 
cin in ihren Häfen ausgeriiftetes und bemannteds 
Schiff einer befreundeten Macht zufügt. Die Ber- 
einigten Staaten verzichteten Dagegen auf die Ent- 
ſchädigung fiir die Durd) Die Kaper indireft zugefügten 
Verluſte, worauf im September 1872 das Schieds- 
gericht zu Genf den Vereinigten Staaten eine Entſchädi— 
gun sſumme von 3,229,166 Pfd. Sterl. (15 Will. 
Doll) zuſprach. Bgl. Semmes, The cruise of the 
Alabama and Sumter (Mew Yorf 1864); » Official 
correspondence on the claims in respect to the 
Alabama« (Lond. 1867); »American opinions on 





Alabama« (Rew Yorf 1870); Bluntſchi, Opinion 
impartiale sur la question de la Alabama (Berl. 
1870); Geffden, Die A. (Stuttg. 1872). 
Alabandin, Mineral, foviel wie Manganblende. 
Wlabafter, Name zweier Mineralien (benannt 
nad) Der Stadt Ulabajtron in Oberägypten, in deren 
Nähe das eine fich haufig findet), nämlich de3 durch— 
ſcheinenden Ralffinters und de Hellfarbigen didten 
Gipſes. Jener, der Ralfalabajter (Onyrmar- 
mor, ſ. d.), ift ein junges, nod) täglich entitehendes 
Gebilde der Höhlen in RKalfgebirgen und jtellt ein 
milchweißes, aud) weins und honiggelbes, zuweilen 
qeitreiftes oder gefledtes, durchſcheinendes Gejtein dar, 
das harter als Gipsalabajter ijt, in Stalaftiten und 
Stalaqmiten vorkommt (Höhle auf Untiparos, bei 


Cajtleton, Baumannshöhle) und fid am ſchönſten als 


Sinter in den Badern von San Filippo in Tosfana 
erjeugt, Wo man das faſt ſiedendheiße Quellwaſſer 
liber Hobhlabgiijje von Bildwerkfen laufen läßt, die 
jid in 1—4 
der Dann, abgehoben, das Bild als genaues Relief 
darſtellt und ſchöne Politur annimmt. — Gipsala— 
bajter ijt durchſcheinend, ſchneeweiß, aud) qrau und 
gelblic), oft geadert, gewolft. Er kommt fajt jtets 


mit körnigem und blatterigem Gips in großer Bere | 





onaten mit ſchneeweißem A. ausfiillen, | 


Wiad, bei den Urabern der halbierte Mariathere- 
Ala Dagh (>bunter Berg<), Gebirge in Turkiſch⸗ 


Urmenien, im R. des Wanjees, 3520 m hod. Un ſeinem 
Nordhang entipringt der öſtliche Euphrat (Murad). 


werner Name verſchiedener Verqqruppen in Kleinaſien. 

Aladja Dagh, Berg in Urmenien (zwiſchen Kars 
und Wlerandropol). Hier befiegten 15. Oft. 1877 die 
Ruffen unter Lazarew und Heimann die Tiirfen un- 
ter Mufhtar Paſcha. 

Aladjas, bei der Landbevilferung in Smyrna 
und im Wilajet Widin beliebter, rot, blau, ſchwarz 
qelb, weiß gejtreifter Baumwollenſtoff Ds Wejten, 
Unterfleidern, Bettwajde, aus Garnen Rr. 6 —21 
hergeſtellt. 

ladro ſtaſtriota, Prinz gJohannes (Juan)d, 
alban. Prätendent, geboren in Spanien, angeblicher 
Nachkomme einer Tochter Sfanderbegs (f. d.), früher 
diplomatiſcher Agent Spaniens im Haag, erließ An— 
fang Februar 1902 von Paris aus einen Aufruf an ſeine 
albaniſchen Landsleute, ohne Anſehen des Befennt- 
niſſes national -albanifche Vollsſchulen in Albanien 
zu gründen. Wm 3. März folgte cin Aufruf des al- 
baniſchen Ausſchuſſes in Rom, A. als Führer der 
national - albaniſchen Bewegung anzuerkennen; An⸗ 
fang April trat in Neapel ein Kongreß zuſammen, 


breitung vor, fo bei Salzburg, Hallein, bei Richels- um eine italieniſch-albaniſche Propaganda einzu— 
Dorf in Heſſen, Liebenburg bei Hannover, von vor⸗ leiten. Die Rechte Aladros werden bejtritten von den 
trefflicher Qualität bei Volterra in Oberitalien, im | Neapolitanern Marcheſe Uuletta Rajtriota und Baron 
Ural xc. Wegen feiner geringen Härte (2) wird er nur | Foffacena, die in mannlider Abfolge von Standerbeg 
ju Vaſen, Nippgegenftanden, Geräten und Tiſchplat- abzuſtammen vorgeben. Ende April war die Ugita- 
ten benugt. Der ganz weiße, dalbdurchſichtige A., tiom fiir W. i Albanien bereits lebhaft im Schwange. 
ohne Fede und Streifen, wird auf der Drehbant be- | Alagua (pr. alannja), Dorf in der ital. Provinz No⸗ 
arbeitet, geſchliffen und poliert. Er verliert leicht, vara, Kreis Barallo, im oberſten Sefiatal am Fup der 
aud) Durd Waſchen mit Waffer, den ſchönen Glanz. Monte Roſagruppe, beliebte Sommerfrifde, mit (ven 
der fid) nur durd) neues Polieren wiederberitellen 250 (als Gemeinde 633) Einw. deutſchen Stammes. 
lat. Bal. Schmid, Die modernen Marmore und) Wlagdas, Staat Brafiliens, am Allantiſchen 
A. (Wien 1897). Ojean, tm M. und W. von der Provinz Pernambuco, 
Alabaſterglas (Opalglas, Reis- oder Reis | im S. von Bahia und Sergipe begrenst, hat offiziell 
jteinglas), hefelfiurereidhes Glas, das durch mifro- 58,491, nach Canijtatt 3 nur 27,592 qkm Fläche 
ſtopiſch fleine ungeſchmolzene Teilchen der Glasſub⸗ mit (1990) 511,440 Einw. Der 75 km breite Küſten- 
ſtanz opalifierend tft und vielfad) gefirbt wird. Man | jtric ijt fandig und fumpfig, mit vielen Lagunen; dad 
jtellt es Dar, indem man von dem geſchmolzenen Glas | bergige, watbreidhe Vinnenland wird von vielen 
einen Teil in Waſſer abjdhredt, dann wieder in den 
Hafen bringt, bet möglichſt niedriger Temperatur | 
ſchmelzt und das Gemiſch, bevor es nod) vollſtändig wo etme Eiſenbahn nad Jatoba führt. Das Mima iſt 
flar qeworden ijt, verarbeitet. Man benugt es zu heiß und feudt; Cholera und Fieber herrjden tm 
Lampenqloden und Luxusgegenſtänden. Flachland. Brodufte find Baumwolle, Zucker, Tabat, 
Alabafterpapier, ſJ. Eispapier. Kaffee, Bau- und Farbhiljer und viel Ipekakuanha. 
Wlabafterzement, ſ. Gips. Die Ynduftrie beſchränkt ſich auf Zucker- und Sprit- 
Alabastrum, ſ. Snojpe. fabrifation, den Bau von Ktüſtenfahrern u. a. Den 

a la bonne heure (fran}., fpr. a fa bonne’), »zur Handel beherridt England. Selbſt der befte Hafen, 
guten Stunde⸗ , vortrefflich! fo ijt's recht meinetwegen! | der der Hauptſtadt Maceisd (f.d.), ijt mur eine ſchlecht ge- 
Alacoque (pr. tom, Marguerite Marie, geb. ſchützte Reede. DieStadt W. hat nur nod 4000 Einw. 
22. Juli 1647 in Lauthecourt bei VBerosvres (Bour⸗ lagon, rechter Nebenfluß des Tajo, entipringt 
ogne), widmete ſich ſeit 1671 ſtrenger Askeſe als | im Kaſtiliſchen Scheidegebirge und mündet, 180 km 

tonne im Kloſter der Saleſianerinnen ju Paray- | lang, oberhalb Uledntara. 


! 


Flüſſen durchzogen; aber nur der Säo Francisco tt 
fiir größere Fahrzeuge bis Piranhas ſchiffbar, von 





à la grecque — Alana. 


a la grecque (fran}., fpr. gre, »auf griechiſche 
Art«), moderne Bezeichnung fiir die rechtwinkelige 
Form Der altorientalijden fogen. Mianderverzierung 











Berglerung A la greeque. 


(j. Ubbildung und Tafel »Ornamente I, Fig. 25 
bis 28). Bal. Mäander. 

a la hausse (fran}.), ſ. Hauſſe. 

Wlai, Gebirge im fiidliden Teil der ruffifd - zen- 
tralafiat. Broviny Ferghana, das durd) das Tal ded 
vom Alaiplateau fommenden Rifil-fu (Oberlauf 
des Surdab) von dem thm parallelen Transalai- 
gebirge geidieden wird. Während letzteres nad N. 
jteil zum Flußtal abfallt, brettet fid) der VU. fiidwarts 
in8 Famirplateau aus. Der hichite Gipfel des Trans- 
alai ijt Der 7000 m Hobe Pif Kaufmann, der ded A. 
der 6000 m hobe Pil Baba. S. Marte » Zentralafienc. 

Mlain (jor. aling, ſ. Alanus ab Yniulis. 

Wlais (pr. ald, Wrrondifjementshauptitadt im 
franz. Depart. Gard, am Gardon d'Alais, am FuF | 
Der Cevennen, Knotenpunkt an der Lyoner Bahn, hat | 
cine alte Rathedrale, em Handelsgeridt, ein Lyzeum, 
eine Bergidule, eine Mineralquelle und (1901) 18,568 
(als Gemeinde 24,940) Einw., die Bergbau auf Stein- 
fohlen, Eijen, Blei, Zink und Asphalt fowie Cijen- 
und Stabhlwerfe, Seidenjpinneret und Seidenhandel 
betreiben. — Jn A. ward 27. Juni 1629 cin Friedend- 
vertrag gwifden den Hugenotten und Ludwig XIII. 
abgeidlojjen, wodurd) jenen das Edift von Nanted 
beſtätigt wurde. Ludwig XIV. erridtete hier 1694 
ein Bistum, das 1801 aufgehoben wurde. 

Wlajuela (pr. quela), Hauptitadt der Provinz A. 
(1889 : 52,608 Einw.) im mittelamerifan. Staat Cojtas | 
rica, nuit 10,000 Cimw., ijt mit Puntas Urenas (ſ. d.) 
durch Strake, mit Puerto Limon durd Eiſenbahn 
verbunbden. 

Alafananda, Fluß, ſ. Ganges. 

Alakdaga, ſ. Springmäuſe. 








Ala⸗kul (⸗bunter See<), zwei Seen in der ruſſiſch⸗ 
zentralaſiat. Provinz Semiretſchenſt, 96 km öſtlich 
vom Balchaſchſee. Der öſtliche größere A., auch Wij dh - 
ful genannt, liegt unter 46° nördl. Br. und 81° 
öſtl. L., 237 m it. M., und ijt 59 km fang, 43 km 
breit, iiber 4 m tief und 2046 qkm gro. Der wet: | 
liche UW. oder Saffyf-ful, vom vorigen dDurd cine 
21 km breite, ſumpfige Landenge getrennt, die aber | 
ein beide Seen verbindender Flußlauf durchzieht, ijt 
43 km fang, 16 km breit und 523 qkm grok. Beide | 
Seen find jalziq und wenig fifdreid. 

Wlalie (qried)., »Sprachlofigteit«), Sprachverluſt 
durch Lahmung der Sprachwertzeuge. 

Wlalfomend, antifer Ort aut Athala, deffen Rui- 
nen fic) auf dem 380 m hohen Berg YUetds auf dem 
Iſthmus in der Mitte der Inſel erhalten haben. 

Alalus (lat.), dernod Sprachloſe, cine von Haeckel 
angenommene Zwiſchenſtufe vom Wnthropoiden zum 
Menſchen. 

Alamak, der Sterny(2. Größe) in der Andromeda. 

Alaman, Lucas, merifan. Staatsmann und Ge: | 
ſchichtſchreiber, geb. 1775 in Merifo, geſt. 2. Juni | 
1855, vertrat die Kolonien in den at, ial Cortes, 
febrte aber 1823 nad) Iturbides Sturz heim. Als 
Minijter des Auswärtigen und des Innern befdrderte 
er Induſtrie, Uderbau und Vollsſchulweſen. Uber- 
zeugt von der Notwendigleit einer ſtarken Regierung 











251 


fiir Mexilo, unterſtützte er Santa Yna und übernahm 
unter ihm 1853 das Miniſterium des Auswärtigen; 
aber feine Politi war jest durchaus reattionar. Er 
ſchrieb: »Disertaciones sobre la historia mejicanas 
(Merifo 184449, 3 Bde.) und » Historia de Mejico« 
(Daf. 1849 —52, 5 Bde.); von einer Gejamtausgabe 
jeiner Werke erjdienen bisher Bd. 1 u. 2 (daf. 1900). 

Wlamana, Fluß, ſ. Hellada. 

Alamannen Völlerſchaft, ſ. Wemannen. 

Alamanni, Luigi, ital. Didter, geb. 28. Ott. 
1495 in Florenz, gejt. 18. Wpril 1556 in Umboije, 
Spripling einer angefehenen Familie, floh nad Ent- 
deckung Der Verſchwörung gegen den Kardinal Giu- 
liano dei Medici, in die er verwidelt war, über Vene— 
dig nach Franfreid (1522). Als Floreng 1527 feine 
Freiheit wiedergewonnen hatte, fehrte er dahin zurück. 
Nad dem Sturz der Republif (1630) begab er fic 
abermals nach Baris. Hier ſchrieb er die meijten feiner 
Werke, und feine alljcitige Bildung und Geiwandtheit 
erwarben ihm da8 Bertrauen und die Unterſtützung 
Franz' J. und Heinrids I. Alamannis Ruhm als 
Didter beruht vorzugsweiſe auf ſeinem didattijden 
Gedicht iiber den Qandbau: »La coltivaziones (Par. 
1546 u. b.), eine der vorzüglichſten Nadahmungen 
der »Georgicac Vergils in der italienijden Literatur. 
Seine epiſchen Gedichte: »Girone il Cortese« (Par. 
1548) und »L’Avarchide« (flor. 1570), eine frojtige 
Nachahmung der »Ilias«, find gegenwärtig fo gut wie 
vergefjen. Seine fleinern Gedidte (»Opere toscanes, 
Lyon 1532, 2 Bde.) gehören zu den beſſern ihrer Heit. 
Eine Sammlung der »Versi e prose di Luigi A.« 
mit Biographie gab P. Raffaelli heraus (Flor. 1859, 
2 Bode.); vgl. ferner: G. Naro, Luigi A. e la colti- 
vazione (Syrafus 1897); ©. Corfo, Un decennio 
di patriottismo di Luigi A. (Palermo 1898). 

famébda, Stadt in der Grafſchaft A. in Ralifor- 
nien, an der Bai von San Francisco und dev Hen- 
tral -Bacificbahn, mit (1900) 16,464 Einw. 

a la mode (fran}.), nach Der Mode, modiſch. — 
Monsieur A la mode ijt Der in ſatiriſchen Flugblattern 
und Gittenfdilderungen gebraudte Spottname fiir 
cine infolge der Verwilderung durd) den Dreißigjäh— 
rigen Krieg au —— Stutzertracht, die aus einer 
phantaſtiſchen ubertreibung der kriegeriſchen Tracht 
ſeit etwa 1625 entſtanden war und zumeiſt von Aben⸗ 
teurern und Glücksrittern getragen wurde, die am 
Kriege nicht teilnahmen. Em breitfrempiger, phan- 
taſtiſch geformter Hut, weitbauſchige Hoſen, tief nieder⸗ 
getrempte Stulpen der Stiefel, flieqende Bander und 
Schleifen an allen Teilen der cacy beers aufwarts 

edrehte Schnurrbartſpitzen find die Merfmale dieſer 
Tracht, die fic bis um 1650 erbielt. Außer auf Flug— 
blattern finden ſich Darjtellungen des Monsieur a la 
mode auf Stiden von Ubraham Boſſe und Jacques 
Callot (j. Tafel ⸗Koſtüme III«, Fig. 5). Ciner der 
eriten, der diefe Uusfchreitungen literarijd) belämpfte, 
war der Kaplan Ellinger in der Schrift-Allmodiſcher 
Rleyder-Teufel« (Franff. a. M. 1629). Später wurde 
der Begriff a La mode auch auf die Nachäfferei fremd- 
ländiſchen, insbef. franzöſiſchen Weſens in Tracht, 
Sitte, Sprache und Geſinnung ausgedehnt, wofür 
das Epigramm Fr. v. Logaus bezeichnend ijt: 

»A la mode- leider, à la mode-Sinnen; 

Wie ſich's wandelt außen, wandelt fich’s aud innen.« 

Alamos (Real de los W.), Stadt im merifan. 
Staat Sonora, swifden den Flüſſen Fuerte und Mayo, 
mit Gold- und Gilberminen und 6197 Einw. 

tifana (UWila, Elath), im Ultertum Hafen- und 
Handelsjtadt am Älanitiſchen Meerbujen (Golf 


252 


von Ufabah) de3 Roten Meeres, wurde diwd) David | 
crobert. Hier riijtete Salomo cine Handelsflotte nad 
Ophir aus. Um 750 v. Chr. wurde es den Syrern 
untertinig. Unter den Römern bewahrte VW. feine 
Wichtigleit als HandelSplagy und war Standquartier 
der 10. Legion, in den erſten Jahrhunderten der chriſt⸗ 
lichen Zeiftrechnung Biſchofsſitz. 630 erfaufte es den 
Schutz Mohammeds. Heute Akaba. 

Aland Merfling, Idus Heck.), Gattung der 
Karpfen (Cyprinidae), Fiſche mit mäßig geſtreck— 
tem Leib, ſchief geſpaltenem Maul, hinter dem Ende 
der Rückenfloſſe beginnender Afterfloſſe. Der A. 
(Schwarznerfling, Rohrkarpfen, Kühling, 
Rottel, J. melanotus Heck.), 50-—55 em lang und 
bid 3 km fchiwer, mit grauſchwarzem, goldig qlanjen- 
Dent Riiden, goldfarbenem Kopf, an Riiden- und 
Schwanzfloſſe qrauviolett, an den itbrigen Flojjen 
rot, jindet fid) in Seen Europas und Nordweſtaſiens, 
auch im Meer, lebt von Gewiirm und Kerbtieren, 
viclleicht aud von Eleinen Fifchen, und laidjt im Wai. 
Er geht ſchwer an die Ungel, wird aber leicht mit 
Regen gefangen. Sein Fleiſch ijt grätig, aber Dod 

eſchätzt. Cine Barietit, der Goldnerfling (Orfe, 
Sot -, Goldorfe), ijt in Den Teiden von Dinkels— 
bühl 3u Hause, findet fic) aud) in der Regnitz, Peg— 
nig, Rednitz und Wörnitz, im Rhein und Main und 
fonuntals unedter Goldfifd fiir Springbrunnen: | 
baſſins, Wquarien rc. in den Handel. A. heißt auch | 
der Fraucnnerfling ded Donaugebietes. 

Wland, linfer Nebenfluß der Elbe in der preuß. Bro- 
vin; Sadjen, entfpringt unfern Werben an der Elbe, 
vereinigt ſich vor Seehaujen mit der Bieſe, ijt 38 km 
weit ſchiffbar und miindet bei Scnadenburg im Han: | 

Alander, ſ. Stint. [ndverjden. 

Alandsinfeln pr. otands.), gum finn. Gouv. | 
Fbo-Bjdrneborg gehörige Jnfelgruppe im Bottniſchen 
Weerbufen, befteht aus einer großen Ynfel, dem ſogen. 
Feſtland Wand, etwa 80 bewobhnten Inſelchen und 
vielen Klippen und Schären, die zuſammen 1426 qkm 
mit 18,413 Einw. umfaſſen und 1809 von Schweden 
an Rußland abgetreten wurden. Dieſe Inſeln ſchlie— 
ßen zum Teil den Bottniſchen Meerbuſen und haben 
mehrere ſehr gute Häfen, die der ruſſiſchen Schären— 
ſlotie zur Hauptitation dienen. Die Einwohner, nad 
Abſtammung und Sprache Schweden, nähren ſich von 
Ackerbau, Viehzucht, Fiſcherei (Strömlinge Clupea 
Harengus minor} werden jährlich gegen 6000 Ton. | 
verſchickt) und Jagd auf Seevigel und Seehunde. Als 
Waldbäume fommen Tannen, Fichten, Virfen, Haſel⸗ 
büſche und Erlen vor. Die Hauptinfel, Wland, hat. 
640 qkm Areal und 10,000 Einw. Auf ibe erheben 
jit) 100— 150 m hoch der Ordallsflint, der Getaberg | 
und der Asgärdaberg, rote Granitmajfen. Whnen- | 
hügel (Metdengraber) finden fic) an mehreren Stellen, | 
die größten bet Godby. Die einzige Stadt der Inſel, 
Mariehamn, hat 1s97 756 Einw. Auf ibe liegt | 
aud Kaſtelhohm, mit der Ruine eines ehemals be- | 
fejtigten Schlojjes. — Die zu Beginn der Regierung | 
Nitolaus’ LL. angelegte Fejtung Bomarfund ward 
1854 wabhrend des Krimkrieges von den BVerbiindeten 
ju Waſſer und zu Land angeqrijfen, mute 16. Aug. 
nad) ſechstägigem Bombardement fapitulieren und 
wurde bierauf fofort geſchleift. Dem Barifer Frieden 
(30. Mary 1856) gufolge darf Rußland die Inſeln 
nicht befejtiqen. 

Wlanen (Alani, fälſchlich Albani), fein germani- 
ides, fondern ſarmatiſches Nomadenvolf in der Steppe | 
nordlid) vom Kaſpiſchen Meer und vom Kaukaſus bis 
gum Tanais, wurden 65 v. Chr. von Pompejus be- | 








Aland — Alarcon. 


kämpft, beunrubigten unter den Flaviern die römniſche 
Reichsgrenze und wurden unter Hadrian durd) den 
Feldherrn und Militärſchriftſteller Arrian im Zaum 
— Marcus Aurelius hielt ſie mühſam in ihren 

renzen; Tacitus (275 n. Chr.) ſchloß mit ihnen Ver⸗ 
träge. 370 wurden fie von Den Hunnen unterworfen ; 
ein Teil floh in Den Kaukaſus (Ojjeten), ein andrer 
vercinigte fid) mit den Weſtgoten und fodt mit ibnen 
bei Udrianopel 378 gegen Kaiſer Valens; der größte 
Teil de3 Volfes ſchloß ſich dem Zug der Hunnen an. 
Die U., die in Pannonien faken, nahmen 405 an 
Radagais’ Cinfall in Stalien teil, gingen mit Ban- 
Dalen und Sueven über den Rhein und die Pyrenäen 
und griindeten 411 in Lufitanien (Portugal) ein 
Reid); dort unter ihrem Fiirjten Wddac von dem Weſt⸗ 
qoten Wallia befiegt, fiedelten fie mit den Vandalen 
429 nad Ufrifa über. Ein Teil der W. bejak unter 
VWetius Balentia (Valence an der Rhine) und fodt 
451 bei Catalaunum mit gegen die Hunnen; andre 
ſaßen bei Organs und in der Bretagne. Cin eben- 
falls ‘aus Gallien nad) Stalien vordringender Haute 
A. unter Beorgus wurde 464 bei Bergamo von Ri- 
eimer geſchlagen. 

Alanin (Wmidopropionfiure) C. H. XO, oder 
CH,.CH.NH,.COOH entſteht aus Aldehydammoniat 
bei Cinwiriug von Cyanwaſſerſtoff und Chlorwaſſer⸗ 
ſtoff, aus Chlorpropionſäure und Ammoniak, bildet 
farbloſe Kriſtalle, iſt löslich in Waſſer und Alkohol, 


ſchmeckt ſüß, ſchmilzt bei 255°, gibt mit ſalpetriger 


Säure Gärungsmilchſäure. 

Alanine, ſoviel wie Amidoſäuren. 

LRlanitiſcher Meerbuſen, ſ. Yana. 

Alaͤnt, Pflanzengattung, ſ. Inula. 

Alantika, Berg in Adamäua (j. d.). 

Alantkampfer, ſ. Helenin. 

Alanus ab Inſülis (eigentlich Alain, for. alüng), 
ſcholaſtiſcher Philoſoph, geboren um 1114 wahrſchein⸗ 
lich in Lille, Ciſtercienſermönch, ſeit 1151 Biſchof von 
Yurerre, gejt. 1202 oder 1203 in Citeaur, ſeiner Biel: 


feitigfeit wegen Doctor universalis qenannt. Unter 


jeinen Schriften find die fiinf Bücher »De arte sive 
articulis fidei catholicae« am befanntejten, in denen 
er Die Hauptlehren der chrijtliden Kirche gegen die 
Angriffe mit Berjtandesqriinden verteidigt. Bon 
feinen poctijdjen Werfen find der »Anticlaudianus« 
(Bened. 1582, Untiwerp. 1611 u.d.), eins der beriihm- 
tejten Gedichte Des Wittelalters, und das »Doctri- 
nalealtum, sive Liber parabolorume hervorzuheben. 
Seine Schriften find gum Teil geſammelt von de Viſch 
(Untwerp. 1650). Bal. Mt. Baumgartner, Die 
Philoſophie des Wlanus de Anjulis (Munſter 1896). 

Alaotra, größter See der Inſel Madagasfar in 
der Provinz Antſihanaka, unter 17° 30 ſüdl. Br. und 
48° 30° bjtl. L., 42 km fang, 6—7 km brett, 820 m 
ii. M., im einer ſumpfigen Ebene und durch Den Ma— 
ningory nad O. in den Indiſchen Ozean entiwaffert. 

Wlapajew/ff, Stadt im ruſſ. Gouv. Berm, Kreis 
Werdoturje, jenfeit des Uralgebirges, auf dem lin: 
fern Ufer Der Neiwa, mit ase7) 8652 Cinw., ijt durch 
ſeine Cifenindujtrie befannt und liefert jabrlid ca. 
9 Mill. kg Gufeifen und tiber 60,000 kg Rupfer. 
YW. iit 1704 geqriindet. 

Wlappalli, ind. Hafer, ſ. Alleppi. 

Wlapurin, reinites waſſerfreies Wollfett. 

Alarcön, verfallene Stadt in der fpan. Provinz 
Cuenca, Besirf Motilla del Ralancar, auf einem Felfen 
am Siicar, mit 2 ftattliden Rirden u. (1897) 732 Einw. 

Alarcon, Don Pedro Untonio de, nambafter 
fpan. Dichter, Schriftiteller und Politifer, qeb. 10. Mary 


Alarcon y Mendoza — Alarid). 


1833 in Guabdiz, gejt. 19. Juli 1891 in Baldemoro 
bei Madrid, Sohn verarmter adliqer Eltern, beſuchte 
Das theologifche Seminar feiner Baterjtadt, wandte 
ſich jedoch frith der Schriftitelleret ju, griindete in 
Guadix, Cadiz, Granada und Madrid fatirijde Zeit: | 
jdriften und Beitungen mit revolutiondrer Tenden; | 
und verdffentlichte nebenbei zahlreiche Novellen, Er- 
zählungen und Gedidte, die augerordentliden Erfolg 
hatten. Einer jeiner erſten Berjuche, betitelt »La 
Noche-buena del Poetac (»Didter-Weihnadte), er- 
lebte fiber 100 Wuflagen. Die warme, natiirlice 
Empfindung, der humorijtifde, leicht fatirijde und 
dod gefiihlvolle Ton darin, die jubjeftive Sdreib- 
weife, Die auf Selbjterlebtes hindeutet, haratterijieren 
dieſe wie alle feine fpdtern Yirbeiten. 1859 madte er 
als Freiwilliger den ſpaniſchen Feldzug in Marokko 
mit, trat nach feiner Rückkehr als Abgeordneter feiner 
Bateritadt fiir die Cortes als Liberaler wieder in dads 
politiſche Leben ein, wirfte nad der Schladt bei Al— 
colea (1868) fiir Die Wiederherjtellung der verfajjungs- 
mapigen Monarcdhie unter Alfons XI., wofiir lep- 
terer ihn gum Staatsrat ernannte. Seit 1877 gehörte 
er Der fpanifcen Wfademie an. Die damals empor- 
fonunende Generation talentvoller Novellijten, Ro- 
manſchreiber und Rritifer, die auf den Naturalismus 
von Sola ſchwor, begann Wlarcons fröhlichen, lebens— 
wahren Realismus als falſchen Idealismus gu be- 
fampfen. Das Leste, was er herausgab, cine Geſchichte 
jeiner Werke: »Historia de mis libros« (1884, 5. Aufl. 
1889), offenbart den bittern Schmerz, mit weldem 
die an feinen Werfen geiibte Rritif ibn erfiillt hatte. 
Seine Gedichte ervichienen unter dem Titel: » Poesias 
serias y humoristicas«. Ein dramatijder Verſuch: 
»El hijo prodigo« (1857), mißlang. Seine kritiſchen 
Feuilletons, politifden und literarijden Inhalts 
(»Cosas que fuerons, »Juicios literarios y artisti- | 
cose), feine Reijeberichte (»De Madrid a Napolese, 
» Viajes por Espaiias), feine Darjtellung des marof: | 
taniſchen Feldzugs (> Diario de untestigo dela guerra | 
de Africa«, 2. Aufl. 1880, 3 Bde.), vor allem aber | 
feine Novellen und Romane jind echt national und | 
geben in ihrer Geſamtheit cin ebenjo treucs und lebens: | 
wahres wie buntes Bud der heutigen fpanifden Ge- | 
fellidaft. Cine jtattlide Bahl von Novellen und Ge: | 
ſchichten erfdien unter den Sanunettiteln: »Amores | 
y amorios«, »Cuentos amatorios«, »Historietas | 
nacionales«, »Narraciones inverosimiles«. Hervor- 
—— ijt Die durch ſchallhaften Humor gewürzte 
rzählung »Sombrero de tres picos« (deutſch als 
»Dreiipip< in Reclams »Univerſal-Bibliothek«) und 
die moralijierende Novelle »El escandalo«. Cine 
Auswahl aus feinen Werfen (> Obras escogidas«) in 
16 Banden, mit Viographie, eridien Madrid 1874 in 
der »Coleccion de Exscritores Castellanos«. Ausge— 
wählte Novellen überſetzte Lili Laufer (Stuttg. 1878). 
Nach feinent Tod erſchien Projaijdes und Poetijdes | 
alg: »Ultimos escritose (1891). Cine Gejamtaus: 
gabe in 19 Bänden folgte 1899. 
Wlarcdn hy Menddja,\ uan Rui; de,fpan.Dra- 
matifer, qeboren gegen Ende des 16. Jahrh. zu Taseo 
in Merifo aus vornehmer Familie, fiedelte um 1622 
nad Madrid iiber, wo er eine Anſtellung bet der Ober- 
verwaltungsbehirde der weftindijden Befigungen 
erhielt, jtarb aber ſchon 1639. A. ijt der legte große 
Dramatifer der altipanifden Nationalbiihne. Seine 
Hauptitirfe liegt tm Charafterdrama (comedia de 
costumbres). Bedeutendſte Leijtungen auf dieſem 
Felde ſind: » La verdad sospechosa« (deutſch in Rapps 
» Spanifdem Theater«, Bd. 7, Hildburgh. 1869; das 








253 


Driginal pon Corneilles »Menteur<), »Las paredes 
oyen«, »Examen de maridos«, »Todo es venturas. 
Faſt ebenfo werden einige Stiice aus der heroijden 
Wattung geriihmt, namentlid) »El tejedor de Sego- 
Via« (deutſch von Schad im »Spanijden Theater«, 
Frankf. 1845) und »Ganar amigos« fowie die Zauber⸗ 
lomödie »La prueba de las promesas«. 20 Stiide er- 
idienen als »Comedias« (Teil 1, Madr. 1628; Teil 2, 
Barcel. 1635). Neue Musgaben lieferten Hartzenbuſch 
(Madr. 1852) und Garcia Ramon (1884, 2 Bde.); 
Uuswahl in 2 Banden (Barcel. 1887). Seine Bio- 
graphic ſchrieb Guerra y Orbe (Madr. 1871). 

Wlard (pr. auér), Delphin Jean, franj. Violin- 
virtuos, geb. 8. Marz 1815 in Bayonne, geſt. 22. Febr. 
1888 in Baris, erbielt von 1827 an feine Uusbildung 
am Pariſer Konfervatorium unter Habeneds Leitung 
und war 1842—-75 als Nadfolger Baillots Biolin- 
profeſſor am Ronjervatorium und feit 1858 aud 
faijerlider Soloviolinijt. YW. war nicht nur cin her— 
vorragender Lehrer (ſeine »BViolinfdule« fteht in 
hohent Anſehen), fondern aud) ein tiidtiger Kompo— 
nijt fiir fein Snjtrument (Ctiiden, Duos, Konzerte 2.) 
und ein gepricjener Kammerniuſikſpieler. 

Alärich, 1) A. J. Häuptling der Wejtgoten, (an- 
geblid)) aus dem Gefdledte der Balten, geboren 
jenfeit der Donau um 370 n. Chr., geſt. 410, aria- 


niſcher Chrijt, fiihrte die Weftqoten mm Winter 395 


durd) Thrafien gegen Konjtantinopel, dann durd den 
Engpaß von Thermopylai nad Griedenland. Athen 
wurde gepliindert, Rorinth verbrannt und die Belo- 
ponnes veriviijtet. Der Oberjeldherr des weſtrömiſchen 
Reiches, Stilicho, nötigte ihn endlich, indem er bei 
Korinth landete und ihn nad) Urfadien und Elis 
driingte, gum Rückzug nad Epirus. Daraufhin er- 
nannte der ojtrémijde Kaiſer Areadius 396 YW. gum 
Statthalter von Illyrien (magister militum per Illy- 
ricum). Am 18. Nov. 401 fiel A. in Oberitalien cin, 
belagerte Uquileja, machte Ende Februar 402 bereits 
die Umgebung von Mailand unſicher, belagerte ver: 
geblich Ravenna und erlitt bei Hajta eine Schlappe. 
Bon Stilichos Unterfeldherrn Saulus wurde A. 
6. Upril 402 (Ojterjonntag) bei Bollentia und fur; 
danad bei Verona gejdlagen, worauf er über die 
Juliſchen Ulpen nad Illyrien entfam. Zur Wusfiih- 
rung feiner illyriſchen Pläne gegen Byzanz zog Sti— 
licho 405 A. durch überlaſſung von Illyrien auf ſeine 
Seite; 407 erzwang ſich A. von Noricum aus eine 
Zahlung von 34/2 Dill. ME. WS der Gof zu Ravenna 
jedod) nad Stilidos Crmordung (23. Aug. 408) 
andre Saiten aufzog, brad A., dem es haupfſächlich 
unt Die Anerkennung der reid) dotierten Wiirde cines 
Magister militum 3u tun war, von neuen in Stalien 
ein und 30g im Winter 408 vor Rom; durch unge: 
heure Rontributionen erfaufte die belagerte Stadt 
Sdonung. Als fic) aber die mit Kaiſer Honorius 
angeknüpften Unterhandlungen zerſchlugen, erfdien 
YW. 409 wieder vor Hom, dem er durch Cinnahme 
Ojtias die Zufuhr abjdnitt, und ſetzte den bisher heid- 
niſchen, nunmehr arianiſchen Stadtprafeften Priscus 
Attalus als Gegenlaiſer cin; dieſer ernannte A. zum 
Magister utriusque militiae und deſſen Schwager 
Yitaulf (f. d.) gum Comes domesticorum equitum. 
Als aber UW. mit Wttalus bald zerfiel, entthronte er 
ibn (Sommer 410), verhandelte ergebnislos mit Ho— 
norius und erjdien ſchließlich zum drittenmal vor 
Rom; die Tore der Stadt wurden in der Nadt des 
14. Aug. durd) Slaven der frommen Proba geöffnet, 
und die Goten drangen ein; nun erfolgte eme dret- 
tägige, von Brand und Mord begleitete Plünderung. 


254 


A. 30g dann nad) Rampanien, veriviijtete Nola und | 


ging nad) Unteritalien, von wo aus er Sizilien und 
Mra erobern wollte. Unter Borbereitungen gu diejem 
Zug ftarb er 410 in Confentia (Cofenza); der Sage 
et beftatteten ihn die Goten im Bette des abgelet- 
teten Fiuſſes Bufento. Sein Nadfolger als Konig 
der Weftgoten war AUtaulf. Val. Köpke, Die An— 
ſänge Des Königtums bei den Goten (Berl. 1859); 
Simoni8, Verſuch einer Geſchichte des UW. (Götting. 
1858); Riegel, A. der Balte (Offenburg 1871); 


Ciden, Der Kampf der Weftgoten und Romer unter | 


UW. (Leips. 1876); R. Meller, Stilicho (Berl. 1884). 

2) U. IL, Sohn Eurichs und der Ragnadild, 485 
bis 507 König des weſtgotiſchen Reides, wurde, ob- 
wohl er den 486 nad) Toulouje gefliichteten römiſchen 
Statthalter Syagrius dem Franfenfinig Chlodwig 





Alarm — Alaska. 


den nordweſtlichſten Teil des Kontinents, vom 51. 
bi8 711/2° nördl. Br. (Point Barrow) und 130—171" 
weftl. 2., und qrengt im N. an das Nördliche Cismeer, 
im W. an bas Beringmeer und den Stillen ODzean und 
imO. an Britiſch Nordamerika. Die Grenge gegen Das 
letztere verläuft vom Bortlandfanal (55° nordl. Br-) 
auf Dem Kamm des Miijtengebirges, aber nidt über 
56 km vom Meer entfernt, bis zum Cliasberg, pon 
Dort Den 141. Meridian entlang jum Eismeer. Bon 
der Hauptmajje swifden 60 und 712° nördl. Br. 
und 141 und 168° weſtl. & sieht fid) nad) SD. der 
Wleranderardipel (f. d.) mit Dem angrenzenden fjord= 


reichen Riijtenjtrid) und nad) SY. die Halbinfet 
UW. und die UWléuten (f. d.). 
toriums bilden nod die Inſeln des Beringmeeres, 
St. Lorenz, Nunivak, St. Matthew und die Pribiloff— 


Einen Teil des Terri- 


auggeliefert hatte und feine fatholijden Untertanen | infeln. Das real betrigt 1,530,000 qkm, die Bee 


unter anderm durch die Lex Romana Visigothorum 
vont 2. Febr. 506 (»Breviarium Alarici«; galt nod 
lange in Südfrankreich) gu gewinnen bemüht war, 507 
von dieſem angegriffen und bei Bouglé in der Nähe von 
Poitiers befiegt und getdtet. Mit jeinem und der ojt- 
gotifden Königstochter Thiudiqotho Sohn Amala— 
vid, fiir den bis 526 fein Gropvater Theoderid 
d. Gr. reqierte, und der Dann durch feine Vermählung 
mit Chlodwigs Tochter Chtotdhildis die Einmiſchun 
der fatholijden Franfen unter Childebert —— 
beſchwor (Schlacht bei Narbonne), erloſch 531 (3u 
Barcelona) das Geſchlecht der Balten. 

Wlarm (franj.), der plötzliche Ruf ju den Waffen 
bei unerwartetem Ungriff oder zum ſchnellen Ab— 
marjd nad dem Ularmplag. Das Signal wird 
durd) Trommel oder Trompete (Generalmar fd) 
oder durch Ubfeuern eines Geſchützes (Alarmiſchuß) 
qeqeben. Alarmierung, der plötzliche Angriff auf 
feindlide Borpojten zweds deren Ermiidung, der Er- 
fundung des Feindes ꝛc. 

Wlarmapparate, ſ. Lirmapparate. 

Alarni, Fulberto, Pſeudonym, ſ. Arnulfi. 

Alaſan, Nebenfluß der Kura (f. d.). 

Alaſchehr (»bunte Stadt«), Stadt im tiirf. Wila- 
jet Uidin in Kleinaſien, 118 km öſtlich von Smyrna, 
mit dieſem Durch Cijenbahn verbunden, am nördlichen 
Fuh des Tmolos, das alte Philadelpheia, ijt nod 
teilweife von der alten Mauer umfdlofjen, mit 22,000 
Cinw. (darunter 3000 Griechen), die ftarfen Getreide-, 
Tabal- und Baumwollbau treiben. — Die Stadt fiel 
als letzte unter Den Städten Rleinajiens 1390 in die 
Gewalt der Tiirfen. 

Alã fiaga (> die gewaltig Cinherititrmendens), zwei 
weiblide germanijde Gottheiten, die erjt neuerdings 
durch in Vritannien gemadte infdriftlide Fumde aus 
der Römerzeit befannt wurden. Sie waren Beglei- 
tevinnen des Hinmelsgottes Tius und find mit den 
Walküren der nordiſchen Götterſage ju vergleichen. 
Ihre Namen waren Beda (»die Sdrecerin«) und 
Fimmila (odie Beweglide«); fie waren daher woh! 
urjpritnglid) Berfonififationen de3 Windes. Bal. 
Th. Siebs in der » Seitidrift fiir deutide Philolo 
gies, Bd. 24, S. 433 Ff. 

Wlasta (Aliaska), Halbinfel an der Nordweſt— 





vblferung (1900) 63,592 Seelen. Das fiidliche A. wird 
vont Küſtengebirge durdjogen, das in Den Gipfeln 
yairweather (4483 m), St. Elias (5520m), Wrangell 
(5338 m) und DtcRinley (6241 m) feine größte Hobe 
erreidht, dann nad) SW. umbiegt und in den Aleuten 
feine Fortjepung findet. Cine Reihe tätiger Bulfane 
(Iliamna 8678 m) und die neu entitandenen Inſeln 
Bogoslow (1797) und Grewing! (1881) legen von 
der unterirdijden Tätigkeit Zeugnis ab. Das nörd— 
liche A. ijt größtenteils Hiigelland. Die bedeutenditen 
Flüſſe des ſüdlichen A. find Stifine, Tafu, Ohilfat 
und Copper River, die dem Utlantijden Dzean zu— 
fließen; Durd) Das nördliche A. ſtrömen der madtige 
Yufon und der waſſerreiche Kusfoquim zum Bering- 
meer, der Noatak und Colville zum Cisineer. Das 


‘Klima der an den Stillen Ozean grenzenden Rii- 


ſtengebiete ijt durch verhältnismäßig warme Winter, 


kühle Sommer und ftarte Niederſchläge ausgezeich 


“net (Mitteltemperatur in Gitta 6,5°; Niederidlige 


| 2100mm), an den Küſten des Beringmeeres herrſchen 
| miedrigere Temperaturen, geringere Niederſchläge, 
| aber haujige Nebel, das Innere hat ein fontinentales 


Rlima, ftrenge Winter und warme Sommer mit gee 


ringen Niederfdligen. Holy, Pelgtiere, Fiſche und 


Mineralien bilden den Reidjtum des Landes. Wit 
Ausnahme der von ewigem Sdnee und mächtigen 
Gletidern bededten Gebirgshiinge ijt fait das ganze 
Vand bis 67° ndrdl. Br. von einem jufammen- 
hängenden Walde bededt, deſſen Hauptbejtandteile 
veridiedene Nadelhölzer find (Sitfatichten, Hemlock⸗ 
und Baljamtannen, Riefern, im SO. aud die ge- 
ſchätzte gelbe Seder, Chamaecyparis nutkaensis), 
während Laubbiljer (Birken, Erlen, Weiden, Bap: 
peln) nur eine untergeordnete Stellung einnehmen. 
Der Reidtum an Pelstieren (Seeotter, Bairenrobbe, 
Landotter, Biber, Silber-, Kreuz- und Rotfuchs, 
weifer und blauer Eisfuchs, ſchwarzer und brauner 
Bir, Sumpfotter, Marder, Bijamratte, Bielfraf, 
Luchs und Wolf) it neuerdings fehr zurückgegangen, 
| Dagegen liefert die Fiſcherei, namentlid der Lachsfang. 
nod große Erträge. Am widtigiten find in jüngſter 
Beit die —E geworden; beſonders Gold 
wird feit 1881 in ſtets zunehmender Menge gewonnen, 
ferner Silber und Kupfer. Steinkohlen, Eiſenerze 





fiijte Nordamerifas, jum Territorium Alaska der und andre Mineralien finden ſich an verſchiedenen 
BVereinigten Staaten gehörig, gebirgig und bejonders Stellen, werden aber nidt ausgebeutet. Unter der 
auf der Südoſtſeite jtart gegliedert, erjtredt jid) von | eingebornen Bevölkerung befinden fic) (nad dem 
dem großen Ilianmaſee unter 591/29 nördl. Br. bis | Zenſus von 1890) 12,784 Estimo, 4739 Tlinfit, 
jur Vleuteninfel Unimaf unter 55° nördl. Br. | $441 Wthabasfen oder Tinne, 968 Wléuten, 951 

Alaska, Territorium der Bereinigten Staaten Tſimſchian und 391 Haida. Naddem der Koſal 
von Nordamerifa (f. die Karten bei Art. »Nord- Deſchnew bereits 1648 und Bering 1728 durd die 
amerifae und das Tertfirtden auf S. 255), bildet Beringitrafe gefahren waren, fah und befudte Gwos- 


Alaſſio — Mlatau. 


dew zuerſt die gegenüberliegende el i 730). Seine 
CEntdedung wurde durd Bering und Tſchirilow (1741) 
und fpater von Cool (1778) weiter verfolgt. Russland 
ergriff Beſitz von dem neuentdeckten Gebiet, und die 
1799 geqriindete Ruſſiſch-Amerikaniſche Pelzkom— 
pagnie monopolijierte Jagd und Handel, bid A. 1867 
gegen Zahlung von 7,200,000 Doll. an die Vereinigten 

taaten abgetreten wurde. Cine Territorialregierung 
mit dem Stig in Sitfa wurde 1884 eingeridtet. Zu 
ungeahnter Bedeutung gelangte WU. durd) die 1896 





255 


1886); »Report on population and resources of A. 
at the eleventh census 1890« (Wajhington 1893); 
Dall, A. as it was and is, 1865 —1895 (Daf. 1896); 
De Windt, Through the gold fields ofA. to Bering 
straits (Mew Yorf 1898); Scidmore, Appleton’s 
Guidebook to A. and Northwest-coast, ete. (daſ. 
1899); Bruce, A, its history and resources (2. 
Aufl., daſ. 1899); Heilprin, A. and the Klondike 
(daf. 1899); Swineford, A., its history, climate, 
and natural resources (daj. 1898); Burroughs 



























































7 
be PRET 























Rarcte von Alasla. 


erfolgte ———— Goldfelder ace in dem 
benadbarten fanadijden Gebiet ant Klondike (ſ. d.), 
dann aber auch in A. felbjt. Cin lebhafter Durd- 
Sverfehr entwidelte fid) auf den Hauptzugangs- 

—* en, vom Lynnfanal über den Dyea- und Tote 
ß jum obern Yufon und von der Mündung des 
Pibes aufwarts yu der raſch aufbliibenden fanadijden 
Stadt Dawfon (j. d.). Qn kürzeſter Beit entitanden 
neue Orte, wie Dyea, Sfagway, Circle — 
und die Bevöllerung der ältern (Sitfa, ngell, 
Juneau) ftieg ſchnell an. Neue Dampferlinien wurden 
eqriindet, und die ſchwierigen Paßübergänge vom 
——— aus bereits 1899 durch Eiſenbahnen über⸗ 
wunden. In neuerer Zeit ſind auch Touriſtenfahrten 
nad A. ſehr in Aufnahme gekommen. au H. Ban- 
croft, History of the Pacific States of North Ame- 


rica, Bd. 28: Alaska (Gan jyrancisco 1886); Elliot, | l 


An arctic province: A. and the Seal Islands (Yond. 


u. andre, A., giving the results of the Harriman 
A. Expedition (Lond. 1902, 2 Bde.). 

Wlaffio, Stadt in der ital. Proving Gena, Kreis 
Wibenga, an einer Meeresbucht und an der Cijenbahn 
Genug- Nizza, klimatiſcher Winterfurort, hat eine ted), 
niſche Schule, einen Hafen, Seebäder, Schiffbau, See— 
fiſcherei und (ison ca. 4400 (als Gemeinde 5630) 
Cinw. Bgl. Sdneer, A. und feine Umgebung 
(Wiesbad. 1886). 

Alaͤſtor (griech.), Rachegeiſt, der den Frevler rajt- 
los verfolgt und in ſeinem Geſchlecht fortwirkt. 

a la suite (jpr. wit’), ſ. Offizier. 

» Bild), |. Dovel. | 

Wlatan (⸗ buntes Gebirges), Name von vier Ge- 
birgszügen im der ruſſiſch zentralaſiat. Broviny Se- 
—— von denen drei ſich um den See Iſſykkul 

ager, während der vierte, nördlichere, Die Grenze 
gegen das chineſiſche Ili- oder Kuldſchagebiet bildet. 


256 Alatri — Alaun. 


Am Nordufer des Jifyt-ful erhebt ſich, den See in | Lauge verſetzt man mit ſchwefelſaurem Rali oder mit 
jeiner ganjen Lange begleitend, der Rungei- VW. und | Chlorfalium, wobei fid) Eiſenchlorür und ſchwefel— 
Diefem parallel, durch die engen Tiler des in Den See ſaures Rali bilden. Letzteres verbindet fic) mit Der 
jlieRenden Tſchu und deS zum JIli giehenden Tichilif ſchwefelſauren Tonerde zu A., der aus der umgerührten 
gqetrennt, der Transilenfifde A., der zum Flital Lange als Alaunmehl fich abjcheidet. Dies wird 
abjtiirst. Cin beide Retten in der Mitte verbindendes | auf Zentrifugalmajfdinen ausgewafden und zur voll. 
Querjoch erreicht im Talgarnyn -tal -tidefu 4679 m. ſtändigen Reinigung von Eiſen umfrijtallijiert. Hau. 
Die mittlere Kammhöhe it 2000 m, die Schneegrenze | fig wird A. aus Ton dargejtellt, den man glüht und 
beginnt bei 3400 — 3570 m. Uns Wejtende ſchließt nut heifer Schwefelſäure behandelt. Das Prodaft. 
jid) das Ulerandergebirge an, ans Ojtende der Tien aus ſchwefelſaurer Tonerde und Kieſelſäure beftebend. 
jdan, von Dem aud) der das Südufer des Iſſyk-kul wird ausgelaugt, die Lauge mit ſchwefelſaurem Salt 
begleitendDe Terskei-⸗A. ansgeht. Der Djungari-  verjest rc. Aus Kryolith und Baurit jtellt man Ton 
jdye A., unter 45° nördl. Br., hat cine mittlere Höhe erdenatron und aus dieſem Durd) Behandeln mit 
von 1950 m und erbebt fic bis 3 3400 m. Der ge: Kohlenſäure reine Tonerde dar, die in Schwefeljaure 
jamie A. wurde 1840 von Schrenck, 1857 von Seme- | geldjt wird 2. 

now und 1859 von Golubew genauer durchforſcht. Ralialaun enthalt 9,05 Proj. Kali, 10,83 Broz. 

Wlatri, Stadt in der ital. Provinz Rom, Kreis Tonerde, 33,71 Proj. Schwefelfaiure und 45,51 Pro3. 
Froſinone, im Hernifergebirge, Biſchofsſitz, mit fyflo- | Waſſer; er bildet große, oftaedrijde, farbloſe Kriſtalle 
pifden Mauern, Tuch⸗ und Tapetenfabrifation und 
ison) ca. 6400 (als Gemeinde 15,322) Einw. Jn der 
Nahe das Kartäuſerkloſter Trijulti und eine große 
Stalattitenhibhle. 

AlatHr, Kreisftadt im ruſſ. Gouv. Simbirjf, an 
der Sura, die hier den fiir die Flößerei von Bauholz 
widhtigen Fluß A. aufnimmt, und an der Eiſenbahn 
Wosfau-Kajan, nit Rathedrale, Kreisſchule, lebhaftent 
Getreides und Holghandel und (1897) 11,086 Einw. 

Alauda, Yerde; Alaudidae, Familie der Sper- 
lingsvbgel. 

faun (lat. Alumen, Salialaun) Al,380,, 
K,S0,+24H,0, Doppelfal; von ſchwefelſaurem Kali 
und ſchwefelſaurer Tonerde, findet fic als Berwit- 
terungsproduft auf Alaunſchiefer und in vulfanijden 
Wegenden auf Kali und Tonerde haltenden Gejteinen, 
auf Die dem Boden entitrimende ſchweflige Säure 
eingewirft hat; aller im Handel befindlice A. ijt aber 
fiinjtlich Dargeftellt. Manche verwitterte Lava liefert 
beint Auslaugen fofort cine Alaunlöſung (Reap oli- 
tanifder A.) Alunit oder Alaunſtein, der mit 
Quarz den Ulaunfels bildet, bejteht aus einer Ver— 
bindung von A. mit Tonerdehydrat und gibt nad 
dem Erbiven beim Auslaugen mit Waſſer eine Wlaun- 
löſung, die nad) Dem Verdampfen (durch Cifenoryd) 
rötlich gefärbte würfelförmige Kriſtalle Römiſcher 
A. von Tolfa) liefert. Wichtiger find der Alaunſchiefer 
und die Alaunerde. Erſterer iſt ein von Schwefellies 


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durchdrungener fohlehaltiger Tonjdiefer, die Alaun— 
erde cin mit Scwefelfies und Bitumen gemengter 


Ton. Man läßt diefe Erye 2—3 Jahre in Haufen | 


verwittern, wobei fic) aus dem Schwefellies Freie 
Sdywefelfaure und ſchwefelſaures Cifenorydul bilden. 
Vepleres verwandelt ſich an Der Luft großenteils in 
baſiſch ſchwefelſaures Cifenoryd, wobei abermals 
Schwefelſäure frei wird. Die freie Schwefelſäure zer— 
jest den Ton (kieſelſaure Tonerde) und bildet ſchwefel— 
ſaure Tonerde. Reicht die Verwitterung nicht aus, 
ſo röſtet man die Erze, um ſchwefelſaure Tonerde zu 
bilden. Wud) benutzt man aus Zinkröſtöfen ent— 
weichende ſchweflige Säure zum Aufſchließen von 
Alaunſchiefer. Die vorbereiteten Alaunerze werden 
ausgelaugt, worauf man die Lauge, die ſchwefelſaure 
Tonerde und ſchwefelſaures Eiſenoxydul enthalt, ver— 
dampft. Sehr eiſenreiche Laugen geben zunächſt 
Kriſtalle von Eiſenvitriol, und daher find viele Alaun— 
werfe zugleich Bitriolwerfe. Berm Verdampfen ſchei 
det ſich baſiſch ſchwefelſaures Eiſenoryd (Bitriol— 
ſchmanh) ab, das auf rote Farbe verarbeitet wird. 
Die vom Vitriol getrennte Mutterlauge oder die ur- 
jpriingliche eifenarme, nur durd) Abſetzen geklärte 


Alauntriftalle. 


(j. Abbild.) vom ſpez. Gew. 1,024, ſchnieckt ſüßlich zu— 
ſammenziehend, reagiert ſauer, wird an der Luft trübe 
durch Aufnahme von Ammoniak (nicht durch Waſſer⸗ 
verluſt), iſt unlöslich in Alkohol, während 100 Teile 
Waſſer loſen 

bei 0° 3,9 Teile | bei 40° 30,9 Teile | bei 80° 134 Teile 





10° 95 = 50° 44,1 90 209,58 
20° 15,1 60° 66,6 - 100° 357.5 
30° 22.0 = 70° 90,7 « | 


A. ſchmilzt bei 92° in feinem Kriſtallwaſſer und wird 
bet 100° waſſerfrei. Bei ſchnellem Erbhigen blaht er 
ſich ftarf auf und hinterläßt pordjen qebrannten 
A., Der fic) febr langiam in 30 Teilen Waſſer löſt. 
Erhitzt man ihn ftirfer, fo zerfallt er in ſchweflige 
Siure, Sauerſtoff. Tonerde und ſchwefelſaures Mali 
Weil der A. fauer reagiert, zerſetzt er viele Ultramarin: 
jorten. Verfest man Alaunlöſung mit Ralilauge, but 
Tonerde fic) dauernd ausſcheidet, fo entiteht neu— 
traler A.: K,80,AL3S0,AL,0,H,. Aus der Yd- 
ſung dieſes Salzes fallt bet 40° unldslider WL: 
-K,SO,, AL, 880, 2A1,0,H,, dev einen fitnitlicben Minit 


Alaun, fonzentrierter — lava. 


darſtellt. Aus Alaunlöſung mit wenig »neutralem 
A.« frijtallifiert bei gewihnlider Temperatur nor- 
mater U. in Wiirfeln (kubiſcher A, Würfelalaun), 
bei höherer Temperatur aber oftaedrifder UW. Glüht 
man A. mit 3uder und lait das Braparat in einem 
verfdloffenen Gefaif erfalten, fo entzündet es fic, 
fobald es an die Luft fommt. 

Ummoniafalaun Al,3SO,(NH,),SO,+24H,0 
findet fich felten in Der Natur; man bereitet ihn wie 
Ralialaun, verſetzt aber die Löſung der ſchwefelſauren 
Tonerde mit fdwefelfaurem Ammoniak. Er enthält 
3,89 Proz. Ammoniak, 11,9 Proj. Tonerde, 36,1 Bro}. 
Schwefelſäure, 48,11 Broz. Waſſer, verhalt fic) wie 
Ralialaun, hinterläßt beim Giihen aber reine Ton- 
erde. Sein ſpezifiſches Gewicht ijt 1,620, er ſchmilzt 
bei 94°, 100 Teile Wafer löſen 


bei 09 5,2 Teile | bei 40° 27,9 Teile | bei 20° 103,0 Teile 
10° 91 = | 50365 = 90° 187,68 = 
209 13.6 ⸗ 60° 515 = 100° 422,90; 
20° 19,3 « 70° 72,0 « 








Beim Erhitzen mit pulverigem gelöſchten Kalk ent- 
widelt er Ummoniak. 

Natronalaun ijt leicht löslich, wird aus ſchwefel— 
faurer Zonerde und Natriumſulfat dargeftellt und 
verwittert an Der Luft. 

A. dient zur Bereitung von Farben und Farblacen, 
in Der Färberei zur Darjtellung von Rotbeize aus 
Bleizuder, in der Weifgerberet, gum Leimen de8 
Papters, zum Färben der Goldwaren, gu ſchwer ver- 
brennliden Unjtriden, gum Harten des hing sar 
Klären von Waffer und Talg, als Zuſatz gu Brot 
um fdledte3 Mehl verwendbar zu maden, als faul- 
niswidriges Mittel, sum Wufbewahren von Fellen, 
Häuten, in der Medizin als fs a Mittel, 
als gebrannter A. gum Beizen, als blutſtillendes Mit- 
tel und als Zahnpulver. Wo bei der Verwendung des 
Alauns nur ſein Tonerdegehalt in Betracht kommt, 
iſt er erſetzbar durch ſchwefelſaure Tonerde (konzen⸗ 
trierter YL, ſ. d.), dod) kriſtalliſiert A. leicht und iit 
DeShalb leichter rein ju erhalten. Deutſchland produ- 
ziert jährlich etwa 84,000, Ojterreid) 31,000 Btr., die 
Gejamtproduftion mag fic auf 200,000 Itr. begiffern. 

A. war den Alten nidt befannt, das Ulumen des Pli- 
nius war Eiſenvitriol und enthielt höchſtens ſchwefel⸗ 
ſaure Tonerde. Geber aber fannte UW. aus Rocca in 
Mefopotamien, und im 13. Yahrh. bejtanden bei 
Smyrna und im Neapolitanijden Waunfiedereien, 
die Ulaunfels verarbeiteten. Ym 15. Jahrh. griin- 
deten Genuefen Alaunwerke auf JIschia, und in der 
erjten Hälfte des 16. Qahrh. wurde bei Schwemſal 
A. fabriziert. Libavius und Agricola befdrieben dic 
Darjtellung de3 Alauns aus Wlaunfdiefer und gaben 
an, daß man die Lauge mit gefaultem (ammoniaf- 
haltigem) Urin verſetzte (alfo Ummoniafalaun fabri- 
— Die chemiſche Natur des Alauns wurde 1797 
durch Chaptal und Vauquelin feſtgeſtellt. Bal. Se— 
ger, Die techniſche Verwertung Schwefellies führen⸗ 
ber Schiefer und Tone der Stein- und Braunlohlen⸗ 
formation (Neuwied 1869). 

Alaun, fongentrierter (falifreier Ulaun, 
löslicher Alaun, Uluminat), mehr oder weniger 
reine fdwefelfaure Tonerde. Alum-cake (Alaun— 
fuchen) entiteht bei Einwirkung von Schwefelſäure 
auf Ton (fiefelfaure Tonerde) und enthalt ſchwefel— 
faure Tonerde u. Kieſelſäure. Alumina-alum (ZT on- 
erdealaun), cine Miſchung von Alaun mit ſchwefel⸗ 
faurer Tonerde, entfteht bet Behandlung von Ulu- 
nit mit Schwefelſäure. Diefe Präparate werden wie 
Wlaun benutzt. 

Meyers Konv.= Leriton, 6. Aufl., J. Bd. 


257 


Alaun, vporöſer, ſchwefelſaure Tonerde, die im 
Moment des Erjtarrens ihrer fonjentrierten Löſung 
durd) Einriihren von doppeltfohlenfaurem Natron 
Cinfotge von Kohlenſäureentwickelung) pords gewor- 

en ijt. 

Wlaunbeize, ſ. Eſſigſaure Tonerde. 

Alaune, Doppelfalye, die analog dem gewöhn— 
lichen Alaun Al,380,,K,SO, + 24H,0 jujammenge- 
jegt find und dieſelbe Rrijtallform haben. Indem das 
Ralium durd Natrium, Lithium, Cäſium, Rubidium, 
Thallium, Ammonium oder organijde Ununonium- 
radifale erſetzt wird, entitehen Natronalaun, Ammo— 
niafalaun xc. Un Stelle des Aluminiums fann Eiſen, 
Mangan oder Chrom treten, wodurd) Cijenalaun, 
Chromataun, Manganalaun gebildet werden. Cnd- 
lid) fann Schwefelſäure durch Selenſäure erſetzt wer- 
den. Unter Kali- oder Ammonialalaun verſteht man 
ſtets das tonerdehaltige, unter Eiſen- oder Chrom- 
alaun das fali- oder ammoniafhaltige Doppelfal;. 
Tonerde- und Eiſenalaune find farbios, Mangan- 
alaune amethyſtfarben, Chromalaune rotviolett. Er- 
jtere find ſehr beitindig, Chromalaune geben beim 
Löſen in heißem Waſſer amorphes griines Salz, Eiſen⸗ 
und Manganalaune zerfallen durch heißes Waſſer in 
ihre Beſtandteile. 

Alaunerde (Alaunton), braune Erde, die aus 
Braunfohle, Ton und (oft in Zerſetzung begriffenem) 
Schwefelkies beſteht, findet fid) weitverbreitet in der 
Tertiirformation, befonders in Brauntohlentagern 
bei Freienwalde, Schwemſal, Bornſtädt, Mansfeld ꝛc., 


, | und dient zur Bereitung von Wlaun. 


Alaunerze, ſ. Ulaunfdiefer und Wlaunerde. 

WAlaungerberei, f. Leder. 

Alauniſches Gebirge, ſ. Waldaigebirge. 

MAlaunfuchen, ſ. Alaun, fonjentrierter. 

Wlaunleim, mit Wlaun verjester Leim, dient ju 
fraftiqer Lcimung ded Papiers. 

Alaunmehl, ſ. Alaun. 

Alaunſchiefer (Vitriolſchiefer), an Schwefel— 
lies und kohligen Teilen reicher Tonſchiefer, infolge 
Verwitterung Eiſenvitriol und Alaun enthaltend, bil⸗ 
det beſonders im Silur, Devon und Kulm Lager von 
zuweilen beträchtlichem Umfang, fo in Sfandinavien, 
bei Saalfeld, Gräfenthal, im Fichtelgebirge, in Schle— 
ſien ꝛc., wird auf Alaun verarbeitet. Sehr bitumen- 
reicher A. ijt brennbar (vgl. Brandſchiefer). 

Alaunſpat (Alaunſtein), Mineral, ſoviel wie 
Alunit. 

Alaunton, ſ. Alaunerde. 

laute, ſ. Brüllaffe. 

lava, ſpan. Provinz, die ſüdlichſte und größte, 
aber am wenigſten bevilferte der drei basliſchen Pro— 
vingen (vgl. Basten), grengt im N. an Viseaya und 
| Guipujcoa, im O. an Navarra, im S. an Logroiio, 
im BW. an Burgos und Hat cin real von 3045 qkm 
| (55,3 OM.). Die Bevdlferung betrug 1897: 94,622 
Einw. (31 auf 1 qkm). A. hat zwei Gerichtsbezirke. Die 
Dauptitadt iit Vitoria. 

Wlava, Miquel Ricardo de, fpan. General und 
Diplomat, geb. 1771 in Vitoria, gejt. 1843 in den 
Bädern von Bareges, diente anfangs auf der Flotte, 
dann im Heer, ſchloß fic) 1808 den Franzoſen an, 
trat aber nad) der Schlacht von Ulbuera 1812 auf die 
Seite der Englinder. Wellington ernannte ihn nad 
der Exrjtiirmung Vitorias zum General. Nach der 
Rückkehr Ferdinands VII. wurde er wegen liberaler 
Gefinnung eingefertert, aber auf Drängen Welling- 
ton’ befreit und als fpanijder Gefandter nad) Dent 
Haag geſchickt, jedod) 1819 ald verdächtig abberufen. 

17 


258 


1820 fdjlof er fid) der Revolution an und wirfte fiir 
WBiederaufridtung der Konjtitution von 1812. Der 
Rache Ferdinands entjog er ſich durch die Flucht, bis 
er von der Königin Chrijtine guriidgerufen und 1834 
zum Bair erhoben wurde. Nachdem cine neue Revo- 
lution der fpanifden Regierung die Ronijtitution von 
1812 aufgedrungen hatte (Auguſt 1836), verlie® A. 
den Staalsdienſt. 
Mlb, f. Ulp und Elfen. [Deutfder. 
Mlb (Schwäbiſche A., Rauhe A.), f. Jura, 
Alb, swei Nebenflüſſe des Rheins in Baden: 1) die 
fidlide U., die im Schwarzwald am Südfuß ded 
Feldberges entfpringt, cin ſchönes Tal durchfließt und 
bei Wibbrud miindet. — 2) Die nbrdlide U., die 
von der Teufelsmühle im nördlichen Schwarzwald 
lommt und unterbalb Rnielingen den Rhein erreidt. 
Alba, Tagelied (ſ. d. u. Provenzaliſche Literatur). 
Alba (lat., von albus, »weik<, Ulbe), ein bid zu 
den Füßen reidendes, um die Hüften gegürtetes Är— 
melgewand von weißer Leinwand, das, eine Nach— 
bildung der römiſchen Tunifa, ſeit Einführung des 
Chriſtentums als Staatsreligion 
das WUmtstleid der Geiſtlichen 
, ‘wurde und fid in Form und 
/ Sdhnitt durd) das ganze Wittel- 
alter unverändert erbielt (j. Ub- 
bildung). In der griedhifden 
Rirde wird es durch das feidene, 
meijt farbige Stidarion vertre- 
ten. Die anglifanijde Kirche hat 
die U. beibehalten, die lutheriſche 
bier und da beim Abendmahl. 
Weil die Tauflinge in der alten 
Rirde ebenfalls ein weißes Ge- 
wand (Taufhemd oder Wafer: 
hemd) mit Beziehung auf Offend. 
Joh. 6, 11 trugen, beift der alte 
Zaufjonntag (Sonntag nad 
Ojtern) Dominica in albis, der 
weife Sonntag. Auch zum Krö— 
nungsgewande der deutſchen 
Kaiſer gehörte cine ſeidene A., wie fie nod jest unter 
den Kronungsinfignien in der Schaglammer der Hof- 
Wien aufbewahrt wird. 





Geiftliger in ber 
Alba, 


burg zu 
Aiba, 1) Kreishaupiſtadt in der ital. Proving Cue | 


neo, rests am Tanaro und an der Eiſenbahn Wejjan- 
dria-Cavallermaggiore, Sig eines Biſchofs, mit Ka- 
thedrale, Gymnaſium, Weinbaufdule, Weinbau, Sei- 
denfpinneret, Handel mit Wein, Bieh und Trüffeln 
und (1901) ca. 12,800 (alg Gemeinde 13,900) Einw. 
A. ijt Das alte A. Pompeia, GeburtSort des Kaiſers 
Pertinar. — 2) (Mi be) uralter Ort in der ital. Pro— 
vin; Uquila, am Fuß des Velino, in der Rabe des 
ehemaligen Fuciner Sees, mit etwa 400 Einw., das 
A. Fucentia der Romer, welded als Mufenthaltsort 
vornehmer Gefangener (3. B. de3 Perjeus von Ma- 
fedonien und des Syphar) geſchichtlich befannt ijt. 
Nod jest fieht man die kytlopiſchen Mauern der alten 
Stadt, Reſte emeds alten Tempels xc. Zwiſchen A. 
und Tagliacozzo (bei Scurcola) fand 1268 die ge— 
wöhnlich nad) Tagliacozzo (f. d.) benannte Schlacht 
jtatt. Bal. Bromis, Le antichita di Alba Fucense 
(Rom 1836). 

Alba, Fernando Alvarez de Toledo, Her- 
30g Don, fpan. Feldherr und Staatsmann, geb. 29. 

ft. 1507 in Piedrabita, geſt. 11. Dex. 1582 in Liſſa— 
bon, ftammte aus einem der vornehmſten Haufer 
Spanien$. Durch feinen Grovater, den Eroberer 
von Navarra, im die ſoldatiſche Laufbahn fdon 1523 





Alb — Alba. 


eingeführt, ftieq er ſchnell gu den höchſten Rangftufen 
auf. 1533 ward er General und 1537 DOberfelDberr 
der faiferliden Heere. Als folder wurde er durch 
feine Erfahrung in politijden und zumal in nuilita- 
riſchen Dingen den jpanifden Herrjdern unentbehr- 
lid), Denen er, felbjt ebenfalls religids-national fa- 
natiſch, treu ergeben war. Im Kriege äußerſte Um— 
und Borjicht beobadtend, erreidte er in Den meiſten 
Fällen feine Ziele. Cr erwarb fid) bald das un— 
bejdrantte Bertrauen Karls V. Qn dejjen viertem 
Kriege gegen Frankreich (1542) verteidigte er Kata— 
lonien und Navarra. 1546 befebligte er tm Sd&mal- 
faldijdhen Krieg unter Karl V. das kaiſerliche Heer, 
unterwarf die protejtantijden Städte Süddeutſch— 
lands, jiidtigte Den Herzog Ulrid) von Wiirttemberg 
und trug ju Karls Sieg bei Miihlberg (1547) das 
meijte bei. Dem Kriegsgericht, das den Kurfürſten 
Johann Friedrich von Sachſen jum Tode verurteilte, 
präſidierte A. und riet dem Kaiſer, das Urteil ſofort 
vollziehen zu laſſen. Dagegen gelang es ihm 1552 
nicht, den Franzoſen Metz wieder zu entreißen. Glück 
licher focht er in Italien gegen die vereinigte papft- 
liche und franzöſiſche Armee, die er 1555 wiederbolt 
ſchlug. Rad) Karls V. Abdankung (1556) beſetzte er, 
al8 Philipp I. mit Papſt Raul IV. in Streit geriet, 
den Kirchenſtaat, mute jedod auf Befehl ded Konig’ 
Frieden ſchließen und alles Eroberte zuriidgeben. Wis 
Der Bilderjturm in den Riederlanden den Zorn Phi— 
lipps IT. erregte, ward A. 1567 jum Generalfapitan 
der Riederlande ernannt und trat von Stalien aus 
mit 10,000 Mann Rerntruppen den Marſch nach 
Brüſſel an. Er hatte den Uuftrag, den Aufruhr ftreng 
zu unterDdriiden ; Dementipredend war fein Auftreten. 
Bur Bejtrafung der Teilnehmer an den Unruben 
ſetzte er den »Rat der Unrubene ein, im dem er an« 
fangs felbjt den Borji fiihrte. Taufende wurden 
Durd) jenes Gericht, von deſſen Urteil keine Uppella- 
tion galt, zum Tode verurteilt, unter ihnen als die 
vornehmſten Häupter des Adels die Grafen Egmond 
und Hoorn. Die Gegner Albas hatten anfangs we— 
nig Erfolg. A. ſchlug das Heer Ludwigs von Naſſau 
bei Jemmingen in Friesland (21. Juni 1568) und 
zwang aud) im Herbſt d. J. den in Brabant ein- 
gedrungenen Wilhelm von Oranien sum Riidjug. Run 
leqte er Dem Lande ſchwere Wbgaben auf. Wis die 
hartejte wurde die Ulfabala betradtet, d. h. die For- 
derung, daß Der zehnte Teil von dem Naufprets aller 
beweglidjen Güter als Steuer entricdtet werden follte. 
Die Strenge, mit der die Durdhfiihrung diefer Mahe 
regel verſucht ward, wurde die Urjade fiir einen 
neuen Ausbruch des Aufſtandes. Die Einnahme der 
hollandijden Seefeite Briel durch die Waſſergeuſen 
(1. April 1572) hatte den Ubfall des gejamten Nord- 
wejten zur Folge. Wilhelm von Oranien drang in 
Brabant ein, während deſſen Bruder Ludwig Mons 
und Valenciennes im S. befeste. VW. mußte die neuen 
Abgaben widerrufen, erfocht aber ſonſt glänzende Er- 
folge. Wons wurde zurückerobert, Oranien mute 
jit) nad) dem Norden zurückziehen; aud bier fielen 
Zütphen, Naarden und Haarlem in die Gewalt der 
Spanier. Indes wollte der König den Frieden in den 
Miederlanden, feiner reichſten Geldquelle, wiederber- 
ing €r berief deShalb A. suriid (1573) und er- 
efte ihn durch den mildern Don Luis de Requefens. 
A. wurde vom Konig mit Ungnade empfangen und 
fogar vom Hofe verbannt. 1580 ward er aber beauf- 
tragt, Portugal, worauf Philipp II. Erbanſprüche 
erhob, zu erobern. Auch diefen Auftrag filbrte er raſch 
und glangend aug, ftarb aber zwei Sabre fpater. Row 


Albacete — Albanejen. 


tm UWlter von 74 Jahren beſaß er die Rüſtigkeit eines 
jungen Mannes. Sein Wuchs war grof, feine Haltung 
ſtolz, felbjt dem Könige gegenüber, der YWusdrud des 
Gefichts hart; fein ganzes Außeres verfiindete den Fa- 
natifer. Bgl. Dergogin von Verwid und Ulba, 
Documentos escogidos del archivo de la casa de 
A. (Madr. 1891); Wrrue, Campafias del Duque de 
A. (Zoledo 1879, 2 Bode.). 

Wlbacéte, ſpan. Provinz im ehemaligen König— 
reid) Murcia, grenzt im N. an Cuenca, im ©. an 
Balencia und licante, im SO. und S. an Murcia, 
im SW. an Granada, im W. an Jaen und Ciudad 
Real und hat cinen Fladenraum von 14,863 qkm 
(270 OM.). Die Bevblferung betrug 1897: 233,005 
Ginw. (16 auf 1 qkm). Die Proving umfaßt 8 Ge- 
richtsbezirke. Hawptitadt ijt UWlbacete. 

Wlbacétte, Hauptitadt der gleichnamigen fpan. 
Provinz (j. oben), in weiter Screen am Balajote, 
Der durch den Nanal Maria Criftina mut dem Dricar in 
Berbindung jteht, Cnotenpuntt an der Cijenbahn Ma- 
Drid-VUlicante, 700 m ii. M., hat Reſte von Befeſti— 

ungen in Der Oberitadt, cine Normalidule, cinen 
Birtus fiir Stiergefechte, zahlreiche Meſſerſchmieden, 
eine anjehnulide Meſſe (im September) und (1897) 
21,637 Einw. A. ijt Sig des Gouverneurs und 
eines Uppellationsgeridts. 

Alba de Tormeds, Bezirkshauptſtadt der fpan. 
Proving Salamanca, am Tormes und an der Cifen- 
bahn Plajencia-Ujtorga, mit dem Stammſchloß der 
Herzöge von Ulba, groper fteinerner Briicte und 807) 
$203 Cinw. 

Alba longa, die Mutterjtadt aller latinifden 
Stadte und aud Roms, lag auf einer fid »lang« 
bin erjtrecdenden Terraſſe über Dem Albanerſee, wie 
man gewöhnlich annahm, am Abhang des heutigen 
Monte Cavo am Oſtufer des Sees, während dic neueſte 
Forſchung ſich für das Weſtufer, und zwar für die 
Lage des heutigen Caſtel Gandolfo, entſchieden hat, 
wofür die Benennung der Billenanlage unterhalb 
des Weſtufers Albanum (jest Albano) ſpricht. Ge— 


gründet der Sage nad) von Ascanius, dem Sohne | 


des Aneas, 300 Jahre vor Rom, wurde fie zuerſt 
von (16) Königen, die alle den Beinamen Silvius 
trugen (das Verzeichnis ijt mythiſch), ſpäter von Dit- 
tatoren beberrjdt und war lange Zeit der Vorort de3 
Latinijden Bundes. Der Verrat de3 Diftator3s Met- 
tus Fujfetius führte zur Zerſtörung der Stadt durd 
die Rimer, die ihre Einwohner auf dem Cdlifden 
Hiigel anjiedelten. 

Wlban, felt. Name fiir Schottland (ſ. d., Gefdichte). 

Wlban, der Heilige, erjter Märtyrer in Britan- 
nien, unter Diofletian. 

WAlbana, Stadt, ſ. Ulbania. 

Wlbanaginm (nittellat. jus albanagii, franj. 
Droit d'aubaine, »Fremdlingsrecht«), das friihere 
landesherrliche Recht auf cinen Teil vom Nachlaß der 
im Lande veritorbenen Fremden; f. Fremdenrecht. 

Albane, B., Pjeudonym, ſ. Caro 2). 

MAlbanergebirge (ital. Colli Albani, Monti La- 
ziali, ſ. Rarte »Umgebung von Rom«), ein 18 km 
ſüdöſtlich von Rom fich aus der Ebene erhebendes 
pulfanifdes Ringgebirge von 60 km Umfang. Der 
Ring ijt an drei Stellen durdbroden, im O. wie im 
NW. durd) die Meteorwajjer, im SW. durd drei 
jiingere rater, die jetzt von den Herrliden Seen von 
Ulbano und Nemi und der entwäſſerten Ebene von 
Yriccia eingenommen find. In der Mitte des alten 
Kraters hat ſich ebenfalls ein jiingerer Cruptionsfegel 
gebildet, der Monte Cavo (Mons albanus im Wlter- 


259 


tum), 956 m hod), deffen Rrater im Vollsmund Han- 
nibals Lager genannt wird. Auf feinem Gipfel ftand 
der Tempel des Jupiter latiaris, bas Bundesheiligtum 
der Latiner. Das U., gum größten Teil mit Wein: 
und Olivenpflanjungen und Kajtanienwaldern bededt, 
bildet cine beliebte Sommerfriſche und wird wegen 
feiner landſchaftlichen Reize viel beſucht. 
Albauerſee, ſ. Albano. 
Albanerſtein, ſoviel wie Peperin, ſ. Baſalte. 
Albaneſen (albaneſ. Schkipetaren, d. h. Fels— 
bewohner, türk. Arnauten, griech. Urbaniten, 
ferb. Urbanafi), ein Vollk von iſolierter Stellung 
unter den Indoeuropäern, das als Nachkommen der 
einſt viel weiter verbreiteten alten Illyrier angejehen 
wird und vor allem in der weſtlichen Balfanhalb- 
infel von Montenegro bis Griedenland, etiva bis 
39° ſüdl. Br., und von der Adria bis zur Linie Niſch- 
Usfiib-Monaftir, wenn aud in den Grenzgebieten 
zwiſchen andern Völkern zerjtreut, fowie in —— 
ruchteilen in Siiditalien und Sizilien, Slawonien, 
Beſſarabien und Kleinaſien heimiſch ijt. Ihre Gefamt- 
zahl wird nach ſehr unſicherer Schätzung auf 1,900,000 
angegeben, von denen die Haupfmaſſe (1,115,000) 
im beutigen Wlbanien (dem alten Illyricum und Epi- 
rus) ote! und der Religion nad 790,000 moham⸗ 
medaniſche, 85,000 rmitd -fatholijde und 240,000 
orthodore A. zählt. In Witferbien und int ſüdlichen 
Montenegro hat eine ftarfe Miſchung mit ferbijden 
Elementen jtattgefunden, wahrend in Mittelalbanien 
die U. fich am reinjten erhalten haben. Nad Grie- 
chenland und dem Griechiſchen Archipel wanderten 
die A. im 14. und 15. Jahrh. Im Peloponnes bilden 
fie 12,6 Pro}. der Bevdlferung und madden tiberhaupt 
etwa cin Zehntel (250,000) der Bewohner Grieden- 
fand8 aus. Dod find die griechiſchen A. mehr oder 
minder in der Hellenijierung begriffen und gebdren 
ſämtlich gur griechiſch orthodoxen Rirde. Nad Ita— 
lien wanderten A. im 15. und 16., zuletzt im 18. 
Jahrh. Ihre Zahl beträgt etwa 100,000. Nad O jter- 
reich kamen A. aus Nordalbanien im 18. Jahrh. 
und finden ſich heute in den flawonifden Dörfern 
Herkovtſe und Nilintſe bei Mitrovig, in der Vorjtadt 
Borgo Erijszo bei Zara fowie in Iſtrien, dod) find 
die —— bereits ſlawiſiert. 
In aug auf die Körperbeſchaffenheit zer— 
fallen die A. im zwei durch den Schlumb getrennte 
Stimme, die Gegen im R. und die Tosfen im S. 
Beide können fic untereinander nur ſchwer verſtän— 
digen und haſſen cinander. Es ijt auffallend, dak 
blonde Haare und graue Augen bejonders bei den 
üdlichen Tosfen vorlommen, im M. aber dunfle Ge— 
jichtsfarbe herridt. Nach den wenigen Schädelmeſ— 
jungen find die ndrdliden A. bradyfephal, während 
die ſüdlichen dDolidofephal fein follen. DerBildungs- 
zujtand der U. iſt überaus niedrig. Eine Sehrijt- 
jprade fehlt ihnen. Das Gefühl nationaler Zuſam— 
mengehörigleit ijt bei den in der Türkei wohnenden 
A., Bie wegen der die Serjplitterung begünſtigenden 
LandeSnatur in vicle Heine Stämme jerfallen, nod 
wenig entivicelt, wihrend die im YWusland wohnen- 
den eifrig national « politifde Bropaganda treiben. 
Fortwahrende Stammesfehden und die fonfejfionelle 
Verſchiedenheit lieken und lajjen das Nationalbewujt- 
jein nur in Fallen gemeinjamer Gefahr auffommen. 
Selbſtſucht, Not und eine Art patriotiſcher Anhäng- 
lichleit an alte Sitten erzeugten fortwährende Wut 
requng gegen die türliſche Regierung, fehrten ſich aber 
aud — gegen andre Völker, wie Montene— 
griner und Griechen, was ſich 1878 in der Bildung 
17* 


260 


ber — albaneſiſchen Liga äußerte. Die tiir- 
fijhe Regierung benutzte die wobhlbefannte Kriegs— 
tüchtigkeit des Volfes als cin geeignetes Mittel, um 
in allen Brovingen des weiten Reiches nicht ſowohl 
die Ordnung als den Defpotismus ju ftiigen. Damit 
entzog fie zügleich Dem Lande die bejte Widerjtands- 
fratt Dak cs den A. an edlen Zügen nicht feblte, 
zeigten die Hydrioten der griechiſchen Inſeln. Georg 


Kaſtriota, ihr qefeierter Volfsheld, war miitterlider- | 
paganda werden überdies einige bejonders erfundene 


jeitS fein Albaneſe, fondern Slawe. 
Jn vielen Teilen Wlbaniens, namentlid) im Ge- 


birge, üben die Türlen nur cine ſcheinbare Herrſchaft 
aus, denn in Wirtlicfeit regiert jeder Stamm ſich 
ſelbſt. Mit dem Wali (Gouverneur) ſtehen bloß einige 


Stämme durch eine Mittelsperſon, den Bululbaſchi, 
in Verbindung. Jeder Stamm bildet eine kleine Son— 
derrepublif, in welder Der Rat der Alteſten über alle 
Dinge von nicht allgemeiner Widhtigteit Beſtimmun— 
gen trifft. Im allgemeinen entideidet das Herfommen 


Adet), über folde Ungelegenheiten aber, De das Woh! | 


des ganjen Stammes betreffen, die Vollsverſamm— 
{ung (Ruvent), ju der jedes Haus cinen Bertreter 
jendet. Nur der im Inland veriibte Diebjtahl wird 
bejtraft, jener tm Ausland wird qebilligt, da er den 
Rationalwohljtand bereidert. Unabjidtlide Tötung 
sieht Geldjtrafe, vorſätzliche die Blutrade nad ſich, 
desgleichen Verleumdung, —— Schändung, 
Ehebruch. Die Blutrache wird nad) den ungedrud— 
ten Beſtimmungen des uralten Geſetzes Leg dukagji- 
nit ausgeiibt und fordert fdredlide Opfer; auf jie 
entjallen 25—75 Bro}. aller Todesfalle. In der 
Familie iit der Mann unumidrintter Herr. Das 
Weib sieht oft mit in den Kampf. Berlobung, Hod)- 
zeit, Ehe zeigen nod) viele Spuren altbarbarijder 
Gebriude, wie Brautfauf und Brautraub. In den 
religidjen Unfdauungen aller Stämme hat fid) nod 


ſehr vicl Heidnifdes erhalten. Die Tract wedfelt | 
nad den Stämmen, bejteht aber meijt in roter oder | 


weifer Mütze und Turbanfdal, knopfloſer, weiger 
Weſte, weißer Fuſtanella, weißen Beinfleidern (ſ. Ta- 


fel »Bolfstradten II«, Fig. 23 u. 24). Immer tit der | 


Ulbanefe bewajfnet. Hauptbeſchäftigung find Vieh— 
zucht und Uderbau. Die Hauser aus Hols und Lehm 
gleichen denen griechiſcher Bauern oder find wegen der 
durch Die Blutrache bedingten Unſicherheit fenjterlofe, 
feitungsartige Steinbauten mit Schießſcharten. Die 
A. jingen viel umd gut; es gibt unter ihnen Erzähler, 
Sanger; das Vollslied tit m der Regel elegiſch. Der 
Tan; ijt die Wlbanitifa, verwandt der griedijden 
Romaifa. VW. werden zuerſt von dent Geographen 
Ptolemaus erwähnt, als deren Hauptitadt er Alba— 


| jtarf Degeneriert. Das Nomen fann einen na 





Albanejer Hemd — Albaneſiſche Sprache und Literatur. 


teilen laſſen. Im eigentliden Wlbanien bildet Der 
Fluß Schkunib die Grenge zwiſchen beiden ; die Dialefte 
der tm Königreich Griechenland und in Italien leben⸗ 
den Ulbanejen tragen den tosfifden Charafter. Im 
allgemeinen find die gegiſchen Mundarten die alter: 
tiimlicern. Die Schreibung der albaneſiſchen Sprache 
iſt bei dem Mangel einer Schriftſprache ſehr ſchwan— 
kend; die Toslen wenden meiſt griechiſche, die Gegen 
lateiniſche Buchſtaben an; in der Druckerei der Bro- 


Seiden verwendet. Die albaneſiſche Sprache tit zwei⸗ 
fellos cine indDogermanifde, und gwar ſteht jept felt. 
daß fie einen befondern Zweig neben Ariſch, Griechiſch. 
Stalijd x. ausmadt. Nächſtverwandt mit ihr mar 
Die im Altertum bereits untergegangene Sprache der 
Meffapier (ſ. d.). Die Unterſuchung des Albaneſiſchen 
wird weſentlich erſchwert durch die zahlreichen Lehn⸗ 
wörter, die aus dem Latein, den romaniſchen und 
ſlawiſchen Sprachen (die türkiſchen find leicht erlenn⸗ 
bar) eingedrungen ſind; um ihre Ausſcheidung haben 
ſich beſonders Milloſich und Guſtav Meyer verdient 
gemacht. Auch das Neugriechiſche hat beigeſteuert. be- 
ſonders in den toskiſchen Dialekten. Eine wiſſenſchaft⸗ 
liche Analyſe des geſamten albanefijden Wortvorrats 
gibt G. Meyers Ewmologiſches Wörterbuch der alba⸗ 
neſiſchen Sprache- (Straßb. 1891). Die Flexion tit 
eĩtell⸗ 
ten Yrtifel annehmen, wie im Rumäniſchen und Bul- 
gariſchen, in welde Sprachen dieſe Eigentümlichtkeit 
vielleicht aus dem Wibanefifden eingedrungen ijt. 
Yon Literatur fann höchſtens bei den Wibancien 
Staliens die Rede fein, die, von italieniſcher Kultur 
angeregt, mehrfach verjudt haben, die Mutterſprache 
dichteriſcher Broduftion dienjtbar gu machen. Beriihmt, 
aber faum mehr erreidjbar, ijt das » Leben der Jung: 
frau Wariae von Varibobba (Rom 1762); aus dem 
19. Jahrh. ijt vor allem ju nennen Gerolamo de Rada, 
der als Dichter (»Poesie albanesi«, Coriqliano - Ca- 
labro 1872-—84) und als Sammler von Bolfslicdern 
(»Rapsodie di un poema albanese-, Flor. 1866) der 
rupmivollen Vergangenheit feines Bolles fein Leben 
geweiht hat und 1683—86 eine albanejifde Beit 
ſchrift: » Fiamuri Arberit« (» Die Fahne Ulbaniens<), 
herausgab. Bal. Dora d'Iſtria, Gli serittori al- 


' banesi dell’ Italia meridionale (Palermo 1867), und 


G. Stier, Die Ulbanejen in Stalien und ibre Lite- 


ratur (in Der ⸗Allgemeinen Wonatsfdrift«, 1853, 
S. 864 ff.). Die rimifde Propaganda bat eine An⸗ 


zahl Erbauungsidriften in den Sfutarmer Dialett 


nopolis nennt. Die Landſchaft, m der jie wohnten, 


hieß {pater tm gegifden Dialeft Urberia oder Yrbin, 


woraus das moderne griedijde Urbaniten und das | 
Bgl. G. v. 


türtiſche Arnauten hervorgegangen ijt. 


Hahn, Albaneſiſche Studien (Jena 1854); Derjelbe, 


Reiſe durch das Gebiet des Drin und Wardar im 4. | 


1863 (Wien 1870); Fallmerayer, Das albaneſiſche 
Element in Griedentand (Miind. 1857—60, 3 Tle.); 
G. Meyer, Ejjays und Studien sur Spradgeididte 
und Bolfsfunde (Berl. 1885); Diefenbad, Boller: 
funde Citeuropas, Bd. 1 Darmſt. 1880); Erber, La 
colonia albanese di Borgo Erizzo (Raqufa 1883); 
W. Degrand, Souvenirs de la Haute-Albanie (Par. 

Albanefer Hemd, ſ. Fuſtanella. (1901). 

Albaueſiſche Sprache und Literatur. Die 
albanefifde Sprade wird in einer grofen An— 
abl von Mundarten gefproden, die fic) amt pafjend 





liberfesen laſſen, fo ſchon 1664 Bellarming »Dottrina 
cristiana«. Aus dem eigentlichen Albanien, wo einige 
turfijicrende Poeten, wie Nezim Bei, gewirkt haben, 
find Bolfslieder und Marden gefannmelt worden m 
den Werfen von Hahn, Dozon (Der auch cine Uber- 
ſetzung verdffentlicht bat: »Contes albanais« , Bar. 
1881) und in der »AAfanxy péliooae von Witlos 
(Wier. 1878), woraus G. Meyer im ⸗Archiv fiir Lite- 
raturgeididte« (Vd. 12, 1883) die meiſten überſetzt 
hat, ferner neuerdings von H. Pederſen (⸗Albaneſiſche 
Tertes, Leipz. 1895; deutſche Uberfegung: » Sur alba: 
neſiſchen Vollslunde⸗, Nopenh. 189s). Um die Rennt- 
nis des griechiſchen Albaneſiſchen hat fich befonders 
Reinhold (» Noctes pelasgicae«, Wthen 1855) verdient 
gemadt. In neuerer Zeit ijt unter den Literaten Al— 
baniens am tatigiten Konſtantin Kriftoforidis aus 
Elbafjan, der die Schöpfung einer albaneſiſchen Schrift⸗ 
ſprache anjtrebt. Er hat außer mebreren Unterridts- 
biidhern cine albaneſiſche Grammatik des toskiſchen 


jten in Die gegiſchen und in die tosfi{den ein- Dialefts (Nonjtantin. 1882) und Uberjegungen des 


Albani — Albanien. 


Meuen Tejtaments und von Teilen des Ulten ver- 
fat. — Eine Vibliographie aller auf a. S. u. L. bezüg⸗ 
lichen Erideinungen findet man in G. Meyers > bt 
mologiſchem Wörterbuch⸗, S. 516 ff. Genannt ſeien 
bier: Blandus, Dictionarium latino-epiroticum 
(Rom 1635); Lecce, Osservazioni grammaticali 
nella lingua albanese (daj. 1716); v. Hahn, Alba— 
neſiſche Studien (Jena 1854); Roſſi, Vocabolario 
italiano-epirotico (Rom 1866); Derjelbe, Vocabo- 
lario della lingua epirotica-italiana (daf. 1875); 
de Rada, Grammatica della lingua albanese (Flor. 
1870); Mikloſich, Albaniſche Forſchungen (Wien 
1870 —71, 3 Oefte); Dozon, Manuel de la langue 
chkipe ou albanaise (Par. 1879); Jungg, Ele- 
menti grammaticali della lingua albanese (Sfutari 
1881); B. W., Grammaire albanaise (Lond. 1887); 
G. Meyer, Ulbanejifdhe Studien (Wien 1883 — 96, 
5 Hefte); Derjelbe, Albaneſiſche Grammatik (Leipz. 


1888); Pisto, Kurzgefaßtes Handbud) der nord: | 


albanefijden Sprache (Wien 1896). 

Wlbani, 1) reiche rim. Familie, die, ſeit Giovanni 
grancesco A. 1700 als Clemens XI. den päpſtlichen 
Stuhl bejtieg, hohe Wiirden in der Kirche befleidete 
und 1852 erlofdh. Kardinal Aleſſandro A. (1692 


bis 1779) begriindete 1758 die 1866 von dem Für⸗ 


jten Aleſſandro Torlonia (geſt. 1886) angefaufte und 
jetzt deſſen Erben gehörende Kunſtſammlung der 
Billa Albani in Rom, die durch Winckelmann eine 
der Ausgangsſtätten fiir das Verſtändnis der antifen 
Plaſtik wurde. Aus den aud) jest nocd zahlreichen 
Kunſtſchätzen der Villa, von denen viele nad Frant- 
reid) entführt und 1815 nad München verfauft wur- 
ben, find hervorjuheben: der bogen{pannende Amor, 
eine Marmorjtatue der Wthene otis, ein Relief mit 
Dem Ubjdied des Orpheus von, der Curydile, das 
ig se einer Marmorjtatue Äſops, die Karyatide 
Der 
von Stephanos, da8 Brujtbild des Untinoos in Relief; 
das Dedengemilde de3 Parnaſſes von R. Mengs re. 
Die zahlreichen antifen Reliefs gab Zoega heraus. 
2) Francesco, ital. Maler, geb. 1578in Bologna, 
ejtorben daſelbſt 1660, bifbete tid) anfangs bei Dem 
Shiederlander Calvaert und ſpäter unter Lodovico 
Carracci. A. hat zahlreiche, im Geijte der Schule der 
Carracci gehaltene Ultarbilder geſchaffen. Am liebjten 
malte er jedod idylliſche Gegenftiinde der antifen 
Mythe oder Darjtellungen, wie jie ihm die gleichgeitige 
Schäferpoeſie, namentlid) Taſſos und Guarinis, an 
Die Hand gab (daber fein Beiname »Anakreon der 


MWalerei«). Er foll von feiner sweiten Gattin zwölf 


Kinder von folder Schinheit gehabt haben, dak dieſe 
ihm als die geeignetiten Modelle fiir ſeine Venus, 
Galatea-, Umormen- und Engelsgejtalten dienen 
fonnten. Boll fonniger Heiterfert und Anmut find 
aud) die Landfchajten, die oft einen wejentliden Teil 
feiner Bilder ausmaden. 

3) Matthias, der altere, vorzüglicher Geigen- 
bauer, geb. 1621 in Bozen, gejtorben dafelbjt 1673, 
Schüler von Stainer; fein berithmterer Sohn Mat— 
thias arbeitete einige Sabre bei den Meijtern des 
Biolinbaues in Cremona und ließ fid) Dann in Rom 
nieder; Inſtrumente von ibm aus den Jahren 1702 
und 1709 werden fajt den Amatis gleichgeftellt. 

Albania, im Ultertum Name einer Küſtenland— 
ſchaft in Rautafien, die fic) zwiſchen dem Kaſpiſchen 
Meer und Yberien ſüdwärts bis zum Kyros (Kur) 
erjtredte und von den Ulbani bewohnt wurde. Leg: 
tere waren Nomaden, gute Vogenfdiigen und Reiter, 


ehrlich und von einfaden Gitten. Dent Bomrpejus | 


thener Kriton und Nifolang, cine Uthletenitatue | 


261 


| traten fie 65 v. Chr. mit 82,000 Kriegern entgegen. 
Jor Reich, deſſen Hauptitadt Albana am Kaſpiſchen 
Weere war, wurde erjt im 10. Jahrh. durch tiirtijd- 
tatariſche Stämme gejtiir;t. 

Albanien, cin mehr ethnographiſcher als geogra— 
phiſcher Begriff, der das ganz oder hauptſächlich von 
Wlbanefen (j.d.) bewohnte Land, d.h. dic türkiſchen 
BWilajets Stutari, Janina und Teile von Koſ— 
jowo und Monaftir, zwiſchen Montenegro im M., 
Griedenland im S., Mafedonien im O., dem Adria— 
tijden Meer im W., umfaßt. Außerdem wird ge- 
wöhnlich aud) der griechiſche Süden und Ojten von 
Epirus ju A. gerednet. Mit Wusnahme des 3. T. ver: 
fumpften Küſtengebiets und ciniger größerer Niede— 
rungen und Beden iſt W. ein ſehr ſchwer Zugängliches, 
daher vielfach noch von unabhängigen Stämmen be— 
wohntes Gebirgsland. Näheres ſ. Türkiſches Reich. 

Geſchichte. Im Altertum hieß A. Illyrien, und 
ſeine indogermaniſchen Bewohner, die Illyrier hießen, 
aber (nad) Carl Pauli) Thrafer waren, während der 
Name Wibanefen (Albani) auf einen fleinen Gau be- 
ſchränkt blieb, waren als wild und kriegeriſch gefiird)- 
tet. Die griechiſch-⸗maledoniſche Periode hindurch 
waren die Illyrier, obwohl ſie es niemals Zu einer 

größern ſtaatlichen Einheit brachten, der Schrecken 
aller Radbarvilfer: ſelbſt empfindliche Niederlagen 
ihrer Fürſten Bardylis und Kleitos durch Philipp 
(358 v. Chr.) und Alexander (335) fonnten A. nicht 
dauernd bändigen; durch frechen Seeraub machten 
ſich namentlich die Urdiaierfiirjten Pleuratos und 
Agron von Skodra (Skutari) läſtig. 230 v. Chr. be— 
ann die Unterwerfung des Landes durch die Römer. 
— erhoben —* an den Küſten; Apollonia 
(Polina) ward der Sitz der Wiſſenſchaften, Dyrrha— 
chion der des Handels. In den Gebirgen aber er— 
hielten ſich Die alte Sprache und das alte Bolf. Jn 
der Völkerwanderung verſchwand aud in A. die rö— 
mifde Herrſchaft. Gu Barbarei fiihrten A. die im 
7., 8. und 9. Jahrh. eindringenden flawijden Bolter 
zurück, durch Die cin groper Teil der Bevölkerung na- 
mentlid) im Norden Fawifiert wurde. Um 870 ward 
Ochrida (das alte Lydnidos) die Reſidenz cines Bul- 
garen. €rjt nad) dem Sturz der Slawenbherrjdaft 
(1018) nabmen die Rejte der alten Bevöllerung wie- 
Der Beſitz vom Lande. Nach Niederwerfung des Wuf- 
jtandes der Bulgaren zog 1042 der Statthatter Mi— 
chael Paphlago von Dyrrhachion mit 60,000 Alba⸗ 








neſen gegen die Serben. Auf die Eroberungsfahrten 


der Normannen unter Robert Guiscard (1081—1101) 
folgte bie Herrfdaft der Dejpoten von Epirus aus 
dem Hauſe der Romnenen (bis 1318); danach gelangte 
A. wieder in die Hände der Byzantiner. 1343 eroberte 
der Serbe Stephan Duſchan A., Thejfalien und Ma- 
fedonien und nannte ſich⸗Kaiſer⸗. Nach feinem Tode 
wollte Nifephoros, der Sohn des letzten epirotijden 
Defpoten, A. unterwerfen, ward aber (1357/58) von 
den Ulbanefen getötet; teilweife fiel nun A. in die 
Gewalt ded — Deſpoten Simon, während 
leichzeitig Giinos Wajas im Süden und Petros Ljo- 
chas (geſt. 1374) im Norden ſelbſtändige Herrfdaj- 
ten begriindeten. In dieſe Beit fallt Der Beginn der 
grogen albaneſiſchen Wanderung: in Uttifa, Theſ⸗— 
jalien und der Peloponnes erjtanden albanefijde 
Pflanzſtädte, die fpiter den Türken tapfern Wider- 
ſtand leijteten. Schon um 1380 ftritten die Albaneſen 
mit den Slawen, Ungarn und Venezianern vereinigt 
fiir das Evangelium gegen den Islam; in der Schlacht 
auf dem Amſelfelde (6. Juni 1389) verblutete der 
Kern des albanefifdjen Heeres. Nad) dem Tode Jo— 





262 Albano — Albany. 


hann Spatas (1400), der cin Bierteljahrhundert die 
Stadt Arta jelbjtindig se hatte, eroberte Karl I. 
Tocco von Kephalonia A., mußte aber Janina an 
Sultan Murad abtreten und deffen Lehnshoheit an- 
erfennen. Damit begann die Mohammedanifie- 
rung Ulbaniens. Die Glanzzeit Nordalbaniens, das 
1250 zur fatholijden Kirche iibergetreten war und 
um 1368 jein Abhängigleitsverhältnis ju Serbien 
eldjt batte, tniipft jid) an den Namen Slander: 
* 3 (f.d.), der 25 Sabre lang (1443 —67) mit 
Denmut und Glück gegen die Tiirten klämpfte, wäh— 
rend fein Schwiegervater Arianites Topia den Siiden 
ſchirnite. Nach Sfanderbegs Tod webhrten ſich die 
Ulbanefen nicht mehr flange gegen die Tiirten: die 
Verteidiqung von Sfutari (1478) ijt ihre letzte größte 
Waffentat. Durd den 1479 zwiſchen den Tiirfen und 
Venezianern gefdlofjenen Frieden ward A. türliſche 
Proving; nun wanderten aud aus dem Norden zahl— 
reide Bewohner aus, meijt nad Italien. Seit der 
Mitte deS 17. Jahrh. griff der Islam in W. mehr und 
mehr um fid). Auch drängten ſich die Albaneſen bald 
jum türkiſchen Rriegsdienjt und bildeten, zumal nad)- 
dem die Janitidaren ju Haustruppen herabgefunten 
waren, den Kern der Armee; die tapferjten tiirfifden 


Heerführer waren meijt Ulbanefen. Auch gu den | 


höhern Biviljtellen des titrfifdjen Reiches gelangten 
vornehme Ulbanefen inmnter häufiger. Wis 1770 die 
Rufjen den Aufſtand der Griechen gegen die Türken 
anfadjten, bediente fid) die Bforte der Albaneſen, die 
ihrem Haß gegen die Grieden Lauf ließen. Damals 
bradte Uli (j. dD. 3) VON Janina nad und nad 
gang A. und einen großen Teil der umliegenden Bro- 
vinzen unter feine Herridaft. Alis 40jähriger Kampf 
jur Befeſtigung feiner Defpotie hatte das wilde Bolt 
i fer an das Kriegsleben gewöhnt, dah, alS nach des 
Defpoten Stur; (1822) die griechiſche Revolution aus: 
brad), es die neue Gelegenheit ju Raub und Plün— 
derung mit Cifer ergrif. Die mohammedaniſchen 
Albaneſen traten auf die Seite der Tiirfen, die chrijt- 
lichen, befonders die in den ſüdlichen Gebirgen woh— 
nenden Armatolen und Rlephthen (namentlid die 
Sulioten), auf die der Griedhen. Yn dieſem langen 
Kanrpfe nit ihren mohammedanifden Briidern gin- 
gen die chriſtlichen Albaneſen größtenteils zu Grunde. 

ach der Schlacht bei Navarin (1827) wendete ſich 
die Tatenluſt der Albaneſen gegen die Türken. Unter 
Arslan Bei und Muſtafa Paſcha von Skutari erho— 
ben ſie ſich, begünſtigt durch den Krieg der Pforte 
mit Rußland, den gleichzeitigen Aufſtand Daud Pa— 
ſchas in Bagdad und die Unbotmifigteit Mehemed 
Alis von Agypten. Da erſchien Refdid Paſcha nah 
Abſchluß des Friedens von Wdrianopel 1829 mit dem 
ganjen türliſchen Deer. 1831 flammte die Empörung 
nod cinmal auf; als Mustafa aber von Reſchid Pa— 
ſcha bei Rerlape geſchlagen war, muften fic) die Alba— 
nefen wieder unterwerfen. Cin abermaliger Uufitand 
der mohammedaniſchen Vevilferung * ſich ſeit 
1843 in A. infolge der angeordneten Truppenaus 
hebung über die Gebirgsgegenden von Rumelien bis 
nach der Bulgarei aus. Omer VPaſcha aber ſchlug die 


Ulbanefen 1444 bei Raplanty und bei Kalfandelen | 


und eroberte Priſchtina. Cin neuer Wufitand im 
Sommer 1847 wurde bald unterdriidt. 1879 wider: 
feften ſich die ndrdliden Stämme der Ulbanefen den 
durch Den Berliner Frieden feitgefepten Wbtretungen 


von Teilen Ulbaniens an Serbien und Montenegro, | 
wurden aber 1880 und nad abermaliger Erhebung | 


1881 von Derwiſch Paſcha unterworfen. 1887 fan 
ben aus Anlaß der neuen Grundfteuer Unruben in 


A. jtatt; ſolche wiederholten fic) aus Griinden Der 
Blutrade, Grenjitreitereien x. von Jabr yu Jahr: 
nod) Unfang 1902 jtellte Chemji Paſcha zu Diafovo 
nur mit Muͤhe die Rube wieder her. Bezeichnend tit 
e8, daß fich ein Fiihrer der jungtiirtifden Bewequna, 
Ismail Kemal Bei, von Brüſſel aus lebhaft mit der 
Löſung der salbanifden Frage beſchäftigt; und na- 
tional⸗ albaniſche Tendenzen verfolgt Aladro Kaſtriota 
(f. d.), ein angeblicher Nachkomme Skanderbegs. Bal. 
die Geichicdhtstarten bei Vrt. »Tiirfifdes Reich< ; Lite 
ratur bei ⸗Albaneſen«. 

Albano (A. Laziale), Stadt in der ital. Brovin; 
und dem Kreis Rom, ſüdöſtlich von Rom, im herr 
lidber Lage nahe am Wlbanerjec, durch Eiſenbahn mit 
Rom und der Kiijte verbunden, hat cine Rathedrale, 
mehrere Villen mit Garten, Weinbau und (1901) ca. 
8000 (als Gemeinde 8461) Einw. Bon den Bau: 
trümmern des klaſſiſchen Altertums finddie Über⸗ 
reſte der Villen des Pompejus und Domitian, des 
Pompejusgrabes und des ſogen. Grabmals der Ho- 
ratier (im etrusfifden Stil, ſ. Tafel »Urchiteftur IV <, 
rig. 9) am bemerfenswertejten. YW. ijt Rardinalbistunt. 
2 km fiidlid) von A. Keg Ariecia (f. d.) Unfern im 
M. erhebt fic) Cajtel Gandolfo (j. d.), und 3 km nord- 
öſtlich ſtand im Wltertum Wiba longa (j. d.), die 
| Mutterjtadt Roms. — Der Ulbanerfice (Albanns 
i lacus, Lago di Albano oder Lago di Cajtello), 
ein vulkaniſches Maar, am Weſtfuß de3 Monte Cavo, 
| 293 m ii. M., gelegen, bildet ein elliptijdes Becken 
| (3,7 km lang, 2 km breit) voll frijtallhellen Waſſers, 
| hat eine Tiefe bis 156 m und iſt febr fiſchreich. Ka— 
jtanienwald und Weinpflan ungen bedecken feine z. T. 
hohen und ſchroffen Ufer. Der Spiegel des Sees wird 
durch einen Abzugskanal reguliert, den der römiſche 
Feldherr Camillus während der Belagerung von Veſi 
306 v. Chr. durch den Felſen hauen ließ, und der noch 
heute wohlerhalten ſeinen Zweck erfüllt. Er tit über 
Im breit, 2—3 m bod und 1200 m lang. — Bei A. 
bricht der grünlichgraue Albanerſtein (Reperin, 
ſ. Baſalte), der in den ältern Zeiten Roms zum Bauen 
verwendet wurde, S. Karte »Uimgebung von Rom. 
Albansquiden, Goldmünze des Ritterſtifts St. 
Alban in Maing von 6's Me. Wert. 

Albanh (jor. send, 1) Küſtenbezirk der öſtlichen 
Napfolonie, mit 4364 qkm und (1891) 23,335 Einw. 
(9359 Werke, 11,003 Bantu und 2973 Hottentotten), 
trefflicher Bodenfultur, Schafzucht und jtarfer Aus— 
| fubr von Wolle, *8 Leder und Stroh zur Hutflech⸗ 
terei. Hauptort tit Vrahamstown. — 2) Schiff—⸗ 
| barer Fluß in Britiidh -Nordamerifa, auf der Grenye 
zwiſchen Ontario und Keewatin, entſtrömt als Cat 
Yafe River dem Cat Lale, eriveitert fich mehrfach ju 
| Seen (St. Jofephsice) und miindet bei Fort A. in de 
Jamesbucht der Hudſonbai. 

Wlbany (or. doweni), 1) Hauptſtadt des nordameri⸗ 
fan. Staates New Port, unter 42° 40 nordl. Br., am 
Hudjon (der bis hierher fiir Heine Seeſchiffe fahrbar 
ijt, und in den Hier Eriefanal und Champlainfanal 
eintreten), 230 km oberbalb New Yort, Rnotenpuntt 
von fiinf Eiſenbahnen, mit (1900) 94,151 Einw. Dre 
filtere Stadt hat enge, die Neujtadt breite, ſtattliche 
Strafen. Bemerfenswert find das Rapitol, cin Gra- 
nitbau im Renaijfanceftil, mit 96 m hohem Turm, 
die marmorne State Hall, die fatholifae Mathedrale, 
Rathaus, Börſe. Jn 1566 Gewerbsbetrieben erzeug— 
ten 1900: 12,389 Yirbeiter Waren tm Werte von 
24,992,021 Doll., dDarunter 21 Giehereien und Ma— 
idinenbauanitalten, 10 Brauereien, 44 Drudereien, 
Maly-, Schuh-, Rleider-, Udergeriit-, Tabaffabri- 








Wlhany — Albedo. 


fen 2c. Getreide, Vieh, Rohle und Hol; find Haupt- 
handelsartifel. Von wijjen{daftliden 4 nitituten be- 
finden fic) in A. die 1852 inforporierte Redts- und 
Medizinfdhule, Sternwarte (Dudley Obfervatory), 
Staatsbibliothef (320,000 Bande), Lehrerfeminar, 
Mufeum und das 1791 geqriindete A. Ynjtitute. Das 
Zuchthaus ijt Mujteranjtalt und wird einzig durd 
die Arbeit Der Gefangenen unterhalten. Die —8* 
verſorgung geſchieht aus dem 8 km weſtlich gelege— 
nent Renſſelaerſee. Das ſteuerbare Eigentum betragt 
69,032,734, die ſtädtiſche Schuld 2,619,380 Doll. YW. 
wurde von den Holldndern 1623 als Fort Orange 
— erhielt ſeinen jetzigen Namen 1624 durch 
ie Engländer und ijt ſeit 1798 Hauptſtadt des Staates 
New Yorf. — 2) Hauptitadt der Graffdaft Linn im 
nordamerifan. Staat Oregon, am Willamette und 
an der Eiſenbahn nad Ralifornien, mit «900 3149 
Einw. — 3) Hauptitadt der Grafſchaft Dougherty im 
Staat Georgia, am ſchiffbaren Flint, Bahninotenpuntt 
und Baumwolleverſendungsplatz und hat (1900) 4606 
Einw. — 4) Hafenjtadt an der Siidfiijte von Weft- 
aujtralien, am Princeß Royal Harbour, der mit dem 
Ring George-Sund in Verbindung jteht, mit Perth 
durd) Cijenbahn verbunden, hat 2 Forts, einen Leucht- 
turm und (1900) 3250 Einw. A. war früher Dampfer- 
ftation, jetzt ijt es cine befuchte Gefundheitsjtation. 
(ant) (fpr. ãlbent oder dodéni), 1) Quife Marie 
Karoline oder Wloyfia, Grafin von, Todter 
des Prinzen Gujtav Adolf von Stolberg-Gedern, geb. 
1753, gejt. 29. Jan. 1824. Geit 1772 mit dem eng- 
liſchen Rronpratendenten Karl Eduard Stuart fin- 
derlo3 und unglücklich vermablt, entfloh fie in ein 
Kloſter, lebte aber ſpäter und feit dem Tode de3 Prä— 
tendenten (1788) in Florenz öffentlich mit dem Did: 
ter Ulfieri, der fie in feiner Selbſtbiographie verherr- 
lidte. Sie wurde neben Ulfieri in der Kirche Santa 
Croce zu Floren; beigefept. Val. v. Reumont, Die 
Grajin von YW. (Berl. 1860, 2 Bde.); »Le Porte- | 
feuille de la comtesse d’ Albany, 1806 —1824+ (hr8q. 


von Pélijfier, Par. 1902). Briefe der Grajin von VU. | wie die 
an Ugo Foscolo und des Wbbate Luigi di Breme an | 


die Gräfin gaben Yntona-Traverfa und Biandini 
heraus (Rom 1887). 
2) Leopold George Duncan Ulbert, Her- 
Dg von, vierter Sohn der Königin Vittoria von 
opbritannien, geb. 7. Upril 1853, feit 27. April 
1882 vermählt nut Bringeffin Helene von Walded, 
gejt. 28. Mar; 1884 in Cannes. Ihm folgte als 
Herzog von A. fein nadgeborner Sohn Karl | 
Duard, geb. 19. Juli 1884, feit 31. Juli 1900 
— Sachſen-Koburg-Gotha. 


263 


Biſchofsſitz; danach benannt die Sierra de A., ein 
gum Iberiſchen Gebirgsſyſtem (f. d.) gehörender Ge— 


ings. 
Albategnius (Albatenius), ſ. Albattäni. 

Albãti (lat., »weiß Gekleidete ⸗· vgl. Alba [Ge- 
wandh), in der alten Kirche Bezeichnung ſowohl der 
Geiſtlichen als der Neugetauften. Aus gleichem Grunde 
a aud) die Bußbrüderſchaften des 14. Jahrh. in 
Stalien, Frantreid) und Spanien A., ital. Biandi. 

Albatros (Diomedea L.), Gattung der Schwimm⸗ 
— aus der Familie der Sturmvögel (Procella- 
riidae), große, traftiqe Vogel mit furzem Hals, großem 
Kopf, langem, jtarfent, vorn gekrümmtem Schnabel, 
langen, ſchmalen Fliigeln, jtarfen, furzen, dreigehigen 
Schwimmfüßen und kurzem Schwanz. Sie finden 
ſich in den fiidliden Meeren, im Stillen Ojean, aber 
aud) nördlich bis Kamtſchatla. Kapſchaf (D. exu- 
lans L., ſ. Tafel a apa 2), 11m 
lang, 3—4,25 m breit, ijt, mit Wusnahme der fdwar- 
xen Schwingen, gang wei, bewohnt die Weltmeere der 
ſfüdlichen Halblugel. ſtreift aber bis zum Beringmeer 
und folgt den Schiffen Hunderte von Meilen weit. 
Er frißt alles, was auf den Wellen ruhig dahintreibt, 
Kopffüßer, Weichtiere und Aas, und niſtet auf cine 
ſamen Inſeln des Großen und Atlantiſchen Ozeans. 
Das Neſt enthält nur cin weißes, 12 cm langes Ei, 
von dem fic der briitendDe Vogel nidt leicht verſcheu— 
den lat. Sein Fleiſch ijt kaum genießbar. 

Wlbatrof - Expeditionen, jcit 1883, ſ. Mari- 
time wiſſenſchaftliche Erpeditionen. 

MAlbattani (latinifiert Ulbateqnius oder Alba— 
tenius), cigentlid Mohammed ibn Didabir 
al Battani, der größte Ujtronom der Uraber, ge- 
boren ju Harran in der zweiten Hälfte ded 9. Jahrh., 
jtarb 929 oder 930. Seine ajtronomifden Beobad- 
tungen hat er größtenteils gu Raffa in Mefopotamien 
angejtellt, weshalb er aud) Mohammedes Aractensis 
heißt. Er berechnete die Linge des Sonnenjahrs auf 
865 Tage 5 Stunden 46 Minuten 24 Sefunden, fo- 
xzentrizität ber Gonnenbahn und erfannte 
dabei die Bewegung des Upogiums; auch lieferte er 
fehr genaue Tatetn fiir die Bewegung der Planeten. 
werner hat er großes Verdienjt um die Trigonome- 
trie, in Der er zuerſt ftatt der Sehnen die Sinus ge- 
braudjte. A. befannte fich, wie es ſcheint, gum har— 
ranijden Sabaismus. Das »Opus astronomicum« 
von A. hat Nallino zu verdffentlicen begonnen (arab. 
Tert, Mail. 1899). Val. Chwolfohn, Die Sjabier 
(Petersb. 1856, 2 Bde.). 

Albay, Hauptitadt der gleidnamigen Proving 
(4107 qkm mit (1899) 247,075 Einw.), auf der Halb- 


reda, Joſé Luis, |pan. Politifer, geb. 1825 | infel Camarines der Pbilippineninfel Luzon, 3 km 





bei Cadiz, lief ſich in Madrid als Wdvofat meder und 
erwarb ſich Anſehen durch Verteidiqung der liberalen 
Preſſe. Er ijt der Begründer der »Revista de Es- 
pafias. 1862 ward er sum fpanifden Gejandten im 
Haag ernannt. Spiiter wirfte er fiir die Randidatur 
des Königs Umadeus, ward darauf Gefandter in 


von der Bai von U., wo ein Hafen; (ses) 34,000 
Einw. Im N. der frither gefiirdtete Vulkan A. (El 
Mayon, 2374 m). 
(be, fleiner Weißfiſch. 
Albe, Stadt, f. Ulba 2). 
Albẽdo (lat., »die Weife«), nach Lambert das 


Liffabon und nad der Thronbejteiqung Alfons' XII. Verhältnis der von einem beleudteten Körper nad 
Präfett in Madrid. Wis Minijter des Unterridts | allen Ridtungen diffus ausgeſtrahlten Lidhtmenge zu 
und der öffentlichen Urbeiten im Miniſterium Sagajta | der auffallenden Lidhtmenge. Nach Zöllner ijt die 
machte er ſich durch Reformen verdient. A. des weißen Papiers 0,7, d. h. weißes Papier wirft 
Alba regia, ſ. Stuhlweißenburg. 0,7 der auffallenden Lidtitrahlen zurück; bei frifd 
Albarelli, zylinderförmige Upothetergefie aus | gefallenem Sdnee ijt die A. 0,78, bei weifem Sand⸗ 
Fayence oder Wajolifa, bisweilen mit arabijder In-⸗ jtein 0,24, bei feuchter Ackererde 0,08. Willer gibt fiir 
{drift, wurden in Spanien, ſeit dem 16. Jahrh. aud) | den Mond 0,17, Merkur 0,19, Venus 1,00, Mars 0,29, 
in Stalien gefertigt. Nupiter 0,82, Saturn 0,96, Uranus 0,80, Neptun 0,69 
{barracin, Hesirtshauptitadt in der fpan. Bro- | als Wert der U. an. Val. G. Müller, PHotometrie 
ving Teruel, am Guadalaviar, mit aso7 1910 Cinw.; | der Gejtirne (Leip3. 1897). 


9 


— 


64 
Albedyll, Emil Heinrichkudwig von, preuß. 


Albedyll — Albergati Capacelli. 


Albenga, Kreishauptſtadt in der ital. Provinz 


General, geb. 1. Upril 1824 zu Liebenow in der Mark, Genua, an der Meerestiijte nahe der Mündung der 


geſt. 13. Suni 1897 in Poisdam, ward 1843 Offi— 
Fier, madjte 1848 den däniſchen Krieg mit und wurde 
1862 zur Abteilung für die perſönlichen WAngelegen: | 
heiten im Kriegsminiſterium (Militärkabinett) fom- 
mandiert. Seit 1868 Oberſt, war er im Kriege von 
1870/71 wieder dem Militärlabinett zugeteilt, deſſen 
Chef er 1871 proviſoriſch, 1872 definitiv wurde. 
Durch ſeine 18jährige Verwaltung dieſes einflußrei— 
den Unites wurde er in weiten Kreiſen befannt. 1873 
wurde er zum Generalmajor, 1876 zum Generaladju: | 
tanten, 1879 jum Generalleutnant und 1886 jum | 
General der Kavallerie befirdert. Kaiſer Wilhelm IL. | 
fibertrug ifm 1888 da’ Nommando des 7. Armee— 
forps, von dem er 1893 juriidtrat. 

Albemarle, franz. Stadt, ſ. Aumale. 

Albemarle, Herzog von, ſ. Monck. 

Albemarle (ipr. Aubemarth, engl. Grafentitel, vom 
Konig Wilhelm TT. 1696 femem 1669 in Geldern 
gebornen Giinjtling Urnold Joojt van Keppel 
verlichen. Diejer trat fpater in holländiſche Dienjte, 
führte das niederländiſche Heer im Spaniſchen Crb- 
folgefrieg und jtarb 30. Mai 1718. — Der ſechſte Graf 
von A. George Thomas Keppel, geb. 13. Juni 
1799, gejt. 21. Febr. 1891, diente feit 1815 im der 
Armee, im Der er bis 1874 jum General aufriidte, 
und unternabm, gum Teil im Intereſſe der Regie: 
rung, größere Retjen, die er in »A journey across 
the Balkan« (Yond. 1830) und » Narrative of a 
journey from India to England« (daſ. 1834, 2 Bde.) 
beſchrieb. Wud) gab er die fiir die engliiche Geſchichte 
des 18. Jahrh. widtigen » Memoirs of the marquis 
of Rockingham and his contemporaries« (Lond. 








1852, 2 Bde.) heraus und verdffentlidte ſeine Selbjt- | 


biographie unter dem Titel: » Fifty years of my life« 


(da}. 1876, 2 Bde.; 3. Aufl. 1877). — Ihm folgte als | 


jiebenter Graf von A. fein Sohn Billiam Coutts 
Keppel, qeb. 1832, geſt. 28. Aug. 1894, der als Vis- 


terhaufes war und 1876 mit dem Titel Lord Aſh— 


Centa und an der Eiſenbahn Genua- Nizza gelegen, 
hat ene rdmijde Briide, mittelalterliche Mauern und 
Tiirme, cine Rathedrale aus dem 13. Jabrh., eme 
Tauffapelle (ehemals römiſcher Tempel), en Gom- 
naſium, tit Biſchofsſitz und gat (1901) ca. 4220 (als 
Gemeinde 6248) Einw. — YA. ijt das antife Albium 
Ingaunum, Geburt8ort des Kaiſers Broculus. 
(ber, alter deutſcher Name fiir ‘Bappel. 

Alberche (jor. -vertige), rechter Nebenfluy des Tajo 
in Spanien, entipringt im Gebirge von Uvila, um- 
fließt Die Sierra de Gredos und miindet nad einem 
Laufe von 175 km bei Talavera. 

Alberdingk-⸗Thym (jor. -toim, 1) Joſephus 
Ulbertus, niederland. Schriftſteller, geb. 13. Mug. 
1820 in Amſterdam, gejtorben dDafelbjt 17. Mar; 1889, 
war zuerſt Raufmann, widmete fic) aber ſchon früh— 
zeitig dem Studium der Literatur und Kunſt und 
wirkle feit 1876 als Brofejjor der Kunſtgeſchichte an der 
Runjtafademie ju Umiterdam. Ws iiberzeugter Ka— 
tholif war er Anhãnger der romantijden Sule. Sei- 
nen erjten Gedidten (1844) folgten mebrere Samm- 
{ungen, Darunter » Het Voorgeborchte«( 1853). Seine 
veridiedenen Erjahlungen erjdjienen gefammelt als 
»Verspreide verhalen in proza« (Umjterd. 1879— 
1884, 4 Bde.). Als Literarhijtorifer trat er hervor 
mit »De la littérature néerlandaise a ses différents 
époques« (1854) und mit Studien iiber Bondel, dem 
er in feinen moraliftijd -literarbhijtorifden Skizzen 
»Portretten van Joost van den Vondel« (1876) cin 
Denkmal fegte. Als literarifder und kunſthiſtoriſchet 
Stritifer entfaltete er in Der von ihm 1855 beqriindeten 
fatholifden Seitidrift »De Dietsche Warande« (ſf. un⸗ 
ten 2) eine frudjtbare Tatigfeit. Sein Leben beſchrieb 
Jan ten Brink in» Onze hedendaagsche letterkun- 
digen« (Lief. 7, Amſterd. 1885) und van Der Duys 
(daſ. 1889); eine Biographie auf Grund feiner Briefe 


veröffentlichte feine Tochter Catharina A. (daf. 1896). 
count Bury feit 1857 fonfervatives Wtitglied ded Un: | 


ford ins Oberhaus berufen wurde. Er war 1855— | 


1859 Leiter der Indianer-Angelegenheiten in Ka— 


nada, 1859 Schatzmeiſter des foniglichen Haushalts, | 


1878 — 80 unter Beaconsfield und 1885 — 86 unter 
Salisbury Unterjtaatsfefretdr im Kriegsminiſterium. 

Ulbemarlefund, cin bis 22 km breites und 
90 kin langes, feidtes, von den Flüſſen Rasquotanf, 
Chowan, Roanofe und Alligator gebildetes Haff an 
der Küſte Ded nordamerifan. Staates Nordcarolina, 
jteht nordwärts mit dem Curritudfund, ſüdwärts mit 
dem Pamlicoſund in natiirlider Verbindung und 
wird wie dieſe durd eine ſchmale Nehrung (die der 


Schiffahrt gefährliche Rap Hatteras-Nehrung) vom | 


Meer getrennt. Nur durd) die Offnungen des Pam— 
licofundes (f. D.) mit ihm zuſammenhangend, tit es 
ebenfo wie der Curritudjund fajt ausgeſüßt, aber ſehr 
fiſchreich. Von den umgebenden Sümpfen find der 
Dismal Swamp (jf. d.) jowie der Ulligator Swamp 
}. T. entwajfert und in Kulturland verwandelt; durd 
erjtern fiibrt ein Schiffabristanal zur Chefapeatebai. 

Wlbendorf, Dorf und Walljahrtsort im preuß. 
Regbez. Breslau, Kreis Neurode, am Cedron, mit 
18 Loren (nad den Toren von Jerujalem benannt), 
hat eine ſchöne, dem Tempel des alten Jerusalem 
nachgebildete Kirche mit swundertatigem« Marien: 





bild, einen Nalvarienberg, cin Standbild des Barons | 


von Djterberg, ded Wriinders der Kirche, und (1900) | 
1513 Einw. Val. Zimmer, Ulbendorf ( Bresl. 1898). | 


2) Baul, Hijtorifer, Bruder des vorigen, geb. 21. 
Oft. 1827 in Amſterdam, zuerſt Gymnaſiallehrer m 
Maajtridt, feit 1870 Univerfitatsprofejjor m Lö— 
wen, einer der belgifden Hauptvertreter der vlämiſch⸗ 
fatholijden Geſchichtſchreibung; er verdjfentlichte: 
»M. Aurelius Cassiodorus en zijne eeuw« (Yimijterd. 
1857, 2. Aufl. 1858); »H. Willibrordus, apostel 
der Nederlanden« (Ddaj. 1861; deutide vermehrte 
Ausg., Münſt. 1863); »Karel de Groote« (daſ. 1867; 
deutſche vermehrte Ausg., Münſt. 1868); »De vroo- 
lijke historie van Ph. van Marnix« (Löwen 1876; 
fran}., Brüſſ. 1876 ; deutſche Bearbeitung, Köln 1882); 
»Spiegel van nederlandsche letteren (Léwen 1877, 
2 Bde.); »De gestichten van liefdadigheid in Bel- 
gié van Karel den Groote tot aan de Ife eeuwe 
Amſterd. 1883, preisqefrdnt; deutſch, Freib. i. Br. 
1887); »De Faustsage in de Nederlandsche let- 
teren« (Gent 1890). Geit 1887 ijt er Herausgeber der 
von jeinem Bruder begriindeten Zeitidrift »Dietsche 
Warande« (Gent), die fett 1900 den Titel » Dietsche 
Warande en Belfort« führt. 

Alberes, Mont (jvc. mong-4-albar), Hitlicfter Aus⸗ 
faufer Der ——— ſ. Byrenden. 

Albergati Capacelli (jor. AIchel, Francesco, 
ital. Luſtſpieldichter, geb. 29. April 1728 in Bologna, 
qeit. 16. War; 1804 in Zola. Aus emer alten Pa— 
trijierfamilie jtammend, widmete er feine eit und fein 
Vermögen gang der Pflege der dDramatijden Kunſt. 
Unter feinen jest vergefjenen Luſtſpielen (vollſtändige 
Sanunlung, Bologna 1801) find die bejten » Ll saggio 


Albergen — Albersdorf. 


amico<«, »Il ciarlador maldicente« umd »I pregiu- 
dizi del falso onore«. Gein »Nuovo teatro comico« 
(Bened. 1774) enthalt auc Überſetzungen. Ex ſchrieb 
aud) »Novelle morali« (Bened. 1779). Bal. Masi, 
La vita, i tempi, gli amici di F. A. (Bologna 1878). 

Albergen, ſ. Uprifojenbaum. 

Albergine, ſ. Uubergine. 

a (ital.), Herberge, Gaſthaus. 

Albert, Cugenio, ital. Geſchichtſchreiber, ged. 
1. Oft. 1817 m Padua, geft. im Juni 1878 in Vichy, ſtu⸗ 
dierte in Bologna u. Padua, lebte feit 1836 in Floren; 
und trat ſehr friih mit Dem Werk » Guerre d'Italia del 

rincipe Eugenio di Savoia« (Flor. 1839; 2. Ausg., 

Zur. 1840) hervor, das umfajjende militäriſche Rennt- 
niſſe und hiſtoriſche Bildung erfermen ließ. Außer— 
dem veröffentlichte er: » Vita di Caterina de’ Medici« 
(1838), »Relazioni degli ambasciatori veneti al 
senato« (1839) und cine italienifde Bearbeitung von 


Leos ⸗Geſchichte der italienifden Staatens ; ferner gab 


ex Galileis Werke mit Kommentar (1843 ff.) heraus 





und lieferte jablreide Artilel im das »Archivio sto- | 
rico italiano«. 1843 begriindete er Das »Annuario | 


storico universale«. In jeinen Schriften vertrat A. 
die liberale Ridtung; als er aber 1859 eine Floren: 
tiner Profeſſur nicht erbielt, trat er auf die Seite der 
reaftioniren Dppojition gegen die Regierung. In die- 
fem Sinn ijt aud) fein lepte3 Wert: »Il problema 
dell’ umano destino« (1872, 3. Aufl. 1879), abgefaft. 

Alberich, Elfentinig, ſ. Elfen. 

Alberich, 1) A. J., rim. Gewalthaber, feinem 
Ramen nad fränkiſcher oder langobardiſcher Abkunft, 
ſchwang fic) gum Darfgrafen von Spoleto auf, ver- 
mählte jid) mit Marozia, Todjter der Römerin Theo- 
Dora (f. d.), und lämpfte 916 tapfer und erfolgreid 

en die Sarajenen. Er nabm nun aud in Rom 
neben Papſt Johann X. eine bedeutende Stellung cin, 
foll aber nad ſpätern Chronijten zuletzt aus der Stadt 
vertrieben worden fein. 

2) U. IL, Sohn de3 vorigen und der Marojzia, ver- 
trieb 932 ſeinen Stiefvater, König Hugo von Italien, 
aus Rom, ließ feine Mutter cinferfern und herridte 
22 Jahre ty Se Hilfe des Boles als »Fürſt und 
Senator aller Römer« iiber die Stadt und die Papite. 
König Hugos wiederholte Ungriffe auf Rom webrte 
er ab, und aud deſſen Nad olger Berengar fowie 
dem DdDeutiden König Otto L., deſſen Wunſch, in Rom 
—— ju werden, er 951 ablehnte, geſtand A. keinen 

influß auf die römiſchen Verhältniſſe zu. Er ſtarb 





954, nachdem er die Römer hatte ſchwören laſſen, 
ſeinen Sohn Octavianus zum Papſt (Johann XII.) 


zu wählen, um ſo die geiſtliche und weltliche Herrſchaft 
in einer Hand gu vereinigen. 
Alberich von Biſenzun, ſ. Wleranderjage. 
Albernbaum, ſoviel wie Pappel (Silberpappel). 
Alberõoni, Giulio, Kardinal und ſpan. Staats- 


miniſter unter Philipp V. von Spanien, geb. 21. Mai 


1664 in Fiorenjuola, gejt. 16. Juni 1752, Sohn eines | 
für Gemilts- und 


Weingärtners, wurde juerjt in der Schule der Barna: 
biterminde zu Piacenja, dann durd) den päpſtlichen 
Bizelegaten von Raverma in Rom zum Geijtlicen er- 

en. Der gewandte und feingebildete junge Abbé 


409 
fom dann durd) Entpfehlung in die Umgebung des | 


Herzog von ‘Karma, der ihn bald gu allerlei diplo- 


matiſchen Geſchäften braucdhte und endlid) gum Ge- | 


ſchäftsträger in Madrid ernannte. Jn diefer Cigen- 
{daft gelang es ihm 1714, die Vermahlung Poilipps V. 
mit Elifabeth Farnefe (f. Elijabeth), der Nichte des Her- 

8 von Parma, ju ftande ju bringen. Die Folge 
bier Heirat war der Stury der bisher am fpanifden 





265 


Hof allmächtigen Prinzeſſin Oriini und Ulberonis Er- 
hebung zum Ratgeber der Königin, die ihn 1717 gum 
Weinijter madte, naddem er vom Papjt sum Rardi- 


nal ernannt worden war. Bon jest an regierte U. im 


Cinverjtindnis mit der Königin unumſchränkt. Jn 
jeinent fleinen, durch ungeheure Fettleibigkeit entftell- 
ten Körper lebte ein eijerner Wille, ein ſchmiegſamer 
Geiſt und cine unermüdliche Urbeitstraft. Er ordnete 


| Die Finanzen, brachte das Heer auf 100,000 Mann, 


die Kriegsflotte auf 70 Linienſchiffe, liek aus Dem Aus⸗ 
land geſchickte Werkmeiſter und Handwerker als Lehrer 
fitr Die Spanier fommen, errichtete Fabrifen und ver- 
befjerte dic Wajferitraken, gründete Seemannsfdulen 
und Magazine und reinigte die Juſtizpflege von ibren 
ſchreiendſten Ubeljtinden. Als ihn die Königin Elija- 
beth, die ihren von der fpantiden Thronfolge aus- 
geſchloſſenen Kindern auswärtige Throne —2 
wollte, zu einer abenteuerlichen Politit zwang (es galt, 
Mailand, Neapel, Sizilien und Sardinien für das ſpa— 
niſche Königshaus zurüchzuerobern), rüſtete A. eine 
mächtige Flotte und cin ſtarles Heer und liek 1717 Sar- 
dDinien, 1718 aud) Sizilien bejegen. Gegen diefe Uber- 

riffe Spaniens wurde aber die Quadrupelallianz zwi⸗ 
iden England, Frankreich, ſterreich und Holland ge: 
ſchloſſen. SpantefB Seemacht wurde (22. Aug. 1718) 
beim Rap Paſſaro von der englifden Flotte unter Byng 
fajt gänzlich vernictet. Wud) Frankreich erflarte bald 
darauf (1719) den Krieg und ſandte cin Heer fiber die 
Pyreniien, wihrend die Viterreicher in Sizilien Fort- 
{dritte machten und die Englinder in Galicien lan— 
Deter. VW. wurde auf Undringen der Verbiindeten am 


5. Dez. 1719 aller Ymter enthoben und angewiejen, 


binnen 8 Tagen Madrid, binnen 3 Woden Spanien 
zu verlajfen. Er begab fid) nad) Stalien, wurde aber 
vom Papſt Clemens XI. mit einem Prozeß bedroht und 
hielt fic) DeShalb zunächſt in einem Stofter bei Bologna 
verborgen. Rach dem Tode Clemens’ XI. (1721) nahm 
er feinen Sig im Konklave cin und beterligte fich an 
der Wahl des neuen Papjtes, Innocenz XIII., der ihn 
feine Gunjt guwendete. Clemens XII. ernannte ihn 
1734 jum Legaten von Ravenna und Venedift XIV. 
zum Legaten von Bologna. Rad) dreijahriger Ber- 
waltung diefer Broving zog fic) A. nach Piacenza zu⸗ 
riid. Sein rieſiges Vermögen fiel größtenteils an 
Philipp V. von Spanien. Bal. »A. Lettres intimes 
de J. M.A. adressées au comte J. Rocecac (br8g. von 


E. Bourgeois, Par. 1893); Roufjet, Histoire da 


cardinal A. (Haag 1719); Berfani, Storia del car- 
dinale Giulio A. (Biacenja 1862); Brofeffione, 
Giulio A. dal 1708 al 1714 (Padua 1890); Derjelbe, 
Il ministero in Spagna e il processo del cardinale 
Giulio A. (Zurin 1897). 

Albers, SohannFriedrihdHermann, Medi- 
ziner, geb. 19. Nov. 1805 in Dorjten bei Weſel, get. 
11. Mat 1867 in Bonn, ftudierte feit 1823 in Bonn, 
habilitierte fich daſelbſt 1829 als Dozent, ward 1831 
Brofeffor und begriindete in Bonn eine Heilanjtalt 
Rervenfranfe. 1856 wurde er Di- 
reftor des pharmafologijden Rabinetts in Bonn. Er 
lieferte cinen »Atlas der pathologifden Anatomie«- 
(Bonn 1832 — 62, 287 Tafeln mut Fert). 

Alberſchweiler, Dorf im deutſchen Bezirk Loth- 
ringen, Kreis Saarburg, an der Roten Saar und der 
Eifenbahn Saarburg-V., hat eine fath. Kirche, Dber- 
förſterei, Lungenheilanjtalt und (900) 1574 Einw. 

Albersdorf, Kirchſpiel im preuj. Regbez. Schles⸗ 
wig, Kreis Siiderdithmarjden, an der Staatsbahniinie 
Neumiinjter-Toinning, hat cine evang. Rirde, Stabl- 
bad, Glasfabrif (Chrijtianshiitte) u. (1900) 4409 Einw 


266 


MAlbersweiler, Dorf im bar. Regbez. Pfalz, Be— 
jirfgamt Bergzabern, am Queich und der Eiſenbahn— 
linie Landau⸗Zweibrücken, hat eine evangelifde und 
cine fath. Rirde, ein Forjtamt, Weinbau und (1900) 
2143 Einw. 

Albert, 1) Fluß des britifdh-aujtralifden Staats 
DHucensland, 1856 von Gregory entdedt, entiteht an 
der Grenje gegen das fiidaujtralifde Nordterritorium 
aus mehreren Quellflüſſen, heißt zuerſt Gregory, dann 
Barkley und ſchließlich A., entſendet weſtwärts einen 
Zweig zu dem ihm parallel fließenden Nicholſon und 
mündet 50 km unterhalb Burketown in den Golf von 
Carpentaria. Die verjandete Mündung ijt Dampfer- 
jtation. — 2) Divifion der Kapkolonie tm RN. vom 
Dranjeflug, im S. von den Stormbergen begrenzt, 
6889 qkm ntit (1891) 66,671 Cinw. (8203 Weiße, 6653 
PBantuneger, 1815 Hottentotten). Haupterwerbssweig 
ijt Schafzucht. Hauptort ijt Burghersdorp an der 
Bahn von Eajt London nach Aliwal North, mit «991 
1793 Einw. — 3) (pr. albar) Stadt im franz. Depart. 
Somme, Urrond. Péronne, an der Uncre, Knotenpuntt 
an der Nordbahn, mit lebhafter Induſtrie, nament- 
lid) Baumwollſpinnereien und -webereien, Zucter-, 
Feilen- u. Mafchinenfabrifen, und (1901) 7105 Einw. 

Albert (foviel wie Wdalbert Pher Wibredt, lat. 
Albertus), 1) U. Der Grofe (Albertus Magnus), 
Graf von Volljtadt, genannt Doctor universalis, 
geb. 1193 ju Lauingen in Schwaben, geſt. 5. Nov. 1280, 
jtudierte in Badua, trat dann in den Dominifaner- 
orden und lehrte in verſchiedenen deutiden Klöſtern, 
feit 1230 3u Baris, wo er eine Seitlang aud) an der 
Univerfitat den theologiſchen Lehrſtuhl innehatte, ward 
1254 Provinjial feines Ordens in Deutſchland, 1260 
Biſchof ju Regensburg, leqte 1262 diefe Würde nieder 
und widmete fid in Köln ausſchließlich den Wiſſen— 
ſchaften. Jn Lauingen und auf der Sdhwabentor- 
briide in Freiburg i. Br. wurde ihm ein Denkmal er- 
ridjtet. Das Staunen feiner Zeitgenoſſen über den Um— 
fang feines Wiſſens, namentlid) aud) in der Chemie, 
Phyſil und Mechanik, fpridt fic) in den Sagen aus, 
die UW. zum Zauberer und Vertreter der Magie maden. 
Seine naturwifjenfdaftliden Werke find meiſt Zu— 
ſammenſtellungen der Forſchungen desUrijtoteles, und 
auch feine philofophifd-theologijden Werke zeigen ihn 
vdllig von Urijtoteles beherrſcht, deſſen entidheidende 
Bedeutung fiir lange Zeit von ihm begründet wurde. 
Nur in der Botanif trat er als felbjtindiger Forſcher 
auf. Seine Schriften wurden (nidt vollſſändig) her- 
ausgeqeben von Jammy (Lyon 1651, 21 Bde.; da- 
nad Par. 1890 —98, 38 Ude.). Sein »Compendium 
theologicae veritatis« (zuerſt NUrnb. 1473) war im 
15. und 16. Jahrh. in zahlloſen Drucken verbreitet, 
ebenfo die apofryphen Schriften: »Liber secretornm 
Alberti Magni de virtutibus herbarum« (deutſch, 
Reutling. 1874) und »De secretis mulierum et vi- 
rorum«. ine kritiſche Ausgabe des 18. Rapitels der 
» Historia naturalis« beforgten neuerdings E. Meyer 
u. Jeſſen (»De vegetabilibus libri VII«, Berl. 1867). 
Seine »De sacrosancto corporis domini sacramento 
sermones« gab &. Jacob heraus (Reqensb. 1893), 
jeine »Orationes super IV libros sententiarum« N. 
Thoemes (Berl. 1893). Vol. Siqhart, UWlbertus 
Magnus (Regensb. 1857); Joel, Verhaltnis Wiberts 
bd. Gr. su Maimonides (Bresl. 1863); d'Aſſailly, 
A. le Grand (Bar. 1870, Bd. 1); v. Deriling, 

e 


bertus Magnus (Köln 1880); Bad, Des Albertus 


Magnus Verhaltnis zu der Erkenntnislehre der Grie- 
) hann, geb. 23. April 1828 in Dresden, geſt. 19. Juni 
tique sur la philosophie d'A. le Grand (Griiff. 1881). | 


chen x. (Wien 1881); van Weddingen, Etude cri- 





Albersweiler — Albert. 


2) UW. I. (Wlbredt), der 18. Ergbifdof von 
Magdeburg, jtammte aus dem thüringiſchen Gra- 
—— Käfernburg (j. d.), ward in Paris und 
Bologna gebildet, 1200 durch die Gunjt Junocen z TIT. 
Dompropit yu —— und 1205 als Unhanger 
König Philipps Ersbifdof von Magdeburg, 1206 pom 
Papſt qeweiht. Der Reubau des am 20. Wpril 1207 
durch Feuer zerſtörten Domes tit fein Hauptwerk. Rad 
Philipps Ermordung half A. Otto IV. sur Unerfen- 
nung in ganz Deut}dland und begleitete ihn 1209 
nad Stalien. Als 1210 Otto der Bann traf, mußte 
ihn U. trog allen Sträubens in Deutidland verfiin- 
digen, worauf er 1212 die Wahl de3 Staufen Fried- 
ric) IT. zum Konig betrieb. Deshalb traf ibn die Acht 
und fein Webiet jarelange Bertoilitumg durd die Wel- 
fen. 1222 ernannte Friedrid IL. ihn als Grafen der 
Romagna ju feinem Stellvertreter in Oberitalien; 
fortan [ebte er meijt in Stalien und bemiibte ſich um 
Wufrechterhaltung des Friedens zwiſchen Kaiſer und 
Papſt. Er jtarb 15. Oft. 1232. 

3) A. von Poffemiinfter, qenannt Behaim, 
d. h. Der Böhme, aus einer adligen Familie der Ober— 
pfal;, um 1180 — 90 geboren, gejt. 1259, unter In⸗ 
nocen3 ITT. und Honorius III. als Sadjwalter an der 
papjtlicen Kurie tätig, ward 1212 Domberr in Paſ— 
fau, 1226 Urdidiafon von Lord und wurde 1239 
von Gregor IX. nad) Deutſchland gejandt, um den 
Bann gegen Friedrid) IL. gur Geltung ju bringen. 
Auch auf dem Konzil ju Lyon 1245 war er dann als 
Defan von Paſſau anweſend und betricb die Wahl 
eines Gegenkönigs. Seine 3. T. im Original erhal- 
tenen Miſſivbücher (hrsq. von Höfler in der Biblio- 
thef des literarifdyen Vereins zu Stuttgart, Bd. 16, 
1847) gewähren einen Einblic in feine rückſichtsloſe, 
den lesten Staufen überaus ſchädliche Ugitation. Bat. 
Sdhirrmader, UW. v. Pojjemiiniter, gen. der Böhme 
(Weim. 1871). 

4) Bifdhof von Riga, Beqritnder der deutſchen 
Kolonie Livland, aus dem bremiſchen Rittergeſchlecht 
der Uppeldern qebiirtig, war Domberr in Bremen 
(als ſolcher 1189 pice und wurde 1199 Biſchof 
von Livland. Er fiihrte 1200 ein ftattlides Pulger- 
heer auf 23 Schiffen nach der Miindung der Diina, 
wo er 1201 die Stadt Riga qriindete. Durd Heran- 
jiehung neuer Bilger, fiir die er von Bapjt Inno— 
cen3 IIT. völligen AÄblaß erwirtte, jtarfte er die Ro- 
lonie und verbreitete Das Chriſtentum unter den Cine 
qebornen. Dreigehnmal reijte er nad Deutſchland, 
von wo er fic) mehrere Male nad Jtalien beqab, und 
juriid nad Livland, das er bis 1207 Dem Chrijten- 
tum und Dem deutſchen Volk eroberte und J. April 1207 
von König Philipp als Lehen des Deutidhen Reiches 
empfing. Auch Semgallen eroberte er und errichtete 
hier cin Bistum. Uber Ejthland geriet er erjt mit dem 
ingwifden geqritndeten Orden der Ritterſchaft Chrijti, 
Dann mit bem König Waldemar von Danemart in 
einen langen Streit. 1224 unterwarf er fic) aud died 
Land und ernannte feinen Bruder Hermann jum 
Biſchof. 1225 erhob ihn Kaiſer Friedrich II. gum Für⸗ 
ſten, fein Bistum zur Mark des Reiches. Er ſtarb 
17. Yan. 1229 in Riga. Bal. KR. v. Schlözer, Live 
land und die Anfänge deutſchen Lebens im baltifden 
Norden (Berl. 1850); R. Hausmann, Das Ringen 


der Deutiden und Dänen um den Beſitz Eſthlands 
Al⸗ | bis 1227 (Leip;. 1870). 


Fürſten Der neuern eit. 
5) König von Sadfen, Sohn des Königs Jo— 


1902 ju Sibyllenort in Sdlefien, ward unter Lei- 


Albert (Fiirjten der neuern Zeit). 


tung des protejtantifden Geheimrats v. Langenn er- 
ogen und jtubdierte feit 1845 in Bonn Rechts- und 
Staatswiſſenſchaften, betrat darauf die militäriſche 
Laufbahn, nahm 1849 als Hauptmann an dem Feld- 


us in Schleswig - Holjtein teil, erhielt 1851 als | 


berjt und bald als Generalmajor die Fiihrung einer 
Infanteriebrigade, einige Jahre fpater die einer Di- 
vifion und wurde Dann Kommandeur der gejamten 
Infanterie. Im Feldjug von 1866 befebligte er die 
ange faidjifde Armee; anfangs dem 1. öſterreichi⸗ 
den Urmeeforps (Clam -Gallas) gugeteilt, kämpfte 
A. bei Miindengrag und Gitſchin. In der Shladt 
bei Königgrätz fanb er auf dem linfen Flügel der 
öſterreichiſchen santa und verteidigte Broblus 
34h gegen die Elbarmee. Nad Griindimg des Nord- 
— Bundes befehligte er das 12. (ſächſiſche) 
Armeelorps des deutſchen Bundesheeres. Unter ſeiner 
Führung nahm dieſes im Kriege gegen Frankreich 1870 
zuerſt entſcheidenden Anteil an der Schlacht bei Gra— 
velotte (18. Aug.). Hierauf wurde ihm der Oberbefehl 
über die aus dem Gardekorps, dem ſächſiſchen und 
4. Armeekorps gebildete vierte (oder WMaas-) Armee 
iibertragen, die, auf Dem Marjd von Metz nad Cha- 
fons begqriffen, den redjten Flügel der großen Rechts- 
ſchwenkung nad) Norden bildete, bei Buzancy das 
Rorp3 Douay, bei Nouart und Beaumont das Korps 
Failly zurückwarf und den Sieg bei Sedan erfedhten 
half. ließlich beteiligte ſich mit ſeiner Armee an 
der —— von Baris und nahm durd einen 
Urtillericangriff den Mont Avron. Rad) dem Rriege 
wurde er Generalfeldmarfdall und Generalinfpefteur 
der erjten Urinecinfpeftion. Er folgte 29. Oft. 1873 
feinem Bater auf dem Thron. Geit 1853 war er mit 
der Pringeffin Carola (geb. 5. Aug. 1833), Tochter 
des Prinzen Gujtav von Wafa und der Prinjeifin 
Quife von Baden, finderlos vermählt. Bal. Haffel, 
Mus dem Leben de8 Königs A. von Sadjen (bisher 
2 Bde., Berl. 1898 —1900); v. Schimpff, König A. 
fünfzig Jahre Soldat (4. Wufl., Dresd. 1893). 

6) U. (Ulbredht) Kaſimir Auguſt, Herzog 
pon Sadjen-Tefdhen, Sohn Friedrich Unguits I. 
(IIT.) von Sadjen-Polen, geb. 11. Juli 1738 gu Mo— 
ritzburg bei Dresden, get. 11. Febr. 1822 in Wien, 
trat 1759 in das öſterreichiſche Heer und wurde 1760 
Generalleutnant. Durd) feine Vermählung (1766) 
mit der Erzherzogin Chrijtine, der Todjter Raifer 
Frang’L. und der Maria Therefia, erhielt er als Lehen 
das Fürſtentum Teſchen in Öſterreichiſch-Schleſien. 
Er bekleidete 17685 80 die Gubernatur Ungarns und 
1780—90 gemeinſchaftlich mit ſeiner Gattin die Gene⸗ 
ralſtatthalterſchaft in den öſterreichiſchen Niederlan— 
den. Im Kriege mit Frankreich befehligte A. 1792 das 


Belagerungsheer vor Lille, mußte jedoch die Belage- | 


rung aufheben und, mit Beaulieu 6. Nov. bei Jemappes 
geidia en, Belgien räumen. Nachdem er 1794 als 
eich sfeldmarjdall gemeinfam mit den Preußen unter 


Graf Mo lendorf operiert hatte, verließ er 25.Mai 1795 


bas Heer und lebte feitdem in Wien. Seiner Gemahlin, 
die 1798 finderlos ſtarb, ließ er 1805 in der Wiener 
Augquftinerfirde durch Canova ein vielbewundertes 
Denfinal erridten. Er verwendete große Summen 
auf feine Bibliothef und feine an Handzeichnungen 
berühmter Meister (Dürer, Raffael, Rubens) und 
Rupferjtichen reiche Kunſtſammlung, Uibertina ge- 
nannt, die ſpäter als Fideilommiß an den Erzherzog 
Karl, an deſſen Sohn, den Exsherjog Albrecht, und 
nad deſſen Tod an Karls Enel, den Erzherzog Fried- 
rid), iberging. Daraus verdffentlichte Förſter » Litho- 
graphiſche Ropien von Originalhandzeichnungen« 


267 


(Wien 1830—42); photographifdhe Nadhbildungen von 
Jägermeyer (daj. 1863 — 66), UW. Braun in Dornad 
(1090 Handzeichnungen), Schinbrunner und Meder 
(Bien 1895—1900); vgl. Schinbrunner, Die 
Ulbertina (daſ. 1887). Um Wien erwarb fid YW. 
durch die »Ulbertinifde Wajferleitung« Verdienſte; 
fein Standbild fteht im Feftfaale des neuen Rathauſes. 
Bal. UW. Wolf, Marie Chriftine, Erzherzogin von 
Djterreich (Wien 1863, 2 Bde.); v. Vivenot, Herzog 
A. von Sachfen-Tefdhen als Reichsfeldmarſchall (daj. 
1864—66, 2 Bde.); Malder, Herzog A. zu Sadjfen- 
Teſchen 1738 —1766 (Daf. 1894). 

7) U. Franz Auguſt Karl Emanuel, Pring 
von Sadfen-Roburg-Gotha, Gemahl der Kö— 
nigin Biftoria von Gropbritannien, zweiter Sohn des 
Herzogs Ernjt von Sadjen-Roburg-Gotha, geb. 26. 
Aug. 1819 im Schloß Rofenau bei Roburg, geſt. 14. 
Des. 1861, widmete fic) feit 1837 in Bonn jtaats- 
wijfenfdaftliden und geidhidtliden Studien. Der 
Plan ju fener Vermahlung mit der Königin Vittoria 
von England, die U. bet einem Befuch im Mat 1836 
fennen lernte, ging von dem Konig Leopold I. von 
Belgien aus und wurde, naddem der Pring eine ita- 
lieniſche Reife gemacht hatte, bet einem neuen Beſuch 
Ulberts in England im Herbjt 1839 verwirklidt. Yin 
15, Oft. d. J. fand die Verlobung und 10. Febr. 1840 
die Vermählung in London ftatt. Der Bring ward 
naturalijiert und erbielt ein Jahreseinfommen von 
30,000 Pfd. Sterl., wurde Ritter de3 Hofenband- 
ordens, Großmeiſter de3 Bathordens, Feldmarfdall x. 
und erbielt 1857 den Titel »Prince Consort of Her 
most gracious Majesty«. €r trat in den Geheimen 
Rat ein, wohnte den Audienzen bei, welche die Köni— 
gin den Minijtern gab, und nahm von allen widtigern 
Staatsſchriften Renninis. Wellingtons Vorſchlag, A. 
ſolle ihm im Oberbefehl über das Heer nachfolgen, 
lehnte er 1850 ab, um nicht ſeine Stellung als ver— 
trauter Ratgeber der Königin durch die itbernagine 
eines verantwwortliden Amtes gu gefährden, wirtte je- 
dod nad) Wellingtons Tode bet den Reformen im 
Militärweſen mit. BVoritbergehend wurde woh! feine 
Einmiſchung angegrijfen, namentlid) 1854, wo man 
ihn mit Unredt ruſſiſcher Sympathien beſchuldigte. 

liberhaupt vermied er es, öffentlich feinen Einfluß auf 
die Staatsgeſchäfte geltend gu maden, wiewohl er, 
feiner Stellung und Begabung entipredend, in der 
Stille eine bedeutende politiſche Tatigteit entfaltet hat. 
Unerfannt wurde diefe Tätigkeit befonders auf dem 
Gebiete der Wiffenfdaften und Künſte. Um die Uni- 
verſität Cambridge, deren Kanzler er feit 1847 war, 
hat er fich große Berdienjte erworben. Bonihm riihrte 
aud der Blan gu der erjten Weltausſtellung in London 
1851 ber. Die Urmenfdulen und die Beſſerungs— 
anjtalten fiir jugendlide Verbrecher nahm er unter 
feinen Schutz, forgte fiir die Wohnungen der drmern 
Klaſſen, gab der induftrielen Entwidelung Unrequng 
und trug durch die Anlage einer Mujterfarm in Wind- 
for (vgl. G. F. v. Sd midt, Die Meiereien des Prin- 
zen Y., Milind). 1865) sur Hebung des Ackerbaues und 
der Viehzucht bei. So gelang es ihm mit der Beit, die 
gegen ihn anfänglich qehegten Borurteile ju befeitiqen 
und qroge Bopularitat ju ed si Sein infolge 
eines typhojen Fiebers erfolgter Tod erregte allgemeine 
Trauer, und die königliche Witiwe hielt ſich danach, fo- 
weit ihre Regierungspflichten es zuließen, von der 
Offentlichleit fern. Zahlreiche Denkmäler, dem Wn- 
denfen des Prinzen geweihte Inſtitute rc. bringen ſeinen 
Namen auf die Nachwelt. Seine Reden erſchienen in 
» Addresses delivered on different public occasions 





268 Albert — Alberta. 


by H.R.H. Prince A.« (ond. 1857) und »The prin- | mechaniſche Zuridtung von Autotypkliſchees zur 
cipal speeches and addresses of H. R. H. the Prince | Förderung des Kunſt- und Illuſtrationsdrucks bet. 
Consort« (mit Notizen der Königin, daj.1862; deutſch, 3) Eduard, Chirurg, geb. 20. Jan. 1841 ju Senf- 
Brem. 1863). Bgl. Grey, The early years of the | tenberg in Böhmen, gejtorben dajelbjt 26. Sept. 1900, 
Prince Consort (auf Veranlaſſung der Königin, | jtudierte in Wien, wurde 1873 Profeſſor der chirur⸗ 
4. Unfl. 1869; deutſch, Gotha 1868); Bauli, Auf— giles Klinik in Innsbruck, 1881 Profeſſor in Wien. 
ſätze zur engliſchen Geſchichte (Keipz. 1869); das im | Er arbeitete beſonders über Fieber, tieriſche Warme 
Auftrag der Königin verfaßte Werk von Sir Theodor und Mechanik der Gelenke, ſchuf eine Reihe neuer 
Martin: »Life of H. R. H. the Prince Consort« chirurgiſcher Methoden und ſchrieb: »Beiträge zur 
(Lond. 1876 —79, 5 Bde.; deutſch, Gotha 1876—81); operativen Chirurgie⸗ (Wien 1878—80); ·Lehrbuch 
die Aufzeichnungen der Königin: » Leaves from the | der jpegiellen Chirurgie« (5. Aufl., daf. 1898, 2 Bde.); 
journal of our life in the Highlands« (hr8q. von | »Diagqnojtif der chirurgiiden Kranfheiten« (8. Vlufl., 
Helps, Lond. 1868; deutſch, Braunſchw. 1868). daj. 1900); »3ur Theorie der Sfolivie« (da}. 1890); 
8) A. Bring gu Sadjen-Ultenburg, preuf. | »Der Mechanismus der ffoliotijden Wirbelſäule« 
General, qeb. 14. Upril 1843 in Miinden, geit.23. Mai (daj. 1899); »Cinfithrung in das Studium der Urdhi- 
1902 auf Schloß Serrahn (Medlenburg « Schwerin), | teftur der Röhrenknochen« (daſ. 1900); »Beitrage sur 
Sohn des Kringen Eduard (1804 —52), Vetter des | Renntnis der Ojteompelitis« (mit Rolisfo, daj. 1896); 
Herjogs Ernit von Sadjen- Ultenburg, war 1861— | Bgl. Habart, Eduard A. Gedenfblatt (Wien 1900). 
1865 Leutnant im 5. preußiſchen Ulanenregiment, trat| Wibert (pr. albär), 1) Ulerandre Martin, ge: 
fodann in ruſſiſche Dienfte und ftieg bis gum General | nannt A., fran. Sosialijt, geb. 27. Upril 1815 m 
a la suite des Kaiſers auf. Nachdem er aus dem ruſſi- Bury (Oiſe) als Sohn eines Bauern, geit. 29. Mai 
ſchen Dienjt geidieden war und fic 6. Mai 1885 mit | 1895 in Creil, war Mechanifer in Baris, wo er 1840 
der Prinzeſſin Marie von Preugen, Witwe des Prine | auc ein populäres Blatt: »L’Atelier<, gründete. An 
zen Heinrich der Niederlande, vermählt hatte, wurde | der Februarrevolution 1848 nahm er etfrigen Unteil 
er gum preußiſchen Generalmajor a la suite der Ure | und ward als Vertreter ded Yirbeiterjtandes zum W.t- 
mee, 1889 jum Kommandeur der 3. Gardefavallerie- | qliede der provijorifden Regierung ernannt, 4. März 
brigade ernannt und 1891 als Generalleutnant a la Wrajident der Kommiſſion fiir Erridtumg von Ratio- 
suite gejtellt. Nad dem Tode der Prinjeffin Marie | nalwerftitten und im Upril in die Nationalverjamm-: 
(20. Suni 1888), die ihm zwei Töchter qebar, vermablte | lung gewählt. Wegen feiner Teilnahbme am Uttentat 
er fich 13. Dey. 1891 mit der Prinjeffin Helene von | vom 15. Mai 1848 verhaftet, wurde er gu lingerer 
Medlenburg - Strelig (geb. 16. Jan. 1857). Gefangenſchaft verurteilt und geriet in Vergeſſenheit. 
Wlbert, 1) Heinrich, Liederdidter und Kompo⸗ Wahrend der Belagerung von Baris 1870 war er 
nijt, geb. 28. Juni a. St. 1604 gu Lobenjtein im Bogt- | Mitglied der Barrifadenfommiifion und von 1871— 
land, gejt. 6. Oft. 1651 in Königsberg, jtudierte in | 1894 Waterialinipeftor der Gasgefellidaft in Creil. 
Leipzig Die Rechte, Dann Muſik unter ſeinem Oheim | 2) Eugen d’, Pianijt und Komponiſt, geb. 10. 
Siig in Dresden, ging 1626 nad Königsberg i. Pr., Upril 1864 in Glasgow als Sohn eines bei Ultona 
wo er 1631 Organijt an der Domfirde wurde. Seine | qebornen Mujfiters franzöſiſcher Abkunft und einer 
Gedidte, die er alle felbjt in Muſik geſetzt hat, find deutſchen Mutter, erhielt den erjten Muſikunterricht 
jum größten Teil Kirchenlieder, von denen cinige nod | von ſeinem Bater, feine weitere Ausbildung aber 
jest im Gebrauch find; femme wenig zahlreichen welt- durch Ernſt Bauer u. a. in der National training 
lichen Lieder zeichnen fid) durch anmutige Leidtig- school gu London und 1881 als Mendelsfohnjtipen- 
feit aus. Sie erſchienen (mit einigen ſeiner Freunde | diat durch Hanns Richter und Liſzt. Nod in demfelben 
Dad und Roberthin) geſammelt m ſeinem berühm- Jahre begann A. jeine pianijtiide Nubmeslaufbahn, 
ten »Poetiſch⸗ muſilkaliſchen Luſtwäldlein⸗ (Königsb. | die ihn bald in die erjte Reibe der lebenden Miavier- 
1648), cine Auswahl mit den Mufifbeilagen, in den ſpieler jtellte. Durd) zwei Konzerte und eine Suite fiir 
»Neudrucken deutider Literaturwerfe« (hrsg. von L. Klavier, eine Symphonie, eine Ouvertiire, ein Cello- 
H. Fticher, die Mujifbeilagen von Eitner, Halle 1883 konzert, ferner durd zwei Streidquartette, hübſche 
bis 1884). Dem Einfluß des WMaufifers A. war vor Lieder und die Opern »Der Rubin« (1893), »Ghis⸗ 
allem die vollstümliche Sangbarfeit Der Gedichte Des ~mondi« (1895), »Gernot« (1897), »Die Ubreije« 
Königsberger Kreiſes zuzuſchreiben. (1898), »Rain« (1900) ſowie durch das Chorwerk⸗Der 
2) Joſeph, Photograph, geb. 5. März 1825 in Menſch und dad Leben« machte er ſich auch als Rom- 
München, geſtorben daſelbſt 5. Mai 1886, beſuchte poniſt einen Namen. A. war 1892 —95 vermählt 
die polytechniſche Schule, die Alademie in München, mit der Klavierſpielerin Tereſa Carretio (j. d.); 1895 
—— 1850 ein photographiſches Atelier in Augs⸗ vermählte er ſich mit Der Sängerin Hermine Fink. 
urg und ſiedelte 1858 nad München über. Er Seinen Wohnſitz hat er in Frankfurt a. M. 
wandte die Photographie zuerſt sur Vervielfaltiqung Alberta, Dijtrift der Dominion of Canada (ſ. Karte 
von Handzeichnungen und Rupferjtiden an (Kaul | bei Ranada⸗ ) grenzt tm B. an Vritijd-Columbia, 
bad, Schwind, RethelS Hannibaljug u.a.). Wud)! im N. an Wthabasea, tm O. an Sasfatchewan und 
lieferte er photographifde Nadbildungen von Werfen Aſſiniboia, tm S. an den Unionsjtaat Montana und 
ber Miindener Pinafothef. Er vervollfommte den enthalt 259,000 qkm mit (1900 65,876 Cinw. Sm 
Lichtdrud, nad ihm Albertotypie, Wibertypie ge- W. ijt es waldiges Feljengebirgsland, das den Rody 
nannt, und benugte ibn zur Verbeſſerung des photo: | Mountain Part von Banff mit jeinen heißen Quellen 
chromiſchen Berfahrens der Gebriider Ducos de | fowie die widtiqen Rohlenlager von Ynthracite und 
Dauron. — Sein Sohn Eugen A., geb. 26. Mai | Lethbridge umſchließt, im O. aber Buſch- und Gras 
1856 in Augsburg, griindete in München eine Kunſt- prarie, die fic) befonders am Nord-Sastathewan 
und Berlagsanjtalt zur Berwertung feiner Erfin- als anbaufähig erwiejen hat. Im O. und S. bedarf 
dungen ex liefert in Kupfer geätzte Hochdrucklliſchees Uderbau und Sieh sucht der lünſtlichen Bewäſſerung. 
für die Buchdruckpreſſe, Heliogravüren xc. und trug Das harte Winterklima wird durch den föhnartigen 
durch Erfindung der Citochromie ſowie durch die Chinookwind etwas gemildert. 1891 gab es 31,970 








Albert Edward-See — Albertustaler. 


Pferde, 145,658 Rinder, 16,057 Sdhafe und 5103 
Schweine. Hauptort ijt Edmonton. 

Albert 
Ngéſi, ſ. Karte »Deutſch-Oſtafrika«), See in Zentral⸗ 
afrifa, ſüdlich vom Äquator und vom 30.° öſtl. L. 
durchſchnitten, liegt im großen afrikaniſchen Graben, 
nad) Lugard 988 m, nad) Kandt 900 m ii. M. Das 
meergriine Wajjerbecten bat mit rund 4000 qkm 
lade eine unregelmäßig kreisförmige Gejtalt und 
wird im ©. und W. von den Steilhangen de Ur— 
idieferplateaus begrengt. Din S. delat ſich die weite 
flade Ebene des Rutſchuru aus, im N. hängt der See 
durch cinen ſchmalen Kanal mit einem weiten kleinern 
Becken, dem Kafuru- oder Ruifamba⸗See, zuſammen. 
Jin N. erhebt ſich die gewaltige Bergmaſſe ded Run— 
foro, an deſſen Weſthang der Ausflüß des Sees, der 
Semilifi, nach N. zum Albertſee (j. d.) ftrdmt. Der 
Wafjeritand des Sees war früher weſentlich höher, 
nach Grogan ſchrumpft er jetzt ſchnell zuſammen. 

{berti, 1) Leon Battiſta, ital. Künſtler, geb. 

18. Febr. 1404 in Venedig, geſt. 1472 in Rom, aus— 
gezeichnet als Architelt, Maler, Kunſtſchriftſteller, zu⸗ 
leich aber auch als Dichter, Antiquar, Philoſoph, 
echaniler (Erfinder einer Camera obſcura) und 
Muſiler, von ſeinen Zeitgenoſſen wegen ſeiner alles 
unifaſſenden Bildung ein »enzyllopädiſcher Menſch⸗ 
genannt. Seine lateiniſche Komödie »Philodoxios« 
galt anfangs fiir ein antifes Werf. Jn der Malerei 


find feine Verſuche einer wiſſenſchaftlich durchgeführten 
Perjpeftive bedeutend; als Architelt ragt er durch Ver⸗ 
ſtändnis des Damals erſt wieder geſchätzten Vitrun her: | 


vor und unterſcheidet fic) von den Zeitgenoſſen durch 
ein jtrenges Fejthalten an den Gefjegen des römiſchen 


Goward: See (Muta Nfige, aud | 


269 


4) Konrad, Pjeudonym, f. Sittenfeld. 
Wlbertina, Name der KinigSberger Univerijitit, 
geqriindet vom Herzog Albrecht I. von Preußen, auc) 
Der vont Herzog Albert von Sachſen-Teſchen begrün— 
deten Kunſtſammlung in Wien (ſ. Albert 6, S. 267). 

Albertinelli, Mariotto, ital. Maler, geb. 13. 
Olt. 1474 in Florenz, geſt. 5. Rov. 1515 daſelbſt, war 
Schüler Cofimo Rojjellis, ſchloß fic) aber mehr an 
Fra Bartolommeo an und war mit diefem gemein- 
ſchaftlich tätig, was unter anderm eine mit jenem 
gemalte Himmelfahrt Maria (Berliner Muſeum) be- 
zeugt. Seine Hauptwerfe find die edle, qrofartig font 
ponterte Heimjudung in den Uffizien, cine Vertiindi- 
~~ Der Alademie gu Florenz und cine andre in 
der Münchener Pinafothef fowie eine Madonna mit 

sa im Louvre ju ‘Paris. 

Ulbertiner, Münze, |. Wlbertustaler. 

Wibertinerinuen, ſ. Wibert- Verein. 

Albertiniſche Linie, dic jiingere, im Königreich 
Sadjen regierende Linie des Hauſes Wettin. Bee 
qriindet von dem 3 Sohn Friedrichs des Sanft⸗ 
mütigen, Albrecht, der bei der Teilung von 1485 
Meißen erhielt, erlangte ſie 1547 die den Erneſtinern 
von Sarl V. entriſſene Kurwürde (j. Moritz), 1697 
be en Den Ubertritt zur fatholijden Kirche die pol- 
niſche Krone, die fie bis 1763 behauptete, und be- 
fam 1806 von Napoleon im Frieden zu Pofen den 
Rdnigstitel. 

Albertis, Maria d', ital. Reijender, geb. 21. Nov. 
1841 in Voltri (Proving Gena), geſt. 22. Sept. 1901 
in Saſſari, madte 1860 Garibaldis Feldzug in Si— 
| jilien mit und widmete fid) von 1871-—78 der Er- 

forjdung von Neuguinea, befonders in zoologiſcher 





Stils. Cr war Priejter und Doktor beider Redte. | und ethnographifder Hinjicht. Bei feinem viermaligen 
Seine arditeftonijchen Hauptwerfe find die Kirche Beſuch der Inſel erforjdte er 1872 den äußerſten 
San Francesco in Rimini, die Faſſade von Sta. Maria Nordiwejten, 1875 die Yuleinjel an der Südoſtküſte 
Novella und der Palazzo Rucellai in Floreny. Er ijt und den Unterlauf des Flyfluſſes, den er 1876 und 
der bedeutendſte Humaniſt unter den Künſtlern. Seine 1877 bis zur zentralen Gebirgskette verfolgte. Er ver— 
ſchriftſtelleriſchen Hauptwerle über Kunſt find: »De öffentlichte darüber: »Alla Nuova Guinea. Cid che 


picturas (zuerſt Bajel1540) und » De reaedificatoria« 
(flor. 1485). Seine »Opere volgari« gab Bonucci 
(Flor. 1843—49, 5 Bode.), die kleinern funittheoreti- 
iden Schriften Janitidel (Wien 1877, mit Uberjegung 
und Erlaiuterungen) heraus. Vgl. Paſſerini, Genea- 


logia e storia della famiglia A. (Flor. 1869, 2 Bde.); | 


Mancini, Vita di L. B. A. (daf. 1882); Sdu- 
mader, Leon B. A. und feine Bauten (Berl. 1899). 

2) Friedrid Auguſt, Geolog, geb. 4. Sept. 1795 
in — frit. 12. Sept. 1878 in Heilbronn, trat 
1809 in das Vergtadettenforps zu Stuttgart, wurde 
1828 Verwalter der von ihm begriindeten Saline Wil- 
helmshall, 1853 Verwalter von Friedridshall, und 
teufte 1854—59 den Friedridshaller Schacht ab, durch 
deſſen Vollendung der Schwerpuntt der wiirttenbergi- 
{hen Salsproduftion von Wilhelmshall nach Fried- 
ridshall verlegt wurde. Auch fiihrte er die Dampf- 


heigung beim ——— ein. Seit 1870 lebte er 


in Heilbronn. Erſchrieb: » Beitrag zu einer Monogra- 


phie des Bunten Sandſteins, Vtujdelfalts und Reus | 


pers und die Verbindung diejer Gebilde ju einer For- 
mation« (Stuttg, 1834); »Halurgijche Geologies (dai. 
1852, 2 Bbe.); » Uberblict über die Triags« (Daj. 1864). 

3) Luigi, ital. Didter, qeb. 1822 in Florenj, ſchrieb 
lyriſche Gedichte und zahlreiche Luſtſpiele pie Aine 
lor. 1875), deren erjtes » Il Conte e l’Ostiere« (1845) 
und deren bejtes » Pietro l'operajo⸗ ijt; dazu »Asmo- 
deo, fantasia drammaticas (1885), deſſen erjte Auf— 
fiibrung (1887) ju lebhaften literarijden Erdrterun- 
gen Anlaß gab. 


ho veduto e cid che ho fatto« (Meapel 1880), gleid- 
seit in englijder Überſetzung (ond., 2 Bde.). 
{bertit, cin Mineral ähnlich dem Aſphalt, ſ. d. 
Wilbert Lea City (ivr. li pitty, Stadt im ſüdlichen 
Minnefota, Grafidaft Freeborn, Bahnknotenpunkt, 
mit Siegeleien, Produftenhandel u. (1900) 4500 Einw. 
Albertotypie, |. Albert 2 (S. 268), u. Lichtdruck. 
Albertſee (Miwutan Rjige; f. Rarte »YAqua- 
torialafrifa«), großer, von SW. nach NO. geſtreckter 
See in Zentralafrifa, 680 m ii. We, ijt 150 km lang, 
durchſchnittlich 30 km breit und umfaßt 4500 qkm. 
Das blaue Waſſer des Sees fiillt eine tiefe Graben- 
jenfe, deren Rander im W. 500 m, im O. 300 m auf- 
jteigen. Auf der Goble dieies Grabens jtrdmt der 
Semlifi, der Abfluß des ſüdlichern Wibert Cdward- 
Sees (j.d.), in Den See, an der Nordſpitze mündet von 
D. als Abfluß des Victoria-Sees (ſ. d.) Der Victoria- 
Nil (Mivira) ein, nahe dabei erfolgt der Ausfluß des 
Sees als Somerfet-Mil oder Bahr-el-Djchebel, der tm 
Großen Graben nach N. flieht. Der Nordteil des Sees 
jdjeint bedeutend tiefer als Der Siidteil gu fein. Der 
See wurde 1864 von Baker entdedt. 
Albertus Maguus, ſ. Wibert 1 (S. 266). 
Ulbertustaler (Wibertiner, Kreuztaler, 
Burgundertaler), Silbermiinge, feit 1598 in den 
habsburgijden Niederlanden nad dem Reidsfupe 
von 1559 gepragt, und gwar sum Gebalt von 242 
Grin, 95/4 aus der feinen Mark, wurde befonders in 
Ojteuropa beliebt, im 18. Jahrh. in Braunidpweig, 
| Ungarn, Holjtein, Preußen xc. geprägt. Zuletzt wurde 





270 


nod in Rurland und Livland nad Ulbertustalern ju 
4 Ort = 3 Ulbertusgulden gu 30 Ulbertus- 
grofden gerednet. 9°/s diefer U. — 14 Tir. preuf. 

Albert-Verein , Landesfrauenverein vom Roten 
Kreuz unter dem Proteftorat der Mdnigin im König— 
reid) Sadjen, 1867 von der Kronprinzeſſin Carola 
geqriindet und nad) ihrem Gemahl König Albert be- 
nannt, forgt gemeinjamt mit dem Landesnrinner- 
verein vom Roten Kreuz fiir die Sicherjtellung der 
der freiwilligen Rranfenpflege im Königreich Sachjen 
jufallenden Kriegsleijtungen, bildet im Frieden dem— 
entipredend Schweftern (Ui bertinerinnen) aus 
und bietet feine Hilfe im Frieden allerlei gemein— 
niigigen Werfen, bejonders der Gemeindefranfen- 
pfleqe. Wutterhaus ijt das Carolahaus in Dresden. 
Bweigvereine beftehen in allen größern Orten des 
Königreichs. 

Albertville (pr. albarwih, Arrondiſſementshaupt⸗ 
ſtadt im fran}. Depart. Savoyen, 1835 durd) Ber- 
einigung der Städte Conflans und LHöpital ge 
bildet und nad König Karl Wibert benannt, am Arly 
gue Sere) und an einem Fliigel der Mont Cenis- 

abn gelegen, ijt Durd cin Fort und Batterien be- 
fejtigt, bat ein altes Schloß, eine Strafanitalt, eine 
Normalidule, Schieferbriicde und (1901) 5078 Einw. 

Wlbérus, Erasmus, Dichter und Gelehrter, 
geboren um 1500 in Sprendlingen (zwiſchen Darm⸗ 
ſtadt und Franffurt), geſt. 5. Mai 1553 als General: 
juperintendent in Satcustenbara, ging 1518 nad 
Wittenberg, wo er Luthers befondere Suneigun 

eno, und war dann an dielen Orten ebrer un 

rediger. A. gehört gu den rilftigiten Streitern fiir 
die Reformation, deren Sache er in zahlreichen Schrif- 
ten vertrat. Seine poetiſchen Werte find: ⸗Das Bud 
von der Tugend und Weisheit« (Franff. 1550 u. ö.), 
das 49 (teils andern nadgebildete, teil aud) felbjt- 
erfundene) Fabeln enthalt, die er zur Darjtellung 
feiner Unfidten über Kirche und Staat benutzt (mit 
Quellennachweiſen herausgegeben von Braune, Halle 
1892), und »Geijtlicdhe Lieder«, von denen nod) jept 
mande in Gefangbiichern zu finden find (neue Aus— 
gabe von Stromberger, Halle 1857). Unter feinen 
Brofafdyriften ijt am bedeutendjten » Der Barfiifer- 
monde Culenfpiegel und UWlforan«, mit BVorrede 
Vuthers (Wittenb. 1542), ein ſatiriſcher Auszug des 
Buches » Liber conformitatum« des Bartholomius 
de VPiſis (1385), worin die Ähnlichkeit des heil. Frangis- 
fus mit Chrijtus durd die abenteuerlichſten Wunder 
dargetan werden follte. Val. Schnorr von Carols: 
feld, Erasmus A. (Dresd. 1893). 


Albesdorf, Dorf im deutſchen Bezirk Lothringen, | 


Kreis Chateau -Saling, hat eine ath. Kirche, Wmts- 
gericht, Oberfiriterei, Waifenhaus u. (1900) 562 Cinw. 

Wlbfuk, ſ. Drudenfuß. 

Albgeſchoß (Albſchoß), ſ. Hexenſchuß. 

Albi, Hauptitadt des franz. Depart. Tarn, auf 
einer Anhöhe am linfen Ufer des Tarn, iiber den zwei 
Brücken nad der Vorjtadt Madeleine fiihren, an der 


Südbahn und Oriéansbahn gelegen, hat eine gotiſche, 


einſchiffige Rathedrale (1277 1512 erbaut) mit ſchö— 
nem Bortal und vieredigem Turm, einen fejtungs- 
ähnlichen erzbiſchöflichen Balajt, ein Denfmal des 
Seefahrers Lapéroufe, ein Lyzeum, eine Normalfdule, 
cine Bibliothef, cin Muſeum, eine Irren- und Taub- 
jturmmenanjtalt und (1901) 18,262 (als Gemeinde 
22,571) Einw., die Fabrifen fiir Leinen-, Wollen- und 
Baumwollenzeuge, Hilte, Aniseſſenz rc. unterhalten. 
U. tit Sig des Brafetten, eines HandelSgerichts und feit 
1678 eines Erzbiſchofs. — VL, das alte Albiga, war im 





Albert-Verein — Wlbinos. 


Mittelalter Hauptſtadt einer Grafſchaft (Wl bige ois, 
ſ. Die Geſchichtslarte von Franfreid) und ein Hauptſitz 
der Albigenſer (f. d.), die Von ihr den Namen führten. 

Albigan, altdeutider Gau, ſ. Algäu. 

Albigeénſer, —— die Einwohner der Stadt 
Albi und ihres Gebietes Albigeois, wo ſich ſchon gegen 
Ende des 12. Jahrh. die Lehren der unter dem Namen 
der Katharer, Patarener oder Publikaner belannten 
Häretiler verbreiteten; Dann Geſamtname Der ſüd— 
franzöſiſchen häretiſchen Gemeinden, aud der Wal—⸗ 
denſer. 1208 gab die Ermordung des päpſtlichen Le- 

aten Peter von Caſtelnau Anlaß zu den von Papft 
Innocenz ILL. betriebenen, von Sinton von Montfort 
qeleiteten entſetzlichen Albigenſerkriegen, im de 
nen Siidfrantreid) grauenhaft verwiijtet wurde, be- 
fonders das Gebiet des den Ketzern geneigten Rai- 
mund VI. von Toulouje. Béziers wurde erftiinnt 
und die gegen 20,000 Seelen jtarfe Bevdlferung er- 
mordet. Graf Raimund ward ſeines Landes fiir ver- 
lujtig erfldrt und das Kreuzheer mit Bollsiehung des 
Urteils (1211) beauftragt. Nad) Beſiegung Raimunds 
und feines Betters Peter von Uragonien wurde der 
Graf von Montfort mit Languedoc belehnt, fiel aber 
ſchon 1218 vor Touloufe. Nad) dem Tode des Grafen 
Raimund VI. (1222) fegte deffen Sohn Raimumd VIL. 
den vom Vater ererbten Kampf fort, bis aud) der K-⸗ 
nig von Franfreid) des Papjtes Partei ergriff. Da 
ſchloß er unter demiitigenden Bedingungen Frieden 
(1229), und die gleidjeitig ju ** errichtete 
päpſtliche Inquiſition vollendete die gewaltſame Be— 
tehrung des Landes. Der Seftengeijt aber wucherte 
insgeheim fort, fo in Biemont, wobhin viele U. aus 
der Provence geflohen, die als Waldenſer im 13. und 
14. Jahrh. im Gegenfage zur Kirche verharrten. Bol. 
K. Schmidt, Histoire et doctrine de la secte des 
Cathares ou Albigeois (Strakb. 1849); Beyrat, 
Histoire des Albigeois (Bar. 1880—82, 2 Bode.). 
Der Verjweiflungsfampf der A. ijt der Gegenjtand 
des epifchen Gedidhts »Die A.« von Rifolaus Lenau. 

Wlbigevis (jr. aa), franz. Landſchaft, ſ. Albi. 

mint caida age (fpr. -binja), ſ. Bernina. 

Albin, Mineral, ſ. Apophyllit. 

Albinagii jus (lat. Albinagium), Seimfalls- 
rect, ſ. Albanagium und Fremdenredt. 

Wibini, Franz Jofeph, Freiherr von, deut- 
ſcher Staatsmann, geb. 14. Wai 1748 in St. Goar, 
geſt. 8. Jan. 1816 in Dieburg, Sohn des furbdhmi- 
ſchen Kammergerichtsaſſeſſors Rafpar A. (1788 in 
den Freiherrenſtand erhoben), trat 1770 in fürſtbiſchöf⸗ 
lid) würzburgiſche Dienjte, 1775 in das Reichsfam- 
—— und ward 1787 als Reichsreferendar des 

Mainzer Erzbiſchofs nach Wien geſandt. 1790 wurde 
* furmaingifder Hofkanzler und Miniſter, wohnte 
| 1798 dem Kongreß ge Rajtatt bei, ſtellte ſich 1799 

an die Spige des Mainzer Landjturms und ward, 
als Dalberg Großherzog von Franffurt geworden 

‘war, deſſen Minijterprajident. Später trat A. im 
öſterreichiſche Diente. 

Albinismus, Sujtand der Wibinos (ſ. d.). 

Wlbinoni, Tommafo, ital. Opernfomponiit, 
geb. 1674 in Benedig, gejtorben dafelbjt 1745, ſchrieb 
149 Opern, ijt aber hiſtoriſch bedeutſam durd ſeine 
/Rammerfonaten und Sinfonien fiir 3—7 Inſtru— 
mente, denen J. S. Bad) die Themen zweier feiner 


| Fugen entnahm. 
= 





{binos (v. jpan. albino, weißlich Ralerlaten, 
weiße Reger, Dondos, Weißſüchtige, lat. 
Leucaethiopes), Menſchen mit bellweifer oder rofig 
durchſcheinender Haut, feidenartigen, weißen Ropf- 


Albinovanus — 


Bart- und Sdhambaaren, blak rojenroter Iris und 
tiefroter Bupille. Der Augapfel der W. ijt in fteter 
gitternder Bewegung, fie fehen am beften in der Däm⸗ 
merung, und alle jind kurzſichtig. Im allgemeinen 
von mittlerer Größe, find fie von ſchwächlicher Kon— 
ftitution. Wan findet fie in allen Klimaten und un- 
ter allen Menfdenrajjen, am häufigſten aber unter 
den Nedern. Jn einigen Gegenden find fie cin Gegen- 
ftand des Ubjdeues, weshalb fie ſich in unbewohnte 
Gegenden juriidsiehen und dort beijanumen leben, fo 
daß man Ms als eine befondere Nation oder Raſſe 
betradjtet hat. Der UlLbinismus (Leufithiopie, 
Leufopathie) beruht auf mehr oder minder volljtin- 
digem Mange! des Pigments in der Malpighiſchen 
Schicht der Haut fowie auf Pigmentmangel im der 
— ens und Gefäßhaut des Auges, die deshalb 
hellrot (Blutgehalt) erfdeinen; er ijt ſtets angeboren, 
fommt ſporadiſch, auch erblich, vor und ijt unbeilbar. 
Er findet ſich aud) bei Tieren (Naninden, Mäuſe, 
Raben, Tauben, Sdhwalben x.). Die weihen Elefan- 
ten und die ijabellfarbenen Pferde find cine an Ulbi- 
nismus angrengende Varietät. Der partielle ULbi- 
ni8mus, der angeborne teilweife Pigmentmangel, ijt 
häufiger bei Europäern beobadhtet (weike Flede); er 
fann aud vererbt werden. Bal. Mansfeld, tiber 
das Wejen der Leufopathie oder des Albinoismus 
(Braunfdw. 1823). 

Albinovanns, Redo, rim. Didter, Freund des 
Ovid, feierte die Taten des Germanicus (16 n. Chr. 
in einem Epos, von dem nur ein {chines Brudjtiid 
(in Bahrens’ »Fragmenta poetarum latinorum«, 
Leips. 1886) erhalten ijt. 

{binus, Decimus Clodius, aus edlem Ge- 
idledht, wurde von Commodus gum Statthalter Bri- 
tannien8 ernannt, von Septimus Severus als Cä— 
far anerfannt, dann aber nad) Niederwerfung des 
Peſcennius Niger von ihm 197 bei Tournus in der 
Nähe von Lyon bejiegt und getitet. 

Albion, feltijder, jest nur noch poetiſch gebrauchter 
Name der gropbritann. Inſel (England und Sdott- 
land), kommt feit Dem 6. Jahrh. vor. 

Mibion, 1) Stadt im Staate New Port, Grafſchaft 
Orleans, am Eriefanal und der New Yorf- Sentral: 
babn, mit (1900) 4477 Einw. — 2) Stadt in Diichiqan, 
Grafſchaft Calhoun, fiidlid) von Lanſing, mit College, 
Uderbaugeritefabrifation und (1900) 4519 Einw. 

WUlbionmetall, mit Sinn plattiertes Blei. 

Albionpreffe, cine in England zuerſt von Cope 
erbaute und dort nod) heute benutzte Handdruckpreſſe 
fiir Budhdrucer. 

Wlbis, Bergtette im ſchweizer. Ranton Zürich, ein 
16 km langer Molajjeriiden, der im 918 m hobhen 
Bürglen jeinen Gipfelpuntt, im 873 m hoben litli 
(Uto) feinen Schlußpfeiler hat (7. Zürich). ber den 
Albispaß (793 m) bewegte fic) ehedem der ganze 
Verlehr von Zürich nad Zug und dem Vierwaldſtaͤtter⸗ 
fee. Win Weſtfuße des A., bet Hauſen, die Kaltwaſſer— 
heilanſtalt Albis brunn, 630 mii. M., 1839 angelegt. 

Albis, rim. Name der Elbe (7. d.). 

Al bisogno (ital., fpr. vijonnjo), tm Notfall (bei 
Notadrefjen auf Wechſeln). 

WUlbiffolafpigen, benannt nad dem Städtchen 
Ulbiffola bei Genua, den Genueſer Spigen ähnlich. 

Albiſtãn, Städtchen von etwa 6500 Einw., un- 
weit der Duellen des Dſchihãn, im Liwa Maraſch des 
ajiatijdy-tirt. Wilajets Haleb (Wleppo), 66 km nidrd- 
lid von Maraſch, in ebener Gegend. 

Abit (wegen feiner weißen Farbe fo qenannt, aud 
Natronfeldj pat), Mineral der Feldipatgruppe (vgl. 





Albofarbonlampe. 271 
Feldſpat), findet fic in fury ſäulenförmigen (eigent- 
lider A.) und in tafelformigen Rrijtallen (Beriflin), 
aud) derb in firnigen Uggregaten. Er ijt farblos, 
bisweilen grün oder braun, glasglinjend, durchſich— 
tig bis kantendurchſcheinend, findet ſich auf Bangen, 
Klüften und Drujenraumen von ältern Eruptivgestei- 
nen (Granit, Diorit xc.) und Tonſchiefer, bildet aud 
häufig einen Bejtandteil dieſer Felsarten und von 
Gneis. Fundorte: St. Gotthard, Tirol, Elba, Hirſch— 
a in Schleſien 2. 

Ibizzia Durazz., Gattung der Lequminofen, 
unbewehrte Baume oder Straiuder mit doppelt ge- 
fiederten Blattern und jablreiden Fleinen oder wenigen 
großen Blattdhen, weißen, gelben oder roten Bliiten 
in fugeligen Köpfchen oder zylindriſchen Ähren und 
breiten, geraden, fladgedriidten Hiilfen. Uber 50 
Arten im tropijden und fjubtropijden Ujien, Ufrifa 
und Auſtralien, in Umerifa eingefiihrt. A. lophanta 
Benth. (Acacia lophanta Willd.), 3—4 m hober, ſehr 
ſchnell wadfender Baum mit gelben Bliiten, m Siid- 
Wejtaujtralien, mit gerbſäurehaltiger Kinde und fapo- 
ninbaltiger (10 Broz.) Wurzel, wird als eine der be- 
liebtejten Zimmerpflanzen fultiviert. A. Lebbek Benth, 
(Acacia Lebbek Willd., Sirisakazie, Lebbad- 
baum), im tropifden Afien und YUfrifa, ein in Ygyp- 
ten ſehr beliebter Alleebaum von groper Lebensfraft, 
liefert wertvolles Holz (in Bengalen Girfa, Si— 
riffa), Gummi und Gerberrinde. A.Saman Fr. v. M. 


)) Regenbaum, Guango), in Mexiko und Siidante- 


rifa, 20 m hod) mit mächtiger Krone, durch die nadts 
der Regen hindurdfallt (weil die Fiederblättchen fic 
zuſammenlegen), wadjt jebr ſchnell, liefert Nutzholz 
und fleijdige Sdoten, cin ſehr majtendes Futter fiir 
Weidevieh. A. Julibrissin Boiv., Baum mit rofen- 
roten Bliiten im tropijden und fuptropifden Wien 
und Ufrifa, in Siideuropa als Schatten- und Rier- 
pflange fultiviert, liefert qutes Nutzholz, die aroma- 
tifchen Blatter werden als Tee benust. 

Wiblafferdam, Stadt in der niederländ. Proving 
Siidpolland, 5 km ndrdlid von Dordredht, an der 
Miindung der Alblas in den Maasarm Noord, mit 
Schiffswerft und (900) 5293 Cinw. 

Albock, j. Rente. 

Alboĩd, vernideltes Britanniametall. 

Alboin, König der Langobarden, entidied 551 
eine mörderiſche Schlacht gegen die Gepiden gu gunſten 
ber ———— heiratete um 555 Chlotoſuintha, 
Tochter Franlenkönigs Chlotar, folgte 561 ſei— 
nem Vater Audoin, ſchloß 565 ein Bündnis mit den 
Awaren, ſchlug 566/67 die Gepiden, deren Konig Kuni— 
mund er tötete, und drang, Von zahlreichen germa— 
niſchen Scharen begleitet, uͤber den Predilpaß Oſtern 
568 in Italien ein, deſſen nördlichen und mittlern Teil 
außer Rom und Ravenna er eroberte. Am 4. Sept. 569 
nahm er Mailand, 572 nach dreijähriger Belagerung 
Pavia und machte es zu ſeiner Reſidenz. A. wurde 572 
(Ende Mai oder Anfang Juni) auf Anſtiften Roſa— 
mundens, der von ihm gur (zweiten) Ebe gezwunge— 
nen Todter Runimunds, die bei cinem Gelage in Ve— 
rona aus ihres Baters Schiidel hatte trinfen müſſen, 
von Ulboins Waffentriiger Helmedis und ihrem Vubh- 
len Beredeo ermordet. Seine Todter aus erjter Ehe, 
Albſuinda, die mit Rofamunde nad) Ravenna ge- 
fliidtet war, wurde mit Dem langobardijden Königs— 
ſchatze nad) Ronjtantinopel gebradt. Alboins Nad- 
folger wurde Herzog Kleph aus dem Stamme Beleos. 
Val. Hartmann, Geſchichte Italiens im Mittelalter. 
Bd. 2 (Gotha 1900). 

Albofarbonlampe, ſ. Leuchtgas. 


272 


Albolith, ſ. Zement. 

Albona, Siadt in Iſtrien, Bezirksh. Piſino, 320m 
ii. M. Sig eines Bezirlsgerichts, hat alte Stadtmauern, 
cin Rathaus, Muſeum, Ol-, Wein und Kajtanienbau 
und (1890) 2404, al8 Gemeinde (1900) 10,968 italie⸗ 
niſche und ferbo-froat. Einwohner. 3 km ſüdöſtlich 
liegt Der Hafen von A., Porto Rabaz. Weſtlich von 
A. Braunfoblengruben. 

Alboni, Marictta, Operniangerin (Wit), geb. 


Albolith — 


26. März 1826 ju Cejena in der Romagna, geit. 23. | 


Suni 1894 in Sille d'Avray bei Baris, erhielt ihre 


Ausbildung durch die Gefanglehrerin Bertolotti und | 


durch Roſſini in Bologna, fang feit 1843 mit ſchnell 
fteigendent Erfolg an der Scala in Mailand, in Wien, 
Petersburg und London, wo fie mit Jenny Lind wett- 
eiferte, und wurde 1847 Mitglied der Stalienifden 
Oper ju Paris. 1854 verheiratete fie fid) mit dem Gra- 
fen Pepoli, trat aber auch in der Folge, bis zum Tode 
desſelben (1866) nod) bisweilen öffentlich auf. 1877 

ciratete fie fid) gum giweitenmal mit einem fran- 
* chen Offizier, Namens Ziéger. Wud) als Schau— 
pielerin leijtete fie Ausgezeichnetes. 

Al⸗borãt, |. Borat. 

Albornoz, UN qidius, Nardinal, geb. 1300, Spa- 
nier aus vornehmem Geſchlecht, geſt. 24. Aug. 1367 
in Viterbo, trat in die Dienjte des Königs Wlfons XI. 
von SKajtilien, ward 1339 Erzbiſchof von Toledo, 
faimupfte mit —— vor Tarifa und Algeſiras, 
flüchtete aber vor Alfons' Nachfolger, Peter dem Grau- 
ſamen, ju Papſt Clemens VI. nach Avignon, der ihn 
1350 gum Kardinal ernannte. Nad) den Durd) Rienzi 
im Rirdenftaat erreqten Unruben bejtellte ign Inno⸗ 
cen VI. 1353 sum Legaten und Generalvitar in Sta- 
lien. UW. unterwarf die unbotmäßigen Burgherren in 
Unnbrien, der Sabina und Tuscien, ftellte nad Rien- 
zis Tode (8. Oft. 1354) in Rom die papjtlide Uuto- 
ritdt wieder her und bewog durd Erteilung der Bita- 
riatSredte viele Dynaften der Romagna fowie mehrere 
Stidte, wie Bologna, zur Unerfennung der papjtliden 
Herrſchaft. Er ordnete die Verwaltung des Kirchen⸗ 


ſtaates und gab ihm neue Geſetzbücher (die »Ygidia: | 
nen«, ſ. Yigidtanijde Ronjtitutionen). So ermiglicte | 


er Papſt Urban V. 1367 die Rücktehr nad Stalien. 
Val. Burm, Kardinal A. (Paderb. 1892). 
Albow, Mi dail Nilowitid, rujj. Scriftiteller, 
aus der Schule Dojtojewifijs, qeb. 20. (8.) Nov. 1851 
in Retersburg als Sohn eines Geijtliden, ſtudierte 
daſelbſt die Rechte und trat als friibreifes Rind fdon 
mit 13 Jahren in einem Petersburger Blatte mit dem 
literarijchen Verſuch ⸗Aufzeichnungen eines Keller 
bewohners« hervor. Sein Hauptivert tit die Erzählung 


»Der Tag der Abrechnung⸗ (»Den’ itoga«, 1879). | 
Eine Sammlung feiner Erzählungen (+Povésti i | 
razskazy «) eridien 1884 (2. Aufl. 1887), ſpäter (1888) | 
»Filip Filipyé« und ⸗Am brennenden Ofen« (>Kak | 


goréli drova«). 

Albraune, foviel wie Ulraune, ſ. Mandragora. 

Albrecht (joviel wie Udalbert oder Wibert, »der 
an Geſchlecht Glänzende⸗), Name zahlreicher deutider 
Fürſten und fiirjtlider Perſonen. 

Uberſicht nach ben Landern. 

Deutſche Abnige 1, 2 | Meifien 13, 14. 

Bayern 3—5. | Ofterrei 15 —18. 

Brandenburg 6 — 9. i Preufen (GHerydge) 19, 20. 

Braunigmeig 10, (Bruen) 21, 22. 

Medlendurg 11, 12. Sachſen 23, 24. 

Deutſche Ringe.) 1) V.L, HerzoqvonLiter: 
reid, Rudolf von Habsburgs älteſter Sohn, qeboren 
unt 1250, geſt. 1. Mai 1308, ward 1283 von feimem 


Albrecht. 


| Vater mit den Herzogtümern Ojterreidh und Steier- 
mart belehnt, die cr trefflich verwaltete. Seine Wahl 
jum Nachfolger auf dem Raijerthron fonnte Rudolf 
| nicht erreidjen, al8 aber König WDdolf (j.d. 1) 1298 ab- 
qejest wurde, nahm A. die Wahl an Udolfs Stelle an 
und jog mit cinem Heer an den Rhein, wo er ſeinen 
Wegner 2. Juli bei GoM heim ſchlug; Wdolf fiel in der 
Schlacht. Hierauf lief fic) U. von neuem wählen und 
ward im Auguſt 1298 zu Maden gefrént. Obwohl 
aud) er wie jeine Vorganger den Rurfiirjten große 
Zugeſtändniſſe hatte madjen müſſen, trat er als Herr— 
ſcher entidieden auf, hielt jtreng auf Herjtellung des 
Vandfriedens, ſtrebte danach, die Nachfolge im Reiche 
ſeiner Familie zu ſichern, und verband ſich deshalb 
mit Philipp dem Schönen von Frankreich. Die vier 
rheiniſchen Kurfürſten, unzufrieden mit der erſtark⸗ 
ten Königsmacht und unterſtützt von Papſt Boni— 
facius VIII., empörten ſich gegen A., wurden aber 
mit Hilfe Der Reichsſtädte, denen der König die Wb- 
ſchaffung der Rheinzölle sufiderte, unterworfen. Durd 
Verzicht auf Atalien verſöhnte er fic) aud mit dem 
Papſte. Weniger glücklich war A. bei den Unterneh— 
mungen zur Stärkung feiner Hausmacht. Zwar er- 
langte er 1306 die Wahl feines Sohnes Rudolf jum 
König von Böhmen nad dem Erlöſchen der Premy- 
| fliden, derfelbe jtarb aber fdjon 1307, und num wurde 
von der Gegenpartei Heinrid) von Kärnten zum Kö— 
nig gewählt. WIS Rechtsnachfolger Adolfs (7. d. 1) ver- 
folgte er die Unterwerfung Thüringens, aber fein Heer 
wurde 1307 bei Luda unweit Altenburg gejdlagen. 
Sein Neffe Johann (Parricida) verlangte von thm 
vergebens aud) nad Erlangung Der olljabrigteit 
die Uuslieferung der ihm von femem Vater Rudolf, 
Albrechts Bruder, zugefallenen ſchwäbiſchen Haus- 
bejifungen. Mehrere Ritter verſchworen ſich mit Jo— 
hann gegen den König. Als A. 1. Mai 1308 von 
Bruck nad Rheinfelden ritt, richteten es die Ber- 
ſchwornen ſo ein, daß ſie bei der überfahrt über die 
Reuß angeſichts der Habsburg mit dem König allein 
über den Fluß vorauskamen; hier wurde er von ihnen 
niedergeſtoßen. Aus ſeiner Ehe mit Eliſabeth, Toch- 
ter des Grafen Meinhard von Tirol, hinterließ A. 
fünf Söhne und ebenſo viele Töchter. Bal. Michel⸗ 
jen, Die Landgrafſchaft Thüringen unter den Köni— 
gen Adolf, Albrecht und Heinrid) VIL. (Nena 1860); 
Miide, A. J., Herzog von Vjterreid) (Gotha 1866); 
DHenneberg, Die politiſchen Begiehungen zwiſchen 
Deutſchland und Frantreic unter A. J. (Strakb.1891 ). 
2) U. IL, als Herzog von Oſterreich U. V., geb. 
10. Aug. 1397, geft. 27. Ott. 1439, war nod Kind, 
als fein Bater Albrecht IV. ftarb und ibm Ojterreih 
als Erbe zufiel. Während feiner Minderjährigkeit 
verwalteten feine drei Obeime, zuerſt Wilhelm der Ar⸗ 
tige (bis 1405), Dann Herzog Leopold der Dide und 
zuletzt Ernjt der Eiſerne von Steiermarf, unter fort: 
wabrenden Streitigteiten feine Erblande. 14 Jahre 
alt, durch Undreas Blan, ſpätern Biſchof von Frei— 
jing, und den biedern Reinpredt von Walle trefflich 
erzogen, tibernabm er 1411 felbjt die Regierung und 
_vermédblte fic) 1422 mit Kaiſer Siegmunds Tochter 
und Erbin Elijabeth. Wis Sieqmumd 1437 jtarb, er- 
langte YL. die Rrone von Ungarn und 1438 aud die 
von Bohmen durd freie Wahl der Landjtinde. Yim 
18. März 1438 ward er sum deutfden König ge- 
wählt; ex berief cinen Reichsſtag und ſchloß jid im 
Streit zwiſchen dem Papſt und dem Baſeler Konzil 
der kurfürſtlichen Neutralität an. Dod hinderten 
Titrfenfriege und Unruhen in Ungarn den tatkräf⸗ 
tigen König an weitern Taten. Trogdem hat der 








Albrecht (Bayern, Brandenburg). 


Nürnberger Reichstag von 1438 ein Landfriedens- 
geſetz gejdhaffen, das den Unusgangspuntt fiir die ſpä— 
tere Reichsreform bildet. A. ſtarb 27. Oft. 1439 in 
Langendorf (zwiſchen Wien und Gran), auf dem Heim- 
wege von cinem Huge gegen die Tiirfen, und ward in 


Stublweienburg beigeſetzt. Erjt nad jeinem Tode 
ward ihm ein Sohn, Wladislaw Pojthumus, geboren | 


(22. Febr. 1440). Val. Kurz, Oſterreich unter Konig 
U. IT. (Wien 1835, 2 Bde.); Ultmann, Die Wahl 
Albrechts I. gum römiſchen König (Berl. 1886). 

{[Vayern.] 3) U. LIL, Herzog von Bayern- 
Miinden, Sohn des Herzogs brsit eb. 27. März 
1401, gejt. 29. Febr. 1460, wurde in Brag erzogen, 
lernte um 1430 die ſchöne Augsburgerin Agnes er⸗ 
nauer (ſ. d.) kennen und nahm fie 1432 mut ſich auf 
ſeine Burg in Straubing; aber fein Bater liek fie in 
Albrechts Ubwefenheit zum Tode verurteilen und 12. 
Dft. 1435 in der Donau ertriinfen. Kaiſer Sieqmund 
verſöhnte Bater und Sohn, A. Heiratete 1436 cine 
Braunſchweiger Pringeffin und folgte 1438 feinem 
Bater in der Regierung. Durd Reform der Klöſter 
erwarb er fid) Den Beinamen de3 Frommen. 

4) UW. IV., der Weiſe, Herzog von Bayern, 
Sohn Albrechts III., des Frommen, aus der Linie 
Miinden-Straubing, geb. 15. Dex. 1447 in München, 

eit. 18. März 1508, anfangs gum geijtlicjen Stande 
— ——— ſtudierte in Italien und ward nach dem 
Tode ſeines ältern Bruders, Johann LT. (1463), 
und dem Verzicht Siegmunds (1467) als alleiniger 


einer der i aig und umfidtigiten Fürſten 


rzog 
Sones, ein Freund der Künſte und Wiſſenſchaften. 
Bor allem vergrößerte er fein Territorium: er faufte 


die ReidSherridaft Ubensberg, eroberte Landshut | 
mit Burghaufen und gewann aus der Erbſchaft feines | 


Vetters, Herzog Georgs des Reidhen von Bayern- 
Landshut, 1503 andre 14 Stidte und 33 Markt— 
fleden. Dod) verlor er nach dem verieerenden Erb- 
folgefrieg (1504—1505) große Gebiete an den Kaiſer 
und dad pfälziſche Haus. Nach Sieqmunds Tode (1501) 
mupte WU. feinen jiingern Bruder als Mitregenten an- 
nehmen. Überzeugt von den Nadteilen einer gemein- 
ſchaftlichen Regierung, erridtete er 1506 bas bayri- 


{che Hausgrundgeſetz (Pragmatijde Santtion), woe | 


durd) die Erbfolge nad dem Rechte der Erſtgeburt 
bejtimmt ward. YW. binterlieR drei Söhne und fiinf 
Tidter von feiner Gemabhlin Runigunde, Todter 
Kaiſer Friedrid)s IT, Bgl. Silbernag!, A. IV. der 
Weise, Herzog von Bayern (Münch. 1857); Haffel- 
holdt-Stodbeim, Herzog A. IV. von Bayern und 
jeine Beit (nur Bd. 1: 1459-— 65, daf. 1865). 

5) A. V., der Großmütige, Herzog von 
—— , Sohn des Herzogs Wilhelm, geb. 29. Febr. 
1528, geſt. 24. Oft. 1579, folgte, 1546 mit der Tod)- 
ter des KLönigs Ferdinand, Anna, vermählt, 1550 fei- 
nem Bater in der Regierung, beqriindete die Kunſt— 
fanunlungen in München, berief Muſiker (Orlando 
di Laffo), Maler und Kupferjtecher an feinen Hof, ent- 
widelte Bradt und Lurus und belajtete fic) mit un- 
—— Schulden (24/2 Mill. Gulden), obſchon er das 

d durch Uuflagen driidte. Unter jeſuitiſchem Cin- 
flu trat er dem Luthertum feindlich entgegen. Bal. 
Riippredt, Herzog A. V. von Bayern und feine 
Stinde (Miind. 1883); Rimmermann, Die bilden- 
ben Stiinjte am Hof Herzog Wibredts V. von Bayern 
Straßb. 1895). 

{Brandenburg.] 6) A. J. (Adelbert), der Bar 
oder Der Schöne, Markgraf von Branden: 
burg, Sohn Ottos ded Reiden von Ustanien oder 
Unhalt und Eililas, der Tochter des Herzogs Magnus 

Meyers Rono.«Lexikon, 6. Mufl., I. Bd. 


273 


von Gadfen, aus dem Billungiden Haufe, geboren 
um 1100, gejt. 18. Nov. 1170 in Ballenjtedt, folate 
1123 ſeinem Bater in deſſen Allodialbeſitz und Reichs— 
amtern und ward vom Herzog Lothar von Sadfen 
jum Markgrafen der von ihm eroberten Oſtmark und 
er Lauſitz erhoben und nad deſſen Königswahl 1125 
feierlid) mit dieſen Gebicten belehnt, die er aber in- 
folge feiner Fehde gegen den Markgrafen Udo der Nord- 
marf ſchon 1131 durch königlichen Spruch wieder ver- 
lor. Dennod) blieb A. dem Kaiſer treu und beglei- 
tete ifn 1132 nad) Stalien. Dafitr erbielt er 1134 
die erlediqte Nordmarf, welde das den flawifden 
Völlerſchaften nad und nach entriſſene Gebiet am 
linfen Elbufer umfafte. Wit rajtlofem Cifer widmete 
fic) nun A. der Germanijierung de3 Landes und der 
— — der Wenden gum Chriſtentum. 1136 er- 
oberte er die Priegnitz, erwarb von dem Wendenfiir- 
ſten Pribislaw in Brandenburg die Zauche und ward 
jum Erben von deſſen übrigem Fürſtentum (Havel— 
land) ernannt. 1138 ſchloß er ſich dem neugewählten 
Staufer König Konrad IIT. an und ward nad der 
Achtung Heinrichs des Stolzen mit Sachſen belehnt. 
Dies konnte er indeſſen nicht behaupten und mußte 
ſogar ſeine Erblande verlaſſen und zu dem König 
Konrad flichen. Im Frieden zu Frankfurt a. M. 1142 
verzichtete A. auf das Herzogtum Sachſen, erhielt da- 
fiir ſeine Erblande und die Nordmark als reichsun— 
mittelbares Lehen und wurde vielleicht ſchon damals 
Erzkämmerer. Nam betrieb er mit großem Erfolg die 
Beliedelung des Wendenlandes durch niederlindifde 
Rolonijten und fam, nachdem er 1147 einen Rreuj- 
jug gegen die Wenden befebligt, 1150 durch Bribis- 
laws Tod in den rg Brandenburgs und des Havel- 
landes, worauf er ſich dDauernd, wie bisher fdon 
gele entlid), Marfgraf von Brandenburg nannte. 
pe ai er 1150-—52 im einer Fehde mut Heinrid 
dem Löwen Plötzkau erworben, ſchlug er 1157 einen 
Wufitand Jaczos, eines Verwandten Pribislaws, nie- 
Der. Nun jtellte er die Bistiimer Havelberg und Vran- 
denburg wieder her, führte den Pramonjtratenferorden 
in die Mart ein und begriindete Dadurd den Sieg des 
Chrijtentums. Er baute deutfde Stadte und begitn- 
jtigte Die Einwanderung ded niedern deutiden Wdels, 
der neben den niederländiſchen Bauern aud) das platte 
Land bald den Wenden entriß. Der Marfgraf blieb 
aud) dem Kaiſer gegeniiber fajt unabhängiger oberjter 
Grund⸗, Geridts- und Kriegsherr, er telte das Land 
in BVogteien, und feine Beamten, vor allem feine Vigte, 
verwalteten dad Land nad) deutſchem Recht und deut- 
ſcher Sitte. So madhte er die ſlawiſche Mark zu einem 
deutſchen Lande. 1162 wobnte er der Zerſtörung Mat- 
lands bei, fiimpfte 1164 mit Heinrich Dem Lowen gegen 
die Obotriten und gehörte 1166—69 dem Fiirjten- 
| bunde gegen Heinrid) an. Er hinterlies zwei Töchter 
und fieben Sihne, von denen Otto ihm m der Mark 
| Brandenburg folgte, Bernhard Anhalt und {pater 
das Herzogtum Cadhfen, Dictrid) die Giiter ſeiner 
Wrofmutter Eilifa und Hermann die ererbten orla- 
mündiſchen Giiter erbielt. Sein Enfel Albrecht IL, 
der Sohn Ottos L., regierte itber die Wark 1205 —20. 
Bgl. v. Heinemann, YW. der Bar (Darmſt. 1864). 
7) A. I. Rurfiirjt vonVrandenburg, wegen 
feiner ritterlidjen Taten Achil les genannt, der dritte 
Sohn de Kurfürſten Friedrid) I. von Brandenburg 
und der ſchönen Elifjabeth von Bayern, geb. 9. Nov. 
1414 in Tangermiinde, gejt. 11. März 1486 in Frank⸗ 
furt a. M., war in militdrifder, diplomatiſcher und 
ſtaatsmänniſcher Beziehung der hervorragendſte deut- 
ſche Fürſt des 15. 334 Schon bei Lebzeiten des 
18 











274 


Raters 40g er vielfach, beſonders in einem Kriege gegen 
Bohmen, die Uugen auf fic. Nad) de3 Vaters Tode 
1440 erbielt er Dad Filrjtentum Unsbadh. Im In— 
tereffe der weitern Uusbildung der fiirjtliden Macht 
gegen die Reichsſtädte war er vielfeitig tätig und wurde 
namentlid) nit Dem Damals madtigen Ritrnberg we- 
gen der von ihm beanſpruchten burggräflichen Redte 
in Krieg verwidelt; er tat ſich zwar aud) bier durch 
perſönliche Tapferteit hervor, dod) behauptete die Stadt 
im Frieden 1453 ihre Unabhangigfeit. Simmer im 
engen Anſchluß an die kaiſerliche Gewalt und fie fraf- 
tigend und bebend, fudte er im Gegenſatze gu feinen 
Mitfiiciten, Die gleichfalls ihre Macht ju verjtirten 
ſuchten, feine territoriale Madt gu erhdhen. Durd 
Ausdehnung der Befugniſſe und der geographifden 
Geltung des alten burggrafliden Landgeridhts jtrebte 
er dDanad, fic) gum Herzog von Franfen ju machen. 
Als folden erfannte ibn der Papſt, dem er fich mehr- 
fach verpjlidtet hatte, an. Dod M pee er bieriiber in 
Streit nut Herzog Ludwig dem Reichen von Bayern 
und deffen Verbiindeten, Pfalzgraf Friedrid) und Kö— 
nig Georg von Böhmen, und diefer Streit gewann 
um fo mehr eine allgemeine Bedeutung, als die Macht 
Bohmens unter Georg Podiebrad unendlich gewad- 
jen war, und Georg ſich in die innern Parteilämpfe 
mit der Abſicht mifdte, Die Raiferfrone fiir fid) zu ge- 
winnen, A. aber Die durch Heiraten mehrfad geſtütz— 
ten Hoffnungen feines Haufes auf Böhmen und Un- 

arn zu verwirklichen tradtete. Weder kriegeriſche 
—8 noch diplomatiſche Bemühungen a allen 
Seiten löſten die ſchiefen und ſchwierigen Situationen, 
in Die nicht nur Die Fiirjten, fondern auch Kaiſer und 
Reich fowie der Papjt gerieten. Dieſer belegte 1466 
fogar A., als er eine — ———— ſeiner Tochter mit 
einem Sohne Georgs betrieb, mit dem Bann. Erſt der 
Tod des Königs Georg (März 1471) brachte cine ge 
wiſſe Klarung der einander durchkreuzenden politiſchen 
Parteiverhältniſſe, und kurz vorher (1470) war A., der 
ſchon 1464 von ſeinem kinderloſen Bruder Johann 
das Fürſtentum Bayreuth geerbt hatte, infolge des 
freiwilligen Rücktritis ſeines Bruders Friedrich IT. 
zugleich Kurfürſt von Brandenburg geworden, ſo daß 

ieſes Land und die fränkiſchen Beſitzungen des Hau- 
ſes Hobhengollern durd ihn wieder — * Herr⸗ 
ſcher vereinigt waren. Emer der glänzendſten Reichs- 
tage (ju Regensburg 1471) ſchien das faijerlide Un- 
ſehen aufs neue ju befejtigen, und aud in Bran: 
denburg gelang es A., die Pommern 1472 ju Prenzlau 
gu einem Vergleich zu zwingen, in dem fie zwar Stet- 
tin behielten, die brandenburgiſche Oberlehnshoheit 
aber anerlannten. Von großer Bedeutung für die 
Mart wurde, da nach vielfältigen Streitigkeiten 
das Recht des Landesherrn zur Sieuerauflage recht⸗ 
lich anerkannt wurde, von nod) größerer aber das von 
A. mit femen Söhnen vereinbarte, nod) heute viel- 
fad) mifverjtandene »Achilleiſche Hausgeſetz« (dispo- 
sitio Achillea) 1473, wonad die Marfen, nicht nur 
das eigentliche Kurgebiet, ungeteilt nad dem Rechte 


Albrecht (Brandenburg). 


Heinrids von Glogau ftreitig madte, fid) verbiindete, 
al8 die Pommern aufs neue die Waffen erhoben und 
der Deutſche Orden die Gelegenheit fiir günſtig erach⸗ 
tete, ſeine Anſprüche auf die Neumark wieder geltend 
ju madden. Die Ohnmacht des Reides unter Fried- 
rid) III. trat der ſſawiſchen Bedrängung gegeniiber 
gu Lage. Dock gelang es W. 1478, nachdem er in der 
Mart ein verhiltnismapig fehr großes Heer zuſammen⸗ 

ebradt, die Bommern wieder zur Unerfennung der 
CS esbeakireiiics Lehnshoheit und zur Abtretung 
von 14 Schlöſſern und Städten, im fogen. Rrofjen- 
iden Erbfolgetrieg aber, als Matthias durd die Tiir- 
fen bedroht wurde, den Herzog Johann I. von Sa- 
gan 1482 zur Ubtretung des Fiirjtentums Krojjen 
mit Züllichau, Sommerfeld und Bobersberg F zwin⸗ 
gen. Seine letzte Tat war 1486 die Wahl Marimi- 
lian8 jum rimifden König in Franffurt a. M. Wh 
war ciner ber ſchönſten Männer feiner Zeit, in allen 
ritterliden Ubungen Meijter und von einer folden 
Stärke und Gewandtheit, dah er in Turnieren ſtets 
Sieger blicb. Seine pridtige Hofhaltung und vie- 
len Kriegszüge batten aud ihn mm Schulden ge- 
jtiirgt, aber im Gegenjage gu feinen Zeitgenoſſen hatte 
er alS einer der tiidtigiten Finanzmänner fie auch 
bezahlt, ja er hinterließ jeinem Rachrolger fogar einen 
Scag. Bal. »Das Kaiſerliche Buch des Markgrafen 
YW. Uchilles, vorfurfiirjtlidhe Periode 1440 — 1470« 
(hrsg. von Hdfler, Bayr. 1850) und »turfiirjtliche 
Periode 1470 —1486« (br8q. von Minutoli, Bert. 
1850; Nachträge xc. von Wagner, 1881); »Ouellen- 
fammlung — Geſchichte des Hauſes Hohenzollern«, 
hrsg. von Burkhardt, Bd. 1 (enthaltend ⸗Das funfft 
merctiſch Buech des Churfürſten A. Wcdhilles<, Jena 
1857); Franklin, A. Achilles und die Nürnberger 
(Berl. 1866); »Politifde Korreſpondenz des Kurfür⸗ 
jten A. Uchilles< (1470—86), brdg. von Priebatſch 
Leipz. 1894-98, 3 Bde.). 

8) Ersbifhof von Magdeburg und Rur- 
fiirjt pon Mainz, gewdhnlid U. von Branden: 
burg genannt, sweiter Sohn des Rurfiirjten Johann 
Cicero von Brandenburg, geb. 28. Juni 1490, geſt. 
24. Sept. 1545 in Uidakerourg, jtudierte in Frant- 
furt a. O., wurde geijtlid) und ſchon 1513 Erzbiſchof 
von Magdeburg und Udminijtrator des Vistums Hal- 
berjtadt, 1514 Erzbiſchof und Kurfürſt gu Maing und 
1518 Kardinal. Um die für Bezahlung de3 Pallunns 
aufgenommene Schuld abjutragen, übernahm YL 
gegen Überlaſſung der Hilfte des Ertrags den Ber- 
trieb Des von Leo X. verfiindeten neuen Ablaſſes, wo⸗ 
bei fein Ugent, der Dominifaner Texel, Luther den 
Anlaß gu den 95 Thefen gab. Dadurd) geriet der 
@inner der Humaniſten (1518 fam Hutten an feinen 
Hof) von vornberein in einen Gegenſatz jur lutheri⸗ 
iden Reformation, obwohl er fic) ſelbſt an der Stritif 
der Papſtkirche beteiligte. Nod 1530 in Augsburg 
redete er jum Frieden und vermittelte 1534 nut Her- 


309 Georg von Sadfen zwiſchen den protejtantifden 
it 


lirjten und Dem römiſchen König Ferdinand. 1538 


der Erjtgeburt vererbt, die franfifden Lander in zwei trat er dem fogen. Heiligen Bunde gegen den Sdhmal- 


Teile an jiingere Sihne verliehen werden follten. Bald 
darauf fibertrug A. die Statthalterfdaft der Mart 
ſeinem älteſten Sohne, Johann, und 30g als Reids- 
felDberr 1474 gegen Rarl von Burgund, indes ohne 
fitr fich oder fiir Das Reid) Erfolge ju erringen. Un— 
ermeßliche Gefabren fiir das Reich und im befondern 
fiir U. entitanden, als König Matthias von Ungarn 
felbjt Schlejien und Mähren eroberte, mit Konig Wra- 
Dislaw von Bdhmen und mit Herjog Hans von Sa- 
gan, der einer Todter Albrechts dad Erbe Herzog 


faldijdjen bet, was ebenjo wie die rechtswidrige Hin- 
richtung feines Günſtlings Hans v. Schönitz Luther yu 
einer febr beftigen Schmähſchrift wider A. veranlafgte. 
Gegen tibernahbme feiner Schulden (500,000 Gulden) 
bewilliqte UW. feinen protejtantifden Untertanen tm 
Stift Magdeburg freie Religionsiibumg und verließ 
gleichzeitig feine ieblingareftbeng Halle; ſpäter riet er 
dem Staifer zur Gewalt gegen die Protejtanten, nahi 
den 1540 qgejtifteten Nefuitenorden ald erjter deutſcher 
Fürſi in Maing auf und beteiligte ſich ſcharf an der 


Albrecht (Vraunfdweig, Medlenburg, Meißen). 


Bekämpfung des Proteftantismus. A. war ein Freund 
Der Wiſſenſchaften und Förderer der Künſte (jein von 
ihm bei Lebgeiten bejtelltes Grabmal ſ. Tafel »>Grab- 
mialer«, Fig. 13); die Stiftstirde in Halle und den 
Dom in Maing ſchmückte er mit Kunſtwerlen. Bal. 
May, Der Kurfürſt, Kardinal und Ergbijdof A. II. 
von Mainz (Münch. 1865 —75, 2 Bde.); Schum, 
Kardinal A. von Maing und die Erfurter Kirchen⸗ 


Brandenburg und das Neue Stift gu Halle 1520— 
1541 (Main; 1900). 


reformation (Halle 1878); Redlid, Rardinal A. von | 


275 


15. Ung. 1279, iibernahm mit 16 Jahren zugleich fiir 
feine Briider die Regierung (1252). Yn unaufhor 
liden Fehden mit der Stadt Wolfenbiittel, Erzbiſchof 
Gerhard von Maing, den Biſchöfen von Hildesheim 
und den Marfgrafen von Meißen fudjte er fein Ter 
ritorium abjurunden. Am 27. Oft. 1263 bei Wettin 
von den Sihnen des Marfgrafen Heinrid von Meißen 
gefangen, faufte er fic) erjt nad) 1/2 Jahren 103; 
1265 madjte er cine Heerfahrt geqen die heidniſchen 
Preußen. Bei der Teilung der — B—— 
Länder 1267 erhielt er Braunſchweig-Wolfenbüttel, 


9) A., ſpaͤter genannt Ulcibiades, Markgraf fein Bruder Johann Lüneburg und Hannover. Er 


von Srandenburg-Bayreuth, Sohn des § 
grafen Kaſimir von Brandenburg, eb. 28. März 1522 
mt Ansbach, geſt. 8. Jan. 1557 m Pforzheim, wurde 


rf | war mit Elijabeth von Brabant (gejt. 1261) und ſeit 


1263 mit Wdelheid von Montferrat vermiablt. 
[Medienburg.] 11) VW. 11., Herzog von Medlen- 


unter Vormundjdaft feines Obeims, Varfgrafen | burg, Sohn des Fürſten Heinrid) I. von Medlen: 
Georg von Ansbach, erzogen und erbhielt 1541 das | burg, geb. wm 1317, geft. 19. Febr. 1379, der Ahn— 
Fürſtentum Bayreuth. Bon lebhaftem, giigellojem | herr des gegenwärtig herridenden medlenburgijden 
Temperament, ju rohen Vergniiqungen und Wus- Hauſes, regierte feit 1329 zunächſt unter Vormund— 
ſchweifungen geneigt, widmete er ae dem verwegens ſchaft, iti von Kaiſer Karl IV. gum Herzog er: 
jten und wildejten — und wußte ſich durch hoben (8. Juli 1348), 1358 Graf von Schwerin und 
Tapferteit und lockere Sitten die Anhänglichkeit ſeiner wirkte viel fiir Die Landbefriedung im nordöſtlichen 
Söldner zu erwerben, verlor aber nach und nach alle Deutſchland. Neben den in der Kölner Konföderation 
Achtung bei ſeiner Familie und ſeinen Standesgenof- | (1367) geeinten Hanſeſtädten nahm er am Kampfe 
fen; ſein proteſtantiſches Befenntnis hinderte weder gegen Waldemar von Dänemark teil. Er war ver— 
ſeinen politiſchen Parteiwechſel, nod gab es ibm ſitt- maͤhlt mit Euphemia von Schweden, dann mit Adel— 








lichen Halt. Schon 1543 warb er eine Scar Reiſiger 
und folgte dem Kaiſer in den franzöſiſchen Krieg. Im 
Schmallaldiſchen Kriege zuerſt auf faijerlider Seite 
fechtend, 30g er feinem Freunde Herzog Moritz zu 
Hilfe, geriet aber 2. März 1547 bei Rochlitz im fur- | 
ſächſiſche Gefangenfdaft, aus der ihn die Schlacht bei 

Mühlberg befreite. Dann belagerte er unter dem neuen 
Kurfürſten Mori von Sachſen die Stadt Magdeburg 
und ſchloß 1552 den Bund des legtern mit Frank 
reid) zum Schutz der Protejtanten und zur Befreiung 
der vom Raijer gefangen gebaltenen Fiirjten. Er felbjt | 
trat Dem Bunde gegen den Kaifer nicht bei, verjuchte 
vielmehr auf eigne Faujt durch verheerende Fehde- 
züge Gewinn an Land und Leuten gu machen; weder 
Der Friedensſchluß von Paſſau nod die kaiſerliche Acht 
fegte feinen Unternehbmungen ein Biel. Nachdem er 
wieder in den Dienjt des Naifers getreten, ſchlug er 
4. Nov. 1552 den Herzog von Aumale bei St.- Rico- 
lag und nahm ihn gefangen, war bei der Belagerung 
von Met und deckte Dann den Abzug des faijerliden 
Heeres. 1553 erneute A. ſeine Raubzüge in Franfen; 
alle Verſuche des Kaiſers und befreundeter Fiirjten 





heid, Grifin von Hohnſtein. Val. Liſch, UW. II. und 
und der norddeutide Landfriede (Scher. 1835). 
12) U. IL, Bring von Medlenburg, Sohn 
des Dorigen und der Euphemia, Schweſter des Königs 
Magnus Erikſon von Sdweden, ward 30. Rov. 1363 
jum König von Schweden gewählt, tonnte ſich 
aber gegen Konig Magnus II. Eritſon und deſſen Sohn 


Halon nur mit Mühe behaupten. Wis er nad) Dem 
| Tode des Reichstruchſeſſen Bo Jonſſon (1386) felbjt 


die Reichsgewalt iibernehmen wollte, lehnte fic) der 
Adel gegen ihn auf und wählte Margarete von Dine: 
marf zur Herrjderin. UW. wurde 24. Febr. 1389 bei 
Axelwalde gefdlagen und mit jeinem Sohne gefangen. 
Wargarete zwang ihn zur ies, fener Schlöſ⸗ 
fer und entließ ihn erjt im Juni 13895 durd) Verntit- 
a der Hanja aus der Gefangenfdaft. Er jtarb 
30. März 1412 im Kloſter Dobberan. Bal. Liſch, 
U. IIL, Herzog von Medlenburg (Schwer. 1835). 
(Meiffen.] 13) UW. L, der Stolze, aus dem Hauſe 


Wettin, Marlgraf von Meißen 1190—95, Gohn 


und Nadfolger Ottos des Reichen, geb. 1158, geſt. 
24. Juni 1195. en ſeinen Vater, der den jiin 


gu gütlicher Beilequng der Anſprüche Ulbredhts waren | gern Sohn, Dietrid), zum Landeserben bejtimmte, 
an deſſen Starrjinn geſcheitert, und auf Bitte der Bi- empdrte er fid), nahm ibn 1188 gefangen und folgte 
ſchöfe von Bamberg und Würzburg verbiindete fic | ihm, naddem Kaiſer Friedrid J. die Freilaſſung be- 
jogar Rurfiirjt Morig von Sachſen mit andern Filr- fohlen hatte, 1190 in der Markgrafſchaft. Wher gegen 
jten gegen ibn. Bon ihrem Heer wurde A. 9. Juli | jeimen aus Paläſtina guriidgefehrien Bruder Dietrid 
1553 bei Sievershauſen und 12. Sept. bet Braun: (ſ. d.), der, unterſtützt vom feinem Sdpwiegervater, 


ſchweig geſchlagen. Seine Beſitzungen wurden erobert, 
die Feſte Plaſſenburg (22. Juni 1554) genommen und 
geſchleift und A. geächtet. Er floh nach Frankreich, 
von wo er zwar auf erhaltenes ſicheres Geleit wieder 
juriidfebrte, aber auf Verhandlungen, zu denen er ſich 
jetzt bereit zeigte, mochte niemand mehr eingehen, und 
mitten in neuen Verſuchen, durch Kampf vies Qain- 
der wieder gu gewinnen, ſtarb er in Pforzheim bei 
feinem —— bem Marlkgrafen von Baden, ohne 
männliche Erben. Val. Voigt, Markgraf A. Ulei- 
biades (Berl. 1852, 2 Bode.). 


dem Landgrafen Hermann von Thiiringen, Anſprüche 
auf die Warf madte, mute er ſich aufs neue ver- 
teidigen. Bei Reveningen gefdlagen, entfam A., als 
Mind) verfleidet, nad) Leipzig und verjudte vergeb- 
lid) Den Durd) die Erneuerung der Bruderfehde er- 
wedten Zorn Kaiſer Heinrichs VI. in Italien gu be— 
ſchwichtigen. Der Fortfegung des Bruderfampjfes 
machte fein Tod eim Ende, der ihn gu Krummen 
hennersdorf bei Freiberg ereilte. 

14) U. IL., Der Entartete (Degener), aus dem 
Hauſe Wettin, alteiter Sohn Heinrichs des Erlaudten, 





[Wraunfdweig.] 10) WU. der Grofe, aud der geb. 1240, gejt. 19. Nov. 1314, Landgraf in Thü— 
Lowe, Herzog von Braunſchweig und Liine- | ringen, 1288—93 Marfqraf von Meiffen. VW. er: 
burg, Sohn Herzog Ottos des Rindes und der Mark: | hielt durch die Landerteilung von 1265 Thiiringen 
grafin Mathilde von Brandenburg, geb. 1236, geſt. | und die ſächſiſche Pfalz, fein Bruder Dietrich die Mart 

18* 


276 
Landsberg und das Ojterland, wahrend der Vater 
jelbjt im Befig der Mark Meigen und der Mieder- 


lauſitz blieb. UW. war feit 1254 vermählt mit Margarete, 
Tochter Kaiſer Friedrichs II. und fiir die Mitgift ward 
dem Hauſe Wettin das Pleißnerland verpfändet. 
Seine Leidenfdaft fiir Kunigunde von Cifenberg 
wang feine edle Gemablin, die Mutter jeiner Kinder 
Heinrich, Friedrich, Diezmann und Agnes, 24. Juni 
1270 vor der Bublerin von der Wartburg ju fliehen 
und nad) Franffurt zu geben, wo fie 8. Aug. d. J. 
ſtarb; der älteſte ihrer Söhne verſchwand 1283 in 
Schleſien. A., 1274 mit Kunigunde vermählt, ließ 
den mit ihr erzeugten Sohn Apitz durch den Kaiſer 
legitimieren, wollte ihm Thüringen zuwenden, ſeine 
in erſter Ehe gebornen Söhne dagegen mit dem Pleiß— 
nerlande (dem Erbteil ihrer Mutter) und der Pfalz 
Sachſen abfinden. Ein Krieg der Söhne gegen den 
Vater war die Folge. Der Tod ihres Oheinis Dietrich 
(1284) und Heinrichs des Erlaudten (1288) mehrten 


den Stoff des Zwiſtes, und Friedrich nahm feinen | 


Vater A. in offener Schladt gefangen (1288). Durd 


den Vertrag ju Rochlitz (1. Jan. 1289) wieder in Frei- | der 
geiſtlichen Stand verlajfen, erbielt er 1599 die Hand 


Heit gejept, verfaufte Y., was ihm von Meigen nod 
qcblieben war, an feinen Neffen Friedrid) Tutta und, 
als nad) deffen Tode 1291 Friedrid) und Diegmann 


ſeines Todes an den König Wdolf von RNajfau (f. d. 1), 
der aud) Meißen und Ojterland als durch Friedrid) 
Tuttas Tod heimagefallene Lehen betradtete, aber eben- 


foweniq wie fein Nach folger Albrecht I. von Habsburg | 


den Beſitz gu erzwingen vermodte. A. hatte fid nad) 
Kunigundens Tod (1290) zum drittenmal mit Elifa- 


beth von Arnshaugk verheiratet ; diefe wurde 1299 die | 
Schwiegermutter ihres Stieffohns Friedrid) und ver- | 


ſöhnte Bater und Sohn. Zuletzt trat A. gegen ein 
Sahrgeld aud) Thitringen an Friedrid) ab und 30g 
ſich nad) Erfurt suriid. Val. Wegele, Friedrid) der 
Freidige und die Bettiner fener Zeit (Nördling. 1870). 

{Ofterreim.} 15) U. I1., Der Weiſe oder Lahme, 
Herzog von Oſterreich, Sohn des Königs Albrecht J., 
geb. 1298, geſt. 20. Juli 1358, gelangte mit ſeinem 
Bruder Otto 1330 zur Regierung aller habsburgiſch 
djterreidifden Lander, die er durd) das Erbgut feiner 
Gemahlin Johanna, die Grafſchaft Pfirt und einige 
Stidte, vermehrte. 1335 erwarb A. Kärnten und 
rain, deren Beſitz er gegen Johann von Böhmen 
behauptete. Wit den Eidgenoſſen führte et mehr— 
jährige Kriege. Seit dem Tod Ottos (1339) alleiniger 
Regent der öſterreichiſchen Länder, bewies er dem 
Kaiſer Ludwig trotz der päpſtlichen Bannbullen Treue 


bis an deſſen Tod. Im Kampfe Karls IV. mit ſeinen 


Gegenlöni en verhielt er ſich vermittelnd neutral. 


Seine Vander beherrſchte er feſt und klug. Kärnten 
und Krain erhielten eine neue Landesordnung. Vor 


ſeinem Tode hatte er cin Hausgeſetz erlaſſen, demzu—⸗ 
folge ſein älteſter Sohn, Rudolf, als Regent und Vor— 
mund ſeiner Brüder das unteilbare Erbe verwalten 
ſollte. Bgl. Kurz, Oſterreich unter Herzog A. IT. 


(Ving 1819); Frieß, Das ſoziale Wirken Herzog | 


Albrechts II. (> Jahrb. der Leo - Gefellidhaft«, 1899). 


_ 16) YX TIL, mit Dem Zopf, Herzog von Literveidh, | 
Sohn des vorigen, geboren Ende 1449, geſt. 29. Aug. 
aus. 1860 


1395 auf Schloß Larenburg, jtand anfänglich mt 
feinen Brildern unter der Vormundſchaft Rudolfe IV. 
Als Diefer 1365 ſtarb und ein zweiter Bruder, Friedrid, 
ſchon 1362 im Tode voraufgeqangen war, fiihrte A. 
mit Dem jiingern, Leopold, die Regierung, bis Zwiſtig⸗ 
feiten unter Den beiden 25. Sept. 1479 cinen Teilungs- 
vertrag gegen das Hausgeſetz Albrechts II. (f. oben) 








Albrecht (Ojterreid). 


veranlagten. Demyufolge erhielt U. das cigentliche 
Oſterreich, während Leopold Steiermart, Kärnten 
Krain, Tirol und die ſchwäbiſchen Beſitzungen belam. 
Wis Leopold 1386 in der Schlacht bet Sempach ge 
fallen war, führte A. den Srieg gegen die Cidgenojjen 
als Vormund der Neffen fort. Seme Reqierung war 
wobltitig fiir bas Land, Künſte und Wiſſenſchaften 
bliibten auf. UW. war ein tiidtiger Bathematifer. 
Für Wiens Verſchönerung, fiir die Erweiterung umd 
Erhaltung der 1365 geqritndeten Univerjitit tat er viel. 
Som folgte jein Sohn Albrecht IV. (bis 1404). Bal. 
Kurz, Ojterreidy unter Herzog VW. LIT. (Ling 1827). 
17) A. (Wilbert) VIL, Sa Wiese. Erzherzog 
von Oſterreich, ſechſter Sohn des Kaiſers ———— 
lian V., geb. 13. Nov. 1559, geſtorben im Juli 1621 
in Briijjel, ward am Hofe Bbilipps II. von Spanien 
ergogen und widmete ſich dem geijtliden Stand. Er 
wurde 1577 Rardinal, 1584 Erzbiſchof von Toledo, 
war bis 1596 Bizefonig von Portugal und ging 
darauf als Statthalter in die fpanifchen Niederlande, 
wo fein mafvolles Weſen viel zur Wiederbefeſtigung 
der fpanifden Herrfdaft beitrug. Nachdem W. den 


der Infantin Sjabella, der 32jährigen Todter Eoi- 


lipps, die ihm die Niederlande als Brautſchatz zubrachte 
jeine Lander beſetzten, 1293 Thitringen fiir den Fall 

| follten, wenn die Ehe finderlos bliebe. Die Hoffnung, 
daß aud) die abgefallenen niederlindifden Brovingen 


mit der Beſtimmung, dah fie an Spanien zurückfallen 


ſich fo gewinnen lafjen wiirden, ſchlug jedoch febl. A. 
mupte mit Morig von Naſſau um Nieuport fampfen 
und Drei Sabre lang Ojtende belagern, bevor eres 1604 
bezwang. 1609 ſchloß er einen Waffenſtillſtand auf 12 
Jahre. Bal. Dubois, Histoire d'Albert et d'Isa- 
belle (Bruͤſſel 1847). 

18) U. Friedrid) Rudolf, Erzherzog von Oiter- 
reich, dltejter Sohn de8 Erzherzogs Karl, qeb. 3. Aug. 
1817, gejt. 18. Febr. 1895 in Yrco, trat 1837 im den 
Wilitdrdienjt, riidte 1840 zum Generalmajor, 1843 
zum Feldmarfdallleutnant und 1845 jum fomman- 
Dierenden General in Ojterveid) ob und unter der Enns 
und in Salzburg auf. Infolge der Bewequng vom 
13. März 1848, wo er den Befehl zum Gebraud der 
Feuerwaffe gegen das Bolf gab, legte er feine Stelle 
nieder und beqab fid) zum Heere Radeglys nad Ita— 
lien. Rach dem Gefedhte von Santa Lucia (6. Wai), 
an Dem er in hervorragendem Maße beteiliqt war, 
erbielt er cin Kommando bei dem Korps des Feld— 
zeugmeiſters d'Aſpre und fodt bei Gravellona, Mor⸗ 
tara und bei Novara, wo jeine Divifion den Feind fo 
lange aufbielt, bis die iibrigen öſterreichiſchen Streit. 
kräfte heranriiden fonnten. Nad) Beendigung des 
Feldzugs ward er zum Oberbefehlshaber des 3. Armee⸗ 
forps in Bdhmen und zum Gouverneur der Bundes— 
feitung Mainz ernannt; 1851 erbielt er den Boften 
eines Generalqouverneurs und fonmandierenden 
Wenerals in Ungarn, den er erjt 1860, als das abfo- 
lutijtijee Regiment in Ungarn cin Ende fand, ver- 
lich. Cine vertraulide Miſſion an den Berliner Hof 
im Frühjahr 1859, wm fiir den bevorjtehenden tta- 
lienifden Krieg Preußens Unterjtiigung oder dod 
beſtimmte Zuſagen ju erwirfen, hatte femen Erfolg 
qebabt; eine ähnliche Miſſion 1864 fiel nicht beſſer 
61 war A. Kommandant des 8. Armee— 
forps in Bicenga, wurde dann Feldzeugmeiſter und 
1863 Feldmarſchall, der letzte, der tin öſterreichiſchen 
Deere dieſen Wang befleidete. 1866 befebligte er das 
Heer in Italien, erfodt den Steg bei Cuſtozza 24. Juni 
und erbielt nad Königgrätz an Stelle Benedels den 
Cbherbefehl gegen die Preußen, als der Waffenjtill- 


Albrecht (Preußen). 


jtand eintrat. Un die Spike der nad dem Krieg ein- 

eſetzten Reorganijationsfommiffion gejtellt und zum 
Senrrefiatectioc der Armee ernannt, erwarb fid) UW. 
um die Neubildung des öſterreichiſchen Heeres große 
Verdienjte. Seine Fiirjorge fiir die Urmee duferte fid 
in mehreren Stiftungen, teils fiir mittellofe Offiziers- 
tichter, teils zur Unterſtützung bediirftiger Offiziere 
mit zinsfreien Darlehen (Wibredt-Fonds). Als Mi- 
litarjchriftiteller trat er auf mit »Wie foll Ojterreichs 
Heer beſchaffen fein?« (1868) und »Über die Berant- 
wortlidfeit im Krieg · (1869, ins Engliſche und Fran- 
zöſiſche überſetzt). Kaiſer Franz Joſeph bediente fic in 
vielen wichtigen Angelegenheiten ſeines Rates. Sein 
von der öſterreichiſchen Wehrmacht aus Anlaß des kai⸗ 
ſerlichen Regierungsjubiläums gewidmetes und von 
Zumbuſch gegoſſenes Standbild wurde 21. Mai 1899 
vor dem Palais A. in Wien enthüllt. Seine mannig- 
faltiqen Bejipungen umfaßten zuſammen ein Areal 
von 2070 qkm (36 OW); fie gingen nad feinem 
Tod an feine Neffen, die Erzherzöge Friedrid) und 
Rarl Stephan, tiber. A. war rt 1844 vermählt mit 
Hildeqarde, einer Todter König Ludwigs I. von 
Bayern, die am 2. Upril 1864 ftarb. Seine altere Tod- 


ter, Maria Therefia, ijt feit 18. Jan. 1865 mit Herzog | 


Philipp von Wikrttemberg verbheiratet; die jiingere, 
Mathilde, — Brandwunden. Vgl. Teuber, 
Feldmarſchall Erzherzog A. (Wien 1895); Emmer, 
Feldmarſchall Erzherzog UW. (5. Uufl., Salzb. 1899); 
v. Dunder, desql. (Wien 1897); Strobl, Cujtoza 
daſ. 1897); v. Seudier, Betradhtungen über den 
— 1866 in Italien (2. Aufl., daſ. 1896). 
IBreufzen.J 19) A., letzter Hochmeiſter des Deut⸗ 
ſchen Ritterordens und erjter Herzog von Preu— 
Ren, geb. 16. Mai 1490, geft. 20. März 1568 in Ta- 
piau, widmete fid) als jiingerer Sohn des Marfgrafen 
Friedrich von Unsbad) dem geijtliden Stand. Er 
wurde 1511 vom Deutſchen Orden in Preufen, der 
die Berbindung mit einem Ddeutiden Fürſtenhauſe, 
das zugleich Durd) Albrechts Mutter Sophie mit dem 
polniſchen Königshaus eng verwandt war, zu ſchätzen 
wußte, zum Hochmeiſter gewählt. Allein Polen be— 
ſtand trotz der Verwandtſchaft auf dem ewigen Frie— 
den von 1466 und forderte vornehmlich von A. den 
Lehnseid, den dieſer ebenſo beſtimmt verweigerte. 
Unter den auch auf Bolen laſtenden politiſchen Ver— 
hältniſſen und unter fruchtloſen Verhandlungen Al—⸗ 
brechts bei vielen Höfen um Waffenhilfe verzögerte 
ſich die Entſcheidung, bis endlich 1519 der Krieg aus— 
brad, der den fchon ſchwer gedriidten Handel ded 
Ordenslandes tief ſchädigte, das Land verwüſtete und 
1521 mit einem Waffenitilljtand auf vier Jahre und 
der Einſetzung eines Schiedsgeridts endigte. Cin 
Ausweg bot fich erjt, als W., Der 1522 in Miirnberg 
von Undreas Ojtander fiir die Reforntation gewonnen 
war, aufLuthers Rat beſchloß, den Ordendjtaat Preu⸗ 
fen in cin weltliches Herzogtum gu verwandeln, die 
Reformation einjufiibren, und als der König von 
Polen fiir dieſen Gedanten gegen Unerfennung einer 
Lehnshoheit gewonnen wurde. Am 8. April 1525 
wurde zu Srafau der Vertrag geſchloſſen, in dem A. 
Vreußen als ein erblides Herzogtum ju Lehen nahm, 
und auf dem Landtag, der fury darauf in Königsberg 
gehalten wurde, erflarten fich alle Stände fiir Die An— 
erfennung de3 neuen Herjzogs und fiir die Unnahme 
der Reformation. A. ſetzte an die Durchführung fei- 


nes Werfes alle Rraft. Sofort erjdien eine neue | 











277 


gewirtte Reichsacht Hatten feine andre Wirfung, als 
daß Diejer, jett 1526 mit Dorothea, Todjter des Königs 
Friedrich I. von Dänemark, vermablt, die Einführung 
ber evangelijden Lehre und die Befeſtigung feiner 
Herrſchaft durd) weltlide Verwaltung um fo eifriger 
betrieb. Dod) erregte er Durch die Unjtellung vieler 
Wuslinder gerade in den obern Stellen fowie durd 
das notwendige BVerlangen nad neuen Steuern, die 
nad der Verfaffung fait allein von den Städten ge: 
tragen werden muften, großes Mißfallen. Nament— 
lid) forderte er da8 Schulweſen. Jn allen Stadten 
legte er lateiniſche Schulen an, griindete 1540 das 
Gymnaſium zu Kdnigsberg und 1544 die Univerſität 
(»Ulbertinas) dafelbjt. Deutiche Schulbiicher (ate: 
chismen rc.) ließ er auf ciqne Koſten drucken, und den 
Leibeignen, die fich Dem Lehrgeſchäft widmen würden, 
gab er die Freiheit. Er ſelbſt wurde tief in die theo— 
logiſchen Streitigkeiten hineingezogen und führte mit 
einer großen Zahl von Gelehrten überhaupt einen 
ausgedehnten Briefwechſel. Seine letzten Regierungs⸗ 
jahre wurden ihm durch kirchliche und politiſche Zer— 
würfniſſe vielfach verbittert. Der Streit des Melan- 
chthon heftig anfeindenden Königsberger Profeſſors 
Oſiander wurde ſchließlich ein politiſcher, der fiir den 
lebhaft auf Ojianders Seite teilnehmenden Herzog 
ernjte Verwidelungen herbeifiihrte. Auswärtige Strei: 
tigfeiten feblten nicht, Übergriffe der Hofpartei, fo des 
agijters Funcke, andauernde Geldverlegenheiten, vor 
allem aud) der Rampf um die vorausfidtlid) nad 
Wibrechts Tod eintretende vormundſchaftliche Regie 
rung {diirten die Mißſtimmung, und fie erreidte thre 
Hohe, als U., körperlich und getitiq gebrochen, mehr 
und mehr fid) von einem abentenernden Ausländer, 
Slalich, beherrſchen lies. Fajt das ganze Land ftand 
dem Fürſten feindſelig gegenüber. Die Stände ſuch— 
ten Hilfe in Polen. Dieſes, der Gelegenheit zur Ein— 
miſchung froh, ſandte 1566 eine Kommiſſion nach 
Königsberg, welche die landesherrliche Gewalt lahm 
legte, die Rechte und Bedürfniſſe der Städte überſah 
und dem Adel die Regierung des Landes aud) fiir 
die Zeiten der Vormundſchaft zuwies. Abhängig von 
der neu eingefesten Regicrung, verlebte UW. ſeine letz⸗ 
ten Tage in tiefem Nummer. Seine zweite Gemahlin, 
Anna Maria, aus dem Hauſe Braunſchweig, ftarb 16 
Stunden nad ibm. 1891 wurde das Standbild des 
Fürſten in ee i. Br. enthiillt. Bgl. Mind- 
fleifd, Herzog A. und die Reformation in Preuken 
(Danj. 1880); — ———— Herzog A. von Preußen 
(Daj. 1890); Haſe, Herzog A. und fein Hofprediger 
(Leipz. 1879); Joadim, Die Politit des letzten Hoch⸗ 
meiſters in Preußen (daſ. 1392 95, 3 Bde.). 

20) U. Friedrich, zweiter Herzog von Preu— 
ßen, Sohn des vorigen und ſeiner zweiten Gemahlin, 
Anna Varia von Braunſchweig, geb. 29. April 1553 
in —— eſt. 27. Aug. 1618 in Fiſchhauſen, 
wurde vortreff if erzogen und ſchon 1568 mit 15 Jah⸗ 
ren regierender Fürſt unter Vormundſchaft der Ober- 
riite aus der feit 1566 herrſchenden felbjtjiictigen und 
fanatiſch lutheriſchen ſtändiſchen Partei, die im Bunde 
mit der Geiſtlichkeit, voran der ſamländiſche Biſchof 
Heßhuſius, den jungen, verwaiſten, jeder Stütze be— 
raubten Fürſten ſo tyranniſierte, daß er bald nach 
ſeinem 1571 erfolgten Regierungsantritt in Trübſinn 
verfiel und ſchließlich völlig teeny Foon Wm 
14. Oft. 1573 wurde W. mit Maria Eleonore von 
Jülich⸗Kleve vermählt, die ihm neben andern Rindern 


Rirdenordnung, und die Verſuche des Deutſchen Or- | zwei Töchter, Anna und Cleonore, gebar. 1577 wurde 
den, A. wieder zu verdrängen, fowie die beim Kammer: | der nächſtberechtigte Erbe, Marfgraf Georg Friedrid 


gericht in Deutidland 1531 gegen den Herzog aus- | 


voy Brandenburg-Wnsbadh-Bayreuth, gum großen 


278 


Rerdruf der Oberriite und Stände, vom König von 
Polen jum Wdminijtrator von Preugen ernannt; 
ibm folgte 1603 Kurfürſt Joadim Friedrid, dann 
1608 Johann Sigismund, die fid) beide mit den ge- 
nannten Töchtern A. Friedrichs vermählt batten. 
Nach A. Friedrichs Tode wurde Kurfürſt Johann 
Sigismund Herzog und erfolgte der lange vorbereitete 
Anfall Preußens an Kurbrandenburg. 

21) FriedrichHeinrich A., Pring von Preu— 
pen, vierter Sohn des Königs Friedrich Wilhelm III. 
und der Königin Luiſe, geb. 4. Olt. 1809, geſt. 14. 
O.t. 1872, trat 1819 in die preußiſche Armee, tr der 
er 1852 Meneral der Ravalleric wurde. 1865 wurde 
ex zum Inſpekteur der dritten, Urmeeabteilung er- 
nannt. Im Kriege 1866 gegen Oſterreich befebligte er 
das Kavallerieforps der erjten Urmee und wohnte den 
Sdhladten bei Münchengrätz, Gitidhin und König— 
grag bei. Bei Beginn des Krieges gegen Frantreid 
1870 erhielt er das Rommando der der dritten Urmee 
zugeteilten 4. Ravalleriedivijion und ward nad der 
Einſchließung von Paris beauftragt, die Einſchlie— 
pungsarmee nad Silden gegen die franzöſiſche Loire- 
armee ju Ddeden, worauf die Divijion fid) an den 
Operationen des Generals von der Tann, des Grof- 
herjogs von Medlenburg und des Pringen Friedrid 
Karl bid zur Beendigung des Loirefeldzugs rühm— 
lichſt beteiligte. Nach Beendigung des Krieges ward 
Prinz A. zum Generaloberſten ernannt. Aus ſeiner 
1830 mit der Prinzeſſin Marianne, Tochter des Kö— 
nigs Wilhelm J. der Niederlande (geft. 29. Mai 1883 
in Reinhardshaujen bei Erbad), eingegangenen, 1849 
—— Ehe find hervorgegangen der Pring Al— 

vecht von Preußen, Regent von Braunſchweig (ſ. Al⸗ 
brecht 22), und Alexandrine, geb. 1. Febr. 1842, ver- 
mablt 1865 mit Herzog Wilhelm von Medlenburg- 


Albrecht GPreußen, Sadfen). 


regiment Mr. 73 nad ihm benannt. Er vermählte 
rid 19. Upril 1873 mit der Prinzeſſin Marie (qeb. 
2. Uug. 1854, geft. 8. Oft. 1898 gu Kamenz t. Sahl), 
Todter des Herzogs Ernjt von Sadfen-Witenburrg, 
aus welder Che drei Prinzen entſproſſen find. 

[Sagfen.] 23) U. IIL, Der Beherzte (Albertus 
Animosus), Herjog von Sadjen, jiingerer Sohn 
des Rurfiirjten F ebridh deS Sanjtmiitigen von 
Sachfen, geb. 17. Juli 1443, gejt. 12. Sept. 1500, 
Stifter der albertinifden, jest königlich ſächſiſchen 
inte, wurde 1455 mit feinem ältern Bruder, Ernit, 
durd) Rung von Raufungen aus Altenburg ent- 
führt (j. Sächſiſcher Bringenraub), lebte dann am 
Hofe Kaiſer Friedrids IIT. gu Wien und wurde 1464 
mit Bedena (Sidonic), der Todjter Georg Podte~ 
brads von Böhmen (geſt. 1510 in Tharandt), ver» 
mählt; dod) war ſeine Bewerbung um die böhmi— 
ſche Krone nad feines Schwiegervaters Tode, 1474, 
ohne — Nach des Vaters Tode (1464) regierten 
die beiden Britder Ernſt und A. gemeinſchaftlich, bis 
der Anfall Thüringens an Meißen (1483) Anlaß zu 
dem Leipziger Teilungsvertrag (26. Aug. 1485) 
gab. A. erhielt Meißen und zahlte ſeinem Bruder 
100,000 Gulden zur Hälfte bar, zur Hälfte durch 
Abtretung des Amtes Jena. Mit der Teilung trat 
zwiſchen beiden Linien eine Spannung ein, die 60 
ſpäter unter Albrechts Enkel Moritz zum Bruch 
führte. Den Habsburgern treu ergeben, ward er von 
Kaiſer Friedrich TT. jum »gewaltigen Marjdall und 
Bannertriger« ernannt, fodt 1475 gegen Karl den 
Kühnen von Burgund und fiihrte 1480 und 1487 
das Reichsheer gegen Konig Matthias von Ungarn, 
richtete aber, vom Kaiſer ungeniigend unterſtützt. 
nichts aus. 1488 zog er zur Befreiung des von den 
Biirgern ju Briigge gefangenen Maximilian I. gegen 





Schwerin (f. d.), Witwe feit 1879. 1853 vermählte er | dad rebellifde Flandern; dieſer übertrug thm die 
fic) morganatiſch mit Rojalie (geb. 1820, geft. 6. März | Statthalterjdhaft der Niederlande, und jum Lohn fir 
1879), Todjter des Generals v. Rauch, die zur Gräfin deren Bewältigung erhielt er, wie bereits 1483 die 
von Hohenau erhoben wurde. 1901 tft ihm gu Char⸗ Eventualbelehnung mit Jülich und Berg, ſo 1198 gegen 
lottenburg cin Denfmal errictet worden. Verzicht auf eine Schuldforderung von 250,648 Gul- 

22) Friedridh Wilhelm Nifolaus A. Pring den die Wiirde cines erblichen Potejtaten und ewigen 
von Breufen, Sohn des vorigen, geb.8. Mai 1837, | Gubernators von Friesland, das er jedod) erjt mit 
ward 1860 Major, 1861 Obert, madte den Feldzug Wajffengewalt unterwerfen mußte. Wahrend er eines 
in Schleswig 1864 im Hauptquartier des Bringen Landtags wegen nad Leipzig eilte, erhoben ſich die 
Friedrich Karl mit, avancierte 1865 jum General- Frieſen und belagerten feinen zurückgelaſſenen zweiten 
major und wohnte 1866 als Kommandeur der J. ſchwe⸗ Sohn, Heinrich, im Franefer. AW. entſetzte Heinrich, 
ren Ravalleriebrigade tm Kavallerieforps der erjten | ſtarb aber nach der Bes wingung Groningens in Em— 
Armee den Schladten bet Stalig, Schweinſchädel den. In Sachſen verbefjerte er Juſtiz und Polizei. 
und Königgrätz bet. Jin Kriege geqen Franfreich 1870 Dresden war feit der Teilung Albrechts Reſidenz 
befebligte er die 2. Gardefavallericbrigade, machte die (vorber hielt er fic) meijt in Tharandt auf). Seine 
Schlachten bei Gravelotte und Sedan mit und fties | häufige Abweſenheit und die Aufwendung grofer 
24. Dex. mit feiner durd 3 Bataillone und 3 Batterien Summen fiir den Dienjt des Kaiſers madten un bei 
verſtärkten Brigade zur erjten Urmee des Generals | den Standen unbeliebt. Gein Teftament (eigentlich 
v. Manteujfel. Für die Operationen an der Sonume | ein mit Zuſtimmung feiner Söhne Georg und Heinrich 
im Januar 1871 mit dem Oberbefeht iiber ein aus fowie eines landftindifden Ausſchuſſes ju Maaſtricht 
2 Ynfanterie- und 2 Kavallerieregimentern beſtehen- qemadter und 12. Dey. 1500 vom Kaiſer beſtãtigter 
des Detachement betraut, nahm er Anteil an der | Erbvertrag vom 18. Febr. 1499) ijt der erſte Verſuch. 
Schlacht bei St.-Quentin (19. Jan.). Nad) dem | die Primogeniturerdfolge in Gadfen einzuführen. 
Friedensſchluß ward er gum Generalleutnant und | Georg follte danad) im den meißniſch-thüringiſchen 
Nommandeur der 20. Divifion, 1873 jum General Erblanden, Heinrich in Friesland des Vaters Nad- 
der Ravallerie und KRommandeur des 10. Urmeeforps folger fein. Für den Fall, dak einer fein Land ver» 
in Hannover befirdert und 1883 zum Herrenmeijter | lore, follte der andre ihm ein Stiid von dem feinigen 
deS Yohanniterordens erwählt. Kad) dem Xode des | cinréumen. Seinen Namen trägt die von ihm be- 
Herzogs Wilhelm von Braunidiweig wurde er 21. Oft. gonnene Albrechtsburg in Meißen, vor der fich fet 
1885 von der braunſchweigiſchen Landesverfammiung | von Hultzſch entworfenes Erzſtandbild erhebt. Bal. 
jum Regenten gewahlt und iibernahm 2. Nov. die | Langenn, Herzog A. der Beherzte (Leips. 1838); 

egierung des Herzogtums. 1888 wurde er jum Ge- | Sperling, W. der Beherzte al8 Gubernator Fries- 
nevalfeldmaridall und Generalinjpefteur der 1. Ur- | lands (daj. 1892). (j. Ulbert 6, S. 267. 
meeinſpeltion befördert; 1889 wurde dad Filfilier- | 24) UW. Rafimir, Herzog von Sadjen-Tefden, 


Albrecht — Albrechtsorden. 


Wlbredht,1) mittelhochdeutſcher Dichter der zweiten 

älfte Des 13. Jahrh. verfaßte den fogen. ⸗Jüngern 

iturel«, cine freie Fortſetzung von Wolframs »Ti- 
turel«. Das dunfle, abjtrus-gelehrte Werk umfaft 
liber 6000 Strophen; bei den Zeitgenoſſen beliebt, ijt 
es fiir den modernen Geſchmack ungeniehbar gewor- 
den. Kunſthiſtoriſch wertvoll ijt die Schilderung des 
Graltempel3. Suerjt gedrudt 1477, neuerdings her- 
ausgegeben (mangelhaft) durch Hahn (Quedlind. 
1842). Bgl. Zarnde, Der Graltempel. Borjtudien 
i einer Ausgabe des Jüngern Titurel (Leip3. 1876); 

ordling, Der jiingere Titurel (Witting. 1897). 
S. Ulbredht von Sdarfenberg. 

2) Sophie, Didterin und Schauſpielerin, geb. 
1757 al8 Tochter des Mediziner3 Baumer in Erfurt, 
ejt. 1841 in Hamburg, Freundin Schillers, mit dem 
a 1784 in Frankfurt und ſpäter in Dresden gufam- 
mentraf. Bgl. Minor, Sdiller, Bd. 2, S. 220 ff. 
(Berl. 1890). ; 

3) WilhelmEduard, ausgezeichneter Germanift, 
eb. 4. März 1800 in Elbing, gejt. 22. Mai 1876 m 

eipzig, ward 1825 auerordentlidjer, 1829 ordent- 

licher Brofeffor der Rechte im Königsberg. 1830 
foigte er einem Rufe nad Gottingen als Nadfolger 
Eihborns, wurde jedod) al8 Mitunterzeichner der 
Proteftation der »Gittinger Sieben« gegen die Wuf- 
hebung des Staatsgrundgeſetzes durch —E— 
vom 14. Dez. 1837 ſeiner Stelle entbunden und ge- 
ndtigt, Gittingen ju verlafjfen. Später fand er in 
Leipzig cine Freijtitte, wo er, 1840 gum ordentliden 
Broven or, 1863 zum Gebeimen Hofrat ernannt, bis 
gu feiner Penfionterung (1868) wirtte. Seine (einjige) 
Sehrift: »Die Gewere, als Grundlage des Altern deut- 
{chen Sachenrechts⸗ ( Königsb. 1828), hat auf die Ent- 
widelung der germanijtijden Rechtswiſſenſchaft her⸗ 
vorragenden Einfluß geübt und ijt als Muſter wifjen- 
ſchaftlicher —— anerfannt. A. war unter den 
BVertrauensmiannern, die der Bundestag 1848 mit der 
Abfaſſung eines Verfaſſungsentwurfs fiir Deutſch⸗ 
land beauftragte, und wurde von einem hannöverſchen 
Wahlbezirk in die Nationalverſammlung gewählt, aus 
Der er jedoch ſchon im Auguſt 1848 —* austrat. 
Vol. Stobbe, Wilh. Eduard A. (Leipz. 1876). 

4) Jakob, ſ. Albrechtsleute. 

Albrecht von Halberſtadt, mittelhochdeutſcher 
Dichter, verfaßte um 1210 unter Landgraf Hermann 
von Thüringen als Scholaſtikus der Propſtei Jecha⸗ 
burg bei Sondershauſen eine deutſche Nachdichtung 
von Ovids »Metamorphojen«; dod) tit dieſelbe, mit 
Ausnahme fleiner Bruchftiide, nur in einer jpatern 
car pon eg py G. Wickram (zuerſt Maing 1545) 
vorhanden. Bal. Bartſch, A. und Ovid im Mittel- 
alter (Quedlinb. 1861). 

Ai t bon Johaunsdorj, deutſcher Minne- 
jinger, aus einem ritterlichen Geſchlecht Bayern’, 
didjtete um 1190. Seine Gedichte find abgedructt in 
Des Minnefangs Friihling« (hrsg. von —— 
und Haupt, 4. Aufl. Leipz. 1888); eine anſprechende 
Charafterijtif des Didters gibt G. Freytag im 1. Band 
feiner » Bilder aus der deutiden Vergangenheit. 

Albrecht bon Kemenaten, deutſcher Dichter des 
13. Jahrh., dem man vier Epen in 18zeiligen Stro- 

phen aus dem Kreiſe der Dietridfage, »Goldemar«, 
»Sigenot«, » Eden Wusfahrt« und »BVirginale, zuge⸗ 
ſchrieben bat. Dod ijt UW. nur als Berfaffer des 
eGoldemar« bezeugt, von dem nur wenige Strophen 
vorliegen. Wile vier Gedichte find herausgegeben von 
Zupitza ⸗Dietrichs Wbenteuer von A.« (⸗Deutſches 
Heldenbuch⸗, 5. Teil, Berl. 1870). 


279 


Albrecht von Scharfenberg, mittelhoddeutider 
Dichter des 14. Jahrh., frither mit Albrecht 1) (f. d.) 
identifiziert, ſchrieb verfdiedene Didtungen, die nur 
in Auszügen des Ulrich Filetrer (ſ. dD.) erhalten find. 

1. Spiller, W. und der Didter des Jüngeren 
Titurel EZeitſchrift für deutſches Altertum«, 1883, 
Bd. 27, S. 158 if.). 

Ulbredtsberger, Johann Georg, Komponiſt, 
geb. 3. Febr. 1736 in Rlojterneuburg bei Wien, get. 
7. März 1809 in Wien, fam als Chorregent ded 
RKarmeliterflojters nad Wien und wurde 1772 Hoj- 
organijt und 1792 Rapellmeijter der Stephansfirde. 
U. war ein feiner Beit geſchätzter Komponiſt bejonders 
firdlicher Werfe, aber aud) von Ordjejter> und Ram- 
mermujif, und ein gejudjter Lehrer der Kompoſition 
(Beethoven war einige Heit fein Sdiiler). Seine theo- 
retijden Schriften (⸗Anweiſung zur Rompojition<, 
1790; »Generalbafidule«, 1792, u.a.) gab J. v. Sey- 
fried (Wien 1826, 3 Bde.) geſammelt heraus. 

Albredhtsburg, |. Meigen. 

Albrechtsleute Evangeliſche Geſellſchafth, 
eine den Methodiſten verwandte Selte, geſtiftet von 
Jakob Albrecht, geb. 1. Mai 1759 in Pennſyl— 
vanien. Dieſer, urſprünglich Lutheraner, durchzog 
feit 1796 mehrere Staaten Nordamerifas als metho- 
diſtiſcher Bußprediger und organijierte 1800 feine An— 
hanger in Rlaffen, wurde 1803 als Haupt und Lehrer 
anerfannt und leitete die Sefte bis zu ſeinem Tode 
18. Mai 1808. Seit 1816 nannten fic die Anhänger 
dDerfelben (lange Zeit meiſt Deutſche) Evangelical 
Association of North America. Dogmatiſche Diffe- 
renjen fiihrten 1891 gu einem Schisma, durch welded 
das Wadstum der A. geſchädigt wurde. 1895 zählten 
fie 110,095 Mitglieder mit 982 Reiſe- und 400 fej. 
haften Bredigern. Yn Deutfdland bejtanden 1900: 
218 organifierte Gemeinden mit 8773 Mitgliedern. 
Val. Plitt, Die W. (Crlang. 1877); Yaeklel, History 
of the Evangelical Association (Bd. 1, Clevel. 1892; 
deutſch, Stuttg.). 

Ulbrechtsorden, 1) finiglic ſächſ. Orden, geſtif— 
tet von Konig Friedrid) Auguſt II. 31. Dez. 1850 fiir 
Verdienſt um den Staat, biirgerlide Tugend, Wiſſen⸗ 
fchaft und Kunſt, bejteht aus Großkreuzen, Romtu- 
ren erfter und zweiter Klaſſe, Offizieren und Rittern 
erjter und zweiter Klaſſe. Das Yeiden ijt cin golde— 
ned, längliches, weiß emaillierted Kreuz mit Krone 
und mit emailliertem Mittelſchild, auf der Vorderſeite 
das erhabene Bild de Herzogs Ulbredt im Gold, 
darum ein blau emaillierter Rand, in dem die Worte: 
»Albertus Animosus« ftehen; auf der Rebhricite das 
ſächſiſche Wappen und im blauen Rande die Jahres— 

abl 1850. Durd die vier Wintel zieht ſich ein griiner 
Sie cians Die Ritterfreuge zweiter Klaſſe find von 
Email nuit filberner Einfaſſung. Das OffizierSfreus 
hat die Form ded Ritterkreuzes erjter Klaſſe mit Krone 
und wird auf der Brujt angejtedt getragen. Grof- 
freuje und Romture erjter Klaſſe tragen einen acht— 
edigen Silberjtern. Das Ordensband ijt dunfelgriin 
mit weißen Randftreifen. Affiliiert iſt dem Orden 
das Albrechtskreuz von Silber. S. Tafel »Orden Ic, 
Fig. 1. — 2) Anhaltiniſcher Hausorden Ul- 
bredtS des Bären, geftiftet 18. Rov. 1836 von 
den Damaligen drei regierenden Herzögen, in fünf 
Klaſſen: Großkreuze, Kommandeure erjter und s weiter 
Klaſſe und Ritter erjter und zweiter Klaſſe zerjallend. 
Die Deforation ijt ein ovaler goldener Reifen, in dem 
der Bar nit Krone und Halsband auf einer Mauer 
nad links aufiteigt; unter der Ofe das adsfanifde 
Wappen, auf dem Reifen die Devife: »Fiirdte Gott 


280 


und befolge feine Befehle«, auf dem Revers: »Al⸗ 
brecht der Biir, regierte 1123—1170«. Die Deforation 
der obern vier Klaſſen unterſcheidet fid) durch die 
Gripe, die der Ritter zweiter Klaſſe ijt von Silber. 
Großkreuze und Rommandeure erjter Klaſſe tragen 
dazu einen filbernen Stern, erftere achtſpitzig mit 
einem ſchwarzen Baren in der Mitte, lestere in Form 
eines Kreuzes, deſſen Arme durch einen goldenen 
Rautenkranz verbunden ſind. Das Band iſt grün 


mit ponceauroter Einfaſſung. Für vor dem Feinde 


Orden in allen Klaſſen 
S. 


geleiſtete Dienſte wird der 
mit goldenen Schwertern am Ringe verliehen. 
Tafel ⸗Orden I<, Fig. 8. 

Albreda, Hafen und Handelsplatz in der brit. 


Rolonie Gambia (Wejtafrifa), am redten Gambia: | 
ujer, mit 7000 Einw. Die dortige franzöſiſche Faktoret | 


wurde 1857 gegen Portendid an England abgetreten. 
Albret, ——— dD’, f. Johanna d'Albret. 
Albris, Piz, ſ. Languard. 
Albrizzi, Teotochi Iſabella, Gräfin, geb. 


1763 in Korfu, geſt. 7. Sept. 1836 in Venedig, Ge⸗ 


mablin des venezianiſchen Patrizier$ Untonio Marin, 


in zweiter Che des Staatsinquiſitors Giufeppe YL, | 


jtand im WMittelpuntte ded literarifden und künſtle— 


riſchen Lebens, war Befdiigerin und Freundin Ugo 
namhafter Kunſtwerle x2. Ähnliche Urten von Al— 


Foscolos und Canovas, deſſen Werke fie herausgab, 





und durch ihr Talent, ihren Geiſt und ihre Schönheit 


allgemein gefannt und bewundert. Sie veridffentlidte 
eine »Vita di Vittoria Colonnae und anziehende 
»Ritrattic (Brescia 1807). Cine Auswahl ihres 
Briefwedjels gab Barozzi (Flor. 1872) heraus. 
Albruna (d. h. die mit der Runentraft oder Zauber- 


funjt Der Elben begabte), cine deutſche Seberin, die | 


von Tacitus (»Germania« VIII) erwähnt wird und 
wahrſcheinlich zur Zeit ded Auguſtus lebte. Derjelbe 
Eigenname beqegnet im Ultnordifden als Ulfriin. 
ibrunpat, j. Binne. 
MAlbucafis, ſ. Ubul Kafim. 


Nlbreda — Albuñol. 


Albulabahn, sur Zeit höchſte (1823 m) und ſchwie⸗ 
rigite Gebirgsbahn in Europa, begonnen 1898, ver- 
bindet Thuſis im Rheintal mit St. Moritz im Enga- 
din. Ausgedehnte Unwendung finden ſchraubenför⸗ 
mige Hebungstunnel und Kebhridleifen. Spurweite 
1m; weitere Zablenangaben ſ. Gebirgseifenbabnen. 

Album (lat.), bei den Rimern eine weiße Tafel, 
auf der das zu allgemeiner Renntnis ju VBringende 
in ſchwarzer Schrift öffentlich ausgejtellt wurde, wie 
die Edifte der Prätoren, die Verzeichniſſe der Sena- 
toren, der Geſchwornen u.a. Ym ſpätern Mittel- 


alter bejeidjnete man mit Dem Ramen A. ein Bud 


weifer, sufammengebefteter Blätter, das den Swed 
hatte, Einzeichnungen von Perſonen, aud) Spriiche 
und Sentenjen aufzunehmen: die Gedenfbiider , wie 
jie ſchon in mittelalterlichen Klöſtern zur Einzeichnung 
der Gäſte auflagen, die Wappen ⸗ und Emblemen⸗ oder 
Deviſenſammlungen der Renaiſſance, namentlich aber 
die Stamm- oder Geſellenbücher, wie fie im Zeitalter 
des Humanismus Studenten, Gelehrte und Riinftler 
anlegten, und deren Rame die Benennung A. awd 
bald verdrängte (j. Stammbiider). Das Wort A. 
dient aud) als Titel fiir poetijde Unthologien (meiſt 
illujtriert), fiir Sammlungen von Zeichnungen nam- 
hafter Künſtler oder von Stiden, Photograpbien 


bums in der Bedeutung von Sammlung oder Aus⸗ 
wahl bilden Das Briefmarfenalbum und dads 


Muſikalbum. 





Albuẽra, La, Dorf in der ſpan. Provinz Badajoz, 


mit (1897) 823 Einw. Hier ſiegten 16. Mat 1811 die 


vercinigten Englinder, Spanier und Portugiejen | 
| weiffirpern der Sellen. Sie find in Waſſer und Salz⸗ 


unter Beresford iiber die Franzoſen unter Soult. 

—* ſ. Abul Feda. 

Albufeira (jpr. era), Stadt im portug. Diſtrikt 
Faro (WUigarve), am Atlantiſchen Meer und der Eiſen— 
bahn Liſſabon-Faro, mit Hafen, Fort, Fiſcherei und 
(1900) 5784 Einw. 

Wlbufera, Strandice in der fpan. Provinz Ba- 
lencia, 22 km lang und bis 7 km breit, 85 qkm qrof;, 
durch eine mit Seefiefern bededte Landzunge vom 
WMeere getrennt, reid) an Waſſervögeln und Fiſchen. 

Albufera, Herjog von, ſ. Suchet. 

Albuginéa, die weiße Augenhaut, ſ. Auge. 

Albiigo, Biljgattung, ſ. Cystopus. 

Albüla, 1) Paß und Fluß im ſchweizer. Kanton 
Graubünden. Der Paß (2315 m), zwiſchen den Hoch— 
gebirgsgruppen des Piz Keſch und des Piz d'Err ein— 
gefentt, verbindet Ponte im Oberengadin mit Vergiin 
im YWibulatal und bat erjt 1865 eme Fabritrake er- 
halten. Cine Eiſenbahn von Thufis fiber Bergiin 
nad St. Morig ijt im Bau (ſ. Albulabahn). Bei dem 
Vergwirtshaus Weifenftein beginnt in ca. 2070 m 
Hohe der Fluß A. dejjen oberjte Talſtufe (ſ. Bergin) 
von ber folgenden durch eine tiefe Schlucht getrennt 
ijt. Nad Aufnahme des Davos und Oberhaibjteiner 
Rheins zwängt fid) derfelbe durch eine zweite wilde 
Schlucht (j. Schyn) und mündet unterhalb Thufis in 
den Hinterrhein. Seine Linge betrigt 36 km. — 
2) Fritherer Name des Tiber (jf. d.). 


Mlbumafar, |. Ujtrologie. 

Mlbamen , das Sameneuveij;, ſ. Same. 

Albiimen ovi siccum, getrodnetes Hühner⸗ 

WUlbumin, ſ. Eiweiß. leiweiß. 

Albuminate (Albuminkörper), die Eiweißlör— 
per (f. d.), auc) Die Verbindungen von Eiweiß (Al⸗ 
bumin) mit Baſen (7. Eiweiß). 

Albuminoĩde (griech.), Eiweißlörper, welche dic 


Gerüſtſubſtanzen der Tiere bilden, der hiſtologiſchen 


Gruppe des Bindegewebes im weiteſten Sinn an— 
gehörend. Sie bilden die Grundſubſtanz, in welche die 
Zellen eingelagert ſind, und entſtehen aus den Ei— 


löſungen unldslich, meiſt auch in verdünnten Säuren 
oder Alkalien faum löslich. Hierher gehören Rolla- 
gen, Keratin, Elaſtin, Spongin, Fibroin, Amyloid 
und Albumoid. 

Albuminpapier, ſ. Mig Bese Papier. 

Albuminurie (qried.), ſ. Eiweißharnen. 

WMlbumoide (griech.), Eiweißlörper, die als Ge- 
riijtfubstangen gum Bindeqewebe gebdren, aber fein 
Glutin liefern und gegen Verdauungsſäfte febr wi- 
derſtandsfähig find. 

Wlbumofen (griech.), Spaltungsprodufte der Ei- 
weißlörper, entitehen aus dieſen durch Erhitzen unter 
Drud, bei Einwirkung von Säuren oder Verdauungs 
fermenten und int tiertichen Stoffwechſel. Sie befi 
nod die chemiſche Struftur des Eiweiß, geben dieſel 
ben chemiſchen Reaftionen im engern Sinn, fonnen 
aber nicht foaquliert werden, find viel löslicher und 
können weniger leicht ausgefalyen werden. YL. find 
Vejtandteile vieler Nährpräparate. 

Albunéa, im rim. Wythus die weisjagende 
Nymphe einer ſchwefelhaltigen Ouclle bet Tibur, fpa- 
ter fiir cine Sibylle gebalten. 

Albuñol (pr. -bunjsd, Bezirfshauptitadt im der 
fpan. Broving Granada, mit einem 3 kin fiidlid 
am Wittelmeer — Hafen, Wein und Obſt— 
bau, lusfubr von Wein, Rojinen und Mandeln und 
(997) 7451 Einw. 


Albuquerque 


Albuquerque (pr. téte), Hauptitadt der Grafſchaft 
Bernardillo im nordamerifan. Staat New Mexico, 
am Rio Grande und der Santafébahn, mit Handel in 
Häuten und Wolle, hat in feinen beiden Teilen, Ult- 
und Neu-A., (900) 7919 Einw. 

Wlbuquerque (pr. -tete), Uffonfod', derGrofe 
qgenannt, beriihmter portug. Kriegsheld, geb. 1453 in 
Wihandra bei Liſſabon, geſt. 16. Dez. 1515. Ym 
finigliden Balajt erzogen, trat er ſehr frith in den 
Seedienjt Portugals und zeichnete fic) 1480 in den 
Riimpfen bet Otranto gegen die Tiirfen aus. Als die 
auf Walabar gegriindeten portugiejifden Rolonien 
von den eingebornen Fürſten bedroht wurden, fandte 
König Emanuel d. Gr. zu ihrer Verteidiqung W. und 
feinen Better Francisco d'A. 1503 mit drei Scijfen 
nad Indien. Nachdem A. feine Uufgabe gelöſt und 
eine reidje Gewürzfracht eingenommen batte, febrte 
er nad Portugal zurück. 1506 ging er jum zweiten⸗ 
mal nad Ojtindien. Die von Venedig aufgehepten 
Sarajenen in ihrem eignen Land angreifend, er- 
oberte A. 1507 die Inſel Sofotora am Eingang des 
Arabiſchen Meerbujens und fperrte dadurch die alte 
Handelsſtraße der Venezianer und Genuefen nad 
Indien. Der Cinfprud des Vizekönigs Ulmeida zwang 
A. 1508 zur Riidfehr nad) Rananor, der damaligen 
Hauptniederilajjung Portugal’. Dort übergab ihm 
auf Befehl des Königs der alte Ulmeida 1509 fein 
Amt als Vizefdnig von Yndien. Go mit der höchſten 
Macht befleidet, beſchloß A., die Herrjdaft Portugals 
möglichſt weit über die Küſten Ufiens auszudehnen. 
Nad einer mißlungenen Unternehmung gegen Kali-— 
fut eroberte er 1510 Goa, 1511 Malakla und unter- 
warf Ceylon. 1513 unternahm er einen Bug gegen 
Urabien, madte einen vergebliden Sturm auf Uden 
und bemächtigte fid) 1515 der Inſel Ormus, die eine 
Hauptitiige der portugiejijden Macht in Ujien wurde. 
Dieſe Erfolge wirkten weithin: die Könige von Pegu 
und Siam und der Schah von Perjien fudten die 
Freundſchaft Ulbuquerques. A. war ein ftattlicder 
Wann, gebildet, ſtreng und eigenwillig, aber aud 
felbjtlo3, wahrhaftig, tapfer und freigebig. Während 
er nod) auf Ormus fiir Portugal Siege erfodt, wurde 
er infolge von Verleumbungen abgeſetzt und cin neuer 
Vizelönig ernannt. Ehe er fid) nad) Portugal ein- 
ſchiffen fonnte, ftarb er auf feinem Schiff auf der 
Meede vor Goa. Sein natiirlider Sohn, Bras d'A., 
ijt Verfafjer Der »Commentarios do grande Affonso 
d'A.« (Lijjab. 1557; engl. hrsg. von Gray Bird in 
den Verdjfentlidungen der Hafluit Society, Lond. 
1875—83, 4 Bde.). Bal. Stephens, A., and the 
early Portuguese settlements in India (Lond. 1892); 
»Cartas de Affonso de A.«, Briefe Wlbuquerques 
(hrsg. von der Ufademie der Wiſſenſchaften in Liffa- 
bon, Liſſab. 1884 ff., 2 Bde.). 

Alburnum (lat.), Splint, f. Hol}. 

Alburnus, Weißfiſch. 

Alburnus major, {. BereSpataf. 

Alburquerque (pr. zécte), befeſtigte Bezirlshaupt⸗ 
ſtadt in der fpan. Provinz Badajoz, unweit der por- 
tugiefifden Grenze, mit Dem Stammſchloß der Her- 
—— gleichen Namens und (1897) 7438 Einw. 

{bury (jr. aiber), Stadt des britiſch⸗ auſtral. 
Staates Neufiidwales, am rechten Ufer de3 Murray, 
auf dem bei Hod wafer Dampfer bis hierher gelangen 
fonnen, und iiber Den bier zwei Briicen fiihren, da- 
von eine fiir die Eiſenbahn Melbourne-Sydnev, hat 
Hofpital, Kloſter, höhere Schule, in der Umgegend 
jtarfen Getreide-, Tabaf- und Weinbau, etwas Gold- 
bergbau und (1900) 5500 Einw. 


281 


Albus (Weikpfennig), filberne, unter Kaiſer 
Karl IV. 1360 übliche Scheidemiinge in Kiln, Trier, 
Maing, zum Unterfdied von den hupfernen (jdwar- 
jen) Münzen Wittpfennig (denarius albus) ge 
nannt. Der — A., vielfach verſchlechtert, war 
anfangs = Batzen — 6'/2 Pf. Konv.M., 80 — 
1 Speziestaler. Der Räderalbus (auf dem Revers 
ein Kreuz in einem Ring) in Maing war — 4 Fett- 
männchen oder 32 Heller. Wm Mittelrhein dem 
Reidhsgeld angepakt (Reid salbus), galt er 2 Krew: 
zer nod) alS Rechnungsmünze in Bafel bis 1850. 
Die heffiiden U. (Heffenalbns),— 12 Heller, waren 
1814—83 im 14*/s-Talerfufy gepragt; ein YW. — 10,74 

Alea, Wilf; ſ. Alcidae. [Pf. preuß. 

Aleacer dbo Sal (jpr. altaßer bu fan, Stadt im 
portug. Dijtrift Liſſabon (Proving Ejtremadura), in 
ungejunder Gegend am Gado, mit bedeutendem Salz⸗ 
handel und (1900) 2712 Einw. — A. das römiſche Sa- 
lacia, war der Gegenftand heftiger Kämpfe zwiſchen 
/Mauren und Chrijten. Geburtsort des Mathema- 
tifers Pedro Nunes. 

Alcäiſche Verſe, ſ. Alläiſche Verſe. 

Alcalaͤ (arab.,⸗Kaſtell«), Name vieler Ortſchaften 
in Spanien. Darunter: 1) A. de Chisbert, Stadt 
in der —* Proving Caſtellon, Bezirk San Mateo, 
an der Cifenbabn Balencia- Barcelona, uniweit ded 
Mittelmeers, mit Tabaffabrifation und so) 6392 
Einw. — 2) U. de Guadaira, Stadt in der fpan. 
Proving Sevilla, Bezirk Utrera, am Guadaira und 
an der Eiſenbahn Sevilla-Carmona, mit einem mau- 
riſchen Rajtell und (1897) 8930 Einw., Unsgangspuntt 
des nad) Sevilla fiibrenden Aquädults. — 3) A. de 
Henares (fat. Complutum), Begirfshauptitadt in 
der fpan. Proving Madrid, am Henares und an der 
CifenbahnMadrid-Saragojja, hat eine qotifde Haupt- 
firdhe, einen Palaſt des Erzbiſchofs von Toledo (gegen⸗ 
wärtig Staatsardiv), ein Colegio (San Ildefonſo, 
ehemals Univerſität) mit ciner Rapelle (Darin das 
ſchöne Grabmal des Rardinals Jimenez), cine Sa- 
vallerieſchule, Leder⸗ und Seifenfabrifation, Weberei 
und (1897) 10,548 Einw. Die Stadt ijt Geburtsort 
de3 Cervantes. Die 1509 vom Kardinal Jimenez ge- 
jtiftete Univerfitat wurde 1836 nach Madrid verlegt. 
Die Vibliothef derfelben enthalt das Original der hier 

edrudten »Romplutenjijden Bibel«. —- 4) UW. del 
fo, Flecken in der fpan. Proving Sevilla, auf einer 
Unhdhe am rechten Ufer des Guadalquivir, 10 km 
oberhalb Sevilla, mit Witertiimern aus der Rimer- 
und Maurenjeit und (897) 2973 Einw. — 5) W. de 


— Wlcdntara. 











los Gazules, Flecden in der fpan. Proving Cadis, 
Bezirk Medina-Sidonia, am Barbate, mit s97 9972 
Cinw. — 6) U. la Real, Bezirkshauptſtadt in der 
fpan. Proving Jaén, auf einem Plateau gelegen, bat 
(1897) 15,409 Cinw., die Wein und Gemüſebau und 

Wlealde, ſ. Allalde. Wollwäſcherei betreiben. 

Alcamo (xvr. a0), Kreishauptſtadt in der ital. Pro⸗ 
ving Trapani (Sizilien), an der Eiſenbahn Palermo— 
Trapani, mit Zinnenmauern, Kaſtell, alten Palajten 
und Rirden und (1901) 51,809 Einw. — Die Stadt, ara- 
biſchen Urſprungs, ftand frither auf dem Monte Bo- 
nifato und ward erjt unter Friedrid) I. 1233 am 
jetzigen Platz angelegt. 

Hicanis (fpr. -tanjids), Bezirklshauptſtadt in der fpan. 
Proving Teruel, am Guadalope und an der Eiſen— 
babn Buebla de Hijar-VU., mit einem Colegio und 
(1897) 7474 Einw. 

Wiledutara (arab., »Briides), 1) Besirfshaupt- 
ftadt im Der fpan. Proving Caceres, am Tajo, hat cin 
Kloſter (San Benito), Stammfig des Ordens von 


282 


A. (f. unten) und (1897) 3224 Einw. Eine fine, von 
Raijer Trajan erbaute Briide von 6 Bogen (188 m 
fang, 55 m hod), mit emem Triumphbogen in der 
Mitte, führt tiber den Fluk. — 2) Bad) in der Nähe 
von Lijjabon. Am 25. Aug. 1580 fiegten hier die 
Spanier unter dem Herzog von Alba über die Portu- 
giejen unter Untonio, Prior von Crato. 

Alcdutara, Orden von, einer der drei alten 
fpan. geijtliden Ritterorden, ward als Wajfenbrii- 
derſchaft 1156 von den Briidern Barrientos, die von 
der fajtilifden Grenzfeſte San Julian del Pereiro 
ans tapfer gegen die Mauren kämpften, geftiftet und 
von Papjt Wlerander IIT. 29. Dex. 1177 gu einem 
geijtliden Ritterorden erhoben. Bom König Ferdi- | 
nand II. von Rajtilien und von Bapft Lucius III. 
1183 mit Freiheiten und Privilegien ausgeſtattet, 
ward er unmittelbar der Aufſicht des päpſtlichen Stub- 
les unterjtellt und zur Berteidigung des drijtliden 
Glaubens und jum ewigen Rriege gegen die Mauren 
verpflicdtet. Seit 1213 batte Der Orden ſeinen Sif 
in A. und nannte fid) nad) diefem ihm vom König 
Alfons IX. von Raftilien geſchenkten Orte. Später 
infolge innerer Serwiirfnifje in Verfall geraten, wurde 
cr erjt Durd) Den Grofmeijter Don Quan de Zuñiga 
(1479) wieder gehoben. Ferdinand V. vereinigte 1494 
die Broßmeiſterwürde mit der Krone Spaniens. Bis 
zur franzöſiſchen Offupation 1808 befa der Orden 
37 Romtureien mit 53 Stadten und Dorfern. Nach 
der Rejtauration erbhielt er die Güter nur zum klein— 
jten Teil — Zuletzt war er ausſchließlich mili— 
tãriſcher Verdienſtorden. Das Zeichen ijt ein golde- 
nes, grünes Lilienfreus, an griinem Band um den 
Hals, in Seide gejtidt auf dem Rod und dem wei- 
fen Mantel —— Die Ritter hatten ihre adlige 
Ablunft durd vier Generationen nachzuweiſen, pote: , 
daß in ihrer Familie weder Yuden nod Mauren wa- 
ren. Die Republif hat 1872 den Orden aufgehoben, 
König Wifons XII. ihn 13. Yan. 1874 wieder ein: 

eführt. Bgl. »Difiniciones de la orden y cavalleria 
e A., con la historia y origen della« (Madr. 1663). 

Wlearas, Besirfshauptitadt in der ſpan. Proving 
Wlbacete, am ube ber Sierra de A. eines ſchroffen 
Kallgebirges, das im Cerro de Ulmenara 1802 m | 
erreicht, hat cin Rajtell, Rejte einer antifen Waſſer— 
leitung und (1897) 4762 Einw. Jn der Nähe Zint- 
bergwerfe, Schmelzhütten und eine große Mejjing- 
fabrif (zu San Quan de A.). 

Alearrajzas, ſ. Kühlkrüge. 

Alcatquen, golddurchwirkte Gewebe, die im Orient 
über Den Diwan gebreitet werden. 

Alcazaba (Cerro de A.), einer der höchſten Gipfel 
der fpan. Sierra Revada (jf. d.). 

Mleaszar, ſ. Allaſar. 

Aleazar de San Juan (or. hhuam, Bezirkshaupt⸗ 
jtadt in der fpan. Provinz Ciudad Real, Knotenpuntt 
an der Eiſenbahn Madrid-VWlicante, mit (1997) 10,675 
Einw., die Sdhofoladen-, Seifen-, Salpeter und Bul: | 
verfabrifation betreiben. 

Alcea, {. Althaea. 

Alcédo, Cisvogel; Alcedinidae, Familie der Met: 

Alces, das Elen. [tervigel. 

Wleeft (Alkeſt) heift der Held in Molieres »Mi— 
janthrop«, daher aud) Bezeichnung fiir einen Men: 

Alceſte, ſ. Alleſtis. [fchenfeind. 

Wleefter pr. afer oder Golfer), Ruinen einer Rö— 
merjtadt, ſ. Biceſter. 

(‘pr. aofier ober Golfter), Frederid Beau 
damp Seymour, Lord, brit. Admiral, geb. 12. 
Upril 1821 aus einem Seitenzweig der Hertfords, 





Alcantara — Alchimie. 


geſt. 30. März 1895, trat 1834 in die Marine, zeich⸗ 
nete fid) 1852 im Sriege gegen Birma aus, ward 
um Kapitin befdrdert und diente wihrend de3 Krim⸗ 

ieges auf der Ojtjeeflotte. 1868—70 war er Bri- 
vatſekretär des MarineminijtersChilders, wurde 1870 
Konteradmiral, 1872 Lord der Admiralität, fom- 
manbdierte 1874-77 das Kanalgeſchwader und 1880 
bis 1883 als Vizcadmiral das Mittelmeergeſchwader. 
Während der Flottendemonjtration vor Dulcigno 
1880 fiibrte er Den Oberbefehl über die Schijfe aller 
Mächte. 1882 kommandierte er das englijde Gee 
ſchwader vor Wlerandria, bombardierte 11. Juli die 
Forts der Stadt, beſetzte fie 14. Juli und leitete im 
Auguſt die Uberfiihrung der britijdhen Truppen nad 
Wmailia am Suezfanal, den er beſetzte. Er erbielt 
dafiir die Peerswürde und cine Nationaldotation fo- 
wie die Befdrderung jum Wdmiral. 1883— 85 war 
er nodmals Lord der Admiralität. 

Alchariſi, ſ. Jüdiſche Literatur. 

Alchemilla L. (}rauenmantel), Gattung der 
Roſazeen, meijt ausdauernde Kräuter, felten niedrige 
Straiuder mit gelappten oder gefingerten, oft eins 
qeidnittenen Blattern und meijt ebenſträußigen klei⸗ 
nen, gelblidjgriinen Bliiten. Bon den ca. 30 Virten 
wächſt die Mehrzahl in Gebirgen Siidamerifas, einige 
finden fid) in Der gemiafigten Bone der Ulten Welt 
und in den Hodgebirgen des tropijden Ufrifa. A. 
vulgaris L. (Marienmantel, Sinan), in Europa 
und Nordajien, A. alpina Z., in den europäiſchen 
Hodgebirgen, Nordeuropa und Nordamerifa, wird 
als Gartenjierpflanye fultiviert. 

Alchimie Uidymic, Uldemic), ein aus dem 
arab. Yrtifel al und dem Worte Chenrie (7. d.) zu⸗ 
ſammengeſetztes Wort, heißt alſo nur »die Chemiee ; 
man bezeichnet aber feit Begründung der wiſſenſchaft⸗ 
lichen Chemie als A. die chemifden ejtrebungen der 
frithern Zeit, und gwar vorzugsweiſe die auf Die Ver— 
wandlung der Metalle, auf das Goldmaden, gerich⸗ 
teten Arbeiten. Die Geſchichte der A. iſt mithin ein 
Teil der Geſchichte der Chemie bis dahin, wo WUber- 
qlaube und Betriigerei cine Afterwiſſenſchaft ſchufen, 
mit der Die Chemie nidts mehr zu tun hatte. 

Viele Sagen verſetzen die erjten Anfänge der A. in 
die älteſten Zeiten unfrer Gejdidte: Moſes, ferme 
Schweſter Mirjam, Hiob, aud) Kleopatra und Jo— 
bannes der Täufer werden von den Uldimijten den 
Udepten (jf. d.) zugezählt, und die Entitehung des 
älteſten ſchriftlichen —* der Goldinacderfunit, 
der » Tabula smaragdinas, wird in das 3. Jahrtau-⸗ 
fend vor Chrijti Geburt juriiddatiert. Der Berfaijer 
dDiefes genauen Rezepts jum Goldmaden, das freilich 
abjolut unverjtindlic) ijt, Hermes Trismegiſtos (da⸗ 
her aud Hermetifde Kunſt foviel wie A.), war 
indes hichjtwabhrideinlid) der Briefter Hermon, der 
100 n. Chr. in Äghpten lebte; dennoch ijt die Ent- 
ftehung der A. wohl in die Zeit zurüchzudatieren, als 
bei den Bhdnifern die Wetallbearbeitung m Bliite 
ftand. Die Gewinnung der WMetalle aus Erjen, de- 
ren Beſtandteile man nicht genau zu erforjden ver⸗ 
modte, und die allgemeine Ähnlichteit Der Metalle 
untereinander fiihrten die unter dem Cinfluk der 
Vehren ded Ariſtoteles (ſ. Chemie) jtehenden Forjder, 
welde die Gewinnung der Metalle nicht als eine 
Abſcheidung aus den Erzen, fondern als eine Um— 
wandlung der letztern in Metalle betradteten, auf 
den Gedanfen, aud das Gold durch Umwandlun 
irgend eines Körpers ju erzeugen. Zufällige, falf 
gedeutete Beobadtungen ließen die Darftellung des 
Goldes als möglich erjdeinen: ja, vielicicht glaubten 


Alcidae — Alcock. 


einige Forſcher, wenn fie ein hellgelbes, goldähn⸗ 
liches Produkt erhielten, das geſuchie Geheimnis ge- 
funden zu haben, und das Gerücht eines einzigen 
elungenen Verſuches mußte ſtets die Zahl derer, die 
aS mit der Sache beſchäftigten, erheblid) vermehren. 
Dieſe erjte Periode der A. ſchließt mit der VBernid- 
tung der alerandrinifden Bibliothef ab, und als man 
100 Sabre ſpäter wieder gu den chemiſchen Urbeiten 
—— waren nur noch Einzelheiten über die 
rbeiten der vorarabiſchen Zeit bekannt, die, phan— 
taſtiſch ausgeſchmückt, Wünſche als Tatſachen hin— 
ſtellten und ſo die Verſuche, dasſelbe Ziel zu erreichen, 
erechtfertigt erſcheinen ließen. Hierin und in der 
ortdauernden Herrſchaft der Ariſtoteliſchen Lehren 
haben wir den einfachen Schlüſſel zu der auffallenden 
Tatſache, daß ſich mehrere Jahrhunderte hindurch 
die erleuchtetſten Geiſter ſämtlicher Nationen mit der 
Aufgabe, Gold zu machen, beſchäftigen konnten. 
Die —— — Richtung kam zuerſt in die 
A. durch die Anſchauung, es gebe einen Stoff, der 
alle Körper in Gold verwandle. Dieſen Stoff nann- 
ten die Alchimiſten Magifterium(Stein der BWei- 
fen, Roter Löwe, Großes Elixir, Rote Tink- 
tur), während Geber, der größte Chemifer feiner 
Beit, einen Stoff, der alle Kranfheiten heilen follte, 
ebenfalls Magijterium nannte. Dieſe tibereinjtim- 
nung des Namens fiihrte gu der Unnahme, daß ein 
Stoff beide Eigenſchaften vereinige, daß er alle Kör— 
per in Gold verwandle, und daß er alle Kranfheiten 
ile. Wie der Stoff, den jene Alchimiſten ſuchten, 
eſchaffen fei, dariiber waren die Meinumgen fehr ge- 
teilt, er follte, auf geſchmolzenes Metall geworfen, 
dasſelbe in Gold verwandeln, und zwar fein 10+, fein 
100-, ja fein 1000faches Gewicht. Geber war der 
Repräſentant der A., wie fie fid) unter den Urabern 
bid zum 9. Jahrh. ausqebildet hatte; von jener eit 
an verbreitete fid) das Studium der A. über alle 
Sander, und die Gefdidte nennt viele Namen, die 
fiir die Entwidelung der Chemie von Bedeutung wa- 
ren, aber ſämtlich unter Dem Banne der aldimijti- 
ſchen Anſchauungen ftanden. Bu ihnen gehirt Rai- 
mundus Lullus, der nur deshalb Gold maden 
wollte, um es gu einem ſtreuzzuge gegen die — 
bigen ju verwenden, und die wunderbarſten Reful- 
tate erhalten haben wollte, dann der Biſchof Albert 
von Vollftadt, genanntUlbertus Magnus, der 
in feinem Werf iiber A. deutlid) fagt, er habe gefun- 
den, daß die Verwandlung in Gold und Silber mög— 
lid) fei, und gleichgeitiq nut ihm Arnold Baduone, 
enannt Urnoldbus Villanovus, und Roger Baco. 
n die Genannten reiht fid) im 15. Jahrh. Bafilius 
Valentinus, ein verdienjtvoller Chemifer, der be- 
hauptete, der Stein der Weiſen könne 10—30 Teile 
unedlen Metals in Gold verwandeln. Seit dem 15. 
Jahrh. fing die Betrügerei an, im der A. eine her- 
vorragende Rolle gu fpielen. Der Franzoſe Le Cor, 
der als Goldmader vom Konig Karl VIL. von Frant- 
veid) gum Finanzminiſter und Münzmeiſter erwählt 
war, betrieb feine Goldmacherei in der Weiſe, dak er 
mit Dent Stempel des Königs falſche Münzen ſchlug 
und in Umlauf fete. Dann fommt die Kaiferin Bar- 
bara, Witwe des Kaiſers Siegmund, die Kupfer und 
Urfenif zuſammenſchmolz und die fo erhaltene weike 
Legierung als Silber verfaufte; ſpäter in England eine 
Reihe don Perfonen, die fich auf den Wunſch des Königs 
Heinrich VI. mit der VW. befdhaftigten und das Land mit 
falfdem Gold überſchwemmten. Kaiſer Rudolf 1. war 
Mäcen der fahrenden Uldimijten, und feinem Beiſpiel 
folgte Kurfürſt Auguſt von Sachſen mit feiner Ge- 


283 


—— Anna von Dänemark. Yn Berlin trieb Thurn⸗ 
get jer unter. Kurfürſt Johann Georg fein Unweſen. 
anbdt in Hamburg entDdedte bei feinen Urbeiten dic 
Darjtellung des Phosphors, Bwttger fand als Ge- 
fangener in Sachſen die Darjtellung de3 Porzellans. 
Im 17. Jabrh. nahm das Treiben der Alchimiſten 
allmählich ab; Spuren finden fid) nod) vereingelt, fo 
im Unfang des 18. Jahrh. die Gefellfdaft der Buc- 
cinatoren, die ihren Sentralpunft in Nürnberg 
hatte, und am Ende dedsfelben Jahrhunderts die Her- 
metifde Geſellſchaft, an deren Spite Kortum in 
Bodum, der Verfajjer der »Jobſiade«, ftand (val. 
E. Schultze: » Das leste Uuffladern der A. in Deutſch⸗ 
land vor 100 Jahren. Die Hermetiſche Geſellſchaft 
von 1796-—1820<«, Leip;. 1897). Gegenwärtig bat 
die A. allen Boden verloren, und folange nicht nad- 
ewiejen ijt, daß die chemiſchen Elemente feine ein— 
den Stoffe, fondern Verbindungen und bis jest 
nod) nidt befannter Körper find, fann von künſtlicher 
Ergeugung von Gold feine Rede fein. Bgl. Kopp, 
Die A. in älterer und neuerer Zeit (Heidelb. 1886, 
2 Boe.); Sch mie der, Gefdichte der A. (Halle 1832); 
Bauer, Chemie und . in Ojterreich bis gum beginnen- 
den 19. Jahrhundert (Wien 1883); Berthelot, Les 
origines de l’alchimie (Bar. 1885); Schäfer, Die 
U., ihe dqyptifd -qriechijder Urfprung (Berl. 1887). 
Alecidae (Uifen), Familie der Schwimmvögel. 
Wleibe (Ulcides, gried. Ulfeides), Beiname 
des Herafles, als Enel des Alleus oder Alkäos. 

Alcindus, arab. Philoſoph, f. Wi Kindi. 

Aleindus, ſ. Wifinoos. 

Alciopidae, ſ. Ringelwiirmer. 

Aleira, Besirfshauptitadt in der fpan. Proving 
Valencia, auf einer Inſel des Juͤcar, an der Eiſen— 
bahn Madrid-Balencia, mit (1897) 19,566 Einw., die 
Reis, Rucerrohr und Siidfriidte tultivieren und Sei- 
denraupenzucht betreiben. — Die Stadt war im Alter⸗ 
tumt cine Rolonie der Rarthager und unter der rdmi- 
fen Herrjdaft wie zur Maurenzeit fehr bliihend. 

Mlelyde (pr. -tiaid’), alted brit. Königreich, ſ. Schott⸗ 
land (Geſchichte). 

Aleobaga (pr. -bafa), Stadt im portug. Dijtritt 
Leiria (Proving Eftremadura), mit (1900) 2306 Cinw., 
berühmt durd ihre pradtvolle Cijtercienferabtei, die 
1148 von König Ulfons I. gejtiftet, 1810 von den 
Franzoſen in Brand gejtedt und gepliindert wurde, 
wobet auch die koſtbare Bibliothet gu Grunde ging. 
Das Kloſter war das reichſte in Portugal; die monde 
mupten Edelleute fein. Bn der Kirche find die Grä— 
ber der Könige Ulfons I. und Alfons III., Pedro I. 
und ſeiner Geliebten Snes de Caftro. 

Wleo (pr. aot), Sir Rutherford, engl. Diplo- 
mat und DOrientalijt, geb. 1809, gejt. 2. Nov. 1897, 
ftudierte Medizin, war 1832 — 37 Arzt bei dem eng- 
liſchen Hilfsforp3 in Portugal und Spanien und fett 
1844 Konſul in dinefifden Handelspliten. 1858 
wurde er gum Generalfon{ul, 1859 gum bevollmäch⸗ 
tigten Dtinijter in Japan ernannt; 1865 —-71 war 
er Gejandter in Pefing. Er fdrieb: » Notes on the 
medical history and statistics of the British legion 
of Spain« (1838); »Elements of Japanese grammar« 
(1861); »Familiar dialogues in Japanese, etc.« 
(1863); »The capital of the Tycoon: a narrative of 
three years’ residence in Japan« (1863, 2 Bde.), 
eins der bejten Werte fiber japanifde Zuſtände, und 
»Art and art-industries in Japan« (1878). Bal. 
Mi die, The Englishman in China during the Vic- 
torian era; as illustrated by the career of Sir R. A. 
(Lond. 1900, 2 Bde.). 


284 


Aleoforado, S oror Marianna, portugNonne, | 
eb. 22. Upril 1640 in Beja, gejtorben dalelbjt 28. | 
Rial 1723, berithmt durch fünf Briefe an ihren Ge: | 
fiebten Noel Bouton de Chamilly, Grafen von Saint: | 
Léger, ſpätern Marſchall von Frantreich, die diefer in 
franzöſiſcher Überſetzung als » Lettres portugaises« 
(Rar. 1669) verdffentliden liek. Die leidenſchaftliche 
Glut der Gefiihle leqten den Vergleich des ſpäter als 
»Lettres d'une religieuse« fiber 50mal neu aufge- 
feqten umd in alle Rulturipraden überſetzten Werkes 
mit Heloifens Briefen an Abälard nabe. Cine deut> | 
ſche uüberſetzung (⸗Briefwechſel emer portugieſiſchen 
Nonne«) erſchien Rotenburg 1788, eine ſpaniſche von 
Pero Perez (Madr. 1894); eine engliſche von Edgar | 





Prejtage (Lond. 1893). Um Wiederherjtellung des ver- 
lornen Urtextes des ald Meijteritite der portugieſiſchen 
Literatur im 17. Jahrb. geltenden Werkes haben fich | 
verjchiedene Gelehrte bemiiht. Bal. Luciano Cor- 
deiro, Soror Marianna, a freira portugueza (Liffab. 
1890); Claudia De Campos, Soror Marianna (daſ. 
1893); B. Bazan, La Eloisa Portugueza (1894). 

Aleohol, Ylfobol. A. absolutus, wajjerfreier Ul- 
fohol; A. sulfuris, Schwefelkohlenſtoff; A.vini, Alkohol. 

Wicoléa, Wirtshaus in der fpan. Proving Cor- 
doba, am Guadalquivir, iiber den eine Brücke führt, 
und an der Eiſenbahn Madrid-Cadiz. Hier 28.Sept. 
1868 Sieg der Empörer über die Truppen der Köni— 
gin Sabella. 

Wieor, Stern, ſ. Bar, Großer. [qeSpreis. 

Al corso (ital.), zum laufenden Murs, jum Ta- 

Wleott, 1) Amos Bronjon, amerifan. Sdhrift- 
fteller, geb. 1799 in Wolcott (Connecticut), gejt. 1888 
in Bojton, war Lehrer, Literat und Philoſoph und 
galt lange als Haupt der Tranfsendentalijtengruppe 
pon Concord, an deren Organ »The Dial« er Mit- 
arbeiter war. Seine Scriften find: »Conversations 
with children on the Gospels« (1836), »Tablets« 
(1868), »Concord days« (1872), » Table talk« (1877), 
»R. W. Emerson, philosopher and seer« (2. Aufl. 
1888), »New Connecticut, autobiographical poem« 
(1887) und »Sonnets and canzonets« (1882). Bal. | 
Sanbornu. Harris, A. Bronson A., his life and 
philosophy (Boſton 1893, 2 Bbde.). 

2) Louiſa May, Todter des vorigen, qeb. 29. 
Nov. 1832 in Germantown, Vorort von Ehiladelphia, | 
geſt. 6. Marz; 1888 m Concord, war Lehrerin und 
Mranfenpflegerin und verdffentlidte, nachdem fie mit | 
dem Gedichte »Thoreau's flute« (1863) Aufſehen er: | 
reqt, einige Bande » Hospital sketches« und »Camp | 
and fireside stories«. Wit dem Roman Little | 
women« (1867) eröffnete fie cine Reihe von Jugend⸗ 
erzählungen, die fid) bis auf die Gegenwart großer 
Beliebtheit erfreuen. Bal. Cheney, Louisa M. A., 
her life, letters and journal (Yojton 1889), und Wire. 
M.S. ¥ orter, Recollections of Louisa A. (daf.1893). 

Wleoy, Bezirkshauptſtadt in der ſpan. Provinz 
Alicante, maleriſch am Fue der Sierra Mariola am 
gleichnamigen Küſtenfluß (aud Serpis) und an 
der Eiſenbahn Gandia-A. gelegen, Mittelpuntt einer 
tippigen Huerta, mit bedeutender Rapierfabrifation 
(inSbej. Siqarettenpapier), Tuch- und Flanelliveberei, | 
Baunuvollipinnerei, Färberei u. so) 31,099 Cinw. 

Aleſuth (Michut, for. aluijchut), Großgemeinde im 
ungar. Romitat Weikenburg, unweit der Bahnitation | 
Biesle, Wohnſitz des Erzherzogs Jofeph, mut ſchönem 
Schloß, Parl, Muſeum, Bibliothek, Muſterwirtſchaft 
und (1900) 1843 ungar. Einwohnern. 

Aleudia, Stadt auf der fpan. Inſel Mallorca, | 
Bezirt Jnca, im RO. auf einer Landzunge zwiſchen zwei 








Alcoforado — Aldehyd. 


MeereShuchten, mit ehemaligen Befejtiqungswerfen, 
einem wenig bejudten Hafen, Schafwollproduftion 
und (1897) 2718 Einw. Bon den in der Rabe geleqe- 
nen Strandjeen ijt der eine durch cine engliiche @-. 
ſellſchaft entwäſſert worden. 

Alcudia, Manuel de Godoy, hf — 

Alcuinus, |. Wituin. |i. Godoy. 

Aleyonaria, {. Rorallenpolypen. 

Alcyone, helliter Stern der Plejaden (Ff. d.). 

Aldabrainfelu, vier fleine Koralleninſeln im 
Indiſchen Osean, nordijtlid der Romoren, unter 9° 
25’ fiidl. Br., 143 qkm groß, engliider Beſitz und 
von Schwarzen bewohnt, die im Auftrag cines Pach⸗ 
ter8 ergiebigen Gdildfritenfang treiben. 

Mldan , rechtsfeitiger Nebenfluß der Lena im oft- 


ſibir. Gouv. Jakutſt, entfpringt auf dem Jablonowoi⸗ 


gebirge, fließt zwiſchen thm und dem das linfe Ufer 
eqlettenden WUidangebirge nad R., nimmt rechts den 


| Unyf, links die Maja auf und mündet nad 1860 km 


langem Lauf, wovon 1000 km ſchiffbar, bei Kaminſtoi. 

Mldéa (jpan.), aus dem Urabijden ftammende Be- 
zeichnung fiir Dorf oder Weiler, findet fid) in vielen 
faniidher Ortsnamen; in Portugal und Brafilien 


dafür Uldeia, 3. B. Aldeia Gallega (ſ. d.). 


Aldebãran, Stern a (1. Größe) im Stier, mit 
rötlichem Licht, gehört gur Gruppe der Hyaden. 

Aldeburgh (Aldborough, fpr. adrbIrv0), Hafen: 
jtadt (municipal borough) und Seebadeort in Der 
engl. Grafſchaft Suffolt, bat (901) 2405 Einw., die 
Fiſcherei treiben; Geburtsort des Didhters Crabbe. In 
der Nähe L ei jt on mit Kloſterruine aus dem 14. Jahrb. 

Wlbegonde, Philipp von, f. Marnir. 

Al er (auch Alde Grave, eigentlich Trip— 
penmaker), Heinrich, Maler, Goldſchmied und 
Kupferſtecher, geb. 1502 in Paderborn, geſtorben um 
1560 in Soeſt, wo er tätig war, bildete ſich nad Al— 
bredjt Dürer, deſſen Zeichnung er befonders in femen 
zablreichen Kupferſtichen (ca. 300) nachabmte. Unter 
— Gemälden ſtehen ſeine lebensvollen, wenn aud 


in der Farbe etwas trocknen und harten Bildniſſe 


obenan, die fic) in der herben, ſtrengen Charafteriftif 
ebenfalls an die Unsdrudsweije Diirers anſchließen. 
Solche Bildnifje, die fein Monogramm 
und Jahreszahlen tragen, befinden fich in 
den Mufeen zu Breslau (1535) und Braun: G 
ſchweig (1541) und in der Galerie Liechten⸗ Q Mtde- 
jtein in Wien (1544). Bn feinen techniſch grever. 
vorzüglichen, aber fiinjtlerijd) wenig ge- 
ſchmackvollen Kupferſtichen behandelte er Stoffe ans 
Dem Alten und Neuen Tejtament, aus der Mythologie 
und mit befonderm Glück das Sittenbild (zwei Folgen 
von Hochzeitstänzern) und das Portrit (Bifbnifie der 
Wiedertiufer). Bon dauerndem Wert find feine im 
Stil Der Renaifjance gebaltenen Ornamentitiche (Vor⸗ 
lagen fiir Dolchſcheiden, Schmuchſachen x.), von de- 
nen 41 in Lidtdruden von Obernetter (Münch. 1876) 
erſchienen. A. gehört zu den fogen. Kleinmeiſtern. 
MldehHd Acetaldehyd. Athylaldebhyd, 
Wthylidenoryd, Wthanal)C,H,O oderCH,.CHO, 
findet fic) im Borlauf von der Spiritusreftiftfation, 
in den Dejtillationsproduften der vergornen Runtel- 
riibenmelajje, aud im Wein und Objtwein, entitedt 


bet Orydation von Alkohol, bei trocdner Deftillation 


von eſſigſaurem mit ameijenfaurem Ralf, bei Einwir⸗ 
fung von Waſſerſtoff im Entſtehungsmoment auf 
Ucetyldlorid oder Ejfighiureanhydrid, beim Erhitzen 


von Ycethlen mit Waſſer auf 325° und wird darge- 


jtellt, indem man Wlfohol mit Chromſäure behandeit. 
Das Deftillat wird in atherifder Loöͤſung mit Ammo—⸗ 


Aldehyddhlorid — Wlderney. 


nriaf gefaittiqt und das ausgeſchiedene Aldehydammo⸗ 
nial mit verdiinnter Schwefelſäure deftilliert. Tech— 
niſch wird A. aus dem Borlauf der Spiritusfabrifen 
Durd) fraftionierte Dejtillation gewonnen. Er bildet 
eine farbloje Flüſſigleit vom ſpez. Gew. 0,8, riecht 
atherartig erjtidend, miſcht ſich mit Wajjer, Alkohol 
und r, ijt höchſt flüchtig und fehr leicht entgiind- 
lich, fiedet bet 20,8°, brennt mit leudtender Flamme, 
reagiert neutral und oxydiert fid) an der Luft ſchnell 
au Eſſigſäure C,H,O,. Er bildet mit Ammoniak 
frijtallijierendes Uldehydammoniat, ebenfo mit 
faurem ſchwefligſaurem Natron eine frijtallifierende 
Berbindung. Setzt man ju A. etwas Ammoniak und 
dann jalpeterjaures Silber, jo bedeckt fic) dad Gefäß 
mit einem fdinen Silberfpiegel. A. ijt Alkohol C,H,O 
minus Waſſerſtoff, daber der Name: Al(cohol) dehyd 
(rogenatus), und durch Waſſerſtoff im Entitehungs- 
moment wird er ju Ulfohol redugiert. Wan benupt 
A. gur Darjtellung von Teerfarben, Krotondloral 
und Gilberjpiegeln und als Zuſatz ju Frudtathern. 
Bei Gegenwart von Spuren fremder Beimengungen 
bildet UW. ſehr leicht polymere Modijifationen. Unter 
O° entfteht Metaldehyd (C,H,O),, der farbloje, 
bei 112 — 115° jublintierende Nadeln bildet und, an- 
Haltend auf 60° erwirmt, fid in A. und Paral 
dehyd (C,H,O), verwandelt. Dieſer entiteht wie der 
vorige, aber bei gewöhnlicher Temperatur, bildet eine 
flare, farbloje Flüſſigkeit, riecht ätheriſch erſtickend, 
ſchmeckt brennend kühl, ſpez. Gew. 0,994 bei 20°, ſiedet 
bei 124°, erſtarrt in der Kälte kriſtalliniſch und ſchmilzt 
Dann wieder bei 10,5°. Er miſcht fic) mit Alkohol und 
Uther, lojt fich in kaltem leichter alsin warmem Waffer 
und dient als {dlafmadendes Urjzneimittel und zur 
Linderung von Atemnot. 

Aldehydehlorid, ſoviel wie Uthylidendlorid. 

Aldehyde, cine Klaſſe hemifder Verbindungen, 
die aus Ulfoholen durch Uustritt von Waſſerſtoff ent- 
fiehen und durd) Aufnahme von Sauerſtoff m die 
au dem Allkohol gehiorige Säure fibergehen: Alkohol 
C. H.O, Aldehyd C,H,O, Eſſigſäure C. H.O, Einige 
A. kommen in der Natur vor (Cuminaldehyd im Ro—⸗ 
miſchkümmelöl, Zimtaldehyd im Zimtöl), am häufig— 
ſten entſtehen A. durch Orydation der Alkohole: 


CH,.CH,.0H + 0=CH,.CHO + H,0, bei Deſtilla- : 
| Ronigen ernannt, dann von den Freigutsbejigern ers 


tion des Kallſalzes einer organijdenSaure mit ameijen- 
jaurem Stalf: ‘Bropionfaurer Ralf gibt mit ameijen- 
ſaurem Ralf Bropionaldehyd und fohlenfauren Ralf 
Ca(C,H,.COO), + Ca(H.COO), = 2C,H,.CHO + 
2CaCO,. Auch entſtehen fie aus einem Saureanhydrid 


285 


werden, vielleidht wird die von den Pflanzen aufge- 
nommene Kohlenſäure zuerſt gu Formaldehyd redu- 
iert, aus Dem dann durch Polymeriſation Zuder ents 
fat Underfeits hat man die Lebenstatiqfeit des 
Protoplasmas auf das Vorhandenfein von Widehyd- 
qruppen (CHO) zurückzuführen gefudt. 

Aldehydgriin (WU nilingriin) C,,H,,N,S,0 ent- 
jteht bei oe von Rosanilin mit Uidebyd und 
Schwefelſäure und des violetten Prodults mit unter- 
ſchwefligſaurem Natron in faurer Löſung. Griines, 
amorphes Pulver, löslich in Schwefelfiiure enthalten- 
dem Alkohol, wurde vor Entdeckung des Jodgrüns 
in der Färberei vielfach auf Seide, Wolle und Kattun 
(als Tannat) benutzt. 

Aldeia Gallega (A. G. do Ribatejo), Stadt im 
portug. Diſtrikt Liſſabon (Proving Eſtremadura), an 
einem bis gum Tejo ſchiffbaren Flußarm, mit Fijd- 
und Salzhandel und (1900) 8129 Einw.; Ausſicht auf 
die Bai von Liffabon. 

Wldenburg, Titel eines Reichsgrafengeſchlechts, 
das Anton, ein natiirlider, aber vom Kaiſer legiti- 
mierter Sohn des Grafen Unton Giinther zu Olden- 
burg und Delmenhorſt (geſt. 1667), 1653 begriindete. 
Durd) Charlotte Sophie (geo. 1715, gejt. 1806), Erb- 
todjter des Reichsgrafen Anton IL, fam der Beſitz, 
dad aus der Herridaft Kniphauſen, der unter däniſcher 

—— ſtehenden Herrſchaft Varel und oldenburgiſchen 
Guütern beſtehende gräflich aldenburgiſche Fideilom— 
miß, ant die jiingere weſtfäliſche Linie der Reichsgra— 
fen von Bentine (j. d.). 

Aldenhoven, Flecken und Wallfahrtsort im preuß. 
Regbez. Uachen, Kreis Jülich, an der Staatsbahniinie 
Aachen-Jülich, hat cine fath. Kirche, ein Amtsgericht 
und (1900) 1127 Einw. — Wm 1. Marz 1793 ſchlugen 
bier die Ojterreider unter dem Pringen Joſias von 
Roburg die Franzoſen unter Dumouriez; 2, Oft. 1794 
ſiegten legtere unter Dourdan über die Oſterreicher 
unter Clerfayt. 

Aldenobſt, nordamerifanijdes Backobſt. 

Alderman (ſpr. addermin; angelſächſ. Aldorman, 
Alteſter«), im Angelſächſiſchen Vorſteher einer Ge- 
noſſenſchaft, beſonders aber Titel der Oberbeamten 
der Kreiſe oder Grafidaften (shires) und der Wite- 
jten (senatores) des Reidjes, die, anfangs von den 





wählt, in den Vollsverſammlungen (witena-gemot) 
ſtimmten und in Kriegszeiten Die Miliz ihrer Graf- 
—* zu führen pflegten. Nach der däniſchen Er— 
oberung wurde der Name durch den der däniſchen 





oder dem Chlorid eines Säureradikals bei Einwirkung 
von Waſſerſtoff im Entſtehungsmoment: Acetylchlorid 
gibt Athylaldehyd CH, .COC! + 2H =CH,.COH + 
Cl. Die A. beftehen aus einem Wfoholradifal und 
der Utomgruppe CHO, 3. B. Ucetaldehyd CH, .CHO. 
Sie find filichtigqe, farbloje, angenehm riechende Flüſ⸗ 
ſigleiten, ſehr leicht orydierbar und durd große Be— 
weglidjfeit des Molelüls ausgezeichnet; ſie bilden mit 
ſauren ſchwefligſauren Alkalien und mit Ammonialk 
kriſtalliniſche Verbindungen, aus denen durch Deſtilla— 
tion mit Säuren oder Allalien der Aldehyd rein ge— 
wonnen werden kann. Durch Natriumamalgam wer⸗ 
den fie bei Gegenwart von Waſſer gu Ulfoholen redu⸗ 
jiert, mit ftarfer —— geben ſie zur Hälfte eine 
Säure, zur andern Hälfte den entſprechenden Alko— 
hol. Aus ammonialaliſcher Silberlöſung ſcheiden die | 
A. metalliſches Silber ab, das die Gefäßwandung 


Jarls (Carls) verdrängt. Jest bilden in den Städten 
Großbritanniens und } T. aud) in denen der Ver 
einigten Staaten von Nordamerifa die Aldermen 
den vierten Teil des Stadtrats, an dejjen Spike der 
Mayor (in London, York und Dublin Lord-Wayor) 
jteht, Der aus den Wldermen auf ein Jahr gewählt 
wird, während diefe jelbjt von den Stadtverordneten, 
welche die iibrigen Drei Viertel des Stadtrats bilden, 
in London aber direft von den Wabhlberedtigten eines 
jeden Stadtviertels (ward) gewählt werden. (Qn den 
Vereinigten Staaten heißen bisweilen aud alle Stadt- 
ratsmitglieder A.) Sie führen die polizeilidje Ober- 
aufſicht liber Den Dijtrift, den fie vertreten. Die drei 
älteſten unter ihnen jowie die, welche bereits die Wiirde 
des Mayors befleidet haben, find zugleich Friedens- 
ridjter. 

Wldernevy (jr. Giderni, franz. Uurigny, dag alte 


ſpiegelnd befleidet. A. fpielen vielleicht im Leben der | Arica oder Riduna), engl. Felſeninſel im Kanal, an 
Pflanzen und Tiere eine Rolle. Traubenzucker fann | der franzöſiſchen Küſte, weſtlich vom Rap de la Haque, 
als ſechsfach polymerijierter Formaldehyd aufgefaft | die ndrdlidjte der englijden Kanalinſeln, 7,9 qkm 


286 Alderfhot — Aldobrandiniſche Hochzeit. 


groß mit (1901) 2062 Einw., die einen aus dem Eng: | war und ſich feit 1818 in der vatifanijden Bibliothel 
lifchen und Franzöſiſchen gemiſchten Dialeft ſprechen, befindet. Die dargeftellte Szene (f. Ubbild.) wird dabin 
ſteht unter dem Gouverneur von Guernfey und er- | gedeutet, daß der Künſtler den Wugenblid geſchildert 
eugt vortrefflide Mild und Butter, das Prodult einer | hat, wo die Braut durch Aphrodite oder grit (die 
jondern Yrt kleiner Kühe. Weſtlich davon find ge- | Gittin der Überredung) im Haufe ded jungen 
fährliche Rlippen, the Caskets genannt, mit 3 Leudjt- | vorbereitet wird, diejen, Den vor Der Tiir ded Ge- 
tiirmen. Cin groper Zufludts- und Kriegshafen bei machs figenden, mit Efeu bekränzten, balbbefleide- 
dem Dorf Braye, auf der Nordjeite der Inſel, ijt nie | ten Diingling, im Thalamos (dem Brautgemad) zu 
vollendet worden, und fein 1200 m flanger Sdug- empfangen. Dieſer Erklärung hat K. Robert (im 
damm ijt cin Spiel der Wellen. Hauptort ijt St.-Wnne 
(im Innern). Der Kanal zwiſchen W. und dem Map de | 
la Hague, Race von A. qenannt, ijt wegen der Starke | 
und Schnelligleit feiner Put ſchwierig ju befabren. 
Wlderfhot (pr. Diderſchod, Stadt m = 





(England), 22 km djtlid von Baſingſtole, neben dem 
1854 erridteten ftehenden Lager emporgewadjen, mit 
1901) 30,974 Einw. Das Lager befteht aus zwei Grup- 
pen von Gebäuden, dem fogen. North: und South- 
Camp (jest Marlborough- und Stanhope - Lines ge- 
nannt); in legterm Die Ullerheiligenfirde und der 
fonigliche Bavillon. Der Exerzierplatz dehnt fic) 4 km 
weit im N. des Hiigels Caejar's Camp aus, auf dem 
die Reiterjtatue des Herzogs von Wellington (von 
Wyatt) jteht. 

{dien (langob. Aldiones), bei ben Bayern und 
Langobarden die Bezeichnung der Horigen (j. d.). 

(dinen, Druciwerfe aus der Offizin der Bud | 
druderfamilie Manutius (f. d.) gu Venedig (15. und) 
16. Jahrh.), nad) der aud) eine gefillige moderne 
lateinijche Schriftgattung benannt wird. 

Pdini, Untonio, Graf, ital. Staatsmann, 
gee. 27. Dey. 1755, gejt.5. Oft. 1826, war in Bologna 

vofat und Profeſſor der Rechte, nad aa 





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der Cisalpinijden Republif Priifident im Rate der 
Ulten, dann Witglied der Regierungsfommiffion. 
1801 wurde er sum Ditglied des ebenden Rats 
der Republik Stalien ernannt, 1803 infolge feiner 
Zwiſtigleiten mit Melzi entlaffen, nad der Erridtung 
des sate Stalien aber von Napoleon gum Gra- 
fen und Winijter ernannt. Nad Napoleons I. Sturz 
lebte er in Mailand, im Vertrauen der öſterreichiſchen 
Regierung. Bgl. Sanolini, Antonio A. ei suoi 
tempi (flor. 1864 — 67, 2 Bde.). 

{dobrandini, florentin. Familie, von Papſt 
Clemens VIII. yur Fiirjtenwitrde erhoben. Sal— 
vejtro A., berühmter Rechtsgelehrter, geb. 24. Nov. 
1499 in Florenz, ward 1531 als Geqner der Medici 
aus Florenz verbannt, trat in päpftliche Dienjte und 
jtarb als Udvofat des Fisfus und der apojtolijden 
Kammer in Rom 6. Juni 1558. Bon jeinen Söhnen 
war ber jiingite, Ippolito A., als Clemens VIII. 
(1592 —- 1605) Bapjt; Giovanni wurde 1570 Kar— 
dinal; Pietro jeichnete fich als jurijtiider Schrift: 
teller aus. Des legtern Sohn Pietro (geb. 1572 in 
Rom) ward mit 22 Jahren Kardinal und leitete wäh— 
rend der Regierung feines Oheims Clemens VIII. die 
politifcen Ungeleqenheiten des Kirchenſtaates; er ſtarb 
1621 als Erzbiſchof von Ravenna. Nod) mebhrere U. 
wurden Kardinäle oder ſonſtige Wiirdentriiger; die 
DHauptlinie des Geſchlechts erloſch 1681 mit Ottavia, »Hermes«, 1900, 1V., S. 6577.) cine andre gegentiber- 
Todjter des Wiorgio A., Fürſten von Roſſano. Die geſtellt, die ſich vornehmlich auf die auffällige Erſchei⸗ 
Wiiter des Hauſes fielen an die Borgheſe und Pamfili, nung des Bräutigams gründet. Neben der zuredenden 
eine Seitenlinie der erſtern führt Den Titel Fürſt A. Aphrodite und der ts von ihr ſtehenden ſalben 

Aldobraudiniſche Oochzeit, ſo genannt nach ſpendenden Charis iſt auch der sSiingling eine gittliche 
dem erjten Bejiger, ein antifes — (nad Verſon, der Brautführer Hymendos, der, auf der 
cinemt ausgezeichneten griechiſchen Borbilde), das, in Schwelle figend, des Augenblicks harrt, wo die Braut 
der Wie der Mirde Santa Maria Maggiore su Rom in feierlidem Hochzeitsjug aus dem Elternhaus in 
in den chemaligen Garten des Mäcenas 1606 auf. das Haus ded jungen Gatten geleitet werden foll. Auf 
gefunden, zuerſt tm Bejig des Rardinals Aldobrandini | der rechten Seite jind die Borbereitungen gum Hod 


“PHONG Wopyva ‘uroye) y}9' God aPjpurquoagogy ys ag 














Aldol — Aldrovandia vesiculosa. 


itszuge bargeftellt: die Zitherſpielerin, die Sflavin, 

ie Den Dedel vom Thymiaterion (Räucherbecken) ab- 
hebt, und die mit emer Blatterfrone gejdmiidte Nym⸗ 
pheutria (die Brautfiihrerin). Auf der linten Seite 
fieht man auf hohem Unterjag das Weihwaſſerbecken, 
aus dent die Braut beim Verlaſſen des jungfrauliden 
Gemachs beiprengt werden foll. Cine gelungene Nach⸗ 
ahmung findet fic) in Muſeum gu Berlin, eine gute 
Kopie aud) im Univerfitétsmujeum zu Halle. Ral. 
butterfaurealdebhyd) C,H,O, 


Badttiger, Die U. H. (Dresd. 1810). 

Alol (Or » 
oder CH,.CH(OH).CH,.CHO entjteht aus Aldehyd 
CH,.CHO bei Einwirkung falter ag durd) Kon⸗ 
denjation, ijt farb- und geruchlos, dickflüſſig, miſch— 
bar mit Waſſer und Alkohol, fiedet bei 9O —105° und 
zerfällt bet 135° in strotonaldehyd und Wafer. 

Aldoxime, ſtichſtoffhaltige Produfte der Einwir— 
kung von Hydroxylamin af Widehyd, flüchtige Flüſ⸗ 
ſigkeiten, die mit Säurechloriden Nitrile bilden. Acet— 
—— C,H,NO oder CH,.CH.NOH riecht ſchwach 
aldehydartig, miſcht fic) mit Waſſer, Wlfobhol und Ather, 
fiedet bei 115°, gibt mit Säuren Hydrorylamin und 
Aldehyd. 

Aldr., bei naturwiſſenſchaftlichen Namen Ubfiir- 
jung fiir U. Wldrovandi (j. d.). 

Wodrid (fpr. Golbritig), Thomas Bailey, ameri- 
fan. Sdpriftteller, geb. 11. Nov. 1836 in Portsmouth 
(New Hampihire), war erjt Kaufmann, dann Mit- 
arbeiter an mebreren Seitidriften in New Yorf und 
ſpäter Redafteur von »Every Saturday« und »Atlan- 
tic Monthly« in Bojton, wo er zur Zeit lebt. Bon 
feinen poetiſchen Werfen find zu nennen: »The ballad 
of Babie Bell« (1858), »Pampinea« (1861), »Cloth 
of gold« (1874), »Friar Jerome's beautiful book« 
(1881). Seine Brofajdriften bejtehen aus den No— 
vellen »Out of his head« (1862), »The story of a 
bad boy« (1870; deutſch, Leipz. 1875), » Marjorie 
Daws«, »Prudence Palfrey« (deutſch, Daj. 1874); 
» The Still water tragedy<, Reiſeſchilderungen, Hu- 
moresten xc. Sein Drama »Mercedes« (1884) wurde 
mit Erfolq gegeben. Geine »Complete poetical and 
prose works« erjdienen in 8 Banden (Boſton 1897). 

Wldridge, Ira (or. aird Gtorinfg), Schaufpieler, 
ein um 1805 am Senegal geborner Reger, follte wie 
fein Bater Miffionar werden und ging ju dem Behuf 
1825 nad) Glasgow, folgte aber bald feiner ſchon 
frither erwadten Neigung zur Bühne und debiltierte 
1826 an einem fleinen Theater Londons als Othello, 
der in der Folge neben Macbeth, Ricard IIL, Shy- 


lod, Mohr im »Fiesco« u. a. gu feinen beliebtejten | 
Partien gehirte. Bis 1852 jpielte UW. in den Provin— 
zialſtädten Grogbritanniens und unternahm darauf | 


mit einer von ihm geleiteten Schauſpielergeſellſchaft 


eine Reiſe nad) dem Feſtland, wo er in allen Haupt: | 


ſtädten mit grofem Beifall auftrat. 1857 als Mit- 
glied des Coventgarden-T heaters engagiert, vermodte 
YW. nidt, Dauernd gu gefallen. Er fiihrte dann ein 
Wanderleben in Rugland, Ungarn und Franfreid 
und ftarb 7. Aug. 1867 in Lod; (Bolen). Sein Spiel 
ſchloß fich in Der Darjtellung leidenfdaftlider Erregt- 
heit an die ſtark realijtijdje Manier der englifden 
Schaujpieler an, dod) wußte er aud) die weichern 
Seelenjtimmungen jum Uusdrud zu bringen. 
Widringen (Ultringer, aud Aldringer), Jo— 
hann, Graf, taijerlider General im Dreifigjabrigen 
Striege, qeb. 10. Dez. 1588 in Diedenhofen, gejt. 22. 
Juli 1634. Aus adliger Familie jtammend, be- 
qleitete er einen vornehmen Herrn auf Reiſen durd 
teuropa, die in aud) an die Barifer Univerjitit 


287 


| bracdhten. 1606 erjdjeint er als⸗Doppelſöldner · in ſpa⸗ 
nijden Dienjten, ward 1611 Fähnrich, 1618 Haupt: 
mann im erjberzoglid) tirolijden Landbheer, 1621 
faijerlicjer Unterbefeblshaber, 1624 Hoffriegsrat und 
Weneralfriegstommifjar. Mit einigen Regimentern 
verteidigte er 11.— 24. April 1626 den Briidenfopj 
bei Defjau gegen Ernſt von Mansfeld und ward da: 
fiir 1627 ReidSfreiherr. Nachdem er 1628 Mecklen— 
burg fiir Wallenjtein in Beſitz genommen hatte, wurde 
er von Ferdinand I. nad der Lombardei gejandt, 
wo er an der Eroberung von Mantua (18. Juli 1630) 
teilnahm und fic) des Herzogs Schätze und Bibliothet 
aneignete, Die er {pater ſeinem Bruder, dem Biſchofe 
von Sedau, vermadte. 1631 gum Feldzeugmeiſter 
befördert, zwang er den Herzog von Wiirttemberg, 
jid) Dem Kaiſer ju unterwerfen, und vereinigte fid 
nad) der Schladt bei Breitenfeld mit Tilly in Heſſen. 
Nad Tillys Tode mit dem Oberbefehl über das ligi- 
| ftifche Heer betraut und 10. März 1632 in den Reichs⸗ 
eo erboben, kämpfte er mit Wallenjtein bei 
lirnberg. Wis Feldmarjdall operierte er 1633 mit 
den Spaniern unter dem Herzog von Feria in Bayern 
und Sdiwaben gegen Horn und Bernhard von Wei- 
mar. Er lie} fig endlid) von der Hofpartei gewinnen, 
Wallenjtein entgegen ju handeln, ohne ihn aber, wie 
ihm aufgetragen war, in Pilſen gefangen gu nehmen. 
Im Sommer 1634 mit der Wufgabe betraut, die 
Schweden von der Mitteldonau und aus der Ober- 
pfalz ju vertreiben, fiel er bet der Verteidigung ded 
liberganges fiber die Siar bei Landshut. Seine Schwe⸗ 
fter und Erbin vermählte fid) mit dem Grafen Clary; 
ihre Nadfommen fiihren den Namen Clary-A. Val. 
Brohm, Johann von VW. (Halle 1882); Hallwid, 
Joh. A., cin Brudjtiid aus feinem Leben (Leipz. 1885). 
Wldrovandi, Uliſſe, Zoolog, geb. 11. Gept. 
1522 in Bologna, gejt. 1. Mai 1605, ftudierte feit 
1539 in Bologna die Rechte, Dann in Pija Philo— 
fopbie und Medizin und wurde 1549 als angeblider 
Hiretifer in Rom eingeferfert und bis zum Tode ded 
Papjtes Raul ILL gefangen gehalten. Nac feiner Be- 
freiung widmete er fic) Dem Studium und der Sdil- 
derung der antifen Statuen, ſammelte Pflangen und 
Hilde und ward 1561 Dozent der Arzneimitlellehre; 
1568 qriinbdete er in Bologna einen botaniſchen Gar- 
ten. Für fein zoologiſches Werk, in dem er reidjhal- 
tiges Material unter Beriidjidtiqung der Unatontie 
zu ordnen fudjte und sablreide naturbijtorijde No- 
tigen gujammenbradjte, bebandelte er felbjt nur die 
Vogel, Inſelten und niedern Tiere; die übrigen Bande 
gaben Uterverius, Dempjter und Bartholomaus Unv- 
rojinus heraus. Das Werk eridien unter folgenden 
Titeln: » Ornithologiae libri XII « (Bol. 1599- - 1603, 
3 Bde.; zuletzt daſ. 1861); »De animalibus insectis 
libri VII- (daſ. 1602, zuletzt 1638); »De reliquis 
animalibus exsanguinibus libri IV« (daj. 1606, zu— 
lest 1654). Die iibrigen Bande erſchienen 1613-42. 
A ſcheint aud) zuerſt em Herbarium im heutigen Ginn 
angelegt ju baben und ſchrieb: »Dendrologiae nata- 
ralis libri Il« (Bol. 1668; 3. Wufl., Frankf. 1690); 
»Pomarium curiosum« (Bol. 1682). Val. Fantug zt, 
Memorie della vita di Ulisse A. (Mol. 1774). 
Aldrovandia vesicul6sa L., Drojerajee, wur- 
zellos ſchwimmende Waſſerpflanze, in Queensland, 
ngalen, Oberitalien, Südfrankreich, bei Rybnik, 
Krakau, in Litauen, mit fadenförmigem, wenig ver— 
zweigtem Stengel und kleinen, quirlſtändigen Blät⸗ 
tern. Dieje beſien einen am Ende mit langen Wim- 
pern beſetzten Stiel und cine mujdelartig sweiflappige 
und mit reigbaren Borjten bejegte Sprette, die fich, 





! 





288 


Albus Manutius — Alecfandri. 


. B. durd cin Inſelt gereizt, sufammentlappt. Die | mia giovinezza«, in ber fic) finnige Träumerei mit 
einen weißen Bliiten ſtehen einzeln im den Blatt- feuriger Hingabe an die Sade der nationalen Unab- 


achſeln, die Frucht iit eine fiinfflappige Kapſel. S. 
Tafel ⸗Inſektenfreſſende Pflanzen«. 
loud Manutius, ſ. Manutius. 
Ale (engl., fpr. ei), ſ. Vier. 
Wléa, arfad. Stadt im Gebiet von Stymphalos, 


hängigkeit des Vaterlandes verbindet. Tief empfun- 
den Tb die »Lettere a Maria« (1848). Nachdem A. 
1848 bei der proviforijden Regierung Venedigs tatig 


—— und dafür in Mantua eingelerlert worden war, 


nit einem Tempel des Dionyſos, dem alljährlich ein | 
Feit mit Kultbrauden, die an Menſchenopfer erinner⸗ 
| e la Fornarina« (1858) erſchienen die bedeutiame Qan- 


ten, qefeiert wurde. Reſte bei Bugiatt. 
Aléa jacta est (lat., »der Wiirfel ijt geworfens), 


Ausruf Cajars, als er, den Rubicon überſchreitend, 


den Biirgerfrieg begann; nad andern rief er viel- 
mehr » Der Wiirfel fei 
ofpda 6 xifos, ein 
nanbders. Später bat Ulric) v. Hutten das Wort als 
Wahlipruch übernommen, ſowohl lateiniſch als deutſch: 
»Ich hab's gewagt.« 

Wleduder, Hicronymus, Kardinal, geb. 13. 
Febr. 1480, geit. 1542, jtudierte anfangs Medizin, 
dann in Badua Theologie und alte Spradjen. Papſt 
Wlerander VI. madte thn 1501 gum Sekretär feines 
Sobnes Cefare Borgia und gebraudte ihn gu diplo- 
matijden Sendungen. Seit 1508 war A. Brofeffor des 
Griecdhifchen an der Univerfitat gu Baris und wurde 
1513 ihr Reftor. Bom Fürſtbiſchofe von Lüttich 1515 
zum Rangler ernannt, zeichnete er fid) in Der Verwal- 
tung aus, wurde 1517 Bibliothefar Papſt Leos X., 
entwarf mit Ed die Bannbulle gegen Luther, wurde 
1520 als päpſtlicher Nunzius nad Deutidland ge- 
fcidt und fegte auf Dem Reidstag zu Worms (1521) 
die Uchtserfldrung gegen Luther durd. 1524 gum 
Er biſchof von Brindiſi ernannt, befand A. ſich 1525 
als päpſtlicher Legat bet Konig Franz J. und wurde 
mit dieſem in der Schlacht bei Bavia qefangen. 1531 
erfcien er abermals in Deutidland als Nunzius des 
Papjtes mit dem Auftrag, eine friedlicje Uuseinander- 
ſetzung der Ratholifen und Proteſtanten zu verhindern. 
Dod) vereitelte der Religionsfriede ju Niirnberg den 
Hauptswed feiner Miſſion. Auch eine dritte Sendung 
1538 hatte weniq Erfolg. 1538 wurde A. gum Kar— 
dinal erboben. Sein » Lexicon graeco-latinum« (far. 


1512), das bejte feiner Heit, ijt jest eine bibliographi- | 


ſche Seltenheit. Außerdem edterte A. mebhrere griechi 
ſche Autoren und lieferte cine griechiſche Grammatik. 
Auch als Dichter erlangte er Ruf. Für die Reforma— 
tionsgeſchichte ſind ſeine Briefe (abgedruckt in Fried— 
rid), Der Reichſstag von Worms nad den Briefen 
Wleanders, Münch. 1872, und in Brieger, Quellen 
u. Forſchungen zur Gefdichte der Reformation, 1. Teil : 
A. und Luther 1521, Gotha 1884) widtig. Val. Jan— 
fen, U. am Reichstag ju Worms (Riel 1883); Ral lo ff, 


Die Depefdhen des Nunzius A. vom Wormer Reidstag | 


(itberjetst rc., Halle 1886); Friedensburg, Legation 
Uleanders 1538-1539 (Numyiaturberidte; 


Sit auf griechiſch dvep- | 


Sitat aus einer Komödie Me: | 


otha | 


eqleitete er Dod) aud ferner die weitern Schickſale fei- 
nes Baterlandes nuit begeijterten und wirfungsvollen 
Geſängen. Neben der harmlojen Dichtung » Raffaello 


zone »Le citta italiane marinare e commercianti« 
(1856) und +I] Monte Circello« (1858), und 1859, 
furg vor Dem Ausbruch des Krieges mit Ojterretd, 
das poefievolle » Triste dramma«. Rad vollfommen 
ungeredtfertigter abermaliger Gefangenſchaft m Jo⸗ 
fephitadt febrte A. nach dem Friedensidluy in fem 
Vaterland juriid, wurde Mitglied des Parlaments. 
1864 Profeſſor der Withetit in Florenz und Mitglied 
des Senats (1873). Bon Didtungen hat er nod »1 
sette soldati« (1861) und den » Canto politico< (1862) 
gegen Pius LX. verdffentlidt. Cine volljtindige Mus. 
gabe der »Canti di A. A.« (7. Aufl.) eridien Florenz 
1889; eine Uuswahl in deutider Überſetzung von 
Kitt (Baſ. 1872). G. Trezza veröffentlichte den »Epi- 
stolario di Aleardo A.« (Verona 1879). Bgl. Roi} o, 
La vita e i canti di A. A. (2. Aufl. Foffano 1900). 

Wledtico, ſ. Italieniſche Weine. 

Aleatõo riſch (v. lat. alea, Würfel), auf das Würfel⸗ 
ſpiel bezüglich, gewagt. Aleatoriſche (gewagte) Ber- 
träge find ſolche, bei denen Gewinn oder Verluſt von 
dem Eintritt oder Nichteintritt zulünftiger ungewiſſer 
Ereigniſſe abhängig gemacht iſt. Gemeinrechtlich zähl— 
ten dazu: Spiel, Bette, Doffnungstauf, Verſiche 
rungsverträge aller Art, Lotterie, Leibrente x. Das 
deutſche Bürgerliche Geſetzbuch kennt keine beſondere 


Kategorie der aleatoriſchen oder gewagten Verträge. 


Bal. jedoch Spiel und Wette. 

nr ass “tg Griqore, ruman. Dichter und 
Staatsmann, geo. 1812 in Tirgoviſti in der Walachei. 
geſt. 1886 in Butarejt, jtudierte am Kollegium St. 
Sava in Bufarejt, trat unter Ulerander Ghilas Re- 
gierung in die Armee, nahm aber nad 3 Jahren 
mit Dem Range eines Offiziers feinen Ubfdied, um 
als Schriftiteller und Bolitifer fiir die Oppofitions- 
partei 3u wirfen. Seine politiſchen Satiren und Fabeln 
gewannen ihm rajd) Bopularitat. Befonders aber trug 
er durch feine Dichtungen » Das Jahr 1840<, worn 
er in ſchwungvollen Worten die Wiinide des Landes 
ausiprad, zur Erwedung der Geijter bei. Unter der 
Regierung G. Bibescus (1842 — 48) angeftellt, blieb 


er tm Minijterium tatig, ward unter Wlerander Cuſa 





1893, 2 Bde.); »Journal autobiographique du car- 
dinal Jérome A.« (brsg. von Omont, Bar. 1895). | 


Whedrdi, Uleardo, Graf, ital. Dichter, ged. 
4. Rov. 1812 in Berona, geſtorben dafelbjt 17. Juli 
IS78, jtudierte zuerſt Boilofophie und Naturwiſſen 
ichaften, danach Rechtswiſſenſchaften, bewarb fic) aber, 
politiid verdächtig, vergebens um eine Anſtellung im 
Staatsdienit. Auch feine poetiſchen Werte konnten ihrer 


nationalpolitijden Tendenzen halber 3. T. erjt lange | 


nad ihrer Entitehung gedrudt werden. Das Gedidt 


»Arnalda« (1842) war zwar nod frei von folden | 


Tendenzen; Dagegen finden fie ſich ſchon reichlich in 


den »Prime storie« (1845), Die erit 1857 erfdeinen | 


fonnten. Aus derfelben eit ftammt »Un' ora della 


Kultusminiſter fowie kurze Zeit aud) Fimangminijter. 
1860 wurde er zum Mitgliede der fogen. Zentralfom- 
miſſion, endlid) L866 von König Karl J. gum Mitgliede 
des Seneralfomitees der Theater ernannt. Seine poe- 
tijden und profaifden Werle erſchienen gefanumelt 
u.d.Z.: »Meditatii, elegi, epistole, satire si fabule«< 
(Bufar. 1863). 

Wlecfandri, Vafile, rumin. Dichter, qeb. 1821 in 
der Moldau, gejt. 1890 in Paris (auf ſeinem Land- 
qut Mirceſti in der Moldau beigelegt), wurde 1834— 
1839 in Baris ausgebildet, war nad feiner Riidtehr 
ein cifriger Witarbeiter an dem 1840 von Cogal- 
niceanu geqritndeten, aber ſchon 1842 unterdriidten 
journal »Dacia literarae und übernahm 1844 mit 
jenemt und Negruzzi die Leitung des rumäniſchen und 
franzöſiſchen Theaters in Jaſſy, fiir das er eine Reihe 
von Lujtipielen (Jaſſy tm Karneval«, » Die Dorf- 
hodjeits, > Madame Kiritza in Jaſſy · xc.) ſchrieb. Seit 


Alecjandrie — Alemannen. 


289 


1848 verweilte er wegen ſeiner Beteiligung an den deren Körner er fraß, wurden zur Antwort geordnet. 


Aprilunruhen längere Zeit in Paris und ward 1857 
Mitglied des Diwans fiir die Verfaſſungsangelegen⸗ 
heiten,, dann 1859 bis Mai 1860 Minijter des Wus- 
wirtigen. Seitdem Iebte er meijt auf jeinem Land- 
gute, bis er 1885 als Gejandter nad Baris ging. Er 
ſchloß ſich Der von der jogen. Junimea geqriindeten 
Revue »Convorbiri literare« an, in Der feine bejten 
Yirbeiten erſchienen. 1874 truq er bei dem von der 
Gejellichaft der romantiden Spraden zu Montpellier 
veranjtalteten Wettfampf mit ſeinem obgelang auf 
Die lateiniide Raſſe den Preis davon. Alecſandris 
lyriſche Dichtungen find ſtimmungsvoll und äußerſt 
formagewandt, feinen Dramen feblt e3 an Leidenſchaft 
und eben. »Ovidine (deutſch von Stern, Hermannit. 
1886), »Fintina Blandusiei«, »Despot-Voda« ern- 
teten trogdem auf dem Rationaltheater Bulareſts Bei⸗ 
fall. Große Beliebtheit erlangten feine wahrend des 
ruijtid-tiirfiiden Krieges 1877/78 verfakten Kriegs- 
lieder, und verdienjtvoll ijt feine Sammlung rumä— 
niſcher Vollslieder und Sagen (einige deutid von W. 
v. Ropebue: »Rumäniſche Vollkspoeſie«, Berl. 1857). 
Seine »Opere« erjdienen ju Bufarejt 1873—76 in 
7 Banden, jeine Bühnenſtücke 1875 in 4 Banden. Ge- 
Dichte Ulecjandris in deutider Überſetzung finden ſich 
in der Sammlung »>Ruminijde Dicdhtungen« von 
Carmen Sylva (hr8g. von Mite Kremnig, 3. Aufl., 
Bonn 1889). S. 305. 
WMlecfandrie, rumin. Stadt, ſ. Ulerandria 1, 
Wledramiden, oberitalien. Fürſtengeſchlecht, def- 
fen Ahnherr, Martgraf Aledram J., 933—948 urfund- 
lid) begeugt ijt. Bon ihm ftammen die Marfgrafen 
von Bajto, von Saluzzo, von Montferrat u. a. ab. 
Aleiptes (qried)., »Cinjalber«), in den altgriedi- 
ſchen Gymngſien derjenige, der vor und nad der 
libung mit Of einrieb oder gum jwedmapigen Ein: | 
reiben anleitete, auch derjenige, der Uthleten die ndtige 
LVebensweije, namentlich die pafjende Diät, angab. Bei 
den Romern waren Aliptae Sflaven, die im Bade | 
frottierten und falbten. Iatraliptae find in fpiiterer | 
Beit Ärzte, die Maſſage anwendeten und dadurd) 
—— kräftigen, blühenden Körperhabitus herzuſtellen 
uchten. 
Alẽeko Paſcha (Fürſt AlexkanderVogorides), 
titrf. Staatsmann, geboren um 1825 aus altbulga⸗ 
riſchem Geſchlechte, das mit griedhifden Familien aus | 
Dem Fanar vielfad —— war, Sohn ded Für⸗ 
jten Wlerander von Samos, bildete fic) 10 Jahre lang | 
in Wejteuropa, trat dann in den tiirfijden diplomas | 
tiſchen Dienjt und war Botſchafter in Wien, als er 
1877 vom Grofiwejir Edhem Paſcha nad Konjtanti- 
nopel berufen wurde, um fid) gegen die Unflage der 
Verlesung türkiſcher Staatsinterefjen zu verteidiqen. 
A. legte feinen Poſten nieder und ging nad Karis in 
fretwilliqe Berbannung. Bor Mat 1879-— 84 war | 
er Generalgouverneur von Ojtrumelien. 
Alẽkſin, Kreisjtadt im ruff. Gouv. Tula, an der | 
Ofd und der Eiſenbahn Syfran-Wijasma, hat 4 Kir— 
chen, Talgfiedereien, Gerbereien, Handel mit Brettern, 
* Hauten und 1897) 2268 Einw. 
(éfto (gried)., die »nimmer Rajtende«), eine der 
Erinnyen (}. d.). , 
Alẽktovogel, ſ. Webervigel. 
Alektryomachiĩe (griech.) Hahnenkampf, ſ. Huhn. 
Alektryomantie (qried.), »Hahnwahrſagung«, 
Wahrſagung aus dem Freſſen der Vogel (j. Augurn). 
Man jog eine Kreislinie, ſchrieb die Buchjtaben des 
Ulphabets darauf, leqte auf jeden cin Norn und ließ 
den hineingeſetzten Hahn frefjen. Die Budhjtaben, 
Meyers Ronv.+Lezifon, 6. Aufl., L Bd. 








In ähnlicher Form nod heute in Rußland gebräuchlich. 
Aleman, Mateo, ſpan. Romanjdriftiteller, ge- 
boren um 1550 in Gevilla, war lange Beit berm 
Reichsſchatz angeſtellt, entiagte infolge eines drgerliden 
RechtShandels feinem Yant und wanderte um 1609 
nad) Merifo aus, wo er wahrſcheinlich ftarb. Sein 
Hauptwert ijt Der durch treffliche Sittenidilderumg 
und vorzügliche Darjtellung ausgezeichnete Schelmen⸗ 
roman »Vida y hechos (od. Aventuras y vida) del 
picaro Guzman de Alfarache, atalaya de la vida 
humanas (1599), defjen erjter Teil ſogleich 3, inner: 
halb der nächſten 6 Jahre nod) 26 Auflagen und 
liberjepungen ing Franzöſiſche und Italieniſche er- 
lebte. Der gitnjtige Erfolg veranlafte einen litera- 
riſchen Freibeuter zur Herausqabe eines unedjten zwei⸗ 
ten Teiles, der 1603 in Barcelona eridien, während 
der echte zweite Teil von A. ſelbſt erſt 1605 in Balen- 
cia veröffentlicht wurde. Cin verſprochener dritter Teil 
ijt nie erjdienen. Der Roman, der aud) in ſtiliſtiſcher 
Hinſicht cin Meijterwerk ijt, wurde in fajt alle Spra- 
den iiberjest, von Rafpar Ens 1623 ſelbſt ing Latei- 
nijde. Die älteſte deutſche Überſetzung lieferte Agidius 
Albertinus: »>Der Landſtörzer Gusman von Alfa— 
radee (Miind. 1615, 2 Tle.), wozu ein dritter Teil 
von Freudenhold fam (daſ. 1632); eine neuere bejorgte 
Gleich (Magdeb. 1828, 4 Bde.) im Anſchluß an ge 
ſages franzöſiſche, gelürzte Bearbeitung (Par. 1772). 
Die bejte Ausgabe des Originals findet jid in Band3 
von Rivadeneyras » Biblioteca de autor. espaiioles« 
(Madr. 1846), wo aud der unechte zweite Teil ab- 
gedrudt ijt; Einzelausgabe Barcelona 1885. 
Mlemannen (Alemanni, beſſer Alamanni), cine 
Vereinigung germaniſcher Stämme und Stammes- 
iplitter, vertrieben die Romer aus ihren Beſitzungen 
am obern Rhein und an der obern Donau. 213 er— 
focht Raijer Caracalla iiber fie am Oberrbhein cinen 
Sieq; 234, unter dem Kaiſer Ulerander Severus, 
fielen fie von neuem in das Zehntland ein und wur- 
Den erjt 236 von Maximinus iiber die Grenze juriid- 
qetrieben. Wher ſchon 253 iiberidritten fie, 300,000 
Mann ſtark, den Rhein, zogen pliindernd durd Gallien 
und fiber die Ulpen und drangen bis Mailand vor. 
Kaiſer Gallienus trieb fie zurück, fonnte aber die An⸗ 
fiedelung alemannijder Scharen am Oberrbhein nidt 
hindern. 270 brachen fie, mit Marfomannen vercint, 
abermals in Stalien ein, ſchlugen den Kaiſer Uurelia- 
nus bei Mailand und Piacenza, wurden aber fdlieh- 
lid) 271 bei Fano und Pavia befiegt. Probus jagte 
fie 275 fiber die Schwäbiſche Alb und den Necar zurück 
und fudjte die Grenge durch Lager und fejte Werke 
(276) 3u ſichern; aber gleich nad) jeinem Tode (282) 
fiel 283 das Land diesjeit Des Rheins, der nunmehr 
Grenze ward, und wejtlid) von der Iller wieder in 
die Hande der A. Conjtantius errang tiber die A. 
zwei Siege bei Langres und Vindoniſſa. Selbſt des 
Nulianus groker Sieg bei Straßburg (357) hatte 
ebenjowenig die erwarteten dauernden dolgen wie die 
Siege der Kaiſer Valentinian (368 bei Solicinium im 
Schwarawald) und Gratian (378 bei Yrgentaria in 
der Nabe von Rolmar). Seit der Mitte des 5. Jahrb. 
waren die A. im Beſitz des Maingebiets, Sdwabens, 
der Schweiz und des Elſaß. Ws jie ndrdlic in das 
Land der ripuarifden Franfen eindringen wollten, 
bejiegte fie Der Franfenfinig Chlodwig 496 im obern 
—* entriß ihnen das Maingebiet und unterwarf 
ſie der fränkiſchen Oberhoheit. Ein Teil der A. floh 
und erhielt von dem Ojtgotentinig Theoderid) Wohn⸗ 
fige in Ratien, von wo aus fie 553 einen verbeerenden 
' 19 


290 Alemanniſche Geſetze — Wlencon. 


Einfall in Italien machten. Beim Verfall der Dynaſtie »Réflexions surlestyle« und andere, höchſt geiſtreiche 
der ſtarolinger entſtand ein Herzogtum Aleman- Schriften, denen er vorzüglich ſeinen ſtiliſtiſchen Ruf 
nien, das, von Burkhard geſtiftet, im 10. und 11. verdankt. Yn der Philoſophie neigt er zur Stepps; 
Jahrh. bedeutend war, aber 1096 unter die Häuſer er wird zu dem Glauber gedriingt, dak es aufer uns 
Staujen und Rabhringen geteilt wurde. Die Zährin⸗ nidts qebe, was dem, das wir wahrzunehmen mei 
ger erbielten Thurgau, Zurichgau, Margau und Bur- | nen, ent{prede. Weder von der Materie nod von dem 
qund, die Staufer das eigentlidje Schwabenland oder | Geijt haben wir nad) ihm eine deutlide Vorſtellung, 
den oftrheinijden Teil Wemanniens. Letzteres hieß | dod) ſcheint die Verbindung der Teile in den Orga- 
ſeitdem allein Alemannien, ſpäter Sdhwaben. l. nismen eine bewußte Intelligenz zu erfordern. Als 
Stalin, Wirtembergiſche Geſchichte, Bd. 1 (Stuttg. | »Freidenter« mußte er von ſeiten der Theologen hef— 
1841); Haas, Urjujtinde Wemanniens (Erlang. | tige Unfeindungen erfahren, die ihn aber Dod) nicht 
1865); Hollander, Rriege der U. mit den Römern | vermodten, dem Rufe Friedridjs IL. nod) dem der 
(Strakb. 1874); Dahn, Germanifde Studien (Berl. | Kaijerin Katharina LI. von Rufland gu folgen. Wis 
1884); Bacmeifter, Wemannifde —— Menſch von offenem, uneigennützigem Sinn, hat er 
(Stuttg. 1867); v. Schubert, Die Unterwerfung der | durch fein unglückliches Liebesverhaͤltnis zu der geiſt⸗ 
A. unter die Franfen (Strakb. 1884); Birlinger, | reichen, aber unbejtindigen L'Eſpinaſſe Teilnahme 
Rechtsrheiniſches Ulamannien (Stuttg. 1890). eingeflößt. Gefammelt find jeine vermiſchten Schriften 

Alemanniſche Gefeve, das älteſte Vollsrecht der | herausgegeben als »(Euvres philosophiques, histo- 

Ulemannen (f. d.), in zwei lateinijden Rechtsaufzeich⸗ riques et littéraires« von Baitien (Bar. 1805, 18 

nungen erhalten; die ältere, ber Pactus Alamanno- | Bde.), von Didot (daj. 1821, 16 Tle. in 5 Bdn.) und 

rum, jtammt aus dem Ende deS 6. oder Unfang des | in Auswahl von Condorcet (»(uvres. Sa vie, ses 

7. Jahrh.; die jiingere, die Lex Alamannorum, wurde | cuvres, sa philosophie«, neue Ausg., daj. 1852). 

unter der Regierung des Königs Chtotar IV. (717— | »CEuvres et correspondances inédites de d'A. « gab 

719) auf einer wahrſcheinlich unter dem Vorſitz des Ch. Henry (Wbbeville 1887) heraus. Seine Biogra- 

Herzogs Lantfrid L. (gejt. 730) abgehaltenen Stam- | phie ſchrieb J. Bertrand (Kar. 1889). 

mesverjammlung beſchloſſen. Kritiſche Ausgabe von Alembic (Wlambif, arab.-franj.), der Helm der 

&. Lehmann in den »>Monumenta Germaniae hist.«, | alten Dejtillationsapparate. 

Seft. I, Bd. 5 (1888). Alembrotſalz, ſ. Quedfilberdlorid. 
Alemanniſcher Dialekt, ſ. Deutſche Sprache. Alemtejo (fpr. alengtelchu, »jenfeit des Tejo<), die 
Alembert (pr. alangdar), Jean Lerond d', Philo⸗ größte, aber am ſpärlichſten bevöllerte Proving Por⸗ 

foph und Mathematifer, 9 16. Rov. 1717 in Paris, | tugals, gwifden Beira und Ejtremadura im N. und 

gejtorben daſelbſt 29. Oft. 1783, Sohn der Frau v. | Ulqarve tn S., 24,390 qkm (443 OM.) grog mit (1900 

Tencin und des Yngenieuroffiziers DeStouches (Brur | 413,531 Einw. (17 auf 1 qk); umfaßt die Diftritte 

ders des Dichters), trat, 12 Yabhre alt, in die Pen- Beja, Evora und —— Hauptitadt Evora. 

ſionsanſtalt des College Mazarin. Anfänglich ſtu—⸗ len, Längenmaß, ſ. Aln. 

dierte er Theologie, ſpäter die Rechte, wurde Advolat, Welem cpr. dew, ſchweizer. Ort, ſ. Aigle 1). 

wenbdete fid) aber bald den mathematifden und phyfi-| Wlencar, Joſe Martiniano de, brafil. Sdrift- 

laliſchen Studien ju. 1741 als Mitglied in die Pari- | fteller, geb. 1830 gu Fortalesa in der Proving Ceara, 
fer Ufademie aufgenommen, war er feit 1772 viele geſt. 12. Dez. 1877 in Rio de Janeiro, ſtudierte die 

Sabre deren ſtändiger Sefretir. Jn dem »Traité de | Rechte, widmete fid) dann der üterariſchen Tatigheit 

dynamiques (Par. 1743; bejte Ausg., daſ. 1759) vers und Politif und war {pater Barlamentsdeputierter, 

öffentlichte er das nad) ibm benannte Prin zip, wel- | 1868—69 SJujtigminijter. Seine Schriften (82 Bande) 
ches zur Berechnung der einem ftarren Körper durd | beſtehen in einer Unjahl von Romanen, als deren 
geqebene Kraftimpulje mitgeteilten Bewegung dient vorzüglichſte gelten: »Llracema«, » Minas de Pratas, 
und ausjagt, daß Strafte, welche die tatſächlich erzeug- »Tronco do Ipé«, »O Guarany« (6. Aufl. 1889, ns 
ten Bewegungen hervorbringen wiirden, in entgegen- | Italieniſche und Englijde überſetzt). Sie behandeln 
geſetzter Ridjtung auf den Körper wirtend, nut den | Stoffe aus der Geſchichte Brafiliens und aus dem 
gegebenen Kräften im Gleidgemidt ſein müſſen. Das | Stadt- und Landleben, beſonders auf indianifde Uber- 
d'Alembertſche Pringip gejtattet die Löſung der Unf | lieferungen gejtiigt. Die Scilderumg der tropifden 
gabe, bie Bewegung emes ftarren Körpers, d. h. etnes Natur wird mit Redt gerühmt. In ſpätern Werfen, 

Syſtems von unendlic vielen, ftarr miteinander ver: | wie »Pata de gazela<«, »Luciolac, ⸗,Diva« ⁊c., abmt 

bundenen Majjenpunften, auf die Bewegung eines | er die Franzoſen nad. Für die Bühne ſchrieb er das 

cingigen Maffenpunttes zurückzuführen. — D'Wlem- | Lujtipiel: »*Der Damon der Families u. a. 

beris zahlreiche Abhandlungen auf dem Gebiete der| Alengon (fpr. alanghong), Hauptitadt des frany. 

reinen und angewandten WMathemati€ find geſammelt | Depart. Orne, an der Sarthe, Knotenpuntt der Weſt⸗ 

in ben »Opuscules mathématiques« (Bar. 1761— | babn, bat eine gotiſche Kirche (Notre-Dame), cin Stadt~ 

1780, 2 Bde.). Von den eraften wandte fic) A. haus mit zwei Tiirmen vom alten Schloß der Herzöge 

aud) ju andern Wifjenstreifen, ſpäter dazu durd | von A. (j. unten) und (1901) 16,590 Einw. Die Fa- 

vielfache Streitigheiten veranlaft. Außer den »>Mé- | brifation der ebemals beriihmten Alenconſpitzen (ſ. d.) 

langes de littérature, d'histoire et de philosophies | ijt im 19. Jahrh. ſehr juriidgegangen, um fo bedeuten⸗ 

(Bar. 1752, 56 Bde., und 1770, 5 Bde.) verdffentlidte | der aber ijt die Baumwollfpumeret, Bardent> u. Lein⸗ 

ev die durch Scharffinn und Klarheit ausgezeichneten weberei, Fabrifation von Keſſeln und Drainrdbren, 

»Eléments de philosophie« (Daf. 1759). Mit Diderot | Berarbeitung von Quargtrijtallen(Diamanten von 

unternahm er Die Herausgabe der großen »Encyclo- | YW.) au Schmuckſachen. Auch wird in der Uingebung 

pédie« (Par. 1751-80, 33 Bde.), gu weldem Werk treffliche Pferdezucht betrieben. A. hat cin Lyzeum, 
er Die Cinteitung, eine Cinteilung und fyjtematifde | cine Normalfdule, eine Spitzenſchule, ein Muſeum, 

Uberficht der Wiſſenſchaften nad Bacon (neuer Ub- | eine Bibliothef, cine Gewerbelammer, cin Kranken⸗ 

drud, daf. 1894) und die mathematifden Urtifel | und cin Qrrenhaus und ijt Sis ded Präfelten und 

ſchrieb. Ferner verfafte er »L’art de traduire, die | eines HandelSgeridjts. — Die alten Herzöge von W. 











Alenconjpigen 


waren ein Zweig de8 fonigliden Hauſes Valois und 
jtammten von Karl IT. von Valois, der 1322 von ſei⸗ 
nem Bater mit der Grafidaft A. belehnt wurde und 
1346 bei Crecy fiel. Das Pairieh —— ward je⸗ 
dod) erſt 1414 für des Stammvaters Enfel Johann IL. 
errichtet, der 1415 bei Azincourt fiel. Als mit Karl IV. 
1525 das Haus A. erloſch, gab König Marl IX. dads 
Herzogtum ſeinem jüngern Bruder, Franz, nach deſſen 
Tod 1584 es wieder an die Krone zurückfiel. Hein- 
rid) IV. überließ es pfandweiſe Dem Herzog von Würt⸗ 
temberg, der es 1608 an feinen Sohn vererbte; von 
dieſem faufte es Maria de Medici 1612 fiir die Rrone 
guriid. Ludwig XIV. verlieh den Titel A. 1710 fei- 
nem Entel, dem Herzog von Verry, und Ludwig XVI. 
1774 feinem altejten Bruder, dem Grafen von Pro— 
vence. Gegenwärtig führt der zweite Sohn des Her- 
zogs Ludwig von Nemours, Pring Ferdinand Philipp 
aus dem Haus Orléans (geb. 1844), den herzoglichen 
Titel von A. 

Alenconfpitzen (jucrjt »points de France« ge- 
nannt), durch Reichtum und Schönheit der Muſter 
und vollendete Ausführung berühmte Spitzen (ſ. Ta- 
fel »>Spipen<), werden ſeit 1665 auf dem Schloſſe 
Louray bei Alençon genaht, wohin Colbert Urbeite- 
rinnen aus Venedig berief, um die Spitzeninduſtrie in 
Frankreich eingufiihren. Bal. Mad. DeSpierres, 
Histoire du point d’Alengon (Par. 1886). 

Aleph, Anfangsbuchſtabe des hebräiſchen und phö⸗ 
nififden Alphabeis; aud) Zahlzeichen fiir 1. 

Aleppo (arab. Haleb), Hauptitadt de qleidnami- 
gen afiatifd -tiirt. Wilajets, das, den ndrdliden Teil 
von Syrien und den nordiwejtliden Teil Mefopota- 
miens umfafjend, in die Liwas Maraſch, Urfa u. Haleb 
qeteilt ijt. Die Stadt fiegt 380 m fi. DL. und 300 km | 
nordojtlidh von Damastus, in einer frudjtbaren, vom 
fiſchreichen Steppenfluß Kuweik (Kukl) bewäſſerten 
Talebene, die ſich gegen S. und O. in die Wüſte verliert, 
und war vor dem Erdbeben von 1822, das zwei Drit⸗ 
tel Der Stadt zerſtörte, die drittgrößte Stadt ded titrfi- 
ſchen Reiches. Sie hat einen Umfang von etwa 12 km 
und beſteht aus der Altſtadt (Medine) und mehreren 
Vorſtädten, von denen drei von past cp bewobnt wer- 
den, und ijt Sits eines deutſchen Konſuls. Die Straßen 
tragen morgenländiſches —— ſind jedoch gut ge⸗ 
pflaſtert und enthalten viele Spitzbogendurchgänge. 
Die meiſt einſtöckigen Häuſer, aus Quadern feſt er- 
baut, haben im Innern jum großen Teil ein ſtatt⸗ 
liches Ausſehen. Ziemlich in der Mitte der Stadt er- 
hebt fic) auf einem etwa 65 m hohen, vielleicht künſt⸗ 
lichen Hügel, die Stadt beherridend, cine alte Feſte 
mit 20 m hohem Turm; am Fuh des. Hiigels ſteht das 
Serail deS Gouverneurs. A. zählt 127,000 Cinw., 
darunter 20,000 Chriften (meiſt unierte Griedjen mit 
cinem Metropoliten) und 5000 Yuden. Die jiidijde 
Gemeinde von A., unter der fid) zahlreiche Wechſler 
und Bantiers befinden, ijt nadhjt der von Damastus 
bie bedeutendjte in Syrien und bewohnt ein eigned 
Stadtviertel (Bahſita). Jin RN. der Stadt liegt eine 
große Raferne fiir die Garnifon. Das Klima von 

. iit tm allgemeinen gefund (vgl. aber den Artilel 
»Uleppobeule<), im Winter rauh, und die Stadt ijt im 
ganjen Orient berithmt a ihrer lieblichen Garten 
und Objthaine. Cine antife Wafjerleitung führt der 
Stadt 11 km weit Trinfwaffer ju. Die Lage im Kno— 
tenpuntt aller Handelsjtragen, die vom Mittelmeer 
nad ©. führen, machte A., das heute mit dem — 
YWlerandrette (jf. d.) Durd) cine 160 km lange Fahr⸗ 
ſtraße verbunden ijt, von jeher su einem Haupthandels- 
zentrum de8 Orients; es bildete ſchon vor Jahrhun— 


291 


derten den Stapelplatz fiir europäiſche, levantiſche, in⸗ 
diſche und perſiſche Waren. Win ſchwunghafteſten war 
der Handel Aleppos vor der Auffindung des Seewegs 
nach Indien, während und nach der Zeit der Kreuz— 
züge, wo die Genueſen und Venezianer ihre Haupt- 
niederlagen Hier batten. Auch heute ijt er, obwohl 
beträchtlich zurückgegangen, immer nod) lebbaft; er 
befindet fic) jetzt fajt ausſchließlich in den Händen der 
ſehr rührigen und durchweg wohlhabenden einheimi- 
ſchen Chriſten (Griechen und Armenier) und euro— 
päiſcher Handlungshäuſer. Der Hauptverkehr beſteht 
in der Einfuhr von Zeugen und Manufakturen, Ko— 
lonialwaren und leichten Tuchen. Zur Ausfuhr ta- 
men 1899: einheimiſche Stoffe (ca. 3,25 Mill. Mt.), 
Schafwolle (2,6), Kupfer (1,5), Helle und Leder (1,5), 
Schafbutter (1,08), Rofons (1,75), Süßholz (0,8), Pi⸗ 
jtagien (0,5 Dill. ME.), gegen 5000 Ton. Getreide rc. 

berei und Färberei find feit der lester Urmenier- 
verfolgung ſehr zurückgegangen, dDagegen hat fic) die 
Gerberei entwidelt. Ctwa 34 km nordweſtlich von 
A. fliegen die Kal’at Sim’in genannten Ruinen des 
im 5. Jahrh. erbauten beriihmten Kloſters des Heil. 
Simeon. — UW. war um 1400 v. Chr. die Hauptitadt 
der Landjdaft »Nuchaſhſhe«, die unter mebhreren 
Gaufiirjten ftand, wird als Chalman zuerſt in den 
Inſchriften Salmanajfars IT. erwähnt, der es 854 
v. Chr. bejepte und hier dem Ramman opferte, und 
erlangte dDurd) Palmyras Sturz (273 n. Chr.) al8 
Handelsplatz große Bedeutung. Von Seleufos J. Mi- 
fator, der Die Stadt verſchönerte, jtammt ihr Name 
Verda, der ihr bis gur Eroberung der Uraber 636 
blieb, Dann aber dem fyrifden (Chãläb, bei Ptole- 
mäos Chalybon, fpiter) Haleb, italianijiert A., 
wieder weiden mupte. Wahrend der Kreuzzüge qriin- 
deten die Seldſchulen hier cin Sultanat, das 1117 
wieder unterging. 1260 wurde dic Stadt cine Beute 
des Mongolen Hulagu, 1400 Timurs. 1516 durd) 
Sultan Selim 1. in die Gewalt der Titrfen geraten, 
wurde fie gur Hauptitadt eines Bafdalifs gemacht. 

WAleppobeule (arab. habb essene, »Jahresbeulec), 
in Syrien, Perſien, Ägypten, befonders in Wleppo, 
am frat und in Wefopotantien vorfommende, 
vielleidht anjtedende Hauttrantheit, die bet Eingebor⸗ 
nen bejonders im Geſicht auftritt und in Der Bildung 
von Knoten bejtebt, die fic) langfant gu großen, ſchmerz⸗ 
haften Gefchwiiljten entwideln. Dieſe vereitern all- 
mählich, bededen fic) mit einer dicen Rrujte und füh— 
ren zu fiirdjterliden Entitellungen. Man zerjtirt die 
Anſchwellungen durd Ugungen und durd) das Gliih- 
eifen. Die Urjade ijt unbefannt. Ähnliche Krankhei- 
ten fontmen bet den Yrabern (Visfrabeule, Dehli- 
beule, Zibanbeule, Frina, Chabb, Sabara- 

efdwiir), auf Umboina (Winboinabeule), in 
Sibirien (Jasva) und Ungarn (Polfolvar) vor. 

Wleppofiefer (Wieppofidte), ſ. Kiefer. 

Wher, Paul, Philolog und Poet, geb. 9. Nov. 
1656 gu St. Veit im Luremburgiiden, geft. 2. Mai 
1727 in Ditren, trat 1676 in den Jejuitenorden und 
war ſeit 1703 Reftor der Gymnaſien in Köln, Aachen, 
Miniter, Trier und Jülich. A. verfaßte den »Gradus 
ad Parnassum« (Köln 1702; zuletzt von Friedemann, 
4. Aufl., Leipz. 1842, 2 Bde., und von Kod, 8. Aufl., 
daf. 1880) fowie zur Aufführung auf Gymnaſien la- 
teinijde und beuttidhe Tragodien. 

ercehol;, |. Fitzroya. 

Alerheim, bayr. Dorf, am Ries, zwiſchen Donau- 
worth und Ottingen, merfwiirdig durd) den Sieg der 
Franjofen und Heſſen unter Enghien iiber die Bayern 
unter Mercy, der Hier fiel, 3. Ylug. 1645. 

19* 


— Alerheim. 


292 


Alért — Aleurites. 


Wiért (franj., v. ital. all’ erta, »auf der Hut<), | unter Michelangelo und baute Rirden, Biller und 


aufqewedt, munter. 

leſchki (friiher Dnjeprowſh), 
fiidrujj. Gouv. Taurien, am Dujepr, gegründet von 
den Griechen im 10. Jahrh., mit ase7 9119 Einw., 
Die hauptſächlich Obſt- (Urbujen) und Gemüſebau 
fowie Fiſchfang treiben. 

Wlefia, die ſehr alte und fejte Hauptitadt der 
Mandubier in Gallia, die Cäſar nad) hartnäckiger 
Verteidiqung durd) Vercingetorir 52 v. Chr. eroberte 
und jerjtirte. Rejte bei dem Dorf Aliſe Ste.- 
Reine, am Fue ded Berges Uurois, unweit Sémur 
(Cdte-d'Or). Auf der Spitze des Berges lie Napo- 
leon III. 1865 cine Koloſſalſtatue des BVercingetoriz 
von Millet errichten mit der aus den Rommentaren 
Cajars entlehnten Ynfdrift: »La Gaule unie, for- 
mant une seule nation, animée d'un méme esprit, 
peut défier l'univers«. 

Wleffandria, ital. Proving in Piemont, grengt 
im N. an die Proving Novara, im O. an Pavia, im 
S. an Genua, im BW. an Cuneo und Turin und hat 
einen Flächenraum von 5052 qkm (91,7 OW.) mit 
(1901) 811,833 Einw. (160 auf 1 qkm). Die Bro- 
vin; jerfallt in die ſechs Kreiſe: A., Ucqui, Aſti, Ca- 
fale Monferrato, Novi Ligure und Tortona. Haupt- 
jtadt ijt Aleſſandria. 

Wleffandria, Hauptitadt der gleichnamigen ital. 
Proving, mit dem Beinamen della Paglia (d. b. von 
Stroh, weil dieStadtmauern nad der Landesfitte aus 
mit Stroh durdfnetetem Lehm aufgeftiget wurden), 
in einer Ebene zwiſchen der Bormida und dem Ta- 
naro, Durd) den die Umgebung rafd unter Wafjer 

ejest werden fann, Rnotenpuntt an der Bahn Turin- 
Baa ijt cine der ſtärkſten Fejtungen Italiens. Un— 
ter den ſechs Plagen ijt die große, quadratijde Piazza 
Reale in der Mitte der Stadt, unter den Paläſten der 
foniglide und das Stadthaus mit grofem Theater, 
unter Den 15 Rirden die neue Rathedrale (1823 er- 
baut) bemerfenSwert. Am linfen Ufer des Tanaro 
liegt Die Zitadelle (1728 erbaut), gu der cine ſchöne, 
gededte Brücke fiihrt. Die Bevdlferung beträgt «901 
ca. 35,000 (alg Gemeinde 71,298) Seelen. A. bat ein 
Lyzeum, Gymnaſium, eine techniſche Schule, ein tech⸗ 
niſches Inſtitut, einen großen Campo ſanto, ein Sie— 
chen⸗ und ein Irrenhaus, Zuchthaus und Fabrifen 
fiir Maſchinen, Möbel, Schirme, Hüte, Goldwaren, 
Ol und Bier. Zugleich ijt die Stadt reger Handels- 
plag und unterbalt zwei altberiibmte, nod jetzt ſehr 
beſuchte Meffen. Ste ijt Sig eines Biſchofs, eines 
Präfekten und de Kommandos ded IL. Korps. — A. 
wurde 1168 mit Unterjtiigung der gegen Friedrid 
Barbarojja verbiindeten lombardijden Städte erbaut 
und dem Papſt Wlerander IT. zu Ehren benannt. 
Durd feine Lage im Knotenpuntte der Strafen von 
der Lombardei nad dem obern Piemont und Genua 
war es ſtrategiſch widjtig. 1707 wurde es vom Prin- 
jen Eugen erobert, darauf vom Kaiſer Joſeph I. an 
Savoyen iiberlafjen. Nahe bet A. wurde 14. Juni 
1800 die Schladt von Marengo (j. d.) geſchlagen und 
in A. Darauf der Waffenjtilljtand zwiſchen Bonaparte 
und den Oſterreichern geſchloſſen. 1849 wurde A., 
aud) jetzt mod) die ftirfite Fejtung Piemonts, nad 
der Schladt von Novara den Hjterreichern voriiber- 
qebend als Pfand des Friedend iibergeben. Bal. 
Graf, Die Griindung Weffandrias (Dresd. 1887); 
Borromeo, Origini e liberta dei comuni, che fon- 
darono A. (Ylefjand. 1892 -- 93, 2 Bde.). 

Aleffi, Galeazzo, ital. Architelt, geb. 1512 in 
Perugia, geſtorben daſelbſt 31. Des. 1572, bildete ſich 


Kreisſtadt im | 





Valäſte in Gera (Santa Maria di Carignan, Ka- 
lazzi Sauli, Briqnole, Spinola, Serra), Aſſiſi und 
ailand im Stile Der Hodhrenaijjance. 

Wleffio (alban. Ljeſch, das antife Lissos), Riijten- 
jtadt im türk. Wilajet Shutari, unweit der Drinmiin- 
dung, Sif eines im naben Kalmeti refidierenden ta: 
tholtiden Biſchofs, mit malerijder Burg und 3000 
(‘/s tath.) Cinw.; Sterbeort Standerbegs (f. d.). 

a l'estompe (fran}., jpr. -fténgp’), mit Dem Wiſcher 

Alet (Wlat), Fiſch, ſ. Döbel. gezeichnet. 

Wletheta (griech.), Wahrheit; auch Perſonifilation 
derſelben und als ſolche Tochter des Zeus; Uletho- 
phil, ſoviel wie — Wahrheitsfreund. 

— —— 

Aletſchgletſcher, cin im ſchweizer. Kanton Wal⸗ 
lis auf der Südſeite Der Jungfrau in das Rhöne— 
tal herabſteigender Gletider, der größte Europas 
(24 km lang mit ciner Geſamtfläche von 169,45 qkm). 
ilber ſeinen Riiden geht der Weg zur Jungfrau. 
Durd drei folofjale Firnmulden (Großer Uletid- 
firn, Jungfraufirn, Ewigſchneefirn)genährt. 
jteigqt der Cisitrom in grokem Bogen talabwarts 
und heißt im Gegenfage gum Mittlern und Obern 
A., die von Der rechten Seite in ihn miinden, der 
Grofe U. Auf dem Ojtrande des Gletſchers liegt in 
2367 m Hobe der Merjelenfee, der durch emen 
Kanal nad) dem Vieſcher Gletſcher abjliekt, während 
die Waffer des Aletſchgletſchers durd die reißende 
Maſſa der Rhine zugeführt werden. Das nordiwejt- 
lid) liegende — (4182 m) iſt Der zweit⸗ 
höchſte Gipfel der Berner Alpen, im Yumi 1859 von 
dem Englinder F. F. Tudett vom gqifdborn aus 

uerjt erjtiegen (j. Finjteraarborn). Gegenwirtig er- 
fiat die Bejteiqung meijt vom Hotel Bellalp, das 
am Südweſtfuß ded Aletſchgletſchers in 2052 m Höhe 
liegt S. Karte ⸗Gletſcher«. 
fenaden, thefjal. Adelsgeſchlecht, das jeinen Ur⸗ 
{prung von dem Herafliden Aleuas ableitete. Sie re- 
idierten in Larijja. Wabhrend der Perjertriege ſchloſſen 
jie fich Den Perſern, ſpäter, durd) die Tyrannen von 
Phera in ihrer Macht beſchränkt, Makedonien an. 

Aleurites L., Gattung der Cupborbiajeen, 
Baume mit wedjeljtindigen, großen, ganjen oder 
dreilappigen Blittern und lodern, weitversweigter 
Bliitenrijpen. Drei Arten. A. moluceana Willd. (A. 
triloba Forst., Candlenufbaum), em Baum m 
den Tropen und Subtropen der Alten Welt, auf den 
Untillen und in Brafilien, vielfad) angebaut, 9 — 
12 m bod, mit graben, weiflid) bebaarten Blattern, 
fleinen weißen Blüten und fleijdigen olivengriinen 
Früchten, deren zwei Samen fleinen Walnüſſen glei- 
chen. Diefe werden von den Polynefiern als Leucht- 
material benugt. Sie enthalten 22,6 Pro}. ftidjtoff- 
haltige, 6,8 Proz. ſtickſtofffreie Subjtang und 62 Bros, 
fettesOl(Banlulbl, Refunedl, Ruluidl,Land- 
walnußöh); dies trodnet an der Luft, ijt geniefbar 
und dient aud) in Der Malerei. Die Preßkuchen (7. 
Oltuden) benugt man als Viehfutter und Diinger. 
A. cordata Mil.- Arg. (Tungbaum), ein Baum 
in China und Japan, dem tropijden Siidojtafien, auf 
Bourbon, Sanjibar, Wejtindien und den BVereinigten 
Staaten angebaut, liefert trodnended fette3 Ol (chi- 
neſiſches Holzöl, Tungdl, if i 
in Japan Abwagiri, Yani-giri), das in China 
in febr grofer Menge als Brenndl, sum Wajjerdidt- 
maden des Holzes, zum Lactieren der Möbel, zu den 
chineſiſchen Laclarbeiten, aud arzneilich benugt wird. 
Kalt gepreßt ijt es hellgelblich, wird mit der Beit übel ⸗ 


Aleurometer — Alerander. 


riechend, erjtarrt am Licht und wird bei beginnendem 
Sieden gallertartig. 

Wleurometer (qried.), von Boland angegebener 
Upparat zur Priifung des Weizenmehls auf feine 
Tauglidfeit zum Brotbaden, mint bie Uusdehnung, 
Die Der aus dem Mehl abgeidiedene Kleber beim Er- 
higen auf 150° erfährt. Diefer Upparat ijt von Sellnid 
verbejjert worden (Artopton). Bgl. Farinometer. 

Aleuron (Uleuron-, Proteinfirner, Kle— 
bermehl), aus einem Eiweißlörper bejtehende farb- 
loſe oder rot, blau, gelb xc. gefarbte, rundlide, eiförmige, 
aud) polygonale Körner von 0,001—-0,05 mm Durd)- 
meffer, finden fic) betrachtlid) in Hlreiden Samen (Rici- 
nus (jig. 1—4), Umbelliferen); doch feblen fie wohl 
fcinem Samen. Sie enthalten bisweilen als Einſchlüſſe 
Globoide, d.h. rundliche Gebilde (Fig. 1—3), die etm 
in Wafjer unlösliches Magnefia- und Kalffal; in Ver- 
bindung mit Phosphorſäure und einem organifden 





1. 2. 3. 4. 
Fig. A. Sellen mit Aleuronkörnern (aus dem Endo⸗ 
fperm von Ricinus). 1. Frifh in bidem Glyzerin. 2. Qn vers 
biinntem Glojerin. 3. Jn Glojerin erwärmt. 4. Rad Bebanbd- 
lung mit Jodalkohol und Sdwefelfaure. 


Radifal enthalten, und Kriftalloide, d. h. Protein- 
jubjtang von frijtallahnlider Form (Fig. 2 u. 3). 
Meiſt fommen Globoide und Krijtalloide zuſammen 
in Demfelben Broteinforn vor. Einſchlußfreie Protein⸗ 
forner reagieren wie Protoplasma, enthalten fein Fett 
und löſen ſich ftetS in falihaltigem Waſſer unter Hin- 
terlafjung eines dünnen Häutchens. Die Protein- 
forner entitehen erjt bei Dem Reifen des Gamens und 
enthalten die Hauptmajje der vorhandenen Eiweiß— 
jtoffe. Bei der Keimung werden fie wieder aufgeldjt. 
Wlenuronat, aus Weizenfleber, dem Ubfallprodutte 
ber Starfefabrifation, hergeftelltes Präparat, enthalt 
ca. 70 Broz. Eiweißlörper, ſchmeckt ciqentiimlid fan- 
dig, ijt qut verdaulid) und fann dem Brot, Kartoffel- 
und Mehlſpeiſen zugeſetzt werden, um ihren Nährwert 
zu erhöhen. Bgl. Plagge u. Lebbin, Unterfudun- 
gen liber das Goldatenbrot (Berl. 1897). 
Wlenftija, Gruppe von 14 Salzſeen im ſibir. 
Gouv. Tomſt, Bezirk Barnaul, aus denen jährlich 
über 200,000 Bud Sal; gewonnen werden. 
Mléuten, cine sum tensitorinw Alasla (j. d.) der 
Bereinigten Staaten gehdrige Inſelkette, die fic) in 
einem 1750 km langen Bogen von der Halbinjel 
Alasla zwiſchen 163-—-187° djtl. LQ. und 51-—55° 
nördl. Br. nad) W. erſtreckt, mit den ruſſiſchen Kom— 
modoreinſeln das Beringmeer vom Stillen Ozean 
ſcheidet, Nordamerila aber mit Aſien brückenartig ver⸗ 
bindet. Es ſind ohne die kleinen Klippen 150 Inſeln, 
deren Flächeninhalt 37,840 qkm beträgt, und dic 
1890 von 967 Wleuten, 734 Mijdlingen und 520 
Weißen bewohnt wurden. —— werden die A. in 
die —E im ©. mit Unimat, der größten 
derielben (3610 qkm), Unalasta (3090 qkm) und 
Umnak, ferner in die Vier-Berginfeln, die An— 
drejanowſki-Inſeln mit Utla, die Ratten> und 
die Naheinfeln mit Uttu. Der Hauptort ijt Un- 
alasta auf der —— Inſel mit a00 428 Einw. 
Sämtliche Inſeln ſind vulfanijden Uriprungs; nod 
tãätig find die Vullane Schiſchaldin (2720 m) auf Uni⸗ 








293 


maf und Makuſchin (1700 m) auf Umnak. Nördlich 
von Umnak ijt die BogoSlowinfel 1796 aus dem Meer 
———— Sämiliche Inſeln haben bis auf nie— 
drige Weiden und Erlen feinen Baumwuchs. Das 
Klima ijt rauh und feucht (Unalaska: Jahr 3,3°, Ex— 
treme —18° und 25°; 1050 mm Regen). — Die 
Ureinwobner (ebenfalls Uléuten qenannt; f. Tafel 
»WUmerifanifde Volfer Ie, Fig. 1) find ein Zweig der 


| Estimo (j. d.). Auf ihren Charatter hat der ruſſiſche 


Einfluß umgejtaltend eingewirkt; ehedem lebhaft und 
tapfer, find fie jeBt fanft und neigen zur Triigheit. 
Kleidung, Wohnung und Zubereitung der Nahrung 
find ebenfalls den Ruſſen entlehnt, die fie aud) zum 

riechiſchen Glaubensbeferninis befehrt haben. Ihrem 
Spoil Wenjaminow verdanten fie die Cinfiihrung 
von Sdulen. Hauptbeſchäftigung ijt die Jagd auf 
Seetiere, die fie in fleinen, ungemem ſchnellen Booten 
(Baidarten) geſchickt su erlegen wiffen. Sore Bahl ijt ſeit 
dem 18. Jahrh. fehr juriidgegangen, ihre materielle 
Lage hat fid) aber fett Erwerbung der Inſeln durd 
die BVereinigten Staaten qehoben. Die Sprache der 
Uleuten ijt agglutinierend und erinnert aud) in ihrer 
Wortbildung durd) Suffire an die uval-altaifden 
Spradyen ; aber es fehlt ihr die Volalharmonie. Gram- 
matiſch behandelt wurde fie von Wenjaminow 
(Petersb. 1846) und Fr. Miller (Grundriß der 
Spradwifjen{daft«, 2. Bd., Wien 1882). Bal. aud 
Pfizmaier, Die Sprade der Uleuten (Wien 1874). 
— bic im Herbjt 1741 von Bitus Bering entdectte 
Ynjelqruppe war bis 1867 ruffifd und fam damals 
mit den iibrigen ruffifd -ameritanifden Befigungen 
an die Bereinigten Staaten. 

Alentriden, ſ. Projtitution. 

Alexander (qried. Wlerandros, »der Männer— 
befdiigendes), Name zahlreicher Fiirjten. Hier find 
behandelt: 1—38 Herrider de3 Ultertums, 4—11 
Päpſte, 12—24 Fürſten der neuern Zeit. 

Herrider ded Witertume. 

1) UW. der Große, Rinig von Mafledonien 
(hiergu die Rarte ⸗Reich Wleranders d. Gr.«), der 
qrifte Eroberer aller Zeiten, Sohn des Königs Phi— 
lipp und der Olympias, einer Todjter des Wakiden 
Neoptolemos von Epeiros, war um die Zeit der Herbit- 
nachtgleiche 356 v. Chr. qeboren; er ſtarb 323. Sein 
erjter Erjieher war Leonidad, ein Verwandter der Kö— 
nigin und ein Mann von ftrengen Sitten, dann von 
feinent 13. Jahr ab der berühmte Philoſoph Ariſto— 
teles. Diefem qebiihrt der Ruhm, in dem leidenidaft- 
liden Knaben den Gedanfen der Gripe, jene Hobeit 
und Strenge des Denfens gewedt gu haben, die feine 
Leidenfdaften adelte und feiner Kraft Maß und Be— 


wußtſein gab. Sein Borbild war Udhilleus. Wie 
dDiefer den Patroklos, fo liebte er feinen Jugendfreund 


Hephajtion. Boll Tatendurjt flagte er bei den Siegen 
jeines Vaters, daß dieſe ihm nichts gu tun übriglaſſen 
würden. In ritterlichen Ubungen übertraf er alle. 
Die erſte Waffenprobe legte A. durch die Unterwerfung 
der abgefallenen Mäder (einer thrakiſchen Völkerſchaft) 
ab; die Schlacht bei Chäroneia (338) wurde durch 
ſeine perſönliche Tapferkeit gewonnen. Philipp war 
ſtolz auf ſeinen Sohn und erfannte in ihm den Voll— 
ender feiner kühnſten Plane und anaes Hoffrungen. 
Spiiter jedod) jtirten die Verſtoßung von Wleranders 
Mutter Olympias, Philipps Heirat mit einer zweiten 
Gemahlin, Kleopatra, umd die Buriidjepungen und 
Kränkungen, die U. ſelbſt erfuhr, das gute Cinver- 
nehmen zwiſchen Vater und Sohn. 

ad) Der itary Tur yk beſtieg A. im Herbjt 
336 den Thron von Waledonien unter ſchwierigen 


294 


Nlerander (WU. der Groje). 


Verhiltniffen. UWttalos, der Oheim der Königin Mleo- | iiber den Halys nad) Rappadofien gegen die Kililiſchen 
patra, fudjte die Krone dem neugebornen Sohne der | Tore vor und erreidte, da das Hier aufgejtellte per- 
Kleopatra ju iibertragen, um felbjt die Herrſchaft in | fife Heer abjog, ohne Kampf Tarjos, wo er infolge 


jeine Hand zu befommmen. Die Grieden bereiteten | eines falten 
eine Erhebung vor. Mit Energie und Umſicht über— | 


wiiltigte A. alle Gefahren. Attlalos, Mleopatra und 
ibr Rind wurden getitet. A. felbjt eilte nad Theffa- 
lien, durchzog Die Thermopylen und riidte in Theben 
cin. Die Uthener ſchickten Gejandte entgegen. A. ver- 
ieh ihnen und allen Hellenen; dod) mußten fie Ge- 
fandte nad) Rorinth ſchicken, wo in einer allgemeinen 
Verfammiung der Krieg gegen Perfien beſchloſſen und 
UW. als Oberbefehlshaber der Hellenen anerfannt 
wurde. Nur die Spartaner verweigerten den Beitritt. 
Darauf wandte ſich W. gegen die ariſchen Nach⸗ 
barn im Norden, um dort während ſeiner Abweſenheit 
die Grenze ju ſichern; er überſchritt im Frühling 335 
den Hämos (Valfan), drang in da8 Land der Tribal- 
ler bis an Die Donau und iiber diefe in Das der Ge- 
ten ein und zwang ſowohl die Triballer gum Frieden 
als aud) die unrubigen Illyrier und die mit ihnen 
verbiindeten Taulantiner. s Geriicht, A. fet im 
Kampfe gegen die Illyrier gefallen, veranlaßte einen 
neuen Mufitand in Griedenland, namentlid in The- 
ben und Athen. Wber pliglich ftand A. mit 20,000 
Wann FuRvolf und 3000 Reitern vor Theben, das 
nad der Ablehnung des friedliden Unerbietens Wler- 
anders im Sturm erobert und dem Erdboden glei 
gemadht wurde; nur Pindars Haus und Nachkommen 
wurden verjdont. Den iibrigen griedhifden Staaten 
ward Amneſtie ju teil. 

Nachdem Wntipatros mit einem Heer von 13,500 
Mann jum Reichsverweſer in Mafedonien bejtellt wor- 
den war, brad Y., als Oberhaupt ded helleniſchen Bun- 
des, mit Dem Beginn des Friihlings 334 sum Zuge ge- 
gen Perjien auf, um für die Zerſtörung der griechiſchen 
Heiligtümer Rade ju nehmen. Ein Geer von 30,000 
Mann Fubvolf und 5000 Reitern (darunter nur 7000 
Wann ju Fuß und 2100 Reiter von den hellenifden 
Bundesgenoſſen) ſchien ihm ju geniigen, nachdem 
Der Sug der 10,000 die Schwäche des großen Reidhes 
offenbart hatte. Bei Seſtos fegte das Heer nach Aſien 
liber, er felbjt bei Elaos, um die Statte von Troja 
. befuchen und dort su opfern. Yim Granifos traf 

. auf ein von perjifden Satrapen zuſammengebrach⸗ 

tes perſiſches Heer von 40,000 Mann, sur Hälfte Rei- 
terei, und befiegte es nad) einem erbitterten Rampf, 
im Dem er nur durch feinen Freund Mleitos gerettet 
wurde. Dieſer Erfolg entichied nidt nur über das 
Schidjal des feindlichen Fußvolles, griechiſcher Söld⸗ 
ner, die niedDergehauen wurden, fondern aud ganz 
Kleinaſiens. Die Oligardien und Tyrannenherridaf- 
ten, auf die fic) in Dem griechijden Stadten die perſi— 
{che Herrſchaft ſtützte, wurden ohne Schwierigfett ge— 
ſtürzt und in Demofratien verwandelt, die 400 Schiffe 
jtarte perſiſche Flotte Durch Verfdliefung aller afia- 
tifchen a ee qendtigt, fid) nad) Samos zu⸗ 
rüchzuziehen. Die Seele des Widerftandes war der 
von dem Berferfinig in Sold genommene Griede 
Wenmon, der fich aber bei der Verteidiqung von Hali- 
farnajjos von der Vergeblichfeit fener Unternehmum- 
* auf Dem Feſtland Üüberzeugen mußte, weshalb er 
elbſt die Stadt anzündete und mit der perſiſchen Flotte 
nad) den griechiſchen Inſeln ging; ſeinen Plan, von 
da aus cinen Sug nad Maledonien ju unternehmen, 
verhinderte fein Tod. VW. marfdjierte, nachdem er fid 
in Den Vefig der Küſte geſetzt hatte, landeinwärts nad 
Phrygien und bielt in deſſen Gauptitadt Gordion 
Winterrajt. Dann unterwarf er Raphlagonien, rückte 


ordnung, wo der Großlönig ftand, und nad) einem 
| 


ades im Kydnos erfranfte, jedod) von 
jeinem Arzt Philippos gerettet wurde. 

eingwiiden hatte der Perferfinig 5—600,000 Mann, 
darunter 100,000 wohlbewaffnete aſiatiſche Fußſolda⸗ 
ten und 30,000 griechiſche Söldner, aufgeboten und 
ſtieß bet Iſſos auf A. Diefer griff das in dem engen, 
unebenen Tale des Fluſſes Pinaros zuſammengepreßte 
perſiſche Heer fofort an (im November 333): er felbjt 
warf jid) auf das Zentrum der perſiſchen Schlacht⸗ 


itzigen Handgemenge, in dem die Umgebung ded 

areios meiſt niedergemadt wurde, ergriff dieſer die 
Flucht, in die auch das übrige Heer mit fortgeriſſen 
wurde. Das ganze perſiſche Lager mit ungeheuern 
Schätzen ward Alexanders Beute; ‘elbft Dereing 
Mutter Sifygambis, feine Gemabhlin Stateira und 
wei Töchter wurden — Unbekümmert um 

areios, deſſen Anerbieten, ihm Perſien bis zum 
Euphrat abzutreten, er ablehnte, nunmehr zur Er- 
oberung des ganzen Reiches entſchloſſen, wandte ſich 
A. gen Süden, um die Küſten zu beſetzen und die ihm 
immer unbequeme perſiſche Flotte vom Feſtland ab- 
zuſchneiden. Tyros fiel erſt nach ſiebenmonatigem 
hartnäckigen Widerſtand (im Auguſt 332), auf dem 
Wege nad Ägypten wehrte ſich Gaza zwei Monate 
lang, das Land ſelbſt übergab der Satrap Mazales 
ohne Schwertſtreich. Die Bevöllerung, der perſiſchen 
Herrſchaft längſt überdrüſſig, leiſtete nirgends Wider- 
ſtand, zumal da A. den heimiſchen Religionskultus 
durch Opfer und Gebete ehrte. Von Memphis fuhr 
er den Nil hinab und legte in der Nähe des weſtlichen 
Nilarms bei der Inſel Pharos den Grundſtein zu 
ſeinem größten und dauerndſten Denkmal, zu der 
Stadt Alexandreia. Als er dann einen Zug nach dem 
Heiligtum des Ammon in der Libyſchen Wüſte unter- 
nahm, begrüßten ihn die Prieſter als den Sohn des 
Gottes, verkündeten ihm, daß er die Welt beherrſchen 
werde, und verliehen damit ſeinem Blane der Welt- 
herrſchaft die göttliche Weihe. 

Erſt jetzt, im Frühjahr 331, ſuchte A. wieder den 
Perſerkönig, der ein neues Heer geſammelt und in 
Aſſyrien aufgeſtellt hatte, auf, überſchritt ungehindert 
den Euphrat bei Thapſalos und den Tigris bei Bed- 
jabde und traf im Herbjt 331 bei Gaugamela, 
univeit von Urbela, auf den Feind. Dort fam es 
1. Oft. zur Entſcheidungsſchlacht. Wieder errang A., 
mit Der Phalanx das feindliche Zentrum durchbrechend, 
den Sieg. Dareios felbjt entfam mit 8000 Wann 
nad Efbatana. Dem Perſerreich war der Todesſtoß 
—— Babylon ergab ſich, Suſa wurde mit leichter 

ihe genommen, nach mühſeligen Märſchen auch 
Perſepolis und Paſargadä, wo dem ſiegreichen Heer 
unermeßliche Beute jufiel. Die alte Königsburg ließ 
er in Flammen aufgehen jum Seiden der Silhne der 
Verheerungen der Perſer in Griechenland und des 
Endes ihres Reides. Ende Upril 330 nahm er die 

Verfolgung des Dareios auf, der auf diefe Kunde von 
€Efbatana nad den kaſpiſchen Toren floh, aber, che 
ev fie nod) erreidte, von dem baftrifden Satrapen 
Beſſos, der felbjt nach der Krone ftrebte, ermordet 
wurde (tim Juli 330). YW. fand mur nod feine Leide. 

Rad dem Tode des Dareios fahen die Völker Per- 
fienS in A. ihren legitimen Herrn, und die meiften 
perſiſchen Grofen ſchloſſen fid ihm an. Um fo mehr 
| qlaubte fid) A. verpflicdtet, bes Dareios Tod an feinen 
| Mbrdern ju rächen, die den Widerſtand in den nord- 


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» |ALEXANDERS DES GROSSEN | 
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Meyers: konr Locckon, 6 Aufl. Bibliographischos Institut in Leipai 


Nlerander (A. der Große). 


Bftliden Provingen fortſetzten. Er durchzog und un- 
terwarf dic Gandidaften Hyrfania, Ureia, Drangiana, 
Gedrojten, Urachojien, erreidjte Baltrien und be- 
mächtigte ſich jenjeit des Oxus auch des Beſſos, den 
er hinrichten ließ. Dann ſchreckte er durch überſchrei⸗ 
tung des Jaxartes die dortigen nomadiſchen Völler⸗ 
tämme, warf den Aufſtand des Spitamenes in Gog- 
tana nieder und beſchäftigte ſich bid in Den Anfang 
des Jahres 327 hinein mit der Ordnung der eroberten 
Lander und feiner durd) die Befiequng des perfifden 
Königs neu gewordenen Stellung. Geine Wufgabe 
gegen Hellas fiir geldjt haltend, ſchickte er die grie- 
—6 Bundestruppen von Efbatana nad Hauſe; 
namentlid) aber glaubte er, nunmehr den Orient und 
Oksident gleich behandeln ju miljjen, umgab fich mit 
perfijdem Brunt und vermählte fic) felbft mit der 
Tochter des Baktriers Oryartes Roxane. Dieſe Politif 
erregte aber bittere Unzufriedenheit unter feinen Male⸗ 
doniern, die bei dem Prozeß des Philotas, des Sohnes 
des Parmenion, feines erprobten Feldherrn, ſchon im 
J. 330, Dann bei Dem des Rallijthenes (327) jum 
Ausbruch fam; beide lie} er Hinridten, den Parme⸗ 
nion durch Meuchelmord befeitigen. 
Der Wunſch, das mit den Neuerungen ungufriedene 
Heer durd) neue Erfolge an fic) zu feffeln, durch das 
Wunderland Yndien bis an das öſtliche Meer vorzu- 
dringen und den in ihm durch feine Groftaten wad- 
gerujenen Gedanten der Griindung einer Weltmon- 
ardie der Verwirklichung näher zu führen, trieb A. 
od der Unterwerfung Indiens fort. en 
de 3827 brad er mit 120,000 Mann von Battrien 
fiber Weranbdreia am Baropamijos nad dem nord- 
wejtliden Indien (Pandſchab) auf und erreichte nad 
vielen heftiqen Kämpfen den Indus im Frühjahr 326. 
Streitigheiten zwiſchen den beiden Königen jenjeit 
des Stromeds erleicdterten ihm den Weitermarjd; 
Taxilas übergab fic) ihm fofort, Poros, der Beberr- 
{cher des Gebietes zwiſchen dem —— und Ale⸗ 
ſines, wurde durch cine große Schlacht im Mai 326 
bejiegt und durd) die Milde Wleranders fiir ifn gee 
wonnen. So fam A. bid gum Hyphafis. Dort aber 
weigerten fid) die erſchöpften Truppen, nad dem 
Gangesgebiet gu folgen. Alle Bemühungen Wleran- 
der blieben erfolgios er mufte umfehren (im Herbſt 
826), ſuchte fic) aber wenigſtens nod) die Lander bis 
um Yndusdelta zu unterwerfen, indem er auf einer 
{otte Den Hydaspes, Akeſines und Indus bis zur 
Miindung hinunterfubr, redts und links von dem 
Landheer begleitet, iiberall ſiegreich, wo fic) ihm die 
Völler nicht freiwillig ergaben. Darauf 30g er mit 
dem größten Teil des Heered in der Nahe der Küſte 
nad) Gedtofien und auf einem 60tägigen mühſeligen 
Marſch durch deffen Wüſte nad Rarmanien, wo Kra- 
teroS, Der mit Dem andern Teil eine mehr nördliche 
Ridtung genommen hatte, und Nearchos mit feiner 
Flotte zu ihm ſtießen (Ende 325), und fehrte von da 
nad Sufa juriid. Hier war die Anweſenheit des 
Herriders, der alles auf feine Perſon gejtellt hatte, 
dringend notwendig. Den Ausſchreitungen feiner 
Statthalter madte er rajd cin Ende. Schwieriger 
war es, die angefangene Verſchmelzung des Abend— 
und Morgenlandes ju vollziehen. Er felbjt nahm 
eine zweite (Stateira, Tochter de3 Dareios) und dritte 
Ufiatin gur Frau und vermählte gegen 80 feiner 
Grofjen und iiber 1000 andre Makedonier mit Per- 
ferinnen; als er aber auch dem Heer durd Cinreihung 
von Berjern jeinen mafedonijden Charafter nahm, 
meuterten die Beteranen; bei Opis fam es gum offenen 
Uufitand, den A. nur mit Mühe dämpfte (324), und 


295 


er hielt 8 fiir zwechmäßig, 10,000 alte Soldaten in 
die Heimat gu entlafjen und fie dDurd) neue Mann— 
ſchaft, die ihm Untipatros zuführen follte, gu erſetzen. 
Grofe Erbitterung, namentlich in Griechenland, er- 
regte endlid) die Forderung der Vergötterung feiner 
Perjon, eine Folgerung jeiner Auffaſſung von der 
Hoheit der neuen Stellung. Wher er fetste feinen 
Willen durd und fand nod) Zeit, räuberiſche Völler 
niederzuwerfen und fiir Hebung des Handels und 
Verkehrs durd Straken, Foridungsreijen, Hafen- 
bauten und Stadteqriindungen gu jorgen. Insbeſon— 
dere trug er fic) mit dem Blan einer großartigen Nolo- 
nijation an der Oſtküſte des Perſiſchen Golfs und einer 
Umſchiffung Urabiens, um Ygypten gur See mit dem 
Euphratland ju verbinden. Schon war der Tag der 
Abreiſe der Flotte unter Nearchos beftimmt, als der 
König nad einem dem Nearchos gegebenen Abſchieds⸗ 
mahl an einem Fieber erkrankte, deſſen Stärke, da er 
ſich nicht ſchonte, von Tag zu Tag zunahm. Im 
Suni 823 ereilte ifn der Tod, im 32. Jahre ſeines 
Lebens. Seine einbalſamierte Leiche wurde erſt nach 
zwei Jahren mit unermeßlicher Pracht von Ptolemäos 
nad) Ugypten übergefülhrt und in Memphis beſtattet, 
ſpäter m Wlerandreia in cinem ihm eigens erbauten 
Xempel beigeſetzt. Da A. feinen regierungsfahigen 
Nachfolger wl foentbrannte fofort nad feinem 
Tod unter jeinen ebrgeisigen Feldherren der heftigſte 
Zwiſt, in dem Alexanders Haus zu Grunde ging und 
jein Reich zerfiel. Gleichwohl hatten feine — 
Eroberungen die Folge, daß Vorderaſien der grie— 
chiſchen Kultur erſchloſſen wurde und ſich, nad Be- 
ſeitigung der Schranken, die bis dahin die einzelnen 
Staaten getrennt hatten, mit der griechiſchen Welt 
verſchmolz, und dak aus diefer Verſchmelzung die 
RKulturperiode des Hellenismus hervorging. 

U. wurde ſchon bet Lebzeiten durch die bildende 
Kunſt verherrlidt wie fein Held vor ihm. Er felbjt 
foll ein Edift erlaffen haben, daß ihn fein andrer als 
Upelle3 malen, fein andrer als Pyrgoteles in Stein 
ſchneiden und fein andrer als Lyjippos in Cry em 
follte. Dod ſpricht die große Ver —— ilder 
in der alten Welt bafitr, daß diefes Cdift feine Be- 
adtung fand. Auf uns gefommen find jedod nur 
wenige. Als die feine Bilge (aud) die Ungleid)heit der 
Halsmusfeln) am treuejten wiedergebenden Büſten 
gelten die im Louvre (1779 bei Tivoli gefunden), die 
durch bie asa ejichert ijt, eine in der Samm⸗ 
lung ded Grafen ch und eine im Britijden Mu- 
ſeum; idealijiert find eine fapitolinifde Biljte, zwei 
Marmorjtatuen, eine in Paris, die andre in Miinden, 
und cine berfulanenfijde Reiterſtatue aus Bronje. 
Un feinen Namen fnitpfen fic endlid) cine beriihmte 
Marmorbiifte in Floreng, der »fterbende A.« (nad 
einigen ein Gigant), und da8 größte uns aus dem 
Ultertum erhaltene Mofaif (7. Wleranderjdladt). 
Fälſchlich ijt der in Konſtantinopel befindliche Sarto- 
phag ({. Tafel »Grabmiler<, Fig. 6) nach A. benannt. 
Bal. Miller, Numismatique d’ Alexandre le Grand 
(Kopenh. 1855); v. Lützo w, Münchener WUntifen 
Münch. 1861); Stark, Zwei Alexanderköpfe der 
Sammlung Erbach u. des Britiſchen Muſeums (Leipz. 
1879); Koepp, über das Bildnis Alexanders d. Gr. 
(Berl. 1892); Ujfalvy, Le type physique d'Alex- 
andre le Grand (Par. 1902). Die berithmtejten Dar- 
jtellungen aus der neuern Kunſt find ein Fresto ded 
Soddoma (die Hochyeit Wleranders mit Roxane) in 
der Farnefina zu Rom; die Wleranderfdladten von 
Lebrun (im Louvre zu Paris), der Alexanderzug, ein 
Relief Bhorwaldfens (fj. d. und Tafel »Bildhauer- 


296 


funjt XIV«, Fig. 1) und der Tod Wleranders von K. 
v. Piloty in der Berliner Nationalgalerie. 
Alexanders Leben und Taten find von mehreren 





Alerander (römiſche Kaiſer, Päpſte). 


ſamkeit der Mutter unzufrieden waren, ermordet. Bal. 
Porrath, Der Kaiſer WU. Severus (Halle 1876). 
3) Oſtrömiſcher Kaiſer, folgte ſeinem altern Bruder, 


jeiner Begleiter, wie Oneſikritos, Kalliſthenes, Rleit- Leo VI., 912 als Bormund fiir defjen unmiindigen 
archos u. a., bejdricben worden. Aus folden rhe- Sohn Ronjtantin VIL, ftarb aber ſchon 913. 


toriſch gefärbten und nicht immer juverliffigen Ge: | 
ſchichtswerlen haben Diodor, Curttus und Troqus 
VPompejus (im Auszug bei Juſtinus) geſchöpft, wah- 
rend Arrian und meiſtens auch Plutarch den von 
ihnen allein für glaubwürdig erklärten Erzählungen 
des Lagiden Ptolemäos und des Ariſtobulos aus 
Kaſſandreia ſowie des Nearchos gefolgt ſind und alſo 
unter den Quellen fiir Alexanders Geſchichle die erſte 
Stelle einnehmen. Doch läßt ſich aus dieſen Werken 
über A. mit einiger Sicherheit nur das Militäriſche 
feſtſtellen, die Organiſation des Heeres und die auch 
durch neuere geographiſche Forſchungen aufgeklärten 
Feldzüge. Dagegen fehlt es faſt ganz an Material 
über Alexanders Ideen und Ziele, ſeine politiſchen 
Organiſationen und Pläne; die Entwickelung ſeines 
Charafters und Geiſtes während ſeiner Heldenlauf— 
bahn bleibt in völligem Dunkel. Die Fragmente ſeiner 
gleichzeitigen Biographen wurden von Geier (⸗Alex- 
andri M. historiarum scriptores aetate suppares«, 
Veip3. 1844) und Diibner (in der Ausgabe YUrrians, 
Par. 1846) gejammelt. tibrigens wurde A. aud 
frühzeitig der Mittelpunkt einer reidgejtalteten Sage, 
die bereits im ſpätern Altertum, namentlich aber von 
ben mittelalterlidhen Dichtern des Ubend- wie des 
Morgenlandes mit Borliebe bearbeitet wurde (ſ. Uler- 
anderjage). Bgl. Frankel, Die OQuellen der Uler- 
anderbijtorifer (Bresl. 1883); Droyjen, Gefdicdte 
Wieranders d. Gr. (5. Unfl., Gotha 1898); Joubert, 
Alexandre le Grand (far. 1889); Hertzberg, Die 
aſiatiſchen Feldzüge Wleranders d. Gr. (2. Uufl., Halle | 
1875); Kaerſt, Forjdhungen zur Gejdidte Alexan 

ders d. Gr. (Stuttg. 1887); Jurien de la Gra- 
vitre, Les campagnes d’Alexandre (Bar. 1883— 
1884, 5 Bde.); Bolling, Wleranders d. Gr. Feldzug 
in Zentralaſien (2. Aufl., Leipz. 1875); Qauth, W. in| 
Agypten (Miind). 1876); Geiger, Wleranders Feld- 

züge in Sogdiana (Neujt. a. H. 1884); H. Droyfen, | 








Unterjuchungen über Weranders d. Gr. Heerwefen | 


und Kriegführung (Freib. i. Br. 1885); Schwarz, 


Uleranders d. Gr. Feldzüge in Turtijtan (Münch. 
nach Auffſtellung eines neuen kaiſerlichen Gegenpapites, 


1893); Yord v. Bartenburg, Kurze Überſicht der 
Feldzüge Wleranders d. Gr. (Berl. 1897); Roepp, 
A. d. Gr. (Bielef. 1899); Wheeler, A. the Great 
(ond. 1900). 

2) UW. Severus (der Strenges), römiſcher 
Raijer von 222-235 n. Chr., volljtindigq Marcus 
Uurelins UW. Severus, vor ſeiner Thronbefteiqung 
Ulertanus, 208 in Phdnifien geboren, von ſeiner 
Hlugen Mutter Julia Mamäa forgfaltig erzogen, wurde 
von feinem Getter, Kaiſer Elagabal, um die allge 
meine Mißſtimmung ju befeitigen, 221 sum Cajar 
ernannt und 222, nad Ermordung Elagabals, zum 
Kaiſer ausgerufen. Die Regierung fiihrien anfangs 
feine Mutter, der beriihmte Juriſt Ulpianus als pra 
toriſcher Präfelt und cin Kronrat von Senatoren. | 
Er jelbit hatte den beften Willen und cinen edlen, 
ſchwärmeriſchen Charatter, aber ed feblte ihm Energie 
und Feſtigkeit, und fo hat er weder im Innern nod 
nad) außen hin viel erreicht. Nur die Berjuche des 
neuen Berierfonigs, Yrtarerres, fein Reich nad We 
jten ju auszudehnen, bat er zurückgewieſen (232- 


Papfte. 

4) U. L, nad) ſpäterer Uberlieferung rim. Biſchof 
105 — 115, ftarb als Märtyrer. 

5) U. I., Papſt 1061—73, vorber Anſelm, aus 
Baggio im Mailandijden, ein eifriger Unhanger der 
cluntacenjijd@en Reform, lebte eine Seitlang am Hofe 
Heinrichs III., wurde 1056 oder 1057 Biſchof von 

ucca und 1. Oft. 1061 im enjage zu Dem deut⸗ 
{den Hofe durd) die auf Hildebrands Betreiben er- 
folgte Wahl der Kardinäle auf den päpſtlichen Stubl 
erhoben. Die laiſerliche Partei ftellte thm den Biſchof 
Cadalus von Parma als Honorius I. geqeniiber. 
Mit diefem kämpfte U. 1062 wn Rom, jog fich dann 
nad Lucca zurück, wurde aber 1063 durch den von 
dem Ddeutiden Hofe nad Italien geſchickten Biſchof 
Burdard von Halberjtadt als rechtmäßiger Bapit an- 
erfannt und behauptete, auf dem Rongil zu Wantua 
1064 unter Mitwirfung Unnos von Köln beſtätigt. 
Rom gegen feinen Widerjadher. Seine durdhaus un- 
ter Hildebrands Einfluß ſtehende Regierung hat die 
auf die Reform der Kirche und auf thre Emanzipation 
von weltlidjer Gewalt abjsielenden Vejtrebungen mad- 
tig gefordert. Heinrids IV. Verlangen nach Scheidung 
von jeiner Gemahlin Berta lehnte A. 1069 ab und 
lud Unfang 1073 den Konig jur Verantwortung we- 
gen Simonie und andrer Bergeben nad) Rom, ftarb 
aber 21. April. Bgl. Delarc im der »Revue des 
questions historiques<, Bd. 43. 

6) A. ILL, Bapjt 1159—81, vorber als Kardinal 
Roland von Siena Kanzler Hadrians IV. ein etfriger 


| Bertreter der hierarchiſchen Anſprüche, trat ſchon 1157 


auf dem Reidstag zu Bejancon dem Kaiſer Friedricd I. 
entgegen und wurde daber, als er nad Hadrians Tode 
7. Sept. 1159 von der Mehrheit der Kardinäle zum 
Papſt gewählt ward, von Friedrich nicht ancrfannt, 
der fic fiir Den Gegenpapſt Biftor IV. erflarte. A. 
in Pavia 1160 abgefest und gebannt, verband ſich mit 
den aufrühreriſchen Lombarden, floh aber nad) dem 
Fall Mailands 1162 nad Franfreidh. Bon Frantf- 
reich, Sijilien und Spanien anerfannt, kehrte er, da 


Paſchalis IL, fein Unhang wuchs, 1165 nad Rom 


— Nad ſeiner Verbindung mit dem lombardi— 


König Heinrich II. von England zwan 


chen Städtebunde, der ihm zu Ehren die neuerbaute 
Stadt am Tanaro Aleſſandria benannte, wurde er 
1167 in Rom durch den Kaiſer angegriffen und mußte 
nach Benevent fliehen. Doch ſtellte der Untergang des 
kaiſerlichen Heeres Durch die Veſt fein Anſehen ber, und 
nad) der Schladht bei Legnano (f. d.) fam in Benedig 


| 1177 der Friede mit A. und ein Waffenſtillſtand mit 


den Lombarden ju ftande. Friedrid) opferte den drit- 
ten Gegenpapjt Calirtus ILL, erfannte A. an und 
wurde vom Bann gelöſt. Im März 1178 nach Rom 
zurückgelehrt, erlie UW. tm Mar; 1179 auf einem La- 
teranfongil fiir alle Zulunft giiltige Beitinunungen 
liber Das Verfahren bei der Papſtwahl. Er ſtarb 30. 
Aug. 1181. A. gehört gu den hervorragenditen Bap- 
ſten des Wiittelalters und hat die Idee der Oberherr⸗ 
lichfeit Des Bapittums iiber jede weltlide Macht ihrer 
Verwirklichung bedeutend näher gefiibrt; aud den 
er zur Kir⸗ 


233) als er Dann aber am Rhein die Grenze ſichern chenbuße fiir die Ermordung Thomas Beets. Bal. 
wollte, wurde er 235 in der Nahe von Mains von den | Reuter, Geichichte Uleranders IIT. (Leips. 1860 —64, 
Soldaten, dre mit feiner jtrengen Zucht und der Spar- | 3 Bde.); M. Meyer, Die Wahl Wleranders LT. (Gat- 


Alerander (Papjte, Fiirjten der neuern Beit). 


tingen 1872); »Rolands, nadmals Papſtes Wleran- 
bers III. Sentengen« (hr8gq. von Giet!, Freiburg 1891). 
7) A. IV., Papſt 1254 —61, vorher Reginald, Bi- 
fehof von Oſtia und Belletri, ein Neffe Gregors IX., 
voll hierardijder Unipriide, aber ſeiner Stellung 
nicht gewadjen. Im Streit mit Manfred von Sizi— 
lien gedemiitiqt, mußte er, felbjt von den Biſchöfen 
verlajjen, aus Rom fliehen und ftarb 1261 in Viterbo. 
8) U.V., Rapjt 1409 —10, vorher Pietro Filargis, 
—— in Kandia, war Profeſſor in Paris, wurde 
iſchof von Vicenza, 1402 Erzbiſchof von Mailand, 
1404 Kardinal und 1409 nad Abſetzung Gregors XII. 
und Benedifts XLT. vom Konzil zu Piſa gum Papſt 
ewählt, fand aber nur bei einem Teil der Chrijten- 
—* Anerkennung. A. ſtarb, 70 Jahre alt, 3. Mai 
1410, nach dem Glauben der Zeitgenoſſen von ſeinem 
Kanzler, nachmaligem Papſt Johann XXII., ver- | 
giftet. Bal. Renieris, Der helleniſche Papſt A. V. 
(qried)., Uthen 1881); Kötzſchke, Ruprecht von der 
falz und das Konzil gu Piſa (Dijj., Jena 1889). 
9) UW. VI., Papſt 1492— 1503, vorber Kardinal 
Rodrigo Borgia, geb. 1430 oder 1431 im Jativa bei 
Balencia, gejt. 18. Aug. 1503, ſtudierte anfänglich die 
Rechte, wurde dann durd) feinen Oheim Papjt Calix— 
tus JIT. 1456 zum Kardinal und 1458 zum Erzbiſchof 
von Valencia erhoben. Er führte auch als ſolcher ein 
wüſtes Leben. Die ſchöne Vanozza de Cataneis war 
ſeine anerfannte Konkubine und gebar ihm drei Söhne 
und eine Tochter; auch aus andern Verbindungen hat 
er Kinder gehabt, und nod als Papſt ward ihm ein 
Sohn geboren, den er durch cine Bulle vom Jahre 
1501 —— Rad Innocenz' VIII. Tod erfaufte 
er die Liara und ward unter großen Feſtlichkeiten 
26. Aug. 1492 gefrint. Klug, kräftig, umſichtig und | 
berechnend, war er zugleich maßlos ehrgeizig und hab: | 
fiidtig, treulos und ſchamlos, qraufam und wolliijtig. | 
Gein Siel war die Erhebung feines Hauſes, der Bor— 
qia (j. d.), zu eter madtigen Dynajtie; daher war er 
tief verflodten in die verwickelten politijden Kämpfe, 
Deren pte. damals Stalien war. Trotz Uler- 
anders Gittenlojigteit und Entartung dauerte der po- 
litiſche Einfluf der Kirche unter ihm fort. A. entſchied 
den Streit gwifden Spanien und Portugal über die 
Keilung der Reuen Welt (vgl. Demarfationstinie). 
Unter i Regierung wurde die Bücherzenſur ver- 
ſchärft und Savonarola 1498 als Refer verbrannt. 
Gein Tod wurde nidt durdh Gift, wie man geglaubt 
hat, ſondern durch das römiſche Fieber herbeigeführt. 
Bgl. Gregorovius, Lucrezia Borgia (3. Aufl., 
Stuttg. 1875); Leonetti, Papa Alexandro VI (Bo: | 
fogna 1880, 3 Bde.); Clément, Les Borgia (Par. 
1882); Höfler, Don Rodrigo de Borja und jeine 
Söhne (Wien 1888); Paſtor, Geſchichte der Papite, 
Bd. 3 (Freib. 1895). Die Rettungsverjude von Olli- 
vier (Bar. 1870), Kayſer (Reqensb. 1878) und Nemec | 
(Ragenf. 1879) find ohne jeden wiſſenſchaftlichen Wert. 
10) U. VIL, Papjt 1655—67, vorher Kardinal | 
Habio Chigi und wahrend der Friedensunterhandlun- 
en gu Münſter und Osnabrück Nungius in Deutſch— 
Dd, wurde durch Franfreidhs Einfluß 7. Upril 1655 
gewahlt. 1661 beſtätigte er die von feinem Vorgän— 
er Imocenz X. ausgefprodjene Verdammung von | 
int janfenijtifden Lehrſätzen. Später geriet A. mit 
Ludwig XIV. in Streit: weil er ſich weigerte, für eine 
durch feine korſiſche Leibwache dem franzöſiſchen Ge- 
ſandten in Rom, Derjog von Créqui, 20. Aug. 1662 
gefügte Veleidigung Genugtuung zu geben, beſetzte 
— Avignon und Venaiſſin und drohte, in Jia— 
lien ſelbſt einzufallen. YW. verſprach in dent ſchimpf— 








297 


lichen Vertrag zu Piſa (1664), die Leibwache aufzu- 
löſen und cin Denfmal mit einer Inſchrift über den 
Borfall Po erridten, und fandte feinen Neffen Sigis- 
mondo Chigi im Juli 1664 nad) Fontainebleau. Er 
ee 22. Mai 1667. Unter thm wurde Rom vielfach, 
o namentlid) durch die Kolonnade vor der Beters- 
lirche, verſchönert; UW. war felbft Dichter und Freund 
der Künſte und Wijfenidaften. Cine Sammlung fei- 
ner Gedichte erfdien Baris 1656. Val. Sforza Pal— 
{avicino, Vita di Alessandro VII (Brato 1839). 

11) U. VIIL., Papſt 1689—91, vorher Pietro Otto- 
boni, Bijdof von Torcello und Brescia, geb. 1610 in 
Venedig, gejt. 1. Febr. 1691, erhielt von Ludwig XIV. 
Uvignon und Venaijfin zurück. Gegen die vier Artikel 
von 1682, weldje die gallifanifden Kirchenfreiheiten 
feſtſtellten, fepte er dem Kampf feines Vorgängers 
Innocenz XI. fort. Durch Unlauf der Biicherei der 
Königin Chrijtine von Schweden bereidjerte er die 
Bibliothel de3 Vatikans mit fojtbaren Handjdriften. 

Giirften Der nenern Heit. 

{Wnbalt.] 12) U. Karl, legter Herzog von An— 
halt-Bernburg, Sohn des Herzogs Wlerius Fried- 
rid) Chrijtian aus deſſen Ebe mit Friederife von Hef- 
ſen⸗Kaſſel, get. 2. Marg 1805, gejt. 19. Aug. 1863. 
Seit 1834 9 polly ſeines Vaters, vermählte er fich 
80. Oft. d. J. mit der Prinzeſſin Friederife von Hol- 
jtein-Gliidsburg (geb. 1811, gejt. 10. Juli 1902), der 
er 1855 unter dem Titel einer Mitregentin die Regie- 
rung Des Landed iibertrug, das 1863 an den Herzog 
von Anhalt⸗Deſſau fiel. 

{Vulgarien.} 13) U. J. Firjt von Bulgarien, 
j. Dartenau, Graf von. 

[PHeffen.] 14) U. Ludwig Georg Friedrid 
Emil, Pring von Heffenund bei Rhein, dritter 
Sohn de8 Großherzogs Ludwig IT. yon Heffen-Darm- 
jtadt, geb. 15. Juli 1823 in Darmjtadt, gejt. 15. De}. 
1888, jtand 1840—51 in ruſſiſchen Dienjten und zeich⸗ 
nete fid) in Den faulafifden Kämpfen aus, zuletzt als 
Kommandeur der gefamten Artillerie. Seit 1852 als 
Brigadegencral im öſterreichiſchen Heere, tat er ſich 
1859 bet Montebello und Solferino hervor. Seit 
1863 lebte er meijt in Darmſtadt oder Heiligenberg 
—— ſeiner Wefigung im Odenwald, wo er 

id) vornehmlich mit der Or * ſeines großen Münz⸗ 
tabinetts beſchäftigte, das er ſelbſt beſchrieb (Darmſt. 
1854— 56, 3 Bde.). Im J. 1866 führte er das aus 
den wiirttembergifden, bayrifden, hefjen-darnjtid- 
tijden und naſſauiſchen Truppen und aus 12,000 
Hjterreidern zuſammengeſetzte 8. Bundesarmecforps, 
fonnte fid) aber erjt nad) den ungliidlidjen Gefechten 
von Laufad und Ufdaffenburg und dem Verluſt der 
Mainline mit den Bayern veremigen. Nach den Nie— 
derlagen bei Tauberbijdofsheim, Werbad und Gerds- 


heim (23.—25. Juli) löſte fid) Das Norps auf. Val. 


die von ihm veröffentlichte Rechtfertiqungsidrift: 
»Feldzugsjournal des Oberbefehishabers des 8. deut- 
ſchen — (2. Aufl., Darmſt. 1867). 
Seit 28. Oft. 1851 war A. morganatiſch mit Julie 
(qeb. 12. Nov. 1825, geſt. 19. Sept. 1895), Der Todj- 
ter des ehemaligen polniſchen Kriegsminijters Grafen 
Mori von Haule, vermabhlt, welche der Großherzog 
zur Pringeffin von Battenberg erhob. Die Kinder 
aus dieſer Ehe fiihren den Namen Pringen und Prin⸗ 
zeſſinnen von Battenberg (f. d.). 

{Rumianien.] 15) WU. Johann L, Fiirjt von 
Rumänien, geb. 20. März 1820 in Hujdh aus der 
Bojarenfamilie Cufa (Kuza), gejt. 15. Mat 1873 in 
Heidelberg, wurde in Baris erjogen, ftudierte in Pa— 
via und Bologna, wurde Statthalter von Galag und 


298 Alerander 
Ubteilungsdirettor im Minifterium de3 Innern und 
verſchwägerte fid) mit den einflupreiden Sturdzas 
durch die Ehe mit einer Todter de3 Bojaren Rofetti. 
1848 ward er als Glied der patriotijden Partei 
nad) dem Einmarid der Ruffen verhaftet, entfam aber 
nad Wien. Rad dem Abmarſch der Ruffen nahm er 
im beimifden Heer Dienfte: anfangs Wdjutant des 
Fürſten Vogorides, ftieg er [pater gum Oberiten auf. 
Pei den Verfajfungstimpfen war er Wortfiihrer der 
UnionSpartet. 1857 Mitglied de3 Diwans, wurde er 
im Oftober 1858 dem General Georg Ghifa als zwei⸗ 


ter Hetman beigegeben und verjah nad) Vogorides' 
Abgang die Stelle eines Kriegsminiſters. Am 29. 


Dan. 1859 wurde er in Jaſſy und 17. Febr. in Bu- 
fareft zum Hojpodar gewählt und als A. Johann I. 
jum regierenden Fürſten der beiden vereinigten Filr- 
jtentitmer ausgerufen, aber erjt Ende 1861 von der 
Pforte anerfannt. Die Einbeit gu begriinden, berief 
er im Januar 1862 beide Rammern nad Bufareft 
und fepte cin gemeinſchaftliches Minifterium ein. Sein 
Streben nad) abſolutiſtiſcher Zentralijation erregte 
bald Unzufriedenheit, obwobl ſich A. durch Aufhebung 
der Leibeigenſchaft und Verteilung von Ländereien an 
die Bauern Verdienſte erwarb. Sriidende finangielle 
Mot liek das Mißvergnügen im Lande wadfen; aud 
Kammeraufldfungen wirften nidts. A. verſuchte 14. 
Mai 1864 einen Staatstreidh, indem er einen Senat 
und Staatsrat einſetzte, fonft aber abjolut regierte; 
dod) vermochte er nidjt Die materielle Not zu lindern. 
Am 22. Febr. 1866 zur Abdankung gezwungen, lebte 
A. meijt in Wien und Wiesbaden. am ai 186 
folgte ibm Rarl von ig oan 

{Rufland.} 16) A. Jaroslawitſch Newfflij, 
Großfürſt von Rugland, geb. 1218 in Wladi- 
mir, gejt. 14. Nov. 1263 auf der Riicreije vom Hofe 
des Tataren-Grokdans, erbhielt, als fein Bater, Groj- 
fürſt Jaroslaw II. von Nowgorod, 1236 den Thron 
von Susdal bejtieg, dad Filrjtentum Nowgorod, fiegte 
1240 an der Rewa (Daher fein Beiname Rerwffij) über 
die Schweden und fimpfte auf dem Peipusſee gliid- 
lich gegen Die livländiſchen Deutſchritter. Nachdem er 
1247 il Vater gefolgt war, wurde er 1252 durch 
den Tod feines Bruders Undreas aud Groffiirjt von 
Wladinir, wo er nad feinem Tod auch beigeſetzt wurde. 
Der Plan Innocenz' IV., 12561 die Ruffen in den 
Schoß der fatholifchen Kirche überzuführen, fcheiterte 
an Uleranders Standbhaftigfeit. Tan galt A. unter | 
die größten Heiligen der ruſſiſchen Kirche; Peter d. Gr. 
erbaute ibm 1712 das YW. Newſtij-Kloſter (ſ. d.) und 
jtiftete 1722 den Alerander Newffij - Orden (jf. d.). 

17) U. I. Pawlowitſch, Kaiſer und Selbjt- 
herrfder aller Reußen, geb. 23. (12.) Des. 1777 | 
in Petersburg als älteſter Sohn de3 Großfürſten Raul 
undfeiner zweiten Gemahlin, Maria Feodorowna von 
Wiirttemberg, geſt. 1. Dey. 1825 in Taganrog, ward 
durch den freifinnigen Sehweiger Laharpe nad Rouj- 
feaujden Grundjagen erjogen. Weich und fentimen- 
tal, zeigte ſich A. woblwollend und fiir Ideale be- 
geiſtert, aber aud) ſchwach und unbeftiindig; 1793 
wurde er mit Der Bringeffin Elijabeth von Baden ver- 
mählt. Wis er Durd die Ermordung feines Vaters 
Paul J. 23, Mar; 1801 auf den Thron gelangte, war 








866 | nidtet. ° 





er, obwobl er weder von bem Morde gewußt nod) ibn 
gebilligt hatte, doch anfangs von Ruͤchſichten auf die 
örder Subow, Vahlen und Bennigſen abbingig; | 
{pater erlangte das »Trimmvirat« Stroganow, No 
wojfiljow und Adam Czartoryiſti bedeutenden Ein- 
flu. Wabrend der erjten Jahre feiner Regierung war 
ex bejtrebt, dad Finanzweſen yu ordnen, die geiftige | 


(Rufland). 


Bildung gu fordern und bas Los der Leibeiqnen 
— 8 Eſthland, Livland und 2 ues 
unter ihm die Leibeigenſchaft aufgeboben und cine 
Bauernordnung nad liberalen Grundjaigen einge 
fithrt. In der auswwirtigen Politik zeigte ſich A. fried- 
fertig, erneuerte den Seevertrag mit England und 
ſchloß Frieden mit Frankreich, mit dem gemeinſam er 
auf die deutſchen Angelegenheiten großen Einfluß aus- 
übte. Napoleons Eroberungsſucht führte jedoch bald 
einen Bruch herbei. A. trat 1805 der Koalition gegen 
Frankreich bei; nad der Schlacht bei Mujterlig zog ex 
jtd) nad) Rußland zurück, erneuerte aber 1806 
Kampf ju qunften Preugens. Bis über die Memel zu— 
rückgedrängt, vermittelte A. nad der Zuſammenkunft 
vom 25. Juni 1807 (auf dem Niemen) den Frieden von 
Tilfit. VW. liek fic) von Napoleon fiir den Gedanfen 
einer gemeinjamen Qeitung der europäiſchen 
—— gewinnen; dafür gab er ſeinen preußi 
ndesgenoſſen preis. In Erfurt (Oktober 1808) 
wurde der Bund erneuert und A. der Beſitz Finnlands 
und der Türkei verſprochen. Nachdem 1809 Finnland 
beſetzt worden, begann A. einen Krieg gegen die Pforte. 
Indes die Verlegung ruſſiſcher Intereſſen durd Ra- 
poleon veranlagte 1812 einen neuen Bruch. Unfangs 
ſchien Rufland unterliegen gu miijjen, und nad der 
Einnahme von Mosfau wurde A. nur durd Freiherr 
vom Stein umgeſtimmt. Die Friedensanerbietungen 
Napoleons wurden juriidgewiefen, der religidfe und 
nationale Fanatismus der Ruſſen wadgerufen und 
das franzöſiſche Heer auf jeinem Rückzug faft ver- 
non Befreiungstrieg tibte U. als der mäch 
tigite unter den verbiindeten Herridern großen Em- 
flu aus: auf die militäriſchen Operationen, die ſcho 
nende Behandlung Frankreichs und, nach Wufgabe 
ſeines urjpriingliden Plans, Bernadotte als 
ein zuſetzen, auf die Rückführung der Bourbonen. Bein 
Wiener Kongreß war er für Cintradt und Ordnung 
unermüdlich titig. Er ſetzte die Unerfennung der New 
tralitat Der Schweiz und die republifanifde Selbjtin- 
digfeit Der Joniſchen Inſeln durd; Bolen, das ihm 
zugefallen war, gab er eine freijinnige Verfaſſung. 
ee dem Einfluß der großen Begebenheiten dieſer 
Seit und auf Anregung der ihn damals in ihre Myſtil 
ziehenden Juliane v. Rriidener (ſ. d.) entitand bei dem 
chrijtlich-frommen Kaiſer der Gedante einer Hei ligen 
Allianz (jf. d.), die Den Frieden der Welt auf emer 
von den jeitherigen politifdhen Bündniſſen abweiden- 
den Grundlage fejtitellen follte, aber nur die Hand- 
habe fiir die politiſche Realtion wurde. Durch die Un— 
jufriedenheit der Völler erjdredt und mit Mißtrauen 
erfüllt, bot UW. Die Hand, mit Den Aufſtänden auch den 
politijden Fortidritt ju unterdriiden. In Rujland 
wurden die Senfur und die ſtrengſte Uberwadung der 
Büchereinfuhr wieder eingefiibrt, die Wiſſenſchaft, 
Literatur und der Unterricht gefeſſelt, Unterſuchungen 
wegen demagogiſcher Umtriebe cingeleitet, die Frei- 
maurerlogen und Miſſionsgeſellſchaften unterdriidt. 
Daly fic) der Geift des Widerjtandes dennod nidt 
bannen lief, verbitterte Das franfhaft erregte Gemilt 
deS Kaiſers, der teils in den Berjtreuungen emes glin- 
zenden, ilppig-fronmmeinden Hofes, teils in religidjer 
Myſtik Befriedigung fudte. Wis der griechiſche Auf⸗ 
jtand ausbrach, war das ruſſiſche Voll den Glaubens- 
verwanbdten zugetan; A. aber mifpbilligte ibn, weil er 
nur eine dtuflebmung gegen den rechtmäßigen Ober: 
berrn fei. Der Tod femer eingigen natürlichen Todter, 
die furchtbare Überſchwemmung, dic 1824 Petersburg 
heimſuchte, endlich die Furcht vor einer ruffifd - pol- 
niſchen Verſchwörung gegen das Haus Romanow er 


14am & & 


a Se 


ta: ae] 


Alerander — Wleranderorden, 301 


(6 Alexander (qried.Ulerandros), Name mehre | Alexander Yannai, König und Hoherprieſter 
di rer gried). Schriftfteller. 1) A. Atolos (der Ytolier), | von Judäa, Sohn des Johannes Hyrtan, folgte fei- 
i Didter, aus Pleuron in Ytolien, um 285 v. Chr. in | nem Bruder Johannes Ariſtobul I. 105 v. Chr., er— 
a Ulerandria an der Bibliothef mit der Ordnung der | weiterte durch fortwährende Kämpfe fein Gebiet, er- 
ls Tragddien und Satyrdramen beſchäftigt, ſpäter (um | regte aber als rückſichtsloſer Sadduzäer, Wolliijtlin 
ged 275) am Hofe des Untigonos Gonatas von Mafedo- | und Tyrann den Hah de3 Volfes. 49 Jahre alt, ſtar 
ibe nien, wurde als Tragbdiendidjter zur fogen. Pleias er 77 v. Chr. am Fieber, naddem er feiner Gattin 
% gerechnet; von feinen fleinen Epen, Epigrammen und | Salome Wlerandra die Regierung iibertragen hatte. 
ini Elegien find einige Bruchſtücke erhalten (bei Meinete,| Wlegander von Bernay, ſ. Wicranderfage. 

®& Analecta Alexandrina, Berl. 1843). Wlezander von Hales, namhafier Scholaſtiker 
ta 2) A. Polyhiſtor, aus Milet, Grannmatifer aus | de3 13. Qahrh., lehrte, im Kloſter Hales bet Glou- 
Ru der pergamenijden Schule, tam unter Gulla als | cejter gebildet, in Paris jeit 1222, trat {pater in den 
'e Srionbpetompencx Sflave nad Rom, woer, ie ali Franzislaneroden, feines Sdarfjinnes wegen Doctor 

Lehrter | i 


— 


¢ 82 v. Chr. das Bürgerrecht erhielt und als irrefragabilis genannt; jtarb 27. Aug. 1245. Er war 
(er grokes Unfehen genof. Ciner feiner Schüler war | der erjte Scholaſtiker, der die gefamte Philoſophie des 
@ der Grammatifer Hyginus. Außerſt vielfeitig, wenn | Urijtoteles fannte und fiir die chriſtliche Theologie 
tf aud) obne Selbjtindigfeit und Kritik der Forjdung, | verwandte. Sein Hauptiwerf ijt *Summa universac 
ſchrieb er zahlreiche, bejonders Hiltortidy-geogeaphttche theologiae« (Bened. 1576, 4 Bode.). 
Werle, bloke Sammlungen von Exjzerpten. Unter! Wleganderardipel, jum Territorium Alasla 
den erbaltenen Fraqmenten (bei Müller, Fragmenta | der erg Staaten gehdrig, swijden 54°40’ und 
histor. graecorum, Bd. 3) find bejonders wichtig Die | 59° ndrdl. Br., 36,782 qkm groß und von Tlinfit- 
aus der Schrift iiberpie Juden durd) Zitate aus Poni Indianern bewohnt. Hauptinjein Bring von Wales, 
verſchollenen jüdiſchen Schriftſtellern. Baranow mit Sitfa, der Hauptſtadt des Terrikoriums, 

3) UW von Uphrodifias in Rarien, vorzüglicher Tſchitſchagow, alle hod) und dict bewalbdet. 
Erklärer des Urijtoteles, Daher der »ECreget« ſchlecht. Wlezanderfeld, j. VBiclig. 
hin genannt, lehrte unter Septimius Severus und| Alexanderkette (Alexandergebirge), Gebirge 
Caracalla (zwiſchen 198 und 211 n. Chr.) in Uthen | in den ruſſiſch-zentralaſiat. Brovingen Sir Darja 
Philoſophie. Obgleid) Peripatetiter, zeigte er fich doch | und Semiretidventt unter 43° nördl. Br., ſtreicht pom 
im der Erlaiuterung der Urijtotelijden Lehren als 
jelbjtinbdiger Denfer. Bu Ausgang des Mittelalters 
ſchloſſen fic) viele Gelehrte in der Auffaſſung des Uri- 
jtotele3 ifm an, die fogen. Ulerandriften. Un— 
ter ſeinen Ronunentaren gu den Werfen de3 Wrijto- 
teleS ijt der befanntefte der zur ———— (hrsg. 
von Bonitz, Berl. 1847; von Hayduch, daſ. 1891). 
Außerdem befipen wir von ihm einige felbjtindige 
Schriften. 

4) UW von Tralles, Arzt, um 550 n. Chr. in 
Rom tätig, ijt Verfaſſer eines mediziniſchen Sammel⸗ 
werkes (Therapeutica⸗) in 12 Biichern (mit Uber: 
ſetzung J Spy Puſchmann, Wien 1879, 2 Bde.). | Wlademie (für 280 griechiſche Geiftliche), ein geiitlides 

Wlexander, 1) Sir James Edward A. of Seminar und nimmt unter den Klöſtern Ruflands 
Weiterton, engl. Offizier und Reijender, geb. 1803 | den dritten Rang ein. Hauptfirden find die erjt 1790 
in Sdottland, gejt. 2. Upril 1885 in Wefterton auf der | vollendete Dreifaltigteitstirde, die in cinem filbernen 
Inſel Wight, madte 1825 den Krieg gegen Birma Sarfophag die Überreſte de8 Heiligen enthilt, und 
mit und 1829 in Diebitſch' Hauptquartier den Feld- | die ältere Kirche Maria Verkündigung mit sahlreiden 
zug gegen die Türkei, bereijte Dann Perjien und Siid- | Grabern berithmter Perfinlidfetten, darunter Su— 
amerifa. 1834 fimpfte er fiir Dom Pedro in Por- | worows. Nad) dem Mlojter findet alljahrlid (30. Aug. 
tugal, 1836—37 bereiſte er von Rapjtadt aus die | a. St.) eine große Wallfahrt ftatt. 

Gebiete ndrdlid) vom Oranjefluß bis Damaraland.| Alexander RewfFij- Orden, ruſſ. Orden, ward 
Dann widmete er 7 Jahre der Erforjdung von Neus | 1722 von Peter d. Gr. gejtiftet und 1725 von Katha- 
braunfd@weig, nahm am Krimfrieg teil und 1863 am | rina I. zuerjt verlieben. Er hat nur eine Klaſſe und 
Kriege gegen die Maori auf Neujeeland. 1838 wurde | wird nur an Ferjonen mit Generalmajorsrang ver- 
er jum Sitter gefdlagen und 1882 gum General er: | liehen. Das Ordenszeichen ijt ein goldenes, rot email- 
nannt. Er ſchrieb: »Travels from India to Eng- liertes, achteckiges Kreuz, in Der Mitte mit dem Bilde 
land« (Qond. 1827); »Travels through Russia and des beil. Werander Newſtij im Harniſch gu Pferde 
the Crimea« (1830, 2 Bde.); »Expedition of dis- | und auf der Riidfeite die gekrönte Chiffre des Heiligen; 
covery into the interior of Africa« (1838, 2 Bde.); | in den vier Winkeln find vier goldene sweifdpfige Adler. 
»Life of the Duke of Wellington« (1840, 2 Bde.); | Wetragen wird der Orden an einem ponceauroten, 
»L’Acadie, or seven years’ explorations in British | breiten, über der linfen Schulter nad der redten 
North Americas (1849); »Incidents of the last | Hiifte gu hängenden Bande nebjt einem —— 
Maori-Ware (1863) u. a. ; | jilbernen Ordensjtern mit der gefrinten Chiffre de 
2) Bernhard, ungar. Philojoph und WHjthetiter, heil. Werander: S. A., umgeben von der Ordensdevife 
eb. 13. Upril 1850 m Budapejt, lebt dafelbjt als | »Fiir die Urbeit und das Vaterland« im goldenen 
— or an der Univerſität. Seine Hauptwerke find: | Buchſtaben auf rotem Reifen. Für Waffentaten wird 
eDie Ydee der Geſchichte der PBhilofophiee (1878); | das Kreuz von Schwertern durdquert. Das Ordens- 
» Leben, Entwidelung und Philoſophie Rants« (1881); feſt ijt der 30. Uuguit a. St. 
» Der Peſſimismus des 19.hahrhunderts«, »>Schopen-| Wleganderorden, 1) bulgar. Militärverdienſt⸗ 
Hauer und Hartmann« (1884). | orden, gejtiftet 1879 von Fürſt Wlerander I. in fünf 


69.° öſtl. L. His gum Weftende des Dffyt-ful und er- 
reidht tm Semenow 4802 m Hidbe. 

Alexanderland, antarttijder Küſtenſtrich unter 
68° 43° ſüdl. Br. und 70—75° wejtl. &., wurde 1821 
von Bellingshaujen entdeckt. 

Alexan Newſkij-Kloſter, cin berühmles 
Kloſter su St. Petersburg, von Peter d. Gr. 1710 dem 
ruffifden Nationalhelden (j. Wlerander 16) gu Ehren 
geqriindet, am Ojtende der Stadt und des Newſtij— 
profpefts an der Newa geleqen. Es enthalt auper 
dem cigentliden Kloſter zwölf Rirden, die Wohnung 
des Metropoliten von St. Petersburg, eine geiſtliche 


2 


302 Aleranderjage 
Klaſſen: Großkreuz, Komturkreuz erfter und zweiter 
Klaſſe und Ritterkreuz erſter und zweiter Klaſſe. Das 
Ordenszeichen ijt cin achtſpitziges, weiß emailliertes 
Kreuz, zwiſchen deſſen Urmen zwei goldene, mit dem 
Griff nach unten geſtellte Schwerter ſich kreuzen. Im 
Mitlelſchild befindet fic) auf dem Avers der bulgari— 
ſche Löwe im roten Feld, umgeben von griinem Rei⸗ 
fen, auf dem in Cyrilliſcher Schrift »Za Chrabrost« 
(Für Dienjte«) fteht; auf dem Revers befindet fid 
Der Namenszug des Fiirjten und auf dem Reifen: 
»fylirjt von Bulgarien, 1879.. Das Großkreuz tragt 
nur der Fürſt; Das Komturkreuz hat emen Brillant- 
reifen um den Mittelſchild und je die erjten Klaſſen 
cine Strone fiber dem Kreuze. Das Band ijt hellblau 
gewäſſert und an den Randern filbergejtreift. — 
2) Bulgar. Verdienjtorden, geftiftet 25. Dez. 1881 
von Wlerander J. in fünf Graden mit einfader Be- 
zeichnung erjter bis fiinfter Klaſſe. Die Deforation 
jteht in cinem qoldenen, bei der fiinften Klaſſe fil- 
bernen, weiß emaillierten, achtedigen Kreuz mit emem 
roten Mittelſchild, der in goldener Cyrillifder Schrift 
die Legende »Sanft Ulerander<, im Ringe m golde- 
nen Budjtaben die bulgarifde Leqende » W Jami Bog« 
»Gott mit uns«) tragt und unten zwei verbundene 
Lorbeerzweige zeigt. Der Revers des Mittelſchildes 





— Wlerandra. 


im 12. Jahrh. didteten (hrsg. von Midelant, 1846). 
Nad) den zwölfſilbigen Verſen dieſes Werkes hat viel- 
leicht der Alexandriner feinen Ramen erhalten. 
Uber die franzöſiſchen Didjtungen aus dent Kreije Der 
YU. val. P. Meyer, Alexandre le Grand dans la 
littérature francaise du moyen-Age (Bar. 1886, 
2 Bde.). Hauptfidlid dem Hijtorifer Curtius ſchlie⸗ 
fen ſich an das lateinijde Epos des Walter von Cha- 
tillon oder Lille, das aus dem Ende des 12. Jahrb. 
ſtammt (zuletzt 86 von Müldener, Leipz. 1863), 
und Das deutſche Gedicht des Rudolf von Ems (7. d.), 
das vor 1250 verfaft tit. Bon fpatern deutiden Faſ⸗ 
jungen find nod) gu nennen die Bearbcitung deS Ul- 
rid) von Eſchenbach (ſ. d.) um 1284, des Ojterreichers 
Seifried um 1352, etme gereimte Uberjesung des Wie 
lidjinus von Spoleto (lat. aus d. J. 1236), die um 
1444 verfagte, Dann vielfad) gedrudte Brofa ded 
Dr. Hartlieb. Das nod dem 13. Jahrh. angehörende 
altenglifde Epos von Ulerander (in H. Webers » Me- 
trical Romances«, Sd. 1, Edinb. 1810) beruht auf 
der anglonormannijden Dichtung des Euſtache von 
Rent. Die griechiſche Überlieferung hat aud) in der 
entidjiedenjten Weife auf den Orient gewirft, ijt je- 
dod) bier teilweife mit freien Erfindungen durchſetzt 
worden. Die Perjer nehmen bier cine der erjten Stel- 


trägt dag Datum des Friedens von Gan Stefano: | len cin; fie maden den Wlerander ju einem Sobn 
210. Februar 1878«. Bei den drei erjten Klaſſen ijt | des Dareios, wie ihn die Ugypter zu einem Sohn des 
das Kreuz von einer Krone überragt. Der Stern der | Rectanabus gemadt haben. Schon Firdofi hat die 
zwei erſten Klaſſen ijt von Silber, achtſtrahlig und | Sage in ſehr beftimmter Gejtalt; unter den ſpätern 


jeigt den obigen Wittelidild. Cine ſechſte Klaſſe, ganz 
von Silber, tit dem Orden affiliiert, ebenjo Medaillen 
aus Gold, Silber und Bronje, als Auszeichnung fitr 
BVerdienjte jeqlider Urt. Das Band ijt rot. 
Wleranderfage. Das wunderbare Element | 
in den Sriegssiigen Wleranders d. Gr., ſeine Veriih- | 
rungen nit neuerjdlofjenen Nationalititen und der 
tragiſche Reis feines achilleiſch dahinſchwindenden Hel- 
denlebens haben frühzeitig die Bildung einer reichen 
Sage veranlaft. Die älteſte Niederſchrift derfelben, 
die wir fennen, ijt die griediticie unter Dent angeb- | 
lidjen Uutornamen des Aſopus oder ded Rallijthe- 
nes (hrsq. von Müller, Par. 1846; von Meuſel, 
Leip;. 1871), die in Agypten im 3. Jahrh. n. Chr. 
entitand(vgl. Sader, Rfeudofallijthenes, Halle 1867) 
und durch armeniſche, fyrifdje 2c. überſetzungen im 
Morgeniande verbreitet wurde. Ym Wbendland wur- 
den dieſe Sagen hauptiaidlid in der lateinifden Be- 
arbeitung des Julius Valerius (um 300, Ausg. 








Bearbeitern ragt bejonders Nijdmi hervor (ogl. 
Bader, Nizamis Leben und Werke und der 2. Teil 
des Nizamiſchen Alexanderbuches, Leip;. 1871; engl. 
Wusg., Lond. 1873). Bon den Perjern gelangten 
Stoff und Gejtaltung der Sage ju andern Wobham- 
medanern, Die Wlerander unter dem Djulfarnein, 
d. h. Dem »Zweigehörnten«, des Korans verjteben, 
beſonders ju Tiirfen und Hindu, weld) legtere in äl⸗ 
terer Beit merfwiirdigerweije feine Erinnerung an 
Ulerander bewahrt haben (vgl. Spiegel, Die YL bet 
den Orientalen, Leip. 1851; Nol dele, Beiträge 
Geſchichte de3 Uleranderromans, Wien 1890). ilber 
die A. im allgememen handelt Carraroli, La leg- 
genda di Alessandro Magno (Mondovi 1892). 
Wleraudersbadb, Vadeort im bayr. Regbez. Ober- 
franfen, bet Wunſiedel, tm Fidtelgebirge, 584 m 
i. M. Die Heilquelle, ein —— erdiger Eiſen⸗ 
ſäuerling, ijt wirlſam gegen Nervenfranfheiten, Men- 
ſtruationsſtörungen, Rheumatismus wx. Die erſte Ein⸗ 





von Kübler, Leipz. 1888) und in einem einige Jahr— 


hunderte ſpäter angefertiqten Uuszug daraus (»Epi- | 


tome Julii Valerii<, Ausg. von Sader, Halle 1867) 
gelefen. Winder widtig it die fogen. »Historia de 
preliis«, die cin Archipresbyter, Leo, im 10. Jahrb. 
in Unteritalien verfaßt bat (brég. von O. Ringerle, 
Vresl. 1884, von Landgraf, Erlang. 1885). Die Sage 
wurde vont Epos des Vittelalters mit befonderer 
Borliebe behandelt. So ſchrieb in Anlehnung an Ju⸗ 
lius Balers der Franko⸗Provenzale Ulberid von 
Biſenzun (wahrſcheinlich Briancon oder vielleidt 
Pijancon unweit Gap) Ende de3 11. Jahrh. ein Ge- 
dicht liber Wlerander, bon dent Paul Heyfe (>Roma- 
nijde Inedita⸗, Berl. 1856) ein Fragment entdect 
hat. Nad) diejer Vorlage ijt Dann eta wn 1130 das 
deutſche Uleranderlied des Pfaffen Lamprecht (7. d.) 
qedidtet. Um 1160 wurde Alberichs Werf in fran: 
ange zehnſilbigen Berjen bearbeitet, und hieran 

chloß ſich mit umfangreichen Erweiterungen und 
Fortſetzungen Der Alexanderroman von Lambert le 
Tort und Alexandre de Paris aus Bernay, die nod | 


' 





ridjtung de3 Bades riihrt vom Marfgrafen Ulerander 
(1782) ber. Außerdem hat YW. noc cine Kaltwaſſer⸗ 
beilanjtalt. Unfern das Granitlabyrinth der Luijen- 
burg (j. d.). Bal. F. K. Müller, W. und feine Heil- 
mittel (2. Uufl., Leipz. 1890). 

Alexanderſch „Name des umfangreichſten 
aus Dem Altertum erhaltenen Moſaiks, das 24. Oft. 
1831 im Haufe des Fauns ju Pompeji, wo es den 
Fußboden einer Exedra bedectte, gefunden wurde und 
ſich jest im Nationalmufeunt gu Heapel befindet. Es 
ijt 6,3 m lang und 3,8 m brett und foll aus andert- 
halb Millionen Marmorijtiften zuſammengeſetzt fein. 
Es jtellt in nod vorbandenen 22 Figuren und 16 
Pferden (cin Drittel des Bildes ijt unkenntlich) ete 


Schlacht gwifden Werander und Dareios, wabhridem- 


lid Die bei Iſſos, dar. Der Rompofition foll ein von 
Kaiſer Veſpaſian nad) Rom verſetztes Gemälde der 
alexandriniſchen Malerin Helena zu Grunde liegen. 

Alexanderzug, ſ. Thorwaldſen. 

Alexandra, {. Kaſſandra. 

Alexandra, Königin von England, ſ. Eduard VIL. 


UAlerandraland — Alexandria. 


rang ary tread friiherer Name ded fiidlidern 
Teiles A sir ys Nordterritoriums (f. d.). 

Alexa Mil, ſ. Kagera. 

Alexaudre, Rabbi Uaron, berühmter Schach— 
ſpieler (⸗Vater A.«), geb. um 1766 gu Ho ant 
Main in aus einer Rabbinerfamilie, geſt. 16. 
Nov. 1850 in London; fdjrieb: »>Encyclopédie des 
échecs« (Bar. 1837), »Collection des plus beaux pro- 
blémes d’échecs« (1846; deutſch, Leip3. 1846) u. a. 

Alexandreia, j. Wlerandria. Auch antifer Name 
ded igen — (j.d.). 

leganbdre- el, }. Parmoniunt. 
Alexandresen, rumiin. Didter, ſ. Alecſandresku. 
(JSstenderiin), der bejte, aber ver- 
nachläſſigte türk. Hafen in Syrien, fiidlid) am Golf 
von A., der norddjtlidjten, von griinen Bergen um- 
gebenen Budht des Mittelmeeres, ein aufbliihender Ort 


— R * 
— 
TAA 

— * ys, \ 


SA 





303 


5936 Bantuneger, 1623 Hottentotten). Der gleich— 
namige Hauptort hat 381 Einw. 
andria, ägypt. Gouvernorat, öſtlich und fiid- 
lid) von der Proving (Mudirieh) Beherah, nbrdlid 
vom Mittelmeer begrengt, wejtlid) ſich in die Libyſche 
Wüſte erjtredend, hat mit der Daje Siwah 83,202 
qkm Fläche bei einer Kulturflide von 180,4 qkm 
mit (1807) 319,766 Einw. (168,599 männlich, 151,167 
weiblid). Das Gouvernorat zerfällt in vier Dijtrifte 
der Stadt U. und den Dijtrift Ramleh. 
ee Marg: (Ulerandreia), cine von Wleran- 
der d. Gr. 331 v. Chr. an Stelle des ägyptiſchen Ha- 
fenortes Rafote gegriindete und nad) thm benannte 
Stadt an der title von Unteraigypten, jabrhunderte- 
lang cine der glänzendſten Großſtädte des Alter— 
tums und als Pylegerin der Wiſſenſchaften beriipmt. 
Sie nahm den fandigen Streifen swifden dem Meer 


Plan des alten Alerandria. 


mit 6850 Eimw. (davon zwei Drittel orthodore Grie- 
chen), — als Ein⸗ und Ausfuhrhafen fiir Aleppo 
(j. d.) und Nordſyrien; Sig eines deutſchen Vizekon⸗ 
ſuls. Jn A. verfehrten 1899: 589 Schiffe von 397,038 
Ton. A. ijt Station frangofijder, djterreidhijder, digyp- 
tifdjer englifdher Dampferlinien. Der ijt 
bedeutend; Wert der Cinfubr 1901: 48,6 Me., 
der Ausfuhr (Getreide, Vieh, Wolle, Rofinen, Man- 
dein, Piſtazien, Feigen, Rofons, Baumuvolle, Gall- 
—* Sandel fteig —** pg yo F an 
tetgt t. — YL ward jum An⸗ 
denfen an Wleranbers Gre he Iſſos (333 v. Chr.) 
eis. Upcil 10a Clon * ad des enannt. 
ier 13. Upril 1 i äghpti 
ed Alis über die — eat 
legandri, rumin. Didter, ſ. Ulecjandri. 
nbdria, halbwollener gemujterter Damen- 
Hleiderjtojf mit 34 Retten- und 20 Schußfäden auf 
lem. Garne: Kette Baumwollenzwirn Rr. 60 engl., 
Schuß Weft Nr. 30 engl. 
tia, Divijion der Rapfolonie, an der Al—⸗ 
goabai, 2453 qk mit (1891) 9978 Einw. (2419 Weiße, 


und dem Strandjee Mareotis ein und war vom Bau- 
meijter Deinofrates angelegt. Dhr Umfang betrug 
an 16 km. Die vorliegende Inſel Pharos war mit 
dem Fejtlande durd einen miidtigen, 7 Stadien 
(1290 m) langen Damm (Heptajtadion) verbunden, 
welder Den Hafen in cine weſtliche (Cunoftos) und 
eine öſtliche Halfte (den fogen. Groen Hafen mit 
dem abgetrennten Königlichen Hafen und der Inſel 
Untirrhodos) teilte. Dieſe Hafen find nod) die der 
jetzigen Stadt U.; das tief umd feſt begriindete Hepta⸗ 
ſtadion iſt durch die vom Meer angeſchwemmten Ge— 
rölle ju einer etwa 600 m breiten Landzunge ge— 
worden, die Raniile aber, weldje die Häfen eden 
verbanden, find — angefüllt. Auf der Oſtſpitze 
der Inſel Pharos erhob ſich, von Soſtratos unter 
Ptolemäos J. und I. im 8. Jahrh. v. Chr. erbaut, 
der berühmte, 160 m hohe Leuch tturm, deſſen Licht 
auf 300 Stadien (60—60 km) den Schiffen ſichtbar 
war (vgl. Adler, Der Pharos von A., Berl. 1901). 
Das pridtigite Quartier der Stadt war das fogen. 
Brudeion oder Bafileia, das den Großen Hafen 
von U. einſchloß und alle zur königlichen Reſidenz ge- 


304 


horigen Bauwerke umfaßte. Hier ftand dad welt- 
berühmte Muſeion, der Brennpuntt des geiſtigen 
Lebens fiir mehrere Jahrhunderte, mit der grofen, 
angeblich 700,000 Rollen ſtarken Bibliothel (vgl. Alex⸗ 
andriniſche Schule); weiter nordöſtlich das Kaiſa— 
reion und davor die ſogen Nadeln der Kleopa— 
tra, zwei ſchlanke Obelislen aus dem 16. Jahrh. 
v. Chr., von denen der eine ſeit 1878 in London, der 
andre feit 1880 in New York fic) bejindet. Weiter 
jolgten der Poſeidontempel, das Theater, die Paläſtra 
und die Den Groken Hafen im O. begrengende Halb⸗ 
infel Lodias, die als Ufropolis diente, mit emem | 
fonigliden Palaft, dem Urtemistempel und dem Ar⸗ 
jenal. Im GS. des Brucheions ftand das prunfvolle 
Gymnajion und oſtwärts davon, vor dem Kano— 
postor, der groge Hippodrom. Ym SW. der Stadt 
lag das Serapeion, nächſt dem Rapitol in Rom 
das pradtvollite Gebäude feiner Art in der Damals 
befannten Welt (mit einer zweiten wertvollen Biblio- 
thef von 300,000 Rollen), in dejjen weiten Räumen 
gu Unfang ded 4. Jahrh. n. Chr. ein römiſcher Prä— 
feft, Pompejus, ju Ehren des Kaiſers Diofletian eine 
impojante Säule erridtete, die nod) heute, Pom— 
pejusfaiule benannt, mitten unter Schutthügeln 
aufredt ſteht, cin riejenbafter Monolith aus rotem 
Granit von 20 m Höhe und 2,5 m Durdmeffer. Sie 

ehört jur forinthijden Ordnung und erreidt mit 
Fußgeſtell und Knauf eine Geſamthöhe von fajt 32 m. 
Den WMittelpunft der gefamten Stadt bildete der un- 
geheure Platz, auf dem ſich die beiden fiber 30 m brei- 
ten Hauptitraken Alexandrias rechtwinfelig ſchnitten; 
Reihen groker Schutthaufen, einzelne Gaulen und 








jablreide Ziſternen deuten nod) jetzt den Lauf diefer Yay 


Hauptſtraßen an. Im W. lag die große (unterirdifde) | 
Wraberjtadt (Nefropolis), bis gu dem fogen. Bade | 
Der Kleopatra fic erjtredend. Die Hunderte der 
nod) immer vorhandenen Zijternen zeugen nod heute 
von der Gripe des alten UWlerandrien. Unter den 
aufgetiirmten Schuttmaſſen mögen nod) anſehnliche 
Reſte der großen Vorzeit verborgen liegen; mit vielen 
Der alten Marmor- und Granttwerfe hat ſich Rom 
ausgeftattet und nadmals Byzanz, über andre flutet 
das Meer. UW. beſaß cine hochentwickelte Induſtrie, 
namentlich in Glas, Bapier und feinen Stoffen, und 
ein ſeltſames Gemifd) von Völkern war bier zuſam⸗ 
mengedrangt: Grieden (die Mehrzahl), Ägypier und 
zahlreiche Juden, die den Often der Stadt bewobhn- 
ten; daneben Leute aus allen Gegenden der Damals 
befannten Welt, Schwarze und Weife, die der Han- 
Del oder Die Sflaverei hierher fiibrte, endlid) als Be- 
feblende Romer. S. Literatur, S. 305. 
Das heutige Ulerandria, 
(Diergu der Stadtplan.) 

Das jegige A. (arab. Jstanderieh), befeftigter 
Haupthafen und erjte Handelsitadt, nächſt Rairo die | 
größte und bliihendjte Stadt Yiguptens, liegt aufeinem 
Sandjtreifen swifden dem Meer und dem fumpfigen 
WMareotisiee, zum größten Teil die ſchmale Landzunge 
zwiſchen Port Vieux (Ofthafen) und Port Neuf (Weit- 
bafen) bededend, unter 30° 2’ nördl. Br. und 48° 58’ 
Ot. L. 13 m i. M., wird auf der Landfeite von einer 
alten, durch zahlreiche Forts und Baftionen flanfier- 
ten Wauer umgeben, während den Hafen das Fort 
Napoleon und cine Anzahl von Forts auf den vor- 
fpringenden Landipigen nebjt Strandbatterien ver- 
teidiqen. Das Klima (14,9-- 26,8") wird durch die | 
See gemildert, febr laftig ijt der vom Wind auf- | 
qewirbelte Staub. Waſſer liefert der Mahmudieh-| 
fanal, der von Mehemed Ali aus dem Nilarm von | 








Alerandria (dgyptifche Stadt). 


Rofette zugleich als Schiffahrtslanal 20 m breit und 
6m tiefangelegt wurde, aber immer mehr verſchlammt. 
Daneben gibt es eine Menge Bijternen. A. beſteht aus 
dem Tiirfenviertel auf der Landzunge, dem Franlen⸗ 
quartier tin S. Davon und dem Wraberviertel tm BW. 
und zwiſchen den beiden Häfen. Bon den legtern ijt 
der wejtliche jest allein widtig. Cr bejteht aus einem: 
dugern, 3,5 qkm 5— 5—20 m tief, und einem im- 
nern, durch einen Volo von erjterm getrennten Hafen, 
9—11 m tief, an deſſen Oſtſeite fid) das Urjenalbaf- 
jin mit Schwimmdochk befindet. Ein mächtiger Wellen- 
breder ſchließt den Hafen nad N. und . und en- 
Digt mit einem Leudtturm. Fünf weitere Leuchttiirme 
erbeben fig) an andern Buntten. Die mobanrmeda- 
nijde Stadt hat ungepflajterte Strafen, ijt Daber im 
Winter äußerſt ſchuutzig, die Haufer find meijt nie 
drig. Der vizekönigliche Palaſt, RAs et Tin, die Ka— 
fernen, das Arſenal, der Palaſt des Gouverneurs, 
das Gebäude der Polizeidirektion find ſämtlich Werte 
Mehemed Alis. Das Franfenquartier, deſſen Mittel- 
puntt der say A Mehemed Wilt (aud Play der Kon— 
juln) mit Der Reiterjtatue Mehemed Wiis und zwei 
Fontänen ijt, enthalt 4 latholiſche, 3 proteitantitdhe, 
3 griech. Kirchen, 1 toptijde, 1 maronitiſche, 3 Syna- 
gogen, mebrere Theater und cine Anzahl iéoner Bri. 
vatbauten. Hier bat fic) ein völlig europäiſches Leben 
entivictelt, die Rubs und Bereine ( >» Deutider Berein«) 
haben bier ihren Sig, und bier liegen aud) die euro- 
paiidhen Spitiler (deutſches Diakoniſſenhaus). An ihn 
ſtößt der ſchöne Hffentlide Garten, Ginenet en Nuzha 
oder Jardin pastré. A. hatte 1902: 310,587 Einw. 
Die Stadt vermittelt fajt den gangen Außenhandel 
ptens; 1900 betrug die Cinfubr 14,1, die Musfubr 
16,7 Mill. ägypt. Pfd. Lewtere bejtand in erjter Lime 
in Baumwolle, Baunnwollenfamen, Zucker, Bohnen, 
Weizen, Wolle, Zwiebeln, lebenden Wachteln, erſtere in 
Baumwollenſtoffen und-Garnen, Schuhwaren, Bau—⸗ 
holz, Tabal, Rohſeide, Eiſen und Stahlwaren, Stem- 
foble, Olivenöl, Bier, Branntwein, Seife, Juteſäcken. 
Die Eröffnung des Suesfanals hat Alexandrias Han- 
del nicht unwelentlid beeintradtigt. Es liefen 1900: 
2830 Schiffe von 2,375,619 Ton. ein und 2784 Schiffe 
von 2,364,672 T. aus, meiſt englifde, dann franjd- 
ſiſche, türkiſche, öſterreichiſche. Bon A. laufen . 
liſche, franzöſiſche, öſterreichiſche und äghptiſche Pott 
Dantpferlinien jowie vier Eijenbahnitrange aus, nad 
Rairo, Rofette, Ramleh und El Mels (qrofartige 


Steinbrüche); Teleqraphenfabel gehen nad Malta, 


Rreta, Cypern und Port Said. Die Uberlandtele- 
graphentinie zwiſchen Europa und Oftafien geht von 
bier iiber Kairo nad Suez. In VW. bejteben acht 
Banken: die Bank of Egypt, Anglo-Egyptian Ban- 
king Co., Crédit Lyonnais, Banque Franco-Egyp- 
tienne, Impériale Ottomane, Société Immobiliére, 
Land and Mortgage Bank, Cassa di Sconto e di 
Risparmio. Bon Wohltätigleitsanſtalten bejtehen fiinf 
von Europäern gejtiftete und unterbaltene Mranfen- 
häuſer, äghyptiſche fiir die Eingebornen, insbef. fiir die 
Truppen. VW. bat eine Marine und eine Militärſchule, 
ein College der Lagarijten, ein italientides Lyxeum, 
je cine Schule unterbalten die Deutſchen, die fdotti- 
ſche und Die griechiſche Kirche, die apojtolijden Urme- 
nier und Bie Yuden; auferdem gibt ¢3 viele andre 
Schulen, darunter fechs für Madchen, und eine Sffent- 
liche Bibliothet. UW. iit Sig eines Gouverneurs, von 
16 Konſuln (Darunter ein deutidher Berufsfonful), 
eines fatholtichen Erzbiſchofs, des Marineminifte- 
rium, eines Appellationsgerichts, der Direction gé- 
nérale des ports et des phares, einer Polizeiprafettur, 


G , | kere Hopital v3 


ALEXANDRIA. ont C2 


Mafstab 1: 31000 Baknhitr raré 
a FE ee Fe ee 


Bdree ES 
Boulevard de Ramich ¥3 
Deutaher Verein Dp! 


Port Ada ci 
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Helalich D1 
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* Nilsele G2 

Pricdhot Arabischer D4 

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Gouraneurs Pad bz 

Harem Kn 

Migyxntrom BS 

Judenkuvhhat F3 

Aittahvomben A4S 

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Mahmudich Kanal DGS 

Marine Amt ¢c2 

Mehemet Ali Plats Ds 

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Wasser Nraervew réa 

Weethicher Halon AB24 

Zollamst ce 





Mevers Kony Lerikon ,6 Aufl Wubhograptiaches hoetitut in Lemanig Soe Arndcl Uerandrea * 


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Alerandria — Wlerandriner. 


der Intendanz fiir dad Quarantäneweſen und hat feit 
1890 aud) einen Munizipalrat, in dem feds euro- 
päiſche Raufleute figen. Das 1895 erdffnete archäo— 
logijdhe Mujeum birgt umfangreide Sammlungen. 
Außerhalb der Mauern, den Mahmudiehlanal entlang, 
ziehen ſich reigende Villen hin, aus denen aud) das 
9 kin djtlich liegende Ramleh fajt ausſchließlich bejteht. 

Gefdhidte. Die Ptolemäer wählten W. gur Haupt: | 
ftadt ihres neuen Reiches, und unter ihrer Regierung 
hob es fic) gu einer der blühendſten Städte des Alter⸗ 
tums entpor, groß durch Handel, beriihmt als Sif der | 
Wiſſenſchaften, aber aud als Sif einer durd) iiber- 
ſchwenglichen Reichtumgenährten grenzenloſen Sitten- 
lofigteit berüchtigt. Wis Cäſar 48 v. Chr. nad Pom— 
pejus’ Ermordung in YL. erſchien, entitand eine Em— 
pirung des Bolfes, gegen die fid) die Rimer unter 
heftigen Kämpfen neun Donate lang in der Kinigs- 
jtadt (Vrudium) bebaupteten (Wlerandrinifder 
Krieg); cin Brand verjzehrte damals den größten Teil 
Der berühmten alerandrinijden Vibliothet (j. oben). | 
Mud) im Rdmerreid ftand A. nur Rom felbjt an Grope | 
nad) und war der Hauptitapelplag, wo fic) Der orien- 
talijdje Handel vereinigte. Die wiſſenſchaftliche Be— 
Deutung Alexandrias madte es aud) zu einem Haupt- 
ſitz des Chrijtentums; die heftigiten Kämpfe zwiſchen 
dieſem und dem Heidentum und zwiſchen den chriſt— 
lichen Parteien ſchädigten die Blüte der Stadt. Ver— 
nichtet wurde aber A. als Hauptſtadt Ägyptens 
und herrſchender Handelsplatz durch die Araber, die 
unter Führung Amrus die Stadt nad) 14monatiger 
tapferer slate pe im Dezember 641 eroberten. 
Die Fejtungswerle wurden geſchleift; der grebte Teil 
der Stadt blieb zwar verfdont, fie erhob ſich aber 
nidjt wieder gu der frühern Gripe. Wis das Ralifat 
felbjt in Bersall geriet, erklärte fid) der Statthalter 
Ahnied 868 fiir unabhangig und qriindete die kurz— 
lebige Dynajtie der Tuluniden (bis 904); nad) der 
eggs rridaft der Ubbajiden bis 933 madten 
id) wieder die Ichſchid(id)en faſt unabhängig. Sdon 
919 waren jedod) YW. und Mittelägypten durd) cin 
Heer ded ſchiitiſchen Mahdi Obcidallah eingenomnien 
worden ; 50 Jahre ſpäter fiel aud) Fojtat in die Hinde 
diefer neuen nordafrifanifden Dynajtie der Fatimi- 
den, Ward zu ⸗Kairo« eriveitert (969) und fortan Re- 
nag Shes aber fam mehr und mehr berab. Genuefen 
und BVenegianer, die es zum —— des in⸗ 
diſchen Handels auserforen, ſchützten es allein nod) | 
vor größerm Verfall; der aber trat unvermeidlich cin, 
als 1498 der neue europaifd-indifde Handelsweg um 
Afrila entdedt wurde. Vom alten A. hatte fic) bis zu 
Edriſis Zeit (12. Jahrh.) numer nod cin groper Teil 
der Denkmäler erhalten. Erſt die Herrſchaft der Tür— 
fen (ſeit 1517) gab ihm den Todesſtoß; jogar die unter 
den Tuluniden entitandene Stadt der Araber, die 
durch ihre fid) rechtwinkelig durdjdneidenden Gaſſen 
cinem Schachbrett glid) und zahlreiche Prachtgebäude 
einſchloß, wurde der Erde qleid) gemadt. Yn triim- 
merbaftem Zuſtand befand fid na nod, als es durch 
Bonaparte in der Nacht vom 1. zum 2. Juli 1798 
erjtiiont ward. Bis Oftober 1801 blieb es in den 
Hiinden der Franzoſen. Wis Mehemed Wi 1806 die 
Statthalterei Ugyptens iibernahm, hatte UW. kaum 
7000 Einw. in clenden Lehmbiitten; ex wurde der 
Schöpfer deS neuen UW. Im J. 1882 wurde die Stadt 
infolge der Empörung Arabi Paſchas arg heimgejudt : 
11. Juni war fie Sdauplag einer blutigen Berfol- 
gung der Europäer durch den aufgehesten Pöbel, und 
da Urabi Paſcha die Forts neu befeſtigte, ward fie 11. 
Suli von der engliſchen Flotte unter Seymour be- 

Meyers Ronv.>Lerifon, 6. Aufl., L Bd. 








— — — — — — — — — 


305 


ſchoſſen, worauf fie von den Ägyptern in Brand ge- 
jtedt und gepliindert wurde, bis die Englander fie 
14. Juli beſetzten. Bgl. Dimitſas, Gefdichte Wer- 
andriens (qriedh., Uthen 1885); riety Alexan- 
drie et la e-Egypte (Par. 1886); Neroutſos⸗ 
Bey, L'ancienne Alexandrie (daj. 1888). 
legandria, andre Stiidte dieſes Namens: 1) 
(UWlecfandric) Stadt im rumän. Kreis Teleorman 
(Waladei), am Vedea und der Cijfenbahn Rojiori- 
Smardioaſa, mit 13,675 Cinw. — 2) Stadt in der 
ſchott. Grafidaft Dumbarton, am Leven, mit Bleiden, 
Kattundruckereien, Farbereien u. (1891) 7796 Einw. — 
3) Hauptitadt der Grafidaft A. im nordanterifan. 
Staat Virginia, am Potomac und am Ausgang de3 
Chefapeate-Ohiofanals, mit Ufademie, Brauerci, Ger- 
berei, Seehandel in QandeSproduften und (1900) 14,528 
Cinw. — 4) Stadt in Indiana, Grafidaft Madifon, 
norddjtlid von Yndianopolis, mit Bahnkreuzung, 
Glasfabrifation und (900) 7221 Cinw. — 5) Stadt 
in Louijiana, Rapidesdijtrift, als Bahniibergang und 
Sciffahrtsitation am Red River fowie als Baum— 
wollmartt widtiq, mit (i900) 5648 Einw. 
Wlerandria Troas, Stadt, j. Esfi Stambul. 
Alexandrija, Kreisjtadt im ruff. Gouv. Cherjon, 
am Ingulez, mit Talgfiedereien, Seifen= und Lichte— 
fabrifen, Getreidehandel und aso ) 14,002 Einw. 
Alexandrine, Friederife Wilhelmine A. 
Helene, Großherzogin von Mecklenburg-Schwerin, 
* 23. Febr. 1803, geſt. 21. April 1892, war die 
odjter Des Königs Friedrich Wilhelm III. von Preußen 
und Der Königin Luiſe und vermablte fic) 25. Mai 
1822 mit dem Erbgroßherzog, ſpätern Großherzog 
Paul Friedrid) (qejt. 7. März 1842). 
Wlexzandriner, aud Zwölfſilbner genannt, 
Vers franzöſiſchen Urjprungs, welder aus zwölf Sil- 
ben beſteht, gewöhnlich mit dem Endreim verjehen ijt 
und durch eine 5, (j.d.) in Der Mitte in zwei Vers. 
lieder von je ſechs Silben zerlegt wird. Jedes der 
eiden Versglieder hat zwei Akzente: einen accent 
mobile (d. h. bewegliden Alzent) auf einer der erjten 
vier Silben (ganz ee auf der fiinften) und einen 
accent fixe (Dd. h. feſten Alzent) auf der ſechſten Silbe. 
Das älteſte Gedicht, welches dieſen Vers aufweiit, 
ijt Die -Reiſe Karls d. Gr. nad Jeruſalem und Rone 
jtantinopel« aus dem Ende de 11. Jahrh. Nach— 
m der Vers lange beliebt geweſen, fam er fiir line 
gere Heit, pom 14.—16. Jahrh., aus der Mode; er 
wurde erjt in der Beit der ‘Blejade von Baif und Du- 
bartas wieder gu Ehren gebracht und ijt ſeitdem der 
beliebtejte aller franzöſiſchen Verſe. Neuere Dichter, 
zuerſt Undré Chénier, dann die Dichter der roman: 
tiſchen Schule, haben dem Vers cine freieve Bewegung 
gegeben, indemt fie gelegentlid) nidt nur die Schluß⸗ 
paufe des Verſes vernadlaffigten (j. Enjambement), 
jondern aud) den Akzent vor Der Cäſur und dieje felbjt 
urtidtreten ließen. Golde Berje, die fomit nur dret 
frente (gewöhnlich auf der vierten, adjten und zwölf— 
ten Silbe) agen, werden romantifde A. ge 
nannt. Den Ramen A. fiihrt man gewöhnlich auf 
den Umſtand zurück, daß der vielgelejene Wlerander- 
roman gegen Ende des 12. Jahrh. in zwölfſilbigen 
Verſen abgefaßt war; dod) ijt dies nicht recht mit dent 
Ausdruct rime alexandrine, der in einer Überſetzung 
des Hohen Liedes aus demt 14. Jahrh. gebraucht wird, 
in Emmflang ju bringen. Der Name W. kommt erjt im 
16. Jahrh. auf (bet Sean Le Maire und Marot). 
Vorſchriften fiir das Leſen der franzöſiſchen A. und 
cine freilicd) etwas gefiinjtelte Unalyfe thres Rhythmus 
gibt Becq de Fouquieres, Traité général de 
20 


306 


versification francaise (Bar. 1879). Bgl. Trager, 
Geſchichte des franz. Alexandriners (Leipz. 1889). 
Von Frankreich aus verbreitete ſich Der A. über 
Holland, Deutſchland und England. Im Deutſchen, 
wo derſelbe bei der rhythmiſchen Beſtimmtheit der 
Sprache um vieles ſteifer erſchien, erhielt er nament⸗ 
lich durch Opitz cine faſt uneingeſchränkte, über alle 
Dichtungsgattungen ſich erſtredende Herrſchaft und 
behauptete dieſelbe das 17. und 18. Jahrh. hindurch, 
bis Klopſtock durch Einführung der antifen Metra und 
Lefjing durch den fünffüßigen Jambus fein Reid 
jtiirgten. Seitdem ijt Der A. als cine Reminiszenz des 
Zopfſtils mifadtet qewefen und fam nur ausnabms- 
weiſe (3. B. nicht obne Wirfung in fleinen Luſtſpielen 
bet Milner und Jmmermann) in Anwendung. Erſt 
in neuerer Zeit wurde er uns durch Riidert (in ſeinem 
Lehrgedicht · in »Roſtem und Subrab« rc.), ſpäter 
durch Freiligrath, Geibel u. a. wieder peer und 
legtern gelang es Dadurd), daf fie neben der Haupt: 
zäſur nod andre Berseinfdnitte anbradten und Una- 
päſten umd Spondeen wechſelvoll cinjtreuten, teils 
aud, indem fie (nad) Dem Vorgang franzöſiſcher Dich- 
ter) Strophen bildeten, in welchen der A. mit dem 
vierfiigigen Jambus wedfelt, dem einformigen Me- 
trum grofere Mannigfaltigfeit und einen beweglidern 
Charafter gu verleihen. ng felbjt ſchildert den 
U. in Dem befannten Gedicht »Der A.« (»Spring’ an, 
mein Wüſtenroß aus Ulerandria!<). 

2 — Bibliothek, |. Alexandriniſche 
Schule. 

Alexandriniſche Munft nennt man nad der 
Hauptitadt des Ptolemäerreichs die neue Blüte qrie- 
chiſcher Kunſt, die Diefe nad) dem Tod Wleran 
d. Gr. vornehmlid in Unteraigypten, Syrien und 
Siidfleinafien erlebt hat. Sie offenbarte ſich am glän⸗ 
jendjten in monumentalen Stadteanlagen und in im- 
pofanten Eingelbauten (Tempein, Badern, Saulen- 
jtraken, Gymnaſien, Bibliothefen, Marfthallen ꝛc.), 
liber Die wir bid jest nur durch literarijde Uberlicfe- 
rungen unterridtet find, da nod) feine Uusgrabungen 
in grofem Maßſtabe mit Erfolg verſucht worden find. 
Eine finnlide Borjtellung von dent auf Prunk und 
jtarfe maleriſche Wirkung geridteten Weſen der aleran- 
driniſchen Kunſt gewinnen wir aus einer Reihe von 
Warmorreliefs, ¥ erratotien und Werfen der Klein⸗ 
funjt, die zuerſt von TH. Schreiber in Leipzig unter 
einheitlichem Gefichtspuntt gewiirdigt worden find. 
Dana) ijt die a. K. cine Erſcheinung, die bem moder- 
nen Barodjtil entfpridt. Ihr Urjprung ijt aus dem 
Hervortreten üppigen Privatlebens ju erfliren, dad 
allmählich sur Ausbildung ciner genrebaften, fiir das 
Wohnhaus arbeitenden Kunſt führte, und aus der ju: 
nehmenden Freude an der Natur, einem dem moder⸗ 
nen Empfinden verwandten Intereſſe an der Schön—⸗ 
heit Der freien Ratur, an dem Walde, an dem Hirten- 
und Scbaferleben. Charalterijtifd ijt die Dem antifen 
und modernen Barod cigentiimliche Materialkünſtelei, 
die Verwendung foftbarer Stoffe von Edelinetall, Edel- 
jteinen und von Glas und Elfenbein fitr die Wand- 
deforation, ebenfo wie fiir Die Bilbhauerei, die fic) bid 
jur Unfertiqung ganzer Statuen aus Edelſteinen und 
ſelbſt aus farblofem Kriſtall verſtieg. Die Einkehr der 
ſtunſt in das Vollstum, die Darſtellung von Figuren 
und Szenen aus dem Straßenleben, Bie Daraus er- 
wachſende Genremalerei find cin weiteres Element 
diefer Barodtunjt. Der Hauptfattor, der den Stil- 
umſchwung bewirfte, die immer ftirfer und allgemei- 
nev werdende Naturfreude, führte in ber Dichtung zur 
Entitehung des Idylls und de3 Romans, in der bil- 


Alerandrinifde Bibliothe—f — Alerandrinijde Schule. 


denden Mimjt zur Landfdaftsmaleret und zu citer 
befondern Art landſchaftlicher Rumdploftif, die allerlei 
ur Gartenausfidmiidung gefdhaffen bat. Eine be- 
Pr nbers ſchöne a et Pradtreliefs, die in rei⸗ 
cher Umrahmung die Wände fdmiidten, waren ge- 
tricbene Brongearbeiten mit reidem landſchaftlichen 
Hintergrund, von denen wir nod) Marmornadhbil- 
dungen in Brunnenreliefs im Palazzo Grimant in 
Venedig und in Reliefs tm Palazzo Spada in Rom 
befipen. Bon letztern ijt der ſchlafende Endymion mit 
jeinem Hunde, der die herabſchwebende Selene be- 
merft, aud in modernen Nadhbildungen viel verbrei- 
tet. Die Terrafotten von Ulerandria, von denen daz 
Berliner Mujeum cine Anzahl bejigt, enthalten ein 
reiches Material zur Kenntnis der alerandrinijden 
164 und Kunſt. Namentlid) find es merfwiir- 
bige iſchungen europdifder und afrifanifder Multur. 
Als in Ulerandria die Miſchung griechiſcher und äghp⸗ 
tiſcher Gottheiten vor fic) ging, = es, letztere in gre 


chiſchen Foren und dod mit rafterijierung threr 
frembden Heimat F gejtalten. Ein Hauptwerl diefer 
Richtung ijt die Gruppe des Nils im Vatikan (Wbbil- 


dung f. »Mil<). Erjeugnijje alerandrinifder Malerei 
aus ſpäterer, nachchriſtlicher Beit find uns in Mu- 
mienbildniffen (jf. d.) erhalten. Bgl. Th. Sdrei- 
ber, Die Wiener Brunnenreliefs aus dem Palazzo 
Grimani (Leipz. 1888); Derjelbe, Die helleniſtiſchen 
Reliefbilder (daj. 1889—94) und Ulerandrinijde To- 
reutif (in den »Abhandlungen der faidfifchen Geſell⸗ 
fchaft der Wiſſenſchaften⸗, daf. 1894); Briidner im 
der » Berliner philologifden Wochenſchrift ⸗ 1890. 

Alexandriniſche Philofophie, dicjenige Pbi- 
loſophie, die fid) in Wlerandria durch die Verſchmel⸗ 
sung griechiſcher Philoſophie mit orientalifder Weit- 
—— bildete. Sie erſcheint im letzten vorchriſt⸗ 
lichen und im erſten chriſtlichen Jahrhundert einerſeits 
als jũdiſch⸗alexandriniſche, aus der Verbindung Pla⸗ 
toniſch⸗ ſtoiſcher und jüdiſcher, anderſeits als neu⸗ 
pythagoreiſche, aus der Erneuerung angeblich Pytha⸗ 

oreiſcher und orientaliſcher Weisheit entſprungene. 
Rit dem Ende deS 2. Qahrh. n. Chr. als neuplato- 
nifde Schule durch Vermahlung Platonifder Philo— 
fopbie und morgenlindijder Emanationslehren. Der 
bedeutendjte in der erjtgenannten ijt der Jude Pilon, 
Griinder der sweiten in Figulus. Die letzt⸗ 
enannte verdanlt ihren Urſprung dem Ammonios 

Saftas (ſ. Neuplatonismus). Bgl. Vache rot, His- 
toire critique de l'école d'Alexaudrie (Lyon 1846 
big 1851, 3 Bde.). 

Alexandriniſcher Dialekt, ſ. Griechiſche Sprache. 

Alexandriniſcher Kodex (Codex Alexandri- 
nus), ſ. Bibel. 

Mecaubrinties Krieg, |. Ulerandria. 

Alexandriniſche Schule, qangbare Bezeichnung 
einer fortlaufenden Reihe mitentihattlider Vejtre- 
bungen, die, durch die Freiqebighcit Der Ptolemäer be- 
griindet und gefdrdert, in Alexandria ihren Sig batten 
und cine fiber 700jährige Geſchichte durchliefen (etwa 
von 300 v. Chr. bis 300 n. Chr.). Die Baſis derſelben 
war das Mufeion, eine großartige Unftalt tm Stadt- 
teil Bruceion, worin die Gelehrten als Penfiondre 
auf Staatsfofter den Studien lebten und lebrten. 
Zum gemeinſchaftlichen Gebraud der Gelehrten dien- 
ten zwei ebenfalls von den Ptolemäern angelegte 
Bibliotheken, die mit Dem Muſeion verbundene 
und die im Serapeion, im Stadtteil Rafotis, aufge 
ftellte, die bald alle durch fie ſelbſt veranlaßten Bücher⸗ 
ſammlungen wegen ihrer Reichhaltigleit übertrafen. 
Um 250 v. Chr. betrug die Geſamtzahl der Rollen 


Alexandriniſches Zeitalter — Wlerei. 
in ber erſten Vibliothet bereits 490,000, in der zweiten 


42,800. Durd) dieje Verhältniſſe wurde Werandria 
fchon unter den erjten Ptolemäern der Sammelplatz 
und Bildunggort der beriihmtejten Gelehrten dama— 
liger Zeit und blieb jabrbundertelang troy mancher 
Stdrungen ein Haupiſitz aller wiſſenſchaftlichen Tatig- 
feit. Zwar verbrannte bei der Belagerung Uleran- 
drias durch Julius Cäſar (47 v. Chr.) die 700,000 
Rollen betragende Miujeionsbibliothef; dod) wurde 
der Schade zum Teil durd Untonius erfest, welder | 





Kleopatra die 200,000 Biinde zählende VBibliothel von | 


Pergamon fdentte. Bis Ende des 2. Jahrh. n. Chr. | 
war die a. S. die erjte Der Welt, und die beriihmte: | 
jten Ärzte, Philofophen, Mathematifer, Ujtronomen, | 
Philologen und Theologen jener Zeit erbielten dort | 


ihre Bildung. Das Chrijtentum bradte eine Störung 
in die heidniſch-griechiſche Uberlieferung ; aber Der | 
eigentlide Berfall begann erjt mit dem 3. Jahrh., 


alg Caracalla das reid) fundierte Ynjtitut des Mu⸗ 


feions aufhob und die Benjionen der Gelehrten einzog. 


807 


den BVorjtehern diejer Schule find Pantänus als der 
erjte uns befannte, Clemens und Origenes als die 

rößten und einflußreichſten ju nennen. Cregetijde 
—— mit kühner Spelulation verbindend, 
hat die a. S. den Schwerpunkt des chriſtlichen Glan- 
bens einerjeits in fpefulativen Bejtimmungen und in 
der Metaphyfif der Gottes- und Logoslehre geſucht, 
anderſeits aber dabei ſtets die fittliche Freiheit des 
Menſchen betont und darin eine edht griechiſche Erb- 
{daft bewahrt. Origenes und feine Nachfolger galten 
Daher über ein Jahrhundert lang als Borbilder aud 
für das wiſſenſchaftlich zunächſt unfrudtbare Ubend- 
land. Erſt allmählich entfernte fic) dieſes von der fo 
gewieſenen Linie, und in demſelben Make wurde aud) 
tm Orient die ältere a. S. teils durd die jiingere, von 
Uthanajius und Cyrillus repriifentierte, wefentlid 
orthodore, teil durch die fogen. Antiocheniſche Schule 
(7. d.) zurückgedrängt, welch letztere ihr namentlich in 
Bezug auf ſtreng wiſſenſchaftliches Verfahren über— 
legen war. Bgl. Vacherot, Histoire critique de 


Verderblider noch fiir die alttlaffijde Gelehrſamleit l'école d’Alexandrie (Lyon 1846—51,2Bbde.); Bigg, 


war Die Unduldfamfeit der chriſtlichen Batriarden, 





pon denen der fanatiſche Theophilos 390 unter Theo⸗ 
doſius d. Gr. aud) das Serapeion mit feinen wiſſen⸗ 
ſchaftlichen Schätzen verbrannte. Dod wurde aus 
den geretteten Trümmern cine neue Bibliothel ge- 
griindet; auch ſammelten fic) nad und nad) wieder 
qelehrte Manner, befonders Rechtslehrer und Ärzte, 
umd während die römiſche Welt in Europa den Bar- | 
baren erlag, frijtete fic) bier die Wiſſenſchaft wetter. 

Juſtinian ſchloß zwar die heidnifden Philofophen- 

ſchulen; aber Urijtoteles und Blaton herridten fort 

in den chriſtlichen Schulen. Die lesten Rejte grie- 

chiſcher Bildung gingen bei der Eroberung und Zer⸗ 
ftdrumg Wlerandrias durd) die Uraber gu Grunde 

(642). Die Vibliothef war jdon vorher nad Ron: | 
jtantinopel verjdleppt worden. Nun trat an Stelle | 
Der griechiſchen die arabiſche Wiſſenſchaft: der Kalif 
Motawakkil rief Mitte des 9. Jahrh. in Alexandria 
eine Alademie ins Leben. Mit dem Sturz der arabiſchen 
Herrſchaft in Ägypten verloſch auch dieſe Flamme 
wieder. Vgl. Parthey, Das alexandriniſche Mu— 
ſeum (Berl. 1838); Weniger, Das alexandriniſche 
Muſeum (daſ. 1875). — iiber die Leiſtungen der 
alexandriniſchen Schule auf poetiſchem wie anf wiſſen⸗ 
ſchaftlichem Gebiet ſ. Griechiſche Literatur. 

Auch die Ju den, deren ſich zur Beit des Auguſtus 
gegen cine Million in Ägypten befanden, hatten fic) 
tn Ulerandria frühzeitig mit griechiſcher Sitte, Sprache 
und Gelehrſamkeit befreundet. Hier entftand die qrie- 
chiſche Uberfepung des Ulten Tejtaments (f. Septua- 
qinta), bier bildete fic) aud) cine jiidijde Theologie, 
welche die griechiſche Bhilofophie mit den heiligen 
Büchern des Judentums durch allegorifde Unslegqung | 
in Übereinſtimmung ju bringen fudte (j. Werandri- | 
nije Philoſophie). Auf ähnliche Weiſe entwidelte 
ſich das Chriſtentum in Alexandria, das ſich um 
ſo unumgänglicher mit der dort gepflegten Philoſophie 
in Verbindung ſetzen mußte, als eine wiſſenſchaftliche 
Auffaſſung und Begründung bei der herrſchenden 
Bildung der chriſtlichen Religion zu ihrer Empfehlung 
notwen ig war. Auf dieſe Weife entitand hier zuerjt 
durd philofophifde Entwidelung der in den hiſto— 
riſchen Grundlagen des Chrijtentums liegenden Ideen 
eine chriſtliche Wiſſenſchaft, die ben bedeutendſten Cin- 
fluß auf die Kirche ausgeiibt hat und unter dem Namen 








der alerandrinifd@en Theologie befannt iit. 
Yhren Wittelpuntt bildete die Katechetenſchule in 
Werandria, deren Bliite in das 3. Jahrb. fallt. Unter 


The Christian Platonists of Alexandria (Orf. 1886). 

Alexandriniſches Heitalter, joviel wie Uleran- 
driniſche Schule (jf. d.). 

Wlerandriften, dicjenigen Anhänger des Urijto- 
teles im Wittelalter, die Dem Wlerander von Aphro— 
diſias (f. UWlerander 3, S. 301) in der Meinung folgten, 
daß nad) Urijtoteles nur der weltordnende gittlice 
Geiſt unjterblich fei, ——— zu den ſogen. Aver⸗ 
rhoiſten, die mit Averrhoes (ſ. d.) behaupteten, Ari— 
ſtoteles habe die Unſterblichkeit der dem ganzen Men— 
—— gemeinſamen Vernunft gelehrt. 

Alexandrit, Edelſtein, ſ. Chryſoberyll. 

Alexandröpol (früher Gumri), Kreisſtadt im 
ruſſ. Gouv. Eriwan (Transkaulaſien), amt Arpatſchai 
und der Eiſenbahn Tiflis⸗Kars, Feſtung und geräu— 
miger Waffenplatz fiir 10,000 Mann, hat 5 Kirchen, 
Maddhengymnajfium, 6 Rarawanjeraien, bedeutende 
Seidenindujtrie und (1897) 30,735 Einw. Hier 30. Ot. 
1853 Sieg der Ruſſen über die Tiirten. 

Alexandros, griech. Name, ſ. Wlerander u. Paris. 

Wlexdndrow, sreisjtadt im rujj. Gouv. Wla— 
dimir, an der Säraja, Rnotenpuntt an der Eiſenbahn 
Mosfau-Yaroflaw, mit berühmtem Frauenflofter, 
Stahlfabrifen und 1se7) 6848 Einw. 

Alexaͤudrowſtk, 1) Kreisjtadt und kleine Feftung 
im rufj. Gouv. Jefaterinoflaw, am Dnjepr, unter- 
halb feiner alle, an der Eiſenbahn Charfow-Seba- 
jtopol, mit 2 Rirden, Synagoge, Kreisſchule und 
(1897) 28,434 Cinw. — 2) Kreisſtadt im ruff. Gouv. 
Urdangel, unter 69° nördl. Br., am Nördlichen Cis- 
meer, das hier infolge der Wirkung des Golfftroms 
das ganze sae cisfrei ijt, wurde 1895 auf Beran- 
laffung des Gouverneurs Engelhardt angelegt und 
6. Dult 1899 feierlid) eingeweiht. — 3) (Wleran- 
drowſti Pojt.) Seit 1855 bejtehende rujj. Anſiede— 
{ung im oſtſibiriſchen Küſtengebiet, an der Kaftriesbai, 
der Inſel Sachalin gegeniiber, mit gutem Hafen, 
Hofpital, Magazinen und lebhaftem Handel. Dabei 
die Militarjtation Ra ftries. 

Alexei, 1) U. Michailowitſch, zweiter Zar von 
Rupland aus dem Hauſe Romanow, Gohn und Rad 
folger Midails Feodorowitſch, geb. 10. März 1629, 

ejt. 29. San. 1676, fam 1645 unter der Leitung 
Primes Erziehers Morofow sur Regierung. Du 
Erridtung eines tüchtigen Heeres, in Dem Ausländer 
cine Rolle fpielten, ſchuf er fic) cine bedeutende Macht; 
indeſſen hatte der Sar beim Beginn und gegen das 
Ende feiner Herrjdaft mit imnern Unrujen zu 
20 * 


308 


fampfen. Der Streit um Meinrupland, deſſen ortho- | 
dor-griedifde Einwohner, inSbej. die Rofafen unter | 
dem Hetman Bogdan Chmelnizkij, den Shug des | 
Saren gegen bie Boten anriefen und 1654 die Bot: | 
mãßigleit bes Zaren anerfannten, ndtigten A. ju | 
einem langjabrigen Krieg mit Polen; durch den Frie⸗ 
den von Undruyjowo (1667) gewann YW. die Ufraine | 
bis jum Dnjepr. Yin Kriege mit Schweden (1655— | 
1658) eroberte A. zwar einen grogen Teil Livlands 

und Ingermanlands, mußte thn aber im Frieden von 

Kardis (21. Juni 1661) juriidgeben. Dafiir unter- 

warj er Sibirien, Daurien und das Amurland und 

unterdriidte Den Aufſtand der Doniſchen Koſalen 
(1672). Während ſeines letzten Jahrzehnts forgte A. 

für die innere Organiſation ſeines Reiches. Zugleich 

tnupfte er politiſche und merfantile Verbindungen mit 
China, Perſien und den europäiſchen Staaten, na— 

mentlid) mit Holland, an. Durd ihn fam das ruf- 

ſiſche Geſetzbuch »Uloshenie« ju ftande. Sem Nach⸗ 

jolger war fein Sohn Feodor; dicjem folgte fem 

Stiefbruder Reter d. Gr. 

2) U Petrowitſch, der alteite Sohn Peters d. Gr. 
und der Eudoria Vapuchin, geb. 28.(18.) Febr. 1690, 
gejt. 7. Juli (26. Juni) 1718, geriet frühzeitig unter 
den Einfluß der altruffijden Partet, die Den Reformen 
des Zaren wideritrebte. Beter gab ihm jettweilig | 
auslandifde Erzieher und forderte ifn wiederholt rae 
entweder den Sinn ju ändern, oder der Thronfolge 
ju entſagen und ins Kloſter su gehen. A. erflarte 
ſich gu lesterm bereit. Wis aber Peter feine siweite 
Reiſe ins nördliche Europa angetreten hatte, entfloh 
A. 1717 nad Wien und von da nad Neapel. Über 
redet Durd den Gardehauptmann Rumjanjow und 
den Gebeiiurat Toljtoi lehrte A. gwar juriid, fand 
aber Gefangnis und jtrengeds Geridt. Der Ulas vom 
14.(3.) Febr. 1718 fprad Alexeis Ausſchließung vom 
Thron fiir alle Zeiten aus, und nad näherer Unter- 
ſuchung lief der Sar aud) A. auf Hochverrat anflagen 
und ifm das von 127 Ridtern einjtimmig geſprochene 
Todesurteil voriefen. Balb darauf ftarb A., wahr- 
ſcheinlich an den Folgen der Folter. Rad) andern 
Nachrichten foll er im Gefängnis enthauptet oder ver- 
giftet worden fein. Smmermann hat die Geſchichte 

lexeis in Der Trilogie⸗ Alexis · dramatiſch bebandelt. 
A. hinterließ von ſeiner Gemahlin Charlotte Chriſtine 
Sophie, Prinzeſſin von Braunſchweig-Wolfenbüttel 
(geſt. 1715), cine Tochter (geſt. 1728) und einen Sohn, 
den nadmaligen Kaiſer Peter II. Bgl. UW. Briidner, 
Der SZarewitid A. (Heidelb. 1880). Urfunden über 
A. veröffentlichten Jeſſipow und Pogodin in der 
Zeitſchrift der Geſellſchaft fiir ruſſiſche Geſchichte und 
Allertümer · ( Most. 1861). 

Alexejew, Jewgenij Iwanowitſch, ruff. Ad⸗ 
miral, geb. 1843, beſuchte die Marineſchule und machte 
an Bord des Kriegsſchiffes Warjag eine Weltumſe— 
gelung mit. 1867 wurde er Dem Chef des ruſſiſchen 
Geſchwaders im Ägäiſchen Weer beigegeben, 1875 
und 1876 begleitete er Den Großfürſten Ulerei Alex— 
androwitſch auf deſſen Seereifen im Mittelländiſchen 
Weer und tlantifden Ojean. Von 1883 -- 93 Ma— 
rimeattadé bei der ruffifdhen Botſchaft in Baris, be- 
febliqte U. wahrend ded japaniſch chineſiſchen Krieges 
1894 - 95 das neugebtidete ruſſiſche Geichwader tm 
Stillen Ozean, beſetzte Kort Urthur und Talienwan. 
Bum Bizeadmiral und Gehilfen des Marine-General- 
ſtabschefs befdrdert, wurde er 1898 Chef von Kwang: 
tung, nabm an der Pazifikation Chinas durd die ver- 
vilndeten Wadte 1900 -1901 bervorragenden Unteil 





und tit jept Chef der ruſſ. Flotte im Stillen Ojean. 


Alerejew — Alerios. 


Alexianer, aus Laienbriidern beitehende GenoF- 
fenjdaft, fo — nad ibrem Shugpatron, dem heil 
Ulerius (f. d.). Entitanden tm 14. Jahrh., gur Seit 
des Schwarzen Tode3, widmeten ſich die WL der Sran- 
fenpilege und der Bejtattung der Toten (daher aud 
Loliharden [f. d.] genannt). Sie beitehen bier umd 
dort nod heute, ihr Haupthaus iit das Kloſter Maria 
berg in Machen, ihre Zahl in Deutidland etwa 230. 

Alexie (gried.), Berlujt der Fabtgteit zu leſen bei 
erhaltenem Sehvermigen, Symptom von Hirnfrant- 
beiten, meijt verbunden mit Aphaſie (7. d.). 

Wlezifafos (griech.), Unbeilabwehrer, Betmame 
des Apollon und Herafles. 

Alexinac (jpr. nay), Stadt im ferb. Kreis Krusevac. 
an der Woravica und der Cifenbahn Belgrad- Wis, 
mit einem Untergymnaſium, Geridt und as%6) 5431 
Einw. Im Kriege 1876 hatte A. nad der Einnahme 
durch die Türken ſchwer ju leiden. Yim nahen Berg⸗ 
gipfel Rujewica das (1880 errichtete) Denfmal fur 
Die in Diefem Rriege gefallenen Ruſſen. 

Alexine, ſ. J\mmunitit. 

MAlextos, Name mehrerer byzantin. Kaiſer: 1)äA. I. 
Komnenos, Kaiſer 1081—1118, Neffe des Raiiers 
Saal Komnenos, geb. 1048, geſt. 15. Aug. 1118, zeich⸗ 
nete ſich als Feldherr unter den Kaijern Michael VIL. 
Dufas und Nifephoros Botaniates aus, flob darn 
aber vor den Nachſtellungen des lestern zum Heer, 
wurde bon dieſem jum Kaiſer ausgerufen und ent: 
thronte den Nifephoros (1081). Mit den Seldichufen 
ſchloß er einen ungiinjtigen Frieden, um ſich mit aller 
Madt gegen den Normannenherzog Robert Guiscard, 
der in Das Reid) eingefallen war, gu wenden. Gegen 
dieſen verbiindete er fid) mit Den Venezianern, denen 
er reiche Handelsprivilegien verlieh, und mit dem 
deutſchen Kaiſer Heinrich IV., wurde aber bei Durazzo 
geidlagen. Robert drang num fieqreich bis Wate- 
Donien vor, mupte aber 1082 nach Stalien jzuriid- 
febren, worauf fein unter ſeinem Sohn Boemund 
urtidgelajjenes Heer von YU. fajt vernichtet wurde. 
Robert erneuerte 1084 den Ungrijf, ſtarb aber ſchon 
1085, worauf fein Heer Hheimfehrte. A. kämpfte 1088 
bis 1091 gegen die Petidenegen, die iiber die Donan 
vorgedrungen waren, und nahm darauf den Sel- 
dſchulen eine Reihe von Inſeln und Küſtenſtädten im 
Kleinaſien ab. Gegen dieje Feinde ſuchte er aud bei 
Bapjt Urban IT. und den abendlandifden Fürſten 
Hilfe; als aber 1096 die Kreuzfahrer im griechiſchen 
Reich erſchienen, fanden fie nicht die gewünſchte Auf—⸗ 
nahme. A. nötigte ſchließlich die vor Konſtantinopel 
erſchienenen Fürſten, ihm den Lehnseid zu leiſten; 
doch entſprangen aus dieſem Verhältnis Zwiſtigkeiten 
und Gefahren fiir fein Reich (ein neuer Carfall Boe— 
munds 11071108 wurde glücklich abgewebrt), Die 
nod) nicht beigelegt waren, als A. ſtarb. Im Jn: 
nern des Reiches, das er in gany zerrüttetem Sue 
jtand vorfand, ftellte er die Ordnung ber, verbeſſerte 
das Heerwefen und die Finanjen, begiinitigte die 
Kirche und verfolqte die Reser (Paulicianer und Bo— 
gomilen). Sein Leben befdrieb feine Tochter Anna 
Mominena (f. Anna 6) in Der »Alexias«, Bal. Cha- 
landon, Essai sur le régne d'Alexis 1 Comnéne 
(Bar. 1900). 

2) U. IL, Romnenos, Sohn Kaiſer Manuele, 
Kaiſer 1182— 83, folgte 13jabrig fetrem Vater, wurde 
durch deſſen Better Undronifos (j. d. 1) ermordet. 

$) A. UI. Ungelos, Kaiſer 1195 —1203, ent- 
thronte feinen Bruder Iſaal Ungelos und fiihrte 
darauf cin unriibmlicdes Regiment. Während der 
Velagerung von Konſtantinopel durd die von Iſaals 


Aleripharmafa — Alfieri. 309 


Sohn Alexios herbeigefiihrten Rreusfahrer und Vene- | quellen find der ULerishbrunnen, cine fohlenfiure- 
gianer 1203 floh er aus der Stadt, fudjte in Rein | reiche Stahlquelle (9%, dic ausſchließlich zum Trin— 
ajien feine Herricerredte geltend ju maden, wurde | fen, und der Selfebrunnen (8°), der nur zum 
aber von feinent Schwiegerjohn Theodor Lasfaris in | Baden benutzt wird. Außerdem find Einridtungen 
ein Kloſter ju Nikäa gefperrt, wo er ſtarb. gu Molfen- und Kaltwafjerfur, Fichtennadel- und 

4) U. IV., Ungelos, Matfer 1203 —1204, Sohn Solbädern, Kuren mit Cleftrizitat 2. vorhanden. YW. 
ded Iſaakl Ungelos, floh nad) deſſen Entthronung genießt Ruf bei Frauenfranfheiten und wurde 1810 
durch Alexios III. nad Venedig. Er bewog durd groke | vom Herjog Uleris von Anhalt eingeridtet. Qn der 
Verjprechungen die dort ———— Kreuzfahrer, Nähe der Ramberg (ſ. d.) und das Eiſenhüttenwerl 
—— mit den Venezianern zur Befreiung ſeines 

ters gegen Ronjtantinopel zu ziehen. irklich 
wurde YW. nad) der Flucht Wlerios’ IT. zuſammen 
mit ſeinem Vater Iſaak auf den Thron erhoben, doch 
fonnte er den vor der Stadt gebliebenen Kreuzfahrern 
jeine Veriprechungen, namentlich die Vereinigung der 

riechiſchen mit der römiſchen Rirde, nicht erfiillen. 
Daher erneuten dieſe die Belagerung, und dabet wurde 
A. entthront und getitet. 

5) U. Komnenos, Enkel ded Kaiſers Undronifos 
Komnenos, griindete nad) der Cinnahme von Kon— 
ftantinopel durch die Franken 1204 tm nordöſtlichen 
Kleinaſien cin eignes Reid) mit der Hauptitadt Tra- 
pejunt. Sein Enfel Johannes nahm den kaiſerlichen 
Titel an, und feine Nachfommen haben als Kaiſer 
von Trapejunt (Trebijonde) — bis Sultan Mo⸗ 
hammed II. 1461 auch dieſes Reich vernichtete. 

Alexipharmaka, bei den griech. ÄArzten Mittel ge⸗ 
gen Gifte; enthielten ätheriſche Ole, Opium, Mofdus. 

— (griech.), männlicher Vorname, bedeutet 
»Helfer<. 

Alexis, neben Antiphanes der fruchtbarſte und 
bedeutendite Dichter der mittlern attiſchen Komödie, 
aus Thurti, wm 392 v, Chr. geboren, erreidte ein 
Ulter von 106 Jahren und foll auf der Biihne als 
befriin;ter Sieger gejtorben fein. Geinem fangen 
Leben entiprad die Menge der von ihm verfaften 
Stiide, deren Zahl auf 245 angegeben wird. Die er- 
haltenen zahlreichen Fraqmente zeigen nicht geringen 
Wig und eleqante Sprache (hrsg. von Kod in »Comi- Poſſenreißerei, Gaulelet, Hinterlijt, Ubervorteilung, 
corum atticorum fragmenta«, Bd. 2, Leipz. 1884). | Betrug (Ul fanjzerei); perſönlich: Poſſenreißer, Er}: 

Wlexis, Willibald, Pſeudonym, f. Haring, Wilh. ſchalk, Phantaſt; davon alfanjen, triigen und narren. 

Wlexis (or. atetgig», Paul, franz. Sdhriftiteller,| Wlfarabi, ſ. Farabi. 

eb. 10. Juni 1847 in Wir, geft. 29. Juli 1901 in| Mlfaro, Bezirfshauptitadt in der fpan. Proviny 
Triel (Seine-et-Dife), war ein jiingerer Schulfamerad | Logroiio, am Fluß Alhama und an der Eiſenbahn 
Bolas im College ju Aix und folgte ihm nad voll- | Tudela-Bilbav gelegen, hat (1897) 5808 Cinw. 
endeten Rechtsjtudten nad Karis, um ſich der Lites| Wlfedena, Stadt m derital. Proving Uquila, Kreis 
ratur 3u widmen. A. gehörte zu den fiinf Naturalijten, | Solmona, an der Eiſenbahn Solmona-Iſernia, mit 
die mit Bola den Novellenband »Les Soirées de Mé- | (1901) 2240 Einw., das antife Aufidena im nördlichen 
dan« (1880) herausgaben, der al8 Manifeſt der neuen | Samnium, von dem neuerdings Rejte der Ringmauer, 
Sule galt. A. ift dem Borbild Zolas, dem er die | der Strafen und eine ausgedehnte Nefropole zum 
wertvolle biographiſche Skizze »Emile Zola, notes Vorſchein gefommen find. Bgl. Mariano, Aufidena, 
d'un ami« (1882) widmete, allein bis ang Ende ge: | ricerche storiche ed archeologiche (Rom 1901). 
tren geblieben. Auf der Bühne debittierte er mit dem | Whfeld, Kreisjtadt im preuß. Regbez. Hildesheim, 
Ginafter »Celle qu’on n’épouse pas« (1879), den | an der Leine und der Staatsbahnlinie Elze-Kaſſel, 
die Comedie Francaije 1898 wieder aufnahm. Gein | hat eine gotifche evangelijdhe und eine fath. Rirde, 
bedeutendjtes Bühnenwerk ijt der dreiaftiqe, höchſt ein altertitmlides Rathaus, ein evangeliſches Schul⸗ 
gewagte »Monsieur Betzy« (1890, mit Méténier). | lehrerjeminar, Realprogymnajium, Amtsgericht, 
Sein erjter Roman: »La fin de Lucie Pellegrin« | Oberfirjterei, Reichsbanknebenſtelle, Fabrifation von 
(1880), war cine abjdredende Krankheitsgeſchichte. Rapier, Bapier- und Zementwaren, Leijten, Wagen- 
Maßwvoller und gehaltvoller ijt »>Madame Meuriot« | tud x., Eiſengießerei und Majdhinenbau, Handel mit 
(1890). Qnterefje erregte der auf Gambetta anfpie- | wildben Tieren und Kanarienvögeln und (1900) 5411 
lende Roman »Vallobrac (1901), deffen Stoff A. Einw. In der Nahe der Schlehberg mit ſchöner 
aud) in einem binterlajjenen Drama behandelt hat. | Ausſicht. Vgl. Theele, Die Stadt U. (HildesH. 1886). 
Untoines epochemachendes Théitre Libre wurde mit| Wlfent, galvaniſch verjilbertes Neujilber. 
Wleris’ ironiſchem Einatter »Mademoiselle Pomme< | Wlfheim, ſ. Asgard. 
(1888) eröffnet. Wlfieri, 1) Vittorio, Graf, einer der beriifm- 

Alexiobad, Bade⸗ und Luftfurort im anhaltiſchen tejten neuern ital. Dichter, geb. 17. Jan. 1749 in Aſti. 
Teil des Harzes, im Selfetal, 325 m it. M2, am der | geft. 8. Olt. 1803 in Florenz, ftanunte aus einer febr 
Eiſenbahn Gernrode-Harygerode. Die beiden Heil- | angefehenen und wohlhabenden Familie. Er ſchlug 


Magdefprung. Val. Rothe, A. als Stahlbad rc. 
(Berl. 1883). 

Wlexishafen, Hafen in der Ujtrolabebai (Kaiſer 
Wilhelms-Land), unter 5° 6 fiidl. Br. und 145° 45° 
öſtl. L., mit enger, aber ſicherer Einfahrt. 

Alexius, einer der populärſten Heiligen, deſſen 
Legende zum Volksmärchen geworden ijt (bet Grimm, 
Bd. 2, S. 295), Sohn eines reiden Römers, foll wm 
410 unerfannt im Haufe feineds Vaters ald Vettler unter 
der Treppe lieqend gejtorben fein. Urſprünglich grie— 
chiſch und ſyriſch, ijt die Legende im Abendland, wohin 
fie jedoch erſt im 10. Jahrh. gelangt zu fein ſcheint, 
oft poetiſch dargeſtellt worden, zuerſt in Frankreich 
(wahrſcheinlich von Thibaud de Vernon, 11. Jahrh.). 
Acht —— mittelhochdeutſche Behandlungen der 
Legende gab Maßmann heraus (⸗Sankt Alexius' Le- 
bene, Quedlinb. 1843). Bal. Goethes »Briefe aus 
der Schweiz<; »>Romania«, Bd. 18, S. 299. 

Wilexochten, |. Immunität. 

Alfa (Hatfa), f. Efparto. 

Alfadir (Wifodr, nord., »Allvater«), f. Odin. 

Mifani, Auguſto, ital. Schriftſteller und Didter, 
geb. 17. Nov. 1844 in Florenz, wo er als Stadtrat lebt; 
verfahte die burleste Gedichtſammlung »Gente alle- 
gra, il ciel l'aiuta⸗ (Flor. 1873), gab ausgewibite 
Briefe der Heil. Katharina von, Siena (Turin 1877) 
heraus und ijt aujerdem durd) viele volfstiimliche 
Sdriften befannt. 

Alfanz (Alef an z), altes deutſches Wort, foviel wie 


— —— — — — — — — — — — — — 


emer ſehr nadlaffigen Erjiehung anfangs Die | 
militãriſche Laufbahn ein. Nachdem er dann 1767— 
772 den größten Teil von Europa durdhreijt hatte, 
ex cme Seitlang in gãnzlicher Untatigfeit in 
Dann er eifrig an ju ſtudieren, lernte 
und verjudte ſich in eignen Urbeiten. Er 

ife zur Seamnailihen Didtiomn: 1775 
trat er mit Dem mif Trauerjpiel » Cleopatra « 
1776 begab er ſich nad Tostana, um reines 





Alföld — Alfons. 


Banucci, Mail. 1869). Eine volljtindige Ausgabe 
der >Opere< Ulfieris erſchien —— (1805 —15) im 
22 Banden; eine neue in 12 den, Rom 1902 ff. 
die »Tragedie« gab Milanefi neu heraué (Flor. 1855, 
2 Bde.); »Il Misogallo, le Satire e gli Epigrammi-<, 
Renier (Daj. 1884); »Lettere edite e inedite di A « 
ab Mazzatinti heraus (Tur. 1890). Bal. Cento- 
anti, io sulla vita e sulle opere di A. (j¥lor. 
1842); Teza, Vita, giornali e lettere di A. (Daf. 





Malientidh zu lernen. Jn Florenz lernte er die ſchöne 1861); sabrié, Studi alfieriani (Daj. 1895); Ber- 
und getitvolle Grafin Luije von Albany (jf. d. 1),, tana, Vittorio A. (Tur. 1902); Reumont, Die 
Gemahlin des englifden Bratendenten Karl Eduard Grajm von Albany (Vert. 1860); Heyje, Italieniſche 
Stuart, fennen, mit der er cin edles Freundſchafts- Dichter, Bd. 1 (daſ. 1889, ungen). 
t ß. Zugleich erfüllte 2) Cefare, Mardhefe di Sojtegno, ital 
ihn das Studium der altern — * Schrift- Staatsmann. geb. 1796 in Turin, geſt. 16. April 1869, 
namentlich des Dante und Machiavelli, ganz Verwandter des vorigen, widmete ſich der diplomati⸗ 
republilaniſchen Ideen, denen er in allen ſchen Laufbahn. war ſardiniſcher Legationsſekretär mm 
aiſchen Paris, im Haag, in Petersburg, Berlin und Floren; 


ſemen ien und in mehreren ſeiner proj 
Sehriften den kräftigſten Ausdruck gab. Nach dem und lebte ſeit 1825 wieder in Paris, wo fein Vater 
Gefandter war. Marl Albert berief ibn 1831 nad 


Tod: des Praitendenten lebte A. mit deſſen Wittwe, | 
Turin, wo er jih den Ratrioten Cavour, Balbo und 


pom Der er fich feitdem nicht wieder trennte, in Baris, | 
bis ihn die Ereigniſſe von 1792 vertrieben und aus Azeglio anſchloß. Wis Prajident der Reformlommiſ⸗ 
ſion madte er fic) namentlid) um die Reform des 


cinem Freunde der Revolution ju deren und Frant- 
reichs erbittertitem Geqner madten, wie der erjt zehn höhern Unterridts verdient; auc erbielt er den Auf— 
Jahre jemem Tod erichienene »Misogallo< be⸗ trag, eine fonjtitutionelle Berfafjung fiir Sardinien 
weiſt. Er jiedelte mit der Al nad Floren; über  ausjuarbeiten. Sm Sommer 1848, nad) der Wieder 
und beſchãftigte fic) ctfrigit mit Studien. Ubermafi- lage von Cuſtozza, ward er an die Spige des Wim 
es Urbeiten zog ihm ein Siechtum — die letzten ſteriums berufen, trat aber, von Gioberti heftig be 
re verbradte er in finiterer rũtsſtimntung fimpft, bald zuriid; vom Oftober 1848 — 56 war er 
und von allem Berfebr mit der Welt abgefondert. | Bijepriijident, von 1856 bis Ende 1860 Präſident 
Seine Afche rubt in Santa Croce zu Florenz, wo feine des Senats. Val. Berti, Cesare A. (Rom 1877). 
Freundin ihm ein ſchönes Marmordenfmal von Ca: 3) Carlo Ulberto, Marcheſe di Sojteguo, 
noda erridten lief. Ulfieris Werke find fehr zahlreich; Sohn des vorigen, geb. 30. Sept. 1827, gejt. 18. Dez 
die Dramatifden beſtehen in 20 Tragödien, der fogen. 1897, beteiligte fid) als Bubliziit unter der Leitung 
T odie (Melotragõödie⸗Ahbele⸗, im der er die Balbos und Cavours an der ſardiniſchen Reform⸗ 
Muſil nut der Tragödie ju verbinden ſuchte, und bewegung, war 1857—70 Mitglied der Deputierten 
ſechs Romddien. Yn der Tragddie gilt A. den Ita- fammer und wurde dann zum Senator ernannt. Jn 
lienern nod) heute, neben Manzoni, als ihr gr er, | der innern Bolitit gemäßigt liberal, gehört er infoige 
den franzöſiſchen Tragifern ebenbiirtiger Didter. ſeiner nahen Besiehungen ju franjofiiden Staats 
Dieſen Ruhm verdant er aber nicht emer wirflid  mannern und Gelehrten ju den Gegnern des Drev 
dichteriſchen Begabung, fondern vorjugsweife dem  bundes. W. war der Hauptbegründer der »Scnola 
fittliden Ernft und der auf Erwedung jtarfer und di scienze sociali« ju Florenz, Die zu Ehren ſeines 
mannlicher Gefiible wie echter Baterlands- und Freie Baters » Istituto Cesare A.« genannt wurde. Er bat 
heitsliebe absiclenden Tendenz feiner Tragddien. Er zahlreiche, meijt politiſche Abhandlungen veröffentlicht. 
ſtrebt immer nad dem Erhabenen und wählt zu fei-| Alföld, große niederungar. Tiefebene, ſ. Ungarn. 
nen Helden mit Vorliebe Charaftere von ftarrem He Alfons (althodpd. Wdaifuns. foviel wie » der an 
roismus. Seine Blane find in Nachahmung der ane Geſchlecht Auszuzeichnende⸗«, ſpan. und ital. ULF onfo, 
tifen Tragddie von höchſter Einfadbeit und entbehren  portug. Affonſo), Mannesname. 
alles fdjmitdenden Beiwerfs, wie er denn aud) die [Mdnige von Aragonien und Navarra.} 1) A. L, 
Babl der handelnden Perjonen auf das denfbar qe: 1105—34, der Mann der Shladten (el Batalla- 
ringite Maß gu beſchränken fuchte. Dadurd erhalten dor), weil er in 29 Sdladten fieqte, Sanchos V. 
ſeine Stücke cine Malte, Steifheit und Trockenheit, die Sobn, folgte feinem Bruder Redro L. Sein Berjud, 
ihrer Bilhnenwirtung Eintrag tum. Ju dieſen Eigen- als Gemabl Urracas, der Tochter Alfons VI. von Kar 
ſchaften ſtimmen feine Sprache und feine Verfififation. | itilien, nad) deffen Tode das Reid) an fich zu bringen, 
U'fieris Lujtiptele ftehen den Tragddien bei weitem ideiterte an der Feindidaft der eignen Gemablin. 
nad. Sie haben fajt alle ene ausgeſprochene poli Glücklicher war er den Wauren gegeniiber. Er ex 
tiie Tendeny, find febr diirftiq in der Erfindung, oberte 1118 Saragoſſa und machte es ju feiner Re 
ohne fomifde Kraft und zur Aufführung völlig un- | fideny, nahin Daroca und Calatayud mit Sturm und 
—— Ral. Novati, Studi critici (Tur. 1889). | drang durch Valencia und Murcia bis Granada vor. 
son Ulfieris übrigen poetiſchen Werlen find am met: | In den Gebirgen von Balencia errang er einen ent 
ſten feine Satiren, ſechs Oden und em Epos: »L'Etru- ſcheidenden Sieg itber die Mauren (1126). Wher wah 
ris vendicatas, hervorjubeben. Unter feinen Brofa- | rend der Belagerung der Grensfefte Fraga vom maur 
ſchriften tft feine bis fury vor feinem Tode fortgefiibrte | riſchen Statthalter m Balencia iiberfatlen (7. Sept. 
und fehr aufridtig geidyriebene Selbjtbiographie, ein | 1134), entfam er, verwundet, nur unit Mühe in das 
Rujter ihrer Gattung, zu erwãhnen (deutſch von Hain, | Kloſter San Juan de fa Petia und ftarb hier adt 
Leipz. 1512, 2 Bde.). Die übrigen find meiſt politi: | Tage danach finderlos. Cin bleibendeds Verdienſt er⸗ 
ſchen Jubalts. Wan hat von W. auch mebrere Uber- | ward er fic) durch Begünſtigung des dritten Standes. 
fepungen aus bem Griechiſchen und Lateinifdjen, dare | 2) A. IL, Grofneffe des vorigen, Sohn Raimunds 
unter eine fehr gelungene des Sallujt (new brég. von | von Barcelona und der Todter Konig Ramiros, Fe 


F 


* 


mit jenen 





Alfons (Uragonien und Navarra, Ujturien, Kaſtilien). 


tronella, 1162-—96, war beliebt als Schützer ber ſtãn⸗ 
diſchen Freibeiten und der öffentlichen Sicherheit ſowie 
alg Winner der Troubadoure, eroberte von Navarra 
die Grafidaft Roufjillon, erwarb aud einen Teil der 
Provence durd) Erbrecht; ſtarb 26. April 1196. 

3) U. IIL, der Praidtige, Sohn Peters LT, 
1285-—91, bewilligte den Standen auf dem Reids- 
tag gu Saragoſſa 1288 die fogen. Unionsprivilegien, 
wonad) der Konig nur mit Einwilligung des Juſticia 
und der Cortes gegen cin Wtitglied der Stände ein- 
ſchreiten, diefe aber alljahrlid) gujantmenfommen und 
filr die nächſten zwölf Monate den finiglidjen Rat 
erwiblen durften. Er befiimpfte Rajtilien fiir die 
Ynfanten von Cerda (ſ. d.) fowie Frankreich, Neapel 
und den Papſt als BVerbiindeter feines Bruders Jakob 
von Gigilien. Unt die Rube nad) augen herzuſtellen, 
ſchloß er 1291 gu Brignoles mit Frankreich Frieden, 
ftarb bald dDarauf finderlos und hinterließ feinem Bru- 
der Jakob IT. den Thron. 

4) U. IV., der Giitige, 1327—36, Sohn und 
Nadfolger Yatobs IT., geriet wegen eciniger feiner 
zweiten Gemahlin Eleonore gemadten Schenkungen 
mit den Ständen in Streit, in dem er unterlag. 

5) A.V. der Großmütige (als König von Nea— 
pel und Sizilien A. L.), Sohn und Nachfolger Ferdi- 
nands des Geredjten, 1416 —58, bejtieq, 15 Jahre 
alt, den Thron. Bon Johanna I. von Neapel gu 
Hilfe gerufen, befiegte er 1421 deren Feinde und be- 
mãchtigte fid) Caracciolis, des ihm feindlichen Lieb- 
lings der Königin. Diefe erflarte nun U. feiner Un- 
ſprüche auf RNeapel fiir verluftiq und adoptierte Lud⸗ 
wig von Anjou (1423). VW. behauptete fid) nur im 
Beſitz weniger Plage, ſetzte aber zehn Jahre lang un- 
enturutigt den Kampf fort. 1435 erlitt er cine ſchwere 
Niederlage zur See und gerict felbjt in Gefangen{daft. 
Ullein der Tod der Ninigin gab ihm nidt nur dic 
Freiheit wieder, fondern ermiglidte ibm aud) die Er- 
neuerung des Kampfes, in dem er 1442 vollftindig 
objiegte. Er regierte Mug und wohlwollend, wenn 
er aud) gu Pradtliebe und Wolluſt neigte, und ſtarb 
27. Juli 1458. Jn feinen Erbjtaaten folgte ihm fein 
Bruder Johann IL, König von Navarra, in Neapel 
fein vom Papſt legitimierter Sohn Ferdinand. Als 
Freund der Wiſſenſchaften nahm A. die aus Ronftan- 
tinopel fliidjtenden Gelehrten auf. 

. {Rdnige von Afturien.] 6) WIL, dberNeufde(el 

Casto), 792—842, Entel Alfons L., eines Sprdflings 
Reklareds, der fic) in dem Kantabriſchen Gebirge gegen 
die Mauren behauptet hatte. U.’ IL. Geſchichte iit durd- 
aus ſagenhaft, ficher nur, daß er feine Herrjdaft über 
G@alicien und das Land bis an den Duero ausdehnte. 
Oviedo erhob er gu einent wiirdigen Königsſitz und 
qriindete ben Wallfahrtsort Santiago de Compojtela. 

7)U. TIL, derGroße, 866—910, folgte, 14jabrig, 
feinem Bater Ordoño aud) in Leon und Galicien, er- 
warb durch Vermählung mit Jimena die Graffdaft 
Navarra, ſchlug die Mauren, befeste Coimbra und 
ſchob die Südgrenze bid gum Duero vor. Der durd 
diefe Rriege veranlaßte Abgabendruck hatte 888 eine 
Empoirung zur Folge. Cin Jahr vor feinem Tode (999) 
teilte ex fein Reich unter feine drei Söhne, zwiſchen 
denen aber endlofe Erbſtreitigleiten ausbraden, in 
benen die Rrifte des Landes nuglos vergeudet wurden. 

{Rinige von Raftilien.] 8) A. VI., 1072—1109, 
folgte feinem Bruder Sando IIL, der ihn aus dem 
von feinem Bater Fernando ihm verliehenen Reich 
Leon und Ujturien vertrieben hatte, nad) deffen Er- 
morbdung in der Herrfdaft tiber Rajtilien, Galicien 
und Leon, teilte 1076 mit dem König von Uragonien 


311 


Navarra, eroberte 1085 Toledo, unterlag aber 1086 
in der Schlacht bei — und ſtarb, nachdem auch 
fein einziger Sohn, Gandjo, 1108 bei Ueles gefallen, 
1109, indent er feine Todpter Urraca zur Nadfolgerin 
beſtimmte. Seine Regierung war weiſe; er fiihrte 
eine gute Rechtspflege ein, gab den Stadten große 
Redte und begriindete in Spanien das rimijd)-hier- 
archiſche ——— 

9) UW. VIL, Raimundez, 1122—-57, aud als 
U. VIIT. bezeichnet, war der Entel de3 vorigen, aus 
Urracas erjter Ehe mit Raimund von Burgund. Als 
ſechsjähriger Knabe gunddjt in Galicien gum König 
ausgerufen, bald aud in eon und Kaſtilien anerfannt, 
behauptete fic) U. gegen feinen Stiefvater und bebielt 
bei der — 1127 die väterlichen Lande; mur ſei— 
nen Anteil an Navarra trat er an Aragonien ab. Er 
nannte ſich fortan Kaiſer von Spanien. Unter ſeiner 
Regierung löſte ſich Portugal, das bis dahin ein Lehen 
— geweſen, ab und gewann ſeine Unabhängig—⸗ 
leit. Dafür erfocht er gegen den Islam glänzende Siege. 
1147 wurden die Mauren zurückgedrängt, Calatrava, 
Almeria fielen, und von den übrigen drijtliden Für— 
ften unterjtiift, erfocht A. bei Jaen einen neuen glän— 
zenden —— die Mauren. Er ſtiftete den Ritter— 
orden von St. Julian, ſpäterhin von Alcantara (ſ. d.) 

enannt. Bei feinem Tod, 1157, teilte er abermals 
cin Reid) u. hinterließ feinem Erjtqebornen, Sando, 
Kajtilien, feinem gweiten Gohn, Ferdinand, Leon. 

10) UW. VIII. der Edle, Sohn Sandos TL, 
1158 —1214, vermählt 1170 mit Eleonora, Todter 
Heinrichs I. von England, erfodt glänzende Siege 
gegen die Mauren und drang 1193 bis Wlgeciras 
vor. Dagegen erlitt er 1195 bet Wlarcos cine —— 
Niederlage, in deren Folge auch wieder innere Kriege 
ausbrachen. Erſt 1212 fonnte er wieder die Sierra 
Morena iiberfdreiten und erfodt mit Hilfe ſämtlicher 
andrer chriſtlichen Fürſten Spaniens itber die Mauren 
bei Las Navas de Tolofa einen Sieg, der die Haupt- 
urjade des Berfalls des maurijden Reides auf der 
Pyrendenhalbinjel wurde. Unter groken Riijtungen 
jtarb er 1214. 

11) U. IX. von Leon, Sohn Ferdinands IL, 
wurde durch feine Vermahhing mit Berenguela, der 
Tochter Alfons VIII., der — der endgültigen 
Vereinigung von Kaſtilien und Leon. Bei ſeinen Leb- 
zeiten allerdings ſtand er faſt beſtändig mit Raftilien 
in Fehde. Wis aber Alfons' VIL. Sohn Heinrid (1. 
jtarb und Berenguela die fajtilijde Krone erbte, be- 
rief fie ihren Sohn Ferdinand (fj. d.) gu ſich und 
dantte gu deffen gunjten ab. Zwar widerjeste ſich 
U. diefer Ubmadung, aud ernannte er bei jeinem 
Tode (1230) feine Todjter gu feinen Erben. Beren- 
quela aber wufte dieſe gum Verzicht gu bewegen und 
vollendete damit die Bereiniqung der Reidje. 

12) U.X., der Ajtronom, der Weise (el Sabio), 
Sohn Ferdinands IT. des Heiligen, geb. 1221, fam 
1252 —82 in Kaſtilien und Leon zur Herrſchaft und 
erlangte 1257 die deutſche Königskrone, obgleid er 
Deutſchland nie befucht hat. Unlerſtützt von Arago— 
nien, Katalonien und Valencia, ſchlug er die Mauren, 
eroberte Jerez, Medina Sidonia, San Lucar, Cadi 
einen Teil von Ulgarbien und vereinigte Murcia nut 
Rajtilien. Dod) belajtete er das Vol mit ſchweren 
Steuern und beſchwor 1275 durd) die —— 
daß nicht die Söhne ſeines älteſten Sohnes, Ferdinand, 
ſondern ſein zweiter Sohn, Sancho, ihm auf dem 
Throne folgen ſollte, einen Bürger herauf, da 
der —28 Konig Philipp IIL. ſich ſeiner Schwe⸗ 
ſter Blanfa, der Witwe Ferdinands, und ihrer Kinder 


312 


annahm. Als ſchließlich A. zu gunſten feiner Enfel | 
eine Teilung des Reiches vornehmen wollte, empörte 
ſich Sancho mit den kaſtiliſchen Großen und entthronte 
1282 A., der im April 1284 in dem einzig treu ge— 
bliebenen Sevilla jtarb. UW. ijt Der Schöpfer der fa- 
ſtiliſchen Proſa. Er beendiqte die von Ferdinand ITT. 
beqonnene Geiesfammiung » Leyes de las partidas«, 
die 1348 allgemeines Landrecht wurde. Um die Stern: 
funde madte er ſich hodjverdient durch Verbeſſerung 
der Etolemaifden Blanetentafein, die nad ihm die 
Vifoniiniiden (f. Ulfonfinifde Tafeln) qenannt wur- 
den (1252). Ferner liek er die erjte allgemeine Ge— 
idhichte von Spanien in fajtilifdher Sprade (» Cronica 
general<) zuſammenſiellen und eine allgemeine Welt- 
geſchichte (»Grande e general historia«) beginnen, 
von Juden das Ulte Tejtament zu Toledo ins Spa- 
nifche überſetzen und die öffentlichen Urfunden in der 
Landesſprache abfaſſen. A. ſelbſt war Didter und 
Schriftſteller; unter ſeinen Werke ragen die in ga- 
licifcher Sprache geſchriebenen »Cantigas de 8. Maria« 
(qedrudt 1891) bervor. Die lönigliche Wlademie ver- 
anjtaltete eine Ausgabe feiner »>Opusculos legales« 
(Madr. 1836). . Buffon, Die Doppelwahl des 
Jahres 1257 und das römiſche Königtum A.' X. von 
Rajtilien (Minit. 1866). 

13) U. XI., 1312 —50, König von Rajtilien und 
Leon, war beim Tode feines Baters Ferdinand IV. 
ein Sabr alt. Rad einer wild bewegten Bormund- 
ſchaftszeit ergriff 1325 A., laum 15jabrig, die Regie: 
rung jelbjt, }tellte durch blutige Strenge (daher Rä— 
der genannt) das fonigliche Unfehen und die Rube 
im Lande her, ſchützte die Grenzen und madhte Mo- 
bammed V. von Granada tributpflicdtiq. Als diefem 
aus Afrila Hilfe fam und die Mauren Tarifa bedrob- 
ten, brad A. mit einem madtigen Heere von Sevilla 
auf und fdjlug fie am Flüßchen Salado 30. Oft. 1340 
aufs Haupt. Rad zwei Siegen der kaſtiliſchen Flotte 
fiel cine Menge feſter Plage Granadas, danunter Al— 
geciras, feitdem der Hauptſtützpunkt der Unterneh— 
mungen der Chrijten gegen Ufrifa. Bei der Belage- 
rung von Gibraltar jtarb A. an Der Peſt 1350. Wis 
Geſetzgeber begiinitiqte UW. die Städte, dente aber 
gleichzeitig Den Ginfluk der Krone auf fie erheblich 
aus. VW. war auc) Schriftiteller und Dichter (El 
libro de la Monteria«, gedrudt 1877). Die epifche 
Reimdronif »Poema de Alfonso Onceno« (gedrudt 
1863 u. b.) iit aber nidt von ihm. 

[Reapel und Sizilien.J 14) A. IL, König von 
Neapel und Sizilien, Sohn Ferdinands L., geb. 
1448, geit. 19. Nov. 1495, unterſtützte 1469 Robert 
Malateſta von Rimini gegen den Papſt und Venedig 
und eroberte 1481 das von den Türken genommene 
Ctranto wieder. Am 25. Jan. 1494 folgte er feinem 
Vater in der Herrſchaft, war aber gewalttätig und 
zügellos. Jnfolgedeffen fam es bei dem Einfall 
aris VIII. von Franfreich in Neapel zu Aufſtänden; 
um das Land feiner Dynaftie zu retten, entfagte A. 
im Januar 1495 yu guniten feines Sohnes Rr erbi. 
nand IT. der Rrone. 

[Kinige von Portugal.) 15) A. J. der Erobe- 
rer, eriter König von Portugal, 1139 —85, geb. 1110, 
Sobn Heinrids von Burgund, des erjten Grafen von 
Portugal, folgte diefem 1112, entriß 1128 feiner Mut 
ter Therefia von Kaftilien die Regentſchaft, ſchlug die 
Wauren bei Ourique 25. Juli 1139 und liek ſich auf 
dem Schlachtfelde gum König von Portugal ausrufen. | 
Er berief die erjten Cortes nach Lamego (1143), die 
mit ihm die Thronfolqeordnung regelten und die Un 
abbiangigtett Portugals von Leon und Kaſtilien aus | 





Alfons (Meapel - Sizilien, Portugal). 


riefen. 1144 erlangte A. die Anerlennung feines RS- 
nigtums durd Papft Lucius J. Dann eroberte er mit 
Hilfe zufällig qelandeter Kreuzfahrer 25. Olt. 1147 
Liſſabon, fpater ganz Galicien, Ejtremadura und Et- 
vas und belagerte Badajos. König Ferdinand von 
Leon ſuchte die fajtilifde Oberhoheit tiber Portugal 
wiederberjujtellen; dabei geriet A. in Gefangenfdaft 
und erbielt erjt nad) Suriidgabe der eroberten Grenz⸗ 
qebiete feine Freihett wieder. Nachdem er nod 1184 
bei Santarem einen Sieg über Das Heer des Juſſuf 
Jon Jakub errungen, jtarb er6. De}. 1185 in Coimbra. 

16) A. IL, der Dice (el Gordo), 1211—23, Entel 
des vorigen, Sohn Sanchos [., verteidiqte Portugals 
Selbjtindigheit qeqen Leon und lämpfte qliidlich gegen 
die Mauren, wabhrte feine Unabhängigkeit saree 
Papit und ndtigte, als der Erzbiſchof von Braga gegen 
A. Bann und Ynterdift ausjprad, diejen zur Flucht 
ing Ausland. Er forderte die Entwidelung freier 
ſtädtiſcher Gemeinwejen, gab mit Hilfe der Cortes von 
Coimbra (1211) die erjten allgemeinen Reichsgeſetze 
und ordnete Finanzen und Verwaltung. 

17) U ILL, der Wiederherjtetler (el Restau- 
rador), 1245-79, jweiter Sobn de3 vorigen, ver 
drängte mit Hilfe des Mlerus 1245 feinen Bruder 
Sando Il. von der Herridaft und gewann durch 
jtrenge Geſetzlichleit die Liebe feines Bolfes. Den Man- 
ren entriß er 1251 Ulgarve vollends und legte ſich Den 
Titel eines Königs dieſes Landes bei. Er befdrderte 
den Unbau und die Bevdlferung feines Reiches. Die 
Macht der Ritterorden ſuchte er zu beſchränken, ebenſo 
die Der Geijtlichfeit, weshalb ibn ‘Bapjt Gregor X. in 
den Bann tat. Er ftarb 16. Febr. 1279. 

18) U. IV., Der Kühne (el Osado), 1325 — 57, 
Sohn des Königs Diniz, empörte ſich gegen diefen 
wegen der Bevorzugung feines Halbbruders Ujfonio 
Sande; und verſöhnte ſich erit 1324 mit dem Bater. 
Unter ſeiner Regierung fuchten ein Erdbeben (1344) 
und eine Veſt (1348) Portugal ſchwer heim. Mit fei- 
nem Sobn und Nachfolger Peter jerjiel er Dadurd, 
daß er Defjen Geliebte, Ines de Cajtro (j. dD. 1), ers 
morden liek. Peter verſchob zwar feine Rache bis nach 
dem Tode ſeines Baters, bielt aber dann ein furdt- 
bares Strafgeridt iiber dejjen Ratgeber. 

19) A. V., der Ufrifaner, Sobn Cduards L, 
geb. 1432, gejt. 28. Mug. 1481 in Cintra, regierte von 
1438-81, anfangs unter Vormundſchaft feiner Mat - 
ter Eleonore von Aragonien, {pater ſeines Oheims 
Dom Pedro, feit 1448 felbjtandig. Unter A. Regierung 
trat Das bisher unbedeutende Bortugal in den Bor- 
dergrund: unter ibm beqannen die großen portugic 


ſiſchen Entdechungen, die 1455 fich ſchon bis zum Gril- 
nen Borgebirge erjtredten. A. aber dachte nur an 


Eroberungen in Waroffo: er landete 1458 vor Ceuta 
und nahm dad fejte Allazar, 1470 Arzilla und das 
jtarfe Tanger. Diefe Plage bildeten fortan ein Boll- 
werk gegen Die maurijde Wacht. Wit Jobanna, der 
angeblichen Tochter Heinrichs IV. von Kaſtilien, ver- 
lobt, fuchte er gegen Ferdinand den Natholijden und 
Mabella Erbanipritche auf Kaſtilien geltend gu ma- 
chen, wurde aber in Der Schlacht bei Toro (1. Mar; 
1476) geichlagen und mufte im Frieden ju Alcacevas 
(147%) allen feinen Anſprüchen auf Raftilien und 
Yeon entiagen. Dartiber wurde er ſchwermütig und 
beſchloß, ing Kloſter zu gehen; auf dem BWege dabin 
jtarb er. A. war mehr Ritter als Feldherr und König, 
aber von reinen Sitten und em Freund der Wiſſen⸗ 
idjaften. Unter ihm erfdien 1446, auf Betreiben ded 
Regenten Dom Pedro, die fiir Rortugal hochwichtige 
Yifonfinifdhe Gefesfammilung (Ordenagdes 


Alfonfine — Alfred. 


do Rey D. Affonso V), die von Alfons IT. bis auf 
Ulfons V. erlajfenen Gefege und vieles aus dem Ge- 
wohnheitsrecht enthaltend. 

20) A. VI. geb. 1643, gejt. 12. Sept. 1683 in Cin- 


tra, folqte feinem Bater Johann IV. 1656 unter Bor: | 


mundſchaft feiner Mutter Luiza de Gugman, die aud 
nad feiner Volljahrigkeit die Regentſchaft su behaup- 
ten ſuchte, da A. rob, ungebildet und gemeinen Ber- 
nügungen bingegeben war. Auf Veranlaſſung des 
oa ajtello-WMelhor erflarte ſich A. jedod 1662 
fiir —— und entfernte die Mutter vom Hofe, 
überließ aber die Herrſchaft faſt ganz dem umſichtigen 
Caſtello⸗Melhor, unter deſſen Verwaltung das portu- 
gieſiſche Heer, vorzüglich durch Friedrich v. Schom⸗ 
rq, glücklich gegen die Spanier unter Don Juan 
D'Yujtria fodt, den es bet Almexial (1663) und bei 
Villavicofa (1665) befiegte. 1666 vermählte fic) A. 
mit Maria Franzisla Eliſabeth von Savoyen. Diefe 
aber, von A. vernadlaffigt, verband fic) mit des Kö— 
nigs begabterm Bruder Dom Pedro, ftürzte mit Hilfe 
Sdombergs A. 23. Nov. 1667 und zwang ihn sum 
Verszicht auf die Rrone und zur Uufldjung ihrer Ehe. 
A. wurde 1669 auf die Ynjel Terceira verbannt. 
[Spanien.} 21) UW. XIL, Rinig von Spanien, 
Sobn der Königin Iſabella II., geb. 28. Nov. 1857, 
eft. 25. Rov. 1885, wurde nad Vertreibung feiner 
tter aus Spanien (September 1868) im Therefia- 
num ju Wien und in England erzogen und durd 
Iſabellas Verzicht 3u feinen gunſten (25. Juni 1870) 
Erbe der Thronanſprüche der jiingern bourbonijden 
Linie, fiir Die fid) nad) dem Sturge ded Königs Ama— 
deo cine immer mächtigere Partei namentlich unter 
den gemäßigt⸗ liberalen Generalen und Politifern bil- 
dete; 1874 jtellten fic) Der General Martine; Campos 
und Canovas del —— an die Spitze der Partei, 
und erſterer rief 30. Dez. 1874 A. in Katalonien zum 
König aus. W. landete 9. Jan. 1875 in Barcelona 
und bielt 14. San. in Madrid feinen Einzug, wo er 
Canovas jum Minijterprafidenten ernannte, 9* durch 
ein gemapigt-fonfervatives Regiment die Herrſchaft 
des jungen Königs mehr und mehr befejtigte. In 
erjter Ehe war der Konig feit 23. Jan. 1878 mit feiner 
Coufine Maria de las Mercedes, Tochter des Herzogs 
von Montpenfier, vermählt, die aber ſchon 26. Juni 
1878 jtarb; in zweiter Ehe heiratete er 29. Nov. 1879 
die Erzherzogin Maria Chrijtine von Oſterreich, die 
ibm zwei Thobter gebar. Obwohl zwei Uttentate auf A. 
(26. Oft. 1878 durd Oliva, 30. Dez. 1879 durch Gon- 
gales) unternommen wurden, gelang es A. dod), feine 
Herrſchaft immer fejter gu begriinden und aud frühere 
Gegner feiner Dynajtie gu gewinnen. Rad) augen 
** er Spaniens Anſehen und Einfluß zu heben 
und ſchloß ſich deshalb an Ojterreid) und veutſchland 
an. So ſtattete er 1883 dem Kaiſer Wilhelm J. einen 
Beſuch ab und empfing bald darauf den Gegenbeſuch 
des deutſchen Kronprinzen. 1885 zeigte er während 
des Wiltens der Cholera in Spanien Tatkraft und 
Wut und trug dazu bei, daß der Streit mit Deutſch— 
land um die Rarolinen friedlich beigelegt wurde. Er 
jtarb indes nod in diejem Jahr im Schloß Bardo an 
der Schwindjucht. Seine Witwe Maria Chrijtine über⸗ 
nahm die Regentidaft suerit fiir ibre ältere Todter, 
Mercedes, Dann, naddem fie 17. Mai 1886 eimen 
Sohn, Ulfons XIIL, geboren, fiir diefen. 
22) WU. XIII. König von Spanien, geb. 17. 
Mai 1886 nad) dem Tode ſeines Baters Alfons XIL, 


jtand zunächſt unter der Vormundſchaft femer Mut. | 


ter Maria Chrijtine und trat, 17. Mai 1902 miindig 
erflart, die Regierung an. 

















313 


23) U. von Bourbon, Jnfantvon Spanien, 
naar Sohn des Ynfanten Don Juan und jiingerer 
Bruder des fpanifcdhen Kronpratendenten Don Karlos, 
geb. 12. Sept. 1849 in London, trat 1869 in das piipjt- 
lice 3uavenforps, vermablte fid 1871 in Heubad mit 
Maria das Neves, Todter des Infanten Dom Miquel, 
ging 1873 nad Spanien, um die karliſtiſchen Scharen 
in Ratalonien zu fommandieren, und fiel wiederholt 
in Rajtilien ein. Dod verlie er tm November 1874 
pliglich infolge eines Zwiſtes mit feinem Bruder den 


Kriegsſchauplatz. Er lebt feitdem in Ojterreid. 


{fonfine, Dorf in der ital. Proving Raverma, am 
Senio und an der Eiſenbahn Ferrara -Rimini, mit 
Gymnaſialſchule, Getreide-, Hanf- u. Weinbau, Vtiih- 
len und (1901) ca. 8000 (al Genteinde 10,309) Cinw. 
U. ijt der Geburtsort des Dichters Vincenzo Monti. 

ffonfinifde Gefesfammiung, ſ. Ulfons 19). 

Alfonfiniſche Tafeln (Tabulae Alphonsinae), 
ajtronom. Tafeln, die auf Koſten Alfons' X. von Ka- 
jtilien Durd den Rabbiner Iſaak Uben Said, genannt 
Haſſan, und andre Ujtronomen 1252 bearbeitet wor- 
den jind. Gedruct wurden dieſe im Mittelalter wegen 
ihrer Genauigteit fehr hochgeſchätzten Tafeln zuerſt 
1483 durch Radtolt in Benedig (wiederbolt 1493, 
1521, 1545), 1488 in Augsburg. 

Wlfonfino, jpan. Goldmiinge von 25 Peſetas, ge- 
feplich */10 fein, — 20,25 We. 

WAlfortville (jpr. forwit), ſ. Maijons - UWlfort. 

Alfraganus, ſ. Ferghani. 

Alfranf, ſ. Solanum. 

Al (angelſächſ. Aelfred). 1) U. Der Große, 
Konig von England, jüngſter Sohn König Ethel- 
wulfs, geb. 849, gejt. 28. Oft. 901, ward als fiinf- 
jabriger Knabe vom Bapit Leo IV. in Rom zum Kö— 
nig gefalbt. Zwei Jahre ſpäter befuchte er nut ſeinem 
Vater Rom jum sweitenmal. Rad) deſſen Tode folq- 
ten zunächſt Alfreds filtere Briider; dod) nahm A. jet 
866 cine ——— Stellung im Reich ein. 871 
folgte er feinem Bruder Ethelred als König von Wej- 
jer. €r itbernahm die Regierung unter den traurig- 
ſten Verhältniſſen: die Normannen drangen bis in 
das Hers von Weſſex vor; der Uderbau lag danieder, 
die Halfte ber Dirfer und Städte, der Rirden und 
Klöſter in Aſche. Zwar ſchloß W. 872 einen Vertrag 
mit den Rormannen, diefe erneuerten aber trogdem 
ihre Einfälle; Mercia und die benachbarten Reiche, zu⸗ 
legt aud) Wejjer (878), gingen an fie verloren. Gpi- 
tere romantijde Sagen berichten, daß A. ſich Darauf 
einige ae in BWildniffen und Sümpfen verborgen 

abe. Sider ijt, dak der König nicht aufhorte, die 
rtreibung ber Diinen im Wuge zu bebalten. Jn 
dem Waldgebict swifden dem Barret und der Thone 
verfdangte er fid) mit ſeinen Gefährten zu Uethelney, 
fammelte Dann die Edlen und das Boll von Somer: 
fet und riidte mit feinem Heere gegen Athandune (Ed- 
dington bei Wejtbury), wo er im Wat 878 einen glan- 
genden Sieg gewann. Die Folge davon war, daß der 
Dinenfiirjt Guthrum, dem A. Oftangeln belie}, das 
Chrijtentum annahm. Nun begann fiir England cine 
friedlichere Beit. Wher U. riijtete gugleich sur Ubwebr 
neuer Ungriffe, indent er ſich cine eigne Flotte ſchuf, 
ſchlug 885 cine normannijde Flotte, die in Rent lan- 
dete und Rodejter angqriff, zurück und wurde aud) in 
den blutigen Kämpfen der Jahre 894—897 der unter 
Führung Haftings abermals eingefallenen Norman: 
nen ſchließlich Herr und zwang jie zum Abzuge. Des 
Königs Sorge war nun darauf gerichtet, die Wunden 
zu heilen, welche die lange Kriegsnot dem Lande ge— 
—— hatte. Dabei erſt zeigie ſich Alfreds ganze 


314 


Mrdfe. Er ernenerte- die Einteilung des Landes in 
Gaue (Shires) und Hundertidaften, forgte fiir gewiſ⸗ 
ſenhafte Handhabung der Rechtspflege, ſammelte die 
* von Kent, Mercia und Weſſex, fügte neue Hing 
und ſchuf fo cin Gefepbud, das gum Teil die Grund- 
lage des ſpätern common law wurde (vgl. Turf, The 


} 
| 
1 
| 
| 


Al fresco — Algarotti. 


Lilfrie, ſ. Uelfric (S. 125). 
Alfried, Jan, Pſeudonym, ſ. Lact, Job. Jak. de. 
Alfter, Dorf im preuß. Regbez. Köln, Landfreis 
Bonn, an der Kleinbahnlinie Köln-Bonn, hat einte 
* Kirche, cin Schloß und (1900) 2385 Einw. 
{furen(Darafora), älteſte Bewohner der Jnfel 


legal code of A. the Great, Halle 1893). Mit qleichem | Celebes, die jet nur nod deren mittlern, nördlichen 
Gifer forgte U. fiir Hebung der wirtſchaftlichen Ver- und öſtlichen Teil fowie die Moluffen, bejonders Dſchi— 


haltnijje. Der Uderbau wurde begiinitigt, Stadte und 
Dorfer wurden neu geqriindet, London aus den Trüm⸗ 
mern wieder hergejtellt. Ebenjo bemüht war der Kö— 
nig, Handel und Sdiffahrt gu pflegen, und feiner be- 
jondern Fiirjorge erfreuten ſich Rirden und Klöſter. 
Auch die vaterländiſche Literatur begiinjtigte A. in 
jeder Weife; er felbjt überſetzte, durch feinen Freund 
Aſſer, Biſchof von Sherborne, vorgebildet, Orojius’ 
Weltchronif, Vedas Kirchengeſchichte, Boethius’ Schrift 
vont Trojte der Philoſophie, Gregors Paſtoralregel 
ind Ungelfichfifde. Daneben war YW. in der Bau- und 
Schiffbaukunſt, in Gold- und Silberarbeit erfahren; 
er jelbjt erfand einen Stundenmeffer. Hauptquelle fiir 
Alfreds Gejdidte ijt die Biographie Aſſers, heraus- 
geqeben von Wife (Def. 1722) und in den »Monu- 
menta historica britannica« (fond. 1848). Geine 
Werle wurden herausgegeben von Bosworth (Lond. 
1858, 2 Bde.). Bal. Pauli, König A. und feine 
Stelle in der Gefchichte Englands (Berl. 1851); Weiß, 
Geſchichte Alfreds d. Gr. (Schaffh. 1852); Hughes, 
A. the Great (fond. 1878 u. 6.); »A. the Great. 
Chapters on his life and times« (Daj. 1899); Plum⸗ 
mcr, Life and times of A. the Great (Cambr. 1902). 

2) U. Ernft Ulbert, Herzog von Sadjen- 
Koburg-Gotha, geb. 6. ~~ 1844 in Windjor, 
qejt. 30. Juli 1900 auf Schloß Rojenau bei Noburg, 
weiter Sohn de Pringen Ulbert und der Königin 
iftoria von Grofbritannien und Irland, wurde 1862 
zum König von Griedenland erwählt, lehnte aber 
die Wahl ab. 1866 wurde er zum Herzog von Edin- 
burg und Grafen von Kent und Ulſter erhoben, ver- 
mählte fid) 23. Jan. 1874 in Petersburg mit der Groß⸗ 
fiirjtin Daria, einziger Tochter des Raifers Wler- 
ander IT. von Rupland. Qn der britifchen Marine 
avancierte er 1886 jum Wdmiral. In der deutichen 
Yrinee befleidete er feit 1888 den Rang eines Generals 
der Infanterie. Nach dem Tode feines Oheims, ded 
Herzogs Ernſt II. (22. Aug. 1893), iibernahm er die 
Herridaft im Herzogtum RKoburg-Gotha. — Sein ein« 
ziger Sohn Wilfred, geb. 15. Olt. 1874, ſtarb vor 
dem Sater 6. Febr. 1899 in der Heilanjtalt Martins- 
brunn bei Meran. Da der nächſte Erbe Herzog Al— 
freds, fein jiingerer Bruder, der Herzog von —— 
(j. d.), fiir fic) und feine Deſzendenz zu gunſten der 
von cinem nächſtjüngern Bruder Ulfreds abſtammen⸗ 
den Linie Wiband verzichtet hatte, folgte als Herzog 


— 


auf Grund des Thronfolgegeſetzes vom Juli 1899 fein | 


Neffe, der Herzog von Wibany, als Rarl Eduard 
(j. d.) unter Vormundſchaft des Erbpringen Ernſt ju 
Hobhenlohe-Langenburg. Bon den vier Töchtern, die 
A. hinterließ, vermählte fid) die älteſte, Prinzeſſin 
Maria, mit dem Kronprinzen von Rumänien, dic 
pweite, Prinzeſſin Vittoria, nit dem Großherzog Ernit 
Ludwig von Heffen, von dem fie 1902 geſchieden 
wurde, die dritte, Prinzeſſin Ulerandra, mit dent Erb- 
sae Ernjt zu Hohenlohe. 

Al fresco, {. Freskomalerei. 

Alfreton (pc. dufreven), Marltſtadt in Derbyſhire 
(England), 18 km nördlich von Derby, inmitten eines 
Vergbaureviers, mit der gotifden St. Martinsfirde, 
Strumpfwirlerei und ago: 17,505 Einw. 








lolo und die Nadbareilande, bewohnen. Sie find Ma—⸗ 
laien, aber ftarf mit Bapuablut verſetzt, haben die Ge—⸗ 
fidjtS;itge und das Haar der Papua, find grok, ſchlank 
und am Körper bebaart, aber von hellerer Farbe als 
die Malaien. In der Kultur ftehen fie ſehr niedriq. 
Sie wohnen in Pfahlbauten, find Ropfidger und Rar 
nibalen und treiben Uderbau, Pferde- und Rinder- 
—— Ihre Sprache zerfällt in mehrere Dialefte. 
ußer in der Landſchaft Minahaſſa (Nord-Celebes) 
find die A. nod) famtlidh Heiden. Bal. v. Baer, Uber 
Papua und UW. (PeterSb. 1859); Kükenthal, For— 
fhungSreije in die Molulfen (Frankf. 1896). 

Algarbien , joviel wie Ulgarve (i. d.). 

Algaͤrdi, Aleſſandro, ital. Bildhauer und Yir- 
chitelt, geb. 1602 in Bologna, get 1654 in Rom, be- 
ſaß gwar große Gewandtheit in Pednif und Erfindung, 
war jedod) von den Febhlern der Damaligen Mijdung 
von Plajtif und Malerei nicht frei. Hobles Bathos und 
heftiqe Affelte lenn zeichnen ſeine Werke. Sein bedeu⸗ 
tendſtes Werk ijt das folojjale Relief: Leo, den Attila 
von feinem Suge gegen Rom guriidbaltend, in der 
Peterskirche zu Rom. Bon feinen Bauten jind die 
Jqnatiusfirde und die Villa Pamſili in Rom die ber: 
vorragenDdjten. 

Algarithmus, ſ. Algorithmus. 

Algaröba, das Holz von Prosopis alba, auch 
eine Varietät der Linſe. 

Algarobilla, farbſtoffreiche Hülſen, wie A. von 
Guyacan von Caesalpinia melanocarpa; A. von Ar⸗ 
gentinien von Acacia guayensis; chileniſche A. von 
Caesalpinia brevifolia. Letztere find 3—5 cm lang, 
1— 2,5 cm breit, gelb big Dunfelbraun und entbhalten 
68 (ohne Samen 80) Proz. Gerbjtoff und dienen 
jum Gerben. 

Algarotpulver, ſ. Untimondlorid. 

Aigarotti, Francesco, Graf, ital. Schrift⸗ 
fteller und vielfeitiqer Gelebrter, geb. 11. Dez. 1712 
in Venedig, gejt. 3. Mai 1764 in Pifa, trat ſchon in 
einem Ulter don 20 Jahren als ein Kenner der ſchönen 
Wiſſenſchaften wie der Unatomie und Phyſil m Baris 
auf. Hier verdjfentlidte er 1733 feinen »Neutonia- 
nismo per le Dames, der bereits fein ganzes Ge 
idic fiir elegante Bopularijierung wiſſenſchaftlicher 
Fragen zeigte. Der bis 1739 wabrende Uufenthalt 
in Paris der Berfehr mit Voltaire, der Marquiſe du 
Chatelet und andern hervorragenden Franzoſen gab 
jeiner Bildung und feinen Arbeiten cimen durchaus 
franzöſiſchen —*8 1739 machte A. mit Lord 
Baltimore eine Reiſe nach Petersburg und lernte 
auf dem Rückweg Friedrich II. in Rheinsberg fermen, 
der ihn nach ſeiner Thronbeſteigung an ſeinen Hof 
einlud und ſpäter gum Grafen und Kammerherrn 
machte. Für —8 ILI. von Sachſen kaufte er Ge— 
mialde, darunter die Holbeinſche Madonna. Nachdem 
er abwechſelnd in Berlin und Dresden gelebt, kehrte 
er 1754 nach Venedig zurück und ſtarb in Piſa, wo 
Friedrich d. Gr. ihm etn Grabdenfimal im Campo fanto 
ſetzte. Am bedeutenditen ijt A. in feinen Briefen, den 
»Lettere sulla Russia«, den poetiſchen Epiſteln (zu⸗ 
erjt 1759) und den eleganten Gelegenbeitsbriefen. | 


| sablreiden Ubhandlungen beſchäftigte er ſich in fein 





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Algen Il. 





4. Euastrum crux meliten- 
sis, aus zwei symmetri- 
3. Kopulation und Auxosporenbildung einer schen Halften bestehende 
Diatomee (Frustulia). einfache Zelle. 
A Rerilbrong der Zellen bei geSffucten Bchalen (+), 
m dic vereinigte Plasmamasae, c Farbstoffkirper, 
RB Auxosporen (a) zwischen den leeren Schalen (s) 
der kopulierenden Individuen, k die spiter abge- 
stoBenen Kappen der Auxosporen. 





1, Gloeocapsa. 


A einfaches Individaunm; Bh — E wile- 

derholte Zweitellangen in mehrere In- 

dividuen, welche kolonieuweise ver- 
einigt bleiben. 





2. Kieselskelett von 
Pleurosigma angulatum. 










a b c 


5. Kopulation von Spirogyra. 


“La, b Aufstilpungen sur Vorbereitung der Ko- 
pulation. LL. a biniiberschliipfender, b hindber- 
geechlipfier Protoplasmakirper, 


7. Vaucheria sessilis. 


a Schlanchende; b Proteplas- 

ma Ansammiung zur Schwarm- 

sporenbildung; ¢ Austritt der 

Schwirmapore; d dieselbe nach 
dem Austritt. 










8. Entwickelung von Pandorina. 


L. Kolonie im vegetativen Zustand. TL Ko- 
10. Befruchtung von Vaucheria. lonie, deren Zellen al+ nackte Schwiirmer 


A Stick der Sechlanchzelle mit Antheridium (a) aus der ¥erschleimten Hiille austreten. IL. og 
und Oogonium (og); B getffnetes Oogonium, dan IV. Kopulation der Gameten. V. Eben ent- 
einen Schleimtropfen (si) ansstéit; C Spermato- standene und VI ausgewachsene Zygo«pore, 
soiden mit 2Wimpern; D Ansammiung der Sper- aus der durch Zellteilung die jange Kolonle 
matozoiden am Eingang des Oogoniam. hervorgeht. 


11. Fadenstiick eines 
Oedogonium. 
* Spermatozviden. 


12. Fadensttick eines Oedo- 


i ; . 
wae gonium mit zu Oogonien 
: L Habitus der Alge. IL Scbirm nach Fortnahme seiner i 
19. Lithothamnion Vorderhiilfie, IIL Gamete. IV. Kopnlation der Gameten. \ angeschwollenen Zellen og 
fasciatum. ¥. Entwickelung des Schirmes. 12 und Zwergminnchen m. 







9. Bau und Fortpflanzung von 
Acetabularia. 





Meyers Konv.- Lexikon, 6. Aufl. Bibliogr. Institut in Leipzig. Zum Artikel ,Alger’. 


Algen Ill. 





17. Eizelle aus dem Oogonium 
von Fucus vesiculosus, von 
Spermatozoiden umschwairmt. 





16. Antheridien tragende 
| Haare aus einem Conceptacea- 
— 4 


pe lum von Fucus vesiculosus 
ef — 


=. 


14. Gametenbildung von Ectocarpus{siliculosus. ~ 


L. Zweig mit reitem, eben sich entheerendem Gameten- 

behailter, LL. Kinaelne weibliche Gamete. IL Welt 

liche Gamete von sablreichen miinalichon Gameten 
mech warmt, 








13. Sargassum natans mit kugel- 
fSrmigen Schwimmblasen. |. 





18.Oogonium aus einem Concep- 
taculum von Fucus vesiculoses. 










15. Thallusstick 


von Fucus vesiculo- Spermothamnion hermaphroditum. 

sus mit 2Schwimm- 20, Thallusast mit Anthe- 21. Thailusast mit weiblichem 
blasen und auszahl- —ridien (an) und weibli- Organ nach der Befruchtung. 
teichen Concepta- chem Organ mit Prokarp K Sporenhanfen, unterhall Zetifade m 
kein = bestehenden g und Trichogyn t. ale Mulle dew Cystokarpes 


Fruchtstinden. 





fa 


22 Refruchtung einer 23. Befruchtungsorgan und 





Floridee (Nemation). Cystokarp ciner Floridee ‘ : ; 
@ Kary va +t sit haar form germ (Lejolisias, 24. Blatt von Chara mit Geschlechtsorganen. 
Tr be pri Awe ee mit Ae hee gf Rernign mat Pel begen, & Ag. 2° A. Rin Blauthooten mit Anthendi m @ ond (higentnim opl 
teliem an der Mp tae, daeet phy radio. ¢ Lorie mit Cretcharp 200 Zewel Viettrn sue der Wand dee Antheridiam 250. Bie 
ootem Creve Sperenation, tem aue dem cine | fs — adent ue hel mit Meoutriam m) enue dem Anther.idinm. 340 
deneo Yer tt an tae Treety bet. Ban badteoettie kk mot “yer eatomeidem, eArker vergrigert 25 BL 


et aharcetet Daher bin Spe rematice ad 


Algarve — Algen. 


5 


31 


finniger Weife mit naturwiffenfdaftliden und künſt- General- und der Marinefontmandant des Campo 
lerifdjen Gegenjtinden. Geine »Saggi sopra le belle | be Gan Roque, d. h. des nad) der Stadt San Roque 
arti« ( deutſch von Raspe, 1769) find durd) lebendige | (j. d.) benannten Grenzbezirks gegen @ibraltar. — 


Kunſterfahrung wertvoll ; feine Gedichte find anmutig. | Hier faßten die Mauren bei ihrem 


Cinfall in Spanien 


Die bejte Uusgabe feiner Werke (mit der Biographie | 711 zuerſt fejten Fuß und bebielten die Stadt bis ju 


pon Midelejfi) erfdien Venedig 1791—94 in 17 
Bänden. 

Algarve (arab. El Gharb, d. h. »gegen Abend 
gelegenes Land⸗), die ſüdlichſte und kleinſte Provinz 
von Portugal mit dem Titel eines Königreichs, qrengt 
im RN. an die Proving Wlemtejo, im O. an Spanien, 
wird im S. und W. vom Meer befpiilt und ijt 4850 
qkm (88 OW.) grof mit (1900) 254,851 Einw. (52 auf 
1 qkm). Die Proving bildet nur einen Dijtrift und 
hat Faro zur Hauptitadt. — A. umfapte anfangs 
aud) die ſpaniſche Südkülſte und die gegenüberliegende 
Nordafrikas. Um 1212 ervberte Sando I. einen Teil 
des damals nod) unter maurifder Herrſchaft ftehenden 
Landes mit der feſten Stadt Silves; aber erſt 1251 
vollendete Ulfons IIL. die Eroberung Ulgarves. Zwar 
beanf{prudte Spanien eine Urt von Oberhobheit fiber 
das Land, dod) 1253 ward U. als befonderes König— 
reid) mit Portugal vereinigt. B Lv. Malan, Rei 
durch Das Königreich UW. (Frankf. 1880). 

Algän (Wig au), der ſüdweſtlichſte, vom der obern 
Iller durchfloſſene Teil des bayriſchen Regicrungs- 
bezirls Schwaben mit den angrenzenden Landſtrichen 
Württembergs und Tirols, eiwa der alte Albigau, 
woraus der jetzige Name entſtanden iſt. Der W. iſt 
von den Algäuer Alpen, einer nördlich zwiſchen 
Rhein und Fernpaß gelagerten G der nördlichen 
Kallkalpen (ſ. Alpen, geographiſche Einteilung, und 
Karte »Tirol«), erfüllt. Außer der Iller haben bier 
noch die Flüſſe Ill, Bregenzer Ach, Argen, Wertach 
und Lech ihren Urſprung. Die Verbindung zwiſchen 
den Tälern des Lech und Inn vermiittelt die —— 
die von Füſſen aus die Alpen im Kniepaß und der 
Ehrenberger Klauſe durchſchneidet, ſich bei Naſſereit 
teilt und teils nad) Landed, teils hinab nad) Inns⸗ 
brud fiifrt. Die Bevblferung treibt befonders Wald- 
und Felbwirtidaft umd ſorgfältige Wiejentultur. Cine 
vorzügliche Rindviehraſſe ijt nad) dem A. benannt. 
Val. Waltenberger, Orographie der Algäuer Al— 
pen (2. Unfl., Uugsb. 1881); Derfelbe, Fithrer durd 
YW. (8. Aufl., Jnnsbr. 1896); Baumann, Gejdidte 
des Allgäus (Kempt. 1881—95, 3 Bde.); Refer, 
Gagen, Gebriude und Spridwirter ded Allgäus 
(val. — a 2 Bde.). 

¢, |. Untilopen. 

A —* (arab., »Wiederherjtellung<), ein Zweig 
der allgemeinen Writhmetif (7. d.), früher aud Arith- 
metica divinatoria (erratende) qenannt, beſchäftigt 
fid) mit der Beſtimmung unbefannter Grifen aus 
Gleichungen von befonderer Beſchaffenheit, den al ge- 
braijden Gleidhungen. Daher ijt WU. die Lehre von 
den algebraifden Gleichungen (ſ. Gleidung). Dod 
ijt Der Spradgebraud) ſchwankend, und vielfad) ver- 
jteht man unter A. itberhaupt das Rednen mit Bud) 
jtaben, gebraudt mithin das Wort A. als gleichbedeu⸗ 
tend mit theoretijder oder allgemeiner Urithmetif. 
Wlgebraijd heißen alle Gripen, die durch alge- 
braiſche Gleichungen beſtimmt find. 

Algeciras (jpr. algerfiras), Bezirlshauptſtadt in der 
jpan. Proving Cadiz, am gleidmamigen Golf de3 Mit- 
telmeeres (aud) Golf von Gibraltar genannt) und an 
der Eiſenbahn Bobadilla-AU., hat einen durd) Forts 
verteidigten Hafen, eine Wafjerleitung und cso7 


| an 








ihrer Eroberung durch Wlfons XI. von Kaſtilien 27. 
ärz 1844. Bei W. fiegte 6. Juli 1801 die franzö— 
ſiſche Flotte fiber die englifde, 12. Juli diefe über die 
vereinigte franzöſiſch⸗ fpanifde. 

Algemeſi cpr. alge-), Stadt in der ſpan. Brovin; 
Valencia, Begirf Aleira, unfern des Jucar und an der 
Eiſenbahn Almanſa-Valencia gelegen, mit 897) 8026 
Cinw., die Produftion von Peis. Wein und Caca- 
huetes, einer gur Olbereitung verwendeten Piſtazien⸗ 
art, betreiben. 

Algen (Algae, hierzu Tafel »Wigen IIII«), 
Pflanzenklaſſe aus der Ubteilung der Thallophyten, 
ein oder vielzellige, ftets Chlorophyll enthaltende, 
meijt int Waſſer lebende, bliitenlofe Gewächſe, deren 
Rirper feine Unterjdeidung von Stengel, Wurzeln 
und Blittern erlaubt. Bei cingelliqen WL. bejteht 
jede3 Individuum aus einer einzigen Sette, wiibrend 
bei ob talg eg mehrere Sellen gu Zellfäden ver- 
einigt find. Bet andern A. find gabhlreide ellen 
flãchen · oder forperfdrmig vereinigt, und der Thallus 
nimmt dann oft bet anfebnlicder Größe cine jtraud)- 
oder blattartige Gejtalt an, die Organe der hihern 
Pflanzen in der Form nadahmend. Der Körper diejer 
U. beſteht aus ziemlich gleichen, runden oder sylindri- 
ſchen, bisweilen parendymatijd vereinigten Bellen, 
die ftetS Chlorophyll enthalten. Dies tritt meiſt in 
befondern Farbftofffsrpern (Chromatophoren) auf, 
und wo es ſich allein findet, ijt die Ulge rein griin. 
Bei vielen W. find aber dem Chlorophyll andre —* 
ſtoffe beigemengt (ſ. unten). 

i der —— — Fortpflanzung der A. ver⸗ 
ſchmelzen entweder membranloſe Geſchlechtszellen 
(Gameten) miteinander und bilden die erſte Zelle 
(Zygote) einer neuen Pflanze, oder die Befruchtung 
findet an einem weibliden Geſchlechtsapparat (Pro— 
farp) jtatt, der fic) in cin empfangendes Organ (Tri⸗ 
chogyn) und ein die Sporen ergeugendes Organ 
(Rarpogon) gliedert. Erjtere Fortpflangungsart ijt 
allen gefdjlectlidy fid) vermehrenden A., nuit Uns 
nahme der Florideen, gemeinjam. Die beiden ver- 
ſchmelzenden Gefdhledtszellen ftimmen vollfommen 
iiberein (Sfogameten), oder fie unterſcheiden fich als 
männlich (Spermatojzoiden) und weiblich (Cizellen). 
Die Iſogameten können fic) in beweglider Form als 
BPlanogameten (Paarungsfdwiirner) vereinigen; 
andernfalls verfdjmelzen fie in unbeweglidem Bu- 
jtande (als Uplanogameten), indem der Inhalt 
einer Selle in cine zweite ebenfolde iibertritt und 
die beiderjeitiqen Plasmakörper fid) vereinigen. Die 
ungeſchlechtliche Bermehrung der A. findet durd 
vegetative Aweiteilung, vorzugsweiſe aber Durd) Vil- 
Dung beweglider, —— verſehener, membran⸗ 
loſer Bellen (Jooſporen oder Schwärmſporen), 
im andern Fallen aud) durch unbewegliche Dauer— 
ſporen (Akineten) oder durch Verjüngung des Zell— 
inhalts entſtandene, unbewegliche Fortpflanjungs- 
zellen (Aplanoſporem ſtatt. 

Die ſyſtematiſche Gliederung der A. in natürliche 
Gruppen : nod nidt abgeſchloſſen, die folqende Cin- 
teilung ijt Daber nur al8 etme vorläufige ju betradten. 

1. Ordnung: Blaugriine UW. (Cyanophyzeen), 
enthalten in ibren Rellen neben dem Chlorophyll nocd) 


12,778 Cinw., die lebhafter Handel mit Steinfoh- | einen blauen Farbjtoff, Phykocyan, und erſcheinen 
len, Leder und Getreide treiben. Yn A. refidieren der | blaugriin, ſchwärzlichgrün oder violett. Yhren Bellen 


316 


z 


gallertartig gelodert. Reben einyelligen Formen, die 
Hioliert leben oder zu Kolonien verbunden biciben, 
fommen einfade und verzweigte Zelliaden vor. Ge 


formigen Arten durch Heri 
Arten fonnen Dauerzellen (Sporen) bilden, die nad 
einer Ruhezeit zu neuen Faden ausfermen. Die Fa- 
den Der Oscillaria-Urten, die in idnmupigen Baijern 
und Mo i 
eigentiimliche, pendeinde ungenans. Auf feuch 
ter Erde trifft man nicht ſelten die olivgrünen Schleim⸗ 
flumpen von Nostoc. Die Ericeimung der Baffer- 
bliite wird meijtens durch Cyanophyjeen verurjadt, 

ig tm ungeheuern Wengen 


verſchwinden. 


2. —— Kieſelalgen (Diatomeen, Ba— 
zillarien 


). Bon wenigen farbloſen Arten abgeſehen. 
enthalten die Zellen der Kieſelalgen Chlorophyll und 
einen gelbbraunen Farbſtoff Diatomin), die in dem 
Protoplasma an geformte Farbſtoffträger gebunden 


find. Gin typiſchet Zelllern ijt ſtets vorhanden. Die 


Zellwand beſteht aus zwei ungleichen Schalenhälften. 
die fo jtart mit Kieſelſäure durchſetzt find, daß beim 
Gliiben ein volljtandiges Miefelitelett der Zellwand 

riidbleibt, das alle Formeigenheiten der Zellwand 

is zu Der feinjten Zeichnung der zierlichen Oberflãchen⸗ 
ſtulptur aufweiſt (Fig. 2). Die Diatomeen leben als 
iſolierte apie oder fie find zu band- oder ſcheiben⸗ 
—— lonien vereinigt; manche ſind in Gallert⸗ 
ſcheiden eingeſchloſſen, andre ſitzen auf Gallertſtielen 
an einer Unterlage feſt. Die beiden Schalenhälften der 
— ſind fo aneinandergefügt, wie Deckel und 

odenſtück einer runden Pillenſchachtel. Die Seite, an 
der die Schalenränder übereinandergreifen, heißt die 
Gürtelbandſeite, die andre, meiſt reichlicher ge- 

ichnete Seite Schalenſeite. Die Vermehrung er- 
—* durch Zweiteilung, wobei jede Tochterjelle eines 
der ungleichen Schalenſtücke der Zellwand als Mitgift 
befommt, um dasſelbe durch Ausbildung eines neuen 
Bodenſtückes zu ergdinjen. Da ſich dieſer Teilungs 
vorgang ſehr oft wiederholt, ſo müſſen Die Nachfom- 
men derjenigen Tochterzelle, die das fleinere Schalen⸗ 
ſtück als Mitgift erbielt, in der einen Linie zuletzt 
merflich fleiner werden, als die Mutterzelle war. Die 
—— dieſer fMeinen Nachlommen auf das 
urjpriinglicde Größenmaß erfolgt durch Vildung von 
Vergrößerungsſporen (Wurofporen, Fig. 3). 
Die Hellen werfen die ftarcen Schalen ab und wad 
jen, in eine Gallerthülle eingebettet, zu Der urſprüng— 
lidhen Größe aus, um dann neue Schalen aus zubilden. 
Meiſtens legen fic) bei der Uurojporenbildung zwei Zel⸗ 
len in gemeinſamer Gallerthiille aneinander Fig. 3). 
Bisweilen tritt vor dem Uuswadjen cine Verſchmel— 
zung der beiden fchalentofen Zellleiber ein (Fig. 3 A), 
ein organg, der an die geſchlechtliche Fortpflan zung 
andrer Vi. erinnert. Viele fretlebende Arten seigen 
ſchwimmende oder gleitende, der Längsachſe parallele 
Fortbewegung. Die Diatomeen leben auf und in 
feudter Erde, im Süßwaſſer und im Weere, fie neh— 
men an der ‘Blanftonbildung der Gewäſſer hervor- 
ragenden Unteil (vgl. Tafel »Meeresilora« und » Sil: 
wafferflorac). Die wideritandésfaibigen Kieſelſchalen 
gi ſich maſſenhaft im Grundſchlamm der Gewäſſer, 

e fommen foſſil in diluvialen und tertiären Lagern 
pon der Mächtigkeit vieler Meter als Bergmehl. 


Haute biden, führen 


die die Tberjlãche 
der dfjer bededen, um nad furyer Bett wieder zu 


Algen (Cinteitung). 


Rolieridiefer, Tripel, \nfuforienerde, Rie- 
ielgur (i. d.) vor, B be Bum m Bohmen. Ed- 
ſtorj in der L Heide, in Tostana, Sibirien, 
Lappland. Alluvial ſind die noc fortwadienden Dea- 
tomeenlagen, auf denen Teile von Beriin und Lomigs- 
berg i. Br. ruben. Sur Beitimmmung der Herfunft vou 


: @uano ermittelt man die in Demielben vorfomunenden 


Diatomeenarten. Wud) bet Agar⸗Agar klennzeichnen 
die anbaftenden Diatomeen be Herfunft der Sare. 
Pleurosigma und Surirella dienen als Erobeobjctte 
fiir Me Krüfung von WM 

3. Ordnung: Jodalgen(Conjugatae). Die merjt 
ſehr zierlich — Jellen der 2 (ita. 4) 


trager, die nur obne Beimiſchung eines 
Feige geliet. — ber tow 
if cfarbt. ‘ lonsforper on: 
jugateen —* aus einer einzigen Selle (Desmidia- 
ceae, Bandalgen) oder aus unverjweigten Faden 
gleichwertiger Sellen (Zygnemaceac). Die Bermed- 
rung erfolgt durch Zweiteilung der Sellen. Daneden 
beſteht eine geichlectlide Fortplanjung, die auf Ber- 
ſchmelzung zweier gleichartiger Sellen berubt. Fir 
Die 3u Den Zygnemazeen gehorige Spirogyra tt dieſet 
alg Stopulation —— Vorgang in Fg. 5 im vier 
verſchiedenen Vhaſen, Ia, b, a,b, dargeſtellt. Die 
durch die Reridhmeljung gebildete 3yg ote oder Zy⸗ 
goſpore fiberwintert und feimt im Frith 
neuen Faden aus. Die Desmidiazeen leben mehr ver- 
einzelt zwiſchen andern A. in Torffüumpfen, die 3nq- 
nemajeen bilden in Suüßwaſſerteichen und Graben oft 
groke icblammig - fchaumige Batten. 

4. Drdnung: Griinalgen(Chlorophyceae), qrime 
W., die bet Der ungeſchlechtlichen Vermehrung wre bet 
der geſchlechtlichen Fortpflanzung Schwärmer bilden, 
nadte Zellen, die mit wimperartigen Bewegungs 
organen, fogen. Cilien, erititet tind. Die Gruͤn⸗ 
algen bilden feine einbheitlide Gruppe. Wan unter 
ideidet Bimperalgen (Volvocineae), Me aud im 
vegetativen Sujtande Cilten tragen; Kugelalgen 
(¥rotofoffoideen), die aus rundlichen Einzelzellen 
ohne Cilien bejtehen oder verſchieden geitaltete Jell⸗ 
tolonien bilden (Fig. 6); Schlauchalgen (Sipho- 

neae), deren Vegetationsforper emen verpweigten, im 
Innern gänzlich ungegliederten Schlaud darjtellt; 
Fadenalgen(Confervaceae), die aus einfachen oder 
verzweigten Sellfaden oder aus Sellflachen gebildet 
find. Die Budung der ungefdledtliden Shwarm- 
fporen ijt fiir Die gu den Siphoneen gebdrige Van- 
cheria m Fig. 7 dargeſtellt. In dem feulenformig 
angeſchwollenen Ende eines Fadenaites g em 
Tel des lebenden Brotoplasmas ab. Derjelbe bildet 
_ cine einzige Schwärmſpore, die fich, nachdem fie durch 
| eine Offnung im der Band des Schlauched frei gewor- 


den. vermittelit ihrer —— paarweiſe geſtellten 
Cilien im Waſſer fortbewegt. Zur Ruhe ob sity 
umgibt fic die Schwärmſpore mit einer neuen Mem: 
bran und wächſt gu emem neuen Schlauch aus. Bet 
| der Befruchtung, die die geſchlechtliche Fortpflanzung 
einleitet, verſchmelzen in manden Fallen zwei men 
branloſe, mit Cilien verjehene Geſchlechtszellen (Ga- 
meten), Die an Geftalt und Größe nicht wejentlid ver- 
ſchieden find, muiteinander (tjogame Gameten- 
fopulation bet Pandorina und Acetabularia, Fig.8 
u.9). Bein oogamen Vefrudtungsvo unter: 
fcheidet man einen weibliden Gameten (Ei, Do} pbhare) 
und einen männlichen (Spermatoyzoid). Die Gi 
werden im Oogonium, die Spermatojzoiden im 





Algen (Cinteitung). 


Antheridium gebildet (Fig. 10, 11 u. 12). Bei Van- 
cheria ftehen Untheridium und —— neben⸗ 
einander auf demſelben Faden; bei Oedogonium wer- 
den tonnenfirmig aufidwellende Bellen cinjelner Fä⸗ 
den gu Oogonien, wahrend die Spermatojoiden aus 
Bellen andrer Faden hervorgehen. Man fann alfo 
bier weiblide und mannliche Faden unterjdeiden. Die 
legtern find bei einigen Arten fehr furs und werden 
dann, wie in Fig. 12, als Swerg mann den bezeich— 
net. Die Griinalgen leben meijt mehr ifoliert —* 
andern Pflanzen im Waſſer oder auf feuchter Erde, 
nur einige Arten Der Siphoneen und Konfervazeen 
bilden bisweilen größere Anſammlungen. Mande 
iibergiehen Holzwerl oder Feljen in der Nahe von Ba- 
chen, wie 3. B. die Veildenjteinalge (Chroolepus ioli- 
thus), deren Körper aud) nad dem Cintrodnen den 
Beildengeruch behalt. Die Sdneealge (Sphaerella 
nivalis), eine Rugellage, ruft auf dem ewigen Sdynee 
Der Hochgebirge und des Hohen Nordens bisweilen 
blutstroprenartige Färbung hervor. 

Den Siphoneen ſchließen ſich die vom Silur bis zum 
Tertiär vorfommenden Daktyloporen an, die in 
den alpinen Triasfalfen fehr verbreitet find und durch 
ihre Ralfaus{dheidungen in manden Wblagerungen 
felSbildend auftreten. Hierher gehört Gyroporella (Li- 
banon, Zugſpitze, ſ. Tafel »Triasformation I, Fig. 2). 

5. Ordnung: Braunalgen (Tange, Phaeo- 
phyceae) enthalten in ihren Sellen neben Chlorophyll 
cinen braunen Farbſtoff (Phylophaein) und erjchei- 
nen deShalb Heller oder dunfler gelbbraun. Neben 
utifroffopiid) kleinen Formen mit fadenartigem Kör⸗ 
per fonumen reidgegliederte Formen von bisweilen 
riefigen Dimenjionen vor (Makrocyſtis). Der friif- 
tige, haufig lederartige Körper der Brauntange, die 
ausnahmsios Meeresbewobhner find, zeigt die Wejtalt 
von Bändern, Strängen, geſägten oder handformig 

eteilten Blattern, die direft nut einem wurzelartigen 
Haftorgan am Meeresqrunde befejtigt find oder von 
cinent einfachen oder verzweigten zylindriſchen Stamm⸗ 
teil über Den Boden emporgehoben werden. Wn dem 
Laube ciniger Urten, wie Fucus und Sargassum 
(Tafel ILL, Fig. 13 u. 15), werden Schwimmblaſen ge- 
bildet ; ſchwimmende, losgeriſſene Teile von Sargassum 
(Tafel J. Fig. 1) haben gu den Fabeln vom Sargajjo- 
meer Veranlaſſung gegeben (vgl. Sargassum). Un— 
geſchlechtliche Vermehrung wird durd) Schwärmſporen 
vermittelt. Gejdlechtliche Fortpflanzung ijt nur bei 
cinem Teil Der Braunalgen beobadtet worden. Sie 
jdpreitet von der Kopulation gleider beweglicher Ga- 
meten durch alle Stufen zur Befrudtung eines un- 
heweglichen Eies Durd) ein Spermatozoid. Cinen 
Ubergang zwiſchen den iſogamen und oogamen Bor- 
gangen zeigt 3. B. Ectocarpus (Fig. 14). Männliche 
und weibliche Gameten treten als Schwärmer von 
gleicher Gejtalt und Größe aus dem Gametenbebhilter 
hervor. Wabhrend aber der weibliche Schwärmer feine 
Beweglichleit fehr bald verliert, behalten die Sperma- 
togoiden ihre Cilien Langer und umſchwärmen das ſich 
feſtſetzende Ci, unt mit ihm gu verſchmelzen. Die hochjte 
Stufe des oogamen VBefruchtungsvorganges zeigt 
Fucus (Zafel I, Fig. 16—18). Die Gejdledts- 
organe ftehen bier in einer grubigen Vertiefung (Con- 


ceptaculum). ‘Die in einem onium gebildeten 
Dojphiren jind nur pafjiv beweglid. Die Spermato- 
joiden, die in bejondern Untheridien gebildet werden, 


find vielmals fleiner und mit Cilien verjehen. Das 
befrudtete Ci wächſt gu einer neuen Pflanze aus. 

6. Drdnung: Rotalgen(Blittentange, Rhodo- 
phyceae, Florideae) enthalten in ihren Sellen neben 


317 


dem Chlorophyll einen roten Farbſtoff (Phyloery⸗ 
thrin) und erjdeinen dadurch pradtvoll rofens oder 
braunrot, bisweilen auch violett oder bläulich gefärbt. 
Shr BVegetationstirper ijt mit wurgelartigen Haft 
—— feſtgeheftet und entwidelt — Formen 
e Fäden, fein zerteilter Blätter, welliger 


—— 
Bander oder ſiebartig durchbrochener Haute (Tafel I). 








Sie find mit wenigenWlusnahmen(Batrachospermum, 
Lemanea) Weeresbewohner. Bei ciner Gruppe, den 
Korallineen, wird der Körper durch Cinlagerun 
von foblenfaurem Ralf forallenartig fejt (Tafel IL, 
Hig. 19). Einige Korallineen können ausgedehnte Kall⸗ 
biinfe (Rulliporenbdanfe) aufbauen. Auch fojfile 
Nulliporen find vom Qura bis zum Tertiär befannt. 
Lithothamnion bildet Felfen auf Sigilien. Die un— 
geſchlechtliche Vermehrung der Florideen erfolgt durd) 
pafjiv beweglide Brutzellen, die meijt gu vier aus 
einer Mutterzelle hervorgehen eratraineteny Der 
VBefrudtungsvorgang unterſcheidet fid) von demjeni⸗ 
gen der Braun- und Griinalgen weſentlich Dadurd, 
Dak die mannliden Ganteten (Spermatien) feine Cilien 
tragen, und daß die zu befrudjtende weiblide Belle, 
das Profarp, nach der Vefrudtung mit der Mutter⸗ 
pflanze in Berbindung bleibt und zu einer Sporen- 
frudt (Cyjtofarp) wird, deren durch Sprojfung er- 
zeugte Sporen erjt den Urjprung neuer Pflanzen 
bilden. Bur Vermittelung der Befrudjtung dient ein 
mit Dem Profarp verbundenes Empfaingnisorgan 
(Zridhogyn). Profarp und Trichogyn bilden das 
Rarpogon. Die Figuren 20—23 (Tafel ILD) geigen 
Die Uusbildung dieſer Organe im einigen ſpeziellen 
Fallen. Die Fufageen und Florideen bilden die haupt- 
ſächliche Vegetation der Meere und erreichen gum Teil 
riejige Dimenfionen, wie Laminarien und Macro- 
cystis-Urten (bis 800 m lang), ſchwimmen auf hober 
Gee oder leben an den Feljen der Küſte feſtgewachſen, 
wo jie vielen Seetieren zur Nahrung und gum Auf⸗ 
enthalt bienen. Cine Darjtellung der unterſeeiſchen, 
formen> und farbenpradtigen Uigenvegetation gibt 
Die beifolgende Tafel I. Auch in den corwelitiben 
Perioden, vom Ubergangsgebirge bis gum Tertidr, 
waren die Meere reid) an folden Gewächſen (gt die 
Abbildung von Phycodes circinnatus auf der Tafel 
»Rambrijde Formation«, Fig. 11). 

7. Ordnung: Urmleudteralgen (Characeae) 
jind friſchgrün gefärbte Wafferpflanyen, deren Vege— 
tationsfirper emen fehr regelmafigen Uufbau zeigt. 
Cin am Grunde bewurjzelter Sproß mit unbegrengtem 
Spigenwadstum erhebt ſich aufredjt im Waſſer und 
tragt an den durd) Internodien getrennten Knoten 
je emen Ouirl von Blättern mit begrengtem Wadhs- 
tum, Ddie gleidfalls in Snoten und Ynternodien ges 
teilt und regelmäßig versweigt find. Die Verzwei— 
gung des Sprojjes geht von Seitenſproſſen aus, die 
in der Udhjel bejtimmeter Quirlblatter entipringen und 
in ihrem Aufbau den Bau deF Haupiſproſſes wie- 
derholen. Cine ungeſchlechtliche Vermehrung durd 
Schwärmſporen findet tm Gegenfage ju den Griin- 
algen bei Den Charazeen nicht jtatt. Die Organe der 

eſchlechtlichen Fortpflanzung find Antheridien und 

ogonien, die an den Blättern entſpringen (Tafel III, 
Fig. 24). Die Antheridien find rote Kugeln, deren 
äußere Hiille von acht regelmapigen, dreiedigen Plat- 
ten gebildet wird (Fig. 25 Aa), die bet der Reife aus- 
einanderfallen (Fig. 25 B) und den Inhalt freilajjen. 
Der letztere bejteht aus mehreren Büſcheln langer, von 

emeinjamem Stiel (Manubrium) getragener Zell⸗ 
Fiber (ig. 256 C), die im jeder Helle cin ſchraubig 
gewundenes Spermatojzoid mit zwei Cilien enthalten 


318 


Algenib — Algerien. 


(Fig. 25 D E). Die Oogonien bejtehen der Haupt: | wurden gleidseitig die Konjugaten gründlich morpho: 


jade nad aus einer gropen Hauptzelle, die von filnf 
ſchlauchförmigen, in jpiraliger Richtung ſich anlegen⸗ 
den Sellen umrindet wird (Fig. 25 Asp). Auf ihrer 
Spite bilden dieſe Bellen cin Krönchen (Fig. 254), 
das die Stelle bezeichnet, an der den Spermatozoiden 
ein Zugang zu der Zentralzelle gegeben iſt. Der 
Inhalt der letztern ſtellt das gu befrudtende Ei dar. 
Durd die Befrudtung wird dasfelbe gur Oojfpore, 
die fich mit einer feftern Hiille umgibt und nad einer 
Rubepauje ju einer neuen Pflange ausfeimt. Von 
fofjtlen Charazeen find vorzugsweiſe die jpiralig ge- 
jtreiften Sporenfrüchte (Gyrog oniten) in Muſchel— 
falf> und Tertiärſchichten erhalten. 

Vor den Meeresalgen werden mande jung als Ge- 
miije veripeift; einige liefern argneiliche oder technifde 
Handelsartifel (Ugar-Ugar, Carrageen). Die am 
WMeeresitrand ausgeworfenen Algenmaſſen werden 
als Diinger benugt, an den englijden und franjdji- 
ſchen Küſten werden fie auf Jod und Allaliſalze ver- 
arbeitet. In Süßwaſſerfiſchteichen beeintridtigen bis- 
weilen gewiſſe A. die Bewegungsfreiheit der jungen 
Fiſchbrut. Cigentlide Paraſiten, die als Sdhadlinge 
andrer Pflanzen auftreten, find unter den A. ‘eh 
felten, Dagegen leben mehrere Urten als harmlofe Be- 
wohner in den Rorperhdhlen andrer Gewächſe. Soldhe 
endophytifdhe Lebensweife fommt am häufig— 
ſten bei blaugriinen A. vor, Nostoc Gunnerae und 
Anabaena Azollae find regelmajige Bewohner vor- 
gebildeter Höhlungen der Gunnera- u. Azolla-Urten. 
Wud) bei Mooſen (Blasia und Anthoceros) tritt cine 
Cyanophyzee als Endophyt auf. Im Körper gewiffer 
nicdever Tiere find regelmapig grime Algenzellen ein⸗ 
gelagert, eS handelt ſich dabei um eine Vergeſellſchaf⸗ 
tung ju gegenfeitiqen Nugen (Symbiofe). Die Alge 
findet in Dem Tierforper einen gegen äußere Gefabren 
gelcoiipten Wohnraum und wird durd denfelben mit 
Waſſer und Nährſalzen verjorgt. Das Tier gewinnt 
aus den Stoffwedielprodutten der Ulge einen Teil der 
fiir feine Ernährung ndtigen organifden Subſtanzen. 
Im Körper der Flechten (}. d.) ſind in ähnlicher Weiſe 
A. mit Pilzen zur Symbioſe vergefellfdhaftet. 

Die wiſſenſchaftliche Erforſchung der A. iſt in be— 
ſonderm Wake von der Verbeſſerung der Unter— 
ſuchungsmethoden und der optifden Hilfsmittel im 
Laufe des 19. Jahrh. abhängig geweſen. Während 
bis gegen Mitte dieſes Jahrhunderts die Forſcher, 
unter denen Harvey, Kützing, Agardh hervorragen, 
ſich mit der rein formalen Beſchreibung und grob— 
ſyſtematiſchen Bearbeitung der A. — mußten, 
gelang es ſpäter mit Hilfe beſſerer Mikroſtope, auch 
die Fortpflanzungserſcheinungen und die Entwide- 
lungsgeſchichte der einzelnen Formen aufjufldren und 
den innern Zuſammenhang dieſer Erjdeinungen in 
den verſchiedenen Ubtetlungen ju erſchließen. Jn einer 
Meihe muſtergültiger Urbeiten verdffentlidte nod in 
Den 40er Jahren Haigeti erafte Forſchungen über die 


ungeſchlechtliche Vermehrung und das Wadstum der | 


A. Braun lieferte 1850 zahlreiche Beitriige zur Bio— 
Logie Der ——— und gab wenige Jahre 
ſpater eine muſterhafte Wachsſstumsgeſchichte der Cha- 
razeen. 1853 beſchrieb Thuret den Vorgang der ge— 
ſchlechtlichen Befruchtung bei Fucus. Bon Cohn 
wurde 1855 Die feruelle Sporenbildbung bei der Faden- 
alge Sphaeroplea beobadhtet. Jn einer Reihe trefflider 
Vrbeiten gab Bring sheim in dem gleichen und dem fol- 
genden Jahrzehnt Aufſchluß fiber die Entwidelungs- 
geſchichte und Die Sexualität der Vaucheria, der Ddo0- 
gonien, Koleochaeten und Volvocineen. Bon De Bary 


logifd bearbettet. Bon Thuret und Bornet wurde die 
merfwiirdige Embryologie der Florideen feſtgeſtellt. 
Diejen grundlegenden —— folgten in der 
neuern Zeit zahlreiche Arbeiten über alle Gruppen 
der WU. Die wichtigſten Tatſachen der Morphologie 
und Entwickelungsgeſchichte der A. find in Goebel s 
Grundzügen der Syjtematif und fpegiellen Pflangen - 
morphologies (Leips. 1882) zuſammengefaßt worden. 
Literatur. J. G. bal GEE Species, genera et 
ordines Algarum (Lund 1848—80, Bd. 1—3); 
Kützing, Phycologia generalis (Leipz. 1843), Spe- 
cies Algarum (Daf. 1849) und Tabulae phycologi- 
cae (Nordhauſ. 1846 —71, 19 Bde.); Rabenhorijt, 
Flora europaea Algarum (Leip3. 1865—68); Bolle, 
Desmids of the United States (Gethlebem 1884); 
Solms-Laubad, Die Rorallineen des Golfed von 
Neapel (Leip;. 1881); Harvey, Phycologia britan- 
nica (ond. 1871); Derjelbe, a ha australica, 
Bd. 1— 5 (daf. 1858—63); Reine, Wigenflora der 
weſtlichen Ojtice (Miel 1889); Derjelbe, Utlas deut- 
ſcher Meeresalgen (Berl. 1889—91, Heft 1 u. 2); 
Kjellmann, Handbok i Skandinaviens hafsalg- 
flora (Stodh. 1890, Bd. 1); De Toni, Sylloge Al- 
garum (Padua 1889— 92, Bd. 1, 2 ff.); »Srypto- 
amenflora von Sdlefien« (2. Bd., 1. Wbt.: Sußwaſ⸗ 
—— von Kirchner, Berl. 1878); Raben horſt, 
ptogamenflora, Bdo.2: Meeresalgen Deutſchlands 
und Ojterreids, von Hauck (2. Unfl., Leipz. 1883 
1885); Bd. 5: Die Charazeen, von Migula (daf. 
1897); Hansgirg, Prodromus der Wigenflora in 
Böhmen (Brag 1893). 
Algenib, der Stern a (2. Größe) im Perſeus; aud 
der Stern y im Pegaſus. 
Algenpilge, Hauptabteitung der Pile (f. d.). 
Alger (pr. 440, franz. Name der Stadt Ulgier (7.d.). 
Algerien (hierju Karte »Wlgerien, Marolfo und 
Tunis), franz. Kolonie an der Nordküſte von Wfrifa, 
zwiſchen Maroffo und Tunis, dem Mittelmeer und 
der Sahara. Während die dftliche und wejtlide Gren 
gegen Tunis und Maroffo auf eine gewiſſe St 
feitgelegt ijt, iſt Die füdliche gang unbejtimmt und wird 
von den Franzoſen immer weiter in die Sabara vor- 
geſchoben. Im allgemeinen fann der 30. Breitegrad 
als Suüdgrenze bezeichnet werden, von Ghadames an 
der Grenze von Tripolis bis nördlich von Gurara, 
einer Dafe Tuats. Innerhalb dieſer Guferiten Uns- 
dehnung bat A. 797,770 qkm Flächeninhalt. 
[Wodengeftaltung.] Die 1000 kin lange Küſte zeigt 
eine wenig gegliederte, fteile und felfige Linie mit 
cingelnen Maps und verhältnismäßig wenig guten 
Safer. Die nennenSwertejten Küſteneinſchnitte find 
die Golfe von Oran und Arzeu, die Bai von Algier 
und die Golfe von Bougie, Collo, Stora und Bone. 
Hinter der Küſte erhebt id) meijt gebirgig, dod aud 
von eingelnen Ebenen durdbroden, das in drei qut 
gejonderte Teile serfallende Land: im N. das Tell, 
das gebirgige, mit frudtbaren Tälern durdjogene 
RKulturland, in der Mitte die Steppenregion mit 
den Salsiitmpfen (Scotts), im S. endlid) die Ga- 
bara mit ihren Dafen. Bon der Küſte nad S. vor- 
dringend, begeqnet uns zuerſt Der Kleine Atlas. Er 
zerfällt in eine Reihe von Heinen, parallel mit der 
Riljte ftreidenden Gebt —** von denen die 
eine in der Landſchaft p's ylien im Dſchebel Lalla 
| 2308 m, die andre, das Setifgebirge, im Dſchebel 
| Babor 1908 m erreidt. Die Mittelzone der Schotts 
ift cin Blateauland von 800 —1100 m Hobe, deffern 
Südrand der Sabharifde Utlas bildet, der im Dſchebel 



















Meridian ȴ OGreeuwich 


— 


ALGERIEN, [reg 
MAROKKO UND TUNIS.) 4 {9 — : : 
Mafistab 1: 9500000 Sevy PGe a A ~ tat . 

a ——⏑ü— ——— SP, J . * 
Die Hauptstadte sind unterstrichen. 
—— 


IV 








— —ñ— ey ann i 
is | . 
— ot Onan. P 
s ve. Kamme da 1 9 


Nin Merke ‘nthe: 





KUSTENLANDER 
ALGERIEN uno TUNIS. | 


Mafistah 1 5S O00 000 
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Meridian ¥ 0 Greenwich 


Merers Kony Lerthon 6 Auft 


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Zum Artihtel _Algerien’ 





gitized | Google 


Algerien Bodengejtattung, Fliijje, Lima, Pflanzen- und Tierwelt, Bevöllerung). 


Wuré zu Höhen von 2310 (Dſchebel Schelia) und 
2806 m (Djdebel Mhammel) oT Zwiſchen die 
eingelnen Gebirgszüge drängen fic) meijt hultivierte, 
fruchtbare Ebenen, wie die Metidſcha bei Ulgier, 
eine 95 km lange, im Durchſchnitt 15 km breite, wenig 
wellenfirmige “Pe an Deren Giidjette der Utlas 
teil emtporjteigt. Rad innen ſchließt fid) an das 

fateauland zwiſchen dem 17. und 23. Meridian eine 
Vorterraffe, die bei Brejina 833 m, bei El Ughuat 
780 m bod) ijt und nad S. und ©. ſich allmablid 
abdadt. Danach dehnt fic) nad O. cine weite, heife 
Tiefebene, an der Südgrenze 162 m, bei El Wad 
135 m, bei Tuggurt 50 m, bei Bisfra 125 m iiber 
dem Meeresfpiegel, im Sebcha Melrir 31 m unter den 
Meeresfpiegel hinabreicdend. Das von den Bergen 
in die Tiefe gefiderte, meijt unter einer undurchläſſi— 
gen Schicht jtehende Grundwafjer ijt an vielen Orten 
durd) arteſiſche Brunnen erſchloſſen worden und hat 
zahlreiche fruchtbare Dafen ind Leben gerufen. 867 

runnen fordern 263,000 Lit. in Der Mimute. Uber die 
Hilfte der Rolonie, den ganzen Silden zwiſchen dem 
80. und 40. Parallelkreis, nimmt endlich die Ul geri- 
fhe Sahara ein, in der nur einzelne Dafen (Biled 
ul Diderid, El Wad, Tuggurt, Wargla, Kur) den Un- 
bau des Bodens gejtatten. Näheres über den geolo- 
giſchen Bau Ulgeriens f. Art. »Afrika«, S. 136, 139. 

(Hliffe.] Faſt alle Flüſſe, die vom Atlas in das 
Mittelmeer fließen, Durdhbredjen in tiefen Quertälern 
bas Gebirge, maden bedeutende Krümmungen und 
haben im Unterlauf cin geringes Gefiille, beſitzen da— 
her fummphige Ufer und enge, dfters verfandete Vtiin- 
dungen. Kein cingiger Fluß ijt ſchiffbar. Die meiſten 
flieBen von S. nach N., wovon nur der Sdheliff cine 
bemerfenSwerte Ausnahme madt. Die bedeutendſten 
Flußläufe zum Mittelmeer find: die Sebuſe (Rubri- 
catus), die Budfdima und der Mafrag, die in den 
Golf von Bone miinden, der Wad el Kebir (Rumel), 
Der wiederbolt unter Felfen veridwindet, der Gum- 
mam (Gatwah), der einen der bedeutendſten Quer— 
riiden des Utlas durdbridt, dann der Sahel, Bubcrak 
(Niſſah), der Difer, Harrad und Mazafran, der 
Scheliff (f. d.), der zwiſchen Dem Kap Ivi und Mofta- 

anem miindet; die Malta und endlich im W. die 

afna. Die Flüſſe Ulgeriens haben eine ganz bejon- 
dere Bedeutung gewonnen, feitdbem man angefangen 
hat, jie in gropartigem Maßſtabe zur Bewäſſerung 
gu verwenden. Das Shftem der riefigen Wehrbauten 
(Barrages), wahrſcheinlich zuerſt von den Karthagern 
angewendet, verfiel unter der Tiirfenherridaft, wurde 
aber feit 1843 wieder in Tätigkeit geſetzt. In jüngſter 
Beit wurden große Untagen am Scheliff, Sig u. a. O. 
hergeftellt. Die vom fiidliden Whhang des Ytlas ab- 
fließenden Gewäſſer miinden in Salzſümpfe (S ch ot t 8) 
oder verjiegen im Sande. Die größten Salzſümpfe 
find: Sebdha Melrir, Schott «3 Saida, Schott el 
Schergui und Sdott ef Gharbi. Moräſte finden ſich 
namentlid) bet Bone, um Oran, in der Ebene Tlelat 
und im S. von La Calle. 

Itlima, Pflangen: und Tierwelt.] In A. laffen 
fich Drei parallele Klimazonen unterjdeiden: 1) Das 
nördliche Gejtade mit den angrengenden Bergen 
(Tell), Mtittelmeerflima mit vorherridenden Nord- 
wejtwinden, verhaltnismapig trodnen Sommer und 
feudten Wintern. Die Reqenmenge ninunt von BW. 
nad D. zu (50—84 em). 2) Die Dodebenen, fon- 
tinentaleres Rima mit warmen Gommern und fehr 
falten Wintern. Deder Winter bringt Sdnee und 
nicht felten cine Ralte von —10°; der meijte Regen 
fallt im Friibjabr. 3) Die Sahara, mit febr heigen 


319 


Sommern und relativ kühlen Wintern, fehr groper 
Trodenheit; Regenmenge am grojten im Mat. Die 
—— iſt der europäiſchen Bevöllerung ge— 
ſundheitlich am zuträglichſten. Im Juli beginnt die 

roße Hitze und mit ihr eine Trockenheit, gegen die 
—* der überaus reichlich fallende Nachttau nichts 
vermag. Nur an der Küſte kühlt die Meeresbriſe die 
Atmoſphäre auf kurze Zeiten ab. Nicht ſelten, insbeſ. 
im Frühjahr, tritt ein ſtarker Wüſtenwind mit ſchwe— 
ren Staub⸗ und Sandwolfen auf, und die Tempera— 
tur fann 50° iiberfchreiten. Bon Ende Oftober bis 
Anfang Upril währt die Regenzeit. Die Temperatur- 
marina erreiden an der Miijte felten 40°, und weiter 
landeinwärts, in Bistra, 48°, dabei find die Wärme— 
ſchwankungen außerordentlich grok. Die Sahara ijt 
zwar reqenarm, aber im Winter find Regenfiille nicht 
bebe felten. Dabei find die Schwankungen der Regen: 
menge fehr grof (Ayata 62 und 267 mm). 

Die Pflanzenwelt Ulgeriens zeigt den Charalter 
der Mittelmeerplora. Auf dem gut bewäſſerten fultur- 
fähigen Tell entwicelt fich cine reiche endemiſche Pflan⸗ 
zenwelt, die lebbaft an die ded ſüdlichen Spanien er- 
innert, wahrend unter den Kulturgewächſen die Dattel- 
palme und der Dlivenbaum auftreten und auf den 
Feldern Weizen, Mais und Tabak, in den Garten 
neben den Siidfriidten (Agrumi) aud die mitteleuro- 
paifden Gemüſe in tippiger Fülle qedeihen. Das Utlas- 
gebirge bietet wenig eigentiimlide Formen. Die durch 
das ganze Gebiet verbreiteten Nadelhölzer (die atlan- 
tiſche Seder, Pinus halepensis, Juniperus oxycedrus 
und phoenicea), Rajtanien, immergriine Eiden (Quer- 
cus ilex und Q. coccifera) und $wergpalmen (Cha- 
maerops humilis) bilden die Walder, denen fid) die 
»*Maquis« genannte Formation immergriiner Sträu⸗ 
der anſchließt, während die Gipfel alpine Formen 
curopiifden Anklanges bedecen. Bemerkenswert ijt 
eine bis zum maroffanifden Utlas vordringende Ko- 
nifere, Callitris quadrivalvis , Die gu einer fonjt nur 
in Uujtralien vertretenen Gattung gehört. Auf dem 
Hodlande der ⸗Schotts« breitet fich cine wohl charal⸗ 
terifierte Steppenflora aus. Neben Salfolageen, Atri- 
plex- und Artemisia-Yirten erreichen bier Die Grãſer 
einen hohen Wuchs, unter denen Macrochloa tena- 
cissima (alfa), das fiir die Bapierfabrifation aus- 

eführt wird, wirtſchaftlich se ijt. Die an die 
üdliche Abdachung des Grofen Utlas ſich ng gta 
Steppe zeigt einen Begetationsdaratter, der ſich an 
den des andalufifden Tafellandes anſchließt, Dann aber 
allmablid in das Florengebict der Sahara überführt. 

Die Tierwelt Ulgeriens gehört der paläarktiſchen 
Region und gwar der mittellandifden Gubregion an, 
beherbergt aber auc) manche Tiere, die der fiidlidjern 
äthiopiſchen Region entitammen. Bon größern Säuge⸗ 
tieren finden fic) in den Gebirgen des Tell und ded 
Vtlas noch Lowen und Leoparden, häufiger find Hyfine, 
Schafal, Sumpfluchs, das wilde Mähnenſchaf, der 
berberifde Uffe, cine Gazelle, das Ichneumon und 
mebrere giftiqge Sdlangen. 

[Vevslferung.} Umjang und Bevilferung der Ko- 
lonie betrugen nad) den lepten Erhebungen (1901): 




















"4 Bew. auf 

Departements | OKilometer | Bewohner | 1 DIL 
Migier 2 2 ee, | 170772 1640 985 9,6 
Ronftantine . 2... | 191 748 1990 992 10,4 
Oran . : 116 438 | 1107354 9,5 
Sujammen: | 478958 | 4739331 | 9,9 


Davon find: 4,480,456 franzöſiſche Untertanen 
(358,045 Franjofen, 57,044 Yuden, 4,065,367 Mo- 


320 


hammedaner) und 245,641 Fremde (155,124 Spa- 
nier, 38,730 Staliener, 23,864 Waroffaner, 2397 
Tunejen und 25,526 andre Fremde). Die Bahl der 
Deutiden nimmt nur durd Suwanderung, nament- 
lidh von Elfah-Lothringern, ju, da die Geburtsziffer 
bei ihnen immer nod) binter den Sterbefallen guriid- 
bleibt, während bei den Frangofen, bei denen das 
jriiher auch der Fall war, fic) [don cin Geburten- 
überſchuß Herausjtellt. Vim beſten gedeihen in A. 
Spanier, Italiener, vor allen aber Juden (Gebur⸗ 
ten 48—57, Sterbefiille 24 — 28 auf Taufend), fo 
daß man ſchon fagt, A. werde cin neues Paläſtina 
werden. Uber nod rafder wächſt die einheimiſche mo- 

mmedanijde Bevilferung. Sdon daraus ergibt 
ich, Daf VU. weder Betriebs⸗ nod) Beficdelungsfolonie 
it. Zwiſchen den ECingebornen und Fremden bejteht 
cine ticfe Kluft: Sitten, Sprache, Religion, Geſchichte, 
Traditionen, alles trennt die Muslims von dem ver: 
haßten Rumih (Chrijten). Abgeſehen von fleinern 
Stämmen und Raffen gehoren die Cingebornen 
zwei verſchiedenen Bolfern an: den Urabern und 
Verbern (jujammen etiva 300 Staimme). Die er- 
tern, Die Beduinen, nennen fic felbjt Uraber und 
ind edjte Nomaden, meijt Nachkömmlinge der dritten 
arabijden Invaſion im 11. Jahrh., die ihre Namen 
und Stammbaume unverfaljdt erhalten haben. Ein 
Teil von ihnen hat fic) aber ſchon mit den autodtho- 
nen berberifden Stammen vermiſcht. Die UWraber 
(ca. 3 Will.) bewohnen gum großen Teil das Tell, 
aber aud) in der Gabara find fie zahlreich vertre- 
ten. Im Tell treiben fie Uderbau und ig ara in 
der Sahara ausſchließlich die legtere. Sie leben in 
— oder Reiſerhütten (Gurbis). Die ſeßhaften 

ingebornen in den Städten find fogen. Mauren 
(ca. 2 Mill.), die fich felber Hadar, Hausbewohner, 
nennen, im Gegenfage gum Hal bit eſchſchäar, dem 
Reltbewohner, dem Beduinen. Sie find em Miſchvoll 
aus den verſchiedenſten Elementen. Qhren Lebens- 
unterhalt fucjen fie im Rleinhandel, vorzüglich aber 
als Handwerfer. Die Rabylen find unjtreitig die 
echten Nachlommen der alten Berber, zählen gegen 
700,000 Köpfe und bewohnen größlenteils die Pro— 
vin Konſtantine, jenes alte Numidien, wo ihre Vor- 
fahren fo viel Sabigfett im Kampf mit Romern und 


Rarthagern entiwidelten. Cie haben bis heute die | 


alte berberijdje oder libyſche Sprache bewahrt, die fie 
mit arabijden Schriftzeichen ſchreiben, feit fie Mus— 
lims geworbden find. Der Kabyle wohnt in Dérfern, 
treibt Uderbau und cin wenig Induſtrie, iſt arbeit- 
jam, febr mäßig, abergläubiſch, fanatijd und barba- 
riſch, Dabet ſchmutzi 

mehr geneigt, —8 
als der Araber; er läßt ſeine Kinder franzöſiſche Schu— 
len beſuchen und nimmt begierig Verbeſſerungen tm 
Uderbau und Handwerk an, wird indeſſen mit den 
Curopdern —— verſchmelzen wie der Araber. 
Kleinere Stämme in VW. find: die Biskrih, Berber 
aus den Daſen des Ziban, ein po Völlchen, das 
die Wajjer-, Padtrager und Haustnedte der Städte 
liefert; Die gleichfalls berberifden Mzabiten oder 
Beni Mjab aus den Oafen an den Grenzen der Sa: 
bara (gegen 30,000). Sie haben den Kleinhandel in 
Händen, ebenfo die Fleiſcherei, den Betrieb der Hffent- 
lidjen Bader x. Bet den europäiſchen Grokhandlern 
haben fie unbegrenzten Mredit. Sie gebdren feiner 
der vier funnitifden Seften ded Islam an, fondern 
verwerjen gleid den Wahabiten Urabiens die Sunna 
(Tradition) und mifpbilligen die Heiligen«(Marabut-) 


Verehrung. Die Türken, die bei der Croberung | 


und geizig. Bet alledem ijt er | 
dhe Einrichtungen anjunehmen, | 


Algerien (Bewohner, Religion, Unterridtswejen, Bodenerzeugniſſe). 


Ulgeriens durch Franfreid) der herrſchende Volfs- 
jtamm waren, wurden Durd) die franzöſiſche Regte- 
rung jur Unswanderung geswungen. Die wenigen 
Neger ftammen aus dem Ynnern von Ufrifa und 
leben meijt alg Tagelihner und Dienjiboten in den 
Stadten. Die Yuden, unter den Dew mifbandelt 


und unterdriidt, Durd) die Frangofen aber mit allen 


biirgerliden Rechten ausgejtattet, nehmen immer mehr 
franzöſiſches Weſen und Tradt an. Trog ibrer ge- 
ringen Bildung den Mauren im Handel iiberlegen, 
erwerben fie ſchnell Reidhtum, werden aber von den 
Eingebornen bitter gehaßt. 

Da der mohammedaniſche Kultus aufs engſte mit 
dem bürgerlichen Leben verflochten iſt, ſo fand ſich 
die frangodfjijde Regierung veranlaßt, die vorhande- 
nen religiöſen Inſtitutionen nicht nur ju reſpeltie— 
ren, ſondern aud) als Regierungsmittel zu benutzen. 
Eine ihrer erſten Maßregeln war darum die, ſämtliche 
Moſcheengüter der eroberten Territorien für Staats- 
gut ju erklären und alle Koſten des Kultus zu über⸗ 
nehmen. i an agg Ungelegenheiten der Muslims 
leiten zwei —* An der —* der latholiſchen 
Kirche ſteht der Erzbiſchof von Algier, dem zwei 
Biſchöfe beigegeben * auch beſteht in Algier ein 
5* und em kleines Prieſterſeminar. Die Unge- 

enheiten der proteſtantiſchen Kirche leitet Dad Ron- 
fijtorium in Algier. Für das Volksſchulweſen iit 
injoweit geforgt, dak in jeder Gemeinde ſich gegen- 
wärtig wenigitens eme Vollsſchule (etwa 1200) be- 
findet. Wuferdent gibt es Rinderbewabhranjtalter, die 
meijt von geijtliden Brüderſchaften geleitet werden. 
Auch beftehen Sdhulbibliothefen und fir Erwachſene 
Ubendturfe, von höhern Lehranjtalten 3 Lyzeen (in 
Ulgier, Oran und Konjtantine) und 11 Lrogymna- 
ſien, endlich eine mediziniſch pharmazeutiſche Sule, 
eine Rechtsſchule, cine naturwijjenidaftliche und cine 
philoſophiſche Schule und 3 Lehranjtalten fiir dad 
Urabijde in Ulgier, Oran und Ronjtantine, in Ulgier 
cine Runjtidule, cin Obſervatorium und eine djfent- 
liche Bibliothet. Die ganze Rolonie bildet einen Ala⸗ 
demiebezirl. Von Zettungen erjdeinen im der Rolo» 
nie 92 (Davon 25 in Algier, Darunter täglich »Le 
Moniteur del’ Algérie« und » La Vigie Algérienne«), 
einige in frangodjijder und arabijder Sprache. Algier 
und Oran befiben Gefellidhaften fiir Geographie und 
Ultertumsfunde. 
| [Bodenergengniffe.] Als Hindernis des raſchern 
Aufſchwungs der Kolonijation ijt bas Kollektiveigen⸗ 
| tum der arabijden Stämme gu bezeichnen. Wan hat 
zwei — zu unterſcheiden: die pri⸗ 
vate Koloniſation, di 








te Land durch Ankauf erwirbt, 
und die offizielle, die auf dem Syſtem der Konzeſſio⸗ 
nen berubt. Tro der furdtbaren, jährlich wieder- 

fehrenden Heujdredenplage ijt A. bereits cin bedeut- 
ſamer Ronfurrent auf dem Getreideweltmarft gewor⸗ 
| den. Wit Uderbau, Viehzucht und Weinbau beſchäftig— 

ten fic) 1901: 8,675,000 Berfonen, wovon 209,500 
Curopder und 3,465,500 Emgeborne waren. Dennod 
find nur 2 Broz. der Oberfläche Wigeriens lan dwirt- 
fdhaftliden Sweden gewidmet. Cin Heltar unter 
Bebauung liefert bei Europdern 9, bei Eingebornen 
6 Btr. Die mit Rornfriidten bebaute Fläche betrug 
1901: 2,907,519 Oeftar und lieferte einen Ertrag von 
22,538,066 dz. Davon entfielen auf Weizen 1,317 419 
Heftar u. 9,142,766 dz, auf Gerjte 1,454,398 Heftar 
und 12,073,994 dz. Biel geringer ijt die Bedeutung 
der Kultur von Hafer (393,035 dz), Mais, Hirie, 
Roggen. Von gang auferordentlidhem Erfolg vt der 
Gemiifebau gefrint worden, der fid) vornefnuich auf 





Algerien (Induſtrie, Handel und Vertehr). 


die Metidſcha beſchränlt. Gemüſe wie Friidte gehen 
nicht nur nad Frantreid), fondern aud) nad En 2 
land, Deutfdland, ja bis Petersburg. Der Taba 
bau wurde erjt 1844 von den Kolonijten eingefiihrt, 
enwärtig bildet er ſchon einen ſehr widtigen Aus— 
Prbrartitel: 1901 wurden 7,732,300 kg von 8574 
Heltar geerntet. Eine der wichtigſten ——— 
ijt das Halfa (j. Eſparto), dad nahezu eine Speziali— 
tat der Rolonie genannt werden fann; es wurden da⸗ 
von 1890 auf 1'/2 Mill. Heftar 105,282 Ton. geerntet, 
wovon 72,854 T. im Werte von 7,292,114 Fr. ins 
Ausland, befonders nad) England, gingen. Wm wid- 
tigiten ijt aber fiir Die Rolonie der Weinbau gewor- 
den, Der 1901, auf 151,877 Heltar betrieben, einen 
€rtrag von 5,563,000 hl ergab (j. Ulgierfde Weine). 
Die Rahl der Dattelpalmen wird 1901 auf 2'/s Mill. 
angegeben; die Olproduftion ergibt ca. 500,000 hl. 
Der Viehſtand war friiher cin wenig höher; 1901 
zählte man 200,000 Bferde, 147,000 Mautltiere, 
265,000 Efel, 193,000 Ramele, 993,000 Rinbder, 
6,724,000 Sdafe, 8,563,000 Biegen und 82,000 
Schweine. Bon diefem Viehſtand beſindet fich nur ein 
febr fleiner Teil in dem Beſitz der Koloniſten. Das 
algerijde Pferd ijt ſchlank, leicht und nervig, da 
hauptſächlich als Renner und gu militarifden Zwe 
braudbar. Die Regierung unterhilt drei Landesge- 
ſtüte. Bei den Urabern im —— finden ſich nur 
minder edle Raſſen von * ; aber ſeit 1852 bat 
man angefangen, die arabijden Stämme gur Verbeſſe⸗ 
rung der Pferdezucht gu veranlaffen. Zum Transport 
dienen in UL. Kamel, Efel und Waultier, denen das 
trodne und heiße Klima gut belommt. Sdafherden 
machen den einzigen Reidjtunt der fiidlichen, den duper: 
jten Gaum der Wiifte bewohnenden Stämme aus. Der 
uptmartt fiir die Wolle jener Wüſtenſtämme ijt Ron- 
ftantine. Die Rinder find fleiſch- und mildarm, die 
Schafe dagegen durch Cinfubr edler Stämme bedeu- 
tend verbetjert. Sdyweine wurden erjt feit der franzö⸗ 
ſiſchen Eroberung nad A. verpflanzt. Der bedeutende 
Viehſtand geftattet eine anfebnlide Uusfuhr nad 
Frankreich und den Mittelmeerländern. 1879 griin- 
deten Barifer Naufleute auch cine Geſellſchaft sur Auf⸗ 
gucht von Straufjen in A. Jn den Siimpfen der Pro- 
ving Oran werden viele Blutege! gezüchtet. Die Fi fh e- 
rei der edlen roten Koralle tdesants febr in ihren 
Ertrigen. Der Fiſchfang an der Miijte ijt jest nur nod 
Franzoſen und Einwohnern von A. geftattet; der Er- 
trag an Fiſchen und Rorallen belief fid) 1894 auf 
2,907,219 Fr. Die Waldkultur Ulgeriens bejindet 
fic) bei weitem nicht in dem Zustand, welchen die treff- 
liche Naturbefchaffenheit des Waldbodens erwarten 
ließe. Es find bieran vornehmlid die Waldbriinde 
ſchuld, welde die Uraber teils aus Böswilligleit, teils 
um ihrem Bieh cin wenig Weide zu verſchaffen, an- 
ridjten. Die mit Waldern, Gehölzen und Buſchwerk 
bededte Fladje wird auf gegen 3 Mill. Heltar ange 
geben, Davon waren bejtanden mit Eichen 1,028,093 
Hekltar, mit Tannen 753,631, mit Redern 35,267, mit 
Thuyas 88,000 Heftar. Der Ertrag an Hol; und Halfa 
aus dem Forſtgebiet erreidjte 1901: 1,570,800 Fr. 
Mineralien. Mit Unsnahme von Gold finden 
fic) alle Metalle, namentlid) Eiſen, Blei, Silber, 
Kupfer, Bink, dod) erſchweren die Unmöglichleit der 
Verhiittung bei dem Mangel an Kohlen und unge- 
niigenden Berfehrsjtrajen einen ergiebigen Abbau. 


mt Departement Algier find die bedeutendjten Eifen: | 
| km. Die wichtigſte Kunſtſtraße ijt die, welche Wedea, 


und Stupferminen die von Mujaia, Gumah, Didebel 

Tmulga, Miliana, Blida und Tenes; in Ronjtantine 

bie Rupferqruben von Win, Barbas, die Cifenminen 
Meyers Ronv.«Lezifon, 6 Aufl. L Bd. 





321 


von Yin Mofrah, Dſchebel Unini, die Blei- und Silber- 
gruben von Kefum Thebul, Bu Taleb, die Untimon- 

ruben von El Hammimat und Senſa, die Dued: 
ibers und Zinfgruben von Jemappes und Guelma; 
in Oran die Blet- und Silbergruben von Gar Rub- 
ban, die Gruben von phosphorfreiem Cijen in Beni 
Saff und Cemerata, fiir die 1879 ein eigner Hafen, 
Merja Si Ahmed, gebaut wurde. Onyrmarmor bridt 
man bei Oran, durdfidtigen fogen. orientalifden 
Wlabafter bet Uin Jefbalet, vorzüglichen weißen am 
Dichebel Filjilla, Marmor zu Bildhauerwerken bei 
Tolfila; 1878 wurde bei Kleber (Arrond. Oran) der 
ſchöne rote Marmor der Alten (giallo antico) wieder 
aufgefunden. Salz wird aus Salsfeen und als Stein- 
fol (bei Milah, El Kantara, Wargla) gewonnen. Wud 
Schwefel, Magneſia u. Porzellanerde jind vorhanden. 
Bon grofer Bedeutung find die Phosphatlager von 
—— Bone, Tebaſſa ꝛc., die Ausbeute an 
Phosphat betrug 1901: 270,000 Ton. Die Förde— 
rung von Eijenerjen betrug 498,000 T. Von Mine- 
ralquellen fennt man iiber 100; die Ruinen von 
Badebaffins und Tempeln, die man in der Nahe diejer 
Duellen hãufig antrijft, deuten darauf hin, daß ſchon 
die Römer die Wirkſamleit derſelben gefannt und fie 
benugt haben. Am beriihmteften find tm Depart. Al⸗ 

ier Die heißen Ouellen von Hanumam Meluan und 
tite Righa, im Depart. Oran die heiße Quelle 
von Bains de-la-Reine, vor allen aber in Konſtan⸗ 
tine Die von Hammam Wastutim (95°). 

[Yaduftrie, Handel und Verlehr.] Die gewerb⸗ 
lidje Tätigleit, die im Wittelalter bedeutender war, 
beſchränkt fic) jest bei der einheimiſchen Bevdlferun 
im Tell und in den Küſtenſtädten fait ausidhlichlig 
auf Bereitung von Maroquin, Teppid)-, Muſſelin⸗ 
und Seidenweberei. Für die Bewohner der Sahara 
waren von alters her das Weben wollener Gewänder, 
die Kultur des Dattelbaums und der Vertrieb diefer 
Erzeugniſſe die Hauptquellen de3 Erwerbs. Die Ka— 
bylen der Gebirge tretben Uderbau und Viehzucht, 
daneben Wollweberei, Holsidnigerci, Wattenfled- 
ten x¢., aud) etwas Bergbau, namentlich auf Cifen, 
das fie teilS gu Uctergeraticdaften, teils ju Waffen ver- 
arbeiten. Faſt bei allen diefen Stämmen finden fic 
Miihlen und Olprejjen. Bei der europäiſchen Bevdl- 
ferung bat fid) cine bedeutendere Induſtrie nod nidt 
entwideln fnnen, nennenswert find die Weinlelterei, 
die Tabat- und Zigarrenfabrifation, Sdyneide- und Ol- 
miiblen. 1894 waren in 16,456 gewerbliden Anſtal⸗ 
ten 43,957 Urbeiter beſchäftigt. UW. bildet feit 1851 mit 
Franfreid ein cingiges Zollgebiet, und fo fieqreid hat 
legtered Die auslãndiſche Konkurrenz befampft, daß von 
dem Geſamthandel des Jahres 1899 im Betrage von 
635,3 Dull. Fr. nicht weniger als 631,90 Mill. auf den 
Verfehr mit dem Mutterland entfielen. Die Cinfuhr 
betrug 1899: 309,9 Will. Fr. (Baumwollengewebe, 
Wetallwaren, ——— ferner Kohle, Kaffee, 
Zucker, Seife, Bauholz und alle andern Induſtrie— 
produfte). Die Ausfuhr betrug 325,4 Mill. Fr.; fie 
beſteht in Wein 141,32, Tieren 36,8, Getreide 42,5, 
Tabaf 12,9, Häute und Felle 11,3, Wolle 10,9, Halfa 
7,5 Will. Fr. Der Unteil Deutidlands am Handel 
betrug 1,1, bes. 4,2 Mill. Fr. 

Für den innern Verkehr hat die Regierung erſt 
jeit 1879 mehr getan, namentlid) in Der Rabe der 
Küſte. Die Linge der Straken des Staated beträgt 
8507, Der Departements 524, der Gemeinden 26,588 


Blida, Bufarif und Duera mit Algier verbindet. Die 
erjte Cifenbahn wurde 1862 von Algier bis Blida 


21 


322 


erdjfnet. Ym Betrieb war 1901 in A. ein Sdienen- 
nef von 3023 km Linge, auferdem 28 km Yndujtrie- 
a tae (ju Den —— Saljwerfen und nad den 
Minen von Kef um Thebul). Diefe Eifenbahnen find 
von vier franzöſiſchen Gefellfdaften unter einer ſtaat⸗ 
lider. Zinsgarantie von 6 Proz. erbaut worden. Jn 
der Hauptiade find die Bahnen Küſtenbahnen, nur die 
Linien von Arzeu nad Win Sefra und von Philippe- 
ville nad) Bistra reichen tiefer ins Land. An letztere 
foll fich die vielbefprodjene Sabarabahn anſchließen sur 
Durdquerung der Wüſte fiber Min Salah nak Tim- 
buftu. Die weitern Dampfverbindungen ſollen fiinf- 
tig Durd) Tramways hergejtellt werden. Wile Haupt- 
orte der Unterdiviſionen ſind mit der Divifionshaupt- 
ſtadt und dieſe Hauptſtädte wieder mit Ulgier durd 
Telegraphen verbunden ; die Telegraphenlinien Hatten 
1901 cine Lange von 10,379 km, fie befirderten durd 
488 Amter (1899) 1,900,486 Depefden im innern, 
59,440 Depejden im internationalen Berfehr und 
186,264 Dienftdepefdjen. Die Poſt hatte 590 Wmter, 
4,988,426 fr. Einnahmen und (mit der Teleqraphie) 
6,082,601 Fr. Sr oes Drei unterfecijde Kabel 
verbinden ſeit 1879 Marſeille direft mit Ulgier. Gegen- 
wärtig vermitteln fieben franzöſiſche Dampfidijfs- 

ejelljchaften die Berbindung mit Marfeille und Cette, 
paniſche Schiffe fahren zwiſchen Alicante und Balen- 
cia und algerijden Hafen, die aud) von den englijden 
oſtwärts gehenden Dampfern regelmäßig angelaufen 
werden. Der widtigite Hafen tit Ulgier, nadjtdem 
Bone, Philippeville, Bougie, Scherſchel, Tems, Mo- 
jtaganem, Oran und Nemours. Jn Wigier (f.d.) be- 
beben 5 Banfen, cine Handelslammer und in den 
größern Orten Ronfulate. Der Schiffsvertehr betrug 
1899 in den 17 Hafen Wlgeriens: im Eingang 3631 
Schiffe von 2,617,635 Ton., davon 2206 öſiſche 
von 1,607,251 T.; im Ausgang 3960 ¢ ie von 
2,868,123 T., Davon 2525 franzöſiſche von 1,839,825 
T. Seit 1889 ijt die Schiffabrt zwiſchen Franfreid und 
algerifden Hafen franzöſiſchen Schiffen vorbehalten. 
Die HandelSmarine beftand Ende 1899 aus 745 Schif- 
fen von 19,564 T. 

[Werwaltung.} An der Spite der Regierung ftebt 
feit 1871 ein Generalqouverneur, der, ju Algier reft- 
Dierend, Zwil⸗ und Militargewalt in feiner Berfon 
vereinigt und hinſichtlich der politifdjen Verwaltung 
vom franzoſiſchen Miniſterium des Innern, in allen 
andern Angelegenheiten von den betreffenden Minijte- 
rien abhängt. Für Zivilangelegenheiten ſteht ihm ein 
aus den höchſten Beamten und hervorragenden Bür⸗ 
gern zuſammengeſetzter Rat sur Seite. Die drei De- 
partements Algier, Oran und Konjtantine zerfallen 
jedes in ein Territoire militaire und ein Territoire 
civil; legteres wird wieder in Yrrondiffements ein- 
qeteilt, während das Territoire militaire in Divifio- 
nen und Subdivifionen gerfallt. Das Territoire civil 
hatte 1896 eine Bevilferung von 3,873,278, das 
Territoire militaire eine foldje von 556,143 Seelen. 
Die arabifde Bevöllerung bildet nod) Duars und 
Ferkas (Gemeinde), Uls (Stämme) und Urralifs (Ver— 
einigungen von mehreren Stämmen). Die Streit- 
frdfte beſtehen aus einem Armeekorps (XIX.), das 
3 Infanteriediviſionen, 3 Ravalleriebrigaden, 1 Ar— 
tilleriebriqade, 1 Meniebataillon, 1 Trainesfadron und 
1 Legion Gendarmerie hat. Diefe Truppen find meiſt 
fran zöſiſche Soldaten, gemiſchten Charatters find 4 Re- 
gtmenter Buaven und 1 Regiment Frembdentegion, 
wahrend 3 Regimenter Turfos und 3 Spabisregi- 
menter aus Cingebornen (Mohammedanern) beftehen. 


unterſtellt. Nur gewiffe nad dem 





Algerien (Verwaltung, geogr.-jtatijt. Literatur; Geſchichte). 


befteht eine Art Miliz, ein Mufgebot von cingebornen 
Reitern. Die Juftigverwaltung zerfällt zuvör— 
derjt, jedod) nur fiir ein zelne Fille, in die Abteilungen 
fiir Europäer und fiir Eingeborne. Im allgemeinen 
aber find alle Bewohner, ohne Unterjdied der Natio- 
nalitat und des Glaubens, den franzöſiſchen Geridten 
oran {traffallige 
Bergehen, die in dem franzöſiſchen Geſetzbuch nicht 
vorgejehen find, fommen vor die Kadis. Die fiir die 
europadijde Bevdlferung beftehenden Geridte find 
gang auf ähnliche Weije wie im Mutterlande gujam- 
— — ——— beſtehen in Algier und 
Oran. Die Finanzlage der Kolonie ijt wenig be— 
friedigend. Einſchließlich der Koſten für das Militar 
hat das Mutterland fortwahrend Zuſchüſſe ee maden, 
in den legten Jahren zwiſchen 75,4 und 86,3 Will. Frank 
jährlich, von 1830 —87 im ganjen 3660,8 Will. Fr. 
Nad dem Budget fiir 1901 wurden die Cinnahmen 
mit 55,314,144 Fr., die Musqaben mit 55,237,675 Fr. 
veranfdlagt. Bon den Steuern zahlen die Koloniſten 
pro Ropf 85,15, die Eingebornen nuv 7,70 Fr. 

IGeographiſch· ftatiftife Literatur.) Bal. »-Ex- 
ploration scientifique de l’ Algérie pendant les an- 
nées 1840 — 1842« (Par. 1844ff., 31 Bde.); »Ex- 
posés de la situation del’ Algérie« (jabriid); »>Grand 
annuaire commercial, industriel, administratif, etc., 
de l’Algérie et la Tunisie« (jabrlid); Hanoteau 
und Letourneur, La Kabylie (Par. 1873, 3 Bde.); 
Niox, Algérie, géographie physique (Daf. 1884) 
und Géographie militaire. Algérie et Tunisie (daf. 
1890); v. Malgan, Drei Jahre im Nordwejten von 
Ufrifa (2. Uufl., Leipz. 1868, 4 Bde.); Sh wary, A. 
nad 50 Jahren franzöſiſcher Herrſchaft (daf. 1881); 
Houdas, Ethnographie de l'Algérie (Par. 1886); 
BVillot, Meurs, coutumes et instructions des in- 
digénes de ]' Algérie (3. Aufl. Wigier 1888); Leroy. 
Beaulieu, L’Algérie et la Tunisie (2. Aufl. Bar. 
1897); Lescure, L’agriculture algérienne (daſ. 
1892); Bignon, La France en Algérie (Daf. 1893); 
Unton, Franzöſiſche Uqrarpolitif in A. (Seipz. 1893), 
Béquet u. Simon, L’Algérie. Gouvernement, ad- 
ministration, législation (Bar. 1883, 3 Bde.); Penſa, 
L' Algérie, organisation politique et administrative 
(Daf. 1894); Wallermé, L’organisation gouver- 
nementale de l’Algérie (Daf. 1901); Vaſt, L’ Algérie 
et les colonies francaises (Daf. 1901); die Schriften 
ded Generals E. Daumas (f.d.), Reifehandbilder von 
Pieffe, Conty (franz.), —— (Murray, engl.) u. a. 
Karten: Carte topographique de l'Algérie (dépdt 
de la guerre), 1: 50,000, feit 1884 im Erſcheinen; 
Carte administrative des voies de communications, 
Départ. de Constantine, 1 : 4,000,000, amtlid; fer- 
ner Karten von Langlois (1884), Gaultier (1887), 
Levaffeur (1889), Lacofte (1889); qeologifde Rarten 
von Pomel u. Pouyanne (1892, 4 Bl.) und Gaultier, 
1 : 800,000 (Bar. 1892). 

Geſchichte. 

A. iſt das alte Numidien. In der römiſchen Zeit 
bildete nur der öſtliche Teil Die Provinz Rumidten, 
der weſtliche qehirte zur Proving Wauretanien. Das 
Land befand fic) Damals in bliihendem | pr und 
hatte vicle volfreide Städte, allein 123 Biſchofsſitze 
Aber dDurd die verwiiftenden Einfalle erit der Ban- 
dalen, Dann der Uraber wurde diefe Kultur zerſtört; 
die gum Islam tibergetretenen Berber wurden die 
herridjenden Einwohner. Um 935 grilndete der ara- 
biſche Fürſt Zeiri auf der Stelle ded alten Icosium 


t die Stadt Ul Dſcheſair, das jepige Wigier. Seine 
Die Geſamtſtärte beträgt 55,149 Mann. Wujerdem | 


Nachkommen herridten im Lande bis 1148, nad 


Algerien (Gejdidte). 


ihnen bis 1269 die Ulmohaden von Maroffo. Dann 
gerfiel das Land in mebhrere Gebiete. Bu dem be- 
tenditen, Dem Königreich Tlemfen unter den Ziza— 
niden (Sioniten, Zianiden), qehirte Ulgier. Geit dem 
15. Jahrh. beqannen die Küſtenbewohner Seeräuberei 
ju _treiben. Schon ferdinand der Ratholifde 4 
gegen fie; Rardinal Ximenes nahm 1509 Oran un 
gia (Bougie) und erridjtete vor dem Hafen der 
1510 eroberten Stadt Algier cin Rajtell. Dem Emir | 
der Mitidſcha. Selim Eutemi, tam der islamiſche Les | 
bier Dorul Barbaroſſa 1515 gu Hilfe; nad Er- 
mordung Gelims madte er fid) gum Herrjder von 
A., Tenes und Tlemfen. Nad) femem Tode (1518) 
ftellte ſich fein Bruder Chaireddin Barbaroffa 
1519 unter die Lehnshobheit der Bforte und trieb mit 
türliſchen Hilfstruppen die Spanier aus ihrem Inſel⸗ 
, eroberte 1533 aud) Tunis und wurde mit feinen 
Schiffen der Schrecken der Chrijten im Mittelmeer. 
Raijer Nari V. vertrieb zwar 1535 die Piraten aus 
Tunis, mute aber 1541, naddem er 20. Ott. mit 
370 Schiffen und 30,000 Mann in U. gelandet war, 
wieder abziehen, weil cin Uniwetter fem Lager und 
viele Schiffe zerſtört hatte. Go dauerten die Raub- 
jlige fort. Die — Korſaren eroberten im 
16. Jahrh. alles Gebiet bis zur Grenze von Marollo, 
außer dem ſpaniſchen Oran. Innere Kämpfe ent- 
ſtanden, ſeitdem die türliſchen Janitſcharen in A. 1600 
das Recht erhalten batten, cinen »>Dei« gu wählen, 
der neben dem Paſcha des Sultans jt follte. 
Mehrere Ungriffe der Englander und Hollander auf 
A. (1655, 1669 und 1670) blieben erfolglos; ebenſo⸗ 
wenig bermodten die Franjojen durch drei Bombar- 
dements Wigiers (1682, 1683 und 1687) die See- 
rãuberei ju unterDdriiden. Der Dei Ybrahim eroberte 
1708 aud Oran. Deſſen Nadfolger Baba Uli ent- 
richtete feinen Tribut mehr nad Nonjtantinopel. A. 
bildete feithem cinen SolDdatenjtaat unter dent von 
den Janitſcharen gewablien Dei, dem ein Diwan oder 
Staatsrat von 60 Beamten yur Seite ftand. Boriiber- 
ehend wurde Tunis 1757 von algerijden Truppen 
eft. Nachdem die Spanier 1775 ihre legte vergeb- 
liche (Von BW. Dalrymple beſchriebene) dition 
gegen A. unternonumen und das 1732 von neuem 
eroberte Oran 1791 wieder verloren batten, fonnte 
ſich dad algeriſche Raubnejt die ſchwächern driftliden | 
Mächte tributér maden. Erjt nad den Stiirmen der 
Revolutionstriege ſchritt man ein. Der amerifanifde 
Kommodore Decatur ſchlug 20. Juni 1815 bei Car- 
tagena die algerifde Flotte und erzwang die Unver- 
leplichteit Der Unionsflagge. Wis darauf der Dei 
23. Mai 1816 die Mannidaft von 359 italieniſchen 
Schiffen, welde die Erlaubnis jum Rorallenfijden 
ertauft batten und unter britijder Flagge in Bone | 
lagen, hatte niedermetzeln laſſen, bombarbdierte eine | 
engliſch⸗ niederlãndiſche Flotte unter General Ermouth | 
WUlgier und erzwang 28. Aug. die Freilaffung von 
1211 Chriftenfflaven. VWber Ab 1817 wagten fid 
algerifdje Seeräuber wieder bis in die Rordfee und 
nahmen Schiffe Der Mächte weg, die ihnen weder 
Tribut nod Gefdente bewilligt hatten. So zahlte nod) 
1829 das Königreich beider Sigilien jährlich 24,000 
Viaſter Tribut, und gu ähnlichem batten fic) Portugal, 
Tosfana, Sardinien, Schweden und Dainemart, Han- 
nover und Bremen verjteben müſſen; felbjt England 
hatte bei jedem Nonfulwedjel ein Gefdent von 600 
Pid. Steril. gu machen. Die Gefangenen verficlen, 
wenn fie nidt ausgeldjt wurden, der Sflaverei. 
BWiederholte Berlesungen der franzöſiſchen Flagge 
und 1823 bie der Wohnung des franzöſiſchen None | 








323 


fularagenten eggs fdjon die franzöſiſche Regie- 
rung gegen ſeit 1818 regierenden Dei Hujfein 
gereizt, als dieſer 1827 von Franfreid) fiir Getreide, 
das algerifde Juden 1798 wabhrend der agyptijden 
Expedition geliefert hatten, zu viel forderteund wegen 
des Wusbletbens einer Untiwort den franzöſiſchen 
Konſul Deval tätlich beleidigte. Cin franzöſiſches 
Gefdwader nahm den Konſul auf und begann, da 


| der Dei dad franzöſiſche Ultimatum ablehnte, 12. Juni 


1827 die Blodade; der Dei lie dagegen die gur Ko— 
rallenfifderet bei Bone gegriindeten franzöſiſchen 
Riederlaffungen zerſtören. Da die frangdiitche Res 

ierung einen auswartigen Erfolg zu erzielen wünſchte, 
— ließ fie 26. Mai 1830: 75 Kriegsſchiffe unter Ad⸗ 
miral Duperré mit einem Landbheer von 37,500 Mann 
unter General Bourmont (auf 400 Transportidiffen) 
von Toulon auslaufen; die Flotte warf 13. Juni in 
der Budt von Sidt ef Ferrud) weftlid) von WUlgier 
Unter. Die Franjzojen erjtiirmten 19. Juni das Lager 
des Dei. Nachdem das Raiferfort im S. der Stadt 
4. Juli in die Luft gefprengt und Ulgier von der Land- 
jeite cingejdlojjen war, fapitulierte der Deid. Juli; 
ihm wurden fein Privatvermögen und die freie Wahl 
jeines Wohnorts augerhalb Ulgeriens gewährt. Ulle 


| Titrfen wurden nad) Smyrna transportiert, den 
| tibrigen Cinwohnern Udtung der Religion und des 


Cigentums, Freiheit des Handels und der Gewerbe 
zugeſichert; die Sflaverei der Chrijten, alle Tribute 
der curopiifden Staaten und alle Monopole wurden 
flix immer abgefdafft. Das Land freilid) mubten 
die Franjofen erjt erobern, und ſchon 23. Juli ſtießen 


fie bet Blida auf einen vom Bei von Titteri veran- 


lakten Unfitand. Sdon war indes Oran durch —— 
gewonnen und Bone beſetzt, als der Sturz Karls 

durch die Julirevolution eine Stockung in den fran- 
zöſiſchen Unternebmungen verurjadte; Bourmont 
verließ 2. Sept. A. Ronig Ludwig Philipp fandte 
darauf den Marſchall Claugel als Gouverneur nad) 
WU. Diefer beqann fofort die Eriveiterung des Gebiets 
durd) Streifziige in das Innere und Rolonijations- 
verfudje, wurde aber fdon 1831 abberufen, da er 
eigenmiidtigerweife Bone und Ronjtantine an den 
Bei von Tunis abgetreten hatte. Sein Nachfolger, 
General Berthesene, verwirrte durch iibereilte Neue- 
rungen und — durch Ronjfisfationen und Seque- 
jtvattonen die Bevilferung: Rabylen oder Berber, 
Araber und Tiirfen (Qulugli), ftatt fie durch kluge 
Politif voneinander gu trennen, zu qemeinjamem 
Widerjtand. Unter dem Gouverneur Savary (De- 


zember 1831 bis März 1833) wurde zwar Bone er- 


obert; aber in Oran erbhob fic) der Emir von Mas- 
cara, Ubd ef Rader (f. d.)) Savarys Gewaltitreide 
bradjten bald gang A. in Uufitand, fo dak er endlicd 
abberufen und zur Verantwortung gejogen wurde. 
Eine von der Kammer eingefeste Kommiſſion ent- 
ſchied fic fiir Die fernere Behauptung Algeriens; cine 
Ordonnan; vom 22. Juli 1834 verordnete, das ere 
oberte Gebiet folle fortan ⸗franzöſiſche Beſitzungen 
im Norden Afrilas⸗ heiken. Cin Generalgouverneur 
jollte mit Dem militäriſchen Oberlommando zugleich 
die Verwaltung führen und unter dem Rrtegsmini- 
jtertum ftehen. Für die Juſtiz wurden Tribunale 
erjter Inſtanz ju Algier, Bone und Oran, ein Ober- 
tribunal und ein Handelsgeridht gu Algier eingeſetzt 
und cin Generalprofurator ernannt, der das einhei⸗ 
miſche Recht priifen und mit der neuen Juſtizverfaſſung 
in übereinſtimmung bringen follte. 

Es traten nun geordnetere Zuſtände ein. Mit Abd 
el Rader fam 26. Febr. 1834 der erjte Friede ju jtande, 

21° 


324 


worin der Emir den Konig der Franjofen als Lehns- 
herrn anerfannte. Der Friede dauerte aber nidt 
lange. General Tréjel verlor 28. Juni 1835 die 
Schlacht an der Mata gegen den Emir. Marſchall 
Clausel, der im Auguſt 1835 auf den friedfertigen 
Drouct d'Erlon als Gouverneur folgte, zerſtörte tm 
Dezember Wbd el Raders Reſidenz Mascara und ſchlug 
ifn mebrere Male; dod fein Bug gegen Konſtan— 
tine (im November 1836) miflang: durd) Hunger, 
Kälte, Krankheit und die Waffen Uhmed Bets wur 
pon 8000 Wann iiber 5000 aufgerieben. Während 
General Bugeaud 30. Mai 1837 unweit der Tafna 
Den zweiten Frieden mit Abd ef Rader ſchloß, bereitete 
Damrémont einen zweiten Ungriff auf Konſtantine 
vor, das, naddem Damrémont 12. Oft. gefallen war, 
13. Oft. vom General Grafen Balée erjtiirmt wurde. 
Run wurde die franzöſiſche Herrſchaft nad bejtimmtem 
Plan und möglichſt friedlich ausgqebreitet und bier- 
durch die fajt unblutige Einnahme von Stora, Milah 
und La Calle (1838 — 39) fowie die Bernicdtung der 
Macht Uhmed Beis erreidt. 1839 erneuerte Abd el 
Rader feine Feindjfeliqfeiten und predigte tiberall den 
sore Krieg« gegen die Franjofen. General Bu- 
qeaud, feit 1841 mit dem Oberbefehl gegen ihn be- 
traut, ermildete Den Feind und bejtad ſeine Unhanger. 
Mascara wurde 30. Mai 1841 beſetzt, im Oftober Abd 
el Kaders legtes Bollwert, Saida, zerſtört, und nad- 
dem 30. Jan. 1842 Tlemfen und 9. Febr. das feſte 
Tafrua gefallen waren, fliidtete der Emir auf ma- 
roffanijdes Gebiet. Im Sommer 1842 erjdien er 
pon neuem, und wenn aud feine Einfälle meiſt zuriid- 
ewiejen wurden (1843 nahm der Herzog von Yumate 
cine Smalab, jein Lager, durch fibertalh, fo fand er 
doch in Maroffo inumer wieder Verſtärkungen. Frank⸗ 
reid) fab fic) Daber 1844 gendtigt, Maroffo den Krieg 
ju erfliren. Das maroffanijde Heer, deffen Borhut 
Abd el Kader bildete, wurde 14. Aug. 1844 am oa 
Daly von Bugeaud entideidend geſchlagen. Da gleid- 
zeitig cin franzöſiſches Gefchwader unter dem Bringen 
von Joinville an der maroffanifcen Küſte erſchienen 
war, 6. Uug. Tanger und 10. Yug. Mogador bom- 
bardiert und 16. Aug. die vor letzterm Seven lieqende 
Inſel erobert hatte, fo fam unter englifdher Bermit- 
telung der Friede gu ftande, wonad) Maroffo Ubd el 
Kader feinen Vorjdub mehr leijten durfte. Lewterer 
erdffnete wiederum den Flemen Krieg in YL, verſuchte 
1847 Waroffo ju erobern, wurde aber vom Sultan 
Abd er Rahman 11. Dex. geſchlagen und auf fran- 
zöſiſches Gebiet gedriingt, wo er 22. Dex. vom General 
Lamorici¢re gefangen genommen wurde. 

Bugeaud hatte 1845 aud cine Zivilverwaltung ein- 
gerichtet; die Drei Provingen Algier, Oran und Kon— 
jtantine erbielten je einen Konſeil mit cinem Direftor 
an der Spige. Die franzöſiſche Nationalverjammiung 
bejtimmte 1848, daß A. vier Deputierte wählen folle, 
und ſchickte einige Urbeiterfolonien dabin, die aber 
nidt gedeihen wollten. Nach dem Staatsftreid) vom 
2. Dey. 1851 wurde Lambeſſa zur Deportationsfolo- 
nie fiir politifde Verbredher auserfehen. Der Krieg 
gegen Die Emgebornen dauerte inzwiſchen fast ohne 

Interbrechung fort, da die Franjofen jest an die Er- 
oberung Rabyliens gingen. 1851 erboben fic fait 
alle Gebirgsſtämme zwiſchen Dſchidſchelli, Philippe⸗ 
ville und Milah; General Saint-Wrnaud beſiegte tn- 
nerhalb 80 Tagen ſämtliche Empörer in 20 Treffen 
und 6 Sdlacten. Ym Dezember 1852 wurde unter 
dem Yeneralgouverneur Randon (1852-58) die Dafe 
Laghuat im S. Ulgeriens in Beſitz qenommen, der 
mächtige Stamm der Beni Mzab ftellte fid) unter 





Algerien (Geſchichte). 


franzöſiſchen Schutz; 1853—54 wurden die Dafen- 
landidaften von Tuggurt und Wadi Suf beſetzt, ferner 
die Uled Sidi Scheich und die Daſe Wargla der fran- 
zöſiſchen Herricaft unterworfen. Die Feldzüge von 
1856 und 1857 vollendeten die Bezwingung der Ka- 
bylen; feitdem war die Grenze des franzöſiſchen Ge- 
bietes bis an Den Rand der Gabara vorge|doben. 
1858 wurde die Nolonie unter cin Miniſterium fiir A. 
und Die Kolonien gejtellt; Dies wurde aber bereits 
Ende 1860 durd cin Militirgouvernement (Peliſſier. 
dann Mac Mahon) erjest, dem ein BVizeqouverneur, 
ein Generaldireftor fiir Zivilgeſchäfte, ein Miniſterium 
fitr Juſtiz, Schul- und Kirchenweſen fowie cin Kon— 
ſeil zur Beratung des Budgets zur Seite ftanden. 
Da die Verhältniſſe der Rolonie ungiinjtiq waren, jo 
beſuchte Napoleon IIT. im Upril 1865 felbjt U. Die 
militãriſchen Obrigfeiten (bureaux arabes) verjtanden 
die materiel und ſozial gedriidten Emgebornen nicht 
u bebandein; der Wangel an Berleh qen, der 
Pr angatitde Schutzzoll au} die Produfte der Kolonie, 
die Formalitäten und Sdreibercien der Burcaufratie 
bewirften, daß Der Wohlſtand der algerifden Bevilfe- 
ao guriidging. Durd freundlicen Verkehr mit den 
Urabern und eine vielverheifende Proflamation fudte 
der Kaiſer der Unjufriedenheit zu begegnen. Aber 
bei den Reformen fam man über Anläufe nicht hinaus. 
Während des deutſch-franzöſiſchen Krieges (1870/71) 
mußte die Regierung A. von Truppen faſt entblößen; 
Dod erfannten die Hale pee zu fpat dieſe Gunjt 
der Umſtände. Erſt im Wpril 1871 nahm der Wuf- 
ftand im S. von UW. größere Ausdehnung an und 
wurde 1872 vom Generalgouverneur Gueydon unter- 
driidt. So gab die Republif ihre Abſicht, A. cine reine 
Rivilverwaltung ju geben, einftweilen auf; 1873—79 
hatte General Changy das Generalqouvernement inne. 
dem 1875 ein aus Rivilbeamten bejtehender Conseil 
supérieur beigegeben wurde. Erſt 1879 wurde in 
Ulbert Grévy ein —— eingeſetzt, deſſen 
Gewalt ſich bioß auf den Küſtenſtrich, ein Neuntel des 
algeriſchen Gebietes, beſchränkte; die Stämme der 
Araber und Berber blieben unter militäriſcher Ge— 
walt. Während der Beſetzung von Tunis (1881) er⸗ 
hob fic) nod cinmal im BW. ein kühner Hauptling, Ba 
Umema, und fiigte durch Überfälle den Franzoſen 
und den europäiſchen Rolonijten Verluſte yu. Geit- 
dem war Rube in A. bis Ende der Wer Jahre. 

Die antifemitifhe Bewegung in Frantreih 
pflanzte fic) leicht nach A. über, weil in der arabiſchen. 
teilweiſe auch der europdifden Bevöllerung Mißſtim⸗ 
mung gegen Die Juden entitanden war, die gwar durch 
dag tibereilte Defret des jiidifchen Mitgliedes des Gou- 
vernements der nationalen BVerteidiqung, Crémieur, 
vom September 1870 en bloc naturalijiert worden, 
aber auf ihrer niedriqen Rulturjtufe fteben geblieben 
waren und forifubren, Die Bevdlferung durch Wu- 
cher ausjubeuten. Es fam deshalb 1897 und 1898 
Unruben der Uraber. 1898 wurde der Untifemit 

ar Régis, ein naturalijierter Staliener, Maire der 
Stadt Algier und das Haupt der franzöſiſchen Vnti- 
femiten, mont, algeriſcher Deputierter. Die fran- 
zöſiſche Regierung berief den Generalqouverneur Le— 
pine ab und ernannte Laferriere zum Generalgouver⸗ 
neur. Als Ddiefer den Maire abjegte, wurde Régis 
vom Gemeinderat jum Ehrenmaire ernannt; dod 
flaute allmablich die antiſemitiſche Bewegung ab, feit- 
dem Jonnart, der furge Heit darauf Generalqouver- 
neur war, mit feinem Brogramm: den eingebornen 
und den europadijden Teil der VBevdlferung getrennt 
zu verwalten, aber unter einer verjdhnenden Ober- 


Algesheim 


dearly Layer so durchgedrungen ijt. Auch wurde 
durch Geſetz vom 20. Dez. 1900 fiir A. ein felb- 
ſtändiges Budget gefdaffen. Unter ſolchen Ausſichten 
trat 30. Juni 1901 der neue Generalgouverneur Ré- 
voil fein Umt an; nad der anfiinglidjen Verwöhnung 
des Berberiums und dent mit 1871 einfependen Ge- 
genjtiid ijt man nun zur vermittelnden Politik des 
gefunden Menfdenverjtandes iibergeqangen. 

Val. fiir die römiſche Beit die bei Art. »Numibien« 
angegebenen Werke; fiir die ſpätere Geſchichte vgl. 
pis den ailtern Werken von Scepper (Antw. 1554, 
fatein.) und Laugier de Taffy (Amſterd. 1725): Du- 
prat, Essai historique sur les races anciennes et 
modernes de l'Afrique septentrionale (Bar. 1845); 
Fagnan, L’Afrique septentrionale an XII. siécle 
{RKonjtantine 1900); Rotalier, Histoire d'Alger 
et de la piraterie des Turcs (Par. 1841, 2 Bode.); 
@rammont, Histoire d’Alger sous la domination 
turque, 1515—1830 (bdaj. 1887); Mercier, His- 
toire de l'Afrique septentrionale, Berbérie (daſ. 
1888 —90, 3 Bbe.); Fillias, Histoire de la con- 
quéte et de la colonisation de l'Algérie, 1830 — 
1860 (daj. 1860); Heim, Geſchichte der Kriege in Al⸗ 

ier (Königsb. 1861, 2 Bde.); Uult-Dumesnil, 
tion de l'expédition d'Afrique en 1830 et de 
la conquéte d’Alger (2. Uujl., Bar. 1869; enthalt 
aud) die frühere Gejdichte de3 Landes); Nettement, 
Histoire de la conquéte d' Alger (2. Unjl., da. 1867); 
Waffarel, L’Algérie; histoire, conquéte et colo- 
nisation (daſ. — Rouffet, Les commence- 
ments d'une conquéte: L' Algérie 1830-—1840 (daf. 
1887, 2 Bde.) und La conquéte de l’Algérie, 1841 
bi3 1857 (daj. 1889, 2 Bode.); La Martiniere u. 
Lacroir, Documents pour servir a l'étude du Nord- 
Ouest Africain (Lille 1897, 3 Bde.). 
Algesheim, Stadt, ſ. Gau-Vigesheim. 
Wigefie (qriech)., f. Wigie. 
meter (qricd)., ⸗Schmerzmeſſer · von 
Björnſtröm angegebene Kneifzange mit Sfala, an 
ber die Stellung der Schenlel abgelefen werden fan. 
Man fat cine emporgehobene Hautfalte mit der Sang 
und erhöht den Drud, bis Schmerz empfunden wird. 
Das A. geftattet, die Schmerzempfindlichkeit verfdie- 
dener Körperteile nad) Gewichtsgrößen zu bejtimmen. 

Alghero, Kreishauptſtadt in der ital. Provinz 
Saſſari, an der Weſtküſte der Inſel Sardinien und an 
der Eiſenbahn A.-Saſſari gelegen, mit lleinem Ha- 
fen, alter Kathedrale, Gymnaſium, nautiſcher Schule, 
Zuchthaus, iſt Sig eines Biſchofs und mehrerer Kon- 
ſulate (darunter eines deutſchen) und zählt (1901) ca. 
9700 (als Gemeinde 10,779) Einw., die Weinbau und 
Rorallenfijcherei treiben. In der Nahe find fehenswerte 
Grotten (vg!. Cojta, Alla grotta di A., Mail. 1889). 

Algie (Algeſie, qricch.), „Schmerz« im allgemet- 
nen oder nur folder Schmerz, fiir den man im Leben 
eine Urfache nidjt gu finden vermag. S. Nervenſchmerz 
und Rervenfranfheiten. 

Algier (frany. Ulger, fpan. Urgel, arab. Ul 
Didejair, d. h. die Shad das alte Icosium, im 
Mittelalter bei den Arabern Mesrana genannt), 
Hauptſtadt der franz. Kolonie Algerien und des De— 
— YL. (j. unten), erſter Driegs und Han- 

elsplatz derjelben, liegt hart am Miltelmeer unter 
86° 47‘ nördl. Br. und 3° 31° öſtl. L., an der Weſt⸗ 
feite eines —— halbmondförmig gegen S. ein⸗ 
etieften Golfes, zwiſchen Rap Matifu wm O. und der 
ointe Pescade im W., und an dem ins Meer abfal- 
lenden Nordhang eines 402 m hohen Gebirgszugs. 
Die Stadt ijt von bliihenden Ortſchaften, Villen und 





325 


Garten umgeben und bildet ein ziemlich qleidfeitiges, 
vom Weer aufiteiqendes Dreied, defjen Spitze in 
124 m Höhe die Kasba, die alte — der Deis, jetzt 
Raferne, bildet. Der ſchon 1525 von Chaireddin Var- 
baroffa angelegte Hafen, der 95 Heftar groß ijt, wurde 
1836 von franzöſiſchen Ingenieuren ausgebaut und 
unter Napoleon ILL. durch zwei Steindämme von 700 
und 1235 m Linge geidiipt. Seinen Abſchluß int N. 
erbilt da Hafenbeden durch cinen aus dem 10. Jahr. 


— <Algier. 













































































Umgebung von Algier. 


jtammenden Berteidiqungsdamm, der das Slot der 
Marine mit dem Fejtland verbindet. Neuejtens wird 
aud) die ——— des Hafens gegen S. geplant. 


Am Nordende befindet fic) da3 Marinebafjin. Der 
mit Dodd verfehene und durd) mehrere ftarfe Werke 
Geidiigte Hafen verntag 40 Kriegs- und 300 Han- 
delsſchiffe aufzunehmen. Bom Hafentai fiihren Frei 
treppen und fabrbare Straßen hinauf auf den Boute- 
vard de la République, den eigentlichen Glanzpunkt 
der Stadt, eine pradjtvolle, 2000 m lange Terrajje. 
Sie ruht auf einer doppelten Reihe von Bogen (ca. 
350), deren Hallen gu Verlaufsladen benugt werden. 
Un diejent Boulevard liegen die palajtartigen Gebäude 
ber Bant, der Poſt, der Juſtizpalaſt rc., am Ende des- 


326 


felbert bie Place de Gouvernement, der ſchönſte Plas 
der Stadt, mit ciner Reiterftatue de3 Herzogs von Or- 
leans, dem erzbiſchöflichen Palaſt, einem ältern mau- 
riſchen Prachtbau, der Moſchee Dſchama el Dſchedid. 
Etwa in der Mitte des Boulevard de la Republique 
offnet ſich nach W. die große Place Breſſon mit dem 
Nationaltheater. Dicht beim Gouvernementsplatz liegt 
die kleine Place Bruce mit dem Winterpalaſt des Gou- 
verneurs und der fatholijden Rathedrale. Vor dem Tor 
Bab ef Uẽd im N. liegt die er pe g Vorjtadt, auf 
ber Siidjeite die Vorſtadt Agha und wweiterhin das 
Dorf Muftafa, cine reizende BVillenfolonic, wo aud 
der Gouverneur feine Sommerreſidenz hat. Die be 
liebtejte Promenade bildet aufjer Dem Boulevard de ta | 
République der Jardin Marengo hinter dem Lyzeum. 

WIS Hauptitadt der Nolonie ijt A. Sif des General: | 
gouverneurs, eines Präfelten, des Kommandos ded | 
19. Urmeeforps, der oberjten Behirden fiir die Rolo: | 
nie, die Rroving und das Arrondiſſement A., vieler | 
Konſuln, aud) eines deutſchen Berufstonfuls, eines 
Tribunals erjter Inſtanz, Handelsgerichts, eines fa- | 
tholiſchen Erzbiſchofs, eines proteſtantiſchen Ronfijto- 
riums ſowie der höhern Geiſtlichen der Muslims und 
Juden. A. beſitzt verſchiedene latholiſche Kirchen, eine 
proteſtantiſche und eine engliſche Kirche, mehrere Sy- 
nagogen und 22 Moſcheen und kleinere Bethäuſer, 
darunter al8 älteſte und ſchönſte die Dſchama el Kebir. 
Un wiſſenſchaftlichen Anſtalten befipt A. eine Militär⸗ 








Algiers — Algonkiſche Formation. 


Algiers (pr. svfgirs), Vorſtadt von New Orleans 
(f. d.), am gegeniiberliegenden Miffiffippi - Ufer. 

Algierſcher Bak (Secpah, Türkenpaß, Mit - 
tellandijder Bag, fran}. Marque), der Bak, wel⸗ 
chen die Schiffe berjenigen Staaten ldfen und an Bord 
mit fic führen muften, die mit den Barbaresfenftaa- 
ten (f. Berberei) Vertrige abgeidilofien batten. Erſt 
jeit 1830 mit der Eroberung Algiers durch die Fran- 
zoſen hörte die Seeräuberei Der Barbaresten im Mittel - 
meer und damit auch die Notwendigfeit de3 Paſſes arf. 

Metall, ſ. Britanniametall. 

A Weine, in Algerien gewonnene Weine 
Die Weinberge liegen auf Hügeln und Abhängen, und 
man gewinnt aus Bordeauxreben die Adeljaweine 
mit 11 Broz. ba” und betriictlidem Gerbjaiure- 
gepallt, außerdem ee mit 12 Proʒz. Al⸗ 
obol. Val. Berniard, L’Algérie et ses vins (Bor- 
deaux 1888—92, 3 Bde.); Qerour, Traité sur la 

igne et le vin en Algérie et en Tunisie (Daf. 1894, 
2 Bde.); Evesque, Les vins d’Algérie (daf. 1902). 

Wiginfaure (Tangſäure), aus Meeresaigen 
Laminaria) durd Roden mit Waſſer entitehende 
Subjtang, die bei Gewinnung von Jod als Rebenpro- 
dukt entiteht, dient als Uppreturmittel. 

Dabai, 45 km breite, ſchutzloſe Budt an der 
Siidojttitjte des Raplande3, 690 km vom Map der 
Guten Hoffnung ; an der Weſtſeite liegt Port Clizabeth- 

Algodonalesbai, Budt des Großen Ozeans an 


afadentie und vier Hochſchulen (fiir Rechte, Medizin | der dhilen. Küſte unter 22° 5 ſüdl. Br., mit dem Ha- 
und Pharmazie, mathematiſche und Naturwiſſenſchaf⸗ fen Tocopilla, Verſchiffungsplatz fitr die reichen Kup⸗ 
ten, Literatur mit einer orientalijden Seftion und | ferqruben der —— (jabrlid) 6000 Ton.). 
cinemt öffentlichen Kurs fiir die arabifde Sprady). | Igodonit, Diineral, ſ. Urfenfupfer. 

Die Mohammedaner haben eine Medreffe. Uukerdem, Wigol, der Stern 4 im Sternbilde de3 Perjens, 
bejteben cin Lyzeum, zwei Lehrerjeminare, eine Hffent- | bemerfenSwert durch ſeinen 1667 von Montanari ent: 
lide Bibliothet, Sternwarte, Hiſtoriſche Geſellſchaft, dedten, 1782 von Goodricke genauer unterjuchten Licht- 


Geſellſchaften für Kunſt, Ugrifultur, philanthropifde 
Zwecke, zwei Theater, Waiſen- und Armenhäuſer, 
Militär- und Zivilhoſpitäler. Es erſcheinen mehrere 
franzöſiſche und arabiſche Zeitungen. Die Zahl der 
Einwohner betrug 1838: 30,395 (darunter 18,400 
Eingeborne), 1901: 97,400 (32,893 Franzoſen, 10,822 





Juden, 26,702 Eingeborne, 26,983 Fremde, darunter 
6393 naturaliſierte). Die Induſtrie befindet ſich nod) | 
in Den Anfängen, dagegen ijt A. der wichtigſte Han⸗ 
delsplatz der Kolonie, in dem zahlreiche Straßen des 
Binnenlandes und zwei Eiſenbahnlinien von Oran 

und Konſtantine 
unterſtützt Durch fünf Banfen und eine Handelsklam— 

mer; jieben franzöſiſche Dampfergefellidaften vermit: | 
teln Den Verlehr mit Marfeille und Cette, eine ſpa⸗ 
niſche mit Ulicante und Valencia, drei Rabel fiibren | 
nad Marſeille hinüber. 1898 liefen 8151 Schiffe von | 
6,867,342 Ton. cin und aus, mag franzöſiſche. Aus⸗ 


pe nr Der Handel wird 


wedfel: 60 Stunden behãlt er feine größte Helligteit 
2. Größe, dann ſinkt er in 4,5 Stunden zur 4. Größe 
berab, um in abermals 4,5 Stunden wieder bis 
auf feine urfpriinglide Helligleit zuzunehmen. Dieſer 
Lichtwedfel wird durch die Verdedung de3 UW. durch 
einen wenig leudjtenden Begleiter erzeugt. Bgl. » Fix: 
jterne« (Veränderliche Sterne). 

Wlgolagnie (griech, Wolluſtſchmerz), f. Se 
xualpſychologie. 

Algoma, Hafenort in Ontario (Kanada), am 
North Channel des Huronenſees, Station einer Zweig⸗ 
linie Der Canadian Pacificbahn, anglifanifder Bi⸗ 
ſchofsſitz, mit 1901) 3633 Einw. 

Algonkin, allgemeiner Name fiir cine große 
Gruppe von Indianerſtämmen, die früher einen be- 
deutenden Teil des Gebiets von Britifd-RNordamerifa 
und der BVereinigten Staaten innehatten, qegenwarti 
aber mur in einigen Stämmen (Ubenafi, Blacfeet, kn, 
Odſchibwã, Menomoni rc.) fortbeftehen, wabrend die 


gefaeet werden Getreide, Wein, Vieh, Bolle, Leder, 
Erze, Tabak, Gemiife, Objt, Olivendl. RNeuerdings übrigen teils gang verſchwunden, teils auf cine geringe 
ijt A. aud ald klimatiſcher Kurort febr in Aufnahme | Anzahl, oft mir wenige Familien, —— — 
gekommen, der tin Winter (Durchſchnittstemperatur zen find (ſ. Indianer). Heute ſchätt man ihre Zahl 
12°) zahlreiche bruſtleidende Europäer anlodt. Bgl. auf 95,600 Köpfe (gegen 250,000 im 17. Jahrh.). Der 
O. Schneider, Der flimatifche Kurort A. x. (Dresd. Hauptheld ihrer Mrytbhen ijt Der Gott Glufap, nad 
1869; weitere 2 Bände, 1872—78, enthalten aud | Brinton der Gott der ſchlauen Kriegführung. Die 
SAHilderungen aus der Proving); Reiſehandbücher | Sprachen ſämtlicher Stämme der W. bilder cinen be- 
von Bieffe (Bar. 1891), Dalles (2. Unfl., Wigier | fondern Sprachſtamm, der nad G. v. d. Gabeleng mit 
1888), Harris (9. Aufl. Lond. 1898), Mevers Reife- dem Rahuatl (Aztelenſprache) in Merifo verwandt ijt. 
bücher: »>Riviera, A. r.< (5. Uufl., Leips. 1902). Bgl. Leland, Algonquin legends of New England 
Das Departement W, der mittlere Teil der fran- | (Lond. 1884); F. Miller, Uber den Bau der Al— 
zöſiſchen Kolonie Algerien, umfaßt 170,801 qkm mit gonkinſprachen (Wien 1867); Pilling, Bibliography 
(1901) 1,640,985 Einw. und jerfallt in fiinf Urrondifje- | of the Algonquian languages (Wafhingt. 1891). 

ment$: Oridangsville, Miliana, Ulger, Tizi⸗Uzu und Algonkiſche Formation (Algonkium, Prä— 
Medea. — Uber die Geſchichte ſ. Ulgerien. ;tambrium), eine im ebemaligen Gebiete der Algon⸗ 


Algorithmus 


tlin⸗Indianer auftretende Ubteilung der paldogoi- 
{cen Formationsgruppe, die, aus einer 6000 m mad- 
tigen Folge von halbfriftallinijden Gejteinen und 
Hlajtijden Schidjtgefteinen bejtehend, das archäiſche 
Grundgebirge vielfad) disfordant iiberlagert und felbjt 
wieder bon dem Rambrium, meijt aud) disfordant, 
iiberlagert wird. Derartige Schichten fennt man aus 
der Tiefe des Grofen Cañon des Colorado in Uri- 

ma, vom Huronſee und beſonders vom Sitdufer des 

fe Superior. Jn lefterer Gegend fonrmen in der 
obern algontifden Formation miadtige Lager von 
Diabas und Gabbro, die oft in Chlorit-Hornblende- 


jdiefer umgewandelt find, von Quarzporphyr, Bor- | S 


phyrit, Melaphyr und Melaphyrmandeljtein (dieſe zu⸗ 
weilen reich an gediegenem Kupfer und Silber) vor. 
Schichten der algonfijden Formation find ferner nach⸗ 
gewieſen im ſchottiſchen Hochland, im NW. von Irland, 
in Unglefey, in den Malvern Hils rc., wo fie als rötliche 
oder braune Sandijteine, als Glimmerſchiefer, Phyllite, 
Tonſchiefer, Quarzite, Grauwadenjandjtein und Kon⸗ 
glomerate mit eingelagerten diabasartigen, oft in Chlo⸗ 
rit- und Hornblendeſchiefer umgewandelten Eruptiv- 
gefteinen disfordant zwiſchen der Gneisformation und 
dem Rambrium lagern, dann in Sfandinavien (die 
Dalafandfteine res und die an15—16,000 m 
madtigen Sparagmite swifden Jenttland und Mjöſen⸗ 
fee), ferner in der Bretagne, in Böhmen (Graphitoid 
führende Tonfdjiefer, fogen. Przibramer Sdiefer 
und Grauwadenfandfteine mit Diabafen) und ſchließ⸗ 
lid) im Erggebirge und Bogtland, im Fidtelgebirge 
und Ojtthitringen, wo die algontfijden Phyllite, Ton⸗ 
{djiefer, raldiefer, Chlorit- und Hornblendefdie- 
r 2. fonfordant zwiſchen den azoiſchen und fambri- 
den Sdidtenreifen, * ſcharfe Abg ung egen 
diefe, auftreten. Organiſche Rejte find ack id) aus 
Rordamerifa, Grobritannien und der Bretagne be- 
fannt. Gie beſchränken fid) auf Wurmipuren, auf 
Ubdrilde de3 Zweiſchalers Hyolithes, der Urmfiifer 
Discina und Pine a, auf Rejte von Rorallen (Ar- 
chaeocyathus) und Stromatoporiden, auf Radiola- 
rien und vereingelte Trilobiten. Der Wusdrud Al— 
gonfium wurde zuerſt von Walcott 1890 — 
mus (Algarithmus), abgeleitet von 

dem des arab. Mathematiklers Mohammed Ben 
Muſa Ulfaresmi, gejt. 820, im Mittelalter Rechnung 
nad dem damals durd) die Uraber befannt geworbde- 
nen deladiſchen (indifden) Zahlenſyſtem, jest jedes be- 
ſtimmten Regeln unterworfene aay en ag 
A raphie (Uluminiumbdrud, Wlumino- 
graphic), der zuerſt von Scholz in Maing 1892 aus- 
geführte Drud von Uluminiumplatten als Erjag- 
mittel de8 lithographifden Steins. Die Technil unter- 
ſcheidet fic wit wefentlid) von der des Steindruds. 
Die Aluminiumplatte wird geſchliffen, mit verdiinnter 
Säure angeätzt, mit Waſſer gewaſchen und getrodnet. 
Die Zeichnung wird dann mit lithographiſcher Kreide 
oder Tuſche, auch mittels Umdrucks darauf gebracht 
und mit einer Miſchung von Gummiarabikum und 
Phosphorſãure geist. Der Drud erfolgt in Stein- 
drudprejjen, in denen die Platten auf gußeiſernen 
Bliden — werden, oder auf Rotations- 
mafdinen, deren Drudyylinder die dünnen Platten 
fich leidjt anpaffen lafjen. Zum Auftragen der Farbe 
dienen Waljen mit Gummiüberzug, im übrigen un- 
terjdjeidet ſich die Drudbehandiung nidt von der des 
Steindruds und — die Herſtellung bedeutender 
Auflagen. Ein beſonderer Vorteil der Aluminium⸗ 
platten liegt in ihrer großen Leichtigleit, fie eignen ſich 
für künſtleriſche wie fiir klartographiſche und merfantile 


— Alhambra. 327 


lithographiſche Urbeiten, aud) fiir Photolithographie 
und Tonplatten gum Farbendrud. Bal. Weilandt, 
Der Uluminiumdrud (Wien 1902); Wilbert, Das 
Aluminium in feiner Verwendung fiir Flachdruck. Die 
YW. (Halle 1902). 

Wlgringen, Dorf im deutiden Bezirk Lothringen, 
Kreis Diedenhofen, an der Cijenbahn Hayingen-A., 
hat eine fath. Rirde, Bergbau und Hiittenindujtrie 
und (1900) 5230 Einw. 

A Cil (fpr. gwanil; arab. Wa ſĩ l), im Spaniſchen 
Titel des mit der Ausübung der Juſtiz Betrauten. 
Es git Alguaciles mayores, weldje die Juſtiz in einer 
Stadt als erblidjes Lehen ausiiben oder von der Mu— 
nizipalitat dazu berufen worden find, und Alguaciles 
menores oder ordinarios, die untern Diener der Juſtiz 
und Polizei. Dieſe erjcheinen bei Feierlidjfeiten in alt- 
fpanifdjer Tracht und beritten. Frither hießen fo aud 
die Urteilsvollitreder der Inquiſitionstribunale zc. 

Algumin, rotes Sandelhol;. 

Algyogy-Wlfalu (fpr. aldjodji, aud) Feredö— 
Gyoͤgh genannt), Bad im ungar. Komitat Hunyad, 
356 m it. M., mit Cifenquellen, Schloß, Ackerbau—⸗ 
fcjule und (1900) 1091 rumän. Einwohnern. 

Alhagi Desv., Gattung der Lequminojen, ftarre, 
fehr vergweigte, dDornige Straudjer mit fleinen eins 
fadjen Blattern und roten Bliiten in achſelſtändigen, 
armbliitigen Trauben und linealifden Hiiljen. Drei 
Arten in Saibrugland, Griedenland, Aghpten u. Ujien. 
A. Maurorum Med. (Uthagiftraud, Mannaklee) 
und A. Camelorum Flach bedecken weite Streden 
und gehiren in den vorderafiatijden Steppen und in 
Agypien zu den auffallendjten Vegetationstypen. Aus 
ihren Zweigen ſchwitzt die perfiidge Manna aus. 

Alhama (v. arab. EL Hammam, foviel wieWarm- 
bad), Name mehrerer Badeorte in Spanien, darune 
ter: 1) BegirfShauptitadt in der fpan. Provinz Gra- 
nada, am Nordfu der Sierra de UW. gelegen, mit 
Schwefelquellen (45°) und «i897 7410 Einw.; einſt 
widtige Feſtung und Sdhaplammer der Könige von 
Granada, denen fie 1482 entrijfen wurde, hat 1884 
durch Erdbeben gelitten. — 2) Badeort in der fpan. 
Proving Murcia, Bezirk Totana, an der Eiſenbahn 
Murcia -Lorca, mit Sdwefelquellen (89 — 42°) und 
(1897) 7901 Einw. — 3) Badeort in der fpan. Proving 
Saragoffa, Bezirk Uteca, am Jalon und der Cijen- 
bahn Madrid -Saragojja, mit warnten Mineralquel⸗ 
fen und (1897) 1559 Einw. — 4) Stadt in der fpan. 
Proving Ulmeria, Bezirk Canjayar, am öſtlichen Ab— 
hang der Sierra de Gador und am Rio Ulmeria, mit 
Mineralquellen und (1897) 4480 Cinw. 

Alhaͤmbra (die >rote<, namlich Fefte), cinjt maur. 
Fejtung und Königsburg, das herrlichſte Denkmal 
arabifder Baukunſt in Europa, öſtlich von Granada, 
am Darro auf einer von Garten und Parkanlagen 
umgebenen pos ae gelegen. Die erjten Bauanlagen, 
aus dem 9. Jahrh. ftammend, wurden von Moham— 
med I. (1232 -—72) und Mohammed IT. ausgebaut. 
1273 = die Hauptmafje der Fejtung, die Bradtbau- 
ten und innern Deforationen aber erjt im 15. Jahrh. 
vollendet. Karl V. zerſtörte einen grofen Teil der A., 
um ibn durd) einen unvollendet gebliebenen Palaſt in 
ſchwerem Renaiffanceftil zu erſetzen. Die Schloßanlage 
gruppiert jich um zwei mit Baffins, Fontinen und 
Siulenhallen geſchmückte offene Hofe. Hobe, einfache, 
jinnenbefrinte Mauermafjen ſchließen die A. nad 
außen ab; unter den vier Loren zeichnet fic) nur das 
hufeiſenförmig gewölbte Tor der Gerechtigkeit 
durch reiche UrabeSfen aus. Durch dieſes Tor gelangt 
man auf die Plaza de los Algibes (⸗Platz der Bijter- 


328 


nen«), die weftlid) burch die Alcazaba, die ehemalige 

itadelle, mit zwei Titrmen, dDarunter die eine herr- 
liche Ausſicht gewährende Torre de la Vela (>Turm 
der Wache<), öſtlich von dem Palaſt Karls V. beqrenst 
wird. Nördlich davon liegt das eigentliche —— 
Königsſchloß. Man betritt zunächſt den 22 m breiten, 
40 m langen Myrtenhof, deſſen Schmalſeiten von 
einer Säulenhalle eingefaft werden. Dem Cingang 
entgegengeſetzt, an der MNordjeite, liegt hinter emem 
Veſtibül in dent gewaltigen, vieredigen Comaresturm 
der Saal der Gefandten, ein Quadrat von 11 m, 
auf drei Seite durch Fenſterniſchen erweitert, mit 
Stalaktitenkuppel. Am beſten erhalten find die öſtlich 
von dem genannten Hof gelegenen Räume, und zwar 
der Löwenhof, ſo genannt nach der auf zwölf 
Löwen von ſchwarzem Marmor ruhenden Fontäne, 
der Saal des Gerichts, der Saal der beiden 
Schweſtern (zwei Marmorplatten des Fußbodens), 
die nach der berühmten Familie der Abencerragen 
(ſ. d.) benannte Halle (ſ. Tafel »Urdhiteftur VII-, 
Fig. 3), Der Vorhof der Moſchee (Fig. 4), endlich eine 
Rethe von Baderaiumen. Dieſe Raume jind die ſchön— 
jten und glingendjten des Schloſſes, an ihren Wand- 
badhen und ftalaftierten Ruppeln mit einer unerſchöpf⸗ 
lichen Pract buntfarbiger Ornamente iiberdedt. Die 
fpanijde Regierung liek neuerdings die A., die bis 
1845 als Settung und Staatsgefiingnis diente, ftil- 
emäß rejtaurieren; 1890 wurde fie Durd) Brand be- 
Hidigt. Vgl. außer W. Irvings befannten »Er- 
zablungen von der A.« und den ältern Prachtwerlen 
liber die Denkmäler arabiſcher Baukunſt in Spanien 





von Murphy (Lond, 1816) und Girault de Prangey | 


(Par. 1839): O. Jones, Plans, elevations, sections 
and details of the A. (Lond. 1848, 2 Bde.); Jung- 
handel, Die Baufunjt Spaniens (Dresd. 1889—93) ; 
Uhde, Baudenkmäler in Spanien u. Portugal (Berl. 
1889— 92); Borrmann, Die A. (daf. 1900). 

Alhambravafen, drei im 16. Jahrb. in der Al— 
hambra gefundene Bajen aus gelblich emaillierter 
Fayence mit goldgelben, weißen und blauen Orna- 
menten in maurifdem Stil, von denen nur nod eine 
1,36 m Hobe, aus dem 14. Jahrb. ftammende in Spa- 
nien vorhanden ijt. 

Alhandal, f. Citrullus. 

Alhazen, ſ. Witronomie. 

Alhenna, ſ. Lawsonia. 

Alhidade (arab. al ‘idade, »Lineal, Zeiger am 
VUjtrolabium<), Teil an Mehinftrumenten, der den 
Bewegungen des meffenden Fernrohrs folgt und yum 
Wblefen der Winkel am Kreiſe Nonien oder Sdrau- 
benmifroffope trägt. Bisweilen bildet die A. einen 
Vollfreis (Wl hHidadentreis), der fic) konzentriſch 
jum Teilfreis beweat. 

Mli, 1) A. ibn Ubi TAlib, der Neffe und Adop⸗ 
tivſohn und einer der dltejten und treueſten Anhänger 
des Propheten Mohammed und durd) feine Gattin 
Fatima (f. d.) fein Eidam, qeboren um 600 n. Chr. gu 
Mefta, ward nad) der Ermordung Othmans 656 gum 
Kalifen gewählt, fand aber nur in einem Teile des Rei- 
des Unerfennung. VWiida (j. d.), die mit A. verfein- 
dete, intriqante und rachſüchtige Witwe Mohammeds, 
erhob jid) mit mehreren Groen im Bunde gegen WL, 
ward aber von dieſem 656 in der »>Ramelidlacht« bei 
Basra gefdlagen und gefangen genommen. Auch der 
Omaijade Moawija (f.d. und Malifen), feit 639 Statt- 
halter von Syrien, verweigerte A. den Geborjam. Es 
entbrannte on erbitterter, blutiger Krieg, deſſen Aus⸗ 
gang nod ungewiß war, als A. 22. Yan. 661 von 
bret charidſchitiſchen (puritanifden) Seftterern über⸗ 


Alhambravajen — Ali. 


fallen und tödlich verwundet ward und 24. Jan. ſtarb. 
A. ragte Durd) Tapferfeit und Frimmigleit hervor 
und beſaß Beredſamkeit und Geijt, entbehrte aber der 
politijden Einſicht und der Rafdbheit des Handeins. 
Seine Unhinger betradteten ihn, den Schwiegerſohn 
des Propheten, als dejfen allem beredtigten Rad- 
folger; ihre Bartei, die Schiiten (ſ. d.), die »Legiti- 
mijter des Yolame, wurde jabrbundertelang niet 
miide, fiir femme Nachfommen, die Aliden, das Ka— 
lifat in Unjprud gu nehmen. Beſonders auf perfi- 
ſchem Boden nahm die Verehrung des U. einen ſchwär⸗ 
meriſchen Charafter an, fo dak er ſtellenweiſe geradezu 
vergittert wurde und felbjt die Geſtalt Mohammeds 
verdunfelte. Gein Grab in Rufa ijt die Hauptwall- 
fahrtsſtätte der Schiiten. Nachkommen Alis (⸗Sche⸗ 
rife⸗, d. h. Edle) regieren bis heute in Südarabien 
und Mella (unter osmaniſcher Oberhoheit), in Oman 
und in Maroffo. Die Fatimiden (f. d.) leiteten un- 
rechtmäßigerweiſe ihren Urfprung von A. ber. Die 
unter feinem Ramen laufenden Spriiche (brSq. und 
iiberjept von Fleiſcher, Leipz. 1837, u.a.) und Gedichte 
(gedrudt Bulaf 1835 u. 6.) find nicht authentiſch. 

2) A. Bei, Sultan von Agypten, qeboren um 1728 
in Abchaſien, geftorben im April 1773, als Qnabe 
von Sflavenhindlern an den ägyptiſchen Mamelucen- 
häuptling Ibrahim Kiaya verfauft, ſchwang fid, von 
dieſem 1748 freigelaſſen, zum Mameluckenbei auf umd 
wurde nad Ibrahims Tod (1757) deſſen Nachfolger. 
Verdrängt, errang er 1766 die Herrſchaft wieder und 
jugleid die Unabbingigteit von der Pforte als Sul- 
tan von Ygypten. Cr eroberte Meffa und mit dent 
ebenfalls gegen die forte rebellierenden Scheich Daher 
1771 faſt ganz Syrien. Schon war er Herr von Da- 
mastus, alg fein von der Pforte bejtodener Udoptiv- 
john Mohammed Bei nach Yigypten guriidging und 
U. zur Fludt nad Syrien ndtigte. Hier von Scheid 
Daher unterftiist, fieqte A. 1772 über die Titrfen, 
eroberte Tripolis, Untiodia, Jerufalem und Jaffa 
und riidte 1773 mit 30,000 Mann gegen Aqypten 
vor; aber in der Schlacht von Salabie bet Gaga wurde 
er von feinem Schwiegerſohn Ubu Dabab gefangen 
und ftarb bald dDarauf an feinen Wunden. 

3) Paſcha von Janina, geboren wahrſcheinlich 1741 
zu Tepeleni in Wlbanien aus der zum Stamme der 
Tosfen gehörigen Familie der Hiſſas, geft. 5. Febr. 
1822. Nad dem Tode feines Baters Boh Bei, Herrn 
von Tepeleni (1754), von fener Mutter Chamfo im 
Kampf um das bejtrittene Erbe zu einem riicfichts- 
lofen Rrieger exzogen, übernahm er 1766, feine Mut⸗ 
ter gum Rücktritt bewegend (daß er fie ſpäter vergiftet 
habe, ijt nicht erwiejen), ſelbſtändig die Herrſchaft. 
Für die im Kriege gegen Rußland und Ojterreid) ge- 
leijteten Dienfte wurde YW. 1787 von Wbd ul Hamid 1. 
= Paſcha von Triffala in Theffalien ernannt. 1788 

mächtigte er ſich Der Stadt und ded Gebiets von 
Janina, 1789 aud eines großen Teils von Virta, YW 
herrjdte grauſam, aber kräftig, unterdriidte die biu- 
tigen Fehden unter den Ulbanefen und behandelte, 
religids Duldfam, die Chrijten mild. Rad der Un- 
terwerfung der Gultoten (1803) lief er fid) von der 
Pforte gum Oberjtatthalter von Rumelien erheben. 
Er beherrjdte Ulbanien, Epirus, Thejjalien und das 
fiidlidje Mafedonien feit 1807 unabhängig von der 
Pforte, die er jährlich Durd einen bejtinumten Tribut 
befriedigte. England, Frankreich und Rufland bat- 
ten ihre Generalfonfuln an feinem Hof, einem be 
fejtiqten Palaſte bet Janina. Sein Heer ſchäßte man 
in Der Blüte feiner Macht (1815 —20) auf 100,000 
Mann in jablreiden Kaſtellen. Sultan Mahmud 


Alia Capitolina — Alicante. 


ächtete ihn im Juli 1820 und ſchickte Y8mail Pacho Bei 
mit 5000 Mann gegen ihn. Da die albanefifden Füh⸗ 
rer, die durch Gefdjenfe an fich gu feffeln fein wach— 
fender Geis (in feinem Palafte * man 10 Mill. 
Gulden in barem) ihn hinderte, zum großen Teil 
von ihm abfielen, wurde A. in Janina ——— 
und mußte vor Churſchid Paſcha, Jsmailsꝰ achfolger, 
aus Mangel an Lebensmitteln 10. Jan. 1822 kapitu⸗ 


lieren. Durch Churfdid in ein Landhaus im See von | 


Sanina gelodt, ward er 5. Febr. ermorbdet. Bal. 
Davenport u. Hunt, Historical portraiture of 
leading events in the life of A. (Lond. 1823); Rint- 
cifen, Gefdidte des osmaniſchen Reides, Bd. 7. 
4) Mehemed Emin A. (Wali) Paſcha, tiirt. 
Staat8mann, geb. 1815 alg Sohn eines Beamten 
in Ronjtantinopel, gejt. 6. Sept. 1871 3u Erenfent 
in Kleinaſien. Unf Empfehlung Reſchid Paſchas 1830 
im UÜberſetzungsbureau des Auswärtigen Amtes an: 
geſtellt, wurde er 1835 zweiter Geſandtſchaftsſekretär 
in Wien, 1838 Geſandtſchaftsrat und war, nach einem 
kurzen Aufenthalt als Unterſtaatsſekretär in Ronjtan- 
tinopel, 1840—44 Geſandter in London. Unter Re- 
{hid Paſchas Großweſirat war A. Minijter des Wus- 
wiirtigen 1846-—-52. Dann eine furje Zeit felbjt 
Großweſir, fiel er fdjon im Oftober 1852 in Ungnade 
und ward Statthalter in Smyrna, dann in Brujja. 
Wahrend des Strimfrieges im Oftober 1854 guriid: 
berufen, erhielt er auch DieSmal unter Reſchid Paſcha 
als Großweſir die Leitung der auswärtigen Politif und 
nabm jeit Mar; 1855 ju Wien an den Verhandlun- 
gen über die vier Garantiepunkte teil. Geit Juli 1855 
zum zweitenmal Großweſir, prafidierte A. der Diplo- 
matenkommiſſion, aus deren Verhandlungen der am 
21. Febr. verkündete Hattihumajun vom 18. Febr. 
1856 hervorging, ein Rompromiß zwiſchen dem Drän⸗ 
gen des mit den tiirfijden Verhältniſſen nicht ver— 
trauten Europäertums und dem auf die Erhaltung 
des mohammedaniſchen Staatsweſens gerichteten Tür⸗ 
fentum. Da ſelbſt Dem aufgeklärten A. der in Dem 
Hatt ausgejprodene Grundſatz der Gleichberechtigung 
aller Untertanen ohne Rückſicht auf die Religion wi- 
derjinnig erfdeinen mußte, blieben die widerjtrebend 
—— Konzeſſionen auf dem Papier. Auch bei 
en Verhandlungen des Pariſer Friedens vertrat A. 
mit Mehemed Djemil Bei entſchieden und gewandt die 
türliſchen Intereſſen; doch die Feltfepungen fiber die 
Donaufiirjtentiimer rc. bereiteten der Pforte Schwie⸗ 
rigfeiten und veranlagten 1. Nov. 1856 Wis Riid- 
tritt. Indes blieb er Mitglied des Großen Rates und 
Minijter ohne Portefeuille; aud) ward er nad dem 
Tode Reſchid Paſchas im Januar 1858 gum dritten- 
mal, freilid) nur fiir kurze Zeit, Großweſir. Interimi- 
ftiid) hatte er das Gropwefiramt und zum vierten- 
mal wirklich vom Auguſt bis November 1861 inne, 
worauf er wieder das Minijterium der auswirtigen 
Ungelegenheiten iibernahm. Mit dem Großweſir Fuad 
Pa fubr er in dem Streben nad ausfiihrbaren 
Reformen fort: Fuads fon im September 1865 ge- 
madter Vorſchlag, durd Cingiehung der Moſchee— 
güter (Wakuf) der Finangnot des Staates absubelfen, 
wurde 1868 wenigſtens teilweife ausgefiibrt, nad- 
dem A. im Februar 1867 sum fiinftenmal Großweſir, 
Fuad Pajda Miniſter des Uuswartigen geworden war. 
Während des Sultans Reiſe sur Pariſer Uusjtellung 
(im Sommer 1867) führte U. die Regentſchaft und war 
auch weiterhin die Seele Der von der Pforie betriebe- 
nen Reformtatigtcit; den erneuten Unabhängigkeits 
geliijten Äghptens trat er 1869 erfolgreid) entgegen. 
tilia Capitolina, ſ. Jeruſalem. 


329 


lianus, 1) A., genannt der Taltifer, gried. 
Schriftſteller, ſchrieb in Rom im Anfang des 2. Jahrb. 
n. hr. nad alten Quellen eine »Talttf«, die Haupt- 
quelle fiir Die Kenntnis der Elementartattif der Ho- 
plitenphalany in der helleniſtiſchen et (rq. mit 
deutſcher berſetzung von Köchly und Rüſtow: »Grie- 
chiſche Kriegsſchriftſteller⸗ Teipz. 1855). 

2) Claudius A. der Sophiſt, aus Präneſte bei 
Rom, lebte um 200 n. Chr. Bon ſeinen in griechi— 
ſcher Sprache verfaßten Schriften bejigen wir: »Ber- 
miſchte Geſchichten⸗ (» Varia historias), in 14 Bii- 
gern, aber nur tim Auszug (hrsg. von Perizonius, 
Leiden 1701), und » Tiergefdhidten« (»De natura ani- 
malium<), in 17 Büchern (hrsg. von Schneider, Leipz. 
1784; Jacobs, Jena 1832), beide ebenjo reichhaltige 
und durch die Benugung verlorner Schriftſteller wert- 
volle wie planloſe Sammlungen von Merfwiirdigteiten 
des Menſchen⸗ und Tierlebens. Gefanttausgabe von 
Herder (Par. 1858 u. Leips. 1864 — 66). 

Alias (lat., »ander3, auf andre Weife«), die an- 
dDeriveitige Bezeichnung, die jemand neben der ihm 

ebiihrenden annimmt. Go pilegt die Kriminalpolizet 
rbrecher, welche ſich verſchiedene Ramen beilegen, 
mit ihren Familiennamen und unter Hingufiigung des 
a mit ihren angenommenen Ramen ju 4 
z. B. »Müller a. Brand, a. Neumanne. Die An— 
nahme eines anderiveitigen Namens ijt an und fiir 
fid) nicht verboten, wie dies ja aud 4. B. von Schau—⸗ 
fpiclern zuweilen gefdieht. Sm amtlichen Vertehr muß 
aber immer der eigentliche Name mit einem ent- 
fpredjenden Zuſatz fortgefiihrt werden, 5. B. » Weill 
ler, qenannt Meunier«. 

aliasta, j. Wlasta (Halbinjel). 

Alibert (pr. vin, Jean Louis, Baron, Medi- 
jiner, geb. 12. Mai 1766 in Billefrande (Aveyron), 
gejt. 4. Nov. 1837, war Profeſſor in Paris und Ober: 
ar3t im Hoſpital St.-Lowis. Schrieb: »Sur les fiévres 
pernicieuses ou ataxiques intermittentes« (Bar. 
1799, 4. Aufl. 1820); »Description des maladies de 
la peaus (Daj. 1806 —27 ; deutſch von Miller, Tiibing. 
1806); »Précis théorique et pratique sur les ma- 
ladies de la peau« (2. Uufl., Bar. 1822, 2 Bde.); 
»Physiologie des passions« (Daj. 1825; neue Ausg. 
1861, 4 Bde.; deutſch von Scheidler, Weim. 1826). 

Mi (fat., sanderswo, an cinem andern Orte<). 
Wenn bei Kriminalunterfuchungen der Bejduldigte 
ſein A. nachweiſen, Dd. h. dartun fann, daß er ſich 
zu der Zeit, als die ihm zur Laſt gelegte Straftat be— 

angen wurde, an einem andern Ort als dem ihrer 
ehung befunden habe, fo ijt damit die Unmöglichleit 
feiner Täterſchaft und mithin feine Unſchuld dargetan. 
Der Beweis des YW. fann aud im Hivilprojze eine 
Rolle ſpielen, — gegenüber der Behauptung des 
außerehelichen Beiſchlafs. 
fibundr (türt., ⸗Brunnen Alis«), Markt im 
ungar. Komitat Torontdl, weſtlich von Pancſova, 
mit 900) 4628 Einw. und Bezirksgericht, —* an 
einem Gebiet (700 qkm), Ddejjen ndrdlide Halfte 
das größte ungariſche Gumpfgebiet (WLlibundrer 
Sumpf) ijt, 3u defjen Entwäſſerung mehrere Kanäle 
dienen, wogegen der fiidlidje Teil (im Temefer Komi- 
tat) Die Délibldter (die größte ungarifde) Gand- 
wiijte bildet. Geit furgem werden Berfude zur Be— 
pflangung der Wüſte mit Bäumen und Reben gemadt. 

Alicante, jpan. Broving, der ſüdlichſte Teil des 

taligen Königreichs Valencia, grenzt im N. an 
die Broving Valencia, im O. und SO. an das Mit- 
telländiſche Meer, tm W. an Murcia und Albacete 
und bat einen Flidenraum von 5660 qkm (102,8 


330 


OM.). Die Bevöllerung betrug 1897: 451,174 Einw. 
(79 auf 1 qkm). A. gehört Daher gu den am didte- 
jten bevöllerten Gebieten Spaniens. Die Proving 
umfagt 14 Gerichtsbezirke. Hauptitadt ijt Wlicante. 

Wlicante, Hauptitadt der gleidnamigen fpan. 
Proving (f. oben), liegt in der Küſtenebene am Fuh 
eines ſieil abfallendDen, von einer alten Ritadelle 
(Santa Barbara) gefrénten Felsbergs, befigt einen 
trefflicjen, von zwei grogen Molen eingefaften Ha- 
fen mit Leudjtturm und {diner Raipromenade, ift 
Ausgangspunkt der Eiſenbahnen nad Madrid und 
Murcia und hat in neuerer Reit nad Uuflaffung der 
Hejtungswalle ein modernes Ausſehen erlangt. A. hat 
cin groped Stadthaus, ein Theater, ein Inſtituto 
(höhere Bürgerſchule), eine Schiffahrts- und Zeichen⸗ 
ſchule und zãählt 1897) 49,463 Einw. An indujtriellen 
Ctablijjements gibt e3 ein Cifen- und Stahlwerk, eine 

roße Labaffabrif, zwei Petroleumrafjinerien u. a. 
Soncicntwert find die neuen Marfthallen. Der 
Haupterwerbsjweig der Bewohner ift der Tranfit- 
handel. 1899 betrug der Schijfsverfehr 3083 Han- 
delsſchiffe von 2,018,001 Ton. Der Wert der Ein- 
fubr (Cabotage eingeſchloſſen) belief fid) 1899 auf 
63,5, jener der Uusfubr auf 81,1 Mill. Peſetas. Die 
wichtigſten Einfubrartifel find: Fäſſer und Fakdau- 
ben, Greintoble, Petroleum, bearbeitetes Eiſen und 
Stockfiſch; Unsfubrartifel: Blei, Süßholz, Unis, Man- 
deln und Safran, bauptfidlid aber Wein (1899: 
988,176 hl). In lepterer 35* iſt namentlich 
der zum Teil in der Umgegend (beſonders am erwähn⸗ 
ten Berge) wachſende Alicantewein zu erwähnen, 
ein ſchwerer, ſüßer, wegen feiner dunleln Farbe Vino 
tinto genannter Wein, der insbeſ. gum Farben an- 
derer Weine verwendet wird. Der Weinbau von A. 
dDatiert aus den Zeiten Karls V., der Reben vom Rhein 
hierher bringen ließ. A. iſt Sif eines Gouverneurs 
und mebrerer auswärtiger Ronfulate, aud) ened deut- 
ſchen. — A., Dad Lucentum ber Römer, wurde 718 
von den Mauren erobert, durd Ferdinand ITT. dieſen 
wieder entriffen und 1304 an die Krone von Yrago- 
nien abgetreten. A. hatte mehrfade Belagerungen 
und Beſchießungen ju bejtehen, fo 1709 und 1812 
durd) die Franjofen und 27. Sept. 1873 durd) die 
föderaliſtiſchen Aufſtändiſchen von Cartagena. 

Wlicantefoda, ſ. Soda. 

Wlice Maud Mary, Großherzogin von Heffen, 
geb. 25. Upril 1843, geft. 14. Dez. 1878, zweite Tod)- 
ter der Königin Vittoria von Grofbritannien und 
des Pringen Wibert, vermählte fid) 1. Juli 1862 mit 
bem Prinzen Ludwig von Heffen, der 1877 als Qud- 
wig IV. Großherzog wurde. YW. war eine geiſtig hoch⸗ 
begabte, feingebildete Fürſtin von ernjtem Charatter, 
die in Kranfen- und Armenpflege unermüdlich tätig 
war (f. Alice⸗ Verein) und fiir Ltteratur und Wiſſen⸗ 
ſchaft lebhaftes Intereſſe zeigte. Bal. »A., Großher⸗ 
zogin von Heſſen. Mitteilungen aus ihrem Leben 
und aus ihren Briefen« (5. Aufl., Darmſt. 1884); 
»A., Grand-duchess of Hesse. Letters to her Ma- 
jesty the Queen« (ond. 1884, neue Ausg. 1897). 

Wlice- Verein, Landesfrauenverein vom Roten 
Kreuz im Großherzogtum Heſſen, 1867 von der fpa- 
tern Großherzogin Ulice geqriindet, mit dem Landed: 
mannerverein sur freiwilligen Krankenpflege berech⸗ 
ligt, widmet fid) im Frieden ausgedehnter gemein- 
nuͤtziger Tatigteit: Schwelternausbildung, Rranfen- 
hausunterhaltung, Gemetndepflege, Frauenbildung, 
Hebung der weibliden Erwerbstatigteit rc. 

Wlicuri, |. Liparifde Inſeln. 

Wliden, die Nachlommen des Kalifen Wii (f. Ali 1). 





Alicante — A limine. 


Mili el Fepahani, arab. Sdriftiteller, ſ. Ughani. 

Alienation (lat.), Entfremdung, Entiujerung, 
Veräußerung, Entwendung; Alienatio mentis, Ger- 
a ae 

Alien - Bil, ſ. Fremdenredt. 

Aliéni juris homo (lat.), Menſch frembden 
Rechts, ———— römiſchen Rechts für eine 
in der väterlichen Gewalt oder in der Sklaverei be- 
findlide Berfon, im Gegenfage ju homo sui juris, 
einem Menſchen von redjtlicher Selbjtdndigfeit. 

Wligarh, Hauptitadt des gleichnamigen Dijtrifts 
(6063 qkm mit (1891) 1,043,172 Einw.) der britiſch⸗ 
ind. Nordweftprovingen, unter 27° 56’ nördl. Br. und 
78° 7’ öſtl. &., an der Eiſenbahn Agra - Dehli, hat ein 
jtarfes Fort, ein College, große Werlſtätten fiir Voſt⸗ 
wagen und mit dem benadpbarten R oil (891) 60,370 
Cinw., darunter 38,253 Hindu, 22,504 Mohamme⸗ 

Wlighieri, ſ. Dante Wlighieri. daner. 

Aliguement (franz., fpe. alinj'mang, »Richtſchnur, 
Richtung«), in der Aſtronomie das Aufſuchen der 
Sternbilder am Himmel nach einer Sternkarte durch 

erade Linien von einem belannten Sternbild aus. 
rlängert man z. B. die durch die beiden Hinterrader 
—— Bären (8 und a) gezogene Linie nad) oben⸗ 
hin um das Fünffache, fo trifft man auf den Polar: 
tern, Diefer liegt wieder ungefähr in der Witte zwi⸗ 
ken aim Grogen Biren und fin der Raffiopeia x. — 
Methode des W. nennt man dic von Mäſtlin an- 
geqebene Methode der Orisbeftimmung eines Gejtirns 
als Durchſchnittspunkt zweier größter Rreije, deren 
Lage durd) befannte Sterne beſtimmt ijt. Man fuche 
zwei Sternpaare auf, von denen jedes mit dent ju 
beſtimmenden Gejtirn auf einer geraden Linie liegt, 
was mit Hilfe eines gefpannten Fadens leicht aus- 
geführt werden fann, und ermittelt aus den Roordi- 
naten ber befannten Sterne rechneriſch diejenigen des 
gefudten Gejtirns. — Yn der Meßkunſt das Beijtim- 
men von Punften in einer Linie, die im Felde bereits 
durd) zwei Punkte feftgelegt ijt (vgl. Abſteclen) — 
Beim Militar die tm voraus durd) Punkte bezeichnete 
Frontlinie, in der Truppen fic) aufftellen oder fic 
we follen. 

Alima (Mifeneh), rechtsſeitiger Nebenfluy des 
untern Kongo, in Franjdfifd-RNongo, entipringt auf 
dem Plateau Akukuja nabe den Ogowequellen, flict 
an den franjdfijden Poſten Didié, WU. und Lefati, wo 
fie {chiffbar wird, voriiber und miindet unter 1° 32° 
ſüdl. Br. in den Kongo. Der Fluß wurde 1878 von 
Brazza entdedt und 1883 bis zur Miindung von 
Ballay aufgenommen. 

Alimentation (lat.), Ernährung, Verpflegung. 
Unterhalt; Wlimentationstlage, Alimenta— 
tionspflidt, f. Unterbaltspflidt. 

Alimente (lat., »Rahrungsmittel<), wiederfeh- 
rende Leijtungen, die gewiffe Berfonen einander ent- 
weder jum notbdiirftigen oder ſtandesgemäßen Lebens⸗ 
unterhalt su gewähren verpflidtet jind. Dieje Une 
terhaltspflicht fann auf Willenserklärung, —* 
oder unerlaubter * beruhen. Weiteres |. 
Unterhaltspflicht. Uber OW. im Verſicherungsweſen 
ſ. Rückverſicherung. 

Alimentieren (lat.), einen verlöſtigen, fiir ſeinen 
Unterhalt forgen (ſ. Alimente und Riidverficerung). 
limine (judicii), »von der Schwelle« des 
richts oder einer fonjtigen Behörde) weg, kurzweg 
juriidweifen, ohne bak über die Sache verbanbdelt 
wird. Hierzu war das Geridt nach früherm Recht 
vielfad befugt. Nad) der deutſchen Sivilprosehord- 
nung darf aud eine mangelhafte Klage nur nad 


Alimoſch — Alismazeen. 


mündlicher Verhandlung durch Urteil abgewieſen wer⸗ 
den, der Vorſitzende muß hierzu (nad § 216) einen 

Alimoſch, ſ. Geier. Termin beſtimmen. 

Alin, Ostar, ſchwed. Hijtorifer, Staatsrechts⸗ 
lehrer und Staatsmann, geb. 22. Dez. 1846 in Falun, 
geſt. 31. Dez. 1900 in Stodholm als Univerſitätsrektor 
von Upſala, war daſelbſt ſeit 1872 Dozent, ſeit 1882 
ordentlicher Profeſſor der Geſchichte und Staatswiſſen⸗ 
ſchaften, unterrichtete 1881 in Karlsruhe die ſpätere 
ſchwediſche Kronprinzeſſin Viltoria von Baden in 
ſchwediſcher Literatur und Geſchichte und ward 1893 
von der Upfalaer Qurijtenfatultit gum Ebrendottor 
ernannt. Im Provingiallandtag von Upſala (feit 
1884) fowie al sie gr der Erjten Reidstagstammer 

1888 — 99) erwarb fic) A. ſchnell cine —— 
tellung. Er gehörte ſeit 1890 der Verfaſſungs- 
lommiſſion des Reichstags, dem 1895 infolge der Ju⸗ 
ſpitzung der Unionsfrage ernannten »Geheimen Aus⸗ 
ſchuß⸗ 1895 —98 dem zwecks Revifion der Unions⸗ 
verfaffung tagenden ſchwediſch⸗ norwegiſchen Komitee 
an und führte den auf nationalfdhwedt{dy-tdiulgoline: 
riſchem Standpuntt ftehenden redjten Fliigel der Ron- 
fervativen. Auch auf wiffenfdaftlidem Gebiet hat 
U. Hervorragendes geleijtet. Außer vielen größern 
Ubhandlungen (befonders in » Historisk Tidskrift<) 
verdjffentlidjte er die Hiftorifdjen Urbeiten: »Bidrag 
till svenska rAdets historia under medeltiden« 
(prei8qetrint, Upſ. 1872); »>Om svenska ridets sam- 
mansittning under medeltiden« (Daf. 1877); »Sve- 
riges historia frin fldsta tid till vära dagar«, 
Bd. 3 (umfapt die Zeit 1520—1611; Stodh. 1877— 
1878); >Ofversikt at 30 driga krigets historia« (Daf. 
1878); »Minnen ur Sveriges nyare historia«, Bd. 12 
(umfakt die Zeit 1828—44; Upſ. 1881 und Stodh. 
18938, 2Tle.); »*Svenska riksdagsakter 1521—1544« 
(mit ©. Hildebrand, Stodh. 1887); »Carl Johan och 
Sveriges yttre politik 1810—1815« (Bd. 1, daſ. 
1899); »Tronféljarevalet 1810« (daf. 1899); »Fér- 
handlingarne om allianstraktaten mellan Sverige 
och Ryssland 18124 (Upf. 1900); »Svenska statsra- 
dets protokoll i frigan om firbundet med Ryssland 
1812« (Daf. 1900); »Sveriges och Norges traktater 
med frimmande makter« Bd. 8 (umfaft die Beit 
1868—77, Stodh. 1900). Bon feinen ſtaatsrecht⸗ 
lichen Urbeiten feien, neben dem epodemadenden Werk 
»Den svensk-norska unionene (Stodh. 1889—91, 
2 Bde.), qenannt: »Sveriges grundlagar etc.« i 
1891, 4. Aufl. 1900); ⸗Zur auswärtigen Minijter- 
frage in Schweden-Norwegen« (anonym, Leip. 1896 ; 
bia ſchwed., engl. und fran3.); »Unionskomiténs 
resultat« (Stodh. 1898); »Fjerde artikeln af freds- 
traktaten i Kiel 1814« (daſ. 1899). Geine uniond- 
olitiſchen Anſchauungen haben in Rorwegen viel 
iderſpruch erregt, dagegen im Ausland und bei jiin- 
gern ſchwediſchen Staatsrechtslehrern, wie Rellén (ſ. d.) 
und Varenius (ſ. d.), lebhaften Anklang gefunden. 
Ein aufrichtiger Bewunderer deutſcher Geiſtesbildung, 
hat A. den erſten Band von G. Droyſens ⸗Guſtav 
Adolf⸗- ſowie Rankes »Wallenſtein« ins Schwediſche 
übertragen. Vgl. Barenius, O. A. Nagra minnes- 
ord (Stockh. 1901). 

Mlinéa (lat. a linea), in Drud und Sdrift cin 
neuer Abſatz, cine neue Zeile. Auch eingelner Satz in 
Gefesparagraphen od. in einer Reihenfolge v. rs 

Wlingsas (jpr. 08), Stadt im ſchwed. Lan Elfs— 
borg, am Lillé und nahe der Mundung de3 Safved 
in Den See Mjörn, an der Eiſenbahn Stodholm-Go- 
tenburg, bat Baumwollweberei, Brauerei, Gerderei 
und (1899) 3210 Einw. 


331 


Wlinit, als feines Pulver von den Farbenfabriten 
vorm. Friedr. Bayer u. Romp.-Elberfeld in den Han- 
del gebradter Bacillus Ellenbachensis, der, mit Waſ— 
fer angeriihrt sum Befeudten des Gaatgutes verwen- 
det, ohne Stidjtoffdiingung durch Löſung de3 unld3- 
liden Bodenftidjtoffs und durd Bindung des Luft: 
eget bie Körnerernten der Halmfriidte erhihen 
oll. itber den Wert des Wlinits find die Anſichten geteilt. 

Alioth, der Stern ¢ (2. Größe) im Groen Baren. 

Wliphatifde Reihe, in der — Chemie 
die Reihe der Fettkörper (ſ. d. und Kohlenſtoff). 

Aliptae, ſ. Aleiptes. 

Aliquauter Teil, ſ. Aliquoter Teil. 

Aliquid haeret (lat., »etwas bleibt hängen«), 
Verkürzung des Sprichworts: »Audacter calum- 
niare etc.« (f. d.). 

Wliquoter Teil, cin Teil des Gangen, der cine 
Anzahl mal genonnnen das gu teilende Ganze gibt. 
Seder andre Teil —* heißt cin aliquanter 
Teil. So find 3, 5, 7 aliquante, 2, 4, 8 aber ali- 
quote Leile von 16. 

Wliquotfliigel , ſ. Klavier. 

Wliquottine (Nebentine, Beitine), die har- 
monifden Obertine (f. Schall) von Saiten, Bfeifenre., 
fo genannt, weil fie erflingen, wenn die Saite oder 
die in einer Pfeife enthaltene Luftfiule ſich durch ru- 
bende Knotenpuntte in ſchwingende Unterabteilungen 
gerlegt, bie aliquote eile der Gaiten- oder ag 
dnge find. Sore Schwingungszahlen verhalten fic, 
diejenige des Grundtons des Semunpenden drpers ⸗ 
1 gefebt, wie die Reihe der natitrliden Zahlen 2, 3, 4, 
5 2., oder wenn man den Grundton mit c bezeichnet, 
fo find die zugehörigen A. c,, Z,, Cy, €y, Ze, (Dz), Cy, dy, 
ey (h) &s (Zis5), —83 hy, ¢,%. Die eingellammerten 

tenbezeichnungen geben die U., deren Schwingungs⸗ 
gablen 7+, 11+, 18, ldmal fo grok find als diejenige 

Grundton8 c, nur anndbhernd wieder, da biete 
Tone in unſerm Muſilſyſtem nicht vorfommen. 

Aliscans (Alyscamps, fpr. alistang, lat. Elysii 
campi), der Name eines mit heidniſchen u. chriſtlichen 
Steinſärgen bededten Feldes an der Rhone, univeit 
Arles (jf. d.). Die Sage hat hierher die Kämpfe des 
Guillaume d'Orange mit den Sarazenen verlegt. Die 
Chanfon W., die dieſe Kämpfe erzählt, iſt eme der 

tenditen aus dem altfranzöſiſchen Vollsepos und 

von Wolfram von Efdenbad in feinem »Willehalm« 
nadgedidtet. Sie ijt herausgegeben von Gueſſard und 
de Montaiglon (Par. 1870) u. von Rolin (Leipz. 1894). 
Aliſe Sainte-Reine (jpr. alif pangt’ «iw, ? Aleſia. 


Alisma L. (Froſchlöffel), Gattung der Alis— 
mazeen, ausdauernde Waſſerpflanzen. A. Plantago 
L. Gaſſerwegerich), in Graben und Teichen der 
gemafigten Zone beider Halbtugeln, mit langgeftiel 
ten, cilangettliden,, aus dem Waſſer ———— 

en, 


Blattern, reidbliitiger Rijpe und rötlichen 
enthalt ſcharfen Saft und 
wurde früher argneilid 
benutzt. Die ſtärkereiche 
Wurzel, die durch Trod- 
nen ihre Schärfe verliert, 
wird von den Kalmücken 


gegeſſen. 

— ——— (Baf- 
ſerlieſche, Froſchlöf— 
felpflanzen), monofo- 
tyle, etwa 60 Arten um⸗ grate von Alisma Plantago. 
faſſende Familie Der ge- 
mapigten und warmen Zone aus der Ordnung der 
Helobien, Sumpfpflangen mit gitternervigen Blit- 





332 Nlijo — 


tern und typiſch dreizähligen Blüten (ſ. Ubbildung, 
S. 331), die aus einem dugern feldjartigen und einem 
innern blumenblattartigen reife, feds bis unbe- 
jtimmt vielen Staubblittern und ebenfoviel Frucht— 
blattern bejtehen. Bgl. Budenau, Index criticus 
Butomacearum, Alismacearum etc. (Orem. 1868). 

Wlifo, rdmijdes, von Druſus 11 v. Chr. angelegtes 
Rajtell in Bejtfalen, wurde nad Varus' Niederlage von 
den Deutſchen erobert und 16 n. Chr. von den Rdmern 
—— Solange die Römer im Innern Ger- 
maniens friegten, war ihnen A. jtets — denn es 
ſicherte die Heerſtraße auf dem rechten Ufer der Lippe. 
Die 1899 von Schuchhardt auf dem Unnaberg bei 
Haltern an der Lippe aufgededte römiſche Nieder— 
laſſung wird jest mit guten Griinden fiir A. gebalten. 

Aliſon (jpr. anim, 1) Sir Urdhibald, engl. Ge- 
ſchichtſchreiber, geb. 29. Dez. 1792 in Kenley, geft. 
23. Mai 1867, jtudierte in Edinburg, wurde 1814 
Advolat, trat 1822 in den Staatsdienſt und-wurde 
1834 Sheriff von Lanarfibire. Nachdem er fic durd 
jeine juriftijden Werfe: »The principles of the cri- 
minal law of Scotland« (Edinb. 1832) und » Practice 
of the criminal law (daj. 1833) in England befannt 
qemadt hatte, wurde er durch jeine »History of 
Europe from the commencement of the French 
revolution to the restoration of the Bourbons« 
(daj. 1833-42, 14 Bde.), von der zehn Uuflagen 
erjdienen (zuletzt 1860, 14 Bde.), aud) im Wusland 
beriihint; fie wurde ins Franzöſiſche und Deutſche 
(Leip;. 1852 —53, 8 Bde.), ins Arabiſche (Malta 1845) 
und Hindojtani überſetzt. Bom fonfervativen Stand- 
punft aus betradjtet jte die Geſchichte als cine Mette 
von Wirkungen, worin fid) das Walten der Borjehun 
ojfenbart. Son demfelben Standpunft aus —* 
A. jahrelang in »Blackwood's Magazine« hervor— 
ragende Erſcheinungen der Tagesgeſchichte; cine Uus- 
wahl diefer Aufſätze erſchien als » Political and histo- 
rical essays« 2 3 Bde.). Außerdem ſchrieb A.: 
»Principles of population« (1840), worin er die 
Malthusſche Theorie belämpft; »England in 1815 
and 1845« (1847); »The life of the Duke of Marl- 
boroughs (1847; deutſch von Biilau, Leip;. 1851); | 
»History of Europe from the fall of Napoleon to 
the accession of Louis Napoleon« (2. Aufl., Edinb. | 
1865, 8 Bde.) und »Lives of Lord Castlereagh and 
Sir Charles Stewart« (1861, 3 Bde.). 1852 wurde | 
A. gum Baronet und 1853 von Orford zum Ehren: 
doltor der Redjte ernannt. Val. ſeine Setbjtbiogra- 
phie: »Some account of my life and writings« 
(Edinb. 1882, 2 Bde.). 

2) Sir Urdhibald, Sohn des vorigen, engl. Ge- 
neral, geb. 21. Jan. 1826 in Edinburg, trat 1846 in 
die Urmee, nahin am Rrimfrieg teil, beqleitete 1857 
Lord Clyde als Generalftabsoffisier nad Synbien, vers 
lor bet Lafhnau einen Arm, befehligte im Aſchanti— 
frieg unter Wolfelery die europäiſchen Regimenter und 
1882 in Agypten eine Brigade. Wis Generalleutnant | 
führte er 1882 83 das Kommando fiber die britifden | 
Truppen in Ägypten und war 1885 auf furze Beit 
Generaladjutant der Ylrmee. 1893 nahm er den Ab— 
ſchied. Er ſchrieb: »On army organisation« (1869). 

Wlifonbill, ſJ. Bandbill. 

Milius, &., Stilo Braconinus, um 150 —70 | 
v. Chr., aus Lanuvium, römiſcher Ritter, der wiſſen— 
ſchaftliche Begriinder der lateinifchen Sprad- und 
Ultertumsfor}dung, indem er auf die dltejten Sprach⸗ 
Denfmaler juriidging und fie fommentierte. Seine 
Schiller waren Cicero und Barro. Vol. Meng, De 
Aclio Stilone (Qeips. 1888). 








Alizarin. 


Aliwal North, Bezirk der Kapkolonie, vom ehe- 
maligen Dranjeftaat durch den Oranjefluß geſchiedert. 
3380 qkm groß mit (so) 9960 Einw., worunter 
4662 Weiße, 4416 Bantuneger und 882 Hottentorters. 
Der gleidnamige Hauptort am Oranjefluß ijt durch 
Eiſenbahn mit dem Hafen Eajt London verbunden 

Alizarin (von Alizari, einer Sorte Srapp, 
Krapprot)C,,H,O, oderC,H,.CO.CO.C,H OH), 
Farbſtoff, findet fic) rm Krapp als Zerſetzungsproduft 
der in der frifden Wurzel enthaltenen Ruberythrin- 
ſäure, Die Durd) Fermente in WU. und Zucker gejpalterr 
wird. A. wurde 1826 von Robiquet und Colin ent- 
dedt, und 1868 erfannten Gräbe und Liebermann 
das A. als ein Dioryanthradinon und griindeten dar- 
auf die künſtliche Darjtellung aus Anthrazen C,,H,,. 
Dieſe erjte Syntheſe eines Pflanzenfarbſtoffes it fir 
die Induſtrie und für die Landwirtſchaft mancher 
Länder ſehr bedeutungsvoll geworden. 1869 brachte 
Perlin das erſte künſtliche A. (¶ Tonne) in den Handel, 
und 1898 führte Deutſchland 9320 Ton. A. im Wert 
von 16,874,000 Wf. aus. Zur Darjtellung von A. 
orybdiert man Unthrazen mit hromfaurem Kali und 
verdiinnter Sdhwefelfaure gu Unthradinon C,,H.0,, 
behandelt dics mit raudender Schwefelfaiure und fall 
aus dem erhaltenen Gemiſch von Gulfofauren mit 

tznatron juerjt anthradinonmonojulfojaures, dann 
bet vollſtändiger Neutralijation anthradinondijulfo- 
jaures Patron. Erſteres wird auf A. verarbeitet, 
wahrend letzteres bei gleider Behandlung Flavopur- 
purin und Iſopurpurin liefert. Das anthradinon- 
monojulfofaure Natron liefert beim Erhitzen mit 
Upnatron und etwas dhlorfaurem Kali unter hohe 
Drud auf 180° Wlizarinnatrium C,,H,O,.ONa + 
NaOH =C, ,H,0,(ONa), + 2H. Aus der Ldfung der 
Schmelze wird das WU. durd) Säure gefallt. Cs wird 
mit Wafer gewaſchen und als 10—20pro3. Paſta m 
den Handel gebracht. A. bildet rötlichgelbe Prismen, 
ſchmilzt bei 290°, fublimiert in orangeroten Nadein, 
iöſt ſich leicht in Ailkohol und Äther, wenig in heißem 
Wafer, mit dunfelroter Farbe in fongentrierter Schwe⸗ 
felſäure, mit purpurroter in Ulfalien. Die Lojungen 
werden durch Alaun und Zinnſalze rot, Durd Eiſen⸗ 
oxydſalze ſchwarzviolett, durd) Chromſalze violett- 
braun gefällt, und auf dieſer Eigenſchaft, mit Metall- 
oxyden gefärbte Verbindungen einzugehen, beruht 
ſeine Anwendung in der Färberei und Zeugdruckerei, 
wo es den Krapp mehr und mehr verdrängt hat. Eine 
Ldfung von A. in Eſſigſäure gibt mit Salpeterſäure 
frijtallijierbares Nitroalizarin C,,H~NO,)O,, dad 
als Alizarinorange jum Farben von Baumwolle 
und Wolle benugt wird und beim Erhigen mit Gly— 
zerin und Schwefelſäure Wlijarinblau (Diory- 


anthbradinondinolin) C,,H,,NO, liefert. Died 


bildet metallglingende, blauviolette Nadetn, ſchmilzt 
bei 270°, ſublimiert bet höherer Temperatur und (dit 
ſich in Allohol und Benzol, faum in Waſſer. Da es 
durch Sinfitaub, Traubenjuder x. entfarbt wird, an 
der Luft aber fic) regeneriert, fo eignet es fid) zur 
Küpenfärberei. Es dient befonders jum Rattundrud. 
Uligarinpulver (Alizarinkarmin) ijt alizarin— 
monofulfofaures Natron, es gibt auf Wolle mannig: 
fade Nuancen, von denen die ſcharlachroten gegen 
Licht und Luft abfolut beftindig find. Salpeterjaure 
bildet mit A. Phthalſäure, beim Glühen mit ZJinkſtaub 
entitebt Unthrazen. Unter dem Namen Alizarin— 
farbjtoffe find viele Farbſtoffe im Handel, die ſich 
nidt von Anthrazen ableiten, wohl aber in der Ron- 
ftitution Dem A. ähnlich find und fich wie dieſes in 
der Färberei verwenden laſſen. 





Alizarinbraun — Alkalimetrie. 


Alizariubraun, ſ. Anthragallol. 
Alizarinorange, ſ. Alizarin. 
Alizarinſchwarz, ſ. Naphthazarin. 
Alizarintinte, ſ. Tinte. 

Aljubarrõta (jor. alſchu⸗ Dorf im portug. Diſtrilt 
Qeiria (Prov. Ejtremadura), mit (900) 3438 Einw. 
Hier erfimpfte 14. Aug. 1385 Johann I. von Por- 
tugal gegen den taſtiliſchen König Johann I. die Un- 
abbingigheit i (jf. Batalha). 

iF (Alea L.), Gattung der Schwimmvögel aus 
der Familie der Ulfen (Alcidae), Bagel mit walzen- 
formigem Leib, furgen, weit nad hinten eingelenften 
Beinen, dreizehigen Schwimmfüßen, mittellangem 
Schnabel, langſpitzigen, ſehr kurzen oder verfitmmer- 
ten Flügeln und kurzem Schwanz. Die Alken bewe- 
gen ſich auf bem Lande ſchwerfällig, fliegen ungeſchickt, 
ſchwimmen aber pfeilſchnell und erbeuten tauchend 
allerlei Seetiere. Die Gattung iſt in der arftifden 
Zone durch mehrere Arten repräſentiert und in ſehr 
großer Individuenzahl vorhanden. Bei drohender 
Gefahr ſuchen die Vögel Schutz durch Tauchen und 
Schwimmen. Wertvoll ſind Eier, Federn und die nod 
nicht flüggen, von Fett ſtrotzenden Jungen, die ein— 
—55 — werden. Man erflettert die Klippen (Vogel— 

erge), auf denen die Vögel brüten, und erſchlägt fie. 
Wud) breitet man Netze auf der See aus und ſcheucht 
die Vögel durch Schüſſe auf. Der Tordalk (Wife, 
Cisalf, A. torda L., f. Tafel »>Sdwinunvigel VI«, 
vig. 1), 42 cm lang, 70 cm breit, wei, am Ropf, 
Hals und an der Oberfeite ſchwarz, bewohnt nament- 
lic) die Lofoten, briitet vereingelt auf Helqoland, er- 
fcheint im Winter an den deutiden, hollandijden und 
franzöſiſchen Küſten, nijtet in Felfenrigen und unter 
Steinen und legt ein in Firbung und Zeichnung viel- 


fad) variierendes Ci. Der Rieſen- oder Brillen- | false 


alt (Geyrfugl der Isländer, A.impennis L., ſ. Ta-⸗ 
fel »Schwimmpögel Vi<«, Fig. 2), 90 cm lang, mit 
verfiinmmerten Fliigeln, auf der Oberjeite ſchwarz, an 
der Kehle ſchwarzbraun, unterfeits weiß, ijt feit etwa 
1840 ausgejtorben. Er briltete auf den Färöerinſeln 
und fam aud) an die deutſche Küſte. Wm häufigſten 
war er auf den Schären vor Island und Neufund- 
land und auf der Funkinſel, wo die Vogel nod im 
17. Jahrh. majjenhaft erfdlagen und eingeſalzen 
wurden. Spiiter erlegte man fe der Federn halber. 
Das cingige Ci, weldes das Weibden legte, war 120 
bis 130 mm fang, grauweiß, dunkel gefledt. Der- 
artige Eier werden jest fehr teuer bezahlt (6000 Wit.). 

1. Blafius, Zur Gejdidte von Alca impennis 
(+ Journal fiir Ornithologie«, 1884). 

Wlfaheft (arab.), nad) Paracelfus das Univerjal- 
{dfungsmittel fitr alle Stoffe. 

Alkäiſche Verfe, drei nad dem griech. Lyriker 
Alläos benannte antife Metra: der elf ilbige, be- 
ftehend aus ciner Unafrufis, einer trochaijden Di- 
podie, cinem Daftylus und einer fataleftijden tro- 
daifden Dipodie mit der Zäſur vor dem Daltylus; 
der neunjilbige, cine Anakruſis —— iſche 
Dipodien; der zehnſilbige, zwei Daktylen und cine 
troddijde Dipodie. Der verdoppelte et bildet mit 

und dritten die alkäiſche Strophe: 


— — — — — — — — —7 


Dieſe Strophe war neben der ſapphiſchen die beliebteſte 
des lyriſchen Liedes der Griechen. 

Alkalde (ſpan. alcalde, v. arab. alqadi, -Richter«), 
in Spanien Titel bes Vorſtandes einer politiſchen Ge- 


333 


meinde, des Vorſitzenden des Wyuntamiento (ſ. d.), 
zugleich Friedensrichter, der in Bagatellſachen end- 
gültig entſcheidet und in Kriminalfällen die Vor— 
unterſuchung leitet. 

Alkaleszenz, das Ulfalijchicin eines Körpers; al- 
falijde Reaklion: das Vermögen, mit Säuren Salze 

Alkali, ſ. Alkalien. zu bilden. 

Alkaliblau, ſ. Anilinblau. 

Alkalien, die Oxyde und Hydroxyde der Wifali- 
metalle, alſo namentlid) Rali und Natron (Kalium— 
und Ratriumoryd, reſp.-Hydroxyd). Die Araber 
nannten Wali den löslichen Beſtandteil der Pflanzen: 
ajde, der bei See- und Strandpflangen wefentlid aus 
fohlenfaurem Natron, bei Landpflangen aus foblen« 
jaurem Mali bejteht. Wis man im 18. Jahrh. dieſe 
beiden Salze unterjdjeiden gelernt hatte, gewann 
man foblenjaures Natron welentlid) aus WMineralien, 
foblenjaures Kali aus Pflanzen und nannte daber 
lepteres vegetabilifdes, erſteres mineralijdes 
Alkali, bis Klaproth 1796 entdedte, daß Kali auc 
im Mineralreid) vorfommt. Als feuerbeftindige Kör— 
per wurden fie {don von den Urabern fire A. ge- 
nannt jum Unterſchied von dem ſehr ähnlichen, aber 
flüchtigen foblenjauren Ummoniak (flidtiges Al— 
fali). Diefe drei A. braufjen beim rgießen mit 
Säuren (entwickeln Kohlenſäure) und wirken viel we- 
niger energiſch als die aus ihnen mit Hilfe von Ätzlalt 
Dargejtellten Hydroryde. Man unterjdied daher aud 
milde (Pottafde, Soda) und ätzende oder fau- 
ſtiſche A. Die A. find farblos, in Wafjer leidt lös— 
lidh, zerſtören Pflanzen- und Tierſtoffe (wirken ätzend), 
ſchmecken kauſtiſch, bläuen rotes Lackmus und braͤunen 
Kurkuma; ſie fällen die ſchweren Metalle aus ihren 
—— als Oryde, Hydroxyde, reſp. Kohlenſäure⸗ 

ie meiſten Salze der A. ſind in Waſſer löslich. 
lkalimetalle, die aus den Alkalien dargeſtellten 
Metalle: Kalium, Natrium, Rubidium, Cäſium, Li- 
thium; fie beſitzen volllommenen Metallglanz, find 
bet mittlerer Tentperatur fehr weich, bis auf Rubidium 
leichter als Waſſer, orydieren ſich an der Luft ſehr 
ſchnell und zerſetzen Waſſer ſchon bei gewöhnlicher 
Temperatur unter Entwickelung von Waſſerſtoff. Sie 
müſſen unter ſauerſtofffreien Steinöl aufbewahrt 
werden. Die Oxyde und Hydroxyde fowie die Kohlen⸗ 
faurefalze find die Wlfalien. 

Alkalimetrie, Verfahren zur Enmittelung ded 
Gehaltes der Pottaſche —————— Kali, der Soda 
an kohlenſaurem Natron, des Äßnatrons an Natrium- 
hydroryd x. Sebr widtig ijt aud) die alfalimetrifde 
Beſtimmung de3 Ammoniaks, nicht nur fiir die Ana— 
lyſe von peeps fondern auch fiir die Be- 
ſtimmung des Stiditoffgebalts vieler Körper, deren 
Stictitoff leicht in Ammoniak iibergefiihrt werden fann. 
Man bejtimmt den Ulfaligehalt —* durch Maßana⸗ 
lyſe, indem man ermittelt, wieviel Maßflüſſigleit er- 
forderlich ijt zur Neutraliſation der Löſung emer ab- 

ewogenen Menge der zu unterjucdenden Subjtan;. 
Sua mbdifatoren dienen Phenolphthalein, Lackmus 
oder WMethylorange. Cine Umfehrung der A. ijt die 
Ucidimetrie, d.h. die Beſtimmung des Gehaltes von 
Séuren, indem man ermittelt, wieviel Maßflüſſigleit 
von beſtimmtem Gebalt zur Neutralijation einer be- 
ftimmten Säuremenge erforderlid ijt. Zur Analyſe 
von Ammoniakſalzen verfest man diefe nuit überſchüſ⸗ 
figem Kaliumhydroxyd, dejtilliert das Wnumoniak in 
eine mit überſchüſſiger titrierter Schwefelſäure beſchickte 
Borlage und titriert nad beendeter Dejtillation die 
nicht neutralijierte Schwefelſäure. Bal. Glafer, Die 
Indilatoren der Ucidimetrie und A. (Wiesbad. 1901). 


334 

nett Erden, ſ. Erdalfalimetalle. 

Alkaliſche Laugen, Löſungen des Kalium- und 
Natriumhydroxyds. 

Luft, ſoviel wie Ammoniak. 

Alkali Meaktion, |. Baſen. 


Alkalvide (Pflanzenbaſen), in mancher Hin- 
ſicht den Ulfalien ähnliche (Daher der Name), oft durch 
jtarfe Wirfungen auf den tierijden Organismus aus- 

ezeichnete Pflanzenſtoffe, die aus Kohlenſtoff, Waſſer⸗ 
toff und Stickſtoff beſtehen und meiſt aud) Sauerſto 
enthalten. Sie find weitverbreitet im Pflanzenreich, 
aber ſehr ungleichmäßig verteilt. Bei den togamen 
fehlen fie ganz, unter den Monokotyledonen finden ſich 
VU. eigentlich nur bei den Roldifazeen (Coldicin, Be- 
ratrin, Jervin), befonders reid) an Ulfaloiden find die 
Papaverajeen, Solanajeen, Ranunfulajeen, St 
nazeen und die Rubiazeengattung Cinchona. A. fin- 
den ſich auch bei Leguminoſen und Umbelliferen, felten 
bei Kompoſiten und Labiaten. Pflangen der gleiden 
Familie enthalten oft diefelben oder einander ähn— 
lidje A., wabrend diefelbe Bafe mur felten in mebhre- 
ren Pflangenfamilien auftritt (Berberin). In einer 
Pflanze finden fich bisweilen mehrere U., die Dann 
unter fid) ifomer find oder nur geringe Dijferengen 
in ibrer Zufammenfepung jeigen. Am häufigſten 
finden fid) A. in Früchten, Samen und Rinden, und 
zwar an Apfelſäure, Gerbſäure xc. oder an den be- 
treffenden Pflanzen cigentiimlide Säuren (China- 
jiure, Mefonjiure) gebunden. Wenige A. find fltid- 
tige, wafferbelle, intenfiv riedende, in Allohol, Uther 
und Chloroform, meijt aud) in Waffer lösliche Fliiffig- 
feiten; die meiſten find feft, farb- und gerudlos, 
ſchmeclen bitter, find nicht oder nur in febr fleinen 
Wengen unzerſetzt fublimierbar, frijtallijieren, find 
in Wafjer ſchwer oder gar nidt, in Allohol, viele aud 
in Uther, Bengin, Amylalkohol, Chloroform leidt 
löslich. Die meiſten A. find tertiäre Bafen, einige find 
ſelundäre Amine oder Ummoniumbafen, fie reagieren 
jtarf alfalifd) und geben mit Säuren fejte, geruchloſe, 
in Ulfohol leidter als in Waſſer und Äther lösliche 
Salze. Ulfalien, alfalifde Erden und Ammonial fal- 
len Die U. aus ihren Saljen, ebenfo werden fie durch 
Gerbſäure, Bhosphormolybdanfaiure, Raliumaquedfil- 
berjodidD, Raluunifadmiumjodid und Kaliumwismut— 
jodid gefallt; fonjentrierte Säuren färben mande 
eigentumlich und oft fehr ſchön. Die meijten A. find Ab⸗ 
fonmuilinge des Pyridins, Chinolins und Iſochinolins. 
Cinige, wie Hyqrin, find Pyrrolidinabfommilinge, und 
aud die Oragine fcheinen unter den Ulfaloiden vertreten 
zu fein (Morphin, Roden). Endlich fennt man aud 
Purinablömmlinge (Kaffein und Theobromin) und 
aliphatiſche Aminoverbindungen ( Asparagin, Betain). 
Seitdem die Konſtitution der A. erfannt ijt, gelang 
auch die Syntheſe einiger A. (Coniin 1886, Figo. 
nellin, Urecolin ꝛc.). — Yur Darjftellung der flüch⸗ 
tigen A. dejtilliert man die Begetabilien mit Ralf 
oder Natronhydrat im Dampfitrom, wobei das in 
den Pflangen enthaltene Allaloidſalz serfest wird und 
das Allaloid felbjt fid) mit Den Wafjerdampfen ver- 
flüchtigt, neutralijiert das Deftillat mit Schwefelſäure 
und ertrabiert aus dem Verdampfungsrückſtand des- 
jelben das Allaloidſalz mit Ätherweingeiſt. Die nidt 
flildhtigen A. werden mit angefduertem Allohol den 
Pflanzen entzogen, mit Allali aus dem filtrierten 
Uusjuge gefallt und dann gereinigt. Welche Rolle 
die A. im Leben der Pflanzen ſpielen, ijt nicht befannt, 
man hat fie als Ufjimilationsprodufte betradtet, fie 
ſind aber vielleicht aud) Zerfallsprodufte von Ciweif- 


forpern. Der Chinarindenbaum gedeiht in unjern Ge: | 


‘ 


Alkaliſche Erden — Alfane. 


wächshäuſern, erzeugt aber ohne gu kränleln fein Chi⸗ 
nin, aud) ijt Sdierling in Schottland frei von Contin 
Die meijten UW. bilden den wirffamen Bejtandteil 
von Urgneimitteln (Chinin in der Chinarinde. 
Utropin in der Belladonna ꝛc.), finden fic Darin aber 
in fehr geringen und oft ſchwanlenden Mengen, fo 
daß die Wirkung des Begetabils felbjt cine viel wentger 
fidjere ijt als Die dDeS reinen Wlfaloids. Mande Eflan- 
jen enthalten aud) Subjtanjen, die ſtörende Neben- 
wirfungen hervorbringen, und deShalb iſt Die Be- 
nugung der reinen A. als Urgneimittel ſehr allgemein. 
Dore Wirkung ijt hauptſächlich auf das Nervenfyitem 
eridtet, einige wirten ſtark narfotijd, Kolain bewirtt 
ofale Anäſtheſierung, wihrend Curarin die motort- 
ſchen Nerven lahmt, Strydnin tetaniſche Rontraf- 
tionen erjeugt und Chinin antipyretijd wirlt. Strych⸗ 
nin, Ufonitin, Coniin, Curarin u. a. gehören zu der 
tiirfiten Pflanzengiften. Auffallend ijt der Gegen- 
at in der Wirkung mander UW. (Untagonismus). 
So hebt Utropin die giftigen Wirfungen des Mor— 
phins auf und umgefebrt, aber das Atropin bindert 
nidt die ſchmerzſtillende Wirkung des Morphing. 
Vergiftungen mit, Allaloiden erfordern fdler- 
nigite ärztliche Hilfe, Überführung de3 Giftes in un- 
lösliche Form durd) Darreidung von Tannin und 
pes Pagal aus dem Rdrper. Die Nach— 
weifung der A. bei Giftmorden gelingt in den mei⸗ 
ften Fallen. 1803 gewann Derosne aus Opium em 
»Opiumſalz«, das wohl unreines Worphium war, 
1805 jtellte Sertiirner reine3 Morphium dar, aber 
erjt 1817 erfannte er deſſen baſiſche Eigenſchaften. 
Bald darauf entdedten Pelletier und Caventou Strych 
nin und Brucin, Cindonin und Chinin, und 1835 
waren fdon etwa 30 A. befannt. Bgl. Rictet, Die 
Pflanjenalfaloide (deutſch, 2. Uufl., Berl. 1900); 
Dupuy, Alcaloides (Briijjel 1887—89, 2 Bde.); 
Guareſchi, Einführung in das Studiam der A. 
deutid), Berl. 1896—97); Briihl, Die Pflanzen⸗ 
alfaloide (mit Hjelt und Aſchan, Braunjdw. 1900); 
Springer, Der Ulfaloid-Nachweis (Bresl. 1902). 
WiFaluretifa (griech.), Heilmittel, die Whjon- 
derung eines allalireichen Urins bewirfen, wie Al⸗ 
falien, Mineralwäſſer von Bilin, Wildungen, Biddy, 
mande Objtarten xc. Sie follen die Bilbung barn 
faurer Steine im Nierenbeden und in der Harnblafe 
verbiiten. [Xiteratur. 
Alfama ef Fahl, arab. Dichter, f. Arabiſche 
Alkamenes, griech. Bildhauer, einer der bedeu- 
tendjten Schiiler des Bheidias, foll nad Pauſanias 
wabrideinlid) irriger Ungabe fiir ben Seustempel in 
Olympia den Entwurf sur wejtliden Giebelgruppe, 
bie Den Kampf der Kentauren und Lapithen darjtellt 
(Zeile davon ſ. Tafel »Bildhauertunit IV-, Fig. 1 w 
2), ——— ſchuf zahlreiche Götterbilder, meiſt 
fiir ſeine Vaterſtadt Athen, fo die des Hephajtos, des 
Ares und Dionyfos, letzteres aus Gold und Elfen- 
bein. Seine Upbhrodite fiegte iiber des Ugorafritos 
Statue, die dieſer als Nemes nad Rhamnus jtiftete. 
Er war bis um 402 v. Chr, tätig. 

Alfamil, Sultan von Ägypien, ſ. Ramil. 
MlFanioc-ang,CharlesSatentinorhange, 
franz. Mlavierfpieler und Komponiſt, geb. 30. Nov, 
1813 in Baris, geft. dafelbjt 29. März 1888, Schüler 
Zimmermanns und Dourlens am Konſervatorium. 
lebte als angejehener Pianift und Lehrer in Baris. 
Von feinen tiberwiegend fiir Clavier beſtimmten Kom- 
pofitionen find die weit ausgefiibrten zwölf Etdden 
Op. 39 hervorzuheben. 

WiFane, foviel wie Grensfohlenwafferitojfe. 


Alkanna — Alkibiades. 


Alkanna Tausch, Gattung der Borraginazeen, 
fleine, raubbaarige Stauden, oft mit rot färbender 


335 


AlFermes, ſ. Kermes. 
Alkeſtis (Alceſte), im griech. Mythus Tochter 


Wurzel, —— Blättern, meiſt blauen Blit- | des Königs Pelias von Jolkos, der gelobt hat, fie nur 


ten in beblätterten Wickeln und ſtark gekrümmten, 
warzig rauhen oder ſtacheligen Nüßchen. Etwa 30 
Arten in den Mittelmeerlandern. A. tinctoria Tausch, 
nuit fhwargvioletten Blumen, wird angebaut, liefert 
die Ulfannawuryel (rote Shlangenwuryzel), 
die aus Ungarn, Sleinafien und der Liirfei in den 
Handel fommt; fie enthalt bas Ulfannarot (f. d.) 
und dient zum Rotfärben von Olen, Pomaden, Li- 
foren 2. ot Lawsonia. 

Alfannarot(Ul tannin, Undufin, Anchuſa— 
faure) C,,H,,0,, Farbſtoff in der Wurzel von Al- 
kanna tinctoria, ijt amorph, dunkel braunrot mit 
metallifdyem Refler, löslich in Alkohol, Äther, fliid- 
tigen und fetten Olen, nidt in Waſſer, erweidt unter 
100°, bildet mit Alkalien und Erdalfalien blaue, in 
Waſſer lösliche, mit Metallfalzen unlösliche Verbin— 
dungen, gibt beim Glühen mit Zinkſtaub Methyl- 
anthrajen. A. wird wie Alkannawurzel benutzt; mit 
U. getränktes Papier verwendet man in der chemiſchen 
Analyſe wie Lacdmuspapier. 

Alkannawurzel, ſ. Alkanna und Lawsonia. 

Alkannin, ſ. Wifannarot. 

Alkäos, berühmter griech. Lyriler, aus Mytilene 
auf Lesbos, bliihte um 600 v. Chr. als älterer Zeit⸗ 
genoſſe der Sappho. Einem der edelften Geſchlechter 
angebirig, war er Vorkämpfer der Udelspartei gegen 
die Tyrannen feiner Vaterjtadt (Melandros , r⸗ 
ſilos u.a.). Deshalb verbannt, belämpfte er nad 
dem Sturze der Tyrannenherrſchaft den vom Volfe 

um Staatslenfer berufenen weifen Pittakos, ſeinen 
Pi ern Parteigenoſſen, geriet aber bei dem Verſuch, 
die Rücklehr gu erzwingen, in die Getwalt des Gegners, 
ber ibm großmütig vergieb. Rad dem Urteil der 
Alten waren die in äoliſcher Mundart abgefabten 
Gedichte des A., nach dem dad befannte alkäiſche Bers- 
mak (f. Wfaifde Verſe) benannt ijt, von hoher Schön⸗ 
heit, voll feuriger Leidenjdaft und männlicher raft. 
Sein Nadahmer war der Römer Horaz. Bon den 
gebn Biichern feiner Didtungen: Hymnen, politifdjen 
iedern, Dem Hauptbeftandtetl der Sammlung, Trink⸗ 
und LiebeSliedern, find mur geringe Brudjtiide er- 
age (qejammelt in Bergls »Poetae lyrici graeci«, 
bd. 3, 5. Uufl., Leipz. 1900 ff.). 

AlFaptonurie (qried.), die Entleerung eines blaf- 
fen Harns, der fid) an der Luft, befonders bei alfa- 
lifer Realtion tiefer braun färbt, redugierend wirtt, 
aber nicht gärungsfähig ijt. Das vermeintlide Al—⸗ 
fapton eines foldjen Harns ijt Uroleucinfiure, aud 
Gehalt de3 Harn an Bren;tatecdhin und Homogentifin- 
jaure fann YU. bedingen. 

Wifaresmi, arab. Mathematifer, ſ. Algorithmus. 

Alkarſin, ſ. Kakodyl. 

Alkãſar (ſpan. aus arab. al kassr), Schloß, Palaſt. 

Alkaſar Kebir, ſ. Kafr ef Kebir. 

Altkathoos, int griech. Mythus Sohn des Pelops 
und der Hippodameia, erlegte den Löwen, der den 
Sohn des Megareus von Megara getötet, und erhielt, 
nachdem er fig durch die Dem Lowen ausgefdnittene 
Bunge gegen den Unfprud) eines andern als Boll- 
bringer der Tat erwiefen, Euächme, die Todhter des 
Kdnigs, als Gattin und die Thronfolge in Megara. 
D feine Töchter Uutomeduja und Peribda ijt er 
Grovater de3 Jolaos und Aias. 

WiFeFengi, |. Physalis. 

Alken (Alcidae), f. WIE. 

Alkene, ſ. Olefine. 


dem zu vermählen, der einen Wagen mit Löwen und 
Ebern beſpanne. Dies vollbrachte Admetos (f. d.) 
mit Hilfe Apollons, der fogar von den Moiren er- 
langt, Udmetos folle vom Tode befreit fein, wenn ein 
andrer freiwillig fiir ihm fterbe. Als ihn tödliche 
Krankheit befallt, ftirbt UW. fiir ifn, wird aber von 
Perfephone zur Oberwelt guriidgefendet oder von 
Herakles dem Hades entriffen (fo in Euripides’ Tra- 
gödie »U.«). Bgl. Diffel, Der Mythos von Admetos 
und A. (Brandenb. 1882); Ellinger, Alceſte in der 
modernen Literatur (Halle 1885). 
WiFibiaded, beriihmter athen. Staat8mann und 
Feldherr, geboren um 450 v. Chr. in Uthen, get. 
404, Sohn des Keinias, der fid) in den Perjerfriegen 
hervorgetan, und der Deinomadhe aus dem Geſchlechte 
der Ulfmaoniden. Nachdem er feinen Vater fehr friih 
in Der Schlacht bei Roroneia (446) verloren, leitete 
Perifles, ihm durch) die Mutter verwandt, feine Er- 
fepung. Dod) waren die Huldigungen, die {don frith 
Cee chönheit, feinem Reichtum, feiner geijtiqen 
iberlegenheit dargebradt wurden, feiner Charatter- 
bildung nicht forderlid; UW. war fdon als Jünglin 
voll Anmaßung und ohne Selbjtbeherridung, un 
bas Streben feine3 Lehrer’ Sokrates, feine Leiden- 
chaften und feinen Ubermut gu zügeln und ifn gu 
ttlidem Ernſt gu erziehen, blieb erfolglos. Dabei 
war er, wenn er wollte, von bezaubernder Liebend- 
würdigleit und ein tapferer Soldat; in dem Sriege 
egen Potidäa, in dem er feine erjte Waffenprobe ab- 
eqte (432), rettete ifm nur die Uufopferung ded 
Sofrates das Leben, welchen Dienſt ihm A. 424 bei 
Delion vergalt. Yn das politifde Leben trat er nad 
dem Tode de Mleon (422) ein, ohne fefte Grundſätze, 
aud) bier in feinem glithenden Ehrgeiz nur darauf 
bedadjt, eine Hervorragende Rolle ju fpielen, daher 
ein Gegner des Damals an der Spite ſtehenden arijto- 
kratiſchen und fpartanerfreundliden Nilias. Indes 
fein Blan, nad) deſſen Frieden (421) Sparta im 
Peloponnes ju ifolieren, fdheiterte, da e8 den Gegen- 
bund bei Mantineia (418) befiegte. Glänzendern Er- 
folg verfpracd) das Unternehmen gegen Syratus, dad 
das athenifdje Voll, von Egejta um Hilfe gebeten, 
bejonders auf des A. Betreiben beſchloß; die um: 
faffendjten Riijtungen wurden gemadt, A., Ritias 
und Lamados follten die Fiihrung übernehmen. 
Schon fag die Flotte im Piraeus zur Ausfahrt bereit, 
da beſchuldigten ihn feine Gegner der Urheberſchaft 
der frevelhaften Berjtitmmelung der Hermenfaiulen 
(10/11. Mat 415), die ganz Uthen in die größte Er- 
regung verfeft hatte, und aud) der Entiweihung der 
eleufinifden Myſterien durch ſpöttiſche Nachahmung. 
ſtühn und entſchloſſen forderte UW. ſofortige Unter— 
ſuchung, aber das Volk beſchloß Vertagung der Klage, 
und YW. ſegelte mit der Flotte ab. Schon hatte er in 
Sizilien Die Städte Naros und Catana beſetzt und 
boftte die Sigilier ganz auf feine Seite gu bringen, 
al8 er Durd) Die Salaminia abberufen und nad Uthen 
vor Geridt geladen wurde, wo feine Feinde inzwiſchen 
bie Unflage wegen —— der Myſterien nut 
mehr Erfolg erneuert Hatten. A. ſah unter den ver- 
änderten Verhältniſſen feine Verurteilung voraus, 
er floh von der Salaminia in Thurii nad dem Pelo- 
ponnes und vernahm in Elis, daß die Uthener ihn 
zum Tode verurteilt Hatten, fein Vermögen ein— 
grsoger und der Fluch iiber ibn ausgefproden fei. 
eidenſchaftliche Rachgier beftimmte nun fein Tun; 


336 


Athen follte erfahren, wie gefährlich er als Feind fei, 
um dann in höchſter Not ihn als Retter und Herrn 
zurückzurufen. €r begab fid) nad) Sparta und ſetzte 
¢8 bier durch, daß die Unterjtiigung der Syrafufier, 
welche den Untergang der athenijden Expedition 
ur Folge hatte, und die Beſetzung von Defeleia 
foie der inn de3 Seefrieges gegen Uthen mit 
perfijder Hilfe beſchloſſen wurden. A. felbjt ging 
412 als fpartanifder Befehlshaber nad Kleinaſien, 
bradte die Bundesgenofjen gum Wbfall von Uthen 
und ſchloß das Biindnis mit Perſien ab. Bald aber 
madte die Eiferfudjt der fpartanifden Heerführer 
fowie der Verdacht, als treibe er sweideutiqes Spiel, 
feine Stellung unbaltbar; er floh su dem perjifden 
Statthalter Tiffaphernes und wußte diefen ebenſo 
gegen das nun ibm verfeindete Sparta wie vorber 
gegen Athen —— fualeis fniipfte er mit 
den athenifden Oligarden Verhandlungen an und 
qab fid) ben Schein, den Umſturz der Demofratijden 
Verfaſſung in Athen und die “race einer oligar- 
chiſchen Regierung ju betreiben. Dieſe erfolgte auch 
411, dod erfannte die Flotte in Samos fie nidt an 
und berief ihrerſeits den UW. an ihre Spige. Sofort 
ſchlug und vernidjtete er die fpartanifde Flotte in den 
Schlachten bei Abydos (411) und bei Kyzikos (410), 
eroberte Dann die widtigiten Plage am Hellespont, 
Chalfedon, Seltymbria und Byzanz und jiderte die 
athenifden Befigungen am Schwarzen Meere. 407 
fehrte A. in die Heimat zurück und wurde, vom Boll 
im Triumph vom Piräeus nad Uthen gefiihrt, unter 
feierlicher Zurücknahme des friiher gegen ihn aus- 
eſprochenen Fludes und Urteils sum unbeſchränkten 
ldherrn gu Waſſer und gu Lande ernannt. Seine 
hlreichen Feinde verſtummten zunächſt, aber als fein 
Interfeldberr Untiodos gegen jeinen Willen in jeiner 
Ubwejenheit mit der Flotte bet Notion (407) eine 
Schlacht mit Lyfandros gewagt hatte und gefdlagen 
worden war, erhoben fie jid) von neuem und erwirt- 
ten feine Abſetzung. Tief gekränlt begab fic) A. frei- 
willig in die nnung nad der Thrakiſchen Cher⸗ 
ſoneſos und machte von ba aus vor der entideidenden 
Schlacht bei Agospotamwi die atheniſchen Flotten- 
führer auf ihre nadteilige Stellung aufmerffam, obne 
Dak jedod fein Rat befolgt worden wire. Nad) dem 
all Uthens fliidtete er vor dem Hak der Spartaner 
aus Thrafien ju Pharnabazos, um durch diejen gu 
König Artaxerxes ju _gelangen und mit perfijder 
Hilfe Uthen von der fpartanijden Herridaft gu be- 
freien. Die Spartaner ay pe dDeshalb den Bhar- 
nabajo8, ibn aus dem Wege zu räumen; in dem 
phrygiſchen Fleden Meliffa fiel er 404, ein heimatloſer 
Flüchtling, durch Mörderhand. Seine Biographie 
ſchrieben Plutarch und Cornelius Repos. Heyſe hat 
A. zum Helden einer Tragidie gemadt. Bon den 
zahlreichen bildlichen Darjtellungen, die im Altertum 
wegen feiner Schinbeit von ihm qemadt worden find, 
ijt feine auf uns gelommen. Bal. Hergberg, WL, 
dev Staatsmann und Feldherr (Halle 1853); Folle, 
Rettungen des VW. (Emden 1883—86, 2 Tle.); Houf- 
jaye, Histoire d’Alcibiade (Bar. 1873, 2 Bde.). 
Alkidamas, griech. Rhetor und Sophiſt, aus Eläa 
in Kleinaſien, lebte um 400 v. Chr. zu Athen, Reben- 
bubler des Iſokrates, gegen den feine Rede »De so- 
phistis« gerichtet ijt; unecht ijt eine zweite Rede : » Odys- 
seus« (mit Untiphon hrég. von Bla, 2. Mufl., Leipz. 
1881). Bal. Bahlen, Der Rhetor A. (Wien 1861). 
Mi Mindi (Aleindus, Alchindi, eigentlid Abu 
Suffuf JalubJbon ORhal alMindi), berühmt als 
Mathematifer, Arzt, Ujtrolog und Philoſoph, geboren 





Alfidamas — Alkmäon. 


in Basra um die Wende des 8. Jahrh., geſtorben um 873 
in Bagdad, wird von den Urabern als der eigentliche 
Begriinder ihrer Bhilofophie angejehen und hurgweg 
al8 »der Philofoph« bezeichnet, mußte aber alS Ratio- 
nalijt und Freidenfer viele Verfolgungen erleiden. 
Von feinen 34 philofophifden Sdriften, die er neben 
ablreidjen andern verfagte, amd in denen er befor: 
er8 das »Organon« des Ariſtoteles fonumentierte, 
hat fid) wenig erhalten. Bgl. Flügel, W., qenannt 
der Bhilofops der Uraber (Leipz. 1857); Lorh, Ww 
al8 Ujtrolog (daſ. 1875). 

Alkine, foviel wie Ucetylene. 

Alkindos, im griech. Mythus Konig der Phäaten. 
Vater der Naufifaa, nahm den gejtrandeten Odyſſeus 
freundlid) auf und lief ihn Herm geleiten. Wud die 
YUrgonauten fanden bei A. Schutz und Hilfe. 

(Fiphron, griech. Rhetor, im 2. Jabrh. n. Chr... 
ijt Verfaſſer einer durd) reine Sprade und gefdymad- 
volle Form ausgezeichneten Sammlung von 118 fin⸗ 

ierten Briefen tn 5 Biidern, in denen Fiſcher, Land⸗ 

eute, Rarafiten und Hetären fich unterhalten. Befon- 
dered Intereſſe haben fie, weil viele Motive der neuern 
attifden Romiddie, namentlid den verlornen Stiiden 
des Menander, entlehnt find. Neuere Ausgaben von 
Meinefe (Leipz. 1853), Herdher (in »Epistolographi 
graeci«, Par. 1873), Sdjepers (Groning. 1902). 

Wlfmaar (Ulfmar), Stadt in der miederland. 
siren Nordholland, am Nordholländiſchen anal, 

otenpunft an der Eiſenbahn Amſterdam - Helder, 
liegt zwiſchen troden gelegten Moräſten und bdietet 
ein Mufterbild hollandijder Sauberfeit. Sehenswerte 
Gebäude find die 1470—98 erbaute Laurentiusfirde 
und das Stadthaus (mit Mufeum), beide im gotifden 
Stil; ferner hat die Stadt cine hihere Bürgerſchule. 
eine Bibliothef und ein Theater. A. hat ago) 18,373 
€Cinw., die age und bedeutenden Handel mit 
vortrefjlidem Safe, Vieh und Getreide treiben. — 
1573 wurde U. von den Spaniern vergeblicd belagert. 
Zwiſchen dem franzöſiſchen General Beans ory er 
derzog von ¥)orf wurde bier 19. Oft. 1799 die Kon⸗ 
vention abgejdlofjen, nach der die Ruffen und Englan- 
der Holland räumten. 4 kin weſtlich lag das von den 
Spaniern zerſtörte Stammſchloß der Grafen Eqmont. 

Wikman, griech. Lyrifer, aus Sardes in Lydien, 
fam als Sflave nad) Sparta, wo er freiqelajien wurde 
und {pater das Biirgerredt erhielt; er bliihte um 650 
v. Chr. W. ijt Begriinder der dorifden Kunſtlyrik. 
inbdem er Die — Nomenpoeſie verließ und 
in mannigfa Rhythmen Hymnen, Päane, Bar- 
thenien, Beltauggelange ꝛc., aud) erotijde Lieder dich⸗ 
tete, fiir deren Erfinder er galt. Bon den geringen 
Reſten feiner ſechs Bücher Gedichte ijt der bedeutendite 
das auf einem äghptiſchen Papyrus gu Paris freilich 
triimmerbaft erbaltene Barthenion. Sammlung der 
Fragmente in Bergl[s » Poetae lyrici graeci«, Bd. 3. — 
Race ihm ijt benannt der Alkmaniſche Vers, ein 
afataleftiider oder fataleftijder daltyliſcher Tetra⸗ 
meter. Der leftere bildet, mit vorangehendem Hera- 
meter verbunbden, die von Horas (Oden I, 7 u. 28, 
Epoden 12) nadgeahmte Ulfmanifde Strophe 

WlFmaon, 1) tm gried. Mythus Sohn ded Am—- 
phiaraos und der Eriphyle, Bruder des Amphilochos. 
in Urgos. Amphiaraos (j. d.) hatte beim Ausbruch 

u dem Feldzuge gegen Theben feinen Söhnen geboten, 
Pinen Tod an der Mutter gu rächen. Wis die Söhne 
der vor Theben gefallenen Helden (die Epigonen) eine 
zweite Heerfahrt gegen Theben riifteten, veranlaßte 

riphyle, durch das foftbare Gewand der Harmonia 
(f. d.) bejtodjen, ihre Signe gur Teilnabme an dem 





Alkmäon — Alkohol. 


Bug. A., gum Oberhaupt gewählt, erobert und zer⸗ 
ſlört Theben. ——— ermordet er die Mutter, 
verfällt aber alsbald in Wahnſinn. Phegeus von 
Pſophis in Arladien entſühnt ihn und gibt ihm ſeine 
Tochter (Arſinoe oder Alpheſiboia) zum Weibe, der 
er die Kleinodien der Harmonia ſchenkt. Dem aufs 
neue in ag Verfallenen heist Upollon ein Land 
gu fuden, bei der Ermordung der Mutter nod 
nidt von der Gonne befdienen war. Wn der Mün—⸗ 
Dung des Udjeloos fand er neu angefdwemmtes Land 
und Heilung. Er baute fic) hier an und beiratete 
Rallirrhoe, die Tochter de3 Flußgottes. Um diefer die 
Rleinodien der Harmonia ju ————— zog er nach 
Pſophis und erhielt fie unter dem Vorgeben, fie 
Gott in Delphi zu weihen, wurde aber, als ein Diener 
den wahren Sachverhalt verriet, von Phegeus’ Söhnen 
ermordet. Zu Pſophis hatte er ein heilig gehaltenes 
Grabmal, in Theben genoß er Heroenverehrung. 

2) Urenfel des Neſtor, der nach der Einwanderun 
der Dorier in den Peloponnes von Meſſenien — 
Uthen flüchtete, der Stammvater des berühmten Ge- 
ſchlechts der Alkmäoniden (ſ. d.). 

WlFmaon, Arzt aus Kroton in Unteritalien, Schü⸗ 
fer de3 Pythagoras, lebte um 520 v. Chr. Er ſchrieb 
ein Werf » Peri Physeos«, von dem Stobaus, Pſeudo⸗ 
Galen und Plutard) philofophifde Fragmente erhal- 
ten baben. A. fann al8 Begriinder der vergleiden- 
den Unatomie betradtet werden. Er ftellte zuerſt das 
Prinzip wiſſenſchaftlicher Forſchung auf und zog 
Schlüſſe nur aus der unmittelbaren ————— der 
Natur. Durch anatomiſche Unterſuchungen entdeckte 
er den Zuſammenhang zwiſchen Gehirn und Sinned- 
organen (Entdeckung des Sehnerv3, der Cujtadi- 
ſchen Röhre), erflarte den Uusfall an Sinnesfunttio- 
nent Durd) Unterbredjung der Leitung zwiſchen Ge- 
hirn und Endorganen, ftellte Exrperimente an, um ju 
ptiifen, ob der Game aus dent Riicenmarf jtamme, 
und unterfdied zuerſt Urterien und Benen. Bol. 
Unna, De Alemaeone Crotoniata (in Peterſen, 
»Hiftorifd- philologijdhe Studien«, Hamb. 1832); 
Kühn, De Alcmaeone (in »Opuscula academica., 
Bd. 1, Leipz. 1827); Rayferling in der ⸗Zeitſchrift 
fiir kliniſche Medizin«, Bd. 43 (1901). 

Alkmãoniden, altadliges Geſchlecht in Uthen, das 
jeinen Urjprung auf Alkmäon (j. d. 2) zurückführte. 
Als die ſchroffſten Vertreter der Standesrechte wider- 
jepten fie fid) Dem Verſuch Kylons, eine Tyrannen- 
herrſchaft in Uthen cinguridten, auf das entſchiedenſte, 
und der Alklmäonide Megakles liek fogar die Un- 
finger des entflohenen Tyrannen niedermegeln, felbjt 
die, welche fic) an die Ultare der Gitter geflüchtet hat- 
ten (640 v. Chr.). Für diefen »Rylonijden Frevel« 
wurde das ganze Geſchlecht der UW. verfludt und aus 
Uther verbannt, und wenn ihnen aud) in der Reit 
des Solon die Rückkehr gejtattet wurde, fo ijt dod) jene 
Blutſchuld nocd) mehrfach von den Gegnern der A. 
benutzt worden, um thre nodmalige Vertreibung aus 
der Stadt gu fordern. Mit Peijijtratos ſtand das da- 
malige Haupt der Familie, der zweite Megalles, der 
Gemahl der reichen Todjter des Tyrannen Kleiſthenes 
von Sifgon, Ugarijte, in wedfelnder Begiehung; je 
nachdem er fic) gu der —— Partei der Paraler 
oder ju der ſtrengen Adelspartei hielt, begünſtigte 
oder vertrieb er den Tyrannen, bis deſſen Sieg bei 
Pallene (538) die A. nötigte, die Stadt zu verlaſſen. 
Durd den glangenden Neubau des durd eine Feuers- 
brunjt gerjtorten Apollontempels in Delphi gewannen 
jie fid) die Gunſt dev dortigen —— und durch 
dieſe die Unterſtützung der Spartaner; Unzufriedene 

Meyers Konv.⸗Lexikon, 6. Aufl., J. Vd. 


337 


aus Attila ſammelten ſich um ſie, und ſo gelang es 
dem Sohne des —— Kleiſthenes (ſ. d.), die Herr⸗ 
ſchaft der Peiſiſtratiden zu ſtürzen und — ong der 
Demokratie in Athen gu werden. Nad) den Perſer—⸗ 
friegen verſchwinden die A. aus der Gefdhidte. Pe— 
rifled war durch feine Mutter Ugarijte, eine Nichte 
deS Mleijthenes, mit den A. verwandt; deshalb ver- 
langten 431 vor Beginn des Peloponnefifden Krie- 
es bie Spartaner die Uusweifung der A. wegen ded 
tylonifdjen Frevels. Auch des Alkibiades tter 
Deinomade war aus dem Gefdledte der A. 
Alkmene, Todter des Eleftryon von Myfena, 
Gemahlin de3 Umphitryon (j. d.), vow diefem Mutter 


dem | des Dphifles, von Reus, der fic) ihr in Amphitryons 


Gejtalt qenaht, Mutter des Herafles. Nad ihrem Tode 
wurde a auf Zeus’ Befehl durd) Hermes nad dem 
Elyfion gebradht und dort mit Rhadamanthys (j. d.) 
vermählt. Wl Stammmutter der Herafliden wurde 
U. in Theben und Athen verehrt. . 
Alko A erst, Uthylattohol, Uthyloryd- 
hydrat, Uthanol, Methylfarbinol, Wein— 
eijt) C,H,O findet fid im Harn und in den Mus— 
eln des Menſchen 24 Stunden nad dem Tod, im 
Harn der Diabetifer (in Form von Eſtern), in Blat- 
tern, Reimpflangen, in unreifen Früchten mander 
Umbelliferen, in humusreidem Boden, in der Utmo- 
ſphäre, in Gewäſſern (1 g in 1 chm Regenwaſſer), 
als der beraujdjend wirfende Bejtandteil in den ge- 
ornen Getrinfen (daber alfoholifde Getrainfe: Wein, 
Bier, Objtwein, Met) und reiner in den aus dieſen 
ewonnenen Dejtillaten. Er entſteht meijt aus Trau- 
enjuder, der unter dem Einfluß von Hefe und andern 
Pilzen in W. und Kohlenſäure zerfällt. Jn unver- 
legten Upfeln, Kirſchen rc. bildet ſich A. beim Auf— 
bewahren unter Abſchluß der Luft. A. entiteht, wenn 
man Äthylen C,H, in_fongentrierter Schwefelſäure 
löſt und die gebildete Äthyiſchwefelſäure mit Wafer 
fodjt. Da fi Athylen ini Leuchtgas findet, ſo hat 
mam letzteres mit Schwefelſäure gewaſchen, um das 
WUthylen gu gewinnen, und mithin aus Steinfohlen 
A. dargeltellt (Mineralfpiritus). Wud bei Be- 
handlung von Widehyd mit Natriumamalgam entjteht 
A., in geringer Menge bei trodner Dejtillation von 
Hol cies im Holsteer und im Methylalfohol). Von 
praltijder Bedeutung ijt nur die Darjtellung des Al⸗ 
fohols durch Gärung guderhaltiger Flüſſigkeiten, die 
man aus zuderhaltigen, haufiger aus ſtärklemehlhal—⸗ 
tigen Rohmaterialien bereitet (ſ. Spiritus). Spiritus 
ijt mit Wafjer verdiinnter A., aus dem durch Refti- 
| fifation hodgradiger Spiritus (Sprit) mit 90 — 95 
Proj. A. gewonnen wird, der bei Deftillation über 
qebranntem Ralf, wafjerfreiem Nupferfulfat oder Ba- 
— wajjerfreien U. (Alcohol absolutus) liefert. 
A. ift cine farblofe, leicht bewegliche, angenehm rie- 
dende und brennend ſchmeckende Fliiffigtert vom ſpez. 
ew. 0,789 bei 20°, 0,806 bei 0°, erjtarrt bei —130,5°, 
jiedet bei 78,3°, brennt mit blauer, wenig leudtender 
Flamme, sieht begieriq Waſſer an, miſcht ſich mit 
Wafer unter Warmeentwidelung und Volumvermin: 
derung (j. Alkoholometrie), löſt Brom, Dod, Ulfalien, 
Sehwefelalfalien, Fette, Harze, ätheriſche Ole, Seifen, 
Alkaloide, Ammoniak, Chlorwaſſerſtoff xc. und bildet 
mit einigen Körpern frijtallinijde Verbindungen, in 
denen er die Rolle von Krijtallwajjer fpielt. Vit Naz 
trium bildet er Natriumäthylat. Jn der Hike zerfällt 
fein Dampf in Waſſerſtoff, Kohlenoxyd und Kohlen— 
wafferjtoffe. Reiner VW. verändert fic) nicht an der 
Luft, bei Gegenwart von Platinmohr wird er aber 
bei gewöhnlicher Temperatur ju Wldehyd, Eſſigſäure, 
22 


—— — — — — — — — — — — — —— — — — —— ss — — 


338 


Acetal, Umeifenfaiure orydiert. Verdiinnter A. bildet 
an der Luft unter Einwirtung eines Ferments Effig- 
fiureC,H,O,. Saures chromſaures Kali oder Braun: 
jtein und Schwefelſäure orydieren UW. gu Aldehyd. 
Chlor wirkt energifd auf A. ein, bildet eine Reihe von 
Subjtitutionsproduften und als Endglied derfelben 
Chloralhydrat C,C]HO.H,O. Mit Chlorwaſſerſtoff 
entiteht Uthyldlorid, mit Nobphosphor Uthyljodid, 
mit Sod und Ulfali Jodoform. Chlorfalf liefert bei 
Deftillation mit U. Chloroform, rote raudende Sal- 
peterſäure gibt bei Gegenwart von Quechſilber oder 
Silber knallſaures Salz. Miſcht man W. mit fongen- 
trierter Schwefelfiiure, P ee t Äthylſchwefelſaãure, 
und bei der Deftillation geht Uther iiber. Wenn man 
aber Alloholdampf durch jiedende Schiwefelfiiure (165°) 
feitet, fo zerfällt er in Uthylen und Waſſer. Schwefel⸗ 
ſäureanhydrid bildet Rarbylfulfat. Organifde Sau- 
ren bilden mit A., namentlid) bei Gegenwart von 
Salzſäure, zuſammengeſetzte my (€jter). Diefe 
Reaftionen laſſen die vielleitige Verwendbarteit 
des Allohols erfennen. Er dient als Löſungsmittel 
(Zinfturen, Firniffe, Parfüme, in der Färberei und 
Riibensucerfabrifation, zur Bereitung von Extralten), 
zur Darjtellung von Soda, Pottaſche, Teerfarben und 
vielen andern Braparaten, dann gum Füllen von Ther- 
mometern, zur Regeneration der Olgemälde, zur on- 
ſervierung fäulnisfähiger Subſtanzen (anatomijde 
und zoologiſche Präparate in A.), als Desinfeftions- 
mittel (fon bei Homer werden die Wunden mit ftar- 
fem Wein gewaſchen, desinfiziert), als Brennſpiritus, 
Leuchtmaterial (Spiritusgliiblampen), jum Betrieb 
von Motoren und in den gegornen Getrinfen und 
Den Daraus bereiteten Deftillaten als Genufmittel. 
Uber die Wirkung des Wlohols auf den men{d)- 
liden Organismus haben im Laufe der Beit die ver- 
ſchiedenſten Meimungen einander abgeldjt. Während 
man friiher dem A. direft erregende, ſtärkende und be- 
lebende Wirkungen zuſchrieb, erflart man heute durch⸗ 
weg dieje Wirkung als Folgen von Lähmungen. Die 
Anregung der geiftigen Funttionen (Geſprächigkeit, 
raſche Ideenverbindung rc.) berubt auf einer Lähmung 
gewiffer Gebirnteile, ijt bedingt durch dent Fortfall von 
Hemmungen, die Angſt vor dem Publifum fallt beim 
Reden fort, der Soldat wird mutiger. Die anfdei- 
nend qrifjere Muskellraft nad Ulfoholgenuf ijt da- 
durch bedingt, da der Nüchterne gern feine Kräfte 
ſchont, der Truntene feine Rückſicht auf Schaden nimnmit. 
Das ———— iſt nicht durch eine vermehrte Bro- 
duftion von Wärme hervorgerufen, ſondern eine Läh—⸗ 
mung der kleinern Gefäße der Haut bewirkt vermehr⸗ 
ten Saft warmen Blutes aus dem Körperinnern. 
Daher wird durd a — Gaben die Temperatur des 
Körperinnern herabgefest; darauf beruht ¢3, bah Be- 
trunfene leidter se aah wie Nüchterne. Auf die 
Herz- und Atemtätigkeit wirft A. nur gang voriiber- 
qehend anregend. Große Quantitäten ergeugen den 


Rauſch und ſchließlich die volle Betruntenheit, Bu: | 


ſtände, bei denen die lähmende Wirkung des Alkohols 
vor allem zu Tage tritt. Abſoluter A. wirkt ſchon in 
fleinen Dofen ätzend. Bei anhaltendem übermäßigen 
Genuß von A. entiteht der als Alkoholismus be- 
zeichnete Zuſtand, bet dem zunächſt der Verdauungs- 
apparat leidet und trog geringer Nahrungszufuhr eine 
bedeutende Fettanfammiung ftattfindet. In welder 
Weife der A. diefe Wirfungen hervorbringt, ijt nod 
nicht feſtgeſtelltz im Magen erzeugt er zunächſt eine 
Qefteigerte Ubfonderung des Magenfaftes, aud) foll 
ev Die Bewegung ded Dagens anreqen, und fo erflirt 
ſich das Warmegefilhl im Magen, die Unterdriidung 





Alkohol (Verwendbarteit, Wirtung auf den menſchlichen Organisms, Geſchichtliches). 


des Hungergefiihls fowie der giinjtige Einfluß, den 
cine geringe Menge A., nad) dem Eſſen genommren. 
auf die Verdauung ausiibt. Der U. wird im Orga- 
nismus orydiert und ſchützt, wie Fette und Roble- 
hydrate, das Körpereiweiß vor der Rerfesung. Er wirtt 
alfo als Sparmittel, aber er tut DieS nur bei eiweiß— 
reicher Koſt, bei der erheblich größere Mengen A. qut 
vertragen werden als bei ſchlechter, eiweißarmer Koſt. 
bei der, abgeſehen von andern Schãädigungen, allmäh⸗ 
lid) fortſchreitender Verfall eintritt, wenn A. anbal 
tend in größerer Menge genoſſen wird. Faßt man alle 
Erfahrungen zuſammen, ſo iſt augugeben. dak em 
mäßiger Genuß des Allohols cine Reihe von Vorter- 
len bietet. Cin Heiner Schnaps, beſonders nut einem 
aromatifd bittern Bujak, bat fid) nad dem Genuß 
fetter Speifen wobl bewahrt. Dem Armen erſetzt der 
Branntiwein da3 Gewiir;, und bei napfaltem Wetter 
ſchafft der UW. dem durch bedeutende forperliche Unftren 
gung abge/pannten und ermildeten Arbeiter eme ge- 
wiffe — Erregung und erhöhte Leijtungsfabigter, 
bie aber nur ſcheinbar ijt, und daher aud nur vor 
iibergehenden Erfolg haben fann; andre Mittel, 3. B. 
warmer Kaffee, erreichen dasſelbe, obne die ad 
gungen des Ulfohols herbeisufithren. Allen Borteilen 
geqeniiber fteht die fehr große Gefabr des Mißbrauchs 
Der wefentlid) dadurch herbeigefiihrt wird, daß dee 
durch den A. hervorgerufene Errequng bald einer um 
fo größern Erfdlaffung Plas madt, fo daß dad Be- 
dürfnis, abermals zu trinfen, erwacht (f. Truntfudt). 
WS Urgneimittel wird A. meijt in der Geſtalt 
von Wein oder Kognak benugt. Bon der Darreichung 
de3 Ulfohols bei ſchwerern Rranfheiten ijt man mehr 
und mehr juriidgefommen. Als Genußmittel ijt der 
jelbe aud) fiir den Kranken von grofer Bedeutung. 
WIS Heilmittel ijt dagegen nidt viel vom VL. gu ex 
warten. Jedenfalls jollen größere Doſen nur bet afut 
fieberhaften Kranfheiten, Lungenentzündung, Gelent- 
rheumatismus ⁊c., verabreidt werden; ãußerlich dient 
er gu Waſchungen bei profufen Schweißen (Hand- und 
Fußſchweißen), gu Emreibungen bei torpiden Ent: 
jlindDungen, jur Anregung und DeSinfeftion ſchlech 
ter Wundflächen, zu Cinfprigungen in gutartige Ge 
ſchwülſte und zur Verddung von Deamprebern, Cine 
durd) Anwendung von A. auf Haut und Schleim 
hãuten hervorgerufene Gefiiferweiterung und ver: 
jtarfte Zufubr von arteriellem Blut geftattet die bal- 
terienfeindliche, auffaugende und die Ernãhrung bef 
fernde Wirkung des Blutes bei manden —— 
u benutzen, deshalb verwendet man nenerdine 
l. lolal bei Rotlauf, Zellgewebsentzündung, Bahn: 
fleiſchatrophie x. — Ym Hebräiſchen und Arabiſchen 
heißt Der Spießglanz Al-kohl, tm Mittelalter wurde 
Aleool jedes ſehr feine Pulver benannt, dann das 
Subtilſte der Dinge, alcool sulfuris, Schwefelſäure, 
daher aud) Alcool vini, Branntwein. Raimundus 
Lullus ſpricht von der Verſtärkung des Weingeiſtes 
durch Deſtillation über Pottaſche, und als vorzügliches 
Heilmittel nannte er ihn consolatio ultima corporis 
humani (de3 Menfdjen lester Troſt). In der late 
ſchen uͤberſehung von Gebers Schriften beift er aqua 
vitae (aud) vitis), spiritus vivus, bei Bayilius Ba- 
lentinus spiritus vini. Der Name VW. fam im 16. 
Jahrh. in Gebrauch (vielleicht aus vinum alcalisa- 
tum, durch Deftillation fiber Allali verjtarfter Wein— 
qeijt). 1796 jtellte Lowitz wafferfreien UW. dar, und 
1808 ermittelte Sauſſure feine Rufammenfegung. 
Geiftiqe Getränle wurden ſchon in den älteſten Seite 
bei febr vielen Vilfern aus guder- oder ftirferedt- 
haltigen Pflanzenſtoffen, aus Honig oder Mild durch 





Alfoholate — Alfoholometrie. 


Girung bargeftelt (vgl. Bier). Über Geſchichte und 
Riteratur der Spiritusfabrifation ſ. Spiritus. Bal. 
Rofenfeld, Der Einfluß des Ulfohols auf den Or- 
—— (Wiesbad. 1901); Rauber, Wirkungen 
Allohols auf Tiere und Pflanzen (Leipz. 1902). 
Alfoholate, Verbindungen des Allohols mit Me- 
wee 
Alfohole, chemiſche Verbindungen, die fid) dem 
Athylalkohol (Weingeiſt) vielfad ahnlich verhalten. 
Sie entſtehen aus Kohlenwaſſerſtoffen, indem cin oder 
mehrere Waſſerſtoffatome derjelben durch Hydroryl 
OH) vertreten werden. Je nad) der Zahl der OH- 
ruppen im Molelül unterjdeidet man eine, zwei⸗ und 
mehrivertige A. und nad Stellung des Hydroryls 
im Molefiil primare, ſekundäre und tertifire U. Am 
bejten befannt find die einwertigen primiren A., gu 
denen der Athylallohol gehört. Sie enthalten die Gruppe 
—CH,.OH unbd leiten aS von Methylalfohol CH,.OH 
ab, indem in der Gruppe CH, 1 Utom H durd 1 Al⸗ 
toholrabdifal at 4 wird. So entitehen Äthylalkohol 
CH,.CH,.OH, Propylalfohbol CH,.CH,.CH,.OH x. 
Die gsweiwertigen primären A. werden Glyfole — 
nannt, das einfachſte Glied iſt das — 
CH,.OH.CH,.OH, zu den dreiwertigen gehört 
Glyzerin (CH,.OH.CH.OH.CH,.OH), ju den vier⸗ 
bis jed)Swertigen der Erythrit, Urabit und Mannit. 
Die cinwertigen U. find farblofe, —** Flüſſig⸗ 
feiten, bei höherm Molekulargewicht feſte, kriſtalliſier— 
bare Körper, die zwei und dreiwertigen find ebenfalls 
meiſt flüchtig und fliiffig, dod) ijt Glyzerin bereits 
err ig unter gewöhnlichem Luftdrud nicht 
deftillierbar. Die höherwertigen A. find feſte, kriſtalli— 
ſierbare Körper. A. ſind neutral, verbinden ſich aber 
mit Säuren unter Austritt von Waſſer ju zuſammen⸗ 
eſetzten Äthern (Eſtern) und bilden mit Baten Alko⸗ 
indem der Waſſerſtoff des Hydroxyls durch 
etall vertreten wird. Bei der Oxydation liefern die 
primiiren A. Aldehyde (Äthylallohol C,H,O —2H— 
Aldehyd C,H,O). Der Aldehyd nimmt Sauerſtoff 
auf und liefert eine Säure mit gleicher Anzahl von 
Kohlenſtoffatomen (C. H.040-Eſſigſäure . H. O,). 
Die Gruppe (H. OH wird alſo erſetzt durch die Gruppen 
—CHO und — COOH. Die fefundaren A. enthalten 
die Gruppe —CH.OH — und entitehen, indem im 
Methylalfohol 2 Utome H durch Ulfoholradifale er- 
fest werden. Sfopropylalfobol ijt CH,.CHOH.CH,. 
Sie geben bei Orydation Ketone (durd) Übergang 
der pe —CH.OH — in die Gruppe — CO) und 
zerfallen dann in Gauren mit einer gerin Un: 
zahl von Roblenftoffatomen. Die tertiiren Wl. ent- 
halten die Gruppe = COH und entiteben aus Methyl- 
alfobol, indem 3 Atome H durch Ultoholradifale erjest 


werden. Tertidirer Butylattopot ijt CHs— COH.CH,. 
3 


Sie liefern direlt Säuren mit einer geringern Anzahl 
von Kohlenſtoffatomen und bilden weder Aldehyde 
nod) Ketone. A. entitehen aus Halogenwaſſerſtoff⸗ 
fiureeftern durch Behandeln mit Silberoryd, aus 
Atherſchwefelſäuren durd tochendes Wafer, aus mehr: 
ſäurigen Alloholen durd) Reduftion mit Jodwaſſer— 
jtoff, aus primären Aminen durch falpetrige Saure. 
Durch Redultion von Aldehyden, bez. Säurechloriden 
und Säureanhydriden entſtehen primäre A., durch 
Reduktion von Ketonen ſekundäre. Zinkallkyle 
mit Säurechloriden tertiäre, mit Aldehyden fehm- 

Alkoholfaktor, ſ. Wttenuation. [Dare A. 

Alkoholiſieren, ſehr fein pulvern, auch trocknen 
mit Hilfe von Allohol. übergießt man einen feuchten 
Körper mit Ulfohol, fo reißt diejer das Waſſer an 


Sere 
¢ 





339 


fid), und ba verdiinnter Allohol viel flüchtiger ijt als 
Waffer, fo erfolgt das Trocknen ſchneller. 
(foholismus, ſ. Allohol und Trunlſucht. 

Alkoholmonopol, ſ. Branntweinſteuer. 
Alkoholometrie, die Lehre von der Beſtimmung 
des Alloholgehaltes in Flüſſigleilen. Es gibt fein 
Mittel, den Wifohol aus ciner Fliiffigteit mit quan- 
titativer Genauigteit abzuſcheiden, um ihn direlt wägen 

u können. Da aber Allohol ſpezifiſch leichter ijt als 

ffer, fo fann man aus dem ſpezifiſchen Gewidt 
einer Flüſſigleit ihren Ulfoholgebalt berechnen, falls 
fie nicht andre Stoffe enthalt, die ebenfalls auf dad 
ſpezifiſche Gewidt cinwirfen. Wein und Bier kann 
man alfo nicht mit dem Urdometer auf ihren Alkohol⸗ 
gebalt priifen. 

Ulfohol miſcht fic) mit Waſſer unter Berdidtung, 
53,939 Lit. Alkohol und 49,a36 L. Waffer qeben 100%. 
————— um 8,775%.). Anderſeits vergrößert 
id) Das Volumen, wenn man ſehr verdünnten Allo— 
hol mit Waſſer miſcht. Das Geſetz, nach dem dieſe 
Volumverinderungen erfolgen, ijt nidt befannt; man 
fann daher das ſpezifiſche Gewidt von Mijdungen 
nicht berednen, fondern nur empiriſch bejtinimen. Auf 
jolden von Gilpin ausgefiibrten und von Tralles ver- 
volljtinbdigten und umgeredneten Verſuchen beruht 
die U. in Deutfdland, England, Rupland ꝛc.; die 
frangofijden Ermittelungen von Gay-Luffac ſtimmen 
mit Den Gilpinfden überein. Die Ungaben tiber den 
Wlfoholgehalt einer Fliiffigteit erfolgen in Gewidts- 
oder in Bolumprogenten. 100 8. Alkohol geben mit 
100 2. Wafjer 192,75 L. Gemiſch, mithin enthalten 
100 &. Gemifd 51,8 2. Ulfohol, der Alkoholgehalt 
des Gemiſches beträgt 51,8 Volumprozent. 100 & 
Waſſer wiegen 100 kg, 100 &. Wifohol nur 79,45 kg, 
und fo beredjnet fich Der Ulfoholgehalt des Gemiſches 
ju 44,2 Gewichtsprozent. Lewtere Ungabe ijt ſtets un» 
zweideutig; dad Volumen der Flüſſigkeiten dndert fid 
Dagegen mit Der Temperatur, und deShalb muß bei 
Angaben in Volumprozenten ftets aud) die Tempe- 
ratur angegeben werden. Die Normaltemperatur, auf 
Die fid) in Deutidland und bei dent Ulfoholometer 
von Tralles alle Ungaben begiehen, ijt 15°, und obige 
Angabe (51,8 Volumprozent) bedeutet alfo, daß aus 
100 &. dieſes Gemifdes bei 15° 51,8 &. Alkohol von 
15° gewonnen werden finnen. Ein gleiches Gemiſch 
fann aber wegen der oben angegebenen Verhältniſſe 
nicht aus 51,8 &. Ulfohol und 48,2 L. Wafer her- 
gejtellt werden. Dagegen ijt die Ungabe in Gewidts- 
progenten aud) zur Herjtellung von bejtinunten Ge- 
miſchen verwendbar. Will man nad) Ungabe in 
Volumprozenten eine Miſchung anfertigen, fo ver- 
wandelt man die Volumprozente in Gewidtsprozente 
durd) Multiplifation derfelben mit dem ——— 
Gewichte des Alkohols und Diviſion des Produkis durch 
das ſpezifiſche Gewicht der verlangten Miſchung. 

Das ſpezifiſche Gewicht der alkoholiſchen Flüſſiglei⸗ 
ten kann mit Hilfe eines Dichtefläſchchens oder der 
Weſtphalſchen Wage beſtimmt werden, gewöhnlich aber 
benutzt man Aräometer, deren Sfalen für A. ſtatt der 
ſpeziſiſchen Gewichte die denſelben entſprechenden Al⸗ 
fobolgehalte — (Ulfoholometer, Brannt- 
weinwage). Man beobadtet bei beliebiger Tempe- 
ratur, beſtimmt dieſe mittels Thermometers, das bei 
dem Thermoalfoh olometer mit dem Inſtrument 
verbunden ijt, umd t eine Labelle, nad) der die 
gefundene Zahl (der ſcheinbare Alloholgehalt) forri- 
qiert wird. Sehr gebräuchlich ijt das Volumprozent⸗ 
Ulfoholometer von Tralles. Das Rid terſche Al— 
foholometer bat eine Gewichtsprozentſtala, cbenjo das 

22* 


340 


deutſche amtlide Uifoholometer. Die Ungaben nad 
Gay-Luffjac (12°) ſtimmen mit denen nad Tralles 
iiberein. Auch die Uraiometer von Baumé, Bed und 


Cartier find nod) im Gebraud. Yn England ver- 
gleicht man den Spiritus mit einem proof spirit 
(von 57,09 Prox. Tralled), deſſen Stärle mit O bezeich⸗ 
net wird. 100 Gallons 


Spiritus von 20° underproof 
finnen aus 
80 Gallons 
proof spirit 
und bem nö⸗ 
tigen Waj- 
fer hergeſtellt 
werden. Bu 


over- 
proof finnen 
nod 20 Gal- 
fons Wafjer 
hinzugeſetzt 
werden, um 
ihn auf die 
Starfe von 
proof spirit 
zu bringen. 
Das englifde Aräometer (Hydrometer) von Sites 
tritt beim Cintauden in eine weingeijtige Flüſſigkeit 
mit Der ganzen Sfala heraus und wird durd Auf— 
legen von Gewidten gum Einſinken gebradt; aus 
der Ungabe der Sfala ermittelt man in einer Labelle 
den Al wa ehalt der Flüſſigleit. 

Bur g von Wein, Bier rc. auf ihren Allo⸗ 
hoigebatt pagal man 100 ccm der Flüuſſigleit ab, fpiilt 
bas Meßglas mit etwa 
50 ccm Wafer, gießt dies 
gu den 100 ccm in den 
GSiedefolben und dejtil- 
liert unter Unwendung 
eines guten Stiihlappa- 
rats nahezu 100 ccm ab. 
Man ergingt dann das 
Deftillat durd Zugießen 
von Wafer genau auf 
100 ccm, fdilittelt um 
und ermittelt Den Allo—⸗ 
polgebalt des Deftillats, 

leid) dem Ulfohol- 

t derurfpriinglidjen 
silt ijt, mittels des 
Ulfoholometers. Den in 
Deutſchland amtlich be- 
nutzten Deſtillationsap⸗ 
parat zeigt Fig. 1. A ijt 
das tillationdgefa, 
B der Riiblapparat mit 
innen verjzinnter Wef- 
fingidlange. Das Rohr 
C wird mittels zweier 
Schrauben u. Lederplitt- 
den an AundB befejtigt. 
Geiflers Vaporimeter 
(Fig. 2) gründet fid) dar⸗ 
einer wernge tigen Flüſſigleit 
die Spanntraft der dimpfe bei einer bejtinunten Tem 
peratur um fo qrifjer ift, je mebr Wlfohol fie enthalt. 





Fig. 1. Apparat sur Ermittelung des 
Alfohbolgebalts. 





Aig. 2. 
auf, dak beim ye 


Baporimeter. 


Das Inſtrument befteht aus einem Fläſchchen a aur | 


Aufnahme der Probe, das in Wafferdampf, der ſich 
aus dem Gefaj c entwidelt, erhigt wird. Die Dämpfe 





Alkoholpräparate — Alfuin. 


der alfoholifden Flüſſigleit driiden auf das Queckſilber 
in einem mit dem Fläſ verbunbdenen Barometer: 
on b und treiben es um fo höher, je größer ibre 
panntraft ijt. Die Sfala des Barometers zeigt zu⸗ 
qa den Wifoholgehalt an. d ijt ein omteter. 
nthalt die gu unterjudende Flüſſigleit Roblenfaure. 
fo ſetzt man zunächſt etwas gebrannten Ralf zu und 
filtriert. Silbermanns Dilatometer griindet fid 
Darauf, daß fic) Allohol beim Erwärmen vom Null- 
puntt bis * Siedepuntt etwa 3 mal fo ſtark aus- 
dehnt als Waſſer. Der Apparat ijt ein Thermometer⸗ 
rohr, in das man die Probe füllt, und mit einer etn- 
fachen Vorrichtung zur Entfernung der Gafe aus der 
Flüſſigleit verſehen. Man erwinnt die Brobe von 
25 auf 50° und beobadtet, wie ftarf fie ſich Daber 
ausdehnt. Die Sfala des Rohrs gibt fofort die Wifo- 
holprozente an. Beim Ebullio}fop bejtimmt man 
den Siedepuntt der Flüſſiglkeit und ermittelt ans einer 
Labelle den entſprechenden Ultoholgehalt. Bgl. Vu pF - 
fer, Handbuch der UW. (Berl. 1865); Brix, * Wl. 
foholometer und deſſen Anwendung 9 @. 
1864); Fifdhern, Praltiſche A. (2. 
1872); Homann, Das Gewid)t8altoholometer und 
feine Unwendung (Berl. 1889); »Unleitung sur fteuer- 
amtlicen Ermittelung des — 5 nn Srannt- 
wein« (7. Aufl., daſ. 1899); Windifd, Tafel sur 
Ermittelung bes Witohol ebaltes von Ulfohol-Wajrer- 
mifdungen (anttlid), da}. 1893). 

Alkoho olpraparate, aug — — und an- 
dern Alkoholen darjujtellende Uther, Gubjtitutions- 
probdufte, wie Chloralhydrat, Chloroform x. 

WAlFoholradifal (VW (fy), Utomgruppe, die dibrig- 
bleibt, wenn man aus der Forme! eines Allohois 
die _ Sodeorylgrup ruppen (OH) ſtreicht. WUthylattobol in 
C,H Radifal desfelben mithin C,H,. 

litehoiveraitiung, j. Truntjudyt. 

(fon, griech. Heros der Heilfunde, Asklepios 
Mitſchüler bei Cheiron, wurde in then verehrt, wo 
der Dichter —* ſein a befleidete. 

Alfor, Stern, ſ. Bar, Grojer. 

Wlfordn, der ‘Roran. 

Mlforndforinde, ſ. Bowdichia. 

Alkoſch, afiatijd-tirt. Ort, 40 km ndrdlid von 
Moful, mit 1000 Einw., früher Sig ded chaldäiſchen 
Patriarden und angeblid) Geburtsort de3 Propheten 
Rahum, daher von Yuden viel befucht. Yn der Nähe 
dad ——— Rabban Hormuz. 

{foven (v. arab. al-qobbah, »Gewidlbe, Zelt · ). 
ging iſche zur Aufſtellung eines oder mebrerer 
t oe Die Heimat des Wifovens ijt Franfreid, wo 
er aud) Heute nod) vielfad) Uniwendung findet, a 
wohl er, fenſterlos und obne direfte Liiftung, den 
hygienifden Anſchauungen wenig entfpridt. 

ſkuin (Ulduine), gelehrter Leiter des fränki— 
ſchen Schulwefens unter $a ri bd. Gr., aus angeljad- 
ſiſchem Geſchlecht um 735 in Port qeboren, geſt. 19. 
Mai 804. Naddem er, in der Yorler Mojfteridule 
erjogen, eine Wallfahrt nad Rom gemadt, ward er 
766 von feinem Lehrer Wibebrt, ber Biidhot von Nort 
geworden, jum Borjteher der dortigen Schule er- 
nannt. Wuf einer zweiten Reife nad Rom 781 traf 
er in Parma mit Karl d. Gr. zuſammen, der ihn an 


ſeinen Hof tud. A. fiedelte 782 nach dem Franfen- 


reid) über und erbielt die Einkiinfte mehrerer Adſter 
ju feinem Unterbalt angewiefen. Unter Alluins Ein 
fſluß wurde der Hof Rarls der — spuntt der 
Bildung für das fränkiſche Reich —— ſeit 


790 wieder mehrere Jahre im uae zu Port zuge · 


bracht, folgte er 794 von neuem dem Rufe Karls, der 


Alkyl — Allahabad. 


feiner zur Schlichtung der abdoptianifden Streitighei- 
ten und gur Fortſetzung der beqonnenen Vollserzie⸗ 
hung bedurfte. A. belämpfte den Urheber jened 
Dogmenſtreits, den Biſchof Felix von Urgel, fo er- 


folgreich, daß diefer 800 gu Aachen ſeine Lehre wider⸗ 


rief, beſeitigle die inzwiſchen eingeriſſenen Unordnun⸗ 
gen im franliſchen Schulweſen und zog ſich dann in 
die Stille des Martinskloſters zu Tours zurück, wo 
er als Abt eine Gelehrtenſchule gründete, die, von 
Karl glänzend ausgeſtattet, ſich bald zu einem Haupt- 
ſitz der Wiſſenſchaft erhob und dem Abendland jabr- 
hundertelang viele Lehrer gab. In der Geſchichte 
nimmt er durch die großen Verdienſte, die er ſich um 
die Verbreitung von Kultur und wiſſenſchaftlicher 
Bildung im Reiche Karls d. Gr. erworben hat, einen 
ehrenvollen Platz ein. Er gründete nicht bloß neue 
Bildun — fondern veranlaßte aud) die Or- 
de citi) eit gu fleißigen Studien. A. ſchrieb bibli- 
ſche Kommentare, Homilien, Sdriften fiir den Unter- 
richt in Den Unfangsqriinden der Philofophie, Mathe- 
matif, Rhetorif und Granmuatif, Lebensbejdreibungen 
der Heiligen, Gedichte und zahlreiche Briefe. Ohne 
cin originaler Geijt gu fein, bat er dod das geijtige 
Erbe des Ultertums in chriſtlicher Umprägung der 
Nachwelt tiberliefert. Cine vollſtändige Ausgabe fei- 
ner Werke von Frobenius (Reqensb. 1777, 2 Bde.), 
wieder abgedrudt in Mignes »Patrologiae cursus 
completus«, Bd. 100 u. 101 (Par. 1851), ſeiner Briefe 
in Jajffés » Bibliotheca rerum germanicarum <, Bd. 6 
(Berl. 1873). Bal. Lorengk, Alkuins Leben (Halle 
1829); F. Monnier, Alcuin et Charlemagne (2. 
Aufl., Par. 1863); Mullinger, The schools ot 
Charles the Great and the restoration of education 
in the ninth century (Lond. 1877); Weft, A. and 
the Christian schools (daf. 1892). 

Alkyl, ſJ. Altoholradilal. 

Alkylcyanide, ſ. Nitrile. 

Alkylene, ſ. Olefine. 

Alkylhaloide, Verbindungen der Alloholradilale, 
Altyle, mit Chlor, Brom, Jod. 

Alkyone, ſ. Halfyone. 

Alkydnens, im griech. Mythus einer der gewal⸗ 
tigſten Giganten, der bei dem Kampfe dieſer gegen 
die Götter vom Pfeile des Heralles durchbohrt wurde. 
Nach ſpäterer Sage fag er unter dem Vejuv. 

WN (qriech. pan), foviel wie Schöpfung, Welt, Uni- 

verſum, d. §. Der Inbegriff der im Raume vorhan- 
denen Dinge. Da es Grenzen des Raunteds nicht gibt, 
jo fann man aud) niemals wifjen, ob die uns befannte 
Wirklidfeit das A. ijt oder nur ein Teil desfelben; 
der Begriff des Alls ijt alfo ein folder, mit dem das 
Denten die Sdhranfen der Erfahrung überſchreitet, 
cine BVernunftidee, in der die Geſamtheit der Gegen- 
ſtände nicht nur der wirfliden, fondern aud) jeder 
nod) migliden Erfahrung als Ganges gedadt wird. 
Die Kosmologie (f. d.) ſucht gu beſtimmen, wie wir 
un das A. ju denfen haben. 

AU,, bet Pflanzennamen Ablürzung fiir Carlo 
Wilioni, geb. 1725 in Turin, geftorben dafelbjt 
1804 (»Flora Pedemontana«, 1785, 3 Bde.; »Auc- 
tuarium ad Floram Pedemontanam<, 1789). 

Allabreve (ital.), in der Muſik die Bezeichnung 
eines befdleunigten Tempos, das durd) C gefordert 
wird. Die Voridrift A. fordert urſprünglich (im 14. 
bis 16. Jahrh.) ein Taftieren nad) Breves (Doppel- 
taftnoten) jtatt Semibreves (Gangen), heute aber ent- 
jpredjend das Taftieren nad Halben ftatt nad) Bier- 
teln. Der fogen. große UWllabrevetatt, vorgezeichnet 
durd) CD oder ?, zaͤhlt ebenfalls nad balben, umfaft 


341 


aber deren vier; das alte Zeidjen () bedeutete jedod 
frither Dreiteiligteit der Brevis mit Zühlen nad Breves. 

All' Acqua, Hoſpiz, ſ. Bedretto. 

Allah (arab.), Gott, im Koran Name des höchſten 
Weſens, zu deſſen Verehrung Mohammed die Gläu— 
bigen verpflichtete, zuſammengezogen aus dem ara— 
2 Artilel al und Ah, Gottheit, verwandt mit 
dem El und Eloah der Hebräer. Der Name A. ijt in 
alle Spradjen übergegangen, ſoweit der Islam reidt. 
Die veridiedenen Eigenſchaften Gottes, in 99 Namen 
desſelben ausgedriidt, bilden, in einer beftinumten 
Reihenfolge As ciner Litanei verbunden, den Rofen- 
frang der Mohammedaner, der mit dem Namen 
U. alS dem Hundertiten, der alle friihern Priidifate 
einſchließt, endigt. Der Glaube an einen eingigen, 
ewigen und allmadtigen Gott ijt der widtigite Teil 
der 1Slamifden Doqmatif (j. Islam) und wird in der 
befannten Formel 14 iliha illallAh (in europäiſchem 
Munde: W. il W., »es gibt feine Gottheit außer A.«) 
augsgedriidt. Mohammeds A., der Ewige, der abſo— 
lute Herr aller Körper und Geijter, ijt weſentlich ver- 
idieden von dem YW. der Uraber vor Mohammed, der 
zwar mächtiger als alle andern Witter, aber nicht der 
einige. nidt einmal Herrſcher über jene ijt. 

ababad, Hauptitadt de3 Gouvernements der 
britiſch ind. Nordweſtprovinzen, unter 25° 16’ nördl. 
Br. und 81° 55’ öſtl. L., 61,5 m ii. M., Rnotenpuntt 
der Ralfutta-Dehli- und der Bombay-RKaltuttabahn, 
auf einer durch das Einmünden der Dſchamna in 
den Ganges gebildeten Landzunge, an deren Spite 
das grofe, von Albar erbaute, von den Briten nad 
mobdernen Bediirfnifjen umgeftaltete Fort; es um— 
ſchließt Rafernen, ein ea a a ein Urjenal fiir 
30,000 Mann, die beriihmte Saule des Ucofa, cinen 
unterirdifdjen Tempel mit dem ewigen Feigenbaum. 
A. felbjt befteht aus dem engen Cingebornenviertel 
mit drmlicen Lehmbiitten neben pradtigen Paläſten 
und dem ſchönen, gartenreichen europäiſchen Viertel. 
Hervorragende Bauten hat die Stadt wenige, 3. B. den 
Palajt des Gouverneurs, Rafernen, Berwaltungs- 
und Geridjt8gqebiude, die Große Moſchee, das Serail 
von Khusru gn unentgeltlicen Uufnahme von Rei- 
fenden, der Khusru Bagh (Garten und Maufoleum 
Khusrus), fatholijde und anglifanifde Rirde, Bi- 
bliothef und Mujeum, Stadthaus, das Muir Central 
College, das große Zentralgefiingnis ju Ndini. A. 
hat 901) 175,748 Einw., wovon zwei Drittel Hindu, 
fajt ein Drittel Mohammedaner, 6000 Chrijten. Der 
ſehr bedeutende Handel, vornehmlid) Zwiſchenhandel, 
wird gefordert durd die Eijenbahnen und den Ganges- 
Didamnafanal. A. ijt ein beriihmter BWallfahrtsort, 
wo fic, um im Ganges gu baden, im Dezember und 
Januar 250,000, alle 12 Jahre aber eine Million Pil- 
ger verſammeln. Die Divifion U. umfaft 44,714 
qkm mit (1901) 5,535,803 Einw., davon etwa 500,000 
Mobhammedaner, gegen 10,000 Chrijten, und zerfällt 
in die Dijtrifte Rhanpur, Fatehpur, Banda, Hantir- 
pur, UW. und Didaunpur. — A., Sig der fagenbhaften 
Könige aus dem Geſchlechte des Mondes Prati d- 
thana, kommt um 250 v. Chr. unter dem Namen 
Prayaiga (»Opferitdtte«; daraus das moderne 
Preag) vor. Die Stadt verddete unter den Kämpfen 
der Mohanrmedaner um Hindojtan, bis Albar 1572 
bier fein Fort Jlahabas haute, das Schah Didi- 
I. (1682—56) dann U.(»Stadt Gotted«) nannte. 


. gebirte sum Reide de3 Grokmoguls, bis es 1753 
durch den Delir Safter Jang von Audh erobert ward. 


Uber ſchon 1765 wurde es von den Briten befest und 
dem Grofmogul Schah Ulam zur Reſidenz angewwiefen. 


342 Allaftine Körper 


die Englander durd Vertrag 1773 dem Naib von Audh, 
der es endlich an die Oftindifde Rompagnie abtrat. 

Allaktine ſtürper, im Gegenſatze ju thermatftinen 
foldhe Rirper, deren Strahlung nicht lediglich durch 
die Temperatur bedingt ijt und deshalb den Strah- 
lungsgefepen nicht folgt, wie z. B. phosphoredssierende 
Store. Bgl. Uusjtrahlung von Wärme, Licht und 
chemiſchen Strablen. 

Allalingletſcher, |. Visp. 

Allan, 1) David, ſchott. Maler, qeb. 13. Febr. 
1744 in Alloa, geſt. 6. Aug. 1796 in Gsinburg, bil- 
Dete fid) auf der Kunſtalademie gu Glasgow und ging 
1764 nad Rom, wo er 1773 mit bem Bilde: der Ur— 
ſprung der Malerei (jest im der Nationalgalerie zu 
Edinburg) den erjten Preis der Wlademie von Gan 
Luca errang. Rad) feiner Rücklehr nad) Edinburg 
(1777) widmete er fic) der Bildnis- und Genremaleret. 
Seine meijt in Waſſerfarben ausgefiihrien Bilder aus 
dem Volfsleben feiner Heimat erwarben ihm den Bei- 
namen des »fchottijden Dogarth«. 1786 wurde er 
Direftor der Kunſtalademie in Edinburg. 

2) George, Pfeudonym, f. Kremnig. 

Allanblackia Oliv,, Gattung der Guttiferen. 
A. Stuhlmannii Enqgl. (ojtafrifanifder Fett- 
baum, Mfani), ein Baum mit mächtigen, faſt redt- 
winkelig abjtehenden Äſten, langen, fursgeitielten, 
länglich lanzetilichen Blattern, eingeſchlechtigen Blit- 
ten, faſt 30cm langer, in ber Mitte 15cm dicker Beere 
mit goldgelbem Überzug und 3 cm fangen Gamen 


mit fleiſchigem Urillus. Der Baum ijt fehr verbreitet | nach) Rom und ſtarb da 
im Ujambaragebiet. Cine Frucht liefert etwa 0,5 kg | 


Fett, Das bet 38° ſchmilzt und fic) zur Kerzen- und 
Seifenfabrifation eignen dürfte. 

Allanit, Mineral, foviel wie Orthit. 

Allan-Line (pr. Asin), engl. Dampferlinie, ſ. 
Dampfſchiffahrt (Tertbeilage). 

Allantoidea, Wirbeltiere, die cine Allantois be 
fipen: Reptilien, Bigel, Säugetiere. 

MAlantoin (Ullantoisfiure, Amniosſäure) 
C,H,N,O, findet fich in der Allantoisflüſſigleit der 


Nachdem diefer 1771 W. verlaffen hatte, überließen es 


Alldeutſcher Verband. 


verbindet, der Harnſtrang, geht, fo weit er im Ra- 
belftrang verläuft, bei der Geburt mit dem letztern 
verloren; in VerbindDung mit der A. entiteht die Harn- 
blafe, und gwar ebenfalls als Darmbdivertifel. Yn der 
Ullantoishshle, die bei den verſchiedenen Säugetieren 
mehr ober weniger —— beim Menſ ſehr 
klein ijt, findet ſich als Abſcheidungsprodult (Hari) 
des Embryos eine trübe Flüſſigkeit. 

Alla prima (ital.), in der Malerei die Behand⸗ 
lung, bet welder der Waler ohne Grundierung und 
weitere Vollendung durch Lafuren rc. fein Bild herjtellt. 

Ward (pr. ar), Baul, fath. Rirdenhijtorifer, geb 
1841 in Rouen, dort zuerſt Advolat, dann in ridjter- 
lidem Amt. Sein Hauptwert ijt die »Histoire des 
persécutions pendant les deux premiers siécles 
de I'Eglise« mit ifren fid) bid gum »Triumph der 
Kirche⸗ erjtredenden Fortſetzungen (Par. 1884 — 90, 
5 Bde.), populiir zuſammen ait in »Le christia- 
nisme et l’empire romain de Néron à Théodose« 
(1897, 2. Uufl. 1899). 

Allargando (ital., »breiter werdend<«), in der 
Mufit foviel wie ritardando, aber gewöhnlich mit 
crescendo verbunbden. 

Allaſch, ruſſ. Kümmellikör, benannt nad dem 
Dorf AW. univeit Riga, enthalt aud) Unis, Fenchel 
und Roriander. 

Allãta (lat., das Hingugebradte<), f. Illata. 

Allatius, Leo, cin von der griechiſchen gur rom. 
Kirche rei Aa. oom Theolog, geb. 1586 in Chios, 
leitete Die tiberfiihrung der Heidelberger Bibliother 

—8* 19. Jan. 1669. Er ſchrieb 

»De Ecclesiae occidentalis atque orientalis per- 

petua consensione libri IIIx (Köln 1648) und » Grae- 

_ ciae orthodoxae scriptores« (Rom 1652-—59, 2 Bde. ; 
neu hrsg. von Lammer, Freiburg 1864). 

Alla zoppa ial. sauf binfende oder ftolpernd: 
Art«), in der Muſil foviel wie Synfope, Verſchiebung 
der Alzente auf die leichten Taftteile. 

tider Verband, nationaler Sug und 
Ugitationsverein, geqriindet unter dem Namen All⸗ 
qemeiner Deutther Verband 9. Upril 1891 (die 


Kühe, tm Ralberharn, nad Genuf von Gerbſäure im | Namensänderung erfolgte 1. Juli 1894), als die Er- 
Menjidenharn, aud) im Ritbenfaft, in Roßlaſtanien- regung fiber die Breisqabe widhtiger deutſcher Inter⸗ 
rinde, in jungen Blatanentrieben und entjteht durch eſſen Durd den Sanjibarvertrag in Deutſchland weite 


Orydation der Harnſäure fowie durd) Erhigen von 
Giyoralfaiure nut Harnjtoff. Es bildet farb-, geruch⸗ 
und geſchmackloſe Rrijtalle, löſt ſich ſchwer in faltem 
Waſſer, leicht in Alkohol, reagiert neutral, verbindet 
ſich aber mit Metalloryden und gibt beim Erwärmen 
mit Salpeterfiure Allanturſäure CSH,N,O,. 

Wllantois (qried., Harnhaut, Sarniad), cine 
der Hüllen, die den Embryo der Reptilien, Vögel und 
Siiuger umgeben. Sie entiteht als eine Ausſtülpung 
des Darmes, wächſt in Form einer geſtielten Blaſe 
aus der Bauchhöhle des Embryos hervor und bis zur 
innern Oberfläche des Eies Hin. Hier breitet fie fid) mit 
ihrer an Blutgefäſßen reidhen Außenſchicht aus und 
umbiillt den in das Amnion eingeſchloſſenen Embryo. 
Bei den Reptilien und Vögeln dient die A. der Sauer: 
jtoffyufubr, ift alfo cin embryonales Utmungsorgan. 
Am Schluß der Embryonalperiode bildet fie ſich ganz 
oder bis auf cinen fleinen Rejt zurück. Bei den Sauge 
tieren Dringt Die A. in jeden jottenartigen Borfprung 
der Eihiille cin und bildet mit ihr das Chorion. 
Deffen Zotten verwachſen 3. T. mit einem Stiid der 
Wandung der Gebirmutter zum Mutterfuden; in 
dieſem fommt cin Austauſch von Stoffen des miltter- 
lichen Blutes mit denen des embryonalen ju ftande. 
Der Stiel der Allantoisblaſe, der fie mit Dem Darm 


Kreiſe erqrijfen hatte. Er will das deutſche National- 
gefühl vertiefen und das deutſche Boll anf die Muf- 
gaben hinweiſen, die ihm durd feine Weltmadtitelung” 
namentlid) in überſeeiſchen Ländern erwadjen fimd. 
Er tritt Daher fiir eine fraftige nationale Kolonial- 
und Unuswanderungspolitif em fowie fiir den Shug 
des Deutſchtums im Ausland, indem er auf energt 
ſches diplomatifdes Einſchreiten ſowie auf Bermeh- 
“rung und beffere Unterjtiigung deutſcher Schulen im 
Auslande hinarbeitet. Ferner ijter bemüht, die aufer- 
halb der Reichsgrenzen wohnenden Deutſchen bei 
ihrem Vollstum zu erhalten, indem er mit den Deut⸗ 
ſchen in Oſterreich⸗ Ungarn enge —— herge⸗ 
ſtellt Hat und auf die in überſeeiſchen Ländern woh— 
nenden Deutſchen durch Gründung von Ortsgruppen 
einwirkt. Um das Deutſchtum vor flawifder und angel- 
ſächſiſcher Erdriidung zu bewahren, erjtrebt der All- 
deutſche Verband ein enges ſtgatsrechtliches Verhaltnis 
des Deutſchen Reiches mit Ojterreid-Ungarn ſowie 
die Schaffung eines ————— Zoll · und 
Wirtſchaftsgebiets, das auch die Schweiz und die bei- 
den Niederlande gu umfaſſen hatte. Frei von jeder 
Parteipolitit und durchaus paritatifd will er lediglich 
nationale Ziele verfolgen. Als die geeigneten Mittel 
yur Erreichung dieſer Ziele bezeichnen die Verbands 








Alle — Allegorie. 


farang: 1) Belebung de3 vaterländiſchen Bewuft- 
cing in der Hetmat und Bekämpfung aller der natio- 
nalen Entiidelung entaegengelebten Ridtungen. 2) 
Ldjung der Bilbungs-, ae meal und Sdulfragen 
int Sine des dDeut}dhen Voltstums. 3) Pflege und 
Unterjtiigung deutid-nationalerBejtrebungen in allen 
Ländern, wo Angehörige unfers Volkes um die Be- 
hauptung ibrer Eigenart zu fampfen haben, und Zu⸗ 
jammenfajjung aller Deutiden auf der Erde fiir diefe 
Ziele. 4) Forderung einer tattraftigen deutſchen Inter⸗ 
ejjenpolitif in Europa und iiber See, insbeſ. aud Fort- 
flihrung der deutſchen Kolonialbewegung zu prattijden 
CErgebnijjen. Auch die innere nationale Fejtiqung ded 
Deutfden Reiches zählt gu den Uufgaben des Alldeut⸗ 
ſchen Verbandes, daber fein Eingretfen in den preußi⸗ 
iden Ojtprovingen, wo der Alldeutſche Verband bereits 
1893 vor dem Bejtehen ded Oſtmarlenvereins die Po- 
lenpolitit des Grafen Caprivi befaimpfte, in Schleswig 
qegeniiber den Dänen undin Elfah-Lothringen gegen= 
ilber den Proteſtlern. Der Verband wurde 1893 reor- 
— und entwickelt ſich ſeitdem in ſteigendem 

ße. Die Mitgliederzahl betrug Mitte 1897 an 
12,000, die Zahl der Ortsgruppen 82, davon 28 im 
Ausland (auerdem an 200 Vertrauensmanner). Um 
1. Jan. 1902 zählte der Verband 21,924 Mitglieder 
und 217 Ortsgruppen, davon 26 mit 2300 Mitglie- 
dern im Ausland. Verdienſte de3 Verbandes find feine 
Ugitation fiir die Bermehrung der Flotte jeit 1894, 
ſchon vor dem Bejtehen ded Flottenverein3, und fein 
Cintreten gu gunjten der Buren feit 1898, worin ihm 
fajt das ganze Boll gefolgt ijt. Die vom BVerbande 
veranjtaltete Geldfammiung fiir die Buren betrug bis 
Mai 1902: 542,522 ME. Die Verwaltung liegt in 
den Handen der Hauptleitung, eines —— ühren⸗ 
dent Ausſchuſſes und des Vorſtandes. Gegenwärtiger 
Vorſitzender iſt der — x gr erie Profefjor 
Ernjt Hajfe (}. d.) in Leipzig; Berbandsfdrift ſind 
die wöchentlich in Berlin pa 5 Ate »Alldeutſchen 
Blätter⸗. Daneben erſcheinen Flugſchriften des Ver— 
bandes (⸗ Der Kampf um das Deulſchtum«) bei J. F. 
Lehmann in München. Bgl. »Alldeutſches Werbe⸗ 
und Merfbiidlein« (6. Uufl., Münch. 1902). 

Alle, linter Nebenfluß de3 Pregels in Oſipreußen, 
entipringt ndrdlid) von Reidenburg bei Lahna, fließt 
durd) den LanSfer See, entpfiingt bei Schippenbeil die 
Guber, bei Ullenburg die Omet, ijt 54 km ſchiffbar 
und miindet nad 220 km langem Lauf bei Webhlau. 

Allee (franj.), cine mit zwei oder mehr Baumreihen 
bepflangte Straße. In Stadten dienen Ulleen haupt- 
ſächlich äſthetiſchen Bweden fowie sur Erzeugung von 
Schatten fiir den Verlehr. In regelmäßigen Untagen 
find fie oft von grofer Wirfung. Auf dem Lande be- 
zeichnen fie in wirlſamſter Weife den Weg und werden 
mit beftem Erfolge gu Objtertrigen benugt. Die früher 
febr beliebten Byramidenpappeln werden jetzt überall 
entfernt, weil jie durch ihre ſehr weitlaufende horizon— 
tale sig aes. die Ader neben den Wlleen aus- 
faugen. Alleebäume dürfen nidt von Natur hängen⸗ 
den Wuchs haben, da ſolche den Verfehr hindern. n 
vermeidet auch an Straßen mit großem Verlehr Bäume 
mit eßbaren Früchten und früh das Laub werfenden 
Arten. Beim Pflanzen in Städten muß die Nähe von 
Gasleitungsröhren möglichſt vermieden werden. 

Allée couverte, }. Dolmen und Graber, vor- 
geſchichtliche. 

Ullegat, Allegation, ſ. Allegieren. 

hanty (pr. adigtn), Fluß tm nordamerilan. 
Staat Fennfylvanien, vom Wejthange de3 Alleghany⸗ 
gebirges, bildet bei Pittsburg mit dem Monongahela 


343 


den Ohio (ſ. d.) und ijt 416 km fiir Boote, 320 km 
fiir fleine Dampfer fahrbar. 

Wlleghauygebirge (jpr. auigeni, Alleghanies) 
nennt man namentlid) in Deutſchland und Frankreich 
dad Saupigeirge de öſtlichen Nordamerifa, das vom 
Gebiete des Alabamafluſſes bis an den Hudfon reid. 
In Umerifa ſchränkt man den Begriff auf einen in 
den Staaten Pennfylvanien und Virginia gelegenen 
Teil des Gebirges ein und nennt das Sig saps 
in Übereinſtimmung mit Den alten Karten Appa— 
laden (j. d.). 

Alleghe, Dorf in der ital. Proving Belluno, Kreis 
Ugordo, im Cordevoletal, am öſtlichen Ufer des 1772 
durch Bergſtürze entitandenen Wile ghef ees, mit 
(1901) ca. 1100 (als Gemeinde 1483) Einw. 

Ulleghenty (pr. aaigend, Hauptitadt der gleidmami- 
gen Grafſchaft im nordamerif. Staat Pennſylvanien, 

eqeniiber Pittsburg (fj. d.), am Zuſammenfluß des 
lleghany und Monongahela, Bahnknotenpunkt, mit 
(1900) 129,896 Cinww. (vielen Deut\dhen), drei theolo- 
iiden Seminaren, Negercollege, Sternwarte, Wai- 
* Zuchthaus, Unionsarſenal und bedeutender 
uſtrie in Eiſen und Bronze, Maſchinen, Farben, 
Leder, Bier rc. (1900: 833 Betriebe mit 20,804 Ur- 
beitern und fiir 54,1 Mill. Doll. Produften). Der 
Wert des ftenerpflidtigen Cigentums betrug 1900: 
69,032,734, die ſtädtiſche Schuld 4,137,440 Doll. 

Allegiance (engl., fpr. aidſchens) Gehorſam, Un- 
tertanentreue, Daher Oath of A., der Untertanencid, 
ben friiher jeder Brite nad) Vollendung des zwölften 
Lebensjahres feinem Herrjder als weltlidjem Ober- 
Haupt gu leijten hatte, und der nod) jetzt von gewiſſen 
Beamten bei ihrer Ernennung gefordert wird, int 
Wegenfage gum Oath of Supremacy, Supremiatetd (7. 
Supremat), der ehHemals gleidfalls obligatorijd war. 

Allegieren (lat.), eine Stelle aus einem Bude 
anfiifren; Wilegat, das Angeführte, Zitat; Alle— 
gation, Unfiihrung einer Stelle. 

Allegorie (qried.), in der Kunſt und Poejie ſinn⸗ 
fiche Belebung und Darjtellung eines abſtralten Be— 

riffs oder eines verwideltern abjtraften Denfattes. 

ie U. entiteht durch die beſeelende oder perſonifizie— 
rende Upperjeption (ſ. Äſthetiſche Apperzeptionsfor⸗ 
men). Während das Symbol ein andeutender Er— 
fay fiir einen oft halb verſchloſſenen, geheimmisvoll 
in die Ferne deutenden Vorjtellungsfompler ijt, ein 
in verjiingtem Maßſtab ausgeführtes Bild fiir einen 
halb erfannten, halb geahnten weiten pſychiſchen In— 
halt, beſteht die A. allein darin, daß das Abſtrakte 
anthropomorphiſch beſeelt und denfend, redend, han— 
delnd, auch leidend vorgeführt wird. Je mehr kon— 
kretes Leben der A. verliehen iſt, um ſo künſtleriſcher 
wirkt fie; bleibt fie der ſinnlichen Fülle bar, fo ijt fie 
frojtig, falt. Durd) die Verfoppelung des Abſtrakten 
und Konkreten ift die A. der Fabel und der Parabel 
vergleidjbar, dod) find diefe lehrhaft, was die A. in 
der Regel nicht ijt. Als Beifpiele der A. mögen an- 
qefiihrt werden: Schillers » Madden aus der Fremde«, 
das die Poefie vergegenwärtigen foll, oder die Dar- 
jtellung der Geredhtigteit durch eine Frauengeſtalt mit 
Schwert und Wage. Erſt feit Leffings »Laofoon<, der 
das Unkünſtleriſche diefer Darjtellungsart nadwies, 
trat die A. guriid, ijt aber bis auf die Gegenwart fiir 
Die Runft, insbeſ. die plajtifde, unenthehrlich qeblicben, 
namentlid) bet Denfmalern und bei Ausſchmückun 
dffentlicher Gebãude, deren Beſtimmung zumeiſt rah 
allegorifde Figuren fenntlid ~— wird. Bgl. 
BWindelmann, Berfud einer Wl. (1766; hrsq. von 
Dreffel, Leipz. 1866); Bliimner, Uber den Gebraud 


344 


der A in ben bildenden Künſten (»Laofoon-Studien<, | 
Heft 1, Freib. . Br. 1881); Frant, Darjtelung und | 
Deutung der Ullegorien (fiir Xunjthandwerter :xc., | 
Hamb. 1880); Bornemann, Die A. in Kunit, Bif- | 
ſenſchaft und Sirde (Freib. i. Br. 1899); Allego⸗ 
rien und Embleme« (Entwiirfe moderner Künſtler, 
Radhbildungen xc., hrsg. von Gerladh, Tert von Jig, 
Bien 1883 —84; nene Folge 1896 —1900). 

Allegoriſche Anslequug, diejeniqe Auslegungs⸗ 
methode, welde den gehermen Sinn emer Schrift zu 
ermittein fucht, ein getjtreidjes, willlürliches Spielen | 
mit Borten und riffen, weldem das Streben ju 
Grunde liegt, den Gebalt emer Schrift als bloge Form | 
fiir einen andern, von ihr ganz unabbangigen Gebalt 
zu fajjen. Jn diefem Sinn tit die a. A. ſchon pon | 
ipatern griechiſchen Philoſophen — —————— 
und andrer Dichter der Vorzeit, ganz bef aber | 
von den aleranbdrinifden Juden zur Erklärung der 
Heiligen Sdrift angewendet worden. Yn der drijt- | 
lichen Theologie ijt ſie durd) Origenes herrſchend ge- | 
worden und tit heute nod nidt völlig überwunden, 
obgleich die Reformatoren grundjaglid) nur die gram⸗ 
matiſch⸗ hiſtoriſche Auslegung fiir zuläſſig erflarten, 
nachdem ſchon in der alten Kirche die antiocheniſche 
Schule (. d.) an die Stelle der allegoriſchen Auslegung 
die Anwendung des grammatij Schriftſinns fitr 
erbauliche Betrachtung geſetzt hatte. 

Allegoriſieren (qried.), etwas allegoriſch oder 
durch Allegorie (ſ. d.) darſtellen. 

Allegramente (ital.), foviel wie Allegro. 


Allegretto (abgefiirst Allo, Diminutiv von | oft frummidal 


allegro), gemäßigt lebbaft, Tempobezeichnung von 
ſehr ſchwankender Bedeutung; es gibt Allegretti, dic 
dem Allegro ſehr nabejteben, während andre nahezu 
den Charafter eines Andante haben. 

Allegri, 1) Gregorio, ital. Kirchenlomponiſt, 
qeb. 1584 in Rom, gejtorben dafelbjt 18. Febr. 1652, 
war Sdiiler Naninis und von 1629 papjtlicher Napell- 
finger. Sein neunftimmiges, in einem febr einfachen 
wiirdevollen Stile geſchriebenes »Miferere« gehört zu 
dem Repertoire der Sirtinifden Kapelle während der 
Rarwode. Zwei leichte zwei⸗ bid fiinfftimmige Con- 
certini (Stirdenfonjerte) und zwei Biider zwei⸗ bis 
ſechsſtimmige Wotetten erfdienen im Drud, Meſſen 
u. a. find handſchriftlich erhalten. 

2) Untonio, Maler, ſ. Correggio. 

Allégro (abgekürzt Alle, ital.), eine der älteſten 
mufifalijden Tempobezeichnungen, bedeutet »heiter, 
luſtig⸗, bat aber im Laufe der Beit die Bedeutung von 
rfdnell« erhalten. Wie man von einem Adagio als 
einem langſamen Sag ganz allgemein ſpricht, fo hat 
aud) bas Wort A. die allgemeine Bedeutung eines 
ſchnell bewegten Sages erhalten, und man nennt da- 
ber 5. UB. einen erjten Sympbhoniefag ein A., aud) wenn 
derſelbe vielleicht mit Vivace oder Con fuoco über— 


Allegorijdhe Auslegung — Allen. 


birten der Kirche. Noch jest gelten alle Ridhtfatholéfer 
al verdammt, und WMilderungen diejer Lehre wider - 
itreiten Dem fatbolifden a. Ubrigens fest arc 
die allgemeine protejtantijde Grundanidauung Die 
Zugehorigfeit zu irgend weldem chriſtlichen ird>ert - 

d als felbitverjtindlid voraus. 

Allelodidattifdy (qried.), auf den gegenfeitiqes: 
Unterricht gegründet, thn anwendend. 

Allemagne (jran}., for. of manny), Deutidland. 

Allemand, L’, Maler, f. LAllemand. 

Allemande (jor. af mangy’), ãlterer —— eraderra 
Taft, zu Ende des 16. Jahrh. der Name cigenS. 
wie er fic) aus der altmodiid qewordenen Pavane 
({. d.) entwidelt hatte. Bie der Ravane die Galliarde 
als Nadtany im Tripeltaft folgt, fo ijt auch der A. ir 
den deutſchen Suiten um 1610 (Peurl, Sein) meiſt 
eine >Zripla< angehãngt. Bielfad heißt in Deutid- 
land die UW. einfach ⸗Tanz« oder ⸗deutſcher Tanz⸗ 
In der fpatern (franzöſiſchen) Suite gu Ende des 
17. Jahrh. verſchwinden Pavane und Galliarde, und 
die A. ijt gewöhnlich der erjte Sag (vgl. Suite). Auch 
der ſchwãbiſche oder alemannifde, dem Walzer oder 
Laindler ähnliche Rundtanz (Dreher), der aber m 
4 Taft fteht, wird A. qenannt. 

Alle Mann anf, Befehl de3 Bootsmanns mit 
der Trillerpfeife, die Mannſchaft foll an Ded kommen. 

Alemannus, Sac., Glasmater, ſ. Griejinger 1). 

Wllemontit (ntimonarjen), Mineral, Wi- 
jung von Arſen und Antimon in wedfelndem Ber- 
haltms, zinnweiß bis lidhtbleiqrau, formig oder dicht, 

ig jtruiert, findet fid) zu Allemont um 
der Dauphin, Undreasberg x. 

Willen (pr. aden), 1) Bog of, großes Torfmoor in 
den iriſchen Grafidaften Kildare und King’s County, 
vom Grand Canal durchzogen; ihm entſtrömt der 
Boyne. — 2) See, f. Shannon. 

Allen, 1) Ethan, amerifan. Freiheitslämpfer. 
qeb. 10. Jan. 1738 in Litchfield (Connecticut), get. 
13. Febr. 1789, madhte fid als Obert emer Abteilung 
Bermonter durch die Einnahme von Ticonderoga 
(10. Mai 1775) befannt. Darauf der Armee des Ge- 
nerals Schuyler fich anſchließend, leijtete er bei Mont- 
gomerys Expedition nad Kanada gute Dienjte, geriet 
aber bei einem verungliidten Handjtreidh auf Mont- 
real in die Hände der Briten, die ihn erjt 1778 aus- 
wedjelten. Als Ubgefandter su Dem Kongreß hatte er 
es durchgeſetzt, daß Vermont 1791 als befonderer Staat 
angelehen wurde. A. verfafte politiſche Werke und cine 
heftige Schrift gegen die qeojfenbarte Religion (+> Rea- 
son the only oracle of man«, 1784; neue Ausg., Bort. 
1854). Sein Leben beidrieh De ¥ uy (Buffalo 1853). 

2) Charles, amerifan. Staatsmann und Rechts 

elehrter, geb. 9. Mug. 1797 in Worcefter (Maſſachu⸗ 
Pets), qeit. 6. Mug. 1869, begann feine politijde Lauf⸗ 





ſchrieben ijt. Der ſelten gebraudte Superlativ Alle- 
grissimo ſteht in der Bedeutung etwa mit Presto gleich. 
Al - Cinheitsehre, |. Monismus. 
Alleinherrſchaft, |. Monarchie. 
Ulleinfeliqmachende Kirdhe, Selbſtbezeichnung 
der fatholifchen Kirche, fofern fie erklärt, daß außer— 
balb ihres Verbandes niemand felig werden könne. 
Der Say: »Extra Ecclesiam nulla salus« (>aufer 
Der Kirche fein Heil«) iff, wenn aud nicht ganz mit 
diefen Worten, ſchon bei Cyprian (um 250) gu finden. 


Auguſtin, Leo d. Gr. und Gregor d. Gr. verfodten die | 


Besiehung des Sages auf den duferliden, orqani- 


ſierten Verband der fatholiiden Kirche und die Unter: | 


werfung unter den römiſchen Biſchof als den Ober 


bahn 1829 als Witglied der Leqislatur feines Gee 
| burtsftaates, nabm 1848 an der Freibeitsbewequng 
(free-soil movement) teil, wurde wiederbolt in Den 
Kongreß gewählt und belämpfte die Politif der ſüd⸗ 
lichen Sflavenhalter. Beim Ausbruch ded Segeffions- 
frieqes war er Mitglied des Friedensfongreffes (186 1). 
| B8)RarlFerdinand, din. Hiftorifer, geb. 23. April 
| 1811 im Ropenhagen, gejt. 27. Des. 1871, ftudierte 
und lehrte (feit 1851) an der dortigen Univerfitat, 
nadbdem er 1845—48 viele Archive Europas beſucht 
hatte. Sein in demofratifdem Sinne geſchriebenes 
» Haandbog i Fadrelandets Historie« (Ropenh. 1840, 
8. Mul. 1881; deutſch, Leipz. 1849) fibte auf die po- 
litiſchen Anſchauungen feiner Landsleute cinen nach⸗ 
| haltigen Einfluß aus. Nach Verdffentlidjung der Ur- 





— — — — 


- Ullenberg — Allerkatholiſchſte Majeftat. 


fundenfammlung »Breve og Aktstykker til Oplys- 
ning af Christiern Il:s og Frederik I:s Historie« 
(1854) erſchien fein Hauptwerf »De tre Nordiske Ri- 
gers Historie«, umfajjend die Jahre 1497—1527 
(1864—72, 5 Bde.), das ald eine der hervorragendjten 
Leijtungen der ffandinavifden Geſchichtſchreibung gilt. 
Dagegen haben feine zahlreichen philologifden und 
ethnographifden Beitrage zur ſchleswig⸗ holſteiniſchen 
Frage, bejonders die Schrift »Det danske Sprogs 
Historie i Hertugdémmet Slesvig eller Sinder- 
jylland« (1857—58, 2 Bde.), deutſcherſeits lebbaften 
Widerfprud hervorgerufen. 

4) Grant, engl. Raturforfder und Romanj{drift- 

fteller, geb. 24. Tor. 1848 in Kingston (Kanada), 
ejt. 24. Oft. 1899 in Surrey. Er trat in mebhreren 
Schriften fiir die Darwinſche Ridtung ein. Dabin ge- 
hören: » Physiological aesthetics« (1877); »The co- 
lour sense« (1879, 2. Aufl. 1892); »The evolutionist 
at large« (1881, 2. Aufl. 1885); »Colours of flowers« 
(1882); »Force and energy« (1888); »Charles Dar- 
win« (1885). Auch ſchrieb er cine Reihe von Roma- 
nen. Sein Leben beſchrieb Clodd (Lond. 1900(. 

Auenberg Gutsbezirk im preuß. Regbez. Königs⸗ 
berg, Kreis Wehlau, 3 km ſüdlich von Wehlau, mit 
Provinjialirrenanjtalt und (1900) 927 Einw. 

Allenburg, Stadt im preuh. Regbez. Königsberg, 
Kreis Wehlau, an der Wile, hat eine evang. Kirche, 
Damenjtift, Rettungshaus, Untsgeridt, Dampfmilh- 
fen und (1900) 1750 Einw. 

Wllendale (pr. ãuendeh, Marktſtadt in der engl. 
Grafidhaft Northumberland, am Allen, mit Bleigru- 
ben und (1901) als Gemeinde 4778 Einw. [lende. 

Allende, Stadt in Merifo, ſ. San Miquel de Ul- 
Allendorf, 1) Stadt tm preuß. Regbez. Raffel, 
Kreis Witzenhauſen, an der Werra und der Staatd- 
bahnlinie Franffurt-Bebra-Gattingen, 154 m i. M., 
hat eine evangelijde und eine fath. Rirde, Untsgeridt, 
DOberfirjterei, Bapier- und Papierwaren-, Ronjerven- 
und Ucetylenqasfabrifation, Dolaiciiettece und (1900) 
2807 Einw. Gegeniiber der Fleden Soden (f. d. 3). 
Ral. Wag ner, Geſchichte der Stadt A. (Marb. 1865). 
— 2) WM. an der Lumbda) Stadt in der heff. Bro- 
ving Oberheſſen, Kreis Gießen, hat eine evang. Kirche 
und (1900) 1106 Einw. 

Ullenftein, Kreisjtadt im preuß. Regbez. Königs— 
berg, an der Alle, Knotenpuntt der Staatsbahnlinie 
HOjterode-Memel und andrer Linien, hat eine evan- 
geliide und 2 fath. Rirden, eine ——— ein altes 
Schloß, ein Denfmal Kaiſer Wilhelms J. Gymna- 
ſium, Realſchule, Provinzialirrenanſtalt (KCortau), 
Eiſengießerei, Maſchinen⸗, Ziindholy-, Ofen- und 
Faßfabrikation, Holzbereitungsanſtalten rc. und (1900) 
mit der Garniſon (Infanterieregimenter Nr. 150 und 
151, Dragonerregiment Rr. 10 und Heldartillerieregi- 
ment Nr. 73) 24,295 meijt fath. Emwohner. A. ijt 
Sig eines Landgerichts (fiir die 10 Umtsgeridte zu 
A. Gilgenburg, Hobenitemn, Reidenburg, Ortelsburg, 
Djterode, Paſſenheim, Soldau, Wartenburg und BWil- 
lenberg), des Stabes der 37. Divifion, der 75. Ynfan- 
terie= und der 37. Ravalleriebrigade und einer Reids- 
banfnebenjtelle. Es erhielt 1353 kulmiſches Stadtredt. 

Allentando (ital.), langjamer werdend. 

Wlentown (jor. tam), Hauptitadt der Grafidaft 
aegis im nordamerifan. Staat Pennſylvanien, am 
Lehighfluk und -fanal, Bahntrotenpuntt mit (1900) 
85,416 Einw. (vielen Deutſchen), dem deutiden Miih- 
lenberg-Colleg, großen Eiſen⸗ und Farbwerfen, Sei- 
denfabrifen u. a. (1900: 491 Betriebe mit 8447 Ar⸗ 
beitern und 16,947,722 Doll. Produftionswert). 


345 


Wflentfteig , Stadt in Niederöſterreich, ris sien 
Zwettl, an der Staatsbahnlinie Wien-Gmiind, hat 
ein Bezirlsgericht, ein Schloß, cine Landesſiechen⸗ 
anjftalt und (see) 1198 Einw. 

(Ulappalli, Uulapolay), Hafen de3 
Tributärſtaats Travankor in der britiſch-ind. Prafi- 
dentidaft Madras, ah der Malabartiijte, mit son 
22,768 Cinw. 

Aller, rechter Nebenfluf der Wefer, entſpringt bei 
Seehauſen im preuß. Regbez. Magdeburg, 155 m i. M, 
fließt meift in nordwejtlider Richtung durd) braun- 
ſchweigiſches Gebiet und von da in die Proving Han- 
nover, ijt von Celle ab 117,6 km ſchiffbar und miin- 
det unterhalb Verden. Ihre Linge betraigt 162 km. 
Bufliiffe: rechts die Orze und Böhme (von der Lüne⸗ 
burger Heide), link die Ofer mit der Ilſe und die 
Reine mit der Innerſte. Bgl. Keller, Wefer und 
Ems, ihre Stromgebiete xc., Bd. 4 (Berl. 1902). 

Allerchriſtlichſte Majeftat (lat. Rex christia- 
nissimus, franj. Sa Majesté trés chrétienne), Titel 
der Könige von Franfreid), den Ludwig XL. 1469 vom 
Papſt Paul I. fiir fic) und feine Nachkommen erhielt. 
Während der Kaiſerzeit fam er außer Gebraud, dod 
nahmen ihn Ludwig XVIII. und Rarl X. wieder an. 
Der »VBiirgerfinigs Ludwig Philipp führte ihn nidt. 

Allerglandi Sohn Ki (Wiler- 
big AL Majejtat, lat. Rex fidelissimus, fran}. 

Majesté trés fidéle, unridtig oft mit »allerge- 
treuejt« überſetzt), Titel der Könige von Portugal, den 
Johann V. 1748 von Papſt Benedift XIV. erbielt. 

Allerheiligen, tathol. Feſt sum Gedächtnis aller 
Heiligen und Märtyrer, im Orient fon feit ca. 350 
am + ide nad Pfingſten gefeiert; im Abendlande 
ward es, friihejtend unter Bonifacius IV. (ca. 610) 
nadweisbar, durch Gregor IV. (834) fiir den 1. Nov. 
vorgeſchrieben. 

llerheiligen, 1) Ruine ded 1196 geſtifteten, 1803 
aufgehobenen Prämonſtratenſerkloſters im Tal des 
Lierbachs im nördlichen Schwarzwald und im badi- 
ſchen Kreis Offenburg. Dabei 2 hi Quftfurort 
620 m ii. M.). Die in einfamer Wildnis gelegenen 
riimmer und der in fieben Fillen abjtiirzende Bach 
Büttenwaſſerfälle) werden ftart beſucht. ay. edt, 

8 Kloſter U. (2. Aufl., Karlsr. 1889); Sderer, 
A. einſt und ee (Leip;. 1900). — 2) Bitriol- und 
Wlaunbiitte, i aſchau. 

Allerheiligenbai, ſ. Bahia. 

Allerheiligenholz, Rotholz von Bahia. 

All ligeninſeln (franz. Les Saintes), fleine 
franzöſiſch-⸗ weſtind. Jnfelgruppe fiidlid) von Guade- 
loupe, dem fie politijd gugehbren; 14,22 qkm groß. 
feljig, ohne Ouellen, nig Urry x Nutzwaſſer gibt 
e3 nur durch Bijternen. Die drei bewohnten Haupt- 
infeln, Terre d'en Haut mit Hauptort Saintes, Terre 
d'en Bas und Vet a Cabrit mit Strafanftalt und 
Hojpital, umſchließen cine fidjere, befejtiqte Reede. Die 
Bewohner eed 1803) treiben etwas Raffeebau. 

MAllerheiligfteds, die geheimſte innere Ubteilung 
der Tempel (Wdyton) bei den alten Völlern, wohin 
den Brofanen der Zutritt —— war; bei den Juden 
insbeſ. die hinterſte Abteilung der Stiftshütte, ſpäter 
des Tempels, wo bis zum Exil die Bundeslade auf— 

eſtellt war. Nur der Hoheprieſter betrat einmal im 
Sabre, am Verſöhnungstag, dad Allerheiligſte. Jn 
der fatholifden Kirche verjteht man darunter die ge- 
weihte, in einem Gefäß (Monſtranz) zur Verehrung 
— oſtie; aud) das Gefäß, das jene bewalrt. 

llerkatholiſchſte Majeftat, cin Teil des Titels 
der Könige von Spanien. 


346 


Allerileigewiirg, Miſchung von gemahlenem Yng- 
wer, Pfeffer, Piment oder remer Piment. 
Alermannsharnijd, ſ. Allium und Gladiolus. 
Allers, Chrijtian Wilhelm, Maler und Reid- 
ner, geb. 6. Aug. 1857 in Hamburg, bildete fich jum 
Lithographen aus, widmete fic) dann aber auf der 
RKunftidule gu Karlsruhe der Malerei. 1880 madte 
ec cine Studienreife nad Giidtirol, der fpater, nad)- 
dem er ein Jahr als Matrofe auf der Marine gedient, 
ablreide andre nad) Holland, England, Schweden, 
sitalien umd den Mittelmeerländern foigten. A. hat 
ſich durch —— Zeichnungen und zuſammenhän⸗ 
gende, mit Bleiſtift und Tuſche gezeichnete Bilder— 
reihen belannt gemacht, in denen er das Leben ein- 
iner Berujs- und ——————— mit naivem, 
rid quellendem Humor, —* ſatiriſche Nebenabſicht, 
mit liebevoll eingehender rafterijtif und feinem 
Schönheitsgefühl ſchildert. Vornehmlich hat ihm das 
Treiben hinter den Kuliſſen von Rirfus und Theater 
cine Fülle von Wotiven geboten, die er in den Zyflen: 
Zirkus Renz, die Mikadogeſellſchaft, hinter den Kuliſ⸗ 
jen und die Meininger bearbeitet hat. Bon jeinen 
iibrigen, ju zylliſchen Darjtellungen vereinigten Cha- 
rafterjtudien, Vollsſzenen und Ganbdidaiter find die 
Hamburger Bilder, der Rub Cintradt (im Beſitz der 
Berliner Rationalgalerie), die Spreeathener, die Hod)- 
zeitsreiſe durch die Schweiz, die filberne Hochzeit, 
Capri, Bachſchiſch (Studien von einer Orientreiſe), 
Fürſt Bismard in Friedrichsruh, Unſer Bismard und 
Rund um die Erde (alle photographic) vervielfaltigt) 
a a UL. lebt in Karlsruhe. Val. Olinda, 
reund A., ein Riinjtlerleben (Stuttg. 1894). 
Allerſeelen, tathol. Feſt am 2. Nov. zum Gedächt 
nis der Gejtorbenen, hat ſich, zuerſt im Kloſter Clugny 
durch Abt Odito 998 angeordnet, ohne bejtimmtes 
tirchliches Gebot allmählich durchgeſetzt. Begangen 
wird es durch feierliches Totenamt und durch Wall—⸗ 
ſahrten zum Gottesacker, wo die mit Blumen und 
Lampen geſchmückten Gräber mit Weihwaſſer be— 
a+ werden. 
e8 flicht, d. 6. alles wechſelt ewig (qried). xavra | 
det), ein auf den griechijden Boilofophen Herafleitos | 
(um 500 v. Chr.) zurüchgeführter Ausſpruch. 
Wllesfreffer (Omnivoren), Tiere, die tieriſche 
nnd pflanzliche Nahrung nehmen, wie die Schiweine. | 
Allevard (pr. alwary, Stadt im franj. Depart. | 
Vere, Urrond. Grenoble, 475 m i. M., im Tal des 
Breda, an der Eiſenbahn Détrier-VW., mit einer Schwe⸗ 
felquelle (16°) und Badeetabliffement, Bergbau auf 
Cijen, einer Cijenbiitte, Gipsbriiden, Fabrifation von 
Stahlwaren und Seidenjtoffen und ave, 1678 Cinw. 
ligaier, Johann, Schadjpieler, geb. 19. Juni 
1763, gejt. 1823 in Wien, war 1798—1816 im diter- | 
reichiſchen Milttardienst ; fchrieb » Rene theoretijd-prat- 
tiſche Anweiſung zum Schachſpiel « (Wien 1795, 7. Aufl. 
1841, 2 Tle.), dad erjte derartige braudjbare Buch in 
deutſcher Sprade. Eme von ihm befonders gepflegte 
lühne Bariante des Königsgambits heißt U.-Gambit. 
Wigan, ſJ. Algäu. 
Allgemein (Allgemeinheith, ſ. Begriff, Urteil. 
Allgemeine deuiſche Bibliothek, |. Nicolai 2). 
—— Grammatik, ſ.Sprache und Sprach⸗ 
enſchaft. 





wi 
Ugemeiner Deputiertenkonvent (A. D. C.), 
ſ. Studentenverbindungen. 
Allgemeiner Deuiſcher Schulverein, |. Deut⸗ 
ſcher Schulverein. 
Allgemeiner DeutſcherſEprachverein, {.Deut- 
ſcher Spradverein. 


Allerleigewiir,; — Allgemeines Stimmrecht. 


Allgemeines Stimmredt (franj. Suffrage uni- 
versel), die Befugnis, gum Bwed der Mitwirhing 
bet den widtigiten ~ 9 ag mitzuſtim⸗ 
men, inſofern dieſe Befugnis jedem Staatsangehöri⸗ 
gen eingeräumt ijt, der fid) im Vollgenuß der ſtaats⸗ 

lirgerliden Rechte befindet. Cine unmittelbare Mit- 
wirfung der Geſamtheit der —— bei der Ge⸗ 
ſetzgebung und deren unmittelbare Teilnahme an der 
Verwaltung des Staates ſind ſelbſtverſtändlich nur 
bei einem ganz kleinen Staatslörper, wie z. B. in eini⸗ 
gen Schweizer Kantonen, möglich. In Freiſtaaten 
oder konſtitutionellen Monarchien von größerm Um- 
fang fann das Boll eine derartige Mitwirhung nur 
mittelbar, d. §. durch Wahl von Vertretern (Bolle 
vertretern), betitigen. Wird nun das Recht, an den 
Wahlen dieſer Volksvertreter teilzunehmen (attives 
Wahlrecht), den Staatsan fey ae unniittelbar, obne 
Rückſicht auf ibre biirgerlide Stellung und auf ihre 
Ubgaben zur Staatatafe eingeräumt, jo ſpricht man 
von einem allgemeinen Stimm⸗ oder Wahlrecht oder 
genauer von einem allgemeinen gleidjen und unmit⸗ 
telbaren Wahlrecht. Bei der indireften Wahl beſteht 
swijdjen den Wählern (Urwablern) und den Ge- 
wählten das Bwifdenglied der Wahl männer, weld 
legtere von den Urwablern gewählt werden und die 
dann die Whgeordneten gu wählen haben. Das all 
emeine Stimmrecht befeitigt dieſes Zwiſchenglied und 
äßt die Ubgeordneten unmittelbar von den Wabhl- 
beredjtigten wablen. Dies Syjtem ijt in England, 
Nordamerifa, Frankreich, Belgien, Italien, tt Den 
meijten Schweizer Rantonen, in Wiirttemberg und 
aud fiir die Wahlen zum deutſchen Reichstag, in eini- 
gen Ländern auch fiir die Gemeindewahlen angenom:- 
men, während das Syjtem der indirefien Wahl in 
Preußen, Bayern, Sadfen, Baden und in verſchiede⸗ 
nen deutſchen Meinjtaaten bejteht. Einige Staaten, 
wie 3. B. Oſterreich, haben ein gemiſchtes Sytem. Erit 
infolge der Revolution von 1848 wurde das allgemeine 
Stimmredt in Frankreich eingefiihrt. Nod) während 


| Der Republif aber, und gwar gerade deshalb, weilman 


deren Beſeitigung durd) das allgemeine Stimmrecht 
befiirdtete, wurde es wiederum abgeſchafft, bis Lud- 


} wig Napoleon es durd) Plebiszit vom 2. Dey. 1852 


wiederherjtellen liek, um dann, geſtützt auf das Suf- 
frage universel, die Republif felbjt zu ſtürzen. 

Rach dem Vorgang Franfreichs hatte auc die Franks 
furter Nationalverſammlung durch Geſetz vom 12. 
April 1849 das allgemeine Stimmrecht einzuführen 

ejucht, indent fie bejtimmte, daß an den Wahlen der 

bgeordneten gum Vollshaus jeder unbefdoltene 
Dentide nad) vollendetem 25. Lebensjahr teilyunel- 
men psig, far ſolle. Dieſes Geſetz fam allerdings 
nicht zur Verwirklichung; es blieb jedoch das immer 
entidjtedener auftretende Verlangen nach Einberufung 
einer deutſchen Gefamtvolfsvertretung auf der Grund- 
lage des allgemeinen und Ddireften Wahlrechts, und 
als 1867 ber Norddeutſche Bund erricdtet ward, fand 
dag allgemeine Stimmrecht in deffen Verfaſſung Auf⸗ 
nahme. Wud die deutſcheReichsverfaſſung vom 
15. Upril 1871 (rt. 20) bejtimmet, dak der Reichstag 
aus allgemeinen und direften Wahlen mit geheimer 
Ubjtimmung bervorgeht, und das Wahlgeſetz vom 
81. Mai 1869 enthalt in § 1 die Beſtimmung, dah 
jeder Deutſche nad guriidgelegtem 25. Lebensjahe in 
dem Bundesjtaat, wo er feinen Wohnſitz hat, Wahler 
fiir den Reichstag ijt. Eine Ausnahme (Wabi gefer, 

8) findet nur ftatt fiir diejenigen, deren Vermdgen 

& im Ronfurs befindet, fiir Matenes unter Bor» 
mundſchaft oder Kuratel, fiir folde, die cine Uren 


Allgemeine Zeitung — Alliance Israélite universelle. 


unterſtützung beziehen oder im letzten der Wahl vor- 
hergegangenen Jahr bezogen haben, und endlich) aud 
fiir diejenigen, denen infolge rechtskräftigen Erkennt⸗ 
niſſes der Vollgenuß der ftaatsbiirgerliden Rechte ent- 
ogen ijt. Für Berfonen de3 Goldatenftandes des 
res und der Marine ruht das Wabhlredt fo lange, 
ald fie fic) bei der Fahne befinden. Cin Gegengewidt 
gegen das allgemeine Stimmrecht glaubte die Reichs⸗ 
verfaffung in der Diätenloſigkeit der Reichstagsab— 
cordneten zu finden. [ber den innern Wert des Sy⸗ 
jtems des allgemeinen Stimmredt3 wird geſtritten. 
Während z. B. Lamartine das allgemeine Suͤmmrecht 
als einen Adelsbrief bezeichnete, * das franzöſiſche 
Volk 1848 unter den Trümmern des Thrones gefun⸗ 
den, ſprechen ſich andre, ſelbſt freiſinnige Männer 
gegen das allgemeine Stimmrecht aus, weil es der 
a 9 und unerfabrenen, aber zablreidern Menge die 
Macht über die höhern Klaſſen der Gefellfdaft ver- 
leihe, die Intereſſen der Bildung, der Kultur und des 
Vermigens bedrohe und durd Fie Huantitat der bef- 
jern Qualität der Wahler Eintrag tue. Die Erfah- 
rung bat dieſe Befiirdtungen nicht überall bejtitigt. 
Ubrigens ijt bas allgemeine Stimmrecht bereits fo tief 
in das Rechtsbewußtſein ded Volles eingedrungen, 
daß an feine Befeitigung nidjt wohl gu denfen ijt. 
Vgl. Wahl. 

Allgemeine Heitung, in München erjdeinende 
politifche —— pig <p pein Ridtung, 
mit wiſſenſchaftlicher Veilage, die 1798 von J. F. Cotta 
in Stuttgart beqriindet wurde. Als fie 1803 von der 
wiirttembergijden Regierung verboten ward, fiedelte 
fie nach Um und 1810 nad Augsburg über, wo fie bis 
1882 ihren Sif bebielt und ihre Bliiteseit erlebte. 1882 
wurde fie nad) München verlegt, und 1889 ging fie 
in den Krönerſchen Verlag iiber, der 1895 den Ver— 
fag der Allgemeinen eitung von dem iibrigen (der 
jebigen deutſchen Verlag sgejellidaft Union) abtrennte. 
Ihre Redatteure waren: Ludw. Ferd. Huber (1798— 
1804), Karl Steqmann (1804—37), Guft. Rolb (1837 
bis 1863), A. Altenhöfer (1863—70), Otto Braun 
(1870 —89), Hugo Jacobi (bis 1891), der Hijtorifer 
Alfred Dove (1892), Chr. Peet (1893— 96), der 
frithere badiſche Staatsanwalt Julius Jolly (1897 
bis 1898), Karl Miihling (1898—99). Jest ijt Haupt- 
redafteur Hans Tournier, Redafteur der wiſſenſchaft— 
lichen Beilage Osfar Bulle (Herausgeber eines großen 
italieniſch⸗ deutſchen Worterbuches [mit —— und 
Verfaſſer verdienſtlicher literargeſchichtlicher Arbei— 
ten). Die hervorragendſten Dichter, Schriftſteller und 
Gelehrten Deutſchlands (unter andern Heine, Börne, 
Gutzkow, Fallmerayer, WU. v. Reumont, F. X. Kraus) 
gehörten ju den Korreſpondenten und Mitarbeitern 
Der Allgemeinen Zeitung. Vgl. Heyck, Die A. B. 
1798 —1897 (Stuttg. 1898). 

Allia, Flüßchen im alten Latium, 11 Millien 
oberhalb Roms auf dem linken Ufer m den Tiber 
mündend (jest Foffo della Bettina), denkwürdig durd 
die Niederlage, die diefer Stelle gegeniiber auf dem 
rechten Ufer die Römer 18. Yuli (dies Alliensis) 390 
yp. Chr. von den Galliern unter Brennus erlitten. 

Alliance, ſ. Allianz. 

Alliance (franz., for. angh'), altes franz. Karten— 
ſpiel mit Whiſtlarte unter 4-—6 Perſonen. Entweder 
zwei Perſonen machen A. oder einer ſpielt gegen alle 
andern. Es gilt, die meiſten Stiche und in dieſen die 
meiſten Figuren von derjenigen Farbe zu befommen, 
in Der geſpielt wird. Figuren d Kinig, Dame, 
Bube und Fahne (diele tit in den roten Farben die 
Neun, in den ſchwarzen die Drei). 


347 


Alliance (pr. staiens), Stadt im nordamerifan. 
Staat Ohio, Graffdhaft Start, am Mabhoningfluy. 
Bahnfnotenpuntt, mit Fabrifen von Bleiweiß und 
Landwirtſchaftsmaſchinen und (1900) 8974 Einw. 

WUlliancebraten, ſ. Sqelbraten. 

Alliance francaise (volljtinbdig: A. f. pour la 
propagation de la langue francaise dans les colo- 
nies et a l'étranger), ein 1883 zu Baris gegründeter 
Verein, der fid) die Uusbreitung der franzöſiſchen 
Sprache iiber die Grenjen Frankreichs hinaus gum 
Biel fest. Jn diefem Sinne betreibt er die Griindung 
und Unterhaltung von Sdulen —— Frank⸗ 
reichs und vermittelt einen regen Verlehr der im Aus⸗ 
lande lebenden Franjofen mit der Heimat. Mit rei- 
den Mitteln arbeitend, führt die A. f. den Kampf 
namentlid gegen das Deutſchtum, befonders in der 
Schweiz und tm vlämiſchen Spradgebiet Belgiens. 

Alliance Israélite universelle, cin 1860 


gu Baris gegriindeter, über die ange Erde aus- 
ee eo erein, deſſen aus 63 Mitgliedern (25 in 


ris go wohnbaft) bejtehendes Rentralfomitee 
feinen Sis in Paris hat, und der es fid) zur Aufgabe 
jtellt: 1) itberall fiir die Gleichſtellung und den mora- 
liſchen Fortfdritt der Yuden gu wirfen; 2) denjeni- 
gen, die in ihrer Eigenſchaft als Yuden leiden, eine 
wirffame Hilfe angedeihen gu laſſen; 3) jeder Schrift 
feine Unterjtitgung gu gewähren, die qeeiqnet ift, dieſe 
Refultate herbeizufiihren. Der erite Prajident der A. 
war Rinigswarter, dann folgten Ud. Crémieur 1863 
bid 1866 und 1868—80, dazwiſchen Profeſſor Salo- 
mon Munk und 1880 — 98 S. H. Goldjdmidt. Ge- 
— ſteht N. Leven an der Spitze. Die A. zählte 

nde 1891: 31,000 Mitglieder, wovon etwa ein Drit- 
tel auf Deutfdland fommt, befigt cin Grundfapital 
vor ungefähr 700,000 Franf, verwwaltet fiir die Er- 
— von israelitiſchen Schulen in der Türkei einen 

onds von 10 Mill. Fr., geſtiftet von Baron und 
Baronin v. Hirſch, und bezieht an jährlichen Bei- 
trägen und Gefdenten ca. 170,000 Fr. Sie wirtt 
durd) Ynterventionen bei den Regierungen oder de- 
ren Bertretern, durd Griindung und Unterhaltung 
von Sdulen in den Ländern, wo es an foldjen feblt, 
durch Unterbringung von Zöglingen derfelben bei 
Handwerksmeijtern, durch Unterſtützung fo oi Her⸗ 
ausgabe von jüdiſchen wiſſenſchaftlichen Werlen ꝛc. 
Außer vielen von der A. gegründeten Schulen im 
Orient (in der Türkei, Ägypten, Maroffo, Rerfien, 
Bulgarien, Tunis und anderswo 106 Sdulen mit 
29,500 Schülern) beſitzt fie nocd) drei Uderbaufdulen 
in Jafa bet Jerufatem (jur Aufnahme von 200 Zög⸗ 
lingen beftimmt, gegenwärtig von 174 beſucht), m 
Djedeida bei Tunis mit 160 Zöglingen und in Or Je⸗ 
huda bei Smyrna mit 60 Zoglingen, ferner Hand- 
werferjdulen. Die Hauptfomitees der A. in Deutſch⸗ 
land find ju Ridin, Breslau, Poſen, Mannheim, 
Niirnberg, Dürkheim. Jn Köln werden die deutfden 
Monats- und Semeſterberichte gedruct und verſchickt. 
In den Zeiten der Vertreibungen und Uusweifungen 
der Yuden aus Rufland (1881/82 und fpiiter) bat 
die A. eine umfangreide i ae entfaltet. 1900 
bis 1901 hat jie große Summen in Ruminien fiir 
Volfstiichen und Auswanderung verwendet. — Ver⸗ 
eine mit ähnlichen Bielen find die Anglo-Jewish Asso- 
ciation und der Board of Deputies in London, die 
Israelitiſche Allianz in Wien, der Board of Dele- 

tes in New Port und der Hilfsverein der deutſchen 
Shen, die aber, mit Wusnahme der Anglo-Jewish 
Association, ihre Wirffamfeit mehr den Intereſſen 
des eignen Landes zuwenden. 


348 Allianz — 


Alliaͤnz (franz. Alliance, jpr. -angh), Bündnis, 
völlerrechtlicher Vertrag zwiſchen zwei oder mehreren 
Mächten zu einem beſtimmten Zweck. Im Gegenſatze 
zu einer organiſierten und auf die Dauer berechneten 
Staatenverbindung, wie ſie uns in einer Union oder 
Konföderation, —— oder im Staatenbund 
entgegentritt, hat die A. einen vorübergehenden Cha- 
rafter. Die verbündeten Miidjte, die zu gunſten des 
Büundniſſes von ihrer politifden Selbjtindigfeit nidhts 
aufgeben, werden Alliierte genannt. Der Zweck der 
A. tit ein fpegieller; es handelt fid) wim die wechſel— 
jeitige Unterjtiigung in beſtimmten Fallen zur Er- 
reidung bejtimmter Ziele, nidt wie bei jenen Staa- 
tenverbmdungen und Staatenjtaaten um die Reali- 
jierung des Siaatszweckes überhaupt. Je nad) diejem 

wed werden die Allian verſchieden bezeichnet. 

ur Abwehr von Angriffen werden Defenſiv— 
allianzen, zur Durchſetzung von Anſprüchen auf 
triegeriſchem Weg Offenſivallianzen und jum 
gemteinjamen Operieren nad) beiden ichtungen hin 
Offenſiv- und Defenſivallianzen Gchutz— 
und Trutzbündniſſe) abgeſchloſſen. Ferner un— 
terſcheidet man zwiſchen allgemeinen und beſondern 
Allianzen. Die allgemeinen Allianzen ſind für 
jeden eintretenden Fall des Bedürfniſſes geſchloſſen; 
die beſondern dagegen verbinden nur für einen 
beſtimmten Fall oder für eine beſtimmte Zeit oder 
gegen einen beſtimmten Feind zur Hilfe. Weiter un- 
terjdeidet man einfache Allianzen und ſogen. Kriegs⸗ 
gemeinſchaften. Bei den einfachen Allianzen er— 
ſcheint nur einer der verbündeten Staaten als frieg- 
führende Hauptmadt, der andre aber blof als hilfe— 
leijtendDe Nebenmadt, fo daß dieſer legtere weder den 
Kriegsplan nod die Abſchließung des Friedens und 
deſſen Bedingungen mit zu bejtinunen das Redjt 
hat. Ubrigens werden die gegenfeitigen Pflichten und 
Redhte gewöhnlich näher feltgefep. Die Kriegs- 
gemeinfdaften (Sociétés de guerre, Alliances 
pour faire la guerre en commun, Soalitionen) 
unterſcheiden fid) von den einfachen Allianzen da- 
durch, daß in ihnen der Krieg, der gefiihrt wird, 
allen Verbiindeten in gleichem Make gemeinfam ijt 
und Daher jede der alltierten Mächte al8 triegfiihrende 
gilt. Das Wejen einer folden Berbindung ijt die 
Gemeinſchaftlichleit in Bezug auf die Führung und 
auf die Folgen des Krieges. Als cine beſondere Klaſſe 
der ——— fann man aud) Subſidientraktate 
anjeben. Diefe gehen zuweilen dahin, dah eine Macht 
emer andern gu einem Srieg eine Anzahl Truppen 
gegen ete dafür bedungene Geldvergiitung überläßt, 
obne felbjt trgend einen direlten Anteil an dieſem 
Rriege ju nehmen. Chrenvoller find die Gubfidien- 
traftate, die zwiſchen bereits Verbiindeten zur Durd- 
führung der thnen gemeinfdaftlichen Sade geſchloſſen 
werden und bei gleichem Zwechk fid) nur durd die Ver- 
jdiedenheit der sur Kriegführung von den Teilneh- 
menden ju verwendenden Mittel (Geld, Waffen, Sol- 
Daten) von den eigentliden Allianzen unterfdjeiden. 
Auch dieGarantievertrage gehören hierher, durd 
die ein Staat dem andern verſpricht, fiir die Integri— 
tat feines Staatsgebietes oder fiir die Aufrechterhal⸗ 
tung feiner Reutralitdt mit einzuſtehen. — Mandmal 
benennt man Die aus mehr als zwei Verbiindeten 
bejtebenden Allianzen nad) der Anzahl der Verbün— 
deten; fo heißt 4. B. die gwifden England, Rußland, 
Oſterreich und cates 15. Juli 1840 zur Pazifilation 
ded Drients gefdlojjene A. Quadrupelallianz. 
Cine befannte Tripelallianz ijt die zwiſchen Eng: 


Alligationsrechnung. 


Hintertreibung der Eroberungspläne Ludwigs XIV- 
von Frankreich abgeſchloſſene, ss bie be- 
fanntejte der Dreibund (fj. d.). Unter dem Namen 
Heilige A. (f. d.) find in der Geſchichte mehrere 
Bündniſſe befannt, vor allen das gwifden den Kai— 
fern von Ojterreid) und Rußland und dem König von 
Preußen 26. Sept. 1815 in Paris abgefdloffene. übri⸗ 
gens wird der Unsdrud A. faft ausidlieslic sur Be- 
—— ſolcher Staatsverträge gebraucht, die mit 

Kriegsrecht irgendwie in Verbindung ſtehen. Für 
Handelsverträge z. B. ijt die Bezeichnung A. nicht 
üblich. Doch heißen ſo zuweilen auch Vereinigungen 
privater Natur, wie die Evangeliſche A., die 
Alliance Israélite universelle (ſ. d.) u. a. 

Ulliangwappen, dic durch Zuſammenſetzung oder 

MNebeneinanderjtellung verbundenen Wappen eines 
Ehepaares. 
In der Regel 
ſteht das 
Wappen des 
Gemahls an 
erſter Stelle. 
Die Figuren 
im Wappen 
de3 Manned 
find dem Wap⸗ 
pen der Frau 
zugewendet 
x bildung). 

Allibone (ipr. iawn), Samuel Uujten, biblio- 
grapbiider Schriftſteller, geb. 17. April 1816 in Phi— 
adelphia, gejt. 2. Sept. 1889 in Luzern, war feit 
1879 Bibliothefar der Lennox-Bibliothek in New 
Port. Sein Hauptwert ijt das »Critical dictionary 
of English literature and British and American 
authors« (ond. 1853—71, 3 Bde.), das fic) durch 
Vollſtändigkeit und ſeinen Reichtum an interejjanten 
Ouellennadweifen auszeichnet. Ein Supplement dazu 
gab Rirt heraus (Pbhilad. 1891, 2 Bde.). 

Milier (fpr. atje, der alte Elaver), Fluß im mitt- 
fern Frankreich, ent{pringt in 1423 m Hdbe im Depart. 
Lozere, durchfließt in nördlicher Richtung die Depar- 
tements Oberloire, Puy⸗ de⸗Döme und VL. und miin- 
det nad einem Laufe von 375 km unterhalb Nevers 
linfS in die Loire. Der Fluß ijt von Fontanes an 
232 km weit ſchiffbar. Die bedeutenditen Nebenflüſſe 
find Dore (rechts) und Sioule (linfs). 

All ier (pr. uj, Departement im Jnnern Frant- 
reichs, umfaßt den größten Teil der ehemaliqen Land- 
ſchaft Bourbonnais, grenzt im N. an das Depart. 
Nievre, im O. an Sadne-et-Loire und Loire, tm S- 
an Buy-de+ Dome, im W. an Creuje und Cher und 
hat einen Fladenraum von 7380 qkm (133,s OY) 
und (1901) 424,024 Einw. (57 auf 1 qkm). Tas Dee 
partement gerfallt in die Urrondijjements Moulins, 
Gannat, Lapaliſſe und Montluçon. Hauptitadt rit 

Alligation (lat.), ſ. Legierungen. [Moulins 

Alligationsreduung Mifdungsrednung). 
die Beredjmung der Qualitat einer Miſchung oder 
Legierung, die aus befannten Mengen (Quantitaten} 
verſchiedener Stoffe (Sorten) von verjdiedenen, aber 
befannten Oualitaten hergeftellt ijt. Unter Qualitat 
eines Stoffes verjteht man hierbei feinen Gehalt, ſein 
fpesififdyes Gewicht x., fury das, wonach ſich fein 
Preis richtet, oder auc) den Preis ſelbſt. Smmdq, ,q,,.-- 
die Ouantitaten der ju miſchenden Stoffe, alle tn der- 
felben (Maß- oder Gewidts-) Einheit ausgedriidt, 
und a,,8,,... der Reihe nad ihre OQualitaten, 





Schildhaltern). 


land, Schweden und Holland 23. Jan. 1668 zur ebenfalls in derſelben Einheit ausgedrückt, fo tit 


Alligator 


q—4q,+4,+... die Quantität der Miſchung, und 
deren Qualitat m bejtimmt fic aus:a,q,+a,q,+...—= 
m.q, d. §. die Qualität der Miſchung erhalt man, 
indem man fiir jeden einzelnen Stoff das Produkt 
aus Duantitit und Dualitat bildet und die Summe 
aller diefer Brodufte durch die Summe der Quanti- 
titen Dividiert. Befteht die Miſchung nur aus zwei 
Stoffen, fo hat man die Gleichungen: 
1) 4, + 4,= 4, 4,4, + 44,=m.q, 
aus denen folgt: 
— 
4 

und ba q; und q, nicht negativ fein fonnen, fo müſſen 
die Drei Differengen a,-a,, M-a,, a,-m entiveder 
alle drei pofitiv oder alle drei negativ fein. Demnach 
liegt die Dualitét m der Miſchung ſtets gwifden a, 
und a,, fie ift geringer als die der beffern der beiden 

emiſchten Stoffe, aber befjer al die der geringern. 

ie Gleidungen 2) ldjen die Uufgabe, aus zwei 
Stoffen von befannten Qualitäten a, und a, eine Mi- 
fdung von beſtimmter Qualität m und Quantität q 
ber, nttellen, dabei ijt q beliebig wahlbar, wahrend m 
zwiſchen a, und a, liegen mug. Aus 1) folgt ferner: 

a, -™ ay, 
8) d= 4,4 = +, 

aman findet fo, welde Duantitat q, eines Stoffes von 
der Oualitdt a, man ju einem Stoffe von gegebener 
Quantität q, und Qualitat a, hinzufügen mug, um 
eine Miſchung von bejtimmter Oualitat m gu erhal- 
ten; aud bier muß m gwifden a, und a, liegen. End- 
lid) folgt aus 1): 


4)q—a+4, & 


a 

man findet fo, von welder Qualität a, cin Stoff fein 
mug, Damit die —— q. dieſes Stoffes mit einem 
Stoffe von gegebener Qualität a, und Quantität q, 
gemiſcht eine Miſchung von gegebener Qualität m 
liefert. Hier fann man m beliebig wählen, dod) darf, 
wenn m fleiner als a, ijt, mq, nicht fleiner als q, 
{a,-m) gewablt werden, weil fonft a, negativ wird. 
— A. gehört auch die ſogen. Kronenrechnung des 
rchimedes, bei der Die Aufgabe zu löſen ijt: cine 
Legierung zweier Metalle von den ſpezifiſchen Gewid)- 
ten s, und s, hat dad ſpezifiſche Gewicht t und wiegt 
p Rilogramme; wieviel ———— x, des erſten 
und x, des jweiten Metals find darin enthalten? Da 
pt die Größe Ded Raumes darijtellt, den die Legie- 
Tung einnimmt, und x,/s,, x,/8, die Räume, die von 
den beiden Metallen eingenommen werden, fo hat 

man: x, +x, =p, x,/3, +x,/s, = p’t, alfo: 
%, (t— sy) By (s, -t 
X,—p- —, = <6 

t (#) — By) t (#4 ~ 8g) 
Dod entipridt die Rechnung nicht genau der Birk: 
lichteit, Da bei der Legierung die Rauminhalte der 
Metalle nicht ungedndert bleiben und alfo die GBei- 
hung fiir pt nur annähernd ridtig ijt. 

Hligator, Name fiir zwei in den Vandiemengolf 
des Nordterritoriums von Uuftralien fallende Fliijje: 
Djt- und Siidalligator, der erjte 60—70, der 
zweite, 1845 von Leichhardt entdeckt (für Schiffe von 
600 Ton.) 50 kin weit ſchiffbar. 

WAlligatorbirne, ſ. Persea. 

Alligatoren (Alligatoridae Gray, v. fpan. el la- 
garto, »€idedfe«), Familie der Krofodile, nament- 
lid) Durd) Den Zahnbau von den Gavialen und Kro— 
fodifen unterfdieden; die Nackenſchilder find von den 
Riidenfditdern getrennt, Bauchſchilder find meijt 
yorhanden. Der Raiman (Hedhtlaiman, Alliga- 
vor lucius Cuv., ſ. Tafel »Mrofodile«), bid 5 m fang, 











— w (ay + 49) ~914%1 
— — 








— Allioli. 349 


mit faſt hechtartiger Schnauze, ſchwach entwickelten 
Beinen und kammartig erhobenen Schuppen auf 
dem Schwanz, ijt auf der Oberſeite ſchmutzig ölgrün, 
dunkel gefleckt, auf der Unterjeite hellgelb, bewohnt 
alle Gewäſſer des ſüdöſtlichen Nordamerika, bewegt 
fid) auf dem Lande höchſt ungeſchickt und verteidigt 
ſich höchſtens durd) Schläge mit bem Schwanz. Sm 
Wafer ijt er kühner, läßl fic) aber leicht vertreiben. 
Er nährt ſich von Fifden, raubt aber auch ſchwim— 
mende Schafe, Ziegen, Hunde, Hirjde, Pferde. Im 
Winter ſchützt er id im Schlamm vor der Kälte. Das 
Weibdhen legt in ſelbſtgegrabene, mit Blattern x. 
gefüllte Loder 100— 200 kleine Eier, bewadjt und 
— dieſelben und führt die Jungen in kleine 
Tümpel. Man fängt den Alligator mit Netzen oder 
Schlingen und erſchlägt ihn mit der Axt. Die Haut 
wird gegerbt, das Alligator-, Krokodilleder 
—— mit erhabenen Schildern) zu Schuhen, 
ätteln xc. benutzt. Das Fett dient als Maſchinen- 
ſchmiere, die ftarf nad) Moſchus duftenden Driiſen 
finden keine Verwendung, das Fleiſch iſt kaum ge— 
nießbar. Da die A. durch die Nachſtellungen ftart 
zurückgegangen ſind, hat man in Florida eine Schon— 
zeit eingeführt, ſammelt die Eier und zieht die aus: 
geſchlüpften Jungen in Teichen und geſchützten Buch— 
ten auf. Der Schakare (Jacare latirostris Gray) 
und der Brillenfaiman (J. sclerops Gray) be 
wohnen Gewäſſer Sildamerifas, erfterer wird 4, leg- 
terer 3 m lang; fie fliehen den Menfdjen und liegen 
ewdhnlid bis zur Schnauzenſpitze im Wafer. Das 
leiſch wird bier und da gegefien, die Moſchusdrüſen 
geben mit Rofenwafjer etn fehr ftarfes Parfüm, das 
die bolivifden Damen benutzen. Der Mohrenfai- 
man(J.nigra Gray), bis 6m lang, oberfeits ſchwarz, 
gelb gefledt, unterjeits — bewohnt die Ge⸗ 
wäſſer von Guayana, Nordbraſilien, Bolivia, Ecira- 
| bee und Rordperu, vergraibt fic) beim Austrocknen 
der Lagunen in den Schlamm his zur nächſten Regen: 
gett und wird von den Eingebornen febr gefiirdtet. 

Wlligator Swamp, ſ. Wibemarlejund. 

Alligieren (lat.), vermifden, verſetzen. 

Allileren (fran3.), verbiinden. 

All ingham (ivr. duing-pim, William, engl. Dich⸗ 
ter, geb. 1828 in Ballyfhannon (Irland), geſt. 19. 
Nov. 1889 in London, wirkte frith literartid im 
»Athenaeum« und den »Household Words+. Seit 
1848 fam er regelmäßig nad London und verfehrte 
im Kreiſe der Braraffacliten. Seinen » Poems. (1850) 
folgten: »Day and night songs« (1854) und »Lanu- 
rence Bloomfield in Ireland« (1864), worin irijdes 
Leben unfrer eit in erzählender Dichtung eingeführt 
wurde; »Fifty modern poems« (1865) und »Songs, 
ballads and stories« (1877). 1874 übernahm cr als 
Nachfolger Froudes die Leitung von »Fraser's Ma- 
gazine« und verheiratete fid) mit der MUquarellijtin 
Helen Paterſon. Auch verdjfentlidjte cr »Choicest 

British balladse (1864) und »Irish songs and 
oems« (2. Aufl. 1890). Eine Geſamtausgabe feiner 
Werte erſchien in 6 Banden (Lond. 1890). 

Allioli, Jofeph Franz, nambafter fath. Thev- 
fog, qeb. 10. Mug. 1793 in Sulzbach, geſt. 22. Mai 
1873 in Augsburg, wurde 1823 Profeſſor der orien: 
talifden Sprachen und der biblijden Exegefe und 
Archäologie in Landshut, Folate 1826 einem Rufe 

nad) Miinden, ward 1830 Mitglied der Alademie 
der Wiffenfdaften, 1835 Domfapitular im Regens— 
burg und 1838 Donrpropjt in Augsburg. A. war Her- 
ausgeber der einzigen vom Papjt gebilligten deutiden 
Bibelüberſetzung mit Anmerkungen (Nürnb. 1830— 





350 Alliont — Allmers. 


1834, 6 Boe.; 9. Uufl., Reqensb. 1894, 3 Bde.; Neu— 
bearbeitung, hrsg. von Arndt, 1901). 

Allioni, Carlo, Botanifer, f. AU. 

Mlifoninfel, kleine Inſel des deutſchen Bismard- 
Archipels, unter 1° 25‘ fiidl. Br. und 143° 26° öſtl. L. 

Wiliteration (lat., deutjd) Stabreim oder Un- 
reim) beſteht darin, dak einzelne Worter im Unfangs- 
laut ihrer jtarf betonten Silben übereinſtimmen, 3. B. 
vernidten und Rebel (agegen bilden Gebet und 
Gelage feine A.). Von den Konfonanten reimt ein 
jeder nur mit feinedgleidjen; die Volale reimen unter- 
einander. Die WL. jtellt fid) im der einfadjten Form 
in volfStiimliden Redefiquren dar, wie: Mann und 
Maus, Land und Leute, Haus und Hof, aus und ein. 
Als metriſches Prinzip wird die U. z. B. in der Dichtung 
der Finnen und der ältern Dichtung der germaniſchen 
Voller verwertet (f. Deutſche Metrif). Als gelegentlicher 
Schmuck erfdeint fie aud in der Endreimdichtung. 
So haben die neuern Dichter, wie namentlid) Bürger, 
Goethe und Heine, in einzelnen Fällen die A. zur Ton— 
malerei mit Glück angewendet. Auch ſtatt des End- 
reims ift Die VW. im Der Neuzeit wieder angewendet 
— —— urd«), 
von W. Jordan (in feinen »Nibelungen«), der als 
begeijterter Unwalt de3 Stabreims auftritt (val. feine 
Schrift »Der epifde Vers der Germanen und fein 
Stabreim«, Franff. 1868), und von R. Wagner (na- 
mentlid) in feinem ⸗Ring des Nibelungen«). 

Ulliterationsvers, ſ. Deutſche Metrif. 

Allium Z.(2aud), Gattung der Liliazeen, zwei⸗ 
jabrige oder ausdauernde Gewächſe mit einer Zwiebel 
oder mebreren am furgen, friedenden Rhizom, ſchma— 
fen, linealifehen ober ftielrunden und dann bisweilen 
hoblen, feltener breitern, grundſtändigen Blattern, 
endjtandiger Sdeindolde oder Scheinkoͤpfchen, von 
zwei oder drei Hodblattern eingeſchloſſen, bisweilen 
an Stelle der Blüten mit Brutzwiebelchen, häutigen, 
meiſt dreifaderigen Kapſeln und meiſt zweiſamigen 
Fächern. Etwa 250 Arten, meiſt in Vtittel- und Siid- 
europa, Nordafrifa, im ganjen aufertropifden Ufien, 
Nordamerifa und Merifo. Wile Arten enthalten ein 
ätheriſches OL, dad ihnen den dharatteriftijden Bwiebel- 
crud verleiht. A. victorialis Z. (negBwurgeliger 

aud), mit Rhizom, netzfaſerigen dufern oie L- 
iduppen, langliden, in einen Stiel verſchmälerten 
Ulattern und gelblichweißen Bliiten in fugeliqer Dolde, 
auf allen Hodgebirgen WMitteleuropas, in Nordaſien 
und Nordamertfa. Die Bwiebel (Sieqwurz, langer 
Wilermannsharnijd, wilder Ulraun, Berg- 
alraun) wurde al Sdhupmittel gegen Verwundung, 
Ungliidsfalle, Sauberet benugt und oft in menſchen⸗ 
ähnliche Gejtalt gebradt, befleidet und um hohes 
Geld verfauft. A. ursinum L. (Badrenlaud) mit 
zwei langettlidyen Grundblaittern und ziemlich großen 
weifen Bliiten, wächſt in gan; Europa und Nord— 
afien in Waldern und erfiillt fie mit Lauchgerud). 
Mehrere Arten mit ſchönen Bliiten werden als Zier— 
pflanzen fultiviert. Die grohen weißen Bliiten von 
A. neapolitanum Cyr. in Siideuropa werden gegen 
(Ende des Winters aus Italien nad Deutſchland aus- 
geführt. Uber die nugbaren A.-Yrten, Zwiebeln, 
Sdhnittlaud x. ſ. Laud. Bol. Regel, Alliorum 
monographia (Petersb. 1875). 

Alim., bei Tiernamen Ablürzung fiir Georges 
antes Ullman, geb. 1812 in Bandon (Jrland), 
1855 70 Profeſſor in Edinburg, geſt. 24. Nov. 1898 
in Bournemouth; fdrieb: » Monograph of the fresh- 
water Polyzoa« (1856), »> Monograph of the Gym- 
noblastic Hydroids« (1871—72). 








Allmacht der Naturzüchtung, ſ. Neodarwinis- 
mus. 

Allmande (Allmende [nad einigen von »Vile- 
mannen« abzuleiten, nad) andern mit »allgememe« zu⸗ 
mre ay Ullmendgut, wohl aud Ge- 
meingut, Gemeinheit genannt), der Teil des Ge— 
meindevermögens, der einzelnen Gemeindemitghiederm 
que —— — Benutzung zugewieſen yt. Dre 

I. beſteht meiſt in unbeweglichem Gut (Wald, Heide. 
Moor, Wieſe) und wird entweder von allen Gemein de⸗ 
gliedern oder nur von einzelnen beſtimmten Berech⸗ 
tigten (der fogen. Realgemeinde oder Nuzungs- 
gemeinde) benugt. Im erjtern Fall benugt fie entweder 
Die ganze Gemeinde ungeteilt, oder fie wird alljährlich 
nad) ** verliehen oder aud) unter öffentlicher Auto⸗ 
ritat fo verwaltet, daß nur der Ertrag zur Verteilung 
fommt. Die Gonderberedtigten find meijt Die Be 
fiper beſtimmter Gilter (Bauernhife, Hofgiiter, um 
Gegenſatze gu den bloßen Raten). Die einjelnen 
Nutzungsanteile (Gemeindeteile, Rechtſame, Weentert, 
Waren, Gewalten) find in der Regel als Zubehörun⸗ 
gen der betrejfenden Landjtellen zu betradten. Diese 

tugungsredte an den Allmanden hängen mit den 

Verhältniſſen der alten Markgenoſſenſchaften zujam- 
men, die am Boden oder am unbebauten Boden nok 
fein Ulleineigentum, fondern mur ein durch Hofbeſitz 
bedingtes Miteigentum fannten. Yn neuerer Bett bat 
das Intereſſe für Hebung des Landbaucs vielfach eine 
Teilung der Ullmanden herbeiqefiihrt. Neuere Geſetz⸗ 
gegen enthalten in Ddiefer Begiehuung vielfade, die 

eilung erleidhternde Bejtimmungen; aud wurden 
in verfdiedenen Staaten befondere Gemeinheits— 
teilungSordnungen erlajjen. Weijtens ijt jest 

Daher die A. in das Eigentum der Ein zelberechtigten 
oder der politiſchen Gemeinde oder in dasjenige einer 
beſondern Nutzungsgemeinde (Real-, Nachbar⸗, Wit-, 
Markgemeinde) übergegangen. Vgl. Gierke, Deut⸗ 
ſches oſſenſchaftsrecht (Berl. 1868—81, 3 Bde); 
v. Miastow fli, Die ſchweizeriſche A. (Leipz. 1879); 
Bilder, Die W. in ihrer wirtidaftliden und ſozialen 
Bedeutung (Berl. 1902); Ellering, Die Allmenden 
im Großherzogtum Baden (Tiibing. 1902). 

Allmenden, Gemeindealpen, }. Alpenwirtſchaft. 

Allmers, Hermann, Didter und Sehriftiteller, 
geb. 11. Febr. 1821 in Redhtenfleth bei Bremen, geſt. 
daſelbſt 9. Mai 1902, machte größere Retfen und 
fibernabm als eingiges Rind feiner Eltern den vater- 
lidjen Hof, fii ite figh aber {don frühzeitig zur Poeſie 
hingezogen. Als Schriftſteller machte ſich A. zuerſt 
durch fein ⸗Marſchenbuch⸗ (Gotha 1858; 4. Wut, 
Oldenb. 1902) befannt, das cine qeijt- und liebevolle 
Charatterijtif der Natur und der Bewobner der Mar- 
ſchen an der Wefer und Elbe enthilt. Dann folgten 
»Didtungen« (VBrem. 1860; 4. Aufl. Oldenb, 1900) 
und »Rimifde Schlendertage« (daj. 1869, 10. Aufl. 
1902), Die feine Beobadtungen über das Bolfsleben 
in Stalien mitteilen, aud) zahlreiche Gedidte enthal- 
ten. Außerdem erfdienen von A.: die fleinen Dramen 
»Eleftra« (Oldenb. 1872, 2. Aufl. 1895) u. ·Herz und 
Politife (daf. 1895); »Oauptmann Böſe, ein deut- 
ſches Seit- und Menfdenbild« (Brent. 1884); + Fromm 
und frei, eine Oſtergabe in religiöſen Didtungen« 
(Didenb. 1889) und ⸗Aus längſt und jüngſt vergange- 
ner Seite (Daj. 1895), fowie erliuternde Didtungen 
pu H. v. Dörnbergs⸗Kulturgeſchichtlichen Bilbern aus 

en Nordſee-Marſchen⸗ (Daf. 1882). Seine > Saimt- 
lichen Werle⸗ erfdienen in 6 Banden (Oldenb. 1891 
bis 1895). Bgl. Bräutigam, Der Marſchendichter 
Hermann A. (Didenb. 181). 


Milo... — Allori. 


Allo... (qried).), in Zuſammenſetzungen, bedeutet : 
anders, abweidend. 

Milda, Hafenftadt in Cladmannanfhire (Schott⸗ 
land), am Forth, hat a901) 11,417 Einw., Wollfabri- 
fen, Maſchinenbau, Sdhiffswerften, Sdnupftabak- 
miiblen, Glashiitten, Brennereien und Brauereien und 
ijt | cines deutſchen Ronfularagenten. 1900 liefen 
1027 Schiffe von 189,604 Ton. ein. Einfubr 218,307, 
Ausfuhr britifder Brodufte 206,592 Pfd. Sterl. 

Alloͤbroger (Allobroges), felt. Volt im nar- 
bonenfifden Gallien swifden Rhine, Iſere, den Grai- 
{chert Alpen und dem Genfer See. Hannibal berithrte 
218 v. Chr. ihe Gebiet. 121 wurden fie von Cn. Do- 
mitius Uhenobarbus und Ou. Fabius Maximus 
(ULlobrogicus) der römiſchen Herrſchaft unterworfen ; 
cine nad 60 Jahren verſuchte Empörung dämpfte 
der Prätor C. Pomptinus. Von den Helvetiern be- 
drängt, fanden fie bei Cäſar Sd Ihre Haupt- 
jtadt war Bienna (Vienne), ihre nörbliche Grenzſtadt 
gegen die Helvetier Genava (Genf); im S. lag Cu- 
laro, ſpäter Gratianopoli3 (Grenoble). Bgl. Garo- 
falo, Gli Allobroges (Catania 1895). 

Allochirie (griech.), die Lofalifation einer Emp- 
findDung an eine der vom se aid Stelle fym- 
ntetrifd) gelegene Der andern Körperhälfte, z. B.: Cine 
Beriihrung des linfen Daumens wird aud am redten 
Daunten empfunden; eine Berithrung des linlen Dau- 
mens wird infolge eines Krankheitsprozeffes nidt am 
linfen, wohl aber ant rechten Daumen empfunden. 

Allochroifd, ſchillernd, farbenwedfetnd. 

Allochroĩt, Varietät de3 Granats (j. d.). 

Allochromaͤtiſch (qried.), gefürbt, ſ. Mineralien. 

Allodthon (gried.), aus einem andern Lande 
hervorgegangen, im Gegenfage gu autodthon; val. 
Steinfohlenformation. 

Allöd, ſ. Allodium. Wilodialitat, die Cigen- 
ſchaft cines Allods; dad Freifein von Lehnspflicten ; 
Allodiat, Beſitzer eines Allods. 

Allodifikation, Hauptfall der ſogen. Appropria— 
tion, der Beendigung des Lehnsverhältniſſes durch 
Aufhebung der Rechte des Lehnsherrn; das Lehen 
wird entweder völlig freies oder durch die Rechte der 
Lehnsfolger beſchränktes Eigentum; die A. erfolgt 
entweder durch Vertrag zwiſchen Lehnsherr und Va— 
ſall oder durch Geſetz (moderne Ablöſungsgeſetze ſ. 
Lehnsweſen). Aufgehoben wurde hierdurch regelmäßig 
nur das ſogen. Obereigentum des Lehnsherrn, wo— 
gegen die Rechte der Lehnsfolger eine Beeinträchtigung 
nicht erlitten. Das Lehen näherte ſich damit als ſogen. 
allodifiziertes Lehen dem Familienfideikommiß (j. d.); 
häufig wurde es aud) ausdrücklich in Fideikommiß— 
gut umgewandelt. 

Allodifizieren, zum Allod machen (ſ. Allodium). 

Allõdium (Alodium, Allod, vonalodis, einem 
Worte galliſcher Abſtammung) bezeichnet urſprüng— 
lich (in der Lex Salica) das Eigentum an fahrender 
Habe (Mobiliar), fpiiter das vom Lehns- und Fidei— 
kommißverband oder von gutsherrlider Wohingigteit 
freie Grundjtiie. Sein Gegenfat ijt insbeſ. bas Lehns- 
= das feudum, und das bejtinunten Veräußerungs— 

eſchränkungen unterworfene Stamme oder Familien- 
qut. Durd) die Ablöſungsgeſetze dieſes Jahrhunderts 
it die Ullodififation der Lehnsgiiter, d. h. deren Ver— 
wandlung in freie3 oder durch die Redhte der Lehns- 
folger ——— Eigentum, durchgeführt worden 
(jf. Allodifikation). 

Alloergatie (griech.), die Art der Iſomerie, bei 
der Moleluͤle von gleichem Gewicht und gleichem che— 
miſchen Bau ungleichen Energieinhalt beſitzen. 


351 


Allogamie (griech.), ſ. Blütenbeſtäubung. 
pod abe (griech.), ſ. Authigen. 

Allokution (lat. — im rim. Kurialſtil 
ber Bortrag des Papftes im Kardinalfollegium über 
irgend cine ae firdliche oder politijde Ungelegen- 
Heit. Eine ſolche VU. foll in der Regel cin Pringip oder 
cin Recht wahren. Die UWllofutionen werden durd Yn- 
ane an die Bforten der Peterskirche veröffentlicht. 

Homorph (gricd.), chemiſch analog gebaute 
Subjtanjen, die feinerlei Ähnlichkeit in ihrer Sriftatl 
form beltben (j. Sfomorphie). 

Allomorphoſen, ſ. Pſeudomorphoſen. 

—— Ay Longe, franj., fpr.alingt’), Berlange- 
rungsſtüd, Unbingiel, Blatt Rapier, das cinem Wed)- 
jel oder einer Anweiſung angehingt wird, wenn es 
für weitere Indoſſamente (Giros) an Raum fehlt. 
Nad rtifel 11 der Werhjelordnung muß das In— 
doſſament (f. Indoffieren) auf den Wedhfel, eine Ro- 
pie des Wechſels oder cin mit diefem oder der Ropie 
verbundenes Blatt (A.) gefdrieben werden. Man 
beobachtet Dabei vielfad) die Vorſicht, das Giro fo zu 
ſchreiben, dak ein Teil von ihm noch auf der Wechſel⸗ 
urfunbde felbjt fteht, um feine Echtheit leidhter feſtſtellen 
gu fonnen; außerdem pfleqt aud) auf der YW. furs be- 
merft zu werden, ju welchem Wechſel die VW. gegirt. 


Wilongé: Papier, weißes Papier in Bogen und 
Rollen, beſonders fitr Kohlezeichnungen qeeignet. 

Wllongeperiide, |. Peruͤcke. 

Allons! (franj., fpr. -tong), Laßt un gehen! BVor- 
wärts! Auf! Wohlan! »A. enfants! De i patrie le 
jour de gloire est arrivé etc.«, Unfang der Mar- 
ſeillaiſe (j. d.). 

Allopathie (v. gried). allos, »ander<, und pathein, 
sleiden«), die Heilung durch cin dem Krankheitsprozeß 
entgegengeſetztes Wittel. »Contraria contrariis« ijt 
der Wahriprud der A. im Gegenſatze zur Homöopathie 
(j. d.). Die wiffenfdaftlide Heilfunde ijt wefentlich, 
aber nicht ausſchließlich allopathiſch, Fieberhitze wird 
durch Abkühlung, Herzſchwäche durch Herzanregung, 
Blutgefäßlähmung durch Krampfmittel (Vafofonjtrit- 
tion), Sepfis durch antiſeptiſche Mittel belämpft. Doch 
iſt von vielen Heilmethoden gar nicht zu ſagen, ob 
ſie allopathiſch oder homöopathiſch wirken. 

Allophãn, Mineral, traubig, nierenförmig, ſta— 
laktitiſch, als Uberzug, derb und eingeſprengt, farb- 
los, weiß oder durch etwas Kupfer blau und durch 
Eiſen grün, braun, gelb, rot, glasglänzend, durd- 
ſichtig bid durchſcheinend, ſpez. Gew. 1,s—2, Harte 3. 
Seiner — nad) weſentlich ein wafjer- 
haltiges Uluminiumfilifat, findet ſich der A. unter 
anderm al8 oft gang friſches Zerſetzungsprodult bei 
Dehrn in Naſſau (wafferhell), Gräfenthal unweit 
Saaffeld und Zuckmantel in Schlefien (bla), bei Mol— 
dava im Banat und bei Woolwich (gelb, rot). 

Allophanfaure C,H,N,O, oder NH,.CO.NH. 
COOH entſteht als Ejter beim Cinleiten von Cyan- 
ſäuredampf in Wfohole, auc bei Einwirkung von 
Harnjtoff auf Chlorkohlenſäureeſter. Die Eſter der A. 
frijtallijieren, zerfallen bei Dejtillation in Alkohol und 
Cyanurſäure. Beim Verſuch, aus Allophanſäureſalzen 
WU. abzuſcheiden, zerfällt letztere in Harnſtoff und 
Kohlenſäure. 

arcane foviel wie Biuret. 

Allophyle Raffen, ſ. Menſchenraſſen. 

Allor, Inſel, ſ. Ombay. 

Allõori, Criſtofano, geb. 1577 in Florenz, gejt. 
1621, Sohn und Schüler des Aleſſandro A. (1535 — 
1607), der in Nachahmung Midelangelos bejonders 
| Freser und Ultarbilder gefdaffen hat, malte eben- 





352 


falls Wltarbilder fiir florentinifde Rirden und zahl— 
reiche Vildniffe. Sein Hauptwerl ijt die durch vor- 
trefflide Behandlung de3 Helldunfels ausgeseidnete 
Judith mit dem Haupte des Holofernes im — ny 
Pitti ju Florenz, dad eine filr ihn verhingnisvolle 
Leidenſchaft ſymboliſieren fol. 

Allothigẽu (Ullogen, griech.), ſ. Authigen. 

Allotmeuntſyſtem (engl, v. engl. allot, · Los, An⸗ 
teil«), Dad in Den 1830er Jahren in England zur Ver⸗ 
befjerung der Lage der Yrbeiter vorgejdlagene Sy- 
ftem, nach dem in jedem Kirchſpiel gewiſſe Landereien 
geſetzlich zur Verpadtung an Arbeiter beſtimmt und 
parzellenweiſe verloſt werden ſollten, um dieſe von 
den Schwankungen des Arbeitslohnes unabhängiger 
gut ſtellen. Die 1887 fiir Irland erlaſſene Allotments 
Act gejtattet Unfauf von Land und ſelbſt Enteiqnung 
jum Swed, Urbeiter anſäſſig gu machen. 

Allotria (qried.), fremde, nicht zur Sade gehirige 
Dinge, Rebenjacdhen, Ungehdrigfeiten, Unfug. 

Allotria, ſ. Gallwejpen. 

Allotriogẽuſie (qried.), Geſchmackſstãuſchung. 

Allotriomorph (qricd).), Gejteinsqemengteile, die 
im Gegenfage gu den idiomorphen (jf. d.) feine 
durch thre eigne Molefularjtruftur bedingte äußere 
Umgrenzung befigen. 

flotriophagie (qricd., das · Eſſen von Fremd- 
artigem<), franfhafte Begierde, ungewdhnlide und 
ungenießbare Dinge zu eſſen, haufig bet Geijtestranten, 
Vielfreſſern u. dl 

Allotrop (griech.), chemiſch gleid zuſammengeſetzte 
Körper, die ſich durch beträchtliche Unterſchiede im 
phyſikaliſchen Verhalten und z. T. aud in ihren che— 
miſchen Realtionen unterſcheiden. Bal. Iſomerie. 
Zuweilen ſoviel wie polymorph. 

All’ otta va (ital.), H Ottava, 

All ou (pr. ata), EDouard, franj. Jurijt und Po⸗ 
litifer, geb. 6. Marz 1820 in Limoges, gejt. 13. Juli 
1888 in Baris, widmete fic) der Udvofatur. Befannt 
wurde er durch die Verteidiqung Broudhons 1850 
wegen deſſen Schrift »Rirde und Revolution«, des 
Bankiers Mires 1861, des Herzogs von Braunſchweig 
gegen Madame de Civry, Emile de Girardins, Gam— 

tas wegen feiner 1878 in Lille gehaltenen Rede u. a. 
A. gebirte gu dem Comité de la résistance légale, 
wurde 1882 unabjepbarer Senator und eines der her- 
vorragendjten Mitglieder de3 linfen Bentrums. Bal. 
jeine »Discours et plaidoyers« (Rar. 1884, 2 Bde.). 

Allowance (engl., {pr. allaitens, » Erlaubnis<), ſ. 
Urmenwejen (Abſchnitt »>England<). 

Allowah (pr. 28), Dorf bei Ayr (f. d.) in Schott- 

Alloxan, ſ. Harnſäure. land. 

Alloxurbaſen, ſoviel wie Nukleinbaſen. 

All right (engl., for. aot rait), alles recht, gut fo. 

Allſpice (engl, fpr. adijpaig), in Amerika fovtel wie 
Fiment, Nelfenpfeffer; ſ. Pimenta. 

Wilftedt, Stadt im fadfen-weimar. Verwaltung3: 
besirf Apolda, in einer Enflave des preuß. Regierungs: 
begirls — —— an der Rohne (zur Helme) und an 
der Staatsbahnlinie Oberröblingen-A., hat eine 
evang. Kirche, ein altes Schloß (einſt Pfalz der ſäch— 


ſiſchen Kaiſer, namentlich von Otto LL. öfters bewohnt, 


der hier mehrere Reichstage abhielt), Amtsgericht, 
Oberförſterei, Geſtüt, Zuckerfabrik, Malzfabril, Bier— 
brauerei und (i900) 3311 Einw. 


All ſton (or. ain, Waſhington, nordamerifan. | 


Maler und Didter, geb. 6. Rov. 1779 bei Waccamaw 
in Siidcarolina, geſt. 8. Juli 1843 in Cambridge: 
port bei Bofton, vollendete in Cambridge bei Vojton 
{eine Studten und ging 1801 nad) London, wo er die 





| 





Wllothigen — Wlluvium., 


fonigliche Kunſtalademie befudte, begab fid) 1803 nady 

talien und fehrte 1809 nad) Umerifa guriid. Dod 
tedelte er ſchon 1811 wieder nad England iiber, ge- 
wann bier mit feinem Bild: Elias erwectt einen Toter 
den grofen Preis der British Institution und wurde 
Mitglied der englifden Alademie. 1818 liek er fich 
gu Cambridgeport nieder. Allſtons hiſtoriſche Gemälde 
(Jafobs Traum, Clias in der Wüſte) geidynen ſich 
durch liebevolle Uusfiihrung und Gripe der Jnten- 
tion aus. Mit Rückſicht auf feinen Anſchluß an die 
Venezianer nennen ihn feine Landsleute den »ameri- 
fanijden Tizian⸗. Indeſſen gerat feine Auffaſſung 
nicht felten ing Theatralifde und Manierierte, und in 
vielen feiner Gemalde, wie in der Here von Endor, 
im Feſte ded Belſazar ꝛc., zeigt fid) cine Hinneiqung 
jum Myſteriöſen und —————— Von ſeinen poe⸗ 
liſchen Arbeiten ſind die bekannteſten: das Gedicht 
» The sylphs of the seasons« (1813) und der Roman 
» Monaldi« (Wofton 1842; deutfd), Leipz. 1843). Seine 
»Lectures onart« gab Dana heraus (New York 1850, 
2 Bde.). Bgl. Flagg, Life and letters of Washing- 
ton A. (ond. 1892). 

Allure (franj., fpr. tie’), Gang, Schritt, Haltung; 
Allüren, Urt Benehmens. 

Alluſion (lat.), Anſpielung. 

— ager eg ark lenny angeſchwemmite 
Länder«), aus den Alluvionen der Fliiffe und des 
Meeres gebildete Teile des Feftlandes, an dejjen Ver- 
griperung die Hebung der ganzen Kontinente wie ein- 
ene Tele desſelben wefentliden Unteil hat. Als 

. find viele Riijtenland{daften gu bezeichnen, fo die 
Marfden der Riederlande und Norddeutidlands, die 
weite Niederung lings des Polarmeers (befonders 
ein großer Teil Nordjibiriens), die frudtbaren Nie— 
derungen Chinas. Tief erſtrecken fie fid) langs der 
pei Ströme ing Land, in Yndien reiden 
te von der Ganged- bis zur Yndusmiindung und als 
ſchmaler Saum an der Ojtfiijte bis Romorin; fie bil- 
den Mefopotamien, die Küſtenſäume Ufrifas von San- 
fibar ſüdwärts bis Natal und vom Rap Negro in 
Benguella an wenig unterbroden dic der Weſtlüſte; 
endlid) die Deltalande des Niger, Senegal und Gam- 
bia und im N. des Nils. Yn ungeheurer Uusdehnung 
breiten fid) diefe Alluviallandſchaften über Siidame- 
rifa aus. Jn Nordamerifa beginnt ein ſchmaler Al— 
luvialfaum an der Nordgrenze Meritos, bildet die 
Küſte von Teras und Lourfiana und dringt am WMif- 
fiffippi und feinen Rebenfliifjen, dem Red River und 
Arlanſas, tief ind Land ein; aud gang Florida beſteht 
aus neuen Ulluvionen. Die A. find die frudtbarjten 
Lander der Erde, und die Uluvien ded Feftlanded, 
wie die des Nils, Des Indus und des Ganges, foweit 
die Bewäſſerung reicht, wetteifern mit den Marjd- 
landern der Küſte. Dit dem geologifden Begriff des 
Alluviums (f. d.) dectt fid) der der YW. nad) Dem Gee 
fagten mur teilwerfe. 

Alluvion (lat.), Anſpülung, angeſchwemnites 
Land (jf. Alluvium); Alluvionsrecht, das Recht 
des Eigentümers eines Grundſtückes, das daran all- 
mählich angeſpülte and (alluvio) zu erwerben (ſ. Ei- 

entum). Nach Art. 65 des Einführungsgeſetzes zum 

lirgerliden Geſetzbuch bleiben die landesgeſetzlichen 
Vorſchriften hieriiber unberiihrt. 

Allũvium (lat., angeſchwemmtes Land«, Wilu- 
vionen, Ulluvialbildungen,regenteBildun- 
gen). der Inbegriff aller Brodufte der geologifden 

eqenwart, der Uiluvialperiode. Neben den Diuell- 
abjagen, den an Biche, Flüſſe, Seen und Meere ge- 
bundenen Abſätzen, den Delta: und Diinenbildungen, 


Allwohlsbund 


zählen nicht nur die Durd die Gletſcher transportier- 
ten Gejteine, Die Torfbildungen, die Rorallenfalfe der 
Heutigen Meere, fondern auch dic aus der Sertriimme- 


rung und Verwitterung der anjtehenden Gejteine ent⸗ 


jtandenen Wblagerungen, die fogen. Verwitte— 
run 
und Abrutſchungen an den Bergabhangen, der fogen. 
Gehängeſchutt, ebenjo wie das Uuswurfs- und 
Lavamaterial der heute tätigen Vulkane zum A., ſo— 
fern ſie nur während der jetzigen geologiſchen Periode 
gebildet wurden. Die Abgren zung des Alluviums 

egen die direkt vorausgehende Periode, das Diluvium, 
iſt ſchwierig und geht im weſentlichen von der Unter— 


ſuchung aus, ob die fragliche Bildung unter den heute 


am Orte des Vorkommens herrſchenden Bedingungen 
möglich iſt oder nicht. Die längs der heutigen Küſte 
fic) hin ziehenden Dünen, deren Gand der Sturm bald 
hierhin, bald dorthin webht, find YW.; Diinen, deren 


Höhenzug entfernt von der Küſte liegt, und die fein | 


Spiel der Winde mehr find, müſſen dem Diluvium 
zugezählt werden. Die Abſätze der Flüſſe find bis zu 
Den Höhen, gu denen das Waſſer erfahrungsgemap, 
wenn aud) felten, fteiqen fann, alluviale, die vont heu- 
tigen natürlichen Fluplauf nicht mehr erreidbaren 
Hochgeſtade diluviale Erſcheinungen. Trog der vielen 
Arten, Die dem A. und dem Diluvium gleichzeitig an- 
geboren, fann man von alluviaten Leitfoffilien 
ſprechen, infofern Einſchlüſſe von Tieren und Pflan— 


——— (Laterit) und die Abſchwemmungen 





353 


Alma (Almud, Meter), früheres türk. Hohlmaß 
fiir Ol, Moſt ꝛc. — 5,205 Lit. 

Alma, Flüßſchen auf der Weſtſeite der Halbinſel 
Krrim, zwiſchen den Städten Eupatoria und Qnfjer- 
man. Hier ſiegten 20. und 21. Sept. 1854 die verbiin- 
deten Englander und ——— unter Lord Raglan 
und Saint-Yirnaud fiber die Ruſſen unter Menſchikow. 

Almacks (pr. dumads), in England Name von Gub- 
jtriptonsballen, 3u denen nur die ausgeſuchteſte Ge— 
jellichaft Zutritt hat. Sie qenojjen friiber eines euro- 
päiſchen Rufes, weil ſich auf ihnen alles gujammen- 
fand, was in England zur bejten Gejellichaft gerechnet 
wurde, und weil fie das Rendezvous aller durd hohe 
Stellung oder Reichtum ausgezeichneten, zur Zeit in 
London lebenden Fremden bildeten und damit jogar 
politijche Bedeutung gewannen. Ihren Namen erfiel- 
ten die UW. von cinem Londoner, Wlac Call, der ſich 
hinter Dem Pſeudonym Almack verbarg und dieſe Ver- 
gniigungen 1765 in Drei von ifm nut großem Auf— 
wand ausgeitatteten Sälen veranjtaltete, naddem 
ſchon 1763 in Dem Hauſe der friihern deutiden Sange- 
rin Thereje Cornelys ähnliche Bille gegeben worden 
waren. Die Wimadsballe haben in neuerer Beit ihre 
friihere Bedeutung verloren. 

Almaãda, Stadt im portug. Dijtrift Liffabon (Pro- 


— Almagro. 


ving Ejtremadura), am linfen Ufer der Tejoeinfahrt, 


Liſſabon gegeniiber, an cinem mit Hafenbefeſtigungen 


zen, weldje Den heutigen Formen derjelben Lofalitat | 


vollfommen entipreden, die einſchließende Bildung 
als alluvial charafterifieren, während beiſpielsweiſe 


hodmordijde Formen, in Bildungen Deutfdlands | 
aufgefunden, dieſe in das Diluvium verweiſen. Das 


UW. it der einzige geologiſche Zeitabſchnitt, den wir nach 
Urſache und Wirkung, nach Prozeß und Produkt voll⸗ 
kommen erkennen und ſtudieren können. Der Aus— 
druck A. wurde zuerſt von Buckland 1823 gebraucht. 

Allwohlsbund, |. Bodenreformer. 

MUHl C,H, oder CH,.CH.CH,, Radifal der Allyl— 
verbindungen. 

Allylaldehyd, ſ. Wfrolein. 

Allylalkohol (Wrylatfohol) Cc. H.O oder 


CH,.CH.CH,.OH entſteht bei Deſtillation von Gly: | 


zerin mit Oxalſäure, bei Einwirhing von Waſſerſtoff 


im Entjtehungsmoment auf Akrolein, bildet eine farb- | 
loſe Flüſſigleit, riecht ſtechend, ſchmeckt brennend, miſcht 


fic) mit Waſſer, Alkohol und Äther, erſtarrt bei —50"*, 
fiedet bei 96° und gibt mit Orydationsmitteln Akro— 
fein. Allylſulfuret (Sdwefelallyl) (C,H,),S 
findet fid) in den ätheriſchen Olen der Laudarten (be- 
fonders tm Rnoblaud- und Zwiebelöl) und vieler 
Kruziferen, bildet cine farbloje Flüſſigleit, riecht ſtark 
toblaudjartiq, löſt fid) ſchwer in Waſſer, leidt in 
Alkohol und fiedet bet 140°, Allylbromid gibt mit 
alkoholiſcher Rhodanammoniumlöſung Wilylrho- 
danid C,H,.SCN, das bei 161° fiedet und dabei 
ſchnell in das ifomere Allylſenföl C,H,.NCS 
(Hauptbejtandteil des ätheriſchen Senföls) tibergeht. 

Wl ylone (Di olefine), Kohlenwaſſerſtoffe von der 
Forme! C,H,,—, mit sweifader BVindung CH—CH, 
geben mit wäſſerigen Löſungen von Quecſilberſulfat 
und Duedjilberdlorid Niederſchläge. 

Alm, in Oberdeutſchland foviel wie Ulp, Bergtrift, 
Bergweide; f. Alpenwirtſchaft. — Jn der Petrogra- 
phie ſoviel wie Seefreide (ſ. d.). 


Ulu, rechter Nebenfluß der Traun in Obcrijter- | 
reid), Abfluß des am Nordfuß des Toten Gebirges 


ſchön gelegenen Almſees (589 m it. M., 75 Heftar), 
miindet nad 50 kin langem Lauf bet Lambad. 
Meyers Konv.«Lerifon, 6. Mufl., J. Bo. 








verjehenen Felſen malerijd) gelegen, hat Rortfabrifen, 
Mühlen, Webereien und (1900) 7913 Einw., die an- 
jebnlidjen Weinhandel treiben. 

Wlmadén, 1) Bezirkshauptſtadt in der fpan. Pro- 
ving Ciudad Real, liegt unfern der Eiſenbahn Ciudad 
Real-Badajo; in den nbrdliden Ausläufern der Sierra 
Morena, hat cine Steigqeridule und (1897) 7413 Einw. 
Dore Bedeutung verdanft die Stadt den weltberühm— 
ten Queckſilberbergwerken, die fid in der Um: 
gebung von YL. und dem benadbarten Ul madenejos 

efinden. Die gegenwärtigen Winen (zwölf an der 
abl) datieren aus dem 17. Jahrh. bilden fünf Stod- 
werfe, deren unterjtes eine Tiefe von 357 m erreidt, 
und bauen auf einen fajt fenfredten, nach unten ju 
immer breiter werdenden Zinnobergang, der jabl- 
reide Rejter gedieqenen Ouedjilbers umſchließt. Das 
unreine Erz enthält 6,64—7,21 Proz. Quechſilber. 
Almadens Gruben waren ſchon in den älteſten Zeiten 
befannt. Sic ſind Eigentum der Krone, waren aber 
ju verjdiedenen Seiten verpadtet, fo 1525—1645 an 
die Fugger und 1836—63 an die Roth- 
ſchild. Die Berge und Hiittenwerfe von A. beſchäfti— 
gen durchſchnittlich 4000 Bergleute und ergaben 1900: 
1056 metr. Ton. reines Queckſilber. Der Hauptans- 
fubrort des Quechſilbers ijt Cordoba. — 2) Oued: 
jilberminendijtrift in Nalifornien, f. New Almaden. 

Almageéft (Ulinedidijti; fiir qriedh. weyiorn, 
»die größle«), der verjtiimmedlte Titel ded Lehrgebäu— 
des Der Ujtronomie von Ptolemäos (j. d.). 

Almagro, VBesirfshauptitadt in der jpan. Proving 
Ciudad Real, in olivens und rebenreichem Hügel— 
geliinde (Campo de Calatrava), an der Cijenbabn von 

anzanares nad Ciudad Real, mit (1897) 8129 Einw., 
die Spitzen- und Tiillfabrifation treiben. 

Almagro, Diego de, jpan. Konquiſtador, erhielt, 
alg Findling im der Nahe von Almagro 1464 auf- 
geboben, von diejer Stadt den Namen. Nachdem er 
juerjt im Heer gedient, ging er nad Ymerifa, wo er 
in Gemeinidaft mit Francisco Pizarro und Fernando 
de Luque den Elan verfolgte, von Panama aus das 
Land Biru (Peru) 3u unterwerfen, von deffen Gold- 
reichtum Nuñez de Balboa die erjte dunkle Nachricht 


23 


354 Alma mater — Alma-Tadema. 

qebradt hatte. A. war ein trefflider Soldat, tapfer | fdinger, Les almanachs de la Révolution (daſ. 
und qeraden Hergens, wenn aud) rob und leidenfdaft- | 1884); Grand-Carteret, Les almanachs francais 
lich. Eine erjte Expedition, 1524 unternommen, mif- | édités A Paris 1600-—1895 (daf. 1896). 
gliictte; cine zweile, 1526, drang tief in Peru vor und) Wlmandin, foviel wie cdler Granat. 
fundfdjaftete Dad Land aus. Bon der fpanijden Ree | Wlmandinfpinell, Cdeljtein, ſ. Spinell. 
gierung ermidtigt, unternahmen die Verwegenen| Wimanger, ſ. Alpenwirtſchaft. 
umt 1531 des Landes Eroberung und fiibrten fie gliid: | Wlmanja, Besirfshauptitadt in der fpan. Proving 
lid) durch. WL, »der Marjdall< genannt, erbielt dar- | Wibacete, an der Cifenbahn von Madrid nad licante, 
auf 1535 vom Raifer Karl V. den ſüdlichen Teil des | in weiter Getreideebene gelegen, nuit cinem maurijden 
Landes mit einer Riijtenlinie von 200 Seemeilen. | Kaſtell und (se7 10,012 Cinw. — Hier 25. April 1707 
Von hier aus unternahm er 1536 einen verlujtreiden | ney ae Franzoſen und Spanier unter VBerwie iiber 
Bug nad Chile und gelangte bis Coquimbo, mufte | die Englander, Hollander und Portugiejen unter 
aber im unwegſamen Gebirge umfehren. Wegen Cuz- | Galloway. 
co8, deſſen Beſitz A. beanjprudte, und das er 1537) Wlmanfor, 1) zweiter Kalif aus dem Hauje der 

ewaltjam bejeste, geriet er mit den Pizarros in Streit. Whbafiden, f. Manßüur 1); 2) almobhadifder Kalif, 
i. wurde aber 26. Wpril 1538 bei Salinas in der | ſ. Almoraviden; 3) Reichsverweſer des Ralifats von 
Nahe von Cuzco von Hernando Pizarro befiegt und Cordoba, ſ. Manßür 2). 

efangen nad) Cuzeo geidleppt. Dort wurde er 8.| Al marco, cin aus der Zeit dev lombardijden 
eli 1538 im Gefangnis erdrojjelt und dann dffent- Vorherrſchaft tm Geldhandel fiir den Berfauf nad 
lid) enthauptet. — Gein natiirlider Sohn Diego de | Feingewidt erhaltener Wusdrud. Zum Unterſchied 
A. fammelte einen Haufen der Anhänger feines Va- vom Kaufe al pezzo oder al numero handelte man 
ters, critiirmte Francisco Pizarros Palaft, rächte fei- fremde, abgegriffene und ungleid) gepragte Münzen 
nen Vater durd) Crmordung dieſes Führers (1541) | gegen den Wert des in ihnen enthaltenen Goldes oder 
und lief fich jum Generalfapitin von Peru ausrufen. Silbers ein, deffen Cinheitsgewidt in Deutſchland 
Bald aber ſcharten fic) Pizarros Anhänger zuſammen, | die Kölniſche Mark war. Jest wird der Börſenpreis 
und beide Parteien lagen in blutiger Fehde, bis end- | der Edelmetalle in Geldjorten wie in Barren fiir 
lich Der Oberridjter Baca de Cajtro mit unbefdriinfter | 1 kg fein angegeben; hodfein affiniertes Gold oder 
Bollmadt aus Spanien anlangte. Diego, der eine | Silber jteht der Regel nad) höher, Geldjorten mit be- 
Unterwerfung veriweigerte, wurde von Cajtros Trup- | deutendent oder unregelmapigem Kupfergehalt nie— 


pen 16. Sept. 1542 befiegt, auf der Fludt gefangen 
und mit 40 Genojjen bingeridtet. 


Alma mater (lat., »qiitige, nährende Viutter<), | 


bei den alten Romern Chrenname fegen{pendender 
Gottheiten (Ceres, Tellus, Rhea, Kybele) ; im modernen 
Schullatein: Hochſchule, Pflegſtätte ber Wiſſenſchaft. 

Almänach (arab. oder griech.ägypt.), ajtrono- 
miſche Ephemertden oder falenderartige Tafein mit 
ajtrologiiden und fonjtigen Notizen (vgl. Epheme- 
riden). Der Name fam vow Orient aus geqen Ende 
ded Mittelalters aud im Abendland in Gebraud. 


Der erjte qedrudte U. war der von Regiomontan 1474 | 


fiir Die Jahre 1475— 1506 herausgegebene und {pater 
big 1551 fortgeſetzte A., Der in —E in latei⸗ 
niſcher Sprache erſchien. Später (ſeit 1482) gab 
Stöfler in Tübingen in kürzern Zwiſchenräumen Me. 
manade heraus. Jährliche Almanache ſcheinen erjt 
im Laufe des 16. Jahrh. aufgefommen ju fein. Im 
17. Jahrb. fing man an, den ajtrologifden und meteo- 
rologifden Kalendernotizen anderweitiqe Nadridten 
hinguyufiigen. So gab der A. royal, Der feit 1679 
m Baris erjdien, 
Hoffejte, die Meſſen und Marte, Münzplätze rc., 


denen feit 1699 nod dic Genealogie des königlichen 


Hauſes, en Verzeichnis der höhern Geiſtlichleit u. dal. 
hingugefiigt wurden. Jn Deutfdland fand dies bald 
Radhahmung und feit 1730 aud in England. Da- 
neben traten Dann fiir Das Volf beredhnete Almanache 


auf, die ſtatt jener offigicllen Witteilungen fleine Er: | 


zählungen, Aneldoten, Gedichte rc. den falendarifden 
adridten beigaben. Bald verwies man die letztern 
im Die Kalender (ſ. d.), und die Ulmanade wurden 


bejtinunten FAdern und Geſellſchaftsklaſſen dienende 
oder rein belletriſtiſche Jahrbücher, von weld lestern | 


Nolizen itber den Bojtentauf, dic | 


dDriger a. m. (aud) »al peso«) als Barren Der fiir de 
Landesmünze vorgejdriebenen Legierung. 

Almaͤs (fpr. almaſch, Name vieler Orte in Ungarn. 
Am bedeutendften: 1) Duna-U., Dorf im Nomitat 
Komorn, an der Donau, Rnotenpuntt an der Staats 
bahnlinie Budapelt-Brud a. L., mit Briiden von 
rotweifem Marmor, falter, erdiger Sdpwefelquelle, 
römiſchen Wltertiimern und (900) 1134 Conv. — 
2) Vdcs-VU., Markt im Komitat Bacs-Bodrog, an 
der Staatsbahnlinie Szabadfa-Baja, mit Bejirts- 
qeridjt und (1900) 9291 Cinw. — 3) Homordd-Y., 
Dorf im KRomitat Udvarhely (Siebenbiirgen), mit 
großer Tropfiteinhdhle (Csudaloké — Wunderitein) 
und (1900) 2217 Cinw. — 4) Ragy-V., Dorf tm 
Komitat Hunyad, mit Gold-, Silber> und Bleiberg- 
bau und (1900) 1358 Eimw. 

Ml mA fi (auch Alm af y, for. -maioi) von Zfadany 
und Török⸗Szentmiklös, altes ungar. Geſchlecht, 
blüht gegenwärtig nod) in zwei gräflichen Zweigen 
und einem adligen. Als Ahnherr gilt Julius, Pa— 
latin unter Ladislaus J.; den Grafentitel erhielt der 
General Sgnas Joſeph UW. 1777 und der Bizelanz⸗ 
ler Ignaz A. (1815). 

Aimaͤſy (or. «nao, Baul, ungar. BPolitifer, geb. 
1818 in Peft, geit. 13. Oft. 1883, war Mitglied des 
Reidstags von 1848, wirfte dann als Kommiſſar der 
ungarifden Regierung und ſprach ju Debreczin als 
Prafident des Reidstags 14. April 1849 die Thron- 
entjepung Der Dynajtie aus. Aus Paris, wohin er 
geflüchtet war, febrie er 1861, ammejtiert, zurüch 
Wegen Teilnabme an einer Verſchwörung wurde er 
1861 gu mebrjabriger Rerferhaft verurteilt, aber nad 
zwei Jahren beqnadiat. 

Alma⸗-Tadema, Lourens, holland. Maler, geb. 


i 











befonders die Mufenalmanade (jf. d.) und die 8. Jan. 1836 zu Dronryp in Friesland, widmete ſich 
ihnen verwandten Tafdenbiider (jf. d.) hervorzu⸗ feit 1852 nad kurzem Aufenthalt in Amſterdam und 
heben find. Bon Deutidland aus, wo diefe Literatur | im Haag der Malerei auf der Untwerpener Alademie, 
1815 30 thre Bliite erreidte, verbreitete fie fic) nad befonders unter der Leitung von Hendrif Leys, deſſen 
Frankreich und England. Bal. Champier, Les ardaifierende Richtung auf die feinige vor entſchei— 
anciens almonachs illustrés (Bar. 1885); Wel- | dendem Einfluß wurde. Er begann ferme felbjtandige 


Almaty — Wlmeida- Garrett. 


Tätigkeit 1861 mit einent hijtorifden Genrebilde: die 
Erziehung der Sihne Kothildens, und der Erfolg, 
der dieſen Werk gu teil wurde, veranlakte ibn in 
jeinen jpitern Sab 

fränliſchen Geſchichte zu wählen, wobei er eine um— 
faſſende Renninis der archäologiſchen Details bekun— 
dete. Die gleiche Kenntnis bildet auch einen Haupt⸗ 
vorzug feiner ethnographiſchen Genrebilder aus dem 
ägyptiſchen, griechiſchen und römiſchen Altertum. 
Ihre Reihe begann 1863 mit: Wie man ſich vor 3000 
Jahren in YUgypten unterhielt. Es folgten 1864: 
Fredegunde und Prätextatus, 1865: Galloromanifde 
Weiber und Catullus bei Lesbia, 1866: Der Cintritt 
in ein römiſches Theater, der rimifche Tanz, Wgrip- 
pina mit der Ufde des Germanicus, 1867--69: Die 
Mumie, Tarquinius Superbus, die Siejta, Bheidias 
aut Fries Des Barthenon arbeitend und der pyrrhi- 
chiſche Tanz. In diejen Gemälden entiwidelte er be- 
fonders in Der Nachahmung der Stoffe, des Marmors, 
der Bronjen, Mofaifen, der antifen Originalen nad- 
gebildeten Gerätſchaften eine große Virtuoſität. Wie 
die alten vlämiſchen Meijter liebt er die Hellen, klaren 
Tine und ein volles, —— Licht ohne ſtarke 
Schatten. 1870 ſiedelte er von Brüſſel, wo er bis 
dahin gewohnt hatte, nad) London fiber und ließ ſich 
daſelbſt naturalijieren. Bon jest ab malte er fajt aus- 
ſchließlich Bilder aus dem römiſchen Altertum, unter 
denen das Feſt Der Weinlefe (1872), das Bildhauer- 
atelier und das Waleratelier (1874) feine Beqabung 
von ber glänzendſten Seite zeigten. Eine tiefere Emp- 
jindung und Errequng in den Köpfen feiner Figuren 
widerzuſpiegeln, tit ihm verjagt, wie 3. B. feine Por- 
irate beweiſen. Auch fiir lebensgroße Figuren reidt 
ſeine mehr auf das Zierliche gerichtete maleriſche ſtraft 
nicht aus. Das Beſte leiſtete A. in Genrebildern flei- 
nern Umfanges, wie: Eine Frage, Willkommen! die 
Badewärterin, der römiſche Garten, Vorleſung aus 
Homer. Von den Bildern der letzten Jahre find nod 
zu erwahnen: Cine Audienz bei Uqrippa, Claudius 
Imperator, Sappho, Sflavin im rimijden Frauen- 
bad, Hadrian, eine britiſch-römiſche Töpferei befu- 
dend, und römiſches Friihlingsfejt. A. ijt aud) aus 
gezeichneter Uquarellmaler. — Seine Gattin Qaura 
W. und feine Tochter A nna find ebenfalls Malerinnen. 
Erjtere fowie feine Todter Laurence find aud als 
Schriftſtellerinnen tätig. 

Almaty, Stadt, ſ. Wjernoje. 

Almazarrön, Stadt, ſ. Mazarrön. 

Almẽ (arab., d. h. die in Künſten »Gelehrte«, 
Mehrzahl Ww alim), Name der umherziehenden Tän⸗ 
zerinnen und Sängerinnen in Ägypten und Indien. 
Sie bilden eine eigne Zunft, werden häufig bei Feſt— 
lichleiten zur Unterhaltung der Gäſte gemietet und 
haben aud) in den Harems Zutritt. 

Wime, linfer Nebenflu der Lippe in Weſtfalen, 
entipringt im Bergland von Brilon bei dem Dorf 
Oberalme, nimmt bei Biiren den Wfterbadh, bei Nord— 
borden die Sauer auf und miindet bet Neuhaus. 

Almeida (ipr. meida), Stadt im portug. Diftrift 
Guarda (Provinz Beira), wichtige Grengfejtung gegen 
Spanien, Sftlid) vom Coa, 751 m ii. W., mut (1900) 
2312 Einw. Die Fejtung wurde 1762 von den 
Spaniern erobert, aber den Vortugieſen wieder zu— 
riidgegeben; 1810 fiel A. dem franzöſiſchen Belage- 
rungsheer unter Maſſena in die Mande. 

Imeida, 1) Francesco d', portug. Heerfiihrer 
aus Dem Geſchlechte der Grafen von Wbrantes. Nad)- 
dem er fig {don im den Kämpfen gegen die Mau- 
ren und bei der Eroberung von Granada durd 


ren nod) häuſig, Wotive aus der 


355 
Lapferteit und Umſicht ausgezeichnet, wurde er unter 
König Emanuel J. 1505 als erjter portugieſiſcher 
Vizeloͤnig in Oftindien Beqriinder der portugiesijden 
Macht dajelbjt. Die Städte Quiloa, Mombas, Ka— 
nanor, Kalifut, Rollam xc. wurden von ihm teils er- 
obert, teils durch Lc von Feſtungen und Falto- 
reien gefidjert. Sein Sohn Lourenco erfodt 17. und 
18. März 1506 einen glänzenden Sieg iiber die Flotte 
von Ralifut vor dem Hafen von Kananor. A. fperrte 
den Urabifden und Perſiſchen Meerbufen fiir den 
fighptifd-venesianifden Handel. Lourengo, der 1506 
Ceylon beſucht hatte, wurde deshalb von den Ägyp⸗ 

| tern bet Tidoul bei Bombay 1507 angegriffen, mit 

| feinem Schiff abgefdjnitten und getdtet. A. wollte 
| eben einen Rachetrieg antreten, als Affonſo d'Albu⸗ 
| querque erſchien, um von ihm die Übergabe des Ober: 
befehls gu fordern. Dies verweigerte U., bis er die 

Niederlage und den Tod feines Sohnes gerächt habe. 

Ant Dezember 1508 fegelte er mit 23 Schiffen von 

Kananor ab, erjtiirmte Dabul und ſchlug die Agypter 

3. Febr. 1509 im Hafen von Diu. Erſt jetzt legte er 

das Kommando nieder und verließ Kotſchin 19. Dez. 

1509. Er erreichte jedoch fein Vaterland nicht, ſondern 

wurde zu Saldanha am Vorgebirge der Guten Hoff⸗ 

nung 1. März 1510 in einem Gefecht mit den Ein— 
gebornen durd einen Lanzenſtich getdtet. Sein Sytem, 

Die portugieſiſche Macht auf dic Küſte Indiens gu be- 

ſchränken, war mit ibm gefallen. 

2) Emanuel, portug. Jeſuit, geb. 1580 in Vizeu, 

eft. 1646 in Goa, lebte von 1622—34 am Hofe des 
ultans von Ubeffinien, über dag er in feiner »Ge— 
ſchichte Wthiopiens« (Coimbra 1650) und in den 

»Hijtorifden Briefen«< (Mom 1629) fiir feine Seit ver- 

dienſtliche Nachrichten veröffentlichte. 

3) Nicoldo Tolentino d’, portug. Dichter und 
Satirifer, geb. 1741 in Liffabon, gejtorben dafelbit 
1811, jtudierte in Coimbra und qriindete fetnen Ruf 
durd cin ſatiriſches Gedicht auf den Exminijter Pombal, 
das ihm Die Stelle cines Sekretärs im Departement 
des Innern erwarb. Almeidas ſpätere Satiren in der 
echt nationalen Form des Quintilhas (jf. d.) find gegen 
| Lafter und Vertehrtheiten der Zeit geridtet, ohne per- 
ſönlich gu werden, und durch Naivität wie Eleganz 
des Stils ausgezeichnet. Geine »Obras poeticas« er- 
fdienen gu Liſſabon 1802 in 2 Banden (neue Aufl. 
1828-—36 und 1861). 

4) Candido Mendes de, brafil. Geograph, geb. 
1818 3u Gan Bernardo do Vrejo in der Broviny Ma—⸗ 
ranhdo, gejt. 1. März 1881 in Riv de Janeiro. Cr 
qab 1868 den wertvollen » Atlas do imperio do Bra- 
zile (27 Rarten und Tert) heraus. 

Ulméida-Garrett, Sodio Baptifta da Silva 
Leitdo de, ausgezeichneter portug. Dichter, geb. 
4. Febr. 1799 in Porto, geſt. 10. Dey. 1854 in 
Liſſabon, ftubdierte fett 1816 die Rechte in Coimbra, 
wo er mit dreiantif qehaltenen Tragödien: »Xerxes«, 

»Lucrecia« und anaes. hervortrat, ſchloß ſich 
dann 1820 der demokratiſchen Erhebung an und ward, 
faumt 21 Sabre alt, im Miniſterium des Innern mit 

Der Leitung des Hffentlidjen Unterridts betraut. Da- 

mals verfafte er eine Tragbdie: »Catdor, die zu den 

befjern Produften der portugieſiſchen Literatur gehört. 

Ynfolge der Rejtauration von 1823 verbannt, wen- 

dete er fid) nad) England, wo er cine romantijd-che- 

valeresfe Didjtung: »Magrico« ſchrieb und den »Tra- 
tado de educagio« (Lond. 1829, Bd. 1) verdjfentlidte, 
nahm dann in Havre eine Stelle im den Rontoren des 

Hauſes Laffitte an und verfafte daſelbſt feinen »Ca- 

moes« (Par. 1825), ein romantifdes Gedicht in zehn 

23* 











356 


Gejangen, worin er mit hoher patriotiſcher Begeiſte— 
rung Leber und Tod des berühmteſten Dichters jeiner 
Nation bejang (deutfd) vom Grafen von Sdad, 
Stuttg. 1890), fowie die »Dona Branca ou a con- 
quista do Algarve« (1826), ein epiſch⸗lyriſches Ge- 
Dict von fatirifder Tendenz in Wielands WManier, 
das vorzugsweiſe Das Mönchsweſen perfifliert. Nad 
bem Tode Johanns VI. (1826) ins Baterland zurüch 

efebrt, war er als Publiziſt befonders fiir liberale 

latter tatig, bis er 1828 unter Dom Miguels defpo- 
tiſchem Regiment eingeferfert und zur Flucht qendtigt | 
ward. Er begab ſich abermals nad England, wo er | 
fein beriifmtes romantijdes Gedicht »Adozinda« 
(1828), fury darauf den Romanzenzyklus » Bernal- 
Francez« und die »Lirica de Joio Minimos (Lond. 
1829) erſcheinen lick (Gedichte aus feiner Studenten- 
zeit im arkadiſchen Gefdmad). 1832 madte er von 
der Inſel Terceira aus die Expedition Dom Pedros 
als Gemeiner in einem Jägerbataillon mit und ward 
in Oporto mit der Organifation de3 Miniſteriums 
des Innern betraut. Nad) Herſtellung der Ordnung: 
unter der Königin Donna Maria I. fungierte er 
1834 — 36 als Geſchäftsträger in Briijjel und ward 
nad der Septemberrevolution von 1836 in Die fon- 
jtituierenden Cortes von 1837 gewählt, wo er fid als 
glänzender Redner bewies. Seine literarifde Tatigheit 
war ſeitdem auf Herjtellung eines nationalen Thea- 
ters gerichtet. Sein »Auto de Gil Vicente« (1838) 
wird von den Kunſtkritikern fiir das erjte neuere, rein 
portugiefijde Drama erflirt. Weitere dramatiſche Ur- 
betten von ihm jind: »D. Filippa de Vilhena« (1840), 
»Alfageme de Santarem« (1841), »Sobrinha do 
Marqueze und fein Meifteritiid » Frei Luiz de Sousa<« 
(1844; deutſch von W. L., Franff. a. M. 1847). Im 
Romanfach verſuchte er fid) nur cinmal in »O Arco 
de Sant’ Anna« (1846). Unter Den Brojajdriften 
werden die » Viagens na minha terra« (1837; deutſch 
in Reclams Univerjal-Bibliothek) hod geſchätzt. Ly- 
riſche Dichtungen voll Unmut und eigentiimliden 
Reizes find die »Folhas cahidas« (1852). Sehr ver- 
dDienjtvoll ijt fein »>Romanceiro« (1851— 53, 3 Bde.), 
die friihejte Sammlung portugieſiſcher Bolfsroman- 
jen, woraus Wolf in den »Proben portugiefijder und 
fatalonijder BVolfSromanjen« (Wien 1856) einiges 
mitgeteilt hat. Cine Geſamtausgabe fener Werke er- 
ſchien in 25 Banden (Liffab. 1854—77). Uber fein Le- 
ben vgl. Die »>Memorias biographicas« ſeines Freun— 
des Gomes De Umorim(Lijjab. 1881—84, 3 Bde.). 

Almeirim (ipr. -«méiring), Stadt im portug. Diftrifs 
Santarem (‘Proving Ejtremadura), nae dem linfen 
Tejoufer, mit Wein- und Melonenhandel und (1900) 
6085 Einw. 

Wimelo, Stadt in der niederländ. Proving Over- 
nffel, Rnotenpunft an der Cijenbahn Gronau-Ywolle, 
mit einem Sdlop, bedeutender Leimweberei und (1900) 
9957 Einw. 

Almemor (verderbt aus arab. al-minbar), Em: 
porbilhne in der Witte vieler Synagogen, wo die 
¥entateud- und Wrophetenabjdnitte verlefen und 
religidje Alte, wie Beſchneidungen und Trauungen, 
vorgenommen werden. 

Wimendralejo (ir. 2H0), Bezirfshauptitadt in der 
fpan. Broving Badajoy, an der Eiſenbahn Merida- 
Sevilla, mit cinem Theater, Branntweinbrennerei 
und (1807) 12,067 Einw. 

Mlmendron, ſ. Bertholletia. 

Wimenranfd, in den Bayrifden Alpen und in 
Tirol foviel wie Rhododendron hirsutum und R. 
ferrugineum, aud) Artemisia mutellina. 





Almeirim — 


ſpan. Provinz (f. oben), liegt an der glei 


Almonde. 


Almenraute, ſoviel wie Solanum Dulcamara. 

Almer, in Oberöſterreich ſoviel wie Jodler. 

Almeria (v. arab. almarja, »Auslug, Wart- 
turm«), ſpan. Provinz, öſtlicher, an der Meeresküſte 
gelegener Teil des Königreichs Andaluſien, grenzt 
mt N. und W. an die Provinz Granada, im RO. an 
Murcia, im O. und GS. an das Mittelländiſche Meer 
und bat einen Flächenraum von 8704 qkm (158,1 
OM.). Die Bevdlferung betrug 1897: 344,681 Cinw. 
(40 auf 1 qkm). Die Provinz umfaßt 10 Geridts- 
bejirfe. Die Hauptitadt ijt Almeria. 

Almeria, befeſtigte Hauptitadt der gleidnamigen 

—— vai 
des Mittelmeeres, am Fuß eines von einem mauriſchen 
Kaſtell gekrönten Bergrückens und an der Eiſenbahn 
Baeza-A. und hat ein fait ganz afrikaniſches Mus- 
feben. A. bat eine gotiſche fajtellartige Nathedrale, 
ein Lriejterjeminar und eine neue Wajjerleitung. Es 
ijt Sit des Gouverneurs, eines Biſchofs, eines deut- 
iden: NonjulS und ijt beriihmt durd die Schönheit 
feiner Frauen. Die Stadt zählte sev 46,806 Cinw., 
die Suderraffinerie, Tuchfabrikation und lebhaften 
Handel betreiben. Aus dem Hafen von A. liefen 1900: 
396 beladene Schiffe (378 Dampfer) mit 385,401 Ton. 
aus, die vornehnilic) Weintrauben (1899: 4,6 Will. 
Pefetas), Eiſenerz, Rohfeide und Eſparto ausfiihrten. 
Der Gefamtwert der Ausfuhr betrug 1899: 10 Mill. 
Peſetas. In der Nähe von W. ſind große Blei 
ſchmelzhütten und Mineralquellen mit Badeanſtalten 
(Alhama und Alhamilla). — Im Altertum hieß A. 
Portus Magnus, war dann 400 Jahre unter der 
maurifden Derridaft eine bliihende Stadt von ca. 
150,000 Einw. und wurde 1147 von Alfons VL. von 
Aragonien erobert. 

imerode, Stadt, ſ. Grof -Ulmerode. 

Almiffa (jaw. Omis), Stadt in Dalmatien, Be 
zirlsh. Spalato, an der Miindung der Cetina ms 

driatijde Meer (Canale della Brazza) gelegen, hat 
cin Bezirlsgericht, Burgruinen, einen Hafen, Weinbau 
und (1890) 1038, alg Gemeinde (1900) 15,108 ferbo- 
froatijde Einwohner. Die Umgebung von A. ijt die 
Landidaft Boljica, die bis zum Ende des 18. Jahrb. 
einen Den Venezianern tributiren bäuerlichen Frei— 
jtaat bildete. 

Wimodovar, 1) Stadt im portug. Diftrift Beja 
(Prov. Ulemtejo), am Cobres, mit seo) 3795 Einw. 
In Der Nahe Braunjteinlager. — 2) W. del Campo, 
Bezirlshauptſtadt in der fpan. Provinz Ciudad Real. 
an der Eiſenbahn Buertollana-U., mit Wem- und 
Olbau und 1397) 12,408 Einw. 

Almobhaden , j. Almoraviden re. 

Almonacid (pr. of), Flecten in der fpan. Proving 
Toledo, Bezirk Orgaz, an der Eiſenbahn Madrid- 
Ciudad Real, mit (1897 1647 Einw. Hier 11. Aug. 
1809 Sieg der Franzoſen unter Sebajtiani über die 
Spanier unter Venegas. 

Almondburhy (pr. Gmenderr), Fabrifort im Weit- 
bezirk von Yortihire (England), 3 kin ſüdöſtlich von 
Huddersfield, mit ase. 14,855 Einw., war ehemals 
Hauptitadt eines angelſächſiſchen KAönigreichs. Daber 
Woodſome Hall, der prächtige Landſitz de3 Lord Dart 
mouth (aus dent 16. Jahrh.). 

Ulmonde, Ehilipp van, holland. Vizeadmiral. 
geb. 29. Des. 1644 in Briel, geſt. 8. Jan. 1711, seid 
nete ſich in Der Seefdladt vom 11. —14. Juni 1666 
und 7. Juni 1672 in der von Soleshay aus, befebligte 
1673 als Ronteradmiral die Flotte vor Gorge und 
führte nad de Ruyters Tode 1676 die Flotte aus 


dem Writtellandifchen Weer nad Holland juriid. 


Almonte — Almquiſt. 


Späler lämpfte er mit Cornelis Tromp in däniſchem 


Dienſt gegen die Schweden und dann wieder in nie— 
derlãndiſchem gegen die algeriſchen Seeräuber. 1691 


wurde er Oberbefehlshaber der Flotte der Republik, 
die, ſeit dieſer Zeit gewöhnlich in Verbindung mit der 
engliſchen Flotte, an der franzöſiſchen und ſpaniſchen 
Riijte fich aufhielt. Den größten Ruhm erwarb er 


ſich als Führer der Niederliinder in der Sdladt bei | 


La Hougue (29. Wai 1692). Auf feinen Rat griff 
der engliſche Admiral Rooke tm Spanijden Erbfolge- 
krieg trok vorgeriidter Jahreszeit die reidjen ſpani— 
ſchen Galeonen aus Wejtindien an und zerſtörte die 
feinblidje Flotte tm Hafen von Vigo (23. Oft. 1702). 
Sein Denkmal fteht in der Ratharinentirde ju Briel. 

Almonte, Hauptort dev Grafſchaft Lanarf in 
Ontario (Kanada), hat, durch die jtarfe Waſſerkraft 
des kanadiſchen Miſſiſſippi, eines rechten Nebenfluſſes 
des Ottawa, begünſtigt, große Wollfabrifen und (1901) 
3023 Cinw. 

Ulmonte, Suan Nepomuceno, merifan. Ge- 
neral, geb. 1804 ju Valladolid in Merifo, gejt. 22. 
März 1869 in Paris, angeblid) Sohn des Prieſters 
Morelos, der im Unabhängigkeitskrieg eine bedeutende 
Rolle fpielte. YW. nahm als Knabe an jenem Kampf 
Ynteil, wurde dann vielfach im diplomatijden Dienjt 
verwendet und war unter Bujtamante und Santa 
Yna mehrmals Krieg3minijter. Nad) dem Sturze 
des Prafidenten Comonfort wirkte er fiir den flert- 
falen Pratendenten Miramon, trat aljo in Oppojition 
gu Juarez. Nachdem der lestere 1861 trogdem zur 
Macht gelangt war, betrieb der ehrgeizige A. die 
franzöſiſche Expedition geqen Mexifo. Mit den Oftu- 
pationstruppen traf er Anfang 1862 in Beracrus 
ein. Da aber die Mexikaner in ibm nur cin Werk: 
cug Frankreichs ſahen, fo ſchlugen feine Verjude, 
i zum Diftator zu maden, fehl. Wis W. 10, Juni 
1863 mit den Franjofen in die Hauptitadt Mexilo 
gekommen war, ftellte man ihn an die Spike Der von 
den Siegern eingeſetzten »Regentidaft des merifa- 
nijden Kaiſerreichs⸗ Das Kaijertum Marimilians 
bradte ihm den Rang eines Feldmarjdalls. Nad 
Warimilians Tode floh er nad Europa. 

Almopia, mafedon. Landſchaft, ſ. Moglena. 

Wlmora, Hauptitadt der Divijion Kumaon der 
britiſch ind. Nordiwejtprovingen mit (1891) 7883 Cinw., 
ge Behirden und evangelifden Miſſion. 

imoraviden nnd Almohaden, Namen zweier 
nordafrifanijd-jpan. Dynajtien. Moraviden (arab. 
murabitin, eigentlich Grengwadter, dann Vorlämpfer, 
cifrige Gottesdiener, Einjiedler) nannten ſich die An— 
Hanger ded int 11. Jahrh. unter den Berberſtämmen 
wijden Senegal und Atlas puritanijd miffionieren- 
a muslimijden Glaubenseiferers Abdallah ibn 
Jaſin. Ihr erjter, von Ubdallah eingeſetzter, Herr— 
ſcher, Ubu Bekr, gründete nad Abdallahs Tod (1059) 
Marokko (1062). Sein Nachfolger Juſuf ibn Tafd- 
jin erweiterte die Macht der Whnoraviden, ſchlug, 
von dem Emir von Sevilla (f. Abbadiden) gu bile 
erufen, die Chrijten 1086 bei Sallafa und unterwarf 
th, 1090 zum zweitenmal berbeigerufen, das ganze 
arabijde Spanien. Bald aber wurde die Macht der 


Wimoraviden wieder geſtürzt von einer neuen, von | 


Mohammed ibn Tumart im Utlasgebirge geſtifteten 
fanatijden Gefte, den Muwahhedin oder Almo— 
Haden (Anbeter des Cinen wahren Gottes«), die 
1147 unter des »Stalifen« Abd el Mumen Unfiihrung 
Marokto eroberten, den letzten Almoraviden, Iſhak, 
toteten und ihre Madt dann aud) iiber Spanien aus— 
breiteten. Unter Jafub ef Manfiir (Wimanfor) ge- 





357 


wannen jie 1195 bei Alarcos einen großen Sieg über 
die Kajtilier, wurden aber unter Jalubs Nachfolger 
Mohammed en Nagir von den verbiindeten Königen 
von Sajtilien, Aragonien und Navarra bei Navas de 
Toloſa jenſeit der Sierra Morena 1212 aufs Haupt 
geſchlagen. Mit dieſer Niederlage iſt der Verfall der 
muslimiſchen Macht in Spanien entſchieden; die nächſte 
Folge war die Vernichtung der Herrſchaft der Almo— 
haden auf der Pyrenäiſchen Halbinſel. Auch in Afrika 
war ſie nicht mehr von langer Dauer: innere Zwiſte 
lähmten die Kraft Der Dynaſtie, und die inmitten 
dieſer Kämpfe aufgelommenen Benu Merin (ſ. Meri— 
niden) machten der Herrſchaft der Almohaden 1269 
ein Ende. Vgl. Dozy, History of the Almohades 
(2. Ausg. Leiden 1881); Derſelbe, Geſchichte der Mau⸗ 
ren in Spanien, Bd. 2 (deutſch, Leipz. 1874); A. 
Miller, Der Islam, Bd. 2 (Berl. 1887). 

lmos (jpr. almoſch), 1) als Vater Virpads (j. d.) cin 
Stammesfürſt der Ungarn, ftarb wahrſcheinlich in 
Etellöz. — 2) Ungarijder Herzog, Sohn des Königs 
Geza J., wurde von Ladislaus J. jum Regenten 
von Kroatien ernannt, aber von König Kalman, 
ſeinem Bruder, wegen wiederholter Teilnahme an 
Verſchwörungen famt feinem fleinen Gohne Béla 
geblendet (1113). A. ftarb 1129 in Griedjenfand, 
wobin er 1127 geflohen war. Sein Sohn Béla (II.) 
beſtieg 1131 den Thron. 

Wlmofen (v. griech. eleémosyne, »Mitleiden«), 
eine aus Mitleiden dargereichte Gabe. Wie nad rich— 
tigem Begriff nidt der einzelne, fondern die Gemeinde 
den Dürftigen verforgte, fo gab man fdon in den 
erjten Seiten der drijtlichen Rirde ſolche Gaben der 
Gemeinde. Dabher find W. Gaben an die Rirde, die 
teilS zum Unterhalte der Geiftliden, teils zur Armen— 
pflege verwendet wurden. Unter den guten Werfen, 
denen, abgeſehen von der Geſinnung, an fid) ein 
hoher Wert beigeleqt wird, jtehen bei Katholiken, 
Juden und Mohammedanern die A. obenan. 

Almoſenier (franj. Aumdnier, engl. Almoner), 
ber Ordensgeiſtliche, welder die zu Wlmojen beſtimm⸗ 
ten Fonds gu verwalten hat. Meiſt ſind die Beidt- 
viiter latholiſcher Fürſten gugleidh deren Almoſeniere. 

Wrogalmojenier (Grand-Auménier) von 
Frankreich war feit Franz J. ciner der erjten Beamten 
des Reidjes und Hofes, gewöhnlich Kardinal, ſaß beim 
Gottesdienſt zur Redhten des Königs und betete an 
dDefjen Tafel. Die Revolution hob dieſe Wiirde auf, 
und mur voriibergehend riefen Napoleon J. und Na- 
poleon IIT. fie wieder ind Leben. In na ba hat 
gewöhnlich cin Biſchof als Lord High Ulmoner 
die Aufſicht tiber den aus Straf- und Wurhgetdern ge⸗ 
bildeten Almoſenfonds. — In der franzöſiſchen Armee 
ijt aumonier Titel der Militärgeiſtlichen aller Konfeſ— 
fionen, die aber feit 1880 auf die Standlager, ijolier- 
ten Forts xc. und die mobilen Truppen beſchränkt find. 

Mimaquift, Rar! Jonas Love, ſchwed. Schrift— 
jteller, geb. 28. Nov. 1793 in Stodholm, geſt. 26. 
Sept. 1866 in Bremen, ging nad) humaniſtiſchen 
Studien und furzer Beamtenlaufbahn 1823 im die 
Walder Wermlands, um als Bauer ju leben; mit 
einem Bauernniädchen verheiratet, fehrte er 1826 
nad Stockhholm zurück, wurde 1829 Gyninajialreftor, 
mußte die Stellung wegen ſeiner radifalen Schriften 
aufgeben, wurde Dtitarbeiter an dent liberalen » Afton- 
bladet« und floh wegen Verdadts eines Vergiftungs- 
verfudes an einem wuderijden Gläubiger 1851 nad 
Nordamerifa, fehrte 1865 zurück und lebte als Bro- 
fejfor Wejtermann bis gu feinem Tode in Bremen. 
A. war ſehr vieljeitig produftiv, ſchrieb mathematijde, 


858 Almud — Aloé, 


hiſtoriſche, geographiſche Lehrbiider, Grammatifen| Al numero, nad) der Zahl, j. Al marco. 
und Lexita, gahllofe Abhandlungen religidjen, philo-| Alnus, die Erle. _ 
jophifden und nationalifonomijden Inhalts u. a. Alnwick (pr. annie), Stadt in der engl. Grafidaft 
meiſt wertlofe Werke und aud nur gum Gelderwerd | Northumberland, am Win, 8km oberhalb dejfen Mün— 
geſchrieben, wie einige feiner Romane. Mehrere von | dung in die Nordjee, hat mit Canongate (1901) 6716 
Winrquifts Schriften gehören jedod) zu den geijtreid)- | Einw. Dabei dad beriihmte Schloß A. Caftle, im 
ſten Brodutten der ſchwediſchen Literatur. Das be | 12. und 14. Jahrh. entitanden, 1854 rejtauriert als 
Deutendjte: » Térnrosens Bok« (1832), ijt cine geſchict Stammſitz des Herzogs von Northumberland, mit vor⸗ 
verbundene Sammlung romantijder Dichtungen ber | trefflichen Gemiilden und fdinem Bart. — Bor die- 
veridiedeniten Art, darin die Dramen: »Sigqnora | fem Schloß fiel König Malcolm IL. (1093) und wurde 
Lunas, -Ramido Marinesco« (cine Fortſetzung der | Wilhelm I. (1174) nach verlorner Schlacht gefangen. 
Don Juan-Sage) und die bibliſchen ⸗Marjam« und | Un der Mündung des Win der Badeort Ulin mouth. 
»Midorus Tadmor«, ferner die epiſche Dichtung: Wloaden (Wloiden), im griech. thus zwei 
Schems ef Nihar⸗, cin nubifdes Marden von höchſt Brüder, Otos und Ephialtes, Sihne des Aloeus 
pifantem Rolorit. Almquiſts Romane und Novellen | (oder des Pofeidon) und der Iphimedeia. Sie wuchſen 
waren Die erjten Tendengromane mit realijtifder Schil⸗ alle Jahre cine Elle in die Breite und eine Klafter in 
derung; die bedeutendjten find: »Araminta May«, | die Linge, fo daß fie nad) 9 Jahren 9 Ellen breit 
»Skiillnora Quarnen<, »Kapellet«, »Det gir an« | und 9 Klafter lang waren. Sie banden nidt nur 
(1839), ein kühner Ungriff auf die Che, der eine Menge | Wres und hielten ibn 13 Monate lang in einem eber> 
Gegenſchriften hervorrief. Jn Almquiſts Werken tritt | nen Faß gefangen, ſondern unternahmen es anc, 
neber dem Intereſſe für foziale Ideen eine halb reli- | auf den Olymp Offa und Pelion 3u türmen, um in 
idfe, halb freigeijtige Unfdhauung hervor. Cine | den Himmel ju ſteigen; dod) Apollon erlegte fie mit 
Auswahl feiner Schriften (»>Valda Skrifter«) gab | feinen Bjeilen, ehe ihnen der Bart feimte. Rad einer 
Lyfander heraus (Stodh. 1874-—78, 5 Bde.; dazu | andern Gage fendet Urtemis, der fie nadhjtellen, cine 
die Biographie Almquiſts als Bod. 6). Hindin zwiſchen ihnen durd, und fie treffen ſich ge 
Almud (Mu hd), Dogimas in Marofto, = '/s Sa, | qenfeitig, als fie nad) diefer ihre Speere werfen. Auf 
in Fez — 14,387 Lit., in Tandja 29, in Ef Uraifd 31, Naxos wurden ſie als Heroen verehrt. In den Namen 
inC —— und Mazagan 25'/s, in Rebat 792 Lit. ſpricht ſich eine Beziehung des Mythus auf den Ackerbau 
Auch ſoviel wie Alma (ſ. d.). aus; fie ſcheinen urſprünglich Wachstumsgeiſter ju 
Almude, 1) früheres portug. Flüſſigkeitsmaß Wloah, afrikan. Staat, ſ. Bedſcha. ſſein. 
(Amalde): in Liffabon = 2 Potes = 16,95 Lit. Alocasia Schott., Gattung der Arazeen, aus— 
jtatt der —*— auch in Braſilien gebrauchten von dauernde Gewächſe mit kurzem unterirdiſchen oder 
16,14 L., fiir Ol— 15,coskg; in Borto = 25,365 L. — —— oberirdiſchen Stamm, langgeſtielten, ei⸗ oder 
Früheres ſpan. Getreidemaß (Cele min), = Viz Fae pfeilförmigen Blättern, kurzgeſtielten Blütenſtünden, 
nega = 4 Cuartillos: auf den Kanariſchen Inſeln = | etwas kürzern Blütenkolben als die meiſt nachen— 
5,22— 5,08 2.; in Mexilo (Almuer, Almuerza) förmige Spatha und faſt kugeligen, wenigſamigen 
== 7,568 L.; in Chile vordem — 7,563, in Concepcion | Beeren. Mehr als 20 Arten in Oſtindien und dem 
== 8,823 L., 1848 auf 8,083 L. bejtimmmt. — 3) Friihe- | malaiijden Gebiet. A. macrorhiza Schott. (ſ. Tafel 
res. Feldmaß — Va Fanega (j. d.) — 2 Cuartillas. | »Arazeen«, Fig. 7), bis 5 m hod, mit groken pfeil- 
Almufantharat(arab.,Hdhentfreis), jederdem | formigen Blattern und grünlicher Spatha, in Centon, 
Horizont parallele Kreis der Himmelskugel; alle Sterne | wird im malaiifden Gebiet vielfach fultiviert. Stamm 
eines ſolchen haben gleiche Höhe (vgl. Himmel). — | und Blatter find im friſchen Zuſtand giftiq, werden 
A. heißt aud cin von Chandler erfundenes Inſtru- durd Roden mild und bilden dann eine in den 
ment zur Beobadtung des Durdgqanges der Sterne | Tropen beliebte Speije. Dasſelbe gilt fiir die nave 
durch einen beftinnnten A. verwandten A. odora C. Koch (j. Tafel »Fliegen- und 
Almuñecar (fpr. almunjetar, arab., »Cinfehr«), Hay | Schnedenblumens, Fig. 19) und A. indiea Schott. 
fenfiadt in der fpan. Provinz Granada, Bezirf Mo⸗ Dieſe Urten wie aud) A. cuprea C. Koch, mit ſchild⸗ 
tril, mit maurifdem Schloß und (1897) 8527 Einw.; | formigen, oberfeits metalliſch glänzenden, dunfel- 
Ausfuhr von Rohrzucker und Rofinen. grünen, unterfeit Dunfelvioletten Blattern, auf Bor- 
Almutium (Almucium, neulat.), cinMleidungs: | neo rc. find prächtige Warmhauspflanzen. 
ſtück Der römiſch-kath. Geiſtlichleit, bas gu Anfang) Alos L., Gattung der Liliayeen, Meine Kräuter 
Des 14. Jahrh. in Aufnahme fant und in einem aus | mit grundſtändiger Blattrofette, auch ſtrauch- oder 
Pelzwerl gefertiqten Schulterkragen bejtand, an defjen | baumartige Gewächſe mit bis 20 m hohem, einfachem 
oberm Rande fic) cine als Kopfbedeckung dienende | oder gabelig versweigtem Stamme mit endſtändigen 
Kapuze befand. Später ward es durd das Barett | Blattrofetten. Die dicht gedrängt fpiralig, auc zwei⸗ 
und den Chormantel verdringt. Dod) tragen an ein: | jeilig ftehenden Blatter ſind fletichig, lineal « lanzett⸗ 
gee Orten, z. B. in Köln, nod) heute die Pfarrer ein | lid), qlatt, dag re warzig oder ſtachlig rauh, oft 
A. von weikem Pelz, das ihnen sur Auszeichnung an den Randern jtaclig gezahnt, aud) gefledt oder 
fitr ibre Standhaftigfeit in ber Reformationszeit ver: gebändert. Der einfache oder verzweigte Blütenſchaft 
lichen wurde. triigt {chin gefarbte, rohrenförmige Blüten in Whren 
Win Mehrzahl Ulnar), die Elle, bid 1882 in Schwe⸗ oder Trauben. Die Frudht ijt eine dreifächerige viel: 
den und bis 1891 in Finnland = 2 Fot = 59,s80cm,; | jamige Kapſel. Das Marlgewebe der Blatter enthalt 
Alen, m Norwegen — 2 Fot — 62,753 em, in Dane | farbs und gerudlofen Schleim, in befondern Schläu— 
ntart — 62,771 cm, in Asland 57,064 cm. | hen findet tidh aber ein gelber, bitterer Gaft, der ge 
Alumouth (yc, damndio), Badeort, ſ. Alnwich. | trodnet die Aloe des HandelS fiefert. Bon den etiva 
AlnGit, cin dem Melilithbafalt (j. Bafalte) gleich | 85 rten in warmern Klimaten der dftliden Erd- 
zujammengeſetztes Geſtein, dad fid) gangförmig auf hälfte finden ſich beinabe 60 im Kapland, befonders 
Der ſchwediſchen Inſel Wind und an andern Orten, | in der fteppenartigen Starroo. A. vera JZ., mit 30 
in brtlicher Verbindung mit Eldolithfyenit, vorfindet. | bis 60 em hohem Stamm, blaßgrünen Blattern mit 











los — Alopäus. 


hornigen Randſtacheln, 60 — 90 cm hohem Schaft 
mit reichblütiger Traube und gelben, zylindriſchen 
Blüten, ijt in Nordafrifa heimiſch, wächſt aud auf 
den Kanaren, im Küſtenland Syriens, Arabiens, Oſt-⸗ 
indiens, ward nad Weſtindien, Siidamerifa und Süd⸗ 
europa verpflangt, wird vielfach fultiviert und ijt in 
Siideuropa verwildert. Ihre Blatter dienen als Haus- 
mittel bei Wunden und Entzündung ju Umidlagen. 
A. socotrina Lam. ({. Tafel ⸗»Arzneipflanzen I+). 
A. ferox Mill., oft 6 m bod, mit ſchwarzpurpurnen 
Stacheln an den langettformigen Blattern, verzweig- 
tem Bliitenfchaft und blaßroten, grünlich geftreiften 
Bliiten, am Kap. Mehrere Urten, wie A. vulgaris L. 
in Ufrita, A. perfoliata Thunb, und A. angustifolia | 
L. in Djtindien, yg aus den Blattern eine techniſch 
benutzbare afer (ſ. Wloehanf). Biele Urten werden 
als Zierpflanzen fultiviert. Die »hundertjährige A.« 
ijt Agave americana; über die A. der Bibel ſ. Aloe— 
hols. Bgl. Salm-Reifferſcheidt-Dyck, Mono- 
graphia generis Aloés et Mesembryanthemi (Vonn 
1836 — 63). 

Aloẽ, der cingefodte Saft der Blatter veridiedener 
Aloe-Yrten. Bur Darjtellung läßt man den Saft 
aud den abgefdnittenen Blattern freiwillig ausfließen 
poder gewinnt ihn durch Preſſen oder Extrabieren der 





Blatter, verdampft ibn in Keſſeln und gießt ibn dann 
in Rijten. Man unterfdeidet glangende W. (A. Iu- 
cida) und Leberaloe (A. hepatica). Qe erjtern 
ehört die Rapaloe (aus Kapjtadt, der Wigoa- und 
ofjelbai), cine Dunfelbraune, völlig —— Maſſe, 
die leicht in glasglänzende, ſcharflantige Stücke und 
völlig durchſichtige Splitter zerbricht und cin bräunlich⸗ 
elbes Pulver gibt. Sie riecht eigentümlich, ſchmeckt 
Poe bitter, ijt nicht unzerſetzt ſchmelzbar, löſt ſich zur 
Halfte in faltem, vollſtändig in 12 Teilen heißem 
Waſſer, doch ſcheidet ſich beim Erlalten reichlich die 
Hälfte, das Aloeharz, wieder ab, Mit Alkohol gibt 
jie cine flare Löſung, in Äther ijt fie unlöslich. Die 
Rapaloe beiteht aus etwa 59,5 Prog. in Wafer lös— 
lichem amorphen Wloetin (Wloebitter), 32,5 Pro}. 
nicht bitterm Harz und 8 Proz. Verunreiniqungen 
nebjt Spuren von dtherifdem OL Hierher gehört 
mid die Curaſſao-A. von ——*8 Bonaire und 
Aruba. Leberaloe iſt undurchſichtig, Hell- oder 
dunkelbraun umd mehr oder weniger makro⸗ oder mi— 
krokriſtalliniſch. Die Sorten der Leberaloe enthalten 
verſchiedene kriſtalliſierbare, gelbe, geruchloſe, ſehr 
bitter ſchmeckende, neutrale, in Waſſer, Alkohol und 
Äther lösliche Aloine, die mit Salpeterſäure Chry— 
ſaminſäure liefern. Hierher gehört die Natalaloe, 
bie oſtafrikaniſche A. (Sanſibaraloe, A. socotrina), 
die über Bombay in den Handel kommt, und die 
Barbadosaloe. — Man benutzt A. als ein Abführ⸗ 
mittel, als ein die Verdauung unterſtützendes Bitter— 
mittel und gibt fie aud bei Hämorrhoidalſtockungen, 
weil fie Die Neiqung ju Blutungen befdrdert, und bei 
triiger Menjtruation. Jn der Techni dient fie zum 
Beizen von Hols und zur Darjtellung von Chryjamin- 
ſäure. A. war fdon den Alten befannt. WIS uralte 
Produftionsftatte gilt Sofotora. Aud) im Veittel- 
alter war fie geſchaͤtzt. Im 10. Jahrh. wird fie in 
angelſächſiſchen Sdriften und im 12. Jahrh. in deut⸗ 
ſchen Arzneibüchern erwahnt. Späteſtens im 16. Jahrh. 
gelangte A. vulgaris nad) Weſtindien, und 1693 war 
rbadoSalve auf bem Londoner Markt. Seit 1773 
wurde am Rap A. dargeftellt. Bgl. Aloeholz. 
Aloehauf, die Fafer aus Blattern von Woearten, 
befonders von Aloe perfoliata Thunb. in Djtindien, 
ijt wei, etwas glänzend und dient ju Seilen, Tauen 


359 


und Geweben (Wloetiider). Gewöhnlich verjteht 
man im Handel unter A. die Ugavefafer (f. d.). 
Aloeholz Wdlerhols, Agallocheholz, Pa— 
radiesholz), Name verſchiedener wohlriechender 
Hölzer, die tm Altertum ſehr hod) geſchätzt wurden. 
Die als koſtbarſtes Räucherwerk gerühmte Aloe des 
Alten Teſtaments ijt ein dunkelbraunes, ſehr hartes 
und ſprödes Holz, das von Aquilaria Agallocha 
Roxb. in Hinterindien abgeleitet wird. A. enthält 
nur wenig wohlriechendes Harz, und man ſchneidet 
daher die Bl sade Teile weg oder gräbt die Stämme 


in Erde, wobei dann die reine Aloe guriidbleibt. Jn 
| Den Mittelmeerhandel ſcheint A. erft sur Beit der Kreuz⸗ 


aiige gelangt gu fein. Es galt im Mittelalter auc in 
uropa als beilfraftiq, wabrend es jest mur nod in 
Ojtajien in der Parfiimerie und zu Heilzwecken Ver— 
wendung findet. Jn Hinterindien wird es in den 
Tempeln verbrannt. Napoleon I. benutzte 8 in feinen 
Paläſten als Parfiim. Seit dem 16. Jahrh. fam ein 
U. (Calambac) von Aloexylon Agallochum (Lequ: 
minofe) aus Rotfidindina und Siam, das lange wie 
das Hols von Aquilaria benugt wurde. 

Wlocjaure, ſ. Chryſaminſäure. 

Aloetaler, Silbermiinjen, welche die Herzöge von 
Braunſchweig⸗Wolfenbüttel 1701 aus Anlaß des Blü— 
hens einer Aloe Cre mit einer Wbbildung der 
Pflanze et Aufſchrift verſehen ließen. 

Aloctinjaure (Tetranitroanthrachinon) 
C, ,HNO,),O, entſteht beim Behandeln von Aloe mit 
Salpeterfiure, ijt gelb, amorph, löſt ſich in Allohol und 
heißem Waſſer, verpufft beim Erhitzen und bildet rote, 
ſchwach verpujfende Salze. Salpeterfaure orydiert A. zu 
Chryſaminſãure u. Bitrinfiure. VW. färbt Wolle braun. 

loetücher, ſ. Aloehanf. 

Aloexylon, ſ. Aloeholz. 

Alofi, ſ. Hoorne-Inſeln. 

Alsger (griech.), Name einer chriſtlichen Partei 
Kleinaſiens im 2. Ihrh., welche die Logoslehre des 
Evangeliums Johannis und deshalb icles felbjt, 
aber aud den Chiliasmus und die Fortdauer der 
Prophetic veriwarf. Der alte Ketzername wurde im 
Reformationsseitalter auf die Socinianer (7. d.), weil 
fie Die Gottheit Chrifti leugneten, übertragen. 

Alogiſch (qriech.), der Vernunft ermangelnd, un- 
verſtändlich, widerjinnig. 

Aloi (franj., for. alua), der geſetzmäßige Gehalt, 
Sdrot und Korn einer Vinge. 

Aloin, ſ. Aloe. 

Aloja de chafiar (ſpan., fpr. aldda de tidanjar), 
j. Gourliea. 

Wlombrados, ſ. Alumbrados. 

Alonge, ſ. Allonge. 

Alonſo Martinez, Manuel, ſpan. Staats 
mann, geb. 1821 in der Provinz Burgos, geſt. 13. Jan. 
1891 in Madrid, ſtudierte die Rechte und wurde 1854 
Mitglied der Cortes, in denen er ſich den Liberalen 
anſchloß. 1855—56 war er Minijter der Sffentlidjen 
Urbeiterr unter Espartero und O'Donnell, 1863—64 
unter Wiraflores. Rach der Septemberrevolution 
(1868) übernahm er unter Sagajta das Juſtizmini— 
jterium, das er DiS 1888 wiederholt inne hatte, und 
reformierte Die Strafgeſetzgebung. A. verfafte als 
bedeutender Rechtsqelehrter wertvolle Werke. 

Wlopaus, 1) Maximilian, Baron von, ruff. 
Staatsmann, geb. 21. Jan. 1748 ju Wiborg in Finn⸗ 
fand, geft. 16. Mai 1822 in Franffurt a. M. ftudierte 
zu Vbo und Gattingen, erbielt das Direftorium der 
Reichslanzlei in Petersburg, ward 1783 Gejandter 
in Eutin, 1790 am Berliner Hof und begleitete den 


360 Alope — Alpen. 
König Friedrid) Wilhelm IL. in die Champagne. VIS | gen. Das Alpdrücken wird durd die unflare Empfin⸗ 
Preußen fid) durd) den Baſeler Frieden 1795 von der | dung ciner während des Schlafes eintretenden At— 
Roalition getrennt hatte, forderte A. jeine Pajfe. Bum | mungsbehinderung hervorgerufen. Wiles, was zu 
Staatsrat ernannt, befleidete er darauf den Poſten ſchweren Träumen iiberhaupt disponiert, fann auch 
eines ruſſiſchen Geſandten beim Reichstag zu Regens- | den W. veranlaſſen, namentlich ftarfe Mahlzeiten vor 
burg, bis er 1802 als Botſchafter nad) Berlin zurück⸗ dem Cinjdlafen, Wusdehnung der Gedarme mit Larft, 
febrte. 1807 war A. in außerordentlicher Miſſion in wodurd das Zwerchfell nad) oben gepreßt wird, enge 
London; 1809 nahm er feinen Abſchied. Kleidungsſtücke, Storungen im Blutfreislauf. Dre 
2) David, Graf von, Bruder des vorigen, geb. — — Alps lann oft verhütet werden, in— 
1769 in Wiborg, geſt. 13. Juni 1831 in Berlin, ward | dem man beim Einſchlafen die Rückenlage vermeidet, 
1792 Setretir des Gefandten Rumjanzow in Frank: | vor dem Sdhlafengehen den Magen nidt anfiillt umd, 
furt a. M. und 1800 ruſſiſcher Gejandter in Stodholm, | wenn cin franfhafter Zujtand m den Organen der 


wo er 1808 Gujtav Adolf IV. zur Verzichtleiſtung 
auf Finland bewegen follte. Wis aber die ruſſiſchen 
Truppen in Finnland einriicten, lief der Schweden- | 
fonig A. feftnehmen ; aus feinen Rapieren famen aller- 
hand Beſtechungsverſuche zu Tage. Rad der Erobe— 
rung Finnlands ward. jum Mitgliede des Geheimen 
Rates ernannt, dann in den Grafenjtand erhoben. 
A. ging 1811 als Gejandter an den württembergiſchen 

of und 1813 als Generalkommiſſar jum verbiindeten 
cal Rad dem Frieden vertrat er Rufland am 
Berliner und Sdyweriner Hof. 

Aldpe, im griech. Mythus Tochter des Kerkyon 
von Eleuſis, Mutter des Hippothoon von Pojeidon, 
der fie in cine Quelle verwandelte. 

Alopecie (qricd.), ſ. Kahllöpfigleit. 

Alopecurus L. (Fuchsſchwanz), Gattung der 
Gramineen, Gräſer mit zylindriſcher, abrenfirmiger 
Rijpe. Etwa 20 Arten, beſonders in Europa und 
dem gemäßigten Aſien. A. pratensis DL. (Wiefen- 
fuchsſchwanz, Rolbengras, ſ. Tafel ⸗-Gräſer I<, 
Fig. 8) wächſt truppweiſe auf friſchen, etwas feudten 
Wieſen und bildet hier cin Futterqras eriter Klaſſe, 
das im 2.—4. Jahr im vollen Ertrag ſteht; die Sa- 
men haben im Handel nur 4 Proz. Gebraudswert 
und find häufig mit denen ded folgenden gefälſcht. 
A. agrestis L. (Ackerfuchsſchwanz) ijt em Acker— 
unfraut und A. geniculatus ZL. (qetnieter Fuds- 
fd) wang), in ftebenden Gewäſſern und auf Wiejen, 
cin geringes Futtergras, 

fora, Besirfshauptitadt in der ſpan. Provinz 
Malaga, ant Guadalhorce und an der Cijenbahn nad 





Cordoba, mit Wein und Clivenbau und (1807) | 
Aldsa, Die Alſe. 


Ojtilandern, an der ſchiſfbaren Dender, Rnotenpuntt 
an der Eiſenbahn Briijjel-Ojtende, ehemals Haupt- 


jtadt von Oſterreichiſch-Flandern. YW. hat eine fpat- | 


gotiſche St. Martinstfirde (von 1498, unvollendet) und | 


ein gotiſches Rathaus mit ſchönem Vergfried, vor dem | 


cin Standbild von Thierry Martens (jeit 1856) ftebt, 


der 1473 die Buddrucerfunjt nach den Niederlanden 


bradte; ferner cine Staats -Rnabenmittelidule, ein 


Dejuiteninftitut und 3ahlt (900) 30,069 Einw., die 


Dopfenbandel, Leinwand- und Scidenweberei fowie 


Spipenfabrifation betreiben. YW. war 1046 — 1173 | 


Hauptitadt einer Grafſchaft. 

Alofsia, {. Lippia. 

Alp (Alm), Bergweide, ſ. Alpenwirtſchaft. 

MlpMipdriiden), beiingitigender Traumzuſtand 
beim Einſchlafen oder vor dem Erwachen. Der Träu— 
mende hat die Empfindung, als ob eine Laſt, ein Tier, 


(10,246 Einw. 
Aloft (Aalſt), Arrondiſſementshauptſtadt im belg. 





ein Geſpenſt rc. auf ihm lage; er empfindet die ent- 


Bruſt oder des Bauches die Urjade ijt, ſich ärztlichen 
Rates bedient. Der A. (Alb, Druta, Mahr, Nacht- 
mahr) war un Mittelalter und aud nod jetzt Anlaß 
und Gegenjtand mannigfaden Wberglaubens. Wan 
identifijierte ibn aud) mit dem Teufel; »der Teufel 
hat did) geritten« ijt foviel wie »did) hat der Mahr 
qeritten«. Wie Fraw Holle Gefpinjt oder Haare ver- 
wirrt, felbjt verworrene Haare trägt (Pollenzopf) 
jo widelt der Nachtalp das Haar der Menſchen und der 
Pferde in Knoten (Alpzopf, Drudenjopf, Bid- 
telzopf, Weichſelzopf). Man unterſchied im Ulter- 
tum den männlichen YW. (Incubus) vom weiblichen 
(Succuba), erjablte von Dem Glauben der Relten an 
dieſe Geſpenſter, die Auguſtin Duſier namnte, und 
daß ſie auf Verführung der Menſchen ausgingen, und 
machte ſolche Weſen ju den Vitern von Helden und 
Zauberern (3. B. Hagen und Merlin). Der YL, der 
die Landleute auf dem Felde während der Mittags- 
rube heimfudte, gab Anlaß gu den Erzählungen vom 
WMittagsdamon und der Mittagqsfrau (jf. d.), 
die ſchon von den Ulten erwähnt werden. Bgl. Cu- 
baſch, Der U. (Berl. 1877); Laijtner, Das Rätſel 
der Sphinx (daj. 1889, 2 Bde.); Rofder, Epbialtes, 
liber die Alpträume und Alpdämonen des flafitiden 
Altertums (Leips. 1900); Wuttle, Der deutide Volls⸗ 
aberqlaube der Gegenwart (3. Aufl., Berl. 1900). 
Alp (beſſer Alb), Schwäbiſche oder Rabe, 
Sura, Deutider. 

Wipata, verjilbertes Neujilber. 

Alpafa (Alpako), ſ. Lama. 

Alpaka, glanjender Damentleideritojf mit Lein- 
wandbindung und 22 Ketten- und 20 Schußfäden auf 
Lem. Sette Baumwollenzwirn Rr. 80 engl., Schuß 
Wipafa Rr. 24 metr. 

WAlpafawolle, das Haar des amerifan. Wlpafa, 
iit gewöhnlich ſchwarz, mitunter wei und grau, ſehr 
flag qewellt, 0,02 — 0,03 mm did, 10 cm lang und mit 
jeidenartiqem Glanz. Die Verarbeitung der A. be- 
qann 1830 in England, viel {pater in Frantreidh, Bel- 
qien und Deutidland. Gewöhnlich wird. ungefarbt 
veriponnen, am baufigiten mit Baumuwolle, Mohair, 
Kammgarn oder Seide. 

Alpargatas, aus Eſpartogeflecht hergejtellte San- 
Dalen der ſpaniſchen Fußtruppen. 

Al pari, j. Pari. 

Alpbaljam, |. Rhododendron. 

Alpdrücken, ſ. Yip. 

Alpen (wahrſcheinlich v. felt. alp oder alb, ſoviel 


i. 


wie ⸗hoch, Berg), Hoddgebirge, die, unähnlich ge- 


woöhnlichen Gebirgstetten, aus emyelnen Gebirgs- 
ſtöclen (Gruppen) zuſammengeſetzt ſind. Die einzelnen 
Berggruppen ſind durch ſattelförmige Erhebungen 


ſeblichſte Angſt, ex verſucht ſich zu bewegen oder zu (Cols) und ſchmale Rippen (Joche) zuſanmmengelnüpft. 
ſchreien, aber er fann nicht. Gelingt es thm, ſich zu Bon bedeutender abſoluter Höhe, ſieigen fie öflers über 
ermuntern, ſo iſt der Anfall vorüber, aber er fühlt die Schneelinie empor und haben gewöhnlich eine 
fic) meiſt ſehr matt, hat heftiges Herztlopfen, ijt in | breite Baſis. Ihre Gehänge ſind tief gefurcht. zerriſſen. 
Schweiß gebadet und kann ſich nur allmählich beruhi⸗ gezackt, mit ſchroffen, oft lotredt abſtürzenden, häufig 


{Zam Artikel Alpen.) 


Ubersichten zur Karte ,Hihenschichten der Alpen‘. 


Die in der ersten Reihe stehenden Zahlen | 3554 | geben die Hake iiber dem Meer in Metern an, die Bochstaben ond 
Zahlen der zweiten Reihe | G3 | bezeichnen die Felder der Karte. 











Adumeflo, Montir..... 
Aletsebhorn., .. 0... 
Ambin, Mont. ....... 
Ameringkogel 
Angéle, Mont ,.....45 
Ankogl...-..5--5- 
Antelao, “Monte — 
Antola, Monte (Lig. Apen.} 
Argentera, Punta dell’. . 
Asta, Cima d’. 
Aurouze, —— a’, 
Ballo, Monte. 
Rasoding .,..... 
Beigua, Munte (Ligur. 
Apennini... 

Belchen. Kleiner (Vogesen) 

— Snizer (Vogesen) . 

— Welseher (Vogesen) : 


24 


—— — 


NHeriei, MAnt 
Bernina, Pie. 
Biela Lazica (Kapelenge- 
birge).-...-....- 
Henhorn.. 
Bitoraj — 
Blewasch........0.2. 
Bésenstein, GroGer 
Bar, Monte tig: Apenni) 
Bart, Mont, senees 
Huin, WIS 6 Se — 


Cadria, Monte... ..., 
Canin, Momte,..... 
Carpegna (Etrusk. Apomu.) 
Cevedale, Monte (Zufall- 
spitze). 
Champeyron, Mont... . 
Chasseral (Juragebirge) , 
Chasseron (Juragebirge) . 
Chens, Mont de lal... 
Churfirsten ...... 04. 
Cima d'Asta . 


es eens eae 


eer en eee 


Cimene, Monte (Ligue. 

Apennin}. ... 0... 
Claridenstark, 2... . J 
Coca, Pin di... .... 
Col de Chamechaude, . . 


Colli Enganet 
Colombler, Grand. 
Combin, Grand . 
Consama, Monte (Etrusk. | 
Apennin). 2.0.00, 
Cornone, Monts... . . 
Couloirs, Grands 
Créte de la Neige (Jura. 
gebirge) 
Cridola, Monte... . . . 
Cristallo, Monta... 
Criupac ‘(Velebit- “Planina} 
Dachstein .. 0... ‘ 
Dammastock a 
Dent da Midi... ..- 
Triablereta.... + 
Disgrazin, Monte detia. 
Dodiel, Cima... 2.0 2. 
Dom... . 
Dreiherruspitze : X 
Preischusterspitze . 0... 
Dufourspitze .., 0... , 
Dirrenstein . . 
Ebro, Monte (Lig. Apenin) 
Bering, lew... 
Fisenhut a dish hal 
Emilins, Mout. . —E 
Err, Pix d o Janta 
Exnganoi, oll . 
Fagyioian, Monte (Rtrask. 
Apennin>.... 5 as 
Falterona, Monte (Herask. 
Apennin), 2... 4 


++ eo ee 


3354 


S276 


1268 
1424 
1245 

419 
4052 


1532 





1485 
1563 
2440 
1808 
$109 
3312 
2254 


1407 


3774 
340%) 
1610 
MW) 
1714 
2308 


S862 


1798 
2581 
d199 
1404 
26 
3633 
3260 
| 3246 
| $878 





4103 
2441 
3559 
3381 

589 


roms 
1h4e 














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S SEGZER GQRSSacaske 


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He 


Faulhom ........-. | 
Feldberg (Schwarzwald) . 
Finstersarhorn,...... 


esecaen 


Gottero, Mente . 
Grand Colembier .... 
— Combin, ........ 
Grande Moucherolie .. . 
— Sassiére 
Grands Coaloirs .-. .. . 
Grandes Roussea . 2... 
Grand Veymont...... 
Gran Paradiso... 2... 
Grappa, Monte... 2... 
Grintouz. . 
GroBer Bowenstelu .... 
— Bachstein .......- 
— Priel .. 


oe eae 





seer ee ee 


11741 
Hasenmatt ——— | eH 
Hauenstein 








BAPSOT 0.660 e 55403 ane . oes 
Hochalmspitze . ».. | 8855 
Hochfeiler.......- - | 3524 
Hoehgall........255 S440 
Hoehgolling......-.. PAGS 
Hochkhinig .........), 2008 
Hoehlantsch ,...-.-. 1722 
Hoshschwab .......-. 2278 
HMochstadl..... 6. .. | 1926 
Hochtor......0 0.4... ; #879 
Hoehvogel., .. 06.6565 2594 
Hohenaar (Hecharn) ...) 3258 
Hohenwart ......... 281 
Hohe Riffler..... oe | S166 
— Salve,...... | 1826 
Hiilengebirge ....... | L862 
dungfraa . mole tee 4167 
Kaisergebirge. .. .. 2444 
Kalte Berg... ...5-5 201K} 
Katzenkopf......, ..| 2532 
Kern (Krn) 2.5 0 6 « 2246 
Kesch, Pit .......-- 3422 
Kleiner Belehen (Vogesen) 1268 
Riek... 2.2.2 00255. 4] 2188 
Kollinkofel ......6.. 2810 
Kénigspitze. . 2k 4857 | 
Kénigstahl .. 0.2.20. 2331 
Kreurspitze 2... .- + | 940t 
Kachenspitsze........ | 3170 
Kuhalpe.....4.0255 1784 | 
Kumberg 2... -. 2.5% 121%) 
Langkofel. 0.2.2.2... a178 
Langasrd, Piz... ....) S286 
Legnone, Monte..... , | 2610 
Iwone, Monte ....... | S581 
Lea Eorins .........- 4103 
Levanna, Is .....,..) S618 
Linard, Pia. .......4 S414 
L’Obion wae ee 2794 
Labéron, Montagnes du . - | 1995 
Lure, Montagne de, . .. | 1827 
Midelo Gabel ....... | 2644 
Maggiore, Monte ... ..! L306 
Marguareis, Cima..... 2840 
Marmolatns ........ . |) S360 
Matterhorn .....,.../ 4482 
Menone, Pizzo. . ... . | 22H | 
Mittagepitze , eee « «| 2092 
Moi, Col det... .. : 1358 
Moléeon — e640 a" ceee 2005 
Mammio, Alpe (Ligur. 
Apepnim.. 2... 6. ) 791s 
Montagne d’Aurouze .. .) 2712 
Mont Ambin ..... S877 
Moniblane.. 4510 | 


Meyers ——— 6, Aujl., Beilage. 









11114141 


111111 





Cristallo 
Cusna (L'g. Apennin) 
delis Disgrazia .... 
«= Ebro (Ligur. Apennin 

- Faggiola (Fark. — 
Falterona(Etrk.Apen.) 


oes 0we 


Ce ee ee ee 


re ee 








Montagne de Lure .... 
Montagnes du Labéron . 
Monte Adamelio. ..... 







Antola (Lig. Apenniu) 
Baldo... .. 
Beigas (Lig. Apennin) 
Bue (Ligar. Apennin) 
Cadrin 


eee 


e+ eee 










see ewes 


ese ht ew ee 


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{Liger. Apennn) . 


— Paralba 


— Ponice (Lig. Apensin} 
—~ Penna (Lig. Apenntn) 


Pisanino (Lig. Apen,} 
Pramagwiore,..... 


Rondinajo (Lig.Apen. ) 
Rosa ...e es 


fee 


Santa Franca (Ligar. 


Apennin) .. 5. 
Tondo (Lig. Apennin) 





Monti Berici . . . ‘ 


— Pisani (bei Pisa) . 


Moncherelle, 


Grande... 






a ee —— — — 


—— 


seer vers ee 


Pacenovac (Kapelenghge.) } 


Pala, Cima di. 
Panargenspilee., .. eee. 
Pania della Croce, Mante 

{Ligor, Apennin) .. 
Paruliso, Grom oo... 


Paralba, 


Monte 


Parseler Spitve,...., . 
Pasubio ..... - tt ea 


Pelat, Mont, 


ese eucana 


Penice, Monte (Lig. Apeu.) 


Penna, Monte (Lig, — 
Petseck .. 


a 































Dy 


i8 


Uv Dic gitiz ed | 


Chersichten zur Karte Hihenschichten der Alpen. 





Whantet 2. we ee — .« be PF? | Reese lirendoe .... Mia OCA f Vinibras, Mowt....... WEE 1 Ts 
Filet gizt 62 Saist Henegat, Meat... Ee CS | Tithe... .. =a — 
Pissei, Mot) wi i’se vie 6% Salve, Hobe . 2.2.4.2. -' 8% 12 Tedi ‘ AR X 
Piven, Mente ‘T.gor Ban Mattes, Punts. ... BY GI Tofans : are! It 
Apeunis se 144 G5 | fandepisze.. . -.-+, BS TS | Tondo, Mente Lag. — Ee 
Pierhteenia f chokenghg “A Me “ents Franca, M- neste lig Tom, (ima..... 517% *o% 
Wig Perms. . 1... - 26s #o2 PA Apewoin ......+ - 1915 FS Totes (eebirg eres Sle aR? 
Hain 312 64 Santis .....- - 2h PR Trelod, Meet...... bf ‘4 
Ab teens 252 Gs Maowitre, fyramde ... .. ST CD44] Trigiav.... ~.. See 6B 
a Ese. . * —— , (irobe ...... 2m), LS | Unterberg. . . 1S41 - 
Kook ——4 242 ra Srewaplana ..... .. owe Fr Urenlaberg 6 . lee alt 
Sanmuerd 2.5622 VW, ‘S | Schafberg. . . ., liso Ke | Vakaneki Vru ime 7 
TAmard . 2 ww ee 414 eS Behlerm .. aa] 265 Hi Vanil Noir .. , 25, Ist 
Beavenia. 42i\ 494 Rehnecbergz Krainer -.» im Ta Veltechalpe ... - . . ~—s we 
Axl wae | OFS — thei Whieg ..- ee, 25 M2 | Vemediger...... . Whe i 
i" woes Menene .. 5. ~. BH FS Sehipt. ..... . . «. 3 MI Ventoux, Meat....... 1212 Rm 
Vijeeiviem . 2... 1654 LS | Sehreekbeore . .-.... , 0, EB | Veymont, Grand ..... DMA — 
Pointe Poreer 2752 C4 | Sehwarskogel.... 15449 MS ] Vexrzana, Cims a. 4157 0 89 
Potinik : . 2° aim) KA Seliski Vrh Kaper te agig. 12a MS Villacher Alpe ...- ‘ . 2147 A: 
Pramagyterr, Mewte 247% F%3 Sengeengebirge ...... 1961 L2 Viso, Monte . -e ee, SOT OTe 
Preeanetia. . 4 GS Beqvenns, Piz . ~++.,a88), G3 Wachberg..... .- . Ite wm 
Priel, Cirebe . » » B54) 12 | Silvreta..... ...., 3285! G3 | Warscheneck ; . o~-* te 
Punta dell’ Argentiera.. $307), DS Aol, Piz sere ce- ro | DD FS Watemann .. * . I? 
Man Mattes ...... S692 OS Solatein - - +eee «| 241) H2 Weehsel.........2-- iv mM: 
Verrgsi, (irober. . 2244 «OL? | Sparafeld . -.. 245, L2 Weibenstein: —— io ee is 
Halnar. .. 1 es 160) MY 2. .--4. 1&9 | M2 | Weilbe Spitze. . . ,_ iz 2 
Racalpe . Bare 2 | Stanser Hori. . . -.., 1900) ES | Weibhorn..._.. .. 412 fe 
Hevea, Mevtibe Lig. > antn lift ES Stelle delle Sat . +.) 2617, HS | Welbkagel . . i rt en 
Relssipe..... ee eee | $3894. M2 7 Stockhorn..... - +.) 2193! DS | Welscher Beichen Voges 14. 49 
Mheinmwaldheru. .. 2.45, stm OFA Mtoqd .... +. .. +) 2238; LS —— — 24 oS 
KHiffler, Hohe... ..... 31), G2 | Stahlecs.. .-..--.. 1783 | M2 | Wilkiepitze... .. . B74 «a 
Wigi. 2. .---- -. a) [OO EQ Saeciso,Aipe dilag.Apen.) 2017 GS Woteche. .. ese eee, Fee 3 
Koerlamelane .| 258) D4 Salzer Kelchen (Vogesen) 1423. De Zinkenkogel . .. . Bes 12 
Keen, Monte... , 215 HS Sveto brdo (Veletit- Pla- , | Zirbitzkogel. ...... . 2 L? 
Hondinage ‘tag. Apennin, 163 GS Mina) . 6s eee eee 1750 MS | Zuckerhid .... - S17 BRa 
Hete Wand........./ 2706; G2 | Taber, Mon... ...... ; 3205 C4 | Zafalispitze Mouse Geve 
Kethorn (Arower; . 6. - Lede a Tendre, Mont ....... 16n0, CB Gale. 26.2 ss cae e 334 6 6Gs 
Hrienzer) .......1 23511 ES J Tennengebirge....... 2428 | K2 | Zugspitee..........'°8 GH: 
If. Alpenseen, nach der Grife geordnet. 
tribe irdbe P —XRXC 
1. Westalpen, — in 2. Ostalpen. fee in aan. in 
) OKH, ne ORL. one | Kit 
Uenfortow{aclaman 37% S78 % [diardasee {Lago di Moniswe -...... 4i4 i4.¢ a: 
ul 


Hodeonsae . . 6. . has 
Neuenlorger (New- 
chateler) See...) 432 
Vierwaldetatior Ker 437 
Alitiehiawt., 2 oes “nn 


Thaner Kea cera fi) 
Jae de Bourget, . 245 
Iielor Bow... .. — 444 
Luger Res . 47 
Virienser Sew 2, hea 
Jae al Anime oa qa 
Walenaeo. . er 
b.oge lL tirta 1 | oO 
Sempachor Sew. , | 7 
Sarner See, . wes 147 


III. 


—RV—— — 
Noilfwer Joel... oe ee 
(ul de Prejae oo... a 
Col de la Vanelse . 
Sankt Hermbhard, Girey ¢ 
NiufonenpaB. .. 6... ees 
Purke 

Mitela 

Herulinaps& 

Cirelnapad 

(ioral, 

Albuls , 

Julie ‘ 

Mamht Boculiait, Rbwiset 
Vitiveoo@l 2. , ya ee 

Gites joe 

Spiiges 

Saw ht Caetel. est 

Miewt Teme 

ol dy Lanutaret 

Ol ike Seatrie rea 

Ye enhandia 

Uble eats 

Pt ie ee 

tink de Pong 


4 
| hae | PY Garda) 


| 
feel 
| lago Maggiore... 197 210 | KA } Sankt Wolfgang: 
I 
| 


192 | 12 | (Aber-) See... 539 Its) KS 


j | 
&5 | aA | G4 | Lage d'‘idro .. |. BON | 14 4e4 
240 6©C3  Chilerman. .. | 





11S. E24] Comer see ‘Lage ‘di Millstatter Sec . . Saati > ie es 
RR | RL Como) ....-.. 200 | 154 FS,4] Ossiacher See. 400 its OL 
48 DS PTago d'faenw 2... | IRS | G2 | id | Tegornseo |. ‘ | 727 | ¥ He 
44.06 TH | Waorm-Starnbe reer) Ilallatatter Sev +e A? ke 
42 06K Sew... 50 57 HH? | Staffelwee, ..... ) G46 ie Me 
te 5 | Laganer See ‘Sangol oan | 80.5 fEF | Achensee. .. ....) 982 &. 
‘yr Fa At Tngano) ... p ”* jo" [4 | Rechelsee .. .. . . | ol ;, &s He 
Oh 04 F Attor(Kammer-isen 4464 >) 47 | K2 | WelBensee.. .. 921 | fs WNe 
wha 'R2 DP Ammereomm , 2... | S44 (46.5 | N2 |] Kénigeen ...... Gl 3 2 
17,4 | B4 | Traansee . .| #22 248 (1 K2 b Zeller Seo... .-.j) TO | &r . be 
14,8 | fe | Warther Be 2. 2.) 499 1195 1 L3 | Sehlierser 22... | Vis Ri Hz 
7.4 | EA | Walebenwee .. 2... mie ot OG H? § Wocheiner Bee . see O88 aa} KS 





Die Hauptalpentibergiinge, nach der Hihe geordnet. 





Meter Meter Metrr 
2764) D4 | fokmanior ......... 1917 | Ea | Col de Bayard. ......, 1248 as 
| qs TonalepaB. .. . . 6 ee es | IS84 64 Prvbichl . . . ‘ . 12% 2 
v4 | Vol dt Tends... 00.4. | 1873, DS | Fernpab. .. . .../PNa ag 
f ‘4 Mont Genewre .. 2.04. Isto; OS Col de Cabre.. 2.0... like 6S 
2472) 14 J Ban Mareopad......-.) 1826, FS | Pagaeza, Passo delle... . 1165 Ha 
M40) ES Albulatanmel, ....... isis FS Predil . . : 12 KM 
2408 4 Malojapab. . 0-6 eee} Ini7: FS Ranks Gotthardsann i ..) iM Ft 
eu PA | Arlberg . . - ae.) 1802) G2 | PinstermGne ...-.... LO8 G2 
wegen RS Radetadter Tauern ....) 1738 1 K2 Krearberg (Kanten:... [04 K3 
wie) RA Katechberg ......4.. iftl Ke La Cisa (Lignr. Apennin W4l, FS 
ea ee BS Kreneberg (Dolomiten:, > Lads 13 Col di & Hernando 2... 104 FS 
SAN ra JaunpagG.... , ». Laon) DS Rroinig ....... pies | | 
**7 — ial de la c raix it ante . +, lm HS Semmering é. vr MN 
Vises a4 Keechen~ Seheideck.. 2.) 1491 ted Vol di Nava... . : 974 is 
1 21A4 ba | tiering, Huhe, . . . ~. en t2 teallbergeattel . . ‘ vy §6[KS 
Jiss tat Abetone (ligur. Apennin Lass) (5 Pyhrapas . — 245 12 
2uke * Hrenmer . oe eee ». 430 228 La Pow -birusi. . Apress wa Hs 
2114 —X —— 1374 14 —— mq" iz 
ie 4 Menlelpab 7 iif HGS Roechetta, in... .... v2 6 OBS 
oh ee — Plockenpas . * iff: «633 Sunplantegned ., .. . rae = 1 
Ae i's Col de la Paaenie 2... 18h 3 Strubpeb F . —8 2 
Pn | Aritergtunmel . 0... , are a? Seoffera Tagur. Agetraen ys rS 
Nidm bt Mont Cenle- Tiaunerl . 124 is Monte (Cenere Sd ra 
ibe 1st Tharnpad . . wee , US 2 Lucepad 47 KS 
pwa cs Rivtiienmanner Taner . 15 12 ¥ Giovt (ligur Aperen av: ES 

bw Feet ReeberTy «2. - ++ +e ees AO) Me ‘ 


Absoes seek 







ree — — — — — = 


HOHENSCHICHTEN 
DEK 
ALPEN. 


Mafistab -1: 2 500000. 





es ee ee 

Bisenbahnen —— Grvbr Mauptlinien, —. Nrudere Bahknen 

—— fahrhare Alperubergange * Gebirgapdnar « Bergayritarn | 
* — 


— Rips YN if ye — 
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Bibliogr. 


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m Shluchten. Die W. werden gewöhnlich 
Yande benannt, m dem fie liegen. Schiedst- 
den Ramen A. das qrope Hochgebirge Jen 
$i. ben folg. Uirt.). Außerdem ſind zu 
he Zransjnivaniiden (Siebenbitracr). dic 
, die Standinaviſchen A. m Earopa. dic 
UW. im Airila, pie Rordamerifantiden 
die Auftralalpen 2. 
ſhierzu drei Karten: »Hodbenidncien ber 
mt Regiſterblatt, »Einteilung der Ulpen« 
wloqtiche Marte« mit Zertbeilage:, bidcites 
ztigſies Gebirge Europas, nimumt, zwachen 
sé ndrdl. Gr., alio ungejabr m der Wut 
em Aquator und dem Rordpol, und zwichen 
Ji’ ml. &. gelegen, eine Sentralitelamag m 
rbteil cin. Dem allgemeimen Umriß nad mr! 
A tinen anfangs gegen N. dann gegen NL. 
mien, nach O. breiter werdenden Bogen rom 
kn Weer bis zur mittlern Donau und es 
sad ihrem Aufbau und ihret geolngiidien 3} 
mien jedod jeriallen fie im zwei emonber 
ke. mebr oder weniger gegen NES. gerichnenc Yo 
be ih zwiſchen bem Comer: und hem sega 
memanderlegen. Beide Bogen emtbalten jc 1 
Rite die qrdgten Waeiienerbebungen, Me ive 
Side bed Montblanc und Wonte Boia rm 2s. 
Dgtaler VL tm ©. Der ubalk: des radstehen 
Rcifels it wie folgt angeordnet: 


- Sette 961 Geolog. Bex TerPier 


ikier Sufbau . . 361 pur afienlog Rerie:) 97 

r, Rife, Seem. Ol Ame 2 2 2. . wT 

. . - + 36] Terme . . wt 

bile Einrei⸗ Senditerung Serteigr - tm 

. - « «+ = BE ree. . . Bie 
Grenjen. Ringsum tind bie W von Coenen x 


a, und nur am Drei Bunften iteben fie * — 
tegen in Zuiammenbang, mit den Abennincen im 
BE. dem Scbiweryer .) Sure ne SE, ben walt — 
aifanbalbiniel mm SC. Am SR reden hem 
darafteriittiden Natur * fol p'ꝛare. 
bie mit dem italienricen ſveditae in uanaa reltdare: 
letindung fieben, und tnd hier ois gut Mundung 
cRhdne durch das unrenlcad des teliteeres 
iret 5 bie BSeĩtgren; e Piper pas hss 


, ie at 






i ma zum 
rer See, woam Suonetne uncerbaip her Stam 
Wed ber Schweizer ura mn den A. in VKerbindung 
it; bie Nordgrenze iniden die Edenen des Ware 
Sim ber SaAwenz und des Toncugebreies m 
idland und Ovtermmd bis mad Seen, Me Oit 
ye das weitungarrice Hx = 





oi geuand. am S. des 
mals der Drau ineben dageaen die UL. in den aul iricbe 
A mit bem Mari: in wescceldarer Serdbindime; an 
ber Siidicite bilder bis zum Gol di Fenda? y ie lombar 
diſche Tiefebene Die (ren ye des Hodacbirges. Dasicide 
thet pom Gicuriicen Weer bear Savona bis sum Po 
hmautal ber Bsien eme Lange vom co. 1100 km bet 
jtiner poticeen 150 und 300 Xm wedieinden Breite 
u.umfagt obne die poroelacerten Hodebenen u. Hugel⸗ 
landidatien cinen Iladentaum von 175,000 qkm. 
Das Gebiraeiwiem ber U. erideint cls eme auf 
einen emer amen Sodel autaeie —— deren 
Wittelbabe c co. 140) m betragt. Ym S., und C. 
bee BW ous Zictland'dhaiten 1100- ~ 300 m 
x ) empor. om ber Norbiette tit ihnen eine Hod 
ebene (3) _éf sito IL Shy vorgelagert. In Bezug aut 
bie Hobe unico det man bie Region der Ror oder 
Riederaipen: | bis ur Grenge des Baumwuchſes, d.. 


hia 1H) m ro orn, die Aegion der Mittetalpen. ' 


bis zur Lime Der cw gen Schneegrenze. d. h. bis 2700m, 


Alpen (Grengen, vertifater Aufbau, Taier, Xue, Seen, Esiir., an] 


und die Region her Hodalpen, merit mt Scare 
jelbern amb Gilcricbern bededt. Tie bochuen ad 
quytel, barumirr der Mond lone (4% 1] me md Dion: mt 
Roig (463m. imden nd mm ben Beaalpen. Doe OG 
aipen enthaiieon een emicen Gortel ber 46000 mm 
(Perc 452m; Dor m there Rommbrhe frrugt pon 
ber Rwiera ms zum Senter See bon Lies gat seb me, 
ti mm der Shon * Mosinee mrt Sm am bochuen 
und mimint pon be nad £. ch. 

Shan tet Inc Wireniaéicer nah bem Kerhaltrus 
aa ben (mepcrossiiom, m denen he negen. tm Yang: 
unt Duertcer. Der Vangentaler gerchmen id bei 

ment gertngerm (wcrc Durch eme dedeutende {angen 
cusdenmung ans. Tas demaner, arwoblich em gro 
herer Pluk . bars’ Dretiet m manavric tem Mmecn 


\ =e ee 
bet oft maniogem (mecur Me Zalionle Pee Durr 
taler hooesen tend metit Mery und ire! Doe BSawer 


elt raintien? berasb. off aber matnae Stuten m 
wiilem perotecicracnd ober m neten Sthindten ſogen. 
silaxien ober Aammen burchtiichend. wad baun dart. 
WO es Im Pas Youpilal ausirit, madnae Berae pan 
Sam ont (eri uc om. ne Den Zugeng zum Lunreriel 
ter ericoweren Charctervtriche Langent aler der A. 
ind dat 26 at der ð* home, des Borderrdems. ber Sal zach 
des inn, der Drau und der Enne ausorinrodenc 
Sauerial et ſind Die Der Mek, dos Tein. Das oR und 
Suierial £11 learn smet oder mebrere Vangentaler mm 
etm chk hericiben geraden — und ſind in der Regel 
durch tite Sauel verdunden. fo das Rodne-, Uricven 
und Rbeirrnal pon arngnd * bur, dat Gerloe 
Salzach und Ennstal. das Draw und daa Wrenatal. 
Bie * len Der Wipenflutic konnnen tere aie 

chore » eT Erde Derbor, teils nebrien fee aud 
Seder oder Gleÿchern idren Ur prung. Wier 
hart es itch, weabalb dre Alpenome gerade 
tm Sommer bet der großten Supe am wanervent ten 
md, im Gegenſatze zu den blok von Career eruddy 
tem Funen. In den Kallalpen und dagenen Bre a 
ben nicht * are an Waner, dad durch © palrer 
und Sim deblenange Raume ta Aunern ber 
Berge en ress um ſpater in narken Lellen am Ak 
der Pon mm Ricker bervorzubrechen. Obavavicniaid 
tir Dae Ala virem dor Mut dee fteablentaemne 
Wuabremng der Waiſerladfe. So fom pom 
St. Bombard auger der Reuß dyer Kinde, der Npcan 
Me Waste und Der Tellin, berad, Me ire Wafer bey 
Mr Mordee, dem Muſelmeer und dem Wratten 
Weer zuſubren. Den Fiuſtgebeten dea Rheino, dea 
Rhöne. der Tanau amd deo Bo wad damu der Nord 
fee, Dem Mittehneer. dem Schwarzen und dem Adria 
michen Weer geboren fait alle Apenftuühe an. —n 
zablreich ſind Me Waſſerfalle, Me um Verem ant 
den Schnee und Etoieldern und den Seen don Banpi 
ichmuct des Gebirges bude. Ruſtchtlich der Sijelle. 
Me ſie im Tal einnehnien, unterſcheidet man Wier 
dungs- und Talfoile, Don hochſten Waſerſturz an 
ben VL. Duden Me Krummler Alle un Vinzgau, d 
ren vier Rasfaden zuſamm en 350m boch find, Bon 
Seen bennden id um Innern t dev Vochgeburge x*è nur 
undedeutende; von deito großerer Wirebdtigfert tind dic 
am fidluchen wie am nordlichen Abbhang an den Mie 
gängen der großen Taler liegenden, ſehr treten See 
beden (Lago Maggiore, Comer- und Gardatec, Senter, 
Züuricher und Bodenſee. Chiem⸗, Traun-, Vttertee rw. 
Me Den fie durchfließenden Webirgsytromen ale Lau—⸗ 
tecungébeden Dienen, in denen dieſe allen Schutt ab- 
jepen. Weiteres iiber dic Alpenſeen f. See. 

In den Paifen, welde die Yinfinge der an ent- 
gegengeſetzten Teilen einer Mette entitebenden Taler 











A UMM Ed 


Ms. 


if 


$62 


verbinbden, 6 —— 
ganz befonders. Ger feinem Dodgebirge tit 
ber Unterſchied zwiſchen der Durchſchnittshöhe der 
Gipiel fo bedeutend wie bet ihmen; 
e davon tit die leidjte Paffage der über di 
enden Straken, die in großer Sahl im 
19. Jahrh. entitanden find. In neueſter Zeit find 
aud) Eiſenbahnen gebaut, die tells fiber ben Ramm 
fortfiibren (Brenner), tetls die höchſten Tetle des 
felben in Tunnels durdbreden (Mont Cenis, St. 
Wotihard, Semmering, Uriberg). Bgl. ben Vrt. » WL, 
penftrafjen und. Alpenbahnen«. 
Geographifhe Cinteilung der Wipen. 

(Bgl. bieryu bie Karte »Cinteilung ber Alpenc.) 

Man hat von jeher das VBediirfnis nad einer Grup: | 
pierung oder Cinteilung der A. gefühlt. So unter: | 


x 


fchieden fchon die Romer einzelne Teile der A., die ſie kreuzenden 


nod) den Provingen oder Völlerſchaften, deren Gebiet 

das große Gebirge erfiillte, benannten. Seit der Mitte | 
Des 19. Jahrh. mehrten ſich die Verſuche einer fyite- 
matiſchen Einteilung der A., die meiſt auf oot ⸗ 
phiſcher Grundlage beruhten. Erſt in neueſter 
insbeſ. ſeit den Arbeiten von Böhm und Diener (ſ. 
unten, S. 369: Literatur über die geologiſchen Ber- 
hältniſſe), qelangte eine ——— Einteilung der 
A., gegründet auf die Phyſiognomie des Gebirges, 
auf ſeinen oroplaſtiſchen und geologiſchen Bau, zu 
allgemeiner Annahme. Hiernach zerfallen die A. zu— 
nächſt in die Bereiche der beiden oben (S. 361) er- 
wibhnten Bogen, die alg Weſt- und Ojtalpen be- 
zeichnet und durch cine vom Bodenfee durd) das 
Rbeintat fiber den Greinapa gum Lago Maggiore 
gezogene Linie gegeneinander begrengt find. Sowohl 
Die Weſt⸗ als Die Ojtalpen bejtehen aus einer frijtal: | 
linifcben Bentraljone, die nad außen bin, alſo erjtere 
im W. und M., lestere im N., von ciner fedimentiren 
Kallzone begleitet ift. Während aber die Oftalpen 
aud an ibrer innern Seite, im S., eine fedimentiire | 
Sone aufweiſen, fehlt eine folde an der Annenfeite 

der Weftalpen gänzlich. 

{Weftalpen.} Durd) die Linie Genfer See, Ober: 
lauf Der Rhdne, Grofer St. Bernhard, Dora Baltea 
zerfallen Die Wejtalpen in die franzöſiſchen (weſtlich 
und ſüdlich und Die Schweizer Weſtalpen (öſtlich). 
Die franzöſiſchen Weſtalpen werden durch die 
Linie Nizza, Var, Col de Séoune, Col de Labouret. | 
Ubane, Drac, Iſere, Arly, Sirt, Viege, Monthey in | 
die Irijtallinifden Gneisalpen (djtlidy) und die fran- 
sOfifchen Kallalpen (weſtlich) geteilt, während in den 
Schweizer Weſtalpen cine orographiſche Unter— 
ſcheidung zwiſchen Malt und Gneisalpen nicht vor 
handen tt. Dagegen tit die kriſtalliniſche Gneisalpen-⸗ 

one in den Weſtalpen durch eine von Albenga zum 
anaro, iiber Den Vol Di Tenda, die Stura, Col | 
de Larche, Ubaye, Gol de Bars, Durance, Guifane, | 
Wouters, Mere, Meiner und Grofer St. Bernhard, | 
Mbone und Whein verlaufende Linie in cine innere | 
(oftliche und cine dufere (weſtliche) Gneisalpensone | 
geteilt. Wan bat fonacd in den Weftalpen drei Me 
bingeylige zu uimterſcheiden: Den innern und den 
Mi te Wneisalpengug und den Bug der franydfifden 
Kallalpen. Der innere Gneisalpenzug umfaßt: 

1) Die Liguriſchen MW. pom Col d'Altare (öſtlich 
bi gum Col di Tenda weſtlich und von der innern 
lpengrenze (nordlich) bis yur Linie Tanaro Wibenga 
(FUDD), mit den hochſten Erhebungen der Cima Mar 
gauareis (AHO m) und des Wonte Moje (2641 m). 

—&) Rottifde VW. fo benannt nad dem König Cot 
tas, fd), von Der piemontefifden Ebene (O.) bis | 








» Gutiane-Moutiers der ãußern 


VLago Ma 


Niven bite Cintei 


jur Durance (S.) und vom Col de Larde (S.) 
zur Dora RipaniaiN.). Durch den Lauf 
Bellice yerfallen Me Kottiiden A. m 
BVifogruppe tm S. uit dem Monte Bifo (3843 m 
und der Aiguille de Chambeoron (3400 m), dann 1 
die Rodhebrunegruppe im N. mit Pie 
Rodebrune (3324 m) und dem Bric Froid (3310 m 
Gleticher finden ſich nur in geringer Entwidelung 
den boditen Gipfein. 

3) Grajiid@e W, von der Dora Riparia und dem 


Bg 


2 
2 
—⸗ 
* 


—A 


* 


a 


Gneisalpenjone (B.}. 
Die Grajifchen A. bejteben aus vier tm Duellgebiete 
der ere, des Ure umd Dreo fic fait rechtwinkeli 
Gebirgs sii Bom Col de fa Galifje aan 
N. verliuft die Saſſieregruppe (Grande Saffiere 
3756 m), nad S. die Levannaqruppe (benannt 
nad dem Rordpfeiler Mont Levanna, 3640 m) mit 


der Ciamarella (3676 m), der Roccia Melone (3537 m) 


und dem weſtlich vom Hauptzuge geleqenen Kuluti— 
nationSpunft Pointe de Charbonel (3760 m). Drefe 
Sette fept jich jenfeit des Mont Cenis in der Fréjus- 
gruppe mit Der Wiquille de Scolette (3505 m) bis 
jur Weſtgrenze Der Gneiszone fort. Den djtliden Ge- 
birgssug bildet Die Don der Safjiereqruppe berm Col 
de Nivolet absweigende Paradifogrup pe mit den 
Gran Baradivo (4061 m) und der Grivola (3969 m), 
und weſtlich vom Col (Mont) Iſeran endlid ver⸗ 
zweigt fid) von der Levannagruppe aus balbfreisfor- 
mig swifden den Tälern des Ure und der Iſere die 
Vanoijegruppe mit der Grande Cajje (oder Pointe 
des Grands Couloirs, 3861 m), dem Mont Pourn 
(oder Thuria, 3788 m) und der Dent Parradée 
(3712 m). Die VBergletiderung ijt in den Grajiſchen 
VU. bereits ziemlich bedeutend. 

4) Benninifde A. (im Schweizer anton Ballis 
— daher aud Walliſer A. genannt — und in Pre- 
mont gelegen) ziehen, 90 km lang, vom Großen St. 
Bernhard in weſtöſtlicher Richtung bis zum Simplon- 
paß als eine ununterbrodene eemauer, deren 
Nanun nidt unter 2600 m finft, während 21 Horner 


über 4000 m emporſteigen. Ihre jteiliten Gebange 


tebren fie nad) S. Gegen N. fenden fie madtige Quer 
rippen aus, zwiſchen denen parallele Quertäler in das 
Webirge fiihren. Die — Gipfel ſind: 
im Hauptzug nordöſtlich vom Großen St. Bernhard 
der Grand Combin (4317 m), weiter öſtlich das Wat- 
terhorn (4482 m) und in Dem von Ddiefem nördlich 
ſtreichenden Höhenzug das Weißhorn (4512 m), dann 
int dem gletſcherreichen, jum Hauptlamm gehörigen 
Maſſiv des Monte Roja die Dufouripige (4638 m), 
in der vom Monte Rofa-Stod nördlich abzweigenden 
Mette Die Mifdhabelhirner (Dom 4554 m), endlich in 
dent nad N. gewendeten legten Teile des Hauptiam- 
utes Das Weißmies (4031 m). 

5) Lepontinifde A., von der Einſenkung des 
Simpton (W.) bis zum Ba Greina, dem Bal Blenio 
und dem Teffin (D.) und vom Tal der obern Rhdne, 
dem Furlapaß und dem Vorderrheintal (R.) bis zum 

ggiore (S.). Die Tiler des Toce und ded 
Teljin fondern aus diefer Maſſe Gebirgsgruppen ané, 
Me man unter Dem Namen Teffiner A. sufammen- 
faßt; fie erreichen die Schneegrenze nur in ihren ndrd- 


lichſten Teilen (Vafodine 3276 m). Zwei Alpenletten 


umtränzen dieſe Gruppe im N. und ſtoßen tm Nufe⸗ 


nenpaß zuſammen: eine weſtliche, die Simplon— 
gruvpe, mit Dem Monte Leone (3565 m) als hdd- 


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Alpen (geographifde Einteifung). 


jtem Gipfel, und cine öſtliche, dieGotthardgruppe, 
mit dem Biz Wedel (8203 m) und dem berithmten 
Paß de3 St. Gotthard. 

Bur dugern Gneisalpenzone gehoren: 

6) Seealpen (Meeralpen), von der Küſte swifden 


363 


Die franzöſiſchen Kalkalpen zerfallen in: 
12) Provence-Alpen, von der Meereslüſte 
(SO.) bis zur Durance (NW.), durch das Tal der 
| Bléone in dic fiidliche, aus mehreren von O. nad W. 
| ftreidhenden Parallelzügen beſtehende Caſtellane— 


Albenga und Nizza (SO.), Dem Col di Tenda und gruppe (Montagne de Cordoeil 2117 m) und in 


Der Stura (N.), dem Var, Col de Séoune und Col de 
Labouret (SW.) und der Durance (NW.) begrenzt, 
umfaſſen die zwiſchen malerijden Tilern bis gegen 
2000 m aufiteiqende Riijtengruppe, die frijtalltni- 
fhe, cingelne Gletſcherbildungen zeigende Sentral- 
maſſe der Urgenteragruppe (Bunta dell’ Argen— 
tera 3313 m und Cima dei Gelas 3153 m) und die 
wejtlide Gruppe des Mont Pelat (8053 m). 

7) Dauphiné-Alpen, von der Durance (S.) bid 
aur Iſere (N.). Den ſüdlichen Teil derjelben bildet 
Die kriſtalliniſche Zentralmajje der Pelvourgruppe, 
cine Der wildejten und grofartigiten Hochalpengrup⸗ 
pen, mit ausgedehnten Gletidern u. ſchroffen Gipfeln, 
darunter Les Ecrins (4103 m), Meije (8987 m) und 
Pelvour (8954 m). Jenſeit de3 Tales der Romande 
ziehen fich die nordwärts gerichteten Rarallelfetten der 
teilweiſe vergleiſcherten Grandes Rouſſes (3473 
m), der Aiguilles d'Arves (3514 m) im O. und 
der Belledonne (2981 m) im BW. aud) fiber dads 
Durchbruchstal des Ure bis zur Iſere fort (Cheval 
Noir 2834 m). 

8) Savoyer A. durd die Iſere (S.), den Kleinen 
und Grofen St. Bernhard (O.), das Rhönetal (N.) 
und die Flüßchen Arly, Arve und Viege (W. beqrenst, 
mit Dem gleticherreidjen, frijtallinijden Maſſiv des 
Montblanc (4810 m), der höchſten Erhebung der 
qejamten A., dem nordweſtlich die Gruppe der Dent 
Du Midi (3285 m) und füdöſtlich die der Grande 
Roffere (3323 m) vorgelagert ijt. 

9) Freiburger W, vom Rhönetal und dem Gen- 
fer See bid gum Bak Gemmi und dem RKandertal, 
meift aus fedintentiren Gebilden bejtehend, mit der 
hodalpinen Wildhorngruppe (Wildhorn 3268 m) 
im SW. und der Simmengruppe (Wbrijthorn 
2767 m) im MD. 

10) Berner A., vom Gemmipaß bid gur Reuj, 
deren grofjartigiter Teil die ſüdweſtliche, mit mäch— 
tigen Gletichern bededte Finjteraarborngruppe 
ijt, aus der ſich cine Reihe von Gipfeln von mehr als 
4000 m, darunter Finſteraarhorn (4275 m), WUletfd- 
horn (4198 m), Jungfrau (4167 m), Minch (4105 m), 
erheben. Oſtlich von der Einjentung des Haslitales 
und der Grimfel liegt die gleichfalls ftart vergletiderte 
Dammagruppe (Dammaſtock 3633 m, Rhöneſtock 
3603 m, alenjtod 3598 m), ju der auch der nörd— 
lid) gelegene Ausſichtsberg Titli¢ (3239 m) gehört. 
Nördlich vom Thuner und Brienzer bis zum Vier- 
waldftatterfee liegen die Emmentaler A. (Brien- 
zer Rothorn 2351 m, Pilatus), über welche der fahr— 
bare, von einer Bergbahn iiberfdrittene Paß ded 
Briinig fiibrt. 

11) Glarner YW, gwifden Reuß und Rhein, mit 
der {tart vergleticherten Tödigruppe (LHdi 3623 m, 
Pifertenjtod 3426 m, Oberalpjtod 3330 m), der öſt— 
lid) von diefer geleqenen Gardonagruppe (Rin- 
gelipis 3249 m, Hausjtod 3156 m), der nördlich 
zwiſchen Vierwaldjtitterfee und Linthtal gelegenen 
Siblgqruppe (Glärniſch 2916 m), deren wejtlicer 
Teil, mit dem beriihmten Ausſichtsberg Rigi (1800 m), 
aud) Schwyzer A. genannt wird, — der nord⸗ 
öſtlichen, zwiſchen Walenſee und Bodenſee gelegenen 
Säntisgruppe, auch Appenzeller oder St. 
Galler W. (Säntis 2504 m). 








die nördliche, jtocfirmig gegliederte Saſſegruppe 
(Blayun 2131 m) geteilt. 

13) Dröme-Alpen, von der Durance bis zur 
Dröme und dem Col de Menée, im ſüdlichen Teil aus 
mehreren von D. nad W. jtreidjenden Ziigen (Mont 
Ventour 1912 m, Montagne de Lure 1827 m u. a.) 
bejtehend, im nördlichſten Teil die ſtockförmige De- 
voluygruppe (Dbiou 2793 m, Mont Aurouze 
2712 m) umfajjend. 

14) Jura-Ulpen, im N. bis zur Arve reidend. 
Sie weiſen bereits die plajtijden Verhältniſſe des Jura⸗ 

ebirges, Hochtiler zwiſchen ſüdnördlichen, wieder: 
Bolt von Flüſſen durchbrochenen Parallelfetten, auf 
und jerfallen in die von S. nad) N. aufeinander fol- 
genden Wbjdnitte des Veymont (Grand Veymont 
2346 m, Grande Moudjerolle 2289 m), der Char— 
treuſegruppe (Pic de Chamedaude 2087 m), der 
Beaugesqruppe (Pointe d'Arcalin 2223 m) und 
der Repofjoirgruppe (Pointe Percée 2752 m). 

15) Chablais-Alpen, swifden Urve, Genfer See 
und Rhine, mit konzentriſchen Vergtetten und dazwi⸗ 
ſchen liegenden Hochflächen (Tete a l'Ane 2793 m). 

[Oftalpen.] Zwiſchen den Gneis- und ndrdfiden 
Raltalpen tritt in den Ojtalpen eine ſchmale Zone 
palão zoiſcher Schiefergeſteine auf, die in Graubün— 
den, Salzburg und Steiermark orographiſche Selb— 
ſtändigkeit erlangen. Es find demnach in den Oſt— 
alpen vier Bilge zu unterſcheiden: Gneisalpen, Schie—⸗ 
feralpen, nördliche und ſüdliche Kalkalpen. 

Die Gneisalpen umfaſſen: 

1) Adula-Alpen, zwiſchen Vorderrhein (N.) und 
Lago Maggiore, Luganer und Comerſee (S.) vom 
Greinapaß (W.) bis wm Splügenpaß (O.) retdhend. 
Sie bilden ein von N. nach S. quer gegen die allge— 
meine Streichrichtung der A. gerichtetes Gebirge und 
untfajjen die nordweſtliche Gruppe des RHeinwald- 
horns(3398m) und die ſüdöſtliche Tambogruppe 
Tambohorn 3376 m). Die Vergletſcherung ijt gering. 

2) Ratifde A., vom Splitgen (W.) bis gum Bren- 
ner und der Qudicarientinie (D.) und vom Beltlin 
und dem Idroſee (S.) bid gum Arlberg und Inn (N.), 
gerfallen geologifd und ——— in drei Züge 
von Gebirgsgruppen, die cine ausgezeichnet ſtockför— 
mige —— erlennen laſſen. Der nördliche Zug 
wird durch den Albulapaß in die Oberhalbſteiner 
oder Albula-Alpen (SW.) und die Silvretta— 
Wlpen (NO.) geteilt. Die erjtern erreiden im Pizzo 
Stella (8406 m), Piz de Calderas (3393 m) und 
Bis d'Err (3381 m) ihre höchſten Erhebungen. Die 
Silvretta-Wlpen bilden eine zuſammenhängende, fri- 
ſtalliniſche Zentralmaſſe und zerfallen in vier Grup: 
pen: die Scalettagruppe, durd tiefe Talzüge in 
ifolierte Gebirgsſtöcke und Retten geteilt, mit vier über 
3000 m hoben Gipfeln (Piz Keſch 3422 m), die Fer- 
muntgruppe, ſtockförmig gegliedert und ſtarl ver— 
gletidert, mit vier Gipfeln über 3300 m (By Linard 
3414 m, Fluchthorn 3408 m), die SGamnaun- 

ruppe, eine zwiſchen Paznaun- und Juntal ver- 
leatcave Kette (Muttler 3298 m) und die Fervall- 
ruppe, ndrdlid) vom Bajnauntal bis gum Arl— 
be (Kuchenſpitze 3170 m). Der mittlere Bug dev 
Räliſchen A. umfakt die durch den Berninapaß und 


| Dad Refdjenfdjeidec voneinander getrennten Bernina, 


364 


Spit- und Optaler A. Die Bernina-Alpen zer— 
fallen in Drei jelbjtindige Gebirgsitide, den Disgra- 
jiajtod im W. (Monte della Disgrazia 3677 m), den 
Berninajtod im ©., beide ftarf vergletſchert, lesterer 
mit ſechs Spigen itber 3900 m, die zugleich Die hid- 
jten Gipfel der Ojtalpen find (Bi; Bernina 4052 m), 
und den Scalinojtod im SD. (Pizzo Scalino 3328 m). 
Die Spblalpen dharalterijieren ſich Durd ihre Zer— 
jtiichung in einzelne Bergitide, weshalb fie aud) zahl- 
reiche —J—— beſihen, darunter den Ofenpaß 
—— m), nad dem fie aud als Ofenpaßgruppe 
scidynet werden; fie bejteben aus den Erijtallinijden 
Liviqno-Alpen im BW., die wieder in mehrere klei— 
nere Bergſtöcke, insbef. die der Cima di Piazzi (3439 
m), der Punta di Campo (3305 m), der Cima Saosco 
(3277 m) und des Piz Languard (3260 m), gejon- 
dert find, und aus den von einer muldenartig ein— 
gelagerten Kallſcholle gebildeten Miinjtertaler A. 
im ©. (Biz Seesvenna 3221 m) und zeigen unbedeu- 
tende Gletiderentwidelung. Die Optaler A. zer— 
fallen durch den Einfdnitt des Ogtals, des Timbler- 
ochs und des Baffeier Tals in die cigentliden Op- 
taler oder Venter A. im W., ein ftodformig geglie— 
dertes Gebirge mit betradtlicer mittlerer Ramumbhohe, | 
ftarfer Gletiderentwidelung und 15 mehr als 3500m 
hoben Spigen (Wildfpige 3774 m, Weißlugel 3746 m), | 
und in die ähnlich geqliederten, gleidfalls ſtark ver- 
leticherten Stubater VW. im O. (Zuckerhütl 3511 m). 
fiidliche Bug der Rätiſchen A. bejteht aus den 
dret Sentralmajjen der Adamello- der Ortler u. der 
PenjerV., die insgeſamt eine Langsridtung von SW. 
nad) RO. erfennen lajjen. Die von der Linte Breno- 
Bagolino bis zum Bal di Sole reichenden Ada— 
mello-Alpen bilden cin von gewaltigen Firn- und 
Eismaſſen tiberlagertes, durchfurchtes Gewölbe mit 
den ſtockförmigen Maſſivs des Adamello (3554 m) 
und der Brefanella (3564 m). Hierauf folgt bis sum 
Etſchtal der mächtige, weit in Die Schneeregion rei- 
dende, gletſcherbedeckte Hochgebirgsſtock der Ortler 
A. mit den höchſten Gipfeln der Oſterreichiſchen und | 
Deutichen A. (Ortler 3902 m, Königsſpitze 3857 m). | 
Das Penfer Gebirge, nördlich vom Etſchtal zwi— 
ſchen Jaufen- und Naifpaß, reidjt nicht mehr in die 
Schneeregion und bejteht hauptſächlich aus Tonſchie— 
fer und Glimmerſchiefer; Die höchſte Erhebung bildet 
Der Hirjer (2785 m). 

3) Die öſtlich vom Brenner beqinnenden Tauern 
zerfallen in die beiden großen Hauptabfdnitte der | 
oben und Riedern Tauern, die durch eine vom Mur— 
wintel fiber das Murtörl in bas Tal der Grofarl 
führende Linie gefcdhieden find. Die Hohen Tauern 
beſihen cine im allgemeinen gegen ©. ſtreichenden 
gentralen Hauptlamm, von dent fic) fiederfirmig | 
nad N. und S. Rebenfiimme abjweigen. Sie be- | 
ftehen der Hauptmafie nad aus Gneis. Der Haupt: 
wus untfaft folgende Ubteilungen: Die Zillertaler | 

-, bis jur Birnliide, mit zwei Durd) das Pſfitſcher⸗ 
und Semmtal voneinander geſchiedenen Gebirgs— | 
zügen, Den eigentliden Sillertaler YW. (Hodfeiler 








Alpen (geographiſche Einteilung). 


ſoluten und relativen Gipfelhöhe der Hohen Tauern, 
neun Spitzen über 3400 m (Großglockner 3798 m) 
und ausgedehnter Vergletſcherung; die Goldberg- 
qruppe, bis zum WMallniger Tauern, in der bereits 
cine beträchtliche Höhenabnahme und eine BVerringe- 
rung der Gletfiderentwidelung cintritt (Hodmarr 
3258 m); endlich dad öſtlichſte Glied Der Kette, Die 
Untogelgruppe, bis jum Muribrl, in welder 
Die Achſe Der Maſſenerhebung fenfrecht zur Hoben 
Tauerntette gerichtet ijt, mit hatter BVergletiderung 
Hodalmfpise 3355 m, WUnlogel 3263 m). Sidliche 

orlagen der Nette bilden: das Bfunderfer Ge- 
birge, im S. der Billertaler A., zwiſchen Cifad und 
Tauferstal (Wilde Kreuzſpitze 3135 m), die Riefer- 
fernergruppe, zwiſchen Reintal und Antholzer 
Tal, nut beträchtlicher Vergletſcherung und ſieben 
Gipfeln fiber 3200 m (Hodgall 3440 m), dad Bill. 
qratter oder Deffereqqengebirge, bis zum Jiel⸗ 
tal, unter der Schneegrenze bleibend (Weiße Spige 
2962 m), die Röthgruppe, nodrdlid) der vorigen, 
zwiſchen Virgen- und Dejfereggental, mit der ver- 
qletidjerten Röthſpitze (8496 m), die Schober— 
qruppe, fiidlid) der Glocknergruppe zwiſchen Jiel- 
und Mölltal, jtodjdrmig geglicdert, im jentralen 
Teil etwas vergletidert (Roter Knopf 3296 m), end. 
lid) Die — grt fuel ge habs ſüdlich von der 
Goldberggruppe bis jum Drautal, tief unter der 
Sdneeqrenje bleibend (Polinif 2780 m). Die Rie 
Dern Tauern erjtreden fic) vom Murtörl (B.) 
zwiſchen Enns (N.) und Mur (S.) bis zu den Ta- 
lern der Liefing und Balten (D.) und bilden die be— 
Deutend niedrigere, mirgends in die Gletſcherregion 
reidjende Fortſetzung der Hohen Tauern. Sie bee 
jtehen meiſt aus Glimmerſchiefer, aus dem einzelne 
Gneisinſeln su Tage treten, und zerfallen in vier Ab⸗ 
teilungen: die Raditadter Tauern (Weißeck 2709 m), 
die Sdladminger A. (Hodgolling 2863 m), Wolyer 
A. (Röthellirchſpitze 2474 m), Rottenmanner Tauern 
(Bojenjtein 2449 m). Wis ———— der Nie⸗ 
dern Tauernkette erſcheint der Tamsweg-Seckauer 
Höhenzug (Gſtoderberg 2141 m). 

4) Die Noriſchen . erſtrecken ſich ſüdlich vom 
Murtörl vom Katſchberghaß (W.) bis zum Hirſch 
egger Gatterl (O.) und bilden ein zumeiſt aus Gneis 
und Glimmerſchiefer beſtehendes flaches Gewölbe. 
Durch den Sattel von Neumarkt werden ſie in zwei 
Abſchnitte geteilt: die Gurktaler A. mit den Grup- 
pen der Stangalpe (Eiſenhut 2441 m), der Metnitz⸗ 
alpen (Branter Hbhe 2169 m) und der fiidlich vor⸗ 
qelagerten Gruppe der Afritzer und Wuniger Verge 
(Wodllaner Nod 2139 m); dann die Lavanttaler 
A. mit den Seetaler A. (Zirbiglogel 2397 m), der 
Saualpe (2081 m), der Pacalpe (Ameringkogel 
2184 m) und der Roralpe (2141 m). Lepterer Gruppe 
ſchließen fic) im SO. das Bacher- und Posrud- 
gebirge an (Schwarzkogel 1548 m). 

5) Die Cetifden A. reihen fich als lester Teil der 
Gneisalpen am Hirſchegger Gatterl öſtlich an die 
Norifden A. an, bejtehen gleihfalls aus Gneis und 


3523 m) und den ibnen nördlich parallel vorgelager- Glimmerfdiefer und erreiden nur nod Höhen bre zu 
ten Turer A. (Olperer 3480 m), beide mit tief cin» 2000 m. Durd) einen Teil ded Wurtals, durch das 
geſchnittenen Tälern, daber relativ hohem Kamm und untere Mürz- und das Fröſchnitztal werden fie in 
ſtarler Vergletſcherung; die Venedigerqruppe, | zwei Biige geteilt: den nördlichen Floningzug (Flo 
bis zum Velber Tauern, cine ſtockförmige, ———— ning 1584 m) und den durch das Durdbrudstal der 
Gruppe mit dent größten Gletiderfompler der Hohen Wur in die Gleinalpen (Lengmairtogel 1997 m) und 
Tauern und acht Spigen iiber 3400 m (Großvenediger | Die Fiſchbacher A. (Stubled 1783 m) jerfallenden ſüd⸗ 
3660 m); Die Glodnergruppe, bis jum Hodtor, | lichen Bug. Beide Züge ftehen am Semmering mut 
mit madtig entwidelten Seitenkümmen, denen aud | cinander m Berbindung und verfladen im NO. bis 
die vier hdchiten Gipfel angehdren, der größten ab— jum Rofaliengebirge (746 m) bei Wiener- Neujtadt. 


Alpen (geographijde Einteilung). 


Sin Wintel zwiſchen dem Koralpenzug und dem ſüd— 
lichen Bug der Cetiſchen A. liegt die von devoniſchen 
Whlagerungen erfiillte, von Der Mur durchfloſſene 
Grajer Bucht (Hochlantſch 1722 m) mit der Gneis- 
injel des Schöckel (1446 m). 
. Die Schieferalpen treten an drei Stellen als 
Libergangsgebirge jwifden die Gneisalpen und die 
nördlichen Kalkalpen: 

6) Pleſſur-Alpen, zwiſchen Rheintal, Präti— 
gau, Davos und Albula, mut den Ketten des Hoch— 
wang im N. (Mattlishorn 2664 m), ded Stätzerhorns 


(2579 m) im SW. und dem von einer madtigen me- | ¢ 


ſozoiſchen Kalldecke überſpannten Urofagebirge (Aro— 
fer Rothorn 2985 m) tm SD. 

7) Saljburger Scieferalpen, vom Wipptal 
(W.) bis zum Paß von Mandling (O.), gerfallen durch 
Die Quereinſchnitte des Rillertals, des Sellerjees und 
Ded Saljachtals in vier Ubjdnitte: das Turer Ton- 
fchiefergqebirge, mit ftodformiger Gliederung, 600 m 
niedriger als die angrengenden Rillertaler YW. (Red: 
ner 2891 m), Die Kitzbühler W. (Katzenkopf 2532 m), 
Die Dientener Verge, durchaus reine Wald- und Wie- 
fenberge (Hundſtein 2116 m), und die Griindeder 
Berge (Hodgriinded 1827 m). 

8) Eiſenerzer W., zwiſchen Lieſing- und Palten- 
tal und Cifener3, bejtehen aus Grauwadenjdiefer 
und Grauwacenfalf und erheben fich im mittlern Teil 
liber 2000 m (Gößeck 2215 m). 

Die ndrdliden Kalfalpen umfaſſen alles Ge- 
birge im N. der Gneiss und Sdieferalpen bis gum 
ſchwäbiſchen Hiigellande, der bayrijden Hochebene 
und dem djterreidhifden Hiigelland. Sie zerfallen in 
vier große Ubteilungen: 

9) Algäuer W., vom Pratiqau und Rhein bis gum 
Fernpaß, charatterifiert durd die große Entwickelung 
der Liasformation, mit den Gruppen de3 Ratifon, 
ciner zwiſchen Prätigau und Montavon nordwejtlid 
ftreichenden Kette mit geringer Vergletſcherung sweier 
Gipfel (Scejaplana 2967 m), der Yedtaler A., die 
wieder Die Rotwandgruppe (Wildgrubenſpitze 2756 m), 
die Barfeierfette, öſtlich von der vorigen und fiid- 
lich vom Led) (Parſeierſpitze 3038 m), und die Hod)- 
vogelgruppe, nördlich vom Lech (Hohes Licht 2687 m), 
umfaſſen, endlid des Bregenjzer Waldes im RW. 
(Dod) «Ver 2232 m). 

10) Nordtiroler Ralfalpen, vom Fernpaß bis 
sur Saalach, zerfallen in den fiidlichen, durch die qrof- 
artigen Gebirgsformen des Wetterjteinfalts darat- 
terijterten Hochgebirgszug und den nodrdliden, an 
Hdhenentwidelung weit hinter dem erjtern zurückblei⸗ 
benden Voralpenzug, in weldem Hauptdolomit und 
jiingere Glieder herriden. Der Hochgebirgszug um— 
faßt die Wetteriteingruppe, zwiſchen Fernpaß und 
Scarnig, mit den drei von S. nad) N. aufeinander 
folgenden Siigen des Tidirgant (2372 m), der Mie- 
minger Nette (Hobe Griesfpige 2759 m) und des Wet- 
terjteingebirges (Zugſpitze 2964 m), welch letzteres zwei 
Heine Gletſcher aufweijt; die Rarwendelqruppe, 
zwiſchen Scharnits und Udenfee, mit vier wilden und 
ſchroffen Barallelfetter, der Soljteintette (Kleiner 
Soljtein 2641 m), der Bettelwurftette (Bettelwurfſpitze 
2725 m), der Virftartette (Birffarjpige 2756 m) und 
der Rarwendelfette (djtlide Rarwendelfpite 2539 m); 
die Brandenberger A., zwiſchen Udenfee u. Inn, 
Die nidjt mehr cine fo regelmäßige Barallelfettenbil- 
bung und eine bedeutende Höhenabnahme zeigen 
— 2299 m); dad Kaiſergebirge, zwiſchen 
Inn und Grokache, mit der ſchroffen ſüdlichen Kette 
des Wilden Kaiſer (Elmauer Haltfpige 2344 m) und 


365 


dem niedrigern, plateauartigen Hintern Kaiſer (Py- 
ramidenjpige 1999 m). Der Voralpenzug wird durch 
die Einſchnitte des Lech und der Loiſach in drei Grup: 
pen geteilt: Dad Vilſer Gebirge (Kölleſpitze 2240 m), 
die Ammergauer A. (Upsberg 2328 m) und die Alt— 
bayrijden A., die wieder in mehrere Abſchniltte zer- 
fallen, wie das Wallgauer Gebirge, zwiſchen Loiad) 
und Sjar (Rrottenfopf 2086 m), das Riſſer Gebirge, 
zwiſchen Mar u. Achental (Mondſcheinſpitze 2105 m), 
das Kreuther Gebirge, nördlich von den Branden- 
rs a A. (Hinteres Sonnwendjod 1988 m), das 
Yeller Gebirge, djtlich des vorigen bis zum Inn (Trai: 
then 1853 m, Wendeljtein 1838 m), und das Chiem- 
feegebirge, nordlid) vom Kaiſergebirge zwiſchen Jun 
und Saalach (Sonntagshorn 1962 m). 

11) Die Saljburger Raltalpen, von den Tä— 
fern der Großache und Saalad im W. bis gum Pah 
Pyhrn im O., durd ee Yuftreten von Dad)- 
jteinfalf, Hopige Gebirgsitide und ausgedehnte Hod)- 
ebenen daratterifiert, lajjen gleidfalls einen Hoch— 
gebirgs- und einen nördlich davon gelegenen Bor- 
alpenjug unterjdeiden. Der Hochgebirgszug umfajst 
die Wardringer A, zwiſchen Großache und Saalad, 
mit Den Leoganger Steinbergen (Virnhorn 2634 m), 
den Loferer Steinbergen (Ochſenhorn 2513 m), dem 
wejtlid) gelegenen Rirdbergitod (Hochſcharte 1679 m) 
und Dem ndrdlid) vorgelagerten KRammertargebirge 
(Rammertar 1869 m); die djtlid) von der Saaladh, 
ndrdlid) von den vorigen gelegenen Berdtesqade- 
ner YL, die wieder Durd) die Talungen von Ramsau 
und Verdtesqaden in die Reidhenhaller Gruppe mit der 
Reiteralpe (Stadelhorn 2288 m), dem Lattengebirge 
(Karkopf 1737 m) und dem Untersberg (Berdtesqade- 
ner Hodthron 1975 m), dann in die Königsſeegrüppe, 
eine mächtige, im allgemeinen flac gegen N. abjal- 
lende, entlang dem Berdtesgadener Haupttal durd 
cine gewaltige Störungslinie abgejdnittene Kallplatte 
mit den Gebirgsjtiden des Steinernen Meeres (Selb- 
born 2655 m), der Wimbadgruppe (Wabmann 2714 
m), der Libergojjenen Alm (Hochfinig 2938 m), des 
| Hagengebirges (Nauced 2391 m) und der Gdllfette 

(Hoher Goll 2519 m), geteilt find; deren öſtliche, Durch 
den Saljaddurdbrud losgerijjene Fortiesung bildet 
das Tennengebirge (Raucheck 2428 m); die Auſſeer 
A., durch cine wejtdjtliche Tiefenlinic in die der Haupt- 
maſſe nad aus einem Hodplateau bejtehende Dach— 
| fteingruppe (Hoher Dadjftein 2996 m) mit den Wus- 
läufern des Goſauer Steins (Biſchofsmütze 2454 m) 
nad) W. und der Grinuningfette (Grimming 2351 m) 
nad ©., dann in die Prielgruppe geteilt, weld lestere 
aus den drei ſcharf geidiedenen Komplexen des Sand- 
lingſtods (Sandling 1716 m), des Toten Gebirges 
(Grofer Briel 2514 m) und des Warſcheneckſtocks 
(Warjdened 2386 m) bejteht. Der Voralpenzug der 
Saljburger Kalkalpen umfaßt die drei Abſchnitte der 
BWolfganger A. mit den Gruppen des Ojterhorns 
Gochzinken 1762 m) im SW., des Gamsfeld (2024 m) 
int SO., des Schafberg3 (1780 m) im RW. und des 
Hillengebirges (Hillenfogel 1862 m) im NO.; der 
Griinauer A—., djtlid von der Traum bis zur Steyr 
und Krems, nit den Gruppen des Traunjtein (1691 
m) im W. und de3 Kaßbergs (1743 m) im O.; endlich 
der Oberöſterreichiſchen Seehügel, nördlich 
von den Wolfganger A. zwiſchen Salzach und Traun; 
dies ſind aus Wiener Sandſtein gebildete, weſtöſtlich 
ſtreichende Hügelreihen (Hollerberg 1134 m). 
12) Die Oſterreichiſchen A. nehmen den übri— 
en Raum des nördlichen Kallalpengebiets öſtlich vom 
daß Pyhrn ein und zerfallen gleichfalls in einen Hoch⸗ 











366 


gebirgs- und einen ndrdlid) vorgelagerten Voralpen- 
jug. Die nördliche Bone de3 Hodgebirgsjugs, der 
ſteil gegen Das vorliegende Mittelgebirge abfallt, ijt 
aus Dachjteinfalf, die ſüdliche Bone aus Rijffalfen 
gebildet. Die Plateaus des Hodgebirges beſitzen nidt 
mehr jenen wilden, ſteinigen Charalter wie die Hoch— 
flichen der —— Kallalpen; in bedeutend tie- 
ferm Niveau ge agen find fie häufig noc) mit Bege- 
tation bededt und geben einer ſpärlichen Alpenwirt⸗ 
ſchaft Raum. Yin Voralpenzug herrſcht Dolomit und 
am Nordjaum Wiener Sandjtein. Der Hodalpengu 
umfaßt vier Gruppen: EnnStaler A., vom a 
Pyhrn bis zur Enns, mit den Bergftiden der Haller 
Mauern (Hoher Pyrqas 2244 m), des Buchſtein 
(2224 m), ded Reidenjtein (2247 m) und de3 Hodtor 
(2372 m), die beiden lestern fiidlid) Der Enns; Hoch⸗ 
ſchwabgruppe, djtlid von der Enns bis jum See- 
bergpaß (Dodidwab 2278 m); Sdneeberg- 
gruppe, öſtlich vom Seebergpaß bis gum Cierning- 
tal, mit einer Folge von hohen Plateaujtiden, wie 
Veitſchalpe (Hochveitſch 1982 m), Sdneealpe (Wind- 
berg 1904 m), Raralpe (Heufuppe 2009 m), Sdynee- 
berg (Kloſterwappen 2075 m), Tonion (1700 m) und 
Göller (1761 m); Laſſing-Alpen, ndrdlid von 
der Hochidhwabgruppe vor der Enns bis zur Erlauf 
(Hodjtadel 1920 m, Otſcher 1892 m). Der Voralpen- 
wus fest fid) aus folgenden Gruppen jujammen: 
oltner A., von der Krems und Steyr bis ur 
Enns, mit mehreren meijt weſtöſtlich ſtreichen 
Siigen, darunter dem eg = (Moher Nod 
1961 m); die Hollenjteiner A., ditlid der Enns 
und nördlich von den Laffing-WAlpen, mit mehreren pa- 
rallelen Hdhengziigen (Voralpe 1762 m); die Hohen- 
berger A. cin einformiges Dolomitgebiet, öſtlich der 
vorigen (Suljberg 1399 m); die Thermengruppe, 
ditlid) Von einer Durd dads Uuftreten petri bh Ther⸗ 
men gelennzeichneten Bruchlinie begrenzt, im S. bis 
1200 m bod) (Dürre Wand 1222 m); endlich der 





Alpen (geographiſche Einteitung), 


am Kreuzberg endigend, woſelbſt ſich der paläozoiſche 
Keil der Karniſchen A. zwiſchen das meſozoiſche und 
das Urgebirge einzwängt, zerfällt in vier Teile: die 
Cima d'Aſtagruppe, zwiſchen Val Sugana und 
Aviſio mit der Granitinfel der Cima d'Aſta (2848 m), 
dex Porphyriette der Lagorei (Cima di Laſte 2711 m) 
und dem nordöſtlichen Gewölbe der Borde (2748 m); 
das Porphyrplateau von Bozen, zwiſchen Etſch. 
Aviſio und dftlic bis gum Reiterjod), mit den dazu 
gehirigen Sarntaler Bergen, erhebt fid nur in den 
Höhenpunlten des ndrdliden und fiidliden Randes 
bis 2500 m (Billandersberg 2511 m, Zan Q 
2493 m); Die nördlich gum Puſtertal abfsallende 
Blofe (Gabler 2561 m); endlich die ausgedehnte Ge- 
Dirpéaruppe der Siidtiroler Dolomiten, wmfai- 
fend die Drei Ubfdnitte der Faffaner Dolomiten 
im SW. mit den Bergqruppen des Latemar (2846 m), 
der Marmolata (3360 m) und der Bala (Cima di 
Vezzana 3191 m), des Badiotenhodlandes oder 
der Grödener Dolomiten, die fic) in flachem 
Bogen um die vorige Ubteilung herumlegen, mit dex 
Stöcken des Rofengarten (3002 m), Sdlern (2565 m), 
Langtofel (3178 m), der Sellagruppe (8152 m), der 
Geißlerſpitzen (8027 m), des Peitlerkofels (2877 m), 
des Nuvolau (2578 m), des Pelmo (3169 m) und 
der Civetta (3220 m); endlid) Der Ampezzaner 
Dolomiten, weld den itbrigen Raum im RD. ein⸗ 
nehmen und aus einer dichtgedrängten Schar iſolierter 
Stide aus Dachſteinkalk bejtehen (Yntelao 3264 m). 
16) Venezianer A., von der Bal Sugana öſtlich 
bis sum Quertal des Tagliamento, tm nördlichen 
Teil als Fortfesung der Siidtiroler Dolomiten zu 
betradten, im ſüdlichen Teil ein regelmagiger, von 
engen, tief eingeriſſenen Talern durdbrodener 
birgswall, serfallen in folgende Abſchnitte: Bellune- 
jer Dodalpen zwiſchen Brenta und Piave (Monte 
Sdiara 2566 m), die Bellunefer Hügel, em nie— 
Derer Kreideriiden (Col Bicentin 1764 m), welder das 


* 


Wiener Wald, von der Traiſen und Triejting bis Beden von VBelluno von der oberitalienijden Chene 
jur Donan, aus den fladen, nordöſtlich ſtreichen- trennt; die Bramaggioregruppe, zwiſchen Piave 
den Wellenzügen des Wiener Sandjteins bejtehend | und Tagliamento, im nördlichen Teil aus Dachſtein⸗ 


(Schdpfel 893 m). 


falf, im fiidliden aus Sura und Rreide bejtehend 


Die fidliden Kalkalpen umfaſſen feds grofe | (Cima dei Preti 2703 m); die Sappadagruppe, 


Abſchnitte und gwar: 

13) Lombardifde A., vom Ojtufer des Lago 
Maggiore bis zum Iſeoſee und der Val Camonica, mit 
denLuganer Vt. im BW. (Monte Generofo 1695m)und 


} 
| 


| 


nbdrdlich von der vorigen (Terza grande 2591 m). 
17) Karniſche A. zerfallend in drei langgezogene 

Ketten, die fid) in der Ridtung nad OSO. von 

Hauptitamm der YW. entfernen, und zwar: Gail- 


den Vergamaster A. im O. (Pizzo diCoca 3052 m). | taler A., zwiſchen Drau und Gail, mit den Grup⸗ 


14) Ctidbudtgebirge oder Trienter A., von 
der Val Camonica öſtlich bis gum Beden von Bel- 
luno, ndrdlid) lings der merfwiirdigen Durdbrid- 
linie von Judicarien weit in das Innere der Gueis- 
alpen bis Meran eindringend, jerfallt in folgende 
Gruppen: Brescianer A. im SW. (Monte Cadria 
2234 m); Brentagruppe, ein großes, vom Ren- 
denatal und Dudicarien nordnorddjtlid bis gum 
Nocetal ftreidendes Gewölbe mit hodaufragender 
Mette wilder Gipfeljaden (Cima Toſa 3176 m); 
Monte Baldo (2218 m) öſtlich vom Gardaſee; 
Sarcagruppe, nördlich der vorigen, mit den Pa— 
ralleljiigen des Orto Ubramo (Bondone Cornicello 
2180 m) und des Monte Gazza (Paganella 2124 m); 
Nonsberger WB, zwiſchen Etfd-, Noce- und Ulten- 
tal (Groje Saugentpine 2438 m); Bicentinifde 
A., öſtlich von der Etſch und fiidlid) von der Bal 
Sugana (Cima Dodici 2338 m). 

15) Sidtirolifdhes Hodland, im RN. an die 
Gneisalpen jtofend, im W., S. und SO. von aus 
gezeichneten Senkungsgebieten begrengt und im ©. 





pen des Kreuzkofel, aud) Lienger Dolomiten genannt 
(Sandipipe 2863 m), des Reiffofel (2369 m), des 
Latſchur (2238 m) und des Dobratfd) (2167 m); die 
tarnifde Hauptlette, in gerader Ridtung vom 
Sertental iiber 100 km bis zur Gailitz ftreichend, ge- 

en S. ungemein jfteil abjallend (Monte Coglians 
2782 m); te Rarawanten, die öſtliche Fortiegung 
der vorigen, im djtliden Teil in einzelne Stöcke auf⸗ 
gelöſt, von mehreren tiefen Päſſen überſchritten (Hoch⸗ 
ſtuhi 2239 m). 

18) Julifde A., den Winkel zwiſchen den Bene: 
zianer und den Rarnifden A. erfiillend, zerfallen in 
drei Ubidnitte: Raibler A., vom Tagliamento bis 
zur Save, fiidlid) bis zum Iſonzo und der Adria, mit 
der Moggiogruppe im YW. (Ciuco del Boor 2197 m), 
der Raccolanagruppe, swijden Fella und Bredilpal 
(Bramtofel 2762 m) und der es im ©. 
(Triglav 2864 m); Steiner A., Durd das Feiftrip- 
und Sanntal von den Karawanlen gefdjieden (Grime 
touc 2569 m); endlich dic Heine Magqgioregruppe, 
ſüdlich von den Raibler A. (Monte Lavora 1997 m). 


(Bei Artikel Aipen.| 


Zur ,Geologischen 


Die Alpen sind ein Ketten- oder Faltengebirge, das 
nicht, wie man frither annahm, durch den Aufbruch 
der in den zentralen Teilen des Gebirges herrschen- 
den massigen Gesteine, die zwischen die Sedimen- 
larformationen eindrangen und diese auseinander- 
trieben, gebildet wurde, sondern unter dem Einflui 
einer nach der herrschenden Ansicht durch die Kon- 
traktion der Erde entstandenen, horizontal wirken- 
den Kraft, welche die Sedimentirschichten zugleich 
mit den unter und in ihnen gelegenen kristallinischen 
Gesteinen in Falten legte. Das Streichen der gefal- 
teten und anfgerichteten Schichtenkomplexe geht im 
allgemeinen der Langsausdehnung der Alpen paral- 
lel. 
auf der Innenseite des Gebirgsbogens, also auf seiner 


Sidseite, xu suchen; denn die Falten sind vielfach | 
nach auben tiberschoben und tiberkippt, so daß fltere 
(iesteine ũber jiingern lagern (vgl. Tafel Geologische | 


Formationen I, Fig. 1; 17, Fig. 3). Dies ist zumal 
am Nordrande der Fall, wo der von Siiden her 
wirkenden Kraft alte Gebirgsmassen in Béhmen, im 
Schwarzwald, in den Vogesen entgegenstanden. Im- 
merhin zeigt der Aufcnrand der Alpen durchweg einen 
einheitlichen Ban; hier lagert ein breiter Girtel miich- 
tig entwickelter Sedimente, am weitesten nach auben 
die tertidren Molasse- und Sandstcinbildungen, etwas 
mehr nach innen, in den sogen, Kalkalpen, die kalk- 
reichen Ablagerangen der mesozoischen Formationen. 
Anders die Jnnenseite der Alpen. Hier fehlt zuniichst 


im ganzen Westen, zwischen dem Golf von Genua | 


und dem Lago Maggiore, das Gegenstiick der breiten 
nérdlichen Kalkgone ganz, und das kristallinische 


Kerngebirge stéGt unmittelbar an das Senkungsfeld | 


der piemontesisch -lombardischen Ebene, durch ge- 
waltige Bruchlinien yon diesem getrennt. Erst dst- 


lich vom Lago Maggiore erscheinen die Sedimente, | 


ip einer nach Osten hin zunehmenden Verbreitung; 
aber sie bilden nicht, wie auf der Aubenseite, eine 
Reihe parallel verlaufender Falten, sondern zerfallen 
in einzelne Sticke, die in der mannigfachsten Weise 
gegeneinander verschoben sind. Gerade in diesem so 
«tark dislocierten Teil der Alpen sind massige Ge- 
xteine, Granite und Porphyre sowie jiingere vulkani- 
sche Gesteine, in der Zeit der Trias oder des Tertidrs 
entatanden, ein Hauptbestandteil des Gebirges. 


Von den Gesteinen der Alpen bilden die dltesten, | 


meist deutlich geschieferte oder gebankte kristallini- 
sche Gesteine, in den Ostalpen, sattel- oder kuppelfér- 


mig aufgerichtet, den mittlern Teil des Gebirges, die 


Zentralzone ; in den Westalpen, wo die Zentralzone 
darch grofartige Verschiebungen und Faltungen in 
eine Reihe von Massiven zerlegt ist, setzen sie, oft 
iberkippt und fiicherférmig nach oben divergierend, 
diese Zentralmassive rusammen (vgl. Taf. Geologische 


Pormationen J, Fig. 1; IT, Fig.3). Die kristallinischen | 


(iesteine sind teils echte archidiische Gneise und Glim- 
merschiefer, Amphibolite und Serpentin, wie im Mas- 
siv der Tessiner Alpen, teils darch Gebirgsdruck 
hankig und schieferig struierte Granite, wie der Pro- 


togin der Westalpen and der Zentralgneis der Oxt- | 


alpen, und umgewandelte, kristallinisch gewordene 


paliozcische Schiefer (so im Innern des Finsteraar- | 


massivs), Nur in den am wenigsten emporgestauten 
Teilen der Zentralmassive (wie im Oberengadin, Velt- 
lin, Tessin) findet sich noch normaler Granit, Giabbro 
und Peridotit. Die dubere Halle der Zentralmassive 


Meyers Kone, Lesilon, €, Auf, Retlage. 


Der Ursprung der gebirgsbildenden Kraft ist | 


Karte der Alpen‘. 





setzt sich meist aus feldspatarmen kristallinischen 
Schiefern (Glimmerschiefer, Hornblendeschicfer, 
Kalkglimmerschiefer, Phyllit, Chlorit- und Talk- 
schiefer) zusammen, also aus Gesteinen, die zum grob- 
ten Teil aus Sedimentgesteinen paliozoischen und 
mesozoischen Alters durch Metamorphose hervor- 
gegangen sein diirften. Puliozoische Sedimente sind 
mit Sicherheit nur in den Ostalpen nachgewiesen. 
| Hier wird die zentrale Zone der kristallinischen Schie- 
| fer von einer nérdlichen und siidlichen Grauwacken- 
zone begleitet, die sich wesentlich aus Phylliten 
(sogen. Glanzschiefer), Tonschiefern, Grauwacken, 
Quarziten zusammensetzt und technisch wichtige Kin- 
lagerungen von Spatcisenstein enthalt. Hier und da 
begegnet man massig entwickelten Riffkatken und in 
Regionen starker Faltung auch woh! kristallinischen 
Schiefern, aus den gewdhnlichen Grauwacken und 
Schiefern entstanden. Auf Grund von Versteinerun- 
gen werden die Bainderkalke und die sie einschliehen- 
den Phyllite, denen die grauen sowie die bunten oder 
griinen Schiefer und die Casannaschtefer der West- 
| alpen entsprechen, zum Silur, andre Phyllite mit Kin- 
lagerungen von Krinoidenkalk und Dolomit, aber 
auch Eruptivgesteinen, wie Diabas und Melaphyr, zum 
Devon gerechnet. Viel besser gekennzeichnet ist das 
Karbon. Ein hierzu gehériger gréherer Komplex (quar- 
zitische Sandsteine und chloritische Tonschiefer mit 
Anthracit) liegt eingefaltet zwischen den Massiven des 
' Montblanc und des Monte Rosa; weiter ndrdlich kennt 
man Karbon vom Titlis, Bristenstock, vom Tédi (hier 
‘ eingefaltet im Gneis); im Osten bildet es zusammen- 
| hiingende Zonen an den Stangalpen und von da bis 
zum Semmering. Petrographisch von jenen verschie- 
den, indem marine Bildungen (dunkele Schiefer und 
Kalke, sogen. Gatltaler Schichten) mit terrestrischen 
(Sandsteinen und Konglomeraten) wechseln, sind die 
karbonischen Ablagerungen am Siidrande der Ost- 
alpen, wo sie sich an die Grauwackenzone anlehnen, 
aber auch noch in den Bergamasker Alpen (Val Trom- 
pia) und bei Lugano vorfinden, Zur Dyas gehért der 
Verrucano der Westalpen, ein rot oder griin gefiirbtes 
sandsteinartiges Triimmergestein, oft den kristallinen 
Schiefern cingefaltet oder diskordant aufgelagert (in 
den Glarner Alpen, an der Windgalle, hier zusammen 
mit Quarzporphyr [s. Tafel Geologische Formatio- 
nen J, Fig.4; 77, Fig.3}, in der der Grenze zwischen 
! West- und Ostalpen entsprechenden Einsenkung, die 
sich yon Feldkirch aus durch das Pritigau bis sum 
Lago Maggiore und Ivreaerstreckt), Verrucanoin Ver- 
bindung mit Kalken findet sich auch in den Ostalpen 
éstlich von Schwaz; in den Siidalpen entsprechen 
ihin die marinen Fusulinenkalke, der Gridner Sand- 
stein, der Bellerophonkalk, Vulkanische Gesteine yon 
permischem Alter sind die Quarzporphyre von Bozen 
und Lugano, Die Trias in der sogen. alpinen Ent- 
wickelung (8. Triasformation) nimmt einen hervor- 
ragenden Anteil ander Zusammensetzung der Ostalpen 
und besonders der nérdlichen und siidlichen Kalk- 
alpen. Besonders auffallend durch ihre bizarren For- 
men sind die michtiven triadischen Korallenriffe, 
zumal in den sogen, Jolomiten in Siidtirol und Ve- 
netien (s, Tafel Gebirgsbildungen, Fig. 5). Auch Erup- 
ltivgesteine fehlen der alpinen Trias nicht; Anugit- 
porphyre und deren Tuffe finden sich an der Seiser 
Alp und im Fassatal, Quarzporphur bei Raibl ete., 
_ Syenit am Monzoni und bei Predaxzo, Diorit (Tonalit) 














Zur Geologischen Karte der Alpen’. 














am Adamello, In den Westalpen kennt man die Trias | 
als Kalk, Dolomit, Gips und Merge) entwickelt, nur 
in geringer Ausdehnung; doch diirften manche kristal- 
linischen Schiefer, cingefaltet zwischen den Zentral- 
massiven, metamorphosierte triadische Sedimente sein. 


Eine grofe Verbreitung und Michtizkeit besitzen da- ; 
fir die Juraschichten, Sie umfassen in einem breiten ; 


Giirtel die Aubenscite der Westalpen, auch zwischen 
den Massiven des Montblane und Monte Rosa dringen 
sie ein, sind weiter im Osten als Hochgebirgskalk (Malm) 
und Biindner Schiefer (Lias} entwickelt, und, in gra- 


natfihrende Glimmerschiefer umgewandelt, begren- | 
| gleichmiibige Senkung des Festlandes hielt wahrend 


zen sie das Gotthard-Massiv im Norden (zwischen An- 
dermatt und Oberalp) gegen das Finsteraarmassiv, im 
Siiden (Nufenenpab-Airolo) gegen das Tessiner Massiv 
{s, anch Tafel Geologische Formationen IT, Fig. 3). 
In den Ostalpen sehliefen sich die Jura-Ablagerungen 
aufs engste der Trias an; sie bedecken am Siidrande 
westlich vom Gardasee grofe Flichen. Die Kreide 
zeigt sich in den Westalpen ziemlich vollstindig ent- 
wickelt; als breites Band umsiumt sie die Jurasedi- 
mente; ihr gehéren der Caprotinen- oder Schratten- 
halk, Orbitulinenkalk und Griinsandstein als untere, 
der Hippuritenkalk und die Seewenschichten als obere 
Abteilung zu. In den Ostalpen reduziert sich die Mach- 
tigkeit und die Verbreitung der Kreide sehr; als obere 
Kreide erscheinen hier im Norden die Gosauschichten, 
ein Wechsel von Sandstein, Kohlenschiefer, Mergel und 
Hippuritenkalk, im Süden die Scaglia, rote und weibe 
Mergel, und massig ausgebildete Rudistenkalke, die 
dem Karst sein eignes landschaftliches Gepriige ver- 
leihen (s. Tafel Gebirgsbildungen, Fig. 6). Von we- 
sentlich frithfertidrem Alter ist der dem Nordrande 
der Alpen eigentiimliche Flysch, ein Komplex von 
Sandsteinen (Wiener Sandstein) und Konglomeraten 
mit untergeordnetem Kalk und Mergel, Wahrend der 
Flysch in den Ostalpen nicht konkordant auf den 
mesozoischen Bildungen ruht, lagert er in den West- 
alpen direkt der obersten Kreide auf und ist zugleich 
mit dieser und dem Jura in Falten zusammengescho- 
ben; auch Nummulitenkalke sind ihm hier vielfach 
eingeschaltet. Letztere werden nach Siiden miichtiger 
und erscheinen gut entwickelt zwischen Briancop und 
Nizza. In dem Vicentinischen entsprechen dem Alt- 
tertiir fossilreiche Grobkalke und Kalkschiefer mit 
Finlagerungen von basaltischen Lruptivgesteinen und 
‘Tuffen, in Friaul und in Istrien Numunoulitenkalk und 
der tlyschihnliche Macigno, Das jiingere Tertidr(Sand- 
steine, Mergel, Schiefertone und Konglomerate, mit den 
Namen Molasse und Nagelfluh bezeichnet) nimmt nicht 
mehr an dem Aufbau der eigentlichen Alpen teil; es 
ist ganx auf das Vorland der Alpen beschriinkt. Eine 
wichtige Rolle spiclen noch die diluvialen Ablagerun- 
gen, besonders in den Tilern und den Ebenen am Fufé 
des Gebirges, sowie die von einer frihern ausgedehnten 
Vergletscherung herrihrenden groben Massen yon er- 
ratischen Biiicken am Siid- und Nordrande der Alpen. 

Aus der Ausbildungsweise, Verteilung und An- 
ordnung der verschiedenalterigen Gesteine läbt sich 
ein Schlub auf die Entstehung der Alpen zichen. 
Wahrend in der Silurzeit vielleicht das ganze Gebiet 
der heutigen Alpen vom Meer bedeckt war, bildete 
sich im Lauf der Devon- und Karbonzeit alimahlich 
ein Festland heraus, in dessen Niederungen eine ippige 
Flora gedieh, deren Reste in den karbonischen Ab- 
lacernngen sich erhalten haben, Da begann am Ende 
der Karbongzert die Wirkung der gebiresbildenden 
Krnifte, Das kristallisische Grundgebirge nebst den 


— — — — Sedi- 

menten wurde gefaltet und lings einzelner ent-tehen- 
_ den Spalten zerrissen, so liings der die Ost- und West- 
alpen trennenden Linie; hier und da, wie bei Bozen 
‘und Lugano, drangen aus den Spalten Eraptiymassen 
hervor. Die Kiimme und Gipfel der entstandenen 
Ketten fielen dann der Erosion anheim, und bei lang- 
samer Senkung des Landes begann ein neues System 
von Sedimenten (der Verrucano und der Grédner 
Sandstein) allmiihlich auf den denudierten Falten, 
diskordant auf den dltern Bildungen, sich abzulagern 
(vgl. Tafel Geologische Formationen J, Fig. 3). Die 


der Triaszeit an, wenigstens in den Ostaipen, wo 
die Gesamtmiichtigkeit der triadischen (marinen) Se- 
dimente mehrere tausend Meter betriigt. Die West- 
alpen, in denen die Triasformation keine grobe Ent- 
wickelung besitzt, waren zu dieser Zeit wohl gréBten- 
teils Festland, so dieGebirgsgruppe des Monte Rosa und 
die Mont Blanc-Kette etwa bis zum Gotthard-Massiv, 
tauchten dann aber in der Jurazeit bis auf einige Ge- 
birgsmassen mit tiefeingeschnittenen Buchten all mah- 
lich wieder unter den Meeresspiegel hinab, unter dem 
die Ostalpen sich schon seit Beginn der Triasperiode 
befanden. In den letztern vollzog sich dann zu Ende 
der Neokomzeit eine zweite grobe Faltung. Der 
grifte Teil des jetzt gehobenen Landes wurde spiiter 
nicht mehr vom Meere bedeckt; die jiingern Gosan- 
schichten und Flyschgesteine lagerten sich nur in 
den Buchten und an der Aubenseite des neugebilde- 
ten, vielfach von Meeresarmen durchschnittenen Fest- 
landes ab. Auch in den Westalpen erfolgte um dieselbe 
. Zeit wohl hier und da eine Hebung des Meeresbodens 
und Bildung von Festland; doch in der Eociinperiode 
drang das Meer wieder vor und setzte den Flyseh 
und Nummulitenkalk auf den erodierten Schichten 
der untern Kreide ab, Erst am Ende der Eociazeit 
begann die Haupterhebung und -Faltung des ganzen 
Gebirges. Die in der Karbonzeit schon einmal gefal- 
teten Bildungen wurden mitsamt den miichtigen, auf 
ihnen diskordant zur Ablagerung gelangten Sedimen- 
ten zusammengeschoben, Flysch und Nummuliten- 
_ kalk in triacdische Sedimente und kristailinische Ge- 
steine cingefaltet, und Stérungen der mannigfachsten 
Art, Uberkippungen, Zerreibungen und Verschiebun- 
gen, erzeugten die verwickelten Lagerungsverhalt- 
| nisse, wie aie heute die Alpen darbiecten (s. Tafel 
Greologische Formationen I, Fig. 1, 3 a. 4, und JJ, 
Fig. 3). Der Faltungsprozei dauerte jedenfalls sehr 
lange, in den Westalpen sicherlich bis zur Miocin- 
zeit, wie die Aufrichtungen and Uberschiebungen 
in miociinem Molassegebirge am: Nordrande der Alpen 
_bekunden. Auch das Juragebirge hat bei dieser lets- 
ten Hauptfaltung von den Alpen sich abgetrennt. An 
den aufgerichteten Gebirgskiimmen arbeitet seither 
unaufhaltsam die Erosion. Tiefe Tiler sind entstan- 
den, hdufig da, wo vielleicht früher die héchsten Er- 
hebungen lagen, und hohe Bergricken verlaufen 
nicht selten quer tber frihere Faltentaler. Fast dic 
Haltie der urapriinglichen Massen ist abgetragen und 
erodiert, Der abveschwemmie Schutt hat die Molasse 
und spiiter die Diluvial- und Alluvialablagerangen 
am Rande und in den Talern der Alpen gebildet. 
Vel. auber den bereits erwahnten Profilen auch die 
Tafeln Gehirgsbildungen, Fig. 2, Ansicht des Kar- 
wendel- und Wettersteingebirges, und Bergformen ITI, 
Fig. 8, Ansicht der Churfirsten, sowie Artikel re 
birge’, Textiigar 3, der Hauptstanm der Alpen. 





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fervested. NSyonil Devret 


M Melaphyr ete 


fhubas. babbeon, freidotu 
tuphtidbedd Serpentin ote 








Zum Arta . dlp 


zedaby (Google 
4 


Alpen (geologifder Bau; Lima, Tierwelt). 


Zwiſchen den Norifden und Karniſchen AU. befindet 
fich im Innern der A. das weite Beden von Kla— 
qenfurt, das von tertidren, diluvialen und alluvia- 
fen Ublagerungen erfiillt ift und von Hiigelgruppen 
durdjogen wird, die fic) durchſchnittlich gu 800— 
1050 m Höhe erheben. Es wird von der Drau durd- 
floifen und enthalt im wejtliden Teil mehrere Seen. 

liber ben geologifden Bau der U. val. die Tert- 
betlage zur beifolgenden »Geologifden Karte der Ue. 

lima, Pflangen> und Tierwelt. 

Durch die Kette der A. wird das mitteleuropaijde 
Klimagebiet gegen das Mittelmeergebiet ſcharf abge- 

rengt. Die hohen Alpenlämme beſchränlen den Cine 
—* des Atlantiſchen Ozeans nad S. und O. hin. 
Der Ubergang zum Mittelmeerklima erfolgt im W. 
der A. raſch und ſprungweiſe, langſamer dagegen im 
D., wo die Alpenlämme niedriger werden und nad 
NO. ftreiden, fo dah die Siidfeiten gegen bie falten 
Ojt- und Nordojtwinde ungefdiigt find. Die Warme- 
verbaltnifje bieten drtlid) große Verſchiedenheiten, und 
zwar fowobl in borijontaler als vertifaler Ridtung. 
Unter den bewobhnten Alpentälern hat die größle 
Winterfiilte der Salzburgiſche Lungau (»djterreidi- 
ſches Sibirien<), wo Riltegrade von —30° gerade 
nicht felten find und das Wintermittel —7° betragt, 
ferner der Engadin und das Kärtneriſche Beden, warm 
dagegen find das obere Ill- und Rheintal fowie das 
untere Reuftal, wo der warme, trodne Föhn von 
den Gebirgslämmen im die Tiler herabſtürzt, im 
Frühjahr die Schneeſchmelze fordert und den Unbau 
des 


begiinjtigt. Mittlere Jabresertreme find: Rilricd 30°, 
—14°, 
31°, —14°, Lugano 32°, —7°, Cajtafeqna 28°, —8°, 
St. Bernhard 17°, —22°, Wien 34°, —15%, Kla— 

enfurt 82°, - 
Babe nimmt die Tentperatur fiir j¢ 100 m Erhebung 
um Ddurdidnittlicd 058° ab (Winter 0,45°, Sommer 
0,75°), Dod) herrſcht im Winter, befonders bei fla- 
rem, windftillem Wetter, häufig Temperaturumkehr. 
Yn beiden Seiten find die A. regenreich. Qn den 


Diterreidhijden UW. herriden Sonnnerregen, mur in. 


odens in den höhern Lagen der Gebirgstiiler | 
ern 29°, —15°, Genf 82°, —11°%, Basel 


22°, Bozen 83°, —8°. Wit der Sees 


367 


Yon den Siugetieren find fpesiell alpine Tiere: 
Wemfe, Steinbod, Murmeltier, Alpenhaſe, Schnee— 
maus; die erſtern beiden gehen bis zur Schneeregion; 
während die Gemſe (beſonders in den Bayriſchen 
und Steiriſchen A.) noch häufig iſt, findet ſich der 
Steinbock jetzt nur noch in den Gebirgszügen zwi— 
ſchen Piemont und Savoyen, namentlich im Cogne— 
tal; das Murmeltier lebt ſtets dicht an der Schnee— 
grenze und zieht mit dieſer aufwärts; der Alpenhaſe, 
cine nördliche, Dis ins arktiſche Gebiet gehende Form, 
findet fic) in den UW. von 2600—3700 m, die Schnee— 
ntaus swifden 1000 und 3000, aber bis 4000 m ge- 
hend. In der Berge und Waldregion finden fic) von 
alpiphilen Tieren Maulwurf, Spipmaus, Dads, Gar- 
tenſchläfer, Bild), Fuchs und in vereinjzelten Indi— 
viduen nod) Bar, Wolf und Luchs, ferner Stein⸗ und 
Schneehuhn. Schneeſink, Ulpendohle, Fliievogel, Läm⸗ 
mergeier. Das Schneehuhn (Lagopus albus) lebt 
außer in den A. nod) im hohen Norden der Alten 
und Neuen Welt; das Steinhuhn, der Schneefink und 
der Flüevogel oder die Alpenbraunelle gehen bis ju 
2500 m, die Ulpendohle, ein allgemein verbreiteter 
und charalteriſtiſcher Hochgebirgsvogel, bis zu 3600 m. 
Der Lammere oder Bartgeier (Gypaétos barbatus), 
frither ſehr verbreitet, wurde allmählich aus den Vor— 
bergen ins Hodgebirge oe aha und jdeint 
jest in der Schweiz und den Bayriſchen A. ausge- 
rottet 3u fein. Weiter find zu nennen: Steinadler, 
Alpenſegler, Nachtſchwalbe, Wiedehopf, der bei 3500 m 
vorlommende Alpenläufer, Alpenſumpfmöwe, Gold- 
hähnchen, Blaufehlden, Auerwild u. a. Reptilien 
lommen als genuine Alpentiere nicht vor, Dod) geht 
die Bergeidechſe bis zu 3000 m, und die Kreujzotter 
wird bis 2200 m gefunden. Der ſchwarze Erdſala— 
mander (Salamandra atra) geht nidt unter 1000 m 
herab und findet fid) bis 2300 m aufwärts. Unter 
Den Inſelten der A. find von den Käfern etwa die 
Hälfte alpine oder arktiſche Formen; in den höhern 
Regionen fiberwiegen die — elten; die Rarni- 
und Omnivoren übertreffen die Pflanzenfreſſer an 
Zahl. Unter den Schmetterlingen findet ſich eine Reihe 
alpiner Formen; bemerfenswert ijt eine Neigung zur 





Südtirol und Krain fällt der meiſte Regen im Mai Annahme dunklerer Färbung; mehrere Arten gehen 
und Oltober. Auch die Schweiz hat meiſtens Sommer⸗ | bis in die Schneeregion; die häufig durch Luftitrd- 
regen, auger im W. und S., wo Herbſtregen vor: | ay, or aufivarts gefiibrten Formen ſterben hier bald 
herriden. Die Siidjeite der A. vereinigt Regenreid- ‘ab. Als —— Bewohner der A. findet ſich auf 
tum (Krainer Schneeberg jährlich 317 cm) mit ge- dem Schnee und Cis der Gletſcher bis 4000 m der 
ringer Bewölkung, indem die Regen meiſtens als fleine, ungeflügelte Gletſcherfloh (Desoria glacialis). 
Plagregen fallen. Bgl. auc) die »Klimalarte von | Unter den Mollusfen ijt als alpine Form die Schnecke 
Deutidland<. | Vitrina diaphana oder glacialis bervorjubeben. In 

Uber Die Vegetation der A. f. die Urtifel »Wipen- | den Alpengewäſſern leben 3. T. Tierformen, die auch 
pilangen« (mit Tafel) und ⸗Schweiz⸗. in ber Ebene vorfommen und fähig find, das Leben 

Die Tierwelt der untern Regionen der A. ume | in den hochgelegenen Seen an der Schneegrenze ju 
fast in Der Mehrzahl mitteleuropaijde Formen, denen | frijten; fo zeigt die Wajferfauna im Gegenjage yur 
fic) in den nad) S. fid) Hffnenden Tälern der A. Landfauna und -flora einen mehr fosmopolitifden 
einige ſpezifiſch italienifde Tiere jugefellen. Man une | Charafter, man findet alfo Protozoen, Radertiere, Fa— 
terfceidet rein alpine (genuine) Ulpentiere, dic | denwürmer, Strudelwiirmer, Waſſerflöhe, Muſchel— 
dem Hodgebirge eigentünilich find, 3. T. nordiſche | frebje, Spaltfiifer, Baffermilben, Inſelten, Mollusten 
Formen und als Reſt der mitteleuropaijden Tiere | und Fiſche, fpegiell Forellen. Trogdem bewohnen die 
welt zur Eiszeit gu betradten; ferner alpiphile Hodalpenfeen neben den Kosmopoliten auch zahl— 
Tiere, Bewohner des Tales und der Montanregion, reiche Tierformen, die den Niederungen feblen und 


die in Der warmern Jahreszeit in das Hodgebirge | 


hinauffteigen und beim Sinfen der Temperatur wie 
der guriidfebren, und alpivage Tiere, die mur beim 
Zug oder durch Berjdleppung ins Gebirge fom- 
men. Rad der vertifalen Berbreitung unterſcheidet 
man vier Bonen: das Fladland bis zu 790 m Hobe, 
die Bergregion 790 1270 m, die Ulpenregion 1270 
bié 2220 m und die Sdyneeregion 2220-4430 m. 


nur in glajialen Temperaturen gedethen. Wir ba- 
ben auc hier Reſte aus der Eiszeit vor uns, die fic 
in den arktiſchen Gewäſſern ebenfalls vorfinden (val. 
Zſchode, Die Tierwelt der Schweiz in ihren Be— 
stehungen zur Eisjeit, Baj. 1901). Dies Tierleben 
der Alpenſeen fet ſich auch im Winter unter der Cis- 
decte fort. Llber Tiere der Alpenhöhlen ſ. Hohlen- 
fauna. 


368 


Bevsllerung. Verkehr. 

Was die Bevölkerung der A. betrifft, fo finden 
wir in der älteſten hiſtoriſchen Beit die wahridemlid 
mit den Etrustern verwandten Ratier fowie Völker 
feltifcher Ubfunft in ihnen verbreitet. Durd) die Rö— 
mer unterworfen und romanifiert, wurden dieſe ur- 
ſprünglichen Bewohner der YW. fpater meijt von den 
Deutichen verdriingt; doc) diirften die Raitoromanen, 
Kurwelſchen und Ladiner, die im Engadin und Mün— 
jtertal der Schweiz fowie im Grödener, Ubteital und 
Enneberg Tirols wohnen, romanifierte Rätier fem. 
Sonjt find die Bewohner der fiidliden Tiler zum 

rojen Teil Italiener; die wejtlichen YW. werden von 
at die librigen Teile von Deutſchen bewohnt, 


nur in den ſüdöſtlichen Teilen der A. haben fic ſla⸗ 


wiſche Stämme niedergelajjen. Man ſchätzt die Sahl 
der Deutſchen und der Romanen in den A. auf je 
32, Die Der Slawen auf 1 Mill. 

Unter den Erwerbsquellen der Ulpenbewohner 


nimmt der Uderbau teils aus flimatifden Urfaden, | 


teils infolge unjureidender Gilte des Bodens in vielen 
Gegenden nur eine untergeordnete Stellung cin. 
Weinbau wird namentlich in Steiermarf, Juederdjter- 


reich, Siidtirol, Beltlin, Waadt, Wallis, Biemont und | 


Siidfrantreich betrieben und liefert hier und da vor- 
slighiche Produfte. Obſtbau wird in geſchützten Tälern 
ſowie im Hügelland gepflegt, Südfrüchte findet man 


aber nur an den ſüdlichen Abhängen. Hier gedeiht auch 


* 


der Maulbeerbaum, mit deſſen Kultur ausgebreitete 
Seidenraupenzucht im Zuſammenhang ſteht. Weit 
bedeutender aber als die Bodenkultur iſt die Vieh— 
zucht; namentlich Die Rindviehzucht, die auf den treff- 
lider Alpenweiden (Wimen) mit vielem Erfolg be- 
trieben wird, bildet cine wichtige Erwerbsquelle (ſ. 
Alpenwirtſchaft). Von Bedeutung iit ferner, nament- 
lid) in den Ojtalpen, die Holzgewinnung, dann die 
Jagd. Mit Mineralfmagen ijt gwar der ganze 
Mebirgszug bedadt, die Gewinnung aber nur in den 
Ojtalpen von Belang. Ramientlid in Steiermarf, 
aber aud) im Rarnten und Rrain wird die Forderung 
und Verarbeitung von Eiſenerzen betrieben ; dort fin- 
den fich auc) ergiebige Rohlenlager, deren Fehlen in 
der Schweiz die Ausbeutung sabhlreid) vorhandener 
Erjadern verhindert. Während Steiermart das bejte 
Eiſen liefert, fonnnt von Kärnten Blei, von strain 


Sint und Duediilber. —t wird aus den Salinen 
Tirols, Oberbayerns und des Saljtammerguts ge- 


wonnen. Der Betrieb von Steinbritchen ijt faytitberall | 
lohnend; an einzelnen Stellen wird er tm grofen | 


ausgeiibt (Marmor vom Untersberg und Laas, Gra- 
nit vom Lago Maggiore, Zement im Unterinntal ꝛc.). 
Un Mineralquellen veridiedenjter Art find die 
UW. befonders reich; am berühmteſten und beſuchteſten 
ſind die Solquellen von Iſchl und Reichenball, der 
Natronfaiuerling von Sduls Tarasp und der Eifen- 
ſäuerling von St. Moriz, die Schiwefelthermen von 
Leuferbad, Aix-les-Bains und Baden, die Urfen- 
queflen von Levico und Ronceqno, die Thermen von 
Wajtein, Bormiound Raga; Kfafers. Die Jndujtric 
ciniger Gegenden ijt hod entwidelt, fo daß ihre Er- 
zeugniſſe ſich über Die qanje Welt verbreiten. Außer 
Der befonders in Stetermarf, dann in Ober- und 
Niederöoſterreich entiwidelten Cifenindujtrie treten na- 


mentlich leiſtungsfähig auf die Tertilindujtrie, insbef. | 
die Baumwollinduſtrie nebjt der Stideret in der | 


Schweiz und in Vorarlberg, die Seideninduftrie in 
Frankreich, Htalien, der Schweis und Siidtirol, die 
Papierinduſtrie nebſt der Holzſchleiferei und Zellulofe- 
fabrifation namentlid) in den djterreidifden A., die 


Alpen Gevölterung, Tourijtenvertehr ꝛc.; Literatur), 


Holzſchnitzerei im Berner Oberland, im Berdtesqa- 
dener Land, Ammergau und in Tirol (Grddener Tal). 
In den vom Tourijtenverfehr vornehmlich berührten 
Gegenden hat fich cin in feiner Weiſe einzig dajtehen- 
bes Wirtshaus- und Fiihrerwefen herausgebildet. In 
der Schweiz (f. d.) jteht die Wirtshausindujtrie jeder 
andern an wirt/daftlider Bedeutung voran. Trop: 
Dent swingt die Armut der Ulpentinder eine große 
Zahl ibrer Bewohner zum Wandern. Aus dem annen 
, Savoyen gehen jährlich Taujende in die Frembde, fuchen 
{don als Snaben ibren Unterbalt nut Murmeltieren 
oder Affen, als Stiefelpuger oder Schorniteinfeqer; 
| mit Teppiden, Handiduben und Lederwaren ziehen 
| haujierende Tiroler umiber, aber die Liebe zur alten, 
an Glücksgütern armen, dod) an Naturſchönheiten fo 
| reichen Heimat führt die meijten wieder zurüchk. 
Durch ihre Schinbeiten find die A. aud) dad Reife- 
| giel aller jivilifierten Nationen geworden und werden 
es durch die Verbefferung und Vermehrung der Ver- 
lehrsmittel immer mehr. Die Cifenbahnen, die jest 
an Stelle mühſamer Gauntpfade bis gum Fuß der 
höchſten Berge, ja, wie beim Semmering, Brenner, 
Mont Cenis, Gotthard und Arlberg, durch oder fiber 
die Berge felbjt hinweagfiibren (f. Alpenſtraßen x), dre 
| Dampjer, weldje die Seen befahren, pradtige Land- 
ſtraßen maden das Reiſen ebenjo bequem wie an: 
ziehend. Der Tourijtenverfebr ricdtet fid) na- 
mentlich nad dem Chamonirtal, dem Berner Ober- 
fand mit Interlalen, den yy des Bierwaldjtatter: 
ſees mit Lujern und dem Rigi, dem RNifolaital mit 
Sermatt, dent Engadin, den italieniſchen Seen, dem 
Siller-, Bujter- und Ampezzotal, den oberbayrifden 
Seen, dem Verdtesqadener Lande, dem Salzfanuner- 
gu und den Kärntner Seen. Cine grofe Zahl der 
Touriſten verweilt alljabrlic in den zahlreichen Som⸗ 
merfrijdhen oder in den klimatiſchen Luftfurorten, 
wie Wontreur, Davos und Meran. Wber cine von 
Jahr zu Jahr wadfende Zahl unternehmungsluſtiger 
Bergſteiger wagt ſich an die ehedem gefürchteten Hoch⸗ 
alpen. Wenn im vorigen Jahrhundert Männer wie 
ber Naturforſcher Scheuchzer, der vielſeitige Gelebrte 
und Dichter Albrecht v. Haller (in ſeinem bejdreiben - 
den Lehrgedidht »Die A.«), der erite Erjteiger des 
Montblanc, Sauſſure, durd) ibre Forſchungen cine 
nicht gang frudtlofe Anregung gaben, fo haben ſich 
dod) erjt feit dem 19. Jahrh. die Wiſſenſchaft und 
Kunſt, nit ihnen aud abenteuernder Unternehnumags- 
jinn dieſem Gebict zugewendet. Biele der hidjien 
Spigen find erjt in neueſter Zeit erflommen worden, 
der Montblane fdon 1786, die Jungfrau 1811, das 
Finſteraarhorn 1812, die Dufourſpitze (höchſter Funtt 
des Wonte Roja) 1855, das Matterhorn 1865. Für 
ply eater era werden vornehmlich aufgefudt 
die Gruppe des Montblanc, die Penniniſchen und 
Berner A., die Berninagruppe, die Optaler und Ort- 
ler A., Die Hohen Tauern, die Siidtiroler Dolomi- 
ten, Das Wetterjteingebirge und die Salzburger A. 
Rach dem Vorgang de3 Alpine Club in England ba: 
ben fid) auch in der Schweiz, in Oſterreich, Deutſch⸗ 
land, Frankreich und Italien Vereine zur Erfor— 
ſchung der Alpenwelt gebildet (ſ. Alpenvereine). 
lLiteratur. Allgemeines: Saufſure, Voyage 
dans les Alpes (Genf 1770 96, 4 Bde.; deutſch von 
Wyttenbach, Leipz. 1781); Berlepſch, Die A. in Na— 
ture und Lebensbildern (5. Aufl, Jena 1885); Ram⸗ 
bert, Les Alpes suisses (Genf 1866 —74, 5 Wde.); 
Frey, Die U. im Lidhte verfdiedener Feitalter (Bert. 
| 1877); Schaubad, Die Deutſchen M. (2. Aufl. Nena 
1865 —71,5Bde.); Roe, Deutidhes Alpenbuch (Glog. 


. 








Alpen — Alpendoble, 
1875—88, 4 Bode.); Umlauft, Die A. (Wien 1887); 


369 
[Rarten.] {ber dad Gefamtgebiet: v. Haardt, 


Sieger, Die U. (in der Sammlung Godjden, Leipz. Wandfarte der A. (Hölzel, Wien, in 1:600,000, mit 


1900); Studer, über Cis und Schnee. Die höchſten 
Gipfel der Schweiz und die Geſchichte ihrer Beſteigung 
(2. Aufl. von Waber und Dübi, Bern 1896 — 99, 
3 Bde.); Schriften von A. Ruthner, Tudett, Tyndall, 
WhHymper, Giipfeldt (f. diefe Urtifel), v. Lendenfeld 
(> Aus den U«., Wien 1896, 2Bde.), Norman-Reruda 

» Bergfahrten«, Mind). 1901), Purtſcheller (> Uber 
gels und Firn«, daſ. 1901) u. a.; Monographien 
von Bayer und Son lar in den Ergingungsheften 
au »Petermanns Mitteilungen«; die vom Deutfden 
und Oſterreichiſchen Alpenverein herausgegebenen 
Werle: » Die Erſchließung der Oſtalpen · (redigiert von 
E. Richter, Wien 1892—94, 3 Bde.) und ⸗Anleitung 
zu wiſſenſchaftlichen Beobachtungen auf Ulpenreifen« 


(Miind. 187981, 6 Tle.); Meurer, Handbuch ded | 


alpinen Sports (Wien 1882); Grigru. Rabl, Die 
Cntwidelung der Hodtourijtif in den öſterreichiſchen 
A. —* 1890); Zſigmondy, Die Gefahren der A. 
(2. Aufl., Leipz. 1887); Derſelbe, Im Hochgebirge 
(daſ. 1889); Dent, Hochtouren, Handbuch für Berg⸗ 
ſteiger (aus dem Engliſchen von W. Schultze, daſ. 
1893); Purtſcheller u. Heß, Der Hochtouriſt in 
den Ojtalpen (2. Uujl., daf. 1899, 3 Bde., in > Meyers 
Reifebiidern«); die Schriften der verjdiedenen Al— 
penvereine (f. d.); die Zeitſchrift »>Der Alpenfreund⸗ 
(Gera 1870 —79, 11 Bde.). 

Mit den qeologifden Berhaltnijjen der A. haben 
fic zahlreiche Geologen beſchäftigt (Sauffure, Agaſſiz, 
2. v. Bud, Defor, Beyrich, Giimbel, v. Hauer und 
die unten genannten Yutoren). Befonders widtig 
und 3. T. reid) an Literaturangaben find folgende 
Werle: Studer, ps ber Sajueels (Bern 1851 
bis 1853, 2 Bde.); Derfelbe, Index der Petrographie 
und —— der Schweiz (daſ. 1872); Heer, 
Die Urwelt der Schweiz (2. Uufl., Zür. 1879); Sueß, 
Die Entftehung der VW. (Wien 1875); Heim, Unter- 
ſuchungen tiber den Mechanismus der Gebirgsbildung 
(Bafel 1878, 2 Boe.); Balger, Der Glärniſch (itr. 
1873); Derjelbe, Der medanifde Kontalt von Gneis 
u. Ralf im Berner Oberland (Bern 1880); E. Fraas, 
Szenerie der WU. (Leipz. 1892); Pend u. Briidner, 
Die U. im Cisgeitalter (daſ. 1902); Böhm, Cin- 
teilung der Djtalpen (Wien 1887); Diener, Der 
Gebirgsbau der Weftalpen (Prag 1891). Widtige 
Vrbeiten finden fid) in den Berdffentlidungen der 

evlogijden Reichsanſtalt in Wien und in den von 

er geologijden Rommiffion der Schweiger Natur- 
forjdjenden Gefellfdaft herausgeqebenen » Beitrigen 
ur geologijden Karte der Schweiz⸗ (f. unten); popu- 
dr gebalten find Rothpleg, Geologifder Führer 
durch die U. (Berl. 1902), Tornquijt, Das Gebirge 
der oberitalienijden Geen (daſ. 1902). Bgl. auc 
Gletſcher; geologiſche Karten f. unten. — über die phy - 
jitalifden Verhältniſſe der A. ſchrieben H. und YW. v. 
SAHhlagintweit (> Unterfudungen iiber die phyfifalijde 
ee ee r(o>Ge- 
ſchichte der phyfifden Geographic der Schweiz«, Zür. 
1863), Pfaff (Die Naturfrafte in den W.«, Milind. 
1877), Hann (»Temperaturverhaltniffe der djterreidji- 
fen Alpenländer · Wien 1885); fiber die Tierwelt: 
v. Tſchudi (» Das Tierleben der Ulpenivelt«, 11. Aufl., 
Leip;. 1890) und Riitimever ; iiber die Flora f. Alpen⸗ 
pflanzen. Reifehandbiider fiber die verfdicdenen 
Ulpengebiete von Bädeler, Meyer, Tidudi, Joanne, 
den Englindern Murray, Ball, Conway, Coolidge 
u.a. Spezialführer fiir die deutſchen YW. von Wal- 
tenberger, Trautwein, Hef, Meurer, Friſchauf u. a. 

Meyers Ronv. + Lezifon, 6, Aufl., L Bod. 





ert). Cine gute Karte in größerm Maßſtab fehlt. 
Für die Wejtalpen: franzöſiſcher Teil: die betref- 
fenden Blatter der »Carte de la France«, 1:80,000, 
vom Service géographique de l’'armée; »Carte de la 
France dressée par le service vicinal«, 1:100,000 
(Hachette, Baris); »Carte de France«, 1:200,000, neu, 
qreift fiber die Grenje, vom Service géographique 
de l'armée. Italieniſcher Teil: »Carta topografica 
del Regno d'Italia+, 1: 100,000 (Istituto geografico 
militare, flor.). Schweizer U.: General Dufours 
»Topographifder Atlas- (25 Blatt in 1:100,000), 
»Lopographijder. (Siegfried-) Utlas im Maßſtab 
der Originalaufnahmen« (546 Bl. in 1:50,000, bez. 
25,000), die gleichfalls vom topographiſchen Bu— 
reau in Bern bearbeitete »Generalfartee (4 Bl. in 
1:250,000), Ravenſteins »Rarte der Schweizer Ulpen< 
(2 BL. in 1: 250,000, mit Höhenſchichten, Franff. 
a. M.); bie Deuti den W.: die betreffenden Seftionen 
der »Ojterreidjifden Spezialfarte« (1:75,000), »Ge- 
neralfarte von Mitteleuropa« (1 : 200,000) fiir die O ft - 
alpen (Militärgeographiſches Inſtitut, Wien), Ra- 
venſteins vorzügliche »Rarte der Oftalpen« (Franff., 
9 BL. in 1:250,000, mit Hihenfdidten) und ⸗UÜber⸗ 
fidjtSfarte der Ojtalpen« (2 Bl., 1:500,000, Redut- 
tion der vorigen), —— Spezialkarten in der ⸗Zeit⸗ 
ſchrift des D. u. O. Ulpenvereins«. Reliefkarten 
der Deutſchen A. von Pauliny (Wien), Keil (Salz⸗ 
burg); der Schweiz von Leuzinger (Winterth. 1884), 
Biirgi (Bafel), E. Be (Bern), Imfeld (Sarnen), 
Schöll (St. Gallen); weiteres ſ. Relieffarten. 

Geologifdhe Karten von Studer und Efder von 
der Linth (»Carte géologique de la Suisse«, 2. Aufl., 
Winterth. 1867), v. Hauer (Geologiſche tiberjidts- 
farte der öſterreichiſch ungariſchen Monardies, Wien 
1867 —73, 12 BL, 1:576,000, und »Geologifde 
Rarte« in 1 Bl., 1:2,016,000, 4. Aufl. 1884), Gitme 
bel (⸗Geognoſtiſche Befdreibung des bayrifden Al⸗ 
pengebirges«, Gotha 1861), Jacquot und Michel Lévy 
(»Carte géologique de la France«, 1: 1,000,000, 
1888), vom Comitato geologico d'Italia (»Carta 
geologica d'Italia«, 1: 1,000,000, 2. Aufl., Rom 
1889), foie die von der Schweizer Naturforjdenden 
Gefellidaft von 1862 —88 herausgegebene geologi- 
ſche Rarte der Schweiz (256 BL in 1:100,000) und 
die geologiſche Überſichtskarte von Heim und Schmidt 
(1:500,000, Bern 1894) ftellen Teile ber A. dar; 
die cingige grbfere volljtindige geologifde Überſichts⸗ 
farte der A. ijt die von Fr. Roe (1:1,000,000, Wien 
1890); aud) die »Qnternationale geologijde Karte 
von Europa«, Blatt C, (1: 1,500,000) gibt eine vor- 
zügliche geologifde Darjtellung der U. — Weitere Li- 
teratur ſ. bet den betr. Ländern: Schweiz, Tirol 2. 

(pen, Fleden im preuß. Regbez. Düſſeldorf, 
Kreis Mörs, die castra Ulpina der Rimer, hat eine 
evangelifde und eine fath. Kirche, Seidenweberei, 
Gerberci, Leimſiederei und (1900) 860 Einw. 

Wlpena (jor. aupind), Hauptitadt der Graffdaft A. 
im nordamerifan. Staat Midigqan, an der Wiindung 
des Thunder in den Huronenjee, mit Sägemühlen, 
Wollfabrifen, Holshandel und cvoo) 11,802 Einw. 

{penbahnen, ſ. Alpenſtraßen. 

Alpendohle (Schneekrähe, Pyrrhocorax alpi- 
nus Vieillot), Sperlingsvogel aus der Familie der 
Raben, etwa 40 cm lang, ſchwarz, mit rotem Fug und 
gelbem Schnabel, lebt gefellig in den großen euro- 
päiſch⸗ aſiatiſchen Gebirgen von den Byrenden bis zum 
Himalaja und ijt in den Ulpen iiberall gemein. Sie 

24 


370 


geht bid in bie Sdyneeregion, frift alles Genießbare 
und baut ihre oft gemeinfamen Neſter in ungugiing- 
lichen Spalten und Höhlen. Cier hellgrau, duntel ge- 
fledt. Ulpenfraihe (Steinfrahe, Feuerrabe, P. 
graculus Cuv.), 40 cm lang, griin- oder blauſchwarz, 
mit roten Füßen und langgeftredtem roten Schnabel, 
lebt gefellig in Den Gebirgen Englands, Sdottlands, 
in Den Rarpathen, im Balfan, in Aſien, Ufrifa, ijt in 
den Ulpen felten, nährt ſich hauptſächlich von Inſekten, 
briitet an Felswänden und legt 4—5 weiplice, Dun- 
fel gefledte Eier. WIS Käfigvogel entpfehlenswert. 
Ipendoppelbiume, e Clematis. 

Alpenfalter, ſ. Upollo. 

Ulpenfliievogel , |. Flüevogel. 

Alpengeld, {. Alpenwirtſchaft. 

Alpenglbddjen, ſ. Soldanella. 

Alpengliihen, optijde Erſcheinung an den Gipfeln 
und Schneeflächen der Ulpen vor —— und 
nach Sonnenuntergang, entſteht auf dieſelbe Weiſe wie 
die Dämmerung (f.d.) und verläuft in mehreren Pha⸗ 
fen. Sur Zeit, wo ſich das Ubendrot am weſtlichen 
Himmel bildet, beqinnen die fdneebededten Gipfel der 
Alpen fowie alle erleuchteten Schneefladen in brillan- 
teſtem Rot gu glänzen. Dieſe erfte Färbung ijt bet 
Heiterm Wetter am intenfiviten umd tibertrifft dann 
dad gleichzeitig vorhandene Ubendrot. An Tagen aber, 
wo lefteres fehr jtarf und dann in der Regel etwas 
lichtarm auftritt, ijt das eiqentlide UW. minder ſchön. 
Wahrend nun die Sonne ſinkt, erbleidjen die Gipfel, 
und wenn fie von den Gonnenjtrahlen nicht mehr 
direlt getroffen werden, heben fie fic) einige Minuten 
lang Dunfel vom Abendhimmel ab. Wber gleich dar- 
auf beginnt die gweite Färbung, bei der die fehr 
gleichmãßig, wenn aud matt erleuchteten Schneeflãchen 
und Die Gipfel aus hellem Geftein mit rötlichgrauem 
Glan; einen pradtvollen Kontraft zu dem tieforoletten 
Himmel! bilden. Erſt wenn die Gonne 5—6° tief une 
ter Den Horizont gejunfen ijt, endet die Erſcheinung, 
und die Berge verſchwimmen in der allgemeinen Dam- 
merung. Das befonders nad fonnigen Tagen wabhr- 

unehmende ſchwache Leuchten der Cis- und Sdhnee- 
fachen, das oft einen großen Teil der Nacht hindurd 
anhalt, berubt auf Phosphoreszenz. 

Ipengras, ſ. Carex. 

Alpenhafe, ſ. Haie. 

Wlpenhorn, f. Alphorn. 

Wipenjager (ital. Cacciatori delle Alpi), die von 
Garibaldi tm Kriege von 1859 organijierten Frei- 
fcharen mit roter Blufe, jetzt Ulpenfompagnien (ſ. d.). 

Alpenkalk, friiher 7 ists fiir Die Kallſteine 
Der Alpen und aud) wohl fiir den Zechfteinfalf. Seit- 
dem man das fehr ungletde Ulter der verſchiedenen 
Kalle erfannt bat, ift der Ausdruck A. ungebräuchlich. 

Alpenklubs, ſ. Wlpenvereine. 

Alpenkompagnien (Alpini), cin Truppenteil der 
ital. Urmee zur Sicherung der Ulpeniibergdnge, wur- 
den 1872 erridtet. Bgl. Atalien (Heerweſen). 

WlpenFrahe, ſ. Ulpendoble. 

Aipenfurorte, ſ. Klimatiſche Nurorte. 

Alpenmanerlaufer, ſ. Mauerläufer. 

Alpenmolch, ſ. Molche. 

Alvpenpflanzen (hierzu Tafel ⸗Alpenpflanzen«, 
mit Tertblatt), Pflanzen, welche die Eigenari der 
Vegetation der Ulpen und andrer mitteleuropaifder 
Hochgebirge bedingen. Da in der Waldregion der 
Alpen vielfad die Pflanzen und Pflanzenge ellſchaf⸗ 
ten wiederfebren, die in deutſchen Mittelgebirgen vor⸗ 
herrſchend find, fo haber die A. ihren cigentlichen 
Stammfigs in den Hodregionen oberhalb der Bauny 


Alpendoppelblume 





— Alpenpflanjen. 


renje. Sie fteigen aber von dort vielfad aud in Dic 
aldregion und, wie 3. B. die Ulpenfternblume (Aster 
alpinus, fig. 2) und das farbenpradtige Alpenlein 
traut (Linaria alpina, Sig. 21), felbjt bis zum Za! 
hinab, wie anderſeits gewiſſe Formen der Ebene auch 
in das Bergwaldgebiet und felbjt in die Hochregion 
aufiteigen. Die meijten A. find ausdauernde Pylan- 
gen nut reichentwidelten unterirdijden Teilen. See 
zeichnen fich im allgemeinen durch kurze Stengelglieder 
und im Verhältnis zur Stengelhöhe oft überraſchend 
große, lebbaft gefarbte Blumen aus (vgl. 3. B. Dian- 
thus glacialis, jig. 5; Viola calcarata, Fig. 12; Gen- 
tiana, Fig. 13 u. 14; Eritrichium nanum, Fig. 17). 
Arten, deren nächſte Battungsverwandte im Bergwald 
und in der Ebene ſtolze Baume bilden, find ftraud- 
artig und dem Boden mehr oder weniger angeſchmiegt. 
wie die Legföhre oder Latide (Pinus montana) und 
die Alpenweiden (3. B. Salix reticulata, Fig. 6). 
Ihnen ſchließen fic) andre, wie die ULpenrofen (Fig. 1) 
und die Alpenheide (Erica carnea, Fig. 10), an zur 
Bildung ciner hochalpinen Straudformation, die an 
vielen Stellen des Hochgebirges in urwaldartiger Ur⸗ 
fpriinglicfeit erhalten ift und manden fdlant auf- 
jtrebenden Kräutern (3. B. Astrantia minor, Fig. 9) 
aud oberhalb der Baumgrenze nod cine Heimſtätte 
bietet. Beſonders formenreich ijt die Flora der Alpen⸗ 
matten und der Geröllhalden. Hier entfalten in bun: 
ter Ubwedfelung mit andern die Lieblinge der Alpen⸗ 
wanderer, Primeln (Fig. 3) und Enziane (Fig. 13 
und 14), ihre ſchönen Bliiten, hier finden fid) Speif 
(Valeriana celtica, fig. 4) und Prũnelle (Nigritella 
angustifolia, Fig. 11), die wegen ihres angenehmen 
ig bei den Freunden der Berge berühmt jmd. Die 
U. find in Bau und LebenSweife den flimatifden Er⸗ 
fheinungen, der Kürze Des Sommers, der fraftiqen 
Beſonnung, dem jtarfen Wedhjel der Tag- und Nacht⸗ 
temperaturen, der austrodnenden Wirkung de3 Win- 
des rc. angepaft. Die meijten A. find Frühbluher, 
wie die Alpenglöcklein (Soldanella, jig. 22), die ihre 
Bititengloden unmittelbar am Rande der abſchmelzen⸗ 
den Sdhneefelder entfalten. Manche jind gegen niedere 
Temperaturgrade und ftarfen Wechſel fo unempfind- 
lich, daß fie ſelbſt nod oberhalb der Grenze des ewigen 
Schnees an ſchneefreien Felſen und Geröllhalden und 
auf dem WMoriinenjdutte der Gletſcher qedeiben fnnen 


(;- B. Ranunculus, Fig. 8 u. 23). Gegen su grofe 
Waſſerverdunſtung ſchützt mande A. (3. B. Silene 
Potitermuds, 


acaulis, Fig. 7) der fehr —— 
andre, wie Dryas octopetala (Fig. 15) und die Al— 
pentweiden (Fig. 6), wachſen fpalierartig, dem Bo- 
den angefdmiegt, oder es ijt Die Verdunſtungsgröße 
wie bei dem Edelweiß (Gnaphalium Leontopodium, 
Fig. 20) durd cinen dichten Haarfils oder wie bei den 
Sedum- und Sempervivum-Yirten (Fig. 16) durch 
ſchleim⸗ und gummihaltige Säfte, welche das Wafer 
ſchwerer abgeben, herabgeſetzt. Die AÄhnlichkeit der 
flimatifdben Faltoren, die beſonders int der ſtürze Ded 
Sommers jum Ausdruck kommt, erflirt 3, dak in 
den arftifchen Gebieten die Vegetation in Bau umd 
Lebensweife cine gewiſſe Whnlicfeit mit den A. zeigt. 
und daß cine Anzahl der lestern aud in den Polar. 
lindern gedeiht. Die Cigenfdaften, die bei den A. als 
Unpajfungsmerfmale an —— ãußere Berhalt- 
niſſe erſcheinen, find sum größten Teil erblicher Natur, 
bd. b. ſie bleiben weſentlich unverändert, wenn aud 
die Pflanzen unter gänzlich andern Lebensbedingun- 
gen verfest werden. Bei gewiſſen Bflangen aber hat 
mar zeigen fonnen, daß bei veriinderter Höhenlage 
an den Nachkommen einer Mutterpflanze Bildungs- 


{Zam Artikel Alpenpflanzen,] 


Inhalt der Tafel ,Alpenpflanzen‘. 


Fig. 1. Rhododendron hirsutum ZL. (Rauhhaarige 
Alpenrose), ein aufrechter, dstiger Strauch aus der 
Familie der Erikazeen, hat elliptische oder ovale, 
klein gekerbte, am Rande nicht umgerollte, steifhaarig 
gewimperte, sonst kahle, immergriine, unterseits rost- 
braun getiipfelte Blatter und rosenrote, trichterfér- 
mige, auben driisig-harzig punktierte Blüten in end- 
stindigen Doldentrauben. Die Alpenrose (Alpen- 
rausch, Schneerose, Alpbalsam, Donnerrose) beginnt 
in den Ost-, Zentral- und Westalpen unterhalb der 
Knieholzregion, steigt mit den GieBbachen oft sehr 
weit herab und erreicht Héhen von 2000 m. Sie 
bildet vom Juni bis August den schiénsten Schmuck 
der Alpen, die sie oft stundenweit mit einem Rosen- 
teppich tiberkleidet. In alter Zeit soll sie dem Don- 
nergott heilig gewesen sein. 

Fig. 2. Aster alpinus 1. (Alpenaster), eine Kompo- 
site mit walzenfOrmigem, knorrigem W urzelstock, der 
neben dem Stengel auch sterile Bliitterbiischel treibt, 
hin und her gebogenen, ganzrandigen, unten keil- oder 
spatel formigen, oben linglich-lanzettlichen, sitzenden, 
kurz oder zottig behaarten Bliittern und ansehnlichen 
BliittenkSpfen mit blauvioletten Randbliiten und gel- 
ben Scheibenbliiten, bliiht vom Juli bis August an 
Felswiinden und auf Triften der Alpen und Voralpen, 
auch in den Karpathen und Sudeten, 

Fig. 3. Primula glutinosa Wulf. (Klebrige Primel, 
blauer Speik), eine Primulazee mit langlich-lanzett- 
fSrmigen oder lineal-lanzettférmigen, nach oben ge- 
siigten, kahlen, schmierig klebrigen Blattern und 
auf der nickenden Dolde sitzenden kleinen, violetten, 
wohlriechenden Bliten mit abstehendem Saum und 
schwarzbrannen Hillblittchen. Der Bliitenschaft 
wird 5—10 cm hoch. Diese unter den zahlreichen 
Arten besonders beliebte Prime! wiichst in der héch- 
sten Urgebirgsregion der Ost- und Zentralalpen und 
der Karpathen und bliiht im Juli und August. 

Fig. 4. Valeriana celtica L. (Alpenbaldrian, Nar- 
denbaldrian, Speiknarden), eine Valerianazee mit 
nicht veristeltem, wie die ganze PAanze kahlem, 3— 
12cm hohem Stengel, einfachen, ganzrandigen, stump- 
fen Blittern und rétlichgelben Bliiten in pyramidaler 
Rispe, wiichst in den Ost- und Westalpen anf hoch- 
gelegenen, steinigen Triften, besonders im Schieferge- 
birge, and bliihtim Juli und August. Die ganze Pflanze, 
besonders die Wurzel, riecht durchdringend aroma- 
tisch und wird seit dem Altertum als Volksarznei- 
mittel (keliische Narde) und Parfiim, im Orient auch 
va Bidern benutzt, Namentlich in Steiermark bildet 
sie einen nicht unwichtigen Ausfuhrartikel. 

Fig. 5. Dianthus glacialis L. (Gletschernelke), eine 


seltene, dichten Rasen bildende Karyophyllazee mit 
den Karpathen, im Jura, in den Ost-, Zentral- und 


kurzen Stiimmchen, lineal-lanzettlichen, verliingerten, 
kahlen Blattern und rosenroten, seltener weiben, wohl- 
riechenden Bliiten, wichst in den Karpathen, den 
Ost- und Zentralalpen and ist vielleicht nur eine Va- 
rietit von D, alpinus, der Alpennelke, deren Wurzel 
einst gegen die Pestilenz benutzt wurde. 

Fig. 6. Salix reticulata L. (Neteaderige Weide), ein 
kleiner kriechender Strauch mit randlichen, ganzran- 
digen, oberseits dunkelgriinen, unten bliulichgrauen, 
glanzlosen, netzaderigen kahlen Bldttern und endstin- 
digen Kiitzchen, wiichst an feuchten, steinigen Orten 
der Karpathen, der Ost-, Zentral- und Westalpen, 
auch im hohen Norden und bliht vom Juni bis August. 

Fig. 7. Silene acaulis L. (Stengelloses Leimkraut), 
eine dichte, polsterférmige, grasgriine Rasen bildende 


Meyers Honv.- Lexikon, 6. Aufl., Heilage. 


a — — — — — — — — — — — —— — — 





Karyophyllazee mit grundstindigen, linealen, ganzran- 
digen, kurz bewimperten, sonst wie die ganze Ptlanze 
kahlen Blattern und einzeln am Ende der Stiimmchen 
stehenden rosenroten Bliiten, wiichst auf Felsen und 
Triften der Kalkalpen, überzieht oft ganze Felsstiicke, 
bliht vom Mai bis Juli und geht nicht selten tief ab- 
wiirts. Es ist in den Karpathen, in den Ost-, Zentral- u. 
Westalpen, auch in der arktischen Region verbreitet. 

Fig. 8. Ranunculus alpestris L. (Voralpenhah- 
nenfuS), eine Ranunkulazee mit aufrechtem, ein- bis 
zweiblitterigem oder blattlosem, einfachem, einbliti- 
gem und wie die ganze Pflanze kahlem Stengel, grund- 
stiindigen, gestielten, ungeteilten oder handférmig 
gelappten oder gespaltenen, etwas runzeligen Blittern, 
kleineren, linealen oder keiligen Stengelbliittern und 
schneeweifen Bliiten, die vom Juli bis August er- 
scheinen, wiichst hidufig auf Triften und steinigen 
feuchten Stellen der Alpen und Voralpen, in den Kar- 
pathen, im Jura, in den Ost-, Zentral- und Westal pen. 

Fig. 9. Astrantia minor £, (Kleiner Talstern, 
Alpenstern, Astranz, Strdinze), eine Umbellifere mit 
schwachem, 15—25 om hohem Stengel, bis auf den 
Grund fingerig geteilten Blittern, lanzettlichen, un- 
gleich eingeschnitten gesiigten Lappen, weiben Hill- 
blittchen mit griinen Spitzen und kleinen, rosa-weifen 
Blimchen, wichst in hOhern Gegenden der Ost-, Zen- 
tral- und Westalpen und blitht vom Juni bis August. 

Fig. 10. Erica carnea J, (Alpenheidekraut, fleisch- 
farbiges Heidekraut), eine strauchige, liegende, istige 
Erikazee, deren 8—30 cm lange, aufrechte oder auf- 
steigende Aste, wie die ganze Pflanze, kahl sind. Die 
nadel{rmigen, spitzen, abfiilligen Blatter stehen zu 
vieren oder zu mehreren, quirlig, die rosenroten, selten 
weiben Bliten in endstiindigen, ihrenférmigen, meist 
einseitswendigen Trauben. Die Blamenkronen sind 
rdhrig-krugftrmig, die Staubbeutel purpurschwarz. 
Es wiichst auf Felsen, an Waldriindern und in den 
Waldern selbst bis zum Krummholz und iiberzieht 
oft ganze Gebiete in den Karpathen, Sudeten, Ost-, 
Zentral- und Westalpen mit dichtem Rasen. Es bliht 
im April und Mai. 

Fig. 11. Nigritella angustifolia Rich. (Schmalblit- 
teriges Kohlrischen, Briindli, Kuhbriindli, Schwarz- 
stindel, Kammbliimle), eine 8—20 em hohe Orchidee 
mit handférmig geteilten Knollen, schmal lineali- 
schen, fast grasartigen, fein gewimperten, unten ge- 
hduften, oben viel kleinern und zerstreuten Blattern, 
kurzkegeligen oder eiférmigen, dichtgedrungenen 
Ahren und dunkelblutroten oder schwarzpurpurnen, 
bisweilen auch hell karminroten, sehr angenehm nach 
Vanille duftenden Bliten. Es wiichst auf Triften der 
Alpen und Voralpen zwischen 600 und 1800 min 


Westalpen, auch im Apennin, im Balkan und in den 
skandinavischen Gebirgen und bliiht vom Juni bis 
August. Das Kohlrischen ist eine Lieblingspflanze 
der Alpenbewohner und wird in der Bliitezeit ganz 
allgemein von den Burschen am Hute getragen. 
Fig. 12. Viola calearata 1, (Langspurniges Veil- 
chen, Berqviola), eine glatte, stark veriistelte Pflanze 
aus der Familie der Violazeen, deren kurze Zweige 
am Boden liegen, mit gekerbten, eirunden, oben ling- 
lich-lanzettlichen Blittern, einblumigen, aufrechten, 
8 em hohen Stengeln und gewdhnlich violetten, sehr 


| selten gelben, langgespornten Bliten, wiichst auf Trif- 


ten hdherer Regionen in den Ost-, Zentral- und W est- 
alpen und im Jura und bliiht vom Mai bis Juli. 


Il Inhalt der Tafel 


el ,Alpenpflansen’. 











Von den zahlreichen Enzianarten aus de Familie | 
der Gentianazeen, die durch meist blane Blüten aus- | 
gezeichnet sind, bildet Gentiana bavarica L. (bayri- 
scher Enzian, Fig. 13) oft grobero Rasen und treibt 
anufrechte oder aufsteigende, einfache, vielblitterige, 
einblitige Stimmchen mit verkehrt-eirunden oder 
fast spateligen Blittern, von denen die untern ge- 
drangen, die obern meist entfernt stehen, Die Blu- 
menkrone ist stieltellerférmig, ziemlich ansehnlich, 
tief axurblau. Die Pflanze wichst auf den Triften der 
hdhern Kalkalpen and bliht vom Juli bis September. 
Sie ist in den Ost-, Zentral- nnd Westalpen verbreitet. 

Fig. 14. Gentiana acaulis L. (Stengelloser Enzian, 
blauer Fingerhut), besitxt einen 5 cm langen, oft aber 
unmerklichen Stengel, grundstindige, ovale, ellipti- 
sche oder lanzettliche, viel kleinere stengelstindige | 
Blatter and 4 cm, auf hohen Gipfeln kaum 2,5 cm 
lange endstindige, keulenformig-glockige, dunkel- 
axurblaue Bliiten mit fiinf hellern, dankelviolett | 
punktierten Streifen im Schlund, Er wichst auf 
steinigen Triften der Kalkalpen zwischen 630 und 
1800 m Hohe, oft ungemein zahlreich, meist inGrup- 
pen vereinigt, und bliht vom Mai bis Joli. Er ist in 
den Ost-, Zentral- und Westalpen, in den Karpathen, 
Ardennen und im Jura verbreitet, steigt auch bis zur 
Ebene herab. 

Fig. 15, Dryas octopetala L. (Gemeine Silberwurz, | 
Alpengamander), ein niederliegender, rasenbildender, | 
listiger Halbstrauch mit immergrinen, linglichen, | 
gekerbt-gesiigten, oberseits kahlen, unterseits weib- | 
filzigen, am Rand umgerollten Blittern, mehr oder | 
minder zottigen Blatt-, Bliitenstielen und Kelchen, | 
einzeln endstindigen weiben Bliiten und langem, fe- 
derartigem, silberglanzendem Fortsatz an den Friich- 
ten, wichst auf Felsen und im Felsenschutt der Kalk- 
alpen bei etwa 2000 m Hohe, steigt aber manchmal | 
auch in subalpine Gegenden herab und bliiht vom | 
Juni bis August. Findet sich in den Alpen, im Jura 
and in allen Polarlandern. 

Fig. 16, Sempervivam arachnoideam J. (Uber- 
sponnene Hauswurz, Spinnenwurz, Spinnwebenhaus- 
laub), eine Krassulazee, deren Rosetten aus verkehrt- 
eifSrmigen oder langlichen, drisig kurzhaarigen, bor- 
stig gewimperten, an der Spitze bischelig gebirteten | 
Blattern mit spinnwebeartigen Haaren bestehen, Die 
Bliten sind rosenrot mit cinem Purparstreifen auf 
jedem Blatt. Sie wiichst in den Ost-, Zentral- und 
Westalpen, im Jura und in den Pyreniden und bliht 
im Jali und Angust. 

Fig. 17. Eritrichium nanam Schrad. (Zwergvergis- 
metnnicht), eine Borraginazee mit mehreren anfstei- 
genden, dstigen, 2,5—5 cm hohen Stengeln, oft kleine, 
durch die Zottenhaare graue Rasen bildend, an nicht 
bliihenden Asten gedriingt stehenden, spatelfrmigen, 
borstig gewimperten, langzottigen, an blihenden 
Asten verkehrt-eifsrmigen, locker stehenden Blattern 
und azarblaven Bliten im Joli and August, wiichst 
in den Ost-, Zentral- and Westalpen. 

Fig. 18, Saxifraga Aixoon Jacq. (Traubendliitiger 
Steintrech, Silberminze), eine Saxifragazee mit einer 
Rosette aus steifen, kahlen, cangenfirmigen, knorpelig 
gesigten und lings des Randes eingedriickt punk- 
tierten Biattern, die am Rande mit einer weiben, zu- | 
letst abfallenden Kalkkruste bedeckt sind, Die Bli- 
tenstenge! sind tranbig veristelt, mit kleinen Blittern 
und weifen, grinlichweiben und rot punktierten | 
Blaiten, Er ist auf felsigen Stellen des Kalkgebirges | 











gemein, bliht vom Jani bis August and findet sich | 


Mitriechen, 


in den Karpathen, im Schlesischen, 





Bohmischen Gebirge, in den Ow- , Zentral- und W =se- 
alpen, Vogesen, im Jura and Schwarzwald, such it 
Skandinavien, Grénland, Labrador. 

Fig. 19, Saxifraga oppositifelia L. (GegenWatternee- 
Steinbrech, blaues Steinmoos), mit kriechenden “tizmum- 
chen grobe Polster bildend, anfrechten, dicht betlas- 
terten cinbliitigen Asten und spateligen, steif o-~ 
wimperten, sonst meist kahlen Blattchen, die am der 
Spitze aus einem Gribehen ein spiter abfallemdes 
Kalkschippchen absondern. Die ziemlich grudes 


Blũten sind rosenrot, zuletzt blan und erscheinex ize 


Mai und Jani. Er wichst von Spanien bis Sieben- 
biirgen, im ganzen arktischen Gebiet, in cinem greden 
Teil Asiens und in den Rocky Mountains. 

Fig. 20. Gnaphalium Leontopodiam 1. (Edelweiss. 
eine Komposite mit weiffilzigem, 85—16 cm hobhew 
| Stengel, lineal-lanzettlichen, spinnwebig wolliger. 
unterseits weilifilzigen Blittern und trugdoldig an der 
Spitze gehduften Blutenképfchen, die von dicht weié- 
wolligen, eine blumenartige Hille bildenden , strah- 
lenden Blittern gestütat werden. Die gelben Blaites 
eracheinen imJuli. Es wiichst aufden héchsten Alpe, 
in den Karpathen ond im Jara, oft an schwer ce- 
ganglichen Stellen und ist cine der beliebtesten Al peo- 


| pilanzen, die ehedem in hohem Ansehen stand , jetx 


ein gewohnlicher Handelsartikel geworden ist. 

Fig. 21. Linaria alpina Mill. (Alpenicinkrowt 
eine Skrofulariazee mit liegendem oder mit der “patar 
aufsteigendem, einfachem oder dstigem, wie dic 
ganze Pflanze kahlem, blaulieh berciftem Stengei_ 
linglich-linealen quirlig, oben wechselstindigen H.las- 
tern und groben azurvioletten Bliten mit orangerctem 
Gaumen in lockern, kurgen Trauben. Es wichst aa 
Felsen und im Felsenschatt der Kalkalpen, steigt bie 
in die Tiler hinab und blaht vom Juli bis Hertees. 
Es findet sich in den Ost-, Zentral- und Westal pes 
und in den Pyreniien. 

Fig. 22. Soldanella alpina L. (Aipenglickchen, 
Troddelblume}, eine Primulazee mit grundsténdiges, 


_rundlichen, ganzrandigen, geschweiften oder seicist 


gekerbten, lederigen, kahlen Blittern, aufrechten, 
blattlosen Stengeln und trichterglockenférmigen, waf- 
rechten oder nickenden, etwas klebrigen hell violettea 
Blaten in endstindigen, 1—10blitigen Dolden. Das 
Pflanzchen erscheint im April in moosigen Waldern 
und an feachten, buschigen Stellen in der Berg- une 
Voralpenregion, anch am schmelzenden Sebnee der 
Triften, auf Kalk und Schiefer in den Sudeten, (st-, 
Zentral- und Westalpen, im Schwarzwald und Jara, 

Fig. 23. Ranuncalas montanas 1. (Berghahnen- 
Jué), eine Ranunkulazee mit handfirmig geteilten 
Wurzelblattern, verkehrt-cifirmigen, dreispaltigen, 


, stumpf gezahnten Blattern, ein- oder mehrblitigem 


Stengel und gelben Bliten, wichst suf Triften der 
Alpen und Voralpen und bliht vom Juni bis August. 
Er findet sich in den Karpathen, in den Ost-, Zentral- 
und Westalpen, im Schwarzwald und Jura. 

Fig. 24, Pinus montana Mill, ( Anicholzkiefer, 
KrummAhols-, Legkiefer, Lateche), eine formenreiche, 
strauch-, aber anch baumartige Konifere mit liegen- 
dem, knieférmig anfsteigendem Stamm, schwarz- 
grauer Rinde, kurzen, gepaarten Nadeln und eiffr- 
migen Zapfen, wiichst im siidlichen und mittlern 
Europa in jeder rauhen Hochlage, bedeckt in den 
Alpen ewischen 1400 und 2000 m Hohe weite Fla- 
chen und gewahrt Schutz gegen Lawinen und Frd- 
fille. Sie liefert Holz zu Drechslerarbeiten und 
Schnitzereien und dtherisches ArummAolsc , das als 
Volksheilmittel benatet wird. 





a@mzen, 


| 


— — 





Alpenpflanzen (Anpaſſungsmerkmale 2¢.). 371 


didwandigere Bellen, Sdhubeinridtungen gegen dad 


abweichungen auftreten,, die zu einer Unterideidung 
raubere Hohenflinta aus, welde die erwabnte Zuriid- 


von Berg⸗ und Talformen fiihren, wobei die erftern 
fic) in Der Wuchsform und dem innern Bau den al- gichung des vegetativen Lebens auf die unterirdifden 
inen Verhältniſſen in der gleiden Weife wie typiſche ane und die Zuſammendrängung der Blitter gu 

. direft angepaßt erweifen. Rojetten und Poljtern, die fic) flad) dem Boden an: 

Bonnier pflanzte von 230 verfdiedenen rten die | ſchmiegen, ergünzen, um den Spriingen der Tempera- 
Stedlinge je derjelben Mutterpflange teils in der Ebene, | tur, der Lufttrodenheit und jtarfen Beſonnung in der 
teilS in einer Höhe bis zu 2300 m an. Von den 230 | Hobe beffer gu begeqnen. Die Blatter werden in der 
| Hobe dider, dunkelgrüner, reicher an Palijadenjellen, 
| Die fic) in mebhreren Reihen tibereinander ordnen und 
das Licht gur intenfivern Wrbeit während des kurzen 
Sommers tiefer eindringen lajjen. Zugleich vermehrt 
ſich die Bahl der Chlorophyllfirnden in den Blatt- 
zellen und der Farbjtofffdrnden in den Blütenzellen, 
f weit dieje fOrnige Pigmente enthalten. 

Wis Bonnier Pflanzen der Ebene, die aud) nod) in 
betridtliden Höhen gedeihen, wie Wieſenklee (Trifo- 
lium repens), der (Teucrium Scorodonia), 
Safobstraut (Senecio Jakobaea) und Sämlinge von 
Wide, Hafer und Gerjte in gejdloffenen doppelwan- 
digen Käſten tultivierte, worin fie über Nacht mit 
ſchmelzendem Cis unigeben waren, während am Tage 
die Bedadhung gedffnet wurde, fo daß fie in freier L 
jtanden, ergaben fic) bald auffallige Unterſchiede von 
andern unter gewöhnlichen Bedingungen gezogenen 
ober beftiindig mit Cis umgebenen os berjelben 
Urtund Abſtammung; {don nad zwei Monaten zeig⸗ 
ten ſie gedrungenen niedrigen Wuchs, kleinere, dickere 
und fejtere Blatter, beſchleunigte Blütenentwickelung 
und alle Charaftere der Alpenformen derjelben Pflan⸗ 
zen, wenn fie in 1600 — 1800 m Höhe gezogen wor- 
den waren, fo daß man fiir eriviejen halten fann, es 
fet jener ſtarle Temperaturwedjel der Hihenlagen die 

auptſächlichſte Urjade de8 beſondern Habitus der A. 
8 handelt fitch bierbei alfo im wejentliden um eine 
AUnpaffungserfdeinung, und bei Pflangen, die in 
höhern und niedern Lagen gedeihen, geht der alpine 
Habitus alsbald zurück, wenn fie aus der Höhe in die 
Ebene suriidverpflangt werden. Da aber die habituel- 
len Veränderungen der cigentliden A., die niemals 
in der Ebene gefunden werden, in derjelben Ridtung 
liegen, fo ijt Die Bermutung begriindet, daß aud) die 
jest erbliden Unpafjungsmerfmale der A. unter der 
Einwirkung des Alpenklimas erworben und in jabr- 
zehntauſendelanger —— erblich fixiert wor⸗ 
den ſind. Manche Pflanzenfamilien, die in der Ebene 
artenreich ſind, wie die Labiaten, Papilionazeen u. a., 
haben in der Alpenflora nur wenige Vertreter, andre 
dagegen, wie die Primeln (Fig. 3), die Enziane, die 
Steinbredarten (Fig. 18 u. 19), die Kampanulazeen, 
entfalten in der Hochregion einen iiberrajdenden For⸗ 
menreidtum. Sum Swede der wiſſenſchaftlichen Er- 
forſchung der Biologie der A. Hat man in neucrer Feit 
botani) heUlpengadrtenin der Hodgebirgsregion 
angelegt. Mande W. gedeihen bei geeiqneter Pflege 
aud) in der Ebene und werden in botaniiden Garten 
zu wiffenfdaftliden Zwecken und in Privatgärten als 
Biergerache gesegen (vgl. Pflanzenſchutz). 

Literatur: Chrift, Verbreitung der Pflanzen 

Fig. 2. Sonnenrbsden der Ebene. Starter verfleinert. | der alpinen Region der europäiſchen Ulpentette (Zür. 

1867); Derjelbe, Pflanzenleben der pie, By 5 
oberirdiſchen eile, mit Ausnahme der Bliiten, in der | 1879). Als Tafdenbiider zum Beſtimmen A. 
Größe zurüclgingen, fo daß großblütige Zwergformen vgl. Wünſche, Die A. (2. Ausg., Leipz. 1896); 
mit kürzern Stengelgliedern und kleinern, aber didern | Hausmann, Flora von Tirol (Innsbr. 1854). — 
und fejtern Blattern entjtanden waren (Tertfig. 1 u. 2). | Whbildungen der W.: Weber, Die U. Deutfdlands 

Mit den dufern Verinderungen ded Wuchſes halten | und der Schweiz (4. Aufl., Münch. 1878, 4 Bde.); Se- 
bei ſolchen Unpajfungen innere anatomijde Schritt, both, Die U., mit Tert von Graf (Prag 1879-—84, 
Wurzeln und Stengel bilden cin dideres Rinden- | 4 Bde.); Bennett, The flora of the Alps (Lond. 
gewebe, ein jtirferes Oberhäutchen (cuticula) und 1896, 2 Bde.); Daffner, Die Boralpenpflanjen 

24 * 








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Fig. 1. Sonnenröschen (Helianthemum vulgare) des 
Gebirgeds. Auf '4 vertleinert. 


Urten lebten nad) ſechs Jahren auf der Bergeshihe 
nod) 123. Einige von ihnen zeigten mur geringe Ver- 
anderungen, andre aber wien in ihrer form 
von den in der Ebene erwachſenen Schweſterpflanzen 
ſehr auffällig ab und naberten fic) in ihrem Verhal⸗ 
ten gerade dDemjenigen der typifden A. Ihre unter- 
irdifden Teile, Wurzeln wie Rhizome, verdidten, ver- 
langerten und verjweigten fic) ſtärler, während die 





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372 


(Leip3. 1893); Schröter, Tafdenflora des Ulpen- 
wanderers (3. Uufl., Zür. 1892); Fünfſtück, Ta— 
ſchenatlas der Gebirgs- und UW. (Stuttg. 1896); 
»Atlas der Ulpenflora«, hrsg. vom Deutiden und 
Oſterreichiſchen Wlpenverein (Gray 1897), dazu Fert 
von Dalla Torre, Die Wipenflora (Münch. 1899). 
Unweifung zur Kultur der UW. in Garten: Kolb, Die 
curopaifden und überſeeiſchen UW. (Stuttg. 1889); 
Wode, Die W. in der Gartenfultur (Berl. 1898). 

Mlpenrebe, ſ. Clematis. 

Alpenroſe, |. Rhododendron. 

Alpenrot, ſ. Blutidnee. 

Alpenfalamander, |. Molde. 

Alpenfeen, ſ. See. 

Alpenſtich, in den Hodgebirgen der Schweiz en- 
demiſche und im den metjten Frühjahren auftretende, 
leicht tödlich werdende Bruſtfellentzündung, die fid 
1771 und 1832 — 33 felbjt tiber einige Teile des nörd⸗ 
lidjen Deutidland ausdehnte. Man hilt fie fiir eine 

e ded Föhns. 

lpenſtrafſen und Alpenbahnen. Verbin⸗ 
dungswege zwiſchen den nördlich und ſüdlich von den 
Wlyen gelegenen Ländern waren bereits im Altertum 
befannt, dod) galt der Ubergang inumer fiir ein ge 
fabrvolles Werf. Jin 3, Jahrh. v. Chr. führte Han- 
nibal feinen berühmten libergang iiber die Ulpen aus; 
dad kühne Unternehmen ward wie ein Wunder ange 
jtaunt. Später legten die Römer verſchiedene Stra- 
en iiber das Gebirge ſowohl nad Gallien als nad 
Deutidland an. Unter den erjtern wurde dic fiber Den 
Mont Genevre als die kürzeſte am meijten benugt; 
andre fiibrten fiber die Penninifden, Grajijden und 
die Seealpen. Unter denen nach Germanien waren die 
vom Lacus Larius (Comerjee) fiber den ae 
und die von Tergejte (Trieſt) über die Rarnifden Al⸗ 
pen die bedeutendjten. Nach dem Berfall der alten 
Romerjtrajen bejtanden die Ulpenwege bis ins 17, 
Jahrh. fat ohne Ausnahme aus Saumpfaden, die 
oft fiir Menſchen und Tiere gefabrbringend waren 
und erjt feit dent 18. Jahrb. allmablic in Fahrſtraßen 
umgewandelt wurden. Es gab nur wei gur Not 
fabrbare Wege iiber die H en. eine, {eit 
1772 fabrbar, fiibrte über Den Brenner, der andre, 
erjt 1779-82 von Viltor Amadeus III. angelegt, 
iiber den Col di Tenda. Die ganze Rentralfette auf 
480 km Lange aber war nod ohne Fahriveg; die 
Wagen muften auseinander —— und ſo über 
das Gebirge geſchafft werden. Napoleon J. baute und 
erweiterte ſieben Heer⸗ und Fahrſtraßen über die Ul- 
pen, inSbef. iiber ben Simplon, Mont Cenis und 
Mont Genevre; aud wandelte er die {don er- 
wãhnte Strafe über den Col di Tenda faft gänz— 
lid) um und madte den fiber Den Kleinen St. Bern- 
hard fiibrenden befdwerliden Weg wenigſtens fiir 

fleine Wagen fahrbar. 

Seither bauten aud die Schweiz und ſterreich 
zahlreiche fabrbare Strafen fiber die Alpenpäſſe. So 
famen in rajder Folge (1818— 24) Spliigen und 
Bernardin, (1820—30) St. Gotthard, Stilf- 
fer Joch und Qulier, dann (18385—39) Maloja 
jur Ausführung. Die fiir den Berfehr über die Al— 
pen widtigiten $ affe find gegenwärtig folgende, und 
zwar in den Wejtalpen: Col di Tenda (1873 m) mit 
der Munijtitrake von Nizza nad Cuneo; Mont Ge- 


nevre (1860 m) mit der Strafe von Briancon nad | 


Suſa; Col du Lautaret (2075 m) mit der Straße von 
Briangon nad Grenoble; Mont Cenis (2084 m) mit 





Alpenrebe — Alpenftrafen und Wlpenbahnen. 


Maurice nad Aoſta; Großer St. Bernhard (2472 m) 
mit Gaumweg von Martigny nad Aoſta; Simplon 
(2009 m) nut Kunſtſtraße von Brig nad Domo- 
doffola; Grimſel (2165 m) mit 1895 vollendeter 
Kunſtſtraße von Meiringen nad Obergejtelen; Furka 
(2436 m) mit Kunſtſtraße von Gletſch nad Ander⸗ 
matt; St. Gotthard (2114m) mit Kunjtitrake von Gö⸗ 
{denen nad Airolo; Lufmanier (1917 m) mit Kimjt- 
jtrake von Diſentis nad Biasca; in den Ojtalpen: 
St. Bernhardin (2063 m) mit Kunjtitrake von Hin- 
terrbein nad) WMifocco; Spliigen (2117 m) mit Strage 
von Spliigen nad Chiavenna; Maloja (1817 m) mit 
Kunſtſtraße von Gamaden nad) Chiavenna; Julier 
(2287 m) mit Kunjtitrake von Tiefentajten nad Silva- 
plana; Albula (2313 m) mit Kunſtſtraße von Tiefen- 
fajten nad) Ponte; Bernina (2330m) mit Kunſtſtraße 
von Gamabden nad Tirano; Stilffer Joch (2760 m) 
mit Kunjtftrahe von Spondinig nad) Bormio; Reiden- 
fdyeided (1510 m) mit Kunſtſtraße von Nauders nad 
Mals; Arlberg (1802 m) mit Kunſtſtraße von Land- 
ed nad) Bluden;; Fernpaß (1250 m) mut Kunſtſtraße 
von Imſt nach Reutte; Seefeld (1176 m) mit Kamit: 
ftrake von Sirl nad Mittenwald; Brenner (1370 m) 
mit Kunſtſtraße von Matrei nad Sterzing; Rad- 
tädter Tauern (1738 m) mit Kunſtſtraße von Rad- 
tadt nad) St. Midjael und Ratidberg (1641 m), von 
a @miind; Rottenmanner Tauern (1265 m) 
mit Kunjtitrake von Rottenmann nad Judenburg ; 
Prebichl (1227 m) mit Kunſtſtraße von Cijener; nad 
Vordernberg; Pyhrn (945 m) mit Kunſtſtraße von 
Pennine ton nad Liezen; Bredil (1162 m) mit 
Kunſtſtraße von Tarvis nad Flitſch; Loibl (1370 m) 
mit Runjtitrake von Klagenfurt nad RNeumarttl; 
Semmering —— m) mit Kunſtſtraße von Gloggnitz 
nach Mürzzuſchlag. 

Die neueſte Zeit hat ſich mit dieſen Alpenſtraßen 
nicht begnügt. Sie bat den kühnen Gedanfen einer 
Lberfdienung des irges ausgeführt, und die 
Eiſenbahnen, die über einige der wichtigſten Über— 

= geführt worden find, haben fiir ebr und 
San 1 voriwiegende Bedeutung erlangt. Der Ruhm 
des Borgangs gebiihrt Oſterreich, das 1850 —53 uber 
den Semmering von Gloggnitz bis ——*—— 
eine Eiſenbahn erbaute. Hierauf folgte der der 
1867 vollendeten Brennerbahn, und 1872 die von 
St. Salentin über Villad nad Tarvis führende Bahn, 
an bie ſich ſpäter die Linie von Tarvis fiber Pontafel 
nad) Udine ſchloß, als ein dritter Ubergang fiber die 
Ojterreidifden WUlpen. 

Faſt gleichzeitig mit der Brennerbahn wurde im 
wejtlichen Alpengebiet ein nicht minder grogartiges 
Wert, der Bau emer Bahn fiber den Mont Cenis, 
beqonnen und 1871 vollendet. 1882 wurde dieG ot t- 
hardbahn und 1884 die Arlbergbahn eröffnet. 
Dieſen großen Ulpenbahnen ijt nod) die Brimigbahn 
in der Schweiz (von Brieng nad Luzern) und ſchließ⸗ 
lid ein Schienenweg a: der freilid) Die Al⸗ 
pen mehr umgebt, als überſchreitet: die fogen. Core 
nidebahn, die von Riza am Meeresufer entlang 
durd) eine Reihe von Tunnels nad Genua fiibrt. 
Weitere Ulpenbahnen find im Bau, und zwar: in den 
Wejtalpen von Cuneo fiber den Col di Tenda nad 


| Ventimiglia, von Nizza über Puget-Theniers nad 


Digne, tiber den Simpton und über den Wloulapak, 
in Den Ditalpen fiber die Julifden Wlpen von St. Lucia 
in Die Wodhein, iiber die Rarawanfen aus dem Save- 
in ba’ Drautal, über bie Hohen Tauern von Möllbrück 


der Kunſtſtraße von Modane nad Suſa; Kleiner St. | nach Gaftein und fiber den Eyhrnpak von Selsthal 
Bernhard (2157 m) mit Fabriveg von Bourg St. | nad) Windijdgarjten. Von Längsbahnlinien in den 


Alpenftraud) — Alpenvereine. 


Alpen, die durch Langentiler fiihren und daher im 
allgemeinen geringere Schwierigleiten zu überwinden 
saben, find insbeſ. zu nennen: in den Wejtalpen die 
Eiſenbahn von Uvignon nad Briancon und von letz⸗ 
terer absweigend die Linien fiber Grenoble nad Al⸗ 
bertville und Moutiers, die italienifde Linie im Dora- 
tal bis Aoſta, die Schweizer Eiſenbahn im obern 
Rhénetal bis Brig gum Anſchluß an die Simplon- 
bahn; in den Ojtalpen die Eiſenbahnlinien Wörgl- 
Bij dhofshofen-Selsthal und Franjensfejte-—Marburg. 
Seit 1870 ijt auch cine Reihe von Bergbahnen auf 
einjelne Gipfel der Alpen erbaut worden (ſ. Berg- 
bahnen). Ausführlicheres über die genannten Bahnen 
enthalten die betreffenden Urtifel. S. Rarte ⸗Alpen«. 
Bgl. v. Duhn, Die Benutzung der Alpenpäſſe im 
Ultertumt (in den ·Neuen Heidelberger Jahrbiiderne, 
Bd. 2, S.55jf.); Partſch, Urtifel »Alpes« in Pauly- 
Wiſſowas »> Realengyflopidic der Mafjifden Ultertums- 
wiſſenſchaft · Ohlmann, Die Alpenpäſſe im Mittel- 
alter (im ⸗Jahrbuch fiir ſchweizeriſche Geſchichte«, 
Bd. 3 und 4); Memminger, Die Alpenbahnen und 
deren Bedeutung (2. Uufl., Ziir. 1878); B. Schwarz, 
Die Erſchließung der Gebirge (Leipz. 1885). 

A — ſ. Ribes. 

Alpenveilchen, ſ. Cyclamen. 

Alpenvereine (Alpenklubs), Vereine, welche 
die Erforſchung der Alpen zu ihrer Aufgabe machen. 
Der älteſte derſelben ijt ber Alpine Club in London 
(jeit 1857), der cine Anzahl der ſchwierigſten und 
kühnſten ee eee hat. Bu feinen 
Publifationen gehoren Prachtwerf »Peaks, pas- 
ses and glaciers« (Lond. 1860 —62, 4 Bde.), der aus⸗ 
gezeichnete » Alpine Guides (2. Aufl., daſ. 1872—74, 
3 Hoe) von 3. Ball und das » Alpine Journale (ſeit 
März 1863). Der Verein richtet ſeine Tatigteit aud 
auf den Raufafus, den Himalaja u. a. Nächſtdem trat 
im März 1862 der Ofterreidhifde Ulpenverein 
(in yo zuſammen, der feine Tatigteit vorzugsweiſe 
den Oſterreichiſchen Alpen zuwendet und in den ⸗Mit⸗ 
teilungen« (Wien 1863—64, 2Bde.) und dem · Jahr⸗ 
bud) des Ojterreidifdjen Ulpenvereins« (1865 —73, 
9 Bde.) über feine Urbeiten beridjtet hat. Im April 
1863 fonjtituierte fid ber Schweizer Alpenklub, 
Der in wiffenfdaftlider Hinſicht Bedeutendes geleijtet 
hat, in 47 Seftionen 6287 Mitglieder zählt und 34 
Unterkunftshäuſer und Sdupbhiitten erridtet hat. Er 
Halt Führerkurſe ab und gründete eine Kaſſe fiir Füh— 
rerverjorgung. Sein Organ ijt dad mit trefflicen 
Karten ausgeitattete ⸗Jahrbuch des Schweizer Wlpen- 
fiub3« (Bern 1864 ff.), ferner die Zeitſchrift »Ulpina« 
und fiir die romanijdjen Geftionen das »L'Echo des 
Alpes« (Genf 1870 ff.). Bal. Buk, Die erjten 25 Jahre 
de3 Schweiger Alpenklubs (Glar. 1890). Der 1863 

eqriindete Club Alpino Italiano mit 5200 Mitglie- 
in 34 Geftionen verfolgt die naturwiſſenſchaft⸗ 

lide und touriftijde Erforjdung der Alpen wie aud 
de3 Upennin. Er hat 68 Schutzhütten erridtet und 
ab in Turin heraus: »Bolletino del Club Alpino 
taliano« (1865—84, 18 Bde.), »L’Alpinista« (1874 
bis 1875, 2 Bde.) und feit 1882 die » Rivista mensile-. 

Der Deutſche Alpenverein wurde 1869 in Miin- 
chen gegriindet, 1874 trat ibm ber Oſterreichiſche Ul- 
penverem als Seftion bei, worauf der Gejamtverein 
den Namen Deutſcher und Ofterreidifder Al— 
penverein annahm. Diefer mächtige Verein zählte 
1902 in 276 Seftionen 52,089 Mitglieder, nämlich 
76 Proz. deutſche und 24 Proz. öſterreichiſche. Davon 
entfielen auf Minden 3520, Berlin 2420, auf die 
Uujtria in Wien 2306, Niirnberg 1427, Sdwaben 


373 


1489, auf Leipzig 1080 und Dresden 1050 Mitglie- 
der. Jn Stiidten mit Hochſchulen find bejondere afa- 
demiſche Seftionen ded Vereins entitanden, fo im 
Bien, Graz, Minden, Berlin, Leipzig, Dresden. 
Das Vereinsvermigen betrigt 100,000 Me, aufer 
dem Wert einer umfangreiden, 1900 von R. Rickmers 
geidhentten alpinen Sentralbibliothef (in Min: 
chen), die Summe der jährlichen Ausgaben beläuft 
ſich auf etwa 820,000 Wt. Die Tätigkeit de3 Vereins 
ijt eine literariſche und eine praktiſche. Die erjtere 
Richtung pflegt der Verein durch feine » Zeitidrift« 
(jeit 1869, von 1885 ab in Jahresbänden) und die 
Mitteilungen des Deutſchen und Oſterreichiſchen Al— 
penvereins· (ſeit 1875, von 1885 ab in halbmonat⸗ 
lichen Nummern). Während die Reitidrift vornehm- 
lid) die populär-wiſſenſchaftliche Richtung fultiviert 
und entiprechende Kunjtbeilagen (Rarten, Banoramen, 
Unfidten) gibt, dienen die »Mitteilungen« mehr dem 
eigentliden VereinSleben und der praftijden Tätig— 
fett. Als ſelbſtändige Werke gab er heraus: die von 
Gonflar, Giimbel, Hann, Dalla Torre und Rane 
bearbeitete »>Unleitung gu wiffenfdaftliden Beobach⸗ 
— auf Alpenreiſen⸗ (1879-—81, 5 Tle.), einen 
eUtlas der AUlpenfloras (500 Blatter, gemalt von 
Hartinger, Tert von Dalla Torre, Wien, 2. Aufl.), 
» Die Erſchließung der Ojtalpen« (redigiert von Rid: 
ter, 1894, 3 Bde.), zwei wiſſenſchaftliche Ergänzungs⸗ 
hefte über Gletſcherſtudien, den Wlpenvereinsfalender 
von J. Emmer. Aus feiner wiffenidaftliden Tatig- 
feit find hervorsubeben die topographifden Aufnah— 
men der BerdteSqadener Ulpen, der Rarwendel-, 
Ortler-, Ferwall-, Optaler-, Rofengarten- und Ada⸗ 
mellogruppe (1902), ferner gablreiche Gletiderver- 
meffungen und die Erridtung und Subvention der 
meteorologifden Hodjtationen am Sonn— 
blidgipfel (8095 m) und auf der Zugſpitze (2984 m). 
Die wiſſenſchaftlichen Unternehmungen des Vereins 
unter einem dazu eingeſetzten wiſſenſchaftlichen Beirale 
namhafter Gelehrter erſtrecken ſich auf topographiſche 
und geologiſche Kartenarbeiten, auf Gletſcherforſchun⸗ 
gen, Fluß- und Seeſtudien, Pflege vollstümlicher unt 
mundartlicher Forſchungen x. Er hat eine Reihe von 

en gebabnt, in neueſter Beit befonders alpine 
Höhenwege fiir bequeme und ausgedehnte Grat- 
wanberungen. —— die neueſten in Höhen 
über 3000 m, beſitzt Der Verein 205, davon 125 be⸗ 
wirtidaftete, die itbrigen verproviantierte. An allen 
ijt dad Vereinsſchloß mit gleichem Hüttenſchlüſſel an- 
gebradt, Den jedes Mitglied erwerben fann. Dieſe 
Schutzhütten find rot eingedrudt in den zwei Blatt Djt- 
alpenfarte von &. Ravenjtein, die der Berein 1900 
und 1901 ee alg Schutzhüttenkarte. 1209 
Führer find auf Gutadten des Vereins von den Be- 
borden autorijiert worden; der Verein hat cine jept 
muſtergültig ausgebildete Führerunterſtützungskaſſe 
(Bermoögen 159,000 Me.) gegründet. Ferner gründete 
und unlerhält der Verein Führerlehrkurſe; nad 
den Kurſen der Sektionen Innsbruck, Bozen, Salzburg 
und Villach erhielten bei der Schlußprüfung unter 
Vorſitz de3 Zentralpriifidenten 1900: 78, 1901: 90 
Führer das Diplom des Vereing. Er veranlafte ferner 
die Einrichtung von 533 Studentenberbergen in 
Gebirgsgaſthöfen an 412 Orten. Zuſchüſſe werden fer- 
ner fiir Aufforſtungen und dem in engem Anſchluß an 
ben Berein gegriindeten Verein gum Suge der 
UWlpenpflanjen und fiir die zwei im Gſchnitztal und 
am Sdaden angelegten Verfudsgarten — 
Durch ſeine literariſchen Organe fordert der Verein 
die alpinen Rettungsausſchüſſe, die ſich bei 


374 


ſtändige Bereine feit 1898 in Wien, Salzburg, Inns— 
brud, Miinden und Kempten gebildet haben, und 
denen zahlreiche Seftionen des Vereins als Stationen 
beigetreten find. Bei ihnen wie bei allen alpinen BVer- 
einen wurde auf Vorſchlag des Alpine Club das inter- 
nationale alpine Rettungsfignal eingefiihrt 
Ne hors oder ſichtbare Zeichen in einer Minute als 


iljeruf). Der alpine Sfifport hat fic durch För— | 


derung des Vereins, der aud) Ulpenfilhrer im Sfi- 
laufen unterridten läßt (1902 in zwei Skilurſen in 
Gajtein und St. Unton 22 Führer), fo ausgebildet, daß 
er in den Voralpen, z. B. in Steiermarf, anfingt, gum 
VollSsbefis gu werden, und dak auch in den Hodjalpen 
ſchon Sfitouren auf Monte Rofa (4638 m), Cevedale 
dag m) und Grokvenediger (3660 m) gu verzeichnen 
ind. Der Verein befdhict die internationalen al pi- 


nen Rongreffe, zuletzt 1900 in Paris (erjter Grejjo- | Gemeinden 


nat) 1877, sweiter Genf 1879, dritter Salsburg 1882, 
vierter Turin 1885). Für die Durd) Hodwajfer in 
den Ulpen Geſchädigten fammelte er 1882: 154,935 
Gulden und 1899: 43,263 Mart. — Bal. » Reitidrift 
des Deutiden und Hjterreidifden Alpenvereins«, 
ane ang 1894, Feſtſchrift sur Feier des Bjahrigen 
Be tebens des Vereins; ſie enthalt die Geſchichte der 
wiſſenſchaftlichen Erforſchung der Oſtalpen ſeit Be— 

riindung des Vereins von E. Richter, ferner die Ge- 
—5*— des Alpinismus von L. Purtſcheller und die 
Gejdhidte des Vereins von J. Emmer, eine Überſicht 
und Befdreibung der Schutzhütten x. ; vgl. ferner die 
Jubiläumsfeſtſchriften der älteſten Geftionen, 3. B. 
Leipzig, 1894. 

Bon dem 1869 gegriindeten ſterreichiſchen Tou- 
rijtenflub (1901: 9073 Mitglieder) in Wien (ſ. Tou- 
— pic ſich 1878 der ⸗Alpenklub Ojter- 
reidj«, nun Ojterreidhifder Ulpentlub genannt, 
ab, der 650 Mitglieder zählt (Organ: »Oſterreichiſche 
WUlpengeitung«) und dret Schutzhütten befist. An 
Frankreich bildete ſich 1874 gu Baris der Club al- 
pin francais, der in 52 Geftionen 6300 Mitglieder 
zählt, 25 Unterfunfishaiufer und Schutzhütten errid- 
tet hat, ein »Annuairee und feit 1882 ein » Bulletin 
mensuel« veröffentlicht und fid) mit der Montblanc: 

ruppe und den Wejtalpen, bejonders aber mit den 

renäen beſchäftigt, von denen er (jeit 1882) eine 
Karte Herausgibt. A. von geringerm Umfang find der 
Steiriſche Gebirgsverein (1868), die Societa degli 
Alpinisti Tridentini (1872), die Société des Tou- 
ristes dn Dauphiné (1875), die Societa alpina Friu- 
lana (1881), der Club alpin Belge (1883), die So- 
cieté alpina delle Giulie (1883), der Club alpino 
Ticinese (1886), der Niederöſterreichiſche Gebirgs- 


verein (1890), der Slowenifde Ulpenverein, der Une | 


gariicie Rarpathenverein, der Wiener wi a 
und, der Club alpin Russe (Mostau 1901). i⸗ 
tered über derartige Tourijtenvereine ſ. d. 
Alpenweihe, |. Adcerkulte. 
Alpenwirtſchaft SSennenwirtſchaft, Sen— 
nerei), die Viehwirtſchaft auf den Hochgebirgsweiden 
und die damit verbundene Berarbeitung der Mild 


auf Käſe, Sieger, Milchzucker, feltener auf Butter. | 


A. findet fich in den Schweizer, Deutſchen, Ofterreidi- 
ſchen und Franzöſiſchen Ulpen, in den Upenninen, Py⸗ 


auffahrt geſchieht Ende Mars auf die Niederalmen 
(Borfajfen, Frith oder Voralmen), gegen Mitte 
Juni auf die Mitteralmen und mit dem Jungvieh im 
Juli auf die Hodalmen, von denen dann, je nad 








der Witterung, gegen Ende September die Riidfehr wirtſchaft in der Schweis (Fitri 1884) ; » Ulpwirtidaft- 


Alpenweihe — Alpemvirtichaft. 
{lberhandnahme der alpinen Unglüdsfälle als felb- | 


erfolgt, bid die Borboten des Winters sur Heimlehr 
(Ulpabfahrt) zwingen. Die ſchroffſten und höchſt- 
qelegenen Alpen (Sdhafalmen, Schafberge) wer- 
den von Schafen und Biegen, minder ſchroffe von 
Ochſen, Galttiihen, Aufzuchtrindern, Pferden (Galt- 
almen, Stieralpen, Guſtiberge) und die zu— 
gänglichſten von Kühen (Ruhalimen, Mell-,Senn- 
alpen) beweidet. Auf Revieren, zu denen kein Tier 
mehr vordringt, den Bergmähdern (Alpmäh— 
dern, Grasboden) und Hochmähdern, gewin— 
nen verwegene Alpler oft nur alle 3—4 Jahre em 
aromatijdes Heu (Wildheu), das fic, in Tiicher ge 
jtopft, auf Dem Ropfe heimtragen. Uberdies werden 
eingezäunte Wiefenfladen (Wimanger) neben den 
Ulmbhiitten einmal gemaht und dann abgeweidet. 

Hinjidtlid) des Befigtitels unterſcheidet man Ge⸗ 
meindealpen (Ulmenden), Staatsalpen, die an 
i oder Einzelne verpadtet werden, und 
Private oder Herrenalpen. Erſtere iiberwiegen 
in der weſtlichen, leftere in der öſtlichen Schweiz, tn 
Tirol, ———— Steiermark. Auf den Gemeinde⸗ 
alpen iſt jeder eindebürger zur Auftrift einer be⸗ 
ſtimmten Menge von Rind- oder Kleinvieh berech⸗ 
tigt. Die Privalalpen (meiſt Eigentum von Spitalern, 
Klöſtern, Privatperſonen ꝛc.) werden an Sennen, 
die nur Vieh, aber feinen Alpengrund beſitzen, gegen 
Bins (Alpenzins, Ulpengeld) zur gurtg 
iiberfajjen. Grofe Alpen von mehreren hundert Std- 
fen (fj. unten) werden meijt von mebreren Gennen 
in Pacht genonunen. Ganze Gemeinden nehmen emen 
Senn auf, der jedem eingelnen Cigentiimer der ge- 
meinjamen Herde den ihm zulommenden Anteil von 
Butter und Käſe 2. iiberliefert. In den Tiroler und 
Bayrifden Alpen werden Wartung der Herde und 
Gewinnung und BVerarbeitung ihrer Produfte meiſt 
von einer Magd, der Sennerin(Sentrin, Schwag⸗ 
rin), beforgt. Treibt eine ganze Gemeinde zahlreiches 
Vieh auf die Alp, fo ijt ein Käſemeiſter mit der 
Aufſicht über mehrere Sennen betraut. 

Der Ertrag der Mellfiihe auf den Ulpen ijt nicht 
höher als bet Stallfittterung im Tale. Die bejten 
Schweizerkühe, 3. B. tm Saanenland, geben zur Zeit, 
wo fie am milchreichſten find, taglic 18—20 kg 
Wild, im Mittel rechnet man jedod) nur 14—15 kg 
Mild des Tages in den 16—18 Wochen der Alpfahrt. 
Da die oe iſſe mander Alpen neuerdings juriid- 
qegangen find, fo hat man alpenwirt{[daftlide 
Verfudsitationen errictet, um rationelle Bear- 
bettung und Diingung, beſſern Betrieb, geregelteres 
Beweiden u. dgl. m. einzuführen. Genolten dhaft- 


lide Bewirtſchaftung und Fabrifation der Mild- 


produfte auf gemeinjame Rechnung verbreiten ſich 
mehr und mehr. — Als ECinheit des Flidenmafes 
der Ulpen gilt cin Stück Weide, auf dem eine Kuh ge- 
ſommert werden fann (Ruh re dt). Dasfelbe ſchwankt 


| von 40 Yr bis 2 Heftar, je nach der Höhe der Lage, 


und betriigt im Durdjdnitt 1,3 Heftar. Das Korrelat 
des Muhredts (Nuh gras, Grasredt) ijt der Stok, 
d. h. die Viehzahl, die auf ein Ruhrecht qeweidet were 
den fann. Es fommt nämlich auf 1 Stoß 1 Rub, auf 
1 Bferd von 1, 2 oder 3 Qabren kommen 1, 2 oder 
3 Stife, auf 3 Rinder 2 Stöße, auf 1 Kalb Vs, auf 


| 1 Schwein 4, auf 1 Biege oder 1 Schaf Vs Stof. 
renden und den flandinavifden Gebirgen. Die Alp⸗ 


Val. Schatzmann, Schweizeriſche A. (Aarau 1859 
bis 1866, 7 Hefte); Derſelbe, Alpwirtſchaftliche Bolls- 


ſchriften (2. Ausg. 1887); »Die A. der Schweiz⸗, Hrsg. 


vom fdweijer. Statijt. Bureau (Bern 1868); Under- 
Statijtijdher Utlas über die Viehzucht und Milch⸗ 


Alpenwolf — Alpini. 


lide Monatsblatter«, hr3g. von Schatzmann (Warau 
1866—86, fortgejept von Stritby); »Landwirtidaft- 
liches Jahrbuch der Schweiz⸗ (Bern, feit 1887); 
Schweizeriſche Ulpjtatijtit<, hrsg. vom ſchweizeriſchen 
Alpwirtſchaftlichen Verein (Soloth. 1895 f7.); An— 
deregg, Illuſtriertes Lehrbud fiir die qejamte ſchwei⸗ 
gerne Alpwirtſchaft (Bern 1898, 8 Tle.); Rlenge, 
im Fürſtentum Liedtenjtein (Stuttg. 1870); »Die 
in Kärnten · ¶ Klagenf. 1873—91, 2 Tle); Bildens, 
Die A. der Schweiz, des Algäus und der wejtijterrei- 
chiſchen Alpenländer (Wien 1874); ⸗Muſterpläne fiir 
landwirtſchaftliche Bauten im Tirol« (daj. 1887); 
v. Weinzierl, Der alpine Verſuchsgarten auf der 
BVorder-Sandlingalpe bei Auſſee (3 Tle., Berl. 1893, 
Wien 1896 u. 1902); v. Miastowfli, Die Verfaf- 
fung der Land-, Ulpen- und Forſtwirtſchaft der deut- 
ſchen Schweiz (Bafel 1878); Stebler u. Schröter, 
Die Ulpenfutterpflanzen (Vern 1889); Briot, Les 
Alpes frangaises (Nancy 1896). 
[penwolf, j. Dund. 

Alpenging , ſ. Alpenwirtſchaft. 

Alpes (franj., fpr. alp’), Rame dreier franzöſiſcher 
Departements: Basses-A. (Niederalpen), Hautes- 
A. (Dberalpen), A.-Maritimes (Geealpen); f. die 
Deutiden Namen. 

Al Pome wu (eo Stan am —— von 
al peso, na icht (im Münz ; vgl. Al marco, 

Wipfuk, . Drudenfus 


Tu : 
Alpha, griech. Buchſtabe (A, a); W. und Omega 
(UW. und ©), der erjte und der lepte Buchſtabe ded 
griechiſchen Alphabets, daber ſinnbildlich Anfang und 
Ende, in der Offenbarung Johannis der Ewige (vgl. 
»A⸗, Seite 1). 
Alphabẽt (von Alpha und Beta, den zwei erſten 
ried). Buchſtaben), Bezeichnung der Geſamtheit der 
—E einer —* d. h. ſowohl der Laute als 
ber Zeichen, nach ihrer herlömmlichen Reihenfolge, zu 
deuiſch: UBC. Vol. Schrift. — Das mulitalide 
U. ift Die Reihe der sur Bezeichnung der fieben Stamm⸗ 
tine gebraudliden Buchſtaben (in Deutſchland und 
Nordeuropa): c, d, e, f, & a, h. Frankreich, Ita⸗ 
lien und den ſüdlichen Landern Europas iſt das A. 
ben von der Solmifation berriibrenden Silbennamen: 
ut (do), re, mi, fa, sol, la, si fiir bie Tine gewiden, 
und nur die Schlüſſel ((4 = g*, D: = f, ||3 = ) 


bewabren dort nod) die Erinnerung an das A. Bal. 
»A« (S. 2 dieſes Banded). — Naturhijtorijde, 
techniſche x. Ulphabete find Zuſammenſetzungen 
von naturhijtorijden oder tedynifdjen Figuren ju Bud- 
ſtaben, als Lernſpiele fiir Kinder. 
Alpha d gig eng bry f. »A« (Seite 1). 
Alphard, der Stern a (zweiter Gripe) in der 
— 
lpharts Tob (pr. alp-hart), deutſches Heldenge⸗ 
dicht Des 13. Jahrh. aus dem Kreiſe der Dietrichſage. 
Es erzählt in der Form der Ribelungenjtrophe, wie 
der funge Ulphart im Kriege zwiſchen Dietrid) und 
feinem Obeim Ermenrich durch die treulofen Helden 
Heime und Wittich jeinen Tod findet. A. wurde ju- 
erft vom v. d. Hagen (1811), dann von Martin (Berl. 
1866) fowie in neuhochdeuiſcher Überſetzung von Sim- 
rod (3. Aufl., Stuttg. 1874) und in Neubearbeitun 
von Klee (Giitersl. 1880) herausgegeben. Bal. E. 
Kettner, Unterjudungen über A. (Mühlhauſ. 1891). 
heios, Hauptfluß des Peloponnes, jest in 
jeinem Unterlaufe Rup hias genannt, ent{pringt nad 
Anſicht der Ulten auf dem Parnongebirge (jest Ma- 
fevo) fiidlid) von Tegea und fliekt in die Ebene von 


375 


Tegea hinab, wo er ſich jest norddjtlid) wendet und 
am Südfuß de3 Barthenion in einer Ratavothre ver- 
ſchwindet, wibrend er früher eine nordwejtlide Rich— 
tung nahm und ant djtliden Fuge des ——— 
ges unter der Erde verfdwand. Yin öſtlichen Rande 
er Ebene von Ujea bricht wiederum Waſſer hervor 
(Die heutige Wipheiosquelle) und bildet nun einen 
nicht mehr unterbrodenen Strom, der fich zuerſt ſüd⸗ 
wejtwirts in die Ebene von Megalopolis wendet, diefe 
in nordwejtlider Ridtung durchfließt und bei Heräa 
cinen wejtliden Lauf annimmt, um fich unterbalb 
Olympia in das Sifelijde Meer gu ergießen. Unter 
feinen Nebenflüſſen ijt der rechts mündende Ladon 
(der cigentlide heutige Ruphias) der bedeutend|te. 

Alpheios, der Gott de3 durd Urfadien und Elis 
fliefenden Fluſſes A., welder, von Liebe gu Urtemis 
oder deren Nymphe Urethufa entbrannt, diejelbe unter 
dem Deere bis auf die Ynfel Ortygia im Hafen von 
Syrafus verfolgte. 

hen, Dicrony mus van, niederlind. Didter, 
eb. 8. Uug. 1746 in Gouda, gejt. 2. Wpril 1803 im 
06 , war zugleich Theolog, Juriſt und Hijtorifer, 
wurde 1780 Generalprofurator beim Utrechter Gee 
Pat rl dann Penjiondr der Stadt Leiden und 1793 
Großſchatzmeiſter der niederlindifden Union. Nad 
ber franzoͤſiſchen Invaſion 1795 ſeines Amtes entſetzt, 
lebte ex als Privatmann im Haag. Er ſchrieb meiſt geiſt⸗ 
liche Dichtungen, am belannteſten machten ihn aber 
ſeine ⸗Kleine gedigten voor kinderen« (1778—82; 
deutid von Wbel, Berl. 1856), eine Meijteritiide 
findlid)-naiver Darjtellung. Cine Gejamtausgabe 
feiner »Dichtwerken« mit et He veranjtaltete 
Nepvert (Ute. 1838—-39, 3 Bde. ; YUusg. in 1 Bd. 1871). 
{. Roenen, Hieronymus van A. (Amſterd. 1844). 
Iphita, |. Bolenta. 

Alphons, ſ. Ulfons. 

Mlphonfe (franj., fpr. alfongp’), Ulfons; in Karis, 
wie Adolphe (in Berlin Louis), foviel wie Zuhälter. 

Alphorn (Wipenhorn), ein primitives, 1,5— 
18m flanges Blasinjtrument, aus Holsdauben ju- 
fammengefligt, deſſen fid) die Hirten in den Alpen 
bebienen. 

Al piacere (ital., fpr. -t@ére), ſ. A piacere. 

Alpin, ju der Ulpen gehörig, dort vorfommend, 
alpenhaft. Wlpiniftif (rang alpinisme), Alpen⸗ 
tunde, insbeſ. mit Beans auf Beſteigung (daber Al⸗ 
piniſt, Alpenlenner, Vergiteiger). 
Alpines pr. ꝓin), Berglette im biey 7 
Rhinemiindungen, zwiſchen Durance und? 
reicht 492 m Hoͤhe und befteht aus weißem Kallſtein, 
deſſen Weidhheit sur Unlage von Fels: und Höhlen— 
wohnungen veranlafte (j. Baur). 

Alpini, Rrofper (gewöhnlich Ulpinus), Bo- 
tanifer, geb. 23. Nov. 1553 in Marojtica bei Venedig, 
get. 5. Febr. 1617 in Padua, ging als Arzt 1580 
nad) Kairo, wurde 1584 Marinearzt auf der Flotte 
des Undreas Doria, ſpäter Profeſſor der Botanif in 
Padua. Er beſchrieb in jeinem Werf »De plantis 
Aegypti« (Pad. 1592, 2. Aufl. 1640, mit Holzſchnit⸗ 
ten) iiber 50 damals unbefannte Pflanzen und gab 
die erjten genauern Nachrichten über den Kaffeebaum. 
Uuerdem fdrieb er: »De plantis exoticis« (hrsg. 
von feinem Gobn, Bened. 1627); »Historia natura- 
lis Aegypti« (eid. 1735, 2 Bde.); »De medicina 
Aegyptiorume (Bened. 1591, Bar. 1645, Letd. 1745); 
»De p ienda vita et morte aegrotantium< 
(Pad. 1601; hrsg. von Boerhaave, Leid. 1710); »De 
medicina methodica« (Pad. 1611). »Opera post- 
huma« (eid. 1735, 2 Bde.). 


Depart. 
hone, er⸗ 


376 
Alpinia L., Gattung der Zingiberazeen, nad dem 
italiemijden Botanifer Proſper Alpini benannt, Stau- 


den mit frolligem Wurjeljtod, gangrandigen Blattern, | 
endjtindigem Bliitenjtand auy laubtragendem Sten- | 
gel und a ag Frucht. 40 Arten im tropifden 
und jubtropijden Aſien, Uujtralien und auf den In— 
feln des Stillen Ozeans. A. Galanga Wilid., auf 
den Sundainfeln, liefert die —— wertvolle große 
Galgantwurzel, die feltener nad Europa kommt. A. 
officinarum Hance, auf der Inſel Hainan, hauptſäch⸗ 
lid) aber auf der zunächſt gegeniiberliegenden Halb- 
injel Lei-tidou und in Siam angebaut, liefert die 
Walgantwurgel. Sie befteht aus etwa 7—10 cm | 
langen, bis 2 cm diden, tnieformig gebogenen Rhi- 
omen, ijt braunrot, riedjt angenehm gewürzhaft, 
— brennend ſcharf, ingwerartig und enthält 
Kümpferid, Galangin, Alpinin u. ätheriſches OL. Sie 
wird als aromatiſches Mittel, zu Likören, Eſſigen 2., 
benutzt und fam wohl durch die Uraber des frühen 
Wittelalters nad Europa. A. nutans Rosc., aus Oſt⸗ 
indien, mit 4 m hohem Stengel, ſchönen gelbliden, 
purpur und braun gezeichneten Bliiten in fublanger, 
aa Traube, wird in Warmhäuſern fultiviert. 
(pintftif, ſ. Alpin. 

Alpirobach, Stadt im wiirttemberg. Schwarz— 
waldfrei8, Oberamt Oberndorf, an der Kinzig, im 
Schwarzwald und an der Staatsbahnlinie Hodjdorf - 
Schiltach, 435 m ii. M., hat eine evangeliſche und eine 
romanifde fath. Kirche (1095 gegriindet, gum ebema- 
ligen Benediftinerflojter gehirig), altes Schloß, Uhren⸗ 
fabvifation, Siegelbrenneret und (i900) 1385 Cinw. 
In Der Nähe der Luftturort Rraibenbad. Val. Glag, 
Geſchichte des Kloſters A. (Stragb. 1877). 

(pfraut, ſ. Eupatorium. 

Alpuach, Gemeinde im ſchweizer. anton Unter: | 
walden, mit (900) 1786 Cinw., liegt, 466 m ii. M., 
in Der Nabe einer gleidmamigen Bucht de3 Vierwald- 
ſtätterſees und ijt etne beſuchte Dampferjtation. Das 
unmittelbar am Gee liegende Ulpnadftad (Geftad) 
ijt Uusgangsjtation der Pilatus - und Briinigbahn. 

tpranfe, ſ. Solanum. 

Alpujarrags (jpr. arras), romantifdes Bergland 
an der Siidfeite Der Hauptfette der Sierra Nevada in 
Siidfpanien, das von zaählreichen üppigen Tälern 
durchzogen wird. Man unterfdeidet die weftliden 
oder Hoben A. swifden Dem Hauptgebirge und den 
beiden längſten Sefundarfetten, und die bit liden A., 
welde den Sildabhang der djtliden Gebirgshälfte 
umfaſſen und fic) in die weiten Baſſins von Ugijar 
und Canjayar herabjenfen. Die Tiler der A. zeichnen 
ſich saben aug, dah fie in ihrem oberjten Teil am 
weitejten jind und, je weiter fie fid) von der Haupt- 
fette entfernen, deſto enger und unzugänglicher wer: 
den. Vile endigen nad oben gu in teils fiachen, teils 
von Felfenmauern umgürteten Alpenmulden mit zahl⸗ 
lofen Quellen. Solche Weiden und Matten heißen 
Vorrequiles (d. h. Weideplage fiir Lammer). Hod 
oben betinden fic), namentlid) an den ſüdlichen Ge— 
hangen, tiefe, flare Ulpenfeen in einer Höhe von ca. 
3000 m. Die Vegetation der A. ſteigt von bier aus 
den alpinen Formen durd alle Stufen und Klimate 
bis zum tropifden Geſtade, wo in einem wabrbaft 
afrifanifden Rlona alle Friichte des Südens, felbjt 
Dattelpatmen und Buderrobr, gedeihen. Unter den 
Vewohnern der A., die fic unit Schafzucht, BWein- 
und Fruchtbau fowie in der Sierra de Gador mit 
Bergbau befdaftigen, finden fic) nod) Nadfonunen 
von Wauren. Wud) der Name UW. (al Buscherat, 
»Wrasplag«) ftammt aus der maurifden Beit. 








Alpinia — Alſen. 


Alpzopf, j. Wp. | 
Alqucire (pr. altére), in Portugal bis 1868 und 
in Brajilien bis 1873 Hohlmaß fiir trodne Dinge, 
= 4 Fanga = 8 Dutavas: in Lijjabon — 13,941 Lit., 
in Borto = 17,465 L.; in Rio de Janeiro friiber — 
40 &. gerednet, in Bahia fiir Getreide, Mehl und 
Sal; = 0,008 engl. Buſhels; in Bard fiir Reis — 40 
Urratets oder 18,359 kg, fiir Sal; — 80 Urrateis. 

Mlquifoug (franj., for. -tya; arab. Wiquifus 
Töpfer-, Glajurer3), Bleiglanz oder ein bei deſſen 
Verbhiittung entfallendes, aus Bleioryd, Bleiglany 
und Silifaten bejtehendes Broduft, dient zur Glafur 
geringer Töpferwaren. 

Wlraun (althodd. alrina, v. got. rina, Gebeim- 
nis), in der dDeutiden Mythologie ein weisſagender 
dämoniſcher Geijt, dann cin flees, halbteufliſches 
Wejen in Menfdengejtalt, welded den Beſitzer reich 
maden follte (aud Galgenmännlein genannt). 
Mit A. bezeidhnete man dann aud die Wurzel, aus 
der man Den A. follte ſchneiden fonnen; f. — 

Alraun, ſ. Mandragora; wilder WL, jf. Allium 

Alsatia, latinijierter Name de3 Elſaß (fran;. 
Alsace). 

Alsbachit, cin zuerſt von Alsbach am Melibofus 
befdriebener, gangfirmig im Granit auftretender 
Granitporphyr mit ſpärlichen Einſprenglingen von 
Ouar;, Feldſpat, Biotit und Granat, gum Feit dem 
Aplit ähnlich. 

Alsdorf, Dorf im preuß. Regbez. und Landkreis 
Aachen, an der Staatsbahnlinie Stolberg-Herjogen: 
rath, bat eine fath. Kirche, Steinfobhlenbergbau und 


(1900) 3730 Einw. 


Alſe (Aloſe, Alosa Cuv.), Gattung der Heringe 


(Clupeidae), Fiſche mit ſeitlich gufammengedriidtent 


Leib und ſägeförmig gezähnelter Baudfante. Der 
Maifiſch (Mutterhering, A is Cuv.), ũber 
60 cm lang, 2,5 kg ſchwer, auf dem Rücken metalliſch 
glänzend olivengriin, an den Seiten goldglänzend, mit 
dunklem Sdulterflec, lebt in den europaijden Meeren 
von 62° ndrdl. Br. bis gum Mittelmeer in ziemlicher 
Tiefe, wandert im Frühjahr in die Flüſſe, wm zu 
laichen, fehrt aber bald zurück, wahrend die Jungen 
erjt tm nächſten Jahr auswandern. Man fingt ihn 
mit Angeln, Neen und Reuſen, bejonders an den 
Miindungen groperer Flüſſe, wohin er in großen 
Scaren geht. Sein Fleiſch wird dem des Salms am 
nadjter geſchätzt. Er wird aud eingefalyen (Spanien, 
Portugal, Ralien). Der Shadfiſch (A. sapidissima 
Wils., j. Tafel ⸗Künſtliche Fiſchzucht I<, Fig. 5), 
vielleicht eine Barietat der A., lebt an der Küſte des 
nordöſtlichen Nordamerifa und wird auf feinen Zügen 
in Die Flüſſe maffenhaft gefangen. Iſt feit 1867 durch 
die künſtliche Fiſchzucht weit verbrettet worden. Bon 
ähnlicher Wichtigleit fiir die oftindijden Gewäſſer ijt 
A. toli Cuv. Die Finte (A. Finta Cue.), 45 em 
fang, 1 kg ſchwer, dem Maifiſch fehr ähnlich, aber 
an der Seite gefledt, tebt in denfelben Meeren wie 
der Maifiſch, ſteigt aber erjt im Juni in die Flüſſe; 
ihr Fleiſch ijt nicht wohlſchmeckend, nur die fleinen um 
Conierſee gefangenen (Untefint, erwadhfen Ug oni) 

Al secco, }. Secco. [jind febr difst. 


Al segno (ital.), ſ. Segno. 

Alfew (dan. Als), Inſel an der Ojifiijte Schles 
wigs (f. Karte » Schleswig - Holjtein«), vom Feftland 
(Halbinfel Gundewitt) durd) den Alſenſund ge- 
trennt, Der 19 km lang, im nördlichen Feil faſt 4 km 
breit, im fiidlichen febr ſchmal tft, cine Tiefe bis 21 m 
hat und bet Sonderburg von einer Sciffbriide über⸗ 
ſchritten wird. Die ynfel gebort sum Kreiſe Sonder- 


Alſengemmen — Alt. 


burg des preußiſchen Regierungsbezirls Schleswig und 
zählt auf 312 qkm (5,67 OW?) etwa 25,000 Einw., 
Die meiſt däniſch fprechen. Gie ijt fehr fruchtbar und 
reid) an Waldungen. Die Mitte des Landes zeigt 
eine Reibe flacher Hiigel ; der höchſte Punkt, der Hiigel- 
berg, erreiht 81 m Höhe. Jn SW. die Halbinfel 
Kekenis mit einem Leuchtturm. Die Hauptorte find: 
Norburg (ndrdlide Burg), Sonderburg (ſüdliche 
Burg), mit mehreren Forts, und Auguſtenburg. — 
1864 wurde das von 9000 Dänen unter Steinmann 
befeste UW. nad) dem uͤbergang der Preußen unter 
Herwarth von Bittenfeld über den Sund 29. Juni 
erobert, womit der deutſch⸗ däniſche Krieg fein Ende 
erreichte. Seit 1870 ijt A. mit Verteidigungswerlen 
verſehen. Bal. ⸗Führer durch A. und Sundewitt« 
(Sonderb. 1898). 

Alfengemmen, Glaspajten mit eingeritten rohen 


Figuren, von denen das erjte Eremplar auf Alſen, | fi 


weitere zwiſchen Riederrhein und Riederelbe als 
Sanu von Kirdhengeriten, Meßbüchern, Votivgaben 
u. dgl., aud) vereingelt im Erdboden gefunden wurden. 
Der meiſt blaue oder grünliche Glasfluß beſteht in der 
Regel aus einer hellern und ciner dunflern Sdidt. 
Man vernurtete in ihnen die fogen. Gieqesfteine 
der Edda (in der Wielandfage), betradtet fte aber jest 
al8 Produkte der chriſtlichen Kunſt; Bartels Halt die 
Figuren der U. fiir Nachahmungen antifer ſter 
aus dem 7.—9. Jahrh. Bal. Friedrich, Die alt- 
deutſchen Gläſer (Niirnb. 1884). 

Alſenz, Dorf im bayr. Regbez. Pfalz, Bezirk Roden- 
haujen, am Flu UW. (zur Nahe) und der Alſenzbahn 
(Linie Hodfpeyer-Miinfter am Stein), mit evang. 
Kirche, Steinbriiden, Weinban und (1900) 2066 Einw. 

Alsfeld, Kreisſtadt in der heſſ. Provinz Ober- 
hejjen, an der Schwalm und der Linie Gießen-Fulda 
der Preußiſchen Staatsbahn, hat 2 —* che und eine 
fath. Kirche, Synagoge, Realſchule, Ackerbauſchule, 
—— 2Oberförſtereien, Reichsbanknebenſtelle, 
Möðbel⸗, Tabat- und Leinenfabrifation, Holzſchneide⸗ 
rei und (1900) 4364 meijt evang. Einwobner. 


Alſinoideen, Unterfamilie der Karyophyllazeen 


Wisleben, Stadt im preup. Regbez. Merjebur 
Seefreis Mansfeld, an der Saale, hat 2 evangelif 
und eine fath. Rirde, Schifferidule, ——— 
Zuckerfabrit, Mälzerei, Schiffbau, Schiffahrt und (see) 
4002 meiſt evang. Einwohner. Die Domlirche ju 
St. Johannes dem Täufer, jest Ruine, wurde 979 
famt einem Jungfrauenſtift gegründet, das 1448 in 
ein UWuguitiner-Chorbherrenjtift umgewandelt und 
1561 aufgeboben wurde. — A., ſchon 961 erwähnt, 
war Hauptort einer Grafſchaft, die 1130 an dad Er}: 
ſtift —— fiel. 

WMlsnd-Stadgan, wichtige ſchwediſche Staats- 
urkunde, die König Magnus Laduläs im Mai 1279 in 
Ubereinjtimnumg mit dent Herrentag auf der Mälar⸗ 
infel Alsnö erliek. Sie fegte fiir Landfriedensbrud, 
Bauernbedriidung xc. ſchwere Strafen fowie fiir die- 
jenigen, die fich zum Reiterdienſt verpflidteten, Steuer- 
freiteit fejt und ward dadurd fiir die Entitehung des 
ſchwediſchen Adels von größter Bedeutung. 

Alſoͤ (ungar., fpr. auſcho) in zuſammiengeſetzten 
Ortsnamen bedeutet »Unter⸗⸗, z. B. Alſo-Feher, 
Unterweißenburg; AlſoKubin, Unter-Kubin. 

Mlfol, eſſigweinſaure Tonerde, bildet farbloſe, 
amorphe, durchſcheinende, ſchwach nad Eſſigſäure 
riechende, ſäuerlich und zuſammenziehend ſchmeckende 
Blätichen, die ſich leicht in faltem ſſer, nicht in 
Ulfohol löſen und als adſtringierendes und antifep- 


Alfium, crust. Stadt, j. Bato 1). (f. B.). 
e 


ſchaft der Geejtlande, an der 








377 


tiſches Mittel, als Mund- und Gurgelwafjer, auc 
gegen Frojtheulen benutzt werden. 

Alsophila R. Br., Sarngattung aus der Familie 
der Cyatheazeen, ca. 70 Yirten von Baumfarnen de3 
tropijden Umerifa und Wjiens, mit palmenähnlichen 
Stämmen und einer Krone mehrfach gefiederter Wedel. 
Mehrere Urten werden in Gewächshäuſern hrltiviert. 

Wlftaden, Dorf im preuß. Regbez. Diiffeldorf, 
Kreis Mülheim a. Ruhr, an der Rubr, hat ein Sol: 
bad, eine Rinderheilanjtalt, Steinfohlengruben und 
(1900) 9606 Cinw. 

Alfter, Vogel, foviel wie Eljter. 

Ulfter, rechter Nebenfluß der Elbe, kommt aus 
Holjtein, fließt ſüdlich nach Hamburg, bildet von dem 
Vorort Harvejtehude an die feeartige, von Wieſen, 
Garten und Villen umgebene Außen-, im Innern der 
Stadt das ſchöne Bafjin der Binnenalſter und ergießt 
id) in mebhreren Kanälen (Fleeten) in die Elbe. Ihr 
auf betragt 52 km, wovon 20 km ſchiffbar find. 

Alfterdorf, Dorf in der hamburg. Landherren- 
{iter und nördlich bei 
— hat große Anſtalten für ſchwache und blöd⸗ 
innige Kinder und (1900) 2152 Einw. 

MlSton (pr. adiet'n), Stadt im O. der engl. Graf— 
{daft Cumberland, am South Tyne, in fahler Gegend, 
mit ergiebigen Bleiqruben und (1891) 3384 Einw. 

Alstonia R. Br., Gattung der Upocynageen, Ge- 
hölze mit meiſt wirtelftindigen Blattern, weißen, 
meiſt einen Blitten in vielbliitigen quirligen Rijpen 
und finealifden Teilfrüchten. 380 Arten in Oftajien 
und auf den pazififden Inſeln. A. scholaris R. Br. 
(Teufelsbaum), ein Baum in Ojtindien, Wujtra- 
lien, Neuguinea, vielleicht aud in Djtafrifa, liefert 
die bittere, als Heilmittel gecapte Ditarinde, die 
drei Ulfaloide: amorphes Ditamin C,H, NO,, fri 
itallifierbares Ditain (Editamin) C,,H,,N,O, und 
Editenin CyoH;NOy, enthalt. Aus dem Hol; wer- 
den Schreibtafeln fiir Schüler gemacht. A. constricta 
F. Miill., in Reufiidwales und Queensland, enthalt 
in feiner arzneilich und jum Farben benugten un- 
angenehm bittern Rinde drei Witaloide, amorphe3 
Utjtonin C,,H,,N,O, und Porphyrin. 

Wistonit, Vtineral, Rarbonat von Barium und 
Strontium (Ba, Ca)CO,, findet fid) in {pippyranu- 
dalen rhombijden Rrifjtallen von heragonalem Wus- 
ſehen, farblos, grau, durchſcheinend, fettglanjend, 
Harte 4, Tres. Gew. 3,7, gu Wiston und Herham in 
England. A. ijt iſomorph mit Wragonit. 

Alstroemeria L., nad) dem ſchwed. Botanifer 
Alſtrömer (geft. 1794) benannte Gattung der Ama— 
ryllidageen, Gewächſe mit sag Wurzeljtod, be- 
blattertem Stengel, gedrehten Blattern und ſchön 
gezeichneten Bliiten in langen Dolden. 40—50 Ar⸗ 
ten im tropijden und fubtropijden Amerila; vicle 
Bierpflangen, bejonders A. peregrina Pers, (Inta- 
Lilie), aus Peru, mit gelblichen, rofenrot gejtriem- 
ten, gelb gefledten und braun punftierten Bliiten; 
A. aurantiaca D. Don., mit —— rot geſtreiften 
Blüten, und A. versicolor H#. et Pav., mit weißlichen 
oder gelblidjen, rot gejtreiften Bliiten. Die jtarte- 
mehlreichen Wurjelfnollen einiger Urten werden in 
der Heimat gegeſſen. 

Al Sufi re Aſtronomie. J 

Mit (engl. aged, abgekürzt a.) heißt im Rennfport 
ein Bferd, fobald e3 mindejtens 7 Jahre alt ijt. 

Mit (Ultitimme; ital. Contr'alto [Alto], franz. 
Haute-contre, bei lat. Bezeichnung der Stimmen 
Altus oder Contratenor), die tiefere Der beiden Ar— 
ten der Frauen · und Snabenjtimmen, die den Schwer- 


378 


puntt im Bruftregifter hat. Zur Zeit der fompligier- 
ten Menfuralmujft! wurden die hohen Parte (YW. und 
Sopran) von Männern mit Fijtelftimme (alti natu- 
rali) oder aber von Majtraten gefungen. Daher ha- 
ben bie Disfant- und Altpartien jener Zeit aud) nur 
cinen ſehr magigen Umfang nad der Höhe und da- 
fiir cinen deſto größern nad) der Tiefe. Der Ror- 
malumfang der wirfliden Altſtimme reidt von a, 
beim tiefen U. (Rontra-Wit) von f oder e bis e“, f” 
(ausnahmsweiſe aud) höher). Hiſtoriſch ijt die Alt— 
partie die von den Komponiſten zuletzt eingeführte, 
da der normalen Männerſtimme, die den Cantus 
firmus (Tenor) vortrug, juerjt eine höhere gegen- 
iibergejtellt wurde, die ben Namen Discantus erhielt, 
und endlich als dritte ber Dem Disfant geqeniiber- 
jtehende Rontratenor gefellt, der bald tiefer, bald 
höher als der Tenor lag und fdlieplich ſich in einen 
Contratenor bassus (Maj) und Contratenor altus 
(Wt) fpaltete. Als im 15. und 16. Jahrh. bei dem 
gewaltigen —— der mehrſtimmigen Muſil 
der Gebrauch auffam, die Singſtimmen ndtigenfalls 
durch Inſtrumente im Unifono ju verſtärken oder 
aud) zu erfeger, baute man fajt alle Yrten von In— 
jtrumenten in Drei oder vier verſchiedenen Größen, 
entfpredjend den vier Stimmagattungen, fo daß man 
Disfant-, Wit-, Tenor- und Baßviolen neben der- 
gleichen -Bofaunen, ⸗Flöten, -Mrummbornern 2c. 
hatte. Bon heute gebraudliden Ordejterinjtrumen- 
ten find Ultinftrumente die Ultpofaune (im Verſchwin⸗ 
den), Ultflarinette, Englifdh-Horn (Wltoboe), die 
Bratide (Alto) und in der Militärmuſik das Withorn. 

Mit, Fluß, ſ. Aluta. 

Alt, Rudolf, Maler, meiſt als Aquarelliſt tätig, 
geb. 28. Aug. 1812 in Wien als Sohn des L 
jhafts- und Urchitetturmalers Jakob U. (1789 — 
1872), befuchte die Alademie der bildenden Künſte in 
Bien, wurde durd Fubwanderungen durd die Ge- 
biete der öſterreichiſchen Alpenwelt und Norditaliens 
ur Landſchaftsmalerei gefiibrt und gab die Cindriide 
finer Fabhrien in zahlreichen Uquarellen wieder. Seit 


1833 malte er, angeregt durch den Befud Venedigs | 
und der benadbarten Stadte, aud) Urditefturitiide, | 


die bald feine Spezialität wurden. A. zeigt hobe Be- 
gabung fiir die charafterijtijde Auffaſſung der land- 
ſchaftlichen Cigentiimlidteiten, die er nad) Der Ber- 
ſchiedenheit Der Himmelsſtriche, Luftfirbung, Vege— 
tation x. getreu widerſpiegelt. Meiſterhaft ijt auch 
ſeine Perſpeltive in den Architelturen, geiſtvoll die 
Wahl ihrer volfstiimliden Staffage. Er verweilte in 
Rom und Reapel; dann befudte er die Seen der Lom⸗ 
bardei, Galijien, Böhmen, Dalmatien, Bayern und 
wieder mebhrere Male Jtalien, 1863 die Rrim und 
1867 Sizilien. Auf demfelben Feld ijt aud fein 


jiingerer Bruder, Franz A., geb. 16. Uug. 1821 | 
in Wien, tatig. Sein Hauptwerf tit der Syflus »Wien | 
einft und jetzi⸗ (im Beſitz des Kaiſers von Öſterreich). 
{tain Dola, »Golbdgebirge:, dinef. 


Mltai ( 
Kinſchan), großes Gebirgsfyftem an der ruff--din. 
Wrenje (ſ. Karte »entralajiene), das weit in die 
Nachbarländer ausqreift, fo mit dem UAlatan (f. d.) 
nad) N. bis Tomſt, der nad) O. ftreichende Tannu, 
der nad) SO. ziehende Changai, der Eftag A. 
oder Grofe A., deffen Fortfegung, der Siidlide 
A., unter 101° djtl. L. endigen POL Rad W. ſcheidet 
der Artif und der Saiſan-Nor das Wltaifyftem 
vom Tarbagatat. Rad O. ſetzt fid) der A. in der 
Sajanifden Mette fort. Der eigentliche oder 
Rolywanfde W. swifden Artifd und Telezkerſee 
und bent in ihn miindenden Tſchulyſchman erreidt 


and: | ri 











Mit — Altai. 


im Bjeluda 3352 m. Die mittlere Hobe sags 7 
1600 m, bod) ragen die fpigen, jadigen Höhen 
975 m über Die Schneelinie hmaus, die auf der Nord⸗ 
ſeite in 2047, auf der Siidfeite in 2371 m liegt. Die 
geognoſtiſche Bejdaffenheit des Gebirges tit vor- 
nehmlich Durd) Humboldt, Rofe und Cotta feſtgeſtellt 
worden. Tonfchiefer bildet die größte Maſſe des A., 
dod) fommt im Hodgebirge Granit in großer Aus—⸗ 
dehnung vor, während diluviale und alluviale Bil- 
bungen den Fuß ded A. bedecen. Das gegenſatzreiche 
Klima zeigt bei fehr heißen Sommern fehr falte 
Winter, und obwohl Buder- und Wajjermelonen 
vortrefflid) im Freien gedeihen, gelingt es dod nicht, 
irgend einen Objthaum unbefdiipt am Leber ju er- 
—— Die Steppenflora reicht bis ju 300 m; die 
aldflora (Pappeln, Weiden, Fichten, Riefern, Lar- 
den, Birfen) von 300—1200 m. Oberhalb des Wal- 
des jteigt Die Ulpenflora am Nordhang bis 1950 m, 
am Südhang bis 2250 m. Wan baut am Nordhang 
meijt Sommers oder Winterroggen, am Siidbang 
meijt Hirfe, —* Hanf. Die Fauna ijt hier und 
da nod) reich an Edelhirſchen, Elentieren, ſibiriſchen 
Rehen, Wolfen und Füchſen, auf den Höhen findet 
ſich mit dem Warder der Zobel; häufig ijt auch der 
Bir. Den Reichtum des A. bilden feine Mineral. 
ſchätze. Schon das myjteridfe Boll der Tſchuden hat 
hier mit fteinernen Geraten Bergbau getrieben. Dann 
ſcheint er lange gerubt gu haben, bis 1723 am Roly 
wanjee Rupfer entdedt wurde, 1726 der Staatérat 
Rifita Demidow fic) die Freiheit der Bergwerle im 
U. verleihen lie und 1728 das erjte Rupferbiitten- 
wert, Rolywan Sawod, bei dem 1625 m hohen Blau- 
b — 1736 wurden bei Smeinogorſt (f. d.) 
idje Gold- und Silbererze gefunden, 1746 trat De- 
midow feine Gruben und Huͤttenwerle an das kaiſer⸗ 
liche Haus ab. Diefem gehort jest fajt dad ganze Al⸗ 
taiſche Berggebiet, aud Kolywan-Woſkre— 
fenffer Hüttenbezirk genannt, der die Bezirle 
Rainft, Barnaul, Kusnezk, Biijf und den ſüdlichen 
Teil des Bezirfes Tomſt im Gouv. Tomſt, ein Ge- 
biet pon 483,000 qkm mit 700,000 Einw., umfaft. 
Der Mittelpunkt dieſes reidhen Minenbesirfs ijt Bare 
naul. Dod ijt der Ertrag an Gold (vornehmlich aus 
Seifen, aber aud) aus goldhaltigen Silbererjen) und 
Silber feit 1849 ſehr gefallen, ebenfo der von Stupfer 
und Bei. Cijengewinnung in größerm Unrfang 
wurde erjt in neuerer Beit durch die Auffindung eines 
Steinfohlentagers möglich. Gegenwärtig werden jaibr- 
lid) 4800 kg Gold umd 9800 kg Silber qewonnen. 


Neben Dem VBergbau hat fic eine lebhafte Steinindu- 
ſtrie entwidelt; Gaulen, Namine, 
und dergleidjen Gegenjtdinde werden aus Borphyr, 


ajen, Ctageren 


—* Jaſpis, Marmor und Granit gefertigt; 
eine Zeichenſchule ſorgt für Entwickelung des Ge. 
ſchmackes. — Die fpirlide Bevilferung des W 
bilden Refte der tiirfijden Ureinwobhner, Kalmücken. 
Teleuten, Cumandiner, Shwarswaldtataren, Sdhoren 
und ſporadiſch Rirgis-Raijafen. Cingewanderte, zu 
Sibiriafen gewordene Rujjen wohnen am didtejten 
im Bezirt Minafiinit (am Jeniſſei) und Langs der 
Strafjen. Die Bergtalmiiden, die ſich bald der Jagd, 
bald auch dem Uderbau sugewendet haben, dbneln den 
Sibiriafen in der Lebensweife. Die iibrigen Stamme 
leben in Jurten und treiben Jagd und Fiſchfang. Die 
geſamte Bevöllerung des U.-Sajanifden Gebirgs- 
abſchnittes beredjnete Wenjufow ju 690,400 Seelen, 
darunter 440,000 Gibiriafen und Ruſſen, 120,000 
Mongolen, 35,000 Raliniiden, 26, 000Burdten, 54,400 
türtiſch⸗ finniſche Stämme (Urjanden, Dardaten x), 


Nltaier — Wltar. 


10,000 Rirgifen, 5000 Chinefen, Mandſchu. In den 
letzten 45 Jahren hat die Bevöllerung aber durch 
Einwanderung raſch gugenommen; 1866—78 haben 
fid) 8124 Bauern der falmiictijden Landereien be- 
madtigt und blühende Niederlaſſungen —— 
Seit 50 Jahren wirkt aud die Altaiſche Miſſion, 
bie bis jetzt aber nur 5000 Eingeborne zur rujfifd- 
riechiſchen Kirche befehrt hat. Val. B. v. Cotta, Der 
, fein — Bau und ſeine Erzlagerſtätten 
Leipz. 1871); Radloff, Aus Sibirien (daſ. 1884); 
Jadrinzew, Sibirien (deutſch, Jena 1888). 
Altaier, eine vom Ochotſtiſchen Meer bis zum 
europäiſchen Lappland reichende Völkergruppe, die 
Tunguſen, wahre Mongolen, Türlen, Finnen und 


Samojeden umfaßt. Die Hautfarbe ijt Gelb oder | de 


Gelbbraun, das Ropfhaar waljenformig, ftraff und 
ſchwarz, Bart- und Leibeshaar ſpärlich, die Augen 
find meift fief gejtellt, die Jochbeine tart vorſprin— 
end, bie Rafe platt, der Schädel fehr breit und auf- 
allend niedrig. Je weiter nad W., defto weniger rein 
erfdjeinen die mongolijden Merfmale. Der Sprad)- 
bau der U. ijt in den Hauptgiigen völlig übereinſtim⸗ 
mend. Die Sinnbeqrengung erfolqt durch Guffire; 
Priifire werden nidjt geduldet. Ther oder weniger 
ftrenge Wobhllautgejege find allen dieſen Sprachen 
eigentiimlid. Zwei Ronfonanten ditrfen nie cin Wort 
beginnen oder ſchließen, und der Stammvolal bejtimmt 
den Endungsvofal. Bgl. Cajtrén, Ethnologijde 
BVorlejungen iiber die altatiden Vilfer(Petersb. 1857). 


Altaĩr (Wtair), der Stern a (1. Gripe) im Wdler. 
Altai —— ſ. Altai. 
Altaiſche Sprachen, ſ. Uralaltaiſche Sprachen. 


Altait, Mineral, ſoviel wie Tellurblei. 
Altamura, Kreishauptitadt in der ital. Proving 
Bari, an der Eiſenbahn Rocdetta-Gioja del Colle, 
hat eine {chine Rathedrale, ein Lyzeum, Gymnaſium 
und (1901) 22,729 Einw., die Weinbau und Vieh- 
zucht treiben. A. ward 1220 unter Friedrid I. neu 
aufqebaut. 
{tan (aud Ultane, v. ital. altana), heraus 
—— mehr oder weniger offener Teil eines Ge- 
äudes, der aus den obern Stockwerken einen un— 
mittelbaren Unstritt ins Freie —— und deſſen 
ery a gewöhnlich bis auf den Erdboden herab⸗ 
reicht. Auch eine Dachplattform nennt man A. Bol. 
Balfon und Soller. 
Altar (Ura), Sternbild des fiidliden Himmels, 
vgl. Beilage gum rt. »Fixrjterne«. 
Altar (v. lat. alta ara), jede künſtliche Erhihung 
—— ung von Opfern, tm Altertum urfpriing- 
id aus Rajen, Erde, Steinen oder Holz roh pos 
Grieden und Römer madhten aus den Ultaren 
e der Kunſt (Fig. 1), fie bildeten fie aus Stein 
und bradjten an den Eden Widderfipfe (Hörner) 
‘an, urſprünglich wirkliche Schädel der geſchlachteten 
Tiere, ſpäter durch Skulptur hergeſtellte. Auch ſchmückte 
man den A. zum Opferdienſt mit Kränzen und Bin— 
den. Man errichtete einzelnen Göttern und aud) meh- 
reren — Altäre, in Rom aud) den Kaiſerñ, 
wie Haupt aud) Heroen diefer Ehre teilhaftig 
wurden. Bei Griechen und Rimern ftanden die Al— 
tire auger in Tempeln an den Strafen und Plagen, 
in Hainen und bei Quellen und an andern Orten 
ded. Berfehrs. Eroberer pflegten die Grenze ihres 
Vordringens durd die Erridjtung eines Altars gu 
bezeichnen. Lange erhielt ſich aud) bei den Juden dic 
altnationale Gitte, auf den Höhen Altäre gu errich— 
ten, bid feit Yofias der von Salomo erbaute Tempel 
in Serufalem ausſchließliche Kultusſtätte wurde. Hier 


379 


jtand der Brandopferaltar im Vorhof unter freiem 
Himmel; an den vier Eden befanden ſich Horner, die 
mit dem Opferblut bejtriden wurden. Der Räucher⸗ 
altar im Oetligtum, auf dem nur Räucherwerk ver- 
brannt wurde, war mit Gold überzogen. Die fatho- 
lijche Kirche hat nad) ihrer Opfertheorie Den Ubend- 
mabhlstijd in einen UW. umgewandelt. Jn den dhrijt- 
licen Rirden ftand der YW. in der älteſten Beit frei 
vor ber Apſis (ſ. d.), dann in der Chornijde, jtets 
eqen Morgen gerichtet. Spater unterjdied man den 
Reaatian im Chor (Choraltar) und die Seiten⸗ 
altäre, die guerjt fiir Privatmeſſen benugt wurden. 
Die romanijde Kunſt bebielt die feit dem 6. Jahrh. 
gebräuchliche Tiſchform mit fteinerner Dectplatte fiir 
nm U. bei, wofiir der U. in der Allerheiligenkapelle 
zu Regensburg ein charalteriſtiſches Beiſpiel ijt, über⸗ 
wölbte ihn aber häufig mit einem Bogen oder Bal- 
dadjin (ciborium), wie 4. B. im Dom gu Regensbur 
und in St. Stephan gu Wien, und ſchmückte ihn rei 
mit Bildwerk und Aufſetztafeln aus Gold, Email und 








Sig. 1. Antiker Altar. 


Elfenbein (f. aud) Untependium). Die Gotif wählte 
zuerſt Hols gu ihren Ultiren, die jedod) mit Schnitzerei, 

alerci oder Vergoldung reid) ausgeſchmückt wurden. 
Die Garatteriftiicve Gettalt ijt Die des Fliigelaltars, 
der in Der Regel innen mit plajtijden, außen mit ge 
malten Darjtellungen verjehen ijt. Die umfangreid)- 
fterr Altäre diefer Art find: das Jüngſte Gericht in 
Der Mtarienfirde gu Danzig, der Hocaltar in der 
Rlojterfirde gu Blaubeuren, die Krönung Marias im 
Miinjter pu reijad) und der Briiggemannjde A. im 
Dom ju Schleswig. Die Renaiffance hat den Altären 
Yrchitefturformen der Antile verliehen, die Dann von 
der Barvdfunjt nod) reicher ausgebildet wurden, fo 
daß ſchließlich nidjt blo der Hochaltar, fondern aud) 
die Seitenaltdre ju felbjtindigen Urditefturwerten 
wurden, die man auf das üppigſte mit Sfulpturen 
und Zieraten aus foftharen Waterialien ausjtattete. 
Das Ultarbild im eigentliden Sinn, als großes 
Genrilde, das ben Gaupt tandteil des Altarſchmuckes 
ausmacht, datiert aus der Renaiſſancezeit. Auf dem A. 
ſtehen Kruzifix, Blumen und Lichte, ferner aus Wachs 
beſtehende Altarkerzen, die urſprünglich an die 
Nachtzeit des Abendmahls erinnern ſollten, jetzt aber, 
aud) in proteſtantiſchen Kirchen, bei andern hohen 
Feſten, Trauungen, Taufen ꝛc. ebenfalls angezündet 
werden. —E gum Schmuck dient die Altar— 
befleidbung, deren Farbe feit Dem Wittelalter in den 
fatholijden und 3. T. aud in den lutherijden Kirchen 
nad) den verjdiedenen kirchlichen Seiten und Feiern 
wedfelt (wei bet Chrijtusfeiten, Biſchofsweihen x. 
vom 24, Dez. bis 13. Jan., qriin vom 13. Jan. bis 


380 Altar de los Collanes, el — Altdorf. 


Septuagefima und in der Trinitatisseit, rot su Pfing | der Hohe und um cine vertifale Achſe in ajimutaler 
ſten, an Wpoftel- und Martyrerfejten, ſchwarz am Richtung drehbar ijt. Die Gripe dieſer Drehungen 
—— violett in der Udvents- und Faſtenzeit). wird an einem vertifalen oder Höhenkreis und einem 
ber den A. gebreitet wird das Altartuch (palla, horijontalen oder Azimutalkreis abgelefen. * 
mappa, aud) [tartweble genannt), ein feines | einem fleinern A. der Horizontalfreis, oder ift 
weißes, oft geftidtes und mit Stidereien eingefaftes | nur grob geteilt und daher sur genauen Meſſung 
Leinentud. Vor dem Gebraud) muß jeder A. vom | nicht geeignet, fo ijt bas Inſtrument eit Höhen- 
Biſchof geweiht werden. Zur Feier der Meffe außer- freis; ijt aber mur der Horijontalfrets mit_femer 
hath des Kirchengebäudes, auf Reijen, im Feld, ijt | Teilung verjehen, fo ijt e8 ein Theodolit. Den A 
ein Tragaltar tm Gebraud, gewöhnlich ein mäßi⸗ | der Sternwarte zu Straßburg j. Tafel »Theodolite 
ev Steinwiirfel, in Dem, wie in jedem katholiſchen und Univerjalinjtrumente-. ; 
a Reliquien eingeſchloſſen find, und der beim Ge-| Witagzimutal heißt die Wufftellung eines Fern- 
braud) auf cinen Tiſch oder ein angemeffenes Geftell | rors, wenn es mur um cine horizontale und um eine 
geſetzt wird, oft aber aud) in Form eines Dipty- | vertifale Udje, alfo im Ginne ber Hohe und des 
dons aus oldetem Silber und andern Metallen | Azimuts, drehbar ijt; vgl. Altazimut. 
(ig. 2). In der lutheriſchen Kirche hat aud der U.| Altbaktriſch, hier und da gebraudjter Name fiir 
biel pon der fatholifden Kirche beibehalten, wahrend | die Sprache, in der das Zendaveſta geidrieben iit, 
indem man anninmt, dak das. 


onl caeeem Meee Come aoe Tran ceen barn) _sefibe_ int. emt alten Gattrien ab- 
Fara ka yn ed Pe! i gefaßt fei. Bgl. Bend. 
ang. | —— | * — a 











. ennung ber 
—— Regierungsbezirle 
und Niederbayern; ſ. —— 
Alt-⸗Bielitz, Dorf, ſ. Bielitz. 
Altbier, in Weſtfalen ober- 
äriges Bier von fauerticem 
+ ol 


I fa 


ch 
Altbunzlau, ſ. Bunzlau 3). 
Mit: e, {. Altzella. 
Altchemnisy, friiher jelbjtin- 
dige Landgemeinde, feit 1894 der 
Stadt Chemnitz einverieibt. 
Altchriſtliche Runjt nennt 
man den Zweig der unit, der 
fich in den erjten Zeiten des Chri⸗ 
—— in engem Anſchluß an 
Wig. 2. Silbervergoldeter Feldaltar eines Großkomturs des Deutſchen i Formen der romifden Kunſt 
Orbens (1388 im Elbing angefertigt, jegt tm Schloß zu Mariendurg). U der Größe. entwickelte. Weiteres ſ. Chriſtliche 
Altertumer, mit Tafel. 
die reformierte gum einfachen Abendmahlstiſch yuriid-| Altchriſtliche Literaturgeidichte, Disziplin 
gefehrt ijt. Die griechifche Kirche bedient ſich eines | der hijtorifden Theologie, die ſich von der Patrologie 
tifdartigen Ultars von Stein oder Holy und hat in oder Patriſtik (f. d.) dadurch untericheidet, dak jie 
der Regel in jeder Rirde nur einen A. Vol. Schmid, | nidjt mit dem der fatholifden Dogmatif entnomme- 
Der chriſtliche A. und fein Schmuck (Regensb. 1871); | nen Begriff des Kirchenvaters arbeitet, fonder die 
Miinzsenberger und Veiffel, Zur Kenntnis und ſchriftſtelleriſchen Erzeugniſſe des chriſtlichen Geiſtes 
Würdigung der mittelalterlicen Ultire Deutſchlands auf dem Boden der alten Welt unter rein literariſchen 
(Granth a. M. 1890 —1901),. Geſichtspunkten, ohne Rückſicht auf die lirchliche oder 
Altar de los Collanes, ef (fpr. totjanes, Capac | doqmatijde Parteijtellung der Verfaſſer und ihre Be⸗ 
Ureu), 5404 m bober Bulfan im der Djttette der urtetlung durch die Kirche, betradten will. Bearbei⸗ 
Stordilleren von Ecuador, 20 km ſüdöſtlich von Rio« | tungen lteferten fiir die Literatur der erjten Drei Jahr- 
bamba, mit gewaltigem Kraterkeſſel. Er war nad hunderte A. Harnad (bisher 2 Bde. in 3 Abt., eips. 
alter \nfatradition friiber höher als der Chimborayo, 1893—97) und G. ger (Freib. u. Leipz. 1895, 
foll aber bei einem Ausbruch im 15. Jahrb. zuſam- Nachträge 1898), fiir die ag ge Literatur 








mengeftiirst fein. Der erſten ſechs Jahrhunderte Batiffol (Bar. 1897). 
Itarfergen, ſ. Altar. Altdamm, ſ. Damm 1). 
Aitarfreny, |. Krusifir. Altdeutſch, Bezeichnung fiir alle’, was im Ent- 
Altarfteine, ſ. Dolmen und Opferiteine. widelungsgang der deutſchen Kultur der Zeit vor der 
Altartweble (Altartuch), ſ. Witar. Bgl. aud) Reformation angehört, namentlid) in Begug auf 
Quehle. | Sprache und Literatur, Kunſt, Sitte und tleideriracht. 
AltAuſſee, Dorf, f. Auſſee 1). Altdöbern, Flecten im preuß. Regbez. Frankfurt. 


Altazimut, aſtronomiſches Inſtrument zur Mef- Kreis Kalau, an der Staatsbahnlinie Lübbenau Ka- 
ſung der Höhe und des Azimuts der Sterne, nach menz, bat cine evang. Kirche, ein Schloß mit Bart, 
Reichenbach auch Univerſalinſtrument genannt, | cin Schullehrerſeminar, eine Spritfabrit, Sägemuhlen 
weil es die Vereinigung eines Höhen · und eines Azi⸗ und (1900) 1960 Einw. 
mutalinftruments Darjtellt. Es beftebt aus einem| Altdorf (Altorf), 1) Stadt im bayr. Regbez. Mit- 
Fernrobr, das um cine horigontale Achſe im Sinne | telfranfen, Besirfsamt Niirnberg, an der Schwarzach 





Altdorfer — Altena, 


und der Staatsbahnlinie Feucht-A., 446 m ii. M., 
bat 2 evangelijde und cine fath. Rirde, ein Schloß, 
Sehullehrerjeminar (im ehemaligen Univerjitits- 

ebiude), landwirtſchaftliche Winterſchule, Rettungs- 
pans, Taubjtummenanjtalt, Umtsgeridt, Forſtamt, 
jpopfenbau, Brongefabrif und (veo) 2867 Einw. — 
VL, bereits feit Dem 13. Jahrh. in Urkunden erwähnt, 
fumt 1508 an bas reidjsfreie Nürnberg und erbielt 
1575 ein Gymnajium, das 1623 zur Hochſchule er- 
hoben ward. Letztere wurde 1809, naddem Niirn- 
berg felbjt an Bayern gefallen war, —— Bal. 
Bohm, vos ggesey yy Prva Geſchichte Stadt A. 
(Riirnb. 1888). — 2) Ehemaliger Flecken in Württem⸗ 
berg, ſ. Weingarten. — 38) Dorf tm Unterelſaß, f. 
Dorlisheim. — 4) Hauptort des ſchweizer. Rantons 
Uri, ſ. Altorf 1). 

Wltdorfer, Albrecht, Maler, Architelt, Rupfer- 
ſtecher und Zeichner fiir den Formidnitt, qeboren um 
1480, gejtorben im Februar 1538 in Regensburg, 
wurde 1505 Biirger diejer Stadt, begann feine künſt⸗ 
leriſche Titigteit als Maler, indem er Ultarbilder und 
Landfdaften mit Figuren malte, in Kupfer 
ftad) und radierte und fiir Den Holzſchnitt 

idjnete, wobei er fid) ded nebenjtehenden 

Ronograntms bediente. Er gelangte bald zu 
foldjem Unfehen, daß er 1526 in den innern 
Rat qewahlt u. ſtädtiſcher Baumeijter wurde. 
Als folder baute er unter ander das nod erhaltene 
Sdladthaus (1527) und zwei Vajteien zur Vefejti- 
gung der Stadt. Seine künſtleriſche Bedeutung liegt 
vornehmlid) in der Uusbildung der Landſchaft, in die 
er durch die cigentiimlide Behandlung von Bäumen, 
Felſen mit herabhängenden Striudern ein phan- 
taſtiſches Element hineinbradjte. Seine Landſchaften 
find gewöhnlich mit bibliſcher Staffage verfehen. Seine 
Hauptwerle befinden fic) in der Münchener Pinatothet 
(Alexanders Sieg über Dareios), in Regensburg, in 
der fthalle gu Bremen (heilige Nacht) und im 
Muſeum zu Berlin (Rube auf der Flucht und Land- 
ſchaft mit Satyrfamilic). Mud) hat er Zeichnungen 
mit landfdajtliden Rompofitionen (ſchwarz und weif 
auf farbigem Papier) hinterlafjen. Bal. Frie dlän⸗ 
der, Ulbrecht W. (Leip; 1891). 

Altdorfer Wald, ſ. ae 

Alt-Drewik, Dorf im preuß. Regbez. Franffurt, 
Kreis Königsberg i. N., hat «900) 2197 Einw. 

Altẽa, Stadt in der fpan. Proving Wlicante, Be- 

irf Calloja de Enfarria, auf cinem Sigel unfern 
Meeresfiijte, hat einen Hafen, Wein und Rofinen- 
ausfubr, ijt Sig eines deutſchen Ronfularagenten und 
aro 5568 ye t Gainid 
Vurg, Berg, ſ. Hainid. 
Mite Burg (alte Schanze, Warte, alter 
Ball), f. Vefejtigungen, orgeldbidhtliche. 

Wltefabr, Dorf im preuß. Regbez. Stralfund, 
Kreis Riigen, auf der Ynjel Riigen, am Gellen oder 
Strelafund, Stralfund gegeniiber und an der Staatd- 
babniinie Stralfund-Gagnifs, hat eine evang. Kirche, 
Geebad und (1900) 759 Cinw. 

Mite Geographic, | Gilorige Geograph 

ographie, ſ. Hiſtoriſche Geograpbie. 

Alte A. H. A. H.), ehemalige Mitglieder 
E itglieder) ſtudentiſcher Verbindungen. 

u, Dorf, ſ. Eibau. 

Alteklãre (roman.), im Rolandslied Name des 
— Oliviers. 

e Land, das, ſ. Sort. 

Altels, Berg in den Berner Alpen, nordöſtlich 
vom Gemmipak, 3634 m hod. Wim 11. Sept. 1895 


A. Altes 
borfer. 


381 


ſtürzte ein Teil des auf ihm liegenden Gletſchers 
1500 m tief auf die am Gemmipaß liegende Spital- 
matte und verjdiittete 140 Stück Vieh mit 7 Hirten. 
Val. Heim, Die Gleticherlawine an der W. (Biir.1895). 
Altemaha River, Fluß im nordamerifan. Staat 
Georgia, von den Sildappaladjen aus Oconee und 
Denrulgee zuſammenfließend und im Oberlauf beider 
reid) an Stromfdjnellen und Waſſerkräften; er ijt 
540 km (bis Macon und Milledgeville) ſchiffbar und 
Seeſchiffen guginglid) und miindet bei Darien in 
Deltaform in den Atlantiſchen Ozean. 
{ten , norweg. Landjdaft, ſ. Altenfjord. 
Alten, Karl Auguſt, Graf von, hannöv. Ge- 
neral, geb. 20. Oft. 1764 in Burgwedel bet Hannover, 
ejt. 20. Upril 1840, Sprdfling eines altadligen Ge- 
chlechts, trat 1781 in den hannöverſchen Militärdienſt, 
machte die Feldzüge von 1793 und 1794 in den Nie- 
derlanden mit und ging 1808, nad) der Auflöſung 
der hannöverſchen Armee durd) Napoleon, nad —— 
land, wo er als Kommandeur einer leichten Briga 
in die deutſche Legion trat, mit der er den Expeditionen 
nad) Norddeutſchland, Rilgen und Kopenhagen bei- 
wobnte. 1808 zum General befordert, begleitete er 
Wellington sel Portugal und deckte den Rückzug 
Moores nad Coruiia. 1809 war er an der ungliid- 
lichen Unternehimung gegen BVliffingen beteiligt. 1811 
abermals nad) Portugal gejandt, nahm er unter Be- 
reSford an Der —— von Badajoz und der 
Schlacht von Albuera teil. Als Chef der leichten Di- 
vifion Wellingtons focht U. 1811—14 bei Salamanca, 
Vittoria, an den Pyreniien, bei Rivelle, Nive, Orthez 
und Touloufe. 1815 fommanbdierte er die Hannove- 
raner in ben Miederlanden, fodjt rubmvoll bei Qua⸗ 
trebra8 und ftand bet Waterloo im —— der 
engliſchen Armee; feine heldenmütige Verteidigung 
von La Haye⸗Sainte hielt den Un rit der Franjofer 
um mebrere Stunden auf. A. felbt ward ſchwer ver- 
wundet. Zum General der Jnfanterie ernannt und 
in den Grafenftand erhoben, ftand er als Komman⸗ 
deur Der Hannoveraner in Frantreid) bis gu deren 
Abzug 1818. Seitdem lebte er in feiner Heimat in 
ländlicher Stille, bis er 1831 mit Dent Portefeuille 
des Mrieges und Anfang 1832 aud) mit dem des 
Uuswartigen betraut ward. Nad) der Thronbejteiqun 
Ernjt Auguſts blieb A. im Amte, dod) behielt er, au 
feinen Wunſch des Portefeuilles des Außern enthoben, 
nur das Rriegsminijterium bei. Er ſtarb auf einer 
Reife zu Bozen in Tirol. Sein Standbild wurde in 
Hannover am Cingang des Waterlooplages auf- 
—— Bal. B.v. Alten, Stammtafeln des uradligen 
Spree von A., 1182—1889 (Berl. 1889). 
{téna, Kreisjtadt im preuß. Regbez. Arnsberg, 
an der Lenne, Knotenpuntt der Staatsbahnlinie Ha- 
gen-Betzdorf und der Eiſenbahn A.-Lüdenſcheid, 


153—244 m ii. M., hat 2evan- 
= 






gelifde und eine fath. Kirche, 
cine Shynagoge, ein Schloß 
agar gen y% @rafen von mia 
t Mart, jest Kranfenbaus) |. es 
mit gut erbaltenem Bergfried © fet 
18. Jahrh.), Kriegerdenfmal, — oo 
i8marddenfmal, Gro ymna⸗ 
ſium, Muſeum des i 
fiir Orts- und Heimatshunde 
des Silderlandes, Umtsgeridt, 
Handelsfammer, Reidsbant- 
nebenftelle und (900) 12,766 Einw. (Darunter 2172 
Ratholifen). Die bedeutende Fabriktätigkeit liefert 
Eijendraht, Cijen- und Meffinggupiwaren, Stabeijen, 





reins 


Bappen von Altena, 


382 


Rupfer-, Meffing-, RNictel- und Weifpbled, Sprung- 
federn, Riete, Shrauben, Drahtnägel, Nadeln, Ridel- 
miingplitiden, Patronenhülſen, Silber und Reu- 
filberwaren (befonders aud arp ) 2.3 aud 
bat A. Handel mit Metallwaren. — Der entſtand 
neben Der 1122 von Adolf IIT. von Berg errichteten 
Burg und erbhielt 1367 Stadtresht. Bgl. Vorlän— 
Der, Bilder aus Ultenas Vorzeit (Wit. 1871). 

Altenahr, Fleden im preuj. Regbez. Koblenz, 
Sreis Uhrweiler, an der Uhr und der Staatsbahn- 
linie Remagen-VUdenau, 160 m i. M., hat eine fath. 
Kirche, Rotweinbau (Uhrbleichart), Bleierzbergbau u. 
(1900) 898 Einw. Dabei die Ruine der 1714 zerſtörten 
Burg A. Bgl. Mind, Ultenahr (Lm; a. Rh. 1867). 

Altenau, eine der fieben Bergitidte im preub. 
Regbez. Hildesheim, Kreis Fellerfeld, an der Ofer auf 
dem Oberharz, 490 m it. V2, hat eine evang. Kirche, 
Oberförſterei, Berqbau und (1900) 2162 Einw.; nabe- 
bei Hiittenwerfe fiir Silber, Blei, Kupfer und Vitriol. 

MAltenbefen, Dorf im preuß. Regbez. Minden, | 
Kreis Paderborn, an der Bele, Knotenpuntt der | 
Staatsbabnlinien Soejt-Bosrfum, W.- Warburg, | 
Herford-A. und Hannover-VW., hat cine evang. Ka- 
pelle, eine fath. Kirche, Eiſenhütte. Schlok- und Zen⸗ 
trifugenfabrif und seo) 1593 Einw. Hier ftand einft 
die Irmenſäule (jf. d.). 

Wltenberg, 1) ebemalige Cijtercienferabtet im 
preuß. Regbes. Köln, Landtrets Mülheim, im Dhüntal, 
ſüdlich von Burſcheid, 1133 vom Grafen Eberhard 
von Berg geftiftet, 1803 aufgeboben. Die herrliche 
Sirde, 1255 geqriindet, wurde 1847 durch König 
Friedrich Wilhelm IV. rejtauriert. Bgl. die Schriften 
pon Montanus (Elberf. 1851) und Sdell (daf. 
1899). — 2) Bergitadt in der ſachſ. Kreish. Dresden, 
Umtsh. Dippoldiswalde, im Erzgebirge, 647 m it. M., 
hat eine evang. Kirche, Strobfledtidule, Sdyule fitr 
Cijenbahnbeamte, Amtsgericht, Zinngruben, Stroh- 
flechterei, Holzwarenfabrifation und (i900) 1750 Einw. 
— 8) Galmeiberqwerf, ſ. Moresnet. 

Wltenberge, Dorf im preuß. Regbez. Münſter, 
Kreis Steinfurt, an der Staatsbahnlinie Münſter- 
Enſchede, hat cine fath. Kirche, Bierbrauerei, Brannt⸗ 
weinbrennerei und (1900) 2851 Einw. 

Wltenbergen, Dorf in Sadjen-Gotha, bei Geor- 
genthal, mit (1900) 393 Einw. Dabei auf einer Höhe 
ein 9,5 m bober Randelaber von Ganbdftein, 1811 
an der Stelle erridhtet, wo ehemals die St. Johannis⸗ 
firdhe ftand, die angeblid) 724 von Bonifacius, in Wirk- 
lichfeit aber erjt 1041 erridjtet ward. Bal. Rolad, 
Der thitringifche Randelaber (Gotha 1855). 

Altenbochum, Dor; im preuß. Regbez. Urnsberg, 
Landfreis Bodum, hat eine evangelifde und eine 
fath. ſtirche, Steinfoblengruben und (1900) 6874 Einw. 

Altenbraf, Dorf im braunjdweig. Kreis Bian- 
fenburg, an der Bode tm Harz, hat eme evang. Ka— 

fle, Polsitofffabrit und (1900) 798 Einw. In der 

Rabe Das Jagdſchloß Todtenrode und die Ruine 
Sdhinebur g 

— — — ſ. Frauenbreitungen. 
Altenbruch, Kirchſpiel im preup. —— Stade, 
Streig Hadeln, unweit der Elbe und an der Staatd- 
bahnlinie Harburg-Kurhaven, hat eine evang. Rirde, 
Hafen, Seebad, Schiffahrt und aso) 2080 Einw. 

Altenburg, 1) Haupt- und Reſidenzſtadt des Her- 
zogtums Sacjen-Ultenburg, unweit der Pleiße, liegt 
178—-208 m ii. M. und tit Knotenpunft der Staats- 
babniinien Leipzig-Hof, U.-Zeis und W.-Langen- 
leuba. Das auy einem fenfrecht abjtiiryenden Bor- 
phyrfelien liegende Schloß, befannt durd) den ſäch⸗ 








Altenahr — Altenburg. 


ſiſchen Prinzenraub (f. d.), ftammt in feinen Grund- 
mauern wohl aus dem 10. und 13 Jabrh., wurde 
aber im 18. Jahrb. beträchtlich vergrößert und nad 
den Branden von 1864 und 1868 teilweife ernenert. 
Die Schloftirde, 1901 renoviert, war 1413—1533 
ein Stift lierter Auguſtiner⸗ Chorherren. Bon 
fonjtigen Gebduden find ju nennen: die St. Bartho- 
lomaitirche, die Briiderfirde (im Neubau begriffen), 
die fogen. Roten Spitzen (zwei verbundene Tiirme mit 
Staatsardiv, ein Reſt der im 17. Jahrh. verfallenen 
Rirde des 1172 von Kaiſer Friedrid) J. geqriindeten 
Auguſtinerkloſters), Das 1560—64 im deutiden Re- 
naifiancefti erbaute Rathaus, dad Muſeum mit Ge- 
mildegalerie und andern Sammiungen, die 1840 im 
gotijden Stil erbaute Für⸗ 
ſtengruft rc. Un Denkmälern 
befipt die Stadt cin Sieges⸗ 
denfinal von Profeſſor Fritz⸗ 
ſche, eit Raifer Wilhelm- 
Denfmal von Profeſſor Bar- 
wald und ein Brehm-Sdle- 
el-Denfmal. Die Rabhl der 
Ginn obner belief fid) 1900 
mit der Garnijon (ein In—⸗ 
fanterieregiment Yr. 153) 
auf 37,110 Geelen, davon 
35,966 Cvangelifde, 1019 
Ratholifen und 36 Yuden. UW. bat Fabrifation von 
Nähmaſchinen, Zigarren, Prepay Dilten, 
Uffordions, Biiriten, Metallwaren und Wollengarn, 
Geldſchrank· u. Majdinenbau, Cijen- und Metallgie- 
perei, chemiſche Fabrifen, Bierbraucrei, Gartneret 2x. ; 
Der Handel, unterjtiikt Durd cine Handelsfammer, 
eine ReidSbantnebenjtelle, die herzogliche Landesbant 
und andre Banfinftitute, ijt wichtig in Rolonialwaren, 
Landesproduften und Wollengarn. Bon Bi 
anjtalten bat die Stadt ein Gymnafium, cin Realgym- 
najium, ein Schullehrerſeminar, em i eme 
landwirtſchaftliche Schule x., ferner eine Sternwarte, 
eine naturforjd@ende und cine geſchichts u. altertums- 
forſchende Gefellidhaft des Oſterlandes xc. A. ift Sig 
der Landesbehdrden und eines Landgeridts (für die 
ſechs Amtsgerichte zu A., Eiſenberg, Kahla, Roda, 
Ronneburg und Schmölln), eines Generalfuperinten- 
denten, des Landratsamts fiir den Ojttreis A. und 
eines Hauptiteueramts. Die ſtädtiſchen Behörden 
zählen 9 Magiſtratsmitglieder und 36 Stabdtverord- 
nete. — A., zuerſt 980 urfundlid) erwähnt, wurde 
im 12. Jahrh. reichsunmittelbar. Auf der dortigen 
Burg hatte cin Burggraf feinen Sig. Kaiſer Fried- 
ric) IL. verpfindete Vi. an UWlbrecht den Entarteten 
von Meißen. Rac) dem Ausſterben der Burggrafen 
von A. ernente Kaiſer Ludwig 1329 die Berpfandung, 
und feitdem blieb A. bei Meigen. Durd die Huffiten 
wurde A. 1430 niedergebrannt. 1445 fam es durch 
Erbteilung an Kurjadjen. Die Reformation wurde 
ohne Schwierigleit in A. eingeführt, beſonders ſeit 
Spalatins Anſtellung als Pfarrer und Superinten⸗ 
dent. Vom 20. Oft. 1568 bis 9. März 1569 war bier 
cin Rolloquium zwiſchen den ſächſiſchen Theologen 
wegen Beilequng der fynergiftifden Streitigteiten. 
Bon 1603—72 war VW. Reſidenz der fogen. Alten⸗ 
burger Linie des Erneſtiniſchen Hauſes; dann ward 
es wieder 1826 Reſidenz durch die Ubderfiedelung des 
Herzogs Friedric von Hildburghaufen. Bgl. Huth, 
Geſchichte Der Stadt A. zur Heit threr Reichsummittel- 
barfeit (Altenb. 1829); Löbe, Geſchichtliche Beſchrei⸗ 
bung Der Reſidenzſtadt A. (3. Aufl., daf. 1881); 
Braun, Die Stadt A. in den Jahren 1360— 1525 (da. 





BWappen von Alten 
burg. 


Wltendorf — Altenftein. 


1872); Derjelbe, Erinnerungsblatter aus der Geſchichte 
Wltenburgs 1525 —1826 (daf. 1876). — 2) Mart, 
ſJ. on ch⸗Altenburg. — 3) Ruine, f. Bamberg. 

Wltendorf, 1) friiher Landgemeinde im preuh. 
Landkreis Efjen, 1901 der Stadt Effen einverleibt. 
— 2) Gemeinde im preup. Regbez. Arnsberg, Kreis 
Hattingen, an der Ruhr, Knotenpuntt der Staats- 
babniinien Heißen -Steele und U.-Dabhlhaujen, hat 
eine fath. Rirde, Steinfohlenbergbau und (1900) 3435 
Ginw. — 3) Dorf im prenk. R in, Kreis 
Ratibor, hat cine neue fath. Rirde, Brifetts und 
fyeucrangiinderfabrifation und (1900) 4642 Einw. Die 
Gingemeidung de Ortes in Ratibor fteht in Wus- 
ficht. — 4) Fruͤher felbjtindiges Dorf, feit 1900 der 
Stadt Chemnits einverleibt. 

Alteneſch, Dorf im oldenburg. Amt Delinenhorit, 
an der Wejer, mit 900) 279 Cinw., iſt hiſtoriſch merk⸗ 
wiirdig durch die Niederlage der Stedinger durd) dic 
Kreuzheere 27. Mai 1234. 

Alteneſſen, —— im preuß. i 
Diijjeldorf, Landkreis Eſſen, nördlich von Effen, 
tenpunft der Staatsbahnlinie Duisburg - Hamm und 
anbdrer Linien, hat eine —— und 2 fath. Rir- 
den, eine Bergvorſchule, ein Waifenhaus, Steinfoh- 
lenbergbau, Gewinnung von Steinfohlenproduften, 
Eiſengießerei, Maſchinenbau, Ziegeleien und (1900) 
28,668 Einw. 

Altenfjord, Meerbuſen an der Küſte des —* 
Amtes Finmnarfen, ſüdlich von Hammerfeſt. 
ſeinen Ufern in der Landſchaft Alten findet ſich eine 
verhãltnismäßig reiche Vegetation. Der Fjord wird 
gegen N. burd große Inſeln, darunter Seiland (jf. d.), 
geſchützt; Kupferwerk in Kaafjord. 

Altengland (Old England), bei den Englän— 
Dern Bezeichnung ihres Vaterlandes (des cigentlicdjen 
England mit Ausſchluß von Wales), als des Landes 
der alten Gitte und ded alten Ruhmes. ratur. 

Altengliſch, ſ. Angelſächſiſche Sprade und Lite 

Altengrabow , Truppeniibungsplag des 4. Ar⸗ 
meeforps im preuß. Regbez. Magdeburg, Kreis Jeri- 
Gow I, an der Kleinbahnlinie Burg-Fiefar. 

Altenhagen, friiher Dorf im preuß. Landkreis 
eye: 1901 der Stadt Hagen einverieibt. 

Itenheim, Landgemeinde im bad. Kreis und 
Wmt Offenburg, im Rheintal, Knotenpuntt der Straß⸗ 
burger Strajenbahnen, hat eine evang. Kirche, Ta— 
bafbau, abiding gt und (1900) 2311 Ginw. 

Wltenhundem, Dorf im preuh. Regbez. Urns- 
— Kreis Olpe, an der Miindung der Hundem in 
die Venne, Knotenpuntt der Staatsbahnlinien Hagen- 
Betzdorf und A.-Fredeburg, hat Eiſenerzbergbau, 
Hochöfen, Hammerwerke und (1900) 1718 Einw. 

AltenFeffel, Kolonie, sur Gemeinde Püttlingen 
(j. 0.) gehörig. 

Altenkirchen, 1) Flecken und ſtreisort im preuß. 
Regbez. Koblenz, an der Wied, im Weſterwald, Kno— 
tenpunkt der Staatsbahnlinien Siershahn -A. und 
Un- Staffel, hat eine evangeliſche und eine fath. 
Rirde, Synagoge, Amtsgericht, Oberförſterei, Pa— 
pier⸗, Bürſten⸗ und Metallwarenfabrikation und (1900) 
2044 meiſt evang. Einwohner. — A. ijt der ehemalige 
Hauptort der Grafſchaft A., die erſt im Beſitz der Gra- 
fen von Gayn, feit 1741 der Marfgrafen von Ans— 
bad), feit 1802 de3 Hauſes Naſſau⸗-Uſingen war und 
1815 an Preußen fiel. Hier 4. Juni 1796 Sieg der 
Franzoſen unter Riéber über die Ojterreidjer; am 19. 
Sept. 1794 ſiegreiches Gefecht der letztern, in dem 
Marcear fiel. — 2) Flecen auf der Inſel Riigen und 
Hauptort der Halbinjel Wittow, an der Kleinbahn 


n | der frither 


383 


Vergen-A., hat eine evang. Kirche, an welder der 
Dichter L. Th. Koſegarten 1792—1808 Pfarrer war, 
und (1900) 632 Einw. 

Altenplathow, Dorf im preuß. Regbez. Magde- 
burg, Kreis Jeridow I, an der Genthiner Kleinbahn 
und am Plauenſchen Kanal, hat cine evang. Kirche, 
Oberfiriterci, Sdrotfabrifation, Dampfmabhl- und 
— und (1900) 2255 Einw. 

ltenſtadt, Flecken in der heſſ. Provinz Ober— 
heſſen, Kreis Büdingen, unweit der Nidder, hat eine 
evang. Kirche, Obſtbau (Äpfel), ein Amtsgericht und 
(1900) 1111 Einw. 

Altenſteig, Stadtim wiirttemberg. Schwarzwald⸗ 
frei8, Oberamt Nagold, an der Nagold und der Staats- 
bahnlinie Nagold⸗A., 371 m ii. M., hat eine evang. 
Rirde, ein Schloß, Oberförſterei, Sohlieder- und Sil⸗ 
berwarenfabrifation, Wollfpinneret, Bierbrauerei 
und (1900) 2272 Einw. 

Altenftein, Lujtidlof de3 Herzogs von Sachſen⸗ 
Meiningen, mit großem Part, liegt auf dem fiidwejt- 
liden Ubhang des Thiiringer Waldes, bei Bad Lie- 
benjtein, 426 m iit. M. Das Schloß, auf einem Fel- 
jen jtehend, wurde im 18. Jahrh. neu gebaut und in 
jüngſter Beit reftauriert. Die Altenſteiner oder 
Glidsbrunner Dolomithihle (etwa 200 m 
lang) wurde 1798 entdedt. Nahe bei U. ijt die Stelle, 
wo Luther, von Worms guriidfehrend, 4. Mai 1521 
ergriffen und auf die Wartburg gebradt wurde. Von 
dort ftehenden Buche, unter der Lather 
ausgeruht und fid) durch einen Trunt aus der nahen 
Huelle (> Qutherbrunnen«) geſtärkt haben foll, ijt mur 
nod ein Stumpf vorhanden. Auf dem Platz ein 
Denfmal. 


Altenftein, Karl, Freiherr von Stein gum, 
preuß. Staatsminifter, geb. 7. Oft. 1770 in Unsbad), 
aus einer alten, bereits im 9. Jahrb. urfundlid er- 
wähnten Familie Franfens, gejt. 14. Mai 1840, ftu- 
dierte in Erlangen und Gittingen die Rechte, trat 
dann al Referendar bei ber preußiſchen Kriegs- und 
Dominenfammer zu Unsbad ein, ward ſchnell zum 
Kriegs⸗ und Domiinenrat befdrdert und 1799 von 
Hardenberg in das Minijterium nach Berlin berufen. 
Nad) der Katajtrophe von 1806 folgte er dem König 
nad Preufen und trat 1808 nad Steins Abdankung 
alg Finangminijter an die Spitze der Verwaltung, in 
der er fid) mannigfade Berdienjte, jo and) bet der 
Griindung der Univerjitét Berlin, erwarb. A. war 
aber trop quten Willens nicht im ftande, die Reorqa- 
nifation des Staates durchzuführen; er geriet vielmehr 
unter den Einfluß der Partei, welcher die Steinjden 
Reformen viel ju weit gingen. Unter feiner gewiſſen— 
haften AÄngſtlichkeit geriet dic ganze Reform ins Storten, 
und A. wurde, als er zur Unfbringung der —— 
ſchen Kriegskontribution dem König ſogar den Vor— 
ſchlag machte, Napoleon ſtatt derſelben die Abtretung 
Schleſiens anzubieten, entlaſſen (1810). Darauf lebte 
A. zurückgezogen in Schleſien, gu deſſen Zivilgouver⸗ 
neur er 1813 ernannt wurde. 1815 war er mit Wil- 
helm v. Humboldt bei Reflamation der von den Fran- 
zoſen aus Preußen entfiihrten Kunſtſchätze in Karis 
tiitig. 1817 trat er ald Chef des neuerridteten Minijte- 
rinms fiir den Unterricht und die geiſtlichen Angele— 
genheiten wieder in das Staatsminijterium ein. Diefe 
widtige Stellung hatte A. 20 Jahre lang inne und 
erwarb fid in ihr, unterjtiigt durch Siivern und Jo— 
hannes Schulze, unjtreitig bedeutende Verdienſte, be- 
ſonders durd das Unterrichtsgeſetz von 1819, die 
Grundlage de3 preufifden Unterridhtswejens. Dies 
Geſetz umfapte den gefamten Elementarunterridt auf 


384 


dem Land und in den ein- und mehrklaſſigen Stadt- 
ſchulen ſowie den fogen. höhern Unterridjt der Gym- 
uafien und der Seminare jur Ausbildung der Cle- 
mentarlebrer. Das Berhaltnis aller diefer Schulen 

Staat und gu den Gemeinden wurde 


ju ihrer Erhdhung fowie sur Griindung von Pen⸗ 
ſions⸗, Witwen⸗ und —— pelt zu bewegen. 
Beſondere Sorgfalt verwendete Vl. auf die Univerſi— 


tãten, Bonn wurde neu gegründet, Hegel nach Berlin 


berufen, überhaupt die Berufung hervorragender Ge- 
lehrten, wenn auch unter einſeitiger Be —— der 
Hegelianer, gefördert. Der umſichtigen Förderung des 
Unterridtswejens entſprach die Fürſorge fiir die geiſt⸗ 
liden Ungelegenheiten. Es gelang ihm verhältnis— 
mãßig leidt, die Unionsitreitigfeiten beizulegen; hef⸗ 
tiger jedod) und fiir die Regierung nadteiliger war 
der Ugendenjtreit, in dem die Sprecher der Rirdhe den 
Staat geradezu der Ungeredtigleit und Gewalttitig- 
feit anflagten. Wtit ihm in Berbindung ſtand das 
pag! cure gegen die Ultlutheraner, bei dem es fogar 
gu Gewaltmapregeln und Ubfegungen fam, Mit der 
fatholifden Rirde wußte er viele Jahre hindurch ein 


gutes Verhältnis aufredt gu erhalten; den Ausgang 
des Durd) Die Auflehnung der Erzbiſchöfe Drojte zu 


Vifdering don Köln und Dunin von Pojen gegen die 
firepenbopeitlidyen Redhte ded Landesherrn entitande- 
nen Zwieſpalts gwifden dem Staat und der Rirde 
erlebte er nicht mehr; {don an den legten Verhand⸗ 
lungen mit den Erjbifddfen wegen Rranfheit und 
Wltersfdwade nicht mehr beteiligt, nahm er im De- 
zember 1838 feinen Abſchied. 

Altenteil (Ultvaterredht, Uusjzug, Uustrag, 
Altſitz, Leibsudt, Leibgeding), die —— 
liche Verſorgung, die ſich der Übergeber eines länd— 
lichen Anweſens (Altſitzer, Auszügler, Leibzüchter) 
bei Der Gutsabtretung in Dem Gutsüberlaſſungsver⸗ 
trag (Altenteilsvertrag) fitr fid und jeine Frau 
ausbedingt. Der U. befteht gewöhnlich in freier 
BWohnung, Beheizung und emery fowie in Ge- 
wabrung an Lebensmitteln, die Das Anweſen felbjt 
hervorbringt, wie Mild, Cier, Fleiſch, Objt x. Nad 
den meiſten Landesgeſetzen ijt 
rielle Veriautbarung derartiger 


3ugs- oder Über⸗ 
absvertrige ndtig ; § 873 des deutie 


en Bürgerlichen 


ſetzbuchs verlangt epee in das Grundbud, | 
o 


falls der A. als Reallajt gelten ſoll; Verjährung der 


eingelnen Leijtungen tritt nad 4 Jahren ein (§ 197. 
des Bürgerlichen Geſetzbuchs). Stirbt der cine Ehe- | 


teil weg, fo erhalt der tiberlebende wohl die ganze 
BWohnung, aber nur die Halfte der Naturallerjtun- 
Fe Durd Urtifel 96 des Cinfiilhrungsgefesed zum 

iirgerlichen Geſetzbuch find die landesgelepliden 
Boridriften fiber derartige Verträge aufredt erhal- 
ten, foweit dieſe das fid) aus dem Bertrag ergebende 
Schuldverhältnis fiir den Fall regeln, daß nicht be- 
jondere BVereinbarungen getrojfen werden. In man- 


den Teilen Deutſchlands ijt es auch üblich, fiir ver: | 
friippelte Kinder oder fiir foldje, Die aus irgend einem | 
daut bald jede Urt von Nahrung. Die ſinnlichen 
einen dieſem UW. nadgebildeten Vertrag zu ſchließen 


andern Grund unfiibig find, fic) felbjt zu erbalten, 


und im Grundbuch eintragen i lajjen, damit diefel- 
ben ftets mit Wohnung und Rabrung verforgt find. 
Wan nennt died > jum Saus suidreiben«. Das djter- 
reichiſche allgemeine bürgerliche Geſetzbuch bat das 
Uusgedinge nicht befonders geregelt, es ijt des halb nad 
den allgemeinen Grundfagen ded 17. Hauptitids ded 2. 
Teils gu beurteilen. Bgl. Runde, Die Rechtslehre von 





mt eordnet, | 
bie Bejoldungen wurden geregelt, und A. ſetzte den 
ganzen Einfluß de3 Staates bette ein, Die Gemeinden | 








eridjtlicde oder nota⸗ 
Mus Kauen aber wird das Kind erjt gefdict mit dem Ein⸗ 





Altentei! — Wlter, 


der Leibzucht oder bem U. (Oldenb. 1805); Fromm. 
hold, Die redhtlide Natur de3 Unerbenredtes (Bresl. 


1885); Soergel, Dads bäuerliche Erbrecht in Bayern 
und fein Einfluß auf die ſozialen Verhältniſſe (Ansb. 


Altenteilsvertrag, {. itenteil. [1892). 

Altenwald, Weiler, zur Gemeinde Sulzbach 
(f. d.) im preuß. Kreis Saarbrücken gehörig. 

Altenweddingen, Dorf im preuß. Regbez. Magde⸗ 
burg, Kreis Wanzleben, an der Staatsbahnlinie 
Schonebeck⸗ Blumenberg, hat eine evang. Kirde, Kall⸗ 
und iegelbrennerei und (1900) 2303 Einw. 

Altenzaun, Dorj im preuß. Regbez. Magdeburg, 
Kreis Ojterburq, nabe der Elbe, 190 Einw. Hier 
a Port 26. Ott. 1806 in langerm Gefecht 
den Ubergang des Herzogs von Weimar über die Elbe 
bei Sandau gegen den naddringenden Marjdall 
Soult (Dentmal am Dorje). 

Wltengelle, ſ. Altzella. 

Alter. Jn der Phyſiologie die Zahl der ver- 
lebten Jahre und der dieſer Zahl entipredende Ent- 
widelungszujtand des Körpers und Geijtes. Bytha- 
goras nabm vier Entwidelungsjtufen (Le bens alter) 
an, jede gu 20 Jahren, Solon und Macrobius teilten 
das Leben in zehn Lebensalter, jedes ju 7 Jabren, 
entipredjend der alten Lehre von den Stufenjabren 
(anni cyclici oder climacterici), von denen jedes einen 
Seitraum von 7 Jahren umfaſſen foll. Jetzt unter 
ideidet man das Kindesalter, die Jugend, dad Wan- 
negalter und das Greijenalter. Das Fötalleben 
leqt der Menfd) im Mutterleib zurück. Mit dem Tage 
der Geburt bat er bei normaler er der Schwanger- 
ſchaft diejenige Reife erlangt, um ſelbſtändig fortzu⸗ 
leben, Nahrungsmittel in fic) aufzunehmen und zu 
afjimilieren fowie gu atmen. Näheres ſ. Rind. Die 
erjte Zeit nad der Geburt a das Rind größten⸗ 
teils tim Schlaf gu. Sein Leben beſchränkt ſich welent- 
lich auf den Fortgang der vegetativen Verrichtungen. 
Ullmahlid) zeigen ſich die erjten Spuren der Sirmes- 
tãtigleit. Dre willfiirliden Bewe en find anfangs 
ungefdidt, nur allmablid lernt das Rind feine Mus- 
feln zweckmäßig gebraudjen. Das Hers arbeitet ſehr 
lebbaft, durchſchnittlich macht es 140 Sdlage im der 
Minute. Mit dem Durchbruch der erjten Zähne (Mild 
zähne) wird das Säuglingsalter abgefdlofjen, zum 


tritt Der Baclenzähne; dann erjt erwadt das Bedürj⸗ 
ni8, andre Nahrung ju fid) gu nehmen als Mutter⸗ 
mild. Mit dem Hervorbredjen der Milchzãhne beginnt 
aud) Die regere Entwidelung des ganzen Rmoden- 
fyjtems. Die Entwidelung der Muslkeln Halt mit der 
der Knochen gleidhen Sdritt, das Rind lernt fermen 
Kopf aufredt balten und fann mit 5 —6 Wonaten 
aufrecht figen; bald verſucht es auch zu kriechen, aber 
erſt im 10. oder 11. Monat lernt es ſtehen und nad 
Berlauf des 1. Jahres geben. Yn der Heit nad dent 
Durdbrud der eriten Zähne fdreitet das Wacdhstum 
des Körpers, die Entiwidelung ded Sfeletts und der 
Musleln immer nod ſchnell vorwärts, dod nidt gany 
jo ſchnell wie im Sauglingsalter. Die Verdauungs⸗ 
organe werden frajtiger, Das Rind verträgt und ver⸗ 


Wahrnehmungen werden ſchärfer und beſtimmter, es 
zeigen fid) die erjten intelleftuellen Requngen, nament- 
lid) aber lernt bas Rind, fobald es etwa 1,5 Jabr 
jurtidgelegt bat, allmablich aud) fpredjen. Die Grenze 
des frithern Rin desalters wird bezeichnet durch den 
Ausfall der Milchzühne und den beginnenden Durch⸗ 
bruch Der bleibenden Hiihne, der in dad 7. Lebensjahr 
zu fallen pflegt. Jm KRnabenalter, das bis jum 


Alter (phyfiologijd, rechtlich). 


€Eintritt der Mannbarkeit dauert, wird der Körper 
ſchlanker; mit größerer Ausbildung der Knochen neh- 
men aud) Kraft und Gewandtheit der Bewegungs— 
organe ju; die Spradje bildet fid) mehr und mehr 
aus, und der Gejang fängt an, fid) gu entwideln; 
Die Geijtestitigteit gewinnt eine bejtinuntere Richtung; 
das unbewupte Auffaſſen der äußern Eindrücke ver- 
wandelt fid) in ein beabſichtigtes Lernen; der Geijt 
richtet fid) mit Selbſtbeſtimmung auf die — und 
ſucht ſie ſich anzueignen, unterſtützt durch Neugierde 
und Wißbegierde, durch den Trieb, ſich zu beſchäſtigen 
und es den Erwachſenen nachzutun, wozu ſich dann 
ſpäter auch die Freude am Wiſſen geſellt; der Verſtand 
fängt an zu ſondern, zu — den Grund der 
Dinge zu erforſchen; die Einbildungskraft ſchafft ſich 
Ideale von Größe und Tapferfeit; das Ehrgefühl ſtei— 
gert ſich, das Gedächtnis erreicht nach und nach einen 
immer höhern Grad, es erfaßt leicht und behält das 
Erfaßte für das 38 Leben, ſo daß in dieſem A. die 
Grundlage fiir alles künftige Wiſſen gelegt wird. In— 
folge des ſchnellern Wachstums des Körpers —— 
fic) auch das Bedürfnis der Nahrungsaufnahme. Der 
Puls hat nur 80—90 Schläge in der Minute. Das 
Yiinglingsalter reidt von der beginnenden Ent- 
widelung der Beugungstraft (Rubertdt) bis zur Be— 
endiqung des Wadstums, aljo beim mannliden Ge- 
ſchlecht vom 16.—17. bis gum 23., beim weibliden 
vom 14. bis gum 20. Jahr. Das Wachstum geht im 
Anfang diefes Lebensalters meijt ſchnell vorwarts und 
madt, befonders wenn es zuvor nidt bedeutend vor- 
geriidt war, einen neuen Schuß, bisweilen 10—16 cm 
im einem Jahre. Das Uufhdren des Längenwachs— 
tums tritt int 20.—30. Jahr ein. Die mittlere Gripe 
beim mannliden Gefdlecht beträgt dann 1,57-—1,73m, 
beim weiblidjen 1,4¢—1,62 m, die Schwere etwa 55— 
65 kg. Dod) pjlegt die — damit ihren Höhepunkt 
noch nicht erreicht zu haben. Im ganzen nimmt in 
dieſem A. die Größe des Körpers ungefähr um 26— 
31 cm, das Gewicht aber ungefähr um 30 kg gu. 
Ropf, Baud) und Extremitäten treten mehr zurück bei 
jtarterer Entwidelung der Bruſt, des Kehlfopfes und, 
namentlich beim weibliden Geſchlecht, des Bedens. 
Die Stimme erleidet cine Veränderung, und die Bu- 
bertat (f. d.) tritt auf. Mit diejen forperlidjen Ver— 
dnderungen gehen aud) folche der pſychiſchen Tatig- 
feiten einher. Gedächtnis, Berjtand und lrteilsfraft 
reifert mehr Heran, befonders aber erlangt die produl- 
tive Cinbildungstrajt ein hohes Ubergewidt. Das 
Mannesalter gerfallt in das junge, reife und höhere. 
Das erjtere beginnt mit beendigtem Wadstum, gegen 
das 24. Jahr. Ulle firperliden Syiteme ſtehen zu— 
einander in einem vollfonmmenen Berhaltnis, Auf— 
nahme der Stojffe der Außenwelt und Abgabe an die- 
felbe treten mehr ing Gleidhgewidt; das Wachstum in 
die Lange Hirt auf, Dagegen nimmt der Körper mehr 
an Breite und Dice zu. Das Zeugungsvermögen tit 
in Diejem A. zur vollen Entfaltung gelommen. Mit 
dem 28.— 36. Sabre tritt die cigentlide Hohe des 
Lebens cin und mit ihr das reife Mannesalter. Wile 
phyſiſchen und pfychiſchen Verridjtungen gehen in die 
fer Periode mit voller Kraft vor fid. Im ſpätern 
WanneSalter treten dann Seiden der Ubnahme des 
Körpers cin, das Gedidtnis und das Vermögen der 
Rezeption werden ſchwächer, die Bewegungen geſchehen 
nidt mehr mit der Leidhtigfeit wie früher, es bejteht 
Meiqung zur Fettleibigteit. Bei Frauen erliſcht in der 
Mitte der 40er Jahre die Menjtruation und damit das 
Zeugungsvermögen (ſ. d.); beim Mann bleibt legteres 
bis in Die 50er Jahre und langer erhalten. Ungefahr 
Meyers Ronv.«Lerifon. 6 Mu, J. Ads. 


385 


mit dem neunten Lebenszyflus endlid) beginnt das 
Greifenalter. Die Körpergewebe beginnen zu 
ſchrumpfen, die Zahnhöhlen werden eingezogen und 
Daher die Zähne jelbjt loderer; fie nugen ſich ab, fal- 
fen aus. Die Zeugunggorgane jdrumpfen ein; dic 
Blutbildung ijt ſparſamer; die Abſonderung der Drit- 
fen geht weniger fraftiq vor fid); die Sinnesorgane 
verlicren an Schärfe; es ſchwindet die Kraft der will- 
fiirliden Bewegungen; der Puls finft bis auf 60 
Schläge in der Minute; die Ernahrung wird ſchwä— 
cher, aud) die innern Ginne werden jtumpfer; das Ge- 
dächtnis nimmt inumer mehr ab, Halt am wenigiten 
Die Ereignijfe der Gegenwart und nur nod) die aus 
der Vergangenheit fejt; die geiltige Tätigleit und die 
Geſchäftigleit nehmen ab, Gleidgiiltiqtcit und Wjfett- 
loſigkeit treten an die Stelle friiherer Neigungen und 
Begierden; die Neiqung gum Sdlaf nimmt ju, der 
Schlaf ſelbſt aber ijt weniger rubig und filrger. 

Bur Erreidung eines hohen Ulters find vor 
allem cine gute, midjt durch angeerbte Febler und 
Krankheitsleime getriibte Ronjtitution und eine der Ge- 
fundbeit angemejfene Lebensweiſe erforderlic) (ſ. Da- 
frobiotif). Klima und Wohnort find darauf nicht ohne 
Einfluß. In Deutidland erreiden die Menſchen des 
Klimas halber nur felten das höchſte Biel des menſch— 
lichen Alters, während in hod) liegenden, mäßig fal- 
ten und trodnen Gegenden, 3. B. in Sdhotiland, Däne⸗ 
mart, Sdweden, Ungarn und im fiidliden Rufland, 
verhiltnismapig mene alte Leute vorfommen. Die 
faufafifde Rajje fdheint eine größere Lebensdauer ju 
haben al3 die mongolijde und malaiifde. In der 
Mehrzahl werden die Weiber alter als die Männer. 
Im Durchſchnitt werden 178 Frauen auf 100 Män— 
ner iiber 90 Jahre und 155 Frauen auf 100 Manner 
über 100 Sabre alt. Sn vielen Familien erbt die 
Fähigleit, ein hohes A. gu erreichen, jahbrhundertelang 
fort. Das höchſte U., das (iiber in der Bibel an- 
gefiihrte Beiſpiele f. Seth) bis jest Menſchen erreidt 
haben follen, betragt 185 Jahre, dod) fehlt es dieſer 
und ähnlichen Angaben an geniigender Veglaubi- 
gung. Sehr bezeichnend iſt, daß die höhern und höch— 
ſien Stände nur wenige Beiſpiele eines Alters von 
100 Jahren und darüber aufzählen finnen, obſchon 
die Durchſchnittsdauer bei ihnen gerade am größten 
iſt. Faſt alle Beiſpiele von A. über 110 Jahren ge— 
hören niedrigen und dürftigen Lebensverhältniſſen 
an. Unter den gekrönten Häuptern erreichte nur Papſt 
Gregor IX. ein A. von beinahe 100 Jahren; unter 
den Gelehrten erreichten Fontenelle, Grolman, Che— 
vreul (103) ein gleiches A.; Hippokrates lebte 104 
Jahre. Auffallend viele Beiſpiele eines hohen Alters 
bietet die Künſtlerwelt dar. Michelangelo z. B. wurde 
90, Tizian faſt 100 Jahre alt. Nach Baas wurde das 
höchſte A. erreicht von der Franzöſin Marie Piou, die 
1838 im A. von 158 Jahren geſtorben iſt. Thomas 
Parr ſtarb 1635 im W. von 152 Jahren. Statiſtiſches 
j. »Sterblidfeite. Vgl. Wadernagel, Die Lebens- 
alter (Baſel 1862); Jaf. Grimm, Rede über das W. 
3. Unjl., Berl. 1865); Sadneidewin, Cicero und 
Jakob Grimm iiber das YW. (Hamb. 1893); Beneke, 
Die Ultersdispofition (Marb. 1879); Mühlmann, 
Uber die Urjache des Alters (Wiesbad. 1900); Fried. 
mann, Die UWlterSverinderungen (Wien 1902). 

INechtliche Bedeutung ded Wlters.] Der Einfluß 
deS Ulters auf die geiſtigen und fdrperliden Fähig— 
feiter Des Menſchen wird auch im Recht und im Rechts— 
leben anerfannt. Rad) dem Vorgang des römiſchen 
Rechts werden in Unfehung der Handlungsfabiqteit 
einer Perſon in allen Gefeggebungen zwei Alters— 

25 


386 


tuſen untericdieden, indem man der Groß- oder 

olljabriqfeit(Majorennitat, aetas legitima) 
die Minderjährigkeit oder Minorennitat g¢e- 
qeniiberjtellt. Rach dem Biirgerliden Gefegbuch tritt 
die Bolljahrigfeit mit dem vollendeten 21. Lebens- 
jabr cin; jedoch fann, wer das 18. Lebensjabhr voll- 
endete, durch Beſchluß de3 Vormundſchaftsgerichts 
fiir volljährig erflart werden, wenn died fiir fein 
Beſtes als forderlich erſcheint und er felbjt fowie fein 
Gewalthaber cinwilligten. Der Minderjahrige ijt 
nad dem Biirgerlichen Geſetzbuch bis zum vollendeten 
7. Lebensjahr »geiddaftsunfahig«, ſpäter in der Ge- 
ſchäftsfähigleit beſchränkt und gwar folgendermafen: 
er bedarf der Regel nach zu einer Willenserklärung, 
durch die er nicht lediglich einen rechtlichen Vorteil er⸗ 
langt (alfo z. B. aud zur Annahme einer Schenkung 
unter Auflage), der Einwilligung ſeines geſetzlichen 
Vertreters. Er bedarf der Einwiligung ausnahms- 
weiſe nicht, 1) wenn er die vertragsmäßige Leiſtung 
mit Mitteln bewirkt, die ihm gu dieſem Swed oder zu 
freier Verfügung von dem Vertreter oder mit deſſen 
Zuſtimmung von einem Dritten — oder 
2) wenn er, von dent Vertreter mit ehmigung 
des Gerichts jum felbjtindigen Betrieb eines Er— 
werbsgeſchãfts ermächtigt, etwas vorninmt, was der 
Betrieb dieſes Erwerbsgeſchäfts mit ſich bringt und 
nicht etwa auch für den Vormund vom Gericht zu 
—— fein würde; oder 3) wenn er, von Dem 

ertreter ermächtigt, in Dienjt ober Urbeit zu treten, 
etwas vornummt, was der Eingehung oder Aufhebung 
eines Dienſt⸗ oder Urbeitsverhaltnifjes der gejtatteten 
Art oder die Erfiillung der aus einem folden Ber- 
haltnis ſich ateien Beiaten en betrifft. Nicht 
berührt werden jedoch durch dad Bürgerliche Gejep- 
buch diejenigen hausverfaſſungsmäßigen und landes⸗ 
geſetzlichen Beſtimmungen, die den Beginn der Voll- 
jährigleit (und damit der Regierungsfabhigleit) fiir die 
Mitglieder derjeniqen Familien bejtimmen, die jest 
landeSherrlid) find oder nod) nad 1815 landesherr- 
lid) waren (rt. 57 des Einführungsgeſetzes zum Bür⸗ 
gerlichen Geſetzbuch). Wis Volljährigkeit ijt hier 3. B. 
m Ojterreid) das vollendete 16., in Bayern, Braun: 
idweig, Oldenburg, Breufen, Sachſen und Wiirtten- 
berg das vollendete 18., in Medlenburg das vollendete 
19. Lebensjahr bejtimmt. 

Beſondere Voridriften gelten ferner bezüglich der 
Ehemiindiqteit, die nad dem deutiden Perjonen- 
ſtandsgeſetz vom 6. Febr. 1875 in feiner vom 1. Jan. 
1900 an geltenden Faſſung bei dem männlichen Ge- 
ſchlecht mit Dem vollendeten 21. und bei dem weib- 


lichens mit Dem vollendeten 16. (in Ojterreich fiir beide | 
Geſchlechter mit dem vollendeten 14.) Lebensjabhr ein: | 


triti. Befreiungen find zuläſſig. Cheliche Kinder be- 


Diirfen zur Eheſchließung bis sur Vollendung des 21. | 
Lebensjahrs oder bis zur Vollyabrigteitserflarung der | 


Einwilliqung des Vaters, nad dem Tode des letztern 


der Einwilliqung der Mutter. Sind beide Eltern ver: | 
jtorben, fo bediirfen Minderjabrige der Einwilligung 


des Bormundes. Uneheliche Kinder werden wie vater- 
lofe eheliche bebandelt (f. Eherecht IID. 


Much fonjt nimmt die Geſetzgebung vielfach auf das | 


WU. Riidficht, fo bei der Todeserklärung ({. d.), bei der 


Fahigleit, cinen Eid zu leiften (Eidesmiindigteit), | 


Die nad) den deutſchen Juſtizgeſetzen bei Minderjabri 
qen mit bem vollendeten 16, Lebensjahr (in Oſterreich 
mit Dem 14.) cintritt, fodann bei der Berpflidtung 
zum Rrieqadienjt (20. Lebensjahr) fowie bei der Fä— 
higleit zum Amt eines Schdffen oder Gefdwornen 
(30. Lebensjabr), bet der Urmabhme an Kindes Statt 








Altera pars — Alter im Feld. 


(f. d.), ferner bei der Wabhlfahigkeit und Wählbarleit 
(vgl. Wahl), bei der VBefugnis zur Ablehnung Sffent- 
lider YUmter und Vormundfdaften, die in der Regel 
6Ojaibrigen Perfonen guiftest, 2. Im Gewerbewe} n 
jind fiir jugendlide Urbeiter befondere Beſtimmun— 
gen getroffen. 

Uud im Strafredt ijt dad A. von befonDderer 
Bedeutung. Hier gilt vor allem die Jugend als cin 
Strafmilderungsqrund, ja es fann fogar gegen Stin- 
der unter 12 Jahren nad den meijten Strafgeies- 
gebungen (in Djterreich gegen Kinder unter 10 Jahren) 
cin ftrafredjtlidjes Verfahren gar nidt ftattfinden. So 
aud) nad dem deutſchen Strafgefepbud (§ 55). Es 
können jedod) nad) Maßgabe der —— lichen Vor⸗ 
ſchriften nod) nicht swolfjdbrige Verbr in eine 
Erziehungs- oder ſonſtige Beſſerungsanſtalt unter⸗ 
gebracht oder es können andre zur Beſſerung und 
Beaufſichtigung eeignete Maßregeln gegen ſie er— 
griffen werden. Berbredjer, die gwar das 12., nicht 
aber bad 18. Lebensjahr zur Beit der Tat vollendet 
batten (jugendlide BVerbrecher), find freigufpreden, 
wenn fie bei Begehung der ftrafbaren Handlung die 
zur Erfenntnis ihrer Strafbarfeit erforderliche bine 
at nidt beſaßen, aber fodann entweder ihrer Familie 
ju überweiſen oder in cine Erziehungs- oder Bejſe⸗ 
rungsanjtalt gu bringen. So ijt Beiſchlaf zwiſchen 
Verwandten und Verſchwägerten abjteigender Linie 
nad) § 173 des deutſchen Strafgeſetzbuchs ftraflos, 
falls diefelben dad 18. Lebensjahr nod) nicht vollendet 
haben. Wud) darf gegen jugendlide Berbrecher nie 
auf Todesjtrafe oder Zuchthausſtrafe und nic über die 
Hilfte des Erwachſenen gegeniiber zuläſſigen Höchſt⸗ 
betrags einer —— erkannt werden. Eben⸗ 
ſowenig darf das Erlenntnis auf Verluſt der bürger⸗ 
lichen ——— oder auf Polizeiauſſicht lauten. 
In befonders leichten Fallen fann bei Bergehen und 
tibertretungen jugendlider Berjonen das Urteil fogar 
nur auf Berweis lauten (§ 56f.). Ferner bejteben 
im deuiſchen ———— zu gunſten jugendlicher 
Perſonen beſondere Beſtimmungen gegen ſittliche Ver⸗ 
fehlung und Verderbung (§ 173, 174, 176, 181, 182, 
361), fOrperlide Verwahrloſung oder Ausſetzung 
(§ 221) und Perſonenſtandsveränderung (§ 169). 


Altera — (lat.), der andre Teil, die Beqenpartei. 
Alteration (lat.), Anderung (jum Schlimmern); 
Genriitsaufrequng. 


Alter Bund, foviel wie Wites Teftament. 

Alter ego (lat., »da3 andre Ich⸗, dD. h. Der Stell 
vertreter), cine im Nangleijtil einiger romanifder 
Staaten (Spanien, Portugal ꝛc.), namentlid dod 
frithern Königreichs beider Sigilien, vorlommende 
Formel, Durd die der König cinem von ihm gewadl- 
ten Generalvifar des Reides die volle Ausübung 
aller Rechte der foniglichen Gewalt übertrug, fo day 
diefer gleichſam das zweite Ich ded Königs fein follte. 
Im gewdbhnliden Leben fpridt man nidt felten von 
dem A.e., Dd. h. Don Dem vertrauten Freund ciner 
Perſon, der ganz in ihr aufgeht und ihre Reiqungen 
und Wünſche zum Ausdruck bringt. 

Alterieren (lat.), verändern; erregen, drgern. 

Wlteriert (lat., »veriindert«), in der Deujif foviel 
wie chromatid) verandert (um einen Halbton erhöht 
oder erniedriqt), wird nur in Bezug auf die drei fon- 
jtituierenden Tine (Prim, Terz, Duint) des Dur⸗ 


Alter im Feld, nad bergrechtlichem Sprad- 
gebraud der Vorzug der Prioritdt, den das gemeine 
deutſche Bergrecht in erjter Linie dem Finder, im 
zweiter Linie dem Wuter eines verleibbaren Minerals 


und Mollaffords gebraucht. 


Alter Mann — 


—— jüngern Mutern einräumt (ſ. Mutung). | 
as Vorzugsrecht entſcheidet über den —— auf 
Verleihung, wird aber nach dem gemeinen Bergrecht 
auch nad) erteilter Verleihung wirkſam, weil dieſe 
unbeſchadet älterer und beſſerer Rechte erteilt wird. 
Nad den neuern Berggeſetzen kann dagegen das WU. 
uur int Verleihungsverfahren geltend gemacht wer⸗ 
den, und die erteilte Verleihung wird durch den un— 
benutzten Ablauf der Präkluſivfriſt zur Geltend- 
machung des Alters im Feld unanfechtbar; außerdem 
ſteht das A. dem Finder nur zu, ſofern er innerhalb 
einer Woche Mutung einlegt. Jn einer andern Be: | 
Deutung beſtimmt das U. den Vorzug zwiſchen zwei 
Bergwerlseigentitmern, die auf demjelben Gange nad | 
Langenvermeffung beliehen find (ſ. Bergredt). Das 
A. bejtinunt fid) nad) denfelben Vorausfegungen und 





— dem ältern das Recht, die Lagerſtätie innerhalb ſchen 


er Grenzen des jüngern Feldes abzubauen, ſoweit 
ſie in das Feld des älter Berechtigten (Vierung und 
WMejjen) Pitter Bec Wohl die wichtigſten Streitrragen 
Des preußiſchen Bergrechts, ob von zwei privilegierten 
Findern der erjtere (frithere) Finder oder der erjte 
Muter vorgebe (A. genießt), wurde durch Urteil des 
Reichsgerichts vom 19. Juli 1901 zu gunſten des er- 
ften Finders entidieden, obwohl der preußiſche Han- 
Delsminijter als oberſte Bergbehörde fic) zu gunſten 
des ältern Muters entſchieden hat. Das Reichsgericht 
iſt damit zum gemeinen deutſchen Rechte, dem A., zu— 
rückgelehrt. Vgl. Crinert in der Zeitſchrift ⸗Das 
Recdht«, Bd. 5, S. 379. 

Alter Mann, jeder alte, liegen qeblicbene und ver- 
lajjene Bergbau, aud) jeder abgebaute Teil einer 
Laqgerititte. 

Alternance (franj., tyr. -nangh’), re elmäßige Ab⸗ 
wechſelung männlicher und weiblicher Versausgänge 
im Franzoͤſiſchen. Im Mittelalter kommt dieſelbe nur 
gong vereingelt als Künſtelei (3. B. bei Udenet) vor. 
Der erjte moderne Didter, der fie antwendete, war 
Octavien de Saint-Gelais in feiner Überſetzung von 
Ovids »Epijtein« (1496, gedrudt 1500). Darauf hat 
fie Jean Boudet in mehreren Dichtungen beobadtet 
und Marot in feinen Pjalmen durdgefiihrt, die gum | 
Geſang bejtimmt waren. Die Dichter der Plejade 
huldigten anfangs nod der alten Freiheit, bis Ron- 
ſard die A. zum Geſetz erhob. Seitdem it fie cine 
unverbriidlice Regel der franzöſiſchen Versbildung, 
von der nur BVirtuofen wie Banville und die Déca- 
dents gelegentlich abgegangen find. 

Alternat (neulat.), diplomatijder Gebraud, wo- 
nad im Range gleiditehende Mächte in Vertragen r. 
in abwedfelnder Reihenfolge aufgefiihrt werden, fo 
dap jede von ihnen in derjenigen Wusfertiqung, die 
fiir fte beſtimmt ijt, Den erjten Blab einnimmt. 

Alternation (lat.), Abwechſelung. 

Alternativa facultas, ſ. Witernativobligation. 

Alternative (franj.), die entideidende Wahl awi- 
ſchen zwei Dingen, wo es heißt: entiveder — oder. | 
Im Boͤrſengeſchäft ijt Wlternativ die Gefdhafts oder | 
Schlußform, bei der es dem einen Intereſſenten frei 
jteht, Lieferung oder Differengvergiitung ju fordern. 

Alternativo (ital., »abiwedjeind«), Wesabe 
fiir fleine, tanzartige Muſikſtücke, die mit einem Trio | 
abwedfeln (Menuetto a.); aud) wird wobl das Trio 
in foldjen Stiiden cin A. genannt. 

Ulternativobligation (Wahlſchuld), ein 
Schuldverhältnis, bei dem mehrere Leijtumgen in der 
Weife gefdpuldet werden, daß mur die eine oder die 





andre ju bewirfen ijt. Das Wahlrecht fteht mangels 
abwweicbender Vereinbarung dem Sduldner gu (Bür⸗ 


Altersprajident. 887 
gerliches Gefegbud) § 262). Mit der W. ijt nicht gu 
verwechſeln die fogen. facultas alternativa, d. h. —* 
weiſe Leiſtungsbefugnis, wo nur eine Leiſtung ge— 
ſchuldet wird, der Schuldner ſich aber durch eine 
andre Leiſtung befreien fann. aud) Wahlrecht. 

Alternativvermächtnie, ſ. Wahlvermächtnis. 

Alternativwahrung, ſ. Währung. 

Alternieren (lat.), das wechſelſeitige Ablöſen in 
einem Amt oder einer Tatigfeit. 

Ulternierende Fiirftenhaufer, in der friihern 
deutſchen Reidsverfajjung in, Bezug auf das Direfto- 
rium des ReichSfiirjtenrats Ojterreid) und Salzburg, 
in Bezug auf den Ubjtinunungsturnus in dem Reids- 
fiirjtenrat die ſechs Fürſtentümer Pommern, Mecklen⸗ 
burg, Wiirttemberg, Heſſen, Baden und Holſtein. 
Iter roter Sandſtein, Schichten der Devoni- 

Formation (jf. d.) in England. 
Altersbrand, j. Brand. 

Wlterserfennung bei den Hausticren beruht 
hauptſächlich auf Kenntnis des periodijden Unsbrudes 
und Wechſels der Zähne und der Veränderung in 
form und Stellung, die namentlid) die Sdneide- 
zähne durch den Gebraud) erleiden. Alte Tiere zeigen 
oft am Kopfe graue Haare und Zuſammenſchrumpfen 
des Fettpoljters unter der Haut. Da die Nutzbarkeit 
aller landwirtidaftliden Haustiere vom Lebensalter 
abbingt, fo bat die A. im Viehhandel große Bedeu 
tung. Bei Pferden läßt fid) das Witer nach der Be— 
ſchaffenheit ber Rahne bis gum 7. Lebensjahr ver- 
hältnismäßig am ficheriten beſtimmen, wahrend beint 
Rind und Sdaf Wechſel und Mbnugung der Zähne 
nidt fo regelmapig erjolgen. Beim Schwein hat die 
U. weniger Bedeutung, weil es friih zur Nupbarteit 
font und fic) überdies ſchwer in das Maul fehen 
lapt. Übrigens läßt fid) das Ulter jiingerer Schweine 
aus dem Gebiß bis auf 2, ja bis auf 1 Monat genau 
bejtimmen. Beim Reh ijt der charakteriſtiſche, lang- 
geſtreckte, dreiteilige hintere Milchbackenzahn des Un- 
terfiefers zur A. gu benugen. Beim Rind find aud 
die nad) — Kalb angeſetzten Hornringe Zeichen 
zur A. Beim Geflügel wird die A. nach Form und 
Strultur des Sdmavels fowie nad Farbe, Dice und 
Beſchaffenheit der Haut an den Gliedmaßen und ant 
Rumpf bewirtt. S. Pferd, Rind, Sdaf. Val. Kuhn, 
Erfermen des Ulter3 der Pferde, Rinder und Schafe 
(1877); Swab, Zahnlehre sur Altersbeſtimmung 
der Rinder (6. Uufl., Salgb. 1897); Walther, Uber 
Erfennung de3 Witers beim Pferde (Bautzen 1895). 

Altersgewidht, Gewichtsbeſtimmung im Renn- 
fport, wonad die an Flach- oder Hindernisrennen 
teilnehmenden Pferde je nad) ihrem Alter ein be- 
ftinuntes Minimalgewidt gu tragen haben. 

widen ſ. Bevilferung. 

MAltersflaffe, forſtwirtſchaftlich cin mehrjähriger 
Zeitabſchnitt fiir die Altersbezeichnung der Baume 
oder Holzbeſtände. Natürliche Ultersflajjen find 
von unaleider Dauer; fie lebnen ſich an die natiir- 
lichen Radstumserfdeimungen der Baume und Bee 
ſtände. Man ſpricht in diejer Hinſicht z. B. von Sung: 
wuds, Didung, Stangenhols, Baumholz. Kitnjt- 
lide Alterskläſſen find von gleider, bei hoben 
Umtrieben (f. Umtrieb) von meiſt 2Ojabriger, bet 
niedrigen Umtrieben von 10+ oder Sjabriger Dauer. 

Altersprafident, das älteſte Mitglied ciner Kör— 
perſchaft, das, folange die Wahl ded Präſidenten nod 
nicht erfolgt ijt, ingwifden die Leitung der Geſchäfte 
wabhrninunt. Go treten nad) der Geſchäftsordnung 
des deutſchen Reichstags beim Beginn einer neuen 
Wahl-(Leqislatur-)periode die Mitglieder des Reichs⸗ 

25 * 


388 


tags nad deſſen Erdffnung unter dem Vorſitz ihres 
Alteften Mitgliedes zuſammen. Das Amt dieſes Alters⸗ 
priifidenten fann von dem dazu Berufenen auf das 
ihm im Lebensalter nächſtſtehende Mitglied tibertragen 
werden. fyiir jede fernere Tagung (Seſſion) dagegen 
fitbrt bas Präſidium der vorausgeqangenen Seſſion 
bis zur vollendeten Brajidentenwahl die Geſchäfte 
fort, fo dah alſo nur bei inn ciner neuen Wahl: | 
periode der A. in —— tritt. 

Altersrente, ſ. Allersverſicherung und Invali-⸗ 
ditãtsverſicherung. 

Altersriung Greiſenring der Hornhaut, 
Arcus senilis, Gerontoxon), die im Alter eintretende 
qraue fidelfirmige Triibung des Hornhautrandes, 
durch die Das Sehen nicht beeintradtigt wird. 

Alteroſchwãche 5 Marasmus, lat. In- 
volutiosenilis, Senilität, Seneszenz), cin Zu— 
a int den alle organijden Weſen verfallen, wenn 
ie fich Dem höchſten Wak ihrer natiirlichen Lebens- 
dauer nähern und die Ernährungsprozeſſe verfagen. 
Die U. beginnt beim Menſchen in thren erjten Spuren 
ſchon Anfang der Aer, guweilen nod zeitiger. Die 
typiſche Alterserſcheinung iſt die Arterioſtleroſe. Von 
ibe hängen die meijten Symptome der A. ab, da mit 
der Erſchwerung der Zirtulation die Ernährung der 
Gewebe Not leidet. Dic Allommodationsfähigleit der 
Augen fann ſchon Mitte der 30er Jahre abnehmen. 
Gleichfalls früh ergrauen die Haare, namentlich der 
Schläfengegend und bei dunfelhaarigen Perjonen. 
Das Fettpoljter ſchwindet, die Haut wird welfer, be- 
font Rungeln, eingelne Stellen werden leicht braun: 
lid) gefärbt. Später verlieren die Musfein an —— 
ſcher Wirkung, die Beine werden ungelenk, der Rücken 
ſteif. Im hohen Alter werden die Knochen dünner. 
Die Hornhaut zeigt den Altersring; zuweilen ver- 
dict ſich das Trommelfell, es verwachſen die Gehör— 
höchelchen, und es entſteht ein gewiſſer Grad von 
Taubheit. Die Schärfe und —2 des Geiſtes 
nimmt bei den meiſten Perſonen ab; viele alte Leute 
werden redſelig, etliche geradezu kindiſch oder völlig 
ſchwachſinnig. Herz und Leber verfallen einer regel- 
miapigen Verkleinerung mit Bildung braunen Farb- 
jtoffes in ihrem Gewebe (braune Atrophie). Dic 
Milz ſchrumpft, ebenfo die Rieren (Granular- 
atrophic), das Gebirn wird derber, feine nervöſe 
Subſtanz nimmt ab auf Koſten der nade a 
Gerülſtmaſſe, und fo entiteht mit zunehmendem Liter 
cine Summe von Stirungen, die vereint ſchließlich 
ohne Rranfheit oder dubern Anſtoß gum Tode fiibrt. 

Alter sfichtigfeit , ſoviel wie Weitſichtigleit. 

Alter Stil, d. h. die Zeitrechnung nad dem in 
Rufland und den qriechifchen Ländern geltenden Jue 
lianiſchen Kalender (f. Kalender) tm Gegenfage jum 
neuen Stil, dem in Deutichland rc. geltenden Gregoria: | 
nifden Kalender. Zwiſchen beiden bejteht sur Seit 
cine Differeng von 13 (friiher 12) Tagen. Im Wed) 
felverfehr bat der alte Stil cine Bedeutung, wenn 
§- B. cin in Rufland oder Griechenland ausgeitellter, 
in Deutfdland zahlbarer Datowechſel nicht zugleich 
die Bemerkung enthält, daß er nach dem neuen Stil 
datiert fei, oder wenn er nad beiden Stilen datiert 
ijt. Qn dieſem Falle wird (nad Urtifel 34 der Wechſel— 
ordnung) der BVerfalltag nad dentjenigen Kalender 
faq des neuen Stils berednet, Der dem nad altem 
Stil fic) ergebenden Tage der Ausſtellung entfpridt. 
So ijt fiir einen im gewdhntiden Jahr am 18. Febr. 
auf · drei Monate dato« ausgeſtellten Wedhfel der Ver- 
falltag micht fo yu berechnen, daß man erjt pom 18. 
Febr. 3 Monate weiter bis 18. Wai rechnet und dann 











i 


Altersrente — Altertum. 


durch Zählung der 13 Dijferengtage den 31. Mai als 
Verfalltag erhalt, fondern fo, day man jum 18. Febr. 
zuerſt Die 13 Differengtage hinzurechnet und den 2. 
Wirz neuen Stils als Unsjtellungstag erbalt, nad 
dem dann, 3 Wonate weiter gerednet, der 3. Juni 
als ridtiger Verfalltag fic) ergibt. 
Altersverficherung, derjenige Zweig der Le- 
bensverſicherung (j. d.), bei Dem der Verſicherte gegen 
in feinen jiingern Jahren gesablte, nad den Regeln 
der — 0 pee spe bios berechnete Bramtien 
oder aud) gegen eine cinmalige Einzahlung nad Ein- 
tritt in ein beſtimmtes Lebengalter cin Rapital oder 


‘eine von da ab bis gu feinem Tode laufende Rente 


(Altersrente) erhilt. Die A. fann von Lebensver- 
ſicherun —— oder aud) von beſondern hier⸗ 
fiir (anest ür Urbeiter) eingeridteten Anſtalten, wie 
3. B. die Kaiſer Wilhelins-Spende (j. d.), übernom⸗ 
men werden. Franfreich hat Staatsanjtalten fiir A. 
(Caisses de retraite pour la vieillesse), fiir Die je- 
Dod) cin Beitrittszwang nicht bejtebt, wabrend in 
Deutidland durch Gefegy vom 22. Juni 1889 cin Ver⸗ 
ſicherungszwang eingeführt wurde (ſ. Urbeiterverjide- 
rung, ——— berfidherung).— A. gilt tm Sinne 
des Privatverſicherungsgeſetzes vom 12. Wai 1901 als 
Lebensverjicherung (f. d.). Bon der cigentliden, nad 
verjiderungstednifden Grundjagen durdgefiibrten 
A. ijt gu unterſcheiden diejenige Ultersverforqung, 
die ganz oder 3. T. den Charafter einer von Dritten 
in Geld oder Naturalverpflequng gewährten Unter- 
jtiigung trägt. Biele Ultersverjorgungsanftal- 
ten werden unter der Bezeichnung »Mannerhenn-:, 
»Frauenheime rc. durch Wohltatigfeit erhalten. Dod 
gibt es aud) Unjtalten, welde die Witersverjorgung 
geqen Entridjtung eines Cinfaufsgelded überhaupt 
oder wenigſtens von feiten Bemittelter übernehmen. 

Witersyormund daft, |. Vormundſchaft. 

Wltertum , im allgemeinen der Zeitraum der Ge- 
jdhichte, der, feinem Anfang nach unbejtimmbar, mit 
dem Untergange des wejtrdmifden Reiches und der 
Entjtehung der dhrijtlid)- germanijden Staaten 476 
endet; insbeſ. der Zeitraum, der die Geſchichte der 
Griechen und Römer umfaft, das klaſſiſche A. ge- 
nannt, ein Begriff, in den man in höherm oder ge- 
ringerm Maß aud) das Kulturleden folder Völler em: 
bezieht, die, wie Agypter, Babylonier, PHinifer x. 


“nad Erridjtung des römiſchen Weltreiches gu jenen 


in engere Beziehungen traten. Jin engern Sinne ver» 
jteht man unter A. aud) die Urgeſchichte jedes einzelnen 
Volkes, die ihren Abſchluß mit einer Periode findet, in 
Der Durd) große Ereignijje eine völlige Umwandlung 
Des geiſtigen und fittlidhen Lebens ded betreffenden 
Volles fic) vollyieht. So ſchließt das A. ab bei Ger- 
manen, Relten u. a. mit der Annahme des Chrijten- 
tums, bet YUrabern, Berjern, Tiirfen mit der Beleh- 
rung gum Islam, bei Aztelen, Inla u. a. wut ihrer 
Entdedung und Unterwerfung durd Ne Curopader und 
der Annahme chriftlider Religion und Kultur. Die 
aus den bezeichneten Berioden uns überlommenen 
Denfmaler nennen wir Wl tertiimer oderUntiqui- 
täten, worunter man nicdt mur Baus und Runjt- 
werke (mit Einſchluß von Waffen, Werlzeugen u. dgl.; 
val. Untiquitdtendandel), fondern aud die Nachrichten 
von den ſtaatlichen, religidfen und ſozialen Einrich 
tungen, dem öffentlichen und privaten Leben der Vdt- 
fer verjtebt, wie jie in den uns überlieferten Sdyriften, 
Denfmalern ut. a. enthalten find. Bon defen Alter- 
tumern find aber in neuerer Zeit bie Werke der bilden · 
den Kunſt durd) cine befondere Wiſſenſchaft, die Ar— 
chäologie (jf. d.), au einem ciqnen Gebiet abgegrengt 


AUltertiimer — Altertumsforjdende Vereine. 


worden; fo verjteht nian heute unter Ultertiimern nur 
nod) die Staats⸗, Religions. u. Privataltertiimer. Die 
Staatsaltertiimer umfajjen Verfajjung, Rechts— 
pflege, Polizei-, Finang- und Kriegsweſen, Kultur und 
Handel, die Reliqions- oder Safralaltertiimer 
Den Kultus, die Geipatattecifincy a ſiſchen 
und geſelligen Verhältniſſe, wie Familie, Sklaverei, 
hãusliche Einrichtung, Lebensweiſe xc. Die wichtigſten 
Handbücher der — Altertumskunde ſind für die 
— den Altertümer: K. F. Hermann (neubear⸗ 
eitet von Blümner u. Dittenberger, Freiburg 1882 ff., 
4 Bde.), Shimann (4. Aufl. von Lipſius, Berl. 1897 
bis 1902, 2 Bde.); Bufolt, Bauer und Müller (J. 
Miillers »>Handbuch der klaſſiſchen Ultertumswiffen- 
ſchaft · Bd. 4, 2. Aufl. Miind. 1893); fiir die rb mi- 
iden: Marquardt und Mommſen (3. Aufl., Leipz. 
1884 ff., 7 Bde.), Schiller und M. Voigt (bei J. Miiller, 
Bd. 5, 2. Wujl., Münch. 1893), Guhl u. Koner (> Das 
Leben der Grieden und Römer⸗, 6. Wufl. von Engel: 
mann, Berl. 1893). Lerifalifdy: Pauly-Wiſſowas 
»Realensyflopadie der flaffijden Altertumsfunde< 
{neue Bearbeitung, Stuttg. 1894 ff.), Daremberg- 
Saglios »Dictionnaire des antiquités grecques et 
latines« (Par. 1877 ff.) und Baunteijters » Denfmaler 
Des klaſſiſchen Altertums⸗ (Mind. 1889, 3 Bde.). 
Das oben angegebene geitliche Maß ijt iibrigens bei 
ben Heutigen ſchnell vorwarts ſchreitenden Kulturvöl⸗ 
fern keineswegs fejtqehalten worden ; es erſcheint niiber 
an die Gegenivart geriidt und wird im Lauj der Beit 
nod) weiter vorriiden. Go betradtet man die deut— 
{den Ultertiimer, nämlich das, was man heute als 
saltdeutid« bezeichnet, als bid zur Reformation rei- 
chend, cine Grenje, die fid) aud) Jatob Grimm bei der 
Darjtellung der deutiden RedtSaltertiimer gezogen 
hat. Die deutſche Altertumskunde wurde bejonders 
von Ludw. Lindenſchmit (7. d.) bearbeitet, cine popu- 
fare Darjtellung gibt Götzingers »>Reallerifon der 
deutidjen WUltertiimer« (2. Wufl., Leipz. 1884). Em 
»Reallerifon der indogermanifden Allertumskunde⸗ 
veröffentlichte O. Schrader (Straßb. 1901, 2 Bde.). — 
Weiteres, befonders iiber die Hrijtliden Ultertiimer, 
ſ. Archãologie; fiber die biblifden Altertümer vgl. 
Bibliſche Urdiologie; liber die vorgeſchichtlichen 
Ultertiimer ſ. Prähiſtorie. 
Altertümer, ſ. Altertum, auch Antiquitätenhandel; 
afrikaniſche, amterifanijde xc. UW. ſ. die beſondern Artikel. 
WUltertiimer-Ronfervierung. Dem Erdboden 
entnommene Uitertiimer unterlieqen der Zerſtörung 
durch den Gehalt an loöslichen Salen (Chloride und 
Sulfate de3 Natriums und Maqnefiums), die bei 
ſchwankender Temperatur und Luftfeuchtigleit wie- 
derholt frijtallijieren und von der Oberfläche diinne 
Schichten abjprengen. Deshalb werden die Ultertiimer, 
joweit fie eS vertragen, mit Waffer ausgelaugt und 
nad) völligem Trodnen mit Firnis, Harzlöſung oder 
Keßlerſchen Fluaten getränkt. Cifen, das mit Edel- 
rojt (Cijenogybuloryd) bedeckt ijt, bedarf feiner Kon— 
ſervierung. Andre Eiſenſachen werden nach Krauſe 
mit Waſſer ausgelaugt, getrocknet und einige Zeit in 
einer Miſchung von Firnis und Petroleum zu glei— 
chen Teilen erwärmt. Ekhoff erwärmt die ausgelaug- 
ten naſſen Gegenſtände in Solaröl von etwa 0,9 ſpez. 
Gew. bei 105°, bei welcher Temperatur das Waſſer 
verdampft und durch Solaröl erſetzt wird: Der ab- 
gekühlte und oberflächlich abgetrocknete Gegenſtand 
wird mit einer Wachs- (beſſer Paraffin⸗) Löſung über⸗ 
zogen. Eiſenwaren, die noch einen ſtarken Metallkern 
enthalten, erhitzt Blell bis zur ſchwachen Rotglut, 
ſchreckt in Waſſer ab und legt fie dann in verdünnte 





389 


Schwefelſäure, bis aller Roſt entfernt iſt, was durch 
gleichzeitige Anwendung mechaniſcher Mittel (Grab- 
flichel, Bohrmaſchine) unterſtiltzt wird. Der durch Aus⸗ 
laugen in Waſſer von Säure befreite Gegenſtand wird 
in geſchmolzenem Paraffin bis etwa 120° erwärmt, 
abgetrocknet und mit Paraffinbenzinlöſung dünn be— 
ſtrichen. Nach Krefting wird an dem Eiſenfund an 
einigen Stellen das Metall bloßgelegt, das Stück mit 
Binh umwickelt und dann in cine 5pro3. Na— 
tronlauge gelegt. Hierbei entwickelt fid) amt Cijen 
Waſſerſtoff, der das Cifenoryd redujiert und qleid- 
zeitig mechaniſch durch die aufſteigenden Gasblasden 
abbebt. Schließlich wird mit Waſſer ausgewaſchen 
und mit Paraffin getrainft. Bronzen nut der aus 
baſiſch foblenfaurem Kupfer bejtehenden Cdelpatina 
find feiner Veränderung unterworfen. Dagegen zei— 
gen Bronzen, die mit waſſerlöslichen Salzen tn Be- 
rührung gefommen find, bei der Aufbewahrung in 
Sanumlungen die jogen. wilde Patina. Es bilden ſich 
hellgrüne Punfte, die endlich Die ganze Bronze iiber- 
ziehen, gleichzeitig ind Innere dringen und allmäh— 
lid) Das Wetall zerſtören. enjtande, die nod) in 
der Hauptfade aus Metall bejtehen, behandelt man 
nad) dem Kreftingſchen Verfahren wie Cijen oder nad 
dent Gbnliden Verfahren von Finfener. Wltertiimer 
aus orqganifdem Material, wie Knoden, Horn, 
Leder, Federn, Gewebe, Papyrus, Holz ꝛc., die der 
Fäulnis, der Girung, der Vermoderung, den An—⸗ 
qriffen von Ynfeften xc. unterliegen, trantt man nad 
vorſichtigem Austrocknen mit Raraffin, Firnis-, Harz, 
Kautjdulldfungen, Kollodium, Sublimat u. a.-m. 
Kleinere Holzſachen bewahrt man auc in Alkohol auf. 
Rol. Wuffow, Die Erhaltung der Denkmäler in den 
RKulturjtaaten der Gegenwart (Berl. 1884, 2 Bde.); 
(Vo) Merkbuch, Ultertiimer ee ere und auj- 
ubewahren (2. Aufl., daf. 1894); Rathqen, Rone 
ee von Ultertumsfunden (daj. 1898). 
Altertumsforſchende Vereine, Vereine, die ſich 
die wiſſenſchaftliche Erforſchung des Ultertums eines 
Landed oder eines Landesteils, vielfach aud) die Samm⸗ 
{ung und Erhaltung der einzelnen Altertümer zur Auf⸗ 
abe geftellt haben. Die älteſten altertumsforjdhenden 
reine findén wir in England. Die Londoner Se- 
ciety of Antiquaries wurde bereit3 1572 von Barter 
und Cotton gejtiftet, 1604 von Jakob L. aufgelöſt, aber 
1707 von neuen ins Leben gerufen; 1751 wurde fie 
von Georg IT. als öffentliche Gejellfchaft anerfannt. 
Yn Sdottland wurde 1780 die Scottish Society of 
Antiquaries und in Irland 1786 die Royal Lrish 
Academy geqriindet. Gegenwärtig finden fid) der- 
gleichen Bereine in allen größern Stadten Englands, 
ebenſo Frankreichs. Bedeutended leijteten hier bejon- 
ders die Parijer Société des Antiquaires de France, 
die fic) 1814 aus der 1805 qgeqriindeten Académie 
celtique bildete, die Société de l'histoire de France 
und die Commission des monuments historiques. 
Yn Ojterreid) ijt die Wltertumsforjdung ſtaätlich 
organijiert durch die Erridtung der E. f. Bentralfom- 
miſſion gur Erhaltung und Erforſchung der Kunſt— 
und bijtorifden Denkmale in der öſterreichiſchen Mon- 
ardie gu Wien, die in allen Teilen des Reiches Kor— 
rejpondenten hat. Auch gibt es hier, abgefehen von 
dem Ultertumsverein in Wien, zahlreiche vaterlindi- 
ide Vereinsmujeen, namentlic) das Johanneum in 
Gray (gejtijtet 1810), das Vaterlaindijde Muſeum in 
Prag (1816), das Ferdinandeum in Innsbruch (1823), 
das Francisceum in Briinn. Hervorragende Vedeu- 
tung erlangten fiir Deutfdland das römiſch-ger— 
maniſche Zentralmuſeum in Maing, geqriindet 1851, 


390 Altertumsfunde 


und das Germanifde Nationalmufeum (f. d.) in Nürn⸗ 
berg, begriindet 1852, neben denen zahlreiche Brovin: | 
jial- und Lofalmufeen bejtehen. Reuerdings ijt, nach⸗ 
Dem die Erforſchung des rdmifden Limes (jf. d.) von 
Staats wegen in Angriff genommen war, fitr die Ulter- 
tumsfunbde ber römiſch⸗ germanifden Beit eine eigne 
Kommiſſion ded kaiſerlichen Archäologiſchen Inſtituts 
eingeſetzt worden. Die zahlreichen lolalen und provin⸗ 
zialen ine, die hier beſtehen, haben ſich zumeiſt 
nicht nur die Altertumsforſchung, ſondern überhaupt 
die Förderung der lolalgeſchichtlichen Studien zur Auf⸗ 
gabe geſtellt (ſ. Hiſtoriſche Bereine). Für die Erhal⸗ 
tung der Altertümer ſorgt aud) die ſtaatliche und pro- 
vinzielle Denkmalspflege (ſ. Denkmäler). In der 
Schweiz beſteht neben dem eidgenöſſiſchen Muſeum 
in Zurich cin Verband Schweizeriſcher Wltertums- 
muſeen; gemeinſames Organ ijt der angeſehene An— 
zeiger für ſchweizeriſche Altertumskunde; unter 

ereinen find die von Zürich und Bern die bedeu- 
tenditen. Auch in allen andern Ländern Europas und 
Umerifas gibt es U. V. Bn den Vereinigten Staaten 
ijt hodgeadtet das mit der Smithsonian Institution 
in Wafhmaton verbundene Bureau of American Eth- 
nology, deſſen feit 1881 erfdeinende, von J. W. Powell 
herausgegebene Jahresberichte die widtigite Duele | 
fiir Die amerifanifde Ultertumsforfdung bilden. 

Altertumstunde (Altertumswiſſenſchafth, 
der Inbegriff aller das Witertum (ſ. d.) betreffenden 
Kenntniſſe oder die Wiſſenſchaft, die das gefamte Kul⸗ 
turleben der Bolfer des Uitertums, insbeſ. der Grie- 
den und Romer (flaffifde W.), gu erforjden und 
barjujtellen ſucht. Bal. Philologie. 

Alterum tantum (lat.), et einmal foviel (näm⸗ 
lich als das Kapital). Val. Wudher. 

Wlter vom Verge (arab. Sheidh el Dſchibäl), 
Titel, den ſich Hajjan ibn Sabbah, der Grinder der 
mohammedaniſchen Sefte der Aſſaſſinen (ſ. d.), bei- 
leqte und deren Häupter ſeitdem führten. 

Alter Wall, |. Befejtiqungen, vorgeſchichtliche. 

Altesse (fran}., fpr. tag"), Hoheit (ſ. d.); Ebren- 
—— für fürſtliche Perſonen. A. impériale, Kai— 
erliche Hoheit; A.royale, Königliche Hoheit; A. séré- 
nissime, Durchlaucht. 

ditefte (bebr. Sefenim), Rame der Gemeinde- 
voriteber bet Juden und Chrijten (f. Bresbyter). 

Uiteftenfollegien, faufmiannif de, ſ. Handels | 
fammern; auch foviel wie Arbeiterausſchüſſe, f. Ure | 

Mites Teftament, j. Bibel. beiterausſchuß. 

Altes Weib, Fiſch, ſ. Hornfifde. 

Alte Welt, die oͤſtliche Erdhalbfugel mit den Erd- 
teilen Europa, Aſien und Wfrifa, im Gegenfawe ju | 
Umerifa, der Neuen Welt. Auſtralien bleibt dabei | 
aufer Betradt. Unter den Völkern der Witen Welt | 
verſteht man Diejenigen, Die in Aſien, Afrila und Eu— 
ropa vor dem Erjdemen des Chrijtentums auftraten. | 

Altfränkiſch, cin {chon bei oberdeutiden Schrift: | 
ftellern des 16. Jahrh. geldufiger Ausdruch: auf den | 
Gegenfag ju den Franzoſen (den Neufranfen) gegrün— 
Dete Bezeichnung des Witmodifden; daher foviel wie 
veraltet, altvatertfd. 

Altfranzöſiſch, ſ. Franzöſiſche Sprache. 

Altfürſtiiche Daufer, nad einigen diejenigen 
fürſtlichen Reichsſtände, die auf dem Augsburger 
Reichstage von 1582 das Stimmrecht innegehabt 
haben; Gegenſatzt die neufürſtlichen Häuſer, welche 
die Reichsſtandſchaft, bez. das Recht aftiver Teilnahme 
an den Reichstagaverhandlungen erjt nad diefem Zeit⸗ 
punft erworben haben. Diefe Gegeniiberftellung alt- 
und neufürſtlicher Hauler berubt auf der irrigen Bor- 





— MIt- Heide. 


ausſetzung, da gerade von 1582 ab der Kaiſer dad 
Recht verloren habe, durch Ernennung neuer fürſt⸗ 
licher Reidhsitiinde den ReichSfiirjtenrat zu erweitern, 
während es tatſächlich die Reidpsitiinde erjt im 17. 
Jahrh. durdhfesten, dak gwar nidt die Verleihung 
des Titels der Reichsſtandſchaft, wohl aber die Aus⸗ 
iibung der reichsſtandſchaftlichen Befugniſſe von ibrer 
Zuſtimmung abhängig gemadt wurde. 
orf, Dorf, ſ. Gersdorf 1). 

Alt⸗Glienicke, Dorf im preuß. Regbez. Pots⸗ 
dam, Kreis Teltow, bei Adlershof, hat eine evang. 
Kirche und as00) 3751 Einw. YU. wurde 1893 mit 
Neu -Glienide vereinigt. 

Alt- Gradista, |. Gradidta 2). 

A liche Danufer, ſ. Graf. 

Alt L. (Althee, Eibiſch), Gattung aus der 
Familie der Malvazeen, ein⸗, meiſt mehrjãhrige Krau⸗ 


Den | ter mit filziger oder dͤnnerer Vehaarung, handförnig 


—— oder geteilten Blättern und einzeln oder in 
üſcheln —— meiſt anſehnli Blüuten. 
die bisweilen eine endſtändige Traube bilden. Etwa 
15 Urten in den gemäßigten Klimaten der Alten Welt. 
A. officinalis L. ſ. Tafe > WUrjneipfla en Ie. A. ro- 
sea Cav. (Alcea rosea L., Stod-, Bappelrofe, 
Malve, Rofenmalve), eine zweijährige, aud aus- 
Dauernde Pflanze, in der Tiirfei, in Griechenland 
und auf Sreta, mit 2—3 m hohem, aufrechtem Sten: 
gel, rundlichen, rungeligen Blattern, großen, weißen 
oder farbigen Blüten in langer Traube, wird als 
Bierpflange (Charteride Barietiiten), die ſchwarzrot 
bliihende auf Feldern fultiviert und gum Farben vor 
Bein rc., auch als ſchleimiges, etwas zuſammenziehen⸗ 
de3 Arzneimittel benutzt. 
„ſ. Meleagros. 

Althaldeno leben, Dorf im preuß. Regbez. Magde⸗ 
burg, Kreis Neuhaldensleben, an der Bever und der 
Eiſenbahn Neuhaldensleben-Cilsieben, hat ete evan⸗ 
gelifdje und cine fath. Kirche, Steingutjabrif umd (1900) 
4369 meijt evang. Einwohner. Die Qndujtrie wurde 
durch G. Nathuſius (fj. d. 1) beqriindet. 

Althaus, Theodor, Schriftiteller, qeb. 26. Ot. 
1822 in Detmold, gejt. 2. Uprif 1852 in Gotha, ſtu⸗ 
dDierte in Born, Jena und Berlin, veröffentlichte 1845 
mebrere freireligiöſe Sdhriften, lebte 1847 als Schrifi⸗ 


ſteller in Leipzig, wo er die ⸗Märchen aus der Gegen⸗ 


warte — — 1847) ſchrieb, und wurde 1848 Reda 
teur der »Weſer⸗Zeitung⸗, dann der ⸗Zeitung fiir 
Norddeutſchland. in Hannover. Ynfolge eines zut 


bewaffneten Durdfithrung der Reichsverfaſſung auf⸗ 


fordernden Artilels wurde A. 1849 gu zweijährigem 
Gefiingnis verurteilt, 1850 beqnadigt. Jn der Haft 
idrieb er dad Buch ⸗Aus dem Gefiingnis« (Barmen 
1850), eine Darjtellung feiner Ideale. A.' Geſundheit 
war aber gebrochen. Seine ſchwungvollen Gedichte 
wurden 1853 als Manuſtript gedruckt; viele befinden 
fic) in Der Biographie: » Theodor A., ein Lebensbild« 
(Bonn 1888), die fein Bruder Friedrich U. verfafte. 


| Diefer, geb. 14. Mai 1829 in Detmold, lange als Pro⸗ 


fejfor der deutſchen Literatur und Sprade m London 
tatig, geft. 7. uli 1897 in Hampitead, veröffentlichte 
Engliſche Charafterbilder« (Berl. 1870, 2 Bde.), eme 
Uberſetzung von Forſters »Didens-Biographic« umd 
gab 1892 die ⸗Romiſchen Tagebiicher« von Ferd. Gre- 

Withee, ſ. Althaea. [qorovius heraus. 


Mit ſta, ſ. Lederzucker. 
riitheefafn (Eibifdfast), f. Sirup. 
Altheeſalbe, ſ. Salben. 


Alt⸗Heide, Dorf im preuß. Regbez. Breslau, Kreis 
Glatz, an der Weiſtritz und der Staatsbahnlinie Glag- 


Alt-Heifendorf — Altkatholizismus. 


Reinerz, 400 m it. M., hat ants und Glasfdleiferci, 
eine Holajtiftefabrif, zwei alfalijdhe Stablquellen, ein 
Moorbad, Kaltwaſſerheilanſtalt und (1900) 649 Einw. 

orf, Dorf im preuß. Regbez. Schles⸗ 
wig, Landfreis Siel, öſtlich am Kieler Bufen, hat ein 
Seebad und (1900) 872 Einw. 

Althing, die Volfsvertretung in Island (jf. d.). 

Mit utſch, ſ. Deutſche Sprade. 

Althorn (Saxhorn Alto) heißt das nur in der 
Harmonienufit gebräuchliche Ventilbiigelhorn in Es, 
dad eine Oftave ticfer fteht als das Piccolo in Es 
(Saxhorn Sopranino). Umfang von a bis b*. 

Althorp, Viscount, ſ. Spencer. 

Wlthorp Park, ſ. Northampton 1). 

Al ütten, Dorf, ſ. Dobris. 

WUltieri, röm. Fürſiengeſchlecht, das, urſprünglich 
Peralucei genannt, den Namen A. im 16. Jahrh. 
angenommen bat. Mit Emilio Carlo A. ſeit 1670 
Papſt Clemens X. (f. d.), erlojd die Familie 1676. 
Clemens adoptierte Den Gemahl —— Nichte Laura, 
Gaſpare Albertoni, Marcheſe di Raſina, und verlieh 
ihm den Titel Fürſt A. gu deſſen Nadfommen ge: 
hort Quigi A., geb. 17. Juli 1805, feit 1836 pipjt- 
lidjer Runjius in Wien, 1845 Kardinal, 1860 Bifdof 
von Ulbano, geft. 11. Aug. 1867, nambafter rdmi- 
{cher Staat3mann. enwirtiges Haupt des Hauſes 
ijt Lodovico, Fürſt W., geb. 27. Dez. 1878, älteſter 
Sohn des am 4. Jan. 1901 geftorbenen Fürſten Paolo, 
Rontmandanten der päpſtlichen Nobelqarde. 

Altilik, türk. Silberntiinge von 6 Piaſtern mit Ua⸗ 
und '/4-Stiiden (Utſchlik und Altmichlik), faft /o fein, 
1880 al8 Gdeidemiinge um Us im Wert erniedrigt, 
= rund 1 Marf der Talerwahrung. 

Witimeter (lat.-gr.), — zur Höhenmeſſung; 
Altimetrie, Höhenmeſſung. S. Meßinſtrumente. 

Altin (Altyn, Altinniſhh, ruff. Kupfermünze, — 

Altindiſche Sprache, ſ. Sanskrit. [3 Ropefen. 

Altingia Noronha, Gattung der Hamamelidazeen, 
Baume mit bleibenden, eilänglichen, driijig gefagten, 
lederigen, fahlen Blattern, in aufredten, gujanunen- 
— Ähren ſtehenden männlichen Blülen und an 

angen Stielen hängenden weiblichen Blütenköpfchen. 
Von den —— rten wächſt A. chinensis Hook fil. 
auf Hongfong, A. excelsa Noronha (Rafamata), 
ein 50 m hober Baum mit higeliger Krone, findet ſich 
von Jünnan bi8 Java und liefert cin febr ys 
rte3, braunes, balfambdujtende3 Nutzholz, in deſſen 
öhlungen fid ein wohlriechendes Harz Goſſa— 
malha, Roſe Mallus, Kindai) abſondert, das 
auf Sava wie Benzoe benutzt wird. 

Witinftrumente , ſ. Wit. 

Altior adversis ({at., »iiber Widerwartigleiten 
erhaben<), Devife des medlenburg. Greifenordens. 

Mitis, der von einer Mauer uumbtoffene Tempel- 
a in Olympia (jf. d.). 

(tifchabar, tuͤrk. Bezeichnung fiir Ojtturtijtan. 

Altius tollendi jus (lat.), da3 Recht, in Bezug 
auf de3 Nadbars Haus höher bauen ju dürfen; Al- 
tius non tollendi servitus (lat.), Dad Rect, je nach 
ber Vereinbarung dem Nadbar das Höherbauen fei- 
ne Hauſes ſchlechthin oder nur das Bauen über eine 

ewifje Höhe hinaus unterjfagen gu fonnen. Das 

— Geſetzbuch erwähnt dies Recht nicht. 

tfatholizigmus, Name fiir cine kirchliche Be— 
wegung, die den von der nationalen Idee getragenen 
Widerftand der Gewifjenhajtigteit und der Wiſſen— 
ſchaftlichleit im deutfden Katholizismus gegen die im 
Unjfebhlbarfeitsdoqima vollendete ultramontane Ent- 
widelung der römiſchen Kirche darjtellt. Bisher war 


391 


es unter Beihilfe der Politif deutſcher Regierungen 
der Kurie gelungen, den Widerſpruch der deutſchen 
Wiffenidhaft (Hermes, Giinther, Frohſchammer u. a.) 
ju unterdriiden, Manner, die fich rdmifden Zumu— 
tungen unfügſam jeigten, von Den Biſchofsſtühlen zu 
entfernen oder zurückzuhalten (Sedinitty, Schmid) 
und in Klerus und Gemeinde den Ultramontanismus 
ur Herrfdaft gu bringen. Wis aber trotz der Cine 
frrade der deutſchen Theologie, tro des Proteſtes 
einer jtarfen Minorität auf dem vatifanijden Konzil 
18. Juli 1870 das Dognia von der Unfeblbarfeit zu 
jtande gefommen war, als diefelben deutſchen Biſchöfe, 
die ſich vorher fo entidieden dDagegen ausgeſprochen 
atten, dad —* dennoch (in Bayern mit Umgehung 
des Plajet) verfiindigten und gegen die opponierenden 
Fakultäten von München, Bonn und Breslau forwie 
ge en einzelne Geijtlide und Religionslehrer mit kirch⸗ 
iden Zenfuren einfdritten, und als zugleich in dem 
Verhalten des Klerus und der fatholijden Bartei des 
Reidstags es fid) unverhohlen zeigte, Dak das Stre- 
ben dabin gebe, den päpſtlichen Willen auch zum ober- 
ten Geſetz der Staaten gu maden: da wurde es vielen 
er Bejten zur Gewiffenspflidt , fic) der Cinfiihrung 
eines —— zu widerſetzen, dag fiir Den Papijt eine 
ſchrankenloſe Gewalt iiber jeden cingelnen wie über 
Rirde und Staat in Unfprud nehme, und mit dem 
fein Recht, teine Freiheit, feine Gewiſſenhaftigleit be- 
ftehen finne. Ein Brief des Stiftspropites Dollinger 
ju Minden vom 28. März 1871 an den Erybiicrot 
Sderr, in dem er in fehneidiger Sprache begründete, 
dak er al8 Chrijt, als Theolog, als Geſchichtskundiger, 
als po das Dogma nicht annehmen könne, und 
Den Der —— mit der Exfomnumifation beant⸗ 
wortete, gab der in vielen Kreiſen verbreiteten Stim- 
mung Uusdrud und Anlaß gu einer weiter gehenden 
Bewegung, die vor einem WUftionsfomritee in München 
geleitet wurde. Die anfiinglide Hoffnung, die An— 
nahme de3 Dogmas in der deutſchen Kirche nod) rück⸗ 
ängig maden ju fonnen, fdwand, als der deutfde 
Epiftapat in einem gemeinfamen Hirtenbriefe feine 
Unterwerfung ausfprad. Ihr ftellte der Kongreß 
der Ultfatholifen in Miinden (September 1871) 
die Behauptung entgegen, die Ynfallibilijten feien, 
burd) den Jeſuitismus verfiihrt, vom Glauben der 
alten Kirche abgefallen, und diefe bejtehe rechtmäßig 
nur in ihnen fort. Damit war das Schisma aus- 
gefproden. Unter dem Schutz und der Begiinjtiqung 
des Staated bildete fich eine Anzahl alifatholijdher Ge- 
meinden, deren firdlichem Bediirfnis der Erzbiſchof 
von Utrecht (f. Utrechter Kirche) entgegenfam. Jn einer 
Reihe wiffenfhaftlider und populärer Schriften ents 
widelten in zwiſchen die Fithrer der Bewegung, Schulte, 
Friedrich, Reinfens, Michgelis u. a., aus Kirchenrecht 
und Rirdengefdidte die Ungiiltigfeit und Unjtatt- 
haftigleit des Dogmas, feinen Widerjprud mit Reli⸗ 
iofitat und Sittlichkeit. Der zweite Kongreß, in Köln 
September 1872, hielt in ſeinen Anträgen an den Staat 
den bisherigen Anſpruch, die rechte katholiſche Kirche 
zu ſein, feſt und beauftragte ein Komitee, die Ein— 
leitung zu einer Rekonſtituierung der Kirche durch eine 
Biſchofswahl zu treffen. Zugleich wurde auch die von 
Döllinger angeregte Frage nach der Möglichkeit einer 
Wiedervereinigung der getrennten Gonfeffionen ins 
Auge gefabt und offen ausgeſprochen, daß man nidt, 
wie anfänglich beabjidtiqt geweſen, nur auf den Bus 
jtand des 7. Jahrh., vor der Trennung von der grie— 
chiſchen Rirde, zurückgreifen fonne, fondern dah eine 
Revifion der Entwidelung in Lehre, Verfajfung und 


Kultus notwendig fet. 


392 Altkirch — Altmark. 


Eine Delegiertenverſammlung nahm 4. Juni 1873 | der Synode ju Olten 1876 auf eftellten Prinzipien viel 
in Köln ein Organifationsftatut an, nach dem die | ent{diedener mit der hierarchiſchen Tradition gebroden, 
Leitung der Kirche bei dem Biſchof ruht, dem ein Spe- | als died den deutfden Witfatholifen mögli ag 
zialausſchuß von neun Perfonen, teils Geiftliden, | war. Die altfatholifde Fahultat in Bern jtellte ſich 
teil? Laien, zur Seite fteht. Diefer Ausſchuß wird 
von der Synode erwählt, die jährlich in der Pfingſt— 
woche gufammentritt, und gu der ſämtliche Geiſtliche 1901 zählte man 41 Gemeinden mit 56 Geiſtlichen und 
und fiir jede Gemeinde, bes. fiir je 200 felbjtindige | rund 50,000 Geelen. Jn Ojterreid wurde die alt: 
Männer ein Laiendeputierter berufen werden. Bei | fatholijde Religionsgemeinfdaft durch Verordnung 
der Biſchofswahl vereinigten ſich die Stimmen auf | des Kultusminiſters vom 18. Oft. 1877 anerfannt. 
den bisherigen Profeſſor in Breslau, Joſ. Hubert | 1901 gab e3 dort, befonders in Nordböhmen, etwa 
Reinfens (f. d.), der am 7. Oft. 1873 durd) den | 17,600 Ultfatholifen mit 14 Geiftliden. Bistums- 
preußiſchen Nultusminijter in Berlin als Biſchof der | verwefer iſt M. Cred) in Warnsdorf. In Holland 
altfatholifdjen Gemeinden Preußens vereidigt wurde. | gibt es etwa 8000 Altfatholifen mit BO Geijtlicjen. 
Die neue Organifation halt an dem auch vom preufi- vit die übrigen Linder ijt die Statijtif dadurch er- 
ſchen Obertribunal anerfannten Grundfage feſt, daß ſchwert, dah die altfatholifdje Bewegung vielfach mit 
Die UAltfatholifen feineswegs aus der katholiſchen Kirche andern reformfatholifchen Vejtrebungen durcheinander 
— ſeien, ſondern dah ſie nur durch Um- geht. Jn Italien zählt man 8 Gemeinden mit ca. 
ſtände außer ihrer Macht an der Teilnahme der vollen | 10 Geiſtlichen, in Spanien 3000 Anhänger (1170 
Gemeinſchaft qebindert wiirden. Auf dem dritten Ron- | Rommumifanten) mit 11, in Portugal 330 Rom: 
reffe in onttans 1873 wurde cine Synodal- und | munifanten mit 5, in Merifo 1000 mit 13 Geift- 
Measinbcocheune angenommen. lichen. — Ultfatholifdhe Zeitſchriften: ⸗Deutſcher 
An Deutſchland wurden feit 1874 alljahrlich die | Merkur⸗ (Münch., feit 1870), erfdeint feit 1900 als 
firdenverfajjungsmafigen Synoden in Bonn gebhal: wiſſenſchaftliche Betlage gum > VUltfatholifden Bolts: 
ten; ebenjo a Kongreſſe jtatt 1876 in Breslau, | blatt« (Bonn, feit 1885); » Witfathol tides Rirdhenblatt« 
1877 Mains, 1880 Baden, 1884 Krefeld, 1888 Hei- 
delberg, 1890 Köln, 1892 Luzern, 1894 Rotterdam, 
1897 Wien. Die fcwierige heen der Aufhebung 
des Zwangszölibats der Geiſtlichleit, die Profeſſor 
v. Schulte in Born (Der Zölibatszwang und deſſen 
Aufhebung·, Born 1876) im Prinzip oe oa wãh⸗ 
rend er die praktiſche Ausführung als eine Sache der 
Zweckmäßigleit hinſtellte, beſchäftigte mehrere Syno- 
den. Endlich wurde auf der fiinfter Synode 1878 
unter Hinweis darauf, daß die neue Reichsgeſetzgebung 
(Geſetz über die Eheſchließung 6. Febr. 1875) das Ehe- 
hindernis der Prieſterweihe nicht mehr fennt, mit 75 
gegen 22 Stimmmen das Zölibat abgeſchafft. Geiftliche, 
welche die ideale Seite Des Zölibats hervorhoben, wie 
Reuſch und Tangermann, find durd dieſen Beſchluß 
der Sache des YW. entfremdet worden. Günſtig wirkte 
Dagegen das am 4. Juli 1875 vom Konig beſtätigle preu⸗ 
ßiſche Gefeg über dic Redhte Der altfatholifdhen Kirchen⸗ | 
qemeinden an dem firdliden Vermoqen. Uber: 
haupt beharrten Staatsregierung und Gerichte auch 
noch nach der Schwenlung der innern Politif feit 1878 
an Der Auffaſſung, daß die WUitfatholifen als fatholifche 
Chriſten zu betracdhten und ju behandeln feien, wäh— 
rend die bayrifde Regierung fie 1890 sur aus der 
romifd)-fatholifden Kirche ausgeidiedenen Privat: | Kreis Liidinghaufen, hat cine fath. Kirche, Eiſengie— 
Pale ae ng mit febr beſchränkten Rechten ume | ßerei und WMafdinenfabrif (Weſtfalia) und (sem 
ftempelte. In Preußen exijtierten 1901: 16 ftaatlich | 2150 Einw. 
anerfannte Pfarren und 20 nod) nicht förmlich fon: Altiutheraner, ſ. Lutheriſche Kirche. 
ſtituierte Gemeinden, in Baden 21 (17), in Bavern | Wltmann (foviel wie altus mons), Gipfel der Ap⸗ 
4 (10), in Heſſen 2 (2). Eine genaue Ungabe der See | pengeller Alpen, f. Santis. 
lenzahl tft deshalb nicht miglich, weil fid bet den Volfs-| Witmannsdorf, chemaliger Vorort von Bien, 
zählungen ftets nur et Teil der Ultfatholifen als ſolche feit 1890 dem XII. Wiener Gemeindebesirt einverterbdt. 
einträgt. Die Geſamtzahl wird fid auf mmd 50,000, Altmark, das Stammiland der Mark Branden: 
mit 54 Geiſtlichen belaufen. Biſchof tit feit 1896 der burg, Teil Der Kurmark, 4521 qkm (82,11 OM.) groß 
friihere Brofeffor der Theologie Th Weber (fj. d.. mit (900) 228,695 Cinw., wird durd die Elbe von 
Auch in andern Landern hat fich die altfatholifdje | der Priegnitz und Mittelmark gefdieden und gehört 
Bewegung verbreitet. Bejondere Ausdehnung und ſeit 1816 zum Regbez. Magdeburg, von dem ſie die 
Bedeutung erlangte fie in der Schweis. Die Syno⸗ Kreiſe Stendal, Gardelegen, Salzwedel und Oſterburg 
Dalverfajjung der dortigen »achriſtkatholiſchen · Kirche umfaßt. Die A. hatte Stendal zur Hauptſtadt. Bal. 
von 1875 entipricht un allgemeinen der deutſchen, und BWohlbriid, Geſchichte der A. (Berl. 1855); Zahn. 
aud in Bezug auf die Buriidjtellung der Ohrenbeichte | Geſchichte (Stendal 1891) und Heinratstunde der A. 
binter einer allgemeinen Bußandacht vor der Rom: (daſ. 1892); Briidner, Die flawiichen Mnfiedelungen 
munion berricht Ubereinftinumung zwiſchen beiden Na- | in der A. (Leip;. 1879). Weiteres über die Geſchichte 
tionalfircyen. übrigens hat diefe stirde in ihren auf | f. Brandenburg. 


dDerjenigen in Bonn wilrdig zur Seite. Biſchof ijl feit 
1876 der bisherige Berner Pfarrer Eduard Herzog. 


(daſ., feit 1874); »Der Ratholif« (Bern, feit 1877); 
»Revue Internationale de Théologie« (dai., fet 
1893); »De Oud-Katholiek« (Rotterdam, feit 1874); 
»La Luze (Madrid); »La Riforma cattolica«. Bgl 
Friedberg, Uttenttiide, die altfatholifde Bewegung 
betrejfend (Liibing. 1876); v. Schulte, Der A. (Gie- 
jer 1887); Herzog, Beitriige zur Vorgeſchichte der 
chriſtlatholiſchen Kirche der Schweiz (Bern 1896). 

Altkirch, Kreisſtadt im deutfden Bezirk Oberelfah 
an der Sil und der Eiſenbahn Mülhauſen -Altmün— 
jterol, hat eine evangelifde und eine fath. Kirche, 
Synagoge, Gymnaſium, Amtsgericht, Hauptsollamt, 
Weberei, Zieqelbrennerei und (1900) 3298 Einw. 

Altlofter, Dorf im preuß. Hegde}, und Streid 
Stade, an der Ejte und am Mande der Maric, hat 
eine Papierfabrif und (1900) 2123 Einw. 

Altkönig, Berg, ſ. Taunus. 

Wltlandsberg, Stadt im preuß. Regbez. Potsdam, 
reid Niederbarnim, an der Stienig und der Klein— 
bahn Hoppegarten-W., hat 2 ——— ein 
Amtsgericht und 900) 2337 Einw. ſtammt aus 
dem 13. Jahrh. und gehörte 1640 — 1708 den Herren 
von Schwerin. 

Altlünen, Kirchſpiel im preuß. Regbez. Miinfter, 








Altmaß — Wltona. 


393 


Altmaf GGelleichmaß), an vielen Orten Siid- | 1853) und mit Burmeijter »Der foſſile Gavial von 
deutſchlands und der Schweiz das Mah fiir den ge- | Boll in Wiirttemberge (daf. 1854). Wud begann er 


flarten, ausgegornen Wein, im Gegenfage gum Jung - 
maf (Trübeichmaß) fiir jungen Wein und Mojt. In 
Franfhurt a. WM. — 1,793 Lit. In Württemberg um 
Tez fleiner al8 das Trübeichmaß und um 4/10 groper 
al8 das Schenlmaß. 

Wltmittiveida, Vandgemeinde in der ſächſ. Kreish. 
Leipzig, Amtsh. Rochlitz, an der Staatsbahnlinie 
Chemnis-Riefa, hat eine evang. Kirche, Brauntohlen- 
gruben und (1900) 2170 Einw. 

Altmühl, linfer Nebenfluk der Donau in Bayern, 
entipringt auf der Hohen Leite, Dem Rordende der 
Franlenhöhe, hat ſüdöſtliche Hauptridtung und einen 
jebr gefriimmten Lauf. Sie durdbridjt den Dura, 
fließt Dort meijt in cinem ſchmalen, romantifden Tal 
und mündet unterhalb Relheim. Ihre Lange beträgt 
165 km. Durd) Kunſt ijt fie 32,9 km aufwarts ‘chit 
bar (jf. Qudwigsfanal). Val. Weininger, Frembden- 
führer Durd) Das Altmühltal (Reqensb. 1867); Rug - 
fer, Die Altmühlalp (Ingolſt. 1868). 

MUltmiinfter, Dorf bei Gmumbden (ſ. d.). 

Altnordiſche Sprache, ſ. Nordiſche Sprache. 

Alto (ital.), foviel wie Bratſche; vgl. At. 

Altobaſſo (ital.), ein veraltetes venezianiſches 
Muſikinſtrument, eine Urt eines Hacfbrett. 


Altodouro (jor. -ddirw, ein reizende3 Hiigelgelande 
in der portug. Broving Traz 03 Montes, am Douro, 
Heimat der Bortweine. ſeum). 


Mit-Ofen, Stadtteil von Budapeſt (ſ. d. u. Aquin⸗ 

Altomünſter, Flecken im bayr. * z. Ober⸗ 
bayern, Bezirksamt Aichach, 454 in ü. M., hat eine 
ſchoͤne kath. Kirche im Rokokoſtil (18. Jahrh.), früher 
‘eit von St. Alto um 743 gegründetes, ſehr reiches 
Benediftinerflojter (feit 1496 Kloſter der Brigittine- 
rinnen) und (1900) 1268 Einw. 

Alton (jr. ate’), 1) Stadt in Hanrpfhire (England), 
24 km nordöſtlich von Windhefter, am Wey, mit jtar- 
fem Hopfenhandel und (1901) 5479 Eimw. — 2) Dorf 
in Staffordſhire (England), 12km nördlich von Utto- 
reter, am Churnet; gegeniiber U. Towers, Schloß 
Des Lord Shrewsbury mit ſchönem Park. — 8) Stadt 
im nordamerifan. Staat Illinois, Grafſchaft Madi- 
fon, am Miſſiſſippi, Bahnknotenpunkt und Brücken— 
plag, mit 900) 14,210 Einw., Sig eines fatholijden 
Biſchofs und des baptiſtiſchen Shurtleff College. 

Wilton, 1) Eduard Jofef d’, Anatom, Archäolog 
und Kupferſtecher, geb. 11. Aug. 1772 in Aquileja, 
gejt. 11. Mai 1840 in Bonn, bildete ſich in Florenz 
und Wien, trat zu Goethe in nahe Beziehungen und 
Heteiligte fic) in Witryburg an den entiwidelungs- 

eſchichtlichen Arbeiten Randers, gu dejjen Werk über 

ie ee des Hühnchens er die Kupfertafeln 
rabdierte. Wud) bearbeitete er mit Bander die »Ver— 
gleidende Djteologie« (Vonn 1821—28). 1818 wurde 
‘ex Grofeffor der Kunſtgeſchichte und Archäologie in 
Bonn. Er lieferte nod cin Pradtwerk: »Die Ratur- 
Aeididte des Pyerdes« (Bonn 1810—17, 2 Bde.), und 
führte Die erjten Kreidezeichnungen auf Stein aus, die 
1802 in Undrés Offizin ju Offenbach gedrudt wurden. 

2) Eduard d’, Anatom, Sohn des vorigen, geb. 
17. Juli 1803 in St. Goar, geft. 25. Juli 1854 in 
Halle, jtudierte in Bonn, wurde 1827 Profeffor der 
Ynatomie an der Akademie der Künſte zu Berlin, 
1834 Profeffor in Halle. Er ſchrieb: »Handbuch der 
vergleidenden Unatontie des Menfchen« (Leip3. 1850, 
Bd. 1: Bewegungswerkzeuge); »De monstrorum du- 
plicinm origine« (daſ. 1849); »De monstris, quibus 


' 








die Fortjepung von feines Vaters »BVergleidender 
DOjteologie« (1827) und lieferte mit Sdlemm eine Ur- 
beit über das Nervenfyjtem der Fife. 

Altona, Stadt und Stadtfreis in der preuß. Bro- 
vin; Sdleswig-Holftein (j.Stadtplan »Hamburg-Vl- 
tona«), liegt am redjten, hochaufſteigenden Ufer der 
Elbe, mit der Ojtfeite unmittelbar an die Hamburger 
Vorſtadt St. Pauli ftoRend, 33 m ii. M. Unter den 
breiten, ziemlich regelmäßigen Straßen tritt beſonders 
die mit vier Lindenreihen bepflanzte Palmaille her— 
vor. Neben einer Anzahl zum Teil ſchöner Plage die- 
nen der Stadt namentlid) aud) ſchöne und wohlge— 
pflegte Anlagen zur Zierde, oft mit herrlidjer Ausſicht 
auf die Elbe und das Land 
jenfeitS derfelben. Unter den 
gu gottedsdienftliden Sweden 
beſtimmten Gebduden (9 evan⸗ 
geliſche, 2 fatholifde, cine Men⸗ 
noniten= und eine Baptijten- 
firdje, eine deutſche und eine 
portugieſiſche Synag e) ver⸗ 
dienen beſonders die in den letz⸗ 
ten Jahren entſtandenen Be⸗ 
rag fo Die von Open er⸗ Wappen von Altona. 
baute Friedenskirche, die von 
Lorenzen erbaute Rreusfirde und die von v. Donner 
gejtiftete, von Peterſen erbaute Chrijtustirde. Bon 
anbdern öffentlichen Gebäuden find gu nennen: das 
neue Rathaus am Raiferplay (an der Stelle des al- 
ten Hauptbahnhofs), das neue Muſeum, das Duftiz- 
gebäude, dad Stadttheater, der nene Hauptbahnhof, 
das Konzerthaus x. Un Denkmälern beſitzt A. cin 
Standbild Konrad von Bliichers (geſt. 1845), Ober- 
präſidenten von A., an der Ralmaille, das Sieged- 
denkmal ebenda, da8 Raijer Wilhelm-Reiter|tandbild 
vor dem Rathaus, modelliert von Eberlein, cin Stand- 
bild Bismards, modelliert von Brütt, an der König— 
jtrake, ein Denfmal zur Erinnerung an die 50jährige 
Feier der Erhebung SdleSwig-Holjteins, in den Anla⸗ 
gen der Fritz Reuterjtrake, ben Stuhlmann⸗Brunnen, 
modelliert von Tiirpe, an der Kaiſerſtraße, ben Bür— 
—— Behn-Brunnen, an der Allee, dad Krieger⸗ 

enfinal, an der Marktſtraße xc. Das Stadtgebiet wurde 
feit 1889 durch Cinverleibung der angrenjenden Orte 
Ottenfen, Ovelginne, Othmarjden und Bahrenfeld 
erweitert. Die Bet der Einwohner belief fic) 1900 
mit der Garnifon (cin Ynfanterieregqiment Nr. 31 und 
eine Ubteilung Feldartillerie Nr. 45) auf 161,501 See— 
len, Davon 151,728 Evangelifche, 6668 Ratholifen und 
2006 Yuden. Die Indüſtrie ijt bedeutend. A. hat 
große Cifengiefereien und Mafdinenfabrifen, Fabri- 
fation von Eiſenz, Blech- und Zinnwaren, Tabak, 
Bigarren, Seife, Of, Wagenfett, Rarfiimerien, Kaffee: 
jurrogaten, Fiſchlonſerven, Eiweißpräparaten, Scho— 
kolade, Glas, Margarine ꝛc., Holz⸗, Stein⸗, Papier⸗ 
und Lederbearbeitung, Schiffbau, Dampfmühlen, 
Bierbrauerei und Spiritusbrennerei. Der Handel, 
unterſtützt durch die Elbe mit ihrem Weltverkehr, durch 
die Eiſenbahnverbindungen (A. ijt Knotenpunkt der 
Staatsbahnlinien Hamburg-A., A.-Kiel u. a.), durch 
die Dampferverbindungen mit Hamburg, Harburg 
und andern Orten an der Unterelbe, durch ein lönig⸗ 
liches Kommerz Kollegium, cine Reichsbankſtelle und 
zahlreiche Banfinjtitute; die lebhafte Strom- und 
Seeſchiffahrt rc. ijt bedeutend und geht z. T. nad) über⸗ 
ſeeiſchen Ländern. Die Reederei der Stadt ziihlte 1900: 





extremitates superfluae suspensae sunt« (Halle 22 Schiffe zu 1400 Reg.Tons, darunter 11 Hochſee— 


394 


fifdereidbampfer. Sin Hafen von A. liefen in dem- 
elben Jahr cin 1287 Seefdiffe (Darunter 448 Damp- 
fer) zu 164,889 Reg.- Tons. Es liejen aus 1296 
Sehitfe (Darunter 446 Dampfer) gu 165,133 Reg.- 
Tons. Davon gingen nad andern Elbhäfen 657 See- 
ſchiffe. Die von den Seeſchiffen eingefiibrten Waren 
batten einen Wert von 70,366,364 Mart, die sur See 
ausgeffifrten Waren einen Wert von 34,263,188 Me. 
Haupthandelsartifel find: Getreide, Miiblenfabrifate, 
Naffee, Rafao, Tabaf, Ruder, Wein, Sypirituojen, 
Vieh, Heringe, Holz, Steinfohlen, Petroleum, Häute 
und Felle, Seſamöl, Oltudjen, Lace, Terpentinharze re. 
Von Bedeutung ijt aud der Fiſchhandel (in der Fiſch⸗ 
halle Umſatz 1900: 2,1 Dull. Mk.). Dem Verlehr die- 
nen eine eleftrifde Stragenbahn, die 1900; 37,8 Mill. 
Perjonen befdrderte, und ein ausgedehntes Fern jpred- 
nefs (1900: 1583 Spred)jtellen). — Un djfentliden Un- 
jtalten befigt U. cin Gymnaſium (Chrijtianeum), Real- 
—— 2 Realſchulen, Navigationsſchule, Ma- 
—————— Handwerler⸗ u. ſtgewerbeſchule, 
Theater, Kunjt-u. Gewerbehalle, Kunjthalle, Wuſeum, 
Diafonijjenanjtalt, ein allgemeines Rranfenhaus, 2 
Kinderhofpitiler, Entbindungsanjtalt, Jrren-Pjlege- 
anftalt xc. A. ijt Sty de3 Generalfonunandos des LX. 
UnneeforpS, des Stabe der 33. Ynfanterie-, 18. Ra- 
vallerie- u. 18. Feldartilleriebrigade, eines Hauptzoll⸗ 
a:nt3, der Provingialjteuer- u. einer finigl. Eiſenbahn⸗ 
direltion, eines Landgerichts, Amtsgerichts, des lönigl. 
Oberfiſchmeiſteramts fiir die Nordſee ꝛc. Die ſtädtiſchen 
Behörden zählen 9 Magiſtratsmitglieder und 35Stadt- 
verordnete. Der ſtädtiſche Etat fiir 1900/01 beläuft 
jid) auf 11,735,670 WME, die Sdhuld auf 30,7 Dull. 
Ml., denen 33 Mill. Me. an Wftiven gegeniiberitehen. 
Pas Stadtwappen bejteht aus cinem mit drei ſpitzen 
Tiirmen verfehenen, an einem vorbeifliekenden Strome 
gelegenen Stadttor. — In der Untgegend find jehens- 
wert die ſchönen Parkanlagen in Blanfenefe, Docken— 
huden, Rienjtedten und Klemflottbel, wohin die wegen 
ihrer landſchaftlichen Schinheiten beriihmte Elbchauſſee 
führt. — Der Landgerichtsbezirk A. umfaßt die 
26 Amtsgerichte ju Ahrensburg, A., Bargteheide, 
Blankeneſe, Eddelack, Elmshorn, Glückſtadt, Itzehoe, 
Kellinghuſen, Krempe, Lauenburg, Marne, Meldorf, 
Moin, Oldesloe, Pinneberg, Ranzau, Lge res 
cinbef, Reinfeld, Schwarzenbel, Steinhorſt, Trittau, 
terfen, Wandsbef und Wiljter. — A. (urfpriinglid 
foviel wie Ultwaffer) war im 16. Jahrh. ein in dic 
Kirche von Ottenſen eingepfarrtes Fiſcherdorf, das ſich 
durch fatholifde Flüchtlinge aus Hamburg, Refor— 
mierte, Juden rc. ſchnell bevöllerte, fam 1640 unter 
däniſche Herrſchaft und wurde 1664 von Friedrich IIT. 
sur Stadt erhoben. Im Januar 1713 ward A. von 
dem ſchwediſchen General Steenbod aus Rade fiir 
dad von den Diinen eingedfderte Stade fait gang 
niedergebrannt, erbholte fic) jedod) bald wieder und 
wurde 1814 durch den Oberprajidenten v. Bliicher vor 
der Eindjderung bewahrt. 1866 fiel A. an Preußen, 
wurde 1888 in das Sollvereinsgebiet aufgenommen 
und 1901 dafelbjt cin Freibafen erdjfnet. Bgl. Wid: 
mann, Gefdidte Ultonas (2. Ausg., Ultona 1896); 
A. unter Schauenburgiſcher Herrjdaft« (von Ebren- 
berg u. a., daſ. 1891 —93); Ehrenberg u. Stahl, 
Ultonas topographiſche Entwidelung (daſ. 1894). 
Altonaer Spftem im hihern Sdhulwefen, 
die —— von Realſchule (Oberrealſchule) und 
Realgymnaſium auf dreijähriger gemeinſamer Unter: 
jtufe; ſ. Höhere Lehranjtalten. 
ltoona (fpr. Alxund, Stadt im nordameritan. Staat 
Fennfylvanien, Graffdaft Blair, am Aufſtiege der 








Altonaer Syftem — Wltreidenau. 


Pennjfylvaniabahn zum Alleghanygebirge, hat große 
ang ar mit (1900) 6500 Yirbeitern und 
einem Produftionswert von 10,5 Will. Doll. und 
38,973 Einw. 

Altorf, 1) (Wltdorf) Hauptort des ſchweizer. 
Rantons Uri, 527 m it. M., tm Tal der Reus, nabe 
dem Bierwaldftatterfee, am Fuß des jteilen Bann- 
bergeS und an der Gotthardbahn, mit (1900) 3147 
meiſt fath. Einwohnern. Cin bemalter Turm und 
ein Brunnen erinnern an den Apfelſchuß Tells, deffen 
Bronzeſtandbild feit 1895 den Ort ſchmückt. Oberhalb 
deS Fieckens liegt das Napuginerflojter und am Ein— 
gang ing —S an Der neu erbauten Klauſen⸗ 
* das Dorf Viirglen (jf. d.) ant See Flüelen 
(f. d.). — 2) S. Ultdorf. 

Altöttiug, Bezirlshauptſtadt im bayr. Regbes. 
Oberbayern, unweit des Inns, an der Staatsbahn- 
linie Miihldorj-Burghaufen, 390 m ii. M., hat 8 Rir- 
den und Rapellen, Umitsgeridt, Forjtamt, ECijen- 
giebevel und Mafdinenbau und (i900) 4344 Cin. 

gen feined ſchwarzen, aus dem 8. Jahrh. ſtammen⸗ 
den, in einer Rapelle befindlichen Marienbildes iit A. 
beſuchter Wallfahrtsort (⸗deutſches Loreto<). Außer 
reichen Kleinodien bewahrt die Kapelle auch die Herzen 
bayriſcher Fürſten in ſilbernen Kapſeln. In der Peter⸗ 
Paulskapelle ijt Tillys Grab. — A. war urſprünglich 
eine Villa regia, wo Karlmann, der Sohn Ludwigs 
des Deutſchen, 876 cin Benediktinerkloſter ſtiftete, das 
1803 aufgehoben wurde. Nahebei das Bad St. Geor⸗ 

en mit alfalifd-erdiger Dtineralquelle. Bgl. »A., 

ſchichte und Sehenswürdigkeiten« (Altött. 1894). 

Altpaka, Dorf, ſ. Bafa gag 

Alt-⸗Pillau, Dorf, ſ. Pillau. 

Alt-Poppelau, Dorf im preuß. Regbez. und 
Landkreis Oppeln, an der Brinitze, hat eine lath. Rirde, 
Oberforjteret und (1900) 2213 Einw. 

Altprenfen, Bezeichnung derjenigen Provinzen 
des preußiſchen Staates, die ſchon vor 1815 (oder aud 
1807) der Monardie angehirt haben, ſpeziell Ojt- 
und Wejtpreufen, Bommern und Brandenburg, wah: 
rend die {pater hinzugelommenen Brovinyen neu- 
preugifde genannt werden. S. aud Oſtpreußen 
Geſchichte). 

Altpreußiſche Sprache, ſ. Preußiſche Sprache. 

Altränſtädt, Dorf im preuß. Regbez. und Kreis 
Merſeburg, bei Lützen, mit 700 Einw. * dortigen 
Schloſſe ſchloß Karl XII. von Schweden nad ſeinem 
Einfall in Sachſen 24. Sept. 1706 Frieden mit 
Auguſt I., ey ge Polen und RKurfiirjten von 
Sadfen. Auguſt I. mußte auf den Thron Rolens 
Verzicht leiften, vom Bund gegen Schweden, msbef. 
von dem mit bem Zaren, juridtreten, den Livlander 
Patkul austiefern und den Schweden Winterquartiere 
in Sadfen einräumen. Rad Karis XII. Riederlage 
bei Poltawa erflirte Auguſt II. 8. Aug. 1709 den 
Frieden von A. fiir ungiiltig unter dem Borgeben, 
da feine Vertreter in A. Imhoff und Pfingſten, ihre 
Vollmadt iiberjdritten hatten. Wirklich ward jener 
ju lebenslinglider Haft, dieſer zum Tode verurteilt, 
jedod) begnadigt und gleich Imhoff auf den Königſtein 
rage eſehßt. * .Danielſon, Zur Geſchichte 
Der ſächſiſchen Politik 1706 —1709 (GHelſingf. 1878). 
— Durd den Vertrag gu W. vom 30. Mug. 1707 
erreichte Karl XI. vom Raifer Joſeph L. fiir dre fable 
fifden Proteſtanten Duldung und Religionsfrerheit. 
Bal. Goll, Der Vertrag von W. (Prag 1878). 

Altreichenau, Dory im preuß. Regbez. —— 
Kreis Bollenhain, am Striegauer Waſſer, 363 m it. M., 
hat eine evangelifde und 2 fath. Kirchen, Kirchenruine, 


Altrindam 


St. Unnafapelle auf dem Unnaberg, Oberfirjterei 
und (1900) 1874 Einw. Die dortige St. Unna-RKur- 
quelle, ein alfalifder Sauerling mit foblenfaurem 
Ratron und Lithion, wird gegen dronifde Magen- 
und Blafenfatarrhe verwendet. UW. gehörte 1352— 
1810 der Cijtercienferabtet Griifjau. 

Wltrindam (Wi tring ham, fpr. aattringim), Stadt 
in Chefhire (England), 20 km von Manchejter, mit 
Kunjttridlerei, Cifengieferei und (1901) 16,831 Einw. 
Dabei Bowden, mit alter Rirde, und Dunham 
Maffey, der Landſitz de3 Lord Stamford, mit be- 
riibmtem Bart und ſchöner Rirde. 

Altringer, Johann, Graf, f. Aldringen. 

Altruismnus (vom ital. altrui, »cin andrer«), die 
Besiehungen, die swifden den veridhiedenen aie apr 
des Körpers untereinander bejtehen, ihr gegenſeiti— 
ges Ubhangigkeitsverhaltnis, das unter phy- 
ſtologiſchen wie oy ey Bedingungen fid da- 
durch dufert, daß die Leijtungen eines Organs fiir 
die übrigen, die der tibrigen fiir das cine von Bedeu- 
tung find. Go erjzeugt die Leber den fitr die Tätigkeit 
der Musfeln notwendigen Zucker; die Tätigleit der 
Schilddrüſe iit von Bedeutung fiir den allgemeinen 
Stoffwedfel und fiir Die Herstatigheit, die der Neben- 
nieren fiir die Erhaltung des Blutgefaptonus u. a. — 
Rad Comte heißt A. diejenige Urt ded fittliden BVer- 
haltens, die (im Gegenfage zum Egoismus, ſ. d.) nidt 
ſowohl durch die Ruckſicht auf das eigne, fondern durch 
die auf fremdes Wohl bejtinunt wird. Die altruijti- 
ſchen Woralfyiteme nehmen an, daß neben den egoi—⸗ 
ittiden Trieben auch altruijtifde urfpriinglic& in der 
menſchlichen Natur liegen, die von cinigen mit einem 
nidjt weiter zu erfldrenden Grundgefiihl der Sym- 
patbie (f. d.) in Berbindung gebradt, von andern 
aus dem bereits im Tierreich als Inſtinkt vorhandenen 
uneigenniipigen Intereſſe Der Eltern an ihren Jungen 
abgeleitet werden, und betrachten das Überwiegen te 
altruiſtiſchen Triebe über die egoijtifden als Kenn⸗ 
zeichen und Gradmeſſer der Sittlicdfeit. Jn Nantes 
bat fich aus Anhãngern Comtes 1889 eine Ultruijten- 
Gefellichaft mit eiqner Zeitſchrift gebildet. — Jn der 
Nationaldfonomie verjteht man unter U. die Gefamt- 
eit Der Handlungen, die den wirtfdaftliden Borteil 
andrer bejweden; vgl. Dargun, Egoismus und A. 

Altruppin, ſ. pin 2). [(Qeip;. 1885). 

Altſächſiſch, die Sprache, aus der das jest im 
nordwejtliden Deutſchland geiprodene Niederdeutſch 
hervorgegangen ijt. Das Hauptdenfmal des Witjad)- 
ſiſchen iit Der Heliand (f. d.). 

Altiachfijdhe Genefis, ſ. Heliand. 

Wit- Sande,, Stadt, ſ. Sande; 2). 

Altſchadenwaſſer (phagedäniſches Baffer, 
Aqua phagedaenica), altes Heilmittel für alte Wun— 
ben, Geſchwüre ꝛc., wird aus Quechkſilberchlorid und 
ſtallwaſſer bereitet und enthalt im wefentliden gelb- 
rotes Ouedfilberoryd; das Sch warje Waſſer (A. 
phagedaenica nigra, A. nigra), au8 Ouedfilber- 
dioriir und Kallwaſſer bereitet, enthalt ſchwarzes 
Quectſilberoxydul. 

Alt⸗Schalkowin, Dorf im preuß. Regbez. und 
Landkreis Oppeln, mit fath. Rirdje u. (1900) 2471 Einw. 

Aliſcharlach, |. Biebricher Scharlach. 

Altſcherbin, Irrenanſtalt, ſ. Schleudi 

Altſchlüſſei, der eSchlüſſel auf der Mittellinie, 
die dadurch der Sif des c’ wird; wurde friiber all- 
gemein fiir Die Altſtimme gebraucht, während er heute 
mur nod fiir die Bratſche üblich ift. l. Schlüſſel. 

Altshauſen, Stadt im wiirttemberg. Donaukreis, 
Oberamt Saulgau, Knotenpuntt der Staatsbahnlinien 


— Altum. 395 


Herbertingen-Jsny und W.-Pfullendorf, 592 m ii. M., 
* eine evangeliſche und eine fath. Kirche, Schloß. 
nvalidenhaus und (i900) 2192 Einw. — YW. war feit 
1264 Sig des Landfomturs der Deutſchordensballei 
Elſaß und Burgund, der ju den Reichsprälaten ge- 
hörte, und fam 1806 an Wiirttemberg. 
Altſitz, in Oft- und Weſtpreußen foviel wie Alten— 


teil (f. d.). 

Mitilawifdye (oder urflawif dhe) Sprache, dic 
nicht iiberlicferte Mutter der flawifden Spraden (ſ. d.); 
frither wurde vielfad) faljdlid) das Kirchenſlawiſche 
(jf. d.) dafür gehalten und aud) fo qenannt. 

Altſloweniſch, ſ. Kirchenflawiſch. 

Altſohl (ungar. Zolyom), königl. Freiſtadt mit 
Munizipalrecht tm ungar. Komitat Sohl, Knotenpunkt 
an der Bahn Budapeſt-Ruttka, an der Gran, mit 
gotifder Rirde, Möbelfabrik, Cifengieherei, 12 Mi- 
neralquellen (fohlenfaureds Natron und Magnefia), 
einer grofen Bergfejte aus dem 14. Jahrh. und 
(1900) 7164 Einw.; 6 km nördlich liegt das Bad 
Saliacs (j. d.). 

Ititadt, 1) Gähriſch-A.) Stadt in Mahren, 
Bezirksh. Schinberg, am Graupabad, ſüdöſtlich vom 
Grofen Sdneeberg, hat ein Bezirksgericht, eine alte 
Pfarrtirde, Graphitbergbau, Leinenbleiderei und 
(1900) 2117 deutſche Einwohner. — 2) (Ober⸗A.) 
Dorf in Böhmen, Bezirlsh. Trautenau, an der Unpa 
und ber Bahnlinie Trautenau-Freiheit, mit Flachs 
fpinnereien, Bleideret und (1900) 3746 deutſchen Ein⸗ 
wohnern. — 3) Mart bei Ungarifd-Hradifd (ſ. d.). 

Altftammer , ſ. Tauben. 

Altjtatten, Stadt im ſchweizer. Nanton St. Gal- 
len, Bezirk Oberrheintal, 470 m ii. M., an der Eiſen⸗ 
bahn Rorfdhad-Chur und Uusgangspuntt der Poſt⸗ 
jtrafe fiber den Stoß in Das Uppengeller Land, bat 
Woll- und Baumwwollindujtrie und (1900) 8743 Einw. 

Altſtimme, ſ. Uit. 

Altſtolze, Bezeichnung des Stolzeſchen Steno- 
graphieſyſtems in —— bis 1872. Bgl. Sto! je 
und Stenographie. 

Altſtrelitz, Stadt, ſ. Strelig. 

Altiwert, Meiſter, elſäſſ. Dichter um etwa 1400, 
Verfaſſer von Minneallegorien (res. von Holland 
und Seller, Stuttg. 1850). Bgl. K. Meyer, Meijter 
A. (Göttinger Dijjertation, 1889). 

Wit-Thann, Dorf im deutſchen Bezirl Oberelfaj, 
Kreis Thann, an der Thur und der Eiſenbahn Mill 
haufen-Wefferling, hat eine fath. Kirche, Majdinen- 
fabrifation, Bleiden und (1900) 2140 Cinw. 

Alttier, das weiblide Tier von Elch, Rot- undDam- 
wild, das ſchon Kälber gebradt hat oder tragend ijt. 

Alttitſchein, Marktileden bei Neutitfchein (ſ. d.). 

Alttſchechen, cine fonjervative politifde Bartei, 
die feit Begin der fonjtitutionellen ira in Oſterreich 
in der tſchechiſchen Bevdiferung überwiegenden Ein- 
fluß beſaß, aber durch die Ereigniſſe des Jahres 1890 
(f. Böhmiſcher Ausgleich) die meiſten Mandate an die 
Jungtideden (jf. d.) verlor. In der iſchechiſchen 
Bevslferung Bohmens und Mährens haben die A. 
aud) heute nod) einen anſehnlichen i 

Altum, Bernard, Zoolog, geb. 31. Yan. 1824 
3u Munſter in Weſtfalen, geſt. 1. Febr. 1900 in Ebers- 
walbe, ftudierte Theologie, dann in Münſter und Bers 
lin Bhilologie und Zoologie, habilitierte jid) 1859 als 
Dojent fiir Boologie an der Alademie in Münſter und 
wurde 1869 Profeſſor an der Forjtalademie gu Ebers- 
walde. Er fdrieb: »Der Vogel und fein Lebene (6. 
Unfl., Munſt. 1898); »Lehrbud) der Zoologie« (mit 
Landois, 5. Aufl., Freib. 1883); -Forſtzoologie · (2. 


396 Altum silentium 
Aufl., Berl. 187682, 4 Bde.); »Die Getweihbil- 
bung bei Rothirjd, Rehbod, Dambirfdj« (daf. 1874); 
Die Geweihbildung des Elchhirſches- (das. 1874); 
Unſre Spechte ⸗ (Daj. 1878); »Unſre Mäuſe« (daf. 
1880); · Die Artenlennzeichen des inländiſchen enten⸗ 
artigen Geflügels⸗ oat 1883); »Waldbefdhadiqung 
dure) Tiere u. Gegenmittels (daf. 1889). Bal. 
mann, Dr. Bernard A. (Münſter 1900). 

Altum silentium ({at.), tiefe3 Schweigen ; ſprich⸗ 
wörtlich geworden nad) BVergil (Aen. X, 63); Quid me 
alta silentia cogis rampere? (Warum zwingſt du 
mid, das tiefe Schweigen zu breden ?). 

Altunli- Befdlif, türl. Goldmiinge von 1840 
gu 5 Guruſch — 0,978 We. 

Altvater, höchſte Erhebung de3 an der Grenje 
von Maren und Oſterreichiſch⸗Schleſien hingiehenden 
waldreidjen Ultvatergebirges oder Hohen Ge-| 
fenfes, cine3 Teiles der Sudeten, 1490 m hod. Um 
Ojtfup des Berges liegt der Badeort Karlsbrunn (jf. d.). 
Andre Gipfel jind im fiidliden Teil der Peterſtein 
(1446 m) und die Hohe Heide (1464 m), im nordiweft: | 
lichen der Kleine Bater- oder Leiterberg (1367 m), 
der Glajerberg (1424 m) und der Hochſchar (1351 m). 
Bal. Scholz, Führer durch das AUltvatergebirge 
(3. Aufl., Freiwaldau 1897). 

Wltvaterrecht, ſ. Ultenteil. 

Wltviole (Ultgeigqe), ſ. Bratſche und Alt. 

Altvordern (v. althoddijd. vordoro, »friihere+), 
foviel wie Vorfahren. [Flußarm. 

Altwaſſer, cin ehemaliger, nicht austrodnender 

Altwaſſer, Dorf im preuß. Regbez. Breslau, 
Kreis Waldenburg, Knotenpunlt der Staatsbahnlinien 
Dittershach-Niederfalsbrunn und W.-BWrangelfdadt, 
363 in it, M., Hat eine evangelijde und eine fath. 
Rirdhe, Schloß, Eiſengießerei und Maſchinenbau, 
Steinfohlenbergbau, Holz⸗ und Schuhwarenfabrila⸗ 
tion und (1900) 12,144 Einw. Die Mineralquellen 
find * 

Altweiberſommer (flieqender Sommer, 
Flugſommer, Sommerfäden, Graswebe x.), 
feines weißes Gewebe kleiner, junger Feldſpinnen 


as⸗ 





— Aluminium. 


cienſerlloſter umgewandelt, zeichnete ſich int 14. Jahrh. 
durch eine Kloſterſchule aus und ward 1544 ſätula⸗ 
riſiert. Die Begriibnistapelle, die Marlgraf Friedrich 
der Ernſte 1347 erbaute, und in der alle meißniſchen 
Fürſten von Otto dem Reichen bis auf Friedrich den 
Strengen ruhen, wurde 1599 vom Blitze zerſtört, je— 
doch 1787 durch einen Neubau erſetzt. Vgl. Beyer, 
Das Ciſtercienſerſtift und Kloſter Alt-Celle (Dresd. 
Aludelu, ſ. Quechſilber. 1855). 

Ulumbrados Wlombrados, »Erleuchtete<), 
Name ciner myſtiſchen Selte, die fich feit 1524 mebr- 


| mals, zuletzt 1623 in Spanien, fpater nod in Frant- 
reid) geigte und von Inquiſition und Kirche hart ver- 


folgt wurde. 
lum-cake (engl., fpr. dim-tet), Wlauntuchen; 
f. Ulaun, fonsentrierter. 

Alimen ({at.), Alaun. A. ustum, gebrannter 
Alaun; A. plumosum, Federalaun; A. schisti, f. 
— hydrat. 

Alumina (lat.), Tonerde; A. hydrata, Tonerde- 

Alumina-alum (engl.), ſ. Alaun, konzentrierter. 

Alumingate, ſ. Aluminiumhydroxyd. 

Aluminit (Webſterit, Halliſche Erde), Mine- 
ral, mikrokriſtalliniſch in weißen, abfärbenden Knollen 


mit nierenförmiger Oberfläche, Harte 1, in Salzſäure 


leicht löslich, beſteht aus waſſerhaltiger ſchwefelſaurer 
Tonerde, findet ſich beſonders in der Braunkohlen⸗ 
formation bei Halle und als Seltenheit aud) an an- 
dern Orten. 

Aluminium (v. fat. alumen, Wlaun), Al, das 
Metall der Tonerde, findet fid) nicht qediegen, nimnmit 
aber in Form von fiefelfaurer Tonerde weſentlichen 
Unteil an der Bildung der Crdrinde (7,8 Proz.), foe 
fern dieſe Verbindung den Hauptbejtandteil der wich⸗ 
tigften Mineralien (Feldjpat, Glimmer) des Tonidie- 
fers, des Tones, des Lehmes xc. bildet. Außerdem 
fommt YU. als Oryd und Hydroryd, als ſchwefelſaute 
und phosphorſaure Tonerde, auch als Fluoralunti- 
nium (mit Fluornatrium im Kryolith) vor. Bur 
Darjtellung de3 Aluminiums jerjeste man juerit 
Aluminiumnatriumchlorid (aus Bauxit dargeſtellt), 


(Luchsſpinnen, Kreuzſpinnen, Krabbenſpinnen und dann auch Kryolith oder Fluornatrium, mit Natrium. 
Weberſpinnen), das bisweilen im Frühjahr, öfter im gegenwärtig aber wird A. ausſchließlich auf eleftro- 
Spätherbſt, fadenförmig in der Lujt umherfliegt (der iyniſchem Wege dargeſtellt, wobei Vorausſetzung tit, 
Sommer fommt oder fliegt fort). Der Vollsglaube dak die Eleltrizität durch Benutzung großer Waſſer⸗ 
hielt Die Faden für cin Geſpinſt von Elfen und Zwer— frajte febr billig gewonnen werden fann. Sur Uber- 
gen oder der Schidfalsgbttinnen (+ Die Metten (Nor | windung der chemiſchen Energie, die 1 kg A. in der 
nent} Haber gefponnen«, daber Mettfenfamer oder | Tonerde an Sauerjtojf bindet, ijt eine Urbeit erjor⸗ 


Maddhenfommer). Spiiter bezoq man den A. auf 
Waria(in Franfreid fils de la Vierge, in Süddeutſch⸗ 
land Wariengarn, Marienfaden, Frauen: 
fommer), die ſchweizeriſche Bezeichnung Witwen- 
fommerli, bayriſch Anlſummer, deutet auf dic 
ſpãäte Liebe dlterer Frauen hin. Da die Spinnen nur 
bei — Wetter ſpinnen, ſo ſteht die Erſcheinung in 
der Tat im Zuſammenhang mit ſchönen Herbſttagen 
(Daher A.). Die Faden werden 3. T. vom Wind los— 
eriſſen und fortgefiibrt, aber aud) von den Spinnen 
tir cine Fahrt durd die Luft erzeugt. Das Tierchen 
redt den Hinterleib in die Höhe, fcbiest einen oder 
mehrere Faden aus feinen Spinnwarzen empor und 
fiberlajt ſich, von diefen getragen, der Luftſtrömung. 





derlich, die Derjenigen enifpridt, die 40 Pferde in einer 
Stunde leijten. Jn Neuhauſen arbeitet man zur Dar- 


' ftellung von A. mit einigen Wbanderungen nad dem 


Verfahren von Héroult und Rleiner-Fierg, in— 
Dem man die zu redugierenden Allalidoppelfluoride 
(Rryolith) in Gefäße bringt, deren Wandungen mrt 
Baurit oder Ton gefiittert ind und in welde die ver- 
ftellbaren Eleftroden von oben und unten einmiin- 
den. Der Lichtbogen ſchmilzt dic qepulverten Maſſen, 
wobei ſich das A. an der untern negativen Eleltrode 
abſcheidet, wahrend der Eleltrolyt ſich durch Aufnahme 
von Tonerde, die man in angemeſſener Weiſe nachfüllt, 
regeneriert. Den Apparat zeigt die Abbildung auf S. 
397. Ein aus Kohlenplatten gebildeter Tiegel A ijt von 


Riettert die Spinne an dem Faden hinauf und widelt | ciner fejt anſchließenden eifernen Hiille a umgeben, die 
ibn dabei mit den Flißen zu einem Flöccchen zuſam⸗ vom Boden ifotiert ijt. Cine Anzahl fupferner Stifte a, 
ment, fo fenft ſich dies langfam gu Boden. führen den eleftrifdjen Strom dem Tiegel A gu. Ju 

Mit jab » Dorf, f. Zabrze. letztern taucht die pofitive Eleftrode B, die aus Robe 

Witgella (Witenselle, Alt⸗Celle), ehematiges | enplatten b gebildet ijt. Diefe werden oben durch 
Mondhstlofter, jesiges Kammergut bei Noffenin Sad: | cin Rahmenſtuͤck g gufammengefakt, und in die Ofe e 
jen, 1145 für Benediftiner geftiftet, 1175 in ein Cifter: des letztern greift eine Kette eit, mittels weldher die 


Aluminium (Darſtellung, Eigenſchaften). 


Eleltrode gehoben und geſenkt werden kann. Der Tie⸗ 
gel A ijt nuit Graphitplatten k bedeckt, die einige Dff- 
nungen zur Einführung von Material beſitzen. Die— 
ſelben werden nad) Beduͤrfnis durch Deckel 7 
geſtatten aber aud den Abzug der im Tiegel entwidel- 
ten Gale. Unf dem Boden des Tiegels liegt eine Me— 
tallplatte als negative Eleftrode. Durd) Annäherung 
Heider Cleftroden bringt man die Befdidung zum 
Schmelzen, worauf man die pofitive Eleftrode hebt, 


fo daß Der Strom durch die geſchmolzene Tonerde | 


geht, die alsbald jerjept wird. Das am Boden an- 
qejammtelte Metall wird durd das Stichloch C ab- 
qelajjen. Gollen Aluminiumlegierungen dar eſtellt 
werden, ſo wird das betreffende Metall in den Tiegel 
gebracht und regelmäßig Tonerde nachgefüllt. In 
neueſter Zeit erſetzt man auch die Tonerde durch Alu— 
miniumſulfid, das bei der Elektrolyſe durch die von 
dem elektriſchen Strom erzeugte Wärme ſelbſt oder 


—— 


il 





SS 
I 


SS) SSR 


Héroults Apparat yur Darftellung von Aluminium. 


durch Ofenhitze flüſſig erhalten werden fann. Die Re- 
duftion erfolgt bei geringer Stromijtirfe, und es wer- 
den Kurzſchluſſe vermieden, weil das A. fofort zu Bo- 
ben finft, Als Ldfungsmittel fiir das Aluminium⸗ 
fulfid dienen Chlorkalium und Chlornatrium. Die 
Redultion wird am bejten in einem eiſernen Kaſten 
vorgenommen, der oben mit Kohle ausgefiittert ijt, 
und da weder dieſes Futter. nod) die im Die geſchmol— 

e Majje eintauchenden Kohleelektroden durch den 
—ES— ſchädlich beeinflußt werden, ſo erhält man 
reineres A. als früher. Das Aluminiumſulfid erhält 
man (neben Chlornatrium) beim Eintragen von Na— 
triumaluminiumdlorid in geſchmolzenes Natrium⸗ 


397 


| ein Flufmittel, das aus einem Doppelfluorid von A. 
) und Calcium und aus Fluorfalium und Fluornatrium 
mit 38 Proz. Chlorcalcium beſteht; ijt dasfelbe durd 
die Stromwärme eingeſchmolzen, fo gibt man Ton- 
erde (aus Baurit) a. Durd reqelmafiges Cintra: 
en von Tonerde und Ausſchöpfen von A. gejtaltet 
th das Verfahren zum ununterbrodenen Betrieb. 
A. ijt weiß mit etwas bläulichem Sdein und ftar- 
fem Metallglanz, härter al Zinn, aber weider als 
Rink und Kupfer, läßt ſich zu dünnſtem Draht, Bled 
und feinſter Folie verarbeiten, zeigt dagegen bei Be— 
arbeitung mit ſchneidenden Werkzeugen ſehr ſtark die 
Eigenſchaft des Schmierens. Im gegoſſenen Zuſtand 
hat es etwa die Fejtigteit von Guheifen, kalt gewalzt 
oder geſchmiedet erretdt es fajt die Feſtigleit von ge- 
goſſener Geſchützbronze und übertrifft diejenige von 
warm gewalztem Kupfer ſowie von Zink und Zinn. 
| Es trijtallifiert regular, gegoſſenes A. bricht meiſt 
grobfaſerig und unregelmapig gelörnt; bearbeitetes WL. 
t riage aes oft aud) feinfdrnigen, feidenglingenden 
Brud. Gutes Metall läßt ſich mit dem Meißel dirrd- 
hauen, ohne zu brechen. Starl gewalzt oder gezogen 
federt es ſehr gut; es beſitzt einen ſchönen ae Spe- 
zifiſches Gewicht bei 22° gegoſſen 2,64, ge jt 2,68, 
gesogen 2,70. Die Verbrennungswarme betriigt 7140 
| Warmeeinheiten (Cijen 1352). Es ſchmilzt bet 700°, 
befitst fehr Hobe ſpezifiſche und Schmelzwürme, und 
—— A. erſtarrt daher ſehr langſam. Das 
ärmeleitungsvermögen iſt etwa doppelt ſo groß wie 
dasjenige des Schmiedeeiſens und halb ſo groß wie 
das des Kupfers. Das eleltriſche Leitungsvermögen 
beträgt 36—-60 Proz. desjenigen von reinem Kupfer. 
Nach Gewicht berechnet, beſitzt A. von allen Gebrauds- 
metallen den geringſten Widerſtand. Das lineare 
Schwindmaß des Aluminiums (möglichſt kalt in Sand 
geqotfen) beträgt 1,8 Broz. Reines A. ift geſchmach 
und geruchlos, ein Gehalt von Silicium aber, den 
| Das kaãufliche Metall gewöhnlich beſitzt, gibt ihm den 
Gerud) ded Gufeijens. Yn trodner und feuchter Luft 
Halt fic) W. bei gewöhnlicher Temperatur und bei Rot- 
qlut unverändert, auch beim Schmelzen tibergieht 3 
ſich nur mit einem äußerſt diinnen Häulchen, felbjt 
| bei Weißglut verbrennt es nur oberflächlich. Dagegen 
verbrennt Blattaluminium fdon in der Spiritus- 
flamme mit blendendem Lidt. Feiner Draht verbrennt 
han Der Luft gu Aluminiumoxyd und Wheminiun 
nitrid. Eiſenoxyd und Rupferoryd werden durd A. 
erjt bei jebr lebhafter Rotglut zerſetzt. Durch Schmel⸗ 
zen mit Salpeter wird es erjt bei lebbafter Rotglut 
orydiert, ebenfo redugiert es erſt bei Diejer Temperatur 
iter: und Rupferoryd. A. ijt nicht flüchtig, zerſetzt 
Waſſer nur als Blattatuminium und beim Verbren- 





fulfid, aud) fan man das Sulfid auf dieje Weife di- | nen in Wafjerdampf, aus fodyendem Waſſer entwidelt 
reft aus Kryolith darjtellen oder Ton mit Schwefel- W. auf Zuſatz eimiger Tropfen von iibermanganjau- 
ſäure aufidlicgen, das erbaltene Uluminiumfulfat mit | vem Kali ſtürmiſch Waſſerſtoff. Es löſt ſich leicht in 


Natriumfluorid ſchmelzen und das gebildete Ratrium- 
fulfat durch Zuſatz von Noble reduzieren. Die Pitts- 
burgh Reduction Co. arbeitet nad dem Hallſchen 
Verfahren, das auf der LHslichfeit der Tonerde in 
den Doppelfluoriden des Aluminiums und der Ulfali- 
metalle beruht. Die Eleftrolyfe findet in eiſernen Ra- 
ften jtatt, deren Futter aus hartgebacener Kohle als 
Rathode dient. Bon einer fupfernen Stange, die mit 
dem pofitiven Bol der Dynamomajfdine tn Verbin- 
dung jteht, hängen an Supferjtangen Kohlengylinder 
al8 pofitive Eleftroden herab, die in Das Bad eintau- 
den. Eine zweite Kupferſtange ijt mit bem negativen 
Pol der Dynamomajdine verbunden. Bei inn 
der Urbeit bringt man anf den Boden des Kajtens 


Salzſäure und Natronlauge, febr langſam in ver- 
| Ditnnter Schwefelſäure, nidt in Salpeterſäure. Mit 
| verdiinntem Ammoniakl entwidelt A. lebhaft Wajjer- 
ſtoff. Berdiinnte Löſungen organijder Säuren wir- 
ten im Der Malte nicht auf A., beim Kochen mit koch⸗ 
ſalzhaltigen Löſungen organijder Gauren wird es 
“weniger angegriffen als Kupfer. Schweiß, Speichel, 

Eiter wirfen äußerſt langſam, Schwefelwaſſerſtoff umd 

Schwefelmetalle gar nicht auf A. Saure Nitrate zer— 

ſetzt es äußerſt langſam, aus Chloriden fällt es ſchnell 

das eleftronegativere Metall. Beim Schmelzen zerſctzt 
es kohlenſaure und ſchwefelſaure Alkalien augenblick⸗ 
lich, aus Borax und Silikaten nimmt es Bor, reſp. 

Silicium auf, und man lann Verbindungen von 70 


398 


Fro}. Silicium erhalten. Man ſchmilzt deshalb A. 
vorteilhaft in Tiegeln mit Rohlenfutter, wenn es aud 
fein Silicium aufnimmt, fobald man fein Flußmittel 
anwendet und nicht weit über den Schmelzpunkt er- 
hipt. Wud) Kryolith wird beim Schmelzen nit A. 
angegrijjen. Dit amalgamiertem Sink gibt es in ver- 
diinnter Sdwefeljaure cin galvani}des Element, def: 
jen Strom an Intenſität wenigſtens dem eines Platin⸗ 
jinfpaares gleichlommt. Gegen eleltriſche Einflüſſe 
zjeigt A. eine Widerſtandsfähigleit, welche die des Pla— 
tin3 vielleicht nod) übertrifft. A. zeigt ſich in oben 
angegebener Weije verhaltnismapig indifferent, weil 
es ſtels mit einem unfidtbaren, aber febr widerjtands- 
fabigen Orydhautden bededt ijt. Wird lesteres durd 
gen mit Duedjilberdlorid entfernt, fo zeigt fid) A. 
febr reaftionsfabig, zerſetzt Waſſer ſtürmiſch und ent- 
zündet fid) an feuchter Luft. Golded A. muß in einer 
indifferenten Fliiffiqteit aufbewahrt werden und cig: 
net fic) als bejtes Trodenntittel fiir organiſche Flii}- 
ſigleiten (Allohol, Uther), auch wird es als neutra- 
les Redultionsmittel angewendet. Geſchmolzenes A. 
reduziert energijd die meijten Oryde. Cine Miſchun 
von Uluminiumpulver mit Cifenoryd läßt ſich du 
eine Zundmaſſe aus Baryumjuperoryd und Mag- 
neſiumpulver entzünden und verbrennt dann unter 
Temperaturiteigerung auf Weißglut. Vgl. Thermit. 
Das Utomgewidt des Aluminiums ijt 27,1. Man 
fennt vom A. nur cin Oryd, ULuminiumoryd 
oder Tonerde Al,O,. 

Das U. des Handels enthilt 99,0 Proz. A., 0,06 
Proj. Silicium, 0,04 Proj. Cijen, bis 92,84 Broz. A., 
3,82 Broz. Silicium, 3,34 Broz. Cijen. Amboßalu— 
minium bat das ſpez. Gew. 2.3 und beſteht aus faſt 
reinem A. mit etwas Cijen und Mangan, febr wenig 
Magnejium und Spuren von Silicium und Natriwm. 
Es lajt fich febr gut bearbeiten, in naſſen Sandfor- 
men gießen, und ſtabſörmige Gußſtücke fonnten nad 
dem Crfalten mehriad um ihre Achſe qedreht werden. 
Auch ijt das Waterial in faltem Zuſtand fdmied- 
bar. Mit 1-2 Vroz. Silicium ijt A. ſchon ſehr qrau, 
aber in der Malte nod) ziemlich weid) umd zäh, in der | 
Wärme freilich faum mebr ſchmiedbar. Uber 2 Proz. 
Silicium maden das Metall ſpröde und briidig. Für 
die Hämmer- und Walsbarfeit des Aluminiums ijt 
die Verumreiniqung nut geringen Mengen von Eiſen, 
und namentlich von Kupfer, nod ſchädlicher als die 
uit Silicium. Das Löten des Aluminiums erfordert 
befondere Gorgjalt. Wit Wlattgold und Blattſilber 
läßt fich A. zwiſchen zwei auf dunkle Rotglut erhitzten 
Kolben durch hydrauliſchen Druck vereinigen. Galva- 
niſche Verlupferung und Vernickelung iſt nicht haltbar, 
dagegen läßt ſich VW. ait Kupfer platlieren, die Bleche 
(10 mm A. mit 0,1 mm Kupfer) laſſen ſich wie Kupfer⸗ 
bledje auswalzen, loten, preſſen, falzen, ziehen, ver- 
zinnen, verniceln, verſilbern xc. und find vielfach beſ⸗ 
ſer verwendbar als Aluminiumblech. 

Man benutzt A. wegen ſeiner Leichtigleit. Zähigleit 
und Widerſtandsfähigleit gegen chemiſche Einflüſſe zu 
allerlei Gebrauchsgegenſtänden, in der Kunſtinduſtrie, 
beim Schiffbau, Eifenbahnbau, zu Luftballonteilen, 
zu Inſtrumenten aller Art, zu militäriſchen Aus 
ruſtungsgegenſtänden, Tiſchgeräten, Kochgeſchirr, zu 
eleltriſchen Leitungen ſtatt des Kupfers x. Alumi— 
niumplatten benußzt die Lithographie ſtatt Der Steine 
Algraphie). Sehr wichtig rt die Verwendung des 
Aluminiums im Hilttenwwefen zur Herjtellung didter 
Giijje und zur Darjiellung von Chrom, Wangan x. | 
(ogl. Thermit). Blattalummium fertigt man als Sur- 
rogat des Blattjilbers; auf Salinen wird A. zu Siede: | 





Bal. dz, 


Aluminiumacetat — Alumunumfluat. 


geratidaften und Werkzeugen benugt. Aluminium⸗ 
Iver dient gu photographifdem Blitzlicht. Vielfache 
erwendung haben Uluminiumleqierungen gefunden. 
A. wurde 1827 von Wahler entdedt und mut Allali⸗ 
metall aus Chloraluminium abgefdieden; 1854 qe 
lang Bunfen die eleftrolytijdhe Darjtellung aus Na— 
triumalumintumdlorid, und um dieſelbe Seit erbielt 
Deville von Rapoleon IIL. die Mittel zu großartigen 
Berjuden. In Javelle bei Paris wurde 1855 die 
fabrikmäßige Darjtellung de3 Uluminiums unternomi⸗ 
men, und nod in demſelben Jahr erſchienen die erjten 
Barren des ⸗Silbers aus Lehme auf der Parijer Aus⸗ 
jtellung. Seit Mitte der 1880er Jahre hat die eleftro- 
lytiſche Darjtellung des Aluminiums die chemifde 
mehr und mebr zurückgedrängt und die Aluminium⸗ 
indujtrie einen Aufſchwung genommen wie farm eine 
andre Induſtrie, und zwar entſprechend dem Entwicke⸗ 
lungsgang der großen Dynamomaſchinen. Die Altien⸗ 
— in Neuhauſen wendete zuerſt Turbinen zum 
trieb der Dynamomaſchinen an. Zu gleicher Zeit 
wurde in New Kenſington (Pennſylvanien) eine Alu⸗ 
miniumfabrif erridjtet, Die 1895 nad dem Niagara: 
fall verlegt wurde. Die Neuhauſer Gefellidaft te 
dann eine zweite Fabrif zur Ausnutzung der Strom- 
jdnellen bei Rheinfelden. Am Ende des 19. Jahrh. 
betrug die Jahresproduftion an WU. etwa 5—6000 Ton. 
Die deutide Cinfubr betrug 1901: 1,089,600 kg, da- 
von famen 367,500 kg aus der Schweiz, 341,000 kg 
aus Djterreid), 276,800 kg aus den Bereinigten Staa- 
ten, 85,700 kg aus Franfreid). Ausgeführt wurden 
282,400 kg. Der Preis von 1 kg VW. betrugq 1856 
etwa 300 M., 1889: 50, 1892: 5, 1900: 1,8 Mt. Auf 
das Volumen beredynet, ijt A. faum teurer als Zink. 
inffy, Die Fabrifation des Aluminiums 
und der Ulfalimetalle (Wien 1885); Ridards, A, 
its history, occurrence, ete. (3. Aufl., Yond. 1896); 
Minet, L’A., fabrication, emploi, alliages (Bar. 
1892 — 98, 2 Bde.; deutid, Halle 1902); Heroult, 
L’A. à bon marché (im » Bulletin de la Soc. de l’in- 
dustrie minérale«, St.-€tienne 1900). 
Wlumininmacetat , ſ. Eſſigſaure Tonerde. 
Aluminium aceticum, Aluminiumacetat, ejfig- 
ſaure Tonerde; A. chloratum, Uluminiumelorid; A. 
sulfuricum, Wuminiumjulfat, ſchwefelſaure Tonerde. 
Aluminiumamalgam, |. Quedjilberiegierungen. 
Alumininmbligticht , ſ. Blitzlicht. 
Wluminiumbronge, ſ. Aluminiumlegierungen. 
Aluminiumch Chloraluminium)Alcl, 
entitebt, wenn man feines Aluminium im Chlorwaf- 
ferjtrom erbigt oder iiber cin erbigtes Genttid von 
— eg (Tonerde) und Kohle einen Chlor- 
jtrom leitet. A. verflüchtigt ſich, obne zu ſchmelzen. 
und bildet nach der Verdichtung farbloſe Tafeln oder 
eine weiße, durchſcheinende kriſtalliniſche Maſſe, die an 
der Luft ſtark raucht, begierig Feuchtiglkeit anzieht und 
fic) in Waſſer unter Ziſchen und jtarfer Erhitzung löſit. 
Ea ijt aud in Alkohol und Wither löslich. A. tit über— 
aus contarage iggy ong geht mit vielen Körpern Bers 
bindungen ein. Wan benugt es bei der organifchen 
Syntheſe als energifdyes Rondenjationsmittel. Die 
Löſung von Uluminiumbydroryd in Salsfaure gibt 
beim Verdampfen zerfließliche Nrijtalle von A. mit 
6H. O, die beim Erwärmen Wluminiumord hinter 
laſſen. VW. wirkt antiſeptiſch und wird (Khloralum. 
Chloralium) aud zum Karboniſieren der Wolle 
benugt. Ratriumaluminiumadlorid findet bet Dar- 
jtellung von Aluminium Verwendung. 
Aluminiumdruck, ſ. Algraphie. 
Aluminiumflugt, ſ. Kieſelfluorid. 


Aluminiumbydroryd — Wluminiumlegierungen. 


Aluminiumhydrogyd(Uluminiumorydhy- 
Drat, Tonerdcehydrat) findet fid in der Natur als 
Diajpor AlO(OH), Hydrargillit Al(OH), und mit Ei- 
ſenoxyd (mitunter auch Titan) alg Baurit Al,O(OH),. 
Es wird als farbloſer, gallertartiger Niederidlag, der 
zu einer gummiartigen Maſſe austrodnet, aus ſchwefel⸗ 
ſaurer Tonerde oder Alaun durd Ummonial, aus falter 
Tonerdenatronlijung durd Kohlenſäure, als ſehr did)- 
te3 Bulver aus Tonerdenatronldfung bei 50° gefallt. 
Es ijt geruch⸗ und geſchmacklos, löſt ſich nicht in Waſ⸗ 
fer, leicht in Säuren unter Bildung von Aluminium—⸗ 
oder Tonerdejaljen (das natiirlid) vorlommende A. 
löſt fic in Säuren erjt nad ſchwachem Glühen) und 
in Kali- und Natronlauge unter Bildung von Kalium⸗ 
und Natriumaluminat. Derartige Uluminate, in 
denen YL. die Rolle einer Säure ſpielt, bildet es aud 
mit andern Baien. Es bejist in hohem Grade die 
Eigenſchaft, organiſche Stoffe aus ihren Löſungen 
niederjureifen. Man benupt e3 daber zur Reinigung 
von Trinkwaſſer und namentlid gur Darjtellung von 
Farblacken, indem man e3 in Ldjungen von 4 02 
ſchen Farbjtoffen fallt. Beim Glühen verliert A. Waſ⸗ 
fer und binterlagt Aluminiumoxyd. Unterwirft man 
eine mit A. geſättigte Lofung von Aluminiumchlorid 
ber Dialyſe, fo erhält man eine Löſung von YL, die 
bald gallertartig erjtarrt und beim Erwärmen und 
bei Zuſatz von Säuren und Wlfalifaljen UW. aus- 
fdeidet. Natriumaluminat (Tonerdenatron) 


Al(ONa), wird aus Rryolith (f. d.) oder aus Baurit | Wet 


Dargejtellt. Legterer wird gepulvert, mit Natronlauge 
elocht oder mit Soda im Flammofen geſchmolzen. 
Die Schmelze wird ausgelaugqt und die geflarte Lö— 
jung zur Trockne verdampft. Tonerdenatron ijt farb- 
los, löſt fich leicht in Wafer, abjorbiert an der Luft 
Feuchtigkeit und Kohlenſäure und gibt dann eine triibe 
dfung. Durch Kohlenſäure, doppeltfohlenfaures und 
eſſigſaures Natron und durch Salmiak wird es zerſetzt. 
Es dient als Beize in der Färberei und Kattundrude— 
rei, zur Darjtellung von Farbladen, Milchglas, reiner 
Tonerde, fiinjtliden Steinen, zum Härten von Stei- 
nen, jum Leimen des Papiers, sum VBerfeifen der Fette 
in Der Stearinjaiurefabrifation x. Natriumaluminat 
wurde 1819 von Macquer und Hausmann und 1832 
von Dobereiner befonders den Farbern empfobhlen, 
aber erjt das Auftreten ded Kryoliths führte zur fa- 
brifmapigen Darjtellung von Tonerdenatron, das zu⸗ 
nächſt nur auf Soda und fdwefelfaure Tonerde ver- 
arbeitet wurde. Calciumaluminat fpielt beim 
Erhärten des Zements eine Rolle; meeguel ium— 
aluminat MgAl,O, fommt als Spinell, Beryl— 
liumaluminat BeAl,O, als Chryſoberyll, Eijen- 
aluminat FeAl,O, alg Pleonaſt, Zinkaluminat 
ZnAl,O, als Gahnit in der Natur vor. Dieſe Mine⸗ 
ralien farm man durd Erhitzen von A. und den ent- 
ſprechenden Dryden mit Borjaiure (als Löſungsmittel) 
bei Weißglut fiinjtlid) darjtellen. Baryumalumi- 
nat BaAl,O,, durd Glühen von Scowertoat mit Kohle 
und Tonerde in überhitztem Waſſerdampf dargejtellt, 
dient als Beigmittel in der Färberei. 
Aluminiumbhypodlorit, |. Unterdlorige Saure. 
UWluminiumlegierungen, Berbindungen und 
Mijfdungen des Uluminiums mit andern Metallen. 
Aluminium legiert fid mit den meijten Metallen. Ym 
widtigiten find die Rupferlegierungen; 1 Prog. 
Aluminium macht Mupfer géiber, ſchmelzbarer, barter, 
obne feine Hämmerbarkeit zu beeintradtigen, sum Wie- 
Pen geeigqneter und widerſtandsfähiger gegen chemiſche 
Ugenzien. Eine Legierung mit 2 Bron Aluminium 
wird zu Kunſtgegenſtänden verarbeitet und läßt ſich 


399 


gut mit Grabſtichel und Meißel behandeln. Am wid- 
tigſten ijt di Aluminiumbronze, Legierungen von 
Kupfer mit 3—10 Proz. Aluminium, ju deren Dar⸗ 
ftelung man Aluminiumbarren mit einer Bange in 
gefdmoljenes reinſtes Kupfer eintaudt und gut um: 
rührt. Legierungen mit mehr als 20 Proj. Wlumi- 
nium find bläulichweiß, bet 15 Broz. erſcheint die 
elbe Farbe, und bei 5 Prog. ijt die Legierung gold⸗ 
arben, bei 3 Broz. dem roten Golde ver (adja. 
Siliciumgebhalt beeintraidtigt die Farbe. Bei 140° 
nehmen die Bronzen cine tief goldgelbe, höchſt bejtin- 
dige Unlauffarbe an. Aluminiumbronze hat das ſpez. 
Gew. 7,65-—8,37, fie ijt ftrengfliiffiger als Kupfer 
(Bronze mit 10 Proz. Aluminium ſchmilzt bei ctwa 
1100°). Aluminiumarme Bronzen haben emen fehni- 
en, reiche Brongen einen kriſtalliniſchen, nad dem 
Canieden und Walzen aber einen feinfornigen Brad) 
wie Stahl. Das eleftrifde Leitungsvermigen der 
Aluminiumbronze ijt 15—15,8 Bro3. von demjenigen 
des Kupfers. oſſene Bronze 5* — höhere Feſtig⸗ 
feit als Gußſtahl. Durch Schmieden einer 7,5pro3. 
Bronze erreicht man cine Zugfeſtigkeit von 60 kg 
fiir 1 qmm, bei 8proz. Bronze eine ſolche von 80 kg. 
Bronzen mit mehr als 11 Broz. Aluminium find ſehr 
fpride und briidig, bei geringerm Gebalt jteigt die 
Babigkeit, und bet 8—5 Proj. ijt die Dehnbarfcit 
außerordentlich groß. Die Bronge ijt ſehr widerſtands⸗ 
fähig gegen organiſche und Mineralſäuren, Schwefel, 
alien, Ammoniak, Meerwaſſer, Kochſalz, Chlor, 
Alaun ꝛc., dagegen wird fie durch Schweiß leicht 
fleckig. Zwiſchen dunkler und heller Kirſchrotglut iſt 
die Bronze gut ſchmiedbar, man kann die feinſten 
Formen daraus ſchmieden oder unter dem Fallham- 
mer prefjen. Die höherprozentigen Bronjen lajjen 
fiq nur rotwarm —— Das Löten macht keine 
Schwierigleiten. Auch läßt ſich die Bronze wie Stahl 
härten, gut gravieren und mit Schmirgel polieren. 
Aluminiumbronze dient zu Haus- und Tiſchgerät, 
Inſtrumenten, Udfenlagern, fie findet in Rellulofe- 
und Bapierfabrifen ausgedehnte Anwendung, ſer— 
ner ju Sieben, Druckwalzen, Pulverwalzen, Gewehr⸗ 
läufen, Keſſeln zur Bereitung von Frudtfonjerven, 
Brillengeſtellen, Uhrfedern, Telegraphenapparaten, 
Saiten ꝛc. Für Bijouterien benutzi man eine Legie— 
rung von Aluminiumbronze mit Feingold, die 18— 
faritigem Gold entfpridjt. Cine Silberlegie— 
rung aus 100 Teilen Uluminium und 5 Teilen 
Silber läßt fic) wie Aluminium verarbeiten, ijt aber 
rter als diefes und nimmt ſchöne Politur an. Die 
Legierung aus 100 Zeilen Silber und 5 Teilen Alu— 
minium tft fajt fo bart wie gemünztes Silber und 
wiirde fid) vortrefflid) gu Münzen eignen, hat auc 
fiir andre Zwecke den Borjug, fein giftiges Metall 
zu enthalten. Aluminium mit 4 Proz. Silber wird 
zu Wagebalfen verarbeitet, ſolches mit 5 Broz. Sil⸗ 
ber gu Rlingen fiir Dejjert- und Objtmeffer. And 
verwendet man ju Gußſtücken Legierungen mit 4— 
6 Proz. Silber, weil diefe die Gußform qut aus- 
fiillen, aud) geniigend didt werden, WIS Wlumi- 
niumfilber (Drittelfilber, Tiers-argent) ijt cine 
Legierung von 0,33 Silber und 0,c6 Wluminium 
im Handel; fie ijt barter al8 Silber, leidjter gu qra- 
vieren, dient ju Löffeln, Gabeln, Teeplatten. Gold 
wird dburd 1 Proz. Aluminium febr hart, bleibt aber 
dod) Dehnbar und erbalt die Farbe des griinen Gol- 
des. Billiger als die Bronjen jtellen jid) die Wlumi- 
niumfupferzinflegierungen (Wluminium- 
meffing). Cine folde aus 63 Kupfer, 33,66 Zinl, 
und 3,33 Uluminium cignet fic) gut jum t 


— 


400 


und Gießen, ijt leidjter und widerjteht äußern Ein- 
flüſſen befjer al8 Meffing. Cin wegen feiner Härte 
zu Sdhrauben ſehr geeignetes Metall erhalt man aus 
Seana ntcons mit Meffing in verfdiedenen Ge- 
wichtsverhältniſſen. Die Legierung aus 2 Aluminium 
und | Bink ijt fo feft wie — a zäher, orydiert 
fidy nicht leicht, ſchmilzt bet 540—600° und ijt dünn⸗ 
fiaffiger al8 Meffing. Nickel (7—10 Broz.) liefert 
mit Uluminium feftes, hartes Gufmetall mit quten 
Schmelzeigenſchaften. Nidelaluminiumbronge 
ijt bart, jebrpoliturfabig, ſchön weiß, ſehr widerjtands- 
{abig gegen aimofpharijde Einflüſſe und gegen Fliij- 
figtetten des menſchlichen Körpers; fie wird daher fiir 
dhirurgifde Upparate empfohlen. Wud cine Legierun 
aus 10 Nickel, 90 Kupfer und 0,165 Aluminium itt 
empfoblen worden. Juweliere verarbeiten Legierun- 
en aus 26 Nickel und 8 Wluminium und aus 40 
idel, 10 Silber, 30 Uluminium, 20 Zinn. Man- 
—— verleiht dem Aluminium Schärfe und Härte. 
it Eiſen liefert Aluminium ſehr harte Legierungen 
(Ferroaluminium). Eine Legierung aus 24,5 Tei— 
len Aluminium und 75,5 Teilen Eiſen ijt ſilberweiß 
und roſtet nicht an der Luft. Geringer Eiſengehalt 
macht Aluminium hart und ſpröde, ſchwer ſchmelz⸗ 
bar; umgelehrt madt 0,1-—0,5 Proz. Aluminium den 
Stahl diinnfliiffiger und dichter Mitisguß). Das | 
Aluminium gerjegt das Eijenorydul, das im Eiſen 
Rohlenoryd erzeugt, und dadurd wird der Guß didter. | 
Außerdem bejordert das Aluminium die Unuwand- 
lung des im Eifen gelijten Kohlenſtoffes in Graphit. 
Binn (1—15 Broz.) erhoht die Feſtigleit und Wider- 
—————— des Aluminiums und die Schärfe qro- 
er Gupitiide, macht aber dad Metall ſpröder. Die Le- 
gicrung mit 10 Broz. Sinn läßt fic leichter verarbeiten 
und fo leicht loten wie Meſſing. Phosphorzinn erhöht 
Harte u. Schweißbarleit der A. Literatur ſ. Aluminium. 
Alumininmmeffing, ſ. Aluminiumlegierungen. 
Aluminiumogyd (Aluminiumſesquioxyd, 
Tonerde) Al,O, findet ſich in Der Natur farblos 
oder durch Eiſenoxyd gefärbt als Korund und Dia— 
mantſpat, durch Chrom rot gefärbt als Rubin, durch 
Kobalt blau als Saphir, gelb als orientaliſcher Topas 
und violett als orientaliſcher Amethyſt, außerdem mit 
Eiſenoxyd und Ktieſelſäure verunreinigt als Schmirgel. 
Man erhält amorphes A. durch Glühen von Alumi— 
niumhydroxyd oder Ammonialalaun. Schmelzt man 
dieſes vor dem sors oe oder erbigt man es 
anbaltend mit Borar auf Weikglut, fo wird es kriſtal— 
liniſch und gleidt dann völlig dem Rorund. Durd 
Schmelzen von VW. mit Bleioryd bei Heller Rotglut 
erbalt man ſchöne Rorundfrijtalle, bei Gegenwart von 
chromſaurem Kali Rubm und bei Anwendung von 
Robaltoryd mit emer Spur dhromjauren Kalis Saphir. 
Much aus Fluoraluminium durd Schmelzen mit Bor: 
ſãure fann man dieſe Mineralien erhalten. Dic frijtalli- 
jierte Tonerde hat das ſpez. Gew. 4,0, ijt nächſt Dia- 
ntant und Bor der harteite Körper und fann nur durd 
Schmelzen mit Ggenden oder fauren fdwefelfauren 
Allalien und durch Erhigen mit Schwefelſäure tm zu— 
geſchmolzenen Rohr in Lofung gebracht werden. Amor⸗ | 
phes A. iſt ein farb-, geruch⸗ und geſchmackloſes Bul- 
ver, nad) beftiqem Gluͤhen cine febr barte, am Stabl 
Funlen gebende Maſſe, die begierig Waffer auffargt, | 
ohne fic) Darin zu lofen. Bor dem Gliihen erwarmt 
ſich A. mut Waffer unter Bildung von Hydroryd, iit | 
unlostid) in Waſſer, loft ſich in Säuren und dgenden | 








Allalien und gibt, mit Kohle gemiſcht und im Chor: | 


trom erbigt, Aluminiumchlorid. A. dient sur Dar: 
tellung von Aluminium. 


Aluminiummeſſing — Alunit. 


— ——e— ſ. Aluminiumhydr⸗ 


oxyd. 

— JJ (Rhodanaluminium) 
AI(CNS), entſteht bei Zerſetzung von Aluminium— 
fulfat mit Baryum- oder Calciumrhodanid. Die Lö— 
fung wird zur Erzeugung ſchönen und friſchen Aliza— 
rinrots in der Zeugdruckerei benutzt, weil ſie die 
Beeinträchtigung des Alizarinrots durch etwa vor- 
handenes Eiſenoxyd verhindert. 

Aluminiumſalze (Tonerdeſalze) finden ſich 
zum Teil in der Natur, die Doppelſililate ſind Haupt⸗ 
beſtandteile der wichtigſten Geſteine (Feldſpat, Glim- 
mer); A. entſtehen durch Auflöſen von Aluminium⸗ 
hydroxyd in Säuren, die unlöslichen durch Wechſel⸗ 
zerſetzung. Von den neutralen Aluminiumſalzen ſind 
mur wenige in Waſſer löslich; dieſe ſchmecken ſüßlich 
zuſammenziehend, reagieren ſauer und wirlen auf 

iſen und Zink faſt wie verdünnte Säuren; aus ſehr 
verdiinnten Ldfungen wird beim Erhitzen oder durch 
Flächenwirlung (3. B. der Gejpinitfajern) baſiſches 
Saly gefallt. Hierauf beruht die Anwendung der A. 
als Beizen in der Firberei. Die baſiſchen Salye find 
jajt alle in Waffer unlöslich. Sehr zahlreid) find die 
Doppelfalje (Wlaune, Silifate). Wus den Lojungen 
Der A. fallen Wlfalihydrate, Unumonial, Sdwerel- 
ammonium und foblenfaure Alkalien Aluminium— 
hydroxyd. Der Niederſchlag iſt im Überſchuß der 
atzenden Allalien löslich und wird aus dieſer Löſung 
durch Kohlenſäure, Salmiak und durch vorſichtiges 
Neutraliſieren gefällt. Mehrere A. finden Anwendung 
in der Technil. {oryd. 

Wiumininmfesquioghd, joviel wie Uluminium- 

Aluminiumfilber, j. Uluminiunegierungen. 

Aluminiumfilifat, ſ. Kieſelſaure Tonerde. 

WUluminiumfulfat, ſ. Sdwefelfaure Tonerde. 

Aluminiumſulfit, ſ. Schwefligſaure Tonerde. 

Aluminiumſulfuret (Schwefelaluminium) 
A.S, entſteht als glaſige, gelblichweiße Maſſe beim 
Erhigen von Aluminiumoxyd in Schwefellkohlenſtoff⸗ 
dampf oder als gelbe frijtallinijde Maſſe beim Er- 
hitzen von Aluminium in Schwefeldampf und Waſſer⸗ 
ſtoff. Es zerſetzt ſich an feuchter Luft und durch Waſſer 
in Schwefelwaſſerſtoff und Aluminiumhydroxyd. Es 
wird zur Darſtellung von Aluminium benutzt. 

Aluminiumthiofulfat, ſ. Unterſchweflige Saure. 

Aluminographie, foviel wie Aluminiumdruchk 
ſ. Algraphie. 

Aluminothermic, das Goldſchmidtſche Verfah— 
ren, Aluminium als Wärmequelle ju benutzen. Bgl 
Thermit. 

Wlumndl, naphiholdifulfojaure Tonerde, cin wei⸗ 
ßes oder ſchwach rötliches Bulver, leicht löslich im 
Waſſer und Glyzerin, wenig in Alkohol, nicht in Äther, 
wird als antiſeptiſches und adſtringierendes Mittel, 
aud) gegen Gonorrhie benutzt. 

Alumnus (lat.), Koſtſchuler, Pflegling, Zögling 
einer Erziehungsanſtalt Alumnat, Internat), der 
Wohnung, Koſt und Unterricht (ganz oder halb frei) 
erhält; Gegenſatz: Stadtſchüler (Oppidanus, Ertra- 
neer). — Juriſtiſch bezeichnet Alummat dag rein fal⸗ 
tiſche Verhältnis eines Pflegefindes gu ſeinem Pflege⸗ 


vater; ſ. Zöglinge. 


Alunit (Alaunſtein, Alaunſpath, Mineral, 
farblos, rötlich oder grau, glasglänzend, durchſchei⸗ 
nend, Härte 3,5 —4, ſpez. Gew. 2,7, kriſtalliſiert rhom⸗ 
boedriſch, findet ſich aber meiſt derb in feinkörnigen 
Aggregaten, gewöhnlich mit Kieſelſäure innig ge— 
mengt. Der J iſt ein waſſerhaltiges Sulfat von 
Tonerde und Kali, entſtanden durch Einwirkung von 


Alupfa — Alvensleben. 


Solfataren, bes. ſchwefliger Säure oder von Sdhwefel- 
waſſerſtoff und Wafer auf Trachyt. Er findet ſich 
unter anderm bei Tolfa in Italien (2 m madtige 
Udern im Trachyttuff), in der Yuvergne, in Ungarn. 
Man verarbeitet ibn auf Wlaun. 

Wlupfa, Tatarendorf und beliebter Kurort im 
ruff. Gouv. Taurien, an der Siidfiijte der Krim; da- 
bei ein prächtiges Schloß des Fiirjten S. Mt. Woronzow 
im mauriſchen Stil mit großartigen Parkanlagen. 

Aluta (Alt, ungar. Olh), wilder, am —ãA 
mas in den Oſtkarpathen im ungariſchen Romitat 
Shit entipringender Fluß, fließt durch das ſüdöſtliche 
Siebenbürgen, durchbricht im S. das Grenzgebirge im 
Rotenturmpaß und mündet in Rumänien nach einem 
Laufe von 556 km gegentiber Nifopoli in die Donau. 

Alva, Stadt in Stirlingfhire (Schottland), am 
Fuß der Ochill Hills, 5 km nördlich von Ulloa, hat 
Wollfpinnerei und Wollweberei, eine Mafdinenfabrif 
und (1891) 5225 Einw. 

Wlvanen (Ulveneu, Alvagne), Dorf im ſchweiz. 
anton Graubiinden, Bezirk Ulbula, 1205 m it. Me, 
mit (1900) 383 fath. Einwohnern. 4 km unterbalb 
me Ulvaneu-Bad (976 m), mit einer falten, gips- 
haltigen Sdwefelquelle (8,5), die gegen Rheumatis- 
mus und Gidt, Sfrofeln, Bleid)fudht rc. gebraucht wird. 
Das Bad wurde ſchon im 16. Jahrh. benugt. Bal. 
v. Planta, Die Heilquellen zu A. Tiefenfajten und 
Solis (Chur 1865). 





Alvares (jor. diwarés), Fernam, mit Zunamen | 


do Oriente (weil aus Goa gebürtig), —— Dichter, 
geboren um 1540, geſt. 1599, ſoll bei Uleacer-Duebir 

elämpft haben und in Gefangenfdjaft geraten fein. 

hilipp IT. begitnjtigte in 1584 mit der Erlaubnis 
ju zwei Handelserpeditionen nad Roromandel, die A. 
1598 auf feinen Sohn iibertrug. Gein Lebenswerk 
»Lusitania transformada« (gedrudt 1607 u. 1781), 
Die Schule des Camdes verratend, ijt ein aus Brofa 
und Poeſie gemiſchter Scaferroman in der Urt von 
Sannajaros » Arcadiac und Montemayors » Diana<, 
in edler reiner Sprade und enthält fo fine Elegien, 
Sonette und Idylle, daß Camdesſchwärmer fie dieſem 
zuſchrieben, freilich daneben auch viele Reimſpiele— 
reien, in denen ſich A. als Meiſter in der Beherrſchung 
der Mutterſprache zeigt. 

Alvarez (jvc. alwares), Luis, ſpan. Maler, geb. 
1841 in Madrid, geſt. daſelbſt 4. Oft. 1901, machte 
auf der Sunjtafadentie zu Madrid feine erſten Stu- 
dien und begab fic) 1857 nad) Rom, wo er ſich zuerſt 
durch ein gefchictlides Bild: der Traum der Cal- 
purnia, der Gattin Cäſars, befannt madte (im finig- 
lichen Palajt gu Madrid) und ſpäter einen Jahrgehalt 
von Der fpanijden Regierung erbhielt. In der Heit 
von 1863 —73 entitanden die Geſchichtsbilder: Iſa— 
bella die Katholiſche in der Kartaufe zu Burgos (im 
foniglidjen Muſeum ju Madrid), der Rardinal-Pni- 
tentiar in San Giovanni und die Cinfdiffung des 
Königs Umadeus in Spezia. Neben dieſen Gemalden 
grofen Stiles ſchuf er auch cine große Anzahl von 

rebildern aus der vornehmen Gefellfdaft wie aus 
dem Bolfsleben de3 18. und 19. Jahrh., wobei er 
Schärfe der Charafterijtif mit qriindliden Koſtüm— 
ſtudien und einer virtuojen folorijtijden Darjtellung 
verband. Der Wohltätigleitsbaſar fiir ein Findel- 
haus in Spanien, der Empfang eines Kardinals 1791, 
die Vermählung der Pauline Borgheſe, das Bildnis 


des Erben, Krieg im Frieden (aus der Beit der frangi- | 


fifchen Rriege in Spanien) und cine Trauergefelljdajt 

1824 find die hervorragendjten dicfer Genrebilder. 

Bu ſtärkſter Wirkung bradte er die Kraft feimer Cha- 
Meyers Ronv.«Lerifon, 6. Mufl., 1. Bd. 


| verwalten, ward aber 1833 als Mitg 


| 





401 


rakteriſierungskunſt in dem großen Gejdidtsbilde: 
der Seſſel Philipps IL. beim Escorial (Verliner Na- 
tionalgalerie). €r war julegt Direftor des Prado- 
muſeums. 

Alveãrium (lat.), der Gehörgang des Ohres. 

Alvenen, ſ. Wivaneu. 

Alvensleben, alte adlige, im Magdeburgiſchen 
und in der Altmark anſäſſige Familie, die 1163 zu— 
erjt erwähnt wird und nod) in vier teilweiſe griifidven 
Linien blüht. Vgl. Bohl briid, Geſchichtliche Nach- 
ridjten von dem Gejdledt von A. (Berl. 1819 —29, 
3 Bde.); v. Ulvensleben, Stammtafeln ded v. Al— 
venslebenſchen Geſchlechts (Erxleben u. Berl. 1865); 
v. Miilverjtedt, Codex diplomaticus Alvenslebia- 
nus (Magdeb. 1877 ff.). Bemerfenswert aus neuerer 
Beit find die folgenden, die bei ihrem mehr oder weni- 
ger großen politiiden Einfluß fat in jedem Memoiren⸗ 
wert aus der 2. Halfte des 19. Jahrh. erwahnt werden: 

1) Ulbredt, Graf von, preup. Staatsminijter, 
geb. 23. März 1794 in Halberjtadt, gejt. 2. Mai 1858 
in Berlin, Sohn des friihern braun|dweigifden Mi- 
nijters und brandenburgijden Landtagsmarſchalls 
®rafen Johann Auguſt Ernijt v. W. (gejt. 1826), 
nahm 1813—15 als Frenwvilliger an dem Befreiungs- 
friege teil und — 1817 als Auskultator bei dem 
ericht zu Berlin ſeine Beamtenlaufbahn. 1826 
gum Kammergerichtsrat ernannt, trat er 1827 nad 
dem Tode feines Vaters aus dem Staatsdienjt, um 
jeine Giiter in Der Altmark und im ist aaa — gu 

ied des Staats- 
rate3 vom König wieder in den Staatsdienjt guriid- 
berufen und 1835 nad) Maaſſens Tode gum Finang- 
minijter ernannt. Nüchtern, verjtindig, praftijd-atm- 
ſichtig und fiir verniinftiqe Reformen empfänglich, 
verwaltete er fein Umt nut Erfolg und hielt Spar: 
famteit und Ordmung in den Finanjen aufredt. Am 
1. Mai 1842 trat er vom Finangminifteriune zurück, 
blicb aber, mit cinem Teil der unmittelbaren Vorträge 
in allgemeinen Landesangelegenheiten betraut, in der 
Umgebung des Königs, bis er im Juni 1844 gan; in 
den Ruheſtand trat. Seitdem lebte A. meijt auf fei- 
nem Gut Errleben in der Altmark. 1849 wurde er 
gum Mitgliede der Erjten Kammer gewahlt, wo er 
eine befondere Fraktion bildete und zwiſchen der neuen 
Gejepgebung und den altpreupifden Verwaltungs⸗ 
marimen gu verntitteln fudjte; 1850 nahm er als 
preußiſcher Bevollmiadtigter an den Dresdener Kon⸗ 
ferengen teil, 1854 erfolgte feine — singer Santor 
qliede des preußiſchen ————— auf Lebenszeit. 

2) Guſtav von, preuß. General, geb. 30. Sept. 
1803 in Cicdenbarleben (Provinz Sachſen), geſt. 
30. Juni 1881 in Gernrode, wurde im Kadettenforps 
ergogen und 1821 Offizier, trat 1847 als Wajor in 
Den Broken @eneraljtab und war 1849 Chef de3 Ge- 
neraljtabs bei dem Armeekorps in Baden, wo er mit 
dem damaligqen Bringen von Preujen, ſpätern Kaiſer 
Wilhelm L., Freundſchaft ſchloß. Erward 1855 Oberſt, 
1858 Generalmajor, 1861 Generaladjutant des Kö— 
nig3, 1863 Generalleutnant und madte den Feldzug 
von 1866 im Hauptquartier des Königs mit. Cnde 
Oftober 1866 wurde er zum fommandierenden Ge: 
neral de3 4. Urmeeforps und im März 1868 zum 


General der Ynfanterie ernannt. Cr befehligte das 


4. Urmeeforps im deutſch⸗franzöſiſchen Rriege 1870/71 
und erfodt den Sieg bei Beaumont 380. Aug. 1870. 
1872 ward A. zur Dispojition gejtellt. 

3) Ronjtantin von, preuf. General, Bruder ded 


| vorigen, geb. 26. Aug. 1809 in Eichenbarleben, get. 


28. März 1892 in Berlin, wurde im Radettenforps 
26 


402 


gebifdet und 1827 Offizier, trat 1853 als Major in | 
den Groen Generalftab und 1860 als Chef der Wb- 
teilung flir Urmeeangelegenheiten in das Kriegsmini- 
jterium. 1866 befebligte er als Generalmajor 28. Juni 
bei Soor das Gros und 3. Quli bei Königgrätz die 
Avantgarde der 1. Gardeinfanteriedivifion, die durch 
die Erſtürmung und Behauptung von Chlum die 
Schlacht entidied. Während des deutſch-franzöſiſchen 
Krieges führte er alg Generalleutnant das 3. (bran⸗ 
denburgiſche) Armeelorps, an deſſen Spitze er an den 
—— Kämpfen hervorragenden Anteil nahm. 
Beſonders in der Schlacht bet Vionville 16. Aug. 
brachte er die von Metz abziehende franzöſiſche Armee 
durch ſeinen Angriff zum Stehen und hielt fie, aller- 
dings unter großen Verluſten, bis zum Eintreffen von 
Verſtärkungen am Nachmittag feſt. Un den Kämpfen 
vor Orléans im Dezeniber 1870 und an der Schlacht 
pon Ye Mans im Qanuar 1871 -hatte er bedDeutenden 
Anteil. 1871 gum General der Infanterie ernannt, 
nahm er 1873 feinen Ubfdied. 1892 erbielt ibm ju 
Ehren das 52. Ynfanterieregiment den Ramen A. 

4) Gujtavd Hermann von, preuß. General, geb. 
17. San. 1827 in Rathenow, wurde im Radettenforps 
erjogen, 1844 Qeutnant im 6. Küraſſierregiment, 
1856 Premierleutnant, 1857 zum topographifden 
Bureau und 1858 als Wdjutant zum Pringen Fried- 
rid) Rarl fommanbdiert, 1859 Hauptmann im Gene- 
raljtab, 1861 Rittmeijter im 3. Garde-llanenregiment 
und 1863 wieder Major im Generaljtab. Im Stab 
der Gardedivifion madte er 1864 den Krieg gegen 
Danemarf und in dem des Ravallerieforps der erjten 
Armee den böhmiſchen Feldzug mit und ward im 
September 1866 Oberjtleutnant und Kommandeur 
des 15. Ulanenregiments, das er als Oberſt im Kriege 
von 1870/71 mit Auszeichnung befebligte: er erbielt 
das Cijerne Kreuz erjter Klajje und den Orden pour 
le mérite. Nachdem er 1873 das Kommando der 
19. Kavalleriebrigade in Hannover erhalten, ward er 
1874 Generalmajor, 1880 Generalleutnant und Kom⸗ 
mandeur der 10. Divijion in Bofen. 1886—90 war 
er lommandierender General des 13. (1wiirttembergt- 
iden) Urmeeforp3, 1887 wurde er zum General der 
Stavallerie befördert. 

5) Friedrid Johann, Graf von, deutider Di- 
plomat, geb. 9. Upril 1836 in Errleben, ſtudierte in 
Bonn und Berlin die Rechte, trat 1861 als Uttadhé in 
Brüſſel in die diplomatifde Laufbahn ein und ward, 
naddem er an mebreren Höfen Leqationsfetretar & 
wejen, 1872 Botſchaftsrat in Petersburg, 1876 Ge- 
neralfonjul in Bufarejt, 1879 Gefandter in Darm⸗ 
jtadi, 1882 im Haag, 1884 in Wafhington, 1888 in 
Vriijjel und Ende 1900 Botidhafter in Petersburg. 
1890 erbte er von feinem Bater, dem Grafen Ferd | 
nand von A., den Grafentitel. 

Alveolar (lat.), f. Wtveole. Zahnwurzel. 

Alveolarabjzefs, Eiterbildung an der Spitze einer 

Alveolareftafic, ſ. Lungenemphyſem. 

Alveolarfortſatz, cin vom Körper des Kiefers 
aus wachſender Fort J der Alveolen für Die Zähne 

Alveolarwinkel, |. Schädel. enthaͤlt. 

Alveole (lat.), Hohlraum, Fac, z. B. die Alveolen 
der Kiefer, in denen Die Zäühne fipen, und die Hohl— 
rdume der Qungen, die Lungenblisden. S. aud Be 
lemmiten. Daher alveolar, von jellenartiqem Bau. 

Alverdiſſen, Fleden im Fiiritentum Lippe, mit | 
cvang. Kirche, Schloß, Amtsgericht u. (1.900) 874 Einw. 

Alvernia, Berg und Kloſter, ſ. Bibbiena. 

Wiverftome (jor. duwertin), Ricard Everard 








Webjter, Lord, ſ. Webſter. 


Alveolar — Alvinczy. 


Alvéus derelictus (lat.), dad verlaſſene Fluß⸗ 
bett. Wenn ein Hffentlider Fluß (flumen publicum) 
jein bisheriges Bett verläßt, fo fallt der hierdurch 

ewonnene Boden nad) rdmifdem und gemeinem 
Rechte den Cigentiimern der bisherigen Uferqrund- 
jtiide gu, und gwar fo, daß eine Durd) das verlaſſene 
Bett gezogen gedadte Mittellinie die Grenze bildet; 
durch Yirtifel 65 des ee te jum Bür⸗ 
erlichen Geſetzbuch find die — etzlichen Vor⸗ 
chriften über den A. d. unberührt geblieben. S. Un- 
wachſung. 

Alvin (pr. «ving, Louis Joſeph, —— 
geb. 18. März 1806 in Cambrai, geſt. 17. Mai 1887 
in Brüſſel, ſeit 1845 Mitglied der belgiſchen Alademie. 
1850 Oberbibliothefar an der königlichen Bibliothel 
dajelbft, als welder er 3 Bande des » Annuaire< 
(1851—53) herausgab. Er ſchrieb das Trauerjpiel 
»Sardanapale« (1834); das Luftfpiel »Le follicu- 
laire anonymese (1835); »Souvenirs de ma vie 
littérairee (1843); »Les recontemplations<, eine 
Satire auf B. Hugo (1856); »Les commencements 
de la gravure aux Pays-Bas« (1857—-59). 

Alvincz (Unter- Wins), Marktfleden im Unter- 
weifenburger Romitat in Siebenbiirgen, linfs des 
Maros, an der Staatsbabniinie Urad-Tdvis, mit 

wei Schlöſſern, Weinbau, Spiritusfabrifation, Han- 

1 und (1900) 3854 Einw. A. wurde im 12. Jahrh. 
von deutſchen Unfiedlern geqriindet. Gegeniiber der 
Ort Borberel mit einer Burgruine. 

MAlvincgy (jpr. avingi), 1) Peter, fiebenbiirg. Boli- 
tifer und Surijt, war feit 1681 bis ju femem Zod 
(1701) oberjter Richter und verfafte ſamtliche Urkun⸗ 
den und Erlajje, die der Vereinigung Siebenbiirgens 
mit dem Haufe Habsburg als Unterlage dienten (brsq. 
alg: »Diplomatarium Alvinczianum 1684—1688<, 
Budap. 1870—87, 3 Bde.). 

2) Jofeph, Freiherr von Barberef, diter- 
reid). Feldmarſchall, geb. 1. Febr. 1735 auf dem 
Schloß Alvincz in Siebenbiirgen, gejt. 25. Nov. 1810 
in Ofen als lepter feines Geſchlechts, trat 1750 m em 

ufarenregiment und zeichnete fich im Siebenjabrigen 

triege bet Torgau, Schweidnitz und Teplig ang. 
Nad dem Friedensſchluß half er das von Lacy ent- 
worfene Ererzierreqlement fiir das öſterreichiſche Heer 
durdfiibren. Im Bayrijden Erbjolgetrieg nahm er 
alg Oberjt den Prinzen von Heſſen⸗Philippsthal bei 
der ECinnahme von Habelſchwerdt gefangen. Wis Ge 
neralmajor ward er vom Raifer Joſeph LL. gum Lehrer 
feines Reffen, des ſpätern Kaiſers Franz LL, in der 
Tattif ernannt. Nachdem er vor Belgrad gekämpft 
und gum FelDmarjdallleutnant ernannt worden, 
führte er 1790 das zur Dämpfung des belgiſchen Auf ⸗ 
ſtandes beſtimmte Heer; doch hemmte ein Sturz vom 
Pferde ſeine Tätigleit. Erſt tm Kriege mit Frankreich 
fam VW. 1792 wieder ind Feld. Un der Spitze einer 
Divijion zeichnete er fic) bei Neerwinden, Chatillon, 
Landrecy, Charleroi und Fleurus aus, ward aber 
6. Sept. 1793 bei Hondschoote befiegt. Seit 174 
Feldzeugmeiſter, ward er 1795 gu der Oberrheinarmee 
verfept, erhielt bas Oberfonumando aller Kriegsheere 
wiſchen Nedar und Konſtanz und wurde 1796 in den 
Hofkriegsrat berufen. Rad dem Riidjuge Beaulieus 
aus der Lombardei nad) Tirol bereitete er bier die 
Erhebung vor. Bei dem Verfude, Mantua zu ent⸗ 
fesen, ward er von Bonaparte 15.—17. Nov. 1796 
bei Arcole, Darauf 14. San. 1797 be Rivoli gefdla- 
gen, worauf Mantua fiel und Erzherzog Nari den 

berbefebl erbielt. Spater wurde UW. Nommandieren- 
der in Ungarn und 1808 Feldmarſchall. 


Alwar — Amadeus. 


Alwar (Ul wur), Tributirjtaat in Radfdputana 
(Britiſch⸗ Indien), grengt im N. an das Pandſchab, 
wird vom Debhli-Ugra-8weig der Radfdputanabahn 
burdidnitien und ijt 7832 qkm grog mit (sen 
767,786 Ginw., worunter etwa 500,000 Mohamme- 
Daner. Das Land ift hügelig, ftellenweife ſehr frucht⸗ 
bar und reid) an Eiſenerz (jabrlid) 700 Ton. Cijen). 
Der Radſcha unterHalt eine Urmee von 6920 Mann 
mit 300 Gefdiigen. Die Hauptitadt A., mit avon 
56,740 Cinw., ijt von Wall und Graben umgeben, 
hat ein Fort, cinen Palaft des Radda, Bafferlei. 
a | und mehrere ſchöne Dſchainatempel. 

Iwend, Gebirge, ſ. Elwend. 

Alxinger, Johann Baptiſt Edler von, Did- 
ter, geb. 24. Jan. 1755 in Wien, gejt. 1. Mati 1797, 
ftudierte dafelbjt die Rechte, ward {pater Hofagent 
und 1794 k. £. Hoftheaterfefretir. Als geſchickter 
Nachahmer Wielands ſchrieb A. die Rittergedichte: 
»Doolin von Mainz« (Leipz. 1787, 2. Aufl. 1797) 
und »Bliomberi8< (daſ. 1791, 2. Aufl. 1802). Seine 
»Sämtlichen Schriften⸗ erfdienen in 10 Banden 
(Wien 1812), Briefe von ihm gab G. Wilhelm heraus 
(daf. 1899). Bal. E. Probſt im ⸗Jahrbuch der Grill- 
paryer ⸗Geſellſchaft · Bd. 7 (Wien 1897). 

Alyattes (Halyattes), Kinig von Lydien 617— 
563 v. Chr., Sohn des Mermnaden Sadyattes, kämpfte 
gegen die Milefier, vertrieb die Kimmerier und lieferte 
Dent Meder Kyarares am Halys 28. Mai 585 eine 
Schlacht, die durd) cine vom Milejier Thales voraus- 
gelagte Sonnenjinjterni$ unterbroden wurde, worauf 

ide —“ den Halys als Grenze feſtſetzten. A. 
unterwarf darauf die Rarer, Smyrna und Kolophon 
und fammelte aus den Tributen der Unterjodten 
cinen großen Schatz in Garde. liber feiner Grab- 
fanumer am Hermos wurde ein gewaltiger Steinhiigel 
aufgetiirmt. Ihm folgte fein Sohn Rrojos (ſ. d.). 

Alypios, griech. Muſilſchriftſteller wm 360 n. Chr. 
in Ulerandria, defjen »Cinleitung in die Mujif< (ge- 
drudt in Ausgaben von Meurhus 1616, Meibom 
1652 und in &. v. Jans »Musici scriptores graeci<, 
Leipz. 1895) den volljtindigen Schlüſſel der griechiſchen 
Notenfdrift enthalt (Stalentabelle durd alle drei Ton⸗ 
geſchlechter in Sing- und Ynjtrumentalnotierung). 

Alyscamps, j. Wliscans. 

Alyssum Tourn. (Steinfraut), Gattung der 
RKruziferen, Kräuter, Stauden oder Halbjtriuder mit 
einfachen, bebaarten Blattern, fleinen weißen oder 
gelben Blitten und eiformigen bis kreisrunden Früch⸗ 
ten. Etwa 100 Urten, befonders in den Mittelmecr- 
ländern. Mehrere Urten werden als Zierpflanyen be- 
nupt: A. argenteum Willd., Halbjtraud in Piermont, 
mit unten filberweigen Blittern und gelben Bliiten. 
A. saxatile Z. (Feljenfteinfraut, Goldkörb— 
den), Halbjtraud in Podolien, Rubland, Thitringen, 
mit langettfirmigen, gleich den Aſten fajt filzig-qrau- 
weifen Blattern und gelben Bliiten. 

Alftes, die GeburtShelfertrite, ſ. Fröſche. 

Alz, rechter Nebenfluß des Inns in Oberbayern, 
flieRt aus dem Chiemfee ab und nimmt rechts die 

Wlgbeere, Elſebeere, j. Sorbus. Traun auf. 

Alzenan, Flecen und Bezirlshauptort im bayr. 
Regbez. Unterfranten, an der Kahl und der Cifenbahn 
GablSdalltrippen, 125 m ii. M., hat eine Fath. 
Stirde, eine Synagoge, Schloß, Amtsgericht, Hellu- 
lofe- und Zigarrenfabrifation und (1900) 1718 Cinw. 

lzette (fpr. fetr’, El Ge, Alzig), rechter Neben- 
flu der Sauer in Luxemburg, entipringt bei Eſch, 
fließt in nördlicher Richtung, nimmt lints die Attert 
auf und mündet bei Ettelbrück oberhalb Diekirch. 


403 


Alzey, Kreisſtadt in der heſſ. Provinz Rheinheſſen, 
an der Selz, Knotenpunkt der Staatsbahnlinien 
Worms-Bingen und Mainz-Wahlheim, 172m ii. M., 
—— 2evangeliſche und eine lath. Kirche, eine Synagoge, 

ealſchule mit —————— Schullehrerſeminar, 
landwirtſchaftliche Winterſchule, Amtsgericht, Ober⸗ 
förſterei, Maſchinen⸗, Schuh-, Leder⸗, Malz- und 
Möbelfabrikation, Bierbrauerei, Branntweinbren⸗ 
nerei, Gärtnerei, Weinbau und (900) 6893 meiſt 
evang. Einwohner. Im SW. das Dorf Weinheim, 
Fundort von Petrefatten. — Die Stadt, die bereits im 
4. Jahrh. erwähnt wird (⸗Voller der Fiedlere, der 
Nibelungenbheld, ſtammte aus A.), liegt auf der Stelle 
römiſcher Niederlaſſungen und wurde 1277 Reids- 
jtadt. 1689 ward fie von den Franjofen niederge- 
brannt. Die in Trümmern fiegende alte Burg wird 
jum Geridts- und Verwaltungsqebaiude umgebaut. 

Alzog, JohannBVaptift, ag apo Fe 
geb. 29. Juni 1808 zu Oblau in Schleſien, geit. 
1. März 1878 in Freiburg, wurde 1836 Profeſſor 
am Mlerifalfeminar gu Bolen, 1845 Profeſſor und 
Megens des Seminars gu Hildesheim, 1853 Profejjor 
an der Univerfitit Freiburg. Alzogs Hauptiwert ijt 
das ⸗Lehrbuch der Univerfalgefdidte der drijtliden 
Rirdhe« (Mainz 1841), 1882 in 10., von F. X. Kraus 
bearbeiteter Uuflage als »Handbud< in 2 Banden 
erjdienen. Ferner verfate er einen ⸗Grundriß der 
Patrologie« (4. Uufl., Freiburg 1888). 

Am, in der Chentie Beidjen fiir 1 Molekül Ammo— 
niunt (NH,). 

Amadeo (aud Omodeo genannt), Giovanni 
UWntonio, ital. Urchiteft und Bildhauer, geb. 1447 
in Pavia, geſt. 27. Uug. 1522 in Mailand, Katoh ſich 
dem Stil des Bramantino von Mailand an und ver— 
tritt mit dieſem die lombarbdifde Richtung der Re— 
naijjance. Er fertigte aus Marmor viele Reliefs fiir 
die Faſſade und fiir Grabmiiler in der Certofa bei 
Pavia und fduf die Grabdenfmiiler der Medea Col- 
leoni und ibres Vaters in der Rapelle Colleoni in 
Bergamo. 1490 mit dem Uusbau der Certoja und 
des Mailänder Domes beaujftragt, teilte er die Urbeit 
mit jablreiden Runjtgenojjen und vollendete die 
Faſſade des erſtgenannten Gebäudes im Modell, das 
in der Hauptfade zur Uusfiihrung fam. Bei dem 
RKuppelbau de3 Domes in gotijden Formen erfubr er 
manderlet Srinfungen und ſtarb vor Vollendung 
ded Werkes. 

Amadeus (fat., »Liebegott<), Rame, häufig im 
Haufe Savoyen. Merhwitrdig find: 1) U. V. (IV.), 
der Grofe, der Stammpater der jetzt in Stalien re- 

ierenden Linie von Gavoyen, Sohn des Grafen 

homa IL, geb. 4. Sept. 1249, gejt. 16. Dft. 1323, 
erwarb durd) Heirat Baugé und Breſſe, ward 1283 
Herzog von Aoſta und folgte 1285 ſeinem Obeim 
Philipp in der Grafſchaft Gavoyen. 1294 trat YL. 
jeinem Neffen Philipp die Stadt Turin famt Pienont 
ohne Suja ab, ward 1310 von feinem Schwager Hein- 
rid) VIL. in den ReidSfiiritenjtand erhoben und 1311 
zum Generalvifar der Lombardei ernannt. 1313 
wurde er mit der Graffdaft Witi belehnt, in deren 
Beſitz er indes nicht gelangte, während fid) ihm die 
Stadt Ivrea unterwarj. A. fepte fiir die favoyijden 
Lande die Unteilbarfeit und die Vererbung nad dem 
Exjtgeburtsrecht in männlicher Linie fejt. 

2) A. VI. (V.), der Grüne Graf genannt von 
feiner Liebling Sfarbe bet Turnieren, Enfel des vorigen, 
geb. 4. Jan. 1334, geft. 1. Mar; 1383, gelangte 1343 
unter Vormundjdaft gur Regterung, erwarb 1347 
Chieri und Savigliano, 1855 die Herrfdaften Fauf- 

26 * 


404 


fiqny und Ger und 1359 das Waadtland. 1365 erhob 
ign Kaiſer Karl IV. zum Reidsftatthalter in einem 
bedeutenden Bezirk des arelatifch - burqundifden Rei- 
hes. 1366 30g YU. gegen Die Litrfen, eroberte Gallipoli 
und befreite den Shier Johann Paläologos aus den 
Händen der Bulgaren. Mit Papſt Gregor XT. und 
Kaiſer Karl IV. jeit 1372 gegen Giovanni Galeasjzo 
Visconti verbiindet, eroberte er Teile der Diözeſen 
Ivrea und Vercelli und erlangte im Vertrag ju Pavia 
1378 die Unerfennung diejer Erwerbungen. YL.’ 
Schiedsfprud) beendete 1381 den langwierigen Krieg 
zwiſchen Genua und BVenedig. A. ftarb in Uputlien, 
wohin er mit Ludwig von Ynjou gegen Karl von 
Durazzo zur Eroberung Reapels gezogen war. 1362 
itiftete U. Den Orden des Halsbandes (nadmals della 
Santa Annunciata). 

3) U. VIL (VL), Der Rote, Sohn des vorigen, 
geb. 24. Febr. 1360, gejt. 1. Nov. 1391, erbielt von 
jeinem Bater 1379 die Herrſchaft Breſſe und folgte 
ihm 1383. Im Bunde mit Karl VIL. von Franfreid 
lämpfte er in Flandern und trug jum Entfag von 
Ypern bei. 1388 erreichte fein Gebiet durch die Er— 
werbung der Stadt und Grafidaft Nizza Das Meer. 

4) U. VIIL. (VIL), der Friedfertige, Sohn des 
vorigen, erjter Herzog von Savoyen, geb. 4. Sept. 
1383, geſt. 7. Jan. 1451, folgte feinem Bater 1391 
unter Vormundſchaft feiner Grofmutter Bonne de 
Bourbon. Vom Kaiſer Siegmund erbielt er 19. Febr. 
1416 die Herjogsiwiirde, erbte 1418 nad dem Aus— 
jterben der Linte des Grafen Thomas IL Piemont 
und erwarb 1422 Genf von Siegmund als Leben. 
Durd fein Soldnerheer nahm er m Oberitalien eine 
widtige Stellung ein, zwang den Markgrafen von 
Montferrat, fiir Tiina Lande links vom Po die Lehns- 
hoheit Savoyens anjuerfennen, und erwarb 1427 
von Maitland Vercelli. Nad) dem Tode feiner Gattin 
überließ A., naddem er den Ritterorden ded Heil. 
Mauritius geftiftet hatte, 1434 feinem Sohne Ludwig 
die Leitung der Regierungsgefdafte und zog ſich in 
die Einſiedelei Ripaille bei hens amt Genter See 
zurück. 1439 wurde er vom Bafeler Konzil ftatt des 
abgeſetzten Eugen IV. zum Papſt erwahlt und 1440 
alg Felix V. gefrint. Da er aber nur von wenigen 
Fürſten anerfannt wurde und dad Unfehen des Konzils 
jant, leqte er — der letzte Gegenpapſt — feine Wiirde 
vor Dem nad) Lauſanne verleqten Konzil 1449 nieder 
und wurde von Dem neuen Papſt Nifolaus V. zum 
Kardinal und apojtolifden Legaten in Gavoyen und 
einent Teil der Schweiz ernannt. 

5) A. IX. (VILL), der Gliidfelige, Sohn des 
Herjzogs Ludwig, geb. 1. Febr. 1435, gt BO. März 
1472, trat 1465 Die Regierung an. Er unterjtiipte 
König Ludwig XI. von Franfreidh gegen Johann 
von Bourbon und die — der Sffentlidjen Wohl⸗ 
fahrt. Cinen Krieg mit Montferrat und Mailand 
beendigte fein Bruder Philipp von Savoyen, Graf 
von Breſſe, 1467 dDurd einen vorteilhaften Frieden, 
worauf A. 1468 ein zehnjabriges Biindnis mit Venedig 
abſchloß. Von Epilepite heimgefucht, übertrug er 1469 
die Reqentidhaft fener Gemahlin Jolantha, Lud- 
wigs XI. Schwejter; die ungufriedenen Briider ded 
Herzogs, Philipp von Breſſe an der Spige, überfielen 
1471 Das feſte Schloß Montmeillan und nahmen A. 

efangen. Im Frieden gu Chambéry erhielten die 
zrinzen Anteil an der Regierung; Dolantha aber 
blieb bis sur Ernennung eines Statthalters im Beſitz 
Der höchſten Gewalt. 

6) UL, Ferdinand Maria, Herzog von 
Aoſta, Exfonig von Spanien, geb. 30. Mai 


Amadeusſee — 


Amadisromane. 


1845 als zweiter Sohn des Königs Vittor Emanuel 
von Italien, gejt. 18. Jan. 1890 in Turin. Jn Turin 
erzogen, nabm er 1859 an dem Kriege gegen Djter- 
reid) teil, fodt 1866 bei Cujtoja und iiey (pater zum 
Generalleutnant auf. 1867 vermählte er ſich mit der 
Prinzeſſin Maria dal Pozzo della Ciſterna (geb. 
9. Aug. 1847, gejt.8. Rov. 1876), die ibm drei Söhne 
gebar. Nach dem Sturz der fpanifden Bourbonen 
wurde UW. 16. Nov. 1870 von den Cortes zum Konig 
von Spanien gewablt, nahm 4. Dez. gu Florenz die 
Krone an, hielt 2. Jan. 1871 ſeinen Emjug in Madrid 
und leijtete Den Eid auf die Verfaſſung; wenige Tage 
zuvor (30. Deg.) war General Prim, dem er die Krone 
verdantte, durch Meuchelmord gejallen. Das etifetten- 
loje Unftreten A.' ſtieß den Adel ab, madhte jedoch bei 
dem Bolle quten Eindruck. Dennod gelang es ibm 
nidt, eine ſichere Grundlage fiir jeine Regierung ju 
gewinnen ; jtreng fonjtitutionell verfabrend, wechſelte 
er fein Miniſterium oft. Cinen Gewaltitreic zur Be 
feitigung feine3 Thrones verſchmähte er, um nicht 
jeinen Cid gu verlegen, Danfte Daber 11. Febr. 1873 
ab und fehrte nad Stalien guriid. Seit 11. Sept. 
1888 war er in zweiter Che vermabhlt mit der Todter 
jeiner Sdhwejter Clotilde und ded Pringen Jéröme 
Napoléon, Latitia, die ihm 22. Juni 1889 einen Sohn, 
Umberto Maria, Grafen von Caferta, gebar. Bat. 
Manfredi und Cifotti, Amedeo, duca d'Aosta 
ricordi storici (Rom 1890). 
Amadendsfee, qroher Salzſunpf im Staate Sud⸗ 
aujtralien, nabe dejjen Weſtgrenze, zwiſchen 24 und 
25° ſüdl. Br., 160 km lang, faunt 20 km brett, 204 m 
ii. M., 1872 von Giles entdect, eridien friiher viel 
groper, Da man den nordwejtlid von ihm in Weſt⸗ 
aujtralien gelegenen Macdonaldfee als gum A. 
gehörig anjab. 
Amadia (Umadie), Stadt tm tiirfifd-annen. 
Wilajet Wan, nördlich von Moful an einem Zufluß 
de3 Groen Bab, friiher cin Hauptmartt fiir den 
Handel mit den Kurden. 
WUmadinen, Gruppe der Pradtyinfen aus der 
DOrdnung der Sperlingsvigel, fleine, —— 
baute Vogel mit dickem Schnabel und bei beiden Ge- 
jdlechtern meiſt gleich gefiirbtem Gefieder. Sie leben 
in Afrika, Siidajien und Auſtralien, in Steppen, 
Getreide- und Zucerrohrfeldern, ſind Körnerfreſſer, 
bauen cin tiberwolbtes Neſt und legen 3-—6 weiße 
Eier. Die Brutzeit daucrt 13-—15 Tage. A. fommen 
feit Dem 18. Jahrh. nach Europa und find als Stuben- 
vögel geſchätzt, obwohl ihnen Gejang feblt. Man 
| fiittert jie mit Hirfe und Kanarienſamen, reidht dazu 
— — Mehlwürmer oder Weichfutter und Sepia. 
Beliebte Urten find: die Erzamadine (fleineds 
Eljterdhen, Rappenfint, Spermestes cucullata 
Swen., {. Tafel »Stubenvigel Ll, Fig. 6), im tropi- 
iden Ufrifa, ausdauernd, nijtet leicht; das Bronze 
männchenc(geſtreiftesElſterchen, S.striata L.), 
haäufig an der Malabarfiijte, aud) auf Ceylon, vertritt 
ſeit alten Seiten in Japan unfern Ranarienvogel und 
wird in den veridiedenjten, aud ganz weiken Spiel 
arten gezüchtet; Der Bandvogel (Halsbandfint, 
Bluthals, S. fasciata Gmil., ſ. Tafel »Stuben: 
vigel I+, Fig. 5), im größten Teil Ufrifas, febr leicht 
ju züchten, fommt aus Weftafrifa in den Handel, fers 
ner aud mebrere Yirten der Gattung Dermophrys 
Hodgs, (Ronnenvigel). 

Amadisromane, cine Familie mittelaltertidher 
Ritterromane, die von Spanien aus ſich über gany 
Europa verbreiteten. Der Stammwvater des yur 
reichen Geſchlechts und zugleich der beſte aller Vt. iſt 





Amadisromane — Amador de [08 Rios. 


der »Amadis de Gaulae. Er bewegt ſich in den Glei⸗ 
jen der Triſtan⸗ und der bretoniſchen Langelot- und 
Graalsjagen, fowoh! was den Schauplatz der Hand- 
lung als was die Charattere und viele Cingelmotive 
betrijft. Wurzelt er in ——— ſo ſind es ſicher 
bretoniſche; dod) wird er im allgemeinen als cin Ge- 
bilde willfiirlider Bhantafie betradtet, worin die 
Ideale de3 Mittelalters von Rittertum und Frauen- 
liebe geſchickt verlörpert find. WIS »Ritter- und Liebes- 
fpiegel« bat er jabrhundertelang bei allen Lefenden 
im außerordentlicher Gunit —— ja es bedurfte 
des überlegenen ironiſchen Lachens eines Cervantes, 
um Hiſpanien und die übrige Welt vom Amadis— 
fultus ju heilen. Dod) läßt felbjt Cervantes bei dem 
beriihinten Uutodafé von Don Quichottes Bibliothek 
dem bejten aller Ritterromane Geredtigheit wider: 
fahren und eriveijt ifm fogar die Ebre, femen Helden 
und deſſen Ubenteucr zur hauptſächlichen Unterlage 
feiner parobdierenden Rachahmung ju maden. Der 
Amadis de Gaula (fiir de Gales oder Gaules, 
b. §. aus dem britijden Wales, nidt von Gal- 
lien) ijt ein urſprünglich portugieſiſches Werk, dads 
aber in der Urſchrift nidt mehr vorhanden ijt. Nur 
eins der furgen Lieder, die dem Brofaroman eine 
gefiigt jind, bat fic) in der Urſprache erhalten, und 
ar in dem alten Liederbuch aus der Beit des Königs 
om Dinis, das nad feinen Befigern Cancioneiro 
Colocci-Brancuti genannt wird. Darin ſteht es als 
Werk eines Edelmanns of v Lob eira(1278), deffen 
CEnfel Vaseo (1385) die Tradition es zugeſchrieben 
hatte. Statt der Urſchrift muh die fpanifde Be- 
arbeitung des Romans dienen, die iiber cin Jahr— 
undert ſpäter (zwiſchen 1465 und 1490) Garcia 
rdoñez de Montalvo lieferte. Der Held der 
Didtung, Umadis (d. h. Ama-deus, wie der Tert 
erflart), cin Sohn des Königs Perion von Wales und 
der britiſchen Prinzeſſin Elifena, wird als heimlid 
eborned Sind in einem Kaſten ausgeſetzt, von einem 
Poottiiden Ritter gefunden, unter dem Schutz ciner 
ee Urganda als unter vom See auferzogen, kommt 
dann an den Hof, verliebt fic) in Oriana, die Tochter 
des Königs Lifuarte von England, und befteht in 
ibren Dienjten als Helfer und Kämpfer ihrer Anver— 
wandten auf weiten Retfen in ferne Lander cine bunte 
Reihe von Ubentenern, zahlloſe Kämpfe gegen Ritter, 
Riejen, Bauberer ſowie ſchwere Verjudungen. Die 
Erzählung feiner Taten und Leiden, oder ridtiger 
die Berherrlidung feiner unerjdiitterliden Liebe, 
bildet den Hauptgegen|tand de3 gejtaltenreiden Ro- 
mans. Amadis ijt gezeichnet als Muſter jeder ritter- 
liden Tugend. Dieſem rein und tren fiebenden 
Idealiſten jteht fein Bruder Galaor als leichtfertiger 
und ſinnlicher Materialijt gegenüber, ein Gegenfag, 
der p ogi vertieft ijt und den Umadis jum 
eigentlichen Vorläufer des modernen Romans ftem- 
pelt. Trotz garter und erqreifender Stellen ermiidet 
das von den Ungeheuerlichleiten der ſpätern Ritter- 
romane ziemlich freie Werk durd feine Breite. In 
der erjten portugieſiſchen Faſſung war es aber jeden- 
falls cinfadjer und einbeitlicer, Denn es umfaßte nur 
Drei Bilder und fiihrte den Helden bis gu feinem 
Ende. Montalvo erweiterte es zu vier Biidern und 
ine te {pater (1492) fogar nod ein 5. Buch eigner Er- 
indung hinzu, das die Gefdidte des Efplandian, 
des älteſten Sohnes ded Umadis und der Oriana, ent- 
Halt. Nach ihm haben andre die Nachkommenſchaft 
des Helden faft ins Unglaublide vermehrt. Bereits 
1526 fam ein 6. Buch mit der Geſchichte de3 Flori- 
fando, feines Neffen, bald darauf ein 7. und 8. Bud 


405 


hinzu mit der Gefdhidte des Lifuarte von Griechen— 
land, eine3 Sohnes des Ejplandian, und der nod 
wundervollern des Umadis von Griedhenland, 
eines Urenfels des walijifden Helden. Dann folgten 
DonFlorifel deNiquea, Roger vonGriedhen- 
land und Unarartes, Sohn des Lifuarte, deren 
Geſchichte mit der ihrer Nachkommen des lestern das 
9., 10. und 11. Buch fiillt. Cin 12. Bud, das 1549 
edrudt wurde, beridtet von Don Silves de la 
Selva. Cin 13. und 14, ijt dem Lepolemo, dem 
ſchönen Leander und Penalva gewidmet. 

es ira oc 98 zahlreiche Überſetzungen, 
Umarbeitungen und Fortſetzungen in fremden Spra— 
chen. Auch Romanzen und dramatiſche Bearbeitungen 
blieben nicht aus. Die Tragikomödie von Gil Vicente 
iſt die älteſte und wertvollſte. Gedruckt ward der 
Amadisroman vermutlich um 1500; die älteſte nod 
vorhandene Ausgabe des Montalvoſchen Textes iſt 
von 1519. Im 16. Jahrh. zählt man weitere zwölf. 
Von neuern find zugänglich der Abdruck in Rivade- 
as pr » Biblioteca de Autores espaiioles« (Wd. 40) 
und einer aus Barcelona (1847—48, 4 Bde.). Er 
war feit 1540 in franjijifder, feit 1546 in italieni- 
ſcher, feit 1619 in engliſcher, ebenfo in holländiſcher 
liberjegung vorhanden. Cine deutfde —— 
(nad Dem WeangoHiichen) erſchien zu Frankfurt a. 
1583; ſogar von einer hebräiſchen wird berichtet. 
Dazu wurden die 12 Bilder des fpanifden Romans 
in ¢ vantreid) bi8 auf 24, in Deutidland bis auf 30 
erweitert. Zuletzt brachte ein Franzoſe, Gilbert Saunier 
Duverdier, zu nfang des 17. Jahrh. die ſänitlichen 
Teile in eine ordentlich zuſammenhängende Reihen- 
folge, und mit feinem 7 dicke Bande ſtarken Sammel— 
wert, das er unter dem Titel »>Roman des romans« 
—— gelangte die Geſchichte des Amadisromans 
jum Abſchluß. Cine freie poctifde Bearbeitung de3 
Stoffes hat der italieniſche Dichter Bernardo Taſſo ge- 
liefert (»Amadigi di Francias, 1559). In neuern 
metriſchen Bearbeitungen verjudten fic) Creuse de 
Leſſer (» Amadis de Gaule, poéme faisant suite aux 
chevaliers de la Tableronde< , Bar. 1813) und B. 
Stewart Rofe (»>Amadis de Gaul, a poem in three 
books«, Lond. 1803); endlich licferte der engliſche 
Didter Southey cine Abkürzung des alten Romans 
(nene Ausg. 1872, 3 Bde.), in welcher derfelbe allenfalls 
nod) jetzt lesbar erſcheint. Dagegqen hat der mut— 
willige ⸗· Neue Umadis« von Wieland mit dem ältern 
nichts al8 den Titel gemein. Val. Baret, De l’ Amadis 
de Gaule et de son influence sur les meeurs et la 
littérature, etc. (2. Uufl., Rar. 1873); Bages, Ama- 
dis de Gaule (daf. 1868); Braunfels, Kritiſcher 
Verſuch fiber den Noman Umadis von Gallien (Leipz. 
1876), deſſen Thefe vom fpanifden Urſprung des 
Amadis freilich hinfallig ijt; Braga, Formagio do 
Amadis (Oporto 1878). 

Amador de los Rios, Jofé, ſpan. Gefchicht- 
ſchreiber, geb. 1818 in Baena, gejt. im März 1878 
in Sevilla, erhielt in diefer Stadt feine Bildung und 
wandte fid) Dann der literarijden Tatiqfeit gu. Seit 
1848 in Madrid wohnhaft, wurde er Profeſſor der 
Philofophie und Literatur an der dortigen Sentral: 
univerfitat fowie Mitglied der Ufademie, 1864 aud 
Mitglied der Cortes. Seine Hauptiwerfe find: »His- 
toria critica de la literatura espafiolae (1861 ff., 
Bd. 1—7), unvollendet, und die »Historia social, 
politica y religiosa de los judios de Espaiia y Por- 
tugal« (1875 —76, 3 Bde.). Auch lieferte er be- 
ſchreibende und kunſtgeſchichtliche Werke fiber die 
Stadte Sevilla (1844) und Toledo (1845) fowie eine 


406 


Geſchichte der Stadt Madrid und überſetzte Sismon- 
bis Schrift: »De la littérature du midi de l'Europe« 
in’ Spanifde (1842). 

Ama: Fengu, Kajfern, f. Fingu. 

a majori ad minus (lat.), vom Grifern aufs 
Kleinere, und umgefehrt: a minori ad majus, vom 
Kleinern aufs Größere (ſchließen). 

Amak (din. Amager), dan. Inſel im Sund, 
von Kopenhagen durch den Kalvebodſtrand getrennt, 
65 qkm, etwa 15 km lang und bis 7,5 km breit, mit 
(1901) 48,615 Einw. (infl. Chrijtianshavn), darunter 
ein grofer Teil Nachktommen von holländiſchen Fa- 
milien, die Chrijtian IL. 1516 dort anfiedelte. Cin 
Teil K ens, Chrijtianshavn, ijt auf die 
Inſel gebaut, und an ihrer Ojtfeite liegt der Hafenort 
Dragir (jf. d.). W. verforgt gum Teil die Gemüſe— 
miairtte Kopenbagens. 

Amafata, qropte der Neulauenburg-Jnfeln (ſ. d.) 
im Bismard-Vrdipel, 58,4 qkm grog, mit dem Wa- 
fatabafen im G., flac, fumpfig und ea a as 

Ama-Fofa(Uma-rofa), Stamm der Kaffern (ſ. d.). 

Amal cor. oma, Stadt im ſchwed. Lin Elfsborg, 
an der Wejtfeite ded Wenerfees und an der Eiſenbahn 
Fyralun-Gotenburg, bat eine Eiſenbahnwerlſtätte und 
(1899) 3271 Einw. A. wurde 1643 von der Königin 
Chrijtine angelegt. 

Amaͤlarich, ay König (507—526), ſ. Ula- 

Amalarius, ſ. Chrodeqang. rid) 2). 

Amalafuntha (Umalafwintha), Tochter des 
Ojtqotenfinigs Theoderid) d. Gr. und Audefledas, 
der Schwejter (oder Todjter?) Chlodwigs, gebar, dem 
Amaler Eutharid vermablt, cinen Sohn, Athalarich, 
den Theoderich zu feinem Nadfolger beftimmte. Seit 
522 Witwe, führte fie feit 30. Mug. 526 die Regierung 
fiir ihren minderjabrigen Sohn, begiinjtigte aber, 
jelbjt von freier Bildung (auger Gotifd fprad fie 
Griechiſch und Lateinifd), die römiſche Bevdlferung, 
ernannte den Prafeften Liberius von Gallien neben 
dem gotifden General Tuluin jum patricius praesen- 
talis, bebielt Caffiodor als magister officiorum bei, 
tnüpfte halbverräteriſche Berbindungen mit Byzanz 
an und lief den jungen König nad) Römerſitte er— 
ziehen. Auf Anſtiften gotifdher Großen entzog ſich 
jedoch Athalarich der ſtrengen Zucht und ſtarb 2. Ott. 
534 infolge ſeiner Ausſchweifungen. Hierauf heiratete 
A. ihren Vetter Theodahad, behielt ſich aber die Regie- 
rung vor. Dod ſchon 30. Upril 535 lief diefer, gereizt 
durd) die Verachtung, die ihm VL. zeigte, die Königin 
auf einer Inſel im Bolfener- (Bulienifehen) See gefan- 
gen ſetzen und im Bad erdrojjeln. Died qab Qujtinian 

n Vorwand ju Beliſars Ungriff auf das ojtgotifde 
Reich. Val. Rohl, Zehn Jahre oſtgotiſcher Geſchichte 

Amalde, ſ. Almude. CGeipz. 1877). 

Amalekiter (bibl. Amaleh, altes räuberiſches 
Beduinenvoll im SW. Paläſtinas, auf der Sinai— 

lbinſel. Seit alters mit Israel in Streit, wurden 
ie Von Joſua bet Rephidim geſchlagen. Nach dieſem 
Sieg Israels ward das Gebot 5. Moſ. 25, 17 ff. ge— 
geben, die UW. wegen ihrer Graujamfeit gegen Israel 
ausjurotten. Erſt Saul fegte ihren Raubsiigen in 
zwei Feldzügen auf einige Heit cin Biel. David be 
friegte fie von Zillag aus und rächte die Verbrennung 
dieſer Stadt, fampfte aud als Konig nod mit ibnen. 
Unter Hisfia wurden die A. am Gebirge Seir von den 
Simeoniten teils ausgerottet, teils vertrieben. Seit⸗ 
Dem werden fie in Der Bibel nicht weiter erwähnt. 
Bal. Rotdeve, Über die A. (Gatting. 1864). 

Amaler (nach Müllenhoff die »Unermiidtiden«), 
german. Gefdledt, das nad dem aus Caffiodor (ge- 


Ama -Fengu 








des Draniers Wilhelm J., Gemahlin ded Lan 


— Amalia. 


nauer: Ublabius) geſchöpften Stammbaum bet Jor⸗ 
danes von Gapt abjtamnite, das Königtum bei den 
Djtqoten innehatte und unter Hermannrid im 4. 
Jahrh. hijtorijd wird. Der beriihmtejte aller A. ijt 
Theoderich d. Gr. Das Gefchledt erlofd 536 mut 
Theodahad, dem Sohn Umalafridas aus ihrer erjten 
Ehe. Jn dem Nibelungentiede, dem Heldenbuch und 
andern altdeutſchen Dichtungen heißt es Wmelun- 
gen (UWbfimmlinge des Amal). 

Amalfi, Stadt in der ital. Provinz Salerno, am 
Unsgang eines engen Felfentales am Meerbuſen von 
Salerno gelegen, mit Vietri und Salerno durd eine 
ſchöne, der Felſenküſte abgewonnene Kunſtſtraße, mit 
Sorrent durd eine höchſt malerifde Strake tiber den 
Riiden der Halbinjel verbunden. A. ijt Sig eines Erz⸗ 
biſchofs, hat eine normannifd-roman. Rathedrale mnt 
phantajtijder, jpipbogiger Borballe, pradtigen Er}: 
tiiren, cin bod) an der Felswand iiber Dem Meer gelege- 
ne8, 1899 durch cinen Bergſturz beſchädigtes ehemaliges 
Kapuzinerkloſter, jetzt Gaſthof, und (1901) 6681 Einw. 
welche Fabrikation von Papier und Malklaroni und 
Schiffahrt betreiben. 1 km djtlid von A. liegt Utrani, 
eigentlid) Borjtadt von A., mit Kaſtellruine, Kirche 
aus dem 10. Jahrh. und (1901) 1671 Einw., Geburts- 
ort des Mafaniello. — Der Sage nad wurde VW. von 
römiſchen Familien, die auf der Reife nad) Ronjtanti- 
nopel Schiffbruch litten, geqriindet. Nad) dem Cinjfall 
der Langobarden verblieb es dem oſtrömiſchen Reiche. 
Spiter gewannen ein zelne Patrizierfamilien die Ge- 
walt, aus denen ſich Grafen, Dann Herzöge erhoben. 
1127 mujte UW. dem Grafen, ſpäter Konig Roger von 
i huldigen. Geitbem fant die Stadt; Handel 
und Wohlſtand wurden durch Pliimderungen der 
Pifaner 1135 und 1137 ganz vernidtet. Am meijten 
blühte Umalfis Handel um 10. umd 11. Jabrh. Das 
Seeredt von U. (Tabula Amalphitana) ſtand bei 
allen das Mittelmeer befahrenden Nationen in An— 
feben. Die Naufherren von A. Hatten Niederlagen 
in Ulerandria, Wntiodia und Jeruſalem. Aus dent 
in legterer Stadt dDurd) den Kaufmann Pantaleon 
Mauro aus U. erridteten Hofpital nabm der Johan: 
niterorden (j. d.) feinen Urjprung. Bgl. Camera, 
Memorie storiche diplomat. dell’ antica citta e da- 
cato di A. (Salerno 1876 -—81, 2 Bde.). 

Amalgam (qried.-arab.), Quechkſilberlegierung; 
amalgamicren, Metall mit Quechſilber verbinden, 
mit Umalgam überziehen; innig verbinden, ver- 
ſchmelzen. Nãäheres iiber arg oer und Umalgamie- 
rung (Umalqamation) ſ. Quedjilberlegierungen, 
Gold und Silber. 

Amalgam, Vineral, ſ. Silberamalgam. 

Amalia, 1) Elifabeth A., Qandgrafin von 
Heffen-Raffel, geb. 29. Jan. 1602, geft. 3. Aug. 
1651, Tochter des Grafen Philipp Ludwig IL. von 
Hanau-Miinyenberg und durd ihre Mutter Enfelin 
dgrafen 
Wilhelm V., führte nach deſſen Tod (1637) bis 1650 
die Regentſchaft, wabhrend des franzöſiſch⸗ſchwediſchen 
Schlußteils des Dreißigjährigen Krieges ein Heer von 
20,000 Mann unterhaltend, fiir ihren Sohn, Bil- 
helm VL, fo gefdidt, daß fie im Weſtfäliſchen Frieden, 
von Frankreich und Schweden unterjtiigt, die Graf. 
ſchaft Hersfeld, einen Teil von Shaumburg und eine 
anſehnliche Kriegsentſchädigung erbielt. Val. Juſti, 
A. Eliſabeth, Landgräfin von Heſſen (Gieß. 187 

2) Anna A., Herzogin von Sachſen-Wei— 
mar, Tochter des Herzogs Karl von Braunſchweig 
Wolfenbiittel und einer Schweſter Friedrichs d. Gr. 
geb. 24. Olt. 1739, geft. 10. Upril 1807, vermadlte 


Amalienthal — Wmarantazeen. 


fic 16. März 1756 mit dem Herzog Ernſt Auguſt 
Ronjtantin von Weimar. Nad) feinem frühzeitigen 
Tod (28. Mai 1758) fiihrte fie bis 1775 als Vor— 
mitnderin die Regentſchaft fiir ihren Sohn, den nad 
maligen Großherzog Karl Auguſt (j. d. u. Goethe). 
Ihr Schloß in Wermar fowie ihre Luſtſchlöſſer in 
Riefurt und Cttersberg waren die Verfanmlungs- 
orte Der ausgezeichnetſten Dinner, die Weimar be- 
fuchten oder dort wohnten. Gie beſaß muſikaliſches 
Talent und fomponierte fiir die Napelle und das 
Theater, unter anderm Goethe3 Singfpiel »Erwin 
und Elmires. Durd die Vorbereitung der Glanzzeit 
Weimars und ihre verjtindnisvolle Anteilnahme in 
der Geſchichte des deutiden Geiſtes hat fie fich einen 
Namen gemadht. Val. Goeth es »Nadhruf<; v. Beau- 
lieu-Marconnay, Unna AW, Karl Auguſt und der 
Miniſter v. Fritzſch (Weim. 1874) ; > Briefe von Goethes 
Mutter an die Herzogin Unna A.« (Hrsg. von Burt: 
hardt, Sdriften der Goethegefellidaft, Bd. 1, daf. 
1885) und von Heinemann (Leipz. 1889); Bornhat, 
Anna U. von Sachjen-Weimar-Ci 

3) Marie UW. Friederife Uuguite, Herzogin 
pon Sadfen, Todter des Pringen Maximilian und 
Schwefter der Könige Friedrid Uuguft und Johann 
von Sachſen, geb. 10. Ung. 1794, geft. 18. t. 
1870 in Dresden, verdffentlicte feit 1829, teils ano- 
nym, teils unter dem Pfeudonym Amalie Heiter, 
eine grofe Zahl von ſorgfältig fomponierten, bhar- 
soni einfaden Luſtſpielen und Familiendramen, 
unter denen einige, wie: ⸗Der Oheim«, »Die Fiir- 
ftenbraut«, » Das Fraulein vom Lande«, »>Der Land. 
wirt«, »Der Wajoratserbe«, mit Beifall aufgefiihrt 
worden find. Sie erjdienen unter dem Titel: »Dri- 
ginalbeitriige sur deutſchen Schaubühne⸗ ( Leipz. 1836 
bis 1844, 7 Bde.; neue vollſtändige, auf Veran— 
laſſung des —* Johann durch R. Waldmiiller- 
Duboc beſorgte Ausgabe, daf. 1873, 6 Bde.). Ihre 
mufifalijden Kompoſitionen find nicht im Drud er- 
ſchienen. Bon ihren Operetten wurde »Die Sieges⸗ 
fahne⸗ im Dresdener Hoftheater geqeben, die andern 
qelangten nur im BPrivatgirfel der finiglidjen Fami- 
lie zur Aufführung. Bgl. Fiirftenau, Die nuififa- 
liſchen Beſchäftigungen der Pringeffin A. (Dresd. 
1874); Waldmüller, Wus den Memoiren einer 
Fürſtentochter (daſ. 1882). 

4) Marie W., Gemahlin Ludwig Philipps, Kö— 
nigs der Franzofen, Todter des Königs Ferdinand I. 
(IV.) beider Sizilien, geb. 26. April 1782, geft. 24. 
März 1866 in Claremont bei London. Sie vermählte 
fid) 25. Nov. 1809 mit Ludwig Philipp, Herzog von 
Orléans, obwohl er damals in ausſichtsloſer Ver— 
banning lebte. Trog ihrer Neigung zur Legitimitit 
und gum Rlerifalismus war fie threm Gatten ſchwär⸗ 
meriſch ergeben. Als Königin hat fie feine Wirkfam- 
feit geiibt. Nad dem Sturze der Orléans im Fe- 
bruar 1848 floh fie mit ihrem Gemahl nad England; 
1850 ward fie Witwe. 

5) Königin von Griedhenland, geb. 21. De}. 
1818, gejt. 20. Mai 1875, Tochter des Großherzogs 
Auguſt von Oldenburg, ward 22. Nov. 1836 mit dem 
König Otto von Griedenfand vermählt, qebar aber 
feinen Thronerben und lebte nad Ottos Vertreibung 
(23. Olt. 1862), feit 26. Juli 1867 Witwe, in Bamberg. 

Amalienthal, Schloß, ſ. —— 2). 

Amalrich von Bena, angeſehener Lehrer der 
Theologie ju Paris und bedeutender BVertreter des 
PKanthersmus, geboren in Bena bei Chartres, geft. 
1206 oder 1207. Gein von feinen Anhängern, den 
Umalritanern, weiter ausgebildetes Syſtem be- 


enach (Berl. 1892). | 





407 


rubt auf der fubjtantiellen Einheit de3 Kreatürlichen 
mit bem Göttlichen, das nur in irdijd)-finnlider 
Form erfdheint (was das Abendmahl verjinnbildlidt). 
A. mute ſich vor Innocenz IIT. verteidigen und 
widerrief. Er ftarb bald darauf. Cine Synode zu 
Paris 1210 und das Lateranfonjil 1215 verdamme- 
ten feine Lehre; feine Unhanger wurden gum Feuer: 
tod verurteilt ; felbjt Umalrids Gebeine lies man aus- 
graben und verbrennen. 

Amaltheentone, Ubteilung de3 mittlern Liads, 
ſ. Suraformation. 

Wma ltheia (Unralthea), im griech. Mythus die 
Nahrerin de3 Zeus, bald eine Ziege, die den new- 
gebornen Gott auf Sreta fiugte und dafitr unter die 
Sterne verfest wurde (Capella), bald cine Rymphe, 
die ih mit der Mild einer Biege aufzog. Bon die— 
jer gab ihr Zeus das eine Horn mit dem predjen, 
jie würde jederzeit Darin finden, wad fie wiinjdte. 
Diefes Horn (cornu Amaltheae oder copiae) ward 

um Sinnbilde des Überfluſſes (Filllhorn). Bal. 
cheloos. — Der Name VW. diente auch öfters als Ti— 
tel von Gammelwerfen. 

Amambara, linfer Nebenfluß de3 untern Niger. 

Amami-Ofhima, ſ. Liukiuinſeln. 

Amana, Fluß, ſ. nt Poa 

Amana, kommuniſtiſche deuiſche Rolonie im nord- 
amerifan. Staat Sowa, weftlid von Jowa City, 1855 
von aus den Ynjpirationsgemeinden (j. d.) hervor⸗ 

egangenen Umanitern — beſteht aus 7 
chaften mit über 2000 Cinw., die durch Ackerbau 
und Weberei wohlhabend ſind. 

Amandabele , ſ. Matabele. 

Amandine, ſ. Emulſinen. 

Amanita, ſ. Agaricus, S. 162. 

Amantes amentes (lat.), »Berliebte — Tö— 
richte⸗, verliebt — verbdrebt. 

Amanuénfis (lat., »Handlanger<), bei den Rö— 
mern ein Sflave, der Dem Herrn als Sefretiir diente; 
auf Univerſitäten foviel wie Famulus (jf. d.). 

manus, im Altertum Name ded Gebirgszugs 
in Syrien, der ſich vom Taurus nad S. lings de3 
Golfs von Ulerandrette (Iſſos) hingieht, über 1700m 
Hohe erreicht und im SW. mit dem ſchroff abfallen- 
den Vorgebirge Ras el Chanzir(Promontorium Rho- 
sicum) endet. Sein jepiger Name ijt Gjaur Dag bh, 
weiter fiidli Wilma und Kiſil Dagh. Uber ibn 
führen zwei beriihmte Päſſe, die Pylae Amanides, 
nordöſtlich vom alten Issos, und die Pylae Syriae 
(jest Paß von Beilan genannt), im S. von Wleran- 
dDrette, weldje die einzige Verbindung zwiſchen Syrien 
und Kleinaſien bilden. 

Amanvillers (pr. amangwildr), ſ. Amanweiler. 

Amantweiler, Dorf weſtlich von Mes, zwiſchen 
St.-Privat und Gravelotte, an der Eiſenbahn Metz- 
Batilly, hat 595 Cinw. Nad A. (Umanvillers) 
benennen die Frangofen die Schlacht bei Gravelotte 
vont 18. Aug. 1870, weil dort der Stützpunkt des 4. 
franzöſiſchen Rorps (L’Udmirault) war. 

Umapata, Hafenftadt an der pacififden Seite ded 
mittelamerifan. Staates Honduras, auf der Inſel 
Tigre in der Fonfecabai (aud) Golf von A. genannt), 
1838 geqriindet und feit 1868 Freihafen, mit 3000 
Einw., ijt Sig eines deutſchen Konſuls und führt Sil- 
ber (1900 fiir 2,0 Dll. ME), Kaffee, Gununi, Haute 

Amira, ſ. Bittermittel. [und Hol; aus. 

Amarant, Pflanze, ſ. Amarantus. 

Amarant, Vogel, ſ. Ujtrilds. 

Amarantazeen (Fuchsſchwanzgewächſe) di- 
fotyle Pflanzenfamilie aus der Ordnung der Zen- 


408 


trofpermen. Ihre oft durch farbige Ded- und Bor- 
blatter gejtiipten Blitten haben ein trodenhiutiges, 
drei+ bis fiinfblatteriges Berigon, 3—-5 oft verwach⸗ 
ſene Staubblatter und einfächerigen Fruchtknoten mit 
grundjtindiger Samentnofpe oder vieleiiger Bentral- 
lacenta. Bon den 500 krautigen oder ftraudigen 
rten gehören die meijten der tropijden und fubtro- 
ie Rone an; Umerifa und nächſtdem Ufrifa und 
eubolland baben die meijten, Europa mur einige 
wenige Arten. Cinige Arten liefern Gemüſe und 
mehlreiche Samen; mehrere Urten find Zierpflanzen. 
marantfarbe, ſchönes, dunfles, ind Violette 
fpielendes Rot. 

Amaranthol, (Lufthols, Biolett-, Pur— 
purbolj, blaues Ebenholz, BVeildenh ols), febr 
ſchönes, hartes, auf friſchem Schnitt rbtlidgraues, 
jpater dunlel blutrotes Hol; von Copaifera bracteata 
im Südamerila und BWejtindien, dient in der Kunſt⸗ 
tiſchlerei und Dredfleret. Wud) das Hol; von Ma- 
chaerium violaceum fonunt gelegentlid) als A. in 
den Handel. 

Wmarantine, ſ. Gomphrena. 

Amarantrinde, ſ. Swictenia. 

Amarantus L. (ounverwelfli§«, Wmarant, 
Fuchsſchwanz, Samtblume), Gattung der Uma- 
rantazeen, meiſt einjährige Kräuter mit wechſelſtän— 
digen, linearen bis eiförmigen Blättern, polygamen 
oder dillinen, hnäuelig gehäuften Blüten in oft ſehr 
reid) verzweigten, end- oder ſeitenſtändigen Ahren 
oder Trauben. Etwa 45 Arten auf der ganzen Erde 
bis auf die arftijde Region. A. caudatus L. (Gar- 
tenfudsfdwanys, Tauſendſchön), in allen war: 
men Gebieten, mit langen, dunfelroten Blütenähren, 
die cinem bufdigen Tierſchwanz gleich bogig herab- 
hängen; A. speciosus Sims., oft bis 2 m bod, mit 
roten Blaittern und pyramidal rijpigen, dunkel pur- 
purnen Ähren; A. tricolor L. (Bapageienfeder, 
Tauſendſchön), in Oſtindien, China, mit 30— 
60 cm hohem Stengel, grin, gelb und —— 
ten Blättern und anſitzenden, dichten, winlelſtän— 
digen Blütenknäueln. A. Blitum LZ. (Euxolus viri- 
dis Moq.), mit ausgebreitetem Stengel, eiförmigen 
Blättern und grünlichen Bliitentndiucin, in Süd— 
und Mitteleuropa, Agypten, Urabien, Ojtindien, 
wird, wie A. prostratus Balbis (E. deflexus Rafin.), 
in Stalien, Franfreid und Siiddeutidland, und A. 
silvestris Desf, in Frankreich, am Rhein und ant 
Vitorale, aud) in Taurien, als Gemiife gegeffen. Die 
Samen von A. Blitum benugt man wie Hirſe. A. 
frumentaceus Buchan, wird in Citindien als Brot: 
frucht gebaut. A. oleraceus Z. (E. oleraceus Mog, | 

emiijeamarant) tit im Ojtindien,. Java und 

ypten beliebte Gemüſepflanze. Bal. Billdenow, 
Historia Amaranthorum (Berl. 1790). 

Amarapiira (+Gitterjtadt«), alte Refiden;itadt 
des ehemaligen Königreichs Birma, tints am Dra: | 
wadi unter 21° 57 ndrdl. Br. und 73° 4 öſtl. L. ge⸗ 
legen, Hat einen verfallenen Palaſt, große Bitadelle | 
und den Tempel Maha-Mjat-Mamti mit 250 | 
reich vergoldeten bdljernen Saulen und ciner Koloſſal⸗ 
jtatue Buddhas; fonft find die Gebäude meiſt aus | 
Bambus. U. wurde 1783 neu geqriindet und zählte 
1810: 170,000 Ginw., 1855, nachdem fie erſt durch 
cine Feuersbrunjt, dann (1839) durd ein Erdbeben 
reg 26,670, mit Borjtadten 90,000 Einw. 1860 
iedelte der Hof nad WMandalai fiber, und A. verfiel 
ginglich. Jetzt hat es etwa 7000 Einw. 

marellen, j. Kirſchbaum. 


Amarantfarbe 





Ahumada. 





Amarellkraut, ſ. Gentiana. 


— Amarna. 


Amaretti, Francesco, ital. Dichter, geb. 1829 
in Turin, wo er als Bibliothefar lebt; verfaßte 
»Canti e ballatee (Turin 1874), »>L’ultimo dramma 
della vita« (1881), »Raccoglimento: liriche« (1885). 

Amari, Midete, ital. Gefdictsforider und 
Drientalift, * 7. Juli 1806 in Palermo, geſt. 16. 
Juli 1889. Nachdem fein Vater 1822 als Teilnehmer 
an einer Verſchwörung erjt zum Tode verurteilt, dann 
ju lebenslinglider Haft begnadigt war, in der er Frith 
jtarb, lebte A. in bedrangten Verbhaltnijjen von einem 
kleinen Amte. Seine Muße widmete er der ſiziliſchen 
Gefdidte und verdffentlidte 1834 feine » Fondazione 
della monarchia dei Normanni in Siciliae, 1841 
aber feine beriihmte Geſchichte der Sizilianiſchen Rejper: 
»Un periodo delle istorie siciliane del secolo XIII-. 
Die Bourbonifde Regierung verbot das Bud und 
verhaftete ben Verleger. A. § ob nad Baris, wo er 
fein Werk unter dem Titel: »La guerra del Vespro 
Siciliano«e neu drucen lief (9. vermehrte Uufl., Mail. 
1886, 3 Bde. ; in viele Sprachen überſetzt; deutſch von 
Schröder, Leipz. 1851, 2 Bde.). Beim Ausbruch der 
Revolution 1848 nad Sizilien juriidgefehrt, ward 
er Vizepräſident im Kriegsausſchuß, darauf Finanz⸗ 
winiſter und gin dann als Gefandter nad Frank⸗ 
reid) und England. In Baris verdjfentlidte er de 
Flugſchrift »La Sicile et les Bourbons« (1849). Die 
Rejtauration trieb ihn tm Gommer 1849 abermals 
in die Verbannung, aus der er erjt 1859 juriidfebrte, 
unt den Lehritubl der arabiſchen Sprade, deren Stu- 
dium er fid) unterdeS gewidmet hatte, in Piſa, dann 
in Florenz eingunehmen. 1860 übernahm er nad) der 
Eroberung Sijiliens unter Garibaldi das WMintite- 
rium des Unterridjts und der auswartigen Angelegen⸗ 
heiten. Nad dem Anſchluß Sijiliens an das König⸗ 
reid) Stalien sum Senator ernannt, verwaltete er 1862 
bis 1864 das Unterrichtsminiſterium und übernahm 
dann wieder feine Brofejjur, die er erjt 1878 nieder⸗ 
legte, um nad) Rom überzuſiedeln. Seine widhtigiten 
weitern Verdjfentlidungen find: »Storia dei Musul- 
manni diSicilia«, fein zweiles Hauptiverf (Flor. 1853 
bis 1873, 3 Bde.); » Biblioteca arabo-siculae, eine 
Sammlung arabijder Gefdhichtsquellen (Leipz. 1855 
bis 1857; Radtrage 1875, 1887 u. 1889), und die ital. 
Überſetzung derjelben (Turin u. Rom 1880 — 81); 
»Racconto popolare del Vespro Siciliano« (Rom 
1882); »Altre narrazioni del Vespro Siciliano< 
(Marl. 1887). Seinen Briefivedfel gab A. d'Ancona 
beraus (Turin 1896, 2 Bde.). 

Amarillas tier. -itjes), Marques de las, f. 
[Gelbfieber. 

Amarilifieber (v. jpan. amarillo, blajgetb), das 

Amarillftein, joviel wie Schmirgel oder Smaragd. 

Amarin (Viframin, Triphenyldibydro- 
glyoralin) C,,H,,N, entjteht durch Erhitzen ded 
iſomeren Hydrobensamids; es bildet farblofe Pris— 
men, ſchmilzt bet 113°, löſt fich in Ulfohol und Ather, 
reagiert alfalijd), bildet meiſt ſchwer lösliche Salye 
und ijt giftig. Beim Erhitzen des falsfauren Salzes 
entitebt Naame Iſoamarin, bet Orydation Lophin. 

Amarfaniak, Berg im ind. Staat Rewa (1067 m) 
mit den beiligen Narbadaquellen (ſ. Narbada), deren 
Tempel von jahireiden Hindupilgern befudt werden. 

Amarna, genauer El-Amarna, in Mittelagyp- 
ten, Ruinenjtatte der von Umenophis IV. gegritnde- 
ten Reſidenz, wofelbjt im Winter 1887/88 von Cin- 
qebornen gegen 300 in babyloniider Schrift und 
zumeiſt aud) babylonifder Sprache geſchriebene Ton- 
tafeln gefunden wurden: Briefe babylonijder, affy- 
riſcher und andrer vorderaſiatiſcher Aönige fowie pa- 


Amaru — Amati. 


fajtinenfijder Bafallen an den ägyptiſchen Hof ded 
15. Jahrb. v. Chr. Bal. K. Riedube, Die Umarna- 
geit (int »Wten Orient«, Leip3. 1900); UW. Kloſter— 
mann, Cin diplomatifder Briefwechſel aus dem 2. 
Jahrhundert v. Chr. (Riel 1898). 

Amaru, ind. Lyrifer, ſ. Sanskrit (Literatur). 

Amaryllidageen, monofotyle Pflanzenfamilie 
aud der Ordnung der Liliifloren, meiſt Zwiebelpflan⸗ 
gen mit fheidigen, einfadjen, meijt ſchmalen Blattern, 
ſchaftartigem, ein- oder mehrblütigem Stengel und 
sca Blütenſcheide. 

ie Bliiten (ſ. Abbildung) 

ben meiſt ein großes, 
ſchön gefärbtes, regelma- 
ßiges oder zur Zygomor⸗ 
pire neigendes Perigon. 

on den Liliazeen unter- 
ſcheiden fid) die A. nur 
durch ihren unterjtindi- 
gen Fruchtknoten. Bon 

n 650 Arten find die 
meijten in der heißen und 
in der wãrmern gemapig- 
ten Sone, gumal auf der 
ſüdlichen Halbfugel, einheimiſch; die europaifden ge- 
ren meijt den Ländern am Mittelmeer an. Viele 
ind Zierpflanjen. 

Amaryllis Z. (nad der Nymphe A. benannt, 
Narziſſenlilie), Gattung der Anaryllidazeen mit 
der eimyigen Urt A. Belladonna L. (mexilanifde 
Nilie, Belladonna-.), auf dem Rap heimifd und 
auf den Kanaren villig cingebiirgert, hat auf 60 cm 
hohem Schaft 6—8 tridterfirmige, wobhlriedende, 
rofenrote, nicende Bliiten, die fic) längere Zeit vor 
den breit linealifden Blattern entwideln, und wird 
in mehreren ſchönen Spielarten in Garten kultiviert. 
Unter — itt halt fie im Freien aus. Die 
Bwiebel foll giftiq fein. Über andre Arten ſ. Hip- 

trum, Nerine, Sprekelia, Vallota. 

Amaryllis, Pfeudonynt, f. Deshoulieres. 

Amafaki Iſaburo, japanifde Dampferlinie, ſ. 
Dampfidijfahrt (Tertbeilage). 

Amaͤſia, Hauptitadt eines Liwa im türk. Wilajet 
Siwas in KLeinajien, in einem von Garten und Maul- 
beerwaldungen umgebenen Bergleſſel am Jeſchil Sr- 





Bliite von Narcissus Pseudo- 
narcissus, durdjdnitten. 








maf (Iris), iiber Dem auf hoher Felfenflippe cine ur⸗ 


alte Feſte thront, hat zahlreiche Moſcheen, einen wohl: 
verfehenen Bajar, cine alte Wajferleitung, beriihmte 
Seidenraupenjudt, Mühleninduſtrie, eine Zündhölz— 
denjabrifund ca. 30,000 Einw. A. ijt Sig eines deut- 
ſchen Vizefonfuls. Auf den 18 reiddotierten Medreſſen 
ſtudieren über 2000 Studenten (Softas). Neuerbaute 
Straßen führen nach Samſun und Siwas. — A. 
(Amaseia) war einſt die Reſidenz der Könige von 
Pontos, deren Grabgrotten, in die ſenkrechten Fel3- 
wãnde eingearbeitet, ſich erhalten haben. Geit Baje- 
jids 1. —— blieb es im Beſitz der Osmanen. 
A. iſt Geburtsort des Geographen Strabon. 

Amaͤſis (Amoſis, ägypt. Ahmose), 1) Aönig von 
Agypten um 1575 v. Chr., refidierte in Theben, ent⸗ 
rig den Hylſos das untere Ägypten wieder, eroberte 
ihre letzte Feſte Avaris und jtellte Die Macht des Rei- 
ches ber. 


2) König von Vigypten 569 — 526 v. Chr., leidt- 
lebig, aber voll Verjtand und Ehrgei;, jtieg als Ver— 
wandter ded —— Apries zu hohen Anitern auf und 
ward von demſelben 570 den äghptiſchen Truppen 
entgegengefdidt, die, im Rriege mit den Kyrenäern 





409 


ſchen Soldner empört a Statt fie gu befdwid- 
tigen, lief er fid) von ihnen gum König ausrufen, be- 
fiegte Wpried bei Momemphis und fiihrte dann mit 
Diefem eine Reitlang gemeinfam die Regierung. Später 
gab er den König der wütenden Menge preis, die ihn 
erwiirgte. Er war mit einer Todjter Pſammetichs IT. 
vermählt. Obwohl auf den Thron erhoben, unt den 
Einfluß der Fremden zu befeitigen, ſetzte er doch das 
Streben ſeiner Vorgänger, Agypten durch Aufnahme 
der Griechen neu i beleben, fort, legte eine griechiſche 
Beſatzung nad Memphis, nahm eine Griedin aus 
Kyrene in feinen Harem, fandte an griechiſche Tempel 
Geſchenle und gejtattete die Griindung der griechiſchen 
Rolonie Raufratis (j. d.). Er forderte Handel und 
Gewerbe und mehrte den Wohlitand des Landes, in- 
dem er die cypriſchen Stadte ſich tributpflichtig machte. 
Das gefährliche Emporwachſen der perjifden Macht 
wufte er freilic) weder durd fein Biindmis mit Krö— 
ſos nod) durch feine Freundſchaft nit Polyfrates von 
Samos gu hindern. Cin Jahr nad feinem Tode (526) 
mußte fid) fein Sohn, Konig Pſammetich III. den Ber- 
ferm unterwerfen. Rad) der griechiſchen Gage ijt A. 
mit den beriihmten Weijen Pythagoras, Thales u. a. 
befreundet geweſen. 

Amaffieren (franj.), anhiufen; Amaſſement 
(jpr. -affmang), An⸗ oder Aufhäufung. 

Ama- Sulu, Kaffernſtamm, f. Sululand. 

Amat, Handelsgewidht im niederländ. Ojtindien, 
— 2 Pifol — 123,042 kg. 

Amaterafu, japan. Name der Sonnengöttin, auf 
welde Die japan. Kaiſer ihren Urjprung zurückführen. 

Amateur (franj., ipr. dr), Liebhaber, befonders 
Runijtliebhaber, Dilettant; fpegiell jemand, der eins 
der höher jtehenden Spiele (Schad xc.) in hervorragen= 
der Weiſe pfleqt, aber nicht berufsmäßig betreibt. 
Wmateurs, Qieudonym einer Unjahl bedeutender 
Pariſer Schadipieler, die 1775—86 cinen »Traité du 
jeu des échecs« herausgaben (deulſch, Berl. 1780). 

Amateurphotographie, ſ. Photographie. 

Amathis (> Fejtung<), wahrſcheinlich älteſte phi- 
nikijde Kolonie auf der Siidfiijte Cyperns, beriihmt 
durch einen Tempel der Uphrodite (Reſte beim Dorje 
Hagios Tydonas) und durd) ihre Bergwerfe. Hier 

ielt fid) das Phonifertum am längſten auf der ganzen 
—— Ihre Trümmer, 11 km öſtlich von Limaſſol, 
heißen heute Paläo Limaſſol. 

Amati, älteſte der drei hochberühmten Familien 
von Beigenbauern zu Cremona im 16.—17. Jabrh., 
deren Inſtrumente jest fiir wahrhafte Rleinodien gel- 
ten (YL, Stradivari, Guarneri). Die erjten Repräſen⸗ 
tanten der Familie find Und rea VW. (um 1530—1611) 
und fein Bruder Nicola, die aber noch iiberwiegend 
Violen bautern. Antonio UW. (1550—1635), der 
älteſte Sohn des Undrea, fertigqte bereits iiberwiegend 
Biolinen, deren Größe aber noch ſchwankend war, in 
der Beit von 1589 — 1627; mit ihm war einige Zeit 
affogtiert fein Bruder Girolamo I. (1556-—1630), 
Der bedeutendſte des Geſchlechtes ijt Girolamo3s Sohn 
Nicola U., geb. 3. Sept. 1596, gejt. 12. Aug. 1684, 
der Lehrer von Undrea Guarneri und Antonio Stra- 
divari. Die Geigqen Nicolas jtehen denen der genann— 
ten fpdtern Meiſter gleich; ibr Vorzug ijt weniger 
Größe als Weidheit und Reinheit des Tones. Ni— 
colas Nadfolger war fein Sohn Girolamo II., geb. 
26. Febr. 1649, gejt. 21. Febr. 1740, der letzte Ver— 
treter der Familie, der indes weit hinter feinem Vater 
guriidjtand. Vielleicht aud) gu derſelben Familie ge 
hörig tit Giuſeppe A. der su Anfang des 17. Jahrb. 


geidlagen, fic) wegen der Begünſtigung der griedi- | in Bologna Violinen und Bäſſe baute, deren Ton als 


410 


Amatitlan — Amajzonen. 


ſchön umd bell gerühmt wird. Bgl. Piccolelli, | Es zerfällt in die Provingen Bongara, Luya und 
Genealogia degli Amati e dei Guarneri (Flor. 1886, Chachapoyas. Hauptitadt tit Chachapoyas. — 


al8 Unhang 3u »Liutai antichi e moderni-<). 
Amatitlan, Departement der mittelamerifan. Re- 
publif Guatemala, auf der Hochebene ſüdlich Der Stadt 


| 


3) Bis 1890 Name eines Territoriums von Venezuela 
(f. D.), jet mit Ulto-DOrinoco vereinigt. 
Amazone, allgemein: kühne Reiterin, Helden- 


@uatemala, hat heißes, ungefundes Klima (Kropf | oder Mannweib; weibliches Rettfleid. 


allgemein) und war friiber Haupiſitz der Kochenille⸗ 
udt. Die gleichnamige Hauptitadt ( San Juan de 
ee), am Michatoya und der Cifenbahn San Jofé- 
@uatemala, 1840 nocd cin Yndianerdorf, hat durch 
den Rochenille- und Zuderrohrbau einen großen Auf⸗ 
ſchwung genommen und zählt jept 10,000 Einw. (meijt 


' 


Amazone (Vogel), ſ. Rapageien. 

Amazonen, im griech. Mythus ein ſtreitbares 
Frauenvolf, das unter einer Königin lebte und nur 
einmal tm Sabr mit Mannern benadbarter Völler 


zum —— Der Fortpflanzung Umgang pflog. Nur 
die Mädchen zog man auf und brannte ihnen — 
beſſerer Handhabung des Bogens eine oder beide Briijte 


Miſchlinge). Dabei der See A., 12 km fang, 4 km 


breit, zwiſchen rauben Bergen, von denen der 2250 m 
hobe Vulfan Pacaya (mit 4 Kratern) 1870 tatiq war, 
uw. mit Thermen von 32° am Lifer. Sein Abfluß Mi— 
datoya bildet bet San Pedro de Martyr einen 65 m 
hohen Wafjerfall und miindet nad 104 km langem, 
unſchiffbarem Lauf bei Iſtapa in den Stillen Ozean. 

Amatian, Stadt im merifan. Staat Veracruz, 
mit Ruinen von Wstefenbauten. 

Amatonga, afritan. Boll, ſ. Kaffern. 

Amatongaland, ſ. Tongaland. 

Amant, Fiſch, ſ. Sander. 

Amanrofis (qriec)., »Berdunfelung«), die voll- 
fommene Erblindung eines Auges, fo daß nidt ein- 
mal mehr der Unteridied zwiſchen Hell und dunfel 
wahrgenommen wird. 

Amauſen, ſ. Edelſteine und Glasfliiffe. 

Amazia (hebr., »Gott ſtärkt⸗), König von Juda, 
838 — 809, nad) anbern ca. 801—772, Sobn bes 
Joas, befriegte, tibermiitig durd einen Sieg fiber die 
Edomiter, Israel, wurde aber bei Bethſchemeſch ge— 
ſchlagen und gefangen, wobei Jerufalem teilweife zer— 
ftért ward. 
cinem Aufſtand m Lachis ermordet. 


ab. Ihre Hauptgdtter waren Ures und Artemis. 
Furchtbare Sriegerinnen zu Fuk und zu Rok und mit 
Bogen, Doppelart und halbmondfirmigem Sdild be- 


waffnet, unternahmen fie weite Kriegszüge in Aſien 





Entführun 


Amazirghen (Imazirhen), Volk, ſ. Marokko. 


Amazonas (ipr. -fonas), 1) (Alto A.) der 
Staat Brafiliens (ſ. die Rarten ⸗Peru«, »Brafiltenc), 
zwiſchen 5° 10° — 10° 20° ſüdl. Br. und 56° 50 
75° 10° weftl. L., grenzt im N. an Britifdh - Guayana 
und Venezuela, im W. an Rolumbien, Ecuador und 
Peru, im S. an Bolivia und den Staat Mato Groſſo, 
im ©. an Bard, nuit 1,897,020 qkm Fläche und (1890) 
147,915 Einw., darunter etwa 60,000 umherſchwei⸗ 
fende Indianer. Der Staat bildet eine weite, mit dich— 
tem Urwald bejtandene WUluvialebene, die von W. 
nad ©. vom Amazonenſtrom und deffen Nebenfliiffen 
durchjogen wird. Das Klima ijt heiß (zwiſchen 25 und 
33°, felten bis 40°) und feucht. Haupterzeugniſſe find 
Kautſchuk, der wichtigſte Handelsartifel des Staatesd, 
Saſſaparille, Ropatvabalfam, mit deren Einſammlung 
ſich Die einheimiſche Bevdlferung faſt ausſchließlich be- 
ſchäftigt. Landwirtſchaft und Induſtrie find nod un— 
bedeutend, der Handel iſt faſt ausſchließlich in den 
Händen der Europäer, die jährlich für über 6 —7 Mill. 
IME. Produkte ausfiihren, wabrend fiir 6 Mill. Mt. Efy- 
waren, Getränle, Reider, Cifenwaren eingefiihrt wer: 


Den, zumeiſt Durch die auf dem Amazonenſtrom, Rio | 


Negro, Purus und Madeira verkehrenden Dampfer. 
Haupiſtadt iſt Manaos (f. d.). 2) Departement 
von Peru (f. Marte «Peru re. «), grenzt im R. an Ecua⸗ 
dor, im W. an das Depart. Cajamarca, im S. an das 


Depart. Libertad, im O. an das Depart. Loreto und | 


hat 36,122 kin Fläche mit (1896, beredjnet) 70,676 
Ginw., die Tabat bauen fowie Strohhiite und Hange- 
matten verfertiqen. Das dichtbewaldete, durch den 
Marafion und feine Sufliiffe reichbewäſſerte Land bil- 


rößte 
wo entweder Antiope 





neue, wie Smyrna, 


Guürtel der Königin 
ald nach ſeiner Befreiung wurde er in 


und Europa, auf de⸗ 
nen fie viele Städte 
zerſtörten, aber auch 


Ephejog, Syme, qriin- 
deten. Bei Homer hat 
Bellerophon in Lyfien 
und Priamos in feiner 
Jugend in Phrygien 
mit ihnen gelämpft. 
Nachhomeriſche Sage 
lich ſie unter der No- 
nigin Benthefileia (ſ. 
d.) Priamos Re Hilfe 
ziehen. Herafled holte 
aus ihrem Lande den 


Hippolyte. Wegen der 
der An⸗ 
tiope durch Thefeus 
fallen fie in Uttifa cin, 


Frieden vermittelt 
oder fie in einer furdt- 
baren Schlacht befiegt 
werden. An Grieden- 
land zeigte man viel- 
fac) Gräber und La- 
gerplibe von A. Als 
ihr Staminfis galt 
Themiffyra am Fluß 
Thermodon in Pon- 
tos. Als die Grieden 
dieſe Gegenden fermen lernten und feine A. fanden, 
ließ man fie durch Herafles vernidtet oder nad Sty- 
thien ausgewandert fein. Der Urſprung der VUma- 
jonenfage ijt unaufgeklärt. Bald hat man in ihnen 
cin hiſtoriſches Boll von kriegeriſchen Weibern feben 
wollen (Mordtmann, » Die A.⸗, Hannov. 1862), bald 
jie fiir Hierodulen ciner afiatijchen Göttin gehalten; 
wahrſcheinlich ijt die Sage auf ffythifche Bolter zu⸗ 
rückzuführen, bet denen vorzeiten Das Mutterrecht 
galt, und die mebhrfad Kriegszüge in die aſiatiſchen 
Küſtenländer unternommen haben. — Yn der qrie- 
chiſchen Run ft cin beliebter Gegenjtand, wurden die 
A. als friegerijdhe Jungfrauen, und zwar ftets mit 
beiden Brüſten, bald in Trotbiidher. bald in griechiſcher 
Tract, mit aufgeſchürztem Chiton, eine Schulter und 
die Brujt blof, zu Rok oder ju Fuk dargeftellt. Un⸗ 
— haãufig findet ſich der Kampf zwiſchen A. und 

riechen auf Frieſen (vom Tempel von Phigalia, im 





Amazone (Berlin). 


det einen Der fruchtbarſten und ſchönſten Teile Perus. Bruiſchen Muſeum [f. Tafel ⸗Bildhauerkunſt UH«, 


Amazonenftein — Amazonenftrom. 


Fig. 9] und Magnefia; vow Maufoleum ju Halifar- 
nak, in London ; vom Heroon gu Gjölbaſchi inWien xc.), 
Bafenbildern und Sarfophagen. In Uthen fab man 
ihn am Schilde der Uthene Parthenos, in Wandbil- 
dern im Thejeion und in der ſogen. bunten Halle (Stoa 
Poikile). Die beriihmteften Statuen von A. waren 
Die von Pheidias, Polyflet und Rrefilas. Davon 
ſcheint die des Polyllet nod in Ropien erhalten zu fein 
(ett gutes Eremplar in Berlin, ſ. Abbildung, S. 410). 
Nachbildung eines andern dieſer Werke ijt die fogen. 
Matteiſche Amazone im BVatitan. Die moderne Kunft 
hat, wie bejonders die Amazonen von Kiß vor Dem 
Berliner Muſeum (jf. Cafel »>Bildhauerfunjt XIV«<, 
Fig. 6) und von Tuaillon vor der Berliner National: 
alerie beweiſen, den antifen Stoff mit Glück umgebil- 
et. l. Steiner, den Umajzonenmythus in 
der antifen Plajtif (Leipz. 1857); Strider, Die A. 
in Sage und Gefdidjte (Berl. 1868); Klügmann, 
Die A. in der attiſchen Literatur und Kunſt (Stuttg. 
1875); Corey, De Amazonum antiquissimis figuris 
(Berl. 1891). — Böhmiſche W. werden die Frauen 
qenannt, die (der Gage nad) 739 nad) Ermordung 
threr Männer den Böhmiſchen Mägdekrieg anfingen 
umd erjt nach fajt fieben Jahren unterworfen wurden. 
Auf Südamerika itbertrugen die Entdeder und Er- 
oberer infolge des Wiederauflebens der Erinnerung 
an die A. des Wltertums die irrige Gage von atheri- 
fanifden A. (f. Umagzonenftrom, am Schluß). 

Amazonenftein, feit Le Condamines Reife in 
Siidamerifa ein angeblid) nephritartiges Mineral aus 
der Gegend des Amazonenſtroms, das von den Yn- 
dianern in Form von Tafelden, durdbohrten Bylin- 
dern 2. getragen wurde, jetzt ein Mineral aus der 
Feldfpatgruppe, f. Mifroflin. 

UAmazonenftrom (Rio de las Amazonas), der 
madtigite Strom Sildamerifas, mit dem gripten 
Flußgebiet (7 Mill. qkm) der Erde, wovon fiber die 
Hälfte Brafilien, der Reſt Nolumbien, Ecuador, Peru 
und Bolivia angehirt (ſ. die Karten »Peru«, »Bra- 
jilien<«, »Guayana«). Der A. entiteht aus der Ber- 
einigung von Ucayali und Maraiion. Letzterer 
entipringt in Beru auf dem Tafelland von Basco aus 
dem See Llauricoda (3653 m, 10° 30’ ſüdl. Br., 
76° 30/ wejtl. 2.) und flieht anfang3 als Tungu- 
ragqua im Oberlauf (etwa 670 km) durd das die bei- 
den Ubteilungen der Nordilleren trennende tiefe Engtal 
gegen NRW., bis er bei Cumba feine Richtung ändert 
und im kurzen MittelLauf (450 km) erjt nad IO., 
fpater nach D. fic) wendet und in jablreidjen Strom- 
ſchnellen (P —— von denen die letzte. der Pongo 
de Manſeriche, die bedeutendſte ijt, die öſtliche Kordil⸗ 
lere durchbricht. Bor da beginnt der mit vielen Krüm⸗ 
mungen oſtwärts geridtete Unterlauf durd die 
Hylia Brajiliens (ſ. unten), dem die riefenhaften Ne— 
benſtröme angebiren, die er aus den Rordilleren 
und bem brajilijdjen Gebirgsland empfiingt. Gleid 
nad dem Cintritt ins Tiefland nimmt er von N. den 
Paſtaza, von S. den Huallaga auf. Nachdem er fic 
bei Nauta mit dent gweiten Ouellarm, dem Ucayali 
(f. d.), — A. vereinigt und bei Tabatinga das bra— 
ſiliſche Gebiet betreten Hat, fließen ihm links Napo, 
Putumayo (Ica), Yapura und Rio Negro, rechts Ju⸗ 
rua, Purus, Madeira, Tapajoz und Xingu ju. Die 
meiften dieſer Nebenſtröme teilen fic) unweit ihrer 
Miindung in vielfach veräſtelte Urme und bilden ein 
deltaartiges Gewirr von Inſeln. Im ganjen nimmit 
ber A., die Oſtabhänge der Rordilleren von 3° nördl. 
Br. bis 20° fiidl. Br. entwäſſernd, mehr als 200 Re- 
benfliijje, Darunter 100 fdiffbare, 17 erjten Ranges, 


411 


auf und mündet in zwei durch die Inſeln Caviana 
und Miriana getrennten Viindungen, Canal do 
Norte und Canal do Sul, in den Utlantijden 
Ozean. Kurz vor der Miindung führt der natiirlice 
Kanal Tajipuru, die Inſel Marajs abtrennend, 
in den Mündungstrichter de3 Tofantins (Mio Parch. 
Trotz ſeines Sedimentreidtums bildet der A. fein 
Delta ; die vorgelagerten Inſeln find ältern Urjprungs. 
Die Vinge des ganzen Stromlaufs beträgt (ohne die 
Kriimmungen) 5340 km. Beim Cintritt in den un— 
tern Lauf liegt fein Bett nod 180, bei Tabatinga 56, 
bei Manaos 26, bei Santarem an der Miindung de3 
Tapaios 16 m hod. Seine Breite beträgt ſchon ober: 
halb der Miindung de3 Madeira mehrere Kilometer, 
unterhalb Gantarem 15, bei Porto de Moz gegen 
80 km, und felbjt in der Enge von Obidos oberhalb 
Gantarem, bid gu welder Cbbe und Flut wirkſam 
ſind, noch 1910 m. Ebenſo bedeutend iſt die Tiefe, 
die im Unterlauf auf weite Strecken über 100 in be- 
—— Nach Martius' Schätzung ſoll der A. 5 Mill. 
Kubilfuß Waſſer in der Selunde ergießen, fo daß das 
ſchlammige Flußwaſſer das Salzwaſſer des Meeres 
mehrere hundert Kilometer weit in den Ozean hinaus 
überflutet. Die Anſchwellungen des Stromes ha- 
ben ihresgleichen nirgends auf der Erde, ſie betragen 
im Maximum 17 m iiber den mittlern Stand. Sin 
Januar beginnend und im Juni den höchſten Punt 
erreidjend, fallen fie mit der Regenjeit der ſüdlichen 
Zuflüſſe zuſammen, während die dann wafferarmen 
nördlichen Zuflüſſe urd die Anſchwellung des Haupt- 
ſtromes auygejtaut, ja gu riidwarts geridtetem Lauje 
ezwungen werden. Während des Hochwaſſers ijt das 
d meilenweit iiberflutet. Kehrt die Flut 6—8 
Woden nach dem höchſten Wajferjtand in ifr Bett 
uriid, fo wühlt fie neue Kanäle aus, zerſtört alte In— 
Pin und baut neue an andern Stellen auf. Ungiiblige 
folder Inſeln liegen im Unterlauf, die größle von 
ihnen ijt die faſt 15,000 qkm große Ilha dos Tum- 
binambaranas an der Miindung des Madeira. Eigen- 
titmlich find aud) die vielen größern und fleinern Uf er- 
feen, die gewöhnlich mit dem Fluk in Verbindung 
basen und bei den Schwellen cinen Teil ded überflüſ⸗ 
igen Waſſers aufnehmen. Die Ufer des Fluſſes find 
niedrig, nur bier und da find fie von Hiigelfetten be- 
grenzt. In die ſich tridterformig verengernde Miin- 
dungsbai des Umazonenjtroms dringt die Flut wäh⸗ 
rend der Beit ded Neus und Vollmondes mit furcht⸗ 
barem Getdfe und verheerender Mächtigleit in Gejtalt 
einer reigenden Welle, Der Bororoca, ein. Wo fie 
auf Untiefen ſtößt, erhebt fie fic) 4— 5 m hod); an febr 
tiefen Stellen verfdwindet fie Dagegen fait gänzlich, 
um an andern Stellen wieder pes iol ay Dinter 
fic) läßt die Bororoca die Gewäſſer in demfelben Bu- 
jtande der Rube zurück, in dem fie fic) vorher befan- 
den. Das ganze ungeheure Becken de Unterlaufs (an 
Umfang fajt Europa gleich) ijt vorherrſchend eine ftein- 
loſe Waldebene. Dervon a ete und Kletter⸗ 
gewüchſen —— Urwald, die Hyläa Braſiliens, 
iſt von N. nad S. 500— 3000 km, von ©. nad W. 
4500 km breit, fo dak feine andre Waldregion der 
Erde die des Umajzonenjtroms an Ausdehnung tiber- 
trifft. Unvergleichlich ijt auch DerReichtum des Stromes 
an Wafjertieren. Delphine und andre Waltiere, Alli— 
qatoren, Flußſchildkröten, namentlich aber Fiſche, von 
Derren Agaſſiz über 2000 Arten fand, alfo fajt doppelt 
fo viel, wie man im ganzen Atlantiſchen Ozean fennt, 
bilben den Gegenjtand ausgedehnter Jagd und er- 
giebigen Fanges, Vor Sdhildfrdteneiern, die man yur 
ereitung von Ol verwendet, follen jährlich 40 Mill. 


412 


Stiid erbeutet werden. Der gripte im A. vorfommende 
a ijt Der bis 3 m lange und bis 200 kg ſchwere 
irarucu. Sdlangen, darunter Rieſen- und Gift- 
ſchlangen. find in großer Wenge vertreten. Bewohnt 
find Die Ufer nod) größtenteils von Qndianern und 
Miſchlingen derjelben, da namentlid) die klimatiſchen 
Verhaltnijje der Rolonifation große Schwierigleiten 
entgegenjtellen. 
ie Schiffahrt auf dem A. ijt, da öſtliche Luft. 
jtrdmungen durch die ganze Lange ded Tales auf- 
warts vorherridjen, felbjt fiir Segelſchiffe nicht be- 
ſchwerlich; fiir Dampfboote ijt fein andrer Strom der 
Erde jo wobhigecignet wie der A. Der bis zu Den Kor- 
dilleren hinauf eme geniigende Fahrtiefe beſitzt und 
aud) in feinen Nebenflüſſen auf weite Strecden hinauf 
i große Schiffe fabrbar ijt. 1851 madjten fic Bra- 
lien und Peru zur Unterjtiigung einer Dampfſchiff⸗ 
fabrtsqefellidaft auf dem A. verbindlid, und 1867 
wurde von Brasilien die Schijfabrt bis sur peruani- 
ſchen Grenze fiir die —— aller Nationen 
freigegeben. Bolivia, Peru und Kolumbien haben 
bereits begonnen, ihre Verlehrslinien mit dem Ama— 
onenjtromfpitem in Verbindung gu ſetzen; Land- 
Fajen und Cijenbabnen find im Bau oder fdjon aus- 
eführt, um die Stromfdnellen und Ratarafte der 
Zuflüſſe gu umgeben, ihren meijt ſchiffbaren Oberlauf 
mit Dem Unterlauf gu verbinden und fo Handelswege 
bis ins Her; jener Wejtitaaten hinein gu eröffnen. In—⸗ 
folgedefjen bat fic) Der Berfehr bedentend gehoben, 
dod, bilden gegenwärtig nod Waldprodutte, befonders 
VBrafitniiffe, Kautſchuk, Saſſaparille und Schildkröten⸗ 
ol, neben Erträgniſſen des Fiſchfanges und der Jagd 
Die wichtigſten Uusfubrartifel. Hauptausfubrhafen 
it ard an der Miindung de3 Rio Vard (Tofantins). 
i¢ braſiliſche Regierung unterhalt acht Dampfer, die 
monatlich swifden Bard und Manaos, ard und Obi- 
dos, Manaos und Tabatinga fahren. Von Tabatinga 
fährt cin peruanifder Dampfer den A. und Huallaga 
aufwärts bis Purimaquas, von wo cine Strafe über 
Moyobamba nad Trujillo am Stillen Ozean gebt. 
Die Linge der von brajtlifden Dampfern befahrenen 
Wajjerwege betrug 1873 bereits 9900 km. 
Der U., von Orellana fo benannt, weil er ihn von 
den Indianern am Bardjtrom Umaffona (»>Boot- 
erſtörer⸗ nennen hörte und daraus auf das Vor— 
ndenfein von Amazonen in diefer Gegend ſchloß, 
wurde 1499 von Vincent Pinzon an feiner Miindung, 
1535 von den Spaniern an feiner Quelle entdedt, 
1540 von Orellana ganz befahren. 1740 befanden 
fi) an den Ufern des Stromes 40 Miſſionen mit 
12,800 Bewohnern; bald nadhber wurden die Jeſuiten 
nad) 130jabriger Urbeit aus Siidamerifa vertrieben, 
und die Früchte ihrer Bemiihbungen gingen gänzlich 
verloren. Die erjte Beſchiffung des Stromes, die 
audh cin wiſſenſchaftliches Ergebnis hatte, war die von 
Ya Condamine (1743 -.- 44). Epochemachend waren 
Humboldts Fabhrt (1799) und die Reije von Spir und 
Wartius (1819 - 20); die Namen Waw (1829), Pöp⸗ 
pig (1831—32), Bring Udalbert von Preußen (1842), 
Graf Cajtelmau (1846), Herndon (1850), Wallace 
(1852), Avé -Lallemant (1858), Warfham (1859), 
Bates (1861), Marcoy (1866), Agaſſiz (1866 — 67), 
Orton (1867--76) ſchließen ſich ruhmwürdig an. 
1862 — 64 liek die brafilijdhe Reqierung cine vollftan. 
dige Stromaujnahme ausfiihren. Auch die Erfor- 
ſchung der Seitenftrdme geht rajtlos fort (durch Hartte, 
Chandleß, Ubendroth, von den Steinen, Herrmann 
Meyer). Val. außer den bei »>Brajilien« angefiihrten 


Reijewerfen: Terjeira, Nuevo descubrimiento del | 





Amazon Steam Navigation Company — Ambaſſade. 


gran Rio de las Amazonas (Madr. 1641, 4 Bde.); 
Herndon, Exploration of the valley of the Amazon 
(Wafhingt. 1853); Maury, The Amazon and the 
Atlantic slopes of South America (daf. 1853); Die 
Reifeberichte der oben genannten Forſcher, beſonders 
die von Wallace (Vond. 1853 u. b.), Bates (Deutch, 
Leipz. 1866), Marfham (Lond. 1859), Avé Lallemant 
(Leips. 1860, 2 Bde.), Marco (Rar. 1869), Agaſſiz 
Bojton 1866 u. ö.), Orton (3. Wufl., Lond. 1877); 

eller-Leuzinger, Bom U. und Madeira (Stuttg. 
1874); Mathew, Up the Amazon and Madeira 
rivers (Lond. 1879); v. Schütz⸗Polzhauſen, Der 
— Wanderbilder (2. Aufl. Freiburg 1895); 
Pinkas, Commissiio de estudos da estrade de ferro 
do Madeira e Mamore (Rio de Janeiro 1885); von 
den Steinen, Durd Zentralbrafilien (Leips. 1886) 
und deſſen weitere Werfe; Guillaume, The Ama- 
zon provinces of Peru for European emigrants 
(Lond. 1888); Sdhidtel, Der U., Berfuche einer 
Hydrographie (Straßb. 1893). 

Amazon Steam Navigation Company, ſ. 
Dampfidijfabrt (Tertbeilage). 

Amba, ſteil abfallende Tafelberge in Abeſſinien 
(j. d.), oft als natürliche Feſtungen benutzt. 

Ambaca (Lamba), BezirfShauptitadt in der 
portug. Kolonie Ungola (Wejtafrifa), nahe dem red- 
ten Ufer de3 Vucalla, 225 km oſtſüdöſtlich von Sao 
Paolo de Loanda, mit ihm durd eine Eiſenbahn ver- 
bunden, ijt eine wichtiqe Handelsjtation und bat in 
der Umgegend ftarfer Erdnuß- und Tabafbau. 

Ambarht, altdeutſch, Handwerf, auc Amt; daber 
Ambahtslehen, Amtslehen, Leben, die in einem 
dem Belehnten erteilten Unite bejtanden. Die Beſitzer 
folder Lehen hiehen Umbadtsleute; die daraus 
entipringenden Redhtsverhaltnifje bildeten das Wim b- 
adtsredt. 

Ambak, ſ. Aeschynomene. 

Ambala (Umballa), Haupiſtadt der gleichnami⸗ 
gen Divijion der britiſch ind. Proving Pandſchab, liegt 
unter 50° 21‘ nördl. Br. und 76° 52 öſtl. L. in wer 
ter Ebene an der Eiſenbahn nad Simla, bat asen 
79,270 Einw., darunter viele englifde Kaufleute, und 
lebbafte Musfubr von Getreide, Baumwollenwaren 
und Teppiden. Seit der Beſetzung durd die Eng- 
länder fteht bier eine ftarfe Garnijon (2 Regimenter 
Infanterie, 2 Regimenter Ravallerie, 3 Batterien). — 
Die Divifion U., am Fue de3 Himalaja, ijt 10,264 
qkm grof und umfaßt die Dijtrifte A. (1891: 1,033,427 
Cinw.), Ludhiana und Sintla fowie die fleinen Cis- 
ſatledſch⸗Hügelſtaaten. 

Ambalema, Stadt in der ſüdamerikan. Republil 
Kolumbien, Depart. Tolima, tints am Magdalenen⸗ 
jtrom, 85 km weftlid) von Bogotd, mit (1870) 6039 
Einw. Der Handel mit dem m der Umgegend ge: 
bauten vorzüglichen Ambalematabak bat neuer: 
dings wegen Erſchöpfung des Bodens erheblid ab- 
genommen. (ban. 

Ambaree fibre (engl., jpr. ambari faibr), ſ. Gambo- 

Ambarvalia ((at.), rim. Staatsfeit, Ende Mai 
—— wahrſcheinlich identiſch mit dem Hauptfeſt der 

rvalbrüder (ſ. d.); es beſtand in feierlichem Umzug 
tp Die Feldflur mit den zum Sdhlujopfer beſtimmten 
Tieren. 

Ambaſſade (frany., for. angd-), Gefandtfchaft; Wu > 
baffadeur (pr. angbdaffaddr), Botidafter, die erſte und 
eer Klaſſe Der Gefandten (f.d.); Dod) wen⸗ 
det engliſche Spradhgebraud den Ausdruck am- 
bassador aud) auf gewöhnliche Gefandte an. Am— 
bafjadicren, als Gefandter fungieren. 


Ambatſch — Ambition. 


Ambatſch, ſ. Aeschynomene. 

Ambauba, ſ. pia. 

Ambe (Binion), in der Kombinationsrechnung 
eine Verbindung zweier Größen; im Lottoſpiel die 
Verbindung von zwei Nummern. 

Ambelakia, Städtchen im griech. Nomos Lariſſa 
Theſſalien), in weinreicher Gegend am Fup des Oſſa, 
mit (i889) 1471 Einw., die beſonders Türliſchrotfär— 
berei und Handel mit Wolle und Garn treiben. 

Amber, qrauer, f. Umbra. 

Amber, Stadt, ſ. Didaipur. 

Amberbaum, ſ. Liquidambar. 

Amberbaume, ſ. Hamamelidazeen. 

Amberes (pr. amvéres), fpan. Name fiir WUnt- 
werpen (f. d.). 

Amberg, unmittelbare Stadt und ehemalige 
Hauptitadt der bayr. Oberpfal;, an der Vils, Knoten⸗ 
puntt der Staatsbahniinien Rrailsheim-Furth i. BW. 
und A.Schnaittenbach, 373 m it. M., bat ein ehemals 
turfürſtliches Reſidenzſchloß, 11 fath. Rirden und 
Rapellen (darunter die St. Martinsfirde mit 98 m 
hohem Turn), cine evang. Rirde, eine Synagoge, ein 
gotiſches Rathaus, Gynmafium, Studienjeminar, 
Lehrerfeminar, mehrere Klöſter, 
Waifenhaus, Strafanjtalt fiir 
Männer und (sve) mit der Gar- 
‘es (ein Snfanteriebataillon Nr. 

22,039 Cinw., darunter 3870 
Evangelijde. Neben der lönig— 
lichen Gewebrfabrif gibt es dort 
Eiſenbergbau mit Hodofen, cin 
Stanz- und Emaillierwerf, Glas- 
polierwerf, Goldleijtenfabrifation, 
Dampfziegelei, Dampfſägemüh— 
len etc. VU. iſt Sif eines Landgerichts 
(fiir die elf Amisgerichte gu A., Cham, Furth, Kaſtl, 





Wappen von Am 
berg. 


Nabburg, Neumarkt in der Oberpfalz, RNeunburg | 


v. W., Parsberg, Schwandorf, Sulzbach und Wald. 
miinden), eines Bezirfs-, Forſt- und Bergamtes, 
Urchivtonfervatoriums fowie einer Filiale der lönig— 
liden Bank. Nordlich von W. der Mariahilfsberg 
mit Wallfahristirde und Franzislanerhoſpiz. — Die 
Stadt, anfänglich zum Hochſtift Bamberg gehörig, 
fam 1269 an den Herzog Ludwig den Strengen von 
Bayern, der eine Münze dafelbjt erridtete, ward 
1329 Der pfälziſchen Linie gugeteilt und war feit 1507 
Hauptitadt der Oberpfals fowie 1808—10 Hauptitadt 
deS Nabfreifes. Unt 24. Mug. 1796 ſchlug bet A. 
Erzherzog Kart die Franjojen unter Jourdan. Bal. 
Lipowfly, Chronifa oder Beſchreibung der Stadt 
A. (Mind. 1818). 

Amberg, Wilhelm, Maler, qeb. 25. Febr. 1822 
in Berlin, geſt. dafelbft 8. Sept. 1899, erbielt durd 
Herbig und Karl Begas, ſpäter in Baris durd Léon 


413 


—— als Bildnismaler tätig war. Er hat 
eine Reihe von Bildniſſen berühmter und angeſehener 
Zeitgenoſſen hinterlaſſen, die ſich durch ſorgſame Cha— 
ralteriſtil und breite Behandlung und durch ein kräf⸗ 
tiges, unter venezianiſchem Einfluß gebildetes Kolorit 
auszeichnen, fo ois Karl V., Frundsberg und den 
Kosmographen Miinjter (Berlin), Ronrad Peutinger 
(Augsburg), und einige Ultarbilder in Augsburger 
Rirden. l. Haasler, Der Maler Chrijtoph A. 
von Augsburg (Mdnigsb. 1893). 
| Amberger Erde, j. Oder. 

Am „Sprengſtoff aus Nitroglyzerin, Schieß⸗ 
baumwolle und Kollodiumwolle. Die gelörnte Maſſe 
wird mit Äther und etwas Allohol behanbelt, wobei 
die Kollodiumwolle einen Kitt bildet, der die Maſſe 
bindet und die Briſanz herabſetzt. Auch cin Spreng- 
ſtoff aus Nitrozelluloſe, Barytſalpeter und Paraffin. 

Ambert (pr. angbaͤr), Arrondiſſementshauptſtadt 
im franz. Depart. Buy-de- Dome, an der Dore und 
der Lyoner Bahn, 531 mii. M., hat cin Handelsgeridt, 
College, Gewerbefammer und 1901) 4158 Einw., die 
Fabrifation von Papier, Sdniiren und Bandern 
und Handel mit Käſe betreiben. 

Am bi-(v. lat.ambo, » beide«), haufig in Zuſammen⸗ 
—— foviel wie beid-, doppel⸗, z. B. ambider- 
ter, beidfeitig rechts, von jemand, der beide Hande 
gleichmäßig braudjen fann, der fic) in alles gu ſchicken 
wei, Achſelträger. 

Ambianer (Umbiani), felt. Volk, Teil der Bel- 

en (f. d.), ndrdlid) von den Bellovaten an der Nord- 
Retiite, ftellten sum Kampf gegen Cäſar 10,000 Be- 
waffnete, ergaben fic aber bald. Ihre Hauptitadt 
war Samarabriva (heute Amiens). 

Ambieren (lat.), fic) unt etwas bewerben. 

Ambigieren (lat.), unentidlojjen fein, ſchwanken. 

Ambigu (franj., fpr. angdigh), unentidieden, zwei⸗ 
deutig; aud) Name eines franzöſiſchen Kartenſpiels 
unter 2—6 Perfonen, in vieler Besiebung ähnlich Dem 
in Deutfdhland iibliden Sequenz (jf. d.). 

Ambigu-Comique ({pr. angbigi -tomit, »heiteres 
Allerlei⸗), Parifer Theater, als Marionetten«, beg. 
Rindertheater 1769 gegründet, feit 1827 auf dem 
Boulevard St. «Martin, pileat jebt (trog feines Na- 
mens) Das Trauerjpiel und Rührſtüchk. 

Ambiguitat (lat., von ambiguus, sweideutig), 
Zweideutigleit. 

Ambin, Mont (jpr. mong-t-angdang), 3381 m hoher, 
in Drei Spigen auslaufender Berg in den Grajifden 
Alpen, an der frangdfifd-italienifdyen Grenge, zwiſchen 
der Mont Cenis-ECifenbahn und der fiber diejen Paß 
fiibrenden Straße qeleqen, mit geringer Gletſcherbil⸗ 
dung, wird von Modane aus beſtiegen (das erſte Mal 
| 1875 von Baretti). 

Ambioriz, Fiirjt der Eburonen im belgifden 








Cogniet feine fiinjtlerifde Uusbildung, bereijte bis Gallien, erhob fid) mit dem Fiirjten Catuvolceus im 
1847 Italien, widmete fic) nad feiner Riidfehr nad | Winter 54 v. Chr., als Cäſar feine Leqionen en 
Berlin anfangs dem mythologiiden und dem Por- | der Verpflequng verteilt hatte, gegen die römiſche 
tratfach, dann dem ernſten und beitern Genre und der | Herrſchaft. Eine Legion umd fünf Roborten unter den 
Landicaft mit Fiquren. Bon feinen ernſten Genre- | eqaten Ou. Titurius Sabinus und L. Aurunculeius 
bildern find Trojt in Tinen und der Witwe Trojt, | Cotta wurden verlockt, ihr Lager ju verlafjen, und 
von den beitern die Liebespoit, die raucende Rofe, dann auf dem Marſch niedergemacht. Durch Woua 
Naſchlätzchen, Borlejung aus Goethes »Werther« | tufer, Nervier und Wenapicr verſtärkt, bedrängte W. 
(Dauptwert, 1870, Berliner Nationalgalerie), der | mun das Lager des Ou. Tullius Cicero tm Gebiete der 
380 und bie Trauben, cin giinjtiger Augenblick, Nervier, bis Cjar ſelbſt erſchien. Diefer gab das Land 
nd in Hand, am Parfgitter hervorzuheben. der Eburonen allgemeiner Pliinderung preis, founte 
Ambergan (Ammergau), f. Wimmer (Flu). | aber, obwohl er fonjt den gangen Stanum vernichtete, 
Amberger, Chrijtoph, Maler, geb. um 1500, | des A. nicht habhaft werden; nach Pores Habe 
wurde 1530 in die Malerjunft yu Augsburg aufge- | A. in Germanien verborgen gebalten. 
nommen, wo er Lis zu feinem Tod 1561 oder 1562) Ambition (jrany.), Chegeis; am iti OS 


414 


Ambitus ((at.), »der Umbergang«, dann die Be 
werbung um ein dffentlidjes Amt, annt von der 
alten Gitte der Randidaten in Rom, auf Straßen und 
Plagen umberzugehen (ambire), um die Biirger um 
ihre Stimme gu bitten. Frühzeitig madjten ſich Miß— 
briiude beim A. geltend, fo dak die Geſetzgebung 
dagegen einfdritt und das Berbredjen der Wimts- 
pe chleichung (crimen ambitiis) mit ſchwerer Strafe 
bedrohte, infofern unerlaubte Mittel, namentlich Be- 
jtehung, behufs Erlangung von dffentliden ÄAmtern 
angewendet wurden. Im weitern Sinn umfaft die 
Anitserſchleichung aber aud) das Verbrechen, das die 
zur Verleihung emes Amtes befugte Perjon dadurd 
begeht, daß fie Diefe Beſugnis gu der widerredtlidjen 
Beſetzung jenes Umtes nupbraudt, alfo das Verbre- 
den der widerredtlidjen Äniterbefetzung. Das fano- 
nijde Recht unterfagte die Umtserjdleidung bei geijt- 
liden Stellen (ambitus ecclesiasticus) bei Strafe 
des Verluſtes der Stelle und der Extonmuimnifation 
(j-Simonie). Auch die neuern Strafgefepe in den ein- 
zelnen deutiden Staaten handelten regelmäßig ſowohl 
von der Aniserſchleichung im engern Sinn als von 
der widerrechtlichen Umterbefegung, und gwar nidjt 
bloß in Unjehung von Staats-undRomnumaldimtern, 
fondern aud) mit Rüchſicht auf die Stellung als Bolis- 
vertreter, Gefdhworner xc. Das deutſche (und ebenjo 
das öſterreichiſche) Strafgefepbuch aber fennt ein be- 
fonderes Verbredjen der Amtserſchleichung nidt mehr. 
Es kommt alfo jest mur auf die Strafbarteit der rechts⸗ 
widrigen Handlungsweiſe an und fiir fic) an, Die ſich 
int gegebenen Fall vielleidht als eine Beſtechung, Be- 
drohung, Fälſchung, pflichtwidrige Annahme von Gee 
ſchenken ſeitens eines Beamten rc. charakteriſieren kann. 
Cine beſondere Bejtinmung ijt jedoch im § 109 des 
Strafgeſetzbuchs in Unfehung de3 Kaufens und Bere 
faujens von Wahlſtimmen (f —— gegeben. 

Amblau, Inſel, ſ. Buro. 

Amble cor. ambl, Stadt in der engl. Grafſchaft 
Northumberland, auf einer Klippe über Der See, 11 km 
ſüdöſtlich von Alnwick, mit einer gotiſchen Kirche, Ha- 
fen, Noblenbandel, Fifchfalseret und (1901) 4426 Einw. 
W. iit Sis eines deutſchen Vizelonſuls. 

As ble fide (ipr.amprpaiv’), ihrer romantijden Lage 
wegen vielbejudte Marftitadt m Wejtmorland (Cng- 
land), am Windermere (f. d.), mit (901) 2536 Comp. 
Unweit der Waſſerfall Stod Ghyll Force. 





Ambitus — Amboina. 


Ambo (Ambon, griech.), in den altchriſtlichen 
Rirden ein erhihter Play oder Geriijt fiir Borlefer 
und Redner. befanden fid) deren zwei in Dent von 
Schranken umgebenen länglichen Biered, das, vom 
Chor aus ins Schiff der Kirche fic) erjtrectend, fiir den 
niedern Klerus beſtimmt war, der cine an der Rord- 
feite gum Borlejen der Evangelien, der andre an der 








Ambo (vogl aud den Grunbrif bet »Bafififtac), 


Siidfeite zum Vorleſen der Epiſteln. Später wurden 
beide in Der Kanzel (j. dD.) vereinigt. Bon den Am— 
bonen herab ertinten aud) Kirchengeſänge, Daher der 
Uusdrud Unb on of Lajten(»Umbonjerbredjer- ) fiir 
die Ciferer gegen Kirchenmuſil. 

Amboina (malaiijd Umbon), eine der (hollan- 
diſchen) Molullen im Ojtindijden Archipel, unter 
3° 41 ſüdl. Br. und 128° 10 öſtl. L., 997 qkm mit 
(1895) 38,663 Einw. YU. beſteht aus einem größern 
nördlichen Teil, Hitu, und einem kleinern ſüdlichen, 
Leitimor, die durch den ſchmalen Iſthmus von Ba— 

uela zuſammenhängen. Die Inſel ijt gebirgig (Sal- 
Bute 1221, Wawani 1045 m) nit jaben Ufern. Fol- 

enſchwere Erdbeben find trog des Fehlens tätiger 
Qultane haufig. Das Klima (mittlere Jabrestenpe- 
ratur 26,3°, Februar 27,2°, Juli 25,2°) iit im allge- 
meinen gejund, inded haben Fieberepidemien wieder: 
holt die Europäer vertrieben. Die große Feuchtigleit 
der Luft bedingt eine iippige Vegetation. Dichte Dit 
der des trefflichſten Bau- und Nutzholzes bededen qrojje 
Flächen; Rofos- und Sagopalmen liefern das Haupt- 
nahrungsmittel. Die —— Kulturpflanze iſt der 
Gewürznellenbaum, deſſen Anbau bis in die Neuzeit 
auf A. und die Uliaſſerinſeln beſchränkt war, indem 
auf den andern Woluflen die Baume ausgerottet, da- 
gegen den Bewohnern von A. ihre Anpflanzung und 
die Ublieferung der Früchte gegen beſtimmten geringen 
Preis auferleqt wurde. Der Berfauf war bis 1873 
Monopol der Regierung. Neuerdings beginnt aud der 


Ambleteufe (jvc. angbl'isſ), Dorf im frang. Depart. | Unbau des bisher auf die Bandainjein beſchränkten 


Pas-de-Calais, Urrond. Boulogne, am Kanal, mit 
verjandetem Hafen und (voy 364 Einw. Hier lan- 
dete 1688 Safob IL. auf feiner Flucht von ¢ ngland. 

UAmbleve (jr. angdlaw’), rechter Nebenfluy der 
Durthe, entfpringt als Amel auf der Eifel und tritt 
oberbalb Stavelot in die belgifche Proving Lüttich ein. 
(Er ninunt rechts die Warge, links die Salm auf, bil- 
Det Den 20 m hohen Waſſerfall von Coo und miindet, 
85 km lang, unterbalb Comblain-au-Bont. — An der 
A. bejiegte Karl Martell 716 den König Chilperic ILL 
von Neujtrien. 

Amblygonit, feltenes Mineral, phosphorfaure 
Tonerde mit Fluorlithum und Fluornatrium 
2A1,P,0O, + 3(LiNa)FI, frijtallijiert triflin, findet fid 
aber gewöhnlich nur derb (fo im Granit bei Benig 
und Geyer in Sadjen, bei Arendal, Montebras, in 
Maine und Connecticut), tit grünlich, glasglangend, 
durchſcheinend, Harte 6, ſpez. Gew. 3,1. 

Amblyopie gricc.), Shwadjidtigheit. 

Amblyornis, {. Gartnervogel. 

Amblypéda, ausgejtorbene Huftiere (j. d.). 

Amblystéma, {. Yrolott. 





Muskatnußbaums und auf den Uliaſſerinſeln die Ra: 
favfultur zuzunehmen. Die Berglandſchaften find fiir 
Weizen und Bohnen, aud fiir —88* eeignet. 
Anfang des 16. Jahrh. fanden ſich die Portugieſen 
in A. etn und machten ſich von hier aus allmählich 
zu Herren ſämtlicher Moluklen, mußten ſie aber 1605 
den Holländern überlaſſen. Seildem war A. Haupt⸗ 
ſitz der niederländiſchen Herrſchaft in Oſtindien, bis 
er 1619 nad Batavia verlegt wurde. Hier wurde 1625 
cine Beridwirung, in die englifche Beamte verwickel 
waren, unterdriidt; Die jtrenge Redtepflege auf A. 
wurde eine der Urſachen der Verbitterung der Eng, 
lander geqen Holland im 17. Jahrh. 1796 — 1801 
und 1810 16 war Die Inſel im Beſitze der Englän⸗ 
der. — Die Refidenti{ daft W. umfaßt nocd die fiid- 
liden Moluklen mit Ceram und Buro, die Banda» 
infeln, die Südoſt⸗ und die Siidwejtinfeln, die Tenim— 
berinfeln von der Timorlautgruppe, die Aru- und 
Kei-Inſeln, 51,465 qkm mit (ses) 205,768 Einw., 
Darunter 2400 Europaer, 1000 Chinefen, 700 Uraber. 


| Unter dem Refidenten fteben 19 Stationen, darunter 


ein Militdrpoften auf Ceram. Das Juſtizweſen mit drei 


Amboinabeule — Ambrafia. 


Inſtanzen gipfelt im GouvernementSgeridte ju Wa- 
fafjar. — Die Hauptitadt A, —— — 
liegt auf der Dfiljte von an ber weiter. 


vorgiigliden Unfergrund bietenden Bai und tit Frei- 
hajen. Die Haujer ſind einitddig, aus Bambus (Rad- 
ſicht auf Erdbeben). W. hat cine reformicrte Rirde, 
mebrere Moſcheen, Jujtiygebaude, 
fpital. Im Fort Vittoria liegen Rajernen, 

bureaus und Magazine; der cident wobat in Batu- 

Sintotengets bat j. ip os ages {Gadjab- 

Amboinaho ol; emer Balmenart von 
Amboina, ijt * er oa febr bart und dauerbeft 
und wird ju feinen PF iidplerarbetten verwendet. 

Am et (Riaboofab, Canabocead), 
unregelmapig —* fnollige Stiide von Ptero- werte 
carpus indicus in Indien und den “9 
jel, ijt Dunfel lederfarbig (fj. Tafel »~Rughol; 

Big. 8), — —— oft ſehr weich, dient zu — 


lopfen 
—— —* Boden, j. Frambojie. 
boife (ivr. angbaap), Stadt im ‘Depart. 
Sndre-et- Loire, Urrond. Tours, an der itber 
die eine Briide führt, und an der Origansbabn, bat 
ein auf jtetlem Felſen gelegenes, von jtarfen Tirmen 
flantiertes Schloß (von Sarl VIL. und Ludwig XIL 
erbaut), mit ſchöner gotiſcher Rapelle, künſtlichen Hod » 
len aus dem 16. Jahrh. (lange fiir galliſche Korn⸗ 
fpeicher gebalten), ein College und (901) 4538 Einw. 
die Tud, Stablwaren, Majdinen, Shubwaren 
—— und Weinhandel treiben. — A. war urſprũng 
sed ein rõömiſches Cajtrum (Ambacia), geborte ipater 
den Herzdgen von Ynjou, dann cinem eignen Adels 
eſchlecht und fiel nad deſſen Erldjden 1431 an die 
—— Seitdem war A. oft Reſidenz des ere Ba- 
{oi3 und ward unter Ludwig XL beriidtigt durch 
Oublietten (unterir diſche Kerler). Eine traurige "Se 
rühmtheit erlangte die Stadt Durd die orm 
der Hugenotien von 1560, deren 
Protejtanten das Leben fojtete. In A. wurde and 
das Edikt von W. vom 15. Marz; 1563 publizert, 
wodurd freie Religionsiibung unre cataet owie 


dem Adel und 

Secon Wal fats Sater i ea ale Ge 
Schloß Clos - Luck 

if 1519 p wilh any rig Vinci. 


Am boife (jor. angsaay), Georg von, Kardinal und 
Minijter Ludwigs XIL von geb. 1460 in. 
Chaumont-fur-Soite bei Umbotie, get. 25. Mai 1510 
a Lyon, wurde ſchon 1474 Bidet von Wontauban 

mojenier Qudwigs XL, unter Kari VILL —— 
bee von Narbonne und 1493 Erzbiſchof von Rouen 
fowie Generaljtatthalter der Normandie. Bon Lud- 
wig XI. 1498 zum erjten Minijter ernannt, 

ex Seantreid und den Konig, den er zu der pater fiir dambar 

id) igvollen Eroberung — 
bewog. Dod) erwarb er fid) durch 


Steuern und erung ber —— die Liebe cs 
Volles. Von Papſt Kardinal und 
Legaten in Frankreich at te ¢ er nad Uleran- 


ders Tode felbjt nad der Tiara und veranlaßte des 
balb, —* —— ein Schisma zwiſchen der fran- 

iſchen Kirche und der Kurie. Sein Leben beſchrieben 

ontaqnes (Rar. 1631) und Le Gendre (Rouen 
1726). Sal. Baudier, — de l'administration 
du cardinal d'A. (Rar. 1 

Ambon, j. Ambo und — 

Amboni, Dorf in Deutid-Oitafrita, am Si ——— 
nahe der Tangabucht, eine ae der 
geju, dabci auf cinem Hügel ein Vorwert der ie 


413 
deutidben Handels- ux? Fiomagmoerars Che: 
balb des Orres cantipemocs om Mase ee Same 


guelien (37°). or 
Ambojaten, § 


— (cittobo. anabia. ws pen wan. idinern 
open). Umtertage eam Geartecen Nr Siccie acc 
. Remeetad bem Séaorkee Rice 


ipanmt oder mut emer image in bee Serhee! arte; 
dee andera bas G noe meter: Somes 
fimd pow Gaiem, und mar chee Beda. 2. & tee obere 
iogen. Muregiade. re Sacdi bie = Tex orsee 
— ——— 
— — Liner tse Atα Der § 

i Sommer. Der Séhmicteaaton bat an 
emer ibmalen Sete rms Hern DP eracmboh). um 
dad ber Arbener Weel eer:, a om Lae oo in 
Babn werden ju Rebemarteces oemeae 
wut Yingein Des Seerciers Sct come Seme 
quadratiide ext remem Sect em Hors 
und lautt aut Se canes ume ae een oe 
formig zu. Sum Bearbenen vor Blechen x loran 
Umboye mit polierten Bainen (Zreib-, Spexa-, 
Polieritsde). Senteiien td mit Rimmex oer 
jebene Anbonſe der >; Steodambciie 
jum Dodlidiagen ber Geiaie beigen cmem fugesrn- 
gen Ropi. apa pp peragy rẽbrenartiger Aox- 
men dient ber Haléambo§. her mu emem 
— eee Der gefroptic & 
dex Gold- und Silberarberter umd der Gaertice baz 
einen runden ober baibrunden Sori. 

Ambotk, ams der GebortimiSciden. i Cor 

Mmbra (graucr Amber, orientelii der Ug- 
oder Waqtuern), Gallen- oder Derzvarm ober em 
jeme ahnliches Produit des Portals, Amber HS m fiemen 
Stiden, and m Waitin bis DH) he ca tem Acere 
ichoimmend, an den Ristten, auch im Z crm franfer oder 
1200 toter Bottwale. am hautigiten bri Madegaster, Suri- 


Ztirmen mit Regen geniht Wort undurdmdeig, 

0,98 —0,920, expect in ber , Galt Bes 
——————— im Ather umd £ len 
Sie beiteht ans @mbratett (Am 


doleternartigen 2 
brain) und dtheriidemit Der Gerud ioli durch em 
recti Physeteri# erjyeugt wer- 
den. Wan benugie W triiber als nerden⸗ und magen⸗ 
itarfendes Witiel, auch im der feimen Ride, yep tr 
der Parfiimerie. Ihr Geruch tit ungemem ba*tend. 
Franzojen und OCrientalen legen fierne Rigeihen von 
— Borcirarengich fib Ze A. Der Alten war 
—— wobinebende Galicm von Liqui- 
styracifiua. Aliiiige WL, fomel me Sto- 

rar; gelbe A., Bernitem. 

Ambrabaum, 


f. — 
Ambrain, Ambt 
Ambrafia, antife = — in Ebirus, am Aradthos, 
nõrdlich des Umbraliiden Weerbufens (jegt 
Golf von Yrta), wurde um 650 v. Ebr. von Kormih 
aug folonifiert und aclangte bald zu groher Witte. 
Durd den Velobonnen ichen Strieg ſchwer mitgenom · 
men, erholie fie ſich erit wieder unter Eyrrhos, ber fie 
zu feiner Reſidenz erhob. Spater von den Atoliern 
und Romern gepliindert, vernel A. befonders durch 
die GriindDung des nahen Nifopolis und gelangte erit 
unter dem byzantiniſchen Heide wieder zu einigent 
. Unter ibren Rumen tit bie Atropolis nod fennt- 
x “Qn ibrer Stelle liegt jest Urta. 


Ambras — 
— ‘Amras), Tori in Tirci > pinion 
Jansbrud en 


, Mut (eer 725 come 
o, tm 11. Jaber. Surg 
ber Greten von Andechs und mm 16. \abrh als ved 
imgsaufenthalt bes —75 Ferdinand und ſemer 
Gemahiin Valnpine Selier in groherm Umiange 
aufgebaut, in neueiter Jeu wiederhergeitellt. mu Au · 
ſeum und Kart. En Tel der Sammlung von Kunit⸗ 
gegentianden und Safien bes Schloiies rit fert 185 
in Shen alo Umbrafer Sammlung egenwärtig 
im funitinitoniden Hofmufeum) aufgeitelit / dgl. den 
Aiibrer von Alg und Boheim, Sien 147%); Darunter 
beſindet fid) Die ale »Vimbrafer Handidrift- befannte 
Sammiung mittelhoddeutidher Ritter · und Helden- 
bidjtungen ſvgl. Gottlieb, > Tie Umbrafer Handidrif- 
tens, 1, ews, 1900). 

Umbria, {. Urmerland. 
Ambrix, Hafenitadt in der portug. Rolonie Un: 
* Weſtafrila), in der Landſchaft Loanda, unter 
* 60 ſudl. Vr. an der Mundun vn bes Loje, mit 2450 | 
Ginw., altem Fort, 11 portugictifchen, 2 britifden, 
2 amerifanifden und einer fransofifdhen Faltorei, die 
namentlic) Raffee, Rautidul, Falmot, Palmferne und 
Adansonia-afern ausfiihren. VW. war bis gu 


feiner Befipergreifung burch Bortugal (1855) Der Ha: | 


fen bes feinen Negerreichs Quiban ya. ' 

Umbrd, Béla von, Biterreidhifeh eungar. Diplo- | 
mat, geb. 3. Sept. 1849 in Adamocz (Komitat Tren: | 
cién), fam 1876 zur Gefandtidaft nad) Rom, 1882 | 
nad) Berlin, 1484 wieder nad Nom, 1894 nad Wiin- | 
chen, 1495 abermals nad Rom und ging 1899 als 

Wefandter nad Japan. 

Ambroid, |. Vernitein. 

Ambroin, Moliermaterial, das ourd Mifchen einer 
Ldfung von Kopal in Benjol, Allohol oder Terpen« 
tin mit Aſbeſt oder Glimmer und Wbdampfen der | 


Vdfung hergeſtellt wird. Die erbaltene Maſſe wird “Stirdengejan 
—— und unter ſehr ſtarlem Druid in ſtählerne ſicher vieles 


some epre fit. 
ned, galliſches Boll von viclleidt germa⸗ 
ame —— fimipften mit den Kimbern und 
Teutonen 105 v. Shr. qeqen Die Romer unter Man- 
lius und Capio und wurden ber Mqua Sertia 102 von | 
Marius vernichtet. 

Ambros, Vaguit Wilhelm, Muſifſchriftſteller 
und Aöomponiſt, geb. 17, Nov. 1816 yu Mauth in 
Widmen, geſt. 2A. Junt 1876 in Wien, ftudierte in 
Prog die Rechte, trat 1835 in Den Staatsdienſt und 
wurde 1850 Staatéamwalt beim Prager Landgericht. 
Daneben hatte er fic) aber in der Pauptſache auto- 
didaftifdy gu emen tuchtigen Muſiler gebildet, ſelbſt 
mandertet, auch großere Werle (Oper » Bretislav a 
Jitka«) fompontert und war aud ale Mufitfedriftitel- 
ler aufgetreten (juerit in Der + Neuen Yeiticdrift fiir 
Wufif. unter dem Bieudonym » Famine). Er wurde | 
bald Darauf in Die Direftion des Prager Ronfervato- 
riums gewahlt und 1S69 aud yum Profeſſor der Mu⸗ 
fit an der Krager Universitat ernannt. Bon 1872 an 
wirfte er in Wien ale Lebrer Des Kronprinzen Rudolf 
und Brofelfor am Konſervatorium fowie alo Beamter 
tor Juſtizminternum. Ambros' Hauptwer# tit ſeine auf 
umſfanqlichen Studien in auslandiſchen Vibliothefen 
berubende. aber unvollendet gebliebene · Geſchichte der 
Muſit⸗ Vd. I A Lewp D862 Gs), bra Ende Des 16. 
Jabrb. — den 4. Band gab 1878 G. Nettebobm 
nad Shyer M.' beraus als 5. Band folgte. eine Aues⸗ 
wahl —8 zum &. Band (nad VW.’ Sammlun ; 
gen redigtert und erganzt von O. Rade, Lew; 1881). 








fy 


Ambroius. 


Den Schwerpunlt dieies Geried bildet dic cusge zeich 
nete der Epa der Bederlander (14.—14. 
Jebrb... : des 1. Banded 
nad Scitpbaliden Arichten beiorgte B. v. Sofolovifi 
‘ 15587), exe ioe Revthon des 2. Bandes Han 
rich Heunenn 1592. Bedeutung, aber 
anyiebend ei ſind die Memern Schri⸗ 


ij ct Schruten: 
TDie Grenzen der Wakil und Boche« (Lewy 1856, 
2. Musil. 1572); » Die Lebre vom Cuintenverdot Dai. 
1859); >» 


rel Zote vor Berwefung id 

Arzten Name fiir verſchiedene LebenSeliriere u Shin 

beitémtitiel eth Neftar und A (Leip; 1883). 
UAmbrofian bliothef , §. Mailand. 


‘Himbronanithe i — bab 


* 


weichende —— Ritual. 


————— 
wie ibn bn der Pe ten an — 


in ben —*— ſeiner — — cniihte, Mabcofins = 
verpflanzte lleluja⸗ un 

dem Orient Stalien; aud pute wie Ur- 
heber des ——— angeſehen. Da eraber 


aud) den Hymn —— nur nad Italien brachte. 
ſondern aud f viele Sipucame verfakt bat, fo rt 
allem Unfcheine nad) der Gregorianijde Gd) 


nidt im Prinzip vom Ambroſianiſchen 


her 

tholiſche Chriftenheit sur Norm gem 
ges ra bem (eit Wonbrofius? Tobe 297) 
men war. Bgl. Dre⸗ 





ves, Aurelius Ambroſius, der Vater ded Rirden- 
aefamges (Freiburg 1893). 
anif der befannte Hym- 
»Te Deum laudamus«, ſ. Tedeum. 
UAmbrofino, Silbermilnse der lombardiſchen 
Stidte nad) dem Nonfordat von 1254: —— rande 
von 2,937 g, RNoeoo fein == 12 laiſerliche qranve 
alg A. qroffo ſchon 1316 auf 24 Denare — 
A. piccolo von 1,468 g, “io fein, Dann Soldo im- 
periale qenannt. 
Ambrofifeh (qried.), unjterblid, den Gdttern ge- 
hdrend oder cigentitmlic, auch gdttergleid. Bgl Wm- 


brofia. 
Ambrofing, der Heilige, miter Sirden- 
lebrer, geb. um 340 in Trier als Sohn eines römi⸗ 


ſchen Brafectus Prätorio, geſt. 4. April 397, war in 
Rom Sadwalter, bis ihm die Statthalterfdaft von 
Oberitalien fibertragen wurde. Obgleid noch nicht 

ctauft, leijtete er 374 der Wahl yum Bifdofe von 

atland Folge. Rraftvoll verteidigte er feine Mirde 
qeqen die Arianer, verbinderte aud) Me vom pracfee~ 
tus urbis Symmachus beim Kaiſer betriebeme Wieder- 
aufrichtung der heidniſchen Bilder und zeigte gleide 
Neingleit gegen Theodoſius d. Gr., den er nad dem 
Blutbade von Theſſalonila erfol reid ermabnte, vor 
der Gemeinde Bue zu tun. ex dem Raifer den 
(Fintritt in Die Sire verwengert babe, rit Legende. 
Seine dogmaliſchen Schriften verraten den Einfluß 
der qnecbricben Rirdenicdrer. In ber Scttenichre (> De 
officiis clericorum «, brag. bon Rradenger, Tab 1857) 


Ameisen I. 






ce Arbelter, . 


ih 


d Arbelter. 2), e Larve. 7/1. 





b Soldat. 7),, 


Z 3, Pheidole palidula. 


« Puppe. 7/1. 
f Puppenkokon 


(Ameisenei). 1), 
ay 
4. Wanderameise 


A . Ar- 
1. Rote Waldameise (Formica rufa). ¢ —— * , 








5. Amme der Honigameise (Myrmecocystus hortus 
deorum) mit gefilltem Vormagen. 

a Riickenplatten der Hinterleiberinge, d Bauchplatte der Hinter 

leibsringy, b Verdauangemagen, ¢ Kaumacen, fOMnung der Kloake. 


— 


J— — 
— ‘ * 
* 8 
— * 

X 


* = 
—— * es aS ae a8 — 
E = ‘S — * A. 


7. Zellen des Nestes von Lasius niger, in der obern 
Zelle Fiitterung der Larven. 8. Eine Kolonne von Eciton auf dem Marsche. 





Meyers Konv.- Lexikon, 6, Aufl. Bibliogr. Institut in Leipzig. Zum Artikel Ameisen. 





Ameisen Il. 


— >" 
na erraticum. 





S. Blattlausstalle von Lasius. 6. Stuck des Nestes der Waldameise (Formica rufa) im Lingsschnitt 





Ambroſius — WAmeijen. 


folqt er Ciceros Buch von den Pflidten; von Einfluß 
ift ſeine Unterſcheidung zwiſchen den allgemeinen und 
den vollfommenen Pflichten, wohin er 3. B. die Ehe- 
lofigteit rednete, qeworden. Nachhaltiger denn als 
Schriftſteller wirfte er durch feine Gorge um Liturgie 
und Kultus; durch feine Liederdidtungen wurde er 
der Vater der lateinijden Hymnologie. Neuejte Uus- 
qabe feiner Schriften von den Gebriidern Ballerini 
(Mail. 1875—-86, 6 Bde.) und, nod) unvollendet, 
von Schenkl (Wien 1897 ff.), in Auswahl deutſch von 
Schulte (Nempt. 1871—78, 2 Bde.). Val. Förſter, 
Umbrojius, Bijdof von Mailand (Halle 1884). 

Ambrofius, Johanna, Didterin, f. Voigt, 
Jobanna. 

Ambrus, Zoltan, ungar. Novellijt und Withe- 
tifer, geb. 22. Febr. 1861 in Debreczin. Von ſeinen 
ſtiliſtiſch feinen, pſychologiſch ſcharfen Erzählungen 
find die belannteſten: ⸗-König Midas«, »September«, 
⸗Fräulein Spinneweb«. Auch vorzüglicher überſetzer. 

Ambrym, Inſel der Neuen Hebriden in der Siid- 
jee, unter 16° 14° ſüdl. Br., 644 qkm grog, mit (1891) 
10,000 Einw., von denen viele als Plantagenarbeiter 
nad Oueensland gehen, nit hohen Bergen (darunter 
cin 1067 m hoher tatiger Vulfan) hinter den ſehr frudt- 
baren Riijtenebenen, aber fehrungejundemRlima. Die 
engliſche Miſſion hat hier cine Station erridtet. 

Ambuélla, Volfsjtamm in Sildwejtafrifa, gu den 
Bantuvollern gehirig, im Gebiete des obern Kuando. 
Die Dörfer von 200—300 Einw. find oft in Sümp— 
fen auf Pfählen erbaut. Bon Haustieren haben die 
A. nur Hunde und Hiihner, treiben aber hochent— 
widelten Uderbau und find gejdidte Schiffer und 
Fiſcher. Ihre eifernen Speers und Pfeilſpitzen ftellen 
fie felbjt ber und verweben ihre Baumwolle auf rohen 
Webjtiihlen. Sie ftehen unter Häuptlingen, die an 
das Marutſereich Tribut gahlen. Im äußerſten Often 
liegt der qroke Ort Cahubheu-ue, den Serpa Pinto 
1878 beriihrte; 1885 durchzogen Capello und Ivens 
den fiidliden Teil des Gebietes. Val. Serpa Pinto, 
Wanderungen quer durd) Ufrifa (Leipz. 1881, 2 Bde.). 

Am Vihl, ſchweizer. Ort, ſ. Gadmental. 

Umbulafren (Saugfiifden), die Bewegungs- 
organe der Stachelhiuter. 

Ambulant (lat.), umbersziehend. 

Ambulanter Geridtsjtand (Flic qender Ge- 
ridtsftand), Bezeichnung fiir die vom Reidsgeridt 
vertretene Anſicht, daj fiir cin Preßdelikt der Geridts- 
ftand der beqangenen Tat nicht bloß an dem Orte fei, 
von dem die Verbreitung aus erfolgte, fondern aud 
an jenem Orte, wohin zufällig die verbreitete Drud- 
ſchrift gelangte. Diefe sweifelsohne mit dem geltenden 
Redte villig ſich im Cinflang befindende, aber trog- 
dem zu vielen Mißſtänden fiihrende Rechtſprechung 
des Reichsgerichts fonnte nur durd) eine Anderung 
des § 7 der deutſchen Strafprozeßordnung in andre, 
von der — Preſſe gewünſchte Bahnen gelenkt 
werden. Died ijt denn aud) durch das Geſetz vom 13. 
uni 1902, betreffend die Abänderung des § 7 der 
Strafprozeßordnung, gefdehen, das wenigitens fiir 
die öffentliche Mlage den fogen. fliegenden Geridts- 
ftand aufhob, indem es bejtimmte: wenn der Tat- 
bejtand der ftrafbaren Handlung durd den Inhalt 
einer im Inland erfdienenen Drucidrift begriindet 
ijt, fo ift nur das Geridt als zuſtändig anzuſehen, in 
deffen Bezirk die Dructidhrift erſchienen ijt. Bet Pri- 
vatflagen ijt jedod) in Fallen der Beleidiqung aud 
das Geridt, in deffen Bezirk die Druckſchrift verbreitet 
ijt, zuſtändig, wenn in dieſem Bezirk die beleidiate 
Rerjon ihren Wohnſitz oder gewöhnli 

Meyers Nonv.= Lerifon, 6. Aufl., L Bb 


417 


hat. Bgl. Ripinger, Der ambulante Gerichtsſtand 
der Preſſe (Mind. 1901). 

Ambulanz (lat., das »Umherwandeln«), foviel 
wie Poliflinit (j. d.). Befonders bezeichnet man mit 
A. die leicht beweglide Cinridtung des Kriegsſani— 
tãtsweſens fiir die erjte Hilfe, guerjt im 15. Jahrh. 
von Iſabella der Ratholijden eingeridtet, von Ri— 
delien tm italienifden Rriege 1630 orqanifiert, ſpäter 
aud) bei andern Heeren eingefiihrt. Sn der deutſchen 
Urmee wird der Uusdrud nicht mehr gebraudt. Es 
fallen bier unter den Begriff Umbulangen die Sani— 
tatsfompagqnien und die fiir die erjte Hilfe ver- 
wandten Teile von Feldlazgaretten x. In Frank: 
reid) verjteht man unter »ambulances« alle im Be— 
reid) Des faimpfenden Heeres vorhandenen Cinridtun- 
gen zur Pflege und gum Transport der BVerwundeten 
und Stranfen, fpesiell die zuerſt 1792 im Rheinfeldzug 
von Larrey eingefiihrten Kranfentransportwagen. — 
YW. heißt auch ein ig Poftamt (f. Fahrende Poſt⸗ 
aimter) fowie jede fabrbare Cinridtung fiir Handel 
und Gewerbe int Umbergieben. 

Amburbium (lat.), rimijde3 Staatsfeſt, Unfang 
Februar zur Reiniqung und Entſühnung der Stadt 
begangen, um deren Grenge die gum Schlußopfer be- 
jtinumten Tiere in feierlichem Umzug geführt wurden. 
Die chriſtliche —— dieſes Feſtes ijt die Purifi- 
catio 8, Mariae (Maria Lichtmeß), bet Dem man ehe—⸗ 

—— Kerzen die Stadt umzog. Bal. 
Ufener, Das Weihnadsfeft, S. 306 ff. (Bonn 1889), 

Amden, Gemeinde im ſchweizer. Kanton St. Gal- 
len, Bezirk Gajter, nahe Weefen am Walenjee, 939 m 
it. M., in herrlichem Talfefjel, mit avo) 1219 Cinw., 
zur Sommerfriſche geeignet. 

Ameiſen (Formicidae Latr., hierzu Tafel ⸗Amei⸗ 
fen IIII.«), Familie der —— Hautflüg⸗ 
ler, über die ganze Erde verbreitete Tiere mit großem 
Kopf, kräftigen, vorſtehenden Oberkiefern, geknieten 
Fühlern und durch einen Stiel mit dem Hinterleib 
verbundenem Thorax. Die A. erzeugen zirpende Töne 
durch Reibung gelörnter oder geriefter Fite der bars 
ten Rirperhaut geqeneinander, und bei einigen Ar— 
ten ijt ein Gehörsſinn nadgewiefen. Die A. leben zu 
Staaten vereinigt, die neben Männchen und Weib- 
den (Tafel I, Fig. Lab) im weit überwiegender Zahl 
aus Urbeitern (verfiimmmerten Weibden c) beftehen. 
Bei einigen Urten lommt nod eine zweite Form von 
Urbeitern mit ſtark vergrößertem Kopf und mächti— 


Dent mit 


gen Obertiefern vor (Soldaten; Tafel I, Fig. 3b). 
Männchen und Weibden haben in der Regel Flügel 
mit wenig entwideltent Geäder. Weibdhen und Urbeiter 
beſitzen im Hinterleib eine Giftdriife, die bei mehreren 
Arten mit cinem Giftitadhel verbunden ijt. Die eigent⸗ 
liden A. haben feinen Stachel, fie bringen das Gift 
dev Drüſe (wejentlid) Ameiſenſäure) im die mit den 
Riefern gemadte Wunde oder fprifen es dem Feinde 
pe, Im Spätſommier erheben fic) die gefliiget- 
ten Männchen und Weibden gegen Sonnenuntergqan 
ſcharenweiſe zum Hod ze its fluge in dic Luft. Racy 

demſelben verlicren fic) die Heinen Männchen und 

| gehen bald su Grunde, die befruchteten Weibchen aber 
Patter ju Boden und werden von den umberlaufen- 
den Urbeiterameijen eingefangen, ihrer Flügel beraubt 
und in die Kolonie zuriidgebradt, dic fie nun nidt 
mehr verlafjen Ddiirfen. Aus den fleinen, länglich— 
runden, weißen Ciern der UW. ſchlüpfen nad einigen 
Tagen kleine, fuflofe, weiße Larven (Tafel I, Fig. 1d) 
mit hornigen Riefern, die von den alten A. gefiittert 
werden müſſen. Sie wachſen bei reidlidher Nahrung 
ſehr ſchnell und fertigen nad) 14 Tagen cin längliches, 

27 


418 


ſchmutzig weißes oder bräunliches Geſpinſt, in dem fie 
jur gemeißelten Puppe (ig. 1f) werden (Wmeifen- 
eier; Hig. Le); manche Yirten fpinnen niemals. Nad 
2— 4 Woden zerbeißen die alten A. das Geſpinſt, und 
die junge Umeife, die nod) einige Tage gefiittert wer- 
den muy, friedht hervor. Die Zahl der Urbeiterameijen 
vermehrt fid —* des den ganzen Sommer hin⸗ 
durch fortgeſetzten Eierlegens ſehr ſtark, und erſt im 
Spitjommer werden Eier gelegt, aus denen geflügelte 
Männchen und BWeibchen entitehen. Die Jndividuen- 
zahl in Neſtern unfree Waldameife (Formica rufa) 
jteigt bid auf ca. 100,000. Die Weibdhen, die nicht 
eingefangen werden und fid) aud) nidt sur Kolonie 
suriidjinden, ſuchen cinen geeigneten Platz zur Be- 
gründung einer neuen Rolonie. Das Weibchen unjrer 
großen Holzameiſe (Camponotos ligniperda) entledigt 
ſich feiner Flügel und legt unter einem Stein 10—12 
befrudjtete Gier, aus denen weibliche Qarven fommen, 
die bei mangelhafter Ernährung gu Arbeitern fid 
entwideln. Gie werden die erjten Gebilfinnen der 
Mutter, die mit dem Cierlegen fortfabrt. 

Ulle Urbeiten im Neſte der A. liegen den Geſchlechts⸗ 
lofen ob. Gie dffnen am en die verrammelten 
Zugänge, fuden Nahrung, vergrößern das Neſt, 
ſtehen Wache ꝛc., ſie Pfleger die Eier, LQarven und 
Puppen und fiittern die Weibchen (Tafel I, Fig. 7). 
Wo zwei Formen von Vrbeitern vorhanden find, bil- 
den die großlöpfigen (Goldaten) bei den Streifgiigen 
die Ordner und Fiibrer (Treiberameife, Anomma ar- 
cens West., in Wejtafrifa, und Eciton-Vrten [Tafel I, 
Fig. 8]), zerſchroten die Beute, um fie fiir die kleinern 
Genofjen mundrecht zu machen x. Bei Beginn des 
Winters ziehen fic die Tiere in den tiefſten Teil des 
Neſtes zurück und fallen in Erjtarrung. Die befrudte- 
ten Weibchen überleben den Winter, um im Friibling 
das geſchäftige Xreiben von neuem zu beginnen. 
Manche Urten, die im Winter nidt in Erſtarrung ver- 
fallen, tragen Vorräte cin. Die Glieder cin und des⸗ 
jelben Haufens erfennen cinander felbjt nad langer 
Trennung; fie begrüßen, betajten und ſtreicheln em- 
ander; fie verjtindigen ſich über Berridtungen, die 
fiir cine einzelne gu ſchwer find; fie geben cinander an 
die Hand, reißen wohl aud nad der Beratung einen 
—— Bau wieder ein oder ändern ihn um x. 

inige Umeifenarten leben in Baumſtämmen, in 
denen fie Gänge und Hohlräume —* en, indem ſie 
die feſtern Jahresringe meiſt als —— ſtehen 
laſſen. Gewiſſe [Meine Arten minieren in der dicken 
Borke alter Baume wenige flache, unter ſich verbun— 
dene Kammern. Lasius fuliginosus (Tafel LIT, Fig. 3) 


Die fie zu einer Homogenen, papicrartiqen Maſſe ver: 
arbettet; andre A. bauen vielleidht aus abnlicem Ma 
terial qrofe, bienenforbabnlicde Nejter zwiſchen Baum: 
äſten. Die Smaragdameifen in Yndien und Kotſchin— 
dina umgeben ihre Neſter mit zufammengefponne- 
nen Blättern (Tafel L, Fig. 6), fie führen Larven, die 
fie zwiſchen ibren Riefern halten, bin und ber, und 
Diefe ltefern Dabet den Spinnfaden. Die meijten 
A. graben und mauern Erdnejter, oft unter einem 
ſchützenden Steine, oder bilden gufammengefepte Re- 
fter in qrogen, aus fleinen Oolsftiidden zuſammen⸗ 
getragenen Haufen (Tafel Il, Fig. 6). Je größer die 
Sefellichaft, um fo fonuplizierter iſt Das Neſt, biswei- 
len ſtehen mebrere Rejter derfelben Art auf einer grö⸗ 
fern Bodenflache untereinander in Verbindung, wih- 
rend aud) unter demfelben Steine zwei Arten m didt 
benadbarten, aber voneinander getrennten Reftern 
hauſen fonnen. Oft werden die Strafen von und ju 





Ameiſen (Lebensweife, Keunſttriebe). 


dent Neſtern überwölbt (Tafel M1, Fig. 3). Tapinoma 
erraticum erbaut im Rafen Interimsneſter (Tafel LL, 
Fig. 4) und hängt die Eier an cingebaute Grashalme. 
Iſt die Bevdlferung in einem Bau zu grof gewor-: 
den, fo werden neue Kolonien angeleqt, deren em 
jtarfer Haufe in cinem Gommer drei ausjenden fann. 
Gewöhnlich fiedelt fid) die Rolonie in der Nahe des 
Mutterbaues an. Die erjten derartigen Auszüge be- 
ginnen im Juli. 

Die A. befunden unter allen Inſelten die größte 

eiſtige Begabung. Mande rien, wie Formica 
usca, leben im verhälinismäßig wenig zahlreichen 
Herden und fiibren nicht leicht gemeinſame Opera- 
tionen aus. Andre verwenden mehr Kunſt arf den 
——— und züchten Blattläuſe (ſ. unten); 
ihre Geſellſchaften find zahlreicher, und jie jagen mehr 
gemeinſam. Endlich gibt es erntende A., die den ent: 
wideltiten Typus darjtellen. Manche A. halten Sfla- 
ven, und gwar Yndividuen einer andern Ameiſenart. 
Die rote Umeife, die ihre Brit nicht ſelbſt zu verfor- 
gen vermag, zieht in regelmapigen Kriegsmärſchen 
aus, um aus der Behaufung der ſchwarzgrauen Umeife 
Formica fusca und F. cunicularia) Larven und 
pen gu erbeuten. Durch die bereits im Baw be- 
findliden Sflaven wird dann dieſe erbeutete Brut 
wie bie cinheimifde Der Herren ernahrt und groß⸗ 
gejogen. Uber die Sflavenameijen tragen und näh— 
ren aud) ire rotlidjen Herren, die wegen Unvollfom- 
menheit ihrer Freßwerkzeuge ſonſt verhungern miij- 
ten. Die Amazonenameiſe (Polyergus) ijt unfähig, 
felbjt gu frejjen, fie ngert neben der Nahrung, 
wenn nidt cin Sflave fie fiittert. Bet manden Ar— 
ten feblen dic Urbeiter, und Männchen und Weibchen 
leben. mit den Urbeitern einer andern Vict in demſel⸗ 
ben Bau. Gewiffe Urten leben in ibren dret Formen 
in den Reftern ciner andern Urt. Dieſe Gaftamei- 
fen dürften oft nicht im ftande fein, in felbjtindigen 
Rolonien zu exijtieren. Die fleine Stenamma West- 
woodii lebt ausſchließlich in Den Neftern von Formica 
rufa und benimmt ſich gegen dieſe wie etwa Haus⸗ 
hunde gegen Menſchen. Die kleine Solenopsis fugax 
dagegen, die fleine Galerien in den Mauern der Amei— 
ſenhaufen größerer Arten aushöhlt, raubt letztern die 
Larven, um ſie zu freſſen. 

Die A. lieben den Honigſaft mancher Pflanzen, der 
Blatt- und Schildläuſe, ſüßes Obſt, Zucker, Sirup. 
Honig u. dgl. und dringen in ſorgfältig verwahrte Bor⸗ 
ratsfanunern und ſchwache Bienenſtöcke ein. Außer⸗ 


dem freſſen fie Regenwiirmer, Raupen und andre klei⸗ 
nere Tiere (erate, Mäuſe r.), die man durdh 
baut in boblen Bäumen Reiter aus Dolgipanaen, 


fie ffelettieren laffen fann, indem man Ddiefelben in 
durchlöcherten Schadteln in cinen Umeifenbaufen 

rabt. Wit toten und ftinfenden Fiſchen fann man 
ee wie mit Beterjilte und Rerbel vertreiben. Auch 
Teer, Tran, Spiefdl, Holunderbliiten (friſch und 
qetrodnet) find den A. zuwider. 

Die U. find erklärte Feinde faft der ganzen übrigen 
Inſektenwelt; dagegen faugen fie den ſüßen Saft, den 
Die Blattlaufe (Aphis) aus dem Hinterleib abjondern, 
auf und ftretdelat und flopfen diefelben fanft mit den 
Fühlern, um die Abſonderung des Saftes zu befdr- 
Dern (Mild liibe der A.). Bon abgeftorbenen Zwei 
qen iibertragen fic die Uphiden behutfam auf faft- 
reidhe, und im Spätſommer bringen fie diefelben 
an die Wurzeln der Gewächſe (Tafel II, Fig. 1). Oft 
aber entfiibren fie aud) Die Blattläuſe in ihre Nefter, 
um fie wie Haustiere ausjunupen, oder umgeben 
cine Gefellidaft von Blattlaujfen mit cinem Gehäuſe 
aus Erde oder andern Bauſtoffen (Tafel U1, Fig. 5), 


Ameisen III. 


(Ameisen und Pflanzen.) 





2. Kohlrabihdufchen der Schlepperameisen. 
150 fach vergréBert. 








3. Teil eines Nestes von Lasius fuliginosus. 4. Vogel und Ameisen in Symbiose auf der Ochsenhornakazie. 


PERRI OT the Oise AARNE SLE SEER 
ig ae — ate > Em — —— net , —— 
* ve og — hod ae . — —— 52* * 
= hm. ens — — * —* oy on 4 





in 





5. Vorratskeller der Honigameise 6. Zug der Visitenameise 7, Nester und Felder der ackerbautreibenden 
(Myrmecocystus). (Oecodoma). Ameise von Texas (Pogonomyrmex barbatus). 


“Meyers Konv,- Lexikon, 6. Autl. Bibliogr. Institut in Leipzig. Zum Artikel ,Ameisen'. 


Ameisenpflanzen. 





Durchechnitt 





11. Stammende der Imbauba (Cecropla 


b Durchbobrte Hohlstacheln 
AGENOpPUs). «, b Ameleenptorten 


von Acacia sphaerocephala 


. . ; he F 44 
2 
7. Hohiblasen 
am Blattgrund 
6 
vou Durola Z 6 ee 7 
icalcar 
saccifera Millersche . d calcarata | 
Orperchen 
s+ 


LI = 


ie 





4. Myrmecodia alata. a Durchschnitt 5, Hydnophytum form) 8. Hohiblasen am Blattgrund@ 
carum. von Tococa lancifolla. 


Ameifen (Mugen und Sdade, wichtigſte Arten). 


tragen aud) ihre Larven in dasfelbe oder ſetzen eine 
Blattlausgejelljdhaft durch einen bededten Gang mit 
ihrem Neſte in Verbindung (jtallfitternde YW). 

iervon und von den echten Barafiten der A., wie 
Chalciden und Stylopiden, abgefehen, finden ſich in 
Ameiſenhaufen nod etwa 1000 Arten andrer Inſek⸗ 
ten, hauptſächlich Rafer, die als Gäſte bezeichnet 
werden und fid) zum Teil den A. angepaft haben (j. 
Ameiſengäſte). Auch Loi Bae zeigen foldje 
Anpaſſung, bieten den UW. Wohnung und Nahrung 
und erhalten dafür Schutz gegen andre Tiere. Auf 


419 


Texas ſchützt ihren Bau durd einen bis 50 cm hohen 
Ringwall, reinigt und ebnet das den Wall umgebende 
Land bis auf 1 m Entfernung und läßt bier feine 
flange auffommen als ein Gras, Aristida stricta, 
pflegt dasjelbe und erntet die reifen Korner, die in 
einem Teile des Baues von den Spelzen gereinigt 
und Dann fortgepadt werden. Dringt Rests bis gu 
dem Vorrat, fo werden die Korner an einem fonnigen 
Lage ins Freie gebradt, bis fie troden find. Auch 
bie Ernteameije von Teras und Colorado (Po- 
gonomyrmex occidentalis, Tafel U1, Fig. 2 u. 2a) 


foldjen Ameiſenpflanzen (j.d.) nijten gern verſchiedene ſammelt Sämereien und pangertibren Hügel mit ciner 
Bagel (Tafel III, Fig. 4), weil die von W. bewohnten | Mojaif kleiner Steine, Goldforner xc. Bisweilen find 
Baume von allerlei Mettertieren gemieden werden. | diefe Umeifenbauten fo reid) an Gold, daß es dic In— 


Nugen und Sdade der W. mögen fid im all- 
gemeinen, wenigitens in Deutfdland, das Gleich— 
—— halten. Die kleinen, braunen oder ſchwarz⸗ 

raunen A. ſiedeln ſich zwiſchen den Wurzeln der Topf⸗ 
pflanzen (beſonders gern in Warmhäuſern und Loh— 
beeten) öfters in außerordentlicher Menge an und 
freſſen große Löcher in die Wurzeln. Wie manche 
andre Aas freſſende Inſekten kommen ſie auch als 
Krankheitsübertrager in Betracht (Peſt, Milzbrand). 
Weit läſtiger ſind die A. in den heißen Ländern. Große, 
rotgelbe Arten dringen in die Wohnungen ein und 
beunruhigen die Schlafenden in den Betten, während 
cine kleinere ſchwarze Art empfindlich beift. Die am 
weiteſten verbreitete Formica omnivora wird in Kaſan 
häufig zur Landplage. Die Wanders oder Trei— 
berameiſen (Anomma arcens Westw., Tafel I, 
ig. 4) an der Weſtküſte von Ufrifa leben obne fejte 
Baue unter Baumwurzeln 2. und ziehen nadts oder 
bei tritben Tagen auf Bente aus. Sie tdten durd) ihre 
Menge felbjt große Tiere, indem fie ihren erjten An— 
griff vornehmlich auf deren Augen ridten. Wenn fie 
nachts in die Haufer eindringen, Hiehen Ratten, Mäuſe, 
Schaben und jelbjt die Menſchen. Die Ruderameife 
(Formica saccharivora) bat in Wejtindien ganje 
Zuckerplantagen vernidtet. Dagegen leben die Ein- 
gebornen am Rio Negro einen großen Teil des Jah— 
res von A., die fie gu einem Teig tneten und in Beu- 
teln aufbewahren. Auch in Baraguay und andern 
Ländern werden A. gegefjen. 

Die Rofameife (Camponotus herculaneus L.), 
fajt gan; ſchwarz, am Hinterleib ſchwach grau be- 
haart, mit gelbfpipigen Flügeln, findet fic) in Europa, 
Oſtſibirien, Rordamerifa und lebt in den Gingen 
franter Waldbiume. DieWald- oder Hiigelamertfe 
(qemeine rote Umeije, Formica rufa L. Tafel I, 
wig. 1), mit braunrotem, beborjtetem Thorax mit 
ſchwärzlichen Fleden oder (Männchen) ganz braun- 
ſchwarz, etwas aſchgrau ſchimmernd, 4—6 (Urbeite- 
rinnen), 9,5(Weibdhen) oder 11 mm lang (Männchen), 
in Europa, Aſien, Nordamerifa, unjre gemeinjte Urt, 
hauft in Waldern, beſonders Nadelwaldern, bis 125 cm 
hohe, legelförmige Haufen von allerleiBaumabgingen 
über ihren Neſtern auf. Sie vertilgt Raupen, wes— 
halb es and) an vielen Orten verboten iſt, fie gu ſtö— 
ren. Bon dieſer Umeijenart werden befonders die 
Puppen (Ameiſeneier, f. d.) geſammelt; auch bereitet 
man aus ihr den Ameiſenſpiritus, Ameiſenbäder xc. 
Lasius niger Lafr., Dunfelbraun, oft ganz ſchwarz, 
mit fur; anliegend behaartem Hinterleib und braunen 
Fiiblern und Beinen, 3—4 (Méannden und Arbeite⸗ 
rinnen) und 9 mm lang (Weibden), die qemeinite 
Urt, allenthalb an Wegen, auf Felbern, Wieſen, in 
Waldern, in der Erde, unter Steinen, in Baum- 
ftriinfen xc. nijtend. Die aderbautreibendeWmeife 
(Pogonomyrmex barbatus, Tafel III, Fig. 7) in 











dianer lohnend finden, fie auszubeuten. Die zuerſt 
von Herodot erziblte Gage von goldqrabenden 
A. ijt aber woh! auf in Bantherfelle (Tschita) ge- 


| hiillte und in Erdlidern wohnende Goldgraber In— 


Diens zurückzuführen, wobei das Vorfommen von A., 
die wie Pogonomyrmex Steine und gelegentlid Gold 
jufammentragen, und der ähnlich flingende Name 
der UW. (Tschinti) mit in Betradt fommen. Die 
Pilze giichtenden UW. (Oecodoma cephalotus, Tafel L 
Fig.2, u. ſchneiden mit ihren Kiefern rundliche Blatt⸗ 
ſtücke ab, ſchleppen dieſe zu ihren Neſtern (Tafel III, 
Fig. 6) und zerlauen fie weiter. Auf der gewonnencn 
Maffe züchten fie cin Pilzmycel, deffen Enden zu 
Knöllchen (Rohlrabi) anjdwellen, die ihr Hauptnal- 
rungsmittel bilden (Tafel IT, Fig. 1 u. 2). Außer 
fiidamerifanifden Arten gficitet aud) unſre Holzanteije 
(Lasius fuliginosus) Pilze. Bei der Honigameije 
(Myrmecocystus hortus deorum Wesm., Tafel I, 
Fig. 5, und Tafel II, Fig. 5), in Merifo, Texas, Co- 
lorado, werden einzelne a abibibuen (Ammen) durd 
die andern Urbeiter mit Honig fo ſtark angefiillt, daß 
fie kugelrund anjdwellen und ihr Leib oft größer 
wird als cine Erbſe. Sie hängen dann fajt undeweg: 
lid) an Der Dede der Vorratsfammern der unterirdi- 
iden Refter, und Urbeiter, Männchen und Weibchen 
entnehmen aus ibnen nad Bedarf Honig. Diefelbe 
Erjdeinung findet man aud) bet einer aujtralijden 
und ciner afrifanijden Urt. Die Zug- oder Be- 
judsameife (Atta cephalotes Z.), fajtanienbraun, 
mit vier Dornſpitzen am Bruſtſtück, fehr großem Kopf, 
26 mm, das Weibchen über 39 mm lang, findet fid in 
gan; Siidamerifa, baut fehr hohe Santen, Tonmt in 
großen Sdharen in die Wohnungen und nimmit alles, 
was fie fiir fid) verwerten fann. Dabei vertilgt jie aud) 
einen Teil des in Den Haufern befindliden Ungesiefers. 

Vgl. Qatreille, Histoire naturelle des fourmis 
(Par. 1802); Huber, Recherches sur les murs 
des fourmis indigénes (Genf 1810); Förſter, Dyme- 
nopterologijde Studien. Heft 1: Formicariae (Yad. 
1850); Forel, Les fourmis de la Suisse (in den 
Neuen Denkſchriften der Ullgenteinen Schweiger. Ge- 
jelljchaft fiir die gejamten Naturwiſſenſchaften⸗, Bd. 26, 
Bafel 1874); Derjelbe, Die pſychiſchen Fähigleiten der 
A.(Münch. 1901); Lub bod, A. Bienen und Wejpen. 
Beobadtungen iiber die Lebensweije der gejelligen 
Hyntenopteren (deutſch, Leipz. 1883); Mac Cook, 
The honey ants of the garden of the gods and the 
occident ants ofthe American plains CBGitad. 1881); 
Marfhall, Leben und Treiben der A. (Leip. 1889); 
Wasmann: Die age ur. sig Neſter und qe- 
mijdten Rolonien der A. (Münſter 1891), Berglei- 
mende Studien fiber das Seelenleben der YW. und der 
höhern Tiere (2. Aufl., Freiburg 1900), Die pſychi— 
ſchen Fähigleiten der WU. (Stuttg. 1899); Mller, Die 
Pilsgirten ciniger fiibamerifanifder UW. (Jena 1893). 

27* 


420 


Ameiſen, tweifte, foviel wie Termiten. 
Ameijenather, ſ. Ameiſenſäure. 
Ameifenbader, ſ. Bad. 
Ameijenbar, ſ. Ameiſenfreſſer. 
Ameiſenbeutler (Spitzbeutler, Myrmecobius 
fasciatus Waterh.), Beutellier aus der Familie der 
Ameiſenbeutler (Myrmecobiidae), 25 cm lang, mit 
18 cm langem, buſchigem Schwanz, ſehr ſpitzem Kopf, 
ſehr gahnreidem Geb und flanger, hervorjtredbarer 
Bunge. Er ijt vorn odergelb, nad) hinten ſchwarz, mit 
weifen oder rdtliden Duerbinden. Beim Weibdjen lie- 
qen die Rifen frei. Der A. bewohnt Siidwejtaujtralien, 
ut Harmlos und nabrt fid) hauptſächlich von Umeifen. 
Ameifencier, die Luppen der Ameiſen, werden 
pont April bis Auguſt geſammelt und als Futter fiir 
Stubenvdgel, Fafanen, Fiſche xc. benutzt. Unbefugtes 
Sammeln der VL. ijt meiſt verboten. 
Ameifenfreffer (Myrmecophaga L.), Gattung 
der Bahniiider aus der Familie der Ameiſenfreſſer 
(Myrmecophagidae), gejtredt gebaute Tiere mit jtart 
verlangertem Kopf und Schwanz, zahnloſen Riefern, 
langer, rdhrenfirmiger Schnauze, ſehr enger Mund⸗ 
ſpalle und langer, weit voritredbarer Zunge. Cinige 
Virten bejigen einen Greifſchwanz und flettern. Sie 
leben im warmen Giidamerifa, nähren fid) von 
Ameiſen, reißen mit ihren mächtigen, fidelformigen 
Grabfrallen die Ameiſenkolonien und Termitenge- 
baude auf und jtecten die flebrige Bunge binein. Das 
cingige Junge tragen fie auf dem Riiden. Der große 
A. Yurumi, Ameiſen bär, Uyrmecophaga jubata 
L., j. Tafel » Zahniiider I+, Fig. 2), 1,25 m lang, mit 
95 cm langem, fehr lang bujdig behaartem Schwanz, 
aber nur 30 cm hoben Beinen. Die Haare am Kopf 
find fury, am Hals und Leib ſehr lang, jottig, braun; 
auf jeder Schulter verläuft ein ſchwarzer, weiß ein- 
hee Streifen, fiber dem Riidgrat eine Mähne. 
r findet ſich im öſtlichen Siidamerifa und ſchweift bet 
Tage einſam in den Chenen umber. Fleiſch und Fell 
des Yurumi werden von den Indianern benugt. Der 
Tamandua(Caquare, M.tetradactyla L.),60cm 
lang, mit Greifſchwanz, reicht bis Peru hiniiber und 
lebt am Rande der Urwalder. Hier hangt er fic) mit 
dem Greifſchwanz an Ziweige und fudt daſelbſt Umei- 
jen und Gewiirm auf. Gereigt verbreitet er ftarfen 
Mofdusqerud, der aud das —* durchdringt. 
Ameifengafte, in Ameiſenneſtern lebende Tiere 
(hauptſächlich Kafer), deren unjre Holzameiſe (Lasius 
fuliginosus) 150, die rote Hiigqelameije (Formica rufa) 
100 Yirten beberbergt. Das Verhaltnis dieſer Tiere 
ju den Ameiſen beruht auf Synrpbilie (gegenfeitiger 
Buneigung mit Pflege der Gaijte), Synofie (indiffe- 
renter Duldung), Synechirie (feindlicher Einmietung 


mit Mimifry und Trupgformen) und Parafitismus. | 


Dabei befinden fic aber unter den Symphilen (My ts 
mefopbhilen) arge Rauber, und von echten Schma— 
rohern werden veridiedene von den Ameiſen willig 


qefiittert. Mande VW. fudjen in den Ameiſenneſtern 
nur Obdad) und zehren von den Ubfallen, wie eine | 











Aſſel, die Larven von Cetonia aurata und C. aenea | 


und eines Glattfifers (Clythra quadrimaculata). 
Bu den Sympbilen gehören Kurzflügler (Staphyli 


geriden) und Bauffiden, in Europa Urten der Gat- 


Ameijen, weife — Ameiſenlöwe. 


RKeulentifer die Qarven der Umeifen, und Lomechusa 
strumosa wird von den Ameiſen felbjt ju ihren 
Brutklumpen getragen, die der Kafer verſpeiſt. Biele 
A. erleiden in den Neſtern ſtarle Berinderungen, fie 
werden den betreffenden Umeijen febr ähnlich und 
ſchützen ſich Dadurch auf den Zügen der Umeijen vor 
Feinden, die letztere nicht angreifen. Zu den Schma⸗ 
rotzern gehören Zwergameiſen, Milben, Borſten— 
ſchwänze und Fadenwürmer. Lepismina polypoda 
ſtiehlt den Honigtropfen, den eine Ameiſe eben einer 
andern hungernden von Mund zu Mund überliefern 
will, und in aͤhnlicher Weiſe verfahren manche Milben. 
Bgl. Wasmann: Beiträge zur Lebensweiſe der 
Gattungen Atemeles und Lomechusa (Haag 1888), 
Vergleichende Studien iiber UW. und Termitengäſte 
(Daf. 1890), Kritiſches Verzeichnis der myrmefophilen 
und termitophilen Arthropoden (Berl. 1894) und Les 
Myrmecophiles et Termitophiles (Leiden 1896). 
Ameiſengeiſt, ſ. Umeijen{piritus. 
Ameiſenigel (Sandſchnabeltier, Echidna 
Cuv.), Gattung aus der Ordnung der Kloafentiere, 
Tiere mit plumpem Körper, furzem Schwanzſtummel 
und Hals, Fleinem Ropf, langem, walzenförmigem 
Sdnabel, fehr fleiner Mundöffnung, flanger, dehn- 
barer Bunge, zahnloſen Kiefern und jtarten Krallen 
an den furjen Füßen. Un den Hinterbeinen beſitzt 
das Männchen einen jtarfen, dDurdbohrien Sporn, 
der mit einer Ubfonderungsdriije in BVerbindung 
jteht; der Körper ijt oberhalb mit ftarfen Stachein 
und Haaren, unterhalb mit Borjten bededt. Die A. 
leben in Ylujtralien, Tasmania und Neuguinea und 
nähren fid) von Inſelten (Ameiſen und Termiten), 
die fie mit der Zunge aufleden. Der Stadeligel 
(E.aculeata Cuv., |. Zafel »Mloafentiere«, Fig. 1—3), 
44 cm lang, bewohnt Auſtralien und lebt in felbjt- 
gegrabenen Höhlen und Gangen. Das Weibden legt 
ein Ei von 16,5 und 138 mm Durdmefjer mit Kera- 
tinſchale, das in der Gebtirmutter bereits jtarf ent- 
widelt ijt, und brütet es in einem vorübergehend ge- 
bildeten Beutel aus, der fic) mit dem Heranwadjen 
des Jungen ausiveitet, und an dejjen Grunde von 
der Bauchhaut eine eiweiß⸗ und fettreide Flüſſigleit 
abgejdieden wird. Das Fleiſch ijt ſchmachhaft. 
meifenjungfer, ſ. Ameiſenlöwe. 
Ameiſenkriechen (Ameiſenlaufen, Formica- 
tio, Myrmecismus), ein prickelndes Gefühl in der 
Haut, als ob ſich Ameiſen dort befänden, geht bejon- 
ders Schlagflüſſen, Labmungen, Kränipfen, auc) man- 
den Ausich lag en und Gidtanfaillen voran. 
Ameifentswe (Umeifenjungfer, Myrmeco- 
leon Burm.), Netzflüglergattung aus der Fantilie der 
Ameiſenlöwen (Myrmecoleontidae), libellenãhnliche 
Inſekten mit kurzen, leulenförmigen Fühlern und vier 
gleichen, in eine Spitze ausgezogenen Flügeln. Der 
1. (Myrmecoleon formicarius Z., ſ. Tafel ⸗Netz⸗ 
fliigler«, Fig. 5), 2,8 cm lang, 6 cm brett, ſchwärzlich 
mit fein geaderien, braun gefledten Flügeln, fliegt in 
Dentidland abends vom Yuli bis September. Die 
qraugelbe, ftarf behaarte Larve bat zwei große Krallen 
an den Füßen und ſichelförmige Oberfiefer, die mit 


den feinen, borjtenformigen Unterfiefern ein Gauge 
niden), Zwergläfer (Pfelaphiden), Keulenläfer (Clavie | 


tungen Claviger, Atemeles, Lomechusa, von Denen | 
mande fid) gar nicht felbjtdndig ernabren fonnen, | 


3. T. die Augen eingebüßt haben. Dieje Käfer, die 


wert bilden. Sie gräbt an Waldrandern tridjterfir- 
mige Bertiefungen von 4—5 cm Durchmeſſer und 
3 cm Tiefe und wartet, im Grunde des Trichters vere 
borgen, bis cin Tierchen hinabgleitet, welded fie aude 
jaugt. Am Rande der Grube erſcheinende Inſelten 


von den Ameiſen forgiam gepflegt werden, befifen | bewirft Der VU. mit Sand, um fie in den Trichter gu 
auf ihrem Riiden Dritjenbaare, deren Abſonderung ſtürzen. Im Juni oder Auli fpinnt die Larve tm 
die Umeifen eifrig leden, dabei friſzt 5. B. der blinde Sand einen fugelfrmigen Mofon, verpuppt ſich, und 


Ameijensl, fiinftlides — Ameijenjaure. 


nad) 4 Wochen kriecht bas Inſelt aus, dad cine geringe 
Anzahl Cier legt. Die tm Herbjt austriedende Larve 
tiberivintert im Sande. 
Ameiſenöl, künſtliches, ſ. Furfurol. 
Ameiſenpflanzen (vgl. Tafel ⸗Ameiſenpflanzen · 


bei S. 418), Gewächſe, die in der freien Natur regel⸗ 
mäßig von gewiffen, ihnen nützlichen Ameiſenarten 
beſucht oder bewohni werden und in ihrem Bau be⸗ 


ſtimmte Anpaſſungen an das Zujammenteben mit 
den Ameiſen aufweijen. Das Auftreten foldher An— 
pajfungen wird als Myrmefophilie, und dement- 
ſprechend werden die A. aud als myrmekophile 
Pflanzen bezeichnet. Bei der Jmbauba (Cecropia 
adenopns, Fig. 1), cinem Baum des tropifden Ume- 
rifa, werden die hohlen Stammglieder regelmitpig 
von großen Mengen fleiner, bifjiger Umeifen bewohnt, 
die den Baum wirkſam gegen Die vielen andern Ge⸗ 
wächſen verhingnisvollen Blattidneiderameifen ver- 
teidigen. Der Zugang ju den durch Querwände von- 
einander getrennten Stammbodhlungen liegt reqgel- 
mäßig in jedem Stanunglied am obern Ende einer 
vor der Mitte des nächſt untern Blattes nad oben 
ziehenden Rinne (Fig. 1 bei a und b). Diefe Stelle 
bleibt von Unfang an ſchwächer als die übrigen Teile 
ber Wand des Stammgliedes, fo dah die Ameiſen 
leicht cine Offnung herſtellen können. Wufer der 
Wohnung gewährt die Cecropia den Umeijen aud 
die Nahrung. Wn der Unterfeite der Blattitielfiffen 
entipringen zwiſchen Haaren fleine birn- oder eifir- 
mige Körperchen (MMüllerſcheKörperchen, Fig. 2), 
die ſehr reid) an Eiweißſtoffen und fettem Of ſind. 


Sie werden von den Ameiſen abgeerntet und wadfen | 


wieder nad. Ganj ähnliche Verhältniſſe finden ſich 
bei der gentralamertfanijdjen Acacia sphaerocephala 
(Fig. 3). WIS Herberge dienen den ſchützenden Ameiſen 
hier die ftarf vergrößerten holzharten, innen hohlen 
Nebenblattdornen. Nektardrüſen auf der Blattſpindel 
(ſogen. ertranuptiale Nektarien) produzieren oe 
jaft, und an der Spike jedes Blätichens entwidelt ſich 
cin leicht abnehmbares, nahrhaftes Zellknöllchen (b). 
Bei Duroia saccifera (Fig. 7), einer Rubiagee aug dent 
Gebiete des YUmajonenftroms, und bei gewiſſen Me- 
leſtomazeen des tropifchen Siidamerifa, wie Tococa 
formicaria und T. lancifolia (Fig. 8), find eigen: 
tiimliche Hohlblajen am Grunde der Blattipreite, 
Wohnräume fiir die gegen den Angriff der Blatt- 
ſchneider fchiigenden Ameiſen. Bei W. in den Tropen 
der Ulten Welt, wo die Gefahr einer Zerjtirung der 
Pflanzen durch Blattidneiderameifen nicht vorliegt, 
diirfte es ſich hauptſächlich um die Abwehr von Raupen 
und Käfern handeln. Die epiphytiſchen Rubiazeen 
des Malaiiſchen Archipels, Myrmecodia (Fig. 4) und 
Hydnophytum (Fig. 5), bilden fauft- bis findsfopf- 
rope, jaftige Knollen, die im Innern ein ae 
ommunizierender Giinge enthalten, die in der Natur 
ausnahmslos von Umeifen bewohnt find. Die Knollen 
entftehen mit ihren Gangen in gleicher Weije aud 
dann, wenn die Pflanzen ohne Ameiſen fultiviert 
werden. Es erſcheint danach sweifelhaft, ob die Aus— 
bildung der ſchwammartig durdliderten Knollen als 
eine erblic) qewordene Unpaffung an das Zuſammen⸗ 
leben mit Ameiſen anzuſehen ijt, oder ob etwa die 
Hohlraume der Durdliiftung der maffiven Knollen 
Dienen und nur mehr zufällig von den dort iiberall 
haiufigen Ameiſen aufgefucht werden. Uberhaupt er- 
fordert die Feſtſtellung von Myrmekophilie einige 
Vorſicht, da die Ameiſen alle möglichen Hohlräume 
zur Wohnung wählen können. Nur wenn wirklich 
ein Verhältnis gegenſeiligen Nutzens vorliegt, kann 





421 


von Myrmefophilie geſprochen werden. Zweifellos 
myrmefophil ijt Pterospermum javanicum, das an 
der Innenſeite becherartiq eingerollter Nebenblatter 
fleine, den Müllerſchen Körpern vergleidjbare Perl- 
drüſen erjeugt, die von den Ameiſen regelmäßig ab- 
geerntet werden. Die in Borneo heimiſche Kannen 
pflange Nepenthes bicalcarata (Fig. 6) befigt in der 
Sproßachſe und in dem Stiel der dem Gnfeftenfange 
Dienenden Kanne Hohlräume, die durd) rundlide Ojf- 
nungen nad) aufen miinden und regelmäßig von 
Umerfen bewohnt find. Val. Beccari, Pianti ospi- 
tatrici (»Malesia«, Bd. 2, Genua 1884—85); Del 
pino, Funzione mirmecophila nel regno vegetale 
(Bologna 1886-88, 2Tle.); Shimper, Die Wed): 
jelbeziehungen zwiſchen Pflanzen und Ameiſen int 
tropijdjen Amerika (Jena 1888); Derjelbe, Pflangen- 
geograpbhie (daſ. 1898); Huth, Vtyrmefophile und 
myrmefophobe Pflanzen (Berl. 1887); Schumann, 
Die A. (Hamb. 1889). 
Ameifenfaure (Formylfiure) CHO, oder 
HCO.OH finbdet fich im Körper der Umeijen, in den 
aren der Projeffionsraupe, tm Blut, Harn und 
Schweiß, im Honig, in Kiefernnadeln und im iefern- 
reifig, im fauer gewordenen Terpentinöl, in manden 
Mineralwiffern und im Guano. Gie entiteht bei 
Einwirlung von Kohlenoxyd auf erhitzte Kalilauge 
oder Natronkalk, oder von feuchter Kohlenſäure auf 
Kalium, ferner bei Orpdation von Methylatfobhol 
und Formaldehyd, beim Erhipen von Cyanwaſſerſtoff 
(Nitril der VW.) mit Alkalien oder Säuren, beim Be- 
handeln von Chloroform oder Chloralhydrat uit 
Ralifauge x. Zur Darjtellung der Vl. erwarmt man 
entwäſſertes Glyzerin mit entwafferter Oxalſäure auf 
50° und fügt, wenn die Entwickelung von Rohlen- 
ſäure nadgelafjen hat, mehr Oxalſäure hinzu. Oral: 
jaure C,H,O, bildet bierbei einen Ejter des Glyzerins, 
Der in Kohlenſäure und den Ameiſeneſter des Gly: 
zerins gerfallt. Diejer wird wieder durch vorhandenes 
ſſer zerſetzt, eS deſtilliert A., und das Glyzerin 
bleibt unverdmbdert zurück. Das Deſtillat ijt 95 9Rpro⸗ 
zentige A., die durch Borſäure völlig entwafjert werden 
fann. A. ijt eine farbloſe Fliiffigteit vom ſpez. Gew. 
1,223, riedjt Durd)dringend ſauer, erftarrt in der Kalte, 
ſchmilzt bei 8,6°, fiedet bei 100,6°, raucht ſchwach an 
Der Luft, miſcht fic) mit Wafjer und Alkohol, ihre 
Dämpfe find leicht entzlindlid), fie ſcheidet (aldehyd- 
artig) aus Gold- und Silberfalzen das Metall ab und 
wirft in fauren Flüſſigleiten fäulniswidrig. Bei 160’ 
—— ſie in Kohlenſäure und Waſſerſtoff, durch 
onzentrierte Schwefelſäure in Kohlenoxyd und Waſ⸗ 
ſer. Innerlich erzeugt ſelbſt verdünnte A. intenſive 
Entzündung der Magendarmſchleimhaut und hamor- 
rhagiſche Kierenentsiindung und totet Tiere unter 
Ronvdulfionen. Im Ameiſenſpiritus und in der Amei— 
jentinftur, aud in Badern mit Waldameiſen findet 
jie mediziniſche Verwendung als hautreizendes Mittel. 
Wafferfreie A. erzeugt auf der Haut Blajen. A. ijt 
eine der ſtärkern orqanijden Säuren, fie loft Eiſen und 
Bint unter Entwidelung von Waſſerſtoff und bildet 
ut charafterifierte, meiſt lösliche Salze (Formiate) 
Alkaliſalze geben bei 250° Oxalſäureſalze und 
Waſſerſtoff. Das Kaliſalz gibt beim Erhitzen mit 
Kaliumhydroxyd Karbonat und Waſſerſtoff. Das 
Silber- und Quechſilberſalz zerfällt beim Erwärmen 
in Metall, Kohlenſäure und A. Ameiſenſaures 
Natron CHNaO, bildet farbloſe Kriſtalle, fdymedt 
ſcharf falziq-bitter, verwittert an trockner Luft, löſt ſich 
in Waſſer und Alkohol umd dient zur Darſtellung 
von Ameiſenäther. Das Calciumfal; dient zur Dor- 


422 


Ameifenfdharrer — Amendement. 


err von Uldehyden. Ameiſenäther (Wmei- | Ludwig Philipps benannt. Unfern von A. ein 1670 


enjaure-Wthylather) CHO,.C,H, wird durd 
Dejtillation von ameiſenſaurem Natron mit Wifohol 
umd Schwefelfiiure oder von Oraljaure mit Glyzerin 
und Alkohol dargejtellt. Er bildet eine farblofe Flüſ— 
figteit vom ſpez. Gew. 0,045, ried)t aromatiſch, ſchmeckt 
gewürzhaft fiiblend, fiedet bei 54,5°, löſt ſich in Waſ— 
jer und dient sur Daritellung von fiinjtlidem Rum 
und Arrak (Daber aud) Rumäther, Rumeſſenz). 
Amyläther und Butylather rieden angenehbm 
obdjtartig und werden ju Fruchteſſenzen benutzt. 

Ameiſenſcharrer (Ameiſenſchwein), foviel 
wie Erdſchwein. 

Ameifenfpiritud (Ameiſengeiſt, Spiritus for- 
micaram), Miſchung von 35 Teilen Weingeiſt mit 13 
Teilen Waſſer und 2 Teilen Ameiſenſäure, dient sum 
Einreiben bei gichtiſchen und rheumatifden Leiden. 

Ameifenvdgel (Wollſchlüpfer, Formicariidae 
Gray), Familie der Sperlingsvigel, droſſelähnliche 
Vogel mit kurzem, kräftigem Schnabel, kräftigen 
Fußen und kurzen runden Flügeln, bewohnen Siid- 
amerifa, leben von Inſekten und folgen beſonders 
ben Zügen der Wanderameijen. Das Feuerauge 
(Formicivora domicella Gray), 18 cm lang, ſchwarz 
nit weißen Fliigelbinden und feuerrotem Auge, lebtin 
Waldern Brafiliens und ſtellt namentlich Ameiſen nad. | 

Ameividen, ſ. Cidecdjen. 

Amelah, ſ. Amuleh. 

Amelanchier Med. (Trauben-, Felſen— 
birne), Gattung der Roſazeen, kleine Bäume und 
Sträucher mit einfachen, — Blattern, weißen 
Blüten in nidenden Trauben und beerenartigen 
Früchten. Von den wenigen Arten in der nördlichen 
tühlern Bone wächſt A. vulgaris Mönch (Aronia | 
rotundifolia Pers., qemeine Felfenbirne, eng: | 
liſche Mifpel) in Gebirgen Siid-und Mitteleuropas, | 
im Naufajus und Nordafrifa. Sie hat ovale Blatter, | 
ſtart riechende weiße Bliiten und blauſchwarze Früchte, 
enthält in der Rinde Amygdalin und wird wie A. 
canadensis Torr, et Gray (tanadiſche Felſen— 
nitfpel), mit oben zugeſpitzten Blältern, als Zier— 
ſtrauch fultiviert. 

Ameland, niederlindijde, sur Proving Friesland 
gehörige Inſel, 7 kim von Der Küſte, jest durch einen 
Damm mit derjelben verbumbden (ſ. Karte ⸗Nieder— 
laude<). Die Inſel, jest Halbinfel, ijt auger Dem ge: 
wonnenen Land auf den Watten 49 qkm groß mit 
(1900) 2261 Cinw., die in vier Dirfern leben und 
Fiſcherei, Schiffahrt, Uderbau und Viehsucht treiben. 

Amelia, 1) Inſel an der Oſtküſte von Florida und | 
an der Miimdung des St. Marysfluſſes, 23 km tang, 
6 km brett, mit Der Stadt Fernandina (jf. d.). — 
Y) Stadt in derital. Provinz Kerugia, Kreis Terni, mit | 
alten Ringmauern, Biſchofsſitz (leit dent 5. Jahrh.), | 
bat ein Gyninafium, Sudthaus, Weinbau und (1901) | 
etwa 6500 (als Gemeinde 10,589) Einw. A. ijt das | 
Ameria Der Romer (Durdy den von Cicero verterdiqten | 
Sertus Roscius befannt). 

Amelie: les⸗ Bains cic. 1. a- dang), Badeort im | 
ſranz. Depart. Ojtpyrenden, Urrond. Céret, im Techtal | 
an ener Sweiglinie der Südbahn gelegen, 235 m 
fi. WM, hat ſchon den Romern belannte Schweſel— 
thermen von 31 —63°, drei qut eingerictete Bade- 
anjtalten (eine fiir Militärs), Rerfert, ung von Bru- 
yerepfeiien und (i901) 1340 Emw. Die Badefaijon 
dauert vom Mai bis Ende Oftober, dod erlaubt das 








milde Klima arte die Winterfirr. — Der Ort, frither | 
Bains⸗d'Arles (nak dem nabe gelegenen Stadt. | 
den Arles⸗ fur - Tech, f. d.), ijt nad der Gemahlin 


erbautes fort. 

Amelioration (fran3.), Verbeſſerung, beſonders 
eines Grundſtücks; ſ. Bodenmelioration. 

Amelforn , |. Spel. 

Amelungen, ſ. Amaler. dorf. 

Amelunxpborn, Ciſtercienſertloſter, ſ. Stadtolden- 

Amen (hebr.), urſprünglich cine Befraftiqungs- 
formel, foviel wie wahrlich, fo ijt es. Nach dem Ge- 
braud) des Witen Tejtament3 wurde das A. jtebende 
Fyormel der Aneignung und Vefraftiqung vorge- 
jprodjener Eide, Verfluchungen, Geliibde, aud der 
Lobpreifungen und Gebete (vgl. Pſalm 41, 14). Im 
liturgiſchen Gebraud) der chriſtlichen Kirche wurde 
dad Wort namentlich nad) dem Gebete des Herren und 
nad den Einſetzungsworten des Abendmahls von 
der ganjen Gemeinde gejproden. Allmahlich tit das 
U. gu einer feierlichen Sdlupformel der Gebete und 
ſogar älterer Notariatsurfunden geworden. Auch die 
Mohammedaner haben das U. als Schlußformel an- 
genommen. 

Amende (franz., ſor. amangd’), Geldbuße, Geldſtrafe 
(ſ. d.); A. honorable, Ebhrenerflairung (ſ. d.). 

Amendement (franj., fer. amangy’ming, Uban- 
derung3s-, Verbefferungsantrag, Verbejfe- 
rungsvorjdlag), ein Untrag, der in einer Bers 
jammiung, namentlid einer parlamentarijden Kör⸗ 
perſchaft, zum Swee der teilweifen Ubanderung einer 
Borlage oder eines (Haupt⸗ Antrags qeitellt wird. 
Geht nun wiederum gu einem folden A. cin Verbeſſe⸗ 
rungSantrag ein, fo fpridjt man von cinent Unter— 
amendement (Sousamendement). Amendieren, 
verbejfern, cin YW. embringen. Wmendierungs- 
recht, das Recht der VolfSvertretung, zu emer Re— 
gierungsvorlage Abinderungsantrage ju jtellen. Die 
Art und Weife, wie das Umendierungsredt ausju- 
üben ijt, beſtimmt die Geſchäftsordnung der betreffen- 
den Körperſchaſt. Im deutiden Reichstag fonnen 
Urnendentents zu Regierungsvorlagen und Initia— 


‘tivantriigen der Ubgeordneten vor Schluß der Ber- 


handlung über den fraglichen Gegenſtand eingebracht 
werden, wenn fie nuit dieſem tn weſentlicher Ver⸗ 
bindung fteben; fie find dem Präſidenten ſchriftlich 
qu fibergeben. ber Ubinderungsvoridlage, die dent 
Reichstag nod nicht gedruckt vorlagen, muh, fofern 
der handidriftlide Untrag angenonimen ward, in der 
nächſten Sitzung nad erjolgter Druclequng und Ber- 
teilung an die Mitglieder ohne Diskuſſion nochmals 
abgejtimmt werden. Borlagen der verbiindeten Re- 
qierungen und Anträge von VWbgeordneten fiber 
Geſetzesvorſchläge bediirjen dreimaliger Beratung 


oder Lefung. In der erjten Lefung, die ſich auf cine 


allgemeine Dishiffion der Grundjage des Entwurfs 
bejchriinft, fnnen Amendements nicht geſtellt werden. 
Dagegen ijt dies in der Bwifdenjeit und bis zum 
Schluß der zweiten Beratung, die fic) mit den em: 
zelnen Artileln befaßt, zuläſſig. Solche Amendements 
bedürfen leiner Unterſtützung. Kommt es zur dritten 
Beratung, ſo bedürfen Verbeſſerungsanträge der 
Unterſtüßung von 30 Mitgliedern. Anträge aus der 
Witte des Reichstags, die feine Geſetzentwürfe ent- 
halter, bediirjen nur einmaliger Beratung und Ab⸗ 
— ——— zu derartigen Anträgen 
müſſen ebenfalls von 30 WMitgliedern unterſtützt und 
unterſchrieben ſein. Nach der Geſchäftsordnung für 
das öſterreichiſche Abgeordnetenhaus formen Ab⸗ 
anderungs⸗ und Zuſaßanträge nur bet der zweiten 
Lefung während der Spesialdebatte gejtellt werden; 
jie find, wenn fie von mindejtend 20 Mugliedern 


Amenembet 


(einſchließlich de3 Antragſtellers) unterſtützt werden, 
in die Verhandlung einzubeziehen. 

Amenemhet (griech, Amenemẽs), Name meh— 
rerer — Könige der 12. Dynaſtie, am bekann⸗ 
teſten WL. IIL, von Manethos Lachares genannt, der 
bet Hawaira im Fayiin eine Pyramide und einen 
großen Tentpel, dad ſogen. Labyrinth (jf. d.), erbaut hat. 

Amenhotep (Umenop his), Name mehrerer alt- 
digypt. Könige der 18. Dynaftie. W. II. (am 1400 
v. Shr.) ift berithmt alg Erbauer mebhrerer groper 
dgyptifioer Heiligtitiner, unter andern des pradt- 
vollen Tempel3 von Luffor; ihn ſtellen aud) die bei- 
den, von den Griedjen Dem Memnon (jf. d.) zuge⸗ 
ſchriebenen Koloſſalſtatuen dar, die vor dem Toten- 
tentpel ded Königs in Theben ftanden. Sein Sohn 
A. IV. cin fanaliſcher Reformer, fudte die alte Reli- 
gion gu befeitigen und den ausſchließlichen Dienſt 
des Sonnengeſtirns einzuführen; er nannte ſich ſelbſt 
Ech-en⸗ aton (Geiſt der Sonne), verbot den Dienſt 
Amons und aller andern Götter, ließ ihre Namen 
und Bilder vertilgen, verließ Theben und erbaute ſich 
eine neue Reſidenz (Ruinen bei Tell ef Amarna). 
Nach feinent Tode wurden feine Neuerungen wieder 
befeitigt und fein Name auf den Monumenten aus- 
getitat — A., Sohn des Paapis, ein Zeitgenoſſe 

IIL, galt als ein groper Weifer und wurde in der 
Ptolemäerzeit göttlich verebhrt. 

Amenĩe, ſ. Amenorrhöe. 

Amenorrhöe (Amenie, qried., »ohne Monats 
fluß), das Ausbleiben der Menſtruation in der Feit 
der Geſchlechtsreife. Diefer Zujtand ijt natiirlid) wäh— 
rend der — — und der Dauer des Still⸗ 
qcidaftes. Zuweilen tritt die Menſtruation bei ſtillen⸗ 
den Frauen wieder ein, ohne daß eine Störung vorliegt. 
Die krankhafte W. kann angeboren (Amenorrhoea pri- 
maria, organica) oder erworben (A. secundaria, Sup- 
pressio mensium) fein. Die Urſachen derjelben find 
mangelhafte Entwidelung, bes. Fehlen der Gebär— 
nutter oder der Eierjtide, mangelhafter Ernahrungs- 
zujtand der Gebarmutter infolge entgiindlider Er— 
franfungen der ——— oder infolge von All⸗ 
— — des Körpers, die eine Schwächung 

Geſamtorganismus zur Folge haben, wie Bleich— 
ſucht, Anämie, Fettſucht, afute (z. B. Typhus) und 
chroniſche (z. B. Tuberkuloſe) Ynfettionstranfheiten. 
Auch ohne nachweisbare organiſche, örtliche oder all- 

emeine Urſachen kommt A. funktionelle YW.) nicht 
—* bei erblich nervös belaſteten Individuen vor. 

ud) ſtarle pſychiſche Erregung (heftiger Schrech) kann 
zuweilen A. hervorrufen. Scheinbare A. tritt bei 
angebornem oder erworbenem Verſchluß der Gebär⸗ 
mutter oder Scheide auf. Das Menſtrualblut ſammelt 
ſich infolgedeſſen oberhalb der Verſchlußſtelle an, wo— 
durch mehr oder weniger heftige Schmerzen hervor- 
—— werden. Die Behandlung der krankhaften A. 
ann nur auf Grund ſorgfältiger Unterſuchung der 
Geſchlechtsorgane und des ganzen Körpers einſchließ⸗ 
lid) des Blutes vorgenommen werden. Ye nad) der 
Urſache ihrer Entitehung wird fic) die Therapie bald 
gegen ein drtlidjes Leiden, bald gegen cine Allgemein— 
erfranfung oder ihre Folgezuſtände gu richten haben. 

Amens (lat.), ſinnlos. 

a mensa et toro (lat.), »von Tifd und Bett« 
(qeichieden); f. Ehe. 

Amentageen (Julifloren, Kätzchenträger), 
difotyle Pflanzenordnung, umfaßt die Familien der 
Betulazeen, Rupuliferen, Juglandazeen, Salifageen, 
Myrilazeen, Kaſuarinazeen und Piperazeen und ijt 
darafterifiert durch die in ein Kätzchen (lat. amentum, 


— Amerika. 423 


Daher WU.) vereinigten Bliiter und da8 oft unvoll- 
ſtändige oder feblende Perigon, die freien Staubgefiige 
und den aus 2—9 Frudtbhittern bejtehenden Frudt- 
fnoten. 

Amenthes, ägypt. Name fiir die Unterwelt, 
eigentlic) Das »Wejtland«, weil fic) die Ägypter int 

jten, wo die Sonne untergeht, die Wohnſlätte der 
Toten dadten. 

Amentie (fat. Amentia), »Sinnlofigtcit«, in der 
— die Verwirrtheit. 

mentum (Raden), ſ. Bliitenjtand. 

Amentum (lat.), Wurf- oder Schwungriemen. 

Amerbach (Emmerpad), Johannes, Bud- 
druder und Buchhändler gu Bajel, geb. 1444 (1430) 
in Umorbad, gejt. 25. Des. 1513. Er jtudierte, er- 
warb in Paris den Magijtergrad und mag hier wohl 
durd) Heynlin vom Stein (Jean de Lapide), den unt 
die Einführung der Buddrucerfunjt dajelbjt ver- 
dienten Humanijten, ein reges Intereſſe an der neuen 
Runjt gewonnen haben. Ende der 1470er Jahre 
fiedelte er nad) Bafel iiber; 1478 erſchien fein erjter 
nachweisbarer Drud. A. wandte allen Fleiß auf die 
Herjtellung forreft qedructer Werfe, wobei ihm Jo— 
Hannes Froben als Korrektor nützliche Dienſte leijtete. 
Sein Hauptwerk ijt die Gefamtausgabe der Schriften 
ded Rirdenvaters Uuguitinus (1506). Val. Heig u. 
Bernoullt, Basler Biidermarfen (Strahb. 1895). 

Wmeria, |. Amelia 2). 

American For’ City, Stadt im nordamerifan. 
Staat Utah, Grafidaft Utah, ndrdlid vom Utabjec, 
Bahnjtation, mit reiden Silber- und Bleigruben 
und (1900) 2732 Cinw. 

American Line (International Navigation 
Company), ſ. Dampfſchiffahrt (Tertbeilage). 

American Oriental Society, ſ. Aſiatiſche Ge- 
ſellſchaften. 

American Protective Association (abget. 
A. P. A. Umetifanijder Sdhugverein<), cin Geheun- 
bund in den Vereinigten Staaten von Nordamerifa, 
— 1887 von dem Rechtsanwalt Bowers zu 

linton in Jowa. Die Zahl der Mitglieder ſoll 21/2 
bis 3 Mill. betragen. Der Bund fordert Beſchränkung 
der Cinwanderung und Verlingerung der fiir Uus- 
übung der biirgerliden Rechte erforderliden Frijt, 
namentlid) aber bei volljter individueller religidjen 
Freiheit Zurückdrängung der wadjenden Madt der 
römiſch⸗ katholiſchen Rirde durch Beſteuerung ihrer 
@iiter und Unjtalten und ſtaatliche Uberwachung aller 
ihrer Qnjtitute; römiſche RNatholifen find von der 
Mitgliedicdhaft der A. P. A. ausgeſchloſſen. 

mericuds City, Hauptitadt der Graffdaft Sum- 
ter Des nordamerifan. Staates Georgia, Bahnknoten⸗ 
punft, mit höhern Sdhulen, Wagenfabrif und (1900) 
7674 Einw. 

Amerighi (cigentlid Merifi), MidGel Ungelo, 
ital. Maler, ſ. Caravaggio. 

Amerigo Vefpueci, ſ. Vefpucci. 

Amerika, das zuſammenhängende Fejtland der 
weſtlichen Erdhalbfugel nebjt den dabei lieqenden 
Inſeln, dad im W. vom Bacijifden, im O. und N. 
vom Utlantifden Ozean und Nördlichen Eismeer be- 
fpiilt wird, und das fid) nur in feinem äußerſten 
Nordwejten (an der 92 km breiten Beringſtraße, ſ. d.) 
nahezu mit dem — der öſtlichen Halbfugel be— 
rührt. Von ſeinen Entdeckern und erſten Beſchreibern 
urſprünglich ⸗Neue Welt« genannt (Petrus Martyr; 
» Novus Orbis« und » Mondo Nuovo⸗, 1534), erhielt es 
feinen Ramen A. durd) den deutfden Kosntographen 
Waltzemüller, der die Entdedungen und Reiſeberichte 


$24 Amerifa (allgemeiner Uberdlid). 


des Floremtmners Amerigo Vefpucci (j. Befpucci) ftart ſchen Anden feien, berubt, ungeathtet veridnedenfacher 
iberiipte, und den namentlid) der YUnflang an die | auf oberilidhder 
Yemen der andern Erdteile (Afrila, Ujia) mit zu — — — 
remem Soridiag dejtinunte. amerifa wabrend des großten Teils der —— 
Wir den umliegenden Inſeln 41,850,000 qkm | mit Wien und Europa ju cinem grojen Rordtonti 
mejjenh, nimuit A. reichlich 8 Proj. der gejamten und nent verwadjen, wabrend Siidamerifa viclleidet 
a) Bro. der trodnen Erdoberfläche cin und ftebt dem —** mit Afrila und Auſtralien einen einbeit· 
Erdieil Whiten nur um 2,3 Mill. q ag dem Fejtlande | Siidfontinent bildete. eae om lg agro 
ber dithdben Halbfugel (83,2 Will qkm) aber 3iem- ay den beiden amerifaniiden Erdieilen in ihrem 
lich genau um fein eignes Ausmaß nad. Ym iibrigen Bau gemeinfam, bei den Erdicilen der Witen Beit 
zeichnet es ſich gegentiber der eng jufammengedring: tit aber Wbnliches der Frall. So liegen bei beiden aut 
wen. oitwelithd gelagerten Fejtlandsmajje der Alten der Weſtſeite ndrdlic& oder nordnordweſtlich itrexhende 
Belt vor allem durch feine ſchlanke horijontale Gejtalt Dodgebdirgssiige pon — gleicher Hdbe Acon 
und durch ſeine gewaltige Langserſtreckung in der cagua in Sudamerila 6970 m, Mount Westinlen im 
—— von —— bey can * was Nordamerifa 6238 m), die durch ibre ganje Ratur ex 
mut vorwiegend no i Strei ſeiner vergleichsweiſe jugendliches Alter verraten und dem- 
——* zuſammenhängt. Die Entfernung gemäß vor allem auch von den "tesa emes on 
chen fener aͤußerſten Nordweſtſpitze (Rap Prinz vielen Orten bis in die Jetztzeit andauernden Vulfanis- 
—— unter 65°34‘ nördl. Br. und 168° weit L.) und mus begleitet ſind. Der Ojten dagegen zeigt fd bet 
jemer Siidfpige (Map Horn auf der Inſel Feuerland, beiden von nordöſtlich ſtreichenden Netien von febr 
unter 55° 5 ſudl. Br.) betriigt 18,000 km, Ddiejenige , hohem Alter und von jtarf abgcidlivener Form und 
zwiſchen feiner Nordfpige (Rap Murchiſon auf der Hobe beberridt (Itatiaioffu im bratiliicen Bergland 
Boothia Felir, unter 72° ndrdl. Br.) und 2712 m, Mount Mitchell m den ſüdlichen Uppaladen 
ferner feſtländiſchen Siidfpige (Map Froward, unter 2048 m). Zwiſchen den beiden Gedirgsipitemen aber 
53° 54’ ſüdl. Br.) 14,500 km, wabrend die größte dehnen fic) in Nord- wie in Siidamerfa weite Riede- 
- ————— zwiſchen Rap Prins Wales und Kap rungen und ſchwach erbobene Tajellandidaften aus, 
Charles (im Labrador, unter 55° 40° weſtl. L.) nur in denen fid die vom jenen abrinnenden Gewajjer zu 
5950 kim, und die Breiteneritredung zwiſchen Nap | Riefenjtromen fammein, dergeftalt, dak ſie einander in 
Pariña in Südamerila (unter 81° 30 oth @.) und» jebr feltjamer Weiſe entipreden: La Plata und Wij 
er 4 Branco (unter 34° 50’ weſtl. L.) nur 5200 km fijjippi, San Francisco und Loren;itrom, Mima 
rs ny se haben auc alle Rlimajonen der | und SaStathewan-Reljon, Orinofo und 
Erde, aufer der fidlid -falten, an A. ihren Ynteil. | Magdalenenjtrom und Yufon. Der weitaus qrogie 
BWenn man A. gemeinhin als einen einbeitlichen | Teil des Abfluſſes wendet fich bei beiden Erdreilen 
Erdteil bezeichnet und als ſolchen den Erdteilen Cue dem AUtlantijden Ozean mit dem Nördlichen Gasmeer 
ropa, Ufien, Afrika und Auſtralien gegeniiberjtellt, ju. Mit den fraglicen Leitlinien ibres Grambdbaues 
fo läßt fidy dies —* und allein durch das in der und der Konvergenz der Gebirgsiniteme und Haupt- 
Entdedungs- und 4 Herat Sgefdhidhte begriindete | hebungsadjen gegen Silden bin bangt aud die all- 
Herfommen rectfertigen. Jn den Naturverhaältniſſen gemeine Drei geſtalt der beiden Erdieile und ihre 
und ebenſo in der kulturgeographiſchen Ausſtattung  Sugetpiptheit gegen Silden zuſammen. Jn den Ein 
ift eine Zweiteilung des Rontinents beinabe nod ent- | zelbeiten ergeben fich aber aus Dem Vergleich jtarfe 
ſchiedener geqeben als bei der Alten Welt die Drei- —— aud) ſchon in einfach morphologiider 
tetlung, ungeadhtet gewiſſer Ahnlichkeiten zwiſchen den Beziehung, und in der Armut ſeiner Küſtengliederung 
beiden Halfien, undRNordamerifa adie wie Sid- | verleuqnet Siidamerifa nicht feme Lg ar zu 
amerifa find in höherm Grade ſelbſtändige Erdteile der Gruppe der Süderdteile, wabrend Nordamerifa 
als Europa, Aſien und Afrika. Die nur 60 km breite | mit dem grofen Reidtum der feinigen ein echter Nord- 
Landenge von Panama erfdeint durd ihre Gejtalt erdteil ijt. 
nidt blof, als ein fehr diinnes, fondern aud als cin | Hinſichtlich des Rlimas iit Südamerila Durch ſeine 
ſeht loder gefntipftes Band sitchen beiden, und im | Lage und Uusbreitung in der Hauptſache etn Tropen⸗ 
Grunde genomimen erjtredt ſich die Dithmusgegend | erdteil, Rordamerifa aber ein Erdteil der ndrdlid ge 
von ber Mtratontitnbung im nördlichen Siidamerifa | majigten Zone, und fiir die Organismenwelt — 
bis nad) Tehuantepee int ſüdlichen Merifo, d. h. über | wie fiir die Kulturverhältniſſe iſt dies — — 
4x0 km, das trennende Amerikaniſche Mittelmeer ders maßgebender Bedeutung. In der rganis- 
yuriidyen ben beiden Erdteilen ijt aber ungleid) weiter | menwelt ijt aber vor allen Dingen der 
ate bad Europäiſch-Afrikaniſche (zwiſchen der Daf Zwieſpalt in der Bildungsgeſchichte der beiden E> 
© ppt und Wagdalenenjtrommiindung 2250 km). teile ſichtbar, und während die Tiere und Pflanzen 
pibem iit die verbindende Landenge ſowohl bet Ba Nordamerifas in einem fo hoben Grade mit pe 
nama ald aud) bei Tehuantepec jungen geologiſchen ij jenigen von Aſien und Europa fibercinjtummen, daj 
Aiters und in ihrer heutigen eh alt erjt im Der fpa | in vielen Fallen (befonders bei der höbern Tierweit) 
term Tertidr yet entitanden, wabrend cine breitere und nicht bloß bie Gattungen dieſelben find, fondern foyer 
eewiqere Landverbindung in der friihen Tertide | die Arten, fo ijt bet Denjenigen von Siidamerifa 
* ©40 norliberqehend vorhanden war. Das ganye | Berwandtidaft ju den afrilaniſchen und aujtraltiden 
 -*elgmerifa nebſt der In ſelwelt Weſtindiens Formen vielfach cine ſehr auffällige, wenn aud ent: 
eth velo entwidelungsgefdidtliche Tatfa Nd ferntere. Cine teilweife Floren und 
-* ™ Soeur duhern amd innern Ban cin ermoͤglichte zuerſt bie erwabnte Landverbindarng on 
** * ‘ten Hord- und Suüdamerila, dem eine | Fruhternar und in der Folge die nod bejtebende und 
ees veces tet wafommt, und dad von Demeinen | ut der Pliocänzeit wahrſcheinlich weſentlich aa 
vivo ©ass “ort abmerht wie von dem ander. | Landverbindung des Ilthmus von Banama. Auf 
— © s 00% oka, alé ob bie nordamerifanifden | bem Rilden Der Rordilleren gelangten fo cme ganye 
Hw). sooo* «only tor Portletpung der fidamerifani- | Reihe von nordifden Pflanzen und Tieren bis nad 











Amerifa (Entdeckungsgeſchichte). 


Chile und Argentinien (unter legtern befonders die 
Raubtiere, Hirſche und Lamas), während anderjeits 
zahlreiche Vertreter der originellen fiidamerifanijden 

ora und Fauna (neben den nod vorhandenen 
Wiirteltieren und Ameiſenbären, namentlich auch die 
feither ausgejtorbenen Gattungen Mylodon, Mega- 
lonyx, Glyptodon, Chlamydotherium x.) Merifo 
und das Gebiet der Nordamerifanijden Union er- 
reidten. Im allgemeinen bewabhrten aber die beiden 
Erdteile den Charafter ſpezifiſch voneinander verfdie- 
Dener Florens und Faunenreide, und nur Mittel- 


425 


dem eigentlichen Sitdamerifa zuvörderſt nod) vielfad) 
auf Mißtrauen und Wideritreben jtoken. So hatte 
die Union 3. B. 1900 an dem Cinfuhrhandel von 
Merifo mit 40 Proz., von Mittelamerifa mit 35 Proʒ. 
von Wejtindien mit 20 Pro3., an dem Einfuhrhandel 
von Siidamerifa im ganjen genommen aber nur mit 
13 Broz. und an dem von Brafilien fowie von Ar— 
gentinien nur mit 10 Broz. Anteil. 

Die Vollszahl von gan; A. ijt fiir das Jahr 1900 
auf 155,3 Mill. gu veranſchlagen, und zwar die— 
jenige von Nordamerifa (einſchließlich Mittelame— 


amerifa (j. dD.) wurde cin Ubergangsgebiet, in dem | rifas und Wejtindiens) auf 115 Mill. und diejenige 


ndrdliche und ſüdliche Formen bunt dDurdeinander ge- 


miſcht find. Die wejtindifde Tiers und Pflanzenwelt 
bewabhrte cine — e Eigenart, weil dieſe Inſeln 


in den jüngern geolo 
wahrſcheinlich nie in feſtem —————— Nord⸗ 
oder Südamerila geſtanden haben (vgl. Weſtindien). 

Wenn an der Raſſeneinheit der amerilaniſchen Ur— 
bevölkerung (ſ. Amerikaniſche Volfer) tein ernſt⸗ 
licher Zweifel beſteht und ihre Herkunft aus Oſtaſien 
(ielleicht bereits in der Tertiärzeit) als wahrſcheinlich 
gelten muß, fo bat ſich in der durch Kolumbus ein- 
geleiteten Entdeckungs· und Beſiedelungsgeſchichte von 
vornherein der beitehende Dualismus m * ganzen 
Stärte fühlbar gemacht. Die Spanier verſuchten im 
allgemeinen nur in ſchwächlicher Weiſe ihr Entdecker⸗ 
recht aud) auf den Hauptlandforper Nordamerifas 
auszudehnen, das cigentlidje Gediet ihrer großartigen 
Koloniſationstätigkeit blieb das Itthmusland, dem im 
weitejten Sinne das gefamte Mexilo zugerechnet wer- 
den darf, fowie Wejtindien und Siidamerifa, das in 
folder Weife das ſpaniſche W. oder unter Berückſich⸗ 
tiqung der portugieſiſchen Unteilnahme (in Brafilien) 
dag Lateinifde WU. geworden ijt. Nordamerifa foloni- 
fierten in Den Fußſtapfen von Verazzano, John und 
Sebajtian Cabot, 3. Cartier und Walter Raleigh im 
Wetteifer miteinander die Englander und Franjofen, 
bis um die Mitte de3 18. Jahrb. die erjtern die enlſchie⸗ 
dene Dberhand gewannen und der Erdteil nad) Sprache 
und Charafter feiner Bevdlferung das angelfaid- 
jifdhe Nordamerifa genannt werden muf. Cine 
Unndherung swifden den beiden einander fremdartig 
gegeniiber jtehenden Rulturfreifen hat ſich befonders in 
politifder und wirtfdaftlider Hinſicht vollzogen, feit 
ſich Der Hauptteil Nordamerifas von der engliſchen und 
derjenige Süd⸗ und Mittelamerifas von der fpanifden 
Herrſchaft — gemacht hat. So ahmten die 
neugebildeten ſüd⸗ und mittelamerikaniſchen Staaten 
in ihren Verfaſſungen durchgängig die Verfaſſung 
der Nordamerifanijcen Union nach, fo wurde der 
Dollar in ihrem Weltverfehr mehr und mehr die maß— 
qebende Münze, fo tagten in den legten Jahrzehnten 
gur Beratung gemeinfamer Intereſſen wiederholt pan- 
amerifanifde Kongreſſe, fo veranjtaltet man paname- 
rifanijdhe Musjtellungen, und fo hat man den Plan 
einer großen panamerifanifden Eiſenbahn von über 
16,000 km ae welde die beiden Erdteile nahezu 
in ihrer ganzen Langserjtredung von Rew Port und 
Quebec bis nad) Buenos Wires durchſchneiden foll, 
entworfen. Cine groge Energie und Agreſſionsluſt 
bat bierbei namentlid) die Nordamerifanifde Union 
entfaltet, die mit ihrer Monroedoftrin (j. Monroe 
James) cine Art politijdhe Hegemonie gegeniiber 
Süd⸗ u. Mittelamerifa beanſprucht fowie zugleich auch 
eine Urt Welthandelsmonopol betreffs diefer Lander, 
und die in diefer Beziehung wenigitens in der Uber- 
gangsgegend manden unbejtreitharen Erfolg zu ver- 
zeichnen gehabt bat, während ihre Bejtrebungen in 





pon Sitdamerifa auf 40,3 Mill, fo dak der erjtere 
Erdteil den letztern nahezu dreifad iiberragt. Bon 


der Gefamtbevdlferung der Erde madt dte ameri- 


ifchen Zeiten (nad) der Jurazeit) fanifde annihernd 10 Proj. aus. 1860 betrug die 


Bahl fiir A. insgefamt 72 Mill., fiir Nordamerifa 
5O Mill. und fiir Siidamerifa 22Mill. Die Zunahme 
war alfo in Nordamerifa ungleich ftirfer als in 
Siidamerifa, und das numeriſche Ubergewidt fdeint 
mehr und mehr zu gunſten des erjtern in weiterer 
Verſchiebung begriffen. Die Nordamerifanifde Union 
insbef. zählle 1860 nur 31,4 Mill. Seelen oder 43,7 
Proj}. von der Geſamtzahl, 1900 aber 76,1 Mill, 
bes. 49,1 Broz., und die Stellung derjelben in der 
Gruppe der amerifanifden Staaten ijt dadurch von 
vornberein gefenngcidnet. — Schließlich unterſcheidet 
ſich der angeiſachſiſche oder nordamerilaniſche Kultur⸗ 
kreis von dem lateiniſchen oder fiidamerifanijden ganz 
beſonders nod) dadurch, daß an der Bildung der Volls⸗ 
lörper des letztern das eingeborne Indianerelement (in 
Merifo, Mittelamerifa, Peru rc.) oder das eingeführte 
MNegerelement (in Wejtindien, Brafilien rc.) einen viel 
jtirfern Unteil genommen Hat als bei erjterm, und 
aud) Darin Hat die Uberleqenheit Nordamerifas über 
Siidamerifa fowie zugleich der Zwieſpalt zwiſchen 
Norden und Silden eine der weſentlichſten Wurzeln. 
Ulles Weitere f. in den ausfiihrlidern Gonderarti- 
feln: Nordamerifa,Siidamerifa, Mittelame- 
rifa und Weſtindien nebjt den beigeqebenen Rar- 
ten. Die Literatur allgemeinern Inhalts und Karten 
f. unten, S. 431. 
Entdeckungsgeſchichte Umeritads, 
[{Nordamerifa.] Sagen von ciner großen, im Weſt⸗ 
meer auferhalb der Saulen des Herfules geleqenen 
Inſel Atlantis bei Platon, dann Diodors Bericht, 
wonad Phöniler, vom Sturm verfdlagen, weit int 
W. von Ufrifa ein fruchtbares, wohlbewäſſertes, wald- 
reiches Eiland gefunden haben follen, geben ebenjo- 
wenig wie die Trümmer altamerifanijder Kunſt, die 
griechiſch- oder phonififd-agyptijdes Gepriige zu tra- 
gen ſcheinen, cine Beredtiqung gu der Unnahme, daß 
Der weſtliche Rontinent ſchon von Seefahrern de3 Al— 
tertums gefunden worden fei. Auf die Möglichleit, 
dak von China aus über Kamtſchatka und die Aleu— 
ten ſchon im 5. Jahrh. n. Chr. Verbindungen mit A. 
ftattgefunden haben finnen, bat De Guignes (Ver— 
fajjer der Geſchichte der Mongolen) 1761 hingewiefen. 
Er fuchte gu zeigen, dah die Chinefen W. unter dent 
Namen Fufang gefannt hätten. Spätere Unter- 
judungen (Mlaproth 1831, €. Naumann 1889, G. 
Schlegel 1892) haben aber erwiefen, daß die geo- 
raphifde Renntnis der Chinefen nicht über Sachalin 
pinaudgereidt hat, und dak Fuſang einfach diefe In— 
fel bezeichnet, während die neuerliche Auffindung an- 
eblicher chineſiſcher Kulturhinterlaſſenſchaften in der 
Be end der merxifanijden Caſas Grandes (1901) fei- 
nerlei innern Halt gu haben ſcheint. 
Von Curopa aus fanden juerjt die Normannen den 


426 


Weg nad A. Eric der Rote erreidte 983 von Is— 
fand aus Grinland und qriindete an deſſen Weſtküſte 
e.ne Kolonie, die ſpäter 2 Städte, 16 Kirchen, 2Klöſter 
und 100 Weiler umfaßte und unter einem eignen Bi- 
ſchof jtand. Im J. 1000 betrat Erichs Sohn Leif als 
eriter Europäer A., verfolgte dieje Entdeckung weiter 
und erreichte Helluland (Steinland), Marfland 
(Waldland) und BVinland (Weinland, von der ameri- 
fanifdjen Rebe). Yn der Folge wurden von Leifs Brii- 
dern u. a. verfdiedene Vinlandfahrten fowie aud Be- 
jiedelungsverjude unternommen, was ſowohl durch 
alte Runenjteinfunde an der Ojtfiifte Nordamerifas 
(bet Dighton ſ. d.], in Majfadufetts, bei Yarmouth 
in Neufdottland und an der Baffinbai unter 73° nbrodl. 
Vr.) als auch durch unanfedtbare isländiſche Auf— 
zeichnungen bezeugt tit. Im 12. Jahrh. unternahm 
ſogar ein Biſchof die Reiſe nach Vinland, und noch 
1468 holten ſich die grönländiſchen Normannen aus 
dem benachbarten Marfland nut ihren Schiffen Bau- 
holz. Die Rormannentfolonien Grönlands gerieten 
aber durch Seudjen, Hungersnot und Unbill des Kli— 
mas fowie durch Ungriffe der Eslimo und Uusbleiben 
des Nachſchubes aus dem Mutterland in fo argen Ver⸗ 


jall, daß die Uberlebenden ſchließlich in den Estimo | 


aufgingen. Jn dem nordoftamerifanifden Weinland 
batten 
nern (»Sfrilingern«) ju blutigen Kämpfen gefiihrt, 
jo daß die — * Siedelungen niemals zu größerer 
Feſtigleit und Ausdehnung gediehen. So fonnte es 
geſchehen, daß die Entdeckung der Normannen, von der 
ie Kunde durch Adam von Bremen bis nach Deutſch— 
land drang, die aber von niemand als ein großes Welt⸗ 
creignis entpfunden wurde, wieder gänzlich in Vergeſ⸗ 
jenheit geriet und cine bloke Borentdedung blieb. 
Der Ruhm der eigentliden Entdeckung von A. ge- 
biihrt alfo dem Genuefen Chriftoph Rolunrbus (jf. d.). 
Wat drei drmlidh ausgeriijteten Karavellen fegelte er, 
unt auf einem Wejtwege nad Chatay (China) und 
Cipangu (Japan) gu gelangen, 3. Aug. 1492 von 
Palos aus, betrat 12. Oft. die Bahamainjel Gua- 
nahani (Watlings), 28. Oft. Cuba und 6. Dez. Haiti 
(Difpaniola), wahrend er auf fener 1493 —96 unter- 
nommenen zweiten Reife dazu die Inſeln über dem 
BWinde, Puerto Rico und Jamailka, auf der dritten 
(1498—1500) Trinidad und das fiidamerifanifde 
Feſtland (Venezuela, Orinofodelta) und auf der vierten 
(1502 —1504) das mittelamerifanifde Jithmustand 
aujfand. Der Erfolg der erjten Reife wurde aber in 
CTuropa als ein fo epochemachendes Ereiqnis empfun⸗ 
den, dak fid) andre angeregt fiihlten, dent Beifpiel 
ded Rolumbus ju folgen, darunter John Cabot, ein 
andrer Genuefe und feinem Landsmann an Unter: 
nehmungsgeiſt verwandt, Der 1497 mit zwei von dem 
englifdyen König Heinrid) VIL. erhaltenen Raravellen 
und begleitet von feinem Sohn Sebajtian annähernd 
Diefelben Geftade auffand, welde die Normannen 
HOO Jahre friiber entdedt hatten (Neufundfand und 
Yabrador), während Sebajtian Cabot nad dem Tode 
ſeines Baters auf einer sweiten Fahrt sur Aufſuchung 
einer nordweſtlichen Durchfahrt nad) China an der 
Miijte von Labrador bis 58° nördl. Br. vordrang und 
dann die Ojftfiijte von Nordamerifa mindejtens bis 
jum Nap Hatteras ſüdwärts verfolgte. Desgleichen 
unternabmen die Bortugiefen Gafpar und Miguel 
Cortereal 1501 und 1502 Entdederfahrten nad Neu— 
fundland, Neufdottland, Labrador ꝛc., und der Fiſch— 
reidjtum der Neufundlandbänle lodte feit 1504 zahl⸗ 
reidhe basliſche, bretonifde und normannifde Fiſcher 
dahin. Der franzöſiſche König Franz I. entfandte 1524 





reits die erſten Berührungen mit den Qndia- | 





Amerifa (Entdeckungsgeſchichte (Nordamerifa} bis gum 17. Jahrhundert). 


den Florentiner Giovanni Verazzano und 1534 Jean 
Cartier, und während erjterer die ganje Ojthiijte von 
Nordamerifa zwiſchen Neufundland und 34° nördl. Br. 
erforfdte und unter anderm in die New Yort-Bai und 
Rarraganfetbai eindrang, legte lesterer am Loreny- 
golf den Grundjtein gu cinem nordanterifanijden Neu⸗ 

nfreid) und erfannte im Lorengitrom, auf dem er 
die Jndianerjtadt Hodjelaga (das nadmalige Mont- 
real) erreidte, eine der natiirliden Hauptſtraßen in 
das Innere des Erdteils. Wud) die Spanier bentiih- 
ten fich in den erjten Jahrzehnten des 16. Jahrh. auf 
das eifrigite, das durch Columbus eingeleitete Ent- 
dDedungs- und Croberungswerl von Weytindien ans 
nad) den verſchiedenen Hinrmelsridtimgen weiter aus. 
gudehnen. So betraten Pinzon und Dias de Sols 
1507 Yucatan, umfegelte Ocampo 1508 Cuba, ere 
fpabte Balboa von emem Berg auf der Landenge 
von Banama 1513 den Stillen Brean (Mar del Sur, 
Siidfee) wid erreidjten Ferdinand von Cordoba und 
Suan de Grijalva 1518 Campedye und Tabasco. Bor 
allem aber fithrte Ferdinand Cortes (f. d.) 1519 fei 
nen berithinten Bug gegen Mexifo aus, durch den er 
das Reid) Montezumas jerjtdrte und der fpanifden 
Herrſchaft einen erjten fejten Halt auf dem amerifa- 
nifden Kontinent ſchuf. Pedro de Ulvarado croberte 
1524 Guatemala und das Iſthmusland. 

In der Ridhtung auf Rordamerifa gelangte Bonce 
de Leon 1513 nad Florida, und WUlvare; Pineda ume 
fubr zur Aufſuchung einer wejtliden Durchfahrt den 
Golf von Werifo 1518 (oder 1519) in ſeiner ganzen 
Ausdehnung. Der Sug von Panfilo de Narvaes durch 
die nordamerifanijde Golfniederung (1528) endigte 
mit dem Untergang der jftattlicjen Expedition, und 
ãhnliches war der Fall mit dem groken Zug von Her: 
nando de Soto durd) Georgia und Tenneſſee zum 
Miffiffippi (1539— 42). Ebenfo batten die Fabrien 
von Ejteban Gomes; und Basque; Uyllon (1524 — 
1526) an der atlantijden Küſte bis gegen Nap Hatte- 
ras feine weitere Folge. Erfolgreidher wurde unter 
der Führung und titigen Unteilnabme von Ferdinand 
Cortes; in dem fordillerifden Teile von Nordamerifa 
qejoridt, und während durd Mendoza (1531), Gri— 
jalva (1533), Francisco de Ulloa (1539) und Fer- 
nando de Ularcon (1540) der Kaliforniſche Golf und 
Die niederfalifornifde Halbinfel befannt wurden, un- 
terwarf Guzman das ganje nördliche Merifo (1530), 
und führte Coronado cine große Uberianderpedition 
nad) den fagenbhaften » Sieben Stadten von Quivira ⸗ 
(1540—42), dabei einen erjten Cinblid in die trojtlofe 
Wiijtennatur der Plateaus von Arizona und Rew 
Mexico und ihre großartigen Cañonſchluchten gewin⸗ 
nend. An der pacififden Riijte Drang Cabrillo (1542) 
bis gegen das Goldene Tor und Rap Mendocino vor. 

Fuͤr England batten die Fahrten der beiden Cabots 
feinerlet qreifbare Friichte mit fid) gebradt, wabrend 
die erſten franzöſiſchen Nolonifationsverfude am Lo⸗ 
renzſtrom traurig geicheitert waren. Infolgedeſſen 

eſchah von Ddiefer Seite lange nidts, die gemadten 

ntdedungen weiter zu verfolgen. Erjt Martin Fro- 
bifher (1576-—78) und John Davis (1585. -87) naly 
men die Bemühungen um eine nordwejtlide Durd- 
fabrt nad China und Ojtindien von nenem auf ({.Nord. 
polarerpeditionen), und Henry Hudfon — dabei 
1609 auf dem nad ihm benannten Strom bis Albany 
binnenwirts, in Der nad) ibm benannten Hudfonbar 
aber 1610 bis in den ſüdlichſten Winkel, wabhrend 
Humphrey Gilbert 1583 Neufundland fiir England 
in Beſitz nahm und Gosnold und Bring 1602—1606 
die Küſten Neuenglands auf ihre Befiedelungsfabig- 


Amerifa (Entdecungsgejdhichte (Nordamerita]: 17.—19. Jahrhundert). 


fcit unterjudten. Cin von Franfreid aus unternom- 
mener Rolonifationsverfud) in Nordoſtflorida (1562 
bis 1564) fiibrte zur Niedermetzelung der Nolonijten 
durd) die Spanier, und cine erjte englifde Kolonie, 
die Walter Raleigh Soa ——87) durch Amadas und 
Barlow auf der nordfarolinifden Küſteninſel Roanoke 
ins Leben rief, ging durch die Ungriffe der Eingebor- 
nen fpurlos ju Grunde. Die erjte dauernde Nolonie- 
griindung der Englander war Jamestown in Virgi- 
nien durch John Smith 1607, die der Franzoſen Due- 
bee Durd) Champlain 1608, während die Griindung 
von Rew York (Neu⸗Amſterdam) durd) die Hollander 
1614, von Plymouth durd) die Pilgrimväter 1620 er- 
jolgte. Das Vordringen in das Innere von der fo 
gewonnenen Baſis erfolgte aber nur auf dem Loren3- 
und Ottawajtrom einigermaßen raſch, da allenthal- 
ben die Feindſchaft der Indianer zu gewärtigen war. 
Champlain erreidte 1615 den Huronenjee, Nicolet 
1635 den Michiganſee und Raymbault 1641 den 
Obern See. Die —————— Menard (1661), 
Marquette und Joliet (1673) und Hennepin (1680) 
—— dann zum obern Miſſiſſippi, und der Ritter 
Salle war 1673—87 raſtlos tätig, dieſen Strom 
fowie das Illinois- und Obiogebiet genauer zu er- 
forfdjen und die franzöſiſche Herrjdaft bid hinab gur 
Miſſiſſippimündung, die er 1682 auf einer Talfabhrt 
crreichte, zu befejtigen. Sein Werk wurde in der Golj- 
egend befonders von Yberville (1705), die wifjen- 
chajtliche Forſchung im N. aber von Charlevoix (1720 
bis 1744) weiter fortgeſetzt. Niverville (1751) und 
BVerenderye (1755) gelangten aud) an das Felfen- 
ebirge, von Dem Schone 1689 Die erjte unde aus 
— — gewonnen hatte. 

Die Griindung von St. Auguſtine in Florida durch 
die Spanier (1565) hatte fein tieferes Cindringen in 
bag innere Land zur Folge, ebenfowenig die Griin- 
tung von Benfacola (1696). Die Griindung von 
Santa Fé durch Oriate (1611) führte erjt 1776 gu dem 
Vordringen Escalantes bis an den Großen Salzſee. — 
Etwas eifriger wurde unter ſpaniſcher Ägide nur in 
Nalifornien und an den Küſten des Stillen Ozeans 
geforſcht, von wo namentlich die Fahrten Velascos 
(1564), De Fucas (1592) und Biscainos (1595 — 
1603) fowie die Mifjionsreifen der Jeſuiten Kuhn 
(Rino, 1683—1703), Salvatierra (1697), Sedelmayer 
(1714) und Conjac (1746) fowie des Franziskaners 
Serra (1769) und die damit verknüpfte Griindung 
voit San Diego (1769), Monterey (1770), San Fran- 
ci8co (1776), Los Ungeles (1791) gu verzeichnen find. 

Von den britifden Siedelungen an der atlantifden 
Kiijte gelangten die Herrnhuter Glaubensboten Pojt 
und Seisberger erjt um 1750 nad dem mittlern Ohio 
und wenig fpdter aud die Bioniere Boone, Henderjon 
und Udair, während William Bartram 1773 eine wif- 
ſenſchaftliche Forſchungsreiſe in den ſüdlichen Appa— 
laden, in Florida und in der Golfniederung aus- 
führte. Um die gleide Zeit war die endgiiltige Ver— 
drängung der franzöſiſchen Herrjdaft aus Kanada 
und vom obern Miſſiſſippi erfolgt, und infolgedeffen 
ijt die Entſchleierung der weiter wejtlid uae nörd⸗ 
lich gelegenen Landſchaften von da ab weſentlich 
britifdjen Reiſenden zu verdanfen: Hearne drang 
1770 bis gum Kupferminenfluß, Carver 1766 fowie 
Thompjon feit 1784 tief in das Felfengebirge und 
Mackenzie 1789 in das Gebiet des nad ibm benann- 
ten Stromes fowie nad) dem Stillen Ozean. Rur 
See hatte Frans Drake bereits 1578 einen Vorſtoß bis 
an die Riljte von Oregon ausgeführt und die Gegend 
al8 Reu-WUlbion fiir England in Anſpruch genommen. 





t 


427 


Dann blieben die Fahrten in den nordiweftliden Ge- 
wäſſern aber ruffifden Expeditionen überlaſſen: unter 
Deſhnew, der 1648 die Beringſtraße durchfuhr, Bee 
ring (1728— 41), Tſchirilow (1741); und erjt Cook 
(1778), Gray (1791) und Vancouver (1792) nabmen 
Die angelſächſiſchen Bemühungen daſelbſt mit Nach— 
druck wieder auf, ungefähr zu der gleichen Zeit, als 
aud) bie Spanier durch Peres (1774), Martine; (1788), 
Quadra und Malafpina (1791) wieder größern Cijer 
zeigten und unter La Perouſe (1786) auch cine fran— 
zöſiſche Expedition dahin entfandt wurde. 
Vin Unfang de3 19. Jahrb. trat die Forſchungs— 
arbeit in Nordamerifa in cin verindertes Stadium 
dadurd, daß die Bentralregierung fowie die Cinjel- 
regicrungen der BVereinigten Staaten fic) ihrer in kräf⸗ 
tigiter Weiſe annahmen. So zogen auf Th. Jefferſons 
Betrieh Lewis und Clarf 1803-—1805 vom Gebiete 
des Miffouri zum untern Columbia, Pife aber er— 
forjdjte im Wujtrag des Kriegsminijters 1805— 1807 
das Felfengebirge von Colorado und Rew Mexico, 
Long (1819—23) das Felfengebirge und fein Prärien⸗ 
vorland fowie das obere Miſſiſſippigebiet, Bonneville 
(1882—86) Utah und Nevada, Featherjtonaugh (1834 
bis 1835) die Ozark· und mittlere Präriegegend, Scool⸗ 
craft (1832) und Nicollet (1836—40) die Miſſiſſippi⸗ 
quellgegend, Owen (1837-47) Wisconjin, Fremont 
(1842—45) den mittlern Überiandweg nad) Ralifor- 
nien, Wislicenus (1846) New Mexico, Whitney (1847 
bis 1850) die Uferlandidaften des Obern Sees und 
feit 1860) die Sierra Nevada und das falifornijde 
jtengebirge, Stansbury (1849 50) die Salzſee— 
egend, Marcy (1851-—52) und Emory (1855-56) 
ees und die merifanifde Grenzgegend, Whipple jo- 
wie Grunijfon und Bedwith (1853 — 54) das Hoch— 
gebirge an den — aeit Woe des Arlanſas, Cooke (1846) 
und Williamfon mit Barfe und Abbott (1853 — 55) 
die Wüſten und Gebirge Kaliforniens, Yves nuit New— 
berry und Möllhauſen (1857—59) die Colvrado-Ca- 
ñons und Coloradoplateaus und Warren (1857) fo- 
wie Jenney (1875) die Blac Hills von Dafota. Yn 
—3 Stil angelegt und ergebnisreich waren aber 
ie Expeditionen Rings am 40. Parallelkreiſe (1867 
bi 1872), Wheelers am 100. wejtliden Meridian 
(1871—79), Powells auf dem Colorado (1869) und 
Haydens nad der wejtliden Prärie und Dem nörd— 
lichen Felfengebirge (1869-72). Dieſe Expeditionen 
führten aud) zur Organijation der vereinsjtaatliden 
Geological and Geographical Survey mit ihrem ſtatt⸗ 
lidjen Stab von Gelehrten, in deren Handen die qriind- 
lichere Durchforſchung des Unionsgebicts feither ge- 
legen hat. Unger Hayden und Powell waren darun— 
ter hervorragend: Gilbert, Rujfell, Dutton, Gannett, 
Walcott, Mc Gee, Hayes, Campbell, Becter, Diller, 
Lindgren, Turner u. a. Die ſyſtematiſchen Küſten— 
aufnabmen und BVermefjungen der Coast and Geo- 
detic Survey datieren jeit 1807, wurden 1848 auf die 
pacifiſche Küſte ausgedehnt und führten 1872—97 ju 
einer großen transkontinentalen Triangulation (un— 
ter 39° nördl. Br.). Bon den Strömen wurde der 
Miffiffippi feit 1879 den Beobadhtungen einer befon- 
dern Konmiſſion unterjtellt, feit 1888 hat aber eine 
hydrographiſche Ubteilung der Geological Survey 
foldje Beobadjtungen auf alle andern Ströme aus— 
qedehnt. An Forjdungsreifen eingelner im Unions- 
gebiet find aber nod) gu verzeichnen die von Michaux 
(1802 und 1803), Bromme (1832), Lyell (1841 und 
1845), Guyot (1860 —90) und Dedert (1884 — 99) 
im appalacifden Gebirgs- und Niederlande, die des 
Prinzen von Wied (1832 — 33) im Obive und Miſ—⸗ 


428 


fourigebiet und die des Botanifer3 Nuttall (feit 1810), 
des Ornithologen Audubon (feit 1810) und des Ethno- 
logen Catlin (feit 1832) fajt in der ganjzen Uusdeh- 
ming der dDamaligen Union. 

In dem britijdhen Nordamerifa galten die Unftren- 
gungen in der erjten Halfte des 19. Jahrb. vor allem 
nod der Fejtitellung der ndrdliden Umrißlinie des 
Kontinents und der nordweſtlichen Durdjahrt, und! 
es wurden ju diefem Bwee die beriihmten Expeditio- | 
nen von Rof und Barry (1818—35), Franflin und 
Richardſon (1819—26), Bact (1832—34), Deafe und 
Simpjon (1837—39), Franflin und Crozier (1846— 
1848), Rae (1846 —47) und Me Chure (1851—53) | 
unternommen. Nicht minder wurde aber im Innern 
der LandeSnatur fowie der Beſiedelungsfähigleit und 
den Hilfsquellen nadgeforidt, durch Gesner (1838) 
in Neubraunjdweig und Reufdottland, Logan (eit 
1842) im Lorenjgebiet, Hind und J. W. Dawson 
(1857) am Winnipegjee, Ballifer (1857) am Sasfa- 
thewan und im Fellengebirge, Lord (1860) in Bri- 
tiidh- Columbia. Unter Logan wurde aud die fana- 
diſche Geological und Natural History Survey ins | 
Leben gerufen, und deren Leitern und Mitgliedern ijt 
die Erweiterung und Vertiefung der Landeskenntnis 
in der zweiten Hälfte de3 19. Jabrh. ganz wejentlic | 
ju danfen: Selwyn, G. M. Dawfon (jeit 1874), 
WMeConnell und Ogilvie in der Kordillerengegend bis 
zum Suton, R. Bell (feit 1857), Macoun, Low und 
Tyrrell in den Landjdaften an der Hudfonbai und 
auf der Halbinfel Labrador. Im übrigen madten der 
Miſſionar Petitot fowie WM. Bell am Groen Bären— 
jee und Bife (1889) fowie Hanbury (1898) nördlich 
und djtlid) vom Groen Sflavenfee, Wilcor, Coleman | 
und Collie auf den Selfirt und Rody Mountains Be- | 
obadhtungen. 

Wlasfa und das Julongebiet durchforſchten zuerſt 
die Hudfonbaibeamten R. Campbell und J. Bell 
(1840 —47) und der Ruſſe Sagoffin (1842 — 44), 
ferner Dall (feit 1865), Whymper (1867), Raymond 
(1869), Rrauje (1882), Schwatla (1883), Allen (1887); 
die Eliagalpen insbef. Narr (1890), Rujfell (feit 1891) 
und der Bring Luigi Umadeo von Savoyen (1897), 
weld lesterm die Erjteiqung des höchſten Gipfels ge: 
fang. Cine Yira eifrigiter Entdederarbeit begann 
daſelbſt aber mit der Erſchließung der Goldfelder von | 
Rlondife (7. d.), und namentlich Dehnten die vereins 
ſtaatliche ebenfo wie die kanadiſche LandeSunterfu- 
dung ihre Aufnahmen durch Dall, Beder, Haves, | 
McConnell, Schrader, Brooks u. a. nunmehr auf die | 
unwirtlichſten Landjtride am Rap Prins Wales und 
im innern Gebirgsland aus. 

Im fpanifden Nordamerifa war der Entdedergeiit 
nad) der vollendeten Conquijta gründlich erlahmt, 
und erjt um oe de3 19. Jabrh., als das kurz— 
fichtige ſpaniſche Kolonialſyſtem bereits zu wanken 
begann, geſchah daſelbſt wieder Nennenswertes. Vor 
allem ſtellte A. v. Humboldt 1801 und 1804 auf Cuba 
und 1803 in Merifo bahnbrechende Beobadhtungen 
an, und in feinen Fubitapfen gingen auf der weſt— 
indiſchen Hauptinfel De la Saqra (1842), Roey (1851), 
Picardo (1854) und De fa Torre (1856), in Merifo 
aber Wurfart (1825 -- 34), Mühlenpfordt (1827), 
Peller (1845), v. Miller (1856) fowie Dollfus und 
Wontjerrat (1862) und in Mittelamerifa Wagner und 
Scherzer (1853) einber. Wis neuere Forſchungsrei 
fende, die das Wiſſen von dem Erdraum auf die Höhe 
der Gegenwart ju bringen bemüht waren, ſchloſſen 
fich aber an: Gundlad) auf Cuba (1842—96), Gabb 
auf Haiti fowie m Mittelamerifa (feit 1869), v. Eggers 











Amerifa (Entdeckungsgeſchichte Siidamerifas). 


und Cleve auf den Jungferninſeln und Buerto Rico 
(1875), A. Agaſſiz auf den Bahamas (1877), Martin 
auf den niederlindifden Yntillen (1884), Hill auf 
Cuba und Qamaifa (1894), Dedert auf Cuba, Haiti 
und den Inſeln iiber Dem Winde (feit 1896), Charnay 
(feit 1858), Lenf (1887), Seler (feit 1887) in Merifo 
und Rodjtroh (1878), Stoll (1878—83), Bittier (1890) 
und Sapper (1888 —-99) in Mittelamerifa. In Mexilo 
wurde 1888 aud) cine fyjtematifde Landesunterfu- 
dung organifiert, in welder Barcena, Uguilera und 
Ordoñez in hervorragender Weife tätig waren. 
[Siidamerifa.] Nad den Foridungsreifen de3 
Rolumbus entdedte der Portugiefe Cabral auf der 
Fahrt nad Ojtindien 1500 Teile der brafilifden Ojt- 
tiijte, die aber fdjon vor ibm Vicente Pinzon berührt 
atte. 1501 fanden die Portugieſen auf einer zweiten 
Erpedition das Rap San Roque und drangen ſchon 
damals weit ſüdwärts vor (bid fiber den 50.° fad. 
Br., vielleidht bis Siidgeorgien). 1503 fand eine drit'e 
Expedition mit dem Ytaltener Umerigo Vefpucci an 
Bord die Ynfel Fernando Noronha und die Budht 
pon Babia auf. Bejpucci hatte bereits 1499 die Spa- 
nier Wlonfo de Hojeda und Juan de la Cofa auf der 
Fahrt von der Amazonasmündung und Guayana nad 
Trinidad, Curaſſad und Venezuela bis zur Goajira- 
halbinfel begleitet; er verfaßte Drei Berichte, der dritte 


wurde feit 1504 in mehrere Spraden überſetzt und 


als Flugblatt verbreitet, feit der 3. T. gefälſchten Aus 
qabe fener Reijeberidhte vom Jahre 1507 biirgerte 
nd der Name Umerifa cin. Die Spanier Pinzon, 
R. de las Bajtidas, A. de Hojeda madten feit 1500 
zunächſt an der Nordfiijte von Siidamerifa weitere 
Entdecdungen von Santa Marta, Cartagena und San 
Sebajtian aus, 1508 gelangten D. de Solis und 
V. Y. Pinjon bis zum 40.° ſüdl. Br., alfo über den 
La Plata hinaus, der felbjt jedod) erſt 1515 entdertt 
wurde, Franz Pizarro, Diego de Ulmagro und de 
Luque Drangen feit 1524 von Panama aus bis Peru 
vor. Pizarro eroberte Cuzco 1533, Belalcayar Duito, 
Wimagro qelangte 1539 bis zum Rio Marile im fiid- 
lichen Chile, wahrend der Portugieſe Magalhäes be 
reits 1520 die nad) ihm benannte Straße durchſegelt 
hatte. So war unt 1540 der Umriß von Siitdamerifa 
entſchleiert, in das Innere drangen die Konquiſtadoren 
erſt allmählich vor, beſonders in Venezuela, Kolumbien 


ſowie tm Gebiete des Orinofo, Amazonas (Orellana 


1540) und des Rio La Plata (Pedro de Mendoza). 
Bon 1550—1800 wurden im ganjen nur geringe 
Fortſchritte in Der Erforſchung Siidamerifas gemadh’. 
So fubr 3. B. Bouguer 1743 den Magdalena ab 
warts, La Condamine 1744 den Umajonenjtrom nad 
Vollendung der von ihnen geleiteten Gradmeffung 
in Peru (1736—42). Neues Leben erbhielt die Ent 
decklungsgeſchichte von Sildamerifa erjt durch die epoche 
madenden Reifen, die Wlerander v. Humboldt 
und Bonpland von 1799-1803 ausfiibrten; dieſe 
erforidten namentlid) Ojtvenezuela, den Orinofo und 
Rio Negro (1799) fowie Nulumbien (1801), Ecuador 
(1802) und Beru und brachten grokartige Gamum- 
lungen nach Europa beim (f. A. v. Huntboldt). Bor 
1811 —14 bereijten fodann v. Eſchwege, 1815 —17 
dev Bring Max ju Wied (Neuwied), 1817—20 Spir 
und Martius Brafilien, ihnen —— die Franzoſen 
Saint «Hilaire (181622), d'Orbigny (1826 —33), 
der Sachje Pdppig (1826—31), leptere drangen auch 
in das Andengebiet tiefer ein, wie der Ire Pentland 
(1826 — 39), le Schweizer J. J. v. Tichudi (1838 
bis 1842) und der Bayer E. v. Vibra (1849 —- 52) 
Peru, Bolivia und Chile naber durcdhforidten. Im 


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Amerifa (Staatenbildungen). 


Gebiete des Amazonas waren befonders die Englinder 
Smith und Lowe (1834 —36) fowie die Expeditionen 
des — Adalbert von Preußen (1842) und des 
Grafen Cajtelnau (1843 — 47) tatig, in Batagonien 
Ch. Darvin (1833), in Guayana die Gebriider Robert 
und Richard Schoniburgk (1835—38 und 1840—44), 
J. Uppun (feit 1849), in Surinam Kappler, in BVene- 
juela A. Codazzi und H. Karſten, in Rolumbien fdon 
vor den beiden letztern Boufjingault, in Peru Cle- 
men3 R. Marfham (1852 —54 und 1860 — 62), J. 
&. Haßlarl (1853 —54) und UW. Raimondi, in Chile 
R. Pbilipps (feit 1853), UW. Piffis (1848—76), der 
—— Domeyfo (1856 —86) u. a.; in Argen⸗ 
tinien H. Burmeijter, in Paraguay Page (1853—56), 
Day (1853), Mouſſy (1854—59). Mit dem Ausgang 
der 1860er Jahre kommt die Erforjdung von Süd— 
amerifa in ein rafderes Tempo. Yn Guayana un— 
terjudt Broufeau 1888 den Maroni, Coudreau 1889 
den Oyapol, Niederländiſch-Guayana bereifen 1885 
%. Martin u. ten Kate, Britiſch Guayana F. im Thurm 
(1884) und Whiteley (1885), das veneguclifde und 
Seer Suds s perenne uta) In Braſilien 
und den weſtlich angrenzenden Staaten hat die Er— 
forſchung des Amazonas und feiner Suilife viele 
Forſcher feit Den 60er Jahren beſchäftigt, wie Agaſſiz 
(1865—66), Chandleh( 187 1—72), Hartt( 1870—71); 
den Beni erforfdte Heath (1880 -—81) von La Pay 
aus, 1882 Oberſt Churd); das Gebiet zwiſchen —— 
und Huallaga erkundete Ch. Wiener 1880—81, Sel- 
fridge nahm den untern Madeira auf, Coudreau 
erforidte 1I884—85 den Rio Branco, K. von den 
Steinen unternahm mit W. von den Steinen und 
Cauß 1884.85 feine erjte fo ergebnisreide Xinguireife 
vom Ouellqebiet her, 1885/86 fubr Ehrenreich den 
Tofantins hinab, 1887 folgte die zweite Xinguireife, 
be K. von den Steinen mit Vogel und Chrenreid 
durchführte in das Ouellgebiet des Batovy und Nu- 
lifeu; Ebrenreid) befuhr 1888 den Mragquaya; 1896 
hat Coudreau von der Miindung her den Xingu bereijt, 
bejonders aber liek fid) Herrmann Meyer auf zwei 
Erpeditionen 1896 und 1899—1900 die genauere Er- 
forjdjung des Xingu angelegen fein. Bom iibrigen 
Brafilien find namentlid die von der deutſchen Cin- 
Wanderung bevorjzugten fiidliden Staaten genauer 
befannt qeworbden, befonders Rio Grande und Santa 
Catharina. Yn Urgentinienfinddie gebirgigen Teile 
namentlid) von A. Stelyner (1872—73), W. Brade- 


buf (1875— 88), Hauthal u. a. näher erforjdt wor: | 


den; Fontana unterfudte 1875—81 den Chaco, den 
Bilcomayo erforjdten Crevaur (geft. 1882), Baldrich, 
Majata, Thouar (1883) und Feilbery (1884—86), 
den untern Aguaray-Guazu entdedte Fernandes 
(1886), Den obern Barand erforfdte Bove (1883—84). 
Den grofen Binnenfee Mar Chiquita fand v. Grumb— 
fow (1891) 87 km lanq und 50 km breit, 1899 be- 
reijte Burdhardt (mit 5 rli) einen Teil der argen- 
tinifden Anden zwiſchen Las Lajao und Caracautie. 
In Bataqonien foridten 1869-70 Mujters, 1875 
bis 1879 Moreno, 1876 —79 Moyano und Ramon 
Yijta, am Oſtabhang der Unden 1880 Oberſt Hot, 
1882-83 General Villegas, 1887-—88 Fontana, 
1888 —89 YW. del Cajtillo, den Rio Negro befuhr 1881 
Obligado und 1883—84 O'Connor, Steinmann drang 
1883 von der Magalhdedsjtrake lings der Kordille— 
ren bis 51° 40° fiidl. Br. vor; aud) Cajtillo unterfudte 
1886 die Andenhänge im S., wahrend Fontana den 
Rio Chubut erforſchte. Neuerdings find durd die 


Geengitreitigteiten zwiſchen Urgentinien und Chile sahl- | J” 
reiche Expeditionen sur genauern Erfundung ded filde * 





429 


liden Patagonien und des Feuerlandes veranlajt wor- 
den. Hier madten Bove (1882 und 1884), Lijta (1886), 
Roujjou und Willems (1889—92), Hatſcher auf drei 
Reifen (von 1896—99) und O. Nordenſtjöld (1898) 
widtige Beobadtungen. Jn Chile war 1883 Stein- 
mann titiq, Bertrand erforfdte 1884 das ganze Wtacas 
maplateau; dort arbeitete aud) Philipp 1885, Sanfelice 
erjtieg 1886 den Vulkan Licancaur, Güßfeldt (1884) 
und Plagemann (1888) forfdten in den mittlert Kor⸗ 
Dilleren und erjtiegen fajt den Uconcaqua, den Zurbrig- 
en und Bienes 1897 gang erfletterten. Die chileniſche 
ine nahm regen Unteil an der Erforſchung der In— 
ſeln, und verjdiedene von der Regierung unterjtiigte 
Expeditionen haben die Renntnis des weſtlichen Undes- 
—5 ſehr gefördert, namentlich ſind Steffen 1895 ant 
io Puelo, 1898 am Rio Bale, Fiſcher (1897/98), Kril- 
ger (1898), Halder und Peterſen, Reiche, Pohlmann 
und Vergara (1900) zu nennen. Jn Bolivia madte 
Mindin topographiſche Aufnahmen, Cerceau unter- 
nahm feit 1891 gripere Reijen, und Conway erjtieg 
1898 den Illimani. Jn Peru, Ecuador und Ko— 
lumbien haben von 1868—76 W. Reiff und A. 
Stiibel cingehenden topographijden, geologifden und 
rs ae ber pales Studien obgelegen, die fiir Ecuador 
Th. Wolf in jahrzehntclanger Urbeit vervolljtindigte. 
Whymper bejtieg 1880 viele Berge, —— 
wird durch die ———— Offiziere Maurain und 
Lacombe die frühere Erdmeſſung von 1736 erneuert 
und weiter ausgedehnt. Jn Kolumbien hat A. Hett- 
ner 1883 und 1884 ausgedehnte Gebiete der Ojtfor- 
dillere bereijt, in der Sentralfordillere fiihrte F. v. 
Schenck 1878 — 80 zahlreiche Höhenmeſſungen aus, 
Fr. Regel durchzog 1896—97 von Medellin aus na— 
mentlich das Bergland von Antioquia, die Sierra 
Nevada bereiſte W. Sievers 1886, fein hauptſächlichſtes 
Forſchungsgebiet bildete jedod) Venezuela 1884/85 
und 1895. 
Staatenbildungen. 

Gierzu Beilage: »Rarten zur Gefdidte Amerifas<.) 
Faſt drei Jabrhunderte nad) der Entdeckung blieb 
A. unter der Herrfdaft der europäiſchen Lander, von 
denen die Entdeckung ausqeqangen war, und wurde 
von ibnen ausgebeutet. Soexick beſaß gong Mittel- 
amerifa mit Einſchluß von Kalifornien, Rew Mexico 
und Teras fowie den gangen Wejten und Norden, bei- 
nahe zwei Drittel von Ciidamerifa, Portugal den 
Oſten diejes Teiles, das jepige Brafilien. Jn Nord 
amerifa beſaßen die Rufjen den äußerſten, nad Sibi- 
rien ju qeleqenen Nordweſten. Die Franjofen batten 
ſich Des Gebietes des Miſſiſſippi und des Lorenzſtroms 
fowie einiger Untillen und eines Teiles von Guayana 
bemächtigt. Die Englander Hatten die Ojthijte von 
Nordamerifa, Labrador, die Hudfonbailander und 
einen Teil Wejtindiens befegt. Die Schweden und die 
MNiederlander wurden von ihnen aus Nordamerifa 
any verdriingt, legtere auch eines Teiles von Guayana 
raubt. Wud) die Dänen und Schweden hatten einige 
fleine Untilleninfeln an fic) gebracht. Durch die fogen. 
Rinig Georgs Kriege wurde die Macht Frankreichs in 
Nordamerifa gebroden. CEngland erbielt 1763 die 
Herridaft tiber Kanada und damit fiber den Norden 
von Nordamerifa, verlor aber durch den Freiheitskrieg 
es nordamerifanijden Nolonien 1783 feinen Be— 
if an der Ojtfiiite, und die neubegriindete Union er- 
warb aud) den Reft des franzöſiſchen Gebietes ſowie 
den ſpaniſchen Beſitz in Nordamerifa bis zum Stillen 
Djean, endlic) 1867 auc) das ruſſiſche Nordamerifa. 
— ~ fic) Haiti 1804 von der europäi⸗ 
Seit 1810 begannen die Unab- 


430 


hangigteitsfimpfe der fpanifden Nolonien, die mit 
der Posteifun des gefamten Fejtlandes von Spanien 
endigten; nur Cuba und Puerto Rico blieben nod bis | 
1898 im Beſitz des Mutterlandes; im fpanifd-ameri: | 
taniſchen Krieg aber ging lepteres an die Vereinigten 
Staaten verloren, wahrend Cuba unter dem Brotef- 
torate derjelben Macht einen eignen Freijtaat bildete. 
In Mittelamerifa wurden die Republif Merifo und 
die fünf Republiten von Zentralamerifa, in Siidame- 
rifa, Die Republifen Venezuela, Rolumbien, Ecuador, 
Peru, Bolivia, Chile, Urgentinien, Paraguay und 
Uruguay gebildet. 1822 madhte fic) der gg of 
Beſißß als Paiferreidh Brajilien unabhängig, ſich 
1889 in eine Republik verwandelte. Seitdem ſind alle 
ſelbſtändigen Staaten Amerilas Republifen. Zu euro⸗ 
paiſchen Staaten gehören nur Grönland (däniſch), 
Britiſch Nordamerika und Honduras, die meiſten der 
kleinern Antilleninſeln, die drei Guayanas und die 
Falllandinſeln. — Literatur ſ. unten, S. 431. 


Wichtigſte Ereigniffe der Territorialgeſchichte 
Amerikas ſeit 1384. 

1884. 3. Juli: Der Senat der a Staaten nimmt 
ein Gefeg gegen die Einwanderung Ghinejen an. — 
29. Nov.: Der Friedensſchluß zwiſchen Chile und Bo- 
livia bringt den Peru-Volivianijden Krieg gu endgiiltigem 
Abſchluß. — 1. Dez.: Der Senat der Bereinigten Staa= 
ten ratifijiert den Nanalvertrag mit Nicaragua. 

1885, 28. Febr.: Proflamation der Mittelameritanijden 
Union. Sie foll Coftarica, Nicaragua, Gan Salvador, 
Honduras und Guatemala umfaſſen, bridjt aber fofort 
wieder auseinander. — April: Kolumbiſche Rebellen be— 
midtigen fid der Stadt Panama: der Aufftand wird im 
Herbjt niedergeworfen. 


1886. 5. Mug.: Rolumbien erhalt cine nene Verfaſſung. — 
3. Ott.: Grengregelung zwiſchen den argentinijden = 
vinjen Santa Fé und tiago. — 3. Nov.: Nordgrenge 
der Proving Santa Fé auf 28° ſüdl. Br. feitgejept. 

1887. Die argentinijde Proving Buenos Mires tritt —— 
Vergrößerung des Gebietes der Hauptſtadt die Diftritte 
Flores und Belgrano an die Sentralregierung ab. — 
12, März: An Chile werden aus dem Territorium Angol 
und Teilen der Departements Caftete und Ymperial der 
Proving Arauco die neuen PBrovingen Cantu und Mal— 
leco gebildet. Neue CEinteilung der Republit Haiti, 

1888, Der Priijident der Vereinigten Staaten erklärt als 
erwählter Schiedsridjter den 1858 abgeſchloſſenen Grenz⸗ 
vertrag zwiſchen Nicaragua und Coftarica fiir qiiltig. — 
13. Mai: Abſchaffung der Sflaverei in Brafilien ver= | 
lündet. — 12. Quli: Das Tervitorinm Antofagafta zur 
Proving erhoben; ihr wird das Departement Taltal der 
Proving Atacama einverieibt. — 17. Nov.: Inſel Tobago | 
aus dem politijden Verbande der Windwardinſeln aus 
geſchieden und vom 1, Yan. 1889ab mit Trinidad zur 
Rolonie » Trinidad und Yobago< vereinigt. ' 

1889. 2. Mai: Durd) Kongreßbeſchluß wird die Landſchaft 
Ctlaboma im Yndianertervitorium der Beſiedelung durd) | 
Weiße übergeben und als jelbftindiges Territorimm an: | 
ertaunt. — 9. Oft.: Nene Berfaffung in Haiti. — Ws | 
Staaten werden in die nordamerifanijde Union anf: | 
qenommen die Tervitorien Datota 2. Nov., Montana | 
& Rov. und Wajhington 11. Nov, Dafota wird durd 
45° 43! nöordl. Ur. in zwei Staaten: Norddafeta mit der 
Hauptitadt Bismard und Siiddatota mit der Hanptitadt | 
Siour Fads, geteilt. Suddakota tritt an Nebrasta das | 
Gebiet zwiſchen dem 43.° nördl. Br. und den Flüſſen eo 
fouri, Raprd River und Keya Paha (1695 qkm) ab. | 
Grenzregulierung zwiſchen den Staaten New Jerſey und 
Rew Port. — 15. Nov.: Durd eine Revolution wird 
in Brafilien die Monarchie chafft und cine Republit 
als »Sereinigte Staaten von Brafilien« proflamiert. 

1890, 25. \an.: Durch den Bertrag von Montevideo 
wiſchen Brafilien und Argentinien werden in den Mi— 
fiones die Flilife San Antonio, Peperi und Guafju als 
Grenze feftgeitellt. — 3. Qui: Territorium Idaho, 11. 
uli Woonting Unionsftaaten. | 








Amerifa (Ereignifjfe der Territorialgeſchichte feit 1884). 


1891, 17. März: Grengregulieruna zwiſchen Venezuela 
und Rolumbien durch Schiedsipruch der Königin-⸗Regentin 
bon Spanien. — 28. Mai: Mls Grenze zwiſchen dem 
nicderlindifdjen und dem franjdjiiden Guayana durd 
den Schiedsſpruch de3 Saren der Fluß Awa (Maroni) 
feſtgeſetzt. Die Oſtgrenze von Mlasta durch die Qufon= 
Expedition der Vereinigten Staaten genaw beftimmt. 

1893. 21. Suni: Venezuela erhält eine neue Verfaſſung. 

1894. 11. Juli: Nicaragua erhialt cine neue Verfaſſung. — 
Das Mostitogebiet von Nicaragua wird als Departe- 
ment Zelaya einverleibt. 

1895. Die Grensftreitigteiten zwiſchen Argentinien und Bra⸗ 
filien werden durch den Schiedsſpruch des Prifidenten der 
ra ae Staaten beigelegt. Das ftrittige Gebiet in 
den Mijiones wird Brafilien zugeſprochen. Taq 
wijden Paraguay und Bolivia. Letzterm wird der Waſ— 
— gum Allantiſchen Ozean (durch den Paraguay) 

eöffnet. — 20. Juni: Die gentralamerifanijden Frei— 
taaten Salvador, Honduras und Nicaragua ſchließen ſich 
qu einer Union zuſammen (Republica Mayor de Centro 

merifa), — 2. Oft.: Die Dijtrifte Ungava, Madenzie 
und Franflin werden organifiert. 

1896, 4. Qan.: Utah als Staat in die Union aufgenom— 
men, — 17. April: Grenjvertrag zwiſchen Chile, Argen- 
tinien und Bolivia, das feimen Zugang sum Stillen Ozeau 
erhiilt. — 26. April: Die Frage, ob die Grenge zwiſchen 
Chile und Argentinien durd) die Waſſerſcheide oder durch 
die höchſten Erhebungen der Nordilleren beftimmt werden 
foll, wird dem Schiedsſpruch der Königin von England 
unterworfen. — 12. Quni: Anderung der Verfaffung der 
Dominifanijden Republit. 

1897. 10. April: Die Entideidung der Grenjfrage zwijchen 
Braſilien und Frangdfijd)-Guayana wird dem Schieds 
ſpruch des tdenten der Schweiz unterworfen. — Ab= 
dnderung dex Verfaſſung von Ecuador. — 18. Dey.: 
Ynderung der Grenjen der Diftritte Ungava, Keewatin, 
Franklin und Madenjie mit Suton. 

1898. Die gu Ecuador gehörigen Galapagosinſeln er: 
halten den Namen Coloninjeln. — 13. Quni: Die Land- 
ſchaft Jukon in Kanada wird ald Dijtritt organiſiert. — 
12. Aug.: Spanien tritt Cuba und Rico an die 
Vereinigten Staaten ab. — 13. Mug.: Kanada ergreijt 
Beſitz von Baffinland. Naddem ſchon 8. Yuli 1896 cine 
Vergroferung der Proving Quebec bejdlofien war, wurde 
diefelbe vom Parliament genehmigt. 

900. 5. Febr.: Vertrag zwiſchen England und den Ver— 
einigten aten Hay-Pauncefote- Vertrag) fiber den 
Bau cines Nicaraquatanals, der aber vom Kongreß ver 
worfen wird. — Februar: Swijden Argentinien, Peru 
und Bolivia findet eine Annaherung jtatt, die ſich gegen 
Chile richtet. — 10. Juli: Handelsablommen — 
den Vereinigten Staaten und Deutſchland. — 20. Oti. 
Der Praſident von Braſilien ſtattet einen Beſuch in Buenos 
Mires ab. — 1. Dej.: Der Schiedoſpruch des ſchweize 
riſchen Bundesgerichts erflirt den Oyapot fiir die Grenye 
zwiſchen Brafilien und Franzöſiſch-Guahana. 

1901. Februar: Swijden den Bereinigten Staaten und 
Rußland bridt em Solltrieg aus. — 27. Mai: Die Ber: 
cinigten Staaten regeln die ftaatéredtlidjen Verhältniſſe 
der neuerworbenen Territorien. — Mai: Zwiſchen Hjter: 
reid) und Merifo werden die feit 1864 abgebrodenen diplo- 
matijden Bejiehungen wiederhergeftellt. — 13. Quni: 
Zwiſchen dem cubanijdhen Kongreß und den Vereinigten 
Staaten erfolgt cine —— fiber die zutkũ 
VBerfaſſung der cubanijden Republil. — 14. Sept.: Bras 
fident MacKinley ftirbt an den Folgen eines Attentats. — 
September: Revolutionadre Erhebungen verwideln Ko— 
lumbien und Venezuela in einen voriibergehenden Kriegs 
uftand, der durd) Bermittelung der Bereinigten Staaten 
Seigelegt wird. — 18, Rov.: Neuer Aithmusfanal - Ser 
trag zwiſchen den Bereinigten Staaten und England. — 
Dejember: Der argentini}d chileniſche Greuzſtreit vor⸗ 
fibergebend febr zugeſpitzt dod wird ſchließlich das eng: 
liſche Schiedogericht erneut anerfannt. 

1902. Die däniſchen Inſeln Gantt Thomas, Sainte-Croix 
und Saint Qohn follen durch Rauf an die Bercinigten 
Staaten übergehen; dex Vertrag wird aber vom Parla⸗ 
ment nicht qenebmiqt. — 1. Mai: In Cuba tritt cine 
eigne republifamijde Regierung in Straft. 


Amerikanische Altertiimer I. 


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Zam Artikel .Amerth Altertamer 


Bibliogr Institut in Lespzig 


¢xthon 6 Aufl 





‘4am Artikel cliaerituntarhe Alfertimaers 


inhalt der Tafel ,Amerikaniseche Altertiimer [. ° 


. Poncho, Federkleid, Pern.. 
. Papageien-Mumie. Peru. 
. Munmie, bekleidet. Pern. 


wie wo 


. Steinfigur. Mexiko, 
. Tongefiib. Mexiko. 


6 
‘| Grabtafeln, Peru. 

9 Kindermunie, Peru. 
1%. Tonfigur (Lama). Peru. 


Me gare Keone. Lerskan, 8, And , heatog 


. Mumienkopf (Atrappe). Pern. 


14. 


12. Tonurnen. Pern, 

13, | 

14. Schiissel mit Geier, Mexiko. 

5, Goldfigur aus Antioquia (Kolumbien). 


» 16. Goldschmuck, Kolumbien, 
27. Urne (zwei Jaguare). Pern. 


8. 
aA Brouzeixte, Peru. 


Se oh oh etree the teed 4*44 aad, 





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Digitized by Google 


Amerifainjeln — Amerikaniſche AWltertiimer. 


[Viteratur.] Bon allgemeinen Darjtellungen vgl. 
Sievers, Dedert und Kiifenthal, U., cine allge- 
meine Landesfunde (Leip3. 1894); Wappaus u. a. 
in Stein -Hodridelmanns »Handbud) der Geographic 
und Statijtife (daf. 1855-—71). Epochemachend 
m der wijjenfdaftlichen Unterjudung des Nature 
cdarafters Umerifas find U. v. Humboldts und 
J. Oltmanns Unterfucungen iiber die Geographic 
des neuen Kontinents (Par. 1810, 2 Bde.). — 
dem ſind hervorzuheben: YW. v. Humboldt und A. 
Bonpland, Voyage aux régions équinoxiales 
du Nouveau Continent, fait en 1799—1804 (Bar. 
1815—31, 3 Bde., mit Utlas; deutſch von Haujf, zu- 
legt Stuttg. 1889, 4 Bde.); Uv. Humboldt, Exa- 
men critique de l’histoire de la géographie du Nou- 
veau Continent etc. (Rar. 1836—-39, 5 Bde. ; deutid 
von Ideler, newe Ausg., Berl. 1853, 3 Bde.); Mor 





431 


United States (1:2,500,000, ebenda); 4) fitr Merifo, 
Rentralamerifa, Wejtindien: Betermann, Weſtin— 
Dien, Bentralamerifa (Stielers »Handatlas<«, Blatt 
79-82, 1896); Colton, Mapag de America cen- 
tral (1:1,705,000, 2 Blatt, New Yorl 1889); Pa 
deco, Carta general de la Republica Mexicana 
(1:2,000,000, 4 Blatt, Bar.); »Carta de la Repub- 
lica Mexicanas« (1: 100,000, br8q. von der Secretaria 
de Fomento, Merifo); 5) fiir Siidamerifa: Rie pert, 
Wittleres Siidamterifa(»Handatlas«); Betermann, 
Siidamerifa (Stieler3 »Handatlas<, Blatt 90 — 95, 
1889). Bgl. Ruge, Die Entwidelung der Karto— 
graphie von A. bis 1750 (Ergänzungsheft 106 zu 
Petermanns Mitteilungen«, 1893). 

Amerifainfelu, ſ. Fanninginſeln. 

Amerikaniſche Altertümer (hierzu Tafel ⸗Ame⸗ 
riklaniſche Ultertiimer I, mit Erklärungsblatt, und I, 


ton, American ethnography (Pbilad. 1839); Waig, | I.). Die prähiſtoriſchen Perioden reiden in Ame—⸗ 
YUntbropologie der Naturvilfer, Bd. 3 und 4 (Leip3. | vifa ungleid) naber an die Gegenwart heran als in 
1862 —64); v. Martius, Beiträge sur Ethnographie | der öſtlichen Hemifphire. Menſchliche Reſte vereint 


und Spradenfiunde Umerifas (Letp3. 1867, 2 Bde.); 
Billiams, History of the negro race in America 
(Bot. 1882, 2Bde.); Brinton, The American race 
(Rew Port 1891); Ragel, Die Vereinigten Staaten 
von Nordamerifa (Miind. 1878-—80, 2 Bde.; Bd. 2 
im 2. Mufl. 1893); Hellwald, YW. in Wort und Bild 
Leipz. 1885, 2 Bde.); J. D. Whitney, The United 
States, physical geography (Vojt.1889, 2 Bde. ; Nach⸗ 
trag: Population, immigration, irrigation , 1894); 
Shaler, The United States (ond. 1894, 2 Bde.). 

Sur Entdedungsgeidhidte: Handelmann, Ge: 
ſchichte Der amerifanijden Rolonifation (Riel 1856, 
Bd. 1); Reichel, Geſchichte des Seitalters der Ent- 
dedungen (2. Aufl., Stuttg. 1877); G. Storm, Stu- 
dier over Vinlandreiserne (Nopenh. 1888); Gaf- 
farel, Histoire de la découverte de l’Amérique 
jusqu’a la mort de Chr. Colomb (ar. 1892, 2 Bde.) ; 
Fiste, The discovery of America (Boſt. 1892); 
Mretidmer, Die Entdeckung Umerifas (Berl. 1892); 
die »Hamburgijde Feſtſchrift zur Erinnerung an die 





mit folden parm g shay Tiere wurden in den HdG- 
fen der Proving Minas Geraés in Brafilien, Rejte 
menfdlider Tatigteit mit den Knochen diluvialer Ticr- 
formen in Mijffouri, Jowd, Nebrasfa und Kalifor— 
nien — Steinäxte und Lanzenſpitzen find 
ferner in Mexilo in quartären Ablagerungen mit Kno⸗ 
chenteilen des Elephas Colombi gefunden. Am Rio 
de la Plata in den Pampagsablagerungen rgenti- 
niens wurde die gleichzeitige Exiſtenz des Menſchen 
und jetzt ausgeſtorbener Tierformen erwieſen. Zahl⸗ 
reiche prähiſtoriſche Muſchelhaufen (entſprechend 
unſern Kjöllenmöddingern) wurden lings der Küſten 
des Atlantiſchen Ozeans und des Golfs von Mexilo, 
an der pacifiſchen Küſte Nordamerikas, vermiſcht mit 
Knochenwerlzeugen, ſteinernen Pfeilſpitzen, Stein- 
hämmern und menſchlichen Knochen, in Nicaragua, 
im Mündungsgebiet des Orinoko, in Guayana, na— 
mentlich aber in Brafilien (Sam baqui) fowie an den 


Ufern der größern Flußläufe u. Binnenſeen gefunden. 


Sehr charalteriſtiſch ſind di Mounds, meiſt regel— 


Entdeckung Umeritas« (Hamb. 1892, 2 Bde.); Har⸗ mäßig angelegte, aus Steinen und Erdreich errichiete 
riffe, The discovery of North America (Par. 1893); | Walle oder Hiigel, die bald unregelmäßig zerſtreut, 
E. Schmidt, Vorgeſchichte Nordamerikas (Braun- bald reihenweiſe geordnet auftreten und eine Hdbhe von 
ſchweig 1894); Winfor, Narrative and critical his- wenigen Sentimetern bis zu 30, in cingelnen Fallen 
tory of America (Bojt. 1886--89, 8 Bde.); Mabie! fogar bis nahezu 100 m, bei einem Durchmeſſer bis 
u. Bright, Memorial story of America, 1492- 1892 zu 300 m beſitzen. Ihre Haupwerbreitung finden die 
(¥bilad. 1892); B. de Moo, History of A. before | Rounds in den Talern des Miffiffippi, Miſſouri und 
Columbus (daf. 1900, 2 Bde.); J. Fiſcher, Die Ent- | Ohio bis hinab gu den Golfitaaten. In Obio zähll 
dedungen der Normannen in A. (Freib. i. Br. 1902). | man nod jest 10,000 Hiigel und 1500 ringförmig 
Bibliographiſch verzeichnet die Umerifa- Literatur die | erbaute Erdwälle. Jn dem Grenygebiet von Jowa 
umfangreiche » Bibliotheca americana« von Sabin und Illinois befinden fid), ganz abgefeben von den 
(Rew Vort 1872 — 91). Ringwallen, mehr als 2500 Wounds. 

(RMarten.] Dic bejten neuern Marten find 1) fiir Nach Squierund Davis unterfdeidet man: 1) Ber— 
bie polaren Gebiete zahlreiche Detailfarten in »Peter- teidigungswerke, aus Erde und Steinen erbaut 
manns Witteilungen· 2) fiir Britifd-RNordamerifa: und aus Wallen und Griiben, vorgeſchobenen Wer 
Wejtfanada in Stielers »Handatlas« (1890); John- | fen, Kaſematten und unterirdijden Gangen beſtehend. 
fon, Map of the Dominion of Canada (1: 1,742,565, | Sie finden fic) namentlidh an der Vereinigungsſtelle 
6 Blatt); Deville, Map of the Dominion of Canada zweier Stronliuje. St. Louis, New Wadrid, Cin 
(1 :6,200,000, 1887); 3) fiir Die Bereiniqten Staa- cinnati find an der Stelle folcher alten Vefeftiqungen 
ten von Nordamerifa: Petermann, Karte der Ver- erbaut. Diefe Ringwälle beſitzen oft eine Ausdehnung 
einigten Staaten (6 Blatt, Gotha 1896); Walker, Zta- von mehreren Meilen und erreichen cine Höhe von 
tistical atlas of the United States (72 Karten, 1876); | mehr als 200 m. 2) Tempelringe, Erdiwalle, in 


»Outline map of the United States« (1:5,000,000, 
bréq. vom War- Department); »General map of 
the United States« (1:2,852,110, Chicago 1890); 
Handtle, Generalfarte der Bereinigten Staaten 
(1: 6,000,000, Glogau 1890); » Topographical Atlas 
of the United States« (1:62,500, br8q. von der Geo- 


logical Survey, Wafbingt.); »Contour map of the | 





Talgriinden und am Fuh von Hilgeln und Bergen, 
reprafentieren teils Dorjumfriediqungen, teils ge 
heiliqte Besirfe, Verſammlungsorte des Volfes zu re 
ligidjen Sweden. Sie umfaſſen nicht felten cin Areal 
von nahezu 40 Heftar und find von hoben Erdauf 
wiirfen und Graben bald in Kreiſen, bald in Quay 
Draten oder Udhtecen umgeben. 3) Sogen. Tempel. 


ein zelnen Diigel umſchließen zuweilen 500 und mehr 
Slelette. 6) Hiigel in Tierform ragen oft nur 
wenige Hentimeter, felten mehr alé 2 m itber Die Um⸗ 

orundabmen, aus erdumworfenen Stet 


nad. Sie finden fic) namentlid) in Jowa, Ohio, Illi⸗ 
nois, Miffouri, \ndiana, vor allem aber in Wisconjin. 

Wabrend man friiber diefe Bauten einem befondern 
Moundbuildervolf zuſchrieb, weiß man jest, Dak aus 
ſchließlich Die Borfabren der Yndianerjtamme, die zur 
Heit der Entdedung in diefen oder in benadbarten 
Gegenden wohnend angetroffen wurden, die Mounds 
erridjtet baben fonnen. Ciner der hervorragenditen 
Moundbutlderjtimme waren die Tj herotefen(Che- 
rofee), die zur Seit der Entdedung zu beiden Seiten 
der Ulleqhanies in Wejtvirginia und Nordcarolina 
wobnten, die aber in vorhiſtoriſcher Zeit aud) die Taler 
des Ohio und fener Zuflüſſe bevdlfert zu haben ſcheinen. 

Unter den Urtefaften, die in Den 
wurden, find zunächſt vielfach kunſtvoll geſtaltete Krüge 
und Flaſchen, mit Hälſen verſehene ride, Henlel⸗ 
topfe, Schuſſeln und Becken, Trinlbecher, nicht felten 
mut funjtvoller Ornamentif aus mit Sand oder Mu— 
fdelfplittern vermifdtem und verfdieden gefarbtem 
Ton hervoryuheben. Daneben finden fid Pfeifenlopfe, 
die Meftalt Der verfdiedeniten Tiere nachahmend, aus 
Ton gebrannt oder aus Schiefer, Speditein, Manmor, 
Porphyr geſchnitten (Tafel IU, Fig. 10 u. 11). Bon 
Wetallen ſcheinen die Hiigelbauer tm wefentliden nur 
Supfer und Silber, und zwar letzteres nur in Form 
von dunnen Plattdhen A sed Plattierung des Kupfers, 
bearbeitet su haben. Wan hat Meijer, Arte, Meißel, 
Pfeil und Lanyenfpipen von Mupfer, 3. T. von vor- 
trefflider Urbeit, gefunden; daneben allerlei Schmuck⸗ 
fadjen. Steinerne Waffen, Pfeilſpitzen, Speerſpitzen, 
Meſſer und Verte finden fid) neben Gerdtidaften aus 
Hahnen, Knochen, Muſcheln fowie Schmuckgegenſtän— 
den aus Steinen, Holz, Knochen amd Mus 
(Tafel UL, Fig. 5 u. 6). Grob gewebte Stoffe, Baſi— 


ounds gefunden | 


{fichale | 


In den plateautorenge pon 
Colorado. Rew Merico, Arijone und den an: 


untericbeidet unter dickens · Bueblos· 
1) bie Lowlands oder cigentliden Euchlos, m 
a Sec? jack 


ber Sanbditemplateans; 2 welling: 
oder Hoblenbauten, natũrliche HOblungen an iter! 
abjtiirjenden T i durd Stem- 
mauern veridlonen wurde mit Auflafſung mur emer 
Offnung, die gleichzeitig als Tür und Acniter Diente. 


is: Abmliche Bauten find endlid 3) die Cliff- dwellings 


Riffhäuſer, befcitiqte Plage an ſchwer pagdng- 
lichen UWbjtiirzen im natiiritden, — 


Fig. 14, und Tafel ⸗Wohnungen der Naturvdlter I<, 
Fig. 12). Richt felten finden fic in jenen Gebieten 
and aufrechte Steinfretje nad Art unjrer Cromlechs 
ſowie einjein ftebende, meiſt runde Tine, offendar 
als Badttiirme am Eingang der Canons und auf ifo- 
lierten Felsipigen. Jn den los fand man tinerne, 
nidt ſelten bemalte und mit erbabenen 1 
| fowie mit Figuren von Menicdhen und Tieren (nament: 
lich Vogeln. fpesiell der Eule verſehene Geſchirre. po- 
lierte Steinwert „Vieilſpißen aus Feuerſteinen. 
| Mabliteine chen des Mais, ferner Schmud 
gegenſtãnde, wie Perlen, Mujdelm, Amulette aus 
| Stein ꝛc. Bon metallenen Gegqenitanden haben fid 
aus ſchließlich einige Rupferringe vorgefunden. Als 
| Hinterlaſſenſchaften der alten Bewohner diefer Gegend 
ſind die sablreichen FelSmalercien und Shulpturen an- 
zufeben, die in Form von Weniden und Tieren die 
Felswände oder iſolierten Stemmblide bededen. 

Cine ungleid) höhere Entwi batten Die 
Stamme erreidt, welde die Hodiladjen + und 
Siidamerifas und die Tiler und Küſtenſtriche an ihrem 
ube bewohnten. Man fann 3—4 große Kulturtreiſe 
unterfdeiden, Die unabbangig voneinander fic ent- 
widelt haben und nur an den Grenjen bier und da 
miteinander in Beriibring getreten find; das find der 
“merifanifde, der von den jentralen Hochflächen 
| Merifos bis hinab gu den Seen von Nicaragua reidt; 
‘Der nordfolumbifde, der die um den Golf von 

Darien gelegenen Lander umfaft ; der Kulturtreis der 
Tſchibiſcha des Hodlandes von Bogotd und der 
peruaniſche, der von der Nordgrenge ded Heutigen 
Ecuador bis gum Rio Maule in Chile und der Gegend 
von Salta in Urgentinien fic erjtredt. Als befonderes 
Rulturgebiet, Das aber wiederum einen weit tiefern 
Stand repriifentiert, ijt endlid) nod) Der weite 
von Siidamerifa ju nennen, ju Dem aud die alte Be— 
vdlferung der Groen und Rleinen Untillen gehört. 

Innerhalb ded merifanifden Rulturfreifes 
nehmen die ndrdlid) u. weitlich des eigentlichen Hodtales 
von Merifo gelegenen Landfdaften der Huarteca 





Amerikanische Altertiimer II. 


* 


2 Mexikan. Steinfigur. 


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Meyers Konv.- Lexikon, 6, Aufl. 


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5. Hieroglyphenband an einem Tempel in Copan (Honduras). 


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6. Monolithische Pforte am Tiahuanaco (Bolivia). 


Bibliogr. Institut in Leipzig. 


4. Mexikan, Steinfigur 
(Maisgittin). 


Zum Artikel Amerikan, Altertdmer. 





f . 5 
| — 5, 6. Schmuckplatten 
‘ aus Muschelschale aus 
nordamerikan. Mounds. 


. Verzierter Steinring aus 
Puertorico. 


10, 11. Steinerne Tabakspfeifen aus nord- 
amerikanischen Mounds. 


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14. Cliff-dwelling (Riffhaus) im Tal des 
Rio Chelly, Arizona. 


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15. Palast in Mitla (Mexiko). 


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Amerifanijdhe Altertümer (Merito, Mittelamerika). 


und Med oacans eine bejondere Stellung ein. Bon 
minder hod) entividelten Völkerſchaſten in alter Zeit 
bewohnt, entbehren fie der grofen Monumentalbau- 
ten. Gruppen von fleinen, aus Erdreid) und Stei- 
nen aufgefiihrten Ryramiden (in Medjoacan ¥) dcata, 
in der Huarteca nad) cinem Hifpanifierten Mayawort 
Cuccillo genannt) bezeichnen die Orte der alten Un- 
jiedelungen. Figuren aus Stein werden hier gefun- 
den, von jteifer Haltung, aber vortrefflid in Der ted)- 
niſchen Ausführung, Brudhitiide von Wabhliteinen, 
Tongefäße von zierlichen Fornien, häufig bunt bentalt, 
Tonfigürchen oft von ſehr lebendigem Ausdruck, tö— 
nerne Spinnwirtel u. a. m. Die eigentliche mexila— 
niſche Kultur hatte ihr Zentrum in den Talern und 
Hochflächen, die um die beiden großen Sdyneeberge 
Popocatepet! und Aztaccihuatl gelagert find. Hier 
find vor allen berühmt die beiden Orte, die ſchon zur 
Beit der Eroberung Mexikos durch die Spanier ver- 
lajjen waren: Tollan und Teotibuacan. Am 
erjtern Ort ijt nod der alte Burghtigel zu fehen, mit 
den Fundamenten der alten Wohnungen, frenelierten 
Straßen und Terrajjen bededt. Stembilder von ar- 
chãiſchem Typusfind dort gefunden worden, 3. T. von 
qewaltigen Dimenjionen, Tongefdirr, Obfidianmej- 
jer u. a. nt. Qn der Ebene von Teotihuacan jtehen 
nod) heute die beiden Byramiden, aus Erdreid) und 
Luftziegeln und jwifdengelagerten Wörtelſchichten 
aujfgebaut; dazwiſchen in zwei regelmäßigen Reihen 
die Reite der alten Wohnungen, in denen man fdin 
mit Stud belegte, mit bunten Malereien bedeckte Wände 
aufgededt hat. Steinbilder von anderm, aber eben- 
falls ungweifelhaft archäiſchem Typus find mehrfach 
qefunden worden, und die ganze Chene ringsum ijt 
uberfat mit Topfſcherben und flemen Tonklöpſchen von 
äußerſt lebendigem und daratterijtijdem Ausdruck. 
Die grofen Tempelpyramiden (Te ofalli) der Haupt, 
jtadt Merifo find längſt dem Erdboden gleid) qemadt, 
aber in Cholula, unweit Puebla, ragt nod eine ge- 
waltige Pyramibde, die in ähnlicher Weiſe wie die von 
Teotihuacan aus Luftziegeln mit swifdengelagerten 
Mörtelſchichten aufgebaut ijt. Und fiidlich von Cuer— 
navaca liegt auf ragender Berghöhe die pradtige By. 
rantide bon Xodicalco, in zwei Reihen aufſteigend, 
u deren gweiter auf der Weſtſeite eine breite Treppe 
jteil hinaufführt. Die Wände der beiden Terrajjen 
jind mit gewaltigen Quadern belegt, die forgfaltig ae- 
glättet und ganz mit Sfulpturen, in ſchönem, energi- 
jchemt Stil ausgeführt, bededt find (Tafel I, Fig. 1). 
Bon andern Monumenten find vor allent die beiden 

ewaltigen, mit dem Bilde der Sonne geſchmückten 
Steine gu nennen, die Ende des 18. Jahrh. unter 
dem Pflajter der Hauptitadt Merxifo vergraben auf: 

ejunden wurden. Ferner das riefige Steinbild der 
— Teoyaomiqui. Außerdem weiſen die me— 
rifaniſchen Altertumsſammlungen Bildſäulen (Ta— 
fel IL, Fig. 2 u. 4), kleinere ſteinerne Idole (Tafel I, 
Fig. 5), fteinerne mit Sfulpturen bededte Gefiife, ſtei— 
nerne, forgjaltig polierte Masten, Tongeſchirr der ver- 
ſchiedenſten Art (Tafel I, Fig. 6 u. 14), Tonfiguren, 
Lippen- und Ohrpflöcke, Pfeilſpitzen und Meſſer aus 
Obſidian, tinerne, mit Reliefmuſtern bedeckte Spinn- 
wirtel, Tonflöten, Räucherlöffel u.a.m. auf. Metall 
gegenſtände find jelten, denn die fdneidenden Werk— 
zeuge lieferte der Objfidian, und die qoldenen Schmuck⸗ 
Qegenjtdnbde, die in Mengen und in höchſt funjtvoller 
Ausführung vorhanden waren, find der Beutegier der 
trobernden Spanier sum Opfer gefallen. Als große 
Seltenheiten werden m den Muſeen einzelne hölzge— 
ſchnitzte Gegenſtände (Pauken, Wurfbretter), in Türkis⸗ 

Meyers Konv.-Lexikon, 6. Aufl., J. Bd. 


433 


mofaif ausgefiibrte Masten und andre Gegenſtände 
und Federarbeiten (mantelartige Streifen, Rundſchilde 
und jtandartenartige Gebilde) aufbewahrt. Auch von 
den in alter Zeit in Menge vorhandenen Bilderſchrif— 
ten, bunten Walereien auf Agavepapier, ijt nur wee 
niges der Zerſtörung entgangen. 
in Ausfluß der merifamjden Kultur, oder un— 
mittelbar von ifr beeinflußt, find aud) die Denkmäler, 
die fid) am Oſtabhang des Hodplatcaus und in den 
ebenen Stridjen lings der Golffiijte finden. Dod war 
bier neben dem mexilaniſchen nod cin befonderes, von 
dem merifanifden verfdiedenes VolfSelenunt vorhan- 
den, und Ddiefem ſcheinen unter anderm die großarti— 
gen Bauten von Papantla angugebiren. Gefon- 
derte, obwohl mit der mexilaniſchen in Wechſelwirkung 
ſtehende Kulturen waren ferner dic der Bapotefen 
im Staat Oajaca und die der Mayaſtämme von 
Chiapas, Yucatan und Guatemala. Der erſtern ge— 
horen die Paläſte von Mitta an, aus ſchmalen, for- 
ridorartigen Raumen bejtehend und um quadratijde 
Höfe qelagert, deren Unen> und Innenwände geo- 
metriſche Mujter ſchmücken, die in ſehr eigentümlicher 
Weiſe in cinem reliefartig vorſpringenden Steinmoſaik 
ausgeführt find (Tafel M1, Fig. 15). Eigentümliche 
fejtungsartige Anlagen find auf verſchiedenen Berg- 
höhen gu fehen. Tönerne Gefäße, die meijt als Grab- 
beigaben gefunden werden, ftellen ftehende oder fipende 
Figuren, mit reichem Schmuck beladen, dar. Auch 
goldene und ſilberne Schmuckgegenſtände ſind dort 
mehrfach in Gräbern gefunden worden. 
ie Bauten der Mayaſtämme zeichnen ſich durch 
die Gropartigfeit ihrer Anlage und die Maſſenhaftig— 
feit ihre3 Vorfommens aus. Berühmt find in Chiapas 
die Ruinen von Palenque und Ococingo, in Yucatan 
Urmal, Rabah, Ue, Jzamal, Chideniba u. a., in 
Guatemala Yardilan (Lorillard City), Quirigua, in 
Honduras Copan. Veridiedene von dicfen waren sur 
— Eroberung ſchon verlaſſen und in Ruinen. Der 
harakter der Architekfur ijt im allgemeinen derſelbe 
wie der der mexilaniſchen: Rieſenpyramiden und 
ſchmale, hallenartige, ungewölbte Räume. Aber die 
Denkmäler der Maya fallen, ſowohl was die Orna— 
mentation der Wande wie die figürlichen Vorjtellun- 
en betrijft, durch Uberladenbeit und einen gewiſſen 
Rondetel batten Bug auf (Zafel IIL, Fig. 13). Uußer—⸗ 
dem madten die Maya von ihren Hieroglyphen, die 
falfuliform, auf cinen cinbeitliden Raum zuſammen⸗ 
edriingte, zu Lettern abbrevierte Bilder find, bei der 
antentation von Wandflächen ausgedehnten Gee 
brauch (Tafel II, Big. 5). Die feramifden Erzeugniſſe 
iibertrejfen Die Der Merifaner in der Feinheit der Aus— 
führung und 3. T. aud) in der Lebendigfeit der Auf— 
faſſung. WMetallene Werkzeuge find ebenſo ſelten wie 
in Merifo. Kunſtvoll geſchlagene Feuerſteine und 
Muſchelſchalenſplitter erfetsten fie. Maya-Handfchrif- 
ten find vier vorhanden. Die ſchönſte beſitzt die könig— 
lide Bibliothef gu Dresden. 

Einen beſondern Charafter tragen die großen Stein- 
denfmaler von Ganta Lucia Cogumahualpa in 
@uatemala, die das Berliner Muſeum erworben hat 
(Tafel 11, Fig. 3). Sie wurden wohl von einem Zweig 
der merxifanijden Nation geſchaffen. Einem veripreng- 
ten, weit nad S. vorgejdobenen Zweige der Merifaner 
endlich gehiren die grofen Steinbilder auf den Inſeln 
und an den Ufern de3 Sees von Nicaragua an. 
Sie find ſauber ausgeführt und von riefigen Dimen- 
fionen, aber an fiinjtlerifdem Werte nicht entfernt nit 
dem gu vergleiden, was ihre Brüder im N. geſchaffen. 

Der nordlolumbifde Kulturkreis umfaßt die 

28 


434 


Landfdaften von Coftarica bis gum Magdalenen- 
jtrom in Kolumbien. Gegenjtinde aus Stein, Terra- 
fotta, Kupfer und Gold werden hier gefunden, und 
die Fülle der legtern hat in alter Beit dieſer Küſte den 
Ramen gegeben (Cajtilla del oro). Charatterijtiid fiir 
die Ultertiimer diefer Gegend ijt die häufige Berwen- 
dung der Tiergejtalt. Die großen Mahlſteine find in 
Gejtalt eines Jaguars gefertigt, der die Reibfläche auf 
jeinem Riiden tragt (Tafel IIL, Fig.8); die Tongefäße 
imitieren teil8 cine Tiergejtalt, oder es find die drei 
Füße des Gefäßes in Gejtalt eines Tiered oder eines 
Lierfopfes ausgebildet, oder es find auf der Wolbung 
in Malerei allerhand Tiergeftalten (Jaguare, Fröſche, 
Ulligatoren) dargejtellt (Tafel II, Fig. 7). Die gol 
denen Schmuckſachen find fajt ausnahmslos in 
jtalt eines Tieres (Adler, Jaguar, Alligator, Frofd) 
oder eines Menſchen mit Tierfopf angefertigt. Cine 
befonders reiche Fundjtelle find die Graber der Land- 
ſchaft Chiriqui —— Demſelben Kulturkreis 
ſcheinen auch die Gräber von Antioquia und des 
Caucatales anzugehören (Tafel L Fig. 15). 

Cinen verhältnismäßig hohen Stand der Entwide- 
lung batten die Tſchibtſcha (Chibcha) de3 Hodlan- 
des von Bogotd erreidt. Dod mangelt 3 aud bei 
ihnen an monumentalen Werfen. Die Häuſer waren 
aus Lehm und Holy erbaut, mit fegelformigem Strob- 
dad, die Tempel vermutlich wenig beſſer, mur dah 
das Dad von Steinpfeilern getragen wurde. Zabl- 
reiches Tongeſchirr ijt aus den Griibern der Tihibtida 
zu Tage gefordert worden: grotesle Menſchenfiguren, 
nicht felten mit einem goldenen Halbmond in der Rafe, 
vieredige Schalen, an deren Rand Fröſche figen, und 
am als mit einem Geficht fein bemalte Tonflaſchen. 
Beſonders dharafterijtifdh find die Goldſchmuckſachen 
der Tſchibtſcha, aus Goldblech gefertigt, in Form von 
menjdliden, am haufigiten wetbliden Figuren, deren 
Stonturen, Arme, Beine, Mugen und Lippen, wieder 
durch aufaeliteten Golddraht bergeftellt find (Tafel I, 
Fig. 16). Kleine Steine mit allerhand Tierfiquren in 

utrelief, früher fiir Ralenderjteine gebalten, find 
Schlagſteine oder Matrizen, iiber denen das Gold- 
blech ju bejtimmten Tier- x. Formen ausgehämmert 
wurde. Mit foldyen halberhabenen Goldblechfigürchen 
wurden vermutlid) Die Kleiderſäume befept. 

Der peruanifde Kulturkreis umfaßt wiederum 
eine Anzahl ihrer zeitlichen Entſtehung und ihrer eth— 
niſchen Zugehörigkeit nach verſchiedene Kulturen, die 
aber durch die von Der Inladynaſtie begründete Herr⸗ 
ſchaft in engſte Wechſelbeziehung zueinander gebracht 
worden ſind. Zu den älteſten Denkmälern gehören 
die von Tiahuanaco unweit ded Titicacaſees, die 
in Der Bliiteszeit Der Inlaherrſchaft längſt verlaſſen 
waren. Es find torartige Bauten, von Steineinjzau- 
nungen umgebene hofartiqe Riume, Steinfiquren und 
Steinplatten unbefannter Bedeutung, letztere, gleid 
den Ynnenfeiten der Wände, vielfad mit Nijden und 


fenjterartigen Bertiefungen verfeben. Berühmt ijt vor | 


allem die 3,72 m breite, 2,36 m aus der Erde auf: 
ragende monolithiſche Pforte, auf der Vorderſeite mit 
Stulpturen bededt. Cine Gottheit ijt darauf zu ſehen, 
deren Geſicht von einem Strahlenkranz umgeben ijt, 
und Reihen gefliiqelter menfden> und fonbortipfiger 
Genien. Die Gottheiten halten Stabe (Strabhlen) in 
Der Hand, Die in Rondorfdpfe enden. Die Pforte it 
wahrſcheinlich infolge eines Erdbebens in zwei Stiide 
jerbrodjen. Auf unjrer Tafel IT (Fig. 6) ijt fie voll- 
ſtändig (mit der zur Feit durch Anſchuttung verdedten 
Baſis) und rejtauriert gezeichnet. Auch die Bauten 
Der Inkla in Cusco und anderwarts zeichnen fid 








Waffen, ganze Körbchen mit Spinn⸗ und 





Amerikaniſche Altertümer (Südamerila). 


durch eine große Sorgfalt der Bearbeitung und cine 
gewiſſe Großartigkeit aus. Die Mauern ſind z. T 
ohne Mörtel aus paſſend zugehauenen und miteinan⸗ 
der verzapften Steinquadern fo ſorgfältig aufgeführt, 
dak kaum cine Fuge ſichtbar ijt, teils aus Bloden 
unregelmafigerer Gejtalt, Die durch einen tonigen 
Martel verbunden find. Jn legsterm Fall find Mugen 
oder Innenwände häufig mit Stud befleidet. Da 
die Reruaner den Gewölbebau nicht fannten, fo haben 
wir aud bier nur fdmale Gemächer. Häufig find 
die Gebãude durch cine Wand in ihrer ganzen Lange 
geteilt, indem die Räume in Höfe ſich öffnen, die rechts 
und linfs lings des ganzen Gebiudes fic) hinziehen. 
Charatterijtifd jind die pyramidal nad oben fic ver- 
jiingenden Tür- und Fenjterdffnungen und die Or- 
namtentation der Innenwände mit Nifden. Bon den 
Induſtrieerzeugniſſen der alten Peruaner geigen die 
Tonwaren hohe tednijde Vollendung, befunden m 
der Nachahmung natiirlider Formen cine grofe 
Schärfe der Auffaſſung und og Se j¢ nad der Vota: 
litat eine geradezu unglaublide Mannigfaltigkeit von 
Formen und Verzierungen. Für das von den Quichua 
den eigentliden — — bewohnte Hochland 
find dharatterijtifd) die fein bemalten, oft rieſigen 
Chicas (d. h. Bier-) Kriige. Das von andersſprachi⸗ 
gen Stimmen bewohnte Küſtenland liefert dagegen 
Die Gefichtstriige, die Gefäße in Tier- und Menſchen— 
—— (jdlafender Indianer), die Doppelflaſchen (sifla- 
ores) und Die fein mit ganzen ſzeniſchen Darſtellungen 
bemalten Henlelflaſchen (Tafel I, Fig. 10, 11, 12, 13, 
17; Tafel III, Fig. 1—4). Groh waren die Peruaner 
aud in Der Metallbearbeitung : fupferne und bron zene 
Yrte (Tafel L, Fig. 18, 19) und Morgenjterne, goldene 
und filberne Trinfbedher (lestere ebenfalls haufig in 
der Form eines menfdliden Gejidts), große Gewand- 
nadeln und Schmuchgegenſtände der verfdiedenjten 
Art. Geradezu jtaunenerregend aber ijt es, was dic 
alten Beruaner in der Webetedhnif, in der Herjtellung 
von Gewandern, Binden und Sdniiren der verſchie 
denjten Art aus der Wolle ihrer Lamas und aus 
Baumwolle geleijtet haben. Dem glücklichen Umſtande. 
daß es an der Küſte von Peru nicht reqnet, ijt es zu 
verdantfen, daß Die ganze Bradt diefer Erzeugniſſe ſich 
erhalten bat. Wuf dem Totenfeld von Uncon ber 
Lima fanden Reiff und Stiibel neben den in Gewän— 
Der gebiillten und mit Striden umfdniirten Mumien. 
denen häufig ein falfder Kopf aufgeſetzt iſt, Der Dem 
anjen ⸗Mumienballen« das Anſehen emer fauernden 
i ur gibt (Tafel J, Fig. 3, 4 u. 9), die ganzen Hans 
und Arbeitsgeräte der Beqrabenen, Keidungsſtücke 
(Tafel I, Fig. 1), Umulette (Tafel I, Fig. 7 u. 8), 
beqerat: 
ſchaften, Schmuckgegenſtände (die großen Obrpflicte 
in durchbrochener Arbeit aus Ton, Holz oder Kupfer 
hergeftellt), Spielſachen, Mumien von Hausticren 
(Tafel I, Fig. 2), Rahrumgsmittel, die taufendfaltigen 
Erzeugniſſe einer eigenartigen und hodentwidelten 


Kultur. Bon den jest ausgejtorbenen alten Bewoh— 


nern Der Großen und Kleinen Antillen find fain qe- 
arbeitete Steingegenjtinde, YUrte, Mühiſteine, Seffel 
und Gegenjtinde unbefannten Gebrauchs befannt ge⸗ 
worden (Tafel II, Fig. 9 uw. 12). 

[Yitcratur.] Bgl. eter, Prehistoric races of 
the United States (New Yort 1873); Short, The 
North Americans of antiquity (daf. 1879); Squier 
und Davis, Ancient monuments of the Mississippi 
valley (Wajfhingt. 1848); C. Jones, Antiquities of 
the Southern Indians (New Port 1873); Thomas, 
Burial mounds of the northern sections of the United 


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Amerikanische Völker I. 





[Zw Artikel Amerikanische Valker.] 





Tafel Il. 


| 1.,Maipure vom Orinoko, , 
meee | 2 Oma a Weta 
rs Mann. + rs ‘| Botoknden, Mann und Free. uld 


| Tikuna, Mann und Fram 


7. Miranha, Bran. 

) 8. Peruaner you (erro de Pasco. 

pe | 9, Pernaniseher Kreole von Chiloe. 
. Mann und Frau. 10, Quiehna, 


11. Abipone. 

12. Moxos-Indianer aus Bolivia. 

1). Pehneltsehe. 

||. Patagonier. io. ⁊ 
15. Araukaner, 

| 16. Feuerliinder, Peschirith, 
Indianer. I 









Meyers Kewr. Lexikon, 6 Aufl., Heitagr 
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Amerikanische Volker IL. 








Amerifanijde Literatur 


States (5. Annual Report, BureauEthnol., Bafbingt. 
1887); Holmes, Pottery of the ancient Pueblos 
(4. Ann. Report, 1886); G. Nordenſtiöld, Ruiner 
af klippboningar i Mesa Verde’s canons (Stodb. 
1893; aud) Daj. engl. Yusg.); Fewles, Archaeolo- 
gical Expedition to Arizona in 1895 (17. Annual 
Report, 1899); UW. v. Humboldt, Vue des Cordil- 
léres; Ringsborough, Antiquities of Mexico 
(Qond. 1831—48); Stephens, Incidents of travel 
in Central America, Chiapas and Yucatan (New 
Port 1841); Derjelbe, Incidents of travel in Yucatan 
(daj. 1843); Strebel, Ultmerifo (Hamb. 1885—89); 
Seler, Wandmalereien von Witla (Berl. 1895); 
Maudstay, Biologia Centrali- Americana. Ar- 
chaeology (Lond. 1889—1901); Holmes, Archaeo- 
logical studies among the ancient cities of Mexico 
(Ebicago 1895); Squier, Nicaragua (New Yor 
1852); Bovallius, Nicaraguan antiquities(Stodb. 
1886); Holmes, Ancient art of the Province of 
Chiriqui (6. Ann. Report, Bureau Ethnol., Waſhingt. 
1888); Squier, Peru (deutſch, Leipz. 1883); Reif 
und Stiibel, Das Totenfeld von Yncon in Peru 
(Berl. 1880 —87); Reif, Stiibel wu. Roppel, Rul- 
turund Induſtrie fiidamerifanijder Bolfer (Daj. 1890); 
Stübel u. Uhle, Die Ruinenjtitte von Tiahuanaco 
im Hodlande des alten Peru (Brest. 1893); Otis T. 
Mafon, The Latimer Collection ofantiquities from 
Portorico (Smithson. Reports, 1876); Derfelbe, The 
Guesde Collection of antiquities in Point à Pitre, 
Guadeloupe, West Indies (cbenda, 1884). 

UAmerifanijde Literatur, |. Nordamerifanifde 
Literatur. 


—— Orgeln, ſ. Harmonium. 
Amerikaniſ das Gelbfieber. 
Amerikaniſche Raſſe, ſ. Amerilaniſche Balter. 


Amerifanijded Duell, übereinkonimen zwiſchen 
zwei Verſonen, daß derjenige ſich ſelbſt innerhalb eines 
beſtimmten Zeitraums das Leben nehmen muß, den 
das Los trifft. Daher wird das amerilaniſche Duell 
auch vielfach Lebenslotterie genannt. Da dem ame— 
rifanijden Duell das Merkmal des Kampfes fehlt, 
jo tit Die Bezeichnung Duell ri pre aba wie aud 
die Beſtimmungen des Strafgeſetzbuches fiber den 
3weifampf (§ 201 mit 210) auf dasjelbe feine An— 
wendung finden. Dieſes Wiirfelfpiel ums Leben ijt 
vielmehr zur Beit, fo bedauerlich dies auch ijt, da alle 
ftrafrechtlichen Geſichtspunkte veriagen, fiir beide Teile 
itraflos. Bgl. Berger, Das fogen. amerifanifde 
Duell und die Schlägermenſur (Letps. 1892). 

Amerifanijdes Griin, ſ. — 

Amerikaniſche Sprachen. Die Verſuche, dic 
zahlreichen und cigentiimlid) entwidelten Spradyen 
der Ureinwohner Umerifas als Töchter einer einzigen 
Grundſprache zu erweiſen, haben fein ſicheres Reſul— 
tat ergeben. Doch findet ſich die Aufnahme des Ob 
ſekts in Den Körper des Verbums in den meiſten ame— 


ritaniſchen Sprachen, weshalb fie aud als polyſynthe⸗ 


tiſche oder inlorporierende (einverleibende) Sprachen 
be zeichnet werden. Außer dem Objeft werden häufig 
aud Zuſätze zu demſelben und adverbiale Beſtim— 
mungen jeder Art mit dem Verbum verſchmolzen, das 
der herrſchende Redeteil ijt. Anſtatt der dekadiſchen 
ſindet fic) häufig die vigeſimale Zählmethode, beſon 
ders in Mexilo, Mittelamerifa und dem öſtlichen Süd 


amerifa. Wad) den bisherigen Forfdungen fonnen | 
folgende Spradjen- und Dialeftqruppen unterfdieden | 


werden: 1) in Nordamerika die Spraden der Vitha 
basfen- und Ninaiftdnume, der Ulgonfin, der Jrofefen, 
ter Dalota, der Ticherofejen, der Appalachen (Krif, 


— Amerifanijdhe Völker. 435 


Hitſchiti und Tſchachta oder Choctaw), der Koloſchen, 
der Tifaili- Selif, der Sabaptin-Walawala, der 
Tſchinuk, die Mutfun- und die Nahuatlſprache in 
Merxifo, die fonorifden Spradjen in Gonora und 
is bie Sprachen der Otomi, Tarasfen, Matla- 
finfen, WMirtefen, Zapotefen und Tidapanefen in 
Merxifo; 2) in Mittelamerifa die Spraden der Mos- 
fito und Bribri, die Mayafpraden und die nad Siid- 
amerifa tibergreifenden Sprachen der Rariben und 
Urowafen ; 3) in Siidamerifa dic Spradjen der Moro, 
Baure und Maipure, der Köggaba, der Muisla, der 
Vaeze, der Yaruro und Betoi, der Tſchimu, die Inla— 
ſprache (Ketſchua) nebſt dem Aymara, die weitverbrei- 
teten Dialefte der Guarani, die Kiririſprache und dic 
Spraden der Tiditito, der Lule, der Abiponen, der 
Botofuden, Colorado, Molutide und Feuerliinder. 
Die reinjte und reidjte Entwidelung des polyfynthe- 
tijden Typus ye en das Nahuatl, die athabasfijden, 
irofefifden un Tioontinioceden und das Guarani, 
während das Otonn, Mutfun und Bribri fehr formen: 
arm find und das Ketſchua als cine agglutinierende 
Sprache bezeichnet werden fann. Yn betreff der Bah- 
lenbezeichnung ſteht am tiefſten das Tidifito, das gar 
feine Bablenausdriice außer fiir die riffe seins, 
einige, viele« —* Die Dialefte der Eskimo oder 
Innuit im hohen Norden Umerifas find trotz der un- 
eheuern Entjernung nabe mit den Dialeften der Es— 
ino in Grinland verwandt und bilden cinen Sprad)- 
ſtamm für fid). Bal. die »>Spradentartes nebjt Tert- 
blatt; de la Vinaza, Bibliografia espaiiola de 
lenguas indigenas de América (Madr. 1892); Fr. 
Miller, Grundrif der Spracdwijjenidaft, Bd. 2und 
4 (Wien 1882 u. 1888); G. v. d. Gabeleng, Dic 
Sprachwiſſenſchaft (2. Aufl., Leipz. 1900). Zahlreiche 
ältere Grammatifen von amerilaniſchen Spraden bat 
Sul. Blagmann in den lesten Jahrzehnten new 
| herausgegeben. 
| UAmerifanifde Völker (hierzu Tafel ⸗Ameri— 
kaniſche Bolter I und Ie, mit Erflarungsblatt). Dic 
Ureinwohner Umerifas, die jest nur den 14. Teil der 
Geſamtbevöllerung ausmaden, qebdren einer Rafje, 
der amerifanijden, an und jerfallen in die lings der 
Polarküſte wohnenden Estimo (7. d.) und in die Qn 
| Dianer (f. d.), Die in einer großen * verſchieden⸗ 
ſprachiger Völker über den ganzen Erdteil verbreitet 
ſind. ber die Herkunft der amerilaniſchen Boller ijt 
viel gejtritten worden. Wegen mehrfacher Uberein: 
ſtimmungen der phyſiſchen Merkmale mit denen der 
mongoliſchen Raſſe bat man fie aus China oder Japan, 
aber aud) wegen ähnlicher Kulturentwickelung aus 
Polynefjien einwandern laffen. Wahrideinticher tit dic 
Annahme einer nordijden Herfunft, fei es von Wien 
her fiber Die Beringſtraße oder eine ehematiqe Land 
verbindung im Zug der Aleuten, oder von Ojten her 
liber cine Vandbriide, die zur Eiszeit Europa mit 
Grönland verbunden haben foll. Aber die alte und 
jelbjtindige Kultur dev amerifanifden Voller, ihre bet 
aller Verſchiedenheit nad demifelben Grundplan der 
Einverleibung gebauten Spraden (f. Amerilaniſche 
Spraden), endlid) der Nachweis, daß Amerila bereits 
zur Diluvialzeit bewohnt geweſen tit, zwingen uns, 
den Seitpuntt ciner foldyen Einwanderung weit in die 
Urzeit Des Menſchengeſchlechts juriidyuverjegen. Un— 
ter Berüchſichtigung der geographiſchen Verbreitung 
und der ſprachlichen Verwandtidaft laſſen ſich folgende 
Hauptgruppen der amerilaniſchen Boller aufftellen: 
die Eskimo (Tafel 1, Fig. 3 und 4) von Grin- 
land, dem Arktiſchen Archipel und der Nordküſte Nord- 
amerifas von Vabrador bis Alaska. Ein Zweig der- 
oS * 








436 


felben find die Uléuten (Tafel I, Fig. 1) auf den 

leidmamigen Inſeln. 2) Die indiantiden Jägervöl⸗ 
er in Kanada und den Vereinigten Staaten, zu denen 
die Athabasken oder Tinneh, die Ulgontin, 
Srofefen,. Tidofta-Musfogi, Natchez, Pani, 
Dafota oder Stour und Kiowa gehören (Tafel J, 
Fig. 6—8 u. 12—15). 3) Die in zahlreiche Sprad- 
ſtämme jerfplitterten Bewohner der Nordweſtküſte und 
Ralijorniens, die Tlinfit, Haida, Seliſch, Sa— 
haptin oder Nex percés, jerner die Yuma und 
bie Puebloſtämme in Arizona und Rew Merico (Ta- 
fel I, Fig. 2, 5. 16). 4) Die gentrale Gruppe, die In— 
dianervdlfer Mexilos und Rentralamerifas. Hierher 
ehört der uto-aztekiſche Sprachſtamm, der mit 
acti Verzweigungen fic) von den Ujern des Colum- 
biajlujjes bis jur Landenge von Panama ausdebnt. 
Seine nördlichſten Glicder, die Ute, Schofdonen 
und Romantiden, bilden den Schoſchonenzweig 
(Tafel 1. Fig. 9—11), gum fonorijdyen Zweige ge- 
hören die Bima im mexikaniſchen Staat Sonora und 
am Gilafluß in Arizona, während der Nahuatlsweig 
das Rulturvolf der Azteken begreijt. Ferner ge- 
hören zur zentralen Gruppe die merifanijden Völter 
der Otomi, Tarasco, Totonaco, Zapoteten, 
Wirtefen, Chinantefen und Chapanefen, dic 
Maya in Yucatan, die Choles und Chinca in 
Guatemala, die Chicaque, Paya, Mosquito in 
Honduras, die ChHontal, Ulva, Rama und Man— 
gun in Ricaragqua (Tajel I, Fig. 17). 

In Südamerila laſſen fic) gleichfalls vier Gruppen 
unterſcheiden. 1) Die Undesvolfer, zu denen die Kul- 
turvodlfer der Tſchibtſcha in Nolumbien und der 
Ketſchua und Aymara in Peru und Bolivia ge- 
hören. Dazu fommen die Buquina, Yunca, Uta- 
camenog und —— in Peru und die Urau- 
fanen in Chile (Tafel IL, Fig. 8—10, 15). 2) Die 
Indianervöller im Gebiete des Amazonenſtroms. Zwei 
große Sprachfamilien find bier verbreitet, die Der Ka— 
riben und die der Arowaken oder Maipure. 
Andre Sprachgruppen bilden die Miran ha am obern 
Rio Negro und Japura, die Tifuna am Rio Napo 


und die Bano am obern Ucayali (Tafel II, Fig. 1, | 


5, 6, 7, 12). 8) Die Jndianervilfer des Hitliden und 
jentralen Grafilien. Su ihnen gebdren die Tapuya 
oder Gesvölker mitdenCayayo und Botofuden, 
ferner Die Raraya, Trumai und Vororo, endlid 
die Tu pi-Guarani (Tafel I, Fig. 2—4). 4) Die 
PFampasvdlfer und Feuerländer. Die weiten Ebenen 
des Gran Chaco bewohnen die Guay furu, ju denen 
aud) Die ausgejtorbenen Ubiponen gehirten. Die 
Pehueltiden oder Puelches am Rigro Negro 
find cin Miſchvolk zwiſchen Araulanern und Bampas- 
vilfern. Die Patagonier oder Tehueltiden und 
die Feucrlinder nehmen die Südſpitze des Ronti- 
nents ein (Tafel IL, Fig. 11, 13, 14, 16). Die Beriih- 
rung mit den Europäern iſt befonders den nomadi- 
ſchen Jägervöllern Nordamerifas verderblich gewor- 
den. Weniger nachteilig ijt die europäiſche Einwan— 
derung für die Urbevölkerung Mittel- und Südame— 
rifas geweſen. Hier bilden nod) vielfach, wie in Me— 
rifo, JJ Ecuador und Bolivia, die in— 


dianiſchen Ureinwohner den zahlreichſten Bejtandteil | 


der Bevblferung. Die Zahl der geſamten Urbevdlte- 
rung Amerilas sur Yeit der ſpaniſchen Einwanderung 
ſchätzt man auf 100 Dull. ; jetzt dürſten davon wenig 
mehr als 10 Mill. übrig fein. Dazu fommmt nod eine 
große Bahl von Miſchlingen zwiſchen Europäern und 
Indianern (Meſtizen) und Negern und Indianern 
(ambos). Bgl. Literatur bei⸗Amerila⸗, S. 431. 


Amerifanismen — Amerling. 


Amerikanismen, Cigentiimlidfeiten und Modi- 
fifationen der englifden Sprache m Amerila, bejieben 
ihrem Weſen nad 1) in der Aufnahme altenglifder 
Urdaiomen, 2) in der verdinderten Bedeutung alt 
engliſcher Ausdrücke, 3) in der Unwendung derſelben 
in der Originalbedeutung, die in England verloren 
gegangen ut, 4) in der Aufnahme altenglijder Pro- 
vinzialismen, 5) in der Bildung neuer Worter, um 
landeseigentiimlide Brodufte und Verhaltnijje ju be- 
zeichnen. 6) im der Aufnahme fremder Yusdriide, be- 
——— folder aus dem Franzöſiſchen, Spantſchen 
und Holländiſchen, 7) in der Aufnahme indianiſcher 
Worter. 8) in der Aufnahme von Negerausdrücken, 
9) in Cigentiinlicdferten der Ausſprache und 10) in 
ECigentiimlicferten der Rechtſchreibung. Die beiden 
legtern jind der Sahl nad am ſchwächſten vertreten. 
Die näſelnde Uusfprade, die den Neuenglander ju 
charalteriſieren pflegte, ijt felbit in den neuenglifden 
Staaten nidt fo häufig, wie allgemem angenonumen 
wird, wobl aber lajjen fic) Meine Unterſchiede in der 
Breite der Bofale bemerfen, weldje die Bewobhner der 
einjclnen Landesteile fenngeidnen. Viele ju A. ge 
redynete Uusdriide find amerilaniſche Provinzialis⸗ 
men und gebdren gu den Dialeften der öſtlichen, fiid- 
lichen, weſtlichen und Bacificitaaten, neben denen 
einige Autoritãten nod) einen befondern engl.jdj-deut- 
iden, d. h. pennfylvanifden, anfiibren. Die im ge- 
wöhnlichen Spradgebraud) häufigen Ubtiirjungen 
werden jum »slang« gezählt; ebenjo vicle ephemere 
Reubildungen, die von der Tagesprefje und den Hu- 
morijten in Umlauf gejegt werden. Die neuern ame- 
ritaniſchen Philologen weiden in der Erflirung und 
Cinteilung der W. bedeutend von ihren Borgingern 
ab und find geneigt, die Saul derſelben fehr ju be- 
ſchränlen. Bgl. Köhler, Worterbud) der W. (Leip; 
1866); De Bere, Americanisms (Lond. 1872); 
Bartlett, Dictionary of Americanisms (5. YlufL, 
Boſt. 1884); Tenner, Deutid-amertfanijdes Bade- 
mefum (2. Uufl., Berl. 1886); Matthews, Ameri- 
_canisms and Briticisms (New Vort 1892); Far— 
| mer, Americanisms old and new (Lond. 1894). 
Amerifanijt, ein Gelehrter, der auf die einhei⸗ 
miſche Kultur Amerilas, insbef. zur Zeit vor der Ent- 
deckung dieſes Erdteils bezügliche Studien treibt. Die 
Forſchungen dicfer Urt haben ihren Mittelpuntt in 
den internationalen YWmerifanijtenfongreffen gefun— 
den, Die feit 1875 alle zwei Jahre in verjdicdenen 
Städten (jortan abwedjelnd in der Witen und Neuen 
Welt) tagen. {amerifanijde Indianer. 

Amerind, gebriudlide Zujammenjiehung fiir 

Umerling, Friedrid, Waler, ged. 14. April 
1803 in Wien, geft. dafelbjt 14. Jan. 1887, beſuchte 
zuerſt Die Wiener Ulademie, unternahm dann cine 
Reife nad) London und Paris, wo er die Werke von 
Lawrence und Vernet ftudierte, und fehrte iiber Wiin- 
chen, wo er fid) Stieler gam Wujter nabm, nad 
Wien zurück. Durd eine Dido auf dem Sdeiterhaufen 
und einen Moſes in der Wiijte erwarb er fic die 
erjten Breife der Ufademie. 1831 ging er nad Nom, 
von wo thn fdon im folgenden Jahr der Auftrag 
Naiſer Franz' L, fein Bildnis im Krönungsornat ju 
malen, nad Wien zurückrief. A. volljog den Auftrag 
mit Glück und ward dadurd) gu einem Der beliebtejten 

Bildnismaler der vornehmen Kreife, weldhen Ruf er 
| bis in Die 5Oer Jahre des 19. Jahrh. behauptete. 
Amerlings Portrate, deren Zahl egen 1000 betrigt, 
zeichnen ſich durch vornehme Auffaſſung und glin- 
mt Rolorit aus, leiden aber biswetlen unter Dem 

tangel an energifder Charalterijtif und geiſtiger 











Amersfoort 


Vertiefung. 1902 wurde ihm im Wiener Stadtpart 
ein Denfual von J. Benk erridjtet. Val. Frankl, 
Friedrich v. A. (mit Liigow, Wien 1889). 

Amersfoort, Stadt in der niederlind. Provinz 
Utrecht, an der Cem, Rnotenpunft an der Cifenbahn 
Utrecht-Kampen, hat 3 protejtantifde umd 2 fath. 
Kirchen (darunter die ſchöne Liebfrauenlirche mit 94 m 
hobem Turm), altfath. Seminar, hihere Bürgerſchule, 
Tabaf- und Bawnwolljabrifation, lebbajten Tran- 
fithandel und coo) 19,089 Einw. (darunter etwa 
7000 Natholifen). YW. ijt Geburtsort von Oldenbarne- 
veldt (f. d.). Bwifden A. und Utrecht erheben fic) die 
UWmersfoorter Berge, eine 7 km lange Reihe von 
Sandhügeln, wahrſcheinlich Uberrejte einer ehemali- 
gen Dunentette. 

Amesbury (pr. emsbird, Fleclen im nordamerifan. 
Staat Wajjadpufetts, Gratfdajt Eſſex, am Merrimack 
und Der Bojton-Maine- Bahn, mit Woll-, Hut- und 
Wagenjabrifen und (1900) 9473 Cin. 

Umefhatpenta, ipdterUmidat pands ,„die Un— 
ſterblichen, Heiligen⸗, in der von Zoroaſter geſtifteten 
Religion, der die Parſen noch jetzt anhangen, der 
Mame der guten Geiſter. Es gibt ſechs oder ſieben A., 
je nadjdem Ormuzd, der höchſte Gott, gu ihnen ge 
redjnet wird oder nidt. In der Regel erſcheinen die 
feds YW. von ihm geſchaffen und als feine oberſten 
Minijter und Diener. Wis Hauptern der quten Geijter 
jtehen ihnen cine Anzahl entipredender bijer Genien 

egeniiver. Das Haupt diefer ijt Ahriman (ſ. d.). 
3 1. 3. Darmejteter, Haurvatét et Ameretit 
(har. 1875); Spiegel, Eraniſche Altertumskunde, 
Bd. 2 (Leip3. 1873). 

Ameſit, Mineral der Chloritgruppe, ſ. Chlorit. 

a meta (ital.), sur Hälfte, Daber a meta-Gejchijte 
folche Geſchäſte, Die Don zwei Berfonen auf gemein- 
ſchaftliche Rechnung und Gefabr (conto a meta oder 
contometa, auf halbe Rechnung) betriebern werden. 

Ametabdola, Snjeften mit unvollfommener Me— 
tamorphoje. 

Amethuijſt, Mineral (ſ. Tafel ⸗Edelſteine⸗, Fig. 4), 
Varietät des Quarzes, findet ſich meijt in kurzgedrun⸗ 
genen, fipend ausgebildeten Rrijtallen, ausgezeichnet 
durch violette, pflaumenblaue, aud nelfenbraune 
Farbe, zuweilen mit jtreifigen oder fejtungsartigen 
Zeichnungen, durdhjidtig oder durdhideinend, wird 
durd) Glithen gelb (jogen. Citrin), aud grin, dann 
farblos. Hauptfundorte find Oberjtein (hier häufig 
in ip neg ook Rothenfopf im Zillertal und Murs 
finff (auf naraadingen), Schemnitz in Ungarn und 
@uanaruato in Merifo (auf Erzgängen). Ceylon und 
Brafilien (Geſchiebe). Schön violett gejarbt ijt der A. 
von Ceylon und Brajilien, aud) von Schemnitz, febr 
blaß dagegen der Haaramethy jt (mit diinnen Blatt: 
den von Eiſenglimmer oder nadelformigen Krijtallen 
andrer Mmeralien) von Botanybai in Neuholland. 
U. ijt ein beliebter Schmuckſtein (Otzidentaliſcher 
U.); im Wltertum wurde er als Amulett getragen (als 
Mittel gegen den Rauſch, daher der griechiſche Name 
améthystos, »Zrunfenbheit verhiitend«). Seitdem 
Brafilien (Bahia) große Waffen liefert, ijt er ſehr im 
Preis gejunfen. Durd Glühen umgefärbte oder ent- 
farbte Anmethyſte dienen alg Surrogat von Diaman- 
ten, YWquamarinen und Topajen. Drientalifder 
UW. (A. Sapphir, violetter Rubin) ijt veilden- 
blauer Rorund von Virma und Ceylon. 

Umetrie (qried).), Mangel an Symmetric oder 
Ebenmaß. 

Ametropie (griech.), Abweichung von der nor⸗ 
malen Brechkraft eines Auges, fo daß entfernte Ob- 


437 


jefte bei Altommodationsruhe nur in undeutlichen Zer⸗ 
ſtreuungsbildern geſehen werden, Gegenſatz zu Em⸗ 
metropie (f. d.). 
Amenblement (franj., fpr. amdbbl'mang), die Gee 
ſanitheit der gu einer Zimmereinrichtung gehörigen 
Mibbel, de8 Hausrats. S.Wtdbel u.Zimmerausitattung. 
Amfortas (Anfortas), König de3 Grals, war, 
durch einen vergifteten Speer ſchwer verwundet, zu 
jammervollen Leiden verdammt, bis ihn dic mitleidige 
Brage Parzivals erldjte. Vql. Wolfram von Eſchenbach. 
mbara (j. Karte »Aqypten ꝛc.«), der mittlere 
Teil Abeſſiniens, rings um den Tanafee mit der Haupt- 
ſtadt Gondar, umfaßt die Landſchaften Semién, Dem— 
bea, Begemeder, Wag, Lajta, Kuara, Matſcha und 
Godidam. Die Bewohner, die A., haben auc) Schoa 
im Bejig und fprechen einen dem Athiopiſchen ver- 
wandten fentitijden Dialeft (jf. Amhariſche Sprade), 
Der immer weitere Verbreitung gewinnt. Rad) dem 
Berfall des alten abeſſiniſchen Königreichs warf fid 
1833 Ras Ali zum Herrſcher auf und reſidierte in 
Wondar, bis er 1853 durch jeinen Schwiegerſohn Rajat 
(Theodor) geſtürzt wurde. Bis 1867 bildete A. dann 
unter Theodor wieder einen Teil des abeſſiniſchen 
Reiches. Nad dejfen Tod (14. April 1868) bemäch— 
tigte fic) Gobefié von Lajta und Godſcham Amharas, 
big er 14. Juli 1871 durch Rajai von Tigré gp nas 
nes) geiangen genommen wurde. Jest bildet A. einen 
Teil des geeinigten Ubejfinien. 

Ambarifhe Sprache (Umbareiia), das den 
Einwohnern von Amhara (j.d.) eigentümliche Idiom, 
die wichtigſte der lebenden Sprachen Abeſſiniens und 
ugleich nach dem Arabiſchen die verbreitetſte ſemitiſche 
Sprache der Gegenwart, verdrängte im Mittelalter 
die früher dort herrſchende äthiopiſche Sprache (Geez), 
die ſich jedody al Kirchenſprache nod) erhalten bat. 
Die a. S. ijt jtarf mit Cindringlingen aus den be- 
nadbarten afrifanifden Spraden vermiſcht und ſelbſt 
in der Syntax dem urjpriinglicjen jemitijden Typus 


— Amherſt. 


entfremdet. Die Schrift iſt die um einige Zeichen 
vermehrte äthiopiſche. Cine Grammatik und ein Wor- 
terbuch lieferte Ludolf (1698), cin wertvolles ausfiihr- 
lidjes Handbud) Prätornus (»Die a. S.«, Halle 1878 
u. 1879, 2 Hefte), ein andres Mondon - Vidailhet 
Par. 1891), ein »Dictionnaire amarinna-frangais« 
. D'Ubbadie (Daj. 1881), eine »Grammatica ele- 
mentare della lingua amariiia« J. Guidi Rom 1889). 
Amberit (ipc.dmmich), 1) fleine Miijtenjtadt in Bri- 
tiſch⸗ Birma, 50 km ſüdlich von Waulmein, dem es 
als Gefundheits- und Lotjenjtation dient. Als 1827 
die Provinghauptitadt nad) Maulmein verlegt wurde, 
jant die Einwohnerzahl von 20,000 auf (son) 3135. 
— 2) Flecen im nordamerifan. Sraat Maſſachuſetts, 
Grafſchaft Hampſhire, auf maleriſcher Höhe am Con- 
necticut, nuit dent berühmten A.College (1821 ge— 
qriindet), Stermwarte, Bibliothef, Naturalienjamnr 
lung, Landwirtidajtsjdhule und (900) 5028 Cinw. — 
3) Hauptort der Grafſchaft Cumberland in Neujdhott- 
land (Kanada), an dem Nordojtarm der Chignecto- 
bai (der Cumberlandbai), auf der Landenge zwiſchen 
Neuſchottland und Neubraunſchweig, an der Eiſen— 
babn Quebec -Halifar, mit ge.) 3781 Einw. 

Amberft (jr. dmmsra), 1) Jeffrey, Lord, engl. 
Feldmarfdall, qeb. 29. Jan. 1717, gejt. 3. Aug. 1797, 
trat mit 14 Jahren in die YUrmee und wurde 1758 
Weneralmajor. Im qleiden Jahr übernahm er cin 
Rommando im britifden Nordamerifa und vollendete 
1760 mit den Generalen Wolfe und Prideaur die Er- 
oberung von Franjojijcdh-RNanada. Nach dent Frieden 
wurde er 1763 Gouverneur von Virginia und 1770 


438 


Gouverneur der Inſel Guernjey. Er wurde 1776 
gunn Beer erhoben, 1778 jum General befordert, war 
1778-95 Dberbefehishaber der britiſchen Urmee und 
wurde 1796 jum Feldmarſchall ernannt. 

2) Billiam Pitt, Graf, brit. Staat8mann, 





Ami — Amidophenole. 


Erlang. 1882), etnem altfranzöſiſchen roman d'aven- 
ture aus dem Anfang des 13. Jahrh. (brsq. von Köl⸗ 
bing, Heilbr. 1884), veridiedenen franzöſiſchen Proſa⸗ 
terten aus dem 13. und 14. Jahrh., dramatiſch beban- 
delt in einem franzöſiſchen miracle, in Dem deutſchen 


Neffe des vorigen, geb. 14. Jan. 1773, gejt. 13. Mar; Gedicht »Engelbart und Engeltrut« von Konrad vor 
1857, wurde 1816 ald auferordentlider Gejandter | Würzburg, veridiedenen deutiden Erojaterten aus 
nad China gefandt, erhielt nad vielen Schwierigleiten dem 14. und 15. Jahrh., einer mittelengliiden Ro— 
bie Erlaubnis, fid) in Pefing dem Kaiſer vorjujtellen, | manje von etwa 1300 (hrsg. von Kölbing. Hetlbr. 
erfiillte aber die vorgeidriebenen Zeremonien nidt | 1884), einer altnordijden Proſaſaga und einer alt- 
und mußte unverridteter Sache Das Land verlajjen. | nordijden Reimdidtung (Hrsg. von Kölbing, Daf), 
Wis Generalqouverncur von Ojtindien (1823 — 28) | einer feltijden Faffung in dem fogen. Roten Bude 
führte er cinen gliidlidjen Srieg gegen die Birmanen | von Hergejt. Bgl. Kölbing im den »Beitragen zur 


und erbielt 1826 die Würde emes Grafen. 


Bal. Geſchichte der deutſchen Sprache und Literatur«, Bd. 4 


Ritdie, Earl A. (in der Sammlung »Raulers of | (Halle 1877). 


India«, Yond. 1894). 
Ami (fran}.), Freund; Amie, Freundin. 
Amiaden, Familie der Fide, ſ. Amien. 
Amidut, Vineral, ſ. Aſbeſt. 
Amiata, Monte, vulfanijder Berggipfel im 
to3tanifdjen Subapennin, 1734 m hod. 

Amici vc. amitign, Giovanni Battijta, Aſtro— 
nom und Optifer, geb. 25. März 1786 in Modena, 
eit. 10. Upril 1863 in Florenz, war Profefjor der 
athematit in Modena, fpater Direftor der Stern- 
warte in Florenz. Er ijt der Beqritnder der moder⸗ 
nen Wifroffopoptif, er erfand die mehraliederigen 


DObjettiviyitemte mit großem —— *— die Im⸗ 


wmerſionsſyſteme, baute Spiegelteleſtope, einen Pola- 
riſationsapparat, eine Vorrichtung zur Meſſung der 
Lichtſtärle aſtronomiſcher Objefte xc. und ſchlug 1822 
bie Erſetzung der Spiegel der Spiegelfreije Durd Pris- 
men vor. 

Amicis, Edmondo de, ſ. De Umicis. 

Amiciften, Studentenorden, ſ. Mofellaner. 

Amicitia (lat.), }reund{daft. Amicitiae causa, 
aus Freundſchaft. 

Amictus (lat.), Gewand; befonders das vieredige, 
weifleinene Tudh, dad der Priejter feit dem 8. Jahrb. 


Amida (>cwiges Leben«), eine aus dem Sansfrit 
iibernommene japanifde Bezeichnung des Buddha. 

Amida, Stadt, ſ. Diarbefr. 

MAmide(Saureamide), dem. Verbindungen, die 
man alg Ammoniak NH, betradten fann, in dem 
Wajjeritoffatome durch Säureradilale erjetst find: 


CH,CO.NH,  (CH,CO),NH = (CH,CO),N 
Acetamid, Diacetamid, Triacetamib, 
primdres Amid ſekundares Amid tertiares Arid. 


Acetamid leitet ſich ab von der Eſſigſäure C,H,O.OH, 
in der die Hydroxylgruppe OH durch Amid NH, er- 
ſetzt iſt. A. entſtehen beim Erhitzen der Ammonialk- 
ſalze von fetter Säuren (eſſigſaures Ammoniak 
CH.CO.NH, gibt CH,CO,NH,), durd) Einwirkung 
von Unumoniaf auf Ejter, Säurehaloide oder Säure⸗ 
anhydride, Durd) Wddition von Waſſer zu den Siure- 
nitrilen. Die primdren VW. find meijt frijtallijierbar, 
die mit niedrigem Molekulargewicht lajjen fic) dejtil- 
lieren, fie verhalten fic) wie ſchwache Baſen und gleich⸗ 
zeitig wie ſchwache Säuren und jerfallen beim Kochen 
mit Säuren oder Ulfalien in die betreffenden Säu- 
ren und Ummonial. Die fefundaren VU. haben feine 
bajifdjen Eigenſchaften mehr, und die tertidren ver- 
halten fid) wie Säureanhydride. Werden in zweibaſi⸗ 


zur Selebration des Hochamtes über Naden und Sdut- ſchen Säuren beide Hydroxylgruppen durd) NH, er- 





ter trug und vorn auf der Bruſt mit Schnüren zu— 
Amicu, See, ſ. Amucu. [fammenband. 


Amicus (lat.), Freund. A. Plato, magis amica 


veritas: »Teuer ijt mir Blaton, teurer die Wahrheit, 


Überſetzung eines griechiſchen, auf einer Platonijtelle | 
beruhenden und eigentlich Sofrates nennenden Sprich⸗ 
worts. A. populi Romani, ⸗Freund des römiſchen 
Volfes«, Fliriten und ganzen Nationen beigelegter | 


Ehrentitel. A. Augusti, in der Kaiſerzeit Titel fiir die 
zum Empfang beim Raifer zugelaſſenen Perſonen, 
biter mit gewiffen hohen Amtern verfniipft. A. cn- | 


riae, im engliſchen Gerichtsverfahren ein — 


der, obſchon bei dem geführten VProjeß nicht beteiligt, 
ſreiwillig auf einen für die Sache wichtigen Umſtand 
aufmerfiant macht. 

Amicus und Amelins, cin berühmtes Freundes— 


fest, fo entſteht ein Amid, aus Kohlenſäure das Care 
bamid (Harnſtoff) CONH,), ; betrifft Ne Subititution 
aber nur eine Hydrorylgruppe, foentiteht cine Wmin- 
jaure, 3. B. die Carbaminfaiure CO.OH.NH,. 

Amidoazobenzol, ſ. Azobenzol. 

Amidobenzöl, ſ. Anilin. 

Amidoeſſigſäure, ſ. Glylokoll. 

Amidogene (pr. Hin), von Gemperle angegebe- 
nes Sprengpulver, beſteht aus Kalijalpeter, Holstoble, 
Kleie (oder Stirfe), Schwefel und Bitterſalz. 

Amidofapronfaure, |. Leucin. 

Amid’ol, ſ. Diamidophenole. 

Amidon , foviel wie Starfemehl. fom: 

Amidoorybensocfauremethylefter, ſ. Oribo- 

Amidophenole C,H,NO od. NH,.C,H,.OH ent- 
jteben durch Reduftion der Nitrophenole NO,.C,H,.OH 


paar der mittelalterlichen Sage. Sie treten in der auf- mit Zinn und Salzſäure, zerſetzen ſich leicht, befonders 
opjernditen Weife fiireinander cin, wobei ibnen ihre an feuchter Luft im Licht und bilden mit Säuren Salje. 
außerordentliche Ähnlichkeit zu qute fommt. Wmicus o-Amidophenol aus o-Nitrobenzol bildet Schup⸗ 
bejteht an Stelle des ſchuldigen Amelius einen qottes- pen, ijt in Wafer, leidter in Allohol und Ather 15a 
gerichtlichen Sweifampf, und Amelius heilt den ſpäter lich, ſchmilzt bet 170° und gibt mit falpetriger Saure 


ur Strafe fiir feinen Betrug audidipig gewordenen Diajsophenol. Der Methylather ijt das g-Aniſidin. 
mice 


8 durch das Blut feiner Kinder. Durd cin 
Wunder werden dieſe wieder lebendig. Der Urfprung 
der Sage ijt im Orient su fuchen. Sie liegt uns im 
WMittelalter unter andern in veridiedenen lateinifden | 
Profafaffungen vor, in den Bruchſtücken eines lateini- | 
{chen hexametriſchen Gedichts, in emer altfranzöſiſchen 
chanson de geste (hrsg. von K. Hofmann, 2. Aufl., 





m-Wmidophenol, aus m-Nitrobenjol, ijt febr leicht 
— ſchmilzt bei 122°, gibt mit ſalpetriger Säute 
Reforcin und dient wie feine Wifylderivate jur Dar- 
jtellung der Rhodaminfarbjtoffe. p-Wmidopbhe- 
nol, aus p-Ritrophenol, aud) aus Ritrobenjol ir 
jtarf ſchwefelſaurer Ldfung durd den eleftrifchen Stromt 
erhalten, bildet Blattdhen, ſchmilzt bei 184° unter Zer⸗ 


Amidoſäuren — Aemilia Via. 


ſetzung, fublimiert zum Teil unzerſetzt und gibt mit 
Chromſãure Chinon. 

Amidofauren (WUminofettfiuren, Alanine, 
Giyfofolle), organiſche Säuren, in denen ein Teil 
des nicht Durd Metall vertretbaren Waſſerſtoffes durd 
Die Amidogruppe NH, erſetzt iſt. Eſſigſäure CH,.COOH 
gibt Amidoeſſigſäure CH,.NH,.COOH. Mehrere A. 
finden ſich im Pflanzen⸗ und Tierkörper, für deren 
Lebensprozeß ſie von Bedeutung ſind. Sie entſtehen 
aus Eiweißlörpern durch Spaltung mit Salzſäure 
oder Barytwaſſer, aus Monohalogenfettſäuren beim 
Erhitzen mit Ammoniak x1. Sie find kriſtalliniſch, 
ſchmecken meijt ſüßlich, löſen fic) in Wafer, meijt aber 
nidt in Ulfohol und Äther. Sie bilden mit Metall- 
oxyden Metallfalye, mit Sauren Ammonialſalze und 
entwidein beim Roden mit Kalilauge kein Ammoniak. 

Amidoſubſtanzen, ſtichtoffhaltige Pflanzen— 
beſtandteile, die im Vegetationsprozeß aus Eiweißlör⸗ 
pern hervorgehen und wieder in fie zuriidvermandelt 
werden. Am verbreitetiten ijt das Ufparagin. Bei 
Unalyfen von Pflanzenteilen hat man ae den Ge- 
halt an Eiweißlörpern aus dem Stictitoffgehalt er- 
mittelt und fomit die A. (neben Nitraten und andern 
Slickſtoffverbindungen) als Eiweißlörper in Rechnung 
gebracht, während doch ihre Bedeutung für den Or⸗ 
ganismus eine ganz andre iſt. 

Amidotolusl, ſoviel wie Toluidin. 

Amidpulyer, Sprengſtoff aus Kali- und Am— 
moniaffalpeter mit Holztohle, verbrennt mit wenig 
Maud) und ijt von grofer Energie. 

Amiel (jor. amie, Henri Frédéric, frangzofifd- 
ſchweizer. Schriftiteller, geb. 27. Sept. 1821 in Genf, 
aus ciner Réfugiésfamilie, geſt. dafelbjt 11. Mai 
1881, jtudierte in Heidelberg und Berlin (1844—48) 
deutſche PHilofophie und wurde darauf Profeffor der 
Philofophie an der Genfer Alademie. Außer literar- 
hijtorifden Urbeiten verdffentlidjte er aud) poetiſche 
Berfuce: »Grains de mil« (1854), »Penseroso« 
(1858), »La part du réve« (1863), »L’escalade de 
1602« (1875), »Charles le Téméraire« (1876) und 
»Jour à jours (1880), deren Hauptitirfe in der phi⸗ 
loſophiſch⸗ tendenziöſen Farbung liegt. Er hat eine 
Anzahl befannter deutſcher Gedichte, 3. B. Freiliqraths 
eLdwenritt«, im gleiden Versmaß ins Franzöſiſche 
tiberfegt (»>Les Etrangéres<, 1876). Wuffehen erreg- 
ten Die Auszüge aus feinen Tagebiidern, die nad) 
feinem Tod unter dem Titel »Fragments d'un jour- 
nal intime< (1883, 2 Bde.; 8. Aufl. 1901) mit Ein— 
leitung von ©. Scherer —— wurden. Sein 
Weſen war mehr von deutſcher Art; in Frankreich iſt 
er nicht verſtanden und daher z. T. recht abfällig be— 
urteilt worden. Sein Leben beſchrieb die Genferin 
Berthe Vadier (Par. 1885). Val. Frommel, Es- 
quisses contemporaines (ar. 1892). 

Amien (Umiaden, Kahlhechte, Schlamm— 
fifde, Amiidae), Familie der Schmelzfiſche, mit lang- 
qeitredtem Rirper, verknöcherter Wirbelſäule, runden 
Schuppen, langer Rückenfloſſe und abgerundeter he- 
terozerler Schwanzfloſſe. Foſſile Gattungen finden 
ſich ſeit der Kreideformation, —— lebt nur 
nod der Schlammfiſch (Amia calva L.), 60 cm 
lang, in morajtigen Süßwäſſern Carolinas, der ſich 
von fleinen Tieren nährt und in der heipen Jahres— 
zeit im Schlamm vergräbt. 

Amiens jpr. amiéng), Hauptſtadt ded franz. Depart. 
Somme, an der ſchiffbaren, mehrfach geteilten Gomme, 
die hier die Celle aufninmmt, Knotenpunft der Nord- 
bahn, hat eine von Heinrid) IV. herrithrende Zitadelle 
und von hervorragenden Gebäuden eine 1220—88 


439 


erbaute Rathedrale mit zwei unvollendeten Tiirmen, 
pradtvoller Faſſade, hohem Schiff und ſchönen Chor- 
tiiblen, cin Meiſterſtück gotiſcher Baukunſt; ferner 
ind gu nennen das Stadthaus, wo 1802 der Friede 
(j. unten) geſchloſſen wurde, der Dujtizpalajt und das 
Mufeum. Die Zahl der Einwohner betrigt 01) 
81,633 (al8 Gemeinde 90,758). Bliibend ijt die Fabri- 
fation von Sdafwollen- und gemiſchten Geweben 
(jogen. Untiensartifel), Baunuwollenfamt und Tep- 
iden. Außerdem hat A. Baumwoll-, Flads- und 
GSeidenfpinnereien, Farbereien und Dructereien, Fa- 
brifen fiir Maſchinen, Chemifalien, Zucer x. und 
treibt anſehnlichen Handel mit Zucer, Wolke, Otjaat, 
Getreide, Gemiifen und Entenpajteten. YW. hat ein 
Lyzeum. Normalſchule, Vorbereitungsfdule fiir Me- 
dizin, Muſeum fiir Kunſt und Altertuümer, eine öffent⸗ 
liche Bibliothek von 60,000 Bänden, Alkademie der 
Wiſſenſchaften und Künſte und einen botaniſchen Gar- 
ten. Es ijt Sig des Generallommandos de3 2. Armee⸗ 
forp3, bes Prajeften, eines Biſchofs, eines Appellhofs 
und eines Handelsgerichts. — A. fommt fdon im Al⸗ 
tertum unter Dem Namen Samarobriva als Haupt: 
jtadt Der Um biani vor und war bereits vor Ankunft 
der Romer in Gallien cin mächtiger Ort. Das Gebiet, 
die ehemalige Graffdaft Umienois, war bis 1185 
Lehen der Biſchöfe von U.; 1436—77 gehörte es den 
Herzögen von Burgund. Viel genannt ijt Peter von 
A., Der erjte Kreuzzugsprediger. 1597 eroberten die 
Spanier A. verloren es aber trop heldenmiitiger Ver⸗ 
teidiqung bald wieder an Heinrid) IV. Hier wurde 
27. März 1802 der Friede von A. zwiſchen England 
und Frankreich unterzeichnet: England gab dte er- 
oberten ſpaniſchen und holländiſchen Rolonien bis auf 
die Jnfeln Ceylon und Trinidad wieder heraus, aud 
Frankreich erhielt feine Rolonien zuriid; die Republif 
der jieben Joniſchen Ynfeln ward anerfannt und Malta 
dem Dobhanniterorden juriidgegeben; die Franzoſen 
jollten Rom, Neapel und Elba räumen, dem akaoe 
Dranien ward Entſchädigung verheißen; der Pforte 
ward außer der Ynteqritat aufs neue der Befig von 
Vgypten und gudem das Schutzrecht über die ey 
ſchen Inſeln zugeſichert. Die Anmaßungen Napoleons 
führten aber ſchon 18. Mai 1803 den Wiederausbruch 
des Krieges herbei. Bei A. gewann General v. Man⸗ 
teuffel mit Dem 8. und 1. Korps 27. Nov. 1870 einen 
entideidenden Sieg iiber die 30,000 Mann jtarfe 
franzöſiſche Nordarmee. Tags darauf wurde vom 
General v. Goeben die Stadt beſetzt; am 380. Nov. er- 
gab fid) aud) die Bitadelle. Val. de Calonne, His- 
toire de la ville d'A. (Amiens 1898—99, 2 Bde.). 

Amiidae, ſ. Amien. 

Amiftogenéfis (griech.), einſeitige Entwidelung, 
bei der ein Lebeweſen nur dem einen ſeiner Eltern, 
nicht beiden nachartet. 

miliãnus, 1) Marcus Ämilius, rim. Kaiſer 
253 n. Chr., von Geburt ein Mauretanier, wurde, tm 
Kriegsdienſt in die Hdhe gefonumen, als Statthalter 
Möſiens von feinem Heer als Kaiſer ausgerufen, be- 
fiegte Die Raijer Gallus und Voluſianus bei Inte— 
ranma, wurde aber nad 4 Monaten auf die Nachricht 
von dem Heranriiden Valerian’ bei Spoleto von den 
Soldaten ermorbdet. — 2) Ciner der fogen. 30 Ty- 
rannen (Ufurpatoren) um 263 n. Chr. in Ägypten, 
wurde von Theodotus, dem Feldherrn des Kaiſers 
Gallienus, gefangen genommen und erdrojfelt. 

Aemilia Via, cine der widtigiten rim. Strafen, 
187 v. Chr. vom Konful M. Wmilius Lepidus im An⸗ 
ſchluß an die Via Flaminia zwiſchen Uriminum (Ri- 
mini) und Placentia (Piacenza) erbaut. Ihr Name 


440 


qing in der Beit der Flavier auf die von ihr Durd- 
zogene Landicaft Uiegt Emilia) fiber. 

Amilius Paullus, Lucius, rdm. Feldherr, fiel 
in feinem jwetten Ronfulat 216 bei Canna, nachdem 
er vergeblid) ſeinen ebegeisigen Kollegen, Terentwus 
Barro, von einer Schlacht juciidsubalten verſucht 
hatte. — Sein gleichnamiger Sohn ſchlug, zum zwei⸗ 
tenmal Konſul, den mafedonijden König Perfeus in 
der Schlacht bei Pydna (22. Juni 168) und bradte 
eine fo reidje Beute (6000 Talente) in den Staats- 
ſchatz, daß feitdem die direlte Beſteuerung der Bürger 
aufhörte. A. ſtarb 160. Sein Sohn Publius wurde 
von dem Sohne des Scipio Africanus adoptiert und 
nachmals als Scipio Ufricanus der jiingere berühmt. 
Seine Viographie von Plutarch ijt erhalten. 

Amimie (griech.), Unvermigen, fic) durd Mienen 
und Gebärden —— felteneres Symptom bei 

Aminbajfe, j. Vajen. Aphaſie (f. d.). 

——— foviel wie Anilin. 

Aminopurin, ſ. Wdenin. 

a minéri ad majus, j. a majori ad minus. 

Uminjaure, ſ. Amide. 

Amira, Karl von, Forſcher auf dem Gebiete der 
—— Rechtsgeſchichte, ged. 8. März 1848 in 

jdhaffenburg, jtudierte in Miinden, war dann kurze 
Beit im Juſtiz- und Verwaltungsdienſt tätig, habi— 
litierte ſich 1874 als Privatdozent fiir deutſche Redts- 
geſchichte und deutſches Privatrecht in Miinden und 
ward bereits im folgenden Jahr ordentlicher Profefſor 
in Freiburg i. Br. 1893 folgte er einem Ruf an die 
Univerjitat Minden. Außer verfdiedenen in Beit- 
ſchriften erſchienenen Abhandlungen rechtsgeſchicht⸗ 
lichen Inhalts ſchrieb er: »Das altnorwegiſche Voll: 
ſtreclungsverfahren⸗ (Münch. 1874); »Erbenfolge und 
Verwandtidhajtsgliederung nad den altniederdeut- 
ſchen Rechten« (daj. 1874); »Über Zweck und Mittel 
der germaniſchen Rechtsqefdidte« (daf. 1876); » Rord- 
qermanijdes Obligationenredht« (Leipz. 1882 — 95, 
Bd. 1 u. 2) fowie den Abſchniit »Redht« in H. Pauls 
»Grundriß der —— Philologie⸗ (aud als 
Sonderdrud, 2. Aufl. Strahb. 1897). Jn den ⸗Neu— 
drucken deutſcher Literaturwerfe des 16. u. 17. Jahr- 
hunderts« gab erheraus: » Das Endinger Judenſpiel « 
(Mr. 41, Dalle 1883). | 

Amiranten (Mdmiranten), oftafritan. Ynfel- 
gruppe zwiſchen 5 u.7° ſüdl. Br. ,83qkm groß, bejtebt | 
aus 11 niedrigen, bewaldeten, von Korallen umgebe- | 
nen Cilanden im SW. der Sefdellen. Sie wurden 
1814 von England befest, bilden cine Dependeny von 
Mauritius, find von etwa 100 franzöſiſch fpredyenden 
Miſchlingen (Negern und Weiken) bewohnt, liefern 
Nofosdl, Mais, Büffel, Schafe, insbeſ. aber Scild- 
friten und Fiſche; als Erfriſchungsſtation widtig. 

Amis (Pfaffe W.), ſ. Strider. 

Amifia, rm. Name der Ems (jf. d.). 

Amiſos, mileſ. Rolonie in Bontos, amt Schwar— 
zen Weer, in Perifleticher Zeit von Uthenern befiedelt 
und unter Dithridates Cupator neben Sinope defjen 
Reſidenz. Bon Lucullus 71 v. Chr. erobert, erlangte 
die Stadt durch Auguſtus nach der Schladht bei Uctium 
ihre Freiheit. Nuinen bei Samfun. 

Amitoſe, direfte Rernteilung im Gegenfape zur 
indireften (Mitofe); f. Belle. 

Umilabaum, j. Phyllanthus. 

Asm (web (jor. dmmiut), Hajenjtadt auf der Nordkilſte 
der Inſel Angleſey (Wales), mit avon 5306 Einw. 
(Gemeinde). Hier findet die Verſchiffung des aus dem 
4km entfernten Barysberg gewonnenen Kupfers ftatt. 











Amilius Paullus — Amme. 


Amman, Ruinenjftadt in Syrien, an der von Da- 
masfus nad Meffa fiihrenden Pilgerſtraße, im obern 
Wadi Berfa, das alte Rabbath-Ammon, ſpäter 
Philadelphia qenannt. Unter den Ruinen find be- 
jonders das pridtige Theater von 39 m Durchmeſſer 
und das Odeon bemerfenswert. Cine Säulenſtraße 
durchſchnitt den Ort. Auf dem Gipfel de3 nördlich dic 
Stadt itberragenden Berges liegen die Trümmer der 
Ufropolis mit einem gweiten Tempel. Die Zerſtörung 

eſchah hauptſächlich durch Erdbeben. Dest befindet 
eh in A. eine Tſcherkeſſenkolonie. 

Amman, 1) Joſt (Jodocus), Maler, Zeichner, 
Kupferätzer und Formſchneider, geb. 1539 in Zürich, 
geſt. 1591 in Nürnberg, wohin er 1560 zuerſt gefom- 
men war, und wo er 1577 feinen Dauernden Wohnſit 
nabm. €r bat zahlreiche Stamm-, pen-, Trad. 
ten⸗ und Bilderbiidher herausgegeben (Beifpiele dar- 
aus ſ. Tafel »Heraldif<, Fig. 9, und »Landstnedhte«, 
rig. 2). Seine Gejtalten haben eine eleqante Sdlant- 
heit, die aber etwas manieriert ijt. Neu F sgegeben 
wurden unter anderm durch G. Hirth in München 
fein ⸗Wappen⸗ und Stammbud)« (1881), das »Frauen- 
trachtenbuch⸗ und »Martenfpielbud)< (1880), »Ebe- 
brecherbriide de3 KAönigs Urtus« (1883), -Allegorie 
auf Den Handel« (1889), »Stinde und Handwerter<, 
mit Berjen von Hans Sachs (1896). Bgl. Beder, 
Jobſt WU. (Leip;. 1854). 

2) Johann Konrad, Aryt, grb. 1669 in Sdajj- 
hauſen, geft. 1724 auf feinem Gute Warmond bei 
Veiden, ftudierte in Bafel, lebte als Arzt und Taub⸗ 
jtummentehrer in Amſterdam und Haarlem. Bon 
jeinen Schriften: »Surdus loquens« (YUmiterd. 1692; 
dDeutich, Prenzl. 1747 u. Berl. 1828) und » Dissertatio 
de loquela« (Amſterd. 1700), ging der Begriinder der 
deutſchen oder Urtifulationsimethode fiir Taubjtumme, 
S. Heinide (jf. d.), aus. Val. Walther, Geſchichte 
des Taubjtummenbildungswejens (Bielef. 1882). 

Ammanati, Bartolommeo, ital. Urditeft und 
Bildhauer, geb. 18. Juni 1511 in Settiqnano, geſt. 
22. April 1592 in Floreny, war Sdiiler dinellis 
in Florenz und Sanſovinos in Venedig und einer der 
erſten Nachahmer Michelangelos. Schauplätze ſeiner 
Titigfeit waren Piſa, Padua, Rom und Florenz; 
feine Hauptwerfe find das Grabmal des Rardinals 
Monti in Rom, die Dreifaltigfeitsbriide in Florenz, 
der Neptumsbrunnen auf der Piazza della Signoria 
dafelbjt (1575), die Faffade des Römiſchen Kollegiums 
in Rom und der Palajt Giugni in Floreny. Den von 
Brunellesco beqonnenen Palazzo Pitti vollendete er 
durd) Ausführung der Hofardyteftur. 

Ammann, joviel wie Amtmann, in der Schweiz Be 
zeichnung für Vollziehungsbeamte verſchiedener Art; 
in mehreren Kantonen (Uri, Unterwalden, Schwyz 
Glarus, Zug, Solothurn, Appenzell. St. Gallen, Aar⸗ 
gau) das Haupt der vollsiehenden Gewalt, in ay 
zugleich Der Präſident der Landsgemeinde oder des 
Wrogen Rats. Jn mehreren Kantonen gibt es aud 
Bezirks-, Stadt- und Gemeindeanmminner. 

Amme (althodd. und altnord. amma, »Whutter, 
Mrojjmutter<), eine Frauensperjon, die, jelbjt Mut⸗ 
ter, fid) verdingt, um an ihrer Bruſt cin fremdes Sind 
gu nähren. Dre A. ijt fiir alle Fille, in denen die 
eigne Mutter aus dringenden Griinden verbindert 
ijt, Das Nährgeſchäft felbyt zu beforgen, der bejte Er- 
jab fiir Das Neugeborne. Da Rranfheiten von der A. 
auf das Rind fibertragen werden lönnen, fo liegt die 
Wahl ciner A. dem Arzte ob, der feſtzuſtellen hat, dak 
die U. frei von fonftitutionellen Leiden, Epilepfie, S 
philis, Unlage zu Schwindſucht fet. daß fie ferner 3 


Ammei — Ammeter. 


dem Ulfoholgenup oder geſchlechtlichen Ausſchweifun⸗ 

en ergeben fei. Nächſtdem kommt qute Befchaffen- 
Beit Der Briijte, der Bruſtwarzen und der Milch in 
Betradt. Wm bejten ijt es, wenn die A. jung und 
—— von mildem Charafter, liebevoll gegen ihren 
Pflegling iſt, und wenn ihr eignes Kind ungefähr 

lei lterig mit dieſem ijt. Bei eintretendem Monats⸗ 

uß oder Schwangerſchaft iſt Wechſeln der A. oder 
Entwöhnen des Kindes geraten. Das Auffinden taug⸗ 
licher Ammen wird in größern Städten durch Ammen- 
bureaus erleichtert, die jedoch nicht immer hinreichend 
zuverläſſig find. Vgl. Ammon, Die erſten Mtutter- 
pflichten (38. Aufl. Leipz. 1902). — Qn der Zoo— 
logie ein fic auf ungeſchlechtlichem Wege vermehren- 
des Tier, an oder in dem das Geſchlechtstier eniſteht 
(j. Gencrationswedjel). 

Ammei, ſ. Ammi. 

Ammeloe, Dorf im preuß. Regbez. Münſter, 
Kreis Ahaus, an der Berkel, hat eine kath. Kirche und 
(1900) 8713 Einw. 

Wmmenhaufen, Ronrad von, didaktijder deut- 
ſcher Dichter aus dem Thurgau, vollendete als Mind 
und Leutpriejter um 1337 fein ⸗»Schachzabelbuch«, 
eine allegoriſche Deutung de3 Schachſpiels, auf Grund 
des solacium ludi scacorum de3 Jacobus de Ceffolis 
(559. von Better, Frauenf. 1892). 

mmer, ſ. Spel;. 

Ammer, Vogel, ſ. Ammern. 

Ammer, linfer Nebenfluß der Iſar in Oberbavyern, 
entipringt am Kreuzſpitz auf der Tiroler Grenye, fließt 
erjt in öſtlicher Richtung durd) das Graswangtal, dann 
in nördlicher Richtung durd den Untmergau (im 
Mittelatter Um bergar) mit dem Dorf Oberammer- 
gau (j. d.). Bei Weilheinr verläßt der Fluß dad Ge- 

irge und geht durch cine mooſige Niederung gum 
Ammerſee, den er als Amper verlapt. Er nimmt 
linf3 die Maifad und Glon, rechts die Wiirm auf und 
ergießt fid) bei Iſareck in die Iſar. Die VW. ijt reißend 
und als Flößwaſſer fir Miindens Hol zbedarf widtig. 
Ihre Linge betrigt 180 km. Der Ummerfee it 
von N. nad S. 16 km lang und 2—6 km breit; er 
liegt 534 m it. M. fajt parallel mit feinem Nachbar, 
dem Starnberger See, und hat eine Tiefe bis 83 m. 
Unt fiddjtlicdhen Gejtade erhebt ſich der Kloſterberg 
Andechs (j. d.). Der See nimmt Zuflüſſe vom Worth- 
und Pilſen⸗ oder Seefelder See auf. Val. Stauber, 
Führer zum Ammerſee (Augsb. 1898). 

Ammeral, Schiffseimer aus Segeltuch. 

Ammerfink, die Lerchenammer, ſ. Spornammern. 

Ammergau, ſ. Ammer (Fluß). 

Ammergauer Alpen, ſ. Alpen 10 (S. 365). 

Ummerland (Ambria), alter deutſcher Gau im 
heutigen Gropherjogtum Oldenburg, zwiſchen Hunte 
und Jade. im Wiittelalter Graffcha 

Ammern, ſoviel wie Umarellen, ſ. Kirſchbaum. 

Ammern Emberizinae), Unterfamilie der Finken, 
Vögel mit kurzem, ſpitzem Schnabel, nicht großen. 
mäßig zugeſpitzten Flügeln, kurzen, langzehigen Fü— 
hen, deren hinterſte Zehe einen oft fpornartig verlän— 
gerten Nagel trägt, und ziemlich langem, ſchwach aus- 
geldnitienem Schwanz. Das Gefieder wechſelt meiſt 
nach Alter und Geſchlecht. Die A. gehören meiſt der 
Nordhälfte der Erde an, leben in Buſchwerk oder Röh— 
richt, außer der Brutzeit gefellig und fiedeln fich auch 
ge in der Nähe menſchlicher Wohnungen an. Einige 

ind Wandervigel, die meijten Stridvogel. Ihr Ge- 
fang ijt ſehr einſach. Die Nahrung bejteht aus Säme⸗ 
reien und Inſelten. Für die Gerangenfdait eignen 
Ne ſichwenig. Suden Bus dammern(Emberiza L.) 


441 


gebiren der Goldbammer (Emmerling, Gelb- 

an8, Griin3ling, Emberiza citrinella L., j. Ta— 
Pi »Sperlingsvigel III«, Fig. 5), 17 em lang, 27 cm 
breit, an Kopf und Unterſeile goldgelb, am Bürzel 
rojtrot, lebt in Dtitteleuropa und in Aſien, ſchweift 
im Herbſt und Winter ſcharenweiſe umber, niſtet 
Upril bis Duli unter cinem Büſchchen, legt (jäührlich 
zweimal) 4—5 gräulichbraun gefledte, befrigelte und 
fein geaderte Cier. Der Zippammer (Bart- oder 
Rotammer, E. cia L.), 17 cm fang, ſchmächtig, 
an Ropf und Kehle afdqrau, an Brujt, Baud un 
Rücken rojtjarbig, lebt in Giideuropa, in Aſien bis 
gum Himalaja, bei uns (vom April bis Oftober) 
am Mittelrhein und im ſüdöſtlichen Baden, nijtet in 
Höhlungen der Weinbergsmauern und legt im Mai 
3—4 grauweißliche, mit — — ge⸗ 
— Eier. Rohrammmer (Rohr-, Moos- 

aſſerſperling, Sperlingsammer, Schilf— 
vogel, Schilfſchwätzer, E.schoeniclus L.), IGem 
fang, 23 cm breit, oberſeits rotbraun mit roſtgelben 
Federrändern, unterfeits weißlich mit dunflern Schaſt⸗ 
jtricen, am Kopf ſchwarz, lebt in Europa und Wejt- 
afien, an fumpjigen Orten mit hohem Pflanzenwuchs, 
bei und März bis Oftober. Das Rejt jteht ſehr ver- 
jtectt auf dem Erdboden und enthalt im Mai und 
Anfang Yuli 5—6 qeflecte und geäderte, qrau- oder 
braunweije Cier. r Grauammer (Gerjten- 
ammer, Strumpfweber, BWiefen-, Binter-, 
Lerdenammer, E. calandra L.), 19 cm fang, 
29cm breit, lerdenfarbig mit dunflern Schaftſtrichen, 
an der Brujt weiß, braun geftridelt, lebt als Jahres. 
vogel beinabe in ganz Europa und Weſtaſien, in Agyp⸗ 
ten und auf den Kanaren. Er verbreitet ſich in Mittel- 
deutſchland mehr und mehr und ijt in Ungarn febr ge- 
mein. Er nijtet auf der Erde und legt im April bis Juli 
4—6 weißliche, violett und braun gefledte Cier. We— 
gen des wohlſchmeckenden Fleiſches wird ibm fehr nach⸗ 

ejtellt. Der Ortolan (Gartenammer, Fette, 

Saihs, @owacrawmce, Gkciner @ranaiin 
DHedenqriinling, Raffin, E. hortulana Ly 
16 cm fang, 26 cm breit, ober{eits ſperlingsfarbig, 
an Geſicht und Kehle gelb, unterfeits rojtrot, bewohnt 
einen großen Teil Europas, Aſien bis zum Altai und 
weilt bei uns April bis September. Er liebt waſſer⸗ 
und buſchreiche Gegenden, niſtet im Gebüſch und legt 
Mai bis Juli 4—6 gräuliche, aud) graurötliche, mit 
braunen Strideldhen beip itzte Eier. In Siideuropa 
wird er gefangen und mit Reis und Hirſe gemäſtet. 
Sdon die alten Römer adjteten den gemiijteten Or- 
tolan ald Lecferbijfen. Yrs Cypern werden jährlich 
100,000 Fäßchen mit marinierten oder in Fett eingeleg- 
ten Vögeln verfandt. Der ſchwarzköpfige Ammer 
(Ortolanfiniq, Pradt- oder Rappenammer, 
E. melanocephala Scop.), 18,5 cm lang, 29 cm breit, 
am Ropfe ſchwarz. oberfeits lebhaft rotbraun, unterfeits 
gelb, bewohnt Siidojteuropa und Wien, kommt ſelten 
nad Siiddeutidland. In Perjien verwüſtet er nad 
der Brutzeit die Felder. tlber Spornammern f. d. 

Ammerſchweier, Stadt im deutſchen Bezirk Ober- 
elſaß. Kreis Rappoltsweiler, an den Vogeſen und der 
Linte Kolmar-Schnierlach der Rayfersberger Tal- 
ban, hat cine fath. Rirde, Orgelbau, Weinbau und 
(1900) 1639 Einw. Dazu der Ausſichts ounlt und Wall 
fahrtsort Drei-Ahren (Trois-Epis) auf den Bo- 
gejen (741 m bor). 

Wm merjec, ſ. Ammer (Fup). 

Ammerweber, ſ. Webervigel. 

Wmmeter (fiir Amperemeter), ſ. Cleftrotednifde 
Mepinjtrumente. 


442 


Ammi L. (Ammei), Gattung der Untbelliferen, | 
reid) verzweigte. einjabrige und ausdauernde Kraduter 
mit mehriad fiedertetliqen Blãttern und grogen viel: | 
jtrabligen Dolden. 7 Arten im Mittel ebtet und | 
auf den atlantiſchen Inſeln. Bon A. majus L., in | 
Siideuropa, Ubefjinien und Manwrun wurden dic | 

etwas aromatiſchen Früchte früher arz⸗ 
neilich benutzt, ebenjo die von A. visnaga Link., in 
Siideuropa, dejjen fait holzige, gelbe, pewtirahatt rie⸗ 
chende Doldenſtrahlen zu Zahnſtochern * werden. | 

Ammiauus Marcellinus, rim. Geſchichtſchrei⸗ 
ber, um 330—400 n. Chr., ein Grieche von Untiodia 
in Syrien, nabm Rrieqsdienjte, focht unter Julian | 
gegen die Ulemannen und Verſer, verfakte in Rom | 
umt 390 feine lateinijd) geſchriebene Foriſetzung des | 
Tacitus in 31 Büchern von Rerva bis Valens (96— | 
378 n. Chr.). Erhalten find von dem Res gestae be: | 
titelten Werfe nur die Biicer 14—31, welche die Jahre 
353 378, alfo die Beit des Verfaſſers, ſchildern und 
ſür Die Geſchichte dieſer Zeit die wichtigſte Quelle find. | 
Der Stil ijt hart, oft ſchwülſtig und dunkel; aber in- 
haltlid) ijt das Wert durd) Sachlenntnis und flare’, | 
felbjtandiges und unpartetijdes Urteil von größtem 
Wert. Kritiſche Tertausqabe von Gardthaufen ( Leip}. 
1874—75, 2 Bde.); Musgabe mit Sammelfonmentar | 
von Wagner-Erfurdt (Daj. 1808, 3 Bde.); Überſezung 
von Troß und Büchele (Stuttg. 1827—53, 8 Bde.; | 
2. Aufl. 1898 ff.), im Auszug von Cojte (Leip;. 1879). | 

Ammobium R. Br. (Sandimmortelle), Gat 
tung der Kompoſiten mit nur zwei auſtraliſchen Arten, 
von denen A. alatum R. Br., mit ſtart geflügeltem 
Stengel und den Immortellen ähnlichen, perlmutter⸗ 
weißen Bititenfopfen, am Rap, in Franfreid) und 
Deutidland, obwohl ausdauernd, als einjährige 
Pflanze fultiviert wird. Die Blütenlöpfchen werden, 
gum Teil gefdrbt, ju Kränzen und Buketts benugt. | 

Ammochoftos, Stadt, ſ. Famaguita. 

Ammocoetes, ſ. Neunauge. 

Ammodyjtes, der Sandaal. 

Ammon (bei den Grieden und Römern Zeus— 
oder Jupiter. genannt), ein Erntegott der alten 

pter, ward urfpriinglid) als Stadtgott von Theben 
(No-A.) verehrt. Berets im mittlern Reidhe (etwa 
jeit 2000 v. Chr.) wurde er jum Sonnengott qemadt 
und A.Rẽ, d. h. ⸗.Sonne ⸗ genannt. Als Theben 
im neuen Reiche zur Hauptſtadt des Pharaonenreiches 
geworden war, wurde VW. jum ägyptiſchen Haupt 
qott, zum — der Gitter«; ſein Kultus wurde 
in den eroberten Ländern, in Nubien, Syrien, den 
Daſen der Libyſchen Wüſte eingeführt. Bon den gro— 
fen Heiligtümern, die dem A. tn dieſer Zeit errichtet 
wurden, verdienen die Tempel von Luffor und Rar- 





naf befondere Erwähnung. Die Verfolgung der alten 
Witter dDurd) Umenhotep IV. (f. d.), die ſich Haupt. 
ſächlich gegen A. ridjtete, war nur von furser Dauer, 
und nad) Der Wiederherjtellung der alten Religion 
bliihte Der Kultus des A. nur um fo friiftiger. it 
feit Der 26. Dynaftie (feit 663 v. Chr.) trat W. im 
ägyptiſchen Bantheon mehr und mehr zurück. Dafiir 
wurde er zum Hauptgotte des Athiopijden Reiches, und 
aud in den libyfden Dajen genoß er, befonders als 
Drafelgott, weiterbin hohe —— Sein beriifm- 
teſtes Heiligtum war in ſpäterer Zeit Die 16 Tagereifen 
weftlid) von Memphis gelegene Ummonsoafe (7. 
Siwah), deſſen Priejter ſich der Verfiindiqung der Ora: 
fel des Gottes widmeten, und zu Dem die Voller von 
nah und fern ibre Boten und Geſchenke fandten. Die 
vornehmiten Frager waren Kröſus, Kambyſes, Wler- 
ander d. Gr., Cato. Frith fam der Nultus des A. nach 


Ammi — Ammon. 


Griedeniand. Pauſanias fennt Ammonstempel in 
Theben und Sparta; die Cleer verehrten auper Zeus⸗ A. 
aud cine Hera-Wnrmonia. Das heilige Tier des A. war 
der Widder, in deſſen Geitalt der Gott auch dargeſtellt 
wurde; baufiqer erſcheint er als Menſch mit einer 
eigenarti en Saye und sve boben Federn auf dem 
Haupte, win in Der einen Hand das Gotterjepter, 
in Der andern Die Hieroglyphe fiir Leben haltend (val. 
Abbildiung). Jn Nubien und den Oafen jtellte man 

gewöhnlich als Menſch mit Widderfopf dar. Ein dent 





Ammon und Mut 


A. im Weſen naheverwandter Gott ijt der in Koptos 
verehrte Erntegott Min, der ithyphalliſch abgebildet 
wurde; mit ibm ijt UW. vielfad) identifiziert und ded 
—— ebenfalls ithyphalliſch dargeſtellt worden. Als 

mahlin des A. galt die Göttin Mut, beider Sohn 
war der Mondgott Chons; alle drei bildeten die Göt⸗ 
terdreiheit von Theben. 

Ammon, 1) Chrijtoph Friedrid von, proteit. 
Theolog, geb. 16. Jan. 1766 in Bayreuth, gejt. 21. Mai 
1850 in Dresden, wurde 1789 in Erlangen Profeffor 
der Philojophie, 1790 Profeſſor der Theologie. 1704 
nad) Gottingen berufen, fehrte er 1804 nad Erlangen 
juriid. 1813 ward er Oberhofprediqer und Ober⸗ 
fonjijtorialrat in Dresden, 1831 Witglicd des Mie 
niſteriums des Kultus und Hffentliden Unterrichts 
ſowie Vizepräſident des Oberkonſiſtoriums. In ſeinem 
⸗Entwurf einer bibliſchen Theologie- (2. Aufl. 
Gotting. 1801—1802, 3 Bde.) huldigt er dem hiſto⸗ 
riſch⸗kritiſchen Rationalismus, und nod in ſeinem 
Dogmatijden Lehrbuch (»>Summa theologiae chri- 
stianae«, Erlang. 1803) wie in dem »Handbud der 
dhrijtliden Sittenlehre« (2. Aufl., daf. 1838, 3 Bde.) 
jteht er auf dem Standpuntte der Kantiſchen Philo- 
fophie. Rad) feiner Überſiedelung nach Dresden 
wandte er ſich Der entgegengejepten Ridtung zu und 
verteidiqte in der Ubbandlung »Bittere Arznei fiir 
die Glaubensſchwäche unfrer Seit« (1817) die Harms 
ſchen Thefer (jf. Harms 1), weshalb thn Schleier⸗ 
mader hart angriff. Seit 1830(4. Aufl. der *Sammas) 
feiner friihern Richtung wieder huldigend, ſchrieb er 
in dieſem Sinne: »Dte Fortbildung des Chriften- 
tums jur Weltreligion« (2. Aufl., Leip; 1836—40, 
4 Bde.), »Die wahre und falſche Orthodories (daj. 
1849) und »Gefdicte des n8 Jeſu⸗ (Daf. 1842 
bis 1847, B Bde.). Bgl. »Ch. F. Ammon nad Leben, 
Unfichten und Wirken⸗ (Leip;. 1850). 


Ammoniacum 


2) Friedrid Auguſt vor, Mediziner, Sohn des 
vorigen, geb. 10. Sept. 1799 in Gittingen, geſt. 18. 
Mai 1861 in Dresden, war feit 1829 Profeſſor an 
der chirurgiſch ⸗ mediziniſchen Alademie und Direftor 
der Poliklinik in Dresden. Er ſchrieb: ⸗Kliniſche Dar⸗ 
ſtellung der Krankheiten und Bildungsfehler des 
menſchlichen Auges r¢.< (Berl. 1838—47, 4 Bde.); 
»Die Behandlung des Schielens durch den Musfel- 
ſchnitt · (Daf. 1840); »De Iritide« (deutſch, daf. 1843); 
Illuſtrierte pathologijde Anatomie der menſchlichen 
Kornea, Sklera, Choroidea und des optiſchen Nerven« 
Se von Warnatz, Leipz. 1862); »Die plajtijde 

irurgie« (mit Baumgarten, Berl. 1842); »Brun- 
nenbdiditetif« (7. Aufl. von Reimer, Leipz. 1880); » Die 
erjten Mutterpflichien und die erjte Rindedspflege« 
(Dresd. 1827; 38. Aufl. von Windel, Leip;. 1902). 

Ammoniacum (Ammoniakgummiharz), 
ber erhärtete Milchſaft der Umbellifere Dorema A. 
Don. Der Milchſaft tritt aus dem Wurzelſchopf und 
den Stengeln freiwillig, reichlicher nach Inſeltenſtichen 
aus und erhärtet zu weißen, außen bräunlichen, 
wachsglãnzenden Körnern. Man ſammelt dieſe in 
einigen Teilen Perſiens und bringt ſie nach Ispahan 
und Bombay. Die Körner haben 0,5—1 cm Durd- 
meffer, find weißlich, aufjen bräunlichgelb, wadsartig 

länzend, riechen eigentümlich unangenebut und 
chmecken bitter fdharr A. erweidt in der Hand, 
—— bei etwa 50°, enthält Harz (Salizylſäure— 

ejinotannolefter) und Gummi und —— 
ätheriſches OL Es iſt in Alkohol nicht voliſtändig 
löslich und gibt mit Waſſer cine Emulſion. Die beſte 
Gorte, A. in granis, bildet fleine, lofe Körner, A. in 
massis, dunkler gefärbte Kuchen, die hellere Körner 
einſchließen. A. wird arzneilich benutzt. In Maroffo 
wird cin A. von Ferula tingitana geſammelt. Dies 
Produft fannte ſchon Diosforides. A. aus Perſien 
wird im 9. Jahrh. erwahnt und fommt in Medifa- 
mententijten des 15. Jahrh. vor. 

Ammoniaf NH,, gasformige Verbindimg von 
Stichkſtoff mit Bafjerytoiy findet fich int freien Zuſtand 
faum in der Natur, aber Verbindungen desfelben mit 
Säuren, die Ammoniakſalze, find ſehr verbreitet in 
der Luft, im Boden und in den Gewäſſern. Robhlen- 
faures A. liegt unter dem Guano der Chindainjeln, 
ſchwefelſaures A. findet fic) im Dampf der Fumarolen 
pon Tosfana und Chlorammoniun im Rrater des 
Veſuvs und andrer Vulfane, aud) in der Nahe bren- 
nender Rohlenfelder. Schwefelammonium ijt ein Bee | 
ftandteil der übelriechenden Fäulnisgaſe. Der Harn | 
der Vogel und Reptilien befteht aus harnjaurem A. 
Der Harn der Säugetiere enthalt nur geringe Mengen | 
pon Unmmoniaffaljen. VW. entiteht aus einem Gemenge | 
von Stickſtoff und Waſſerſtoff beim Durdjdlagen 
eleltriſcher Funken, cin Gemenge von Sticitojf, aj. 
ſerſtoff und Chlorwaſſerſtoff gibt Ammoniumchlorid. 
Ammoniumnitrit entſteht beim Verbrennen von Waſ⸗ 
ſerſtoff an der Luft, und da die Brennmaterialien 
Waſſerſtoff enthalten, fo findet fic ſalpetrigſaures und 
neben ihm falpeterjaures YL. aud unter den Verbren— 
nungsprodulten derjelben. Stickſtoffſauerſtoffverbin⸗ 
dungen werden unter verſchiedenen Verhältniſſen 
rec Waſſerſtoff ju A. reduziert. UW. entiteht 3. B. 
beim Erhitzen von Salpeter mit Ätzkali und Gien: 
feilfpanen, umd wenn Stidoryd mit Waſſerſtoff über 
pe Platin geleitet wird. Wenn organifde 

tidjtoffverbindungen mit Allkalien oder mit rauchen⸗ 
der wefelfaiure ng werden, geht meijt ihr ge- 
famter Stichſtoff in A. üͤber. Auch bet der Reinigung 
von Ätznatron durch Chiliſalpeter wird A. gebtldet, 


— Ammoniak. 443 


ferner bei trockner Deſtillalion ſtickſtoffhaltiger orga- 
niſcher Stoffe (Horn, Knochen, Steinkohlen) ſowie bei 
Behandlung eiweißartiger Stoffe mit Kali, Ralf x. 
(3. B. in den Rübenzuckerfabriken beim Klären des 
Saftes mit Rall; auf 2 kg Rüben ijt etwa 0,2 kg 
ſchwefelſaures A. zu rechnen). A. entiteht aud) aus 
Cyan (ciner Verbindung von Kohlenſtoff mit Stic: 
jtoff) und findet ſich Daher in den Gichtgaſen der Hod 
dfen. Man gewann A. urjpriinglid) aus Kamelmiſt, 
ſpäter aus faulendem Harn (der Harnſtoff zerfällt 
bei der Fäulnis des Harns in A., Kohlenſäure und 
Waſſer), dann durch trockne Deſtillation von Knochen 
und Hornabfällen (Hirſchhornſalz) und noch jetzt in 
den weineſchlächtereien Chicagos aus den Tank⸗ 
wäſſern. Hauptquelle des Ammonials ijt gegenwärtig 
aber die Steinfoble, die bei trockner Dejtillation neben 
Leuchtgas und Teer Ammoniakwaſſer liefert. 

U. ijt cin farblofes Gas, riedht höchſt jtedend und 
gu Tränen reizend, ſchmeckt brennend-iigend alfalijd, 
—* Lackmuspapier blau und hat ein ſpezifiſches Ge- 
widt von 0,589. Bet —40° (33,7°) oder bei 10° unter 
einem Druck von 6,5 Atmoſphären wird es gu einer 
farblofen Fliiffigteit vom ſpez. Gew. 0,6234 verdidhtet, 
die ungemein ſchnell verdDunjtet und dabei jtarfe Kälte 
erjeugt, ju einer weifjen, ornare Maſſe erjtarrt, 
bet —-75° ſchmilzt und bet —33,7° fiedet. Die kritiſche 
Temperatur des —37 Ammoniaks liegt bei 1300. 
A. ijt ſehr löslich in Waſſer und Alkohol; 1 Volumen 
Waſſer abſorbiert bei 0° 1050, bei 15° 727, bei 20° 
654 Bolumina A., wobei es fid) erwärmt, an Bo- 
lumen bedeutend zunimmt und —348 leichter wird. 
1 g Waſſer löſt bei 760 mm Druch bei 

0° 0,876 ¢ Ammoniat 80° 0,403 g Ammoniat 
10° 0,a79 - s | 40° 0,307 - « 
20° 0,626 - 2 50° 0,929 - s 
Den bei 14° gefundenen ſpezifiſchen Gewidten der Lö— 
fung von A. in Waffer entipridt der Prozentgehalt: 


Speaif. 














Proyents | Spesif. | Progent-| Spesif. | Prosent- 

gebalt | Gemidt | gebalt | Gewidt | gebalt Gewidt 
1 0,9959 18 0,0484 25 | 0,9106 
2 0,9915 14 0,9440 26 0.0078 
8 0,9873 15 O,o414 27 | 0,9052 
4 0,0831 16 | 0,980 28 0,9026 
5 0,9790 17 0,9347 29 0,9001 
6 0,0749 18 0,9314 30 0,8976 
7 0,9709 19 0,9283 81 08953 
8 | O,e6T0 20 0,9261 82 O,s920 
9 0,0631 21 0,9221 83 0,8907 
10 0,9593 22 0,9101 34 | sOOnsss 
11 O, aso 23 0,61602 35 | 0,8864 
12 | = 0,9520 24 0,9133 a383 0604444 


A. zerfällt im glühenden Rohr unter Verdoppelung 
des Volumens in Stickſtoff und Waſſerſtoff, es brennt 
in der Luft nur, wenn es erhitzt wurde, verbrennt 
aber in Sauerſtoff auch ohne Erhitzen zu Waſſer und 
Stidjtoff, wenig Stichſtoffoxyd und ſalpetriger Säure. 
Metalloxyde werden beim Erhitzen in A. reduziert. 
Manche Metalle bilden mit A. Metallamide, andre 
xrſetzen das A. vollſtändig, und bisweilen entſtehen 
Stichkſtoffmetalle. Leitet man A. über glühende Kohlen, 
jo entſtehen Chanammonium NH,CN und er 
jtoff ; aud) bildet fic) die Cyanverbindung aus Kohlen⸗ 
oryd und A. In Chlor brennt UW. mit roter und 
wether Flamme unter Bildung von Chlorammonium 
und Stickſtoff. Leitet man Chlor in wäſſerige Löſung 
von A., fo fann erplofiver Chlorſtichſtoff entſtehen, 
Jod erjeugt erplofiven Jodjtidjtojf. Cin mit ver- 
dünnter Salsfaiure befeuchteter Glasſtab zeigt Spuren 
pon A. an, indent fic) um denſelben Nebel von Sal- 


444 


—— biſden. Mit gewiijen Metallverbindungen bildet 
WL. mehr oder — beitandige Verbindungen. 
{Zaritefiung von Ammoniatk.J Baſſerige Um- 

momaflojung (Ammoniatflijjigtett, Apam- 

moniaf, Salmitaffpiritus, Salmiafgeiit) 
wird dargeitellt, indem man Salmiaf oder ſchwefel⸗ 
jaures A mit j Salfhydrat mn einem etjernen mit 

Dejtillationsgefaf mit wenig Waſſer yu einem diden 

Brei miſcht, gelind erwarmt, das entweichende Gas 

in weniq Bajjer wäſcht und dann im Ddeitilliertes 

Baier leitet. 1 kg Salmiat verwandelt 1 kg Waſſer 

in 30pro}. Ummoniafflifigfert. Im großen 


gewinnt A 
man VW. aus dem Ummontialwatier der Gas— 


anjtalten und als Rebenproduft ——— 
Das Ummoniafwajjer enthalt tm Liter 5—20 g A, 
von dem aber nur 

em Teil beim Mo- Y 

cen ſich veriliid- 
tigt, wahrend der 
Reit in Form nicht 
flüchtiger Berbin- 
Dungen vorhanden 
ift. Um dieje zu zer⸗ 
ſetzen, deſtilliert 
man das Ammo— 
niafwaiier, dad viel 
Schwefelammo⸗ 
nium und lohlen⸗ 
ſaures YW. enthalt, 
mit Apfalf, und be- 
nugt Dejtillierap- 
parate nad dem 
Brinjip der in der 
Spiritusfabrifa- 
tion qebriiucdhlichen 
Reftinfationsappa- 
rate, wobei die 



















Ammoniaf (Darjtellung). 


faure ee es Die ſich bier ent- 
, widelnden übelriechenden Gaje und Damopfe treten 
“unter Die Glodeq umd gelangen durcr im den anal s 
jum Borwarmer B und von diejem m die Feuerung. 
ell Ummoniafflijigfeit tellt werden, fo or 
a A Hae Bose Dogs upfiibler, werden 
gewaiden, um toblenjaure und Shwe- 
felwaſſerſtoff zu befettigen, und gelangen dann durd 
ein Holjfoblenjilter, worm fie von empyreumatijden 
Storfen befrett werden, im die gut gefiiblien, mit 
dejtilliertem oder gewodbniidem Waſſer bejdyidien 
Ybj Apparat verarbeitet 


fauft. Löſt man 3—5 Teile — 
— rinſaures Natron in 10 Teilen 
Ammonialflũſſigleit und gießt die 
Lojung in 85—90 Teile 30proy 
WU. von 40°, fo erbalt man eme 
parafjinartige Maſſe (feſtes WL), 
Die ihr A. leicht und vollſtãndig 
abgibt. 

Von großer Wichtigleit ijt das 
Problem, den Sticitory der atmo- 
ipbariiden Luft in A. zu Derman- 
dein. Leitet man Waſſerdampf und 
Luft bet 300° itber ein inniges Ge- 
miſch von Baryt und Roble, fo 
entiteht Cyanbarnum, das durch 
den Waſſerdampf in A. und f 
jauren Baryt zerſetzt wird. 


— 
“oh 


a 
ENR 


Grimebergs Apparat yur Taritel({ung von Ammonialfliffigleit und fdmefelfaurem Ammonial 


Wafjerdampfe teilweije fondenfiert werden und in den | man Luft über gliihende Kohlen, fo wird der Sauer- 


Keſſel zurückfließen, wahrend mit A. geſättigter Dampf 
in den Kühlapparat gelangt. In dem Apparat von 


Griineberg (j. Abbildung) gelangt das Gaswaſſer durch 
bas Mohr a in den Borwarmer B und aus dieſem 


durch Das Rohr b in die Deitillationsfolonne A. Es 
fließt Dann durd e in Den Keſſel F, in Den mittels Der 
Kallpumpe C durd das Rohre Ralf cingepumpt wird, 
und durch f in den Schlammkleſſel g, aus dem die Kall 
refte von Heit su Beit durch das untere Bentil abge- 
lajjen werden. Das Ammonialwaſſer läuft bei hüber 
und auf der Treppenkolonne i abwäris, wird dann 
in G durch das Dampfrohr d jum Kochen gebracht 
und fließt endlich, abgetrieben Durd k, nad) dem hy- 
Draulijden Abflußt. Der Dampf fteigt, durch die fon. 
trifdjen Ringel geswungen, an der Treppentolonne, 
nn durch die Robre m auf und durchſtreicht, durch 
Die Robren gefiihrt, die mit Kalkmilch verſetzte Fliijfig: 
feit in F. Waſſer ⸗ und Ammonialdämpfe treten dann 


durch o in Die Kolonne und verlajjen Den YWpparat | Ammoniaffliijfigfeit das Hydro 


liber E durch Dag Rohr p, das in den mit Schwefel⸗ 





ſtoff in Rohlenoryd verwandelt, und wenn man dann 
das Gemijd von Kohlenoxyd und Stichtoff auf glii- 
hendes —— einwirlen läßt, fo entſtehen YL. und 
foblenjaurer Ralf. 

Die Ummoniaffliijfigteit des dels enthalt 20 
bid 30 Proz. UW. Die jtarfite heist Cisgeift. Die offi- 
jinelle Ununoniaffliijjfigteit (Liquor Ammonii caus- 
tici) vom fpe;. Ger. 0,96 enthilt 10 Pros. A. Am- 
moniaffliijfigteit riedt und ſchmeckt wie YL, verliert 
an der Luft und namentlich beim Erbhigen Ww; fon: 
jentrierte Unumoniaffliiffigteit wird bet — 38 bis 41° 
felt. Sie löſt Bint unter Ennvidelung von BWajfer- 
jtoff, Kupfer nur bei Luftzutritt. Sie verhalt fic) in 
chemiſcher Hinjidt der gpa Thee abnilid) und 
neutralijiert namentlich aud) Säuren volljtindig 
unter Bildung von Ummoniumfaljen (Am— 
moniatjatjen). Wie im der Ralilauge Kalium— 
bydroryd KOH, fo (fann man —— iſt in der 
— *—— 


des 
Ammoniums (jf. d.) NH,, MONE OH qelojt, das 


Ammoniten. Aus Haeckels ,Kunstformen der Natur’. 
5 3 4 


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—— — 


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—— 


ebb beer eee dere 


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Dew onites (Cardioceras) cordatus Ll. limke 4. Dau 
Seite, 4. Bauchseite. 5, 6. A. (Ptychites) opulentus, 5. linke Seite, 6. Bauchseite. — 7. A. mammillaris. 8. A. ca 
vernosus, Frontalschnitt durch die Schalen, parallel der Bauchseite. 9. A. rotula. — 10. A. Humphryi. 


}, 4. A. (Schloenbachia) Coupei, 3 rechite 


Meyers Kone,-Lemton, 6. Aut. Bibliogr. Inetitat in Leipaig. Zum Artikel Ammer itex 





Ammoniafalaun — Ammoniten. 


fidh gegen Sauren wie Kaliumhydroxyd verhält. Sept 
man gu einem Ammoniumſalz Ralilauge, fo entſteht 
das Kaliumſalz und Ammoniumhydroxyd; aber in 
Dem Moment, wo letzteres frei wird, —5* es in A. 
und Waſſer: NH,OH = NH,+H,0. Kommt eine 
Waſſerſtoffſäure mit A. zuſammen, fo entiteht ein 
Haloidſalz, aus Shlorwatieritotfiaace HCl und NH, 
wird —— NH,Cl. Uber die Bildun 

rofer Klaſſen von RKohlenjtoffverbindungen — 

rſetzung des Waſſerſtoffs im W. ſ. Amide und Baſen, 
organiſche. 

. ijt giftig, es wirkt auf der Haut ätzend, in Ver— 
—— eingeatmet erzeugt es Hyperämie und ver- 
mehrte Ubjonderung der Bronchialſchleimhaut, in 
fonjentriertem Zuſtand heftigen Oujten und Stimm- 
rigenframpf. In fleinen Mengen wirft es innerlid 
fliichtig erregend, jteigert Utemgrdpe, Blutdrucd und 
Schweipabjonderung. Größere Mengen ergeugen 
Gajtroenteritis, Erjtidungsanfille, Krampfe, Herz— 
lähmung. Jn Luft, die nur 0,05 Proj. W. enthalt, 
geigen fic) ſchon Reizerideinungen. Bei ciniger Ge- 
wöhnung ertragen Menſchen 0,03 — 0,05 Bro}. 


Man benuge A. als ftarfe Baſe, wo feine Fliid- | 


tigfeit gegeniiber Dem Rali oder Natron BVorteile ge- 
wahrt. Überdies hat cine 17proz. Ammoniakflüſſigkeit 
gleichen dhemijden Wert wie eine 31proz. Natronlauge. 
Cin Überſchuß von A., der bei der Verwendung der 
Ammonialflüſſigkeit entjtanden ijt, fann durch Er- 
wiirmten bejfcitigt werden, aud) find die Ammoniakſalze 
durd) Erhigen ju entfernen. A. dient Daher ftatt Na— 
tronlauge und Seife in Wafdhanjtalten und Bleiche— 
reien, in der Färberei und Wollwäſcherei, zum Ent- 
fernen von Flecken (durch Gauren anf li 
Stojfen erzeugte rote Flecke verſchwinden beim Be- 
tupfen mit A. fofort), ferner als Untidlor, zur Dar- 
jtellung von Goda (Ummoniaffoda) und Ammoniak— 
ſalzen, Indigo, in Der Lad- und Farbenfabrifation, 
um Extrabieren von Chlorjilber aus den Erzen, jur 
nupftabaffabrifation x. Die ftarfe Kälte, die Das 
durch Drud verflüſſigte A. beim Verdunſten erzeugt, 
benutzt man in den Eismaſchinen, und der Drud, den 
es bei gewöhnlicher Temperatur ausiibt (7 Atmo— 
jpbaren), ijt gum Betrieb von Kraftmaſchinen ver- 
wendbar. Qn der Medizin läßt man A. einatmen, 
um durch einen ftarfen Reis auf die Naſenſchleimhaut 


refleftorijd) Utenbewegungen ausjuldjen. Cine zu 
heftige Einwirkung fann aber höchſt ſchädliche Folgen 


ben. Äußerlich benutzt man das A. namentlich in 

erbindung mit Ol als Linimentum ammoniatum 
volatile (flitdhtiges Liniment, flüchtige Salbe) bei 
Rheumatismus und Rontufionen, in Umerifa innerlich 
und äußerlich gegen Schlangenbiß, bei uns auch gegen 
Bienenſtich, wobei eS geniigt, die betreffende Stelle 
mit A. gu bejtreidjen. —- Das U. hat ſeinen Namen 
vom Galimiat, der guerjt Sal armeniacum oder am- 
moniacum hieß (ſ. Ammoniumchlorid); Kuneel fannte 
das A. und verglich es mit Ätzlauge, Prieſtley fing 
es 1774 über Queckſilber auf und nannte es alfa- 
liſche Luft. Andre nannten es flüchtiges Alkali 


445 


Ammoniakalaun, ſ. Alaun, S. 257. 

Ammoniakbaſen, ſoviel wie Amine, ſ. Baſen. 

Ammoniakflüiſſigkeit, ſ. Ammoniat, S. 444. 

Ammoniakgelatine, Sprengſtoff aus 30 Nitro— 
glyzerin, 3 Schießwolle und 67 jalpeterjaurem Un 
moniaf. 

Wmmoniafgummi, joviel wie Ammoniacum. 

Ammoniafmafdine, ſ. Dampfmaſchine. 

Ammoniakpflauze, ſ. Dorema. 

Ammoniakpflaſter, |. Pflaſter. {niaf. 

Ammoniafialpeter, ſ. Salpeterfaures Ammo— 

Ammoniakfalze, ſ. Ammoniumſalze. 

Ammoniakſoda, nach dem Solvayſchen Ammo— 
niakverfahren hergeſtellte Soda. 

Ammoniakſuperphosphät, Miſchung von Su- 
perphosphat mit ſchwefelſauren Ammoniak, enthält 
3—10 Proz. Stickſtoff und 8—16 Pro}. in Waſſer 
lösliche Phosphorſäure, dient zum Diingen von Som— 
mergetreide und Zuckerrüben. 

meme ery j. Ununoniaf, S. 444. 

AUmmoniadmie, Uberiadung des Blutes mit foh- 
fenjaurem Younoniaf als Zerſetzungsprodult des bei 
Nierenfranfheiten und Harnjtauung im Blut xirüd⸗ 
gehaltenen Harnſtoffs, verläuft mit ähn ichen Symp— 
tomen wie Urämie, die aber wohl nicht auf das koh— 
fenjaure Ammoniak, fondern auf andre Zerjepungs- 
produfte des Harns zurüchzuführen find. 

Ummontos, 1) WU. Saffas, alerandrin. Philo- 
joph, Stifter des Neuplatonismus, lebte etwa von 
175—242, wurde von fein armen Eltern im Chri- 
jtentum erzogen, fehrte aber ſpäter gum Heidentum 
zurück. Anfangs erwarb er fid) den Unterhalt als 
Sadtriger ju Wlerandria (daher fein Beiname). Jn 
der Philofophie zeichnete er fic) fo aus, daß er der 
»Gottbelehrte« genannt wurde. Er hat feine Lehre 
nur mündlich borgetragen, und ihr Berhaltnis ju 
der feines bedeutendſten Schülers, des Plotinos (j.d.), 
läßt fich im einzelnen nicht angeben. 

2) Gried). Grammatifer, um 400 n. Chr., angebs 
lider Verfaſſer eines Lerifons griechiſcher Synonyma, 
der Uberarbeitung eines ältern Werfes eines Heren- 
nius Philon (um 100 n. Chr.; hrsg. von Balctenaer, 
Leiden 1739, und Schäfer, Leipz. 1822). 

8) Sobn des Hermias, gy Philoſoph zu 
Ende des 5. Jahrh. n. Chr., Schiiler des Proflos, 
lehrte gu Alexandria und machte fic) als Erklärer des 
Platon und befonders. de3 YWrijtoteles fowie als Ma— 
thematifer befannt. Wir befigen von ihm nod) Kom— 
mentare ju logijden Schriften des Uriftoteles und zu 
der »Isagoges des Porphyrios (der legtere Hrsg. von 
Buje, Berl. 1891). 

Ammonit, von Favier angegebener Sprengitojf 
aus Yinmoniaffalpeter mit Dinitronaphthalin, aud 
cin Sprengjtojf aus Natronjalpeter und Trinitonaph- 
thalin (Grifounit). 

Ammoniten (qried., Anmonshörner, hierzu 
Tafel »Ammoniten«), eine Gruppe ausgeſtorbener 
Tintenſchnecken, mit gelammerten Schalen, den Nau— 
tiliden Der Gegenwart verwandt. Das Tier bewohnte 











und Bergman 1782 Ummontacum. Berthollet | nur die vorderſte Rammer, jtand aber nut den hintern 


erfannte 1785 feine Zujammenjegung. Bal. Tel- 
lier, L’ammoniaque dans |'industrie (Par. 1867); 
Fehrmann, Das Ammoniakwaſſer und feine Ver— 
arbeitung (Braunſchw. 1887); Urnold, A. und 
Chnmoniatpriiparate (Berl. 1888); Lunge, Tafden- 
bud) fiir die Soda-, Pottaſche- und Ammoniakfabri— 
fation (3. Uufl., daf. 1900); Derfelbe, Die Induſtrie 
des Steinfohlenteers und Ammoniaks (4. Aufl. von 
Köhler, Braunſchw. 1900). 





durch eine in Kalkwände eingeſchloſſene Röhre (Sipho) 
in Verbindung. Die leeren Kammern faßt man ge— 
wöhnlich als Schwimmapparat auf; fie ſollten bem 


Auf- und Abſteigen von Bedeutung fein, dod febit 
es aud) nidt an Undeutungen dafiir, daß die VW. als 
trage Tiere in der Tiefe der Meere lebten. Bezüglich 
des innern Baues diirfte uns Nautilus einigen Auf— 
ſchluß geben. In der vordern Kammer findet fich ſehr 


| haufig Der Upto dus (. Tafel »Suraformation I<, 


446 


Fig. 11), der in feiner Bedeutung sweifelbaft und nod 
am ebejten fiir einen Schalendeckel der A. zu alten 
ijt. Ex bejteht meijt aus einer stveiteitigen Stalfidale, 
feltener bildeter eine aus einem Stiid beitehende Horn- 
ſchale (An aptychus). Die U. zeigen fehr verſchiedene 
Größe, von wenigen Zentimetern bis su Der eines 
Wagenrades (Pachydiscus Seppenradensis 2,5 m 
Durdmeffer). Jn manden Schichten find fie aufer- 
ordentlich häufig und widtige Leitfoffilien. Die An— 
heftungsitelle der Scheidewand an die Innenfläche 
der Schale, die Suturlinic, ift bet abgefprengter 
Scale, alſo an Steinfernen, bejonders deutlich; ihr 
Verlauf hat fiir die Syjtematif der A. große Bedeu- 
tung erlangt. Yn ihnen zeigt fic) ſchön die mit der 
Beit fortidreitende Entwidelung von einfaden ju 
fomplijiertern Formen: bei den filtejten (Gonta- 
titen) verlaufen fie einfach, bogen- oder zickzackför⸗ 
mig, tm Muſchellalk herrjden die Ceratiten mit 
fomplijiertern Bildungen vor, und zuletzt, vom Lias 
an, hauptſächlich aber in Sura und Kreide treten dic | 





U. im engern Sinn (Umnonshirner) auf. Diefe | 


find fpiralfirmig gewunden und haben Windungen, | 
die einander beriihren oder umfafjen. Die Tafel zeigt | 
einige beſonders ſchöne Formen. Wan teilt die A. m 
etwa 15 Familien und unterfdeidet nahe an 100 
Wattungen. Bon dieſen find zu nennen: Goniatites 
(j. Tafel »Devonifde Formation I< und »Steinfoh- 
lenformation II«), Ammonites (ſ. Tafel ⸗Juraforma⸗ 
tion I<), Ceratites u. Trachyceras (ſ. Tafel »Triad- 
formation I«), Crioceras , Toxoceras, Ancyloceras, 
Turrilites, Baculites (f. Tafel »SMreideformation I<). 

Ammoniter, femit. Hirtenvolf, auf deſſen Ent- 
jtebung aus der Vermiſchung der Semiten mit andern 
Stéimmen die Erzählung von ihrem blutſchänderiſchen 
Urjprung (1. Moſ. 19, 38) hindeutet. Grenjnadbarn 
der Stämme Ruben und Gad, wohnten jie in der 
Wüſte des ndrdliden Urabien zwiſchen dem Jabol 
und Arnon (f. Karte »Paldjtinac). Dore Religion 
war die der Ranaaniter mit Bejdneidung umd Mo— 
lodsdienft. Sie trieben Uderbau und Viehzucht, wa- 
ren aber kriegeriſch; ihre uns befannte Geſchichte ijt 
nur cine Reihe erbitterter Fehden mit den JIsraeliten, 
Die unter Jephtha und Saul ihre Einfälle in isracli- 
tiſches Gebiet zurückſſchlugen und unter David, durd 
eine Beſchimpfung gereizt, Die Hauptitadt der YL, 
Rabba, eroberten. Die A. leijteten Nebuladnezar 
Hilfe qegen Israel und hinderten den Wiederaufbau 
Serujalems unter Rehemia. Nod cinmal eroberte 
YUntiodos Epiphanes ibre Hauptitadt, und Judas Mal⸗ 
labãus fdlug ſiegreich ihren Ungriff zurück. Rach 
dem 2. Jahrh. n. Chr. fommt der Rame nicht mehr 
vor, da fie fic) unter Den Urabern verloren. Die aſſy⸗ 
riſchen Inſchriften erwähnen fie unter dem Namen Bit 
amman (Haus Ammons). 

Ammonium, Ammonium; A. aceticum, effig- 
faures Yimmoniaf; A. bromatum, Ummoniumbro- | 
mid; A. carbonicum, tohlenſaures Ammoniak, Hirſch— 
hornſalz; A. chloratum, muriaticum, Ammonium— 
dlorid, Saimiaf; A. chloratum ferratum , Cijenjal- 


miaf; A. jodatum, UWnrmoniumjodid; A. nitricum, | 


ſalpeterſaures Ammoniak; A. phosphoricum, phos: 
phorfaures Yimmoniaf; A. sulfuratum, Liquor Be- 
guini, Schwefelammonium, Ldfung von YUmmonium- 
julfhydrat; A. sulfuricum, fdwefeljaures Ummonial ; 
A. vanadinicum, vanadinfaures Ammoniak. 
Ammonium NH,, cine Verbindung von Stiditoff | 
mit Wafferftoff, fiir deren Exiſtenz mande Whnlid- | 
feiten Der Unumontafverbindungen mit den Raliver- | 
bindungen fpreden, und die 3. B. in den Ummonial- 








| Spiiter ſcheint das Salz aus Aſien nad 


Ammoniter — Ammoniumchlorid. 


ſalzen die Rolle eines Metalls fpielt (vgl. Ammonial). 
Zerſetzt man eine Löſung von Ammoniumichlorid 
durch den galvanijden Strom und benugt als nega- 
tiven Bol ilber, jo erhält man em ſchwammi⸗ 
ges, in Der Kälte friftallinijdes Umalgam (Win mo - 
niumamalgam), d. b. einen Körper, der fich wie 
eine Legierung von Ouedfilber mit cinem Metall ver- 
halt, aber alsbald Unrmonial und Waſſerſtoff genau 
in bem Verhältnis entwicelt, in dem fie bet chemiſcher 
Verbindung A. bilden miiften. Ammoniumoxyd 
lennt man nidt; Ammoniumhydroxyd NH,OH jer- 
fallt alsbald in Ummoniaf und Wafer. 
Ammoninmacetat, ſ. Eſſigſaures Ammonial. 
Ammoniumamalgäm, ſ. Ammonium. 
Ammoniumbaſen, ſ. Baſen. 
Ammoniumbromid (Bromammonium) 
NXH. Br bildet ſich bei der Einwirkung von Brom auf 
Schwefelammonium, beim Neutralijieren von Am— 
—— eat mit Bromivajjeritoff und beim Er⸗ 
hitzen von Bromfalium mit ſchwefelſaurem Ammo— 
niaf. Es bildet farblofe Rrijtalle, ſchmeckt ſcharf fal- 
ig, löſt fich fehr leicht in Waſſer und Wlfobol, ijt 
f btimierbar und zerſetzt fic) beim Aufbewahren an 
der Luft. Man benugt es in der Photographie. 
Ammoniumedlorid(Salmial, Chlorammo- 
nium) NH,Cl findet fic fublimicrt in Lavafpalten, 
auf Brandfeldern und brennenden Halden mander 
Steinfohleniager, im Guano der Chindainfein und 
in febr geringer Menge im Speidel, Magenfaft, 
Harn x. Es entiteht beim Zujammentreffen von Am⸗ 
moniaf (NH,) nit Chlorwaſſerſtoff (HCI), beim Ser- 
f von foblenfaurem Ymmonial mit Chlorcalcium, 
angandloriir oder Eiſenchlorid, von ſchwefelſaurem 
Ammonial mit Chlornatrium. Sur Darjtellung de- 
jtilliert man Ammoniakwaſſer der Gasanjtalten mit 
Ralf und leitet bas entiwweichende Ummmoniaf tn Saly- 
ſãäure, bis fie neutralifiert ijt. Die Hiiffigteit wird dann 
bis zur Krijtallijation verdampft und der rohe Sal- 
miaf durch Umkriſtalliſieren oder durch Sublimation 
gereinigt. Sublimierter Salmiak bildet eine farb- und 
geruchloſe, faſerig kriſtalliniſche, durchſcheinende, ſchwer 
pulveriſierbare Maſſe, ſchmeckt ſcharf falyig. Ldjt ſich 
unter jtarfer Tentperaturerniedrigung in Waſſer, und 
zwar löſen 100 Teile Wajjer bei O° 28,4, bet 10° 32,4, 
bet 110° 77,2 Teile; in Alkohol löſt er ſich wm fo 
ſchwerer, je ſtärker derjelbe ijt. Er triftalléfiert in klei⸗ 
nen Oftacdern, die fic) gu federartiqen Formen an- 
einander reihen. Beim Verdampfen wird die Ldfung 
durch Ammonialverluſt fauer. Bein Erhigen verſlüch⸗ 
tigt fid) Salmiaf, ohne gu ſchmelzen; bei hoher Tem⸗ 
peratur jerfillt der Dampf in Chtorwajrerttof und 
Ammonial, die fid) erft unter 350° wieder miteinan⸗ 
Der vereinigen. Mit vielen Metalldloriden bildet Sal- 
miaf Doppeldloride. Man benugt Salmiaf 
Darjtellung von Ammoniak, jum Verzinnen und Ber- 
jinfen von Eiſen, Kupfer umd Meffing, jum Ldten, 
m der Rattundruderet, Farben- und Sdrupftabal- 
fabrifation, zur Darſtellung von Eiſenlitt und Kalte⸗ 
miſchungen. In der Medizin wird A. gegen Ma— 
ene und Brondialfatarrh angewendet. Salmial war 
don Geber befannt, der thn aus gefaultem (umd da- 
her ammoniafhaltigem) Urin und Kochſalz daritellte. 
ropa ge- 
kommen ju fein und ſtammte vielleidt aus dortigen 
Vulfanen, da es zuerſt armenifdes Saly genannt 
wurde. Aus Ägypten wurde Hinjtlicer Salmiat ein- 
qefiibrt, Den man Dort aus dem Ruß von verbrann- 
tem Kamelmiſt gewann. Der urſprüngliche Name des 
Salzes, Sal armeniacum oder armoniacum, wurde 


Ammoniumdromat — Ammonſches Gejeg. 


fpater inSal ammoniacum umgeändert, ein Uusdrud, 
Der urſprünglich gur Bezeichnung des Steinſalzes be⸗ 
nutzt worden war, das in der Nahe des Tempels des 
Jupiter Ammon in der Libyfden Wüſte vorfommet. 
Geoffroy zeigte 1720, daß Salmiaf aus Salzſäure 
und flüch —— Wifali beſteht; 176530 56 wurden große 
Salmiakfabriken in Schottland und 1759 bie erſte in 
Deutidland bei Braunſchweig angelegt. 

Ammoninmdromat, ſ. Chromjaureds Unrmo- 

Ammoniumeyanat, ſ. Cyanſäure. {niaf. 

Ammoniumfluorid (Fluorammonium) 
NH,FI entjtebt beim Qeutralifieren von Wmmoniak 
mit Fluorwaſſerſtoffſäure oder als Gublimat beim 
Erhitzen von Chlorammonium mit Fluornatrium. Es 
bildet farbloje Strijtalle, ſchmeckt ſcharf ſalzig, ijt tuft- 
beſtändig, löſt fic) leicht in Wafer, wenig in Allohol 
und wirft ätzend auf Glas. Die Löſung verliert betm 
Verdampfen Ununoniaf und liefert zerfließliche Rri- 
jtalle von faurem YU. NH,FI,HFI, dad wie das vorige 
in Gefiifen aus Blatin, Silber oder Guttaperda auf⸗ 
bewahrt werden muß und zum Ätzen ded Glajes und 
in Der demijden Analyſe benutzt wird. hydrat. 

Ammoniumhydroſulfid, ſ. Ammoniumſulf⸗ 

Ammoniumhydroxyd, ſ. Ammonium. 

Ammoniumjodid Jodammonium) NH,J 
entiteht beim Neutraliſieren von Ammoniaklflüſſigkeit 
mit Jodwaſſerſtoffſäure, beim Vermiſchen der Löſun— 
gen von ſchwefelſaurem Ammoniak und Jodkalium 
und Ausfällen des ſchwefelſauren Kalis mit Alkohol. 
Es bildet farbloſe, zerfließliche Kriſtalle, löſt ſich leicht 
in Waſſer und Alkohol und iſt bei Ausſchluß der Luft 
ſublimierbar. Man muß es im Dunkeln in gut ver⸗ 
ſchloſſenen Flaſchen aufbewahren, denn es wird leicht 
unter Abgabe von Ammoniak durch Ausſcheidung 
von Jod gelb oder braun, kann aber durch einige 
Tropfen Schwefelammonium wieder farblos gemacht 
werden. Man benutzt es in der Photographie. 

Ammoniumkarbonãt, ſ. Kohlenſaures Ammo— 
niak. monial. 

Ammoniummolybdat, ſ. Molybdänſaures Um- 

Ammoniumnitrat, ſ. Salpeterſaures Ammoniak. 

Ammoniumoxyd, ſ. Ammonium. 

Ammoniumoxyidſalze, ſ. Ammoniumſalze. 

— osphat, ſ. Phosphorſaures Am⸗ 
moniaf. 

Ammoniumplatindlorid, ſ. Blatindlorid. 

Ammoniumrhodanid (KR hodanammonium, 
Sdhwefelcyanammonium) NH,CNS entiteht bei 
trodner Dejtillation ſchwefel⸗ und ſtickſtoffhaltiger or- 
ganiſcher Körper (findet fid) Daher tm Ammionial- 
wajfjer und der Reiniqungsmaffe der Gasanſtalten), 
beim Erwarmen von Cyanwaſſerſtoffſäure mit gelbem 
Sdwefelammonium oder von alfoholijdem Ammo— 
niat mit Schwefelkohlenſtoff. Es wird aus dem Am— 
moniafwajjer und der Reiniqungsmaffe der Gasan- 
jtalten dargejtellt, bildet farbloje, zerfließliche Kriſtalle, 
ijt ſehr letdt und unter bedeutender Temperatur- 
erniedrigung in Waſſer löslich, ſchmilzt bei 150° und 
verwandelt jid) bei 180° in ifomeren Sutfobarnitofy. 
In der wiifferigen Löſung des Salzes löſen fic) meh— 
rere Metalloxyde unter Bildung von Doppelrhoda⸗ 
niden. Man benutzt A. als Reſervage bei der Kattun— 
druckerei mit Anilinfarben. 

Ammoniumſalze (Ammoniakſalze, Ammo— 
niumoxydſalze) finden ſich 3. T. weitverbreitet 
in der Natur (ſ. Ammoniah), entſtehen bei der Neu— 
tralijation von Ammoniak mit einer Säure und find 
Den Kaliumſalzen zu vergleichen, indem fie an Stelle 
Des Kaliums die Gruppe NH, enthalten, 3. B.: 


447 


Chlortalium KCl, Chlorammonium NH,Cl, 
Raliumfulfat KS0., Ammoniumfulfat XMSO, 
Sie gleiden den Kaliumſalzen auc in ihren Löslich— 
feitsverhaltnifjen, find farblos, wenn die Säure farb- 
{od ijt, bid auf das foblenjaure Ummoniat gerudlos, 
ſchmecken ſtechend-ſalzig, zerſetzen fid) leicht unter 
Abgabe von Ammoniak, zum Teil ſchon beim Liegen 
an der Luft, häufiger beim Verdampfen der Löſun 
und ſtets beim Glühen. Viele find ſublimierbar, un 
alle entwickeln, mit Kalilauge übergoſſen, Unimonial, 
das ſich durch den Geruch oder durch die Nebelbildung 
an einem mit verdünnter Salzſäure befeuchteten Glas- 
ſtab bemerkbar macht. Viele finden techniſche und 
mediziniſche Verwendung. 
Ammoniumfulfat, |. Schwefelſaures Ammonial. 
Ammoniumſulfhydrät ( Ammoniumhydro— 
ſulfid) NH HS eniſteht in farbloſen, ſehr flüchtigen 
Kriſtallen, die nach Ammoniak und Schwefelwaſſer⸗ 
ſtoff riechen und an der Luft ſchnell gelb werden, wenn 
Ammoniakl und Schwefelwaſſerſtoff bei niedriger Tem⸗ 
atur zuſammentreten, oder wenn man in eine Lö— 
* von Ammoniak in waſſerfreiem Alkohol Schwe⸗ 
felwaſſerſtoff leitet. Sättigt man Ammonialflüſſigkeit 
mit Schwefelwaſſerſtoff, oder deſtilliert man Gasfalf 
oder Sodarückſtände mit Salmial oder ſchwefelſaurem 
Ammoniak, fo erhalt man eine farbloje Löſung von 
A., die fic) an der Luft unter Orydation von Wajjer- 
ftoff und Bildung von Ammoniumdiſulfid gelb farbt, 
jie löſt Schwefel unter Bildung von Polyjulfureten 
und eleftronegative Sdhwefelmetalle unter Bildung 
von Sulfoſalzen und dient unter dem Namen S d) we- 
felammonium (Gdwefelwafferitoffammo- 
niaf) al8 Reduftionsmittel, zur Darjtellung von 
Zinnober und zur Erkennung und Sdeidung der Me- 
talle bei der Unalyfe. Unlösliche eleftroneqative Schwe⸗ 
felmetalle bilden mit A. lösliche Sulfoſalze. Ammo— 
niumſulfid (Schwefelammonium) (NH,),5 
entſteht aus Ammoniak und Schwefelwaſſerſtoff bei 
— 180 in farbloſen Kriſtallen von alfalijder Reallion, 
die ſich bei gewöhnlicher Temperatur zerſetzen. 
Ammoniumvanadinat, ſ. Vanad. 
Ammoniumiinndlorid, ſ. Zinndlorid. 
Ammonfalpeter{prengftoffe, Sicherheils⸗ 
ſprengſtoffe, die Ammoniumnitrat und als Kohlen— 
ſtoffträger Harz, Ol, Naphthalin, Nitronaphthalin, 
Dinitrobenzol oder dergleichen enthalten. 
Ammonſches Geſetz. Bon dem Lande her fin- 
det nad) dem Geſetz der natiirliden Ausleſe ein be- 
ſtändiger Strom, und gwar voriviegend Der weniger 
fursfdpfigen Elemente, nad) den Stadten jtatt. Die 
Cinwanderer gelangen hier, zum größten Teil we- 
nigiten3, in glinjtigere Ernährungsverhältniſſe, wo- 
durd ihe Körperwachstum und thre ſeeliſchen Anlagen 
cine Steigerung erfabren. Cin Teil von ibnen, und 
gwar hauptſächlich die mehr rundköpfigen Clemente, 
wird im ſtädtiſchen Leben aufgerieben, ein andrer 
Teil, die mehr langfdpjigen Elemente, behauptet ſich 
befjer, indem er ſich den Wabtifdven Verhaltnijjen an- 
zupaſſen verjteht. Im Laufe zweier Stadtgenerationen 
haben fic) die Einwanderer ſchließlich in zwei Gruppen 
geſondert: in eine hellere rundköpfige Gruppe, die der 
gewerbetreibenden und handeltreibenden Bürger und 
der Subalternbeamten, ſowie cine Dunflere langlköpſige 
Gruppe, die der Gelehrten und höhern Beantten. 
Einjeitige Uusbildung des Geiſtes ijt aber mit dem 
fdrperlidjen Gedeihen unvereinbar; daher fallen die 
Nachkommen der zweiten Gruppe ſehr bald dem Aus— 
jterben anbeim, was wiederum eine fortwährende Er- 
neuerung durch das Aufſteigen frijder Individuen 


448 


umd fomit ernente Einwanderung vom Lande her zur 
Folge hat. Val. Otto Annmon, Die natiirlide Aus— 
leye beim Menſchen (Gena 1893). 

Ammonshdrner, |. Ammoniten. 

MAmmonsoafe, ſ. Siwab. 

Ammophila, ſ. Grabwejpen. 

Ammophila arenaria Host. (Strandbafer, 
Sandrohr, Sandſchilf, Sandhalm, f. Tafel 
»@rajer I<, Big. 7), Gras mit eingerollten Blattern, 
dibrenformiger Riſpe, wächſt an fandigen Küſten Cu- 
ropas und des atlantijden Nordamerifa, wird wegen 
{eines weithin kriechenden Wurzelſtocks sur Befeſtigung 
des Bodens auf Diinen, Cifenbabndammen 2. an: 
gepflanzt. Ähnlich ijt A. baltica Lk. (Oſtſeerohr). 

Ammunition, jovicl wie Munition. 

MAmnaholz, ſ. Lecythis. . 

Amnefie (griech.), Mangel des Erinnerungsver- 
migens (j. Gedächtnisſchwäche). 


mucftie (qried)., »das Bergejjen«), allgemeine | 


Begnadiqung in Bezug auf cine qange Klaſſe von Ver- 
bredjen oder Verbrechern, im Gegenſatze ju derin einem 
cinjelnen Falle gewährten Beqnadigung; fommt am 
hãufigſten bei fogen. politijden Verbrechen vor und 


wird in Monarchien insbej. bei freudigen er 
ie 
Amneſtieklauſel in Friedensverträgen ſichert den 


innerhalb der regierenden Familie gewährt. 


Parteigängern der kriegführenden Mächte Straffrei— 
heit zu. Amneſtieren, eine A. erlaſſen, im Wege 
einer A. begnadigen (ſ. Beqnadiqung). 

Amnion, ſ. Embryonalbiillen. 

WUmniosfaure, ſ. Wilantoin. 

Amnioten, dic Wirbeltiere, bei deren Entwidelung 
cin Amnion fic) bildet: Reptilien, Vogel, Säugetiere. 

Ams baifh (qricch.), abwechſelnd;z amöbäiſches 
Gedidt (carmen amoebaeum), cine Art Wettgefang, 
wobei die Singenden abſatzweiſe abwedjeln. 


AmBben (qricc., »Wedjelnde«), einjellige Tiere | 


(Protozoen) von fehr einfadem Bau und veriinder- 
licker Körpergeſtalt (j. Tafel »Zelle«), zumeiſt mifro- 
jfopifd flein, frei (meijt tm Waſſer, jeltener in der 
Erde) lebend, aud) parafitifd im Darm des Menfdhen 
(Amoeba coli) und vielleidjt als Rranfheitserreger 
von Bedeutung. Bgl. Behla, Die W. (Berl. 1898); 
Doflein, Die Protojzoen als Barafiten und Krank— 
heitserreqer (jena 1901). 

Ams oidbewegung, Die Der Bewegungsweiſe 
der Amöben Ahnliche, ſelbſtändige Formveranderung, 
welde Das Protoplasma mander Zellen, befonders 


der farblofen Blutforperden, Lymph- und Eiterlörper⸗ 


chen zeigt. Die Formwveriinderung bejteht in einem Aus⸗ 
jenden und Einziehen von Fortfagen von fehr variabler 
Gejtalt und Linge. Indem die ausgejtredten Fort: 
ſätze fid) an ihre Unterlage anbeften, fonnen fte bei 
crap lapse das iibrige Brotoplasma nad 
ſich giehen und fo Ortsverinderungen der Sellen bewir- 
fen. Auf diefe Weife wandern vit Pi rblofe Blutforper- 
dhen in groker Menge in benadbarte Gewebe cin( Wan - 


derzellen). Dieſer Vorgang ſpielt eine wichtige Rolle | 
bei Den Entzündungsprozeſſen. Auch die Aufnahme 


fremder Stoffteilchen ins Protoplasma wird durch 
deſſen amöboide Tätigleit bewirft, was beſonders bei 
den Amöben leicht zu beobachten iſt. Bei ihnen iſt 
überhaupt die amöboide Beweglichkeit am leichteſten 
ju erlennen, während fic fiir gewöhnlich fo träge ver 
läuft, daß man nur das Reſultat, die Formwerände— 
rung, nicht aber die Bewegung ſelbſt wahrnimmt. Er— 
wãrmung auf 35 — 38° macht fie bedeutend lebhafter. 
Mangel an Sauerſtoff und Einleitung von Kohlen 
ſãure vermidtet Die amöboide Tatigfeit der Sellen. 


Ammonshorner 


— Amorbad. 


Amoflanfen, ſ. Amuclauſen. 

| Amol (Umul), Stadt in der perſ. Provinz Ma⸗ 

| fenderan, am Rafpifden Meer, im 13. Jahrh. Haupt- 
und Reſidenzſtadt des Reiches, Hat 10 — 20,000 Cinw., 
im Gommer bedeutend weniger. In der Umgebung 
Cifenberqbau, Reis- und Baumwollfultur. 

UAmola, friiheres Grundmaß fiir Wein m Genua, 

| = 833 Lit., 90 im Barile. 

Amole, ſ. Umuleh: 

A moll (ital. LA minore, franj. LA mineur, 
engl. A minor), in der Muſik das A mit Heiner (wei⸗ 
der) Terz. A moll-Ufford = a,c, e; A moll-Ton- 
jart, ohne Vorzeichen (Moll -Grundffata). 

Amollieren (franj.), erweichen, verweidliden. 
Amomen, foviel wie Engliſch Gewürz, ſ. Pimenta. 
Amémum L,, Gattung der Zingiberazeen, Pflan⸗ 
zen mit gegliederten, triedenden Wurzeiſtvden. 1—3m 
| hoben laubtragenden Stengeln und zapfen- oder feu- 
lenförmigen Blütenſtänden auf fduppentragenden 
Blütenſchäften. Etwa 50 Urten im tropifden Wien, 
Ujrifa, Uujtralien und auf den Inſeln des Stillen 
Ojeans. A. Melegueta Rosc. (Melequeta-Pfej- 
ferjtaude), mit ſchmalen Blittern, einzelnen weiß— 
liden Bliiten mit hellpurpurner Lippe und flafden- 
formiger vielfamiger Frudt mit ſäuerlichem Frucht⸗ 
marf, wächſt in den Riijtengebieten von Sierra Leone 
bis Kongo, vornehmlich an der Pfeffer- oder Mele: 
quetafiijte. Die Samen, von pfefferartiqem Geſchmack. 
werden in Afrika wie im Orient als Gewürz benugt, 
famen ſchon fer friih als fojtbare Droge in die Mit⸗ 
telmeerländer, werden aber jest al Paradiestir- 
ner (Grana paradisi, G. Melegueta) nur nod) felten 
als Dulas ju Spirituofen und zur Schärfung ſchlech⸗ 
ten Eſſigs angewendet. Ubrigens verjteht man unter 
Meleguetapfeffer auch die Samen von Xylopiaaethio- 
pica (Anonazee), Eugenia Pimenta ( Myrtazee), ſelbſt 
von Capsicum ⁊c., und im friihen Mittelalter aud die 
Rardamomen. A. Cardamomum L., auf Gumatra, 
Java und in Siam, trägt rundlide, etwas dreiedige, 
hellbräunliche Früchte nut braungrauen Gamen von 
fampferartigem Geſchmack. Die Friidte (Siamfarda- 
momen) waren alg Cardamomum rotundum s. race- 
mosum im Altertum fehr beliebt. A. maximum Rozb., 
auf Den Inſeln und dem Feftland Ojtindiens, liefert 
die länglichen, braunen, ftarf gerippten Javafarda- 
momen (Cardamomum majus) mit mattgrauen, 
jeinftreijigen Gamen. Bgl. Elettaria. 
Amön (lat.), anmutig; Umbnitat, Anmut. 
& mon aise (fran}., fpr. a monn-df, » ju meinem Be- 
hagen«), behaglid. 
Amuöneburg, Stadt im preuß. Regbez. Maffel, 
Kreis Rirdbhain, auf einem ifolierten, 363 m boben 
Baſaltlegel, über der Ohm, hat eine evangelifde und 
eine gotiſche fath. Kirche, cine Synagoge, Schloßruine. 
Amtsgericht umd (1900) 826 Cinw. Das dortige Ve- 
nediftinerflojter, 740 vom beil. Bonifacius gqeqriindet, 
wurde 1360 in cin Nollegiatitijt umgewandelt. — WL. 
gehörte im Mittelalter zu Aurmainz und war ftarf be- 
ſeſtigt. Bei der am Fuk des Berges lieqenden Briider- 
miihle fand 21. Sept. 1762 cin Gefecht zwiſchen Preußen 
unter Herzog Ferdinand von Braunſchweig und Fran 
zoſen unter d'Ejtrées und Soubiſe ſtatt. 
Amor, der Liebesgott, ſ. Eros. 

Amorbad, Stadt wm bayr. Regbez. Unterfranfen, 
Bezirfsamt Wiltenberg, im Odenwald, an der WMudau 
und der Staatsbahniinie Aſchaffenburg-A., Refidery 
des Fiirjten von Leiningen, hat eine ehemalige Bene- 
| dDiftinerabtei, ſchöne Kloſterlirche (jept Den Brotejtan- 
, ten eingeräumt, mit beriibmter Orgel), fath. Ride, 





} 
i 
\ 








Amorces — Amortiſation. 


Amtsgericht, Holgwaren> und Tudfabrifation und 
(1900) 2173 meijt fath. Einwohner. Auch befipt A. 
eine gegen Rheumatismen wirkſame jodhaltige Stabl- 
quelle Jordansbad). Die vom Heil. Pirmin 734 
geqritndete Benediftinerabtei wurde 1803 ſäkulariſiert 
und dem Fürſten von Leiningen zugewieſen. Unfern 
der Stadt lieqt Waldleinin ger die Gommerreji- 
denz des Fiiriten, und die Ruine Wildenburg. 
Bal. Hildenbrand, A. und der öſtliche Odenwald 
(Aſchaffenb. 1882). 

Amorces (fran3., fpr. amérg’), f. Biindblattden. 

Amoretten, in der bildenden Kunſt den gried. 
Eroten (f. Cros) nachgebildete gefliigelte Rindergejtal- 
ten. Bal. E. Meyer, W. und deforative Frauen- 
geſtalten (Berl. 1891); Derjelbe, Umoretten-Studien 
fiir Das Kunſtgewerbe (60 Tafeln, Leips. 1893). 

Amorgos (Yl mur gos), Inſel im Ugqaifden Meer, 
gum griechiſchen Nomos der Kyfladen gehörig, lang: 
qeftredt, gebirgig (bis 780 m), aber frudtbar, aus 
Dunflem Ralfitein bejtehend, mit 134 qkm Fläche und 


(1806) 2248 Einw. Der Hauptort Chora (Kajtron) | 


hat ein altes Schloß und (1x89) 1302 Emm. — Im Al— 
tertunt ward auf A., Dem Vaterlande des Simonides, 
die fajt durchſichtige amorgifde Leinwand ver- 


fertigt. Unter den Naijern war A. Verbannungsort. | 
Rejte der antifen Stadte Minoa, Urfejine und Ugiale | 


find erbalten. 

Amoriter, Volfsjtamm der Kanaaniter, der oft 
fiir dieſe überhaupt genannt wird. Sie wohnten nord- 
oſtwärts vom Jordan am Jabok int S. bis gum Her- 
mon im N. Im 13. Jahrh. v. Chr. unterwarfen fie 
die Moabiter, drangen über den Jordan, ſtürzten die 
Macht der Chetiter und croberten das ganze Kanaan 
bis gum Meer. Dodh wurde ihre Madt durd) den Sieg 
der Hebräer unter Jofua bei Gibeon gebrochen. 

Amor6so (ital.), lieblich, zärtlich; Liebhaber, da- 
her primo a., erjter Liebhaber (auf dem Theater). 


BW morph (qried., »>formlos, ungejtaltet«) heißt cin | 


Körper, Der auch in feinen Heinjten Teilen feine fri- 
jtallinifde Gejtalt oder Tertur zeigt. Mande Körper 


fennen wir nur im amorphen Zujtand, andre mur | 
im frijtallinijchen, viele in beiden Sujtinden. Lestere | 


erſcheinen bejonders Dann a., wenn fie fo fdnell in 
die ftarre Miogrepatform übergehen, dak die Mole- 
fiile nidjt Zeit finden, ſich regelmäßig gu ordnen. In— 
des können antorphe Körper, ohne den Uggregat- 
jujtand gu ändern, frijtallinijd) werden, und diefer 
Ubergang in den kriſtalliniſchen Zuſtand ijt ftets von 
Warmeentwidelung begleitet. Erwärmt man amor- 


phes Selen auf 100°, fo frijtallifiert e8, und dabei | 


jleigt Das Thermrgmeter auf 210—215°% Bisweilen 
wird bei Diefem Übergang Licht entwidelt, fo 3. B., 
wenn fid) in ciner Lijung von amorpher arfeniger 
Säure Krijtalle bilden. Amorphe Körper zeigen nad 
allen Richtungen hin gleiche Eigenſchaften, 3. B. Ko— 
häſion, Harte, Wärmeleitungsfähigkeit, Lichtgeſchwin⸗ 
digkeit, während kriſtalliniſche ſich in dieſen Beziehungen 
nad) verſchiedenen Richtungen ungleich verhalten, 2. ; 
auch find die kriſtalliniſchen Körper meiſt härter, fpe- 
ifiſch ſchwerer, widerſtandsfähiger gegen chemiſche Ein- 
üſſe und ſchwerer ſchmelzbar. bei gehen ſie bei 
einer beſtimmten Temperatur plötzlich in den flüſſigen 
Aggregatzuſtand über, während amorphe Körper hau- 
fig erweidjen und allmählich fliiffiq werden. Nicht 
felten jind die Körper im amorphen Zuftand anders 
gefarbt als im frijtallinijden: amorphes Sdhwefel- 
quedfilber ijt ſchwarz, frijtallinijdes rot ꝛc. 
Amorpha L. (inform), Gattung der Legumi— 
nofen, Sträucher oder Halbſträucher mit unpaarig ge- 
Meyers Ronv.=Lerifon, 6. Aufl., J. Bb. 


449 


fiederten Blattern und fleinen, ſchwarz⸗- bis blauviolet- 
ten Bliiten ohne Fliigel und Niel (Daher der Name) in 
didjten, endjtdndigen Trauben. Von den 10 Arten in 
Nordamerifa ijt A. fruticosa L. ein Rierjtraud mit 
8— 20 cm langen Trauben, aus Carolina und Flo- 
rida, wird vom Wild nicht angeriibrt. Die Blatter 
liefern den fogen. Bajtardindigo. Schöner ijt die 
| grauhaarige A. canescens Nutt. aus Nordamerifa. 
| Amorphie (griech.), Formloſigkeit, insbeſ. Miß— 
geſtaltung eines organiſchen Körpers, Mißgeburt. 
Amorphophallus Blume, Gattung der Arazeen, 
Kräuter mit tnolligem Wurgelſtoc der meiſt nur ein 
einziges großes, dreiteiliges Laubblatt mit einfach oder 
doppelt fiederſpaltigen Abſchnitten und außerdem den 
langgeſtielten Bliitenfolben entwickelt. Etwa 15 Ar—⸗ 
ten, in Oſtindien und auf den Sundainſeln. A. cam- 
panulatus Blume, mit 20cm breiter Knolle, fiber 1 m 
hohem Blattiticl und violetter Spatha, auf der Roro- 
mandelfiijte, Ceylon und den Fidſchiinſeln, blüht in 
der Regenperiode. A. titanum Becc. (Conophallus 
Titanum Becc., ſ. Tafel »Flieqens und Sdnecenblu- 
men«, Fig. 17), auf Sumatra, mit 50 cm breiter 
Knolle, 2—5 m hohem Blattitiel und 3 m langen 
Hauptabjdnitten der Blattflaide. Der Rolbenijtiel 
wird 1 m, der Rolben felbjt 1,25 m und das die 70 
bis 80 cm lange dunfelviolette Blütenſcheide über— 
ragende nadte, kegelſörmige Rolbenende 1,3 m lang. 
A. Rivieri, ſ. Hydrosme. 

Amorphozéa, formloje, weder radiär fymme- 
triſch nod) bilateral gebaute Tiere, wie Protozoen, 
Spongien. 

Amortijation (v. franj. amortir, ertdten, aus⸗ 
löſchen, an die Tote Hand vermadjen), urſprünglich 
Hingabe liegender oder beweglider Giiter an die Rirde, 
Die im Weittelalter die Tote Hand hieß, weil fie ihr Ber- 
mögen fefthielt, nicht mehr in den Berfehr bradte, fo 
wie die Hand cines Toten dad in fie Gelegte fefthalt. 
Die Kirche beanſpruchte dazu fiir ihr Vermögen volle 
Steuerfreiheit ( Immunität). Um nun dem übermaß 
von fteuerfreien Gütern in Der Toten Hand gu begeg- 
nen, erließen die Staatsherrider ſchon ſeit Dem 14. 
Jahrh. Geſetze, wodurd die 8uwendungen von Giitern 
an die Tote Hand (f. d.) verboten oder von der ftaat- 
liden Genehmigung abhängig gemacht wurden (leges 
de non admortizando, Umortifationsgefege) 
Sie beziehen fich entweder auf die unbewegliden Gil- 
ter (Immobiliar⸗) oder auf das beweglide Vermögen 
— eansaae Dee, oder auf beide Yirten 
des Vermögens. Oft ijt der Immobiliarerwerb ohne 
vorberige ftaatlide Genehmigqung ſchlechthin verboten, 
alſo nidtig, der Mobiliarerwerb aber bis gu ciner gee 
| wifjen Summe (summa pragmatica) erlaubt, deren 
| Uberfdjreitung wieder der jtaatlidjen Wenehmigung 
bedarj. Val. Kahl, Die deutfden Amortiſations⸗ 
5* (Tübing. 1879). Derartige Amortiſationsgeſetze 
beſtehen zur Zeit in Preußen, Bayern, Württemberg, 
Baden, Heſſen, Sachſen-Weimar, S.-Meiningen, S.- 
Witenburg, S. Koburg-⸗Gotha und Cliah-Lothringen. 
AÄhnliche Swede verfolgt das neue fran zöfiſche Vereins⸗ 
geſetz vom 29. März 1901. — A. von Urfunden, 
j. Unfgebotsverfabren. 

Unter A. verjteht man aud die allmähliche Ab— 
tragung ciner Schuld. Werden 3. B. jtatt 4 Bro}. 
Rinfen alljährlich 5 Proz. als Zinſen einſchließlich 
1Proz. Amortiſationsquote entrichtet, fo ijt cine Schuld 
binnen 41 Jahren getilgt. Für den Schuldner wird 
durch die ratenweiſe Rückzahlung die Tilgung der 
Schuld nicht allein erleichtert, ſondern oſt überhaupt 
erſt ermöglicht. Namentlich hat die A. hohe Bedeutung 


29 








450 


fiir Wirtſchafts zweige, die eines langen Kredits bedür⸗ 
fen, ohne raſch größere Kapitalien flüſſig machen zu 
fonnen, fo ingbey fiir Die Landwirtſchaft jum Swede 
der Ubldfung von Grundlajten, der Durdfiibrung 
von Weliorationen x. Dagegen fann die A. infofern 
fiir den Glaubiger nadteilig fein, als fie ihm fein Ka— 
pital in fleine Teile gerfplittert und dadurch die Nei— 
gung fördert, vorhandened Vermögen gang oder Fs T. 
junt Unterhalt aufzubrauchen. Doch wird diefem iibel- 
jtand vorgebeugt, wenn, wie bei Bodenfreditanjtalten, 
viele fleine Wmortifationsbetrage an einem Us 
ſammenfließen, die als größere Summen wieder leidt 
verwendbar find (3. B. zur ine mag. von Pfand⸗ 
briefen). Bei öffentlichen Anleihen fommen regel- 
mãßige Umortifationen aud in Form der Annuitäten 
(f.d.) vor. Zu unterfdeiden hiervon ijt diejenige all- 
mãhliche Tilgung einer Geſauitſchuld, bei der jeweilig 
cingelne Schuldpojten durd Heimyahlung ausgelofter 
Papiere, Auflauf von Obligationen xc. beglichen wer- 
den. Hierbei erfolgt die Einlöſung bisweilen zu einem 
höhern als dem Nennbetrag; den Überſchuß des Cin- 
löſungslurſes fiber den lestern nennt man Umorti- 
ſationszuſchlag (vgl. Staatsſchulden). Die W. von | 


Amortijjement 


Uftien (Heimzahlung ausgelofter Uftien aus dem Ge- 


jellfdhaftsvermigen), fiir Die bisweilen aus aufgefam- 
melten Reinertrdgen und unerhobenen Zinſen und 
Dividenden ein eigner Umortifationsfonds ge- 
bildet wird, iff nur unter Beobadtung bejtinunter ge- 
ſetzlicher Vorſchriften zuläſſig (val. Uttie und Aktien— 
gejellidaft, S. 239). Die heimgezahlten Beträge wer- 
den im Umortifationsfonto gebudt. Endlid 





wird das Wort A. aud im Sinne von Ubfdrei- 
bung (f. d.) gebraucht. 

Amortiffement (franj.), foviel wie Amortiſation. 

Amortifferr, |. Eleftrijhe Maſchinen. 

Amor vincit omnia (lat., »die Liebe iiberivindet 
alles<), alter Spruch, von den Ulten allegoriſch aus- 
qedriidt Durd) Den Liebesgott, der den Fup auf cinen 
qedentiitiqten Lowen fest. 

Amos, ciner der fogen. fleinen Bropheten, Hirt | 
aus Thefoa, einer juddijden Ortidaft, weisſagte zur 
Beit der Könige Ujia von Juda und Jerobeam iL von 
Israel (8. Jahrh. v. Chr.) gu Bethel, wo die Briefter 
durd) eine Unflage bei Jerobeam feine Vertreibung | 
aus dem Reid) Israel gu bewirfen ſuchten. Seine 
Weisfaqung bezieht fic) vornehmlid) auf das Reid 
Israel, deſſen BVerderben er ergreifend fdildert. 

Amofis, ſ. Amaſis. 

AmOtae res (lat.), »entwendete Sachen«, insbeſ. 
foldhe, Die Verwandte ohne Redtstitel fic) angeciqnet 
haben. Umotion, Entfernung (vom Amt); Ent— 
wendung (von Sachen). 

Amourettengras, ſ. Briza. 

Amourettenhols, ſchweres, feſtes, gelbrötliches, 
braunrot geädertes Nutzholz von Mimosa tenuifolia 
und M. tamarindifolia, auf den Antillen. 

Amovieren (lat.), entfernen, des Amtes entſetzen. 

Amoy (Hiamun), cine dem Fremdhandel geöff 
nete Hafenjtadt Chinas (Proving Fufien), auf einer 
15 km fangen, 11 km breiten, von 400,000 Menfdjen | 
in 136 Dorfern und Höfen bewohnten Inſel, vor 
der Miindung de3 Drachenfluffes, der Inſel Formoſa 
gegeniiber, mit 96,000 Einw. Die dem Fejtland zu— 
gefehrte Stadt ijt auf drei Seiten vom Meer umgeben 
und bejteht aus einem ummauerten Teil auf der Hohe | 
und einem an der Miijte, hat zwei groke buddhiſtiſche | 
Tempel, Den Nantaiwu mit neun Stodwerfen und 
ciner Koloſſalſtatue des Fo, und den Lamputu mit 
vier von Rieſenſchildkröten getragenen Bavillons, fo- 


— Ampelius. 


wie ein berühmtes Nonnenflofter. A. ijt Sig eines 
deutſchen Berufstonjuls und der Londoner, engliſch⸗ 
presbyterianifden, hollandijd-reformierten und rd- 
mifd-fatholifden Miffion. Von frenvden Firmen zaählt 
man jetzt 40 (3 deutſche), von Fremden tiberhaupt 
240 (40 Deutfde). Die fehr geriumige, ficjere Reede 
ift tief genug fiir die größten Schijfe; 1899 liefen ein 
und aus 1951 Dampfer von 1,910,313 Ton. und 67 
Segelſchiffe von 25,581 T. (britifd) 71,75, deutſch 9,29 
Proz.). Der Gefamthandel betrug 1899 : 20,879,654 
Taels. Bon der Cinfuhr (1899: 14,537,237 Taels) 
entjielen auf Opium 2,616,399, Baumwwollenwaren 
1,462,055 Tals; von der Ausfuhr der Landeser zeug⸗ 
niſſe (2,423,444 Taels) auf ſchwarzen Tee von den 
herfibinten Boheas und Unfibiiqelr 2,958,909, Zucker 
923,550 Tacls, der Rejt auf Rapier, Tabat, Gras: 
tud. Für den Fremdhandel ijt UW. faſt nur nod 
Rwifdenitation zwiſchen Hongfong und Formosa. — 
Xm 17. Jabrh. war A. der Hauptitiippunft ded See- 
rauberhauptmanns Yquan und jeines Sohnes Ko— 
ringa, die den Holländern und Engländern erlaubten, 
Handelsniederlaſſungen zu qriinden. Als aber die 
Hollander durch Koxinga aus Formoja verdriingt 
worden waren, vereinigten fic) 16 holländiſche Schijfe 


unter UDdmiral Bort 1663 mit einer Flotte Der Man- 


dſchulaiſer ju einem gemeinfamen Rriege gegen die 
Seeräuber. Im Januar 1664 fiegte die hollandiid- 
chineſiſche Flotte; auf Befehl de3 chineſiſchen Admirals 
wurde A. zerſtört. Doch war der Ort in der Mitte des 
18. Jahrh. wieder in Blüte. 1841 wurde A. von einer 
engliſchen Flotte erobert und feit Dem zweiten Frieden 
von Ranfing (1842) Dem Handel aller Nationen er- 
öffnet. Boriibergehend wurde W. im Sommer 1900 
von den Japanern befest. 

Ampel (v. fat. ampulla, ſ. d.), an Ketten von der 
Dede des Gemads herabhangende Sdale zur Auf- 
nahme der Lampe, war fdon bei den Aſſyrern und 
Aquptern, Griechen, Etrustern und Römern, aud tm 
Mittelalter in Kirchen (ewige Lampe) und Wohnhäu · 
fern im Gebraud. RNeuerdings ijt die A. in reichſten 
Formen aus Silber, Bronze, Porzellan, Ton, Glas, 
Schmiedeeiſen rx. allgemein üblich qeworden. Die 
Blumenampel dient zur Aufnahme von Blumen, 
Sadlingpflangen u. dal. (ſ. Ampelpflanzen). 

Wmpela, antifer Name von Zalatna (j. d.). 

Ampelidazeen (Vitazeen, Weinrebenge- 
wächſe), difotyle Pflanzenfamilie aus der Ordnung 
derRhamnales, klimmende, meiſt ranfentragendeHol;- 
pflanzen mit wechſelſtändigen, einfachen oder hand⸗ 
und fingerformig zuſammengeſetzten Blättern. Die 
meiſt flemen, gruͤnlichen, in Riſpen ſtehenden Blüten 
haben einen kleinen, vier⸗ bis fünfzähnigen Kelch, 4 — 


S zuweilen mützenartig zuſammenhängende Blumens 


blaͤtter und ebenſo viele, auf dem drüſigen Blütenboden 
ſtehende Staubblätter. Der oberſtändige Frudtinoten 


| tft meiſt zweifächerig, mit zwei Samenanlagen in je 


Dem Fad. Die Frudt ijt cine zweifächerige Beere. 


| Die etwa 270 Urten find meijt in den Tropen, wenige 


in Der gemafigten Zone, zumal Nordamerifas, etm 
heimifd. Cissus- und Vitis-Yirten finden ſich tm Ter⸗ 
tir (Braunfohlengeit) Siideuropas und eines Teils 
von Mitteleuropa. Mehrere VW. find Zierpflanzen. 

Ampelis, Seidenſchwanz; Ampelidae, Familie 
der Sperlingsvigel. 

Umpeling, Lucius, latein. Scdriftiteller, wahr⸗ 
ſcheinlich um 200 n. Chr., Verfaſſer cines (meiſt den 
Ausgaben des Florus beigefiiqten) »Liber memo- 
rialise (Merfbiidlein), eines diirftiqen, Dod) cinjelrre 
wertvolle Nadridten bietenden Abriſſes Der RoFnto. 


Ampelodesmos — Ampezzo. 


graphie, Geographie, Mythologie und Geſchichte. Aus⸗ 
gaben von Bee (Leip;. 1826) und Wal fflin (daf. 1854). 

Ampelodesmos Beauv,, Gattung der Grami- 
neen mit der eingigen Urt A. tenax L., ein niedriged 
Gras mit binfenartigen Blattern und nidender Ritpe, 
wãchſt im Mittelmeergebiet, befonders in Ulgerien. Die 
a 7 Blatter dienen als Futter, die alten ſehr gaihen 
als Ejparto ; in Italien werden daraus Hiite geflodten. 

Ampelographie (qried.), Lehre von den Reb- 
forten; f. Weinſtock. 

Ampelo s hederacéa, wilder Wein, fana- 
diſche Rebe, —— 

Ampelos (qricch.), Weinſtock; aud ein junger 
Satyr, Liebling des Dionyſos, ward nad ſeinem Tode 
von Reus in einen Weinjtod verwandelt. 

Ampelpflanzen, Ziergewächſe, die ſich ihrer her- 
abbingenden Zweige wegen gur Kultur in Umpeln 
eignen. Man benugt Ampeln aus Metall, Ton, Holz⸗ 
jtaben, Draht, die man innen mit Moos ausficidet. 
Die Pflanzen jtellt man in Töpfen in die Ampel oder 
pflanzt fie in letztere dDireft aus. Bei der Kultur in den 
Ampeln ijt cin regelmãßiges Gießen, Abfluß des Waſ⸗ 
ſers, der Pflanze entſprechende Lichtwerhältniſſe und in 
geheizten Zimmern auf die Temperatur in der Höhe, 
in der die Ampel hängt, zu achten. Vorteilhaft hängt 
man die Ampel ſo auf, daß ſie zum Gießen ꝛc. ohne 
Whe herabgelaſſen werden fonn. Für im Freien 
bangende Unipeln find —— net: Campanula garga- 
nica und C. fragilis, Fuchsia hybrida, Lonicera 
brachypoda reticulata, Mesembryanthemum, Pe- 
largonium peltatum, Petunia, Tropaeolum majus, 
Vinca minor, Hedera. fiir Rimmer u. Gewächshaus: 
— Sprengeri, Cyrtodeira cupreata, Cereus 
flagelliformis, Chlorophytum Sternbergianum, 
Russellia juncea, Saxifraga sarmentosa, Stenota- 
phrum americanum, Tradescantia guyanensis u. a. 

Ampelurgie (qred.), Weinbaufunde. 

Amper, Fluß, ſ. Umer. 

(A), nad) dem Geſetz vom 1. Juli 1898 
Einheit der eleftrijden Stromftirfe, wird dargejtellt 
durch den unverdnderlidjen eleftrifden Strom, der 
bei Dem Durdgang durd) eine wäſſerige Löſung von 
Silbernitrat in einer nde 0,001118 g Silber nie- 
derſchlägt. Bgl. Clettrifde Maeinheiten. 

Ampere (ipr. angpdr), 1) Undré Marie, Phyſiler 
und Mathematifer, . 22. Jan. 1775 in Lyon, geſt. 
10. i 1836 in ricille, ftudierte Chemie und 
Phyſik, erhielt 1801 eine Profeſſur in Bourg, gin 
pon dort nad Lyon und 1805 nad Baris und war 
1809 zum Profejjor der Analyſis und Mechanik er- 
nannt und 1824 als Brofeffor der Royfif an das Col- 
lege de France verſetzt. Cr unterfudte die Wechſelwir⸗ 
fung zwiſchen zwei eleltriſchen Strimen, entdedte die 
elettrodynamifden Exjdeinungen und entwidelte das 
Fundamientalgeſetz derielben (»La théorie des phé- 
noménes électrodynamiques«, Bar. 1826; 2. Aufl. 
1883). Eine Frucht diefer Urbeit war Umpéeres Theo⸗ 
rie Des Magnetismus, welde die Verdindung zwi— 
iden Magnetismus und Eleftrizitat herſtellte, indem 
jie Die magnetifden Krafte auf elektriſche zurückführte 
(+ Recueil d'observations électrodynamiques«, Bar. 


1822). Er arbeitete auch tiber die Doppelbredhung ded | ; 


Vichted in den Kriftallen und fudte die Wärmeerſchei— 
nungen auf Bewegung der Molefiile der Körper zurück 
zufü Er ſchrieb nod: »Considérations sur la 
théorie mathématique du jeu< (Lyon 1802); » Essai 
sur la philosophie des sciences« (1834—43, 2 Bde. ; 


451 


»André Marie A. et Jean Jacques A.; correspon- 
dance et souvenirs de 1805 a 1864« (daf. 1875, 
2 Boe.); Barthélemy Gaint-Hilaire, Philoso- 
phie des deux Ampére (2. Aufl. 1869); Valſon, 
La vie et les travaux d'A. M. Ampére (“yon 1886). 

2) Jean Jacques, franz. Litcrarhijtorifer, Sohn 
des vorigen, geb. 12. Aug. 1800in Lyon, geft. 27. März 
1864 in Bau, bezog nad einem Aufenthalt in Italien 
(1824) die Univerfitat Bonn, beſuchte Goethe in Wei- 
mar, fam ſpäter in ben Salons der Mad. Récamier 
mit Dem jungen Frankreich in Berührung und ward 
Mitarbeiter am »Globe«. Als die Julirevolution aus- 
brad, war er Profefjor in Marjeille, ging dann in 
leider Eigenſchaft nach Paris an die Sorbonne und 
1833 an das Collége de France an Yndrieur’ Stelle 
und ward 1847 Mitglied der Ufademic. Sein Wif- 
jensdrang hatte ijn nad) Sfandinavien, Deutidland, 
SMalien, Ugypten, Rubien und Nordamerifa gefiihrt; 
iiberall wußte er mit ſcharfem Blick das Charafte- 
riſtiſche aufzufinden, und feine Werke legen Zeugnis 
ab von feinen umfaſſenden Renntnifjen in der Litera- 
tur frembder Linder. Seine Haupticriften find: »Lit- 
térature et voyages« (1834; neue Aufl. 1850, 2 Bde.), 
eine Sammlung von fritifden Wuifagen; » Histoire 
littéraire de la France avant le XII. siécle« (1840, 
83 Bde; 3. Aufl. 1870); »Histoire de la formation 
de la langue frangaise« (1841; 3. Aufl., hrsg. von 
P. Meyer, 1871; dieſes Werk ijt wie das vorige ver- 
altet und längſt iiberholt); »La Gréce, Rome et 
Dante« (1848, 9. Aufl. 1884); » Promenade en Amé- 
rique, etc.« (1855, 2 Bde.; newe Aufl. 1874); »L'his- 
toire romaine & Rome (1861 —64, 4 Bde. ; 4. Aufl. 
1870) u.a. Bgl. Botton, Etudes sur la vie et les 
travaux de J. J. A. (Bar. 1867). 

Amperemeter, j. Eleftrotedn. Meßinſtrumente. 

hee bre 7 oe 863 Eleltrodynamiſche Kraft. 
a cfunde, {. Coulomb. 

A nde (Stundenampere), dic Elektri— 
— Die bei 1 Ampere in 1 Stunde durch den 

uerſchnilt der Leitung fliept. 

Amperewindung (Windungs-, Sdhrauben- 
ampére), die Cinheit fiir das die Starve eines Elef- 
tromagneten bejtimmende Broduft aus der Zahl der 
den Kern umgebenden Windungen und der Starte des 
die legtern durchfließenden Stromes. 

Ampezzo (Cortina d'V., Hayden), Dorf in Ti- 
rol, Sig emer Bezirlshauptmannſchaft und eines Be⸗ 
zirlsgerichts, 1224 m il. D2, im weiten Tal des Boite 
(Nebenfluß der Piave), an der aus dem Buftertal 
(Toblach) durch das Höhlenſtein und Ampezzotal 
ins Piavetal führenden Ampezzaner Straße qe 
legen, von Dolomitbergen umgeben, hat eine ſchöne 
Kirche mit 78 m hohem Glockenturm, eine Fachſchule 
fiir Holzinduſtrie, welder Induſtriezweig neben Holz— 
handel bier betrieben wird, und (seo) 619, als Ge— 
meinde (1900) 3088 ital. Einwohner. A. ijt als Mittel- 
puntft der Ampezzaner Dolomiten, deren Gipfel 
(Monte Crijtallo 3199 m, Sorapif 3229 m, Tofana 
8241 m, Yntelao 8263 m) von Hier aus häufig be- 
—* werden, im Sommer viel beſucht und beſitzt 
zahlreiche Hotels und Billen. Bon VW. fiibrt norddjt- 
lid) cine Strafe fiber den Paß Tre Croci (1808 m, 
mit Hotel) und den Mifurinafee (1755 m, gleichfalls 
mit — nad) Sdluderbad (ſ. d.). Weſtlich ijt eine 
Strafe fiber den Falzaregopaß (2117 m) ins Buchen- 
ſtein ⸗ und Faffatal im Bau. L. Nog, W. und ſeine 


2. Warf. 1857). Bgl. »Journal et correspondance de | Dolomiten (Mlagenf. 1880); Robhrader, Toblad 
A M. Ampére 1793—1805« (9. Aufl., Bar. 1893); | und das Ampezzotal (Münch. 1893); Bundt, Wan- 
29* 


452 


Ampfer — Amphibien. 


i is in ben Ampezzaner Dolomiten (Rradtwerl; | mandmal unter der Haut verjtedt (Protens); dagegen 


2. Aufl, Stuttg. 1895). 
ps Se Eflanyengattung, ſ. Rumex. 
MAmpferflee, |. Oxalis 


Ampfing, Dorf im bayr. Regbez. Oberbayern, 
Bezirfsamt Mühldorf, an der Iſen undan der Staats- 
babniinie Uhn- Simbad, bat eine fath. Kirche und 
1900) 600 Cinw.; befannt dDurd die Schladht bei A. 
oder bei Muhldorf (7.d.). Am 1. Dez. 1800 ſiegreiches 
Geiecht der Ojterreider unter Erzherzog Johann fiber 
die Franzoſen unter Grenier. 

Amphi- (qried.), in vielen Sufammenfegungen: 
beid⸗, beidfeitiq-, berum-, hye Amphibium, , foviel 
wie beidlebiqes, ſowohl im Wafer als aud) auf dem 
Lande lebendes Tier. 

Amphiaraos, im griech. Mythus ein beriihmter 
Seher aus Urgos, ae. des DifleSs und der Hyper- 
mnefjtra, Urenfel ded Sehers Melampus, Teilnehmer 
an der falydonijden Jagd und ant Yirgonautenjug. 
Am Sriege der Sieben gegen Theben wollte er fid 
nidht beteiligen, Da er den ungliidliden Unsqang und 
jeinen Tod vorherſah, ward aber dazu durch ſeine vor 
Polyneifes durch das HalSband der Harmonia (j. d.) 
beſtochene Gemahlin Criphyle gezwungen. Nad) der 
Niederlage entriidte Reus den fronmmen Seber den 
Berjolgern, indem er ibn von der Erde verfdlingen 
lief. ér wurde an veridiedenen Stellen als Orafel- 

ott verehrt, namentlich an der Stelle ſeines Verſchwin⸗ 
— bei Cropod, woer einen Tempel (Amp hiareton) 
mit beriihmtem Traumorafel hatte. 

Amphibien (Amphibia, qricd., »doppellebige 
Tiere<) oder Lurde, Klaffe der Wirbeltiere, die ihren 
Namen wegen ibres Lebens (als Jugendftadien) im 
Waſſer und (im ausgebildeten ujtond} auf dem Lande 
fiibren. Dementfpredend atnen fie in der Jugend 
durch Stiemen, {pater durch Lungen, weldes Verhal⸗ 
ten fie in —— Weiſe den Fiſchen nähert und ſie 
ſcharf von den Reptilien trennt. Der Körper ijt ziem⸗ 
lich lang gejtredt Schwanzlurche, Blindwühler) oder 
gedrungen (Fröſche, Kröten). Die Gliedmaßen find 
gut entwickelt (Schwanzlurche, Molche) oder fehlen 
auch ganz (Blindwühler); ſie ſind nach dem Typus 
Der fuͤnfgliederigen Extremität —— dienen zum 
Vorwãrisſchieben des Körpers, felt 


ſchwindet Der Schwanz (Anuren) der ſonſt ein wich— 
tiges Bewegungsorgan der A. wie der Fiſche darſtellt. 
Die Haut it nackt, glatt und ſchlüpfrig (nur die Blind- 
wühler beſitzen Schuppen) und voll zahlreicher Drüſen, 
die Schleim oder ätzende, ſtark riechende, auf kleinere 
Tiere giftig wirkende Flüſſigleiten abſondern. Ferner 
liegen in ihr Pigmentzellen (ſ. Chromatophoren), de- 
ren Ausdehnung oder Zuſammenziehung einen Far— 
benwechſel zur Folge hat. Bei einigen Arten ändert 
die Haut der Männchen zur Zeit der Begattung nicht 
nur Die Farbe, ſondern aud die Form, fo dak z. VB. 
der Riiden einen Ramm erhalt (Hod s,eitstleid, ſ. 
Tafel ⸗Hochzeitstleider II«, Fig. 8 u. 9). Die Haut 
wird in regelmapigen Perioden abgeſtoßen, und diefe 





ener zum Springen, | 
Stlettern und Schwimmen (Frode). Bei legtern | 


jeblen die Lider gänzlich, oder find aus dem obern 
und untern Lid oder Dem obern und einer fogen. Rid: 
haut gebildet. Das Ge hirorgan ijt wenig entwidelt, 
cin Guperes Ohr febit ftets. BweiNafendffnungen 
find vorhanden, die mit der Mundhöhle in Rerbin 
Dung jteben. Dre bei den Fröſchen gut entwidelte und 
weit herausſchlagbare Zunge fann anderm A. gang 
feblen; die Babne dienen weniger zum Nauen als zum 
Erfaſſen der Beute, den Kröten feblen fie. Der Darm 
pilegt kurz zu ſein; bei Den teilweiſe pflanzenfreſſenden 
Larden dagegen ijt er recht lang. Die Larven atmen 
zunächſt dDurd 2—3 als gefiederte Hautanhänge hin— 
ter dem Kopf erſcheinende Kiemen. Dieſe beſtehen zeit⸗ 
lebens neben den Lungen bei den Kiemenlurchen, fonjt 
geben fie zu Grunde und werden durch die Lungen er- 
fest; dieſe ſchließen fid) als zwei dünnwandige Sade 
ziemlich dicht und ohne Bildung einer eigentlichen 
ftröhre an die Stimmritze an. Bei einigen Molchen 
und Salamandern (Spelerpes, Salamandrina, Des- 
mognathus) gehen auger den Kiemen aud) die Lun— 
gen verloren, und die Atmung erfolgt größtenteils 
Durd) die Paut, die auch ſonſt bet den A. als Refpira- 
tionSorgan von Bedeutung ijt. Entipredend der ver- 
fciedenartigen Unsbildung der Refpirationsorgane 
zeigt fid) aud) das Gefdbtyitem redht Different ge⸗ 
baut, bei blofer Kiemenatmung ähnelt es dem der Fiſche 
und fompliziert fic) mit dem Yujtreten der Lungen. 
dod) bat auc dann das Her; neben zwei Vorkammern 
fiir das arterielle und vendje Blut mur cine Herzlam⸗ 
mer und enthalt alſo in ifr jtets gemifdtes Blut. Die 
Lymphgefäße find qut entwidelt, wichtig find die wei- 
ten Lymphräume unter der Haut, befonders bet den 
Fröſchen. Die —— Nieren liegen zu bei⸗ 
ten Seiten der Wirbelſäule; die Harnleiter münden 
in Die Kloale, und hier bildet ſich eine weite Harnblafe. 
Die Genitalorgane ſtehen in enger Verbindung 
mit den Nieren, beſonders beim Männchen, bei denen 
dieſelben von den Ausführungsgängen der Hoden 
durchſetzt werden. Die Eier fallen vom Ovarium in 
die Bauchhöhle, wm hier durch das ostium tubae auf⸗ 
— und ebenfalls der Kloale — ju wer: 
n. Begattungsorgane feblen fajt tiberall, und fo 
werden die Eier meiſt gleid) beim Austritt aus dem 
Körper befruchtet. Nur bei den Salamandern findet 
cine wirflide Begattung jtatt, und mande von ihnen 
gebären lebendige Junge. Werden die Cier abgelegt, 
jo geſchieht dies gewöhnlich in Laichform; meiſt wer: 
Den fie fich felbit überlaſſen, indeſſen fommt ard bei 
den A. eine Vrutpflege vor, indem die Weibdhen oder 
Männchen die Cier bebiiten oder auch mit ſich herum⸗ 
tragen (da8 Weibchen der Pipa dorsigera auf dem 
Riiden, ebenfo das Männchen von Phyllobates tri- 
nitatis; beim Männchen unirer cinheimifden Ge— 
burtShelferfrite wird die Laichſchnur um die Beme 
ewidelt). Die Entwidelung gefdieht meiſt mittels 
etamorphofe durd eine geſchwänzte, faft fifd@abn- 
lidhe Larve (f. Fröſche). 
Der Mufenthaltsort der A. ijt ſehr verfchieden, 


⸗ 


Hautung unterbleibt nur bet nicht normalem Zuſtand | jedoch ſtets feucht. Die Nahrung ijt bet den Erwad- 
unter ungünſtigen Lebensbedingungen (z. B. mangeln, ſenen animalijder (Inſelten, Würmer), bei den Lar— 


der Feuchtigteihh. Das Stelett ijt meiſt verfnddpert, | 


dod) erhalten fic) am Schädel viele Refte des urſprüng— 


ven vieler Urten vegetabilifder Natur. In den ge- 
mafigten Zonen verfallen die Vi. gewöhnlich wahrend 


liden Mnorpels. Die Rahl der Wirbel ijt gewöhnlich der Kälte m cinen Winterſchlaf; überhaupt fmd fie 


fehr bedeutend (bet den Fröſchen nur zehn); die Rip- 
pen verbinden fic) nicht mit Dem ſtets Morpeliq blei- 
benden Bruſtbein und fehlen den Fröſchen ganz. Bruſt⸗ 
bein und Veen fonnen qleicfalls fehlen. Das Ge- 


hirn bleibt klein. Augen find ſtets vorhanden, jedod | 


ſehr widerſtandsfähig, auch gegen Verlegung einzel⸗ 
ner Rorperteile, die bei Verluſt erfest werden lönnen. 
Man fennt etwa 700 Urten, davon 100 foſſile, von 
Denen die altefte Form im Oberdevon Pennſylvaniens 
qefunden wurde. Jn der Steinfohlenformation tre 





Amphibiologie — Amphiktyonen. 


ten jablreide Stegolephalen auf. Tertiär find Tri- 
tonen, Salamander, Fröſche und Krdten; bemerfens- 
wert ijt bier der Andrias Scheuchzeri (jf. d.). Dan 
teilt fie gewöhnlich in vier Ordnungen: 

1) Die fojfilen Stegofepbhalen (fj. d.). 

2) Shleidenlurde GGlindwühler, Ringel wihler, 
Gymnophiona, Apoda, Coccilia), mit Sduppen, obne 
Gliedmafen, ſchlangenähnlich, flets in ber Erbe: Coecilia, 

3 Schwanzlurche (Urodela, Caudata), jeitlebens mit 
Schwanz und meift aud mit vier kurzen Beinen: 

a) Perennibrandiaten, dbauernd mit 2—3 Paar Ries 

menjpalten und 3 dugern Miemenbilfdeln: Siren, Proteus. 
b) Derotremen, die Kiemen ſchwinden, es erhält fid aber 
eine Riemenjfpalte: Cryptobranchus, Amphiuma. 
ce) Rolde (Salamanbdrinen), nad Berluft ber Riemen 
ſchließen fid) bie Riemenjpalten: Triton, Salamandra. 

4) Frõoſche (Batrachia) ober ſhwanzloſe Lurde (Anura), 
f. Froſche. 

Geographiſche Verbreitung (j. Karte bei Art. 
»Reptiliens). Die weitejte Verbreitung befigen die 
Froſchlurche, die fajt univerfell find, dod haben 
nur die Familien der eigentlichen Fröſche und der Poly- 
pedatidae die annähernd gleiche kosmopolitiſche Ver- 
breitung der ganzen Gruppe. Die Mehrzahl gehört 
den warmern Gegenden an. Die Unfen find neotro- 
piſch und paläarktiſch. Die Laubfröſche gehören famt- 
lichen Subregionen der neotropiſchen und nearktiſchen 
Region an, außerdem der paläarkliſchen Region mit 
Ausnahme Japans, ferner der indocinejijden Sub- 
region, der auftromalaiijden Subregion und dem 
auſtraliſchen Feſtland. Fajt univerfell jind die Kröten. 
Bon der Unterordnung der Frofdlurde (Aglossa) 
ijt Die cine —— Dactylethra, auf die äthiopiſche 
Region in Afrika beſchränkt, die andre, die Waben- 
kröle Pipa, findet fid) in Guayana und Brafilien. Bon 
den Sd) wanglurden find die Molde charakteriſtiſch 
fiir die nördlichen gemäßigten Regionen; fie fehlen 
vollig der dthiopifden und aujftralifden Region und 
finden fic) in der orientalifden und in der indodine- 
ſiſchen Subregion; auf der weſtlichen Halbfugel find 
die Molde charalteriſtiſch für Nordamerifa. Die Fiſch— 
lurche haben eine fehr verjprengte Verbreitung. Ja— 
pan und Nordwejtdina ijt eigen der Riefenfalamander, 
in den Flüſſen Bennfylvaniens und Virginiad lebt 
die Gattung Menopoma, in den ſüdlichen Vereinigten 


Staaten die Gattung Amphiuma, im Schlamm ber | 


Siimpfe von Carolina die Gattung Siren, endlid) die 
Gattung Proteus in den Höhlengewäſſern 
und Strains. Die Schleichen lurche finden fic ver- 
cinjelt in Der orientalijden, athiopifden und neotro- 
pifden Region; auf Ceylon dic Fühlerwühle — 
phys), in Braſilien, Mexiko, aber auch in Weſtafrila 
dieLodwiihle(Siphonops). Val. Lacépede, Histoire 
naturelle des Quadrupédes ovipares et des Serpents 
(Par. 1788—89, 2 Bde.); Sdneider, Historia am- 
phibiorum naturalis et literaria (Sena 1799—1801, 
2 Tle.); Duméril und Vibron, Erpétologie gé- 
nérale (Par. 1834—54, 9 Bde.); Schreiber, Her- 
petologia europaea (Braunſchw. 1875); Knauer, 
Naturgeſchichte der Qurde (Wien 1878); Cope, The 
Batrachia of North America (Wafhingt. 1889); po- 
pulir: Lachmann, Die Reptilion und A. Deutſch— 
fands (Berl. 1890); Diirigen, Deutſchlands W. und 
ag ne (Magdeb. 1897). 
mpbi biologie ( riech.), Lehre von den Amphi⸗ 
Amphibiotica, — Falſchnetzflügler. bien. 
Amphibiſche Pflanzen, Waſſerpflanzen mit 
ſchwimmenden oder untergetauchten Blattern, die auch 


Dalmatiens 


453 


form verändert ſich wieder in die Wajferform, wenn 
ifr Standort von Waſſer dauernd iiberdect wird, wie 
beimWBWafferfndterid(PolygonumamphibiumZ,). 

Amphibot, Mineral, ſ. Hornblende. 

Amphibslfels, -geftein, -queis, -granit zc., 
f. Dornblendefels, Gneis, Granit rc. 

Amphibolte (griech.), Zweideutigkit, Dopypel- 
finn; Verwedfelumg der Begriffe. Wimp hibolifad, 
zweideutig, unentidiedenen Charatters. 

— — ſ. Hornblendefels. 

Amphibrachys (griech, »auf beiden Seiten kurz« ). 
dreiſilbiger Versfuß, in welchem eine Länge von zwei 
Kürzen eingefaßt ijt: ~~ (3. B. peritus). 

mphidromatifde Reaftion, joviel wie an- 
photere Reaftion (ſ. Amphoter). 

Amphieyon Lart., Gattung foſſiler Raubtiere, 
den Hunden nabe verwandt, jedoch mit bärenähnlichen 
Charafteren, von Fuds- bis Bärengröße; fie finden 
fid im Miocän von Curopa, im Oligociin von Nord- 
amerifa und in den obern Siwalifs von Indien und 

Amphidasis, ſ. Spanner. [China. 

Amphidromien, ſ. Feucrdienit. 

Amphidfalze (amp hotereSal3e), alterer Name 
der Sauerjtoff-, Sdwefel-, Selens und Tellurfalje. 

UAmphigaftrien (Unterblitter), bei vielen Le— 
bermoofen auf der Unterjeite der Stämmchen jtehende 
Blätter, die von denen der Oberfeite in Gejtalt und 
Größe abweiden. 

Amphigéen, Mineral, ſ. Leucit. 

Amphigone Vererbung, ſ. Erblidfeit. 

Amphigonte (qriec.), geſchlechtliche Fortpflan- 


jung. 
Amphifarpie (gried).), f. Erdfrüchtler. 
Umphiftyon, im gricd. Mythus Sohn oder 
| Enel des Deufalion und der Pyrrha, Stifter der del- 
phiſch⸗ pyläiſchen Amphiltyonie. 

Amphittyouen (Umpbhiftionen, qried., »die 
Umwohner«), bei den alten Griechen die ju einem Bund 
(Amphiktyonie) gufammengetretenen Unuvohner 
eines Heiliqtims, deren Bundesgenoſſenſchaften ſpä— 
ter aud) politifdje Bedeutung erlangten. Solche Am— 
phiftyonien gab 3 gu Argos, Kalauria, Oncheſtos, auf 
Delos rc. ; die bedeutendjte war aber die pyläiſch-delphi⸗ 

ſche, die ihre Verſammlungen (ährlich zwei) am De— 
meterheiligtum in Anthela bei den Thermopylen und 
i bet dent Upollontempel in Delphi abbielt und ihre 
Entitehung auf Amphiktyon zurückführte. Hellas ver- 
dankte ihr nicht nur den Schutz ſeines reichſten und 
rößten Drafels, fonder aud die Erhaltung der Cin- 
Beit feines religiöſen Kultus, wabrend ihr politijder 
| Cirrus im Der Bliitezeit Griechenlands gering war. 
Mitglieder dieſes Bundes waren urſprünglich die 
Doloper, Thejjalier, Anianen oder Otder, Magneten, 
Malier, Phthioten und Perrhäber, Bhofer, Lofrer, 
Dorier, Bootier und Yonier in Attila und Euböa. 
Zweck de3 Bundes war zunächſt Schutz der beiden ge— 
nannten Heiligtiimer, gemeinſchaftliche Feier gewiſſer 
Feſte, namentlid) der pythiſchen Spiele zu Delphi, 
dann aber die Aufrechterhaltung völkerrechtlicher 
Grundſätze, wie: daß feine der amphiftyontichen Stadte 
von Grund aus zerjtirt, feiner das Waſſer abgeſchnit⸗ 
ten und feine von Dem gemeinidaftliden Opfer und 
vom Bundesheiligtum ausgeſchloſſen werden dürfe. 
Bei den Verſammlungen, in denen jeder der zwölf 
Stimme gwei Stinumen hatte, vertreten durch die 
Pylagoren und die anf ein Jahr gewählten Hiero- 
mnemonen, wurden Streitigfeiten gefdlidtet, biir- 





auf dem Lande vegetieren finnen, wobei ihre Organi: | gerlidje und peinliche Verbredjen, bejonders Vergehun— 
fation fid) Den nenen Verhältniſſen anpaßt; die Cand- | gen gegen das VBolferredt und gegen den Tempel zu 


* 


454 Ampbhilodos — Am 
Delphi, beſtraft. Wurde die einer Stadt auferfegte 

Geldbuße nicht bezahlt, fofonnte der Bund mit Wajfen- 

gewalt einſchreiten; dies zeigen die —8* Striege 
(jf. d.). Mit der Beit wuds die Anzahl der Mitglieder 
bis auf 30; immer aber wurden die Stimmen auf die 
urfpriingliden zwölf Stãmme befdrantt, fo daß 5. B. 
die Jonier, Dorter und Lofrer sufammen Cine Stimme 
hatten. Die Umpbhiftyonie blieb.unverindert bejtehen 
bis zum zweiten (oder Ddritten) Heiligen Kriege, nad 
deſſen Beendi = (346 v. Chr.) auf Betreiben König 
Philipps die Rs et ausqeitoken wurden; ebenfo dic 
Vafedimonier, weil fie Die Pholer unterſtützt Hatten. 





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Ampbhion und Sethos Mom, Palazzo Spada). 


Dafür traten die Mafedonier ein und iibten cine Feit 
lang den größten Einfluß aus, dann die Ätolier und 
nad thnen Die Romer, unter denen der Bund allein | 
nod) der Ubhaltung von Fejten diente. Zulest wird 
er in Der Seit der Untonine erwähnt. Sein Auf 
hören fallt wohl mit dem des Delpbhifdhen Orakels zu— 
ſammen. Bgl. Bürgel, Die pyläiſch-delphiſche Um 
phiftyonie (Munch. 1877). 

Amphilochos, qried. Seher, Sohn des Amphia⸗ 
raos und der Eriphyle, aus Argos, jüngerer Bruder 
Ded Allmäon (f. d. 1), nahm an dem Zuge der Epi- 
gonen gegen Theben umd an dem gegen Ilion teil. 
Mit Mop}os ftijtete er ie das Orafel zu Mallos in 
Silifien, um deffen Beſitz beide im Zweilampfe ficlen. 


Rach andern fehrte A. heim und grilmdete das amphi⸗ | der Gee 


lochiſche Argos in Ufarnanien. 

Amphimacer (gried., van beiden Seiten lang), 
Dreijilbiger Bersfußg: 6 B. fecérant), aud 
Stretif{us genannt (f. Kretiſcher Bers). 


phioxus lanceolatus. 


——— (griech.), die geſchlechtliche Vermi⸗ 
{dung der Jndividuen und die dadurch eführte 
chtung ihrer Sonderentwicke 
rufung neuer Kombination 
A. Weismann, Amphimixis (Jena 
Amphineuren (Urmollusken), eine Abteilung 
der Weichtiere von beſonders urſprünglicher Orga- 
niſation, umfaßt die Solenogaſtren Ga.) und Pla- 
fophoren (Käferſchnecken, f. d.). 

Amphion, — Heros, Sohn des Zeus und der 
Antiope, Zwillingsbruder des Zethos. Auf dem 
Kithäron ausgeſetzt, wurden die Brüder von einem 
Hirten oe und erzogen. YW. erhielt von Hermes 
die Gabe des Saitenfpiels, Zethos ward Jäger und 
Hirt. Erwadfen, erfennen und rächen fie ihre Mutter 

an ibren Reinigern, Lyfos von Theben und deſſen 
Gemahlin Dirfe, indem fie jenen tdten und diefe durch 
einen wilden Stier zu Lode ſchleifen laſſen. Darauf 
ummauern fie Theben, wobei die von 08 berbei- 
geſchafften Blode bei Umphions Spiel ſich von felbjt 
jujammenfiigen. A., Gatte der Niobe (ſ. d.), gab fid 
nad) dem Untergang feiner Familie den Tod oder fiel 
durch Upollons Pfeil. Die Briider erhielten ein gemein⸗ 
ſames Grab. Die beriihmte Marmo tm Na⸗ 
tionalmujeum ju —— der —* Stier ge⸗ 
nannt (f. Farneſiſche twerfe), jtellt die Bejtra- 
fung der Dirfe dar (ſ. Tafel »Bildhauerfunft III-, 
Fig. 9). A. mit der Leier neben Zethos findet fich auf 
einem ſchönen Relief de3 Palazzo Spada in Rom 


| (vgl. nebenftehende Ubbildung). 


) 
a hor pe lanceolatus Yarr. chio- 
stoma lubricum Costa, Qanjettfifd, ſ. bildung), 
das niederſte bis jest befannt gewordene Wirbeltier 


SSS AUUUSs&sVsVs 





Amphioxus, in natiirl Größe. Lints in ber Figur ber Ropf, 


rechts ber Shwanj. 
aus der Klaſſe der Leptofardier (Mibrenherjen), das 
von feinem Entdecer Ballas 1778 als Nacktſchnecke be 


ſchrieben wurde. Der A. wird bis 5 cm fan 
los, vorn und hinten zugeſpitzt (daher ber 
und bateine lan zettförmige Sdwansfloffe. he ha 
fehlenden Wirbelſäule ijt em Knorpeljtrang, die . 
jaite (chorda dorsalis), vorhanden, die auch bei den 
iibrigen Wirbeltieren, jedod) hier meift rudimentar 
oder doch F im Embryonalzuſtand gut ausgebildet, 
vorfommt. UÜber ihr liegt das vorn —————— 


iſt farb⸗ 
ame A.) 


Rückenmark. Cin Gebirn fehlt ebenfo wie der Schade, 


desgleichen Gehdrorgan; Auge und Rafe find nur 
ſchwach entwidelt. Der fpaltfirmige Mund führt in die 
weite Riemenhdhle. Das Hers fehlt, doch pulfieren die 
Gefäßſtämme (Daher der Name Röhrenherzen). Die 
Blutforperden find farblos. Am Hinterende des Rie- 
menſackes beginnt der eigentliche Darmfanal, in dem ſich 
die Nahrungsteilden aus dem Utenuvaffer anſammeln. 
Er erſtreckt * —— nach hinten bis zum After und 
hat vorn einen kurzen Blindfad, den man als Leber 
beseichnet. Die Nieren fliegen im Riemenfad und find 
von einfadem Bau. Die Gefdjlecdtsteile beftehen mur 
aus den Hoden, bes. Eierſtöclen, aus denen Santen 
und Gier direft in Die Riemenhidhle und von diefer ind 
Waſſer elangen. Die Entwickelung ähnelt derjenigen 
— in mancher Hinſicht, woraus ſich eine 
Verwandtſchaft zwiſchen den Wirbeltieren und den 
wirbelloſen) Manteltieren herleiten läßt. Die einen 
richer konſtruieren die aufſteigende Linie: Mantet- 
tiere, A., Fiſche ꝛc., während die andern fie in um- 





Amphipoda — Amphitheater. 455 
gelehrter Reihenfolge gruppieren. Für die erftern ijt | aber erdbebenreider “age am Berge Liafura (Par- 
alfo A. der Stammvater aller Wirbeltiere, fitr die letz- najfos), hat 7 Kirchen, Ol-, Tabak- und Getreidebau, 
tern gilt er ald ein riidgebildeter Fifdh, den an De- | Korduanfabrifation und (1896) 5416 (Gemeinde 8311) 
generation nod) die Seefcheiden fibertreffen, in denen | Einw. A. ijt mit feinem Hafen Jtéa durd eine Fahr- 
ein entarteter Seitenjweig der Vorläufer der Wirbel- ſtraße verbunden. 
tiere gefehen wird. Der A. lebt in geringen Tiefen am | Amphitheater (griech. »Rundtheater«), bei den 
Meeresjtrand und gräbt fic) meijt bis an den Mund | Rdmern das gu den Kampfſpielen der Fechter und 
in den Sand ein. Er ijt häufig am Strand bei Neapel, | wilden Tiere beſtimmte Gebaude. Es war urfpriing- 
doch aud) fonjt ziemlich verbreitet. Vgl. Cofta, Storia | lid cin Birfus, gu beiden Seiten mit Plagen fiir die 
del Branchiostoma lubricum (Neapel 1843); Mül-Zuſchauer; ſpäter machte man die Urena (j. unten) 
ler, Uber den Bau und die Lebenserfdeinungen des rund und führte die Bantreihen ftufenfirmig hinter- 
Branchiostoma lubricum (Berl. 1844); Rowalew-| einander auf. Dieſe Bauten beftanden in der Regel 
ſty, Entwidelungsgejdichte von A. (Petersb. 1867); | aus einer hohen, fenfredten Wupenmaucr oder aus 
Rolph, Bau des A. (Leip;. 1876); Hatſchek, Stu- | mehreren Reihen aufeinander gejtellter Urfaden, an 
Dien tiber Entwidelung des A. (Wien 1881); Willey, | deren innerer Seite die Sige der Zuſchauer treppen- 
A. and the ancestry of the vertebrates (New Yjorf | artig und auf Bogenwölbungen rubend umbertiefen. 

Amphipoda, ſ. Flohtrebſe. 1894). In gewiſſen Entfernungen durchſchnitten Treppen alle 

Amphipolis, Stadt im öſtlichen Maledonien, auf | Sitzreihen von der bodhiten bis zur legten. An jedem 
romifden A. war fiir die oberjten Staatsbeamten ein 
befonderer Eingang und eine befondere Sitzreihe vor- 
—— Der innerſte, tiefſte, mittelſte Raum, durch 

auerwerk von den Sitzreihen und Korridoren ge— 
ſchieden, bildete die Bühne, die Arena. Sie war, wie 
das ganze Gebäude, entweder rund oder elliptiſch. Um 
ſie herum befanden ſich die Behälter für die wilden 
Tiere und die Aufenthaltsorte fiir die Kämpfer (Gla- 
diatoren). Die unterjte Sigreihe fiir die Rampfridter 
hieß das Podium. Hier war aud der Ehrenplatz 
de Spielgebers und der Vejtalinnen. Zunächſt dem 
Podium waren die Sige der Senatoren (cavea prima), 
dann die Der Ritter (cavea media), zuletzt die des 
Volfes (cavea summa). Um das ganje VL. zogen fid 
oft cin oder mehrere Säulengänge, aus denen man 
gu den Treppen nad) den verjdiedenen Sigreihen 
(gradationes) durch Pforten (vomitoria) gelangen 
fonnte. Ganj oben lief eine Galerie rundum. In den 
Beiten der Republif fagen alle Stände ohne Unter- 
ſchied Durdeinander, in der ſpätern Kaiſerzeit aber 
wurden jeder BVollSflajje befondere Sigreihen ange- 
wiejen und dieſe Durd) Schranken und Rorridore 
den Wendefreifen Wohnenden, bei denen wahrend des | (cunei) getrennt. Seit Cajar wurden pradtvolle A. 
einen Teiles des Jahres, folange die Sonne nördlich aus foftbarem Waterial, mit Statuen, Sitzen von 
vom Zenit fulminiert, der mittigige Schatten nach Marmor und Sdranfen von Bronze aujgefithrt. 
S., wahrend des andern Teiles nad N. fallt. Da bet | Druchwerke fiihrten durch Röhren wohlriechende Waſſer 
ihnen zweimal im Jahre, wenn die Sonne mittags | in die Hohe und ergofjen fie in Nebelſchauern herab. 
im Benit fteht, der mittigige Schatten ganz ver- | Große Tücher (velarii) fpannten fid) über die Sige, 
ſchwindet, fo heißen fie aud) Ufcii Unfdattige, | um die Rufdauer vor Sonne oder Regen gu ſchirmen. 
Sdattenlofe), welden Namen aud die unter den | Bon 270 Untphitheatern find nod Nachridten oder 
Wendefreijen ſelbſt Wohnenden fiihren, bei denen jedoch | Trümmer iibrig. Nad Plinius foll das A. des Scau- 
nur einmal im Sabre der mittigige Sdatten ver- | rus 80,000 } J— gefaßt haben. Rom zählte da- 
fchwindet. Die Bewohner der gemiibigien * heißen mals neun A. von ungeheuerm Umfang; aber auch 
Heterofcii oder Untifcii (Unders-, Ein-, Gee jede andre große Stadt beſaß cin A., und die Großen 
genf Gattige), weil bei ihnen der mittigige Schatten | des Weltreichs bauten U. neben ihren Landhaufern. 
m der nördlichen gemäßigten Bone immer nad N., | So hatte Uttilius ein folded bei Fidenä, und als es 
in der fiidlidjen nad S. fallt. Periſcii (Rings- | einft, von Zuſchauern iiberfiillt, zuſammenſtürzle, 
umf dattige) heißen die Bewohner der falten Zonen, | follen 25,000 Menjden unter feinen Trümmern be- 
bei denen zur Zeit de3 inumerwahrenden Tages der | qraben worden fein. Als zur Beit des Vefpafian die 
Schatten im Laufe von 24 Stunden ringsherum geht. Daritellungen von Seefdladten (Naumadien) auf- 

Amphiffa, im Ultertum Hauptitadt der ozoliſchen famen, wurde die Urena durch Kanäle und Schleuſen 
Lokrer, nordweſtlich von Delphi. Weil es ein zum | unter Waſſer gefest und in einen Gee verwandelt. 
delphiſchen Tempel gehöriges Gebiet bebaut hatte, | Diefer Kaiſer erbaute ein nod vorhandenes A. in 
wurde es von Äſchines beim Amphiltyonengericht an- | Rom, bei oie Einweihung 5000 (nad andern 9000) 
gen t und von Ddiefem ein fogen. Heili er Krieg gegen | wilde Tiere ie oir mop (f. Urt. ⸗Koloſſeum., nit 

bed lojfen., in dem Roilipp von Makedonien als | Ubbildung). Bon fonjtigen Umphitheatern find gu 
Dberbefehishaber A. zerjtirte (339 — 338 v. Chr.). | nennen: das U. von Capua, mit fajt 220 m Durd- 
Spater erhob es fid) wieder und erhielt unter Unguitus | meffer, dem Colifeo allein an Größe nadjtehend, aber 
neue Freiheiten. A., friiher Salona genannt, Nee an Bradt e3 noch iibertreffend; das Amphitheatrum 
jebt wieder U.— Die heutige Stadt iL, Hauptitadt | ad Ligerum, unweit der Loire in Franfreid), in Fels 
ded qried). Nomos Polis und Biſchofsſitz, inreizender, | gehauen; das W. gu Nemauſus (Nimes, f. Tafel 








einer vom Strymon gebildeten Halbinfel, mit dem 
Hafenort Cion, Kolonie der Uthener, 437 v. Chr. von 
Ugnon, dem Sohne des Rifias, gegriindet und fiir 
Uthen befonders als Uusfuhrhafen (Gold und Bau- 
Hol; aus dem nahen Pangdongebirge, Getreide) wich⸗ 
tig. — Sm Peloponnejifden Krieg eroberte der Spar- 
taner Brajidas 424 die Stadt, behauptete fie gegen 
alle Angriffe des Atheners Kleon und befiegte ihn in 
einer entideidDenden Schladt vor ihren Mauern (422). 
Nad dem Frieden des Nifiad follte die Rolonie den 
Uthenern zurückgegeben werden, weigerte fic) aber, der 
Mutterſtadt fic) gu unterwerjen, und blieb unabhän⸗ 
gig, bis Philipp von Makedonien U. beſetzte (358). Bei 
ihrer Croberung Maledoniens madten es die Römer 
gur Hauptitadt einer ihrer vier mafedonifden Provin- 
gen. Rejte der alter Stadt finden ſich bei Neochori. 
Amphiprofthlod(qriec.),cinTempel mit Sãulen⸗ 
reihen an beiden Giebelfeiten (Grundriß ſ. Tempel). 
Amphisbaena, f. Blidauge und Doppeljdleide. 
Amphisbaenidae (Ringelechſen), Gruppe 
der Cideddjen. 
Amphiſeii (griech, 8weifdhattige), die zwiſchen 


— ————— ——— — —— — — —— — — — — 





456 


Architeltur V«, Fig. 1 u. 2), mit Saulenreihen dori- 
ſcher Ordnung; das ju Pola in Ditrien, mit Sigen fiir 
70,000 Zuſchauer; dad A. zu Verona, mit vier Stod- 
werfen, das cinjige WL. in Stalien, das nod) volljtandi 
erhalten ijt. Ruinen von Umphitheatern finden fi 
nod in WDdria, ~~ Albano, Arezzo, Arles, Une 
tun, Baſel, Bordeaur, Brescia, Cahors, Catania, 
Florenz, Fréjus, Gubbio, Herfulaneum, Ronjtan- 
tinopel, * Mes, Narbonne, Neri (wohl erhalten), 
Ori¢ans, Otricoli, Padua, Périqueur, Bompeji, Bo}; 
li, Sevilla, Smyrna (woblerbalten), Syrafus, 
rier, Tunis (Utica), Vienne. — Jn modernen Thea- 
tern ijt U. aud) Bezeichnung fiir eine bejtimmte Plag- 
reibe (»Oberring«). 

Amphitherium Ouw., eins der altejten Gauge 
tiere aus Dem Dogger von sy eae 
unter A. wohl! aud) nabezu die Gefamtheit der Sauge- 
tiere Der oberjten Trias und des Jura, Die man ju 
den Beutelticren ju jtellen pflegt, deren nod) unbe- 
fannte3 Sfelett aber wahrſcheinlicher den nod) primi- 
tivern Bau der Rloafentiere zeigen dürfte. 

hitrite, griech. Seegöttin, Todjter des 
Nereus und der Doris, Gemahlin des Poſeidon. 
Als diefer um fie warb, floh fie vor ihm zu At— 
las; aber cin Delphin erſpähte fie und trug fie 
dem Gotte ju, wofür er unter die Sterne verjept 
wurde. Rach andern wurde fie beim Tanz der 
Nereiden auf Naros von Voſeidon entfiihrt. Sie 
ijt die Königin der See und bewegt die Wogen; 
die Meeresgeſchöpfe aga unter ihrer Hut. Einen 
cignen Mult hatte fie nidjt. In der bildenden 
Kunſt erſcheint fie oft neben Poſeidon (f. d., mit 
Abbildung) ig cou oder von Seetieren getragen. 
Bei Dichtern dient ihr Name bisweilen zur Be 
zeichnung des Meeres. 

Amphitrophie (gried).), Fibigteit gewijjer 
niederer Algen, fid) ftatt durch Aſſimilation an- 
organifder Stojffe jettweiliq faprophytijd durch 
Aufnahme organifder Subſtanzen zu erndbren. 
Mande PRrototoffoideen (Kugelalgen) laſſen ſich 
ebenſo bei Lichtabſchluß auf organiſchem Nähr⸗ 
boden wie im Licht bei anorganiſcher Nahrung 
fultivieren. Gewiſſe ſaprophytiſch in Schleim— 
flüſſen der Bäume lebende, farbloſe Organismen 
gleichen tin Bau beſtimmten grünen Algen, fo 
daß es nahe liegt, beiderlei Organismen als er- 


an verſteht des Wa 





Fig. 1. 


Amphitherium — Amphoter. 


das goldene Haar abjdnitt, an dem fein Leben hing; 
Komãtho aber tdtete er fiir Den Verrat. Zeus war ihm 
indeſſen in ſeiner (Amphitryons) Gejtalt bei Alkmene 
zuvorgekommen; fie gebar Zwillinge, von Zeus Hera- 
fled, von YW. Iphilles. A. fiel im Rampfe g die 
Minyer, die er mit dem jungen Herafles, um Theben 
vom Tribut gu befreien, befriegte. Blautus, Moliere 
und ©. v. Kleiſt haben die Geſchichte des A. und ſeiner 
Gattin zu Luſtſpielen benutzt. Nach einer Stelle in 
Molieres Stück (VUEt III, 5, 89) hat A. die Bedeutung 
eines wohlhabenden und gajtfreien Mannes erhalten. 
— ß —— — 
myp izerke „ſ. Floſſen. 

—— irbel, ſ. Wee l. 

Amphoõra (griech, Waſſerkrug), das Zeichen 
ſſermanns im Tierkreis (==). 

Amphora (lat., griech Amphoreus), bei den 
Griechen und Römern cin großes, zweihenleliges Ton⸗ 
gefäß mit mäßiger Mündung (ſ. Abbildung und Tafel 
»Bajenc), das zur Aufbewahrung von Fiüſſigkeiten, 
beſonders von Wein und Ol, ſowie (ſhon in der 





fig. 2. Rotfigurige 
Ampbora. 


Schwarzfigurige 
Amphora (Süditalien). 


nahrungs - phyftologijcde Abarten derſelben Art ane | Ilias.) als Aſchenkrug diente. Die ältern, aus der 
zuſehen. Sur Erfldrung des Umſtandes, dak in klei— | Blutezeit der Hhellenifden Keramik ſtammenden Am— 
nern, an organiſchen Subſtanzen reichen Gewäſſern phoren find mehr oval (am ſchönſten die panathenii- 
auch im Winter die Zahl der Arten und Individuen | iden Breisvajen, f. Tafel ⸗Vaſen«); fpater wurden 
der im Blantton vorfonunenden Schwebealgen ziem- | fie ſchlank und hod, mit volutengesierten Henfeln ver- 
lid) beträchtlich ijt, wahrend in Dem reinern Waſſer ſehen. Wie die übrigen Ton ake fo waren and die 
rößerer Seen die Schwebcalgen im Winter wegen | Amphoren mit Malereien gedit, und zwar zeigen 
der zur ſelbſtändigen Aſſimilation — * die Altern bildliche Darſtellungen in ſchwarzer Farbe 
lichtung ‘att gänzlich feblen, hat man gleichfalls die | auf dem roten Tongrund (Fig. 1), während bet den 
UW. herangezogen. Wud) gewijje Tiere vermigen felb- | fpatern (Fig. 2) das Berhittnis der Farben umgefehrt 
ſtändig oder als Schmarotzer ju leben. ijt. Die U. war zugleich Flüſſigkeitsmaß, in Griechen- 
Umphitrhon (lat. Amphitruo), Konig von land = etwa 40 Lit., in Rom — 26,26 L. 
Liryns, Sohn des Alläos, Entel des Perſeus. Sein | Amphoter (griec.), doppelten, zwitterhaften We- 
Oheim Eleftryon, König von Mylenä, übergab ihm | fens. Umphotere Vildungen, Vejteine, die urd 
beim Auszug gegen die Teleboer und Taphier das gemeinſchaftliche Einwirlung des Feuers und des 
Reich und verlobte ihm feine Tochter Alkmene (f. d.), | Wafers entitanden find, wie die vulfanifden Tuffe 
wurde aber von ihm unverfehens erfdlagen. Bon | und Ronglomerate, die aus Uichen, Bomben und La- 
Eleltryons Bruder Sthenelos verjagt, floh A. mit  pilli bejtehen, die ſpäter erſt von Waſſerfluten verfittet 
Alkmene nad Theben gu dem Bruder feiner Mutter, wurden. — Wmphotere Realtion, die einigen 
Rreon, der ibn entſühnte. Um Alkmenes Hand gu er: | wenigen Körpern, 3. B. der friſchen Milch, eigentitm- 
langen, zog er mit Kreon gegen die Teleboer gu Felde | lide Eigenſchaft, ſchwach fauer und ſchwach allaliſch 
und befiegte fie, als Romatho, die Todhter des feind | jugleid zu reagieren. Amphotere Salze, f. Am— 
lichen Königs Pterelaos, aus Liebe zu A. dem Vater phidſalze. 


Amplepuis — Amputation. 


Amplepuis (or. ang’ vii, Marktfleden im frany. | 
Depart. Rhine, Urrond. Villeſranche, an der Lyoner | 
Bahn, mit Fabrifation von Baumwollenjtoffen und 
Deden und (igor) 4833 Cinw. 

Ampliation (lat.), im rim. Rect die Vertagung 
des Prozeffes, vom Prätor oder Oberridter durd die 
Formel amplius cognoscendum (weiter gu unterfur | 
den) angeordnet, wenn die beaujtragten Ridjter nod) | 
nicht hinlänglich untervidtet waren. 

Amplififation (lat.), Crveiterung, ausführliche 
—— eines Gedankens; amplifizieren, aus— 
führlicher darlegen, erweitern. 

Amplitũde (lat. amplitudo), Weite, Umfang, bei 
Wellenbewegungen und Schwingungen die größte Ub- 
weichung aus der Mittellage. 

Amploſia, ſ. Fruchtſäfte. 

Ampsanctus lacus, ſ. Anſanto. 

Ampjivarier, german. Volk, ſ. Amſivarier. 

Ampthill jor. dmme-piy, Marktſtadt in Bedfordſhire 
(ngiand), hat (1901) 2177 Einw. Dabci A.Houſe, 

udſitz des Herzogs von Bedford, 1694 erbaut. 

Ampthill (jpc.dmme-gim, Odo William Leopold 
Ruſſell, Lord, brit. Diplomat, geb. 20. Febr. 1829, 
gel. 25. Aug. 1884 in Potsdam, wurde 1849 Attaché 

er britijden Gefandtidaft in Wien, arbeitete von 
1850—52 im Wuswartigen Umt, war dann nadein- 
ander bei den Gefandtfdaften in Karis, Wien, Kon— 
jtantinopel und Wafhington tatiq und wurde 1858 
zum Gefandten in Florenz ernannt, um zugleich Eng- 
land in offiziöſer Stellung bei der päpftlichen Murte 
gu vertreten. In Rom blieb er auch, naddem er 1860 
gum Gejandten in Neapel befirdert worden war. 1870 
wurde er Unterjtaatsfefretir im Auswärtigen Amt, 
vertrat einige Monate fang England im deutfden 
Hauptquartier gu Verſailles, wurde 1871 zum Bot- 
ſchafter am Berliner Hof und 1872 jum Mitgliede des 
Geheimen Rates ernannt. Er vertrat England als 
Dritter Bevollmadtigter auf dem Berliner Kongreß 
von 1878. Sm J. 1881 wurde er gum Lord VW. erhoben. 

Ampulla (lat.), foviel wie Ampel (ſ. d.). A. chris- 
matis, das Gefäß, worin in der rimijden Kirche feit 
dem 4. Jahrh. geweihtes OL zur Salbung der Rate- 
chumenen und der Sterbenden (Chrigma), auc Wein 
und Wafer zum Abendmahl aufbewahrt werden. Die 
A. Remensis (la sainte ampoule), der Gage nad) bei 
der Salbung des Franfenfonigs Chlodwig 496 zu 
Reims durch cine Taube vom Hunmel wie Riri 
enthielt das unverfieqbare Ol, womit ſeit 1179 die 
Könige gefalbt wurden, ging aber wiihrend der Revo- 
ution 1794 in Trimmer. Blutampullen (am- 

ullae sanguinolentae) follen nach fatholijder, von 
Bins IX. fanttionierter, aber unbeweisbarer Yinnahme 
Behälter fein, in denen das Blut der Märtyrer ge— 
fammelt und bei ihren Gebeinen in den Ratafomben 
aufbewahrt wurde. Bgl. F. X. Rraus, Die Blut- 
ampullen der rimifden Ratafomben (Franff. 1868; 
Nachtrag, Freiburg 1872). — Jn der Unatontie heißen 
Ampullen die blaſenförmigen Erweiterungen der Bo- 
genginge bes Obres; f. Obr. . 
mypurdan, frucdtbare, mit Waldern von Olbäu— 
men bedeckte, aber ſtellenweiſe verſumpfte Ebene in 
der fpan. Provins Gerona, am Unterlauf des Fluvid. 

Wmputation (lat.), dad Ubnehmen eines Gliedes | 
oder Gliedabjdnittes durch blutige Operation. Die 
A. wurde ſchon in der Hippofratijden Schule geiibt, 
bei Celſus und Galen findet fic) Runde von regelredt 
ausgefiihrten Umputationen, doch fant died Verfahren 
erjt in allgemeinern Gebraud, naddem man die 
Blutung dürch Unterbindung der Urterien jtillen ge- 


457 


fernt hatte. Vorher fudte man die Blutung durd fie 
Dendes OL und Harz ju jtillen, in das man den Am— 
putationsjtuntpf taudjte, oder durch das Gliiheifen, mit 
Dent man Die Wundfläche beſtrich (Wrabifde Schule). 
Paré (1582) wandte zuerſt wieder die Unterbindung 
der Gefäße an, aber erſt ſeildem Morel 1674 die Uder- 
prejje erfunden und Petit 1718 dieſe verbeijert hatte, 
wurde die A. cine allgemein geiibte Operation. Die 


A. ift angezeigt bei Zuſtänden der Glieder, die abſolut 


unheilbar jind und das Leben gefahrden oder den 
Gebraud) derfelben vollkommen hindern, fowie bei 
folder, die wegen bejonderer Umſtände oder Verhilt- 
nijje des Kranken der Heilung oder Braudbarteit des 
Gliedes im Wege jtehen. Hierher gehören: Verletzun— 
gen mit ftarfer Quetidung der Weidteile und der 
Knochen; Zerreifungen groper Gefäße; vollfommene 
Abreißung von Gliedern durd Mafdinen, Geſchoſſe; 
jtarfe, erſchöpfende BVereiterungen des Knochenmarks, 
wenn Der Zuſtand des Rranfen cine fonfervative Be- 
handlung nicht mehr gejtattet; Brand der Gieder, 
jobald derfelbe ſich begrenzt hat; große bisartige Ge- 
ſchwülſte, namentlich wenn fie von den Knochen aus- 
geben, rw. In neuejter Zeit find die Wmputationen, 
dank den Fortſchritten der Wundbehandlung, tiberaus 
eingefdrantt worden. In vielen Fallen wendet man 
gegenwärtig bie Refeftion (j. d.) eines Rnodenteils 
oder cines Gelenfes an, wodurd man ganje Glied- 
magen erhalten und leidlid) herſtellen fann, die 
früher batten abgenommen werden müſſen. Im all- 

emeinen ſucht man von dem zuamputierenden Gliede 
* wie möglich zu erhalten. Das Verfahren beſteht 
nach Lagerung des Kranken und Betäubung durch 
Chloroform 1) in der Vorkehrung gegen die Blutung 
mittels des Gummiſchlauchs (» Esmard {cde Blutleere«) 
oder einer Gummibinde, die, ſtraff angesogen, von 
dent Fuß oder der Hand aufwarts geführt wird und 
derart alles Blut verdrängt, daß große Amputationen 
ebenſo unblutig wie an der Leiche ausgeführt werden 
fonnen; 2) in Dem kunſtgerechten Schnitt, der auf die 
Bededung des Stumpfes Bedadt ju nehmen hat; 
3B) in Der Abſägung des Knochens; 4) in Der Entfer- 
nung der Nerven aus dem Stumpjgebiet; fie werden 
vorgezogen und möglichſt Hod) abgetragen; 5) der 
Blutitillung; 6) der gehörigen Behandlung der durd 
die U. geſetzten Wunde. 

Bei der altejten, von Celjus ſtammenden Methode 
der A., Dem queren Zirkelſchnitt (Querſchnitt), werden 
Haut und Weidteile (Muskulatur) in einer queren 
Linie zur Gliedachſe Durdtrennt, der Knochen etwas 
oberhalb, jo daß er von dem Weichteilſtumpf vollfom- 
men bededt wird. Hierbei kommt die Narbe ſpäter auf 
den Rnoden ju lieqen; ein belajteter Stumpf, fo naz 
mentlich Der Des Unterſchenkels, der die Körperlaſt une 
ter Vermittelung cines künſtlichen Beines, Stelzfußes, 
zu tragen hat, verlangt aber gefunde, narbenfrete Haut- 
bededung. Den Vorzug verdienen daher Methoden 
wie der Schrägſchnitt, wo die Weichteile ſchräg durch— 
trennt werden, der Lappenfdjnitt (Bildung eines vor- 
dern gropern und hintern kleinen Hautlappens) u. a. 
Die fogen. ojteoplajtifdhe Methode der A. fucht 
dent Knochenſtumpf eine befondere Tragfähigkeit zu 
— Man löſt von dem bei der A. ———— 

ochen ein geeignetes Stück ab und ſetzt dieſes dem 
Stumpf gewiſſermaßen als Deckel auf. Die Gefahren 
der A. ſind Die bei jeder größern Wunde zu beachtenden 
(. Wunde). Schmerzen im Amputationsſtumpf rith- 
ren von ungenügender Bedeckung durch die Weichteile, 
Entzündung oder von knotenartigen Neubildungen 
in den durchſchnittenen Nerven her Amputations— 


458 


neurome); fie werden von dem Rranfen gewöhnlich 
in bas nicht mehr vorhandene Glied verlegt, weil 3. B. 
bei Der A. des Armes die Empfindungsnerven ded 
Daumens aud) nod nad Jahren auf einen Rei; im 
Bewußtſein die Voritellung erweden, als fei der Dau- 
men Ddireft gereizt. Befonders gegen Witterungswech⸗ 
ſel bleiben die Stümpfe noch viele Jahre empfindlich; 
Der des Unter- und Oberſchenlkels ijt etwa erſt nach 
einem halben Jahr im ſtande, die Körperlaſt zu tragen. 
A. durch cine GelenfverbindDung hindurch, fo daß das 
betreffende Glied vollſtändig entfernt wird, bezeichnet 
man als Exartikulation (f. d.). Unter A. ver- 
jtebt man auch die Entjermung eines Teiles der Gebär⸗ 
mutter, Der Bruſtdrüſe xc. 

Amputieren (lat.), ein Glied durch blutige Ope- 
ration abnehmen; j. Amputation. 

Amrabaum, Umrahar;, j. Spondias. 

Amraoti, Dijtriftshauptitadt der britijd-ind. Pro- 
vin; Berar, unter 20° 56’ nördl. Br. und 77° 47° 
öſtl. L., an einer Zweigbahn der Great Indian Pen- 
infular-Cijenbahn, mit (1991) 33,655 Einw. (26,403 
Hindu, 6047 Mohammedaner), fehr bedeutendem Han⸗ 
del mit vorzüglicher Baumwolle und Fabrifation von 
Baumwollenjtojfen (6000 Urbeiter) fowie von Wol⸗ 
len-, Seiden- und andern Stoffen (12,000 Yrbeiter). 

Amraphel, d. h. Hammurabi, ſ. Babylonien. 

Amras, Schlof, ſ. Ambras. 

Amr ibn ef Ap, beriihmter arab. Feldherr, 
Koreiſchit, ſchloß fic) Dem Propheten erjt 629 an, tat 
ſich bei Der Eroberung Paläſtinas hervor und unter: 
nabm 638 oder 639 die Eroberung Ägyptens. Die 
nabern Umſtände derielben find ——— be⸗ 
lannt. Feſt iteht, dak VU. 641 Babylon einnahm, und, 
durch die nad Kaiſer Heraflius’ Tode eingerifjene 
Verwirrung begiinjtigt, weitere Fortidritte madte, 
fo daß Die byzantiniſche Regierung 642 in die Ubtre- 
tung Agyptens willigen mupte. Infolge des Vertrags 
ward 643 Wlerandria von A. bejegt und 646 ein von 
Byzanz unterjtiigter Aufſtand der Stadt unterdriictt, 
diefe arg verwüſtet. Nad) der Tradition foll A. ſchon 
bei Der erjten Einnahme auf de3 Kalifen Befehl auc 
die beriibmte alerandrinijde Bibliothel vernidtet ha- 
ben, mit deren Biicherrollen die 4000 Bader der Stadt 
gebeist worden feien; indefjen fpridt die hiſtoriſche 
Wabhrideinlidfeit Dagegen, da der größte Teil der 
Sammlung ſchon bei friihern Gelegenheiten su Grunde 
gegangen war (j. Alexandriniſche Schule). Als neue 
Hauptitadt hatte W. ſchon früher ef Fojtat (Alt⸗Kairo) 

egründet; von dort aus eroberte er ſelbſt nod) Barta, 
ein Unterfeldherr Olba Tripolis. 656 jtand er gegen 
Ali (f. d. 1) auf Der Seite des Moawija und verhalf 
ibm Durd) feine Hinterlijt jum Giege. A. jtarb 664 
alg Statthalter von Wqypten. 

Amr ibn Kulthim, arab. Didter, ſ. Arabiſche 
Literatur (Woallafat). 

Amrilfais (qenauer Jmru al Kals), berithmter 
altarab. Dichter, Sohn des Hodſchr, des Königs der 
Benu Wiad, lebte in der Zeit fury vor Mohammed 
und gelangte durch feine Lieder, feine Schidfale und 
feine Viebesabenteucr unter feinem Voll ju allgemeiner 
Beriihmtbheit. Nach dem Sturg feines Haufes irrte er 
fliichtiq umber und begab fic asm nad Nonjtanti- 
nopel jum Kaiſer Juſtinian. Son iefem jum Phyl⸗ 
arden von Paläſtina ernannt, ftarb er auy der Riid- 
reife in Ungora, der Sage nach wegen eines Liebed- 
verhaltniſſes gu ciner griechiſchen Pringeffin auf Befehl 
des Kaiſers ermordet. Seine Moallafa (j. Arabiſche 
Literatur [Moallafat}) haben qefondert herausgegeben: 
Hengſtenberg (mit lat. Lberjegung, Bonn 1823), A. 


Amputieren 








— Amritſar. 


Müller (Halle 1869), E. Frenfel (mit Kommentar des 
Nahhäs, daſ. 1876) u. a. Den ganzen Diwan ver: 
djfentlidjten de Slane (mit Überſeßung. Bar. 1837) u. 
Ahlwardt (in_den »Six ancient Arabic poets<, Lond. 
1870); eine etzung lieferte Fr. Riidert (Stuttg. 
1843); ein Rommentar erjdien Kairo 1865 u. 1890. 

Amriswil, Dorf im ſchweizer. Kanton Thurgau, 
Bezirt VBijdhorszell, an der Cifenbabn Romanshorn- 
Frauenfeld, mut Stiderei, Viehmärkten und asow 
3469 Einw. 

Amrit, Ruinenſtätte auf der Küſte des alten Phö— 
nifien, fidlid) von Tartus, ijt das alte Marathos 
und wurde 1860 von Renan genauer erforſcht. Ma— 
rathos gehorte urfpriinglid) als Kolonie zum Gebiet 
von Ara dos, der drittgrößten der phonifijden Stadte. 
Unter den nod) vorbandenen Monumenten t El 
Ma bed (»der Tempel<) als der bedeutendjte Uber- 
rejt femitifder Tempelbaufunjt das meijte Intereſſe 
Es ijt ein vierecfiger, auf drei Seiten von Felſenmauern 
umſchloſſener Hof, 55 m lang, 48 m breit, tm der 
Mitte mut einem iiber 3m Hoben Felſenwürfel von 
5,5 m im Ouadrat, auf dem eine ebenfalls von drei 
Seiten gefdlojjene, 4,5 m hohe und mit einem großen 
Stein bededte Cella ruht. Andre Denkmäler ſind: ein 
grofartiges Grabmonument, ein Stadium mit daran- 
jtopendem Wmiphitheater, iiber 20 Grabfammern, dic 
logen. Spindeln (Grabdenfmiler) u. a. S. Tafel 
Architeltur Te, Fig. 9 w 10. 

Amritam, verwandt mit dem gried. Um brofia, 
Unjterblidfeitstrant der indifden Sage, ſ. Viſchnu. 

Amritjar (⸗Teich der Uniterblidfett«), Hauprftadt 
der gleidnamigen Divijion (13,866 qkm mit 2,729, 109 
Einw.) in der indobrit. Proving Bandidab, Knoten- 
punft der Eijenbahnen Ralfutta-BRejchawar, U.-Mul- 
tan⸗ Karatſchi und U.-Pathanfot, zwiſchen den Fluſſen 
Bias und Rawi, unter 31° 37’ nöordl. Breite und 74° 
55‘ öſtl. 2, mit (901) 162,548 Cimw., wovon 14,000 
Sifh, fonjt Mohanrmedaner und Hindu. Die Stadt 
ijt den Sifh Heilig als Wtittelpuntt ibrer Religion. Jn 
einem fiinftlichen vieredigen Gee von ‘2 Stunde im 
Umfang (1581 ausgegraben), von ſchönen Brome- 
naden umgeben, fteht der pradtvolle Tempel Dar- 
bar Sahib, aus Marmor mit vergoldeter Ruppel 
Im Hauptgemad befindet fid) der Granth, das Re- 
ligionsbuch der Sifh, Das unter ſchönen Tüchern forg: 
jaltig in einem reidverzierten Käſtchen verwahrt Ln 4 
Rein Sifh geht nad U., ohne in dem Teich ju baden; 
aud Neuge orne werden Darin untergetaudt. Außer⸗ 
halb der Stadtmauer erhebt fic) Das 1809 von Rand 
ſchit — erbaute Fort Govindgarh, jetzt mit 
engliſcher Beſatzung, und die hohe Säule Baba Atal 
über dem Grab eines Sohnes des Guru Har Govind 
in einem Garten, in dem zahlreiche Falirs wohnen 
Von modernen Bauten ſind nennenswert: der Gerichts 
hof, das Verwaltungsgebäude, eine evangeliſche und 
cine fath. Rirde, cin Hoſpital, Gefängnis. A. iſt die 
erjte Handelsftadt des Bandfdab und Uusgangspunft 
des Handels mit Kabul, Kaſchmir, Bochara, zugleich 
berühmt wegen feiner aus Kaſchmir eingeführten Schal⸗ 
induſtrie und wegen ſeiner wollenen, ſeidenen und 
qoldgejtidten Stoffe. Der Handel beläuft ſich auf 4's 
Will. Pfd. Sterl. jährlich, wovon ca. 200,000 Pfd. 
Sterl. auf die nad Europa —— Kaſchmir⸗ 
fchale fommen. — A., 1574 von Guru Ramdas (Ram 
Dos), dem vierten Apoſtel der Sifh, qeqriindet, wurde 
1761 von Schah Wham serftdrt, bald aber wieder auf- 
= und 1802 von Randfdit Singh (f. Dd.) feimem 

eich cinverleibt und verſchönert; 1846 wurde es nad 
dem Sturz der Sifh britiſch 





ne 
VOULe 
y (it ogle 


Amrum — 


Amrum Wimrom), Ynfel in der Nordſee, an der 
Wejtliijte Schleswigs (jf. Karte ⸗Schleswig⸗Holſtein «), 
gum Sreis Tondern gehörig, ijt 20 qkm grok, bat 
hohe Diinen, cin Seehoſpiz, einen Leuchtturm, Uuftern- 
fang und (1900) 900 Einw. Hauptort ijt Rebel. Auf 
A. das Seebad Wittdiin. Val. Schlutius, Die 
Nordſeebäder der Inſel A. (Hamb. 1893). 

Amsanctus lacus, ſ. Anſanto. 

Amsdorf, Nikolaus von, Reformator, geb. 3. 
Dez. 1483 in Torgau, geſt. 14. Mai 1565 zu Eiſenach, 
—— in Wittenberg, wurde hier 1511 Profeſſor 

er Theologie, begleitete Luther nach Leipzig und 
Worms und war deſſen Mitarbeiter an der Bibelitber- 
fesung. Als Superintendent in Magdeburg (1524) 
führte er in Goslar und Ralenberg die Reformation 
ein, ward 1542 Bifdof von Naumburg, 1547 von 
den Raiferlicjen vertrieben und durd) den vom Dom- 
fapitel gewählten Julius v. Pflugk erfegt. Seit 1552 
wirfte er als Generalfuperintendent in Eiſenach. 


Allem fatholifden Wefen feindlich, belümpfte er riid- | h 


ſichtslos das Ynterim und jtand in den adiaphorijti- 
ſchen, fynergijtijden und Abendmahlsſtreitigkeiten ſtets 
auf ſeiten der ſtrengen Lutheraner. Seinem Anſehen 
ſchadete er durch den —— gute Werke ſeien ſchädlich 

ur Seligleit. Er war bet der Gründung der Univer- 
Pat Jena beteiligt und beforgte die Jenaer Ausgabe 
von Luthers Sdriften. Geine Biographie ſchrieben 
Preffel (Elberf. 1862) und Meier (Leipz. 1863). 

Amfel, ſ. Droſſel. 

Amſelbeere, ſ. Rhamous. 

Amſelfeld (KKoſſowo Polje), Quellgebiet des 
Weißen Drin, Vardar und der Morawa, mit Ein— 
ſchluß des unmittelbar benadbarten Metojabedens im 
wefentlidjen mit Türkiſch⸗Serbien (Altſerbien, Wilajet 
Koſſowo) zuſammenfallende, ausgedehnte, frudtbare, 
aber wenig bebaute Ebene, neuerdings von der Cifen- 
ban (Linte Mitrovica-Llstith) belebt. Die rings von 
ſchwer zugänglichen Gebirgen (Scar, Ulbanijde 
Alpen, Ropaonif) umgebene Ebene, gu der als wid- 
tighter Eingang der Pag von Katſchanik fiihrt, i ein 
alter Geeboden. Geit gwei Jahrhunderten find die 
chriſtlichen Serben immer mehr von den mohamme- 
daniſchen Ulbanefen verdriingt worden oder haben 
fid) mit ifnen verſchmolzen. Wichtigſte Städte find 
Priſchtina, Prizren, Djafova und Vet Berühmt 
durch zwei mörderiſche Türkenſchlachten, die cine 15. 
Juni 1389 zwiſchen Murad J. und den Serben unter 
ihrem Kaiſer Laſar, in der beide Herrſcher fielen und 
die Freiheit der Serben vernichtet ward; die andre 
17.—19. Olt. 1448, in der Johannes Hunyadi, Vor— 
mund des ungarifden Königs Wladislaw Poſthumus, 
vom Sultan Murad IT. beſiegt und vom ſerbiſchen 
Fürſten Georg Branfovics gefangen wurde. Bal. 
(Sppen,) Novibasar und Koſſovo (Wien 1892). 

Mmfelmerle, |. Drofjel. 

Amſelmöwe, ſ. Waſſerſchwalbe. 

Amſivarier (Ampsivarii), german. Volk an der 
untern Ems, Bundesgenoſſen Römer, wurden 
wegen ihrer Unterſtützung des Arminius von Ger— 
manicus gezüchtigt. Um 59 n. Chr. von den Chaulen 
vertrieben, von den Römern mit der Bitte um Über⸗ 
lafjung eines Gebiets am redjten Ufer de3 untern 
Rheins und an der Yſſel abgewiefen, von den Bruk⸗ 
teren und Tenfterern, Chatten und Cherusfern im 
Stiche gelaijen, von den Tubanten und Uſipiern be- 
fimpft, gingen die A. ju Grunde. Ein Reft taudt 
gu Valentinians Zeit unter den Franfen auf. 

Amsler, Samuel, Kupferſtecher, geb. 17. Dey. 
1791 zu Schinznach in der Schweiz, geft. 18. Mai 1849 


Amfterdam. 459 


in Miinden, lernte bet Oberfogler und dem ältern 
Lips in Zürich, beſuchte feit 1814 die Münchener Ufa- 
demie und begab ſich 1816 nad) Rom, wo er nad 
Thorwaldjen und Cornelius arbeitete. 1820 begann 
ex die Stidje nad) Thorwaldjens Wleranderjzug. 1829 
wurde er als Brofeffor der —— an die 
Ufademie in München berufen. Seine bedeutendſten 
Werle ſind: die Grablegung, die Madonnen Staffa 
und Tempi und die heilige Familie Canigiani nach 
Raffael, Johannes nad Domenichino, Magdalena 
nach Carlo Dolci, Overbecks Triumph der Religion 
in ben Künſten, Danneckers Chriſtus. Seine Teqhnil 
legte das Hauptgewicht auf die Strenge der Zeichnung 
und der plaſtiſchen Form. 

Amfteg, Ort im ſchweizer. Kanton Uri, Gemeinde 
Gilenen, am Fuß des Briſtenſtocks und am Cingang 
in das Maderanertal, an der Miindung de3 Kärſtelen⸗ 
bachs in die Reuß und an der Gotthardbahn, 536 m 
it. why ein Hauptplatz des urnerijden Mineralien- 


andels. 

Amſtel, Fluß in der niederländ. Provinz Nordhol⸗ 
land, aus der Drecht und Krummen drecht gebil⸗ 
det und durch die Angſtel verſtärkt, durchfließt Amſter- 
dam in mehreren Armen und ergießt ſich nach einem 
Laufe von 14 kmn, ſelbſt fiir kleinere Seeſchiffe fahrbar, 
in den ehemaligen Meerbuſen Y. Amſtelland hieß 
die Uferlandſchaft der A., vormals (1807) cin De— 
partement des Königreichs Holland, 1810 mit dem 
von Utrecht zum Departement der Zuiderſee vereinigt, 
jept ein Teil der Proving Nordholland. 

Amfterdam (Neu-Wmjterdam), Inſel im fiid- 
liden Indiſchen Ozean, unter 37° 47° fiidl. Br. und 
77° 34° öſtl. L., 66 qkm groß. Gie ijt ein erlofdener 
Vulkan (911 m), fajt gang unzugänglich, mit fparli- 
dem Gras und Moos bedectt und nur von Seevögeln 
bewohnt. Bon den Holliindern 1633 entdedt, aber 
erjt 1696 betreten, wurde A. nebjt Dem naben St. Raul 
1893 von Frankreich in Beſitz qenommen. 

Amfterdam (hierzu der Stadtplan), Hauptitadt 
(aber nicht Rejidengitadt) ded Königreichs der Rieder- 
lande, am Einfluß der Amſtel in den ehemaligen Meer⸗ 
bufen 9) (j.d.), von — Armen derſelben durchfloſſen 
und in zwei Teile, die alte (öſt— 
lidje) und die neue (weſtliche) ei 
Seite, geſchieden. Die Stadt liegt 
unter 52°22'30” ndrdi. Br. und 
4° 53’ 18” öſtl. L. ijt in Geftalt 
eines Bogens, deſſen Sehne das 
Y) bildet, erbaut und hat einen 
Umfang von ca. 20 km (jf. den 
Blan). Yon Den ehemaligen adt 
Toren ijt nur der merfwiirdige 
Muiderpoort (Poort — Tor) 
tibriqgeblicben. Mehr als 60 
Grachten (Randle) zerteilen die Stadt in zahlreiche Jn- 
fel, die Durch meiſt ſteinerne Brücken (sluizen ge- 
nannt) miteinander verbunden find. Das Trintwalfer 
wird durd cine 1853 erdffnete unterirdiſche Waffer- 
leitung aus den Diinen gugefiihrt. Außerdem liefert 
bie Vechtwaſſ ot das Pit andre Sweele erforder- 
lide Wafer. Die Haufer ftehen auf eingerammten 
Pfählen, die, durch eine dice Torfſchicht getrieben, 
auf fejtem Gandboden ruben. 

[Strahen, Plage, Gebaude.] Die Haupt{traken 
faufen unter fic) parallel al8 Halbbogen, deren Enden 
fid) auf das Y jtiigen; gerade Querſtraßen durd- 
ſchneiden jene; die breitern haben in der Mitte mit 
Bäumen beſetzte Randle. Zu den ſchönſten gehdren: 
bie Heerengradt, die Prinfen- und die 45 m breite 





Wappen von Am— 
fterdam. 


460 


Keizersgracht. Unter den zwölf dffentliden Plätzen 
find der Dam, der Mittelpunft ded ſtädtiſchen Verfehrs 
(mit einem hohen Denfmal zum Andenken an 1830, 
erridtet 1856), Dad Amſtelveldt, der Rembrandt8plein, 
früher Botermarft (mit Rembrandt3 Statue, feit 1852), 
der Thorbedeplein (mit Thorbedtes Statue), der Fre— 
derifsplein (1870 vollendet), der Leidſche Plein, der 
Wejtermarft und Nieuwe Markt dic ga oer 
Die ſchönſten Spaziergänge liefert der Vondelspart 
(15 Heltar), von Privatleuten angelegt und unterhal- 
ten. Unter den 53 Rirden der Stadt (Darunter 25 
reformierte, 17 fatholijcje, 3 lutheriſche, 2 wallonifde, 
eine englifch-presbyterianijde, eine englijd)-cpiffopale, 
eine fiir Remonjtranten, eine fiir Mennoniten, 2 fiir 
Janſeniſten) verdienen befondere Hervorhebung: die 
Nieuwe Kerf (Natharinenfirde) auf dem Dam, ein 
ſchöner fpatgotiider Bau (1408 —70 in Form einer 
freusformigen Bajilifa aujgefiihrt) nut den Grab- 
mãlern de Ruyters, van Galens, des Dichters Bondel | 
und des Helden van Speyf (der 1831 vor Antwerpen 
fein Boot in die Luft fprengte) und einer funjtvoll ge- 
ſchnitzten Rangel; ferner die gotifde Dude Kerf (Nilo⸗ 
laifirde, aus dent 14. Jahrb.) mit alten Glasmalereien, 
die Weſterlerk mit 90 m hohem Turm und die neuer- 
baute St. Nicolaasferf. Unter den neun Synagogen 
ijt Die Dem Tempel Salomos nadgebildete der portu- 
giclifcjen Juden (1670 erbaut) die ſchönſte und größte. 
n hervorragenden Gebaiuden ijt U. reid. Das be- 
rühmteſte ijt Das ehemaliqe Rathaus, feit 1808 fo- 
niglides Palais, auf dem See or von Jafob van 
Kampen 1648 —55 erbaut. Es jteht auf 13,659 em- 
eramnmten Maſten und bildet ein Viered von 80 m 
dinge, 63 m Tiefe und 33 m Hobe, in der Mitte mut 
einem gewölbten Dom geziert, aus dem ein nod 
20 m hober, mit cinem —— Schiff gekrönter 
Turm ſich erhebt. Zahlreiche Statuen, Basreliefs und 
Wandgemälde zieren das Gebäude; die Hauptſäle find 
mit Marmor gan; überkleidet, fo namentlich Der herr— 
fiche, aus den Betten König psa Napoleons her- 
riihrende, 36 m lange, 18 m breite Ratsfal, einer der 
größten Europas. In der Nähe des Palais ſteht die 
1845 vollendete Börſe, die bald einem größern Neu— 
bau Platz machen wird. Sonjt find nod anzuführen: 


Amfterdam GBauwerle, Bevdiferung, Jndujtrie und Handel). 


er blühend als frither, dbennod in grokartigem Maß⸗ 
tab, und gwar vorzugsweiſe von Israeliten betrieben 
wird (es gibt 51 Scbleifercien); die Borar~ und 
ampfercapinerien, die Chininfabrif, die vortreff- 
liden Schmaltefabrifen. Jn green Umjang wird 
Zuckerraffinerie, Tabaf- und Sigarrenfabrifation 
betrieben; auferdem befigt A. 6 Bierbrauereien, 
zahlreiche Sägemühlen, eine Dampfreisſchälmühle, 
Schiffswerften, Maſchinenfabrilen, 2 Glasbläſereien, 
anſehnliche Lilör⸗, Schofolade-, Mehl« und Brotfabri⸗ 
fen, großartige Eiſengießerei und Fabrik für ajtrono- 
miſche Uhren, Leder-, Seide-, Tapeten⸗ und Wollfabri⸗ 
fen, Kattundruckereien, Baumwollſpinnereien, Bor- 
xllanfabrilen, Buchdruckereien, zahlreiche Gold- und 
Silberſchmiede, Juweliere ꝛc. Haupterwerbszweig iſt 
der Handel, da ſich hier, zuſammen mit Rotterdam, 
der gefamte Verfehr der Riederlande fonjentriert. Die 
ganze Nordjeite von A. (am Y)) ijt im einen einzigen 
grogen Hafen von 400 Heftar Flächeninhalt und 
12 m Tiefe mit ausgedehnten Rais, Magazinen und 
Trodendod3 umgeſchaffen, der durch Schleuſen von 
Nord- und Zuiderſee geſchieden ijt. Unmittelbar daran 
ſchließen fid) Der Retroleumbafen, der Holjhafen, das 
Wejtdod, der fogen. Open-Havenfront (fiir die Binnen- 
jdiffabrt), dad Ojtdod (dabei das ReichSmarinedod 
und die Reichswerft), der Binnenhafen, der Y)-Hafen, 
das Eiſenbahnbaſſin (am Zentralbahnhof) und das 
neue Entrepotdod. Im O. des Ojtdods befindet ſich 
das Matrofenhaus (fiir unbeſchäftigle Matrofen, 1856 
erbaut). Der Nordjeefanal (j. d.), in wejtlider Rich⸗ 
tung Dem friihern ¥) folgend, verbindet fett 1876 A. 
mit der Nordfee. Die Amſterdamer Börſe ijt die exjte 
Warenbörſe des Kontinents und zugleich eine der 
bedeutendjten Fondsbörſen. Sie übt bejonders Durch 
thre früher halbjährigen, jest zweimonatlichen Aul⸗ 
tionen von Javalaffee einen fiir halb Europa maß— 
gebenden Einfluß aus. Ein Teil der Kolonialwaren 
lagert in Rotterdam und Middelburg, Dordrecht und 
Schiedam, die Hauptmaſſe aber in A. Die Bedin— 
gungen für die zur Aultion fommenden Waren macht 
die Maatſchappij, die 1824 begründete holländiſch-oſt⸗ 
indiſche Handelsgeſellſchaft (de Nederlandsche Han- 
delmaatschappij, mit 36 Mill. Gulden Uftienfapital), 


der Udmiralitdtshof (der jest als Stadthaus dient), durd) den Dru befannt. 1899 wurden durch die 
das Jujtijqebiude, das Trippenhuis (worin fic) bis: Geſellſchaft hier und in Rotterdam fiir 24,2 Mill. Guld. 
her das Reichsmuſeum bejand ff. unten), jest nod) Sitz Waren verfaujt (unter andern 161,930 Ballen Kaffee 
der königlichen Alademie der Wiſſenſchaften und ihrer | zu 95 kg, 314,800 Blide Zinn, ferner Tabaf und 
Vibliothel), das Haus der vormaligen Ojtindifden | Ebinarinde). Auch Suder und Reis, Musfaten, Ma— 
Rompagnie, der Balajt der Nationalindujtrie (Paleis | cis und Nelfen, Petroleum, Leindl, Bauholz und be— 
voor Volksvlijt, 1855 — 64 erbaut) mit 57 m hober | fonders Getreide erſcheinen als bedeutende Artilkel. 
Stuppel und feit 1883 von einer pradtvollen Galerie Die Zahl der eingelaufenen Sdijfe betrug 1899: 


umgeben; das 11,000qm große Reichsmuſeum, 1877 | 
bi3 1885 nad Plänen von Cuypers erbaut, der 1889 
erdffnete Zentralbahnhof, nad Cuypers’ Blan im 
althollandijden Renaijjanceftil erbaut, und der außer⸗ 
halb der Stadt gelegene Schladhthof. — A. felbjt ijt 
feine eigentliche Feſtung mehr, bildet aber Den Mittel⸗ 
punft der niederlindifden Fejtungslinie und gilt als 
Hauptreduit ded Reiches. Es ijt durch cine Reihe deta- 
chierier Forts geidhiigt und fann durd künſtliche Über⸗ 
ſchwemmung volliq unzugänglich gemacht werden. 
IVevolterung. Erwerbssweige.] Die Zahl der 
Cinwohner betrug 1. Jan. 1900: 623,557 (zwei Drit- 
tel Brotejtanten). 1794 hatte A. cine Bevdlferung 
von 217,024 Seelen, die 1815 bis auf 180,179 ge- 
junfen war. Die Ynduftrie ijt bedeutend; 1900 
gab es 288 Fabrifen, die mit Dampf betrieben wur- 
den (mit 478 Dampfleſſeln). Spezialitäten WUmiter- 
dams jind: die Diamantidleiferet, die, wiewoh! weni- | 


2024 von 7,004,341 chm, die der ausgelaufenen 2011 
von 6,924,934 cbm. Die Handelsflotte von A. zählte 
1899: 92 Schiffe von 311,279 chm. Sn das Binnen⸗ 
land geben die Waren auf der Amſtel und Vecht fiber 
Utrecht jum Rhein und sur Waal oder über Gouda 
nad) Rotterdam; Cifenbahnen fiihren nad) Deutſch 
land über Umersfoort und Utredt, nad) Rotterdam, 
Haarlem, dem Helder und Enkhuizen; augerdem gibt 
es Danpftrambahnen nad cinigen Nadbarorten und 
in der Stadt cine Pferdebahn und eine eleftrifdhe Bahn. 
Das Cleftrisitdtswerk fpcijte 1900: 32,629 Lampen 
und 34 Eleftromotoren. Zur See ſteht A. mit den be- 
deutendern Hafen Curopas, ferner mit New Port, 
WBWejtindien, Buenos Wires und Java in regelmapiger 
Dampferverbindung. Außer der Nederlandſche Han- 
delmaatſchappij gibt es in VL. cine Weſtindiſche Handels- 
— verſchiedene große Aktiengeſellſchaften fir 

ſſeluranz, induſtrielle oder merfantile Zwecke. Unter 


Amfterdam — Wmt. 


den zahlreichen Handelsinjtituten jteht die Niederlindi- 
ſche Bank, die(1814 an Stelle der altberiifinten Giro- 
bank neugegriindet) mit einem Kapital von 20 Mill. 
@uld. arbeitet, obenan. Ferner haben ihren Sif in 
U. Die Niederländiſch-Indiſche Handelsbank, die Bank 
pon A., mebrere Hypothefenbanfen und oftindijde 
Kulturgefell{daften (landbouw - maatschappijen). 
[Offentlide Unftalten, Behsrden zc.] Unter den 
wiffenfdaftliden Anjtalten find die foniglide 
Ufademie der Wiſſenſchaften, die Reichsafademie fiir 
bildende Riinjte, die Gemeinde-Lniverfitét (1900: 77 
Lehrer und 929 Studierende), die freie Univerfitit, 
2 Gymnaſien, mehrere Reals oder Biirgerfdulen, 
aud) fiir Mädchen, die Handelsjdule, die Gewerbe- 
fdule fiir Madden (Industrieschool voor de vrou- 
welijke jeugd), cine Zeichenſchule fiir Kunjtindujtrie, 
dad Lehrerjeminar und mebhrere geijtlide Seminare 
u nennen, weiter die trefflich ausgeſtattete Seefabrts- 
Fale (flix ca. 80 Knaben, feit 1785 bejtehend), das 
Blindeninjtitut, die Sternwarte, der botanifde Garten 
und der an feltenen Tierexemplaren reiche zoologiſche 
Warten (jeit 1838) mit dem ethnographifden Mujeum 
und einem YUquarium, das befonders oſtindiſche, japa- 
niſche und chineſiſche Gegenſtände fowie cine reiche 
Bibliothel enthält, das anatomiſche Theater xc. hervor⸗ 
zuheben. Dazu beſitzt A. zahlreiche gelehrte und andre 
Geſellſchaften, z. B. die Geographiſche, den Antiqua⸗ 
riſchen Verein (mit Sammlungen von Altertümern), 
die Geſellſchaft der Dichtkunſt und der ſchönen Wiſſen—⸗ 
ſchaften, einen Verein für den allgemeinen Nutzen 
(Maatschappij tot nut van 't algemeen, ſeit 1784), 
Der jahlreiche Filialvereine im ganzen Lande hat und 
ſich namentlid) die Bildung der untern Klaſſen zur 
Aufgabe ftellt, die Gefellfdaft »>Scemannshojfnung« 
u.a. Unter den Kunſtanſtalten behauptet das Reichs⸗ 


muſeum die oberſte Stelle, in dem die Sammlungen 
des Trippenhuis und des Muſeums van der Hoop, 
die kunſtgewerblichen Sammlungen des Muſeunis im | 


Haag und der Oudheidkundig Genootschap in Am— 


ſterdam vereinigt find. Das Muſeum enthalt Meijter- | 


werte erjten Ranges, 3. B. Rembrandts Nachtwache 
und Staalmecjters, Hondecocters Enten, mebhrere 
Ruisdaels, van der Helſts Schützenmahlzeit, Gemälde 
von Jan Steen, Huyfum, Dou, Du Jardin, Weenix, 
Berchem, Potter, Wouwerman, van de Velde, Neeffs, 
Rubens, Hobbema, F. Bol, Flinds Amſterdamer 
Schützen u.a. Daneben bejtehen das Muſeum Fodor 
(feit 1860), ein reichhaltiges Kupferſtichlabinett, die hi— 
ſtoriſche Galerie des Malervereins » Artiet Amicitiae« 
fowie Die ausgezeichnete private Kunſtſammlung von 
Mr. Sir. Verichiedene Vereine pfleqen die Muſik, die, 
wie in ganz Holland, deutich ijt. A. hat feds Theater 
(das Stadttheater ijt 1890 abgebrannt, aber neu er- 
baut), einen Birfus, cin Banorama (mit Brouwers 
Jeruſalem) und cin Banoptifum. Für die leidende 
Menſchheit forgen zahlreiche (liber 100) meiſt reich— 
dotierte Wohltätigkeitsanſtalten: Waiſenhäu— 
ſer, Armen- und Krankenhäuſer, Verſorgungsorte fiir 
alte Männer und Frauen rw. Außerdem hat A. cin 
Budht- und WUrbeitshaus fiir mannliche Verbreder und 
mtehrere Spinn: und Befferungshiufer. A. ijt der Sits 
eines Tribunals erjter Inſtanz, cines Handelsgerichts, 
eines deutiden Generalfonfuls, des Seedepartements 








461 


fallen des Stifted Utrecht, erhob fic) aber fon Un- 
fang des 14. Jahrh. ju einem Ort mit ſtädtiſchen Rech: 
ten. Um 1280 wurden die Herren v. Amſtel Ba- 
fallen von Holland, und der Ort fam in holländiſchen 
Beſitz. Wegen der Teilnahme Gysbrechts v. Amſtel 
an dem Morde de3 Grafen Floris von Holland 1296 
fam es bald darauf mit Amſtelland endgiiltig und 
unmittelbar an die Grafen von Holland, die der Stadt 
Vorredte gewährten. Ym 14. und 15. Jahrh. wuchs 
A. Durd) Den Handel auf der Ojtiee; im 16. Jahrh. 
war A. die vornehmite Handelsitadt der nördlichen 
Niederlande. Seines Handels wegen blieb es Spa- 
nien lange treu und ſchloß fich erjt 1578 dem übrigen 
Holland an. Geine eigentliche Bliite datiert von * 
Eroberung Flanderns und Brabants durch Parma 
(1579—85), Die Antwerpens Gripe vernichtete, weil 
viele Raufleute und Handwerfer aus Flandern und 
Brabant auswanderten und im Norden eine Frei— 
jtatte fudten. Infolge der Stiftung der Ojtindifden 
Kompagnie (1602) und ded allgemeinen Auſſchwungs 
der Republif Anfang des 17. Jahrh. ſchwang ſich U. gur 
erjten Handelsftadt der Nordſeeküſte empor (f. oben) 
und wuchs fo fdynell, daß es 1622 bereits 100,000 Cinw. 
zählte. Die Verſuche des Englanders Leicefter, fic 
1587 Der Stadt Durch Verrat, und de3 Pringen Wil- 
helm IL., fich ihrer 1650 durch Uberrumpelung zu be- 
meijtern, miplangen; dagegen mußte fie fid) 1787 den 
Preußen ergeben. Nad) dem Untergang der Vatavi- 
fchen Republif war A. 1808 Refiden; des Königs Lud- 
wig Napoleon und 1810—13 die dritte Stadt des 
franzöſiſchen Kaiſerreichs. Seit 1814 ijt es die Haupt: 
jtadt der nördlichen Niederlande, wo die Huldiqung 
der Könige ftattfindet. Val. Wagenaar, Beschrip. 
ving van A. (Amſterd. 1760); Witfamp, A. in 
schetsen (daſ. 1859—63, 2 Bde.); Ter Gouw, Ge- 
schiedenis van A. (daſ. 1880—91, 7 Bde.); »A. in 
de 174e eeuw« (Bradjtwerf, Haag 1897 ff.); An— 
drieſſen, Amſterdam (Zür. 1894). 

Amſterdam, Stadt im Staat New Yorf, Graf- 
fchaft Montgomery, am Mohawk und Criefanal ge- 
legen, mit Papier, Wirk> und Teppidjfabrifen und 


| geo) 20,929 Einw. 


Amftetten, Stadt in Niederöſterreich, an der ¥)bb3, 
Knotenpunft an der Staatsbahniinie Wien-Ling, ijt 
Sif einer Bezirlshauptmannſchaſt und cines Bezirfs- 
gerichts, hat Fabrifen fiir Rementwaren und Karbo— 
lineum, eine Kunſtmühle, Bierbrauerei, ein Cleftri- 
zitätswerk und (900) 5668 Einw. — Hier fiegten 
5. Nov. 1805 die Franjofen unter Murat über die 
Ruſſen unter Bagration. Val. Qucifer, Gefdidte 
der Stadt A. (Amſtett. 1898). 

Ant, im allgemeinen berufsmäßige Dienjtleijtung ; 
im eigentlichen Sinn die cinem öffentlichen Gemein— 
weſen (Staat, Gemeinde) gewahrte Dienjtletjtung. 
Subjeftiv bedeutet W. die Verpflidhtung zur berufs- 
mäßigen Tätigkeit fiir Hffentliche Zwecke, objettiv den 
beftimmten Kreis der Tätigkeit, zu welder der Be- 
amte verpflidjtet ijt. Die Amter und Beamten zer— 


fallen in Hof-, Reidhs-, Staats-, Kirchen- und 


Gemeindedmter und -Beamte. Regelmäßig iſt 
mit dieſen Ämtern ei beſtimmter Gehalt (Befoldung) 
verbunden. Im Gegenfag hierzu nennt man die un- 


beſoldeten Amter Ehrenämter. Der Beamte, der 


der Zuiderſee, der Nationalbanfdireftion und der Ge- | 
neraldireftion Der öffentlichen Schuld. Die Umgebung 
Der Stadt auf der Landſeite bilden Wieſen, Wind— 
mühlen und ſchöne Villen meiſt neuern Urſprungs. ausübt. Hiernach muß ſich auch die Achtung, die 

IGeſchichte.J A. war nod ju Anfang des 13. Jahrh. der einzelne Staatsbürger der Staatsgewalt ſchuldet, 
ein Fiſcherdorf im Beſitz der Herren v. Amſtel, Va— auf die Beamten mit erſtrecken. So kommt es denn, 


cin öffentliches, namentlich cin Staatsamt befleidet, 
erſcheint in dieſer Stellung als cin Glied ded Orga- 
nisms, deffen Funftionen er in ſeinem Amtsbereich 


462 


bag mit dem A. eine gewiſſe Umtsehre verbunden 
ift, Deren — —— ſtrenger beſtraft wird als die ge⸗ 
wöhnlichen Ehrenkr — l. Amtsbeleidigung). 
Anderſeits legt das A. dem ten auch höhere 
Pflichten auf, die über die allgemeinen ſtaatsbürger⸗ 
lichen hinausgehen, und darum ift es aud) geredt- 
fertigt, wenn die von einem Beamten in feiner amt- 
lichen Stellung begangenen Strajtaten bejonders 
jtreng geahndet werden. Auch fann nur eine un 
befdoltene Perſon cin Hffentlidjed A. befleiden; des⸗ 
halb zieht der Verluſt der biirgerliden Ehrenrechte 
jowie cine erfannte Zuchthausſtrafe die Sons 6 
sur Bekleidung Hffentlider Amter von felbjt nad ſich; 
jo namentlid nad dem Reichsſtrafgeſetzbuch ($31,34), 
dad dabei erflart, daß bier unter dffentliden YUmtern 
die Udvofatur, die Uniwaltfdaft, das Notariat fowie 
der Gefdhwornen- und Sddffendienft mitbeqriffen 
feien. Nach öſterreichiſchem Strafredt tritt Verluſt 
Der öffentlichen YUmter und geitweilige Unfähigleit ju 
deren Erlangung bei Berurteilung wegen eines Ver- 
bredjens oder wegen Übertretungen aus Gewinnſucht 
(Diebjtahl, Veruntreuung, Betrug und Vergehen des 
Wuchers) ein. Bgl. Beamter. 

Amt Chrifti, Chrijti Werk, d. h. die Stiftung des 
Neuen Bundes, betradtet unter dem Geſichtspunkt 
eines ihin gewordenen Berufes. Die protejtantijde 
Dogmatif fennt ein dreifadjes U., das des Propheten, 
Hobhenpriefters und Königs, entipredend den im Ulten 
Bunde hervortretenden, ſich im Meffias konzentrie— 
renden Organen der gottliden Offenbarung. 

Amt der Schliifiel, |. Schlüſſelgewalt. 

Amt: Gehren, Marktflecken, ſ. Gehren. 

Amtmann, im allgemeinen jeder, der cin Umt 
befleidet, Daher ehemals jeder Staatsdiener; insbef. 
hie friiher fo derjenige Beamte, der in einem be- 
jtinrmiten Bezirk die Rechtspflege und die Verwaltung 
wahrzunehmen hatte. Nad) der Trennung der Juſtiz 
von der Verwaltung wurde in manden —— der 
Titel A. für den Einzelrichter, entſprechend dem * 
gen Amtsrichter, beibehalten (Juſtizamt mann). In 
andern Staaten war und iſt es auch noch der Titel 
des Verwaltungsbeamten erſter Inſtanz, z. B. der 
Bezirksamtmann in Bayern, Oberamtmann 
und WL. in Württemberg, Oberamtmann in Hohen—⸗ 
zollern. Auch wird der mit der Erhebung ftaatlider 
Gefälle betraute Beamte fo qenannt (Rentbeamter, 
Rentamtmann in Bayern). Endlich ging aud der 
Titel eines Umtmanns oder Oberamtmanns in meh— 
reren Lindern, fo in Preußen, auf den Ofonomiever- 
walter oder Pachter eines Kammergutes fiber. 

AUAmtsianmafung, ſ. Anmaßen. 

Amtsanwalt, der Beamte der Staatsanwaliſchaft 
bei den Amts- und Schijfengeridten. Yn dem Ver— 
fahren, dad die öffentliche Klage vorbereitet, tritt der 
A. nur dann in Titigfeit, wenn es ſich um Straf- 
ſachen handelt, die in die ſchöffengerichtliche Rompe— 
tenz fallen. Der A. braudt nidt jum Ridteramt 
befahiqt gu fein, wohl aber ijt fiir die bei Dem Reichs 
gericht, bei Den Oberlandesgerichten, Landgeridten 
und Sdwurgeridten tätigen Beamten die richterliche 
Oualififation erforderlich). Eben deswegen ijt die im 
librigen der Staatsanwaltidaft zugewieſene Straf- 
volljtredung den Amtsanwalten entgogen. Val. Deut- 
ſches Gerichtsverfaſſungsgeſetz, $ 143, 146, 149, Abſ. 2; 
StrafprojehordDnung, § 483, Abſ. 2; Chudul, Ge 
jdaftsanweifung fiir Umtsanwalte (Raffel 1897). 

Amtsausſchuft, ſ. Amtsvorſteher. 

Amtsbeleidiguug (Amtsehrenbeleidigung, 
Amtsehrentränkung, Berufsbeleidiqung), 


Amt Chriſti — Amtseid. 


die einem öffentlichen Beamten bei Uusiibung ſeines 
Amtes oder in Beziehung auf fein Umt zugefügte Be- 
leidiqung. Da der Beamte in feiner amtliden Stel- 
lung nidt als Brivatperjon, fondern als Bertreter 
der Staatsgewalt erfdeint, fo gebührt ihm infoweit 
eine höhere Udtung, und infofern erſcheint der von 
der Rechtswiffenfdayt aufgeſtellte Begriff ciner ſogen. 
vorzüglichen biirgerliden Ehre tm Gegenſatze zur biir- 

erlichen Ehre überhaupt als — Nach dem 

trafgeſetzbuch erſcheint die A. allerdings nur als ein 
beſonders ſchwerer Fall der Beleidigung; aber ſie iſt 
inſofern ausgezeichnet, als im § 196 beſtimmt wird, 
dah, wenn eine Beleidigung gegen eine Behörde, cinen 
Beamten, einen Religionsdiener oder cin Mitglied der 
bewajfneten Macht, wahrend fie in der Ausübung 
ihres Berufs begriffen ſind, oder in Beziehung auf 
ihren Beruf begangen wird, ſowohl die unntittelbar 
beleidigte Perjon als aud) deren amtliche Vorgefepte 
das Redht haben, den Strafantrag ju jtellen. Auch 
die —— des § 197 gehört hierher, wonach es 
eines Antrags auf Beſtrafung nicht bedarf, wenn 
die Beleidigung gegen cine geſetzgebende Verjamm- 
lung des Reidjes oder eines Bundesftaats oder gegen 
eine andre politijde Rorperfdaft beqangen worden 
ift. Sie darf dann jedoch nur mit Ermächtigung von 
feiten, Der beleidiqten Körperſchaft verfolgt werden. 
Jn Ojterreich bildet die Umtsehrenbeleidiqung ein 
ſelbſtändiges Delift (nämlich eine Ubertretung gegen 
die öffentlichen Unjtalten und Borfehrungen), —* mit 
Arreſt bis zu 6 Monaten beſtraft wird. S. Beleidigung. 

Amtsbezirk, im allgemeinen der örtliche Zuſtän⸗ 
digleitskreis einer Behörde, insbeſ. einer ãußern Ber- 
waltungsbehörde, wie der Bezirlsämter in Bayern 
und Baden, — ter iary geri,” Jn Preu⸗ 
pen (Kreisordnungen) bezeidjnet UW. cine Unterabtet- 
lung ded Kreiſes. Zur BVerwaltung der Volizei und 
Wahrnehmung andrer öffentlicher Ungelegenheiten ijt 
nämlich jeder Kreis, mit Ausſchluß der Stadte, in 
Amtsbezirke geteilt. Die Grdge und Einwohnerzahl 
der Amtsbezirlke, die tunlichſt cin räumlich zuſammien— 
hängendes und abgerundetes Gebiet umfaſſen follen, 
iſt ſo zu bemeſſen, daß ſowohl die Erfüllung der durch 
das Geſetz der Amtsverwaltung auferlegten Aufgaben 
geſichert, als aud) die Unmittelbarkeit und die ehren⸗ 
amtliche Ausübung der örtlichen Verwaltung nicht 
erſchwert wird. Daher ſind insbeſ. zu einem A. zu 
vereinigen Gemeinden und Gutsbezirke, die cine drt- 
lid) verbundene Lage haben. Namentlich follen dabei 
Die innerhalb der Kreiſe bejtehenden Berbande (Rird- 
fpiele, Schulverbinde, Wegebaubejirte xc.) nicht zer⸗ 
riffen werden. Es lönnen aber auc cingelne Gemein⸗ 
den, Die cine Amtsverwaltung aus eignen Kraften 
herzuſtellen vermögen, und einzelne Gutsbezirfe von 
abgeſonderter Lage, die ohne weſentliche Unterbrechung 
ein räumlich zuſammenhängendes Gebiet von erheb⸗ 
lichem Flacheninhalt umfaſſen, befondere Wintsbezirfe 
bilden. Die —* der Amtsverwaltung in den 
Amtsbezirlen ſind der Amtsausſchuß und der Umts- 
vorſteher (j. d.). 

Amtsdelift, ſ. Untsverbreden. 

Amtseid (Dienfteid), Eid, der bei libernahme 
eines Amtes ju leiſten ijt. Gewöhnlich werden in de 
Formel des Umtseides die wichtigſten Amtspflichten 
des Schwörenden aufgenommen, und ein Beamter 
muß daher beim Eintritt in ein neues Amt entweder 
nochmals ſchwören, oder doch erfliren, daß er ſich 
durch den frühern A. fiir ſeine neuen Amtsverhält⸗ 
niſſe verpflichtet erachte. Der A. ijt cin auf pflicht⸗ 
mãßiges Verhalten gerichteter promiſſoriſcher (vere 


Amtsentlaſſung 


ſprechender) Eid; daher wird auch die von dem Be— 
amten nad geleiſtetem A. verſchuldete Pflichtverletzung 
nicht als Meineid oder Eidbruch, ſondern nur * icht⸗ 
lich des dadurch ——— Amtsverbrechens beſtraft 
wobei die Rückſicht auf den geleiſteten Eid jtraferhohend 
wirft. Bgl. Strafgeſetzbuch, § 359. Nad) dem öſter⸗ 
reichiſchen —— § 101, macht es bezüglich 
des Verbrechens ißbrauchs der Amtsgewali kei⸗ 
nen Unterſchied, ob der Beamte beeidet war oder nicht. 
Amtsentlaſſung, ſ. Dienſtentlaſſung. 
Amtserſchleichung, ſ. Ambitus. 
Amtsgeheimnis, |. Amtsverſchwiegenheit. 
Umtsgeridte, nad dem deutſchen Geridtsver- 
fajjungsgejes (§ 22—57) die mit den ——— 
(Amtsrichfern) beſetzten Untergerichte. Jeder Amts⸗ 
richter erledigt regelmäßig die ihm obliegenden Ge- 
ſchäfte als Einzelrichter. Sind mehrere Amisrichter bei 
einem Amtsgericht angeſtellt, fo findet eine Geſchäfts— 
verteilung ftatt und wird einem Amtsrichter (Ober⸗ 
amtsrichter) die allgemeine Dienjtauffidt von der Lan⸗ 
desjujtizverwaltung iibertragen. Nur fitr diejenigen 
Fälle, in denen die UW. als Strafgeridte gu urteilen 
haben, ijt das ein zelrichterliche Bringip aufgegeben, und 
entideiden die Schöffengerichte (f. d.), beftehend 
aus dem Umtsridter als Porfipendem und gwei aus 
dem Bolle —— Schöffen. Bor die A. gehören: 
1) auf dem Gebiete des Zivilprozeſſes, ſoweit nicht 
die Landgerichte (ſ. d.) ohne Rückſicht auf den Wert des 
Streitgegenjtandes zuſtändig find, diejenigen vermö— 
gensridterliden Unjpriide, deren Gegenftand an Geld 
oder GeldeSwert die Summe von 300 Met. nidt über⸗ 
jteigt. Obne Rückſicht auf den Wert des Streitqegen- 
jtande3 gehören nad) § 23 des Geridjt3verfafjungs- 
geſetzes vor die YW. eine Menge von Streitigfeiten, die 
ein bejonders ſchleuniges Verfahren oder cine befon- 
dere Vertrautheit mit gewifjen Lebensverhaltniffen 
vorausfepen, insbeſ. gewiffe Streitigfeiten zwiſchen 
Vermictern und Mietern, zwiſchen Dienjtherrjdaft 
und Gefinde oder Urbeitgebern und Urbeitern, Strei- 
tigfeiten zwiſchen Reifenden und Wirten, Fuhrleuten ꝛtc., 
ferner Streitigfeiten wegen Viehmängel fowie ſolche 
en Wildſchadens oder aus einem außerehelichen 
Beiſchlaf. Ferner erjtredt fid) die ſachliche Zuſtändig— 
feit der U. auf das Wufgebotsverfahren, das Entmiin- 
diqungsverfahren, das Wahnverfahren, das Siihne- 
—— auch iſt das yore ring Ronfursgeridt 
und Vollſtreckungsgericht. Endlich ijt dad Amtsgericht 
in gewiffen Fallen aud) neben den Landgeridten be- 
siiglid) ewiſſer Maßregeln zuſtändig, fo fiir Urrejte 
un eiitmellige Verfügungen und fiir die Beweis- 
aufnahme zur Siderung des Beweiſes (ſ. d.). Bal. 
Zivilprozeßordnung, § 486, 510, 609, 689, 764, 919, 
942, und Ronfursordnung, §71. 2)3nStraffaden 
ijt der Umtsridter Vorjigender des Schiffengeridts 
(ſ. d.) und erläßt an deffen Stelle die auferhalb des 
Hauptverfahrens erforderlidjen Entſcheidungen, aud 
darf er in gewiſſen einfaden Fallen ohne Zuziehung 
von Schöffen verhandein und Strafbefeble (ſ. d.) er- 
lajjen. Ferner hat er tm eerie tiem Me und 
im Unterſuchungsverfahren fowie bei der Vollſtreckung 
der Urteile mitzuwirken. Vgl. Geridtsverfaffungsgefes, 
§ 26, 39; Strafprozeßordnung, § 31, 157, 160, 163, 
164, 183ff., 197 ff., 200, 211, 447 ff., 453 ff., 463. 
3) Außerdem find die U. in weitem Umfang mit der 
freiwilliqenGerihtsbarfeit bejagt. Ihnen liegt 
fajt überall die Führung de3 Grundbuches (als Grund- 
budjamt) ob. Auch find fie die Vormundſchaftsgerichte 
und Nachlaßgerichte. Ferner fteht ihnen die Beſtäti— 
gung der Unnahme an Kindes Statt gu, auch haben 


> 


— Amtspflicht. 463 


fie bie Güterrechtsregiſter, HandelSregijter, Genoſſen⸗ 
ſchaftsregiſter, Mufterregijter und die Schiffsregijter 
ju ig er und liegt thnen die geridjtlide Beurfundung 
von Rechtsgeſchäften fowie die eee Beglaubi⸗ 
gung von Sand eiden ob. Ral. die Grundbudord- 
nung vom 20. Pai 1898, 5 1 und 100, fowie das 
Reidhsgele , betreffend die freiwilliqe Gerichtsbarteit 
vom 17. Mai 1898, § 35, 65, 69, 72, 125, 145, 149 
und 167. Bal. Ebert, Das amtsgeridtlidje Dezernat 
(5. Uufl., Bresl. 1901). Weiteres ſ. Gericht. 

Amtsgeridtsprafident, der Titel folder Vor- 
ftainde von Amtsgerichten in Preugen und Sadfen, 
weldje Die Dienſtaufſicht auch iiber die ridjterlichen Be- 
amten des Amtsgerichts haben. Grundſätzlich ſteht 
die Dienſtaufſicht über die Amtsrichter in Preußen 
und Sachſen nämlich dem Landgerichtspräſidenten zu. 
Durch preußiſches Geſetz vom 10. April 1892 wurde 
der Amtsgerichtsvorſtand des Amtsgerichts I in Ber— 
lin (jetzt Anitsgericht Berlin-⸗Mitte) zum Amtsgerichts— 
prajidenten ernannt. Dasſelbe ijt ſeit 1892 fiir Dres⸗ 
den und Leipzig der Fall. Der A. hat Rang und Ge— 
halt des Landgerichtspräſidenten. 

——— ſ. Amtsrichter. 

Amtsgewalt, Inbegriff derjenigen Befugniſſe 
eines Beamten, die ihn berechtigen, unter gewiſſen Vor— 
ausſetzungen ju Zwangsmaßregeln überzugehen. Das 
Reichsgericht bezieht den § 339 des Reichsſtrafgeſetz— 
buds, wonad ein Beamter, der durch Mißbrauch 
ſeiner A., d. h. durch vorfaglich rechtswidrige Uniwen- 
dung zuſtändiger A., in Fällen, wo ſie nicht ange— 
wendet werden dürfte, oder durch Androhung eines 
beſtimmten Mißbrauchs derſelben jemand zu einer 
Handlung, Duldung oder Unterlaſſung widerrechtlich 
nötigt, nut Gefängnis beſtraft wird, auf alle Beamte, 
die durch Mißbrauch ihrer A. mittelbar oder un— 
mittelbar in der Lage ſind, einen beſtimmten Erfolg 
herbeizuführen. Vgl. Amtsüberſchreitung. 

Amtshauptmann, Titel eines Verwaltungs— 
beamten; im Königreich Sachſen Amtstitel des leiten- 
den Verwaltungsbeamten eines Bezirfs, der danad 
Umtshauptmann{daft genannt wird. 

WUmtsfaution, ſ. Kaution. 

paar eee. f. Amtszeichen. 

Amtopflicht (Dienſtpflicht) umfaßt all die Ob- 
liegenbeiten, die ein Beamter in feiner Eigenſchaft als 
Beamter gu beobadhten, bes. gu erfiillen hat. Hand- 
lungen, die cin Beamter innerhalb der durch die A. 
gezogenen Grenzen vornimmt, find felbjt dann nicht 
rechtswidrig, wenn ſie Privatrechte und Rechte Dritter 
verletzen. —* der Untergebene kraft feiner A. Be- 
feble feines Vorgeſetzten aus, fo ijt er fiir dieſelben 
injoweit nidjt verantwortlid), als die Rechtsordnung 
die unbedingt verbindende Kraft des Befehis aner- 
fennt. Bal. 3. B. Militärſtrafgeſetzbuch, § 47; See- 
mannSordnung, § 30 u. 32. Das Biirgerlide Gefeg- 
buch hat die vorſätzliche oder fahrläſſige Reseach der 
U. eingehend geregelt. Zunächſt jtellt es den allgememen 
Grundſatz auf, dak der Beamte bei vorſätzlicher oder 
fahrläſſiger Berlesung der U. dem Dritten den daraus 
entitandenen Schaden gu erſetzen bat. Liegt blope 
Fahrläſſigkeit vor, fo haftet der Beamte nur, falls der 
Verletzte nicht Tt Erſatz erlangen fann. 
Richterbeamte, die bei dem Urteil in emer Rechtsſache 
ihre A. verlegen, haften nur dann fiir den daraus 
entitandenen Sdaden, wenn die in Frage jtehende 
Pflichtverletzung aud) ftrafredtlid) geahndet werden 
fann und Der beiddbigte der Schaden nicht durch 
ein Rechtsmittel (f.d.) abwenden fonnte (Biirgerlides 
Geſetzbuch, § 839). Val. aud) Haftpflict. 


464 Amtsridter — 


Am heißen die bet Den Amtsgerichten 
(f. d.) angeftellten Richter. Jn vielen Staaten, be- 
fonders in Preußen, Sadien, Elſaß-Lothringen ꝛc., 
wird cinem Teil der UW. der Titel Umtsgeridts- 
rat verlieben, in andern, 3. B. in — heißen 
ein zelne UL, beionders Die Vorſtände des Amtsgerichts, 
Cberamtsridter. 

Amtsfafie, |. Schriftſaſſe. 

Amtsfiz, der Ort, an weldem eine Bebdrde ibre 
Umtsgebaude hat und ihre Tätigkeit ſtändig ausiibt. 

Amtsfufpenfion, ſ. Dienjtenthebung. 

Amtstitel, der Titel, den ein Beamter vermige 
feines Amtes führt. Er foll zur qenauen Bezeichnung 


Amtsverbreden. 


' sieht. Sumeilen bezeichnet die Strafgeſetzgebung auch 
cin an und fiir ſich gemeines Berbreden ausdrücklich 
als cin A., wenn es von einem Beamien begangen 
wurde, und fest dafür eine befondere Strafe ſeſt; fo 
das Reichsitratgejegbud (§ 340, 342, 339, 350) in 
Anſehung der von einem Beamten in Uusiibung oder 
| in Beranlajjung der Uusiibung feines Amtes vorjag: 
lich beqangenen Körperverletzung, eines unter gleichen 
| Verhaltnitjen begangenen Hausfriedensbrudes, einer 
Erpreſſung oder NStiqung durch Mißbrauch der amt- 
lichen Gewalt oder durch Androhung cines foldjen. 
endlid) aud) in Anſehung ciner Unterjdhlagung von 
Geldern und andern Caden, die cin Beamter in amt- 


der einzelnen Beamtenfategorien und des ihnen an- | lider Cigenidaft empfangen oder im Gewahrſam 


gewiejenen Gefdhaftstreifes dienen, wahrend der blope, 
von der Verwaltung eines Amtes unabhängige Titel 
nur cine pp sane ha ijt. Dem Staatsbeamten 
fteht nad ebrenvollem Abſchied meijt das Recht ju, 
den A. fortzufiibren; faffierte oder entſetzte Beamte 
Dagegen verlieren den A., ebenſo Ddiejenigen, die nad 
ehrenvoller Verabſchiedung fid) ein Vergehen ju ſchul⸗ 
den fommen lajjen, wofiir jie wahrend ihrer Dienjt- 
geit mit Amtsentſetzung beſtraft worden waren. 
unbefugte Führung eines Amtstitels ſ. Anmaßen. 
Amtstracht, ſ. Amtszeichen. 
Amtsüberſchreitung, d. h. Überſchreitung der 
durch das Anit gegebenen Befugniſſe, macht den Be- 
amten disziplinariſch oder ſtrafrechtlich haftbar (ſ. 
Amtsverbrechen) und berechtigt den Bedriidten gu ge- 
waltjamem Widerjtand (f. Widerfeglidjfeit). Dic For- 
men der YL. find ebenfo zahlreich und verſchieden wie 
Die Des Amtsdeliktes fiberhaupt. 
Amtsunterfdlagung, j. Umtsverbredjen. 
WUmtsver' (Amtsdelikt), im weitern 
Sinn jede —— eines Beamten (d. h. des⸗ 
jenigen, der auf Grund ſtaatlicher Anſtelirung als Or- 
gan der Staatsgewalt und daher unter ſtaatlicher Auto⸗ 
rität fiir Staatszwecke tätig ju fein bat), im engern 
Ginn und in der jurijtifden Bedeutung ded Wortes 
die friminell ftrafbare Verlegung der bejondern Umts- 
pilicht eines ſolchen. Wbgefehen von den allgemeinen 
Verpjflichtungen eines jeden Staatsbiirgers, liegen 
nämlich dem Beamten befondere, durch ſeine amtliche 
Stellung begründete Pflichten ob. Eine Verletzung 
dieſer Amtspflichten, wie z. B. Verletzung des Umts- 


geheimniſſes, Ungehorſam u. dql., kann eine Diszipli⸗ frei 


narunterſuchung und Disziplinar-⸗ oder Ordnungs⸗ 
trafen nach ſich ziehen, welch letztere in Warnung, 


erweis, Geld⸗ oder Yrrejtitrafe, Strafverſetzung und 


Dienſtentlaſſung beſtehen. Das hierbei zu beobach— 
tende Verfahren ijt gewöhnlich durch beſondere Geſete 


eregelt, die Den Beamtenſtand gegen Willkürlichkeiten 


chützen und namentlich das Recht Der Beſchwerde gegen 


Disziplinarſtraferkenntniſſe im geordneten Inſtanzen⸗ 


zug einräumen. Steigert ſich aber die Verletzung der 
Amtopflicht yu einer erlegung Der ftaatlichen Redts- 
ordnung liberhaupt, fo reidjt cine im Berwaltungs- 
weg ju verhingende Disziplinarſtrafe nicht aus, fon- 


dern jtrafredtlide Verjolqung und eine durch das | 


—— beſtimmte öffentliche Strafe müſſen Platz 
greifen (A. tm eigentlichen Sinne). Dod) ijt nicht jede 
von cinem Beamten begangene Straftat em A. Ein 
ſolches liegt nur dann vor, wenn das Verbrechen 
cine Verletzung der beſondern Amtspflicht des Beam⸗ 
ten enthält. Nur findet zwiſchen dem von einem Be— 
amten begangenen gemeinen Verbrechen und ſeinem 
Umisverhaltms inſofern ein Sufammenhang ftatt, 
ald ein foldes Verbrechen regelmäßig die Unfähigkeit 
ju dffentliden Amtern und deren Qertuit nad fic 


hatte. Su den Beamten, die das Strafgeſetzbuch als 
foldje bezeichnet (vgl. Beamter), treten in einigen bejon- 
dern Fyallen aud die Geſchwornen, Schöffen. Schieds 
manner und Sdiedsridter, Geijtlide und andre Re— 
ligionsdiener, Anwalte und Rechtsbeiſtände hinzu 
Im einzelnen führt das Reichsſtrafgeſetzbuch fol- 
gende A. auf: Annahme von Geſchenken (Be— 
ſtechung, ſ. d.; § 331 mit 334) von ſeiten cines Be- 
amten fiir eine in fein Amt cinidlagende, an ſich 
nicht pilidtwidrige Handiung. 2) Rechtsbeugung 
(§ 336), d. h. cilichfeit bei Lcitung oder Ent⸗ 
ſcheidung einer Redtsjade. 3) Strafbare Hand- 
lungen bei Trauungen undEheſchließungen 
(§ 337, 338), wenn ein Geiſtlicher ohne Nachweis der 
ſtandesamtlichenꝛ Eheſchließung ju den reliqtojen 
Feierlidhfeiten einer Eheſchließung jdreitet, oder wenn 
ein ReligionSdiener oder Perjonenitandsbeantter, 
wifjend, daß eine Perſon bereits verbheiratet ijt, eine 
neue Ehe derſelben ſchließt (vgl. aud Kanzelmiß 
braucd).4)Bedriidung derStaatsbiirger($339 
nuit 342), wie ——* Notigung, Rorperver- 
lepung, Beſchränkung der perfontiden Freiheit und 
Hausfriedensbruch durd cinen Beamten in Yusiibung 
ober in sere py De Ausübung feines Yinrtes. 
5) Mipbraud der Umtsqewalt tm Strafver- 
fabren (§ 343 mit 347), dicjelbe fann erfolgen durch 
Yinwendung von Zwangsmitteln bei emer Unter- 
judjung, durch vorſätzliche Berhangung der Unter- 
ſuchung über Unjduldige, durch vorſähliches Boll- 
ſtrelenlaſſen ciner ungerechten Strafe, durch Begün— 
ſtigung von Verbrechern, Entweichenlaſſen und Be- 
ien von Gefangenen. 6) Urkundenverbrechen 
im Amte (§ 348, 349), und gwar vorſätzliche Falſch⸗ 
beurfundung fowie vorſätzliche Vernichtung, Beida- 
diqung, —— oder Verfälſchung einer ihm 
als Beamten anvertrauten Urkunde. 7) Umisun- 
terſchlagung (§ 350, 351), d. h. Unterſchlagung 
von Geldern oder andern Sachen, die Der Beamte in 
feiner amtlichen Cigenfdaft entpfangen oder in Ge- 
wabhrjam hat; ftraferhobend wirft bierbei, wenn zur 
Verdectung derartiger Unterſchlagung die amtli 
Bücher, Lijten, Regiſter r. perfil ct oder unterdriidt 
werden. 8) Ubermäßiges Sportulteren (§ 352, 
353), dD. h. Die Erhebung von Gebiibren oder andern 
Vergiitungen fiir anuliche Verridtungen im eignen 
Intereſſe und in einem höhern als geſchuldeten Betrag. 
9) Strafbare Handlungen im Dienjte des 
auswiartigen Umtes (§ 353a, der fogen. Arnim⸗ 
paragraph, benannt nad dem Grafen Harry von 
Yirnim; vgl. Arnim 7). Hternad foll ein uler im 
| Dienjte des Uusiwartigen Amtes des Deutſchen Reides, 
| Der Die Amtsverſchwiegenheit dadurch verlegt, dak ex 
ihm amtlich anvertraute oder zugängliche Schriftitiide 
oder eine ihm von feinem Borg — Anwei · 
ſung oder Deven Inhalt andern widerrechtlich mitteilt, 











Amtsverfdwiegenheit — Amtszeichen. 465 
init Gefängnis bis gu 5 Jahren oder mit Geldſtrafe (ſogen. Arnim-Paragraph), Beamten im Dienſte des 
bis zu 5000 ME. bejtraft werden. Gieiche Strafe trifft | auswärtigen Amtes des Deutſchen Reidjes geqeniiber 
den mit einer auswartigen Miſſion betrauten oder bei | die Verlepung des Amtsgeheimniſſes fiir kriminell 
einer folden beſchäftigten Beamten, der den ihm durd) | jtrafbar erklärt (ſ. Amtsverbrechen, S. 464), wabrend 
ſeinen Vorgeſetzten amtlich erteilten Anweiſungen fonjtigen Beamten gegeniiber mur Disziplinarſtrafe 
vorſätzlich zuwiderhandelt oder in Der Abſicht, feinen | eintrilt, wofern nicht durch die Verletzung der A. cine 


Vorgeſetzten in deſſen amtliden Handlungen irre zu 
leiten, dieſem erdidjtete oder entſtellte Tatſachen be- 
ridjtet. 10) Strafbare Handlungen von ¥ oft- 
und Teleqraphenbeamten (§ 354, 355), wie 
Offnung und ee Briefen, Verfäl— 
idjung, Unterdrückung und Offenbarung von Depe- 
jdjen. 11) Untrene Des Sadwalters (§ 356), 
fogen. Bravarifation eines Udvolaten, Anwalts oder 
fonjtiqen Redtsbcijtandes. 12) Konnivenz des 
Amtsvorgeſetzten (§ 357), d. h. Verleitung eines 
Untergebenen ju einer ftrafbaren UWmtshandlung, 
oder wiſſentliches Geſchehenlaſſen einer folden. 

Mad § 101 des Hfterreidif hen Strafgeſetzbuches 
begebt das Verbreden de3 Mißbrauchs der Wmts- 
qewalt jeder Staats oder Vemeindebeamte, der in 
Dem Wint, in dem er verpflichtet ijt, die ihm anver- 
traute Gewalt mifbraudt, um jemand Sdaden zu⸗ 
gufiigen; insbeſ. aud) derjenige, der cin ibm an- 
vertrautes Umitsgeheimnis gefährlicherweiſe erdffnet, 
oder der cine ſeiner Amtsaufſicht anvertraute Ur— 
funde vernidtet oder jemand pflichtwidrig mitteilt 


(§ 102); ebenfo der Udvofat, der dem Gegenteil mit | 


Rat und Tat behilflich ijt. Die Gefdhenfannahme in 
Anitsſachen wird nad § 104 als Verbrechen mit Rer- 
fer zwiſchen 6 Monaten und 1 Jahr und Verlujt de3 
Geſchenkes — Wertes) beſtraft. Beſondere Be— 
ſtimmungen über vorſätzliche Beſchränkungen der per- 
ſönlichen Freiheit und des Hausrechtes enthalten zwei 
Geſetze vom 27. Okt. 1862. Beleidigungen von ſeiten 
einer Amtsperſon in Amts- oder Dienſtesverrichtun—⸗ 
ge werden nad) § 331, 332 als Ubertretungen mit 
rrejt von 8 Tagen bis 3 Monaten geahndet. Val. 
Buder, Sfizze gu einer Monographie der WU. (Brag 
1870); Oppenheim, Die Rechtsbeugungsverbrechen 
des Reichsſtrafgeſetzbuches (Leipz. 1886). 
Amtsverfdwiegenheit, Umtspflidt der Beam- 
ten, Das, was amtlich zu ihrer Kenntnis kommt und 
gu den Amtsgeheimniſſen gehört, feinem Dritten, 
Der es zu wiſſen nidt berechtigt ijt, mitzuteilen, aud 
nicht öffentlich befannt zu eae. Mit Rückſicht hier- 
auf ijt Geijtliden, Verteidigern, Redhtsanwalten und 
AÄrzten das Redht der Zeugnisverweigerung (j. d.) in 
Anſehung defjen, was ihnen bei Yusiibung der Seel- 
forge, in ihrer Eigenſchaft als Verteidiger und bei Aus— 
übung ihres Berufs anvertraut ijt, zugebilliqt. Ferner 
Diirfen deshalb öffentliche Beamte (und Perſonen des 
Soldatenjtandes), aud) wenn fie nicht mehr tm Dienſt 
jind, über Umſtände, auf die fic) ihre Pflicht zur Amts— 
oder Dienjtveridwiegenheit begieht, als Zeugen nur 
mit Genehmigung ihrer vorgejesten oder der ihnen 
zuletzt vorgeſetzt geweſenen Dienſtbehörde vernommen 
werden, Miniſter mur mit Genehmigung des Landes- 
herrn (vgl. Strafprozeßordnung, § 52}f., Zivilpro- 
zeßordnung, § 383, und Militdritrafgeridtsordnung, 
§ 188 jf.). Die dem Beamten zur Pflicht gemadte Ge- 
heimhaltung ijt buchſtäblich auszulegen bei der Be- 
wahrung des Veidtiieqels (ſ. d.), deſſen Verlesung 
nad firdenredtlicken Grundſätzen beurteilt wird, bet 
dem Bewahrer der Sffentliden Rechnungen, Urfun- 
den, Akten, Archive ꝛc., namentlid) bei Gubalternen, 
bet den Staatsrechnungsführern und bei Den Beam— 
ten der auswiirtigen Ungelegenheiten. In letzterer 


Beziehung hat das deutſche Strafgeſetzbuch, § 353a | 


Meyers Konv.«Lerifon, 6. Aufl., L Bb. 


anderweitige ftrafbare Handlung, 3. B. cin Landes- 
verrat, beqangen ijt. Dagegen begeht in Oſterreich 
jeder Beamte, der cin ihm anvertrautes Amtsgeheim⸗ 
nis »gefährlicherweiſe⸗ eröffnet, cin Verbrechen, das 
mit ſchwerem Kerler von 1—5, eventuell aud) 10 Jah⸗ 
ren beſtraft wird. 

Amtsvorfteher, nach den preuß. Kreisordnungen 
(f. Kreisverfaſſung) der über einen Amtsbezirk 
(f. d.) geſetzte Polizeibeanite. Der A. verwaltet insbeſ. 
die Sicherheits-, Ordnungs-, Sitten-, Geſundheits-, 
Geſinde-, Armen-, Wege-, Waſſer-, Feld-, Forſt-, 
Fiſcherei-⸗, Gewerbe-, Bau- und Feuerpolizei, ſoweit 
jie nicht dem Landrat oder beſondern Beamten über— 
tragen ſind; er hat das Recht und die Pflicht, da, wo 
die Erhaltung der öffentlichen Ordnung, Ruhe und 
Sicherheit ein Einſchreiten notwendig macht, das Er- 
forderlide anguordnen und ausführen ju laffen; er 
hat gu forgen, daß die Hffentlichen Wege in vorſchrifts- 
mapigem Zuſtand erhalten bleiben und der Verkehr 
auf ibnen nicht behindert werde. Dem YW. fteht em 
Amtsausſchuß zur Seite, der fic) aus Vertretern 
| Der jum Amtsbezirk gehörigen Gemeinden oder felb- 
| fttindigen Gutsbezirfe zuſammenſetzt. Beſteht der 
Amtsbezirk nur aus ciner Gemeinde, fo nimmt die 

Gemeindevertretung die Gefdhiafte des Amtsausſchuſſes 
wabr. In den nur aus einem Gutsbezirk bejtehenden 
Amtsbezirlen fällt der Antsausſchuß weg. Dem letz⸗ 
tern ſteht die Kontrolle ſämtlicher und die Bewilligung 
derjenigen Ausgaben der Amtsverwaltung zu, die 
pom Amtsbezirk aufgebradt werden, ferner die Be— 
ſchlußfaſſung iiber die Polizeiverordnungen, die der 
A. unter Mitwirfung des Antsausſchuſſes zu erlaſſen 
| befugt ijt, die Außerung fiber Abänderung des Units: 
| bezirls, Die Beſtellung fowie die Wahl befonderer 
Kommiſſionen oder Kommiſſare zur Vorbereitung 
und Ausführung von Beſchlüſſen des Amtsausſchuſ⸗ 
ſes, endlich die Defdituifaffung liber fonjtiqe Unge- 
leqenheiten, dic Der WU. ats Dem Kreiſe ſeiner Amts— 
befugniffe Dem WnitSausfduk unterbreitet. Die Ge- 
meinde>s und Gutsvoritinde find dem YW. infofern 
unterjtellt, als fie Den Yruveifungen und Aufträgen, 
die er in Gemäßheit feiner geſetzlichen Befuqnifje an 
fie erläßt, nachzukommen haben. Die Auſſicht fiber 
| Die Geſchäftsführung des Amtsvorſtehers führt der 
| Landrat als Vorſitzender des Kreisausſchuſſes. Letz— 
' terer entſcheidet über Beſchwerden gegen Verfilqungen 
des Anitsvorſtehers. Der A. wird auf Grund von 
Vorſchlägen des Rreistags auf je 6 Jahre vom Ober- 
präſidenten ernannt und vom Landrat vereidigt. In 
den mur aus ciner Gemeinde oder einem felbjtandigen 
| Gutsbesirk beftehenden Amtsbezirlen ijt der Gemeinde- 
oder Gutsvorjteher zugleich A. Der A. ijt beredtigt, 
eine Amtsunkoſtenentſchüdigung zu beanſpruchen, die 
nad Anhörung der Betciligten von dem Kreisausſchuſ 
al Pauſchquantum fejtqefest wird. Bgl. v. Bor- 
ries, Die Amtsführung der Gemeinde -, Guts- und 
Amtsvorſteher (2. Aufl., Berl. 1896). 
| UAmtszeidhen, duferes Merfmal, das dic amtliche 
Eigenſchaft der damit verjehenen Perjon andeutet, 
alſo namentlid) cine Amtskeidung, eine Uniform, ein 
Dienſtſchild u. dgl. Das unbefugte Tragen eines 
Amtszeichens ijt im deutſchen Reichsſtrafgeſetzbuch 
(§ 360, Biff. 8) mit Geldſtrafe bis zu 150 We. oder 
30 





466 Amudlaufen 


entſprechender Saft int öſterreichiſchen Strafgefesbud 
mit Urrejt von 3 Tagen bis gu einem Monat bedroht. 
Tragen eines cingelnen zur Amtskleidung gehörigen 
Stites (3. B. Dienftmiige, Ridterbarett) Fiat nidt 
hierunter. Die Umisfleidung de3 Geijtliden (Ornat) 
ijt Durd § 360 nicht geſchützt. Jn Deutidland ijt aud 
fiir Dem Juſtizdienſt eine befondere Amtstracht in 
Den Hffentliden Gerichtsſitzungen vorgefdrieben. Auch 
in Djterreid) wurde 1891 eine allgemeine Beamten- 
uniform eingeführt und ihre Anlegung im Dien{t 
angeordnet. 

mudlaufen Qmoflaufen, vom malatifden 
meng-Amok, in blinder Wut tdten; malatijd aud 
Mataglap, verdunfelter Blid, Raferei), eine der 
Berſerkerwut (ſ. Berferfer) ähnliche Erregung, in der 
der Raſende, mit einem Kris (Dolch), einem Beil be— 
waffnet, ſich auf die Straßen ſtürzt und jeden, Dent er 
begegnet, verwundet oder tdtet, bis er felbjt, nad dem 
Geſetz vogelfrei, getdtet oder Dod) (auf Java mittels 
ciner dazu bejtinunten Gabel) eingefangen und iiber- 
wältigt wird. Das A. findet ſich bei Den Malaien der 
Sundainfeln, in Singapur x., ijt aber in neuejter 
Heit feltener geworden. Es ijt wohl als afute Geijteds- 
franfheit aufzufajjen, die einem maniafalijden An— 
fall dhnelt. Bal. Metzger, Einiges fiber A. und 
Mataglap (im »Globus«, 1887). 

Ammcu (Am icu), Sce in Britiſch Guayana (Siid- 
amerifa), unter 3° 40’ ſüdl. Br. und 60° 14 weſtl. L., 
auf der Hodjebene zwiſchen den Fliiffen Rupununi 
und Tofutii, nad Schomburg! das ⸗Mar del Dorado« 
(Laguna Barima oder Parand Patinga), von 450km 
Durdmeffer, in deffen Nahe die goldene Stadt Manoa 
lieqen follte, die Raleigh ju entdeden auszog. 

mu Darja (bei den Urabern Gihon, Di dei- 
hun, der Oxus der Ulten), fiidlider Hauptitrom von 
Ruſſiſch⸗Turkiſtan, entipringt in Wachan auf der Klei⸗ 
nen Pamir und hat zwei Hauptquellfliijje: Akſu oder 
Murghab, der aus dem Pamirchurdſee forme, und 
Pandſcha, der wiederaus cinem fiidliden Quellfluß, 
dem Wakhan, und cinem ndrdliden zuſammenfließt. 
Bei Ralai Wamar vereinigen fick) beide Fliiffe gum 
A. Lins nimmet er aus Badachſchan die Koltſcha und 
den VUfferai auf, redts vom Wlaigebirge den waſſer— 
reichen Wachſch oder Surchab und aus der Hijjarfette 
den Rafirnagan und Surdan und fließt in nordweſt⸗ 
licher —— in den Aralſee. Vor ſeiner Einmün—⸗ 
dung in Den Aralſee ſpaltet er ſich bei Rufus in meh— 
rere miteinander verbundene Urme: Nuvanfd 
Dfdarma im O., Talditim B., Tidan, fpater 
Ulfun Darja, in der Mitte. Cin Netzwerk kleiner 
Randle von geringer Tiefe verteilt fein Waſſer gur 
Veriefelung dev Felder, die er in auferordentlider 
Weiſe befrudjtet. Die Waſſermaſſe des A. in feinem 
unterjten Lauf betragt 3000 chm in der Sefunde (die 
des Rheins 2500, der Rhdne 2800). Die Länge des | 
qanjen Stromes beträgt 2200 km. Die Dampfidiff- 
fahrt auf dem Strom vermittelte bis Unfang 1898 | 
die Amu Darja-Flottille von Tſchardſchui in Bodhara, | 
wo cine 2075 m lange Uriide der Transfafpifden 
Eiſenbahn über den Fluß führt, flußaufwärts über 
Kerli oder Karli bis Patta Hiſſar, nördlich von Maſar⸗ 
i⸗Scherif, lings der Grenze zwiſchen Bochara und | 
Afghaniſtan. Dazu kommen nod 200 km bis Faiza⸗ 
bad, der Hauptſtadt der afghanijden Gebtrgstand- 
ſchaft Badachſchan, fo daß die gejamte fiir Dampfer 





— Amulett. 


ſchins niemals der Fall geweſen, der Usboi iſt nur 
das Bett eines kleinen ſalzigen Abfluſſes des alten 
Sees von Sarylamyſch geweſen, der mit dem Aralſee 
uſammenhing und ſeinen brackigen Abfluß durch den 
Isboi gum —— Weer entiandte. Die Ruſſen 
haben von der Vereiniqung der beiden Quellflüſſe bis 
um Delta Forts angelegt, von denen das bedeutendite 
Gctey- Wlerenbrow! amt Unterlauf ijt. 

Amn Darja-Bezirk, ſ. Turfijtan. 

Amul, per}. Stadt, ſ. Amol. 

Amuleh (Ameläh, Amole, in Tigré Kehle), 
etwa 2 kg ſchwere Steinſalzſtücke von rund 20 cm 
Lange bei 5cm Dide, werden aus Ublagerungen von 
Salzſeen gefdnitten und dienen in Abeſſinien als 
Weld, — rund "eo Ber oder 0,25 Franf, aber der Be- 
wertung nach wedfelnd. 

Amulett (v. arab. hamalet, Anhängſel), Schutz⸗ 
oder Verwahrungsmittel gegen Zauberei, Kranlkhei⸗ 
ten 2¢., das am Körper getragen wird. Die alten 
Waqypter und Chaldier gebraudten Amulette aus 
Metallplatten oder Gußfiguren mit magijden Seiden 
und Inſchriften, aud) aus Halbedeljtenen in Form 
von beſchriebenen Zylindern, Götter und Damonen- 
bildern, beiligen Tieren (Sfarabien), Henkelkreuzen x. 
Die Juden trugen als Amulette mit magifd@en For- 
mein beſchriebene Edeliteine, Gold⸗ und Suberplatten, 
ferner qleid) den Chalddern beidriebene Bander und 
Zettel (ſ. Boylatterien), die Grieden cijerne (ſamo— 
thratifde) Ringe, die Romer Halsbander, Arm— 
binder und Diademe von Wetall, Edeljteinen und 
befonders aus der ſchwarzen Noralle (Gorgonia anti- 
pathes), die germanifden Boller namentlid) Sieg- 
jteine, Thors-Hämmer rc. Auch Kräuter- und Wur— 
zelſtüclchen (3. B. Allermannsharniſch), ſauber in Gold 
gefaßte prähiſtoriſche Kieſelſteinwaffen (Pfeilſpitzen) 
und andre Dinge trug man als A. Die Synode zu 
Laodikeia im 4. Jahrh. bedrohte die cin VW. tragenden 
Geiſtlichen mit Abſetzung. Allgemein wurde es 721 
ju Rom von Gregor II. dann ju Konſtantinopel und 
unter Marl d. Gr. zu Tours verdanunt. Wber die 
Gotteslämmer (jf. Agnus Dei), Marienmedaillen x. 
bildeten nur eine andre Form. Aus dem Mittelalter 

ehören namentlich die Paſſauer Zettel (ſ. Feſtmachen) 
Biecher. Nod) heute werden vielfach ähnliche Dinge 
qetragen (Zahnperlen und Zahnhalsbänder der Kin- 
der), Die Rorallen, die gegen den Blutſturz, die Elen- 
tiersflauen, Die gegen Die fallende Sucht wirffam fem 
follen, die Ubrafadabrazettel, bei Der Cholera aws- 
geqebene Medaillen, Henleluriingen mit Heiliqendil- 
Dernic. Yn Italien hängt man den Kindern nod heute 
fleine Bildwerle gegen den »böſen Blid« (ſ. dD.) um 
den Hals. Bei den Mohammedanern tragen fast 
alle Gläubigen Steine, Ringe, Papieritiidden und 
ſonſtige Gegenſtände, die mit Sauberformein, den 99 
Eigenſchaften Gottes (vgl. Ullah), befonders aber mit 
Spriicen aus dem Koran beſchrieben find; aud Haus- 
tiere werden damit behängt. Bei den Perfern und 
Urabern heifen fie aud Talismane (f.d.). Bra- 
hijtorifde Umulette find in Stein, Ton, Knochen, 
Horn und Bronze gefunden worden. Sie haben Scher 
ben» oder Radform, aud) Hammer- und Beilform 
und find meift mit magifden Zeichen, namentlid dem 
Swaſtilakreuz (ſ. Kreuz), Runen-, Tiers und mend 
lichen Figuren verfehen. Sehr haufig dienten einfach 
durchbohrte Rnoden und Zähne oder durch Trepa- 


ſchiffbare Lange 600 kin betragt. Man meinte frither, nation aus dem Schädel herausgeſägte runde Knochen- 
daß Der A. fid) ehemals ins Kaſpiſche Meer ergoffen ſcheiben (Schädelrondelle) als VU. Val. Ropp, Palaee- 


habe, und gwar durd das jetzt trocdne Flufbett ded | 
Usboi. Doch ijt dies nad) den Unterfucungen Kon⸗ 


graphia critica, Bd. 3 u. 4 (Mannh. 1829); Krehl. 
Der Talisman J. Richardſons (Leipz. 1865); Fiſcher 


Amulettmiingen — Amydon. 


und Wiedemann, Babylonifde Talismane (Stuttg. 
1881); Wuttke, Der deutiche VollBaberglaube der 
Gegenwart (3. Bearb. von E. H. Meyer, Berl. 1900). 

Amulettmiingen, gehenkelte oder durchlochte 
Münzen mit Heiligenbildnis oder von auffilligem 
Weprage, wie Yohannisgrofden, Rabendufaten 2c. 

Umulins, der fagenhafte Sohn des Procas, des 
Königs von iba longa, der feinen ältern Bruder, 
Numitor, der Herrfdhaft beraubte, fic) gum König von 
Alba longa madte, {pater aber von Romulus und 
Remus gejtiirzt und getdtet wurde. 

Amur (Sadalin- Ula), Fluß Oſtaſiens, entſteht 
aus der BVereinigung der in den Ausläufern de3 Ya- 
blonvigebirges entipringenden Sdhilfa und des Ar— 
gun, der bis Dahin die Grenze zwiſchen Sibirien und 
Der Mandſchurei bildet, unter 53° 20’ nördl. Br. und 
121° 28 vſtl. L. beim Fort Uſtj Strjelfa, ſtrömt zu— 
erjt nad ©., die Grenge gegen China bildend, wendet 
fic) bet Chabarowft, a ereinigung mit dent Uſ—⸗ 
juri, beinabe rechtwinfeliq nad) R. und miindet nad 
4480 km langem Lauf unterhalb Nifolajewff unter 
53° nördl. Br. und 141° öſtl. L. in den feidten Wm ur- 
Liman, der durd die Inſel Sadalin vom Stillen 
Ozean getrennt, nad) N. gu mit dem Odhotififden 
Meerbuſen, nad S. durd) die Mamio-Ringoſtraße 
niit dent feichten Tatarifden Golf in Verbindung jtebt. 
Das Stromgebiet de3 UW. umfaßt iiber 2 Mill. qkm. 
In feinem Unterlauf tritt an ifn von GS. her das 
Chingangebirge heran, dann bridt er fich auf einer 
ju 600 m cingeengten, 225 m langen Strede den 
Weg zwiſchen dem Burejagebirge und dem Douſſe 
Alin und durchzieht mit reider Inſelbildung ein wei- 
te3 Talgeliinde. Seine Hauptzuflüſſe find rechts: Gun- 
ari und Uſſuri, linf8: Seja, Bureja, Sawitaja, Sur, 
irin und Umgun. Da die Miindung verjandet ift, 
fo verlajjen die Waren den Fluß ſchon bei Mariinſtk, 
von wo eine Cijenbahn nad dem mir 15 km entfern- 
ten Alexandrowſk führt. UW. und Uſſuri werden von 
April bis Anfang November (die iibrige Zeit ijt er vom 
(Eis blodiert) von der Amur-Dampffchiffahrtsgeſell— 
ſchaft befahren. Mittelpunkt der Dampfſchiffahrt iſt 
Chabarowſk. — Das 1884 errichtete Generalgou— 
vernement A. (Priamurſti) umfaßt die Provinz 
Transbaikalien, die Amurprovinz, die Küſtenprovinz 
und die Inſel Sachalin, zuſammen 2,991,475,5 qkm 
mit (1897) 1,031,364 Einw. Hauptitadt ijt Chabarowff. 

Amureiſenbahn, geplante Teiljtrece der Sibi- 
riſchen Eiſenbahn von Strjetenſt nad) Chabarowff, 
Die aber vorläufig nidt in Angriff genommen wird. 

Amurgos, Snjel, ſ. Umorgos. 

Amurfofafen, ſ. Koſalen. 

Amurprovinz (eigentlich Amur), Proving des 
ſibir. Generalgouvernements Amur (j. Karte »Sibi— 
rien«), zwiſchen Transbailalien, Jakutſk, Dem Küſten⸗ 
gebiet und der chineſiſchen Mandſchurei, 447,667 qkm 
groß mit (1897) 118,510 Einw., darunter 40,000 ruffi- 
ſche Anſiedler, 23,000 Nojaten, 25,000 Stadtebewoh- 
ner, 16,000 Mandſchu, 6000 Urbeiter auf den Gold- 
wäſchen, 8000 Tungujen, 1000 Roreaner. Die Pro— 
ving wird im N. vom Jablonoi- und Stanowoigebirge 
begrenzt, in ihrer ganjen Breite von N. nad) S. aber 
vom Burejagebirge durdjogen, das rechtwinkelig auf 
den die Südgrenze bildenden, zuflußreichen Amur 
(f.d.) ſtößt. Das gegenſatzreiche Rima ſchwankt zwiſchen 
+40° und —400. Der Wald zeigt eine weit reichere 
Zuſammenſetzung als ſonſt in Sibirien, die Bahl der 
jaqgdbaren Tiere, darunter der Tiger, ijt ſehr qrop. 
je find Gerjte, Roggen, Hafer, Weizen, 


—— 
Buchweizen, Kartoffeln, Pelzwerk, Fiſche (Store, 


467 


Lachſe) in Menge, Gold aus den Goldwäſchen an der 
Seja und Bureja, ferner Silber, Blei, Kupfer, Eiſen, 
Steinfohle, Naphtha, die indes noch nicht ausgebeu—⸗ 
tet werden. Hauptitadt ijt Blagowjeſchtſchenſk. 
Geſchichte. Nachdem durd ein Zuſammentreffen 
von Koſalen und Tſchullſchen 1639 die erſte Kunde 
von dieſem Gebiet nach Rußland gedrungen war, ging 
1643 eine Koſakenexpedition von Jaklutſt zum Amur 
und befubr dieſen Fluß bis zur Mündung. Cine 
weite Expedition unter Chabarow 1649 eroberte faſt 
as ganze Land an beiden Ufern; doch wurden die 
Ruſſen durch die von den Bewohnern zu Hilfe ge— 
rufenen Mandſchu-Chineſen verdrängt, und durch 
den 1689 zu Nertſchinſt zwiſchen China und Rußland 
eſchloſſenen Vertrag wurde Chinas alleinige Herre 
Piatt in dieſem Gebiet anerfannt. Da jedod fiir die 
a sotpey afiatifden Rufland die Gewinnung 
des Stillen Ozeans fehr wichtig war, veranlapte der 
Weneralgouverneur Rifolai Muraiwjew 1849 —4H3 die 
Erforjdung der Tatarijden Weerenge; die Anlage 
Der fejten Grenzpoften Nifolajewjf, Mariinſt und 
Wlerandrowfé war die Folge, und 1854 befuhr Mu— 
rawjews Dampfer Argun, begleitet von 50 Booten 
und zahlreichen Flößen mit 1000 Mann, den Amur 
bis Mtariinff. Schon 1855 famen nad der Expedition 
des Generals Rorfafow WUderbauer an den Amur; 
1856 wurden zwiſchen Nifolajewff und Mariinſt 
Reichsbauern, 1857 zwiſchen Strjelfa und Seja trand- 
bailaliſche Koſaken angefiedelt. Ym 27. Mai 1858 
erbielt Rußland durd) den Vertrag von Aigun, be- 
ftatigt 13. (1.) Juni zu Tiéntfin, das linle Tice des 
Amur in ſeinem untern und mittlern Lauf, nach der 
Einmündung des Uſſuri aber beide Ufer, und durch 
die zwiſchen Ignatiew und dem Prinzen Kung 1860 
ju Peking getroffene Vereinbarung bekam es die ganze 
—* zwiſchen Dem Uſſurifluß und dem Tatariſchen 
Meerbuſen; 1861 folgte ein Handelsvertrag. Dies Ge- 
biet wurde nun in die jetzige A. und die Küſtenprovinz 
(beide dann Teile des Generalgouvernements Amur) 
eingeteilt; Generalgouverneur der A. zu Chaborowſt 
iſt General N. J. Grodekow, bekannt aus der Ge— 
ſchichte des ruſſiſchen Vordringens in der Mandſchurei 
ſeit 1900. Bgl. Schrenck, Reiſen und Forſchungen 
int Amurgebiet 1854—-1856 (Petersb. 1858— 91); 
Uttinjon, Travels in the region of the Amoor 
(Lond. 1860); Collings, Exploration of the Amoor 
river (2. Aufl. Wafhingt. 1864) und Voyage down 
the Amoor (New Yorf 1866); Sdmidt, v. Glehn 
und Brylkins, Reijen im Gebiet des Amurſtroms 
(Betersb. 1868); Benjufow, Die rujfijd-afiatijden 
Grenzlande (deutſch, Leipz. 1874); R. Andree, Das 
Amurgebiet (2. Aufl. daf. 1876); Grum-Grſchi— 
majlo, Beſchreibung der W. (ruſſ., ‘Betersb. 1894). 
Amiifant (franj.), kurzweilig, belujtiqend; Win ii- 
fement (pr. mang), Belujtiqung, Unterhaltung. 
Amiifetten (fran;.), angeblich 1740 vom Marſchall 
Moris von Sachjen erfundene cinpfiindige Geſchütze, 
wurden bei mehreren Heeren als Regimentsgeſchütze 
Eleinjten Nalibers der Infanterie oder den Dragonern 
ugeteilt. Dann verfdwanden fie, tauchten aber Mitte 
es 19. Jahrh. wieder auf, in Deutidland nad) dem 
Biindnadelfyjtem gebaut, unter Beigabe kleiner Gra- 
naten. Gie ertiejen ſich als taktiſch unverwendbar. 
Amufie (qried.), Mangel an Kunſtſinn und Vil- 
dung; amufifd, ungebildet, rob. 
Amiifieren (franj.), unterhalten, beluitigen. 
Amwvis, Sprengitoff aus 90 jalpeterjaurem Am— 
moniaf, 5 Dinitrobenjol und 5 Holzmehl. 
AmHhdon (qried).), Stärkemehl. 
30* 


468 Amygdalae 


Amygdilae, Mandeln; A. amarae, bittere Man: | 
dein; A. dulces, fiike Mandeln. 

Ampgdaleen , ſ. Prunoideen. 

Ampgdalin C,,H,,NO,, + 3H,0 findet fid in 
bittern Mandeln (bts 3 Proj.), in Den Kernen der 
Apfel, Kirſchen, Pflaumen, Pfirſiche und Sinnyf- | 
firiden. in Rinde, Blättern und Blüten der letztern, 
in den Blattern des Kirſchlorbeers, wahrſcheinlich auc | 
in Rnofpen und jungen Trieben von Sorbus-Vrten | 
und Weißdorn und in den Blattern jtrauchartiger 
Spiraea-Yrten. Es bildet farb- und gerudloje, ſchwach 
biter ſchmeclende Rrijtalle, iſt löslich in Waſſer und 
Witohol, nicht in Äther, reagiert neutral, ſchmilzt bei 
120° und ift nicht flüchtig. Bittere Mandeln verdanfen 
ihre Bitterfeit dem A.; jie find nad) dem Bulvern ge- 
rudjlos, rührt man das ‘Pulver aber mit Waſſer an, 
jo wird das A. durch cinen eiweißartigen Beſtandteil 
der Mandein, das Emuljin, in Benzaldehyd, Blau- | 
jaure und Suder zerſetzt und infolgedeffen tritt der 
Geruch nach Bittermandeldl auf. Emulſin findet fid 
aud) in fiigen Mandeln, und wenn man zu fiiger | 
Mandelmild VW. fegt, fo tritt ebenfalls Bittermandel- 
Bigerud auf. A. ijt nicht giftig, wird es aber auf Zu- 
fag von Emulfin. [Rachenfatarrh. 

Ampgdalitis (qried.), Mandelentziindung, |. 

Ampgdaloid, |. Mandelſtein. 

Amyegdalus, der Mandelbaum; A. Persica, der 
Pfirſichbaum. 

AmHlla, Hauptitadt der Udder in Lafonien, am 
Eurotas, 4 kin fiiddjtlid von Sparta, nut beriifmtem 
Apollontempel und bejonders als Heimat der Diod- 
furen, der Helena und Klytämneſtra befannt. A. be- 
hauptete feine Selbjtindigfeit gegen die Dorier von 
Sparta bis etwa 800 v. hr. 

AmHFos, im gried. Mythus —— Bebryler 
in Bithynien, Sohn des Poſeidon, ein Rieſe, Erfinder 
des Faujtfampfes, der jeden in fein Land kommenden 
Fremden jum Fauſtlampf zwang und tdtete, bis ifn 
Polydeules erſchlug. 

Amylacéa, ſtaͤrlemehlreiche Nahrungsmittel. 

Mmblacetat :Yampe, ſ. Ehotometrie. 

Amplatfohol (Pentylalfohol, Amyloxyd— 
bydrat) C,H,,0, Allohol ans der Fettſäurereihe, 
von dem 8 Iſomere miglidh find. Gewöhnlich ver- 
ſteht man unter Wl. den Garungsamylalfobhot, den 
Hauptbejtandteil des Nartoffelfufeldls, der aus Iſo— 
butylfarbinol (CH,),.CH.CH,.CH,.OH mit we: | 
nig aftivem A. (Methylarhylfarbinfarbinol C,H,.CH | 
(CH,).CH,OH) beſteht. Garungsamylalfobol findet 
fic auch im andern Fufeldlen, bildet fic aber am 
reichlichſten bei Der Garung der Rartoffelmaiide. Da 
Garungsamplaltohol ſchwerer fliidtig ijt als Spiritus, 
fo ſammelt er fid) bet der Dejtillation im Nadlanf. | 
Er bildet eine farblofe, etwas blige Fliffiqfeit vom 
ſpez. Gew. 0,818, riecht durchdringend widerlich, zum 
Huſten reizend, ſchmedt ſcharf, löſt ſich ſehr wenig in 
Waſſer, miſcht ſich mit Alkohol, Uther und Olen, löſt 
Harze, Paraffin, Ulfaloide, fiedet bet 132°, erſtarrt 
bei - 20°, brennt mit blauer Flamme, wird an der 
Vuft fauer und liefert bet der Orydation Baldrian- | 
faure C.H. O, bei Dejtillation nut Zinfdhlorid WAmy- | 
len. Er ijt febr giftig, erzeugt die dumpfe Betdubung 
des Schnapsrauſches und die ſchweren Nachwirkungen 
desſelben. Auch das Einatmen der Dämpfe von A. 
wirt ſchadlich. Man benugt A. als Ldfungsmittel der 
Allaloide, sur Darſtellung und Nachweiſung derfel- 
ben, als Leuchtmaterial, zur Daritellung von Frucht 
athern, Waldrianfaure, Salpetrigſäureamyläther, 
Anilinfarben x. Uber tertidren A. —— 








— Amyntas. 


Amylen Trimethyläthylen, Rental, Pen— 
tylen) C.H,, oder (CH,),C.CH.CH,, Kohlenwaſſer⸗ 
jtoff Der Fettſäurereihe, von dem 5 Iſomere moͤglich 
jind. Das aus Girrmgsamplalfobol durch Deftillation 
mit Chlorzink qewonnene A. ijt eine farblofe Flüſſig 
fett von unangenchmem Geruch, brennt mit leudten: 
der Flamme, ſiedet bei 36° und wurde als andjtheti- 
ides Mittel empfoblen. 

Amyléenhydrat (tertidrer Amylalto— 
hol, Dimethylatbylfarbinol) C,H,.0 
oder (CH,),.C.C,H,.OH entiteht aus dem Farfeldt- 
amplen C,H,, dDurd) Schütteln unt wenig verdünnter 
Schwefelfaure bet —-20° und Roden der Lofung mit 
Wafer. Es bildet etme farbloſe Flüſſigleit von atherniid 
gewürzhaftem Geruch und brennendem Gefdmad, 


ſpez. Gew. 0,815—0,820, ijt löslich in 8 Teilen Waſſer. 
miſchbar mit Ulfobol, fiedet bei 99 —103° umd gibt 


bet Orydation Ejfighiure und Aceton. Wan benutzt 
es als Schlafmittel und bei Epilepſie. Es wirkt 
ſchwächer als Chloral, ſtört nidjt dad VUilgemeinbefin- 
Den und die Berdauung und fest Utnumg und Kreis 
lauf nicht berab. 

Amylin, dem Dertrin verwandte, nad rechts po- 
larifierende, nidjt vergärbare Subſtanz im techniſchen 
Traubenjuder, wird bei der Dialyſe nicht wie Dertrin 
surtidgebalten und gibt bei Behandlung mit Schwe 


felſäure Suder, wird gum Nachweis von Trauben- 
zucker benutzt. 


Amylium nitro Smit —— 
mylium sum, Ymbylnitrit, rig: 

Ampluitrit, |. Salpetrige Saͤure. 

Amylobacter, f. Bacillus. 

Amylodertrin, |. Dertrin. 

Amyloid, ſ. Zellulofe. 

Amyploidentartung (Wadsdeqeneration, 
Spedentartung), eme Erfrantung, die in cigen- 
tümlicher fpedartiqer Verhãrtung der ffenen Dr- 
qane befteht. Das Eiweiß diefer Organe wandelt fid 
Dabei in eine derbe Subſtanz um, die wegen ihrer uit 
Umylum (Stirfe) oder Zellulofe Ahnliden Reattion 
(Rotfairbung mit Jod, Blaufirbung mit Jod umd 
Schwefelfaure) amyloid, d.b. ſtärleähnlich, genannt 
wurde, aber ju den Ciweifforpern gehört. Die A. 
befallt 1) als unbeilbares Allgemeinleiden Wily, Nie 
ren, Darm, Leber und die fleinen Yrterien andrer 
Körperteile; fie iſt Dann ftets Folge von Schwindſucht. 
langer —— Nierenkrankheiten, Syphilis x 
2) als örtliche VL. in chroniſch entzündeten Schleim 
häuten, z. B. die Bindehaut des Auges, Kehltkopf. 


Naſe und Luftröhre. Die örtlichen Amyloidknoten 
verſchwinden zuweilen nad teilweiſer blutiger Ent 


fernung. A. fommt auch bei Ticren vor, am hau 
fiqiten beim Bferd, aber aud) bei Rindern, Hunden, 
Kaninchen, Fafanen und Hiibnern. Beim Pferd er 
franft am häufigſten Die Leber, die fid) enorm ver 
rößert, erweidt (im Gegenfage gum Menſchen) und 
chließlich zerreißt Verblutung) Bei Rindern und 
Hunden ſind ſtets, bez. meiſt die Nieren erkrankt. Bei 
Geflügel iſt A. am Darm beobachtet. 

Amylomyces Rouxii, ſ. Spiritus. 

Amplorydhydrat, ſ. Amylaltohol. 

Amylum (Amylon), Stärkemehl; A. maran- 
thae, Urrowrovot; A. tritici, Weizenſtärlemehl. 

Amymone, im qricch. Mythus Todter des Do- 
naos, von Poſeidon Mutter des Nauplios. Die Liebe 
des Gottes und der A. war Lieblingsgegqenftand dr 
antifen Kunſt. 

Wmpntas, Name mehrerer mafedon. Könige, von 
denen A. J. (540 - 498 v. Chr.) als der erjte malt 
doniſche Herrſcher hervorsubeben ift, der mit den Grie- 


Wmyntor — Anacardium. 


den, namentlid mit den Peifijtratiden in Athen, in 
nähere Verbindung trat. 
myntor, Gerhard von, f. Gerhardt. 

Ampyofthenie (qriech.), mangelnde Muslelkraft. 

Ampyot (jr. amis), 1) Jacques, fran3. Profaifer, 
Deffen überſetzungen wegen ihres annuitigen Stils 
— klaſſiſchen Literatur gezählt werden, war geb. 30. 

t. 1513 in Melun und jtarb 7. Febr. 1593 als Vi- 
jdhof von Uurerre. Margarete von Navarra war feine 
Ginnerin und gab ihm eine Profeſſur in Bourges, die 
er 12 Sabre befleidete. Heinrich I. ließ feine Söhne 
durch ihn erziehen und belohnte ihn mit reiden Pfrün⸗ 
den. A. überſetzte, im einjelnen nidt alles ridtig ver- 
jtehend, aus dem Griechijden den Roman Heliodors: 
»Theagenes und Charifleia« (1549), »Daphnis und 
Ehloe« von Longos (1559), Plutarchs Biographien 
(1559) und »Moraliae (1574). Geine Uberjegung 
de3 Plutarch wurde von Corneille fiir dejjen antife 
Tragödien als Quelle benugt und bildete aud) in 
Norths englijder Überſetzung die Hauptquelle von 
Shalejpeares Rimerdramen. Die »(Zuvres com- 
plétes« erſchienen 1783—87 in 22 Bon., 1818—21 
in 25 Bon. Vol. de Bliqnitres, Essai sur A. 
(Par. 1851); Jager, Zur Kritif von Amyots Uber- 
ſetzung von Plutards Moralia (Heidelb. 1899). 

2) Joſeph, gelebrter franz. Jefuit, qeb. 1718 in 
Toulon, ging 1750 als Miffionar nad) China, wo er 
1794 ftarb. YW. war einer der erjten, durch die wir 
qenaucre Nadricdten über die Völker Ojtajiens er- 
bielten. Seine Hauptarbeiten über die Wtertitmer, 
Geſchichte, Sprache und Riinjte der Chinefen finden 
jid) in den »Mémoires concernant l'histoire, les 
sciences et les arts des Chinois« (ar. 1776—1814, 
16 Bde.). Gein »Dictionnaire tatar-mantchou- 
francais« gab Langles heraus (Par. 1789, 3 Bde.). 

Amyotrophic (qricc.), Mustelatrophie, -fdwund. 

Amyraut (jpr. amirvs, Umyraldus), Mofes, re 
form. Theolog, geb. 1596 gu Bourgueil in der Tou- 
raine, gejt. 8. Jan. 1664 als Pfarrer und Profeſſor 
der Theologie in Saumur, ſuchte in feinem »Traité 
de la prédestination« (1634) die ftrenge Theorie von 
der Gnadenwahl ju mildern durch Aufſtellung eines 
»universalismus hypotheticuse, dD. . durch Die Lehre 
von einem Gnadenwillen Gottes, alle Menſchen unter 
der Bedingung des Glaubens gu befeligen. Mehrfach 
angeflagt, wurde er immer wieder freigefproden. 
Gegen es Lehre wandte fid) aber der Consensus 
helveticus (f. d.). Bgl. Schweizer in den »Theo- 
logijden Jahrbüchern⸗, 1852; Fraiffinet, Essai 
sur la morale d'A. (Zouloufe 1889). 

Ampjris L.(Saljampfilanje, Balfam-, Sal- 
benbaum), Gattung der Rutazeen, Sträucher und 
Baume mit eins bis dreizähligen oder unpaarig ge- 
fiederten Blattern, achſel- oder endjtindigen Bliiten- 
rifpen und cinjamiger Steinfrucht. Etwa 13 Arten 
im tropijden und jubtropijden Amerika. Aus der 
Rinde von A. balsamifera L., einem Baum auf Cuba, 
Jamaika, arty Rico, in Kolumbien, Venezuela und 
(Ecuador, fließt ein ſcharfer, wohlriechender Balſam, 
der arzneilich benutzt wird. Das Holz (Jamaita— 
oder amerikaniſches Roſenholz, weſtindiſches 
Sandelholz, Bois de Citron) riecht ſchwächer als 
das echte Roſenholz, ijt wei, mit qrauer Rinde und 
wird gu Räucherungen, Drechfler- und eingelegten 
Urbeiten verwendet. Es liefert ein dtherifdjes OL. A. 
silvatica Jacq., auf Jamaifa und in Rolumbien, lie- 
fert techniſch benutzbares Har}. 

An, cin in der Buchhaltung gebriudlider Wus- 
drud, der 1) bei der Formierung der Yournalpojten 








469 


der doppelten Buchführung vor den Kreditor gejest 
wird, 2) alle auf der Debetjeite cines Budes bewirtten 
Eintragungen einleitet. Der Gegenfag ijt Per (j. d.). 

Wn ..., das gried. alpha privativam vor Bo- 
falen (3. B. Unalphabet); vgl. »A«. 

Ana (griech. abgetiirzt 4a), bedeutet auf Rezepten: 
von jedem Ingredienz die gleiche Menge. 

na, als Endung ju einem Eigennamen gefiigt, 
bezeichnet eine Sammlung von Ausſprüchen, Wrg- 
worten, Urteilen, Notizen oder Wnefdoten, die den 
Träger jenes Namens entweder unmittelbar angehen, 
oder auf ihn als Quelle zurückgeführt werden. Dieſe 
Literatur ſcheint zuerſt in Frankreich mit den »Sca- 
ligerana< (Haag 1666—69, 2 Tle.) aufgefontmen zu 
fein; fie fand aud) in Deutſchland (⸗ Taubmanniana«, 
@allettiana« u.a.), Dänemark, Holland, England 
und Nordamerifa Nadhahnumg und Gliid. Cine 
reiche Sanuulung der A. tse] Warnier (Par. 1789— 
1791, 10 Bode.) heraus. Bol. Ludewig, Le livret 
des A. (Dresd. 1837; vermehrt abgedrucdt in Namurs 
»Bibliographie des ouvrages d’A.«, Briijj. 1839); 
Mohr, De la bibliographie des A. (Daf. 1882). 

Ana, Stadt im ajiatijd-tiirl. Wilajet Bagdad, tang- 
geſtreckt am rechten Ufer des Cuphrat, mit reider Vege- 
tation, bon 3000 Urabern bewohnt, die Mantel ver- 
fertigen und viel Objt und Baumwolle ziehen. 

naa, cine der fran3. Tuamotuinjeln (PBolynejien), 
20 qkm, mit fatholijder Miſſion, qutem Hafen und 

Anabaena, j. Azolla. [1150 Cinw. 

Anabaptijten, ſ. Wiedertäufer. 

Anabas, Kletterfiſch. 

Anabaſialer Schädeltypus, ſ. Schädel. 

Anabaͤſis (griech.), das Emporſteigen, insbeſ. 
eine Reiſe oder ein Feldzug nach einer höher gelegenen 
Gegend, iſt Titel zweier griechiſchen Geſchichtswerke: 
1) Die UW. Des Kyros, von Xenophon (j. d.), worin 
der Zug der 10,000 Grieden von der Küſte Klein— 
afiens gegen Yrtarerres und deren Rückzug nad) der 
Schlacht bei Kunaxa befdrieben ijt (401 v. Chr.); 
2) die UW. Alexanders d. Gr., von Arrianos (f. d.), 
Die deſſen Feldzüge in Aſien zum Gegenjtand hat. 

Anabasis L., Gattung der Chenopodiazeen, Stau- 
den oder Sträucher mit gegliederten Zweigen, gegen— 
jtiindigen fleiſchigen Blatter mit Endborſte oder 
ſchuppenartigen oder paarweije gu einem Beder vers 
wachſenen Blittern. 17 Arten un Veittelmeergebiet, 
Wejt- und Mittelafien. A. tamariscifolia DL. wird 
verbrannt, unt aus der Aſche Soda gu bereiten. A. 
articulata Moq. (Domran) ijt cine Charafterpflanye 
der Libyfden Wüſte. 

Anabaͤtes, griech. Wettfampf, bei dem der mit 
Lange und Sdhild bewajfnete Reiter in vollem Lauf 
abjpringen und, das Pferd am Zügel, nebenher laufen 

Unabaum, ſ. Acacia. mußte. 

Anabiõſe, ſ. Leben. 

Anacanthini (Weichfloſſer), Unterordnung 
der Knochenfiſche, ſ. Fiſche. 

Anacapri, ſ. Capri. 

Anacardium ZL. (Nierenbaum), Gattung der 
YUnafardiazeen, Bäume und Sträucher mit großen, 
einfaden, gangrandigen, lederartigen Blättern, klei— 
nen gweihaufigen Blitten in endftandigen, trugdol- 
digen Rifpen und nicrenformiger Steinfrucht aut flei⸗ 
ſchigem, birnförmigem Stiel. Acht tropiſch-amerika— 
niſche Arten. A. occidentale L. (Rafdus, Ucajou- 
baum), in Weftindien und Brajilien, überall in den 
Tropen fultiviert, liefert die weftindifden Ele- 
fantenlaufe(Ucajouniiffe Unafarden, Merk— 
niiffe), die in Lücken Der dDunfelbraunen Mittelſchicht 


470 


des Harten Fruchtgehäuſes cin bräunliches, brennend 
ſcharfes, ſpaͤter trodnende3 OL enthalten. Dies Ol, 
das Nardol und Analardſäure enthalt, dient als 
Schutzmittel gegen weiße Umeifen, gu unauslöſchlicher 
Tinte, zum Schwarzfärben der Paraffinkerzen (Trauer⸗ 
lerzen) und als Heilmittel gegen Rheumatismus. Die 
hühnereigroße, gelbe, ſüßlichſaure Scheinfrucht, Una- 
farde (j. Tafel »Tropijde Früchte⸗, Fig. 8), wird ge- 
geſſen und auf Spiritus und Eſſig verarbeitet. Auch 
die Samen werden gegefjen. Sie liefern ein Helles, 
ſchmackhaftes Speifedl (Ucajousl). Aus dem Stamm 
des Baumes erhält man das Caſhawagummi 
(Acajſougummi) cin Surrogat des arabiſchen Gum⸗ 
mis, das auf Martinique, Guadeloupe und in Bra— 
ſilien geſammelt wird. Der Stamm liefert das weiße 
Mahagoniholz. 

Anacharis, ſ. Elodea. 

Anadharfis, 1) cin Sythe aus fiiritlidem Ge- 
ſchlecht, unternahm zur Befriedigung feiner BWij- 
beqierde weite Reijen, fant mit feinem Freunde Tora- 
ris ju Solons Beit aud nach Uthen und foll nad) der 
Riidfehr in fein Vaterland auf Befehl des Königs 
umgebracht worden fein, weil er die Myſterien der 
Griechen einzuführen verjudt habe. Spätere Griechen 
haben fich viel mit feiner Perſon beſchäftigt und ihn als 
unverdorbenen Naturfohn ihren verfeinerten Lands— 
leuten geqeniibergejtellt, aud) Schriften unter feinem 
Namen gefälſcht. Berühmt ijt die » Voyage du jeune 
A. en Gréce« (Bar. 1788), in der 9. J. Barthélemy 
(f. dD.) feinen A. einige Jahre vor Uleranders d. Gr. 
Geburt in Griedentand reifen und ein lebensvolles 
Wemalde des damaligen Hellas entwerfen läßt. 

2) Franz. Revolutionir, f. Cloots. 

Anagoreten (qried)., »die ſich zurückge zogen ha⸗ 
ben«), Verſonen, die in der Ginfamteit ungeſtört 
frommen Betrachtungen und Übungen leben. Als 
ihre bibliſchen Vorgänger können Elias und Eliſa, auch 
Johannes der Täufer betrachtet werden. Das chrijt- 
liche Anachoretentum datiert aus den Zeiten der Chri- 
jtenverfolqungen; in den Wiijten Ägyptens, Syriens, 
Palajtinas lebten Hunderte von A. unter Selbjtpeini- 
gungen Der ſeltſamſten Urt, deren Endziel die gänz— 
lidhe Ertdtung des Fleiſches und die myſtiſche Ver- 
einigung nit Gott war. Befonders war im Morgen: 
lande der Einfluß der A., Die man fiir Heilige bielt, 
bedeutend. Bei der zunehmenden Zahl der A. bildeten 
fic) unter ihnen kleine Gemeinſchaflen, die ihre Hiitten 
um eme gemeinſame Napelle bauten (f. Laura). Dare 
aus entitanden in der Thebaifden Wüſte die eriten 
Klöſter, mit deren zunehmendem WUnfehen das Ana— 
choretentum an Bedeutung verlor. S. Eremit 

Anachoreteninſeln, J Admiralitãtsinſeln. 

Anachronismus (griech.), Verſtoß wider die Zeit- 
rechnung oder Chronologie, indem eine Begebenheit 
aus Unkunde oder abſichtlich im einen falſchen Zeit— 
raum verſetzt wird. 

Anacletus, Name von zwei Päpſten: 1) WL, 
aud Cletus, der Heilige, war von 76 —88 (?) dritter 
Biſchof von Rom als Nachfolger des Linus und foll 
unter Domitian den Märtyrertod erlitten haben. 

2) U. II. vorher Petrus Leonis, aus der von reid 
gewordenen Juden ſtammenden, ſpäter sum Chrijten- 
tum tibergetretenen Familie der Bierleoni, in Paris 
erjogen, Dann Wind in Cluny, darauf Kardinal 
und Legat in Franfreid und England, wurde nad 
Honorius’ I]. Tode 14. Febr. 1130 gegen den durch 
die Frangipani und einen Teil der Nardiniile gewähl 
ten Innocenz IT. sum Bapft erhoben. Bon den Rb 
mern, Mailandern und Roger von Sizilien unter- 


— — — — — — — sss sss sss sss — — 


Anacharis — Anagallis. 


ſtützt, —— ev Innocenz IT. zur Flucht nach Frank 
reich und behauptete ſich, auch nachdem Kaiſer Lothar 
1133 den Papſt in den Lateran geführt hatte, jenſeit 
des Tiber. Nad) Lothars Abzug mußte Innocenz 
abermals aus Rom weiden, und A. behauptete fid 
auf dem papjtliden Stubl und im Beſitz des grop- 
ten Teiles von Rom mit der Petersfirde bis zu femem 
Tode (25. Jan. 1138). Val. Mühlbacher, Die jtrei- 
tige Papſtwahl des J. 1130 (Innsbr. 1876). 

Anaconda, Stadt im nordamerifan. Staate Mon- 
tana, Grafſchaft Deerlodge, mit (900) 9453 Einw 
und dem grogartigiten Rupferidmelj wert der Welt 
(Jahresförderung 1897: 17,3 Mill. Doll). 

Anacyclus 1. (Ring 6lume), Gattung der Rom: 
pofiten, einjährige oder ausdauernde fable oder Loder 
weidbaarige Rrduter mit zwei⸗- bid dreifach fieder- 
teiligen Blattern und meiſt weißen oder purpurnen 
Strabhl- und gelben Scheibenbliiten. Etwa 12 in den 
Wittelmeerlaindern heimifde Yirten. Die mehrjährige 
A. officinarum Hayne liefert die fajt geruchloſe, bren- 
nend ſchmeckende deutſche Bertram, (Speidel- 
oder Rahn-) Wurgel, A. Pyrethrum DC. (Bert: 
ram-Ringblume, Bertram-RKamille), eben 
fallg ausdauernd, die echte oder rimifde Bert- 
ramwurgel (Johanniswurz). Beide enthalten 
Inulin und ein ſcharfes Harz, werden angebaut und 
arjneilid) benupt. 

nadiplofid (qried.), rhetorijde Figur der Wis 
derholung, bejtehend in der Einſetzung eines Wortes 
oder einer Redewendung am Unfang und Ende eines 
Sages. Val. Epanalepfis, Cpizenris, Unaphora, Epi- 
nadoly (tiirf.), ſ. Unatolien. [phora. 

Anadoly Hiffar, ſ. Bosporus. 

Anadromen (qried).), die in der Jugend aus dem 
Meer in die Fliijje auffteiqenden Wanderſiſche. 

Anadvyomene (qricd)., die » Wuftaudende<), Bei 
name der Uphrodite als der aus dem Meer Entitiege- 
nen. Die beriihmtejte Darjtellung der Göttin, wie 
fie, Dem Deere halb entitiegen, ihr Haar mit den 
Hiinden trodnet, war Wpelles’ Gemälde im Tempel 
des Usflepios auf der Inſel Ros, das ſpäter von 
Auguſtus nad Rom geſchafft und im Tempel des 
Cajar als Bild der Stammmutter des Juliſchen Ge- 
ſchlechts aufgeitellt wurde. Bal. Stephani im 
»Compte rendu de la commission archéologique 
pour 1870/71l«, S. 58 ff. (Wetersb. 1874). 

Anadyr, Fluß in der oſtſibir. Küſtenprovinz. ent- 
fpringt aus dem Bergſee Ibaſchlino am Ojtabbang 
des Stanowoigebirges, nimmt die Orlowla, Rras- 
noja, Vielaja auf und mündet nad 1230 km fangem 
Lauf unter 64° 40’ nördl. Br. in den Unadyrfden 
Liman des Anadyrgolfs (j. d.). 

Anadyrbezirk, Teil der ruſſiſch-ſibir. Küſtenpro⸗ 
vinz zwiſchen dem Eismeer und dem VBerimgmeecr, 
523,200 qkm mit 0891) 10,100 Einw. (Tſchuttſchen 
und Rorjafen). Bal. Olfufjew, Dor W. (raj. 
Petersb. 1896). 

Anadyrgolf, Teil de3 Beringmeers, der zwiſchen 
den Vorgebirgen Tſchulotſtij und St. Taddaus in die 
Tſchuktſchenhalbinſel einfdneidet und den Anadyr⸗ 
jcen Liman und die Bucht Heiliges Kreuz bilder. 

Unaérobien, j. Aërobien. 

Anafielas, j. Glasberg. 

Anagallis L. (Gaudbeil), Gattung der Bri- 
mulazeen, einjabrige oder ausdauernde Pflanzen mit 
gegenſtändigen, guirligen oder {piraligen, gangran- 
digen Blattern, einzeln achſelſtändigen, langgeſtielten 
Bluͤten und vielfamigen Kapſeln. Enva 12 Virten in 
Europa, Wfrifa, Wejtajien, Sildamerifa. A. arven- 


Anaglyphe — Anafreon. 


sis Z., zartes Pflänzchen mit roten, aud) blauen Blü— 
ten, in fajt ganz Europa als Uderunfraut, galt früher 
als Mittel gegen Hundswut. 

Anaglhphe (Anaglypt, griech.), erhabene Ur- 
beit, Relief. Bal. —— 

Anaglypta, Fabrikat aus Papiermaſſe, die in 
breiigem Zuſtand in Meſſingformen gepreßt wird und 
in Diefen erjtarrt. A. wird tapetenartig verwendet, 
dient aber aud als Erſatz von Deden, Wandfriejen rc. 
aus Stuct und fann uit verhältnismäßig fraftigem 
Relief gepreßt werden. 

Anaglyptoffop, |. Pſeudoſtopiſche Erjdeinungen. 

Anagui (jor. -anji), Stadt in der ital. Proving Rom, 
Kreis Frojinone, an der Cifenbahn Rom -Reapel, 
Biſchofsſitz feit dem 5. Jahrh., hat eine alte Rathedrale 
mit Moſaikboden und Bildſäule Bonifacius’ VILL, 
eit ſchönes Stadthaus, alte Stadtmauern, Weinbau 
und (1901) 10,059 Einw. Die Stadt (das alte Anag- 
nia, Hauptſtadt der Hernifer) gehörte im Mittelalter 
gum Rirdenjtaat. 1303 wurde bier Bonifacius VIII. 
von dem franzöſiſchen Kanzler Nogaret (j.d.) und den 
Colonna gefangen genommen. Bgl. de Magijtris, 
Storia di A. (Rom 1889 ff.). 

Mnagnoft (qriech., lat. Lector), »Borlefer<, bei den 
Römern meijt cin Slave; in den altdrijtliden Ge- 
mteinden das mit der Berlefung der Sdhriftabjdhnitte 
bei den gottesdienjtliden Verſammlungen betraute 
Mitglied. Seit dem 3. Jahrh. qehirte das Amt gu 
den niedern geiſtlichen Ordines (ſ. Ordination), deren 
unterjte Stufe es nod) jest in der griechiſchen Kirche 
bildet. S. auch Leftor. 

Anagoge (qriech., > Hinauffithrung<), im der Rhe— 
‘torif Die Redes und Auslegungsweiſe, bet der man 
in Dem buchſtäblichen Sinn etwas Höheres, 3. B. 
durch Irdiſches etwas Himmliſches, ausgedriidt findet. 
Sie wurde namentlich bet der Erklärung der bibliſchen 
Bücher (anagogiſche Sshriftauslequng) ange- 
wendet und oft jebr gemißbraucht. 

Anagramm (qriech.), die Verjepung der Buch— 
ſtaben eines oder mehrerer Worter, um dadurd cin 
neues Wort oder einen neuen Gah gu bilden. Ent- 
weder wird die natiirliche Reihenfolge der Buchſtaben 
bloß umgefehrt, 3. BV. Roma in Umor, oder man 
verſetzt die Buchjtaben beliebig, nur jo, daß feiner 
ausgelajjen wird, 3. B. Lied aus Leid; Vastari, 
Austria. Als Erjinder des Unagrannns wird Lyfo- 
phron (3. Jahrh. v. Chr.) genannt. Das eigentlicde 
Baterland desjclben ijt das Morgenland, die jiidi- 
ſchen Mabbalijten haben es weiter verbreitet; fein gol- 
denes Seitalter fällt indas 16. und 17. Jahrh. Gamm- 
lungen von Anagrammen gibt es von Mautner (Rojt. 
1636), Stender (Braunſchw. 1673) u.a. Bal. La- 
lanne, Curiosités littéraires (Par. 1857); Wheat- 
1 y, On anagrams etc. (Lond. 1862); Dobjon, 
Literary frivolities (Daf. 1880). 

Anagfris L., Gattung der Lequminojen, Strau- 
cher mit gefingerten Blattern und gelben Bliiten in 
furjen Trauben; zwei Arten im den Mittelmeerlän— 
dern. A. foetida L. (Stintjtraud) beſitzt fehr übel— 
riedendes Holz, die Bliitter wirfen abfiihrend, die 
Samen bredjenerreqend. 

Anahuac (merifan., sam BWaffers) wurde von 
den WMerifanern und ihren ältern Uutoren (Tezozo⸗ 
moc, Sahaqun) das Küſtenland Mexikos qenannt, und 
man unterjdied U. Xicalanca, dad Golffiijtentand, 
und YW. Ayotlan, das pacifiſche Küſtenland. Erſt 
der Franziskaner Motolinia (Ende des 16. Jahrh.) 
—— das Wort für ganz Neuſpanien, bez. Mexiko. 

ein Irrtum rührt wahrſcheinlich daher, daß die 





471 


Mexilaner das Wort »cam-anahuace, »ganz W.«, d. h. 
»das ganze Land einſchließlich der beiden Küſten— 
ftridje<, im Sinne von »alles Land⸗, »die ganze Welt⸗ 

ebrauchten. Spätere Autoren ſind ihm gefolgt und 
—— da ihnen die Etymologie nicht unbekannt war, 
—— dak das Wort das Land an den Seen, d. bh. 

a8 eigentlide Hodjtal von Merifo, bezeichne. Geit- 
dem Hat man fid) gewöhnt, gerade das Hodland von 
Merito als U. gu bezeichnen. Bgl. Sapper, Das 
ndrdlide Mittelamerifa, nebjt einem Wusflug nad 
dem Hodlande von U. (Braunſchw. 1897). 

Anaitis (perj. Unadhita), ajiat. Gittin des Ra- 
turlebens und der Frudtbarfeit, von den Gricchen der 
(ephefifchen) Urtentis oder der Aphrodite gleidgefest, 
wurde in Berjien, Medien, Wrmenien und Kappado— 
fien verehrt. Als Gottheit der weibliden Befrudtung 
wurde fie hier und da durch Projtitution — Bal. 
Ed. Meyer in Roſchers »Lexifon der Wythologiee. 

Anakahnitholz, ſ. Cordia. 

Anafalypteria (gried.), bei den Griechen der 
Teil der Hochzeit, wo ſich die Braut gum erjtenmal 
sunverbiillt« zeigte und dabei die qleidfalls UW. ge- 
nannten Brautgejdenfe in Empfang nahm. 

WUnafarden, |. Anacardium. 

Anakardiazeen (Terebinthajeen, Balfam- 
gewächſe), difotyle, etwa 500 Arten umfajjende, 
hauptfidlid) in der Tropenjone einheimifde, aber 
aud) in Giideuropa vertretene Pflanzenfamilie aus 
der Ordnung der Terebinthinen, Gerbſtoff und Harz 
fiihrende Baume und Sträucher mit wechſelſtändigen, 
ungeteilten, dreizähligen oder unpaarig gefiederten, 
nebenblattlofen Blattern und eingefdledtigen, ein- 
oder zweihäuſigen, feltener switterigen, regelmäßigen, 
meijt fleinen Bliiten in Rijpen oder Whren. Zwi— 
ſchen Staub- und Fruchtblattern befindet fich ein ring: 
oder becherförmiger Diskus; letzterer ijt ftets einciig. 
Die Frucht bejigt bisweilen eigentümlich gejtaltete An⸗ 
hangsteile. Mehrere Yirten finden mediziniſche An— 
wendung (Maftir, Elefantentiuje). Gegeſſen werden 
die Früchte von Pistacia vera und Anacardium. Die 
Rinde von Rhus coriaria dient als Gerbmaterial. 
Yirten von Pistacia, Rhus, Anacardites u. a. lom⸗ 
men foffil in Lertidrjdidten vor. [(f- d.). 

Angakes (»die Herren«), Beiname der Diosfuren 

Anaflija, Stadt im ruffifd)-faufaj. Generalgouv. 
Raufajus, am linfen Ufer des Ingur, nabhe feiner 
Miindung ins Schwarze Meer. Hier wurden 1898 
höchſt ergiebige Erddlquellen aufgefunden. 

nafoluthie (Anakolüthon, qried., »Un- 
folge«), Abweichung von der logiſch oder gramma— 
tijd) ridjtigen Ronjtruftion, bei welder der Nachſatz 
nicht in der Weife fortfährt, wie man es nad) dem 
Vorderſatz erwartet. 

Anafonda, ſ. Rieſenſchlangen. 

Anafréon, griech. Lyriker, aus Teos in Jonien, 
lebte am Hofe des Polykrates von Samos, nach deſſen 
Fall (522) ihn der Peiſiſtratide Hipparch nad) then 
30g. Über feinen Verbleib nach dem Tode diefes (514) 
weiß man nichts Sicheres. Er ftarb, 85 Jahre alt, 
der Sage nad) durch Verjdlucen einer getrodneten 
Weinbeere. Seine Statue auf der Burg gu Athen 
jtellte ifn als vom Bein begeijterten —* San- 

er dar, wie er iiberhaupt als Typus eines nod im 
Sitter dem Wein und der Liebe Huldigenden Didters 
alt. Denn der Liebe, dem Wein und der hHeitern 
efelligfeit galt die Mehrzahl feiner in dem weiden 
ioniſchen Dialeft verfaften Lieder, deren Schönheit 
und Anmut beriifmt war. Bon feinen Gedidten in 
fiinf Büchern (auger lyrifden Lieder, Elegien. Cpi- 


472 Anakrotismus 


rammen, Jamben) find mur ſpärliche Fragmente er⸗ 
ten (in Bergls »Poetae lyrici graeci«, Bd. 3). 

adahinungen aus verjdiedener, gum Teil fpater 
Zeit und von verſchiedenem Wert enthalt eine ⸗Ana⸗ 
freonteia« betitelte Sammlung von etwa 60 zumeiſt 
Wein- und Liebesliedern (hr3q. von Rofe, 2. Wufl., 
Leips. 1876; bet Bergk a. a. O.). Diefe Lieder übten 
auf die moderne Lyrif feinen geringen Einfluß aus. 
Nachdem fic) bereits im 17. Jahrh. Spuren der Una- 
freontif sescigt hatten (vgl. Witfow ffi, Die Bor- 
laufer der anafreontijden Didtung in Deutidland, 
Leip. 1889), bradten Gleim durd) feinen ⸗Verſuch 
in ſcherzhaften Liedern« (Berl. 1744) und Gig durd 
jeine in Gemeinſchaft mit Uz verfaßte Überſetzung 
Anakreons dieſe tändelnde Lyrik fiir länger als em 
Jahrzehnt zu großer Beliebtheit. In neuerer Zeit 
wurden die Anakreontiſchen Lieder von Uſchner (Berl. 
1864), €. Méorife (Stuttg. 1865) und Junghans | 
(Leips. 1873) überſetzt. 

Anakrotiomus (qricd.), ſ. Puls. 

Anakruſis (qricc.), Uuftatt, Aufſchlag, in der 
antifen Metrif und Muſik die Vorſchlagſilbe, die Dem 
Beginn der eigentliden rhythmifden Bewegung vor- 
angeht. 

Anaktorion, Kolonie der Korinther und Korky: | 
räer am Cingang des Ambrakiſchen Meerbufens, die 
bedeutendite im Land: der WUfarnanen, die YW. 425 
v. Chr. eroberten und den auf der äußerſten fladen 
Feitlandsipige (Alte) geleqenen Tempel des Apollon 
gu threm Bundesheiliqtum madten. Neben demfelben 
cine fleine Orticaft, Uftion (Uctium), berühmt als 
Lagerplatz des Untonius vor der befannten Sdladt. 

naldriifen, ſ. Afterdrüſen. 

Analéften (qricch., »Wufgelejenes<), eine Samm⸗ 
fung auserlejener Stellen aus Schriftſtellern, befon- 
ders Didtern; aud) Sammeljdrift. Val. Kolleltaneen. 

Analemma (qriec.), das Ujtrolabium. 

Unaleptifa (qried.), ſ. Erregende Mitte. 

Unalgen (MU thoryacetamidodinolin) 
C,,H,,NO,, aus Orydinolin dargeftelltes weißes, ge- 
ſchmackloſes Pulver, fajt unlöslich in Waffer, ſchwer 
löslich in faltem, leichter in heißem Wlfohol, reagiert 
neutral, ſchmilzt bet 155°, farbt bei innerlidem Ge- 
braud) den Harn rot. A. wird gegen Wedhfelfieber und 
als jdpmersitillendes Mittel bei Neuralgien benugt. 

Analgejie Unalgic, griech.), Schmerslofigfeit, 
Unempfin dlichkeit gegen fdymershajte Gindriide bet der 
das Taſtgefühl aufgehoben (totale Anäſtheſie) oder 
mehr oder weniger erhalten fein fann, wie bei Chloro- | 
jormnarfoje, Riidenmarfstranfheiten, Hyfterie re. 

Anallantoidéa, Wirbeltiere, die fic) ohne Allan⸗ 
tois entwideln: Fiſche, Umpbhibien. 

Analog (qried).), in feinen Verhältniſſen ähnlich. 

Analogic (qried).) bezeichnet dic tiberemitimmung | 

ewijjer Dinge in einem oder mebhreren wejentliden | 
erfmalen, aus der Dann mit (nad) Menge und We— 
jentlichfeit des Ubereinjtimumenden jteiqender) Wabhr:- 
ſcheinlichteit auf Übereinſtimmung aud) in den fibrigen | 
Mertmalen geſchloſſen wird. Beifpielsweife folgerte | 
Kepler aus dem Umſtande, daß die Blaneten unfers | 
Sonnenfyjtems in vielen wichtigen Besiehungen unter- 
cinander harmonteren und einer derfelben, Rare, fei- | 
nen Beobadtungen jufolge erweislich eine elliptifde | 
Bahn beſchreibt, daß fich ſamtliche Planeten in Ellip: | 
jen um die Sonne bewegen. Sind jedoch die fiberein: | 
ſtimmenden Merfmale zufälliger Natur, fo ijt die A. 
nur ſcheinbar, nidt wahrhaft, und es lönnen auf | 
ihrem Wege fehr irrige Folgerungen sum Borfdhein 
fomimen; daher tit die U. Das am wenigſten verläß— | 











— Analogon. 


liche Indultionsverfahren (vgl. Ynduftion). — In der 
Mathematik ijt A. bei den Griechen foviel wie Propor⸗ 
tion, 3. B. Neperfde Unalogien, ſ. Trigonometrie. 
— U. des Glaubens (lat. Analogia fidei) heißt in 
der evangelifden Dogmatik der Mapitab, den die kla⸗ 
ren und ungiweideutiqen Stellen der Heiligen Schrift 
behufs des Verſtändnifſes der tibriqen ergeben. Bor- 
ausjebung dabei ijt, Dak innerhalb der Bibel felbit 
leinerlei Widerſpruch obwalten fonne; wo ein folder 
vorhanden gu fein ſcheine, werde er fic) löſen, fobald 
man Die Stelle tm Lichte ded Gefamtinhalts betradte. 

In juriftifder Beziehung (VW. des Geſetzes und 
des Redtes) verjteht man unter A. diejenige rechts 
wijjenfdaftlide Operation, die zeigt, daß etn in der 
qeltenden Rechtsordnung nidt ausdrücklich entſchiede⸗ 
ner Fall den Prinzipien dieſer Rechtsordnung gemäß 
in beſtimmter Weiſe entſchieden werden müſſe. Man 
ſagt daher wohl aud), die U. diene zur Ergänzung von 
Lücken der Geſetzgebung. Die Reſultate der A. find 
zuweilen ſogar als cin beſonderes Recht der Wiſſen— 
—* Juriſtenrecht, Recht der Praxis bezeichnet wor⸗ 
den. Wenn die UW. auch nicht neue Geſetzesvorſchriften 
ſchafft, fo ijt jie Dod) fiir Die Fortbildung der in den 
cinjelnen Gefefen rubenden Grundgedanfen von bo- 
hem Wert. Man unterfdeidet Geſetzesanalogie 
und Redtsanalogie. Unter erjterer verjteht man 
die Unwendung eines gefepliden Rechtsſatzes auf 
cin gwar in demſelben midt ausdrücklich getroffenes. 
wobl aber unter fein Bringip fallendes Berhaltnis, auf 
einen rechtsähnlichen, analogen Fall (ubi eadem ra- 
tio legis, ibi eadem dispositio). Dieje A. ijt wobl ju 
unterjdetden von Der ausdeHnenden Erflarung 
(extenſiven Snterpretation) eines Gejeges, d. h. der 
Uusdehnung eines Geſetzes auf Faille, die gwar nad 
Dem Wortlaute desfelben nicht darunter begrijfen zu 
fein fcheinen, doch aber dem Ginne nad Darunter fal— 
lest, indem Der ry tare Die Fälle allerdings mit im 
Auge und nur die Faffung des Geſetzes zu eng ge 
nontmten hatte. Redtsanalogie ijt Die iubune 
eines Rechtsſatzes aus dem Geijte der ganzen Geſetz 
gebung, des ganzen Rechtsſyſtenis fiir einen Fall, der 
aud) nicht unter Das Pringip eines bejtehenden einjel- 
nen Rechtsſatzes fallt. Unjtatthaft ijt die A. bei ſingu⸗ 
liiren Rechtsſätzen, befonders bei Privilegien. Da be- 
züglich Des Bürgerlichen Gefegbuches eine Ergänzung 
aus dem frithern Recht ausgeſchloſſen ijt, fann fir 
dasſelbe mur die Rechtsanatogie in Betracht fomunen. 
Das Strafrecht fteht in betreff der Bulaffigfeit der A. 
mit Dem Zivilrecht nicht in qleichem BVerhaltnis. Denn 
im Strafrecht gilt Der Grundſatz: Es fann feine Hand- 
lung bejtraft werden, die nicht mit Strafe bedrobt iit 
(nulla poena sine lege); es bleibt alſo bier Dem Rich- 
ter in den Fallen, wo das Geſetz feine Strafandrohung 
enthalt, nur der Wusweg, dabin ju entideiden, dak 
fein Verbrechen anzunehmen fei. Gleichwohl konnte 
die A., wenigſtens die Rechtsanalogie, bei der Unvoll⸗ 


ſtändigleit des frühern gemeinen deutſchen Strafrechts 


auch auf dieſem Gebiete nicht entbehrt werden. Die 
neuere Strafgeſetzgebung aber, namentlich das deutſche 
Reichsſtrafgeſetzbuch ($2) und ebenſo Art. 4 ded Aund⸗ 
machungspatents zum öſterreichiſchen Strafgeſetzbuch 
vom 27. Mai 1852, ſchließen Die A. vollſtändig ars. 

MAnalogicbildung, auj Unalogie, befonders auf 
fogen. falſcher Analogie berubende Neubildung in einer 
Sprache. So beruhen die neuhochdeutſchen Formen 
fliegſt, flieqt« für Dad ältere ⸗fleugſt, fleugt« auf der 
Analogie von »fliege, fliegen · 2. 

Analogic der Bildungen, ſ. Ähnlichleit. 

Analdgon (griech.), etwas YUnaloges, ÄAhnliches. 


Analphabeten — Analyſe. 


Analphabéten (griech.), die des Leſens und Schrei⸗ 
bens unfundigen Perſonen, deren Zahl, verglidjen 
mit der ee Landes, bezeichnend 


473 


leichheit längſt nicht mebr fo auffallend wie vor 30 
Jahren. Es gab U. unter 100 Dienjtpflictigen in: 














fiic den Rulturgzuftand de3 Bolted ift. Mit dex Ermitte- Proving [1870 1880 | 1800 | 1809 
lung der betretfenden Rablen hat man fic) erjt in det | Ofpreufen . . . . | 8,50 5,50 | 249 0,36 
modernen RKulturjtaaten und aud in diejen nod nicht Weftpreufen. 2. 14,17 Bee | 339 | 0,31 
lange forgfaltiger beſchäftigt. Geringe Zuverläſſigkleit Bojen. . . . . - 14,38 | 10,09 | 3,01 0,41 
haben die Ungaben iiber die Bahl der A. in Ländern Pommern. . . . - 1,08 | 0,03 0,23 0,08 
auferbalb der europäiſchen Kulturſphäre. In den Kul⸗ oe ° 0,69 0,53 0,11 0,06 
turjtaaten Europas und Umerifas und deren Kolonien one — — * ae | mp a 
hat mit Verbeſſerung des Schulweſens, Cinfiihrung | Seieswige Gotten . | 000 | O20 | O02 | 0,02 
des obligatorijden ulbefuches und Vermehrung | gannover .. | Ost | 0,34 0,04 0,02 
gemeinniigiger Unjtalten fiir Bolfsbildung die Bahl | Seffen-Raffau. . . 0,22 0,34 0,09 0,04 
der A. mee und mehr abgenommen. Für die Schät- Beftfalen. . . . . | Los 0,34 | 0,01 0,01 
gung der Rabi der VW. gibt es verſchiedene annähernd Rbeinland 0,75 | 0,36 | 0,04 | 0,03 


jutreffende Unbaltspuntte. Golde find in Landern 
mit allgemeiner Militärpflicht oder dod) Konſtription 
(Deutidland, Frankreich, Ojterreid)-Ungarn, Stalien, 
Dänemark, Sdweden, Belgien, Riederlande, Schweiz) 
der Nachweis fiber den Bildungsgrad der Militär— 
pflidjtigen, in andern Staaten (Gropbritannien und 
Irland, Uuftralien) die Kenntnis des Sdhreibens bei 
Heiratenden ; endlich dic allgemeinen Vollszählungen. 
Daf alle dieje Unhaltspuntte jedod feine ganz Ficpere 
und namentlid) keine unbedingt vergleidbare Zahlen 
ergeben fonnen, liegt auf nei Beer Als typiſch fon- 








Wenn bei einzelnen Staaten die Ziffer der A. noch 
auffällig hoch erſcheint, ſo mag daran erinnert wer— 
den, daß 1866 und 1867 die Zahl der A. unter 100 
Ronjtribierten in Franfreid) nod) 24, in Belgien 26, 
in Stalien 64, in Oſterreich 66, in Ungarn gar 78 
betrug. Wud) find oft die einjelnen Landesteile in 
dieſer Hinjicht ſehr verſchieden. Wie in Deutidland 
frither die öſtlichen preußiſchen Brovingen, fo treiben 
im cisleithanijden Ojterreid) nod) immer Kärnten 
und Rrain, namentlid) aber Iſtrien, Galizien, Dal- 
| matien und Bufowina mit jtarfen Prozentſätzen von 





nen folgende Prozentſätze von W. gelten. Jn Preu- A. den Geſamtdurchſchnitt unverhaltnismapig in die 
fem zählte man 1871 (fpiitere Rahlungen liegen nidt | Höhe. Auch in der Schweiz, wo bei der Wushebung 
vor) unter der Bevdlterung von 10 und mehr Jabh- | eingehende Erhebungen iiber den Bildungsſtand der 
ren 12 Broz. W. (9,5 männliche, 14,7 weiblide). Das | Refruten ftattfinden, ijt diejer in den cingelnen Kan— 
Berhaltnis hat fic) feitdem zweifellos ſehr verbeſſert. tonen fehr verjdieden. Val. Peterſilie, Urtifel A. 
Nordamerifa(Vereinigte Staaten) 1890 unter | im »Handworterbud) der Staatswijjenfdajten, 2. 
dex Bevdlferung über 10 Jahren: Weise 7,7, Neger | Uujl., Bd. 1 (Gena 1898); »Statijtifdes Jahrbuch 
56,8; Kanada 1890 fiber 6 Jahren: 13,6; Irland für das Deutſche Reich⸗, 1901 (Verl.); » Seitidrift 
1891 über 10 Jahren: 23,7; Belgien 1890 über | des preußiſchen Statijtifden Bureaus«, 1901, 

6 Jahren: 28,1; Finnland fiber 14 Jahren: 2,1;| Was die qemeinredtlide Stellung der A. be- 


Ytalten 1881 über 7 Jahren: 61,9; Spanien 1887 
fiber 7 Jahren: 51,2; Portugal in der gejamten 
Bevölkerung 1890: 79,2; Serbien 1890 über 7 Jabh- 
ren: 85,8. Große Berjdiedenheiten zeigte die Be- 
valferung Ojterreid)-Ungarns 1890. an Ojter- 
reich (ReidSrat) über 6 Jahren: 29,6 Proz. (wo aber 
Deutſche und Tſchechen weit günſtiger, die übrigen 
Slawen und Italiener ebenſoviel ungünſtiger ſtehen); 


trifft, ſo beſtand für ſie die Vorſchrift, daß ſie bei der 
Errichtung eines Privatteſtaments außer den vor— 
ſchrifismäßigen ſieben Teſtamentszeugen nod) eine 
achte Perſon als subscriptor (jum Unterjdreiben) 
hinzuziehen mußten, während jie nad preußiſchem 
Landrecht nur mündlich zu Brotofoll teſtieren fonn- 
ten. Die Unterſchrift eines A. bei einer Behörde wird 
durch ein Handzeichen, meiſtens drei Kreuze, erſetzt, 
das von dem betreffenden Beamten beglaubigt werden 


Ungarn, gleiche Altersklaſſe: 42,5; Kroatien, des— 
gleichen: 66,4. Von den Eheſchließen den vermoch— muß. Rad) § 2238 des Bürgerlichen Geſetzbuchs kön— 
ten den Heiratsfontratt nicht zu unterſchreiben auf 100: | nen A. ein Teſtament nur durch mündliche Erklärung 
Brdutigam Braut Brdutigam Braut | Vor einem Ridjter oder Notar erridten, es fei denn, 
Preufien (1899) . 0,70 1,19 Frantreich (1895). 7,38 11,18 | daß Die Bedingungen eines Dorftejtaments oder eines 
Baden (1895). . 0,01 0,02 | Italien (1895) . 39,42 56,05 | Tejtaments amt abgefperrten Orte vorliegen (ſ. Teſta— 
Gugland (1895) . 5,10 6,00 | Ruménien (1882). 80,04 91,34 | ment). Yhre Unterfdrift unter dem über die Errich— 
Shottiand (1805) 20s 4,11 | Renfilomales 5, | tung des Tejtaments zu erridjtenden Brotofoll wird 
—— —— Asi 5* Reed Py, ge sine 204 | yurd) die in Diejes aufzunehmende Feititellung erſetzt, 
Bie hieraus erſichtlich, ſtehen die Manner in der Schul- | pag fie nicht ſchreiben könne (Bürgerliches Geſetzbuch, 
bildung durchſchnittlich höher als die Frauen. Die} g 9949), Val. auch Handjeichen. 
Sahl der männlichen erwadjenen A. wird in vielen |” Analyſator, ſ. Bolarijationsapparate. 
Staaten bei der Uushebung sum ſtehenden Deere feſt AnalHhje (qriedh. Undlyfis, »Auflöſung, Zer- 
gejtellt. Es waren unter je 100 Refruten W. in: qliederung<), in der Logit im Gegenfage zur Syn— 


Deutſchland (1899) . 0,08 | Deutfland (1879) . 1,57 | theje (jf. d.) die Zerlegung eines zuſammengeſetzten 
— (jf. unten) . op st aaigg Pata 1*Æ Ganzen in ſeine Beſtandteile. Dieſelbe findet (als lo— 
— — or | Stalien (1894) . . . 3804 | Gifche A.) Anwendung auf Begriffe, unt die ſämtlichen, 
——— oe oe aa an — häufig nur unvollſtändig oder unklar mitgedachten 
Baden. . . . . 0.04 | Betgien 34Wertmale derſelben fic) oder andern = Bewußtſein 
Sefien. wee 0,08 | Riederlande (1896) . 4,70 zu bringen und fo Vejtimrmtheit bes Begriffes zu er— 
Mnbalt. . - . . 0,07 | Scyweiy (1896). . . 0,35 | jielen; Dann aber auch auf beliebige verwideltere Er⸗ 
Elfaf-Lothringen . 0,05 Saweden (1883) . . O27 jzeugniſſe des Denkens: ein gegebener Beweis wird 
Deutſchland (1889) . 0,51 | Diinemart (1881). . 0,396 durch Sergliederung in die einzelnen Prämiſſen, aus 


Auf die einzelnen Brovingen de3 Preußiſchen Staates | denen er fic) aufbaut, analyfiert, ebenfo fann man 
verteilen ſich die A. ziemlich ungleidh; Dod) ijt die Un: | ein ganzes Syjtem von Gedanten (ein Buch) analy- 


474 Analyfe, 


fieren xc. Get der A. von Tatjaden handelt es ſich 
entweder Darum, cin zuſammengeſetztes Ding in feine | 
Elemente oder einen Vorgang in sean ates einzel⸗ 
ner Birkungen aujjulojen, wozu meiſt das Experiment | 
unentbehrlich ijt. So führt die Chemie die gegebenen 
Stoffe Durch U. auf Grundjtojfe, die Phyſiologie den | 
Lebensprozeſ auf die Lebenstatigleiten der Bellen zu⸗ 
riid, Die Mechanil zerlegt die krummlinige Bewegung 
der Planeten in eine Tangential- und eine Zentral- 
—— x. Da wir im allgemeinen —— 
geſetzie als bedingt durch das Einfache anzuſehen ha— 
ben, ſo kann man auch ſagen, daß die A. von dem 
Bedingten zu ſeinen Bedingungen aufſteigt (jo ſpeziell 
die UW. bet Der Löſung geometriſcher Aufgaben); und da 
meiſtens das Gegebene (Befannte) zuſammengeſetzt iſt, 
das Einfache aber, aus dem es beſteht, erſt erſchloſſen 
werden muß, fo ſchreitet die A. aud) vom Bekann⸗ 
ten jum Unbekannten fort. — Mathematiſche A., 
j. Unalyfis, iiber die chemiſche f. den folgenden Artikel. 
Analyfe, chemiſche, das Verfahren zur Ermitte- 
lung Der Vejtandtetle cines Körpers, begnügt ſich ent- 
weder mit der Nachweiſung derfelben (qualitative 


A.), oder bejtinumt aud) die Mengenverhaltnijje nad | 


Gewicht oder Volumen (quantitative W.). 
[Cualitative Analyfe.} Man bringt den zu unter: 
ſuchenden Stoff mit andern Körpern von befannten 
Eigenſchaften (Reagen zien) in Berührung, um aus 
den hierbei auftretendenErideinungen(Reaftionen) 
auf Das Vorhandenjein diefes oder jenes Körpers ju 
ſchließen. Die Reagenjzien find meijt Säuren, Basen 
oder Salze und zeigen Die Gegenwart eines beſtimm— 
ten Körpers durch die Bildung eines Niederſchlags, 
alſo einer unlöslichen Verbindung, oder durch eme 
auffallende Färbung an. Bei der qualitativen A. han- 
Delt es ſich oft nur unt Die Nachweiſung eines einzigen 
Körpers in einer vorliegenden Subſtanz, z. B. bei 
Salpeter um die Nachweiſung einer 
nit Chlor. Cine einzige charakteriſtiſche Reaftion auf 
Chlor, die durch Zuſatz von ſalpeterſaurem Silber her- 


vorgebracht wird (Riederſchlag von Chlorſilber), ge⸗ 
nügt daher der geſtellten Auſgabe. Soll dagegen nach: | 


ewieſen werden, ob auch noch irgend welche andre 


erunreinigungen im Salpeter vorlommen, fo ge⸗ 


ftaltet fic) die Prüfung fomplizierter, und wenn es ſich 
um die Beſtimmung aller Vejtandteile eines unbefann: 
ten Körpers handelt, fo ijt cin fyjtematifder Gang 
erforderlid), Damit fein Veftandteil überſehen werde. 
Bei der Vorprüfung erhitzt man eine Probe in 
einem engen, an einem Ende zugeſchmolzenen Glas 
robr, eine jweite Brobe in emer an beiden Enden 
ojfenen, etwas ſchräg qehaltenen Glasröhre, um die 


Einwirkung der Luft bet erhdhter Temperatur fennen | 


gu lernen, man ſchmelzt cine andre Probe auf Platin— 
bled) mit Soda und Salpeter, erhigt eine andre auf 
Noble vor dem Lotrobr, wieder cine andre in der Re- 
Duftionsflammme des Lötrohrs und beobadhtet das Ver— 
halten der Subſtanz in ciner Berle von Phosphorſalz 
oder Vorar, juerjt in der orydierenden, Dann in der 
redusicrenden Lötrohrſlamme x. Zur Benugung der 
Flammenreaftionen erhigt man duferit geringe 
Wengen der Subjtany an haardiinnen Platindrähten 
in orydierend oder reduzierend wirfenden Teilen der 
nicht leuchtenden Flamme cines Bunſenſchen Brenners. 


Wit oft weniger als 1 mg der Subſtanz laſſen ſich ſehr 


viele Reaftionen hervorbringen, die ziemlich vollſtän—⸗ 
Digen Aufſchluß tiber die Bejtandtetle der Subſtanz 
geben. Am empfindlichſten ift die ſpeltroſtopiſche Be- 
obadtung (j. Speftratanalyfe). 

Ojt reidjt der angegebene trodne Weg jur voll- 


erunreinigung 


chemiſche. 


ſtändigen A. aus, häufiger aber wird die A. nach einer 
trodnen Vorprüfung auf na ſſem Weg ausgeführt. 
Man bringt die Subſtanz mit Waſſer oder mit Saure 
in Ldfung oder ſchließt fie, wenn ndtig, zunächſt durch 
Schmelzen mit foblenfaurem Nalinatron auf. Yn die 
angejiuerte wafferige Löſung leitet man Schwefel⸗ 
wajferjtoff, durch den Urjen, Zinn, Kadmium, Anti⸗ 
non, Gold, Blatin, Quedfilber, Blei, Wismut, Silber, 
Stupfer als Sdwefelmetalle gefällt werden; aus die- 
jem ausgewafdenen Niederjdlag löſt Schwefelammo⸗ 
nium Arſen, Untimon, Zum, Gold, Platin, die nad 
der Filtration aus ihrer Ldfung durch Salzſäure wie- 
Der qefallt werden. Dieſer Niederſchlag fann alfo nur 
die genannten fiinf Metalle als Schwefelverbindungen 
enthalten, und es gelingt leicht, fie nebeneinander ju 
erfennen. €benfo fann man die in Sd wefelanuno- 
nium unldsliden Schwefelmetalle leicht voneinander 
trennen und eingeln erfennen. Die vom erjten Schwe 
felwaſſerſtoffniederſchlag abjiltrierte Flüſſigkeit wird 
mit Ammoniak iiberfattiqt und mit Schwefelammo⸗ 
nium behandelt. Dadurd fallen Eiſen, Niel, Robalt, 
Mangan, Chrom, Zinf und Tonerde, die wieder von: 
einander ju trennen und einzeln nachzuweiſen find. 
Die vom Schwefelammoniumniederidlag abfiltrierte 
Flüſſigkeit wird mit Salzſäure angefiuert, anbaltend 
erwarmt, um Schwefelwaſſerſtoff auszutreiben, mit 
Ammoniakl neutralijiert und mit fohlenfaurem Am—⸗ 
moniaf verſetzt. Dabei fallt Ralf Baryt, Strontian, 
die leicht voneinander ju unterideiden find; aus einem 
Teil des Filtrat3 wird durd phosphorjaures Natron 
Magnefia gefallt, der andre Teil Des Filtrats wird 
verdampft, gegliibt und, wenn Magnefia vorhanden 
war, mit Salmiaf gemengt und nodmals geglüht, 
Dann wird die Maſſe mit Waſſer ausqesogen und in 
der Löſung Kali und Natron nadgewiefen. Wmmo- 
niaf erfennt man durch den Geruch beim Erwärmen 
der Originalfubjtan; mit Nalilauge. In ähnlicher 
Weife werden die Sauren nadgewiefen, von denen 
mebrere ſchon bei der Vorunterſuchung erfannt, andre 
durch Die Gegenwart gewiſſer Metalle ausgeſchloſſen 
werden. Fand man 3. B. in der wajferigen Löſung 
Barht oder Blei, fo fann feine Schwefelfaure, bei Ge- 
genwart von Silber feine Salzſäure vorhanden fein x 

Organifdhe Subjtanjen, die aus Kohlenſtoff. 
Waſſerſtoff. Sauerſtoff und Stichſtoff beſtehen, oft aud 
Schwefel, Phosphor, Chlor, Brom, Jod enthalten, 
hinterlaſſen beim Verbrennen — ——————— 
teile als Aſche, Die in der angegebenen Weiſe unter⸗ 
ſucht wird. Kohlenſtoff ijt oft an der Schwãr ʒung der 
erhitzten Subſtanz erlennbar. Erhitzt man die Sub- 
ſtanz mit Kupferoxyd, fo wird der Kohlenſtoff zu Rob: 
lenjaure oryDdiert, die aus Barytwaſſer fohlenfauren 
Baryt fallt. Sur Nachweiſung von Stichſtoff erhitzt 
man die Subſtanz mit Natronfalf und beobachtet, od 
jid) Ammoniak entwicelt rc. 

[Guantitative Analyfe.] Dic quantitative A. fet 
qenaue Renntnis der qualitativen Zuſammenſetzung 
des zu unterfuchenden Körpers voraus, fie ſcheidet in 
jyftematifdem Berfahren die einzelnen Beftandteile 
in Form nicht leicht zerſetzbarer, am bejten unlöslichet 
Verbindungen ab, wägt diefe und berednet aus ihrer 
— den Bebalt an dem zu beſtimmenden 
Stoff. Dieſe quantitativeGewichtsanalyſegibt 
das zuverläſſigſte Reſultat, fie liefert Die bejtimmte 
Subjtany in qreifbarer Form, jo daß fie bei auftau- 
chenden Sweifeln mod) weiter auf ihre Reinheit gepriift 
werden fann. 

Viele Metalle werden eleftrolytifad bejtimmt. 
Man bringt die Metallldfung in eine Platinfcjale, die 





























| 








Analyſe, chemiſche. 


als negative Eleftrode dient, und taucht als poſitive 
eine an einem ftarfen Platindraht befeſtigte Platin- 
platte in die Lijung. Die Eleftroden werden in ver- 
fchiedener Form angewendet : Schalen, Tiegel, Becher, 
Kegel, Bylinder, Drahtſpiralen, Drahtneggewebe. Das 
gefallte Metall wird ausgewafden und getrodnet. 
Die quantitativellnterjudung organifder Subjtan- 
en geſchieht durch Elementaranalyfe. Schwefel, 
hosphor, Chlor, Brom, Jod beſtimmt man nad ge- 
eigneter Zerſtörung der organiſchen Subſtanz in dem 
Rückſtand auf gewöhnliche Weiſe. Kohlenſtoff und 
Waſſerſtoff werden durch Glühen der Subſtanz mit 
im Glasrohr ju Kohlenſäure und Waſſer 
oxydiert (verbrannt, daher Verbrennungsana- 
Iyfe), die man in gewogenen Apparaten von Kali— 
lauge, refp. Ehlorcalcium abjorbieren läßt, Stickſtoff 
wird bei diejer Operation als folder ausgetrieben und 
gemefjen, oder er wird in einem befondern Verfahren 
nad Will und Varrentrap durd Glühen der Subſtanz 
mit Ratronfalf in Ununonial ibergefiihrt, das man 
in Säure auffingt und dann leicht beſtimmen fann. 
Mad) Kjeldahl kocht man die Subjtang anhaltend mit 
fonjentrierter Schwefelſäure und Quechſilberoxyd, 
treibt aus der Flüſſigkeit, die ben gejamten Stichſtoff 
in Der Form von ſchwefelſaurem Ammoniak enthalt, 
das Ammonialk durd) Kochen mit Kalilauge aus und 
fängt es in Säure auf. Der Sauerjtoff wird aus der 
Differenz berednet. Dieſe Methode ijt vielfach modifi— 
ziert worden (vgl. Dennſtedt, Die Entwickelung der 
organiſchen Clementaranalyfe in Uhrens’ »Samm- 
we,’ chemiſcher Bortriges, Bd. 4, Stuttg. 1899). 
ie volumetrifde, titrimetrifdhe A. (Ti- 
triermethbode, Maßanalyſe) arbeitet mit Flüſſig— 
keiten, deren Gehalt an gewiſſen Reagenzien genau 
befannt ijt (Maßflüſſigleilen, Rormallofungen) und 
unterjudt, wie viele Maßteile von diefen Flüſſigleiten 
zur Erzielung eines beſtimmten Effelts verbraudt 
werden. Die Maßanalyſe ijt in dem Augenblick am 
Riel, wo fiir die Gewidhtsanalyfe die mühſamſte und 
acitraubendite Urbeit erſt beginnt. Aus einer Löſung 
von ſalpeterſaurem Silber fallt man bei der Gewichts⸗ 
analyfe durch Zuſatz einer Chlorverdbindung das Sil⸗ 
ber als unlösliches Chlorjilber und hat dieſes nun 
auszuwaſchen, ju trocnen, ju glühen und ju wagen. 
Mad) Der Titriermethode läßt man eine Chlornatrium: 
löſung vor bejtinuntem Gehalt aus einer Bürette zu 
der Silberldjung fließen und fperrt den Zufluß bei 
Dent erjten Tropfen, der feinen Niederſchlag von Chlor- 
filber mehr erzeugt, alfo in dem Yugenblid ab, wo das 
Silber volljtindig gefällt ijt. Man lieft dann von der 
Biirette ab, wieviel Chlornatriumldfung verbraudt 
ijt, und berechnet, wieviel Silber in Form von Chlor 
filber gefallt ijt. Durch geſchickte Benugung gewiſſer 
Reaftionen fann man nut derfelben Souns mebhrere 
Körper quantitativ bejtinmen. Bei der Maßanalyſe 
wird nicht immer ein Niederſchlag erzeugt, vielmebhr 
erlennt man in der Regel das Ende des Prozeſſes an 
einer Farbenveränderung, die gewöhnlich in der Flüſ⸗ 
figteit felbit Durch Andifatoren (Ladmus, Methyl- 
orange, ‘Ehenolphthalein 2.) hervorgebracht wird. 
Die Makanalyfe beſitzt den größten Wert wegen der 
Schnelligkeit ihrer Operation undijt unentbehrlich, wo 
es Darauf ankommt, durch zahlreiche Beſtimmungen 
den Gang eines Prozeſſes beſtändig gu kontrollieren. 
IGasanalyſe.J Volumetriſch werden auch die Be— 
ſtandteile eines Gasgemenges beſtimmt. Dieſe eu— 
diometriſche (gaſöometriſche, gasvolumetri— 
ſche) A. Eudiometrie, Gaſometrie) benutzt 
Abſorptionsmittel (Schwefelſäure, Kalihydrat, Pyro— 





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475 


—— in Kalilauge gelöſt, Kupferchlorür r.), 
ie gewiſſe Gaſe abſorbieren und in geregelter Folge 
in das in einer Maßröhre befindliche Gasgemenge ge 
bracht werden, fo daß cin Beſtandteil desſelben nad 
dem andern fortgenommen wird. Bei verbrennlicden 
Gasgemiſchen bringt man zu einem im Eudiometer- 
rohr iiber Quechſilber abgefperrten Volumen cin über⸗ 
ſchüſſiges Volumen von Sauerjtoff oder Waſſerſtoff 
(je nad) der Ratur des zu bejtimmenden Gajes), ent- 
jlindet dad Gemiſch mittels des eleftrijden Funkens, 
bejtimmt die Berbrennungsprodufte und beredynet 
aus den BVolumverinderungen die Quantität der ver- 
brannten Gaje. 

[Andre Methoden.] Bei der mifrodemifden 
A. von vegetabilijden und animalijden Subſtanzen, 
Mineralien und Gejteinen wendet man unter dem Mi— 
frojfop Reagenzien an, die gewijje Stoffe intenjiv 
färben, andre löſen oder fonjt veraindern. Auch in 
der vor dem Lötrohr erzeugten Borar- oder Phos- 
phorſalzperle können darin enthaltene Körper an der 
Rrijtalljorm erfannt werden. Die fleinjten Mrijtalle 
fonnen mit dem Mifroffop unterſchieden werden, und 
zur Winkelmejfung an denfelben benugt man ein 
Mifrogoniometer. 

Die zoochemiſche W., welche die chemiiden Be- 
ftandteile tieriſcher Materien erforfdt, bedient fic) neben 
dem Mifroffop aud) der Dialyfe, durch die nament- 
lid) friftallifierbare Körper von nicht frijtallijierbaren 
qetrennt werden, weil letztere oft den Verlauf von 
eaftionen bindern. 

In einem Gemiſch sweier ähnlicher Körper bejtimmt 
man die Menge eines jeden durch die indirekte A. 
Man führt beide Körper in dem Gemiſch in eine andre 
Verbindung über und berechnet aus der Quantitit 
der leptern die Menge eines jeden Körpers. Wan be- 
nutzt diefed Verfahren, wo die Trennung zweier Sub— 
ftanjen ſchwierig tit (3. B. zur Beſtimmung fleinerer 
Mengen von Brom- oder Jodverbindungen in Chlor- 
verbindungen), und erreidjt um fo größere Genauig- 
feit, je groper die Dijferens der Utonrgewidte der be- 
treffenden Körper ijt. 

Sur ſchnellen Gehaltsbejtimmung von Gemifden, 
die ausſchließlich aus zwei Ahnliden, analytiſch ſchwer 
voneinander gu ſcheidenden Salzen (Chlorfalium und 
Brom: oder a obtatium, Kalium- und Rubidiumjul: 
fat) bejtehen, bejtinunt man die elektrolytiſche Leit— 
fähigleit einprosentiger Löſungen, da die Widerjtiinde 
der Löſungen annibernd proportional den Moleku— 
largewidhten der gelöſten Salze find. Sur Ausfüh— 
rung Ddiefer Beſtimmungen dient ein Upparat, bei 
dem ein Telephon als Indikator benugt wird (Te— 
lephonanalyfe). . 

Die denſimetriſche A. berechnet aus dem ſpezi— 
fiſchen Gewicht von Flüſſigleiten den Gebalt der lep- 
tern an einem bejtimmten Körper, wobei vorausgefept 
wird, daß fein andrer Körper in der Löſung vorhan— 
den ijt. Sie findet befonders Unwendung in der Ted 
nif und benugt häufig Aräometer, die unmittelbar 
den Gehalt an der geloͤſten Subſtanz angeben (Allko—⸗ 
holometer, Gacdartmeter, Laugenmeffer ꝛc.). Auch 
auf fejte Körper ijt die denſimetriſche YW. anwendbar, 
da man 4. B. aus dem fpegififden Gewidte der Rar- 
toffeln auf deren Stärkemehlgehalt ſchließen fann. 

Die folorimetrifde A. beſtimmt den Gebalt ge 
wiſſer Lifungen aus der Intenſität ihrer Färbung. 
Sie vergleicht die gu unterfudende Löſung mit einer 
Normatldfung von befanntem Gehalt, indent fie die 
Dicte der Schicht fo lange veriindert, bid gleide In⸗ 
tenſität erzielt ijt, oder indem fie die Probeflüſſigkeit 


476 


Analyfe, gerichtliche — Wnalyfis. 


verdiinnt, bid gleid) dide Schichten von ihr und der | 1902); Hoppe-Seyler, Handbuch der phyſiologi⸗ 


Rormalldfung gleide Intenfitat zeigen. Man benugt 
die folorimetrifdye A. zur Beſtimmung von Vetallen, 
gur Unterſuchung von Farbjtoffen und von Sirupen 
und Säften in der Sucerjabrifation; eine ganze Reihe 
von Methoden ſtützt fid) auf die Bejtinrmung der brau- 
nen Farbe, mit der Jod in Qodfalium fich Loft. Wile 
Realtionen, bei denen das Yod in einer Qodfalium- 
löſung 3. T. frei gemacht wird, firnen fo quantitativ 
verfolgt werden. Sur Unterfdeidung gefarbter Sub- 
flanjen fonnen gefärbte Gläſer benugt werden, 
hinter Denen die verſchiedenen Subſtanzen charalteri— 
ſtiſche Veränderungen ihrer Farben jeigen. Hinter 
cinent bejtimmten Glas erſcheint Chromgriin braun: 
rötlich, es zeigt aber cine andre Nuance, wenn es mit 


andern Farbitoffen gemiſcht ijt. Auf optiſchem Weg | 


ijt aud) der Fettgehalt der Wild) bejtimmobar. 
Das Bolarifationsvermdgen von Flüſſigkei⸗ 


ten ermittelt man befonders jur Beſtimmung des | 


Bucergehalts der Rüben, des Rohzuckers x. Dan 
fann aber aud) optijd) inaftive Körper polarimetriſch 


fdjen und a are chemiſchen A. (6., mit Thier: 
felder bearbeitete Aufl., Berl. 1893). 

IL. Quantitative W.: Frefenius, Unleitung zur 
quantitativen demifden A. (6. Aufl., Braunſchw. 
1878—87, 2 Bde., 3. Ubdrud 1900); Fried heim, 
Leitfaden fiir die quantitative dhemifde A. (5. Aufl. 
von Rammelsbergs »Leitfaden«, Berl. 1897); Rofe, 
Uusfiihrlides Handbud) der analytifden Chemie 
(6. Aufl., Leip. 1867 —71, 2 Bde.); Mutenrieth, 
Huantitative U. (Freiburg 1899); Jannafd, Prat- 
tiſcher Leitfaden Der Gewidtsanalyie (Leip;. 1897); 
Claſſen, Quantitative A. durd Elektrolyſe (4. Mui, 
Berl. 1897); Krüß, Spesielle Methoden der YL, Yn- 
leitung zur — phyſilaliſcher Methoden (2. 
Aufl. Hamb. 1893); Bunſen, Gaſometriſche Me— 


thoden (2. Aufl. Braunſchw. 1877); Winkler, Ted- 


beſtimmen, da das Rotationsvermögen gewiſſer op⸗ 


tify altiver Körper ſich oft bedeulend dndert, wenn 
ein inaltiver Körper zugeſetzt wird. Die Polariſation 


niſche Gasanalyſe (2. Aufl., Freiberg 1892). Maß— 
analyſe: Mohr, Lehrbuch der chemiſchen Titrier 
methode (7. Aufl. von, Claſſen, Braunſchw. 1896); 
Winkler, Praktiſche Ubungen in der Maßanalyſe 
(2. Aufl., Freiberg 1898); Kühling, Lehrbuch der 


Waßanalyſe (Stuttg. 1900); Behrens, Anteitung 


des weinfauren Kalis wird 3. B. durd Chlornatrium | 


herabgeſetzt, durch Chlorkalium erhöht, und hierauf 
läßt ſich eine Methode zur A. eines Gemenges beider 
Salze gründen. Auch das Lichtbrechungsver— 
mod \ en von Löſungen oder Miſchungen gejtattet einen 
Schluß auf deren quantitative Zuſammenſetzung. Be— 
fonders hat man Refraftometer zur Unterjudung 
von Fetten angewendet. 

Für techniſche Zwecke bisweilen recht brauchbar iſt 
die thermometriſche YL, bet Der man den bei einer 
bejtimmten Reaftion und unter beſtimmten Berhalt- 
niſſen ————— meßbaren Wärmeeffelt zu 
quantitativen Beſtimmungen verwertet. Erniedrigen 
zwei Salze bet ihrer Löſung in Waſſer die Temperatur 
in ungleichem Maße, fo fann die Zuſammenſetzung 
eines Gemifches Der Salze ermittelt werden, wenn 
man die von demſelben hervorgebracte Temperatur- 
erniedriqung mift. — Als felbjtandiger Sweig der 
chemiſchen W. hat ſich die Speftralanalyfe ausge 


jucht, fondern aud) die Speftra von Lichtitrahlen, die 
durch cine nicht zu dicke Schidht Der Löſung des zu unter: 
ſuchenden Stoffes gegangen ſind; val. Speltralanalyſe. 
ISiteratur. J 1. im allgemeinen und qualita 
tive A.: Oſtwald, Die wiſſenſchaftlichen Grund- 
lagen der analytiſchen Chemie (2. Uufl., Leipz. 1897); 
Friedheim, Einführung in das Studium der quali— 


sLeitjaden fiir Die qualitative chemiſche A.«, Berl. 
1902); Settnow, Unteitung zur qualitativen demi 
jen A. ohne Anwendung von Schwefelwaſſerſtoff 


(daſ. 1867); Wartha, Dre qualitative chemiſche A. 
mit Unwendung der Bunfenfden Flammenreaftionen | 


(Siirid) 1867); Will, Anleitung zur chemiſchen A. 
(12. Mufl., Leipz. 1883); Derfelbe, Tafeln zur qua- 
litativen chemiſchen A. (12. Aufl., daf. 1883); Fre— 
fentus, Anleitung jur qualitativen chemifden A. 
(16. Aufl. Braunfdw. 1895); Rüdorff, Unteitung 
sur chemiſchen A. fiir Unfanger( 10. Aufl. Berl. 1901); 
Dlafiwesg, Anleitung zur qualitativen A. (12. Aufl., 
Wien 1899); Beilſtein, Anleitung zur qualitativen 
A. (8. Aufl., Leipz. 1898); Claſſen, Handbuch der 
analyti{den Chemie. 1. Teil: Qualitative A. (5. Aufl., 
Stuttg. 1896); Böttger, Grundriß der qualitativen 
VL vont Standtpuntt der Lehre von den Jonen (Leips. 





jur mikrochemiſchen A. (2. YWufl., Hamb. 1899) und 
zur mifrodemifden A. der widtigiten organifden 
Serbindungen (daf. 1895jf.); Huyffe, Utlas jum 
Webraud) bei der mikrochemiſchen A. (Leiden 1900). 
IIL. Chemifd-technifche U.: Bolley, Handbuch der 
techniſch⸗· chemiſchen Unterſuchungen (6. Aufl., Leips. 
1888); Poſt, Die chemiſch-techniſche UW. (2. Aull, 
BVraunjdw.1888—90, 2 Bde.); Bodmann-Lunge, 
Chemtfch-tednijche Unterfuchungsmethoden (4. Wut, 
Berl. 1899 — 1900, 3 Bde.); Konig, Unterfjuchung 
landiwirtidaftlid) und gewerblich widtiger Stoffe 
(2. Aufl., daf. 1898); Whrens, Anleitung zur de> 
miſch⸗ techniſchen A. (Stuttg. 1901); »Rettichrift fiir 
analytijde Chemie«, herausgegeben von Frejentus 
(Wiesbad., feit 1864). 
Unalyfe, gerichtlice, ſ. Geridtlide Analyſe 
Analyje, harmonijde, ſ. Ebbe und Flut. 
Analyfieren (qriccd.), cine Unalyfe maden. 
Analyfis (qried.), cin Verfahren der Geometric 


) m VI (geometrifde U.), dejfen Erfindung Blaton juge- 
bildet, Die nicht nur die Speftra von Flammen unter: 


ſchrieben wird und das Den Gegenfas zur Syntheſis 
bildet. Während dieſe von dem Gegebenen und Be— 
fannten ausgebt und daraus das Unbefannte und 
Geſuchte gujammenfest, ninunt die A. das Geſuchte 
als geqeben an, zergliedert es und unterfudt die Be 
dingungen, unter Denen es bejtehen fann, bis alle 
feine Beziehungen zu dem Belannten ermittelt find, 


; J worauf dann die Syntheſis den umgelehrten Weg 
tativen chemiſchen A. (K. Aufl. von Ranmmelsbergs | 


gehen fann. Unter A. verſteht man ferner die ganze 
athematif mit Ausſchluß der reinen Geometric. Sn 
dieſem Sinne zerfällt fie in die niedere, Die man aud 
als A. Der endlichen Größen bezeichnet, und in die 
höhere, Die A. Des Unendlichen; jene benugt mur ele 
mentare Hilfsmiittel, Diefe beruht auf der Differen- 
tiale und Integralrechnung (j.d.). Unter dem Namen 
algebraifde A. fakt man gewiſſe elementare Ge— 
biete zuſammen, deren Studium eine Borbereitung 
auf Differential und Integralrechnung bietet. Bgl. 
Euler, Introductio in analysin infinitorum (Lauf. 
1748; deutſch von Majer, Beri. 1884), Caudy, Coars 
d'analyse (Bar. 1821; deutſch von Hugler: »Lehrbud 
der algebraijden A.«, Königsb. 1828); Slo mild, 
Handbud) der algebraifden VL. (6. Mufl., Jena 1889); 
Derjelbe, Rompendium der höhern A. (Bd. 1, 5. Muil., 
Braunfdw. 1881; Bd. 2, 4. Mufl. 1895); Bier: 
mann, Elemente der Wathematif (Leipz. 1895). 


Analytik — nam. 


AnalHtiF (qriec.), die Theorie der Analyſe (f. d.). 
Unbejtimmte A. veralteter Uusdrud fiir die Lehre 
von den Diophantifden Gleidungen (ſ. Rablentheorie). 

AnalHhtifdy (griec.), auflifend, zerlegend; in die 
mathematiſche oder die chemiſche Analyſe einſchlagend. 
Beſonders heißt a. (nad Rant) ein Urteil, dad ſich 
durch bloße Analyſe eines Begriffes (des Gubjefts- 
begriffes) ergibt und ſomit von dem Gegenſtande nur 
etwas ausſagt, was ſchon im Begriff desſelben mit- 
gedacht war; z. B.: jeder Körper iſt — Es 
erhellt daraus, daß durch analytifde Urteile unſer 
Wiſſen nie erweitert, ſondern nur der Inhalt unſrer 
Begriffe verdeutlicht wird. Im Gegenſatz dazu heißen 
diejenigen Urteile ſynthetiſche, in denen mit einem 
804 eine neue (nod nicht in ihm liegende) Bejtim- 
mung verbunden wird; 3. B.: jeder Körper läßt fid 
aufantmendriiden. Alle Gage, die cine neue Wahrheit 
ausfpredjen, find alfo fynthetijd. Da jedoch der In— 
halt der meijten Begriffe fein cin fiir allemal fejt- 
—— ſondern ein fließender iſt, fo kann dasſelbe 

Irteil für Den einen ein analytiſches, fiir den andern 
ein ſynthetiſches fein, je nad) der Summe der Mert- 
male, die fiir ben einen oder Den ander der Gub- 
jeftSbeqriff umfagt. — Neuere Spraden nennt man 
tin Gegenfage gu altern a. infofern, als fie oft fiir ein 
ein faches Wort mehrere fegen, alfo gleichſam eine Ein- 
Heit in ein Mehrfaches auflifen, 4. B. frangofifd j'ai 
été fiir lateiniſch fui, und dDement{predjend nennt man 
ältere Spradjen im Gegenfage ju neuern jynthe-| 
tiſch. Jn Wirklichkeit ijt jede Sprache in jedem Ent: | 
widelungsjtadium zugleich a. und ſynthetiſch. 

Analytifde Chemie, die Lehre von den zur Aus⸗ 
fiibrung chemiſcher Unalyfen angewandten Methoden. 

Angalytiſcher Unterricht, Unterricht, der nicht | 
fynthetifd (fj. Synthefe), d. h. vom Wilgemeinen 
jum Befondern, fondern ungefehrt vom Cinjelnen 
und Befondern zum UWllgemeinen, alfo vom Indivi— 
duum zur Art, Gattung ꝛc., vom einzelnen Falle gum 
4H 9 vom Sdriftterte zur Grannnatif rc. fortidreitet. 
S. Methode und Unjdauung(sunterridt). 

Analzim (v. griech. analkis, fraftlos, fdwad, 
weil durch Reiben nur ſchwach elektriſch), Mineral aus 
der Seolithqruppe, und gwar cin Natrium-Alumi— 
niumfilitat Na,Al,Si,0,,+2H,0, frijtallifiert reque 
lar, tritt oft in qrofen Kriſtallen, meiſt in Drujen, 
jeltener eingewachſen auf, ijt farblos oder weiß, qrau, 
rötlich bis fleiſchrot, glas- bis wachsglänzend, durd- 
ſichtig bis fait undurchſichtig, Härte 5,5, ſpez. Gew. 
2,1—2,8. A. findet ſich in Blaſenräumen der Baſalte, 
Phonolithe und Melaphyre, fo auf den Myflopen- 
inſeln, bei Auſſig, int Faffatal ꝛc., feltener auf Erz— 
lagerjtitten, wie bei Undreasberg und Wrendal. 

nam (Annam, »berubiqter Siiden«), cin unter 
franj. Broteftorat ftehendes Königreich in Hinter— 
indien (f. Karte ⸗Franzöſiſch Hinterindien⸗), zwiſchen 
17° 30‘—10° 30’ nördl. Br. und 106° 30¢— 109° oſtl. 
L., imO. vom Chinefiiden Meer, im R. von Tonagfting, | 
im BW. von Siam und Kambodſcha, im S. von Rotidin- 
dina begrenjt, mit 135,000 qkm und (1898) 6,394,250 | 
Einw., wovon 4000 Chinefen, 250 Europäer. 

Bodenbefdhaffenheit. Auf das ſchmale infel- 
reiche Riijtenland mit zerriſſenen, dod) hafenarmen 
Geſtaden folgt ein Terrafjenland, das in der die 
Grenze qeqen Siam bildenden Waſſerſcheide ju Gip- 
feln über 2000 m emporjteiqt. Die Flüſſe find unbe- 
Deutend, ausgenommen der jum Wefhong fliefende 
Donnai. Das Klima wird durd) die Meeresnähe qe- 
mäßigt, höchſte Temperatur Juni bis Auguſt 37°, 
niedrigite Dezember bis Januar 11°. Die Regenzeit 








altchineſiſche Tract. Drange ijt die Farbe des 


477 


dauert von November bis Upril, die Trockenzeit von 
Upril bis November. Die Produlte der Pflanzen— 
welt find die tropijder Lander (Reis, Baunuvolle, 
ae Gewürze, Ructer, mittelmapiger Tee, Seſam, 
affee, Rofosniifje); die Bergwälder enthalten alleriei 
Nutzhölzer, darunter das geſchätzte Aloeholz. Zur 
ſehr reichen Tierwelt gehoren: Tiger, Elefanlen, 
Rhinozeroſſe, Büffel, die gezähmt zum Beſtellen der 
Felder verwendet werden, zahlreiche Affen, Hirſche, 
Wildſchweine, Pfauen, hyp is ei Sehr ftarf wird 
der Fang der Fiſche und Krofodile (wegen ihres be- 
jonders geſchätzten Schwanzes) betrieben. Haustiere 
ſind kleine Pferde und Rinder, Ziegen, Schafe, bejon- 
ders aber das chineſiſche Schwein. Der Mineral— 
reichtum (Gold, Silber, Kupfer, Zink, Eiſen, Kohle) 
iſt 5** doch bisher noch nicht ausgebeutet. 
ie Bewohner ſind Indochineſen und haben ſich 
nur noch im Gebizge rein erhalten, wo fie ziemlich 
unabbhangig leben. Diejfe Muong (Myong) genann- 
ten Bergbewobhner find hellfarbiger und fdjlanfer, aber 
fraftiger und mutiger als die Durd) Vermiſchung mit 
Chinejen beeinflugten Unamiten, die No der Bevat- 
ferung ausmachen. Sie find flein (1,6 m im Mittel), 
aber gut proportioniert, ſchmächtig, aber gewandt, mit 
breitem, glattem Gejidt, niedriger Stirn, platter Nafe, 
ſchrägen Augen und ſchwarzem, didtem Haupthaar, 
das ungefdoren bleibt und hinten aufgebunden wird. 
Die Hautfarbe ſchwankt zwiſchen Schmutzigweiß uno 
Sdofoladebraun. Die Backenknochen nb weniger 
vorſtehend als bei den Chinejen. Die Kleidung ijt die 
donigs, 
die Flagge aber weiß. Kopfbedeckung ijt ein blauer 
oder ſchwarzer Turban, bei Yrmern ein großer gefir- 
nifter Strohhut. Die Wohnhäuſer ftehen in der Rie- 
derung auf Pfählen. Die anamitiſche Sprache ijt ein⸗ 
ſilbig, iſolierend mit ſechs Tonalzenten verſehen (ſ. Iſo— 
lierende Sprachen) und gehört gu der mon -anamiti- 
iden Spradfamilie, ijt aber fo ftarf mit chineſiſchen 
Lehnwörtern durchſetzt, dak fie fait den Eindruck cines 
altertiimliden chineſiſchen Dialefts macht. Gramma— 
tilen von Aubaret (Rar. 1867, mit Volabular), Di- 
quet (2. Wufl., daſ. 1897), Dirr (Wien 1894); Wor- 
terbiider von Pigneaux-Taberd (»Dictionarium 
anamitico-latinum<, 1838; neu bearbeitet von Theu- 
rel, 1877), Ravier (lateinifd-anamit., 1880), Bonet 
(anamitijd<frany., Bar. 1899—1900, 2 Bde.). Die 
anamitiſche Schrift ijt eine aus der chineſiſchen ab- 
qeleitete Wortidrift. Die Literatur ijt allein die 
chineſiſche. Elementarfenntniffe, Lefen und Sdyreiben 
(mit chineſiſchen Schriftzügen) find im Bolfe ziemlich 
allgemein. Das BVolfijt heiter, ſchwatzhaft, mißtrauiſch, 
furchtſam, citel, Durd den langen Defpotismus ver- 
Dorben. Muſik und Theater find fehr beliebt und ha- 
ben cine gewiſſe Ausbildung erreidht. Die Religion 
der großen Maſſe ijt cin Kultus von Schutzgeiſtern, 
die Mebildeten find meiſt Anhänger des Rungfutfe, die 
iibrigen laue Buddhijten. Die fatholifden Chrijten, 
vermifdte Abkömmlinge der 1624 aus Macao und 
Japan (nad) dem Chrijtenmord) etngewanderten und 


der aus Walaffa vertriebenen Portugicfen, zahlen 


420,000 Köpfe unter ſechs Biſchöfen. 
Erwerbszweige. gta gies ijt Acker⸗ 

bau, insbef. Reisbau, dann Zimt- und Vaumwwoll- 

fultur. Olpflanzen werden in vielen Urten gebaut, 


aud) Naffees und Teebau gewinnen an Bedeutung. 


Unter den Haustieren ſtehen als Zug- und Lafttiere 
Büffel und Zeburinder obenan. Fiſcherei beſchäftigt 
einen großen Teil der Küſtenbevöllerung. Da die 
Unamiten ausgeſprochene Ackerbauer find, fo fallt das 


478 Anam Etatiſtiſches, Gejhidte). 


. =a: : Gefdichtliges.) Tongting und Rotidindina wur- 
a ecanci cusuace Ga ts — ae | — 214 v. Chr. * bent chineſiſchen Kaiſer Sai 
sigh sega ecstasy — Huang-ti erobert und mit dinefiiden Kolonijten be- 
i chen in Cite aber —— —* weit nach. Der ſetzt. Bon Indien fam über Ceylon gag need 
en ee 1899: | ing ’ 263 n. Chr. emporte ſich ciner 
Cine 47, ate 557401 Feat. | Groen ix tna ud eee 
Einfuhr 4, ' : is on stot Chek: UW. war 222—618 n. Chr. 
D/ ein eignes Reich; auch * —* 
eſührt werden vornehmlich Baumwollengarn un — von China, bis deffen frlftige 
Topferwaren , Zundholzchen aus ee 536 riinbete y in W. eine felbitandige Dp. 
Sebe Juder, Mretantfe Haute Gals, Seivengeche, najtie, die bis 1225 beftand; Zongting ae —* 
Seide, Zucker, rae dag : China (damals Kaijer Hfiao Tiung) los. Drei 
Baumwolle, Tee, Zimt, Tiere, Rotang, Cunao. Dem | von 280 —87) bes WMonaolentatiers Kublai 
- 58* — d Feldzüge (1280 — 87) ongolent ame 
Fremdhandel find die Hajen OQuin-nhoa, Turan un : 1 fiir Tongfing günſtigen 
— St fo Nee Sa |e Goo uN ans a Ee, 
135,000 Ton. und fib , i : ; it 1368 ſtark bedrobten Unab- 
those den mit Erringung der feit 1368 jta x 2 peta 
legraphentinien, insgejamt 1534 km, —— hangigten Unams von China (Kaiier Hiian Tiung 
Hue mit Thuanan und Turan und find bis jum * angig iefe3 feine nominelle Cherberch 
thong fortgefiibrt worden. Ein Kabel —— nad — —— * of 18. Jahrh. herridte die vor 
Gur ned) Tucan i (bis Bing 822 km) im Bau. Gine | Se-Bo begrlindete Dynattie Le me tar are —— 
ue nad) Turani ; Sagar i iejen ind Land; ſpäter , 
Dbgieih Wold und Silber te i aye — find, iar bie Solinber eine — —————— F der 
Tatts PaO jtadt Hanoi, wahrend eime 
see Sa a ea eta | ae ee ge 
und altern ſpaniſchen Bia ijation der Inſel Pulo Condore raſch ſcheiterte 
Gewidhted an Edelmetall. Auf fachen rechtedigen | nifatio it 1545 unter der Herefchaft der 
seit bes icptern: bob Soma cber SeGl Basen g- bu: | Gembencesfeontii Urigne CUng) awk — * — 
heit des letztern ee ae sea chat 1600 einheimifde Unter- 
Sats wom ci 1 Sa, os Scene fat | om 1000 dabei ae 
— ——— fer uno Met —— —* —* baters der gegenwartigen Herrſcher von U.; fie refi- 
talls, friiher Kupfer un } "em Dimes : im Hue, gewannen aber in der eriten Hälfte 
auf */s des Gewidhtes verjdledterten aus Zinf; ihrer —— in Hue, & —— Regiment Aber 
60 werden auf cine Schnur (Mot-tien) gereiht, und | des 17. Jahrb. a — 2:-‘Teeaale ta 
10 Schnüre madjen cin Kwan von cas Wie in ha — 1765 durd) — 
Wert; 1 Scud hat 10 Swan. Der Piaf 100 Gen- | der drei Briider Tayy- Son vertrieberr, fetste tich aut 
— ee eee “Mare umd | der Inſe Roucuog feft und ſchioh 18. Nov. 1787 gu 
Gewidyte: 1 Lteot ber Raufleute = 63.8 cm ee |Beriailes en Sug: und Trugbindnis mit Grant 
ewidte: uof de — een. BS : i en Ubtretung der Halbinjel Turon 
Getreide dient das drtlid) verſchiedene Hav; 1 Schita | reid), das —— barten Heinen Sniein 20 Schifie, 
von 2 Hao = 56 Liter. 1 Ta = 100 Kahn von 16 | und zweier ; : I Sri sbebarf xc. 3u- 
— 5 Regimenter, Mill. ſpan. Tir. Kriegs | 
Siiong = 6248 kg, 5 Ta = 1 Swan. iſchof Vigneur de Behaine vor 
sierungefoces | Stam ale Bevollmddiigtee Cudwige NVL weit einen 
able be ate —3— —— — franzöſiſchen Geſchwader in Kotſchinchina an —5 — 
ardie, erlennt jet Pete tg — sep i 792 — 99) feinem Schütz ⸗ 
; =| half im Thronfolgefrieg (179% 4 ’ 
Franfreids an, welches das Königreich in allen aus-| ha Si iefer ließ fic) darauf als Raifer 
— ——— ve — oun Sheer ih tan vor VW. ans. 
uta Weenita coe en aolle, Bike tlie rufen —2 1802 Tongling und Kotſchinchina 
jofiider Beamten, ausgenommen Zölle, —— e — UW. und (arb 1890. ter: feimem Nadhfoiger 
—— me Be * — —————— Migne Megne (Minhmang) und dejjen Sobne Thie- 
arenes. dint eda sietag rasta it 1841) wurden 1833, 1838 und 1843 die 
oder Ingenieure erfordern. Ein franzöſiſcher General | utri (fei Lat, deren Gemteinden jid feit 1610 immer 
refident mit Beamten und militäriſcher VBededung re- | Chrijten — on batten. Cine im Upril 1847 vor 
fidiert in der Hauptſtadt Hue, deffen Hafen Thuanan | mehr — frangoſiſche Flotte unter Lapierre 
cine dauernde milttdrifde Beſatzung erhilt. Dem | Turon erſch {dung der Undersqliubigen, worauf 
Poni i abe —* —— AA aber ho — anamitiive Blots vernidhtel warbe; aber —* 
chlüſſe von einer Kommiſſion — 
— dem Abzug der Franzoſen ord 
eS ee re den Thron gelangte Tiidite (aud) Tuduc; »tugend- 
Verwaltung führt ein Hat der Zenforen. Das Reid) | Dent 9 ite) 1848 — 
ijt in 6 Brovingen —— — at * * Faced —ni —————— —— 
Departements) und dieſe wie —~ & su (2 one, ; ter Velicur de Biller 
a , , 856 erjtiirmten die Franzoſen un : 
iteitte) zerfällt. Die Rechtspflege wird willfiirlid | | der Wandarinen, ent 
— se the cle, we che 
von Dorfridtern, in den höhern e * ms . Sept. 1858 er- 
er Huen a Au. Die Finangen befinden fic) in 5 gonen aber witcher 0. Sim 1. cept 


S ie Ei i iſch⸗ franzöſiſches Geſchwader unter 
Stande. Die Einnahmen fließen aus oberte em ſpaniſch-franz dye 
—— — Bollen, Schiffahrtsabgaben, Rigault de Genouilly hr = —— *8 J 
Fiſchereien, Wäldern. Die yoni eg tnt — ae rips sar —— * se —— 
fiinf Jahre zugleich mit den Liſten fiir Militär- und Endlich ait peg enbgattag 16 * 
a tenj - Das in A. ftehende einheimiſche von Saigon oder Hue (5. Ir B62; endgiilt 
—— — Pletal fish eng 





Anamalai — Anämie. 


nebjt Bienboa und Mytho an Frantreid) abgetreten 
wurden. Dieje wurden 1867 als »Cochinchine fran- 
caise« nad franzöſiſchem Muſter organijiert. 

Da der Mefhong als Vertehrsader nad) dem In— 
nern Ded Hftliden Hinterindien gu unbequem war, rid 
teten die Franzoſen ihre Blide nad) der Nordproving 
Unams, nad Tongking. Der unternehmende Fran- 
jofe Dupuis fuhr1870 den Songfa hinauf bis Diinnan; 
dod) hielt Franfreid) der Krieg mit Deutſchland da- 
mals ab, Dupuis jul unterjtiigen. Erſt 1873 feqelte 
Dupuis mit 100 Söldnern und 100 franzöſiſchen 


Soldaten unter Ceutnant Garnier den Songla hinauf | 
und nahm die Befejtiqungen von Hanoi. Daraut 


famen 15. März 1874 cin Bertrag mit U., das drei 
weitere Häfen öffnete, und 31. Aug. ein Handelsver- 


trag (ratifijiert 26. Aug. 1875) zwiſchen Frankreich 


und A. zu ſtande, wonach den Franzoſen das Recht 
zuerlannt wurde, das Agency nt des Songta 


in ihre Gewalt ju bringen und von Piraten ju ſäubern. 


Im März 1882 bemadtigte fic) Major Riviere der 
Ritadelle Hanvis, wurde aber von den Gelben und 
Schwarzen Flaggen (Rejten der hinefifden Taiping: 
rebellen) eingefdloffen und 19. Mai 1883 überwältigt. 
pit bes jtarb Tiidiic (20. Juli 1883). Dom folgte 
fein Neffe Diicdiic unter dem Namen Phüdak; er wurde 
aber auf Betrieb der fatholifden Biſchöfe jdon nad 
zwei Tagen vom Triendinh (Hof der Zenforen) ab- 
geſetzt und durch den franjofenfreundliden Hiephoa 
(»Eintradt und Friede<) erſetzt. Nun zerſtörte Ad— 


miral Courbet die Uferforts von Hué; und 21. Aug. 


crfannte A. die Schutzherrſchaft Frankreichs an, 
ſo daß Frankreich die Beziehungen der anamitiſchen 
Regierung zum Ausland (einſchließlich China) gu lei— 
ien hatte und in Tongling freie Hand belam. Hier 
wurden Sontai und Bac⸗Ninh erobert und der Beſitz 
des Songla⸗Deltas geſichert. Weiteres ſ. Tongking. 
Der Nachfolger Hiephoas, der ſich 28. Nov. 1883 
vergiften mußte, fein 15jähriger Neffe Kienphüc, blieb 
dent Vertrag treu; fiir Ausſchreitungen gegen chriſt⸗ 
liche Anamiten mußte ein Prinz mit dem to 
Wud) Kienphüc wurde 1. Aug. 1884 befeitigt. Ihm 
folgten 1885 Donec Ranh und 1889 Thanh-thai. Die 
Bitadelle der Hauptitadt wurde den Frangofen fiir 
immer eingerdumt. Der wirtidaftlid) erfolgreichſte 
Generalgouverneur war Doumer (1897-— 1902). 
Bgl. Bajtian, Die Völler des Hftlidjen Wien, 
Bd. 1 (Leip3. 1866); Bouillevaury, L’Annam et 
le Cambodge (Bar. 1875); Luro, Le pays d’Annam 
(2. Aufl., daj. 1898); Dutrenuil de Rhins, Le 
royaume d’Annam (2. Aufl., daj. 1889); Devéria, 
Histoire des relations de laChine avec Annam ſdaſ. 
1880); Lemire, Cochinchine francaise (7. Aufl., 
daf. 1887); Launay, Histoire ancienne et moderne 
d’Annam (daſ. 1884); Bouinais und Paulus, Le 
royaume d’Annam (2. Wufl., daj. 1886); Silvejtre, 
L’empire d’Annam et le peuple annamite (Daj. 1889) ; 
Laneffan, L'Indochine francaise (daf. 1888); Der- 
jelbe, La colonisation francaise en Indo-Chine (daſ. 
1895); Landes, Contes et légendes annamites 
(Saigon 1886); Dumoutier, Les chants et les 
traditions populaires des Annamites (ar. 1890); 
Baille, Souvenirs d'Annam (daj. 1890); Sdrei- 
ner, Abrégé de l'histoire d'Annam (Gaigon 1900); 
Derjelbe, Les institutions annamites (daj. 1900, 
2 Boe.); E. Schmidt im 2 Bande von Helmolts 
»Weltgeſchichte« (Leipz. 1902); Unbaret, Codeanna- 
mite (Bar. 1865, 2 Bde.); Sombſthay, Cours de 
législation et d'administration annamites (daj.1898) 
u. das » Journal officiel de VIndo-Chine frangaise«. 


¢ biter. | 











479 


Anamalai (Unnamally, »E€lefantenberge<), 
ijoliertes, ju Den Weſtghats gerechnetes Bergland int 
Dijtrift Roimbator des britijd-indifden Tributär— 
jtaats Travanfor, 80 km lang, 50 km breit, in eins 
zelnen Spigen bid über 2000 m hod. CEs ijt am Fup 
von dichten, höchſt ungefunden Dſchangeln befleidet, 
in den höhern Lagen aber fehr gefund mit prächtigem 
Pflanzenwuchs (Tielbäume, Angwer, Nardamomen, 
Pfeffer, Saffaparille). Ctefanten, Biijfel, Tiger und 
andre wilde Tiere find zahlreich; die wenigen menſch— 
lidjen Bewohner gehiren gum Stamm der Toda. 
UAnamartefie (qricd.), Siindlojigteit. 
AUnamba, Gruppe Eleiner, mäßighoher Wald- 
inſeln zwiſchen Borneo und Malaffa (jf. Rarte »Hinter- 
indien«), Beſitz de3 Radſcha von Lingga, der nieders 
ländiſchen Reſidentſchaft Riau mit Zubehör unter- 
jtellt, 673 qkm mit 8200 Cinw. (nohammedaniſche 
Malaien). Die bedeutendjte Inſel ijt Siantan mit 
Dent Hafen Clermont -Tonnerre. 
Anamefit, cin Baſaltgeſtein, ſ. Basalte. 
Anamie (qried).), > Blutlojigtcit «, im gewöhnlichen 
Sinn Blutarmut (Oligdmie), ein voriibergehender 
oder Dauernder Zujtand von franfhaft vermindertent 
Blutgehalt eingelner Organe oder des ganzen Körpers. 
Erjt wenn der Blutmangel fo auffallend iſt, daß man 
ihn fofort wahrnimmt, pflegt man von A. ju fpre- 
den. Die allgemeine A. teilt man cin in primäre und 
jefunddre; gu der ſekundären gebirt die A. nad 
mangelhafter Nahrungs- und Luftzufubr, bei Frauen 
nad langem Stillen der Kinder, nach Blutverlujten 
und bei fonfumierenden Rranfheiten jeder Art, na- 
mentlich pfleqen Rierenfranfe und Krebskranke öfter 
jtarf anämiſch ju fein. Der Blutbefund zeigt cine 
gleichmäßige Ubnahme des Hamoglobingehalts und 
der Zahl der roten Blutforperden, nur nad Blutun- 
gen fann Derjelbe Dem bei Bleichſucht gleich fein. Die 
eſchwerden find, foweit fie nicht durch das Grund- 
leiden verdectt werden, auf die mangelhafte Blutver- 
jorgung der Organe zurückzuführen, die wejentlid)- 
jten jind Mattigfeit, Schlaffheit im Denfen und Han- 
dein, Neigung gu Kopfſchmerz, Daniederliegen der 
Darmtätigkeit, Appetitloſigkeit, Ohrenſauſen, Schwin⸗ 
del, Flimmern vor den Augen, Kurzatmigkeit bei An— 
ſtrengungen, nervöſe Schwäche und Reizbarkeit. Die 
ehandlung hat ſich gegen das Grundleiden zu rich— 
ten, außerdem ijt fiir kräftige Ernährung, Beſſerung 
der hygieniſchen Verhältniſſe, Körperpflege, Vermei— 
—— liberanjtrenqung 2. zu ſorgen. Unter Um—⸗ 
ſtänden gibt der Arzt Chinin, Eiſenmittel ꝛe. Bu der 
primären U. rechnet man die eſſentielle (perni- 
gist) A. und bie Bleichſucht. Erſtere ijt cine ſchwere 
luterfranfung, die meiſt tödlich endigt. Der Blut- 
befund ergibt eine betraidtlide Verminderung der 
Zahl der roten Blutfirperden, auferdem pflegen die 
roten Blutforperden in der Form verändert ju fein, 
es finden fid) fehr große und fehr kleine, vielfad) aud) 
fernhaltige. Der Hamoglobingebalt des cinjelnen 
Körperchens ijt dagegen nidt vermindert. Die Kranfen 
flagen iiber Schwindel, Obrenjaujen, Kopfſchmerzen, 
Flimmern vor den Yugen, jie werden bet forperliden 
Unjtrengungen leicht hirzatmig, häufig find Blutun- 
gen in die Haut, in die Netzhaut, zu manden Fallen 
treten Störungen von feiten des Rückenmarks, fajt 
ebenfo wie bet Riicenmarfsidwindjuct, auf. Uber 
die Urjache der primären A. weiß man wenig. Jn 
einer Reibe von Fallen, die man neuerdings ju der 
ſekundären A. gu ftellen pflegt, wurde ein Cingeweide- 
wurm, da’ Anchylostomum duodenale (j. d.), als 
Erreger gefunden. Die Therapie bejteht in ſorgfälti— 


480 


Anamirta — Ananas. 


ger Ernährung, unterjtiigt durch Eiſen- und Arſen- Objeft und Bild (d. h. derjelben Scharfjtellung) auf- 


priiparate, in vergweifelten Fallen macht man aud) 
Bluttransfuſion. tiber Bleichſucht ſ. d. 

Anamirta Colebr., Gattung der Meniſpermazeen, 
gropblatterige Schlingſträucher im vorderindijden und 
malaiijden Gebiet, mit großen hangenden, jufam- 
mengejegten Trauben und geſtielten, nierenformigen 
—— A. Cocculus Wight et Arn. Fiſchlörner⸗ 
oder Rodelsfirneritraud), mit lederartigen Blat- 
tern, fleinen weißen Bliiten und beerenartigen roten 
Steinfriichten. Dieſe (Rodels-, Fifd-, Läuſe— 
firner, ſ. Tafel »Samenformens«, Fig. 8) find ge- 
trocknet fajt fugelig, von etwa 0,5—1em Durchmeſſer, 
Dunfel graubraun, runzelig, geſchmacklos, enthalten 
einen dligen Kern, der widerlid) bitter fdymedt und 
nartotiſch giftig wirtt. Ex enthalt Pilrotoxin und Fett, 
das Fruchtgehaͤuſe geſchmackloſes, nicht qiftiqes Meni- 
ſpermin. —* Kockelskörner lamen im 16. Jahrh. als 
Gallae orientales s. Baccae cotulae elephantinae 
nad) Deutſchland; fie dienen gegen Ungesiefer, in In— 
Dien jum Fiſch- und Bogelfang. Wirſt man fie ins 
Wafer, fo betiuben fie die Fiſche, Dak diefelben auf 
die Oberflade kommen und ſich leicht fangen laſſen. 
Strafbar ijt die Anwendung als Hopfenfurrogat. Das 
Fett Der Kerne dient in Jndien zu Kerzen; die Wurzel 
und Die bittern Stengel (Putra walli) als Fiebermittel. 

Anämiſch (qried.), an Anämie (7. d.) leidend, 
blutarm. Anämiſche Geräuſche, | Hergztine. 

Anamiten, Anamitifd, |. Anam. 

Anamnefe (qried)., »Erinnerung«), die Vorge- 
ſchichte einer Rranfheit, fie beridtet, ob cin Leiden an- 
qeboren oder erworben ijt; ob etwa cine Epidemie an 
dem Orte herridt, wo der Kranke verwweilt hat, ob die 
Rranfheit neu entitanden ijt, oder ob man es mit 
einem Riidjall zu tun bat; jie berichtet fiber viele 
Fragen, die Durch objeftive Unterſuchung nidt ent- 
ſchieden werden fonnen, und ijt fomit bei allen Krank— 
heiten unentbehrlich. Noch widtiger ijt cine qenaue 
A., wenn es fic) bei plötzlichen Todesfällen u. dal. um 
gerichtliche Feſtſtellung der Todesurſache handelt. 

Anamnejtif (qr.), Gedachtmstunit (ſ. Mnemonif). 

Anamnioten (Anamnier, griech.), die ohne 
Amnion fic) entwidelnden Wirbeltiere: Amphibien 
und Fiſche. 

Anamorphofe (qried., »Umgeftaltung<), eine 
nad optifden Geſetzen verjerrt gezeichnete Ubbildung 
eines Gegenjtandes, die unter bejtinunten Bedingun- 

en in ridtigen Verhältniſſen erſcheint. Die optifden 
Anamorphoſen bedingen einen beftinunten Stand- 
punft, von wo aus fie gefeben werden miijjen. Kat— 
optrifde Unamorphofen müſſen in sylindrifden, 
fonifden oder pyramidenfirinigen Spiegein betrachtet 
werden, um das wahre Bild ju zeigen, während fie, 
mit blofem Auge gefehen, als verjerrte Gejtalten er— 
ideinen. Dioptrifde Anamorphoſen zeigen, durch 
ein Volyeder (vieleckig geſchliffenes Glas) beſehen, 
regelmäßige Bilder oder ganz andre, als ohne ein 
ſolches Glas zu ſehen ſind. — Zeiß in Jena hat ein 
Linſenſyſtem (Anamorphoth konſtruiert, das tin 
Objekt jo abbildet, daß allen ſeinen Punkten ſcharfe 
Bildpunkte entſprechen, gleichzeitig aber die lineare 
Vergrößerung in zwei zueinander ſenkrechten Durch— 
meſſern der Bildebene verſchieden iſt. Die Verwendung 
des Anamorphot als photographiſches Objeltiv ermig 
licht die Herſtellung von Bildern, die in beliebigen Gren 
zen verzerrt find. Fig. Jzeigt das Originalmufter, Fig.2 
ſeine Verzerrung in die Breite und Fig. 3 feine Ber- 
jerrung in die Lange. Beide Verjerrungen find mit 
Dentfelben Cbjeftiv und dem gleiden Ubjtande von 





qenommen. Die Verfdiedenheit der Verzerrung ijt 
dadurch bewirkt, daß der Unamorphot gegen die : 
lung bei der erſten Auſnahme um 90° um feine opti 
ſche Achſe gedreht wurde. In jeder Swifchenjtellung 
erjeugt Das Objeftiv ein ſcharfes Bild, das mit zu 
nehmender Drehung numer andre Verjzerrungsformen 
annimmt (5. B. Fig. 4), bis —— von Fig.2 
in diejenige von Fig. 3 übergeht. Die durch dies 
ſtrument gegebene Möglichteit der Variation von 
Muſtern diirtte gewerblich ausnutzbar fein. — Yn der 
Botanif ijt A. oder riidjdreitende Metamor- 
phofe (Demmungsbildung) die Zurückbildung 
von Blattgebilden der Blüte m die nächſt miedrige 
Entwidelungsjtufe (des Blumenblattfreifes in einen 


1 2 


GB 


| | 


8 
— me 


1. Originalmufter. 2. Berjerrung 
bie Lange. 4. Berzerrung bei Mite 
Fig. 1—4. Anamorp bofen. 


telftellung des Objeftivs. 


Kelch, der Fruchtblatter in Staubgefäße, von Staub 
gefäßen in Blumenblatter, wodurd) die fogen. ge- 
Nillten Bliiten entitehen). Bei der Veriaubung (Rh yl- 
lodie) finfen Bititenteile auf die Ausbildungsſtuſe 
qriiner Laubblätter zurück. Nehmen alle Blatter einer 
Bliite an der Rückbildung teil, fo wird aus der 
Bliite cine Laubfofpe (Vergqriinung, Untholyfe, 
Ehloranthie). 

Anamoſa, Hauptitadt der Grafſchaft Jones im 
nordamerifan. Staate Nowa, am Wapfipinicon, Bahn⸗ 
freujungspuntt, mit Sudthaus und (1900) 2891 Gimp. 

Ananas Adans. (Unanas, in der Tupifprade 
in Brafilien Unaffa, Nanas), Gattung der Bro- 
meliazeen, Gewächſe nit ftarren, an den Rändern 
dornig gezahnten Blattern und mit Scheinfrudt, die 
durch Verwachſung dex Fruchtknoten mit der Achſe 
des Blütenſtandes und den Decblattern entſteht. mit 
einem Pinienzapfen Ahnlichkeit bejist und mit einen 
Blätterſchopf gekrönt ijt. 5 — 6 Arten im tropijden 
Amerita. A. sativus Lindl, (j. Tafel »RNabrungs- 
pilangen III «, Fig. 3), befonders in Weftindien und 
Wittelamerifa, ijt über alle Tropengeqenden verbreitet 
und wird in mehreren Barietiten auf den Bahama- 
und Wejtindifden Anfeln, in neueſter Zeit befonders 
auf den fleinen Inſeln von Florida (Keys) und in Flo 
rida im Freien, in Europa in Treibhäuſern gezogen. 
Durch die Nultur hat die Frudt an Geſchmack und 
Yironta gewonnen, iit ſamenlos und erreicdht cin Ge- 
widt von 3 --4 kg. Jn Weftindien bepflanzt man das 
Yr mit 65--80 Dugend Seplingen und gewinnt nad 
2 Jahren bei der erjten Ernte etwa 60, bei Der zwe— 
ten und Dritten 40 Dugend Friidte von 1,5— 1,75 kg. 
Jn Europa fultiviert man die A. feit 1830 in niedrigen 
Sewadshiujern. Die am Wurzelſtock im Spatiom- 
mer hervorfonrmenden Nebentriebe (Min Del) werden 
von der Mutterpflanze getrennt, in Lobe iiberwintert 
und im Frühjahr in lodere Erde gepflanzt. Im dritten, 
aud ſchon int zweiten Jahr erhalt man die Früchte 
Kräftige Diingung, ſorgfältige Regelung der Heigung 


Ananasither — Anaphi. 


und Feuchtigleit find Hauptbedinqungen der Kultur. 
Seitdem dic Frudt majjenhaft rig wird, ijt 
die Kultur ſehr jurtidgegangen. Die A. ſchmeckt fiip- 
fauerlid, ungemein fen aromatijd. Man genießt fie 
friſch in Scheiben geſchnitten und benugt fie aud gur 
Bereitung von Unanasbowle und ju Konfitüren. —* 
den Tropen gewinnt man aus dem Safte Wein und 
Branntwein; in Weſtindien gilt fie fiir nicht afflima- 
tifierte Frembde als gefährlich. Auch bet uns wirtt 
haufiger Genuß nadteilig. Ihr Saft enthalt ein fehr 
wirfjames Ferment (Bromelin), löſt Fleifd beid4O— 50° 
und verwandelt es in ein febr baltbares Bepton. Die 
Reger benugen den Unanasfaft gegen Diphtheritis. 
Die Blatter liefern den Unanashanf (jf. d.). Die erjte 
A. fam 1514 nad) Spanien; die erjte Beſchreibung 
und Ubbildung gab Hernandez de Oviedo in feiner 
»Raturgejdicte Indiens · 1535, Le Cour, ein bol- 
lãndiſcher Kaufmann, ergielte zuerſt 1650 in ſeinem 
Garten ju Drichod bei Leiden gute Früchte; in Bres- 
lau gewann Kaltſchmidt 1703 die erjte Frudt. Bal. 
Lebl, Die Ananaszucht (Berl. 1893). 

AUnanasather (Ananasölh), Frudtither vom 
Gerud) der Ananas, bejteht aus Butterſäureäthyl⸗ 
und ⸗Amyläther mit wenig Chloroform, Aldehyd 
und Glyzerin. uch cin aus Butterfeije durch Dejtil- 
lation mit Ulfohol und Schwefelſäure dargejtelltes 
Praiparat, das Wthylejter der Butterfiure, Kapron-, 
Kaprin⸗ und Kaprylſäure enthalt. Unanaseffens 
ijt eine Löſung von A. in Alkohol. W. wird in der Ron: 
ditorei und zur Bereitung von künſtlichem Rum benutzt. 

Ananasbatijt, ſ. Unanashanf. 

Ananasefiens, ſ. Ananasäther. 

Ananashauf (Ananasſeide), Faſer aus den 
Blättern der Ananas, wird unverſponnen zu Geweben 
verarbeitet, die ſehr ſtark durchſcheinend ſind (Ana— 
nasbatiſt, auf den Philippinen Pifias, malaiiſch 

Ananaskirſche, ſ. Physalis. Tagals). 

Ananaskrankheit, bei den Gartennellen durch 
das Stengelälchen (Tylenchus devastatrix Kiihne) 
hervorgebradjte Krankheit, bei der die Stengelglieder 
wie die Blatter furs bleiben und legtere zugleich did 
und fraus werden, fo dak cin ananasähnliches Ge- 
bilde entiteht. YW. des Zuckerrohrs auf Java wird 
durd) einen Pil; (Thielaviopsis) an den gum An— 
pflanzen bejtimmten Stedlingen hervorgerufen. 

Ananasöl, ſ. Unanasather. 

Ananias (griech. Form des hebräiſchen Namens 
Chananja, » Gott begnadigt ·), 1) Sohn des Nedebäos, 
Hoherprieſter 47—59 n. Chr., wurde von dem Statt- 
halter Syriens, Ummidius Quadratus, gebunden nad 
Rom gefendet, erhielt aber nad glücklicher Beendiqung 
jeines Prozeſſes vom Kaiſer Claudius dic Erlaubnis, 
in fein Baterland zurückzukehren, und verwaltete hier 
wieder da8 Hobhepriciteramt. Er leitete die Ratsver- 
jammiung, vor der fid) der Upoftel Paulus gu ver- 
antworten hatte. 59 ward UW. durd Ismael, Sohn 
de3 Phabi, als Hobherpriejter erjest, 66 beim Ausbruch 
des Krieges als Romerfreund von dent aufftandijden 
Volk erfdlagen. —- 2) Mitglied der chriffliden Ur— 
gemeinde gu Jeruſalem, der nad) Apoſtelgeſchichte 5 
vom Erlös feines gu qunjten der Bediirftigen ver- 








lauften Grundſtückes unterjdlug und dafiir mit feiner | 


Frau Sapphira plötzlichen Tod erlitt. - 
Damaskus, der nach Apoſtelgeſchichte den Saulus 
(Paulus) taufte. 


3) Chriſt in 


481 


Ananke (griech.), die Notwendigleit; als Berjoni- 
jitation der Schickſalsgöttin Wdrajtreia gleichgeſetzt. 
Anapa, Hafenjtadt in der ruffijd-taulaj. Proving 
Ruban, 45 km füdöſtlich der Kubanmiindung, mit 
offener Reede und (1897) 6676 Einw., meift Rujjen. — 
A. wurde 1781 durch franzöſiſche Ingenieure als tür— 
liſche Grenzfeſtung gegen die Ruſſen erbaut, von die— 
fen gwar unter Gudowitſch 22. Juni 1791 im Sturm 
genommen, aber im Frieden von Jaſſy 1792 guriid- 
egeben. Am 29. April 1807 abermals von den Ruſ⸗ 
* erobert, wurde es im Frieden von Bukareſt (1812) 
wieder guriidgegeben. Am 28. Juni 1828 gum drit- 
tenmal von den Ruſſen genommen, ward es im Fries 
den von YWdrianopel (1829) an dieſe abgetreten. Als 
der Krimkrieg ausbrad, wurde A. sum Hauptiwaffen- 
plat an der Raufafustiijte erhoben ; beim Eindringen 
der verbiindeten Flotten in das Aſowſche Meer aber 
wurden 1855 die Befeſtigungen als unbhaltbar von 
den Ruſſen felbjt zerſtört. 
Anapaft (qriec).), Versfuß, Grundform W 2, ne⸗ 
ben der aber aud) die rhythmiſch gleichwertigen For— 


men 4, se und vote unter gewiffen Bedingun- 


en zuläſſig find. Bewegter und energifder als der 
altylus, ijt der UW. vorzugsweiſe der Maridrbhyth- 
mus der Griedjen und wurde in Gejtalt der Tripodie 
oder des Profodiatos(cvs | w+ | Vu, aberaud 
vt |vvt| vo) in den Brozeffionsliedern (Proſo⸗ 
dien), als fataleftijche Tetrapodie oder Pari miafos 
(Lot |vot|cot|e) und ald fatalettifder Tetra- 
meter in Marſch- und Sdjladhtliedern (Embaterien 
oder Enoplien) dec Dorer verwendet. Dieſer letzte 
Vers wurde in die attifche Komödie hiniibergenonnnen, 
wo er nächſt dem iambifden Trimeter das häufigſte 
Metrum ijt und in Parodo3 und Parabaje fowie in 
Streitizenen gebraudt wird. Wegen feiner häufigen 
Verwendung bei Urijtophaned wird er der Urijtopha- 
nifde Bers qenannt. Eine der Tragödie und Komödie 
gemeinfame Verwendung des anapajtifden Metrums 
it bas Hyperntetron, die Verbindung einer beliebigen 
Anzahl von Tetrapodien, untermijdt mit Dipodien 
mit einem Baridmiafos als Sdlubvers, in der Tra- 
gödie die regelmäßige Form der Barodos. Die alt- 
römiſche Komödie verwendet Dimeter, Parömiakos, 
Tetrameter, Septenar und Oftonar. Den Septenar 
hat Platen nad) dem Borbilde des Uriftophanes fiir 
die Chorjtrophen feiner fatirifden Romddien, Brug in 
jeiner » Politijdhen Wodhenjtube« angewendet. Beiſpiel: 
Uber eines verleibjt du, o himmliſches Gold, | was wenige, 


bie bid) befigen, 
Hu befigen verſtehm, ju geniefen verftehn; | was ift bied Cine? 
bie Freiheit. (Platen.) 


Anaphalis DC., Gattung dev Nompofiten, aus⸗ 
Dauernde, graufilzige oder wollige Kräuter mit ziem⸗ 
lich fleinen, didjt oder locker ebenſträußig an den Zweig⸗ 
enden jtehenden Bliitenfdpfden. Gegen 30 Arten, 
meiſt im tropifden oder gemiafigten Aſien. A. mar- 
garitacea Benth. et Hook, fil. (Antennaria marg. 
Rafin., Bapierblume), mit weißfilzigem Stengel, 
unterjeits filzigen, lineal -langettliden Blattern und 
weigen Bliiten, wird als virginifde Immortelle 
zu Trodenbufetts verwendet. 

Anaͤpher, ſ. Unaphora. 

Andphi (das alte Anaphe), cine der ſüdlichen 
Ryfladen, 47 qkm mit ase) 643 Einw. und gleidy 
namigem Hauptort. Sdiefer, Syenit, Granit, Ser- 


Andnjew, Kreisſtadt im rujj. Gouv. Cherfon, hat | pentin, Ralf und Marmor ſetzen, neben- und iiberein- 


ein Gymnajium, bliihenden Weins und Objtbau (Apri⸗ 


fofen, Apfel zc.), Getreidehandel nad) Odefja und cise7) 
16,713 Einw. Die Stadt fam 1792 an Rufland. 
Meyers Rony.» Lerifon, 6. Mufl., 1. Bd. 





ander qelagert, A. zuſammen. Bleierze mit 39 —70 

Bro}. fei werden ausgebeutet. Auf der Südküſte lie 

gen die Ruinen eines Upollontempels. Nad) der Sage 
Bl 


482 


lie} Upollon die Ynfel durd einen in’ Meer abgeſchoſ⸗ 
fenen Pfeil entiteben, um Die zurückkehrenden Argo— 
nauten ju retten, die ihn bei Drohendem Schiffbruch 
um Hilfe angerufen batten. 

Andphora(qried, Un dpher,» Zuriidbringung:), 
in Der Rhetorif Die naddrudsvolle Wiederholung emes 
oder mehrerer Worte tm Anfang mehrerer aufeinan- 
ber folqender Sipe, 3. B. Körners » Vater, id) rufe 
bid, Bater, erhbre nnd! « 

Anaphrodijiafa, |. Antaphroditiſche Mittel. 

Anaphrodijie (Unaphroditismus, qried.), 
franfhafter Mangel des Gefdhledjtstriebes ; Verfiim- 
merung der Geſchlechtsteile. 

Anaphrodit, ſ. Aphrodit. 

Anaphijton (griech.), ſ. Individuum. 

Anaplaͤſtik (griech.), plaſtiſche Chirurgie. 

Andpo, Fluß in der ital. Proving Syrafus auf 
Sizilien, mündet in den Hafen von Syrakus. An 
feinen Ufern wächſt die Papyrusſtaude. 

Anapoklitiſche Prismen, ſ. Prisma. 

Anaptomorphus Homuncalus, foſſilerHalb⸗ 
ajje aus Dem Untereocän von Wyoming. 

Anaptychus, |. Unimoniten. 

Anaptyris , ſ. Svarabhatti. 

Anaradjdhapura, grofartige Ruinen der alten 
Hauptitadt Ceylons und des Heiligtums des buddhiſti⸗ 
ſchen Kultus. Schon 437 v. Chr. zur Reſidenz erhoben, 
wuds es maidtiq an, nachdem 308 v. Chr. die Heili- 

en Rejte Buddhas hierher qebradt worden waren. 

ud) nad Verlegung der Reſidenz bewahrte A. ſeine 
hohe Stellung als heilige Stadt, wurde aber Anfang 
deS 13. Jahrh. zerſtört und blieb ſeitdem verödet. 

Anarchie — Herrſchaftsloſigleit ·), der Zu⸗ 
ſtand der Geſellſchaft, in welchem die Staatsgewalt 
entweder aufgehoben oder in der Ausübung ihrer 
Machtbefugniſſe gelähmt iſt, wie dies z. B. wiederholt 
in Frankreich der Fall — Anarchiſch, geſetz— 
los, im Zuſtande der Geſetzes- und Herrſchaftsloſig⸗ 
feit befindlich. Anarchiſt, wer einen anarchiſchen 
Zuſtand anſtrebt; vgl. den folgenden Artikel. 

Anardismus (griech.), diejenige politiſche Theo- 
rie, welche Die Anarchie (ſ. d.), d. h. in dieſem Sinn die 
Beſeitigung jeder Herrſchaft eines Menſchen über einen 
andern, alſo einen Zuſtand ohne Rechtsordnung, ohne 
Uber> und Unterordnungsverhältnis, anſtrebt. An— 
archiſten, die Anhänger dieſer Theorie. Anſätze zum 
A. finden ſich ſchon im Altertum, im Mittelalter wie 
in Der neuern Zeit; folange es eine Rechtsphiloſophie 
gibt, fehlte es nicht an Denfern, weldhe die Notwen- 
Ddigfeit der Rechtsordnung tiberhaupt verneinten und 
in dem freiejten Walter des Cingelwillens die ver- 
nunftgemapeite Ordnung des menfdlicen Zuſam— 
menlebens erblicdten. Eine anardijtifde Lehre wurde 
im newer Seit gum erjtenmal von William Godwin 
in ſeinem Werfe »An enquiry concerning political 
justice and its influence on general virtue and hap- 
piness« (Lond. 1793) aufgejtellt. Einen nadbhaltigen 
Einfluß gewann indeſſen erſt diejenige —8 
Richtung, die ſich gegen die Mitte des 19. Jahrh. ent- 
wickelte. Begründet wurde dieſelbe durch Peter Joſeph 
Proudhon (jf. d.), der, ausgehend von der Betrachtung 








che | 


der ungleiden Miitervertetlung und der unbeilvollen | 
Abſatzkriſen, in feiner Schrift »Qu’est-ce que la pro- | 


priété?« (1840) die beftehende Rechtsordnung fiir 
dieſe Ubelſtände verantwortlid) macht; denn unter 


dem Swange des Cigentumsgefeges vollziehe fich | liche Verirrung, die mit dem oben erdrterten 


Anaphora — Anardismus, 


einen Teil der vom Vrbeiter geſchaffenen Gilter ein⸗ 
ernte (»Cigentum ijt Diebjtabl«). Dagegen wiirde 
nad) Anſicht Proudhons das freie Walten der wirt- 
ſchaftlichen Kräfte einen geredten, den wirflichen Wert- 
verhaltnijjen entipredjenden Giiteraustaujd bewirfen. 
Bon diejem Standpuntt aus jede Rechtsordnung, jede 
Obrigleit verwerfend, fordert Broudhon den Zuſtand 
der Serridaftalofigteit Den er jum erjtenmal mit 
dem Worte Anarchie bezeichnet und in fener Schrift 
»Idée générale de la Révolution am XIX. siécle« 
(1851) darjujtellen verjudt. Hiernad foll durch das 
ungebundene Walten der wirtſchaftlichen Rrafte die 
ungejtirte Drdnung der Giitererzeuqung und Giiter- 
verteilung hergeſtellt werden : freie Urbeitstettung und 
Arbeitsleiſtung der teils einzeln fiir fic, teils in 

pen, ausfdlienlid) nad dem ihnen innewohnenden 
Geredhtigteitsfinn und freien Vertriigen wirtidaften: 
den Menjiden. Um den Produzenten vom Kapitaliſten 


_unabbingig ju machen, empfiehlt Broudbon die Er- 


ridjtung emer Tauſch- oder Vollsbant (banque 
d’échange, banque du peuple), in der Dem einzelnen 
Leilnehmer von der Gejamtheit der Teilnehmer das 
sur Giitererzeuqung notwendige Kapital unverzinslich 
vorgeſchoſſen wird; hingegen darf der Produzent, bez. 
die Scchnicalsnacasee: ie Preife bei Meidung des 
Ausſchluſſes von der Bank nur nad Maßgabe der 
Selbjtfoften (Urbeitszcit und Auslagen) feſtſetzen. 
Uberhaupt erwartet Proudhon die irfli 
fener Gedanfen von der Macht der UÜberzeugung und 
von einer friedliden Entiwidelung. 

Proudhon fand in Deutſchland vielfach Anklang; fo 
haben in Den 1840er Jahren Mojes Hej (1812—72) 
und Rar! Griin (1817—87) in mebreren Sebriften 
und in agitatorifder Tatigheit Proudhonſche Ideen 
zu verbreiten gejudt. Mit äußerſter Konſequenz wurde 
* Lehre von Mar Stirner (Kaſpar Schmidt, ſ. d.) 
in deſſen 1845 erſchienenem Buche » Der Einzige und 
fein Cigentum< ausgebildet. Un Stelle des Proudhon- 
ſchen Gerechtigkeitsſinnes tritt bei Stirner der nadte 
Egoismus, an Stelle der Proudhonſchen Wirtſchafts⸗ 
qruppe der » Verein der Egoiſten⸗· Die Durchführung 
diefer egoiſtiſchen Unardie dentt ſich Stirner im Wege 
der Revolution. Der Sieg der Reaftion 1848 drängte 
die anardiftifde Lehre in den Hinterqrund, und 
Proudhon felbjt erflarte 1852 in der Schrift »Du prin- 
cipe fédératif« die Unardie fiir unausführbar und 
die Föderation autonomer Gemeinden fiir die richtige 
Regierungsform. Mit dem Erwaden der Urbeiter- 
bewequng in den 1860er Jahren begann fid unter dem 
Einfluffe ruſſiſcher Ugitatoren die anarchiſtiſche 
BPartet gu entwideln. Der Begründer derſelben ijt 
Midael Bakunin (j.d.), der feit 1864 in der Schwei 
als anarchiſtiſcher Ugitator titiq war; im —— 
an Proudhon forderte er freie Kraftentfaltung des 
Einzelnen in Arbeitergenoſſenſchaften und Verbän— 
den, auf dem Gefühl der Solidarität beruhend; als 
Mittel empfahl er jedoch im Gegenſatze zu Proudhon 
die Revolution, wobei er indeſſen den Mord verpinte. 
Anders der von Bakunin nad Rußland entfendete 
Sergei Netſchajew, der dort 1869 jum erjtenmal 
die jogen. Propaganda der Tat entwidelte, d. b. 
die Agitation mittels Gewalttaten, Mord und Muf- 
ruber, nidt zu dem Swede, die beſtehende Ordnung zu 
befeitigen, fondern lediglich 3u Dem Swede, die Gerjter 
durch ungeheuerliche Taten aufyuriittein. Dieſe qrew- 
mn 


zwiſchen Unternehmer und Yrbeiter ein fiir Den leh: | Des A. nicht zuſammenhängt und feineswegs von allen 


tern ungiinitiqes Tauſchgeſchäft, vermige deffen der 
Unternehmer, obne felbjt ju arbeiten, ungeredterweije 


| 


YUnbhangern desfelben gebilliqt wird, wurde von dem 
ruffifden Flüchtling, Fürſt Peter Rrapottin (7. d.), 


Anardismus (üngſte Entwidelung, ftaatlide Gegenmaßregeln). 


Der nad Bakunin in der Schweig eine lebhafte agita- 
toriſche Tätigleit entwidelte, in da’ Brogranun der 
anardiftifden Partei aufgenommen. Theoretijd) ver- 
tritt Rrapottin den klommuniſtiſchen A., der auf dem 
Gedanten der freien ‘Broduftion und Ronfumtion be- 
rubt: freie Entwidelung der wirtidaftlidjen Kräfte 
in Gruppen und Gerbinden; jeder foll nicht nur an 
der Froduftion, fondern aud) an dem Genuſſe de3 Er- 
gebniſſes der gemeinjamen Arbeit nad) Belieben teil- 
nehinen; Mißſtände werden ſich hierbei nicht ergeben, 
da jeder, einer höhern Moral folgend, nach beſtem 
Können an der gemeinſamen Arbeit teilnehmen werde; 
zur Verwirklichung der Anarchie dienen Revolution 
und Propaganda der Tat. Es iſt dies das Programm 
der Mehrheit der heutigen, namentlich romaniſchen 
Anarchiſten. Während in Rußland der A. durch den 
Nihilismus (ſ. d.) abgelöſt wurde, hat er in den weſt 

europãiſchen Staaten ſeit den TOer Jahren des vori— 
gen ag hee ir zeitweiſe viel von ſich reden maden. 

Sn Franfreid, wo der UW. durd Krapotkin feit 
Ende der 1870er Jahre Eingang fand, machte er ſich 
feit Marg 1892 durd) cine Reihe von Explofionen be- 
merfbar, deren Haupturheber Ravadol und Vaillant 
nebjt andern feſtgenommen und —— wurden. 
Beſonders belannt wurde das Bombenattentat Bail- 
fants in Der Deputiertenlammer (9. Dez. 1893), durch 
das jedoch niemand getitet wurde, ein gleiches Utten- 
tat Henrys (12. Febr. 1894) im Termimushotel und 
ein Uttentat im Rejtaurant Foyot (4. Upril 1894), 
endlid) die Ermordung des Prajidenten Carnot in 
Lyon 23. Juni 1894 durd) den Italiener Caferio. 
In Italien fanden feit den 70er Jahren wiederholt 
anarchiſtiſche Anſchläge jtatt, die aber erfolglos blie- 
ben, bis auf Den vom 29. Juli 1900, bei bem König 

umbert durch Bresct ermordet wurde. Qn der 

chweiz, die cin Mittelpuntt des A. war, wurde 
10. Sept. 1898 die Kaiſerin Elijabeth von Ojterreich 
in Genf durch Lucdeni erdoldht. Ju Spanien hatte 
die Revolution von 1873 zu anardhijtijden Gewalt- 
taten und ftellenweife aud) sur Eroberung der poli: 
tifdhen Macht durd) die Unardhijten gefiihrt. Später 
entſtand eine neue anarchiſtiſche Verſchwörung unter 
dem Namen der »ſchwarzen Hand. Zahlreiche Atten⸗ 
tate fanden 1893, 1894, 1896 vornehmlid in Bar- 
celona ftatt; ant 8. Aug. 1897 wurde der Minijter- 
prijident Canovas del Cajtillo ermordet. Zahlreiche 

namitanſchläge und infolgedefjen Unardijtenpro- 
zeſſe fanden aud) in Belgien in der erjten Halfte der 
Wer Yahre jtatt. 

In Deutſchland hat die anardijtijde Bewequng 
im Gegenfage gu den romanijden Ländern niemals 
eine erheblide Bedeutung gewonnen; indeffen bat 
auch hier die Propaganda der Tat, hauptſächlich durd 
J. Moſt und Reinsdorf verbreitet, einige Uttentate 
und Anſchläge gezeitigt: das Hödelſche Ättentat auf 
Kaiſer Wilhelm J. (1878), den Plan Reinsdorfs, die 
deutſchen Fürſten bei Einweihung des Niederwald⸗ 
denkmals (1883) gu ermorden, die Ermordung des 
Polizeirats Rumpff in Frankfurt a. M. durch Lieske 
(1885). Yn Oſterreich, wo Peukert die Führung 
der Unardijten iibernommen hatte, wurde die ju 
Anfang der 8er Jahre in mehreren Bluttaten fic 
äußernde Bropaganda der Tat durch Page e Beſtra⸗ 
fung der Schuldigen bald unterdrückt. England 


483 
| Der prattijce A. ijt durd) Johann Moſt ins Leben 
| gerufen worden, der 1883 von England nad) dort 
ausgewandert war. Namentlid) in Chicago fant eg 
ju blutigen Zuſammenſtößen mit der Polizei, die gu 
einem energijden Vorgehen der Staatsgewalt und 
ad Hinrichtung der Rädelsführer (1887) fiihrten. 

m 6. Sept. 1901 fiel Der Präſident der Vereinigten 
Staaten, Mac Kinley, einem anardijtifden Uttentat 
jum Opjer. 

Die gahlreiden Uttentate der letzten Jahre auf qe- 
frimte Häupter und Prafidenten von Republifen haben 
gwar die Unrequng ju internationalen Maßregeln 

egen den A. gegeben, jedod) ju feinen Refultaten ge- 
Port. Dagegen bejtehen in einer Reihe von Landern 
ſchon feit apren Strafgeſetze, Die direft oder indireft 
gegen den A. geridjtet ſind. Da die Anarchiſten viel- 
ah unter Unwendung von Sprengjtojfen (Dynamit) 
ihre Ziele gu erreidjen ſuchten, wurden in verjdiede- 
nen Landern —* gegen verbrecheriſchen und ge— 
meingefährlichen Beſitz und Gebrauch von Spreng- 
ſtoffen erlaſſen. Den Anfang machte England durch 
Geſetz vom 10. April 1883, ihm folgten 9. Juni 1884 
Deutſchland (Dynamitgefes), diefem Oſterreich durch 
Geſetz vom 27. Mai 1885, Belgien 22. Mai 1886, 
Frankreich 18. Dez. 1893, die Schweiz 12. April 1894, 
Spanien 10./11. Yuli 1894, Stalien 19. Juli 1894. 
Außer diefen Sprengitoligeleyen haben einzelne Staa- 
ten nod) befondere Gefege erlajjen, die, ohne den A. 
Direft gu nennen, dod) dDenfelben trejfen follen, fo Däne⸗ 
mart das Geſetz vom 2. Dez. 1886, Belgien das Geſetz 
vom 25. März 1891 (Loi portant répression de la 
provocation à commettre des crimes ou des délits), 
Frankreich das Geſetz vom 12. Dez. 1893, betreffend 
Abänderung des Preßgeſetzes vom 29. Yuli 1881 in 
ſeinen Artikeln 24, 25 und 26 über Die Wufforderung 
jum BVerbreden, das Geſetz vom 18. Dez. 1893, gegen 
Die verbrecheriſchen Verbindungen, und das Gejeg vom 
28. Juli 1894, zur Bekämpfung der anarchiſtiſchen 
Anſchläge (menées anarchistiques), das einzige Ge— 
feb, Das den A. direft als Swed feiner Bejtimmungen 
nennt. Italien hatte einige Tage vorher, 19. Juli 
1894, drei Geſetze erlajjen, dic, ohne den YL. zu nennen, 
gegen ihn gerichtet find, nämlich das oben bereits er- 
wahnte Sprengſtoffgeſetz und das Geſetz gegen Die Auf⸗ 
reizung zum Verbrechen und gegen die Verherrlichung 
von Verbrechen durch die Preſſe; das dritte, betreffend 
die Fürſorge fiir die öffentliche Sicherheit, hatte nur 
Geltung bis sum 31. Dez. 1895, wurde jedoch in etwas 
abgednbderter Form durch Geſetz vom 17. Juli 1898 
wieder ernenert und, da es jum größten Teil 30. 
Juni 1899 auger Wirkſamkeit trat, infolge des Luc» 
cheniſchen Uttentats durd) das italieniide Notdefret 
(provvedimenti politici), deſſen redtliche Giiltiqtett 
allerdings [ebhaft beftritten wird, erſetzt. Die erfolg- 
reichen Uttentate auf den König Humbert von Ita— 
lien und auf den Prajidenten der Bereinigten Staa- 
ten von Umerifa, Mac Kinley, brachten die Frage 
eines gemeinfamen Borgehens aller Rulturjtaaten 
gegen den A. wieder in Fluß. Am 2. Febr. 1901 brachte 
Der italienifde Juſtizminiſter Gianturco einen Geſetz⸗ 
entwurf über die anardijtiiden Verbrechen im Senat 
cin, 2. Dez. 1901 forderte der Brajident der Vereinig⸗ 
ten Staaten, Roojevelt, den Kongreß dringend auf, 
Geſetze gegen die Unardijten angunehmen, und Ende 








fommt fiir den UW. nur infofern in Betradt, als in | Juli 1902 bradjte aud) die Regierung von Yrgenti- 


London die Unardijten der andern Lander, insbej. 
die deutſchen und öſterreichiſchen, ſich zuſammengefun— 
den hatten. Yn Nordamerifa hat der friedliche A. 
Proudhons einen Vertreter in Benjamin R. Tucer. 


nien, wo die Unardiften eine ſehr rege Tätigkeit ent- 


| wideln, einen Gefegentwurf gegen den A. cin. Er— 
folg batten dieſe Bejtrebungen jedod) nur in Ame— 
ritä, wo 10. Juli 1902 das Repriijentantenbaus in 


31* 


484 


Wafhington den Gefesentwurf gegen die Unardiften 
annahm, wonach Yttentiter gegen fremde Gefandte 
und Miniſter mit dem Tode bejtraft werden. 

Daß der A. übrigens teineswegs erlofden ijt, be- 
weiſt Die Zahl der anarchiſtiſchen Zeitſchriften, die 
gegenwärtig ca. 100, zeitweilig wahrſcheinlich nod 
mehr, betragt. Ende 1901 erſchienen die folgenden: 


Agypten: La Tribuna libera (Wleganbdria). Argenti- 
nien: La Protesta umana; El Rebelde; El Obrero; El Sol; 
El Obrero punadero; El Obrero abbanil; ete. (fpanifd). 
L'Avvenire; La Nuova Civilta (italienifd, Buenos Aires); 
La Voz dell’ Esclavo (Chivilay). Belgien: L'Emancipation 
(Briifie); Le Réveil des Travailleurs (Yittid); Ontwaking 
(vlamijd, Antwerpen). Brasilien: 0 Diritto (italieniſch, Cu⸗ 
ritiba); Palestra social (ſpaniſch, italieniſch, portugiefifd, San 
Paolo). Chile: La Agitacion; La Rebelion (Santiago). 
Cuba: El nuevo Weal (Havana), Deutſchland: Neues 
Leben (Berlin); Freibeit (Feuerbad bei Stuttgart); Der arme 
Teufel (deutſch, Friebrichshagen bei Berlin). England: Free- 
dom (London); Arbeiterfreund (jüdiſch, London); La Gréve géné- 
rale (franjdfifd, italieniſch, London). Franfreid: Les Temps 
nouveaux; Le Libertaire; L’Education libertaire (Paris); 
Le Flambean (Tienne (Here). GSollanb: Anarchie; De 
Vrije Socialist (Amifterdam); De Toekomst (Gorindem) : De 
Arbeider (Groningen); Recht voor Allen (Deventer) ; De Zweep 
(Haag). Italien: L’Agitazione (Nom); L'Era nuova (Reas 
pel); L'Avvenire sociale (Mejffina). Rorbamerifa: (eng: 
lif) Free Society (Chicago); Discontent (Home, Late, Bay, 
Rajbington); Liberty (New York); deutſch: Freiheit; Der 
Tramp (New Yort); Chicagoer Arbeiterjeitung; Borbote (Chi- 
cago); franjofijg: Germinal (Paterfon, Rew York); italie- 
nif: Aurora (Spring Valley, Illinois); Questione sociale 
(Paterfon, New Yor); ſpaniſch: El Despertar (Broof{yn); La 
Voz del Esclavo; La Voce dello Schiavo; fpanifd und ita: 
lieniſch: Tampa [Florida]; El Resistente (Rey Weft (Florida); 
tſchechiſch: Volué Listy (Brooflgn); judiſch: Freie Arbeiter- 
ftimme (Rew Yorf), RNorwegen: Til Frihet (COriftiania). 
Ofterreid: Der freie Sosialift (Gray); Novy Kult (tſchechiſch, 
Prag); ebenfo: Matice Svobody (Sriinn); Hornik (@riiz). Por 
tugal: A Obra (Liffabon); Proletario (Porto). Rumadnien: 
Revista Ideet (Bufareft). Sd weis: Le Réveil; D Risveglio 


Anaria 


ffranzbſiſch und ita lieniſch, Genf). Spanien: Revista blanca; | 


Tierra y Liberdad (Mabrid); El Productor; La Huelga ge- 
neral (Yarcefona); El Cosmopolita (Balladolid); La Alarma 
(Reus); Hamanidad libre (Galencia); El Proletario (Cadia); 
Adelante (Santander), Uruguay: El Derecho a la Vida; 
La Tribuna libertaria; El Frabayo (taglid[!), Montevideo). 
Neben den genannten Zeitſchriften ſtehen nod) den 
anardijtifden Ideen (in fiir jeden einzelnen Fall ver- 
ſchiedenem Grado⸗ ſympathiſch gegenüber: 
Freiheitlich-kommuniſtiſche Zeitſchriften, na» 
mentlich in Holland und Belgien (La Bataille, Namur). Anti— 
parlamentarifde Gewertſchaftsblätter in Frant- 
rei (La Voix du Peuple; Le Pot A Colle), in §Solland, 





— Anaſtaſius. 


1894); Plechanow, A. und Sogialismus (Berl. 
1894); Lom broſo, Die Unardijten (deutfd von Ku⸗ 
rella, Samb. 1895); Bernatzik, Der W., tm » abr: 
bud) ‘fit Geſetzgebung, — und Boltswirt- 
ſchaft« (Leipz. 1895); vale fa @ Gen Sozialis mus 
und A. (Bern 1895); Zenker, Der Yl. (Jena 1895); 
H. Seuffert, A. und Strafrecht (Berl. 1899); Elg- 
bader, a. (Daf. 1900); Rrapotfin, Memoiren 
eines Revolutionars (deutidy, 2. Unujl., Stuttg. 1901). 

Anaria, Infel, ſ. Ischia. 

Anarrhi chas, Seewolf. 

Anarthrie (qried.), —5 durch teilweiſe 

Lähmung der Zunge, bei welder der Kranke Worter 
ſchlecht artifuliert. 

Anas, — Anatinae, Unterfamilie der 3abn- 


— luß, ſ. @uadiana. ſchnaͤbler. 
— ( rang iare pare Hydrops anasarca, 
dem, f. Waſſerſucht. 


— t«), ſoviel wie 
Anaftaͤltiſch (griech., —— blutſtillend. 


Anaftaje (griech. Unajtafis), das Wiederauf⸗ 
ſtehen⸗, die Geneſun 
—— ets (Lex Anastasiana), die 


vom ojtrint. Kaiſer Una oo tus ws ene, bon Suitivian 
ergänzte Bejtimmung, folge der Käufer einer 
Forderung (Zeſſionar) vom rll nicht mehr for- 
dern Ddarf, als er Dem Verfiufer (Zedenten) —* ge⸗ 
zahlt hat. Sie ſollte zu gunſten des Schuldners Miß- 

brauch des Zeſſionsrechts verhüten, — aber 
viele Weitlaufigleiten und Schilanen gum Schaden 
des Verfehrs und wurde daher nad und nad in allen 
deutſchen Redhtsgebieten rr fai in den legten 
durch das fii (L Bratans Geſetz 


Wnafta Bratanowiti, ruff. Ranzelred- 
ner, geb. yf in cinem Dorje bei Kiew, gejt. 1814 
al3 Erzbiſchof von Ujtradan. Seine » ngs· 


reden« (Petersb. 1796 und Most. 1799 — 1807) die⸗ 
nen nod) jest als Muſter fiir die ruffifden Prediger. 
Anaftafios, 1) U. J. Diforos, byzantin. Kaiſer 
491—518, folgte als Gemahl der Witwe des Kaiſers 
Seno demfelben. Nah langern Kämpfen bezwang er 
die aufſtändiſchen Iſaurier; unter ihm brach dann 
nad faſt 100jahrigem Frieden der Krieg gegen die 
Berjer wieder aus, der 502—505 mit wechſelndem 
Glück geführt wurde. Sum Schu 3 ——— 
legte er 512 Befeſtigungen vom Marmara- bis 
Schwarzen Meer an. Er war auch fonjt tiidhtig ; bod) 
qelang es ibm nidt, die firdhliden Streitigfeiten fiber 


das Henotifon (ſ. d.) ju beendigen, und nur mit Miihe 


Spanien, Argentinien. Revuen der jilngeren literaris | 


{den Ridtungen, wie La Revue blanche, Le Merenure de 
France (Paris). Voll{sseitimriften, wie L’Universita po- 
polare (Mantua); Brand (Malmb, Saweden). Die Zeit— 
ſchriften ber Zolftoianer: The New Order (London); 
The Candlestick (Terby); Svobodnoe Slovo (ruſſiſch, Genf), 
und anbdrer Hidtungen, wie The Conservator (Balt Whit» 
man x., Philadelphia); Die neue Gemeinſchaft Berlin); Lu- 
eifer (The Sex Question, Chicago); Régéneration (Paul Robin, 
Paris); ſatitiſche Blatter, wie L’Assiette au Beurre (Paris); 
felbit cin Blatt fr Kinder: Joan Pierre (Paris). — Die in: 
bividualiftifde Hichtung bes Anarchismus war viele Sabre durd 
Liberty (B. R. Tuder, Rew Yorf) vertreten. 


Über das Verhältnis des A. zum Sozialismus ſ. 
Sozialismus. Bal. G. Adler, A. im Handwörter— 
bud) der Staatswiſſenſchaften (2. Aufl., Jena 1900); | 
U. Thun, Geſchichte der revolutiondren Vewequngen 


behauptete er ſich a pe en einen von Der orthodoren Par⸗ 
tei 5 eſtifteten tand (514 —515). 

. IL, vorber Artemios genannt, Gebeimfdrei- 
PBs Res Rhilippifos, nad) deſſen Sturz (713) Kaiſer, 
ward 716 entthront, ging in em Kloſter, verſuchte 719 


den Thron wiederzugewinnen, wurde aber von Leo 





Dem Iſaurier getötet. 
Anaſtaſiné, 1) vier Päpſte: UL, Römer, Sohn 
des Presbyters Maximus, Papſt von 398 (oder 399) 


| big 401; man bat von ibm Fraqmente einiger die ori 


genijtifdhen Streitigtciten betrejfender Briefe. -- YI, 
496—498. - - UW. TLL, 911-913. - MW. IV., Romer, 


vorher Konrad, Kardinalbiſchof von Sabina, wurde 


1130 von Innocenz IT. bei feiner Flucht zum Statt- 
halter ernannt und 12. Juni 1153, nad ens TIL. 
Tode, jum Bapft erhoben; ftarb 3. Deg. 1154. 

2) Abt und Pibliothetar zu Rom, wurde 869 vom 


in Rußland (Leipz. 1883); Garin, Die Unardijten | Kaiſer Ludwig IL. nad Monftantinopel geſandt, um 
(deutſch, Daf. 1487); Maday, Die Unardijten (Zür. | die Vermébhlung der Todter Ludwigs mit dem älteſten 
1891; »BVolfsausqabes, Berl. 1893); Dubois, Die, Sohn des Bafiltus Macedo su verntittein, und wobnie 
anardhijtijdye Gefahr (deutſch von Triidjen, Amſterd. | der legten Sigung der 8. allgemeinen Synode bei, 


Anaftafius Grin — Anäſtheſie. 


deren Uften er überſetzte; er ftarb um 879. A. ſchrieb 
die »Chronographia tripartita«, größtenteils byzan⸗ 
tinifden Ouellen entlehnt (hrsg. von de Boor in| 
» Theophanis Chronographia«, Bd. 2, Leip3. 1885). 

S. aud Liber pontificalis. 

Anaftafins Griin, ſ. Uuerfperg. 

Anastatica hierochontica L. (Rofe von 
Jericho, Beihnadtsrofe, f. Whbildung), eine ein- 
jabrige, niedrige Kruzifere mit zahlreichen, fid) nad) 
allen Geiten auf dem Boden ausbreitenden, fleinen, 
fpatenformig-rautigen Blattern, endſtändigen Biiiten- 
trauben mit fleinen weißen Bliiten und baudigen, 

weifamigen Schötchen. Sie wächſt in den Wiijten 
tordafrifas, Urabiens, am Toten Meer rc. und zieht 
ſich beim Abſterben zu einem Knäuel zuſammen, das 














Anastatica hicrochontica L. Moſe von Jericho). 
a Sujammengebogene, b entfaltete Pflanye; e Sdhote; d Same. 


ſich im Waſſer wieder entfaltet. Pilger erzählten, fie 
bliihe in der Chrijtnadt von ſelbſt wieder auf und 
ſchütze das Haus, in dem fie aufbewahrt wurde, vor 
Blitzſchlag. Wud) fpielte das Gewächs in der mittel- 
alterliden Heilfunde, in der Traumbdeutefunjt und 
Kartenſchlägerei cine Rolle und galt als Symbol der 
Auferſtehung. Val. Odontospermum. 

Anaſtãtiſch (qriec.), cine Unajtaje, d. h. Wieder: 

ng, Geneſung bewirfend. 

Anaftatifder Dru, von Appel angegebenes 
Verfahren, altere Druce ju vervielfiiltigen. Der ju 
libertragende alte Druc wird in verdiinnte Eſſigſäure 
gelegt, dann mit Waſſer und zuletzt mit verdiinntem 

numoniaf ausgewafden, mit dünnem Stärkekleiſter 
überzogen und mit fetter Umdruckfarbe vorſichtig an- 
gerieben. Haben alle Teile des alten Druces Farbe 
angenommen, fo fpiilt man den Kleiſter mit Waſſer 
ab, trocknet und druct in gewöhnlicher Weife auf den 
lithographifden Stein oder cine Zinfplatte um. Der 
anaſtatiſche Druck eignet fich befonders sur Ergiingung 
feblender Bogen eines Werkes in geringer Auflage. 
Val. Rampmann in Eder »Jahrbud fiir Bhoto- 
graphic und Reproduftionstednif« (Halle 1898). 

Unafthefie (qriec., »Gefiihllofigteit, Unempfind- | 
lichfeit<), der Rujtand, bet dem das Gefiihl in einem 
Teil des Körpers aufgehoben ijt. A. entſteht dadurch, 
daß Der den Teil verforgende Gefühlsnerv aufer Ver- 
bindung mit dem Gebirn gefest wird (durch Verletzun⸗ 
gen oder Erfranfung des Heros felbjt oder des Rücken⸗ 





485 


marfs) oder dadurch, dak das Gehirn unfähig ijt, die 
ihm durd die Empfindungsnerven übermittelten Cin- 
driide jum Bewußtſein ju bringen, wie nad heftiger 
Erjdiitterung des Gehirns, bet Dru auf das Hirn 
durd) Blutergüſſe, Gefchwiiljte xc., bet der Ohnmacht, 
bei Der Cpilepfie und bei der Betäubung des Gebhirns 
durch narfotifde und anäſthetiſche Mittel. Je nach 
den Urſachen ijt die A. cin voriibergehender, oft aber 
aud) cin bleibender und unbeilbarer Zujtand. Die 
A. ijt als begleitende Erſcheinung bei den verſchiedenen 
Krankheitszuſtänden fiir fic niemals Gegenſtand ärzt⸗ 
licher Behandlung. Nur wenn infolge von Quetſchung 
eines Nervenſtammes das Gefühl eines Teiles nur 
langſam juriidfehrt, find leicht reizende Mittel (Gal- 
vanismus) oft von gutem Erfolg. YL. wird zu chirurgi— 
ſchen Zwecken künſtlich durch verjdiedene Mittel herbei- 
geführt, die entweder die Empfindlichkeit des Körpers 
im ganzen herabſetzen oder aufheben (Äther, Chloro- 
form, Luſtgas) oder nur an der Körperſtelle wirken, 
an der fie zur Anwendung —— (lofale oder 
örtliche W.). Die modernen Wethoden der lofalen U. 
einer bejtimmten Körperſtelle bejtehen in der Upplita- 
tion von Kälte oder Urjneijtoffen. Richardſon empfahl 
1866 den Atherzerſtäuber. Die betreffende Hautpar- 
tie, auf der man den Wther (auc) Athyl- oder Methyl 
Hlorid) aufblajt, wird nad etwa zwei Minuten gefühl⸗ 
(v3; fie rice unter der bei der YUtherverdunjtung 
entitehenden Kältewirkung. Neuerdings wird die lo— 
fale A. fajt ausſchließlich ergiclt unter Verwendung 
des Kolains, naddem Rolle 1884 juerjt feine ſchmerz⸗ 
jtillende Wirfung nadgewiejen hatte. Man injiziert 
die Löſung ju —* chen Zwecken in das Rorper- 
gewebe, indem man die zu durchtrennenden Schichten 
etagenweiſe »infiltriert«. Reclus zeigte, daß 1—2 Proz. 
Löſung zur lofalen UW. ausreichten, indes ijt die Be— 
nutzung des Kokains beſchränkt, weil größere Doſen 
ſchwere Vergiftungen, ja Todesfälle zur Folge haben. 
Eulain kann dagegen in mehr als dreifacher Doſis 
gegeben werden. Cine ausreichende lokale A. für grö— 
ßere Operationen wurde von Schleich erfunden. Bei 
feiner Jnfiltrationsanafthefic werden minimale 
Dofen von Rofain benugt, ja im normalen Gewede 
läßt fic) die A. ſogar durch Anwendung gany indijfe- 
renter Mittel, wie Kochſalzlöſung, erzielen. Durch 
—— der Schleichſchen Löſungen wird im Ge- 
webe ein Odem erzeugt, das durch mechaniſche Ver— 
driingung des Blutes und Komprefjion der Nerven 
das Gefühl herabfest, bez. befeitigt. Wan fann ganz 


| gewaltige Mengen einfprigen, ehe die Maximaldoſis 


erreicht wird; die Methode ijt deshalb auch fiir größere 
chirurgiſche Cingriffe (ſelbſt Amputationen qroperer 
Gliedmaßen) geeignet und findet ausgiebige Verwen— 
dung. An den Fingern wird mit der indirekten 
oder regionären A. gearbeitet (Oberſt, Braun), 
anäſtheſierende Löſung (Nofain, Eukain) wird nicht 
direft in das Operationsgebiet eingeſpritzt, ſondern in 
der Nahe der in dasfelbe cintretenden ſenſibeln Ner— 
ven appligiert. Sprit man unterbalb des erjten Len- 
denwirbels durch cine in den Riidenmartsfanal ein- 
geſtochene Hobhlnadel fleine Mengen einer Rofain- 
lofung eit, fo fonumt es durch dDirefte Rofainijierung 
der Nervenfubjtan; zu einer vollftindiqen Uufhebung 
des Schmerzgefühls an der untern Rorperhalfte, fo 
daß man ohne Narfofe operieren fann (Biers me- 
dulläre Kokainanäſtheſie). Leider ftellen fich bei 
diefem Verfahren oft fo ible Nachwirkungen ein, dak 
das Verfahren praktiſch nicht anwendbar erjdeint. 
Bgl. Braun, tiber Ynfiltrations- und regionäre 
Uniifthefte xc. (Leip;. 1898); Sdleid, Schmerzloſe 


486 


Operationen x. (4. Wufl., Berl. 1899); Overton, 
Studien fiber die Narkoſe (Jena 1901). 


Anafthetijde Mittel (Anaesthetica), ſ. Betiiu- | 


bende Mittel. [tograpbie. 


Anaftiqmat, photographijdes Objettiv, ſ. Pho— 


Anaſtigmatiſch, ſ. Vitiqmatigmus. 
Anaſtomõöſe (qricd.), in der Anatomie Verbin— 
dung zweier Röhren durch ein Zwiſchenſtück, finder 
ſich Be Rapillaren, Symphoefihen und Benen, felte- 
ner bei Arterien. Die Unajtomofen ſichern den Rreis- 
fauf, wenn ein Hauptajt unwegſam geworden ijt, da 
bie benacdbarten Yjte fid) ausdehnen und einen § ol - 
lateralfreislauf berjtellen. Hiervon macht die 
Chirurgie bei Unterbindung von Arterien Gebraud. 
Dieje J— muß unterhalb einer Stelle ge 
ſchehen, wo bereits Kollateralgefäße aus dem unter- 
bundenen Hauptgefäß abgehen. Auch bet Nerven- 
und Ganglienjellen fpridht man von Wnajtomofen. 
Anadtas, Mineral und zwar Titanfiureanhydrid 
TiO,, wie Rutil und Broofit (f. d.), von diefen aber 
unterfdieden durch feine tetraqonale Rrijtallform, die 
nicht auf die des Rutils zurückführbar ijt. Crift indig- 
blau, aud) braun, rot, gelb, mit metallartigem Dia- 
mantglanz, halbdurdjidtiq bis undurdfidtig, ſpez. 
Gew. 3,a—3,9, Hirte 5,5—6. A. findet fic) in kleinen 
pyrantidalen, ſäulen- oder did tafelfirmigen Rriftal- 
len, aufgewachſen auf Klüften im Granit, Glimmer— 
ſchiefer, Gneis, aud) Porphyr gwar ſparſam, aber dod 
febr verbreitet, fo beſonders in der Sentraljone der 
Ulpen und in der Dauphiné, auch im Ural und loſe 








im Diamantfiibrenden Sand von Stabira in Brafilien. | 


Anathema (qricch.) bezeichnet in der qried. tiber- 


ſetzung des Alten Tejtaments und im Neuen Teftar | 


ment (Gal. 1, 8 und 9; 1. Ror. 16, 22; Rim. 9, 3) 
etwas, was Dem Untergange geweiht und fiir immer 
von Der Erde vertilgt fein foll. In der hiermit zu- 
ſammenhängenden Beziehung auf einen dem gitt- 
lidhen Zorngeridt anheimzugebenden, der Rirden- 
emeinidaft verluſtigen Menſchen kommt das Wort 
. feit Dem 4. Jahrb. als Verwünſchungs-, Fluch— 
und Bannformel! vor, weshalb auch der größere Bann 
(j. D.) ſelbſt haufig diefen Ramen fiihrt. Dagegen be- 
zeichnet Die auf denſelben Stamm zurückgehende Form 
Anathema ein Weihgeſchenk; folde wurden in Menge 
ſchon in Den Tempeln des Altertums, aud) in demjeni— 
en zu Jeruſalem angetroffen, wie ſpäter in den fatho- 
iichen Kirchen. S. Botivtafel. — Unathematifie- 
ren, etwas mit dem Bannfluch belegen, verflucyen. 
Anatolien (tiirl. Wnadoly), foviel wie Morgen: 
land, insbef. die Weſthälfte von Kleinaſien. Anato— 
lier, Anhänger der Lehre, daß dad Menſchengeſchlecht 


nur im Orient entftanden fet, im Gegenfage gu den | 


Ofumeniern, welde die Entitehung desfelben aud 
an andern Punkten der Erde fiir möglich halten. 
Anatoliſche Cifenbahu, ſ. Kleinaſien. 
Anatomie (griech. Aufſchneidung⸗, »Zergliede⸗ 
rungs), die Lehre von Form und Bau der Tiere und 
Pflanzen (theoretifde W.), Dann die Unterfudung 
bes Tiere u. Pflanzenkörpers felbjt in Bezug auf Form 
und Bau (praktiſche YW), endlic das bejondere Ge— 
baude, wo dieſe Unterſuchungen vorgenommen werden 
und Unterricht Darin erteilt wird. Gewöhnlich braudyt 
man A. nur fiir Sergliederung des menſchlichen Kör— 
pers (VUnthropotomic), während man die Zergliede⸗ 
rung der Tiere Zootomie, die der Pflanzen PH yto- 
tomte nennt. Die theoretifde W. zerfällt in die 
allgemeine und ſpezielle A. Die ſpezielle oder de- 
ffriptive A. hat die Darjtellung der einzelnen Teile 
und Organe zum Gegenſtand und zerfällt in ſechs Ab⸗ 





Anãſthetiſche Mittel — Anatomie. 


ſchnitte, nämlich in 1) Oſteologie oder Lehre von den 
Knochen und Knorpeln; 2) Syndesmologie oder Ban- 
derlehre, die Darjtellung der Bander, Haute ꝛtc., Durch 
welde die Rnoden namentlic in den Gelenfen verbun- 
den werden; 3) Myologie oder Mustellehre; 4) Ungio- 
logie oder Gefajlehre; 5) Neurologie oder Nerventebre, 
die Befchreibung des Rervenfyftems (Gehirns, Riiden- 
marfs, der Sinneswerkzeuge ꝛc.); 6) Splandnologie 
oder Lehre von den Cingeweiden, d.h. den Wtmungs-, 
Verdauungs:, Harn: und Geſchlechtswerlzeugen. Dit 
den Elementen, welde die Organe und Gewebe ju- 
ſammenſetzen, beſchäftigt fid) die mifroffopifde A 
(Wewebclehre, Hiftologie). Die topoqrapbi- 
ide (Hhirurgifde) A. beſchäftigt fic) mit der Lage 
der Organe im Körper und jueinander. Diefe, den 
gefunden Körper betrejfenden Disziplinen ftellt man 
als normale der pathologifden A. gegenüber, der 
Lehre vom Bau des franfen Körpers. Ihre Aufgabe 
ijt es, Die Unterfchiede der erfranften von gefunden 
Körperteilen feſtzuſtellen und aus den Veränderungen. 
welche dieſe erlitten, die Natur der Kranlkheit zu er⸗ 
kennen. Auch bei ihr ſpielt das mikroſtopiſche Studium 
der Gewebe und ihrer Elementarteile wie bei der nor- 
malen Hijtologie eine widtige Rolle. 

Die vergleidende A. entfprang dem Bejtreben, 
fiir Das Verſtändnis des menſchlichen Körpers durch 
das Studium zunächſt der Säugetiere und ſodann 
andrer Wirbeltiere weitere Anhaltspunkte zu gewinnen. 
Jetzt erſtreckt ſie ſich über das geſamte Tierreich und 
ſtellt ſomit einen Teil der Zoologie dar. Sie hat es 
mit den ausgebildeten Tieren ju tun, im Gegenſatze zur 
vergleidenden Entwidelungsgefdidte oder Embryo: 
logie im allgemeinen, die fic) mit Dem Entitehen der 
Tere befdajtigt. Beide zuſammen bejeidynet man 
wohl aud als Morphologie der Tiere. 

Yn der anatomifden Technif, die ſich aus der 
praftifden A. entwidelte, unterfdeidet man gewöhn⸗ 
lid, namentlich mit Bezug auf den Meniden, die 
Seftionen und bas Praparieren. Unter Seftion 
verjteht man die kunſtgerechte Offnung der drei großen 
Höhlen de menfdlichen Körpers, verbunden mut der 
Unterfuchung der in ihnen befindliden Eingeweide 


und Organe. Das Praparieren bejteht in der funjt- 


erechten BloRlequng und Trennung der etnjelnen 
Feile voneinander, fo daß fie ihrer Geſtalt und Lage 
nad deutlic) unterfchieden werden können; man er- 
hilt auf dieſe Weife anatomifde Präparate und 
jtellt fie in Den anatomifden Sammilungen oder 
Wufeen auf, formt fie auc) wohl in Wachs, Gips x. 
nad und bildet fie auf den anatomifden Tafeln 
ab. Zu grofer Bollfonumenbeit hat ſich m den _— 
Jahrzehnten in der UW. die Sdmeidetednif erhoben, 
die entweder im qrofen (mittels der Gefriermethode) 
Schnitte durch den ganzen menſchlichen Körper anju- 
fertigen geſtattet oder durch Anwendung geeigneter In⸗ 
ſtrumenle (Mikrotome) einzelne Teile des Körpers auf 
ſehr kunſtvolle Weiſe in Reihen äußerſt dünner Schnitte 
ju zerlegen erlaubt, die dann, entſprechend geſärbt 
und cingefdlofjen, ein genaues Studium der Struftur 
dieſer Teile qejtatten. Gerade dieſe Technik hat ſich 
fiir Die Fortidritte der normalen und pathologifden 
VW. fowie befonders aud der Entwickelungsgeſchichte. 
als von größter Bedeutung erwiefen. 

Die Geſchichte der A. zeigt, daß die A. zuerſt 
faſt nur in den Händen der Prieiter und Ärzte lag, 
Menſchen wurden nidt, fondern mur Tiere serqliedert. 
Darauf besiiqliche Ungaben finden fic denn auch be- 
reits in Urijtoteles’ Nalurgeſchichte des Tierreichs. Die 
VW. ded menfdliden Körpers war nur ſehr ungenau 


Anatomie — Anatomijdhe Préparate. 


befannt. Hippofrated —— Knochen und Ge⸗ 
lenke gut, verwechſelte aber Sehnen mit Nerven und 
Arterien mit Venen. In der mediziniſchen Schule von 
Alexandria (320 v. Chr.) ſcheint die menſchliche A. 
ihre erſte Pflegeſtätte gefunden ju haben. Bon Ga— 
lenus (geb. 131 n. Chr.) ijt es zweifelhaft, ob ex Lei⸗ 
chen fezterte. Erſt von Mondini in Bologna ijt died 
befannt (13806); Bonifacius VIII. belegte den Rer- 
liederer einer Leiche mit dem Kirchenbann. Eine neue 
node der YU. — mit Andreas Veſalius (geb. 
1514; fein Werf »De corporis humani fabrica« er⸗ 
ſchien 1543), dem fic) Fallopia (mit ſeinen »Observa- 
tiones anatomicaes, 1561) und Eujtadjio (gejt. 1574) 
wiirdig anreiften. Bon größter Widtigheit war die 
Entdedung des Kreislaufs des Blutes durch Harvey 
(1578— 1657). Der erjte, der das Vergrößerungsglas 
gu anatomifden Unterfudungen anwendete und fo 
zum Schöpfer der —* A. wurde, ijt Mar- 
cello Malpighi (1628— 94); ihm reihen fid) wiirdig 
an die beiden Niederlainder Leeuwenhoek (gejt. 1723) 
und Swammerdam (gejt. 1680). Wis eigne Wijfen- 
ſchaft, d. 5. nicht nur im Dienſt der menjdliden A., 
wurde ſpũter aud) die vergleidjende A. geitbt und er- 
fuhr befondere Förderung durch die ins Leben treten- 
Den gelehrten Gefelljdaften (Royal Society in London, 
Académie des sciences in Baris). Befonders hervor- 
zuheben ijt Der Name Ulbredt v. Hallers (geft. 1777) 
und fein großes Werk »Elementa physiologiae«. Nad 
ihm find gu nennen: J. F. Medel (geſt. 1774), Cam- 
per (qejt. 1789), John Hunter (gejt. 1793) und fein 
Bruder William, K. F. Wolff (geſt. 1764), Wrisberg 
(geſt. 1808), Mascagni (gejt. 1815), Cuvier (gejt. 
1832), Reil (oeft 1813), Bichat (get. 1802). —*— 
rer gilt mit Recht als Begründer der Hiſtologie (Ge- 
webelehre), die allerdings erjt feit Dem Yuftreten der 
Rellentheorie (Schleiden und Schwann) fid) gu ihrer 
jetzigen ver rr ater bat. Im 19. Jahr⸗ 
hundert find als bedeutende Unatomen gu nennen: 
Simmering, Scarpa, Hildebrandt, Rofenmiiller, 
Langenbed, Tiedemann, E. H. Weber, Medel, Henle, 
Urnold, Reichert, Hyrtl, Luſchka. Die beiden letztern 
haben aud) auf dem Gebiete der chirurgifden WU. viel 
geleiſtet, wahrend diefe Ridjtung bis dahin vorjzugs- 
weife von den Franzoſen Portal, Velpeau, Malgaigne, 
Peétrequin, Richet mit Erfolg bearbeitet worden war. 
Vorzugsweiſe als Hijtologen waren oder find nod 
tãätig: Yoh. Miller, Purkinje, Rud. Wagner, Gegen- 
baur, Kölliker, Gerlad, Mar Schultze, Waldeyer, pis, 
grey, Robin, Ranvier, Beale, Harting. Die patho- 
logijde A. fand Berückſichtigung in den erjten Dezen⸗ 
nien des vorigen Jahrhunderts vorzugsweiſe in Frant- 
reid) (Cruveilbier, Gendrin, Undral, Lobjtein), feit 
1840 jedod in hervorragenderer Weiſe in Deutſchland, 
wo namentlid Rotitanty in Wien und Virdow in 
Berlin fie gepfleqt haben. Letzterer wandte zuerſt die 
eal au fe an und wurde fo der Schöpfer der 
ellularpathologie. Bon den Männern, die fid) um 
verqleidjende A. verdient gemacht haben, jind zu nen- 
nen: Cuvier, Et. Geoffroy Saint-Hilaire, Medel, Bo- 
janus, €. Garus, C. Rathte, R. Wagner, Bronn und 
vor allen Job. Müller, H. Milne- Cdwards, Leydig, 
Hyrtl, Siebold, R. Leucart, O. Schmidt, Harting, 
Haeckel, Gegenbaur, Claus, H. Ludwig, Hurley, Owen. 
[iteratur.] Ouain, Elements of anatomy (10. 
Aufl. Lond. 1890 ff.); Rauber, Lehrbuch der A. des 
Menfchen (Leipz. 1902, 2 Bde.); Henle, Handbuch 
der ſyſtematiſchen U. de3 Menſchen (Braunſchw. 1871, 
4 Bde.); Derfelbe, Grundriß (4. Wufl., daf. 1901); 
Hyrtl, Lehrbuch der W. des Menfden (20. Wufl., 





487 


Wien 1889); Gegenbaur, Lehrbud) der A. de3 
Menſchen (7. Aufl. Leips. 1899); F. Merfel, Hand- 
bud) der topographifden A. (Vraunfdw. 1885 -— 99, 
2 Bode.); W. Krauſe, Handbud der W. des Men— 
ſchen. Auf Grundlage der neuen Bafeler Nomenfla- 
tur (Leipz. 1898 ff.); »Handbud) der YW. ded Men— 
ſchen⸗ (hrsg. von Bardeleben, Jena 1896 ff., 8 Bde.); 
Bröſike, Lehrbuch der normalen U. des menjdliden 
Rorpers (6. Wufl., Berl. 1899); Cuvier, Legons 
d’anatomie comparée (2. Aufl., Bar. 1836—46, 
9 Bode.); Owen, On the anatomy of Vertebrates 
(Lond. 1866 —68, 3 Boe.); Geqenbaur, Verglei- 
chende A. der Wirbeltiere (Leip;. 1898—1901,2 Bde.); 
UW. Lang, Lehrbucd der vergleichenden A. der wirbel- 
loſen Tiere (2. Aufl. Jena 1900 ff.); Hati det, Lehre 
bud) der Zoologie (daj. 1888 jf.); Milne-ECdwards, 
Lecons sur la physiologie et l'anatomie comparée de 
l'homme et des animaux (Bar. 1857—83, 14 Bde.); 
mest und Yung, Lehrbuch der prattifden verglei- 
denden A. (Braunjdw. 1886 —94, 2 Bde.); Hur- 
ley, Grundgitge der A. der wirbellofen Tiere (deutſch, 
Leipz. 1878); Wiedersheim, Lehrbud) der verglei- 
chenden UW. der Wirbeltiere (2. Aufl., Jena 1886; 
»Grundriß«⸗, 5.Uufl.1902); Martin, Lehrbuch) der A. 
der Haustiere (Stuttg.1901 ff.); Leifering, Miller 
und Ellenberger, Handbud) der vergleidjenden A. 
der Hausfiugetiere (9. Uufl., Berl. 1900); Sußdorf, 
Lehrbud der vergleidenden A. der Haustiere (Stuttg. 
1895); Ghauveau, Traité d’anatomie comparé 
des animaux domestiques (4. Aufl., Bar. 1889). 
Utlanten: Froriep, Atlas anatomicus (7. Aufl., 
Leipz. 1887); Heigmann, Deffriptive und topo- 
graviiide YU. ded Menſchen (8. Aufl., Wien 1896); 
ardeleben und H.Hacdel, Utlas der topographi- 
ſchen UW. Des Menſchen (2. Aufl. Jena 1901); Henle, 
Unatomifder Handatlas (Braunſchw. 1895); Spal- 
teholz, Handatlas der A. des Menſchen (Bd. 12.2 in 
3. Unfl., Leips.1901; Bd. Bin 2. Aufl. 1901); Brbfite, 
Unatomifder Utlas (Berl. 1900 ff.); »Wtlas der nor- 
malen und pathologijden A. in typiſchen Röntgenbil⸗ 
Dern«(Hamb.1900 ff.). —eitidriften j. bei » Zovlogie«. 
U. fiir Riinftler: Harleß, Lehrbud der plafti- 
ſchen A. (2. Aufl. von Rob. Hartmann, Stuttg. 1876); 
Roth, Plaſtiſch- anatomiſcher Utlas gum Studium 
des Wtodells und der Wntife (3. Wil, daſ. 1893); 
Froriep, A. filr Künſtler (3. Aufl., Leipz. 1899); 
Rolimann, Plaftifde U. des menſchlichen Körpers 
(2. Mufl., daf. 1901); Duval, A. artistique (Par. 
1881; deutſch, Stuttg. 1890); Briide, Schdnbeit 
und Fehler der menidliden Geftalt (2. Aufl., Wien 
1893); Sdider, Plajtijh-anatomijder Handatlas 
(daf. 1898); Strag, Die Schinheit des weibliden 
Körpers (11. Aufl. Stuttg. 1902); Ellenberger, 
Baum und Dittrid, Handbud) der W. der Tiere 
fiir Siinjtler (Leip3. 1898 —1901). . 
Anatomifdhe Braparate, funjtgeredte Zube- 
reitungen ganzer Tiere oder einzelner Teile derjelben 
zur Veranſchaulichung der anatomifden Verhältniſſe. 
Man unterfdeidet Rnoden-, Bänder-, Muskel-, Ner- 
ven-, Gefäß- und Cingeweidepraparate und jtellt fie 
her, indem man alle ſtörenden Teile, alfo 3. B. bei 
Musfelpriparaten die Cingeweide, Gefäße, Fett, 
Haut r., entfernt, fo dak man jeden Musfel von Une 
jang bis ju Ende verfolgen fann. Bon den Knoden 
apt man durd) Ubfaulen die Weidhteile ſich loslöſen 
und vereinigt fie durch Drähte gu fogen. Sfeletten. 
Unterbridt man die Faulnis früher, oder fodjt man 
die betreffenden Teile einige Beit, fo löſt fid) nur das 
Fleifd los und die fehnigen Binder bleiben erhalten. 


488 


Anatomiſches Beſteck — Wnaragoras. 


Für die Gewinnung von Gefäßpräparaten werden | Anwachſen der Kapitalien zu verhindern. A. con- 


die Adern vom Herzen oder einer größern Ader aus 
mit einer erhärtenden farbigen fie injiziert und 
ſpäter freigelegt. Auch die Gallenginge, die Verzwei— 
ungen der Darnfandle rc. laſſen fic) ähnlich darſtellen. 
Rady dem Rorrofionsverfahren fiillt man die 
Adern mit gefarbter Harzmaſſe und agt dann mit 
Säuren alle Weidteile fort, bis das Harz ju Tage 
tritt. Wan füllt auc die Hohlräume mit Woodſchem 
Metall und legt fie durch Mazeration blo, oder man 
fiillt fie mit Queckſilber und madt das umgebende 
Gewebe durch Triinfen mit Xylol durchſichtig. Die 
Cingeweide werden aufgeblaſen, getrocdnet und nit 
Firnis überzogen oder in jtarfen Weingeijt (von 50— 
90°) geleqt, der freilid) Den Präparaten ihre Weid)heit 
und natiirlide Farbe nimmt. Bringt man die Dr- 
gane in eine Formalinlöſung mit jalpeterjaurem und 
eſſigſaurem Sali, fo bebalten fie ibre Farbe und kön— 
nen in einer wafferigen Löſung von efjigfaurem Kali 
mit Glyzerin aufbewabrt werden (Kaiſerling). Tränkt 
man die Gewebe mit ciner Ldjung von Yirjenif, Su— 
blimat, Invertzucker oder Glyzerin in Waſſer oder 
wäſſerigem Ulfohol (Wickers heimerſche Flüſſig— 
keit) und läßt Das Waſſer oder den Wifohol verdun- 
jten, fo bleiben die Briiparate weich, fo dak fic 3. B. 
eine Lunge nad Jahren nod) beliebig oft aufblajen 
läßt und die Wusteln und Bander nod) die Bewe- 
gungen ber Knochen erlauben. Mit Terpentindl ge- 
triinfte und Dann getrodnete Priiparate find ſehr halt- 
bar; nad) weiterer Triinfung mit Paraffin gleiden 
fie oft den Wadsmodellen. Zur Herjtellung topogra- 
phifd-anatomijder ‘Briiparate, welde bie & 
hungen der Teile zueinander zeigen follen, ſpritzt man 
in eine Urterie 15proz. wäſſerige Formallöſung, durch 
welche die Organe eine elaſtiſche Härte erhalten und 
in ihrer Lage verharren. — A. P. von niedern 
Tieren find häufig ſehr ſchwer zu erhalten, da manche 
ſich bei Der geringſten Berührung bis zur Unfennt- 
lichkeit zuſammenziehen, andre wieder in der fonfer- 
vierenden Flüſſigkeit ſehr ſtark ſchrumpfen rc. Es Laf- 
jen fid) Daher feine allgemein gültigen Methoden an- 
qeben. Bal. Hyrtl, Handbuch der praftijden Zerglie⸗ 
derungskunſt (Wien 1860); G.H. Meyer, Anleitung 
gu den Braparieriibungen (3. Aufl. Leips. 1873); 


Mojſiſovies, Lettfaden bet zoologiſch jootomijden | 
Praparieriibungen (2. Aufl., daſ. 1885); Lothes, | 
Brapariermethodif (Berl. 1892); Lo Bianco, Me- | 


todi usati nella Stazione zoologica per la conserva- 
zione degli animali marini (Daf. 1890). 
Anatomiſches Vested, cine Taſche mit den zur 


junctus heißt es, wenn Die rückſtändigen Zinſen zum 
Kapital geſchlagen, A. separatus, wenn die Zinſen 
als neues verzinsliches Kapital Dem Schuldner ge- 
lafjen werden. Beide Formen waren gemeinredtlid 
verboten. Auch das Bürgerliche Geſetzbuch fiir das 
Deutſche Reid) betrachtet eine tm voraus getroffene 
Vereinbarung, daß fällige Zinſen wieder Zinfen tragen 
jollen, als nichtig. (Die Vereindbarung, dak riidjtan- 
Dige Binjen wiederum Zinſen tragen follen, ijt aljo 
zuläſſig.) Für Spartafjen, Rreditanjtalten und In— 
haber von Bankgeſchäften gilt aber das Befondere, 
daf fie tm voraus vereinbaren finnen, dak nicht er- 
hobene Cinlagen als neue verzinslide Einlagen gelten 
jollen, und Streditanjtalten, die beredhtigt find, für Den 
Betrag der von ihnen gewährten Darleben verzinstiche 
Schuldverſchreibungen auf den Inhaber auszugeben, 
können fic) bei ſolchen Darlehen die Verzinſung riid- 
ſtändiger Zinſen im voraus verſprechen laſſen. Das 
Handelsgeſetzbuch weicht von den vorſtehenden Grund⸗ 
ſätzen nicht ab, und wenn ſonſt Kaufleute fiir For: 
Derungen aus beiderfeitigen Handelsgeſchäften vom 
Tage der Fälligkeit an Zinſen beanſpruchen fonnen, 
fo gilt dies nicht fiir Sinjenfdulden. Nur in zwei 
Fallen fennt das Handelsgeſetzbuch cine Berpflichtung 
zur Entridtung von Sinjessinien, nämlich beim Kon 





agebezie⸗ 


tolorrentüberſchuß und beim Bodmereidarlehen. Ein: 
weitere Ausnahme von obigem Berbot fennt das 
Wechſelrecht beim Wechſelregreß. 

Anaugelu, ſ. Veredelung. 

Anaxagöras, griech. Loitoiops Der ioniiden 
Sdule, geb. 500 v. Chr. in Klazomenä in Yonien, 
gejt. 428, ſtammte aus reider und vornehmer Fa— 
milie, fam etwa 464 nach Uthen, wo er die Philoſophie 
aufbradte, der Freund ded Perikles und des Euripides 
wurde; ob ibn Der um 30 Jahre jiingere Sofrates ge- 
hort bat, ijt unfider. Seine Lehre bejtand in einer 
qualitativen Atomiſtik, die mit Der heutigen Chemie 
darin Ähnlichleit beſitzt, Dak fie wie dieſe die Verſchie— 
Denheit der Naturfdrper auf der Oualitat nad ver- 
ſchiedene, unveränderliche Grundſtoffe zurückfführt. 
VU. nennt fie ⸗Samen« oder ⸗Dinge« gan; im all: 
qemeinen; Spätere brauden den Yarsdrud »Homio- 
merien« fiir fie, d. b. »qleichartiqe Teilee. Im Anfang 
waren dieſe unendlid fleinen Urbejtandtetle nad A. 
untereinander gemifdt in Rube; erſt ſpäter trat eine 
Bewegung ein, wodurd Gleides mit Geidem (5. B. 
Knochenteilchen mit Knochenteilchen, Goldteilchen mit 
Goldteilchen) vereinigt, Ungleiches von Ungleichem 

(Metall von Geſtein) getrennt wurde. Dod) ijt in jedem 





Bergliederung von Menſchen oder Tieren notigen | Naturfdrper neben dem Gleichartigen, welches dad 
Werfseugen, wie Meſſern, Scheren, Halen, Nadeln ꝛc. Borwiegende, und nad dem das Ding (3. B. Gold) 
Anatomifades Muſenm, Gebäude, in dem ana: | genannt ijt, aud) etwas ibm Fremdartiges anzu— 
tomifde Braparate, fpesiell vom Menſchen, aufbewahrt | trejfen, d. h. alle wirklichen Dinge find ihrer (quali 
und jur Schau gejtellt find. An jeder Univerfitit | tativen) Berfdiedenheit unbejdadet auch untereinan- 
befjindet fic) cin ſolches und fteht unter der Leitung | der verwandt. Urbheber der Bewegung und damit der 
des Profejfors der Unatomie. Wandernde Muſeen Trennung und Verbindung, wodurd das anfing- 
zeigen vielfad nur Darjtellungen der Teile des menſch- liche Chaos sum Kosmos, d. h. zum geordneten Welt- 
lichen Körpers in Wadsnadbildungen und liefern mur | all, ward, ijt nach U. der weltordnende, von den ſtoff 
felten richtige Borjtellungen fiber die anatomifden lichen Dingen wejenhaft unterfdiedene, tiber den Stoff 
Verhaltniſſe. mãchtige Geiſt (niis), Dag ideelle, einheitliche und in⸗ 
Anatomiſches Theater, bühnenartig gebauter telligente Bewegungsprinzip, das der Vorſtellung von 
Horſaal fiir anatomiſche Vorleſungen (ſ. Anatomie). Gott ſehr nahe kommt. Hiermit ijt zuerſt der entſchie 
Anatozismus (griech. fat. Usurae usurarum), | Dene Dualismus in der griechiſchen Philoſophie gelebrt. 
Zinſes zins, Zinſenverzinſung, tm allgemeinen das Durch den Geiſt einmal hervorgebradt, verbreitet 
Schlagen der riidjtandigen Sinfen jum Kapital am | die Bewegung in dem unendliden Stoff immer weiter. 
Schluß des Jahres (Anatocismus anniversarius), Dieſe genetiſch-phyſikaliſche Erflarung des Werdens, 
was nad altrdmifdemt Recht gejtattet war, bis Juſti⸗ | die hich gegen alle Mantif und Wabhrfagerei richtete, 
nian dies Verfahren verbot, wm das hohe und fdynelle | brachte den A., jeiner dem Theismus günſtigen Lehre 


Anarimandros — Ancelot. 


vom Nus ungeadtet, in den Verdacht der Gottlofig- 
Feit und zog ibm cine Unflage ju, von deren Folgen 


489 
. B. Roma tibi subito motibus ibit amor; vel. 
lindrom. wirtſchaftliche). 


ihn Berifles mit Mühe befreite. A. ging hierauf nach Anbau- und Erutebuch, ſ. Buchhaltung (land- 


Lampſakos, wo er die letzten Jahre ſeines Lebens zu⸗ 
brachte. Die Fraqmente ſeiner Schrift »llber die 
Mature wurden von Schaubach (Leipz. 1827) und 
Sdorn (Bonn 1829) gejanunelt. Val. Breier, Die 
Philojophie des A. (Berl. 1840); Heinge, Uber den 
Mus des U. (Berichte der Sächſiſchen Gejellidaft der 
Wiifenfdhaften, 1890). 

Anazimandros, griech. Philoſoph der ioniſchen 
Schule, angeblich Schuͤler des Thales, war um 611 
in Milet geboren und ſtarb nach 547 v. Chr. Er 
ging wie Thales von der Annahme eines Grundſtoffes 
aug, betrachtete aber nicht wie dieſer eins der vier 
fogen. Elemente als jolden, fondern die nidjt wahr- 
nehmbare Urmaterie, die er, weil jie ihrer Beſchaffen— 
Heit nad) unbejtinunt, ihrer Ausdehnung nad un- 
endlid) gedadt werden miijje, apeiron (»das Unbe- 

renjte«) nannte und als unverginglid) bezeichnete. 

us ihr geht das Begrenste, d. h. fowobhl femer Be- 
ſchaffenheit als feiner Uusdehnung nad) Vejtimmte 
(die Welt der befondern Raturdinge), durch Wusjon- 
Dering der clementaren Gegenſätze des Warmen und 
Ralten, de3 Feudten und Trodnen vermöge der 
ewigen Demfelben innewohnenden Bewegung hervor, 
umd in Diefelbe fehrt es »nad) der Ordnung der Heit« 
auriid, jo dak cine endlofe Wufeinanderfolge von 
Weltbildungen fic) ergibt. Wars dent Feuchten haben 
fic) ftufenweife die lebenden Wefen entiwidelt. Auch 
Die Landtiere waren anfangs fifdartig und haben erjt 
nad Abtrocknung der Erde ihre jetzige Geſtalt erhalten, 
fogar die Menſchen find aus fiſchartigen Tieren ent- 
ftanden. Des A. Schrift ⸗»Uber die Nature, die erjte 
philoſophiſche und eine der erften projaifden in der 

riechiſchen Literatur, ijt bis auf ſehr diirftige Brud- 
tiie verloren gegangen. Bgl. Sdhleiermader, 
Liber Die Lehre des A. (Berl. 1815); Teidmiiller, 
Studien zur Geſchichte der Vegriffe (Daj. 1876); Neu- 
häuſer, Anaximander Milesius ete. (Bonn 1883). 

Unaximénes, 1) griech. Philojoph der ionijden 
Schule, vielleidht Schiller ded Unarimandros, geboren 
in Milet, lebte im 6. Jahrh. v. Chr. und lehrte, wie 
Unarimandros, den Hylozoismus. Der Urſtoff aller 
Dinge iit nad ihm die atmofpharijde Luft, aus der 
durd) Verdiinnung und Verdidjtung Feuer, Wind, 
Wajjer und Erde hervorgehen. Wie unfre GSeele, 
fagt das einzige echte Bruchſtück feiner verloren ge- 

angenen, in Broja abgefaßten Schrift »Uber die 

datur«, Luft feiend, uns zuſammenhält, fo umfaßt 
Hauch und Luft die ganze Welt. Val. Teichmüller, 
Studien jur Gejdhidte der Begriffe (Berl. 1876). 

2) U. von Lampfafos, Rhetor, Günſtling Phi— 
lipps von Makedonien und Uleranders d. Gr., Gegner 
des Iſokrates und feiner Schule, von vielfeitiger lite- 
rarijcher Tiitigfeit, Verfaſſer von »Hellenifa< und 
»Philippifa« und des »Trifaranos«, einer Schmäh— 
{drift auf Sparta, Uthen und Theben unter Theopom- 
pos’ Namen, durd die er deſſen Aufenthalt in Grieden- 
land umndglid) madte. Bon diejen Schriften find 
nur kärgliche Reſte erhalten (bei Miiller im Didotiden 
YUrrian, Bar. 1868); dagegen rührt vermutlich von 
ihm her die unter Ariſtoteles' Schriften geratene fogen. 
⸗Rhetorik an Alexander«, die älteſte aus dem VWiter- 
tum auf un3 gekommene Schrift diefer Urt (hrsg. 
von —— Leipz. 1847). 

Angzijkliſch (griech, »umbrehbar«) heißen Verſe 
und Gedichte, die vorwärts und rückwärts geleſen 
dasſelbe Metrum, oft auch dieſelben Wörter ergeben, 


— — — — — — — — — — ———————— — —— ——p 


Anbeifſi, Fiſch, ſJ Barjd. 

Aubetung (lat. Wdoration), cine bei den Mor: 
genlandern gewöhnliche Ehrenbezeigung und Be: 
grüßungsart der Fürſten und hohen Perſonen, die 
darin beſtand, daß der Grüßende ſich auf die Kniee 
warf und mit der Stirn den Boden berührte, auch 
den Saum des Gewandes oder die Füße des Betref— 
fenden küßte. Von den römiſchen Kaiſern adoptierten 
ſie die Päpſte in dem ſeit dem 9. Jahrh. von ihnen 
geforderten Fußkuß. Aus dem bürgerlichen Leben 
ging jene Ehrenbezeigung frühzeitig in den chriſtlichen 
Kultus über; man übte ſolche Zeremonien beſonders 
vor den Bildern Chriſti und der Heiligen, indem man 
die Ehre, die ihnen erwieſen wurde, auf die Urbilder 
bezog. Die hierin begründete feine Unterſcheidung 
zwiſchen A. Gottes und Verehrung der Bilder 
an Die Rirde theoretiſch immer feftqebalten, aber das 

olfsbewupticin um fo weniger, als jene Ehren: 
bezeigungen fajt aus der Sitte und Dem Berfehr der 
Menjden untercinander verjdiwanden (jf. Bilder- 
dienjt). Die UW. der Hoftie, d. h. die Kniebeugung 
vor derjelben, ijt durch Honorius III. (geſt. 1227) 
eingefilhrt worden. Ewige A. heißt die manderorts 
bejtehende und durd) bejondere Genoſſenſchaften ge 
forderte Cinridtung, daß gu jeder Beit nach beſtimmler 
Ordnung eine betende Perſon in der Kirche fei. 

Anbieten, bei ciner Verſteigerung das erjte Gebot 
machen; fid) bereit erklären, cine ſchuldige Leijtung gu 
erfiillen (aud) andienen genannt). Im allgemeinen 
ift Die Leiſtung ſelbſt anjzubieten, bisweilen jedod ge— 
niigt wortliches Angebot (vgl. Biirgerlides Gefey- 
bud, § 293 ff.). S. aud) Verzug. 

Anblaſen, Hornjignal fiir den Beginn der Jagd 
oder des Treibens. 

Aubraſſen, die Raaen eines Schiffes ſchräger zur 
Kielrichtung ftellen, wenn der Wind mehr von vorn 
lonmt. 

Anbrüchig heißt Holz, das offenſichtig von Fäul⸗ 
nispilzen angegriffen iſt; auch in Fäulnis überge— 
gangenes Wildbret (angegangen). 

brüchigkeit, ſ. Leberegelfrantheit. 

Ancachs, Departement in Peru mit ſieben Pro- 
vingen, von der Stilfte bis gum obern Marañon, be- 
grenat im N. durch Libertad, im S. durch Lima, im 
©. durd) Junin und Huanuco, 42,908 qkm mit (1896) 
428,703 Einw., die Uderbau und Viehzucht treiben, 
aber die reidjen Mineralſchätze des im Huandoy zu 
6428 m emporſteigenden Gebirges unbeadtet laſſen. 
(Fine 280 kin lange Cijenbahn führt durch das frudt- 
bare Tal des Huara;fluffes von Recuay gum Hafen- 
play Chimbote. Hauptitadt ijt Huaraz (j. d.). 

Ancelia, halbwollener, durd Vindungen ge- 
muſterter Damenfleideritoff, mit 28 Retten< und 30 
Schußfäden auf lem. Garne: Kette Baumwollen— 
jwirn Nr. 60 engl., Schuß Nr. 30 engl. Weft. 

Ancelot (jpr. angi), Jacques Urfene Poly- 
carpe, franz. dramatiſcher Dichter, geb. 9. Jan. 1794 
in Havre, gejt. 7. Sept. 1854 in Karis, wurde bei der 
Marineverwaltung angejtellt, beſchäftigte fid) aber 
eifrig mit Literatur und wurde, nadjdem 1819 jeine 
Tragödie »Louis [X« von den Royalijten lebbaft 
applaudiert war, vom König mit einer Penſion be- 
dacht. In der Tragidie »Fiesque« (1824) bat er 
das Schillerſche Stück mit Erfolg nadgeahmt. 1826 

ing er als Begleiter des Marjdalls Marmont zur 
—— nach Petersburg und veröffentlichte 


490 


1827: »Six mois en Russie<, cin Gemifd aus Profa 
und Berjen. Rad der Yulirevolution bradte er eine 
Menge fleiner Komödien und Baudevilles auf die 
Biihne, die mur geringen Wert haben. Seine Tra- 
gödie »Maria Padilla« öffnete ihm 1841 die Pforten 
der Utademic. Seine »Epitres familiéres« zeichnen 
fic) durch Eleganz und feine Satire aus. A. verdankt 
feine Erfolge den Anſtrengungen feiner Bartei, die 
in ihm den Geqner der romantifden Sdule und Un- 
hanger der Klaſſizität ehrte. Er hat ſich außerdem um 
den Schutz des literariſchen Eigentums verdient ge- 
macht. Seine »(Euvres complotes · erſchienen 1837. — 
Auch ſeine Frau, Marguerite Louiſe Virginie, 
eborne Chardon, geb. 1792 in Dijon, geſt. 1875, 
Bat Romane und Dramen (darunter das Profaluft- 
fpiel »Marie, ou Trois époques«, 1836) verfaft; ihr 
»Thédtre complet« erjdien 1848 in 4 Banden. 

MAncenis (pr. angh'nd, Urrondifjementshauptitadt 
im franz. Depart. Niederloire, an der Loire und der 
Oridansbahn, hat Rejte eines Schloſſes, Fabrifen fiir 
Gijenwaren, Ol u. a., Handel mit Landesproduften 
und (1901) 4661 Einw. 

Anceps (lat., »ſchwanlend, mittelzeitig⸗), in der 
Metrif cine Silbe, die fowoh! lang als hur; gebraucht 
werden fann, bezeichnet mit ~ (jf. Brofodie). 

Andhialos, Kiijtenjtadt in Oſtrumelien, auf einem 
Borgebirge der Budt von Burgas, Si eines qried). 
Erzbiſchofs, hat 2 gried. Schulen und (isos) 5365 
Einw. (4/5 Grieden), die Weinbau u. Salzgewinnung 
treiben. 2 km weſtlich die Ruinen der von den Upollo- 
niaten eqriindeten antifen Stadt A. Paläokaſtro). 

Anch’ io sono pittore! (ital., fpr. ant to fino, 
saud) id) bin Maler!«), Ausſpruch, den Correggio bei 
feiner Anweſenheit in Bologna ſelbſtbewußt vor dem 
Bilde der Heil. Cäcilia von Raffael getan haben foll. 

Auchiſes, aus dem trojanijden Königsgeſchlecht, 
Sohn des Kapys, Herrider in Dardanos am Ida, 
durch Uphrodite Vater des ÄAneas. Da er fich trog 
des Verbotes beim Wein ihrer Gunſt riihmte, ward er 
von Zeus mit dem Blig getroffen. Bei Trojas Her- 
ſtörung trug Yneas den gelihmten Bater aus der 
Stadt und wollte mit ibm nach Stalien fliidten; dod 
jtarb U. unterwegs. 

Anchitherium H.+. M. unpaaryebiges Duftier, 
in bie Borfahrenreihe des Bferdes Iberg die Seiten⸗ 
zehen, beträchtlich kürzer als die Mittelzehe, berühren 


Ancenis — Ancillon. 


gest, fich in die Schleimhaut feſtbeißt und dadurd cine 
lutung verurfadt; er fommet ſelten einzeln, meiſt 
u ————— im Darm vor und bewirkt Siutarmat 
Pines Wirtes. Er erzeugt auf diefe Weiſe die Aqyup- 
tifde oder tropifde EChlorofe oder UAnaimie 
(Undyloftomiafis), die fiber einen großen Teil 
der warmen Linder der Alten und Neuen Welt en- 
demiſch verbreitet ijt. In Europa ijt die Rranfheit feit 
Ende de3 18. Jahrh. als Kachexia montana in den 
Bergwerfen Ungarns, Franfreidhs und Belgiens be- 
fannt. Gon deutiden Vergwerfen find nur einzelne 
bei Uaden von der Wurmanämie befallen. 1879 
beobadhtete man dieſelbe Rranfheit (Tunnelfrant- 
Heit) beim Bau des Gotthardtunnels ; feit 1868 ſicher, 
wahrſcheinlich aber ſchon viel friiher auf den nieders 
rheiniſchen Ziegelfeldern eS ee 
wobin fie von vlämiſchen Arbeitern eingeſchleppt 
wurde. Die Cier des Wurntes werden mit den Ex- 
frementen entleert, entwideln ſich unter günſtigen 
Umſtänden gu einer geſchlechtlich unreifen Larve, 
fapjeln fid) em und ruben, bis fie gelegentlich Durd 
den Mund in den menfdliden Körper gelangen, wo 
fie geſchlechtsreif werden und Eier produjicren. Durch 
den mifroffopifden Nachweis der Eier kann das Vor⸗ 
handenſein der Würmer erkannt werden. Wird die 
gefährliche Kranlkheit nicht zu ſpät erlannt, fo fann fie 
durch Abtreiben der Würmer mittels Farnkrautertrakts 
gebeit werden. Bur Verhiltung der Kranfheit ijt große 

einlichleit das befte. Bgl. Zinn und Jacoby, An- 
kylostomum duodenale, geographiſche Berbreitung 
und Bedeutung fiir die Pathologie (Leipz. 1898). 

Anciennitat (franj. ancienneté), Dienit-, Umts-, 
Ranqalter, ters poate A Militariid wird die A. 
nad) dem Tage der legten Vefirderung, bei Offizieren 
nad der Datterung de Patents beredjnet. Ym Ge- 
fecht ijt die U. fiir die UÜbernahme des Rommandos 
widtig, wenn der Rommandeur ciner Truppe gefallen 
ijt. Im Rivildienft fommt die A. bei dent Aufrücken 
in se haltsjtufen, wohl aud) bei Beförderungen 
in Betracht; ferner beſtimmt fid) danach die Reihen- 
folge der Beamten gleiden Ranges. 

neien régime (fran}., jor. anghſang réteinr’, »alte 

Regierungsforme«), die Zeit vor der franzöſiſchen Re- 
volution. 

Ancile (fat.), einfleiner, ovaler, an beiden Seiten 
in Der Mitte halbtreisformig ausgeidnittener Schild, 


nod) den Boden. Haufig im obern Miocän Curopas | der gu Numas Zeit in Rom vom Hinumel gefallen 


ind in Rordamerifa. : 
Ancdhoinfaure, |. Azelainſäure. 


fein follte und an deſſen Bejig Roms Heil und Macht 


| getniipft war. Um das Herausfinden des echten gu 


Anchor = Lime (fpr. dngter-tain), no a Dampfer- | verbiiten, lie Numa elf gan; ähnliche (ancilia) durd 


geſellſchaft, ſ. Dampfſchiffahrt (Lert 
Anchovibirne, ſ. Grias. 
— — , i. Anſchovis. 


lage). 


| den Niinjtler Beturius 


amurius verfertiqen und in 
Der Kurie der palatinifden Salier (ſ. Salii) aufbewab- 
ren, die fie jährlich im März in feterlider Prozeſſion 


Anchiisa L., Gattung der Borraginazeen, eins | Durd die Stadt trugen. Die Zwölfzahl der Ancilien 


jabrige oder ausdaucrnde Kräuter mit wechſelſtändigen bedeutet vermutlich die zwölf 


Blittern und blauen, violetten oder weißen Bliiten | 


onate. 
Ancillon (pr. anghijong), 1) Charles, Publiziſt, 


in meijt beblatterten Wideln. Etwa 40 Arten in | geb. 28. Juli 1659 in Meg, geſt. 5. Juli 1715 im Ber- 
Europa, Nordafrifa, Weſtaſien, aud) am Rap. A. lin, Sohn des Predigers der reformicrten Gemeinde 
officinalis ZL. (Odfenjunge), in Europa und dem | in Meg, folgte nad) der Uufhebung des Cdifts von 
WMittelmeergebtet, wurde früher arjneilid) benugt. A. | Nantes feinem Vater nad) Berlin und wurde vont 


italica Retz. und A. sempervirens L. werden als | 
Garten zierpflanzen fultiviert. 

Anchiifjafaure und Anchuſin, ſ. Allannarot. 

Unchyloftomiafie, ſ. Anchylostomum. 

Anchylostémum duodeniale Dubini (Doch- 
mius duodenalis Leuck.), cin 10-—18 mm langer 
Rundwurm aus der Familie der Stronqyliden, der 
in der Jugend (als Rhabditis) im freien Zuſtand lebt, 
fpdter in obern Dünndarm des Menſchen über— 


Großen Kurfürſten zum juge et directeur de colo- 


nie de Berlin, 1699 von Friedrich II. zum juge de 


tous les Francais réfugiés dans le Brandebourg 
ernannt. Obwohl er als Hiftorifer und Schriftiteiler 
den durch Pufendorfs Tod verwaijten Titel eines Hi- 
ftoriographen des Rurfiiriten nicht verdiente, ijt ſeine 
» Histoire de |'établissement des Francais réfugiés 
dans les états de I'Klecteur de Brandebourg« (Berl. 
1690) wegen ihrer Sadlidfeit dod wertvoll. 


Anckarſtröm 


M Johann Peter Friedrich, preuß. Staat3- 
mann, Urenkel des vorigen, geb. 30. April 1767 in 
Berlin, geſt. 19. April 1837, ſtudierte in Genf Theo⸗ 
logie und wurde 1790 Prediger der franzöſiſchen Ge- 
metnde ju Berlin, 1792 zugleich Profeſſor der Ge- 
chicjte an Der Kriegsalademie, 1803 Mitglied der 

fademie der Wiſſenſchaften und königlicher Hijtorio- 
qraph, nachdem er im »Tableau des révolutions du 
systéme politique de l"Europe depuis le XV. siécle« 
(1803, 4 Bde.; neue Aufl. 1824) ein viel genannted 
Werk verdffentlidjt hatte. 1809 gum Staatsrat im 
Departement de3 Kultus ernannt und 1810 zum Er- 
gicher des Kronprinzen, nadmaligen Königs Friedrich 

ilhelm IV., berufen, behielt er einen außerordent⸗ 
lid) großen Einfluß auf ſeinen Zögling, zu deſſen Cha- 
rakterentwickelung er weſentlich beitrug. Nachdem er 
ihn 1813 und 1814 ing Feld begleitet hatte, ward er 
15. Oft. 1814, als der Kronpring miindig wurde, als 
Wirklider Geheimer Leqationsrat in das Minijte- 
rium der auswärtigen Ungelegenheiten berufen. 1817 
ward ex jum Mitgliede des Staatsrats, im Mai 1831 
wurde er zum Wirklichen Geheimrat fowie sum Chef 
des Departements fiir das Fürſtentum Neuenburg, 
25. Juli d. J. aber gum Staatsſekretär fiir die aus- 
wiirtiqen Angelegenheiten ernannt und 1832 als 
Staatsminijter an die Spike dieſes Minijteriums ge 
ftellt. Obwohl U. infolge feiner Schriften hier und da 
in dem Ruf eines poy Liberalismus ftand, leitete 
er die Geſchäfte Doc) in gang reaftionairem Ginn und 
im engjten Anſchluß an Ofterreid: er entwarf 1834 
mit Metternid) dad Wiener Schlußprotokoll, das jede 
Erweiterung fonjtitutioneller Rechte in Deutſchland 
ausſchloß. Er hat eine große Bahl von Ubhandlun- 
gen in deutſcher und franzöſiſcher Sprache über poli- 
tifdhe und philofophifde ae eſchrieben (dar- 
unter: »Uber Souveriinitat un —— 8* 
gen«, 2. Aufl. Berl. 1816; » Zur Vermittlung der Ex⸗ 
treme in Den Meinungen«, 2. Aufl., daſ. 1838, 2Bde.; 
»Pensées sur l' homme«, daſ. 1829, 2 Bde.), dod 
bejigen fie feinen wiſſenſchaftlichen Wert mehr. 

Anckarſtröm, Jakob Johann von, ſchwed. 
Verſchwörer, geb. 11. Mai 1762 auf Lindö (Upland), 
ward 1777 Hofpage, 1778 Fähnrich bei der Leibgarde, 
nahm aber ſchon 1783 als Hauptmann ſeinen Abſchied. 
Seit 1790 einer der leidenſchaftlichſten ariſtokratiſchen 
Gegner Guſtavs IIT. (jf. d.), ward er wegen aufrühre⸗ 
rijder Reden in einen Prozeß verwidelt, ree frei- 
qeiproden. Weihnadten 1791 verband er ſich mit 
andern Edelleuten zu ciner Verſchwörung gegen den 
König. Die Ausführung des Planes erfolgte 16. Mar; 
1792 auf cinem Wastenball im Stodholmer Opern- 
haus, wo Gujtav von UW. durd) einen Piſtolenſchuß 
iödlich verwundet wurde. Am nächſten Tage verhaf- 
tet, weigerte YU. ſich ſtandhaft, ſeine Miwerſchwornen 
zu nennen. Seine Hinrichtung, der eine dreimalige 
oͤffentliche Auspeitſchung vorangegangen war, erfolgte 
27. April. Seinen Nachkommen ward die Annahme 
des Namens Löwenſtröm gejtattet. Val. Mellin, 
Verſchwörung und Vordattentat gegen Gujtav IIT. 
(Stodh. 1890). 

Anckarſwärd, Karl Heinridh, Graf, ſchwed. 
Militar und Politiker, geb. 22. April 1782 in Svea— 
borg, geft. 25. Jan. 1865 in Stodholm, Sohn ded 
durch feine Tatigheit im Rriege 1788 — 90 fowie auf 
dem Reichstag von 1809 befannten Generalleutnants 
Wrafen Michael U., ward 1808 Oberadjutant der 
an der norwegifdjen Grenze operierenden Armee, be- 
teiliqte fic) mit Udlercreus (f. d.) und Udlerfparre (f. d.) 
an der Thronrevolution von 1809, fiihrte als Oberſt 


491 


1813 ein Regiment nad Deutfdland, mufte aber ſchon 
im Juli feinen Ubfdied nehmen, weil er Karl Johann 
(f.d.) ftatt der Verbindung mit Rupland den Anſchluß 
an Frankreich empfahl. Seit 1817 im Reidstag Führer 
der » Ritterhausoppofition«, galt er lange als der ge- 
fürchtetſte Geqner der Regierung. Seit dem Reichsta 
von 1840-—41 ging indeſſen fein Einfluß allmabtic 
zurück. Der 1830 in Verbindung mit J. G. Ridert 
von ibm vorgelegte Entwurf ju einer grundlegenden 
Ynderung der Volfsvertretung ward 1866 tetlweife 
verwirfligt. 1859 brachte er einen Yntrag ein, der 
eine Stärkung der Vorzugsſtellung Schwedens inner- 
a der Union bezweckte. Sein politifdes Glaubens⸗ 
efenntni8 leqte er in Der Schrift »Politisk trosbe- 
kannelse« (Stoch. 1833) nieder. Bal. M. Undar- 
ſwärd, Minnen fran dren 1788—90 (Stocfh. 1892). 
Ancon, Ruinen, f. Amerikaniſche Altertümer, 
S. 484 


S. 484. 
Ancõona, 1) friiher als Mark W. der Teil Mittel- 
italienS zwiſchen dem Adriatiſchen Meer und den Apen⸗ 
ninen, vom Tronto bis San Marino. Lange ein Teil 
des Herzogtums Spoleto, ward dieje Landfdaft 1093 
oder 1094 einem deutiden Reichsminiſterialen, Wer- 
ner (Guarneri), übergeben, nad) dem fie aud) Marca 
Guarneri genannt wird. Deffen Nadfommen blieben 
bid 1159im Beſitz. Dann folgten andre deutfde Mark- 
grafen, unter denen Marfward von Unniweiler (geſt. 
1202) der bedeutendite ijt. Seit 1198 erhoben die Papjte 
Anſprüche auf die Mark A., die aber erjt nad dem 
Tode Friedrichs I. dauernd verwirflidt und 1275 
von Rudolf von Habsburg feierlic) anerfannt wurden. 
1808 wurde die Mart von Napoleon zum Königreich 
Italien gefdlagen; 1815 fehrte fie unter päpſtliche 
Hoheit zurück und wurde 1861 mit Italien vereinigt. 
Sie bildet jest die Landſchaft der Marken (ſ. d.) und 
umfaft die vier Brovingen A., Wscoli-Biceno, Mace- 
rata und Befaro-Urbino. — 2) Stal. ‘Proving in der 
Landſchaft der Marfen, im O. an das Adriatiſche Meer, 
im S. an die Proving Macerata, im W. an Perugia 
und im N. an Befaro-Urbino grenjend, hat einen 
Fladenraum von 1966 qkm (35,7 OW.) mit (901 
302,460 Einw. (154 auf 1 qkm). Die Provinz A. 
umfaft den eingigen Kreis gleiden Namens. 
Ancdna (die »Ellbogen{tadt<), Hauptitadt der 
gleichnamigen ital. Provinz und der alten Mart A., 
am Adriatiſchen Meer — den Ausläufern des 
572 m hohen Monte Conero amphitheatraliſch 
legen, Knotenpunkt an der Eiſenbahn Bologna-A.- 
Brindiſi, beſteht im ältern Stadtteil aus engen und 
frummen Gaſſen mit oft 6—7 Stockwerk hohen, über⸗ 
einander gereihten Häuſern um den erweiterten Hafen⸗ 
fai. Die breite Straße Vittorio Emanuele führt djt- 
lid) gu dem neuen, regelmäßig angelegten Stadtteil 
mit der Piazza Cavour, auf ber fd) das Standbild die- 
ſes Staatsmannes erhebt. A. ijteine wichtige Feftung ; 
ju der alten Ritadelle auf dem Monte Aſtagno (aus 
dem 10. Jahrbh., feither wiederholt rejtauriert) und den 
Baftionen um die Stadt find in neuejter Zeit Forts 
auf den umliegenden Unhdhen hinzugekommen. Her- 
vorragende Bauwerfe find: der Triumphbogen Tra- 
jan8, ein Prachtwerk des Ultertums aus weikem Mar- 
mor (115 n. Chr. von Upollodor erbaut), 14 m hod, 
9 m breit, und der in geringer Entfernung von jenem 
ju Ehren des Papſtes Clemens XII. 1765 von Ban- 
vitellt aus Baditeinen erridtete Bogen ; die am Monte 
Guasco auf den Triimmern eines Verustempels fte- 
hende Rathedrale San Ciriaco, aus dem 12. und 13. 
Jahrh., mit Kuppel, antifen Säulen und dem — 
gen Sarkophag des Prätors Gorgonius in der Krypte: 


— Ancona. 


492 


die Rirde Santa Maria della Piazza (13. Yahrh.), | 
mit reidjer Faſſade; die Kirchen Sant’ Ugojtino, Gan 
Francesco (betde mit fchinen gotijden Portalen) und 
San Domenico (13. Jahrh., mit Gemalden von Ti- 
jian); ferner die Börſe (1443-—59 erbaut, mit geijt- 
voller gotijder Faſſade), der Präfelturpalaſt, das 
Stadthaus (15. Jahrh., mit Gemäldegalerie, archäo— 
logifcer und Miinszfammulung), die beiden Theater, das 
Lazarett (am Hafen, 1733 von Vanvitelli im Fünfeck 
erbaut), Das Yrrenhaus u. a. Die Stadt zählt «vor 
ca. 34,000 (als Gemeinde 56,825) Einw. Die Indu⸗ 
jtrie erjtredt fid) auf Schiffbau und Fabrifation von 
Eiſengußwaren, Zucker, Seiler-, Sdafwollen- und 
Hanfivebewaren, Leder rc. Von Bedeutung ijt A. als 
Hafen- und Handelsplag, da es allein auf der ganzen 
Riljtenftrede zwiſchen Venedig und Brindiſi größern 
Schiffen vollfommen Schutz ju bieten vermag. Der 
Hafen ijt ein ovales Beden von 900 m Lange, 780 m 
Breite und durchſchnittlich 8 m Tiefe und jteht nur den 
Nordweftiwinden direft offen. Von den beiden mit 
Leuchitiirmen verfehenen Hafendämmen ſtammt der 
nördliche, 750m lange Molo, der die beiden Triuntph- 
bogen (j. oben) trägt, teilweife aus der Romergeit. Yn 
den letzten Jahrzehnten wurde der Hafen verbefjert 
und jum Striegshafen erflirt. 1900 find tm Hafen 
1085 handelstatige Schiffe mit 669,393 Ton. und ciner 
Warenladung von 248,335 T. eingelaujen. Haupt- 
cinfubrartifel find: Zucker, Kaffee, Tabak, Sal;, Cijen- 
waren, Mafdinen, Kohle, Holy, Manufafturwaren. 
Die Warenausfubr betrug 46,964 T. VW. beſitzt cin 
Gymnajium, ein Lyzeum, eine techniſche Sdhule, ein 
techniſches und ein nautifdes Inſtitut, ein Zuchthaus. 
Die Stadt ijt Sig eines Biſchöfs, ded Prafeften, des 
Uppellhofs, des 7. Armeeforpsfonrmando3 und zahl⸗ 
reidjer Ronfulate (aud) eines deutſchen). 

Wefdidte A. wurde von Syrakuſanern, die vor 
dent diltern Dionyfios flohen, 380 v. Chr. geqriindet 
und wegen Der Lage des Orted dort, wo die sMiljte aus 
der nordnordwejtliden in die weſtnordweſtliche Rich— 
tung umbiegt, A. (> Ellbogen«) genannt. Unter den 
Rodmern ward A. Rolonie und Hauptort von Picenum 
und gelangte durch Handel und Gewerbtätigleit (Bur- 
purfarbereten) zu Wohlſtand, befonder3 nachdem die 
Hafenanlagen durd) Trajan erweitert worden waren. 
In der Beit der VHllerwanderung fam A. in den Be- 
fi§ Der Woten, ſpäter (592) der Langobarden. Im 
12. Jahrh. fuchte A. fid) durch Anſchluß an die By— 
jantiner der Deutiden Herridaft au entziehen und 
ward 1167 und 1174 von den Truppen Friedrichs J. 
vergeblich belagert. Seit der päpſtlichen Herrſchaft über 
Die Mark A. (f. oben) fimpfte die Stadt heftiq um ihre 
Unabhängigleit, bis jie 1532 durd Clemens VII. un- 
terworjen ward. 1797 nahmen die Franjojen A. durch 
Rapitulation ; 1799 wardes nad tapfererVerteidiqung 
durch den franjififden General Wonnier von den 

jterreichern und Rujjen crobert, 1805 wieder von 
Napoleon befest, 1813 von den Neapolitanern ein- 
genommen, 1815 dem Papſt guriidgegeben. Bon 
1832 -38 bielten die Franjofen die Stadt befest. 
Rad) der Revolution von 1848 mute fid A. nad 
langerer Belagerung (24. Mai bis 19. Sunt 1849) 
den Djterreichern ergeben; erjt 1859 ward die dfter- 
reichiſche Beſatzung aus A. zurückgezogen. Nad) der 
Niederlage bei Caſtelfidardo (18. Sept. 1860) zog ſich 
General Lamoriciere mit dem Reſte der päpſtlichen 
Truppen hierhin zurück. Uber ſchon 29. Sept. mußte 
er nad) zweitãgiger Beſchießung A. den Piemonteſen 
übergeben. Um 17. Dez. 1861 wurde A. dem König— 
reid) Italien einverleibt. 











Ancona — Ancus Marcius. 


Ancõna, Uleffandro d', namhafter ital. Lite⸗ 
rarhiſtoriler, geb. 20. Febr. 1835 in Piſa, ſtudierte mm 
Florenz und veröffentlichte ſchon 1854 die italieniſchen 
Schriften Tommaſo Campanellas (Turin, 2 Bde.) 
mit einer umfangreichen Biographie des Philoſophen. 
1855— 58 widmete er ſich Dem Studium der Rechte 
zu Turin, übernahm dann, nach Florenz juriidge- 
fehrt, Die Redaftion der »Nazione« und beflerdete von 
1860—1900 den Lehritubl der italienifden Literatur 
an der Univerfitdt gu Piſa. Er gab zahlreiche alte und 
feltene italienijde Schriftwerfe neu heraus, fo eme 
Ausgabe der » Vita nuova« Dantes (1872, 2. Aufl 
1884), »Le antiche rime volgari etc.« (1875 —8&, 
5 Bode.), »Sacre rappresentazioni dei secoli XIV, 
XVe XVI« (1872, 3 Bde.), woran fid) das anziehende 
Werf »Origini del teatro in Italia« (lor. 1877; 
2. Aufl. Tur. 1891,2 Bde.) anſchloß; ferner verdffent⸗ 
lidjte er »I precursori di Dante« (flor. 1874), »La 
poesia popolare italiana« (Daj. 1878), ⸗Studii di eri- 
tica e di storia letteraria« (Daj. 1880), »Varieta 
storiche e letterarie« (Wlail. 1883— 85, 2 Bode.), 
»Studj sulla letteratura italiana dei primi secoli« 
(Ancona 1884) und » Manuale della letteratura ita- 
liana« (mit ©. Bacci, Flor. 1892 —95, 5 Bde.). Boll- 
ſtändiges Verzeichnis feiner Werfe in »Raccolta di 
studii critici dedicata ad A. d'A.« (Flor. 1901). 

Anere (pr. angtr’), Marſchall d’, eigentlich Con- 
cino Concini, Sohn cines Senators ju Floren; 
begleitete Maria von Medici nad) ihrer Vermabhlung 
mit Heinrid IV. von Franfreid) 1600 an den fran- 
zöſiſchen Hof, wo er fid) der cinflufreiden Kammer⸗ 
frau Marias, Leonore Galliqat, antrauen lies. 
Wis nad) dem Tode Heinrichs [V. 1610 Maria Reichs⸗ 
regentin geworden war, gewann er als ibr Günſtling 
alle Gewalt. Die Regentin ernannte ihn zum War- 
quis von A. und, obgleid) er nie cinen Krieg mut 
qgemadt, 1614 jum WMarjdall von Frankreich. Bon 
mehr als 30 hohen Ehargen bezog er jährlich 2 Mill 
rant; an Giitern und Kojtbarfeiten erbielt ex außer⸗ 
Dem fiber 3 Mill. Fr. in wenigen Jahren. Er entfal- 
tete einen verſchwenderiſchen Gurus, war jedod dem 
Bolte furdtbar verhaßt. Wher vergeblich fuchten ibn 
1616 Die Herzöge von Bouillon, Mayenne, Revers, 


| Longueville und der Pring Condé ju ſtürzen. Indes 


da er ut feinem Hochmut den jungen König Lud- 
wig XIII. der Armut und felbjt forperlicher Pipe 
handlung preisqab, lich diefer ifn 24. April 1617 auf 
der Brücke de3 Louvrepalaſtes von dem Gardefapitin 
v. Bitry erſchießen. Seine Gattin wurde der Teilnahme 
an der Ermordung Heinrids IV. und ded zauberiſchen 
Cinflujjes auf die Königin angeflagt, 8. Juli 1617 
als Here zum Tode verurteilt und enthauptet. 

Ancud, Hauptitadt der chilen. Proving Chiloé, auf 
der Nordfilite der Inſel Chilog, unter 41° 51° ſudl. Br. 
und 73° 56 wejtl. L., am Ranal von Chacao, Biſchofe— 
fits (auch fiir die Provinzen Llanquihue und Valdivia), 
Sif eines deutſchen Vizekonſuls, mit Schiffahrtsſchule, 
Seminar und (isos) 3182 Cinw., die Holyhandel, Fi- 
ſcherei und Uderbau treiben. Der vortrefflide Hafen 
ift durch regelmäßige Dampfſchiffahrt mit andern Hi- 
fen Chiles verbunden. — Die Stadt wurde 1768 als 
San Carlos de Chilod qeqriindet, befejtiqt und 
erjt 1826 an Chile Ubergeben; 1834 wurde es unter 
dem Ramen WU. Hauptitadt der Proving an Stelle 
des 1566 gegriindeten Cajtro an der Djttiijte, das ſeit ⸗ 
dem verfiel. 

Ancus Marcins (> Diener des Mars), nach der 
Sage Sohn der Todjter Numas, der Pompilia, und 
des Marcius, vierter Riniq von Rom, regierte an- 


Ancy-le-Franc — Andalufit. 


geblid) von 640—616v. Chr., war, gleid) dem Numa, 
ein weifer Befirderer der Religion und der friedlicen 
Gewerbe, zugleich aber, wenn er angegrijfen wurde, 
tapfer. So bejiegte er die Latiner und fiedelte einen 
Teil von ihnen am Uventinifden Hiigel an, wodurd 


493 


| aber aud) jähzornig, fed und ftreitfiidtig, cin Freund 
des Meſſers und des Revolvers, wenn auch dfter nur 


ein prahleriſcher Zungenheld. Cine kurze Gamtjade, 


by eng anliegende Beinkleider, reife Striimpfe, 


cin ſchneeweißes Hemd mit Krauſe und offenem Kra- 


der Grund zur Entitehung de3 Plebejerftandes gelegt gen, ein breitrandiger, flader, fteifer Filzhut und 


wurde; aud) griindete er an der Mtiindung de3 Tiber 
Die Hafenftadt Ojtia. Sein Nachfolger wurde der Vor⸗ 
mund feiner zwei unerwadjenen Söhne, Tarquinius 
Priscus (fj. d.). 

Mneh-le-Frane (pr. angfi-t5-frang), Flecken im franz. 
Depart. Yonne, Urrond. Tonnerre, am Armançon und 
der Lyoner Bahn, hat ein pradtvolles Schloß aus dem 
16. Yahrh. mit Gemälden von Niccold dell’ Ubbate, 
Cijenhiittenwerfe und (901) 1037 Einw. 

Aneylusfee, cin durch das Vorkommen der 
Schnecke Ancylus fluviatilis charafterifierted rieſiges 
Binnenſeebecken in Sfandinavien, das in der pojtqla- 
zialen Zeit durch Hebung des Bodens vom Meer ab- 

etrennt und ſpäter durch Ublagerungen und weitere 
— —————— trocken gelegt wurde. Die Foſſilien 
der Ablagerungen des Ancylusſees laſſen erkennen, 
welche Pflanzen in jener Periode an den Ufern des 
Sees wuchſen, der fic weit über das heutige Mittel⸗ 
und Nordſchweden ausdehnte. 

Ancyranum marmor, ſ. Ungora. 

AW ncgjye (jpr. antidig), Wladyftaw Ludwil, poln. 
Schriftſteller, geb. 25. Nov. 1823 in Wilna, geſt. 28. 
Juli 1883 in Krafau, Sohn eines hervorragenden 
Schauſpielers, erlernte die Pharmazie, widmete fid 
aber frühzeitig literariſchen Urbeiten und lebte meiſt 
inRrafau. Er ſchrieb die beften polniſchen Volksſtücke, 
wie: »Die Bauernarijtofraten« (1851), »Die Lob- 
fower« (1854), »Die Flifere (1875), »Die Banern- 
emigration« (preisgekrönt, 1876); die poetifde Erzäh⸗ 
lung ⸗Tyrteusz«⸗ (1883) und viele Qugendfdriften. 

Undacht, die Richtung der Gedanfen auf irgend 
einen Gegenjtand, beſonders auf Gott und göttliche 
Dinge, in der Abſicht, ſich über das Endlicde, Ge- 
meine, Selbjtifdhe gu erheben. Undadhtsiibungen 
find in dieſem Sinn Gebet, Gefang und afrentlidhe 
Gottesverehrung tiberhaupt, Undadtsbider(Ge- 
betbiider) aber foldje Schriften, welde die Befir- 
derung und Leitung religidjer A. bezweden und bei 
Andadtsiibungen als Hilfsmittel gu gebrauden find 
(j. Erbauungsbiicher). Friiher wurde das Wort an- 
dächtig als Ehrenbenennung folden Perſonen bei- 

eleqt, bet denen man wegen ihres Amtes einen be- 
— Beruf zur A. vorausſetzte, wie den geiſtlichen 
Kurfürſten und Doktoren der Theologie. 

Anda Gomesii, ſ. Joannesia. 

Andalufien (ipan. Andalucia), fpan. Landſchaft, 
welde die vier ehemaligen mauriſchen Königreiche 
von Granada, Jaen, Cordoba und Sevilla umfaßt 
und fomit Den ſüdlichſten Teil der Halbinfel bildet, 
87,570 qkm (1590 OW.) groß mit (900) 3,562,606 
Einw. A. das Bandalitia oder Bandalufia zur 
Beit der Vandalenherridaft, grenzt im RN. an Eftre- 
madura und Neufaftilien, im S. an das Atlantiſche 
und das Mittellandifde Meer, im O. an Murcia, im 
W. an Portugal und zerfällt gegenwärtig in die act 
Provinzen: Cordoba, Cadiz, Huelva, Sevilla, Jaen, 
Malaga, Granada und Wimeria (Genaueres f. unter 
den einzelnen Provinzen). Der Undalufier ijt von 
finer Körpergeſtalt, lebhaft und Heiter, vergnü— 

rial leichtſinnig, aber ebrlich und edel, red- 
eliq, voll Verftand und Gewandtheit in der Wuffaf- 
jung, jtol; auf fein Land und poetiſch beqabt, aber 
arbeitsjdeu, dabei genügſam, gaſtfrei und gefillig, 





elbe Schube bilden die Tract des echten Undalufiers. 

ie Frauen, von ciner unnadahmliden Grazie und 
mit vielem Mutterwit begabt, find gwar nidt die 
ſchönſten Spanierinnen, aber dod) die intereſſanteſten. 
Yin Siidabbang der Sierra Nevada (Wipujarras) le— 
ben nocd) reine Nachkommen der Mauren. Biele Tau- 
fende von teils anfaffigen, teils nomadijierenden Zi— 
geunern (Gitanos) find über ganz A. verjtreut. 

In den altejten Zeiten wurde A. von den Turtern 
bewohnt, die Gewerbe trieben und einige Kultur be- 
ſaßen, dabei fanft und friedliebend, aber aud) weichlich 
waren und feinem Eroberer widerjtanden, und hie} 
Batica (nad dem Batis, jest Guadalquivir) oder Tar- 
teffos (phöniliſch Tarſchiſch, nach feinen Bewohnern). 
Von Frembden liehen fich guerjt die Phöniker hier nie- 
Der, um die reidjen Silberberqwerfe auszubeuten; fie 
griindeten die Rolonien Hispalis (Sevilla), Gades (Ca- 
Diz) u. a. Später nahmen die Rarthager diefe Gegen- 
den cin. 206 fam das Land in den Befis der Romer. 
Unter ihnen bildete A. einen Teil der Provinz Bae- 
tica und war der Mittelpuntt römiſcher Bildung und 
Gitte in Spanien. Cordoba und —— bei Se⸗ 
villa (Italica) gaben Rom Dichter, Weltweiſe und 
Kaiſer, wie Lucanus, Seneca, Trajanus; aud) der 
Geograph Mela und der ölonomiſche Schriftſteller 
Columella ftanunten aus Batica. Ru Anfang des 
5. Jahrh. n. Chr. eroberten die in der Völkerwande— 
rung aus Galicien und Aſturien eindringenden Ala— 
nen und BVandalen A. beinahe ohne Widerjtand und 
nannten es Vandalitia. Ihnen folgten 412 die 
Wejtqoten, die nad cinem langen Kampf die Wlanen 
und BVandalen nach Afrika hinüberdrängten und feit 
dem 6. Jahrh. ganz Spanien beberrfdjten. Schnell 
entartet, erlag das Reid) der Weſtgoten ſchon nad 
einem Jahrhundert den Urabern in der Schladt bei 
Jere; de la Frontera 711. Wis 755 die fpanifden 
Uraber fid) von den Ralifen in Wien unabhängig 
madten, wurde A. der Sig einer neuen Dynajtie von 
Ralifen, die Cordoba zu ihrer Hauptitadt wählte. 
Die fiberwundenen Goten wurden von den Siegern 
mild behandelt, bebhielten freie Reliqionsiibung, thre 
eignen Geſetze und Sitten und jablten bloß cinen 
mapigen Tribut. Die Bevdlferung Andaluſiens war 
damals zahlreich, der Ackerbau bliihte; Riinjte und 
Wiſſenſchaften, befonders Baukunſt, Aſtronomie, Me— 
dizin, wurden von den Arabern mit ſolchem Erfolg 
gelrieben, daß Wißbegierige aus dem übrigen Europa 
nad Cordoba reiſten. Als aber 1031 die Dynaſtie 
der Omaijaden in Cordoba ausitarb und die Mauren, 
ſchon längſt uneinig, fich in mehrere unabbingige 
Reidhe jerteilten, vertiel aud) ihre Macht und der Wohl⸗ 
ftand des Landes. In A. entitanden die drei König— 
reiche Sevilla, Cordoba und Jaen, die nad vielen 
Kämpfen, von 1233 —50, durch Konig Ferdinand III. 
von Raftilien den Mauren entriſſen wurden. Bon 
jener Beit an war A. ein Teil des Reiches Najtilien 
und hatte mit dieſem ftets gleiche Schickſale. 

MUndalufier, |. Hubn. 

Andalufit, Mineral aus der Ordnung der Sili- 
fate, benannt nach dem Fundort, bejteht aus fiefel- 
faurer Tonerde AL SiO,, friftallijiert in langen, rauhen, 
meift von Kaliglimmer bedeckten, rhombiſchen Saulen 
von nahezu quadratijdem Durchſchnitt, ijt aſchgrau, 





494 


grunlichgrau bis grün oder rötlichgrau bis rot, ſchwach 

lasglingend, wenig durdjdeinend, Harte 7-—7,5, 
— Gew. 3,1. Er findet ſich im Granit, Gneis 
und Glimmerſchiefer bei Almeria in Undalufien, bet 
Briunsdorf in Sadfen, Hof in Bayern, bei Liſenz 
in Tirol, im Ural, in Brafilien x. In metamorphi- 
ſchen Tonſchiefern erſcheint er häufig als Chiaſtolith 
(v. griech. chiastos, »mit einem chi [7] bezeichnet, ge⸗ 
freugt«, und lithos, Stein) oder Hohlſpat, defjen 
lange Striftalle in der Ridtung ihrer Längsachſe und 
ihrer Diagonalen von kohliger Subjtang fo durchzogen 
find, daß fie auf dem Ouerbrud ein dunkles Kreuz 
erlennen laſſen (ſ. Ubbildung). Golde Tonſchiefer 
GChiaſtolithſchiefer) finden fic gu Gefrees im 
Fichtelgebirge, im Harz, in der Bretagne, zu San— 
tiago de Compoſtella in Galicien, in den Pyrenäen, 
in Maſſachuſetts x. Die oft fußlangen und an 5 cm 


GEGEBECBIS 


Cin Chiaftolithfrifiall von Maſſachuſetts in eins 
zelne Scheiben zerſchnitten. 


diden Chiaſtolithe werden auch wohl in Scheiben ge 
teilt, die geſchliffen wegen der Kreuzfigur als Amu— 
lette getragen werden. Schön durdfidtige grüne bra- 
ſiliſche Andaluſite dienen alg Schmuckſteine und wer- 
den oft fälſchlich als Alexandrit ausgegeben. 

Andalufithornfels, ſ. Tonſchiefer und Meta— 
morphismus. 

Andamanen, Inſelgruppe im Bengaliſchen Golf 
(f. Karte »Hinterindien«), zwiſchen 10° 30’— 13° 45¢ 
ndrdl Br. und 92° 15‘ 93° 15° öſtl. L., ſüdlich 
vom Rap Regrais (Britiſch-Birma), nördlich von 
den Rifobaren, umfaßt 6497 qkm in 4 größern und 
50 Fleinern Inſeln mit (901) 24,499 Emw. Nord-, 
Mittel- und Siidandamanen (1513, 1961 und.1392 
qkim) bilden Die 250 km lange, 32 kim breite Gruppe 
Grofandamanen, durd die Duncanjtrafe von den 
fiidliden Kleinandamanen (954 qkm) getrennt. 
Der Stewartfund ſcheidet Nord- und Wittelinfel, die 
ſchiffbare Andamanenſtraße Mittel- und Südinſel, die 
ſchiffbare Macpherſonſtraße lestere von Rutland. Die 
Weſtküſte ijt von Korallenriffen beqleitet. Die üppigen 
Urwälder von hinterindiſchem Charafter enthalten 


cinen wertvollen Wabagonibaum (Pterocarpus dal- | 


bergioides), am Strand wächſt Mangrove. Das Klima 
ſchwankt awifden 19 und 27°, Wirbelitiirme find fel- 
ten, der Regenfall ijt febr bedDeutend (3000 mm jähr 
lich). Die höchſten Punlte: Saddle Hill (730 m) auf 
Nord⸗ und Mount Harriet auf Siidandamanen, wer- 
den als Gejundheitsitationen benugt. Faſt die einzi⸗ 
gen Sdugetiere ſind Wildſchweine, Ratten, Rollmarder, 
Ichneumons und Fledermäuſe; Vogel find felten (ef: 
bare Neſter), Fiſche und Schildfriten in Fiille. Die 


augjterbenden Ureinwohner, 1901 mur nod) 1882, Die | 


Minfopies, find mit den Negrito und Papua vers 
wandt, 140 -150 em qrof, von tiefdunfler Haut und 
fraufem Wollbaar. Die Wanner gehen nat, die 
Frauen mit einem Lendengiirtel aus Blattern. Sie 
haben feine feſten Wohnſitze und leben von den Er- 
jeugniffen des Waldes und Meered, find geſchickte 
Bogenſchützen, Muderer und Tauder, gegen andre 
Stanune unfriedlich und hinterlijtiq. Bort Cornwallis 
auf Rord- und Port Blair auf Stidandamanen find 
vorgliqlide Zufluchtshafen. In lesterm haben die Eng- 
lander cine Strafanjtalt erridtet, die 1901: 16,307 
meift lebenslinglid verurteilte Straflinge barg. Die 
Landwirtſchaft erjtredt jid) auf Tee, Kokosnüſſe, Lt- 





Andalufithornfels — Andelfingen. 


beriafaffee, Zuckerrohr, Musa textilis, Urrowrooi, 
Tamarinden, Betel. Die Wilder lieferten 5219 Ton. 
Tiek- und Padonkholz. Die indifde Regierung, deren 
Chief Commissioner (auch fiir Die Rifobaren) in Bort 
Blair wohnt, mufte 1895 zu den Cinnahmen (417,389 
Rupien) nod) 992,053 Rupien zuſchießen. Sur Be 
wadung der Striiflinge dienen 640 indijde Voliziſten 
und 430 Mann Ynfanteric. Mit Kalfutta beftebt cme 
monatlide Dampferverbindung. — Die A. kommen bet 
arabiſchen Schriftſtellern juerjt tm 9. Jahrh. vor und 
werden aud) von Marco Bolo (um 1300) erwahut. 
1789 wurden fie von den Englandern ju einer Straf> 
folonie auserfehen, dod) 1796 wieder verlajjen. 1857 
wurde der Hafen Blair angelegt jur Aufnahme der 
nad) dem Sepoyaufſtand ju deportierenden Inder; 

ier wurde Graf Mayo, der Gencralgouverneur von 
Indien, 8. Febr. 1872 von einem muslimiſchen Straf- 
ling erſtochen. 

Andameénto (ital, »>Gang<), in der Fuge ſoviel 
wie Zwiſchenſpiel, ſ. Divertimento 2). 

Andante (ital.), cine Der altejten Tempobeitim: 
mungen, bedeutet »gehend« (dD. b. ziemlich langſam 
in mapiger Bewegung) und ijt nicht etwa im Sinne 
von »langjam« aufjufajjen. Pid a. heißt »fdyeiler< 
(nicht »langfamer<); un poco a. bedeutet im Adagio 
·etwas fdyneller«, im Allegro aber » weniger ſchnell «- 
Die Diminutivform Andantino bezeichnet nicht eigent⸗ 
lid) ein andres Tempo als A., macht vielmehr auf 
die Feingliederigleit des motivijden Baues aufmert- 
fam (ähnlich bet Allegretto, Larghetto, Adagietto). 
Unter einem A. veriteht man beute, ähnlich wee unter 
YUdagio, einen langjamen Sag einer Symphonie, 

Andantino, ſ. Andante. | Sonate x 

Audaöl, ſ. Joannesia. 

Andchui, Stadt in Afghaniſtan, unweit des bald 
in Der Steppe verjieqendDen Sanqalit an der Xara 
wanenjtrake Herat-Samarfand, 15,000 Emuw., merit 
Turfmenen und Ugbefen, die Ramele züchten und 
mit ſchwarzen Lammfellen (jogqen. Aſtrachan) bedeu⸗ 
tenden Handel nad Bochara treiben. 

Andechs, Benediftinerflojter und wegen ſeiner 
Reliquien bejudter Wallfahrtsort in Oberbayern, auf 
dem »heiligen Berg am Ammerſee geleqen, ward 
um 950 geqriindet, 1803 vollſtändig ausgepliindert, 
durd) König Ludwig J. von Bayern 1846 wiederher⸗ 

ejtellt, ift qeqenwartiq Novizenhaus fiir die Bene 
iftiner int Denechen. — UW. war uripriinglich etre fefte 
Burg und Sig der Grafen von Diejjen, de ſich um 
1000 nachweiſen lafjen, ſich um 1132 nad A. mann 
ten und um 1180 Herzöge von Weran wurden, aber 


| bereits 1248 mit Otto VIII. ausitarben, wabrend die 





ſcheinlich/ v. 





Burg W. fdhon vorher durd Herjoq Ludwig L vor 
Bayern zerſtört worden war. Bgl. v. Oefele, Ge 
jchichte der Grafen von A. (Innsb. 1876); HeindL 
Der heilige Berg A. (Münch. 1895). 

Andefaven (Andecavi), ſ. Unjou. 

Ande (Wandelang, lat.andelangus, wabr- 
anj. gantelet, »>Handjdub-«), BWabr- 
zeichen Der qewerten Hand (manus vestita), im ger⸗ 
manifden Recht Symbol der Beſitzeinweiſung; der 
RKiufer eines Grundftiides empjing vor Seugen auf 
dem Grundſtück nad) Yahlung des Sautpreites den 
Handſchuh und damit den Beſitz (die Gewere). 

Andelfingen, swei Orte im ſchweizer. Nanton 
Zürich: Groß-A., Hauptort des Bezirls A., mit 
ſchönem Schloß und coe) 859 meiſt evang. Einwoh⸗ 
nern, auf dem hohen linken, und Klein-A., mit 
1038 evang. Einwohnern, am rechten Ufer der Thur 
gelegen, Ubergang der Bahnlinie Winterihur-Schaif · 


Andelys — Anderjen. 


haufen fowie, gang in der Nahe, der Qinie Winter- 
thur- Stein. 

Andelys (Les Andelys, fpr. U ſangb'li), Urron- 
diſſementshauptſtadt im frang. Depart. Eure, an der 
Seine und der Wejtbahn, bejteht aus zwei Stadten, 
Grand- und Vetit-Andelh, erjtereds in einem Sei- 
tental, letzteres an der Seine jelbjt, darüber die Rui- 
nen des mächtigen Schloſſes Gaillard, das Ricard 
Löwenherz zur Beherrſchung der Seine erbaut bat. 
VW. Hat zwei Kirchen aus dem 13. Jahrh., ein Dent- 
mal des in Der Nähe qebornen Malers Ric. Poufjin, 


eine eiſenhaltige Mineralquelle, Fabrikation von | 


Buder, Seidenzwirn, Orgeln ꝛc., Handel und (1901) 
Anden , Gebirge, ſ. Andes. (4539 Einw. 
Andenne (pr. angdan’), Stadt in der belg. Proving 

und Urrond. Namur, nabe der Maas, Knotenpuntt 

an der Cifenbahn Viittid-Namur, hat eine der Heil. 

Begga, Pippins Todhter, geweihte Rirde, Staats. 

Knabenmittelſchule, Lehranjtalt fiir Lebrerinnen, Ra- 

ier, Fayence⸗, Porzellan⸗ und Tonpfeifenfabrifen, 
rennereien feuerfeiter Baditeine, Steinfohlengruben, 

Steinbrüche und (1900) 7711 Einw. 

Andenpalme, |. Ceroxylon. 

Andenrofe, ſ. Bejaria. 

WAndentanne, ſ. Araucaria. 

Ander, Uloys, Tenorijt, qeb. 13. Oft. 1817 gu 
Liebitig in Böhmen, gejt. 11. Dez. 1864 im Badeort 
Wartenberg, ein weniger durch imponierende Stimm- 
mittel und leidenſchaftliche Darſtellung als durd ge 
ſchmackvollen und [yrijd-innigen —— ausgezeich⸗ 
neter Sänger, war von 1845 bis zum *42 des 
ſeine letzten Jahre umnachtenden Irrſinns eine Zierde 

Wiener Hofoper. 

Ander., wid Anders., bei naturwiſſenſchaftl. 
Namen Abkürzung fiir NilsYoh.Underffon (j.d.). 

Anderlecht, Fabrifort in der beg. Provinz Bra- 
bant, Borort im SW. von Briiffel, an den Schmal— 
fpurbabnen Briijfel-Enghier und Briiffel-Ninove, 
mit einer alten 
Spinnerei und Färberei, Brauereien, Butterhandel 
und (1900) 47,929 Ginw. 

Underledy, Untonius, General der Jeſuiten, 
ged. 3. Juni 1819 ju Brieg im Kanton Wallis, geſt. 
19. Jan. 1892, trat 1838 in den Jefuitenorden und 
ftudierte Bhilofophie und Theologie in Rom und 
Freiburg. Wis nad Beſiegung des Sonderbundes 
1847 der Jefuitenorden aus Freiburg vertrieben 
wurde, begab fic) A. nach Biemont und 1848, als 
aud bier Der Orden verboten ward, nad Nordame⸗ 
rifa, wo er Bfarrer in Green Bay wurde. 1851 fehrte 
er nad) Deutſchland zurück und leitete zwei Jahre lang 
Jeſuitenmiſſionen, bis er 1853 Reftor der Studien- 
anjtalt der Geſellſchaft Jeſu in Riin wurde. Sodann 
ward er 1856 als Reftor an das theologifde Kolle⸗ 
gium zu Paderborn berufen, 1859 Provinzial, 1865 
Profeffor der Moraltheologie und 1869 Reitor in 


Maria=Laad, 1870 Aſſiſtent des Jeſuitengenerals 


P. Ber in Rom. Nachdem er dies Amt 13 Jahre 
befleidet hatte, wurde er von Der Generalfongregation 
des Ordens 1883 zum Generalvifar erwählt und 
folgte, als Bedr wegen hohen Alters zurücktrat, die- 
fem 1884 als General der Gefellidaft Sefu. 

Auderlöni, Rictro, ital. Kupferſtecher, geb. 13. 
Ott. 1784 ju Sant’ Eufemia im Brescianijden, war 
Schüler Longhis, iibernahm 1831 an deſſen Stelle 
die Leitung Der Kupferſtecherſchule in Maitland und 
ftarb 13. Oft. 1849. A. hat — —— in der 
echt maleriſchen Reproduktion von Bildern Tizians 
und Raffaels geleiſtet. 





lfahrtstirche, Baumwollweberei, geg 





495 
Anderlues, Fabrifdorf in der belg. Provinz Hen⸗ 


negau, Urrond. Thuin, 13,5 km weſtlich von Char⸗ 
leroi, an der Eiſenbahn Bidton-Fauroeulr, hat (1900) 
9086 Einw. 

Andermatt (ital. Orjéra), Dorf im ſchweizer. 
Ranton Uri, Hauptort de3 Urſerentals, an der St. 
Gotthardjtraje, 1444 m ti. M., mit einem Kapuziner⸗ 
hoſpiz, Raferne der Gotthardtruppen (ſ. Ganft Gott- 
hard | Befejtiqungen}) und (1900) 801 fath. Einw., die 
meijt vom Fremdenzug der hier fic) kreuzenden Hod)- 
alpenpäſſe Oberalp, St. Gotthard und Furka leben. 

{. Neufomm, A. als Winterturort (Zürich 1887). 

ndernad, Stadt im preuß. Regbez. Koblenz, 
Kreis Mayen, linfs am Rhein, Rnotenpunft der 
Staatsbahniinien Köln-Koblenz und A.Mayen, ijt 
nod mit Mauern umgeben. Die merfiwiirdigiten 
Bauwerfe find: die fath. Bfarrfirde (St. Genoveva), 
eine ſpätromaniſche Pfeilerbafilifa aus dem 12. und 
13. Jahrh., mit vier Titrmen, deren einer im Unter- 
bau mutmaßlich in die farolingifde Zeit zurückreicht; 
die gotijde Minoritentirde, jest evangelijd ; die Ruine 
der ehemaligen Burg der Kilner Erzbiſchöfe (von 
Friedrich I. 1109 erbaut, 1688 zerſtört, jest teilweife 
als Gefängnis benugt); der St. Retersbrunnen (aus 
demt 14. Jahrb.) ; der Wadhtturm (1448-—52 erbaut); 
das Rheintor, angeblid) aus der Zeit der Merowinger, 
mit Dem Wahrzeichen der Stadt (zwei lebensgropen 
Steinfiquren); der Rheinfran (1554 erbaut); endlid 
das Yudenbad, Gewölbe unter dem Rathaus. A. hat 
eine Synagoge, ein Gymnafium, cin Amtsgericht, 


3 | eine ReidhSbantnebenjtelle, Jrrenanjtalt, Fak-, Che- 


mifalien-, Malz⸗ und Parfiimerienfabrifation, Bier- 
brauerei, Schiffahrt, Handel mit Mühlſteinen und 
Trak, Schiffahrt und (1900) 7889 meijt fath. Einwoh⸗ 
ner. Die Umgegend ijt reid an römiſchen Altertü— 
mern. — A. (Antunnacum), der Hauptort des alten 
fagenbaften Mayenfeldes, ijt das römiſche Castellum 
ante Nacum (»vor der Rette«), von Drujus 12 v. Chr. 
riindet und im 3. Jahrh. n. Chr. ſtark befeftiqt. 
876 erlitten bei A. Karl der Kahle durd) Ludwig IL, 
Sohn Ludwigs des Deutſchen, und 939 die aufftãn⸗ 
diſchen Herzöge Eberhard und Giſelbert durch die 
von König Otto I. geſandten Truppen eine Rieder- 
lage; ebenjo wurde bier 1114 Raijer Heinrich V. von 
den mit Dem Erzbiſchof von Köln vereinigten Sachſen 
befiegt. Um 1109 wurde A. Stadt, fam 1167 an 
Kurköln und trat 1253 dem Rheinijden Städtebund 
bei. Hier ward 31. Dex. 1474 zwiſchen Kaiſer Fried- 
rich IIL, den vier rheinifden Kurfürſten und Frant- 
reid) ein Bund abgeſchloſſen. 1794 fam A. an Frant- 
reich, 1815 aber mit dem linfen Rheinufer an Preujen. 

Undersdorf, Badeort, ſ. Bärn. 

Mnderfen, 1) Hans Chrijtian, din. Dichter, 
geb. 2. Upril 1805 in Odenſe, geft. 4. Aug. 1875 in Ko⸗ 
penbagen, Sohn eines armen Schuhmachers, gewann 
frith das Intereſſe bedeutender Männer, befudte mit 
ihrer Unterjtiibung cine Lateinſchule und erregte bald 
durch Die phantaſtiſche Satire » Fodreise fra Holmens 
Kanal til Amager«, die epiſch-dramatiſche Dichtung 
»Agnete og Havmanden« (1827), das Vaudeville 
»Keerlighed paa Nicolaitaarn« (1828) und die Poe⸗ 
jien »Digte« (1829), »Fantasier og Skitser« (1831), 
»*Skyggebilder«, »Vignetter« (1832) Aufſehen. YW. 
war faſt ftets auf Reiſen bis in die fernften Lander; 
er ſchilderte Reifeeindriide aus Italien und Griedhen- 
{and in »En Digters Bazar« (1842), ſchwediſche in 
»I Sverige« (1851), fpanifde in »I Spanien« (1863), 
lebte aber feit 1863 in Nopenhagen und bejudte nur 
nod) Chrijtania (1872), wo er allgemein gefeiert wurde. 


496 


A. war ein fehr vielfeitiger Autor. Er ſchrieb Romane: 
die vielgelefenen Künſtlergeſchichten Improvisatoren⸗ 
(1835), »>Kun en Spilmand«, ferner »O. T.« (1835), 
»To Baronesser«, »At vere eller ikke vere« (1848), 
die weltberiihmten, humorvollen, phantafiereichen, ge— 
danfentiefen, bei alt und jung gleich) beliebten Marden 
»Eventyr, fortalte fer Bern« (1835, erjte Samm- 
lung) und die in der Urt Der Marchen gefdriebenen 
»Billedbog uden Billeder« (1840) und »Historier« 
(1852); ferner Dramen, unter denen die romanti- 
jen »>Maurepigen« (1840), »Mulattenc, »Lyckens 
Blomst«, »Pa Langebro«, »Kongedrommers, Die 
Märchendramen »Mere end Perler og Guld«, »Ole 
Lukoje« und »Hyldemore und die Burlesten »Den 
Usylige paa Sproge« (1839), »Den nye Barselstue« 
(1840), Die Weltdicdjtung »Ahasverus« (1848), »Nye 
Eventyr og Historier« (1858—61, 4Tle.), die offen- 
herzige Lebens{dilderung » Mit Livsventyr«(1877). 
W. wurde von der Sritif, namentlid von Hertz und Hei- 
berg, wegen feiner formellen Mängel verfpottet, was 
den feinfithligen Dichter febr verleste, aber friih von 
Ohlenfdlager gefördert. Anderſens »Samlede Ver- 
ker« erfdienen 1854 —79 in 33 Bodn.; deutfde von 
YW. beforgte Uusg., Leipz. 1853—72, 50 Bde. Briefe 
(»Breve fra og til A.«) erjdjienen 1887 in 3 Banden. 
Bgl. G. Brandes, Kritiker og Portrieter (2. Uujl., 
Ropenh. 1885); Bournonville, Mit Theaterliv, 
8. Teil (daſ. 1878); Collin, H. C. A. og det Col- 
linske Hus (daſ. 1882); R. N. Bain, Hans Chri- 
stian A., a biography (Lond. 1895). 
2) Karl, dan. Schriftiteller, geb. 26, Oft. 1828 als 
Sohn eines isländiſchen Kaufmanns in Nopenhagen, 
ejt. 1. Sept. 1883 als Inſpektor und Yntendant des 
Schloſſes Rojenborg dajelbjt, ſchrieb zahlreiche lyriſche 
und epiſche Werke, darunter: »Strit og Fred« (1858), 
»Poesier«, »Romanser og Sanger« (1880), fowie 
die isländiſche Erzählung » Over Skjer og Brending« 
(1882) und Die beliebten » Genrebilleder« (1867—81, 
7 Vde.), idylliſche Bilder des Alltagslebens. 
Anderſon (pr. anverf’, 1) Hauptitadt der Graf- 
ſchaft Madiſon im nordamerifan. Staat Yndiana, 
53 km nordöſtlich von Yndianapolis, am wejtliden 
White River, Bahnknotenpunkt mit Fabrifen u. (1900) 
20,178 Einw. — 2) Hauptitadt der Grafidaft A. in 


Sildcarvlina, am Rody Rwer, mit Bahnkreuzung, 


Baumwollhandel und (i900) 5498 Einw. 
Anderſon, Loren; (Kaurentius Undreae), 
ſchwed. Heformator, geb. um 1480 in Strengnas, geft. 
1552, überſetzte die Bibel ins Schwediſche und war 
dem König Guſtav Wafa feit 1523 bei Einführung 
der Reformation behilflich. Spater zerfiel er mit dem 
König wegen defjen Übergriffe in das firdliche Gebict. 
Derfon (jpr. dnderg'n), 1) Vlerander, amerifan. 
Holzſchneider, geb. 1775 in New Port, geſt. 18. Jan. 
1870 in Jerſey City (New Jerſey), war urfpriinglid 
praktiſcher Arzt, widmete fid) Dann der Holzſchneide—⸗ 
funjt, deren Technik er gleichſam fiir fic) neu erfand. 
A. darf als der Grinder der Holzſchneidekunſt in den 
Vereiniqten Staaten von Nordamerifa angejehen wer- 
den. Seine Hauptwerke find Silujtrationen zu Bells 
Ynatomie (60 —70 Blatter) und ju Shalefpeares 
Dramen (80 Blatter). Bal. Burr, Life and work 
of Alexander A. (New Y)orf 1893). 
2) Urthur, Beqriinder großartiger Unternehmun— 





WAnderjon — Anderfjen. 


Expedition Dom Pedros gegen die Herridaft Dou 
Miguelsin Portugal. Cine hervorragende Rolle fpielte 
er dann al8 Mitglied der Unti-Cornlaw-Leaque (j.d.). 
1847 zum Parlamentsmitglied fiir Ortney umd Shet— 
land gewählt, trat er fiir die Auſhebung der Navi- 
ationgafte und anbdrer den Handel hemmender Ge- 
ebe in Die Sdranfen. YW. war der Griinder und ſeit 
1867 der Hauptdireftor der Peninsular and Oriental 
Steam Navigation Company, Dic lange Beit fajt den 
ganzen Pojt- und Paffagierverfehr zwiſchen England 
und feinen öſtlichen Rolonien vermuttelte. Er grün— 
dete auferdem aus feinen ciqnen bedeutenden Mi⸗ 
teln verſchiedene Wohltätigleitsanſtalten, wie cine Bil⸗ 
dungsanſtalt fiir Handwerfer in Norwood, cine andre 
in Lerwict fiir arme Kinder der Inſel Shetland x. 

3) John, brit. Naturjorjder und Reifender, ged. 
4. Olt. 1833 in Edinburg, gejt. 16. here 3 1900 tm 
Burton, fam 1864 nad Kalfutta, erbielt Dort neben 
einer Profeſſur fiir Unatomie cine Stellung am Jn 
diſchen Muſeum und begleitete als Arzt mebrere Exe 
peditionen nad) Weſichina und Birma. 1887 febrte 
er nad England guriid. Er ſchrieb: »A report on 
the expedition to western China via Bhamo« (Yond. 
1871); »Mandalay to Momien, a narrative of the 
two expeditions to Western China of 1868 and 
1875 under Col. Edward Sladen and Col. Horace 
Browne« (1876; dazu Der Bericht tiber die zoologi— 
ſchen Ergebnijje, 1878); »English intercourse with 
Siam in the 17. century« (1890); »Herpetologia 
of Arabia« (1896); »Zoology of Egypt« (1. Teil: 
Reptilia and Batrachia, 1898). 

4) Rasmus Björn, amerifan. Scriftiteller, geb. 
12. Jan. 1846 in Albion (Wisconfin) als Sohn emes 
cingewanderten norwegijden Dudfers, war 1875— 
1884 Profeſſor der ffandinavijden Spraden in Wa: 
dijon und wurde 1885 zum Winijterrejidenten und 
Generalfonjul der Vereinigten Staaten in Copenhagen 
ernannt. €rjdrieb: »Den norske Maalsag«< (Chteago 
1874); »America« not discovered by Columbus< (3. 
Aufl. 1883; deutſch: » Die Entdedung von Yimerifae, 
Hamb. 1892), fowie Werke über nordiſche Vollsſagen. 

Andersfcdhattige , ſ. Amphiſeii. 

Anderffen, Wd olf, ciner der berithmtejten Schach⸗ 
meiſter, geb. 6. Juli 1818 in Breslau, geſt. daſelbſt 
13. März 1879, ftudierte Mathematif und Philoſophie. 
wurde 1847 Hilfslebrer am Breslauer Friedrichs 
Gymnafium, 1852 Oberlehrer und 1856 Profeſſor 
an demfelben. Die erjte Unteitung jum Schachſpiel 
erhielt er von feinem Bater; bei öftern Beſuchen in 
Berlin befam er ſpäter Gelegenheit, mit den dortigen 
ſtarlen Spielern in die Schranken gu treten. 1851 
übernahm er die Redaftion der Berliner ⸗Schach 
zeitung«, wurde fiir das gu London bei Gelegenbdeit 
Der erſten Weltausjtellung (1851) ausgeſchriebene 
Schadjturnier zum Bertreter der deutſchen Schule er- 
wãhlt, wo er aufer andern Koryphäen den engliſchen 
Meiſter Staunton befiegte und den erften Preis errang. 
Bon da an qalt er unbejtritten fiir einen der eriten 
WMeijter der Welt und Deutſchlands Vorlämpfer. Dieſen 
Ruf, den er durch Gewinn des erjten Preiſes in den 
beiden nächſtfolgenden grofen internationalen Tur 
nieren (London 1862, Baden 1870) vollauf bewabhrte. 
fonnten einzelne Mißerfolge Underfjens in Matdes 
(befonders 1858 ju Pans gegen P. Morphy und 1866 


gen in England, geb. 1792 auf der Inſel Shetland, | zu London gegen Steinig) um fo weniger tritben, als 
geit. 28. Febr. 1868 in Norwood bei London, trat | fiir A. ungiin{tige Nebenumftinde das Ergebnis diejer 
zuerſt in die Marine ein, widmete fid) aber 1815 der | Kämpfe ftarf beeinflugt batten. A. fiegte ferner anf 


Reederet und dem Handel. Seine erfte 


nehmung war die Beteiligung an der Museiiitung Der | Rolifdh x. 


rdfjere Unters | mehreren deutiden Turnieren, in einem Mate gegen 


Underfjens Siege um Unsland find fiir 


WAnderffon — Andira, 


den Aufſchwung des deutſchen Schachs entfdeidend 
—— Jahrzehnte hindurch haben ſich diejiingern 
tſchen Spieler weſentlich an den Partien des »Alt⸗ 
meijters« A. gebildet, und im praktiſchen Kampfe mit 
ihm erſtarlten jüngere Meiſter. Anderſſens Spiel war 
durchaus dasjenige der ſogen. alten Schule: ein ſchar⸗ 
fes, kombinationsreiches, oft tief angelegtes Angriffs 
ſpiel, das kleine Vorteile vielfach verſchmähte und 
fiumiger Verteidigung gegenüber den höchſten Glanz 
gu entwideln vermodte (unſterbliche Partie ⸗ gegen 
Sicferigt). Der Einfluß diefer genialen Spielfiihrun 
Dauert, tm Widerſpruch zur »nenuen Sdule«, n 
jept fort. Bgl. Badmann, Adolf W. (Ansb. 1902). 

Anderffon, 1) Nils Johan, Botanifer, ged. 
20. Febr. 1821 im Kirchſpiel Gardferum in Gmaland, 
geſt. 27. März 1880 in Stodholm, wurde 1846 Do- 
gent in Upfala, 1847 Lehrer in Stodholm, begleitete 
1851— 53 die Erdumſegelung der ſchwediſchen Fre- 
gatte Eugenie und wurde 1856 Profeſſor der Botanit 

‘in Stodholm. Er ſchrieb außer feinem Reifeberidt 
(deutſch, Leipz. 1854): »Salices Lapponiae< (Upſala 
1845); »Om Galapagos-iarnas vegetation« (daſ. 
1854); »Inledning till botaniken« (daf. 1859— 65, 
3 Bde.); »Monographia salicum« (Daf. 1867). 

2) Rarl Johan, AUfrifarcifender, geb. 1827 in 
der ſchwed. Proving Wermland, geft. 5. Juli 1867 im 
Ovamboland, ging 1850 als Begleiter des englifden 
Reifenden Galton nad Siidafrifa, drang mit ihm 
in das damals nod) wenig befannte Damara- und 
Ovaniboland vor, erreidjte auf einer zweiten Reife 
1853 den Ngamiſee und befuhr deſſen nordliden Zu- 
fluß Teoge. Nach zweijährigem Aufenthalt in Eng- 
land febhrte er 1856 nad Siidafrifa guriic und wurde 
Vergwerksauffeher am Swakop. Auf einer Reife gum 
Kunene entdeckte er 1859 den Ofavango, der ſpäter 
als Oberlauf des Teoge fefigeftellt wurde. Darauf lie 
ſich A. als Elfenbeinhandler in Otjimbingue unter den 
Damara nieder, bei denen er großes Anſehen genof. 
Wiederholt führte er fie sum Kampfe gegen die Na— 
maqua, wobei ihm 1864 cin Bein zerſchmettert wurde. 
Trogdem drang er 1867 bis zum Nunene vor, ftarb 
aber bald dDarauf an Dysenterie. Er fdrieb: »Lake 
Ngami, or Discoveries in South Africa« (Lond. 1855, 
2 Bde.; ſchwed. Ausgabe von Thomée, mit Zuſätzen 
von A., Stodh. 1856; hiernad) deutſch, Leip}. 1858) u. 


» The Okavango River« (1861; deutfd, Leipz. 1863). | Ra 


Aus feinem Nachlaß qab Lloyd heraus > Notes of travel 
in South Africa« (1875, nut Lebensabrif). ride. 

Anderthalbdlorfohlenftoff, |. Kohlenſtoffchlo⸗ 

Andes (Unden), urjpriinglid) die Gebirgsfette im 
D. der alten Stadt Cuzco in Siidamerifa. Der Name, 
vont altperuanijden Anti (»Ojten«), nad andern von 
Unta-fuyu, in der Quichuaſprache »Metallbesirt<, 
wurde friiber auf das ganje wejtlide Gebirgsſyſtem 
Siid- und Rordamerifas angewendet, gilt jest aber 
nur fiir erjteres (Las Cordilleras de fos Andes); f. 
Rordilleren. 

Andes, Los, Dijtrift der fiidamerifan. Republif 
Venezuela, von der Ojtfordillere durdjjogen und von 
Der Rordillere von Mérida beqrenst, 38,134 qkm 
grok mit (1894) 363,388 Einw. 

Andefin, Mineral der Feldfpatgruppe (vgl. Feld- 
fpat), und swarein dem Dligoflas und Labrador nahe- 
jtehender Ralfnatronfeldfpat, findet fic) häufig in den 
vulfanifden Gefteinen der Undes (Daher der Name 
YW.) und im Eſterelgebirge ſowie in vielen Andeſiten, 
Trachyten und Porphyriten. 

Andefite, jüngere vulfanijde Geſteine von por— 
phyrartiger Struftur, beſtehen aug einer in der Regel 

Meyers Ronv.+ Lerifon. 6. Mufl., L Bb. 


497 


glasreiden Grundmaffe und aus darin ausgeſchiede— 
nem Blagioflas (daneben zuweilen Ganidin), Horn- 
blende und Augit, feltener Hyperjthen und Glimmer. 
Ye nad) dem Vorwalten de3 einen oder des andern diefer 
Mineratien (j. Tafel »Gefteine«, Fig. 4 u. 5) unter- 
ideidet man Hornblende- und Wugitandefite 
cows wohl Glimmers undHyperfthenandefite). 
ex ftellt jid) in qewijjen Varietäten, namentlid 

der Hornblendeandefite, Quarz ein (quar;fiihrender 
Hornblendeandefit, Dacit), teils mafroffopiid) oder 
mifroffopijd erfennbar, teils latent in der Grundmaſſe 
enthalten und nur durd) den hohen, den des ſauerſten 
Feldfpats iibertrejfenden Kieſelſäuregehalt nad weis- 
bar. Ufsefjorifde Bejtandteile find Ypatit, Magnet. 
eifen, Biotit, Tridymit. Die mittlere chemiſche Zuſam⸗ 
menjftellung fdwantt (wie folgende Tabelle zeigt) na- 
mentlich mit Riidjidht auf die bald vorhandene, bald 
feblende Quarzführung bedeutend. Die glasartigen 
Modififationen der A. find dem Obfidian u. Bimsſtein 
durdaus ähnlich. Die A. find Eruptionsprodufte äl—⸗ 
terer (tertidirer und diluvialer) oder rezenter Bulfane. 
So find die Laven von Santorin andefitifder Natur, 
befonders aber die Laven jablreider Bulfane der 
Andes in Süd- und Zentralamerifa, Ralifornien, 
Kamtſchatka, der Sunda⸗Inſeln. Much in Siebenbiir- 
gen, Ungarn, den Euganeen, im Siebengebirge (der 
»Tradyt« der Rolfenburg ijt ein typiicher, quarsfreier 
Hornblendeandefit), Wefterwald (einen Teil der hier 
auftretenden UW. Hat man als Iſenit bezeichnet), in 
der Uuvergne find A. fehr verbreitet. Yn Ungarn, 
wo fid) die relativen Altersverhältniſſe der A. verfol- 
en lafjen, find die Bropylite (fj. Tafel »Geſteine«, 
Fig. 4), die Dort gu reiden Erzlagerſtätten in inniger 
Beziehung ftehen und gewöhnlich ſtärker zerſetzt find, 
die älteſten; ihnen folgen die Dacite und dieſen die 
quarzfreien Hornblende⸗ und die Augitandeſite. Auch 
die früher Trachydolerit genannten Geſteine find 
mit den Andeſiten zu vereinen. 


dbornblende· ¶ Augu⸗ 
| Beets | anbefit anbefit 





MRiejelfdure 2 2 2 ww, 66 62—59 57 
Tonerbe. . ww ee 15 2-15 | 16 
Eifenoryd und -orydul. . 6 510 | 13 
RON 9. ee ee 6 38— 6 6 
Magnefia . . . 2... 2 1— 3 2 

Bo «6 ew 8 ee 1 1— 4 2 
Matron. 2 ww eee i: ot 2—6 | 4 


AndesvslFer, ſ. Umerifanijde Volker. 

Andidfdan (ruff. Un dij han), Bezirk der ruffifd- 
zentralaftat. Provinz Ferqhana, 15,174qkm mit (1897) 
351,187 Cinw., die mit künſtlicher Bewäſſerung Ge 
treide- und Gartenbau betreiben. Die gleichnamige 
Hauptitadt an der Linie Tidernjajewo- VU. der 
Transfafpijhen Bahn hat ase7 46,680 Cinw., die 
®artenbau und Handel in Rohproduften und Manus 
fafturwaren betreiben. A. war bis zum 16. Jahrh. 
Hauptitadt von Ferghana und ijt feit 1875 ruſſiſch. 

Andienen, ſ. Anbieten. [rung. 

Andienung des Seeſchadens, ſ. Seeverjide- 

Andijſcher Bezirk, Bezirk der rujfiid-fautal. 
Provinz Dagheſtan, 3588 qkm groß mit (1897) 46,993 
meijt mobammedan. Cinwohnern. Der Bezirk tit bee 
nannt nad dem Andijſchen Riiden, einem Zweige 
des Raufajus, der Daghejtan von Tevet ſcheidet. Haupt⸗ 
ort ijt Botmid. 

Andira Lam., Gattung der Lequminofer, hobe 
Baume mit unpaarig gefiederten Blattern, rofenroten 
oder violctten Bliiten in endftindigen, ſtark rifpigen 
Trauben und jteinfrudtartiger, et- oder verkehrt⸗eiför⸗ 

32 


498 Andirobaöl 


miger, einſamiger Hülſe. Etwa 20 Arten im tropiſchen 
Amerila, ae im tropijden Ufrifa. Die braſiliſchen 
Yirten heifer Ungelim und werden als Volfsheil- 
ntittel benugt. A. Araroba Aguiar in Brafilien fdei- 
det in Höhlungen de3 Stammes das Urarobin (Chry- 
jarobin, f. dD.) aus. A. inermis H. B. K. in Brafilien 
joll das Rebhuhnholz liefern. 

Andirobadl, ſ. Carapa. 

Andian, Stadt im deutſchen Bezirk Unterelſaß, 
Kreis Schlettitadt, am Flüßchen A., 215 m ii. Me, 
hat cine fath. Kirche, Baumwollſpinnerei, Färberei, 
Swirnerei, Getreide-, Ole und Sagemiihlen, Siegel: 
brennerei, Weinbau und (1900) 1731 Eimw. Die Ri- 
chardiskirche hat eine durch die Kaiſerin Ricardis, die 
Griinderin des ehemaligen, im Mittelalter gefürſteten 
Benediftiner- Frauenjtijfts, im 9.Jabhrh. erbautesrypte. 
In der Nähe die Schlopruinen A. und Spesburg. 

Andiau, Peter von, f. Peter von Andlau. 

Andlau (pr. angdio), Gajton HardouinJoſeph, 
Graf d’, franz. General, qeb. 1. Jan. 1824 in Nancy, 

ejt. 27. Mai 1894 in Buenos Wires, ward 1844 
feutnant und zeichnete fic) als Kapitän im Krimfrieg 
beim Sturm auf den Mamelon Bert und bei der Er— 
oberung Sebajtopols aus. 1870 nahm er als Oberſt 
an den Schladten vor Me teil und ward nad der 
Rapitulation von Mes in Hamburg interniert. Hier 
ſchrieb er: »Lettre d'un colonel d’état-major sur la 
capitulation de Metz« (1871) und »Metz, cam- 
pagne et négociations« (1871, 9. Aufl. 1873), worin 
er, anideinend unparteiiid, —— die Schuld an 
dem Unglück von Metz beimaß. Seit 1876 Senator, 
wurde A. 1879 Brigadegeneral. Bei dem im Oftober 
1887 entdeckten Ordensſchacher de3 Generals Caffarel 
war A. jtart beteiligt; er entfam nad Siidamerifa und 
wurde in contumaciam 3u 5 Jahren Gefängnis ver- 
urteilt. Er ſchrieb nod): »De la cavalerie dans le 
passé et dans l’avenir« (1869) und » Organisation 
et tactique de l'infanterie frangaise depuis son 
origine« (1872). 

Andlaw - Virfet, 1) Frans Xaver, Reichs— 
freiberr von, Diplomat, geb. 6, Olt. 1799 in Frei- 


burg i. Br., geſt. 4. Sept. 1874 in Bad Homburg, Sohn | 


des badifdhen Minijters Reidhsfreiherrn Konrad 
v. A. (geft. 1839), war 1826 —30 und wieder 1832— 
1835 Sefretiir der badiſchen Geſandtſchaft in Wien, 
1838 Winijterrejident in WMiinden, 1843 in Paris, 1846 
auferordentlider Gejandter in Wien und trat 1856 
in Den Rubhejtand. Er verdjjentlicte: »Crinnerungs 
blatter aus den Bapieren cines Diplomaten« (Franff. 
1857) und » Mein Tagebud, 1811—6 le (dai. 1862, 
2Ude.); » Die Frauen in der Gefchichte« (Mains 1861, 
2 Bde.); » Die byzantiniſchen Kaiſer, ihre Balayt- und 
Familiengeſchichten « (Daf. 1865) u. a. 

2) Hetnridh Bernhard, Bruder des vorigen, 
geb. 20. Aug. 1802, geſt. 3. März 1871 auf feiner Be- 
ſizung Suctietten bet Freiburg, jtand 1821— 25 im 
badifchen Wilitärdienſt und vertrat 1835—66 als Mit 
glied der badijden Erſten Rammer rückſichtslos ultra- 
montane und feudale Grundſätze; aud fpielte er auf 
den Wanderverjammlungen der fatholijden Bereine 
in Deutichland durch feine populäre Beredſamkeit eine 
widtige Rolle. Er ſchrieb: » Der Aufruhr und Um 
ſturz in Baden, als cine natiirliche Folge der Landes 
geſetzgebung« Freib. 1850), »Briejtertum und drift 
liches Veben« (Daf. 1865) und polemiſche Flugſchriften. 

Andö, die nördlichſte Anfel der Gruppe Lofoten 
und Bejteraalen, an der Küſte Norwegens, 738 qkm, 
ijt febr gebirgig (bis 870 m hod). Der Hauptnah 
rungsjweig Der wenigen Einwohner ijt Fifderei. Die 





— Andorra. 


dortigen rey e find Staatsgut, aber nod nicht 
on etriecb. Bei Undenes grofer Leudtturm und 
afen. 

ndofides , der zweite in der Reihe der attijden 
Redner, geb. um 439 v. Chr. aus edlem Gefdledt, 
Anhänger der Oligardie, verfeindete fid) aber mit 
jeiner Bartei, als er im Hermofopidenprozeh (f. d.), 
unt fid) und feine Familie ju retten, die digen 
415 verriet. Troy zugeſicherter Straflojigfeit zum 
Teil in Atimie verfallen, verließ er Uthen und tried 
im Unsland cintraglide Handelsgejdafte. Nach zwei⸗ 
maligem vergebliden Verſuch, in Athen wieder feſten 
Fuß gu fajjen, fonnte er endlid) unter dem Schutze 
der allgemeinen Amneſtie 402 nad Athen juriidtebren, 
wo es thin gelang, fid) neuer Unfedptungen zu erweb- 
ren und eine angeſehne Stellung ju erw . Uls 
er 390, im Rorinthijden Kriege zu Unterhandlungen 
nad Sparta gefdidt, den zurückgebrachten Friedens 
entwurf vergeblid) empfabl, foll er verbannt worden 
und in der Verbannung gejtorben fein. Unter feimem 
Namen bejigen wir vier Reden, von denen jedod cine 
fider unecht ijt 4 außer in den Sammlungen 
der Redner, von er, Quedlinb. 1832, mit Uber- 


—— 2. Unjl., Leipz. I880; Lipſius, daf. 188s ; 


$ortinder von Forman, Oxf. 1897). Bgl. Blak 
Uttifche Beredjamfcit, Bd. 1 (2. Wufl., Leip;. 1885). 
| Mndorn, Planjengattung, |. Marrubium; jd war- 
zer UL, f. Ballota. 
«Andorra (franj. Undorre), fleiner Freijtaat auj 
der Südſeite der Hjtliden Pyrenäen, zwiſchen dem 
franzöſiſchen Departement Uriege und der ſpaniſchen 
Proving Lerida, nördlich von Seo de Urgel, umfajst 
das von hohen Schneebergen umgürtete Talbeden der 
Balira, cines Nebenfluſſes des Segre, mift 452 qkm 
(8,2 OW.) und umfakt 6 Gemeinden: U., San Ju— 
lian De Loria, Encamp, Canillo, La WMajjana und 
Ordino. W. hat fine Waldungen und faftige Berg: 
weiden, Eijengruben und mebhrere, aber nod) unbe 
nutzte Mineralquellen (3. B. Schwefelquellen in Es 
caldas); aud) Die in den Bergen enthaltenen Gange 
von filberhaltigem Bleiglanz find nod) unerſchloſſen. 
Die Einwohner, deren Sahl 1890 Deverell auf 5231 
ſchätzte, find fatalonijder Ubfunft und mit fataloni 
jcem Dialeft. Nore Hauptbeſchäftigung bilden Uder 
bau u. Viehzucht (namentlic) Schafe) und gan; beſon 
ders Schmuggelhandel; aujerdem treiben fie Handel 
mit Hol; und — olgtoblen, Eiſenerz und Schafwolle. 
Die Sage führt die Gründung des Freiſtaates auf 
Sarl d. Gr. guriid. Später (1278) erbielt der Graf 
von Foirx das Redht der Souveränität tiber dieje Taler 
unbefdadet der Rechte der Biſchöfe von Urgel, und 
als die Grafen von oir Rdnige von Navarra wur 
den, führten dieſe auch den Titel »Souverine Filrjten 
par indivis des Tales von A.« Mit Heinrich LV. pet 
jodann das Oberlehnsredt an die Könige von Fran! 
reid) unter Gewabrieijtung der republifaniiden Fre 
heiten, und jo jtebt heute YL. als neutrales Gebtet un 
ter Dem ——————— Proteltorat Frankreich 
und des Biſchofs von Urgel. Die Republif wird durch 
cinen Weneralrat von 24 Mitgliedern regiert, die auf 
4 Jahre von den mehr als 25 Jahre alten Familien 
chefs einer jeden Gemeinde erwablt werden. ‘Brajident 
des Rated ijt ein Exjter Syndikus, der von den Raten 
felbjt auf 4 Sabre erwablt wird. Dit der Exchutive 
ijt Der Erſte Syndifus betraut; die Juftiywerwaliung 
rubt in den Händen zweier Viquiers (Vifare, Statt- 
halter) und eines Zivilrichters. Frankreich und der 
Biſchof von Urgel ernennen je einen der BViguiers, 
| Den Bivilridter ernennen betde abwedfelnd. Seit 





Andouilles — Andraͤſſy. 


1882 vertritt ber Präfelt des franz. Depart. Oftpyre- 
niien als ftindiger Delegierter Frankreich den ein- 
Heimifden Autoritäten gegenüber und in den Besie- 
hungen — Biſchof von Urge. Alle Jahre bezahlt die 
Republif an Franfreid 960 Frank und an den Biſchof 
von Urgel 425 Fr. Sig der Regierung ijt das in einer 
ſruchtbaren Ebene 1051 m hoch gelegene Dorf An— 
dorra la Vieja, mit 600 (nad Rodriquez 2000) Einw. 
und einem alten Rathaus (Palais). Das LandeSwap- 
pen f. auf Tafel »>\Wappen I<, Fig. 19. Vgl. Dalmau 
de Baquer, Historia de la repüblica de A. (Barce- 
lona 1849); Bladé, Etudes géographiques sur la 
vallée d’Andorre (far. 1875); Berthet, Le val 
d’Andorre (daſ. 1879); Baudon de Mony, Ori- 
gines historiques de la question d’Andorre (in der 


» Bibl. de l'Ecole des chartes«, 8d. 46, 1885); Marte | 


(nach Deverell) 1: 120,000 (Wien 1898). 





Andouilles (Andouillettes, fpr. angbaij’, angdujett’), | 


feine franz. Wiirjtdhen aus Sdhweine- oder Kalbfleiſch, 
Die bejten aus Troyes. 

Andover (pr. éna-), 1) Stadt (municipal borough) 
in Hampſhire (England), 20 km nordweftlid) von 
Wincheſter, mit 901) 6509 Einw.; dabei Refte ciner 
römiſchen Villa und viele Verfdhangungen. Ym benad- 
barten Dorf Weyhill beſuchte Schaf- und Hopfen- 
märkte. — 2) Fleden im nordamerifan. Staat Maſſa⸗ 
chuſetts, Graffdaft Eſſex, mit einem 1778 gegriin- 
Deten theologifden Gentinar, Lehrerinnenfeminar, 
Rautidul- und Webinduftrie und (1900) 6813 Einw. 

Andr., bei Pflanzennamen Abkürzung fiir Henry 
€. Undrews (f. d. 1). 

Andradae Silva, Jofé Bonifacio de, brafil. 
Staatsmann, geb. 13. Juni 1765 ju Santos, geſt. 
6. Wpril 1838 in Rio de Janeiro, ftudierte zu Comm: 
bra und ftieg nad) mehrjaibrigen Reijfen im Ausland 
bis jum Generalintendanten des portugiefifden Berg- 
wefens empor. Naddem er gur Seit der franzöſiſchen 
Invaſion in den Reihen der portugiefifden Batrioten 
gefodten, fiedelte er 1819 nad) Brafilien iiber. Hier 
jtellte er fid) 1821 an die Spige der Bewegung in Sao 
Paulo, ward Bizepräſident und überreichte 1. Yan. 
1822 an ber Spitze einer Deputation die von ihm ver- 
fate Adreſſe, die Den Brinzen Dom Pedro aufforderte, 
in Brafilien ju bleiben. Geitdem hatte er wiederholt 
das Minijtertum des Innern inne, die republifanifde 


Partei ſtets heftiq befampfend. Cr hatte dadurd in| 


foldjem Make das Vertrauen des Kaiſers gewonnen, 
daß thn diefer, als er 7. Upril 1831 gu gunſten ſeines 
Sohnes Dom Pedro U1. auf den Thron Brafiliens 
versidjtete, gu deſſen Vormund ernannte. 1834 in- 
folge eines Vollstumultes durch die Regentfdaft der 
Vormundſchaft enthoben, zog fich U. ins Privatleben 
zurück. Durd) feine »Poesias d’Americo Elyseo« 
(Bordeaur 1815) madte er ſich aud) als Didter einen 
Ruf. —Auch feine jiingern Briider, Untonio Carlo 
und Francisco de A. (qeft. 1844), befleideten hohe 
Stellungen in Brafilien. — Die beiden Söhne des 
leptern, Joſe Bonifacio de A. und Martim 
Francisco de A. haben fic) als Dichter befannt ge- 
madt, erjterer durch »Rosas e goivos« (1849), leb- 
terer Durd) »Lagrimas e sorrisos< (1847) und ein 
Drama; »Januario Garcia« (1849). 

Andral cjpr. angdraly, Gabriel, Mediziner, qed. 
6. Nov. 1797 in Paris, geſt. 13. Febr. 1876 in Chateau- 
vieur, erbielt 1828 den Lehrſtuhl der Hygiene und 
1830 den der innern Bathologie an der Parijer Uni- 
verſität und war 1839-—66 Profeffor der allgemeinen 
Pathologie und Therapie. In feiner »Clinique mé- 
dicale« (Par. 1823 - 27, 5Bde., zuletzt 1848; deutfch, 


27, 








| 





499 


Quedlinb. 1842—48, 5 Bde.) bradte er sum erjten- 
mal das gefamte Gebiet der innern Medizin in ana- 
lytifd)-induftiver Methode und klaſſiſcher Weife zur 
Darjtellung. Sein » Précis d'anatomie pathologique« 
(1829, 3 Bde.; deutidh, Leip. 1829—30, 2 Tle.) war 
die erjte allgemeine pathologifde Wnatomie und be- 
handelte die franfhaften Storungen der Organe, wie 
nod) nie guvor, unter allgemeinen Geſichtspunkten. 
Außerdem fdrieb er: »Essai d’hématologie patho- 
logique« (1848; deutſch, Leipz. 1844); »Cours de 
pathologie interne« (2. Aufl., 1848; deutſch, Berl. 
1836 — 38, 3 Bde.); » Recherches sur les modifica- 
tions de proportion de quelques principes du sang « 
(mit Gavarret und Delafond, 1841 ; deutſch, Nördling. 
1842). Auch gab er Laénnecs Sdrift: »De l'auscul- 
tation médiate, ou Traité de diagnostic des pou- 
mons et du ceeur« (4. Aufl., 1837) mit Anmerkun— 
gen heraus. 

Andraffy (pr. anorajgi) von Cſik⸗Szent-Ki— 
rdlyundRrafjna-Horfa, ungar. Grafengeſchlecht, 
jtammt aus Giebenbiirgen, wo 1548 ein Martin A. 
als Getreuer Joh. Szapolyais und als Rat der Szekler 
erfceint, und wo die A. 1550 das Domanialqut Sjent- 
Stirdly erbielten; e8 fiedelte Dann nad) Ungarn iiber, 
wo der Sohn Martins, Peter W., 1585 Krajzna-Horta 
erwarb. Die A. teilten fic) in zwei Linien und erbiel- 
ten 1779 den Grafentitel. WMerfwiirdig find: 

1) Karl, Graf, der altern Linie angehörig, geb. 
29. Febr. 1792 gu Rofenau im Komitat Bombe geſt. 
1844 in Brüſſel, war als eifriger Patriot Mitglied 
der Oppoſition, in deren Reihen er ſich auf den Reichs— 
tagen 1839 und 1844 auszeichnete, und Vorſitzender 
der Theißregulierungsgeſellſchaft. Außer zahlreichen 
Beiträgen in ungariſchen Zeitſchriften veröffentlichte 
er in deutſcher Sprache die anonyme Schrift »Umriſſe 
einer möglichen Reform in Ungarn« (Leipz. 1833). 

2) Emanuel, Graf, älteſter Sohn des vorigen, 
geb. 3. Mar; 1821, geſt. 23. April 1891 in Gir}, war 
auf dem Reidstag von 1847 Mitglied der Oppoſition, 
1848 Obergejpan de3 Romitats Torna, kämpfte als 
Honved bei Paälozd, fliidtete Dann ins Ausland und 
unternahm eine Reife nad Ojtindien und China, die 
er in einem von ihm felbjt illujtrierten Prachtwerk 
(Deutfde Uberſetzung, Budapejt 1859) beſchrieb. 1860 
wurde er Obergefpan de3 Komitats Semplin und 1867 
des Gömörer Romitats. Bon 1881 — 91 vertrat er 
die Stadt Rofenau im Reichstag. 

8) Gyula (Qulius), Graf, Bruder des vorigen, 
geb. 8. März 1823 in Kaſchau, gejt. 18. Febr. 1890 
in Vologca am DQuarnerogolf, jtudierte an der Peſter 
Univerfitat, machte Reiſen in Deutidland und Frant- 
reid) und wurde 1847 vom Zempliner Nontitat zum 
Deputierten gewabhlt. Er ſchloß fid) auf dem Preß— 
burger Reidstag in mandjen Fragen dev von Stephan 
Szechenyi gefiihrten Mittelpartei an und zeichnete ſich 
als glänzender Redner und Sdriftiteller aus. Er war 
1848 unter dem Uprilminijterium Obergeſpan von 
Semplin und focht, als der Viirgerfrieg ausbrad, als 
Major der Nationalgarde bei Paͤlozd gegen Jellachich, 
bet Schwechat gegen die faiferliden Truppen und ſpä— 
ter bei Hatvan, Tapid= Biczle und Iſaſzeg als Wdju- 
tant Görgeys tapfer mit. Hierauf entſendete ihn die 
ungarifde Regierung in einer diplomatiſchen Miſſion 
nad Ronjtantinopel, wo er aud) nod) [pater nad) der 
Ratajtrophe von Bildgos auf qute Behandlung der 
ungariſchen Emigrierten feitens der türtiſchen Regie 
rung bintwirfte. Ym Januar 1850 ward A. friegs- 
rechtlich zum Tode durch den Strang verurteilt und 
21. Sept. 1852 im Bilde gehenft. A. lebte damals, 

32* 


500 


nad einem langern Aufenthalt in London, in Panis, 
obwohl x nicht von emer Einmiſchung Napoleons IIL, 
fondern in emer Uusfdhnung mit der öſterreichiſchen 
Dynajtie das Heil Ungarns erblidte. Auf Berwen- 
dung feiner Mutter wurde er ammefjtiert und febrte 
1858 mit femer ibm in Paris (1856) angetrauten, 
cijtig bervorragenden Frau. Kath. v. Stendefty, in fein 
Rateriand zurück. 1861 in das Unterhaus gemablt, 
vertrat er als Anhãnger Deals entſchieden den Aus 
gleich auf den durch die Pragmatiſche Santtion (. d.) 
und die Geſetzgebung von 1848 gegebenen Grund- 
lagen im Einklang mut der Sicherhett und Großmacht⸗ 
ftellung der Monardyie und ward 1865 jweiter Pra- 
fident des Unterhauſes. Nach dem Zujtandefommen 
des Ausgleiches wurde A. 17. Febr. 1867 an die Spi 
des ungartiden Miniſteriums berufen und krönte m 
Bertretung des Falatins mit dem Erimas jufammen 
Franz Joleph L zum Konig. Als Miniſterpräſident 
und Honvéd-Minijter erwarb er fid) nicht bloß um 
die ſtaatsrechtliche Musbildung der neuen Verhältniſſe 
zwiſchen Ungarn und Oſterreich auf der Grundlage 
Des treu feftqebaltenen Programms hohe BVerdienjte, 
fondern iibte auch auf die zeitgemäße Entwidelung 
der innern Zuſtände Ungarns im freiheitliden Sinn 
und auf die neugeidaffene Donvédeinridtung bedeu- 
tenden Einfluß aus. A. wurde, trop mander Yingriffe 
von feiten der ertrem-nationalen Partei, verehrt und 
efeiert. Seinem niidjternen Urteil war es mit zuzu⸗ 
chreiben, daß Oiterreid) 1870 neutral blieb. A., der 
tm Oftober 1871 jum Sturge des föderaliſtiſchen Mi- 
nijteriums Hohenwart wefentlid) beitrug, ward 14. 
Nov. an Stelle Beuſts Minijter de3 Muswartigen und 
ded faiferliden Hauſes. Er wußte fic) in fener neuen 
Stellung das Vertrauen der fremden Regierungen 
qu = Ramentlid mit Bismard verband thn 
bald eine engere, auf gegenfeitigem Bertrauen be- 
rubende Freundſchaft; daber ging U. 1872 auf dejjen 
Plan ein, die villige Musjdhnung swifden Ojterreid 
und Rufland herbeizuführen und das Dreifaijerbiind- 
nis zur Grundlage emes neuen, den Frieden Europas 
verbiirgenden Syjtems ju nehmen. Zur ſpätern Aus⸗ 
Dehnung des deutſch- öſterreichiſchen Bündniſſes auf | 
Italien leqte den Grund eine Zuſammenkunft Franz 
Joſephs mit Viftor Emanuel (in Venedig), wozu A. 
feinen Monarden bewog. Wit dem Verzicht auf alle 
deutſchen und italienifden Aſpirationen Oſterreichs 
begann er anderſeits eine flare Orientpolitit gu 
verfolgen, um den Staat gegen jede einſeitige Löſung 
der ortentalifdhen Frage gu fidern. Er brad mit dem 
Dogma der öſterreichiſchen Diplomatie, die Integrität 
der Türkei unter allen Umſtänden aufredt zu balten, 
und ſuchte die Hrijtliden Balfanvilfer wie die Türkei 
felbft durch das Anraten zeitgemäßer Reformen dem 
rufftiden Einfluß yu entziehen, Während ded ruffijd- 
türtiſchen Krieges beobachtete Ojterreid) eine dem Za— 
renreich wohlwollende Neutralität, als deren Bedin— 
guna unter anderm die Offupation Bosniens feitens 
jterreichs genannt wird. Die Abſicht Rußlands je- 
doch, Ojterreich sur Nooperation yu bewegen, ſcheiterte 
1877 an Undraijys Widerftand. Als dann der Friede 
ju San Stefano (3. März 1878) Ofterreichs Inter— 
eſſen gu gefährden drohte, erbielt A. von den Dele- 
ationen 60 Will. Gulden fiir etwa erforderlide Rü— 
tungen und betrich die Berufung cines Kongreſſes, 
um den Frieden mit Den europatiden Intereſſen in 
Cinflang su bringen. Auf diefem Berliner Kongreß 
vertrat er Oſterreich als erjter Bevollmachtigter und 
erlangte von den Mächten das Mandat zu dem Cin- | 
marſch der Ojterreidher in Bosnien und die Herzego— 











Andrajjy (Julius nebſt Söhnen], Georg). 


wina. A. boffte, dak die Offupation zu cimer dauern⸗ 
den Bejignabme führen wiirde. Die Opfer an Men- 
ſchen und Geld, welche die unpopuläre Ofhupation 
forderte, erregten ſowohl in Ungarn als aud in 


Deutidh-Ojterreidh allgemeine Oppofition en A. 
Der indes ſchließlich pon der Wajoritat der ———— 
nen die Zuſtimmung ju ſeiner Politik erlangte. Qn 
allen feinen Reden cin gewandter, ſcharfblidender 
Fechter, Der perſönlichen Huld ſeines Wonarchen ficher, 
der ibm die hichfte Auszeichnung, den Orden des Goi- 
denen Bließes, verlieh, und dem gegenüber er ficts 
das ganze Gewidt fener verantwortungsvollen Stel- 
lung aud in innern Fragen freimütig zur 
bradte, fonnte A. die wadjenden Yingriffe 
DOrientpolitif feit dem Belanntiwerden der K 
mit Der ‘Bforte vom 21. April 1879 nur nod mit dem 
Opfer fener einſt fo großen Popularitit, insbeſ. in 
Ungarn, abwebren. Dies und die Bil des Deuticd- 
feindlicen Ausgleichsminiſteriums Taaffe in Cislei 
thanien bewog den Premier, 22. Sept. 1879 ſeine Ent- 
lafjung ju erbitten. Aber nod als demiffionierter 
Minijter ſchloß er nut Bismard das deutch - df J 
chiſche Bündnis 7. Oft. 1879. Den folgenden Taq 
erbielt er ſeine Entlajjung. Bon da ab jtand er der 
Politi! Oſterreichs in den Delegationen ratend zur 
Seite, bis er nach ſchweren Leiden jtarb. Er wurde 
unter großen Feierlichkeiten beftattet, u. der ungariſche 
Reichstag beſchloß die Errich eines Reiterdenfmais 
in Budapeſt, am Ende dernadibm benannten Straße 
Bgl. »Graf A. und feine Politif<« (Wien 1871) und 
die nad) Andraſſys Tod erjdienenen Mufiage, insbeſ. 
in der ⸗Deutſchen Revue⸗, von Köonyi. Seine Reden 
gab B. Lederer heraus (Budapeſt 1891—93, J Bode.). 

Von Andraͤſſys Söhnen wurde der dltere, Theo- 
dor Undreas, Graf A. (geb. 10. Juli 1857), 1890 
jum Bizepräſidenten des ungarifden Wbgeordneten- 
haufes erwahlt, dem er aud 1901/2 angeborte. 1898 
trat er wegen der Ler Tisza mit den Diffidenten ans 
der Regierungspartet aus, aber unter Dem Mabinett 
Szell im diefe wieder cin. Er ift Prafident der Geſell⸗ 
ſchaft der Ungarifden Kunſtausſtellung. Der zweite 
Sohn, Julius, Graf A. (geb. 30. Juni 1860), ge 
hört Dem Ubgeordnetenhaus ebenfalls feit 1885 an 
und trat 1892 als Unterjtaatsfetretir im Miniſterium 
de Innern in das liberale Rabinett Welerle cin. Sm 
Movember 1893 gum ungarifden Unterridt3minifter, 
im Juni gum Miniſter am fOnigliden Hoflager er— 
nannt, trat er im Januar 1895 mit Weferle zurüch 
Er ſchrieb: »Ungarns Musgleid) mit Ojterreih vom 
J. 1867« (deutſche Ausg., Leip. 1897) und » Die Ur⸗ 
ſachen des Beſtehens des ungarijden Staates und 
der ungariſchen Konſtitution · (ungar., Budap. 1901). 
1898 ſchied er mit feinem Bruder aus der Regie 
rungspartei aus, nad) dem Sturz Banffys trat er 
aber wieder in Die liberale Partei ein. Er ift Brafident 
des nationalen Kunſtſalons und wurde 1901 aber- 
mals gum Deputierten erwablt. 

4) Georg, Graf, Haupt der oy Linie, qeb- 
5. Febr. 1797, geſt. 19. Dex. 1872 in Wien, zeigte ich 
auf den Landtagen ftets entſchieden fonfervativ, lief 
ſich aber dabei Die Förderung des materiellen und 
qeijtigen Wohles feiner Landsleute fehr angelegen fein. 
Wud) ftand er als Direftor an der Spige der unga- 
riſchen Alademie. Nad) Upponyis Riidtritt im April 
1862 3um Judex Curiae ernannt, bentiibte er fich, einen 


anf ſeine 


Ausgleich anzubahnen, und ſtellte an der Spipe der Alt⸗ 


fonjervativen im September 1864 eine Art Programm 
zur Löſung der ungarifden —— Die Sache hatte 
leinen Erfolg und A. gab hierauf ſeine Entlaſſung. 


André — 


André, 1) Mufifer- und Maurfitalienverlegerfamilie, 
deren hervorragendſte Glieder find: a) Johann, geb. 
28. März 1741 in Offenbach, get daſelbſt 18. Juni 
1799, gründete 1774 den in Offenbad) nod) heute 
bliihenden Andreſchen Mufifveriag, war aber dann 
mebrere Jahre Mtufifdireftor in in, bon wo er 
1784 nad) Offenbad) guriidfehrte. Bon feinen Kom— 
pofitionen: Operetten (»> Der Tipfer«, Goethes »Er- 
win und Elimire<), Balladen (Biirgers »Lenore<) und 
Liedern (viele Goethefdhe), hat fic) mur das Lied » Be- 
kränzt mit Laub r. « bis auf die Gegenwart erhalten. — 
b) Johann Unton, Sohn des vorigen, geb. 6. Olt. 
1775 in Offenbad, gejt. dafelbjt 6. Wpril 1842, Schü⸗ 
fer von Herd. Fringl (Bioline) und Vollweiler (Kom⸗ 
pofition), itbernahm nad dem Tode feines Baters die 
BVerlagsfirma in Offenbad), die er befonders durch den 
Anlauf von Mozart Nachlaß (1799) außerordentlich 
hob. Wis Komponiſt tiberragt er ſeinen Vater (Meſſen, 
Pſalmen, Ynjtrumentalwerfe), machte fid) aber auch 
cinen Namen als Theoretifer mit ſeinem (nicht beende- 
ten) »Lehrbud) der Tonfegfunit« (Offend. 1832—43, 
2 Bde.; neue gefitrste Ausgabe von H. Henfel, 1875). 
A. war aud) Der erjte, der (1803) Senefelders Idee, 
die “ad, a beim Rotendrucd gu gebrauden, in 
größerm Umfang ausführte. 

2) Chriftian Karl, Pädagog und Landwirt, geb. 
20. März 1763 in Hildburghauſen, geſt. 19. Febr. 
1831 in Stuttgart, war Lehrer in Schnepfenthal, feit 
1798 Schuldirektor in Briinn und gab hier das » Pa- 
trivtijde Tageblatt« (Brinn 1800— 1805, 10 Bde.), 
den »Hesperus« (Prag 1809—20 u. Stuttg. 1821— 
1831) und den »Rationalfalender« (Brag 1810—24) 
heraus. 1812 wurde er erjter Wirtſchaftsrat des Filr- 
jten Salm in Briinn und 1821 Gefretiir bei der Zen— 
traljtelle de3 Landwirtſchaftlichen Bereins und Redal- 
teur Der »Landiwirtidaftlidhben Beitidrift« in Stutt- 
qart. Er qab nod) heraus »Ofonomifde Nenigteiten« 
(Brag 1811—31) mit Bechſtein, fpater mit Blafde: 
Genieinnützige Spaziergünge auf alle Tage im Jahr« 
(Braunjdw. 179095, 10 Bde.), die Kompendiöſe 
Bibliothef der gemeinniipliden Kenntniſſe⸗ (Halle 
1790 —98, 120 Gefte). 

3) Emil, Forjtmann, Sohn des vorigen, geb. 
1. März 1790 in Sdnepfenthal, geſt. 26. Febr. 1869 
im Kisber (Ungarn), war fürſtlicher Forjtbeamter, 
ſpäter Udminijtrator der Odescalchiſchen und Bat- 
thyanyſchen Herridaften in Ungarn. Er jtellte zuerſt 
das als öſterreichiſche Rameraltare befannte Forjt- 
abſchãtzungsverfahren qenauer dar und ſchrieb: » Ver- 
ſuch ciner zeitgemäßen Forjtorganifation« (Prag 1824, 
2. Aufl. 1830), »Cinfadjte, den höchſten Ertrag und 
die Nachhaltigkeit ficherjtellende Forjtwirtidaftsme- 
thode« (Daj. 1832) u. a. 

André, Louis Jofeph Nicolas, franj. Gene- 
ral, geb. 29. März 1838 in Nuits (Cite-d'Or), wurde 
1861 zum Leutnant der Yirtilleric ernannt. Ys Haupt: 
mann nahm er am deutſch-franzöſiſchen Kriege teil. 
1871 —82 war er Leiter der praltiſchen Schießlurſe und 
Vizepräſident der Verjudsfommiffion in Bourges. 
Spiiter wurde er Direftor der Polytechnifden Schule. 
1899 Divifionsgeneral, ward er im Mai 1900 nad 
dem Rücktritt Gallifets Kriegsminiſter. Energiſch trat 
ev fiir Die Republif ein und den nationalijtifden und 
flerifalen Umtrieben im Offisierforps nachdrücklich 
entqegen. 1902 brachte er Den Geſetzentwurf über die 
Einfiibrung der zweijährigen Dienjtzeit in Vorſchlag. 

Andrea, Girolamo, Mardefe d’, Kardinal, 


| 


501 


biſchof von Mytilene in partibus infidelium, 1852 
jum Kardinal und Abt von Subiaco fowie Präfekt 
Der Ynderfongregation und 1860 jum Bifdof von 
Sabina ernannt. 1859 ſchloß er fid) der patriotijden 
Fartei an, rict dem Papſte die Unnahme de3 ihm von 
Napoleon IIT. angebotenen Vorſitzes der italienifden 
Ronfoderation und die Cinfiihrung liberaler Refor- 
men im Stirdenjtaat. Auch erflirte er fic) gegen die 
Verdammung der gallifanijden Schriften und die 
Unterdrückung der fatholifden Wiſſenſchaft. Hierdurd 
30g er fic) die Ungqnade ded Papſtes und den Zorn 

ntonellis gu. VIS er fi 1864 von Rom nad Neapel 
begab, ward er, vergeblid) zur Riidfebr aufgefordert, 
1866 von der Verwaltung feiner Diözeſe und feiner 
Abtei fufpendiert und im September 1867 abgefest. 
Er begab fic) nun nad) Rom zurück, unterwarf fid 
dem Papſte, wurde aud) 17. Jan. 1868 rehabilitiert, 
erhielt aber die Veriwaltung feiner Didzefe und der 
Ubtei Subiaco nicht wieder. 

Andrea, 1) Jafob, luther. Theolog, geb. 25. 
Mir; 1528 gu Waiblingen tm Wiirttembergifden, 
ward 1546 Diafonus in Stuttgart, 1549in Tiibingen, 
1553 Superintendent in Gidppingen, 1562 Brofeyjor 
der Theologic, Propſt und Kanzler der Univerſität 
Tübingen; jtarb 7. Jan. 1590. Durch Gelehrjameeit 
und diplomatijde Gewandthcit ausgejeidnet, war 
et bei Ordnung des evangelijden Kirchenweſens in 
Deutſchland vielfad tätig und in den dogmatijden 
Streitigtciten cifriger Verbreiter lutheriſcher Recht. 

läubigleit. Durd thn befonders fam 1577 die Kon— 
orbdienformel (f.d.) ju ftande. Sein Leben befdjrieben 
Fittbogen (Hagen 1881) und Sdmoller (mit 
Uuswahl feiner Predigten, Giitersl. 1890). 

2) Johann Valentin, Dichter und theologijder 
Schriftſteller, Enlel des vorigen, qeb. 17. Yug. 1586 
gu Herrenberg im Württembergiſchen, geſt. 27. Juni 
1654 in Stuttgart, jtudierte in Tiibingen Theologie, 
bereijte Dann als Ergieher junger Edelleute Deutſch— 
land, Stalien und Franfreid, ward 1614 Diafon gu 
Vaihingen, 1620 Superintendent in Kalw, 1639 Hof- 
predigerin Stuttgart, 1650 Generalfuperintendent von 
Pebenhaujen und Ubt von Wdelberg. Entſchiedener 
Lutheraner, aber allem dogmatijden Gezänk abbold, 
allein auf werftitige Chriftentiebe gerichtet, entwidelte 
A., als cin Vorgänger Speners und Frandes, in 
feinen teils lateiniſch, teils deutſch geſchriebenen Wer- 
fen eine Fülle kräftiger Gedanken. Die bedeutendſten 
find: »Chriſtlich Gemäl-(Tübing. 1612); ⸗Hercules 
christianus« (Straßb. 1615; deutſch, Frankf. 1845); 
»Chymiſche Hochzeit Chriſtiani Roſenkreuz⸗« (1616), 
eine Schrift, die von A. ſelber nicht ernſthaft gemeint 
war, die jedoch zur Folge hatte, daß man thn irrtüm— 
lid) fiir Den Begriinder des Ordens der Rofenfreujer 
(f. dD.) bielt; »Turbo« (1616), eine Dramatijde Satire 
gegen das Treiben der gelehrten Welt; *Menippussive 
satyricorum dialogorum centuria« (1617); »Chri- 
stianopolis« (1619), ideale Schilderung eines drift. 
liden Muſterſtaates; »Geiſtliche Kurzweil« (Strakb. 
1619), vollstümlich kräftige Gedichte in etwas un— 
elenfer Form. Sein Lehrgedicht » Chrijtenburg «( (1626) 
childert die Kirche unter dem Bild einer belagerten 
Stadt. Herder machte zuerſt wieder auf die Bedeu— 
tung der Schriften Andreäs aufmerffam. Seine la- 
teiniſche Selbjtbiographie (deutſch von Seybold, 1799) 
ab Rheinwald heraus (Berl. 1849). Bgl. Herder, 
Vnbdreds Dichtungen mit einer Vorrede gur Behersi- 
qung unfers Zeilalters (Leipz. 1786); Hoßbach, 


Andrea. 


eb. 12. April 1812, geft. 14. Mai 1868, ergogen im | Yoh. Val. UW. und fein Beitalter (Berl. 1819); Glök— 
llege La Fleche in Frankreich, ward friih gum Er;- | ler, Johann Valentin W. (Stuttg. 1886). 


502 


Andreãazeen, Familie der Laubmooje, umfaßt 
bie einzige Gattung Andreaea (ſ. Tafel »Moofe I<, | 
frig. 4), Be der die Seanb der reifen Sporenfapfel fic) | 
mit Längsriſſen in vier oben und unten zuſammen⸗ 
hängende Klappen fpaltet. 

Andreanum privilegium, die Urkunde, in 
der Undreas IT. von Ungarn die den Siebenbiirger 
Sachſen von Géza II. verliehenen Rechte beſtätigte 
(1222). Darin werden, was fiir ihre Geſchichte wich— 
tig ijt, aud) Die Walachen als Bewohner Siebenbitr- 
gens qenannt. 

Andreas (> der Männliche«), einer der zwölf Jün— 
ger Sefu, Bruder des Simon Petrus, tritt in der evans 
qelifden Geſchichte weniq hervor, während ibn die 
Sage in Kleinajien und Sfythien, d. h. in den Ländern 
ain Schwarzen Meer bis an die Wolga (daher Schutz⸗ 
patron Ruplands), das Evangelium predigen, auf der 
Riidreife die Rirde von Byzanz gründen und dann 
su Batra in Uchaia den Martyrertod erleiden läßt, und 
zwar an einem Kreuz mit ſchrägen Balfen (ſ. Undreas- 
treuz). Gedächtnistag ijt der 30. November. Die vor: | 
hergehende Nadt (Undreasna dt) gehört im Volks— 
qlauben ju den geſegneten Zeiten des Jahres, in de- 
nen unter anderm junge Burfden und Madden den | 
zukünftigen Gatten erblicden fonnen. Den Namen des 
Upojtels A. tragen mehrere nod vorhandene Apo— 
fryphen, namentlic& die » Acta Andreae et Matthaei | 
oder Matthiae« (hrsg. von Tifdendorf in den » Acta | 
apostolorum apocryphas, Leipz. 1851). 

Andreas, NKinige von Ungarn: 1) W J. 
(1046-—60), Der vierte ungar. König aus dem Haus 
Arpad, lebte, verbannt von jeinem Better, König 
Stephan L., als Fliidtling in Rotrufland und Polen, 
bis ihn die Ungarn 1046 nad) de3 Ufurpators Peter 
Entthronung jum König ausriefen. Um feine Herr 
ſchaft zu befeitigen, tick er anfänglich die nationale 
Heidenpartet gegen das Chrijtentum gewähren, be- 
günſtigte e3 aber ſpäter und ftrafte die Aufrührer, 
Denen er den Thron verdanfte. Der Krieg, mit dem | 
Kaiſer Heinric IIT. ihn wegen der Entthronung Be: | 
ters als feines Vaſallen überzog (1051 —52), verlief 
fiir A. qlitclic) und wurde trotz der Vermittelung des 
Papſtes Leo LX. erft 1058 durch einen Frieden been 
digt, als nach Heinrichs Tode die Verlobung des Kaifer- 
ſohnes mit A.' Tochter Juditha Ungarns Unabhängig 
leit ſicherte. Bald darauf geriet A. mit ſeinem Bruder 
Béla in Fehde, der von ihm, als A. nod keinen Sohn 
hatte, jum Nachfolger ernannt worden war, 1058 | 
aber dem fiebenjibriqen Bringen Salomon (der 1063 | 
Kaiſer Heinrichs IV. Schwejter Judith hermfiihrte) | 
hatte weichen müſſen. Bon Boleslaw IL. von Bolen | 
und unjufriedenen Ungarn unterjtiigt, griff Bela den 
mit Raijer Heinrid) LV. verbiindeten A. an, der im | 
Dezember 1060 an der Theiß geichlagen, auf der 
Flucht bei Wielelburg gefangen wurde und tm Kloſter 
Bircy femen Wunden erlag. Bgl. Meyndt, Hein 
rid) IIT. und A. J. (Leip;. 1870); Rammel, Die 
zwei letzten Heereszüge Heinrichs IIT. nad Ungarn 
(Strakb. 1879); Rademader, Ungarn und das, 
Deutiche Reich unter Heinrich IV. (Merfeb. 1885). | 

2) A. I. (1205 - 35), von feinent Kreuzzug der 
Hierofolymitaner genannt, Sohn Bélas IL, ein | 
Bruder des Königs Emmerich, den er im Verein mit 
fener leidenſchaftlichen Gemahlin Gertrud zu ftiiryen | 
ſuchte. Nad Emmerichs Tode (1205) beſtieg YW. den | 
Thron, und nachdem Gertrud 1213 durd eine Wdels- | 
verſchwörung (f. Beant bin) getdtet worden war, unter 
nahm er 1217 mit andern Fürſten einen Kreuzzug, 
der indes bet Der Belagerung der Feſte auf dem Berg 








Andredazeen — Andreasfreuj. 


Tabor fdeiterte. UW. tehrte nad) Ungarn juriid, wo 
er infolge ſeines Leidtjinnes bis ju ſeinem Tod: 
(1235) mit Empörungen und feinem ciqnen Sohn 
Béla gu kämpfen hatte. 1222 mußte er die Bulla 
aurea, da8 alte Grundgefes Ungarns, unteridjreiben 
und beſchwören, dad die Vorredte des UdelS bejtinumte. 
3) UTIL, Der Venezianer, Enfel U.' I, Sobn 
de3 Stephanus Poſthumus (1200 —1301), durd La- 
dislaw IV. erjt Herjoq von Slawonien, Dalmatien 
und Stroatien, gelangte nad der Ermordung Ladis 
laws IV, als der einjige nod) lebende Sprößling des 
Haujes Virpdd 1290 zur Regierung, obgleich König 
Rudolf der — Ungarn als heimgefallenes 
Reichslehen, Papſt Nilolaus IV. es als päpſtliches 
Lehen erklärten und ein falſcher A. Anhänger fand. 
Dieſer ward geſchlagen; die Deutſchen bequemten ſich 
ju einem Frieden, und der vom Papjt aufgeſtellte 
enfonig Karl Martell von Anjou fonnte es nur 

in Dalmatien und Kroatien zur Ynerfennung brin 
en. Bald nachdem diefer gejtorben war (1295), trat 
Rein Sohn Kari Robert als Pratendent auf. Ehe es 
jedod zur Entideidung fam, ftarb A. plötzlich 14. Jan. 
1301. Mit ihm erlofd das Haus Arpaͤd im Mannes 
jtamm. Bgl. Jul. Pauler, Gejdidte der ungariſchen 
Nation unter den Arpäden (Budap. 1900, 2 Bde.). 
Andreas von Regensburg, Geſchichtſchreiber 
war feit 1410 regulierter Chorherr in Regensburg. 
Sein Hauptwerf, das »Chronicon de ducibus Bava- 
riae« (bi 1439), das er im Auftrag Herzog Ludwigs 
de3 Bartigen von Bayern-Jngoljtadt verfakte und 
in deutſcher Bearbeitung als »Chronidh von den 
Fürſten gu Bayern« bis 1452 fortfiihrte, ijt nament- 


| lich fiir das Beitalter der Huffitentrieqe von Wert, cin 


Borliiufer de3 Uventinus (ſ. d.). Die alten Musqaben 
(bei Defele, »Scriptores rerum Boicarum I< ; v. Frey 
berg, »Sammlung hiſtoriſcher Schriften«) find un 
zulaͤnglich, cine newe durch Die Miindyener hijtorifde 
Nommiiffion ijt in Vorbereitung. 

MAndreasberg, Stadt, ſ. Sankt Undreasbera. 

Andreas Capellanus, lat. Schriftiteller, wird als 
cin + Reffe des Papſtes« bezeichnet und ftellte um 1200 
in feinem »Tractatus de amore« die Ausſprüche be 
rithmter Fürſtinnen, wie der Griijin Ermengard von 
Narbonne (geſt. 1194), der Grijin Margarete von 
Flandern (gejt. 1194), der Gräfin Marie von Cham 
pagne (geſt. 1198), über Minnefragen zuſammen. 
Weil das Werk einem Gualterius gewidmet war, wird 
es oft unter dieſem Namen zitiert. Die Annahme 
von Minnehöfen (ſ. d.) beruht weſentlich auf dieſem 
Werfe, dad auch ins Franzöſiſche, Deutſche und Ita 
lieniſche überſetzt wurde. Cine Ausgabe veranſtaltete 
Trojel (Kopenh. 1892). Val. C. v. Aret in, Ausſpruche 
der Minnegerichte (WMiind. 1803); Gaſton Baris im 
» Journal des savants« (1888). 

Undreasdufaten, Goldmünze mit dem Bildnis 


des Heil. Undreas. Es gibt braunſchweig⸗ lüneburgiſche 


von 1726 und 1730 und ruffifde Doppelrubel, unter 
Peter d. Gr. und Clijabeth gepriigt, 18%/s, refp. 22 
Sarat fein und von 3,199, refp. 2,9537—-2,9734 g¢ Gold. 

Andreasgrofchen, ſ. Undreastaler. 

Andreasgulden, flandr. Goldmiinge Karts des 
Mithnen, ftand im Werte dem Goldgulden gleich. Uber 
jilberne A. vgl. Undreastaler. 

Andreaskrenz (Crux decussata), cin rey mit 
ſchräg gejtellten Balen (X). Der Name rührt von 
dem Ss oitel Andreas her, der nach der Sage bei feiner 
Hinrichtung an ein foldyes Kreuz qenagelt worden fein 
ſoll. Das Vi. ftand in hoher Verehrung, da es zugleich 
Abkurzung von Chrijtus (X, gried. Chi) war. Us 


Andreasnadt 


burgundifde3 Wappen wird es aud burgundi- 
ſches Kreuz genannt. S. Kreuz. 

Andreasnacht, ſ. Andreas (Apoſtel). 

Andreasorden, 1) höchſter ruſſ. Orden, früher 
»das blaue Band« genannt, wurde von Peter J. 
30. Nov. (11. Dez.) 1698 für Auszeichnung im Tür⸗ 
lenkriege geſtiftet, ſpäter aud) für andre Berdienite 
verliehen. Der Orden hat nur cine Klaſſe und wird 
nur Perjonen im Generalleutnant8rang, die den Alex⸗ 
ander Newſtij⸗ und den Weifen Wdlerorden haben, den 
fie am Hals, refp. im Rnopflod tragen, verliehen. 
Rwilf Ritter erhalten jährliche Penſionen. Die De— 
foration (j. Tafel »Orden I<, Fig. 22) bejteht in 
einem goldenen, ſchwarz emaillierten, sweifdpfigen ge- 
frinten Adler mit ausgebreiteten Fliigeln. Auf dem 
Adler liegt cin dDuntelblaucs Undreastreuz mit dem 
Heil. Undread in natiirlidjer Farbe mit goldener Binde. 
Der Revers zeigt nur den Doppeladler. Uuf den Ecken 
des Kreuzes ſteht: S. A. P. R. (Sanctus Andreas, 
Patronus Russiae). Die Deforation wird von einer 
Krone gehalten, an der das Himmelblaue Band oder 
die Kette befeſtigt wird. Der adtitrablige filberne 
Stern hat in der Mitte ein Medaillon mit ca kaiſer⸗ 
lichen Doppeladler, um den ſich eine Schlange windet; 
ein blauer Kreis mit der Inſchrift: »Für Treue und 
Glauben« umgibt das Medaillon. Wn Offiziere wird 
der Orden mit Schwertern verliehen. Das Ordens 
ficid ijt cin qritnjamtener Mantel, mit Silber befept, 
cin Samthut mit roten Federn. Dazu tragen die Ritter 
cine Rette aus drei abwedfelnden Gliedern. Der Or- 
Denstag ijt der 30. November. Val. Shipp, Der 
taiſerlich ruffifdbe St. W. (Wien 1899). —- 2) Schott. 
Orden, ſ. Dijtelorden. 

Andreastaler, hanndv. Silbermiinge aus 15%/o- 
ldtigem Silber mit dem Bilde de3 Heil. Undreas am 
Kreuz, — 2 Undreas- oder Harzgulden des 18-Gul- 
denfuges. Der Undreasgrojden nad dem Kon- 
ventionsfuße hatte ungleidjen Wert, der Undreas- 
mariengrojden */s des vorigen — 8 Undreaspfennig. 

Andree, 1) Karl, Ae ag geb. 20. Oft. 1808 
in Braunſchweig, gejt. 10. Aug. 1875 zu Wildungen, 
jtubierte in Jena, Gottingen und Berlin hiſtoriſche 
Wiſſenſchaften, ward 1830 in burfden{daftlide Unter: 
fudjungen verwidelt und war nad feiner Freijpredung 
als Publiziſt nacheinander an der ⸗Mainzer«, ⸗Ober⸗ 
deutſchen · (Karlsruhe), ⸗Kölniſchen⸗, »Bremer« und 
» Deutiden Reichszeitung « ( Braunſchweig) tãtig. 1851 
gründete er dad ⸗Bremer Handelsblatt«, das durch 
ibn rafd) ju Bedeutung gelangte. Seit 1855 lebte er 
ausſchließlich — 5 und ethnologiſchen Stu- 
dien, erjt in Leipzig, ſpäter in Dresden. Die wid- 
tigiten ſeiner Schriften find: »Nordamerifa in geo- 
—— und geſchichtlichen Umriffen« (2. Aufl., 

raunſchw. 1854); » Buenos Wires und die Urgen- 
tiniſche Republife (Leipz. 1856); ⸗Geographiſche 
Wanderungen« (Dresd. 1859, 2 Bde.); »Geographie 
des Welthandels« (Stuttg. 1867 —72, 3 Bde.; Bd. 1 
in 2. Uufl. 1877). 1862 qritndete A. die geographifde 
Zeitſchrift > Globus«. 

2) Richard, Ethnograph, Sohn des vorigen, ged. 


— <Andréoffy. 503 


phiſchen Studien und veröffentlichte: »* Vom Tweed sur 
| Pentlandföhrde⸗ (Jena 1866); »Der Kampf um den 
MNordpol« (5. Uujl., Bielef. 1889); » Ethnographijde 
Parallelen und Vergleide« (Stuttg. 1878; neuc Folge, 
Leipz. 1889); »Zur Volfsfunde der Juden« (Bielef. 
1881); »Die Metalle bei den Raturvilfern« (daſ. 
1884); » Die Unthropophagie« (daj. 1886); » Die Flut- 
fegen, ethnographijd betradtet« (Braunſchw. 1891); 
»Braun{dweiger Volfsfunde« (daj. 1896, 2. Aufl. 
1901). Wis Mitbegriinder (1873) und Leiter der Geo- 
graphiſchen Anſtalt von Velhagen u. Klaſing in Leipzig 
ab er mit ©. Peſchel den »Phyſikaliſch-ſtatiſtiſchen 
tlas des Deutidjen Reiches⸗ (1877), mehrere Schul— 
atlanten und den »Ullgemeinen Handatlas« (1881; 
4, Aufl. von Scobel 1899; dazu » Geographifdes Hand- 
budj« von Scobel u.a., 4. Aufl. 1899) heraus. Seit 
1891 redigiert U. den von feinem Vater beqriindeten 
»Globus«. 

Andrée, Salomon Auguſt, Ingenieur, geb. 
18. Dit. 1854 3u Brenna in Schweden, befuchte die ted)- 
niſche Hochſchule in Stodholm, war dann praktiſch tätig 
und begann friih eine ſtattliche Reihe wiſſenſchaftlicher 
Ballonreijen, unter andern nad Gotland und Finn- 
land iiber die Oſtſee. Er entwarf 1895 den Plan, von 
Spigbergen aus im Ballon den Nordpol ju erreiden. 
WIS die erforderlichen Mittel herbeigeſchafft waren, 
wurde auf Spigbergen eine Ballonhalle jur Fiillung 
des Ballons erbaut, und 1896 follte die Fahrt be- 
ginnen. Der Aufſtieg mußte indes, weil der erforder- 
lide Südwind ausblieb, aufgegeben werden. 1897 
war der Ballon 30. Juni reifefertiq, und 11. Juli 
trat U. mit feinen Begleitern Fränkel und Strindberg 
die Reiſe an. Geitdem find die kühnen Luftſchiffer 
verfdollen. Bgl. J. Rullenbergh, 8. A. A., hans 
lif och person (Gotenb. 1898). 

Andréi, Bogoljubſtij (nad feinem Landjig 
Bogoljubowo), ruff. Groffiirit, bahnte nad der Epoche 
der Teilfiirjtentiimer die Begründung eines einheit- 
lichen Reiches an; er herridte als Großfürſt in Sus- 
dal 1158—74 und verlegte den Schwerpuntt des ruſ⸗ 
ſiſchen Staatsweſens von Rijew in den Nordojten 
(Wladimir an der Kljäsma). Er wurde 29. Juni 1174 
von Verſchwornen ermordet. 

year arse Kreisort im ruffijdh-poln. Gouv. Kjelzy, 
an der Eiſenbahn Swangorod-Dombrowo, mit Leh- 
rerfeminar und (1897) 5010 Cinw. 

Andréjewffij, Serge; Urfadjewitid, ruff. 
Didter, geb. 10. Dez. 1848 im Gouv. Yefaterinoflaw, 
jtudierte in Charfow die Redjte, war bis 1878 im 
Juſtizminiſterium tätig und lebt feitdem als Rechts— 
anwalt in Petersburg. Eine Sammlung Gedichte, 
Originale und ———— veröffentlichte er daſelbſt 
1886. Wud) ſchrieb er bemerkenswerte kritiſche Stu- 
dien iiber Baratynffij, Doſtojewſtij, Garſchin u. a. 

Andréoffy pr. angd), Antoine Francois, 
Graf, fran3. General und Staatsmann, geb. 6. Mar; 

| 1761 in Cajtelnaudary, geſt. 10. Sept. 1828 in Mont⸗ 
| auban, trat 1781 als Urtillerieleutnant in hollindijde 
Dienijte, geriet 1787 bei dem Einfall der Preußen in 
| Holland mm preußiſche Gefangenſchaft und nahm ſpä— 


26. Febr. 1835 in Braunſchweig, ſtudierte in Leipzig | ter an den Feldzügen gegen die 1. Koalition und nad) 
Naturwiſſenſchaften und war 1859 —63 als Hiitten: | Ägypten rühmüchft teil. Als Chef des Generaljtabs 
mann in Böhmen tätig, wo er die Unregung zu ſei— | trug ex viel zum Gelingen der Revolution des 18. Bru⸗ 
nen Schriften: »Nationalitätsverhältniſſe u. Sprach- maire bei. Dafür ſtellle ihn Bonaparte an die Spitze 
qrense in Böhmen« (2. Aufl., Leip;.1871), »Tidhedhifche | des Artillerie und Geniewefens und ernannte thn zum 

inge«(Bielef.1872) und» WendifdeWanderftudien« | Divifionsgeneral. 1805—1807 tampfte er in Deutſch— 
(Stuttg. 1874) erhielt. Jn Leipzig, dann in Heidel: | land und befleidete, in den Grafenjtand erhoben, bis 
berg und 1893 in Braunfdweig fid) niedertaffend, | 1809 den Gejandtidaftspojten in Wien. Nad) dent 
widmete fic) A. vornehmlich geoqraphifch-ethnogra: | Krieg mit öſterreich ging er als Gefandter nad) Kone 


504 


ftantinopel, ward aber 1814 von Ludwi 
berufen. Während der Hundert Tage Roto er ſich 


XVIII. ab- 


wieder Napoleon an und ging nad der Niederlage bet 
Waterloo mit vier andern Kommiſſaren zur Vermit- 
telung eines Waffenjtilljtandes ins Hauptquartier der 
Verbiindeten. 1819 ward er jum WMitgliede der Kö— 
niglichen Gefellidaft fiir die Verbefferung der Gefiaing- 
nijje, 1821 jum Diveftor der Verpflegung fiir das 
Heer crnannt und 1826 in die Alademie qewahlt; 1827 
Deputierter geworden, hielt er zur Oppofition. Er 
ſchrieb: »Histoire du canal da Midi (2. Aufl., Bar. 
1805, 2 Bde.), den fein Urgrofvater Francois A. 
(1633-88) gebaut hatte; »Relation de la campagne 
sur le Mein et la Rednitz de l'armée gallo-batave« 
(1802); »Constantinople et le Bosphore de Thrace 
pendant les années 1812-1814 et pendant l’année 
1826< (1828; deutſch, Leip. 1828); »Opérations des 
pontonniers frangais en Italie pendant les cam- 
pagnes de 1795 à 1797« (Nachlaß, 1843). 

Andrefen, 1) Karl Gujtav, Germanijt, qed. 
1. Juni 1813 gu Üterſen in Sotiteit, geſt. 25. Mai 
1891 in Bonn, jtudierte in Riel Philologie, wirkte als 
Gymnaſiallehrer in Ultona und Mülheim a. d. Ruhr, 
ſeit 1870 als Privatdozent und feit 1874 als aufer- 
ordentlider big ed in Bonn. Er verdffentlidte 
unter anderm: »Regijter zu J. Grimms deutfder 
Granunatif« (Gotting. (1865); » Uber die Sprache J. 
Grimms · (Leipz. 1869); » Die altdeutfden Perſonen⸗ 
namen in ihrer Entwidelung und Crjdeinung als 
heutige Beidlechtsnamen« (Maing 1863); ⸗UÜber deut⸗ 
ide VolfSetymologie« (Heilbr. 1876; 6. Aufl., Leipz. 
1899); »Spradgebraud) und Spradridtigfeit im 
Deutiden« (8. Aufl. Leipz. 1898); ⸗Konkurrenzen in 
der Erflarung der deutſchen Gefdhledtsnamen « (Heilbr. 
1883). — Sein Sohn Hugo, geb. 1844, Profeſſor 
der romanijden Philologie an der Ufademie in Miin- 
jter, gab unter anderm Waces »Roman de Rouse 
(Deilbr. 1877—79, 2 Bde.) heraus. 

2)Undreas, Kunſtſchriftſteller, qed. 14. Rov. 1828 | 
ju Loit in Schleswig, geft. 1. Mat 1871 in Leipzig, 
trat 1848 in die Freiſcharen ein, ftudierte Dann in 
Riel, Berlin, Bonn und Minden, erbhielt 1857 cine 
Anſtellung am Germanifden Muſeum ju Nürnberg 
und fibernahm 1862 in Leipzig die Leitung von » Rau- 
manns Archiv fiir Die zeichnenden Künſte« fowie die 
Bearbeitung der Weigeliden Uultionsfataloge, nad 
Weigels Tod 1870 auc deffen Kunſtauktionsinſtitut. 
Seine Hauptwerte find: » Deutider Peintre-Graveurs, 
eine Fortführung des Bartſchſchen Werkes (Bd. 1—3, 
Leip; 1864—66), » Die deutiden Malerradierer des 
19. Jahrh.« (Vd. I⸗A, daf. 1866—70; fortgeſetzt von 
Wejjely) und die Fortiesung von Naglers »Mono- 
grammiſten« (Vd. 4, unvollendet, Miind. 1868-—70). 

Andrews (ipr.anndrap, 1) Henry C, Pflanzenmaler 
in London, geſt. 1800, lieferte große illuftrierte bota- 
niſche Werke, wie: »The botanists repository « (Lond. 
1799 —1811, 10 Bde.); »Coloured engravings of 
Heaths« (1802 —-30, 4 Gde.); » The Heathery« (1804 | 
bis 1812, 6 Bde.); »Geraniums« (1805, 2 Bde.); 
»Roses« (1805-28, 2 Bde.). 

2) Thomas, Phyſiker, qeb. 19. Dez. 1813 in Bel- 
fajt, qejt. 1886 als Profeſſor der Chemie am Queen's 
College. Er lieferte bedeutende YUrbeiten fiber die 
Warmeentwidelung durch hemifde Prozeſſe, über den 
Verbrennungsprozeß fowie fiber das Ojon. 1861 
entDdedte er, Day die Gaſe oberhalb ciner gewiſſen fiir 
jedes Was charafteriftijden (> fritifden«) Temperatur 
durch Dru nicht mehr in die fliiffige Form gebradt 
werden fornnen. 





Andrejen — Andrieur. 


Andria, Stadt in der ital. roving Bari, Kreis 
Barletta, an der Dampftrambahn Bari - Barletta, 
Sif eines Biſchofs, mit einer Rathedrale, der von den 
Templern angelegten Rirde Sant’ Agoftino (mit jbs- 
nem Spi —— u.a., Ol- und Tonwarenjabri- 
fation, Handel und (1901) 49,569 Einw. — A. wer 
cine Lieblingsitadt Kaiſer Friedrichs II.; feine beiden 
Gemabhlinnen wurden im Dom in ſchönen, jest ver- 
ſchwundenen Maujoleen beigefest. 1799 verteidigte 
ſich A. tapfer gegen die Franjofen. 

Andrian- burg, Biftor, Freiherr von, 
öſterreich. Staatsmann, geb. 17. Sept. 1813 im Gbr- 
ziſchen, geſt. 25. Nov. 1858 in Wien, ftudierte die 
Redjte in Wien und trat 1834 ins öſterreichiſche Gu- 
bernium ju Venedig. Yn der 1841 erjdienenen Schrift 
»Djterreid) und feine Zulunft« (3. Aufl. Hamb. 1843) 
zeigte er fic al8 einen aufgeflirten Politifer im Sinne 
der englijden Ariſtokratie. 1844 fam er al Hofictre- 
tar zur Hoffanglet, verliek aber Den Staatsdienjt im 
Fruhjahr 1846, nahm an den ſtändiſchen Bewegungen 
lebbaften Anteil und verdffentlidte 1846 »Hijtori 
Uftenjtiide sur Geſchichte des Ständeweſens in Ojter- 
reidje (Leip3.) und 1847 den 2. Teil der oben er- 
wähnten Schrift gu Hamburg. Anfang Upril 1848 
von den Standen Riederdjterreidhs gum Borparia- 
ment nad Franffurt geſendet, wurde er dort im den 
Fünfzigerausſchuß gewählt und wirfte als Borjtand 
des Hentralfomitecs fiir das Zujtandefommen der 
Wahlen zur Rationalverjammiung, in die er ſelbſt 
al Ubgeordneter von Wiener-RNeujtadt eintrat. An 
fang Auguſt 1848 wurde er gum Reidsgefandten in 
London ernannt, wo er iiber die öſterreichiſch italie 
niſche und die fhleswig- holſteiniſche Frage verhandelte. 
Er fehrte aber, als die öſterreichiſch deutſche Frage in 
Frankfurt in den Vordergrund trat, auf den Wunſch 
des ReidSminijteriums juriid und fprad fic fiir 
das Programm von Kremſier aus. Rad) Sdymerlings 
Riidtritt gab aud) A. ſeine Entlaſſung und teat out 
den andern Ojterreidern aus der Nationalverfamum- 
lung aus. Seine politijden Anſichten hat er in der 
Sdhrift » Zentralifation oder Dezentralifation in Ofter- 
reich· (anonym, Wien 1850) niedergelegt. 

Andrias Scheuchzéri Tschudi (Homo dilu- 
vii testis, Sintflutmenſch), an Tertiaridiefer von 

ingen aufgefundenes und 1726 von Scheuchzer als 
Sündflutmenſch· beſchriebenes Stelett eines Lurches 
von 1—1,5m Lange (j. Tafel ⸗Tertiärformatien I+), 
der Dem Riefenfalamander (Cryptobranchus) am 
nächſten ſteht. 

Andrichau (Andrychöw), Stadt in Galizien, 
Bezirlsh. Wadowice, an der Bahnlinie ———— 
warya, hat cin Schloß, ein Bezirksgericht, i 
Färberei und Appretur und (1900) nit Dem Dorf We 
4048 poln. Einwohner. 

Andrienne (franj., fpr. angd-), vorn offences, weites 
Frauenfleid ohne Taille, das durch die Schauſpielerin 
Doncourt in Paris in die Mode gebradht wurde und 
jeinen Namen von der ⸗Andria« ded Terenz erbielt, 
deren Titelrolle jene 1703 zum erftenmal ſpielte. 

Andri (jpr. angbrid), 1) Francois, franz. Ge⸗ 
lebrter und Dichter, geb. 6. Mai 1759 in Straßburg. 

ejt. 9. Mai 1833 in Paris, war beim Ausbruch der 
Revolution Wdvofat in Paris und ſchloß fich derfelben 
mit Cifer an. Nach der Rejtauration erbielt er (1814) 
einen Lehrſtuhl am College de France. 1795 wurde 
er Mitglied der Ufademie und 1829 deren beftandiger 
Sefretar. VL. ijt ein Rind des 18. Jahrh: fein Haupt- 
bejtreben ijt, qeiftreich und witzig gu fein; Gefühl und 
Veidenfdaft fdeinen ihm gänzlich gu feblen. Wud 


Andritjena — Andromeda. 


feine ajthetijden Anſichten gehören der alten Zeit an; 
Shakeſpeare tadelt er als kunſtlos und iibertricben, 
die deutſche Literatur verabjdeut er ebenſo wie die 
romantijde Schule in Franfreich. Seine Komödien 
zeichnen ſich durch leichten Versbau, gut ausgedachte 
Situationen und ſinnreiche Einfälle aus. Die beſten 
find: »Les étourdis, ou le mort supposé« (1788), 
»Moliére avec ses amis, ou le souper d'Auteuil« 
(1804), »La comédienne« (1816). Auch eine Tra: 

Odie: »>Junins Brutus«, hat A. verfaft, die nach Der 
Sulirevolution zur Aufführung tam, fowie zahlreiche 
leichte Boefien, von denen die bemerfenSwertejten find: 
»Le meunier de Sans-Souci« (1797), »La prome- 
nade de Fénelon« und »Le procés du sénat de Ca- 
poue«. A. gab felbjt feine Werke heraus (1818—23, 
4 Bde.); Auswahl erfdien 1878. 

2) Louis, fran3. Bolitifer, geb. 20. Juli 1840 in 
Trévour (Win), ließ fic) in Lyon als Udvokat nieder, 
wo er ciner Der Vorfiimpfer der liberalen Partei gegen 
Das Naifertum war. Nad) dem 4. Sept. 1870 wurde 
ex zum Profurator der Republif in Lyon ernannt. 
Mad) Thiers’ Ubdanfung 1873 nahm er jeine Ent- 
fajjung. 1876 in die Deputiertenfammer gewählt, 
ſchloß er fic) Der Republifanijden Union an und wirkte 
fiir die Cinigfeit der liberalen Parteien. Er wurde 
1879 zum Polizeipriifetten von Paris, 1882 zum Bot- 
ſchafter in Madrid ernannt, jedod alg Gegner der 
Gambettiſten bald wieder abberufen und befimpfte 
feitdem dieſe aufs heftigite. 1888 ſchloß er fid) der 
(boulangijtijden) Revifionspartei an, fpielte aber feine 
Rolle mehr und fiel bei den Neuwahlen 1889 durd. 
Er fdrieb: »Souvenirs d'un ancien préfet de police« 
(1885, 2 Bde.) und »La Révision« (1889). 

Andritfena, Hauptitadt der Epardie Olympia 
im griech. Nomos Mefjenia, am Nordabhang des 
Lyfaiongebirges, mit (1896) 2138 (Gemeinde 7717) 
meijt Uder= und Weinbau treibenden Cinwobhnern. 

Andro ... (qried.), in Zuſammenſetzungen foviel 
wie: Mann, auf das männliche Geſchlecht bezüglich. 

Andröceum (griech.), ſ. Blüte. 

Audroclus, cin Sklave, der, in die afrifanijde 
Wüſte entflohen, cinem Lowen den Fup Heilte, {pater 
eingefangen und zum Tierfampf verurteilt, von dem 
ebenfalls gefangenen Löwen in der Arena erfannt | 
und danfbar gelicbfoft wurde. 

MAndrodamant (Wndcodamas), nad Plinius | 
u. a. ein glänzend ſilberweißes Mineral von wiirjeliger 
Krijtallform, das in Ägypien gefunden und zu Amu— 
fetten, Ringew und Halsbandern verarbeitet wurde. | 
Man hielt den A. fiir Ralffpat, Adular, Urfenfies rc. 
Die alten Magier ſchrieben ihm die Kraft zu, den Yorn 
der Manner je biindigen; Daher der Name. 

Androdisste (qriccd.), Borfonrmen von männ— 
licen und zwitterigen Bliiten auf verfdiedenen Exem— 
plaren derjelben Urt. 

Androgéos, im gried. Mythus Sohn des Minos 
von Kreta und der Paſiphaë, errang in then den 
Sieg bei der erjten Panathenäenfeier und wurde von 
dem eiferſüchtigen Konig Ageus gegen den maratho- 
niſchen Stier entjendet, dent er erlag, oder in einem 
DHinterhalt getdtet. Bur Strafe zwang Minos die Uthe- | 
ner ju einem neunjabrigen Tribut von fieben Knaben 
und fieben Madden fiir den Minotauros (f. d.), von 
Dem fie Thejeus befreite. 

Androgynie (qriech., »Manniweibheit), 
Hermaphroditismus (ſ. d.) beim Menſchen. 
Androhungstheorie, |. Strafredt. 

Androiden (griech.), Uutomaten (ſ. d.) in Men- 
ſchengeſtalt; androidifd, menſchenähnlich. 











ſoviel wie 


505 


Androlepſie (griech,⸗Menſchenraub «), in Athen 
das vom Staat anerkannte Vergeltungsrecht, wonach, 
wenn ein atheniſcher Bürger außer Landes getötet 
und fein Mörder nicht dort zur Rechenſchaft gezogen 
oder nicht ausgeliefert ward, es den Verwandten des 
Ermordeten erlaubt war, drei dem Staate des Mörders 
Angehörige aufzufangen, unt fie vor attiſchen Gerid- 
ten sur Strafe zu ziehen. Danad allgemcin A. foviel 
wie Feſtnahme fremder Staatsangebhiriger im Frieden 
als Geiſel zum Swede der eigenmächtigen Durchſetzung 
eines behaupteten Anſpruchs (vgl. Repreſſalien). 

Andromade, Gemahlin des Heftor, Tochter des 
Königs Eẽtion von Thebe am Plakos, verlor im Tro- 
janiſchen Krieg durch Achill Eltern und Brüder, zu— 
letzt aud ihren Gatten. Bei Trojas Eroberung war 
A. Zeugin von der Ermordung ihres Sohnes Vijtya- 
nax; fie ſelbſt fiel Achills Sohn Neoptolemos gu, dem 
ſie drei Söhne, Moloſſos, Pielos, Pergamos, gebar. 
Sterbend überließ Neoptolemos A. und die Herrſchaſt 
von Epirus Heltors Bruder Helenos. Nach deſſen 
Tode ging ſie mit ihrem Sohn Pergamos nach Aſien. 
In dem von dieſem gegründeten Pergamon hatte ſie 
ein Heroon. Sie iſt enſtand der Euripideiſchen 
Tragödie »A.« phomanie. 

ndromanie (qried.), Mannstollheit, ſ. Nym⸗ 

Androméda L., Gattung der Erilazeen, niedrige 
Sträucher mit meijt immergriinen, lederigen, glatten, 
unterfeits oft weiß bereiften Blattern, endjtindigen, 
armbliitiqgen Dolden oder Trauben, glockig-krugför— 
miger Blumenfrone und fiinffaderiger, vielfantiger 
Rapfel. Etwa feds Urten im nordiſchen Florenreid. 
A. polifolia L.(Lavendel- oder Rosmarinheide, 
falſcher Por ft), auf Moorboden in Curopa, Sibirien, 
Nordamerifa, mit friedenden, Ddiinnen Stämmchen, 
lanzettlichen Blittern und blakroten Bliiten, ijt durch 
Wehalt an Andromedotoxin (j. d.) narfotijd - giftig. 
Mebhrere Urten, wie A. floribunda Pursh. in Nordame- 
rifa, A. japonica Thunb. (Ujebu, Bafuibofu) in 
Japan und China, werden als Zierpflanzen fultiviert. 

Androméda, großes Sternbild de3 nördlichen 
Himmels, unweit ded Perſeus und der Kafjiopeia, 
enthilt drei Sterne 2. Größe: Alamak (y) öſtlich 
am jug, Mirad (8) am Giirtel und Girrah (a) 
am Kopf; letzterer gehört gleichzeitig dem Sternbilde 
des Pegaſus an. Alamak erſcheint in großen Fern— 
rohren als dreifaches Sternſyſtem mit einer roten, 
einer grünen und einer blauen Komponente. Nörd— 
lid von Mirach ſieht man den auc) mit unbewaffne- 
tent Auge erfennbaren Nebelflec, den Simon Marius 
1612 in Europa guerjt bemerfte und beſchrieb, der je- 
doch Den Urabern des Wittelalters ſchon befannt war 
(vgl. Nebel). Ungefähr an der Stelle der größten 
Verdichtung des Rebels erjdien im Auguſt 1885 ein 
qoldgelber Stern 7. Gripe, der an Helligfeit rafd 
abnabm und Anfang 1886 bereits verſchwand. Bal. 
Fixſterne und die Betlage gu Firiterne. 

Andromeda, Tochter des äthiopiſchen Königs Re- 
pheus und der Kaſſiopeia. Als dieſe ſich beriihmt, 
ſchöner als alle Nereiden zu fein, fendet Pofeidon cine 
Uberſchwemmung und ein Geeungeheuer. Da das 
DOralel des Ammon VBefreiung verjprad, wenn VW. 
dem Ungeheuer vorgeworfen wiirde, liek Kepheus die 
Todter an cinen Strandfelfen feſſeln. Perſeus (f. d.) 
rettete fie durch Erlegung des Ungeheuers. Dem Ver— 
ſprechen des Vaters gemäß befam er A. zur Frau; 
bei der Hochzeit entſtand ein gewaltiger Kampf zwi— 
ſchen Perſeus und Phineus, ihrem fri Verlobten. 
Sie wurde die Ahnmutter des berühmten Perfeiden- 
geſchlechts. Athene verſetzte fie unter die Sterne. 


506 


Andromédae pater, Sternbild, f. Cepheus. 

Andromedotogzin (Ujebotorin) Cy, Hs Oo 
ſcheint der wirkſame Stoff aller giftigen Crifazeen ju 
fein. Auch der giftige Honig von Trapesunt (Xeno- 
phons Anabaſis) enthielt wohl U. Es wird aus 
Blättern von Rhododendron ponticum dargejtellt, 
bildet farblofe Nadeln, löſt fic) in Wafer und Allohol, 
faum in Yther, ſchmilzt unter Zerſetzung bei 229°, 
reagiert neutral, wirft heftig bredjenerregend und 
lähmt Dann die Atmung. 

Andromonözie (qried).), Vorfommen von minn- 
lichen und zwitterigen Bliiten auf derſelben Pflanze. 
Andronicus, Dichter, j. Livius Yndronicus. 

Andronifos, byzantiniſche Kaifer: 1) A. L., 
Kaiſer 1183 —85, Sohn Iſaals, Enfel des Kaiſers 
Alexios I. Komnenos, ein ebenſo talentvoller und 
tapferer wie ausſchweifender und gewalttätiger Mann, 
erregte den Argwohn Kaiſer Manuels und wurde von 
dieſem etngeferfert. Nad) mehr als zwölfjähriger Ge— 
fangenſchaft entfam A., floh zum ruffifden Gropfiir- 
jten Jaroflaw von Riew, ſpäter nad) Jeruſalem, dar- 
auf von bier mit der von ihm verfiihrten Witwe des 
Königs Balduin III., Theodora, zu dem ſeldſchuliſchen 
Atabeg nach Damaskus und hierauf zu den Seldſchu— 
fen in Kleinaſien. Später begnadigt, wurde er nad 
Onove in Pontus verwiefen. Nad Manuels Tod (1180) 
febrte er nad) Ronjtantinopel zurück, ſtürzte die fiir 
ifren jungen Sohn Wlerios IL. die Vormundſchaft 
führende Raiferin Maria, erzwang 1183 feine Er- 
Hhebung jum Witregenten, liek bald darauf Alexios 
saree und heiratete dejfen Verlobte Uqnes, cine 
Todter Ludwigs VII. von Frankreich. Er regierte 
mit Kraft und Geſchick, veranlaßte aber durch die ent- 
ſetzliche Grauſamkeit, mit der er namentlich gegen den 
hohen Adel wiitete, zahlreiche Aufſtände. Vis 1185 
cin von König Wilhelm IL. von Sizilien entfendetes 
Heer Theſſalonich croberte und gegen Ronjtantinopel 
zog, Wurde A. durch cine von Iſaak Ungelos erregte 
Empörung in der Hauptitadt entthront und unter 
entſetzlichen Mißhandlungen getitet. 

2) U.IL, der ältere, Sohn ded Michael Paläo— 
logos, anfangs deſſen Mitregent, feit 1282 Allein— 
herrſcher, brach die von ſeinem Vater eingeleiteten 
Unterhandlungen über eine Vereinigung der griechi— 
ſchen und lateiniſchen Kirche ab. Gegen die in Klein— 
aſien immer weiter ſich ausbreitenden Tiirfen nahm 
er 1302 fpanifde Söldner (die »große Katalaniſche 
Kompagnic«) in feinen Dienſt. Drefe entgweiten fid 
aber bald mit Dem Kaiſer, verheerten 1305 — 1308 
Thrafien und Mafedonien und bemächtigten jid) 1309 
des Herzogtums Wthen. A. wurde 1328 von feinem 
€Enfel A. ILL. vom Thron geſtoßen und jtarb 1332 yu 
Wdrianopel in cinem Kloſter. 

3) A. TIL, der jüngere, Gobn Midaels, des 
1320 verjtorbenen älteſten Gobnes A.' IL, zwang 
1825 feinen Gropvater, ihn als Mitregenten anju- 
erfennen, nötigte thn dann 1328 zur Abdankung und 
beſtieg felbjt Den Thron. Unter ihm nahmen die 
osmanifden Türlen 1330 Nicãa ein und dehnten ihr 
Webiet bis sum Bosporus aus, wihrend die Könige 
Stephan III. und IV, von Serbien Bulgarien, Make— 
Donien und Epirus eroberten. A. jtarb 1341 und 
hinterließ feinem neunjabrigen Sohn, Johannes V. 
Palãologos, das Reid). 

4) A. 1V., Sohn des Johannes V. Paläologos, 
ſührte wahrend der Abweſenheit feines im Ubendiand 
gegen die Titrfen Hilfe fuchenden Baters 1369 --70 
die Reqierung, verſchwor fid) Dann, von diefem juriid 
qefegt, 1375 mit Sandfdi, dem Sohne de3 Sultans 





Andromedae pater — Andropogonöl. 


Murad J., zum Sturz der Väter, wurde aber geblen- 
det und eingeferfert. 1376 wurde er durch die mit 
feinem Bater verfeindeten Genueſen aus der Haft be- 
freit und ſchloß endlich 1381 mit demſelben einen Ber: 
trag ab, durch den er Selymbria, Heraflea und einige 
andre Orte in Thrafien erbielt. Er ſtarb 1385. 
Androntfos, 1) peripatet. Philojoph aus Rhodes, 
um 60 v. Chr. Boriteher der peripatetijden Schule 
in Uthen, erwarb ſich große Berdienjte als Ordner, 
Herausgeber und Erklärer der Ariſtoteliſchen Schriften, 
iiber deren Edptheit er Unterjudungen anjtellte. Die 
beiden feinen Namen tragenden Sdriften: » liber dre 
Leidenſchaften« (zuletzt hrsg. von Schuchardt u. Kreutt 
ner, Heidelb. 1883 u. 1885) und eine ⸗Paraphraſe 
der Nikomachiſchen Ethik« (julegt hrsg. von Heylbut, 
Berl. 1889), find ſpätere byzantiniſche Erzeugniſſe. 
2) U. Rallijtos, arijtotel. Philoſoph aus Theija- 
lonife, lebte biS 1453 in Ronjtantinopel, Dann in 
Rom, Florenz und Ferrara, wo er Lehrer der grie 
chiſchen Sprache ward, und jtarb 1478 in Baris. Die 
beiden friiher dem UW. aus Rhodos (ſ. oben) zugeſchrie 
benen Sdjriften wurden mehrfad dem A. zugeſprochen. 
Andronitid (Gried).), im altgried). Hauſe der 
Wohnraum der Manner; vgl. Gynaifeior. 
Androphagen (qricd., »Menidenfrejjer<), bei 
den Ulten Bezeichnung mehrerer Volfer in Indien, 
— und AÄthiopien. S. Anthropophagie. 
udrophobie (pried) Méannerideu. 
Andropogon L. (Bartgras, Mannsbart), 
@attung der Gramineen, vielgeftaltiqge Gräſer mt 
einzelnen, gezweiten, gefingerten oder rijpigen Trau 
ben. Die etwa 160 Yirten gehören meijt den Tropen 
aller Welttetle an, fie lieben trodne Orte, befonders 
Savannen. A. Ischaemum L. Gühnerfußgras, 
Bluthirfe), ausdauernd, in Mitteleuropa und Aſien, 
gibt Schaf- und Pferdefutter, in den ungeſchrotenen 
Samen Kraftfutter für Mildhvieh. A. squarrosus L,. 
fil. (A. muricatus Retz.), Gumpfpflanje mit febr 
aromatifdem Rhizom, in Jndien, auf Réunion, Wau- 
ritius, den Philippinen, Portorico, Jamaifa, in Bra- 
filien. Das Rhizom wird ju WMatten, Fenſterſchirmen 
(vis-aries) 2., Die beim Beſprengen nuit Waſſer einen 
angenehmen Geruch verbreiten, verarbeitet, wurde als 
Vetiver-, Jvarankuſawurzel, Rustus als 
Stimulans und antifeptijdes Mittel benugt und jetzt 
nod) von Raudern gefaut, um den Tabafgeruc zu 
verdecen. Sie liefert das Betiverdl. A. Schoenanthas 
L. (Sitronengras), in Ojtindien und dem trope 
ſchen Wejtafrifa, liefert das Palmorojabl und Ginger: 
qrasol. A. laniger Desf. (Ramelgqras), mit lang: 
haarigen Spindelqliedern, von Nordafrifa bis Indien 
und Libet, liefert Gingergrasdl. Es bildet mm den 
Wiijten die Hauptnahrung der Ramele und wurde 
alg Herba Schoenanthi aud arzneilich benutzt. A. 
Nardus L. (Nardenbartgras), mit ſehr qroher 
Riſpe, in Ojtindien, Malaffa, auf Ceylon, un tropr- 
ſchen Ojtafrifa, liefert das Bitronelladl. A. citratas 
Dc. in Ojtindien, fultiviert in Brafilien und auf 
St. Thomé, liefert das Lemongrasdl. A. formosus 
hort. (j. Tafel »>Grajer V«, Fig. 2), aus Mittelamenta, 
mehrjabriq, bis 5 m hod, mit] m langen, 1,5 cm 
breiten Blattern, wird als Zierpflanze hultwiert. Dieſe 
Gräſer wurden im Altertum zum Yromatifieren des 
Weins und der Tonbeder (Rhodifde Beder), 
aud) zu Salben und Olen, Räucherungen beim Kul» 
tus und bei Feſtgelagen und sur Bereitung von Lager 
jtatten benugt. Über A. Sorghum j.Sorghum. Sg. 
Grasöle. 
Andropogonöl, |. Grasöle. 


Andros — Wneas. 


Aundros, 1) griech. Inſel, die nördlichſte und nächſt 
Naxos größte der Kylladen, durch den Dorolanal von 
Eubba getrennt und gleichſam deſſen Fortſetzung, 
zählt auf 405 qkin (1896) 18,809 Einw., von denen 
viele nach Athen oder Ronjtantinopel als Handwerfer 
oder Dienftboten gehen. A. ijt auf der Weſtſeite von 
einem bis 975 m hohen Gebirge (Gneis- und Glimmer- 
ſchiefer) durchzogen, deſſen Tiler reid) an Frucht— 
baumen und Weinreben find, und erzeugt beſonders 
Seide, Bein, Oliven und Limonen; aud Schafzucht 
und Vogeljagd find nicht unwidtig. — Die Inſel, deren 
erjte uns befannte Bewohner Jonier waren, fandte, 
frühzeitig ſtark bevilfert, ſchon 654 v. Chr. mehrere 
Nolonien nad der Chalfidife aus. Nach den Perjer- 
kriegen, in denen fie auf feiten der Perſer geſtanden 
. hatte, trat fie Dem Attiſchen Seebund bei und wurde, 
als fie von ihm abgefallen, Uthen untertan. Später 
qeviet fie in mafedonijdhe, dann in pergamenijde, 
endlid 133 v. Chr. in römiſche Gewalt. Nad Be- 
gründung des lateiniſchen Kaiſertums erbielt fie 1207 
ut Dem venezianifden Edelmann Marino Dandolo 
cinen — Fürſten, deſſen Nachfolger erſt 1566 den 
Türken die Inſel überlaſſen mupten. Seit 1829 ijt A. 
griechiſch. — Der Hauptort A. liegt auf der Oſtküſte, 
bat einen fleinen Hafen und (1889) 2030 Einw. Bal. 
Hopf, Gefdichte der Inſel A. und ihrer Beberrider 
von 1207 —1566 (Wien 1855, Urfunden 2c. 1856). 
2)(Saint-Andrews) Die größte der Bahamainfeln 
(5286 qkm), niedrig, fumprig, von feidten Waſſer⸗ 
arnten mehrfad quer geteilt und durd Riffe ſchwer zu⸗ 
gänglich, enthalt neben Mangrovegebilid große Mabha- 
goni- und Riefernbeftinde. Die farbigen Bewohner 
(1901: 1500) treiben Schwammfiſcherei u. Holzhandel. 

Androsace L. (Mannf@ild-, Harnifd- 
fraut), Gattung der Brimulageen, etwa 40 Urten 
der ndrdlichen gemäßigten Zone, befonders der Alten 
Welt, von verichiedenem Habitus, oft fleine, moo3- 
artige Gewächſe auf Steingerdlle der Hochgebirge. 
Mehrere Arten, wie A. sarmentosa Wall., A. lanugi- 
nosa Wall., jind belicbte Zierpflangen auf Alpen—⸗ 

Androsaemum, ſ. Hypericum. [anlagen. 

Androfporen (griech.), Schwärmſporen bei ge- 
wiffen Wigen, aus denen mannlide Pflanzen hervor- 
qeben. 

Androtion griech. Hijtorifer de3 4. Jahrh., aus 
then, ging, wegen Gefeswidrigfeiten ot aaa (des 
Demojthenes fiir den Unflager verfakte Rede iſt nod) 
vorhanden), in die Berbannung nad Megara, wo er 
cine vielgeleiene Chronif Uttifas (ſ. Utthis) ſchrieb 
(die Bruchitiicde bei Miller, Fragmenta historicorum 
graecorum, Ud. 1, Bar. 1841). 

Andronet (ipr. angbruch, Jacques, qenannt Du 
Cercean, franz. Urditeft und Rupferfteder, qeb. um 
1510, gejt. nad) 1584, baute dad Chor der Rirde 
von Montargis, erwarb fic) aber ein größeres Ver— 
dienſt Durch feine zahlreichen arditeftonifden und 
funjtqewerbliden Entwürfe, Lehrbiider und Publi- 
fationen mit ciqnen Stichen, von denen die über die 
franzöſiſchen Schliffer und fiber antifeBaudenfmiler 
Die bedeutenditen jind. YW. war Hugenott. — Sein 
Sohn Baptijte A. (ca. 1555 bis ca. 1602) war feit 

1578 am Bau des Louvre tätig, gab aber {pater feine 
Stelle auf, weil er nicht zunt Katholizismus iibertreten 
wollte. Bgl. Lübke, Geſchichte der Renaijfance in 
Frankreich (2. Uufl., Stuttg. 1885); Geymüller, 
Les Du Cerceau (Bar. 1887). 

Andriujfowo, Dorf im ruff. Gouv. Smolenſt, in 
dem zwiſchen Rußland und Polen 20. Jan. 1667 ein 
Waffenjtilljtand qeidlojfen wurde, der, 1669 und 


507 


1674 beftitigt, den Ruffen den Beſitz des größten 
Xeiles von Kleinrufland gewährleiſtete. 

Andrz., bei Pflanzennamen Ubfiirzung fiir An— 

ton Lufianowics Andrzejowſti, ged. 1784 in Wol- 
ynien, gejt. 22. Dez. 1868 gu Stawicze im Gouv. 
ew als Profeſſor der Botanif. Kruziferen. 

Andſcher hohe jer), Hafen mit Fort in der nieder- 
land. Refidentidhaft Bantam, an der Nordweſſſpitze 
von Java und der Sundaſtraße, 3000 Cinw., Station 
der nad Ojtafien fahrenden Schiffe, die hier Proviant 
einnehmen und die Poſt und Retfende nad Batavia 
landen. Ein Teleqraphenfabel verbindet U. mit Suma— 
tra. UW. wurde durch die nad) Dem Ausbruch des Sra- 
fatau 3,5 km ind Land dringende Wieereswelle 1883 
a a zerſtört, aber wieder aufgebaut. 

udſchuan, Inſel, ſ. Romoren. 

Anduũ jar (pr. vagar), Bezirkshaupiſtadt in der ſpan. 
Provinz Jaen, liegt in fruchtbarer Gegend am Gua 
dalquivir, über den eine große Steinbrücke führt, und 
an der Eiſenbahn von Madrid nach Cordoba, hat eine 
grobe Mejje (im April) und (1900) 16,302 Einw. Yn 

werden die pordjen tinernen Waſſerkrüge (Alcar— 
razas) verfertigt, die man im Sommer jur Abkühlung 
des Waſſers braudt. — Jn der Riihe 20. uli 1808 
Niederlage der Franjofen unter Dupont und Vedel 
durd die Spanier unter Caſtaños. 

aE (jpr.angbiif), Stadt im franz. Depart. Gard, 
Urrond. Alais, am Fue der Cevennen, am Gardon 
und an der Lyoner Bahn, hat cin Handelsgerict, 
Seidenraupenzudt, Fabrifation von Hiiten und 
Tbpferwaren und (1901) 2846 Cinw. 

ndwaranaut, nad der Edda cin verhingnis- 
voller Goldring, an dem ein Fluch haftete, den fein 
fritherer Befiger, der Bwerg Undwari, tiber ihn 
ausgeiprodjen. Er gehörte sur Buje Otrs (ſ. d.) und 
gum Scag Fafnirs (f.d.) fowie zum — ————— 
an ibn knuͤpfte ſich die Unerſchöpflichkeit des Schatzes. 
Sigurd gibt ihn der Brunhild als Morgengabe. 
Ancas, 1) berühmter Troerheld, des Anchiſes und 
der Aphrodite Sohn, der ſeinem Verwandten Priamos 
ſeine Dardaner zuführte, bei Homer wegen ſeiner 
Frömmigleit und Weisheit von den Göttern bevor- 
ugt und an Tapferteit der erſte Trojaner nad) Heftor. 
abrend ihn aber die älteſte Sage zum Nachfolger 
des Priamos in Troja madjte, haben ſpätere Sdrijt- 
teller die Sage von ihm verjdieden ausgebildet und 
mit der Gritndung von Rom verknüpft. Stefidoros 
(um 600 v. Chr.) führte den A. zuerſt bis nad Heipe- 
rien; in Rom war der Glaube von der trojanifden 
Ubjtammung um die Zeit des erjten Bunifden Rrieges 
verbreitet. Whe Gagen faßte Bergil in der »Yneides 
ufammen, ſchmückte fie aus und verlieh ihnen fejte Ge- 
* Hiernach übergibt W., als er Troja verloren ſieht, 
die Hausgötter ſeinem Vater Anchiſes und verläßt, die— 
ſen auf dem Rücken tragend, ſein Söhnlein Ascanius 
führend, die brennende Stadt. Nachdem er ſein Weib 
Kreuſa auf der Flucht verloren, ſammelt er tm Gebirge 
die Flüchtlinge und ſegelt auf 20 Schiffen von Antan— 
dros ab, zuerſt nad) Thratien, wo er Anos und Änea 
griindet, dann nad Delos, Kreta und Sizilien, an 
deſſen Vorgebirge Drepanum fein Vater ſtirbt. Vom 
Haß der Juno verfolgt, wird er durd) Sturm nad 
dent eben geqriindeten Rarthago veridlagen, wo ihn 
die Königin Dido, von leidenſchaftlicher Liebe su ihm 
ergriffen, umſonſt zurückzuhalten fudt. Sie gibt fid 
den Zod, als VW. auf den Befehl Jupiters entflieht. 
Uber erjt nad) fiebenjihriger Irrfahrt erreidt er 
Italien. Hier bietet ihm der König Latinus von Lau- 
rentum ſeine Todter Lavinia zur Gemabhlin, aber 


508 Aneasratte — Anemometer. 


deren Mutter wideritrebt auf Unjtiften der Juno und | General Wugereau, dem Rommandanten von Verona, 
reizt Den Rutulerfonig Turnus, den fie zu —* Eidam zum Sekretär ernannt. Nachdem er längere Zeit aus 
beſtimmt hatte, zum Kampfe wider die Fremdlinge. politiſchen Gründen im Gefängnis zugebracht, erhielt 
A. findet Zuflucht bei Coander am Palatiniſchen Berg er 1802 den Lehrſtuhl der Geſchichte am Collegio zu 
und erlegt unter den Wauern von Lavinium, am | Brescia und 1809 den der geridjtliden Beredjamfert 
Fluß Numicius den mit dem Rebenbubler verbiin- | an der Rechtsſchule ju Mailand. Unter feinen Did- 
deten Etrusfer Mezentius und endlich jenen felbjt. | tungen haben befonders die »Cronache di Pindo« 
Damit ſchließt die Aneide. Weiter wird erzählt, daß (Mail. 1811), eine Urt ſatiriſches Gemälde der alten 
VW. nad) der Schlacht nicht mehr gejehen und nadber | und neuen Literatur, Aufſehen erregt. 
in einem Hain und Tempel anjenem Fluß alsStamm- | Anemochoörd (qriech.), foviel wie pneumatiſches 
gott (Jupiter indiges) verehrt wurde. Sein Gobn | Saiteninftrument, war ein — Verſuch des 
von der Kreuſa, Ascanius (aud) Julus genannt und | Pianofortefabrifanten Schnell in Paris (1789), mit⸗ 
daher Stammvater de3 rimifden Gefdledts der Yue | tels künſtlich (Durch Bälge) erzeugten Windes den 
licr), griindete Alba ee ({.d.). Bgl. Klauſen, | Ejfett der Wolsharfe auf einem pianoforteartigen In— 
A. und die Penaten (Hamb. 1839—40, 2 Bde.); iiber | ftrument hervorgubringen. Die Adee wurde jpater 
die Entwidelung der mit Dem Kult der Uphrodite | von Kallbrenner und aud) von Henri Herz wieder 
Aineias (einer Meergöttin) in Zuſammenhang jtehen- | aufgenommen, der fein 1851 fonjtruiertes Derartiges 
den Gage namentlid Schwegler, Römiſche Ge- | Inſirument Piano éolien (Äoltlavier) nannte. 
fchichte, Bo. 1, S. 279 — 336 (Stuttg. 1853); ferner| Wnemograph, ſ. Anemometer. 
©. Wörner, Die Sage von den Wanderungen des Anemologie (qricd., »Windlehre«, aud Ane— 
YW. bei Dionyfios von Halifarnajjos und Vergilius | mograpbie), die Lehre vom Winde. 
(Leipz. 1882); Förſtemann, Sur Geididte des nemometer (qried., »>Windmejjer<), Inſtru⸗ 
Aneasmythus (Magdeb. 1894). ment —— der Stiirfe oder Geſchwindigkeit 

2)W., der Taltifer, der älteſte qried). Kriegsſchrift· des Windes. Bei der Wildf den Windfah ne(Fig. 
jteller, verfakte um 360 v. Chr. neben andern kriegs⸗ dreht ſich oberhalh der cigentliden Windfabne cine 
wiſſenſchaftlichen Werfen das erhaltene Bud Son ; 
der Belagerungstunjt«, deffen Hauptiwert auf den dig. 1. ate. 
zahlreichen hiſtoriſchen Beifpiclen beruht (hrsg. von 
Richly und Riljtow in » Griedhifdhe Kriegsſchriftſteller ⸗ 
Bd. 1, Leips. 1853, mit Überſetzung von Herder, 
Berl. 1870; von Hug, Leip3. 1874). Val. Hug, A 
von Stymphalos (Leip;. 1877). 

Unéasratte , j. Beutelratte. 

Mnéas Silvins Piccolomini, ſ. Pius IT. 

Anegada, cine der britijch-wejtind. —*5 
inſeln (ſ. d.) 35 qkm, niedrig, von gefährlichen Riffen 
unigeben, mit 200 Einw., die außer Wrackbergen 
etwas Baumwollbau und Biehzucht treiben. 

Auegenge, altdeutſches Wort, deriv Mit | 
Diefem Titel beseidnet man das Ezzolied (ſ. d.) fowie 
cin umfänglicheres Gedicht von Schipfung, Siinden- 
jail und Erldjung, das cin öſterreichiſcher Geiſtlicher 
win 1180 verfapt bat (hr8g. von Hahn: » Gedichte des 
12. und 13. Sabrbunderts<, Quedlinb. 1860). Bal. 
©. Schröder, Das A. (Strakb. 1881); Teuber, m 
den »Beiträgen sur Geſchichte der deutiden Sprade 
und Literatur⸗, Bd. 24, S. 247 (1899). 

Aneho, |. Llein- Popo. 

tincide (Aneis), Epos des römiſchen Didters — 
Vergilius (ſ. d.) von den Taten des Äneas (ſ. d. 1). = 

neFdoton (Mehrzahl: Anekdota, qried).), ur— rit 

fpriinglid) eine nod) ⸗nicht herandgegebenee , daher ub 
nidjt befannt gewordene Schrift; nad) Erfindung der — r 
Buchdruckerkunſt Bezeichnung fiir alte, jum — —— Ree 
durch den Druck veröffentlichte Schriften. ⸗Aneldota« ſenkrecht herabhängende Blechplatte mit der Wind- 
betitelte Prolopios im Gegenſatze zu ſeiner offiziellen fahne und ſteht daher ſtets ſenkrecht gegen die Richtung 
Geſchichte der Regierung Juſtinians feine die dort des Windes. Aus der Neigung der oben um eine ho— 
verſchwiegenen ſtandalöſen Vorfälle am Hof enthal- rizontale Achſe drehbaren Platte, die an einem geieil⸗ 
tende Geheimgeſchichte; daher kommt das vulgäre ten Gradbogen abgeleſen werden kann, lift ſich die 
Uneldote in dem Sinn einer intereſſanten Einzelheit Stärte des Windes beurteilen. Genauere Angaben gibt 
fiber hiſtoriſche Perſonen und überhaupt eines über-⸗ das Robinſonſche Schalenkreuz-A. (Fig. M. 
raſchenden Geſchichtchens. Am obern Ende einer vertilalen, leicht beweglichen 

Anuelektriſch griech. heißen Körper, die wie die | Achſe befindet ſich cin horizontales Kreuz, und an 
Metalle beim Reiben ohne iſolierende Handhabe nicht | den Enden der vier Arme find vier hohle Halbfuqen 





te 








eleftrifd) werden. aus dünnem Blech in der Art befejtigt, dak ibre Dff⸗ 
Aneleftrotonns (qried.), ſ. Cleftrotonus. nungen, im Kreife herumgehend, nad derjelben Seite 
Anelli, Ungelo, ital. Dichter und Gelehrter, ged. gerichtet find. Bei bewegter Luft wird das Sdalen- 
1761 in Deſenzano, gejt. 1820 in Mailand, ftudterte | freuy in Rotation verſetzt; die Anzahl der Umdrehun- 
Rechtswiſſenſchaft in Padua und wurde ſpäter vom | gen fann an einem Seiger, der durch cin Uhrwerk mit 


Anemone — 


dem Schalenkreuz in Verbindung fteht, abgelejen wer- 
den. Cin A. das in gewiſſen Zeitintervallen die Rid- 
tung des Windes ſowie die Anzahl der gemadten Um- 
drehungen felbjt aufzcidmet, wird Unemograph 
— S. Meteorologiſche Regiſtrierapparate. Vgl. 

bbe, Treatise on meteorological apparatus and 
methods (Wajhington 1888); Warvin, Anemo- 
metry (2. Aufl., daſ. 1900). Uber A. zur Meffung 
der Lujtitrdmung in Sdorniteinen und Bergwerfen 
ſ. Zugmeſſer. 

Anemone JL, (Windröschen, Bindblume), 
Gattung der Ranunkulazeen, Stauden, felten niedrige 
Sträucher mit handfirmig, ſelten fiedrig gelappten 
Blättern, meijt einbliitigen Stengel und einſamigen 
Früchtchen. Die meijten der 9O Urten gehören der 
ndrdliden gemäßigten Zone an und gehen 3. T. bis 
in die arftijden Gegenden hinauf, wenige wachſen in 
Giidamerifa und Siidafrifa. A. coronaria L. (Gar— 
tenanemone, f. Tafel »Zimmerpflanjen I<), in 
Sitdeuropa und dem Orient, mit großen dunfelroten, 
blauen oder weißen Blüten, wird in zahlreichen Varie⸗ 
titer, namentlid) in Holland, al Rierpflange fulti- 
viert. Der Wuryzeljtod wird nad dem Berbliihen 
Herausgenommen und bis zum Frithjabr trocen auf- 
bewahrt. Ebenfalls als Bierpflangen find geſchätzt: 
A. japonica Sieb. (ſ. Tafel » Zierpflangen II«, Fig.6), 
mit rofa und weißen (Honorine Jobert) Blüten; A. 
hortensis L. (Sternanemone), in der Schweij, 
IAtrien, Fiume, Italien; A. fulgens Gay, mit ſchar⸗ 
lachroten Bliiten, im Mittelmeergebiet; A. pavonina 
L. (Bfauenanemone), aus Südfrankreich, mit 

roper, aus 10—12 lanjettfirmigen, febr ſpitzen, 
chmalen, feuriq farminroten Blattern beftehender 
Blume; A. silvestris L. (Waldanemone), in Eu— 
ropa und Nordafien, nit weiken Bliiten. A. nemo- 
rosa L. (Waldrdosden, Aprilblume, weike 
Ojterblume) bliiht bei uns in Laubwäldern im 
Srithjahr. Blatter und Blumen fdmecen brennend 
und erzeugen auf der Haut Blajen und Geſchwüre, 
innerlid Viagen- und Darmentgiindungen. Sie ent- 
halten fliidtiqes Unemonin (Bulfatillenfamp- 
fer C,H,O,. Died bildet farblofe Prismen, ijt ge— 
ruchlos, faſt geſchmacklos und löſt fid) wenig in fal- 
tem Waffer und Wifohol ; nad dem Schmelzen ſchmeckt 
es höchſt brennend pfefferartiqg und bewirft anhal- 
tende Taubheit der Bunge. Mit dem brennend fdar- 
fen Gaft von A. ranunculoides L. (qelbe Ojter- 
blume), mit gelben Bliiten, follen biestamt{dhabalen 
ibre Pfeile fiir die Robbenjagd vergiften. 

Anemonin, |. Anemone. 

Anemophilae, j. Tees cca 

MAnemoffop (qried.), Wind- oder Wetterfahne. 

MAnemotropismus (Win dwendigteit), diebe- 
ſtimmte Körperſtellung, die flieqende Tiere, nament- 
lid) Jnfeften, dem Winde gegenitber cinnehmen. Bei 
vielen Inſekten beobadtet man, daß fie fich beim Fluge 

egen den Wind einſtellen. Dieſe Stellung bringt 
fi die Flieger im allgemeinen den Vorteil, daß der 
Winddrud nun gleichmäßig (ymmetriſch) auf beide 
Körperhälften und Flugorgane verteilt wird und 
durd) die fymmetrifden und foordinierten Vewegun- 
gen der Gliedmaßen am leidtejten in diefer Stellung 

berwunden werden fann. Kräftigere Flieger, 3. B. 
Vagel, vermigen leicht die Hinderniffe, die Der Wind 
dem Fluge bereitet, gu iiberwinden, und der A., der 
fic) am meiſten bei ſchwachen Fliegern zeigt, tritt bei 
+ weniger hervor, auger beim Auffliegen vom 

oden, das meijt gegen den Wind ſtattfindet. Cigent- 
lich ijt Der UW. mur em befonderer Fall der Strom— 


509 


wendigfeit (Rheotropismus), die aud) viele 
Hilde gu beftimmten Zeiten zeigen, wenn fie anbal- 
tend ftromaufwarts ſchwimmen. 

Anepigrapha (griech.), unbetitelte Schriflen; an⸗ 
epigraphiſch, ohne Aufſchrift (auch von Münzen, 
ſ. Epigraphiſche Seite). 

Anerbenredt (Grunderbredt), diejenige Ord⸗ 
nung in der Vererbung land- und forſtwirtſchaftlich 
benugter Grundjtiide, bei der eine Beſitzung ungeteilt 
auf einen Erben (den Unerben, Grunderben, r⸗ 
feſten, Vorzugserben) unter mehreren gleich nahen 
übergeht. Die Geſchwiſter hatten nach älterm Recht 
nur ein Erbrecht an dem übrigen Nachlaß oder auf 
cine Abfindung. Bei Bauerngiitern des Mittelalters 
im Intereſſe Der Gutsherren eingeführt, um leijtungs- 
fähige Beſitzungen gu erhalten, und durd) Recht und 
Sitte feltg lten, wurde das A. Unfang des vorigen 
Jahrhunderts durd) die Ugrargefesqebung in vielen 
Ländern befeitigt, in Der neuern Zeit jedoch mit ver- 
fdhiedenen WUbanderungen in mehreren Landern wie- 
der cingefiihrt. Bal. Höferecht. 

Anerio, 1) Felice (aud Felice Romano ge 
nannt), ital. Romponijt der römiſchen Schule, geb. 
1560 in Rom, gejt. dajelbjt 1630, Schüler von G. 
M. Nanini, wurde 1594 Nachfolger —— als 
Komponiſt der pipjtliden Kapelle. Seine ¢ ſtehen 
denen Palejtrinas an Gediegenheit des Gages und 
weihevoller Stimmung nidt nad. Im erſchie⸗ 
nen zwei Bücher 5 — 8ſtimmiger Hymni et cantica, 
ein Bud) fiinfitimmiger Madrigali spirituali, ein 
Bud vierjtimmiger Reſponſorien, je ein Bud) fiinf- 
und ſechsſtimmiger Madrigalen und ein Bud) vier- 
jtimmiger Rangonetten. Andres ijt in Sammelwerken 
verjtreut, und vicle Meffen, Motetten u. a. find hand- 
ſchriftlich erhalten (cingelne in neuern Sammelwerken 
gedrudt). — Wahricdeinlid) cin Bruder von ihm ijt: 

2) Francesco Giovanni A. geb. 1567 in Rom, 

ejt. Dafelbjt um 1620, 1608 Rapellmeijter am polni- 
den Hof, 1610 Domfapellmeifter zu Verona, feit 1611 
in Rom (am Jeſuitenſtift, fpaiter an Ganta Maria di 
Monti). Auch er gehört zu den hervorragendjten Ver⸗ 
tretern Der rimifden Sdule (Meſſen, Wotetten u. a. 
bis gu acht Stimmen, — x.). Beruhnit 
wurde feine vierſtimmige Bearbeitung von Paleſtri⸗ 
nas »Musica papae Marcelli«. 

UAnerfaunter Verein (abgekürzt A. B.), in 
Bayern foviel wie rechtsfähiger Verein (mit dem Rechte 
der jurijtifden Perſon). 

Anerfenntuis im Zivilprozeß, im G i u 
dem nur auf einzelne Tatſachen bestiglichen eftan , ⸗ 
nis (j. d.) die Einräumung des gegneriſchen Unjpru- 
ded als ſolchen. Nad) der deutiden Zivilprozeßord 
nung (§ 807 und 708, Ziff. 1) hat das W. regelmäßig 
die Wirtung, daß die bet der mündlichen Verhandlun 
den geqnerifden Anſpruch anerfennende Partei a 
Untrag des Gegners fofort ihrem VW. gemäß verurteilt . 
und died Urteil fiir vorläufig volljtredbar (j. Rwangs- 
volljtredung) erfldirt wird. Qn Eheſachen und in 
Entmündigungsſachen fowie bei Streitigfeiten, die 
cine Fejtitellung des Rechtsverhialtniffes zwiſchen Et- 
tern und Kindern jum Gegenjtand haben, hat dad A. 
nad § 617, 640, 641, 670, 684 und 686 Die erwähnte. 
Wirkung nicht, ebenſo nidt im Strafprozeß. Die 
—— Zivilprozeßordnung kennt ebenfalls das 
Anerkenntnisurteil (§ 395). S. aud) Anerkennung. 

Anerfenntnisurteil , ſ. Anerlenntnis. 

Anerfennung (Anerkenntnis), die bejahende 
Erklärung über die Wirklichleit, Wahrheit und Iden— 
tität einer Perſon oder Sache oder eines Verhältniſſes, 


Anerkennung. 


510 


vorzüglich infofern die eigne Mitwirfung dabei in 
Frage geftellt ijt; 3. B. W. eines Rindes, einer Ur— 
funde, Anteciehcift ꝛc., befonders aud) bas Zugeſtänd⸗ 
nis eines fremden Rechts oder faltifden Zuſtandes (ſ. 
YUnerfenntnis). Im biirgerliden Recht verjteht man 
unter UW. vor allem bie Erfldrung, einen Anſpruch 
nicht bejtreiten ju wollen, und man fpridjt von einem 
befondern Unerfennungsvertrag, wenn die A. 
dem Geqner gegeniiber gu dem Swed erfolgt, damit 
Diefer fie Dem Ynerfennenden gegeniiber geltend ma- 
chen und gebrauden finne. Fede U. aber enthilt ein 
Leijftungsverfpreden und ijt als ſolches, auch wenn 
c3 ein abjtraftes ijt, d. b. feinen Verpflichtungs— 
grund angibt, rechtsverbindlich, da zur Gültigleit eines 
Schuldanerkenntniſſes, auger wenn e3 auf Grund 
einer Ubrednung oder im Wege des Vergleichs erteilt 
wird, oder wenn es auf feiten ded uldners cin 
Handelsgeſchäft und der Schuldner Vollfaufmann ijt 
Handelsgeſetzbuch, § 350, 351), eingig ſchriftliche Er- 
teilung der Unerfennungserflirung und, falls fiir die 
Vegriindung des Sdnuldverhiiltnife, deſſen Bejtehen 
anerfannt wird, eine andre Form vorgeſchrieben ijt, 
dieſe Form erforderlid) ijt (Bürgerliches Geſetzbuch, 
$781, 782). Bon befonderer Bedeutung ift die A. bei 
der Verjährung ciner Schuld. Ertennt der Schuldner 
ndmlidy dem Glaubiger geqenitber, wenn aud nur 
durch fonfludente Handlungen, wie —— 
Sicherheitsleiſtung ꝛc., eine Schuld an, fo wird hier- 
durd die Verjährung unterbroden (§ 208 de3 Biirger- 
lichen Geſetzbuchs), ebenſo wird eine bereits verjährte 
und dadurch klagloſe Schuld durd A. wieder klagbar. 
Nicht aber wird ein Rechtsgeſchäft, das gegen cin geſetz⸗ 
liches Verbot oder gegen die quten Sitten verſtößt und 
deshalb nichtig tit, Durd A. flaqbar. So ijt beifpiels- 
halber die U. eines ungültigen Börſentermingeſchäfts 
rechtlich völlig belanglos (§ 66, 68 des Börſengeſetzes 
vom 22. Juni 1896). Sodann fennt das Bürgerliche 
Wefesbud) aud) nod) cin dffentlid) beqlaubiqtes An— 
erfenntnis (Bitrgerliches Gefepbuch, § 371). Beharuptet 
nämlich ein Gliubiger, er fei nicht mehr int Beſitz des 
Schuldicheines, fo fann der Schuldner nad Bezahlung 
der Schuld außer der Quittung an Stelle des verloren 
aeqangenen Schuldſcheines cine Sffentlicd) beglaubigte 
YW. dariiber verlangen, dak die Sdhuld erlojdjen fei. 

VU. Des Urteils eines auslaindifd@en Ge- 
richts nennt die deutſche Zivilprozeßordnung (§ 328 
und 722, 723) die Wirkſamkeit derartiqer Urteile im 
Gebiete des Deutſchen Reides. Diefe A., die qrund- 
japlich allen austindifden Urteilen gufommt, aber 
nad) § 328 in einer Reihe von Fallen ausgeſchloſſen ijt, 
bildet (nad) § 723) eine Vorausſetzung fiir die Voll— 
itredbarerflirung derartiger Urtetle (ſ. Urteile aus- 
ländiſcher Geridjte). Im Völkerrecht ift die A. na— 
mentlich dann von Wichtigkeit, wenn es ſich um ein 
beſtrittenes Recht einer Nation, um eine Schuldforde⸗ 
rung u. dgl. handelt, weil hier im Streit bet dem 
Mangel cines entſcheidenden ridjterlicjen Urteils nach 
erfolgter A. die Motive der Ehre und die dffentlidjen 


Intereſſen und Riidjichten für die Erfüllung der Ber: | 


bindlichleit wirlen. Bon nod) höherer Bedeutung ijt 
Die A. Der völlerrechtlichen Exiſtenz oder Souveränität 
des Staates überhaupt, einer neugebildeten Regie— 
rungsgewalt oder eines neuen Titels. Erſtere kommt 
beſonders dann in Frage, wenn ſich ein Teil eines 
Staates abtrennt, um ein ſelbſtändiges Gemeinweſen 
zu bilden, oder wenn mehrere bisher ſelbſtändige Ge— 
biete zu Einem Staatsweſen ſich vereinigen. Die A. iſt 
hier allerdings weder Grind nod) Bedingung der Sou⸗ 
verdinitat des anerlannten Staates; denn der Staat ſoll 





Anerkennung der Vaterſchaft — Anethol. 


bereits als eine ſouveräne Perſönlichkeit daſtehen, be- 
vor er auf A. Anſpruch macht. Der pofitive Inhalt 
der A. bejteht vielmehr Darin, daf man den anzuer⸗ 
fermenden Staat al’ cine fonftituierte vilferrechtliche 
Perſönlichkeit betradtet, und da man cinen völker⸗ 
rechtliden Berfehr mit ibm fiir möglich halt und an- 
fniipft. Große Nationen pflegen eine allgemeine A. für 
ihre Staatsummalzungen viel leidter ju erlangen als 
fleinere. Befonders fdwierig, weil oft nur nad Griin- 
den der Zweckmäßigleit su entfdeiden, ijt Die Frage, ob 
und wann Die A. etntreten Darf, wenn cin Teil cines 
Staates fic) von dieſem losreift, oder wenn zwei Var⸗ 
teien in einem Land um die Herrſchaft fimpfen. Ein 
weckmäßiges Unstunftsmittel fiir die Ubergangszeit 
ift folden falls die Entfendung von Ddiplomatiiden 
Ygenten ohne gefandtidaftlidjen Charafter; dod iit 
hierbei Vorſicht geboten. Die A. erfolgt entweder in 
formlicder Weiſe oder nur tatſächlich, legteres 3. B. durch 
Abſchluß cines Vertrags mit dem neuen Staatswejen ; 
fie fann unbedingt erfldrt oder von der Erfiillung be- 
ſtimmiter —— abhängig gemacht werden. 

Anerkennung Vaterſchaft, ſ. Vaterſchaft. 

Aneroidbarometer, ſ. Barometer. 

Aneroĩdthermoſkop, cin Luftthermometer, bei 
dem die fid) ausdehnende Luft auf cin Federmano- 

Anervie , ſ. Uneurie. meter wirtt. 

Anerythropfie (qried).), ſ. Farbenblindbeit. 

Mnefidemos, flept. Bhilofoph, aus Knoſſos auf 
der Inſel Kreta gebiirtiq, Schüler des Herafleides, 
lehrte 3u Wlerandria wahrſcheinlich zwiſchen 8O und 
60 v. Chr. Er fudhte die in Der Natur der Dinge felbjt 

riindete Unmiglidfeit, etwas mit Sicherheit zu 

ennen, darzutun; Dod) nahm er nidt den rein ſtep— 
tijden Standpuntt ein, fondern niiberte fich, man wer 
freilid) nidjt wie weit, Der Heraflitijden Lehre. Dre 
get Urten (Tropen), den Zweifel gu begriinden, die 

den älteſten Steptifern üblich waren, ſcheinen bei 
ibm zuerſt vorgefommen ju fein. Des A. Schriften 
find verloren gegangen. Bgl. Saiffet, Le scepti- 
cisme. Anésidéme, Pascal, Kant (2. Aufl., Var. 
1867). — Den Namen W. braudte G. E Schulze 
(f. d.) zum Titel einer Schrift (Helmft. 1792), in der 
er Rants »Sritif« mit fleptifden Argumenten angriif. 

Anefie (griech.), das Nachlaſſen, Schwächerwerden. 

Anethan (pr. an'ting), Jules Joſeph, Barond, 
belg. Staatsmann, geb. 23. April 1803, geſt. 8. Ott. 
1888, trat 1824 in Den Juſtizdienſt, ward 1836 Ge 
neraladvofat am Briiffeler Appellationsgericht und 
war 1843 — 47 Juftizminijter. Wis Mitglied der De 
putiertenfanuner (fet 1844), bez. des Senats (Fert 
1849) zur flerifalen Bartei gehörig, ward er nad de 
ren Sieg im Juni 1870 Miniſter des Muswartiqen 
und Prafident des Rabinetts, mute aber ſchon nak 
18 Monaten infolge des Zwifdenfalls Langrand Duy 
monceau (f. d.) femme Entlaffung nehmen. 1872-78 
und 1884 —85 war er Senatspriifident. Seine Sto 
graphie ſchrieb L. Blettind (Brilff. 1899). Sein 
Sohn, Baron Uuquite d'., ijt feit 1894 beigtider 
Gejandter in Baris. 

Anethol (Ulyiphenolmethylather) C,H, 
oder CH,O.C,H,.CH.CH.CH, findet fich in den athe 
riſchen Olen des Unis, Fencheis, Sternanis und wird 
durch Brejjen des in der Kälte frijtallijierten Antsdte 
und Umfrijtallifieren aus Allohol qewonnen. Es dil 
det farbloje Blattden, riedht ftarf nad) Unis, tit wenig 
löslich in Waſſer, miſchbar mit Ulfohol und Ather, 
ſchmilzt Bei 21°, fiedet bei 233°, gibt bei Orydation 
Wnisaldehyd CHO, und Anisſäure CLH,O,. Es it 
als Oleum Anisi offizinell. 


Anethou — 


Anethow (pr. -ta), Berg, ſ. Néthou. 

Anéthum L. (Dill, Gurfenfraut), Gattung 
der Umbelliferen, einjährige Kräuter mit drei- und 
vierfad) fiederteiligen Biattern, ſchmal linealen Zip⸗ 
feln und groken, vieljtrahligen Dolden mit gelben 
Blüten. wei Arten im indiſch-orientaliſchen Gebiet. 
A. graveolens L. (Gartendill, Riimmerlings- 
traut), 0,6—1,25 m bod, mit ovalen, 4 mm langen 
Früchten mit breitem, flachem Rande, in Indien und 
Perjien, vielleicdht aud in Ugypten und den Raulajus- 
lanbdern heimiſch, durch Kultur weitverbreitet, aud 
verwildert. Man benugt Bliiten, Samendolden und 
die qriinen PBflanjenteile beim Cinmaden von Gur- 
fen und Weißlohl. Die Dillfamen riechen und 
ſchmecken —“ und enthalten ein blaßgelbes 
ätheriſches Ol von ſüßlichbrennendem Geſchmack, 0,895 
ſpez. Gew. (Hauptbeſtandteil Carvon wie im Kümmel⸗ 
öl), das, wie die Samen, als diuretiſches Mittel ge— 
braucht wird. Sowadill (A. sowa Roxbd.), in Ben- 
galen, dejjen Friidte in Ojtindien und Japan benugt 
werden, ijt vielleidht eine Varietät des vorigen. Das 
ojtindijcde Dillöl hat das ſpez. Gew. 0,948—-0,970 und 
enthalt Dillapiol C,,H,,O,. 

Aneurie (Anervie, gried.), Mangel an Nerv 
oder an Spanntfraft; —— 

Aneurin, cin Held und gefeierter Barde der Kym— 
ren (Relten) in Wales, der in der Schlacht bei Cat- 
tracth die Angelſachſen beſiegte, ſtarb um 570. Sein 
Lied zur Verherrlichung jenes Sieges iſt noch vor— 
handen. 

Aneurg oma (griech, Pulsadergeſchwulſt), 
ſackartige Erweiterung einer Pulsader. Das wahre 
W. (A. verum) eine fadfirmige Erweiterung des Ar— 
terienrobrs (Arterieltaſie), läßt anfangs, wie dieſes, 
drei Wandjdidten unterjdeiden; ſpäter wächſt der 
Sad weiter, wird mitunter fo groß wie ein Kindsfopf | 
(Uortenaneurysma) und bejteht dann nur aus einer 
Derben fibrdjen Hiille, fliijfige und geronnene Blut: | 
majjen enthaltend. Das falfde A. (A. spurium) 
entiteht Durd) vollftindige oder unvollſtändige Zer— 
reijung Der Yrterienwand, wobei das austretende Blut 
ſich in Der Wand jelbjt oder in der Umgebung eine 
Höhle wiihlt, die prall mit Blut gefiillt ijt. Liegt ein 
A. der äußern Unterfudung zugänglich, fo ſtellt es 
ſich als pulſierende Geſchwulſt dar, die wegen ihres 
Zuſammenhanges mit einer (größern) Arterie ſehr 
gefährliche Blutungen bedingen lann. Die Behand— 
Lung der äußern Aneurysmen bezweckt die Verödung 
des Sackes oder die völlige Entfernung desſelben. Fiihrt 
Kompreſſion nicht zum Ziel, fo unterbindet man die 
Arterie dicht oberhalb des U. Der Aneurysmaſack fintt 
dann zuſammen und verddet durch Gerinnung ded in 
ihm enthaltenen Blutes. Die Gerinnung wird befir- 
dert durch Eleftropunttur oder Einſpritzen von Eiſen— 
dlorid. Das A. cirsoideum, ein Konvolut jtart 
erwweiterter und gefdlingelter Urterien, kommt vor- 
zugsweiſe am Hinterhaupt, in der Schläfen⸗ und Sdei- 
telgegend vor und jtellt cine flade, puljierende Ge- 
ſchwulſt dar, die fid) durch die Haut fo anfiihlt, als 
befänden jid) cine Menge von Regenwiirmern in der- 
felben. Es entjteht mandmal durd Sdlag, Stoß ꝛc. 
und entiwidelt ſich befonders bei jugendlidjen Yndivi- 
Duen. Der Varix aneurysmaticus iſt eine Geſchwulſt, 
Die Durd) den Ubergang des arteriellen Blutes in eine 
Bene, und zwar gewoͤhnlich durd die Veriwundung 
mit einem ſpitzen ———— entſteht, das die Vene 
durchbohrt hat und bis in eine nahe dabeiliegende Wr- 
terie borgedrungen ijt. Bgl. Neudirfer, Entitehung 
und Behandlung der Aneurismen (Wien 1894). 





Anfechtung. 511 


Anfahren, im Bergweſen ſich in cine Grube be— 
eben, auch das Erreicden oder Angreifen von Lager: 
tätten nupbarer WMineralien. S. auch Birjden. 

Anfall, |. Erbredt. 

Anfallen, vom Hund, wenn er cine Fährte an- 

nimmt und verfolgen will. 

Anfanger, |. Gewölbe. 

Aufangsgeſchwindigkeit der Geſchoſſe, |. 


— 
ufechtbarkeit, die Eigenſchaft einer Handlung 
oder Entſcheidung, zufolge deren ſie durch gerichtliches 
Urteil ihrer Wirkſamkeit ganz oder teilweiſe entkleidet 
wird. Bal. Anfechtung und Nichtigkeit. 
Anfedhtung, im weitern Sinn in der Rechtsſprache 
jeder durch Anrufung des Gerichts erfolgende Angriff 
egen die ee einer Redtshandlung oder emer 
ntjdeidung. Unter UW. im eigentliden Sinn verſteht 
man (unter Ausſcheidung jener Fille, in denen eine 
Rechtshandlung nidtig ijt) nur den Fall, in dem aus 
auferhalb der Redtshandilung lieqenden Griinden 
die Ungültigkeit der an fic) gültigen Redtshand- 
lung (3. B. A. eines Geſchäfts gin Betrugs oder 
Bwanges) herbeigefiihrt wird. (S. Nichtigkeit und Un- 
—— ferner bezüglich der A. wegen offenbarer 
nbilligkeit ſ. Arbitrator.) Cine beſondere Art der 
A., von Der in der Konkursordnung (§ 29-—42) und 
in Dem Reichsgeſetz vom 21. Juli 1879, betreffend die 
Redishandlungen eines Schuldners, qehandelt wird, 
richtet fid) gegen die Benadteiliqung oder Ver- 
kürzung der Glaubiger, dienad gemeinem Redte 
den Gegenjtand der Paulianifden Klage (actio Pau- 
liana) bildeten. Cine erfolgreide A. diejer Art, dic 
aud) gewiſſen Redtsnadfolgern des Empfingers ge— 
qenilber geftattet ijt, fiibrt nur dazu, dak Der ange- 
fodtenen Handlung ihre Wirkfamfeit gegenüber den 
Ronfursqliubigern oder den anfedtenden Gläubigern 
verjagt und der Unfedhtungsbeflagte sur Rückgewähr 
deſſen verpflidtet wird, was durch die angefodtenc 


Handlung aus dem Vermögen des Schuldners ver: 


äußert oder weggegeben oder aufgeqeben worden ijt. 
Im iibrigen wird die Giiltigfeit der angefodtenen 
Handlung durd) cine erfolgreiche A. dieſer Art nicht 
beriihrt. Die erwähnte A., zu Der im Konkursverfah— 
ren nur der Konkursverwalter beredtigt ijt, fann nidt 
blo durch Klage, fondern aud) mittels Cinrede er- 
folgen. Die Unfedjtungsgriinde find in den beiden 
Geſetzen nicht gang in derjelben Weiſe geregelt. Am 
Ronfursverfahren wie auferhalb desfelben ijt die A. 
ejtattet: 1) wenn der Schuldner in der Ubjidt, feine 
liubiger gu benadteiligen, qebandelt und der Er: 
werber von dieſer Abſicht Nenntnis qehabt hat, was 
in gewiſſen Fallen bis gum Beweiſe des Gegenteils 
angunehmen ijt; 2) wenn der Schuldner in den letzten 
Jahren vor der Ronfurserdffnung oder vor der Gel- 
tendmachung de3 Unfechtungsan}pruds eine unent: 
geltlide Verfiigung vorgenommen hat. Im Konkurs⸗ 
verfabren unterliegen auferdem der A. Handlungen, 
die nad dem Wntrag auf Konkurseröffnung oder nad) 
der Zahlungseinjtellung (ſ. d.) oder Dod) furze Heit 
vorher erfolgten, und bezüglich Deren anzunehmen tit, 
daß Der Erwerber von den erwahnten Tatſachen oder 
von einer Begünſtigungsabſicht des Schuldners Rennt- 
nis hatte. Dadurd, dap fiir die anfechtbare Handlung 
ein volljtredbarer Schuldtitel erlangt war, oder fie 
durd cine Bwangsvolljtredung oder durch Arreſt er— 
wirft worden ijt, wird die A. nicht ausgeſchloſſen. 


In Ojterreid hat cin Gejes vom 16. März 1884 


die A. wegen Verkürzung der Glaubiger in ähnlicher 
Weiſe geregelt, wie es im Deutiden Reidje geſchehen 


512 


ijt. Bal. Cofad, Das Anfechtungsrecht der Gläubiger 
Stuttg. 1884); Hartmann, Geſetz, beireffend U. von 
echtshandlungen (4. Aufl. Berl. 1892); Fadel, Die 
A. von Redhtshandlungen zahlungsunfähiger Schuld⸗ 
ner außerhalb des Konkurſes (2. Aufl., daſ. 1889); 
Luks, Das Anfechtungsgeſetz vom 21. Juli 1879 und 
die § 22 ff. Der Ronfursordnung, erläutert durch die 
Entideidungen des Reichsqeridts (2. Wufl., daf. 1902) ; 
Krasnopolffi, Das Anfechtungsrecht der Gläubi— 
ger nad) djterreidifchem Recht (Wien 1889). 


Anfechtungsanſpruch 
Anfechtungsgrund } f- Anfechtung. 
Unfedhtungsflage, die Klage, mit der cine An— 


fedjtung (ſ. d.) geitend gemadt wird. Die A. fann ſich 
unter anderm aud) gegen das im Aufgebotsverfahren 
(j.d.) erlajjene Ausjalugurteil oder gegen den die Ent- 
miindigung (f. d.) ausſprechenden Beſchluß ridten. 

Anfecdhtungsfdrift(S mpugnations{ drift), 
im friibern Zivilprozeß die Cingabe, in welder der 
Beweisgegner feine Rritif der Beweisfiihrung der 
Wegqenpartei vortrug (j. Beweisverfahren). 

nfendtmafdine, ſ. Cinfprengmafdine. 

Anfenerung, in der Feucrwerferei cine breiartige 
Miſchung von Mehlpulver mit Rornbranntiwein ; an- 
feuern, Gegenſtände mit UW. beftreicen. 

Anflug, Holznachwuchs aus abgeflogenem, geflil- 
geltem, leichtem Sams (vql. bial | und Gamen- 
ſchlagbetrieb). A. bei Mineralien , ſ. Ungeflogen. 

Anfoffi, Pasquale, ital. Opernfomponijt, ged. 
£5. Upril 1727 in Taggia (Neapel), gejt. im Februar 
1797 in Rom, Schiller Biccnis, erzielte 1773 in Rom 
mit »L’incognita perseguitata« feinen erjten durch⸗ 
fdjlagenden Erfolg, ging 1780 nad) Karis, dirigierte 
1781— 83 Die italienijde Oper in London, bradte 
dann in Berlin und Prag Opern zur Aufführung 
umd ging 1784 nad Stalien zurück. 1792 wurde er 
in Rom Rapellmeijter der Lateranfirde. Ym ganjen 
ſchrieb A. 73 Opern, die gum Teil febr beliebt wurden. 
Bu den belanntejten gebdren nod) »Il geloso in ci- 
mento+ (1774) u. »I viaggiatori felici< (1780). Auch 
X ute geiſtliche Kompoſitionen hat A. geſchrieben. 

nführen (zitieren) einzelner Stellen eines 
Schriftwertes, ſ. Zitat. 

Auführungszeichen (Gänſefüßchen, Haſen— 
öhrchen, franz. Guillemets, engl. Inverted com- 
mas), Hilden oder Siridelden, womit man Zi— 
— Buchtitel ꝛc. in der Schrift fenngeidnet (>—« 
oder ,, --**). 

Angang (alid. aneganc), der im Ultertum und 
WMittelalter verbreitete Uberglaube, daß Tier, Menſch 
oder Sadje, die man morgens beim erjten Ausgang 
uneriwartet trifft, oder die einem fiber Den Weg flie- 
qen oder laufen, Heil oder Unbeil verfiinden und zur 
—— oder zum —— des Begonnenen 
mahnen. Noch heute gilt vielen die Begegnung einer 
ſchwarzen Katze, eines Haſen, Prieſters, Kranken oder 
Leichenzuges, den Jägern vornehmlich die einer alten 
Frau für unheilvoll, die von Schweinen, Wölfen, 
Schafen fiir günſtig. 

Angara, Nebenfluß des Jeniſſei in Sibirien, ent- 


nord. Br. und 114° 10’ öſtl. L., tritt nad 350 km 
langemt Lauf in bas Nordojtende des Baifalfees, den 
jie nabe feinem Siidwejtende alg untere A. in engem 
Felſenpaß wieder verlagt, um, bei Irkutſt voriiber- 
ziehend, in vielfach qewundenem Lauf oberhalb Ye 
niffet{t in den Jeniſſei zu münden, den fie bei 490—— 
2600 m Breite und 4-- 9 m Tiefe weit iiberragt. 
Stromfdnellen bei Vratſtoi Ojtrog hindern die Schiff⸗ 








Anfedtungsanfprud) — Angebradtermafen abiweijen. 


fart fiir Dampfer, doch verfehren Boote auf der A. 
in ihrer ganzen Lange (mit dem See 2250 km). Su- 
qefroren ijt die U. durchſchnittlich von Anfang \o- 
nuar bis Unfang April. Der Fluk wurde 1645 von 
Dem Stojafen Surbat Iwanow entdedt und 1645 vow 
Rolesnifow bis zum Baifalfee befabren. 

Angarie (griech.), zwangsweiſe Verwendung von 
im Privateigentum von Angehörigen feindlicder oder 
neutraler Staaten befindlidben Schiffen (umd Wagen) 
gum Transport von Truppen oder Striegégeriitichaf- 
ten während cines Rrieges; die Sulafigteit folder 
Makregein ijt im neuern Völlerrecht bejtritten, die 
Entſchadigungspflicht bei W. auker Zweifel. Verſchie 
den von Der A. ijt die Requifition (f. d.), die Er— 
zwingung Der Lieferung gewijjer Gegenjtande, aud 
von ———— durch die Gemeinden oder die Ein— 
wohner eines vom Feinde beſetzten Landes. Bal. 
Rivier, Lehrbuch des Volferredts (2. Mufl., Stuttg. 
1899). 

Angarien (Angariae, Parangariae), Spann- 
dDienjte, Fronfuhren, die gur Seit des römiſchen Kai— 
ſerreichs und des fränkiſchen Reiches die Unteritanen 
dem König nebſt ſeinem Gefolge, den Mitgliedern des 
tköniglichen Hauſes, dem Königsboten und allen fol- 
en Perſonen ju leiſten batten, die ihr Recht dazu 
durch einen ſchriftlichen Spezialbefehl de3 Rdnigs (trac- 
toria, aud) evectio genannt) nadweijen fonnten. 

Angadrus (von einem altperj. Wort fiir > vertiin- 
digen«), bei den alten Perjern cin reitender Eilbote, 
wie fie feit Dareios ftationsweife bereitqehalten wur- 
den, um den Briefverfehr swifden dem König und 
den Satrapen ju befdleunigen. Die Ungari batten 
das Recht, fiir ihr Fortfommen Menſchen, Pferde und 
Schiffe su requirieren, woraus ſpäter im römiſchen 
Reiche Das Jus angariae entjtand (j. Wngarien). 

Angafija, Nniel, ſ. Komoren. 

Augeb nde, cine Bandjdleife, die Der Ritter als 
Zeichen der Zuneiqung von einer Dame empjing; 
dann überhaupt Geident. 

Angeboren, in und mit der Geburt von der Na— 
tur erteilt, 3. B. anqeborne Fähigkeiten, Febler x. 
Dak es angeborne Vorjtellungen Ideen) nicht gibt, 
dak vielmehr alle Vorſtellungen fic erjt auf Grund 
äußerer Unrequng in der Seele entwideln, wurde 
durd) Lode (j. d.) gezeigt; Dod) treten bei dieſer Ent- 
widelung Funftionen des Geiftes ins Spiel, deren 
Dafein aus der Wirfung der äußern Cindriide allem 
nicht erflirt werden fann, und Die infofern fiir a. 
gelten dürfen. Bgl. die Urtifel »AUnlages, » Ratrwis- 
muse und Sdujter, Gibt es unbewußte und ver 
erbte Vorjtellungen? (Leip;. 1879). — Ungeborne 
Krankheiten nennt man Kranfheiten, die das Rind 
mit auf die Welt bringt, die alfo jdon im Mutterleib 
fertig ausgebildet ce cle find, wie 3. B. Mißbil⸗ 
Dungen, Herzfehler, Syphilis x. Bu den erbliden 
Sranfheiten wurde vom Bater oder von der Mutter 
nur Der Keim tibertragen. 

Angebot (frany. offre, daher Offerte) bedeutet 


ey die Summe von Giitern oder Leijtungen, de 
zu Verfauf, Verleihung oder Verpadtung ausgebo- 
fpringt alg obere UW. in Transbaifalien unter 57°, 


ten werden, als auch Die Höhe des Ereijes, ju dem 
die angebotenen Güter ꝛc. hergegeben werden follen. 
Bal. Preis. 

Ungebracdtermafen abweifen durfte das Ge— 
richt nad dem friihern Zivilprozeßrecht Die Klageſ. d.) 


wegen mangelbafter Beqriindung. Dabei wurde in 


der Sache felbjt nicht entichieden. Der Ausdruck wird 
aud von der Zurückweiſung andrer Anſprüche oder 
Yntrage gebraucht. 






Pennel. — Kirby, Sneck bend. 


4. Einfache 
Haken. 


Kendal round thy 


6. Angewun- 7.Haken mit 5. Doppelte und drei- 
dener Haken. Plattchen, facher Haken. 
















2. Knoten, 





13. Fisch. | 
kOder. 


14. Liftelkider. 11. Spinnfisch. 





9. Kiinstliche Hegen. 


Meyers Konv.- Lexikon, 6. Aufl. Bibloge. lnastitut in Leipzig. Zum Artikel Angetfischere?. 


‘Zur Tafel Angelgeriite. : 











Die Handangel besteht aus Angelrute, Schnur und | kéderten Hakens zu beférdern und auch das Flob bis 
Haken. Die Angelrufe mub bei 3—6 m Linge ge- | zur erforderlichen Tiefe eintauchen zu machen, 
ringes Gewicht, grofie Festigkeit und Elastiziuit be- | Die #'/o4- oder Grundangel wird hauptaiichlich fir 
sitzen, ihr Schwerpankt mul nahe dem Griflende Karpfen, Schleien, Barben, Brassen, Plitze und Grind- 
liegen, und sie mub sich, an der Spitze belastet, in linge gebraucht, die sich gew6hnlich in der Niihe des 
ganzer Ausdehnung biegen, Als Material dienen Holz- ) Grundes halten. Das Flob wird meistens so geatellt, 
und Rohrarten; besondern Ruf haben die amerikani-! dai der Kéder beinahe den Grund beriithrt und in 
sehen, aus Streifen der harten Rinde des Bambus- | fliebendem Wasser üher denselben hintreibt (Fig. 19). 
rohrs geschtitzten Ruten. Bessere Angelruten bestehen Bei der Nottinghamyischerei gestatten die leichte, un- 
aus drei oder mehr je ca. 1 m langen Stiicken, die gefirnilite Seidenschnur und die sehr grobe und leicht 
mittels metallener Hilsen fest miteinander verbun- | bewegliche hélzerne Rolle ein sehr weites Werfen des 
den werden. An der Spitze und auf den einzelnen | Kéders. Bei der Puternosterangel tragt das Voriach 
Stiicken der Rute sind kleine Metallringe angebracht, | am Ende ein Bleigewicht, wiihrend oberhalb des- 
durch welche die Angelschnur gezogen wird, Letztere | selben in Abstiinden yon je25—30cm mehrere Angel- 
rolit man auf einer nahe dem Griffende befestigten | haken an kleinen, auf dem Faden verschiebbaren 
Holz- oder Metallrolle mittels einer Kurbel auf(Fig.1), | Bleiperlen befestigt sind. An der Paternosteranget, 
sie mub sich sehr leicht drehen, um dieSchnur schnell | die mit Rute oder, z. B. von Briicken aus, auch onne 
und ohne Widerstand ablaufen lassen zu kénnen, und | solehe gebraucht wird, fangen sich besonders Barsche. 
wird mit einer leicht ein- oder auszurickenden Feder- | Das Heben und Senken wird in tieferm Wasser mit 
hemmung versehen, Die Angelschnur besteht aus der oder ohne Angelrute mit einer beschwerten Sehnur, 
30—120 m langen Rollschnur und dem Vorfach, : gewShnlich ohne Flof, betrieben; der Haken ist mit 
das Flob, Senker und Haken triigt, Die Rollschnur Wirmern, Kifern, kleinen Fröschen oder kiinstlichen 
wird aus Pferdehaaren, besser aus 6—8 Striihnen Kiédern besteckt. Abwechselnd bis zum Grund sen- 
fester Seide, geflochten und in letzterm Fall ge- | kend und wieder hebend, fiingt man namentlich Fo- 
wohnlich gefirnilit; for besondere Zwecke werden un- | rellen, Aschen und Débel. 
gefirnibte Seidenschniire gebraucht, die leichter durch Die Fischchenangel wird zum Fang von Raubfischen 
die Ringe gleiten und auf dem Wasser schwimmen. | gebraucht, als Kéder dient ein natirlicher oder kinst- 
Das Vorfach mifit 1—3 m und mub dinner sein als | licher Fisch oder ein Lotfelkéder. Hierher gehért die 
die Rollschnur, um den Fischen weniger aufzufallen. | Spinn-, Schluck- und Schleppangel. Die Spiénn- 
Es wird ausGimpe, Pferdehaar oder Gut(Seidendarm) | angelei besteht darin, dai der durch das Wasser ge- 
gefertigt. Gimpe, d. h. mit feinstem Draht iberspon- | zogene natirliche oder kiinstliche Kéderfisch sich um 
nene Seide, wird fiir Hechte und andre grofe Raub- | seine Liingsachse dreht oder »spinnt<. Tote, aber 
fische angewendet, die mit ihren Zihnen andre Vor-  frische Ukeleis, Mihlkoppen: Kaulkopf) oder Elritzen 
ficher oft durchsehneiden. Vorfiicher aus Pferdehaar | werden in gekriimmter Stellung an einem System von 
bestehen im obern Teil aus mehreren, am Ende aus | doppelten oder dreifachen Haken befestigt, so dab 
einem einzigen Haar, Gut ist ein aus den Spinndri- | die Haken teilweise frei liegen (Fig, 11). Im Verlauf 
sen der Seidenraupe gebildeter Faden. Gewéhnlich | der Angelschnur sind mehrere Wirbel eingeschaltet, 
besteht das Vorfach aus zwei Stiicken, der mittels | die eine Jeichte Drehung des Koders ohne V erdrehung 
eines Knotens (Fig. 2) an der Rollschnur befestigten | der Schnur gestatten (Fig. 12). Der Kiéderfisch wird 
Warfsehnor und dem mitletzterer durch eine Schleife | mittels der Angelrute miglichst weit stromaufwirts 
(Fig. 2} verbundenen, an den Angelhaken angewun- | geworfen und mu, stromab schwimmend und mit 
denen Angelvorfach oder Vorsehlag. der Rute wieder angezogen, langsam spinnen; sohald 

Die Angelhaken bestehen aus Stahldraht und dir- | der Raubfisch den Kéder erfabt, wird angehaven. [Die 
fen sich weder verbiegen noch brechen. Im allge- | Schluckangel ist der Spinnangel gang ahnlich, nur 
meinen sind die englischen Formen am gebriiuch- | spinnt sie nicht, auch hiit man dem Fisch Zeit, den 
lichsten (#¥g. 4). Ubrigens werden auch zwei- oder Kéder zu verschlingen; diese Fangart wird fast nur fir 
dreitache Haken (Fig. 5) verwendet. Haken mit glat- | Heehte in stark verkrauteten Gewiissern angewendet. 
tem, langem Schenkel werden an dem Gutfaden mit Ahnlich ist auch die Schleppangel oder Dorre, die 
feiner, gowachster Seide angewunden (Fig, 6); solche, , hauptsachlich von vorwiirta geruderten oder segeln- 
deren langer Schenkel mit einem Plittchen endigt, | den Booten aus mit oder ohne Angelrute angewendet 
werden auf die in Fig. 7 dargestellte Weise befestigt. | wird und in verschiedener Tiefe zum Fang yon Hech- 
Auber einem oder mehreren Haken sind an dem Vor- ten oder Seeforellen dient, Die Schnur ist 100— 
fach vielluch Flébe oder Senker befestigt, Das Flef 300 m lang und mit mehreren Wirbeln sowie nuit 
(Schwimmer), mit Draht- oder Gumuniringen an dem | einem Fisch- oder Liffelkider (Fig. 1S v.14) versehen 
Vorfach versehiebbar befestigt, soll den bekéderten Letzterer wird aus Messing oder versilbertem Blech 
Haken in zweckmiliger Tiele schwimmend erhalten gemacht und spinnt infolge der gekrimmten Form 
und zeigt durch seine Bewegung gleichzeitig an, wenn vortrefflich. Die Raubfische schnappen nach dem 
ein Fisch gebissen hat, Es wird aus Kork, Feder- blankenGegenstand und werden sofort an dem Faken 
kielen oder Stachelschweinborsten in verschiedenen fest, Die Flug- oder Fliegenangel dient hauptsich- 
Formen (Fig. §) gefertigt und so angebracht, dai es lich zum Lachs- und Forellenfang, ihr Gebraneh ge 
in senkrechter Stellung etwa um ein Drittel seiner | drt gu den ergiehigsten Arten des Angelsports, 
Linge aus dem Wasser hervorragt. Die Senker be- | Wesentlich ist es, die kanstliche (Fig, 9) oder natiir- 
stehenans halbgespaltenen Schrotkérnern oder Stiieck- | liche Fliege leicht und unverdichtig auf das Wasser 
chen Bileifolie, die oberhalb des Hakens am Vorfach | fallen zu lassen und den danach schnappenden Fisch 
fesigeklemmt werden, um das Herabsinken des be- sofort anzuhauen, geschickt zu drillen und gu landen 


Angedair — 


Augedair, Dorf in Tirol, ſ. Landeck 3). 
MUngedenteter Rückenbau, ſ. Bewäſſerung. 
Angefalle, dic Lehnsfrüchte, die (einſchließlich der 

Dienſte etwaiger Wftervafallen) dem nad deutſchem 

Lehnrecht bei Unmündigleit des Lehnserben bejtellten 

Spegialvormund jufielen. 

ugeflogen, Bejcidjnung von Mineralien, die 
alg fehr Dinner Überzug (Anflug) vorlommen. 

Angegangen, ſ. Wnbrildig. 

Mugehen mit Der Majdine, auf Schiffen die Ma- 
ſchine in Betrieb fesen. 

Angehend heißt Wild, das den Höhepunkt der 
Entwidelung nod) nicht erreidt hat. 

Angehdrige im Sinne ded deutſchen Strafgefep- 
buches (§ 52) ind die Verwandten und Verſchwäger⸗ 
ten auf, und abjteiqender Linie, Udoptiv- und Pflege— 
eltern und -Rinder, Eheqatten, Gejdwijter und deren 
Eheqatten und BVerlobte. Wegen der Beredtigung 
der Ungehdrigen sur Verweigerung des Zeugniſſes 
vgl. Strafprozefordnung, §51; Zivilprozeßordnung, 
§ 383, und Militdrjtrafgeridtsordnung, § 187. Nad 
Dem öſterreichiſchen Strafgejepbud (§ 60, 61, 216) 
find A. die Verwandten und Verſchwägerten in auf- 
und abjteiqender Linie, die Geſchwiſter, Geſchwiſter— 
finder oder nod) näher Verwandten des Ehegemahls, 
die Geſchwiſter der Ehegenofjen und die Ehegenoſſen 
der Geſchwiſter. 

Angeflagter , ſ. Beſchuldigter. 

Angefok, ſ. Schamanismus. —— 

Angekommene Lange und Breite, ſ. Abfahrts⸗ 

Augel (altd. angel, angul, »Stachel, Spige«), der 
ant Pfojten befejtiqte sapfenfirmige Teil des Befthla- 
ges von Tiiren und Fenftern, auf den der an den 
Flügeln san rihrenfirmige Teil des Beſchlages 

qejtectt wir Gexät gum Fiſchfang, ſ. Angelfiſcherei. 

Angel (tied. Uh la va), Fluß im weſtlichen Böh— 

men, —— am Panzerberg im Böhmerwald, 
fließt in nördlicher Richtung und mündet, 82 km 
lang, bei Pilſen in die Radbuſa. 

gela, 1) U. von Foligno, geb. 1248, geſt. 4. 
Yar. 1309, Tertiaricrin des Heil. Franz, befannt durd 
ibre Bekehrung, ihre Gefichte und ihre Belehrungen 
iiber dad Leiden Chrifti (jogen. Kreuztheologie), die 
nad) ihren Mitteilungen von ihrem Beidtvater Rainald 
(deutſch von Lammers, Köln 1861) aufgezeichnet wur- 
den ; 1693 ſelig geiproden. Taq: 30. März (13. Febr.). 

2) U. Merici, Heiliqe, geb. um 1470 in Dejen- 
zano am Gardaſee, gejt. 27. Jan. 1540 in Brescia, 
Tertiarierin des Heil. Franz, gründete nad einer 
Wallfahrt ins Heilige Land 1535 in Brescia die Kon— 
qregation der Urjulinerinnen (ſ. d.) gum Zwecke des 
Sugendunterridts und der Krankenpfiege; fanonifiert 
1807. Ihr Taq: 31. Mai. 

Mngelaufer, ſ. Anlaufen. 

Aungelches, ſoviel wie Zeiſig. 

Angeld, ſ. Draufgabe. 

Aungelfiſcherei (hierzu Tafel ⸗Angelgeräte⸗ mit 
Text), der Fang von Fiſchen an Angeln, d. h. an 
eigentümlichen, meiſt mit einem Köder verſehenen 
Haken, die an Leinen befeltigt in das Wajjer gelegt 
werden. Schon die älteſten Bolter betrieben UW. mut 
aus Stein, Horn, Knochen, Fiſchgräten oder Pflan- 
zendornen gefertigten und an biegjamen Wurzeln 
oder Bajtidniiren befeſtigten Hafen, die unter den 
filtejten Spuren des vorgefdidtliden Menſchen ge 
funden werden, und ähnlich primitive Geriite find 
vielfad bei Naturvilfern noch jest im Gebrauch. Bei 
der gewerbsmäßigen YL, die viele Taufende von 
Fiſchern aller Rationen befdaftigt und ungeheure 

Meyers Konv.:Lerifon, 6. Aufl, L Bod. 








Angelfijderei. 513 


Mengen von Dorfdarten, Plattfifden, Makrelen, 
Ualen, Stiren rc. fiir den Lebensmittelmarft liefert, 
werden teils eingelne, an langen Schnüren befejtigte Ha⸗ 
fer gebraudt (Dandleinenfifderei), teils lange, 
mit Hunderten, ja Tauſenden von Halen verſehene 
Sedhniire Langleinenfifderei), die ſchwimmend 
oder auf dem Grund ausgelegt werden (f. Fiſcherei). 
Der Liebhaber, der dic A. alg Sport, betreibt, bedient 
fid) hauptſächlich der Handangel. Uber die Geräte 
gur A. ſ. Den Tert zur Tafel. 

Unt die Fiſche zum Wnbeifen an den Haken ju ver- 
loden, bedient man ſich verjdicdener Köderarten. 
Grundköder werden ausgeworfen, um Karpfen, 
Braſſen, Plötze, Barben, Döbel u. a. an gewiſſe 
Angelſtellen zu gewͤhnen. Man benutzt z. B. fein 
gehackte Regenwürmer, Fiſche, Fiſchrogen, Fleiſch— 
prong Rafe, Brot, gekochte Kartoffeln, Treber, 

eige von Mehl und Rieie u. dgl.; dieſe Stoffe wer- 
den in größerer Menge längere Zeit vor dem Ungeln, 
in geringerer aud) wabhrend des Yingelns ins Waſſer 
geworfen. Wis UngelfIder benugt man Regen- 
wiirmer, Fleiſchmaden, die Larven von Käfern, Schmet⸗ 
terlingen, Wejpen und Köcherfliegen, ferner Heupferd- 
den, Schnecken und Muſcheltiere, fleine Rrebje, Fiſche 
und Frijde, aud) Stiide von Krebs-, Fiſch- oder 
Froſchfleiſch, Gehirn und Riidenmart von Sdladt- 
tieren, aud) gelochte Getreideforner und Erbjen, Brot⸗ 
frume, Mehlteige, Rafe x. Manche Ungler verwittern 
Sdnur, Hafen und Köder mit Moſchus, Anis- oder 
Lavendelöl x. Künſtliche Ungelfdder find Nadhbil- 
dungen von Fliegen, Maden, Käfern ꝛc., oder Gegen- 
ſtände, Die durch Glanz oder lebhafte Farbe die Auf— 
merfjamfcit Der größern Raubfiſche erregen. Nament⸗ 
lich für Den Zweck des Lachs- und Forellenangelns 
werden ⸗künſtliche Fliegen (worunter übrigens aud 
Nachbildungen von Käfern, Raupen und andern 
Larven und allerlei Phantaſiegebilde | Fig. 9] verſtan⸗ 
den werden) aus Vogelfedern, elzhaaren, Wollfäden 
und Flockſeide hergeſtellt und in großer ang nog 
tigfeit auf einfache oder doppelte YUngelhafen gebun- 
den. Bon andern fiinjtlicdhen Ködern find bejonders 
aus Glas oder Metall gefertigte Fiſchchen und Löffel⸗ 
löder zu nennen. 

Der Angler muß mit den Eigentümlichkeiten ſeines 
Fiſchwaſſers und den Gewohnheiten der verſchiedenen 
Fiſcharten vertraut fein. Auch die Wahl der in jedem 
Fall anzuwendenden Ungelurethode und der Gebraud 
Der Ungel finnen nur praktiſch erlernt werden. Der 
Angler darf fid) den Fiſchen womoöglich qar nicht zei— 
ad er muß vermeiden, feinen Schatten oder Den der 

ngelrute auf das Waſſer fallen ju laijen, er muß 
den befiderten Hafen durch kräftigen Schwung der 
Rute weit und an die beabſichtigte Stelle werfen, und 
zwar ſo, daß er mit möglichſt wenig Geräuſch auf 
das Waſſer fällt. Heftige Erſchütterungen des Ufers 
durch Laufen oder hartes Auftreten ſind zu vermeiden. 
Hat ein Fiſch den Köder erfaßt, ſo muß er »angehauen« 
werden, d. h. es wird durch einen Ruck mit der Rute 
der Haken in ſeine Mundteile eingeſchlagen. Dit der 
Fiſch feſtgehakt, ſo kann er nur, wenn er klein und 
ſchwach iſt, ſofort aus dem Waſſer gezogen werden; 
andernfalls muß er zunächſt durch abwechſelndes An⸗ 
ziehen und Nachlaſſen der Schnur, wobei die Rolle 
fleißig gebraucht wird Drillen, Spielen), ermüdet 
werden, worauf man ihn vorſichtig heranzieht und 
mit einem untergeſchobenen Handkeſcher aufnimmt. 

Der Angelſport wurde in England ſchon um 1300 
betrieben und Durd viele Verordnungen geſchützt, aud 
knüpft ſich art denſelben cine fehr reiche Literatur, die 

33 


514 


mit Dem » Book of St. Albans« (1486) beginnt. Iſaal 
Waltons in Dialogform gejdriebener »Complete 
angler« (1653), {pater von andrer Hand fortgejept 
und nod jetzt jährlich aufgelegt, fand eine geijtvolle 
Nachfolge in Humphry Davys »Salmonia, or Days 
of flyfishings (Lond. 1828 u. ð.; deutſch von Neu- 
bert, Leipz. 1840). Bgl. Blafey, Historical sket- 
ches of the angling literature of all nations (Lond. 
1855); Francis, A book on angling (6. Aufl., 
daf. 1885); d'Alquen, BVolljtindiqes Handbud) der 
feinern Ungelfunft (Leipz. 1862); Ehrenfreug, Das 
Ganje der A. tse Wat, Huedlinb. 1894); Hor— 
rods, Die Kunſt der Fliegenjijderei (2. Aufl. Weim. 
1879); Biſchoff, Anleitung zur Fliegenfiſcherei 
(2. Aufl., Miind). 1882); von dem Borne: Illu— 
jtriertes Handbuch der UW. (Berl. 1875), Tajdenbud 
Der A. (3. Uufl., daj. 1892) und Wegweiſer fiir Ungler 
(dDaf. 1877); Moerbe, Die volljtindige UW. (12. Aufl., 
daj.1901); Rühlich, Der praftijdhe Unglerin Deutſch⸗ 
land, mit Ungelfalender (5. Aufl., Leipz. 1897); 
Storf, Der Ungelfport (Mind. 1898); Weffen- 
berg, Der Ungeljport (Wien 1902); »Jahrbud) des 
deutſchen Sportanglers« (2. Mufl., Stettin 1900); 
»Deutſche Anglerzeitung« (Baugen). 

Angelhaar, Seidendarm. 

Angeli, Hcinrid von, Maler, qeb.8. Juli 1840 
in Odenburg, begann feine Studien 1854 auf der 
Wiener Akademie und bei Gujtav Müller, ſetzte jie 
1856 in Düſſeldorf bei Leutze fort und jtellte 1857 
fein erſtes Bild: Maria Stuart auf dem Wege zum 
Schafott, aus, dem 1859 im Wuftrag König Lud- 
wigs I. von Bayern Ludwig XI. von Franfreid, den 

eil. Franz von Paula um Verlängerung feined Le- 

end bittend, Untonius und Mleopatra, Jane Gray u. a. 
folgten. 1862 fiedelte er nad) Wien über und erwarb 
fic bier als Bildnismaler fowoh! durd jeine Charat- 
terijtif als durch ſeine malerifde Kraft und durch das 
fiinjtlerijde Urrangement feiner Porträte cine ſolche 
Unerfernung, daß er feitbem aufer drei Genrebil- 
bern: der Rader ſeiner Ehre (1869), Jugendliebe 
(1871) und Die verweigerte Ubjolution (1873), mur 
nod) Bildniſſe malte. Seine Glangperiode beginnt mit 
Den 1870er Jahren, wo ihm die Porträte des Kai— 
fers bon Djterreid) und des deutſchen Kronprinzen— 
paars einen wohlbegründeten Ruf erwarben. Auf 
einer Reiſe in England porträtierte er die Königin 
Vittoria, einige Mitglieder ihrer Familie und viele 
Perſonen der engliſchen Ariſtokratie. Für die Ber 
liner Nationalgalerie malte er die Porträte des Gene— 
ralfeldmarſchalls v. Manteuffel und des Malers Andr. 
Achenbach. Das ſtädtiſche Muſeum in Breslau beſitzt 
von ihm die Bildniſſe des Kaiſers und der Kaiſerin 
Friedrich in ganzer Figur und des Feldmarſchalls 
Moltke. Die —5 Friedrich hat A. aud in Wit⸗ 
wentrauer gemalt. Von den Bildniſſen ſeiner letzten 
Zeit find nod die ded Kaiſers Wilhelm IL, der Kai— 
ferin Auguſte Vittoria, der Pringeffin Wdolf zu 
Sdhaumburg- Lippe und der Kaiſerin Maria Feodo- 
rowna von Rupland (1896) hervorzuheben. 

Angelica L. (Engelwurjel, Bruſtwurzel), 
Gattung der Umbelliferen, hohe Stauden mit zwei— 
fad) gefiederten oder mehrfach fiederſchnittigen Blät— 
tern und vieljtrabligen Dolden. Etwa 50 Arten im | 
nordijden Florenreich. A. silvestris L. (Wald-'! 
anqgelifa), mit geringeltem, gelben Dtildjaft ent- 
haltendem Wurzelſtoch breifacy fiederteiligen Blat- 
tern, aufgeblajenen Blattideiden an den obern Blät⸗ 
tern und guerit rdtliden, Dann weißen Bliiten, wächſt 
in ganz Curopa, bejonders in Gebirgsgegenden, auf | 


Angelhaar — 








Angelſachſen. 


feuchten Wieſen, an Bächen und in Wäldern. Die 
Wurzel iſt nicht mit der als Arzneimittel benutzten 
Angelilawurzel von Archangelica officinalis Heffm. 
zu verwedfeln. In Japan fultiviert man A. refracta 
Fr.Schmidt(S entiy u)undA. anomalaZalL(Bina- 
kuſhi) und bereitet aus den Wurzeln atherijdes OL 

Angelica salutatio, Engelsqruf, j. Ave Maria. 

Angelico, Fra Giovanni, Maler, ſ. Fiejole 1). 

Angelifabalfam, ſ. Archangelica. 

Angelifabaum, j. Aralia. 

Angelikaöl, atherijdes OL aus der Wurzel von 
Archangelica officinalis, wird bejonders aus Thii- 
ringer und erjgebirgifden Wurzeln dargeſtellt (Mus 
beute bis 1 Pro}3.), iſt fajt farblos, riecht traftig aro- 
matiſch, fdymedt brennend, ſpez. Gew. 0,857— 0,918, 
bejteht aus Phellandren und Pinen (?), Balerian- 
ſäure und Oxypentadecylſäure; es wird gu Lifdren 
benutzt. Das Samendl riecht feiner, ſpez. Gew. Owe 
bi8 0,890, bejteht aus cinem Phellandren mit Bale- 
rianjaiure und Orymyrijtinfaure; es wird wie das 
Wurzelöl benugt. W. aus Wurzeln der japanifden 
Angelica refracta und A. anomala riecht fcarjer 
und erjtarrt bei 0° breiartig. 

MAngelifafaureC,H,0, od.CH,.H.C.C.CH,.CO,H 
findet jc in Der Ungelifawursel, Sumbulwurzel umd 
als Ejter im Rdmifdfamillendl, bildet farbloje, aro 
matifd riedende, brennend gewürzhaft ſchmeckende 
Strijtalle, die ſich in heißem Waſſer und in Alkobol 
leicht löſen. A. ſchmilzt bei 45°, verflüchtigt ſich mit 
Waſſerdämpfen, ſiedet bei 185° und gibt beim Kochen 
mit verdünnter Schwefelſäure iſomere Tiglinſaure. 
deren Eſter ſich ebenfalls im Rimifdfamillendl! findet. 

Angelifafpiritus (Spiritus Angelicae compo- 
situs), durch Deftillation von Ungelifawursel, Bai 
drianwurzel, Wadolderbeeren mit Spiritus gewon 
nem und mit Kampfer verfest, dient zu Einreibungen 
und Biidern. 

Augelikawurzel, j. Angelica und Archangelica. 

Wngelim, ſ. Andira. 

Angeln (Anglii oder Angili), german. Bolf, ur 
fpriinglid) (nad) Seu) um die untere Saale längs 
der Elbe bis fiber die Ohre binab, ſpäter in der noch 
jest nad ihnen benannten Gegend an der Djtiee pwr 
ſchen Sdleswig und Flensburg wohnhaft, ſchifften 
(nad) andern waren ¢3 die Ungrivarier oder Engern. 
j. b.) wm 450 n. Chr. mit Sachſen und Jüten nad 
Britannien. Dort nahmen fie in Ojtanglia, Rorth 
umberland und Mercia Wohnſitze, fortan mit wren 
Bundesgenojjen als bey! lab fen (f. d.) ein mach 
tiges Bol bildend. 0 rdmann, über die Hetmat 
und den Namen der A. (Upſala 1890). 

Angeln, Landſchaft im preuß. Regbez. Schles 
wig, zwiſchen dem Flensburger Buſen und der Shier. 
cin durch Fruchtbarkeit ausgezeichnetes Hügelland 
angeblich die Heimat der um 450 nad England aus 
gewanderten Angeln (f. d.). Hauptort ijt Rappelz 

Angelolatrie (qried., ⸗Anbetung der Engel-) 
fam in Der drijtliden Rirde ſchon in den eriten Jahr 
hunderten auf. Das zweite Nicäiſche Konzil (787) 
und ibm folqend das Tridentinum jtatuierten mur 
cine Verehrung der Engel wegen ibrer Macht umd 
Vollfommenheit, un Unteridied von ihrer Unbdetung. 
Der Erotejtantismus verwirft beides. 

Angelologie (qriec.), in der Dogniatif die + Lehre 
von den Engeln<. 

Angelophanie (qried.), Engelserfdeinung. 

Angelfachfen, zuerſt in 8. Jahrb. von dem lango- 
bardiſchen Hijtorifer Paulus Diaconus gebrauchter 
Name des aus Angeln, Sachſen und Juten gemifdten 


Angelfadjen. 


Polfes, das um 450 die Eroberung de3 romanijierten, 
aber feit 410 von den römiſchen Legionen verlafjenen 
Britannien begann. Der Sage nad) landeten die U., 
bon den Briten gegen die Bitten und Sfoten gu Hilfe 
gerufen, 449 unter Hengijt und Horſa in Britannien 
und verbreiteten fic) von der ihnen zuerſt eingeräumten 
Inſel Thanet aus iiber das Land. Jn Wirklichfeit 
feblt es an zuverläſſigen Nachrichten über die fich über 
einen Zeitraum von 150 Jahren erſtreckenden Kämpfe, 
durch die der Süden und Oſten Britanniens in den 
Beſitz der A. fam und die keltiſch-britiſche Bevdlferung 
auf Irland, Wales, Cornwallis und die ſchottiſchen 
Hodjlande beſchränkt wurde. Von den fleinen König— 
reidjen, in welde die A. nad) Der Eroberung jerfielen, 
blieben in der nächſten Zeit fieben oder acht größere 
bejtehen: Eſſex, Weffer, Suffer, Rent (Oſt- und Weſt— 
fent), Mercia, Northumberland, Ojtangeln. Dieſe 
bezeichnet man als die angelſächſiſche Heptardie, 
obwohl, von voritbergehenden Vereinigungen abge- 
fehen, cine dauernde jtaatsredtlide Verbindung 
awifden ihnen nidt beftand. Die A. waren jur Beit 
Der Eroberung Heiden. Zur Verfiindiqung des Chri« 
ftentums fandte Papſt —* J. um 596 den Mönch 
Auguſtinus mit mehreren Gehilfen; und ſeit der Be— 
lehrung Ethelberts, Königs von Kent (597), verbreitete 
ſich das Chriſtentum allmählich über alle Reiche der 
A. An der Spitze der angelſächſiſchen Kirche 
ſtand das Erzbistum Canterbury, deſſen Erzbiſchof 
Theodor aus Tarſos in Kilikien ſeit 668 die kirchliche 
Organifation durdfiihrte. Mit Row blieb diefe Kirche 
Dauernd in Verbindung (Pilgerfahrten der oe 
Erridtung einer Schule zur Uusbildung junger YU. 
und eines engliſchen Nationalhojpizes in Rom). Nach 
815 vereinigte König Egbert von Weſſer die Reide 
der A. gu cinem Ganjen, fiir bas nun der Name 
Unglien (England) auffam. Seine Nachfolger 
hatten mit den Normannen (Dänen) ju kämpfen, 
deren Einfälle in England feit der Mitte des Jahr— 
hunderts immer gefabrdrohender wurden. Erſt Al— 
fred d. Gr. (f. d.) Der 871 den Thron bejtieg, drängte 
fie ater nachdem fie Den gripten Teil Englands 
erobert batten. Unter feinem Sohn Eduard I. erhoben 
fie ſich auf neue, erlitten aber 938 von König Ethel- 


ftan eine entſcheidende Niederlage bei Brunanburg in | 


Northumberland. Unter dem ſchwachen Ethelred I. 
wiederholten ſich feit 991 die Einfälle Der Dänen, die 
1016 nad dem Tode feines Sohnes Edmund Eiſenſeite 
das Land eroberten. Erjt 1042 fam mit Eduard III., 


dem Befenner, wieder cin angelſächſiſcher Fürſt auf | 


Den Thron; als aber mit ihm 1066 der ſächſiſche Kö— 
nigsſtamm erlojd, bejtieg Graf Harald den Thron. 
Rad defjen Fall in der Sehladht bet Haftings (14. Oft. 
1066) und der Eroberung des Landes durch Wilhelm 
von der Normandie verſchwand das Reich der V., 
wihrend nod) Jahrhunderte vergingen, bis die YL. 
mit ihren Befjiegern, den Normannen, zu cinem Ganjen 
verſchmolzen. 

Seinen geſellſchaftlichen Zuſtänden nach zerfiel das 
Bolt der W. in Freie(Ceorls) und Unfreie(Theows), 
au Denen aud) die im angelſächſiſchen Gebiet qeblie- 
benen Briten zählten. Aus der Zabhl der Freien hob 
fich der alte Geburtsadel der Eorlas (Carls, nordiſch 
Yaris) und Vithelinge heraus. Zu ihm gehörlen fpater 
aud) die Mitglieder der Gefolgidaft (Gelith) des Kö— 
nigs, Die, ſoweit fie Kriegsdienſte leifteten, als Thangs 
— bezeichnet wurden; und zur Würde eines 

hans ſtiegen alle empor, die wenigſtens fünf Hufen 
(hydes) Land beſaßen und davon Kriegsdienſte leijte- 
tern. Un Der Spite des Staates ſtand der König als 


515 


oberjter Heerfiihrer und Richter, während die einzelnen 
Grafſchaften durch Ealdormen (ſpäter Corls qenannt) 
und Sheriffs verwaltet wurden. Der Riniq wurde 
gewablt, dod) fiel die Wahl in der Regel auf die Mit- 
glieder des regierenden Haujes, fo daß die Königs— 
wiirde tatfadlich gumeijt erblid) war. Dem König 
jur Seite ftand der Witenagemot, die Verſamm— 
lung der Witan (Weifen), an der die qeijtliden und 
weltliden Grofen des Reidhes teilnahmen. Sie wählte 
die Könige, bewilligte Steuern und Landverleihungen, 
ab Geſetze und entſchied in allen widtigen Ange— 
eqenheiten des Staates und der Kirche fowie in Redts- 
ſachen der Großen. Das Land zerfiel in Gaue (shires, 
sciras) oder Graffdaften, Hundert{daften (hun- 
dreds) und in Dorfſchaften (tunscipe, township); 
von den letztern wurden nod) die befejtigten Stadt: 
bezirke (Vurgen, burhs) unterſchieden. Die monatlich 
jufammentretenden Verſammlungen der Hunderte 
(Hundredesgemot) und die Verjammlungen der Graf- 
ſchaft (Sciregemot) hatten weſentlich gerichtliche Funt- 
tionen. Die diltejten Geſetzesaufzeichnungen der A. 
find die von Kent, die bis ins 7. Jahrh. guriidgeben, 
und die von Wejjer, die aus der eit des Königs Ine 
(688 726) ſtammen. Der cigentlide Geſetzgeber der 
Ration aber war Alfred d. Gr. Seine nod) vorhan- 
denen — * die ſich an ältere Sammlungen an— 
ſchloſſen, gelten fiir die Grundlage des ſogen. gemeinen 
Rechts (common law). Unter den Nachfolgern Al— 
freds zeichnete ſich Ethelſtan (geſt. 941) als Geſetz 
geber aus. Im 11. Jahrh. ſtellle Knut die in Verfall 
eratenen Einrichtungen Alfreds wieder her, und 
päter wird unter Dem Namen Eduards des Bekenners 
gewöhnlich die Geſamtheit der angelſächſiſchen Geſetze 
zuſammengefaßt. 

Sitten und Lebensart der A. bewahrten den 
rein germaniſchen Charakter. Kriegeriſcher Sinn, 
Liebe zur Freiheit, Achtung vor den Frauen und Galt: 
freundjdaft waren ihre Hauptiugenden, die jedoch 
durd die Febler roher, ungebandigter Kraft verduntelt 
wurden. Krieg, Jagd, Gelage und Wiirfelfpiel waren 
die Sieblingsbehbaltiqungen die Hauptnahrungs- 
zweige waren Ackerbau, Viehzucht und Fifderei- 
Stadte gab es nur wenige und von geringer Größe. 
Einen Fortſchritt bewirfte das Chrijtentum. Die 
WMiſſionare feiteten das Bolf zu einer edlern Befric 
diqung feiner Bedürfniſſe an und hoben die Kultur. 
Als ein vorsiiglider Wohltater jeiner Ration auch in 
dieſer Hinjicht jteht Wired da. Auch Künſte und Wif- 
ſenſchaften entwidelten ſich bei den U. mit dem Chrijten: 
tum. Der Bau und die Ausſchmückung der Kirchen 
wedten und befirderten die bildenden Künſte. Die 
Urbeiten in Metall, vorzüglich in Gold und Silber 
(j. Tafel Ringe, Fig. 18), waren fpiter aud im 
Ausland beriihmt. Der Handel war unbedeutend und 
entwickelte fic) erſt ſeit Alfreds Beit. Träger der Bil— 
dung waren die Geiſtlichen, unterridtet in den Schulen 
von Canterbury, York, Weremouth, Weſtminſter, 
St. Ulbans, Worcejter u.a. Schon feit dem Ausgang 
des 7. Jahrh. fpielten die A. eine fiihrende Rolle in 
der latcinijden Weltliteratur: Sdjriftiteller wie Wld- 
heli, Ubt zu Malmesbury und Biſchof von Sherborne, 
Beda der Ehrwürdige, Willibrord, Winfried (Boni- 
facius) und Alkuin a aus ifnen hervorgeqangen. 
Uber auch cin hiherer Grad nationaler Bildung und 
eine reidjere Literatur in heimiſcher Sprache als bei 
den meijten übrigen germaniſchen Völkern entwicelte 
ſich Det den A. (ſ. Angelſächſiſche Sprache und Lite— 
ratur). Bon den Monumenten der angelſächſiſchen 
Baukunſt hat ſich wenig erhalten. Die Bildhauerkunſt 

33* 








516 


ftand auf niedriger Stufe; dagegen überraſchen Stil 
und Ausführung der Malereien in den Handfdriften 
(j. den folg. Urt.). Vgl. Turner, History of the Anglo- 
Saxons (6. Aufl., Yond. 1852, 3 Bde.); Kemble, 
History of the Saxons in England (2. Aufl., daj. 
1877, unvollendet ; deutſch von Brandes, Leipz. 1852 
1854, 2 Bde.); Palgrave, History of the Anglo- 
Saxons (neue Mufl., Lond. 1887); Winlelmann, 
Geſchichte Der UW. (Berl. 1883); weiteres f. unter der 
Geſchichtsliteratur bet ⸗Großbritannien«. 
—— — Altertümer, ſ. Metallzeit. 
Augelſächſiſche Sprache und Literatur. Bon 
Der Witte des 5. bis gegen Ende des 6. Jahrh. er- 
riffen Unwobner der Rordfee, qenannt Yngeln, 
Sachſen und Jüten, alle der Sprade nad) nieder- 
deutſch, und zwar den Friefen am nächſten verwandt, 
vom Often und Süden des heutiqen England, ſpäter 
aud vom ſüdlichen Schotiland dauernd Bejif. Die 
Sprache diefer Stämme in ihrer neuen Heimat hie) 
fofort engliſch; altenglifd oder (mit cinem den 
Hiſtorilern entlehnten Uusdrud) angelſächſiſch 
nennt man fie bis etwa 1150. Die alten Stanunes- 
unterfdjiede lebten ununterbroden fort in den Dia- 
leften. Etwa feit der Mitte des 9. Jahrh. gelangte 
durch die Überniacht ded we ftfadfifden Reiches und 
die Kulturbemiibungen Konig Wifreds die Mundart 
dDiefes Teils zum Rang einer fajt im ganjen Lande 
qebraudten Sdriftiprade; in fie wurden die dltern 
oeſiedenlmãler umgeſchrieben. Neue Worter gewann 
die Sprade im geringjten Make von den befiegten 
leltiſchen Briten; mehr vom Lateinifden, zumal nad 
der Einfiibrung des Chrijtentums; ju Ende der alt- 
engliſchen Veriode beqann aud) das Altnordiſche ein- 
zuwirken, hauptſächlich in der Mundart der Dänen, 
die ſeit 787 beſtändig Einfälle in England machten 
und vorübergehend (1016—42) fogar die politiſche 
Herrſchaft erlangten. Bor Einführung des Chrijten- 
tums bedienten ſich Die Angelſachſen der Runen als 
Schriftzeichen, ſpäter tm allgemeinen des lateinifden 
Alphabets (Scriftprobe f. Fafel Paläographie I+, 
Fig. 6); mur filr zwei Laute (w und th) fah man fid | 
Qendtigt, Die alten Runenzeichen beigubehalten. Die 
Ronfonanten entipreden im ganzen den gotifden, 
niederdeutiden und nenenglifden. Der Vokalismus 
jeiat gegeniiber Dem gemeingermanifden mehrfad 
Erhöhungen (a ju w, au ju ea, eu gu eo u. dgl.) 
fowie cine große Empfindlichkeit fiir Den i- und u-Um— 
laut und Die Cinfliifje gewiſſer Konſonanten. Gegen 
das Gotifche und Althochdeutſche qehalten, erſcheint 
Die Merion ſchon abgeſchwächt, aber im Vergleich mit 
Dem ſpätern Engliſch nod reich. Bon der Redupli- 
fation haben fic) noc deutliche Spuren erhalten. Bon 
den vielen erhaltenen Spraddenfmiilern jeigen dic 
nördlichen die größte Neiqung, unbetonte Stlben wei: | 
ter abzuſchwächen. Infolge der Eroberung Englands | 
durd dic Normannen (1066) wurde das angelſächſiſche 








Angelſächſiſche Altertiimer — Angelſächſiſche Sprache 2. 


Halle 1898; Abriß«, 2. Aufl., Daf. 1898), woneben 
nod in Betradt fonunen: Biilbring, Altengliſches 
Elementarbud (1. Teil, Heidelb. 1901); Cofijn, Ut 
weſtſächſiſche Grammatik (Haag 1886—88) und Bo- 
gatſcher, Lautlehre der griechiſchen, lateiniſchen umd 
romanifden Lehmworte im Altenglifden (Strap. 
1888). Yerifa: Grein, Angelſächſiſcher Sprachſcha 
(Gotting. 186164, nur fiir die Didter; dana 
Greins »Sleines angelſächſiſches Worterbud)<, bear- 
beitet von Grofdopp, Raffel 1883); Ettmiiller, 
Lexicon anglo-saxonicum (Quedlinb. 1851, nad 
Stimmen etymologifd geordnet); Leo, Ungelfadf- 
{des Gloſſar (Halle 1877, mit Heranziehung mand 
unbenugter Brojaquelle); am vollſtändigſten Bos: 
worth-Toller, Anglo-Saxon dictionary (Orford 
1882 ff.) ; mit gereinigter Schreibung und Bedeutungs 
angabe Sweet, The student's dictionary of Anglo- 
Saxon (daſ. 1897). Gin etymologifdes Worterdbud 
bereitet F. Holthaufen vor. 
Ungelfadfifdhe Literatur. 

Unter den zahlreich auf uns gefonrmenen, zum Teil 
nod) ungedrudien Rejten der angelſächſiſchen Lite- 
ratur jtehen die Denkmäler der Poeſie obenan; fie 
find geſammelt von Grein in der ⸗Bibliothel der anget- 
ſächſiſchen Poejie« (2. Unfl., Raffel 1883 ff., 3 Bde.) 
Dieſe poctifdjen Denkmäler haben neben ihrem ſprach⸗ 
lidjen und fulturbijtorifden einen nicht unbedeutenden 
äſthetiſchen Wert. Ihre metriſche Form ijt die aud 
bei den übrigen altern germaniſchen Dialetten iblice: 
zwei Halbverſe ven je vier Tafiteilen (je zwei jtarter 
betonten und zwei leidjtern) find Durd) Die Ulliteration 
ju einer Langjeile verbunden. Stiliſtiſche Eigentiim- 
lichleiten der angelſächſiſchen Poeſie find: häufige Rar: 
allelausdrücke, die wieder gern durch andre dazwiſchen 
geſchobene getrennt werden; anſtatt des epiſchen Nad» 
einander ſprungweiſe, mehr hymniſch feiernde Dar- 
ſtellung; —— Umſchreibungen (3. B. ſtatt »geben 
wir·: »macht euch auf, vorwiarts zu tragen Waffen und 
Gewand«); glänzende Sdhilderungen bei fait qany 
lidhem Mangel an Gleidniffen ; Annigheit des Gefühls 
Unter den epifden Dichtungen, die Stofje aus der 
Vollsfage behandein, ijt weitaus die widtigite der 
»Beowulfe (f.d.), worin zuerſt von einem Jugend 
abenteuer des Helden mit einem Damon und defjen 
Mutter, dann von feinem Untergang bei der Uberwin⸗ 
bung eines Schatzdrachens gehandelt wird. Mit einer 
Epifode darin jteht in Zuſammenhang das Fragment 
» Der Überfall in Finsburg«. Erbhalten find ferner nod 
zwei Vrudjtiicde cines Epos, das die Sage von Walter 
und Hildequnde behandelt, umd das fogen. » Widiith- 
lied⸗, d. bh. Lied Des Bielgereijten, der die Herricer 
und Lander aufzählt, die er gefeben hat, »gleichſam 
ein verfijizierter Ratalog der deutſchen Heldenfage-. 
Diefe Proben weltlider Erzählungskunſt find nod 
ins 7.--9. Jahrh. gu ſetzen. Im 10. Jahrh. trat die 
Sage zurück und das hiſtoriſche Lied hervor, befonders 


Idiom auf dic untern Volksſchichten zuruückgedrängt | vertreten durch cin Siegeslied auf die Schlacht von 
und die Sdhreibertraditionen unterbrodjen, wahrend Brunanburg (938) und ein langeres Bruchſtüd 
die höhern Kreiſe und die Schule fich der Sprache der eines Gedichtes auf den Tod ded Uldermans Byrbt- 
Eroberer bedienten (vgl. Englifde Sprade). — In noth, der 991 im Kampfe gegen die Danen fiel. Leg: 
fritherer eit haben fic) um das Studium der alt: | tered gibt mit der epiſchen Ausführlichleit des »Bexe 
engliſchen Sprache zuerſt Theologen (Erzbiſchof Par⸗ wulf« cine lebendige Schilderung der Schlacht und 
fer voran), dann Junius und feine Schule Verdienſte | bietet nod) ein ſchönes Beiſpiel fiir jenes von Tacitus 
erworben; von dem Dänen Rast erſchien 1817 eine hervorgehobene Verhältnis geqenicitiqer Treue, wie 
angelſächſiſche Grammatik (englifd von Thorpe, 3. | ed bei den alten Deutſchen zwiſchen Fürſt und Gefolge 
Aufl., Lond. 1879). Andeffen hat aud auf diefem | bejtand. Cinige Refte aus dem 11. Jahrh. aber zeigen 
Gebiet zumeiſt J. Grimm die Forſchung im eine | die weltlice Alliterationsdichtung im Berdorren. — 
wiffenfdaftlidbe Bahn gelenft. Das bejte Lehrbuch ift | Cine Schule geiſtlicher Cpifer war in der zweiten 
ſetzt Stevers’ Angelſächſiſche Vrammatif« (3. Mufl., | Halfte des 7. Jahrb. in Nordengland entjtanden durch 


Angelſächſiſche Sprache und Literatur — Angelus. 


Kadmon, der Stoffe de3 Ulten Teſtaments behan- 
Delte; aus dieſer Schule ſtammen » Genejis<,» Erodus<, 
»Daniele. Im 8. Jahrh. erprobte fid) Dann Ryne- 
wulf, gleidhfalls cin Mann aus dem nodrdlidern 
England, mit Darjtellungen aus dem Reuen Teſta— 
ment (» Chrijt«) und der Legende (»Elene«, »Julianas, 
»Geſchicke der Upojtel«). Später zeichneten fic) nod 
die Dichter der Undreaslegende, der geiſtlich qewendeten 
Fabelgeſchichte vom Vogel Phönix und der patriotifd 
beqeijterten ⸗Judith⸗ aus durd anmutige Sprade 
und herrliche Raturjdilderungen. — Unter den ly- 
rifden Stücken find die vorzüglichſten: Bedas »Ster- 
begeſang und Kädmons > Hynine« von der Schöpfung 
(7. Jahrh.); die mur verſtümmelt itberlieferte Klage 
liber cine Burgruine und deren gefallene Bewohner ; 
Der » Wanderer, der, feit dem Tode feines Herrn ohne 


bleibende Stitte, die Mühſeligkeiten des menſchlichen 


Lebens fdhildert; die »Mlage der Frau<, die, von den 
Verwandten ihres Mannes verleumdet und daraufhin 
von Dem legtern verjtoken, ihr Leben einſam in einer 
Waldeshihle vertrauert; der »>Seefahrers, den trots 
aller Beſchwerden feines Standes die Sehnfudt nad 
Dem Weere hinwegtreibt von allen Freuden des Lan- 
des, fobald die Natur fic) verjfingt und der Kuckuck 
des Friihlings Ankunft verfiindet. Der Spruchpoeſie 
gehören cinige Zaubergeſänge und merfwiirdige heid- 
niſche Ritualverfe an, unter anderm aud das »Ru- 
nenlied«, das die Ramen eines jeden dabeijtehenden 
Runenjeichens poetiſch befdreibt. Wnyiehend durch 
hohes Alter, treffliche Rulturbilder und didterifde 
Belebung der Natur find die ⸗Rätſel«. Der ſpät— 
angelſächſiſchen Zeit pices Überſetzungen der Pſal⸗ 
men, der Metra des Boethius und mehrere erbauliche 
Schriften in mehr oder minder zerrütteten Allitera— 
tionsverſen an. Die beſten poetiſchen Stücke ſind al— 
literierend überſetzt von Grein (»Dichtungen der 
Angelſachſen«, Kaſſel 1858 —H9). 

* den Schriftdenkmälern in Proſa ſind die 
älteſten und neben der gleich zu nennenden Chronik 
wichtigſten die Geſetze, von dem kentiſchen König 
Aethelbyrht (560 —616) an bis auf den in angelſäch⸗ 
jiicher Sprade regierenden Diinen Knut (Wusgaben 
von Thorpe, »Laws and institutes of the Anglo- 
Saxon kings«, Yond. 1840; R. Schmid, -Geſetze der 
Angelſachſen · , 2. Aufl., Leips. 1858, mit Überſetzung 
und Gloſſar; am beſten von F. Liebermann, Halle 
1898 ff.). Die feit der Mitte des 8. Jahrh. in angel- 
ſächſiſcher Sprade reiclid) vorhandenen Urfunden 
jind nebjt den lateiniſchen gefammelt in Thorpes 
»Diplomatarium anglicanume (1865) und (bigs 
975 volljtindiger) in Gray Birds »Cartularium 
saxonicum« (1886). Die angelſächſiſche Chronik 
reicht vom Cinfall Cäſars bis auf 1154, wurde aber 
erjt feit Mitte des 9. Jahrh. verfaßt und an mehreren 
Orten fortgefest (bejte Uusgabe mit Überſetzung von 
Thorpe, 1861; dageqen hat die von Carle | 1865, 
2. Uujl. von Plummer 1892-99] unentbehrlide Ab⸗ 
bandDlungen). Hobe Berdienjte um die em rat 
einer felbjtandigen Proſa erwarb ſich König Wlfre 
(jf. d. 1). Seine Schriften find gwar meijtens nur 
iiberfesungen, enthalten aber aud) Einſchaltungen 
von ihm felbit. So erweiterte er 3. B. in feiner Uber- 
jetsung des Drojius (hrsq. von Sweet, 1883) dejjen 
geographiſche Cinleitung durd cine überſicht über 
das gejamte germaniſche Gebiet und durch Die Reije- 
beridjte zweier nordijder Scefahrer. Winder frei be- 
wegte er ſich in der tibertragung von Gregors »Cura 
pastoralis« (preg. mit Uberſetzung von Siveet, 187 1— 
1872). Sugefdrieben hat man ibm eine Ubertragung 











517 


von Vedas »Historia eccles. Anglorum« (hr8q. von 
Thomas Miller, 1890, und Schipper, 1898) und von 
Boethius’ » De consolatione philosophiae+ (Ausgabe 
mit liberfepung von Sedgefield, 1899). Ein Jahr 
hundert ſpäter als Alfred trat Der qelehrte Wbt der 
reforntierten Benediftiner, Wel fric, auf, sowohl durch 
Überſetzungen als durch eigne Sdriften der Haupt: 
forderer des angelſächſiſchen Projajtils. Hervorjzu- 

eben jind feine —— des Wichtigſten aus dem 

entateuch und dem Bude Joſua nebſt einer Ein: 
leitung über das Alte und Rene Teſtament (hrsq. 
von Grein in feiner »Bibliothek der angelſächſiſchen 
Proſa«, Bd. 1, Kaſſel 1872; Bd. 2 u. 3 von Wiilfer, 
1888—89); feine Homilien (jum Teil gedruckt von 
Thorpe, »The homilies of the Anglo-Saxon Church, 
1844 —46) und »Heiligenleben« (Hrsg. von Sfeat, 
1881 ff.); ete lateiniſche Granmmati€ in angelſächſiſcher 
Sprache (bejte Ausg. von Zupitza, Berl. 1880). Etwa 
gleichzeitig mit Uelfric verfaßte Wulf itan feine Ho- 
milien, fo die berühmte ⸗Anſprache an die Englinder« 
(»Sermo lupi ad Anglos«), worin er in lebbafter, 
halb poetifcher Sprache die durch die däniſchen Cinfalle 
verurjadte Demoralijation Englands fdildert (Mus- 

abe begonnen von A. Napier, 1883). Bon Widtigfeit 
ijt eine dem 10.—11. Jahrh. angehörige Uberjegung 
ber Evangelien (Hrsg. von Kemble-Hardwid und 
Sfeat, 1858 ff.; zuſammengeſtellt mit der ded Ulfilas, 
Wiclif und Tyndale von Bosworth, 1865). Wujer- 
dem beſitzen wir nod einige Heiligenlegenden, Homi- 
lien, eine Überſetzung der Venediftinerregel, Nach— 
ridjten über die ajtronomijden, phyjifalijden und 
mediziniſchen WUnjidten jener Zeit (geſammelt von 
Wright in »Popular treatises of science«, 1841; 
Codayne in »Anglo-Saxon leechdoms«, 1864 ff.), 
endlid), als Vorboten einer neuen, romantifden Zeit, 
Überſetzungen des Romans » Apollonius von Tyrus« 
und der Briefe Wleranders d. Wr. tiber die »Wunder 
des Ojtens«. 

Diejen Schriftdenfmilern in we jtfadfifder 
Mundart jtehen wenige fentijde und anglijde gegen- 
über, meijt Interlinearüberſetzungen und Glojjen. 
Dbwobl die angelſächſiſche Poeſie anfangs hauptſäch— 
lid) im Norden bliihte, find dod) infolge der Dänen— 
verheerungen die poctijden Denkmäler fajt alle nur 
in ſpäter, ſüdlicher Umſchrift erhalten. 

Vgl. außer den oben angeführten Werklen von Grein: 
Biilter, Grundrifs gue Geidichte der angelſächſiſchen 
Literatur (Leip;. 1884, alljährlich fortgejegst im »Dah- 
resberidt fiir germanifde Philologie«); die vorzüg⸗ 
lide gufammenbhingende Darjtellung von ten Brink 
(Bd. 1 der -Geſchichte der englifden Literature, Bert. 
1877); Broofe, History of early English litera- 
ture (ond. 1892). Bon Lefebiidhern find erwahnens- 
wert: Sweet, Anglo-Saxon reader (7. YWujl., Lond. 
1894); Rirner, Einleitung in das Studium ded 
Angelfächſiſchen, 2. Teil (Heilbr. 1880, hauptſächlich 
zum Selbjtjtudium); Wülker, Kleinere angelſächſiſche 
Dichtungen (mit Wörterbuch, Halle 1882); Kluge, 
Angelſächſiſches Leſebuch (2. Aufl., daſ. 1897); Zu— 
pitza, Alt- und mittelengliſches Ubungsbuch (6. 
Aufl. Wien 1901). Wiles, was in Aufzeichnungen des 
7.—9. Jahrh. vorliegt, mit Ausnahme von Alfreds 
»Cura pastoralis« und Drojius, bat Sweet in »Oldest 
English Texts« (Lond. 1885) gejanimelt. 

Angélus (lat.), Engel, Bote, Geſandter. A. Dei 
s. Domini, in Der fatholtiden Kirche das Gebet, wel- 
ches mit den Worten »>A. Domini nuntiavit Mariae« 
(»Der Engel des Herrn bradjte der Maria die Bot- 
{daft<) beginnt. Angelusläuten, das Abendläu— 


518 


ten, weil ¢3 gum Gebete de3 A. Dei auffordern foll. 
Ungelusablaf, der mit jenem Gebete durch Papſt 
Yobann XXIT. 1326 verbundene Ablaß. 

Angelus Silefins, ſ. Scheffler (Johann). 

Angely, Louis, Lujtipieldidter, geb. 1. Febr. 
1787 in Leipsig, geit. 16. Rov. 1835 in Bertin, wurde 
Sdhaufpieler und unter Kotzebue Theaterfetretir in 
Riga, dann am deutfden Theater in Petersburg, war 
jeit 1822 in Berlin tätig und erntete hier reichen Bei- 
fall als Romifer am neuerridteten Königsſtädter Thea- 
ter; 1830 30g er fid) von der Bühne zurück. A. ijt Ver- 
faſſer der unzähligemal gegebenen Stiide: »Schiiler- 
jcwiinte<, »Die beiden ——— »Wohnungen zu 
vermieten«, » Sieben Mädchen in Uniform·Das Feſt 
der Handwerfer« und » Die Reife auf gemeinſchaftliche 
Rojten«, die ex grdptenteils nad franzöſiſchen Lujt- 
fpielen mit vieler Gewandtheit lofalifierte. Geſammelt 
jind feine Werfe als »BVaudevilles und Lujtipiele« 
(2. Ausg., Berl. 1842, 4 Bde.) und als ⸗Neueſtes 
fomifcdes Theater« (Hamb. 1836—41, 3 Bde.); die 
uteiften aud) in Reclams Univerfalbibliothet. 

Angenehm heißen im Gegenfage zum Schönen 
(f. Schon) die Gegenſtände des rein ſinnlichen Wohl⸗ 
gefallens. 

Anger, in der Regel beweidete Grundjtiide und 
meijtens folde, die ehedem Gemeindecigentum waren 
und nidt verteilt oder im einzelnen verpadtet wurden. 
Oft bepflanzt man die U. mit Obſtbäumen, die cinigen 
Ertrag abwerfen und die Beweidung nicht beeintrad)- 
tigen. Auch heißt A. jeder —— mit Gras bewach⸗ 
fene Platz innerhalb eines Ortes. Bal. Yue. 

Angera (ivr. andtgeea), Flecken in der ital. Provin; 
Como, Kreis Vareſe, am Ojtufer de3 Lago Maggiore, 
mit altent Schloß und (1901) 2683 Einw. Danad ijt 
Der Geſchichtſchreiber Petrus Martyr (j. d.) benannt. 

Angerapp, Fluß in Oſtpreußen, kommt aus dem 
Mauerſee, nimmt rechts dieGoldap und oberhalb Jn- 
fterburg die a auf, um unterhalb Ynfterburg mit 
Der Inſter den Pregel zu bilden. Sie ijt 144 km lang. 

Angerburg, Kreisſtadt im preuß. Regbez. Gum- 
binnen, an der Angerapp, ndrdlid) vom Mauerfee und 
an der Staatsbabniinie Gerdauen-Goldap, hat cine 


evang. Rirde, Schullehrerſeminar, landwirtidaftlicde | 


Winterfdule, Taubſtummenanſtalt, gräflich Lehndorff⸗ 
ſches Feierabendhaus, Krüppelheim, Amtsgericht, 
Dampfmühlen, Maſchinen- und Ofenfabrifation, 
Korbflechterei x. und (1900) 5034 meiſt evang. Ein— 
wohner. In der Nähe das ehemalige vom Deutſchen 
Orden 1312 erbaute Schloß Angetete. Die Stadt 
iſt 1335 * worden. Vgl. Braun, Geſchichte 
der Stadt und ded Kreiſes A. (Lyd 1887). 
MAngerer, 1) Karl, geb. 1838 in Wien, erlernte die 
Lithographie und Buchdruderei, bildete ſich in allen 
—— Fächern aus und arbeitete als Graveur, 
Kupferſtecher, Chromograph in den bedeutendſten An⸗ 
ſtalten Deutſchlands, Hollands und Frankreichs. Er 
befaßte ſich dann beſonders mit chemigraphiſcher Zink⸗ 
ätzung und begründete 1870 die photochemigraphiſche 
Kunſtanſtalt C. Angerer u. Göſchl in Wien, die cine 
der größten diefer Urt iſt und feit dem Tode Göſchls 
von Sarl A. und feinem Sohn Ulerander geleitet wird. 
Durd feine hervorragenden Neuerungen auf dem Ge- 
bicte Der Reproduftionstednif wirfte A. babnbredend 
fiir die geſamte moderne Budhilluftration. Er ſchrieb: 
» Die Entwidelung der Hochätzkunſt · (in Eders ⸗Jahr⸗ 
buch fiir Photographic u. Reproduftionstednif<,1889). 
2) Ludwig, Begriinder einer photographifden 
Unftalt mit Kunftverfag im Wien (1857), der 1861 
fein Bruder Viktor beitrat. Diefer war einer der 


Angelus Silejius — Angers. 


erjten, die die Mlitide Heliograviire fiir den Kunſt⸗ 
verlag verwendeten. Nad) dent Lode der Brüder be- 
trieb Bittors (qejt. 1894) Schwiegerſohn J. Blechinger 
die Heliograviire weiter, vervollfommte namentitd 
die Farbenheliograviire und griindete die beliogra- 
phiſche Runftanjtalt Bledinger u. Leylauf im Wren. 
Augergras, j. Poa. 
Angerling, |. Champignon. 
ugerman: Gf (jr. onger), Fluß im nördlichen 
Schweden, ent{pringt auf dem hoben Severiiden an 
der norwegifden Grenje in zwei Hauptarmen, die ſich 
bei Sollefted in Wejternorriand vereinigen. Er durd- 
ſtrömt in ſüdöſtlicher Ridhtung Wejterbotten, Jemtland 
und Gngermantand, bildet mehrere Seen, erweitert 
ſich beim Hafen Nyland gu einem 37 km langen Meer 


bufen und * ſich unweit Hernöſand in den Bott⸗ 
niſchen Meerbuſen. Er ijt bis Sollefted, 90 km von 


der Mündung, ſchiffbar. Stromagebiet 32,620 qkm, 
davon 1520 qkm in Norwegen. 

Angermanland (fpr. énger-), eine der ſchönſten 
Landfdaften Schwedens, am untern — in 
Norrland, 20,747 qkm, wovon 1038 qkm Seen, jegt 
mit der Landſchaft Medelpad gum Lan Wejternorr- 
land (j.d.) vereinigt, ijt ein reichbewãſſertes, maleriſches 
Gebirgsland. Die bedeutendjte Stadt ijt Herndjand. 

Angermund (WU. und Rahm), Gemeinde im 
preuß. Regbez. und Landfreis Düſſeldorf, an der An: 
ger und der Staatsbahniinie Köln-Duisburg, hat eine 
romanifde fath. Rirdhe und (1900) 1423 Cinw. 
| Angermiinde, Kreisſtadt im preuß. Regbez. Rots 
' Dam, an cinem See, Rnotenpuntt der Staats linien 

Jepnid-Ldermiinde, U.-Stralfund, W.-Freienwalde 
und U.-Sdwedt, bat 3 evang. Rirden, höhere Kna— 
| benfdjule, Amtsgericht, Eiſengießerei, Cnaillierwert, 
| Runjtdrechflerei und (1900) mit Garnifon (ein Bat. 
Jnfanterie Nr. 64) 7465 meijt evang. Einwohner. — 
A. (urſprünglich New- VW.) erfideint ſchon 1284 als 
Stadt. Hier 27. März 1420 Sieg des Kurfiiriten Fried- 
rid) I. von Brandenburg iiber die Pommern. Ral. 
Ihlenfeldt, Chronif der Stadt A. (Angerm. 1893). 

Angern, Bolf, ſ. Ungrivarier. 

Angerredt , |. Yuenredt. 

Angers (jor. angio, Hauptitadt des frany. Depart. 
Maine-ct-Loire, an der Maine, Rnotenpuntt der Ore 
léans⸗ und der Weſtbahn, 47 m it. ML, zerfallt in die 
Wltitadt am linfen Flußufer, teilweife nod) mit engen, 
ſteilen Straßen und altertiimliden, ſchiefergededten 
Häuſern, und die Vorſtadt (Doutre) am rechten Ufer. 
Die merkwürdigſten Gebäude find: die gotiſche Rathe- 
drale (1140 beqonnen) mit zwei gotiſchen und einem 
Renaijjanceturm, das hodgelegene alte Schloß (jest 
Pulvermagajzin) mit 17 Tiirmen, das Rathaus, dre 
Präfeltur (ehemalige Wbtei), die beiden Wufeen und 
der moderne Juſtizpalaſt. Wn Denkmälern beſitzt A. 
Die Des Königs René und des Bildhauers David d'An⸗ 
gers. Die Stadt zählte 901) 80,548 (als Gemeinde 
| 82,398) Einw., welche Fabrifation von Leiruwand, 
Wollen- und Baunwwollenftojfen, Segeltud, Wetall- 
waren ꝛxc., Handelsqirtnerei, Handel mit Getreide, 
Mehl, Bemitjen, Ben, Baumwollenwaren und Sdie- 
‘fer betretben. In der Umgegend bedeutende Schiefer⸗ 
brüche. YL hat ein Lyzeum, ein theologifdes und ein 

Vebrerjeminar, eine freie fath. Univerfitat mit dret 
Fafultiten, eine Borbereitungsidule fiir Medizin, 
Runjt- und Gewerbefdule, ein Gemalde- und Stulp⸗ 
turenmuſeum (lesteres mit Werfen von David), em 
archãologiſches Mufeum, Naturalienfabinett, botani- 
iden Garten, eine Bibliothef von 40,000 Banden, cin 
Theater und ijt Sig ded Prifetten, eines Biſchofs, eines 











Angerftein — Angiologie. 


VUppellhofs und eines Handelsgeridts. — A. einjt die 
Hauptitadt der alten Andegaven, hieß ſeit Cajar Ju- 
liomagus und birgt nod) mand Ultertiimer aus rö⸗ 
mifder Zeit. Es ward dann Hauptitadt der Grafſchaft 
Unjou und hatte bis zur Revolution eine von Lud- 
wig IX. 1246 gejtiftete berühmte Univerfitit, die 1685 
einging. Mehrere allgemeine Kirchenverſammlungen 
wurden in UW. abgehalten. Am 18. Sept. 1793 fiegten 
hier die Royalijten unter Charette über die Republi- 
faner unter Sti¢ber und befegten die Stadt, wurden 
aber ſchon 4. Dez. d. J. wieder vertrichen. 

Angerftein, Eduard Ferdinand, um das deut- 
ſche Turnweſen verdienter Arzt, geb. 1. Sept. 1830 
in Berlin, gejt. dafelbjt 23. Juli 1896. Er verdffent- 
lidte einen »Ruf zum Turnen« (Berl. 1859) und 
nahm als Vorſitzender des die Berliner Turnvereine 
vereinenden Berliner Turnrats den Kampf gegen die 
Ling -Rothitemide Gymnaſtik auf. 1864 zum jtadti- 
ſchen Oberturniwart ernannt, ftand er insbej. dem 
Schulturnbetrieb in der auf feine Unrequng erbau- 
ten größten deutſchen Turnhalle in der Pringenjtrake 
vor. Auch leitete er die Fortbilbung von Turnlehrern, 
jtand 1863 — 74 an der Spige der von ihm mit- 

egriindeten Berliner Turnerjdaft und jtand lange 
at veridiedenen Turnlehrerverciniqungen vor; war 
aud) ir des Ausſchuſſes der Deutiden Turner- 
ſchaft. ſchrieb unter anderm das ⸗Theoretiſche 
Handbuch fiir Turner, zur Einführung in die turne- 
riſche Lehrtitigfeit« (Halle 1870), und mit G. Edler 
zuſammen die »Hausgymnajtit fiir Gejunde und 
Rranfes (Berl. 1887, 21. Uufl. 1901) und »Haus- 
gymnaſtik fiir Madden und Frauen« (11. Wujl., daf. 
1899). Bal. Euler, E. A., ein Lebensbild (Berl. 
1897). — Wud) fein jiingerer Bruder, Wilhelm 
Emil W., geb. 20. Ung. 1835 in Berlin, geſt. dafelbjt 
30. Upril 1893, hat fic) auf dem Gebiete der Turn- 
funjt betitigt. Er ſchrieb unter ander: »Anleitung 
aur Cinridtung von Turnanftalten fiir jedes Ulter 
und Geſchlecht⸗ (Berl. 1863); »Friedr. Ludw. Jahn, 
cin Lebensbild fiirs deutide Volf« (2. Aufl., daf. 1863). 

Angerweide, ſ. Koppelweide. 

Angefduldigter, j. Beiduldigter. 

Angeficht, |. Geſicht. 

Angefteliter ijt derjenige, der von einem andern 
zur Bornahme einer omnis Titigteit bejtellt wird. 
Der Willensatt, der die Übertragung diefer Tätigkeit 
zum WUusdrud bringt, heißt Anſtel lung. Bei öffent 
licher Anſtellung iſt dieſer Willensalt ein einſeitiger 
ſtaatlicher Hoheils- und Verwaltungsakt, bei privater 
Anſtellung ein privatrechtlicher Dienſtvertrag, dement- 
ſprechend unterſcheidet man auch öffentliche Üngeſtellte 
(Beamte) und private Angeſtellte. Die Verhältniſſe 
der erjtern find in den einſchlägigen Beamtengeſetzen 

eregelt, die der letztern durch Das bürgerliche Recht. 

zon befonderer Wichtigkeit ijt die Haftung ded Ge- 
ſchäftsherrn fiir Den Schaden, den feine Ungejtellten 
in Ausübung ihrer geſchäftlichen Verrichtungen ver- 
urſacht haben. Das Bürgerliche Geſetzbuch (§ 831) 

eht mit Dem gemeinen und preußiſchen Redte von 
cas Grundſatz aus, dak der Wuftraggeber als folder, 
abgejehen von der Auswahl einer ungeciqneten Ber 
fon, fiir die von den bejtellten Perſonen in Ausfüh— 
rung des Uuftrags beqangenen Schadenszufügungen 
nur inſoweit zu hajten hat, als er bei der ihm obliegen- 
den Aufſichtsführung oder oat lig Rasy Vorrich⸗ 
tungen und Gerätſchaften gefehlt hat. Cine juriſtiſche 
Selon dagegen haftet nad einer Entſcheidung des 
— oberſten Landesgerichts vom 16. Jan. 1902 
(» Redht«, 6, S. 291, Rr. 1408) fiir unerlaubte 





519 


Handlungen und Unterlajfungen ihrer Ungeftellten 
außerhalb eines Vertragsverhaltnijjes nur dann, wenn 
fie wirflide Willensorgane und nidt bloße Gebilfen 
desfelben find. Bezüglich des Wirkungskreiſes der An— 
—— beſtimmt § 56 des deutſchen Handelsgeſetz⸗ 
uches, daß Angeſtellte in einen Laden oder in einem 
offenen Warenlager als ermiidtigt gu Verkäufen und 
Empfangnahmen (Zabhlungen), die in dieſem Betrieb 
üblich find, gelten. Die unbefugten Mitteilungen von 
Geſchäfts oder Betriebsqeheimnifjen feitens UW. wäh— 
rend ibrer Dienſtzeit an Dritte zum Hwee des Wett« 
bewerbes oder sum Sdaden des Gejdhaftsherrn wird 
nad § 9 des Wettbewerbgejeses mit Geldjtrafe bis zu 
3000 WE. oder mit Gefängnis bis zu einem Jahr be- 
ſtraft. Schließlich ijt nod) zu erwähnen, daß Ungeitellte, 
deren Jahresverdienſt 2000 MF. nicht überſteigt, und 
Die nicht in Apothelen als Gebilfen oder Lehrlinge be- 
ſchäftigt find, unter den Verſicherungszwang des In— 
validenverſicherungsgeſetzes (§ 1) fallen und nad 881 
des Gewerbegeridhtsgefepes, mit Uusnahme der im 
Apotheker⸗ und Handelsqewerbe Ungejtellten, dem Ge- 
werbegericht unterjtehen. S. aud) Haftpflidt. Bal. 
Brand, Reichsbeamtengeſetz (Berl. 1902); Urndt, 
Staatsrecht des Deutſchen Reiches (daſ. 1901). 
Angeftiiedt heißt in der Heraldif eine Figur (Sdil- 
deshaupt, Balfen, Pfahl u. dql.), die als Wetall auf 
Metall oder als Farbe auf Farbe geſetzt ijt. 
Angevin (franz., fpr. angtd’ wang), aus Angers, aus 
Unjou (j. d.); auf die Plantagencts bezüglich. 
peared ewende,Gewendes 
ſtoß, Randbeet), Uderteil, auf den beim Ackern die 
Bugtiere umwenden, ohne die Feldgrenzen gu iiber- 
ſchreiten; fie werden zuletzt fiir ſich beackert und bejtellt. 
Angiéttafie (qried.), Erweiterung der Gefäße, 
inSbej. foviel wie Aneurysma (ſ. d.). 
Angiehen, ſ. Pflanzenpflege. 
Angilbert, Gelehrter und Vioier, geb. um 740, 
gett 18. Febr. 814, ward am friinfifden Hof erzogen, 
egleitete 782 Karls d. Gr. Sohn Pippin als primi- 
cerius palatii nad) Stalien, ward darauf wiederholt 
ju Gefandticdaften verwendet und 790 zum Abt von 
Centula (St.-Riquier) in der Picardie ernannt, lebte 
aber nad) wie vor meijt am Hofe Karls, deſſen Tod= 
ter Berta ihm als feine Geliebte awei Signe, Harnid 
und Rithard (j. d.), gebar. Vermutlich hat dies BVer- 
haltnis den Anlaß gu der Sage von Eginhard und 
Emma (jf. Einhard) gegeben. Von feinen lateinijden 
Medichten find mebhrere lyriſche erhalten; aud) das 
Bruchſtück eines Epos iiber Karl (536 Verſe, in Mignes 
»Patrologia« , Bd. 99) wird ihm zugeſchrieben. 
Angina (lat.), Engigfeit, Beflemmung, befonders 
Engigfeit im Sdlund und Kehlkopf, wobei durch Er- 
ſchwerung der Atmung Blau- oder Braunfairbung 
des Gefichts eintritt. Jn der wijfenidaftliden Medizin 
wird A. gewöhnlich fiir Entzündungen der Rachen— 
organe gebraudt (A. catarrhalis, follicularis, ton- 
sillaris). A. Ludovici, eine ſchwere EntjiindDung ded 
Bodens der Mundhöhle; A. pectoris, bei Herzkran⸗ 
ten vorlommende Ungjt- und Beklemmungszuſtände. 
Val. Bräune. 
ngto... (v. gried). angeion oder angos, Gefaj), 
in Zuſammenſetzungen: die Gefäße de3 tierifdjen Kör⸗ 
pers betreffend. 

Angiograph (qried.), von Landois angegebenes 
Inſtrument sur graphiſchen Regijtrierung des Pulſes. 
Angivitis (qried.), Entziindung der Gefäße. 

AUngiotarp, j. Fledten. ‘ 
Augiologie (griech.), Gefäßlehre (ſ. Gefäße), ein 
Abſchnitt der Anatomie. 


520 


UAngioma (griedh., Ge fia 
ſchwulſt, die weſentlich aus 
fides A.) oder aus Lymphraumen (Lympbangi- 
oma) befteht. Die blutfiibrenden Neubildungen ind 
fladjenartige Hautmiiler (Teleangitttafie), beſon— 
ders an Stirn und Wangen, fogen. Feuermiler, oder 

rößere pulfierende Knoten in der Haut, feltener in der 
teber. Das A. Der Lymph wege fommet in der Haut 
und namentlid als Mafrogt of ie in Der Junge vor. 

Angion (qriech.), Gefäß (|. Gefafe). 

Angionenrofen (qried.), funttionelleErfrantung 
der Gefäßnerven, die ju voriibergehenden Störungen 
in der Blutverteilung fiibren (3. B. habituelle Kalte 
der Hinde und Füße, die Wallungen zum Ropfe). Die 
übermäßige Erweiterung oder Verengerung der Blut- 

efiije bet den U. iſt häufig mit unangenehmen Emp- 
findungen, ja fogar direft mit Schmerz verbunden. A. 
fommen als Teilerſcheinung allgemeiner Neurajthenie 
vor, aber aud) als felbjtindige Rranfheitsbilder. Als 
folde redynet man die Raynaudide Rranfheit oder 
fymmetrijde Gangrän, das afute angioneurotifde 
Odem, die anfallsweije auftretende Gelenkwaſſerſucht 
und die Erythromelalgie. 

Angioneurofin, joviel wie Nitroglyzerin. 

Angioptéris Hoffm., Gattung der Farne aus der 
Familie Der Warattiageen, mit wenigen in Ojtindien 
und Lolynefien heimiſchen Arten; man kennt Stämme 
von 2m Umfang und Wedel von mehr als 5m Lange. 
A. evecta Hoffm., wird in Warmhäuſern fultiviert. 

Angiorrhéeris (griech.), Blutgefäßzerreißung. 

Angiovjarfom( qricd.), bösartige Gefäßgeſchwulſt. 

Angioſpeérmen (griech., Bedecktſamige), die 
Geſamtheit der Blütenpflanzen, bet denen ſich die 
Samenantlagen in Der Höhle des Fruchtknotens, eines 
aus verwachſenen Blittern gebildeten, ringsum ge- 
ſchloſſenen Behalters im Zentrum der Bliite, befinden. 
Sie treten zuerſt in der Rreideformation auf, werden 
im Tertiär ſehr viel haufiger und bilden jest mit gegen 
100,000 Arten die größte Lbteilung des Pflanzenreichs. 

Angiospermia, Ordnung der 14. Klaſſe des 
Linnéiden Pflanzenſyſtems, beqreift die didynamiſchen 
Pflanzen, deren Samen in Kapfeln eingeſchloſſen jind, 
im Gegenfage ju der Ordnung Gymnospermia. 

Angioftenofe (qriec).), Verengerung der Gefiipe. 

Angiotomie (qried.), das hanitqemape Auf- und 
Beridneiden der Gefäße. 

Ang-Khak, cin in China, befonders in der Pro- 
vin; Nanton, hergejtellter und gum Färben von Nah 
rungsmitteln benugter roter Farbitoff, wird durd 
Rultur eines Biljes Monascus purpureus Went. auf 
qefochtem nnd zerriebenem Reis erhalten, erfdeint im 
auffallenden Licht grünlich und kommt als Pulver oder 


— tio, eine Ge- 


in Mejtalt purpurfarbener Reiskörner m den Handel. | 


Angfor (Ongkor), Hauptort der gleichnamigen 
Provinz von Siam, an einem 14 km unterhalb in 
den grofen See Tonle-Sap miindenden Flug, Sit 
des Mouverneurs. Unweit ſüdlich Die beriihmten 
Ruinen A.Vat (Nafhon- Bat), cin Tempelflojter 
von 3,5 km Umfang mit gewaltigen Dom der unter: 
qeqangenen großen Stadt Nakhon-Tom, deren 
von einer 10 m hoben, 13,6 km langen Mauer um 
qebene Ruinen nut 5 phantajtiiden Toren vielleidt 
aus dem 14. Jahrh. ſſtammen. Der Tempel war das 


Nationalheiligtum fiir Rambodida und jtarfbefud): | 


ter buddhijtiider Wallfabrtsort. Bol. Delaporte, 
Voyage au Cambodge. L’architecture khmer(ar. 
1880); Fournerecau, Les ruines d’A. (daf. 1890); 
Dericibe, Les ruines khméres (daf. 1891); Tiffan- 
Dier, Cambodje-Java. Ruines khméres (Daf. 1896). 





Angioma — Anglikaniſche Kirche. 


Anglaife (franj., for. angglaf) ijt der ältere fran- 


lutgefäßen (eigent- zöſiſche Name des jest meiſt Francaijfe genannten 


Kontertanzes (ſ. d.), doch wird der Name VW. aud 
allerlei andern englijden Tänzen beigelegt. 

Angler, Fiji, ſ. Seeteufel. 

Anglerius, ſ. Ketrus Martyr von Yingleria. 

Anglefey Wnglefea, for. anggigsi, »Ynfel der 
Angler«), brit. Inſel im Iriſchen Weer (fF. Karte 
»>England u. Wales«), an der Nordküſte des Fürſten⸗ 
tums Wales, pon dem fie Durd) die von zwei Britden 
iiberjpannte Menaijtraje (f. d.) getrennt wird, bildet 
cine befondere Grafidaft und umfaßt 783 qkm (14,2 
OW.) mit (1901) 50,590 Einw. (64 auf 1 qkm). Die 
Inſel ijt fajt völlig flad. Jn der Mitte zieht von O. 
nad W. eine Hügelreihe mit dem Parysberg (140 m), 
deſſen friiher ‘cbt reiche Rupferqruben immer nod 
wichtig find. Dict an der Weiticite liegt die Inſel 
Holyhead (jf. d.). Hauptitadt der Grafſchaft VW. tit 
Beaumaris. YW. ijt die Inſel Mona des Tacitus 
und war Der erjt nad hartnäckigem Widerjtand 64 
n. Ebr. bezwungene Hauptherd der nationalen und 
religtdfen Gegenwehr gegen die römiſche Offupation 
Britanniens. Der Sachſe Egbert nabm im 9. Jabrb. 
die Inſel in Beſitz, verlor fie aber wieder an die Füt 
jten von Nordwales, deren Herrſcherſitz fie blieb, bes 
Eduard J. Wales unterwarf. 

Anglefer (jor. angg’w), Henry Billiam BRaget 
Carl of Urbridge, Marquis von, engl. General 
und Staatsmann, geb. 17. Mai 1768, geft. 28. April 
1854, fodjt 1794 in Flandern, 1799 in Holland und 
ward 1802 General. Als Lord Paget Anführer der 
britiſchen Refervetavallerie, focht er ſeit 1808 auf der 
Pyrendifden Halbinjel, wo er fic) durch die Dechung 
des Rückzuges des Generals Moore, den Sieg bei Bena: 
vente und die Gefangennahme des Generals Lefebre: 
Desnouettes auszeidnete. Durd) den Tod feines Ba- 
ters 1812 Graf von Uxbridge, fommandierte er bei 
Waterloo die britifde Ravallerie und verlor cin Bem, 
wurde aber Durd) die Ernennung jum Marquis von 
YW. und den Dank des Barlaments belohnt. Unter 
Canning war A. Generalfeldjeugmeijter und 1828 
Vizelönig von Irland. Hier lehnte er kleinliche Maß 
regeln gegen die Ratholifen ab und ſuchte den Bartei- 
hay im Lande ju mildern. Deshalb von Wellington 
abberufen, iibernahm er 1831— 33 unter Greys 
Miniiterium abermals die Verwaltung Irlands, wo 
er Die Durd) Die Ugitationen O'Connells erſchütterte 
Rube heritellte. 1846 ward er Feldmarſchall und iiber- 
nabm 1846-52 abermals das Umt des Generalfeld- 
zeugmeiſters. 

Anglefit (Bleivitriol, Vitriotbleiers), Mi- 
neral, Bleifulfat PbSO,, findet ſich in rhombtiden 
Nrijtallen einzeln aufgewadjen oder in Druſen, tit 
wajjerbell, farblos, aud grau, gelblid, braun, dDurd- 
ſichtig oder Durdicheinend, mit Diamant- oder Fett 
glanz, Harte 3, ſpez. Gew. 6,3; gewöhnlich im den 
obern Teufen der Bleierzlagerſtätten als Zerſetzungs 
produft des Bleiglanzes, fo befonders fdhin bei Baden: 
weiler, auf der brittiden Inſel Angleſey (Daber der 
Name VW.) und am Monte Poni auf Sardinien. 

Angleterre (fran}., for. angglitée’), England. 

Anglia (neulat.), Gn land. 

Anglifanifde Ri (Unglofatholifde 
Kirde, Established Church of England), die Staats- 
firche in England, die hinſichtlich Der Lehre den re- 
formierten Nirden beizuzählen tft, in Qultus und 
Kirchenverfaſſung aber zwiſchen Katholizismus und 
Protejtantismus die Mitte halt. Dieſe ibre cigentiim- 
liche Stellung erflirt fic) aus Der Urt und Weiſe ihrer 


Anglikaniſche Kirde. 


Entjtehung. Die Reformation Englands ijt nidt wie 
Die deutſche aus ciner religidfen Bewequng des Bolles 
hervorgegangen, an deren Spige fid) Dann die Großen 

ejtellt batten, fondern der Brud) mit Rom war die 
Folge ded launenhaften Cigenwillens eines tyranni- 
iden Königs. Erſt als fid) unter den Nadfolgern 
desfelben jeigte, wie eng die politijde mit der reli- 
giöſen Freiheit verbunden fet, wurde im Kampf mit 
politifder Willkür der englifde Vollsgeiſt eng an den 
Protejtantismus gefettet. Borbereitet war zwar aud) 
bier die Reformation, teils Durch Wiclif und die Lol- 
larden, teils Durch die Humanijten. Gleidwobl blieben 
alle reformatorifden Bewegungen fo lange vergeblicd, 
als nicht die politiſche Gewalt des Staates ſich mit ihr 
verbunden hatte. Heinrich VILL, der das Band mit 
Rom zerriß, war ſeiner ganjen Denfweife nad der 
römiſchen Lehre jugetan, wie er denn nidt allein die 
protejtantijd) Gejinnten in feinent Lande verfolgt, 
fondern aud) durch cine Streitſchrift 


Den Ehrentitel cines Beſchützers des Glaubens erwor- 


ben hatte. Erſt als der ‘Bapjt feine Ehe mit Katha: | 


rina von Uragonien nidjt auflöſen wollte, lie der 
König vom Parlament die Rechte des Papſtes ver- 
nidten und flo 1532 ohne päpſtliche Dispenfation 
jeine Ehe mit Unna Boleyn. Wis der Papſt 1534 
den Bann iiber ihn ausfprad und 3. Rov. d. J. die 
Suprematsafte den Konig gum Haupte der englifden 
Kirche madte, 1536 —40 die ſämtlichen Klöſter und 
Ubteien unter Cinjiehung ihres Vermögens auf- 
qehoben wurden, ward der Brud mit Rom zur Tat- 
jade. Dod blich die neufonitituierte Kirche ihrem 
Weſen nad in Rultus und Lehre fatholijd, und nur 


in wenigen Puntten fonnten der evangelijd) gejinnte | 


Erzbiſchof Cranmer und der Staatsfefretir Cromwell 
fiir eine vermitteinde Auffaſſung Raunt gewinnen. 
1539 bedrobten die feds Blutartifel mit dem Tode 
jeden Unqriff auf die Lehren von der Transjubjtan- 
tiation und der Relchentziehung, dem Zolibat und der 
Unauflöslichkeit des Keuſchheitsgelübdes, Der Ohren— 
beichte und den Seelenmeſſen. Noch 1547 erneuerte 
der König das Verbot der Bibel. Erſt unter Eduard VL, 
fiir Den Der der Reformation günſtige Herzog von 
Somerjet die Regentſchaft führte, durften die unter 
Heinrid) Verbannten guriidfehren. Auch wurden aus- 


ländiſche Gelehrte, wie Martin Bucer und Fagius aus | 


Strakburg, berufen, unter deren Beihilfe die Liturgie 
eändert ward. 1549 wurde das Ubendmabhl unter 


eiderlei Geſtalt eingeführt und die Briefterehe qeftattet. | 
Das von Cranmer entworfene allgemcine Gebetbud 
urd) den Einfluß 
des Wuslandes empfing die a. K. Den reformierten | 


erhielt 1549 kirchliche Santtion. 


Charatter, der ſchon in der Revijion des allgemeinen 
Gebetbuches und in dem Glaubensbefenntnis der 42 
Urtifel von 15562 fic) deutlich ausipridt. Die Herr- 
fchaft der fatholijden Maria (1553-—58) bradhte eine 


furje blutige Reaftion des Katholizismus. Bald nach 


Elijabeths Thronbejteiqung aber ward 1. Febr. 1559 
die Suprematie der Nrone wiederhergeftellt, im felben 
Jahre wurde das revidierte Gebetbuch eingefiibrt, und 


mit der Feſtſtellung der »39 Urtifel « (1563, bes. 1571), | 


der Einfithrung des neuen Katechismus und einer re- 
vidierten Vibeliiberjesung war der Bau der engliſchen 
Staatsfirde vollendet. Derjelben zufolge erſchien je- 
der kirchliche Ungehorſam als Inſubordination und 
Hochverrat, und die Geſetzgebung der letzten Jahre 
Eliſabeths wandte ſich nicht bloß gegen die Katho— 
lilen, ſondern aud gegen die Presbyterianer und Pu⸗ 
ritaner, die an dem Ritual und der Hierarchie Anſtoß 
nahmen, wie gegen andre unter den Namen Non— 


geaen Luther fic | 


521 


| fonformijten oder Diſſenters, Jndependenten (f. diefe 
| Urtifel) x. zuſammengefaßte Seften. Safob L gab 
| alles Rirdengut in dem unterworfenen Jrland dem 
aufgezwungenen anglifanijden Stlerus, obwobl das 
| Zand fatholijd) blieb. Die Bedriidung der Katho— 
liten hatte 1641 das entſetzliche iriſche Blutbad zur 
| Folge, in Dem die Mehrzahl der Protejtanten er- 
| mordet wurde, die iiberlebenden die Inſel verlaffen 
| mupten. Wis aber unter Karl I. durch Erzbiſchof 
Vaud das mit dem politiſchen Abſolutismus verbun— 
dene Pralatentum in Willfiir und Defpotismus aus- 
artete und durch cin ausgebildetes Zeremonienweſen 
Anſtoß gab, rief der Verſuch, die biſchöfliche Kirche in 
Schottland einzuführen, dort 1637 cine Empörung 
hervor. Auch in England verband ſich gleich darauf 
die politiſche mit der firdlidjen Oppoſition und wurde 
1643 Der Presbyterianismus gur herridenden Kirche 
bis zur Wiederherjtellung der Staatsfirde durd) die 
neue Uniformitatsafte von 1662 (fj. Dijjenters). Erſt 
das 19. Jahrh. hat die enge Verbindung von Staat 
und Kirche in England zu lodern vermodt. 

Die innere Verfaſſung der anglifanijden Kirche 
ijt eine rein hierarchiſche. die Geiſtlichkeit bejteht aus 
Biſchöfen, Brieftern und Diafonen (deacons). Unter 
den beiden Erzbiſchöfen von Canterbury (Primas und 
erjter Beer Des Reiches) und von York jtehen 33 Did- 
zeſanbiſchöfe, von denen indes nur 24 im Herrenhaus 
Sig und Stimme haben, und 17 Suffraganbiſchöfe. 
Jedem Biſchof ſteht ein Kapitel (chapter) sur Seite, 
au dem aujer dem Defan (dean) aud) nod Chor- 
Herren (canons), Dontherren (prebendaries), Urdji- 
diafonen (archdeacons) und andre Wiirdentrager 
einſchließlich cines rechtsgelehrten vicar gehiren. Die 
Biſchöfe, die meijten Defane und viele der andern 
Wiirdentraiger werden von der Krone ernannt. Die 
Biſchöfe beziehen einen Gehalt von 1500—15,000 Pfd. 
Sterl. jabrlid), die Defane 500 — 3000 Pfd. Stert. 
Die Pfarreien (benefices, livings) werden von Pa— 
tronatsherren beſetzt. Dieſes Beſetzungsrecht (advow- 
son) wird in Den meiſten Fallen von Privatperſonen 
ausgeiibt, dod wird Der Randidat nur dann vom Bi— 
ſchof in ſein Amt eingefiihrt, wenn er die nötige Dua- 
lififation bejigt. Die Pfründner (incumbents) find 
entiveder rectors, wenn fie im BVollgenuk des Zehn- 
ten und des Ertrags des Pfarrlandes (glebe) ftehen, 
vicars, wenn fie nur den »fleinens Sehnten beziehen, 
oder perpetual curates, die in dotierten Filialfirden 
den Dienjt verjehen. In größern Gemeinden wird 
der Pfarrherr durd) Hilfsgeijtlide (stipendiary cu- 
rates) unterjtiigt. Die Geſetzgebung jorgt dafiir, dak 
die Pfründner wenigitens cinen Teil bed Sabres jelbjt 
| den Gottesdienſt verjehen. Wud) die friiber übliche 
Vereinigung von vielen Pfriinden in einer Hand 
(plurality) ijt eingeſchränkt worden. Daß indes bei 
obwaltenden Berhaltnijjen das Recht der Beſetzung 
(nod bei Lebzeiten cines Pfründners) an den Meijt- 
bietenden verjteigert werden fann, und daß viele reid: 
Dotierte Bfarreien als Ausſtattung in den Beſitz der 
jiingern Söhne der großen Gutsherren und der biſchöf— 
lichen Verwandten gelangen, ijt wohl felbjtverjtind- 
lich. Es gibt zur Bit etwa 23,000 Geiſtliche, amit 
und obne Pfründe, und etiva 14,000 Pfründen mit 
einem Jahreswert von etwa 5 Will. Pfd. Sterl. Die 

Hälfte diefer Pfriinden bringt dem Inhaber unter 
130 Pfd. Sterl. Den Biſchöfen liegt die geſamte innere 
Verwaltung der Kirde ob, auch jtehen thnen dic Dis- 
ziplin und die Gericdtsbarfeit zu. Jedes der beiden 
| Ersbistiimer hat fein House of Convocation, in bem 
| die Biſchöfe, die Defane und Bertreter der Kapitel 











522 


und ber niedern Geijtlidfeit (proctors) Sig und 
Stine haben. Die Beſchlüſſe unterliegen der Ge- 
nehmigung des Barlaments. Das Laienelement wird 
durch einen jabrlid) tagenden Church Congress ({eit 
1868) vertreten. Für die Bildung der Geijtlichfeit 
forgen auger den Univerſitäten nod) 18 theologiſche 
Seminare. 

Die jährliche Gejfamteinnahme der anglifanifden 
Kirche wird auf iiber 12 Mill. Pfd. Sterl. geſchätzt. 
Sie entipringt dem feit 1836 an die Stelle des Zehn— 
ten getretenen Erbzins, deſſen Betrag von fieben zu 
fieben Jahren fejtgefegt wird, liegenden Gütern, an- 

elegtem Kapital, Stolgebiihren, Kirchſtuhlmieten und 
F eitilligen Waben. Die Kirchenſteuer (church rate) 
ijt feit 1868 abgeidafft. YWus den Wnnaten (first 
fruits) werden die Cinnahmen gering dotierter Pfrün⸗ 
den erhöht (jogen. Queen Anne's Bounty, weil diefe 
Bejtimmung jur Zeit der Königin Anna getroffen 
wurde). Sehr bedeutend find die freiwilligen Gaben 
fiir firdhliche und fiir Zwecke der innern und äußern 
Miffion. Die 24 Gefellichaften fiir äußere Miſſion 
haben cine Jahreseinnahme von fiber 500,000 Pfd. 
Sterl. Allein fiir Rirdenbauten wurden 1884—93 
13,500,000 Pfd. Sterl. gezahlt. 

Der Gottesdienjt ijt durd das allgemeine Ge- 
betbuch (j. Book of Common Prayer) genau geregelt 
und zeichnet fid) durch liturgifden Reichtum unter 
allen evangelifden RKulten aus. Die Rredigt tritt hinter 
der Liturgie zurück. Yn der Lehre iſt die a. K. Durdy: | 
aus protejtantijdh; denn die ncununddreifig Ure | 
tifel, das eigentliche Glaubensfymbol, auf das alle | 
Geiſtlichen verpflichtet werden, jtimmen 3. T. wortlich | 
mit den deutſchen evangeliſchen, insbef. reformierten | 
Befenntnisidriften iiberein. Die rein juriſtiſche for- 
melle Unwendung der 39 Urtifel bei Der Bemeſſung 
der Lehrfreiheit der Geiſtlichen hindert aber nidt, day 
aud) in der anglilaniſchen Kirche die verſchiedenſten 
Richtungen fic) geltend maden. Man pfleqt drei. 
Farteien zu unterideiden: Die hochkirchliche Partei 
(High Church Party) halt vor allem an der Ber- 
fajjung und dem allgemeinen Gebetbuch feft. Yus | 
ihr find hervorgeqangen die Rufeyiten oder Traftaria- 
ner, aud) Unglofatholifen oder Ritualijten genannt, 
die, Puſey (7. d.) jolgend, im Ritus und im Dogma 
fic) fehr dem Katholizismus nähern und ihren Vin, 
hang befonders in der vornehmen Welt haben (ſ. Ri- 
tualtitifdjer Streit), Die niederfirdlide Bartei 


Anglijieren 








(Low Church oder Evangelical Party) leqt weniger 
Wert auf Ritus und Verfajfung als auf tatiqes Chri- 
itentum in innerer und äußerer Miſſion. Aus diefer 
Partei ging die 1846 geſtiftete Evangeliſche Al— 
lian (.d)hervor. Xn der Partei der fogen. Breit - 
firdliden (Broad Church Party) ringt eine freiere, 
von deutider Wiffenichaft angereqte Theologie nach 
lirchlicher Anerlennung; ju ihr gehörten Manner wie 
Arnold, Colenfo, A. P. Stanley. Die a. K. beſchränkt 
ſich als Staatskirche auf England, Wales und die Inſel 
Man; doch find aus ihr mehrere Tochterkirchen her— 
vorgegangen. Die proteſtantiſch-biſchöfliche 
Kirche von Irland, 1800 mit der anglilaniſchen 
Rirde als United Church of England and Ireland 
vereiniqt, 3 feit 1871 unabbhangig und bat die 39 Ar— 
tifel in weſentlichen Bunften abgedndert. Sie fteht 
unter 13 Biſchöfen und hat cine Synode, in der neben 
den Bifchdfen und 208 Vertretern der Geiſtlichkeit auch 
416 Laten Sig und Stimme haben. Die Episcopal 
Church in Schottland (7 Biſchöfe) ſowohl als die 
American Episcopal Charch in den BVereinigqten 
Staaten von Nordamerifa, die Church of Canada, 





— Angol. 


die Church of Australia, die Indian Church und die 
Church ofSouth Africa find gleidfalls Todjterfirden, 
aber mit volllommen jfelbjtindiger Verwaltung. Da- 
hingegen ſtehen die Biſchöfe in den Rolonien, die 
Miionsbilddfe in Heidenländern und cine größere 
Zahl unabhängiger ieinden im Auslande nod in 
einigem Zuſammenhang mit der Mutterfirde, die 
ihnen bebdeutende Unterjtiigungen gewährt. Doc rit 
die a. K. in Leiner der Kolonien Staatsfirde und fiebt 
ſich betreffs ihrer Erhaltung fajt lediglich auf die Ber 
jteuer Der Gemeindemitglieder angewiefen. Ville zehn 
Sabre vereinigen fid) die Biſchöfe der anglikaniſchen 
Rirde gu einer — im erzbiſchöflichen Palaſt 
zu Canterbury (ſogen. Lambethkonferenz), an der 
1897: 194 Biſchöfe leilnahmen. Vgl. G. Weber, Ge— 
ſchichte der Kirchenreformation in England (neue 
Ausg., Leipz. 1856, 2 Bde.); L. v. Ranke, Engliſche 
Geſchichte (4. Uufl., daſ. 1877—79, 9 Bde.); Perry, 
A history of the English Church (fond. 1861— 
1864 u. b., 3 Bde.); R. W. Diron, History of the 
Church of England from the abolition of the Ro- 
man jurisdiction (Bd. 1—6, baj. 1878 — 1902, bis 
1570 reichend) ; Malower, Die Verfaſſung der Kirche 
von England (Berl. 1894); Overton, Life in the 
English Church (3 Bde., Yond. 1885, 1887, 1894). 

Anglifieren, ſ. Englijieren. ſratur. 

Anglift, Kenner der engliſchen Sprache umd Lite 

Anglizismus, cine der englijdyen Sprade eigen: 
tümliche Ausdrucksweiſe, die in eine andre Sprady 
iiberqegangen ift. 

AUngloamerifaner, Nadfommen von Cinwan- 
derern aus Grokbritannien, im weitern Sinn aud 
dem » Bereinigten Königreich«. 

Anglofrangzsfifd, |. Unglonormannifd. 

Anglo-indifdes Reich, ſ. Ojtindien. 

Anglomanie, dic übermäßige Bewunderung und 


Nachahmung englifden Weſens. 


Anglonormanne, Pferdeſchlag, |. Pferd. 
Anglonormanniſch, aud Anglofranzöſiſch 


heißt die franzöſiſche Sprache in der Form, in der ſie 


1066 von den normanniſchen Eroberern in England 
eingeführt und dort unter dem Einfluß des Engliſchen 
umgeſtaltet wurde. Die anglonormanniſche Literatur 
beqinnt mit den Geſetzen Wilhelms des Eroberers 
(1070); fie hat im 12. Jahrh. hauptſächlich Chronifen 
und lehrhafte Werke hervorgebradt. Scit 1204, wo die 
Normandie wieder mit Frantfreid verbunden wurde, 
veriwildert das A. raſch und verfchwindet im 14. Sabrh. 
auch aud der Literatur. Rur in Urfunden und Rechts⸗ 
biidjern bat fich diefe Sprache bid ind 16. Jahrh 
erhalten. Bis ing 14. Jabrh. galt jie als Sprache 
des Hofes, bes AdelS, des Rechtswefens und der 
Schule in England, wo daher aud) die Alteiten Lebr- 
biicher Der franzöſiſchen Sprache im 13. Jahrh. ent- 
ftanden find. Bal. Stiirjinger, Orthographia 
gallica (Heilbr. 1884); Sdeibner, Uber Me Herre 
ſchaft der franzöſiſchen Sprade in England (Anna⸗ 
berg 1880); Behrens in Pauls ⸗Grundriß der gers 
manifden Bbhilologie« (2. Wufl., Bd. 1, S. 950 f.). 

Angmagfalif- Fjord, Budt an der Ojttiite 
Grönlands unter 65'/2° nördl. Br.; dajelbit wurde 
1894 der gleidnamige Miffions- und Handelsplag 
erridhtet. 

Angol, Hauptitadt der chilen. Broviny Malleco und 
des Depart. A. (2300 qkm mit (1800) 19,095 Einw.), 
durd Eiſenbahn mit Concepcion und Santiago ver> 
bunden, hat fleine Garnifon, Wajjerleitung, Brane- 
reien und (1895) 7056 Einw. Rabebei Ruinen der 
1553 geqriindeten Stadt Ciudad de los Confines. 


Angola (Stoff) — Angola (Land). 523 


— — Baumwollenſtoff mit 24 Ketten- und 23 | ternde Palmen den tropiſchen Charalter dartun. Auf 
Schußfäden auf lcm. Garne: Kette Nr. 12 engliſch, dem Gavannen finden ſich Eriodendron und bod. 
Schuß Nr. 22 englijd, VBindung Koper */2 | wiidhfige Euphorbiazeen, Proteajcen, Affenbrotbäume, 
gebrodjen. Wollbaume, baumartige Lilien (Vellosia) und die 

An Ola, portug. Kolonie an der Wejt- | eigentümliche Welwitschia mirabilis. Bon wwilden 

Angota- küſte Ufrifas (ſ. Karte »Wquatorialafrita<), | Tieren gibt es Panther, Hyanen, Rrofodile, Flup- 
Gewebe. zwiſchen 6 —17° 51‘ fiidl. Br. und 12—26° | pferde, dagegen haben fid) Löwen, Elefanten, Anti— 
öſtl. L., wird begrenzt im W. vom Utlanti- lopen ing Innere suriidgezogen; Schimpanſe, Paviane 

ſchen Ozean, im RN. vom Kongo und Rongojtaat, im | und andre Uffenarten iommen an vielen Orten vor. 
D. vom Kongoſtaat und Briti}d-Nyaffaland (Mam- | Die Bevölkerung gehört sur großen Vilferfami- 
bundareid)), im S. von Britifd-Betfduanaland und | lie der Bantu und bejteht im S. aus den fogen. Kongo— 
Deutid- Siidwejtafrita. Außerdem gehdrt dazu die | negern, die in eine Menge Stämme jzerfallen, wie die 
€Enflave Kabinda zwiſchen dem Rongojtaat, Franzö⸗ Demtbo, Kaffimba, Bangala, Bondo, Riofo, Tamba- 
ſiſch Kongo und dem Meer. Das Gefamtareat betragt | Malemba, Kalufeme, Bibé, Muforofa, Songo, Vatan- 
1,315,460 qkm mit 4,180,000 Einw. Das Land fteigt | fala, im äußerſten Silden aud) Herero, int SW. Ba- 
von der im N. breitern, im S. ſchmalen, diirren und | rotſeſtämme. Die meijten diefer Völlerſchaften leben 
fandigen Küſtenebene in Stufen ju dem innerafrifani- | nod) vollſtändig nad ihren alten Gewohnheiten unter 
ſchen Hochland an, das nad dem Innern gu fic) all- | ihren Häuptlingen, wie die Gangella und Amboella 
mählich abdadt. Diefe Wajferideide, in ihrem nbrd- | am Oberlauf des Kuito und Nuando u. a., während 
lidjen Teil Cananhagebirge genannt, trennt die gum | die Rabinda, Ambakiſten und Bihenos (⸗Pretos · ge- 
Utlantifden Osean ziehenden Flüſſe Lelundo, Yinbri- | nannt im Gegenfage gu den ungjivilijierten ⸗Negros«) 
zette, M'Briſche, Loja von zahlreichen wejtliden Zu- portugieſiſch |predjen, als Kaufleute und aud als Be— 
üſſen Des Kuango. Sie tritt dann nod weiter nad ©. | amte tätig find. Die Anzahl ſämtlicher Europäer, 
zurück und fällt in dem 1000 m hohen N'Talla Mun- | worunter im SO. ſich viele Buren befinden, beträgt 
— ebirge jteil gegen den obern Ruango ab. Die | 12,285, dod) ijt in diefe Ziffer viel Halbblut eingered)- 
—— ett fisy i weſtwärts gefritmmtem Bogen | net worden; davon leben 6142 in Loanda, 4810 in 
nad S. fort bis gum Hodland von Bihe, von dem nad | Moffamedes, der Reft verteilt fid) auf die tibrigen 
N., S. und O. zahlreiche Gewäſſer abfließen: nad MN. | Küſtenplätze und das Ynnere. Da die Rolonie als 
der bedeutende Kuanza, der, nad Mufnahme zahlreicher Deportationsort dient, fo wohnen in den Städten viele 
Zuflüſſe an dem merfiwiirdigen, 1169m hohen Pungo | deportierte Verbreder ——— Cin verfappter, 
Rdongofeljen voriiberjiehend, dem Atlantiſchen Ojean | ſchwunghafter Sllavenhandel findet nocd) immer jtatt, 
zufließt; nad) SD. qehen Lungo-en-bungo und Ruando | indem die aus dem Innern gebradten ſchwarzen Yr- 
gum Gambefi, ſüdwärts Nuito und Rubango jum | beiter den Handlern abgefauft und durd) langjährige 
roßen abfluplofen Gebiet (Ngamiſee xc.) im Innern, Rontrafte an ihre neuen Herren gefeſſelt, aud) viel- 
in gleicher Richtung der Oberlauf des in den tlanti- | fad) nad) Sao Thomé und Principe verſchickt werden. 
ſchen Ozean miindenden Kunene. Vom 12.° ſüdl. Br. | Die Miſſion ijt feit langem tätig; 1882 wurde wieder 
tritt Die Waſſerſcheide nahe an die Küſte heran. Auf | nach 9Ojiibriger Unterbredhung m San Salvador von 
den Lovilli (2370 m) und den Olombanganda (2000 m) | Portugal aus eine latholiſche Miſſion begründet, dic 
folgen bas Undrade-, Corvo-, Wondo- und Urnha- | jest Stationen bis nahe an die Südgrenze hat. Für 
gebirge (Kiſecut 1745 m), die Serra Munda, Serra | den Clementarunterridt forgen 40 Rnaben- und 12 
da Reve (1890 m), Urradal da Caionda (1872 m) | Mädchenſchulen, die von 352 Schwaärzen, 121 Miſch— 
und die Serra Cana. Der Kuanja tragt in feinem | lingen und 183 Weißen beſucht wurden. Uber die 
Unterlauf Dampfer und fann auf 200 km bis zu den | Rolonijationswirfung der Portugieſen bleibt gering. 
Fällen von Cambambe mit fladgehenden Booten be- | Der Branntweinverbraud ijt fehr ftarf und wohl in- 
ahren werden; aud der Loja, Dande und Bengo | folgedejjen die Demoralijation der Bevölkerung groß. 
Jind ſtreckenweiſe befahrbar, dod behindern gefährliche Erzeugniſſe der Landwirtſchaft find Maniof, Tabak, 
Barren die Cinfahrt. Mucullo, Ambrizette, Muſſera, Indigo, Reis, Kaffee, Buderrohr, Baunuwolle, Erd- 
Rinfembo, Ambriz und Novo Redondo haben nur un: | nüſſe, Mais, Hirfe; doch feins wird in geniigender 
geidhiipte Reeden, und cine ftarfe Brandung erſchwert Menge gebaut. Die Hauptiduld an dem ungiin- 
3 Landen, aaa bieten die Häfen von Loando, ſtigen Stande triigt die Latifundienwirtfdaft. Die 
Venguella und Mojjamedes ſtets fidern Shug. Das | reidjten Kaffeepflanzungen befinden ſich im Tal des 
Rima ijt an der Küſte in Loanda und —— Lukulla, doch wächſt der Kaffeebaum an vielen Orten 
heiß, feucht und im höchſten Grad ungeſund, in Moſſa- aud wild. Baumwolle gedeiht ſehr gut in den Talern 
medes dagegen und im höher gelegenen Innern weit | des Kubango und Sambeſi. Zur Ausfuhr kommen 
bejjer. Die Durdhidhnittstemperatur betriigtin oanda | befonders Kautſchul, Kaffee, Ropal und Wads, Baum⸗ 
23,6°, in Mofjamedes 20°, in Malanſche (1170 m it. M.) | wolle, getrodnete Fiſche, Cifenbein nur nod wenig, 
195°, Maximum in Loanda (Februar) 26,2°, in Ma- | im ganjen 1899 fiir 7,958,496 Milreis, wahrend die 
lanſche (Januar) 21°, Minimum in Loanda (Auguſt) | befonders aus englifden Zeugen bejtehende Cinfuhr 
19,9°, in Malanſche (uni) 18°. Die Regenzeit wabhrt | 7,102,224 Milreis betrug. Bortugieltice Händler 
in den Niederungen von Loanda vom Oltober bis (Pombeiros) durchziehen das Land und handeln von 
Januar und vom April bis Juni. Die Jahresſumme den Eingebornen die Landesprodufte ein. Dod) wer- 
betriigt 320 mm in Yoando, 1534 mm in Caconda. | den die Erzeugniſſe des Landes, das auch reid) an 
Rad S. ju wird das Klima immer trodner. Dagegen Eiſenerz, Kupfer, Blei, Salz, Schwefel, Steinlohlen 
verdorren im Innern die nördlichen Hochebenen, waͤh⸗ (bet Cambambe am Kuanza) und Erdöl ijt, wenig 
rend die Gebirgslandſchaften des Südens feuchter und ausgebeutet. Das Vorfommen von Gold in Libollo 
daher frudjtbarer find. Die Berjdhiedenheit des Kli- und am obern Nunene wird von der Regierung vers 
mags bedingt aud) den Charafter der Vegetation. Die | heimlidjt. Bon Yndujtrien find nur Sigqarrenfabri- 
Küſtenterräſſe ijt mit pradtigen, artenreidjen Urwal: | fation, Mattenfledterei, Branntweinbrennerei und 
bern bededt, in denen ilppige Farne, Lianen und flet> | Zieqelbrennerei nennenswert. Die Verfehrsmittel 





aaa 


524 Angola-Erbjen — Angouleme. 


find noch ſehr mangelhaft. Da Pferde und Kamele türkiſch-kleinaſiat. Wilajets, am Engüriſu, einem Zu- 
nicht gedeihen und der Ochs mur als Reittier gebraudt | fluß des Safaria, und am Fuß eines ftcilen Burg- 
wird, jo muß aller Transport durch Trager erfolgen. | feljens. Die von einer aus alten Bautriimmern ju- 
Rarawanenwege gehen von Loanda iiber Dondo, | jammengejesten Mauer umngebene Stadt hat meiſt 
Pungo Ndongo und Malanide und von Benquella | enge, unregelmäßige Strahen, über 80 Mofdeen und 
fiber Bihé ins Innere. Die Umbaca-Cijenbahn wurde | 17—18 Chane und ijt mit Sfutari durd eine über 
1887 bei Loanda begonnen und ijt am redjten Ufer Eskiſchehr führende Eiſenbahn verbunden. A. bat 
des Lucalla bis Malanſche weitergefiihrt worden. 30,000 Einw., davon */s Türken, faft '/s fathotiide 
Der Bau einer Linie von VBenquella zum Hodlande | Armenier, ferner Grieden und Yuden. Für jede der 
von Caconda (etwa 1500 km) ijt feitend der Regie- drei chriſtlichen Seften refidiert in YL cin Erzbiſchof. 
rung in Ungriff qenommen. Ende 1901 waren ins- Der gang in den Héinden der AUrmenier beſindliche 
gejamt 543k in Betrieb. Für eine Linie von Moſſa⸗ | Handel bringt befonders rohe Wolle (von den Angora⸗ 
medes nad) der Hochebene von Shella (175 km) hat ziegen; jährlich 1/2 Mull. kg), Gelbbeeren (Rhamaus 
eine belgiſche Gefellichaft, fiir dDen Bau einer Bahn tinctorius), Krapp, Maſtix zur Musfubr. — A. rt 
von der Runenemiindung nad) dem Innern eine ame | das alte Ankyra in Galatien, die Hauptitadt der 
ritaniſche Gefellidaft eine Konzeſſion erhalten. Die Teftojagen und ſpäter, durch Auguſtus, die von Ga- 
Regierung qarantiert diejen Bahnen eine Verjinfung | latien, wurde als Mittelpunkt der Heerjtrake von By- 
von 5—-6 Broz. Die Lange der Telegraphentinien zantion nad) Syrien Hauptitapelplay des Rarawanen- 
betriigt 1287 km mit 1308 km Drähten und 23 | handel’. Aus Danfbarfeit erbauten die Bewobner 
Amtern. Die Voſt befdrderte 1896 durch 57 Ämter | dem römiſchen Kaiſer und der Dea Roma das (in ſeinen 
381,339 Brieffendungen, davon 23,074 im äußern Triimmern nod) vorhandene) Auguſteum, auf dejjen 
Verkehr. Eine portugieſiſche Danrpferlinie verbindet | Unterbau die von Auguſtus felbyt verfaßte Überſicht 
die Haupthafen miteinander, die aud) von der Ddeut- | feiner Taten eimgeqraben war. Bon dieſem Mona- 
jen Woermanniinie angelaufen werden. Loanda mentum (Marmor) Ancyranum find jeit 1553 bedeu 
wird ferner von den Dantpfern zweier, Cabinda von | tende Fraqmente abgeidrieben und von veridiedenen 
denen einer engliſchen Linie angelaufen. Die Kolo- | Gelehrten (am bejten von Mommſen in »Res gestae 
nie zerfällt in drei Dijtrifte: Loanda, Benquella | divi Augusti«, 2. Wufl., Berl. 1883) erflart worden; 
und Moſſamedes; jeder Dijtrift wieder in Concelhos cinen Geſamtabklatſch nahm 1882 &. Humann fiir 
(Kreije), und zwar Loanda in 21, Benguella in 6, | die Berliner Alademie. Rach der Cinfiibrung des 
Moſſamedes in 3. Bur — ihres Einfluſſes und Chriſtentums war A. der Sitz eines Metropoliten und 
zur Eintreibung der Abgaben haben die Potugieſen im der Verſammlungsort zweier Konzile (315 und 358). 
and eine Anzahl von Poſten angelegt. Das Bud- | 621 wurde A. von den Arabern erobert, fam dann 
get beziffert jid) 1901/02 in Einnahme auf 1,844,675, | wieder in die Gewalt von Byzanz und ward 1360 
m Ausgabe auf 1,994,072 Milreis. Sig des Gou- | von Murad L. dem Tiirlenreich einverleibt. In der 
verneurs, dem Militär- und SZivilverwaltung unter: | Nahe verlor Bajejid I. 20. Juli 1402 an den Mon- 
ftehen, ijt die Hauptitadt Sao Paolo de Loanda. golen Timur Thron und Freibheit. 

Die Küſte von A. wurde 1484— 86 durch den portu⸗ Wngorafelle, die Helle der Ungoraziege und der 
gieſiſchen Seefahrer Diego Cao entdeckt. Bald darauf perſiſchen Ziege, werden geſfärbt und ungefärbt zu 
ſiedelten ſich die Portugieſen am Batre und ſüdlich Beſätzen, kleinen Teppichen und Bettvorlagen benuge 
davon an; dod) erſt 1574 begründeten fie die Stadt | Angoradecken ſtammen meiſt von engliſchen Scha⸗ 
(Sav Paolo de) Loanda, wo der Gouverneur feitdem | fen, ſeltener von kapländiſchen und auſtraliſchen; als 
refidierte, und die friiher Dongo (oder Ambonde) ge- | bejte gelten die Oxfordſhire. Sie lafjen fic leicht far 
nannte Landidaft, eine Broving des Königreichs ben. Als Imitation dienen gewöhnliche Schaffelle. 
Kongo, erhielt feitdem den Namen YW. 1640 wurden) Angorafave, ſ. Rage. 
die Vortugieſen von den Holländern aus Loanda ver-| Angorawolle (Kämelhaar, frz. Poil dechévre, 
trieben, madhten fic) aber 1648 wieder ju Herren des | Mohair), das Haar (Wollhaar) der Yngorasiege, aud 
Platzes und blieben nunmehr im ungeitirten Beſitz andrer orientalifder Ziegen. Die beſte A. von den 
des Yandes. Val. Tams, Die portugiejifden Be | Bergen um Angora und der Umgegend von Konia 
jipungen in Siidwejtafrifa (Hamb. 1845); Valdes, | iit ſehr fein (0,027—-0,054 mm), weich, frauslodig und 
Six years of a traveller's lite in Western Africa | von feidenartigem Slang, meijt wei, 15—20 und 
(Yond. 1861, 2 Bde.); Monteiro, A. and the river | felbjt iiber 30 cm lang. YW. wird in Wngora und Um— 
Congo (daf. 1875, 2 Bde.); Lur, Bon Loanda nad) gegend gqejponnen und gewebt (Mamelott, Serge, 
Kimbundu (Wien 1880); Serpa Pinto, Quer durch Sdals), aber auch in Europa zu Geweben und PRoja- 
Ufrifa (Deutidh, Leip. 1881); FW. Pinto, A.eCongo menten verarbeitet. Die Ungorajiege entartet in den 
(Liffab. 1888); Veth u. Snelleman, Daniel Veths meijten fremden Landern, halt fic) aber febr qut am 
reizen in A. (Haarl. 1887); Schurtz im 3. Bande Rap und in KRalifornien, und die Rapfolonie liefert 








von Helmrolts »Weltgeſchichte⸗ (Leipz. 1901). febr viel YW. Als Ungoragarn geben aber auch Fa— 
Angöla-Erbſen, Samen von Voandzeia sub-  brifate aus tanger, ſchwäch gefraiufelter Bolle des 

terranea und Cajanus indicus (f. d.). Angoraziege, |. Siege. Landſchafes 
Angolahol;, ſ. Baphia. | Ungornn, Stadt in Bornu, ſ. Ngormu. 


Angolala, chemalige, 830 geqriindeteHauptitadt Angoftitra, ſ. Ciudad Bolivar. 
des zu Abeſſinien gehörigen Königreichs Schoa, unter | Ungofturarinde, ſ. Cusparia. 
0° 36° ndrdl. Vr., 2400 m it. VL, mit 1070 Einw. Angotſcha-Juſeln, kleine Gruppe an der Mojam- 
WUngora, glänzender Damenfleideritoff mit Lein- | bittüſte (Ojtafrifa), unter 16° 3% ſüdl. Br., an der 
wandbindung und 25 Ketten- und 27 Scupfiden | auc der Fiuß Angotſcha oder Mluli miindet. 
auf Lem. Warne: Sette Baumwollenzwirn Rr. 100) Angonleme (or. angguiim, Hauptitadt ded frany. 
engl., Schuß Mohair Vr. 30 engl. A. heißen auch Imi⸗ Depart. Charente, 96 m it. M., an der Charente, stno- 
tationen der Angorafelle (i. Mohairplüſch, Lamftin). | tenpuntt der Oridans- und der Staatsbabn, beitebt 
Angora (Cn gq liri), Hauptitadt ded gleichnamigen aus der alten Stadt, die von ſchönen Bromenaden 


Angouléme — Angvriff. 525 


(Den eHemialigen Willen) umgeben ijt, und den ringsum | Proteltor ultraroyalijtijder Umtriebe. Infolge der 
liegenDdDen Borjtidten, hat eine Kathedrale (1128 im Julirevolution entfagte A. mit feinem Bater 2. lug. 
romanitfd-byzantinifden Stil erbaut) mit reidjer Faf- | 1830 zu Rambouillet der Krone gu gunſten feines 
Jade, ein ſchönes Stadthaus (mit zwei Tiirmen des alten | Neffen, des Herzogs von Bordeaux, beqleitete Nari X. 
Sehlojjes), eine Statue Margaretes von Valois, ein | nad Holyrood, 1832 nad Prag und 1836 nad Görz, 
Lyzeunt, cin theologifdes und ein Lehrerfeminar, | wo er als Graf von Marnes bis zu feinem Ende 
Bibliothel und Raturalientabinett, ijt Sig eines Bi- | in Zuriidgesogenheit lebte. 
ſchofs und cines Handelsgeridts und jahlt avon) 3) Marte Théreje Charlotte, Herzogin 
34,948 (als Gemeinde 37,650) Einw., welde die | von, Gemabhlin des vorigen, Tochter Qudwigs XVI. 
Steinbriide in der Nahe ausbeuten, bedeutende Fa- | und der Marie Antoinette, geb. 19. Dex. 1778 in 
brifation von Papier, Tapeten, Schußwaffen und | Verfailles, gejt. 19. Olt. 1851 im Frohsdorf. Sie 
Pulver, Drabhtzieherei, Mafdinenbau und lebhajten | qciate frith fcharfen Verſtand und Willensfraft. Jn 
Handel mit Branntiwein u. a. treiben. — A. ijt das | Auguſt 1792 nut im Temple eingeferfert und 1793 
alte Iculisma in Uquitanien, da8 im 9 Jahrh. von | von ihrer Mutter qetrennt, fah fie die Haupter ihrer 
den Rormannen jerjtirt wurde. Die Landſchaft hieh | Eltern und ihrer Tante Clifabeth fallen und hatte aud 
{rither Wngoumois und war cine Grafidajt (ſ. die | perſönlich viel zu erdulden. Sie hinterließ fiber dieſe 
Geſchichtslarte bei⸗Frankreich⸗), die 13807 mit der Krone | Erciqnijje » Mémoire écrit par Marie-Thérése-Char- 
vereinigt wurde. 1515 erhob fie Fran; J. zum Herjzoq- lotte de France sur la captivité de ses parents« 
tum git gunften feiner Mutter, und Ludwig XIV. | (Bar. 1892) und »Journal de la duchesse d'A., 
madte Daraus die Upanage des Herjogs von Berry, | 5 oct. 1789 —2 sept. 1792<« (beide hrsg. von Imbert 
der 1714 ftarb. Seitdem bebiclten die Bringen der | de Saint-Ymand, daj. 1893). Wm 19. Dez. 1795 


ãltern bourbonifden Linie den Titel » Herzog von A.« 
In W. wurden Margarete von Valois und der Kö— 





gegen die von —— an die Oſterreicher aus- 
gelieferten Deputierten ju Blaſe ausgewedjelt, begab 


nigsmörder Ravaillac geboren. Bgl. Liewre, A., his- | ite fid) nach Wien. Dort verlobte fie Subwoig XVHL., 


toire, institutions et monuments (Angoul. 1893). 


dem fie mit Liebe und Treue anhing, mit Dem Her- 


Augouleme (pr. angguldm’), 1) Charles de Bae | 30g von A., den jie 10. Juni 1799 in Mitau hei- 


lois, 


vergne, ward 1580 Großprior von Frankreich und 


erzog von, natürlicher Sohn Karls IX. und | ratete. Wm 4. Mai 1814 zog fie mit Ludwig XVIII. 
Der Marie Toudhet, geb. 28. Upril 1573, gejt. 24. Sept. 
1650, führte guerjt den Titel eines Grafen von Au— 


in Baris cin. Bei der Rücktehr Napoleons war fie in 
| Bordeaur und itbernahm es, die Stadt in der Treue 
zu erhalten und Wittel gum Rriege gu ſchaffen; ihre 


erhielt 1619 da8 Hergogtun A. Anfangs Unhéanger | Energie erfannte Napoleon an durd) die Worte: 


Heinrichs IV., wurde er 1605 wegen ciner Verſchwö— 
rung gegen ihn jum Tode verurtetlt, aber gu ewigem 
Gefiingnis beqnadigt und 1616 wieder in Freiheit 
geſetzt. Unter Ludwig XIIT. belagerte er 1617 Soij- 
fons, ging 1620 al Gefandter zu Kaiſer Ferdinand II., 
befehligte 1628 in La Rodelle und fimpfte in Lan- 
quedoc, Deutidland und Flandern. Die » Mémoires 
du duc d’A.« (1662) beruben mur teilweife auf feinen 
Mitteilungen. 

2) Louis Antoine de Bourbon, Herjog von, 
qeb. 6. Aug. 1775 in BVerfailles, geſt. 3. Junt 1844 


in Görz, dltejter Sohn des Grafen Urtois, nachherigen 


Königs Karl X., und Maria Therefias von Savoyen, 
folqte 1789 feinem Bater in das Eril nad Turin, 
itellte fid) 1792 in Deutidland an die Spige des Emi- 
qrantenforp8 und begab fid) nad) defjen Auflöſung 
nad Edinburg, darauf nad Blanfenburg am Har; 
und endlich nad) Mitau, wo er ſich im Junt 1799 mit 
der einzigen Todter Ludwigs XVI. vermählte. 1806 
qing er nad) dem Bourbonenafyl Schloß Hartwell in 
England. Als 1814 die Verbündeten m Franfreid 
einrückten, erſchien er 2. Febr. im britiſch-ſpaniſchen 
Hauptquartier gu St.Jean-de-Luz und ſammelte 
hier Anhänger de legitimen Königtums um fic, 309 
12. Mar; im Bordeaur ein und proflamierte Lud— 
wig XVIII. als König. Sein Verſuch, den nad) Frank— 
reid) zurückgekehrten Napoleon aufzuhalten (April 
1815), mißlang; er mußte nad) Spanien fliehen. Nad 
Herjtellung der Bourbonenherridaft erbhielt er 1823 
den Oberbefeh! zur Unterdritcdung der fpanifden Re— 
volution, tiberfdjritt 6. Wpril die Bidaſſoa und rückte 
24, Mai in Madrid cin, ohne bedeutenden Widerjtand 

qefunden gu haben. Bor Cadiz erjtiirmte er 30. Aug. 

den Trocadéro, wofitr er sum Fürſten von Trocadéro 

crnannt wurde. Vergeblich bemiihte er fich, den Radhe- 

taten der jpanifden Royaliſten ju ſteuern. Rad) der 

ronbeſteigung feines Baters Karl X. (1824) war der 
beſchränlte und heftige VW. als » Dauphine der geheime 


»Dieſe Herzogin ijt der einzige Mann der Familie 
Bourbon.« Während der Hundert Tage lebte fie wie- 
| der in England. Nad) der zweiten Reſtauration ver⸗ 
focht ſie bei aller perſönlichen Verſöhnlichkeit doch 
eifrig ſtreng royaliſtiſche Grundſätze. Beim Ausbruch 
der Julirevolution ging fie nad) England in ihre 
| dritte Berbannung. Wn der Seite thres Gemahls lebte 
jie ſpäter in Görz, zuletzt mit ihrem Neffen, dem Grafen 
von Chambord, deſſen Erziehung fie leitete, auf ihrer 
Herrſchaft Frohsdorf bei Wiener-Neujtadt. Bgl. Im— 
bert De Saint-Amand, La duchesse d’A. et les 
deux Restaurations (Bar. 1887). 

Angoumois (pr. anggumia), ehemalige frany. Bro- 

vy j. Unqouléme. 

ngra (A. do Horovismo), Hauptitadt der Inſel 
Terceira fowie der Azoren iiberhaupt, nf der Zivil⸗ 
und Militärbehörden, mit (sso) 11,000 Einw. 

Angra Pequena (pr. petenad, ſ. Lüderitzbucht. 

Ungrarier, —— Volk, ſ. Angrivarier. 

Angrécum Thouars, Gattung der Orchidazeen, 
ſtattliche Pflanzen mit meiſt flachen, zurückgekrümm— 
ten Blättern und traubigen Blütenſtänden. Etwa 15 
Arten im tropiſchen Afrika, auf Madagaskar und den 
Maskarenen. A. fragrans Thouars, auf den Maska— 
renen, mit bandförmigen, an der Spige jweilappigen 
Blittern, die Kumarin enthalten und als Surrogat 
ded chineſiſchen Tees, befonders aber in China jum 
Parfiimieren desfelben benugst werden (Fah ham- oder 
Bourbontee). 

Angri, Stadt in der ital. Provinz Salerno, an 
der Eiſenbahn Neapel-WMetaponto, mit Baumwoll—⸗ 
{pinnerei und -Weberei und (i901) 11,219 Einw. 

Angriff (fran. Attaque), der Verſuch, den Feind 
aus feiner Stellung ju treiben und ihn womöglich 
gu vernidten. Seine Durchführung ridjtet fid) nad 
Den jeweiligen Berhaltnijjen der gegenſeitigen Starke 
und des Geländes. Der WU. wird frontal, d. h. pare 
allel zur feindlichen Aufſtellung in ihrer ganzen Lange, 








526 


geführt oder fo, daß er diefe an einem Bunfte durd- 
bridt oder fie auf einem oder beiden Flügeln umfaft. 
Man unterjdeidet danad den Frontal-, den ein: 
feitigen oder Doppelten Flitgelangriff (Umfaſſung 
und dDoppelte Umfaſſung), endlid) den Durd brud. 
Der AU. hat vor der Verteidiqung den Vorteil, daj er 
bas moralifde Element der Truppe hebt, er fann ſich 
den Bunt fiir den A. wählen rc. über die Tatigeit der 
einzelnen Waffen beim A. f. Fechtart. Bgl. Fejtungs- 
fried und Djfenfive. 
ngriffsfront, ſ. Feſtungskrieg. J 
Angriffogefecht, Durchfuührung des Angriffs auf 
eine Stellung, die, der jetzigen Feuerwirkung ent— 
— fpredjend, meiſt 
mehr oder went: 
ger künſtlich ver- 
ſtärkt fein wird. 
Die Musbildung 
der Truppen fiir 
das A. bildet Den 
Rernpunft der 
modernen Tattif. 
Nur Überlegen⸗ 
heit der Kräfte, 
umſichtige Bib 
‘eum. Tung und griind- 
Ang fter Qirnberg, German. Mujeum) tiche — 
bereitung ſichern im A. Ausſicht auf Erfolg. Dem A. 
muß genaue Erkundung der feindlichen Stellung, ihrer 
Stirfen und Schwächen ſowie der Verteilung der 
Streitfrifte vorangehen. Bal. Fechtart und Angriff. 
Val. Soenia. Taltif der Zukunft (Berl. 1890); 
Bald, Taktik (2. Aufl., daf. 1899). 

Angrivarier (Angrivarii), german. Bolt an bei- 
den Ufern der Wejer, nördlich an die Chaufen, fiid- 
wejtlich an Den Grenjwall der Cherusfer ſtoßend. Als 
Germanicus 16 n. Chr. gegen die Cheruster und Chat- 
ten 30g, erboben fich die A. in feinem Rücken, wurden 
aber durch Stertinius bald sur Rube gebradt und blie- 
ben feitdent Den Römern ergeben. Nad Tacitus follen 
mit Den Chamaven einen Teil des ſüdlich benad- 

arten Bruttererlandes wegqgenommen haben. Spiiter 
bildeten fie alg Angern (Angrarii) oder Engern den 
mittlern Teil des Sachſenbundes (f. Sachſen Volks— 
ftamm)). Bon Karl d. Gr. unterworfen, nahmen fie 
das Chrijtentum an. »€Engern« bat ſich als Name 
eines Teiles des Derjogtums Sadjen bis ins Mittel 

Rngss, Inſel, ſ Engsö. lalter erhalten. 

Angſt, das Gefühl der ag a in der Bruſt⸗, 





bey. Herzgegend, tritt auf als leiterſcheinung ver- 
ſchiedener Lungen- und Herzkrankheiten, bedingt durch 
den in der Vitemnot zum Ausdruck fommenden Sauer 
ftojfmangel des Organismus (Brujtangit, Brujt- 
beflemmung, anxietas pulmonalis). Die in die 
Herzgegend lofalijierte A. (Präkordialangſt) bei dem 
Herzaſthma (angina pectoris, Hergflemmen) ijt 
eine Folge von Verfalfung der Rreujadern des Her 
gens. Haufiq beruht die W. auf nervijer Grundlage, 
obne fonjtiqe Organerfranfungen, 3. B. bei der New 
rajthenie, nuit wedfelnder Lokaliſation (Herzgegend, 
Ropf, Baud). Die Begleiterſcheinungen der v0 find 
beſchleunigter Herzſchlag, qeipannter und ausjepen 
der Buls, Bläſſe und Kiihle der Haut, unregelmäßige 
Atmung, unrubiges Hin- und Herlaufen rc. Die ſtärt 
jten Grade Der VY. treten auf bei Melancholic, Sinnes 
tiufcrungen fchredhaften Inhalts im Berlaufe der 
verfdiedenjten Geijtestranfheiten (Delirium tremens, 
Paranvia, Epilepfie r¢.) mit Neiqgung yun Selbjt 





| 
| 





Angriffsfront — Angulatusjdidten. 


Ungftanfalle erfordern ärztliche Uberwachung in Heil 
anjtalten. Bgl. H. Laehr, Die A. (Berl. 1893.) 

ngfter (Un gefidter), frithere Aupfermünze der 
Djtidhweiy, —Kreuzer. 

angers (Ungfter, vom mittellat. Angustrum, 
Zwiebelglas), gläſernes Trinkgefäß ded 15. -17. 
Nabrhunderts, mit langem, engem, meift krumm ge 
— Hals, der oft aus zwei und mebhreren mem: 
ander getwundenen Ausgußröhren bejteht, und wer 
tem Baud (j. nebenftehende Wbbildung). 

Augſtröm, Unders Jonas, Phyſiker, geb. 13. 
Aug. 1814 ju Lödgðö in der ſchwed. Landſchaft Wedel 
pad, gejt. 21. Juni 1874, jtudierte feit 1833 in Upjala, 
wurde 1843 Objervator der UWjtronomie und 1858 
Profeffor der Phyſit in Upſala und 1867 Sefretir 
der dortigen fdnigliden Sozietät Der Wiſſenſchaften 
In feiner Ubbandlung »Optiska undersiékningar« 
(Stodh. 1853) entwidelte er das Geſetz, welches der 
Speftralanalyje gu Grunde liegt, aud) gab er cine 
€Erflirung der Fraunhoferſchen Linien, und im den 
»Recherches sur le spectre solaire« (Berl. 1869) 
maf er Die Wellenlinge der meijten Fraunhoferiden 
Linien und gab eine widtige Erginjung der Kirch 
hoffiden großen Urbeit iiber das Gonnenfpeftrunt. 
Er ſchrieb nod): »Om de monoklinoedriska kristal- 
lernas molekulira konstanter« (Stodh. 1859); »Sar 
les spectres des gas simples« (Upſala 1871); »Me- 
moire sur la température de la terre« (Ddaj. 1871). 

Angititoffe, |. Duftitoffe. 

Anguilla, der Wal. 

Anguilla (Snafe Jsland, for. gna citdw, 
S@langeninfel, von der langqewundenen Geftait), 
britijd)-wejtind. Inſel unter 48° 13‘ ndrdl. Br., 24 km 
lang, 6—8 km breit, 91 qkm grok , mut Caen 3699 
Cinw., meijt Farbigen, die Rinder- und Pferdezucht 
fowie Salsgewinnung (jabrlid) 3000 Ton.) aus emem 
— betreiben. 

guilletten, kleine Male. 

Anguillila, Anguillulidae, ſ. Aaltierchen 

Anguis (lat.), Schlange; A. fragilis, die Blind 
ſchleiche. 

Anguifeiola (jor. anngwiidola), Sophonisbe, ital. 
Malerm, geb. um 1535 in Cremona, gejt. um 1625 
in Genua, war Sdiilerin des Bernardino Campi und 
des B. Gatti und entwidelte ſich fo frühzeitig. dak fic 
bereits in jungen Jahren ausgezeichnete Bitoni 
malte, was ihr Selbjtbildnis von 1554 in der faijer 
lichen Galerie gu Wien beweijt. Aus dem fo 
den Sabre ‘serene bas Bildnis ibrer drei Schweſtern 
(Berliner Nationalgalerie), ein Hauptiwert der Miinfi- 
lerin. Aus vornehmer Familie gebürtig, lies fie ſich 
nur ſchwer bejtinumen, Bildnijje vornehmer Berjonen, 
von Fürſten und Edlen, zu malen. Auf Empfehlung 
des Herzogs von Alba ging fie 1559 nad Madrid 
an den Hof und entfaltete dort als Bortratmalerin 
der foniglichen Familte eine glänzende Tatigteit. Nach 
ihrer Vermählung mit einem ſiziliſchen Edetmann, 
Fabrizo di Moncada, begab fic fid) nach Palermo. Rach 
deſſen Tode heiratete fic einen Genueſen. Orazio Yo 
mellini, und lebte von Da an, durch ibren Gert und 
ihre reiche Bildung einen gefelliqen Mreis unt fich ſam 
melnd, trogdem fie nod als Sechzigerin blind gewor 
dent, in Genua. Ihr Selbjtbildnis befindet fid m den 


| Ulffizien zu Florenz. Bal. Fournier:Sarlovese, 


Sofonisba A. et les seurs (Par. 1900). 


Angularfyftem (lat.), tigungsſyſtem durd 
— 
ugulãtuoſchichten, Abteilung des untern Lias, 


mord und ju wutartigem Zerſtörungstrieb. Schwere ſ. Juraformation. 


Angulli — Anhalt. 


527 


Angulli (engl. ungulee), der bengalijde Zoll, = | wejtliden Teil. Das Klima ijt mild, mur in dem ge- 


1,905 cm, 24 im Hath. 

Angurie, die Waſſermelone, f. Citrullus. 

Angus, ſchott. Grafidaft, ſ. Forfarjhire. 

Angus, Grafen von, f. Douglas. 

Anguffarbe (franz. Engobe), diinne Tonſchicht 
aus feinem Material, die auf Mauerjteinen, Fayence 
angebradt wird, um ſchöneres Anſehen und eine be- 
ftimumte Farbe zu ergielen. 

Angusticlavii ({at.), bei den Rimern Bezeich⸗ 
mung der Militärtribunen ritterliden Standes, weil 
fie ihre Tunifa mit fo malem Purpurjtreifen (angus- 
tus clavus) befegttrugen, gum Unterfdied von denen 
fenatorifden Standes (j. Laticlavii). 

An VUngfter 


„ſJ. 
Angyhal (jor. andjad, David, ungar. Geſchichtſchrei⸗ 
ber, geb. 30. Rov. 1857 in Kun-SzentMärton, ijt 
al8 Profejjor in Budapeſt tätig. W. veröffentlichte (in 
ungarifder Sprade): »Daniel Bersfenyi« (Budap. 
1879); »Emerich Tököly 1657—1705« (daf. 1889— 
1890); »Gefdidjte Ungarns von Watthias IT. bis 
Ferdinand IIT. 1608 —1657« (Bd. 6 der ⸗Geſchichte 
der ungarijden Nation⸗, Millenniumsausgabe). A. 
ab aud) die Werle Alex. Kisfaludis heraus und iiber- 
Pate Werke von E. Laviſſe und P. Janet ing Ungarifde. 
Anhagerung, Ublagerung durd) fließendes Waf- 
jer ea dere aay Bodenbejtandteile lings der Ufer. 
Anhalonium, ſ. Ariocarpus. 
Anhalfen, dem Hunde das Halsband anlegen. 
Anhalt (fj. Karte » Proving Sadfen«), zum Deut- 
ſchen Reiche gehöriges — 1863 durch Ver⸗ 
einigung der Herzogtümer U.-Deffau-RMdthen und A.⸗ 
Bernburg gebildet (. unten, Geſchichte), umfaßt faimt- 
liche feit 1603 getrennt geweſene an haltiſche Lande. 
Dieſe liegen im norddeutſchen Tiefland und auf dem 
Unterharz und zerfallen in zwei Hauptteile, einen öſt⸗ 
lichen und einen weſtlichen, welche durch die preu- 
ßiſche Provinz Sachſen voneinander getrennt werden; 
dazu kommen nod) fünf kleine, von preußiſchen Lan- 
den umſchloſſene Enklaven: Alsleben, rg. 
Dornburg, Gödnitz und Tilferode-UWbberode. 
ditlidhe, größere Hauptteil ijt von den preußiſchen Re- 
aA PT a Potsdam, Magdeburg und Merje- 
urg umſchloſſen; die beiden leptern umgeben aud den 
wejtliden, kleinern Teil (das fogen. Oberherzogtum 
oder Ballenjtedt), und mur etwa 7,5 km lang bildet 
das Herjogtum Braunſchweig (Kreis Blantenburg) 
die Grenge. Der größte Teil des Landes ijt Flachland, 
nur Der ſüdweſtlichſte ijt gebirgig durch den Unterhar;, 
deſſen höchſte Kuppe hier, der Ramberg (Viktorshöhe), 
582 m Hodbe erreicht. Bom Unterharz ſenkt fic) das 
Land nad der Saale hin; jenfeit diefes Fluſſes bildet 
es bis zur Elbe eine jum Teil wellenförmige Ebene. 
Bom rechten Elbufer an beginnt ein meijt jandiges, 
ſtark bewaldetes Fladland, nur hier und da durch 
moorige und fette Niederungen und den Höhenzug 
des Flaming unterbroden. Der größte Teil des Gan- 
zen, von Ballenjtedt bis an die {de und Elbe, bat 
vortreffliden Ackerboden; weniger frudjtbar, jedoch 
ras⸗ und holzreich ijt Der Landſtrich nördlich von der 
ibe; auf dem Har; lohnt der Boden nur an einigen 
Stellen den Ucerbau. Die Elbe, als Hauptfluß, durch— 
jtrimt den öſtlichen Teil des Landes von O. nad W. 
und ninunt bier unterbalb Roßlau die von S. kom— 
mende Mulde auf. Die Saale, bereits ſchiffbar, geht 
in nördlicher Richtung durch den weſtlichen Strid) des 
öſtlichen Teiles und nimmt rechts die Fubne (Land- 
qraben), linfs die Wipper mit der Eine und die Bode 
mit der Selfe auf. Gelfe und Cine bewäſſern den 





birgigiten Teil etwas og 9 

[Vevslferung.] Der Flideninhalt des Herzog⸗ 
tums betragt 2299,4 qkm (41 OW.), die Bevöllerung 
nad der Bablung vom 1. Dez. 1900: 316,085 Cinw., 
Die iiberwiegend gum oberſächſiſchen Stamm gebdren. 
Nad der VBerteilung derjelben auf die fiinf Kreiſe und 
der Vergleidung mit der Bahlung von 1895 ergeben 
fic) folgende Ziffern: 




















BWadhstum 
Rreife | 1895 ai 1900 1895 —1900 
Deffau . . . . | F50R 85573 | 14,00 Prog. 
Rotben . - | 51392 53691 | 447 = 
Serbft . . . . | 50203 53141 5,66 
Bernburg . . . 87176 93 386 | 712» 
Ballenjtedt. . . 29435 | 302h¢ 2,02 


Die Vollsdichtigkeit betriigt 137,5 Seelen auf 1 qkm. 
Dem Gejdledt nad famen 1900: 1036 weibliche Per⸗ 
fonen auf 1000 männliche. Die natiirlide Bevilfe- 
rungsvermehrung b 1900 bei 10,778 Geburten 
und 6466 TodeSfillen 4312 Seelen. Die Zahl der 
Auswanderer belief fid) 1901 auf 42 Perjonen. Bon 
den Stadten haben vier (Deffau, Bernburg, Köthen 
und ft) eine Einwohnerzahl von mehr als 10,000. 
Die Bevdlferung befennt ſich mit Wusnahme von 
11,699 Ratholifen und 1605 Juden gum protejtanti- 
ſchen, und gwar (durch Geſetz vom 29. Nan. 1880 ijt die 
Union auch im fothenfden Landesteil vollzogen) zum 
—— Glauben. Oberſte Kirchenbehörde iſt 
das Konſiſtorium in Deſſau, dem die fünf Guper- 
intendenten in den fiinf Kreishauptſtädten unterjtellt 
find. Jn Gemeinfdaft mit dem Rirdenregiment forgt 
die LandeSfynode fiir die Bedürfniſſe ber Landestindge 
laut Gefeg vom 14. Dez. 1878 und 24. März 1879). 
i¢ wird zuſammengeſetzt aus 20 in den fünf Kreiſen 
gewablten Mitgliedern, nämlich 10 geijtlidjen und 
10 weltliden, aus 9 aus der Zahl der angefehenen 
und firdlid) verdienten Winner der evangelijden 
Landestirde ju wählenden Wbgeordneten, aus den 
5 Rreisfuperintendenten und aus 5 vom Landes: 
herrn ju ernennenden WMitgliedern; die Synodal— 
periode dDauert 6 Jahre. Die Landesſynode tritt auj 
Berufung des Landesherrn alle 3 Jahre zu ordent- 
lichen Verfanunlungen zuſammen; gu aukerordent- 
lidjen Verjammiungen fann fie nad) Bedürfnis jeder: 
zeit einberufen werden. Die Ratholifen ſtehen jeit 
1868 unter Dem Bijdof von Paderborn. Wn höhern 
und gehobenen Schulen find vorhanden: 4 Gymna- 
fien, 2 Realgymnafien, ein Progymnaſium, ein Real- 
progymnajium, cine Realfdule, 13 Mittelſchulen, 
4 hobere Töchterſchulen, cin Schullebrerjeminar und 
2 Lehrerinnenfeminare. Außerdem hat das Land cine 
höhere techniſche Lehranjtalt und cine Baugewerkſchule. 
[Erwerbssweige.] Bon der Gefamtflache entfielen 
1893 auf Ader und Garten 60,7 Bro3., Wiejen 7,2, 
Weiden 1,5, Wald 248 Proz. Die Hauptprodufte 
find: Getreide (namentlich Weigen), Obst und Ge- 
müſe, Hiilfenfriidte, Zuckerrüben, Kartoffeln, Tabat, 
Flachs, Olfrüchte, Hopfen und andre Kulture u. Han: 
delspflanzen fowie Holy. Die Landwirtſchaft wird 
mit grofer Gorgfalt betrieben, namentlid) anf den 
zahlreichen herzoglidjen und landesfislaliſchen Doma- 
nen, deren Areal gu cinem Drittel des Landes berech— 
net wird, und den groken Rittergiitern. Die Viehzucht 
ijt ſehr anſehnlich; ſchönes Rindvieh wird nament- 
lich in Den Niederungen an der Elbe und nbrdlich von 
dDerjelben gejogen. 1900 waren vorhanden: 19,509 
Pferde, 67,703 Rinder, 86,231 Safe, 103,664 


528 


Anhalt (geographiſch - ſtatiſtiſch). 


Schweine und 30,887 Biegen. Außer Wild liefert das | werden. Wahlrecht und Wahl fabigleit hängen von der 


Tierreich Fiſche, namentlich Lachſe, Welfe, Store und 
Neunaugen, endlich Honig in Menge. Der Bergbau 
auf filber- und fupferhaltige Erze tm Har; hat auf- 
gebort, es werden Dort nur nod) Erze verhiittet, die 
namentlid) aus Amerika cingefiihrt werden. Reich ijt 
das Land an Braunfohlen, deren Ubbau 1900 auf 10 
Gruben jtattfand und eine Broduftion von 1,347,458 
Ton. im Werte von 3,9 Mill. We. ergielte. Der öſt— 
liche Teil des Landes liefert auferdem Gips, Mergel, 
Bau- und Miihliteine, namentlid) aber Abraumſalze 
und Steinfal3. Das herzogliche Salzbergwerk Leo- 
poldshall und die Deutſchen Solvaywerfe bei Roſch— 
wif und Plömnitz forderten 1900: 271,889 Ton. 
Steinfal;, 225,328 T. Nainit, 373,894 T. andre Rali- 
fale, 239 T. Bitterfalje, 15 T. Boracit. Berühmte 
Eiſenquellen hat Alexisbad (f. d.). 

Die gewerblide Induſtrie ijt namentlid in 
den Induſtriezweigen, die nut der Landwirtſchaft in 
Verbindung ſtehen, bedeutend. 24 Rübenzuckerfa— 
brifen verarbeiteten 1900/1901: 6,6 Mill. dz Riiben 
und gewannen 795,333 dz Rohzucker fowie 144,637 dz 
raffinierten und Konſumzucker. 69 Brauereien lie- 
ferten 1900: 507,766 hl Bier, und 64 Brennereien 
produjierten 1899: 38,803 hl reinen Wohol. Der 
Tabatbau ijt gegen friiher erheblid) zurückgegangen; 
1900 wurden auf 70,5 Heftar 130,6 T. Tabafblatter 

ewonnen. Die Hütten- und Hammerwerfindujtrie 
—* im Selketal, wo die Silber- oder Viltor-Fried⸗ 
richshütte mit Bitriolfiederci und der Cijenbiitten- 
ort Mägdeſprung liegen. Die chemiſche Induſtrie 
auf Berarbeitung der bei Leopoldshall und Solvay: 
hall gewonnenen Abraumſalze (Carnallit und Kat- 
nit) lteferte 1900: 57,606 Ton. Chlorfalium, 9459 
T. Glauberjal; x. Undre Induſtrieerzeugniſſe find 
Bold- und Silberwaren, Fayence, Chemifalien; aud 
Wollfpinnereien und Wollwebereien, Maſchinen⸗ und 
ierfabrifen mit nidt unbedeutender Broduftion 

nd vorhanden. Der Handel ijt beträchtlich, na- 
mentlid) mit den Rohproduften des Landes (Ge- 
treide, Bieh, Holy, Wolle ꝛc.), aber nicht minder mit 
Zucker und Spiritus; ferner mit Mehl und Rleie, 
Strohpapier, Garn, Tuc und Eifenwaren. Cingefiihrt 
werden vorzugsweije Roheifen, Farbhölzer, Guano, 
Schiefer, Kohlen, Waterialwaren, Palmöl, Tran 2. 
Der Handel wird durd die ſchiffbaren Flüſſe Elbe (an 
der feit 1859 der Hafen Wallwighafen bei Deſſau be- 
jteht) und Saale, durd) die quten Landjtrajen und 
die Eifenbahnen, dic das Land durchkreuzen (Gefamt- 
linge 288 km), wefentlid) unterjtiigt und fonjentricrt 
fid) in Deffau, Bernburg, Koswig, Yerbjt und Köthen. 
Rur Forderung des Handels dienen unter anderm die 
Handelstammer und Die Landesbant (in Deſſau); zur 
Leitung des Zoll- und Steuerwefens bejteht fiir das 
ganze Vand eine Solldireftion (Sip m Wagdeburg). 

[Verfaffung und Verwaltung.}] Das Herjogtum 


ift nad) der Landſchafts- und Gefdaftsordnung für 


das gefamte A. vom 17. Sept. 1859 eine fonjftitutio 
nelle, im Mannesſtamm nad) dem Redjte der Erjt- 
— erbliche Monarchie. Der Herzog (gegenwärtig 

riedrich, ſeit 22. Mai 1871) führt den Titel Hoheit, 
vereinigt in ſich die Exekutivgewalt; die legislative 
teilt er mit den Ständen. Der Landtag wird aus 36 
Vertretern gebildet, von denen 2 der Herzog fiir die 
Dauer der Landfdaftsperiode ernenmt, 8 von den 
meiſtbeſteuerten Grundbejigern, 2 von den meiftbe- 
jteuerten Handel- und Gewerbtreibenden, 14 von den 
fibrigen Wahlberechtigten der Städte und 10 von den 
ubrigen Wahl beredtigten des platten Landes gewählt 











Vollendung des 25. Lebensjahres ab; die Grund⸗ 
beſitzer müſſen wenigitens 63 Mt. Grundjteuer zablen, 
Die Handel- und Gewerbtreibenden mit cinem Em 
fonimien von mindeſtens 18,000 Dt. sur Einlommen⸗ 
jteuer veranlagt fein, um das Wabhlredht in den Wh: 
teilungen der Weijtbejteuerten ausiiben ju lönnen. 
Die Wahl ijt qeheim und fiir die Ubgeordneten ber 
Städte und des platten Landes indireft. Die Land- 
tagSperiode Dauert ſechs Jahre. Die Gemeinden haben 
Selbjtverwaltung. 

Oberjte Behörde de3 Herzogtums ijt das Staats 
minijteriumt, deſſen ſämtliche Departements unter 
Cinem Staatsminijter vereinigt find, und dem me 
Finangdireftion, die Ubteilung des Innern, die Wb 
teilung fiir das Schulweſen, das Konſiſtorium und 
das Statijtifde Bureau, ſämtlich 3u Deſſau, unteritellt 
find. Als Jmmediatbehorde bejteht neben dem Staats- 
miniſterium die Staatsjduldenverwaltung, deren Mit» 
glieder zur Halfte Der Herzog, zur Halfte der Land- 
tag ernennt. Cine friiher in Köthen beſtehende Gene- 
ralkommiſſion ijt aufgelojt, ihre Geſchäfte find durd 
Staatsvertrag vom 1. Jan. 1875 an die Generalfom- 
mifjion in Werjeburg iibergegangen. Bon der Re- 
gierang hängen ab te Kreisdiveftionen, unter deren 

ufficht die Ortspolizei Durd die Amtsvorſteher bejorgt 
wird; nur die Ortspolijeiverwaltungen ju Dejjau, 
Köthen, Zerbſt und Bernburg jtehen unmittelbar un- 
ter der Regierung. Für die Rechtspflege beſtehen elf 
Umtsgeridte und das Landgericht ju Deſſau (jf. Tert: 
beilage » Gerichtsorganiſation im Deutiden Reich · bei 
Art. »Geridt«), in zweiter, bez. dritter Inſtanz ent: 
ſcheiden das Oberlandesgeridt 31 Naumburg und das 
Reichsgericht in Leipzig. Die Finangen des Herzog: 
tums befinden fic) in —— ‘A ——— Zab. 
rend 1861 die Einnahmen beiden Herjzogtiimer 
A. Deſſau⸗Köthen und W.-Bernburg 3,083,078 Tir. 
betrugen, denen 3,077,313 Tir. Ausgaben gegeniiber: 
jtanbden, ergab das Budget fiir 1901/2 ——— 
und Ausgabe 16,150,000 Vt. Hauptpoſten find: 


Einnabmen: Wart Mart 
Domdnen . . . . 8201007 | Qmmeres. 2 2. 4001 162 
Steuernm. 2... 1841305 | Suftiy 2 2... R26 GO) 
Anteil an ben Reichs⸗ Finanjen 385 383 

fteuern . - » 3203120) Qultue . . 2... 3128 
Bergwerfe. . . . 44354103 Menten . 2. 2... 352553 
Sport., Schulgeld. 2c. 1387585 | Penfionen . - 787 NSS 

Ausgaben: |@auwefen 2 2... LIS 


Staatéverwaltung . 3471000 | Neubauten in Fried⸗ 

Staats ſchulden⸗ Berw. 244839 | ridshall u. Gifter W2NT 
Die fiir das Reid) vereinnahmten Steuern betrogen 
12,380,300 WE., davon Riibenjucerjteuer 9,110,100 
Wt. Die Staatsiduld belief fic 30. Juni 1900 auf 
1,267,500 WE., wahrend die Altiva 9,211,839 Wt. 
betrugen, mithin cin Überſchuß von 7,944,339 It 
Die Matrifularbeitrage find fiir 1901/2 auf 3,206,302 
We. feſtgeſetzt. Am Militarwefen ijt W bereits 
feit 1867 gan; mit Preußen verfdmoljen. Nad der 


' Monvention vom 28. Juni d. J. wurde aus dem Rom 


tingent von A. das anhaltiſche Jnfanterieregiment 
Mr. 93 gebildet, welches der 7. Divifion des 4. Armee 
forps jugeteilt iit. Das Landeswappen (j. Tafel 
Wappen I<, Fig. 11) ijt ein zweimal gefpaltener 


und Dreimtal quergeteilter Schild und enthalt ſomit 


zwölf Felder, von Denen Das aweite Der zweiten Reibe 
das anbhaltifde Stammnuvappen bildet. Dasfelbe tit 
geſpalten und enthalt in Der vordern filbernen Hälfte 
einen aus der Tetlungslinie hervorgebenden halben 
roten Udler (Brandenburg), de hintere Halfte des 
Weittelidhildes ijt von Schwarz und Gold zehnmal 


Anhalt Geſchichte). 


quergejtreift mit einem ſchrägrechts darüber gezogenen 
rünen Rautenfrang (Sadjen). Die Landesfarben 
—* Rot, Grün und Weiß (gewöhnlich aber nur Grün 
und Weiß); die Militärkolarden nur Grün. Als Or— 
den beſtehen der Hausorden Albrechts des Bären, 
18. Nov. 1836 geſtiftet (ſ. Tafel »Orden I<, Fig. 8), 
und der Berdienjtorden fiir Nunjt und Rijren batt 
(jeit 1873). Hauptſtadt des Herzogtums ijt Dejjau. 
S. aud) Karte »ReidhStagswabhlen«. 
Geſchichte. 
Ahnherr des anhaltiſchen oder aslaniſchen Fürſten⸗ 
hauſes iſt Graf Adalbert von Ballenſtedt, der 
als Abkömmling einer Schweſter des Markgrafen Gero 


von ſeiner Mutter anſehnliche Allodien ee Elbe | 


und Saale (ſ. Askanien) erbte. Gein Urenfel Otto 
nannte fic) zuerſt Graf von Askanien und bejak aufer 
Ballenjtedt und Aſchersleben einen Teil der Billung— 
iden Allodialbeſitzungen. Ottos Sohn Ulbredt der 
Bär (1123 —70), fert 1134 Markgraf von Branden- 
burg, erwarb die Graffdaft Plötzkau und unterwarf 
die am rechten Elbufer im Zerbſtiſchen wohnenden 
Slawen. Während Wibredts älteſter Sohn, Otto, die 
brandenburgifde Linie (erlofden 1320) beqriindete, 
gingen die anhaltiſchen Gebiete auf den jiingern Sohn, 

ernhard (1170—1212), fiber, Der 1180 mit dem 
Herzogtum Gadjen belehnt wurde. Deffen älterer 
Sohn, Ulbrecht, erbte Sadjen, defen Herzogshaus fich 
ſpäter in die Linien Sadhfen- Wittenberg (bis 1422) 
und — — (bis 1689) ſpaltete; der jiin- 
gere Sohn, Heinrich 1. (1212— 44), erbte die an- 
hattifden Vande und ward 1218 erjter Fürſt von A. 
Seine Söhne, Heinrich II., Bernhard I. (1252—86) 
und Siegfried J., beqriindeten 1244 durd) Teilung die 
Aſcherslebenſche, die dltere Bernburger und die ältere 
Rerbjter Linie. Die Wicherslebenfde Linie er- 
loſch 1315 mit Otto II., und ihre Beſitzungen fielen 
an Bernhard IT. (1286—1324) von der Bernbur:- 
ger Linte; doch ging Aſchersleben felbjt unter Bern— 
bard III. (1324—48) an das Bistum Galberjtadt 
verforen. Die Bernburger Linie erlojd mit Bern— 
hard VI. 1468. Die ZerbſterLinie, von Siegfried I. 
(125298) begriindet, erwarb die Stadt Zerbjt und 
1370 die Grafidaft Lindau, vermodte ihren Unfprud 
auf die Marf Brandenburg nad) dem Erlöſchen der 
dortigen Ustanier (1320) nicht geltend zu machen und 








529 


gang finderlos war, 1562 an die Dejjauer Linie ab- 
qetreten. Diefe, von Ernjt I. (1473-—1516) geſtiftet, 
erwarb einen Teil von Zerbſt und Harzgerode, fpaltete 
ſich aber, als Ernjts Sohne, Johann II., Georg II. 
und Joacim, die anfangs gemeinſchaftlich regiert und 
1534 die Reformation eingeführt batten, 1546 teilten, 
in die Linien Zerbſt, Plopfau und Deffau. Jo— 
hanns IT. (qejt. 1551) Söhne, Karl, Joachim Ernſt und 
Bernhard VIL, erbten den Beſitz ibres Vaters, dann 


| Den ihrer Oheime Georg IIT. (qeit. 1553) und Joachim 


(qejt. 1561). Da Karl 1561 und Bernhard VII. 1570 
finderlos ftarben, fo vereiniqte Joadim Ernſt 
1570 die geſamten anbaltifden Vande, fiir die er 1572 
mit Zujtimmung der Stände die anbhaltijde Landed- 
ordnung erties. 

Rad dem Tode Joachim Ernfts (1586) regierten 
jeine Söhne gemeinſchaftlich und führten 1596 die 
reformierte Lehre cin, teilten aber das Land von 
neuem 17. Juni 1603, fo daß Johann Georg I. Def. 
fau, Shrijtian I. Vernburg, Auguſt Plogtau, 
Rudolf Serbjt, Ludwig Rit hen erhielt. 1635 ſchloſ— 
jen fie den Senioratsresef, wonad) der Älteſte die 
Gefamtangelegenheiten des fürſtlichen Haufes befor- 
— bei wichtigen Dingen aber in einer Zuſammen— 

nft aller Fürſten die Mehrheit der Stimmen ent- 
fcheiden und der Senior den Beſchluß ausfiihren follte. 
1689 ging Lauenburg verloren. 1806 erwarb Bern- 
burg vom Kaiſer Franz I. den Herzogstitel, 1807 
nahmen auc die Filrjten von Deſſau und Köthen den 
Herzogstitel an; am 18. April 1807 traten die Fürſten 
des Geſamthauſes UW. dem Rheinbund und 18. Juni 
1815 dem Deutſchen Bunde bei. Durd die Vereiniqung 
des größten Teiles von Sachſen mit Preußen faft gang 
von preufifdem Gebiet umfdlojjen, ward A. 1828 
Glied des preußiſchen Zollvereins. 

Die 1603 von Ludwig geitiftete jiingere Linie A.- 
Robt hen erlofd) 1665 mit Wilhelm Ludwig ; ihr Beſitz 
fiel an Auguſt von Plötzlaus Sohn Lebredt, der den 
Namen Fürſt von A.Köthen annahm; dod) befdlof- 
jen die anhaltifden Fiirjten 1665, daß fortan beim 
Erldfden einer Linie die übrigen ſich gu gleichen Tei- 
fen in ihr Land teilen follten. Dieſer Fall trat 1793 
ein, als die jiingere Linie A.Zerbſt, die 1644 wie- 


der das lutheriſche Belenntnis eingefiihrt und 1667 


teilte fid) 1396 in Die Siegmundſche Linie, dic 


das rechte Elbufer (Zerbſt), und die Wlbredhtide 


Linie, die das linke Cloufer (Köthen) erbhielt. Die Enkel | 


Albrechts III., des Stifters der lestern, Magnus I. 
und Adolf V., traten 1508 in den geijtliden Stand 
und überließen ihr Gebiet der Siegmundſchen Linie, 
die Siegmund I. (1396—1405) begründet hatte. Def 
jen Sobn Georg I. (1405 —74) hatte fic) 1422 ver: 

eblich bemüht, beim Tode des lesten asfanifden Kur- 

riten von Sachfen- Wittenberg das Land dem an- 
haltiſchen Hauſe zu erhalten, erbte aber 1468 die Be- 
jipungen der ältern Bernburger Linie. Georg 1. nahm 
1473 eine neue Teilung der Lande vor. Bon fei 
nen Sihnen beqriindeten Waldemar VI. die dltere 
Köthenſche, Ernjt die Gltere Deffauer Linie. 
Waldemars VI. Sohn Wolfgang (1508 — 62; geſt. 
1566) erwarb 1508 einen Teil der Serbjter Lande der 
WUlbredtiden Linie, führte 1522 die Reformation ein 
und ward 1547 nad) der Schladht bei Mühlberg vom 
Raijer geächtet. Seine Lande wurden dem faiferlichen 
Hofling Sieqmund von Ladrona verliehen, von die— 
fem an Heinrid) von Reuß fiir 32,000 Tir. verfauft 
und fiir dieſe Summe 1552 nad) dem Baffauer Ver- 
trag von Wolfgang zuriiderworben, aber, da Wolf- 

Meyers Konv.=Lerifon, 6. Aufl., L Bod. 





Dever geerbt hatte, mit Fürſt Friedrid) Uuguijt, dem 
jiingern Bruder der ruſſiſchen Raijerin Katharina IL, 
erlojd): Jever fiel an Katharina, während das an- 
haltifde Gebiet 1797 unter die Linien YW. -Deffau, 
YU. -Bernburg und W.-Rbthen geteilt wurde. Gn A. 
Köthen folgte auf Lebredt 1669 dejfen Bruder Ema: 
nuel, diefem fein nadgeborner Sohn Emanuel Leb- 
rect und diefem 1704 fein älterer Sohn Leopold, dann 
der jiingere, Auguſt Ludwig (1728—55), defjen Sohn 
und Nachfolger Karl Georg Lebredt als faijerlider 
Feldmarfdall 1789 bei Semlin gegen die Türken fiel. 
Sein Sohn Auguſt Chrijtian Friedrich, feit 1807 Her- 
30g, fuchte, Napoleon verehrend, in feinem Ländchen 
alle3 nach franzöſiſchem Muſter einzurichten: er teilte 
es in zwei Departements, bildete einen Staatsrat und 
fiibrte den Code Napoléon cin. Seine Soldatenjpie- 
lerei und Jagdleidenſchaft ſtürzten Das Land in Schul⸗ 
den, die fid) unter feinem Neffen und Nadhfolger, Her- 
30g Ludwig (1812—18), auf 2 Mill. Tir. fteigerten, 
jo Day unter Verinittelung Sachjens die Stande die 
Finangverwaltung ——— Nad) des Finderlojen 
Ludwig Tode fiel Das Herzogtum an Ferdinand, den 
altern Sohn von Sarl Georg Lebredts jiingerm Bru- 
der Friedrich Erdmann, der 1765 durch —“ 
die Herrſchaft Pleß in Oberſchleſien erhalten hatte. 
34 


530 


Ferdinand trat Pleß feinem jiingern Bruder Heinrid 
ab, ward 1825 nebjt feiner Gemablin, einer Grifin 
von Brandenburg, Todter Friedrid) Wilhelms IL. 
von Preufjen, in Paris fatholijd) und führte die Barm- 
herjigen Briider und die Jefuiten in Köthen em. Jom 
folgte 1830 fein Bruder Heinrid), der Pleß feinem 
jlingern Bruder Ludwig gab, es aber, als diefer 1841 
finderlos gejtorben war, dem nadjten Fideilommiß— 
erben, dem Grafen Hodberg, 1846 gegen cine lebens- 
langlide Rente von 30,000 Tir. abtrat. Die Sdyul- 
den waren ingwifden bis 1845 auf 4,323,249 Tir. 
angewadjen, fo daß fid) die Ugnaten und Preußen 
der Sade annahmen und einen preukijden Beamten, 
v. Gopler, als Minijter einſetzten. Mit Herzog Hein- 
rid) ſtarb 23. Nov. 1847 die Linie A.-Köthen aus, 
und ihr Land fiel auf Grund eines zwiſchen den Linien 
U.-Deffau und A.Bernburg geidlojjenen Vertrags 
an UW. -Dejjau. 

Die jiingere Linie U.-Bernburg ward 1603 von 
Fürſt Chrijtian I. (gejt. 1630) geftiftet. Seine Söhne 
Chriſtian IL. und Friedrid) tetlten 1635 das Land; 
hierbei jtiftete Friedrid) die Linie Harzgerode (er- 
lofden 1709 mit feinem Sohne Wilhelm, worauf Har}- 

erode an Bernburg zurückſiel). Chrijtians IL. Nad- 
5 Viktor Umadeus (1670 —1718), führte 1677 
die Primogenitur ein. Cinen nad feinem Tod ent- 
jtandenen Streit ſchlichtete Der Kaiſer dahin, da Karl 
Friedrich Harzgerode, fein Bruder Lebrecht außer einer 
Ubfindungsfumme Hoym und andre Wiiter empfing. 
So ftiftete Lebrecht eine Nebentlinie, die 1707 die Graf. 
ſchaften Schaumburg und Holjappel im Naſſauiſchen 
erbte und fid) danach A.Bernburg-Schaum— 
burg-Hoym nannte; nach ihrem Erlofden (1812) 
jielen ihre anhaltiſchen Beſitzungen an die Hauptlinie 
Bernburg zurück. Yn dieſer folqte auf Rar! Friedrich 
(1718—21) defen Sohn Bittor Friedric) (1721 —65), 
diefem fein Sohn Friedrich Ulbrecht (1765-—96). Def- 
fen Sohn Alexius Friedrich) Chrijtian (1796 —-1834) 
erwarb 1797 den Ddritten Teil der Berbjtijden Lande, 
ward 1807 3 und erhielt 1812 Hoym zurück. 
Während der Herrſchaft des geiſtesſchwachen Alexan— 
der Karl (1834—63) führte cin Konferenzrat die Regie 
rung, der 1848 mit einer new einberufenen Ständever— 
jammlung cine fonjtitutionelle Verfaſſung vereinbarte, 
die Der Herzog verwarf. Der Landtag rief im No— 
vember das Einſchreiten des Reichsverweſers an und 
wollte Dem Herzog von A.-Deſſau die Regentidaft | 
libertragen. Indes der von feiner tatfraftiqen Gemab- 
lin, Friederife von Glücksburg, geleitete Herzog lief 
durch Miniſter v. Kroſigk den Landtag 14. Dez. auf- 
löſen und cine Verfajjung oftroyieren, die cin neuer 
Landtag genehmigen jollte. Bei den Wahlen fam es 
im März 1849 gu Vernburg u. a. O. gu Aufruhr, fo 
daß der Belagerungssuftand verbangt und preupifde 
Truppen herbeigerufen wurden, die fiinf Wonate im 
Lande blicben. Darauf wurde die Verfajjung 1850 
vom Landtag angenommen und mit einem neuen 
Wahlgeſetz und einer Gemeinde- und Kreisordnung 
15. Wai verdffentlidt. Der 1851 neu ernannte Wi 
nijter v. Schätzell feste dic Wahl eines tonfervativen 
Vandtags und die Reviſion der Verfaſſung in fonfer- 
vativem Sinne durch und lief 1855 die Herzogin jur 
“Kitregentin ernennen. Da indes mit Werander Karl 
die Linie A. Bernburg erlijden mute, wurde Köthen 
1853 an Deſſau überlaſſen, und 1856 wurde demt bern 
burgiſchen Vandtag eine neue Verfaſſung fiir ganz A. 
vorgeleagt, die am 17. Sept. 1859 ins Leben trat. Vis | 
gerjo8 Wlerander Marl 19. Aug. 1863 ſtarb, ward 





Bernburg mit A.Deſſan vereinigt. | 


Anhalt Geſchichte). 


Die jlingere Linie U.-Deffau ward 1603 von Jo 
hann Georg I. gejtiftet, nad deffen Tode (1618) ſeine 
Söhne Johann Kafimir und Georg Aribert 1632 das 
Land teilten; Georg Aribert erbielt Radegaſt, Kleutſch 
und Worlig, die nad feinem Tode 1643 an Defjau 
zurückfielen. Hier folgte auf Johann Kaſimir 1660 
* Sohn Johann Georg IL, furbrandenburgtider 
Feldmarſchall, diefem 1693, zunächſt bis 1698 unter 
Vormundſchaft, Fiirit Leopold L., als preußiſchet 
Weneral unter dem Namen »der alte Deſſauer« be— 
rühmt; durch feine Mutter erbte er 1702 viel aus dem 
oranifden Nadlak. Sein älteſter Sohn, Wilhelm 
Gujtav (geſt. 1737), hatte fick) 1726 heimlich mut der 
Defjauer Kaufmannstochter Johanne Sophie Herre 
vermiablt, und feine Söhne, die Grafen von An— 
halt, wurden von der Erbfolge ausgeidlojjen; das 
Grafengeſchlecht erlojd 1823. Auf Leopold 1. folgte 
1747 fem jiingerer Sohn, Leopold LL. Maximilian 
(preußiſcher eral, wie fein Bruder Moritz), auf 
Leopold LI. 1751 fein Sohn Leopold LIL. Fried- 
rid) Franz (17511817), bis 1758 unter der Bor- 
mundſchaft feines Oheims, des Fürſten Dietrid. Leo- 
pold IIL. erwarb 1797 ein Drittel des Zerbſter Lan- 
des und nahm 1807 den Herzogstitel an. Ihm folgte 
1817 fein Sohn Leopold Friedrid (1817—7]). 
1848 regte fid) aud) in Deſſau das Volk; große Frei⸗ 
heiten gewährte die Verfajjung vom 29. Oft. 1848 
Schon 1849 erfolgte unter preußiſchem Einfluß eme 
Reaftion; preujifdes Militär rückte ein, umd da der 
Landtag feiner Revijion der Verfaſſung zuſtimmte. 
wurde Die 1848er Verfaſſung 4. Nov. 1851 aufge 
hoben und der Landjdaft 1852 eine fiir gan; A. . 
jtinumte fonjtitutionelle Verfaſſung vorgelegt, die am 
17. Sept. 1859 verdjfentlidt wurde. Inzwiſchen war 
22, Mai A. Köthen mit Deſſau vereinigt worden, und 
19. Aug. 1863 fiel ihm aud) Bernburg gu. Yim 30. 
Yug. 1863 wurden die anbaltijden Lande jum Her: 
zogtum A. vereinigt; 26. Nov. wurde der erjte Land- 
tag des vereinigten Herjzogtums eröffnet. Mit Preu- 
hen Durd) cine Wilitarfonvention verbunden, jtand VW 
1866 auf deſſen Seite; am 18, Aug. trat es dem Nord- 
deutſchen Bunde bei. Sein Nontingent wurde durd 
die Ronvention vom 4. Febr. 1867 it das 93. preußiſche 
Jnfanterieregiment verwandelt. Im Innern veran- 
late Die Domiinenfrage längern Streit. Der Her 
wünſchte jtatt der Sivillijte (295,000 Tir.) Die Do 
mänen als Brivateigentum des herzoglichen Hauſes 
ju erhalten, wogegen er einen Teil der Landesſchulden 
libernehmen und jährlich eine bejtimmte Sunume ; 
Vejtreitung der Staatsausgaben bezahlen wollte. ci 
im Juni 1869 erlangte der WMinijter v. Lariid vom 
Landtage das Sugejtandnis, daß der Herzog ftatt der 
Rivillijte einen Tetl der Domanen mit einem Reinertrag 
von 350,000 Tir. erhalten folle. Nad) demt Tode des 
Herzogs Leopold Friedrid) 22. Wai 1871 folate fem 
Sobn Friedrid; 1872 wurde das Domantalver- 
mögen zwiſchen Herzog und Land geteilt und ein newes 
Wahlgeſetz fiir den Landtag veröffentlicht. Die Finan: 
jen Unbhalts geitalteten fic) günſtig, bejonders ſeit dem 
Erwerb des Salzbergwerks Leopoldshall. 

Val. Bedmann, Hijtoria des Fürſtentums A. 
(Serbjt 1710, 7 Bde.); Leng, Becmanus ennclea- 
tus, ete. (Rdthen u. Deſſau 1757); Stengel, Hand 
bud) der anhaltifden Gejchicdte (Dejjau 1820); Lind- 
ner, Geſchichte und Beſchreibung des Landes A. dal. 
1833); G. Krauſe, Urfunden, Altenſtücke und Briefe 
zur Geſchichte der anhaltiſchen Lande und ibrer Fürſten 
unter Dem Druc des Dreißigiährigen Krieges (Leipp 
1861 — 66, 5 Bde.); v. Heinemann, Codex diplo- 


Anhangig machen — Anicetus. 


maticus Anhaltinus (Deffau 1867—83, 6 Bde.); 
»Mitteilungen des Vereins für anhaltiſche Geſchichts⸗ 
und Altertumskunde⸗ (1875 ff.); Bilttner Pfänner 
3u Thal, Unhalts Bau- und Kunſtdenkmäler (Deffau 
1896); Rnofe, Unhaltifde Geſchichte (daf.1893, Bd. 1). 

Anhangig machen (cineSadhe bei Geridt), den Akt 
vornehinen, der die Rechtshängigkeit (f. d.) begründet. 

Anhaufelu, ſ. Behäufeln. 

Anhauſen, ſ. Auhauſen. 

Anheilung, ſ. Transplantation. 

Anhima, |. Uniuma. 

Anholpart , das Ende einer Talje (Flaſchenzugs), 
woran gezogen wird. 

Anholt, 1) din. Eiland im Kattegat, Amt Ran- 
ders, 20 qkm groß, ijt griptenteils nut Flugſand be- 
dedt und von gefährlichen Gandbanfen umgeben, hat 
einen Leudjtturm und (1901) 296 Einw. — 2) Ehemals 
reidpSunmittelbare, dem Fürſten von Salm-Galm ge- 
hörende Herridaft im preuß. Regierungsbegirf Miin- 
jter, geborte bis 1390 den Herren von A., fam dann 
durch Heirat an die Herren von Gehmen, 1399 an die 
von Bronchorſt, endlich 1637 an den Fürſten Leopold 
Philipp Rarl von Salm. Gie wurde 1800 mit der 
Batavijden Republif (Gelderland) vereinigt und fteht 
jeit 1815 unter preußiſcher Oberhobeit. — Der Haupt- 
ort U., Stadt im Kreis Borfen, an der Alten Yifet, 
mit evangelifder und lath. Kirche, Synagoge, Schloß, 
Dampfſägemühle und (900) 1860 Cinw., ijt Refideng 
des 7 ürſten. 

nhydride (v. griech anydros,⸗waſſerlos ·), che⸗ 
miſche Verbindungen, die aus Hydraten, Säuren oder 
Bajen durch Waſſerverluſt entſtehen. Metalloxyde ſind 
die A. der Metallhydroxyde oder Metalloxydhydrate. 
Aus Calciumhydroxyd Ca(OH), wird durch Erhitzen 
Calciumoryd CaO, aus Kaliumhydroxyd 2KOH wird 
Kaliumoryd K,O, indem ſämtlicher Waſſerſtoff mit 
der erforderliden Menge Sauerjtoff in Form von 
Wafjer austritt. Ebenjo geben die Säuren A., 3. B. 
Schwefelſãure H,SO, Schwefelfiureanhydrid 80,. Bei 
organijden Säuren tritt an die Stelle Des durch Me- 
tall vertretbaren Waſſerſtoffs der Säuren ein Säure⸗ 
radifal. Aus Ejfigiiure C,H,O.OH entſteht Eſſig— 
jaureanbydrid C,H,0.0.C,H,O, und tenn ftatt des 
Radifals der betrejfenden Säure das Radifal einer 
andern Gaure eintritt, ein gemifdtes Unhydrid. 
A. haben den Charafter der Säuren oder Basen voll- 
ſtündig verloren, gehen aber bei Berührung mit Waſſer 
oft febr leidt in —* über. Verbindungen, welche 
die Gruppe OH mehrmals enthalten, fonnen unvoll- 
jtindige A, Unhydroryde Unhydrohydrate), 
bes. UnHydrofauren bilden. Neben Cifenhydroryd 
Fe. H.O. und Eiſenoxyd Fe,O, bejtehen nod) Goethit 
Fe,H,O, und — * Fe,H,0,, neben Bho3- 
phorfaure H,PO, bejtehen H,P,O, und HPO,. 

Anhydrit (v. griech anydros, »wafjerlos«; Rar- 
jtenit, Muriacit), Mineral und zwar waffer- 
freier fchwefelfaurer Ralf CaSO,, trijtallijiert rhom- 
biſch, findet fid) aber meiſt derb in fajerigen, fornigen 
oder faſt dichten — Er iſt waſſerhell bis 
weiß, aud) bläulich oder rötlich, glasglänzend, durd- 
ſichtig und durchſcheinend, Harte 3—3,5, ſpez. Gew. 
2,3—3, A. findet fic) in großen, meiſt unregelmäßig 
ausgedehnten Maſſen mit Gips und Steinſalz in den 
Salggebirgen verſchiedener Formationen eingelagert ; 
aud) Durdsieht er als fogen. Gekröſeſtein mn eigen: 
tiimlidjen Windungen das Steinjal; und den Salzton 
in Wielicgta und Bodnia, und ähnlich zu Staffurt. | 
Jn größern Maſſen vor Gips (wafjerbhaltiger ſfchwe⸗ 
felfaurer Ralf) bildet er häufig den Kern, und fehr 





531 


wahrſcheinlich ijt ber meiſte Gips aus YW. durch Auf⸗ 
nabme von Waſſer hervorgeqangen. Hierbei wurde 
das Volumen bedeutend vergripert, und das Gejtein 
übte daher cinen febr heftigen Druc auf die Unigebung 
aus, woraus fid) die in Der Nahe von Gipslagern häu— 
figen Storungen im Sdidjtenbau erllären. Dag geo- 
gnoſtiſche Vorlommen ded A. widerſpricht einer pluto- 
niſchen Bildungsweiſe. Aus einer Löſung von ſchwefel⸗ 
faurem Kall in Waſſer kriſtalliſiert unter gewöhnlichen 
Verhältniſſen Gips, bei ſtärlerm Druck bidet ſich waſ⸗ 
ſerärmerer ſchwefelſaurer Ralf (Keſſelſtein), und wenn 
man Gips mit geſättigter Kochſalzlöſung in zugeſchmol⸗ 
zenen Glasröhren erhitzt, ſo verwandelt er ſich bei 
120 - 1300 in Anhydrit. Körniger, ſchöngefärbter A. 
(Vulpinit von Vulpino bei Bergamo) wird zu Sta- 
tuetten und Ornamenten verarbeitet. Gemablen dient 
A. als Diinger. 

Anhydrobiofe (Trodenjtarre), der Buitand 
der eingetrodneten Pflanzen, Jnfuforien, Würmer, 
Räder- und Birentierden, niedern Krebſe, Pflanzen⸗ 
ſamen und Tiereier, die nad) langer Zwiſchenpauſe 
durd) Befeudjtung gu neuem Leben erivedt werden 
finnen. Bgl. Leben. 

Anhydrohydrate 

Anhydrofauren } {. Unbhydride. 

Anhydrogyde 

Ani, Ruinenjtadt im ruſſiſch-kaulaſ. Gouv. Eri- 
wan, 1338 m it. M., am Urpatidai zwiſchen hohen 
Felswänden, die, voller Höhlen und Grotten, vormals 
cine bewobhnte Höhlenſtadt bildeten. — UW. war im 
5. Jahrh. ein fleined Fort, ward 961 Reſidenz der . 
Bagratiden (jf. d.), als foldhe befejtiqt und mit präch— 
tigen Paläſten und Kirchen geziert. Nachdem die Stadt 
1040 von den Byzantinern erobert worden, fiel ſie 
ſpäter den Seldſchuken, dann den kurdiſchen Beni 
Schedda in die Hände und wurde zwiſchen 1125 und 
1209 fünfmal von den Georgiern erobert. Schließlich 
wurde ſie 1319 durch ein Erdbeben völlig verwüſtet. 
Ihre Ruinen, die eine Fläche von 5,5 km um Umkreis 
bededen, find von ruſſiſchen Archãologen unterſucht 
worden. Bgl. Broſſet, Les ruines d'Ani (Petersb. 
1860 —61, 2 Bde.). 

Wnicet-Bourgevis (pr. ha⸗ burſchna), Auguſte, 
franz. Theaterdichter, geb. 25. Dex. 1806 in Yaris, 
gett Dafelbjt 12. Jan. 1871, genoß als der Sohn armer 

{tern eine febr diirftige Erziehung. Nachdem er 1825 
fein erjtes Stiid, das Melodrama »Gustave, ou le 
Napolitain«, mit Erfolg auf die Bühne gebracht, wid- 
mete er fid) gang der Bilbnenidhriftitellerci. Er ſchrieb 
Volksſtücke im gröbern Stil, Luſtſpiele, Vaudevilles, 
Texte zu — Opern, Tragödien, im ganzen etwa 
200 Werle, allerdings nicht ohne Beihilſe von Mit⸗ 
arbeitern, unter denen Dennery, Maſſon, Ducange, 
Lockroy, Villeneuve und Briſebarre Erwähnung ver— 
dienen, während umgelehrt mehrere der beſten Stücke, 
die den Namen Alex. Dumas’ tragen (z. B. » Térésac, 
»Angéle« und »Catherine Howard«), A. jum Ber- 
fafjer haben. In den lesten Jahren feines Lebens 
ſchrieb er fajt mur nod Feerien. Von jeinen Stiicen 
haben fic) auf dem Repertoire erhalten: »J’enléve ma 
femme<, »Passé minuit«, »La joie de la maisone, 
» Les trois épiciers« , »Le maitre d’école«, »La pe- 
tite Fadette«, »La fiole de Cagliostro«, »Pascal et 
Chambord«, »Cotillon II« 2. 


Anicétus, rim. Papſt, 155— 166 (oder 157 —-168), 


ſtarb al8 Martyrer. Unter ihm begann zwiſchen der 


morgen= und abendländiſchen Rirde der Streit iiber 

bie Feier des Ojterfejtes, Das der Orient jugleid) mit 

den Juden feierte. Sein Gedenftag ijt der 17. Ypril. 
B4* 


—— — — 
1723 on COerpertus be: Ibud on. 
174, — oe ee 


ee 


(ioc. enti), Dorf im franz Tepart. Nord, 
Urrond. Douat, an der Rordbabn. bat reiche Koblen⸗ 
Gias- und Chenrfatienfabrifation, Ciien- und 
— — 


Aus ſicht, wird von Lescun aus beitiegen. 
Aniéne, Fuk, j. Unio. 


, Mineral, f. Hornblende. 
(arab., pb. ind. nila, blau), ſ. Indigofera. 
Mnilin (Amidobenjot, Pbenylamin, Umi- 
nopben) C,H,N ober C,H,-NH, findet fid tm Zeer 
ber Steinlohlen (0,a—05 Brox), de3 Torfes und der 
pe rang ae camrnatagaec om gurl 8 


bigen von Phenol mit Ammoniat und Sal ;faure 310°, 
bet ber Reduttion von Ritrobenjol C,H,.NO, x. Zur 
Daritellung benugt man techniſches {aus Stein- 
foblenteer, das aus Benzol C,H, und zwei iſomeren 
Toluolen C,H, bejteht. Es fiefert bei Behandlung 
mit Salpeteridure eine Mifdhung von Ritrobenjzol und 
Ritrotoluoten, aus derein A nilind! gewonnen wird, 
das aus A. und Toluidinen bejteht und zur Dar- 


roter Farbitoffe dient (Rots!). Trennt man ; 


—— 
und Benzol durch Reftififation voneinander, 
fo liefert Das reine Benzol reines VW. (Blaudl). Ni— 
trobenjol wird in einem etfernen, mit Riibrivert ver- 
febenen Zylinder durch Eiſen und wenig Salzſäure 
* A. reduziert, und wenn man nach we 
rozeſſes geldſchten Kall zuſetzt und gefpannten Waſ⸗ 
ſerdampf in den Zylinder leitet, ſo ———— das A. 
liber, bad zur Reinigung rektifiziert wird. Der Rüch 
ſtand von der Deſtillation, aus Eiſen, Oxyden und 
Chloriden des Eiſens und teerigen Subſtanzen be— 
ſtehend, wird auf Eiſen verbiittet oder auf Eiſen 
vitriol und mit Magnefiayement auf künſtliche Steine 
verarbeitet. 

UL. ift em farblofes £1 vom fpes. Gew. 1,096 bei 0°, 
riecht ſchwach aromatiid, honigähnlich, ſchmeckt bren 
nend, erſtarrt in Der Nalte und ſchmilzt Dann bei —80. 
Es lft ſich in 31 Teilen Waſſer bei 12,5°, febr leicht 
in emer Loſung von falsfaurem Y.,. aud in WUlfobol, 
Uther, Kohlenwaſſerſtoffen; es löſt Indigo Stampfer, 
Schwefel, Phosphor, verliidtigt ſich bei gewöhnlicher 
Temperatur, iſt ziemlich leicht flüchtig mit Waffer- 
dämpfen, fiedet bei 184° und brennt mut leuchtender, 


den Handel. 
wirkung von Chlorfoblenftoff auf A. das Wnilinrot, 


Ind — Anim 


Rr Séuren be de A ferd- uxd geruddicie Salye, de 
m= Serer und Wiobol (53hd eed. fauer reaguerm, 

me, —— 

*9 deß; mean he par = 


> Sager Semugen fexm Es fal: Smt -. 


tab welbihags les Skigan Some: 


cm- mut? cus iecmem Seigee Uber die Bir: 
foncem des Aums & Ethos WL fic on 
der Mutt traum und derder. mt Chicrfalf etic 


em ttolette pedrbumg vor emprimbinbe Necftion) 
Rw Sewete:i cure und emigen Tropien Ralmmdro- 


rs matlitung veriegt, farit es ũch rot. dann biau, mi 


abermanganicurem Sali e$ Azobenzol und Nitro 

~ benjol, mt Chromiduure G Secu ee 
bei Gegenmert Don hnicdewar; 

a mut Gbromidure oder Chiorlall 


Wauvem. mit Yirienigure Rosanilin : Fudim). Salpe- 
trige Zãure bidet mrt W. tx fatter alfobotrideer Lojung 
Bike ogni ™ warmer Ldtung 


benjol, Ginjerin und Schwefelſãure bildet es Chinolin 
Beim Erbhigen von Anilinchlorzink mit Roenol ent 
itebt Dipbenplamtin C,H, .NH.C,H,, dasſelbe entitedt 
aud neben Ammoniak beim —— ſalzſaurem 


A. mit A. Mit oder Emſigſaureanbydrid 
gibt A Acetanilid C,H, .NH.C,H,0. Die Unilide 
ind bejtandig, kriſtalliſierbar und unjeriept fi 


mit Allalien oder Salsjadure werden fie wieder in 

und die betrejfende Saure gefpalten. A. dient haupt 
jãchlich zur —— — Farbſtoffen. die nad den 
oben angedeuteten und andern Realtionen erdalten 
und in Der Farberet und zu zahlreichen andern Zweden 
benugt werden. Die Mnilinfarbitoffe find arte 
tenteils Ablommlin — ——— — 

dieſe werden daher lmethanfarbſtoffe 
(Rosanilinfarbitoffe) — andre gehören gan; 
verſchiedenen Gruppen an. Anilinfarben ſind an ſich 
nicht giftig, doch enthält nicht kriſtalliſierte Ware bis 
weilen giftige, zu ihrer Bereitung benutzte Stoffe. de 
indes aud) nur unter beſondern Verhältniſſen ſchäd 
lid) werden fornen (vgl. Teerfarben). Aus A. ftellt 
man aud arzneilich wichtige Rerbindungen, wie Anti 
febrin, Untipyrin ꝛc., Dar. 

Im J. 1826 erhielt Unverdorben aus Yndigo das 
Kriſtallin, das einige ha frijtallijterende "Sale 
(Daber der Name) bildet; Runge beſchrieb 1834 cin 
Kyanol aus Steintoblenteer, das mit Chlortal! ſich 
blau farbt; Fripiche erbielt 1840 A. durch Deftillation 


von Jndigo mit Salibydrat und benannte es nad 


dem portugieſiſchen Ramen des Andigo (Anil); Finin 
qewann 1841 Benzidam ans Nitro 1, und Hof- 
mann wies 1843 die — dieſer vier Körper nad. 
Coupter ſtellte A. aus Benzol tm großen dar, und fest 
1870 verbreitete ſich dieſe Methode. Die Bildung far- 
biger Produlte beobachtete zuerſt Runge, und Pertins 
brachte 1856 Die erſte Unilinfarbe Mauvern) m 
1858 —— —— bei der Ein⸗ 


und Girard und Delaire erbiclten Fuchſin mittels 


Urfenfiure. Hofmann erforidte die Natur der neuen 
Jarbſtoffe. erflarte die Bildung 


von Anilinblau aud 


rufjender Flamme. Es reagiert ſehr ſchwach allaliſch. Fuchſin und A. und entdedte die mit Alloholjodüren 


Anilinblau — Animato. 533 


darſtellbaren Farbjtojfe. Die Unilinfarbenindujtric | ein ſchwach alfalifde3s Bad. A. ijt gegen Luft, Licht 
gewann in kurzer Zeit eine außerordentliche Bedeu- | und Seife fehr beſtändig. Bei Cinwirfung von Säu— 
tung. Man verbraudte ſchon 1869 über 1,5 Mill. kg | ren nimumt es leidt einen griinen Ton an, dod) läßt 


Anilinöl und davon 1 Mill. allein in Deutidland, 
den Rejt in Franfreih, England und der Schweiz. 
1898 fiihrte Deutſchland 729 ton. Anilinðl und Ani⸗ 
linſalze ein und 12,360 T. im Wert von 13,596,000 
ME. aus. Val. Schultz, Chenrie des Steinfohlenteers 
(3. Aufl. Braunfdw. 1900 — 1901, 2Bde.); Schultz 


und Julius, Tabellariſche Überſicht der künſtlichen 


organifden Farbſtoffe (4. Aufl., daſ. 1902); Heu- 
mann, Die WUnilinfarben und ihre Fabrifation (Bd.1, 
Braunjdw. 1888; Bd. 2 u. 3 von Friedlander, 1898 
big 1900); Nietzki, Chemie der organijden Farb- 
jtoffe (3. Aufl., Berl. 1897); Mühlhäuſer, Tech— 
nif der Rosanilinfarbjtoffe (Stuttg. 1889); Weyl, 
Die Teerfarben mit befonderer Rüchſicht auf Schadtid- 
feit und Geſetzgebung (Berl. 1889). 

MAnilinblan (Triphenylrosanilin) 
C,,H,,(CgH,),N,O entſteht beim Erhitzen von Ros- 
anilin C,,H,,N,O mit überſchüſſigem Unilin und et: 
was Benzoeſäure auf 180°, wobei die Benzoeſäure 
unveriindert bleibt (Qonophenylrosanilin ijt rotvio- 
lett, Diphenylrosanilin blauviolett, Triphenylrosani- 
lin rein Blau). Das mit Salzſäure abgeſchiedene A. 
ijt das ſalzſaure Salz der Baſe, bildet grin fchillernde 
Radein, ijt wenig löslich in heißem Allohol, nicht 
in Wafer, und als Gentianablau, Lidtblau, 


Spritblau, Opalblau, Feinblau imHandel; es 


firbt Wolle grünlichblau. Mit fongentrierter Schwefel⸗ 
fiure bildet es Sulfofiuren. Die Monofulfofiure 
C,,H,)N,(HSO,) ijt amorph, blau, in Waſſer untds- 


lid) und bildet farblofe, nicht friftallijierbare, leicht | 


lõsliche Salze, von denen das Natriumſalz als Alkali— 


blau (Ridolfons Blau, lösliches W.) benugt | 


wird. 8 firiert fid) aus ſchwach alkaliſcher Löſung 
auf Wolle und Seide, muh aber mit verdiinnter Säure 
aviviert werden. Salje der in Wafer ldslidjen Di-, 
Tri+ und Tetrajulfofaiure bilden das Wafferblau 
(Dpalblau, Chinablau, Baumwollblau, 
Bayrifdblau), jie find blau, in Waſſer, wenig in 
Allohol löslich und dienen befonders zum Farben 
ron Wolle und Seide und von Baumwolle, die mit 
Alaun und Seife oder mit Tannin und Bredwein- 
ſtein gebeigt ijt. 

Anilindrud , ſ. Lidtpausverfahren. 

Anilinfarben, j. Unilin. 

eet Hee j. Aldehydgrün. 

Anilingl, ſ. Anilin. 

Anilinrot, |. Rosanilin. 

Anilinuſchwarz (Jetolin) C,,H,,N, foams 
ſehr allgemein bei Orydation von Unilinjalzen in fau- 
rer Löſung und befonders bei Behandlung mit dhlor- 
faurem Rali bei Gegenwart geringer Wengen von 
Rupfer-, Cer-, Vanadinjaljen (ein Teil Banadin ver- 
wandelt mit Hilfe des ndtiqen Kaliumchlorats 270,000 
Teile Unilinfal; in A.); es entſteht aud) bei UÜberſchuß 
von Unilin, wenn man die Ldfung eintrodnen läßt, 
und bei Eleftrolyfe von Unilinfaljen am Gauerjtoff- 
pol. Man erjzeugt es aber in der Färberei auf der 
afer (Baumwolle), druct 3. B. cin mit Startefleijter 
verdidtes Gemiſch von ſalzſaurem Anilin, Kalium— 
chlorat und Kupferſulfid auf und hängt das Gewebe 
in einen warmen Raum, in dem das YU. ſich bildet. 
Statt des Kupfers benutzt man aud eine Vanadin— 
verbindung oder ein Gemiſch von gelbem oder rotem 
Blutlaugenſalz. Bum Farben von Baumwolle mit A. 
erhigt man eine {dwefelfaure —— mit chrom⸗ 
ſaurem Kali mit der Baumwolle und gibt ſchließlich 


ſich dies Nachgrünen durch energiſchere Oxydation 
oder —— che Behandlung mit Kaliumbichromat 
vermeiden. A. ijt amorph, unldslich in den meiſten 
Löſungsmitteln, löslich in Anilin, Phenol und kon— 
zentrierter Schwefelſäure und gibt mit Zinnchlorür 
eine unlösliche Leufoverbindung, die ſich an der Luft, 
befonders bei Gegenwart von Ällalien, ſchnell gu A. 
orypdiert. Chromdure orydiert A. su Chinon. Die 
Salze des WU. find unbejtindig. Val. Nölting, His- 
toire scientifique et industrielle du noir d'aniline 
(Mülhauſen 1889); Nölting und Lehne, W. und 
jeine Unwendung in Firberet und Zeugdrud (Berl. 
1892); Rielmeyer, Die Entwidelung des A. (Leips. 

Anilinviolett, ſ. Mauvein. [1893). 

Anilismus, Vergiftung durd Unilin, und zwar 
meijt Durd) Unilindl, bei Arbeitern in dhemifden Fa- 
brifen. Die Leute werden blau oder aſchfahl im Ge- 
ficht, verlieren oft bas Bewußtſein, atmen rafd und 
ungeniigend, haben einen faum fühlbaren Puls; der 
Zuſtand erjdeint ſehr bedroblid), endet jedod) meijt 
in einem rubigen Schlaf. Die chroniſche Vergiftung 
(Blajfe, Hautausſchläge, Sdwellungen) ijt nicht all- 

—— als vom Anilin herrührend anerkannt. Zur 
Verhütung des A. iſt Ventilation, Kleiderwechſel, Ver⸗ 
| bot des Eſſens im Laboratorium wichtig. Dem Ver— 
gifteten werden die anilingaltigen Kleider ausgezogen 
und frifdje Luft zugeführt. 

Anima (lat.), Seele, Geijt. A. mundi, die Welt- 
jeele, der Weltgeiſt. 

UAnimadverfion (lat.), Bemerfung, Whndung, 
Riige; animadvertieren, bemerfen, riigen. 

Animal (lat.), Lier. 

Animale Organe, Organe, welche die ſpezifiſch 
tierijdjen Funktionen des Koͤrpers ausiiben, aljo die 
Organe der Bewegung und Empfindung, bejonders 
die legtern (Nervenfyjtemt und Sinnesorgane). 

Unimalien (lat.), tieriſche Stoffe, namentlich als 
Speiſe dienende (Gegenſatz: Veqetabilien). 

Animaliſation (franj.), Vertierung; Umwand⸗ 
lung des Genoffenen in tieriſchen Stoff. 

Unimatiies, tieriſch, aus dem Tierreich jtammend, 
dem Tier (lat. animal) eigentiimlid, 5. B. animaliſche 
Koſt, animaliſches Gift, animalijde Warme. Uni- 
malifde Funftionen, die Latigfeiten, die vorzugs— 
weife Dem Tierleben eigentümlich find, alſo Empjin- 
bung und Bewegung. Ihnen gegeniiber ftehen die 
vegetativen Funttionen, die der Ernährung und 
dem Wachstum des Körpers vorjtehen und aud) den 
Pflanzen zukommen. 

Animalifde Motoren, ſ. Belebte Motoren. 

Animalifdes Bad, ſ. Bad. ; 

Animalifieren (jranj.), vertieren; Genoſſenes mr 
tieriſchen Stoff umwandeln; vgl. aud) Färberei. 

Animalismus (Animalität), der Inbegriff 
aller Eigenſchaften des tieriſchen Organismus im Ge- 

enſatze zu den Pflanzen; tieriſches Leben im Gegen— 
atze zum höhern geiſtigen. 

Animalkuliſten, . Präformation. 

Anima plastica, ſ. Bildungstrieb. 

Animarum dies (lat.), Allerſeelentag. 

Anima vegetativa, die Pflanzenſeele, aud) die 
Nerventätigkeiten, welche die fogen. vegetativen Funt- 
tionen im Tierkörper regen. 

Animato (aud con anima, ital.), muſikal. Bor- 
tragsbezeichnung: »bejecit, belebt, feurige, erfordert 
einen muntern und beſtimmt afsentuierten Bortrag. 











534 


Anime (Fluß har z) ein Harz in haſelnußgroßen, 
gelblichen oder rötlichweißen, aud) weiß beſtaͤubten, 
ſeicht zerbrechlichen Stücken, riecht ſchwach aromatiſch, 
ijt löslich in Terpentinöl, Benzol und Ammonialk, nur 
teilweiſe in faltem, leicht in heißem Wlfohol; dient zu 
Rauderungen, jur Lad- und Siegelladfabrifation, 
gu Pflaſtern, Firniſſen ꝛtc., ijt aber nur wenig gebriud- 
lid. Im Mittelalter war W. foviel wie Elemi. 

Animieren (lat.), anregen, ermuntern; befeclen; 
animiert, aufgewedt, beiter. 

Animismus (lat.), philofophifdes und phyfiolo- 
giſches Syſtem, nad) dem die Gefamtheit der Lebens- 
vorginge im Körper nicht minder wie das Vorijtellen 
und Denfen auf der Wirffamfeit einer immateriellen 
Subſtanz, der Seele, berubt. Dasfelbe wurde im Al—⸗ 
tertum durd Urijtoteles, in der Neuzeit durch G. E. 
Stahl (j. d.) — Die Monadentehre des Leib- 
ni; ijt mit Dem A. nahe verwandt, und aud die An— 
jidjten Des Hylozoismus (f. d.) und des Vitalismus 
(f. d.) haben Beriihrungspuntte mit demfelben. Jn 
neuerer Beit wurde der von Den Naturforjdern auf- 
qeqebene A. von Bouillier wieder verteidigt (» Du prin- 
cipe vital et de l’ime pensante«, Bar. 1862), und 
aud &. v. Hartmanns »Pbilofophie de3 Unbewuh- 
ten« lehrt die Cinerleiheit des Urſprungs der Erſchei— 
nungen des geijtigen und forperliden Lebens aus 
einem metaphyſiſchen Bringip. Seinen tatſächlichen 
WUnbhaltspuntt ſucht der A. in der unleugbaren, ſchein⸗ 
bar auf eine leitende Intelligenz hindeutenden Swed: 
mäßigleit vieler Vorgänge des phyſiſchen Lebens und 
in dem Umſtande, day viele fcheinbar mechaniſche Ber- 
ridtungen de3 Organismus urſprünglich intelligente 
Handlungen find, die durch Gewohnheit mechaniſche 
wurden; Dod) ijt die Ubertragung dieſer Unidauung 
auf alle organifdjen Funktionen eine Hypothefe, die 
der — Beſtätigung entbehrt. — A. wird 
aud) die Weltanſchauung mancher Naturvöller ge— 
nannt, nach der alle Dinge und Naturerſcheinungen 
für beſeelt gelten, wobei alſo alles Wirken und Ge— 
ſchehen in der Natur von innewohnenden Elementar⸗ 
geiſtern abgeleitet wird. Bal. Tylor, Die Anfänge 
der Kultur (deutſch, Leipz. 1873, 2 Bde.); Dorman, 
Origin of primitive superstitions (Philad. 1881); 
Vordhert, Der A. (Freiburg 1900). Bgl. aud) Leben. 

AnimGs (lat.), leidenſchaftlich erregt, aufgebradt ; 
Animoſität, Gereistheit, leidenfdajftl. Erbitterung. 

Animuccia (pc. amitigad, Giovanni, ital. Kir— 
dhenfomponijt, geb. 1490 oder 1500 in Floreny, geſt. 
1571 in Rom, war von 1555 bis gu feinem Tod Ka— 
pellmeiſter der ‘Betersfirde ju Rom (vgl. Paleſtrina). 
A. ijt einer Der verdienten Jtaliener, die von der ver- 
fiinttelten Setzweiſe der zweiten niederländiſchen Schule 
zu einem abgeklärten harmoniſchen Sap umlenlten 
(»Laudi spirituali« · Hymnen), Meſſen, Motetten ꝛc., 
auch Madrigalen). 

Animus (lat.), Seele, Gemüt, Neigung, Wille, 
Abſicht, Vorſatz; in der Rechtswiſſenſchaft haufig ge— 
braucht, z. B. A. injuriandi, Abſicht, zu beleidigen; 
A. lucri faciendi oder rem sibi habendi, die Abſicht, 
cine Sache fic) zuzueignen; A. occidendi, Abſicht ju 
morden; A. nocendi, Abſicht gu ſchaden; A. possi- 
dendi, Abſicht, fiir fid) gu befigen; A. donandi, 
Schenkungsabſicht. 

Anina, Cijenwerf, ſ. Steyerdorf. 

Anto (jest Uniene, Teverone), cin ſchon im 
Altertum wegen feiner romantifden Uferland{daften 
und Wafferfalle beriihmter Fluß in Mittelitalien, 


118 km lang. Cr entipringt öſtlich von Rom bei. 


Filettino im ifergebirge, drängt fic, an Subiaco 





Anime — Anisaldehyd. 


vorbei, Durd) enge und tiefe Tiler des Sabinergebir 
ges und bildet bet Tivoli (Tibur) die beriibmten, ſchon 
von den Klaſſikern gepricjenen Wafferfalle; da fie 
Die Stadt zu gefährden beqannen, wurden fie von 
Yeo XIL und Gregor XVI. durd einen doppelten 
Tunnel (1826 — 35 erbaut) abgelenft, aus dem fid 
mun die fogen. Cascata grande 96 m ticf im die 
Schlucht ſtürzt. Cin abgeleiteter Urm des A. bildet 
die malerijden Cascatelle, kleinere Waſſerfälle, dic 
teils über baumreiche Felſen hinjtrdmen, teils bei der 
jogen. Billa des Mäcen (jest Elektrizitätswerl) 30 m 
hoc) hinabjtiirzen (j. Tivoli). Die Waſſerkraft des A. 
wird bier zur eleltriſchen Beleuchtung und elektriſchen 
Rraftiibertragung (bis Rom) ausgenugt. Unterbald 
Tivoli flieht der VU. in vielen Windungen durch de 
Campagna jum Tiber, 3 km oberhalb Roms. Aus 
Dem Aniotale fiihrten die Leitungen des A. Betus 
(272 v. Chr.), der Uqua Marcia (144 v. Chr.), die 
nod) bejteht, und der Uqua Claudia (52 n. Chr.) vor: 
trefflidjes Waſſer nad Nom. 

Wnion, ſ. Cleftrolyfe. 

Aniridie (Arideremie, gried.), teilweifes oder 
volljtindiges Feblen der Iris. Meiſt angeboren, 
jeltener erworben (durch Verlegung oder Operation), 
bedingt Blendung der Kranfen und ijt oft mit aus- 
geſprochener Shwacdhfidtigteit und andern Bildungs: 
feblern ded Uuges verbunden. Das Tragen von dun: 
feln Schubbrillen wird dabei —— empfunden 

Anis (Pimpinella Anisum L.), einjährige Um— 
bellifere, mut äſtigem, 30-50 cm hohem, flaumbaa- 
rigem, graugriinem Stengel, herzförmig rundlichen 
Grundblattern, doppelt dreizähligen Stengelblattern, 
weißblütigen Dolden und breit eiförmigen, qraubaa: 
rigen, 3 mm langen, ſüßlich —— ſchmeclenden 
Früchten. Einheimiſch iſt der A. urſprünglich in Agyp⸗ 
ten, Kleinaſien und auf den griechiſchen Inſeln. wird 
jetzt aber faſt in allen Erdteilen angebaut, beſonders 
in Deutſchland, Böhmen, Mähren, Rußland, Skandi— 
navien, Holland, Frankreich, Spanien, Bulgarien, 
aud in Syrien, Indien und Chile. Der VW. von Walta 
und aus Siiditalien (beide unter Dem Namen Bug- 
Liefer) wird wegen feiner Gripe beſonders zum Ber- 
judern benutzt; zur Gewinnung von ätheriſchem Ol 
Dient hauptſächlich ruſſiſcher A. Außerdem benust 
man A. als Küchengewürz und zu Backwertk. Die 
abdeſtillierten Samen werden getrocknet und als Kraft 
futtermittel fiir das Vieh verwertet. Sie enthalten 17 
bis 19 Proz. Proteinſtoffe und 16-—22 Proz. Fett. 
Die Spreu, die noch viele unvolllommene Körner ent 
Halt, dient zur Gewinnung von Anisöl, das Stroh 
al8 Biebfutter, befonders als Häckſel fiir Bferde, oder 
jur Feuerung, da es eine ftarfe Flamme gibt. Bal. 
Handelspflanzen. 

Anisaldehyd(Methoryben aldebyd)C,H,O, 
oder CH,O.C,H,.CHO entjteht bet Orydation von 
Unethol, bildet ein gelbes, aromatifd) riechendes C1, 
ſchmeckt brennend, ſpez. Ger. 1,123 bet 15°, fiedet bei 
248°, loft fic) ſchwer in Waſſer, leicht in Wifohol und 


| Uther und gibt bet Behandlung mit Kali UAnisalfobol 


und Unisiiure. Unisalfohol CH,,O, bildet fart 
lofe, ſchwach riechende, brennend fdmedende Mriftalle, 
ſchmilzt bet 45°, fiedet bei 259° Wnisfaure (Me 
thoxybenzoeſäure) C. H.O, entſteht bei Orpdatron 
des Unethols und beim Perleifen des Dimethylather- 
ejters Der Paraoxybenzoeſäure. Sie bildet farb-, ge 
ruch- und geſchmackloſe Kriſtalle, ſchmilzt bet 185°, 
fiedet bei 280°. Die Diazoverbindungen der Anis 
ſäure liefern mit Raphthol 7 ret 3. B. das ſchar⸗ 
lachrote, in Waſſer losliche Unifolrot (Aniſidin— 


Wnisalfohol — Ankäos. 


ponceau), das aus anifidinazobetanaphtholmono- 
julfofaurem Natron bejtebt. 

Anisalfohol, ſ. Unisaldehyd. 

Anifette, cin aus Unis bereiteter Lifdr, wirkt bei 
Mißbrauch fait ebenſo ſchädlich wie Whfinth. 

Anisholz, ſ. Ilicium. 

Aniſidinponceau, ſ. Anisaldehyd. 

Anisöl, das durch Dejtillation von Anisſamen 
mit Waſſer gewonnene ätheriſche OL (Ausbeute 1,5— 
3,5 Proz.), it farblos, riecht und ſchmeckt wie Unis, 
ſpez. Gew. 0,98 —0,99, löſt ſich wenig in Waffer, leicht 
in vllohol und Äther, erjtarct bei 15—-19° und ſchmilzt 
bei 19—- 20°. Durd) langere Einwirkung von Licht 
und Luft verliert es fein Striftallifationsvermigen. 
Es bejteht bis zu 90 Prog. aus Unethol C,,H,,0 
und aus iſomerem Metadavifol. Es dient gu Lifdren, 
Parfitms, als blähungtreibendes, Milchabjonderung 
und Auswurf befdrderndes Mittel, äußerlich gegen 
Ungeziefer. Konzentriertes A. ijt Unethol. 

Hui oline, als Farbſtoffe benutzte Ejter der Rhod- 
amine. Das einfachſte Rhodamin entiteht durd) Er- 
hipen von Phthalfaureanhydrid mit Metaamidophe- 
noldlorhydrat und fonjentrierter Schwefelſäure. Weit 
ſtärker gefärbt find die alfylierten Rhodamine, von 
denen das Didthyirhodamindlorhydrat relativ edt, 
befonders alfaliedt ijt. Wud) Tetramethylrhodamin, 
fulfonierte Benzylrhodamine (als qute Wollfarbſtoffe) 
und fulfonierte phenylierte Rhodamine (als Viol— 
amine) find im Handel. Bei Behandlung von Rhod- 
aminbajen mit Halogenalfylen entftehen die A., die 
ſich durch größere Löslichkeit, ihre feine blaujtidigere 
Nuance und größere Echtheit auszeichnen. Am wich— 
tigſten ijt das Trianiſolin (Rhodamin 6G). Bernſtein— 


ſãaureanhydrid liefert mit Metaamidophenolchlorhy⸗ 


drat rote Bernſteinſäurerhodamine, von denen Rhod— 
amin 8,, das Succinein des Dimethyl- und Diäthyl⸗ 
metaamidophenols, am widtigiten ijt. 

Anifolrot, ſ. Unisaldehyd. 

Aniſomẽtriſch (qriech.) rm Gegenſatze gu ifome- 
triſch heißt eine aronometrijde Darjtellung, bei der 
die drei Achſen verſchieden lang find, gleichbedeutend 
mit trimetrifd. S. Jfometrifde Srojettion und 
Projeftion. 

Anifometropte (qried.), ungleiches Berechnungs⸗ 
vermögen beider Augen. 

Aniſophyllin, ſ. Blatt. 

Anisoplia, Getreidelaubkäfer. 

Aniſotrop, ſoviel wie kriſtalliniſch. 

Aniſotropie (griech.), die Eigenſchaft mancher 
Kriſtalle, nad) verſchiedenen Richtungen veridiedene 
optiſche Eigenſchaften zu zeigen. Jn der Botanik die 
Eigentümlichkeit der Pflanzenorgane, unter Einwir— 
fung gleicher äußerer Kräfte verſchiedene Wachstums— 
richtungen anzunehmen. 

Anisjaure, ſ. Anisaldehyd. 


Aniuma (Anhima, Palamedea cornuta L.), | 


em den Rallen nabhejtebender Vogel, 80 cm lang, 
jdwerleibig, mit länglichem Hals, fleinem Kopf, hüh— 
nerartigem Schnabel, mäßig hohen Füßen, zwei febr 
kräftigen Sporen am Flügelgelenk und einem darm— 
ſaitenartigen, 15 em langen Horn auf dem Kopf, iſt 
ſchwarzbraun, an Hals und Bruſt hellgrau, ſchwarz 
gefleckt, am Baud) weiß. Er lebt magyar Fe Braſilien 
und nährt ſich von Bilangenjtoffen. Das funjtlofe 
Neſt enthalt zwei große weiße Cier. Das Fleiſch wird 
von den Botofuden gegejjen, die Federn dienen gum 
Schreiben 2. 

Anjalabund, cin in Unjala (Finnland), nahe der 
ruffifden Grenje, 12. Uug. 1788 geſchloſſener Bund 


535 


ſchwediſcher und finnlandifder Offigiere, die durch Un— 
| terjeidnung einer Erflarung (Unjalabundesalte) 
Guſtav III. gum Frieden mut Rufland fowie zur Ein- 
berufung eines Reichstags zu zwingen verſuchten, teil- 
weiſe aber auch —— Rwede verfolgten und 
mit Rupland wegen einer Unabhängigkeitserklärung 
Finnlands (jf. d., Geſchichte) verhandelten. Infolge 
des allgemeinen Unwillens, den das Vorgehen der 
Offiziere in Schweden und Finnland hervorrief, fowie 
wegen eon an Unterjtitjung durch Rußland ver- 
lief Die von Guſtavs Bruder, dem ſpätern Karl XIII. 
(jf. d.) begünſtigte pending bald im Gande. Die 
Dauptriidelsfiihrer wurden Anfang 1789 verhaftet, 
aber mit einer einzigen Ausnahme 1790 gu Gefiing- 
nisjtrafen begnadigt oder nad) der damals ſchwedi— 
iden Inſel St. Barthélémy (Amerika) verbannt. Bal. 
Malmanen, Anjalaférbundet (Stodh. 1848). 

Wnjer, |. AUndicher. 

Anjou cpr. angtgu), ehemalige franz. Proving (ſ. 
die Geſchichtskarte bei »Frantreid<), von Maine, Bree 
tagne, Poitou und Touraine umgeben, zerfiel in die 
Landidaften A. im ae Sinn und Saumurois und . 
war 8975 qkm (163 OW?) groß mit etwa 400,000 
Einw., umfaßt hauptſächlich das jepige Depart. Maine- 
et-Loire. Hauptitadt war Angers. — A. wurde einjt 
von den Undefaven (Andecavi) bewohnt und von 
den Römern unterworfen. Später herrjdten hier Gra- 
fen, deren Geſchlecht 1060 erloſch. Beſitztümer und 
Litel gingen durd) cine Schweſter ded letzten männ— 
liden Spriflings an das Haus Gatinais iiber, dem 
Gottfried V., der Uhnberr der Plantagenet (ſ. d.), an⸗ 

ebirte. Er hinterließ UW. und die Normandie 1151 
einem ältern Sohn, Heinrich, der 1154 als Heinrich I. 
den Thron von England bejtieg, wo feine Nachkom— 
men bis 1485 regierten (vgl. Norgate, England 
under the Angevin kings, Yond. 1887). A. ging 
ſchon 1204 unter Johann ohne Land mit der Nor— 
mandie und fajt allen britiſchen Beſitzungen in Frant- 
reid) an Philipp IT. Auquit verloren. Konig Ludwig CX. 
belehnte damit feinen Bruder Johann und nad dejjen 
Tod 1246 feinen zweiten Bruder, Karl, Grafen von 
Provence, der {pater Rinig von Neapel und Stamm- 
pater des Altern Haujes A. dafelbjt wurde. Seine 
Enfelin Margarete brachte die Grafichaft A. ihrem 
Gemahl, Karl von Valois, dem Bruder Philipps IV. 
pon Frankreich, gu, und diefer erhob fie 1297 zur 
Pairie. Margaretens und Karls Sohn ward 1328 als 
Philipp VL. König von Frankreich, wodurd die Linie 
Valois auf den franzöſiſchen Thron gelangte und 
zugleich A. wieder mit Der Krone vereiniqt wurde. 
König Johann IT. verlieh e3 als Herzogtum ſeinem 
zweiten Sohn, der als Ludwig I. 1382 König von 
teapel und Stammvater de3 jiingern Haufes A. da- 
ſelbſt wurde. Das Herzogtum gehörte nun den Köni— 
gen von Neapel, bis es nad) dem Tode Renés IT. (1480) 
Durd) Ludwig XI. fiir immer mit Der franzöſiſchen 
Krone vereinigt wurde. Seitdem führte gewöhnlich 
ein Pring von Frankreich den Titel eines Herzogs 
von A., fo Heinrich III. vor feiner Thronbejteigung, 
deſſen jiingerer Bruder Franz, dann Philipp, zweiter 
Sohn des Dauphins und Enel Ludwigs XIV., der 
1701 al’ Bbilipp V. König von Spanien ward. 
Ankäos, im griech. Mythus König der Leleger auf 








Samos, Sohn des Zeus oder Pofeidon, auf der r= 
gonautenfahrt nad dem Tode des Tiphys Steuer- 
mann. Ihm weisjagte cin Seher, er werde von den 


| Reben, die er eben pylangte, feinen Wein trinfen. Als 
er ſpäter, des Sehers jpottend, den vollen Becher in 
| der Hand hielt, tat diejer den ſprichwörtlich gewordenen 





536 Ankaratra — Anfer. 


Ausſpruch: »Biel liegt zwiſchen dem Becher und dem | geniigend, und in Sandboden_ reißt er leicht cine 
Rande der Lippen.« Da trifft die Nachricht ein, ein | ae (wird triftiq), und das Schiff streibt vor WL« 
Eber verwiijte bas Land; U. ſetzt den Beder ab, eilt Die Tiefe eines quten Unfergrundes betragt 15 —20, 
hinaus und wird von dem Tiere getitet. höchſtens 40 m. Sum Ausbringen der A. dienen Me 

Anfaratra, das Hauptgebirge Wadagasfars, im Kranbalfen, ftarfe, ſchräg aus dem Bug beraus- 
SB. der Provinz Jmerma, erhebt ſich tm Tſiafa- itehende Balfen, unter denen der A. hängt. wabrend 
dichawona, dem hoöchſten Gipfel der Inſel, zu 2873 m, die Unferfette Durd) Die Klüſen ins Innere des Schiffes 
im Unfawitra zu 2645 m und bededt cine Fläche von läuft. Das Ausbringen der A. heißt Ankern (An— 
130—150 qkm. Der Sern des Gebirges bejteht aus ferwerfen, das Schiff »gebt ju A.«); das Ausheben 
Gneis und Granit und wird von ftarfen Tonfdicdten des Ankers aus dem Grunde heißt WUnlerlidten 
fiberlagert. Reichliche Niederſchläge erjeugen eine Für legtern Zweck wird das Schiff durch Einwinden 
iippige Gras- und Kräuterdecke, in geſchützten Schluch⸗ der Ankerlette über den A. herangeholt, damit dieſer 
ten aud) tippiqen Baumwuchs. leicht aus dem Grunde fosbridt. Im Notfall 1am 

Anfeimen (Stratifijieren). Simereien, die man die Kette aus den Mliijen ſchlippen, nimmt fre 
frũhzeitiger fetmen, ſicherer ah sai oder jum Nach⸗ hinter der Beting, an der fie befejtigt iſt, auseinan— 
pflanzen von Feblitellen im YUder verwendet werden der und befeftiqt an das Kettenende eines fo verlor 
jollen, lat man in feudjtem Sand, in feudjten Sage | nen Unfers cine Unferboje, cine Tonne od. dal, 
jpinen u. dgl. sanfeimen«. Ebenfo behandelt man 


langjam und nur bei anbaltender Bodenfeudtigfeit 

feimende Samen (Rofen, i Weihdorn 2.) und 

unterjtiigt das Keimen durd) Warme oder Zujag von I ⸗ 
- Saduren. Samen von Gurken, Kürbiſſen, Melonen u. a. 

läßt man in Töpfchen von Erde, Kuhmiſt und wenig 

Lehn a. und ſetzt die jungen Pflanzen mit den Töpfen 

in das freie Land. 

Anfellen, ſ. Enten (Jagd). 
8 ‘ 


Anfenbuf, Yirbeiterfolonie (ſeit 1885) im bad. | 
Kreis Villingen, zur Landgemeinde Klengen gehörig. 

Auker, altered Fliiffiqfeitsmak, bejonders fiir 
Bein und Branntwem, — '4 Ohm — 1s Orhoft. 












Preupen (/: Eimer). . . ASO Quart . . . — H,351 Liter 
Sadmjen ('/2 = ). . . & 41 Dresd. Kannen — 38,350 = 
Leipjig (friiber) . . . . A 27 Bifierfannen . — 37,028 - 
Lilbed (5 Biertel) . . . AQ Rannen. . . — W375 
Hamburg (5 Biertel) . . 840 Quartier . . = 36,227 
Hannover (10 Stibden) . 420 Rannen. . . — 38,929 
Dremen if. Ahe inwein 450.) A44 Quart . . . = B,as6 
Schweden (Nnfar) . . . AS Mannor. . . — 39,252 
Danemart (5 Biertel) . . A 39 Potter . . . — 37,79 
Holland (16 Stoopen) . . A432 Mengelen . — 38,806 
England (fiir BSranntwein) a 10 Imp. Gallons — 45,435 - 
Rapfiadt (16 Flashy =... AGA Pinties. |. 35,959 = 


Anker (altdeutid ancher, anker, v. griechiſch-lat. 
ankyra, ankora, · das Gekrümmte«), Gerät jum Fejt- 
halien Des ſchwimmenden Schiffes. Bet den Phöni— 
fern und auch fpaiter noch in Ojtindien wurden als 
WU. Steinblide oder Metallmaſſen verwendet, dic, 
meijt mit einem Lod) verfehen, an Tauen ausgewor- 
fen wurden. Später verjah man dieſe Maffen mit 
einem Halen zum Eingreifen in den Grund (emarmige | 
WU.) und fiigte dann einen zweiten Hafen oder Yirm um die Stelle wieder auffinden yu fonnen. In der 

inzu. Nad) weiterer Vervollfommmung wurden die Wbbildung zeigen 1 und 2 die befanntefte Form, den 
fen Die Hauptiade, und in diefer Form, wie fie Admiralitätsanker. Bem Borteranler(Trot- 
ſich ſeit Alexander d. Gr. erhalten hat, bejteht der UW. mansanfer, 3) ijt das Flügelſtück am Schaft be 
aus cinem eijernen Stiel (Unterfdaft), am obern weglich. Der obere Flügel legt ſich alfo nieder, wenn 
Ende mit dem Ankerring (Rohrring), worin bis | der A. im Grunde ijt, verhindert ⸗Unklar A.« und 
Anfang des 19. Jahrh. fart ftets ein Tau, feitdem | bringt bet wenig Wafferticfe den Schiffsboden nit 
die Anlerlette oder cin Stahldrahttau befejtiqt wird, in Gefabr; beim Martinanter (4) liegt der Stod 
und amt andern Ende zwei gefriimmten Armen (An- | parallel den drehbaren Flügeln, dieje greifen Daber 
ferarme), die tn cine herzförmige Schaufel (Wn- | beide yugleid) in Den Grund; der Smithanfer (5) 
ferpflug, Unterfliige!,Spaten, Unferhande) | ijt ähnlich dem Martingantfer, hat aber zwei felbjtan- 
auslaufen. Damit der A. nicht nuit beiden Armen | dige Fliigel. 
platt auf dem Grunde liegen bleibe, ijt am Yaferring | In der deutſchen Marine find aufer dem ausiter- 
der Unterjtod angebract, der rechtwinfelig zu den | benden Wodmiralitatsanfer nod Inglefieldanker 
Arnien ſteht. Durch den Zug der Ankerkette, der von | und ſeit 1898 auf allen Neubauten Hallanker ein— 
dem durd) Wind oder Wellen rückwärts treibenden | gefiibrt. Der Anglefieldanter (6) greift mit beiden 
Schiff hervorgebradt wird, leqt der Stod fic) platt | bewegliden Urmen m den Grund cin, nachdem dic 
auf den Grund und bringt den einen Arm jum Ein- | hafenformige Spige feines mit den Armen beweg- 
qreifen in Den Grund. Der bejte Unferqrund iſt liden Kopfſtücks beim Zug der Kette vorher in den 
toniger Boden; in ſteinigem Grunde faßt der A. nicht | Grund einjdyneidet und dadurch die Spigen der Pflüge 


1, 2 Whmiralitdts- 
anfer 
Porteranfer 
Martinenler 
Surithanter 

G Inglefielbanter 
Hallanfer 


Gig. 1-7. Berfdiedene Shiffsanter. 


we ts 


~) 


537 


gelegt werden, jo werden fie nad) Fig. 16, a oder b, 

ebildet. Bei ſichtbarer Unbringung der Splinte er- 
Batten Dieje zur Drudverteilung und gleichzeitig als 
gejundes Schmuckmittel der Fronten swedmapig cine 
reidere Uusbildung (Fig. 10). Bur Veranferung und 
Ubjteifung flanger Wände gegeneinander kommen 


Anker (Marine, Bauweſen). 


in den Boden hineindrückt. Als beſter und handlich— 
ſter A. gilt jetzt der Hallanker (7), mit deſſen Schaft 
cin aan jeder Seite 40° drehbares Achſenſtück nut 
ſchaufelförmigen Rändern mit einem Bolzen verbun- 
den ijt. Die unter 3—7 genannten A. werden oft als 
Patentanter bezeichnet Dreganker (Draggen) 
find —— vier bis achtarmige A. leichterer Art beim Fehlen von Querwänden Druckanker (Ver— 
um Beranfern von Fiſcherfahrzeugen und jum Auf- ſteifungsträger) nad Fig. 11 zur Verwendung. 
—— von Kabeln, Ketten oder andern Gegenſtänden Zum Einbringen in mehreren Stücken oder zum nad: 
auf Dem Meeresgrunde. Nad) dem Verwendungszweck träglichen » WUngiehen« ( Verkürzen) von Untern wird, 
unterjdeidet man: Buganter, am Schiffsbug, zum 
—— Unfergebraud ſtets bereit (»fdweres | 477 

uganfer fiir ſtürmiſches Wetter, »tägliche U. fiir, Ft 

uted Wetter); Hedanfer, am Hee, etwa ein Drittel | i 
o ſchwer wie die Buganfer, dienen gum Bertiuen | | P77 
(Fejthalten) des Schiffes vorn und hinten; Warps | | —F 
und Stromanker, ieichte A. gum Verholen (Hine © 

iehen nach einem andern Platz) von Schiffen und 

ooten. Zum Ankergeſchirr rechnet man ſämtliche 
A. und Ketten, die Einrichtungen zum Feſthalten der 
Ketten (Beting, Stopper), gum Lichten der A. (Spill) 
und zum Lagern und Unterbringen der A. auf dem 
Schiffe (Ankerkraäne, Barterlagerung). Auf 
Schiffen mit ſcharfem Big werden drehbare Unter- 
fréine zum Ratten (Vagern) der A. benugt. Die An— 
ferfetten werden in Deutidland aus Kettenlän— 
qen von je 25 m zuſammengeſetzt, durch Verbin- 
dungsſchäkel miteinander verbunden; jede einzelne 
Sdhafe (Kettenglied) ijt mit einem Steg (Querſtütze) 
verfehen. — Für die Deutiche Handelsmarine ijt in den COLT he 
Unfallverhiitungsvorjdriften der Seeberufsgenoſſen⸗ Fig. 9. Gewölbeanler. 
fchaften die Uusriijtung mit Ankern und Ketten fiir J 
jede Saiffégattung und Schiffsgröße genau vorge: 
fdjrieben. Segelſchiffe fic) mehr auf die Stärke k 
ihres Ankergeſchirrs müſſen verlajjen können als 12. Keiltaſche. 
Dampfer, rechnet man, daß ein Segelſchiff von 1000 
Reg.Ton. Bruttoraum ungefähr ebenſo jtarfes An— 
lergeſchirr haben muß, wie cin Dampfer von 1500 
Reg. Ton. Bruttoraum. Vgl. Did und Kretſchmer, 
Handbuch der Seemannſchaäft (2. Aufl., Berl. 1899); 
Unfallverhütungsvorſchriften der Seeberufsqenojjen- 
ſchaften (amb. 1899). 

Im Bauwefen find A. Vorridtungen, gewöhn— 
lid) aud Eiſen, zum Zuſammenhalten von Gebäude 
teilen. Sie bejtehen meijt aus einer Stange oder 
Schiene mit Ofe an einem oder Heiden Enden, durch 
die cin Querſtück, der Splint (die Schliche), hindurd- 

ejtedtt wird. Jn wageredtem Sinne werden jie zum 

ufammenbalten von Gewölben und hobhen oder feit- 
lich gedrückten Umfaſſungsmauern re. verwendet. Fig.8 
zeigt einen Balfenanfer, deſſen wagerechter Arm 
an cinem Balfen befejtiqt ijt, wahrend fein lotreddter 
Splint tm Mauerwerk jtedt. Cine genügende Sahl, 
foldjer A., bei denen die Ballen einen Teil der wage: | 
rechten Arme bilden, halt zwei Umfaſſungsmauern zu— 





















platte. 


15. Edanler. 
a ! 





17. Schlauder. 


16. Bogenanfer. Fig. 18. 


Fig. S—18. Anker im Bauweſen. 


ſammen. Wud) leqt man den Splint wohl wageredt 
in Die Mauer, um einen größern Teil des Mauer 
werls in den Bereich feiner Wirkung ju ziehen. Fehlt 
die Mauerauflajt, fo fann fie durch cine Rombination 
der Balfen- (Triiger-) Veranferung mit einer lotred- 
ten Beranferung nad Fig. 18 erjest werden. Fig. 9 
zeigt cinen Gewölbeanker, mittels dejjen der Set- 
tenjdub eines Gewölbes aufgehoben wird. Unt bier 
den Geqendrud des Splintes auf eine möglichſt große 


wenn die Unferitange zugänglich ijt, Die Keiltaſche 
(Fig.12), bei runden Zugitangen das S Schloß (Fig. 13), 
benutzt, während man, wenn das Ankerende zugäng— 
lich, alſo eine Verſchraubung möglich iſt, eine ſolche, 
und zwar zur Druckverteilung, unter Anwendung 
einer Ankerplatte (Sig. 14) anbringt. Edanfer 
(Fig. 15) erhalten im Winlel einen Splint und an 
den Enden entweder ebenfalls Splinte oder nur Auf⸗ 
| biequngen und werden gern nut einer Dreiedsverbin- 





Mauerfläche zu verteilen, ordnet man wohl ein durch⸗ dung verjehen. Ringanfer entitehen, wenn bei poly 
gehendes Winteleifen a an. Sollen Gewslbeanfer | gonem Wauerwerf, 3. B. Türnien, die Edanter ju 
(Bogenanfer) die Bogen nicht durchſchneiden (val. | Durdgehenden vicledigen Ringen verbunden, oder 
Fig. 9), oder, obwohl dies das rationellite wire, nicht wenn (bei freisformigem Mauerwerf) wirflide Cijen- 
unter den Bogen fidjtbar in die Höhe des Kämpfers ringe in oder um die Mauer gelegt werden. In lot, 


538 


rechtem Sinne werden die A. meijt sur Verbindung 
des Unterbaues mit Dem Aufbau verwendet (Fun- 
dDamentantfer). So werden die Eckpfoſten hölzerner 
oder cijerner Fadwerfpfeiler bei hohen Eiſenbahn— 
viaduften und ähnlichen Bauten mittels lotredter 
Ynferftangen und wageredter Splinte mit den ge- 
mauerten ‘Efeilerfundamenten verbunden, damit jie 
bet jtarfem Windſtoß nicht umgeſtürzt werden können. 
Sdhlaudern (Fig. 17) find Veranferungen, die ein 
Diinmwandiges Bauwerk (3. B. Sdornjteine, Ofen) 
außen zuſammenbinden. 

Im Maſchinenbau heißen A. die zur Befeſtigung 
einer Maſchine oder eines Maſchinenteils auf dem 
Fundament oder einem andern Mauerkörper benub- 
ten Bolzen. Deren eines Ende legt ſich mit Kopf, 
Querfeil oder Schraubenmutter gegen die in das 
Mauerwerk eingelajjene, meiſt gußeiſerne Unfer- 
platte, während das andre Ende mittels Schrauben⸗ 
mutter Den Dtajchinenteil fat. Jn der Phyſik nennt 
man A. das Stück weiden Eiſens, das an die Bole 
eines Hufeiſenmagnets angelegt wird; in der Eleftro- 
tednif Den rotierenden Teil ciner Dynamomajdine 
oder eines Eleftromotors. — Der A. ijt allqemein das 
Sinnbild der Marine und hier in verjdiedenen For- 
men Rangabzeichen (f. Abzeichen, militäriſche), Dann 
Sinnbild der Hoffnung u. der Standhaftigfeit; bet Den 
alten Indern war er dag Friedens- u. Heroldszeichen. 

Aner anfgehen, Anker lidten, ſ. Unter. 

Unferboje, am Anler mit Tau befejtigte Boje 
(f. d.). fangewandter Unter. 

mene! eggenförmiger, in der Luftſchiffahrt 

Anfergeld, cine Art Schiffahrtsabgaben (j. d.). 

Anukergeſchirr, ſ. Anker. 

Ankerhemmung, ſ. Uhr. 


Ankerit, Mineral der Kalkſpatgruppe, beſteht aus 


vorwaltendem Kalk- und Eiſenkarbonat nut wenig 
Mangan- und Magneſiumkarbonat, ijt gelblich, perl— 


mutter⸗ bis glasglaͤnzend, Harte 3,5—4, ſpez. Gew. | 


2,9—3,1, findet ſich in rhomboedrifden Rrijtallen und 
derb in forniqen Aggregaten bejonders in Steiermarf. 
Anferlaternen (Ankerlichter), ſ. Poſitions— 
Ankerlichtmaſchine, ſ. Spill. lichter. 
Ankerplatte, ſ. Anker (im Maſchinenbau). 
Ankerplatz, ſ. Reede. 
Ankerraketen, ſ. Rettungsweſen zur See. 
Unferfteine, Werfiteine von ſchwalbenſchwanz— 
formiger oder gefrdpfter Form zur Herjtellung febr 
fejten Mauerwerfs bei Briicenpfetlern, Molenfdpfen, 
Veudttiirmen ꝛc.; aud die großen Steine, an denen 
Die Bojen mit Ketten befeſtigt find. 
Ankeruhr, j. Ubr. [| Schijfe. 
Ankerwache, der Ausguck auf einem veranterten 
Anferwagen, ſ. Maſchinenpflug. 
Ankerwinde, ſ. Spill. 


Anfirren, Wud durch ausgelegte Köder anlocken. 


Ankiſtrion (Angiſtri), Inſel un Golf von Ygina, 
13,7 qkm nut (isso) 511 Einw. und dem Hauptort 
WMegalodorion (251 Einw.). 

Anflage, j. Anklageprozeß und Mage. 


Anflagejury (Große Jury), im engl. Straf- | 


prozeß cin aus mindeſtens 12, höchſtens 23 Geſchwor 
nen zuſammengeſetztes Gericht, dad die Vorfrage ju 
erledigen bat, ob Die Anklage in der Weije, wie jie 
geſtellt it, als zuläſſig erſcheine, und ob der Ankläger 


vor der fogen. Kleinen oder Urteilsjury zu erideinen | 


habe; wenn ja, durch die Forme! true bill (wabre An 
flage), Wenn nein, durch Die Forme! not a true bill. 
Das Verfahren vor der Vi. ijt geheim; es werden nur 
der Ankläger und, foweit dienlich, deſſen Zeugen, nidt 


Anker aufgehen — Anklageprozeß. 


aud) der Beſchuldigte vorgefordert. Die Anititution 
läßt fic ſchon unter König Ethelred nadweifen. Mud 
in Frankreich hatte man bei Einführung der Sdpwur- 
eridjte Die YW. mit übernommen; jedod) wurde fic 
don 1808 von Napoleon I. wieder abgeſchafft. 
Anklageprozef, diejenige Art des Strafverfab- 
rens, wobei cine befondere, vom Gericht getrennte 
Perſon, ein bffentlider oder Privatanflager, fort 
während teilnimmt, indem er den Antrag auf djfent- 
liche Beſtrafung des Verbrechers jtellt, die Lieferumg 
der Schuldbeweiſe gegen ihn iibernimmt und dte Ber- 
urtetlung in die geſetzliche Strafe ju erwirfen fudt. 
Durch dieje Teilnahme des Anklägers und durd die 
YUnerfermmg auch de3 Ungeflagten als eines feld- 
jtindigen Prozeßſubjektes unteridetdet ſich der Wh 
von dem fogen. Unterfudungs- oder Inquiſi— 
tionsverfahren, wobet der Richter bet begangencn 
Verbrechen von mts wegen einſchreitet, die Unter 
juchung allein durchführt und der Ungeiduldigte 
lediglich alg Objeft diejer Unterſuchung bebandelt 
wird. Die friihere deutſche Reichsgeſetzgebung hatte 
dieſe beiden heterogenen Arten des Sirafverjahrens 
nebencinander bejtehen lajjen, bis nad 1848 fait in 
allen deutſchen Landern ein gewiſſermaßen genriidtes 
Syjtem zur Geltung qelangte. Weiter Ht zu unterjder- 
den zwiſchen dem — —* worm 
jeder ſelbſtändige Bürger als Ankläger auftreten darj. 
und dem eine ſtändige Organiſation einer Anklage 
behirde vorausſetzenden Offizialanklageprozeß 
Das älteſte germaniſche Recht ſtellte als oberſten 
Grundſatz des Kriminalverfahrens die Regel auf: 
Ohne Kläger kein Richter. Hier war alſo nur der 
Privatanklageprozeß ſtatuiert. Allmählich aber bil- 
dete ſich, beſonders durch den Einfluß des kanoniſchen 
Rechts, neben dem Anklageverfahren das Unter— 
ſuchungsverfahren aus. Es entſtand nämlich die Be— 
ſorgnis, daß bei dem reinen A. oft in Ermangelung 
eines Unfligers ein Verbrechen ſtraflos bleiben mite, 
Daher das jogen. Rlagen von Amts wegen vorerii 
nur fitr größere Verbreden, fpater aber allgemeimer 
zur Pflicht gemadt wurde. Much gingen die geijtliden 
Gerichte von der Anſicht aus, daß die Rirde ein all- 
gemeines Aufſichtsrecht über alle Gläubigen ausiiben, 
daher ihren verborgenen Vergehen nachſpüren und 
fie zur Buße und Strafe bringen müſſe. Das fano- 
niſche Recht lennt ſchon drei Virten des Strafverfah- 
rens als nebeneinander zuläſſig: Die Accusatio oder 
den reinen YL, die Denunciatio oder den Denun— 





ziationsprozeß, wobei der durch cin Verbrechen 
Betroffene dem Richter das begangene Verbrechen zur 
Unterfudjung und pb von Amts wegen an: 
zeigt, und Die Inquisitio oder den Unterfudungs- 
projeh. So find auch die meijten Artilel Der pein 
lichen Gerichtsordnung Karls V. von 1532 fomobdl 
auf das Anklage- als dag Unteriuchungsverfabren 
anwendbar. Immer mehr aber neigte ſich das alte 
Yinflageverfahren jum Unterſuchungsverfahren bin, 
und allmählich trug tm Cinflang mit der ganzen po 
litiſchen ſowie mit der materiellen Rechtdentwidettung, 
obgleich das deutſche qemeine Recht den A. mie ab- 
ſchaffte, fondern allen Biirgern das Recht der Rrimi: 
nalanflage lief, dennoch in der Praxis in gang Deutſch⸗ 
land das inquijitorifde Verfahren den Sieg davon. 
Seit dem Unfang des 19. Jahrb. hat man die Zwed⸗ 
mãßigleit diefes Verfahrens tn Frage gejtellt und nad 
dem Muſter der englifden und franzöſiſchen Straf 
prozeßgeſetzgebung einem Verfahren den ——— ge 
geben, das gewiſſermaßen zwiſchen beiden ältern Ber 
fabrensarten in Der Mitte ſteht: es iſt dies Das ſogen. 





Anklageſchrift — WAnfimmlinge. 


neuere Offizialantlagqeverfahren, berubend 
auf dem Inſtitut der Staatsanwaltidaft. Borbildlid 
war dabei der franzöſiſche Strafprozeß in der von 
Rapoleon I. 1808 gefdajfenen Gejtalt. Der Ridter 
darf hiernach cine jtrafredtlide Unterfudung in der 
Regel erjt dann emleiten, wenn der Unflager einen 
hierauf geridteten Untrag eingereidt hat. nfldger 
ijt in Der Regel der Staatsanwalt, em aus der Reihe 
der Juſtizbeamten eigens hierzu bejtellter Beamter. 
Dieſer ijt verpflichtet, abgejehen von den jogen. Un- 
tragsdeliften (jf. d.), bet allen gu feiner Kenninis fom- 
menden Straftaten, einerlei, auf weldje Weife er gu 
dieſer Kenntnis gelangt, von Amts wegen dafiir zu 
ſorgen, daß fie ————— und beſtraft werden, zu⸗ 
gleich aber auch zu wachen, daß niemand ſchuldlos 
verfolgt werde. Er vertritt Den durch die Straftat 
verletzten Staat und hat darauf zu ſehen, daß die 
Unterſuchung den — Gang einhalte und 
alle zweddienlichen Mitiel benutzt werden. Dieſen 
in Deutſchland ſeit 1848 vorherrſchend gewordenen 
Grundſätzen find trotz mancher auf den Juriſtentagen 
gegen Die Staatsanwaltſchaft hervorgetretener Be— 
denlen auch das deutſche Gerichtsverfaſſungsgeſetz und 
die Reichsſtrafprozeßordnung treu geblieben. Im Ver- 
gleich zum franzöſiſchen Recht find die Machtvolllom— 
menheiten der Staatsanwaltidaft mannigfach be— 
ſchränkt worden; dod) hat die öſterreichiſche Strafpro- 
jehordnung von 1873 die —— des ſtrengen 
Anlklageprozeſſes, wonach die Anllagebehörde als Pro⸗ 
zeßpartei behandelt wird, in reinerer Geſtalt durch— 
geführt. Nur ausnahmsweiſe iſt in Deutſchland und 
ſterreich für geringfügige Straffälle die Privatan— 
flage geſtattet. In dieſen Fällen (§ 414 ff. der deut- 
iden ———— Beleidigungen, Körper⸗ 
verletzungen, ſoweit die Verfolgung nur auf Antrag 
eintritt}) hat der durch die Straflat Verletzte das Recht 
der Verfolgung durd Privatflage, ohne daß es einer 
vorgängigen YUnrufung der Staatsanwaltidaft be- 
— prinzipale Privatklage). Die öf— 
fentliche Klage wird hier nur erhoben, wenn dies im 
Bffentliden Intereſſe liegt. Sehr beachtungswürdi 
find die Cinridtungen des englifden und — 
des ſchottiſchen Strafverfahrens. Während in Eng- 
land auch nach der —— öffentlichen An⸗ 
tlagebehörde (director of public prosecutions) die 
Privatantlage die allgemeine Regel bleibt, befteht in 
Sehottland die fogen. fubjididre Privatflage. 
Danach wird, wenn der öffentliche Ankläger (Lord 
Advocate) dad Einfdreiten wegen einer Straftat ver- 
weigert, die Brivatflage dDurd andre Perſonen zu— 
qelajjen. Hierfür ſpricht namentlich die Rückſicht, daß 
die adminiſtrative Abhängigkeit der Staatsanwalt— 
ſchaft von den jeweiligen Juſtizminiſterien und der 
politiſch herrſchenden Richtung emer ergünzenden Kor⸗ 
reftur durch freie ſtaatsbürgerliche Anklagetätigkeit 
dringend bedürftig erſcheint. Die öſterreichiſche Straf- 
prozeßordnung vom Jahre 1873 hat denn auch den 
Grundſatz der Subſidiaranklage angenommen (§ 48). 
Im geltenden deutſchen Recht fand dagegen die fub- 
ſidiäre Privatflage feine Aufnahme. Doch iſt durch die 
dem Verletzten eingeräumte Möglichkeit, die Staats— 
anwaltſchaft durch die Gerichte zur Erhebung der öf— 
fentlichen Klage zwingen zu laſſen (5 170ff. der Straf⸗ 
prozeßordnung) einiger Erſatz fiir fie geboten. 
Anklageſchrift, ſ. Klage und Strafverfahren. 
Im Militärſtrafprozeß hat die A. eine andre Be— 
deutung als im bürgerlichen Strafverfahren. Sie iſt 
hier die Beilage eines Gerichtsbeſchluſſes, der An— 
flageverfiiqung. S. Militärſtrafgerichtsbarkeit. 





539 


Anklageſtand, der Zuſtand, in dem ſich cin Be— 
ſchuldigter (j. d.) befindet, gegen den die Staatsan— 
waltichatt die Hffentlide Mage erhoben (Ungefd ul - 
digter) oder das Gericht die Eröffnung des Haupt- 
verfabrens (ſ. d.) befdlojjen hat (Ungeflagter). 

ie Hee 

AnFlam, Kreisjtadt un preuß. Regbez. Stettin, an 
der Beene, Nnotenpunft der Staatsbahnlinie Unger: 
mtiinde-Straljund und einiger Schmalſpurbahnen, 
hat 2 evang. Rirden (die Nifolaitirde, mit faſt 100 m 
hohem Turm, und die Marientirde), eine fath. Kirche, 
eine Synagoge, cin Denfmal des 
Raifers Wilhelm I. (feit 1897, 
von Manjel), ein Gymnaſium, 
Kriegsſchule, Umtsgeridt, Haupt- 
fteueramt, Reichsbanknebenſtelle, 

Cijengicherei, Maſchinenbau, 
Zucker- und GSeifenfabrifation, 
Schiffahrt und (1900) 14,617 meiſt 
evang. Cinwohner. — A., ehe— 
mals Tanglim, auch Anglim 
genannt, war urſprünglich eine 
flawijde Feſtung, erhielt 1244 
vom Herzog Barnim J. von Pommern Stadtrecht und 
ſchloß ſich der Hanſa an. 1648 fiel A. an Schweden, 
wurde 1676 vom Großen Kurfürſten erobert, 1713 
durd) die Ruſſen gepliindert und endlich 1720 im 
Stodholmer Frieden an Preußen abgetreten. Die 





Bayppen von 
Anklam. 


Feſtungswerke find ſeit 1762 geſchleift. Wm 31. Olt. 


1806 ergab fic) bier ein Korps Preußen unter Vila 
den Franjofen. Vgl. Schulz, Geſchichte der Stadt 
A. (Unflam 1896); Stavenhagen, Chronif (bis 
1773; neue Musg., daſ. 1899). 

UAnfober, chemalige Hauptitadt de3 Königreichs 
Schoa in Abeſſinien, unter 9° 34’ nördl. Br., 2760 m 
it. M., malerifd amt Ojthang eines Doppelhiigels er- 
baut, 1892 infolge Cholera fajt ganz ausgeitorben. 
In der Nähe die italienijde Station Let = Marefia, 
an der Untonelli, Cecchi und Chiarini ajtronomijde 
Beobadhtungen madten. 

Ankobra, Fluß in der engl. Kolonie Goldfiijte 
(Wejtafrifa), entipringt an der Grenze von Aſchanti 
und miindet weſtlich von Axim. 

Ankogel, öſtlichſte Berggruppe der Hohen Tauern- 
fette, weytlid) vom Mallnitzer Tauern, öſtlich von der 
obern Mur und dem Katſchbergpaß begrenst, bejteht 
hauptſächlich aus den zwei fiidlich gerichteten verglet- 
ſcherten Querkämmen der Hochalmſpitze (3355 m), 
welder Der A. felbjt (3263 m) angebhort, und des 
Hafnered (3061 m). Die Gruppe hat viele ſchöne 
Wafjerfille, ihre Gipfel werden von Gajtein und 
mehreren Seitentilern mit Venugung von Lnter- 
tkunftshütten (Hannover-, Osnabriider, Villacher 
Hiitte) bejtiegen. Spesialfarte vom Wilitirgeogra- 
phiſchen Inſtitut in Wien 1:75,000 (1894). 

Anfimmlinge, in die Flora eines Landed cin- 
dringende Pflanzen, verwilderte Nutz- und Hierpflan- 
zen, mit Kulturgewächſen ꝛc. verfdleppte Gewächſe 
(Uderuntriiuter), auch in der letzten Periode der Ent⸗ 
widelung der Flora felbjtindig eingewanderte Pflan- 
jen. Aus Garten gelangen Pflanzen durch Verſchlep— 
pung von Wuryzelfetmen, Ausläufern, Samen ins 
Freie (Gartenflidtlinge). Für Norddeutſchland 
fommten als UL. namentlich in Betradht: Orntthogalum 
nutans aus dem Orient, Hesperis matronalis aus 
Süddeutſchland, Erigeron canadensis, Oenothera 
biennis, Collomia grandiflora, Mimulus luteus fo- 
wie Ujternarten aus Nordamerifa, Solidago serotina 
und Rudbeckia laciniata ebendaber, Tanacetum 


540 


Parthenium, Echinops sphaerocephalus unbd Sily- 
bum Marianum aug Giideuropa, Anacharis Alsi- 
nastrum aus Amerika x. Bgl. Caruel, Di alcuni 
cambiamenti avvenuti nella flora della Toscana in 
questi ultimi tre secoli (Mail. 1867); Wodron, 
Florula juvenalis ————— 1854); Hid, A. in 
der Pflanzenwelt Mitteleuropas wahrend des legten 
halben Jahrh. (> Botan. Zentralblatt« 1991, Beihefte). 

Aukoppeln, Jagdhunde mit Koppeln an den Hals- 
bandern — — 

Ankori (Nkole), Reich in Äquatorialafrika, am 
Oſtufer des Albert Edward-Sees, 1600 m hod) mit 
iiber 2000 m hohen Berggipfeln. Das fruchtbare, dicht 
bewohnte Land ſteht unter Wahumahäuptlingen, deren 
oberſter ſeinen Sitz in Antaris (Ntalis) Stadt hat. 
A. wurde zuerſt durch Stanley und Emin Paſcha be— 
fannt, die es 1889 zurchzogen. 

Ankörnen, Wild durd) Auslegen von Getreide und 
endern Früchten anfloden (vgl. Unfirren). 

Anfindigung, bei Prämiengeſchäften (ſ. d.) die 
Crflirung des Verläufers, liefern ju wollen. 

Ankündigungskommando, ſ. Uvertijjement. 

Ankhlo ... — frunmt, gekrümmt. 

Aufkyloblephaͤron (griech.), — —— der 
Augenlidränder miteinander, wodurch die Augen— 
fpalte verkleinert wird. 

Ankylogloſſum (qricd).), Sige paar der Bunge 
mit Dem Boden der Mundhöhle, ijt angeboren durd 
ein ju weit nad) vorn reidjendes oder zu breites Bune 
genbändchen, oder erworben durch Narbenbildung 
nad) Subftanjverlujten der Schleimhaut. Das an: 
geborne YU. wird vielfad) von Hebanumen und Müt— 
t-rn alg Grund angefehen, daß die Kinder ſchwer 
fpredjen lernen. Geine chirurgijde Befeitiqung ijt 
auf die ſehr entwidelten Fälle zu beſchränlen. 

ufylometer (griech.) Kruümmungshalbmieſſer. 

AnFylofe griech.), ſ. Gelenkſteifigleit. 

Ankylostomum, ſ. Anchylostomum. 

Aukyra, Stadt, ſ. Angora. 

Anlage, im weitern Sinne jeder Nein einer fiinf- 


Anfoppeln 


— Anlage. 


ridjtung, die beim erwadfenen Menfdjen den Charal 
ter ausmacht, von vornbherein fejt geqeben feien. Fir 
die Uuffajjung der Uufgaben der Padagogit tit Die 
Entidheidung im einen oder im andern Sinne von 

rogem Belang. Auf dem zweiten Standpunft er- 
* die Arbeit des Erziehers als eine faſt völlig 
fruchtloſe, während auf dem erſtern von der Erziehung 
faſt alles zu erwarten wäre und es nur an dieſer Lage, 
ob ein Rind gum Dummlopf oder gum Genie, jum 
Böſewicht oder gum Tugendjpiegel wird. Betradtet 
man den tatſächlichen Parallelismus, wie er zwiſchen 
den geijtiqen Tätigleiten und der Gehirnfunttion be- 
jteht, fo ijt cinleudtend, da es Durdjaus infonfequent 
ware, Unlagen der phyſiſchen Organifation voraus- 
quicyen oe es in der Biologie gejdieht), die piy- 
chiſchen Anlagen dagegen ju leuqnen. Wenn im 
Keime des Menidjen zweifellos Untagen fiir die Bil 
dung und die ſpätere Tatigfeitsweife der Organe, fo 
mit aud) des Gebirns, liegen, jo ijt Damit aud ohne 


| weitered eine angeborne pfychiſche Veranlagung ge 


oy wie ratfelhaft man aud) im übrigen Die : 


bindung des Phyfiſchen und Piychiſchen inden 


So hat denn in neuerer Zeit aud H. Spencer —— 
die Inſtinkte als die Erlenntnisformen als im Gehitn 
sorganijd) eingetragene⸗ geiſtige Errungenſchaften 
unſrer Vorfahren ju erklären geſucht. Die befannte 
Tatſache der übung (f. d.) in Verbindung mit der ie 
vielen Fallen beobachteten Erblidteit auch der geiſtigen 





A. fcheint in der Tat Unbhaltspuntte gur Erflarune 
der letztern in Dem angedeuteten Sinne zu bieten 
Bgl. Nativismus. 

Nranfheitsanlage, eine Mangelhaftigfeit ge- 
wijjer Organe, die an ſich zwar feine Rranfheit ijt, amd 
nicht notwendig ju einer foldjen werden mug, aber ber 
verhältnismäßig geringfiigigen äußern Unlajjen ge 
einer Erfranfung zu fiibren drobt. Solde A. tit am 
geboren oder erworben, auf einjelne Organe befdrint. 
oder erjtredt fic) auf den gangen Organismus, bes. 
größere Organſyſteme; in legterm Falle fpricht max. 
auch von Ronjtitutionsanomalic. Bleibt be: 





tigen Entwidelung, der Durd) äußere Anregung zur Embryo, nachdem die Hoden durd den Leiftentan 
Entfaltung gebradt werden fann (A. der Pflanze im hindurch getreten find, diejer Kanal offen, fo ijt die 
Samenforn), im engern Sinne die durd) tibung zu Mangel an fid) keine Kranfheit, aber cine W., da « 


entwidelnde Fähigleit zur Ausübung einer Tätigleit unbedeutender Huſtenſtoß einen lebensgefabrird 
irgend welder Vert. Bein Menſchen insbef. fann | Leijtenbrud) ju ftande bringen fann. Cine meijt an. 
man Die Anlagen in körperliche und feelifde cinteilen. | borne, oft aud) erworbene ecletslichteit und Nei 
Die Natur der erjtern ijt im wefentlidjen leicht vers | zu Entzündungsprozeſſen, die als Sfrofulofe 
ſtändlich; es ijt eine angeborne individuelle Befonder: | ijt, ijt mit der Tuberhulofe leineswegs identifd, 
heit Der Organe, welde diefelben gu ſpezifiſchen oder reitet aber febr häuſig der Tuberfulole giinjtige ¢ 





befonders intenjiven Leijtungen innerhalb der Grenzen 
ihrer Funttion befabhigt, fo hat die A. zum Singen in 
der Nonftitution der Stimmorgane ihre Grundlage ꝛc. 
Das Weſen der pfychiſchen Anlagen, zu denen aud 
die Inſtinkte (7. d.) bet Tieren und Menſchen gu rech— 
nen find, liegt nidt fo flar gu Tage. Es ijt deshalb 


qangspforten und Entitehungsbedingungen, bede 
alfo cine UW. zur Tuberfuloje. Cine erworbene Why 
z. B. Die erhobte Neiqung ju erncuten Unfallen § 
Gelenkrheumatismus nad einmaligem Überſtehen 
fer Rranfheit. Zu vielen ECrfranfungen bring? ° 
Alter eine giinjtige A. in Fallen, wo bei gleich ge: 










jogar die Anſicht aufgeltellt worden, daß es ſolche fügigen Urſachen eine jugendlid)-fraftige Konſtitt 
überhaupt nicht gebe, daß z. B. die Seele des Kindes Troß bieten würde. Für manche Infektionskranft 
in pfychiſcher Hinſicht einem unbeſchriebenen Blatt (Scharlach, Maſern) hat das jugendliche Alter ein 
Papier (tabula rasa) gleiche, und daß alle ſpäter ſchein— | fondere U., die durch einmaliges Uberjteben der Kx 
bar bervortretenden individuellen geijtigen Eigen: | eit aufgeboben wird (ſ. Immunitäth. Val. Virg. 
titurlichfeiten intellettueller wie moraliſcher Art in den | Jellularpathologie (4. Aufl., Berl. 1872); Lod 
äußern Eindrücken der erjten Lebenszeit (das Leben Uber Familienanlage und Erblidfeit (Siri LET 
im Wutterleibe natürlich eingeſchloſſen) ihre Erfla- Benele, Die Ultersdispofition (Marb. 1879), 
rung finden. Dieſer Unichauung fteht als das ent Jn der bildenden Kunſt bezeichnet A. die a” 
gegengeſetzte Extrent die Behauptung gegeniiber, daß roh geordneten Züge eines Werkes, woraus man je! 
nicht nur Die A. zu Den ibereinjtimmenden Grund. | feine fiinftige Geftalt fdon erfennen fann. Qa é 
funftionen des Geiſtes, fondern aud die individuellen | lider Bedeutung fpridt man von der VW. eined 
Unterſchiede derſelben, ja felbjt, was Schopenhauer | matifden Stiides oder eines Charalters darin. - 
befonders ſchroff betont hat, die individuelle Willens- | im Crd- (Fejtungs-) Bau, ſ. Böſchung. 





Anlagefapital — Anlegeapparat. 


AnlageFapital, ſ. Kapital. 

Anlagen, in vielen Städten Unpflanzungen, die 
dem Sffentliden Verfehr zugänglich, im übrigen nicht 
eigentlich Parke oder Garten find; fie traten meiſt an 
Stelle der Feſtungsgräben, Glacis oder Walle geſchleif— 
ter Fejtungen, woher aud) oft ihre ring- und band- 
artige Grundgejtalt herrührt. Neuerdings haben fie 
in manden Stadten fehr reiche Ausſchmückung er⸗ 
fahren und tragen viel zur Verſchönerung des Stadte- 

Anlagetag, ſ. Bezugstag. bildes bei. 

Aulageverfahren, ſ. Umlageverfahren. 

Anlandung, ſoviel wie Alluvion, angeſchwemm⸗— 
tes Land; ſ. Eigentum. 

Anlaſſen (Nachlaſſen), Weichmachen von Stahl, 
Gußeiſen und andern Metallen. Gußeiſen wird mit 
Lehm beſtrichen, in Kolspulver, Sand x. vergraben, 
bis zur Rotglut erhitzt und dann ſehr langſamer Ab⸗ 
fiihlung überlaſſen. Auch werden die nod) heißen 
Gußſtücke im Ofen bis nahe zum Schmelzpunkt erhitzt 
und nad) Verſchluß aller Ofenöffnungen 3 — 4 Tage 
der Ubfiihlung überlaſſen. Gehärteter Stahl wird 
um fo weider, je jtarfer man in erhigt. Man be- 
urteilt Die Temperatur nad) den Wnlauffarben und 
taudt den Stahl, ſobald die beſtimmte Farbe erjdeint, 
in Waffer. Bronjzegegenjtinde werden bis zum dun- 
feln Rotgliihen oder, wenn fie flad) und dünn find, 
nur bis zur Schmelzhitze des Binns oder Bleies erhitzt 
und fdjnell in faltes Waſſer getaudt. S. Wdoucieren. 

Anlafwiderftand, cine Vorridtung bei elettri- 
ſchen Urbeitsiibertraqungen, die verhindert, daß der 
Strom plötzlich mit voller Stirfe in Den nod) ruben: 
den Motor eintritt. Da bis zum Eintritte der Bewe— 

ung de3 Motors die eleftrifde Energie nod) nidt in 
rbeit umgewandelt wird, fo würde jie nur Wärme— 
wirfungen ausüben, und gwar fo ſtarke, daß die Iſo— 


lierung der Unfer- und Feldmag⸗ netdrähte 
vollſtandig verbrennen würde. Man muß des⸗ 
halb dem Motor Zeit geben, ſeine volle Ge— 





—“ 


ſchwindigkeit anzunehmen, ehe man den vollen Strom 
auf ibn wirfen apt, und das yey indem man 
nad und nad einen Widerjtand, den A. ausfdhaltet. 
Seine Einrichtung ijt die des Regulierwiderſtandes, als 
welder er aud), wenn die Maſchine in den Gang ge— 
bradyt ijt, dient. Durch Drehung der Kurbel über dic 
Kontaltplattdhen hin werden die Widerjtinde nach der 
Reihe — Bei den Drehſtrommotoren muß 
der A. in Anlerdraht des Motors geſchaltet wer- 
Den. Dazu legt man die Spulenenden an drei an der 
Udhje befeſtigte Meffingringe, auf denen Bitrjten ſchlei⸗ 
fen, und ſchaltet gwifden dieſen anfangs einen Wider: 





541 


* ein. 9 die normale Geſchwindigleit erreicht, ſo 
chließt man fie kurz (jest Die Bürſten diveft in leitende 
sie niga a Auch im Unfer hat man den A. ange- 
bradt, der Dann durch cin verſchiebbares Nontaftitiic, 
das die Spulen furs ſchließen fann, bei Eintritt einer 
bejtimmten Drehungsgeidwindigleit felbjttitig aus- 
geſchaltet wird. Der abgebildete An laſſer bejteht aus 
einem eiſernen Gefäß mit drei mit Sodalöſung gefiill- 
ten Kammern, in die drei Cifenbleche von etwa drei- 
ediger Form eingelajfen werden finnen. Das Gefäß 
ijt mit Den zum Stromerzeuger, die Bleche mit den 
jum Motor fiihrenden Drahten verbunden. Wit tie: 

Sy Cinjinfen der Bleche ninunt der Widerjtand ab. 
Bgl. Krauſe, Anlaſſer und Regler (Berl. 1902). 

Anlauf (griech. Upophyfis), in der Urehitettur 
dag viertelfreisfirmige Verbindungsglied a (j. Figur) 
zwiſchen einer et- 
was vorſprin⸗ 
genden wage— 
rechten Plalte 
u. einem Schaft 
oder einer Wand 
mit ganz oder 

aſt lotrechten 

berflãchen dar⸗ 
über. Der A. findet bei Sockelgeſimſen, Säulenbaſen 
u. dgl. häufig Anwendung. 

Anlaufen, bei Metallen die Bildung eines dünnen 
Überzugs auf der Oberfläche. Blei und Zink bededen 
ſich an feuchter Luft mit ciner diinnen Sdidt von 
Oryd oder Kohlenfiurefals, auf Silber entſteht in un- 
reiner Luft ix Theres von Schwefelſilber, Stabt 
bededt ſich beim Erhitzen mit einer zarten Drydididt, 
die je nach ihrer Stärke qelblid), rötlich oder blau cr- 
ſcheint. Ahnliche Anlauffarben nehmen auc Kupfer 
und A pg a Pt beim Erhigen an. Man cr: 
Halt diefelben am ſchönſten in einem Luftbad, das man 
fiir Stahl oder Eiſen auf 200, fiir Rupfer auf 120, 
fiir Meſſing auf mehr als 200° anbigt. Wan legt 
oder hängt den betreffenden Gegenjtand hinein und 
bringt ibn nad Entftehung der gewünſchten Farbe zur 
ſchnellen Abkühlung auf eine oie Metallplatte( Stahl, 
Eiſen) oder taucht ihn in faltes Waſſer. Der Cintritt 
einer bejtinunten Farbe hängt bei Stahl von feiner 
Zuſamnienſetzung und feiner Harte, der Art der Er- 
wärmung, der Temperatur und die Dauer ihrer Cin- 
wirfung ab. Dabei ſcheint fiir jede Untauffarbe eine 
bejtimmte Temperatur zu exrijtieren, unterhalb der 





Anlauf. 


dieſe Farbe nicht auftritt. Die Praxis unterſcheidet 


bei Stahl als Anlauffarben Hellgelb, Dunkelgelb, 





| Drange, Purpur, Violett, Dunkelblau, Hellblau, Meer⸗ 


grün oder Grau. Man benutzt die Anlauffarben beim 


| Parten des Stahles, um bejtinumte Härtegrade zu er— 


reiden. Bemerfenswert ijt aud) die qute Molations: 
fähigleit der den Hdhern Reihen angehorenden Anlauf— 
idhichten und die Möglichkeit, durch das ungleichmäßige 
Auftreten einer Anlauffarbe nicht homogene Teile in 
gehärteten Stahl zu entdecken. Die größte Beachtung 
aber verdienen die Anlauffarben fiir dic Kunſtinduſtrie, 
da fie viel weiter gehende Nuancierungen gejtatten 
und haltbarere Färbungen liefern als andre Metho- 
den der Metallfirbung. Uber A. und Anlauffar— 
ben der Mineralien f. d. —- Im Seeweſen bedeutet 
a., auf der Fahrt nad) dem Beſtimmungshafen cinen 
Zwiſchenhafen oder Nothafen aufſuchen. 

Aulaut, in der Phonetik und Grammatif Bescich- 
nung für den erjten Laut eines Wortes oder einer 
Silbe; Gegenſatz: Inlaut und Auslaut. 

Aulegeapparat, ſ. Schnellpreſſe. 


542 


Anlegegontometer, |. Goniometer. 
Anlegemafdinue , |. Spinnen. 
Anlegen, die Treiber fiir cine Treibjagd anjtellen, 
ordnen; cine Meute an die gu verfolgende Fährte 
Anlehen, |. Darlehen. (bringen. 
Anlehuslofe, die Obligationen der Pramien- oder 
Lottericanlehen, bei denen das Rechtsverhaltnis zwi⸗ 
ſchen dem Begeber und den Inhabern der Lofe durd) 
den Anlehnsplan geregelt wird. S. Lotterie. 
Auleihe, Uniehen oder Darlehen (ſ. d.), insbef. die 
grogen Geldaufnahmen, die vom Staat, von Gemein- 
den, Hffentlidjen Gefellidaften x. zur Bejtreitung 
auferordentlidber Unsgaben gemadt werden. Weite- 
red vgl. Staatsjdulden. 
Anliegen, nad) ciner bejtimmten Ridtung fteuern, 
3. B. Often a., der Bug ijt nad Often geridjtet. 
Anliegender Gang (Innengang), ſ.Schiffbau. 
Anloten, bei nebeligem Wetter mit dem Lote den 
Schiffsort in der Nähe der Küſte oder einer Bant be- 
MUnlfummer, ſ. Altweiberſommer. ſtimmen. 
Auludern, Anlocken von Raubzeug durch Aus— 
legen von Luder. 
Anluven (Aufluven), den Bug eines Schiffes 
niiber an Den Wind drehen; Gegenſatz: Abhalten (ſ. d.). 
Anmafren, d.h. unbefugt, widerrechtlich etwas be- 
nugen, fiir fic) in Uniprucd nehmen. Wer unbefugt 
die Ubbildung des faijerlidhen Wappens oder von 
Wappen eines Bundesfiirjten oder von Landeswappen 
qebraudt, oder unbefugt eine Uniform, cine Umts- 


ficidung, cin Anitszeichen, cinen Orden oder ein Ehren: | 


geidhen tragt, oder Titel, Wiirden oder Udelspriidifate 
anninunt, ebenfo wer einem zuſtändigen Beamten 
qeqeniiber fic) eines ibm nicht gufommenden Namens 
(vql. jedod) Alias) bedient, wird nad dem Strafgeſetz⸗ 
bud) (§ 360) mit Geldjtrafe bis gu 150 WE. oder mit 
Haft bis zu ſechs Wochen beftraft. In Ojterveich wird 
die Adelsanmaßung von der politijden Behörde mit 
Geldjtrafen geahndet; die Strafe der Falfdmeldung 
it Urreft von drei Tagen bis gu einem Monat. Die 
fogen. Umisanmakung, d.b. wer unbefugt fic mit 
Ausübung cines Hifentlidjen Amtes befakt oder eine 
Handlung vornimmt, die mur fraft eines öffentlichen 
Anites vorgenommen werden darf, wird nad § 132 
des Reichsſtrafgeſetzbuches mit Gefingnis bis ju cinem 
Jahr oder nit Geldjtrafe bis gu 300 Wf. bejtraft. 
In Ojterreid) wird, wer fid) (obne betrügeriſche Ub- 
jicht) fiir einen Sffentlidjen Beamten oder Diener aus- 
qibt, mit Urrejt von 3 Tagen bis gu cinem Donat 
beftraft (Strafgeſetzbuch, § 333). 

„An Mein Volk’, Aufruf de3 Königs Friedrich 
Wilhelm IT. von Preußen beim Beginn des Be— 
freiungsfrieqes vom 17. März 1813, verfaRt von 
Th. G. v. Hippel (f. d.). 

Anmeldefchein, ſ. Paß. 

Anmeldeſtellen ſind diejenigen mit den Anſchrei— 
bungen fiir Die Verkehrsſtatiſtil beauftragten Amts— 
ſtellen, denen nach dem Geſetz, betreffend die Statijtif 
des Warenverkehrs, vom 20. Juli 1879 (in Oſterreich 
nad) dem Geſetz vom 26. Juni 1890) diejenigen Waren 
nad) Gattung, Menge, Herfunfts- und Beſtimmungs 
fand anjumelDden find, die fiber die Grenzen des deut⸗ 
ſchen Sollqebictes cine, aus- oder Durd)gefiibrt werden. 
Die Unmeldung erfolgt dDurd den Warenfiihrer mit 
tels Llbergabe eines din eldeſcheins an Me W.; 
bei Ben unter Zolllontrolle ftehenden Waren vertritt 
das Jollabfertiqungspapier den Anmeldeſchein. 
Beim fleinen Grenyverfehr geniigt miindlide Unmel- 
dung. VW. find die Yollamter im Grenzbezirk. Außer— 
dem find dort A. nad) Bedürfnis erridtet (Gemeinde- 





Anlegegoniometer — Anna. 


behirden). Ausnahmsweiſe fonnen aud Zoll- oder 
Steuerämter, die nicht im Grenzbezirk fliegen, zu A. 
beſtellt werden. A. nennt man aud) die fiir Die Ber— 
zollung errichteten Anſagepoſten (ſ. Anſageverfahren). 

Anme ahren, ſ. Patent. 

AnmeldDung der lage, deren Einbringung bei 
Geridt, durch die friiher vielfad) die Klage erhoben 
wurde. Nad) der deutſchen Zivilprosefordnung (§ 253) 
ijt bie Zuſtellung der Klage (f. d.) entſcheidend. 

Aumufterung, die Verlautbarung des zwiſchen 
Schiffer und —— abgeſchloſſenen Heuerver⸗ 
trags vor einem Seemannsamt . Heuer). Bal. Deutſche 
Seemannsordnung vom 2. Juni 1902, § 13f. 

Anmut bedeutete urfpriinglid das Wobhlgefallen 
an einer Sache, Dann ** Trieb (man fiiblte A. 
etwas ju tun); {pater wur ie Eigenſchaften, durd 
die cin Gegenjtand Wobhlgefallen erregte, als A. be: 
zeichnet; fo fprad) man etwa von der A. ciner Ge- 
gend. Allmählich aber wurde der Begriff mebr und 
mehr auf ein —— äußeres Gebaren von 
Perſonen eingeſchränkt, insbeſ. auf ein ſolches, das aus 
dem Innerſten einer ſchönen Seele hervordringt, wab- 
rend da3 Wort Grazie mehr auf die phyitide Leid- 
tigfeit der Bewegung hindeutet. So ijt A. die darpere 
Erſcheinung ſeeliſcher Schinbheit, Schönheit dagegen 
die wohlgefällige Gupere Erſcheinung, abgeſehen von 
der innern Beſeelung. 

Anna (aud Una), a) Rechnungsmünze in Britiſch⸗ 
Djtindien, —= '/1e Rupie, im gewöhnlichen BVerfehr — 
1 Penny; die fleinjte Sil ze enthält 2 UW. ; Ein⸗ 
teilung der A. in 4 Peiſas zu 3 Peiß oder in 5 Bonns 

u 20 Gindas. Yn Sanfibar teilen die YUraber den 

oman in 2 UW. zu 2 Bria (Cinheit Baiſa); b) frühe⸗ 
res Gold- und GSilbergewidt Bengalens, == "16 Sic 
carupie; c) Berlengewidt in Bombay, = ‘Vie Rotth 
= 12,15 mg; d) Salzmaß in Bombay, — "ie Raich 
= 100 Parahs — 2634,26 Lit. — 2540 kg. 

Anna (v. hebr. channdh, »Gnade<), Herlige, an- 
geblid) Ehefrau des Heil. Joadim, foll nad 2Ojabri- 
ger Unfrudtbarfeit Maria, die Mutter Jeſu. geboren 
haben. Sie gilt als Schutzpatronin der Tijdler. Ge- 
dächtnistag Der 26. Juli, bei den Griechen der 9. De}. 

Anna, Name zahlreicher Fiirjtinnen, von denen 
als die merkwürdigſten anjufiihren find: 

[@ngland.] 1). Boleyn, sweite Gemahlin König 
Heinrids VII. von England, Todter des Thomas 
Boleyn, ſpäter Grafen von Wiltſhire und Ormond, 
geb. 1508 oder 1504, geft. 19. Mai 1536, wurde, nad- 
Dem fie als Begleiterin ihres Vaters einige Seit am 
franzöſiſchen Hof gelebt hatte, Hoffraulein der Rdnigin 
Ratharina von Uragonien, Gemablin Heinrichs V 
Letzterer wurde bald von leidenfdaftlider Liebe zu der 
mit vielen forperliden Reizen ausgeftatteten Hofdame 
ergrifjen, fuchte feine Ehe mit Natharina aufzulöſen 
und vollzog, nod) bevor der Erzbiſchof Cranmer dieſe 
fiir nichtig erflart hatte, im Januar 1533 feme Ber- 
mählung mit A. Wher Heinrids Liebe zu VU. ſchwand 
bald dabin, zumal da fie ihm nur eine Todter, Eliſa⸗ 
beth, qeboren hatte (1533). Sie wurde des wieder⸗ 
holten Ehebruchs und der Blutidhande beſchuldigt und 


in Den Tower geworfen. Obwohl fie ibre Unſchuld 
| beteuerte, wurde fie 15. Mai 1536 durch etm Geridt 


von 26 Beers fduldiq gefproden und 19. Wat ent⸗ 
hauptet. Bgl. Benger, Memoirs of Anne Boleyn 
(Mond. 1821, 2 Bde.); Diron, History of two queens: 
Catherine and Anne Boleyn (daſ. 1874, 4 Bde.); 
Friedmann, Anne Boleyn (daf. 1884, 2 Bde.); 
Blaze de Bury, Un divorce royal. Anne de Bo- 
leyn (Bar. 1890). 


Anna (Fiirjtinnen). 


2) U. von Kleve, vierte Gemahlin Heinrichs VIII. 
von England, geb. 22. Sept. 1515, gejt. 16. Juli 1557, 
war die Todter de3 Herzogs Johann IT. von Kleve. 
Auf den Rat Thomas Cromwells, der die Sache des 
Protejtantismus gu ſtärlen fudte, warb Heinrich, der 
fie nur durch cin von Holbein gemaltes angiehendes 
Portriit (im Louvre gu Baris) fannte, um ihre Hand. 
Der Konig reijte ihr, als jie 1539 nad) England fam, 
bis Rodejter entgegen, war aber bald enttiujdt, da 
fie weder äußern Liebreiz nod) jene feine franzöſiſche 
Bildung bejak, die Heinrid) hodidigte. Cromwell 
bewwog ibn gwar 6. Jan. 1540, die Ehe wirklich gu voll- 
jieben, aber bald darauf eg Heinrich ibn und liek 
ſich von A. fdjeiden, der cin Einkommen von jährlich 
3000 Pfd. Sterl. bewilligt wurde. A. blieb in Eng: 
land und war 1553 bet der Krönung Marias an- 
weſend. Sie wurde in der Weſtminſterabtei bejtattet. 

3)U. Stuart, Ronigin vonGropbritannien 
und Irland, Sodbter atobs IL. von England aus 
defjen erjter Che mit Unna Hyde, Todjter Lord Cla- 
rendons, geb. 6. Febr. 1665, geſt. 12. Mug. 1714, 
wurde nad den Grundfagen der anglifanifden Kirche 
erjogen und 1683 mit dem Prinzen Georg, jiingerm 
Sohn Friedrids II. von Dinemarf, vermählt. ls | 
ibe Schwager Wilhelm von Oranien gur Eroberung 
des britiſchen Thrones 1688 in England landete, er- | 
flarte fie fid), von Lord Churdill, nadymals Herzog 
von Marlborough, beeinflupt, fiir jenen und gegen 
ihren Vater. Wis König Wilhelms III. Nadfolgerin 
bejtieg fie 19. März 1702 den Thron. Der Herzog 
von Warlborough bette unter ihren Ratgebern die 
Hauptrolle, und feine ſchöne, aber leidenfdaftlice und 
hochmütige Gattin war ihre nächſte Vertraute. Auf 
Antrieb Marlboroughs hielt W. an dem Kriege gegen 
Frankreich fejt; aud) ward 1707 die Union Englands 
und Sdottlands ju einem Reiche »Grofbritannien« 
bewerfjtelligt, und dabei wurden aud) für Sdpottland 
die Beſtimmungen des englijden Thronfolgegeſetzes 
angenommen, denen jufolge die Krone, wenn a obne 

jtiirbe, an die protejtantifde Linie der Nach— 

fonumenfdaft des Haujes Stuart, mithin an die Kur— 

fiirjtin Sopbie von Hannover, Jakobs I. Enfelin, und 

ihre Erben fallen mupte. Schon feit 1707 batten die | 
perſönlichen Beziehungen der Königin ju Lady Marl- 
borough und ihrem Gemabhl gu erfalten beqonnen; 
im April 1710 fam es gu offenem Bruch; am 17. San. 
1711 wurde die Herjogin entlaffen, 31. Dez. ihr Ge- 
mahl feiner Unter enthoben. Schon feit Auguſt 1710 | 
war der Krieg gegen Frankreich nur fd fortge- 
fiibrt worden; 12. Upril 1713 ward er durch den lit- 
rechter Frieden beendigt. Die ſpätern Regierungsjahre 
Annas vergingen unter verdrießlichen Handeln zwi⸗ 
iden Den fGmpfenden Partcien. Dem Wunſche der 
Whigs, day der Thronerbe nad England berufen 
werde, trat A. entgegen. Ob fie wie Lord Boling- 
brofe in ihrer letzten Lebenszeit an eine Wnderung der 
Thronfolgeordnung zu gunſten des Pratendenten ge 
dacht hat, ijt umftritten; jedenfalls madte ihr Tod 
derartigen Plänen cin Ende. Ihr Privatleben war 
tadellos; als Königin war jie ſchwach und von ihren 
jeweiligen Ratgebern und Günſtlingen abhängig. Bal. 
Bicatesd, istory of England, comprising the | 
reign of Queen Anne (4. Aufl., Cond. 1873, 2 Bde.); 
BWyon, History of Great Britain during the reign 
of Queen Anne (daf. 1875, 2 Bde.); Burton, Hist. | 
of the reign of Queen Anne (@dinb. 1880, 3 Bde.). | 

[Franfreig.] 4) U. von ————— Gemahlin 
Karls VIL. und nad deſſen Tode Ludwigs XII. von | 
Frankreich, Tochter Franz' D., letzten Herzogs von 








543 


Bretagne, geb. 26. Jan. 1476 in Nantes, geſt. 9. Jan. 
1514, erbte 9. Sept. 1488 die Bretagne und ließ ſich 
1490 durch Profuration dem rimifden König Maxi— 
milian J. antrauen. Karl VILL. von Frankreich jedoch 
zwang die reiche Erbin, fich mit ihm gu vermählen 
(18. Rov. 1491). Ausgezeichnet durch Schinheit und 
Geijt, regierte U. während des italieniſchen Feldzugs 
ihres Gemahls Franfreid) und vermählte ſich nad 
deſſen frühem Tode (1498) 17. Jan. 1499 mit König 
Ludwig XIL., der ſich von ſeiner erſten Gemahlin, Jo— 
hanna, ſcheiden ließ. Nach ihrem Tode wurde die Bre— 
tagne, deren Selbſtändigkeit ſie eiferſüchtig gewahrt 
hatte, fiir immer nut Frankreich vereinigt. Bal. Le— 
rour de Liney, Vie de la reine Anne de Bretagne 
(Bar. 1860—61, 4 Bde.). 

5) UW. Maria Mauritia, gewöhnlich W von 
Ojterreid) genannt, Knigin von Frantreid, 
geb. 22. Sept. 1601, gejt. 20. Jan. 1666, älteſte Toch— 
ter Philipps OT. von Spanien, wurde 1615 mit Lud- 
wig XIII. vermählt, jedoch durch Richelieu ihrem Ge- 
mahl entfrenidet. Spiiter gejtaltete jid) Das BVerhalt- 


| nis zwiſchen den Gatten freundlider. YW. gebar erjt 


5. Sept. 1638 einen Prinzen (Ludwig XIV.) und 
21. Sept. 1640 den Herzog Philipp von Oridans und 
ward nad) Ludwigs XIII. Tode, defjen lestem Willen 
zuwider, Durd Parlamentsbeſchluß vom 18. Mai 1643 
ur unumſchränkten Regentin fiir den fiinfjaihrigen 
rinzen erflart. Gie fdenfte ihr ganjes Vertrauen 
Mazarin, nit dent fie im geheimen vermählt war. 
Dagegen brad) 1648 der Aufſtand der Fronde aus, 
Der giveimal (1651 und 1652) A. nötigte, Mazarin 
auger Landes ju ſchicken. Allein nach der Niederlage 
der Fronde fehrte der von A. treugeliebte Mazarin 
1653 zurück und blieb bis an feinen Tod (1661) an 
der Spige der Geſchäfte. Danach zog ſich A. in das 
von ibr gejtiftete Kloſter Bal de Grace zurück, wo fie 
fid) frommen Ubungen widmete. Bgl. Freere, Re- 
gency of Anne of Austria (Yond. 1866, 2 Bde.); 
Chéruel, Histoire de France pendant la minorité 
de Louis XIV (Par. 1879 — 80, 4 Vde.). 
[Oftrimifdes Reich.J 6) WU. Romnena, Todter 
des oſtröm. Kaiſers Alexios J., geb. 1083, geſt. nad 
1143, erhielt eine ausgezeichnete Erziehung und erwarb 
eine umfaſſende Bildung. An Nikephoros Bryennios 
vermählt, machte fie nach dem Tod ihres Vaters (1118) 
einen vergeblichen Verſuch, ihren Gemahl ſtatt ihres 
Bruders Johannes auf den Thron zu bringen. Bald 
darauf jog fie ſich mit ihrer Mutter in ein Kloſter zu— 
rück und verfaßte hier die » Alexias«, eine Die Zeit von 
1069 —1118 umfafjende Geſchichte ihres Vaters, die 
ju Den Hervorragendjten Leijtungen der byzantiniſchen 
Gefdidtidreibung gehört, wenn fie aud) von Lob— 
redneret und Selbſtgefälligkeit nicht fret ijt (Bd. 1, 
hrsg. von Sdjopen, boa 1839; Bd. 2 von Reijffer- 
ſcheid, 1878). Cine Uberjegung davon findet fic) in 
den von Shiller herausgegebenen »Hijtorijden Me— 
moirens. Vgl. Ojter, A.Komnena (Rajtatt u. Tiibing. 
1868 —71, 3Tle.); Reumann, Griechiſche Geſchicht— 
ſchreiber 2c. im 12. Jahrhundert (Leipz. 1888). 
[Rukland.} 7) U. Jwanowna, Raijerin von 
Rufland, zweite Todjter des Zaren Diwan Alexe— 
jewitid), des altern Halbbruders Peters d. Gr., geb. 
25. Jan. 1693 in Mosfau, gejt. 28. Oft. 1740, ward 


13. Dt. 1710 mit dem Herzog Friedrid) Wilhelm von 


Kurland vermablt, der ſchon 1711 jtarb. Wis mit dent 
Tode Peters IL. (19. Yan. 1730) die männliche Linie 
des Haujes Romanow erloſch, ward fie auf Betreiben 
der Fürſten Dolgorukij und Galizyn zur Thronerbin 
erklärt. Sie mußte verſprechen, nichts ohne Mitwirken 


c 


944 


des aus den vornehmſten Mitgliedern des ruffifden 
Adels beftehenden Reidsrats unternehmen ju wollen. 
Trogdem erflarte fie fic) nach ihrer Thronbejteiqung 
als Selbjtherrjderin, von der Geiſtlichkeit, dem kleinen 
Wdel und den Garden unterjtiigst. In ibrem amen 


herridjte der Giinftling Biron, die Widerfpenjtigen | 


Anna Luije — Annahme an Kindes CStatt. 


Annaberg, 1) Berg: und Umtshauptitadt in der 
ſächſ. Rreish. Chemnig, im Erggebirge am 831 m 
hoben Pöhlberg, Knotenpuntt der Staatsbabhniinien 
Chemnitz⸗ A. und A.Schwarzenberg, GOO m ii. M. 
hat 3 evang. Kirchen (Darunter Die 1499—-1525 er 
baute St. Annenkirche), cine fath. Rirde, Denfmaler 


tdtend oder nach Sibirien verbannend. Bei ihrem Tod | des Herzogs Georg, Luthers, Bismards, des Rechen- 
ernannte fie den Enfel ihrer älteſten Schweſter Ra- | meijters Adam Riefe und der Barbara Uttmann 
tharina, Swan, jum Nachfolger und Biron jum Re⸗ (f. unten), cin Realgymnajium mit Progymmafiunt, 
genten wabrend dejjen Minderſährigleit. Bgl. Korſſa- | Schullehrerjeminar, hihere Bürgerſchule, Gewerbe-, 


fow, Anna J. (ruſſ., Rajan 1880). 

8) A. Petrowna, zweite Todjter Peters d. Gr. 
und Ratharinas J., geb. 1708, geft. 1728, Gemahlin 
des Herjogs Friedrid) Narl von Holjtein - Gottorp, 
mute nad) dem Tode der Raiferin Natharina L., die 
mit übergehung ibrer Töchter Clijabeth und Anna den 


Sohn des Zarewitid) Alexei, Peter (IL), zum Nad | 


folger ernannt hatte, Rußland verlajjen und jtarb nad 


der Geburt ihres Sobnes, der 1762 als Peter IIT. den | 


ruſſiſchen Thron bejtieg. 

9) A. Leopoldowna (falfhlid A. Karlowna), 
eigentlich ClifabethRatharinaChrijtine Groß— 
fürſtin und Regentin von Rußland, Tochter 
des Herzogs Karl Leopold von Mecklenburg und der 
Katharina Iwanowna, Nichte von A.7), geb. 18. Dez. 
1718 in Roſtoch, geſt. 18. März 1746, erhielt 1732 bei 
ihrem Ubertritt zur qriedh. Mirde Den Namen A. und 
wurde 1739 an den Sringen Anton Ulric von Braun: 
{dhweig-Liineburg-Bevern (j. Anton 3) vermählt. Sie 
gebar 1hm 1740 Den Prinzen Diwan, der von der Kai— 
jerin Anna (f. unter 7) unter Birons Regentſchaft zu 
ihrem Nadfolger ernannt wurde. Biron wurde jedod 


19. Rov. 1740 durd den Feldmarjdall Münnich im 


Cinverjtindnis mit der Mutter des jungen Kaiſers ge- 
ſtürzt, und A. erklärte fid) nun zur Groffiirjtin und 
Regentin. Sie ernannte den Feldmarſchall Münnich 
zum Bremierminijter, der aber 13. März 1741 feine 
Stelle niederlegte, und unterbielt ein Liebesverhaltnis 
mit Dem ſächſiſchen Diplomaten Lynar, der die Freun— 
din Annas, Julie v. Mengden, heiraten follte. Es bil- 
Dete ſich eine Verſchwörung, die der Tochter Peters 
d. Gr., Elifabeth, den ruſſiſchen Thron verſchaffen 
wollte. Yn der Nacht vom 5. zum 6. Dez. 1741 wurde 
A. mit Unton Ulric von Braunſchweig und ihren Kin- 
Derm: dem ehemaligen Maifer Swan und der Prin— 
zeſſin Ratharina, nad Riga gebracht und ſchließlich in 
Cholmogory an der Dwina gefangen gehalten, wo fie 
18. März 1746 ftarb, nachdem fie threm Gemahl nod 
Drei Minder geboren hatte. Swan wurde 1756 nad 
Schlüſſelburg gebradt und daſelbſt 1764 ermordet. 
Bgl. Britdner, Die Familie Braunſchweig in Ruf: 
land (Petersb. 1876). 

[Sadfen.} 10) Gemabhlin des Kurfürſten Auguſt I. 
von Sadfen, Todter Chrijtians IT. von Dänemark, 
geb. 25. Nov. 1532, geft. 1. Olt. 1585, 2. Mug. 1548 mit 


Auguſt vermablt, als eifrige Lutheranerin 1574 eine | 


Haupturbheberin des Sturyes der Calvinijten, fchaltete 
tin Einverſtändnis mit dem Gatten als fluge Wirt- 
ichafterin. Sie ſchrieb ein ⸗Erzneibüchlein« und ftif- 
tete Die Hofapothefe in Dresden (1581). Wiewohl febr 
fparjam, forgte fie bod) etfrig fiir Die Wren und Kran— 
fen, Daher fie tm Bolfsinunde » Mutter Unnae hieß. 
Sie gebar in 37jabriger Ehe 15 Kinder, von denen aber 
nur ein Sohn und dret Töchter die Eltern iiberlebten. 
Baql.v. Weber, A. Kurfürſtin ju Sachſen (Leipz. 1865). 

Anna Luife (Anneliee), die Gemablin ded 
Fürſten Leopold L. von Unhalt-Dejfau (feit 1698), 
Todter des Upothefers Fife in Deffau, qeb. 22. März 
1677, geſt. 5. Febr. 1745; ſ. Leopold 3). 


Handels⸗ und landwirtidaftliche Winteridule, 3 Ret- 
tungs- und Erziehungsanjtalten, Muſeum ergqebirgi- 
ſcher Altertümer und (1900) 15,958 meijt evang. Gm: 

wohner. A. ijt mit dem nahen Buchholz Hauptyigs der 
Pojamentierwaren-Fabrifation u. Spigenfldppelet un 

Deutichen Reich und hat aukerdem Fabrifation von 

Korſetten, leonifden Waren ꝛc., Färberei und litho- 

grappiiie Ynjtalten. Der Bergbau hat ganz aufgebort. 

. ijt Sig eines Amtsgerichts, Hauptzollamts, ameri- 
fanijden Konſuls und ciner Filiale der Sächſiſchen 

Bank. Die Stadt verdantt ihre Griindung unter Her: 

Albrecht Dem Beherzten 1496 dem Bergbau und hieß 

anfangs die ⸗Neue Stadt am Schreckenberg⸗. 1561 

führte Barbara Uttmann (die 1575 in YL jtarb und 

jeit 1886 ein Denfmal dafelbjt hat) die Spitzenklöppelei 
ein, und 1590 ließen ſich — aus Belgien ver: 
triebene Pofamentiere in Vi. nieder. A. ijt urtsort 
des Dugendichriftitellers Chr. Felir Weiße, gu deſſen 

Undenfen 1826 eine Waijenanjtalt qeqriindet wurde; 

der befannte Redenmeijter Adam Rieſe (geft. 1559) 

lebte als Bergſchreiber dafelbjt. Bgl. Stehle, Chro- 

nifalijche Nachrichten fiber die Stadt VU. und Umgebung 

(Unnab. 1868); Grohmann, Das Obcrerggebirge 

und feine Hauptitadt A. (daſ. 1892); -Mtittetlungen 

des Vereins fiir Gefdichte von W. und Umgebung<, 

1888 ff.; Darin Grohmanns ⸗Feſtſchrift sur 400japn- 
en Jubelfeier«, 1896. — 2) Wallfahrtstirde, ſ. Sul}: 





ad 1). — 3) Berg, f. Leſchnitz. 
Annabergit, Mineral, foviel wie Nickelblüte. 


Annabon, Inſel, |. Annobom. 
Annabrunn , Mineralquelle, ſ. Mühldorf. 
Annaburg (friiher Lodau), Fleden im preup. 
Regbez. Merfeburg, Rreis Torgau, an der Staaté 
babniinie Falfenberq-Roflau, hat cine evang. Kirche, 
| eine Steinqutfabrif und (1900) 8200 Cinw. * dor: 
tige Schloß ijt von Ynna, der Gemahlin ded Kurfür⸗ 
jten Auguſt J. 1572--75 erbaut worden und feit 
1762 Sig eines Militarfnabeninjtituts und einer Un. 
teroffiziervoridjule. — . Sn der naben Unnaburger 
oder Lochauer Heide wurde 24. April 1547 der 
Kurfürſt Johann Friedrid) von Sachſen nad) der 
Schlacht bet Mühlberg gqefangen genommen. Bal. 
Gründler, Sdlok UW. “Berl. 1888). 

Wnnaglas, |. Uranglas. 

Annahern, ſ. Veredelung. 

Cinndhernng (lat. Approximation), mathe 
matiſcher Musdrud fiir ſolche Größenangaben, die nicht 
ganz genau ſind, aber dem wahren Werte mehr oder 
weniger nahekommen. So ijt 0,33 cin angendherter 
Wert fiir Vs, 0,141 ein folcher fiir y/F 2. Gemeine 
Briiche mit großem Zähler und Nenner Laffer fich mit 
Hilfe von Kettenbrüchen (ſ. d.) angenähert durch ein- 
fachere Vriiche darjtellen. (septation. 

Annahme, im Wechſelverkehr, ſ. Utyept und A- 

Annahme an Kindes Statt, friiber tm Anſchluß 
an Die Bezeichnung des römiſchen Rechts adoptice 
(Wdoption) genannt, ift cin Rechtsgeſchäft, durch 
das zwei Perſonen jucinander in cin Eltern:, bes 
Kindſchaftsverhältnis treten. Sie ijt die widytigite, 





Annahme an Zahlungs Statt — WAnnalen. 


amt weiteſten verbreitete und am höchſten entwickelte 
fiinjtlidje Berwandtidaft, ihre Spuren reidjen in die 
friibejten Zeiten der Menſchheit guriid und finden fid 
mehr oder minder deutlich und ausgebildet bei faſt 
allen Völlern (Semiten, Jndogermanen, Oftafiaten, 
Indianervöllern). Yn der Gegenwart ijt die A. fajt 
bei allen Qulturvilfern üblich und geſetzlich qeregelt, 
nur das niederländiſche, englifde und nordamerifa- 
niſche Recht fennt dieſelbe mdt. Das gemeine Recht 
unterjdied im Anſchluß an das römiſche Recht zwiſchen 
Udoption, d. h. Annahme eines unter vaterlicder Ge- 
walt jtehenden Meniden an Kindes Statt, und Urro- 
ation, d. h. Annahme cines nidt unter väterlicher 
alt ftehenden Menjdjen, eines fogen. Haustindes. 
Erſtere geſchah durch Vertrag awijden dem Inhaber 
Der vãterlichen Gewalt und dem Wdoptivvater, der in 
Gegenwart und ohne Widerfprud) des Rindes von 
den Beteiligten geridtlic) verlautbart werden mufte, 
legtere geſchah durch landesherrliches Reffript unter 
ausdriidlider Zuſtimmung ded Kindes, bez. des Vor⸗ 
mundes. Frauen konnten nur mit landesherrlicher 
Erlaubnis adoptieren, wenn ſie eigne Kinder gehabt 
und verloren hatten. Das deutſche Bürgerliche Ge— 
ſetzbuch macht keinen Unterſchied zwiſchen Adoption 
und Arrogation, zwiſchen Mann und Frau. Nach 
ihm erfolgt die A. durch einen bei gleichzeitiger An— 
weſenheit beider Teile vor Gericht oder vor einem 
Notar geſchloſſenen und durch das zuſtändige Gericht 
beſtätiglen Vertrag. Der Vertrag darf weder befriſtet 
nod) bedingt werden, einſeitiger Rücktritt ijt unjtatt- 
haft. Qiegen die formellen Erforderniſſe eines An— 
nabhmebvertrags vor, fo darf das Gericht nidt etwa 
aus Zweckmaßigleitsgründen die Beftitiqung ver- 
ſagen. Diefe Erfordernifje find auf feiten der Un- 
nebmenden: 1) Mangel ebelidjer, lebender Ubfimm- 
lange (Minder, Enfel), 2) Alter von 50 Jahren oder 
dod) wenigftens ein um 18 Jahre hiberes Ulter als 
dad des Ungunehmenden, jedod) ijt hiervon Dispen- 
jation möglich, 3) Einwilligung des Ehegatten des 
Annehmenden, 4) ein Vormund foll während der 
Dauer der Vormundſchaft fein Mündel nidt an Rin- 
des Statt annehmen, 5) cin Ehepaar fann ein Rind 
endlid) nur als cin gemeinſchaftliches annehmen. Auf 
ſeiten des Anzunehmenden iſt zu beachten, daß bis 
zur Vollendung des 21. Lebensjahres eheliche Kinder 
der elterlichen, uneheliche der miitterliden Cinwil- 
liqung bediirfen, und daß cin Verheirateter nur mit 
Einwilligung feines Cheqatten an Kindes Statt an- 
genommen werden fann. Streitig ijt es, ob eine Mut⸗ 
ter ifr unehelides Rind an Kindes Statt annehmen 
darf. Durd) die UW. erhält das Rind die redhtlide 
Stellung eines eheliden. Es erhält den Namen des 
Annehmenden, Unterhaltsanfprud) und Erbredt, der 
Wnnehmende dagegen erlangt fein Erbrecht gegen: 
fiber Dem Kind, unberiihrt bleiben aud) die Rechte 
und Pflichten des Kindes —— ſeinen leiblichen 
Eltern und ſeinen Verwandten, inſonderheit geht das 
egenſeitige Erbrecht nicht verloren, einzig und allein 
—* elterliche Gewalt iſt erloſchen. Dagegen tritt das 
Kind in kein verwandtſchaftliches — zu den 
Verwandten und Ehegatten des Annehmenden, es hat 
alſo auch dieſen —— keinen Erbanſpruch. Die 
Wirkungen der A. erſtrecken ſich von ſelbſt auf die 
nach der Annahme gebornen Kinder des Angenom— 
menen, auf die bereits vorhandenen dagegen nur, 
wenn dieſelben ausdrücklich in den Annahmevertrag 
mit einbezogen wurden. Sein Ende findet der An— 
nahmevertrag durch vertragsmäßige Aufhebung oder 
durch den ——— Abſchluß einer Ehe zwiſchen 
Meyers Konv.+ Lerifon, 6. Aufl., J. Bod. 


545 


dem Unnehmenden und dem Ungenommenen. Bal. 
hierzu § 1741 mit 1772 des deutſchen VBiirgerliden 
Geſetzbuches. — Mach dem Code civil ijt die A. nur 
Volljahrigen —— geſtattet, und zwar nur dann, 
wenn ſie entweder dem Adoptivvater das Leben ge— 
rettet haben, oder von dieſem 6 Jahre lang ununter⸗ 
brochen während ihrer Minderjährigkeit unterhalten 
worden ſind. — In Oſterreich wird nur richterliche 
Beſtätigung des Adoptionsvertrags gefordert. Nur 
wenn der eigne Adel und das Wappen der Wahl— 
eltern auf das Wdoptivfind iibergehen follen, muß 
die Bewilliqung des LandeSfiirjten nadgefudt wer- 
den, während fonjt das Wahlfind nur den Namen des 
Wdoptivvaters, bes. den Geſchlechtsnamen der Udoptiv- 
mutter erhält. Swifden den Wabhleltern cinerjeits 
und dem Wahlfind und deſſen Nachkommen ander- 
ſeits finden nad) öſterreichiſchem Recht (§ 183 ded 
Ullgemeinen biirgerliden Geſetzbuches) im allgemei- 
nen gleiche Rechte wie zwiſchen eheliden Eltern und 
| Rindern ftatt. Auf die übrigen Mitglieder der Fa- 
milie ber Wahleltern hat die A. feinen Einfluß; da- 
gegen verliert das Wahlfind aud) nidt die Rechte fener 
eignen Familie. — Bei den Naturvilfern wird die 
U. gewöhnlich mit einer Sdheinentbindung, Saugen- 
laſſen an der Bruft oder am Daumen, die den Empfang 
cines wirflidjen Leibeserben fymbolifieren follen, ver- 
bunden. Bei den soci Stimmen und in 
Ultindien gehirte aud) das Ungiehen des viiterliden 
Schuhes gu den wefjentliden Zeremonien der U. Val. 
Couvade. 

Annahme an Zahlungs Statt (Hingabe an 
Erfiillungs Statt) liegt vor, wenn der Glaiubiger 
damit einverjtanden ijt, Dak ihm der Schuldner an 
Stelle der gefduldeten Leijtung etwas andres leijte. 
Das Schuldverhältnis erlijdht durd die W. (Biirger- 
liches Gefepbud), § 364). Der Schuldner, der cine 
Sade, eine —— gegen einen Dritten oder ein 
andres Recht an Erfüllungs Statt gibt, hat wie ein 
Verkäufer wegen eines Mangels im Recht oder der 
Sache Gewähr zu leijten (Biirgerl. Geſetzbuch, § 365). 

Mnnalen (Jahrbücher, Annales libri), Bücher, 
worin Die merfiwiirdigiten Begebenheiten in ſtreng 
chronologiſcher Folge, nad Jahren abgeteilt, ver- 
zeichnet werden. Vielfach hat die Geſchichtſchreibung 
mit A. angefangen; die alten Agypter, Babylonier, 
Uffyrer, Berfer und Chinejen batten ihre WU. Bn 
Griedenland wie in Rom ftanden dieje A., die in 
Griedenland coor (horoi) hießen, im Bujammenhang 
mit den offiziell geführten Beamtentijten. Jn Rom 
mag die Unlage wirklider Jahrbücher, die vom dem 
pontifex maximus abgefaRt wurden, im 4. Jahrh. 
v. Chr. begonnen haben. Cine Redaftion diefer offi- 
jiellen Stadtannalen in 80 Büchern veranjtaltete der 

berpontifer P. Mucius Scävola (um 130 v. Chr.); 
feitdem famen die Pontifikal-Aufzeichnungen gegen— 
liber Den Werfen der privaten Annaliſten nicht mehr 
in Betradt. Wn der Spitze der letztern jteht Fabius 
Pictor zur Beit des gweiten Puniſchen Krieges; ihre 
legten Bertreter reidjen bis zur Mitte des 1. Jahrh. 
v. Chr. Im eingelnen ijt die Geſchichte der rdmifden 
Annaliſtik neuerdings oft behandelt worden. 

Im Mittelalter beginnt die cigentlide Annaliſtik 
in-England mit kurzen gefdidtliden —— 
die man am Rande der Oſtertafeln verzeichnete. Auf 
dem Feſtlande wurden A. in klöſterlichen und biſchöf— 
lichen Kirchen, ſpäter wahrſcheinlich aud) am könig— 
lichen Hofe geführt. Die älteſten aus dem Gebiete des 
fränkiſchen Reiches erhaltenen A. ſtammen aus dem 
8. Jahrh. Zuerſt roh und dürftig, erweitern fie ſich 

35 





546 


bald gu ausführlichen Geſchichtsdarſtellungen. Bon 
den A. unterfdeidet man die Chronifen (jf. Chronit), in 
denen nicht dad Ralenderjahr die Grundlage der chro⸗ 
nologifden Unordnung bildet. Cin Verzeichnis der 
mittelalterliden U. findet man bei Potthaſt, Biblio- 
theca historica medii aevi (2. Uufl., Berl. 1896, 
Bd. 1, S. 48—100). Wusfiihrlider unterridten fiber 
Die deutſche Unnalijtif > Deutidland3s Geſchichtsquellen 
im Wtittelalters von Wattenbad (6. Aufl., Berl. 
1893. —94,2 Bde.) und Loren; (3. Aufl. daf. 1886— 
1887, 2 Bde.). — Neuerdings ijt der Name A. viel- 
fad auf wiſſenſchaftliche Zeitſchriften, und nidt bloß 
auf ſolche hiſtoriſcher Tendenz, tibertragen worden. 

Unnalin und Annalith, ſ. Gips. 

Annam, Kinigreid, ſ. Unant. 

Annan (pr. innen), Stadt (royal burgh) in Dum- 
friesfhire (Schottland), 3 km oberhalb der Diiindung 
des Annan in den Solway Firth, hier von einem 
Eiſenbahnviadukt iiberfpannt, der 1880 teilweife zu— 
ſammenſtürzte. A. hat Baumiwollfpinnerei und (1901) 
5804 Einw. 

Anna Perenna, italiſche Gittin de3 Jahres (an- 
nus), deren Feſt 15. März, des erjten altrömiſchen 
Jahresmonats, in einem Hain nahe bei Rom mit 
heitern Briiuchen gefeiert ward. So viel Becher man 
leerte, jo viel Jahre jdentte fie. Die Namensgleichheit 
lief {pater in ihr Unna, die Schweſter der Dido, fehen, 
die, aus Karthago vertrieben, nad Latium ju Aneas 
gefommen fei und fic) wegen Lavinias Ciferfudt in 
den Fluß Numicius geſtürzt habe, worauf fie als 
Nymphe verehrt wurde. Val. Ufener im »Rheinifden 
Muſeum fiir Philologie«, Bd. 30, S. 182 ff. (1875). 

Annapolis (pr. dndppons), Hauptitadt de3 nord- 
amerifan. Staates Maryland, an der Mündung des 
Severn in die Chejapeatebai, Bahnfnotenpuntt, mit 
Staatshaus, vereinsjtaatlidher Marineafademie (feit 
1845, mit Sternwarte, 60 Lehrern und 283 Seefadet- 
ten), Demt 1789 geqriindeten St. John's College und 
(1900) 8402 Einw. Die Stadt, 1649 gegriindet, hie 
urjpriinglid) Providence, dann Anne Urundel 
und nab erjt 1708 den jepigen Namen an. Haupt- 
ftadt ded Staated ijt fie feit 1689. Hier leqte Wafh- 
ington nad) Beendiqung des Unabbhingigteitstrieges 
23. Dez. 1783 den Befehl über dad Bundesheer nieder. 

Mun Arbor (pr. annars’r), Hauptitadt der Graf- 
ſchaft Wafhtenaw im nordanterifan. Staat Midigan, 
58 km weſtlich von Detroit, am Huron, mit der 1837 
gegründeten Michigan-Univerſität (1900: 158 Lehrer, 
3700 Studenten), Sternwarte, Bibliothef (145,000 
Bände), Uderbaugeriit- und Orgelbau, bedeutendem 
Produftenhandel und (1900) 14,509 Einw. 

Anna felbdritt, künſtleriſche Darjtellung der heil. 
Anna mit zwei Rindern (Maria und Jefus) auf den 
Armen oder mit Maria auf dem Scho}, die den kleinen 
Jeſusknaben ſelbſt halt. 

Annaten (lat. annatae, »>Nabhrgelder«), im wei— 
teften Sinn eine Ubgabe, die bet Geleqenheit der 
Verleihung eines kirchlichen Amtes (beneficium) an den 
Papſt zu entridten ijt. Schon frühzeitig mußten im 
Orient die Geweihten an die ordinierenden Patriar— 
chen, Erzbiſchöfe oder Biſchöfe und deren Rangleien 
beftimumte Gebühren fiir die Spendung der Weihen 
entridten. C€benfo mußten Die gu Rom qeweihten 
Biſchöfe und Wbte an die päpſtliche Kurie fiche Ge— 
bühren unter den Namen oblationes und benedic- 
tiones bezahlen. Seitdem mun um die Mitte des 
13. Dahrh. das Recht, die Bifdhdfe gu beſtätigen und 
zu weihen, ein päpſtliches Refervatredt geworden war, 





Annalin — Annecy. 


Abgabe unter den Namen servitia Camerae Papae, 
servitia communia oder A., weil fie meift in der 
Hobe de3 Dahreseinfommens eines jeden Bistums gu 
zablen war. Daneben beftand eine zweite Abgabe, de 
aus der Ubertragung der feudalen Lehnsverhältniſſe 
auf die Hierardie hervorgegangen war. Wie nimlid 
nad dem Tode des Lehnsmannes das verfallene 
Lehen mit feinen Cinfiinften bis zu anderweitiger 
pane aren | an den Lehnsherrn zurückfiel, fo nabmen 
aud) die Biſchöfe die Cinfiinfte Der von thnen ab- 
hingigen Benefizien während der regelmafigen ein⸗ 
jabrigen Balan; fiir fic) in Unfprud unter den Namen 
fructus medii temporis, jus deportuum, annalia, 
annatae. Dasſelbe Redjt madten mun fett dem 
14. Jabrh. aud) die Papjte geltend, juerjt ausnahms 
weife, Dann allgemein und definitiv hinſichtlich der 
Bistiimer und aller Benefizien, die fie fic) vorbebalten 
batten (A. im engern Girne). Gegen die argen Wik 
bräuche, die aus dem päpſtlichen Reſervatweſen und 
Den damit verfniipften Abgaben entitanden waren, 
reagierten die Nationalfirden auf dem Ronjtanjer 
Ronjzil, und fo wurden durd das Konſt Son- 
fordat mit Deutfdland (1418) die Verhältniſſe dahin 
geregelt, da die Unnaten nur von foldjen rejer- 
vierten Pfriinden bezahlt werden follten, deren Ein 
fommen 24 Goldgulden iiberjtieg. Da mun die deut- 
fen niedern Pfründen in den römiſchen Tarrollen 
niedriger als 24 Goldgulden angefest waren, fo frelen 
damit die A. fiir fie weg. Dagegen follten die Ser- 
vitien von allen deutiden Bistimern und Ubtewn, 
deren Borjteher ihre Benediftion vom Papſft erbielten, 
im Betrag eines Jahreseinfommens bezahlt werden, 
jedod) in halbjährigen Raten. Daher hie man Me 
Servitien fortan allein A. Das Bafeler Konzil er 
flirte Dann aud) die Servitien (A.) fiir abgeſchafft. 
allein Das Wiener Ronfordat 1448 ſtellte Die Kon⸗ 
ſtanzer Bereinbarung wieder her. Rom forderte fie 
aber in Giner Summe und erhöhte auch fortwabrend 
die Laren. Die auf dem Emſer Kongreß (1786) von 
den deutſchen Erzbiſchöfen erflirte AÄbſchaffung der 
U. hatte feinen andern Erfolg al3 den, daß Durch die 
Ronfordate und Zirkumſtriptionsbullen unfers Jahr: 
hunderts allenthalben cin gemindertes Pauſchquantum 
fejtqefest wurde, fo dak die A. (abgefehen von den 
Daneben ju entridtenden Rangleifportein) 3. B. fir 
Minden Freifing 1000, fiir Saubers 800, fiir Re: 
ensburg, Wugsburg, Würzburg je 600, fiir Paſſau, 
—8* und Speyer je 500, fiir Breslau 1166*s, 
fiir Köln und Gneſen-Poſen je 1000 Goldqulden 
(A 9 Lire in Gold) betragen. Bal. Boker, Das 
kirchliche Finanzweſen der Päpſte, S. 20 ff. (Mordimg. 
1878); Brofetfione, Contributo agli studi sulle 
decime ecclesiastiche e delle crociate (Turin 1894). 
Wnnecty (ivr. ann’fi), Hauptitadt des franz. Depart. 
Oberjavoyen, 448 m ii. M., am Nordweſtende des 
Sees von A., an der Lyoner Bahn gelegen, hat eme 
Kathedrale (1523 erbaut), ein hod) gelegenes filnf- 
tiirmiges Schloß (Raferne), fines Stadthans und 
legend, arent Denfmiler des Chemifers Ber 
thollet und des Prajidenten Sadi Carnot und aver 
12,973 Einw. A. ijt der gewerbfleißigſte Ort Savonens, 
mit Baumivollipinnercien und -Webercien, Nattun- 
drudercien, Werbercien, Seidenwarenfabrifen x. bat 
ein Lyzeum und ein Seminar und ijt Sig ded Era 
feften und eines Biſchofs. Es war feit dem 10. Jabrb. 
Reſidenz der Grafen von Gendvois und fam 1401 
an Savoyen. - Der See von U.(f. Karte ⸗Schweiz « 
lieqt maleriſch zwiſchen fteilen Bergen (weſtlich der 


findet man eine von allen Biſchöfen gu entridtende } ausfidtsreidje Mont Semmoz, 1698 m), it 14 km 


Annehmen — Wnnerion. 


lang, 618 3 km breit, 30—62 m tief und fließt bei A. 
zum ier (Nebenfluß der Rhone) ab. Er wird im 
Sonuner von cinem Dampfboot befahren und enthilt 
Rejte alter Bfablbauten. 

Aunehmen, den Hund an die Leine oder den Hetz⸗ 
riemen binden; vom Hund: die Fahrte a, auf 4 
fortſuchen; vom Wildſchwein, Hirſch oder reißenden 
Tieren: den Jäger a., ihn angreifen; vom Wild 
allgemein: die Fiitterungen, Salzlecken und Yfungs- 
plage beſuchen. 

AnneFtieren (lat.), »anknüpfen«, etwas fid) an- 
eignen, ſeinem Bejigtum einverleiben (ſ. Annexion). 

Anneliden, ſ. Ringelwiirmer. 

Annen, ſ. Flads. 

Annen, Landgemeinde im preuh. Regbez. Wrns- 
berg, Kreis Hirde, Lnotenpuntt der Staatsbahnlinien 
Witten-Dortnumd und Langendreer-Dortmund, hat 
eine evangelifde und eine fath. Rirdhe, 2 Gußſtahl⸗ 
werfe, 2 Glashiitten, eine Tonwarenfabrif, Steinfoh- 
lenbergbau und (1900) 11,048 meijt evang. Einwohner. 

Annenbriiderfdaften, im ſpätern Mittelalter 
fiber Mitteldeutidland verbreitete, ſpäter durch die 
Defuiten neu organijierte geiſtliche Verbindungen. 

nnenfow, 1) Pawel Waßilijewitſch, ruff. 
Schriftſteller, geb. 1. Juli (19. Juni) 1813 in Mos- 
fau, geſt. 20. (8.) März 1887 in Dresden, jtudierte 
zuerſt Bergweſen, ſpäter Philologie und machte dann 
viele Reiſen ins Ausland, wo er ſich die letzten 20 
Jahre faſt ausſchließlich aufhielt. Bekannt wurde er 
zuerſt durch ſeine Briefe aus dem Ausland (in den 
»Vaterländiſchen Annalen«, 1840—42). Beſondere 
Verdienſte erwarb er ſich als erſter berufener Heraus- 
geber der Werke Puſchkins (Petersb. 1855657, 7 Bde.) 
und von Materialien zu deſſen Biographie und zum 
Verſtändnis ſeiner Werke. Er gab ferner die »Rorre- 
ſpondenz und Biographie Stankewitſchs⸗ (Most. 1867) 
heraus. Annenkows Hauptwerle erſchienen unter dem 
Litel »ECrinnerungen und kritiſche Stizzen« (Petersb. 
1877—-81, 3 Bde.). 

2) Jwan Waßiljewitſch, ruff. General, geb. 
1814 im Gouv. Simbirff, gejt. 16. Juni 1887 in St. 
Petersburg, Bruder de8 vorigen, 1833 Kornett im 
Leibgarderegiment zu Pferd, 1848 Oberjt, kämpfte 
in arn, wurde 1855 Generalmajor 3 la suite, 
1861 Generalleutnant, 1862 Oberpolizeimeiſter und 
1877 Nommandant von St. Petersburg, im Juni 
1868 Generaladjutant und 1878 General der Ka— 
vallerie. Er jdrieb eine Gefchidte des Leibgarde- 
regiments zu Pferde (1731— 1848). 

3) Middil Nitolajewit{d, ruff. General, ged. 
12, Mai (30. April) 1835 in Petersburg, geſt. da- 
felbjt 22. Nan. 1899, Sohn des 1865 verjtorbenen 
Generaladjutanten Nifolai WM. und Enfel des De- 
fabriftern Swan A., wurde im Bagenforps aus- 
gebildet, beſuchte bis 1859 die Generaljtabsafademie, 
fampfte 1863—66 in Bolen, war 1870 beim preupi- 
ſchen Hauptquartier in Frankreich (vgl. ⸗Der Krieg 
im Jahre 1870. Bemerkungen und Betrachtungen 


eines ruſſiſchen Offiziers⸗, Berl. 1871), wurde darauf 


m Chef des militäriſchen Transportwefens auf den 

ifenbahnen ernannt und leitete wahrend des orien: 
taliſchen Krieges von 1877/78 die militäriſchen Ver— 
bindungen im Rücken der Arniee. 1880—81 beteiligte 
ex fic) an der Sfobelewjden Wdhal-Tete-Expedition 
in gleicher Eigenſchaft und erbaute die Militarbahn 
vom Rafpijden Meer bis Rijil Arwat, die er 1885— 
1888 iiber Merw und Bochara bis nad Samarfand 
fortjeste (Transkaſpiſche Cifenbahn), wurde aber 
wegen Unterfdlagungen bet den Notjtandsarbeiten 











8 


547 


1895 adminiſtrativ beſtraft und feiner Unter enlſetzt. 
Annenkows Arbeiten über die Translaſpiſche Bahn 
find von Heyfelder verwertet in dem Werke: »Trans- 
* und ſeine Eiſenbahn⸗ (Hannov. 1888). 
nnenorden, St., dem Range nad fiinfter rujj. 
Orden, gejtiftet von Karl Friedrich, Herzog von Schles⸗ 
wig -Holjtein, 2. (14.) Febr. 1735 gum Wndenfen an 
die Kaiſerin Unna von Rupland und feine Gemahlin 
Anna Petrowna, wie zur Aufmunterung aller Tugen- 
den, hatte anfangs nur cine Klaſſe und 15 Ritter, 
wurde aber von Kaiſer Baul I. 1797 gum ruſſiſchen 
Orden erflirt, in drei Klaſſen geteilt und zur Beloh- 
nung von Berdienjten bejtimmt. 1815 fam nod eine 
vierte, Der dritten gleiche Klaſſe für ruſſiſche Offiziere 
hingu, die das Ordenszeichen auf dem Stichblatte des 
Degens tragen, 1835 eine fitnfte Klaſſe fiir Unter: 
offiziere und Soldaten (Medaille). Die Deforation 
ijt ein vierarmiges, ediges rotes Kreuz mit dem Bilde 
der Heil. Unna auf farbigem Mittelſchild, auf der Riid- 
feite mit Dem Namenszug der Heil. Anna (j. Tafel 
»Orden I<, Fig. 24). Die erjte Caffe trägt das Kren; 
ant gelb geränderten Bonceauband fiber die Schulter 
und dazu den adtipipigen Stern, in deſſen Mittel— 
ſchild cin rotes geſchweiftes Kreuz auf Gold, int Reifen 
mit der Devije: »Amantibus Justitiam, pietatem, 
fidem« (»Denen, die Geredtigheit, Frömmigleit und 
Treue lieben«) und der Kaiſerkrone; die zweite Klaſſe 
triigt das Kreuz am Halfe, die dritte im Knopfloch. 
Die dritte Klaſſe fann mit Sdleife, die vierte mit 
Krone verliehen werden. Die erjte Klaſſe verleiht den 
erbliden, die drei nüchſten den perjinliden Adel. Der 
Orden fann fiir —* Verdienſte beanſprucht wer: 
den, 3. B. fiir gütliche Schlichtung von zehn anhängi⸗ 
en —— in drei Jahren, für —— ſeines 
ebens und Vermögens fiir dad öffentliche Wohl ꝛc. 
Der im Monat Dezember zuſammentretende Ordens- 
rat entideidet iiber die Unjpriide. Im Kriege fann 
der General en chef die Klaſſen 2, 3, 4 verleihen. Die 
Ordenspenfionen fteigen von 50— 200 Rubel. Das 
Ordensfeft ijt am Stiftungstage. 

Annenpfenniq, Silbermiinge der Stadt Hanno- 
ver von 1500 mit Bildnis der Heil. Anna nebjt Maria 
und dem Rind; aud) fupfern von Annaberg. 

Annerftedt, Claes, fdwed. Hijtorifer, geb. 
7. Suni 1839 in Upjala, ward 1868 daſelbſt Dozent 
der Geſchichte und 1883 Oberbibliothefar der Uni— 
verſitätsbibliothel. Außer zahlreichen Aufſätzen, be- 
ſonders in der 1878—79 von ihm redigierten »Nor- 
disk Tidskrift«, veröffentlichte er: »Grundliggnin- 
gen af svenska viildet i Livland 1558 — 1563< 
(preisgefrint, Upf.1868) ; »Scriptores rerum Suecica- 
rum medii aevis, 8d. 3 (Stocdh. 1876); »Upsala 
universitets historia« (Ud. 1, Upſala 1877; die Beit 
1477-—1654 umfajjend, mit YWften); »Bref af Olof 
Rudbeck den äldre rérande Upsala universitet« 
(mit Ginleitung, die Jahre 1662-—79 umfajjend, 
daſ. 1893—99, 2 Bde.); » Upsala universitetsbiblio- 
teks historia intill 4r 1702« (Stodh. 1894); »Om 
samhiillsklasser och lefnadssiitt under forra hilften 
af 1600 talet« (Daf. 1896). Ferner bearbeitete er in 
den » Jahresberidten der Geſchichtswiſſenſchaft · (Bd. 1 
bis 3, Berl. 1880 — 84) die Wbteilung ⸗Schweden«. 
Seit 1901 ijt W. Mitglied der Schwediſchen Wfademie. 

Anneseynbai (WU n3ley bai, fpr. ännsli, aud Adu— 
1i8- oder Sulabai), Golf des Moten Meeres in der 
ital. Kolonie Eritrea, fiidlid) von Maſſaua; ſ. Adulis. 

Année (Annexum, lat.), Anhängſel, Zubehör. 

Annexion (lat., »Anknüpfung, Annektierung«) 
die Verbindung eines bisher fremden Gebietes nut 

BAF 


548 


cinem Staatsganzen und redjtlide Cinverleibung in 
das lebtere. Unnerionismus, Annexionswut; 
Unnexionift, Unhanger der Unnerionspolitif; je- 
manbd, der fid) mit Unnerionsgeliiften trägt. Der Aus— 
drud A. wurde befonders durd) Napoleon IIL. ge- 
briiudlid), der 1860 Savoyen anneftierte, nachdem 
es, nicht gang freiwillig, von der Krone Sardinien 
lir die franzöſiſchen Dienfte im italieniſch-öſterreichi— 
chen Strieq abgetreten worden war. Die dabei vor- 
cnommene, auf das Prinzip der Nationalitat ge- 
ſtützte Vollsabſtimmung war mehr cin ſcheinbares als 
cin wirlliches Sugeftindnis an das Prinzip der Selbjt- 
beſtimmung der Volfer. Von der größten Bedeutung 
jind die von Preußen infolge des Sieges itber Ojter- 
reid) und deffen Bundesgenoffen 1866 vollzogenen 
norddcutiden Unnerionen gewejen. Sie wurden for- 
mal durd) die Geſetze vom 20. Sept. und 24. De}. 
1866 volljogen. Das erjtere fanftionierte die Ber- 
einigung des Königreichs Hannover, des Kurfürſten⸗ 
tums Heſſen, des re Naſſau und der Freien 
Stadt Franffurt a. W. mit der preußiſchen Mon- 
ardie, das letztere Diejenige der Herjogtiimer Sdles- 
wig und Holjtcin. Dagegen ijt die Einverleibung 
von Elfaj-Lothringen in das Deutſche Reich feine 
cigentlidje U., fondern eine Riideroberung und Wieder- 
vereiniqung dieſer Lander mit Deutfdland. 

Anufield Plain (pr. annsitd ple, Stadtgemeinde 
in der engl. Grafſchaft Durham, fiidwejtlid von Ga- 
teShead, mit Roblengruben und asoh 12,481 Einw. 

Anni climacterici, flimafterifde Sabre (f. d.). 

Anni currentis (lat.), des laufenden Jahres; a. 
futuri, des fommenden Sabres; a. praesentis, des 
gegenwärtigen, a. praeteriti, des verfloffenen Jahres. 

nnidalin, ſ. Urijtol. 

Annihilator, ſ. Feuerſpritze. 

Annihilieren (lat.), zu nichte machen; fiir nichtig 
erllären; Annihilation, Nichtigkeitserkllärung. 

Anninger, Berg im Wiener Wald (ſ. Brühl 2). 

UAnnifton, Stadt im nordamerifan. Staat Ala— 








bama, Grafſchaft Calhoun, Babhnitation, mit Eiſen— 
ruben, Hochöfen, Seilerei, Baumwoll⸗, Teppid)- und 
ifenbabniwagenfabrifen und (1900) 9695 Einw. 

Auniverfarien (lat.), jährlich wiederfehrende 
Feſte, befonders zu Ehren Berjtorbener, im heidni- 
iden Ultertum durch Totenopfer (inferiae), in der 
fatholifden Stirde mit Seelenmeffen rc. beqangen. 

Anniviers, Bal d' (jor. avje, lat. Annivesium, 
deutid) Eiviſch, fälſchlich Einfiſch), ein females, 
waldreidjes, 30 km langes Tal im ſchweizer. Nanton 
Wallis. Es bietet tiberall eine reide Abwechſelung 
von liebliden Matten und Ackern mit der wildejten | 
YUlpennatur, namentlich in dem obern Teile. Bon 
dem Hintergrunde der beiden Quelltäler fommen der 
Moming:, der Zinal- und der Moiryglet{ der, 
deren Abfluß, die Uſenz oder Navifonce, Siders gegen: 
liber in Die Rhone miindet. Das Tal umfaft fünf 
Gemeinden, die zum Bezirk Siders qehiren, mit etwa 
im Winter 1500 fatholijchen, franzöſiſch fpredhenden 
und nomadifierenden Einwohnern. 

Anno (lat.), im abr; a. currente, im laufenden 
Sabre; a. praeterito, im verflofjenen Jahre; a. ante 
Christum natam, tm Jahre vor Chrijtus; a. Domini, | 
int Jahre des Herrn; a. ab urbe condita, im Sabre 
nad) Roms Erbauung; a. regni, im Jahre der Ree 
qierung. 

Muno Il. (Hanno), derHeiliqe, Erzbiſchof von | 
Rodin (1056 75), ſtammte aus einem ſchwäb. Adels 

eſchlecht. Nad) dem Tode Mailer Heinrichs III. defen 
Rat und Beidtvater er gewefen war, bemächtigte er | 





Annfield Plain — WAnnonce. 


fich im Mai 1062 in Kaiferswerth de3 minderjabrigen 
Heinrichs IV. und fiihrte in defjen Namen die Reids- 
regierung, die ihm jedoch fein Rivale, Erzbiſchof Udal- 
bert von Bremen (jf. Wdalbert 2), 1064—66 nicht ohne 
Gliid ftreitig madte. Ende 1072 verlies er den Hof; 
während de3 Sadjfentrieges fudjte er den Frieden gu 
vermitteln. Er ſtarb 4. Dex. 1075. 1183 ward er vom 
Papft Lucius IL. fanonijiert. Nad) ſeinem Tod er 
ſchien » Der Lobgejang auf den heiligen A.« (f. Anno⸗ 
lied). Sein Gedactnistag fallt auf den 4. Dezember. 
Bgl. Lindner, W. IL, der Heilige, Erzbiſchof von 
Rodin (Leipz. 1869). 

Annobom (WU nnabon), dic ſüdlichſte und Meinite 
der vier Guincainfeln an der Weſtküſte Ufrifas, fpani- 
ſcher Beſitz, unter 1° 26+ fiidl. Br. und 5° 12° Hjtl. LV, 
ijt 17 qkm grok, vulfanifd, gebirgig (Pico de Fogo 
990 m, mit Kraterſee) und waldreid), fruchtbar und 
von gejundem Klima. Die 3000 Einw. find Miſch 
linge von Regerfflaven und Portugiejen. Der cin- 
sige Landungsplatz befindet fid im S. bei dem Dorje 
San Antonio da $raia, mit 300—400 Einw. — Dre 
Inſel wurde 1471 von den Portugiefen zu Newjahr 
(Daher ihr portug. Name A., »Gut Jahr«) entdedt 
und 1777/78 an Spanien abgetreten. Sie wird von 
Fernando Poo aus verwaltet. 

Aunolied, mittelhoddeutides Gedicht aus dem 
Ende ded 11. Jahrh., das in 876 Verſen die Berberr- 
lidung bes Heil. Uno, Erzbiſchofs von Köln, ent- 
halt. Der Dichter, der wohl dem Kloſter Siegburg 
bei Bonn angebdrte, läßt als Einleitung eine Stigze 
der chriſtlichen Weltgeſchichte vorausgehen und fdil- 
dert Dann des Heiligen weltlide und geiſtliche Regic- 
rung und feinen Kummer fiber die Deutiden, die ſich 
durch innere Bwietradt felbjt zu Grunde ridjteten. 
Das U. ijt in feiner Darjtellung äußerſt lebendig, oft 
qrofartig. Ru Breslau entdedt, wurde das Gedicht, 
deſſen Handi drift verloren ijt, zuerſt herausgegeben 
von M. Opig (Dany. 1639), zuletzt mit ausfiihrticer 
Cinleitung von Rddiger in den » Monumenta Germ. 
histor., Deutide Chronifen« I (Hannov. 1895). 

Annomination (lat.), ſ. Paronomaſie. 

Annona (lat.), bei den Romern »Dabhresertrag«, 
namentlich an Getreide, insbef. das zum Unterbalt der 
Heere und der römiſchen Bevdlferung vom Staate, 
fpdter hauptſächlich auf Roften des faiferlichen Fiskus, 
befonders aus den überſeeiſchen Brovingen (Sizilien. 
Sarbdinien, Ygypten, Africa) beſchaffte Wetreide, das 
teils gu billigem Breife verfauft, teils feit 58 v. Chr. 
an Bediirftige (ſeit Auguſtus 200,000) monattid un⸗ 
entgeltlid) verteilt wurde. Seit Auguſtus bildete dic 
cura annonae (die Fürſorge fiir Die Zufuhr) eins der 
höchſten Äniter, defjen Anbaber, der praefectus an- 
nonae, zablretde tiber Das Reid) verteilte Unterbeamte 
hatte. Als Perjonififation der Getreidezufuhr ericheint 
YW. häufig auf Münzen der Kaiſerzeit mit Fiillborn, 
Modius oder Uhren, auch mit Steuerruder oder Anker. 

Annonay (fpr. nd), alte Stadt im franz. Depart. 
Ardeche, Urrond. Tournon, auf einem Hilgel, am Zu⸗ 
ſammenfluß der Cance und Deöme und an der Lyoner 
Bahn, hat cine gotifde Kirche, Denfmal der beiden 
Luftidiffer Montgolfier, Handelsgericht, Gewerbe- 
fammer, College, Muſeum, Bibliothef und cep 
15,076 Cinw., die Seidenraupenjudt, bedeutende 
Weißgerberei (2000 Arbeiter), altberiihmte Papier⸗ 
fabrifation (1500 Arbeiter), aud) Tuch⸗, Seiden- 
Baumwoll- und Handſchuhfabrilation betreiben. 

Annonce (fran}., foc. -ndngh’), offentliche ⸗· Anzeige · 
namentlich durch bezahlte Inſertion in eine Zeitung, 
durch Anſchläge an den Straßenecken, Plakatſäulen. 


Annoncenbureau — Wnnungiatenorden. 


in Gajthaiufern xc. Bon befonderer Wichtigheit ijt die 
Geſchäftsannonce, die Ungebot und Nadfrage 
in Bezug auf Waren und Dienjtleijtungen vermittelt 
und iiberall, wo Zeitungen erfdeinen, zu einer großen 
Bedeutung gelangt ijt. Die —— — Wich⸗ 
tigkeit dieſer Art von Anzeigen beſteht darin, daß ſie 
den raſchern Abſatz vermittelt, ein Haupthebel der 
Ronfurren; ijt, den Abſchluß der Geſchäfte wie auf 
einem öffentlichen, von allen beauffidtigten Markt 
geſchehen läßt und daber yur Herjtellung einer wohl— 
tatigen Gleichfirmigfeit der Preife dient. Cine ſchäd— 
lide Cinwirfung auf den geſchäftlichen Verkehr ge- 
winnt die A., wenn fie in raffinierter, auf Über— 
raſchung und Täuſchung des Publifums beredneter 
Form angewendet und zu ſchwindleriſchen und un- 
moralijden Sweden migbraudt wird (ſ. Reflame). 
Andre widhtige Gattungen der A. find die Befannt- 
madungen der politifden und fommunalen Behdr- 
Den, der Geridte, die fic) unter anderm der YW. zur 
Ordnung der Rechtsverhältniſſe abweſender Perſonen 
bedienen (Vorladungen, Zuſtellungen, Steckbriefe), 
die Familien- und Vergnügungsanzeigen, die Ver— 
mittelung von Wohnungsvermietungen und Stellun⸗ 
gen ꝛc. 2c. Für Die Zeitungen ijt die UW. unentbehrlich, 
weil ihre jtetiq wadjenden Betriebsloſten durch die 
niedrigen Abonnementspreiſe allein nicht gedeckt wer- 
den fonnen. Bal. Zgoda, Die W. (Bresl. 1892); 
Mun zinger, Die Cntwidelung des Inſeratenweſens 
in den deutiden Zeitungen (Heidelb. 1902). — Eine 
YUnnoncenjteuer (Inſeratenſtempel) bejtand 
bis 1874 in Ojterreid) und bis 1853 in England. 
Annoncenburean, cin kaufmänniſches Inſtitut, 
das den Verkehr zwiſchen den Seitungen und dem 
inferierenden Publifum vermittelt. Für das leptere 
bietet bad A. den Vorteil, daß derjenige, der eine An— 
nonce in verfdiedene Zeitungen emriiden laſſen will, 
der Korreſpondenz mit den Zeitungen felbjt iiberhoben 
ijt, daß er Auskunft iiber die Wahl der Inſertions— 
organe, Ratſchläge fiir die een der Unjeigen, 
Entwiirfe fiir wirfungsvolle Inſerate und Rojten- 
anjdlige erhält. Die Heitungen gewahren gwar dem 
Beſitzer eines Unnoncenbureaus einen gewiffen Ra- 
batt, haben aber aud) den Vorteil der Erleichterung 
der Ubrednung, da das A. fiir feine Aufträge die 
Biirgihaft der Zahlung übernimmt, und die Wus- 
ſicht, durch die im cignen Intereſſe der Ugenten eines 
YUnnoncenbureaus bedingte Riihrigfeit eme größere 
Anzahl der ju ihrer Erijtens ndtigen Jnferate zu ge- 
winnen. Der Tatigfeit der Unnoncenbureaus ijt dent- 
nad aud) der Aufſchwung des Jnferatenwefens in 
Deutſchland mit gu danfen. In Deutſchland ijt nah 
franzöſiſchem Vorbilde die — — des Inſeraten⸗ 
teils größerer Zeitungen durch ein A. jetzt ſehr häufig, 
ohne daß das A. einen Einfluß auf die politiſche Hal⸗ 
tung der Zeitung gewinnt, wie es mit einem der älte— 
jten Inſtikute diejer Urt, dem A. von Havas in Paris 
(f. unten), der Fall war und nod ijt. Die Unnoncen: 
bureaus fudjen freilid) aud) im Deutidland einen 
Drud auf die Zeitungen auszuüben, indem fie die 
gleichzeitige Aufnahme von Reflameartifeln zur Be- 
ingung fiir die Wufgabe ihrer Inſerate madjen, nach— 
dem fie ihrerfeit3 ihre Uuftraggeber durch das Ver- 
ſprechen etner Empfehlung im redaftionellen Teil ge- 
wonnen haben. Indeſſen wiſſen fid) die größern 
Zeitungen diefem Dru gu entziehen. Auch weiſt die 
Mehrzahl jede moralijde Verantwortlidteit für den 
Ynferatenteil ab. Die befannteften Unnoncenbureaus 
in Deutſchland find: Haafenjtein u. Vogler (gegrün— 
det 1855 in Hamburg, jest in Berlin), G. L. Daube 





549 


in Franffurt a. M. (qeqriindet 1864), R. Moſſe in 
Berlin (gegründet 1867) und der Invalidendank da- 
jelbjt. Sn Baris: Havas, Lagrange, Cerf u. Romp., 
Dongrel, Bullier u. Komp. und John F. Jones u. 
Romp. Fitr England, von wo das Inſtitut der An— 
noncenbureaus jcinen Ausgang genommen, und fiir 
die Rolonien find T. B. Browne u. Sell’s Wdverti- 
fing Ugency in London, fiir Italien E. Oblight in 
Ront und A. Manzoni u. Komp. in Mailand Haupt: 
vertreter. S. Unnonce. 

Anno santo (en ſ. Jubeljahr. 

Aumnotieren, |. Adnotieren. 

Annual (lat.), jährlich; Unnuale, cine ein Jahr 
hindurd) ju lejende Seelenmejje. 

Annuarium (lat.), Kalender. 

Anuuitat (lat.), eine sur Abtragung oder Ver- 
zinſung einer Schuld feſt deste jährliche —— jitr 
eine bejtimmt bemejjene Bitbauer (Zeitrente, An- 
nuity for terms of years, Rente a terme, YL. im en- 
gern Sinn) im Gegenſatze sur Leibrente, die auf Lebens- 


dauer des Bezugsberechtigten läuft, und zur ſogen. 
ewigen Rente, welche die gleichbleibende 


erzinſung 
eines unablöslichen Kapitals darſtellt. Golde Annui—⸗ 
tãten hat man beſonders im engliſchen Staatsſchulden⸗ 
weſen, wo bei ſogen. kurzer YW. die Schuldſumme in 
49 Jahren, bei langer A. in 99 Jahren abgetragen 
wird. Ahnlich find die Annuitäten im Hypothefen- 
weſen, befonders durch die Pfandbriefinjtitute, in An— 
wendung gefommen. Handbiider der WUnnuititen- 
berechnung xc. lieferten Bärloch er (Zürich 1885), 
Schinkenberger (Frankf. 1887), Werker (Utredt 
1893), Schlim bach(⸗Politiſche Arithmetik«⸗, Frankf. 
1902). Bgl. Amortiſation und Staatsſchulden. 

Annularia, voriveltlidhe Pflanzengattung aus der 
Rlaffe der Equijetinen (j.d. und Steinfohlenflora). 

nnulaten, |. Ringelwiirmer. 

Annullieren (lat.), fiir null und nichtig erfliren. 

Anniailus((at.), Ring; A. piscatorius, der Fiſcher⸗ 
ring des Papſtes. 

nnunciaita —— Becta, ital.), Botſchaft, 
Verheißung, insbef. Mariä Vertiindiqung. 

WUnnunziaten, 1) Nonnenorden, aeiitet 1501 
von Johanna von Valois, der geſchiedenen Gemabhlin 
Ludwigs XI. von Franfreid. — 2) Ital. Ronnen- 
fongregation, 1604 von Maria Victoria Fornari be- 

riindet, nad) der Farbe ihres Gewandes aud Coe- 
estes (hinunelblaue) oder Turchine (veilchenblaue) 
genannt. 

Aununziatenorden (Ordine supremo dell’ An- 
nunziata), urfpriinglich ſavoyiſcher, gegenwärtig der 
höchſte ital. Orden, gejtiftet um 1360 durd) Ama— 
deus VI. von Gavoyen als »DOrden vom Halsband« 
ju Ehren Gotteds, der heiligen Jungfrau und ihrer 15 
Fr euben. Herzog Amadeus VILL. gab dent Orden 
1409 die erjten Statuten, die mehrmals geändert wur- 
den. 1518 ward der Orden dem Geheimnis der »Ber- 
fiindigung« geweiht, und Ordenszeidhen und Namen 
de3 Ordens wurden danad umngewandelt. Urfpriing- 
lid) war er auf 15 Ritter und 5 Beamte bejdrintt, 
jest ijt Die Bahl unbeſchränkt. Uber die Ritter müſſen 
von altem Adel und im Beſitz des Mauritius- und 
Lazarusordens fein. Sie erhalten den Titel Exzellenz, 
und der König nennt jie Vetter (cugino). Das Ordens- 
zeichen ijt ein goldenc3 Medaillon, auf dem die Ver— 
fiindiqung dargeftellt ijt, umgeben von Liebesfnoten, 
und wird an einer goldenen Rette getragen. Daneben 
tragen Die Ritter einen Stern auf der Bruſt in Form 
einer flammenden Sonne, in deren Witte die Verfiin- 
digung, umgeben von den vielfad erklärten Buchſtaben 


550 


ber favoyifden Deviſe »F. E.R. T.<, nämlich als For- 
titudo ejus Rhodum tenuit; frappez, entrez, rom- 
pez tout; foemina erit ruina tua; foedere et reli- 
gione tenemur; fertque refertque (aus der » Yneis« 
VI, 437). Das Ordensfleid ijt amarantfarben, mit 
Silber befegt und blau gefüttert. Die Ordensfapelle 
ijt Die Rirde der Martiujer von Collegno. Das Or- 
densfeft findet am Tage der Verfiindiqung (25. März) 
jtatt. S. Tafel »Orden Ie, Fig. 9. 

Annunziation (lat.), Ankündigung. 

Annunzio, Gabriele d' (eigentlich Rapag— 
netta), ital. Dichter, geb. 1864 auf dem Adriatiſchen 
Meere, verlebte feine Kindheit in Francavilla bei Pes- 
cara, wurde in Prato 1873—80 erjogen und ftudierte 
in Rom, wo er ein fehr locderes Leben fiihrte. 1898 
wurde er in Die Deputiertenfammer gewahltund ſchloß 
ſich den Sozialiſten an. Schon die erſten Gedichte 
Annunzios verrieten großes Talent: » Primo vere« 
(Chieti 1879, 2. verbeſſerte Aufl. 1880), »>In Memo- 
riam· (Pijtoja 1880), und die vor wilder, überſpann⸗ 
ter Sinnlichfeit durchwehten, formvollendeten, vielfad 
aufgelegten Gedidte »Canto novo« (Rom 1882) und 
»Intermezzo di rime« (daf. 1883). Dieſe Sinnlid- 
feit weicht allmablid) einer triiben Grundſtimmung 
in » Isaotta Guttadauro ed altre poesie« (Rom 1886); 
»L'Isotteo e la Chimera« (Mail. 1890); »Elegie 
romane« (Vologna 1892); »Poema paradisiaco<, 
»Odi navali« (tail. 1893). Der »Canto novo« und 
das »>Intermezzo« erbhielten unter dem Titel: »Poe- 
sie« (Mail. 1896) ihre abſchließende Gejtalt. Sdjon | 
1882 erſchienen die nod) wenig felbjtindigen Novel- 
len » Terra vergine«, gefolgt von »Il libro delle ver- 
gini« (Rom 1884) und »San Pantaleone. Racconti« 
(lor. 1886), beide voll von grauenhaftem Realismus. 
Inbaltlid) abjtofend, aber durchwebt mit meijter- 
haften Landfchaftsbildern find Annunzios (alle aud 
in deutſchen überſetzungen erjdienene) Romane: >I 
Piacere« (Mail. 1889); »L'Innocente« (daf. 1891); 
»Giovanni Episcopo« (Neapel 1892); >I] trionfo 
della morte« (Mail. 1894); »Le vergini delle rocce« 
(daf. 1895) und die ſchamloſe Selbjtverherrlidung 
»Il fnoco« (Daj. 1900). Berfehlt find Annunzios 
alleqorijd) jymbolifde Biihnenwerfe: »Il sogno d'un 
mattino di primavera« (1897, gedruckt Mail. 1899; 
deutſch, Berl. 1900); »La citta morta« (Mail. 1898; 
deutſch, Berl. 1901); »Il sogno d'un tramonto d'au- 
tunno« (Wail. 1898); »Gioconda« (Mail. 1898; 
deulſch, 5. Uufl., Berl. 1900) und »La gloria« (Mail. 
1899; deutfd), Berl. 1900). A. lehnt fic) oft ar dic 
niodernen Franjofen und Rujjen an und huldigt dent 
hohlſten Symbolismus. Er hat fic) eine eigne, ſehr 
preziöſe Sprache geſchaffen; die mufifalifde Wirtung 
des Uusdruds läßt ihn oft die Gedanfen vernadlafii- 
8* Bal. Lady Blennerhaffett, Gabriele d'A. 
(Berl. 1901). 

Annus (lat.), Sabr. A. carentiae, Jahr, fiir das 
einem Beamten fein Einlommen ganz oder teilweife 
entzogen, bes. von einem Ranonifer auf fein Ein— 
lomnien gu gunſten der Kirchenfabrik, des Papſtes x. 
verzichtet wird. A. circumcisionis, incarnationis etc., 
jf. Ara. A. civilis, biirgerlidjes Jahr. A. commu- 
nis, gemeines Jahr. A. confusionis, »Qabr der Ver 
wirrungs, das Jahr 46 v. Chr., in das Cafar bei 
Finfiihrung ded julianijden Kalenders nod) drei Mo- 
nate einfdjaltete. A. decretorius, das Normaljahr 
1624, nad) deſſen Befigitand ſich gemäß den Beſtim— 
mungen Des Weſtfäliſchen Friedens die religidfen Ver: 
haltniffe der Ratholifen und Broteftanten in den deut- 
{den Territorien ridteten. A. deservitus, die Früchte 





Annunjiation — Anomale Dijperfion. 


des letzten Dienſtjahres, die von einem Geiſtlichen bis 
ju ſeinem Tode verdient, aber nod) nicht eingenom⸗ 
men waren und ſeinen Erben zufallen. A. discretio- 
nis, Unterſcheidungsjahr, Alter der religidfen Selbjt- 
bejtimmungsfibigkeit. A.ecclesiasticus, Kirchenjahr. 
A. gratiae, Gnadenjabr. A. intercalaris (bissexti- 
lis), Sdaltjahr. A. luctus, Trauerjabr. A. magnus, 
»großes Jahre, aus dem Connen- und Mondzyklus 
foubiniert (j. Zyklus). 

Annũum (lat.), jabrlider Beitrag, Jahrgeld. 

Aunweiler, Stadt in der bayr. Rheinpfal;, Be- 
zirksamt Bergzabern, an der Queich, in der Hardt 
und an der Linie Landau-Bwweibriiden der Pfälziſchen 
Eiſenbahn, 235 m ii. M., hat cine evangelifde und 
cine fath. Kirche, cin Denfmal der 1849 bei Rinnthal 

efallenen Freiheitslämpfer, Amtsgericht, Forjtamt, 
Emaillierwerf, Maßſtab⸗ und Bapierfabrifation, Ger- 
berei, Bierbrauerci, Steinbriidhe, Weinbau und case) 
3655 Cinw. Yn der Nähe Schlofruine Trifels 
(jf. d.). — A. erbielt von Friedrid II. 1219 Stadtrechte 
und wurde zur Reichsſtadt erhoben, aber 1330 vom 
Raifer Ludwig dem Bayern an Kurpfalz verpfindet 
und ging dann an Pfalz-Zweibrücken über. Nak A. 
nannte jth Marfward, Truchſeß von A. ein Freund 
Friedrich Barbarojjas und Erzieher Heimrids VL, 
der ifn 1195 zum Statthalter in der Warf Ancona, 
der Romagna und in Ravenna ernannte; er ſtarb im 

Anobium, Slopffifer. [September 1202. 

Anoblieren (franj.), in den Wdeljtand erheben. 

Anode (griech.), der pojitive Rol eines galvaniſchen 
Elements, der negative heigt Rathode. 

Anodonta, ſ. Teidmujdel. 

Anodihna (qried.), ſchmerzſtillende Mittel. 

Anogen (griech.), fid) nad obenhin bildend. A. 
find alle Beriinderungen der Gejteine, die durch Gaſe 
und Dämpfe und durd andauernde Erwärmung von 
unten nad oben erfolat find, während die von oben 
nad unten, unter dem Einfluß der Atmoſphärilien, 
des Sauerſtoffs, des Waſſers und der Kohlenſäure, 
erfolgten Umwandlungen, alſo namentlich die Ory 
dation, die Aufnahme von Waſſer, die Bildung von 
Karbonaten aus Silifaten x. katogen genannt wer: 
den. Wud) werden Gejteine, die fid) aus ciner aus der 
Tiefe der Erde nad oben empordringenden Maſſe 

ebildet haben, alfo die Eruptivgeiteine, als a. unter: 
Poicden von den katogenen oder fedimentiren, deren 
Bejtandteile fid) im aver, feltener in der Luft, gu 
Boden geſenkt, abgefest und dann ju Geſteinen ver- 
feitigt haben. 
nofa, Hauptitadt der qleidnamigen Grafſchaft 
im nordamerifan. Staate Minneſota, am Rum und 
Miffiffippi, oberhalb St. Paul, mit Sägemühlen und 
(1900) 3769 Einw. 

Anolis (Anolis Cuv.), Gattung der Eidechſen aus 
ber Familie der Lequane, ſchlanle Tiere mit pyrami 
denformigem Kopf, pradtvoll gefirbter Wamme (beim 
Miinnden), großen Füßen, ſehr langen, ſcharfſpitzi 
gen Krallen und langem, zartem Schwanz. Die etwa 
100 Arten leben im wärmern Amerila und erſcheinen 
aud) in Hiufern. Das Weibchen legt ſchmutzigweiße 
Eier in ein feidtes, felbjtgeqrabenes Lod und dedi 


fie gu. Die Haut der Tiere prangt in pradtvollen 


Farben, die fid) viel ftarfer als betm Chamaleon ver: 
ändern. A. principalis Z., in Louijiana, Carolina, 
Florida, auf Cuba, ijt 22 cm lang, oberfeits qlangend 
grün, unterfeits filberweif, an der Wanme leudtend 
rot, mit blauem Augenfleck über der Achſelhöhle. 
Anomal (qriech.), reqelwidrig; ſ. Anomalie. 
Anomale Difperfion, ſ. Diiperiion. 


Anomale magnetiſche Difperfion — Wnonym. 


Anomale maguetifde Difperfion, ſ. Bolari- 
fation bes Lichtes. 

Anomalie (qried.), Ubweidung von der einwoh- 
nenden Regel, dem Normalen, daber anomal foviel 
wie abnorm, von dem Regelredten abweichend. Die 
A. fann in regelwidriger Gripe, Gejtalt, Lage und 
Verbindung der Teile, Farbe, Konſiſtenz xc. wie aud 
in Ubweidungen in chemiſcher und phyſikaliſcher Be- 
ziehung fowie im gefamten Verlauf der Lebenserſchei— 
nungen und aud) in der geijtigen Entwidelung bejtehen. 
Die Urſache der A. fann in innern und äußern Cin- 
wirfungen geſucht werden. — Jn der Ujtronomie 
bezeichnet man mit A. den Winkelabjtand eines Plane: 
ten oder Ronicten von feiner Gonnennabe. Wan 
unterjdeidet wahre, mittlere und erjentrifde 
U. (f. Figur). Bedentet in der Figur die Ellipſe APA' 
die Bahn cines Elaneten oder Rometen, AA! die Up- 
fidenlinie oder große Udfe diefer Bahn, O den Vittel- 
puntt derjelben, S den einen Brennpunft der Bahn, 

in bem die Sonne ftebt, 
alſo A die Sonnennähe 
(das Berihel) und A! 
die Gonnenferne (das 
Uphel), fo ijt der Win- 
fel ASP—v bie wahre 


A 0 SMA J —* Himmelstirpers 
, lagt man ferner 

8B b i 
rere 9 ter AAS als: Dud 


meſſer einen Kreis und 
legt durch P eine gu AA! fenfrecdhte Gerade MP, die 
den Kreis in Q fdneidet, jo ijt der Winkel AOQ = E 


die exzentriſche A. Mittlere W. ijt der Winkel- | Frij 


—— von A, den der Körper, von O aus geſehen, 
haben wiirde, wenn er fid) mit gleichförmiger Ge- 
ſchwindigkeit, bei unveränderter Umlaufszeit, auf dem 
Kreiſe Aqa! bewegte. Der Unterſchied zwiſchen der 
wahren und der mittlern YL. heißt die Nittelpunktts⸗ 
gleichung (f. d.). — Uber A. in der Meteorologie 
vgl. Sfanomalen. 

Anoma liſtiſches Jahr, ſ. Jahr. 

Anomalon, ſ. Schlupfweſpen. 

Anomaluridae, ſ. as a - og 

Anomia (3wiebelmufdel), ſ. Auſtern. 

Anomit, ſ. Glimmer. 

MAnomodonten, Ordnung der Reptilien (ſ. d.). 

Anomoptéris , der Steinfohlenformation ange- 
horige Farngattung aus der Familie der Pefopteri- 
den; ſ. Farne. 

Anomtra, ſ. Krebſe. 

AnOona Adans. (Flaſchen baum), Gattung der 
Anonazeen, Sträucher und Bäume mit großen, ein— 
fachen Blättern, großen, einzeln ſtehenden Blüten und 

roßen, äußerlich beſchuppten oder facettierten, zum 
ſehr wohlſchmeckenden Früchten. Etwa 60 Arten 
im tropiſchen Amerika, davon 2—3 in Afrika und 
Aſien (hier woh! eingefiihrt). A. Cherimolia Mill. 
(Cherimoya), in Peru, wird wegen ihrer vorzüg— 
lidhen Früchte aud) in Dtalien, bet Malaga und in 
Algerien fultiviert. Man bereitet aus den Friidten 
ein geijtiges Getriinf. A. squamosa L., jtraudjartig, 
in tindien, in den Tropen iiberall als Baum kulti— 
viert, triigt die wohlidjmedenden Uthe, Ruder- oder 
Zimtäpfel (j. Tafel »Tropijde Friidjtec). A. mu- 
ricata L., auf den Gavannen der Yntillen, in Brafi- 
lien u. a. ©. fultiviert, trägt 2 kg ſchwere wobl- 
ſchmeckende Friidte, die cin weinartiges Getriinf lie— 
fern. Die Blatter dienen als Teefurrogat. Das weiche 
Holz, befonders der Wurzeln mehrerer Arten, wird 
al Kork verivendet. 


551 


Anonageen (Flafhenbiume), difotyle, etwa 
620 Yrten umfaffende Familie der tropijden Teile 
der Ulten und Neuen Welt aus der Ordnung der 
Polycarpicae, enthält Holzpflanzen mit einfadjen 
Blittern und griinen oder braunen Bliiten, die aus 
drei alternierenden Bliitenbiillfreifen und vielen fpi- 
ralig geftellten Staub: und Fruchtblättern beftehen. 
Foſſile Urten von Anona und Asimina finden jid in 
Tertiärſchichten. Mande A. haben wohlſchmeckende 
und nahrhafte Früchte. 

Anonijm (qried., »namento3<), von Schriftſtücken 
(3. B. Briefen) oder gedrudten Aufſätzen und Werken, 
deren Verfaſſer fic) nicht genannt hat, daber diefer 
felbjt Undinymus Heist. Für mande Fader der 
Niteratur, namentlich fiir das politiſch-journaliſtiſche, 
ijt Die Unonymitadt Regel; doch find in neuerer Zeit 
von verfdiedenen Regicrungen Maßregeln getroffen 
worden, fie ju befdjranfen oder aufjuheben, wie 3. B. 
in Frankreich durch Geſetz vom 16. Juli 1850, das 
fie fiir Urtifel politiſchen, philofophijden und religid- 
fen Inhalts unterfagte. Auch hat die literariſche Sitte 
jelbjt in neuejter Zeit die Unonymitat eingeſchränkt. 
Sowohl bei anonymen wie bei pjeudonymen Werfen 
ijt Der Herausgeber, falls aber ein folder nidt an- 
gegeben ijt, Der Verleger beredhtigt, die Rechte des Ur- 
hebers wahrzunehmen (ebenfo die Berner Überein⸗ 
einfunft [f. d.) in Art. 11, Abſ. 2). Dit der wahre 
Mame des Urhebers nidjt bei der erjten Veröffent— 
lichung angegeben worden, fo endigt der Schuh ded 
Urbeberredht3 mit dem Whlauf von 80 Jahren feit der 
Veröffentlichung. Wird jedod) der Name binnen dieſer 
ijt (3. B. bei einem Neudrud oder einer Neuauf- 
fiibrung) —**— angegeben oder von dem 
Berechtigten zur org itt in Die bei Dem Stadtrate 
ju Leipziq gefiihrte Cintragsrolle angemeldet, 
i endigt Der Schutz des Urheberrechts erjt, wenn feit 
dem Tode des Urhebers 30 Jahre und auferdem ſeit 
der erſten Veröffentlichung des Werfes 10 Jahre ab- 
gelaufen find (Urheberrechisgeſetz von 1901, § 7, 31). 
S. Urheberredjt. — Die Kenntnis der anonymen und 

jeudonymen (mit falſchem Namen gezeichneten; ſ. 

ſeudonym) Schriften madt einen eignen Zweig der 
Bibliographie aus. Die wichtigſten Nachweiſe für 
Deutſchland bieten: Weller, Index pseudonymorum. 
Worterbud der Pfeudonymen aller Zeiten und Völ— 
fer (2. Aufl., Regensb. 1886) und das von der Ge- 
fellfdhaft der Biblivphilen herausgegebene ⸗Deutſche 
Unonymenlerifon« in 3 Bänden (Bd. 1, bearbeitet 
von Holzmann und Bobhatta, Stuttg. 1901); fiir 
Frankreich: Barbier, Dictionnaire des ouvrages 
anonymes et pseudonymes (3. Aufl. Bar. 1872—79, 
4 Bde.; Supplement von Brunet, 1889); Quérard, 
Les supercheries littéraires dévoilées (2. Aufl. von 
Brunet, daf. 1869—71, 3 Bde.); Drujon, Les 
livres a clef (Daf. 1885—88, 2 Bde.); dD’ Heyl li, 
Dictionnaire des pseudonymes (neue Wusg., daſ. 
1887) ; fiir Belgien: Delecourt, Essai d'un diction- 
naire, etc. (Briifjel 1863); fiir Stalien: Melzi, Di- 
zionario di opere anonime e pseudonime di scrit- 
tori italiani (Wail. 1848—59, 3 Bde.; »Appendice« 
von Paſſano, Uncona 1887); fiir die Niederlande: 
Doornind, Vermomde en naamlooze schrijvers etc, 
(2. Unfl., Leid. 1883-84, 2 Bde.), und de la Mon- 
tagne, Vlaemsche pseudoniemen (Roujjelacre 1884); 
fiir England: Halfett und Laing, Dictionary of 
the anonymous and pseudonymous literature of 
Great Britain (Lond. 1881—88, 4 Bde.); fiir Nord- 
amerifa: Hayne, Pseudonyms of authors (New 
Port 1883); Cufhing, Initials and pseudonyms 


~~ 


552 


Anonyma 


(Daj. 1885 —88, 2 Bde.) und Anonyms, a dictionary | 


of revealed autorship (Cambridge 1889, 2 Bde.); 
fiir Sfandinavien: Collin, Anonymer og Pseudo- 
nymer (SRopenh. 1869, fiir Danemarf, Norwegen, 
Ysland) und Petterfen, Anonymer og Psendo- 
nymer i den norske literatur 1678— 1890 (Cbrijtia- 
nia 1890, fiir Norwegen); fitr Rufland: Ghennadi, 
Spissok rubkich anonimnych knig (1874); fiir Süd— 
amerifa: Barros’ Urana, Notas para una biblio- 
grafia de obras anénimas i pseudénimas (1882); 
fiir das Wittelalter: Franflin, Dictionnaire des 
noms, surnoms et pseudonymes latins de l'histoire 
littéraire du moyen-ige (Bar. 1875). Cin Lerifon 
Der anonymen und pfeudonymen Sdpriften der Je— 
juiten lieferte Sommervogel (Par. 1884, 2 Bde.). 

Anonyma, 1) Arteria a., »unbenannte Sdlag- 
abder«, entipringt redjts aus dem Yortenbogen und 
teilt fid) bald im die rechte Schliiffelbein- und rechte 
Kopfſchlagader; 2) Vena a., »unbenannte Blutadere, 
entſteht aus der Schlüſſelbein- und der Drojjelblut- 
aber; beide Venae anonymae fliefen gu der obern 
Hoblvene zuſammen. 

Anonhme Gefellfdaft, foviel wie Uttiengefell- 
ſchaft (f. d.), inSbef. im franzöſiſchen, italienifden und 
jpanijden Handelsrecht. Friiher nannte man in Frank: 
reid) Société anonyme Die gewöhnliche zivilrechtliche 
Erwerbsgeſellſchaft. 

Anonymus Belae regis Notarius, fur; 
aud) »der Anonymus« genannt, ein Dem Iamen n 
unbefannter Notar de3 ungarijden Konig’ Bela III. 
oder IV., der cine unjuverlaffige Geſchichte Ungarns 
(»Gesta Hungarorum:) verfagte, die man friiber als 
Hauptquelle der Geſchichte der Landeseroberung an- 
jah. Franz Joſeph I. ließ Dem A. 1902 in Budapeit 
cin Denkmal erridten. Val. Kaindl im ⸗Archiv fiir 
öſterreichiſche Geſchichte⸗ (1902). 

Anopheles, ſ. Mücken. 

Anophthalmus (griech.), dad angeborne Fehlen 
des Uugapfels, tritt gewöhnlich Doppelfeitiq auf. 

Anopifthographifde Druce, Drude, bei denen 
nur cine Seite Des Blattes bedruct ijt. Im Witertum 
wurde das Sdreibmaterial (Bapyrus- oder Mem— 
branrollen) nur ausnahmsweiſe auc auf der Rückſeite 


beſchrieben, und dann ein Optjthographon, d. b. | 


inten, auf der Rückſeite, beſchrieben, qenannt. Als 
ſpäter die Budform (Pergament und Fapier) die 
Rollenform verdraingte, wurde die Nichtbenutzung der 
Riicfeite die Uusnahme, und man nannte nun Drude 
mit leerer Riidjeite anopifthographifde, fei es, 
daß in dlterer Zeit dad Metbeverfahren (ſ. Blodbiicer, 
Buchdruckerkunſth, oder daß die Feinheit des Papiers, 
3. B. bei chineſiſchen und japanifden Drucen, dic 
Benutzung der Riidfeite unmöglich madten, oder dah 
andre Griinde (jf. Einblattdrude) die Veranlaſſung 
jum einfeitiqen Druck gaben. 

Anoplotheriidae, ſ. Duftiere. 

Anopfte (qried).), ſ. Blindheit. 


Anorchie (gried).), einfeitiger oder doppelfeitiger | 


Hodenmangel. 

Anordia, in Weſtindien cin heftiger Nordwind. 

Anorexic (qriec.), Uppetitmangel. 

Anorganiſch (gried), unorganifd, d. h. eigent 
lid) ohne Organe, Bezeichnung aller Naturforper, die 
nidt den Gefegen der lebenden Ratur (bef ondere chemi: 
ide Miſchung, Sellenbau, Gliederumg, Wachstum ꝛc.), 
fondern nur denen der unbelebten Natur unterworfen 
oder durch dieſe gebildet worden find. In legterm 
Sinne ſpricht man von anorganifden chemiſchen Ver— 
bindungen xc. S. Organ. 


— Wnpajjung. 


Mnormal (lat.), foviel wie abnorm(j. Wbnormitat). 

Anorthit, Mineral der Feldſpatgruppe (vgl. Feld- 
jpat), kriſtalliſiert triflin im kurz faulen- oder tafet 
artigen Formen und fommt aud in derben Maſſen 
vor. Er ijt farblos, weiß und ritlid, glasglänzend, 
durchſichtig oder durchſcheinend. Schöne Kriſtalle ded 
YW. lennt man vom Monzoni und aus den Auswürf 
lingen des Veſuvs. Cingewadhjen findet er fic) als 
Gemengteil mander Diorite, Vabbros und Diabafe 
und aud) wobl in fornigen Kalfen, ferner in einigen 
Meteorjteinen, 3. B. von Juvenas und Stannern. 

Anorthoflas, Vtineral, ſ. Feldſpat. 

Anorthoffop (qried).), von Plateau 1836 fon- 
jtruierte Vorridtung zur Erzielung optijder Tau: 
ſchungen. Um eine gemeinſchaftliche Achſe dr ſich 
zwei parallel geſtellte Scheiben mit ungleicher win 
digleit. Die dem Beſchauer zugewendete Scheibe ijt 
undurchſichtig und mit Einſchnitten verſehen, durch 
welche Die hinter ihr befindliche transparente, mit ver: 
zerrten Figuren bemalte und beleuchtete Scheibe wab- 
rend der Umdrehung nacheinander in allen ihren 
Punkten geſehen werden kann. Nun werden infolge 
der ungleiden Geſchwindigleit, mit der beide Scheiben 
qedreht werden, und infolge deren jeder Teil der hin: 
tern Scheibe an einem andern Ort erjdeint, ſowie in- 
folge des andauernden Vichtendruds auf das Auge 
Die auf der Hintern Sdheibe ver; aufgezeichneien 
Figuren bei einem beſtimmten Verhältnis der Um— 
drehungsgeſchwindigleiten beider Scheiben regelmapig 
erſcheinen. 

Anos, äoliſche, ſchon von Homer erwähnte Colonie 
in Thrafien an der Miiindung des Hebros. S. Enos. 

Anosmie (qried.), ſ. Geruchlojigteit. 

Anotto (Unatta), foviel wie Orlean. 

—— Paarung des Baſtards mit emem 
Tier einer der Urrajjen. 

Aupaffung (lat. Adaptatio), die Fähigkeit der le⸗ 
benden Wefen, ihren Rorperbau und ihre Lebenstatig- 
feiten verdnderten Bedingungen von Lebensweife, Ex: 
nährung, Rima, Bodenbeſchaffenheit, Zufammen- 
leben mit andern Tieren 2. unmittelbar oder tm Laufe 
der Generationen anjzubequemen. Unter direfter 
A. veriteht man die unmittelbar Durd) die veriinderte 
Lebensweife felbjt herbeigeführte zweckentſprechende 
Veriinderung der Organijation, 3. B. Vermehrung 
des Blutfarbjtoffes bet Menſch und Tier, wenn fie in 
Der dünnen Luft des Hochgebirges Mufenthalt nehmen. 
Die funktionelle A. bei der cin jtarfer in Anſpruch 
genommenes Organ gefraftigt, em aujer Gebraud 
qelegtes bis sur Verlümmerung geſchwächt wird, be- 
ruht Darauf, dak jedes Organ weſentlich nur in ſeiner 
Funktion lebt und daher durch ſtärlere Inanſpruch 
nahme (ſoweit dieſelbe, ohne dic Harmonie des Ganzen 
zu ſtören, ausgedehnt werden kann) beſſer aſſimiliert. 
während unbenutzte Organe cin Scheinleben führen. 
ſchwächer aſſimilieren und endlich zu Grunde geben. 
Da dieſer Prozeß ſich bis in die klleinſten aufbauenden 
Teilchen fortſetzt, fo kann unter Umſtünden die ge— 
ſamte Elementarſtruktur eines Organs durch funktio 
nelle A. veründert werden; und weil bei der funktio 
nellen A. Neubildung und Musmerzung von Elemen- 
‘tarteilen Gand in Hand geben, fo nennt Rour das 
Pringip, in dem fie wirlt, einen Kampf der Teile 
im Organismus (Kampf um den Raum und das 
Baumaterial). Durd) diefen Prozeß erflart ſich die 

der Funktion entipredende hichite — my der 
Anordnung aller Teile in jedem Organ. Auf der 
andern Seite ſchwinden durch Ridtqebraud Teile, 
|} B. die Augen der Hdhlentiere, die Bewegungs- und 








Anplatten — Anredeformen. 


SinneBorgane der feſtwachſenden oder ſchmarotzenden 
Tiere dahin. Man nennt daber aud) folde an- 
anderungen, die fic) dem Geſchlechte Dauernd von Vor- 
teil erweijen, adaptive, während inadaptive gum 
Wusjterben führen. Lamarck glaubte, mit dem Prin- 
zip der funttionellen UW. die Veränderungen der leben- 
den Weſen in der Zeit tiberhaupt erflairen zu finnen; 
allein Darwin jeigte, daß man cine grofe Reihe von 


Ubédnderungen der Lebewefen nur durd) die Unnahme | 


einer indireften A. unter dem Einfluß der natiir- 
lichen Zuchtwahl erflaren finne, fofern von den nad 
den verjdhtedenjten Richtungen abdndernden Orga- 
nismen einjelne den für die Urt (3. B. durch Aus— 
wanderung oder Klimawechſel) veranderten Lebens- 
bedinqungen beffer ſtandhalten finnen als andre. Die 
indirefte A. durch natürliche Zuchtwahl ſchreitet dann 
durch cine Reihe von Generationen fort, bis das voll- 
fonrmenjte Maß der U. an die Lebensbedingungen 
der neuen Umgebung rc. nach allen in Betradt fom- 
menden Ridtungen, 3. B. aud cine relative Immu—⸗ 
nität gegen die herrjchenden lofalen Rranfheiten, er- 
reicht tit, wobei die Organijationshihe des Körpers 
vor- und juriidjdreiten fann. Die W. an fipende 
LebenSweife ift fiir Die Tiere faft immer cine rück— 
ſchrittliche, weil mit bem Verlujt der Bewequngsorgqane 
und oft aud) einjelner Sinnesorgane, namentlid) der 
Augen, der fered tag ey | ꝛc., verfniipft, und 
nod) mebr ijt died Der Fall bei YW. von Pflanzen und 
Tieren an ſchmarotzende Lebensweiſe (j. Entartung). 
Direfte wie indirefte UW. wirfen im Laufe der Ge- 


nerationen affumutlativ, folange die höchſte mit den | 


andern Bedingungen vertriglide Zweckmäßigkeit 
nicht erreicht ijt, Da Das Erreichte vererbt wird und 
die ergeugenden Bedingungen fortwirten (progres - 
five und atfumulative dt). Nad) Weismann und 
jeiner Schule follen freilid) die durch äußere Einfliiffe 
direkt erjeugten Ubianderungen nicht erblich fein (val. 
Exblichfeit), fondern nur die durch Neimvariation ent: 
jtandenen, wonad) die A. ausſchließlich durch Zucht— 
wahl zu ſtande fame und die Lamarckſche Theorie 
völlig zu verwerfen wire. Wein wir kennen zahl— 
reiche Beiſpiele direft durch beſtimmte Änderungen 
des Mittels (3. B. —— bei Meertieren) oder 
unter dem Einfluß beſtimmter Vorbilder (ſ. Mimikry) 
entſtehender Anpaſſungen, ſo daß die neue Theorie 

roßen Schwierigkeiten begegnet und jedenfalls das 
—— nicht erleichtert. Auch die ſogen. An— 
paſſungsähnlichkeit (ſ. Ähnlichkeit) der Schmarotzer, 
Waſſertiere und-Pflanzen, Erdwühler untereinander 
ſpricht für gleichartige, erblich werdende Einflüſſe der 
Lebensweiſe und —— Mitunter kann die A. 
auf das eine Geſchlecht, dem dieſelbe allein von Nutzen 
iit, beſchränkt fein (geſchlechtliche A.), 3. B. die 
VPollenſammelapparate mancher Bienen. Auch kommt 
bei Tieren und Pflanzen, die in Symbioſe oder Wechſel⸗ 
beziehungen leben, oft eine gegenſeitige A. vor. 
Val. Roux, Der Kampf ber eile im Organismus 
(Veip;. 1881); Lang, über den Einfluß der feſtſitzen⸗ 
den Lebensweiſe auy die Tiere (ena 1888). 

Anplatten , ſ. Veredelung. 

Anquellen, |. Saat. 

Anquetil (pr. ang?tih, 1) Louis Pierre, franz. 
Hijtorifer, geb. 21. Jan. 1723 in Paris, geſt. 6. Sept. 
1806, jtudierte auf dem College Mazarin Theologie, 
trat in die Rongregation von Sainte-Genevieve, wurde 
in Reims Seminardireftor, dann Direftor des College 
von Senlié und endlich) Pfarrer in La Villette bei Paris. 
Während der Schreckenszeit 1793 —94 war er ein- 
geferfert. Bei Griindung des Inſtituts ward er Mit 


553 


glied der sweiten Kaffe, unter Napoleon I. beim Mi- 
niſterium des —— angeſtellt. Sein beſtes 
Wert ijt die ⸗Histoire de Reims« (1756 —57, 3 Bde.). 
Weniger wertvoll find fein »Précis de l'histoire uni- 
verselle« (Bar. 1797, 9 Bde.; 1834, 12 Bde.) und die 
»Histoire de France depuis les Gaules jusqu’a la 
fin de la monarchie« (Daj. 1805, oft aufgelegt; neue 
Ausg., fortgefept von Baude, 1876 —79, 11 Bde.). 
Seine übrigen Schriften find wertlos. 

2) Ubrabam Hyacinthe A.Duperron, Bru- 
der des vorigen, Drientalijt und Begriinder des Stu- 
diums der Henbreligion, qeb. 7. Dex. 1731 in Baris, 
gel. 17. Jan. 1805, ftudierte Theologie und orienta: 
iſche Sprachen. Um dic heiligen Schriften der Parſen 
zu erlangen, nahm er 1754 als Soldat auf einem 
nach Indien beſtimmten Schiff Dienſte, worauf die 
franzöſiſche Regierung in Anerkennung ſeines Eifers 
ihm eine für ſeine Forſchungsreiſen be— 
willigte. Bon den Parſen in Surat erwarb er Hand- 
ſchriflen des Bendavejta und der ſpätern perfifden 
ReligionSbiider und fick fic) von dem Dejtur (Ober- 
priejter) Darab eine neuperſiſche Uberfebung des Ben- 
cote in die Feder difticren. Nad) der ie! sl 
von Vonditſcherri fehrte A. 1761 mit 180 Manuftrip- 
tenrc. nad) Europa zurück und lief fic) in Paris nieder. 
Er erhielt dads Umt cines Dolmetſch der orientalifden 
Sprachen bei der königlichen Bibliothef, der er cinen 
Teil feiner Schätze ſchenkte. Sein Hauptwerk: »Zend- 
Avesta, ouvrage de Zoroastres« (Par. 1771; deutſch 
von Rleufer, Riga 1776—78), madjte als die erjte 
Überſetzung diefes wichtigen Religionsbuches in gan; 
Europa grokes Wuffehen. Cin großes Verdienſt er- 
warb fic) A. ferner durch feine nad) gwei perfifden 
Manuftripten angefertigte lateinijde Überſeßung 
(>Oupnek’hat«, Straßb. 1801-1802, 2 Bde.) einer 
1657 verfaßten perſiſchen ÜUbertragung der wichtigſten 
indiſchen ⸗Upaniſchads«. Während der Revolution 
lebte A. in tiefſter Zurückgezogenheit nur ſeinen 
Büchern und Erinnerungen. Er ward Mitglied des 
Nationalinſtituts, trat jedoch aus Mißvergnügen über 
die Lage Frankreichs aus und ſtarb in dürftigen Um— 
ſtänden. 

Anquicken, Erze behufs der Amalgamation mit 
Quecſilber verſetzen; vgl. Quechſilberlegierungen. 

Anrath, Dorf im preuß. Regbez. Düſſeldorf, Land⸗ 
kreis Krefeld, an der Staatsbahnlinie M.Gladbach- 
Ruhrort, hat eine kath. Kirche, cine Synagoge, Seiden-, 
Woll- und Halbwollweberei, Velvetſchneiderei, Car— 
caſſefabrikation, eine Anſtalt für Umſpinnen von Tele— 
graphendraht und (1900) 3566 Einw. 

Anraum, in Schleſien foviel wie Naubreif. 

Anrecdhuung der Unterfudungshaft, j. Unter- 
ſuchungshaft. 

Anredeformen. Die urſprüngliche und nod jetzt 
bei Naturvilfern vorhandene Sitte, jedermann in der 
zweiten Rerfon Gingularis, alſo im Deutjden nit 
Du, angureden (ihn gu Dusen), machte mit ſteigen— 
der Rivilifation allmählich der Gewohnheit Plas, 
fremde und höher jtehende Perſonen im Pluralis ma- 
jestatis anzuſprechen. Rach dem Annolied (XXVIII) 
| wiire Derjelbe zuerſt dem Cajar beigelegt worden, und 
dieſer hätte bas Ihrzen den deutfden Volfern ge- 
bracht, sum fie gu ehren«. Rad Grimm nahmen in 
Deuiſchland einzelne Stände zuerſt im 9. Jahrh. das 
vom Ausland kommende Ihrzen (giirzen, girzen) 
an. Bid gum 13. Jahrh. wurden geihrzt Höhere von 
Niedern, der Vater von den Kindern, Geijtlice, Fremde, 
vornehmere Ebeleute voneinander xc. ; geduzt wurden 
Niedere von Höhern, Kinder von Eltern, gewöhnliche 








554 


Leute gegenfeitiq x. Im 15. und 16. Jahrb. fam 3 
auf, Könige, Fürſten und hohe Würdenträger mut 
ihrem Titel: Majeſtät, Fürſtliche Gnaden rx. anju- 
reden und dann ging die Rede in der dritten Perſon 
fort, und zwar im Singular oder im Plural, je nach 
der Anrede; in direlter Beziehung auf den Ange— 
redeten wurde jedoch noch geihrzt. Seit dem 17. Jahrh. 
wurde »Herr« und ⸗·Frau· in der Anrede bloßes Höf⸗ 
lichleits zeichen, und bald fing man an, die indirefte 
dritte Perſon dazuzuſetzen (Crgen und Siezen tm 
Singular). Die YUnrede mit Ihr ward nun eine Mittel- 
jtufe zwiſchen Duzen und Crjen und Siezen. Gegen 
Ende des 17. Jahrh. beqann die Unrede in der dritten 
Perſon des Plurals (Siegen im Plural), und um 
1740 war dieſe Sitte in der vornehmen Welt allge- 
mein berridend. Oudfer und Tiroler, befonders 
außerhalb ihre Landed, reden alle Welt mit Du an; 
aud) ber Dichter hat die Freiheit de3 Duzens. Die 
Hollander braudjen meijt Ihr (gij). Jn Frankreich 
wird Du (tu) nur bei dem vertraulidjten Verkehr 
unter intimen Freunden und in der Familie ange 
wendet. Auch Rinder werden von Fremden und Leh— 
rern vous genannt. Die dritte Perſon wird von 
Franzoſen nur bei höhern Titeln angewendet. Jn 
England beſchränkt fic) die Unrede Du (thou) in der 
Regel auf das Gedicht und das Gebet. Dagegen ijt 
in Stalien lei, Sie, in Spanien usted und in Por- 
tugal vossé, eme Zuſammenziehung aus vossa mercé 
(fpanijd vuesta merced, Euer Gnaden), mit der drit: 
ten Perjon des Singulars üblich und mur in vertrau- 
licjerer Rede Du oder Yor tm Braud. Den Schiwe- 
den ijt Du (du) die vertraulide und väterliche Unrede, 
er die an weniger befannte Perjonen von geringerm 
Stande und ni das Seiden befonderer Hodacdhtung ; 
die Dinen brauden jtufenweife Du (du), Ihr (j) und 
Sie im Plural (de); dod) tonjtruieren Dänen wie 
Schweden ju ihrer pluralen Anrede das Verbum im 
Singular. Slawen reden, wie die Neugriechen, mit 
Yor an; nur die Bolen duzen fich oder fprechen in 
der dritten Perſon mit Pan oder Pani (Herr oder Frau). 

Anreim, foviel wie WUiliteration. 

Anreiten, Anſtoßen de3 Reiters mit feinem Pferde 
gegen einen andern. Beim Wettrennen ijt das A. 
durch Das Rennreglement ftreng verboten, weil es fiir 
den VUngerittenen einen Terrainvertujt verurjadt, der 
oft Das Rennen fiir ihn verloren madt. Unter A. 
verjteht man aud) die erſten Dreffurjtadien eines jun- 
gen Pferdes unter dem Sattel. 

Anrep, Gabricl von, ſchwed. Genealog, geb. 
4. Dej. 1821 in Lefeberga (Nerife), war anfangs Land- 
wirt, fiedelte aber fchon 1851 nad) Stodholm tiber, 
wo er feitdem als Herausgeber genealogiſcher Werte 
titiq ijt. Bon feinen Schriften ijt neben »Sveriges 
ridderskaps och adels kalender« (Stodh. 1854 — 
1901) und »Svenska sliigtboken« (daſ. 1871 — 82, 
3 Bde.) namentlid) »Svenska adelns iittartaflor« (Daf. 
1858 — 64, 4 Bde.; Regijter von Bergſtröm, 1888) 
ju nennen, cin trog zahlreicher Fehler noch heute fiir 
den Geſchichtsforſcher unentbehrliches Werf. 

Anromainyus, J. Ahriman. 

Anriichigfeit, im allgemeinen übler Ruf. Yn der 
Rechtswijjenidaft bedentet U. oder Unehrlichkeit 
eine Schmälerung der biirgerlidjen Ehre und demge 
mii} der Redhtsfabigteit, welde die Folge gewijjer 
Eigenſchaften einer Perſon war. Golde Cigenidaften 
waren fruher die uneheliche Geburt und das Gewerbe 
des Abdeckers (Mavillers). Im Mittelalter erſtreckte 
ſich die A. ſogar auf die nützlichſten Gewerbe, als: 
Muͤller, —8 Weber; aber ſchon die Reichspolizei— 








Anreim — Anſan. 


verordnung von 1577 beſchränkte die U., und nad 
einem Reichsſchluß von 1731 blieben mur nod) der 
Abdecker und feine ihm beim Geſchäft beiſtehenden 
Kinder fowie die unehelichen Rinder Dem Wafel der 
A. unterworfen. Die Wirtung der VW. bejtand im der 
Unfabigfett sum Cintritt in Zunfte und Korporatio- 
nen, zur Ordination und jum Lehnserwerb. 
einem Reichsſchluß von 1772 tonnte die U. Durd Ebr- 
haftmadung durch den LandeSherrn aufgehoben wer: 
den. Reben diejer A. im engern Sinne, die ein rein 
deutſchrechtliches Inſtitut war, nehmen einige Rechts 
lehrer auch eine YU. im weitern Sinn an und begreifen 
unter Ddiefer aud) die Verächtlichmachung (tur- 
pitudo), die lediglich Folge der Verurteilung durd 
die Sffentlide Meinung wegen unfittlider Lebensfiih- 
rung iſt und namentlid) Bagabunden, Zigeunern. 
Lujtdirnen, Rupplern und dergleiden Klaſſen arbaj- 
tet. Als ihre rechtlidyen Wirfungen werden bezeichnet: 
verminderte Glaubwiirdigfeit, Unfähigleit jum Em— 
tritt in ebrenhafte Genoſſenſchaften, jur Musiibung 
ewiſſer Berufsarten, zur libernabme einer Bormund- 
chaft u. dal. Als ein eigentlidjes Rechtsinjtitut ijt je- 
dod) die Verächtlichkeit nicht angufeben , vielmebr ban- 
gen deren Wirfungen lediglid) vom richterlichen Er- 
mefjen in einzelnen Fallen ab. Rad) dem deutichen 
Biirgerlicden Gefegbuch ijt A., d. h. ehrloſes oder um- 
fittlidyes Verhalten, Eheſcheidungsgrund (§ 1568), fer- 
ner beredtigt ehrloſer und unfittlider Vebenswandel 
nad § 2333, Ziff. 5, zur völligen Enterbung. Die 
Gewerbeordnung bejtimmt in § 123, 37.2, daz 
en liederlichen Lebenswandels Gefelien und Ge- 
hilfen jederjett ohne Kündigung entlajjen werden fon- 
nen. Bal. Beneke, Von unehrliden Leuten (2. Anil, 
Berl. 1889). 

Wr (ir. angs), Borort im NBW. von Liittidh, Knoten⸗ 
punft an der Bahn Lüttich -Brilffel, mit Cijenbhitten, 
Rohlengruben und (1900) 8628 Einw. 

Anfagen, an der Börſe gu Franffurt a. WM. bei 
Prämiengeſchäften (f. d.) ankündigen. kündigen. 
Die Rückpraͤmie wird daher bisweilen als Unfage- 
prämie bezeichnet. 

—— — ſ. Anſageverfahren. 

Auſageverfa im deutſchen Zollweſen das 
Verfahren, das fic) auf die Anmeldung von zoll— 
oder fontrollpflidtigen Waren bezieht (j. Anmelde-⸗ 
jtellen). Es tritt cin bei Waren, die ber Unfage- 
jtellen (Unfagqepojten), d. h. über ſolche Steüen 
eingeführt werden, die nicht zur Feſtſtellung und 
Erhebung, ſondern vielmehr nur zur Sicherung der 
Zollabgaben da errichtet find, wo die Grenzzollaͤnter 
zu weit von der Holllinie entfernt fliegen; fermer bei 
Waren, die gwar tiber Grengjollamter eingehen, die 
mit Hebe» und Ubfertiqungsbefugnijjen ausgeftattet 
find, deren Sollabfertiqung aber an etn im Innern 
des Zollgebietes liegendes Zollamt erfolgt, oder deren 
Wiederausfuhr durch amtliche Begleitung kontrolliert 
werden ſoll. Die vom Warenführer fiber ſeine La 
dung abjugebenden Papiere werden in deſſen Gegen: 
wart eingefiegelt, an dag Zollamt adreſſiert und einem 
Grenjaufieber fibergeben, der das Fuhrwerl oder 
Schiffsgefäß bis gum Yollamt oder bis yum Wieder: 
austritt über die Grenze begleitet. Für einzelne 
Strecken, wo das Bedürfnis des Verfehrs es erfordert. 
lann mit Genehmigung der Direktivbehörde von dem 
Anſagepoſten ftatt Begleitung amtlider Verſchluß 
angeordnet werden. Bei Schiffer werden nod beſon⸗ 
dere Anſagezettel ausgefertigt. 

Anſan (YUnjan), cine Bie Perjien su gelegene 
Proving des elamitiſchen Reiches mit gleidnannger 


Anjanto, Lago di — Ansbach. 


Hauptitadt, wohl Eins mit dem von arabifden Geo- 
raphen genannten Uffan. Jn altefter Zeit Haupt- 
tadt des elamitifden Reiches, wurde A. {pater von 

Sufa itberfliigelt, doch blieb ⸗Herrſcher von A.« ein 

widtiger Bejtandteil in der Titulatur der Könige 

Elams. Bur Zeit des Niederganges der ſuſiſchen K 

nigdherridaft bemächtigten * die Vorfahren des 

Perſerlonigs Kyros vom Geſchlechte der Sispiden, 

einem Zweige des perſiſchen Fürſtenhauſes der Achä— 

meniden, der Provinz A. und nannten ſich »Könige 
der Stadt A.« Der letzte dieſer Sispidenkönige von 

A. war i Der mit Der —— über A. 

die über Perſien vereinigte. Vgl. Elam und Kyros. 

Anfanto, Lago di (im Aliertum Amſpſanctus 
lacus), fleiner See in der ital. Proving Uvellino, un- 
fern Frigento, der den Krater eines ehemaligen Vul- 
fan3 ausfiillt. Jim Altertum ftand hier ein Tempel 
Der Gittin Mephitis. 

Anſäſſigkeit, die Niederlajjung im Staate oder 
im der Gemeinde mit einem gefiderten Nahrungs- 
tande. Die A. ijt cin Begriff des ältern Rechts und 

neuern Grundſatz der Freigiigigleit gewiden. 

Die Anſäſſigmachung in einer Gemeinde war friiber 

vielfad) von erſchwerenden Bedingungen, insbef. von 

der Zuſtimmung der Gemeinde, abbingig gemacht, 
wenn ſich die UW. nicht auf Grundbeſitz, Gewerbekon⸗ 
zeſſion oder öffentliches Amt gründete. 

Auſatz, in der Mathematif das Verfahren, nad) 
dem gegebene Größen in gewijfer Ordnung aufgeſchrie⸗ 
ben werden, um Daraus das Ergebnis der Rechnung 
nad einer beſtimmten Regel gu erhalten (vgl. Ketten- 


el). 
Mufat bei Blasinitrumenten, deren Mund- 
jtticde nicht in Den Vlund genommen, fondern nur vor 
den Mund gebradt werden: die Stellung der Lippen 
beim Unblajen. Der A. ijt bei der Flöte ein ——— 
als bei den Blechblasinſtrumenten, wo die Lippen- 
rander gugleid) die Stelle von Zungen vertreten und 
daher der A. ein fehr verfchiedenartiger fein muß, je 
nachdem hohe oder tiefe Tine hervorgebradt werden 
jollen. Der Blajer fagt, er habe feinen A., wenn er 
nidt völlig Herr feiner Lippen, d. h. aufgeregt, matt r., 
ijt. — Berm Gefang ijt A. die Urt und Weife, wie 
der eine Phraſe beqinnende Ton hervorgebrad)t wird, 
wobei man unterjdeidet: a) den YW. mit Glottis- 
ſchluß, bei dem die Offnung der Glottis (Stimm⸗ 
—* einen eigentümlichen Gutturallaut (Knack, das 
hebrãiſche Aleph) dem Ton vorausſchickt, und b) den 
hauchartigen A., bet dem die Glottis leicht geöff— 
net iſt und dem Ton ein ſchwacher Hauch (spiritus 
lenis) vorausgeht. Man nennt aud) wohl die Stel- 
tung der gefamten bei der — — Reſonanz 
betetligten-Rehlfopf-, Gaumen und Mundteile UW. und 
ſpricht von einem »gaumigen A.« x. Die Gejtalt des 
Anſatzrohres, d. h. des Den Ton der Stimmbander 
verjtarfenden Hohlraumes vom Kehlkopf bis gu den 
Lippen, fann aud) fiir denfelben Bofal (3. B. für das 





ll lll 
vov 


Fingerzeige, die bem Singer mehr nützen als alle 
Hypothefen über die Tätigkeit der Stimmbénder. 

Anſäuern, cine Flüſſigkeit mit fo viel Säure ver- 
ſetzen, daß fie ſchwach fauer reagiert. 

Unfaugen, ſ. —— 

Ansbach, ehemals cine Markgrafſchaft in Fran- 
fen, 3579 qkm (65 OW.) mit (Ende des 18. Jahrh.) 
ca. 800,000 Einw., jetzt ein Teil des bayr. Regbez. 
Mittelfranfen. S. die »>Gefdidjtstarte von Bayern«. 
U. war eins der friinfifden Fiirjtentiimer de3 Hau- 
fe3 Hohenzollern. Die Giiter, welde die Babenberger 
im Nord⸗ und im Rednibgau erworben Hatten, fielen 
908 an Herzog (911 König) Konrad von Franfen, 
dann an das bergoglidje Haus Meran. 1362 wurde 
Friedrich V. A. Burggraf von Niirn- 
berg, damit belehnt. Friedrich teilte 1398 feine frän— 
kiſchen Beſitzungen in das Land unterhalb de3 Gebir- 
ges (A.) und das Land oberhalb de Gebirges (Kulm⸗ 

ad, nadber Bayreuth). Dieſe Teilung blieb aud), 
al8 der Cate! Friedrich VI. die Marf Branden- 
burg (. d.) an Jein Haus gebradht hatte. Durch die 
Dispositio Achillea des Rurfiirjten Albrecht Udhilles 
von 1478 wurden die friinfifden Lande gu ciner See 
fundogenitur des Hauſes Brandenburg gemacht. Nad 
Albrechts Tod 1486 fiel W. an feinen zweiten Sohn, 
Friedrich, Bayreuth an den dritten Sohn, Siegmund. 
Da legterer ſchon 1495 ohne Erben ſtarb, fo fam Bay- 
reuth an Friedrid) und nad) deſſen Tod (1536) an fet- 
nen ältern Sohn Rafimir, der fid) im Bauerntrieg und 
in Dienjten Raifer Karls einen Namen madte. Un— 
ter ihm fand die Reformation in U. Cingang, der ſich 
Friedrichs sweiter Sohn, Georg der Fromme, der U. ers 
bielt, offen anſchloß. Deſſen Sohn Georg Friedrich ver- 
einigte 1557 nad) dem Tode ded geächteten Kulmbacher 
Markgrafen Albrecht Wicibiades die fränkiſchen Lande 
wieder. Da mit ihm die fränkiſche Linie erldfden 
mufte, fo wurde durd den Geraer Hausvertrag 1598 
bejtimmt, dak nad) dem Tode Georg Friedrichs (1603) 
die jiingern Söhne de3 brandenburgijdhen Kurfürſten 
Johann Georg U. und Bayreuth (jf. d.) erhalten foll- 
ten. Joachim Ernſt fam demzufolge 1603 tn den 
Befis Ansbachs. Ahm folgte 1625 — 34 fein Sohn 
Hriedrid), anfangs unter der Vormundſchaft feiner 
Wtutter Sophie, Grajin von Solms-Laubad, die auch 
einige Jahre fiir ihren gweiten Sohn, Markgraf Al⸗ 
bredjt (1634 — 67), regierte. Damals litt das Land 
entſetzlich durch die Stiirme des Dreifigiihrigen Krie— 
ges, nicht minder ſpäter nach den kurzen Regierungen 
von Johann Friedrich (1667—86), Chriſtian Albrecht 
(1686—92) und Georg Friedrich (1692—1703) durch 
die wüſte Wirtfdaft des Markgrafen Wilhelm Fried- 
rid) (geſt. 1723). Deffen Nacdfolger Marl Wilhelm 
Friedrich (gejt. 1757) errichtete 1743 die Univerjitat zu 
Erlangen und trat dem Bund gegen Friedrid) d. Gr. 
bei, obwohl er deſſen Schwejter Friederile Luiſe zur 
Gemahlin hatte. Sein Gohn Karl WUlerander, von 
jeiner Maitreſſe und fpatern morganatifden Gemah- 


reine A) fehr verſchieden fein, je nachdem die weidjen | lin, Der ee raven (geb. Gräfin Berkeley), beherridt, 


Teile des Gaumens xr. fich ſtellen. Der Singer wei, 
daß er fein A vorn an den Zähnen fingen fann, aber 
aud) ganz binten am Gaumen, dak erjteres einen 
»flachen«, letzteres einen »gequetidtens Ton gibt (den 


cigentliden Gaumenton), und daß die bejten Tine die: | 





trat 1791 UW. und Bayreuth, das ihm 1769 nad) dent 
Erlöſchen der Bayreuther Linie zugefallen war, gegen 
eine Jahresrente an Friedrich Wilhelm II. von Preu⸗ 
fen ab; er ftarb 5. Jan. 1806 finderlos in England. 
YU. und Bayreuth wurden fortan als preujifde Bro- 


jenigen find, die er mitten im Munde fühlt, daß es | vingen von dem gu A. refidierenden Freiherrn v. Har— 
feine großen Sdwierigteiten hat, einem U, einem bel- | denberg, dem fpatern Staatstanjler, verivaltet. 1806 
fen E xc. diefe Urt der Reſonanz gu geben, und daß | wurden fie von den Franjofen bejept, A. bereits 1806, 
behufs Erzielung einer Einheitlidhfeit der Tongebung | Bayreuth nad) dem Tilfiter Frieden an Bayern itber- 
die Refonany der Vofale beim Gejang von der beim | geben, das durch Patent vom 10. Wprif 1810 davor 
Sprechen weſentlich abweiden muh. Das find tlare Beſitz ergriff. A. bildet feitdem den gropten Teil des 


556 


Kreiſes Mittelfranten. Val. K. H. Lang, Unnalen 
des Fürſtentums A. unter der preujifchen Regicrung 
1792 —1806 (Frankf. u. Leipz. 1806); Stein, Ge- 
ſchichte Frankens (Schweinf. 1883—86, 2 Bde.); »Ba- 
varias, 3. Bd., 2. Ubt. (Wind. 1865); Sdhorn- 
baum, Die Stellung des Markgrafen Kaſimir sur 
reformatorijden Bewegung in den J. 1524 — 1527 
Nürnb. 1901); Ranke, Hardenberg, Vd. 1 (Samt- 
liche Werke, Bd. 46); Chr. Meyer, Hardenberg und 
ſeine Berwaltung der fränkiſchen Fürſtentümer A. 
und Bayreuth (Miind. 1892); Suüß heim, Preußens 
Politif in W. «Bayreuth 1791—1806 (Berl. 1902). 
Ansbad (Anſpach, chedem Onolzbach, lat. 
Onoldinum), Stadt an der Fränkiſchen Rezat, in die 
hier Der Oly oder Holzbach miindet, und Rnoten- 
punft der Staatsbahnlinien Treudtlingen - Ujcaf- 
fenburg und Sdnelldorf-Furth i. W., 410 m it. M., 
Hauptitadt des bayriſchen Regie- 
rungsbezirks Wiittelfranfen, hat 2 
prot. Rirden (die St. Gumbertus- 
firde mit drei Türmen und der 
Georgenritterfapelle, und die 1441 
erbaute Yohannistirde mit der 
Marfgrafengrujt), eine fath. Kir 
dhe, Synagoge, Theater, Gynma- 
fium und Realſchule, Fachſchule 
fiir Majfdinenbau und Cleftro- 
tedynif, landwirtſchaftliche Wine 
terjdjule, eine Rreisirrenanjtalt 
und (1900) mit Der Garnifon (em 






* 





Wappen von 
Ansbach. 





Ulanenregiment Rr. 2) 17,555 Einw., darunter 3066 
Ratholifen und 256 Quden. Das Schloß, ehemals 
Refidens der Marfgrafen, enthält eine Bibliothef und 
Gemäldeſammlung und dient teilweije zum Sig der 
Streisbehirden. Bor demfelben das Standbild des 
Dichters A. v. Platen, auf dem Marktplatz ein Brun: 
nen mit Dem Standbilde ded Marfgrafen Georg des | 
Frommen (gejt. 1543) und tin Schloßgarten das ded | 
Dichters Uz fowie ein auf die Ermordung des Find- 
lings Kaſpar Haufer (jf. d.) bezüglicher Denfitein. A. 
hat Wajdhinen-, Rinderwagen-, Spielwaren., Fabhr- 
rad-, Ronferven-, Lifdr-, Strohmofaif-, Gold- und) 
Silberwaren- und Rabhfeidefabrifation, Eiſengieße 
rei, Bierbrauerei, Beindreherei, Gold- und Silber: | 
ſtickerei, Färberei, Spinnerei und ijt Sig Der Nreis: | 
regierung, des protejtantijden Konſiſtoriums, eines 
Landgerichts (fiir die 11 Amtsgerichte zu A., Din- 
fel8biibl, Feudtwangen, Gunzenhauſen, Heidenbheim, 
Heilsbronn, Herrieden, Rothenburg ob d. T., Schil- 
lingSfiirjt, Uffenbeim und Wajfertriidingen), eines 
Bezirlsamts, einer Filiale der foniglichen Bank und | 
eines Bezirlsgremiums fiir Handel und Gewerbe. — | 
Die Stadt verdanft ihren Urfprung dem St. Gi: | 
bertusjtift, einem Benediftinerflojter, das, von St. | 
Gumbert aus dem franfifden Herzogsgeſchlecht um 
786 errichtet, 1057 in cin Chorherrentift verwandelt 
und 1560 faifularijiert wurde. YL ſtand bis 1288 un— 
ter Der Vogtei der Herren von Dornberg, dann der 
Wrafen von Sttingen, fam durch Rauf 1331 an Die 
Burggrafen von Riirnberg und war 1440—1791 
marfqrifliche Reſidenz. Es ift die Bateritadt der oben 
genannten Dichter Uz und A. v. Blaten. Bgl. Ja— 
cobi, Urgeſchichte der Stadt A. (Ansb. 1868); Dante, 
Sfizzen zur Geſchichte von A. (daſ. 1874). 
Auſchaffung, jedes entgeltliche Rechtsgeſchäft un- 
ter Lebenden, gerichtet auf den Erwerb des Eigen— 
tums an beweglichen Sachen oder Wertpapieren. Ge- 
ſchieht die A. zum Swede der Weiterveräußerung 
(gleichviel ob in Natur oder nach einer Bearbeitung 





Raum. — Künſtlerif 


Ansbach — Anſchauungsunterricht. 


oder Verarbeitung), fo bildet jie cin Grundhandels⸗ 
gelchift (Mandelsgefesbud vom 10. Mai 1897, § 1) 

nſchaffungsgeſchäft nennt man insbeſ. aud 
den börſenmäßigen Rauf. Lber dejjen Bejtencrung 
vgl. Birjenjteuer. 

Auſchäften, |. Veredelung. 

Auſchauung bezeichnet im eigentliden Sum die 
Wahrnehmung durch den Gejichtsjinn und zugleich 
Die auf biefemt eq erlangte Vorjtellung eines Gegen- 


| ftandes; im weitern Sinn überhaupt das unmittel 


Erfennen eines Gegenſtandes im Gegenfage zu dem 
durd) das Denfen, bez. durch Begriffe vermittelten ; 
das eritere Heit aud) intuitives, dads zweite dis— 
kurſives Erfennen. A. und Denfen, d. h. die paſſive 
und die aftive Seite des Erkenntnisvorganges, wur- 
den zuerſt durch Rant ſcharf unterſchieden, der aber 
zugleich zeigte, beide niemals getrennt beſtehen 
fonnen; durch bloße A. würden wir gar nicht einmal 
im ſtande ſein, einen Gegenſtand von einem andern 
zugleich angeſchauten gu unterſcheiden, da das Unter- 
—— eine Funktion des Denkens iſt, während an— 
derſeits dem Denfen ohne A. aller Anhalt fehlte; A. 
und Denfen gehdren eben zuſammen wie Stoff und 
Form. Philoſophiſche Syjteme, die (wie dasjenige 
Spinozas und els) aus blofen Begriffen herans 
die vollſtändige Erkenntnis der Wirklichkeit zu ent: 
wickeln vorgeben, benutzen in verſteckter Weiſe doch 
überall die (ſſinnliche) A., da fie ſonſt aus dent engen 
Kreis ihrer Definitionen nicht herauskommen fonnten. 
Alle A. iſt ſinnlich; eine nichtſinnliche (intellektuelle) 
W., z. B. des göttlichen Weſens, iſt zwar von Myſtilern 
und einigen Philoſophen (Fichte, Schelling) behauptet 
worden, der nüchterne Geiſt weiß jedoch von einer ſol⸗ 


chen Fähigleit nichts. Wohl aber hat Kant nicht ohne 


Grund von der empiriſchen A. (a. posteriori) eine 
reine UL. (a. priori) unterſchieden, d. h. Die anſchau—⸗ 
liche Vorſtellung folder Objefte und Verbaltnifje, die 
in der firmliden Wahrnehmung niemals verwirflidt 
jein fonnen, wie die Fiquren der Geometric. l. 
e A. ijt die Fähigkeit, 
Dinge und Vorgänge des Lebens ſinnlich deutlich, lo— 
fal und zeitlich beſtimmt, in großem Zuſammenhang 
und harmonijd geordnet vorzuſtellen. Bgl. Phantaſie. 
Anſchauungsform, ſ. Form. 
Sz}Ganungdantecrisit, im erjtenQugendunter- 
richt Ubungen, die dad Rind (nach Peſtalozzi) bemer 
fen und reden lehren. Dem ſechsjährigen Rinde feblt 
zumeiſt nod) der jum Unterridt ndtige Borrat dent: 
licher Unichauungen, wie die Fähigkeit, aufzumerlen 
und, was es wahrnimmt, flar auszuſprechen. Es neuf 
Daher erjt »bemerfen und reden« lernen. Unter Lew 
tung des Lehrers werden wirkliche Gegenſtände oder 
pajjend gewählte Bilder methodiſch betradtet und be- 
ſprochen. Unbekannte Worter, Namen u. dgl. milffen 
dabei vom Lehrer, jedod) immer erjt nad) gewonnener 


Anſchauung, gegeben werden. Bon einyelnen An— 


jdhauungen und Vorjtellungen wird vorfidtig gu Wb- 
jtraftionen ( Begriff, Yirt, Gattung, Urteil) vorgeſchrit⸗ 
ten. Mancherlet Unwendungen auch auf das fits. 


“leben, Würzung ded Unterrichts durd Meine Sprüch⸗ 


Lieder ꝛtc. ergeben fid) dabei fiir Den verſtändigen Leh 
rer von felbjt. Das diefem A. zu Grande — 
Prinzip führt auf Montaiqne, Campanella na: 
mentlid) auf Bacon juriid, der, geqeniiber der Me- 
thode der Scholaftifer und der Humaniften des 15. und 
16. Jabrh. (Verbalijften), die firmliche Anſchauung 
ald das Fundament alles wifjenidaftliden Verfabrens 
(Realismus) bezeichnete. Dieſes wiſſenſchaftliche 
Prinzip Bacons hat zuerſt, durch ihn wie durch Cam- 


Anſchießen — Anſchlag. 


panella, Ratfe u. a. angeregt, Johann Amos Come- 
nius (f. d.) folgerecht auf den Unterricht angewenbdet. 
Seine Vorſchrift fiir den erſten Unterricht lautet: 
»Nicht mit verbaler Beſchreibung, fondern mit realer 
Anſchauung muß man beginnen« ; daber fein berithm- 
ter »Orbis pictus«. Für alle Stufen des Unterridts 
verlangt er jtrengen Barallelismus der Sachen und 
der Worter. Die Schulordnung Herzog Ernſts des 
Frommen von Gotha, verfaßt durch Undreas Reyher, 
führte diefe Grundſätze in die deutſche Volksſchule cin. 
Auch die Hallejdhen Unjtalten Frandes und die Ber- 
liner Realſchule (Heder) pflegten in ihrer Urt Anſchau— 
ung und anjdauliden Unterricht. Weiter gingen 
Rouffeau, Baſedow, Rodow und namentlid) Pejta- 
logat. der den »>Denfiibungen« der Philanthropijten 
und Gofratifer die Unfdauung gur feften Basis und 
das Ungefdaute als Inhalt gab. So entjtand ein be- 
jonderer A. als propädeutiſcher Vorkurſus fiir die 
Schule überhaupt. Dieſer Unterrichtszweig hat ſeine 
eigne Geſchichte und cine unifangreiche Literatur (Pe— 
ſtalozzis⸗Buch der Miitter«<, » Wie Gertrud ihre Kinder 
lehrt⸗ u. a.; v. Türk, Grakmann, Harnifd, Denzel, 
Grajer, Diejterweg, Curtman, Bolter ꝛc.). Gegeniiber 
manchen —— Übertreibungen beſchraͤnkt die 
neuere Pädagogit ſich meiſt auf die Forderung, daß 
Ynfdauungs- und Sprechübungen den erſten Schreib⸗ 
leſeunterricht vorbereiten und begleiten, und daß jeder 
Unterricht (Rechnen, Naturkunde, Erdkunde ꝛc.) in fei- 
nen tat wejentlid) UW. fein und immer wieder 
auf Anſchauung zurückgehen foll. In fpradarmen 
oder zweiſprachigen enden, bei ftarf abweichender 
Mundart rc. farm aber die Schule gefonderten A. kaum 
entbehren. Die neueſte Methodif ory aud fiir Den 
fremdfpradliden Unterridt bas Ausgehen von 
einer Urt A. und ijt damit fiir die lebenden Spraden 
(Englijd, Franzöſiſch) bereits Durdgedrungen ; weni- 
ger aus nabeliegenden Griinden fiir das Latein. 
Anfchiefen, aus neugefertigten Waffen eine ge- 
wiffe Anzahl von Schüſſen abgeben. Das U. bezweckt 
die Priifung der Gitte und Haltbarfeit des Materials 
und die Ermittelung der Trefffähigleit, die eventuell 
durd) Requlierung von Rorn und Vifier verbeſſert 
wird. Bei Schrotgewehren priift man das Zuſammen⸗ 
halten der Sdhrote und Durchſchlagskraft derjelben. 
Neue Lafetten werden durd A. auf ihre Haltbarteit, 
gutes Funttionieren aller Teile, befonders der Richt⸗ 
maſchinen 2., gepriift. — In der Dageriprade heißt 
A. (Unfdweifen) durd cinen Schuß verwunden 
(j. Anſchuß). 
Anfchirrung Unjpannung), die Art und Weiſe 
der Verbindung der Bugtiere mit den Fuhrwerken. Bei 
Pferden und Maultieren wird vorwiegend das Kumt, 


cin fteifer, geſchloſſener, mit Polſtern verfehener Hals- | 


gurt, oder Das Sielengefdirr, cin Brujtqurt, ver- 


wendet (val. Gefdirr), bei Rindern day Sod, ent: | 


weder als Doppeljod) (un garifdes J od) fiir zwei 
Sugtiere oder als Halbjod fiir ein Tier, die ant Kopf 
(Ropfjod), und gwar je nad) der Stellung der Hör— 
ner an der Stirn (Stirnjod), am Raden (Naden- 
jod) oder am Hals (Hals- oder Widerrijtjod) 
angelegt werden. Das Doppeljod) belajtiqt die Tiere 
a als bas Einjeljod), erleichtert jedoch Das Cinfiih- 
ren der jungen Tiere gum Sugdienjt und ermöglicht 
ſcharfe Wendungen und fdynelles Unbhalten beim Fah— 
ren. Bgl. Zürn, Geſchirrkunde und Beſchirrungs— 
lehre (Leipz. 1897); Sdoenbed, Befdirrungs- und 
Anſpannungsgrundſätze bei Pferden (Berl. 1899). 
Auſchlag Affiche, Plakath, jede öffentlich an- 
geheftete oder angellebte Befanntmadung, fiir deren 











557 
Drud man fics gewöhnlich qrofer, auffallender Schrif- 
ten, fogen. Blatatfdriften, häufig auch bunter Farbe 
und bunten Bapiers bedient. Nordamerifa und Eng- 
land waren die erjten Pflegſtätten folder, öfters auch 
illuſtrierten Riefenplafate, bei denen oft in Den Haupt- 
jeilen jeder Buchjtabe einzeln gedrudt und angeflebt 
ijt. In Franfreid) ijt geſetzlich das weiße Papier fiir 
die Veröffentlichungen der Verwaltungsbehörden vor- 
behalten, in cingelnen Städten Deuthchlands, befon- 
ders in Berlin, das rote. Jn manden Staaten ijt die 
polizeiliche Genehmigung fiir die Anſchläge nötig, in 
Rußland muß ſie ihnen ſogar beigedruckt ſein. Jedoch 
wird auch in Staaten, wo die Zenſur nicht erforderlich 
iſt, dieſe von den Pachtern der Anſchlagſäulen eingeholt, 
um nachträglichen Verhoten und Strafen ju begegnen. 
Jn Deulſchland und Oſterreich ijt auf jedem A. der 
Name und Wohnort de3 Verlegers und Drucers not- 
wendig. In Franfreid wird cin nach der Größe des 
Papiers abgejtufter Affichenſtempel erhoben. Im Deut- 
ſchen Reid) (Reichsſtrafgeſetzbuch, § 134) wird das bös⸗ 
willige Ubreifen, die Beſchädigung oder Verunjtal- 
tung amtlider Anſchläge, hirter als nad) franzöſi— 
fem Recht, mit Gefingnis bis yu 6 Monaten oder 
Weldjtrafe bis gu 300 Me. geahndet. — Sdon Athen 
und Rom fannten die Unjdlage; man liek Geſetze und 
Senatsbeſchlüſſe in Tafein von Erz und Marmor ein- 
qraben und dieſe alsdann auf den dffentliden Plätzen 
augjtellen. Jn Rom benugte man ſeit dem 15. Jahrb. 
den » Pasquino« genannten Statuentorjo zu wipigen 
und fatirijden Plafaten, auf die dann der »Marfo- 
riv«, cine Flupgottitatue bei San Pietro, in entipre- 
chender Weiſe antwortete. Auch in Franfreid) waren 
die Plafate bereits vor Erjindung der Buchdruckerkunſt 
im Gebrauch. Schon 1407 wurde ein foniglidjes Pa⸗ 
tent erlajjen, das das Unbheften von aufriihrerijden 
Plafaten verbot, und 1539 ſchrieb ein Edift Franz' I. 
nicht nur ibren Gebrauch fiir dffentlide Erlaſſe vor, 
fondern ordnete aud) an, daß man ſich fortan hierzu 
Der franzöſiſchen Sprache und nicht mehr der bisher 
iibliden lateiniſchen bedienen folle. Die Benutzung 


der Anſchläge hat in neuerer Zeit ungemein zugenom⸗ 


men; neben den beſonders dafür errichteten Säulen 
(Anſchlagſäulen, in Berlin nach dem Begründer 
früher Litfaßſäulen genannt) auf Straßen und 
Plätzen bedient ſich die Reklame aud) transportabler 
Geſtelle und Wagen, die bei Dunfelheit erleuchtet wer- 
den fonnen, und Perjonen, die, mit Plafaten behängt, 
jid) in den Hauptitrajen bewegen. 1892 wurden in 
Berlin fogen. Uraniaſäulen erridtet, die mit dem 


| Unnoncenwefjen gemeinniipige Zwecke (Zeit⸗ und Wet- 


terangaben u. dql.) verbinden. Uber die filnjtlerifde 
Unsitattung der Anſchläge ſ. Blafat. 

Anfchlag, foviel wie Koſtenanſchlag, Berechnung 
des Koſtenbedarfs, 3. B. cines Bauunternehmens (}. 
Bauanſchlagh. — W. de3 Gewehrs, das Halten des- 
jelben in ſchußfertiger Lage mit dem Kolben am Kopf. 
Wan liegt im W., wenn man mit dem angeleqten Ge— 
wehr ſchußfertig auf das Schiefobjeft wartet. — Jn 
Der Tijdlerei die Seite des Falzes (f. d.), gegen die bei 
Fenſterfuttern und Türzargen die Fenſter- und Tür— 
flügel ſchlagen. 

Hujdlaa, bei Tajteninjtrumenten (Klavier, Or- 

el) Das Riederdriiden der Tajten. Wan fagt: »das 
Sorftremment hat einen ſchweren oder leidjten A.«, d. h. 
eine ſchwere, leichte Spiclart, es erfordert viel oder 
wenig Rraftaufwand. Ferner fpridt man vom A. 
eines Rlavierjpiclers: er hat einen quten, weiden, 
fraftigen oder cinen barten, ecigen, ſchwächlichen YL, 
je nadpdent er das Inſtrument ju behandeln verjteht 


558 


oder feiner phyſiſchen Unlage nad) vermag. Endlid | 
gibt es verjdiedene Unfdlagsarten (Urtifula- 
tionsweiſen) fowobl fiir Das Mlavier als das Or- 
gelfpiel, durch welche Die Dom Romponijten gefor- 
derte Urtifulation, das Binden oder Stofen der Tone 
bewirft wird (vgl. Legato, Staccato, Portato). 

Anſchlageiſen, —formiges Wertzeug mit zwei 
Sdneiden, von denen eine parallel, die andre redt- 
winfeliq jur Achſe des Werkzeugs fteht, wird jum 
Cinarbeiten von Nuten fiir Cinjtedidlojjer xc. benugt. 

Anfdlagen, im Seewejen (aud unterfdlagen) 
ein Segel an der Raa oder Gaffel befejtigen. Jn der | 
Jägerſprache das Lautwerden der Hunde ; das Gewehr | 
idubbereit anlegen. 

Anfdlager, Handwerfer, die an den Tiiren und 
Fenſtern Die Beſchläge anbringen. 

Aunſchlagliek, ſ. Raaliet. 

Anſchlagwinkel (Wintel, Winkelhaken), ein 
Winkel mit zwei ungleich langen Sdenfeln und einer 
Führungsleiſte, dient zum Vorzeichnen rechter Win- 
fel, zum Ziehen paralleler Linien x. 

ſchlämmeun, ſ. Pflanzenpflege. 

Auſchlämmung, ſ. Limonage. 

Auſchlieffung früher Adhäſſion), in der Rechts 
ſprache die gerichtliche Erkllärung, einer von einem 
andern berett3 vorgenommenen Prozeßhandlung bei⸗ 
treten zu wollen. Nach der deutſchen Zivilprozeßord⸗ 
nung ($521 ff. u. 556) darf fic) der Berufungsbeklagte 
der von dem Berujungsflager eingelegten Verufung, | 
aud) wenn er darauf verzidjtet bat oder Die Beru- | 
fungsfriſt abgelaufen ijt, anſchließen, d. h. aud ſeiner⸗ 
ſeits Abänderungen ded Urteils zum Nachteil des Be⸗ 
rufungsfligers beantragen. Die A. verliert regelmäßig 
ihve Wirfung, wenn die Berufung juriidgenommen 
oder als unjulafjig verworfen wird. Jit die A. inner- 
halb der Berufungsfrijt erfolgt, fo wird fie aber fo an- 
gejehen, als habe der BerufungSbeflagte felbjtindig 

rufung eingelegt. DaSsfelbe gilt bezüglich der Re- 
vifion. Die W. wird aud Unfdlugberufung oder 
Unfdlurevifion (Unfdlupverfahren) ge⸗ 
nannt, obgleich fie fein eigentliches Rechtsmittel ryt. 
Auch im Strafprojzeh gibt es cine A., indem fic) der Ber- 
legte an Dic öffentliche Klage der Staatsanwaltſchaft 

Auſchluß, ſ. Fernſprecher. anſchließen darf. 
Aunſchlußbatterie (Anſchlußglacis), ſ. Feſtung. 

Auſchlußberufung, ſ. Anſchüeßung. 

Anſchlußidoſe, Vorrichtung jum Anſchluß eines 
Yipparats, z. B. einer Lampe an cine elektriſche Lei- 
tung, bejtebt aus zwei leitenden, voneinander ifolier- 
ten Wetallhiilien, die mit den eleftrijden Leitungen 
verbunden und jum Schutze gegen Kurzſchlüſſe außen 
mit etner Holzhülſe umlleidet find. Sn die Metall 
hülſe wird cin Stdpiel cingejtedt, deffen zwei Metall- 
befletbungen mit den beiden Hiilfen in leitende Berbin- 


Anſchlageiſen 








dung gebracht werden. Un den Stöpſel ijt die Lofe | 


Leitungsſchnur befeftiqt, an deren anderm Ende die 
cleftrifdje Lampe oder ein andrer zu betreibender Ap⸗ 
parat angeſchloſſen ijt. 

Auſchluſwerfahren, ſ. Anſchließung. 

Anſchmiermaſchiune, ſ. Buchbinden. 

Anfduciden, das Anfreſſen des von den Hun- 
den gefangenen Wildes durch Diefelben. — In der 
Vermejjungsfunit heißt A. (Anviſieren) das Ein— 
ſtellen der Viſierlinie eines Meßinſtrumentes auf einen 
beſtimmten Punkt. 

Anſchoppung, die Anfüllung eines Organs oder 
eines Organteiles mit ausgetretenem Blut, wie beim 
Beginn der Lungenentziindung oder der Bildung 
fogen. Infarlie in Milz und Rieren. 


— Anjdiig. 


Anſchõvis (Engraulis C. V.), Gattung der Ge- 
ringsttide (Clupeidae), Fiſche mit welt voripringen- 
dem Oberfiefer, fehr wettem Wund, vor dem ng 
der Riidenflojje ftehendDen Bauchilojjen und glatter 
Baudlante. Die AW. (Sardelle, E. encrasicholus L. 
j. Abbild.), 15 em fang, auf dem Riiden bräunlichblau, 
an den Seiten und am Baud wei. bewohnt das Wittel- 
meer, aud) den Utlantijden Dzean, feltener Hord- 
und Oftfce und wird zur Laichzeit (Wat bis Juli), wo 
fie in Scharen an die Küſten fommt, in Newen gefan- 
gen, fofort gefopft, ausgenommen und im fletnen 





Anjdovis. 


afjern eingejalyen (echte Sardellen, echte WL) 
Am bedeutenditen ijt Der Fang an der Miijte der Bre- 
tagne. In Norddeutjdland find am gebraudlidjten 
Brabanter Sarbdellen von den holländiſchen und bel: 
giſchen Küſten. Bisweilen fonnnen als Sardellen 
aud) junge Pilcharde tn den Handel, die an der ge 
drungenern Gejtalt, etwa nod) vorbandenen Mel: 
ſchuppen und daran erfannt werden, da Die Baud- 
flofjen unter der Riidenflojje jtehen. Wan bevorzugt 
Fiſche mittlerer Größe und friſchen Fang, da die Sars 
dellen fich zwar 4—5 Qabre balten, aber an Gitte 
ſehr verlieren. Die als U. (Rraduteranfdhovis) in 
den Handel fommende Nonferve mit Gewii und 
Eſſig bejteht aus Sprotten der Nord- und Ojtfee. Die 
bejten fommen aus Chrijtiania (Skarp sild). 
Anfdhovisbirne, j. Grias. 
Anſchuldigung, falſche, ſ. Anzeige. 
Anſchufß, der Fleck an dem das Wild ſtand, als es 
den Schuß erbielt, kenntlich Durd den tiefen Gindrud 
der Fährte (Cingriff), durch das abgeſchoſſene Haar 
und häufig aud durd den Schweiß (Blut); aud de 
durd den Schuh entitandene Wunde ( j. Birſchzeichen 
Anſchütz, 1) He in rich, Scaujpieler, qeb. 8. Febr. 
1785 in Ludau, geft. 29. Dez. 1865 in Wien, bezog 
1804 die Univerſität Leipzig, wo die Gajtvorjtellun- 
gen Ifflands, Eßlairs und Wolffs die Neigung, ſich 
für die Bühne auszubilden, weckten. Nachdem er 
1807 als Adolf v. Klingsberg die Bühne zuerſt in 
Nürnberg betreten hatte, war er von 1811-—21 in Kd- 
nigsberg, Danzig und Breslau tätig und folgte dann 
einem Ruf an das Hofburgtheater ju Wien, wo er 
lange als Regijjeur fungierte. Früher tm Fach der 


| Heldenrollen ausgezeichnet. gab er fpater mit gleichem 


Erfolg Heldenvater und Charafterrollen. Tiefe umd 
wabre Auffaſſung zeichneten fein Spiel aus. Bal. 
ſeine Selbſtbiographie: »Heinr. A. Crinnerungen aus 
deſſen Leben und Wirken⸗ (Wien 1866). Sein 
Sohn Roderic A., geb. 24. Juli 1818 m Breslau. 
| qeitorben als öſterreichiſcher Staatsbeamter 26. Wai 
1888 in Mödling bei Wien, ſchrieb mehrere Dramen. 
2) Auguſt, Redtsgelehrter, geb. 9. Jan. 1826 in 
Subl, gett. 3. Mug. 1874 in Bad Soden, war nad- 
einander Brofeffor in Bonn, Greifswald und feit 1862 
in Halle. Er fcbrieb: » Die Lombarda-Nommentare des 
Uriprand und VWibertus< (Heidelb. 1855); » tie 
Erbfolge in Die neuvorpommerjden und riigenfden 
Lehngüter«⸗ (Halle 1864); »Summa legis Longobar- 
dorum« (Daj. 1870); ⸗Kommentar jum allgememen 
deutiden Handelsgqefepbud< (mit v. Volderndorjf. 
| Erlang. 1867—-73, 3 Bde.) u. a. 





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Anſchweif — An ſich. 559 


Pa ba , die Rette der Gewebe. 
Anfdweifen, cin Wild anſchießen. Uber A. in 
der Technik ſ. Schmieden. 

Anuſchwemmung (Alluvion), ſ. Alluvialländer 
und Alluvium. 

Anſchwöden, ſ. Leder. 

Ansdell, Ricard, engl. Maler, geb. 1815 in 
Liverpool, geſt. 20. April 1885 in Farnborough (Hanrp- 
fhire), widmete fic) erjt mit 21 Jahren der Malerei. 
Nachdem er mit iy 8 Benrebildern beqonnen, malte 
er 1842 den Tod Gir W. Lambtons bei Marjton- 
Moor und 1844 die von der Jagd guriidfehrende Kö— 
nigin Maria von Sdottland. Belannter als durch 
diefe Bilder wurde er durch feine zahlreichen Tier— 
jtiide, die er in Der Weife Landjeers, aber mit weni- 

er Geijt und Ausdruck malte. Dahin qehiren: der 

od (1843), Der Kampf (1848), die Rache des Schaf⸗ 
hirten und die Fuchsjagd tm Norden (1855), der Vieh— 
marft in den Hodlanden (1874), der Wolftdter und 
einige Schafbilder. Nadjdem er 1856 und 1857 Spa- 
nien bereijt hatte, fdjilderte er auch dad dortige Bolts- 
und Tierleben. 

Anfe Gor. ange), Städtchen im franz. Depart. 
Rhone, Urrond. Villefrande, an der Lyoner Bahn, 
unfern ber Sadne, mit (1901) 1372 Cinw.; im Viittel- 
alter Verjammlungsort mehrerer Konzile (jo 1025 
und 1100). 

Anfeele, Eduard, belg. Sozialiſt, qeb. 26. Juli 
1856 in Gent, zuerſt als Schreiber, Zeitungsverkäu— 
fer und Schriftſetzer tätig, widmete fich früh der Schrift- 
ftellerei, verfafte die fozialijtifdyen Romane » Voor't 
Volk geofferd« und »De Omwenteling van 1830-, 
beqriindete das fozialdemofratijche Blatt » Volkswil«, 
ward Chefredafteur ded » Vooruit« und wurde 1886 
wegen prorat mit Gefängnis bejtraft. In fei- 
ner Vaterjtadt, deren Gemeindevertretung er feit 1895 
angehört, ſchuf er fiir die Urbeiter die große genof- 
ſenſchaftliche Vereiniqung »Vooruit« mit prächtigem 
Kaufhaus (1899). Jn der Kammer, deren Mitglied 
er ſeit 1894 ijt, vertritt er Die Unfdhauungen des red)- 
ten Flügels der So;ialijten. 

— mit einem Schiff zuſammenſtoßen, auch 
an die Küſte ſo nahe hinanſegeln, daß ſie in Sicht 
fonmmt. Vergnügungsjachten ſegeln, zu größerer Zahl 
verſammelt, die Segeljahreszeit an und ab. Anſege— 
lungsmarken, val. —— und Landmarken. 

uſegelungsplatz, ſ. Orderhafen. 

Anfegifel (aud —E if), geb. um 605, afi 
685, Sohn des frantifden Biſchofs Arnulf von Meg, 
630 vermählt mit Begga, der Tochter Pippins von 
Landen, wurde Vater Pippins von Herijtal und fo 
Stanrmvater des Geſchlechts der Narolinger. 

Anfelm von Canterbury, ſcholaſt. Philoſoph, 
qeb. 1033 ju Aoſta in Biemont, geft. 21. April 1109, 
unter dem Einfluß fener Mutter Emmerberga reli- 
qids, unter dem feines Vaters Gandulf weltlid er- 
zogen, trat er nach einem wilden Jünglingsleben 1060 
im das Benediftinerflojter Bec in der Normandie, 
wurde 1064 Prior und 1093 als Nachfolger feines 
Lehrers Lanfranc Erzbiſchof von Canterbury. Wis 
cifriqer Vorkämpfer fiir die Rechte der Kirche und des 

tes geriet er in Streitiqfeiten mit Wilhelm IT. 
und Heinrid I. von England, infolge deren er zwei— 
mal (1097-1100 und 1103--1106) fein Bistum 
verlaffen mußte und erjt nad) dem BVertrag von Bec, 
der dem Inveſtiturſtreit ein Ende madte, definitiv 

viidfehrte. A. ward nad) feinem Tode fanonifiert. 
fe ging davon aus, daß der Glaube unantajtbar fejt- 
jtebe, daß aber die Wiſſenſchaft die Wufgabe habe, 





den Anhalt de3 Glaubens gu felbjtiindiger Einſicht fiir 
die Vernunft gu bringen (fides praecedit intellec- 
tum; credo ut intellegam). Indem er fo den fiber- 
lieferten theologijden Lehrſtoff mit dem Denfen be- 
arbeitete, ijt er Der Vater der Scholajtif geworden. Als 
Philofoph ijt er am einflußreichſten durch den fogen. 
ontotogtiden Beweis fiir das Dajein Gottes gewor- 
den, den er in Der Schrift » Proslogium« (Alloquium 
Dei) zuerſt aufitellt, wabhrend er in einer jweiten, » Mo- 
nologium« (betde hrsg. von Haas, Tiibing. 1863), 
den Wottesbeqriff mehr in fosmologijder Weiſe ge- 
winnen will. Der ontologijcdhe Beweis ijt cin Ver— 
ſuch, aus dem Begriff Gottes das Dafein desfelben 
durd) die Schlupfolqerung dargutun, dak im Begriff 
Bottes al8 des ſchlechthin Größten, iiber das hinaus 
ein Höheres nidjt mehr gedacht werden kann, liege, 
daß Derfelbe nicht nur im Verſtand, fondern auferhalb 
desfelben Wirklicfeit habe. Cin Zeitgenoſſe Unfelms, 
der Mind Gaunilo im Kloſter rmoutiers bei 
Tours, hat (wie ſpäter Nant) dagegen bemerft, daj 
aus dem Denfen des Gottesbegriffs ein Sein Gottes 
in der Wirklichkeit nicht folge. In der Schrift »Cur 
deus homo« (hr3q. von Fritzſche, 3. Aufl., Zür. 1894; 
deutſch von Tſchirlitz, Quedlinb. 1861) fucht A. aus 
blofer Vernunft dargutun, daß und wiefern Gott fid 
felbjt fiir die Siinden der Welt Genugtuung gebe, in« 
dem er jurijtifde Beqriffe auf ethiſch-religiöſe Ver- 
haltniffe anwendet. Jn dem Streit zwiſchen Realijten 
und Nominalijten (j. Nominalismus) ftand A. auf 
Seite der erjtern gegen Roscellinus (j. d.). Die Werke 
Ynfelm3 wurden zuerſt 1491 und 1494 in Riirn- 
berg, Dann öfter gu Paris (namentlid) 1675, hrsg. 
von Wabr. Gerberon) und im 155. Bande der » Pa- 
trologias von Migne (Par. 1852—54) wieder ab- 
gedruckt. Val. über thn die Monographien von Haſſe 
(Leip;. 1843— 52, 2 Bde.), Rémufat (Bar. 1854), 
Rule (Lond. 1882, 2 Bde.) und Rigg (daſ. 1896). 

Anser, Gans; Anserinae, Unterfamilie Der Zahn— 
ſchnäbler. 

Anſetzen, das Straffſpannen der Talelung. 

Anſetzer, |. Geſchützzubehör. 

Ansgar (Ansgarius, Anskarius), der Upo- 
ſtel des Nordeng, geb. 801 in der Picardie, geſt. 3. Febr. 
865, war Vidnd) in dem Kloſter Korvei an der Wefer, 
bis er 826 von Ludwig dem Frommen beftimmt 
wurde, den neugetauften Dinenfinig Harald nad 
Dänemark ju begleiten, um dajelbjt die chrijtliche 
Lehre auszubreiten. Rach furzer Wirkſamkeit dort 828 
vertrieben, madjte er 829 cine Miffionsreije nach 
Schweden und erhielt 831 das fiir die nordijde Miſ— 
fion gejtiftete Ersbistum Hamburg, das 847 nad) 
Bremen verlegt wurde. Von da aus chrijtianifierte 
er Schleswig und unternahm 852 eine zweite Miſ— 
fionSreife nad) Schweden; aud) auf die Slawen er: 


ſtreckte fich feine Miffion. Er wurde nad jeinem Tode 


fanonijtert. Sein Leben beſchrieb Rimbert, fein Nach— 
folger auf dem erzbiſchöflichen Stuhl (hrsg. in den 
»Monumenta Germaniae historicas, Bd. 2; deutſch 
von Laurent, 2. Wufl., Leipz. 1889). Bal. Dehio, 
Geſchichte des Erzbistums Hamburg-Bremen bis zum 
Ausgang der Miſſion (Berl. 1877, 2 Bde.). 

Wn fich, ſoviel wie »ohne Rüchſicht auf ein an- 
Deres«; Daher an fid) gewiß: unmittelbar oder unbe- 
dingt gewiß, an fid) betradtet: ohne Rückſicht auf 
andres betrachtet, am fic) friend: unabhängig von 
jeder andern Exiſtenz feiend. Die Cigenfdjaften, die 
ein Ding an fid)« hat, jtehen im Gegenfage zu denen, 
die es in Wechſelwirkung mit andern, insbeſ. dent 
wahrnehmenden Gubjeft gegenitber, zeigt. 


560 


Anſicht, cin weniger durch objeftive, in der Na- 
tur Der Sache liegende Entſcheidungsgründe als viel 
mehr durch fubjeftive Momente (3. B. Gefiihle) be- 
ſtimmtes Urteil, hauptſächlich in folden Fragen, die 
ciner cindeutigen objeftiien — — epee 
nicht fähig find (religidje A., politiſche A.). — Im 
phyſilaliſchen Sinn bedeutet YW. das Bild, dad ein 
Gegenjtand unter einem bejtimmten Gejicdtswintel 
und von einem wirflid) behaupteten (perfpeftivijde 
YW.) oder fcheinbar eingenommenen (perfpeftivijde 
Täuſchung) Standpunft aus gewährt. 

Auſichtspoſtkarten, |. Poſtlarte. 

Anſidonia, Ruinen, ſ. Coſa (Stadt). 

Anſiedelung, die Beſitznahme unbebauter Län— 
dereien, dann fiberhaupt die Errichtung einer neuen 
Wohnſtätte außerhalb ciner im Zuſammenhange ge— 
bauten Ortſchaft. Einzelanſiedelungen bedürfen in 
den meiſten deutſchen Staaten der ortspolizeilichen 
Genehmigung. Mehrere im Zuſammenhang liegende 
neue ——8 — bilden eine Kolonie. In Preußen 
war durch Geſetze von 1807 und 1811 die Zerteilung 
der Grundjtiide und die Griindung neuer Anſiede— 
{ungen dem freien Ermejfen des Cigentiimers über— 
lafjen worden. Die daraus fiir die Gemeindeverwal- 
tungen, namentlid) rüchſichtlich Der Berteilung der 


Gemeindelajten, fic) erqebenden Übelſtände fiibrten | 


gu den Geſetzen vom 3. Jan. 1845, bez. von 1850 
und 1853, wonad) Anſiedelungsgenehmigung erfor- 
derlid) war, wenn auf cinem unbewohnten Grund- 
jtiid, das nicht gu einem andern bereits bewohnten 
Grundjtiid gehirte, Wohngebäude erridtet werden 
jollten. Rach dem fiir die dltern Provingen Preußens, 


ausſchließlich Der Rheinprovinz, geltenden Geſetz vont 


25. Aug. 1876, dem Gejeg fiir Hannover vom 4. Juli 
1887, fiir Qauenburg vom 4. Rov. 1874, fiir Sales- 
wig-Holftein vom 13. Juni 1888 und fiir Hefjen- 
Raffau von 11. Juni 1890 muj die Anlegung einer 
A., bez. Kolonie vom Kreisausſchuß genehmigt werden. 


Nicht ſelten ijt A. aud in Ländern alter Kultur 


als Maßregel der Bevölkerungspolitik ſowie gu wirt— 
ſchafts⸗ und ſozialpolitiſchen und zu nationalen Zwecken 
angewendet worden. Man bezeichnet ſie dann auch 
als Innere Koloniſation (jf. d.), die innerhalb 
ciner bereits vorbandenen jtaatliden Gemeinſchaft und 


cuf bereits in Vejis qenonunenem Boden durch Schaf⸗ 


fung neuer, meijt fleiner und mittlerer Befipein- 


heiten (Unfiedelungsqiiter) einen der genannten | 


Swede ju erreiden erjtrebt. Wm befanntesten ijt die 
neuere preufiideUnfiedelungsqefepqebung. 
Hier wurde durd) Geſetz vom 26. April 1886 der 
Regierung ein Fonds von 100 Mill. Me, der durd 
Geſetz vom 20. April 1898 auf 200 Mill. We. erhöht 
wurde, zur Verfügung geftellt ju Dem Swede, um zu— 
nächſt polnijde Beſitzungen in den Provinzen We ft - 
preugen und Poſen gu erwerben und durd A. 
deutſcher Bauern, Handwerfer und irbeiter auf Stel- 
fen von fleinem oder mittlerm Umfang einerfeits die 
Muft swifden Arm und Reid) durd eine Vermehrung 
des Mittelſtandes fiinjtlich gu tiberbriiden, anderjeits 
das deutſche Clement in jenen Gegenden ju ſtärlen. 
Die Musfiibrung des Geſetzes ijt der fdnigliden An— 
ſiedelungskommiſſion iibertragen, die fiber ihre 
Tatighett jahrlid) Bericht ju erjtatten hat. Sie beſteht 
aus den Oberprajidenten der Brovingen Weſtpreußen 
und Pofer, fünf Miniſteriallommiſſaren, neun fon 
ftigen vom Konig auf drei Sabre ernannten Mitglie- 
Dern und dem erforderliden Perſonal an Beamten, 
Tedhnifern, landwirtidaftliden Sachverſtändigen 2. 


Die Überlaſſung der cinjelnen Stellen an deutfche | 


Anſicht — Anjon. 


Anſiedler erfolgt zu Eigentum gegen Zahlung einer 
feſten, aber ablösbaren Geldrente (ſ. Rentengiiter) 
oder auch in Zeitpacht. In der Zeit vom 26. April 


16886 bis 1. Jan. 1901 bat die Anſiedelungskommiſ⸗ 
ſion 147,475 Hettar Grundjtiide fiir rund 100 DUIL 


ME. — 3,64 Broz. der Fläche Pofens und 1,65 Bro}. 
der Fläche Weſtpreußens erworben. Anſäſſig gemadt 
ſind 4277 Anſiedlerfamilien mit rund 30,000 Köpfen 
(davon 2715 Familien von auferhalb der Anſiede⸗ 
lung8provingen zugewandert) auf 70,500 Heltar Stel 
lenlandes, deſſen Selbjttojtenwert rund 50 Will. Wt. 
betragt. Dazu kommen nod rund 4000 Heftar Do- 
| tationslandereien fiir Gemeinden, Rirden und Sdu- 
fen und 18,000 Heftar fisfalifde, als verfiiqbar be: 
zeichnete Ländereien, Die fiir Die fpdtere Uniteilung, 
beg. Vergebung an den Ynfiedlernadywuds vorbebal- 
ten find. Durd) Neubauten der Anſiedler find neben 
den fislaliſchen Gebaiuden gegen 4000 Wohnungen 
(3700 Anſiedlergehöfte) erridtet worden, deren & 
auf 32—35 Mill. ME. geſchätzt wird. Auf jedes An— 
fiedelungsgut fommen 30 — 35 Anſiedlerſtellen; 110 
Landgemeinden find neu gebildet, andre umgebildet 
worden. Für Geneindeswede find 76 Gebaude (meiit 
Yrmen- und Spritzenhäuſer) erbaut worden ; 19 Mir- 
den, 12 Bethäuſer, 17 Pfarrgehöfte und ein Orga 
nijtengebift, 118 Sdulgemeinden und 116 Schulen 
find neu erridtet worden. Der Wert der öffentlichen 
Gebäude betriigt rund 3,5 Dill. ME. Zahlreiche ge- 
noſſenſchaftliche Gründungen in den Unjiedlergemem: 
den (61 Spare und Darlehnsfafjen, cine Rornhaus- 
genoſſenſchaft, 3 Kaufhausgenoſſenſchaften, 15 Mol- 
lerei⸗ und 8 Wtiillereiqenojjenfdaften, 11 Brennerei- 
enoſſenſchaften, 21 Drainagegenofjenfdaften x.) 
orgen fiir Hebung des wirtſchaftlichen Zuſtandes der 
Ynhedler. Val. auger den jährlichen Berichten der 
Anſiedelungslommiſſion: Langhans, Karte der 
Tätigkeit der Anſiedelungslommiſſion fiir die Pro— 
vingen Weſtpreußen und Poſen 1886 — 1899 (2. Aufl., 
Gotha 1899); Sohnrey, Cine Wanderfabrt durd 
die deutſchen Unjiedelungsgebicte in Pofen und Beit- 
preußen (Berl. 1897); Wittſchier, Das ftaatliche 
Beſiedelungsweſen in den preußiſchen Ojtprovingen 
(Stuttg. 1901); Wal, Das preufifche Rentengut 
F fe bel jerge’ 
nfiedelungsgefengebung 

———— ſ. Anſiedelung. 

Anſiedelungskommiſſion | 

Anſitz, ſ. Unitand. 

Ansleybai, ſ. Annesleybai. 

Anſon (qvr. anng’n), George, Lord A. von So— 
berton, brit. Admiral, geb. 23. April 1697, geit. 
6. Juni 1762, trat 1712 in die Marine, ward 1723 
Fregattenlapitän und diente in den amerilaniſchen Ge⸗ 
wäſſern, wobei er 1735 in Siidcarolina Me Stadt Un 
jon griindete. Jn dem 1739 ausgebrodenen Kriege 
mit Spanien follte er die fpanifden Rolonien im We 
ften Umerifas angreifen. A. umſegelte mit einem fei- 
nen Geſchwader 1740 das Rap Hoorn, landete in Veru 
und Chile, fteuerte dann durch Die Sildjee, umſchifite 
das Borgebirge der Guten Hoffnung und febrte ant 
reicher Beute 15. Juni 1744 juriid. Unjons kuhne 
Expedition wurde von Walter u. Robins unter dem Ti⸗ 
tel »George Anson's voyage round the world in the 
years 1740- -1744« (ond. 1748, neue Ausg. 1853; 
deutſch von Tope, 2. Aufl. Gotting. 1763) befdrieben. 
Das Parlament votierte A. den Dantl der Nation, der 
König ernannte ibn jum Ronteradmiral der Blauen, 
1745 der Weißen und 1746 gum Vizeadmiral der 
Blauen Flagge. Vs folder errang er 3. Wai 1747 








Anjonardipel 


mit Udmiral Warren den Seejieg beim Rap Finisterre 
iiber cine franzöſiſche Flotte unter Jonquiere, wurde 
Beer, 1748 Udmiral der Blauen Flagge und war 1751 
bis November 1756 und abermals feit Juni 1757 
erjter Lord der Admiralität; 1758 leitete er die Blodade 
von Brejt. 1761 ward er Udmiral der Flotte. Val. 
Barrow, Life of George Lord A. (Lond. 1839). 

Anfonarcdipel, Name fiir die vielen fleinen, zwi⸗ 
fdjen 156 und 175° öſtl. L. gerftreuten Siidfeeinteln, 
Die, foweit ihr Beſtehen überhaupt feſtgeſtellt ijt, meiſt 
nod) unerforſcht find. 

Anfoubai, Name von drei Meereseinfdnitten, von 
denen einer, an der Nordweſtküſte von Auſtralien unter 
13° 40‘ jiidl. Br. gelegen, die fleine Gruppe der Perons⸗ 
infeln einſchließt, Der zweile an der Weſtküſte von 
Norea unter 30° 25‘, der dritte an der Wefttiijte der 
WMarianeninfel Tinian unter 14° 58’ nördl. Br. liegt. 

Anfonia, Stadt im nordamerifan. Staat Con- 
necticut, Grafidaft New Haven, an den untern Nau- 
qatudfillen, Bahnjtation, mit Walzwerken, Rupfer-, 
Meffing- und Uhreninduſtrie (Produftionswert 1900: 
18,7 Dall. Doll.) und (1900) 12,681 Cinw. 

Pad aaa sey ſ. Anſchirrung. 

An , Unfpreden, in der Muſik Aus— 
driide, die fic) auf das prompte Erflingen eines Tones 
beziehen, den man auf einem Inſtrunent hervorju- 
bringen fudt. Cin Ton fpridt nicht an, wenn er ent- 


weder gar nidjt eridjeint (3. B. auf dem Klavier oder | 
der Orgel, wenn an der Mechanik etwas in Unordnung | 


ijt), oder umſchlägt (bei Blasinftrumenten), oder ſtö— 
rende Geräuſche mit fid) führt (bei der Singſtimme, 
bei Streichinftrumenten, wenn die Saite nidt orein« 
ijt, x.). Bei der Orgel verjteht man unter präziſer 
Anſprache, dak die Medanif fo eraft wirkt, dak fein 
merflicder Zwiſchenraum zwiſchen dem Iiederdriiden 
der Tajte und dem Exflingen de3 Tones ijt. 

Aufpreden, cin Wild nad direfter Anſchauung 
oder nad) der Fährte richtig bezeichnen, mit Angabe 
von Ulter, Gejdledt und Körperbeſchaffenheit, bei 
Rothiriden mit Ungabe der Endenjahl des Geweihs. 
Jn der Heraldif das Beſchreiben der einzelnen Teile 
cine3 Wappens; die vornehmſte Figur wird zuerſt an- 

Anfpringen, ſ. Auerhuhn. [geiprodjen. 

Aniprugeverjaseung, j. Verjährung. 

Anfprung, ſ. Milchſchorf und Flechtengrind. 

Anffar (arab., »Helfer«), die erjten Parteiginger 
Mohammieds (f. d.), die ibn nad) feiner Flucht in Me— 
Dina aufnahmen und in Belimpfung der Ungliubi- 
gen kräftigſt unterſtützten. Als die Cinwohner Medinas 
Den Islam offen angenommen Hatten, wurden fie A. 
genannt, während diejenigen, welde den Bropheten 
auf der Flucht von Meffa nad) Medina begleitet hatten, 
Muhãdſchirũm (> WAuswanderer<) genannt wurden. 

Anfarier, ſ. Nojjairier. 

Anftand (lat. Decorum), die Wahrung folder 
Formen des äußern Verhaltens, die der Wiirde der 
jittliden Perſönlichkeit im Menſchen entſprechen oder 
für derſelben entſprechend gehalten werden. Die Ver— 
letzung dieſer Würde, ſei es in der eignen Perſon (durch 
mangelhaftes Beherrſchen der rein tieriſchen Natur— 
äußerungen), fei es in andern, macht die Unanſtän— 
digkeit aus. Da der A. ſich nur auf die Form der 
Handlungen bezieht, ſo iſt er von der Sittlichkeit, welche 


die Geſinnung betrifft, wohl zu unterſcheiden, Dod fann | 


die Ausbildung desjelben in der Erziehung und in der 

Entwidelung der Völker als cine Vorjtufe und Vor— 

bereitung der Sittlichfeit gelten. —- Unter Unftands- 

rollen verjteht man im Theaterwefen folde Rollen, 

die Haltung und Benehmen der höhern Geſellſchaft 
Meyers Nonv.- Lerifon, 6. Aufl., L Bo. 


. 


— <Anftellung. 


und feinern Bildung zur Darjtellung bringen, ohne 
befondere Charaltereigenſchaften zu entwideln oder in 
die Handlung entſcheidend eingugreifen. 

Anftand (Wn fis), Sagdart, bei welder der Jager 
friihmorgens oder am Wend dem wedjelnden Wild, 
an einem geeiqueten Ort gut verborgen, unter Wind 
ftehend oder figend, mit dem Gewehr auflauert. Des- 
gleidjen der Ort, an dem dieſe Jagd ausgeiibt wird. 

WUnftandsbrief, |. Moratorium. 

Anftaunung, |. Bewäſſerung. 

Wnfteende autheiten | ſ. Snfeftionstrant- 

Anfteung (Infektion) f heiten. 

Anfted, David Thomas, Geolog, geb. 5. Febr. 
1814 in London, gejt. dafelbjt 20. That 1880, war 
feit 1840 Profeſſor amt King's College gu London, feit 
1845 am College der Civil-Cngineers gu Putney (Lon- 
Don) und feit 1848 fonfultierender Vergwerksingenieur. 
Er ſchrieb: »Geology, introductory, descriptive and 
practical« (1844, 2 Zle.); »The ancient world, or 
picturesque sketches of Creation« (2. Aufl. 1848); 
»Geological gossip, or stray chapters on Earth and. 
Ocean« (2. Aufl. 1868); »The applications of geo- 
logy to the arts and manufactures« (1865); »Phy- 
sical geography« (6. Aufl. 1895); »The world we 
live in, or first lessons in physical geography « (2. 
Aufl. 1881); » Water and water supply in the Bri- 
tish Islands« (1878). 

Anftehend heift cin Gejtein, das fic) auf primä— 
rer Lagerftdtte und mit den umgebenden Gejteins- 
majjen in urſprünglichem Zujanumenhang befindet. 

Auſtellen ciner Ware, foviel wie Offerte, einen 
Yntrag maden. Im Borfenverfehr verjteht man un— 
ter Anſtellungen befonders Offerten gum Abſchluß 
| von Termingeſchäften, und zwar gleichzeitig von Käu⸗ 
| fern und Berfiufern, welche die Kommiſſionäre nad 
Börſenſchluß unter Ungabe ihrer Preiſe nad) andern 
| Plager übermitteln und an die fie fic) auf eine be- 
ſtimmte Zeit und fiir vorber fejtgefepte — feſt 

Anſteillleiter, |. Feuerleiter. [binden. 
Anftellung (Be jtatlung), dielbertragung cines 
ffentlidjen oder privaten Dienfted oder Yimtes. Je 
nachdem die A. auf Die Dauner oder verſuchsweiſe er- 
folgt, unteridcidet man gwifden definitiver und 
proviſoriſcher A. Rad dent deutſchen Gerichtsver— 
faſſungsgeſetz (§ 6) und nad) § 5 des öſterreichiſchen 
Staatsgrundgeſetzes vom 21. Dez. 1867 ijt die pro- 
viſoriſche U. von Ridtern nidt zuläſſig. Die VW. er- 
folgt in Der Regel durch die Wusfertiqung und Behän— 
digung eines Unjtellungsdefrets, das bei hdhern 
Staatsjtellen von dem Monarden felbjt, bet niedern 
von der dazu berufenen Behirde ausgeht. Gemeinde- 
beamte werden je nad der ele me Der betreffen⸗ 
den Gemeinde von der Gejamtheit der jtimmberedtig- 
ten Biirger oder von der Gemeindevertretung gewählt 
und angeftellt. Die aus der öffentlichen A. erwadjen- 
den Anſprüche auf Gehalt und Penjion richten fid 
nad gefeplidjer, mitunter aud) nad vertragsmäßiger 
Feſtſtellung. Die A. iſt gewöhnlich vom Nachweis der 
Befähigung abhängig, der durch die vorgeſchriebenen 
Prüfungen und durch einen gewiſſen Vorbereitungs⸗ 
dienſt erbracht wird. Vollbeſitz der bürgerlichen Ehre 
und Unbeſcholtenheit ſind regelmäßige Vorbedingun- 
gen der A. Zuweilen und bei gewiſſen Beamten wird 
auch die Beſtellung einer Amisbürgſchaft (Maution) 
qefordert. Die Vureaubeamten der Landtage werden 
von den letztern ernannt oder vorgefdlagen. Die A. 
der Beamten des deutſchen Reichstags erfolgt durd) 
deſſen Prajidenten. In Ojterreid) werden die Beam— 
ten und Diener des Reichstags im Cinvernehmen mit 


561 





562 


dem Prafidenten bejtellt. Die Beamten des Deut- | 
ſchen Reides ernennt oder läßt der Kaijer ernennen | 
(Reidsverfajjung, Art. 18). Die vom Kaiſer mittel> | 
oder unmittelbar ernannten Beamten werden als 
Kaiſerliche bezeichnet. In cingelnen Fallen findet die 
Ernennung auf Voridhlag und int Ginvernebmen mit | 
dem BundeSrate ftatt. Cine Vernehmung de3 Bune | 
deSratsausfduffes fiir das Zoll- und Steuerwefen 
geht der A. der zur Kontrolle der Zoll- und Steuer: 
ehörden bejtinunten Reidsbeamten voraus, während 
bei Der UW. der Konſuln der Bundesratsausſchuß fiir | 
Handel und Verfehr zu vernehmen ijt. Bal. die Ar— 
tifel: »Reichsbehörden⸗, »Reidsbeamte<, »Ronful<; | 
rand, Das Reichsbeamtengeſetz (VBerl.1902).— Jn | 
ſterreich werden vom Naijerernannt: die Miniſter, 
Statthalter, Landespräſidenten und Statthaltereirite, 
der Präſident und Vizepräſident des oberjten Gerichts 
hofes, die Präſidenten der Oberlandesgeridte, die Vor— 
fteber der Gerichtshöfe erjter Inſtanz, Die Rate des | 
oberiten Geridtshofes und des Oberlandesgeridts, 
der Präſident und Vizepräſident des Reichsgerichts, 
Die Mitglieder desfelben (auf Vorſchlag des Reichs- 
tags), dann die Mitglieder des Verwaltungsgeridts- 
hofes (auf Vorſchlag des Gefamtminijteriums). 

Anftett, Johann Brotafius von, ruff. Dir. 
plomat, geb. 1766 in Straburg, geft. 14. Mat 1835 
int Frankfurt a. M., beqab ſich 1789 nad) Rupland, 
jtand zuerſt im Militardienjt und wurde dann im Rol- 
legium Der auswiirtigen Angelegenheiten angeſtellt. 
Nachdem er längere Beit Der Gejandtidaft in Wien 
angehört hatte, wurde er 1812 Direftor der diploma- 
tiſchen Kanzlei beim Feldmarſchall Kutuſow und ſchloß 
7. April 1813 mit dem preußiſchen Generalleutnant 
v. Lottum die Monvention von Ralijd ab. Während 
ded Freiheitskrieges befand er ſich im Gefolge des Kai— 
ſers Ulerander, bradte mit Nefjelrode 15. Suni 1813 
den Traftat von Reidyenbad zu ftande und war dann 
ruffifder Bevollmächtigter auf den Kongreſſen von 
Brag und Bien. 1815 nahm er an den Berhand- 
lungen des Pariſer Friedens teil. 1818 wurde er ruf- 
ſiſcher Gefandter bet der deutiden Bundesverſamm— 
lung ju Frankfurt a. M. 

MUnftenerung, das Hinanjteuern an cine Küſte. 
Unfteucrungstonne, cine große Tonne vor dem 
Eingang in cin Niijtenfahrwaffer oder eine Fluß— 
mündung. 

Anſteiy (or. anny, F., Pſeudonym, ſ. Guthrie. 

Anftifter, im Strafrecht, wer einen andern ju 
einer jtrafbaren Handlung vorſätzlich beſtimmt bat, | 
fei es Durch Geſchenke oder Verſprechen, durd) Dro- 
hung, durch Mißbrauch des Anſehens oder der Gewalt, 
durch abſichtliche Herbeiführung oder Beforderung 
eines Irrtums oder durch andre Mittel. Anſtiftung, 
Die Verleitung ju einer ſtrafbaren Handlung; Mit— 
anſtiftung, die gemeinſchaftliche Anſtiftung durch 
bewußtes Zuſammenwirken mehrerer; mittelbare 
Unſtiftung, die Anſtiftung zur Anſtiftung. Nach 
der heute herrſchenden, allerdings nicht einwandfreien 
Anſicht iſt der VW. nicht intelleftueller Urheber, der fiir 
Den mittelbar von ihm bherbeigefiihrten Erfolg ver: 
antwortlid) gemadt wird, fondern Teilnehmer an der 
freien Tat des von ihm bejtimmten Taters (7. Teil: 
nahme). Der A. wird nach dem deutſchen Strafqeles- 
bud) (§ 48) und dent Hfterreichifchen Strafgeſetzbuch 
($ 5) nad) dem qleichen Geſetz wie Der Tater bejtraft. 
Dic erfolgloſe Unjtiftung iit an ſich nicht ftrafbar. Dod 
bedrobt, abgefeben von cinigen befondern Fallen, das 
Strafgeſetzbuch § 49a (Duchesne: Raragqraph; fo ge— 
nannt nad emem Belgier, der fid) dem Erzbiſchof von 





Anftett — Anſtrich. 


Paris sur Ermordung de3 FiirjtenBismard angeboten 
hatte) Die Mufforderung jur Begehung cines Ver 
brechens oder zur Teilnahme an einem Berbrechen fo 
wie die Unnahme einer foldhen Aufforderung mit Ge 
fiingnisftrafe, be3. Fejtungshaft. Ebenſo wird beftrait, 
wer fic) zur Begehung eines Verbrechens oder yur Teil⸗ 
nabme an einem Berbreden erbietet und wer em 
folded Erbieten annimmt. Es wird jedod das ledig 


lich miindlid) ausgedriidte Auffordern oder Erbieten 
ſowie die Annahme eines folden nur dann geftraft, 


wenn die Uufforderung oder das Erbicten an die Ge 
wiihrung von Vorteilen irgend welder Art gefniipit 
worden tit. Die Strafe ijt abgeſtuft nach der Schwere 
de3 in Ausſicht qenommenen Verbredens; die Hand- 
lung bleibt jtraflos, wenn das geplante Delft lediglich 
BVergehen oder tibertretung geweſen ijt (|. Berbreden). 
Die Offentlidje Uufforderung ju ftrafbaren Hand 
lungen ijt allgemein in § 110 des Strafqefegbuds 
unter Strafe gejtellt. — Wud) nad) dem djterveidi: 


ſchen Strafgefepbuc (§ 9) ijt die verſuchte Beriettung 


jum Berbreden wie der Verſuch des Verbrechens ju 
bejtrafen. 

Anftrengungsgefiihl , |. Mustelgefiht. 

Wn ftridh, cine diinne Schicht ciner auf einen feften 
Körper —— jl iiffigen und Dann getrodneten 
Subjtang, die zur —— oder gum Schmud 
des angeſtrichenen Gegenjtandes dient. Wuf Mauer, 
Holz⸗ und Lehmwänden gibt Ralfmild einen weißen 
A. (das Weifen), der meijt durd billige Farbſtoffe 
(Ralffarben) abgetint wird. Haltbarer wird er bei 
Zuſatz von Seifenjtederlauge, Wlaun-, Sal;-, Soda. 
löſung. Wud) Käſe- oder Mildfarben find auf 
Mauer- und Holzwerk anwendbar und haltbar. Sie 
werden im wejentliden aus Quart mit ungeldfdtem 
Ralf und Leindl hergeftellt. Sum Anſtreichen innerer 
Räume dienen Leimfarben aus Farbſtoff und Lenn 
waffer (1 kg auf 8-—9 Lit. Wafer), vor deren Auf 
tragen Die mit Mörtel qepubten Wande erſt mit ciner 
Löſung von ſchwarzer Seife und etwas Leim oder mit 
Mild qrundiert werden. 

Shiner find Olfarbenanftride, die der Bitte: 
rung befjer widerjteben, fejter haften und abgewaſchen 
werden fonnen. Wan qrundiert Stein, Bus und Holj 
mit Leindlfirnis, bem man etwas Farbe — — lann. 
und wiederholt dann den A. mit Olfarbe zwei- aud 
dreimal, jedod) erjt nad villigem Trodnen des vor 
hergeqangenen Anſtrichs. Der VW. ijt um fo dauer 
hafter, je mehr Firnis er enthalt; der Farbſtoff i 
auf die Haltbarfeit ohne Einflug. Die Farbe ſtreicht 


ſich leichter mit Terpentindl oder Teerd! verdiinnt 


und trocnet fdneller bei Zuſatz von Siffativ. Holy 
muß vor dem Anſtreichen mit Olfarbe gut ausgetrod 


‘net fein, weil der YW. dad Entweiden der Feuchtig 


feit bindert, fo dak das Hol; leidjt ftodt. Holy, das 
der Sonne ausgefept ijt, muß möglichſt hell qeftricden 
werden, weil jid) Das Holy unter dunkler Farbe zu 
ſtark erhigt, Rijfe und Spriinge befonumt und ſchnell 
ju Grunde geht. Glanz und größere Dauer teit 
erhalten Olfarbenanjtridje Durch Ubersiehen mit Yad 

jirnis. Eiſen wird vor dem Streichen mit Lemmit 

firnis und Mennige grundiert. Als Deckfarbe fiir die 
jogen. techniſchen Anſtriche benutzt man Bleiweiß oder 
Zinkweiß (welches nicht, wie Bleiweiß, Durch Schwe 
felwaſſerſtoff geſchwärzt wird) mit etwas Schwarz 
ferner Zinlgrau oder Zinkſtaub, Königsrot, Eiſen⸗ 
mennige, Chromgrün (Berliner Blau mit Chromgelb), 
Bremer Griin, Graphit, Ruk. Weniger dauerhaft 
als Olfarben: find die Bad sfarbenanjtride 
Die jedod nicht naddunfeln und einen ſchönen matten 


Anſtrichfarben — Antäos. 


Glanz beſitzen. Man grundiert mit Leinölfirnis, 
ſtreicht nad) dem Trocknen zwei⸗ bis dreimal und reibt 
nach abermaligem Trocknen mit einer ſcharfen Bürſte. 
Die Anſtriche verhalten ſich ſehr verſchieden gegen 
Bakterien. Auf Leimfarbenanſtrichen leben Bak— 
terien am —* weniger lange auf Kalkfarbenan⸗ 
ſtrich, während fie auf Olfarbenanſtrich und nament— 
lich auf den unter verſchiedenen Namen in den Han— 


del kommenden Emailfarben ſehr bald abſterben. 


Die sett ae Rraft erhalt fid) unter allmählicher 
Abnahme faum linger als 10 Woden. Die Email: 
farben widerjtehen Der Karbol- und Sublimatlifung 

- und werden aud) durch Formaldehyd nicht angeqriffen. 

Ginen ſehr billigen A. gibt Holz- oder é i 
fohlenteer, der Mauerwerk vor Feuchtigkeit ſchützt 
und ſich auch fiir Holsteile ciqnet, Die vermauert wer- 
den follen. Wan tragt den Teer zwei- bis dreimal 
heiß auf und ergielt durch Überſtreichen der geteerten 
Flächen mit Kalkmilch oder Durd) Pudern derjelben 
mit feinem Gand, Ziegelmehl xc. nod) qrifere Dauer- 
haftigteit. Sehr anwendbar ijt das Beftreidjen mit 
heifem Teer ferner bei Eiſen. Kleinere eiſerne Gegen- 
ſtände taucht man heiß in Teer. Statt ded rohen Leers 
benugt man vorteilhafter eine Löſung von Steinfohlen- 
ped) in ſchwerem Steinfohlenteerdt. Sandjtein, der ju 
chemiſchen Upparaten benugt werden und der Einwir— 
fung Der Säuren widerſtehen joll, kocht man in Teer, 
Damnit dieſer möglichſt tief eindringe und feft bafte. 

Tran muf ebenfalls heiß aufgetragen, aud) mit 
etwas Mennige verjest werden, wodurd) er mehr Fe- 
jtiqfeit befommt und jdynellertrodnet. Taue und Seile 
werden vor Näſſe geſchützt durch einen A. mit einer 


Mifdung aus Teer, Kolophonium und Sehwefel. | 


Aſphalt wird behufs des Anſtreichens geſchmolzen 
oder in Lein- oder Steindl aufgeldjt und leiſtet auf 
Holz- wie auf Cifenwerk gute Dienjte. Val. Flammen⸗ 
ſchutzmittel. Anſtriche werden meift mit bem Pinſel 
aufgetragen, man bat aber aud) mit qutem Erfolg die 
Farbe durch Drudluft zerſtäubt und gegen die anju- 
jtreichende Fläche qetrieben. Bei einer —— en Aus 
führung bedeckten zwei Arbeiter an einem Tag eine 
465 qm große Fläche mit 155 Lit. einer Farbe aus 
Leinöl und Eijenoryd. Vgl. Hiittmann, Der Gip- 
fer 2c. (3. Aufl. von Tormin, Weimar 1886); Hag— 


born, Anſtreicher (6. Aufl. von Rud, Leip3. 1900). | 


Anftridjarben, ſ. Farbſtoffe. 
An 


(fpr. Anſtruther ober Annfter), Hafenſtadt 
(royal burgh) in der fchott. Grafſchaft Fife, mit (1901) | 


1663 Einw., die Mijtenhandel und Fiſcherei treiben. 
. Tapir. 
Antacida (lat.), Heilmittel, welde Säuren ab 


jtumpfen, wie Magnefia, doppeltfohlenfaures Natron. | 


Antagonismus (griech., »Wideritreit<), der Wi- 
derſtand gweier entgegengejebter Kräfte gegeneinander. 
Antagoniſt, Wideriacher, Wegner. Wis Untago- 
nijten bezeidnet man gewijje Muskelgruppen, 
wie Stred- und Beugenusfeln, die in entgegengefets- 
tent Sinne wirfen, dad Glied jtrecen, a beugen. 
Auf dem geftirten A. der Musleln beruben viele Ver- 
friimmungen der Gelenfe. Die Vertiirzung oder Läh— 
mung eines dufern Augenmuslkels ijt Urſache des 
Schielens, da in diefem Falle der Untagonift nidt im 
jtande ijt, Dem Wuge die gerade Ridtung gu geben 


oder es gu ftart in feinem Ginn ablenft. Ähnliche 


Verhältniſſe bieten aud) die Nerven dar (Henmmumgs- 
nerven). Die Schläge des Herzens werden durd) den 
ſympathiſchen Rerv beſchleunigt, durd) den Nervus 
vagus verlangjamt. Aus der Cinwirfung auf der 
artiq antagonijtifde Rerven oder auf die Sentral- 


tein: | 


563 


jtellen, von denen jene entipringen, ijt wabhrideinlid 
der YW. mehrerer Wifaloide zu erfliren. Wandje von 
diefen wirten auf gewiſſe Organe entgegengefest, das 
eine lihmend, das andre reigend; man fann daher bei 
Mustarinvergiftung das Leben durd) Utropin erhal- 
ten, folange deſſen lähmende Wirfungen felbjt das 
Leben nidt bedrohen, ebenſo fann man die Wirkung 
von Strydnin durch Chtoralhydrat bejeitigen (ph ar- 
makologiſcher U.). Bei Bakterien bejteht ein A., 
injofern die Kultur einer Urt auf einem Nährboden 
dieſen ungeeiqnet macht fiir die Unfiedelung gewiſſer 
andrer Urten. 

Wntafie (das alte Antiodia, f.d. 1), Stadt im 
afiatijd-tiirf. Wilajet Aleppo, foll ses) 26,000 Einw. 
haben, darunter 13,000 Dtohammedaner, 8000 Un- 
jairier, 4000 orthodore Griechen, ferner YWrmenier und 
Juden. Ronfularijde Bertretungen haben Deutfd- 
land, Grofbritannien, Frankreich, Berjien. VW. beſitzt 
14 Mojdeen, eine fatholijde und orthodore Rirde, 
2 protejtantifde Bethäuſer, eine Synagoge, cine Ka— 
ferne, zahlreiche Elementarfdulen bei den Moſcheen, 
2 franjijifche, 2 protejtantifde, je eine orthodore, fa- 
tholifdje, armeniſche, jüdiſche Schule und cinen Ge- 
richtshof erjter Inſtanz. 

Antal, das halbe oberungar. Weinfaß, 52°/s Wiener 
Maß — 74,47 Lit., beqriff meijt nur 36 — 38 Maß. 

Antalfidifder ede, der von dem Spartaner 
Untalfidas 387 v. Chr. beim Perſerkönig erwirfte und 
von dieſem den Griedjen auferlegte Friede, der den 
Rorinthifden Krieg (j. d.) beendigte. Fortan follten 
die griechiſchen Stadte in Rieinajten dem Perſerreich. 
untertan, alle übrigen griediidjen Staaten autonom 
fein, mit Ausnahme der den Wthenern belaſſenen In— 
feln Lemnos, Imbros und Sfyros; weil nun alle 
Bündniſſe zwiſchen griechiſchen Staaten aufgelöſt wer- 
den mußten, war Sparta den einzelnen Staaten ent- 
ſchieden überlegen. Zugleich ing durch ihn der Ge— 
winn der Perſerkriege an die Perſer wieder verloren. 

Antananarivo Tananariva), Hauptſtadt von 
Madagaskar, im Innern des Landes, 1400 m it. We, 
auf 150— 200 m hohen felfigen Hügeln inmitten einer 
Ebene erbaut. Bon den Straken find feine fiir Wa- 

en und nur zwei fiir Reiter paffierbar. Die vor 1863 
it nur aus Bambushütten, jest mehr und mebr 
aus Steinbauten beftehende Stadt ragt in drei Stufen 
empor und ſchließt cinen dreiedigen Marktplatz ein, 
an dem fic) die ehemaligen foniglichen Palaſtanlagen 
und das mit ionifden Säulen geſchmückte Geridts- 
gebäude befinden. A. beſitzt 4 Rirchen der Londoner 
Miffionsgefellidaft, eine anglifanijdje und eine fatho- 
liſche Mathedrale, eine norwegifde lutheriſche Kirche, 
Hofpitiler, mehrere hdhere Schulen, cine große Dructe- 
rei und gegen 50,000 Einw. obne die Frembden. A. 
ijt Sig der franzöſiſchen Nolonialregierung. An der 

Weſtſeite befindet fic) der Felſen Ampamarinana, von 
dem man früher die Verbrecher hinabſchleuderte. 

Antäos, wm griech. Mythus Sohn des Poſeidon 
und der Erde (Baa), cin Rieſe in Libyen, der durch 
jede Beriihrung der Mutter Erde immer größere Kraft 
erbhielt. Er zwang alle Fremdlinge, mit ihm zu ringen; 
Dic Beſiegten tötete er und baute mit den Schiidetn 
einen Tempel des Pojeidon. Endlich tiberwand ibn 
Herakles, der ihn vom Erdboden emporhob und ibn in 
der Luft erdriicte. Bon feinem Grabe (bet Tingis in 
Mauretanien) ging dieSage, wenn man cin Stück da- 
pon ausqrabe, reqne es jo lange, bis Das Lod) wieder 
voll fei. Die Bezwingung des VW. findet fich häufig auf 
alten Denkmälern dargejtellt. Geiſtreichen Gebraud 
madjte Fr. Riidert von der Sage in dem Gedicht »A.« 

36 * 








564 Antaphroditijhe Mittel — Anteil- und Gewahrverwaltung. 


Untaphroditijde Mittel (Antaphrodisiaca, | ten. Die Spinnentiere find durd) Gpinnen und 
Anaphrodisiaca, gried).), Mittel, die den Geſchlechts. Milben vertreten, die Mollusten durd eine der Unter: 
trieb vermindern. Gegen erhöhte Begierde zur Wus- | gattung Patula angehirige Helix-Vrt. Die SGaj- 
fibung der geſchlechtlichen Funktion find anjtrengende | wafjer von Kerguelenland enthalten Spaltfiifer, Wu- 
forperliche und geijtige Urbeit, magere, gewiirslofe ſchelkrebſe und Flohlrebſe, eiqne Arten, aber ans den- 
Got, €Enthaltjamfeit von Spirituojen und andern | felben Gattungen, die in Curopa und überall im 
Erregungsmitteln, kühles, hartes Bett und Enthal- | ſüßen Waſſer * finden. Die Würmer ſind nur durch 
tung von allem, was die Phantaſie geſchlechtlich an- cine Regenwurmart vertreten. 

—— fann, die beſten Mittel; find Erfranfungen der| Antarthritifa (griech.), Gichtheilmittel. 

Blaſe, Proftata oder Harnrdbhre die Urjade der er-| WAntas, in Portugal häufig auftretende dolmen— 
höhten Begierde, fo find dieſe in erjter Linie gu beſei- artige Graber aus großen, auf der Innenſeite flacen, 
tigen. Bet franfhafter Steigerung des Geſchlechts- qefpaltenen Steinen. Bgl. Cartailbac, Les Ages 
triebs find falte Bader und Bromfalium von Nugen. | préhistoriques de l'Espagne et du Portugal (far. 

Antara ef Mbfi, beriihmter arab. Didter in | 1886). [>vore. 
der Mitte de3 6. Jahrh., Sohn des Scheddad (oder; Wnte... (lat.), in Zuſammenſetzungen foviel wie 
Moawija) aus dem Stamm Abs und einer abefjini:| Amntecédens (lat., das »BVorbhergehende«), der 
iden Sflavin, ward anfangs nad altarabifder Sitte | Grund, entgegengejest Dem Consequens (dem »Nad> 
den Sflaven beigezählt, erwarb fic) aber in Dem 40- | folgenden«) oder Der Folge; Dann aud) die Urſache 
jabrigen Bruder * der Stämme Abs und Djobian | im Gegenſatze gu der (auf fie folgenden) Wirkung. 
Durd) feine Tapferfcit Freiheit und Ebenbiirtigfeit.| Antecedentien, ſ. Antezedenzien. 

Seine »Moallaka« (val. Urabifde Literatur, S. 657)| Auteceſſor (lat.), Vorganger, Umtsvorfabr; zur 
haben. eingeln herausgegeben Menil und Willmet | Zeit des Kaiſers Juſtinian aud) Bezeichnung fiir dee 
(Leid. 1816); feinen ⸗ Diwan⸗ Uhlwardt (»Six ancient | Redtslehrer. 

poets«, Lond. 1870). Als einer Der populiirjten Did-| Antechinomys, ſ. Beutelfpringmaus. 
terhelden des arabifden Altertums wurde A. gur| Ante Christum natum (lat.), vor Chriſto oder 
Hauptperfon eines gleidnamigen Heldenromans, der | vor Chrijti Geburt. 

allmabhlic einen gewaltigen Umfang erhalten hat (ge-| Wutedatieren (lat.), »vorausdatieren<, zurüd 
drudt 3. B. in Beirut 1865 —71, Rairo 1866 —70; | datieren, einem Brief oder einer ſonſtigen Urtunde 
teilwweite ins Engliſche überſetzt von Hamilton, 2. Aufl., | cin friiheres Datum geben. Die zuweilen vorfom- 
Yond. 1820, 4 Bde.). Bal. H. Thorbede, A., ded | mende Untedatierung von Unjtellungsdetreten, Off 
vorislamiſchen Didters Leben (Heidelb. 1868). zierspatenten u. dql., iit namentlic fiir Die Unciennitat 

Mntared (»Gegenmars<, arab. Kalb el atrab, | von ——— nbefugtes A. fann unter Umſtãnden 
Skorpionsherz⸗ ) der feuerrote Stern a (1. Gripe) | unter den Begriff ir tleatibon W bab Beebe fallen. 
im Sforpion; er empfing feinen Namen im Ultertum Nicht 2 verwechſeln ijt mit dem UW. das B oft Datieren 
* ſeines an Mars erinnernden Ausſehens. einer Urkunde, a cined Wedfels, Den man unter 

utarktiſch (qried).,»dem Biren entgegengefest«), | cinem fiinftigen Datum als Uusitellungstag ausitellt. 
am Siidpol oder gegen den Siidpol hin gelegen; im} Ante diém (lat.), vor dem Taq, vor der (feſtgeſeß 
—— gu arktiſch, gegen den Nordpol hin ge- | ten) beſtimmten Zeit. 
legen. Daher: aiclaciittaes Kontinent, Side! Wntediluvianifd (lat.), »vorjintflutlid<, wos 
polarlinder, dad Gebiet innerhalb des fiidlidjen Polar⸗ vor der noachitiſchen Flut gewejen oder geſchehen ijt. 
freifes (Untarfti3); antarftifder Bol, Siidpol; | Das antediluvianifche Beitalter ijt der Zeitraum von 
antarftifdher Ozean, Südliches Cismeer. | der Schöpfung der Welt bis auf Noah, nad bibliſchen 

Antarktiſche Drift, ſ. Atlantiſcher Dzean. Annahmen von 1—1656 nad Erſchaffung der Welt 

Antarftijde Region, tiergeographiſche Region, | oder von 3947—2291 v. Chr. Untedtluvianifde 
welde die Gniein des antarftifden Meeres (Siid- | Tiere, die foffilen Überreſte der untergeqangenen 
a Pring Edward-, Crozet, Rerquelen-, Mac-| Antédon, ſ. Haarjterne. — 

onaldinſeln, St. Baul, Neuamſterdam) ſowie die Auteflexion (lat.), Knickung nad vorn, z. B. der 
Südſpitze Umerifas, das Feuerland, umfaft. Nur Gebärmutter, ſ. Gebärmutterkrankheiten. 
Der nördlichſte Teil dieſer Region, die den Südpol Anteia, ſ. Bellerophon. 
als Mittelpunkt hat, und der große Ländermaſſen Auteile an Grundftücken, ſ. Grundbiider. 
fehlen, ijt und bekannt, und es ſcheint, daß auf dieſen Anteilſchein (Anteilverſchreibung), insbeſ. 
Inſeln nur ein ſehr geringes Tierleben vorhanden | der Interimsſchein bei Altiengeſellſchaften (ſ. Akltie 
ijt. Es fommen alſo beſonders die Seetiere in Be- und Aktiengeſellſchaft, S. 237). 
tracht. Su erwähnen find hier die Mähnenrobbe, der Auteilewirtſchaft, in der Landwirtſchaft das 
See⸗Elefant oder die Rüſſelrobbe und der Seeleopard. Verpachtungsſyſtem, wonach der Pachtſchilling in 
Bon Vögeln find charakteriſtiſch die Pinguine, die einem Teile der Früchte entrichtet wird. Bgl. Halbpadt. 
außer der Brutzeit faſt nur auf dem Waſſer leben; Wnteil- und Gewährverwaltung, UÜbergangs 
ferner Möwen, Sturmvögel und Albatros; nad) form von der Verwaltung zur Verpachtung, ſichert 
dem Innern des Landes nimmt das Vogelleben ab, dem Beſitzer einen durchſchnittlichen Normal 

da hier die Nahrung feblt. Die Landfauna der ant- | von feinent Beſitz und verleiht dem Berwalter d 
arftifden Region ijt febr dürftig, qenauer unterfudt Beteiliqung am Unternehmergewinn die Eigenſchaft 
wurde fie nur auf den Kecquelen. Hier finden ſich ver- eines felbjtandigen Betriebsleiters. Bei der Unteil 
ſchleppt und eingebiirgert Naninden und eine Maus verwaltung wird dem Ynteilverwalter das Gat 
fowie die oben genannten Robben, ferner aufer den nebjt totem und lebendem Inventar mit der Bere 
erwibnten Seevdgeln als Landvigel der Scheiden — pflichtung überlaſſen, den durchſchnittlichen Normal- 
ſchnabel (Chionis) fowie eine fleine Entenart. Die reinertrag (entfprechend dem Pachtſchilling bei der 
— zahlreich vertretenen Inſelten find wohl in-⸗ Verpachtung mit UÜberlieferungen), ſofern derſelbe 
olge der häufigen und ſtarken Stürme flügellos ge⸗ wirklich erreicht wird, an den Gulsbeſitzer abzuführen. 
worden, da jie die Flügel doch kaum gebrauchen fonn- | Der Anteilverwalter erhält neben mäßigem, figem 


Antejuftinianijdes Recht — Antenuptial. 


Gehalt vom pss oper der fiber die Rapitalvergin- 
—— erzielt wird, etwa die Hälfte, während 
der Reſt zur Schaffung eines Reſervefonds, zur Be- 
gleichung von Mindererträgen dient. Der Anteil— 
verwalter übernimmt dem Normalertrag gegenüber 
feine Garantie und kommt deshalb aud it einen et⸗ 
waigen Unternehmerveriuft nidjt auf. Hat der Re- 
fervefonds den Wert des halben oder ganzen Yahres- 
normalertrags erreicht, fo tritt er an Stelle der Kau—⸗ 
tion zur Sicherſtellung de3 Normatreinertrags bei der 
Gewaihrverwaltung. Bei diejer garantiert der 
Gewshrverwalter dent Gutsherrn mit Naution den 
Eingang de3 Normatreinertrags oder die durchſchnitt⸗ 
liche Berzinſung de3 Grund: und Betriebstapitals. Der 
Unternehmergewinn fallt dann (neben barer Befol- | 
dung fiir Die Verwaltung des Kapitals oder aud) ohne 
Diefe) ganz oder bei ungeniigqender Kaution zur Deckung 
gegen das damit verbundene größere Rififo zu 75 Pro}. 
oder weniger dem Gewihrverwalter zu, der dagegen 
fiir jeden Unternehmerverluft aus der Raution oder 
aus * Vermögen Erſatz zu bieten hat. Bei der 
VW. u. G. ſtellt der Beſitzer das Grund- und Betriebs- 
fapital ; Die eventuelle Kaution ſoll den Normalertrag, 
nicht aber das Gutsobjekt ſicherſtellen, weshalb aud 
dem Beſitzer Kaſſe und Buchführung auf Grund von 
Anweiſung der Empfänge und Ausgaben von ſeiten 
des Anteil⸗ und Gewährverwalters ſowie die Kon— 
trolle fiber alle Naturalvorräte und die Werterhal— 
tung der Gutsſubſtanz zuſteht. Der Unteil- und Ge- 
wãhrverwalter erhalt dagegen volljtindige Freiheit, 
Betriebsorganijationen einzuführen, die ihm zur Er- 
reichung der höchſten Rente am pajjendjten diinfen, 
die Konjunkturen im Rauf und Verfauf ohne Ein— 
holung ciner qutsherrliden Genehmigung ausnupen 
u fonnen, und das Recht, Hilfsperfonal nad) eignem 
Ermefjen aufnehuten und entlaffen gu fonnen. Bal. 
Rrafft, Die Betriebslehre (6. Uufl., Berl. 1899); 
Hede, Die landwirt\daftliden Ertrige und die Tan- | 
tiemen (Wien 1890); Diebl, Die zeilgemäße Gejtal- 
tung der Gutswirtidaft und des Beamtenjtandes 
(Briinn 1884). 

Antejuftinianifdes Recht, Inbegriff derrdmi- 
ſchen Rechtsnormen vor Dujtinian, bejtehend in den 
Gefesen der zwölf Tafein, Senats- und Bolts- 
beſchlüſſen, Ediften der Prätoren und Konſtitutionen 
Der Kaiſer fowie in den Gutachten berithmter Redts- 
gelebrten (responsa prudentium), die durd) den Kaiſer 
zur Erteilung folder Gutachten mit bindender Kraft 
ermadtigt waren (jus respondendi). —— 
der kaiſerlichen Konſtitutionen dieſer Zeit waren der 
Gregorianiſche, Hermogenianiſche und Theodoſianiſche 
Koder ſowie die fogen. poſttheodoſianiſchen Novellen. 
Unter Juſtinian wurde das antejuſtinianiſche Recht 
Grundlage der von dieſem Kaiſer veranſtalteten Ge- 
ſetzſanmlungen und ging teilweiſe in dieſe über, hörte 
aber feitbem auf, formelle Geltung zu beſitzen und 
Gegenſtand unmittelbaren Studiums zu ſein. Für 
die Gegenwart ijt es cin unentbehrliches Hilfsmittel 
jum Verftindnis der jujtinianijden Geſetzgebung, des 
Corpus — und inſofern Quelle des Pandekten⸗ 
rechts. Bgl. »Jurisprudentiae antejustinianae quae 
supersunt« (hrsg. von Hufdfe, 5. Aufl., Leipz. 1886); 
»Collectio librorum juris antejustiniani« (hr3q. von 
Mommſen, Kriiger u. Studenrund, Berl. 1877—90, 
3 Bde.). | 

Antelao, Monte, Berg der Dolomitalpen, in der | 
tal. Provins Belluno an der Tiroler Grenze gelegen, | 








565 


Antelapsarii (lat.), ſ. Infralapsarii. 

Ante meridiem — abgekürzt a. m.), vormit⸗ 
tags; in ital. Kursbüchern und Fahrplänen bedeutet 
Antimeridiane (abgekürzta.) die Stunden vor Mittag; 
pomeridiane (p.) von da bid Mitternadt. 

Antemetifa (griech.), Mittel gegen Brechreiz. 

Auten (lat. Antae), die pfeilerartigen abſchließen⸗ 
den Vorſprünge der beiden Seitenwände der Cella 
eines antifen —2— (j. Tempel); Türpfeiler. 

Antenagtum (mittellat.), dad Recht der Erſtgeburt. 

Antenna, Pizzo dell’, Berg im Madoniegebirge 
(Sizilien), 1975 m hod). 

Antenn&ria R. Br., Gattung der Kompoſiten, 
meijt fleine, ausdauernde, fleinblatterige, filzig oder 
wollig behaarte Kräuter mit ziemlich fleinen Bliiten- 
fopfden in endſtändigem Ebenjtrauk. Etwa 15 Arten 
in Curopa, Ufien, Amerika und Uujtralien. A. dioica 
Gértn.(Gnaphalium dioicum Z.,tagenpfitden), 
mit weißen, rofens und purpurroten Bliiten, findet 
jid) in Nordamerifa, Rordatien, fajt ganz Europa, 
in Deutſchland, iiberall auf 
trodnemt, fonnigem Boden. 
A. margaritacea, f. Ana- 
phalis. 

Antennen(lat., Fihler, 
Fühlhörner), Gliedmagen 
am Kopf der Gliedertiere, die- 
nen meiſt gum Fühlen und 
Tajten, deshalbSinneshaare, 
bei manchen Krebstieren aud) 
jur Ortsbewequng (Schwim⸗ 
men), fie bejtehen aus gegen- 
cinander beweglidjen Glie- 
dern. Ihre Form ijt namtent- 
lid) bei Den Inſelten, wie dic 
Figuren zeigen, fehr viel- 
gejtaltig (gejagt, gelämmt, 

efnipft ꝛc.). — UW. heißen aud) der Geber- und der 
mpfängerdraht bei der drahtlofen Telegraphic. 

Antéenor, 1) bei Homer einer der vornehmiten 
Trojaner, Gemahl der Wthenepricjterin Theano, 
Schwejter der Hefabe, nimmt Menelaos und Odyſſeus, 
die Friedensgefandten, gaftfreundlid) auf und ſchützt 
jie gegen Baris, wie er tiberhaupt immer zum Frie- 
densſchluß durd) Rückgabe der Helena und der nuit 
ihr geraubten Giiter riet. Spätere Zeit madte ihn 
wegen feiner Griechenfreundlichleit zum Verräter, der 
den Feinden Trojas Tore öffnete. Bei der Zerſtörung 
der Stadt ward fein mit cinem Pantherfell bezeichnetes 
Haus verfdont und ihm mit den Seinen freier Abzug 
bewilligt. Bald lief man ihn Menelaos begleiten und 
in Kyrene fid) anfiedeln, wo feine Nachlommen, die 
Untenoriden, Heroenverehrung hatten; nach der ſpä— 
ter gewöhnlichen Sage führte er mit feinen Söhnen 
die aus Raphlagonien vertriebenen Heneter (Veneter) 
nad Stalien und griindete Ratavium (Padua). 

2) ried). Bildhauer aus dem Ende de3 6. Jahrh. 
v. Chr., war im Altertum vornehmlich befannt als 
Schdpfer der Gruppe der Tyrannenmorder Harmodios 
und Urijtogeiton, die von Xerred aus Athen entfithrt, 
ſpäter aber, nad) den Siegen der Mafedonier, den 
Athenern wieder zurildgegeben wurde. Bei den Aus— 
qrabungen auf der WUfropolis ijt ein inſchriftlich be- 
zeugtes Werk von ihm, die Marmorjtatue einer weib- 
lichen Fiqur, wahrſcheinlich ciner Uthenepriefterin (ſ. 
Tafel »Bildhauerfunjt I<, Fig. 9), gefunden wor- 
den, die ihn als einen Vertreter ded ſtrengen altertiim- 





Antennen von Inſekten. 


3264 m hod, mit großer Fernfidt, wird von San lichen Stils kennzeichnet. 
Vito aus (zuerſt 1863 von Grohmann) erjtiegen. | AWntenuptial (lat), vor der Hochzeit (qefdehenre.). 


566 


Antependium (mittellat.), inden Kirchen ein Vor: | 
hang aus Stoffen oder ein Borjas aus Holz, Mee | 
tall u. dDql. sur Bededung der Vorderfeite ded Witars. 
Bejtand das A. aus cinem Stoff, fo war er meijt aud) 
mit Gold, Silber und Seide geftidt und mit fymbo- 
liſchen und bildlidjen Darjtellungen vergiert. Damit 
diefe Deutlicher gejehen werden fonnten, wurde das A., 
namentlic) wenn e3 aus bemalter Leinwand beftand, 
auf einen Rahmen gejpannt. Die metallenen BVorjag- 
tafeln bejtanden aus Gold, Silber und vergoldetem 
Kupfer. Die berühmteſte ijt die »goldene Tafel- aus 
dem Bafeler Miinjter, cin Gefchent Kaifer Heinrichs II. 
jest int Muſce de Cluny in Paris. 

Antepenultima (lat.), Silbe vor der vorlegten, 
der Penultima, alfo die drittlepte. 

Wntequera (jpr. tera, das alte Antiquaria), Be- 
zirlshauptſtadt in der fpan. ‘Brovin3 Malaga, nahe 
Dent linfen Ufer des Guadalhorce, in einer frudtbaren 
Ebene nördlich von der Sierra Torcal, an der Eiſen— 
bahn Vobadilla-Granada gelegen, hat Trümmer eines 
mauriſchen Rajtells, einen römiſchen Triumphbogen 
und (1900) 31,609 Einw., die Schafwollweberei und 
Produltenhandel betreiben. Ojtlich von A. ein inter: 
ejjanter Dolmen, Marmorbritde und cin merfiwiirdi- 
grt Felsberg, Pefia de los Enamorados (Fels der 

iebenden), an den ſich cine Volksſage tnitpft. 

Antéros (-Seqen:ECros«), Bruder des Eros (j.d.), 
Gott der Gegenliebe und Rächer verſchmähter Liebe. 

Antesignani (lat.), bei den Römern urjpriinglid 
das vor den Feldzeichen (signa) faimpfende erjte Tref- 
fen; bei Cajar eine Elitetruppe der Legion mit leidtern 
Wajfen und obne Gepächk, die auferhalb der Schlacht— 

Wntefini, j. Alſe. lordnung kämpfte. 

Mnténs, im Kalender der Aſianer der elfte Monat, 
vom 25. Juli bis 25. Auguſt. 

Aunteverfion (lat.), Vorwartswendung, fehlerhafte 
—— der Gebärmutter; ſ. Gebärmutterkrankheiten. 

utezedenzien (lat.), früher Borgefommencs; 
jemandes Vergangenheit, frühere Verhältniſſe. An— 
ig ieren, vorber-, vorgehen; den Vorrang haben. 

nthela (qricdh., Spirre), f. Bliitenftand. 

Wnt helien (qricch.), foviel wie Gegenfonnen; ſ. Hof. 

Anthelmintifa (qried.), Mittel gegen Cingeweide- 
wiirmer. 

Anthem, in England der Name fiir firdlide Kom 
pojitionen ciner zwiſchen Nantate und Motette ftehen- 
den Faktur. Man unterfdeidet »full anthems<, in 
denen der Chor überwiegt, u. » verse anthems«, worin 
Soli, Duette rc. vorherriden. Die Terte find bibliſch. 

Anthemion (qricd.), in der antifen Baukunſt ein 
Ornament aus filifierten, aufredt ftehenden Bliiten 
und Blattern (Balmetten). Cine bandartig zuſammen— 
geſetzte WUnthentienreihe zierte urſprünglich die Hälſe 
Der Napitelle an den Anten (Stirnpfeilern) und Säulen 
des doriſchen und ioniſchen Stils und wurde dann in 
der ganzen Tektonik, insbeſ. in der Gefäßbildnerei, 
allgemein. S. Tafel ⸗Ornamente I<, Fig. 51 u. 52. 

Anthémis L. (Afterkamille), Gattung der 
Sompofiten, fable oder wollig behaarte, meiſt aroma: 
tifche, cinjabrige oder ausdauernde Kräuter mut gezahn 
ten oder ein⸗ bis Dreifach fiederſchnittigen Blattern, an- 
ſehnlichen Bliiten mit weißen oder qelben Randbliiten 
u. vier⸗ bis fiinffantigen Früchten. Etwa 100 Arten in 
Europa und dem Mittelmeergebiet. Weiße Randbliiten 








haben die geruchloſe A. arvensis L. (Uderfamille | 


oder unedte Kamille), in Europa, Vorderafien und 
Nordafrifa, in Nordamerifa verwildert, und die febr 
ähnliche, aber unangenehm riechende A. Cotula L. 
(Dundsfamille), tr Europa, Aſien, Nordafrifa, ein 


Antependium — Anthologie. 


geidleppt in Nord- und Siidamerifa. A. nobilis LZ. 
(römiſche Ramille), behaarte Staude mit doppelt 
ee oe Blättern und gewürzhaft riedenden Btu- 
men, in Wejteuropa, wird als Arzneipflanze haltiviert. 
Sie ſchmeckt aromatifc bitter und enthält blaues äthe 
riſches OL, das hauptfächlich in Mitcham bei London 
gewonnen wird und wejentlid aus Djobutyl-, Anm⸗ 
und Heryleftern der Butterfiure, Ungelifa- und Ti- 
glinſäure bejteht. Wan benupt die römiſche Kamille 
wie die gewdhnlide. Sie gelangte erjt ju Ende des 
Mittelalters, wie es fcheint aus Spanien, nach Deutid- 
land. Einen gelben Strabl hat A. tinctoria L. (Far: 
berfamille), deren Blatter widertich riechen. Sie 
wächſt in Europa und Ufien und wurde friiber als 
gelbe Färberpflanze fultiviert. Cinige Arten findet 
man als Zierpflanzen in Gärten. 

Anthemins, 1) Flavius, weſtröm. Kaiſer 467 
472, aus Galatien, Gemahl der Euphemia, der Toch 
ter des Kaiſers Marcianus, wurde von Kaiſer Leo im 
Cinvernehmen mit dem Gueven Ricimer, der als Yin 
fiihrer der nidtrimifden WMietstruppen im tatfad- 
lichen Beſitz der Herrſchaft war, auf den faſt zwei Jahre 
unbeſetzt gebliebenen wejtrimijden Thron erbhoben. 
Mit grofen Erwartungen in Rom begrüßt, war er 
dod) den Verhältniſſen nidt qewadfen. jerjiel offen 
mit Dent anmakenden Rictmer; diefer ftiirmte und 
pliinderte Rom, ermorbdete den Raijer 472 und ernannte 
Olybrius zu feinem Nachfolger. 

2) Griech. Bildhauer und Ärchitelt unter Juſtinian, 
aus Tralles in Lydien gebiirtiq, Wiederaufbauer der 
531 abgebrannten Sophienlirche in Nonjtantinopel. 

Authẽre (qriedh.), Staubbeutel, ſ. Staubgefipe. 

Anthericum L.(3auntlilie, Graslilic), Gat 
tung der Liliazeen, ausdauernde Gewächſe mit grund- 
jtindigen linealen Blattern und in Trauben oder 
Riſpen ftehenden Bliiten. Etwa 50 Yirten, meiſt m 
YUfrifa, einige in Europa und Umerifa. A. Liliago L. 
und A. ramosum Z., in Mittel- und Siideuropa, wur- 
den friiber arjneilid) benugt und werden jest als Sier- 
pflanjen fultiviert. Mehrere Yirten vom Rap find Ge- 
widhshauspflanyen. 

Antheridium (qricch.), das mãnnliche Geſchlechts 
*8* der Kryptogamen. 

utherozoiden (gried.), ſ. Spermatozoiden. 

Autheſtẽrion (qried.), Blütenmonat, der acht⸗ 
Monat des attiſchen Jahres, Mitte Februar bis Mitte 
März, fo genannt von den Antheſterien, dem drei- 
tigigen Wein und Trinffeft, das gu Ehren des Dio- 
nyjos jährlich vom 11. — 13. Tage des Monats be- 
qangen ward. 

ntheunis (jor. -tinis), Gentil Theodoor, vlam. 
Dichter, geb. 9. Sept. 1840 in Oudenaarde, lebt als 


“Richter in Brüſſel. Seine tyrifdhen Gedichte zeichnen 


ſich durch befondern Wohlflang aus und find vielfad 
in Mufif gefest worden (befonders von Willem Demol). 
Die ———— ei find »Uit het hart« (Leiden 
1875) und »Leven, lieven en zingen« (Haag 1879). 
Anthistiria, |. Themeda. 
Antho... (Unth.., qried.), in Zufammenfegun- 
gen: Blunen..., Bliiten... (Anthela, Untholeyfe). 
Anthoceroten, Ordnung der Moofe (Ff. d.). 
Anthochan, der geldjte rote oder blaue Farbdjioff 
in den Hellen der Blumenblitter. (ftand. 
Anthodinm (qried.), Blütenkörbchen. ſ. Bluten⸗ 
Anthologie (griech.Blumenleſe«), im allgemei⸗ 
nen eine Sammlung erleſener Erzeugniſſe der Lite- 
ratur, namentlich der poetiſchen; inSbef. Titel zweier 
qroker Sanimlungen aus der qriechifden und der rd- 
mifden Dichtkunſt. Zu der fogen. griedhifden Ww 


Anthologion — 


legte den erjten Grund der Didjter Meleagros aus 
Gadara in Syrien (um 60 v. Chr.), der epigramma- 
tifche und erotijdje Poeſien von ihm felbjt und 47 an- 
dern Berfajjern in cinen ⸗Kranz« zuſammenfaßte. 
Ru diefer Sammlung fiigte Philippos aus Theſſa— 
lonifa um 40 n. Chr. Ab eine Epigrammenauswahl 
von etwa 13 neuen Didtern. Weitere —— 
veranſtalteten im 2. Jahrh. Straton aus Sar 
und Diogenianos aus Heralleia, dannim6. Jahrh. 
Agathias aus Myrina. Aus allen dieſen jest ver- 
lornen Anthologien ſtellte im 10. Jahrh. Konſtan— 
tinos Kephalas ju Konſtantinopel eine umfaſ— 
ſende, nad) der Ähnlichkeit des Inhalts in 15 Bü— 
cher geordnete U. her. Dieſe Sammlung bradjte der 
Mind Marimus Blanudes im 14. Jahrh. in 
einen Auszug von 7 Biidern, der bis ins 17. Jahrh. 
von allen griechiſchen Unthologien allein befannt war 
und oft herausgegeben wurde (zuerſt Flor. 1494 von 
oh. Lasfaris; von H. Stephanus, Bar. 1566 u. ö.; 
meiſterhafte lateiniſche berlegung von Hugo Gro- 
tius in Der Uusgabe von de Bofd), Utrecht 1795— 
1822). 1606 entdedte Salmafius in der pfälziſchen 
Bibliothel gu Heidelberg eine Handfdrift der ganzen 
A. des Ronftantinos Kephalas und nahm von den 
nod) nidjt in Der Blanudifden A. enthaltenen Stücken 
Ubfchrift. Diefe Handſchrift fam 1623 mit der übri— 
gen Heidelberger Vibliothel nad) Rom in die Vatifa- 
niſche Bibliothel, wurde 1797 nad) Paris gebradt 
und febrte erjt 1816 sum größern Teil (Bd. 1—12) in 
die alte Heimat zurück, während der Reft (Bd. 13 - 
15) in Paris verblieh. Nad) Salmaſius' Abſchrift qab 
Brund die Sammlung mit andern epigranunati- 
iden Dichtungen als »Analecta veterum poetarum« 
(Strakb. 1776, 3 Bde.) heraus. Davon veranjftaltete 
Fr. Jacobs cine neue Bearbeitung als » Anthologia 

s. Poetarum graec. lusus ex rec. Brunckii« 
eipz. 1794-1814, 13 Bde.). Auf Grund einer 1776 
in Rom gefertigten. in Gotha befindlichen Abſchrift 
ber Pfälzer Handfdrift qab er dann die »>Anthologia 

ad fidem codicis olim Palatini etc.« (Leip. 
1813 —17, 3 Bde.) heraus. Neuere Ausgaben der 
palatinifden und planudifden A. lieferten Diibner 
(Par. 1864—72, 2 Bde.), Cougny (daf. 1890, 3 Bde.) 
und Stadtmüller (Leip3. 1894 ff.); eine Sammlung 
der infchriftlich erhaltenen Gedichte Raibel : »>Epigram- 
mata graeca ex lapidibus conlecta« (Berl. 1878). 
Lberfesungen größerer Bartien der A. gaben Herder 
in Den »>Serjtreuten Blattern« (Teil 1 u. 2) und Ja— 
cobs in »Leben und Runjt der Alten⸗ (Gotha 1824, 
2 Bde.), eine ee ee Weber und Thudid- 
um (Stuttg. 1838—70). Trog de8 fehr ungleiden | 
Gehalts der cingelnen Bejtandteile der VW. (es haben 
mehr al8 300 Dichter beigejteuert) ijt das Ganze in 
poetifder Rückſicht wie in Beziehung auf Sprade, 
Geſchichte und Sitte der Hellenen in verſchiedenen Pe⸗ 
rioden ein unſchätzbares Kleinod, dad fiir den Verluſt 
fo vieler lyriſcher, namentlich elegiſcher Dichter einiger- 
maſſen ſchadlos hält. 

Die römiſche Literatur beſitzt eine im Altertum 
ſchon veranſtaltete A. nicht. Erſt Neuere haben aus 
handſchriftlich oder inſchriftlich überlieferten Gedichten 
nad) Dem Vorbilde der griechiſchen eine römiſche A. zu 

eſtalten unternommen. Den Grund legten J. Sca— 
iger durch ſeine »Catalecta veterum poetarum« 
(Leid. 1573, wiederholt 1595 und 1617) und P. Pie 
thous mit »Epigrammata et poemata vetera e co- 
dicibus et lapidibus collecta« (Par. 1590; wieder: 
holt Leid. 1596, Genf 1619). Cine reichhaltige, aber 
durdaus unkritiſche Sammlung in 5 Biidjern ver: 





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Anthoxanthum. 567 
anjtaltete P. Burmann der jiingere in feiner »An- 
thologia latina« (Amſterd. 1769—73, 2 Bde.). Cinen 
Fortſchritt beseidnete H. Meyers »Anthologia vete- 
rum latin. epigrammatum et poematum« (Leipz. 
1835, 2 Bde.). Die erjte wirklich tritijde Sammlung 
ijt Die » Anthologia latina« von A. Rieje und Fr. Bii- 
deler, von denen erjterer die »Carmina in codicibus 
scripta« (2. Aufl., Leipz. 1894), lewterer die »Car- 
mina epigraphica« (daſ. 1897) herausgegeben hat. 
Cine Ergänzung dazu bilden die von at Ihm her⸗ 
ausgegebenen ⸗Damasi epigrammata« (Leipz. 1895). 
Viele dieſer Gedichte ſind vortrefflich und wahre Zier— 
den römiſcher Poeſie, die meiſten Mittelgut, eine be— 
deutende Zahl ohne Geiſt und Form. — Unter den 
übrigen Literaturen zeichnen ſich die arabiſche, perſiſche 
und türkiſche durch ihren Reichtum an Anthologien 
aus; ant bekannteſten iſt die arabiſche Hamaſa (ſ. d.). 
Von den altteſtamentlichen Büchern iſt die Pſalmen— 
ſammlung für ein ſolches Werk zu halten. 

Anthologion (griech.), in der griech. Kirche das 
Buch, worin die an Feſt- u. Heiligentagen absufingen- 
den Officia (Hyminen, Gebete und Leftionen) fiir das 
gone abr, nad den Monaten verteilt, enthalten find. 

or at Bliitenauflijung, ſ. Anamorphoſe. 

Autholz (Antholzer Tal), nördliches Seitental 
des Puſtertals in Tirol, ijt 25 km lang, wird öſtlich 
vom Billgratter Gebirge, wejtlid) von der Rieferferner 
Gruppe der Hohen Tauern begrengt, enthalt im untern 
Teile das Bad A. (alfalifdh-erdiges Cijenwafjer), im 
vbern den ſchönen, dDurd eine Mure aufgeſtauten Unt- 
holger See (1642 m it. M., 35 Heftar grog). Bon 
hier Ubergang über den Staller Sattel (2055 m) in das 
— Die Gemeinde A. zählt Aa8600879 Einw. 

Anthomyia, ſ. Blumenfliege. 

Anthonomus, ſ. Blütenſtecher. 

Anthony, Suſan, auf dem Gebiete des Frauen— 
rechts titige amerifan. Scriftitellerin, qeb. 25. Febr. 
1820 in South Adams (Maij.), wurde Lehrerin, trat 
auf der erjten rauenredtstonvention m Geneca 
Falls 1848 eifrig fiir die Sache ein und widmete fid 
fortan der Uufgabe, auf den Gebieten der Ergiehung, 
des Eigentums- und Wabhlredts ihrem Geſchlechte 
gleiche Rechte mit dem männlichen gu erwirfen. Wäh— 
rend der Untifflavereibewegung kämpfte fie tapfer 
fiir bie Befreiung der Farbigen und hielt in den be- 
deutendjten Stadten des Nordens Vorlejungen iiber 
die Fragen de3 Tages. Wahrend vieler Jahre Präſi— 
Dentin Der Woman's Suffrage Association, gilt jie 
heute noc) als deren geijtiqes Oberhaupt, und wenn 
vor irgend einer eae für Das Frauenſtimm⸗ 
reich plaidiert wird, iſt ſie eine der Wortführerinnen. 
Eifrige Mitarbeiterin der Organe, welche die Bewe— 
gung gezeitigt bat, ſchrieb ſie mit ihren Geſinnungs— 
genoſſinnen E. C. Stanton u. a. das Werf »The 
history of woman's suffrage« (Mew VYork 1881— 
1888, 3 Bode.). Bal. Jda Harper, Life and work 
of Susan B. A. (Qndianapolis 1898, 2 Bde.). 

Anthophylli, ſ. Caryophyllus. 

Anthopyllit, Vineral, |. Hornblende. 

Anthos (griech.), Blume, Blüte. 

Anthoskraut, ſ. Rosmarinus. 

Anthoxauthin, der gelbe, meiſt in Körnerform 
vorfommende Farbſtoff gelber Blüten. 

Anthoxanthum L. Ruchgras), Gattung der 
Gramineen, Gräſer mit furzer ährenartiger, fajt qleid- 
feitiger Riſpe. Bon den vier europäiſchen Arten wächſt 
A. odoratum ZL. (Goldgras, f. Tafel »Griijer Ie, 
Fig. 1) fußhoch, — leichtem, trocknent Boden, 
aud) in Nordaſien und Amerika und ijt wohl in Wujtrae 


568 Anthozoa — Anthrazen. 


lien cingewandert, es enthält Kumarin, erteilt (neben löſt ſich leicht in Waffer und Wifohol, ſchmedt fiz, 
andern Gräſern) dem Heu den mililotenartigen Ge- ſchmilzt bet 145°, gerfallt beim Erhiger in Anilin und 
rudj. Gebraudswert des im Handel vorfommenden Kohlenſäure, gibt mit falpetriger Säure Salizylſäure. 
Samens 25 Proz. Die Bliiten dienen ju Kräuter- Yor Methylejter, der bet 25,5° ſchmilzt und bei 125° 
fiffen, aud zum Sacfiimieren des Schnupftabals. | (unter 9 mm Drud) fiedet, findet fich im Orangebla: 
Anthozoa (qricd)., »Blumentiere<), ſ. Korallen⸗ tendl, in Bomerangens und Jasminöl und entwidelt 
polypen. hervorragende Cigenfdaften als Riechſtoff bet Wr 
Anthradinon (Diphenylendilet on) | jhung mt wohlriechenden ätheriſchen Olen. 
C,,H,O, oder C,H,(CO),.C,H, entſteht bet Drydation| Wnthrarobin C,,H,,0, entiteht beim Erwärmen 
von Anthrazen C,,H,, mit Salpeterfaiure oder Chrom: | von Alizarin mit Zinfftaub und Ammoniak, iſt gelb 
ſäure, bildet gelbe Nadeln, löſt fich ſchwer in Wifohol | lichweiß, löſt fid) in Uifohol mit brauner Farbe, nicht 
und Uther, nicht in Waſſer, ſchmilzt bei 285°, ſiedet in Waffer, und dient in Form von Salben und Tint: 
bei 382°, ijt fliidtig, reagiert neutral, gibt mit Wptali | turen gegen Hautfranfheiten. [j. Rorund. 
bei 250° Benjzoefaiure, beim Erhigen mit Natronfalf| Wn x, joviel wie Milzbrand; aud em Mineral, 
Benzol und Diphenyl, mit Salpeterfiure Nitropro Ant apopleric, {. Milzbrand. 
dufte, von denen das Trinitroanthradinon als Uloe-| Authrazen (v. gried. anthrax, Roble) C,,H,, 
tinfaiure befannt ijt, mit fonjentrierter Gchwefel- | oder C,H,.CH.CH.C,H, entiteht aus Benzol und Ace⸗ 
ſäure Sulfofiuren, die beim Schmelzen mit Kali in | tylentetrabronid oder Methylenbromid ber Gegenwart 
Mono- und Polyoryanthradinone, 3. T. wertvolle | von Wluminiumeadlorid, findet fid) im Steinfohlenteer 
Farbſtoffe, ibergehen. Unthradinonmonofulfofaure | und wird aus dem am fdwerjten flüchtigen Deſtilla 
C,,H,.SO,H.O, bildet gelbe Blattdhen und gibt mit | tionsproduft desſelben, Dem bet 270° dejtillierenden 
ſchmeizendem Äßlali Alizarin (vgl. Anthrazen). Anthrazenöl, gewonnen. Letzteres erſtarrt beim Er 
Anthracotherium, ſ. Anthrakotheriiden. falten gu einer grünlichgelben Maſſe und entbatt 
Anthragallol C,,H,O,, ein Trioryanthradinon, | neben A. mehrere andre ſchwer flüchtige Stoblen: 
iſomer mit Purpurin, entjteht beim Erhitzen von | 
Benzoeſäure nut Gallusfiure und Schwefelfiure. Es 
bildet orangerote Nadeln, löſt fid) wenig in Waffer, 
bejjer in Allohol und 
Ather, ſublimiert bei 
290°, ohne zu ſchmel⸗ 
zen, bildet mit Na— 
triumamalgam YWli- 
zarin, beim Erhitzen 
mit Zinkſtaub Anthra⸗ 
zen. Ein Gemiſch mit 
Sn Cras wird 
als Ulizarinbraun : 
in derFärberei benutzt. aa aa 
Anthrafnofe, ſJ. Apparat zur Darſtellung von Anthrazen 
Blattflecke. 
Anthrafofrenen (qricd.), kohlenſäurehaltige waſſerſtoffe (Phenanthren, Chryſen ꝛc.). Die ſtarren 
Quellen, Säuerlinge, ſ. Mineralwäſſer. Kohlenwaſſerſtoffe ſcheiden ſich ziemlich vollſtändig aus. 
Anthrakomẽter (griech.), Apparat zur Beſtim⸗ werden auf Filterpreſſen von dent flüſſig gebliebenen Oi 
mung des Kohlenſäuregehalts der Luft. | getrennt, dann auf bydraulijden Preſſen gepreßt und 
Anthrafonit, durd Kohle ſchwarz gefiirbter Ralf: gepulvert. Dies Rohanthragen (mit 25—30 Prog. A. 
fpat, kommt in Norwegen, Sdweden, bei Undreas- | wird in der Wärme mit Petroleumbenjzin, Schweröl 
berg, Saalfeld und im Salzburgiſchen vor. Hierber | fliiffiger ſchwefliger Säure, Acetonöl rc. gemiſcht. um 
ehort aud ein Teil des ſchwarzen Marmors, der | einen groken Tetl der Verunreiniqungen aufguldfen. 
ite Vufullan, [tranfheiten. Das abgeprefite A. (GOproz.) wird, um ¢8 der weitern 
Anthrafofis der Lungen, |. Staubeinatmungs: | Bearbeitung zugänglicher ju machen, ineinen Zuſtand 
Anthrafotheriiden, ausgeitorbene Familie der | äußerſt feiner Verteilung übergeführt. Man erhißz 
paarjehigen Huftiere, Den Unoplotheriiden und den es in einer fladen Pfanne C (jf. Abbild.) gum Schmel 
Schweinen nahe ftebend, mit 4 Sehen, von denen die yen, bringt durd) die Flamme des Herdes A den tm 
äußern aber ſchwächer entwidelt fein firmen, ohne Rohr Bzugeleiteten Wafferdampf auf 220—240? und 
Hauer, nur mit ftarfen Ectzähnen, häufig imOligocin läßt ihn aus zahlreichen Löchern diejes Rohres in das 
von Curopa und nod) ſpärlich im Miocän. Anthra- geſchmolzene A. einjtrdmen. Die fic) entwidelnden 
cotherium Cuv, (Robletier) findet fic) in mebreren Vntorajendampfe werden durch den Waſſerdampf in 
Arten in den mitteltertidiren Braunkohlen, beſonders das Rohr F und weiter in die Rammer D_ getrieben. 
Piemonts und Wejtdeutidlands. in Der cin aus der Brauſe H jtrdmender femer Regen 
AUAnthrafotypie (qried.), Lidchtpausverfahren, bei das A. in Form ciner weißen, jarten, feinblatterigen 
dem man pofitive Ropien nad pojitiven Zeichnungen Maſſe niederfdligt. Durch E wird die Bfanne C ge 
erbalt durch Belichtung vow Chromatgelatinepapier | fiillt. Reines A. erhält man durch Erhitzen von An— 
und nadhtrigliches Einſtäuben der löslich geblicbenen | thradinon mit Zinkſtaub. A. bildet farblofe, geruch 
Stellen nit Farbpulver. und geſchmackloſe Tafeln, ijt unlöslich in Hater. 
Anthranilfaure(OrthoamidobenszocfAure) ſchwer löslich in Allohol und Uther, leichter im heiſtern 
C,H,NO, oder CSH,.NH,.CO,H entjteht bei Redul- Benzol, ſchmilzt bet 213°, fiedet bei 351° Es wird 
tion von Drthonitrobensoehaure durch Zinn und Salz⸗ von chromfaurem Kali mit verdiinnter Schwefelfaure 
faure, aus Orthonitrotoluol durch Behandeln mit Kali- inUnthradinon C,,H,O, verwandelt und gibt mit 
lauge, aus Indigo x. Sie bildet farblofe Krijtalle, | Brom in gelben Nadein frijtallijierendes Dibrom- 





















egies — 
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ee ae ae ee aw ae eS 





— — — — — 
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Anthrazenblau — Anthropologie. 


anthrazen C,,H,Br,. Schwefelfiiure bildet Unthra- 
enmonojuljojaure C,,H,.HSO, und zwei Difulfo- 
—— die beim Schmelzen mit Kali Dioxyanthrazene 
liefern. A. wurde 1831 von Dumas und Laurent im 
Steinlohlenteer entdeckt, gewann aber erſt praftifde 
Bedeutung, als Gräbe und Liebermann 1868 nach— 
wieſen, daß es die Mutterſubſtanz des Alizarins fei. 
Deutſchland führte 1898: 8027 Ton. UW. zur Berar- 
beitung auf Wlijarin ein. Bgl. Muerbad, Das A. 
und ſeine Derivate (Berl. 1872); Gnehm, Die Un- 
thrajenfarbjtoffe (Braunfdw. 1897); Sarnow, Zur 
KRenninis der Unthradinonfarbjtoffe (Heidelb. 1892). 

Anthrasénblaun, cin Heraoryanthradinon, ent: 
ſteht beim Erhigen von Diorthonitroanthradinon nit 
raudjender Schwefelfiure und erjeugt auf Chrom- 
beize ein ſehr [dines echtes Blau. 

nthragide, altere Bezeichnung fiir die organo- 
ser WMineralien, alfo fiir die Kohlen, die fofjilen 
boblenwajjeritoffe, Harze und organifden Salze. 

Anthragit (RK ohlenblende), älteſte foſſile Kohle, 
eiſenſchwarz bis grauſchwarz, auf den unebenen bis 
muſcheligen Bruchflächen zuweilen reqenbogenfarbig, 
anit metalliſchem Glanz, =m Gew. 1,4—1,7, Härte 
2—2,5. Ex ijt ſchwer entgiindlich, entwidelt aber, ein⸗ 
mal im Brand, fehr intenjive Hike ohne Raud) oder 
bitumindjen Gerud. A. enthält 87—98 Proz. Roh- 
lenjtoff, 0,9—5 Broz. Waſſerſtoff, 2—6 Proj. Gauer- 
ſtoff und Stickſtoff, 0,» —6,9 Broz. Ufche. Er bildet ge- 
wiffermafen dad letzte Broduft jenes Prozeſſes, durch 
den organijde Subſtanz allmählich in Kohle verwan- 
Delt wird; zuweilen nähert er fid) ungemein der Stein- 
foble. A. kommt in Rejtern und Lagern, befonders 
in der devonifden und filurijden Formation, aber 
aud) im Steinfohlengebirge und im Jura vor, fo be- 
fonders in dem appaladifden Kohlenfeld Nordame- 
rilas, wo er zwiſchen jtarfgefalteten Schichten auftritt, 
während er weſtwäris gegen Ohio in die bitumindfe 
Steinfohle iibergeht, ferner in dem gefalteten Alpen— 
gedirge in Savoyen, in der Dauphiné und in der 
Sh weiz. Mehrfach findet man ihn innerhalb der Stein- 
tohlen⸗ und Braunfoblenflize lofal entitanden durch 
Erdbrände oder durd Einwirkung vulfanijder Ge- 
fteine, wie Borphyr und Bafalt, alsdann häufig ften- 
gelig abgefondert (Glanjfohle, Stangenfoble 
vom Wegner); felten fommt er auf —— 
vor (Schemnitz). Jn größter Menge wird YW. qewon- 
nen in Bennjylvanien am Susquehanna fowie in 
Maſſachuſetts und Rhode-Ystand, dann in Savoyen, 
Siidwales, in Siidfdottiand, Portugal, in Sdjle- 
fien, Wejtfalen, bei Uaden und Osnabrück (Pies— 
berg). Rußland, nod weit mehr aber China beſitzen 
pit Lager ausgeseidneten Anthrazits in Flözen von 
4—16 m Mächtigkeit. Da man früher den A. nicht 
fiir verwenDdbar hielt, blieben viele reiche Lager un- 
bebaut. Später wurden iiberall, wo intenjive Hige 
erforderlich) ijt, glänzende Refultate mit A. erzielt, 
und jest find viele Cijenwerfe auf die bare iar 
vor A. bajiert. Sn Dauerbranddfen benugt man YU. 
aud zur Zimmerheizung. Bol. Roberts, Anthra- 
cite Coal industry (Lond. 1902). 

Anthrénus, ſ. Spedfifer. 

Anthriscus Hoffm. (Klettenterbel, Ralber- 
fropf), Gattung der Umbelliferen, eim- oder mehr- 
jabrige Kräuter mit mehrfach fiederformigen Blattern 
und geſchnäbelten Friidjten. 13 Arten in Europa und 
dem Orient. A. silvestris Hoffm. (Wiefenterbel, 
Pferdekümmel, Hafer-, Ralberrohr), mit glat- 
ten, und A. vulgaris Pers.(qemeiner Rerbel), mit 
ftacheligen Friidten, find bei uns auf Wiefen, in Hecken, 





5 


569 


auf Schutt xc. ſehr gemein, riechen und ſchmecken un- 
angenehut gewiirghaft, werden aber vom Bieh ohne 
Schaden — Aus ben Stengeln von A. sil- 
vestris werden Pfeifen gefdnitten. A. cerefolium 
Hoffm.(Gartenterbel), einjabrig, mit adjtigem, zart 

ertlltem Stengel und dreifach gefiederten Mattern, 
iit im ſüdöſtlichen Rußland und in Weſtaſien heimifd, 
bei uns verwildert und wird in Garten fultiviert. Das 
Kraut riedht und ſchmeckt angenehm gewürzhaft und 
dient als Küchengewürz. 

Anthropo... (qried).), in Zuſammenſetzung ſoviel 
wie WMenjfden..., auf den Menſchen bezuͤglich (An— 
thropologie 2c.). 

Anthropogeographie (griech.), die Wiſſenſchaft 
vom Einfluß des Wobhnortes (Vodenbefdaffenheit) 
und Himmelsſtriches (Klima) auf die Entwidelung des 
Menſchen. In neuerer Feit ijt diefem Gebiet befon- 
ders von F. Rabel (»WUnthropogeographie«, Stuttg. 
1882— 91, 2 Bde.) Beobadtung geſchenkt worden. 
S. Erdtunde. 

Anthropoidven , Affen, ſ. Anthropomorpha. 

Anthropolatrie (griech.), göttliche Berehrung 
menfdlider Wejen, wurde von den Chrijten den Hei- 
den, weil Diefe ihre Heroen, namentlich aud die rdmi- 
fchen Kaiſer, vergdtterten, von den Heiden aber den 
Chriſten wegen ihrer göttlichen Verehrung de3 »Men- 
ſchen⸗ Jeſus vorgeworfen. 

Wnthropologie (qried.), die Wiſſenſchaft, die den 
Menſchen als eine befondere Gattung der Raturwejen 
und feine Beziehung zur fibrigen lebenden und toten 
Welt behandelt, fomit I rsp a mit der Natur- 
— der Spezies Menſch im Sinne der Zoologie. 

L. läßt ſich von zwei verſchiedenen Geſichtspunkien 
aus behandeln: von der naturwiſſenſchaftlichen und 
von der hiſtoriſchen Seite. 

J. Gegenſtand der naturwiſſenſchaftlichen Be— 
trachtung können entweder die körperlichen Eigen— 
ſchaften des Menſchen ſein (phyſiſche oder ſomatiſche A.) 
oder die geijtig-fosialen Eigenſchaften (ethniſche A.). 
a) Die ſomatiſche A. beſchäftigt ſich einmal mit 
den Cigentiimlidfeiten des Menſchen iim Gegenſatze 
jum Tier, im bejondern yu den jenen entwidelungs: 

eſchichtlich zunächſt ftehenden Familien (;00logifde 
4.), fodann aud) mit den verfdiedenen Cigentiimlid- 
feiten innerhalb der eignen Spezies, fofern fie durch 


| Gejdlecht, Ulter, Rafe, Hertunft rc. bedingt werden 


(eigentliche ſomatiſche A.). Beſondere Beadtung fin- 
det dabei das Verhalten des Skeletts im allgemeinen, 
des Schiidels im beſondern, des Gehirns, Haut-, Haar-, 
Augenbeſchaffenheit, das Verhalten der Eingeweide, 
Muskeln, Sinnesorgane ꝛc., ferner die Proportions⸗ 
verhältniſſe des Körpers, das Wadstunt, Vererbung, 
Atavismus; auch das pſychiſche Verhalten des Men— 
ſchen, d. h. die Erſcheinungen ſeines intellektuellen und 
ſeeliſchen Weſens, ihre Entwickelung und Fortbildun 
im Einzelindividuum ſind hierhin zu ſtellen. Vielfa 
berührt ſich das Arbeitsgebiet der ſomatiſchen A. mit 
dem der ethniſchen A. — Im engern Rahmen läßt 
ſich noch Die rein-anatomiſche und die biologiſche Seite 
des Menſchen unterſcheiden, ferner eine jede diefer 
Gruppen wieder unter dem Geſichtspunkte des nor- 
malen und des pathologifden Berhaltens betradten. 
Somit fallen auch die verſchiedenen Mißgeburten und 
Degenerationsformen (Mikrokephalie) fowie das Ber- 
halten der Entarteten und Berbreder in den Nah— 
men der A. (Degenerations- und Rriminal- 
anthropologie). 

b) Die geiſtig-ſozialen Erſcheinungen de3 
Menſchengeſchlechts, d. h. dad Studiunt des Menſchen 


570 


in feiner Eigenſchaft als Mitglied der menſchlichen 
Geſellſchaft, ijt Gegenſtand der ethnijden WU. Hierbher 
gehören die wirtidaftliden und politifden Verhalt- 
nifje, die Rechtsverhältniſſe, die techniſchen und fiinjt- 
leriſchen Fertigtciten, Handel und Gewerbe, die reli- 
giöſen Anſchauungen, die abergläubiſchen Vorſtellun⸗ 
gen, Sitten, Gebrauche u. a. der verſchiedenen Volker, 
mt befondern der fogen. Naturvilfer ; aud) die Sozial⸗ 
anthropologie dürfte hierhin ju ftellen fein. Alles auf 
die ethniſche A. Bezügliche zuſammenzutragen, ju 
ordnen und gu beſchreiben, ijt Aufgabe der Ethnogra- 
phie, während die Ethnologie das angefammelte Ma— 
terial verarbeitet und die ihm ju Grunde lieqenden 
Geſetzmäßigkeiten aufzufinden ſucht. 

Il. Die hiſtoriſche A. (Prähiſtorie) erforſcht 
das erſte Auftreten des Menſchen auf der Erde, ſeine 
Entwickelung aus niedern Formen, die prähiſtoriſchen 
Raſſen, die Anfänge und die Weiterentwickelung der 
Kultur, die verſchiedenen Kulturſtrömungen, die vor— 
geſchichtlichen Perioden, kurz alles, was über die ge— 
ſchichtlichen Aufzeichnungen und ſchriftlichen Urkun— 
den darüber —— 

Das Studium der Naturgeſchichte des Menſchen 
reicht bis zu den erſten Verſuchen menſchlichen Geiſtes 
überhaupt zurück, aber die wirkliche A. als eigne, von 
der Naturgeſchichte losgetrennte Wiſſenſchaft iſt ſehr 
jungen Datums. Zwar haben bereits Ariſtoteles, 
Hippokrates, Plinius, Galenus und andre Ärzte des 
Altertums und Mittelalters gelegentlich in ihren na— 
turwiffenfdhaftlichen Werfen den Menſchen aud) mit 
berückſichtigt, indeſſen erjt Linné riidte die naturge- 
fdhichtlidye Behandlung des Menſchen mehr in den 
Borderqrund, indem er in feine Maffififation des 
Tierreichs ihn alg Homo sapiens in die Gruppe der 
Primaten cinreihte (1755). Cingehender beſchäftigten 
fich darauf mit dem gleichen Thema Daubenton (1764), 
Blumenbach (1775), Simmering (1785), Camper 
(1791) und White (1794). Im J. 1801 erfdien das 
erjte Werk über den Menschen von Virey, 1817 die 
nad weitern Gejidhtspuntten angelegte Naturgeſchichte 
ded Menſchen von Prichard und 1826 die erjte Dar- 
jtellung der menfdlidhen Rajfen von Demoulins. — 
Die neuen Bahnen der vergleidenden Anatomie und 
Morphologie, in die der Streit zwiſchen polygeniſti— 
{cher und monogenijtifdher Schule die ——— 
lentte, brachten es mit ſich, daß man fortan ſeine Auf 
merffantfeit vorzüglich Der Beſchaffenheit des menfd- 
lidhen Schadels zuwendete. Die Rrantologie wurde 
cin halbes Jahrhundert lang das maßgebende Pringip 
in der A. Die Forfdhungen von Sandifort, Morton, 
Carus, Davis und Thurnam, v. Baer, sp a Wag⸗ 
ner, Huſchke, Lucae, Parchappe, Jaquet, Ranke, Vir— 
chow und vieler andrer waren grundlegend in dieſer 
Richtung. Leider führte dieſer einſeitige Ausbau der 
A. auf Abwege und war geeignet, dieſe Wiſſenſchaft 
in Mißkredit zu bringen. Erſt in dent letzten Jahr— 
zehnt hat man wieder einſehen gelernt, daß das Stu— 
dium Des Menſchen ein recht vielſeitiges iſt. — Im J. 
1859 gründete Broca im Verein nut andern wiſſen 
ſchaftlich bedeutenden Männern in Baris die Société 
d'anthropologie de Paris; diefem Beifpiel folqten in 
den andern Hauptitadten Europas fehr bald weitere 
Sefellichaften mit dem qleiden Biel: fo 1865 in Lon: 
don das Anthropological Institute of Great Britain 
and Ireland, 1866 in Mosfau, an die Militärärzt— 
liche Aladenie angeqliedert, die Mosfauer Unthropo- 
logiiche Gefelljdaft, 1868 in Florenz die Societa 
italiana di antropologia, 1869 in Berlin die Beri 
ner Anthropologiſche Gefellidaft, 1870 in Wien die 








Anthropologie. 


Wiener Unthropologifde Geſellſchaft. Undre anthro- 
pologijde Geſellſchaften beſtehen in Lyon, Brüſſel, 
Stodhoim, Miinden, St. Petersburg. Rom, Menfo, 
Washington, Bombay, Sydney xc. Die meiſten defer 
Geſellſchaften geben Verhandlungen (Abhandlungen, 
Bulletins) heraus. Auf den meiſten Hochſchulen bat 
die A. ihre BVertreter gefunden. Preußen —* zwei 
ordentliche Lehrſtühle (fiir ſomatiſche A. und Ethno— 
logie), beide in Berlin, Bayern einen im Munchen. 
Oſierreich ⸗ Ungarn einen in Budapeit, die Shwen 
einen in Zürich. Die andern Staaten Europas beſitzen 
feine offiztellen Lehrſtühle; halbofjiziell find in Frank 
reid) die le d’anthropologie und das anthropo: 
logiſche Laboratorium der Ecole des Hautes Etudes. 
DieVereinigten Staaten Rordamerifas verfiigen iiber 
verjdiedene ordentlicde —— Lebritiible. 
Unterjtiigt wird das Studium der A. durch anthro 
pologijde und ethnographijde Muſeen m einer gan⸗ 
zen Reihe von Städten, von denen das Muſeum fiir 

Olferfunde in Berlin und das Britijhe Muſeum in 
London obenan jteben. 

[Viteratur.] Bgl. Broca, Instructions craniolo- 
giques etc. (2. Uufl., Bar. 1879); Lubbod, Pre- 
historic times (Lond. 1865 u.b.; deutſch, Jena 1874); 
Lyell, Geological evidences of the antiquity of 
man (Lond. 1862 u. b.; deutſch von L. Biichner, 2 
Uujl., Leip3. 1874; franz, Bar. 1870); Fr. Miller, 
Ullgemeine Ethnographie (2. Aufl. Wien 1879); de 
RNa daillac, L’anciennité delhomme (2. Aujl., Rar. 
1870); Derjelbe, Les premiers hommes et les temps 
préhistoriques (daſ. 1880; deutſch, Stuttg. 1884); 
Prichard, Researches into the physical history of 
man (fond. 1813; 4. Aufl. 1841—51, 5 Bde.; deutid 
von Wagner, Leipz. 1840—48, 4Bde.); de Quatre 
fages, Histoire générale des races humaines (ar. 
1886 —89); Derjelbe, L’espéce humaine (1877; 
deutſch, Leipz. 1878); Rauber, Urgeſchichte des Men⸗ 
ſchen (Daf. 1884, 2 Bde.); Retzius, Des formes de 
téte dans les diverses races humaines ( Stodh. 1844); 
Tylor, Cinleitung in das Studium der WU. und Ziv 
lifation (deutſch, Braunſchw. 1883); Birey, Histoire 
naturelle du genre humaine (Par. 1824, 3 Bde.). 

Ullqemeine W: Caneftrini, Antropologia 
(3. Uufl., Mail. 1898); Girard, Aide-mémoire d’an- 
thropologie et d’ethnographie (Bar. 1898); Reane, 
Man, past and present (Cambr. 1899); Ranfe, Der 
Menid (2. Aufl., Leips. 1893 —94, 2 Bde.); Solo- 
lowſty, Menjdenfunde (2. Uuil., Stuttg. 1901); 
Topinard, Unthropologie (deutſch, Leip. 1888). — 
Unthropologifdhe Methoden und Tednil: 
Hoyos Sdiny, Técnica antropologica y antropolo- 
gia fisica (2. Uufl., Madr. 1899); Livi, Antropo- 
metria (Mail. 1900); €. Sd midt, Unthropologitde 
Wethoden (Leip;. 1888). — Sozialanthropolto— 
gie: Ummon, Die natiirliche Ausleſe beim Menichen 
(Nena 1893); Derfelbe, Die Geſellſchaftsordnung und 
ihre natiirliden Grundlagen (3. Aufl., Daf. 1900); de 
Lapouge, Les sélections sociales (Bar. 1896). — 
Reitfdriften. Außer den von den oben genann- 
ten anthropologifden Geſellſchaften —— 
—— L'anthropologie⸗ (hreg. von Boule u. 

ernau, Var., ſeit 1890); »American Anthropolo- 
gist« (brs. von Sodae, Wafhington, neue Serre fert 
1899); ⸗Archiv fiir A.« (hrsg. von Ranfe und Lor 
denſchmit, Braunfdw., feit 1866); ⸗Internationales 
Archiv fiir Ethnographie« (hrsq. von Schmeltz. Lei 
den, feit 1887); »Sentralblatt fiir A., Ethnologie 
und Urgeſchichte (hrsg. von Buſchan, Stettin, feit 
1896). 


Anthropometrie — 


Anthropometric (qried., »Menfdenmeffung«), 
die Lehre von den Waverhaltniffen des menſchlichen 
Robrpers.. Sie ijt widhtig fiir die Unthropologie und 
Ethnologie, fie ermittelt die Brauchbarfeit der Män— 
ner jum Wilitardienjt und den Einfluß der ſozialen 
Zuſtände auf die Bevdlferung, fie dient aud) gu Iden— 
titatsermittelungen in der Kriminaliſtik (vgl. Bertil- 


bildenden Künſte. Bal. Urt. »Menfdh« ; Livi, Antro- 





pometria (Wail. 1900); Fiirjt, Yndertabellen jum 
anthropometriſchen Gebraud (Jena 1902). 
Anthropomorpha (Ynthropoiden), Unter- 
familie Der Schmalnafen (ſ. Affen, S. 128)... 
Anthropomorphismus (qried.), die Übertra— 
qung menſchlicher Eigenſchaften auf Nichtmenſchliches; 
eine Erſcheinung, deren Auftreten darin ſeine Erklä— 
rung findet, daß durch die Auffaſſung des ſeiner in⸗ 
nern Ratur nad uns unbefannten Nichtmenſchlichen 
nach dem Vorbilde des menſchlichen Weſens das erſtere 
uns begreiflich wird. Als die roheſte Form des A. lann 
man die Perſonifikation lebloſer Naturgegenſtände 
oder Naturerſcheinungen betrachten, wie fie beim sind 
und in den Wiythologien vorkommt. Yn abgeblapter 
Form ijt dieſe Anſchauungsweiſe fogar nod in dem 
gewöhnlichen Begriff der Kraft (3. B. der he ie ai 
traft der Erde) enthalten, ja einige Philofophen be- 
haupten, dak wir aud) in dem Begriff eines Dinges 
im Grunde nur cin Abbild unfers eiqnen Jd) denfen, 
das legtere gewiſſermaßen nad) aufen projizieren. Die 
Stammobedeutungen jabhlreider Worte (hauptiidlid 
der Verba) lafjen in der Tat den anthropomorphijti- | 
ſchen Uriprung vieler jest gang abjtrafter Begriffe 
deutlich erlennen. Bejonders beadjtenswert ijt jedod | 
der A. in Den religiöſen Vorjtellungen. Jn Ermange- 
lung Direfter Keuntnis der Gottheiten oder Gottes ijt 
das menſchliche Denfen hier ganz auf A. angewiefen. | 
Der eleatijche Bhilofoph Xenophanes fand dies fo’ 
ſelbſtverſtändlich, daß er behauptete, wenn Tiere iiber- 
haupt eine Borjtellung von etwas Libertierifdem ha- 
ben könnten, fo wiirden die Löwen ihre Gotter in Lö— 
wen-, die Stiere in Stiergeftalt denfen. Die Lehre, 
daß Der Menſch nad) Gottes Ebenbild geſchaffen, wäre 
Daher (nad) Sdleiermacher, befonders nad Feuerbad)) 
ridtiger foaussudriiden: Der Menſch fchajft Gott (d. h. 
ſeine Boritellung Gottes) nad dem feinigen. Ye nad 
der verichiedenen BVorjtellung, die der Menſch von fic 
jelbjt hat, muß feine Vorftetlung von Gott demnach 
verſchieden ausfallen. Sieht er feine Gupere Eridei- 
nung (Den Menſchenleib) als gu feinem Wefen gehirig 
und Davon unabtrennlich an, fo wird er auch feinen 
Mott nicht ohne dieſelbe, nur in erhdhter, fei es ins 
Koloſſale und Ungeheuerlide vergrdperter (wie 3. B. 
der Inder) fei es ins Harmoniſche verjdinerter Form 
(wie 3. B. der Hellene) zu denfenim ftande fein. Sieht er 
Dagegen fein In neres, den geiftigen und gemiitliden 
Kern feiner Natur, fiir das Wejen, feinen menſchlich 
geſtalteten Leib nur als deffen zufällige Hiille an, fo 
wird er Gott ohne die lestere als forperlofen, quanti- 
tativ und qualitativ weit über die Grenge des Menſch— 
tums binaus geiter erten, aber nidtsdejtoweniger dem 
eignen Geijte des Menſchen ähnlichen Geift vorſtellen. 
Eriteres kann man den gr bern, weil das Überſinn⸗ 
liche in ſinnlicher Gejtalt anfdauenden, dieſes den 
verfeinerten UW. heißen. Des erjtgenannten fann 
Die Kunſt, die dad Gittliche verſinnlichen will, ded letz— 
tern aud) die Religion ſich wiht entſchlagen, die dads 
Bild de3 reinen Gottesgqeijtes von allen Schlacen der 
Sinnlidhfeit zu reinigen fich bemüht. Daher finden ſich 
nicht mur in allen der Stufe der Sinnlidfeit nabe- 





Anthropophagie. 571 


ftehenden Religionen menſchlich geftaltete Bitter, fon- 
dern aud) in Den in der Vergeijtiqung der Vottedsidce 
am weiteſten fortgeſchrittenen kommen Wusdriide vor, 
die bald der Gottheit Affelte, Leidenſchaften (jogar un- 
jittlide: Zorn, Rachſucht) beilegen, wie ſie dem Men- 
ſchen eigen, bald auf Verhältniſſe hinweifen, wie fie 


nur bei Menſchen miglid find, z. B. Vaterſchaft, Rind- 
lonſches Syitem) und ijt von großer Bedeutung fiir die | 


ſchaft Gottes, Sohn, Mutter Gotted rc. 
Anthropopathismus (qricd).), dicjenige befon: 
dere Urt ded Anthropomorphismus (jf. d.), die Dem 
Nichtmenſchlichen Gefiihle, Affelte (qried). pathos) und 
Leidenſchaften beilegt, wie fie nur dem Menſchen eigen 
find. A. it es 3. B., wenn der griechiſche Philoſoph 
Empedofles die Bewequngen der tome durd ⸗Haß · 
und »Liebe« regiert werden läßt (vgl. Hylozoismus). 
Bei den Didhtern alter und never Heit ijt die anthro- 
popathijde Auffaſſung der unbelebten wie der beleb- 
ten Natur (Lierepos, Tierfabel) fehr gewöhnlich. 
Anthropophagie (gricd., ⸗Menſchenfreſſerei⸗, 
aud Ranntbalismus, abgeleitet von dem menfden- 
frejjenden Stamm der Nariben, fpan. Canibals), die 
nicht blof bei niederjten Stämmen vorfonumende Gitte, 
Menſchenfleiſch zu geniehen, fiir die Feinjdymeceret, 
religidje und felbjt pietätvolle Vorſtellungen, vorgiig- 
lid) aber der Glaube, daß jie nur jo den Feind ganz 
vernidjten und feine Rrafte erben können, in Betradt 
fommen. Die Oger und Menſchenfreſſer unfrer Mär— 
den fonnen nod) als Nachflang der vorbijtorijden 
YWnthropophagen Europas betradtet werden, die durd 
die Rnodenfunde in Höhlen Btaliens, Belgiens, 
Frankreichs, der Pyrenäen, Englands, Dinemarfs x. 
nadgewiejen wurden. Menſchenfreſſer fpielen in der 
Bibel, der Odyſſee (Polyphem) rc. eine Rolle. Herodot 
beſchuldigt die Stythen, andre alte Autoren die Ander, 
VUthiopier und Mafjageten der U., doch handelt es ſich 
hierbet Hfter um pietätvolles Aufeſſen der Leichen von 
Rindern, Eltern und Geſchwiſtern, z. B. bei der fogen. 
GWreifentitung (ſ. d.), die aud als Endofanni- 
balismus gum Linteridied von Verzehrung fremder 
Leute, Kriegsgefangener rc. (Exokannibalismus) 
bezeichnet wird. In altägyptiſchen Gräbern fand 
Petrie die Knochen ſorgſam abgeſchabt und zu Bün— 
deln vereinigt. Der Heil. Hieronymus (4. Jahrh.) 
idildert als Augenzeuge die britannifden Wttifoten 
als Menſchenfreſſer. Im Mittelalter werden bald die 
flawijden Wilzen, bald die finniſchen Erſen oder 
Wordwwinen als ſolche genannt, jelbjt dieLangobarden 
find, wahrſcheinlich ebenſo unverdient wie mebhrere 
der Vorgenannten, in diefen Ruf gefonmeen, weil fie 
ihre Feinde damit ſchreckten, dak fie hundslöpfige 


Bluttrinker im Nachtrab fiihrten. Gegenwärtig tit 
| die A. noch in Ufrifa, Ujien, Umerifa, Auſtralien und 


auf den Siidfecinfeln im Schwang. Jn Wien find 
nur nod die malatifden Batta auy Sumatra, ein re- 
lativ gebildetes Volk mit ciqner Literatur, der A. er- 
geben. Die W. ijt bei ihnen durch Geſetz fanttioniert 
und findet regelmäßig ftatt, wenn cin Gemeiner die 
Frau eines Radſcha verfiihrt, und wenn ein Landed- 
verräter, Spion oder Feind mit den Waffen in der 
Hand ergriffen wird. Die Pfähle, an denen man die 
Menſchen fhladtet und verzehrt, werden mit mytho- 
logifden Fiquren vergiert, von den Briejtern gu Zau- 
bergeriiten verarbeitet. Diefem durch Herkommen und 
Religion eingefdrintten Braud) gegentiber erſcheint 
in Ufrifa die A., wenigitens an der Weſtlüſte von 
Sierra Leone bis gum Nigerdelta, als reiner Ausfluß 
tieriſcher Begierden, da dort das Fleiſch von Ge- 
fangenen, Sflaven 2c. gleich jedem andern Fleiſch ver- 
zehrt wird, namentlich in Ralabar. Nad Du Chaillu 


572 


find aud) die Fan oder Rahuin, ein aus dem Innern 
getommenes Boll, Menſchenfreſſer, ebenfo die Man- 
juema. Uber die A. der nördlich von ihnen, im äqua⸗ 
torialen Snnerafrifa, wohnenden Wonbuttu und 
Niam-Niam wurden haarjtriubende Cinjelbheiten 
durch Schweinfurth beridjtet. Unter dem Rajfern- 
jtamm der Bajuto herrfdte wenigitens zeitweilig A. 
bn Umerifa fanden die erften Entdeder auf den 
Vntillen das verhältnismäßig givilifierte, aber men- 
fchenfrejjende Bolt der Rariben; die alten Aztelen in 
Merifo bradten Menfdenopfer dar und verjehrten 
bei fejtlichen Gelegenheiten Menſchenfleiſch. Ebenſo 
die Inkaperuaner, verjdiedene Indianerſtämme, vor 
allen die Jrofefen und Ulgonfin. Gelegentlich kommt 
nod) jegt bei einigen Stänimen der Odſchibwä A. vor. 
Weitverbreitet war A. bei allen Tupivilfern in Siid- 
amerifa, wo Rade das Motiv war, namentlich im Ge- 
bicte des Am enſtroms, bei Den Kaſchibo am Pa— 
chitea, den Miranha und Meſanya am Japure und 
Amazonas. Die Schwarzen des auſtraliſchen Kon— 
tinenis find nod Kannibalen, und unter den Südſee⸗ 
infulanern ſowohl Melaneſier als Polyneſier. A. ijt 
verbreitet über einen Teil Neuguineas, war früher jtart 
auf Reufaledonien und den Fidſchiinſeln, wo fie ſich gu 
ciner ſolchen Feinſchmeckerei entiwidelt hat, da man 
befondere Gewiirspflanjen, den Malawi (Trophis an- 
thropophagorum) und die Borodina (Solanum an- 
thropophagorum), im Umkreis der⸗Freudenhäuſer«, 
als unentbehriides Gewürz fiir die Darin ſtattfinden⸗ 
den Schmäuſe, anbaute. Dan benugte ebenſo aus- 
ſchließlich fiir diefe befondere drei- bis — Ga⸗ 
beln aus Kaſuarinenholz. Die Maori auf Neuſeeland 
nahmen die A. erſt an, als die Moas, die großen 
Rieſenvögel, auf der ſäugetierloſen Inſel verſchwunden 
waren und andre Fleiſchnahrung dem Volke ſich nicht 
darbot. Der letzte Fall wurde 1843 beobachtet. Von 
den Marfejas- und Samoainſeln find gleichfalls kan⸗ 
nibalijde Gewohnheiten befannt geworden. Sm Bis- 
mard-Yrdipel herridt A. ganz allgemein. Cinjelne 
Anthropophagen aus unbeswinglidem, franfhaftem, 
zuweilen erblidem Gelüſt beobadtete man aud) wie- 
Derholt in givilifierten Staaten, 3. B. bei ſchwangern 
Frauen. Bisweilen fiihrte aud) Hunger oder Ver— 
jiweiflung zur A., 3. B. in Ägypten bei der grofen 
Hungersnot 1200 und 1201; die Gewohnheit madte 
Die bejtialifdje Freſſerei zuletzt gur Liebhaberei, der 
nur durch die härteſten Strafen Cinbalt qetan werden 
fonnte. Bal. Undree, Die W. (Leipz. 1887); Ber- 
qemann, Die Verbreitung der A. über die Erde 
(Bunjlau 1893); Steinmesg in den »Sdhriften der 
Biener Unthropologifden Gefellidaft«, Bd. 26. 
Anthropophobie(qricd.), Menſchenſcheu,furcht. 
Anthropos (gried).), Menſch. 
Unthropotheismuds (qried.), die Lehre von der 
Wentitat des Gdttlichen und Menſchlichen. 
Anthropotomic, |. Anatomie. 
Anthropozentrifde Weltanſchauung, dic 
iltere, meijt durch religidje Syfteme geftiigte Welt: 
anfdhauung, die den Menfden als den Mittelpunkt 
Der Welt betrachtete und das All nur ju feinem Nutzen 
und Bergniigen erfdajfen glaubte, aljo die Geftirne, 
um ihm gu leudten, die Tiere, um von ihm gejagt 
und verfperjt gu werden, die Blumen, um thn gu ere 
freuen rc. In Diefer Anſchauugsweiſe mute fein 
Wohnort, die Erde, als Mittelpuntt der Welt betradtet 
werden. Nachdem jedod) Ropernifus an Stelle der 
geozentriſchen Unffaffung des Univerſums die 
heliosentrifde geſetzt hatte, erfubr aud die a. W. 








Anthropophobie — Wnti. 


die Darwinſche Theorie. S. Teleologie. Vgl. Troel3- 
Lund, Himmelsbild und Weltanjdhauung tm Wan- 
bel der Seiten (deutſch, Leip;. 1900). 3 

Anthropozoiſche Formation, die Gefamtbeit 
der obern Erdididten, welche Spuren von dem Da- 
fein des Menſchen einſchließen. Unter Zugrundelegung 
der ———— Steingeräte zerlegt Woldrich (+ Dire 
Gliederung der anthroposoijden Formationsqruppe 
Mitteleuropas«, in den »Sitzungsberichten der könig⸗ 
lic) böhmiſchen Gejellidaft der Wiffenfchaften«, Brag 
1896) die a. F. in: 

I. Die Diluvial: pode. 
A, Paldolithifde Periobde. 
1) Prdglasial 
2) Glajial und Interglazial. 
B. Mefolithifde Periode. 
IL Die Uluvial = Eporhe. 
CG. Neolithifde Periode. 
1) Alte oder atrymolithifdhe (ungebohrte Steine). 
2) Mittlere ober tromolithifde (gebohrte Sreime). 
3) Spatere der Steinbauten. 
» Metall(periode 
1) Bronjealter (einſchließlich Rupfersecit). 
2) Gifenalter. 
8) urhiſtoriſche eit, 
4) Hiſtoriſche Seit. 

Anthiirium Schott, Gattung der Arazeen, metit 
frautige, jeltener ſtrauchige Pflanzen, teils jtannnlos, 
teils mit aufredjtem oder fletterndem Stammt, ſchönen 
dunfelgriinen oder bunten, lederartigen, einfachen. 
jinger- oder fußförmig geteilten Blattern, walzen⸗ 
formigem Bliitenfolben, furger Kolbenſcheide und 

wei- bis vierjamigen Beeren, leben gum Teil als 

iphyten an Baumſtämmen. Etwa 200 Urten im 
tropifden Umerifa. Man fultiviert in unfern Ge 
widshaufern viele Arten, wie A. lenconeuron Lem., 
A. magnificum Linden, A. cristallinum Linden et 
André, A. Andreanum Linden und A. pedato-ra- 
diatum Schott (j. Tafel ⸗Arazeen⸗, Hig. 2 u. 3). 
A. Scherzerianum Schott (Flamingopflanje, 
j. Tafel ⸗Zimmerpflanzen I«), im Hodland von Gua- 
temala und Cojtarica, mit einfachen dunfelgriinen 
Blättern und leudjtend ſcharlachroter, fehr lange blei- 
bender Kolbenſcheide. Durd VBajtardierungen wurden 
mehrere neue praidtige Blattpflanzen erhalten. Einige 
Arten gedeihen bei quter Pflege aud im Zimmer. 

Anthus , Bieper. 

Anthyllis ZL. GBundtlee, Bund-, Boll- 
blume, Tannenflee), Gattung der Lequminofen, 
Kräuter, Halbjtriuder oder Sträucher mit unpaarig 
qefiederten, felten auf das Endblattden reduzierten 
Blattern, gelben, weißen oder roten Bliiten in Köpfchen 
oder faſt einzeln und vom Kelch cingeidlojfener Hiilfe. 
Uber 20 Urten in Europa, Nordafrifa und Border- 
ajien. A. vulneraria Z., 10 —30 cm bod, mit une 
gleich gefiederten Blattern, an denen das Endblattdhen 
viel groper als die iibrigen ijt, und gelben Blumen⸗ 
fipfen, wächſt in Europa und Nordafrifa, wird als 
BViehfutter gebaut und wurde friiber alg Wundmit- 
tel benutzt. 

Anti, 1) griech. Prapofition, das deutſche gegen, 
lommt in jablreiden Zuſammenſetzungen vor, 4. 8. 
BVenennungen von Arzneien, die gewiffen Lranfheiter 
entgeqeniwirfen, z. B. Antiepileptila, d. h. Mittel gegen 
Epilepſie; in Ausdrücken, die cine einer andern gegen⸗ 
iiberjtehende Partei, Lehre oder Meinung bezeichnen. 
„B. Untitrinitarier, Untipapijten, Untimadiavell, 
d. h. Gegner der —— des Rapjtes, von 
Madhiavell; in geograph. Namen zur Bezeichnung des 


cine jtarte Erjdpiitterung; ebenfo wirlle neuerdings | Gegenitberliegens, 3. B. Untiparos, Untilibanon. — 


Antiabolitionift — Antichriſt. 


2) Jn lateinifden (romanifden) Wörtern foviel wie 
vor, z. B. Untizipation (Vorausnahme), Untidambre 
BGBorzimmer). 

Antiabolitioniſt, Gegner der Abſchaffung der 
Negerſtlaverei in der nordamerikaniſchen Union; ſ. 
Abolitioniſten. 

Autiapex, ſ. Apex. 

Antiaris Leschenault, Gattung der Morazeen, 
Bäume mit einfachen Blättern, kleinen, von einer 
becherförmigen Hülle umgebenen Blüten und ſaftiger 
Scheinfrucht. 4—6 Arten in Oſtindien und dem In— 
diſchen Archipel. A. toxicaria Lesch. (Giftbaum, 
Antiar, Antſchee, Upasbaum), ein Baum mit 
zierlicher, halbkugeliger Krone, ciformig -langlicen 
Blattern und einzeln jtehenden Bliiten, auf den Sun- 
dainjein, liefert in feinem Milchſaft, der Untiarol 
CyH,,0,, ein Harz und ein Giyfofid, Untiarin 
C.,H,,0;5, enthalt, das beriidtigte Pfeilgift Upas- 
Untiar (Bohon-Upas). Yn Bombay benugt 
man die Gamen arzneilich. Früher — auch die 
—— des Baumes für giftig. Mehrere Arten, 
wie A. saccidora Lindl. (Sadbaum), in Oſtindien, 
und A. zeylonica Seem., liefern ju Flechtwerk braud- 
baren Bait. 

Antibacdius (Lalimbachius, qried.), um— 
gefehrter Bacchius, ein —— aus zwei langen 


und einer kurzen Silbe (__W) beſtehender Versfuß; 
B. saltare. 
An ift (v. qried). baptistes, Taufer), von 


Shiller gebildetes Wort, foviel wie Gegner der Taufe 
und fomit des Chrijtentums. 

Antibdrbarus (gried.), Titel von Büchern zur 
Bekämpfung von fogen. Barbarismen (ſ. Barbaris- 
nus); fo der »A. der lateinifden Spradje« von Rrebs 
(6. Aufl. von Schmalz, Frankf. 1886 —88), Rellers 
» Deutider A.« (2. Mut, Stuttg. 1886) und Scherffigs 
aranzojifder A.« (Zittau 1894). 

tibed (jor. angtiv’), befeſtigte Hafenſtadt im fran}. 
Depart. Seealpen, Arrond. Grajje, in herrlider Ge- 
end amt Miltelmeer und an der Riijtencifenbahn, hat 
Banbelageridit, College, cine hydrographifde und eine 
Uderbaufdule und (1901) 7524 (als Gemeinde 10,947) 
Cinw., die Fiſcherei, Schiffbau, Erzeugung von 


573 


faure3 Natron, Sdwefelcalcium, Ammoniak, Zinn: 
chlorür, Leuchtgas x. A. bildet mit dem Chlor un: 
ſchädliche, leicht auswafdbare Verbindungen. Unti- 
feracid, das Chlor, Siuren und Eiſen aus Rapier: 
maſſe entfernen foll, bejteht aus ſchwefligſaurem und 
phosphorjaurem Natron. 

Antichrẽtiſcher Vertrag (Antichreſis, Pac- 
tum antichreticum), cine bejondere Urt des Pfand— 
rechtes, wobet der Schuldner feinem Gliubiger dic 
Vutzung des Pfandes ftatt der Zinszahlung zugeſteht. 
Für Grimdftiide (Immobilien) ijt die antichretifde 
Verpfändung durd das Bürgerliche Geſetzbuch auf- 
geboben, dod) bleiben die am 1. Jan. 1900 bejtehen= 
den Antichreſen unveriindert in Geltung. Wn beweg- 
lichen Sachen (Mobilien) ijt aud) nach dem Bürger⸗ 
liden Geſetzbuch, § 1213, cin Nupungspfandredt 
(Antichreſe) zuläſſig. Der nutzungs tigte Gläu⸗ 
biger ijt verpflichtet, für die Gewinnung der Nugun- 
gen zu ſorgen und Rechnung hierüber gu legen. Wur⸗ 
den ihm jedod die Früchte an Stelle der Zinſen 
überwieſen, fo behält er die ganze Nutzung, ſelbſt 
wenn diefelbe den Zinfenbetrag überſteigt, während 
er umgefehrt feine Nachforderung qgeltend madden 
fann, falls die Nutzung ganz auspallt oder Den Be- 
trag der Zinſen nidt erreidt. 

n ft (qried)., »Widerdrifte, bei Luther 
Endedrift), der vom Satan gefandte gewaltige 
Geqner des Chrijtentums, der fur; vor der Wieder- 
erſcheinung Chrijti die gefamte Macht de3 Bifen in 
der Welt zum letzten Kampf gegen die dhriftliche Kirche 
vereinigen, aber ſchließlich Durch) Chriftus iiberwunden 
werden wird. Die Erwartung einer folden Perfon: 
lichteit, eines » Menfdjen der Siinde«, in dem das ganze 
dem Chrijtentum feindlid) entgegengefebte Streben 
feinen Abſchluß erreichen werde, —8 ſich beſonders 
2. Theſſ. 2, Ff. und Offenb. 13 und 17, beſitzt aber 
ire Anknüpfungspunkte fon im Judentum. Wie 
nämlich diefes vor dem Erſcheinen des Meſſias eine 
furdtbare Serriittung aller fittlichen Verhältniſſe 
(Geburtswebhen de3 Meſſias) erwartete, fo das Ur— 
chriſtentum vor der gehofften Wiedererſcheinung Chrijti, 
und wie dad Buch Daniel den Untiodos Epiphanes 
al8 den Gottesfeind fchildert, unt durch die Uusfidt 


Topferwaren, Ol, Eſſenzen und Konferven und Han: | auf feinen gewifjen Untergang fiber die Drangfale der 


Del betreiben. Der Hafen wird durd cinen 472 m 


Gegenwart hinwegzuheben, fo erfdeint in der Offen: 


langen Molo geſchützt, fann aber nur Fleinere Schiffe barung de3 Johannes Nero in gleicher Stellung. Seit« 


aufnehmen. — YL. ijt das alte Antipolis, eine Kolonie 
von Maſſilia, wovon nod) Rejte cines Aquädukts und 


eines Umphitheaters fowie die Baſis der Rirdtiirme | dem jedesmaligen Reprajentanten 


j 


ber erblidte jedes Geſchlecht, das den chriſtlichen Glau- 
ben Durd) cine mächtige gear iy Bate fah, in 
rſelben den A., 


zeugen. Die ſüdlich von A. gelegene Halbinſel La | fo z. B. Wielif, die Huſſiten und Reformatoren im 
Garoupe, die im Cap d' ausläuft, trennt die Papſt. Ja, der Gedanke, dah der Papſt der A. fei, 


Golfe von Nizza (auch Golf von A. genannt) und 
Jouan und iſt von ſchönen Villen und Gärten (dar— 
unter eine Dependenz des Pariſer Jardin des Plan— 
tes) beſetzt. A. war bid 1244 Biſchofsſitz (ſ. Graſſe). 
1746 wurde es von den Alliierten unter Browne 
bombarbiert; 1815 widerjtand es den Ojterreidern, 
woran cine Denkſäule erinnert. Cin Denhnal wurde 
1891 dem hier 1800 gejtorbenen General Champion- 
net errichtet. 

Antibrachium (lat.), Borderarm, f. Arm. 

Autichambre (franj., for. angtifeangsr), Borzim- 
mer. Untidamobrieren, im Vorzimmer der Groen 
vertehren, im Vorzimmer warten, oft mit dem Neben⸗ 
beqrijf Des Rriedjens und Erjdleidjens einer Gunft 
oder Gnade. 

Antichlor, jede Subſtanz zur Entfernung des 
einem Stoffe fejt anhaftenden, zerſtörend wirfenden 
Shlors, 3. B. unterſchwefligſaures, ſaures ſchweflig⸗ 


ing dDurd Die Schmalfaldifden Urtifel felbjt in den 

ehrbegriff der Lutheraner fiber. In der griechiſch— 
morgenländiſchen Kirche wurde beſonders ſeit dem 
16. Jahrh. die türkiſche Herrſchaft oder auch Moham⸗ 
med nad) dem Vorgang des Papſtes Innocenz IT. 
als A. bezeichnet. Reuerdings follte 1805 mit Na— 
poleon I. und 1848 mit den Revolutionsmännern die 
Beit des Untichrijts anbredhen. Die älteſte poetiſche 
Darftellung der Untichriftfage ijt das Gedicht Mu- 
fpilli (f. d.); von ſpätern Schriften fiber den Gegen— 
jtand, die fic) durch das ganze Mittelalter hingzieben, 
erinnern wir an die der Sidtecin Ava (f. d.), an das 
Myſterium »Ludus paschalis de adventu et interitu 
Antichristi«, an den Wbfdnitt ⸗Von dem ende- 
christe« in Freidanks ⸗Beſcheidenheit« (ſ. Freidanf). 
Val. Bouſſet, Der W. in der Uberlieferung de3 Ju— 
dentums, des Neuen Tejtaments und der alten Kirche 
(Witting. 1895). 


5 


574 


Antichthon (griech, Gegenerde), im kosmiſchen 
Syſtem der Pythagoreer ein Weltforper, der ſich nod) 
innerhalb der Bahn der Erde, diefer gegenüberſtehend, 
um das Zentralfeucr bewegt. Untidthonen, fo- 
viel wie Antipoden. [pation. 

Anticipando (ital., A.-3abhlung), f. Antizi— 

Anti- Cornlaw - League (engl., for. annti-tornlas- 
fig, Untiforngzollliga), Verein in England, der 
die Abſchaffung der Getreidezille wie überhaupt die 
Durchführung des Freihandels erjtrebte. Diefe bereits 
int 17. Qabrh. cingefiibrten Bolle waren 1815 dabin 
geändert worden, daß die Cinfubr iiberhaupt verboten, 
wenn der Preis unter 80 Schilling fiir 1 Ouarter 
jtand, daß fie gollfret fein follte, jobald der Preis 
dieſen Sag überſchritten hatte. 1828 trat an Stelle 
dieſes Syſtems eine beweglide Sollffala (sliding 
scale), deren Sätze bet fteigenden Preiſen ſich ernie- 
drigten und umgefehrt. Im Oftober 1831 zu Man- 
efter durd) Cobden (f. d.), mebrere Fabrifanten und 
Kaufleute geſtiftet, gewann die A. erjt 1838 größern 
Einfluß, der 1839 unter der Führung von Cobden, 
Bright, Bowring, Prentice, Thompſon, Ufhworth u. a. 
durd Griindung vor Zweigvereinen, Bildung F 
ferer Fonds, Abhaltung von Verſammlungen, Aus 
gabe von Agitationszeitungen (»Anti-cornlaw Cir- 
cular«, »Anti-bread-tax Circular«) 1c. fiber das qanje 
Land ausgebreitet wurde. Nachdem Villiers’ Antrag 
auf Uufhebung der Getreidegeſetze 1839 im Unterhaus 
Durdgefallen war, qelang es 1841, Cobden und cinige 
Gleichgeſinnte ins Barlament zu bringen, wo der 
ſchon ſtehend gewordene Antrag Villiers’ bereits 40 
Stimmen zählte. Nad) dem Riicttritte des Whiglabi- 
netts und der Einſetzung des Toryminijterimms im 
Sommer 1841 traten die qefamte diffentierende Geijt- 
lidjfeit, die iriſche Partei jowie ein Teil der dent Frei— 
handel zuneigenden Whigs der League bei, während 
letztere Don Der Grundarijtofratie und dem Chartis- 
mus (f. d.) leidenſchaftlich bekämpft wurde. Wis 1842 


Die Getreidezölle mit nur geringen Ermapiqungen | 


modifigiert wurden, betrieb man die Ugitation mit 
nod) qroferer Energie. Jn der Parlamentsfigung 
von 1844/45 erbielt Villiers’ Untrag ſchon 122, ein 
andrer von Cobden auf Prüfung der Rorngefege lau- 
tender 221 Stimmen. Die Leaque fpannte hierauf 
ihre Guferjten Kräfte an, um im Barlament jid die 








Majorität su fidern. Endlich bradte Reel un Januar 
1846 jeinen beriihmten Antrag vor das Unterhaus, 
franz. Maler, geb. 7. März 1818 in Oriéans, geit. 


wonad die Einfubr aller Lebensmittel freigegeben 
und mur vorläufig nod auf 3 Jahre cine (allerdings 


während dieſer Seit wegen der irifden Hungersnot | 


juspendierte) nicdrige gleitende Sfala fiir die Getreide 
cinfubr beibehalten werden follte. Die Bill ging im 
Unterfaus und im Oberhaus durd und ward Geſetz. 
Damit war der Swed der Leaque erreicht ; fie löſte ſich 


i849 auf, als der nachher vollſtändig aufgehobene | 


Soll bereits auf 1 Schilling fiir 1 Quarter herab- 
qemindert war. Bal. Prentice, History of the A. 
(Yond. 1853, 2 Bde.); Simronfon, Ridard Cobden 
und die Untifornjollliga (Berl. 1883). 

Anticofti (vom indian. Raticoftef), yu Ka— 
nada (Grafidaft Saquenay der Provinz Quebec) 
gehörige Inſel im Lorenzgolf, 8150 qkm groß, mit 
jtetler, gefährlicher Klippentiijte im N. und bafenarmer 
Hlachfiijte im S., trägt auf ihrem fladbhiigeligen, filu- 
riſchen Ralfiteinboden ziemlich dichten Miefern-, Tan- 
nen und Birkenwuchs fowie ausgedehnte Torflager 
und Seen. Ihre Budten (Engliſh Bay und Ellis 
Bay nahe der Wejtipige und For Bay nabe der Oſt 
ipige) Jind nur fleinen Schiffen nahbar, beſonders die 





Antidthon — WAntigone. 


For Bay wurde aber feit langem vor zahlreichen Va 
beljau⸗ und Ladsfifdern beſucht. Die Walder ſind 
reid) an Raub- und Vogelwild. Gerjte-, Hafer- und 
Kartoffelbau iſt möglich. 1534 von Cartier entDdect, 
hatte A. 1891 nur 253 ftindige Bewohner, und nad 
Dent 1889 Der Verſuch ciner engliſchen Koloniſation⸗ 
geſellſchaft fehlgeſchlagen war, wurde fie 1895 fitr den 
RKaufpreis von 25,000 Pfd. Sterl. Privatbeſitz des 
Pariſer Schofoladefabrifanten H. WMenier. 

Antidesma L., Gattung der Euphorbiayeen, 
Baume mit einfaden immergriinen Blattern, kleinen 
Bliiten und fleiner Steinfrucdt. Wehr als 70 Arten 
in Den Tropen der Ulten Welt. A. alexiterium L. 
(Fladhsbaum) hiefert bare Früchte und Baſtfaſern 
ju Stricen und Gefpinjten. 

Antidos (Geqengabe, Biderlage), zuweilen 
Bezeichnung der ſonſt Donatio propter nuptias (7. d.) 
genannten Suwendung des Ehemannes an die Ehefrau 

Antidoſis (qried., »Taufd<), cine Einrichtung 
der Yithener, nad) der cin ju einer Leituraie (j. dD.) 
feiner Meinung nad mit Übergehung eines Reicheren 
herangejogqener Biirger diefen zum Vermögenstauſch 
herausfordern fonnte mit Der Verjicherung, Dann Me 


2 | Netjtung ju iibernehmen. Trat fein Vergletd etn, ſo 


erfolqte richterliche Entſcheidung. 
Antidotum (griech.), Gegenmittel, Gegengift 
Antidromte (qried.), ſ. Blattſtellung. 
Antienne (franz., fpr. angtjan), ſ. Antiphon 
Antietam, 75 km langer linksſeitiger Nebenfluß 
des Potomac, von der Oſtkette der Appalachen, tm 
nordamerifan. Staat Maryland, oberhalb Harper's 
Ferry mündend. — Un feinen fern unweit Sharps 
burg wurde 16. und 17. Sept. 1862 cure bintige 
Schlacht swifden den Unionstruppen unter Mac 
Clellan und der Urmee der Konföderierten unter Lee 
geſchlagen. Erſtere verloren 14,000, die leftern 12,000 
ann. Wac Cleflan behauptete trogdem das Feld 
und ſchützte, indem er Lee zwang, über Den Potomac 
zurückzugehen, Wafhington vor einer Vejegung. 
Antifebrilia (lat.), ſ. Fiebermittel. 
Antifebrin, ſ. Ucetanilid. 
Antiferacid, ſ. Unticlor. 
Antifilo, Stadt, f. Untiphellos. 
Antifriftionsmetall , |. Lagermetall. 
Antifrittionsrader , |. Reibungsräder. 
Antiglia pr. antitja), Inſel, ſ. Antillen. 
Antigna (pr. angtinia), Jean Pierre Alexandre. 


27. Febr. 1878 m Paris, fam 1836 nad Karis und 
wurde Schiller von Norblin, dann von Delarode. 
Von der religidfen Malerei wandte er fid) 1846 dem 
Genre gu und fdilderte befonders das kümmerliche 


Daſein der niedern Bolfsflajjen in Bildern von tet 


denſchaftlichem Ausdruck und naturwabhrer Charakte- 
rijtif, aber ju ſchwerer und düſterer Farbe. Spater 
behandelte er aud) die heitere Seite Des Bollslebens 
(befonders der Bretonen) auf poetiiche, bisweilen 
aud) etwas fentimentale Weije, fehrte dann aber and 
bin und wieder gu feinen friibern Wotiven zurück Zu 
feinen hervorragendjten Bildern gehören: Die arme 
Familie (1846), der Sturm (Muſeum it VUvignon), 
nach) dent Bade, die Feuersbrunſt (1850, om Yownre- 
muſeum), die junge Bettlerin (1854), die arme Fe 
milie auf der Reiſe mit dem geſtürzten Gaul (1855), 
der letste Kuß einer Mutter und das vow Alp gedrüctie 
Madchen (1866). 

Antigone, Tochter des Odipus (ſ. d.) und der 
Jolaſte, — ihren blinden Vater in die Ver— 
bannung. Rad deſſen Tode nad) Theben zurud 


Antigonijh 


gekehrt, beftattet fie tro des Verbotes ihres Oheims 
Kreon ihren im Zweilampf mit Cteofles gefallenen 
Bruder Bolyneifes. Zur —— in der Jamiliengruft 
lebendig begraben, ger ie fic); Kreons Sohn 
Hamon, ihr Verlobter, gibt fid) an ihrer Leiche den 
Tod. Dies die Faſſung der Gage in der Tragödie 
A.« ded Sophotles, der ihre Kindesliebe im »Odipus 
auf Rolonos« verherrlidt hat. Nad) andrer Gage 
verbrennt A. mit Argeia, der Gattin des Polyneites, 
deſſen Leichnam auf dem Scheiterhaufen des Eteokles. 
Kreon übergibt ſie dem Hämon zur Hinrichtung. 
Hämon aber verbirgt ſie bei einem Hirten und lebt 
mit ihr in heimlicher Ehe. Ihr Sohn (Maion) wird, 
als er herangewachſen an —— in Theben 
teilnimmt, an einem angebornen Abzeichen des Ge— 
ſchlechts erlannt. Um Kreons Zorn ju entgehen, tötet 
Hämon A. und ſich ſelbſt. 

Autigoniſh, Hafenſtadt in der Proving Neuſchott⸗ 
land (Kanada), nördlich vom Gut of Canjo (f. d.), ift 
fatholijder Biſchofsſitz, hat Viehhandel, Wollindujtrie, 
Schiffbau und (1901) 1526 meiſt ſchott. Einwohner. 

Antigonos, 1) A. qenannt Monophthalmos 
oder Kyklops, der »>Cindugige«, Feldherr Alexanders 
d. Gr., geb. 384 v. Chr., get. 301, war zuerſt Führer 
der griechijden Bundesgenoſſen unter Wlerander in 
Aſien und erbhielt 333 die Statthalterfdaft von PHry- 

ien, wozu nad Wleranders Tode 323 nod) die von 
Yyfien und Pamphylien fam. Dem Reidsverwefer 
Perdiffas den Gehorjam verweigernd, floh er ju Un- 
tipatros, der ifm nad) Ermordung de3 Perdiffas feine 
Statthalterjdaft wiederverjdajfte und zugleich den 
Oberbefehl iiber die Truppen in Beitahen zur Be- 
fampfung der Anhänger des Perdiffas anvertraute. 
Faſt überall fieqreid), aud) zur See, erfannte er den 
neuen Reichsverweſer Polyjperdon nicht an, bemäch— 
tigte jid) Der Perſon des Cumenes, den er hinridten 
ließ, zwang Seleufos zur Fludt und beanjprudte 
nunmehr die Herrfdjaft über ganz Aſien. Gegen dieje 
Anmaßung verbanden fid 315 Seleufos, Ptolemäos, 
Lyjimados, Kaſſandros u. a. und —— eine ge⸗ 
meinſame Verteilung der Provinzen und des Königs- 
ſchatzes, den A. an ſich genommen hatte. A., einer 
ſolchen Übermacht nicht gewachſen, ſchloß mit Kaſſan— 
dros, Lyſimachos und $tolentios 311 einen Frieden, 
durd den er die Herrichaft über Aſien behauptete. 
Gegen Seleutos fiihrte er Den Krieg ohne oon fort, 
bis 310 im Wejten Ptolemäos, Rajjandros und Po— 
lyfperdon neue Feindfeligfeiten gegen ihn beqannen. 
In Kleinafien gewann er das anfangs Verlorne durch 
jeine Sohne Demetrios und Philippos wieder; Deme 
trio8 befreite aud) 307 Uthen und Megara von der 
Herridhaft des Kaſſandros und entriß Rypros deur 
Ptolemaos, worauf U. und Demetrios den Königs 
titel annahmen in der Hoffnung, das Reid) Alexan— 
ders unter ihrem Septer gu veremnigen. Der Verjuch, 
Agypten su erobern, mißglückte, dagegen befreite fein 
Sohn 304 — 302 die meiſten Staaten Griedenlands 
von der mafedonijden Herrfdaft und zwang Kaſſan— 
dros, um Frieden ju bitten. A. verlangte unbedinagte 
Unterwerfung. Da judte Kaffandros bei Lyſimachos 
in Thrafien Hilfe, und 302 fam zwiſchen dieſem, 
Ptolemãos und Seleufos ein Bilndnis gegen A. ju 
jtande. Bei Ipſos in Rorygien fand 301 die Entidei- 
dungsſchlacht jtatt, in der A. Reid) und Leben verlor. 

2) U. J. Gonatas (von feinem Geburtsort Gon- 
noi in Thejjalien), König von Maledonien, Entel des 
vorigen, Sohn des Demetrios Poliorfetes und der 
Phila, Untipatros’ — 320 v. Chr., geſt. 239, 
ein tüchtiger, Kraft mit Milde paarender und der 





| 


Antigua. 575 


esi Philojophie zugetaner Herrider, blieb, als 
ein Vater 287 nach Aſien ging, im Peloponnes als 
Vefehlshaber zurück und erbte 283 von ibm das Konig: 
reid) Mafedonien, erlangte aber erjt 276 nad mannig- 
faden Kämpfen Wnerfennung, nadjdem er den Cin: 
fall der Kelten in der Schlacht bei Lyſimacheia guriict- 
gewiefen hatte (279). Auch in der Folge hatte er 
mebrere Rriege ju filhren, um erjt Pyrrhos von Cpi- 
rus, der ſich faft gang Mafedoniens bemadtigt hatte, 
ſpäter deſſen Sohn Alexandros zurückzuweiſen und 
ſeine Herrſchaft über Griechenland zu befeſtigen. Doch 
hinterließ er das Königreich feſt gegründet feinem 
Sohn Demetrios II. 

3) A. IL, Dofon (der geben will, aber nicht 
gibt«), König von Maledonien, Sohn de3 Demetrios 
von Kyrene und der Olympias, ein durd) Tatfraft 
und Rugheit ausgezeichneter Regent, fiihrte nad De- 
metrios’ IT. Lode (229 v. Chr.) anfiinglid fiir deſſen 
Sohn Philipp, dann als Selbſtherrſcher die Regierung. 
Vom Udhiifden Bund gegen den fpartanijden König 
Kleomenes gu Hilfe gerufen, befiegte er die Spartaner 
bei Sellajia in Lafonien (221) und zwang Sparta 
jum Beitritt zu dem Makedonijden Bund. Nod in 

mfelben Jahr ſtarb er in Mafedonien. Dom folgte 
Philipp, der 16jährige Sohn Demetrios’ I. 

4) Der lebte König der Yuden aus dem Gefdpledt 
der Maffabsier, Sohn Urijtobulos’ II. regierte 40 —37 
v. Chr. Mit feinem Vater 63 von Pompejus als Ge- 
fangener nad) Rom gefdict, entfloh er 56, ward 55 
von neuem gefangen und erlangte 42 abermals die 
Freiheit. 40 ſetzte er ſich mit parthifder Hilfe in Je— 
rujalem feft, und fein — Herodes, der Schützling 
der Römer, mußte nad Rom fliehen, nachdem Hyrfan 
abgejegt und verjtiimmelt worden war. Herodes, von 
den Triumpvirn 39 gum Konig in Judäa ernannt, er- 
oberte dieſes in dreijährigen Kampf und nad bart: 
nidiger Verteidigung aud) 37 Jerujalem. Y., der ſich 
feig ergab, ward auy Antonius' Befehl in Antiochia 
hingerichtet. 

5) A. von Karyſtos (auf Euböa), griech. Gram— 
matifer und Erzgießer im 3. Jahrh. v. Sor. lebte in 
then und am Hof in Pergamon, wo er an den eher- 
nen Statuengruppen zur Verherrlidung der Siege 
der pergamenifdjen Könige itber die Gallier mitarber- 
tete. Sein Hauptiverf waren Biographien zeitgenöſſi 
ſcher Philoſophen; auch ein kunſtgeſchichtliches Werk 
hat er verfaßt. Seinen Namen trägt eine Sammlung 
von »Wundergeſchichten« (»Historiae mirabiles<, 
hr8q. von Reller in »>Rerum naturalium scriptores 
graeci minores«, Bd. 1, Leip;. 1877). Bal.v. Wila- 
mowitz-⸗Möllendorff, ber W. (mit Fragment: 
ſammlung, Berl. 1881). 

6) A., aus Sodo in Judäa gebiirtig, jüd. Geſetz 
lehrer (Tanna, ſ. Talmud) und Präſident des hohen 
Geridtshofs gu Serujalem, jtarb 264 v. Chr. 

Antigorit, Viineral, ein dünnblätteriger, leidt 
jpaltbarer Serpentin (j. d.) von duntelqriiner Farbe, 
durchſichtig bis durchſcheinend, vom YWntigoriotal in 
Piemont, Sterzing in Tivol x. 

Antigiia, britijd-wejtind. Inſel unter 17° nördl. 
Br. und 61° 57 weſtl. L., 251 qkm groß, bat mit 
Barbuda (1897) 37,114 (meiſt prot.) Einwohner, dar: 
unter faum 2000 Weiße. W. hat felſige, buchtenreiche 
Küſten und wird von den bewaldeten Sheekerleybergen 
(Boggies’ Hill 405 m) durdgogen. Flüſſe und Bide 
feblen, und Quellen jind felten, fo dak das Waſſer in 
Sijternen gejammelt werden muß. Wtere Eruptiv- 

ejteine herridjen vor, 3. T. von Sand und Kalfitein 
* von fruchtbarem Verwitterungsboden über— 


574 adwges Amnibanon. 


Mntici: — 
Syitem > _ Stagg, scams awed Had folie, in denen jid Nadaberang der antifen nach 
innerhal! sap ad caneey FOC und Inhe jose 
unt bas » Sone gabad). Mntificia, Todaz det Ranolytos, Gemablin des 
viel wie ° ~ cancsindvn Negenftuten | aertes, Hens 3S Chahen’. itare aus Gram iiber 
Anti: ee et 2) ridy | befien Seriehesberaes shez Seat ſich wegen der fal- 
Anti coe Se Meer leben men (oer Soft ere Fv. 
tig, Un ge ka vw Nantagen, auf bemex Secfiey ort Serkon. 
die Ubi so Shnleweta fT bie Pauper Serfinsic. = yo Semunge ‘seeei wee Satiel. im 
Durdhfi ewan, Paul wl tie ee eS = Seri: wer Shelbe, f. Schid- 
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— — —— ee es ees 
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— =e 


Antilopen I. 





— — — — a — =; —— —- 





1. Hirschziegenantilope (Antilope Cervicapra). - 2, Steppenantilope (Saiga Salga). -- 3, Gazelle (Antilope dorcas). — 4. Springbock (Antilope Euphore). - 
5. Nilgauw (Portax pictus). naturt, GrdBbe, 


Meyers Kone.-Levikon, 6. Aufi Hibliograptisches foetitut tn Leieein Sum Viel , latihape an 


576 


lagert. Das Klima ijt verhältnismäßig troden und 
wu ausgeprigten Diirrejahren neigen 
egenhihe von nur 590 mm im Jahresdurchſchnitt). 
Dabei fehlt es aber nicht an verheerenden Regenfluten ; 
aud) Orfane und Erdbeben (1843, 1874, 1895) ride 
ten dfters großen Schaden an. Die Neger leben meijt 
als fleine Grundbefiger bei den Plantagen, auf denen 
jie Urbeit finden. Zuckerbau ijt die Hauptfultur, aber 
cud) YUnanas, Bataten, Yams und Südfrüchte wer- 
den gezogen, Dagegen ijt die Kultur von Baumwolle 
auifgegeben. Zwei höhere Sdulen werden von der 
Regicrung unterftiipt; ein anglifanifder Biſchof refi- 
diert in St. Johns; die Herrnbuter haben fieben Sta- 
tionen. Die Ausfuhr (Ruder, Melajje, Rum, Una- 
nag) betrug 1899: 128,095, die Einfubr 115,908, die 
Cinfiinfte 42,822, dic Ausgaben 51,959, die öffentliche 
Schuld 137,271 Pfd. Sterl.; der Schiffsverfehr (vor- 
wiegend nad) Nordamerifa) 444,159 Ton. Der Gou— 
verneur, dent ſämtliche Leewardinfeln (ſ. Wntillen) 
unterjteben, wird durch einen Geſetzgebenden Rat von 
16 Mitgliedern unterſtützt. thminat gehören gu 
A. die nahen Inſeln Barbuda und Redonda. Haupt: 
jtadt ijt Saint Johns mit 9738 Einw. und qutem 
Hafen; trefflide Hafen find aud Falmouth (Eng. 
liſh Harbour), mit Schiffswerft, und Parham. — VL 
wurde 1493 von Kolumbus entdedt, zuerſt 163% von 
Englindern befiedelt und nad — Beſetzung 
durch die Franzoſen im Frieden von Breda (1667) 
ſförmlich an England abgetreten. Bgl. Oliver, His- 
“2 of the island of A. (Lond. 1896 — 99, 3 Bde.). 
nutihydropin (Pulvis taracanae), ſ. Sdaben. 
Autik (v. lat. antiquus, alt, altertiimlid)) bezeich— 
net die klaſſiſchen Voller des Ultertums, Grieden und 
Romer, fowie die Produfte ihrer ſtaatlichen und fultur- 
hiftorifden Entwidelung. Die gange römiſche und 
griechiſche Welt fast man unter dem Namen der An— 
tife zuſammen. Im engern Sinne verfteht man 
unter Untifen die uns erhaltenen Gegenjtinde der 
riechifden und römiſchen Kunſt und Kunſtinduſtrie. 
mmlungen folder Werke heißen WUntifenfabi- 
nette, Untifenfaile oder Antifenfammlun: 
gen, die entweder fiir fid) allein beftehen, wie 5. B. die 
Glyptothek in München, oder Ubteilungen größerer 
Muſeen bilden. Wo es an Originalen griechiſcher und 
römiſcher Kunſt fehlt, liefern Gipsabgüſſe cinen Er- 
jag. Die widtigiten Antilenſammlungen, die Ori- 
enthalten, befinden fid) in Rom (val. Helbig, 
Führer durch die Hffentliden Sammlungen klaſſiſcher 
Altertümer in Rom, 2. Aufl., Leipz. 1899, 2 Bde.), 
Neapel (Mufeo nazionale), Floreny (Affizien), Uthen, 
Olympia (Funde von Olympia), Ronjtantinopel, Pa— 
rig (Youvre), London (Britiſches Muſeum), Berlin 
(Vergameniſche Ultertiimer), München (Glyptothef), 
Dresden, Wien und St. Petersburg (Cremitage). Für 
die Kenntnis des antifen Lebens jind namentlich die 
Ausgrabungen in Pompeji, Olympia, Pergamon, De 
los, Delphi u.a. bedeutfam geworden. Bal. aud Wu 


feumt. Als die italienifde Kunſt im 15. Jahrh. durd 
den Einfluß der erhaltenen (meiſt römiſchen) Uberrejte | 
cine völlige Umwandlung und Neubelebung erfubr, | 


bescichnete man dies als dic »Nenaijjance der Antile«. 
Autikaglien (ital., for. tajen), Altertümer gerin 
qem Umfanges, z. B. Waffen, Schmuck, Hausgerite, 
geſchnitiene Stcine, Scherben xc. 
Antikathode, ſ. Rontgenſtrahlen. 
Antikbronze, Bronze mit künſtlich erzeugter Pa— 
Antikenſammlungen, ſ. Antil. ſtina. 
Antikiſieren (lat.), dic Weise des Altertums nach 
ahmen; altertümein. AntikiſierendeKunſtwerke 


(mit einer 








Antibydropin — Antilibanon. 


find folde, in denen fic) Nachahmung der antifen nod 
Form und Inhalt zeigt. 

Antifleia, Todter des Uutolyfos, Gemabhlin des 
Lacries, Mutter des Odyſſeus, jtarb aus Gram über 
deſſen Verfdollenheit oder tdtete fid) wegen der fal- 
ſchen Nadhridjt vor feinem Tode. 

Autiklimax (qricd.), ſ. Gradation. 

Wntiflinale, in der Geologie foviel wie Sattel, im 
Gegenſatze gur Synflinale oder Mulde; ſ. Schich 


tung. 

Uutifohirer, bie von Aſchlinaß, Neugſchwender 
und Béla-Sdiafer angegebenen Radiofonduftoren, 
d. h. Upparate, die dazu dienen, Hertzſche Wellen 


wabrnehmbar ju maden. Der UW. von Schafer 
(chäferſche Platte) befteht aus einer Glasplatte 


mit Gilberbelag, der durch äußerſt feine Schnitte m 
mehrere Teile gerlegt ijt. Legt man an die duferiten 
eile des Belags Drabhte an, m die ein Element nebit 
Relais eingel altet ijt, fo wird der Relaisanfer an- 
gejogen. Die Schnittſpalten unterbreden alfo nicht 
den Strom. Wird der — Hertzſchen Wellen 
beſtrahlt, fo verringert ſich die Leitfähigleit der Schnitt⸗ 
ſpalten; der Relaisanker fällt ab. Nach Aufhören der 
eleltriſchen Beſtrahlung ſteigt die Leitfähigkeit ſofort 
wieder. Der Upparat wird A. genannt, weil beim Ko— 
härer (f. Drahtlofe Telegraphic) die Leitfähigleit durch 
eleltriſche Beſtrahlung erhöht wird. Praktiſche Anwen⸗ 
owes hat der A. bisher nur verſuchsweiſe gefunden. 

ntifonftitutionell, tonftitutions-, verfajjungs- 
widrig, der Verfajfung entgegen, mit den Grundfagen 
der fonjtitutionellen Monardie unvertriglid. 

Antiforngzollliga, ſ. Anti -Cornlaw - League. 

Wntifdrper, ſ. Immunität. 

Antikragos, Gebirge, ſ. Kragos. 

Auntikritik (gried., ⸗Gegenbeurteilung ·) Erwide- 
rung eines Autors auf eine (ungünſtige) Kritik, zum 
Swed der Widerlegung. 

AntifHra, altgried). Stadt in Pholis, am Korin— 
thifden Meerbujen, mit gutem Hafen, beim jepigen 
Usprafpitia. A. wurde von Philipp von Wale 
donien zerſtört und nad) feiner Wiederherjtellung 198 
v. Chr. von den Römern erobert. Yn der Umgegend 
wuchs der bejte Helleborus (Nieswurz), der den iter 
al8 Heilmittel gegen Wahnwitz und Shwadfinnig 
feit qalt; A. ward infolgedejjen zu ciner Art Aurort. 

Antilegoména (qricd.), joviel wie bejtrittene, fir 
unedht erflarte Dinge. Als A. galten der Altern lu— 
therifdjen Rirde cine Zeitlang gewijje neuteſtament⸗ 
lide Schriften, die ſchon in der alten Rirde nur neiib- 
jam ju fanonifdem Range batten gedeiben können. 
nämlich: Der zweite Brief des Petrus, der zweite und 
dritte des Johannes, die Briefe des Jalobus und des 
Judas, der Hebräerbrief und die Offenbarung des 
Johannes. Sie ſind in ältern Bibelausgaben zwar 
abgedruckt, aber nicht mitgezählt. 

utilibaänon (richtiger Antilibanos, arab. 
Dſchebel eſch Scherki, -Ojtberge), Gebirgszug, 
der Syrien öſtlich vom Libanon und mit dieſem fart 
gleichlaufend durchzieht (ſ. Karte »Palajtina-). Er 
beginnt unweit der Jordanquellen fogleid) mit jemer 
höchſten (2860 m) Erhebung, dem Hermon (f. d.), 
und erjtredt fid) von SI. nad NO., wird von dem 
Tal des Barada durchſchnitten, durch welched die 
Hauptitrake nad Damaskus sieht, ſteigt ndrdlid) des 
jelben im Dabhr Ubu'l Hin wieder ju 2480 m an und 
dacht fic) im N. und NO. in der Nahe von Homes 
völlig gur Ebene ab. Cin Steilabbrud) begrenzt den 
YL. im a ein Staffelbrud im O. der gu der 690 m 


hohen Chene von Damaslus abfillt. Die Abhänge. 


Antilopen I. 





J a — — en = : — > - = — — 
— — —— > —— 





: — — ¢ = — 
1, Hirschziegenantilope (Antilope Cervicapra). -- 2, Steppenantilope (Saiga Salga). — 3. Gazelle (Antilope dorcas). 4. Springbock (Antilope Euphore)., - 
5. Nilgau (Portax pictus). 'y9 natdrl. Grobe. 





Mevere Mane oleviban A Mets Hibtioeranticohes Tasttet in Deinrie Five Vnok Veetetas 








29D “Mowe *y (enupine, sedarqojety) NUMUap Tass ¥Y 
(CUIVETD SHPQNG) eAAqa HH } (seas0 enuydejasng) edoyspueuol” * (SHjUiNoeuWoseU KOpPpy) edolsUBsAaPUaW Au 2eIGQNN ZF 


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Antillen — Wntilopen. 


befonder3 in ben höhern Regionen, find meijt baum- 
103, höchſtens mit Buſchwerk und Zwergeiden bedect; 
die Tiler da egen prangen im herrlichſten Pflangen- 
w und a z. 2- angebaut. Geologiſch bejtebt 
der AU. aus Kreideſchichten und Ronglomeraten, der 
Hermon vorwiegend aus Kalt. Die Bergformen find 
meijt rundlid) ausgewittert. Zwiſchen U. und Libanon 
erjtrect fid) von den Jordanquellen bis gum Orontes 
das grofe Langstal der Befaa, im AUltertum Köle— 
fyrien —— Syrien«) genannt. Die Bewohner 
des öſtlichen A. find größtenteils arabiſche Nomaden- 
ſtämme, die des weſtlichen Druſen. Reich ijt der A. 
an Tempelruinen, darunter die von Baalbek. 

Autillen, dic Inſeln, die ſich in einem 3300 km 
langen Bogen unter 10°— 23° 30’ nördl. Br. und 
60 — 85° weſtl. L. von Yucatan bis gegen die Ori- 
nofomiindungen erjtreden und das Raribifdje Meer 
vom offenen Atlantiſchen Ozean abgrenjen. Wan 
unterfdeidet Die Groen A.: Cuba, —— Haiti 
und Puerto Rico, und die Kleinen W., die als »Jn- 
fel fiber Dem Wind« (Isles du vent, Islas barlo 
viento) von den Sungferninjeln bis nad) Trinidad 
und als »Inſeln unter dem Wind« (sous le vent, 
sotto viento) von Trinidad lings der Küſte Bene- 
zuelas weſtwärts big Druba reiden. Die Englander 
beſchränken den Ausdruck⸗Inſeln im Wind« (Wind- 
ward Islands) auf die Inſeln im S. von Martinique 
und bezeichnen mit »Jnfeln unter dem Wind« (Lee- 
ward Islands) die nérdliden Inſeln. Die A. mit den 
PBahamainjeln bilden Wejtindien. Ihren Namen 
verdanfen jie einer fabelhaften Inſel Untiglia oder 
Untillia, die feit 1367 auf den Seelarten zwiſchen 
Lijjabon und Japan einen Platz gefunden hatte. uf 
Peter Martyrs Vorjdlag wurde der Name auf die von 
Kolumbus entdedten Inſeln iibertragen. Die Kleinen 
A. heißen aud) Karibiſche Inſeln eee ihren sefe 
nern, den Rariben (j. d.). Weiteres ſ. unter »Weſt⸗ 
indien< (mit Karte) und den eingelnen Inſeln. Bal. 
de Rosny, Les Antilles (Par. 1886); iiber Untillia: 
Buade, Recherches sur lile Antillia (Par. 1806); 
A. v. Humboldt, Kritiſche Unterſuchungen, Bd. 1; 
Kretſchmer, Die Entdeckung Amerilas (Berl. 1892). 

Antilleneiche, j. Catalpa. 

Antillenkaſſie, |. Acacia. 

Antillenmeer , j. Karibiſches Meer. 

WUntillenftrdmung, ſ. Goljjtrom. 

Antilsdos, im griech. Mythus Sohn des Yeytor, 
unter den jiingern Helden vor Troja durd) Schönheit, 
Sdnelligkeit und Tapferteit ausgezeichnet, dem Achil— 
leus innig befreundet, dem er daher den Tod des Pa— 
troflo3 zu melden Deauftragt wird, rettete Den Vater 
mit Mufopferun des eignen Lebens vor Memnon, 
der ibn tötete. Udhilleus rächt ijn an diefem und fept 
ſeine Aſche neben der des Patroflos in dem Grabbhiigel 
bei, den er fiir ſich felbjt errichtet hat. Den drei Freun— 
den bradhten die Bewohner von Dlion nod) in ſpäter 
Beit gemeinfame Totenopfer dar. 

Antilopen (Antilopina Baird, hierzu Tafel »Un- 
tilopen I und I<), Unterfamilie der Horntiere (Ca- 
vicurnia), ſchlanke, hirſchähnliche, gum Teil aud an 
Rinder oder Pferde crinnernde Tiere mit vielgeſtal— 
tigen, meijt beiden Gefdledjtern eignen Hdrnern. Das 
oft auffallend gezeichnete Haarflerd seta, häufig am 
Hals eine kleine —** und um das Maul herum 
einen Bart. Der Schwanz iſt gewöhnlich kurz. Die 
Weibchen werfen ein, ſelten zwei ae 4 und tragen 
fie in etwa ſechs Monaten aus. Die VW. leben meijt 
in Herden in Steppen, cinige auc) im Hodgebirge ; 
fie find in beftindiger Bewegung und fehr wadfam. 

Mepers Aonv.⸗Lexiton, 6. Aufl, L Bd. 


577 


Mande Urten lafjen fid) leicht zühmen und werden 
u förmlichen Haustieren (altes Agypten). Fleiſch, 
—* und Haare werden benutzt. Die A. gehören 
bis auf wenige Arten der Alten Welt an; ungemein 
reid) an Arten ijt Afrika, die nächſtgrößte Bahl be— 
—— Aſien, in Europa kommen nur die Saiga— 
ntilope und die Gemſe, in Amerika die Hirſchanti— 
{ope vor. Yn der Gefangen{daft halten fie lange aus. 
In brafilijden Höhlen find foffile Rejte von A. qefun- 
den worden, wiihrend Siidamerifa jest feine A. beſitzt. 
Die Hirfdszieqgenantilope Gezoarziege, 
Antilope Cervicapra Pall., Tafel I, Fig. 1), 1,25 m 
fang, 80 cm hod), mit 40 cm langen Hörnern nur 
beim Mannden, langen Ohren und kurzem, bufdig 
behaartent Schwanz, ijt braun, unterfeits weiß. Sie 
lebt in Borderindien tn Herden von 50 — 60 Stiid, 
ijt Dem Monde geheiligt, nimmt im Tierfreis dic Stelle 
des Steinbodes cin und wird in Gedichten wegen ihrer 
Schönheit gepriejen. Nur die Brahmanen diirfen ihr 
Fleiſch effen. Die indifden Fiirjten beizen fie mit Fal- 
fen oder jagen fie mit Dem Yagdleoparden. Die Trii- 
nengruben fondern einen ftarf riechenden Stoff ab, 
der, an Baume oder Steine gerieben, wohl das andre 
Geſchlecht anlodt. Bezoarlugeln aus dem Magen gel- 
ten als beiltraftig. Die Gazelle (Antilope dorcas 
Licht., Tafel I, Fig. 3), 1,1 m lang, mit 20 cm 
langem Schwanz, 60 cm hod), garter und ſchlanker 
ebaut und ſchöner gezeichnet als unjer Reh, mit gro⸗ 
a feurigen Augen, — zierlich behuften Beinen, 
mittellangen Ohren und kleinem Gehörn bei beiden 
Geſchlechtern, iſt ſandfarbig gelb, auf dem Rücken und 
an den Läufen dunkel rotbraun, mit einem längs der 
Leibesſeite verlaufenden nod dunklern Streifen, unter- 
ſeits weiß, lebt in Nordoſtafrika, wird leidenſchaftlich 
ejagt, auch mit dem Fallen gebeizt, aber auch ſehr 
—34 gezähmt. Zur Zeit der 4.—6. Dynaſtie wurde 
fie im alten Ägypien als Haustier gezüchtet und in 
Herden gehalten. Die Gazelle ijt das bevorzugte Tier 
Der morgenlindijden Didter, deſſen Schönheit und 
Anmut jie bejingen, und mit der fie die Geliebte riih- 
mend vergleiden. Ym alten pten war fie der Iſis 
— t. Sie ijt Das Reh der Bibel. Der Spring- 
od (Suge oder Prunkbock, Antidorcas Euphore 
afel I, Fig. 4), 1,3 m lang, 85 cm hod, 
mit 20 cm langem —— 80 cm hohen Hörnern 
bei beiden Geſchlechtern und langen, ſpitzen Ohren, 
iſt zimtbraun, unten und an den Spiegeln weiß, mit 
weißem Streifen über den Rücken, lebt in ungeheu- 
rer Zahl in Südafrila. Der Buntbock Gubalis 
pygarga Sund.), 1,5 m hod, 2m lang, purpurbraun, 
amt Ropf, Hinterbaden und Unterſeite wei. Sehr 
ähnlich, nur kleiner und kurzhörniger ijt ber Bläß— 
bod (B. albifrons Sund.). Zu dieſen beiden fiidafri- 
fanijden Arten gefellt ſich tm Innern Afrikas und 
int Wejten die Senegalantilope (B. senegalensis 
Gray), mit kurzen, Inotigen, wenig gebogenen Hir- 
nern, erdgrauer —— und dunkelgrauen Flecken 
am Auge, auf Ober- und Unterſchenkel. Die licht rot- 
braune Steppenfubantilope (Tora, B. bubalis 
Pall.), von Hirſchgröße, mit ſtarlen Hörnern, be- 
wohnt das nördlichere Gebiet und war ſchon den Al— 
ten unter dem Namen Bubalus befannt. Das Harte- 
beeft (Dirfdfubantilope, Kaama, Bubalis 
Caama Sund., Tafel I, Fig. 4), von Hiridgrife, 
aber viel plumper gebaut, mit ſehr {tart verlingertem, 
haflidem Kopf, braun, unterfeits wei}, mit \dwar- 
zer Schwanzquaſte und doppelt gebogenen, 63 cm 
langen Hörnern, lebt in Rudeln im Herzen Ufrifas, 
aud in Siidafrifa, wo e3 aber bereits febr tact zurück⸗ 


87 


Forster, 


578 


qedringt ijt. Gein gedörrtes Fleiſch ijt cin widti- 
ger Handelsartifel, aud) Fell und Horner find fehr 
geſchätzt. Die Steppen- oder Gaiga-UAntilope 
(Saiga Saiga Wagn., Tafel I, Fig. 2), 1,2 m lang, 
80cm hod), plump gebaut, mit 11 cm langem Schwanz, 
verlingerter, febr beweglider Rafe, 30 cm langen 
Hörnern beim Männchen, furzen, breiten Ohren, ijt 
qrau, am Baud weif, auf dem Riiden dunfelbraun, 
lebt qefelliq in den Steppen Ojteuropas von der pol- 
nijden Grenge bis gum Ultai und wird von den No- 
maden z. T. mit Hilfe des Steinadlers eifrig qejagt. Der 
Riedbod (Redunca eleotragus Gray), 1,5 m lang, 
gegen 95 cm hod, ijt etwas ſchlanker gebaut als unſer 
Reh, mit ziemlich langem Schwanz, 30 cm angen, 
am Grunde geringelten, vorwärts gebogenen Hörnern 
nur beim Miinnchen und langen Ohren, rot grau- 
braun, unten weiß, lebt paarweife, aber — häu⸗ 
fig in ſumpfigen Gegenden Süd- und Mittelafrikas. 
Der Wafferbod (Kobus ellipsiprymnus Sund.) ijt 
ein hirſchähnliches, ſchwer gebautes Tier, 1,5 m lang, 
1,3 m hod, mit 50 cm langem Schwanz, 80 cm 
langen Hörnern beim Mannden, ijt rotbraun, mit 
ſchmalen weißen Streifen am Hals und am bintern 
Teil der Schenfel, lebt in fleinen Oerden in Süd— 
und Mittelajrifa und fudjt bei der Verfolgung jtets 
das Waſſer gu erreidjen. Die Falbenantilope 
(Blaubod, Sdhimmelantilope, Hippotragus 
leucophaeus Sund.), 2,2 m lang, mit 75 cm langem 
Schwanz, 1,6m hock, mit ftarfer Nadenmiahne, 65 cm 
langen Hörnern und langen Ohren, ijt rojtfarbig 
weißlich, ant Borderfopf f —— unterſeits weih, 
lebt in fleinen Trupps in den — Inner⸗ 
afrilas. Die Steppenkuh (Spießbock, Säbel— 
antilope, Algazelle, Oryx leucoryx Riipp.), 2m 
lang und 1,25 m hod, mit 1,1 m langen Hörnern bei 
beiden Gefdledtern, kurzen, breiten Ohren, ijt qelb- 
lichweiß, am Kopf braun geflect, lebt paarweije oder 
in fleinen Trupps in den diirrjten Striden Nord- 
und Wittelafrifas und wurde in Wgypten zur Zeit 
der 4.—12. Dynaftie als Haustier gesichtet. In Ubef- 
finien wird fie durd die Betfa (O. Beisa age 5 ver⸗ 
treten, die ſich auf den alten Denkmälern Agyptens 
und Nubiens häufig abgebildet findet und ehemals 
Gegenſtand vieler Fan war. Oryxantilopen 
wurden im alten Aghpten gezähmt gehalten, zur Opfe- 
rung benutzt und ſcheinen von Israeliten, Perſern u. a. 
nad) Aſien gebracht und dort gesiidjtet worden ju 
fein. Auch bat man auf fie die Sage vom Einhorn 
zurückgeführt. Größer und plumper al die vorigen 
iſt ber Ba ſſan (Oryx, O. eapensis Sund.), mit ganz 
eraden Hörnern, am Rap. Wan benutzt Fleiſch und 
a der Oryrantilopen, die Horner als Lanzenſpitzen, 
Die des Paſſan als Spazierjtide. Die —28— 
Mendesantilope (Addax nasomaculatus Gray, 
Tafel I, Fig. 2), 2 m lang, ziemlich plump gebaut, 
elblichweiß, mit braunem Kopf und Hals, brauner 
ähne und ziemlich langem Schwanz, lebt in Her- 
den im dürrſten Ojtafrifa und findet ſich gleichfalls 
auf ägyptiſchen Denkmälern häufig dargejtellt. Die 
Mendeshirner der Gitterbilder, der Priefter und Kö— 
nige Ägyptens find dem Gehörn diefer Untilope nach— 
ebildet. Sie wurde aud als Haustier gezüchtet. 
Der Kudu (Wgafeen, Strepsiceros Kudu Gray, 
Tafel II, Fig. 1), 2,5 m fang, 1,7 m hod, mit 50 cm 
langem Schwanz, langen Hörnern beim Männchen, 
unferm Hirſch ähnlich — gemähnt, rötlich braun⸗ 
grau, weiß geſtreift. Der Kudu bewohnt die Wälder 
vom Kapland bis zu den Nilländern, er wird eifri 
gejagt, denn ſein Wildbret iſt ausgezeichnet, un 


Antimachiavell — Antimeren. 


ebenſo hod find Hörner und Felle geſchätzt. Die Elen⸗ 
antilope(Buselaphus oreas Gray, Tafel I, Fig. 3), 
3,3m lang und 2m bod, mit 70cm langem Schwanz 
vom Habitus des Rindes, mit lang herabhangender 
Wamme, ijt hell- oder gelblichgrau, an den Seiten 
Heller, lebt gefellig in Gild- und Mittelafrifa und 
zeigt die Gewohnheiten des Rindes. Yn der Gefangen- 
rat pflangt fie ſich ohne Schwierigleit fort, und man 
at Daher vielfad) günſtige Verfuche angeftellt, fie als 
uStier in Curopa eingubiirgern. Jor fehmadhaftes 
Fleiſch bildet gerduchert einen OHandelsartifel, aud 
das Leder ijt vortrefflidh. Der Nilgau (Portax pic- 
tus Wagn., Tafel I, Fig. 5), 2 m lang und 1,4 m 
hod, dunfel braungrau, gemähnt und mit langem 
Haarbüſchel an der Reble, bat qrofe Obren, 25 em 
lange Horner bet beiden Gefdhledtern und fangen 
Schwanz, lebt paarweiſe in Oftindien und Kaſchmir 
Jn Italien iiberjtanden dort gesiichtete Tiere iam freten 
Wald den Winter fehr qut. Sein Fleifd ijt ſchmad 
haft und die Haut wertvoll. Der Llippfpringer 
(Safja, Oreotragus saltatrix Sund.), 1m lang und 
60 cm bod), mit langen, breiten Obren, kurzen, ge 
raden Hirnern beim Männchen, ijt der Gemſe ähn 
lid) gebaut, olivengelb, ſchwarz gefprenfelt, an der 
Rehle und Innenſeite der Beine weiß, lebt paarweiſe 
in Ubeffinien und am Rap und ijt äußerſt beweglich 
Der Goral (Nemorhoedus Goral Wagn.), 1m lang, 
70 cm bod, mit 20 em langem Schwanz, 10 em 
langen Hörnern, langen, fdmalen Obren, ziegen 
ähnlich gebaut, grau- oder ritlidjbraun, ſchwarz und 
rötlich gejprenfelt, an Sinn und Keble wei, auf dem 
Rilden ſchwarz, lebt in ftarfen Rudeln tm wejtlichen 
Himalaja und gilt fiir das ſchnellſte aller Geſchöpfe 
des Landes. Uber die Gemfe f. d. 

Das Gnu (Wildebeeft, CatoblepasGnu Sund.), 
2m lang, 1,2 m hod), mit 80 cm langem, lang be 
quaftetem Schwanz, ſeitlich abwärts und mit den 
Spitzen wieder —— Hörnern, graubraun, 
mit weißlicher Nadenniähne, dunfel graubrauner 
Mähne an Bruſt und Hals, weiflidem Knnbart und 
braunen Haarbüuſcheln tm Geſicht, lebt mit dem Streit 
fengnu (C. taurinus Sund., Tafel II, Fig. 5) und 
einer dritten verwandten Art in Südafrika bis gum 
Yquator, ijt ſcheu, ungefdidt, wild und fehr ſchnell 
Man benugt das arte Fleifd und die Haut. Der 
Gabelbod (Antilocapra americana Sund.), 1,5 m 
fang, mit 20 cm langem Schwan und 30 cm fangem 
Gehorn, mit Nackenmähne, oberfeits rojtgelbbraun, 
unterfeit3 weiß, lebt im mittlern Nordamerila, liefert 

eſchätzte Haute fiir Leder und in der Jugend ſchmad 
Paftes Fleiſch. 

Antimachiavell, Titel einer Schrift Friedrich 
bd. Gr. (1739) zur Widerlequng der polttiiden Grund- 
—— (jf. d.). 

ntimados, griech. Dichter aus Kolophon, um 
400 v. Chr. Wit feinen beiden Hauptwerien, dem 
Epos »>Thebais« und cinem nad feiner verjtorbenen 
Geliebten Lyde benannten Elegienzyklus, der die Wy 
then durch den Tod getrennter Viebespaare behandelte, 
war er Begriinder der gelehrten Dichtung und Bor- 
läufer und BVorbild der Ulerandriner, die ihr: qleid 
nad Homer ftellten. Die Bruchftiide feimer Didytun- 
en (bei Rinfel, Epicoram Graecorum fragmenta, 
Ben 1876, und Bergf, Poetae lyrici graeci, Bd. 2; 
berjefung von Weber, 1826) zeigen eine gefudhte, 
oft ſchwülſtige Sprade und befunden mehr Kunſt und 
Gelehriamfeit als rye ee 
AUntimafaffars, ſ. Malaſſarbl. Tier. 
Antimeren (Gegenſt ücke), ſ. Individuum und 


Antimon — Antimonchlorid. 


Antimon (Spichqlan;, Spießglas, Spieß— 
glanzkönig, Antimonium, Stibium, Regulus An- 





579 


Brongieren benuft. Man überzieht aud) Kupfer und 
verfupferte3 Eiſen mit A., um es vor Rojt gu ſchützen; 


timonii) Sb, chemiſches Element, findet fic felten ge- | hauptſüchlich aber verwendet man es ju Legierungen 
diegen (Undreasberg, Pribram, Allemont, Schweden), | Schon in vorgeſchichtlicher Heit ijt metallijdes A. in 


meiſt mit Sdwefel verbunden als Untimongla 
(Grauſpießglanz) Sb,S, mit 714 Brox. aL, 
jilber= und & Idhaltig, mit Sdywefel und Cifen als | 
Verthierit FeS,Sb,S, und in zahlreichen Ricel-, Kup- 
fer-, Blei- und Sulbererzen, dann als Untimonarfen, 
Antimonnickel, Untimonjilber, orydiert als Untimon- 
bliite (Valentinit)Sb,O0,, Untimonoryd mit 83,32 Pro}. 
A. und Antimonblende (Rotſpießglanz) Sb,O0,,2Sb,8,, 
Antimonoxyd mit Schwefelantimon. 

Gewonnen wird das A. aus Graufpiefiglangers 
oder aus dem durd) Uusfeigerung dieſes Erzes in 
einem Flammofen mit geneigtem Herd gewonnenen 
Sdwefelantimon. Bei der Riederfdlagsarbeit 
wird bas Sdwefelantimon oder das robe Erz mit 
Eiſen erhitzt, wobei fic) Schwefeleifen bildet und A. 
abgefdicden wird. Man fest hierbet ſchwefelſaures 
Ratron und Kohle gu, damit das gebildete Sdpwefel- 
natriunt mit dem Schwefeleiſen cine leicht ſchmelzbare 
Slade bilbet, von der fic) das UW. Leidhter trennt. | 
Bei der Rijtarbeit wird das Er; oder das Schwe— 
felantimon im Flammofen geröſtet, wobet ſchweflige 
Säure entweidt, und das gebildete Antimonoxyd 
(Spießglanzaſche) mit Soda und Kohle in Tie- 
geln redugiert. Rohes W. enthalt ftets Arſen, Kupfer, 
Blei, Eiſen, Schwefel und wird gereinigt, indent man 
es wiederholt mit Sdwefelantimon und Goda und 
dann nod) zweimal mit fohlenfaurem Natron ſchmilzt, 
wobei erforderlid ijt, daß Das A. ſtark eiſenhaltig fei. 
Reines W. zeigt auf der Oberfläche ſchön kriſtalliniſches 
Gefiige, den Stern. Beim eleftrolytifden Verfahren, 
das bts jet wenig praftijde Bedeutung hat, wird das 
Sdhwefelantimon durch Wlfalijulfhydrat in Löſung 
gebracht und aus der Lauge dads A. gefällt, worauf 
fie Dont neuem als Lifungsmittel benugt wird. 

Reines U. ijt glänzend bläulich-ſilberweiß, grob- | 
blatteriq frijtallinifd, vom fpes. Gew. 6,71, Utomge- 
widt 120; es ijt Harter als Kupfer, leicht pulverifier- | 
bar, verändert fic) nicht an der Luft, ſchmilzt bei | 
630°, verflüchtigt fic) oberhalb 1300°, verbrennt an 
der Luft gu Unttmonoryd und gibt vor der Ldtrohr- 
flamme auf Roble ftarfen weijjen Beſchlag. Bei hoher 
Temperatur zerſetzt es Wafferdampf. Es löſt fid) in 
Königswaſſer gu Yntimondlorid, wird von Heifer 
fonjentrierter Schwefelſäure in jdjwefelfaures Unti- 
monoryd und von Salpeterfiure in Untimonoryd 
und Untimonfaiure veriwandelt; mit Salpeter mia) 
es im gliibenden Tiegel gu antimonfaurem Kali. Mit 
Chior und Schwefel verbindet es ſich direft. Äußer⸗ 
lich gleicht Das UW. den Metallen, aber in feinem che— 
mifi Verhalten bildet e3 mit Phosphor und Arjen 
eine natürliche Gruppe; es ijt drei- und fiinfivertiq 
und bildet mit Gauerjtoff Sintimonoryd Sb,O, und 
Untintonpentoryd Sb,O, und mit Wafferjtoff den 
Untimonwafjerjtoff H,Sb. Erplofives UW. wird aus 
Untimond)lorid cleftrolytijcd als ſilberglänzende Maſſe 
erhalten, e3 enthalt Waſſerſtoff (und Untimondlorid), 
zerſtiebt beim Rigen, Sdlagen und bei 200° erplo- 
fion8artig und bildet mit Duedfilber tein Umalgam 
Unterſchied vom gewöhnlichen A.). 

Produftion: Deutſchland 3149, Frankreich 1499, 
Ungarn 940, Stalien 581, Neufiidwales 332, Ofter- | 

id) 271, Japan 229 Tonnen. A. dient sur Dar- 
ſtellung mehrerer Farben und argneilid) benugter 

ate; aus Untimondlorid durd Rint als ſchwar⸗ 
zes Pulver (Cifenfdwar3) gefillt, wird es zum 














nj | TranSfaufafien und im Kaukaſus ju Schmuckgegen— 
oft | ſtänden benutzt worden, und nad) Funden in Tello 


war es aud) den Chalddern befannt. Wud) mande vor- 
geſchichtliche Brongen enthalten W. (bis 7 Proz.). Ob 
unter dem auf den ägyptiſchen Denkmälern genann- 
ten Farbmittel Meſtem, ſpäter Settem, das gum Be- 
malen der Augenbrauen benutzt wurde, Spießglanz 
pu verjteben fet, ijt nod) nicht entſchieden. Diosfori- 

es und Plinius befdreiben die Gewinnung von A. 
aus Spießglanz (stibium) und bejpredjen die Be- 
nugung desfelben als Heilmittel. Din Hebräiſchen 
und Arabiſchen heißt der Spießglanz Kohl, und die- 
ſes Wort ging als Alcool tn andre Sprachen über 
und wurde fpater auf den Weingeiit —— (vql. 
Ulfohol). Jn der lateinijden Uberjesung Gebers aus 
demt 16. Jahrh. wurde der Spießglanz zuerſt Anti- 
monium genannt. Die Benennung Spießglanz ge- 
braudjt juerjt Bafilius Valentinus, der in fement 
»Triumphwagen de3 Antimons« (1460) viele Prä— 
parate desfelben beſchreibt und aud) die Darjtellung 
des Untintons, dieſe aber nicht als ctiwas Neues, an- 
—— Man benutzte damals das A. auch zur Schei— 

ung des Goldes und Silbers und als Heilmittel. In 
Bechern aus A. ließ man Wein längere Zeit ſtehen, 
um ihn dann als Brechmittel zu verwenden; auch 
wurden Pillen aus A. benutzt. Da aber die Mönche 
ep mit dem A. trieben, jo erlic Franz IT. einen 
den Gebrauch deSfelben verbietenden Befehl gegen die 
Mönche (anti monachon), daher angeblicd) der Name 
A. 1566—1666 war die medizinifde Benutzung de3 
Antimons in Frankreich verboten. 

Antimonarjéen, Mineral, ſ. Allemontit. 

Antimonbajen, |. Bajen. 

Antimonblei, ſ. Untimonlegierungen. 

Antimonblende (MotfpieHqlangzerg, Byro- 
jtibit), Mineral aus Untimonoryd mit Schwefelan— 
timon Sb,0,,2Sb,S,, triftallifiert monoflin, und zwar 
nadel- oder haarformig, felten derb; Farbe firjdrot, 
Diamantglang, ſchwach durchſcheinend. VW. findet ſich 
mit andern Untimonerjen zuſammen, befonders ſchön 
ju Bräunsdorf in Sachſen und gu Ptibram, aud) zu 
Southam in Djtfanada. 

UAntimonbliite (Weißſpießglanzerz, Valen- 
tinit), Dtineral, Untimonoryd Sb,O, mit 83,56 Proz. 
Yntimon, bildet einzeln aufgewadfene oder zu Gar: 
ben und Fächern zuſammentretende athe Rri- 
jtalle, aud) derb und ecingefprengt, ijt qelblid)- oder 

raulichweiß, halb durchſichtig bis durchſcheinend, mit 
———— und Diamantglanz, Härte 2,5—3, ſpez. 
Gew. 5,6. A. findet ſich mit andern Antimonerzen 
zuſammen bei Freiberg, Wolfsberg am Harz, Pribram, 

llemont und beſonders in Algerien. Das Antimon— 
oxyd fommt als Senarmon tit aud in oktaedriſchen 
(teſſeralen) Formen und derb vor, weiß bis grau, 
diamantglänzend, Härte 2—2,5, ſpez. Gew. 5,2— 5,3, 
beſonders zu Sanſa in Konſtantine und Southam in 
Oſtkanada. 

Antimonbutter , ſ. Antimonchlorid. 

Antimondlorid (Antimontrichlorid, Anti— 
monchlorür, Chlorantimon) SbCl, entſteht bei 
Einwirkung von Chlor auf überſchüſſiges Antimon, 
bei Deſtillalion von Antimon mit Quecſilberchlorid; 
es ſetzt ſich im kältern Teil des Apparats als farbloſe, 
triſtalliniſche, butterartige Maſſe (Spießglanzbut— 
ter, Antimonbutter, Butyrum Antimonii) ab. 

37* 


580 


Dieſe raudt an der Luft, zieht Feuchtigheit an und zer⸗ 
fließt, ſchmilzt bei 73°3u einer Hligen Flüſſigleit, fiedet bei 
223°, wirkt höchſt ätzend, löſt fich in — aber 
durch Waſſer zerſetzt, wobei ſich Antimonoxychlo— 
rid (Algarotpulver) als weißes Pulver abſcheidet, 
das beim Kochen mit viel Waſſer Antimonoxyd gibt. 
Cine Löſung von A. aus Grauſpießglanz (Schwefel⸗ 
antimon) mit Salzſäure bereitet (Liquor stibii chlo- 
rati, Cauterium antimoniale) wird zur Bereitung 
von Ygpajten, zum Briinieren von — (da⸗ 
her Bronzierſalz), zur Beize auf Silber, zur Dar- 
ſtellung von Antimonzinnober und Lackfarben und 
in ———— benutzt. Antimontrichlorid gibt mit 
Chlor und Antimon mit überſchüſſigem Chlor An⸗ 
timonpentadlorid (Antimonſuperchlorid) 
8b0l, als farbloſe, an der Luft ſtark rauchende, höchſt 
ätzend wirkende Flüſſigleit, die in ber Källe erſtarrt, 
bei 140° in Chlor und Trichlorid zerfällt, mit wenig 
Wafer ein feſtes Hydrat bildet und mit mehr Waſſer 
Antimonſãure liefert. Man benugt es in der organi- 
jden Chemie als Chloritbertriager. 
Antimondioryd, |. Untimonoryd. 
Antimonfahler;, Mineral, ſ. Fablers. 
Antimonfluorid SbF, entiteht beim Ldfen von 
Untimonoryd in Fluorwafferjtofffaiure und bildet zer⸗ 
fließliche rhombiſche Rrijtalle. Man benugt A. und 
Doppelfalye desielben in der Färberei als Beize, na- 
mentli antimonfluoridfjdwefelfaures Um- 
moniaf SbFl,.(NH,),SO,, das febr leicht friftallifiert 
und in Waffer fehr leicht löslich ijt. 
Antimongelb, ſ. Untimonpentoryd. 
Untimonglang (Untimonit, Graufpief- 
glanzerz), Mineral, Sdwefelantimon S8b,S, mit 
71,76 Proj. Untimon, zuweilen goldhaltig, findet ſich 





Antimonglang. 


in langfaiuligen und nadelfirmigen rhombifden ri 
jtallen jowie derb und cingefprengt in ftengeligen (f. 
Tafel »Mineralien«, Fig. 4), faferigen, auch didten 
Aggregaten, ijt bleiqrau und auf der Spaltungsflace 
ſtart metalliſch qliingend, Harte 2, fpes. Gew. 4,6-—4,7. 
A. erfcheint auf Lagern und Gängen im friftallini- 
ſchen Sahiefer- und Uberqangsgebirge, befonders reid) 
lid) bet Wolfsberg am —— —* in Weſtfalen, 
Ptibram in Böhmen, in Tosfana, ferner auf Borneo, 
auf Sdifofu in Siidjapan (mehr als fußlange Kri— 
jtalle, ſ. Abbildung), in Wuftrafien. Der 
wichtigſte Antimonerz, tft febr leicht ſchmelzbar und 
liefert durch einen einfachen Ausſeigerungsprozeß in 








| Schwefelantimon (Graufpiekglan;). 





mit Sauren die 


Antimondioryd — Antimonoryd. 


Tiegein, Röhren oder Flammifen das Spießglas 
(Spießglanz, ſ. Untimonfulfide). 

seat men et foviel wie Untimonoryd. 

Antimonialblei, |. Untimontegierungen. 

Antimoniate, Salje der Untimonfaure. 

AUntimonige Saure, ſ. Antimonoxyd. 

Antimonit, Mineral, foviel wie Untimonglanj. 

Antimonite, Salje der antimonigen Saure, j. 
Antimonoxyd. 

Antimonium (Stibium), Antimon; A. era 
A.sulfaratum crudum, nigrum, ſchwarzes Schwefel- 
antinton, Grauſpießglanz; A. metallicum, requlini- 
ſches Antimon; A. sulfuratum aurantiacum, Gold- 
ſchwefel; A. sulfuratum rubeum, Wineralfermes. 

AUntimonlegierungen, Berdindungen und Mi- 
jhungen des Untimons nuit andernMetallen. Untimon 
vereinigt fid) beim Zuſammenſchmelzen mit fajt allen 
Metallen und macht diefelben glänzender, barter, ſprö— 
der. Mit Blei bildet 3 Untimon-, Antimonial: 
oder Hartblei, das aud als Letternmetal! be- 
nugt wird. Setzt man die Harte des Bleis — 1, fo 
ijt jie bet ciner Legierung mit 65,14 Untimon 11,7. 
——— ierungen, die oft aud) Kupfer und 
inf enthalten, bilden Das Britanniametall, dbn- 
lide, 3. T. bleibaltige Das Untifriftionsmetal! 
(Wei gu) su Zapfentagern; 7 Untimon geben mit 
3 Eiſen die Reaumurſche Legicrung, die bean 
Feilen Funfen fpriiht; die Legierung aus 75 Kupfer 
und 25 Yntimon ijt fprdde, kriſtalliniſch, politurfibig, 
ins Violette fpielend; eine antimonreiche Kupferlegie 
rung ift glingend wei. Untimonfalium dient zur 
Darelung organijder Untimonverbindungen. 

ntimonmobr, ſ. Aethiops. 

Antimonnickel, Mineral, ſ. Breithauptit. 

A Antimonnickelglauz, Mincral, ſ. Ridelantimon- 
ies 


Autimonocker, Mineral, in erdigen rujten und 
als Unflug auf Untimonglany, ftroh- bis odergelb und 
ges. weid) und gerreiblid), ſpez. Gew. 3,7; bettebt aus 

ntimonoryd mit etwas Waffer; findet fic) als Rer- 
jeBungsproduft des Untimonglanyes ju Wolfsderg 
am Harz, Mazurka in Ungarn x. 

Antimonozalat, ſ. Oralfiurefalye. 

Antimonoxyd (Untimontrioryd, Anti- 
monberoryd Sb,O,, Untimonigfaureanhy- 
drid)Sb,O, findet ſich in der Natur als Senarmontit, 
Untimonbliite und Untimonoder, entiteht berm Ber- 
brennen des Untimons in einem ſchrãg liegenden Tiegel 
bei bober Temperatur (Wntimonblumen), berm 
Behandein von Untimon mit verdiinnter Salpeter: 
faure, beim Soden von Wigarotpulver (Yintimonory- 
chlorid) mit fohlenfaurem Natron, beim Fallen von 
Untimontridlorid mit Soda und beim Röſten von 
Es wird im 
großen Direft aus den Erzen durch Rdjtung in Kam— 


meröfen und Verdichtung der Dampfe in befondern 


Räumen gewonnen. A. bidet farblofe, diamantglin- 


zende Rrijtalle, 8 ijt dimorph und in beiden Fallen 


ifomorph mit Urfenigfiureanbydrid, wird beim Er⸗ 
hitzen voriibergehend gelb, fdmilst bet hoher Tem- 
peratur und fublimtiert und orypdiert fic) beim Erhihen 
an der Luft su farbloſem, nicht itdhtiqem Untimon- 
tetroryd Sb,O, (UntimondiorydSbO,); Waſſer⸗ 
jtoff und Kohle reduzieren es leidt zu Antimon, m 
Waſſer ift es nahezu unlöslich, aber löslich in Saly- 
ſäure (zu Antimonchlorid), konzentrierter Schwefel⸗ 


-, dad ſäure, Weinſäure. Mit Alkalien bildet es die unbeſtän⸗ 


digen antimonigſauren Salze (Untimonite), 
ntimonoxydſalze, von denen 


Antimonorydfali — Antimonwaſſerſtoff. 


nur einige mit organijden Säuren beftiindig find. 
Weinfaures Untimronorydfali bildet den Bredwein- 
ftein. A. iſt giftig und wirft, wie feine Verbindungen, 
brechenerregend. Es war friiher ofjizinell (Flores 
antimonii, Stibium oxydatum) und dient zur Dar- 
jtellung von Bredweinjtein und andern Untimon- 
priiparaten fiir die Färberei. ſſtein. 

Antimonoxydkali, weinſaures, ſ. Brechwein 

Autimonpentaſulfid, ſ. Antimonſulfide. 

Antimonpentoxyd (Antimonſäureanhy— 
dryd) Sb,O, entſteht bei Behandlung von Antimon 
mit mage ener und fhwadem Erhitzen des Pro- 
dults. bildet cin blaßgelbes, beim Erhitzen dunt- 
ler werdendes Pulver, das ſich in Waſſer kaum löſt 
und bei —— Erhitzen in Tetroxyd 8b,0. (Dioryd 
SbO,) übergeht. Es war frither als Materia perlata 
offizinell und dient in der Glas- und Porzellanmale- 
rei al8 gelbe Farbe, zur Darjtellung von Anilinfar- 
ben und gu Glafuren. Beim Zufammenfdmelzen mit 
Ulfalifarbonaten entwicelt e3 Rohlenfaiure und bildet 
antimonfaure Salje. Diefe find bis auf das Ralium- 
und Ammoniumſalz in Waſſer unlöslich und werden 
leicht zerſetzt. Aus ihren Löſungen fällt Salpeterfiure 
Antimonſäure H,SbO, als weißes Pulver, das in 
Waſſer kaum löslich ijt und bei 175° in Metanti- 
monfaureHSbO, iibergeht. Byroantimonfaure 
H,Sb,O, bildet ein in faltem Waſſer fajt unldslidjes 
Ratronjal; H,Na,Sb,O, + 6H,0. Untimonfaures 
Rali (Raliumantimoniat) 2KSbO, + 3H,0, 
durd Berpuffen von Untimon mit Salpeter erhalten, 
ijt gummiartig, in pr jiemlich ſchwer löslich und 
dient als Reagens auf Natron, frither wurde es als 
Antimonium diaphoreticum arjneilid) benugt. An— 
timonfaures Blei (Bleiantimoniat) Pb(Sb,), 
wird aus Bleildfungen gefällt, ijt weiß und wird berm 
Exhigen unter Waſſerverluſt gelb. Durch Schmelzen 
von ſalpeterſaurem Blei —38 


581 


Antimonfilber (Spießglasſilber, Distra- 
fit), Mineral, bejteht aus Untimon und Silber und 
enthalt 63,9 — 84,2 Proz. Silber, ijt filberweif, gelb- 
lich oder ſchwärzlich angelaufen, Harte 3,5, ſpez. Gew. 
9,4—10,0, und findet ſich in rhombifden Rrijtallen 
und derben Maſſen, befonders bei Undreasberg und 
Ultwolfad in Baden. 

UAntimonfilberblende, Mineral, ſ. Rotgiltigerz. 

Untimonfulfidbe (Sdhwefelantimon), Bee. 
bindungen deS Untimons mit Schwefel. Dreifad- 
— (Antimontriſulfid, An— 
timonſulfür) 8b,S, findet ſich in der Natur als 
Antimonglanz (Graujpiesglan3) und wird aus dem 
Erz durd) Seigerung im Flammofen abgefdieden. Es 
tommtal8S Spleßglanzi Spießglas, Antimonium 
crudum, Stibium sulfuratum nigrum) in den Handel 
und bildet eine ſtrahlig kriſtalliniſche, grapbitfarbene, 
metallglaingende, abfarbende Maſſe vom ſpez. Gew. 4,7, 
ift febr leicht ſchmelzbar, in hoher Temperatur fliidtig, 
löſt fic) in Salzſäure unter Entwidelung von Schwefel⸗ 
waſſerſtoff gu Untimondlorid, verwandelt ſich beim 
Erhigen an der Luft unter Entwidelung von ſchwef— 
liger Säure in Untimonoryd, verpufft mit Salpeter 

uantimonfaurem Kali, erplodiert fer heftig mit chlor⸗ 
ti Kali und liefert beim Erhigen mit Eiſen me- 
talliſches Antimon. Wan benugt es zum Uusbringen 
des Goldes aus goldhaltigem Silber, zu Feucrwerts- 
faigen, Zündpillen fiir Patronen und in der Veterinär⸗ 
raxis. Ym Orient benupen es die Frauen feit dem 

itertum gum Bemalen der Uugenbrauen. Antimon⸗ 
ſulfür wird aud) aus Bredweinjtein- oder Untimon- 
chloridlöſung durd) Schwefelwaſſerſtoff als orange- 
rotes Pulver gefillt; es verhalt fic) gegen baſiſche 
Sdhwefelmetalle wie cine Säure (fulfantimonige 
Saure) und bildet mit ihnen Schwefelſalze. Mit 
foblenjaurem Kali gekocht, bildet es cin Schwefelſalz 


rechweinſtein mit Koch⸗ und antimonigſaures Kali, und aus dieſer Flüſſigkeit 


ſalz und Auslaugen oder durch Röſten von Untimon: ſcheidet ſich beim Erfalten der Mineralkermes (Sti- 


oryd mit Bleiglatte erhalten, dient es als —— 
orangegelbe Ol- und Schmelzfarbe (Neapelgelb, 
Untimongelb). 

Antimoupraparate, arzneilich benutzte Präpa— 
rate, die Antimon als weſentlichen Beſtandteil ent- 
halten. Sehr viele A. ſind veraltet, — werden 
nod) Goldſchwefel (Sulfuraurat, Stibium sulfuratum 
aurantiacum) und Brechweinſtein (Tartarus stibia- 
tus), cine Löſung desfelben in 249 Teilen Xereswein 
(Brechwein, Vinum stibiatum) und eine Verreibung 
mit 4 Teilen Paraffinjalbe (Brechweinſteinſalbe, Un- 
guentum tartari stibiati) angewendet. Weniger ge 
bräuchlich find ſchwarzes Sdywefelantimon (Stibium 
sulfuratum nigrum), Rermes (Stibium sulfuratum 
rubeum, Pulvis Carthusianorum) und die Löſung 
pon Wntimontridlorid (Liquor stibii chlorati). 

Antimonradifale, Verbindungen de3 Untimons 
mit Ulfobholradifalen. Trimethyljtibin Sb(CH,), 
entiteht aus Untimonnatrium und Jodmethyl und 
Dejtillation des Produfts (Untimonmethyliumjodid 
Sb(CH,),J] mit Untimonfalium. Cs bildet cine ſchwere, 

iebelartig riedjende Flüſſigkeit, fiedet bei 81°, ift 
elbſtentzündlich und verhält fic) wie ein zweiwerti— 

es Metall. Tetramethyljtiboniumbhydroryd 

b(CH,),OH, aus Untimonmethyliumjodid und Sil 
beroryd erhalten, ijt farblos, kriſtalliniſch, fliidtig, 
bildet mit Salzſäure Rebel und verhalt ſich wie Kali— 
hydrat. Seine bittern Salze wirfen nicht giftig, aud) 
“— bredjenerregend. 

utimonregũlus, metallijdes Untimon. 
Antimonfaure, ſ. Untimonpentoryd. 


bium sulfuratam rubeum), cin Gemiſch von Schwe— 
felantimon mit YUntimonoryd, ab, das früher als 
Urgneimittel benupt wurde. Finffadh-Sdhwefel- 
antimon (Untimonpentafulfid, Gulfurau- 
rat, Boldfdwefel)Sb,S, wird aus Untimonpenta- 
chlorid durch Schwefelwaſſerſtoff Fd und durd) 
Zerſetzung des fulfantimonfauren Ratrons (Sd lip - 
peſches Salz) Na,SbS,+9H,0 nut Gaure dar- 
geftellt. Letzteres Salz entſteht beim Roden von Anti— 
monſulfür (Spießglanz) mit Natronlauge und Sdwe- 
fel und kriſtalliſiert in großen, — Kriſtallen. 
Der Goldſchwefel (Stibium sulfuratum aurantiacum, 
Sulfur auratum antimonii) bildet ein gerudj- und 
eſchmackloſes, in Wafjer unlösliches, orangefarbenes 
—8* löſt ſich in Schwefelalkalien und Alkalien un— 
ter Bildung fulfantimonfaurer Salze und zer— 
fällt beim Exbigen in Trifulfid und Schwefel. Es 
dient als Expeftorans bei Katarrh, zum Bulfanifieren 
des —— u. — von Zündhölzchen. 
ntimontetro . 
Malimenitteces \ j. Untimonoryd. 
Antimontrijulfid, |. Untimonjulfide. 
Antimonwafferitoff (Stibin) H,Sb entfteht aus 
Antimonzinklegierung bei Behandlung mit Weinfaiure 
und Salzſäure, aus Untimondlorid mit Natrium— 
amalgam, und wenn Schwefelſäure auf Zink bei Ge- 
genwart von Antimonoxyd einwirft. Farblofes Gas, 
von eigentitmlidjem Geruch, in der Kälte farblofe Rri- 
ftalle, wird dDurd) Luft oder lufthaltiges Waffer fofort 
zerſetzt. Das Gas brennt mit grünlichweißer Flamme 
unter Bildung weifer Dämpfe von Untimonoryd, 


582 


gibt auf Borzellan, da’ man in feine Flamme te 
oder im erbigten Rohr (bet 150— 200°) einen ſpie⸗ 
gelnden Fle von Untimon und erzeugt in Silber- 
lifung einen ſchwarzen Riederfdlag von Antimon— 
jilber. In diefem Berhalten gleicht A. dem Arſen⸗ 
waſſerſtoff, dod find die Antimonflecke in Natrium- 
hypochloridlöſung untdstid. 

UAntimonzinnober Sb,OS, wird aus Untimon- 
chloridlöſung durd) Erhigen mit unterſchwefligſaurem 
Natron erhalten, bildet em farminrotes Pulver, wider- 
jteht allen verdiinnten Säuren, mit Uusnahme der 
Salzſäure, ijt licht- und luftbejtindig, wird aber von 
ähzenden Allalien und Ralf fofort zerſetzt. A. über— 
trifft als Olfarbe den gewöhnlichen Zinnober. Der 
früher arzneilich benutzte Cinnabaris antimonii, der 
bei Bereitung von Antimonchlorid aus Quechkſilber⸗ 
chlorid und Schwefelantimon als Nebenproduft er- 
halten wird, beſteht aus Schwefelquechſilber. 

Antimoralismus (lat.) bedeutet ein Syſtem, in 
welchem der ſittliche Unterſchied ‘gt eg @utem und 
Böſem aufgehoben wird; ſ. Ethik. Val. 3. B. Nieg- 
ſche, Jenſeits von Gut und Boje (Leipz. 1886). 

Untinoé, alte Stadt, ſ. Antinoopolis. 

AUntinomie (qried)., »Gefepeswiderjtreit<), Wider- 
fprud) der Geſetze, die Rollifion gwifden verſchiedenen 
Geſetzen in cin und demfelben Geſetzbuch. In der 
philoſophiſchen Spradje der Widerjtrett sweier an ſich 
gid berechtigter Beqriffe oder Anſchauungsweiſen. 

tad) Rant verwidelt fic) Die Bernunft insbef. dann 
in Untinomien, wenn fie es verfudt, die Gefamtheit 
der Naturerjdeinungen als Totalitat, als in ſich ab- 
geſchloſſenes Ganges zu denfen. Es ergeben fic) dabei 
nämlich cinander widerfprechende Sige, die Dod) mit 

leid) guten Vernunftgründen fic) beweijen lajfen; 
R läßt lich Der Thefis, daß die Welt in Zeit und Raum 


endlich fei, die Untithefis entgegenjtellen, daß fie in 


beiderlet Hinſicht unendlid fet; der Behauptung, daß 
die Materie aus legten, einfaden Teilen beſtehe, tritt 
die andre entgegen, daß fie ing Unendliche teilbar fei; 
die Forderung, dak es eine erjte, durch nidts andres 
bedingte Urſache alles Geſchehens geben müſſe, beqeg- 
net der Behauptung, daß jede Urſache in der Welt 
durch cine vorangegangene in Tatigfeit geſetzt wird. 
Die Löſung dieſer Widerfpriiche ijt nad Rant nur da- 
durch möglich, daß man den Standpunft der Betrad- 
tung, in Dem fie wurgeln, die Vorausſetzung, daß die 
Dinge und ihr Zuſammenhang etwas an fic) Beſtehen⸗ 
des ſeien, aufgibt und zum tranſzendentalen Idealis— 
mus (j. dD.) tibergebt. 

Antinomismus (grid, im allgemeinen foviel 
wie Vejtreitung und Verwerfung de3 Geſetzes, in der 
Theologie bejonders die Gering Hhipung des mofai- 
ſchen Sittengejepes. Antinomiſtiſche Richtungen haben 
thren Grund bald in einer dualiſtiſchen Spannung des 
Gegenſatzes zwiſchen Geijt und Materie, bald in einer 
ſchwärmeriſch iibertriebenen —— von der chriſt⸗ 
lichen Freiheit, bald in dem Wunſch, 


bei den alten Gnoſtikern, bei manchen myſtiſchen Sek⸗ 
ten Des Mittelalters und der reformatoriſchen Kirche 
(j. aud) Agricola 5). 

Antinonnin(Kaliumdinitroorth ofrefolat) 
C,H,N,O, tommt als Paſte mit Seife in Handel, iſt 
geruchlos und wird gegen Pflanjenparafiten, gegen 
Sdimmel, Hausfdwanun und zur Vertilgung der 
Nonne berugt. 

Untinoopolid (aud Untino®, antife Stadt in 
Oberagypten (Heptanomis), 122 n. Chr. von Hadrian 


ie allmächtige 
Wirffamfeit ded Glaubens praftifd gu bewähren. 
Solche antinomiſtiſche Richtungen finden wir fdon | 


Wntimonzinnober — Wntinori. 


| gegründet (j. Untinoos 2). Tritmmer beim Heutigen 
| Shih Abäde, gegenüber von Roda. 

| Wntindos, 1) der frechſte unter den Freiern der 
| Penelope (f. d.), Daber zuerſt von Odyſſeus mit dem 
| Bogen erlegt. 

2) Schiner Jüngling aus Claudiopolis in Bithy- 
| nien, Liebling und Reifeqefabrte des Kaiſers Hadrian, 
ſtarb freiwilliq unweit Bera im Nil aus Schwermut 
oder, einem Aberglauben folgend, um durch feinen 
Opfertod das Leben des Kaiſers zu verlangern. Der 
Raijer liek ibn unter die Heroen verfe erbaute ihm 
ju Ehren Untinoopolis (j. d.) auf den Trüͤmmera 
von Beja fowie zahlreiche Tempel in Bithynien, in Ar⸗ 
fadien und anderwärts und ordnete ibm jährliche Feit- 
ſpiele an. Auch ein Sternbild erbielt ſeinen Namen. 
Cine Menge von Statuen und Biijten, Gemmen und 
Münzen jtellte ihn als das Ideal jugendlicher Schon 
| beit dar, oft mit Den Wttributen einer beſtimmten Gott- 
heit (Dionyfos, Hermes, Upollon, Asklepios rc.). Biele 








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— 1\ 
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Antinoos Gelief der Bila Albani in Rom). 





| Diefer Bildwerle haben ſich erhalten und gehören 4. T- 
zu den ſchönſten Werfen der römiſchen Kunjt. Beruhnit 
iſt die koloſſale Bildſäule des A. im Vatiklan, aufge 
funden in Paleſtrina, wo Kaiſer Hadrian eine Villa 
hatte, den Jüngling als Dionyfos darſtellend, mut 
Efeukranz und hangenden Loden, und die Antinoos 
jtatue im Kapitoliniſchen Muſeum, gefunden im der 
Villa Hadrians zu Tivoli. Als die treffendjte Dar- 
| jtellung des A. dürfte Das Reliefbruſtbild aus Mar- 
mor in der Villa Albani gelten, das ebenfalls ans 
Hadrians Billa bei Tivoli ftammt (fj. Whbildung). 
Charatterijtijcd find fiir die Untinoosbilder das jtarte, 
etwas durcheinander geworfene Haupthaar, die grofen 
Augen mit plajtifcd hervorgehobenen, breiten Augen 
brauen und vor allem der melandolijde Geſicht 
ausdrud. Gegen Verehrung des A. eiferten nod im 
4. Jahrb. bie riftlichen Mirchentehrer vergebens. Bal. 
Levezow, Uber den A., dargeſtellt in Kunſtdenl 
milern (Berl. 1808); Dietridjon, Untinvos (Chn- 
jtiania 1884); Laban, Der Gemiitsausdrad des B. 
(Berl. 1891). Des W. Verhältnis zu Hadrian ijt Ge 
genjtand der Romane »Yntinous« von G. Taylor 
(Hausrath) und »Der Kaiſer · von G. Chers. 
Antinori, Orajio, Mardefe, Zoolog, ged. 
28. Oft. 1811 in Perugia, geſt. 26. Aug. 1882 gu Lett 
| Marefia in Schoa, ftudierte Raturwitlenichaften in 





Antinofin — Antiodos. 


ia und Rom, beteiligte ſich feit 1845 febhaft an 
politijden Bejtrebungen und fimpfte 1848 bei Velletri 
geaen die Neapolitaner und bei der Verteidiqung Roms. 
ach Einzug der franzöſiſchen Truppen ging er nad) 
Athen und nad Smyrna, das er gum Wittelpuntt 
jeiner wiſſenſchaftlichen Ausflüge machte. 1854 be 
qleitete UW. die Fürſtin Belgiojojo nad) Syrien und 
durchwanderte ganz Rleinajien. 1860-—61 bereijte 
er mit Poggia die obern Rillander. Für eine ornitho- 
logiſche Sammlung (in Turin) lieferte er einen vor- 
trefflidjen Katalog (Mail. 1864). Nad) der Eröffnung 
des Suezlanals ſchloß er fic) der Expedition Sapetos 
und Beccaris nad) Ubeffinien an, wo er reidje zoolo— 
giſche Ernte hielt. Rady der Heimfehr wurde A. zum 
Sefretiir der Italieniſchen Geographiſchen Gefellfdaft 
(in Rom) ernannt. 1874 ging er zur Erforjdung der 
Shotts nad Tunis, und 1876 fiihrte er cine Expedi- 
tion nad) Sentralafrifa, auf der er die italienifdje 
Station Lett Marefia griindete. Bgl. G. Untinori, 
Il marchese Orazio A. (Perugia 1883). 
Antinofin, |. Noſophen. 
Antindus, Sternbild, f. »Wdler und A.« (S. 115). 
Autioche, Bertuis d’ pr. pertiii vangtisig”), Meer- 
enge an der Küſte des franz. —— Nieder⸗ 
charente, zwiſchen den Inſeln Ré und Oleron. Sie 
iſt durch einen Einbruch des Meeres entſtanden. 
— — Schule, eine theologiſche Schule, 
die im Gegenſa gegen die idealiſtiſche und fpefulative, 
oft in’ Bhantajtijdhe abjdweifende Richtung der Alex⸗ 
andrinijdjen Schule (ſ. d.) fic) die nüchterne Erfor- 
fduung des einfachen Schriftſinnes, mit nip tenant, 
der allegorijden Auslegung, zur Aufgabe fegte, un 
aus deren Reihen daher die gründlichſten und gelehr- 
tejten Exegeten hervorgegangen find. Als Stifter der 
Sule werden Dorotheo3 und Lufianos (gejt. 311), 
zwei Presbyter zu Untiodia in Syrien, genannt, und 
ju a bedeutendjten Bertretern gehören Cyrillus 
pon jalem, Diodor von Tarjo3 und deſſen Schü⸗ 
fer Theodor von Mopfuejtia fowie der Biſchof Johan- 
ne3 Chryſoſtomos von Konjtantinopel. Die lepten 
nambaften Bertreter der Sdule waren Ibas von 
pent und ber Rirdenbijtorifer Theodoretos, Biſchof 
vor Cyrus. Der Gegenfag der antiocheniſchen Schule 
u der alerandrinijden war anfangs ein bloß wiffen- 
Pe aftlicher, wurde aber unter den origeniſtiſchen und 
nejtorianifden Streitigfeiter zu einem ausgepriigten 
firdhlich-Doginatijchen, indem die alexandriniſche Saute 
in Bezug auf das Verhältnis der beiden Raturen in 
Chrijtus zu einer monophyfitijden Auffaſſung = 2 
neigte, wabrend die a. S. an der Trennung der Na- 
turen fejthtelt. Bgl. Kihn, Die Bedeutung der an- 
tiocheniſchen Schule auf eregetifdem Gebiet (Weifen- 
bitrg 1867). 
utiocheniſches Fiirftentum, von den Kreuz⸗ 


fabrern nad der Einnahme der Stadt (3. Juni 1098) fiſch 


geqriindet, wurde von Bohemund I. und feinen meijt 

leichnamigen Nadfolgern bis auf Bohemund VI. 
— * der es 19. Mai 1268 an Sultan Beibars 
von AÄgypten verlor (j. Bohemund). 

Antiodia (Antiocheia), Name mehrerer Städte 
des Altertums: 

1) A. bei Daphne, ſo genannt nach dem nahen 
Apollohain —* (j. d.), Hauptitadt von Syrien 
und Reſidenz der Seleufiden, am Orontes, 25 km vont 
Meer, in frudtbarer Talebene, die prächtigſte der 16 
von GSeleufo3 Nifator gum Undenfen feines Vaters 
Untiodos erbauten gleidjbenannten Städte. Ihre 
Griindung fallt in das Jahr 301 v. Chr. ; der Zudrang 
von Koloniſten madte aber wiederholt neue Anlagen 


583 


ndtig, fo da A. zuletzt unter Untiodos Epiphanes 
aus vier Duartieren bejtand, deren jedes mit befon- 
Derer Mauer umgeben, zugleich aber in die allgemeine 
tarfe Befeſtigung eingeſchloſſen war. Die höchſte 
litte Untiodias fällt in die Zeit Antiochos' d. Gr. 
und mehr nod in die der römiſchen Kaiſer. Damals 
zählte A. über 500,000 Einw. und wurde wegen fei- 
ner Bradt und Größe mit Rom verglicen. Unter 
der römiſchen Herrſchaft war A. aud) Reſidenz des 
Profonjuls von Syrien, in drijtlider Zeit Sig eines 
der vier dltejten Patriarden des Rimerreids und be- 
rühmte Pflegeſtädte antifer, namentlid) aber chriſtlich— 
theologijder Wiſſenſchaft. In A. bildete ſich die erjte 
grohere Chrijtengemeinde außerhalb Balajtinas, fam 
er Name Chrijten zuerſt auf (Wpojtelgeid. 11, 26) 
und erbielt Der Heidenapojtel Paulus die Weihe. Von 
252— 380 wurden bier zehn Kirchenverſammlungen 
ehalten. Der Verfall von A. datiert feit dem 5. Jahrh.; 
erwüſtungen durch Erdbeben vereinigten fic) mit der 
Seritorungswut Hftlider Barbaren, um die Stadt in 
Schutt gu verwandein. Der Perjerfinig Chosroes 
pliinderte 538 A. und führte die wohlhabendjten Biir- 
ger als Sflaven hinweg. Jujtinian erbaute gwar auf 
Tritmmern cine neue Stadt, Thetipolis, ver- 
modjte inded die alte Größe nicht wieder zurückzufüh— 
ren. Römer, Perſer und byzantiniſche Griedjen hat- 
ten unter den Mauern Untiodiad bereits wiederholt 
um den Beſitz der Stadt gejtritten, die Araber fie 637 
bis 969 offupiert und die Sarazenen fic) ſchon feit 
1084 in ihr als Gebieter behauptet, als das erjte Kreuz⸗ 
heer vor A. erjdjien. Nad) neunmonatiger Belagerung 
jiel A. endlich 3. Juni 1098, und Boemund von Ta- 
rent pflangte das Chrijtenbanner an die Stelle des 
Halbmondes und wurde Fiirjt von W. unter griedi- 
ſcher Lehnsherrlidfeit. Das anriicdende perſiſche Ent- 
japheer wurde gefdlagen, nadjdem Peter von Amiens 
die heilige Lanze aufgefunden und die Kreuzfahrer 
dadurch begeijtert hatte. 1268 wurde fie von dem 
ãgyptiſchen Sultan Beibars erobert und ijt ſeitdem 
mohammedaniſch geblieben. Auf ihrer Stätte ſteht 
jetzt die Stadt Untafie (f. d.), die mur einen kleinen 
Teil im NW. der alten einnimmt; der iibrige Raum 
ijt mit Triimmerhaufen angefiillt und in der Ebene 
mit Maulbeer-, Feigen- und Olivenpflanjungen be- 
jtanden. Das eingige Denfmal aus der Heit des alten 
Glanzes find die rdmifden Befeſtigungen, bejtehend 
in einer Mauer, die von einem Graben umgeben und 
mit angeblid) 360 bis gu 25 m Hohen Tiirmen ver- 
ſehen war, von denen nod) einige vorhanden find, 
ebenfo wie von den alten Toren. Nordöſtlich in der 
Ebene Et Amk liegt der See von A. (aud) UE De- 
nis genannt), ca. 70 m it. M. und von verſchiedener 
Ausdehnung je nad) der Jahreszeit (im Durchſchnitt 
25 km fang und 10 km breit). Er ijt ſeicht und 


reich. 

2) (A. Pifidia) Stadt in Piſidien, an der Grenze 
Phrygiens, wurde in der Seleutidenjeit von Magneſia 
(am Mäander) aus gegriindet, von den Römern jum 
pergameniſchen geſchlagen, unter dem Namen 
Cäfarea zur Kolonie erhoben und war in der ſpätern 
Kaiſerzeit Hauptſtadt der Provinz Piſidien. Bekannt 
iſt das dortige Wirlen von Paulus und Barnabas. 
Ruinen bei Jalowatſch. 

Untiodianer, ſ. Ahaſiten. 

Antiochos, im griech. Mythus Sohn des Herakles 
und der Meda, nach dem die attiſche Phyle Antiochis 
den Namen trug. 

Antiddos, Name mehrerer Könige von Syrien 
aus dem Hauſe der Seleufiden: 


584 


1) A. L, Soter (»Retter<), geb. 323 v. Chr., geft. 
261, Sobn de3 Seleufo3 J. Rifator, der ihm 293 feine 
zweite Gemablin Stratonife, des Demetrios Polior- 
fete3 Todhter, und als Mitregenten die Lander öſtlich 
pom Euphrat abtrat; nad) der Ermordung de3 Ba- 
ters Durd) Ptolemãos Keraunos (281) beherrjdte A. 
Syrien zuſammen mit ſeinen Söhnen Seleukos und 
Antiochos (II.). Mit Eumenes von Pergamon kämpfte 
er erfolglos (262 Niederlage bet Sardes); dagegen 
nahm er wegen eines Sieges über die Gallier (277) 
den Beinamen Soter an. 

2) WIL, Theos (»>Gott«), Sohn und Nachfolger 
des vorigen (261-246 v. Chr.), lämpfte unglücklich 

egen Pioleniäos Philadelphos von Ugypten und er- 
aufte 250 den Frieden dadurch, dak er feine Gemah—⸗ 
lin Laodife verſtieß und de3 Ptolemäos Tochter Be- 
renife heiratete; die Verſchmähte vergiftete 246 UW. und 
ftiftete ihren Sohn Seleufo3 (IT. Kallinikos) zur Er- 
mordung Berenifes an. Des A. Todter Stratonife 
heiratete 257 Uriarathes IIL. von Rappadofien, deren 
Schweſter Laodife den König Mithradates IV. von 
Pontos. Den Beinamen Theos gaben dem A. die 
Milefier für die Befreiung vom Tyrannen Timardos. 

3) U. TIL, der Grofe, sweiter Sohn de3 Seleu- 
fo3 IT. Rallinifo3, geb. 242 v. Chr., geſt. 187, bejtieg 
nad) dem Tode feines Bruders Seleufo3 Soter 223 
den Thron. Er fand da8 Reich, von dem fich Baktrien 
und Barthien losgemacht, die Ptolemäer Palijtina, 
Phodnifien, Kolefyrien, Kilifien und Karien an ſich ge— 
rijjem batten, in bedriingter Lage; der Ubfall von Per- 
jien und Medien fteigerte die Rot. A. verlor zwar 

egen die Hg pter 217 die Schlacht bei Raphia; aud 
Battrien und Medien fonnte er nicht wieder unterwer⸗ 
fer. Dagegen gelang es ihm, die innern Aufſtände 
zu unterDdriiden. Bon einem Heeres zug nad) dem Often 
(209) fehrte er 205 mit reidjen Gefchenfen aus Indien 
und Urabien heim und nannte fich feitdem » der Große⸗. 
Als 205 Ptolemäos Pbilopator jtarb, verband fic A. 
mit Boilipp von Mafedonien gegen den unmiindigen 
Ptolemãos Epiphanes. Während Philipp, dadurd 
mit Rergamon und Rhodo3 in Kampf geraten, den 
Römern unterlag, fiegte U. 198 am Verge Panion 
an den Yordanquellen und eroberte Köleſyrien und 
Phinifien zurück. Wis A. 196 die Thrakiſche Cher- 
fones befette, verlangten die Rimer von ihm die Riu- 
mung Europas. Dod A. breitete fid) in Thrafien 
aus und nahin den gefliidjteten Hannibal auf (195), 
ohne deffen Rat, die Römer fofort in Atalien felbjt 
anjugreifen, gu befolgen. Nachdem er 192 mit 10,500 
Mann in Griedenland gelandet war, Challis auf 
Euböa genommen und Thefjalien teilweije befest 
hatte, wurde er 191 von M.' Ucilius Glabrio bei den 
Thermopylen gefdlagen. Darauf zweimal (bei Rory: 
fos 191 und onnefos 190) sur See befiegt und 
von feinem eg ang Pruſias von Bithynien 
verlajjen, ward A. bei Magqnefia am Sipylos (190) 
durch L. Cornelius Scipio gänzlich befiegt und mute 
18% Stleinafien bis an den Taurus abtreten und 96 
Mill. Mf. zahlen; Hannibal liek er entfliehen. Des 
A. Macht war qebrodjen; Armenien madte fic felb- 
ftandig. Als er, um den Tribut fiir Rom aufzubrin— 
gen, tn Elymais den Belustempel pliinderte, ward er 
erſchlagen. Val. Tetzlaff, De Antiochi IL. Magni 
rebus gestis (Münſt. 1874); Brandis im 4, Band 
von Helmolts »Weltgefdhidte« (Leip3;. 1900). 

4) A. IV. Cpiphanes (der Eriaudte«), sweiter 
Sohn des vorigen und der Laodife von Pontos, re- 

ierte 175—164 v. Chr. Seit 189 zu Rom als Gei— 
Ri, bejtieg er nad) feines Bruders Seleufos IV. Phi— 


Antiodos Asfalonita — Antiope. 


| fopator Ermordung durd Heliodoros den Thron. Er 
faimpfte 171—168 gegen Ugypten und nabm den Kö⸗ 
nig Ptolemãos Philometor gefangen; dod) mufte er 
auf Berlangen des rimifden Gejandten C. Popillius 
Laenas Uqypten räumen. Durd) das Verbot der jfi- 
diſchen Religion und die Einfiihrung des Zeuskultus 
veranlagte er den Aufſtand der dgqyptifd geſinnten 
Juden unter den Maklabäern (f.d.), den er 167—164 
erfolglos befiimpfte. 164 A. gegen die Parther 
und jtarb gu Taba in terchien. — Setne Todter 
aodife wurde durch ihre Heirat mit Mithradates V. 
von Pontos Mutter Mithradates' d. Gr. 

5) A. V., Eupator (der Edelqeborne<), Sohn 
und Nadfolger des vorigen, reqierte 164— 162 v. Chr. 
unter Vormundſchaft des Philippos, dann des 
und ward mit diefem von Demetrios, dem in Rom 
bisher als Geiſel qehaltenen, jest von den Römern 
als Gegenfdnig aufgejteliten Sohn des Seleufos IV. 
Pbilopator, gejtiirst. 

6) U. VIL, Gidetes (von Sida in Bar lien, 
dem Ort feiner Erziehung, benannt), jiingerer 
de3 Demetrio3 L. Soter, Heiratete, als fein Bruder 
Demetrios I. Nifator 138 von den Parthern gefan- 
en genommen wurde, deſſen Gemablin Reopatra, 
ſtürzie Den Ufurpator Diodotos Tryphon, bejiegte dex 
Maktabier Johannes Hyrfan und belagerte Jerufa- 
lem, ſchloß aber aus Furcht vor Rom emen billigen 
Frieden. Er fiel 129 gegen die Barther. 

7) U. VILL, Gry pos (»>Habidtsnafe«), ward nad 
der Ermordung feines Baters Demetrios LI. Rifator 
(125 v. hr.) als Konig in einem Teil Syriens an- 
erfannt, befieqte 123 den Geqenfiniq Alexander Za: 
binas, zwang feine herrſchſüchtige Mutter Rieopatra, 
das Gift zu trinfen, das fie ihm bereitet hatte (Daber 
ironiſch Philometor, »der die Mutter liebt⸗), wurde 
aber von feinem Stiefbruder Untiodo3 IX. Kyzifenos 
—— und Phönikiens beraubt und 96 ermordet. 

8) A. X., Euſebes (oder Fromme⸗), Sohn des 
Antiochos IX. Kyzikenos, heiratete ſeine eigne Wutter 
Kleopatra Selene, die erſt die Frau des Antiochos VILL 
Grypos, dann die des Kyzikenos geweſen war, nach 
dem fie fic) vorher ſchon dem Ptolemãos X. Lathyros 
vermãhlt gehabt hatte; er fiel nad) 94 v. Chr. gegen 

die Parther. 
9) A. XIII. Ufiaticus, Sobn ded vorigen, erbielt 
68 v. Chr. von L. Licinius Lucullus nach Befiequng 
des Trigranes Syrien juriid, wurde indes 64 von 
Pompeſus entthront und bald danach ermordet. Er 
: 
| war der letzte König aus dem Haufe der Seleufiden, 
wabrend fid ein andrer Untiodos im Fürſtentum 
Kommagene nod einige Jahrzehnte Hielt. 
| Antiodos Astalonita, afademijder Poilofopd 
aus Askalon, Schüler des Philon aus Larifja, Scho⸗ 
ard) zu Uthen von 83 —74 v. Chr., wird als Stifter 
der fogen. dritten (nach anbdern Der filnften) Alademie 
betrachtet, indem er Blatonifde mit Urijtotelifden und 
ſtoiſchen Lehren in efleftifdher Urt veriniipfte. Cicero 
horte bei ibm 79. Bgl. Hoyer, De Antiocho Asca- 
lonita (Bonn 1883). 

Antidpe, 1) Tochter de3 Flußgottes Aſopos oder 
de3 Nyfteus von Hyria in Bodotien, von Reus Wut. 
ter der ———— mphion und Zethos. Wegen der 
von dieſen an Dirke verübten Rache von Donyſos 
raſend gemacht, durchirrte ſie Griechenland, bis Pho 
los fie heilte und heiratete. Bal. Amphion. 

2) Schweſter der Amazonenlönigin Hippolyte, vor 
Thefeus, der fie entfiibrt, Mutter des Hippolytos, ver- 
mittelte beim CEinfall der Amazonen in Attika den 
Frieden oder fiel im Kampf gegen die Schwejter. 





*2 








Antioquia — Antiphon. 


Antisquia, Departement der fiibamerifan. Repu- 
Dlif Rolumbien (f. Karte » Peru rc.«), begrenzt von 
Den Depart. Cauca im S., Bolivar im N. und O., 
Santander und Cundinamarca im ©., 59,025 qkm 
qrok mit (1884) 464,887 Cinw., worunter 1220 In— 

ianer. €3 umfaft den nördlichen Teil der Wejt- und 
Zentralfordillere von Rolumbien und ijt reid) an edlen 
WMetallen, beſonders an Gold. Zuckerrohr, Mais, Ka— 
Tao und neuerdings Raffee bilden neben Metallen und 
Erzen die Hauptprodufte. Bedeutend ijt auch die Vieh- 
zucht (befonders Maultiere und Rinder). Hauptitadt 
rt bas lebhaft aufblithende Medellin (jf. d.). — Die 
friibere Departementshauptitadt UW. (Santa Fe de A.), 
anter 6° 30‘ nördl. Br. und 58° 24’ weftl. L., 573 m 
di. M., 5 km links vom Caucafluß gelegen, hat (ss) 
10,205 Einw., geht aber mehr und mehr juriid. 

Antipapa (qriec.), Gegenpapjt. Untipapis- 
mus, papjtfeindlice Lehre. 

Antiparallel heißen bei cinem BParalleltrape;, das 
fein Barallelogranun ijt, die beiden nidtparallelen 

Seiten, fobald fie gleidlang 


Cc D find. Sn dem Paralleltrapes 
ABDC (j. Figur) find die 

Seiten AB undCD parallel, 

AC und BD find ¢3 nid, 

x p aber gleichlang, alſo find fie 


antiparallel, 

Antiparalytifa (qried.), Mittel gegen Lähmung. 

Antiparafitifa (qried.), Mittel gegen tierifde 
and pflanglidje Paraſiten. 

Antiparos, cine der mittlern Kyfladen, didht bei 
Paros, qut angebautes und ziemlich fruchtbares Fel- 
fenciland, 45 qkm mit (1896) 596 Einw. in der einzi⸗ 
qen Ortidaft Oliaros. A. hie im Witertum Olia- 
ros und foll von Phönikern aus Sidon folonifiert 
worden fein. Die merfwiirdige Tropfſteinhöhle 
im nördlichen Teil der Ynfel Roeint fdjon den Alten 
befannt gewefen ju fein. Etwa 280 m unter dem 
ingang erreicht man ein 95 m langes, 30 m breites 
amd 25 m hohes, iiberall mit den wunderbariten Sta- 
laktitenbildungen geſchmücktes Gewölbe. 1872 wur- 
Den auf A. Bleigruben entdeckt. 

Antipaffat, der in der Höhe vom Äquator nad 
Den Polen abjliehende Luftitrom (jf. Paſſatwinde). 

MAntipater , |. Untipatros. 

Antipatharia, j. Rorallenpolypen. 

Antipathiec (gried) Abneigung, im Gegenfage 
zur Sympathie (1. d.). Das widrige Gefühl, das die 


orjtellung map bare spr Loar pe oo 


oder Berjonen begleitet, und iiber das wir und feine 
Rechenfdaft ju geben vermögen, fann entweder phy- 
ſiologiſche oder piydologifde Griinde haben. Jene 
fonnen angeboren, dieje müſſen entitanden fein. Die 
Abneigung gegen gewiffe Gerüche, Geſchmäcke, Far- 
Hen ꝛc. fann 3. B. in einer fiir diefelben unangemef- 
fenen Beidvatienteit der betreffenden Sinnesorgane 
Mozarts U. gegen den Trompetenton) oder in ju- 
Falligerweife mit ihnen verbundenen RNebenvorjtel- 
dungen (A. gegen Schwarz als Farbe des Todes) be- 
riindet fein. Da uns die legtern nidt immer jum 
wußtſein gelangen, fo ſcheint dann die A. gegen 
gewiſſe Objefte oft eine urjpriingliche gu fein, wabrend 
jie in Wahrheit auf der Wirkung der unbewußt blei- 
hHenden Nebenvorjtellungen berubt. Die oft fo ſeltſame 
VW. gegen Perfonen hat wohl meijt diefen Urjprung. 
ntipatrié, cine von Herodes d. Gr. an Stelle 

der Dorfes Kapharſaba erbaute und feinem Bater gu 
Ehren benannte Stadt in Paläſtina, in der Ebene 


Saron an der Strake von Jerufalem nad Cajarea | 


585 


gelegen, nod) im 8. Jahrh. genannt. Wahrſcheinlich 
aq es beim heutiqen Ras ef Vin. 
ntipdtros (lat. Untipater), 1) mafedon. Feld⸗ 
herr, fdjon bei Konig Philipp hoc) angefehen, wurde 
von Ulerander bet ſeinem Aufbruch nad Ufien als 
Reichsverweſer in Makedonien zurückgelaſſen, hielt die 
aufrühreriſchen Thraler fowie die Grieden im Raum 
und ſchlug den — von Sparta, Agis II., 330 bei 
Megalopolis. Nad) Wleranders Tod iibernahmen A. 
und Krateros die gemeinſchaftliche Regierung der euro⸗ 
päiſchen Länder des mafedonijden Heidhes mit Uns: 
nahme von Thrafien, das an Lyjimados fam, und 
nun unterwarf A., zuerſt im Kampf ungliidlid, von 
Stratero$ und Leonatos unterjtiigt, die nad) Unab— 
hängigkeit ftrebenden Griechen wieder im Lantifden 
Kriege 322 und Jog mit ihnen gegen Perdiffas, den 
Vormund der Kinder Wleranders, von Untigonos 
gegen deſſen Herrſchſucht gu Hilfe qerufen. Roch ehe 
er aber mit ihm zuſammenſtieſt, wurde Berdiffas von 
jeinen cignen Truppen ermordet, worauf er als Bor- 
mund der Stinder Alexanders und Reichsverweſer ju 
Triparadeifos eine neue Verteilung der Statthalter- 
ſchaften vollzog und fic) die Reichsverweferfdaft und 
Europa vorbebielt. Er ftarb 319, fajt 80 Jahre alt, 
nachdem er, mit aid ay irr ohnes Kaſſan⸗ 
dros, Poly(f)perdon = cidjSverwefer ernannt 
hatte. — Sein Enfel A., König von Mafedonien, 
"het Sohn de Kaſſandros, folgte ſeinem ältern 
ruder, Philippos, 296, wurde aber 294 von De- 
metrios Poliorfetes vertrieben und 287 auf Befehl 
ſeines Schwiegervaters, des Lyſimachos, ald der letzte 
ſeines Geſchlechts getötet. 

2) U. von Sidon in Phönikien, griech. Dichter der 
zweiten Hälfte des 2. Jahrh. v. Chr., berühmt als Im— 
provijator, ijt Verfaſſer einer Reihe geijtvoller Epi- 
—— in der griechiſchen Anthologie (ſ. d.). Eben— 

ort ſind erhalten Epigramme von dem zur Zeit des 
bar lebenden A. von Theffalonife. 
tipaxos, Inſel, ſ. Paxos. 

Antiperiſtaͤltiſch (qried).), »nach der entgegen— 
geſetzten Richtung zuſammendrückends; daher motus 
antiperistalticus, die der normalen (periſtaltiſchen) 
entgegengeſetzte Bewegung des Darmkanals, wie fie 
beim Erbrechen ſtattfindet; antiperiſtaltiſche Mit— 
tel, ſoviel wie Brechmittel. 

Antiphaneds, neben Alexis der bedeutendſte Dichter 
der mittlern attiſchen Komödie, qeb. um 405 v. Chr., 
von unſicherer Herkunft, wurde 74 Jahre alt und ver- 
fate 260 Sttide, denen dramatiſches Talent, Form: 
qewandtheit und 7 nadgeriihmt werden. Samm— 
lung der Fragmente bei od, »Comicorum atticorum 
fragmenta«, Bd. 2 (Leip;. 1884). [gegen Zauberei. 

Antipharmafon (gried).), Gegengift; aud) Mittel 

Antiphated, im griech. Mythus König der men- 
ſchenfreſſenden Lajtrygonen (j. d. und Odyſſeus). 

Antiphellos, im Ultertum Stadt an der Küſte 
Lyfiens, jest ein unbedeutender, zum türkiſchen Wila— 
jet Konia gehöriger Ort (Untifilo). Unter den Rui- 
nent find befonders cin Theater von 26 Sigreihen und 
die zahlreichen in die Felswände qehauenen Grab: 
fammern mit forgfiltig ausgefiibrten, die Holzkon— 
jtruftion eines Blodhaufes nachabmenden Faſſaden 
merfwiirdig (j. Tafel »WUrehitettur II, dig. 12). 

Antiphlogiftifa, |. — aig ta Mittel. 

Untiphlogiftifer (qried.), ſ. Chemie. 

Antiphlogofe (qried.), in der Medizin Bekämp— 
fung einer Entzündung. 

MAntiphon (qried., »Gegenftinunes; franz. An- 
tienne), urjpriinglich cin Wedhfelgejang zwiſchen zwei 


586 


Chiren, einer der älteſten Beftandteile des alttird- 
lidjen Ritualgeſanges. In die griechiſche Kirche foll 
den — — der heil. —— ein⸗ 
eführt haben (vgl. Ambroſianiſcher Geſang). Heute 
ſteht die A. nur noch in einem einzigen vom Prieſter 
re see Pjalmvers, der vom Chor wiederholt wird. 

Antiphön, der älteſte der zehn »attiſchen Redner« 
(f.d.), geb. um 480 v. Chr. in Rhamnus. Ein hervor- 
ragendes aiitp fie der oligarchiſchen Partei und be- 
jonder8 bei Einſetzung des Rates der Bierhundert 
und den Friedensverhandlungen mit Sparta beteiligt, 
wurde er nad) dem Sturz der —— des Hoch⸗ 
verrats angeflagt und trotz ſeiner glänzenden BVertei- 
digungsrede 411 zum Tode verurteilt. Er war Be— 
gründer der kunſtmäßigen Beredſamkeit, die erin einer 
eignen rhetorijden Schule mit großem Beifall lehrte, 
und der erjte, der fiir andre geridtlide Reden ſchrieb. 
Bon feinen Reden find blo} 15 erhalten, ſämtlich auf 
Mordprozeſſe, aber nur 3 auf wirlide Fille bezüg— 
lid); die iibrigen, »Tetralogien« genannt, weil je vier 
denfelben Gegenjtand als erjte und zweite Rede ded 
Anklägers und Verteidigers behandeln, find Sdul- 
reden ( hrsg. aufer in Den Sammlungen der Redner 
von Blak, 2. Aufl., Leips. 1881; Wortinder von 
Cleef, New York 1895). Bgl. Blak, Die attijde Be- 
redjamfeit, Bd. 1 (2. Aufl., Leip3. 1887). 

Antiphonar (griech. lat.), eigentlich die Zuſam— 
menjtellung der YUntiphonen (ſ. Untiphon) des rdmi- 
ſchen Rirdhengejanges; heute verjteht man unter A. 
die Sammlung der Geſänge der Tagzeiten im Gegen- 
fabe gum Graduale, das Die wedfelnden Geſänge der 
Meſſe enthalt, wahrend im Viittelalter die beiden Na— 
men den umgefehrten Sinn fatten (Antiphonariam 
Gregorianum und Graduale Gregorianum). S. Ta⸗ 
fel »Entwidelung der Notenfdhrift«, Fig. 2. 

MAntiphrafis (griech.), cine Redefigur, durch die 
das ——— von dem ausgedrückt werden 
ſoll, was das Wort eigentlich beſagt, oder einem 

enſtand ein Name beigelegt wird, der mit deſſen 
Weſen im Widerſpruch ſteht; z. B. die Bezeichnung 
der Rachegöttinnen als Eumeniden (»Gnädige«). Die 
A. eine Spezies der Ironie, und eine Spezies der 
A. ijt der Euphemismus (ſ. d.). 

Antipöden (griech.⸗Gegenfüßler⸗), die Bewoh— 
ner zweier einander diametral gegenüberſtehender Orte 
der Erde. Dore Füße find einander zugekehrt; fie haben 
um 180° verjdiedene Linge, entgegengefebte Breite, 
Taged- und Jahreszeiten Ge genwohner(Antoeci) 
eines Ortes wohnen mit ihm unter gleichem Meri- 
dian, aber auf der andern Seite de3 Viquators, gleid)- 
weit entfernt von diefem. Nur die Jahreszeiten find 


bei ihnen entgegengefept, die Tageszeiten aber gleich. | 


Die Rebenwohner (Perioeci) eines Ortes haben 
mit dieſem gleiche Breite, find aber um 180° Linge von 
ihm entfernt; fie haben einerlei Jahreszeiten, aber ent- 
Begengeleste Tageszeiten. Deutidlands Nebenwohner 
eben auf den Aleuten, feine Geqenwohner in Süd—⸗ 
afrifa, feine Gegenfüßler ſüdöſtlich von Neufeeland. 


Antipodeninjeiu, brit. Inſelgruppe im SO. von | 


Neuſeeland, su dent fie gehört, unter 49° 48’ ſüdl. Br. 
und 178° 20° ditt. L., 52 qkm qrof, befteht aus einer 
größern Inſel und mebhreren fleinen, alle bergig, fteil 
und unbewohnt. Die A. erbielten ibren Namen, weil 
fie ungefaibr Gegenfiifler von London find. 

Untipodengelien, |. Embryofac. 

Wntipolis, Stadt, ſ. Untibes. 

AUntipyrefe (gried).), in der Medizin Betimprung 
des Fiebers. 

Antipyretifa (griech.), Fiebermittel. 


Antiphon — Antiquariatsbuchhandel. 


Autipyrin (Phenyldimethylpyrazolon, 
Pyrazolonum phenyldimethylicum) C,,H,,N,O oder 
C,H,N.CO.CH.CH,N.CCH, entitebt beim Crbigen 
von ha yr nf a mit Uceteffiqdther und Behan⸗ 
dein des erhaltenen Phenylinethylpyrajolons mit Jod⸗ 
methyl und Methylalfohol. Das jodwaſſerſtoffſaure 
Sal; des ag pe wird ſchließlich durch Natron: 
lauge zerſetzt. Es bildet farbloje, fajt geruchloſe Kri⸗ 
ftalle, ſchmeckt mild bitter, ſchmilzt bet 113°, ijt leicht 
löslich in Waffer und Ulfohol, {chwerer in Ather. 
reagiert neutral, bildet aber mit Säuren Salze. A. 
ſetzt binnen einer Stunde, meiſt unter ſtarlem Schweiß. 
die Körpertemperatur herab und wird daher als Fieber⸗ 
mittel gebraucht. Als ſolches wirkt es prompt, doch 
erzeugt es bei manchen Perſonen Erbreden, Hinfallig- 
feit, Cyanoſe, Hautausſchläge und Schleimhautre— 
zungen, die indes bald wieder verſchwinden. Bei zu 
großen Doſen ſind Vergiftungserſcheinungen be— 
obachtet worden. Mit gutem Erfolg wird es gegen 
Neuralgien, Zahnſchmerzen, Gallenſteinkolik ange— 
wendet. Es unterdrückt fogen. Erfaltungsfranfheiten, 
wenn es gleid) gu Beginn derfelben genommen wird. 
Salizylſaures Dimethylphenylpyrajolon, f. Salipyrin. 

Antiqua (lat., franj. Romain, eng!. Roman type), 
in der Bud)druderei die im gewöhnlichen Leben als 
rlateinisch« bezeichnete gerade stehende Schrift, 
wiihrend die liegende Kursiv (jf. d.) qenannt wird. 
Zuerſt cingefiibrt, refp. der Schreibweiſe der Romer 
nadgebildet und an Stelle der Mönchsſchrift im der 
Buddrucertunft verwendet wurde fie von Nikolaus 
Jenſon in Venedig. Widus Manutius verbefjerte die 
Yntiquatype und lie} nad) und nad 14 Grade der 
felben ſchneiden; das von ibm 1495 in A. gedrudie 
Bud »Bembus, de Aetna gilt heute nod als em 
Meiſterſtück. Er führte auch die Kurſiv cin. 

Antiqua (lat.), Name eines nur in Brucitiide 
erbhaltenen Geſetzbuches der Wejtqoten, f. Goten. 

Antiquär (lat. Antiquarius), bei den Römern 
ein Nachahmer der veralteten (vorauquiteiidhen) Lite- 
raturfprade, ein Altertümler; im Mittelalter cm 
Renner und Ubjdreiber von Büchern in veralteter 
Schrift; feit der Renaiffance cin Gelehrter, der fid 
mit dem Studium der Untiquititen, namentlic alter 
Kunjtwerte, beſchäftigt, in diejem Sinne noch jest bet 
den Franzoſen (antiquaire), Englindern (antiquarys) 
u. Stalienern (antiquario) gebriudlic ; nach jetzigem 
Spradgebraud einer, der mit qebraudten Biichern, 
altenQunitblaittern oder auch mit YUntiquititen bandelt. 

WUntiquariatsbudhandel, der feit Witte des 
18. Jahrh. aufgefommene Zweig des Buchhandels, 
der ſich mit dem Ein- und Bertauf einzelner Exem⸗ 
plare von foftbaren alten oder ſeltenen, oder aud) nur 
aus jiveiter Hand (franj. livres d'oceasion, engl. 
second-hand books, ital. libbri d’occasione) jtam 
menden Erzeugniſſen de3 Budhdrucs, von alten Kunit⸗ 
blattern, Sanbidheiiten und Mutographen ſowie ganyer 
Bücherſammlungen (Bibliothefen) beſchäftigt. Für die 
Schätzung des Wertes älterer Bücher ijt dre größere 
oder geringere Seltenheit der Ausgabe, der Erbal- 
tungszuſtand, die Ausſtattung in Hinſicht auf künſtle⸗ 
riſchen Einband, die Herkunft, das Vorhandenſein 
von Anmerkungen von wiſſenſchaftlichem oder auto⸗ 
graphiſchem Intereſſe maßgebend; bei neuern Werlen 
gibt der Ladenpreis, die Auflage, das gänzliche oder 

voriibergehende Vergriffenſein ſowie die Sammel⸗ 
leidenſchaft der Liebbaber den Ausſchlag. Biider- 
fammlungen, in denen die Literatur cines Spezial⸗ 
qebiete3 in annibernder Vollſtändigleit jufanunen- 
gebracht ijt, erzielen Dadurd im Verlauf zumeiſt emen 








Antiquieren — 


febr hohen Preis; aud das Vorhandenſein vollitin- 
Diger Reihen von Fachzeitſchriften erhiht den Wert 
einer Sammlung wejentlidh. Der Verfauf von cine 
eee Büchern wie von Sammlungen findet aud 

urd Biiderauftionen ftatt, diein England, Frant- 


reid), Holland und Belgien die Regel dafür gu ſein 


pflegen, wiibrend fie in Deutidland mur nod die Uus- 
nabme bilden. Bitcherauftionare find in Leipsig: 
Lijt u. Frande, O. Weigel; in Berlin: R. Lepfe; in 
Köln: J. M. Heberie; im Paris: C. Porquet; in Lone | 





bon: Sotheby, Wilfinfon u. Hodge, Puttick u. Simp- 
jon; im Saag M. Nijhoff; in Ler 
Niermans. Wichtigſte Vertriebsmittel der Untiquare | 


: Burgersdijf u. | 


Wntijabbatarier. 587 


ſachen, muſikaliſche Inſtrumente, Webearbeiten, Dofen, 
Miniaturen, Büchereinbände, Inkunabeln u. dgl. m. 
In neuerer Zeit hat der A., der in ſeinen Anfaͤngen 
bis in den veginn der Renaiſſance hinabreicht, wo 
man zuerſt Erzeugniſſe der griechiſch⸗römiſchen Kunſt 
zu ſammeln begann, eine weite Ausdehnung ange— 
nommen. Seine Hauptſitze find Rom, Florenz, Paris 
und London, in Deutſchland Köln, München, Nürn— 


berg, Frankfurt a. M. und Berlin. Bu ſeiner Bee 


forderung dienen Hier häufige Veriteiqerungen ganger 
Sammlungen, die allmählich auf den gejamten sunjt- 
handel einen großen Einfluß gewonnen haben, da 
durch fie Die Preiſe beſtimmt werden. Cigne Kunſt— 


bilden ſachlich geordnete Lagertataloge mit fejten Ver- | auftionshiufer beſitzen Paris (Hötel Drouot) wd 
faufspreijen. Die Rataloge groper Firmen, deren ge Berlin (Leptes Kunjtauftionshaus). Außerdem find 
ſchäftliche Beziehungen fic) über alle Kulturländer | von Händlern, die foldye Verſteigerungen veranjtalten 
der Erde erjtrecen, jtellen oft bibliographifd volljtin- | oder ihre Geſchäftsräume dazu hergeben: Sedlmayer 
Dige Uberjidten ganzer Wiſſensgebiete dar und wer⸗ und G. Petit in Paris, Chriſtie Manſon und Woods 
Den durch zuverläſſige Beſchreibungen ſeltener Stücke in London, Amsler u. Ruthardt in Berlin, J. M. 
zum unentbehrlichen Hilfsmittel bibliographiſcher For⸗ Heberle in Köln, Miethle und Artaria u. Romp. in 
ſchungen. Der wiſſenſchaftliche A. iſt hauptſächlich in Wien zu nennen. Die ſchnellen Preisſteigerungen der 
Leipzig, Berlin, Frankfurt a. M. und München ver- | Antiquitäten haben eine Induſtrie von alt dun: 
treten, das rig seers agsaire? Kunjthandel) in Miin- | gen hervorgerufen. Nur cine durd lange Erfahrungen 
den, Berlin, Leipziq und Köln. Bur Zeit find die | erworbene Kennerſchaft ſchützt den Sammler vor dem 
nambaftejten Firmen in Leipzig: Buchhandlung G. Erwerb von Fälſchungen (ſ. Fälſchung). Bgl. »WUnti- 
fod, G. m. b. H., O. Harrajjowig, K. W. Hierſe⸗ quititen - Reitidbrift« (hrsg. von Forrer, Straßb. 1889 
mann, K. F. Köhlers Untiquarium, B. Liebiſch, Lift | bis 1896), »Der Gammiler« (hr3g. von Brendide, 
u. Frande, A. Loreng, Simmel u. Komp., O. Weigel; | Stuttg. 1880—85 u. Berl. 1885 —1900), »Vntiqui- 
int Berlin: Friedlander u. Gohn, L. Liepmannsfohn, | titen- Zeitung« (hrsg. von Jaeckh, Stuttg. 1893 ff.) 
Mayer u. Miller, R. L. Prager, Speyer u. Peters, | und die bei Art. ⸗Fälſchung« angegebenen Schriften. 
J. A. Stargardt; in Dresden: v. Zahn u. Jaenſch; Wutireformer, Reformgegner. 
in Franffurt a. M.: J. Baer u. Romp., R. TH. Boelder;| Wntirenters (pr. annti-) wurden diejenigen ge- 
in Minden: J. Rofenthal, L. Rofenthal, N. Rofen- | nannt, die 1839-—46 im Staate New York fid) gegen 
thal; in Ulm: H. Rerler; in Titbingen: F. Vietzcker; Zahlung der feit langen Jahren riidjtandigen Pocht- 
in Wien: Gilhofer u. Ranſchburg; in Amſterdam: | gelder an die Landeigentiimer auflehnten. Mitglieder 
F. Miiller u. Komp.; im Haag: Nijhoff; in Lei- Der ehemaligen Niederländiſch-Weſtindiſchen Kom— 
den: —— u. Niermans; in London: Bernh. pagnie hatten große Länderſtrecken am Hudſon an An⸗ 
Quaritch, N. Maggs, H. Sotheran u. Komp., W. Wes ſiedler, die fie urbar machten, auf lange F oder auf 
ley u. Son; in Paris: A. Claudin, L. D. Morgand, | immer, und gwar meiſt gegen drückende Naturalliefe— 
UW. Bicard u. Fils, H. Welter; in Mailand: U. Hoepli; | rungen (quarter sale) vergeben. Die Ugitation der 
in Florenz: L. S. Olſchti u. a. Die Grundlage ded | W. hatte sur Folge, daß eine Unterſuchung der VBejig- 
Verkehrs bildet beim Cin- und Verfauf die Barzah⸗ | titel durdgefiihrt umd 1846 die Verpadtung von 
lung. Aus der Ubung, von den BVerlegern Uuflage- | Uderland auf längere Beit als 12 Jahre verboten 
refte oder größere Bartien gediegener, zumeiſt wijjen- | wurde. Val. Cheyney, The Anti-rent agitation 
ſchaftlicher Werfe ju erwerben und jie durch Auf- in the state of New York (Pbilad. 1887). 
nahme in die Lagerfataloge ju vertreiben, iſt in jüngſter Wntirbeoffop (gricd.), ſ. Pſeudoſtopiſche Er— 
eit cin Grokantiquartat hervorgegangen, das ſcheinungen. [der Sfrofulariageen. 
ejtbejtinbde fowie ganze Uuflagen neucrer, vorwie-| Antirrhineen(Untirrhinoideen), Unterfamilie 
gend der Geſchenkliteratur angehoriger Werke, mit de-| Antirrhinum L. (Liwenmaul, Dorant), 
nen der Verleger feinen Erfolg erjiclen fornte, auffauft | Gattung der Sfrofulariageen, ein- oder mehrijährige 
und ju febr ermapigten Preiſen im Gortimentsbudy | Kräuter oder Halbſträucher mit ungeteilten oder lap- 
handel, der dem Bublifum folde Urtifel als moder- | pigen Blattern, achſelſtändigen oder in Trauben jtehen- 
nes Untiquariat anbietet, unterjubringen ſucht. | den, meijt teers und auffpringenden Kapſeln. 
Antiquieren (v. lat. antiquus, alt), veralten; fiir | Etwa 32 Arten auf der nördlichen Halbfugel, befon- 
veraltet, —— erklüren; antiquiert, veraltet. ders in Nordamerika. A. majus L(großes Löwen— 
Autiquität (lat.), ſoviel wie Altertum; eine alte maul), mit lanzettlichen Blättern und heller und 
(ehrwürdige) Sache, Ruine ꝛc., ſ. Altertum. dunkler purpurroten, ſelten weißen Blülten in lockern 
Antiquitatenhandel, im engern Sinne der Han- | Trauben, weit verbreitet, in Nordamerila verwildert, 
del mit fiinjtlerifdjen und gewerblichen Erzeugniſſen wird in zahlreichen Varietäten, aud als Zwergform, 
aus dem orientalifcen und griechiſch⸗römiſchen Alter⸗ in Garten gezogen; ebenfo A. latifolium DC., aus dem 
tum, im weitern Sinne der Handel mit Kunſt- und | Mittelmeergebiet. A. Orontium L, (Feldlöwen— 
kunſtgewerblichen Gegenſtänden aller Zeiten und Vil: | maul, kleiner Dorant), in Europa, Nordafrita, 
fer, die abgeſchloſſenen Runjtepodjen entitammen. Der | Wejtafier, in Nordamerifa verwildert, mit fleinen, 
A. erj fid) nicht blo auf Runjtwerfe, fondern achſelſtändigen, roten Bliiten, wächſt als Unfraut im 
aud) auf Rarititen. Jn feinen Bereich gehören dem- | Getreide, wirft betäubend, giftig. 
nad plajtijde Werke aus jeglidem Material, Gold-| Antifabbatarier, firdlicde Partei in England, 
ſchmiedearbeiten, kg eo Crzeugnifje der Glas- | weldje die Sonntagsfeier abgeſchafft wiſſen wollte, 
mbujtrie, am, edaillen, Deidmittene Steine, | weil alle Tage fiir gleid) heilig angefehen werden 
Siegel, Waffen, Möbel, Uhren, Kupferſtiche, Scymud- | müßten. Bgl. aud) Sabbatarier. 


588 


Antifana, vulfanifder Gipfel der djtlidjen Undes- 
fette in Ecuador, unter 0° 30’ fiidl. Br., ſüdöſtlich 
von Quito, 5870 m hod. Wn ſeinen Abhängen in 
3782 m Hobe der beriibmte Tambo de A. (rt Ka— 
rawanferai), einer Der hod)jten bewohnten Punkte der 
Erde. Der U. wurde von Bouſſingault und Whym— 

Antifeii, ſ. Amphiſcii. [per erſtiegen. 

Autiſemiten, die Gegner der Juden; Antiſemi— 
tismus, Feindſchaft gegen die Yuden. Die anti- 
femitifdhe Bewegung, in Rufland, Ruminien, 
Ojterreid) und Ungarn, aud im djtlidjen und mittlern 
Deutidland, alfo in den Ländern verbreitet, wo die 
Yuden in griperer Bahl wohnen, allmählich aber aud 
nad andern Ländern fibergreifend, ijt durch den wad)- 
fenden wirtſchaftlichen und politifden Einfluß der von 
den friihern Schranken befreiten jiidifden Bevilferung 
veranlaft und ftrebt danach, diefe Schranfen wieder 
aufzurichten und die Juden aus den öffentlichen Am⸗ 
tern gu verdriingen oder ganz ju vertreiben. 4 
Deutfdland gab die Grilnderjeit mit ibren ver- 
derblichen Nadwirfungen feit 1875 zunächſt den Un- 
ſtoß gu mebreren Schriften (von Glagau, Marr, Düh— 
ring u. a.; f. unten). Die Ugitation tm Bolle begann 
1878 durd) den Berliner Hofprediger Stöcker (ſ. d.), 
der durch die Stiftung einer Chriſtlich-ſozialen 
Parte (f. d.) die von ihm gelennzeichneten verderb- 
lichen Wirkungen ded jüdiſchen Bevdlferungselements 
befaimpfte. Ihm ſchloſſen fic) Liebermann v. Sonnen⸗ 
berg, Paul Forjter, Erwin Bauer u. a. an, welde 
Bereine zur Befimpfung ded Judentums: die Unti- 
jemitenliqa (1880), ben Deutfden Volks— 
verein (1881), den Deutſchen (oder Sogialen) 
Reidsverein, gründeten und dic »Berliner Ve: 
wegung · bervorriefen. Bei der Reidstagswahl 1881 
erjtelten die A. als befondere Partei in Berlin 843 
Stinumen ; mehr Stimmen (im erjten Wahlkreis: 6295) 
erbielt der Dem Berliner fonfervativen Sentralfomitee 
(GC. C. C., einer — der Konſervativen mit 
chriſtlich⸗ ſozialen, zünftleriſchen, ſtaatsſozialiſtiſchen 
und antiſemitiſchen Barteiqdngern) —— Anti⸗ 
ſemit Liebermann. Ein Kongreß, durch Delegierte aus 
verſchiedenen Landesteilen 18. und 19. Sept. 1881 gu 
Dresden abgehalten, ſchuf das erſte Programm der 
Deutfden Reformpartei. Diefes Programm 
fordert, unter Cinjtehen fiir Raifer und Reich und 
das verfaſſungsmäßige Redht der Bundesfiirjten und 





-Staaten, hauptſächlich Durchdringung des Volfs- und 


Recdhtslebens mit dem lebendigen Geijte des Chriften- 


tums. Nur chriſtlich-deutſche Dinner follen in dic | 


gcfeggcbenden Körperſchaften gewählt und in Staats- 
wie Wemeindedimter berufen, werden. Ferner wer- 


den qefordert: verjdiedene Ynderungen im Steuer- | 


weſen, Erridjtung einer wirflid) nationalen Reichs 


bant, Herjtcllung eines deutſchen Staatsbilrgerredts, | 


Rechtspflege nad chriftlidy-qermanifden Grimdfagen 
u. a., Wodurd) die Liber wudherung des jüdiſchen Ele 
ments über das deutſch-chriſtliche befeitiqt und das 
praftijde Chrijtentum zur Geltung gebradt werden 


follen. Die Partei fiegte in Dresden 1884 iiber den 


Sozialdemokraten, unterlag aber 1887 dem Kartell. 
Im Friihjahr1886 wurdecine Uli gemeine deutſche 
antifemitifdhe Vereiniqung (mit dem Sig in 
Raffel) begriindet. Wis erfter Untifemit zog Bidet in 
den Reichstag; unter feiner Leitung gewann in Hefjen 
wegen der Ubhangigteit der bäuerlichen Bevöllerung 
von jiidifden Handlern die antifemitifdhe Bewegung 
eine foldje Ausdehnung, dah 1890 fiinf A. in den 
Reichstag gewählt wurden. Inzwiſchen hatte ſich je- 
dod) innerhalb der Vereinigung eine Spaltung voll- 





Antijana — Antijemiten. 


gogen. Die fonjervative Ridtung unter Lieberman 
und Förſter bildete 1889 in Bodum die Deutſch— 
fosiale antiſemitiſche Bartei, ftellte cin Bro- 
gramm auf, das neben vielen andern Forderungen, die, 
abgefeben von geringfiigi en Ubwandlungen, von den 
alten jtaatserbaltenden Parteien ebenfalls gejtellt zu 
werden pflegen, die Aufhebung der Gleichberechtigung 
der Juden und dad Verbot der Einwanderung . 
der Juden verlangt. Das »ergänzte Bodumer Fro- 

ramm⸗ derfelben Bartei fil t bichon Wünſchen andre 
bt und ſchließt damit: »Als ibr Biel in der Juden⸗ 
rage faßt die Deutfd)-foziale Partei die Mufhebung 
der Gleidhberedhtiqung und die Stellung der Duden 
unter Fremdenrecht in Deutfdland ins Auge.· — Da- 
gegen bildete die Demofratifde Ridtung unter Böckel 
1890 die Untifemitifde Volkspartei. Sie er— 
jtrebt die Uufhebung der Judenemanjipation, Stei- 
lung der Juden unter Frembdengefege und Schaffung 


Jn | einer gefunden ſozialen Geſetzgebung; die ſoziale Lage 


jei gu bejjern durch cine Arbeiterſchutzgeſetzgebung auf 
internationaler Grundlage. Die tibrigen Forderungen 
decken jich meift mit denen der vorberigen Programme- 
Die Vereine der Deutſchen Reformpartet vereinigter 
fic) mit Der Antiſemitiſchen Vollspartei, die vor den 
Wahlen 1893 wieder den Namen Deutf dhe Reform- 
partei annahm und 11 Sige in Sachſen und Heſſen 
gewann. Auf einer Delegiertenfonfereng gu Cijenad 
7. Oft. 1894 vereinigten fid Deutiche Rerormpartel 
Deutjd- Soziale und Norddeutide Vereinigung jur 
Deutjdh-fozialenReformpartei(j.d.) mitemenm 
in Erfurt 20. u. 21. Oft. 1895 beſchloſſenen Rroqramm, 
deſſen Hauptwunſch (aufer denen nad ciner Erweite⸗ 
rung de3 Wahlrechts zur Wahlpflidt, einer Einfüh— 
rung der fonfeffionellen Eidesformel x.) die Wufitel- 
ie und dauernde Fiihrung einer Statijtif über die 
in Deutſchland lebenden onen jüdiſchen Stammes 
war. Innerhalb der Deutſch-ſozialen Reformpartei 
entitanden 1900 Streitigkeiten zwiſchen Parteileitung 
und Fraktion; Liebermann v. Sonnenberg trat beim 
Magdeburger Parteitag im September 1900 mit an— 
dern, konſervativ Geſinnten aus der Reformpartei aus 
und gründete fofort die Neue deutſche ſoziale 
Partei(ſ.d.) Der frühere Berliner Reftor Ahlwardt. 
der als antiſemitiſcher Agitator beſonders die Raſſen 

frage betont hatte, und Bidel ſtellten wenige Wochen 
darauf die Antiſemitiſche Vollspartei wieder ber (7. 
Rarte ⸗Reichstagswahlen«). 1891 wurde in Berlin 


ein Verein zur Bekämpfung des Untifemitis- 


mus geqriindet. 

In Ojterreid, wo die Zahl der Juden nod grö— 
per, ihr Einfluß nod bedeutender ijt, jtellten ſich Schd- 
nerer und (ſpäter) Queger an die Spipe der Bewegung, 
die befonders in Wien zahlreiche Anhänger hatte und 
bei den ReidpSratswabhlen 1891 in Niederöſterreich 13 
YUnhainger durdbradte. In Ungarn jteigerte ſich in— 
folge des Tisza-Eszlarer Proxeljes wegen des Ber 
ſchwindens der Eſther Solymoſſi die antiſemitiſche 
Aufregung. Auch in Wien wurde 1891 ein Verein 

egen den Antiſemitismus gegründet. In 
Frankreich erſchien das antiſemitiſche Werf von E 
Drumont: »>La France juives (Par. 1886). Jn Ruß⸗ 
land gaben Sudenverfolgun en in Südrußland und 
Polen, welche de bäuerliche SBevdlferung 1881 ver⸗ 
anjtaltete, der Regierung den Anlaß, nit umfafjenden 
Maßregeln geaen die Juden, denen man die Schuld 
an dent wirtidaftliden Elende der Bauern beimak, 
einzuſchreiten und jie namentlic) aus den muittlern und 
oſtlichen Provingen, wo fie fid) tm Laufe der Jahre 
ausgebreitet Hatten, und aus den Stadten gu vere 


Antifepfis — Antifthenes. 


drängen, fo daß viele durch villige Entziehung ihres 
Lebensunterhalts zur Auswanderung genötigt wur- 
den. Bgl. Glagau, Der Börſen- und Grilndungs- 
ſchwindel in Berlin und in Deutidland (4. Wut, 
Leipz. 1876—77, 2 Tie.); Marr, Der Sieg de3 Ju— 
dentums iiber das Germanentum (11. Aufl., Bern 
1879); Diihring, Die Judenfrage (4. Unfl., Rarls- 
tube 1892); Stider, Das moderne Yudentum in 
Deutidland (5. Uufl., Berl. 1880); v. db. Brüggen, 
Rußland und die Juden (Leipz. 1882); Lehnhardt, 
Die antiſemitiſche Bewegung in Deutſchland (Zürich 
1884); Liebermann von Sonnenberg, Beiträge 
zur Geſchichte der antiſemitiſchen Bewegung vom 
1880 —1885 (Berl. 1885); G. Winter, Der Anti— 
ſemitismus in Deutjdland (Magdeb. 1896). 
Antifepfis (Antiſeptik, qried., wortlid): » Fiul- 
niswidrigfeit<), Bezeichnung einerWundbehandlungs- 
methode, die von Lijter in den 60er Jahren ded 19. 
Jahrh. eingefiibrt wurde und eine Reformation der 
Wundbehandlung, ja der Chirurgie tiberhaupt bedeu- 
tete. Sie ſtützt fich auf die Unterfuchungen von Paſteur 
diber die Herfunft und Natur der Zerjepungs- und 
Faãulniserreger und löſt das Problem, die Zerſetzung 


der Wundfefrete zu hindern. Als wirfungsvolljte che- | Jn der M 


mijde Subſtanz, weldje die Fäulnis organifder Gub- 
jtanjen durch Vernichtung der aus der Luft eindrin- 
genden Fäulnispilze und threr Keime oder wenigitens 
Durd Aufhebung ihrer Weiterentwidelung verbiitet, 
empfabl Lijter die Rarbolfiure, bez. wäſſerige Lifun- 
qen derfelben. Lifter fordert die genaue Desinfeftion 
der Wunde felbjt, ihrer Umgebung und aller Gegen- 
ſtände, die nit ihr in Beriihrung fommen, mit Kar— 
bol; um auch die atmoſphäriſche Suit ju desinfizieren, 
Hediente er fid) eines Zerjtiubungsapparats, der Kar⸗ 
bolſprays, mittels deſſen, während die Wunde der 
Luft ausgefept ijt, em fener Rebel von Karbolſäure 
auf fie geblajen wurde. Die fo vor Fäulniserregern 
geſchützte Wunde mußte genäht und mit dem anti- 
ſeptiſchen, mit Rarbolfiure imprignierten Berband 
vor weiterm Kontakt mit der Luft geſchützt werden; 
der Karbolverband fog die Wundſekrete auf, desinfi- 
zierte fie und hinderte ihre aiding ‘amentlich 
von deutiden Chirurgen (Volfmann, Nußbaum u. a.) 
begeijtert aufgenommen, begann das Lijterfde Ver— 
fabren (das »Lijtern«) feinen —— durch die 
Welt, und wenn auch die praktiſche aye goth bald 
umgejtaltet wurde, das Prinzip blich und bildet die 
notwendige Grundlage jeder Wundbehandiung : die 
Heilung ciner Wunde farm ohne Entyiindung und 
Citerung und ohne Fieber mur ergielt werden, wenn 
die Entgtindungserreger und ihre giftigen Stoffwed- 
felprodufte bon der 
die U. mute die Aſepſis (ſ. d.) folgen, das Pringip 
der modernen Wundbehandlung. Die antiſeptiſche 
Wundbehandlung ijt heute bei friſchen Wunden (Ope⸗ 
ration) vollkommen verlaffen, auc) naddem an Stelle 
der giftiqen Karbolſäure mit ihrer ſchädlichen, reizen- 





unde ferngehalten werden. Auf 





589 


ausgehenden Zerſetzungen organifder Subſtanzen 
(Garung, Faulnis rc.) verhindert werden. Alle Mifro- 
—— werden durch hohe Temperaturen zerſtört, 
und wenn man die zu ſchutzende pga A Sa 
erhigt und dann vor dem Zutritt freer Luft (durch 
die neue Mifroorganismen zugeführt werden würden) 
ſchützt, fo fann weder Fäulnis nod) Gärung eintreten. 
Da letztere Prozeſſe auch an eine gewiſſe mittlere Tem- 
sao und an die Gegenwart von Waſſer gebunden 
ind, fo wirfen Kälte und Austrocknen antiſeptiſch. Auch 
durd) geniigende Mengen von Salz, Zucer, Alkohol 
fann man die Berfegung girungs- ke faulnisfabiger 
Stojfe aufhalten. Außerdem benugt man als a. We. 
Chemifalien, weldje die Mikroorganismen titen oder 
wenigſtens in ihrer Entwidelung hemmen. Dahin 
gehören Formaldehyd (Formalin), ſchweflige Säure 
und Schwefligſäureſalze, Borſäure, Glyzerin — 
ſalze, Schwefellohlenſtoff, Queckſilberchlorid, Eiſen⸗ 
un fervitriol, arſenige Säure, chromſaures Kali, 
Blauſäure, Kalkwaſſer, Souci und reine Eſſigſäure, 
Umeijenfaure, bajifd —— Magnefia, Karbol⸗ 
ſäure und andre Phenole, Lyſol, Salizylſäure, Bimt- 
ſäure, Kreſotinſäure, Thymol, Gerbſäure und Kohle. 
edizin wendet man a. M. ganz allgemein 
an, um dem kintritt fauliger perfewenaen vorzu⸗ 
beugen und dieſe letztern, ſofern ſie bereits im Gange 
ſind, zu unterbrechen. Im erſten Falle gehört zu den 
antiſeptiſchen Mitteln jedes Verfahren, das zur Rein⸗ 
altung der Luft, der Betten und Inſtrumente in 
ankenſälen dient (ſ. Desinfektion). Im andern Falle 
ibt es a. M., welche die Faulnisteime an Ort und 
Stelle direft tdten oder doch der Entwidelung der Keime 
ee find, wie Rarbol-,Salisyl-, Zitronen-, Mild: 
dure, Lyfol, Thymol, Kreoſot, Wohol, Jodoform, 
Chlorzink, Sublimat x. Wuf der planvollen Anwen⸗ 
dung Diefer letzten Gruppe berubt der Erfolg der neuern 
Wundbehandlung (j. Untifepfis und Wfepfis). 

Antifigma (gricd.), umgekehrtes Sigma (5) frit. 
Beichen dafiir, daß Berje an falfder Stelle ſtehen. 

Untifflaverei -WFte, |. Sflaverei. {redjt. 

Antiſklavereikonferenz, j.Sflaverei und Kriegs⸗ 

Antijpafmodifa (griech, Antiſpaſtika), 
krampfſtillende Mittel. 

Antiſpaſt (qried)., »widerjtrebend<), aus einem 
Jambus und Trochäus (.__-, 3. B. perillustris), 
alfo» widerjtrebenden « Elementen bejtehender Versfuſ. 

Antiftes (griech.), Vorſteher, befonders Vorſteher 
eines Tempels, Prieſter; in der chriſtlichen Kirche von 
alters her Ehrentitel der Biſchöfe, Wbte, Prioren ꝛc.; 
in einigen Kantonen der Schweiz Titel des erſten Geiſt⸗ 
lichen an reformierten Stadtlirchen und Vorſtehers 
des Kirchen- und Schulweſens. 

Antifthénes, von Athen, Stifter der hyniſchen 
Schule (f. Kynifer), erjt Schiiler des Gorgias, nach— 


mals Sdptiler und Freund des Sofrates, geb. 444 


v. Chr., geſt. 899, etwa 30 Tage nach Sofrates. Er war 
Sohn eines athenifchen Baters und einer thrafijden 


dex Cinwirfung auf das Körpergewebe Sublimat, Mutter und lehrte in dem Gymnaſium Kynofarges, 
Wismut, Vorjaiure, Jodoform u. a. getreten waren; woher feine Sdhule die kyniſche qenannt wurde, viel- 
nur im Notfall bedient man fid) ihrer; bei bereits in- | leicht auc) mit Unfpielung auf »kyon«, Hund. Cine 
fizierten, eiterigen Wunden findet fie nod haufigere fichere Erfenninis iſt nad ihm nur durd ridtige De- 


Anwendung, indent man durd Jrrigation mit anti- | 


ſeptiſchen Lofungen und mit Untifepttsis impragqrier- 
ten Verbandjtoffen die in bie Wunde gelangten iter. 
erreger zu vernichten oder wenigſtens bre Vermehrung 
gu verhindern ſucht. 

Antiſéptiſche Mittel (Antiseptica, fiulnis- 
widrige Mitteh, chemiſche oder phyſikaliſche Mittel, 
durch welche Dic von Mitroorganismen (Bakterien 2.) 


jinitionen und identijde, d. h. folche Urteile moqlid, 
in denen das Pridifat mit dem Subjekt einerlei ijt. 
Auf dem Gebiete der Ethif, das ihm wie dem Sofra- 
te3 das widtigere war, gilt ihm als oberſtes Riel des 
menjdliden Lebens die Tugend. Was awijden ihr 
und der Schlechtigkeit in der Mitte liege, fi gleichgül⸗ 
tig (adiaphoron). Tugend fei zur Gluͤckſeligkeit aus- 
reidend, womit als Swed des Dafeins allerdings 


590 


Glidjeligfeit anerfannt wird. Da mun die Unmiglid- 
feit, die Bedürfniſſe gu befriedigen, das Gegenterl der 
Mliidjeligteit erzeugt, fo trachtete A. fowenig wie mig- 
lic) Bediirfriffe gu haben, verwarf die Luft, lebte felbyt 
auf das einfachſte und fete fic) über die Unforderun- 
qen der gewöhnlichen Sitte hinweg. Den Kultus der | 
Witter wies er ab; der Eine Gott werde mt aus | 
Bildern erfannt; Tugend allein fei der wahre Gottes- 
dient. Die Gedichte Homers, der (nebjt Hefiod) den 
Griechen (nad) Herodot) ihre Götter gemadt hatte, | 
deutete er allegoriſch tm Sinme feiner Boilofophie. Jn | 
der Politif war er Weltbiirger. Seine Werke find fame: | 
lid) verloren, nur zwei Deflamationen (abgedrudt in | 
dex Sanumlungen der attijden Redner von Widus, 
Bekker u. a.) find uns unter ſeinem Namen erhalten, 
deren Echtheit unficher ijt, augerdem ein Brief (ab- 
edrudt bei Orelli, »Collectio epistol. graec.<, Bd. 1, 

eipz. 1815), Der unedht ijt. Die Fragmente feiner 
Schriften wurden herausgegeben von Winfelmann 
(Zür. 1842) und von Mullach in den »Fragmenta 
philosophorum graec.«, Bd. 2 (Par. 1867). Bgl. 
Chappuis, Antisthéne (Par. 1854); Diimmler, 
Antisthenica (Salle 1882). 

Antiftrophe (qried.), Gegen{trophe, ſ. Strophe. 

Untitaurnd, Taurus. 

Antithenar, Sstleinjingerballen, ſ. Ballen. 

Antithefe (qried.), Gegenſatz, eine Redefigur, in 
der fid) die Neiqung des Sprechenden verrät, einen 
Begriff durd) gleichzeitige Apperzeption eines andern 
ihm fontraren oder forrelaten Begriffs gu erhellen. 
Unter den deutſchen Didtern ijt Schiller am meijten 
durch antithetijdes Denfen ausgezeichnet. Muſter⸗ 
beiſpiele in der ⸗Kaſſandra⸗ und in Tells Monolog. 

MAntitozifon (griec.), Gegengift. 

Autitoxine, ſ. Immunitäi. 

Antitragus, ſ. Tragus. 

AUntitrinitarier (lat.), Geqner der Lehre von der 
Dreieinigkeit Gottes, foviel wie Unitarier (ſ. d.). 

Anti - Typolithographic, ſ. Lithographic. 

Autium, uralte latinifde Stadt, auf einer ins 
Meer vorfpringenden feljigen Landipipe gelegen, der 
Gage nad) von einem Sohne des Odyſſeus und der 
Rirte erbaut und anfangs von Seeräubern bewobnt, 
jtand fortwabrend tm enger Berbindung mit den 
BVolstern und ward daher 468 v. Chr. von den Rö— 
tern erobert. Tro der hier angefiedelten römiſchen 
Kolonie trat es bald wieder in feindlide Stellung zu 
Rom und bewabhrte an 120 Jahre feine Selbjtindig- 
feit. 388 erfolgte die gweite Cinnahme von YL, worauf 
es mit neuen Nolonen befest, sugleic aber mit Uns- 
lieferung feiner Kriegsſchiffe bejtraft wurde. Bei der 
vorteifhaften Lage hob es fic) indeffen bald wieder. 
U. diente als Crholungsort vornehmer Romer, die fid 
hier Balajte und Villen bauten, und war insbef. der 
Vieblingsaufenthalt Neros, der, wie and) Caligula, 
hier qeboren wurde und einen neuen prächtigen Hafen 
erbaute. Crjt die Einfälle Der Garajenen ridteten 
die Stadt ju Grunde. Dest Porto d'Anzio. 

Antiunioniſtiſch (lat.), gegen die Union anfimp- 
fend; Untiunionift, Wegner der Union. 

Antivari (Var), befeſtigte Stadt im ſüdlichen 
Montenegro, 5 km vom Adriatiſchen Meer, Sig des 
fatholijden Landesbiſchofs, mit ciner Bitadelle aus 
venesianifder Zeit und geräumigem, aber vernad)- 
laffiqtem Hafen, den die Dampfer des Ojterreidifdhen 
Vloyds und der Italieniſchen Schiffahrtsgeſellſchaft 
Puglie anlaufen, hat see 1147 Einw. Me wurde 
1571 von den Tiirten, 1878 von den Montenegrinern 
erobert und Diejen im Frieden von Berlin belaffen. 





I 


Antiftrophe — Antlig. 


Antizipation (lat., »>Vorausergreifung, Voraus 
nahme«), ein in verjdjiedenen Beziehungen angewen- 
deter Uusdrud. Yn der Logif bezeichnet man mit A. 
die vorläufige Unerfennung eines Sages als wabr in 
€Erwartung einer fpitern Beqriindung. In der Rbe- 
torif tft A. foviel wie Prolepſis. — In der Redhts- 
wiſſenſchaft bedeutet A. eine Handling, dic früher, 
alg der ordnungsmäßige, gefeplid) vorgeſchriebene 
Rechtsgang es erlaubt, vorgenommen wird. So tit 
im Handel W. (antigzipierte Zahlung, Zahlung anti- 
cipando) eine vor dem verabredeten, gebraiudliden 
oder gefeglicjen Termin geleijtete Zahlung. Dtefelbe 
begriindet einen Unfprud) auf Hinsvergiitung, die 
durch Abzug cines Zwiſchenzinſes (Interuſurium, Ra— 
battabzug, Diskont) bewirft wird. — Im Finanz— 
weſen bezeichnet A. die Vorausentnahme erjt ſpäter 
fälliger Einnahmen, ſei es, daß man Steuern, die 
erſt —8* fällig werden, im voraus bezieht, fei es, 
daß die zukünftigen Einnahmen einſtweilen durch ein 
Anlehen verfügbar gemacht werden. Früher bediente 
man ſich gu dieſem Zweck eines mit Hilfe der ſpäter 
eingehenden Einnahmen wieder eingulojenden Bapter> 
geldes. So wurde 1812 die preußiſche Vermögens— 
und Cinfommenfteuer durch geftempelte Trejore 
ſcheine, welde die Staatsfajjen fiir bar annahmen, 


antizipiert. Die bei der Steuerzahiung eingehenden 
Scheine follten vernidtet, die auf dieſe Weiſe nidt 
eingegangenen aber aus dem Steuerertrag etngeldit 
und vernidtet werden. Das heute angewendete Unti⸗ 
ipationSmittel ijt Der Schatzſchein (f. d.). — Im 
Matexiwcien ſpricht man von einer YL, wenn etme 
patentierte oder zur Batenticrung angemeldete Er- 
finding bereits vor der Unmeldung befannt gewefen 
ijt. — In der Medizin bedeutet A. das verfrithte 
Eintreten von typiſchen Kranfheits-, namentlid Fieber⸗ 
anfällen fowie überhaupt ein vorjeitiqer, dem Lebens- 
alter des Batienten nod) nicht angemefjener Bor- 
ang. — Jn der Mufif verjteht man unter A. das 
intreten on oder — 
rer Dem nächſtfolgenden Al⸗ 
ford angehörender Tine auf E —— 
einen demſelben voraus— — — 
gehenden leichten Zeitteil (ſ. 2 
nebenjtehendes Beiſpiel). 

Antizipationsgefdafte werden Geſchäfte ge 
nannt, bet denen der Berfaufsfommiffionar dem 
Kommittenden auf die von demſelben zum Berfauf 
empfangenen Waren vor deren Abſatz, auch wobl 
ſchon gleich nad deren Abſendung eine — 
zahlung bis zu zwei Dritteln des Wertes entwedet 
Direft oder in der Art macht, daß er einen vom Mom 
mittenten auf ibn gezogenen Wechſel alzeptiert (gl. 
Ronfjiqnation). 

Untisipationsfdeine, 1813 im Betrag von 45 
Mill. Gulden ausgegebenes, ſpäter ſtark vermehrtes 
öſterreichiſches PapiergeldD (Hentralfajffeanwmer- 
jungen). Die 1811 und 1813 ausgegebenen Ein- 
ldfungs- und A., welde die fogen. Wiener Wäh— 
rung (abgefitrgt : W. W.), aud S dheingeld genannt, 
bildeten,, batten Zwangsumlauf und wurden 1820, 
naddem ihr Kurs gejunfen war, auf zwei Fünftel 
ihres Nennwertes Herabgefest. Später von der Na— 
tionalbant gegen Banknoten eingelöſt, ſind die A. ſeit 
1854 aus dem Berfehr verſchwunden. 

Antizipieren (lat.), vorweg-, vorgreifend nehmen, 
voraus genießen. 

Autla „ſ. Gründonnerstag. 

Antlia, Sternbild, ſ. Luftpumpe. 

Autlitz, |. Geſicht. 


Antoeci — Anton. 


Antoeci (gried)., »Gegenwohner«), ſ. Untipoden. 
Autofagaſta, chilen. (frither bolivian.) Tervito- 
rium, beqrengt im W. vom Stillen Ogean, im N. vom 
Territorium Tarapacd, im O. von Bolivia und Ur- 
entinien, im S. von Argentinien und der Proving 
tacama, bat ein Areal von 187,000 qkm mit (1895) 
44,085 Einw. Die Undes mit einer Reihe bedeutender 
Bullangipfel (Oyaqua 5865, Licancatir 6950, So- 
compa 5980, Aullaillaco 5170, UWntofalla 6370 m) 
bilben die Nordoſtgrenze und ſcheiden dads Territorium 
in zwei ungleiche Teile. Der cingige Fluß ijt der Rio 
Loa, an der Nordgrenze, fonjt ijt das Gebiet aufer- 
ordentlich diirr, wenngleich an der Küſte zuweilen ge- 
waltige Regenmajjen fallen. Das erdbebenreiche Terri⸗ 
torium ijt reid) an Silber (bei Caracoled, f. d.), Blei, 
Gold und Kupfer fowie namentlid) an Salpeter und 
Borar (bei Uscotdn), die nad den 1866 und 1874 
mit Bolivia abgeſchloſſenen Verträgen von Chile aus- 
ebentet wurden. Die Zurücknahme diefer Vertriige 
Ritens Bolivias fiihrte 1879 gum Srieg und zur Be— 
fibergreifung des Landes durch Chile, bem es durd 
Vertrag vom 4. WUpril 1884 verblieb. Cine Cifenbahn 
fiibrt von der Stadt A. nad) Huandaca in Bolivia 
(640 km), cine jweite vom Hafen Taltal nad den 
Salpeterwerfen von Cadinal, der Hafen Mejillones 
ijt mit Der erjten Bahn durd einen Schienenſtrang 
verbunden. Zu nennen ijt nod Der Hafen von Cobija. 
Die Hauptitadt W., an der Morenabai, unter 23° 
40’ fiidl. Br., hat cine großartige Wafferleitung, ijt 
Sig eines deutiden Konſuls, Dampferjtation, Hat 
febr bedeutenden Handel (1888 Einfubr 1,680,511, 
Ausfuhr 1,474,752 Pefos) und (soe) 18,883 Einw. 
MAntogaft, Badcort im bad. Kreis Offenburg, am 
Südfuß des Kniebis im engen Maiſachtal, 4838 m 
fi. M., 4 km von Station Oppenheim der Rendtal- 
ban, hat drei Ouellen (zwei Trink und eine Bade- 
quelle), alfalijdy-erdige Eiſenſäuerlinge, die gegen 
Blutarmut, Kranfheiten der Verdauungsorgane 2. 
verwendet werden. 

Antoine (ivr. angtionw), 1) Jules Dominique, 
fran3. Politifer, geb. 26. Jan. 1846 in Meg, wurde 
Tierarzt, nahm 1870 als Leutnant in der Mobilgarde 
am Striege gegen Deutſchland teil und wurde ver- 
wunbdet. 1872 wurde er jum Mitgliede des Meher 
Gemeinderats, 1877 de3 Landesausſchuſſes und 1882 
bis 1887 wiederholt sum Reichstagsabgeordneten ge- 
wählt. Er befuchte dem Reichstag nie, trat aber in 
Lothringen als cifriger Protejtler auf. Ym Frühjahr 
1887 wurde er feiner Hegercien wegen ausgewiejen, 
legte 1889 fein Reichstagsmandat nieder und wan- 
derte nad) Frankreich aus. Hier wurde er 1890 in 
der Tabafsregie angejtellt und 1893 gum General- 
zahlmeiſter ernannt. 

2) Undré, franz. Schaufpieler und Biihnenteiter, 

eb. 1858 in Limoges, war in Paris Ungejtellter der 
Basgereltidvatt, als er 1887 das Theãtre Libre griin- 
dete, worin er den ſtärkſten Naturalismus und mög— 
lichſt ungefiinitelte Spielweife auf der Bühne heimiſch 
machen fudte. Das Théiitre Libre, das nur den 
bonnenten zugänglich war, bejtand bis 1894 und 
übte auf die dramatiſche Broduttion voritberqehend 
rofer Einfluß aus. Kurze Zeit Direktor des Odéon 
1896), eröffnete A. 1897 das allabendlich fpielende 
fitre Antoine, das fic) befonder3 aud) durch die 
Aufführung von Sdaufpielen auslindifder Uutoren 
( Ibſen, Hauptmann, Sudermann 2.) verdient ge- 
macht hat. 
ofolffi, Markus, ruſſ. Bildhauer, geb. 1843 
in Wilna, geft. 9. Juli 1902 in Bad Homburg, war 





591 


Schüler der PeterShurger Akademie, bildete fid) aber, 
im Gegenfage gu der dort herrſchenden klaſſiziſti— 
iden Richtung, in realiſtiſchem Sinne durd) Studien 
nad der Natur aus. Sein erjtes qriferes Werk, die 
ſitzende Figur Iwans des Schrecklichen (1871, f. Tafel 
*Vildhauerfunjt XX«, Fig. 8), trug cin durdjaus 
realiſtiſches Gepriige mit jtarfer Betonung des dharaf- 
teriſtiſchen und malerifdjen Element. Der gefeſſelte 
Chriſtus vor dem Volle (1874) bewegte ſich in derſelben 
Richtung, und in dem ſterbenden Sokrates (1876) 
führte bas Streben nad) Naturwabhrheit zu einer fraf- 
ſen Darſtellung der Wirkungen des Todes. Seine 
Vortrãtbüſten und Statuen (Peter d. Gr., Turgenjew, 
Spinoja, die Kaiſer Ulerander IL, Alexander IT. und 
Mifolaus) zeichnen fich durch Lebendigfeit und Energie 
de3 Unsdruds aus. Für die Weranderbriide in Pe— 
terSburg bat er die Reiterftatuen Jaroſlaws de3 Wei— 
fen und Swans IIT. ausgeführt. Bon feinen iibrigen 
Werlen find nod der ewige Jude, Satan, Ophelia, das 
ſchlafende Dornröschen, der Traum und der Kummer 
hervorjuheben. Seit 1880 lebte A. in Baris. 

Antomardi (jpr. marty), Francesco, geb. 1780 
auf Korſila, gejt. 3. Upril 1838 in San Untonio auf 
Cuba, ward 1812 Proſeltor am Hofpital Santa Maria 
gu Florenz; 1818 ging er nad) St. Helena, um Na— 

oleon I. ärztlichen Beijtand gu leijten. Nach dem 

ode des Gaiters erflirte er, daß diefer nicht am Ma— 

enfrebs, fondern an cinem auf der Inſel herrſchenden 
Fieber gejtorben fei, und weigerte fid), Das Obdut- 
tionSprotofoll 3u unterzeichnen. Er fehrte dann über 
England nad Stalien zurück und wandte fid, von der 
Ergherzogin Marie Luife in Parma falt empfangen, 
nad Baris, wo er das vielgeleſene Werk⸗Les derniers 
moments de Napoléon« (1823, 2 Bbde.; neue Ausg. 
1852; deutſch, Stuttg. 1825) herausgab. Währen 
der polniſchen Revolution iibernahm er in Warſchau 
die Leitung der — Unjtelten, fehrte jedoch bald 
nad Baris zurück. 

Antomboka, Bai an der Nordjpize von Mada- 
qastar, ſ. Dieqo Suare3. 

Anton (Ubfiirjung de3 rim. Namens Antonius, 
franj. Antoine), Name einiger bemerfenswerten Für⸗ 
jten: 1) N. von Bourbon, feit 1555 Titularfdnig 
von Navarra, geb. 22. April 1518, geft. 17. Nov. 
1562 in Undelys, diltejter Gohn des Der}098 Karl 
von Vendome, vermählt 1548 mit Johanna d'Albret, 
der Tochter und Erbin Heinrids II. von Navarra, 
Vater Heinrichs IV. von Frankreich, war mit feinem 
Bruder Ludwig von Condé das Haupt der Hugenot- 
tiſch⸗ bourboniſchen BVerbindung gegen die Guijen, 
wurde aber verbaftet und erjt nad Frans IT. Tod 
(5. Dez. 1560) befreit. A. ward hierauf Generaljtatt: 
halter des Reiches, ſchloß fic) aber aus Ehrgeiz dem 
fatholifden Triumvirat de8 Herzogs Franj von Guije, 
des Connétable von Vtontmorency und des Mar— 
{halls von Saint-Yndré an, kämpfte geqen die Huge- 
notten, nahm Bourges ein und belagerte 1562 Rouen. 
Er ftarb an einer bier erhaltenen Wunde. Bgl. de 
Ruble, Antoine de Bourbon et Jeanne d’Albret 
(Par. 1881 — 86, 4 Bde.). 

2) UW. Ulrid, Herzog von Braunfdweig- 
Wolfenbiittel, dritter Sohn des Herjogs Auguſt 
und der Bringeffin Dorothea von Anhalt⸗Zerbſt, geb. 
4. Oft. 1633, gejt. 27. März 1714, trat 1710 in 
Bamberg affentiid aur katholiſchen Rirche iiber, nad- 
dem feine Tochter Grijabets Chriſtine Gemablin des 
ſpätern Kaiſers Karl VI. und katholiſch geworden war. 
In der Frudjtbringenden Gefellfdaft fiihrte er den 
Namen »Der Siegprangende<. Er dichtete außer 


592 


Singſpielen und geiſtlichen Liedern die beiden ſchwül⸗ 
jtigen Romane: » Die Durdleudtige Syrerinn Ara— 
mena« (Nurnb. 1669—73, 5 Bde.) und die ⸗Röomiſche 
Octavia« (zuerſt Nurnb. 1677, 6 Bde.). Die in die 
»Octavia« verflodtene ⸗Geſchichte der Pringefjin So- 
lane« behandelt die Schickſale der Prinzeſſin von 
Ubhiden, Sophie Dorothea (j. Sophie). Bal. Hoed, 
A. Ulrich und Elijabeth Chrijtine von Braunſchweig 
(Wolfend. 1845); Cholevius, Die bedeutendjten 
deutiden Romane des 17. Jahrhunderts (Leip. 1866) ; 
Sonnenburg, Herzog A. Ulric) von Braunſchweig 
als Didter (Berl. 1896). 

3)A. Ulrich, Bring vonBraunfdhweig, swei- 
ter Sohn Ferdinand Alberts, Herzogs von Bonn 
ſchweig⸗ Bevern, Bruder des beriihinten preupijden 
Generals Herjog Ferdinand, geb. 28. Uug. 1714, 

eft. 19. März 1776, fam 1733 auf Wunſch der Kai— 
ate Unna nad Rußland und wurde 1739 mit deren 
Nichte Anna Leopoldowna (jf. Anna Y) vermablt. 
Nad dem Tode der Raiferin und dem Sturze des 
Regenten Biron (j. d.) wurde der Pring von feiner 
Gemahlin, der Regentin Wnna, zum Generalifjimus 
erhoben, aber ſchon 6. Dex. 1741 mit feiner ent: 
thronten Gemablin und ibren Kindern interniert. 
Katharina IT. ließ bald nad) ibrer —— 
ihm den Vorſchlag machen, für ſeine Perſon Rußlan 
zu verlaſſen; ſeine Kinder ſollten zurückbbleiben, da 
man ihnen aus politiſchen Gründen nicht die Freiheit 
geben finne. Der Vater zog jedoch die Gefangenſchaft 
mit feinen Kindern der Freiheit vor und jtarb im 
Gefiingnis. Sein Sohn Diwan wurde 1764 in Schlüſ⸗ 
felburg ermordet (jf. Swan). Geine iibrigen vier 
Kinder lie man endlic) 1780 frei, Ratharina I. ver- 
willigte ihnen cinen Jahrgehalt und jchidte fie nad 
Horjen3 in Diltland. Vgl. Britdner, Die Familie 
Braunfdweig in Rupland (Petersb. 1876). 

4) U. Klemens Theodor, König von Sach— 
jen, Weiter Sohn des Kurfürſten Friedrich Chriſtian 
von Sachſen und der Marie Antonie von Bayern, 

eb. 27. Dez. 1755, gejt. 6. Juni 1836, lebte, ure 
Apriingtich fiir den geijtliden Stand bejtimmt, bis zu 
jeiner Thronbejteiqung in Burtidgesogenheit, meiſt 
auf dem Schloß Weeſenſtein. Er vermählte ſich 1781 
mit Marie Karoline Untonie von Sardinien, nad 
deren finderlofem Tode 1787 mit Maria Therefia 
von Tostana, der Todjter Kaiſer Leopolds II., die 
vier Kinder diefer Ehe ftarben frühzeitig. Am 5. Mai 
1827 in feinem 72. Lebensjahr durd den Tod feines 
Bruders Friedrid) Auguſt I. (f. d.) auf den Thron 
berufen, erregte er durch die Erflarung, dak er im 
Geijte feines verftorbenen Bruders reqteren werde, 
bie Wünſche nad einer Reform der ſächſiſchen Zu- 
ſtände nur um fo beftiger. Die Begiinftiqung des 
Katholizismus, die tibergriffe der Hofgeiſtlichleit und 
die von dem Kabinettsminijter v. Cinjiedel begünſtigte 
ſcheinheilige Orthodorie brachte die Unzufriedenheit 
1830 ju —— — Zu ihrer Beſchwichtigung 
nahm A. den Prinzen Friedrich Auguſt, den 
Sohn ſeines Bruders Maximilian und präſumtiven 
Thronerben nad Maximilians Entſagung, gum Mit⸗ 
regenten an. 

5) A. Ulrich, HDergog von Sachſen-Meinin— 
gen, jüngſter Sohn Herzog Bernhards J., geb. 1687, 

eft. 23. Jan. 1763 in Frankfurt a. M., fampfte im 
Spaniſchen Erbfolgetrieg als pfalj-neuburgifder Offi- 
zier in Den Niederlanden. 1711 vermablte er fic) mit 
Philippine —— Cafar (geſt. 1744), der Tochter 
eines heſſen⸗kaſſelſchen Hauptmanns, die von Kaiſer 
Karl VI. in den Reidpsfiiritenjtand erhoben wurde; 


Antona-Traverji — Antonelli. 


dod erflirte Kaiſer Franz I. infolge des Wideripruds 
der fiirjtlidjen Berwandten gegen die Guljefjions- 
fabigteit der Kinder diefe Standeserhihung 1747 fiir 
ungilltig. 1724 nötigte er feinen Bruder Friedrih 
Wilhelm, die von diefem eingeführte Primogenitur 
auf feine eignen Söhne ju beſchränken und ihm Anteil 
an ber Reqterung einzuräumen. Wegen des Zwiſites 
mit feinen BVeriwandten lebte A. meijt aufer Landes, 
bald in Wien, bald in Frankfurt a. M., bis er, durch 
den Tod jfeiner Briider und Reffen 1746 alleiniger 
Regent wurde. Die Verhajtung des Oberlandjager- 
metjters v. Gleidjen und feiner Frau führte, da A. 
die vom Raifer gebotene Freilaſſung verweigerte, 1747 
zum Cinriiden ſachſen-gothaiſcher Erefutionstruppen 
in das Meiningifdye (Wafunger Krieg), und erjt nad 
einem ae ward die Sade friedlic) geſchlichtet. In 
der bald folgenden, 1753 durd) Vergleich beendeten 
Fehde mit Sadfen-Saalfeld befesten 1752 kurfürſtlich 
ſächſiſche und brandenburg-ansbadijde Exrefutions- 
truppen das Land. A. begiinftigte die Entfaltung 
Der Yndujtrie im Land und wurde fo deſſen Wobl- 
tater Dadurd, dak er viele gewerbliche Keime tm Lande 
pflangte, die {pater Taujende von Handen beſchäftigten. 
Er vermählte fic) 1750 sum gwetten Male mit Char— 
lotte Amalie, Pringefjin von Heffen-Philippsthal, die 
ibm nod vier Töchter und vier Söhne gebar. 

Antöna-Travérſi, Camillo, ital. Literarhiſto⸗ 
vifer und Didter, geb. 27. Nov. 1857 in Maitland, 
Profeſſor an einer höhern Lehranjtalt ju Rom, ver- 
faßte zahlreiche Schriften tiber Boccaccio (namentlich 
ine italienijdje Uderjegung von M. Landaus Bio— 
graphic Boccaccios, mit ausfiihrlidem Rommneentar, 

eapel 1881), iiber Ugo Foscolo, dejjen »Ultime 
lettere« ( Saluʒzo 1887) und »Poesie« (Rom 1889) 
er mit Martinetti kritiſch herausgab, und fiber Leo~ 
parbdi fowie »Nuovi studji letterari< (Mail. 1889). 
Als dramatifder Dichter hat U. fic durch Luſtſpiele 
befannt gemadjt: ⸗Il sacrificio di Giorgio«, »Ii ma- 
trimonio di Alberto«, »I fanciulli« (1894), >I pa- 
rassiti« (1899) u. a. 

Untonelli, Giacomo, päpſtlicher Kardinal- 
Staatsfetretir, geb. 2. Upril 1806 in Sonnino an der 
römiſch -neapolitanifden Grenge aus einer herunter⸗ 
gefommenen Familie, gejt. 6. Nov. 1876, trat in Rom 
in bad Priefterjeminar ein. Nachdem er die Weihe als 
Diafon empfangen hatte, gog in Papjt Gregor XVI. 
in feine Nahe und beſtimmie ihn fiir die ftaatsmin- 
nifde Laufbahn. UW. ward gum Priilaten erhoben, 
war dann als Aſſeſſor beim oberjten Gerichtshof, ſpã— 
ter als Delegat in Orvieto, Viterbo und Macerata 
tdtiq und wurde 1841 zum Ilnterjtaatsfefretar des 
Innern, 1844 jum zweiten Schagmeijter, 1845 aber 

unt Großſchatzmeiſter (Finanzminiſter) emannt. Als 
Bins IX. den papjtliden Thron bejtieg, ging er etfrg 
auf deſſen liberale Reformbejtrebungen ein und ge- 
wann bald cinen maßgebenden Einfluß. Am 12. Juni 
1847 Kardinal geworden, trat er in den erjten WMi- 
nifterrat ein, mit dejjen Bildung Pius IX. femme poli- 
tijden Reformen erdjfnete. Jn dem am 10. Mary 
1848 gebildeten, aus Geijtliden und Laien gemiſchten 
Miniſterium tibernahm A. den Vorſitz. Wabhrend der 
Papſt 14. Mary ein Staatsgrundgeſetz proflamierte, 
ſchmeichelte U. Der nationalen Stimmung, indem er 
die päpſtliche Armee an die ndrdliche Grenge ſchickte 
von wo das Korps zur eg Fe Ge der Biemontefen 
in die Lombardei cinriidte. Jad der paipftliden Milo- 
fution vom 29. Upril, die den Krieg gegen Oſterreich 
mifbilligte, nahm A. mit ſeinem Miniſterium die Ent- 
laſſung, lief aber bald, die Geſinnungen des Papjtes 


Antonello von Meffina — Antoninus. 


mit ſcharfem Blick erfernend, die nationale Politif fal- 
len und ſchwenkte völlig ins Lager der Reaftion iiber. 
Auf ſeinen Rat floh Bing IX. 25. Nov. 1848 nad 
der Ermordung des Viinijterprajidenten de Roffi nad 
Gatta; A. folgte ihm und wurde jum Staatsſekretär 
ernannt. Rady Wiederherftellung der päpſtlichen Ge- 
walt dDurd die Franjofen trat W., der im April 1850 
mit dem Bapft nad) Rom zurückgekehrt war, an die 
Spitze Des neuerrichteten Staatsrats, reorganifierte 
dieBerwaltung, verfolgte feine politijden Gegner und 
fiibrte ein abſolutiſtiſches Polizeiregiment ein. Mah— 
mingen Der Mächte gu Reformen wies er zurück, ver- 
jtand fid) aud) gu feinem Zugeſtändnis an die natio- 
nalen Wünſche der Ytaliener umd begleitete die » Be- 
raubungen« ded Rirdenjtaats durd) dad neue Kinig- 
reid) Stalien mit ohnmächtigen Proteſten. In ſeinen 
lezten Jahren vermochte er ſeinen Einfluß auf den 
vapſt, der mehr und mehr von den Ratſchlägen der 
Jeſuiten abhängig wurde, nidt vollfommen ju be- 
haupten. A. Hinterlieh ein bedeutendes Vermigen, 
liber Dad ſich ein ſtandalöſer Prozeß zwiſchen feiner 
angeblidjen Tochter, Gräfin Lambertini, und feinen 
Verwandten entfpann. 

Antonello von Meffina, ital. Maler, geb. wm 
1444 in Meffina, geft. um 1493 in Benedig, foll in 
den Niederlanden die dort durd) die Briider van Eyed 
und ibre Schiiler vervollfommte Olmalerei (d. h. die 
mit Leimfarben untermalten Bilder mit Olfarben gu 
lafieren) erlernt und in Stalien verbreitet haben. Gein 
früheſtes Bild, ein Chrijtus in der Nationalgalerie 
ju London, tragt die Jahreszahl 1465 und geigt flan- 
driſchen Charafter, ebenfo wie cin 1473 fiir die Rirde 
von Gan Gregorio in Meſſina gemaltes Wltarbild. 
Um diefe Zeit hielt er fic) bereits in Venedig auf, wo 
er ſeiner neuen Malweiſe ſchnell einen großen 
Ruf als Porträtmaler erwarb und ſich an Bellini und 
Carpaccio weiterbildete. Seine Hauptiwerfe find cine 
Sreuji in der Untwerpener Galerie und cin 
mãnnliches Portrait im Louvre (beide von 1475), ein 
männliches Bildnis im Berliner Muſeum von 1474 
und ein Heil. Sebaftian in der Dresdener Galerie. 

UAntonianer, 1) feit dem 17. Jahrh. bejtehende 
Orden8genofjenfdaft der unierten Armenier (ſ. Ar— 
menifde Rirde). — 2) Antinomiſtiſche Sefte in der 
Schweiz, geftiftet von dem 1759 gu Schiipfheim im 
Ranton Luzern gebornen, 1824 im Gefängnis zu Lu⸗ 
xrn verjtorbenen Ubenteurer Anton Unterndbhrer. 
Die Theorie, dak die geidhledtlidje Liebe ohne Zwang 
und Unterfdjied zu tiben fei, hatte ihn mit der biirger- 
lichen Gefellfchaft in einen fiir feine Sefte tBbligven 
Konflikt gebracht. 

Antonides van der Goes (pr. gis), Johannes, 
niederlind. Didter, geb. 3. Mai 1647 in Goes, geſt. 
18. Sept. 1684 in Rotterdam, war der vorgiiqlichjte 
Schüler Vondels. Schon hatte er 1666 fein Trauerfpiel 
*Trazil of overrompelt Sina« und 1667 fein Jubel- 
lied »Bellone aan bant« geſchrieben, als er mit an- 
dern die im BVerfall beqriffene Dichtkunſt zu heben ſich 
bejtrebte durch die —— der Geſellſchaft Nil volen- 
tihus arduum (1669). Als ſich ſeine Genoſſen aber 
als kleinliche Kritilaſter und einſeitige Bewunderer des 
franzoöſiſchen Klaſſizismus zeigten, fagte er ſich von 
ihnen los umd veröffentlichte ſelbſtändig fein Meiſter— 
wert ⸗æVstroom« (1671). Seine Gedichte erſchienen 
geſammelt 1685, 1705, 1714 (mit einer Biographie 
von D. van Hoogſtraten), zuletzt 1827 mit Erklärun⸗ 
gen von Bilderdijk. 

Antonienhiitte, Gutsbezirk im preuß 
Oppeln, Kreis Kattowitz, an der Staatsbahn 

Neyers Konv.-Lexilon, 6. Mufl.. L Wd. 





593 


wif-Morgenroth, hat eine evangelifde und cine fath. 
Rirdhe, Synagoge, swei Zinfhiitten, Steinfohlenberg - 
bau und (1900) 6788 Cinw. 

Antönier For, ſ. Ritifon. 

Antonina, Gemabhlin des oſtröm. Feldherrn Be- 
lifar, babnte durch die ihr vertraute Kaiſerin Theodora 
ihrem Gemahl den Weg gu feiner hohen Stelling, 
begleitete ifn auf feinen Feldzügen, verbitterte ihm 
aber durch Untreue das Leben. 562 trafen aud) fie 
die Folgen der ſchmählichen Anklage ihres verdienten 
Gatten; feinen Tod (565) hat fie tiberlebt. 

Antoninianifhe Saulen (Antoninusſäu— 
len), zwei Ehrenſäulen, die den beiden Untoninen in 
Rom erridtet wurden. Die cine wurde nad dem Tode 
des Antoninus Pius diefem gu Ehren von feinen bei- 
den Adoptivſöhnen Marcus Aurelius umd Lucius Be: 
rus auf dem Forum Antonini (Piazza Coloma) auf- 
geridtet und 1705 wieder ausgqegraben, aber, weil 
allju bejdadigt, wieder zerſägt. a aus rotem Granit 
beftehender, tm Umfang 6,5 m mefjender Reſt diejer 
Saute fteht jest im Hof des Rarlamentshaufes auf dem 
Monte Citorio. Das Piedejtal von weifem Marmor, 
auf dem die Upotheofe des Naijers Untoninus Kins 
abgebilbdet ijt, befindet ſich im Garten ded Batifans. 
Die andre, vom römiſchen Senat dem Raifer Marcus 
Aurelius gum Undenfen an feine Siege iiber die Mar- 
fomannen geweihte Säule, aud) Colonna Chiocciola 
(»BWendeltreppenfiule«) —— ſteht auf der Piazza 
Colonna, ijt doriſcher Ordnung und beſteht aus 28 
iibereinander qetiirmten ungeheuern Marmorblicden. 
Sie hat eine Höhe von 29,5 m (bei 3 m hohem Sorel) 
und ijt eine Nachbildung der Trajansſäule. Auf der 
äußern Seite find in ftarf vorſpringenden Reliefs die 
ſiegreichen Kämpfe Mark Aurels wider die Marko— 
mannen dargeſtellt; im Innern führt eine Spiral— 
treppe von 206 Stufen, die 56 Fenſter erhellen, auf 
die Plattform, wo jetzt ſtatt der Bildſäule des Kaiſers 
cine eherne, von della Porta (1589) auf Befehl des 
Papjtes Sirtus V. verfertigte Statue des Apoſtels 
Paulus ſteht. Sirtus V. liek auch die Säule durch 
Dom. Fontana ausbeſſern und mit dem jetzigen Piede- 
ftal befleidben, während die antife Baſis ca. 7 m tief 
unter Dem Strafenpflajter fteht. Die moderne In— 
ſchrift bezeichnet die Säule irrtümlich als dem Unto- 
ninus Pius geweiht. Val. Reterfen, v. Doma- 
facwffiu.Calderint, Die Marcusfiiute auf Piazza 
Colonna in Rom (mit 128 Tafeln, Miind. 1896). 

Antoninus, Name zweier rim. Kaiſer: 1) VW. 
Pius, mit welchen beiden Namen er gewöhnlich be- 
nannt wird, cigentlid) Titus Aurelius Fulvus 
Bojonius A. Pius, Sohn de Titus Aurelius 
Fulvus, geb. 86 n. Chr. in Lanuvium, gejt. 161. Er- 
zogen in Lorium, trat er frühzeitig in Staatsiutter 
als Quäſtor, Prätor, Konſul und wurde von Hadrian 
138 nad) dem Tode feines erjten Udoptivfohns, Wins 
Verus, wegen feiner vorzüglichen Charaktereigenſchaf⸗ 
ten adoptiert und zum Cäſar ernannt, unter der Be— 
dingung, daß er felbjt den Marcus (A.) Verus, Sohn 
des Bruders feiner Gemabhlin Annia Faujtina, und 
dent Lucius Verus, des Älius Verus Sohn, adoptierte. 
Er regierte von 138-—161. Bom Senat mit dem Bei- 
namen Pius geehrt, forgte er völlig aufgebend in fei: 
ner Pflicht mit Weisheit und Wilde iiberall fiir Auf— 


rechterhaltung der Ordming und Geſetze, wählte dic 





Statthalter der Provinzen mit Einſicht und dev forg: 

fältigſten Riicficht auf deren Wohl, unterſtützte fret- 

ebig dic von Unfällen betrojfenen Stadte und Land: 

—3— erweiterie in Rom die Stiftung Trajans für 

‘te Kinder durch Gründung neuer Stellen, verbot 
88 


594 


gegen die Chriſten alle Gewaltmafregein und fepte 
fiir die Rhetoren und Philofophen Gehalte fet. Da- 
bei verſäumte er nidjts, was der Glanz des Reiches er- 
forderte; zahlreiche Bauten in Italien werden auf ihn 
juriidgefiibrt; die Sparfamfeit des Hofes und ſeine 
verniinftige Finanzwirtſchaft lieferten ihm dazu die 
Mittel. Dieſelben Vorzüge, welche die innere Wohl⸗ 
fahrt des Reiches förderten, gewannen ihm auch nach 
außen ſo großes Anſehen, daß er nur ſelten Waffen— 
gewalt an zuwenden brauchte. Nur in Britannien 
wurde gegen die Briganten erfolgreich gelämpft; ſonſt 
i er nur vereinjelte Aufſtände niederzuſchlagen. 

ad) feinem Tode wurden ihm vont Senat alle Ehren 
juerfannt, die je einem Kaiſer erwiejen worden waren, 
und die meiften der nadfolgenden Raifer, bis auf 
Elagabal, ehrten ihn dadurch, daß fie fic) den Bei— 
namen A. beilegten. Sein mildes, wiirdiges und adj- 
tunggebictendes Außere jtellt fid) uns nod) in den zahl⸗ 
reid) erhaltenen Biijten (befonders in einer Munchener) 
und Miingen dar. Bal. Boffart und Miller, Zur 
Geſchichte des Kaiſers W. (Leipz. 1868); Lacour⸗ 
Gahyet, A. le Pieux et son temps (Par. 1889). 

2) Marcus Aurelius W., geb. 26. Upril 121 


Antoninus — 





n. Ghr., geſt. 17. Mars 180, ein Verwandter Hadrians 
und des Untoninus Pius, aus einer vornehmen Fa- 
utilie Spaniens, wurde in Rom ergogen und gewann 
früh die Gunſt Hadrians und des Untoninus Pins. 
Er hick cigentlid Unnius Verus, wurde aber auf 
Anordnung Hadrians von Untoninus Pius adoptiert 
und nannte fid) mn Marcus Aurelius Verust. 
Bon Antoninus Fius wurde er nad) feinem Regie 
rungsantritt (1388) zum Cäſar ernamnt und nahm 
nun unter und neben ſeinem Wdoptivvater, der thm 
ſeine Tochter Faujtina zur Gemahlin pe an den Re⸗ 
qierungsgejdaften tätig Anteil. Mehr nod) beſchäf⸗ 
tigten ihn feine Studien; denn nadjdem er in Der | 
Jugend unter dem berühmten Cornelius Fronto rhe- 
toriſche Studien getrieben hatte, wendete er fid) all: | 
miahlich der ſtoiſchen Philoſophie gu und blieb ihr aud 
treu, ald er sur Regierung (161-—180) gelangte. Den | 
Lucius Berus, den Antoninus Pius ebenfalls adoptiert 
hatte, ernannte A., obwohl ihm fein ausfdweifendes 
Leben mißfiel, aus Pietät zum Mitregenten. Indes 
war ſeine Regierung nicht ſo glücklich, wie es ſeine 
Gerechtigkeit, ſeine Milde und ſein unermüdlicher 
Pflichteifer verdienten. Zwar in den erſten Jahren 
wurden nicht nur die Einfälle der feindlichen Nach— 
barn in Britannien und am Rhein abgewehrt, ſondern 
es wurde auch gegen den Partherkönig Vologeſes II. 
ein oo Krieg (162 —--166) von den Feldherren 
des L. Verus gefiihrt. Wein das aus dem Often zu— 
riidfehrende Heer bradjte von dort cine furdtbare Peſt 
mit, Die während der ganzen weitern Regierungszeit 
Markl Aurels das römiſche Reid) verheerte. Auch durf 
ten die Einfaille der Quaden, Marfomannen, Jazygen 
und andrer germanifden und farmatifden Volfer am 
Rhein und an der Donau, das Borjpiel der Völler— 
wanderung, nicht linger unbeadtet bleiben. Rad 
umfafjenden Vorbereitungen übernahm A. felbjt die | 
Oberleitung diefes »Warfomannentrieges«, juerjt 
(von 167 an) mit Berus, nad) dejjen Tod (169) allein 
bi 175, wo cin Friede zu ftande fam, der die Donau- 
67* gu ſichern ſchien. Der Aufſtand ded Avidius 
aſſius (175) in Aſien war durch deſſen Ermordung 
erjtidt, ehe der Kaiſer ſelbſt herannahte. An der Donau 
aber rief ſeine Abweſenheit fofort wieder Unruhen her- 
bor, Dic ihn von neuem (178) gum Kriege zwangen, 
den er zwar nicht ungliidlid), aber dod) ohne villige | 
Entſcheidung bis zum Tode fortführte. Aus dev ine | 











Königs Jobann IIL. von 


Antonio. 


nern Geſchichte ſeiner Regierung werden uns nur 
Handlungen der Milde und Menſchlichkeit berichtet. 
Er erweiterte die Stiftung Trajans fiir arme Minder 
und gab ibr eine fejte Cinvidjtung, ordnete Das Bors 
mundfdaftswefen, milderte die durch Peſt und Hun- 
gersnot entitandene Not durd) reiche Spenden und 
den Erlaß riidjtindiger Ubgaben. Wuch dent Senat 
erwies er viel Chre und fiderte ſich dadurch cin dant 
bares Gedadtnis. Wie in feiner Regierung, fo drück 
jid) feine reine, edle Sinnesweiſe aud) in den zwölf 
Büchern feiner (griechiſch geſchriebenen) »Selbjtbe- 
trachtungen⸗ aus, zuerſt herausgegeben von Guil. 
Xylander (Zür. 1558), ſpäter von Caſaubonus (Lond. 
1643) und og rd (Cambr. 1652), gulegt von Std 
(Leip;. 1882). Uberfegungen in fajt allen europäiſchen 
Spradjen; neuere deutfde von Schneider (4. Uni. 
Brest. 1891) und Cleß (Stuttg. 1866). Seme ãußere 
Erſcheinung jtellt uns namentlid) die berühmte, jest 
auf dem Kapitol ftehende Reiterjtatue (j. Tafel » Bud 
hauerfunjt V«, Fig. 2) dar. Cine bildlide Darjtellung 
der Mtarfomannenfriege befigen wir in den Reliefs 
der Untoninfaiule in Rom (f. Untoninianifde Saulen). 
Bgl. Desvergers, Essai sur Marc- Auréle (Bar. 
1860); Renan, Marc-Auréle et la fin du monde 
antique (Daj. 1882); Watfon, Life of M. A.A 
(Rew Yort 1884). — Uber das Itinerarium Anto- 
ninum f. Itineraria. 

Antoninus, der heilige, geb. 1389 in Floren; 
Dominifaner, wurde, naddem er auf dem Florentine 
Konzil (1439) eine Rolle gefpielt, 1446 Erzbiſchof m 
feiner Baterjtadt, als welder er, hochverehrt wegen 
feiner Leiftungen als Seelforger und Rirchenfiirit. 
2. Mai 1459 jtarb; fanonijiert 1523. Seine Werte, 
von denen die »*Summa theologicar eine nod jest 
geſchätzte Sittenlehre enthalt, erfdyienen Florenz 1741 
in 4 Banden. 

Antoninus Liberalis, griech Grammatifer ded 
2. Jahrh. n. Chr., Verfafjer ener ⸗Metamorphoſen« 
betitelten Sammlung von 41 Verwandilungsmythen. 
meijtens ältern Ouellen entlehnt (hrsg. von Martini. 
Leip;. 1896). 

UAntoninusfaulen, ſ. Antoninianiſche Säulen. 

Antoninnus-Wall, Grenzwall gegen Schottland, 
von Agricola begonnen, von den Kaiſern Antoninus 
Pius und Severus vollendet, erſtreckt ſich von Car- 
riden ant Fyorth bis zum Dunglak Point am Clyre. 
Beim Volf find feine Uberrejte als Graham's Pate 
befannt. Dunglak Bont frint jest ein Standbdild 
Henry Bells, des Cinfiihrers der Dampfſchiffahrt. 

Antonio, Prior von Crato, portug. Kronpräten⸗ 
dent, geb. 1531, geft. 1595 in Baris, ein natiirlider 
Sohn des Herzogs Ludwig von Beja, Bruders des 
ortugal und einer Judin. 
Jolanda da Gomes, ftudierte in Counbra, ward dann 
Johanniter, Prior von Crato und unter König Se- 
bajtian Connetable des Reides. 1578 beglertete ex 
Sebajtian auf deffen Zug nad Ufrifa und geriet in 
der Schlacht bei Allazar Kebir (4. Aug.) in maroffa: 
niſche Gefangenſchaft. Durd) einen Sklaven befreit. 
erſchien er wieder in der Heimat. Unter König Hem: 
rich wurde er wegen ſeiner Anſprüche auf die Krone 
des Landes verwieſen, kehrte aber heimlich nad Vor⸗ 
tugal zurück und ward nad König Heinrichs Tod 


(31, Jan. 1580) als König ausgerufen. Uber and 


König Lbilipp IL. von Spanien madte Anſprüch⸗ 
auf die Thronfolge, und der gutmütige, aber ſchwache 
und unbefähigte A. vermodte den Wideritand der 
portugiejifden Batrioten nidjt ju organijieren. Bor 
cinem großen Teil des Udels verlajjen, wurde ex mut 


Antonius (altrdm. Name). 


10,000 ungeiibten Streitern 24, Mug. bei Uleantara 
von Ulba gefdlagen und entfam, geadtet, mit Mühe 
nad) heh si on Katharina von Medici mit einer 
Flotte unterjtiist, behauptete er feine Herrſchaft auf 
Den Usoren. Gleich vergeblid) verſuchte er 1589 mit 
einer englifden Flotte unter Drafe bei Liſſabon ju 
landen. Er jtarb als Titularfinig von Portugal in 
Diirftigteit. A. fdrieb: »Panegyris Alphonsi I., Lu- 
sitanorum regis« (Coimbra 1550); »Psalmi confes- 
sionales« (Par. 1592; deutſch: »Heilige Betrachtun⸗ 
gen«, Marb. 1677). Cine Lebensbefdreibung Wnto- 
nios verfapte fein sweiter Sohn, Chrijtoph (Bar. 1629). 
Bal. Unt. de Herrera, Historia de Portugal y con- 
quista de los Azores en 1582 y 1583 (Madr. 1591); 
Fernandez Duro, La conquista de las Acores 
en 1583 (Daf. 1886). 

Antonius, Name eines römiſchen plebejiſchen Ge- 
ſchlechts, von deſſen Mitgliedern folqende als Die be- 
rühmteſten ju pie Peary, a 1) Marcus A., geb. 
143 v. Chr., einer der wirfungsvolljten und ausge- 
zeichnetſten Redner fener Zeit, weshalb er gewöhnlich 
den Beinamen Orator (der Redner) fiihrt, neben Craf- 
fus die Hauptperjon in Ciceros Werk »Uber den Red- 
ner«, 99 Konſul, wurde 87 als Anhänger der Senats- 
partet auf Befehl des Marius ermordet. 

2) Gajus U. Hybrida, Sohn des vorigen, trog 
cines beriichtigten Vorlebens mit Cicero 66 Prätor und 
63 Ronful. Er war ein Geſinnungsgenoſſe Catilinas, | 
wurde aber von Cicero dadurch gewonnen, dak er ihm 
die reidje Provinz WMaledonien iiberlieh. Nach der 
Rückkehr von dort wurde er 59 wegen der dortigen | 
Erprejjungen und zugleich wegen Teilnahme an der 
Catilinarifden Verſchwörung angeflagt und trop 
Ciceros Verteidigung nad Kephallenia verbannt, ſpä⸗ 
ter aber von Catar zurückgerufen. 

8B) Marcus A. der Triumvir, Sohn des Marcus 
A. Creticus und der Yulia, einer Verwandten Cäſars, 
€Enfel von A. 1) und Neffe von A. 2), geb. wahridein- 
lid) 82 v. Chr., geſt. 30 v. Chr., ſeit dem Jahre 54 
das geſchickteſte und nützlichſte Werkzeug Cajars, zu— 
erjt, von 5450, in Gallien, dann 49 mn den Tagen 
der Entſcheidung über den Bürgerkrieg als Bolfs- 
tribun in Rom, darauf bei der Vertreibung des Pom— 
pejus aus Stalien. Als Cafar nad Spanien gegen 
die Bompejaner 30g, blieb A. in Italien als Ober: 
befehlshaber zurück, nahm aber an den Kämpfen vor 
Dyrrhacdhium und an der Schlacht bei Bharjalos teil. 
Bon Cäſar, dem der Senat (jum zweitenmal) die Dik | 
tatur fibertrug, jum Magister equitum ernannt, | 
fiihrte er in Stalien bis zu Cäſars Riicfehr aus dem | 
Wlerandrinifden Krieg eine unbeſchränkte Herridjaft | 
und wurde, naddem eine Verjtimmung swifden ihm | 
und Caifar ausgeglichen war, mit ihm zuſammen fiir 
44 zum Ronful crnannt. Die durch die Ermordung 
Cãſars an den Iden des März 44 und die allgemeine 
Verwirrung in den nächſten Tagen fic) erdjfnende | 
Ausſicht, fic) an deffen Stelle als Alleinherrſcher yu 
feben, ergriff A. fofort und verfolgte fie mit ebenfo 
viel Vorſicht wie Energie. Zunächſt zeigte er dem 
Senat und den Verſchwornen Verſöhnlichkeit und 
Nachſicht; dancben aber reigte er dad Bolf durd die 
Veröffentlichung von Cäſars Tejtament und durd 
cine fein berednete Rede bei feinem Begrabnis gegen 
die Verſchwornen auf, fo dak diejelben Rom verließen; 
namentlich aber zog er die Veteranen Cäſars an ſich 
und konnte nunmehr den Senat nötigen, ihm das im 
Beſitz des D. Brutus, eines der Verſchwornen, befind⸗ 
liche cisalpiniſche Gallien und die von Cäſar zu dem 
von ihm beabjidtigten Barthifden Feldjug nad) Apol⸗ 














595 


lonia vorausgefdidten Legionen zurückzurufen und 
ihm gu überlaſſen. Mit diefen war er im Oftober 44 
bereits auf dem Marſche nad) dem eisalpiniſchen Gal- 
lien, um es dem Brutus zu entreifen. Da erhob fid 
gegen ihn der von Cäſar adoptierte Entel von deſſen 
Schweſter, Gajus Octavianus. Diefer war auf die 
Nadhridt von Cäſars Ermordiung von YWpollonia, 
wohin er ebenfalls von Cãſar vorausgeſchickt worden 
war, nad) Rom gecilt und wußte, da er fid) mit A. 
nicht verjtindigen fonnte, im Laufe ded Sommers 
das Volk, die Veteranen und auc) den Senat fiir ſich 
ju gewinnen, ſogar einen Teil der Legionen ded A. 
jum Wbfall zu verleiten. Daher wurde er vom Senat 
nebjt den Konſuln von 43 mit der Fiihrung de3 
Ranrpfes gegen A. beauftragt, der den D. Brutus in 
Martina belagerte ; Dieſer > Deutineniiiche Krieg « endete 
mit ciner völligen Riederlage des A. (April 43), und 
es fdien der Untergang des A. und der Sieg der Se- 
natspartei entidieden. Allein Octavianus hatte fic 
ihr nur gu dent Swed angefdlojjen, um dem YW. das 
Wegengewidt halten gu können. Zudem reigte ihn der 
Senat durd) Verweigerung des Triumphes und tiber- 
tragung des Oberbefehls an D. Brutus; er riidte da- 
ber an der Shige feiner Truppen gegen Rom und er- 
jwang jeine Ernennung jum Ronjul (19. Aug.). 
Unterdes war es A. möglich geworden, das jenfeitige 
Gallien ju erveichen und fid) durch Vereinigung nut 
Dem Heere des M. Ämilius Lepidus wieder in den 
Beſitz einer ftarfer Macht gu fesen; mit ihr brad er 
fofort nad Stalien auf und vereinigte fid) mit dem 
ihm entgegenformmenden Octavianus und mit Lepidus 
ju Dem (zweiten) Triumvirat, mit dem Swed, alle 
Gegner in Rom aus dem Wege gu räumen, nament- 
lid) aber die Streitfrafte der Genatspartet, die im 
Ojten des Reidjes von M. Brutus und Gajus Caſſius 
geſammelt worden waren, gemeinſchaftlich zu be- 
faimpfen. Gegen dieſe zogen aljo A. und Octavianns 
und lieferten thnen die zwei Schlachten bei Philippi, 
in welden Brutus und Caffius hauptſächlich durd das 
Verdienſt des A. völlig geſchlagen wurden und felbjt 
den Tod fanden. A. wandte fid) mun nad dem Often, 
um dort Ordnung ju ſchaffen und zur Befriedigung 
der Veteranen Geld aufzutreiben, fiel aber in die Nese 
Der Kleopatra und verlebte mit ihr untiitig den Win- 
ter in Wlerandria (41/40). Der > Perujinijde« Krieg, 
in den Octavianus durd) die Ranke der Fulvia, der 


Gemahlin de3 A., und feines Bruders Lucius ver- 


wickelt wurde, rief ihn von da nach Italien; dod) ge- 


lang es den beiderjeitigen Freunden, cine Verſöhnung 


ju ftande gu bringen, gu deren Befejtiqung A. Octa 
vians Schweſter, Octavia, heivatete (Brunduſiniſcher 
BVertrag 40). Wiederum iibernahm YW. den Ojten, 
madte verfdiedene Anſätze, die Rarther zu befriegen, 
unterjtiipte aud) Octavian gegen S. Bompejus und 
erneuerte mit ihm da3 Triumvirat auf 5 Jabre (37). 
Die Wiederaufnahme des Verhältniſſes zu Kleopatra 
wurde aber der Unfang gum endliden Fall. Die Ver- 
nachläſſigung der Octavia trennte ihn von deren Bru— 
der, Die Schwelgerei und die Willfiir, nut der er liber 
Die Königreiche und Provinzen des Ojtens au gunſten 
der Rleopatra und ihrer Kinder verfiigte, entfremdete 
ihm auch einen Teil feiner Unhinger. Daber entzog 
der Senat ibm 32 feine Madhtitellung und erflarte 


der Rleopatra den Krieg, naddem Octavian unterdes 


die Zeit ausgenutzt, den Lepidus aus dent Triumvirat 

ausgeſtoßen und fic) in Den Beſitz der Hilfsquellen 

des Wejtens gefest hatte. YW. bot Dagegen die Streit- 

kräfte des Ojtens auf und riidte gegen Griechenland 

vor; in der Entſcheidungsſchlacht 2. Sept. 31 bei Altion 
38* 


596 


(j. d.) aber gab er felbjt den Kampf auf, indem er der 
fliehenden Rleopatra nad Ägypten folgte. Erſt als 
ib der Sieger der Grenge naberte, rajfte er fid) auf, 
wurde aber bei einem Ungrijf auf Octavian von feinen 
Truppen verlafjen; auch Rleopatra unterhandelte ins- 
geheim und lies an ihn die Nachricht ihres Todes ge- 
langen. Aus Versweiflung dariiber ſtürzte ſich A. in 
ſein Schwert, ci tapferer Soldat und tüchtiger Feld- 
herr, aber ausjdweifend und als Politiker feinem 
Nebenbuhler nidt gewachſen. 

Antonius, Name zweier Heiligen: 1) A. der 
Große, geb. wm 250 zu Roma in Mittelägypten, 
geſt. 356, verteilte, etwa 20 Jahre alt, fein Vermigen 
unter die Urmen, verlic die Welt und lebte, die Ein— 
ſamkeit bid gum duferiten fteigernd, im Kampfe mit 
verjucerifdjen Dämonen, zuerſt in ciner Grotte, dann 
in einer Ruine. So ijt er der eigentlide Vater des 
agyptifden Unadoretentums (ſ. Anachoreten) gewor- 
den. Sweimal erfdien er in Wlerandria: 311 in der 
Chrijtenverfolgung Maximins, Jahrzehnte ſpäter in 
den arianiſchen Wirren. Jn die Wüſte zurüchgekehrt, 
die ſich inzwiſchen mit Verehrern, Hilfeſuchenden und 
Nachahmern bevöllert hatte, er ſich völlig in die 
Verborgenheit zurück. Sein Leben beſchrieb Äthana— 
ſius. Die gegen die Echtheit dieſer Vita Antonii von 
Weingarten (> Der Urſprung des Mönchtums«, Go— 
tha 1877) geltend gemachten 33* ſind unbegründet. 
Bal. Haſe in den -Jahrbüchern fiir proteſtantiſche 
Theologie« (1880); Zöckler, Ustefe und Mönchtum 
(Frankf. 1897). 

2) U. von Padua, geb. 1195 aus vornehmem 
portug. Ritterge/dledt 3u Liffabon (cigentlider Name 
wabhrideinlid) Ferdinand Martini), geft. 13. Juni 
1231, ward 1220 Minorit und durchzog als gewalti- 

er Bubprediger Südfrankreich und Oberitalien. Wis 
trenger Ustet und Haupt der Spiritualen (ſ. Frangis- 
faner) befaimpfte er die Milderung der Ordensregel 
durch Elias von Cortona. Gregor IX. fprad ifn 
1232 beiliq; Gedadtnistag der 13. Juni. Jom gu 
Ehren wird in Rom 17.— 25. Jan. das Fejt der Tier: 
weibe gefeiert, nad) Der Legende, daß die Fiſche feiner 
Predigt laufdten, als die Menfden ihn nicht hören 
wollten. Befondere Verehrung genießt der Heilige im 
dritten Orden des Heil. Franjistus und gilt Beate 


mehr als je alS Der Helfer fiir Die Fleinen Note ded | 


Vebens und des Haujes. Cine moderne Form diefer 
Devotion find die feit 1893 in Franfreid) (neuerdings 
aud) in Deutidland) aufgefommenen Gaben fiir das 
Brot des Heiligen W. (Antoniusbroth), d. h. Ga: 
ben zur Speijung der Armen, durd die man den Hei- 
ligen zur Erfüllung aller geiſtlichen und zeitlichen 
Anliegen zu beſtimmen ſucht. Seine myſtiſchen und 
asletiſchen Schriften erſchienen Baris 1641 zuſammen 
mit denen des heil. Franziskus. Sein Leben beſchrie 
ben De Azevedo (2. Aufl., Bologna 1790), Sal— 
vagnini (Turin 1887) und fritijd) Lempp in der 
Zeitſchrift fiir Kirchengeſchichte (1890 — 92). 

Antoninus Panormita, ſ. Beccadelli. 

Antoniusfeuer, ſ. Criebelfrantheit. 

Untoniustraut, ſ. Chamaenerium. 

Untonindfreng (ägyptiſches Kreuz), Kreuz 
mit Querballen ohne den obern Arm, alſo in Form 
eines T, Attribut des heil. Antonius des Einſiedlers. 
S. auch Kreuz. 

Antoniusorden (Antoniter, Antoniterher 
ren, Hoſpitaliten vom Heil. Untonius), geſtif 
tet 1095 urſprünglich als Laienbruderſchaft zur Kran— 
fenpilege durch Gaſton, einen reicjen Ritter der Dau 
phing, jum Dank fiir die Genefung ſeines Sohnes 





Antonius Geilige) — Antrag. 


vom Antoniusfeuer (sacer morbus), wurde vom Papft 
Bonifacius VIII. 1297 gu ciner Rongregation requ. 
lierter Chorherren nad) Auguſtins Regel umgewan 
Delt. Zeitweiſe ſehr reid), Dod) bald verfallen, wurde 
der A. 1777 mit Dem der Maltefer vereinigt. Ordens 
tract war ein ſchwarzes Gewand mit einem T (Tau) 
von blauer Farbe (Antoniuskreuz). 

Antoninsring , |. Sdhlagring. 

UAntonomafie (qrich., »andre Benennung<). 
Redefigur, darin bejtehend, daß man jtatt eines Cigen 
namens cine bezeichnende Cigenfdhaft oder cine Appo 
jition febt, 3. B. »der Gohn der Aphrodite« ftatt Amor, 
oder Beherrider des Meeres« ftatt Neptun. 

Antoto, Stadt im ſüdlichen Schoa, 2890 m i. W., 
während der Regenzeit Reſidenz des Negus Menelif HL. 
von Ubeffinien, auf einem ifolierten Hiigel gelegen. 
Die Bewohner treiben Handel und Uderbau. 

MAntozon, |. Ojon. 

Antrag, im Redtsleben und im Hffentliden Leben 
iiberhaupt die an eine Behörde oder fonjtige dffentlide 
Stelle geridjtete Uufforderung, nach bejtinumter Rich 
tung hin eine befonders bezeichnete Tatigfeit etntreten 
gu laſſen. Dergleiden Anträge werden entweder 
mündlich gejtellt, fo 3. B. in einer Geridtsverhand- 
{ung von jeiten der Barteivertreter oder des Staats: 
anwalts oder des Bertcidigers, oder in einer Repri- 
jentativverfammiung von den Mitgliedern der be 
treffenden Körperſchaft; oder fie werden ſchriftlich in 
bejondern Eingaber und Geſuchen cingereidt, oder 
fie können aud) gu Brotofoll erflart werden, wie 5. B. 
der Berufungs- und Revijionsantrag im Strafoer: 
fahren zu Protofoll de3 Gerichtsſchreibers; oder end⸗ 
lid) Der Untragjteller hat die Wahl, ob er auf die cine 
oder andre Art vorgehen will (fo können 3. B. die Be 
rufung und Revijion zu Protofoll oder ſchriftlich cin 
qelegt werden). Die riindDung des Antrags fann 
entweder fo geſchehen, dak in erjter Linie der A. ge 
jtellt und dann defjen tatfächliche und rechtliche Bo 
qriindung angefiigt wird, oder fo, daß zunächſt das 


tatſächliche Material vorgetragen, die ndtigen Rechts 


ausfiibrungen beigefiigt und endlich als logiſche 
Shlupfolgerung der bejtimmet formulierte A. (3. B. 
auf Slageabweifung oder auf Freiſprechung oder auj 
Verurteilung) geftellt wird. Im Zivilprogek bit- 
den vermige dev herrſchenden Dispofitions: und Ber 
handlungsmaxime (jf. Zivilprozeß und Berhandlumng) 


die Untrage regelmäßig die unerlaplide Vorausſetzung 
‘fiir die richteruͤche 
| cedat ex officio) fowie fiir deren Riel und Grenze 


Latigteit iiberhaupt (judex ne pro- 


(judex ne eat ultra petita partium). Sm Straf 

pro seh iit vermöge der Offizial- und Unterfuchungs 

marine (f. Strafprozeß) die Gerichtstätigleit jwar 
hinſichtlich ihres Beginnes (ſ. auc) Wntragsdelitt), 
aber im allgemeinen dann nicht mehr hinſichtlich ihres 
weitern Verlaufs von Parteianträgen abhängig. In 
beiden Arten des Verfahrens berechtigt die Abweifung 
eines Antrags den Antragſteller zur Ergreifung eines 


Rechtsmittels (f.d.).- - Uber die formelle Behandlimg 
| der Anträge in parlamentarifden Körperſchaften 


enthalten die Geſchäftsordnungen regelmäßig mibere 
Vorjdriften. So muß nad der Geſchaͤftsordnung ded 
deutiden Reidstags (§ 17 ff.) jeder von Mitgliedern 
des Haufes — A. mit der Eingangsformel 
verſehen fein: »Der Reichstag wolle beſchli sect 
Es gehören dazu die Unterfdriften von sig are 
Yntrage, die einen Gefegentwurf enthalten, bedirfex 
ebenfo wie die Regierungsvorlagen einer dreimaligen 
Beratung. In der erften Leſung find Abänderungs 
anträge nicht zuläſſig, fiir die zweite Beratung ſind 


Antragsdelift — WAntraigues. 


fie ohne Unterſtützung geftattct, wiihrend ein Ab— 
dinderungsantrag fiir die dritte Lefung von 30 Mit- 
qliedern unterſtützt fein mug. Anträge, die feine Ge- 
ſetzentwürfe enthalten, bediirfen einer nur einmaligen 
Beratung und Abſtimmung. Whanderungsantrage 
hierbet bediirfen der Unterjtiigung von 30 Diitgliedern. 
Ein A. auf Vertagung oder auf Schluß der Debatte 
bedarf ebenfalls der Unterjtiigung durd 30 Mitglieder. 
Rad der Geſchäftsordnung filr das öſterreichiſche Wb- 
qeordnetenbaus (§ 18) beginnen die Untriige, die 
ſchriftlich eingebradt und vor 20 Abgeordneten unter: 
ſchrieben fein miifjen, mit den Worten: »Das hohe 
Haus wolle beſchließen . . .« Gefesentiwiirfe bediirfen 
in. Der Regel ciner dreimaligen —E Zuſatz⸗ 
und Abänderungsanträge können mur in der Spegial- 
Debatte gejtellt werden. Der A. auf Schluß der De- 
batte ijt jedergeit zuläſſig und bedarf feiner Unter- 
ftiigung (§ 39). 

Antragsdelift (Wntragsverbreden), cine 
jtrafbare Handlung, deren ſtrafrechtliche Verfolgung 
nur auf ausdriidliden Untrag de3 Berlegten oder 
ſeines geſetzlichen Bertreters emtritt. Nad) heutiger 
Rechtsanſchauung hat nämlich der Staat als Triiger 
und Schirmer der Rechtsordnung bei Rechtsverletzun— 
gen regelmäßig von Amts wegen gegen den Verbrecher 
einzuſchreiten/ da jedes Verbrechen grundſätzlich un— 
mittelbar oder mittelbar gegen die Rechtsordnung 
felbjt gerichtet ijt. Bon diefer Regel wird jedod) in 
Unfehung zweier Gruppen von Verbreden (im engern 
Sinne) und Vergehen ‘eine Uusnahme gemadt und 
deren jtrafredtlide Verfolqung nur auf ausdrücklichen 
— —— Verletzten verfiigt. Es gibt nämlich ge— 
wiſſe brechen und Vergehen, namentlich Ehrver— 
letzungen und verwandte Fille, deren rechtsverletzende 
Eigenart davon abhängt, ob der Verletzte ſelbſt ſich 

ekränkt fühlt, was eben durch den ausdrücklichen 
Strafantrag feſtgeſtellt wird (man denle an die un— 
züchtige Beruͤhrung eines Mädchens). Ferner gehören 
diejenigen Fälle hierher, in denen eine ſtrafrechtliche 
Verfolgung und die dem Verbrechen dadurch gegebene 
Offentuͤchkeit für den durch das Verbrechen Verietzten 
ſelbſt in der nachteiligſten Weiſe kränklend wirken könnte. 
Letzteres gilt z. B. bei dem Verbrechen der Entführung, 
der ſtrafbaren Verführung eines unbeſcholtenen Mäd 
chens, dann aber aud) bet dem Verwandtendiebſtahl, 
bei Dem Betrug gegen Verwandte u. dgl. Die innere 
Verſchiedenheit der beiden Gruppen ijt von der Wiſſen⸗ 
ſchaft vielfach erfannt, von der Geſetzgebung aber bis 
her unberückſichtigt gelafjen worden. Das deutſche 
Strafgeſetzbuch fiihrt folgendDe Wntragsdelifte auf: 
feindlide Handlungen gegen befreundete Staaten 
(§ 102 —104), einfacjer Hausfriedensbruch (§ 123), 
betrügliche Eheſchließung (§ 170), Ehebruch (§ 172), 
Verleitung jum Beiſchlaf durch Vorſpiegelung einer 
Trauung (§ 179), Verfiihrung eines unbefdoltencn, 
nod) nicht 1 6jabrigen Mädchens zum Beifdlaf (§ 182), 
Belcidiqung (§ 189, 194-196), leichte vorſätzliche 
* umd jede fabriaffige Körperverletzung ($232), infofern 
diefe nidjt mit tibertretung einer Amts-, Berufs- oder 
Gewerbspflidt begangen worden ijt, Entführung 
($ 236, 237), Diebjtahl, Unterfdlaqung und Betrug 
gum Nachteil von Angehörigen, — ————— Er: 
ziehern (§ 247, 263), Diebjtahl und Unteridlagung 
an Sachen von unbedeutendem Werte, begangen von 
Lehrlingen und dem Gefinde sum Nachteil des Lehr 
herrn und der Herrſchaft (§ 247), Beſeitigung der Ve 
ow ee bei drohender Swangsvolljtredung 
($288), Entziehung der ciqnen Sade, namentlich dem 
Pfandglaiubiger oder Nugniefer gegenüber (§ 289), 


597 


unbefugte Jagdausiibing, wofern von Angehörigen 
des Jagdberedtigten veriibt (§ 292), Verletzung 
Briefgeheimniſſes (§ 299), BVerlegung des Berufs- 
eheinmiſſes von ſeiten der Rechtsanwalte, Udvofaten, 
Rotare, Verteidiger, Arzte, Wundärzte, Hebammen, 
Apotheler und deren Gehilfen (§ 300), ſtrafbares Kre⸗ 
ditgeben an Minderjährige (§ 301, 302), Sachbeſchä- 
digung (§ 303) fowie unter Umſtänden Nahrimgs-, 
Genußmittel- und Futterdiebjtahl ($370, Ziff. 5 u.6). 
Dazu fommen nocd eingelne Fille in den Neben- 
ejepen, wie 3. B. im Frepgeles, in ben Geſetzen zum 
Schutze der Urheberredte, im Markenſchutzgeſetz, Ba. 
tentgeſetz, Gebrauchsmuſtergeſetz, in Der Seemanns: 
ordnung, im Unfallverſicherungsgeſetz, Banfdepot- 
eſetz und im Geſetz zur Bekämpfung das unlautern 
thewerbs. Bei Antragsdelilten muß der Straf- 
antrag bei einem Geridht oder der Staatsaniwalt- 
ſchaft ſchriftlich oder gu Brotofoll, bei einer andern 
Behörde (ſ. Anzeige) fchriftlid) angebradt werden 
(Strafprozehordming, § 156). Ähnlich wie bei den 
hier angefithrten Berbrechen verhält es ſich mit einer 
andern Gruppe von Fällen, in denen das deutfche 
Strafgeſetzbuch die Ermächtigung von feiten des 
Verlegten zur Bedingung der Bejtrafung des Ver— 
breders madt. Dies ijt der Fall bei Beleidiqungen 
von Bundesfiirjten und von Mitgliedern der landed: 
herrlidjen Häuſer, abgefehen von dem Reichsoberhaupt 
und dem jeweiligen Landesherrn ($ 99, 101), und bei 
Beleidigungen gegen cine geſetzgebende Verjanuntung 
ded Reidjes oder eines Bundesjtaates oder gegen eine 
andre politifde Körperſchaft (§ 197). Dieſe Straf 
taten find aber von den cigentliden Untragsdeliften 
infofern verjdieden, als hier nicht ſchon die Einleitung, 
jondern erjt die Durdhfiibrung der Strafverfolgung 
durch die Erflirung des Verlesten bedingt ijt. Cine 
Zurücknahme des einmal gejtellten Untrags ijt mur 
ausnahmsweiſe in den im Geſetz ausdrücklich bezeich— 
neten Fällen zuläſſig. Dieſe letztern finden ſich im 
Strafgeſetzbuch in den oben erwähnten § 102 —104, 
194, 232 (leidjte vorſätzliche und fahrläſſige Körper 
verlegungen, gegen Angehörige veritbt), 247, 263, 
292, 303 (Sachbeſchädigung einem Angehörigen ge- 
geniiber) und 370 fowie in den aufgefiibrten Neben- 
gelesen. Aber aud) in diefen Fallen ijt die Zurück— 
nahme des Untrags nur bis zur Verkündung cines auf 
Strafe tauttenben Urteils zulaͤſſig. — Nach dem öſter— 
reidifden Strafgeſetzbuch werden nadjtehende De- 
lifte muir auf Grund ciner Privatanflage verfolgt: 
1) die Bergehen gegen das literariſche oder artijtiide 
Cigentum (§ 467); 2) in der Regel die Vergehen und 
Ubertretungen gegen die Sicherheit der Ehre (Chren- 
beleidiqung, $487 ff.); 3) die tibertretungen des Dieb- 
ſtahls und der Veruntreuung zwiſchen Chegatten, 
Eltern, Rindern oder Geſchwiſtern, folange fie in ge— 
meinſchaftlicher Haushaltung leben (§ 463); 4) Ehe⸗ 
brud); 5) Entehrung einer minderjährigen Anver— 
wandten durd einen Hausgenofjen und Unzucht einer 
dienenden Frauensperjon mit einem minderjahrigen, 
im Haufe lebenden Sohn oder Anverwandten (§ 504, 
505); 6) eingealterte Truntenheit (auf Antrag des 
Dienjtherrn, § 524); 7) größere Unfittlichfeiten (3. B. 
tätige Verletzung ſchuldiger Ehrerbictung der Kinder 
gegen Eltern, der Dienjtleute gegen die Dienſtherren xc.). 
ntraiguesd (pr. angtrig’), Flecken im franz. Depart. 
Urdedhe, Urrond. Privas, 47 1m ii. M., über der Volane, 
mit einer Mineralquelle und (1901) 684 Cinw. Jn der 
Nahe cin ausqebrannter Vulfan (la coupe d’Aizac). 
Antraigueds (pr. angtrig), Emanuel Louis 
Henri Delaunay, Comte d’, franz. Publiziſt und 


598 Antrieb — 


Diplomat, geb. um 1755 in Billeneuve - de - Berg | 
(Ardeche), geft. 22. Juli 1812, beforderte durch feine | 
mit hinrethender Beredſamleit abgefaßte Schrift » Mé- | 
moires sur les Etats-généraux, leurs droits et la 
maniére de les convoquer« (1788) weientlid den 
Ausbruch der Revolution. Wber alg Deputierter in 
die Reichsitande berufen, wurde er einer der Führer 
der duferiten reaftiondren Rechten, dann diplomati- | 
ſcher Agent der gefliichteten Königsfamilie. Auf eter | 
diplomatiſchen Miſſion nad Italien lie} ibm Bona: | 
parte (1798) aufbeben; doch entfam er mit Hilfe feiner | 
Gemablin, der Opernfingerin Saint - Huberty (An⸗ 
toinette Cécile Clavel, geb. 1756 in Toul; ibre Bio- | 
grapbie von ©. de Goncourt, 1885). Später zum 
ruſſiſchen Staatsrat ernannt, wurde er in diplomati- 
iden Ungelegenheiten nad) Dresden gejendet. Dort 
ſchrieb er feine Inveltive gegen Napoleon: »Frag- 
ment du XVIIIS livre de Polybe, trouvé sur le mont 
Athos«. €r ward in einem Dorfe bei London nebjt | 
feiner Gemablin vow feinem italienifdjen Bedienten 
ermorbdet. Bgl. Bingaud, Un agent secret sous la 
Révolution et Empire. Lecomte d’A. (Bar. 1893). 
Antrieb (jmpuls) ciner Kraft (f) in der Me- 
chanif das Produft (ft) aus der Kraft und der Zeit 
(t), während der jie gewirkt hat. Dit die Rraft wäh— 
rend ihrer Wirfungsdauer von gleidbleibender Gripe 
(tonjtant), fo erteilt fie einem Körper von der Maſſe m 
eine gleichförmig beſchleunigte Bewegung, deren Ge— 
ſchwindigleit nad) t Sefunden v — at ijt, wo a Die 
Beſchleunigung oder die Zunahme der Geſchwindig⸗ 
feit pro Sefunde bedeutet. Die Beſchleunigung a aber 
ijt gleid) Dem Ouotienten aus der wirfenden Rraft f) 
und der Maſſe m des bewegten Körpers. Es ijt da | 


her, wenn man f:m ſtatt a fegt, v= - t, oder, was 


dasielbe ijt, ft mv. Das Broduft (mv) aus der 
Maſſe (m) eines —— und ſeiner Geſchwindigleit 
(¥) nennt man ſeine Bewegungsgröße Quanti— 
tat Der Bewegung). Man hat alſo den Satz: der 
A. Der Kraft iit gleich der erzeugten Bewegungsgröße. 
Wirt eine Kraft wahrend einer unmeßbar fleinen | 
Beit auf einen Körper, fo nennt man fie Stoßkraft 
(momentane Mraft). Die Gripe ciner Stoßkraft 
beurteilt man nad der von ihr erzeugten Bewequngs- | 
größe. Wirkt cine Stoßkraft der Bewegung eines Kör— 
pers entgegen, fo erteilt fie ibm einen negativen 
A. (Hemmung), der fid) nad dem Berlujt an Be- 
wegungsgröße bemißt. Cine Stoffraft ijt 5. B. der 
Drud der Pulvergafe, der beim Ubfeuern eines Ge— 
ſchützes nad) vorwärts auf das Geſchoß und ebenfo 
ftarf und während der nämlichen fleinen Zeit nad 
riidwarts auf das Geſchütz wirkt. Gefdok und Ge- | 
ſchütz erhalten alſo gleiche Impulſe, und deshalb find | 
aud) ihre Bewegungsgrößen einander gleich, oder es 
ijt, wenn m und m thre bes. Maſſen, v und v⸗ die 
pogebirigen Geſchwindigleiten bezeichnen, my = m‘ Vv‘, 
. b. Die Gefchwindigleit ded Geſchoſſes und diejenige | 
bes Geſchützes beim Rüchſtoß verhalten fic) umgetehrt | 
wie thre Maſſen. Die Cinleitung der Bewegung | 
der Urbeitsmafdinen durd) Motoren erfolgt entweder | 
durch unmittelbare Berbindung des Motors mit der 
Arbeitsmaſchine (3. B. cine Dampfpumpe, bejtehend 
aus Damphnajfdine und Kolbenpumpe mit gemein- | 
ſchaftlicher Rolbenjtange), oder wird vermittelt Durd | 
Wellen und Ruppelungen, durch Reibungsräder, durd) | 
Riemen- Seil- oder Rettentriebe, durch Zahnräder in | 
ihren verfchiedenen Formen, durd) Hebel, Geſtänge rc. | 
Beim eleltrifden A. kommen je nad der Urt des | 
jur Verfiigung ftehenden eleltriſchen Stromes und der | 








| und Arbeitsmaſchine Durd Riementriecbe oder 


weiſem A. wird die Urbeitsiibertragung zwiſchen , 


oft auf einem befondern Wagen und wird mitte 


bauten, Unusnugung der Yirbeitsraume, 


| Mleingewerbe ermoglicht der cleftriide A. bei Anſchluß 


Antfirane. 


Gigenart der angutreibenden Arbeitsmaſchinen 
Veranderlidfeit der Umbdrehungsjahl und des 
verbraudes) hauptſächlich Gletchitrom- oder De 
jtrommotoren in Unwendung. Die Urbettsmaide 
eines Betriebes werden einzeln mit je einem 
motor ausgejtattet (Einzelantrieb), oder es 
eine Gruppe Derjelben zuſammen von eine Lich 
motor angetrieben (Gruppenantrieb). Die wma 
telbare Verbindung der Welle de3 Eleftromotors 4 
der Untriebswelle Der Urbeitsmajdhine tit wegen 9 
meiſt febr hoben par aA A PHF der Eleftromota 
nur bet ſchnell laufenden Arbeitsmaſchinen (Bertil 
toren, Schleif» und Poliermafdinen x.) mdglid. & 
ijt eine tiberjegung ins Langjame zwiſchen Wows 















rader erforderlid. Bet Hebemafdinen fim 


Sdhnedengetriebe vielfadh Verwendung. Bet grupr 


tor und Urbeitsmajdine in der Hegel durch Tre 
miffionswellen und Riemen vermittelt. Bet 
portabein fleinern Arbeitsmaſchinen zur Bearbeitung! 
großer, ſchwerer Werfitiide befindet fid) Der Worse) 


biegiamer Welle an die Urbettsmajdine (Bobrma: | 
icine, Fräsmaſchine u. dgl.) angeidlojjen. Clef | 
ider A. ermöglicht wegen der leichten, cleftriiden 
Rraftiibertragung auf grofe Entfermungen eine Sem 
tralijierung Der Straftanlage und vielfach cine Ser | 
ringerung der Betriebsunfojten geqeniiber einer Vn | 
lage mit zerjtreut lieqenden Kraftmaſchinen (beſonders 
Dampfmaſchinen) oder weitversweigten TransmifRo- | 
nen. Durd) Wegfall oder Beſchränkung der Trans | 
miſſionen in den Arbeitsſtätten ergeben fic) weitere 
Vorteile: in Bezug auf Herjtellungstojten der Fabrit- 
Uberjichttid- 
feit und Organijation der Urbeit, Schnelligkeit dex 
Erzeugung, Unfallverhiitung und Hygiene. Dem 


an (3. B. ſtädtiſche) eleftrifche Zentralen mit maſch 
nellen Hilfsmitteln ju arbeiten. 

Antrim, Grafidaft der Proving Ulſter im nord 
öſtlichen Irland, grenzt tm N. und O. an den Nord 
fanal und den Atlantiſchen Osean, tm S. und SO. an 
die Graffchaft Down und den Belfajt Lough, erjtreci 
fic) weſtlich bis zum Lough Neagh und bat ein Areal 
von 3084 qkm (55,97 OW.) mit (1901) 461,240 Ein. 
‘149 auf 1 qkm), ju zwei Dritteln proteſtantiſch 

uptitadt ijt Belfast. 

Antrim, Marktſtadt in der gleichnamigen iriſchen 
Grafſchaft, nahe dem Lough Neagh, vormals beden- 
tender, 1891 mit 1385 Cimw., hat einen 28 m bober 
Rundturm. Dabei Antrim Cajtle und Shane's Cajtte, 
legteres in Ruinen. 

Autrodocco, Fürſt von, f. Frimont. 

Antrophore, ſ. Arzneiſtäbchen. 

Antroſkop (qriech.), mediziniſcher Beleuchtungs 
apparat zur Unterſuchung von Körperhöhlen. 

Antrum (lat.), Höhle; A. Highmori, die Dber- 
fieferhible (ſ. Schädel). 

Antruftiones (mittellat., von trustis, antrustio, 
was urjpriinglich Trojt, Schutz, {pater Scar bedeutet), 
yur Zeit Der Merowinger die Mitglieder des FOrig- 
lichen Gefolges; fie waren redjtlid) insbeſ. Durd er⸗ 
höhtes Wergeld ausgezeichnet. 

Autſchee, ſ. Antiaris. 

Autſirane, 1885 geqriindete Hauptſtadt der franz. 
Kolonie Diego Suarez (Madagastar), an der Bai von 
YUntombofa, mit 6000 Einw., franzöſiſcher Garnifon, 
großer Fleiſchkonſervenfabrik und Gerberet, einer 


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Antvogel — WAntwerpen. 


wadfenden Zahl ſchöner Häuſer, großem bededten 
Markt mit lebhaftem Verkehr. Die Einfuhr beziffert 
fic) bereits auf 6,7 Mill. Frank, die Ausfuhr auf 680,000 
Sranf. Seit 1888 ijt A. Freihafen. 

Antvogel, dic Ente. 

Antiverfe , ſ. Kriegsmaſchinen. 


Wntwerpen, belg. Provinz und —— Mark: | 


qrafidaft, grenzt tm N. an die niederliindijde Bro- 
vinz Rordbrabant, im SO. an Limburg, im S. an 
GSiidbrabant und im W. an Ojtflandern und hat einen 
Flächenraum von 2831,76 qkm (51,4 OW). Die Be- 
vilferung betrug Ende 1900: 819,159 Seelen (289 
auf 1 qkm). Die Proving jerfallt in die drei Urron- 
dijjements: Wntwerpen, Medeln und Turnbhout. 
Hauptitadt ijt Wntwerpen. 

Antwerpen (jranj. Anvers, fpan. Umberes; 
hierzu Stadtplan), Hauptitadt der gleichnamigen belg. 
Proving (jf. oben), zugleich Hauptfeftung und bedeu- 
tendjter Seehafen des Königreichs, liegt halbkreisför⸗ 
mig am rechten Ufer der bis 600 m breiten Schelde, 
die bid oberhalb der Stadt am Wechſel der Ebbe und 
Flut teilnimmt, unter 50° 13° 
nördl. Br. u. 4° 23 45“ öſtl. &.; 
Flächenraum 21 qkm. An der 
Stelle der alten Fejtungswiille 
umzieht cin eingiger Wall mit 
breitem Wafferqraben im Un 
fang von 18 km das faſt um 
das Fünffache ded friihern ver- 
größerte Weichbild der Stadt, 
mit beiden Enden auf die Schelde 
fic) ſtützend. Bor diejer Um— 
—— find 1859 —64 
wei Wiirtel von detachierten 
Forts angelegt worden, deren 
innerer 4 Forts und 2 Liinetten, der Gufere 12 Forts 
und 1 Lünette enthilt; weitere Befeſtigungen jind 
oberhalb an der Rethe und Rupel, unterhalb auf bei- 
den Scheldeufern angelegt. 

[Strafen, Gebsiude.}] Die Strafen der neuen | 
Stadtteile find breit und regelmapig, die der innern | 
Stadt dagegen meijt eng. Die frerejten Stellen im 
Innern find: der Groke Markt, der Griinplak (Ge- 
müſemarkt, feit 1840 mit der ehernen Statuc Rubens 
von Geefs) und der fogen. Meir, eine breite Straße 
mit modernen Hiufern und Paldjten. Bon difent: | 
lichen Anlagen bejtehen cin Park inmitten der Stadt, 
mit Waſſerbaſſins, fiber die eine Rettenbriide fiihrt 
(Darin die Denkmäler von Quinten Maſſys feit 1883 
und des Malers Jordaens feit 1886, das Monument 
Loos und an der Wejticite feit 1873 das Denfmal des 
Malers Leys), und im S. derin einen Barf verwandelte 
Garten der ——— Pepiniere (Baumſchule). Das 
ausgezeichnetſte Gebäude der Stadt ijt die Hauptkirche 
(Notre Dame), die ſchönſte und größte gotiſche Kirche 
Belgiens, 1352—1616 errictet. Unter den zahlreichen 
Kunſtwerken der Malerei und Plaſtik, welche die Kirche 
ſchmücken, befinden fic) drei Hauptgemilde von Rubens 
(die Kreuzabnahme, Kreuzeserhöhung und Maria 

immelfahrt). Der zierlich durchbrochene Turm, von 
Jean Amel aus Boulogne 1422 entworfen, im 16. 
Jahrh. in ciner Hohe von 123 m abgefdlojjen, jteigt 
alg ſchlanke Byramide empor. Unter den iibrigen 
Kirchen zeichnen fid) befonders aus: die Kirche St. 
Jakob im ſpätgotiſchen Stil (1491—1656 erbaut, mit 
pradtvollen Stulpturen, Marmorzieraten, Gemälden 
vor Rubens, van Dy x. und der Grabfapelle der 
Familie Rubens); die Dominifanerfirde (St. Baul), 





Wappen von Ants 
werpen. 








ebenfalls im fpatgotifden Stil (1533 —71 erbaut, | 


599 


mit Gemiilden von Jordaens, van Dy u. a.); die 
Undreastirde (1514 — 23 erbaut) und die neue ro- 
maniſche St. Jofephstirde. Vor dem im Renaifjance- 
jtil von Cornelius de Briendt (1561—— 65) erbauten 
Stadthaus erhebt ſich feit 1887 cin Springbrunnen 
von Lambeaur, mit einem Standbilde des Salvius 
Brabo. Die Börſe, die an Stelle der 1858 nieder- 
—— alten Börſe 1869—72 nach Plänen von 
J. Schadde im Stil des alten Gebäudes aufgefiihrt 
wurde (jf. Tafel »Bdrfengebiude III«, Fig. 3 u. 5), 
ferner das flämiſche Schaufpielhaus (im Renaijffance- 
jtil 1869 —72 erbaut), die Nationalbanf (im flami- 
ſchen Renaiffancejtil 1875 —80 erbaut) und das ma⸗ 
lerifdje Gildehaus der Schiigen (von 1515) find gleich— 
falls anſehnliche Gebäude. Merkwürdig find ferner: 
das Muſeum (Palais des beaux-arts), 1879—90 er- 
baut; das Mufeum Plantin-Moretus mit zahlreichen 
Kunſtſchätzen (ſ. Plantin); die mit vier Tiirmejen (im 
Stile des 14. Jahrh.) gesierte Tran va Motel 


der königliche Balajt am Meir (1745 im Rofofojtil 


erbaut); das Haus von Rubens’ Eltern (1864 rejtau- 
riert); der Steen, cin Teil der alten Burg, ehemals 
Sig der Inquiſition, jest Witertumsmujeum, 1889 
einheitlich umgebaut; endlid) die beriihimten Hafen- 
bafjins am Nordende der Stadt (jf. unten). 

[Wevsilterung, Grwerbéssweige.] Dic Bevölke— 
rung Untwerpens belief fid) Ende 1900 auf 272,831 
Seelen. Die obern Klaſſen fpreden iiberwiegend 
franzöſiſch, die untern meiſt flämiſch. Die Induſtrie 
Antwerpens ijt von nicht geringer Bedeutung. Es be- 
jteben große Diamantſchleifereien, bedeutende Brannt- 
weinbrennereien und Brauereien, Seifen- und Zi— 
ae bag Reismiihlen und Rucerrafjinerien. 

ußerdem gibt es Fabrifen fiir Baumwollenſtoffe, 
Spitzen, Rwirn (beriihmt ijt die ſchwarze Nähſeide), 
Tapeten, Gold- und Silbertrefjen, Hiite rx. 

Als der widtigite Sechafen Belgiens bildet A. 
zugleich einen der erjten Handelsplätze Curopas, der 
aber die meiften feiner ausgefiihrten Waren in reinem 
Tranjit empfingt. Von den grofartigen Dods wur- 
den die beiden ältern: Grand und Petit Baffin, von 
Napoleon I. 1807—12 erbaut. Nördlich von erjterm 
liegt das mit der Schelde durch cine Schleuſe verbun— 
dene Baffin du Kattendyk, 1853—60 angelegt (500 m 
fang und 140 m breit); öſtlich von diefem dehnen fid 
die Baſſins Merifo, Cantpine und Aſia, nordweftlid 
Ufrifa und Umerifa aus (in der Nähe die großen Pe— 
troleumbehalter auf dem Terrain der ehemaligen Nord- 
jitadelle). Die Baſſins find von umfangreiden Lager- 
häuſern umgeben. Zwiſchen dem Baſſin du Kattendyt 
und der Schelde liegen die Trodendods. Der Verkehr 
wird weſentlich durch die 1877— 1901 in einer Lange 


von 5300 m angelegten Rais erleidtert. Die Saif f- 


fabrtsbewegung in A. war 1899 folgende: es 
liefen ein 5420 Seeſchiffe (Darunter 4937 Dampfer) 
pon 6,842,163 Ton., davon 3,682,243 T. britijd und 
1,447,318 deutſch. Un Binnenſchiffen famen an 33,134 
Fahrzeuge von 4,887,599 T. Die Reederei ijt nicht 
erheblich. A. beſaß Ende 1899 nur 72 eiqne Schiffe 
pon 133,356 T. Der Uusfubrhandel hat größtenteils 
Erzeugniſſe des einheimiſchen Gewerbfleißes gum Ge- 

enſtand. Es wurden 1899 namentlich eingeführt: 
— (494,317 chm), Baumwolle (55,719 Btr.), 
Ratao (2643), Eiſenerz (467,119), Fette (28,283), 
Getreide (2,200,296), Haute (35,746), Rajfee (41,558), 
Kautſchuk (4476), Kohlen (924,314), Ole (8827), Reis 
(69,908), Tabat (12,673), Bucter (15,556 Btr.) ⁊c. 
Der Tranfithandel umfafte namentlich Eiſen, Kohlen, 
Hafer, Mehl, Werkseuge, Ralf, Zement 2. 


600 








“ Gandelsbewegung 1899 | Mill. ailogr. Wert in Mill, Frant 














Ginfubr (Generalbandel) 646960 “W751,1 
Ausfuhr (Spejsialbanbel) BI51,5 850,23 
Tranfit gur Musfubr 557,2 65,9 





U. ijt Durd einen Kanal mit der Maas (mit meh- 
reren Gcitenfandlen) verbunden. Hier miinden die 
Cifenbabnen von Gent, Boom, Medheln (Briiffel), 
Lierre (Vaden) und Rozendaal (Riederlande). Regel- 
mapige Dampferfurfe verbinden A. mit einer paid 
A lfremder Häfen. UW. ijt Sig bedeutender Ver— 
fidherungs- und Handelsinſtitute, aud) eines deutſchen 
Generalkonſuls und zugleich einer der wichtigſten 
Puntte fiir Auswanderung; die Zahl der Auswande— 
rev über U., die 1897 bis auf 15,793 geſunken war, 
erreidjte 1900 wieder 40,763. 

LOffentlicje Unftatten rc.] Un Woh ltitigteits- 
anſtalten bejtehen 3 Krankenhäuſer, 2 Waiſenhäu⸗ 
fer, ein Seemann$haus u. a. An Unjtalten fiir Wif- 
fenfdaften und Kunſt befigt A. cin fonigliches 
Uthendum, Staats-Rnabenmittelfdule, ein höheres 
Handelsinjtitut, Induſtrieſchule, Gewerbefdule fiir 
Madden, cin fommumales Lehrerjeminar, cine fonig- 
lid) flämiſche Muſikſchule (Conservatoire), Inſtitut 
für Taubſtumme und Blinde, einen Unterſtützungs— 
verein fiir Deutſche, zahlreiche wiſſenſchaftliche Gefell- 
ſchaften, einen botaniſchen Garten (mit hübſchem Ral- 
menhaus und dem Standbilde des Botanikers Couden⸗ 
berg), einen großartigen zoologiſchen Garten (ſeit 
1843), cine öffentliche Bibliothef und cine berühnite 
Alademie der bildenden Künſte (im ehemaligen Fran- 
zislanerkloſter), die im 14. Jahrh. als Brüderſchaft 
von St. Lukas entitand und in der Geſchichte der nie- 
derländiſchen Kunſt eine hochwichtige Stelle einnimmt 


(vgl. Roofes, Geſchichte der Malerſchule Antwer⸗ 


pens, deutſch, Muünch. 1880). Die Gemäldeſammlung 
umfaft ca. 1400 Nummern, darunter Meijterwerke 
von Rubens, Ouinten Maſſys, van Dydd, Jordaens, 
Rembrandt, van de Velde, Teniers, Ruisdael, van 
Eyd und andern Meijtern der flandrifdjen Schule. 
Bon öffentlichen Denkmälern find aufer den A 
nannten nod anzuführen: die Roloffalitatue des Bo— 
duognatus, des Hauptlings der Belgier in dem Kämp⸗ 
fen gegen Cäſar (1861 erridtet); die Statue van 
Schoonbeles, eines hervorragenden Waſſerbaukünſt⸗ 
lers aus dent 16. Jahrh., in der Borjtadt Berchem; 
das Standbild Lazare Carnots, in der Vorſtadt Bor- 
gerhout ; das Reiterjtandbild Leopolds [. (von J. Geefs, 
1868 erridtet); das Denfmal des Dichters Th. van 
Ryswyd (1864 errichtet); die Bronzeſtatue von D. 
Teniers (feit 1867); das Denfmal des flämiſchen Did- 
ters Conjcience (vor der Stadtbibliothef) und weiter 
nördlich van Dyds Standbild (von L. de Cuyper, feit 
1856). Wud) der fogen. Quinten Maſſys-Brunnen 
mit einem Dad) von gejdmiedetem Eiſen (ſ. Tafel 
>Brunnen«, Ma verdient Erwahnung. — Finan— 
gen 1898: Die Einnahme betrug 29,287,281 Frank 


(Darunter 15,480,117 Fr. ordentliche), die Ausgabe 


19,792,580 ¥r. (Darunter 13,829,267 Fr. ordentliche). 
Gegentiber A., am linken Scheldeufer, liegt der 
Blaamſche Hoofd (Téte de Flandre), von wo man 
cinen ſchönen Uberblid fiber die im Halbtreis lang 
fic) hinſtreclende Siadt genießt. 

[Gefrhicte.} A. (mit sweifelhafter Etymologie), 
im 7. Jahrh. zuerſt erwähnt, im 9. Jahrh. von den 
Rormannen zerſtört, ſpielte bis sum Aufſchwung Bra- 
bants nad) bem Siege bei Worringen (1288) im nie 
derlindifchen Wirtichaftsleben cine ziemlich unbedeu- 


tende Rolle. Seit Anfang des 14. Jahrh. Mittelpuntt | 











Antwerpen (öoffentliche Unjtalten ꝛtc., Geſchichte). 


für den größten Teil des Zwiſchenhandels mit Deutſch⸗ 
land, lenkte die durch ihre Lage ungemein begünſtigte 
Hafenſtadt die Aufmerkſamkeit des Auslandes bald 
immer mehr auf ſich. Im 15. Jahrh. begann ihre Glanz⸗ 
zeit. Mit Unterſtützung der burgundiſchen Herzoͤge 
wußte fie durch eine weiſe Handelspolitik ihre Neden- 
bublerinnen Mecheln (f. d.) ſowie namentlich Brügge 
(j. d.) völlig in Den Hintergrund zu drängen. Ihre 
ſchon im 14. Jahrh. jtattlide Fremdenfolonie wuchs 
von Tag zu Tag. Auf ihren beiden Meſſen gaben 
ſich die Kaufleute aller Nationen ein Stelldichein, und 
ihre 1460 gegründete Handelsbörſe war die erſte in 
Curopa. Mitte des 16. Jahrb. erreichte A. den Höhe⸗ 
puntt feiner Bliite. Mehr als 1000 auslindifde Han- 
delshaufer, dDarunter die Hugger (ſ. d.) und die Wel 
fer (f. d.), Hatten bier ihre Zweiggeſchäfte, ſchloſſen 
Unleihen mit den Fürſten Curopas ab und madten 
UW. sur reichſten Handeld-, bes. Jndujtrieftadt der driit- 
lichen Welt. In der Schelde lagen Schiffe aus allen 
Weltteilen, fo daß fic) Der Wert der Ein- und Aus 
fubr auf ungeheure Summen belief. Unter Philipp I. 
(f. dD.) begann der Verfall. Die religidfen Wirren und 
die Regergeridte veranlaften die ade aufleute 
jowie Taujende von Bürgern zur Flucht. Bei der Plün— 
derung von A. durch fpanifde Sildner (1576) fanden 
ca. 10,000 Cinw. den Tod, während ein groper Teil 
der Haufer in Flammen aufging. Hierzu fam (1585) 
die Eroberung der Stadt durd) Herzog Wlerander 
Farneſe von ‘Karma nad 13monatiger ftandbafter 
Gegenwehr. Die Erſchwerung der Scheldeſchiffahrt 
infolge ded Waffenjtilljtandes von VW. (1609), im dem 
Spanien die Unabhängigkeit der ndrdliden Provingen 
anerfannte, fowie die gänzliche Sperrung der Schelde: 
mündungen durch die Hollander feit dem Weitfalt- 
ſchen Frieden (1648) ricdteten dann den Handel der 
Stadt vollends gu Grunde. Geit 1714 im Beſiß 

terreichs, geriet fie 1746 während de3 Erbfolge- 
krieges voriibergehend in die Hände der Franjojen. 
Erſt mit dem ———— der öſterreichiſchen Herr: 
ſchaft in Belgien (f. d.) begann fiir A. von neuem 
cine beffere Zeit. Die frangojifche Republif, gu der A. 
jeit Ende 1792 gehörte, erzwang fdon 1795 von Hol 
land die Freigabe der Scheldemiindungen, fo day in 
der jungen franzöſiſchen Departementshauptitadt (feit 
1794) ſich bald wieder cin reges Handelsleben bemert: 
bar madte. Unter Napoleon J., der den Hafen be 
deutend erweiterte und UW. gum erjten Waffenplatz 
ſeines Reiches machen wollte, wurde die Stadt 1809 
und 1814 (f. Carnot 1) von den Engländern ver 
gebens belagert. Durd) die Wiener Schlußalte (1815) 
ward fie dem neugeſchaffenen Königreich der Wieder- 
lande cinverleibt, was gu einem weltern Aufſchwung 
ihres Handelsverfehrs beitrug. Wn der Revolution 
von 1830 beteiliqte fid) benn aud) nur ein Teil ihrer 
Bewohner. Die Beſchießung von A. durch den hollan- 
diſchen General Chafié (27. Olt.) fowie die fpatere 
Belagerung durd die Franjofen unter Marfchall Be: 
rard (Ende 1832) ridteten großen Sdaden an. Bor 
allem aber erlitt fein Handelsverlehr infolge der Ber- 
einiqung mit Belgien (7. d.) Brera einen empyind- 
liden Rüchgang. Erſt feit Ublofung des 1839 den 
Hollandern jugeftandenen Scheldezolles (1863) be- 
qann fiir A. cin neues Zeitalter, wo es cine unerbdrte 
Bliite erreidjen follte. Gegenwärtig ijt A. der zweit⸗ 
größte Seehafen des Rontinents und etme der jtarfiten 
Feſtungen Europas (jf. Brialmont). Val. Mertens 
und T orf8, Geschiedenis van A. (Untw. 1845—53, 
RVde.); Génard, Anvers a travers les Ages (Brij. 
1886 —92, 2 Vde.); Thijs, Historiek der straten 


Antwerpenfdes Feuer 


en plaatsen van A. (Antw. 1893); Poffé, A. in de 
18° eeuw voor den inval der Franschen (Gent 1895); 
Deiß, Anvers et la Belgique maritime (Par. 1899), 
Antwerpenfdjeds Feuer, von dem Staliener Gia- 
nibelli fonjtruicrte Sprengſchiffe mit Uhrwerk, mit 
denen er 1585 bei der Belagerung Antwerpens eine 
von ben Spaniern geſchlagene Briide zerſtörte. 
Autyllos, qried). Urzt, um 300 n. Chr., erwarb 
ſich große Verdienjte um Chirurgie, Therapie und 
Diätetil. Cr iibte die nach ihm benannte Methode der 
Operation der Aneurysmen 
durch Exjtirpation, aud) foll 
er die Extrattion des Grauen 
Stare3 erfunden haben. Bon | 
einem die genie Heilfunde um- 
fafjenden Wert finden ſich Frag⸗ 
mente bei Oribajius. 
Anubis, altägypt. Toten- 
qott, Der bei der Bejtattung 
eine große Rolle fpielte. Sein 
heiliges Tier war der Sdhafal | 
oder Wüſtenhund, in deſſen 
Geſtalt oder mit deſſen Kopf (7. 
Ubbilbung) er aud) dargeftellt 
wurde. Als Stadtgqott wurde 
er in Dem oberägyptiſchen Ky⸗ 
nopolis (bei Schẽch el - Fadhl) 
verehrt. Nad) einer ſpätern 
Uuffaffung foll Ofiris den A., 
in dem Wahn, feine Gemabhlin 
Iſis gu wmarmen, mit der Nephthys erzeugt haben. 
Die Grieden identijijicrten ihn mit Hermes, als 
Hermanudbis. [verebrt. 
Annis, ägypt. Gittin, in der Rataraftengegend 
Antra (Fröſche), Ordnung der Amphibien. 
Anurie, ſ. Harnverhaltung. 
Anus (lat.), der Ufter (ſ. d. und Darm); A. praeter- 
naturalis, fiinitlider, widernatiirlider Ufter, Darm⸗ 
Aenus, altlat. Name des Inn. [fijtel. 
Anvers (fpr. angwars), franz. Name fiir Untwerpen. 
Anville (or. angwit), Jean Baptifte Bour- 
quignon d’, franz. Geograph, ein Reformator der 
alten und neuen Rartographie, geb. 11. Juli 1697 in 
Paris, geſt. dafelbjt 28. Jan. 1782, wurde fdon im 
22. Jahr königlicher Geograph, mit welder Stelle 
ex {pater die eines Privatietretirs des Herzogs von 
Oridan3 verband. Seit 1775 befleidete er Den Ehren- 
poften cines Adjunkts der finigliden Akademie der 
Wiſſenſchaften zu Paris. Bon —* Karten, deren 
er 211 herausgab, verdienen namentlich Erwähnung: 
der » Atlas général» (1737— 80, 66 Blatter) und der 
» Atlas antiquus major« (12 Blitter), wozu die »Géo- 
graphie ancienne abrégée« (1769, 3 Bde.) als Tert 
gehört. D' Anvilles » Traité des mesures itinéraires 
anciennes et modernes« (1769) ijt fiir dad Studium 
der alten Geographic noch immer widtig. Seine wert- 
voile — (10,500 Nummern) wurde 
1799 fiir die finiglidje Bibliothe? angefauft. 
Anvifieren, |. Unidneiden. 
Anwachfung, im rdmifden und gemeinen Recht 
WE seffion(accessio) genannt, im allgemeinen alles, | 
was ju einem Gegenjtand als Erweiterung hinzu⸗ 
fommt, fodann, da der Zuwachs ciner Sache qewihn: | 
lid) in cinem untergeordneten Verhältnis sur Haupt- 
ſache fteht, die Nebenſache, Zubehör (j. d.). In diejer 
Bedeutung wird der Uusdrud nicht blof von forper- | 
lidjen Sadhen, fondern aud) von Forderungen, Redts- 
verhaltnifjen x. gebraudt (vgl. Zinſen, Biirgfdaft, 
Beſitz). Endlich bedeutet A. aud) das Hinzukommen, 





Anubis, 








— Anwadhjungsredt. 601 


Buwadjen, und in diefer Hinſicht iſt es ein jurijti- 
ſcher Kunftausdrud fiir eine bejondere rt des Cigen- 
tumserwerb3 gewefen (vgl. Eigentum). Nad) Art. 65 
des ————— zum deutſchen Bürgerlichen 
Geſetzbuch bleiben die landesgeſetzlichen Vorſchriften 
über Anlandungen (alluvio und avulsio), entſtehende 
Inſeln und verlaſſene Flußbetten, die gleichfalls Fälle 
der A. bilden, unberührt. Nach dem gemeinen und 
den meiſten Landesrechten fällt das Eigentum an dem 
allmählich an einem Ufergrundſtück ſich anjdwem- 
menden neuen Land (alluvio) dem Eigentümer dieſes 
Grundſtückes zu, während das Eigentum eines durch 
ein Naturereignis losgeriſſenen und an einem andern 
Grundſtück angeſchwemmten ganzen Stück Landes 
(avulsio) erſt dann in das Eigentum des neuen Be— 
fipers itbergeht, wenn es mit dem Ufer wieder ver- 
wadfen ijt. Nad) öſterreichiſchem Redte (allgemeines 
Ofterreichijdhes Biirgerlidhes Geſetzbuch, § 412) verliert 
der vorige Vefjiger bei Unlandungen fein Cigentum 


“nur damit, wenn er es in Jahresfriſt nicht ausiibt. 


Bezüglich der durch irgend cin Naturereiqnis allmäh— 
lid) oder plötzlich in einem Flußbett entitehenden Inſel 
(insula in flumine nata) gilt der Rechtsgrundſatz, dah 
das Eigentum daran, gleichviel ob es jid) um cinen 
öffentlichen oder privaten Fluß handelt, den Ufereigen- 
tiimern zur Rechten und Linfen gehört und gwar nad 
Makgabe einer durch die Mitte des Fluſſes gezogenen 
Linie. Ähnlich wird die Eigentumsfrage geregelt, wenn 
cin Fluß fein Bett verläßt (alveus derelictus). Hier 
fallt das Eigentum an dent verlafjenen Flußbett zur 
Hälfte den Befigern der linfen, sur Hälfte denen der 
redjten bisherigen Uferqrunditiide zu. Rad) dem öſter⸗ 
reichiſchen Biirgerliden Geſetzbuch, § 409, fonnen fic 
in einem folden Fall die Grundbeſitzer, welche durch 
den neuen Lauf des Gewäſſers Schaden leiden, aus 
dem verlajjenen Bett oder deſſen Wert ſchadlos halten. 
Bon accessio possessionis ſprach bas gemeine Recht 
in bem Ginne, daß derjenige, weldjer eine Sade durch 
Erjigung (f. d.) erwerben will, die Beſitzzeit feines 
Vorgingers im Beſitz der Sache gu der ſeinigen hin- 
zurechnen fann. Das deutſche Biirgerliche Geſetzbuch 
hat in § 943 dieſen gemeinredtliden Gedanten auf- 
genommen. Bgl. aud die Urtifel: Verbindung, Ver- 
mifdung, BVerarbeitung und Unwadhfungsredt. 
Anwadhfungsredt (Altreszenzrecht, Jus 
accrescendi) bezeichnet in der Rechtsſprache die Be- 
jtimmungen, auf Grund deren unter beſtimmten Bor- 
ausſetzungen der Unteil ciner Perſon einer andern zu⸗ 
fällt, anwächſt. Whgefehen von der Beſtimmung de3 
§.738 des deutſchen Viirgerlidjen Geſetzbuches, wonach 
der Anteil eines ausſcheidenden Geſellſchafters den 
übrigen Geſellſchaftern zuwächſt, beruht das UW. aus- 
ſchließlich auf Vorſchriften des Erbrechts, wobei das 
Geſetz von der Fiktion ausgeht, daß der Erblaſſer 
unter den geſetzlich aufgeſtelllen Vorausſetzungen die 
Anwachſung gewollt habe. Jin Geſetz ijt die Bezeich⸗ 
nung A. zwar nur bei der teſtamentariſchen Erbfolge 
ebraucht, Entſprechendes gilt jedoch auch für die ge— 
—** Erbfolge. Wurde durch die Einſetzung meh⸗ 
rerer Erben die geſetzliche Erbfolge ausgeſchloſſen, ſo 
* bei Wegfall eines Erben (3. B. durch Verzicht, 
usſchlagung, Ausſchluß) der Erbteil desſelben nicht 
den geſetzlichen Erben, ſondern er wächſt den übrigen 
eingefebten Erben an. Dit dagegen die geſetzliche Erb- 
folgqe nur bezüglich eines Teils der Erbſchaft ausge- 
ſchloſſen, fo fillt der durch Wegfall eines eingeſetzten 
Erben freiwerdende Teil den gefesliden Erben ju, 
unter den eingefebten Erben dagegen tritt die Anwach⸗ 
jung nur dann und fo weit ein, als fie auf einen ge- 


602 Unwalt — 
meinfamen Erbteil eingefept find (§ 2094). Cine wei- 
tere Beftinumung über das A. trijft § 1490, wonad 
der einem Abkömmling am ehelichen Gefanttgute zu- 


jtehende Unteil an die tibrigen anteilsberechtigten Ab⸗ 


fommlinge oder an den überlebenden Ehegatten 
fommt, ‘prt anwächſt, falls der anteilsberedhtigte Ab⸗ 
kömmiling ohne anteilsberedftigte eigne Nadfommen 
jtirbt. Sas jedoch dem Verkäufer einer Erbſchaft in- 
folge einer Unwadfung zufällt, das gilt im Zweifel 
als nidjt mit verfauft ($2373). Die Anwachſung fann 
übrigens vom Erblajjer ausgefdlojfen werden und 
gilt vor allem dann als ausgeſchloſſen, wenn der Erb- 
lajjer fiir den Fall, daß ein Erbe vor oder nad) dem 
Eintritte des Erbfalles wegfällt, einen andern als Er- 
ben (Erſatzerben) einſetzt. 

Anwait (Prokurator, Sachwalter, als Be— 
auftragter einer Perſon, die ſelbſt fremdes Intereſſe 
vertritt, aud) Altor und als ſtändiger Rechtsbeiſtand 
einer juriſtiſchen Berfon oder eines Vereins Syndi- 
kus genannt), eigentlich der Stellvertreter cines jtrei- 
tenden Teiles vor Gericht oder vor ciner andern Be- 
hirde. Das Nähere f. in den Urtifeln » Actor, Redts- 
anwalt und Advolat«. 

WUntwwaltsfammer (Wdvofatenfammer), cine 
zur Wahrung der Intereſſen de3 Anwaltsſtandes fiir 
einen bejtimmten Bezirk erridjtete Körperſchaft. Für 
jeden Bezirk cines Oberlandesqeridts und am Sige 
des letztern befteht cine A., die fic) aus den innerhalb 
des Bezirks zugelaſſenen Rechtsanwalten zuſammen⸗ 
ſetzt. Die A. bei dem Reichsgericht beſteht aus den bei 
ihm zugelaſſenen Rechtsanwalten. Der A. liegen die 
Bewilligung der Mittel zur Beſtreitung des für die 
gemeinſchaftlichen Angelegenheiten erforderlichen Auf⸗ 
wandes und die Beſtimmung des Beitrages der Mit- 

lieder ob, ferner die Feſtſtellung der Geſchaͤftsordnung 

ir Die Kammer und den Vorjtand fowie die Briifung 
und Abnahme der von dem letztern zu leqenden Rech⸗ 
nung. Die Kammer wählt aus ihren Mitgliedern den 
aus 9 —15 Mitgliedern beftehenden Borjtand auf 4 
Jahre mit der Maßgabe, dah alle 2 Jahre die Hälfte 
der Mitglieder ausſcheidet. Der Vorſtand hat Streitiq- 
feiten unter den Witqliedern der Rammer auf Untrag 
zu vermitteln, ebenfo Streitiqfeiten aus dem Muftrags- 
verhältnis zwiſchen einem 
bem Auftraggeber auf Antrag des letztern; er hat Gut- 
adten, die von der Landesjuftizverwaltung, forwie 
ſolche, die in Streitigkeiten zwiſchen einem Mitgliede 
Der Kammer und feinem Auftraggeber von den Ge— 
ridhten geforDdert werden, zu erjtatten; ferner hat er 
die Aufſicht über dic Erfiillung der den Mitgliedern 


ber Kammer oblieqenden Pflichten zu üben und als | 


Ebrengeridt in der Beſetzung von fiinf Mitalie- 
Dern die ehrengeridtliche Strafgewalt ju handhaben. 


itgliede Der Rammer und 





Dieſes Ehrengericht, bei dem die Verrichtungen der | 


Staatsanwalticaft durd die Staatsanwaltidaft des 


Oberlandesgerichts wahrgenommen werden, befteht | 
geliſchen Kirche findet man fie noch jest mit der WD 
und Dretandern WMitqliedern des Vorjtandes und fann | 


aus dem Vorſitzenden der A., feinem Stellvertreter 


auf Warnung, Veriveis, Geldjtrafe bis yu 3000 Me. 


und auf Ausſchließung von der Rechtsanwaltſchaft 
erfernen. Gegen dad Urteil des Ehrengerichts ijt das 


RedtSmittel der Berufung an den Ehrengeridts: 
Hof gegeben, dev aus dem Präſidenten des Reichsge— 
richts als Vorfifpendem, drei Mitgliedern des Reichs 
gerichts und drei Mitglicdern der VW. bei dem Reichs 
gericht befteht. Bgl. Rechtsampaltsordnimg vom 
1. Juli 1878, $41 —97. — 
die Wdvofatenfammern nach dem Geſetz vom 6. Juli 


In ſterreich beſtehen 





Anweiſung. 


nen Wdvofaten, die in dem derzeit beſtehenden Spren- 
gel jeder Rammer ihren Wobhnjig haben. Die Ad— 
vofatenfammer bejorgt ihre Geſchäfte teils unmittel⸗ 
bar in Plenarverſammlungen, teils mittelbar durch 
einen Uusfduk, der (wie der Präſident) auf 3 Qabre 
gewählt wird. Das Disziplinarredt iiber die Wd- 
vofaten iibt nad Dem Disziplinarjtatut vom 1. Upril 
1872 zunächſt der Ausſchuß. Cin Wdvofat, der die 
Pflichten ſeines Berufes verlegt oder die Ebre und 
das Anſehen des Standes beeinträchtigt, unterliegt 
der Disziplinarbehandlung durd den Disziplinarrat, 
der amt Sige jeder Udvolatenfanumer m der Zahl von 
7, 9 oder 15 Mitgliedern bejteht. Disjiplinarjtrajen 
jind Verweis, Gelditrafen bis 300 Gulden, Cinjtellung 
der Uusiibung der Wdvofatur und Streidyung von 
der Lijte. 

Anwaltsordnung, ſ. Rechtsanwaltsordnung. 

Anwaltsprogzef, nach der deutiden Rivilprojyy: 
—— (§ 78) das Verfahren, in welchem Anwalis 
zwang beſteht, d. h. Die Parteien ſich durch einen bei 
Dem Prozeßgerichte (ſ. d.) zugelaſſenen Rechtsanwalt 
als Bevollmächtigten vertreten laſſen müſſen. Dies 
ijt der Fall bezüglich der Landgerichte und der Ge- 
ridjte höherer Inſtanz. Der Anwaltszwang erjtredi 
fic) aber nicht auf das Berfahren vor einem beauf- 
tragten oder erfuchten Richter ſowie nicht auf Prozeß⸗ 
handlungen, die vor dem Gerichtsſchreiber vorgenom: 
men werden dürfen. Cin bei dem Prozeßgerichte pe 
gelaffener Anwalt braudt, wenn er ſelbſt Vartei oder 
geſetzlicher Vertreter einer folden ijt, feinen Bevoll 
mächtigten aufzujtellen. Dasfelbe gilt von dem Staats- 
anwalt, der in Ehe und Enturiindiqungsfaden auf 
tritt. Den Gegenſatz zum UW. bildet das Verfahren 
vor den Wmtsgeridten, das Deshalb aud) Bartei- 
prozeß genannt wird. 

Antwaltstag, ſ. Unwaltsverein. 

Anwaltsverein , die freie Vereiniqung der deut- 
ſchen Rechtsanwalte, deren Verjammiungen An— 
waltstage genannt werden. Val. auch Redtsanwall. 

Anwaltsswang, ſ. Anwallisprozeß. 

Anwand, ſ. Angewende. 

Anwartſchaft (Exſpektanz), die jemand (An— 


wärter, Erjpeftant) erteilte und von dieſem an 


gen ommene Zuſicherung, dak cin gewiſſes Recht oder 
ut ihm nad dem Abgang deffen, dem es qeqenwir- 
tig 3ujteht, tibertragen werden foll. Der riff bat 
ſeinen Urfprung im Lehnredht. Lehnsherren pflegten 
ihren Untergebenen sur Belohnung bei dem Mangel 
an eröffneten Lehen die Zuſicherung künftiger Belch 


nung zu erteilen. Etwas der Lehnsexſpellanz Aha 


liches ijt die Eventualbelehnung (ſ. d.). Aus dem 
Lehnrecht ging das Rechtsinſtitut der A. auch in das 
Staats: und Kirchenrecht iiber, infofern, als ein zelnen 
Perſonen Staats-, Gemeinde: oder Kirchenämter fir 
den Fall der Erlediqung durd den Abgang der der- 
zeitigen Inhaber jugefidert wurden. In der evan 


junftion und Subjtitution verbunden, d. b. wo cm 
jiingerer Nirdendiener cinem Altern zur Aushilfe ge 
qeben ijt und dazu die Exſpektanz (spes suceedendi) 
auf das volle Amt fiir die Sufunft belommt. In der 
fatholifden Kirche find die Exſpektanzen beſeitigt mit 


der einzigen Ausnahme, dak vom Papſt in befondern 


Fällen einem Biſchof cin Coadjutor cum jure suc- 
cedendi, bd. h. ein Stellvertreter mit Dem Rechte der 
Nachfolge, beftellt werden fann. 

Anweifung (im Verkehrsrecht des Mittelalters und 
ſpäter Uffigqnation qenannt), cin Wuftrag, durd 


1868 aus famtlidjen in die Advolatenliſte cingetrage: | den jemand (der Aſſignant) cinem ander (dem 


Anwenderedht — WAnjeige. 


AW ffiqnaten) die mündliche oder ſchriftliche Weifung 
erteilt, cinem Dritten (dem Wj jignatar) cine Leijtung 
zu maden. Rad) dem deutſchen Biirgerliden Geſetz— 
bid) verjteht man unter A. die an einen andern (den 
Ungewiefenen) geridtete ſchrift liche Aufforderung, 
fiir Rechnung des Ausſtellers dieſer A. (des Anwei— 
ſenden) eine beſtimmte Summe Geldes, Wertpapiere 
oder andre vertretbare Sachen an einen Dritten (den 
Anweiſungsempfänger) ju leiſten. Die Aushändigung 
der Anweiſungsurkunde an den Dritten ermächtigt den 
Angewieſenen, für Rechnung des Anweiſenden an den 
Anweiſungsempfänger zu leiſten und berechtigt den 
Dritten, die Leiſtung bei dem Angewieſenen im eignen 
Namen gu erheben. Durch die Annahme der W., die 
Durd einen ſchriftlichen Vermerk auf der A. erfolgt, 
wird der Angewieſene zurLeiſtung an den Anweiſungs⸗ 
entpfainger verpflidtet, der Umſtand allein, daß der 
Ungewiejene Schuldner des Anweiſenden ijt, verpflich⸗ 
tet ihn nicht zur Annahme. Ebenſowenig wird der 
Unweifende, wenn er Schuldner de3 Anweiſungs— 
empfangers ijt, nicht ſchon durch die A. fondern erjt 
durch Die Zahlung jeitens des Angewieſenen vor fei- 
ner Schuld befreit. Berweigert der Ungewiejene die 
Leijtung, oder farm, be}. will der Uniweifungsempfiin- 
ger die A. nicht geltend machen, fo hat er hiervon, falls 
er fid) nicht Der Haftung ausfegen will, dem Anwei— 
fenden unverzüglich Unjeige gu maden. Widerrufen 
fann Der Anweiſende gegeniiber dem Angewieſenen 
nur fo lange, ald legterer noc nicht gegeniiber Dem 
Anweijungsenrpfiinger die A. angenommen oder dic 
Leijtung bewirft hat. Durd Tod oder Eintritt von 
Geſchäftsunfähigkeit eines Beteiligten erlijdt die A. 
nicht, wohl aber verjahrt der Anſpruch des Anweiſungs⸗ 
enipfiingers gegen den Angewieſenen aus der Yn 

nahme in drei Jahren. Cine Übertragung der YW. 
feitens des WUniweifungsentpfingers pi einen Drit- 
ten ijt mur mittels ſchriftlicher Form, und falls der 
Anweiſende die Ubertragung nicht ausdrücklich aus: 


geidlojjen hat, zuläſſig. Durd die Unnahme der W. | 


egentiber Dem Dritten verliert der Angewieſene die 
— aus einem zwiſchen ihm und dem An 
weiſungsempfänger beſtehenden Rechtsverhältnis. — 
Kaufmänniſche Anweiſungen (§ 363 des deut— 
ſchen Handelsgeſetzbuches) ſind nun nicht mehr wie 
früher Anweiſungen, die von einem Kaufmann über 
Geld, Wertpapiere oder vertretbare Sachen ausgeſtellt 
wurden, ſondern nur noch Anweiſungen, die — 
Kaufmann ausgeſtellt ſind. Dieſelben können durch 
Indoſſament (ſ. d.) übertragen werden, wenn ſie an 
Order lauten und die Leiſtung nicht von einer Gegen- 
leijtung abhängig gemadt it. Cine befondere im 
Banfoerfehr übliche Urt der A. ijt der Scheck (ſ. d.). 

Im Budgetwefen ijt das finanzielle Anweiſungs— 
recht das Redht einer Behörde, von mts wegen oder 
nad beſonderm Auftrag ſchriftliche Anweiſungen an 
Beauite zur Empfangnahme oder Erhebung von Zah— 
lungen auf Rechnung des Staates oder einer beſtimm⸗ 
ten Kaſſe ſowie zur Vornahme von Zahlungen auf 
Rechnung dieſes Verpflichteten an Dritte zu geben. Die 
Generalanweiſungen beziehen ſich auf ganze Klaſſen 
von Geſchäften, die Spezialanweiſungen auf einzelne 
Empfiinge oder Zahlungsleiſtungen. Bgl. Wendt, 
Das allgemeine Anweiſungsrecht (Jena 1895). 

Anwenderedht (Umwende-, Kehr-, Pflug— 
recht), das altdeutſche Notrecht, beim Beackern des 
eignen Grundſtücks auf dem angrenzenden fremden 
Acker wenden ju können. Dit es dabei geſtaättet, ard) 
das Sugqvieh auf den fremden Boden iibertreten zu 
lajjen, ; 





603 


genannt. Das Bürgerliche Geſetzbuch hat dieſe Rechte 
nicht aufgenommen. Bgl. Angewende. 

Anwerbung, ſ. Werbung. 

Anwuchs, ſoviel wie Anwachſung (ſ. d.). 

Anzanum, Stadt, ſ. Lanciano. 

Anxiétas — ſ. Angſt. 

Auxur, ſ. Lerracina. 

Anzeichen (Vorzeichen), die Merkmale eines 
Werdenden oder ſchon Vorhandenen, aber nod) nicht 
fiir jedDermann Erfennbaren, 3. B. der Witterng, des 
Todes xc. Rad) dem Volksglauben werden cingetre: 
tene oder eintretende wichtige Creiqnifje auf irgend 
cine Weife angemeldet, 5. B. der Tod eines Domberrn 
durd) freiwilliges Ertönen der Glocen rc. Nod) heute 
ijt Der Glaube an die Bedeutſamkeit von Schlucken, 
Obrenflingen, Uugenjuden, Begegnungen (ſ. Angang) 
verbreitet. Bgl. Bedeutung. 

Anzeige, Annonce (f. d.). In der Rechtsſprache 
die Wtitteilung (Denungiation), die ciner Behörde 
iiber eine beabjidjtigte oder bereits begangene jtraf- 
bare Handlung jum Zweck ihrer Verhiitung oder ihrer 
Vejtrafung gemadt wird. Der Anzeigende wird De— 
nungiant, der Angezeigte Denunjiat genannt. 
Verechtigt gu einer folden W., die bei der zuſtändigen 
Behörde erſtattet werden muß, iſt, ſofern es ſich nicht 
um ein ſolches Verbrechen oder Vergehen handelt, das 
bloß auf Antrag des Verletzten mie wird, jeder 
aus dem Bol€ (fogen. freiwillige U.). Anzeigen 
jtrafbarer Handlungen oder Anträge auf Strafverfol- 
gungen können bei der Staatsanwaltſchaft, bei den 

horden und Beamten des Polizei-⸗ und Sicherheits⸗ 
Dienjtes und nad der deutſchen Strafprozeßordnun 
aud) bei den Amtsgerichten mündlich oder —— 
angebracht werden. Die mündliche A. ijt zu beurfun- 
den. Anzeigen gegen Perſonen, die der Militärſtraf— 
gerichtsbarkeit unterjtehen, ſind von Perſonen des 
Soldatenſtandes des Heeres und der Marine auf dem 
Dienſtwege (Offiziere bei Dent Geridtsherrn oder cinem 
mit Disziplinarjtrafqewalt verjehenen Vorgeſetzten 
des —— mündlich oder ſchriftlich, Unter— 
offiziere und Gemeine beim Kompagnie- x. Chef un- 
mittelbar und mündlich), von Militarbeamten bei der 
vorgeſetzten Dienjtbehirde des —— anzu⸗ 
— Andre Perſonen find auf die Vorſchriften 
des bürgerlichen Rechts verwieſen; doch genügt das 
Anbringen der A. bei der vorgeſetzten Dienſtbehörde des 
Beſchuldigten (Militärſtrafgerichtsordnung, § 151). 
Eine Verpflichtung zur A. (Anzeige-, De— 
nunziationspflichh tit, fofern eine bereits be— 
gangene unerlaubte Handlung in Frage jteht, nad 


den meijten Strafgeſetzen mur infolge einer befondern 


Amtspflicht begriindet (jogen. notwendigel.), und 
daher fann aud) die Unterlafjung einer A. in der— 
artigen Fallen nur für diejenigen Beamten und ihre 
Bedieniteten eine Strafe nad) jich ziehen, die fich eben 
dadurch einer befondern Pflichtverletzung ſchuldig ge- 
madt haben. Hierber gehören unter Umſtänden aud 
Arzte (vgl. Ojterreichi des Strafgeſetzbuch, § 349) 
und Hebammen (§ 15 der öſterreichiſchen Vinijterial- 
verordiming vom 4. Juni 1881). Auch in Anſehung 
einer beabjidtiqten ftrafbaren Handlung liegt die A. 
zunächſt nur den dazu verpflicteten Beamten ob. 
Das deutſche Strafgeſetzbuch bedroht, abgejehen von 
den Strafdrohungen des Sprengjtoffgeiepes (§ 13) 
und des Gejebes, betreffend den Rerrat militäriſcher 
Geheimniſſe (§ 9), mit Gefängnisſtrafe (1 Taq bis 
3u 5 Jahren) die Unterlafjung ciner A. von bevor- 
itehenden Straftaten nur bei bejonders ſchweren Ber- 


o wird das Recht Tret- oder Treppredt | bredjen, nämlich bei Hodverrat, Landesverrat, Miin3- 


604 Anzeigepflicht 


verbrechen, Mord, Raub, Menſchenraub, und bei ge— 
meingefährlichen Verbrechen, alſo namentlich bei 
Branditiftung, vorjaiplicher Gefährdung eines Cijen- 
babntransports, vorſätzlicher Herbeifiibrung einer 
Überſchwemmung u. dgl., und gwar unter der Dop- 
pelten Vorausſetzung, daß erjtens der gu Beſtrafende 
gu der Beit, als die Berbiitung des Verbredens nocd 
miglid) war, qlaubbafte Renntnis von dem verbrede- 
riſchen Borhaben erhalten und gleichwohl weder der 
Behdrde nod der durd) das Verbrechen bedrohten 
Perfon rechtzeitig A. gemacht hat, und dah zweitens 
dad Berbredjen oder dod) wenigitens cin jtrafbarer 
Verſuch wirklich beqangen worden ijt. Dem Anzeige— 
erftatter finnen übrigens, falls die A. wider beſſeres 
Wiſſen oder grobfahrläſſig erjtattet ijt, die Koſten des 
Berfahrens auferlegt werden. Rad) öſterreichiſchem 
Strafrecht befteht cine Anzeigepflicht für Private nur 
bei den Verbrechen des Hodpverrats, der Ausſpähung 


und der unbefugten Werbung. Verſchieden davon ijt | 
die Verheimlidung eines Verbredens (Straf- | 


geſetzbuch, § 214). Auf der andern Seite wird aber 
aud) cine wider beſſeres Wiſſen erftattete A. (»falfde 
Unfduldiqung«, Calumnia) mit Strafe belegt, und 
gwar nad) dem deutſchen Strafgefepbud mit Gefäng— 
nis nicht unter einem Wonat, nach dem öſterreichiſchen 
Strafgeſetzbuch, wenn es fid) um die A. eines an- 


gedidteten Berbredens handelt, mit ſchwerem Kerker 
10 Jahren (Verbrechen der Verleumdung); | 
cud) kann dem Berlesten die Befugnis zugeſprochen 


von 1 


werden, die Verurteilung auf Kojten des Schuldigen 
Dffentlid) befannt ju machen. Der Ausdruck A. oder 
Vngeiqung wird im Strafprozeß aud als gleichbedeu⸗ 


fend mit »indicium«, In diz (. d.), gebraudt. Bal. 


Deutſche Strafprozeßordnung, § 156ff. 501; Deut: 
ſches Strafgeſetzbuch, § 139, 164, 165; § 84 —87 der 
Diterreidifden Strafproyehordnung; Hef, Die Lehre 
von der falfden Anſchuldigung (Cllwang. 1888). 
UW. in Der Medizin, f. Qndifation. 

Angzeigepflicht , ſ. Anzeige. 

Anzengruber, Ludwig, nambafter Sdrift 
fteller, geb. 29. Nov. 1839 in Wien als Sohn eines 
fleinen Staatsbeamten, gejt. daſelbſt 10. Dey. 1889, 
bejudte die Volls⸗ und Auterrealiduule ſeiner Bater- 
ftadt, trat 14jährig bei cinem Buchhändler in die Lehre, 
wurde 1858 Schauſpieler, beſaß wenig Talent und 
criebte das ganje Elend der fleinen Wandertruppen, 
f:hrte als Literat nad) Wien zurück und erhielt hier 
1869 Die Stelle eines Nanjlijten bei der Polizeidirek 
tion. Den erjten durchſchlagenden Erfolg erlebte fein 
autiflerifales Vollsſtüch »Der Pfarrer von Rirdfeld« | 
(10. Aufl. 1899), das, wie andre Werke, unter dem 
Pieudonym L. Gruber herausgegeben, 5. Rov, 1870 
im Theater an der Wien aufgefiihrt wurde. Die epode 
madende Vedeutung von Anzengrubers Dramen liegt 
darin, daß er, an Die quten Lberlieferungen des Wiener 
Lolalſtückes antniipfend, vollstümliche und zeitgemäße 
Probleme in Lebensbildern von unverfälſchter Wirt 
lichleitstreue packend darſtellte; dod hielt er eine lehr 
hafte Tendenz nicht fern. Die Figuren aus dem Volke 
ſind ihm durchweg gelungen, während die Perſonen 
vornehmen Standes durch ihr geſpreiztes Weſen be 
fremden. Die glänzenden Vorzüge ſeiner Kunſt verriet 
vor allem das tragiſche Meijterwerf »Der Meineid | 
bauer«, deſſen Hauptyiqur piydologifde Tiefen er 
ſchließt, in die nur die größten Dichter hinabſchauen. 
Faſt noch bedeutender ijt A. im Lujtipiel, von dem er | 
freilich ernftere Züge nicht ganz fern halt; bierber ge 
Hiren » Die Kreuzelſchreiber⸗ (1872) nuit der herrliden 
Figur des Steinflopferhans, » Der G'wijjenswurm: | 





— Angiehung. 


(1875), » Der Doppelfelbjtmord« (1875), » Das Jung: 
ferngift« (1878); ibnen folgte »Das vierte Gebot« 
(1878), die Tragödie des ſchlechten Elternhaufes. Im 
November 1878 erhielt A. zugleich mit Wilbrandt und 
Niſſen den Schillerpreis. 1882—85 war er Redafteur 
des Wiener Familienblattes » Heimat «, dann redigierte 
er Den Wiener »Figaro<«. Für das Vollsitiid »Heim- 
q'funden« (1887) erbielt er den Grillparjerpreis. Dre 
tragiſchen Bolfsjtiide »Stabl und Stein⸗ und » Der 
Fleck auf der Ehr'« (1889), Dramatijierungen von 
zwei Erzählungen Lig ar verraten Die ab- 
nehmende Rraft. Wenn der Didter als hodpbedeu- 





| tender Bollender volfstiimlider Traditionen der deut: 


iden Bühne anzuſehen ijt, fo hat er alg Erzähler und 


| Romanjdriftiteller gleichjalls Ausgezeichnetes gelet- 


jtet, obne jedod) neue Bahnen eingujdlagen. Außer 
durch feine »Ralendergefdidten« (jeit 1876) und 
» Dorfgiinge« (1879), unter denen wirtfame Schwante, 
wie »Der qottiiberlegene Jafob<, » Wenn ciner es zu 
ſchlau madte, u. tragiſche Darjtellungen, wie »Gott- 
verloren«, » Der Einſam'⸗ u. a., hervorgzubeben find, 
madte er fid) Durd) den Roman »Der Schandfled: 
(Wien 1876 ; umgearbeitete Ausg. Leip; 1884, 6. Aufl 
1901) und Die ausgezeichnete realijtijde Dorfgeſchichte 
Der Sternſteinhof« (daſ. 1885, 5. Aufl. 1901) m 
weitern Kreiſen befannt. Auf dem Zentralfriedhof in 
Wien wurde dem Dichter 1893 cin Denkmal (model⸗ 
liert von J. Scherpe) errictet. Seine ⸗Geſammelten 
Werke« erſchienen — 1890 in 10 Bodn. (3. Mul. 
1897). Cine trefflice Biographie verfakte WU. Bet- 
telheim (»Ludwig A.«, 2. Aufl., Berl. 1897), der 
aud) Anzengrubers Briefe herausgab (Stuttg. 1902, 
2Bde.). Bgl. RK. Rosner, Erinnerungen an VW. (Bien 
1890); S. Friedmann, Ludwig W. (Leipz. 1902); 
U.S dhinbackh, Geſammelte Auffage sur neuern Lite 
ratur (Graz 1900); . Sittenberger, Studien jur 
| Dramaturgie der Gegenwart (Miind. 1899). 
Unger, Johann Baptijt von, fath. Biſchof, 
eb. 16. Mai 1851 zu Weinried im der bayriſchen 
berpfalz, ausgebildet auf dem Lyzeum in Regens 
burg, trat 1875 in das vom Generalfuperior der 
Miffionsgefellidaft des göttlichen Wortes, rnold 
Janſſen, in Steyl begriindete Miffionshaus cin, wurde 
1876 in Utrecht jum Prieſter geweiht und ging 1879 
nad China, wo er das Seminar in Hongfong leitete. 
1882 wurde er von Bifdof Cofi zum eralvifar 
von Siid- Schantung ernannt, wo er in kurzer Zen 
mehrere große dhrijtlide Niederlajjungen mit Rirden. 
Schulen, Seminaren und Waiſenhäuſern gründete. 
1885 wurde Siid- Schantung ſelbſtändiges apoſto 
liſches Vilariat, und A. ward 1886 in Steyl zum 
Titularbiſchof von Telepte und apoſtoliſchen Bitar ge- 
weiht. A., der fon wiederholt Gewalttatigteiten ier 
tens der Chinefen ausgefest geweſen war, wohnte in 





Yen «tido-fu und gwar feit 1890 unter dem Schutze 


des Deutſchen Reiches. Bei der Beſetzung Kiautſchous 
durch Das Deutide Reich war Anzers Rat mit maß— 


gebend; er erflarte fie als unerlaplich fiir dad Ge 
deihen umd den Fortbejtand der chineſiſchen Miſſion 


Anziehen, kaufmänniſch ſoviel wie im PBreiie 
jteigen«. — In der Jägerſprache das eifrige, aber 
ſehr vorſichtige Suchen des Vorſtehhundes, durch das 
er zu erfennen gibt, daß er Die friſche Spur eines Ha- 
jen oder das Geläufe eines Federwildes verfolgt. 

Anziehmustelu, |. Wddultoren. 

Anziehung (Wttraftion), allgemeine oder New 
tonſche, f. Gravitation; chem iſche A. chemiſche Ber 
wandtidaft; eleftrifde, eleftrodynamifde und 
magnetifde A., ſ. Elektrizität, Eleltrodynamiſche 


Angin. — Molipile. 


Kraft und Magnetismus; molefulare A., Adhä— 
jton, Robafion. 

Anzin (pr. anghing), Fleden im franz. Depart. Nord, 
Urrond. Valenciennes, an der Schelde und der Nord- 
babn, bat (1901) 14,325 Cinw. u. cing der bedeutendjten | 
Steinfohlenbergwerte Frankreichs (Becken von Valen: | 
ciennes), Das fett 1707 ausgebeutet wird, außerdem be: 
deutende Eiſenwerke, Maſchinen- u. Glasfabrifation rc. 

Anzio (Portod' Anzio) Fiſcherſtädtchen in der 
ital. Provinz Rom, am Mittelländiſchen Meer an der 
Stelle de3 alten Untium (jf. d.) und an der Eiſenbahn 
Rom -Cecchina-Nettuno gelegen, hat cinen von Papjt 
Innocenz XII. angelegten, durd) einen teiltweife an- 
tifen Molo gejdiigten, aber der Verſandung aus- 
geſetzten Hafen, mehrere Villen, beſuchte Seebäder 
und asst) 1638 (als Gemeinde 1901: 3561) Einw. 

Anzüchte, fieine gemauerte unterirdifde Naniile | 
zur Entwafjerung, find jest durch Drainrdhren erſetzt. 

Anzug, bei Befeſtigungskeilen das Verhaltnis der 
ZBunabme der Hohe vom einen Ende bis ans andre 
zu der Lange des ganzen Keiles, gewöhnlich ausge 
driidt durch einen Bruch mit dem Sabhler 1, 3. B. "20. 

Angugegeld (Cingugsgeld, Census oder Ga- 
bella immigrationis), die Abgabe, die ehedem von 
rember, die fic) in einer Gemeinde (uripriinglid 
aud in einem Lande) niederlajjen wollten, fiir Auf— 
nahme und Erwerb des Untertanen-, be3. Biirger- 
rechts zu zahlen war. Diefelbe war fiir die —— 
in das Beiſaſſenrecht meiſt niedriger bemeſſen. Bis— 
weilen wurde ſtatt Geld auch Wein entrichtet, weshalb 
die Gebühr aud) Weinkauf (vinagium) genannt 
wurde. Frither ſchon in Preußen aufgehoben, wurde 
das A. durd das Geſetz über die Freizügigleit vom 
1. Nov. 1867 im Norddeutſchen Bunde, ſpäͤter ĩm ganzen 
Deutſchen Reich beſeitigt. Die Zahlung eines beſondern 
Bürgerrechtsgeldes für die Aufnahme in den Bürger— 
verband oder die Entrichtung eines scary abi fiir 
den Mitgenuß der indirekten Vorteile des Gemeinde: 
vermigens wurde durch dieſes Geſetz nicht berührt. 

Angugsftoffe, zu Anzügen benutzte Gewebe, beſ. 
Tuche, Buckſtin, Loden, Cheviot, Kammgarnſtoffe. 

Aoba (Lepersinſel), Inſel der Neuen Hebriden, 
325 qkm groß, mit 10-—12,000 wobhlgebauten, gaſt⸗ 
freien Einwohnern, gut bewäſſert, fruchtbar, mit 
1222 m hohem Berg in der Mitte. 

Aöde (griech.), Geſang, perſonifiziert die Göttin 
des Geſanges, eine der älteſten drei Muſen (ſ. d.); | 
Aöden, Sänger, Dichter, beſonders die griechiſchen 
Sanger im heroiſchen Zeitalter. 

Aoki, Pflanze, ſ. Aucuba. 

Aoki, Shu zõ, japan. Staatsmann, geb. 1844 in 
Chöſhũ, ſtudierte Rechts- und Staatswiſſenſchaften, 
ſeit 1868 in Deutſchland, und wurde 1873 Legations 
ſekretär bei der japaniſchen Geſandtſchaft in Berlin. 
Nach einem kurzen Aufenthalt in Japan fehrte er 1874 
als Gefandter nad Berlin zurück und vermählte ſich 
1875 mit der Baronejje v. Rahden. L885 wurde er 
in Japan Bizeminijter des Außern; 1889 iibernahm 
er nad dem Rücktritt Okumas das Miniſterium des | 
Außern, trat aber bei dem allgemeinen Minijterwedfel | 
1891 (bald nach dem Uttentat auf den ruſſiſchen Thron: | 
folgqer) mit zurück. 1889 zum Viscount erhoben, wurde | 
er 1892 wieder zum Gefandten in Berlin ernannt, 
leitete bis Sontmer 1897 die in London, Baris, Wien | 
und Vriijfel qefithrten Verhandlungen iiber die Re- 
vijion der Verträge Japans mit den europäiſchen 
Mächten, lebte darn cin Jahr als Privatanann in| 
Tokio und gehirte feit November 1898 als Minijter | 
des WuSwiirtigen dem Nabinett Yamagata an, bas | 











605 


im Ottober 1900 durch die von Marquis Ito gebil- 
dete liberale Partet geſtürzt wurde. 

Holian, gang leidter halbjeidener Balljtoff, mit 
Ketle aus Kammgarn, 26 Faden auf 1 cm mit Schuß 
aus Seide, 35 Faden auf 1 cm und Leinwandbindimg. 

Aeolidiidae, ſ. Fadenſchnecken. 

Molier, einer der vier Hauptſtänme des griech. 
BVolfes, der ſeinen Urſprung von Aolos ableitete und 
fic) Durch einen befondern Dialeft von den übrigen 
unterfdied. Der Name findet fic) an veridiedenen 
Orten von Griedenland, in Theſſalien, Elis, Meffe- 
nien, Lofris, Ätolien und Rephallinia; aber geſchicht⸗ 
liche Bedeutung erhielt der Stamm erjt an der Küſte 
Kleinaſiens, in Lesbos und Kyme, von wo aus er in 
langwierigen Rampfen zuſammen mit Udhaern Troas 
und Myſien eroberte; die aus der theſſaliſchen Heimat 
mitgebradten Sagen wurden Damals gu der befann- 
ten chilleusſage ausgebildet und mit peleponneſiſchen 
zu den Homeriſchen Geſängen zuſammengearbeitet (j. 
Achäer). An Dem üppigen Geſtade zwiſchen dem Kai— 
fos und dem Hermos, auf einem Raum von 53 km 
Linge und ebenfoviel Rilometer Breite, erhoben fide 
30 dolifde Stadte, von denen 11 als die bedeu— 


tendjten genannt werden: Kyme (Cuma), Larifja, 


Neonteichos, Killa, Notion, Ägiroeſſa, Pitane, Ugaa, 
Myrina, Gryneia, Tenmos. Sie ſchloſſen unterein- 
ander ein Schupbiindnis, zu dem cine Zeitlang aud 
das mächtige Smyrna gehörte, dag ſpäter gezwungen 
wurde, dem Joniſchen Hunde beijutreten. Water ted. 
fus mußten fie Lydiens, dDarauf Perſiens Oberhobeit 
anerfennen. Die Perſerkriege qaben ihnen ihre Frei— 
Heit zurück, aber der Friede des Untalfidas (387 v. Chr.) 
bradjte fie von neuem unter perſiſche Herrfdaft. Nady 
Uleranders d. Gr. Tode famen fie unter ſyriſche Ge— 
walt und wurden dann, weil fie fic) mit Mithradates 
verbiindet batten, durch Sulla der römiſchen Proving 
Yfien einverleibt. S. Marte » Wit -Griedentand«. — 
Uber den Golifden Dialekt ſ. Griechiſche Sprade. 
Jn der Literatur ijt der Golijde Stamm mur fiir die 
iltefte Beit von Bedeutung. Spraclide Spuren in 
den Homerijden Gedichten erweiſen fehr weſentlichen 
Anteil der W. an der Ausbildung des epifden We- 
janges, und der Beqriinder des didattifden Epos ijt 
Der Yolier Hejiodos. Für Muſik beſaßen die YW. be- 
fondere Anlage und Empfinglidfeit: aus dem äoli— 
ſchen Lesbos ſtammten Terpandros, der Schöpfer der 
klaſſiſchen Muſik der Griechen, und Urion, und die- 
jelbe Inſel ijt Dic Heimat des Alkäos und der Sappho, 
der erjten Meijter des meliſchen Liedes. 

Moline (YMolodion, Wolodifon, Rlavio- 
line), Name fiir unferm Harmonium ähnliche Taſten— 


inſtrumente (fret ſchwingende durchſchlagende] Zun— 
gen ohne Aufſätze). Das erſte —— 
9 


Inſtrument 
fonjtruierte Eſchenbach, Türmer an der Michaeliskirche 
zu Hamburg (um 1800), Auch Name für Orgelſtim— 
men ähnlicher Konſtruktion, die einen ſehr zarten Klang 
haben und beſonders für Echowerke zur Anwendung 
fommen. Bereits um 1780 hatte Wht Vogler ſeinem 
Orcheſtrion· eine von dem Petersburger Orgelbauer 
Kirsnik erfundene Stimme diefer Urt einverleibt. 
Molipile (Acoli pila, Aolusbalh, cinvon Heron 
von Alexandria um 120 v. Chr. beſchriebener Appa— 
rat, Der älteſte, durch Den mittels Der Kraft de3 Damp- 
fes Direft cine rotierende Bewegung erjeugt wird. 
Diefe YW. (Hig. 1) war cine hohle, zwiſchen zwei Zapfen 
drehbare Metallkugel, die mehrere diametral auslau— 
fende Röhren bejak. Die Röhren waren an ibren 
Enden verſchloſſen, aber nabe denſelben je mit einer 
Seitenöffnung verjehen. Wurde dieſe Kugel teilweiſe 


606 Aoliſch — Aorta. 


mit Waſſer gefiillt und erhigt, fo geriet fie Durd die 
Reaftion des aus den Seitendffnungen ausſtrömen- mer nur Tone gebend, die der Obertonreihe des ge 
den Dampfes in Rotation. VW. heißt aud) cine Ge- | meinfchaftliden Grumdtons angehiren. Der Mang 
blife- oder Lötrohrlampe (Fig. 2) mit maffivem ijt von zauberiſcher Wirfung, da je nad) der Starte 
Dodt und einem metallenen Gefäß, von deſſen obe» des Windes die Ufforde vom jartejten Pianiſſimo jum 
rer Wandung cingebogenes Metallrohr ausgeht, das raufdenden Forte anjdwellen und wieder verhallen. 
die Flamme in horizontaler Ridtung trifft. Erhigt | Die A. ijt alt; als Erfinder und Verbeſſerer werden 
enannt Der heil. Dunstan (10. Jabrb.), 
thanajins Kircher (geſt. 1680), Pope (1792) 
umd H. Ch. Rod) (1800). Bal. Unemrodord. 
Holshihlen, ſ. Windgrotten. 
Rolus, ſ. Aolos. 
Holusball, ſoviel wie Wolipile. 
Molusfauger, cine Bentilationseinrid 
tung, bei Der der freie Luftzug Die Luft ans 
gc loffenen Räumen herausjaugt, ohne daz 
injtellen nad) der Windridjtung nötig tit 
Hon, griedh. Wort, das eigentlid) Zeu 
ö— — — — — raum, Welt-, Menſchenalter, aud wohl Ewig: 
Fig. 1. Herons Äolipile. Fig. 2 Molipile-Geblafelampe. keit bedeutet. Bei den Gnojtifern (f. d.) find 
die Yonen Gejtaltungen oder Kräfte, die 
man in Dem Gefäß etwas Spiritus, fo erzeugt der | aus der verborgenen Gottheit vor aller Bett aus 
heftig ausſtrömende Spiritusdampf einen großen und | geſtrömt (emaniert, ſ. Emanation) find und die ver 
febr heißen horizontalen Flammenkegel. ſchiedenen Weltalter, die Weltſchöpfung, die Weltent- 
Aoliſch (griech.), auf Aolos, den Gott der Winde, wickelung, die Welterlöſung, vermitteln und ihnen 
bezüglich. Daher heißen fo in der Geologie die unter | vorſtehen. Ihre göttliche Kraft verringert ſich in dem 
——— von Staubwinden gebildeten Abſätze. Grad, als fie von der Gottheit entfernt ſind; der Belt 
oliſche Bildungen find gewijje Tuffe, die aus ſchöpfer ijt einer der geringjten, der Erlöſer einer der 
weit fortgewebten vulfanifden Ufden und Sanden) Wsos, Fluß, f. Viofa. lhöchſten Aonen 
beſtehen, die Dünen⸗ und — ————— Modrift (griech.· unbegrenzt«), cin Tempusitamm 
fiir Den Löß (jf. d.) wird eine äoliſche Entitehung an- | des griech. Verbums, der ſich auch in andern Altern 
genommen. indogermaniſchen Sprachen findet, und deſſen Jndi- 
Holifde —— die Lipariſchen Inſeln. fativ durch unſer deutſches einfaches oder zuſammen⸗ 
Roliſcher Vers, joviel wie Logaödiſcher Vers (ſ.d.). geſetztes Präteritum zu überſeßen ijt. 
Roliſche Tonart, ſ. Lirdentine und Griechiſche Adrta (griech.), die ſtärtſte Arterie (Schlagader) 
MolFlavier, ſ. Anemochord. [Mujif. | des Wirbeltierkörpers, führt das Blut aus dem Her 
Holodion (Tolodikon, griech.), ſ. Moline. jen durch ihre Äſte und Zweige nad allen Organen 
Hodlod, 1) bei Homer der von Zeus zum Sdhaff- | des Körpers hin (ſ. Tafel ⸗Blutgefäße des Meniden-). 
ner der Winde bejtellte Sohn des Hippotes auf der im | Beim Menſchen entipringt fie als ein beim Erwad- 
fernen Weſten ſchwimmenden Inſei Wolia. Er gibt | fenen reichlich daumendickes Rohr aus der linfen Her}: 
dem Odyſſeus zwecks ficherer Heimfahrt einen Schlauch, | fammer, ſteigt etwas in der Brujthdhle aufwaris (A. 
worin die widrigen Winde eingefdloffen find, weijt | ascendens), biegt dann bogenartig (Wortenbogen) 
ibn aber als einen Gottverhaten ab, als die von | nad linfs und binten um und läuft dicht vor der 
Odyifeus’ Vefahrten entfejjelten Winde ihn wieder ju | Wirbelſäule bis gum legten Lendenwirbel herab (A. 
dem Ciland zurücktrieben. Spätere Zeit verfepte ihn | descendens), wo fie ſcheinbar fid) gabelig fpaltet und 
als König Der Winde auf cine der nad ihm benann- | cin Ende findet (ſ. Blutgefäße). ar Der Nãhe ihres 
ten Aoliſchen Inſeln an der Nordküſte Sigitiens, Li- | Urfprungs befipt die A. Drei taſchenförmige Klappen 
para oder Strongyle. (Mortenflappen), die das Blut cintreten lLayen, 
, 2) Mythiſcher Ahnherr des griech. Stammes der nad) der Zuſammenziehung des Herzens aber mit ibren 
Aolier, Sohn des Hellen, Enel des Deufalion, Bruder Randern fic ancinander legen und den Rückfluß des 
des Doros und Xuthos, König von Magnefia in Thej- | Blutes ins Herz hindern. Die beim erwadjenen Men 
falien, von Enarẽte Vater von fieben Sohnen(Kretheus, | iden und Säugetier beftehende Aſymmetrie der A. tit 
Siſyphos, Uthamas, Salmoneus, Deion, Magnes, Ree beim Embryo nicht vorhanden, vielmebhr finden fid 
rieres) und fiinf Tichtern. Spatere Dichtung hat diefe | hier gewöhnlich fünf Baar Wortenbogen, in die fid 
beiden in genealogiſchen Zuſammenhang gebradt. | die A. gleidy an ihrem Anfang teilt, die aber auch wre- 
Holotropismus (qriech.), ECigentiimlichfeit ded der ju einer einheitlichen abjteiqenden YW. zuſammen⸗ 
Wismuts, feine thermoeleftrifden Cigenfdaften im | treten. Diefe Bogen bleiben entweder (bet den Fiſchen 
Magnetfeld zu dindern. jeitlebens als Miemenarterien bejteben, oder wandeln 
Holsharfe (Windharfe, Betterharfe, Gei- ſich sum Teil in andre Gefäße um (3. B. in Lungen— 
fterbarfe), ein tanger, ſchmaler Reſonanzkaſten mit | arterien), oder gehen gang zu Grunde. So iit bei den 
oder ohne Schallloch, auf dem eine (beliebiq große) | Reptilien ſtets nod cin rechter und linfer Wortenbogen 
Anzahl nn Cinflang abgeſtimmter Darmjaiten über vorhanden, dagegen bei Vogein und Saugetieren nur 
zwei niedrige Stege angelpannt iſt. Die Saiten miif- | während des Eilebens; die erwachſenen Bigel befigen 
jen von veridviedener Dice fein, fo dak fiir jede ein mur nod) den rechten, die Saugetiere den linfen Bogen. 
andrer Spannungsgrad zur Erreichung derjelben Auch bei niedern Tieren nennt man die dirette 
Tonhöhe erforderlich ijt; doc) darf femme ſehr ftarf an» | Verlängerung des Herzens A. 
Qefpannt fein. Streift cin Luftzug die Saiten, fofans Die VW. erfranft am häufigſten an chroniſcher Ent 
— dieſelben an gu tönen, und zwar machen fie gu zündung (Atherom der Y.), Die yu ettmetamor- 
olge Der verſchiedenen Spannung neben den totalen phoſe oder Verfalfung führt. Wis Urſache gelten Al 


verſchiedenartige Partialſchwingungen, natürlich im- 

















Aoſta — Apafi. 


foholismus, Gicht, Rheumatismus, Syphilis und chro 
niſche Nierenentzündung. Bei mäßiger Intenſität des 
Leidens bietet dasſelbe nur die durch die Altersver— 
änderung bedingten Symptome dar. Bei hochgradi— 
ger Entzuündung leidet das Herz und der Klappen— 
apparat. Die Kranlkheit fann ſich 20 Jahre und länger 


hinziehen, aber auch viel früher durch Zerreißung, 


Aneurysma oder andre Krankheiten zum Tode führen. 
Die Behandlung richtet ſich auf Vermeidung von 


Schãdlichkeiten, wie übermäßiger Alkoholgenuß, Wuf- | 


requngen rc., und iſt im übrigen ſymptomatiſch. Akute 
Entzündung der A. tritt meiſt ſekundär, z. B. nach 


Verwundung des Bruſtkorbes, nach Thromboſe oder 


Embolie, auf. Bei zurückgebliebener Entwickelung des 
Körpers, und zwar am häufigſten beim weiblichen Ge- 
ſchlecht, findet ſich allgemeine Verengerung der A., 
mit der vielleicht die Bleichſucht in gewiſſem Deleon 
hang ſteht. Neben kräftigender Diät wendet man bei 
Diejem Zuſtand Mittel an, welche die Leijtungsfibig. 
feit des Hersmusfels jteigern. Teilweife Verengerung 
findet fich angeboren, und wenn die Leijtung des Herz. 
miustels ungenügend ijt und der Nollateralfreislauf 
ſich nicht hinreidend ausbildet, fo treten Zuſtände auf 
wie bei Hersflappenfehlern, die auch wie legtere zu be- 
handeln find. Berengerung der A. fann aud) durch 
autodthone oder aus einem Aneurysmaſfack fort⸗ 
geſchwemmte Blutgerinnfel entiteben. Tritt fein ge- 
niigender Rollateralfreislauf ein, fo wird die untere 
Rirperhilfte durch verminderte Blutzufuhr gelahmt, 
die Temperatur abnorm herabgeſetzt und der Tod 
unter Deut Bilde der Gangriina herbeigefiihrt. Aneu— 
rysmen der A. finden ſich bejonders im mittlern 
Lebensalter, ihre erſten Anfänge find oft auf eine 


fibermapige Unitrengung oder ſchwere Erſchütterung 


DeS Körpers zurückzuführen. Als eigentlide Urſache 
find aber ſtets Erkrankungen zu betrachten, welche 
die Elaſtizität und Widerſtandskraft der Aortenwand 
vermindern, wie atheromatöſe Entartungen (ſ. oben), 





Syphilis, Rheumatismus x. Das Aneurysma fann 
lange ertragen werden, Heilung iſt ſelten, der Tod 
erfolgt meiſt durch Berſten des Sackes. Die Diagnoſe 
läßt ſich nur auf Grund erafter Unterſuchung ſtellen 
(Nachweis eines pulſierenden Tumors, einſeitiger Kehl⸗ 
topflähmung, Verſchiedenheit des Pulſes auf beiden 
Körperhälften ꝛꝛc., Unterſuchung durch Röntgenlicht). 
Die Behandlung beſteht in Beſchränkung der Flüſ— 


ſigleitsaufnahme auf ein eben noch ertragbares Maß, 


Einſpritzung von Gelatinelöſungen unter die Haut, 
Einſtechen von Nadeln (Whipunftur) x. Wile diefe 
Maßnahmen bezwecken, dad Blut im Wneurysma zur | 
Gerinnung ju bringen. Es fann dadurd) in der Tat 
gu Heilungen fonmmen, da die Höhle bis auf ein zen 
trale3 Lumen, durd) das Der Blutitrom geht, ausge- 
füllt und allmählich zur Schrumpfung gebracht wer 
den fann. Außer dieſen immer etwas gefährlichen 
Verfahren iſt eine ſymptomatiſche Behandlung, die 
vorzugsweiſe die Leiſtungsfähigkeit des Herzens be 
—— angezeigt. Vgl. Stokes, Die Krank— 
heiten des Herzens und der A. (deutſch, Würzb. 1853); 
Schrötter, Erkrankungen der Gefäße (Wren 1899). | 

AdHfta, Kreishauptitadt in der ital. Broving Turin, | 
an der Dora Baltea, Endjtation der Cifenbahn Chi- 
vajjo-VU. und Vereinigungspunft der Straßen vom 
Groen und Kleinen St. Bernhard, 583 m it. Wi, 
inmitten von Objthainen, Rebenhügeln und Mandel 
baumpflanzungen geleqen, hat eine Rathedrale mit 
reichgeſchmuückter Fafjade umd dem Grabmal des fa- 
voyiſchen Fürſten Thomas, cin anjehntides Rathaus, 
eine Uderbaujdule und (1901) ca. 6200 (als Gemeinde 





607 


7875) Einw., die Handel mit Vieh, Butter und Wein 
betreiben. Die Stadt hat ein Lyzeum, Gymnaſium und 
eine techniſche Schule und iſt Sitz eines Biſchofs und 
eines Unterpräfekten. Nach ihr ijt das reizende Tal des 
Oberlaufs der Dora Baltea Val d'A. benannt. Das- 
ſelbe trennt die Grajiſchen und Penniniſchen Alpen, 
hat ſchönes Wieſen und Weideland, Waldungen, Berg⸗ 
werfe und Mineralquellen, darunter die von Cour- 
mayeur (jf. d.), und wurde wegen feiner ftrategifden 
Widhtigheit am Ausgang durd das Fort Bard (j. d.) 
geſchloſſen. Die ärmlichen Bewohner, ca. 80,000, die 
meijt franzöſiſch ſprechen, fiefern ein ftarfes Rontin- 
ent gum Rretinismus und zur Wuswanderung. — 
L. wurde 26 v. Chr. vom Kaiſer Auguſtus nad Be— 
ſiegung der Salajfer als Militärkolonie gegriindet 
und erbielt den Namen Augusta Praetoria; von ihr 
geugen Die nod) vorbandenen Ultertiimer, insbeſ. cin 
riuntphbogen mit 16 forinthifden Marmorſäulen, 
ein Tor mit drei Durchgängen, die Ruinen eines Am⸗ 
phitheaters, die Brücke iiber die Dora, die Stadtmauern 
und Türme u. a. Nady dem Untergang de3 rimifden 
Reiches fiel A. erft den Goten, dann den Langobarden 
ju, unter denen es Sig eines Herzogtums war. Ende 
ded 6. Jahrh. an die Franfen abgetreten, bildete U. 
alg Hauptitadt einer Grafſchaft einen Teil erjt ded 
fränkiſchen, dann des burgundifden Reides. Die 
Wrafengewalt übte feit dent Unfang des 11. Jahrh. 
bas Haus Savoyen aus. Ral. Tillier, Historique 
de la vallée d’Aoste (Yofta 1880—87, 4 Bde.); Eyſ⸗ 
fenbardt, A. und feine Ultertiimer (Hamb. 1896). 
Mofta, Herzog von. Titel cines Prinzen de3 
italieniſchen Königshauſes. Jetziger Herzog von A. 
Prins Emanuele (geb. 13. Jan. 1869), älteſter Sohn 
des Herzogs Umadeo von A. (ſ. Amadeus 6). 
Mouradl[, ſ. Astrocaryum. 
Apaches Indianerſtamm, f. Apatſchen. 
Apadenfie (qricd.), Mangel an Bildung. 
Apafi (Upaffi), altes fiecbenbiirg. Geſchlecht. Be- 
merfenswert: 1) Michael L, Fürſt von Siebenbiir- 
gen, Sohn Georgs von A., geb. 1632, geft. 10. April 
1690 in Fogaras, begleitete in feiner Jugend den Für⸗ 
jten Georg H. Rälöezy auf dejjen Feldzug gegen Polen, 
geriet 1658 in tatartche Gefangenſchaft und lebte dann 
auf feinen Giitern, bis er anf Betrieb des türkiſchen 
Weſirs Wii 14. Sept. 1661 von ungarifden Edlen und 
den ſächſiſchen Whgeordneten mit der ſiebenbürgiſchen 
Fürſtenwürde befleidet wurde. Nachdem fein Rival 
Kemeny (23. Jan. 1662) bei Nagy Szöllös Schlacht 
und Leber verloren, wurde A. allgemein anerfannt. 
Mit Hilfe der Türken, denen er iibrtich 40,000 Du- 


_faten als Tribut zahlen mußte, vertrich er bis 1664 


die deutſchen Beſatzungen aus allen fejten Plätzen. 
Seinem Miniſter Mid. Televi liek er freie Hand. Die 
Weſſelenyiſche Verſchwörung (1667-—70) in Ungarn 
begünſtigte er, während er und Telefi in Thököly eher 
einen Rivalen fahen. Bei Ausbruch des Krieges 1683 
zwiſchen Ojterreid) und der forte mußte A. der tür— 
kiſchen Armee folgen und während der Belagerung 
Wiens die Donautibergiinge bei Raab bewaden, wo- 
fiir ifm der Sultan 1684 die Nachfolge ſeines Soh— 
nes juficherte. Wittleriveile war aber Telefi durch 
Pater Dunod fiir Leopold L. qewonnen worden und 
bewog nun aud) feinen Herr zu einent friedlidjen 
Abſchluß mit Leopold. Dies führte 1686 zum Trac- 
tatus Hallerianus, worin A. die Oberhoheit Leo: 
polds I. anerfannte. Da aber die Stände dieſen Ber: 
trag nicht anerfennen wollten und der ſchwache Fürſt 
beſſere Bedingungen verlangte, fo beſetzten kaiſerliche 
Truppen im Cinverjtiindnis mit Telefi nod) mehr 


608 


Fejtungen, worauf im Vertrag von Baldssfalva (27. 
Ott. 1687) W. nod) fdwerere Bedingungen cingehen 
nurpte. Auf dem Landtag gu Fogaras leijteten die 
Siebenbiirger (10. Mai 1688) den Habsburgern als 
Erbfinigen von Ungarn den Cid der Treue. VW. ver- 
lebte feine legten Jahre als Schattenfürſt in Fogaras. 

2) Midael II. Sohn des vorigen, lester fouveri- 
ner Fürſt von Siebenbiirgen, geb. 1677, geſt. 11. Febr. 
1713, mute vor dem von der Pforte unterjtiigten 
Gegenfiirjten Thököly im September 1690 fliehen und 
wurde erjt 10. Jan. 1692 nad) dejjen Vertreibung 
durch den faiferlidjen Feldherrm Ludwig von Baden 
von den Standen als nomineller Fürſt anerfannt. 
Kaiſer Leopold aber ließ alg Vormund das Fiirjten- 
tum durch cine Regentidaft verwalten. 1695 30g fid 
A. durch feine Vermählung mit der Grajin Katharina 
Bethlen des Kaiſers Ungnade gu. Und als er fid 
1696 weigerte, feine Fuͤrſtenwürde niederjulegen, 
wurde er nad) Wien gebradt, wo er 19. April 1697 
gegen ein Jahrgeld allen feinen Anſprüchen entjagen 
mute. Er ſtarb als ⸗Reichsfürſt⸗ tinderlos in Wien. 

page (qriec).), fort! pace dic! 

Apagõge (qried).), 1) im athen. Geridjtsverfah- 
ren die Abführung · cines auf frifder Tat ertapp- 
ten Berbredjers vor die zuſtändige Behörde, die ibn 
entweder in Haft nahm oder zur Stellung von Bür⸗ 

en zwang. — 2) (lat. Deductio) das logiſche Ber- 
—— vermittelſt deſſen man eine Behauptung auf 
die Weiſe widerlegt, daß man entweder in ibe telbit 
oder in den aus ibr ſich engebenden Folgerungen einen 
Wideriprud mit fidern Wabhrheiten nachweiſt. Der 
apagogijde Beweis ijt demnach cin indirefter oder 
mittelbarer Beweis, der in der Weiſe gefiihrt wird, 
daß aus Der Bahl der an fic) denfbaren Fille, die in 
Bezug auf einen beſtimmten Gegenſtand möglich find, 
alle bid auf einen (Den zu beweiſenden) durch A. aus- 
geidloijen werden. Bgl. Beweis. 

Apalachen, |. Appalachen. 

Apameia (Apamẽa), Name mehrerer Städte des 
Altertums: 1) V am Orontes, Hauptitadt der ſyr. 
Landſchaft Apamene, ſüdlich von Antiochia in frucht— 
barer, weidereicher Gegend, hieß früher Pharnake, 
wurde von Seleukos Nikator, der hier 30,000 Stuten, 
300 Hengſte und 500 Clefanten hatte, vergrößert und 
befejtiqt und zu Ehren feiner Gemablin Apame A. 

enannt. 1152 wurde A., das fdon im 7. Jahrb. 

urd) Chosroes II. verwiijtet worden war, durd) ein 
Erdbeben zerſtört. Trimmer finden ſich nördlich vom 
jetzigen Fort Ralaatel Medik, der alten Akropolis. 
—2)U. Kibotos, Stadt in Großphrygien, am obern 
Mäander, in römiſcher eit cine der reichften Han- 
delsſtädte Rleinajiens, von Wntiodos J. unweit Ke- 
lind (f. d.) angelegt. Ruinen bei Dinér. 

AUpanage (franj., fpr. ate’, neulat. apanagium 
oder apanamentum, von appanare, foviel wie Brot 
[panis] oder Unterbalt geben), die gum ſtandesmäßi— 
qen Unterhalt der nidt regierenden Mitglieder eines 
flirjtlichen Hauſes beſtimnite Uusitattung. Die Ein— 
richtung der UW. ijt durch die Erſtgeburtsordnung 
(Primogenitur) rechtlich bedingt und aud geſchichtlich 
auf dieſe zurückzuführen (abi primogenitura, ibiapa- 
nagium). Dem Bediirfnis, die bet der Unteilbarfeit 
des Landes von Der Regierungsnadfolge ausgeſchloſ 
jenen Prinzen und Pringeffinnen ju verjorgen, wurde 
in dlterer Zeit Durd fogen. Baragien (neulat., par- 
tagium), d. h. durch die Überweiſung von Land und 
Leuten, Rednung getragen, während jest dem ſchon 
in der Goldenen Pile anerfannten Verſorgungsan— 
ſpruch der nicht reqierenden fiirjtlidjen Perſonen durch 


Apage — Apathie. 


die —— von Renten Genüge geſchieht. Die 
Höhe dieſer A. und die vermögensrechtliche Stellung 
der »apanagierten« Prinzen und Prinzeſſinnen itber: 
haupt ijt in den einzelnen Staaten teils durch dad 
Wrundgefets, teils durch befondere Geſetze, teils durch 
Hausgeſetze und Herlommen beſtimmt. Cin Anſpruch 
auf VU. fteht nur ebenbürtigen Mitgliedern des Hauſes 
ju. Es find aber in Anſehung der A. zwei Syſteme 
zu unterſcheiden, je nachdem die Linien oder die ein 
zelnen fürſtlichen Perſonen ausgeſtattet werden. Rad 
dem erſten Syſtem (Vererbungsſyſtem), das z. B. in 
Bayern, Sachſen, Württemberg und Waldeck beſteht. 
ijt Die UW. für bie Linie beſtimmt. Die Kinder befom- 
men bei Lebgeiten des Baters feine bejondere A. bei 
jeinem Tod aber wird die U. unter deſſen ebenbiirtige 
Rinder verteilt, und fie bleibt im Erbgang, bis he 
Linie ausgeftorben ijt. Nad dem zweiten Syſten 
(Heimfallsfyjtem), wie es 3. °B. in Baden und in Ol- 
denburg Rechtens ijt, werden die einzelnen fürſtlichen 
Perſonen in der Regel von dem Zeitpunkte der Voll 
jährigkeit an beſonders ausgeſtattet, und die A. fällt 
mit dem Tode des Apanagierten heim. Auch die direl> 
ten Nachkommen des regierenden Herr, insbeſ. auch 
der Thronfolger, haben in manden Staaten, z. B. in 
Bayern, den Anſpruch auf A., wahrend fie in andern 
bei Lebzeiten des Vaters von dicfem unterhalten were 
den miijjen. Die Bringeffinnen werden, folange fiz 
unvermählt, entweder aus der A. der Linie erbalten. 
oder fie empfangen eine befondere A., in dieſem Fall 
oft Suftentation genannt. Im Falle der Ber 
heiratung haben fie etnen Unfprud auf Ausſieuer 
(Bringeffinnen-, Fraduleinfteuer); die Witwe 
des Monarden wie diejenige eines nachgebornen Prin: 
jen haben ein Witt um gu beanfpruden. A. Fraulein 
jteuer und Wittum, die regelmäßig in einer Getdrente, 
zuweilen aber auch in den Cinfiinften von Lieqen 
ſchaften bejteben, haften je nad der in den — 
Staaten beſtehenden Einrichtung auf dem Rronjider 
kommißgut, dDemt Kammer- oder Domiinenvermigen, 
auf der Staatsfajje oder auch auf der Rivillijte ded 
regierenden Herrn. Ähnliche Verhältniſſe finden ſich 
aud) in den mebdiatijierten fiirjtliden Häuſern. In 
Familien, die cin Familienfideifommif erridtet haben, 
hat der Fideifommifinhaber zuweilen an die von der 
Fideilommißerbfolge ausgefdloffenen Familienglie- 
der Upanagen ju deren ſtandesmäßigem Unterbalt gu 
entridjten. Die Gripe diefer Bezüge rictet fid nod 
dem Statut, Hausgefes u. Familienherfommen. Cine 
befondere Upanagenfteuer beſteht in Wiirttemberg 
jet 1821. Bal. Hef fter, Die Sonderrechte der fouve- 
ranen und mediatifierten Haufer Deutidlands (Pert. 
1871); Schulze, Die Hausgefege der regierenden 
deutſchen Fürſtenhäuſer (Jena 1862—83, 3 Bde). 

Apandrie (qried).), ſ. Apogamie. 

Apap, d. h. der wumgetehrie Papa (Papft), Be- 
—— jenes Territorialſyſtems der evangeliſchen 

andeslirche (Summepiſkopat, lirchliches Polizeireg 

ment ꝛc.), durch welches die durch die Reformation 
gewonnene Freiheit dem Volle wieder verloren ging. 

Aparagement (franz., fpr. Aſch mang), ebenbiirtige 
Ehezaparagieren, ausgleichen, gleich machen. 

Apart (franz.), beiſeite, abgeſondert; beſonders 

Apassionato (ital.), muſital. Voriragsbezeich 
nung: mit leidenſchaftlichem Ausdruch 

aͤte (qriech.), Betrug; als Perſoniſilation Toch 

ter der Nacht, findet ſich auf griechiſchen Vaſenbildern. 
3. B. der berühmten Dareiosvaſe in Reapel. 
Aupathie (griech.), »lnempfindlidfeit der Seele⸗ 
| gegen ſchmerzhafte oder aud) andre Eindrücke, daher 








Apatin — Apelles. 


Gleichgültigkeit oder derjenige Zuſtand, in dent der 
Menſch über cin Ereiqnis oder einen Gegenjtand we- 
der Lujt nocd Unluſt empjindet, legtern weder begebrt, 
nod) verabjdjeut; in Der Medizin franfhafte Abſtump⸗ 
fung des Gefiihislebens, häufiges Symptom bei Me- 
landolie, bet Idioten und im Endſtadium mannig- 
fader Geijtesfranfheiten, die in Schwachſinn über— 
geben. Unter normalen Verhaltniffen ijt die A. Folge 
von Ermiidung de3 Gebhirns. — Im philoſophiſchen 
Ginne verjteht man unter A. Freiheit von Affekten 


und Leidenſchaften. Die Stoifer (ſ. d.) betradteten dic | 


legtern als Sranfheiten der Seele, von denen der 
Weiſe ſich frei erhalten miijje, wobci aber manche der- 
jelben die ordering tibertrieben und aud) edle und 
wobltatiqe Affekte unterdriidt wiſſen wollten. Auch 
Spinoza begeichnete das Freijein von Affekten, der 
Hoffnung wie der Furcht, als Frucht philofophijder, 
d. h. Den Lauf der Ereigniſſe als notwendig und un- 
vermeidlich einfehender Erfenntnis. Jn neuerer Zeit 
hat Schopenhauer in Übereinſtimmung mit den reli- 
gidjen Anſchauungen des Buddhismus die W., info 
fern bei derjelben auch alle Untricbe fiir Den Willen 
binwegfallen, jum Ideal erhoben (Quietisnius). 

Apatin, Markt im ungar. Komitat Bacs-Bodrog, 
an der Donau, mit Begirfsgeridt, Hanfbau, Olbe- 
reitung, Seidenfpinmeret, Fiſchfang und (i901) 13,940 
meiſt Deutiden Einwohnern. In der Nahe fogen. rö— 
miſche Schanjen. 

Apatit (v. qried. apatan, täuſchen, weil der von 
Werner unterfudte Chrenfriedersdorfer A. lange mit 
Schörl, Beryll rx. verwechſelt wurde), Mineral, findet 
ſich in Heragonalen, meijt furs ſäulenförmigen oder 


did tafelartigen, auf- oder eingewachſenen Strijtallen, | 


jebr häufig in fornigen, faferigen oder dichten Maſſen 
(Phosphorit, f.d.). Ex ijt farblos oder licht qrau, 
qriin, blau, violett, rot, mit Glas- bis Fettglang, 
durchſichtig bis kantendurchſcheinend, Härte 5, fpes. 
Gew. 3,2. Er beiteht aus phosphorjaurem Ralf mit 
Chlor oder Fluor. Wan untericheidet danach Chlor- 
apatit Ca,Cl(PO,), und Fluorapatit Ca,FI(PO,),, die 
häufig ijontorphe Miſchungen bilden. A. findet fid 
mifrojfopijd alg Gemengteil ſehr vieler Felsarten, 
tritt aud) haufiq auf Güngen auf und bildet fiir ſich 
allein betractliche Qagermajjen. Im verwitterten Zu⸗ 
ftand ijt er dic Quelle des Gehalts der Uclererde an 
phosphorjauren Saljen. A. findet fic) befonders bei 
Ebrenjriedersdorf in Sachjen, Zinmwald und Schlag— 
genwald im mehrere Sentner ſchweren Stiicen, im 
PdHmen, am St. Gotthard, im Floitental (Tirol), auf 
Gehängen in Wabbro und Hornblendegefteinen in 
Rorwegen und Ranada, aud) in körnigem Ralf. Der 
ſpargelgrüne Spargeljtein founnt im Talkſchiefer 
deS Greiner in Tirol vor, der blaue Mororit auf 
der Erzlagerſtätte von Urendal fowie im fornigen Kall 
von Pargas in Finnland. Ein didter kreideähnlicher 


A. ijt Der chlor: und fluorfreie Ofteolith, der fic | 


auf Klüften von Dolerit und Baſalt, 3. B. bei Ojt 
heim in der Wetterau, findet. 

Apatovac (jvc. avay), Dorf im froatifcdh-flawon. Ko— 
mitat Belovdr-Rreuts, unweit der Stadt Kreutz, mit al- 
falifd)-muriatifdem Säuerling (Erfriſchungsgetränk). 

Apatſ (Apaches), zu den Uthabasten (ſ. d.) 

ehöriger Indianerſtamm, der die Gebirgstäler des 
— Gila und Rio Grande del Norte in New 


Merico, Arizona und Nordmexiko bewohnt. Als wildes | 
Reitervolf, das von Jagd und Raub lebte, haben fie | 


fich frither gegen die Weißen hichit feindfelig gezeigt. 

Erſt im neuerer Heit ijt es der Regierung der Ver— 

cinigten Staaten gelungen, den groͤßten Teil der A. 
Meyers Konv.«Lerifon, 6. Aufl., L Bo. 


609 


| auf Rejervationen in Urijona, New Mexico und im 
| Indianertervitorium angujiedeln. Bgl. Bufd mann, 
| Das Apache als eine athapastijde Sprache erwiejen 
| (Berl. 1860-—63, 2 Bde.). S. Tafel » Umeritanijde 
| Boller Is, Fig. 15, und Tafel ⸗Indianiſche Kultur I<, 
| Fig. 4, 6 u. 8. 

aturien (gried).), dreitägiges Feſt der alten 
Althener bei der feierlichen Aufnahme der Kinder in 
die Phratrien, gefeiert im Monat Pyanopfion (Ollo— 
ber bis November). 

Apaturius, im Kalender der Ujianer der dritte 
Monat, vom 24. Nov. bis 25. Dez. 

Apchaz, ſ. Abchaſien. 

Apel, Johann Auguſt, Dichter und Serift- 
jteller, geb. 17. Sept. 1771 in Leipzig, gett. dafelbjt 
alg Ratsherr 9. —* 1816, ſchrieb cine Anzahl von 
Dramen meijt antifer Stoffes: »Polydos« (1805), 
» Die Ytolier« (1806), »Mallirrhoé« (1807) u. a.; fpa- 
ter vorzugsweiſe Novellen und Erzählungen, die viel 
Beifall fanden und in mebhreren Sammlungen, 5. B. 
»Geſpenſterbuch⸗ (mit F. Laun, Leipz. 1810-—14, 4 
Bde.; daraus entnahm F. Rind den Stoff des » Frei- 
ſchütz⸗), ⸗Wunderbuch« (daf. 1815—17, 4 Bde.) u.a., 
erfdienen. A. war aud) Verfaſſer einer »Metrif« 
| (eip3. 1814 —16, 2 Bde.; neue Ausg. 1834). 

Apeldoorn, Fleder in der miederlind. Proving 
Weldern, am Apeldoornſchen Kanal, Knotenpunkt an 
der Eiſenbahn Wmijterdam -Wintersmijf, mit (900) 
25,834 Cinw. und zahlreichen Bapierfabrifen, die gum 
großen Teil fiir Ojtindien arbeiten. Jn der Nähe liegt 
dad Luſtſchloß L oo, Sommeraufenthalt der königlichen 
Familie, mit fhinem Part. 

Apella, bei Hora; Name eines leichtgläubigen 
Duden, danach ſprichwörtlich: Credat Judaeus A., 
‘non ego (das qlaube der Jude A. nicht ich«). 
| WApellains, der zweite Monat des maledoniſchen 
RKalenders. 

Apelles, der gefeiertſte Maler Griechenlands, Feit - 
genoſſe Alexanders d. Gr., bliihte um 325, geboren 
in Rolophon, bildete fic) in Ephefos bei Ephoros und 
dann bei Pamphilos tn Sifyon. Hu Philipps Zeiten 
ging er nad) Makedonien. Hier lernte ibn Wlerander 
fennen, der ibn über alle andern Meiſter ftellte und 
ihm angeblich allein geftattete, thn gu malen. Bon 
Mafedonien aus ſcheint A. mehrere Reiſen unternom— 
men und ſich längere Zeit in Rhodos, Kos und Epheſos 
aufgehalten zu haben. Nach Alexanders Tode wandte 
er ſich nach Alexkandria an den Hof des Ptolemäos, 
kehrte ſpäter aber nad) Epheſos zurück. Anmut, ſinn— 
licher Reiz, blühendes Kolorit, mit der Strenge und 

Korrektheit der ſikyoniſchen Schule ar waren 
“nad den Zeugniſſen der Alten die Vorgiige friner 
| Werke, die fic) befonders an der beriihmten Anadyo— 
mene (ſ. d.) im Asklepiostempel zu Kos geigten. Bon 
jeinen itbrigen Werfen waren am gefeiertiten: Wler- 
ander mit dem Bik in der Hand (fiir den Tempel 
der Yirtemis ju Epheſos), cine Charis im Odeon gu 
Smyrna, eine Urtemis unter opfernden Jungfrauen, 
ein Herfuled undein Alexander, wie er den Siegeswagen 
bejteigt. Kräftig verticfte Schatten: und dadurd) jtart 
qehobene Lichtpartien zeichneten alle feine Gemalde 
aus; Dod) qebraudte er nur vier Hauptfarben (Wei. 
Rot, Gelb, Schwarz, nattirlich mit ibren Nuancen und 
Mifdungen). Außerdem verlieh er ſeinen Gemälden 
durd einen cigentiimliden Firnis nicht bloß Gadus 
gegen Feuchtigkeit und Staub, fondern aud gy “cane 
hett und Sartheit des Ausdrucks. Diejelbe Anmut. 
die ſich über die Gemälde des A. verbreitete, ſcheint 
auch der Grundton ſeines ganzen Lebens geweſen zu 
39 











610 Apelt — 


fein. Über Giferfucht gegen feine Kunſtgenoſſen war | 
VW. im Bewupfein feiner Meijterfdaft en. Über⸗ 
liefert find und Unefdoten von ihm, die feine Unpar- 
teilichfeit, Beſcheidenheit und Charaltergröße beleud- 
ten. Bgl H. Houffaye, Histoire d’A. (Bar. 1867); 
Bujtmann, AW.’ Leben und Werke (Leip;. 1870). 

Apelt, Ernjt Friedrid, Philoſoph, qeb. 3. Mar; 
1812 gu Reidjenau in der Oberlauſitz, geſt. 27. Oft. 
1859 in Sena, ftubdierte feit 1831 erjt in Jena, Dann 
in Leipzig, habilitierte fid) 1839 zu Jena, ward 1840 
aufjerordentlider und 1854 orbdentlider Profeſſor. 
A. war nad dem Tode von J. F. Fries (f.d.) Der nam- 
haftejte Bertreter von deſſen Schule. Seine Haupt- 
werte find: » Die Reformation der Sternfunde« (Jena 
1852); »Die Theorie der Induktion« (Leipz. 1854); 
»Metaphyfit« (daj. 1857). 

Apennin oder Wpenninen (ital. Apennino, fat. 
Apenninus, vom felt. Wort Ben, »Felſenſpitze⸗), das 
Hauptgebirge Italiens, das auf eine Lange von etwa 
1190 km und mit einer Breite von 30 —-135 km die 
Halbinfel (daher »Ypenninhalbinfel<) ibrer gamyen 
Ausdehnung nad) von Savona bis Reggio m der 
Form eines nad) W. offenen Bogens durdjieht (. 
Rarte »Staliene). Im geologiſchen Sinn ent: 
fprechen die Upenninen den Ulpen. Sie ftellen gleid)- 
ſam die Berbindung gwifden jenen und den nordſizi⸗ 
liſchen und nordafrifanijden Gebirgsfetten dar. Granit 
und kriſtalliniſche Schiefer (Gneis, Glimmerſchiefer xc.) 
erſcheinen in den Liqurifden Upenninen im W. von 
Wenua und befonders in Ralabrien fiidlid) vom Golfe 
von Tarent. Die Wpenninen tm engern Sinne be- 
jtehen vorwaltend aus Kalfjteinen, Dolomiten, Sand⸗ 
jteinen und Mergein der Sreide- und Tertidrformation, 
die zumal im N. vielfach Gabbro und Serpentin ein- 

elagert enthalten umd bier und da, namentlid) am 
onte Vulture, von Trachyt und Bafalt durdbroden 
werden. In mächtiger Ausdehnung finden ſich in den | 
ndrdliden Upenninen wie im tostanifden Bergland | 
die Bilbungen des Flyfd) und de3 Macigno, Mer- 
gel, Schiefertone und Sandjteine, die 3. T. Der Kreide, 
3. X. den alttertidren Bilbungen angehiren. Cin did- 
ter, weißgrauer Streidefalfitein ( inenfalf) be: 
teiligt ji ebenfalls in —— Maß am Auf— 
bau des Gebirges, fo aud) das Gran Saſſo d'Italia 
(f. Tafel ⸗Bergformen I<, Fig. 4). Karboniſche, per- | 
miſche, triadifde und liafijde Sedimente find in den 
Apuaniſchen Ulpen nadgewiefen (der berühmte Mar- 
mor von Carrara hat liaſiſches oder triadiſches Alter); 
aud) am Golfe von Bolicajtro befigt die Trias cine 
grtbere Verbreitung. Die pliociinen Subapenninen- 
ildungen bededen am Abfall der Apenninen die al- 
tern Schidhten in großer Mächtigkeit; am Nordojtab- 
hang der etrusfijden YUpenninen treten aud) miocane | 
Ablagerungen weitverbreitet yu Tage. 

Der WU. wird nad den Gegenden, die er durchzieht, 
in ſechs Teile zerleqt, die wohl aud) gu drei Gruppen 
zuſammengefaßt werden. Man unterfdeidet den Li— 
qurifden und den Etrustifden A. (ndrdliden W.), | 
den Römiſchen W. und die Abruzzen (mittlerm VL), | 
den Neapolitanifchen und den Kalabrifchen (oder fiid- 
lichen) U. Der LQiqurifde UW. reidt von der Boe- 
dhetta di Ultare, einer 495 m hoben Einſchartung des 
den Golf von Genua umgiirtenden Vergwalles, welche 
die orographifd - geologifde Grenge gegen die Alpen 
bildet, bis jum Paß La Cifa (1042 m). Die ſüdliche 
Abdachung fallt ſchroff gegen das Meer, die ndrdliche 
mit vielen Tälern fanft gegen die Poebene ab. Zahl⸗ 








reiche Straßen führen von den Küſtenorten fiber das | 
Mebirge, Darunter die von Gemua fiber die Päſſe Boc— 


Apennin. 


chetta (780 m) und Giovi (472m), wabrend die Eiſen⸗ 
babn Genua-WUleffandria den Ramm bein lesigenann- 
ten Paſſe mit einem Tunnel durchſchneidet. Son beer 
gegen ©. verbreitert fic) das Gebirge um das Doppelte 
und wächſt gugleid) an Hobe, wenngleich der höchſte 
Gipfel, der Monte Bue, nur 1803 m erreicht. 

Der Etruskiſche W., der bis jum Wetaurotal 
reicht, hat durchweg ſüdöſtliche Richtung und bejtebt 
aus einem Syſtem kuliſſenartig voreinander geſchobenet 
Ketten ohne eigentliche Zentrallette. Die hervorragend- 
ſten Gipfel find im nördlichen Teile die Alpe Di Sucaio 
(2017 m), Monte Cusna (2121 m) und Monte Ci— 
mone (2163 m), legterer Die höchſte Erhebung des 
nördlichen A. iiberhaupt. Cine bejonDere Stellung 
nehmen im nodrdlidjen Teil die Durch die Langstaler 
des Serchio, der Magra und Antella abgefonderten 
Apuaniſchen Ulpen (jf. d.) em, die ſich im Wonte 
Piſanino zu 1946 m erheben und an Der dem Teer 
zugelehrten Ubdadung aus reinem Warmor (Carrara) 
aujgebaut find. Die widtigiten Ubergange des etrud 
fifden A. find die Eiſenbahnlinie Bologna - Florenz 
die das Gebirge bei Pracdhia mit einem Kehrtunnel 
(617 m it. M.) durdbohrt, und die Linte Faenza Alo⸗ 


renz. Zwiſchen beiden überſchreitet den A. die ichdne 


Straße von Florenz nach Bologna über den Vaß La 
Futa (903 m). Der die Waſſerſcheide bildende Kamm 
tritt im weitern Verlauf an Höhe zurück (Monte Fal⸗ 
terona 1649 m). Durch die Längstäler des Arno, der 
Sieve und des Tiber wird von demfelben eine mehrfach 
durdbrodene weſtliche Barallelfette geſchieden, m der 
jid) Der Pratomagno ju 1580 m erhebt. Der an der 
Bocca Trabaria (1100 m) gwifden dem Tiber - und 
WMetaurotal beqinnende rd mif dye VW. reicht brs zu dem 
Quertãlern des Tronto und Velino und beſteht gleud- 
fall3 aus gablreidjen Faltensiigen. Im RN. erhebt fid 
in Der Hauptfette der Monte Catria (1702 m), tm S. 
jteigt Die Kette der Sibillinifden Berge nn Monte 
Vittore bis zu 2478 m empor. 

Südlich vom Trontotal fest fid) Der A. or den 
Abruzzen (f. d.) fort, Deven öſtliche Hauptfette im 
Gran Sajfo d'Italia oder Monte Corno die größte 
Höhe im den gejamten YWpenninen, namiich 2921 m 
erreidht. Die weſtliche Barallelfette, die mit der eritern 
das Hodland von Aquila einſchließt, ſteigt un Monte 
Velino gu 2488 m empor, und fiidlid) vom Pescara 
Durdhbrud (mit den Eiſenbahnen Cajtellammare 
Udriatico-Terni und Caſtellammare Adriatico-Sol⸗ 
mona-Rom) erhebt fic) der gewaltige Ralfitod der 
Majella mit dem Monte Amaro ju 2795 m. 

Vom Sangro- und Bolturnotal bis yu Dem des 
Crati reicht Der Neapolitanifdhe A., in Dem die 
Faltung und der Parallelismus der fuliffenartig ge 
bauten Retten völlig juriidtritt. Die Höhe des Ge- 
birges ijt qeringer als tm mittlern W.; dad Ralfmaffiv 


des Matefeqebirges erreidht im Wonte Miletto 


nod) 2050 m. Am Ojtrande des Gebirges liegt der 


erloſchene Bulfan des Monte Bulture (1330 m). Die 
von der Weſt- zur Oftfiijte der Halbinjel führenden 


Strafen und Eiſenbahnen (von Neapel nach Foggia 
und Metaponto, von Cajanello und Benevent nad 
Termoli) haben hier feine bedeutenden Schwierigferten 
ju fiberwinden. Im GS. erreidt der U. nod emmmal 
bedeutendere Höhe, insbeſ. in dent Gebirgszuge des 
Monte Pollino mit der Serra di Dolcedorme (227 1 m), 
um Dann fteil sum Cratital abzuſturzen. 

Den ſüdlichſten Teil der Halbinfel erfiillt der ſeinem 
innern Bau nad völlig veridiedene Ralabrifde A. 
der nur nod an wenigen Punkten meijt kuppenartig 
dem Altern Geftein aufgeſetzte Refte des Apenninen 


Apenrade 


falfe3 aufzuweiſen hat. Er fest fid) im N. aus einer 
ſchmalen, fteil zum Tyrrheniſchen Meer abfallenden 
Rette (Monte Cocuzzo 1542 m), durd) das tiefe Tal 
des Crati im O. begrengt, und aus der madtigen 
Granitplatte des Silagebirges, dad eine mittlere Hd 
von 1600 m bat, gujammen. Dieſes nordfalabrij 
Bergland ijt durch die bis 250 m herabjinfende, aus 
jungtertidrem Gejtein aufgebaute falabrijde Landenge 
zwiſchen den Golfer Gant’ Cufemia und Squillace 
von dem fiidfalabrifden geſchieden, das, an feiner 
Wejtieite ein Herd haujiger Erdbeben, in dem geal: 
tigen Kegel des Aſpromonte (Montalto 1958 m) an 
der Meerenge von Meſſina endigt. 

Die äußere (ndrdlide und nordöſtliche) Abdachung 
deS A. gum Pogebiet ijt ſanft, die dftlide, ber Adria 
zugekehrte, faſt durchaus fteil, fo Dak nur an den Kü— 
jten Raum fiir cine Strake übrigbleibt. Dadurd, dak 
der A. fiidlid) vom Golfe von Salerno nabe an die 
Weſtküſte Italiens tritt, ndrdlicjer aber fic) immer 
mehr von ihr entfernt, entſteht ein dreieciger, von den 
Abhängen de nördlichen UW. im N., denen de3 mitt- 
fern im D. und der Küſte im W. eingefdloffener Raum, 
der von Den Bergaa en des fogen. Gubapennin 
ausgefiillt wird. ef bejtehen bis auf einzelne infel- 
artig jich erhebende Maſſen des Upenninenfalfftens 
aus jiingern Lertiarjedimenten und, was bejonders 
dharafterijtijd ijt, vulfanifden Bildungen verſchiedener 
Yirt. So gibt es hier tätige und erlofdene Bulfane, 
beige Ouellen, wie befonderS die borſäureführenden 
Thermen bei Volterra xc. Durch die breiten Taler der 
aus dem YW. kommenden Flüſſe zerfällt der Subapen:- 
nin in mehrere Teile, deren bedeutendjter das Bergland 
von Tosfana ijt, dad im N. durch das untere Ärno— 
tal von den ſüdlichen Abhängen des etruskiſchen, im 
O. dagegen von den weſtlichen des römiſchen A. durch 
das Tal des mittlern Arno und die flache Ebene der 
Chiana getrennt wird und mit dem vulfanifchenMonte 
Untiata 1734 m Hohe erreicht; im S. enden die Hdhen 
dieſes Berglandes am untern Tiber, Das Innere ded: 
felben bilden ausgedehnte frudtbare Ebenen, wie die 
von Giena und Solterra; im W. endet das Bergland 
mit ſchroff abfallenden Retten. Der Teil des Sub— 
apennin zwiſchen den Tälern des Tiber und Gari- 
qliano enthalt zwei fleine, aus vulfanijden Gefteinen 
qebildete Bergqruppen, die durch die Tiler des Unio 
und Sacco von dem cigentliden A. gefdieden werden: 
das durch feine Naturſchönheiten und reizenden Seen 
beriihmte — ————— (f. d.) mit Dem Monte 
avo (956 m), und fiiddftlich davon die Bolster 
Berge (Monti Lepini, Semprevija 1536 m), die einen 


Ouerriegel bis an die Miifte bei Terracina vorjdieben. | 


Der ſüdlichſte Teil des Subapermin geht vom Gari- 
sad bis gu dem Bergzug von Cajtellammare im 

. bon Salerno. 

Das Klima ijt im ganzen, namentlich auf dem fiid- 
lichen A., rauher, als man unter dieſen Vreitengraden 
und bei der Lage Dtaliens erwarten follte. Wabhrend 
in tief liegenden und geſchützten Tilern die Hise im 
Sommer einen fajt unertraglidjen Grad erreidt und 
beinahe an der gangen Weftfiijte Palmen und einige 
Gewächſe fajt tropifder Klimate gedeihen, fommen 
auf den dem Winde preisgegebenen Höhen bei 1600 
2000 m Meereshöhe weder Objt nod) Getreide fort; 
der Baumwuchs verfiimmert und wird drmlid. Die 
höchſten pen ſind nur wenige Wochen im Jahr 
ſchneefrei. Klimatiſch iſt namentlich der nördliche A. 
cine ſehr wichtige Scheidewand, erſt an ſeinem Süd— 
hang fängt »Stalien<e an. Dem Verkehr ſetzen nur 
Die nördlichern Teile bis in die Breite der Abruzzen 


— Aper. 611 
rößere Schwierigleiten entgegen, jo daß jetzt das Ge- 


irge im ganzen von zwölf Eiſenbahnlinien, allerdings 
melt mittels Tunnels, iiberjdritten wird. Dazu tit 
die ganze öſtliche und weſtliche Abdachung von lef: 
fandria und Savona bis Reggio di Calabria von 
Eiſenbahnlinien begleitet. 

Apenrade, Kreisſtadt im preuß. Regbez. Schles- 
wig, an der Oſtſee, Knotenpunlt der Staatsbahnlinie 
Rothenfrug-W. und von 2leinbahnen, hat eine evang. 
Stirde, ein Rathaus mit den Bildern der Fürſten olden- 
burgijden Stammes, Navigationsſchule, Umtsgeridt, 
DOberfirjterei, Hafen, Orgel- und Mafdinenbau, Bier- 
brauerei, Fiſchräucherei, Viehhandel und (1900) 5952 
Einw. — A. erbielt 1284 Stadtredte. Wm 9. Febr. 
1864 wurbe es von Den Preußen befest. 

Apepfie (griech.), geſchwächte oder ganz geſtörte 
Verdauung. Vgl. Dyoͤpepſie. 

Aper (v. lat. apertus), offen, nicht mit Schnee be- 
dedt; Uusapern, Fortſchmelzen des Schnees; ape- 
rer Gletſcher, untere Partic ded Gletſchers. 

Apercçu (franj., for. fii), Uberblid; überſichtliche 
Darijtellung; geiſtreicher Cinfall. 

Wperéa, ſ. Meeridweinden. 

Aperientia (Aperitiva, lat.), erdffnende Mittel 
gegen ftodende beh ary rd o Ubfilhrmittel, harn- 
treibende, gallentreibende Mittel rc. 

Aperiodifd, ſ. Galvanometer. 

Mpeért (lat.), offen. Apertum feudum, eröffnetes, 
erledigte3 Lehen. Aperto termino, nad Crijfnung 
des Termins. 

Apertometer, ſ. Apertur. 

Apertũr (lat., Offnung.), der Durchmeſſer der 
ringförmigen Blendungen, mit denen man die Ob— 
jeftivlinfe von Fernrohren, Mikroſtopen ꝛc. bedeckt, 
oder die man im Innern dieſer Inſtrumente anbringt, 
um die Randjtrablen absubalten, die das Bild infolge 
der ſphäriſchen Uberration undeutlid) machen; aud 
der nicht von der Faffung bededte Teil der Oberfläche 
ciner Linfe. Numerifde A. ijt das Berhaltnis des 
Durchmeſſers der die Linſe bedectenden Blendung zur 
Brennweite. Beim Mikroſtop ijt nach Abbe die nu— 
meriſche A. gleich dem Quotienten aus der Brenn- 
weite des Objeltivſyſtems in den Halbmeſſer des in 
der Ebene des hintern Brennpunktes genommenen 
Querſchnittes des austretenden Strahlenklegels. Bu 
ihrer Meſſung dient das Apertometer. — Auch 
ſoviel wie Lehnseröffnung (ſ. Heimfall des Lehens). 

Aperwind, Tauwind in den Alpen, der die Berg- 
hänge aper (ſchneefrei) macht. 

a peso (al peso, ital.), ſ. Al pezzo. 

Mpetalen (lat. Apetalac), blumenblattlofe 
Gewidfe, im Endlicderfden Pflanzenſyſtem die Di- 
fotyledonen, deren Blüten feine oder eine nidjt in 
Kelch und Blume gefdiedene Blütenhülle beſitzen. 

Apex (lat), sing , ber kegelförmige Hut der alt: 
römiſchen Prieſter; Spite eines Kegels; Längen- oder 
Tonzeichen über cine Silbe; Apices juris, Rechts— 
ſpitzfindigkeiten. — Nad Schiaparelli heißt A. der 
Punkt des Himmelsgewölbes, nad) dem hin die Erde 
fich in einem bejtimmten Augenblick bewegt. Er liegt 
ungefabr 90° vom Orte der Sonne am Humuel ent- 
fernt, und gwar weſtlich; er ſteht alfo durchſchnittlich 
fiir jeden Ort wm 6 Uhr —— im Meridian. Der 
A. ijt von Wichtigkeit für die Erſcheinung der Stern- 
ſchnuppen, weshalb er aud) die meteorijde Sonne 
qenannt wird. Der dem UW. gerade entgegengefepte 
Puntt de3 Himmels, von dem die Bewegung der 
Erde abgewendet ijt, heißt Untiaper. Bal. Stern- 
ſchnuppen. 

39* 


612 


elather (Apfelöh, Fruchtither vom Gerud | 

Der Upfel, ijt im weſentlichen Baldrianfiure -Umyl- | 

dither, wird in der Konditorei, auch sum Anlocken von 

Nachtſchmetterlingen benutzt. Apfeleſſenz it eine 
Loſung von VW. in Allohol. 

Upletbaum (Malus Tourn., hierju Tafel »Upfel 





u 
forten«), Gruppe Der Gattung Pirus — (f.d.) aus 
der Familie Der Roſazeen. Der Strauchapfel (P. 
pumila Mill.), cin Strauch mit elliptiſchen, unterſeits 
wolligen Vlattern, rdtliden Blumenblattern und rot 
lichen oder gelbliden, herben Früchten, in Südoſtruß 
land, dem Maufafus und in der Tatarei. Kommit in 
vier Formen vor: alg 1) Johannis⸗- oder Para- 
Diesapfel, mit glänzend dunfelbrauner Hinde und | 
qeringer Behaarung, wegen feiner woblidmeden- 
den Früchte fon im 15. Jahrh. tultiviert; 2) Hed 
oder Saunapfel, dem vorigen ſehr ähnlich, in Laub— 
wildern, mit febr berben Früchten; 3) Splitt-, 
Siifhapfel (Doucin), mit wolliger Behaarung an 
den Sommertricben und der Unterfcite der Blatter, | 
trägt flifliche Ariichte; 4) Feiqenapfel, mitwolliger | 
Sebaaring, vbne Blumen» und Staubblatter, tragt 
woblicmedende, dicht am Holze figende Friidte. 
Miattblitteriger UW. (P. silvestris Mill), meiſt 
baumartiq, mit unbehaarten Blattern, rofafarbigen — 
Blumenblattern und herben, ungeniejbaren Friidten, 
widdjt in Laubwaldern in Wittel- und Süddeutſch 
land, in Frankreich und England, ſtammt aber wohl 
aus Aſien. Fil zigblätteriger A. (P. dasyphylla 
Borkh,), Baum nut breit elliptiſchen, unterſeits wol⸗ 
ligen Blattern, rötlichen Blumenblättern und herben, 
ungenießbaren Früchten, ebenfalls in Laubwäldern 
Deutſchlands, ſtammt aus Vorderaſien und gilt als 
Stammpflanze der Nenetten. Bflaumenblatte 
riger A. (P. prunifolia Widld.), Baum mit länglich 
ovalen, fury jugeipigten, etwas bebaarten Blattern, 
weißen Vliiten und langgeſtielten, gelben, rötlich 
elben, aud) blutroten Früchten, in Norddina, der 
ataret und Südſibirien, gilt als Stammform des 
Wjtracaner Apfels und des ruſſiſchen Eisapfels. Dieſe 
vier Arten dürften als Stammpflanzen der Kultur 
varietaten ju betrachten fein. Letztere find nicht ſamen 
deſtandig. ſondern hefern durch Ausſaat febr verſchie 
dene Formen, und nicht ſelten finden ſich bet uns ver 
wilderte Apfelbaume mit bolzreicher Krone, Meinern 
Blattern, Bluten und Fniedten mit bartem, jaurem 
Flerch. Im fudlichen Rußland budet der wilde Vi. cinen 
erdeblichen Memengtetl der Laubwalder, was wobl auf 
Me weſtananiche Qeumat des Vpielbaumns bindeutet. 
Per A. cP. Malus L. von dem durch mebrere 
Jadrtauſende alte Nultur durch Kreuzung und Aus 
lefe tiber GM) Sorten (Me Romer fannten beretté 29) 
entitandyn find, de mod jahrhich durch Ausſaaten 
vermedrt werden. tt der wichngite Thitdaum, bat 
aber cine geringere Verdreitung als der Birnbaum. 
Schon um BS. und FS. Europas werd er allmädlich 
‘cltener. und auch in Anen acbt er mbt wert nad =. 
Nordind von Rictnatien dirdet er Reine Baldr und 
ertredtt “> von da bts Sentralatien. Air Me meriten 
Nusturarte, dirdet Me Betrhore des Raiprinen Weeres 
Me em. An Spanten gedeidt der A. treed, aber 
mM uw lcm Aongien. Sede verdrenet ct er in Cv 
und Section err Wap, in Aum ahen, ben Gebirgen 
dM trepeten Wmerfa. mam-entixd aber m Nord 
areesi2 Omens Nortiern Spr. Rai formen, Ore 
gon Qe Cerope ndet fat Wes. fe nur dauptie ore 
morte) Bolen Sade Thernoyen. (even 
&: "om DPanrover, Bonein. Wed 
we. * Dew wer Sasi. Boomen, Ir. Done 


i 





oe © & Day wre 
. * 


Apfeläther — Apfelbaum. 


mart, Südſchweden. England, Frankreich. Oberitalies 
und Nordipanien. Der Vi. liebt tiefgrundigen, lodere 
humusreiden, fandigen Lebmboden, g aber mutt 


in reinem Gand-, Moor oder ſehr nafjem Tonbotn. 
Eine gewijje Feuchtigleit in Boden und Luft fagqen 
ihm befonders yu, auch verlangt er redjt freve Vag. 
Wan fultiviert den A. als Hoditanm, mdem man 
fraftige Wildlinge unmittelbar iiber Dem Boden ver 
edelt, aber aud) in veridjiedenen Swergformen , als 
Pyramide, Palmette, Rordon. 

Bon den Syitemen, in die man die Yipfel qebradt 
hat, findet jest Das von Lucas verbefferte Dielige 
Syitem mit 15 Familien fajt allgemein Anwendung 
In der folgenden ict, welche Die anerfennt 
bejten Äpfel enthalt, bedeuten die Buchſtaben S benter 


dem Ramen Sommeräpfel, die vor Ende Sp 


tember reifen, H Herbjtapfel, die von Anfang 
tober big Mitte November reifen und 
lagern miljjen, undW Winterapfel, die 2 
und länger lagern miijjen und gewöhnlich mm De 
yember und fpdter reifen. * bedeutet guter, * etre 
quter Tafelapfel, + quter, ++ febr quter BWurtidahe 
apfel, Z 3iderapfel, D cine jum Dorren beſonders o¢ 
eignete Sorte, ° die vom deutſchen Bomologenverrm 
1893 empfoblenen Sorten. 


Ginteilung der Gpfel naw Diel- Sucad, 

1) Malvilien, meift mittelgrofe, bod gebaute gegen bee 
Kelch hin faft ftets fich verjingende Frucht mit mebrerem Sher 
ibre Wélbung binlaufenden rippenartigen Eroabenbetter, SQaie 
fein, sart, glatt, beduftet, bet ber Neife fettia, Aleife wend, lode 
aromatii®, mit Erd- oder oma: Freaé’ €ommertai. 
ville S* * t, roter Herbfttalville 9H * ¢ +, Gravenitetmer *H**' tt 
weifer Bintertalville °W* * +t (Fig. 1), gelber Micbexd HE" "+ 

2) Swlotter:, Mapperidptel, met demtia rope Bete! 
plattrund (Badiptel), langlich tegelfirmig ( SGafénaien), melps 
férmig (wabre Schlotterapfel), oft mit cimpelnen breizee Herver- 
ragungen, Scale glatt, derd, meiit glanjend, Ficti@ firwg Loder, 
etwas grob, felten gewiiribaft: Grinjenapiel °H** tt (tg Th 
Sommergewiixjaptel (ruffiid@er Cisaptel) S* t, rberntiger Sram 
ftiel W*ttDZ, Millers Shlotteraptel H*t ft. 

3) Gulderiinge, taum mitteigrofe Apicl, wm dee Beko 
mebr ober weniger gerippt, plattrund, mad dem Rel etmes p- 
acipigt (Baftardlalvilien) oder langlich tegelfdemig oder weie= 
férmig (wabre Gulderiinge), Saale glatt, oft etmes reRiperty 
metft gelblicharun. Fletid fein, foft renettenartig, premised tek, Gh 
weiniduerli® oder vorderribend {6 umd gewiribet:: Chempeg 
nervenctte °W* tt, Soifenapte! °W**t +, ſaber Holeert Ht t, 
gelber Gelicfleur °W**?tt, Goldgulderitag (aeg 3) W**. 

4: Rofexadpfel, mei® regeimitig, biufig $04 gedente seer 
tugelforange Aptel, um den Reig umd jam Teil Sher ee Badung 
mt fantten Erda den deiten. Scale glett, ferm, bepeftet, bem 
Raden gewirjbaft rindend, Alerich werd, loder, 5 T. toeormng 
pon fanmem, gowdribeftem, femdciartigem oder retendpfeiéce 
Geiomad: virgtrriger Roiemaptel *S °°? Fig 4). viirigreer 
Zemmerestel °S**+, Sommeryetapteld S**, werher Bare 
gen “s**+, Denmeet Ramteptel °° * + +, geflemerter Couftest, 
Séomeliling H* ttl Clams’ ferbtertel °H°* +t, paper. 
reter Coufnet *, lagdagtcd W°ttZ. Cherlamevity *S** +1. 

5 TFanbendptel, fre xd cerccigrefe, mage ober ante 
reacimditg eertepee, ldagha trec!*ecmmge Brier, Saale giex 
citmeen>. “erm, leaat bedatert, “eloee tt SeRipesen, Fietia iece 
térma stem ‘ct aed meric (‘ng gemSribeh: reeer Sime 
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aterfanbenapfel 6 Kaiser Alexander 7 Renette von Kanada § Ananasrenetle % Edelborsdorter 
_peanane. 13, GroBer Bohnaptel 4. Klemer Fieiner. 15s. Gelber Edelaptiel 


Institut in Leipzig Zum Artikel _Apfelbearm’ 


Apfelbaum (Upfelforten, Benugung r.; der Upfel in der Symbolif). 


Sonnenfeite unbeflindig gerötet, Fleiſch abfnadend, fein oder 
grobtirnig, von ſußweinſaurem, renettenartigem Geſchmack: Pa- 
riſer Hambourrenette °W** tt, Londoner Pepping °W** FF, 
Edelrenette W**!++, Golbdjeugapfel W**t++Z, Scotts Re- 
nette W**+t, Renette von Kanada (Fig. 7). 

8) Ginfarbige oder Wadsrenetten, meift mittelgrofe, 
runbe ober plattrunde, felten bodgebaute Fruchte ohne auf- 
fallende Erhabenheiten, Sdale glatt, glinjend oder, namentlicd 
auf ber Kelchwölbung, roſtſpurig, gelb oder mit geringem, nidt 
fonjtantem Hot auf ber Sonnenjeite, Fleiſch feft ober martig, 


feinfirnig, von fllfweinfauerlidem, 4. T. vorgiiglicem Renettens | 


geſchmack: Gasdonfer Henette (W** tt, deutſcher Golbpepping 


Ow**tt, Safjeler gelbe Renette W** t+, Lanbéberger Re- | 


nette OW**++, Ananadrenette °W**!++ (Fig. 9). 

%) Borsdorfer Renetten, kleine bis mitrelgrofe, runde 
oder plattrunbe, febr regelmifiq gebaute Früchte, Shale glatt, 
glanyend, mit eingelnen Barjen und Roftanfliigen, grundfarbig, 
bedfarbig, auch undeutlich ober felbft ziemlich rein geftreift, 
Fleiſch feft, ſehr feintsrnig, von eigentiimlidem, filpweinigem 
Geſchmack: Cludiud’ Borsdorfer W** tt, Swiebelborédorfer 
W*ttZ, Ebelborsdorfer °W**! +t! (Fig. 9). 

19) Rote Renetten, kleine bis grofie, verſchieden gebaute 
Friichte, zuweilen mit fladen Erhabenbeiten auf der Kelchwöl⸗ 


bung, Shale glänzend, meift glatt, felten roftfpurig, decfarbig 


oder geftreift auf grünlich⸗ ober hellgelber Grunbdfarbe, bie Rite 
meijt rein und obne Roſtſpuren, Fleiſch fein, abfmadend, 4. T. 
martiqg und febr gewürzhaft, ſußweinſauerlich: Langtond Sons 
bergleiden CH*t+t, fcharladrote Parmine H** ++, Gommer- 
parmine “H**++, Baumanns Renette (W**tt, Coulons 
Renette W** tt, rötliche Renette W**tt, Rarmeliterrenctte 
Ow**!+t (Fig. 10), Musfatrenette (W**!+F. 

11) Grane Renetten (Lederapfel), regelmapig gebaute, 
fugelfirmige, plattrunde, felten bobe Frildte mit grau⸗grünlich⸗ 
gelber bis mattgelber, durch Roſt rauber Saale, feinem, marfigem, 
fiipem, rect gewitrabaftem (wahre Lederdpfel) oder fenchelartigem 
Gejhmad (Fenchelapfel): englijde Spitalrenette °W* *!++, 
grauer Rursftiel W ** + + Z, qraue franzöſiſche Renette W**! ++ 
(Fig. 11), Parkers Pepping OW**TT, van Mons + Renette 
We*!tt. 

12) Goldrenetten, meift mittelgrofe bis grofe, plattrunde, 
fugelige und bhodgebaute Fridte mit regelmidfiger ober ge— 
rippter Relchwölbung, ziemlich glatter, mehr oder minder, be— 
fonders auf der geréteten Sonnenſeite, roftjpuriger, bodgelber 
und goldgelber, getufcter ober geftreifter Scale, Fleiſch febr 
fein, faftvoll, martig, häufig gelblich, febr gewürzhaft: Winter: 
golbparmine °W** t+ (Fig. 12), Orléansrenette °W**! ++, 
Harberts Renette OW*tt+t, Golbrenette von Blenheim 
OW**ttZ, koniglicher Rursftiel OW**t+Z, Ribjton Pepping 
OW'*tt, grofe Kaſſeler Renette °W** +t. 

13) Streiflinge, meijt mittelgrofe und grofe Friidte, vor: 


613 


Renette, Wintergoldparmine, Luifenapfel, Rarme- 
literrenette, Taftapfel, gelber Cdelapfel, brauner Mat- 
apfel, Borfers Pepping. Der Borsdorfer, der 
ſchon im 16. Jahrh. in Thitringen, Sachſen und 
sacipierg | wurde und feinen amen von einem 
Dorf bei Meißen, wo er entitanden ijt, erbhielt, wird 
in Medlenburg, in der Altmark, in Böhmen, Süd— 
tirol und in der Krim angebaut. Er bejigt größte 
Gebraudsfibhigkeit, verlangt aber guten Boden, gün— 
jtige Mimatijde Verhältniſſe, und trägt erjt in 1O—12 
aren. Siidtirol und Oberitalien liefern die zu den 
Taubenäpfeln gehörenden weißen und roten Ros— 
marinäpfel und den Edelroten, die nur in dieſem 
ſüdlichen Klima ihre Volllommenheit erreichen. 

Das ſpezifiſche Gewicht der Äpfel ſchwanklt von 
0,75—0,9, der Gehalt an Trockenſubſtanz von 13— 
25 Proz., der Saft hat cin ſpezifiſches Gewicht von 
1,02 —1,08, gewöhnlich 1,02-—-1,04. Die Tabelle gibt 
einige Beijptele von dem Gebalt an den weſentlichſten 
VBejtandteilen. 








| guder Hotels| pettin | wafer | Rafer 











ſäure 
Engliſche Goldparmäne 10,4 | 0,48 | 5,11 | S1s7 | 218 
Engliſche Granatrenette | 7,3 | O48 27 | 87,27 ° 2,90 
Gravenfteiner Apfel . 10,9 | O44 | 135 85,16 | 217 
Bordsdorfer Apfel 7,6 | 061 6,85 8249 | 244 
Weifer Matapfel | %o | 001 | 3,35 82,13 4,53 
Deutſcher Glasapfel . | 7,1 | Oe7 | 3,83 | 86,32 | 2,08 


Bur Uufbewahrung miijjen Äpfel gu rechter 
Zeit und mit Vorfidt abgenonmmen werden, am bejten, 
jolange die Gonne fdeint, an Hellen, trocdnen Tagen, 
und gwar bei Gommeriipfeln, fobald einzelne Früchte 

abfallen, bei Herbſtäpfeln in trodnen Jahren von 
Mitte bis Ende September, bei Winteriipfeln jeden- 
| falls erjt, nadjdem die Blatter abgefallen find. Man 
leqt die Wpfel einzeln auf trockne Bretier oder Stroh 
in luftige Kammern oder Helle, trocdne eller, auch 
ſchichtet man fie in gut verſchließbaren Fäſſern zwiſchen 
reinem, ganz trodnem Sand, fo daß fie ſich gegen— 
ſeitig nicht berüihhren. Man benutzt den Apfel als 
friſches Obſt, in der Küche, als Backobſt, zur Dar— 
ſtellung von Kraut, Apfelwein, Eſſig und Brannt— 
wein; aus ſauren Apfeln wird Extractum ferri po- 








herrſchend rundlich hoch gewölbt, kegeiförmig und gerippt, Schale matum, ein beliebtes Eiſenmittel, dargeſtellt. Das 
alatt, gldnjend, fein oder derbhäutig, häuſig beduftet, geftreift | Harte, dauerhafte Hol; des Apfelbaums wird ver— 
und getuſcht⸗ geſtreift. ſelten roſtſpurig, Fleiſch feft und körnig. arbeitet, doch zieht man das Holz des wilden Apfel— 


aud ſchwammig, meiſt rein weinſäuerlich, ohne Aroma: Luiken— 
apfel W*tTZD, roter Trierſcher BWeinapfel oWtt!Z, brau- 
ner Matapjel W*tt!Z, grofer Bohnenapfel -Wtt!ZD 
(Fig. 13), voter Eiferapjel Wtt! ZD. 

14) Spitzäpfel, meiſt mittelgrofe, boc gebaute, fegelfirmige 
Apfel, Shale glatt, glinjend, fein, felten beduftet, grund⸗ und 
bedfarbig, mie geftreift, Fleiſch Loder, miirbe, ſußlich bis rein 
ſauer: Königsfleiner W** tt, kleiner Fleiner *++ZD (Hig. 14). 

15) Plattapfel, tleine, mittelgrofe und große, plattrunde 
oder flachfugelige Apfel mit glatter, glaniender, fefter Scale, 
qrunbds und bedfarbig, nie geftreift, häufig beduftet, Fleifd weiß 
und grilnlicweif, meiſt feft und abtnadend, felten milrbe und 
martig, vein fil bid rein fauer, nie wabhrbaft gewilribaft: 
gelber Gdelapfel SH * ++ Gig. 15), gelber Winterjtettiner 
OW +t, weifer Bintertaftapfel OW *ttZ, qrilner Fiirftenapfel 
OWtt!Z, Gubener Warraſchle W*tt! DZ, Winterjitronen: 
apfel W*ttDZ, roter Stettiner (W*ttDZ. 


baums vor. Bgl. Objt und Objtbau. Dort fiehe aud) 
fiber die Feinde des Wpfelbaums. 

Der Upfel fpielt in der Sy mb ol i€ cine qrofe Rolle. 
| Mad) fpiiterer griechiſcher Mythe war Dionyfos aud) 
| der Sdhdpfer de3 Upfelbaums, den er der Aphrodite 
ſchenkte. Dadurch ward derſelbe erotiſches Bild. 
Aphrodite ſchenkte drei goldene Apfel dem Hippomenes, 
mit denen dieſer die ſchnellfüßige Atalante zum Weib 
gewann. Eris aber erregte durch den goldenen Apfel, 
Ben fie an der Hodhjeit ded Peleus und der Thetis 
unter die Gajte warf, die Eiferſucht der drei erſten 
| Bittinnen (Apfel der Eris, Zanfapfel). Die qoldenen 
fel der Hejperiden hatte Gäa der Hera bet der Ver- 
mãählung derſelben mit Beus als Symbol der Frudht- 
, barfeit gefidentt; Heralles Holte fie uu Lande der Hy- 


Bu Unpflangungen an Chaujfeen und Feldwegen | perboreer, wo fie von dreien der Hefperiden und von 
in rauhen, erponterten Lagen haben fic) bewährt: cinem hundertfipfigen Drachen bewacht wurden. In 
Champagnerrenette, große Raffeler Renette, Carpens der nordiſchen Mythe find Äpfel die Speije der Aſen, 
tin, Boifenapfel, engliſche Spitalrenette, Bwiebele Idunga ihre Bewahrerin. Sie hatten die Kraft, den 
bor8dorfer, rheinifder Bohnenapfel, purpurroter | ju verjiingen, der fie ak. Nad) altgermanifder Vor— 
Coufinot. Jn mehr geſchützten Lagen find geeignet: | jtellun it der Upfel Symbol der Mutterbruſt und 
fonighicher Kurzſtiel, Landsberger Renette, Baumanns | der nährenden Liebe. Nod) jest erinnern manche Ge- 


614 


briiudje an die Borbedeutung des Apfels fitr Liebe, 
Frudjtbarfeit, Leben und Tod. Rach der bibliſchen 
Erzählung war es cin WUpfel, der die erjten Menſchen 
zum Falle bradjte, und fo galt der Upfel im Mittel⸗ 
alter al8 Symbol des Sinnenreize3, der Crbfiinde. 
Als Reichsapfel (ſ. d.) mit dem “4 ijt der Apfel 
Symbol der Weltherrfdaft. Vol. Engelbredt, 
Deutſchlands Upfelforten {SrauntGo. 1889) und Die 
Literatur bei »Objtbau« And »BPomologie«. 

Apfelbeerftraud, ſ. Sorbus. 

Apfelbliitenftedher , |. Blütenſtecher. 

Apfelbutter, ſ. Kraut. 

Apfeleſſenz, ſApfeläther. 

— Form der beerenartigen Früchte, 
f. Frucht. 

Apfelgroſchen, pinged de3 17. Jahrh. 
mit Dem Reichsapfel und auf der Riidfeite der Bahl 24. 

Apfelfraut, ſ. Kraut. 

Apfelkreuz, aud) Kugelſtab⸗ oder Pilgerſtab— 
kreuz genannt, in der Heraldif ein Kreuz, deſſen vier 
Urme am Ende mit einer Kugel befest find. 

Apfelland, f. Avalon. 

Apfelöl, ſ. Upfelather. 


pina by bie ba j. Blatiflöhe. 

MUpfeljaure (Oxyäthylenbernſteinſäure, Bu- 
tanoldifdure)C,H,O, od. HO.CH.CO,H.CH,.CO,H, 
febr verbreitete Pflanzenſäure, findet ſich in unreifen 
Upfeln, Weintrauben, Stadjelbeeren x., in Vogel: 
beeren, Berberigen und in den Friidhten de3 Gand- 
dorns, im Tabaf, in Rhabarberblattiticlen x. Sie 
bildet farb- u. geruchloſe zerfließliche Rrijtalle, ſchmeckt 
jtarf fauer, ift in Waſſer und Wlfohol leicht löslich, 
ſchmilzt bet 100°, gibt beim Erhitzen Fumarſäure und 
Maleinſäure, mit Salpeterfiure Oralfiure, mit Jod- 
wajjeritoff Bernfteinfiure. MW. ift zweibaſiſch, bildet 
neutrale und faure, meift in Waſſer lösliche Salze 
(Malate), von denen das Eifenfals fic) im Extrac- 
tum ferri pomatum findet, das durch Digerieren 
jaurer Äpfel mit Eiſendrehſpänen bereitet wird. Dies 
beliebte Eiſenmittel bei Bleidfudt, wird aud, in 
9 Teilen Zimtwaſſer geldjt, als Tinctura ferri pomati 
benutzt. Gewöhnliche WL. dreht die Ebene des polarifier 
ten Lichtes nad) links, optiſch inaftive YL. entſteht aus 
Fumarſäure durd Erhigen mit Wafer, aus Mono— 
brombernjteinfiure durch Behandeln mit Silberoryd 


und Waffer, aus Traubenfaure durch Behandeln mit | 


Jodwaſſerſtoff. Rechtsäpfelſäure erhilt man durd 
Redultion der Rechtsweinſäure mit Jodwaſſerſtoff. 

Upfelfine, ſ. Citrus. 

Apfelſtecher, ſ. Blattroller. 

Apfelſtedt, tinfer Zufluß der Gera in Thüringen, 
fommt vom Thiiringer Wald und entfendet bei Geor- 
qenthal einen Yrm jum Weſergebiet (ſ. Leine 2). 

Apfelwein, ſ. Objtiwein. 

Apfelwickler, |. Wicler. 

Aphagie (qried.), Unvermigen yu ſchlucken. 

Aphafie (griech.), Fehlen der Linfe im Auge und 
dadurch bedingter Verluſt des Alkommodationsvermö 
gens (ſ. d.). Dasſelbe wird erſetzt durch ſtarle Konver 
gläſer (Stargläſer). 

Aphaniptéra, Flöhe, ſ. Zweiflügler. 


Aphaniti, ältere Bezeichnung fiir dichte, ſcheinbar 


einfache Geſteine, beſonders aus der Gruppe der Me— 
laphyre und Diabaſe, auch der Diorite; viele Diabas 
und Melaphyrmandelſteine wurden als Kallaphanite 
und Uphanitmandelfteine unterjdieden. Aphanit— 
porphyr ijt cin dichter Diabas mit eingelnen größern 
Krijtallen von Labrador, Uphanitwade ein zu einer 
erdigen Maſſe zerfester A. 





Apfelbeerſtrauch — Aphrodiſiaka. 


Aphãrẽeſis (griech,Wegnahme · ), in der Gram- 
matik Wegwerfung eines Bofals, aud wohl einer 
Silbe im Anlaut, 3. B. »'s ijte fiir -es ijte. 

Upharetiaden, ſ. Idas. 

Aphaſie (griech., das »Nichtredenlönnen«), das 
teilweiſe oder vollſtändige Unvermögen, die Gedanfen 
ſprachlich auszudrücken, trop geſunder Spracdwert- 
zeuge und erhaltenem Bewußtſein (motoriſche A.). 
Sie beruht auf einer Erkrankung des Sprachbewe 
ey are in der dritten linken Stirnwindung 
des Großhirns. Um häufigſten tritt A. in Berbin- 
dung mit Lähmung der redtsfeitigen Körpermusku— 
latur nad einem Schlagfluß auf. Nie Urſache der A. 
iſt meiſt eine Erweichung der Gehirnſubſtanz, ein Blut⸗ 
erguß. eine Neubildung x. an der bezeichneten Stelle. 
Bisweilen ijt die A. mit Unfähigkeit su lefen (Alexie) 
oder zu ſchreiben (Agraphie) verbunden, feltener 
mit Amimie (ſ. d.). * U. iſt nicht zu verwechſeln 
mit der Alalie (jf. d.). Das Unvermigen, bei norma: 
fem Gehör und erhaltener Sprache und Jntelligen; 
den Sinn gejprodjener Worte ju verjtehen, hat man 
alg fenfortide oder amnefijde A. bezeichnet. Sie 
ift auf tranfhafte Prozeſſe in der obern Windung des 
(linfen) Schlifelappens des Gehirns zurüchzuführen 
(Worttaubheit). Bgl. Baſtian, Uber A. und 
andre Sprachſtörungen (a. d. Engl, Leipz. 1902). 

Aphel (Aphelium, gried., Sonnenferne), 
der von der Sonne am weileſten entfernte Punkt der 
Bahn eines Planeten oder Kometen (vgl. Unomalie), 
im Gegenjate zum Perihel oder der Gonnennabe. 

Aphelandra R. Br., Gattung der Alanthazeen. 
Sträucher oder Kräuter mit ſchönen, ganzen, oft jtache- 
ligen Blattern, endjtindigen Blütenähren mit meijt 
ſchön gefirbten Bratteen und fajt vierfantigen, vier: 
jamigen Rapjeln. Bon den etwa 60 Yirten tm tropi- 
ſchen Amerila werden mebhrere in Warmhäuſern ful- 
tiviert. Beſonders beliebt find: A. nitens Hook und 
A. sulphurea Hook. 

Aphis, Blattlaus; Aphidae (Wlattliufe), Familie 
aus der Ordnung der Halbjliigher; ſ. Blattläuſe. 

Aphodius, P Miſtläfer. 

phonie (griech.), Stimmloſigleit, Tonloſigkeit. 
ein Zuſtand, in dem zwar die Flüſterſprache möglich 
ijt, Der Klang der Stimme aber feblt, weil die Stimm- 
binder nicht oder nicht gentigend frei und fein ſchwin⸗ 
gen können. Urſachen der A. find entzündliche Schwel⸗ 
lungen der Stimmbänder, Neubildungen und Ge— 
ſchwüre, die rein mechaniſch die Schwingungen be— 
einträchtigen, oder Lähmungen der die Spannung 
der Stimmbänder beſorgenden Muskeln, bes. deren 
Nerven. Der Grund einer A. läßt ſich nur durch die 
Unterſuchung mit dem Kehlkopfſpiegel feſtſtellen. 

boris (qried).), weibliche —— * 

Aphoriemen (griech.), abgeriſſene, untereinander 
nicht tm unmittelbarem Zuſammenhang ſtehende 
Siige, die allgemein menſchliche Wahrheiten enthalten. 
Aphoriſtiſche Schreibweiſe, cine prägnante, ab- 
gebrochene, der ſtiliſtiſchen Verbindung ermangelnde 
Ausdrudsweiſe. Bgl. Hodde, Aphorismenſchat 
der Weltliteratur (4. Aufl, Be . 1901). 

Aphrodifia (qricch.), Feft zu Ehren der Uphrodite. 

Aphrodifiafa (qriech.), Mittel, welde die ge— 
ſchwächte und erjtorbene Heugungstraft wieder er- 
weden und beleben. Die Geſchlechtsfunktion erfor- 
dert fiir qeeiqnete Uusitbung einen gefunden Körper. 
Rraftige Nahrung, reidliche Fleiſchkoſt, kbörperliche 
Anſtrengung ohne Uberanftrengung, Abhärtung des 
Körpers fowie eventucll allgemeine Tonica, 3. B. 
Eiſen u. a., können daher aud die Zeugungskraft 


Aphrodijiasmus — Aphrodite. 


iinjtiq beeinflujjen. Die als ſpezifiſche A. empfohlenen 

rgneien und diätetiſchen Mittel find in ihrer Wir— 
fung ganz unfider und oft ſchädlich. Ihre Wirkung 
berubt, wenn iiberhaupt auftretend, auf einer Rei- 
jung des Harnapparates, die bet manchen, 4. B. den 
Rantharidenpriparaten (»italienijde Elirieree, Dia- 
volini, Pastilles galantes) oft zu Entzündungen, 
fpesiell der Nieren, fithrt. Gute Erfolge werden in 
neuejter Heit von Dem (mur auf drgtlide Verordnung 
zu verwendenden) Yohimbin beridtet. Bal. Philtron. 

Aphrodifiasmns (griech. Uphrodtfie), trant- 
hafte Geilheit, Liebeswut. 

UAphrodifios, im Kalender der Bithynier der elfte 
Monat vom 24. Juli bis 22. Auguſt. 

Aphrodit (Anaphrodit, qried.), jedes tierifde, 
bejonders menſchliche Weſen, an dem die Genitalien 
fehlen oder fo verfiinrmert find, dak fich der Ge- 
ſchlechtscharakter daraus nicht bejtimmen läßt. Boll- 
fommrene Gefdlechtslofigteit (Up hroditis mus) 
kommt äußerſt felten vor. 

Aphrodite, die griech. Gittin der Liebe und 
Schönheit. In ihrem Wefen find ſchon früh helleni- 
ſche Vorjtellungen mit orientalifden, namentlid phö⸗ 


nitiſchen verſchmolzen, wie fid) die in Den abweichen⸗ 
den Sagen von ihrer Herfunft ausfpridt. Homer | 


nennt jie Todjter des Zeus und der Dione; aber ſchon 
frith erjdheint fie als die aus dem Meeresſchaum Ge- 
borne (Uphrogencia, f. Uranos), aus dem Meered- 
ſchoß Aufgetauchte Anadyomene) und bei dem feit 
Urzeit von Phönikern koloniſierten Kypern ans Land 
Gejtieqene oder bei dem gleichfalls vorgeiten von 
Phönikern befiedelten Kythera auf einer Muſchel Ge- 
landete. Schon bei Homer fiihrt fie die Ramen Nypris 
und Kythereia. Die gewöhnliche Auffaſſung als Lie- 
besgöttin bezieht fid) mur auf ihr Walter im Men- 
ſchenleben; fie ijt cine in Luft und Waffer und auf 
der Erde wirfende Naturfraft. Als Göttin der Lüfte 
und Himmelserſcheinungen ijt fie W. Urania, die 
himmilifde, die vielfach in Aſien und Griedenland 
auf Bergen verehrt wurde; als Gewittergdttin wurde 
fie wie in Sparta und Rythera bewaffnet dargeftellt. 
Die moralijde Auffaſſung der A. Urania als Gottin 
der edlern, namentlich ehelichen Liebe, bildete fich erjt 
fpiiter. Als Göttin de3 Meeres und Seeverfehrs, na- 
mentlid) der glücklichen Fahrt (Bontia und Tha- 
lafjia), wurde fie an Küſten und in Häfen vielfad 
verehrt. Auf Erden ijt A. Godttin der Garten und 
Haine, des Friihlings und feiner Gaben, namentlid 
der jarten Gewächſe und Blumen, wie Myrte und 
Rofe, Daher fie beſonders in diefer Jahreszeit verehrt 
wurde, in der aud) ihr Geburtsfejt in Paphos auf 
Kypern gefeiert wurde. Als Gottin der Liebe übt fie 
ihre Macht iiber Gitter und Menſchen: fie entflammt 
Liebe und weiß Widerjtrebende gu jtrafen. Ihr Gee 
—F ft ihr Sohn Eros, die Horen, Chariten, 

eitho (Uberredung), Bothos und Himeros, die Per— 
fonififationen des Verlangens und der Sehnfucht. Wis 
Stifterin des Liebesbundes ijt fie auch Gottheit der 
Che, des Familienlebens und der darauf beruhenden 
Gemeindeverbindung. Jn lesterm Sinne fiihrte fie 
frither in Uthen den Namen Bandemos (d. h. fic 
auf die ganze Gemeinde erjtredend); durch eine Cin- 
richtung Solons erbielt der Name eine ganz andre 
Bedeutung und bezeichnete fie als Gittin der Brojti- 
tution. In manden Gegenden erbielt ihr Kult nad 
Art orientaliſcher Liebesqottinnen immer unfittlicdere 
ormen, befonders in Korinth, wo große Sdaren 
von Hierodulen jugleid der Projtitution dienten. — 
Yn einzelnen Orten erſcheint fie als Gattin bed He- 








615 


phajtos, an andern als die de3 Ares (j. d.); lebtere 
Vorſtellung gewann allmählich die Herrfdaft. Much 
mit Sterblicen pflegte fie der Liebe, fo mit Anchiſes, 
von dem fie als Wtutter des Äneas galt. Haupttult- 
jttitten waren Paphos, Ymathus und Idalion auf 
RKypern, Knidos, Korinth, Kythera, der Eryx auf Si- 
jilien. Heilig waren ibr als Urania die ildfrite, 
al8 Meergittin Schwan, Delphin, Muſchel, als Vege- 
tationsgöttin namentlid) Myrte, Rofe, Granate, der 
Upfel, als LiebeSgbttin Widder, Biegenbod, Haje, 
Kaninden, Taube, Sperling und andre Tiere ver- 
liebter Natur. Die Romer jtellten W. der italifden 
Venus (fj. d.) gleid. Val. Rofders Lerifon der 
Mythologie, Bd. 1, Sp. 390 ff., Bauly-Wiffowa, 
Realensyflopadie, Bd. 1, Sp. 2729 ff. 

A. gehört gu den von der alten Kunſt am haujig- 
ften Dargejtellten Gottheiten. Die erjte Blütezeit der 
griechiſchen Kunſt 
(Bbheidias) ſtellte 
fie befleidet dar, 
die zweite (Sfopas 
und rariteles) 
wagte die Gdttin 
halb befleidet oder 
gang nadt gu zei⸗ 

en, aber mit 
otivierung der 
Nacktheit durch 
das Bad. Mit der 
Zeit ſtellte man ſie 
ſo nur um ihrer 
Schönheit willen 
dar, bis man end⸗ 
lich alles Göttliche 
abſtreifte und ſie 
nur noch als ſchö— 
nes Weib erſchei— 
nen ließ. Entſpre⸗ 
chend ſtieg auch die 

Geſichtsbildung 

vom Ernſten und 
Würdigen gum 
Lieblichen u. An— 
mutigen, ja zum 
Sinnlichen u. Ko— 
ketten herab. Dem 
ſpätern Ideal der 
A. ijt das anmu⸗ 
tige Oval des Ge- 
ſichts, das Lächeln 
und beſonders das 
ſchmale, ſchwim— 
mende, Liebes— 
ſehnſucht ausdrül⸗ 
lende Auge eigen. 
Statt der zierli— 
chern Körperformen diefer jiingern Beit bildete die altere 
UW. mit kräftigern Formen von junonijder Fülle und 
qrofarti er — So war die berühmteſte 
Statue, die knidiſche A. des Praxiteles, aufgefaßt, 
von der Münzbilder und Statuen des Vatikans eine 
Vorſtellung geben, während die Muünchener Kopie 
(. Abbildung) ſchon zärtlicher geſtaltet iſt. Hochbe— 
rühmt war auch des Apelles Gemalde der WU. Unadyo- 
mene (fj. d.). Unter den erbhaltenen Statuen behaup- 
tet den erjten Rang die durch Hobeit der Auffaſſung 
ausgezeichnete A. von Melos (ſ. Tafel »Bildhauer- 
funjt V<, Fig. 1) im Louvre, die Rechte faßte das herab- 
fallende Gewand, die ausgeſtreckte Linke hielt wabhr- 





Aphrodite von Knidos (Minden). 


616 


ſcheinlich einen Upfel (vgl. Furtwängler, Meiſterwerke 
der griechiſchen Plaſtik, Leipz. 1853). Nächſt ihr find 
die —— die das Motiv der A. von Milo 
wiederholende, nad) ihrem Fundort benannte A. von 
Capua in Neapel; die fapitolinifde A. in Rom, 
bie cinem Original des Prariteles nadgebildete A. 
pon Urles im Louvre und die mediceifde W. in 
Florenz (friiher in der Villa Medici zu Rom, ſ. Ta- 
fel »Bildhauerfunjt Ve, Fig. 4 u. 7), beide mut den 
Händen Bruſt und Scham bededend; die im Bade 
fauernde U.im Vatifan, ein Beiſpiel der genrehaften 
Au faffung, Nn Bernoulli, Aphrodite (Leip3.1874). 
ditidae, ſ. Seeraupen. 
hroditismus, ſ. Aphrodit. 
Aphroeſſa, Inſel, ſ. Santorin. 
Aphrometer (griech.), Inſtrument zur Meſſung 
des Druckes der Kohlenſäure im Schaumwein; ſ. Wein. 
Aphrophora, ſ. Zikaden. 
—** Mineral, foviel wie Glaſerit (ſ. d.). 


Aphihen, .Schwämmchen; A. und UpHthen- | 


ſeuche beim Vieh, ſ. Maul- und Klauenſeuche. 


Aphthit, 1879 in Marſeille erfundene goldähnliche 
Legierung zu Juwelierarbeiten, wird aus 800 Kupfer, 


25 Platin, 10 Wolframſäure und 170 Gold dargeftellt. 
Aphthgngie Reflexaphaſie, gried.), Sprach⸗ 


Aphroditidae — Mpion. 


Wechſelordnung werden derartige Papiere nidt als 
Wechſel anerfannt; in der öſterreichiſchen Wechſelord⸗ 
nung finda p.-Wedfel den Sichtwechſeln gleichgeſtellt. 

Upiata, Name fiir zwei Indianerſtämme des nörd⸗ 
liden Brafilien, deren einer am untern Tofantins gu 
den Rariben, der andre am obern Tapajos yur Tupt- 
familie gehört. 

AUpianus (cigentlid) Bienewitz oder Benne- 
wit), Peter, Geograph und Witronom, geb. 1501 
ju Leisnig in Sachſen, geſt. 21. April 1552, ſtudierte 
in Leipzig und Wien, ward 1527 Profeffor der Ma- 
thematif in Ingolſtadt und 1541 von Karl V. ge- 
adelt. In feinem »Cosmographicus liber« (Landsb. 
1524 u. ö., auch mehrfach überſetzt) ſchlug er vor, 
geographifde Längen durd) Mejjung der Abſtände 
des Mondes von Firfternen su beſtimmen; auch madte 
er zuerſt die Bemerfung, dak die Schweife der Kome— 
ten von der Gonne abgewendet feien. In feinem 
»Astronomicum Caesareume (Ingolſt. 1540) ver- 
öffentlichte er die erjten braudbaren Rometenbeobad- 
tungen; er gab ferner »Inscriptiones sacrosanctae 
vetustatis etc. «, mit Holzſchnitten (Daj. 1534), beraus, 
erfand aud) verjdiedene mathematijde Inſtrumente 
und zeichnete die beſten Landfarten jeiner Beit. — Sein 
Sohn Philipp W., geb. 14. Sept. 1531 in Angol- 





neuroje, bet der mit jedem Verſuch, su ſprechen, Krämpfe | jtadt, gejt. 14. Nov. 1589, ebenfalls als Geograph be 
im Gebiete des Hypogloſſus auftreten, die das Spre- fannt, 1552 Nadfolger feines Vaters, 1569-—84 Bro- 
den unmöglich machen. feſſor in Titbingen. Sein Hauptwert find dic » Bar- 

Aphthonios, griech. Nhetor aus Untiodia, um riſchen Landtafeln«, cine Karte von Bayern in 24 
400 n. Chr., verfafte eine weitverbreitete, bis ing 17. Blatt (1566); ſeinen Erd- und feinen Himmmelsqlobus 
Jahrh. auf Schulen und Univerſitäten vielbenugte | aus dem Jahre 1576 bewahrt die königliche Biblio— 
Anleitung gu Stiliibungen fiir Unfiinger (»Progym- | thet in Minden. Vol. Günther, Beter und Boilipp 
nasmata« ; hrsg. in den »Rhetores graeci« von Wal; | A. (Brag 1882) und im -Jahrbuch fiir Miindener 


und von Gpengel). Bgl. Schäfer, De Aphthonio 
(Brest. 1854). 
thonius, Alius Feſtus, lat. Grammatifer, 

im 4. rh. n. Chr., ijt Verfaijer eines Handbuchs 
der Metrif, das Victorinus (f. d.) fajt vollſtändig m 
jeine Grammatif aufgenonmen bat. 

Aphyillen (qried.), blattloje Pflanzen; aphyl- 
liſch, blattlos. 

Api (Taſiko)d, Inſel der Neuen Hebriden, 507 qkm 
groß mit 10,000 Einw., ſehr gebirgig (bis 900 m), 
frudjtbar, wald- und wafferretd). 


Apia, Hauptort der deutiden Samoainſeln auf 


der Nordfeite der Anfel Upolu (ſ. Karte »Samoa: 


Geſchichte⸗, 1888. 

| Apiarium (lat.), Bienendaus. 

Apices juris (lat.), Recdhtsjpipfindigfeiten. 

———« Apicius, Marcus Gavius, Feinjdymeder und 
Schriftſteller über stodfunjt zur Beit des Tiberius, 
vergiftete fid), als er nur nod 2 Will. We beſaß. 
Seinen ſprichwörtlich qewordenen Namen hat fich der 

Verfaſſer einer »Caelius A. de re coquinaria« be 
titelten Sammlung von Rodresepten in 10 Büchern 
(hrsg. von Scud, Heidelb. 1874), früheſtens aus dem 
3. Jahrh., beigelegt. 

Apidae (Bienen), Familie aus der Ordnung der 

Haufflügler, ſ. Bienen. 


inſeln ·) an einer halbmondförmigen Bucht, die aber Apiin, ſ. Peterſilie. 
wegen ihrer beſchraͤnkten Tiefen und des gegen Nord. Apinus, Franz Maria Ulrich Theodor, 
winde mangelnden Schutzes nicht genügende Sider Phyſiker, geb. 1724 in Rojtod, geſt, im Auguſt 1802 
eit gewährt, fo daß 16. März 1889 m einem Or- in Dorpat, Mitglied der Berliner Alademie der Wiſ⸗ 
fan vier deutſche und amerifanijde Kriegsſchiffe mit jenfchaften, ging 1757 als Wfademifer und Profeffor 
9 Ofizieren und 140 Mann zu Grimde gingen. Der | der Phyſik — * Katharina IT. beſtimmte 
langgeſtreckte, fic) um den Hafen hinziehende Ort be: | ihn zum Erzieher ihres Sohnes Raul. Er ſchrieb: 
ſteht aus drei Quartieren: der Halbinſel Mulinu, »Tentamen theoriae electricitatis et magnetismi-+ 
Matafele und Matautu. Auf der erjten liegt das (Betersb. 1759); °On the distribution of heat at 
Maſſengrab der 1888 gefallenen deutiden Seeleute, | the surface of the earthe (1762) u. a. 
in Matafele die Lagerraiume und Werkjtitten der Deut-| Apiocrinus Mill, Gattung der Haarſterne. Tiere 
ſchen Handels- und Plantagengeſellſchaft der Südſee, mit ſtarl verzweigter Wurzel, Stiel ohne Ranken und 
das Haus des Gouverneurs, ein franzöſiſches Kloſter, birnförmigem oder kugeligem Kelch, finden ſich nur 
fatholifde Kirche, deutſches Hofpital, evangeliſche im Dogger und Malm. A. Roissyanus d'Orb., im 
Kirche, engliſches und amerifanifdes Konſulat, mn Wa | Kimmeridge, ſ. Tafel »Juraformation I+, Fig. 12. 
tautu die Lagerräume der Firma Ruge u. Hedemann.| Wpiol, |. Peterſilie. 

a piacere (al piacere, aud) a piacimento, ital.,| Apion, Käfergattung, Spigmausden. 
fpr. Aſchere, -tfchimento), nach Mefallen, nad) Belieben. Apton, griech. Grammatiker im 1. Jahrb. n. Chr, 
mujifal. Bezeichnung, wodurd) der Spiclende die Frei | Pflegeſohn Bea Didymos und Haupt der grammay 
Heit erhält, die betretfenden (meiſt fadenjartigen Stel- | tijden Schule in Ulerandria, ein eitler, rubmrediger 
fen) nach feinemt Gutdiinfen vorzutragen. — Jin Han- | Menfch, der Griechentand durchzog und unter großem 
Del begeidynet man mit a p. Wechſel, deren Zablung | Beifall Vortriige über Homer hielt. Ym Auftrag der 
jedergett gefordert werden fann. Nad) der deutfden | Wlerandriner verflagte er bei Caligula dic Juden; 


Apios — Aplocerus. 


auf feine Beſchuldigungen antwortete ſpüter Jojephus | 


in feiner Sdprift »Gegen A.« Born feiner vieljeitigen | ſ 


literarijden Tatigheit ijt nur wenig erhalten, fo von 
ſeinem vielbenugten Homer⸗Gloſſar nur diirftige Aus⸗ 
jiige. Bgl. Baumert, Apionis quae ad Homerum 
pertinent fragmenta (Königsb. 1886). 

Apios Ménch, Gattung der Leguminoſen, win: 
dende Kräuter mit unpaarig gejiederten Blättern, 
didten Bliitentrauben und flad) gedrückter, vielfami- 
ger Hilfe. Bon den fiinf Arten in Nordamerifa und 

fien Dauert A. tuberosa Minch (Glycine apios 
Minch, virginifdhe Knoll wide, amerifanijde 
Erdnuß), ein feit 1640 befanntes, ausdauerndes 
Gewächs Nordamerifas, mit 2—4 m hod) fic empor- 
windendem Stengel und bräunlich fleiſchroten, wohl⸗ 
riedjenden Bliiten, bei uns im Freien aus und wird 
— Bekleiden von Lauben, Wänden rc. kultiviert. 

ie Wurzelknollen von der Größe eines Hühnereies 
werden von den Indianern gegeſſen, ſie ſchmecken ſüß 
und enthalten 4,5 Proz. — Subſtanzen, 
33,5 Starfemehl, Zucker, Pektin und 57,6 Waſſer. 
Wpirie (qriech.), Unerfahrenheit. 
* (at.), die Biene. 
pis, der von den Ägyptern in Memphis verehrte 
heilige Stier (hap). Er galt als die Verfirperung des 
Hauptgottes von Memphis Ptah und wurde gewohn- 
lich odie lebende Wiederholung de3 Ptah« genannt. 
Bon den Grieden wurde der U. als cine Jnfarnation 
des Oſiris gehalten. Man erzählte, daß, wenn ein A. 
ejtorben war, ein Lichtfunke vom Himmel hernieder- 
Babe und den neuen A. mit einer jungfrduliden Kuh 
gente, die nachber nicht wieder gebar. An befondern 
bzeichen wurde er erfannt; er war ſchwarz, hatte auf 
der Stirn ein weißes Dreied, auf dem Riicen das Wb- 
bild cines Udlers, am Schweif sweierlei Haare, unter 
der Bunge einen käferartigen Knoten (scarabaeus) 
und an der rechten Seite cinen weißen Fleck, ähnlich 
dem Mond, wenn er zu wachſen anfiingt. Die ägyp⸗ 
tiſchen Darſtellungen zeigen in der Tat auf der Stirn 
ein Dreieck, an der Seite ſchwarze Flecke und auf der 
Bruſt manchmal einen Halbmond; auf dem Kopf tra— 
gen feine Bildnijje die Sonne mit der Uräusſchlange. 
ar cin neuer YL. gefunden, fo wurde ifm am Ort | 
feiner Geburt ein nach Ojten geleqenes Haus erridtet, | 
in Dem er vier Monate lang mit Mild genährt ward. 
Mit dem Neumond erfolgte feine Abführung nad 
Nilopolis; von hier gelangte er nad) 40 Tagen auf 
einer geweihten Gondel in einem vergoldeten immer 
nad) Memphis, wo ifm beim Heiligtum des Ptah 
(PHtha) eine Wohnung mit zwei koſtbaren Gemächern 
erbaut wurde, und wo er die forgfiltigite Pflege ge 
no. Beweiſe feiner Gottheit gab er durch Orafel, | 
die Von Dem Wechſel fener beiden Gemächer fowie | 
von der Unnahme oder Nichtannahme von Speife aus | 
der Hand des Fragenden ausgingen. Bei fejtlider 
Verjanuntung wurden ihm Opfer dargebradt, und 
gwar nur Tiere feines Geſchlechts, befonders durchaus 
rote Ochſen, deren Reinheit vorbher ſtreng qepriift war. | 
Die größte ihm veranjtaltete Feier war fein Geburts- | 
fejt (beim Steigen des Nils): bei Memphis wurde | 
eine goldene und eine filberne Schale in den Nil gee | 
jenft und der YW. in Brogefjion umbergefiibrt. Mehr. 
fad) wird von den Griedhen angegeben, dak der A. 
nur 25 Jahre leben durfte, und wenn er nidt vorher 
gejtorben war, von den Priejtern in einen Brunnen 
geitiegt wurde. Wie der Menſch, fo wurde aud) der | 

- nad) dem Tod Cins mit Ojiris (ſ. d.) und geradezu 
al8 Dfiris-Wpis (qried). Oforapis) bezeichnet. Er galt | 
alg cine Urt Totengott und wurde wie Ofiris »Herr | 








617 


der Weſtlichen⸗ (d. h. der Toten) genannt. Der ver- 
torbene UW. wurde mit feierlidyem Gepriinge in der 
Totenjtadt von Memphis (bei Saffara) bejtattet. Un— 
ter Ramjes II. wurde eine gemeinjame Begräbnis— 
ſtätte fiir Die A. angelegt, die aus einem 100m langen 
unterirdifden Gang bejtand und durch Pſammetich I. 
bedeutend eriveitert wurde. Uber diefen unterirdifden 
Räumen erhob fic) cin großer Kulttempel. Diefe Apis— 
geiite (das fogen. Sarapion von Memphis), die cinen 

eriifmten Wallfahrtsort bildeten, find 1851 von 
Mariette wieder entdecdt und in ibnen nod 24 Sar- 
fophage gefunden worden (vgl. »Bulletin archéo- 
logique de l’'Athénaeum frangais«, 1856, Nr. 5—7; 
Mariette, Le Sérapéum de Memphis, Bar. 1882). 
Wis die Griechen in Agypten den A. fennen fernten, 
nannten jie ihn Epaphos und madten ihn jum Sohn 
der mit Der Iſis pi pee Jo. Mit dem Gott 
Serapis (ſ. d.) hat der A. nichts gemein. — Nach 
Mahlers Fejtitellungen (»Die Upisperiode der alten 
Agypter⸗ Wien 1894) wurde der W. als lebendiges 
Symbol des Mondes angefehen und mit dem Boll 
mond identifiziert. Die Upisperiode von 25 Jahren 


war eine rein ajtronomifde Vollmondsperiode; fie ijt 


gleich 309 ſynodiſchen Monaten, und nad) ibr fehren 
die Mondphajen an den nämlichen Tagen des Jahres 
in gleicher Ordnung wieder. 
pium ZL. (Sellerie, Eppich), Gattung der 
Umbelliferen, eine oder mehrjährige Kräuter nut fie- 
derlappigqen Blättern, zuweilen einfachen Dolden, 
rünlichweißen Blüten und rundlich zweiknöpfiger 
rucht. Etwa 20 Arten über die ganze Erde verbrei— 
tet. A. graveolens LD. (gemeiner Sellerie) in 
Curopa auf Saljwiejen, am Seejtrand, mit dunfel- 
griinen, ſtark riechenden Blattern und fpindelfirni- 
er, widerlich durchdringend riechender, bitterlich ſcharf 
chmeckender Wurzel, die durch Kultur knollenartig 
und ſüßlich aromatiſch wird. Man fultiviert Kraut— 
ſellerie, mit langgeſtielten, aufrecht ſtehenden Blat- 
tern und kleinerer Wurzel, Bleid- (Stengel-) fel- 
lerie (j. Tafel ⸗Gemüſepflanzen [V«<), mit jtarfen, 
fleifchigen, zarten Blattiticlen, und Rnollenfellerie, 
mit kurzgeſtielten Blattern und großer, rundlicher 
Wurzel. Die Knolle enthalt 84,09 Wafer, 1,48 Stid- 
ſtoffſubſtanz, 0,77 Bucer, 11,03 ſtichſtofffreie Extrakt⸗ 
ſtoffe. Sie wird als Küchengewürz und als Salat mit 
Eſſig und Ol genoſſen. Jn Zucer eingemadt, liefert 
fie mit Weißwein ein der Ananasbowle täuſchend ähn⸗ 
liches Getränk. Sie wirkt reizend auf die harnabſon— 
dernden Organe und gilt als Aphrodiſiakum. Die Blat- 
ter dienen als Küchengewürz. Im WUltertum benutzte 


man fie jut Kränzen fiir Den Schmuck der Graber und 


fiir die Sieger in öffentlichen Spielen 

Aplacentalia, ſ. Säugetiere. 

MAplanat, photograph. Objektiv, ſ. Photographie. 

Aplanãgtiſch (qried., »ohne Abweichung«) heißt 
ein Linſenſyſtem, bei dem neben derchromatiſchen aud 
die ſphäriſche Abweichung faſt vollſtändig beſeitigt iſt. 

——— ſ. Applanieren. 

planogameten | — 

Aplanofporen | j. Ulgen, S. 315. 

Aplerbeck, Dorf im preuß. Regbez. Arnsberg, 
Kreis Hirde, an der Staatsbahnlinie Ruhrort-Holz— 
wickede, hat eine evangeliſche und eine kath. Kirche, 
Eiſenhüttenwerk, Puddlings- und Walzwerk, Stein⸗ 
kohlen⸗ und Eiſenſteingruben und (1900) 8775 meiſt 
evang. Einwohner. 

Wpleftie (griech.), ſ. Uforie. 

Aplit, cin Granitgeſtein, ſ. Granit. 

Aplocerus, ſ. Bergziege. 





618 


Aplom, Mineral, Varietät de3 Granats. 
Aplomb (franj., fpr. apling, eigentlid: das Lot- 
rechtſein), Sicherheit ded Uuftretens, Benehmens. 
Aplysiidae, ſ. Seehajen. 
noẽ (qriech., »Utemlofigheit<), der Zuſtand, in 
dem das Tier oder der Menſch nicht atmet, weil fein 
Blut Überfluß an Sauerjtoff enthalt. Bei Tieren er- 
jeugt man A. durch Einblafung von Luft in die Lun- 
jen. Cin Menſch vermag nach wiederholten tiefen 
Einaineneen die Atmung weit linger anjubalten 
al8 font. Auch die temtorigteit ded Foͤtus ijt eine A. 
Apo, Vulfan auf Mindanao (j. d.). 
Wpoatropin C,,H,, NO,, Wlfaloid, findet ſich in 
der Wurzel von Atropa Belladonna, entjtebt aus 
Utropin und Hyoscyamin beim Behandeln mit fon- 
zentrierter Schwefelfaure ꝛc., bildet farblofe Prismen, 
laft fid) wenig in Waffer, leidt in Ulfohol und Uther 
und geht leidt in das ifomere Belladonnin itber. 
Apobates (griech.), bei den Grieden ein Wett- 
kämpfer, der in voller Fahrt von einem meift vier- 
jpannigen Wagen absufpringen, eine Strede nebenher 
ju laufen und dann wieder aufzufpringen hatte. 
Apochromãtiſch (griech.), |. Udhromatismus. 
Aporhromat - Kollineare , |. Photographie. 
Apocriſiarius (gried).), 1) der ſtändige geijtlide 
Geſandte aller Patriarden und unter ihnen auch des 
römiſchen Papſtes amt faijerliden Hof gu Ronjtanti- 
nopel. — 2) Im friinfijchen Reich der oberjte lirchliche 
Wilrdentrager am fonigliden Hof, eine Urt Kultus- 
minijter (archicapellanus) und allmablich aud) Bor- 


ftand der finigliden Kanzlei (archicancellarins). | 


Später firierte ſich dieſes Amt 
auf beſtimmte 
Stühle: Mainz für Germanien, 
Trier für Gallien, Köln für 
Italien. 


todgewächſe), difotyle, etwa 
1000 Arten umfaſſende Pflan— 
zenfamilie der warmen und ge— 
mäßigten Zone, aus der Ord— 
nung der Kontorten, meiſt hol 
zige, ſchlingende, oft milchende 
Pflanzen mit vier- oder fünf— 
zähligen Blüten und zwei mehr 
oder weniger verwachſenen Kar⸗ 
piden. Die A. find z. T. gefährliche Giftpflanzen, 





Blite von Vinea 
herbacea. Durchſchnitt. 


einige (Nerium, Vinca, ſ. Abbildung) Zierpflanzen. | 


Cinige Urten find aus Tertiärſchichten befannt. 


Apocynum ZL. (Sundsfobl, Hundswolle), | 


Gattung der Apocynazeen, Milchſaft führende Stau- 
den mit gegenftindigen, ganzen Blattern, fleinen, 
glockenförmigen Blüten m Rifpen, avlindrifchen 
Scheinfrüchten und Samen mit Haarfronen. Drei 
Yrten in Europa, Wien, Nordamerifa. A. androsae- 
mifolium Z., tn Nordamerifa, mit blag rofenroten 
Bluͤten, in deren Röhre die durch den darin enthal 
tenen Honigfaft angelodten Inſelten mittels Zähne 
fejtqebalten werden (Fliegenfanger), hat cine bre- 
chenerregend und purgierend wirfende Wurzel und 
blaſenziehenden Milchſaft; fie wird als Sierpflange 
fultiviert. Ebenſo A. cannabinum Z., in Nordame— 
rifa, mit grünlichgelben Blüten; fie liefert Baſt gu 
Regen, Tauen, Veweben (Indian hemp); dieSamen: 
wolle dient jum Boljtern. Auch A. venetum LZ., in 
Siideuropa und Aſien, mit rofenroten Bliiten, wird 
befonders in Turfijtan, aud bei Poltawa fultiviert 
und liefert jeidenglanjenden Baſt (Nendirfafer, 
Turfafafer) su Striden, Netzen und Geweben. 





erzbiſchöfliche 


Aplom — Apokalyptik. 


Apõda, Schleichenlurche, ſ. Blindwühler. 

o , bei den Athenern in der alten Zeit 
die mit der Einnahme der Staatseinfiinfte betrauten 
jährlich durch das Los beftimmten Beantten. 

Apodẽmik (qried.), ⸗Reiſekunſt · Unteitung oder 
Unweifung zum Reifen. 

Apdédes (Rabi bäuche), Unterordmuing der sno 
chenfiſche, ſ. Fiſche. 

Apodiktiſch (qried.), von ſchlagender Beweiskraft, 
unwiderleglich; ſ. Modalität. 

Apodyterion (griech.), das Zimmer zum Mus- und 
Ankleiden in den griechiſchen und cOntitden Badern. 

UApogamie (qried., Zeugungsverluft), ber 
Pflanzen die teilweife oder gänzliche Funftionsunfa- 
higfeit Der männlichen (Apandrie) oder der weib- 
licen DOrgane(Upogynie)und beider sugleid (WU po 
genie), kommt bei Zygomyzeten, Saprolegmiazeen, 
Charazeen, Gefiftryptogamen und Bliitenpflanyen 
(wie Allium fragrans, Citrus, Mangifera indica 
und Caelebogyne ilicifolia) vor. Im legtern Fall 
werden ohne Befruchtung im Innern de3 Embryo- 
fades Durd) Sprofjung aus dem umgebenden Gewebe 
Embryonen erzeugt (Barthenogenefis). unt. 
tionSverlujt oder völlige Unterdriidung von Spo- 
rangien oder Sporen nennt man YW pofporie. Farne, 
welche die Fabhigteit ber SporenbildDung verloren ha⸗ 
ben, entwideln bisweilen, 3. B. bei Athyrium filix 
femina var. clarissima, aus den Fiederſpitzen ihrer 
Blatter die Prothallien mit Geſchlechtsorganen. 

Apogaum (qried., Erdferne), der von der Erde 
ain weitejten entfernte Bunft der WMondbahn. Der 
diametral entgegengefeste Punkt heißt Perigäum 
oder Erdnähe. Beide Punkte ſind die Endpunkte der 

roßen Achſe der Mondbahn. In analoger Weiſe 

* man bei den Monden des Jupiter und Sa— 


turn von einem Apojovium, Apoſaturnium 





Apocynazeen (Hunds- einerſeits, einem Perijovium, Periſaturnium 


Apogenie, ſ. Apogamie. landerſeits 
Apoͤgraphon (griech.), Abſchrift. 

Apogynic, ſ. Apogamie. 

Apoikien (griech.), bei den Griechen Name der durch 


griech. Bürger ohne Beihilfe des Staates gegründe 
ten Kolonien, die nicht notwendig unter der Staats 
gewalt des Mutterlandes ſtanden. Bgl. Kolonien. 
Apojovium, ſ. Upogdium. 
UApofalHpfe (qried.), Enthiillung, Offenbarung, 
bef. die des Evangelijten Johannes; f. Apokalyptil 
WApokalHptif (qriec.), Bezeichnung eines bejon- 
dern Sweiges der ſpätern jiid. Literatur, einer ſchrift 
jtellerifchen Prophetic, weldhe die bevoritehende Boll- 
endung des Weltlaufs in künſtlicher Bilderſprache 
ſchildert. In den Vibelfanon aufgenommene Produfte 
diefer Literatur find das Buc Daniel (fj. d.) und die 
Offenbarung des Johannes (ſ. Johannes 2); of 
gibt aber deren aus der Beit von etwa 170 v. Chr. bis 
in das 2. und 8. Jabhrh.n. Chr. eine große Ungabhl, vor 
jüdiſchen wie von chriſtlichen Verfaſſern bherriibrend, 
die fic) in Der Regel hinter angefehenen altern Ramen 
verbergen, ibre eignen Beitverbaltnijfe mur geberm 
nisvoll, aber dem mit den Zuſtänden Befannten bin 
reichend verjtindlich ſchildern. Steigerung der Leiden 
und Triibjale bis — einem gewiſſen Hohepuntt, end- 
lid aber —— es Gottesvolles durch ein unmittel · 
bares Eingreifen Gottes oder Chriſti bilden das ſtehende 
Schlußtableau. Die älteſte dieſer Apolalypſen und zu⸗ 
leich das Vorbild der ſpätern ijt das Buch Daniel. 
Inter den jüdiſchen ſind dad Bud Henoch aus der 
ſpätern Makkabäerzeit und die Apolalypſen des Mo— 


ſes, des Esra und des Baruch, unter den chriſtlichen 


Apofalyptifer — Apolda. 


er Hirt des Hermas (ſ. d.) hervorzuheben. Deutſche 

berſetzungen der nichtkanoniſchen Apokalypſen bei 
Kautz ſch, Die Apokryphen und Pſeudepigraphen des 
Neuen Teſtamentes, Bd. 2 (Tiibing. 1900). 
Schürer, Geſchichte des jüdiſchen Volles im Seitalter 
Jeſu Chriſti, Bd. 3 (3. Aufl., Leipz. 1898). 

okalijptiker heißen diejenigen, die göttliche, 
auf das Weltende und die Wiederkunft Chriſti bezüg— 
lide Offenbarungen haben, Viſionäre, Sdhwarmer re. ; 
dann die Verfajjer oder Ausleger von Schriften apo- 
falyptifden Inhalts. 
ofalyptifde Reiter, die vier im 6. Kapitel 

der Ojfenbarung Dohannis gefdilderten, aus den 
erjten vier Siegeln des Buches mit fieben Siegein her: 
vorgegangenen Reiter, die Peſt, Krieg, Hungersnot 
und Tod —— Sie find häuſig Gegenſtand 
der bildenden Kunſt geweſen. Ihre großartigſten Dar- 
—— haben Diirer in ſeinem Holzſchnittzyklus 
»Die Offenbarung St. Johannis« und Cornelius in 
einem Narton fiir den Campo fanto (Berliner Na— 
tionalgalerie) gefchaffen. In neuerer eit hat aud 
Böcklin den Gegenjtand bebandelt. Bgl. v. Odel- 
häuſer, Ditrers A. R. (Berl. 1885). 

Apokalyptiſche Zahl heißt die myſteriöſe Zahl 
666 in der Offenbarung des Johannes (13, 18). 
Während fich frithere Zeilen in den abentencrlidjten 
Yusdeutungen gefielen, findet man heute nach der 
Rablenbedeutung der hebräiſchen Buchſtaben einen 
romijden Kaiſer, meift Nero, darin als Untichrijten 
(j. d.) angedeutet. 

Apofarp (qricc.), cin Gynäzeum, defjen eingelne 
Rarpelle villiq frei find, fo dak alfo jedes cinjelne 
einen einfächerigen Fruchtknoten bildet, vgl. Bliite. 

Apofatajtaje (griech.), die Wiederbringung aller 
Dinge, d. h. die Wiederherjtellung der Welt m den 
urfpriinglicden Zujtand, fowie die endliche Bekehrung 
aller perjintiden Sreaturen und das Aufhören aller 


Val. | fanonifden 


619 


daher fie aud) in der alten Rirde zunächſt nur als 
firchliche Vorleſeſchriften galten und im der griechiſchen 
Kirche ——— nie vollig gleichen Rang mit den 
üchern erbielten, während die lateiniſche 

Kirche ſeit Auguſtin jeden Unterſchied verwiſchte. Die 
Reformierten betonten dieſen Unterſchied ſtreng, und 
die Britiſche und ausländiſche —— ließ 
ſeit 1827 die A. ſogar gon aus den Ausgaben der 
Heiligen Schrift aus. Dagegen erhoben die deutfdjen 
utheraner Widerjprud) (der jogen. Upofryphenjtreit). 
Luther felbjt hatte nämlich die UW. als Bücher ber- 
behalten, »die der Heiligen Schrift nicht gleid) gu ad: 
ten, dod) gut und nützlich gu leſen feiene. Es find 
Died: ie Drei Biidher der Makkabäer (von denen Luther 
mur die zwei erjten überſetzt hat; cin viertes findet fic 
in einigen Handjdriften der Septuaginta), das Bud) 
Judith, das Buch Tobit (Tobias), das Bud Jefus 
Sirach (mit einer von Luther nicht überſetzten Bor- 
rede), Das Buch der Weisheit Salomos, das Buch 
Parud, der Brief de3 Jeremias (bei Luther Baruch, 
Rap. 6), das fogen. dritte Buch Esra (nicht bei Luther, 
aud) vom Tridentinum ausgeſchloſſen) und einige 
ſpätere Zuſätze gu den Biichern Daniel, Efther und 
der Chronif. Ru unterfdeiden von diefen Büchern 
find die fogen. Pfeudepigraphen, Nachbildungen bibli- 
ſcher Bilder und Umbildungen bibliſcher Geſchich— 
ten, wie das Buch der Jubilaͤen (ſ. d.), die Pſalmen 
Salomos u.a.; ebendabhin gehören auch faſt alle Upo- 
falypjen (j. Upofalyptif). Sie die ſämtlichen genann- 
ten Bücher von unſchätzbarer Widhtigheit find fiir die 
Kenntnis de3 ummnittelbar vor- und nachchriſtlichen 
Judentums, fo die neuteftamentlichen A. fiir Die Rennt- 
nis teils ber Degeneration der dhrijtliden Literatur, 
teil3 der Entwidelung altfirdlider Traditionen und 
Dogmen. Sie find in den Formen der drijtliden Ur— 
literatur geſchrieben: Evangelium, Apoſtelgeſchichten, 
Briefe und Upofalypjen, und zumeiſt mur in grdjern 


GSiindenjtrafen und Ubel, wozu Stellen wie Matth. | oder fleinern Bruchſtücken erhalten. Die alttejtament- 


19, 28; Apoſtelgeſch. 3, 21; 2. Petri 3, 7—13 nicht | 


minder Unbhaltspunfte boten als der Gedanfe, dak 
eine ewige Unjeligfeit von Gott gefdaffener Wefen 
fic) mit Gottes Giite nidt vertrage. Endliche Beteh- 
rung und Begnadigung felbjt des Teufels und feines 
Anhangs lehrte zuerſt im der Kirche Drigenes, nad ihm 
Gregor von Nyjja u. a., ferner pantheijtijche Myſtiker 
im WMittelatter und zur Zeit der protejtantifden Or- 
thodorie. Nachdem Sdleiermadjer die A. fiir eine 
berechtiqte Lehrart erflirt hatte, nahm fich ihrer be- 
fonders &. J. Nitzſch an. Bgl. Holle. 

Wpofope (griech.), Wegwerfen eines Lautes oder 
einer Silbe am Ende eines Wortes. 

Apofréos (Apokreoſinos, griech.) in der qrie- 
chiſchen Rirche die Wodhe Septuagejima, mit der dort 
die Faſtenzeit beginnt. 

Apofrifiarios, ſ. Upocrijiarius. 

Apofryphen (qriech.), dem Urjprung oder Inhalt 
nad) »verborgene«, auch int Unterſchied zu den öffent⸗ 
lid) vorjzulefenden geheim gehaltene Bücher. Als ſich 
ein chriſtlicher Kanon bildete, verjtand man unter A. 
teil foldje Biicher, die, von Häretikern hervorgebradt, 
bei diefen als kanoniſch galten oder in Den Kanon der 
Kirche eingeſchwärzt werden ſollten, teils aber aud 
ſolche, die, von der Kirche früher — beurteilt, 
ſchließlich, weil ihnen weſentliche Merkmale der Kano— 
nizität abzugehen ſchienen, doch noch ausgeſchieden 
wurden. Die YW. des Alten Teſtaments haben, teils 
urſprünglich griechiſch geſchrieben, teils aus dem He— 
braifchen überſetzt, in der Septuaginta Aufnahme ge- 
funden, während ſie im hebräiſchen Kanon fehlen, 


lichen A. und Pſeudepigraphen find kritiſch und exege— 
tiſch behandelt worden von Fritzſche und Grin (Leipz. 
1851— 60) und Volkmar (daſ. 1860-—67, 3 Bde.), ins 
Deutſche überſetzt von Kautzſch u. a. (Tiibing. 1900, 
2Bde.). Um die Herausgabe madten fid) verdient 
Thilo (Leipz. 1832), Tiſchendorf (daſ. 1851, 1853, 
1866), Wright (Lond. 1871), Hilgenfeld (Leip3. 1884), 
Lipfius und Bonnet (daf. 1891 ff.), Neſtle (daj. 1896), 
Preuſchen (Gießen 1901). Val. aud Lipfius, Die 
apofryphijden Apoſtelgeſchichten und Upojtellegenden 
(Braunjdw. 1883 —90, 3 Bde.). Cine deutiche Uber: 
ſetzung der apofryphifden Evangelien und Ypojtel- 
ge ten lieferte Borberg (Stuttg. 1841). S. aud) 
ntilegomena. 

Apolda, Stadt im Großherzogtum Sadfen-Wei- 
mar, an der Linie Bebra-Weifenfels der Preußiſchen 
Staatsbahn, hat 2 evangelijde und eine fath. Kirche, 
ein Denfmal des Kaiſers Friedrich III. und (1900) 
20,352 Cinw., davon 270 Ratholifen. A. bildet fiir 
die Fabrifation wollener Strumpf- und Webwaren, 
um die fic) befonders Chrijtian Zimmermann (1759 
bis 1842), dem 1892 ein Denkmal auf dem Karlsplatz 
erridhtet wurde, verdient gemadt bat, einen der wid)- 
tigiten Blige Deutſchlands. Wichtig find auferdem 
Farberei, Fabrifation von Maſchinen, Dampfleſſeln, 
Brauerciutenfilien, Fabrradern, Wurſt und Fleifd- 
waren, Sdhofolade und Zuckerwaren fowie die Gloden- 
gießerei. A. ijt Sif der Direftion des IT. Verwal⸗ 
tungsbezirls sr ein Amtsgericht, eine Reidhsbant- 
nebenſtelle, eine Real- und eine Werkmeiſterſchule. — 
Das Schloß und Rittergut von A., urfpriinglich eine 


620 


Beſitzung der Schenken von Vargula und Tauten: | 


{pater der Herren von Vigthum, gehört feit | 


burg, 
1633 | 
ſchichte und Bejdreibung der Fabrif- und Handels: | 
jtadt A. (Apolda 1870). 

Apolima (»hohlie Hand<), eine der kleinſten deut- 
ſchen Samoainſeln, an der Wejtfiijte von Upolu, ijt 
4,7qkm grok und bat mit Manono (1900) 1038 Cinw. 
Die Inſel ijt der Rand cines alten Kraters, der ſich 
bid 144 m erbebt, nach W. aber eingeſtürzt ijt, ſo daß 
Das Innere einen See bildet, Der mit dem rin 
Verbindung jteht, von diejem aber wegen eines davor⸗ 
liegenden, eimem Zuckerhut ähnlichen Unsbrudfegels 
nicht ſichtbar ijt. Das alte muldenformige, jest mit 
Der herrlichſten Vegetation geſchmückte Rraterbett um- 
ſchließt Die Hauser und ———— der Bewohner. 

Apollinarisberg, Anhohe bei Remagen am 
Rhein, friiher mit einer 1117 gejtifteten, als Wall- 
fahrtsort berühmten Propjtei, die 1836 in Beſitz des 
Grafen Egon von Fiirjtenberg fam, der anibrer Stelle 
die pradtvolle Upollinarisfirde erbauen lies. 
Legtere wurde nad) Zwirners Blan im gotijd-roma- 
niſchen Stil 351* bat im Innern wertvolle 
Freslen und die Reliquien des Heil. Apollinaris. 

Apollinariomus, in der Chriſtologie die auf dem 
zweiten ökumeniſchen Konzil 381 als ketzeriſch ver- 
worfene Anſicht des Biſchofs Apollinarios von 
Laodikeia(geſt. um 390), der zufolge der göttliche 
Logos in Chrijtus die Stelle der menſchlichen ver- 
niinftigen Seele vertreten haben ſoll. Bgl. Dräſeke, 
Vpollinarios von Laodicea (Leipz. 1892). 

Apollindrisquelle, Vineralquelle, ſ. Neuenahr 
und Tabelle zum Artikel »Mineraliwaijer I. 

Apollinaris Sidonius, Gajus SolliusMo- 
deſtus, römiſch-chriſtlicher Schriftiteller, um 430— 
480, aus angefebener Familie in Lyon, jtieg als des 
Kaiſers Uvitus Sdwiegerfohn ju den höchſien Wür— 
den in Rom empor, jog fic) aber plötzlich aus der 
Ojfentlidteit zurück und ward 472 Biſchof von Cler- 
mont. Seine 24 Gedichte find ebenfo ſchwülſtig und 
geſchmacklos wie jeine 9 Biicher Briefe, die jedoch nicht 
ohne Wert fiir die Geſchichte und Zuſtände ſeiner Zeit 
find. Hauptausgqabe von Liitjohann (Berl. 1887). | 
Ral. Kaufmann, Die Werke des A. (Gatting. 1864); | 
Chair, Saint Sidoine Apollinaire et son siécle | 
(Clermont - Ferrand 1867-—68, 2 Bde.). 

Apollino (> fleiner Apollo), berithmte antife Mar- 
morjtatue des jugendlichen Upollon(j.d.)tn Den Uffizien 





ju Florenz, jtellt den Gott an einen Baumftamm ge i 


lent u. den rechten Yrnt über das Haupt ſchlagend dar. 

Apollinopolis, Name zweier altägypt. Stadte, | 
Kultſtätten des Horus (Wpollo): 1) A. magna, Haupt: 
jtadt cines Gaues in Oberägypten, ant weitlicjen UU fer | 
Des Nils, ſüdlich von Theben, mit pradtvollem Horus 
tempel, unter den Kaiſern Biſchofsſitz und Hauptquar— 
tier der Legio IT Trajana; jest Edfuſ. d.). — 2) A. 
parva, am redten Rilufer, unterhalb Theben, arab. | 
Rus, das tm Mittelalter die zweitgrößte Handels: 
jtadt Aquptens war. 

Apollo (Alpenfalter, Parnassins Apollo L., 
ſ. Tafel »Sdymetterlinge I«, Fig. 14 -16), Tagfalter, 
Rem breit, lebt auf den höhern Gebirgen Europas, 
Aſiens und Nordamerifas. Die 5 em lange Raupe 
beſitzt auf dent erften Halsring einen fleiſchigen Tait 
faden und lebt im Mai auf der Fetthenne. Die fegel 
formige Buppe liegt auf dem Boden in einer Schlinge. 
Das befrudhtete Weibchen bejigt am Hinterleib eine 
Art Taſche, die durch Erhärtung ciner vom Männchen 
abgelonderten saben Flüſſigkeit entſteht. 








Der Univerjitit Jena. Bgl. Kronfeld, Ge- 430 v. Chr., der erite, 


Apolima — Apollon. 


Apollo, gried). Gott, ſ. Apollon. , 
Apollodoros, 1) qrieh. Maler aus Athen, um 
Licht und Schatten richtig 
beobachtete und auf feinen Gemalden in Anwendung 
brachte. WIS ſeine Hauptwerfe werden ein Odyijeus 
und ein ſchiffbrüchiger Aias genannt. 

2) Dichter der neuen attijden Komödie, aus Ka— 
ryſtos, lebte in Der erjten Halfte des 3. Jahrh. v. Chr. 
in Uthen, wo er 47 Stiide verfajste (Sammlung der 
Fragmente bei Rod, »Comicorum atticorum - 
menta«-, Bd. 2, Leip;. 1884) und fünfmal den Brews 
gewann. Rad) ihm arbeitete Terenz ſeine Komddien 
»Hecyra« und » Phormio«. 

3) Gried. Grammatifer de3 2. Jahrh. v. Chr., aus 
Uthen, Schüler de3 Grammatifers Ariſtarchos, ver- 
fate zahlreiche Schriften verſchiedenſten Inhalts, fo 
»Chronicas, in iantbijdjen Senaren, eime tnt Alter⸗ 
tum vielgebraudte chronologiſche Weltgeſchichte in 
4 Biidern, von Trojas auf 1184 angefester Seriti- 
rung bis 144 v. Chr. (Fraqmente gefanmelt von Ja 
coby, Berl. 1902); einen fiir die Homerifdhe Geo- 
graphie widtiqen, von Strabon vielbenugten Rom: 
mentar zum Schiffsfatalog der > Slias« in 12 Biichern, 
jeine bedeutendite philologifde Leiſtung; em grokes 
theologijdjes Werf »Uber die Godtter« im 24 Bia- 
cern u. a. (Die Fragqmente in Miillers » nta 
historicorum graecorum<, Bd. 1, Bar. 1841). Fälſch 
lic) zugeſchrieben ijt ihm eit aus dem 1. Jahrb. v. Cor. 
jtammender Abriß der Erdfunde in Senaren. Ebenio 
trãgt wahrſcheinlich fälſchlich ſeinen Namen die fogen. 
»Bibliothek⸗, ein mythologiſches Handbuch, trotz femer 
Lückenhaftigkeit, der jedoch neuerliche Funde weſent 
liche Abhilfe brachten, eine wertvolle Quelle fiir alte 
Mythologie (hrsg. vow Heyne, mit Rommentar, Got- 
tingen 1803, 2 Ude.; Herder, Berl. 1874; mit den 
neuen Ergänzungen von Wagner, Leip;. 1894). 

4) Gried). Urchiteft aus Damastus, lebte in Rom 
ur Seit der Kaiſer Trajan und Hadrian, ijt Erbauer 
des Trajanifden Forums und der darauf befindlichen 
Säule fowie de3 Odeums und andrer Monumente 
jenes Kaiſers, bejonders aud der Briide, die Trajan 
in Dacien fiber Die Donau fdlagen lich, foll unter 
Hadrian verbannt und 129 getdtet worden fein, wer 
er Durd) Tadel des von dem Naifer entworfenen Tem- 
pelS Der Venus und Roma deſſen Zorn erregt hatte, 


war aber nod nad 129 in Rom tatig. Wis Schrift. 


jteller lieferte Yl. ein an Hadrian geridtetes Wert tiber 
rig acre betitelt: »Poliorceticas, abgedrudt 
in Wefders » Poliorcétique des Grees« (Bar. 1867). 
Apollo Granuns, j. Quellentultus. 
Apollofraut, ſ. Hyoscyamus. 

Apollon (lat. Mpollo), in der griech. Mythologie 
Sohn des Zeus und der Leto, die ibn nebjt femer 


Zwillingeſchweſter Artemis nad) der verbreitetiten 


Sage auf der Inſel Delos qebar. Seinen: urjpriing: 
lichen Weſen nad erſcheint A. als cin Gott des Lichtes 
in feiner beilfamen wie verderblichen Wirkung; jum 


eigentlichen Sonnengott an Stelle des Helios iſt er 


erſt im Laufe der Zeit qeworden. Als den »Lichten«, 
»Leudtenden « ne ihn fein Beiname BH S604, 
zugleich als den »Reinens, »Heiligen« ; denn als Gott 
des reinen Lidtes ift er Feind aller Finſternis und 
alles ihr verwandten Linreinen, Unbolden und Frevel 
haften. Als Gott des Lidhted war er aud) Ordner der 
Seiten, und fo waren ihm alle Neu- und Bollmonds- 
tage fowie der 7. und 20. Tag * Monats heilig. 
Nach der an manchen ſeiner ſtätten berrjden- 
den Anſchauung zog er im Winter nach Lykien oder 
Uthiopien oder su den im fernſten Norden in ewigem 


Apollon (griechiſche Mythologie). 


Lichte wohnenden Hyperboreern, um im Frithling pu 
rüctzulehren und mut feinen Strahlen die Macht des 
Winters zu brechen. Wenn der Mythus erzählt, er 
habe gleid) nach feiner Geburt mit den erjten Pfeilen 
jeines Bogens den Draden Python (ſ. d.) erleqt, fo 
bedeutet died Den Sieg des Frühlingsgottes über den 
Winter. Als Lichtgott hatte er im Friipling, Sommer 
und Herbſt feine Fe jte, von denen manche feine natiir- 
liche Bedeutung in einzelnen Biigen nod flar erfennen 
lajjen. So bezog fid) das ihm tm April in Athen ge 
feierte Felt ber Del phinien auf die nad den Winter- 
ftiirmen cintretende Beruhigung des Meeres und die 
Damit verbundene Wiedererdffnung der Sehiffabrt. 
Die im folgenden Monat in Athen und anderwärts 
Qefeierten Thargelien (jf. d.) galten dem Sommer⸗ 

otte, Dem man fiir das Reifen der Feldfrüchte deren 

rftlinge, gugleid) aber auc) Siihnopfer darbradte, 
um Die verderblide Hike abzuwenden. Gleiche Be- 
deutung batten die Delien auf Delos. Bur Beit des 
höchſten Sonnenjtandes, im Juli bis Auguſt, wo der 
Gott feine teils wohltätige, teils erberblidhe Macht 


ausübt, wurden ibm in Sparta die Hyakinthien 
Die Erjtlinge des Herbjtes bradjte man nahme in die biirgerlide und religiöſe Gemeinjdaft. 


begangen. 


621 


verehrt. Als Unbeilabwebhrer (Alexikakos) im wei- 
tejter Sinn erweiſt A. feine Macht gang befonders 
bei Kranfheiten; denn wie er in der heißen ‘eit Seuchen 
ſendet und mit ſeinen Pfeilen die Menſchen ſchnell da— 
hinrafft, ſo vermag er auch wirkſamſte Hilfe zu ver— 
leihen und wurde daher neben ſeinem Sohn Asklepios 
als vornehmſter Heilgott verehrt. Insbeſondere als 
Erretter von Seuchen, aber auch von andern Nöten 
ſang man ibm gu Ehren den Päan (f.d.) Auch in 

eijtiger Beziehung ijt A. ein Erretter voin Verderben. 
Schon friih hat fic) ſeine urſprüngliche phyſiſche Be 
deutung überwiegend nad) der ethiſchen Seite ent- 
widelt, fo Da er, der reine Lichtgott, sum Golt 
geijtiger und jittlidjer Reinheit und fomit der Ord- 
nung, des Rechts und der Gejegmapigkeit geworden 
ijt. Als ſolcher ftraft er unnachſichtlich den itber- 
miltigen Frevler, aber gewährt aud) dem Sdjuld- 
beladenen, der ſich als Buͤßender und Schutzflehender 
an ihn wendet, Reinigung von der Beflecung des 
Verbrechens, die als die Klarheit des Geijtes tritbende, 
das Gemiit zerrüttende Rranfheit angejehen wurde, 
und damit Heilung der Seele fowie die Wiederauf— 


ibm an den Byanepfien dar. Wie WU. den Friichten | W. felbft hatte dazu das Vorbild gegeben, indem er 


Gedeiben und Schutz verleiht, und nicht bloß gegen 


das den Saaten feindlide Ungeziefer, wie Feldmäuſe 
und Heuſchrecken, fo ijt er au Beidhiiger der Herden 
und Weiden und wurde unter manderlei Namen (3. B. 
Karneios, f. Rarneen), die auf Viehzucht deuten, 
verehrt. In der Gage vom Rinderdiebjtahl des Her- 
mes erfdeint er felbjt alg Beſitzer ciner Herde, die er 
dem Bruder gegen die von ihm erfundene Leier ab- 
tritt; andre alte Sagen lajjen ihn die Herden des 
Laomedon und Udmetos hüten, was ſpäter als Folge 
einer Verſchuldung aufgefaßt wurde, und als Hirten- 
—— ijt er Der Liebhaber der Nymphen, wie Daphne, 

oronis und Kyrene, der Mutter des Ariſtäos, qleid- 
fall8 eines Herdengottes. Wie feine Schweſter Arte— 
mis ijt er aud) Bejdhiiger des zarten Wildes und Er- 
leger der reifjenden Tiere, beſonders des Wolfes, des 
Herdenfeindes, der ſelbſt Symbol feiner Unbeil bald 
fendenden, bald abwebrenden Wadt war. Auch das 
Wedeihen der Menſchen befirdert UW. Er wurde bei 
—— angerufen, und als Pfleger der männlichen 
Jugend weihte ihm dieſe die erſte Schur des Haupt- 
haares. In den Gymnafien und Kalajtren wurde er 
neben Hermes und Herafles verehrt, da er Ausdauer 
im Fauſtlampf, Gewandtheit und Schnellfüßigkeit 


verlieh. WLS kriegeriſchem und im Kampfe bilfreidem | 


Gott zollten ihm die Spartaner bejondere Verehrung, 
und Ddiefem galt aud) das in Athen gefeierte Feit der 
Boedromien. Cin andres athenijdes Fejt, die Me - 
tageitnien, verherrlidte U. als den Stifter nach— 
barlider Vereiniqung. Auch war er der Gott, unter 
deſſen Schutz Kolonien ausgejendet und neue Städte 
—— wurden. An vielen Orten, beſonders in 

then, wurde er als Agyieus verehrt, d. h. als Gott 
der Straßen und Wege, deſſen Symbol, eine fegel- 
artig zugeſpitzte Säule, vor den Häuſern aufgeftellt 
war, um Wusgang und Cingang zu bewahren, Gutes 
cingulaffen und Boͤſes abzuwehren, und von den Haus- 
bewohnern mit Ehrengaben reichlich bedacht wurde. 
Wie zu Lande ijt W. auch zur See Veleiter und Be- 
idiiger befonders unter dem Namen Delphinios, 
den er nach dem ihm befreundeten Delphin, dem Sym⸗ 
bol des ſchiffbaren Meeres, fiihrte. Jn diejer Eigen— 
ſchaft wurde er vielfach in Häfen und auf Vorgebirgen, 


wie auf dem von Aktion, befonders aud in then, | 





| nad) Dem delphiſchen Dradjenmord 7 Jahre que Siih 
die fommerlicde Glut, aud gegen Meltau, Rojt und | mung feiner Blutfduld Knechtsdienſte bei 


Dinetos 
gaan unt fic) nad) Ublauf der Bußzeit reiniqen gu 
afjen und dann erft in Delphi fein Brophetenamt 
anjutreten. So verlangte er aud) Unerfennung der 
Mordfiihne geqeniiber dem alten Geſetz der nur neuen 
Mord und neue Sdhuld erjeugenden Blutrade. Dic 
durd) den Wpollonfultus namentlid) von Delphi aus 
verbreiteten Sühnegebräuche trugen zur Verbreitung 
milderer Rechtsſitten außerordentlich bei. Als alles 
Dunfel durdhdringender Lichtgott ijt A. ferner der 
Gott ber Weisſagung, die bet ihm durdaus ethiſche 
Bedeutung hat, mdem er als Prophet den Willen 
jeines Baters Zeus verfiindet und damit dejjen Ord: 
nung in der Welt verbreiten hilft. Er ijt Vorſteher 
jeder Yrt von Weisſagung, befonders aber derjenigen, 
Die er durch menſchliche Werkzeuge, vornehmlid 
Frauen, in efftatifdem Zuſtand erteilen läßt. Groj 
war die Zahl feiner Orafeljtitten; alle überſtrahlte 
aber an Ynjehen und Bedeutung die in Delphi. Er 
hebend und beqeijternd auf das menſchliche Gemiit 
wirtt A. aud) als Gott der Muſik, die ihm vorgugs- 
weife eigen ijt. Bei Homer erfdeint er nur als Zither- 
ſpieler, während der Gefang den Muſen zukommt; 
im Laufe der Zeit aber wurde er neben den Muſen 
auch zum Gotte des Geſanges und der Dichtkunſt und 
damit gum Muſagetes (»Muſenführer«) ſowie zum 
Meiſter des Reigentanzes, der ſich mit Muſik und 
Geſang verbindet. Wie mit den Muſen, ſo ſteht er 
als Freund alles deſſen, was das Leben verſchönt, auch 
mit den Chariten (Grazien) in engſter Verbindung. 

Bei dieſen vielfachen Beziehungen zum Natur⸗ und 
Menſchenleben nahm A. im Kult zu allen Zeiten eine 
hervorragende Stellung ein; ſchon bei Homer wird 
er mit Zeus und Athene in der Weiſe zuſammen— 
geſtellt, daß die drei Gottheiten faſt den Inbegriff 
aller göttlichen Macht bezeichnen. Seine Verehrung 
erſtrectte ſich gleichmäßig über Die ganze Griechenwelt. 
Die beiden Mittelpunkte ſeines Kults waren Delos, 
ſeine Geburtsſtätte, wo bei ſeinem prächtigen Tempel 
alle 5 Jahre die von den griechiſchen Staaten durch 
feierliche Geſandtſchaften beſchickten Feſtſpiele der De— 
lien gehalten wurden, und Delphi mit ſeinem Oralel 
und feinen mannigfachen Feſten. Unter ſeinen Kultus— 
ſtätten in Aſien war die bedeutendſte Patara in Lykien. 


622 


Den Rdmern wurde U. unter dem legten König, 
Tarquinius Guperbus, durd) die Erwerbung der Si— 
byllinifden Bilder (f. d.) befannt. Durd) deren Ein⸗ 
fluf bitrgerte fid) fein Mult bald fo ein, daß ihm als 
Heilgott (medicus) 431 v. Chr. ein Tempel erridjtet 
** von dem die Prozeſſionen bei den Suppli— 
fationen (f. d.) auszugehen pflegten. Bei den ſeit 399 
angeftellten Leftijternien (j. Dd.) nimmt YW. die erjte 
Stelle.cin. Im zweiten Puniſchen Kriege wurden ihm 
infolge eines Orakelſpruchs 212 die Upollinar- 
jpicle cingeridjtet. Bu einem der vornehmſten Gotter 
Roms erhob ihn Auguſtus, der ſich fiir feinen befon- 
dern Schützling Hielt und ihm den Sieg bei Altion gu 
verdanfen glaubte, durch — ag priditigen 
Tempels auf dem Palatin (29 v. Chr.) und Über— 
traqung der Gifu. 
larjpiele (f. d.) auf 
ign und Diana (17 
v. Chr.). 

Der vielſeitigen 
—— des A. 
entſpricht Die Man⸗ 
nigfaltigleit ſeiner 
Symbole. Die ge— 
wöhnlichſten ſind 
thara und Bogen, je 
nachdem man den 
Gott des Geſanges 
oder den ferntreffen⸗ 
den Schützen DdDar- 
ſtellen wollte. Dem 
delphiſchen Weis⸗ 
ſagegott, dem pythi- 
ſchen A., eignet der 
Dreifuß, den man 
ihm aud) vorzugs⸗ 
weiſe als Weihge- 
ſchenk darbradjte. 
Unter ben Pflanzen 
warihm der bei Suͤh⸗ 
nungen gebrauchte 
Lorbeer heilig, der 
ſeine Tempel umgab, 
und die Valme, da 
er unter einer Balme 
qeboren war; unter 
den Tieren bejonders 
der Wolf, das Reb, 
der Delphin, der Schwan, mit Beziehung auf Weis- 
faqung der Habidt, der Rabe, der Geier, die Krähe, 
die Schlange. Wud) der Greif ijt ein Symbol von 
ibm. Bgl. Shinborn, Uber das Wefen Upollons 
und die Berbreitung feines Dienjtes (Berl. 1854); 
Roſcher, Studien sur vergleichenden Mythologie der 
Gricden und Römer, Heft 1 (Leip;. 1873); Sten- 
qel in den -Jahrbüchern für klaſſiſche Philologie«, 
1i884.S. 351ff. Milchhöfer, Der attifdhe U. Dein. 
den 1873); Heder, De Apollinis apud Romanos 
cultu (Leip;. 1879). 

A. war cin Lieblingsgegenſtand der bildenden Kunſt. 
Während fie ihn Doe Wheibiag kräftiger und reifer 
auffafte, kommt die jugendliche Bildung in der Bliite- 
9 jut ausſchließlicher © —* Hervorragenden Ein⸗ 
fluß auf die Geſtaltung des Up 
4. Jabrh. Prartteles und Stopas. Der U. Gauro- 
[tn 08(>Cidedhfentiter«) ded erjtern, ein Er; wert, ijt 
in mehreren Kopien in Marmor und Bronye erhalten, 
die ihn als fnabenhaften nadten Yingling mit weiden 
Hligen zeigen (j. Tafel »Bildhauerfunft iit, Fig. 6). 





Apollon mit Leier und Greif 
(Nom, Rapitolinifdes Mufeum). 


Ollonideals iibten im | 


| 





Apollonia — Apollonios. 


Den A. Muſagetes des Sfopas ſtellte Auguſtus als 
RKultbild in dem palatinifden Tempel (ſ. oben) auf; 
auf ihn führt man die Statue des Batifans juriid, die 
den begeijterten Gott in langem Sitharddengewand 
und nut fait weiblider Formenfiille darjtellt. Wis 
fieghaften Gott zeigt ibn der U. von Belvedere im 
Batifan gu Rom, eins der bewundertiten Kunſtwerte 
(jf. Tafel ⸗Bildhauerkunſt V«, Big. 8), Die Ropie eines 
altern Driginals, dem der fogen. Steinhãuſerſche Upot- 
lonfopf in Bafel näher ſteht. Jn welder Tätigkeit 
er dDargejtellt war, ob in der ausgejtredten Linfen den 
Bogen oder die Agis haltend, wie man auf Grund 
des fogen. Upollon-Stroganow in Petersburg, emer 
in neuerer Zeit als uncdt erflirten Bronjejtatuette, 
vermutet hat, ijt ftreitig (vgl. U. Feuerbach, Der vati- 
fanifde Ypollo, 2. Aufl. Stuttg. 1855; Stephant, 
U. Boedromios, Petersb. 1860; O. UW. Hoffmann, 
Herm⸗ Apollo Stroganoff, Marb. 1889 u.a.). Ruhig 
träumeriſch zeigt thn der fogen. Apollino in Flo— 
renz. Den fraftigern ältern Typus des A. mit Leier 
und Greifen, den rechten Urm auf das Haupt legend 
(Motiv des fogen. A. Lyfeios) gibt cine Statue des 
fapitolinifden feums (j. Ubbildung). In nmythi- 
ſchen Szenen fommt YW. befonders häufig als Rertei- 
diger ſeines delphifden, von Herafles entyithrten Drer- 
fubes, als Schützer feiner Mutter Leto gegen Tityos, 
als Beswinger des Draden Python (vgl. Sdrei- 
ber, A. Eythoftonos, Leipz. 1879) und als Beſieger 
des Marjyas (ſ. d.) vor. Bal. Overbed, Griechiſche 
Sunjtmythologie, 3. Bd., 5. Bud (Leip;. 1887— 89). 
Apollonia, Name von 18 Staidten des Uitertums. 
Wichtig waren: 1) A. in Ailyrien, ndrdlich vom Aoos 
(Biofa), unfern de3 Udriatijden Meeres, cine forin- 
thiid)-ferfyriiifde Kolonie, die durch Handel zur Bliite 
gelangte. In der Geſchichte wird fie nur im Sriege 
zwiſchen Cajar und Pompejus genannt. Gegen Ende 
der römiſchen Republit war fie Hauptfig griechiſcher 
Wiſſenſchaft, wo vornehme junge Romer jtudierten. 
Ruinen bem Mlojter Pollina, wejtlid) von Berat. —- 
2) U. in Thrafien, an der Weijtfiijte des Pontus, Ro- 
lonie Der Milefier, mit zwei Seehafen und beriibmtem 
Tempel de3 Upollon, dejjen koloſſale Bildſäule M. Lu- 
cullus nad) dem rimifden Napitol bradte. Spater 
und heute wieder Sozopolis. — 3) A. in Valãſtina. 
am Wittelmeer, zwiſchen Cafarea und Joppe, ſpielte 
zur Beit der Kreuzzüge cine Rolle; jest Ruinen Ar— 
juf. — 4) A. in Ryrenaifa, Hafenort von Kyrene, in 
drijtlider Zeit Sozuſa, jest Marfa Suzaz Ge 
burtsjtadt des Geographen Cratofthenes. 
Apollonia, Märtyrerin unter Decius 249 in 
Ulerandria, wird als Heilige und Helferin bei Zabn- 
ſchmerzen angerufen. Gedidtnistag 9. Februar. Der 
Name bezeichnet bei Mlopjtod und andern nenern 
Didtern aud) cine muſenähnliche Frauengejtalt, die 
al8 Repriifentantin der Poeſie gedacht wird. 
Apollonios, 1) WU. der Rhodier, griech. Epiter 


und Grammatifer aus Ulerandria, geb. um 290 v.Chr,, 


Schiller des Kallimachos, mit dem er fich verfeindete, 
al8 er cin umfängliches Epos, die » Argonauticas (tm 
vier Vüchern), im Sinne Homers yu dichten unter 
nahin. UW. ging nad) Rhodos, wo er als Lehrer der 
Grammatik große Unerfennimg und das Biirgerredht 

ewann; bier qab er der Didjtung die uns erhaltene 
ore, Sein Epos zeugt von mehr Berjtand, Fleth 
und Gelebriamteit als Dict eijt, ward aber bei dex 
Romern viel gelefen und aud von Varro Atacinus 
und Balerius Flaccus nadgeahmt. Bon der Beach 
tung der alten Gelehrten zeugt eine wertvolle Scholien: 
fammlung. Widtigite Ausgabe von Merkel (nebſt den 


Apollonius von Tyrus — Apollos. 623 


Scholien von Keil, Leips. 1854). Uberjepung yon| 7) A. Dyskölos (der »Miirrijdjer), griech Gram- 
Djiander (Stuttg. 1838). matifer aus Alexandria, lehrte in der erjten Hälfte des 
2) U. von Le in Pamphylien, Mathematifer, | 2. Jabrh. n. Chr. zumeiſt in feiner Vaterjtadt. Er 
um 250— 190 v. Chr., empfing in Werandria feine | hat d ſyſtematiſche Gliederung die wiſſenſchaftliche 
mathematijde Bildung und lebte teils dort, teils in | Grammatik begriindet und die griechiſche Syntax ge: 
Pergamon und Epheſos. Ex ſchlug guerft die Epi- | ſchaffen. Auf ihm und feinem Sohn Herodian beruht 
yleln gur Erflirung des Planetenlaufes vor. Bon | die gefamte techniſch-granimatiſche Wiſſenſchaft der 
twerf, den »>Clementen der Kegelſchnitte«, Folgezeit; fein Syſtem hat insbef. Priscian jeinen In- 
in dem A. nicht mur alle bis zu feiner Zeit gefundenen | stitutiones gu Grunde gelegt. Bon jeinen Werfen 
Siipe tiber die Kegelſchnitte zuſammengeſtellt, fondern find nur erhalten drei kleinere Schriften iiber Brono- 
aud) die Theorie diefer Kurven mit zahlreichen wert⸗ men, Wdverbien und Konjunttionen (Hrsg. von Schnei⸗ 
vollen Entdecungen bereidert hat, jind mur die vier | der, »Gramm. graeci«, Bd. 1, Leip;. 1878-—-1902) 
erjien Bücher in griedhijder Sprade mit dem Kom: | und die Syntar der Redeteile in 4 Biidhern (hrsq. von 
mentar des Eutofios, die drei folgenden aber in ara- | Beffer, Berl. 1817; itberjest von Buttmann, daj.1878). 
biſcher Überſetzung erhalten; das adhte feblt gang und Apollonius von Tyrus, der Held eines lateini- 
ijt von Halley nad) den bei Pappos erhaltenen Lehr- ſchen Romans, der, vermutlich im 3. Jahrh. n. Chr. 
fagen new gejdjricben worden (hrsg. von Halley, Oxf. | im Stil des griechiſchen Whenteucrromans verfaft, im 
1710, und Heiberg, Leipz. 1890 — 93, 2 Bde.; Uber- | Mittelalter viel gelefen und iiberfest wurde. A. be: 
jesung von Balſam, Berl. 1861). Außer diejem Werke ſteht auf ber flusht vor den Nachſtellungen des Königs 
jind nod) »8wei Bilder vom Verhältnisſchnitt- im | Untiodus von Untiodien, deſſen verbrecherifdes Ver: 
arabifder Überſetzung erhalten (deutſch von Richter, | haltnis zur eignen Todjter er entdedt hat, mandyerlei 
Elbing 1836). Bgl. Zeuthen, Die Lehre von den Schichſale, bis er fic) die Hand einer Königstochter er- 
Kegelſchnitten int Altertum (RKopenh. 1886). wirbt und nad Anliochus' Tode sum König gewählt 
3) U. aus Tralles in Rarien, gried. Bildhauer | wird. Auf der Fahrt nad) Untiodien wird er von 
im 2. Jahrh. v. Chr., mit feinem Bruder Taurisfos | feiner Gattin, der die Geburt einer Todter ſcheinbar 
Schipfer der unter dem Namen des Farnefijden Stiers | das Leben gefojtet hat, getrennt ; ſpäter verliert er aud 
(j. Farneſiſche Kunſtwerle) befannten Marmorgruppe | die Todjter, die von Seeräubern an einen Kuppler 
im Rationalmujeum ju Neapel. verfauft wird, aber fie bewahrt ihre Reufdbeit und 
4) Sohn des Neftor, der Künſtler des Heraflestorjo | wird ſchließlich ebenfo wie dic totgeglaubte Mutter mit 
im Belvedere des Vatikans (ſ. Herafles), ein Zeit- UW. glücklich wieder vereint. Die lateinijde Driginal- 
genofje des Pompejus und Cajar. fajjung, die in den Handſchriften vielfad) veraindert 
5) UW. von Rittum, gried). Arzt de} 1. Jahrb. | und um 1470 gum erjtenmal gedrudt wurde, ift 1893 
v. Chr., Anhänger der empiriſchen Schule, verfafte | von Riefe tritibeh herausgegeben, 1836 von Biilow in 
fiir König Ptolemius von Cypern (get. 58 v. Chr.) feimem »Novellenbud)«, Bd. 4, iiberfest worden. Cin 
einen Kommentar gu der Schrift des Hippotrates fiber | Auszug aus ihr ging in die »Gesta Romanorum« 
die Gelenfe mit Ubbildungen, welche die Behandlungs: | (f. d.), cine poetifde Bearbeitung in Das » Pantheon« 
ntethoden bei den verfdhiedenen BVerrenfungen veran: | de3 Gottfried von Viterbo über. Auf diejen drei la— 
ſchaulichen. Die Schrift (hrsg. von H. Schone, Leip3. teiniſchen Verſionen fußen die verfdiedenen Bearbei— 
1896, mit 31 Lichtdructen) ijt wertvoll fiir Die Rents | tungen in den Landesſprachen: Bruchſtücke einer an- 
ni8 der antifen Chirurgie. eljadjifden Brofa aus dem 11. Jahrh. (hrsq. von 
6) A. von Tyana (in Kappadofien), neupythago: | Thorpe, Lond. 1834), eine fpanifde Romanje aus dem 
reifcher Philofoph, Theurg umd Magier, der, ungefahr | 13. Jabrh. (in Sanchez' »Colleccion de poesias ca- 
qgleichalterig mit Chrijtus, durch femme Reifen, Yben- | stellanas<, Bar. 1842), mebhrere franzöſiſche und ita- 
teuer, Prophejeiungen, jogen. Wunder, großes Auf- | lienijde Faſſungen in Vers und Proſa, ebenſo ver: 
feben bei feinen Zeilgenoſſen erregt ju haben ſcheint ſchiedene englifdhe, unter ihnen aus dem 14. Jahrh. 
und ungefähr 100jährig in Epheſos jtarb. Bon dem | eine Nachdichtung Gowers in der »Confessio aman- 
höchſten Gott hatte er eine gereinigte Borjtellung: | tis«, die dann fpdter in dem Shakeſpeare zugeſchrie— 
ifm follen feine Opfer gebracht, er Pott nicht einmal benen Drama » Perifles«< benutzt wurde. Yn Deutſch— 
mit Worten genannt, vielmehr nur mit dem Verjtand | land geftaltete den Stoff im Anfang des 14. Jahrb. der 
erfaßt werden. Tempel, Altäre und Bildſäulen wurden Wiener Arzt Heinrich von Neujtadt gu einem weitlau- 
dem YW. in vielen Städten, befonders Rleinafiens und | figen Ritterepos aus, indem er feine Umdichtung der 
Griecdhenlands, erridtet fowie Münzen auf fein nod) den | lateinijden Proſa mit fret erfundenen Einlagen ver- 
Kaifern Caracalla, Aurelian und Alexander Severus | jah (im Auszug Hrsg. von Strobl, Wien 1875). Cine 
Heiliges Undenfen gefdlagen. Geqner des Chrijten- | vortreffliche mitteldeutſche Proſaüberſetzung aus dem 
tums in alter und neuer Beit jtellten ibn neben Chri- | 15. Jahrb. (hrsg. von Schröder in den > Mitteilungen 
ſtus oder fogar iiber ihm, fo Hierofles unter Diofle: | der deutfden Gefellfdaft«, Bd. 5, Leipz. 1872) fand 
tian, Voltaire, Wieland u.a. Cine ausführliche, ro- | nicht die Verbreitumg wie Heinrid) Steinhöwels Be- 
manhaft tendenziöſe, hiſtoriſch wertlofe Biograpbie | arbeitung, die fic) gugleid) Den »Gesta Romanorum« 
ded A. befigen wir nod von Flavius Philojtratos (f.d.), | und Gottfried von Viterbo anſchließt und, 1461 ver: 
der jie ps Veranlaſſung der Julia Domna, Gemah: faßt, feit 1471 mehrfad) gedrudt wurde, zuletzt von 
lin des Septimius Severus, in acht Biidern nieder- | Schrider a. a. O. Aus emer niederlindijden Uber- 
ſchrieb. Die Schriften des UW. find verloren bid auf | tragung der »Gesta Romanorum« jftanunt das nie 
85 Briefe, die, wahrſcheinlich unedyt, mit jener Qebend- derländiſche Vollsbuch: »Van A. van Thyro« (zuerſt 
beſchreibung in den Unsqaben der Werke de3 Philojtra- | Delft 1493), das von Penon im feinen »Bydragen 
tos von Wejtermann (Par. 1849) und Kayſer (Bd. 1,| tot de Geschiedenis der nederlandsche Letter- 
Leipz. 1870) abgedrudt worden find. Bal. Baur, | kunde« (Groning. 1881) neu — ijt. Bal. 
A. von Thana und Chrijtus (Titbing. 1832); Jeffen, | E. Klebs, Die Erzählung von A. v. T. (Berl. 1899). 
U. von Tyana undjein Biograph Rouloftratus(Hamb.' Wpollos, Mitarbeiter des Apoſtels Paulus in 
1885); Göttſching, A. von Tyana (Berl. 1889). | Cphejos und Rorinth, cin fdrifigelehrter Judenchriſt 








624 


Apolog — UApomefometer. 


aus Wierandria, von vielen fiir Den Berfajjer ded Teylerſches Inſtitut in Haarlem 1786). In Deuticd- 


Hebräerbriefes gehalten, der im Geijte alerandrini- 
ſcher Religionsphilofophie das Chrijtentum gu be— 
gründen fudt. 

Apolõg (qriedh.), cine ſinnreiche erdidtete Erzäh— 
lung, Warden; dann foviel wie Fabel, beſonders 
moraliſchen Inhalts, aud) mit deutlich ausgeſproche— 
ner Lehre am Schluß. 

Apologẽtik, |. Upologic. 

Apologie (gried) Rede oder Schrift sur » Vertei- 
digung · eines Ungeflagten oder ſonſtwie Bejduldig- 
ten. Upologeten heifen in der chriſtlichen Literatur: 


geidichte die Manner, welche fic) die Verteidigung 
des Chrijftentums und die Widerlegung der von den 


Nichtchriſten gegen dasſelbe gerichteten Unflagen zur 


Aufgabe machten. Unter den Apologeten der erſten 


Jahrhunderte ragen hervor Ariſtides, Juſtin der 
Märtyrer, Tatian, Athenagoras, Theophilus von An— 
tiochien, Minucius Felix, Tertullian, Origenes (gegen 
Celſus), Arnobius, Lactantius und Euſebius von Cä— 
ſarea. Gerade bei den gebildetſten Apologeten tritt 
eine erhebliche Trübung der religiöſen und ethiſchen 
Grundgedanfen des Chriſtentums ju Tage infolge des 
Einfluſſes der griechiſchen Metaphyſik und Ethif, die 
den neutralen Boden zwiſchen ibnen und ihren Geg- 
nern abgeben mu. Nachdem das Chrijtentum Staats- 
religion geworden war, fonnten YWpologeten wie Au— 
guſtin den Verfall des Heidentums als göttliches Ge- 
richt Darftellen. Gegen die Juden fdrieb nod) 822 
Ugobard von Lyon, gegen Juden und Uraber Rai- 


mund Martini in Spanien 1278 feinen » Dold) des | 


Glaubens«. Wis das Lehrgebäude der Kirche ſich feit 
gejtellt hatte und im Innern von der Scholajtit aus- 
gebaut wurde, madte fic) vorwiegend das Bediirfnis 
qeltendD, Die von Der Autorität Der Kirche als iiber- 
nattirlid) geoffenbart fanftionierten Wahrheiten aud 
vor ber Vernunft und der Philoſophie gu rechtfertigen, 


land riefen bejonders die Wolfenbiitteler Fraqmente 
eine Menge von Gegenfdriften hervor. Da alle dieſe 
Angriffe ſich ebenfowoh! gegen die chrijtliche Ethil wie 
gegen die Dogmatif wandten, fo ſuchten die Upoto- 
qeten nun oft in mehr rationalijtijdher Weiſe die ewige 
Weltung und Vernunftgemäßheit des moraliſchen In 

halts der Bibel fowie die Ubereinſtimmung der drijt- 
lichen Ethif mit Dem Gewijjen und der allgemeinen 
Humanitdtsidee nachzuweiſen. Oder man fuchte fuper- 
naturalijtiid Das tiberverniinftige des Chriſtenums 
zu retten Durd) Erweiſung der Notwendigfeit der Oj⸗ 
fenbarung, der Wunder und Weisſagungen. Bom 
Standpuntt eines Ajthetifierenden, romantifden Ma 

tholizismus verteidigte Chateaubriand (j. Dd.) den 
»Benius de3 Chrijtentums« (1802). Nach der allge- 
meinen Wiedererwedung ded religidjen Lebens un 2. 
und 8. Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts, und mad- 
dem um 1830 ſcheinbar cine völlige Verſöhnung zwi 

ſchen dem Chriſtentum und der Philoſophie eingetre- 
ten war, haben fich um fo bedroblider die entſchieden 
materialijtijchen und pofitivijtiiden Richtungen unjrer 
Tage entwidelt, Denen gegentiber jede A. zuerſt be 
Grimdvorausfegungen des Chriftentums, die Begrijfe 
Wott, Religion und Dfienbaning, ju fichern bat. Bre 
nun aber bas apologetiſche Material zu benutzen ſei. 
um tetls Die Wahrheit der Religion an fic, teils m- 
ſonderheit das Chrijtentinn als die vollfommene Re- 
ligion ju erweijen, Das zu lehren, ijt die Aufgabe der 
Apologetik, d.h. derjenigen theologiiden Dwyiplin, 
weldye Die Grundfage fiir Die Berteidiqung von Re- 
ligion umd Chrijtentum aufitellt. Den Namen führte 
Bland (»>Cimleitung in die theologiiden Wiſſenſchaf⸗ 
| tene, Bd. 1, Gdtting. 1794) in die Wiſſenſchaft ein. Ber- 
wandt ijt Die Mpologetif mit der ole mif und Irenit 
(f. d.). Bgl. Delitzſch, Syſtem der chrijtlichen Apo 

logetil (Leipz. 1869); Lutbardt, Apologetiſche Vor⸗ 





fo beſonders in den Unterſuchungen Abälards, des | trage (14. Aufl., daſ. 1897); Steinmeher, Apolo— 
Thomas von Aquino u. a. iiber das Verhältnis von getiſche Beitrage (Berl. 1866 —73, 4 Te.); Baum: 
Glauben und Wijjen, Vernunft und Oifenbarung. jtarl, Chriſtliche Upologetif auf anthropologiſcher 
Gegen Ende des Mittelalters fuchte Marſilius Ficinus, Grundlage (Frankf. 1872 —89, 3 Bde.); Ebrard, 
um den tiefen Rif zwiſchen der humanijtifden und der | Upologetif (2. YUufl., Gütersl. 1878 —80, 2 Bae.); 
firdlich - chriftliden Weltanſchauung ju verfleben, in | Kaftan, Die Wahrheit der chriſtlichen Religion (Bas. 
der Schrift » De religione christiana et fidei pietates 1888); Steude, Evangelijde Upologetif (Gotba 
die ilbereinjtimnnmg des Platonismus mit dem Chri 1892); vom fatholifden Standpunft: Drey, Die 
jtentum gu erweiſen, und der Humaniſt Vives ſchrieb Upologetif als wiſſenſchaftliche Nachweijung der Gatt- 
»De veritate religionis christianae«. Das Refor- lichkeit des Chriftentums (2. Aufl. Mainz 1844 —47, 
mationsseitalter Dagegen verjdlang im feimen inner: 3 Bde.); Hettinger, A. des Chrijtentums (8. Mull, 
firdlidhen Kämpfen alles apologetiſche Intereſſe; erjt Freiburg 1899-1900, 5 Bde.); Wei, A. des Chore 


das 17. Jahrh. bringt in Hugo Grotins und Rascal 

wieder apologetiſche Schriftiteller. Bald aber begann | 
die aus Dent Chriſtentum hervorgegangene, durch flaj | 
ſiſches Studium befruchtete, dürch die Reformation | 
geförderte Zeitbildung fid) gegen das pofitive Chrijten: | 
tum zu wenden, deſſen Berjtandnis in feiner firdlid 

abgeſchloſſenen, ſcholaſtiſch dogmatifden Form thr | 
immer fdwerer wurde. Deijten und Raturalijten, | 
Enyyflopadijten und Freidenter aller Urt griffen rid: | 
ſichtslos Die chrijtliden Dogmen an und riefen eine 
reiche apologetifde Viteratur bervor, die befonders in 
populiren Sdriften den Einwirkungen jener Geijter 
auf die Denfungsart des Volfes entgegenjuarbeiten 
ſuchte. Bejonders tätig war man in dieler Beziehung 
in England (Lardner u. a.), Wo man aitd) zuerſt das | 
in Holland und Deutſchland nachqeahmte Beijpiel qab, 
Inſtitute su errichten, die Durd) Breije zur Abfaſſung 
apologetiſcher Schriften anregten (Urlspergers Chri- 
ſtentumsgeſellſchaft in Bajel 1780, Geſellſchaft zur 
Verteidiqung der driftliden Religion im Haag 1785, | 





jtentums (3. Aufl., daf. 1894 —98, 5 Bde.). 
Upologie der Augsburgiſchen Ronfeffion, 
ſymboliſches Buch der lutheriſchen Kirche, cine Redht- 
fertigung der Augsburgiſchen Konfeſſion und cme 
Widerlequng der auf faijerliden Befehl —— 
Konfutation derſelben. Verfaßt wurde fie von 
lanchthon nach den Notizen, die ſich die elticen 
Theologen während der BVerlefung der Sonfutation 
qemadt batten. Die A. ward 22. Sept. 1530 dem 


Kaiſer Karl V. überreicht, aber von ihm nidt ange 


nommen. Da die Katholifen wiederholt behawupteten, 
daß Die Augsburgiſche Konfeſſion widerlegt fei, unter- 
nahin Melandthon auf Grund ciner jept erſt erlangten 
Abſchrift der Ronfutation eine gründliche Umarbeitung 
der A., die er ⸗Apologie der Konfeffion« nannte. Sie 
erfdjten tm April 1531 lateiniſch, tm Oftober d. 9. 
deutſch von Juſtus Jonas. Bal. Blitt, Die A. der 
Auguſtana geſchichtlich erflairt (Erlang. 1873). 

Mpomefometer (gricc).), Entfermuings-, Drjtang- 
meſſer. 


Apomorphin — Mpoftel. 


Apomorphin C,,H,,NO, entiteht aus Morphin 
C,,H, NO, durd Erbigen mit Salzſäure auf 150°, 
ijt farblos, löſt fid) ſchwer in Waffer, leicht in Alkohol, 

ther und Chloroform, färbt fic) an der Luft unter 
Sauerjtoffaufnahme {dell grün und löſt fic) Dann 
nur nod) teilweife. Salzſaures U. C,,H,,NO,HC! ift 
frijtallifierbar, in Waffer und Ulfohol leicht löslich. 
A. bewirkt in höchſt geringen Dofen, befonders bei 
Einſpritzung unter die Haut, fehr ſchnelles Erbrechen. 


Selbjt langere Berührung de3 Apomorphins mit den 
Händen bringt diefe Wirfung hervor. Man benugt 
es daber als mittel 


—— bei Vergiftungen) 
und zur Beförderung des Auswurfs. Bei ſchwachen 
Perſonen lann A. Kollaps durch Lähmung der Ner— 
venzentren und des He herbeifiihren. 

UAponeurodfe (griech.), Sehnenhaut eines Mustels 
(f. Gebne). 

Aponogéton Thunb., einzige Gattung der Upo- 
nogetonajeen, Wafjerpflangen mit fnolliger, ftirfe- 
meblreider Grundadje, grundſtändigen, langgejtiel- 
ten Blittern mit ſchwimmender oder untergetaudyter 
Spreite und langgeſtielten, von einer Scheide umhüll⸗ 
ten, zylindriſchen oder gabelig gefpaltenen, meift viel- 
Blittigen Biiitenftinden. Etwa 15 Arten in Wfrifa, 
Madagastar, dem tropifden Aſien und Uujftralien. 
A. distachyus L. fil. ({. Taf.⸗Waſſerpflanzen · Fig. 1), 
mit —— er Knolle und großen, oblongen 
Blättern, am Kap der Guten Hoffnung. Bliltenfdafte 
und Knollen werden gegeffen. fultiviert fie ihrer 
Schinheit und des —— der Blüten halber als 
Zierpflanze. A. fenestralis Hook fil. (Ouvirandra fen. 


Pers., Gitterpflange, f. Tafel »Wafjerpflanjen«, 


vig. 4, und Tafel »Blattformen I<, Fig. 15), mit 
untergetaudten Blittern, die zwiſchen den Nerven 
itterartig Durdjlidert find, auf Madagaskar. Die 
—** werden gegeſſen. 
Apopemptikon (gried}.) Gedicht eines Sdheiden- 
den an die Zuriidbleibenden. Bgl. Rropemptifon. 
Apophthéegmen (qrieth.), turje, inhalt3volle Sinn- 
ſprüche, wie die Sprfisne der Sieben Weifen Grieden- 
lands: »Nicht gu viel!«, »Maß halten ijt gut!« 2. 
ee Der gefeiertiten UW. der Alten — 
Plutarch, Manutius, Lyloſthenes u. a. Heraus. YW po- 
phthegmatiſch, kurz, geiſtreich, kräftig fim Wusdrud). 
MApophyllit (Igthyophthalm, Fiſchaugen— 
ftein [ ir ded Perlmutterglanges auf Spaltungs- 
flächen) Ulbin), Mineral der Zeolithgruppe, bejteht 
aus rag aang 7 fiefelfaurem Ralf mit Rali und 
etwas Fluor H,KCa,(Si0,),.4'/2H,O, kriſtalliſiert 
tetragonal, in fdulen- oder tafelformigen, gu Drujen 
oder ſchalenförmigen Uggregaten verbundenen Mri- 
jtallen, ijt farblo8, wei, Piten rofenrot, lantendurch⸗ 
ideinend bis durdjidtig, glasglingend, Harte 4,5—5, 
jpeg. Gew. 2,3——2,4. Er findet ſich in Blafenriumen 
von Eruptivgefteinen bei Auſſig, im Faſſatal, auf Is— 
land, den Faͤrbern, in Ojtindien fowie auf Erggin- 
gen, fo bei Undreasberg, Kongsberg x. 
Apophyfe(Upophy fis, griech.), Ausläufer eines 
Ganges (j. Gang) oder eines Stodes, der oft tief in 
das Rachbargeftem eindringt. Jn der Botanik Ver- 
didung auf den Zapfenſchuppen der Kiefer, Anſchwel⸗ 
tung der Seta unterhalb der Mooslapſel oder -Bildhfe. 
Yn der Unatomie die Enden der Röhrenlnochen. 
Apoplexie (qried).), foviel wie Shlagfluj. U.des 
Weinſtocks, ſ. Weinftodqummofe. 
Apor, alles adeliges Geſchlecht in Siebenbürgen, 
als deſſen angeblicher Ahnherr der ſtreitbare Opour 
ilt. Stefan A. war zur Zeit Upafis I. aes a 
Bon Peter U.(1676—1752), dem gelehrten Surijten 
Meyers Nonv.>Lerifon, 6. Aufl., J. Bd. 


625 


und Obergefpan, ber 1713 baronifiert wurde, rührt 
das befonders fiir die fiebenbiirgifde Kulturgeſchichte 
wichtige Wert »Metamorphosis Transylvaniae« her 
(pr8qg. von G. Kazinczy, Budap. 1863). 

orem (gried). Uporéma), ſchwierige Aufgabe, 
Streitfrage; aporematifd, aweifelhaft. 

Aporti, Ferrante, ital. Ubbate, geb. 20. Nov. 
1791 in Gan Martino dell’ Urgine, gejt. 29. Nov. 
1858 in Turin, wo er feit 1848 als Senator und 
Reltor der Univerſität wirtte. Er zuerſt qriindete in 
Stalien (ſeit 1827) Kleinkinderſchulen (asili d'infanzia) 
nach Fröbelſcher Urt. Seine Schriften haben die Cin- 
richtung des Sffentlidjen Sdhulunterridjts in Dtalien 
nad) mobdernen Grundſätzen angebabnt. 

Psaltis ſ. Apogäum. 

Apoſiopeſis (griech. lat. Reticentia, ⸗Verſchwei⸗ 
gungs), rhetoriſche Figur, wobei man mitten in der 

ede abbricht und dem Hörer die Cra sung überläßt. 
Berühmt ijt die A. in BVergils > Mneidee, 1, 139: »>Quos 
ego!«, entipredjend unferm: »Ich will eud) —e. 

MUpofporic, ſ. Apogamie. 

Apoſt aſie (griech.), oͤffentliche Losſagung von der 
chriſtlichen Kirche. Die Kirche ſtraft die A. mit Ex— 
fommunifation. Sm ſpätern römiſchen Staat und im 
Mittelalter wurde A. aud) ald biirgerlidjes Verbrechen 

traft und feit Bonifacius VIII. der Ketzerei gleich- 
gejtellt. Die UW. war baufig wãhrend der Chrijten- 
——— im römiſchen Reich, dann unter der Herr⸗ 
ſchaft Islam. Das katholiſche Kirchenrecht kennt 
ferner eine A. vom Ordensgelübde, nämlich in dem 
Falle, daß ein Ordensgeiſtlicher ohne Erlaubnis der 
Obern in die Welt zurücktritt, und eine A. vom Stande 
in dem Falle, daß ein Kleriker den geiſtlichen Stand 
aufgibt. Auch dieſe A. wird mit Erfommunifation und 
—— beſtraft. Wpoftdt (griech. apostita), 
ein Abtrünniger. Bgl. die Yirtifel »Wbfall, Konvertit, 
Renegat, Profelyt«. 

MApoftat , ſ. Apoſtaſie. 

Apoftel (qriech., »Gejandte, Sendboten «), im all- 

emeinen im Neuen Teftament alle diejenigen, die 
Irgendwie ausgefendet wurden, um bas Evangelium 
au verkündigen; im engern Ginne die zwölf Singer, 
die Jeſus aus dem groken Kreife feiner Anhänger 
auswählte und ausjandte, um durch ibre Predigt die 
neue Gemeinde gu jtiften. Ihre Namen gibt uns 
das Neue Tejtament in vier fogen. Upojftelfatalogen 
(Matth. 10, 2—4; Marfus 3, 16—19; Lufas 6, 14— 
16; Apoſtelgeſchichte 1, 13); fie eigen: Simon Pe— 
trus, Undreas, Jafobus, Johannes, Philippus, Bar- 
tholomaus, Thomas, Matthius, Jakobus Alphäi 
Sohn, Lebbius, Simon, Judas Iſchariot, an dejjen 
Stelle ſpäter Matthias getreten ijt. Die Ramen ſtim— 
men in den vier Verzeichniſſen nidt völlig überein; 
dod) wird in Der Regel angenommen, daß Vartholo- 
mäus diefelbe Perſon ijt mit Nathanael, Matthäus 
uit Levi, Lebbaus mit Thaddius oder Judas Jalobi 
(d. h. bes Yafobus Sohn). Die erjte Stelle nehmen 
die beiden Briiderpaare cin, Petrus und Undreas 
und die Rebedaiden Jafobus und Johannes. Wn der 
Spige erjdeint in allen Ratalogen Simon Petrus, 
der zuerſt Berufene und ſtändige Wortfiihrer feiner 
Mitapoftel. Mit ihm bilden die beiden Sebedaiden 
den engern Kreis der Vertrauten Jefu, alle zwölf 
aber gleichſam die Mujtergemeinde, die Jeſus heran- 
bildete, einen mit Bezug auf das zwölfſtämmige Is— 
rael abgeſchloſſenen Kreis, in dem die neuen religiöſen 
und fittlicjen Grundſätze fid) verwirflidten und aud 
ber Beſitz für gemeinſam galt, wãhrend Jeſus gu ihnen 
in dem Verhaͤltnis eines Familienvaters ſteht. Erſt 

40 


626 


allmaählich reifte in ihnen, und wieder in Petrus zuerſt, 
der Glaube an die Meffianitat ihres Meijters. Dore 
eigentlidje Wirkfamfcit beginnt erſt mit dem Pfingſt⸗ 
tage, al8 an die Stelle der Niedergeſchlagenheit, in 
die fie Der Tod Jeſu verſetzt hatte, eine volle Glaubens- 
zuverſicht getreten war. Bon den meijten Apoſteln, 
ihrer fernern Wirkfamlcit und ihren Schickſalen ſchweigt 
die bibliſche Erzählung, und die fie betreffenden apo- 
tryphiſchen Überlieferungen haben feinen geſchichtlichen 
Wert. Nach dieſen ſollen die A. die Erde als Miffions- 
gebiet unter ſich verteilt haben, dann zur Miſſions— 
arbeit ausgezogen und faſt ſämtlich als Märtyrer ge- 
ſtorben ſein. Noch bis in die Mitte des 2. Jahrh. 
wurde der Name A. auc) im weitern Sinne von wan- 
dDerndenWlaubensboten iiberhaupt qebraudt, wogegen 
das Upojtolat als Amt oder Würde nicht fortgefiihrt 
wurde; nur als Rechtsnadfolger des Petrus nennt 
der rimifde Stubl fic) apojtolijd. Val. Geufert, 
Der Urfprung und die Bedeutung des Apoſtolats in 
der chrijtlidjen Rirdhe (Leiden 1887). — UW. eines 
Landes wird aud) in fpiterer Zeit der Begriinder 
des chriſtlichen Glaubens in cinem Vande — ſo: 
Avila (A. von Andaluſien), Gregor (A. von Ar— 
menien), Frumentius (A. der Äthiopier), Boni— 
facius (A. der Deutſchen), Auguſtinus (A. der Eng- 
länder), Kilian (A. der Franken), Willibrord 
der Frieſen), Eliot (A. der In dianer), St. Patrick 
(UW. Irlands), Ansgar (A. des Nordens), Adalbert 
von Brag und Bruno (UW. der Preußen), Colum: 
banus ( rep rg, am pd atte 
Cyrillus und Methodius (UW. der Slawen). 

Mpoftel (Apostoli, Literae dimissoriae) nannte 
man früher tm Zivilprozeß die auf die Berufung be- 
züglichen Einfendungsberidte des Unterridters an 

en Oberridhter. 

Apoftelbriider (Upojtelorden, Upoftolifer), 
eine etwa 1260 aus den Spiritualen, d. h. den ftrengen 
Franzislanern (jf. d.) hervorgegangene, der verwelt- 
lichten Ridjtung der Kirche entgegentretende Sette. 
Dor Führer Gerhard Segarelli, etm Gewerbsmann 
aus Parma, durchzog als Bupprediger in der Mlei- 
dung eines Upojtels Italien, bis er 1300 auf dem 
Scheiterhaufen jtarb. Seine Unhinger, durd) die apo- 
falyptifdhen Schwärmereien des mailändiſchen Brie- 
iters Fra Dolcino erhigt, wurden 1307 auf dem 
Monte Febello bei Vercelli belagert und unterdriidt, 
Dolcino felbjt verbrannt. 

Upojtelfefte (Up ojteltage), lirchliche Gedenltage 
eines oder mehrerer Apoſtel, unter Einfluß der Her- 


—— ares Teil ſchon früh entſtanden. Die 


wichtigſten find: die gemeinſamen Tage des 
und Paulus (29. Junt), des Philippus und Jafobus 
(1. Mai), Simon und Judas (28. Olt.); ferner: Pauli 
Belehrung (25. Jan.), Matthias (24. Febr., griech. 
9. Aug.), Bartholomaus (24., qried. 25. Aug.), Mat- 
thius (21. Sept., qried). 16. Nov.), Thomas (21. Dez., 
qried). 6. Oft.), Johannes (27. Dez., griech. 26. Sept.). 
S. aud) die Yirtifel » Wpoftelteiung, Cara Cognatio, 
Erhdhung des Leibes Johannis, Petri Kettenfeier, 
Petri Stublfeiers. Ein von der afrifanifden Kirche 
gefeiertes Feit aller Upoftel fudte 610 Bonifacius IV. 
allgemein einzuführen, doch ging es im Feit Ullerbheili- 
gen (f. d.) unter. Die — ns Kirche hat die Feier 
der A. ganz cingeben laſſen oder auf einen benach— 
barten Sonntag gelegt, und aud in der fatholifden 
Kirche werden die meijten nur nod innerfirdlid) be- 
gangen, im Orient nur von den Minden. 
oftelgeſchichte (Acta oder Actus apostolo- 
rum), dag fiinfte hiſtoriſche Bud) des Neuen Teſta— 


Apoftel — Apoſtelgeſchichte. 


ments, gibt ſich ſelbſt als Fortſetzung des dritten, dem 
Lufas zugeſchriebenen Evangeltums. Jn dem erſten 
Teil des Buches wird die Entitehung der Gemeinden 
in Palijtina und Syrien erzählt, wobei bejonders 
die Perjon de3 Upojtels Petrus hervortritt. Der zweite 
Teil (Nap. 183 — 2s) ſchildert ausſchließlich die Wirt- 
famfeit des Apoſtels Paulus, deffen Belehrung bereits 
im erjten Teil erzählt war, und bridt ab mit ngabe 
feiner zweijährigen Gefangenidaft in Rom. Sebr 
deutlich zeigen ſich ältere Quellen, die Der Verfaſſer 
benutzt und in fein Wert verflochten hat, z. B. 16, 
10—17; 20, 5—15; 21, 1—18; 27, 11—28, 16, wo 
mit »wire erzählt wird (Daher ⸗Wirquelle genannt). 
Jn der erjten Halfte hat die Darjtellung mehr den 
Charafter de3 Wunderbaren und Sagenhafter fejt- 
gehalten als in der zweiten, wo fie namentlic gegen 
Den Schluß als auf ugengengen{dhaft berubende Be: 
ridterftattung erſcheint. Dagegen ijt es febr fchwer, 





Apoftel{cug (Germaniſches Mufeum in Rirnberg. 


wenn nidt unmöglich, swifden den Ungaben ber 
die Wirkjamleit des Paulus, die fic) in den Briefen 
deSfelben finden, und denen der A., namentlid) in 
Bezug auf den fogen. Upojtelfonvent und auf des 
Paulus Verhältnis zu Petrus, eine volle Überein⸗ 
ſtimmung herzuſtellen. Hieran knüpft ſich die verſchie 
dene Beurteilung des Wertes, den die Schrift für die 
Kenntnis des apoſtoliſchen Zeitalters hat. Im Gegen⸗ 
oe gu der ältern — als einer ſtreng geſchicht 
lichen Darſtellung wies die ſogen. Tendenzkritil 
Schneckenburger, Baur, Schwegler, Zeller, Overbed) 
auf den fichtlid) hervortretenden Barallelismus zwi⸗ 
iden Petrus und Paulus, der ſich ebenſo auf die er- 
duldeten Leiden wie auf die wunderbaren Kraftwir- 
fungen und göttlichen Führungen besiehe, und auf dte 
fonjequente Unterdriidung aller Spuren der Kampfe 
hin, die der geſchichtliche Paulus mit den pharifaticdhen 
Judenchriſten zu beftehen hatte. Jedenfalls will der 
Verfaſſer den der chriftlichen Kirche und die Tar 
tigleit Des Upoftels Paulus ſchildern nad der Uuf- 
fajfung des fpatern, katholiſch werdenden Heidenchri⸗ 
jtentums (um den Unfang des 2. Jahrh.), das fiir 
eine ummittelbare Stiftung des Upoftels gelten wollte 
und fein Bewußtſein von einer dagwif enden 
Entwidelung hatte. Val. De Wette, Einleitung in 
die U. (4. Aufl., hrsg. von Overbed, Leip;. 1870); 
Joh. Wei, Uber die Abſicht und den litevarifden 


Apoſtelhäuschen — Apoſtoliſche Konftitutionen. 


Charakter der A. (Götting. 1897); Wendt, Apoſtel⸗ 
geſchichte, in Meyers ⸗Kommentar zum Neuen Teſta⸗ 
ment« (8. Aufl., daſ. 1899). 

Apoftelhausden, ſ. Blende. 
Apoſtelkonvent, Bezeichnung der in der fatholi- 
Geſchichtſchreibung als erjtes Konzil geltenden 
mferen3, welche die Uvapofte! Betrus, Jakobus und 
Xohannes mit den Heidenmiffionaren Paulus und 
Barnabas etwa wm 25 yu Jeruſalem pflogen. Das 
Rejultat derfelben war nach Gal. 2, 1—10 gegenfei- 
tige Unerfernung, Abgrenzung der Miſſionsgebiete 
und Freigebung der ge —— gegenüber den 
Anſprüchen des moſaiſchen Geſetzes, nach Upojtel- 
efchichte 15 überdies nod) ein förmliches Konkor— 
t, Durd) bas die Heidenchrijten (im Widerſpruch mit 


Gal. 2, 10) zur Beobachtung der jüdiſchen Sitte auf | 


vier befonders widtige Bunfte verpflidtet wurden. 

Wpoftelfrug, Decelfruq aus Steingut, deſſen 
Baud) mit Bildern der zwölf Upoftel in aufgelegtem, 
bunt emailliertem Relief verziert ijt. Die Upojtel- 
triige wurden aus dDunfelbrauner Tonmaſſe meiſt in 
Kreußen bei Bayreuth im 16. und 17. Jahrb. verfer- 
tigt (jf. Ubbildung, S. 626). 

Apoſtellehre (Lehre der zwölf Apoſtel, Di- 
Dace), ein wahrſcheinlich in der erjten Hiilfte ded 
2. Jahrh. in Syrien oder in Ägypten entitandener 
griechiſch geſchriebener Leitfaden chrijtlider Sitte und 
chriſtlichen Gemeindelebens, beſtimmt zur Verwertung 
bei dem der Taufe vorangehenden 
Unterricht. Ein erſter Teil bringt 
unter dem ſchon den Juden geléiu- 
figen Bilde der zwei Wege des Le— 
bens und des Todes die Moral— 
vorfdriften, mit denen die Rate- 
chumenen vor der Taufe betannt zu 
machen find, wiihrend der zweite, 
an die Getauften geridtet, von 
den Kultushandlungen (Taufe, 
Faſten, Eudariftie) und von den 
Amtern« in der Gemeinde (Pro⸗ 
pheten, Apoſteln, Lehrern, Biſchö— 
fen und Diafonen) handelt, um 
mit einer Ermahnung unter Hin- 
weis auf die baldige Wiederfunft 
des Herrn abzuſchließen. Dem in 
ciner eingigen Handſchrift überlie— 
ferten Schriften liegen ältere Bor 
lagen 3u Grunde. Ausgaben von 


deutſcher Überſetzung und ausfiibr: 
lidem Kommentar; in abifgen 


beiden Wege⸗ (2. Aufl., daf. 1896) ; 
J. R.Harris (Baltim. 1887), mit 
Falſimile der ganzen Handſchrift. 
Apoſtellöffel, Beſtecke mit 13 
Löffeln, deren Stiele als die Apo— 
ſtel und Maria gebildet ſind; bis 
ins 17. Jahrh. beliebte Patenge— 
ſchenke (ſ. Abbildung). 
Abpoſtelorden, ſ. Apoſtelbrüder. 
Apoſtelteilung, fathol. Gedenktag (15. Juli), 
rvorgerufen durd die Legende, daß Die Apoſtel be- 
ufs Unsbreitung der chriſtlichen Lehre die Erde unter 
fich geteilt bitten; friiber feſtlich beqangen. 
Rpoftem (griech.), Eitergeſchwür, Abſzeß; apo- 
— etn eae 
hren, 3. B. in Nieren nad Blafentatarrh x. 
a posteriori, j. a priori. 





Apoſtellöffel. 


A. Harnack (Leipz. 1684), mit 


Faſſung: > Die A. und die jüdiſchen 





werden von 





627 


Mpoftill (neulat. Up oftil lum), beglaubigte Nach⸗ 
{drift gu einem Dofument, bef. einem Bittgefuch ; dann 
Befderd auf ein Bittgeſuch, bef. wenn er gleich an def- 
fen Rand geſetzt ijt; daber Randbemerfung überha 

Apoftolat (Upoftolatus), ſ. Apoſtoliſches Amt. 

Apoſtoliker, ſ. Apoſtelbrüder. 

Apoſtolikum (Symbolum apostolicum), ſoviel 
wie Apoſtoliſches Glaubensbefenntnis (f. d.). 

oftolifde Briefe, Lehr- und Ermahnungs- 
ſchreiben im Neuen Tejtament, von Apoſteln an drijt- 
lice Gemeinden oder an einzelne Chrijten geridtet. 
Wan teilt fie in die 13 Pauliniſchen, denen als 14. 
der Brief an die Hebréer fich anreiht, und in die 7 fa- 
tholiſchen. Mehrere von Upojteln verfakte Briefe find 
verloren geqangen, 3. B. cin Brief (der erfte) des 
Paulus an die Rorinther (1. Ror. 5, 9) und ein Brief 
deSfelben an die Laodicener (Rol. 4, 15). 

Apoſtoliſche Gemeinde, chriſtl. Gemeinde, deren 
Griinder und Lehrer cin Upojtel war, 3. B. die gu 
Jeruſalem, Untiodia, Ephefus, Rom; im weitern 
Sinne foviel wie apoftolifde Rirdhe. 

ſche Junta, ſ. Apoſtoliſche Bartei. 

Apoſtoliſche Kammer (Camera reverenda apo- 
stolica), früher Die mit ausgedehnten adminiftrativen 
und ridterliden Befugqnifjen ausgejtattete Zentral- 
behirbde fiir die Verwaltung des Vermigens und der 
Einkünfte ber rimifden Kirche, heute, naddem ihre 
BVerwaltungsbefuqniffe auf das italienifde Finanz— 
minijterium übergegangen find, nur nod) eine fiir 
den (vom Papſt for Brieaip aufrecht erhaltenen) Rir- 
chenſtaat beftehende Geridhtsbehirde, alfo faum nod) 
von praftifder Bedeutung. Val. Hinfd@ius, Syftem 
des fatholifchen Rirdenredts, Bd. 1, S. 405 —415 
(Berl. 1869). 

Apoſtoliſche Ranones, 85 angeblid von den 
Upofteln herriihrende, im 5. Jahrh. in Syrien gu 
fammengeftellte kirchliche Vorſchriften in Form von 
Synodalbejtimmungen. Bon 50 diefer Kanones fer- 
tigte Dionyfius Exiguus (j. d.) eine lateinifde, in der 
abendländiſchen Kirche anerfannte Uberjesung an. 
Ausgabe von Lauchert (Freib. u. Leips. 1896). S. 
Apoſtoliſche Nonftitutionen. 

Apoſtoliſche ſtanzlei (Cancelleria apostolica). 
Behörde der päpſtlichen Kurie (f. d.) in Rom, beforgt 
die Uusfertiqung der päpſtlichen Bullen; die Breven 
r secretaria brevium ausgefertigt. Lei- 
ter der cancelleria ijt der Kardinal = Visefangler. 

Apoſtoliſche Rirche, die Chrijtenheit im eit: 
alter und unter der Leitung der Apoſtel und ihrer 
nächſten Schiller. Wis Ehrentitel und nad der ihnen 
nad Urfprung und Alter abe yn Wiirde neh: 
men die Bezeichnung in Anſpruch die Rirden von 
Jeruſalem, —** Alexandria und Rom. 


Apoſtoliſche ſtirchenorduung, ſ. Kirchenord⸗ 


nungen. 

Apoftorifcye Konftitutionen, cin aus acht Bü— 
chern bejtehendes, griechiſch geſchriebenes, wabhridein- 
lid) zu Unfang des 5. Jahrh. in Syrien entitandenes 
Sammelwert firdenredtliden Inhalts. Die erften 
ſechs Bücher ruben auf der fogen. » Didasfaliae, welde 
Verfaffung und Disziplin der Kirche zu Beginn des 
3. aon wiedergibt. Buch 7 iſt eine ‘Baraphrafe 
der Upoftellehre (ſ. d.). Bud) 8, dev leste und wert— 
vollfte Teil der Sammlung, i Formulare fiir 
die Weihe von Klerikern, fiir den Ritus der Tages— 
zeiten u. a. Das Schluffapitel enthalt die fogen. 
Apoſtoliſchen Kanones (f. d.). Ausgabe von Lagarde 
(Leipz. u. Lond. 1862). Bgl. Funk, Die Apoſtoliſchen 


| Ronjtitutionen (Rottend. 1891). 


40* 


628 
Ap ile Majeftat, |. Apoſtoliſcher König. 
Apoftolijdhe Monate, |. Menses. 
MApoftolijde Partei nannte fic nad der Revo- 


{ution von 1820 in Spanien die Bartei der fanatifden 
Katholifen und Ubjolutijten, die, unter Leitung einer 
sapojtolijden Junta · ftehend, 1822 in Ratalonien, 
Navarra und Viscaya gu den Waffen griff, aber unter: 
drückt wurde und nadmals in den Karlijten aufging. 
Apoſtoliſche Pdnitengiarien, ſ. Poönitenziar. 
Apoſtoliſcher König (Apoſtoliſche Maje— 
ſtät), Titel der Könige von Ungarn, mit dem der erſte 
chriſtliche König Ungarns, Stephan I., von Papſt Sil- 
vejter II. (999-—-1003) fiir feinen Cifer in Belehrun 
der Ungarn ausgezeichnet wurde. Papſt Clemens XID 
erneuerte ihn 1758 fiir Maria Therefia und ihre Nach— 


olger. 

Upottolider Sik, in der alten Kirche foviel wie 
Biſchofsſitz, befonders der gu Rom als der erjte und 
geraume Zeit der eingige im Whendland; ſpäter Refi- 
denz und Regierung ded Papſtes als des Nachfolgers 
de3 Petrus. S. Apoſtoliſche Kirche. 

Apoſtoliſches Amt (Apoſtolath, in der alten 
Kirche die Würde der Biſchöfe als Nachfolger der Upo- 
ftel; {pater inSbef. Das Umt der Päpſte. 

Apoſtoliſches Glaubensbefenntnis (Apo⸗ 
ftolifum, Apoſtoliſches Symbolum, Symbo- 
lum apostolicum), aud) »Credo« oder der »Glaube⸗ 
genannt, das erjte der Drei fogen. Sfumenijden, d. h. 
allgemein in der Chriftenbeit geltenden Glaubens- 
belenntniſſe, Dad in zwölf oder Drei Urtifeln den Glau- 
ben an Gott den Vater, den Sohn und den Heiligen 
Geijt ausſpricht. Nach der erjt im 4. Sake auftau- 
chenden Sage follen die Apoſtel nod) in Jeruſalem 
das · Apoſtoliſche Glaubensbefenninis als gemeinfame 
Lehrnorm und Taufformel verfaßt haben. rg ie 
lehrt die Geſchichte, daß es aus der allmählichen Er— 
weiterung der Taufformel (Matth. 28, 19) entſtanden 
und ſeinem weſentlichen Gehalt nach das Belenntnis 
der römiſchen Gemeinde (fogen. römiſches Sym— 
bol) ſchon in der zweiten Halfte des 2. Jahrh. geweſen 
ijt. Seine jetzige Geſtalt erbielt es erſt im 5. Jahrh. in 
Gallien. Bon der griechiſchen Kirche ijt es nie aner- 
fannt und aud) in den proteftantifden oft angefodten 
worden. Bgl. Hahn, Bibliothef der Symbole und 
Glaubensregein der alten Rirde (3. Aufl., Bresl. 
1897); Easpari, Ungedructe u. ſ. w. Quellen gur 
Geſchichte des Tauffymbols und der Glaubensregel 
(Chrijtiania 1866 75, 3 Bde.); Derjelbe, Ulte und 
neve Quellen aur Geſchichte u. f. w. (Daf. 1879); Har- 
nad, Das Upoftolifde Glaubensbefenntnis (Berl. 
1892, 27. Aufl. 1896); abn, Das apojtolifde Sym⸗ 
bolum (Erlang. u. Leip;.1893); Rattenbufd, 
apoftolifde Symbol (Leip. 1894-— 1900, 2 Bde.). 

Apoſtoliſche Vater (Patres apostolici), der ge: 
lehrten Spradje Ded 17. Jahrh. entſtammende Bezeich⸗ 
nung derjenigen alichriſtlichen Schriftſteller, die in der 
Uberlieferung als Sdjitler der Upojtel gelten. Zu den 
Apoſtoliſchen Vatern zählt man Barnabas, Clemens 
Romanus, Ignatius, Polycarpus, Hermas, Papias, 
den Verfaſſer des Briefes an Diognet, endlid) aud) 
den Verfaſſer der Upoftellehre (ſ. die betreffenden Ur: 
tifel). Unsqaben von Gebhardt, Harnad, Zahn (Leips. 
1875 —78, 8 Bde.), Lightfoot (Lond. 1885 — 90, 
2 Tle. in 5 Bon., nur Clemens, Ignatius und Poly: 
carpus), yunt (2. Wufl., Tiibing. 1901, 2 Bde.). Val. 
Olagenleld. Die apojtolifdhen Biter (Halle 1853). 

poſtolizismus (qried).), das Syjtem dec un: | 





bejdriintten firdlidjen Herrſchaft in geijtlidjen und | betrieben, die nad) einer ſpeziellen Prüfung 


weltlichen Dingen. 





Apoftolifde Majeſtät — Apothefe. 


Apoftolizitat, cin Merfmal der driftlichen Kirche. 
darin bejtehend, dak fie Den Geijt und die Lehrauf⸗ 
faffung der Upoftel in ſich bewabhrt. 

oftroph (qried., Auslaſſungs zeichen), in 
der Schrift cin Halden als Seiden der gelegentlichen 
Upotope (3. B. Jung’, foviel wie Junge), Aphäreſis 
(3. B. 's ijt) oder Synfope (3. B. ew'ger). 

Apoftrophe (qried., ⸗Wegwendung · lat. Aver- 
sio), cine Redefiqur, wobei man fid) mut Direfter An⸗ 
ſprache (im Bofativ) an Ubwefende wendet, als waren 
jie gugegen, oder an lebloje Dinge, als bitten fie Le ~ 
ben und —— — An der attiſchen Gerichts⸗ 
ſprache begeithnete U. den Fall, wo der Redner fid 
vom Richter weg an ben Beklagten oder Kläger wanbdte. 

Apoſtrophieren, mit dem Apoſtroph verjeben; 
cine Unrede halten; aud einen anfabren. 

Apotelésma (qried.), > Erfolg, Einfluk<, insbeſ. 
der vermeintlide Cinfluk der Gejtirne und Ronitel- 
lationen auf den Menfden und defjen Schickſale. Da- 
her apotelesmatifdhe Runft Mpotelesmatif) 
foviel wie Ujtrologie, Nativitatitellerei. 

Apothecium (grieh., Frudtlager), der Fradt- 
behälter der Fledten (f. d.). 

e (qried., »Riederlage<), eine Unjtalt, in 
der alle Durd) die Landesgefepe feſtgeſtellten Arznei⸗ 
mittel nebjt fonjt nod) gebräuchlichen vorriitiq gebal- 
ten und in ber Weife vorbereitet werden, dak fre un- 
mittelbar gum arzneilichen Gebrauch benugt oder ſchnell 
in die Dom Arzt verordnete Urgneiform iibergefiihrt 
pail arse Atak Ade ot et Die sag a 

ingfügigleit ihres Umſatzes oder en der Be- 
ideantung ‘ores Betriebes auf cine ewe Sabres zeit 
Badeſaiſon rc.) als Abzweigung einer volljtindigen 
A. betrieben werden, beziehen ihren Bedarf von 
Mutterapothele und befdriinten fid) meiſt auf Arznei⸗ 
dispenfation und Warenverfauf. Die Konzeſſion der 
Filialapothefen ijt widerruflich, und dem Bejtger tit 
nicht gejtattet, etme feiner beiden Upothefen zu ver- 
padjten. Dispenfieranjtalten, mit febr feltenen 
Ausnahmen nur im Intereſſe eines Rranfenverbandes, 
einer Stlinif, eines Lazaretts xc. angelegt und midt be- 
fugt jum Yrgnei- und Warenvertried aufjerhalb des 
Haufes, jtellen die in einer inländiſchen A. vorbereite 
ten Mittel durd ein gepriiftes Upotheferperfonal fiir 
den Gebrauc der Kranfen fertig. Hausapothelen, 
deren Betrieb Arzten nur in bejfondern Fallen, nah 
fpegieller Priifung ihrer Befähigung und aud) mur 
dann gejtattet wird, wenn und folange fid) an ihrem 
Wohnort und in dejjen nächſtem Umfreis feine felb- 
ſtändige A. befindet, find mur fiir die cigne Bras 
des betreffenden Urgtes bejtimmt; ihr Umfang be- 
ſchränkt fid) auf die in aby saa Fallen unentbehr- 
lidhjten Wedifamente, diefe diirfen mur aus ciner in- 
ländiſchen A. 5 werden, und Gifte im engern 
Sinne (Tabelle B des deutſchen Urgneibudes) Darien 
nicht gefilbrt werden. Jn dieſem geſetzlichen Sinne 
ſind die lediglich fiir Den Privatgebrauch beſtimmten 
Zuſammenſtellungen von Arzneimitieln leine Haus- 
apothefen. Wud) Tierärzte dürfen in den meiſten Bun⸗ 
desſtaaten (nicht in Würtiemberg, Baden, Heſſen, 
Sachſen-Meiningen) Hausapothefen fiir die eigne 
Praxis balten, die aber den fiir Upothefen und ärzt⸗ 
lide Hausapothefen geltenden Vorſchriften nidt un- 
terworfen find. Jn Preußen und dem Reidsland find 
nur Die Direften Gifte ausgeſchloſſen. Homibopa- 
thifdhe Upothefen werden als Rebengefdaft allo 
pathifder Apothelen oder von homdopathifden Arzten 
auto- 


rifiert find. Ihr Lofal muß von den fonjtigen Apothe 


Apotheke (Betrieb, ſtaatliche Oberaufſicht, Konzeſſion ꝛtc.). 


kenräumen, allenfalls aud von den Wohnräumen 
des Arztes, vollſtändig getrennt ſein. Der Anlauf der 
Vorrãie ſoll nur aus inländiſchen Upotheten geſchehen, 
und den ſelbſt dispenſierenden homdopathiſchen Arzten 
ijt Der g oer Umtauſch ihrer Urtifel verboten. 
Rum Betrie einer A. gebiren auger dem Ber- 
faufslofal (Offizin) für Unfertiqung und Verabrei- 
chung der eingelnen Urgneien das Laboratorium, 
im dem die chemifde oder techniſche Unfertiqung und 
Bubereitung der Urgneiforper ftattfindet, die man als 
chemiſche oder pharmajeutifde Präparate oder gale- 
niſche Mittel bezeichnet, ferner Sdmeide-, Stok: und 
Siebfammern, Vorratsräume (Materialfammer, 
Kräuterboden, Trocenfdranf, Keller) und unter leg- 
tern abgejonderte, fiir ſich verſchloſſene Raume sur up. 
bewahrung der ſtark wirfenden oder giftigen Mittel rc. 
Die Upothefer findder ftaatlidhen Oberauffidt 
unterjtellt. Nur derjenige ijt fabig, einer A. vorzuſtehen, 
Der die Upotheferfunjt Sebentiids erlernt bat, zu deren 
Ausübung nad angejtellter Prüfung von der Medi- 
inalbehdrde tiichtig befunden und zur Wahrnehmung 
ihrer Obliegenheiten durch diefe Behörde verpflidtet 
ijt. Die deutide Gewerbeordnung (§ 29) verlangt zu⸗ 
nächſt fiir den Upothefer die perjinlide Upproba- 
tion, die unter den durch verſchiedene Bundesrats- 
verordnungen feit 1875 beſtimmten Vorausfegungen 
erteilt werden foll. Die pharmazeutiſche Prüfung wird 
vor den pharmajeutijden Britfungsfommmifjionen ab- 
qelegt, die an den deutſchen Univerſitäten fowie an den 
tednifdhen Hochſchulen gu Braunſchweig, Stuttgart 
und Karlsruhe eingerichtet find. Bedingungen filr Ju- 
lafjung zur Prüfung find: die Befähigung zum ein⸗ 
jabrigen Militdrdienjt mit Inbegriff des Latein; drei- 
jabrige oder fiir Ubiturienten von Gymnaſien und 
Realgymnaſien zweijährige Lehrzeit in einer Apothele, 
beſtandene Gebilfenpriijung, 3 Jahre Dienſtzeit (Ser- 
vierseit) in Upothefen, wovon wenigſtens 1/2 abr 
in Deutſchland, vierjemejtriges Studium an einer Uni- 
verjitdt oder an einer der genannten techniſchen Hod: 
ſchulen. Zur Erteilung der Wpprobation auf Grund 
der beftandenen Prüfung find die Zentralbehörden 
(Minijterien) der betreffenden Staaten befugt. Die 
Upprobation gilt fiir das gange Reidsgebiet. Ihre 
Zurücknahme iſt zuläſſig, wenn die Unrichtigleit der 


629 


habers an den Staat zurück. Cine kaiſerliche Verord— 
nung Vom 22. Okt. 1901 fest feſt, welche Apothelerwaren 
dem freien Verkehr überlaſſen und welche ausſchließlich 
dem Verlauf in Apothelen vorbehalten find. Cin Bun⸗ 
desratsbeſchluß vom 29. Nov. 1894 betrifft die Hand- 
—— der Giftverordnung. Vom Hauſierhandel ſind 

rznei⸗ und Geheimmittel ausgeſchloſſen. Taxen fiir 
Apotheler fonnen durch die Zentralbehörden feſtgeſtellt 
werden, dod) find Ermãäßigungen derſelben durch freie 
Vereinbarung zuläſſig. Sas Apothelenweſen ridtet 
ſich, foweit es nicht reichsgeſetzlich geregelt ijt, nad 
den Upothefenordnungen der Cingeljtaaten. Dic 
jum Betrieb einer A. unentbehrliden tite, Gefäße 
und Waren find der Pfändung (f. d.) nicht unterwor- 
fen. Wegen der Verſchwiegenheitspflicht der Upotheler 
j. Geheimnis; wegen ihrer Berecdhtigung im Konkurs 
j. d.; ihre Anfprüche verjähren in 2 Jahren (Bürger⸗ 
liches Geſetzbuch, § 196, Biff. 1). 

Hrither beſchäftigte fid) der Upothefer weitaus um⸗ 
fangreidjer als heute mit der Einſammlung von Arz⸗ 
neipflangen und mit der Herjtellung von Chemifalien. 
Gegenwairtig begieht er die Drogen aus Drogenhand- 
lungen und die Chemifalien aus chemiſchen Fabrifen. 
Dementfpredend gibt das »Deutide Arzneibuch · von 
1890 nur wenige Vorſchriften zur Darſtellung chenti⸗ 
ſcher Präparate. Auch Pflaſter, Tinkturen ꝛc. werden 
vielfach von Fabrilen geliefert. Der Apotheler bleibt 
aber gegenüber dieſer Vereinfachung ſeines Betriebes 
verantwortlich fiir die Giite und Reinheit aller Arz— 
neimittel. Er jteht unter der Kontrolle des Staated, 
der diefelbe Durd) alle 1—3 Jahre mindejtens einmal 
vorzunehmende Revifionen ausitbt. Bon den Arz- 
neimitteln darf ein Teil im Handverfauf abgegeben 
werden, andre find mur gegen ärztliche Verordnung 
ju verabfolgen, und von legtern bediirfen gewiſſe jtir- 
fer wirlende Mittel auf dent Rezept eines reiteretur- 
vermertes feitens des verordnenden Arztes, wenn fie 
wiederbolt abgegeben werden follen. Fiir gewiſſe Arz⸗ 
neimittel fdjreibt die Rharmafopde Marimaldofen vor, 
deren Uberfdreitung der Arzt auf Dem Regept befon- 
der gu kennzeichnen Hat. Unterbleibt die vorgeſchrie⸗ 
bene Kennzeichnung, fo Hat fic) der Apotheler nad 
den bejtehenden Beſtimmungen gu richten. Verwechſe⸗ 
lungen von Urgneimitteln find durch Anwendung be- 


Nachweiſe dargetan wird, auf Grund deven fie erteilt | jonderer Vorſichtsmaßregeln zu vermeiden, nament: 
wurde; fie findet ferner ftatt bei Uberfenmung der | lich find aud) äußerliche umd inmerliche Mittel in einer 
biirgerfiden Ehrenredte fiir die Dauer de3 Ehren: | Form gu dispenjieren. daß cine Verwechſelung nidt 


verlujtes. Frauen werden im Deutiden Reich gu 
den pharmazeutiſchen Prüfungen zugelaſſen, wenn jie 
die vorgeſchriebene ſchulwiſſenſchaftliche Vorbildung 
beſitzen und einen ordnungsmäßigen afademifden 
Studiengang nachweiſen können. Immatrikulation 
wird gefordert. Auch in Oſterreich werden ſeit 
1900 Frauen gum pharmazeutiſchen Beruf zugelaſſen. 

Die approbierten Apotheler bediirfen zur Anlegung 
und Verlegung einer A. ſtaatlicher Genehmigung. Die 
frühern Realrechte, die mit einem beſtimmten Gebäude 
verbunden waren, beſtehen nod) jetzt fort; das Ent— 
ſtehen neuer Realrechte iſt nach der Gewerbeordnung 
ausgeſchloſſen. Die Erlaubnis zum Betrieb einer 
neuen A. wird nach Bedürfnis als Perſonalkonzeſ— 
de erteilt, fo daß der neue Erwerber einer konzeſ⸗ 
ionierten A. —— der Konzeſſion bedarf. Einem 
approbierten Apotheler, der eine reale A. erworben 
hat, kann der Gewerbebetrieb nicht beanſtandet werden. 
Der Empfänger einer Konzeſſion darf in Preußen (ſeit 
1886) die A. früheſtens erſt nach 10 Jahren verkaufen. 
In Bayern, Württemberg, Baden, Braunſchweig fällt 
die Konzeſſion nad) Ableben oder Ausſcheiden des In— 


gut möglich ijt. — Jn Oſterreich fannniemand gum 
eſitz einer A. gelangen, der fid) nicht mit einem von 
einer öſterreichſſchen Univerfitiit erbaltenen Diplom 
(als Doftor der Chentie oder Wagijter der Pharmazie) 
ausweiſt (Hofdefret vom 28. Sept. 1820). Die Berwilli- 
gung gur Erridting einer neuen A. jteht der Statt- 
halteret au. Bur BVerleihung einer A. an cine bejtinumte 
Perjon iſt die Bezirkshauptmannſchaft, bes. der mit 
der politifden Amtsführung betraute Magijtrat be- 
fugt (Minifterialerfak vom 18. Juni 1858). 

ie Zahl der Upothefen betrug 1895 in Preußen 
2898, in Bayern 655, in Sachſen 288, in Württem— 
berg 271, in Baden 204, in Elſaß-Lothringen 230, im 
Deutiden Reid) 5161. Es entfiel cine A. auf 10,992 
Einw. in Preußen, 8883 in Bayern, 13,151 in Gad- 
jen, 7679 in Wiirttemberg, 8458 in Baden, 7134 in 
Elſaß-Lothringen, 10,129 im Deutſchen Reid. Im 
Deutſchen Reid) waren 1820 privilegierte x., 3116 
fonjefjionierte, 3 fonjtige, 37 im Befits der Krone be- 
jindlide Upothefen und 185 Filialen vorhanden. Die 
Geſamtzahl de3 pharmazeutijden Perſonals belie; ſich 
auf 12,036 oder 2,3 auf 10,000 Cinw. 


630 


Einſammlung und Zubereitung von Urgneimitteln 
wurde im Ultertum von Prieftern, dann lange Zeit 
indurd von Ärzten ausgeitbt; eine Trennung der 
harmazie von der Heilkunſt vollzog fic) guerjt bei 
den Urabern; tm 8. Jahrh. bejtand in Bagdad eine 
U.; im 9. Jahrh. ſchrieb ein arabiſcher Urgt die erjte 
Pharmafopie. Von Spanien aus gelangten dann die 


Upothefen nad Stalien, wo fie fid) befonders in Sa— 


lerno grofen Ruf erwarben. Ym 13. und 14. Jabrh. 
entitanden die erjten Upothefen in Frankreich, Eng: 


land und Deutidland, hier namentlid) in Prenzlau 


—— Augsburg, Prag (1342), Riirmberg (1404), 
eipzig (1409) und Berlin (1488). Ulle diefe Apo 
thefen ftanden unter firenges Aufſicht und waren an 

eſetzliche Vorſchriften (Dispenfatorien) gebunden. 
Die erjten pharma eutiſchen Lehrbtider lieferten Pa— 
racelfus 1530 und Tabernimontanus 1588. Bis in 
die neueſte Beit war der wiſſenſchaftliche Sinn in den 


pharmazeutiſchen Kreiſen vorherrfdend, und viele der 


beriifmtejten Namen der neuern Raturwiffenfdaft, 


namentlid) unter den Chemifern, entitammen der 


l. Philippe, Geſchichte der Upothefer 
öttger: Die — oe 
+ Wee 


Pharmazie. 
(Sena 1854); 
des Deutiden Reiches rc. (Berl. 1880, 2 Bde. 


ſchichte der deutſchen Apothelenreformbewegung (daf. | 
1882); Die reichsgeſetzlichen Beſtimmungen fiber den | 


BVerfehr mit Arzneimitteln (4. Aufl. daj. 1902), Die 
preußiſchen Apothelengeſetze (2. Aufl., daſ. 1898); 
Piſtor, Das Upothefenwejen in Preußen (daſ. 1894); 


Salgmann, Der Dienjt des deutſchen Upothefers | 


im Heer und in der Marine (2. Aufl., daf. 1900); 
D. Meißner, Die faiferl. Verordnung, betr. den Ver- 





fehr mit Arzneimitteln (Leipz. 1890); Staas, Die 


Upothefergejepe nad) deutſchem Reidhs- und preufi- 
ſchem Landesredht (56. Aufl. Berl. 1891); Spring: 
feld, Die ——— Apothelen in Preußen (daſ. 
1902); Bomdéta, Ojterreichifde —— 
Aufl., Wien 1897); Daimer, Kompendium ſter⸗ 
reichiſchen Apothekergeſetze (daſ. 1897); Peters, Un- 
weiſung zur Hausapotheke der Laien (3. Aufl., Berl. 
1897); Maubach, Das Charalterbild des Apothekers 
in der Literatur (daſ. 1898). Zeitſchriften: »Wpo- 
thefergeitung« (Berl., feit 1886); ⸗Pharmazeutiſche 
Zeitung · (daſ., feit 1856); ⸗Pharmazeutiſche Woden- 
ſchrift (daf., ſeit 1883); »Berichte der Deutſchen 
Pharmazeutiſchen Geſellſchaft · (daſ., ſeit 1890) ; »Reit- 
ſchrift des Allgemeinen ſterreichiſchen Upotheterver- 
eins· (Wien, ſeit 1863); ⸗Pharmazeutiſcher Refor- 
mer · ¶ daſ. ſeit 1896); »Pharmazeutiſche Zentralhalle⸗ 
(Berl, ſeit 1860); »Wrdhiv der Pharmazie · (hr3q. vom 
Deutfden Upotheferverein, daſ.). Bgl. aud Literatur 
bei Urt. ⸗Pharmazie⸗. 

othefergewidt (Medijzinalgewidt), die 
dem altrömiſchen Gewichtsſyſtem nachgebildeten, fiir 
ärztliche Verordnungen und in den —V qe 
brauchten Gewichtsgrößen. Das Pfund (libra, ab- 
gelürzt Ib.), faft allgemein °/s des im gemeinen Leben 
angewandten, wird meijt in 12 Unzen, die oncia (5) 
in 8 Drachmen, die drachma (4) in 3 Strupel, das 
scrupulum (5)) in 20 Gran (granum) geteilt. In 
Frankreich wurde 1840, in Deutfdland 1872 das A. 
durch Das metrifde erfest. Das Medisinalpfund wog 
in Breuken 1786 — 1816: 357,567 und dann bis 1868: 
350,783 g; in Hannover 364,92, in Sachſen 856,813, 
in Ritrnberg 357,844, in Baden 357,78, in 


Schweden bis 1865: 356,28, in Rußland feit 1835: 
358,323 g; in der Schweiz feit 1851: 375 g. Das hol- 
ländiſche Upotheferpfund hatte 869,191 gz, umd in den 


¢ (3. | 





Oſterreich ſtüzungen und Stipendien sahit. 
420,045, in Dainemart und Norwegen 357,854, in | 3373 





MApothefergewidt — Apothefervereine. 


Landern englifder Bunge das troy pound 374,242 g. 
Die — Lander batten meiſt das Medizinal⸗ 
pfund wie in Paris; bier fate die livre romaine 
367,129 g in 12 onces von 8 drachmes zu 3scrupules 
a 24 grains, worauf die Franjojen in den Qabren 
1818-40 eine livre bon 500 g in 4 quarterons zu 
4 onces von 8 drachmes a 80 grains teilten. Wud 
Spanien gab der bis 1859 gefeplichen libra medicinal 
von 345,07 g 12 onzas von 3 dracmas 3u 3 esertt- 
pulos, letterm aber 2 dboles gu 3 caracteres oder 
siliquas pon 4 granos. Ferner gehört als U. hierher 
der japaniſche ribmeh, = 15,12 g, gu 4 mommeh 
(meh) von 10 fang (pun) zu 10 ring (rin) a 10 mo. 

Apotheferfammern, durd) Verordnung vom 
2. Febr. 1901 eingefiihrte Standesvertretungen der 
Upothefer in Preugen sur Erörterung aller Fragen 
und Ungelegenheiten, die den Upotheferberuf oder die 
Urgneiverforqung betreffen, find befugt, Vorſtellun⸗ 
gen und Anträge an die Staatsbehirden ju ridten 
und fich fiber einſchlägige Fragen gutachtlich su ãußern. 
Sede Proving befipt eine Upotheferfanmner. Die Mit- 
qlieder werden auf drei Jahre gewählt und zwar auf 
j¢ 40 Wahlberedhtigte cin Mitglied. Wahlberechtigt 
und wählbar find approbierte Upothefer der Rroving. 
Die Berufiung der W. muß erfolgen, wenn die Halfte 
der Mitglieder darauf antriigt oder der Borjtand, der 
aus mindeftend drei Mitgliedern bejteht, jie beſchließt 
Der Zufanunentritt de3 Vorftandes muß auf Antrag 
von zwei Borjtandsmitgliedern erfolgen. Die Staats- 
aufſicht über die Upotheferfanmmer führt der Ober- 
prajident. Delegierte der U. bilden den Apotheter⸗ 
tammerausſchuß, der feinen Sig in Bertin bat 
und swifchen Dem Miniſter und den A. wie zwiſchen 
dieſen untereinander zu vermittein hat. Die Witglie- 
der ded Wusfdpuffes werden von den Kammern ge- 
wiibit, und gwar von jeder Kammer eins fiir die Dauner 
der Wahlperiode der VU. Der Borjigende beruft den 
Ausſchuß in der Regel jährlich einmal. Die Staats 
auffict fiber den Ausſchuß führt der Minijter. Bal. 
Upothefervereine. 

„Behörde im preußiſchen Minijte- 
rium Der qeiftliden, Unterridts- und Medujinal- 
angeleqenbeiten, foll der Medisinalverwaltung in Or- 
ganijations- und BVerwaltungsfragen, die das Apo— 
theferwefen betreffen, als Beirat diencn und Gutachten 
erjtatten. Der U. hat fich über alle ihm vom Minijter 
vorgelegten Berhandlungen, Vorfdlige oder Fragen 
gutachtlich zu äußern, aus eignem Untrieb dem Mi— 
niſter Vorſchläge zur Abſtellung von Mängeln zu 
machen, auch neue Maßnahmen zur Förderung des 
Apothelerweſens in Anregung zu bringen. Der A. be⸗ 
ſteht aus dem Direftor und den techniſchen vortragen- 
den Räten der Medizinalabteilung des Miniſteriums, 
vier Upothefenbefigsern und vier approbierten, nicht- 
befitenden Upothefern. Der Direftor wird vom König, 
die Mitglieder werden vom Miniſterium ernannt. Fike 
Elſaß-Lothringen wurde 1898 ein VW. eingeſetzt. 

Apothekeriaxe, foviel wie Uryneitare (f. d.). 

LipotheFervercine. Die Mehrzahl der deutſchen 
Upothefer qehdrt dem Deutſchen Upothelerver- 
ein an, der 1872 aud der Bereiniqung des Nord- 
deutſchen und Süddeutſchen Upothefervereins hervor- 
qing (Sit Bertin), jährlich eine Gencralverjammiung 
abbalt und an unbemittelte Fachgenoſſen UUnter- 
r bejak 1902: 
itglieder, fein Organ ift die » Apothelerzeitung · 
(Werl., feit 1886). Der 1883 in Berlin geqriindete 
Deutſche Pharma jeutenverein fiir nichtbeſitzende 
Upothefer (feit 1897 Pharmazeutiſche Bereini- 


Apotheferzeidhen. — Appalachen. 


guns fiir Deutſchland) gibt die > Pharmazentifde 
ochenſchrift · ( Berl.) heraus. Die Deutſche Phar⸗ 
mazeutiſche Geſellſchaft, 1890 in Berlin geqriin- 
Det, hat 560 Mitglieder und verdffentlidt wiſſenſchaft⸗ 
lide Urbeiten in ihren »Beridten« (Berlin). ¢ 
Ba vertreten jtaatlich eingeſetzte Apothelergremien, 
in Wiirttemberg, Vaden, Hejjen ein pharmageutifder 
Ausſchuß des pharmageutijden Landesvereins den 
Stand der Verwaltungsbehirde gegeniiber. Jn Sach— 
fen entfenden jtaatlid) anerfannte pharmazeutiſche 
Rreisvereine je cin Mitglied zum Landesmedizinal⸗ 
follegium. Jn Preufen bejtehen feit 1901 Apotheler⸗ 
fammern (jf. d.). In Ofterveid) - Ungarn bejteht neben 
den ftaatlic) eingeſetzten Upothefergremien cin Wilge- 
meiner djterreidijder Upotheferverein und cine Phar- 
mazeutiſche Gefellfdaft (in Wien) fowie ein Ungari- 
ſcher Upotheferverein (Vudapeft). ; 

Apothekerzeichen, Symbole, deren ſich die Ärzte 
früher allgemein auf ihren Rezepten bedienten. Die 
widtigiten Seiden waren: 

V Aqua, Bajfer. | 5) Argentam, Silber. 

Tj) Praceipitatus, gefallt. D Cuprum, Rupfer. 


S Pulver. OSVLerrum, Eiſen. 

ff Saccharum, Suder. Y Hydrargyram, Queds 
+- Saure. filber. 

G3 Saly. @® Nitram, Salpeter. 
cy. Spiritus. fh Plumbum, Blei. 

x Stunde. S Phosphorus, Phosphor. 


2 Stannum, Sinn. 
6 Stibium, Antimon. 


8 Sulfar, Schwefel. 


Lou Sublimatus, 

® Hombopath. Urtinltur. 

XX Vitrum, Glas. 

/\ Volatilis, fluchtig CG) rartaras, Weinſtein. 

©) Auram, Gold. CD Vitriolam, Bitriol 
Die U. find jegt durch gewöhnliche (abgekürzte) Schreib- 
art verdrängt. 

Apothema (qriech.), die Sentrechte vom Mittel- 


puntt auf die Seite eines 
ber Pharmazie Abſatz aus aften (jf. d.). 
wtheoje (qricd., lat. Consecratio), Bergitte: 
rung eines Menſchen, insbef. feine feierlide Verſetzung 
unter Die Gitter. Dieſer Gebrauch, durch Ehrfurdt 
und Danfbarfeit veranlakt, durch Schmeidelet und 
Uberglauben fortgepflangt und vervielfiltigt, findet 
fic) bei den meijten Völkern des Witertums, ant friihe- 
ften bei den Ujfyrern, Ägyptern und Perſern, dann 
aud bei den Grieden und Rimern. Die Griechen ver- 
götterten auf das Geheiß von Orafelfpriichen befonders 
verdiente Helden nad ihrem Tode, dann auch die 
Griinder von RKolonien und Stidten; in der Folge 
eigneten fid) Fürſten fogar nod) bei Lebzeiten göttliche 
lirde an und ließen fic) Denkmäler und Ehrenſäulen 
erridjten. Bei den Rimern war Romulus der erjte 
und lange Beit der eingige, Dem die Ehre einer feier- 
lichen A. gu teil wurde; Der zweite war Julius Cäſar, 
den Auguſtus vergottern liek, dem nad ſeinem Tode 
dieſe Ehre aud) gu teil wurde. Nad) ihm nahmen fie 
alle Raifer, Vefpafian ausgenommen, fitr fic) in An— 
ſpruch, und fie wurde ihnen in der Regel infolge eines 
Senalsbeſchluſſes zugeteilt. Ähnliche Ehrenbezeigun⸗ 
gen wurden in ben Provinzen den Prokonſuln er— 
wiefen. Die A. oder Ronfefration der Raifer und ihrer 
Gemahlinnen findet fic) auf rimifden Denkmälern 
fer haufig (ſ. Tafel »>Gemmen und Kameen«, Fig. 17). 
Gewoͤhnlich wird fie durch Aufſchweben gum Him- 
mel dargejtellt, wobei die Raifer von Adlern (Ju 
piter), die Raiferinnen von Pfauen (Juno) getragen 


— Vielecks. Jn 


631 


werden. Auf Vaſenbildern ſieht man die A. des He— 
ralles derart dargeſtellt, daß der Heros aus den Flam⸗ 
men des Scheiterhaufens auf einem Viergeſpann zum 
Himmel fährt. Berühmt ijt aud die » YW. Homers«, ein 
figurenreiches Relief wahrideintid) aus dem 1. Jahrh. 
v. Chr. (im Britifden Muſeum). Aus neucrer eit 
befannt find die U. Napoleons I. von Thorwaldjen 
und die U. Kaiſer Wilhelms J. von F. Keller (in der 
Berliner Nationalgalerie). 

a potidri (lat.), Dem Hauptteil, der Mehrzahl 
nad, 3. B. a p. fit denominatio, feinem Hauptteil 
nad erhilt ein Ding feine Venennung. 

Apoxryomenos (gried)., der »Schaber«), der ſich 
mit dem Sdabeifen von Staub, Schweiß und Ol 
reinigende Uthlet, Name einer im Altertum qefeierten 
Erzſtatue des Lyfippos (f. d.), von der fich eine wohl- 
erhaltene antife Marmorfopic im Vatifan gu Rom bee 
jindet (fj. Tafel »Bildhauerfunjt VI«, Fig. 3). 

UAppaladjen (WU ppaladhifdhesGebirge, Appa- 
lachians, fpr. dppilatigjens, Appalachian Mountain 
System), das vielgliederige Gebirgsſyſtem, daz fic) im 
O. von Nordamerifa von Alabama bis gum Lorenz. 
golf und an die rap der Inſeln Neufund⸗ 
land und Belle Jole erſtrecktt (ſ. die Karten bei ⸗Nord⸗ 
amerifa«), mit nordöſtlich gerichteter Längsachſe von 
2500 km, 300 - 500 km Breite und 400,000 qkm 
Glide. Durd) den tiefen Cinfdnitt de3 Hudjon- und 
Mohawltales, der vom Atlantifden Ozean bei New 
Yort zum Ontariofee hiniibergreift und an den Crie- 
fanaljdleufen von Rome nur 132 m ii. M. liegt, glie— 
dert es fic) in zwei wefentlid) voneinander verſchiedene 
Hauptteile, die Siid- und Nordappalachen. Die Süd⸗ 
appaladen oder Ulleghanies (jf. d.) zeichnen fid) 
durch verhältnismäßig einbheitliden Bau aus. Bor 
allem werden fie von einem großen Längstale durd)- 
zogen, das von Ulabama bis an den Hudfon reicht und 
als negative Hauptachſe des Gebirges bezeichnet wor- 
dent ijt. Es ijt das Große Appalachiſche Tal (Great 
Appalachian Valley), von dDem das Cooſatal in Ala— 
bama, das Tal von Ojt- Tennejfee, das Virginifde Tal, 
das Shenandoahtal, das Mittatinnytal von Pennſyl⸗ 
banien nur einzelne Abteilungen oder Kammen bilden. 
Diefem Tale, das fic) bei —J———— 200 m, bei 
Harpers Ferry (am Potomac) 75 m, bei Mount —* 
(in Südweſtvirginien) aber 800 m it. M. erhebt un 
cine Reihe untergeordneter Bergfetten (Clind) Moun- 
tains, Maffanutton) mit umfapt, folgen alle Haupt- 
verkehrsſtraßen von RO. nad SW. Südöſtlich von 
ihm erheben fich wie eit gufanumenbhiingender Wall 
bie Hauptfetten des Syjtems: die Unafa und Smofy 
Mountains (Clingmans Dome 2030 m), die Stone 
und Yron Mountains (Snafe Mountain 1705 m), 
die Rantahela und Cowee Mountains (Waya Bald 
1674 m), die Balfam Mountains (Midland Moun— 
tain 1980 m), die Blad Mountains (im Mount 
Mitdhell oder Black Dome, dem höchſten Gipfel der 
A., 2048 m), und die Blaue Rette (Blue Ridge, 
Grandfather 1796 m). Die lestere bildet den ſteilen 
Hjtrand des höhern Gebirges vom Coofa River bis 
jum Hudfon (1500 km weit) und wird im S. nur 
von vergleichsweiſe hohen Päſſen (Wind Gaps, d. b. 
Windfliiften), im R. aber von den Stromdurdbril- 
den (Water Gaps) ded James (oberhalb Lyndburg), 
Potomac (bei Harpers Ferry), Susquehannah (bei 
Harrisburgh) und Delaware (bei Eajton) gequert. 
Gneis, Glimmer-, Hornblende- und Tonidicter und 
Quarzit find hier die herrſchenden Gejteine, 5. T. mit 
Einlagerungen von Magneteijen-, Gold-, Kupfer— 
und Zinlerz, Halbedelſteinen, und dasſelbe Geſtein 


632 Appalacden 


jowie triaſſiſcher Sandſtein fest bas niedrigere Berg- 
und Hiigelland gufammen, das djtlic) von der Blauen 
Kette liegt und als » Piedmont Regione (Fupbiigel- 
gegend) befannt ijt. Letztere bildet einen weſent⸗ 
lichen Bejtandteil der A. und wird durd) die fogen. 
Fall-Linie von der Utlantifchen Ritjtenniederung ab- 
egrenzt, d. h. dDurd) eine Linie, an der ſämiliche 
Vippaladjenftrime in Geftalt von Waſſerfällen und 
Schnellenreihen aus dem Gebirge treten. Nordweſt⸗ 
lid vom Uppalachifden Tale ſteigt ebenfalls ein ſtei⸗ 
ler, mauerartiger Gebirgswall auf, im S. Cumber- 
lanbdgebirge (f. d.), in Birginien und Pennfylvanien 
ULleghanygebirge (f. d.), in Rew Pork Catsfills (f. d.) 
genannt, ebenfalls über 1500 km lang und nur in 
wenigen ichwierigen Paffen tiberjteiglich (rm Tenneffee- 
durchbruch bei Chattanooga, Emory Gap, Cumber- 
land Gap, Stone Gap, Rew Riverdurdbrud). Er 
Halt ſich ohne nennenswerte Gipfelung in 1100— 
1200 m Hdbe, im allgemeinen bejteht er aus mehre- 
ren Barallelfetten, und ſtark gefaltete Schichten der 
GSilur-, Devon und Steinfohlenformation (Ganbd- 
ftein, Ralfitein und Sdhiefer) fesen ihn gufammen, 
gewaltige Schätze an Steinfohlen, Roteiſenſtein, Pe- 
troleum und Naturgas in ſich einſchließend. Gegen 
W. geht das Cumberlandgebirge ohne ſcharfe Grenge 
in dad Cumberlandplateau und Obio - Viffiffippi- 
becten fiber. Qn den Nordappaladen ijt der Zu— 
faunnenbang der Hauptgebirgsqlieder viel lofer, in- 
folge einer Mehrheit tief durchſetzender Längs- und 
uerverwerfungen, die Streidungsridtung lenkt 
mebr nad N. ab, die Stellung der Gebirgsglieder 
jueinander ijt abweidend. Außerdem find in ihrer 
Unusgeftaltung die Wirkungen der quartiren 2 
qletiderung ſichtbar. Ym Gegenfage gu den Süd— 
appaladen find die Nordappaladen auferordentlid 
reid) an Geen und Waſſerfällen, die Tiler aber find 
teils weit und flachgründig (durch Gleticherausfur- 
chung; Mohawltal, Champlaintal), teils tief einge- 
ſchnittene Eroſionstäler jugendlidjten Ulters (Auſable 
Chasm). Die Adirondacks (ſ. d.) erreichen im Mount 
Marcy 1641 m, die Green Mountains im Mount 
Mansfield 1337 m, die White Mountains im Mount 
Washington 1917 m, das Gebirgsland von Maine 
im Natabdin 1589 m, das Shidihodgebirge am un- 
tern Lorenzſtrom tm Mount Bayfield 1211 m, die 
Yong Range von Reufundland im Mount Erstine 
600 m. Vile diefe Gebirge enthalten Kernmaſſen aus 
frijtallinijchen Felsarten, daneben treten paläozoiſche 
und triaſſiſche Schidhtgefteine fowie jiingere Eruptiv- 
geſteine (Xrapp) auf. Die produftive Steinfohlen- 
formation ijt nur im SO. (an der Narraganfettbai) 
und RO. (in Neuſchottland und auf Cape Breton, f.d.) 
entwidelt. Yn ſonſtigen Nugmincralien enthalten die 
Nordappaladen namentlich Cijenerze (Wdirondads 
und Cobequid Mountains), Gold (Neufdottland), 
Marmor (Green Mountains) und Granit. 
Abgeſehen von den moos- und fledtenbededten 
»Barrens< von Neufundland und Neuſchottland fowie 
von den nur Weidewuchs tragenden » Balds« (> Rabhlen- 
bergen«) von Nordcarolina und Birginien find die A. 
ein reines Waldgebirge. Im N. fesen Weimuts- und 
Norjoltfiefern, Wei, Schwarz · und Hemlodtannen, 
Balſamſichten, Larden, Weißzedern, daneben Birken, 
Ahorne, Eſchen. Pappeln, Roteichen die Beſtände zu— 
ſammen. Im S. dagegen treten die Laubbäume in 
den Vordergrund, darunter nicht weniger als 18 
Eichenarten. 6 Hikoryarten, 5 Ahorne, 5 Magnolien, 
dazu Walnuß; und Tulpenbäume, Kaſtanien, Robi— 
nien, Buchen, Linden, Ulmen, Wildlirſchen und ein 


— Appel. 


üppiger Unterwuchs von Rhododendren, Kalmien. 
Azaleen, Vaccinien, Sumach. Auf den Höhen rei⸗ 
chen die nordiſchen Formen weit ſüdwärts. Nament- 
lid) Weimutsfiefer (Pinus Strobus), Hemlodtanne 
— canadensis), Bergeſche (Sorbus americana) 
und Gelbbirfe (Betula lutea) find auch in den boben 
Siidappaladjen weit verbreitet, wãhrend die höchſten 
Gipfel einen dichten Wuchs von Rhododendron cata- 
biense und Balfamtannen (Abies Fraseri) tragen. 
Seiner Vielgeftalt und Blütenpracht halber fann man 
den Uppaladenwald den ſchönſten nennen, den es 
iiberhaupt gibt, und in vielen höhern irgSteilen 
ift die Waldverwititung nod mht weit vorgeſchrit⸗ 
ten. Un wilden Tieren birgt er dort nod: Biren, 
Wolfe, Htichfe, Dachfe, Wafgbviren, Opojjums, vir: 
giniſche Hirſche. 

Dem Verkehr bieten die Südappalachen durch ihre 
langgezogenen, ſchwach geſcharteten Parallellämme, 
die oft acht- bis zwölffach hintereinander liegen. 
ſchwere Hinderniſſe. Die wenigen Eiſenbahnen, die ſie 
itberjteigen, gehören zu den bedeutendſten Leiſtungen 
der amerilaniſchen Eiſenbahnbautechnil, während die 
Landſtraßen —— ſehr ſchlecht ſind. Bal. A. 
Guyot, Onthe Appalachian Mountain System (Rew 
Haven 1861); B. Willis, The Northern Appa- 
lachians, und Hayes, The Southern Appalachians 
(in Dem Gammelwert »Physiography of the United 
States«, New Port 1896). 

Appaladen (UM paladen), gur Gruppe der 
Tidhofta-Musfogt gehöriger Indianerſtamm Rord 
amerifa3, an der YUppaladenbai in Florida. 

Appaladentee, ſ. lex. 

Appaladhicola (prc. Aatſqhitola), Fluk in Nordame- 
rifa, aus dem Chattahoochee und Flint River tm fiid- 
weſtlichen Georgia agape reer ee 170 km lang, 
in Florida in die Uppaladhicolabat des Golfes 
von Merifo miindend und im Chattaboodee bis Co- 
luntbus (560 km), im Flint bis Montezuma (463 km) 
ſchiffbar. Durd den künſtlichen Durchſtich emer gro- 
fen Miindungsbarre gelangen fleine Seeſchiffe bis 
zur Stadt U., dem Hauptorte der Grafichaft Frant- 
lin in Florida, mit Holz⸗ und Fiſchausfuhr und ave 


8077 Einw. 
Apparat (lat.), —— Ausführung eines 
chemiſchen oder phyſilaliſchen Verſuchs, einer chemiſch 


techniſchen Operation ꝛc., auch die Geſamtheit der zu 
einer Arbeit, Verrichtung ꝛc. ndtigen Hilfsmittel und 
Werlscuge; bei Organismen die Geſamtheit der zur 
Uusiibung einer Funktion, gu einer Wahrnehmung 
dienenden Teile, 3. B. Refpirationsapparat, Gebhdr- 
apparat 2. 

Appareille (franj. apparel, for. .4j), ſ. Rampe. 

Apparenter Ort, jf. Aſtronomiſcher Ort. 

Apparitin, |. Rollodin. 

Wpparition (lat.), das Sidtbarwerden (von Ge- 
jtirnen); Erſcheinung; Geſpenſt. 

Apparitor, bei den Römern Bezeichnung fiir die 
vom Staat befoldeten Unterbeamten der Magiftrate, 
wie Liftoren, Ranaliften (scribae) u. a. 

Wppartement (franz., fpr. Lmana), Zimmerteihe; 
einzelnes Simmer; (unfranz.) Abort. 

Appel, Johann Repomul, Freiherr von 
öſterreich. General, geb. 11. Rov. 1826 in Sifirence 
(Slawonien), Sohn 8 Feldmarſchallleutnanis Jo⸗ 
feph Ritter von U. (geft. 1855), trat 1840 ins Heer, 
mate 1848 —49 die Feldgiige in Italien und in Un- 
qarn, 1859 den in Stalien mit. 1860 in den Frei⸗ 
herrenſtand erhoben, nabm er 1866am Feldzuge gegen 
Preujen als Brigadier tetl, wurde 1867 Generalmajor, 


Appel comme d’abus — Appenzell. 


1874 Rommanbdant der 25. Anfanterietruppen-Divi- 
fion und Feldmarfdallleutnant, 1881 Militärkom— 
mandant in Temesvdr und 1882 in Hermannftadt. 
Am 1. Mai 1882 General der Kavallerie geworden, 
wurde er 12. Aug. sum Chef der Landesregierung fiir 
Bosnien und die Hergeqowina, 1883 sum Inhaber 
des 60. Snfantericregiments ernannt. — Sein Bruder, 
der Feldmarfdallleutnant Jofeph, —— von 
UL, geb. 1823, war bis 1884 dem Wiener Korpskom⸗ 
mando als Stellvertreter deS Rommanbdierenden ju- 
geteilt und ftarb 30. Sept. 1888 in Wien. 

Appel comme d’abus (fran;., fpr. apell tomm babi, 
lat. Appellatio tamquam ababusu), das Rechtsmittel 
Der Beſchwerde wegen Mißbrauchs der geiſtlichen Anits 


gewalt, das an die Staatsgewalt und deren juftin: | 


dige Organe geridtet wird (j. Recursus ab abusu). 

Appell (franj. appel), 1) Signal gum Sammeln 
der Xruppen, bet der Kavallerie im Kriege befonders 
nach der Attacke. — 2) Raſche Auffaſſung und genaue 
Ausführung von Befehlen. — 3) Yn der Fechtkunſt 
ein lebbafter Tritt mit dem rechten Fuh mit oder ohne 
Uusfall, gilt beim Unterricht als Beweis, daß der 
Schüler im —— ſteht und leichte Haltung bat, 
rahe um Wusfall bereit iit. Beim Rontrafedten ge- 

rt 
dadurd) Anlaß gu feblerhaften Bewegqungen geben 
will. — 4) Jn der Jagd der Gehorjam des Hundes, 
der ſich durch fofortiges Heranfommen auf den Ruf 
ober Pfiff feines Herrn ju erfennen gibt. 

abel nennt man cin Erfenntnis dann, wenn 
es mit dem Rechtsmittel der Berufung (jf. d.) ange: 
fodjten werden fann. 

Appellant, derjenige, der Berufung (j.d.) ergreift 
ober ergriffen bat. 

anten, im firdhlichen Sinn, f. Janſenismus. 

Appellat (lat.), derjeniqe, au deffen Nachteil mit 
telS Berufung (f. d.) die Ubanderung eines Urteils 
ay toe wird. 

Appellation (lat.) : 

Appellationdgericht [. Berufung. 

Mppellativum, ſ. Subjtantivum. 

MAppellieren (lat.), das Rechtsmittel der Berufung 
(f.d.) einlegen; fic) auf etwas berufen, auf eine höhere 
——— ein Lng ely Urteil antragen. 

Appendicitis (lat.), ſ. Blinddarmentzündung. 

Mppéndiz, die (lat.), Anhang oder Zujas ju 


tinem Buch x.; der Wurmfortiag des Blinddarms ; 
Uppendicula, Anhängſel; appendizieren, als | 


Anhang nadtriglid beifiigen. 

MAppenweier, Dorf im bad. Kreis und Amt Of— 
fenburg, Rnotenpunft an der Staatsbahnlinie Mann⸗ 
heim-Ronjtan;, hat eine fath. Kirche, Tabafbau und 
(1900) 1668 Einw. 

Appenzell, Kanton der nordöſtlichen Schweiz, 
gan; vom Nanton St. Gallen umgeben, iſt ein wald- 
und wiefengriines, mit hübſchen 
Dörfern und jabllofen Häuschen 
überſätes, von tiefen Fluktobeln 
(j. Sitter) Durdfurdtes und vom 
Gintisgebirge (2504 m hod) 
liberragtes Voralpenland, das 
gegen Den Bodenjee abdadt. Der 
Nanton jerfallt ſeit 1597 infolge 
der Reformation in zwei felbjtin- 
dige Halften: das äußere Gebiet 
(Wuer- Rhoden) und das innere 
Gebiet (Jnner-Rhoden). Wappen: in Silber ein ſchwar 

Bär (ſ. Abbild.), Landesfarben: Wei, Schwarz. 
A. Aufer-Rhoden, mit 260,6 qkm Bodenflide, bat 


— 
| 





Wappen des Ran: 
tons Appenzell. 


A. su den Finten, indem man dem Gegner 


633 


(1900) 55,380 vorherrſchend prot. Einwohner (212 auf 
Lqkm). Der Mutterſprache nad waren 1888: 53,757 
Deuticdhe, 71 Frangofen und 240 Htaliener. A.Außer⸗ 
Rhoden zerfällt durd die Fliiffe Sitter und Goldach 
in drei natürliche, nicht adminiftrative Bezirke: Hin- 
terland (um Herisau), Mittelland (um Teufen) und 
Borderland (um Heiden). Die unprodutftive Fläche 
betriigt mur 7, der Wald 47 qkm. Der Uderbau ijt 
unbedeutend, um fo ausgedehnter bei dem Reichtum 
an Wiefen die Viehzucht; man zählte 1901: 878 Pferde, 
21,065 Stiid Rindvieh, 605 Sahat, 3502 Biegen und 
10,055 Sdweine. Zwei Drittel der Bevdlferung le- 
ben von der Induſtrie, ant bedeutendjten find Baum: 
wollweberei, mechaniſche Stickerei, Swirnerei und 
Bleicherei nebſt Uppretur. Hawptverfehrsort ijt St. 
Gallen. Die reine, ftaubfreie Luft und die vorzügliche 
Milchwirtſchaft machen das Land gu Luft- und Mol⸗ 
fenfuren geeignet; alljährlich ſtrömen Taujende da- 
hin, insbeſ. nad Heiden, Bais und Heinridsbad. Der 
Halbfanton A.⸗Außer-Rhoden bildet nad) der Ver— 
faffung vom 25. Upril 1880 einen Freiſtaat mit 
rein demokratiſcher Verfaſſung und ausgeſprochener 
Autonomie der 20 politiſchen Gemeinden. Die » Lande. 
gemeinde« (f.d.), die alle Jahre abwedfelnd in Trogen 
und Hundwil gehalten wird, befigt die geſetzgebende 
Gewalt, bejtimmt die Verfaſſung, wahlt den Regie: 
rungsrat (7 Witglieder) und aus deffen Mitte den 
Präſidenten oder Landammann und das Obergeridjt 
jowie dad Mitglied des Schweizer Stinderats, bewilligt 
die Ausgaben x. Der Kantonsrat, der in Herisau 
jeine Sipungen hilt, bejteht aus den Abgeordneten der 
Wemeinden (je 1 auf 1000 Seelen). Das Obergerict 
befteht aus 11 Mitgliedern und Hat feinen Gig in 
Trogen. Das Urmeniwefen, ferner Schul- und Sir- 
chenwefen find wefentlid) Gemeindefade. 1897 gab 
e8 72 Primärſchulen, 10 Sekundär- oder Realſchulen 
und die Rantonsfdule gu Trogen. Die Jahresrech— 
nung der ⸗Landeskaſſa« fiir 1899 ergab 790,372 Frank 
Cinnahmen und 760,782 Fr. Ausgaben. Das Staats- 
vermigen betrug Ende 1899; 1,127,849 Fr. 

Der Halbfanton A.-Inner-Rhoden, mit 159 qkm 
Bodenflache, zählt (1900) 13,469 iiberwiegend tatholifde 
und deutſch redende Einwohner (84 auf 1 qkm). A. 
Anner-Rhoden beſteht mur aus einem Bezirk mit 6 poli- 
tijden Vemeinden. 1901 zählte man 9497 Stiid Rind- 
vieh, 3282 Zieqen und9652 Sdhweine. Hauptinduſtrie⸗ 
zweig ijt die Stiderei ; fie beſchäftigt 1890: 8812 Einw. 
oder 28 Bros. der Bevölkerung. Weltbetannt find die 
| feinen, jtilvollen Fabrifate der Handjtiderinnen. Die 
Verfaffung vom 24, Oft. 1872, revidiert 1883 und 
| 1895, ijt Demofratijd. Die Staatsgewalt wird durd) 








| Die Landsgemeinde, die aus Der Gejanitheit der Ran: 
| ton8- und anſäſſigen Schweizerbürger bejteht, aus— 
* Die Landsgemeinde gibt ſich Verfaſſung und 
Geſetze und wählt die oberſten Landesbehörden: Stan— 
destommiſſion, d. h. Regierung (9 Mitglieder), und 
Kantonsgericht. Inner⸗Rhoden hat (1897) 15 Primär⸗ 
ſchulen und eine Sekundärſchule. Die katholiſche Be— 

vilferung ſteht unter der Adminiſtration des Biſchofs 
von St. Gatien. Die Staatsrechnung fiir 1899 ergab 
| 173,400 Frank Cinnahmen und 123,174 Fr. Aus— 
| gaben; das Vermigen zeigte an Altiven ohne Spegial- 

onds 212,658 Fr., an Paſſiven 314, 129 Fr. — Haupt- 
| ort ijt der Flecken A., 778 m ti. ML, an der Sitter, 
Endpunkt der Schmalſpurbahn Winkleln-Herisau-U., 
belebter Tourijten- und Kurort mit einem Kapuginerc- 
flojter und (1900) 4553 Einw. Jn der Nähe die bei 
den Rurorte Weikbad und Gonten, ferner das Wild- 


— 


kirchli, die Ebenalp, der Säntis ꝛc. 








634 


[Gefhidte.] Seit dem 8. Jahrb. hatte bas Kloſter 
St. Gallen durd Rauf und S * die Grund⸗ 
herrſchaft faſt über den g jetzigen Kanton YU. er- 
worben, und 1061 weihle Abt Norbert eine Kirche in 
dem neugerodeten Ort Abbacella ein, der ſpäter 
der ganzen Gegend den Namen gab. 1345 erwarb 
das Het mit der hohen Geridjtsbarfeit die eigent⸗ 
liche Landeshoheit; aber ſchon 1377 erbielten die vier 
Gemeinden A., Hundwil, Urnäſchen und Teufen von 
Abt Georg das Zugeſtändnis, dak fie in ein Biindnis 
mit den ſchwäbiſchen Städten treten und ſich einen 
Landrat von 13 Mitgliedern geben durften, deffen Wahl 
wohl die Entitehung der Land3gemeinde veranlafte. 
So bilbete fic) innerhalb des äbtiſchen Fürſtentums 
das dDemofratifde Gemeinweſen, das fdon 1379 als 
»A. dad Land« bezeichnet wird. Als der newe Abt 
Runo von Stoffeln (1379 —1411) ſeine a ie — 
Rechte Hart geltend madte, erhoben fic) die Uppen- 

eller, denen jid) nunmehr aud) die fibrigen Gemein- 

en des Berglandes anſchloſſen, gegen * (1401). 
Sie zerſtörten feine Burgen, traten in ein ⸗Landrecht « 
mit den Schwyzern und bradjten mit ihrer Hilfe dem 
Heer ded Abtes und der mit ihm verbiindeten Reichs- 
ſtädte am Bodenjee 15. Mai 1403 bei Vigelinsed 
eine ſchimpfliche Riederlage bei; nicht beſſer erging es 
einer djterreidhifden Kriegsmacht am Stof 17. Juni 
1405. Hierauf ftreiften die Appenzeller in den Thur- 
qau, fiber der Rhein, iiberall die en der Herren 
bredjend und die Bauern gum Aufſtand ernumternd, 
und bildeten einen » Bund ob dem See«, der fich raſch 
über die Nordoſtſchweiz und bas Vorarlberg bis nach 
Tirol hinein verbreitete. Eine Niederlage, die fie 1408 
bei Bregenz durch die ſchwäbiſche Ritterſchaft erlitten, 
löſte dieſen Bund — wieder ebenſo ſchnell auf, ihre 
Freiheit aber blieb geſichert. 1411 ſagten ihnen die 
ſieben Orte der Eidgenoſſen (ohne Bern) durch ein 
Burg ⸗ und Landrecht« ihren ot zu und ſuchten 
ihre —* Begen das Kloſter in billiger Weife zu 
regein. 1429 fam ein Vergleich gu ftande, wonach die 
Wppengeller die Entridjtung oder Ubldfung der Bin- 
fen und Gefiille verbiirgten, wiihrend der Ubt fic an- 
heiſchig machte, ihnen den Blutbann und damit die 
politiſche Selbjtinbdigfeit queria , was 1442 aud 
geſchah. 1452 erlangte A. infolge feiner Teilnahme 
am alten Zürichkrieg cine höhere Stethung in der Eid⸗ 
genoſſenſchaft, und nad den Mailänder Feldgiigen 
wurde es 17. Dey. 1513 gum vollberedhtigten 18. Orte 
derſelben erhoben. Die Reformation erregte anfäng ⸗ 
lich in A. feine heftiqen Stiirme; ſchon 1522 entidjie- 
den ſich einzelne Gemeinden dafiir, wahrend andre, 
namentlid) der Hauptilecen, beim alten Glauben be- 
harrten. Erſt die Einführung des neuen Ralenders, 
die Aufnahme der Kapuziner im Hauptort und die 
Abſicht der Katholifen, den Sonderbiinden der fatho- 
liſchen Kantone unter fic) und mit Spanien beigutre- 
ten, entzündeten den Religionshaß fo, dak nad zehn⸗ 
jährigen Wirren durd ein eidgenöſſiſches Schieds- 

ericht 8. Sept. 1597 die Teilung des Landed in zwei 
Petbitiindige Halbfantone volljogen wurde, die jedoch 
in der Eidgenoſſenſchaft nur als Ein Ort galten. Dic 
Reformierten zogen nad den Gufern Rhoden (Be— 
airten), wo fie fdjon die Mehrheit hatten, und die Ka— 
tholifen nad den innern, die fofort dem Borromei- 
ſchen und Spanifden Bund beitraten. Anfang des 
18. Jahrb. fand die Muſſelinfabriklation und -Sticerei 
in Wufer- Rhoden Eingang, während Ynner-Rhoden 
feiner Hirtenbeſchäftigung treu blieb. Durch die hel- 
vetiſche Verfaſſung wurden die beiden A. 1798 mit 
St. Gallen, Untertoggenburg und Rheinthal gu einem 


Appengeller Alpen — Appert. 


RKanton Santis verſchmolzen, durch die Mediations: 
afte aber 1803 mit ihren Sgemeinden wiederher- 
—— 1829 brachte Inner⸗Rhoden, 1834 Außer⸗ 
hoden die alte Landsgemeindeverfaſſung in em fyjte- 
—— Grundgeſetz. Letzteres trennte 1858 durch 
eine aſſungsreviſion die Juſtiz von der Verwal⸗ 
— verbeſſerte durch ein neues Grundgeſetz vom 
15. . 1876, das 1880 und 1892 teilweiſe revidtert 
wurde, den Organismus der Behörden und das 
Steuerwefen. Grner-Rhoden gab fich eine neue Ver— 
fajjung 24. Oft. 1872, an der 1880, 1883 und 1895 
Ubdanderungen vorgenonnnen wurden. Bol. Ruſch. 
Der Kanton A. hijtorifdh, geographiſch umd ſtatiſtiſch 
(nee Ausg., St. Gallen 1859); Zellweger, Ge 
ſchichte des appenzelliſchen Bolles, mit Urkunden (Tro⸗ 
en 1830 —48, 6 Bde.); Derſelbe, Der Kanton A. 
and und Volk und deſſen Geſchichte (daſ. 1867); 
Ritter, Die Teilung des Landes A. (daſ. 1897); 
Robelt, Die Ulpwirtidaft des Rantons A. (Soloth. 
1899); Appenzelliſche Jahrbücher · (hrsg. von der 
Gemeinniigiqen Gefellfdhaft, Trogen 1854 ff.). 
ngeller Ulpen (St. Galler Ulpen), zwi⸗ 
fen Siirid)- und Bodenjee, Limmat- und Rheintal 
versweigte Gruppe der Glarner Ulpen, die nur im Zen⸗ 
traljtod des Santis (f.d.) und dem ſüdlich von leg 
term gelegenen Bug der Churfirſten (j. d.) Hod 
a triigt. Der weſtliche und nördliche 
eil Der Gruppe gehört bereits dem WMittel- und Rie 
dergebirge an (Rreugegg 1317 m, Hörnli 1135 m, 
Bachtel, befudter Ausſichtsberg, 1119 m). 

Appert (jor. appix), 1) Benjamin Nicolas 
Marie, Philanthrop, geb. 10. Sept. 1797 m Pans, 
erbielt 1814 eine Stelle an der kaiſerlichen Seiden: 
ſchule, die er jedod) 1815, des Einverſtändniſſes mit 
Napoleon I. befdhuldigt, wieder verlor. Durd Cinfiih- 
rung des gegenfeitigen Unterrichts erregte er Die Auf⸗ 
merftamfat Kriegsminiſters Gouvion Saint-Cyr, 
der ihn 1818 nach Paris rief, um fiir die Offiztere umd 
Unteroffiziere einen Normatfurfus gu erdjfnen. Set 
1820 erteilte er Unterricht in Dem Militärgefängnis 
von Montaiqu, wurde aber wegen des Entipringens 
zweier Striflinge felbjt gefangen gefegt. Rad) drei- 
monatiger Haft freigeiproden, widmete fid) A. gang 
der BVerbefferung des Loſes der Gefangenen, bereiite 
zu dieſem Swed 1825 ganz Frankreich und leqte feine 


Beobachtungen in einem eigend dazu begriindeten 


Journal nieder. Zu Rémeljing im Mofeldepartement 
unterbielt er 1841—44 eine Nolonie fiir entlaijene 
Striflinge und Minder von Gefangenen, und feit 1846 
bereijte er Belgien und das Ausland. Die Beridte 
über feine Studien veröffentlichte ex in mebreren durch 
große Freimütigkeit ausgezeichneten Werken: » Bagnes, 
prisons et eriminels· (Bar. 1836, 4 Bde.); » Voyage 
en Belgiques (Griiff. 1849, 2 Bde.); » Voyage en 
Prusse« (Berl. 1846); »Die Gefiingniffe, Spitaler, 
Sdulen, Bivil- und Militdranftalten im Oſterreich. 
Bayern, Preußen ꝛc.« (Wien 1851—52, 3 Bde.); 
»Hambourg, ses prisons et hospices« (Hamb. 1850, 
aud) deutſch). Außerdem ſchrieb er: »Dix ans a la 
cour du roi Louis-Philippe« (Berl. 1847, 3 Bde.; 
aud) deutſch); »Conférences contre le systéme cel- 
lulaire« (Brüſſ. 1846); »Die Geheimniſſe des Ber- 
bredjens, der Verbrecher und ded Gefiingnislebens< 
(Leipz. 1851); »Ratfdlige fiir Direftoren, Geiſtliche 
und Arzte von Gefiingnijjen« (Gamb. 1851); »Uber 
Wohltitigteits- und Strafanftalten« (Leips. 1853) u. a. 
2) Francois, Bruder des vorigen, Erjinder ded 
nad ihm benannten Verfahrens zur Konſervier 
der Speifen, dad er bereits 1804 anwenbdete, geſt. 18 


UAppertinenzien — Appiſche Strafe, 


al8 Gutsbeſitzer in Majfy unweit Baris. Schrieb: 
»L’art de conserver toutes les substances animales 
et végétales« (Bar. 1810, 5. Aufl. 1834; deutſch, 
Prag 1844). Bgl. Konfervieren. 

‘Sppertinensien (lat.), zu einem Gegenjtand, ins. 
befondere gu einem Gute gehörige, nidjt mit diefem 
verbundene Teile. Bgl. Bubehir. 

Appergzeption (lat.), bei Herbart die ⸗Aneignung · 
einer neuen Borjtellung, die dadurch gu ſtande kommt, 
daß diefelbe mit bereits vorhandenen in BVerbindung 
tritt, bei Wundt die flare und fcharfe Auffaſſung des 
Wahrgenommenen oder Vorgeſtellten im Gegenſatze 

u der bloßen Berzeption, dem Cintritt ener Bor- 
Petlung in’ Bewußtſein iiberhaupt. So wird beim 
Sebhen awar der Inhalt des gangen Gefidtsfeldes im 
allgemeinen wahrgenommen (pergipiert), genau auf- 
gefakt (appergiptert) aber nur der m der Blicklinie lie- 
gende Teil desfelben; in der Muſik eines Ordejters 
hören wir zwar fidjer jedes eingelne Inſtrument, aber 
nur bei bejonders darauf geridteter Wufmertfamtfeit 
fommt uns der Unteil eines jeden gu deutlichem Be- 
wußtſein; beim Naddenten driingen fic) uns fortwih- 
rend viele neue BVoritellungen auf, aber nur wenige 
davon treten flar vor unjer geiftiqes Auge. Durd 
Experiment ijt fejtgejtellt worden, dah die Zahl 
—5 vom Bewußtſein aufnehmbaren einfachen 

indriide ungefähr 16—40 beträgt, daß aber davon 
nur 6—12 auf einmal apperzipiert werden. Hinſicht⸗ 
lid) ded Wefens der A. ftehen einander zwei Theorien 
gegentiber. Nach der einen ijt die U., obwohl ſich mit 
thr bas Bewußtſein einer Tätigkeit verbindet, dod) im 
Grund ein ebenjo paſſiver Borgang wie das einfadhe 
Empfinden; der Wusdrud, daß unſre Uufmerffamteit 
auf diefe oder jene Vorjtellung »geridtet< fei, hat nur 
cinen bildlichen Sinn. Nach der andern, die in Kants 
Lehre von der tranfzendentalen A. als einer (vertniip: 
fenden) Funktion des Bewuhtfeins ihr Vorbild hat, 
liegt der A. eine wirkliche Tätigleit des Subjelts gu 
Grunde, das auf die herantretenden Eindrücke re- 
aqiert. Man hat daber die gange, an Wundt ſich an- 
‘catiefjenbe Richtung der Pjychologie, die den Begriff 
der pfodifdjen Tätigleit feſthält, im —— zur 
Afſoziationspſychologie aud als Apperzep— 
tionspſychologie bezeichnet. Im Sinne der erſtern 
laſſen ſich alle Erſcheinungen des Seelenlebens zuletzt 
auf Empfindungen zurückführen, die ſich nach den 
mechaniſchen Geſetzen der Ideenaſſoziation (ſ. d.) mit- 
einander verbinden; im Sinne der letztern liefert die 
Aſſoziation nur das Rohmaterial, aus dem erſt unter 
twirkung der apperzeptiven Tätigkeit die Borjtel- 
lungen und Gedankenreihen geſtaltet werden. S. auch 
Aſthetiſche Apperzeptionsformen. 

Wppetit (lat., -Begierde«), Eßluſt, insbeſ. aber 
das auf eine bejtimmte Speife gericdtete Verlangen. 
Wahrend Hunger cin läſtiges Gefühl ervegt und einen 
ſchmerzhaften Buitanb hervorbringt, wenn er nidjt 
fofortige Befriedigung erhilt, macht der A. nur einen 
angenehmen Reis aus, der die Speidjelabjonderung 
erhöht und, wenn er unbefriedigt bleibt, ohne Nach— 
teil von felber wieder aufhirt. Bei gewiffen franfhaf- 
ten Ruftinden de3 Nervenfyftems, 4. B. im Refon- 
— — des Unterleibstyphus, kommt zu⸗ 
weilen abnorme Steigerung des Appetits, in andern 
Fällen, z. B. bet Schwangern, eine verfehrte Richtung 
desſelben auf ungenießbare und ſelbſt efelhafte Dinge 
vor. Bei den verſchiedenſten Krankheiten, aud) den 
leichtern des Magens und Darmfanals, befteht Man- 
gel oder Stdrung de3 Uppetits Wn orerie); doch fin- 
nen biefer Stirung aud) zahlreiche andre, namentlid 


635 


fieberhafte Xr iten oder Gemiitsajfette zu Grunde 
liegen. Uppetitlofigfeit bei verdorbenem Magen wird 
hauptſächlich —— bekämpft. Bet dauern⸗ 
der Uppetitlofigtet ijt eine griindliche drgtlidje Unter- 
ſuchung anguraten, da fie erſtes Zeichen ſchwerer Er- 
frantungen, 3. B. Nierenleidens, Krebſes xc., fein fan. 
Uppetitfarben, ſ. Lockfärbungen. 
ffe, ſ. Duftſtoffe. 
Appiani, Undrea, ital. Maler, von feinen Zeit⸗ 
enojjen der ⸗Maler der Grazien« genannt, geb. 23. 

ai 1754 in Mailand, geft. dafelbjt 8. Nov. 1817. 
Gejtiigt auf Studien der Bliiteperiode italieniſcher 
Wandmalerei, befonders der Raffaelſchen, ſchuf A. 
eine Reihe von Werken in Paläſten und Rirden Mai— 
lands. Napoleon, deffen Taten fein Pinfel feierte, 

eichnete ibn fehr aus, und fein Sturz wirtte auf 

pianis äußere Verhältniſſe fehr nadteilig cin, fo 
day er im Elend ftarb. Seine bejten Werke find die 
Frestogemalde aus dem Mythus von Umor und Pſyche 
in der finigliden Villa zu Monza und die Kuppel- 
gemälde in Santa Maria di San Celfo gu Mailand. 

Appiauos, rim. Geſchichtſchreiber aus Wleran- 
dria, im 2. Jahrh. n. Chr., Sachwalier in Rom, tn 
Ulter von Untoninus Pius gum Profurator, vermut⸗ 
lid) von Äghpten, ernannt. Er verfaßte in griechiſcher 
Sprache eine römiſche Gefdidte in 24 Büchern (» Ro- 
maica«) in der Untage, dah, wenn die Unterwerfung 
eines Landes oder Bolles — dieſe bis gum Wb- 
ſchluß durdergihlt wurde. Außer der Vorrede find 
vollitindig nur 11 Bilder erhalten: Spanien (Bud 
VI), Hannibal , Rarthago (VIIT), Illyrien (LX), 
Syrien (XD), Mithradates (X11), (XITI—XVI) die 
römiſchen Biirgerfriege, von den iibrigen zahlreichen 
jum Teil größere Brudjtiide. Zwar nur eine Kom— 
pilation und an vielfaden Flüchtigkeiten und Bers 
jeben, namentlich in der Chronologie, leidend, bat 
bas Wert dod) durd) Benugung verlorner Quellen 
nidht geringen Wert, gang bejonders fiir die Geſchichte 
ber Biirgertriege. Die Sprache ijt bis zur Troden- 
heit ſchmucklos und einfad. Ausgaben von Sdweig- 

äuſer (mit Rommentar, Leipz. 1785, 3 Bde.) und 

endelsſohn (daſ. 1879—81, 2 Bde.) ; —— 

von Zeiß (Daf. 1837 88, 2 Bde.). Vgl. Hannak, 
Appianus und ſeine Quellen (Wien 1869). 

Appla via, ſ. Appiſche Straße. 

— edam (Uppingadam), Stadt in der nie- 
derlind. roving Groningen, am Danijterdiep und 
der Eiſenbahn Groningen-Delfzijl, mit Pferdemärk⸗ 
ten, Schiffbau und (1900) 4448 Einw. 

Appifde Strafe (Via Appia), die größte und 
prächtigſie Straße des alten Stalten, gur Zeit ihrer 
Bollendung, nad Trajan, ca. 540 km lang bei einer 
Breite von Bm. Ihr erfter Erbaucr war ſeit 312 
v. Chr. der * Appius Claudius Cãcus, welder 
fie von der Porta Capena in Rom über Uricia, Tar⸗ 
racina, Fundi, Minturnd, Sinueſſa bis Capua fiihrte. 
Spiiter wurde fie über Beneventum, Venuſia, Taren- 
tum und Uria bis Brundifium, dem Überfahrtsort 
nad) Griedenland, verlängerl (vgl. arte »Italien 

ur Beit des Kaiſers Uuguituse). Die Grundlage be- 
tand aus grobem, feſtgeſtoßenem Kies und Heinen 

{djteinen, die mit glatten Ouaderiteinen belegt 
waren. An ben Seiten befanden fic jteinerne, 70 cm 
—* Einfaſſungen, Ruhe- und Meilenſteine. er⸗ 

leibſel der Straße werden ſtellenweiſe noch jetzt be⸗ 
nutzt. 1850—53 hat Canina auf Befehl Pins’ IX. 
die beiderfeits mit zahlreichen Grabmonumenten & 
ſchmückte Strede zwiſchen Rom und Fratocdi 
Ulbano) ausgegraben und blofgelegt. 


636 


Appius, rim. Vorname, bejonders von Perfonen 
aus der gens Claudia; ſ. Claudius. gleichen. 
Applanieren (aplanieren, franj.), ebnen, aus- 

Applandieren (lat.), Beifall klatſchen. 

Applaus (lat.),Beifallstlatſchen·, auc Beifalls⸗ 
ruf und Beifall überhaupt, beſonders der Zuſchauer 
im Theater. Letzterer fand ſchon bei den Römern ſtatt 
und hatte hier ſeine Stufen und beſondern Regeln. 
Er wurde bald durch Wehen mit den Zipfeln der Toga 

egeben, wofür Kaiſer Aurelian das Schwingen mit 

eugſtreifen einführte, die er unter dad Volt austeilen 
ließ; bald ſchnellte man den Mittelfinger an den Dau- 
men, bald ſchlug man mit den fladen, bald mit den 
hohlen Handen gegqeneinander. Wud) erfaufter A. fam 
ſchon in Rom fo häufig wie jest vor (vgl. Bittiger, 
iiber das Upplaudieren im Theater bet den Ulten, 
Leipz. 1822). Yn der ältern chriſtlichen Kirche rief 
und flatfdte das Bolf oft dem Prediger Beifall gu. 
Gegenwartig ijt bas Upplaudieren in der ganzen zivi— 
lifierten Welt Sitte. Man madt mit Recht dafür gel- 
tend, daß —*— Veifallsiugerungen einerſeits 
die Sicherheit des Produzierenden erhöhen und ſein 
künſtleriſches Vermögen jteigern, anderſeits aber auch 
bas Publilum ausgezeichnelen Leiſtungen gegenüber 
durch ein unabweisliches Bedürfnis zu sation Auße⸗ 
rungen ſeines Wohlwollens getrieben wird. Der Miß— 
brauch des Applauſes wirft jedoch ebenſo nachteilig, 
wie fein richtiger Gebrauch förderlich fein fann. Das 
moderne Virtuoſentum in Oper und Sdaujpiel hat 
durch widerredtliche Spefulation auf den A. diejen 
neuerdings distreditiert, jo daß felbjt von ſchauſpiele⸗ 
riſcher Seite in Deutſchland eine gegen den A. gerich⸗ 
tete Bewegung eintrat, die zur Abſchaffung des Her- 
vorrufé im Deutfden Theater und danad tn ben fi- 
nigliden Theatern ju Berlin führte. Doch hat dieje 
Neuerung nidt die allgemeine Billigung des Publi- 
fums gefunden. Bgl. Claqueurs. 

Appleby (or. dppetoy, Hauptitadt der Grafidaft 
Wejtmoreland (England), am Eden, uralt, mit Schloß 
des Lord Hothfield, Lateinfdule, etwas Wollindujtrie 
und (1901) 1764 Cinw. 

Applegathide Maſchine, ſ. Schnellpreſſe. 

Appleton (jor. spit’, Hauptitadt der Grafſchaft 
Dutogamie im nordamerifan. Staat Wisconjin, an 
den untern Fallen des For River, 32 km von der 
Green Bay, mit großen Bapier- und Holsitofffabri- 
fen, der Lawrence Univerſität (1900: 426 Studenten) 
und (1900) 15,085 Einw. 

Appleton (pr. avpln), Daniel, amerifan. Bud- 
handler, geb. 1785 in Haverhill (Maſſachuſetts), geſt. 


27. März 1849 in New Yorf, betrieb in Boſton, ſpä⸗ 


ter in Rew York erjt ein Schnittwarengeſchäft, be- 
fafte fic) dabei feit 1825 and) mit der Emfubr eng- 
liſcher Bücher und begqriindete in Rew Yorf ein Ber- 
lagsgeſchäft, dad in der Folge feine Söhne, befonders 
William Henry A. ‘ack 28. Juni 1814, geſt. 
19. Oft. 1899) und John Adams W. (geb. 9. Jan. 
1817, geſt. 13. Silt 1881), bedeutend erweiterten. 
Letztere ervidteten 1853 aud cine große Buchdruckerei, 
die 1868 nad Brooflyn verlegt wurde, 1900 wurde 
das Geſchäft unter der Firma D. Uppleton u. Cie. 
in eine Altiengeſellſchaft umgewandelt. Hauptiwerfe 
bes umfangreiden Berlags find die 1857—63 unter 
Leitung von Ripley und Ch. A. Dana in 16 Banden 
herausgeqebene »American Cyclopaedia« (2. Aufl. 
1873 —76), su der feit 1861 jihrliche Ergänzungsbände 
(»Annual Cyclopaedia«) erjdjeinen, umd die »Cyclo- 
paedia of American biography« (hrsg. von Wilſon 
und Fisle, 1887—89, 6 Bde.; Bd. 7 erſchien 1900). 





Appius — Appomattor. 


Applifant (lat.), Bewerber, Vitifteller, Anwirter. 
Applifation (lat.), Anwendung, Fleiß, Neigung; 
aud Cingabe an die Behirde. Applicatio fiat, man 
mache die mivendung. Upplifa bel, anwendbar. 
lifationdarbeit, Verjzierung von Geweben 
durch Aufnähen (zuerſt Aufklleben) aus einem anderu 
Stoff ausgeſchnittener breiter Ornamente, wird künſt 
leriſch belebt durch Schnur und Ziernähte in Seiden: 
und Goldfäden, auch durch Malerei oder Plattitid- 
jtiderei. Im frithen Mittelalter erfegte man die Bro- 
fatweberet durd A. von Goldplatten. Mufnabharbeiten 
in Leder fennt man aus foptijden Griibern des 5.—7. 
Jahrh. Zur hidjten Vollendung gelangte die A. als 
Schmuck von Kirchengewändern m Italien und Spa- 
nien int 16. Jahrh. während man im 18. Jahrb. ge 
webte Binder aufnähte. Ym Orient wird die A. er⸗ 
fest durch bie Leder und Tudmofaif. Vgl. Lipper 
Heide, Die deforative Runftitiderei (Berl. 1890—95). 
Upplifationsfarben (Tafel-, Körperfar— 
ben, topiſche Farben), tm Zeugdrud mittels eines 
Riebmittels auf Geweben befeſtigte Farbjtoffe. 

Applifationsfdulen, in Franfreich hohere Mi- 
litärſchulen fiir aca mee f. Generaljtabsjdule. 

Applikatũr, j. Fingerſatz. 

Upplifatiirtafel heißt die Notierung der Sfala 
eines Blasinſtruments mit qenauer Ungabe der Griffe, 
welde die eingelnen Tone hervorbringen. 

Applizieren (lat.), aufheften, aufleqen (von Far 
ben); anwenbden; einem etwas beibringen. 

Appoggiatura (ital., fpr. -ofgatara), in Der Muſil 
foviel wie Vorjdlag (jf. d.). 

Appoint (franj., fpr. -piing; ital. Appunto), sur 
Volljahlung eines Geldbetrags dienende Scheide 
miingen. Qnsbefondere Heit VW. ein Wechſel, durch 
den in Verbindung mit einem oder mehreren andern 
eine Forderung vollfommen ausgegliden wird. Er- 
halt 3. B. A von B fiir eine Forderung von 354 M. 
zwei Wechſel, von denen der cine auf 300, der andre 
auf 54 Wt. lautet, fo ijt der legtere cin A., inſofern 
durd fein Hinzulommen die uld auf den Bunt 
(a point) ausgegliden wird. In diefem Sinne heist 

appoint oder per appunto remittieren oder traj- 
fae foviel wie den Saldo oder Reſt einer Forderung 
durch Wechſelſendung übermachen oder durd Wech 
ſelausſtellung erheben. Auch verſteht man unter WL 
jeden Teil einer Wechſelſendung (Rimeſſe) oder einen 
Wechſel überhaupt. Dann wird der Ausdruck auf die 
auf verſchiedene Beträge lautenden Schuldverſchrei⸗ 
bungen einer Anleihe uͤbertragen. Go werden Obli⸗ 
gationen in Appoints (Abſchnitten) zu LOO, 500, 
1000 INL. 2c. ausgeſtellt. Unc Papiergeld, Bantnoten 
werden in Appoints aaa 10, 20, 100 We. 2. aus 
eqeben. Wenn auf Kurszetteln bei der Notig eines 
—81 zu leſen ijt kl. —«, fo heißt dieſes, daß 
fleine Appoints (Stücke) fehlen. In Belanntmachun⸗ 
gen von Kreditgeſellſchaften, die bisweilen naͤher an⸗ 
gegebene⸗ Appoints · ihrer Obligationen als ausgeloſt 
und rückzahlbar bezeichnen, find unter den Appoints 
nur die betreffenden einzelnen Nummern zu verſtehen. 
—Uppointieren, ausgleichen, ſich vergleichen; Red- 
nungen mit den Handelsbüchern vergleichen; auch fo 
viel wie beſolden. 

Appoltſche Ofen, ſ. Kols. 

Appomattox, Grafſchaft im nordamerifan. Staat 
Virginia, aus der der gleidnamige Flu k dem James 
zufließt, und bet deren Court-house (Gerichtshaus). 
35 km öſtlich von Lyndburg, General Lee 9. April 
1865 die Wajfen ftredte und der Biirgerfrieg cin 
nde nahi. 


Apponieren 


Apponieren (lat.), beilegen, beifiigen; appons- 
tur, es werde beigefiigt, 3. B. ein Uftenftiid. 
Apponyi (prc. -nji), altes ungar. Adelsgeſchlecht, 
fibrte urjpriinglid) Den Namen »Péd« und nannte 
id) feit Ende des 14. Jahrh. U. nach der damals er- 
worbenen Herrfdaft Uppony im Reutraer Romitat. 
Freiherr Lagdr von A. wurde 1739 in den erbliden 
Grafenjtand erhoben. Von gefdidtlider Bedeutung 
find: 1) Unton Georg, Graf, geb. 4. Dex. 1751, 
get. 17. Mai 1817, trat in den Staatsdienft, wurde 
efpan des Tolnacr Romitats und madyte ſich na- 
entlid) durch bie Begriindung der Upponyifden 
Bibliothek verdient, die fait 50,000 Bände (dar- 
unter viele Aldinen) zählt und 1827 von Wien nad 
Prefburg, {pater nad) dem Kaſtell Ris Uppony (Neu- 
traer Romitat) gebradt wurde. — Sein älteſter Sohn, 
Anton, geb. 7. Dez. 1782, gejt. 17. Olt. 1852, war 
Botidafter in London, Rom, Karis (bis 1849). 
2) Georg, Graf, der sweite Sohn Anton Georgs, 
geb. 29, Dez. 18908, geft. 1. Marz; 1899 auf feinem 
ut Eberhard bei. Preßburg, war Konzipiſt, dann 
Selretiir der ungarijden Hoffanglei. Seit 1843 trat 
ex als Politifer in den Vordergrund. Uls Hoftangler 
und ſchon feit 1844 Führer der fonfervativ-arijtofra- 
tijden Partei, bekämpfte W. alle national-ungarijden 
Reformbeftrebungen und erregte durd) fein Syſtem 
der Komitatsadminijtratoren einen gewaltigen Sturm. 
Tropdem fiegte die Oppofition in den Wahlen, und 
alg A. nun * ſelbſt an die Reformen heranwagte, 
begegnete er allgemeinem Mißtrauen. Die Februar- 
revolution madjte allem cin Ende. Er wurde feines 
Poſtens enthoben, lebte fortan zurückgezogen, bid er 
1859 als lebenslinglides Mitglied in den verſtärkten 
Reichsrat ju Wien berufen ward. Hier verfodt er die 
Selbjtindigfeit Ungarns und ward bald ein cinflup- 
reicher Führer der nationalen fonfervativen Partei. 
Wm 20. Oft. 1860 zum Judex curiae ernannt, prii- 
fidierte er den Konferenzen zur Reorganijation der 
ungarifden Rechtspflege. Wis bevollmadhtigter Kom⸗ 
salar erdffnete er 6. Upril 1861 den Landtag inDfen 
und fiibrte Das Präſidium im Oberhaus. Nad Auf— 
löſung ded Landtags (21. Aug.) wirkte er nod) im 
ausgleidfreundliden Ginne fort; da aber fein Me- 
morandum in Wien beijeite gelegt wurde, fo legte er 
1863 fein Umt nieder. Er nahm nod am Reidstage 
von 1865, {pater an ben Sigungen ded Oberhauſes teil. 
8) Ulbert, Graf, ungar. Politifer, Sohn des 
vorigen, geb. 29. Mai 1846 in Wien, wurde im Jeſui⸗ 
fenfollegium Ralfsburg erjogen, ftudierte dann die 
Rechte in Wien und eft, madte nad) 1868 längere 
Reiſen, namentlid) in Deutſchland und, Franfreid, 
und wurde 1872 in das ungarijde Abgeordnetenhaus 
gemahlt, dem er mit einer Unterbredung von 2 Yah- 
ren feit 1877 angehört. Hier zeichnete er fid) bald 
durd) eine ungewdhnlide Rednergabe aus: er ijt heute 
unbejtritten der vorzüglichſte Sprecher und in jeder 
Beziehung eins der hervorragendjten Mitglieder des 
ungarijden Barlaments. Wnfangs gehörte er der 
—— Partei des Barons P. — an, 
ging nach deſſen Rücktritt zur vereinigten Oppoſition 
liber und wurde 1878 der gefeierte Fuͤhrer der ſogen. 
Nationalpartei (j. d.), dic insbefondere gelegentlid) 
der Webhrgefepdebatte (Unfang 1889) gegen das Ra- 
binett Tisza einen riidjidjtslofen Kampf führte. Dem 
Rabinett Sjapdry (1890-92) gegeniiber beobadhtete 
YW. anfinglid) eine wobhlwollende Neutralitat und 
unterjtiigte deffen Borlage behufs Verftaatlidung 
der Verwaltung. Die vom Kabinett Weferle (1892 
bis 1894) geplante Cinfiihrung der Zivilehe billigte er 


— Appretur. 637 


pringipiell, vertwarf aber deren obligatorifde Form. 
Dem Minijterprajidenten Bänffhy gegeniiber, der die 
Nationalpartei in den Wahlen (1896) jtart ſchmälerte, 
trat A. gleidfalls heftig entgegen. Wher erjt Ende 
1898 fam es zur Objtruttion der jum Sturge Banjfys 
ſich vereinigenden Oppofition. Wis dann Bänffys 
Nadfolger, K. Szell, in feiner Brogranunrede » Redt, 
Geſetz und eredtigteit« hochzuhalten verſprach und 
ſich für die Verwirllichung der mit der Dppojition ver- 
einbarten Bedingungen (inSbef. fiir reine Wahlen) 
verbiirgte, trat Yl. 2. März 1899 mit feiner Bartei 
vertrauensvoll in die Regierungspartei ein. Seit der 
Fuſion trat er feltener als Redner auf. Im Oftober 
1901 wurde er abermals zum Deputierten und beim 
Veginn der Seſſion sum drajibenten des Reichstags 
gewählt. A. madte fich um die Friedensliga verdient, 
tat fic) auch als Sdyriftiteller bervor und tit feit 1898 
Mitglied der ungariſchen Alademie. Von jeinen Reichs- 
tagSreden find 2 Bände (Budapeft 1896) im Drud 
erſchienen. 

Appoͤrt! (franz.), »bring her!«, Befehl fiir Hunde. 

Apport (Frang., »Zugebrachtes⸗, Slaten), die 
nicht in barem Gelde beftehende ECinlage (Sach— 
einlage), welde Mitglieder von Altiengeſellſchaften 
und Kommanditgeſellſchaften auf Uttien in das Ge- 
ſellſchaftsvermögen maden. Um gu verbhiiten, dak in 
dieſem Falle der jogen. qualijijierten Gritndung etwa 
durd) die Griinder einer Altiengeſellſchaft derartige 
Einlagen ju allzu hohem Preis eingebradht werden, 

| find im deutiden Handelsgefegbud) (aud in Franks 

reich) beftimmte Vorſichtsmaß 
| ortierbod, hölzerner 
des Hundes im Apportieren. 

Apportieren (jranj., »herbeibringen<), das Her⸗ 

| antragen eines zugeworfenen Gegenſtandes oder des 

geſchoſſenen Wildes Durd den Yagdhund. 

| Appoſition (lat., »Rujag<), in der Grannnatif 
ein Durd einen verlürzten attributiven Nebenfag ent- 

ſtandenes Uttribut (jf. d.), 3. B. »Wlerander, der Be- 
jieger fo vieler Biller, unterlag der Leidenfdjafte, 
jtatt »Wlerander, welder (oder: obgleid) er) der Be— 
Hieger fo vieler Völker war, xc. « 

ppofitionstheorie, ſ. Intusſuszeption. 

Apprehenfionstheorie, die heute allgemein als 
richtig anerfannte Anſicht, nad) welder der Diebſtahl 
(j. d.) vollendet ijt, fobald der Dieb dic Verfiigungs- 
gewalt iiber die geſtohlene Sache erlangt hat. 

Apprehensio possessionis (lat.), Bejig- 
ergretfung. 

Appreſſion, ſ. Pflanzenbewegung. 

ieren (franj.), zubereiten, zurichten (Fa— 
brifate), ſ. Appretur. 
etiieren, ſ. Appreziation. 

Appretũr c(hierzu Tafel ⸗Appreturmaſchinen «), 
die Zurichtung einer Ware, beſonders der Gewebe, 
des Papiers, Leders, Pelzwerks ꝛc., unt derjelben ge- 
wifje Cigenfdaften (Farbe, Glanz, Griff, Didte) und 
durch Ddiefe einen höhern Gebrauchswert oder die fiir 
Den Markt geeignetſte Beſchaffenheit, die ſelbſt eben— 
falls A. heißt, gu geben. Bet vielen Waren ſchließt 
fic) die UW. unmittelbar an die Herjtellung an, bet den 
Geweben aber wird fie meijt in Zuridtungs- oder 
Uppreturanjtalten ausgefiibrt. Sie beginnt bier 
mit einer Reinigung der Gewebe und endet mit der 
eg ung eines angenehmen Unjehens, großer 

(atte, ftarfen Glanzes xc. Die Reinigungsarbciten 
bejtehen im Noppen und Wafden. Durd das Nop- 
pen (Beleſen) werden Knoten, Fäden, Strohjtiide, 

| Holsfplitter u. dgl. meiſt mittels einer Noppjange 


eln getrojffen. 
od gum Unterridt 


638 


Appreturverfehr — Appui. 


befeitigt. Zur Entfernung von Sdlichte, Fett rc. wafdt | gefdoren, mit Leimwaſſer gefteift, getrodnet, qeman- 


man Die 


webe mit warmem Wafjer, Seife, Wh- | qelt oder falandert, geglittet oder geglänzt und * 
en 


natron, Goda u. dgl. in Waſchmaſchinen. Das | preßt. Seidene Gewebe werden nur in gewi 


Trodnen geſchieht durd) Ausprefjen (Uuswringen 
oder Ausſchleudern auf der Zentrifuge, Aus— 
preffen auf Waljenprefjen) und durch Verdampfen 
des Wafers in Trockenräumen (Ram mern) oder auf 
Trodenmajdinen. Die durd) die Ungleichförmigkeit 
der hervorragenden Faſerenden des Pr raube 
und wenig glanjende Oberfläche der Gewebe wird durd 
Ubbrennen (Wbfengen, Sengen) auf Sengma— 
fdinen oder durch regelmafiges Abſchneiden (Sche⸗ 
ren) der Faſern auf Schermaſchinen verſchönert. 


Da die gute Wirkung des Sengens und Scherens 


jedoch weſentlich von der Lage der Fäſerchen ab— 
hängt, ſo werden dieſe pint mit Hilfe von Kar 
dendiſteln, Kratzen oder Bürſten auf Rauh— 
oder Bürſtmaſchinen an die Oberfläche gezogen 
Rauhen, Bürſten). 

Durch die beſchriebene Bearbeitung kann nur die 
Dem Webmaterial von Natur zulommende Glätte und 





fein natiirlider Glanz hervorgebradt werden. Cin | 


höherer Glanz wird durd) Verſtopfen der Gewebe- | 


poren durd das Fiillen und cin Glaitten der Ober- | 
fläche durch einen überzug und jtarten Druck hervor⸗ 


gebracht. In vielen Fällen imprägniert man das 
Gewebe mit einer Maſſe (Appreturmaſſe, Ap— 
pret), die in Der Regel aus einem Füllſtoff (feinem 
weifen Ton, Kaolin, Schwerſpat, Tall, Gips, Kreide, 
Magnefia u. dgl.) mit einem Bindemittel (Stärke— 
feijter, Leim, Dertrin, Seife, Wachs, Pflanzenſchleim) 
bejteht, und preßt es nad dem Trodnen oder Feſtwer⸗ 
den diefer Maſſe zwiſchen glatten Körpern. Zum Im— 
priiqnieren (Stärken) benugt man dieStirfe- oder 
Klogmafdine, gum Glätten verfdiedene Preffen, 
insbej. Die Mangen und Ralander (daber Man- 
qen, Ralandern, 8ylindrieren). Bu den Up- 
preturarbeiten fommen mitunter nod) hinzu: dad 
Rarbonifieren (ſ. dD.) der Wollenftoffe, bas Rrep- 
pen oder Rraufen des Krepps (ſ. d.), eines Seiden- 
jtoffes, wobei legterer zwiſchen geriffelten geheizten 
Walzen hindurchgeht und dabei feine Kreppung erhält, 
das Ratinieren (jf. Ratin); ferner das Warferdidt- 


maden (jf. Wafferdict), das Unverbrennlidmaden | 


durch Tränken mit Lofungen von Saljen 2c. und das 
WMercerijieren (f.d.) der Baumwolle. 
Zu den Vollendungsarbeiten gehiren hauptſüchlich 


das Gaufrieren (f. d.), Moirieren (f. Moire) und. 
das Filzen. Das Filjen gibt den Stoffen grofe | 


Dichtigleit, findet bejonders in der Tucfabrifation 
mafdinen ausgefiihrt (ſ. Wallen). 


Fällen appretiert, beſonders über zieht man leichte Tafte 
und Atlaſſe auf der Rückſeite mit Tragantſchleim, 
troctnet fie fdjnell und erhöht ihren Glanz durd a: 
landern mit gebeisten Metallwalzen. Uber die in der 
U. angewendeten Mafdinen f. die beifolgende Tafet. 
Val. Meifner, Der praktiſche Uppreteur rc. (Leups. 
1875); Derjelbe, Die Maſchinen für A. rx. (Bert. 
1873); Behniſch, Handbud der VW. (Griinb. 1879) ; 
Romen, Bleiderei, Färberei und A. (Berl. 1879 — 
1885, 2 Bode.); Polleyn, Die Uppreturmittel (2. 
Uufl., Wien 1897); Dépierre, Die VU. der Baumwoll- 
gewebe (daj. 1888); Sanfone, Seugdrud, Bleiche 
rei 2c. (deutſch, Berl. 1890); Reifer, Die UW. der wolle- 
nen und balbwollenen Waren (Leip;. 1899). 
MUppreturverfebr , ſ. Beredelungsvertebr. 
Appresziation (WM ppretiation, neulat., franj.). 
Schigung, Wertbejtimmung; apprejziieren (ap- 
pretiieren), abſchätzen, ſchätzen, wiirdigen. 
Approbatae Constitutiones Regni Tran- 
sylvaniae et Partium Hungariae eidem an- 
nexarum, Titel der vom fiebenbiirgifden Fürſten 
Georg Rafoczi I. 1653 herausgqegebenen Sammiung 
der Siebenbürgiſchen Gefepe, die alle zwifden 1540 
und 1653 gegebenen Geſetze in ungariſcher, mit la— 
teinifdjen Zitaten vermifdter Sprade enthalt (Groj;- 
wardein 1653; 3. Ausg., Klauſenb. 1815). 
Wpprobation (lat.), die Genehmigung von feiten 
einer Behörde zur Uusiibung einer Täligkeit oder 
cined Umtes; in der fatholifden Rirde auc) die Ge 
nehmigung und Billiqung von Drudicdriften religid 
fen Inhalts, die durch dad folden Schriften vorge 
drudte »approbature ausgedriidt wird; in der Ge 
werbeordDnung (§ 29) die auf Grund cines Nachweiſes 
der Befihiqung erteilte Genehmigung jum Gewerde 
betrieb der Ärzie und der Upothefer (f. Wrst). 
Approbieren, nad erfolgter Priifung genehmi 
ger, gutheifen; approbativ (approbatori{d), 
illigend, qutbeifend. 
(fran}., fpr. approſchen), f. Laufgriben. 
Appropriation (lat.), Uncignung; Appropriatio 
feudi, Beendiqung des Lehnsverhitnijfes durch Auf⸗ 
hebung der Rechte des Lehnsherrn. 
ationsflanfel(lat., »Unciqnungstiaw 
fel«), in England die vielbejtrittene geſetzliche Anerken⸗ 
mung des dem Staat angeblid guitehenden Rechtes, 
das tdgen der anglifanifden Kirche in dem fajt 


| gang fatholifden Irland ſtatt blok su einer geradezu 
Unwendung und wird dird Wallen in Ball. | 


Vaumwollenftoffe werden nad dem Wafden | 


und Trodnen in der Regel erjt gefengt, dann oft ge- 
rauht und gefdoren, regelmäßig geſtärkt, gemangelt 
und falandriert fowie in beſtimmten Fallen qaufriert, 


qerabmt und moiriert. Leinenwaren werden tm | 


wefentliden wie baumwollene Gewebe bebandelt, nur 
fällt wegen ihrer natürlichen Glätte das Sengen und 
Sderen fort. Nad dem Stärken werden fie auf der 
Wange oder auf Kalandern geglittet; um eine nicht 
qlinjende, bem Faden feine Rundung nidt bemerk 
bar raubende, fanft gewäſſerte A. zu erhalten, bringt 
man die Leinwand auf die S Hlaqmihle(Stampf-, 
Stoftatander), wo fie etwas feucht auf eine Walze 
feft anfgewidelt und durch febr qlatte, fentredt herab- 
fallende Stampfen bearbeitet wird. Uber dic A. der 
Tude f. Tud. Kammwollene Reuge werden je 


| ten fatholifden Rirde und der fatholi 





nad ibrer Beſchaffenheit qenoppt, gefengt, gewafden, | 


veridwenderifchen Ausſtattung der geiſtlichen Stellen, 
zu andern das Landeswohl fordernden Sweden, bee 
ſonders aud) gu gunſten der ſehr dürfti ausgeſtatte· 
en Schulen 
verwenden zu dürfen. Zuerſt 1833 durch Althorp be⸗ 
antragt, 1834 durch den Radifalen Ward erneut, ijt 
die W. ein Gegenftand fteten Kampfes swifden Whigs 
und Tories geblieben, bis endlich durch die von dem 
Miniſterium Gladftone 1869 yur Annahme gebradte 
Bill über Mufhebung der irifchen Staatésfirde aud 
die Frage der A. erledigt worden ift. 

Approvifionieren (franj.), mit Borrat an Le- 
bensmitteln verfehen. 

ximation (lat.), Unniberung (j. d.); ap- 

prorimativ, annähernd. 

Approximitãt (lat.) der Bahnen sweier Hinnnels- 
forper, ihr geringfter Ubjtand voneinander. 

yp — jor. pit), Stipe, Stiig- oder An⸗ 
lehnungspuntt fiir Truppenjtellungen. 


{Zum Artikel Appretur.] 


Appreturmaschinen. 

















In der Appretur findet unter den Waschmaschinen 
die Breitwaschmuaschine ausgedehnteste Verwendung. 
Eine mustergiltige Anordnung (Jlemmer) zeigt 
Fig. 1. Zam Durchkneten des zu einem endlosen 
Bande zusammengeniihten Zeuges Z dient das Wal- 
zenpaar A, dessen obere Gummiwalze durch Spiral- 
federn, die mittels der Traverse t auf 
die Oberlager wirken, auf die untere 
Kupferwalze gedriickt wird, Das Zeug 







1. Breoitwaschmaschine von Hemmer. 


Z passiert, von den Walzen A gezogen, erst den 
Waschtrog B, derdie ausgeprefte Fliissig¢keit ausiingt, 
dann die Spannstiibe | und h, wird von der Latten- 
walze i fortgenommen, in den Trog EE, itiber die 
Spannprismen a, d, f, Leitwalze b, Anzugswalzen c, 
e zum Trog B zuriickgefiihrt. Das an dem Gelenk m 
hiingende, von nx in Schwingung versetzte Brett D 
dient zum Fortschieben des Zeuges. Das Rohr u 
dient zum Entleeren. Die Seiten- 
wiinde C lassen sich nach der Stofl- 
breite einstellen, 

Bei Trockenmaschinen wird er- 
wiirmte Luft dem gespannten und 
sich in der Kettenrichtung bewegen- 
den Gewebe entgegengetricben, oder 
das letztere wird iiber geheizte Trom- 
meln fortbewegt. Eine Trocken- 
maschine ersterer Art besteht aus 
zwei horizontalen cisernen parallelen 
Balken von 12—20m Liinge, welche, 
auf 1 m hohen Béicken aufruhend, 
sich nach der Breite der Zeuge mit- 


| eintritt und fiber der EKintritte- 








Eine Trommel- oder Walzentrocken-Maschine be- 
steht aus 2—36 Trommeln, die horizontal nebenein- 
‘ander, vertikal tbereinander oder zu Gruppen ver- 
| teilt angeordnet sind und (Fig. 2) durch hohle Zapfen 
mit den als Dampfbehiilter und Kondensator dienen- 
den hohlen Gestellteilen BB und dadureh mit dem 
| Dampfzustrémungsrohr b in Verbindung stehen. Das 
yon einer Walze ablaufende oder yom Fubboden auf- 
/genommene Zeug ce passiert infolge der ‘Trommel- 
drehung die Spannprismen 1, 2, 3, darauf den Aus- 
breiter 4 zum Breitspannen und sodann im Zickzack 
die Trommeln d, um getrocknet entwederaufdie Walze 
n aufgewickelt oder durch einen besondern Lege-Ap- 

parat (Leqmaschine) in Falten h niedergelegt zu wer- 
den (Fachen), Der Lego-Apparat (Facher) besteht aus 
| zwei Hiingeschienen f, die an der Spitze der schwanen- 
halsartigen Ansitze C drehbar aurgehiingt und durch 
Schubstangen i yon Kurbeln inSchwingungen zu ver- 
setzen sind, Das getrocknete Zeug e liuit tiber eine 
Fiihrungswalze a zu dem Walzenpaar g, welches das- 
selbe infolge der Drehung yorzieht und durch das Hin- 
und Hersehwingen bei h in Falten ablegt. Die Dreh- 
bewegung siimtlicher Teile geht von der Riemenscheibe 
e mittels Riemen derart vor sich, dai diese Maschine 
12,5 — 15 m Stoff in der Minute trocknet. 
Trockenkammern bilden viereckige, aus Fisenblech 
hergestellte Riume von 4—5 m Liinge und etwa 3 m 
Héhe und 2 m Breite. Der zu trocknende Stoff wird 
an einer Schmalseite durch einen Schlitz fast unter 
der Decke von einer auberhalb liegenden Walze ein- 
'gefihrt, sodann in der Kammer, um horizontale 
| Walzen gespannt, 3—4 mal hin und her geleitet und 
endlich, wieder an der Finirittsseite, unmittelbar 
‘iiber dem Boden von cinem auberhalb liegenden 
Walzenpnar getrocknet herausgezogen. Zum Trock- 
nen dient ein Luftstrom, der in erwirmtem Zustand 
der Zeughewegung entgegen in die Kammer getrieben 
wird, indem er durch einen Schlitz an der andern 
Schmalseite durch den Boden 

















tels Querschrauben auf 0,5—2,5 m 
einstellen lassen, Auf jedem Balken 


2 Trommel- oder Walzentrockun-Masohine 


bewegt sich in der Langenrichtung eine endlose Kette | stelle des Stofies mit Wasser gesiitiigt durch die 
mit nach oben gerichteten Stiften (Klaviere) zam Er- Kammerdecke die Kammer verliit. Die Erwirmung 
fassen des Stofies und in der Bewegungsrichtung etwes der Luft erfolgt sehr zweckmiibig mit Hilfe der be- 
auseinander gehend (nicht parallel), um das Zeug kannten Rippenheizkérper und die Fortschaffang und 


hierdurch in der Breite zu spannen, Durch einge- 
setzte Wiinde bildet diese Rahmenmaschine einen lan- 
gen Kasten, dessen Deckel das Zeug darstellt, An dem 
das Zeug abfiihrenden Ende liegt ein Rohr mit einer 
der Zeugbewegung entgegen gerichteten trichterfir- 
migen Erweiterung, durch die erwiirmte Luft mittels 
eines Ventilators unter das Gewebe getrieben wird. 


Meyers Konv.- Lexikon, 6. Aufl., Beilage. 


Bewegung derselhen duren Dampistrahler, die iber 
der Kammer stehen. 

Sengmaschinen brennen den Flaum ab, indem sie 
das Gewebe iiber einen gliihenden Kupfersiab (Stab- 
oder Plattensengerei), einen gliihenden Zylinder (Zy- 
lindersengeret) oder durch Gasilammen (Gassengerei) 
| hindurchziehen. 


IT 


(Gebauer, Fig. 2) mit drei Sengstellen A, A, A aus- 
gestattet, an denen 
das Zeug Z derart vor- 






3% Gassengmaschine von Gebauer. 


beigefiihrt wird (Fig. 4), dai es an jeder Sengstelle 


zweimal, also im ganzen sechsmal, gexengt wird. Je- | 
Enden aneinander geniihte Zeug T wird durch die 


doch kann man ein- 
zelne Sengstellen aus- 
schalten und das Zeug 
auch so fuihren, dab 
die Sengung an beiden 
Stofixeiten erfolgt. Das 
Zeug Z passiert, durch 
Spann- und Leitwalzen 
glatt gehalten, veleitet 
die Maschine in der 
Richtung des Pfeiles 
und lest sich bei B in 
Falten zusammen in- 
folge einer Schwingung des Fachapparats C. Das Gas 
wird von einem Gebliixe G durch die Réliren a, a, a 
in die Brenner A, A, 
A getricben, tritt aus 
feinen Sehlitzen aus, 


2 oon 
- O * 
2 —— S @. — 9 


J 


4. Brenneranordnang. 


und die Flamme 
strémt yveven das 
Zeug. Der Hebel h 


dient zum gleichzei- 
tiven Abriicken des 
Zeuyges von siimtli- 
chen Brennern. 
Schermaschinen, 
Die gebriiuehlichen 
Liingsschermaachi- 
nen besitzen Scher- 
wvlinder (Fig. 5), die 
nus einer Walze W 
mit (—12 schran- 
benférmig aufeezoge- 
nen Messern (Schie- 
nen) mm il, 2,5) be- 
stehen und sich mit 
grober Geschwindix- 





5. 
Secher- 
zvlinder. 


keit drehen, wilirend das Zeug daran in der Ketten- | 


richtung vorbeivefilirt wird. Eine Schermaschine 


(dig. 6) erhalt in der Regel zwei Seherzylinder A und | 


Appreturmaschinen. 


Die Gassengmaschinen bilden die Regel; sie sind A,. Das mit den Enden zusammengenahte Zeug T ge- 


langt von der Walze K aber die Leitwalze a, durch 
den aus prismatischen Stiben gebildeten Spannappa- 
rat c, iber das Prisma d zu der Birstenwalze B, so- 
dann iiber die Leitwalze e unter dic 
Birstenwalze b (Aufeetzhirste) rum 
Aufrichten der Harchen und von hier 
in den Scherapparat A. Dieser ist ge- 
bildet aus dem mittels der Schrauben 
s genau einstellbaren Scherzylinder, 
dem Schertisch i und dem Gegenmes- 
ser g (Lieger), vor dem sich die Har- 
chen aufrichten. Von A lauſt das 
Zeug tiber f, unter der Barste b zum 
zweiten Scherapparat A, Gber G sur 
Zustreichbirste B,, um sodann tber 
die Walze K den Gang durch die Ma- 
schine so oft zu wiederholen, bis der 
Erfolg erzielt ist. Der Antrieb geht 
von der Riemenscheibe 1 aus, die se 
durch Zahnriider 2, 3, 4 auf die Zag- 
walze K, durch Riemen auf die Bar- 
sten, Scherzylinder etc. thbertrigt. 


| Letrtere machen mit je 6 Messern 7800 Schnitte in 


der Minute. R ist ein Ausriicker. 

Kine doppelte Rauhmaschine (Gessner, Fig. 7) be 
steht aus zwei Trommeln A, B von 1—2 m Langer. 
wovon A mit drenenden und B mit festen Karden 
(Streichkarden) besctzt ist. Das zu rauhende, mit den 


Spannapparate m, n iiber Fihrungs- und Spannwalzes 
a so getiilrt, dab es jede Trommel an drei Stellen be 
rithrt und bearbeitet wird, indem sich die Tromme!a, 
der Zeugrichtung entgegen, etwa 100 mal in der Mi- 
nute drehen. Die Ablage des Zeuges erfolgt durch 
den Fachapparat C auf den Tisch D. 

Die Birstmaschine bezweckt die Entfernung der 
yom Sengen und Scheren liegen gebliebenen Faser- 
teilchen (Scherwolle) und das Legen der Fasern nach 
einer Richtung (Strick) und besteht (Fig. 8) ans einet 
mit 12 langen, schmalen Biirsten besetzten, sich 









6. Schermaschino, 


drehenden Trommel A, der das mit den Enden ver 
bundene Zeug T von dem Spannprisma a so sugefuhrt 
wird, dali es der Bowegung der Trommel entgegenlauf. 








Sodann liegen bei b, e, d, e Walzen zum Breithalten 
und Wegfiihren des Zeuges, das durch einen Trichter f 
in den schrigen, bedeckten Kanal ¢ fiillt, um wieder- 
holt den Weg durch die Maschine anzutreten. 
Stirkemaschinen (Klotzmaschinen, Stirkekalan- 
der) bestehen aus einem mit Appreturmasse gefillten 
Trog und aus Walzen zum Durchziehen des Gewebes 
durch den Trog und Entfernen der tbertlissigen Ap- 
pretur. Der Stirketrog 8 (Fig. 9) befindet sich zwi- 
sehen zwei Stindern G unter den 3 Preiwalzen pp, 
wovon die untere fest, die obern beweglich in Schlitzen 
des Gestelles gelagert sind. Die Mittelwalze wird 
durch das GewichtQan dem Hebel r belastet, der mit 
Schraube, Handrad und Arm h verstellbar ist. Das 
Gewebe T liuft von der Rolle R tiber die Spannstibe 
a, c und eine Walze e in den Trog 8 und um den Ein- 
tauehhaspel d, durch die Dreiwalzenpresse zum Auf- 
wickeln auf die Rolle s. Der Antrieb erfolgt durch 
Zuhnriider yon e aus, nur die Zeugrolle s erliilt ihre 
Prehung durch einen Riemen. Die Einstellung der 
obern Walze erfolgt durch K. 
Gliittmaschinen bringen durch starke Pressung 
zwischen glatten Fli- 
chen Gitte und Glanz 






hervor. Am ge- 
briiuchlichsten 
sind hierzu die 
Kalander mit 
Walzen (Wal- 
zen-, Cylinder- 
mangel), die je 
nach der Anzahl 
der letztern 2-, 
3-, Swellig heiben 
(s. Kalander). Bei 
der hichst wirk- 
samen Walzen- 
mangel wird das 
Zeug auf eine 
Walze Z (Fig. 10) 
aufgerollt und 
zwischen drehen- 
den, stark bela- 
steten W alzen hin 
und her gerollt 
(gemangelt). Eine solche Mangel (Gebauer, Fig. 10) 
besteht gewéhnlich aus einer festliegenden Unter- 


& Birstmaschine 


Appreturmaschinen. 


7. Rachmaschine yon Gessnor, 





Ill 








| walze U und einer beweglichen Oberwalze O. Die La- 
ger A der Oberwalze stehen mit einem Wasserdruck- 
apparat D in Verbin- 
dung und sind beliechig 
stark (bis 60,000 kg) 
zu belasten, wobei ein 
Manometer M den Was- 
serdruck angibt. Das 
von der Riemenscheibe 
Rin Gang gesetzte Ri- 
dervorgelege V dieser 
hydraulischen W alzen- 
mangel gestat- 
tet eine Umkeh- 
rung der Wal- 
zenbewegung. 
Vorteilhaft auf 
den Gliittpro- 
zeli wirkt die 
Erwirmung 
der Walzen ein, 
weshalb die Ka- 
lander fast im- 
mer mit Vor- 




















10. Walzenmangel von Gebauer. 


richtungen zum Finlassen von Dampf versehen werden, 
| Um die Glanzerzeugung zu erhéhen, bekommt eine 


IV 





Walze, z. B.O, oft eine grébere Umfangsgeschwindig- 
keit (Differentialkalander). Die gewShniichen W alzen- 
kalander kinnen nicht verwendet werden, wenn die 
Appretur einen linger anhaltenden Druck verlangt, 





ll. Glattmaschine. 


wie z. B. bei Tuch und tuchartigen Geweben. Zur 
Nutzbarmachung der Walzenkalander auch fiir den 
letztgenannten Zweck hat man (Fig. 1) die tuch- 
fiihrende Walze B mit zwei muldenfirmigen hohlen 
und mit Dampf heizbaren Druckplatten CC umgeben, 
die den aus Nickelblech gebogenen Prefspan PP ver- 
mittelst Schrauben kriiftig gegen das Zeug pressen, 
Das letztere liuft vona 
ber die Spannriegel i, 
und i, an der Birsten- 





— = 


12 Walkmaschine. 
walze W vorbei, deren Andruck mittels des Hand- 
rades b geregelt wird. Darauf geht das Zeug ũber den 
Spannstab V, die Spannwalzen i, und Y, zwischen 
die Mulden C, C und die Walze B, um sodann iiber 
L und i, auf eine Tafel oder Wickelwalze zu gelan- 
gen. Zur Regelung der Spannung dient ein um Y 
laufendes Bremsband, das durch das Handrad d und 
Schnecke angezogen oder gelockert wird, 
genden PreGinulden in den um zz drehbaren Armen 
DD erhalten von den Schrauben SS und 8,8, sowie 
einer starken Feder F den Andruck, zu dessen Re- 


Die lie- 


Appreturmaschinen. 





gulierung das mit der Schnecke o und Schnecken- 
rad n verbundene Handrad f auf die Feder F einwirkt, 
wihrend auberdem der Prefispan PP mit Hilfe der 
Walze L, Schneckenrad, Schnecke h und Handrad g 
gespannt wird. DieSchrauben ss dienen zur Stitzung 
der Mulden, Der Antrieb erfolgt von der schnell am- 
laufenden, von einer Riemenscheibe bewegten Birsten- 
welle R,, durch Zahnriider R,, R, und R, auf die Walze 
B, welche je nach der Stoflgattung eine Oberflachen- 
geschwindigkeit von 2—4 m in der Minute bekommt. 

Walkmaschinen sind mit stobenden Klétzen (Him- 
mern) oder quetschenden Walzen als Arbeitsorganen 
versehen und danach als Hammer- und Walzenwalken 
unterschieden. Bei der ersten Art (Fig. 12) ist die 
Anwendung zweier gezackter Klétze m,m sehr ge- 
briuchlich, die an Schwingen g hiingen und mittels 
einer Kurbel 0,0 in pendelnde Bewegung gesetzt wer- 
den (Kurbelwalken), Zur Aufnahme der Zeuge dient 
das Walkloch L, dus mittels Zahnstange z und Trieb t 






2c ee 


n Hemmer. 


| gréGer oder kleiner gemacht werden kann. Der Trieb 
wird von dem Handrad h bewegt. Die Arbeit besteht 
darin, dali die Hammer m, m abweechselnd ein in L ein- 
gelegtes Stick stoben, quetschen und in die Hohe 
schieben, so dab jedes Stick nach dem Stobe herun- 
terrollt und dem Hammer eine neue Fliche darbietet. 
Die Walzenwalken neuester Konstruktion (/7emmer, 
Fig. 18) erhalten in der Regel nur zwei Walzen O, U, 
wovon die obere nachgiebig gelagert ist, indem mit- 
tels Hebels rs, bei s angreivende Spiraledern auf das 
Oberlager der Walze O wirken. AuGerdem besitzen 
sie einen Finfihrungskanal a und einen Stauchkanal 
bf fir das in Strangform cintretende Gewebe, wel- 
ches, zu einem endlosen Bande zusammengenaht, von 
den Walzen gefabt, unausgesetzt von oben nach unten 
zwischen den Walzen OU, seitwirts und in der Lan- 
genrichtung in dem Kanal b zusammengequetscht 
wird. Der Kanal a hat Seitenwinde von (ilas, die 
durch Federn angepreit werden; der Kanaldeckel g 
(Zunge) ist von dem Hebelsystem k, i nach Bedirfnis 
zur Regelung des Druckes zu ent- oder belasten. Des 
Zeug Z fiillt in den mit Walkfliissigkeit gefillten Trog 
Tund steigt an der Fiihrungswalze ¢ durch eine Brille 
© tiber die Fiihrungswalze d in den Kanal a. — Als 
Walkfliissigkeit dient cine Lésung von Seife, fetter 
Ton-(Walker-jerde mit Wasser oder fauler Urin; die- 
selbe wird von dem Gefib m aufgefangen und abge- 
| lassen, solange sie sehr schmutzig ist. 


* 


13. Walzeonwalke vo 








Appun — Aprifofenbaum. 


— Karl Ferdinand, Naturforſcher und 
Reiſender, geb. 24. Mai 1820 in Bunzlau, geſt. 18. 
Yuli 1872 in Britifd-Guayana, durdforfdte 1849— 
1859 Venezuela und als Botaniker Britijd-Guayana. 
Er bereifjte Darauf einen Teil Brafiliens und befubr 
den Umajonenjtrom bis zur Grenze Perus. Nad) drei- 
jabrigem Uufenthalt in der Heimat (1868—71) fehrte 
er nad Guayana zurück, verunglückte aber auf der 
erften Reije ind Innere. Außer sahlreiden Aufſätzen 
verdffentlichte er: »Unter den Tropen« (Jena 1871, 

Mppunto (ital.), ſ. Appoint. [2 Bde.). 

—— (griech.), Verluſt des Verſtändniſſes für 
ben Gebrauch der Dinge, das Vertennen der Objette, 
eine pſychiſche Strung, die zuweilen mit Uphafie fom- 
biniert ift. 

Apraxin, 1) Feodor, Graf von, aus altem 
ruff. Adelsgeſchlecht (vgl. Borosdin, Genealogie des 
Hauſes A.; ruff., Petersb. 1884), geb. 1671, git 10. 
Nov. 1728, ward, von Peter d. Gr. jum General: 
admiral ernannt, der Schöpfer der ruffijden Marine. 
In Ingermanland ſchlug er den fehwedijden General 
Lübeler, eroberte 1710 Wiborg in Rarelien und be- 
febligte wahrend des von Karl XIT. angefadten Titr- 
fenfrieg3 auf dem Schwarzen Veer. 1713 griff er 
Finnland von der Geefeite ber an und nötigte Schwe- 
den jum Frieden von Ryftad, wodurd) Rupland die 
Oſtſeeprovinzen erlangte. Zuletzt begleitete er den 
Zaren auf deffen Feldzug gegen die Bolter am Rafpi- 
fchen Meer und gegen Perſien. Rweimal (1715 und 
1718) wegen Veruntreuungen verurteilt, ward er vom 
Baren gegen cin anjebnlides Löſegeld my 

2) Stephan Feodorowit{dh, Graf von, Neffe 
des voriqen, geb. 1702, geft. im Auguſt 1758, fodt 
unter Munnich gegen die Tiirfen, jtieg raſch zum 
General empor und war einer der cifrigiten Geqner 
der preußiſchen Bartei fowie des Grafen Lejtocq am 
ruſſiſchen Hof. Unt 30, Mug. 1757 fiegte er ald Feld- 
marjdall fiber die Preußen bei Grofjagersdorf, ging 
aber bei der Nachricht von einer Erfranfung der Rai- 
ferin auf Beſtuſhews Verantaffung nad Rußland zu— 
riid. Elijabeth —— jedoch wieder; Beſtuſhew wurde 
verbannt und A. unter der Anklage, von Friedrich IL. 
beftoden ju fein, vor ein Kriegsgericht gejtellt, vor 
deſſen ——ã— — er im Gefängnis ſtarb. Sein Leben 
beſchrieb Bantyſch Kamenſtkij inden »Biographien 
der ruſſiſchen Feldmarſchälle⸗ (Petersb. 1840—41, 4 
Bde.). Val. Maſſlowſti, Der Feldzug Apraxins in 
Ojtpreufen 1756 —1757 (deutſch, Berl. 1889). 

Aprés nous le déluge (fran3., »nad uns 
[fomme] die Siindflut!«), Wahlſpruch verbrederifd 
jorglojer Genugmenfden, wird der Frau v. Bompa- 
Dour zugeſchrieben, tit jedod) ein nur modernifiertes 
Wort eines alten griechiſchen Dichters, das von Cicero 
(»De finibus«, IIT, 19, 64) u. a. gitiert wird. 

Apricena (jor. -tigena), Stadt in der ital. Proving 
Foggia, an der Cijenbahn Uncona-Foggia, hat Stein- 
brite, Käſebereitung und (1901) 7643 Einw. 

Aupries (Uah-eb-ré, hebr. Hophra), König von 
Agypten, 588—570 v. Chr., Sohn Pſammetichs IL, 
verjudjte 587 einen Kriegszug jum Entfag Serufa- 
lem8, wurde aber von RNebufadnejar befieqt. Als er 
agyptifde Truppen 570 gegen Kyrene fdictte, wurden 
fie geſchlagen, empörten Kg auf dem Rückmarſche 
gegen ihn und wählten Amaſis ae Führer, der VU. 
570 bet Momemphis befiegte. A. wurde gefangen, 
blieb aber nod) eine Zeitlang offiziell König, bis er 
angeblid) vom Bolf ermordet wurde. 
rifofe, ſ. Uprifofendbaum. Südamerika— 
nif@e A., ſ. Mammea. 


639 


Uprifofenather (Aprikoſenöh, Fruchtäther 
vom Geruch der Aprilkoſen, ijt int weſentlichen Butter⸗ 
fiiuredither mit einer Spur Umplalfohol, wird in der 
RKonditorei benutzt. Aprikoſeneſſenz iſt eine Löſung 
von A. in Alkohol. 

Aprikoſenbaum (Marille, Alberge, Prunus 
Armeniaca L.), Obſtbaum aus der Familie der Roſa— 
geen, mit gangen, breiten, gefagten, kahlen Blattern, 
por den Blattern erfdeinenden, meijt eingeln ſtehenden 
weifen, aufen rötlichen, kurzgeſtielten Bliiten, famt- 
artigen Steinfriidten mit Langsfurde auf der einen 
Seite und rungeligem, auf der Rante ringsum ge- 
furdtem Stein mit fiigem oder bitterm Rern. Das 
Fleiſch ift gelblid, faftig, in der Überreife oft mehlig 
und bann geſchmacklos. Der A. verlangt febr warmes 
Klima, und feine in Syrien gereiften Früchte über— 

treffen die europäiſchen, felbjt die Pfirſiche. Dagegen 
ijt er weniger empjindlid als der Pfirſichbaum und 
Halt in Norddeutidland ziemlich qut aus. Er liebt 
gute humusreide, kräftige und tief bearbeitete Garten: 
erde mit Durdlaffendem Untergrund; in kältern Ge— 
genden läßt er jich nur am Spalier ziehen, bereitet 
aber auch dann Schwierigleiten und leidet oft fehr am 
Gummifluß. Man unterfdeidet: 1) Mandelapri- 
fofen (Uprifofen der Provence), in Siidfrant- 
reid), von mehr verwildertem Gehölz, mit wenig wert- 
vollem Fleifd, deren Kern wie Mandeln von Rondi- 
toren und gur Wewinnung von O1 benubt wird. 
Hierher gehoren aud) die frühreifen holländiſchen 
Uprifofen. 2) Albergen, frithreife, fleine Früchte 
von cinem Baume mit Mleinen Blattern und Bliiten. 
3) Edie UAprifofen, gripere, ſpät (bisweilen aber 
auch frith) reifende Früchte. 4) Italieniſche Upri- 
fojen, mit glatter, glänzender Oberhaut. Sum all- 
genteinen Unbau wurden vom Deutfden Pomologen- 
verein empfoblen: Wprifofe von Nancy, Wpritofe von 
Breda, Uprifoje von Syrien, Wprifofe von Tours, 
Luizets Uprifofe, wahre grofe Frühaprikoſe, Ambroſia, 
Yndenfen an Robertsau, Moorpark (jf. die Wbbil- 
bungen auf Tafel »Pfirfide und Aprikoſen«). 

Die Heimat de3 Aprikoſenbaums ijt unbefannt, 
denn man hat ihn nod niemals wild angetroffen; 
wahrſcheinlich ſtammt er aus Turfijtan und der Mon- 
golei und wurde gegen Mitte des 1. Jahrb. in Italien 
—— Die Früchte wurden zu Columellas Zeit 
mala armeniaca genannt, weil fie aber früher reifen 
al8 die Pfirſiche, erhielten fie ben Beinamen praeco- 
qua, praecocia, Der im mittelgriechifden Munde in 
berikoka fic verwandelte. Daraus madten die Araber 
al-barquq, und fo entftand dad fpanijde albaricoque, 
das italienifde albicocco, das franzöſiſche abricot. 
Man sieht den A. hauptſächlich in ſüdlichen Gegenden, 
in grokem Maßſtabe in den Vereinigten Staaten, 
wo die Früchte gur Branntiweinbereitung, gedörrt 
und gepreht aud) zur Schiffsverproviantierung be- 
nutzt werden, und in Sentralafien, wo das S01} als 
Brennhols benugst wird. Italien liefert qetrocnete, 
Südfrankreich und die Donaufiirjtentiimer einge- 
madte und fandierte Uprifofen. Die Frucht enthalt 
im Mittel: 81,22 Wafjer, 4,69 Ruder, 1,16 freie Säure, 
0,49 Eiweißſtoffe, 6,35 Peltinſtoffe r., 5,27 Holsfafer, 
Kern und Sdale, 0,82 Mineralftoffe. Aus den Kernen, 
Die aus Reinafien als Pfirfidferne in den Hay— 
del kommen, wird feines, dem Mandeldl ähnliches Ol 
(Huile de marmotte) gepreft (0,919 ſpez. Gew., er- 

| ftarrt nicht bei —-20°, Musbeute über 50 Proz. dientin 
Südfrankreich zur Verfälſchung des Mandeldis) und 
Bittermandelöl dargeftellt, die verfohiten Steine geben 
ſchwarze Tufde; das Hols dient gu Drechſlerarbeiten. 


640 


—— Apriloſenäther. 
Aprikoſenſpinner(Laſtträger, Sonderling, 


Orgyia antiqua L.), Spinner, 26 mm breit, mit rojt- 
braunen Flügeln, von denen die Dordern mit weißem 
Sled verjehen find; das Weibdhen ijt wollig gelbgrau 
behaart und hat verfiimmerte Fliigel. Die aus dem 
iiberwinterten Ei entidltipfte Raupe beſitzt biirjten- 
artige Biindel gelber oder brauner Haare jowie einen 
Biniel jehrlanger, ſchwarzer Haare auf dem vorletzten 
Ringe, lebt auf Objtbiumen, Rofen und manden 
Topfgewächſen, verpuppt fid) im Juni an einem 
Vaumjtamm oder swifden Blattern, und nad 14 
Tagen ſchlüpft der Spinner aus. Das Weibden wird 
auf dem Puppengeſpinſt befrudtet und legt in der 
nächſten Umgebung feine weifgrauen Cier ab, die 
um Teil iiberwintern. Wird der A. ſchädlich, fo find 
Sier und Raupen abjulefen. 

April (lat. Aprilis, nad) Ovid von aperire, dff- 
nen, »weil der Friihling alles Sffnet«), im julianiſchen 
Ralender der vierte, im altrimifden der zweite Monat, 
von Sarl d. Gr. Oftermonat genannt, weil Ojtern 
gewöhnlich in ihn fallt. Er bat jest 30 Tage, vor der 
Ralenderreform Julius Cafars nur 29. Die Sonne tritt 
im A. in das Zeichen des Stieres. Die mittlere Tempe— 
ratur und der Niederſchlag diefes Monats betragen in: 


ce 


mm CC® mm 
Madrid. . . . Ie 45) Shanghai . . 13,9 89 
Faris 9,8 54) Batavia . - 26,3 187 
London. . . 84 47) Ralfutta . - We 58 
Rordtap (Gjesradr) — 0,9 32 | Serufalem 15,0 4 
Ropenbagen . . 5,5 39) Canfibar . 27,5 373 
Werlin . . . 87 49) Rapftadt . lis (47 
Wien. . 2... 9,0 64 Sybmen ... 18,2 165 
Rem. se es 13,7 5S | Honolulu. . . . 227 79 
Konfiantinopel . 11,8 29) San Francisco 26 50 
Santt Petersburg 2,1 43) Rew ort 80 85 
Tafefent . . . Wo 55 Outtlo. .... 13,2 177 
BWerdojanjt . . —I4,s 5 | Rio be Janeiro . 24,6 116 





In Deutidland ijt das veränderliche Aprilwetter 
ſprichwörtlich; gewöhnlich entladen fid) im A. die 
erjten Gewitter. 

Wprilblume, f. Anemone. 

Aprilſchicken, |. Uprilsnarr. 

Aprilénarr, Spottname eines »in den Upril Ge- 
fcidien«. Die Sitte, am 1. Upril jemand irreju- 
fiibren, mit einem ibn lächerlich machenden Auftrag 
irgendwohin ju fdjiden ꝛc., foll aus den Paſſions⸗ 
fptelen herrühren und wire urſprünglich cine Beran: 
ſchaulichung des fpottvollen Hin- und Herſchickens 


Chriſti (vgl. die Redensart: »von Pontius yu Pilatus 


fdjicten«) gewefen. Andre bringen die Sitte mit dem 
triigerifdjen Aprilwetter oder mit den Ofterfderjzen 
(Dftergeladter) in Berbindung. Sie hat erjt in 
den letzten Jahrhunderten von Franfreid her bei uns 
Eingang gefunden (älteſte ſprichwörtliche Erwähnung 
in Deutidland bei Tali 
lester Reſt eines gu Anfang des Aprils mit luſtigen 


Schwänken gefeierten Friihlingsfejtes. Da das Upril- | 


ſchicken ſich in der franzöſiſchen Literatur nuit Sicer- 
Heit nur bis ins 16. Jahrh. guriidverfolgen ligt, fo 
hat die Meinung Ouitards, dak fie mit der Verord- 
nung Karls TX., die dad Neujahrsfejt 1564 vom 
1. Upril auf den 1. Januar verlegte, in BVerbindung 
jtehe, cine gewiffe Wahrſcheinlichleit. Die an Neu 
jabrsgefdenfe gewöhnten Perfonen waren feitdem 
von dem 1. Januar auf den 1. Upril und umgelehrt 
vertrdjtet worden. 
a prima vista (ital), ſ. a vista. 





1655). Bielleicht ijt fie ein 





Aprifofenejjen; — Apſis. 


a priori und a posterior! (lat.), zwei pbilo- 
jophijdhe Runjtausdriide, die fic) auf Die Lehre von 
dem —— der menſchlichen Vorſtellungen und 
Erlkenntniſſe beziehen. Vorſtellungen und Erfermt- 
niſſe, von denen man annimmt, daß ſie der menſch 
liche Geiſt aus ſich ſelbſt erzeuge, heißen (nad Kant) 
a priori, ſolche dagegen, die aus der Erfahrung ae- 
ſchöpft werden, a posteriori. Da nun die ganje X 
fenntnistatigteit des Geiſtes zweifellos erſt durch die 
Erfahrung angeregt, wenn auch nicht ausſchließlich 
beſtimmt wird, fo ijt es natürlich ſchwer und auf diref- 
tem Weg unmodglid), nachzuweiſen, dak irgend eine 
Vorjtellung oder Einſicht nidt aus der Erfabrung 
hervorgegangen fet, es müßte jid) Denn ein inneres 
Kennzeichen finden, das die apriorifden Elemente der 
€Erfenntnis von den apojteriorifden unterfdjeidet. Als 
foldjed gilt gumeift Die unbedingte Ullgemeinbeit 
und unverbriidlide Notwendigleit, die gewiſſen 
pacigrenyy (3. B. den mathematifden) anbaftet, 
und die fid) bei feinem Erfahrungsſatz in gleicher 
Weife findet. Die Bemiihungen des Empirismus 
(f. d.), dieſen Unterſchied als einen bloß graduellen 
Darjujtellen, find vergebens, deſſenungeachtet läßt ſich 
freilich der Schluß des Upriorismus anfedten, dak 
Uusjagen wie die mathematifden Lehrſätze nur da: 
durd) miglid find, dak die Raumanjdauung (mit 
Rant gu reden) »a priori im Gemilte bereit liegt<, 
aljo wenigſtens der Anlage nad angeboren ijt. 

& propos (fran}., fpr. -pd), »bei pajjender Gelegen 
heit · was id) fagen wollte, da fallt mir eben cin. 

Aprosexia nasalis, ſ. Adenoide Begetationen. 

aras, im Beda weiblide Geijter, urſprünglich 
Waffernymphen, dod) aud in Luft und Himmelswel 
mit den Gandbharven (f. d.) ihr Weſen treibend. Sie 
fénnen ihre Gejtalt verwandeln, verleihen Glüch 
bringen aber auch Geijtesjtirung; daber werden fie 
mit berjpriiden bejdwidtigt. Jn der ſpätern 
Anſchauung begliiden fie, ähnlich den islamitifden 
Houris, die Bewohner von Andras Himmel. Beſon⸗ 
ders befannt unter den A. ijt Urvaci, deren Liebe zu 
König Puriravas den Inhalt eines Dramas von 
Ralidaja (fj. d.) bildet. Bgl. Holgmann, Die A. 
nad) dem Mahabharata (» Seitidrift der Morgenlan- 
diſchen Gefellidaft«, Bd. 33, S. 631 ff.). 

Apfdéeron, Halbinfel an der Wejttiijte ded Kajpi- 
ſchen Meeres, die mit ihrer äußerſten Spitze Schachowa 
Koſa 60 km weit in dasſelbe vor{pringt und wegen 


_ der brennenden Naphthaquellen und Sdhlammoultane 
bei Der Stadt Baru (ſ. d.) merfwiirdig ijt. S. Karte 


»Raulajiens. 
Apſiden (qricd.), die beiden am weiteften von 
einander entfernten ‘Buntte der elliptifdjen Planeten 


ober Rometenbahnen: das Perihel oder die Son: 


nenndbe und das Aphel oder die Sonnenferne. 
Ihre Verbindungslinie heikt die Upfidemlinte und 
bildet die große Achſe der Ellipfe. Vol. Upogdum 
und Unomalie. 

Apfines, griech. Rhetor, aus Gadara, lehrte um 
235 tn Athen und verfaßte einen wertvollen Abriß 
der Rhetorif (Hrsg. in den »Rhetores graeci« von 
Spengel, 2. Uurl., Leipz. 1894). 

Apſis (qried)., ⸗Rundung, Gewölbe«, mrittellat. 
absida, Abſis, Abſide, Abſeite), halbkreisſörmi⸗ 
ger, meiſt von einer Halbluppel überwölbter Raum, 
Den zuerſt die Römer an ihren Tempeln, Baſililen. 
Palajten, Thermen in Form größerer oder fleinerer 
Niſchen anwendeten. In der altchrijtliden Baufunit 
bebielt man die fiir das Tribunal beftimunte 
Niſche der Bajilifern jum Abſchluß de3 hintern Ended 


Apt — Aputlien. 


der Rirden, wo der Altar ftand, bei und nannte fie UW. | 
Die Upjiden wurden an dem hintern Ende entweder 
nur des Mittelſchiffs oder aud) der Seitenſchiffe an- 

ebracht, um Seitenaltire aufzunehmen, wobei deren 
Fußboden immer etwas fiber den der Scbhiffe erhoht 
wurde. Erſt ſpäter, als der Ritus cine größere Babl 
von Geijtlidjen erforderte, die fid) mehr und mehr von 
der Gemeinde abjonderten, wurde zwiſchen die A. und 
das Querſchiff nod) cin Raum nit rechteckigen Grund- | 
rip cingejdoben, deſſen Fußboden ebenfalls erhiht 
wurde. Diefer Raum, in den man den friiher im | 
Schiff befindliden Chorus aufnahm, und der deshalb 
den Namen des Hohen Chors erhielt, wurde gegen | 
das Schiff Durd eine Schranke abgeſchloſſen, blieb aber 
mit Der YW. in Verbindung und bildete mit diefer dic 
für die Geijtlichfeit abgefonderte Ubteilung der Rirde 
(fj. Urt. »Rirdenbaufunft« und »Bafjilifa«, wo der 
Grundriß die Lage der A. geiqt). 

Apt (pr. apt oder ate), Urrondifjementshauptftadt im 
franz. Depart. Vaucluſe, am Calavon und an der 
Lyoner Bahn, hat cine ehemalige Rathedrale, ein Col- 
lege und (1901) 4670 Einw., die Hiite, Fayence, | 
Seide und Konfitüren fabrizieren und Handel mit 
Siidfriichten treiben. — A., das antife Apta, ward ca. 
125 v. Chr. von den Römern zerſtört und von Cäſar 
wieder aufgebaut, wonach es Den Namen Apta Julia 

Apta, |. Bauhinia. lannahm. 

Aptenodytes, Binguin. 

J griech, Flügelloſe), bei Linné 
nach dem Vorgang von Ariſtoteles die flügelloſen 
Gliedertiere, alſo die Krebſe, Spinnen und Tauſend— 
füßer; bei ſpätern Zoologen cine kleine Gruppe fliigel- 
loſer Inſekten, wie Flöhe, Läuſe, Pelzfreſſer x. Ge— 
genwärtig werden meiſt nur noch die Thyſanuren 
und beſonders die paraſitiſchen flügelloſen Läuſe und 
Pelzfreſſer als A. bezeichnet. 

Apterogenéa (Apterygoten, Urinſekten), 
Inſekten von ſehr primitivem Charakter, ohne oder | 
mit ſehr unvollkommen entwickelten Facettenaugen, 
kauenden, aber oft rudimentären Mundgliedmaßen, 
ohne Flügel und ohne Hinweiſe auf ſolche und mit 
unvollkommener Metamorphoſe. Die A. zerfallen in 
zwei Unterordnungen, Thyſanuren und Collembolen, 
und dürften an die Wurzel des Inſekltenſtammes in 
die Nähe der Tauſendfüßer zu ſtellen ſein. Bgl. Lub— 
bod, Monograph of the Collembola and Thysa- 
nura (Lond. 1873); Graffi, Progenitori dei Mirio- 
podi e degli Insetti (Catania 1885 u. 1886, und in 
»Archives italiennes de Biologie<«, 1889); Oude- 
mans, Beiträge zur Renntnis der Thysanura und 
Collembola (Amſterd. 1887). 

Apterygoten, ſ. Apterogenea. 

Apteryx, Schnepfenſtrauß; Apterygidae, Fa— 
milie Der Straußvögel. 

Wptieren (lat.), anpaſſen, paſſend abändern. 

Aptõton (griech.), indeflinables Hauptwort. 

Aptychenſchiefer, Abteilung der alpinen Jura— 
formation (ſ. d.). 

Aptychus, ſ. Ammoniten. 

Apuanifde Alpen, cine durd) das obere Tal | 
de3 Serdhio geſchiedene Barallelfette des Etrustijden 
Upennin, mit diefem im Sto der Alpe di Succijo ver- 
fnotet, mit auferordentlidem Steilabfall sum Weer, 
erreid)t in Monte Pijanino 1946 m. Das Gebirge | 
bejteht jum großen Teil aus dem edelften Marmor, 
der ſchon von den Alten ausgebcutet, von Midelangelo 
josujagen neu entdedt wurde. Wo die Felſen geöffnet 
find, bei Carrara, bei Maſſa und an andern Puntten, | 
leudjtet der ſchneeweiße Marmor weithin. Cin didter, | 

Meners Konv.=Leriton, 6. Mufl., L Bod. 











(aud) »De asino aureo« 


641 


eiſenſchüſſiger Kallſtein bildet die Baſis des Gebirges, 
darüber lagert protogynähnlicher Gneis und hierüber 
die Marmormaſſen, die, wie jest nachgewieſen zu fein 
ſcheint, aus ungweifelbaft fedimentirer Bildung der 
Rohlenformation durch Metamorphofe ihren jetzigen 
Charakter erhalten haben. 

Upuchtin, Alexej Nifolajewitid, ruff. Ly: 
rifer, geb. 26. (14.) Nov, 1841 in Boldow (Gouv. 
Drel), geſt. 29. (17.) Aug. 1893 in St. Betersburg, 
erbielt feine Erziehung in der Betersburger Rechts: 
jchule und wurde Dann im Winijterium des Innern 
angejtellt. Cine Sanunlung ſeiner von philoſophi— 
ſchem und politiſchem Peſſimismus gänzlich freien 
Gedichte erſchien in Petersburg 1886. 

Apulejus, rim. Rhetor, geb. um 125 n. Chr. 


zu Madaura in Numidien, genoß den erſten Unter— 


richt in Karthago, ſtudierte in Athen namentlich Pla— 


toniſche Philoſophie und ließ fic) nad) weiten Reiſen 


in Rom als Sachwalter nieder. Hier entſtand fein 
Hauptiwert, die »Metamorphoses« in 11 Biichern 
— goldenen Ejel«] be⸗ 
nannt, brig. von van der Blict, Leipz. 1897; überſetzt 
von Rode, Berl. 1783), cin phantaſtiſch-ſatiriſcher 
Sittenrontan, Ddefjen Grundlage ein griechiſcher Ro- 
man bildet. Bon den jahlreidjen Epiſoden iſt die 
ſchönſte das freilid) nicht von ihm felbjt erfundene 
Marden von »Amor und Pſyche« (befonders hrsq. 
von D. Jahn, 3. Aufl. Leip. 1883; überſetzt von Ja 

mann, mit 46 Radierungen von Klinger, Münch. 
1881; Marquardt, Gotha 1881; Mosbach, Berl. 
1886); vgl. Zinzow, Pſyche und Eros (Halle 1881). 


Nach Ufrifa zurüchgekehrt, heiratete er die bedeutend 
filtere Mutter eines Freundes und 30g fic) dadurd 


feitens der Verwandten die Anklage als Zauberer ju, 
die er in Der erhaltenen Ypologie »De magia« (ſ. 
unten) zurückweiſt. Später nahm ev als Brovingial- 
priejter Des Naijerfults ſeinen Sig in Karthago, von 
wo aus er nad) Sophiſtenweiſe als Wanderredner und 
Lehrer umberzog. Eine Anſchauung von diejer Titig: 
feit geben die »Floridae, cine Blumenleſe aus feinen 
Reden (mit »De magia- hrsg. von van der Bliet, 
Leipz. 1900). Ferner bejigken wir von ihm mehrere 
philoſophiſche Schriften (hrsg. von Goldbacher, Wien 
1876): »De deo Socratis« (iiber Den Damon des 
Sofrates; Hrsg. von Liitjohann, Greifsw. 1878), 


De dogmate Platonis« und »De mundos<; fie be 


tunden, dak ihm eigentlide wiſſenſchaftliche Bildung 
und kritiſches Urteil nicht zu Gebote jtanden. Zahl⸗ 
reiche Schriften ſind verloren, andre ibm untergeido- 
ben. Seine Sprache ijt, befonders in den Wetamor- 
phofen, ſchwülſtig und bis zur Geſchmackloſigkeit affet 
tiert und altertiimeind. Gejamtausgaben von Ouden- 
Dorp (Leiden 1786 —1823, 3 Bde.) und Hildebrand 
(Leipz. 1842, 2 Bde.). Rady dent Marden des VW. 
entwarf Raffact feinen herrlichen Freskenzyklus » Ge- 
ſchichte Der Pſyche- in der Villa Farnefina ju Rom. 
Apulien (Apulia, ital. le Puglie, fpr. patie), ital. 
Landſchaft, die den ſüdöſtlichſten Teil der Halbinſel 
(vont Fluß Fortore bis zum Nap Santa Waria di 
Yeuca) umfaßt und in die drei Provinzen Foggia, 
Bari delle Puglie und Lecce zerfällt, 19,109 qkm 
(347 OM.) groß mit Coen 1,959,668 Einw. Näheres 
in Den Artikeln über die cingelnen Provinjen. 
Wefdidte. Die älteſten Cinwohner des Landed 
(fj. Marte bei Arlikel ⸗Italia«), das bei den Griechen 
Japygia hieß, waren illyriſchen Stammes und bil- 
deten die Reiche der Daunier im Nordweſten und der 
Beufetier (Pödikluler) im Südoſten. Dm Sammniten- 
frieg ftanden die Stämme Upuliens zuerſt auf feiten 
4l 


642 Apulum — 


der Romer, dann der Samniten und wurden bis 317 
der römiſchen Herrſchaft unterworfen. Damals, nod 
mehr im zweiten Punijden Kriege, wo die Apulier 
Hannibals Partei ergriffen, und im Bundesgenoſſen⸗ 


frieg (90-88) wurde das bliihende Land furdjtbar | 


veriviijtet. Die Rdmer nannten YW. nur da8 Land 
bis Tarent und Brindiji, die alten Landfdaften 
Daunia und Peucetia; der öſtliche Strid) (Terva 


d’Dtranto), das alte Mejjapia, hieß bei ihnen Rala- 
bricn. Nach dem Untergang des weſtrömiſchen Rei- | 


ches fam A. unter oftgotijde, Dann unter oſtrömi— 





ſche Herrſchaft. Seit 568 gehirte der nördliche Teil | 


des Landes ju Dem Langobardifden Herjogtum Bene- 


vent, der fiidlicje blicb Den Ojtrimern. Cine neue | 


Periode fiir W. begann mit den Normannen. Sdjon 


bei dem Aufſtande des Barenfers Melus gegen dic | 


griechiſche Herrſchaft leijtete diefem eine Schar der ſeit 
1016 in Unteritalien eingewanderten Normannen 
Beijtand. Nad) Melus’ Niederlage bei Canna (1019) 
wurden die Normannen zwar aus VW. wieder ver- 
drängt, festen fid) aber in Siiditalien feft und be- 
gannen 1041 die Croberung Apuliens; erjter nor- 
mannifder Graf von A. war Wilhelm Cifenarm, 
Sohn Tancreds von Hauteville. Deſſen Bruder 
Drogo belehnte 1047 Heinrid) LIL mit W.; fein zwei— 
ter Nachfolger, Robert Guiscard, lief fic) aber 1059 
von Papſft Nifolaus IL. mit A. belehnen, nahm den 
Herjogstitel an und vollendete die Eroberung des 
Yandes 1071 durch die Einnahme von Bari. Jom 
folate 1085 fein Sohn Roger, der 1089 von Urban IT. 
belehnt wurde, aber feine Herrſchaft nur mit Mühe 
behauptete. Nad) dem Tode feines Sohnes Wil 
Heli IT. (1100—1127) befegte deſſen Oheim Roger IL. 


von Sijilien A. und Kalabrien, jwang die Barone | 


und Stadte zur Unterwerfung und nöligte aud den 
Bapjt Honorius IL, ihn als Herjog von VW. und Ra- 
fabrien 3u belehnen (1128). Go wurden A. und Ra 


fabrien mit Sijilien vereinigt, das durch Roger zum | 


Königreich erhoben wurde (1130). Bgl. Greqoro 


vius, Apuliſche Landfdaften (4. Aufl. Leipz. 1897). 


Apulum, rim. Kolonie, ſ. Karlsburg. 
Apure, Fluß in Venezuela, entipringt als Uribante 


auf Der Sierra de Merida, nimmt linfs den Caparro, | 


Suripa, Canagquad und Portuqueſa, rechts den Cau- 
cagua auf und miindet nad) 1580 km langem, vor 
wiegend öſtlichen Lauf, wovon 1400 km ſchiffbar 
find, in mehreren Armen in den Orinofo, von dem 
aus er mit Dampfern befabren wird. — Der nach 
dem Fluß benannte friihere Staat A. bildet feit 1881 


cinen Teil des Staates Bolivar. Hauptort ijt San | 
wölbten Bogenſtellungen bingefiihrt und gehörten 


Fernandoſ. d.). 

Apurimac, Fluß in Peru, entſpringt in der Pro 
vinz Arequipa am Nordoſthang der Cordillera de 
Chile aus dem See Vilafro, fließt in engem Tal nach 
NNW. heißt nad Aufnahme des Mantaro Ené, nach 
Aufnahme des Perene Tambo und vereinigt ſich nad 
vielfachen Krümmungen, 5250 km fang, mit dem 
Quillabanba sum Ucayali. — Das nad) ihm benannte, 
in vier Provinzen geteilte Departement Berus, 
21,209 qkm grok (1896 beredynet) mit 177,387 Einw., 
wird im S. durd) die Cordillera de Huanja begrenyt, 


von wo zahlreiche Strdme dent Fluß A. zugehen. 


Hauptort iit Ubancay. 

Apus, Sternbild, ſ. Baradiesvogel. 

Apus, Kiefenfuß, ſ. Blattfüßer. 

Aepyoérnis maximus Geoffr., ausgeſtorbener 
Vogel Madagastars aus der Familie der Straufe, 
etwa von dreifacher Hohe des Straußes. Seine Gier, 
die Ubbadie 1850 bei den Cingebornen fand, nad 





Aquaduft. 


deren Uusfage der Vogel im Innern der Inſel noch 
leben follte, Paver 9—11 Mit. bei 34—35 cm Langs- 
adje und 23 — 24,5 cm Queradfe. . 
Apyrezic (qricd.), jieberlojer Zujtand, beim Wech⸗ 
jeljieber Die frete Beit swifden zwei Fieberanfällen. 
Apihriſch (qriech.), unbrennbar, feuerfeft. 
Apyrit, das ſchwediſche raudloie Schießpulver. 
Aqua (lat.), Waſſer, Brunnen, Quelle, Mineral⸗ 
quelle; aud) Waſſerleitung. A. amygdalarum ama- 
rarum, Bittermandelwajjer; A. bromata, Brom- 
wajjer; A. calcariae, Kallwaſſer; A. carbolisata, 
Rarbolwajjer; A. chlorata, Chlorwafjer; A. creso- 
lica, Rrefolwajjer; A. destillata, dejtilliertes BWaijer ; 
A. fortis, Salpeterſäure; A. Goulardi, plambi spi- 
rituosa, vegeto-mineralis Goulardi, Goulard{des 
Bleiwafjer; A. hydrosulfurata , Schwefelwafjeritofi- 
wajjer; A. kreosoti, Kreoſotwaſſer; A. Lanro-Cerasi, 
Rirfdlorbeerwajjer; A. phagedaenica, mercurialis 
nigra, nigra, Altſchadenwaſſer; A. picis, Teerwaijer; 
A. plumbi, Bleiwajjer; A. regis, Königswaſſer; A. 
vitae (LebenSwajjer), Branntwein; A. vulneraria 
spirituosa, Yrfebufade. 
Aquae (lat.), altrim. Bezeichnung von Stadten 
nit Wineralquellen und Badern. Die befannteiten 


‘find: A. Aureliae (Baden-Baden), A. Mattiacae 


(Wiesbaden), A. Sulis (Bath in England), A. Sextiae 
(Wir in Der Provence, 123 v. Chr. als römiſche Roe 
lonie geqriindet, befannt Durd) den von Waris 102 
v. Chr. in der Nahe erfodjtenen Sieg iiber die Uubro- 
nen und Teutonen), A. Statiellae in Liqurien (Wcqui), 
A. Tarbellicae in Uquitanien (Dar) u. a. 

Aquaeductus Syl vii ((at.), ſ. Gebirn; A. vesti- 
buli, Ranal im Obr der Wirbeltiere. 

Aquadutt (lat. aqguaeductio, aquaeductus), Waſ⸗ 
jerleitung. Gemeinhin verjteht man unter Uquadul- 
ten Briiden, die Gerinne tragen, um Gewäſſer iiber 


Bodeneinſenkungen (Tiler, Schluchten) hinwegzufüh⸗ 


ren. Aquädukte fiir ſchiffbare Kanäle heißen Kanal- 


brücken (f. Brücken und Tafel »Briiden III., Fig. 7) 


Die altejten AUquadufte werden Ramſes d. Gr., Senn- 
rans und dem König Salomo jugefdrieben. Jn 
China bejtehen nod Uquadulte aug den älteſten Setten. 
Dieje Aquädukte, fiir welche die Überreſte derjenigen 
von Palmyra und Samos (687 v. Chr. von Eupali- 
nos von Megara erbaut) Beiipiele jind, waren unter: 
irdifde Randle, die das Waſſer aus entfernt lieqenden 
Quellen in die Stadte führten. Griedenland beſaß 
Uquadulte in then, fiir das Waſſer vom Hymetios 
und Bentelifon, in Theben, Megara, Bharjalos u. a. ©. 
Bei Den Rdmern wurden die Aquädulte meijt auf ge 


den großartigſten Schöpfungen der alten Baukunſt 
Die Leitungen bejtanden aus Holz, Blei Leder, mem 
aber aus Steinfandlen. Yn die einzelnen Hauser fiibr- 
ten gewöhnlich Leitungen aus Blet. Manche Uquadufte 
hatten mehrere Stodwerfe, jedes mit einent befondern 
Rinnfal von veridiedenen OQuellen. Den Ausgang 
bildet Das Quellhaus (caput aquae), das Ende des 
Laufes bezeichnet der Hochbehälter (castellum), Bon 
hier nahm das Waſſer feinen Weg im Die Bader, 
Garten x. Bejondere Beamte waren mit Regelung 
des Wajjerverbrauds betraut, und die Gefege jum 
Schutz der Anlagen wurden ſtreng gehandhabt. Die 
größten Uquadulte beſaß Rom felbyt; mebrere fiber: 
ten das Quellwaſſer der Gebirge 15- -30 Stunden 
weit liber Taler, Schluchten und Abgründe oder durd 
Höhen herbei. Die crite Waſſerleitung Roms, die 
Aqua Appia, erbaut 305 v. Cbr., beqann an der Via 
Praenestina, wurde fajt 4 Wegſtunden lang umter« 


Aqua et igne interdictus — YAquarellmalerci. 


irdiſch geführt, trat bei ber Porta Capena in die 
Stadt und goß im Campus Martius ir Wajjer aus. 
Spiiter entitanden die Wajferleitungen des M. Curius 
Dentatus (290 v. Chr. aus Peperinbliden erbaut), 
des We. Ugrippa, Auguſtus, Claudius (j. Tafel »-Wrdhi- 
teftur V«, Fig. 3), Nero, Caligula, Caracalla x. 
Welche —— ate geſamten Uquadutte einjt 
Rom gefpendet haben mögen, läßt fic) daraus er- 
meſſen, daß die Drei nod) jetzt beſtehenden hinreichen, 
jedes Haus ſowie die öffentlichen Brunnen der heuti— 

en Stadt zu verſorgen. Dieſe ſind: die Fontana di 
Trevi (Virgo Aqua), von Dt. Agrippa 22 v. Chr. 
angelegt, von Papſt Pius IV. wiederhergeftellt; die 
Ucqua Felice oder di Termini (Claudia Aqua), von 
Caliqula angefangen, von Claudius 50 n. Chr. be- 
endiqt, von Papit Sirtus V. wiederhergejtellt, und 
Die Algentina, weldje die Waſſerfälle in der Villa 
Widobrandini bildet. Die Kanäle der römiſchen Waſ— 
ferleitungen waren nad) Frontin durchweg waffer- 
Dicht gemauert, ſowohl unter als über der Erde, und 
hier auf Unterbauten oder Bogengingen in Hau— 
jteinen oder Ziegeln gefiibrt und entweder mit Ge- 
wilben oder Stemmplatten überdeckt. Trümmer von 
römiſchen Uquadutten find nod vorhanden in Zabl- 


bad) bei Maing, im Meg, Rimes (Pont du Gard), | 
Segovia, Tarragona und Merida in Spanien. Her: | 


vorjubeben ijt der vom Oſtgotenkönig Theoderid) um 
500 gwifden zwei fteilen Abhängen erbaute A. bei 
Spoleto in der Proving Umbrien, der bei 89 m größ⸗ 
ter Hohe der Kämpfer iiber dem Gelände aus zwei 
Stodwerfen mit 10 untern Offnungen von je 21,4 m 
Spannweite und 30 obern Bogen bejteht, die cine 


Rinne tragen, welde bas Waſſer iiber den Wildbad) | 
fläche mit Stud, zeichneten Darauf die Umriſſe in roten 


Mareggia nad Spoleto leitet. In unfrer Seit ijt die 
Erridjtung foftipieliger Aquädukte durd) Röhren— 
leitungen, Diider, Dructwerfe häufig vermieden wor- 
Den. Bedeutende Bauwerke dieſer Yirt finden fid in 


der Wiener Hodquellenteitung. Wildbadhaqua- | 
dukte find guerjt bei Der Brennerbahn und dann | 
aus altdriftlider Zeit vorhandenen Miniaturen oder 

Buchilluſtrationen. Wndeutungen iiber die Uquarell- 


aud) bei andern Alpenbahnen angewendet worden. 
Die Bahn wird in einem ticfen Cinfdnitte durch den 
Schuttlegel — und der Wildbach mittels eines 
gemauerten Aquäãdukts darüber hinweggeleitet. Aquä— 
dukte fiir Bewäſſerungs⸗ oder Werffanale können aud 
hölzerne Gerinne erhalten, die mittels hölzerner oder 
eiferner Tragwerke auf hölzernen Dodjen oder ge- 
mauerten Pfeilern ruben. 

Aqua et igne interdictus (lat., »jemand, dem 
Wafer und Feuer, d. h. die Gaſtfreundſchaft, verjagt 
ift<), Achtungsformel der Röner, wodurd) der Ge- 
ächtete verbannt wurde. 

Aquafortift (lat.), Radierer, ſ. Ean forte. 

Aquagium (lat.), Waſſergraben; Recht der Ent- 
wäſſerung. 

Aqualitimmen heißen in der Orgel die Regiſter 
int8 Fuß⸗ Ton (val. Fußton; f. aud) Gleiche Stimmen). 

Aquamanile (lat.), Metallgefäß, aus dem int 
WMittelalter das Waſſer zur Handwajfdung fiir die 
Prieſter vor Verridtung gottesdienjtlider Handlun⸗ 
gen gegoſſen wurde. Das A. hat gewöhnlich die 
Form eines natürlich gebildeten oder phantaſtiſchen 











643 


Aquarellmalerei (franj. Peinture Al’aquarelle 
ital. Acquerello, engl. Painting in water-colours), 
die Malerei mit Wajferfarben, die den Malgrund nicht 
decken, fondern durchſcheinen laſſen. Sie unterfdjeidet 
fid) dadurch vornehmlich von der Gouade-= (d. h. 
Dedfarben-) Malerei. Indeſſen find in neuerer Zeit 
dieſe Unterfdiede mehr und mehr verwifdt worden, fo 
daß fich jetzt die meiſten Uquarellmaler aud) des Weiß 
und andrer Deckfarben bedienen und gerade dadurch 
der Olmalerei gleiche Wirkungen erzielen. Zur Ver— 
wendung kommten bei der A. teils pflanzliche, teils 


mineraliſche Farben. Letztere ſind dauerhafter und 


lichtbeſtändiger. Die Farben kommen jest meiſt flüſſig 
(in Näpfen und Tuben) in den Handel. Die wid 
tigften Farben find: gelber Oder, ungebrannte und 
ebrannte Siena, gebrannter Helloder, Indiſchrot, 
an Dyd-Braun, Indigo, Indiſchgelb, Zinnober, 
Mennige, Permanent-Karmin, Ultramarin, Emerald- 
qriin, Stil de grain, Lampenſchwarz, blauer Kobalt, 
Caput mortuum u. engliſches Wei (Chinese white). 
Jn neuerer eit ijt die Fabrifation von Uquarellfarben 
jo weit —— daß über 100 verſchiedene Nuancen 
int Handel vorlommen. Meiſt bedient man ſich aud 
noch des deckenden Kremſer Weiß zum Aufſetzen der 
Lichter x. Der Farbenauftrag erfolgt am beſten mit 
Pinſeln aus Marderhaaren von etwa 2—5 em Lange, 
woju nod) große Lavierpinjel fommen. Wan malt in 
der Regel auf Papier, das nidjt su grobldrnig und 
jtarf fein darf (>Whatman«), aber aud) auf Perga— 
ment, Seide, Atlas, Hol; rc. ohne —— 
Geſchichte. Die Ägypter bedienten ſich der Aqua— 
rellfarben, d. h. mit Gummiwaſſer verſetzter Farben, 
bei ihren Wandgemälden. Sie überzogen die Wand— 


vertieften Linien, qrundierten mit weißer Farbe und 
folorierten die einzelnen Teile. Eine ähnliche Technik 
weifen die Gltern etruskiſchen Wandmalereien auf. 
Auch die Tedynif der Wandgemälde in den Katatom: 
ben ijt A. Nicht felten begequen wir der A. unter den 


malereitednif dieſer Beriode finden fid) in des He— 
raclius Biichern »Von den Farben und Künſten der 
Römer« und in der »Diversarum artium schedula« 
von Theophilus, einemt deutiden Mind aus dem 
Ende ded 11. oder Unfang des 12. Jabrh. Die Byzan— 
tiner übten in ihren Winiaturen meijt die glänzen— 
dere Gouacdhetednif. Sn Büchern aus der romani- 
iden Zeit findet man nur felten leicht aquarellierte 


Federzeichnungen. Häufiger werden fie in der Früh— 


jeit des gotifden Stils, namentlid) in Deutfdland. 
Später wurden wieder vollitindig in Dedfarben mit 
dem Pinfel nad byzantiniſcher Manier ausgeführte 
Miniaturen Mode. Auch aus dieſer Zeit ſind uns tech 

niſche Rezepte für die W. erhalten in Cenninis » Bud 
von der Kunſt«, in dem die Manier der Giottesten ge— 
ſchildert wird. Sie fannten bereits das Abſtufen der 
Schatten und beſchränkten fic) nicht mehr auf die bloßen 
veqetabilijden Farben, fondern Hatten diefelbe Aus— 
wahl wie die Tafelmalerei. Sn den Buchilluſtrationen 
ded 15. Jahrh. überwiegt die Gouachemalerei. Reide 


Tieres (Liwe, Pferd, Hahn, Greif u. a.), deffen auf: | Unwendung fanden hingegen die Uquarellfarben beim 
wirts qebogener Schwanz den Henkel bildet, wiihrend | Rolorieren von Holsfdmitten. Dieſe Technik wurde 


der Uusguy durd) Maul oder Schnabel erfolgt. 


handwerfsmapig von den ſogen. Briefmalern und Il— 


Aquamarin, grünliche und bläuliche Varietät des luminiſten betrieben, die mittels Batronen Spieltar- 
Berylls (jf. d.), auc) des Topas; orientalifd@er W., | ten, Heiliqenbilder, Porträte, Darjtellungen merk 
jf. Rorund; Aquamarindryfolith, foviel wie | wiirdiger Begebenheiten, die als fliegende Blatter auf 


Goldberyll, gelber, edler Beryll von Brajilien. 
Aquarellfarbendruck, ſ. Lithographic. 


den Märkten feilgeboten wurden, oft in lebhaften Far— 
ben kolorierten. Auch Kupferſtiche pflegten teilweiſe 
41* 


644 


Aquarellmaleret (Gefdichte). 


bis ins 17. Jahrh. hinein aquarelliert su werden. Sonſt Die Anwendung vor Deckweiß joll bet der reinen A. 
bedienten fic) die meijten Künſtler Der Renaifjance der | verntieden werden. Mittel- und Vordergrund werden 


A. sur Ausführung ibrer Zeichnungen und Entwürfe. 
Namentlich in Deutichland waren leicht kolorierte, hier 
und da in den Schatten ſchwarz getuſchte und mit Ded: 
weiß gehdbte ———— beliebt. In jeder 
Sammlung von Handzeichningen bieten ſich zahlreiche 
Beiſpiele dieſer Art, ſo in der Wiener Albertina unter 
andern die Trachtenbilder Dürers. Holbein pflegte 
ſeine Porträtſtudien mit dem Stift zu entwerfen und 
an gewiſſen Stellen leicht in Aquarell zu kolorieren. 
Die niederländiſchen Maler, namentlich die Land— 
ſchaftsmaler, liebten es, ihre Sfiggen in brauner oder 
ſchwarzer Farbe auszuführen, und erzielten damit ibn: 
liche Lichteffefte wie in ihren Radierungen. Im 18. 
Jahrh. wurde fehr viel in Aquarell gearbeitet ; es wurde 
Modeſache, der fic) auch Dilettanten bemächtigten. 
Sepia und chinefijche Tuſche ſpielen eine große Holle. 

Die Ausbildung der A. zu ihrer gegenwärtigen Be— 
deutung begann in England, wo ſich eine eigne 
Schule der A. entwickelte, die mit der Olmalerei in 


Konkurrenz trat und ihrer Manier in ganz Europa n 
ihrer Technil allmählich ſo verfeinert und gu fo ſtarlen 


faſt ausſchließliche Geltung verſchaffte. Die Anfänge 
dieſer Schule reichen nod) ins 18. Jahrh. wo Smith 
(gewöhnlich Warwid- Smith genannt) grau in grau 
— Zeichnungen nachher folorierte. Turner 

egann ohne vorhergehende Untermatung ſofort die 
Zeichnung mit Aquarellfarben anzulegen und erreichte 
damit eine bisher bei Aquarellen noch nie geſehene Tiefe 
und Farbenglut. Mit ihm wetteiferte Girtin. Sie 
find die eigentlichen Begründer der modernen Aqua— 
rellmalereitechnil, die in England vorzugsweiſe in den 
beiden Geſellſchaften für A. (Society of painters in 
water-colours und Institute of painters in water- 


colours) gepflegt wird. Die engliſchen Uquarellijten | 


wagten fid) zuerſt im Wettitreit mit der Olmalerei an 
jedes Genre. Ihre Bilder erreichen oft die Größe von 
mehreren Quadratfuß. Unter den Landfdaftern find 
ju nennen: Copley, Fielding, Turner, Callow, Glo— 
wer, W. Miller, Harding, Landjeer, Taylor, Stanley; 
unter Den neuern: Ricardjon, Roberts, W. W. Hunt, 
J. M. Whiitler, J. Crawhall, John Reid, J. Fulley— 
love, Th. Collier u. a. Im Genre glänzen: G. Bar: 
rett, T. S. Cooper, Dobjon, C. Green, H. Herfomer, 
J. F. Lewis (orientaliſches Genre), F. Walter, Alma 
Tadema zc.; in der Hiſtorie: J. Gilbert, H.S. Marks, 
F. Shields, H. Warren u. a.; im Blumenſtück: J. D. 
Linton; im Seeſtück: W. L. Wyllie. Auf die Land- 
ſchaft läßt fic) Die YW. am bejten und ohne Zwang an 
wenden, weil die Uquarellfarben fic) in hHohem Grade 
fiir Die Wiedergabe der verſchiedenſten Stimnumgen 
Der Utmofphire, fiir zarte, flieqende Farbentine cig: 
nen. Sehr viel tragen zur heutigen Bliite der A. die 
Verbefferungen in der chemiſchen Zuſammenſetzung 
der Farben, deren Ton fich nicht mehr veraindert, und 


Die Vereitung des Bapiers bei. Die moderne engliſche 


Technik, Die mum qroptenteits auch auf dem Rontinent 
fic) Geltung verjdafft bat, tit im wefentlicden fol 
qende: Nachdem die Zeichnung in dünnen Konturen 
mit Bleiſtift auf das Papier (oder die Seide rc.) auf 


platt qedriidten Binfel aus Zobel oder Eichhörnchen⸗ 
haaren, den man in Die ſehr wäſſerige Farbe getaucht, 


in horizontalen Streifenangelegt. Das Reißbrett oder | 


die Staffelet muß mäßig {chief gejtellt fein, damit dic 
einzelnen Streifen ineinander verlaufen. Wolfen wer: 
Den entiveder ausgefpart (unter anderm mit Hilfe von 
Fapicrausidnitien, die man auf die betreffenden 
Stellen legt), oder mit reinem Waſſer ausqewafden. 








‘ 


| 





im Lofalton angelegt mit Ausſparung der Lichter, die 
aber gleidfalls, wie beim Hinterqrund, ausgewaſchen 
werden fonnen. Unt bejonders feine Details awsgu- 
fithren, 3. B. Grashalme, Glanglicter auf Fleiſch— 
tetlen, Stoffen ꝛc., befeudtet man entiveder die be 
treffenden Stellen mit Wajfer und bebt die Farbe nach 
ciniger Zeit mit einem Fließpapier oder Wollentappen 
ab, oder man entfernt die Farbe mit einem Radier 
meſſer. So haben engliſche Uquarellijten bis in die 
neueſte Beit die feinften Details hervorgezaubert obne 
alle Unwendung von Dedjarben. Gegenwirtig iit 
man jedod) in lesterm Punkt nicht mebr fo ffrupu 
108, und namentlich bei figürlichen Szenen iſt von den 
neueſten engliſchen Uquarellijten Deckweiß gebraucht 
und den Farben ein ſtarker Gummizuſatz gegeben 
worden, damit fie glänzender wirten. Bgl. Roget, 
History of the Old Water-colour Society (Yond. 
1891, 2 Bde.); Redgrave, Water-colour painting 
in England (daſ. 1892). 

Nach dieſem Borgang der Englander ijt die A. in 


Wirhingen gejteigert worden, daß ſie ſchließlich das 


ſelbe Gebiet beherrſcht wie die Olmalerei. Ihr ur- 


ſprünglicher Charakter wird nicht mehr feſtgehalten 
Man verbindet ſie bisweilen ſogar mit Paſtellzeichnung 
und ſucht ihr auc) nod) durch andre Mittel Birtungen 
absugewinnen, Die gu Dem befdyeidenen Material un 
Widerſpruch ftehen. Geqenwartig wird die A. mit glei⸗ 
chem Cifer in allen funjtiibenden Ländern betricben. 
Am meiſten ijt fie fiir Reiſeſtüdien beliebt. In Pars, 
in Briifjel, in Wien, in Berlin u. a. O. haben fich Ge- 
jellidhaften fiir A. nad dem Muſter der englifden fon. 
jtituiert, Die jährlich eigne Ausſtellungen veranjtalten. 


Die eriten franzöſiſchen Uquarellijten, die durch 


den in Paris titigen Englinder Bonington angeregt 
wurden, lehnten jid) an Turner, Girtin ꝛc. an. Auf 
Bonington folgten: Huet, Delacroir, Decamps, Jo— 
hannot, Gubdin, Roqueplan, L. Boulanger, C. Nan 
teuil, Cugene Lami, E. Iſabey und H. Baron. Bor 
zügliche Landſchafter find: F. L. Francais, J. Qac- 
quemart, Hubert, Ouvri¢é, Gud, Fort, H. Harpiqnies, 


E. Yon x. Ym Genre find hervorragend: Ed. De- 


taille, Berchere, Berne: Bellecour, &. Leloir, A. de 


Neuville, Jean Béraud, F. WU. Besnard, L'Hermitte. 


WU. Moreau, Vibert x.; im Portrait: Dor’, Olivier, 
Wrand; als Tiermaler: Lambert; als Blumen- und 


— Stilllebenmaler: Yeannin, Redouté, E. Deg, die 


Danten Desportes und Madeleine Lemaire. Außer 
dem jind Uquarelle auf Atlas und Seide fiir Fader 
ſchmuck febr beliebt. Qn nenerer Zeit haben Detaille 
und A. De Newville mit glänzendem Erfolg den Ber- 
ſuch gemacht, die A. mit Der Gouadchemaleret zu ver- 
binden und ftatt des Papiers feine Walleinwand gu 
verwenden. In jener Verbindimg war ihnen aller. 
dings Menzel in Deutidland lange voraufgegangen. 
In Deutſchland hielt man bis in Dre IMoer 
Sabre an der Untermalung mit Tufde u. Reutraltinte 


feſt; ſchlechte Stimmung und Luftperfpeftine, anaft 
qetragen iit, wird der Hinterqrund mit einent breiten, | 


liche Detailausfiihrimg bemerfen wir bei fajt allen 
deutſchen Landicaften der erften Halfte des 19, Jahrd 
Bedeutendere Künſtler bedienten fich der YW. mit vor 
nehmer Oberflachlichfeit gu Entwürfen, Illuſtrativ 
nen ꝛc. z. B. Carſtens, Schrödter, Neureulher, Schwind 
Die Märchengeſtalten dieſes Romantifers erhalten tm 
der leichten, dDuftigen Behandlung mit Uquarelltinten 
cinen cigentiimlich traumbaften, un ichen Schein 
Eine maleriſche Weiſe ſchlug zuerſt J. A. Rod em, 


(Zu Artikel Aquarinm.} 


Inhalt der Tafel ,Aquarium T° (Seewasser-Aquarium). 


Dic Besebreibung der There s. unter den gieichoamigen ‘Relotwdrtorn. wenn nieht ein andrer Artikel angogoben Ist. 


Schwamme, 
Badeschwamm (Euspongia officinalis). 
Cilenteraten., 
Venusgiirtel (Cestus Veneris), Art. Rippenquallen. 
. Qualle: Rhizostoma pulmo. Art. Medusen, 
. Koralle: Astroides calycularis, 
. Seeanemonen: Adamsia Rondeletij (mit Krebs). 
. Edelkoralle (Coralliam rubrum). 
. Gielbe Koralle( Dendrophytlia ramea).Art. Korallen. 
37. Seeanemonen: Cereactis aurantiaca und 
Cerianthus membranaceus, 
Stachelhiauter. 
Haarstern {/Antedon rosacea), 
Seewalze; Stichopus regalis, Art. Seegurken. | 
Seestern: Ophidiaster attenuatus, 
Seestern: Palmipes membranaceus, 
Seeigel: Dorocidaris papillata. 
Wirmer. 
u. JO. Réhrenwiirmer: Spirographis Spallanzanii 
und Protula protula, 
Krebstiere. 
Finsiedlerkrebs; Pagurus striatus (mit 4 Seerosen). | 
Schamkrabbe (Calappa granulata), Art. Arabben. | 


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23. Spinnenkrebs (Maja squinado), Art. Arabben. 


24. Languste (Palinurus vulgaris). 

Weichtiere. 
1. Pilgermuschel (Pecten jacobaeus), Art. Kamm- 
5. Fabschnecke (Dolium galea), [meuscheln, 
0%. Kielschnecke: Pterotrachea coronata, Art. 


Schnecken. 
12. Kalmar (Loligo vulgaris), 13. Eischnire desselben. 
. Pulpe (Octopus vulvaris). 
Seehase (Aplysia limacina), 
Manteltiere, 

3. Seescheide: Cynthia papillosa (3 Exemplure). 
6. Seescheide: Ciona intestinalis (3 Exemplare). 
10, Salpe (Salpa maxima -africana), 

Fische. 


2. Murine (Muraena helena). 
4. Meeraal (Conger vulgaris). 
7. Katzenbai (Scyllium catulus). Art. Hatfische. 
19. Peterminnehen (Trachinus radiatus). Art. Quetse. 
21. Knarrhahn (Trigla lyre). 
| 25, Stachelroche (Trygon violaceus). Art. Rochen. 


26. Riesenbarsch (Serranus rigas). 
35, Zitterroche (Torpedo ocellata). Art. Rochen. 


Alle Tiere sind stark verkleinert, jedoch in sehr verschiedeveom Mal 


Einrichtung der Zimmer-Aquarien. 


Stiiwasser-Aquarien fiir Zimmer werden in sehr 
verschiedener Gribe ausgefilhrt. Fir sehr kleine | 
Tiere, als Reservebehalter und zur Zichtung eignen | 
sich grobe Kinmachegliser, Weibbiergliser und Kiise- 
glocken, die man in betrichtlicher Grébe haben und 
dann auch fir grébere Tiere, Fische ete., benutzen | 
kann. Gebriuchlicher sind dic Aquarien, die aus 
einem Metallgeriist und cingekitteten Ghiecheiben be- 
stehen, Lange, Breite and Hohe verhalten sich vor- 
teilhaft wie 10:75:60, Die Hohe soll nicht Gber 50 cm | 
betragen, da bei tieferm Wasserstand weder Fische 
noch Ptlanzen gedeihen. Grobere Aquarien (50 Lit. 
und mehr) fordern Scheiben aus starkem Spiegel- 
glasx, bet allen sollte der Boden mit einer cingekitte- 
ten Gles- oder Schieferplatte belegt werden, auch 
stellt man diese Aquarien auf cin starkes Brett, auf 
dem sie stets transportiert werden. Alle Aquarien 
miiseen auf soliden Tixchen mit Rellen stehen, Man 
gibt den Tischen den hellsten Platz im Zimmer; muBb 
man aber bei picht sehr hohen Fenstern 1 m vom Fen- | 


ster abbleiben, so bepflangt man nur die dem Lichte | 


sugekehrie Seite des Aquariums, Direktes Sonnen- 
licht braucht man nur an den heibesten Sommer- 
tagen wikhrend der Mittayszeit abzusperren. 

Sehr allgemein stellt man in grébere Aquarien 
einen Frdsen imeist durchbrochen), der auf dem aus 
dem Wasser herausragenden Teil mit Landpflanzen 
‘(iraser, Cyperus, Farne) besetzt werden konn ond 
amphibischen Aquarienbewohnern eine Zuflachts- 
statte gewhhrt, Unt man den Felsen aus Steinen 
ond Zement hergestellt, — moi man iho in Wasser 
gut suslauven und wiederholt an der Laft trocknen 
lassen. Auch wenn er dann das Wasser, in welchem 
er steht, nicht mebr triibt, soll man doch J—4 Weehen 
warten, bevor man das mit reinem Wasser ver- 
sehene Aquarium mit Tieren bevolkert. 

lialt man ausschlieblich Tiere im Aquarium, 
wird dus Wasser sehr schnell seines Sanerstofles 
beraubt und verunreinigt und muf oft gewechselt ; 





wets | 


Meyers Kunm.- Leadon, 6 daf., Besiage. 


werden. Dabei leiden aber die Tiere durch Beun- 
ruhigung und oft durch Temperaturwechsel. Daher 
ist es durchaus ratsam, gleichzeitig Planzen im Aqua- 
rium zu kultivieren, die das Wasser mit Sauerstoff 
versehen und es stets klar erhalten, so dab es selten 
oder nie gewechselt zu werden braucht, Uberdies 
kommt cin pflanzenloses Aquarium einem in voller 
Pflanzenpracht stehenden Behalter nicht im entfern- 
testen an Schénheit und Natirlichkeit gleich. Ab- 
gesehen von den frei im Wasser schwimmenden, be- 
gnigen sich manche Pflanzen mit reinem Sande, und 
ihre kleinen Wurzeln dienen oft mehr sum Festhal- 
ten als zur Aufnahme von Nahrung, Die meisten 
Pilanzen bedirfen aber cines niihrkriftigen Bodens. 
Man bedeckt den Boden des Aquariums mit gréfern 
SMtiicken von recht hartem Torf, den man vorher “4 
Stunden in Wasser geweicht hat, bringt anf diesen 
eine Mischung aus guter Moorerde and Torfgrus mit 
etwas altem, verwittertem Lehm und Flafsend anil 
gibt schlieblich eine 5-10 em hohe Deckschicht von 
sauber gewaschenem Sand. In einer Ecke, nach der 
sich dic Bodenschichten senken, grenzt man durch 
cin Stack Spiegelglas einen dreieckigen Raum ab, 
der mit verzinktem Drahtgetiecht bedeckt wird. Aus 
diesem Schlammfang werden darin angesammelte Fut- 
terreste, Exkremente cte. mittels eines Stechhebers 
oder eines Gummischlonches entfernt. Jedes neu cin- 
gerichtete und bepflanste Aquarium mub mindestens 
14 Tage ohne Fische stehen, damit die Pflanzen un- 
gestért festwurzeln und das Wasser sich klart. Oft 
misehen sich auch dem Wasser Extraktivsteffe aus 
dem Boden bei, die den Tieren verderblich sind, und 
das Wasser mul dann vor dem Besetzen des Aqua- 
riums mit Tieren gewechselt werden. 

Tei su starker Besetzung mit Tieren geniict der 
von den Pflangen ausgeschiedene Sanerstoff nicht, 
und man mub fir anderweitige Sauerstoflzgufulir ser- 
gen. Dies kann durch einen Springbrunnen gesche- 
ten, der das Wasser in feiner Verteilung mit de: 





Luft in ‘Berthreng bringt, so dab es — Sauer- 
stoff zu absorbieren vermag. Der Springbrunnen 
kann das Wasser aus dem Aquarium selbst entneh- 
men, oder er wird mit Wasserleitungswasser gespeist. 
im erstern Fall benutzt man den in Jig. 2 abgebil- 
deten Apparat. Das Wasser dringt in die durch- 
lécherte Kugel des Abflubrohres und gelangt durch 
dieses in dic untere leere Flasche. Die aus letzterer 
verdringte Luft treibt das Wasser 






1. Springbrunnes im 
Aquarium. 


Felsen des Aquariums aus im Strahl 
cmporspringt. Ist dic untere Fla- 


entleert, und man braucht nun nur 
die Flaschen zu wechseln und dem 
Hahn cine halbe Wendung zu geben, um das Spiel 
von neuem beginnen zu lassen. Ein Wasserbehilter 
von 10 Lit. liefert 4—6 Stunden einen feinen Strahl. 
Bei Zufihraung yon frischem Wasser durch den Spring- 
brunnen muS man einen Ablaufheber (Fig. 2) anwen- 
den, der selbsttiitig in Funktion tritt und zu arbeiten 
aufhért, sobald die urspriingliche Wasserhéhe wie- 
derhergestellt ist. In das Gefaii a miindet durch einen 
durehbohrten Kork das vom Aquarium kommende 
Glasrohr b, dessen lingerer Schenkel in die tiefere 
Schicht des Aquariumwassers taucht, 
e ist das Ablaufrohr. Man hiingt 
den Ablaufheber an das Aquarium, 
pehlieit die Durchbohrung d mit dem 
Finger, saugt durch ec an und Jibt 
die Offnung d nun wieder frei, Der 


an, bis zu der das Wasser im Aqua- 
rium bestindig stehen soll. 
Denselben Zweck wie die Spring- 
brunnen verfolgen die Durchliif- 
tungsapparate. Eine sehr einfache 
Vorrichtung fir kleine Aquarien von 
5—10 Lit, Inhalt zeigt die ohne wei- 
teres verstindliche Fig. 3. Wirk- 
sumer sind die Apparate mit kom- 
primierter Luft, die einen gröbern 
Behilter aus starkem Blech mit Fe- 
dermanometer und eine cinfache Luftpumpe besitzen. 
Die komprimierte Luft strémt am Ende eines Gummi- 
eehlauches durch irgend einen pordésen Koérper, bes- 
ser durch den Zwiesschen Zweiringkérper in feiner 


* 
1 
“ 
* 
— 
—* 





2 Ablauf- 
heber. 


Verteilung aus. Durchliiftungsapparate sind nur an- 


zuwenden, wenn sich Mangel an Sauerstoff im Was- 
ser dadurch bemerkbar macht, dab die Fische an 
die Oberflache kommen und Luft schnappen, Dies 
wird in einem mit gesunden Pflanzen gut besetzten 
Aquarium vermieden, wenn man auf je 2 Lit. Wasser 
nicht mehr els cinen fingerlanven Fisch einsetzt, 


aus der obern Flasche durch das | 
Rohr heraus, so dai es von dem | 


oche gefiillt, so ist auch die obere | 


Wasserspiegel in a gibt die Héhe | 


Ww exden in = Aquarien — — gehai- 
ten, so muS man sie heizen. Kleinere Behialter stellt 
man auf ein durch cin Flimmchen erwirmtes Sand- 
bad. Bei gréGern Aquarien wendet man das Prinzip 
der Warmwasserheizung an. Bei dem in Fig. $ ab- 
gebildeten Apparat wird das mit Wasser gefillte, 
bis auf den Trichter a yéllig geschlossene Bleirohr 
in seinem spiralig gewundenen Teil b durch die 
Spiritusflamme f innerhalb des Asbestmantels m er- 
hitzt; es legt sich bei w in mehreren Windungen 
auf den Boden des Aquariums und ist bei ¢ von einem 
unten luftdicht schliebenden wei- 
ten Glasrohr umgeben, um in die— 
sem Teile noch nicht abgekihlt 
zu werden, a dient zum Nachfiul- 
len und als Ventil, durch welches 
die im Wasser enthaltene Luft ent- 
weicht, 

Seewasser-Aquarien werden wie 









.€. Einfachor Durchlfiftungsapparat. 


dic Siiwasser-Aquarien gebaut; doch ist darauf zu 
achten, dab das Wasser mit dem Kitt und dem Me- 
tall des Aquariums nicht in Beriihrung kommt. Das 
Scewasser-Aquarium soll nicht von direktem Sonnen- 
licht getroffen werden, es braucht tiberhaupt nicht 
am Fenster zu steben und bedarf nur soviel Licht, 
da6 man den Inhalt gut iibersehen kann. Den Boden 
bedeckt man 2—3 cm hoch mit gut gewaschenem gro- 
ben Sand oder Kies. Das Scewasser bereitet man aus 
25 Lit. miglichst hartem Brunnenwasser, 663 ¢ Koch- 
| sulz, 75 g Chlormag- 
nesium, 50 g Bitter- 
salz u. 15 g schwe- 
felsaurem Kali. Man 
list jedes Salz ein- 
zeln, miseht dic 
Lésungen, bringt 
‘die Mischung auf 
das richtige Volu- 
men und 1iGt sic 
drei Woechen lang 
im Keller gut zuge- 
deckt stehen. Das 
Seewasser - Aquari- 
um, welches keine 
Pflanzen enthalt, 
bedarf bestindiger 
Durchliftung. Man 
benutzt am besten einen Apparat mit grobem Laft- 
kessel, der morgens und abends mit komprimierter 
Luft gefiillt wird und dann ununterbrochen arbeitet. 
Da das Wasser infolge der Durchliiftung auch allmah- 
lich verdunstet, so mub man nach Bedarf hartes 
Brunnenwasser nachfillen, dabei aber jede nennens- 
werte Schwankung im Salzgehalte des Wassers ver- 
meiden. Das Wasser bleibt klar, wenn geniigend 
geliiftet wird, und wenn alle Futterreste und kranke 
oder tote Tiere sofort beseitigt werden. Auf 2 Lit. 
Wasser darf man nicht mehr als cin Tier einsetzen. 











4 Hoizapparct. 





Aquarium [| (S 


pe — > mle Kone. Lexikon. & A 
4 i » 
le” a 


s Kone 4 





vasser- Aquarium). 


— Fh is Tir tJ SF ry ’ ; 
I8 Wey ey i 
oan oe i ve "vy 





Zum Artiiel . Agaarusm 


Aquat 1h 


bremdlandische Zie 





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Aquarium II. 


Fremdlandische Zierfische des Zimmeraquariums 


———— — 


ftisch ‘Betta puenax nat Che 


4 Teleskopfisch ‘a \r roll 


Meyers Kone Lexikon 6 Aufi 





Wguarello — Aqua Tofana. 


dem die Uquarelliftenfamilie Alt (Yafob, Rudolf und | Tiere, die Schatten oder gedämpftes Licht lieben, nicht 


645 


Franz, vorzüglich in Urdhitelturdarjtellungen) folgte. | vorteilhaft. Die Zirfulation wird durch Pumpen, 
Der erjte bedeutende deutfdje Uquarellift war jedoch welche Waſſer und die von diefem mitgeriffene Luft 
der unter Iſabey gebildete Ed. Hildebrandt. Yur er⸗ bis auf den Grund der Becken treiben formen, unter: 
ſcheint bei dieſem das rein foloriftifde Pringip bereits | halten. Cins der bedeutendjten Uquarien ijt das von 


auj die Spige getrieben. Ym —— zu ihm legte 
J. oe das Hauptgewidt auf das Gegenſtändliche. 
In Der Mitte zwiſchen beiden fteht Rarl Werner. Jn 
Derjelben Manier bewegen fid): B. Fiedler in feinen 
Bildern aus Venedig, AUgypten und Syrien und H. L. 
Fiſcher in Wien. Ausgezeichnet im Genre find: L. Paſ⸗ 
jini in Venedig und J. Koſſal in Kralau. A. Menzel 
in Verlin beherrſcht aud) da8 Aquarell mit Meijter- 
ſchaft, und gwar ijt er Der erjte in Berlin geweſen, 
der Dieje Technik zur Fähigleit, allen YUnforderungen 
gerecht zu werden, entivicelt hat. Neben ihm waren 
und find in Berlin BP. Meyerheim, E. Körner, L. Span: 
geuberg, K. Graeb, A. Hertel, C. Salgmann, F. Sfar- 
bina, Th. v. Edenbreder, H. Herrmann, E. Bradt, 
W. Frig, in Minden H. v. Bartels, in Düſſeldorf 
YW. Achenbach, C. Gehrts, Hans Hermans, A. Kampf, 
©. Diicer, U.Seel, in Rarlsrube L. Dill und H. Krabbes 
tiichtige Uquarellijten. Neuerdings hat fic) die A. auch 
inStalien undSpanien gucinerauerordentliden 
Hohe entwickelt. Die italienifdhe A. bleibt mit Bezu 
auf Kühnheit und Vielfeitiqheit der Motive und at 
Flächenumfang nicht hinter der englifden guriid, über— 
trifft fie aber noch an geiſtreicher und leichter Durch— 
fiibrung. Die bedeutendjten Aquarellmaler Italiens 
find: Stmoni, Corelli, Vompiani, Zezzos, Randanini, 
Joris, Cipriani, Tomba, Ethofer, Mariano, Ferrari, 
Wabani, Siqgnorini, Aureli und Galofre. In Spanien 
haben fid) nad) dem Borgang Fortunys bejonders 
Villegas und Uſſel in der W. ausgezeichnet. Unter 
den Hollandifden Uquarellinalern ijt Israels, un- 
ter den däniſchen P. S. Kroyer hervorzuheben. 

Val. nod LH. Fifer, Die Tedhnif der VW. (8. Aufl., 
Wien 1901); Jannide, Handbuch der A. (6. Aufl., 
Stuttg. 1902); M. Sd midt, Technif der W. (7. Aufl., 
Leipz. 1901); Barret, Unteitumg gur A. (a.d. Engl., 
7. Uufl., Stuttg. 1898); Raupp, Katechismus der 
Malerci (3. Aufi., Leips. 1898; die W. von H. v. Bar 
tels); Berger, Die Technik der W. in Kunſt und 
Kunſtgewerbe (Daj. 1901); Caffagqne, Traité d’'aqua- 
relles (2. Aufl., Bar. 1886). 

Aquarello, Wein, ſ. Piquette. 

Aquarium (lat., ⸗Waſſerbehälter«; hierzu Tafel 
»Aquarium Lu. II«, mit Tertblatt), Vorridjtung, um 
Waffertiere und Wafferpflangen am Leben gu erhalten 
und gu beobadjten. Cin YW. in einfachſter Form iſt die 
Vaſe mit Goldfiſchen, die bei den Chinejen feit langer 
Reit beliebt ijt und in Europa vor etwa 150 Jahren 
eingefiihrt wurde. Biel mehr Velehrung und We 
nuß gewähren die jet iibliden Süßwaſſer- oder 
Rimmeraquarien, dic auf der Tertbeilage sur Tafel 
befdricben find. Geewafferaquarien, welche die 
Bewohner des Meeres aud) entfernt von demfelben 
ju jtudieren gejtatten, find fiir fleinere Verhältniſſe 
nur in der Nähe der Küſte möglich, wo man Waſſer, 
Tiere und Pflangen öfter erneuern fann, und haben 
Daher aud nur in England weitere BVerbreitung qe: 
funden. Größere Uquarien find jedod) auch im Bin 
nenland, meijt in BVerbindung mit zoologiſchen Gär— 
ten, errichtet, zuerſt in London (durch W. A. Lloyd), 
dann in Baris, Brilffel, Hamburg, Frankfurt 1. Meiſt 
benutzt man für fie Kellerräume mit ihrer gleichmäßi 
gern Temperatur und läßt den Zuſchauerraum fein 
jparfames Licht durch die Wlaswande der vor oben 


erbellten Becken erhalten; jedoch wirlt dies auf mandje | 











Lüer erbaute und 1869 unter der Direftion von Brehm 
eröffnete A. in Berlin. Es bededt cinen Flächenraum 
von 1334 qm und enthalt qeqen 500 chm Waſſer, be: 
herbergt in feinen obern Räumen aber aud) Sdlan- 
ger, Vögel und Affen, befonders anthropomorphe 
(1876 den erjten lebenden Gorilla). Bur Vetwending 

clangt künſtliches Seewaſſer. Sur Bevölkerung des 
Seeaquariums ijt in Rovigno an der ijtrijchen Küſte 
des Udriatifden Meeres cine eigne Station erbaut und 
ausgeriijtet, wo die Seetiere qefangen, aufbewahrt und 
verjandt werden. Auch beſitzt dieſe Station Arbeits— 
plätze für wiſſenſchaftliche Forſchungen. Die großen 
Aquarien zu London, Brighton und New VYort find 
mit Rongerthallen und ähnlichen Fnititutert verbun- 
den. Streng wiſſenſchaftlich angeordnet ijt das A. zu 
Neapel, das zu Anfang der 1870er Jahre von Dohrn 
erbaut wurde. Es enthalt ausſchließlich Tiere aus dem 
dortigen Golf und gewährt fo cin anſchauliches Bild 
des reidhen Tierlebens auf dem Grunde des Meeres. 
Seine Becken fajjen gegen 300 chm Wajfer. Jn eng, 
jter Beziehung fteht es su der Zoologijden Station 
in Reape (jf. d.). Unfre Tafel I zeigt cine Zuſammen⸗ 
ftellung von Tieren aus dem A. in Neapel, Tafel IL 
fiir Das Zimmeraquarium geeignete neuere Zierfiſche. 
Bal. Goſſe, Handbook to the marine A. (2. Aufl., 
Sond. 1874); Hughes, Principles and manage- 
ment of the marine A. (daſ. 1875); »Leitfaden fiir 
das A. der zoologiſchen Station zu Neapel« (4. Aufl., 
Leip;. 1894); Bateman, The book of Aquaria (daſ. 
1891); Hoffmann, Seewaſſeraquarien tm Zimmer 
(Magdeb. 1887); über das Süßwaſſeraquarium die 
Sariften von Roma ler (5. Aufl. von O. Hermes, 
Leip;. 1892), Gräffe (2. Aufl., Hamb. 1881), Lug 
(daf. 1886), Ortleb (6. Uujl., Berl. 1895); Bade 
(Das Siifwajjeraquariume, 2. Aufl., daſ. 1899, u. 
» Praxis der Aquariumkunde«, Magdeb. 1899), Jere 
nede (Berl. 1897); Mönkemeyer, Uquarienpjlan- 
zen (Daf. 1900). 

Aquarius (lat.), ſ. Waffermann. 

Aquatilien (lat.), Wajjertiere und - Rjlanyen. 

Aquatinta (Aquatintamanier), getuſchte Ma— 
nier, Nachahmung von Tuſch- oder Sepiazeichnungen 
durch Kupferſtich; ſ. Kupferſtecherkunſt. 

Aquatiſch (lat.), dem Waſſer angehörig. 

Aqua Tofana (lat.; ital. Acquetta di Napoli 
oder di Perugia, Acqua della Toffa oder ſchlechtweg 
Acquetta genannt), beriidtigter, ſchon in Gaben von 
wenigen Tropfen tddlidjer Gifttrank, der zwar lang: 
fam wirfte, aber das erwählte Opfer jtets ſicher hin— 
wiirgte, bejtand in einer wajjerflaren, geſchmack und 
geruchloſen Fliifjigheit, nad) deren Genuß fid) Sym— 
ptome cinjtellten, die nidht qeeiqnet waren, den Verdacht 
einer Vergiftung zu erregen. Wis Crfinderin des Giftes 
gilt Teofania dt Adamo, die 1633 in Palermo hin: 
geridjtet wurde. Ihre Todter (?) Giulia Tofana ging 
nad) Neapel und Rom und verfaufte das Gift unter 
dem Namen »Manna von St. Rifolaus von Bari« 
und verjandte es mit Dem Bilde dieſes Heiligen als 
Schönheitsmittel an ihre Kunden. Sie ſtarb gegen 
1651. Das Gift, das weite Verbreitung fand, ſoll 
durd) Kochen von weifem Arſenik mit Antimon und 
Blei hergejtellt worden fein. Vgl. Salomone-Ma— 
rino, | pa Tofana (Palermo 1882); Ade— 
molto, I misteri dell’ acqua Tofana (om 1881). 


646 Hquator — Aquatorial. 

Uquator (v. lat. aequare, »qleid) madhen<, dabher | qefdlagen und fiel. Damit und durd Osman Dignas 
Gieider), der Kreis auf der Oberfliiche eines Ro- | Vefangennahme (19. Jan. 1900) ijt A. dem äghpti— 
tationSfirpers, der von den beiden Polen gleidweit | ſchen Guddn zurückgegeben. Val. Schurtz im 3. Bande 
entfernt ift. Der Erdäquator fteht von den bei- | von Helmolts »Weltgeſchichte- (Leipz. 1901). 
den Erdpolen um 90° ab, und fein Umfang beträgt Mquatorial (Mquatoreal, hierzu Tafel »Yqua- 
40,070 km = 5400 geogr. Meilen, der Durdymeffer | torial I u. «, mit Tertblatt), aftronom. Inſtrument 
desfelben alfo 12,756 km — 1719 Meilen. Wan teilt | sur direften Muffudung und Beobachtung eines Ster- 
ihn in 360 Grade (zu 15 geogr. Meilen). Senkrecht nes, deſſen Stundenwinkel und Deflination geqeben 
durchſchnitten wird der Erdaiquator von den Meridia: | find. Es befteht aus einem Fernrohr, das um zwei 
nen; er teilt die Erdoberflide in zwei gleide Halften | Achſen drehbar ijt, von denen die cine, Die Stunden: 
oder Hemiſphären, die nördliche und die ſüdliche, daher oder Polarachſe, der Weltachſe parallel ijt, dieandre, 
fein Name »Gleicher«, in der Schifferfprade »Linies. | dieDeflinationsadfe, fentredt darauf ftebt; ſent 
— Der Himmelsiquator fdneidet den Horizont recht zu diefer ijt das Fernrohr angebradht. Jede Achſe 
im Oſt⸗ und Weſtpunkt und liegt sur Hälfte oberhalb, trägt einen geteilten Kreis, der die Größe der Drehung 
gur Hälfte unterbalb des Horijonts. Für den Be⸗ mift: auf der Polaradhfe figt parallel zur Ebene des 


wohner des Erdiquators geht der Himmelsäquator 
burd) das Zenit; fiir cinen Bewohner am Pol der 
Erde fallt er mit dem Horizont jufammen. Alle Ge: 
ftirne, die im Himmelsäquator ftehen, find 12 Stum- 
den ficdtbar und 12 Stunden unfidtbar. Wenn die 
Sonne im Himmelsäquator ſteht (21. März und 23. 
Sept.), find daher tag und Nacht gleich lang. Bal. 
iquinoftium. Uber den magnetifden W. j. Uline. 
RUquatorhihe, der Wintel, den die Ebene des 
Himmelsaiquators mit dem Horizont bildet, qleid 90° 

weniger der Polhöhe (vgl. Himmel). 5 
att 


tquatoria (Mi quatorialproving, ägypt. 


ef Ejtiva), Proving (Mudirieh) des agqyptifden Su: | 


dan, swifden 2—8°? nördl. Br. und 27-—34° öſtl. L, 
grenzt im S. an den Somerjetnil, den Wibertfee und 
den Bomofandi, im W. an die Mudirieh Bahr el 
Gazal, im N. an Faſchoda, im O. an grofe, von 
Yrbore- Galla und Schillul bewohnte Gebiete. Der 
gavgen Lange nad von RN. nad S. vom Bahr el 

ſchebel, deſſen zahlreichen Zuflüſſen und den gum 


Uelle Mafua ziehenden Bomokandi, Kibali Donguu.a. 


durchſtrömt, ijt das Gebiet eins der fruchtbarſten 
Afrikas, reich an Elfenbein und Kautſchuk und be— 
wohnt von Dinka, Bari, Madi, Schilluk, Schuli, San 
deh und Monbuttu, unter denen ſich die als Sklaven 
handler berüchtigten Dongolaner niedergelafjen hat— 
ten. A. war feit 1881 cingeteilt in die zehn Idaras: 
Rohl, Bor, Lads, Latula, Riri, Dufilé, Fadibet, Fau 
wera, WMafrafa und Monbuttu. Hauptort war Ladd, 
ſpäter Wadelai. Die Provinz wurde 1874——-76 von 
Mordon organiſiert, feit 1878 von Emin Paſcha (ſ. d.) 
verwaltet und durch ib glänzend entwickelt. Als 
aber der Aufſtand des Mahdi ſeit 1884 aud Emins 
Lage immer mehr gefährdete und Stanley 1889 zum 
zweitenmal am VWibertfee erjdien, ſchloß fic) Emin 
Diefem an, und die Provinz wurde aufgegeben. YL, 
in deffen Beſitz ſich mun die Mahdiſten mit den Ein 

ebornen teilten, blieb nicht Lange ſich ſelbſt überlaſſen. 
Die Leiter des Kongoſtaats einigten fic) mit der anglo- 
ägyptiſchen Regierung dahin, daß ihnen »pachtweiſe«- 
das Land auf Zeit überlaſſen werde; vom obern 
Ubangi drang 1892 van Kerckhoven nach Wadelai, 
und durch Nachſchübe beſetzte man weitere Stationen. 
Nachdem dann Kitchener das ägyptiſche Heer reorga 
niftert hatte, lief er es gemeinſam mut englifden Ab 
tethingen 1896 von Wadi Halfa aus langfam und 
planvoll vorriiden. Uber Dongola hinaus gelangte 
man 12. Sept. 1897 nad) Berber und ſchlug 7. April 
1898 Die mahdiſtiſche Vorhut bei Nafheila am WUtbara ; 
2. Sept. ficl OQmdurman. Die von Rapitiin Mardand 
10. Juli in Faſchoda geheißte franzöſiſche Flagge ward 
21. Sept. durch Die britiiche erſetzt; ſchließlich ward 
Der -Malife Ubdullahi (f. dD.) 24. Nov. 1899 bei Om 
Debrifat (ſüdlich von Djchedid) durch Oberjt Wingate 





| Uquators der Stunden- 
kreis, der den Stunden- 
| winfel des beobadhteten Ob- 
jefts angibt, auf der Defli- 
nationsadje der Deflina- 
tionsfreis sur Ableſung 
Der Deflination. Dit das 
Fernrohr auf einen Fir: 
jtern eingejtellt und erteilt f 

















Aquatorial ber Rizzaer Sternwarte. 


man Der Polarachſe cine qleidhformige Vewequng von 
D. nad) W., fo dak fie in 24 Stunden Sterntyett cine 
Umdrehung madt, fo bleibt das Fernrohr beſtändig 
auf den Stern gerichtet. Früher wurden die Kreiſe des 
Inſtruments gewöhnlich mit febr feiner Teilung ver 
jeben, um die Reftafyenfion und Deflination cines 
Sternes fehr genau bejtimmen ju können (Yiquato 
riale im engern Sine). Da jedod) die Stabilitat der 
ANquatoriale felbjt von fleinerer Dimenfion derjenigen 
der Meridiantreije erheblich nachſteht, fo wird die aus 
Meridianbeobadtungen folgende Sternpofition die 
durch Ublefung der Kreiſe am A. erhaltene wefentlid 
an Genauigfeit übertreffen. Man hat daber in lester 
Zeit die Uquatoriale nur mit einfad geteilten Kreifen, 
| wie fie zur Einjtellung nötig find, verfeben und be 
| nugt derartige Inſtrumente auger zu ajtrophyfifati- 
fchen Beobadtungen wefentlid) gu Differentialbeob- 
achtungen mittels Mikrometer. Bet der engliſchen 
| Uufitetlung des Aquatorials ijt die Polarachſe an bei- 
den Enden unteritiigt, und dajwifden find auf ihe 
die Lager fiir die Deflinationsadfe angebracht; bet Der 
deutſchen Mufitellung aber, welche die verbreitetere if?, 
befindet fid) die Deflinationsachfe am obern Ende der 





[Zam Artikel Aquatoriat.] 


Erlauterungen zu den Tafeln Aquatorial Tu. I 





Fig, 1 der Tafel zeigt den grofea “30sblligen Re- | ebenfalls am Okularende befindliche Sehliissel — 
fraktor der russischen Hauptsternwarte in Pulkowa Fernrohr eine kleine Drehung um jede seiner beiden 


bei St. Petersburg, dessen Objektiv, von Alvan Clark in 
Cambridgeport( Verein, Staaten) angefertigt, eine freie 
Offnung von 762 mm und eine Brennweite yon 14,12 m 
hat. Die Montierung des Instruments ist in der ge- 


brauchlichen deutschen Aufstellung von Repsold | 
in Hamburg ausgefiihrt. Auf einer kraftigen, hohlen | 


Saule aus Gubeisen, die auf einem grofen Konus un- 
terhalb des Fubbodens auf dem Fundament steht, ruht 
die Lagerbiichse der aus Gubstahl angefertigten Pbv- 
larachse, die am obern Ende den Stundenkreis triigt. 


Achseén erteilen, wie es bei der Feincinstellung eines 
Objekts nétig ist. Die Beleuchtung des Instruments 
geschicht durch eine Pctroleumlampe, dic mittels 
verschiedener Spiegel und Prismen siimtliche Kreise 
des Instruments erhellt und die Feld- und Faden- 
beleuchtung beim Mikrometer hervorbringt. Um das 
Fernrohr der Bewegung der Sterne nachsufihren, ist 
ein Vhrwerk mit cinem schweren Federpendel-Regu- 


later an der Wand des Beobachtungsraumes aufge- 


Senkreeht zur Polarachse steht die auch aus Gub- | 
stahl hergestellte Deklinationsachse, die an ihrem. 


einen Ende das Fernrohr und dicht daneben den De- 
hlinationskreis, am andern, sich verjiingenden Ende 
die das Gewicht des Fernrohrs ausbalancierenden Ge- 
gengewichte triigt. Der durch das gesamte Gewicht 
des lnstruments hervorgebrachte Druck in den Lagern 
der Polarachse wird durch ein schweres Gegengewicht 
aufgehoben, das an einer im Innern der gubeiser- 
nen Siule bis sum Fuandament hinunter gehenden 
Kette aufgehangen ist. Die Achsen dea Instruments 
liegen daher nur mit sehr geringem Druck in ihren 
Lagern, wodurch eine sehr leichte Bewegung des gan- 
zen Instruments erméglicht wird. Das FernroAr be- 
steht aus einem gemeinsamen Mittelstiick und zwei 
Stahlblechrohren, dem Objektivrohr and dem Okular- 
rohr, die an beiden Enden verschlichbare Offnungen 
xur Liiftung des Rohres haben. Am Okularende be- 
findet sich eine Platte zur Aufnahme eines Faden- 
mikrometers mit Positionakreis is. Mikrometer) und 
verschiedene Hilfsapparate, darunter auch ein elek- 
trisches Zitierblatt, das mit einer Sternzeituhr in Ver- 
bindung steht und dem Beobhachter die jeweilige 
Sternzeit angibt. Parallel dem Hauptfernrohr ist am 
Okularende noch ein zgweites, kleineres Fernrohr von 
16 em Offmung, der Sucher, mit schwacher Vergrébe- 
rung und grobem Gesivhtsfeld, so angebracht, dab die 
Mitte des Gesichtafeldes des Suchers dem Cesichta- 
felde dea groben Fernrohrs entspricht; der Sucher 
wird benutzt bei der Aufsuchung von Objekten, deren 
Position nur genihert bekannt ist. Um das Einstellen 
des Fernrohrs auf ein Objekt von bekanntem Stun- 
denwinkel und Deklination eu bewirken, ohne die Ab- 
lesung der Kreise direkt auszufiihren, was bei den 
grofen Dimensionen des Instruments sich nur echwer 
bewerkatelligen liebe, liegen parallel neben dem Fern- 
rohr und mit diesem fest verbunden zwei lange Mi- 
kroskope, die mittels Prismen ein Bild der Teilung 
der Aufsuchungskreise gum Okularende des Fern- 
rohre fulbren, so dab der Keohachter von seinem Platz 
aus die Kreise ablesen kann. Auberdem Lift sich das 
Fernrohr auch noch von der an der Saule errichteten 
Bahne, wo wihrend der Beobachtang gewdhnlich ein 
Gehilfe aeinen Sitx hat, einstellen, da auch das untere 
Ende der Polarachse einen dort bequem ablesbaren 
Stundenkreis trigt und ein gweiter Deklinationskreis, 
der im Innern der Deklinationsachse angebracht ist, 
mittels eines Mikroskeps mit Prisma abgelesen wer- 
den kann; die Drehung des Instruments um seine bei- 
den Achsen lit sich von dort aus durch Handrider 
leicht ausfilhren. Ui nach erfolgter Finstellung eine 
Drehung des Fernrohrs um eine seiner Achsen oder 
auch gin beide gugleich gu verhindern, kann man 
dasselbe vom Ckularende ane durch zwei neben dem 
Fernrohr liegende Schlisse] festklemmen, nach er- 
folgter Alemmung jedoch noeh durch xwei andre, 


Meyers Konv.-Leriton, 6. Anf., Brilage. 





| herumdrehen. 


stellt, das mittels verschiedener Zahnrader und Trieb- 
stangen unterhalb des Fubbodens und im Innern 
der Siule sowie durch eine Schraube ohne Ende auf 
einen neben dem Stundenkreis auf der Polarachse 
befindlichen Zahnkreis einwirkt und eine Drehung 
des Fernrohrs um die Polarachse, cinmal in einem 
Sterntag, hervorbringt. Um dem Beobachter in allen 
Lagen des Fernrohrs eine bequeme Stellang vor dem 


| Okularende zu gewihren, lassen sich zwei Fahrstiihle 


auf Schienen um das Instrument herumfahren, von 
denen einer auf einer hohen Galerie Liuft; jeder dieser 
Fahrstiihle enthilt einen Sitz, den der Beobachter, 
ohne seinen Plats su verlassen, durch eine einfache 
Winde bequem héber und niedriger stellen kann, 
ebenso wie er mittels Handseile den Stuhl auf den 
Schiewen fortbewegen kann. In neuester Zeit hat 
man, um die Fahrstiihle, die immer viel Platz be- 
anspruchen, entbehren zu kénnen, mehrfach den 
FuSboden des ganzen Beobachtungsraums nicht fest 
mit dem Mauerwerk verbunden, sondern ihn so ein- 
gerichtet, dali er mittels hydraulischer Pressen leicht 
bis zu jeder belichigen Hohe gehoben oder gesenkt 
werden kann, so daG das Okularende des Fernrohrs 
immer ohne jede Leiter oder Fahrstuhl zu erreichen 
ist. Diese Finriehtung ist auf der Lick-Sternwarte 
und der Yerkes-Sternwarte ausgefiihrt. 

Der Turm, der den Pulkowaer Refraktor ũher- 
dacht, hat nicht die sonst ibliche Form einer Kuppel 
ivgl. Stermwarte), sondern senkrechte Winde mit 
schwach geneigtem Dach, das einen durch Klappen 
verschliebbaren Kinschnitt hat; der ganze Turm ruht 
auf 10 Radern anfdem massiven Unterbau und labt sich 
durch Anwendung von elektrischer Kraft auf diesem 
Die Héhe des gcanzen Beobachtungs- 


' sages vorn Turmgichel bis zum Erdboden betrigt 22 m. 


Das Iustrument wurde im Jahr 1884 aufgestellt und 


‘war damals der griGte Refraktor der Welt, steht jetzt 
‘aber an sechster Stelle. 


In Deutschland ist das grébte Fernrohr der Doppel- 
refraktor des Astrophysikalischen Observatoriams 
in Potsdam (Fig. 2), der 1899 vollendet wurde. Die 
Montierung dicers Instruments, von Repsold in Ham- 
burg, ist derjenigen dea Pulkowaer Kefraktors sehr 
fhntich, nur ist dasselhe, da es vorwiegend zu astro- 
physikalischen Arbeiten benutet werden soll, mit wei 
getrennten Fernrohren ausgeristet, die von cinem ge 
mcinsamen Mantel you Stahiblech umschlossen werden, 
Von den beiden Objektiven, von Steinheil in Minchen 
angefertigt, hat das grébere eine Vlnunx von 80 cm 
und eine Hrennweite von 12 m und ist fir die chemise h 
wirksamen Strahlen achromatisiert; an diesem Fern- 
rohr kann entweder die photographische Kassette oder 
ein Spektrograph angesetat werden (vg). Tafel Astro- 
physiki, Das kleinere Objektiv hat eine Offmung von 
Sem und 12.5 mm Brennweite, daseclbe ist fir die 
optischen Strahlen achromatisiert; am Okularende 
dieses Fernrohrs befindet sich cin Positionsmikrometer. 


Z- etteraazea eu fea Tace's —— 


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Srremang kane meciel« Bamiréter vier tar-h <urs 
Ricatevmetae erigen. Der *pait ter Kappel at 
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Sz 2 — 
Is Pe sc tee — — 


2. Kqaatorial evade Ger Bternwarte in Nizza 


wmet bhlich, ganz frei im Bectachtangeraum beweg- 
lich, wmdern er hangt der Spalt/ffnung gegeniber an 
der Kappel fet. Infolgedesen geht bei Drehung der 
Kappel der Stah) ohne weiteres mit, so dab der Beob- 
achter immer seinen Sitz gegeniber dem Spalt bei- 
hehalt, Unabhangig hiervon kann jedoch der Stahl 
in gewimen Grenzen noch nach rechts and links bewegt 
werden, 
befindet, bewegt sich anf einer echiefen Ebene anf- 
and alrwarta, Alle diese Kew 
Hand und aach mit elektrischer Kraft ausgefahrt wer- 
den. Auf dem Podiam des Beobachtangsstahls sind 
alle erforderiichen Schaltangen und elektrischen Me6- . 
apparate angeordnet, so dab der Beobachter von dort | 
nus alle Kewegangen der Kappel, des Spalts sowie des | 
Heobachtangestuhla ausfihren and regalieren kann. 

Um die Unbequemlichkeiten za vermeiden, die 
mit der Bewegang eines Aquatorials gew6hnlicher , 
Konetruktion verbanden sind, hat Loewy 1571 die 





Jone Podiam, anf dem sich der Beobachter 


kénnen mit der , 
———— der Beobachtung beiseite geschoben wird. 








oe doters. Wee wert Ge Peer — — 


& Grubbs Aqcateorial der Sterawarte iz Cambridge 


bewegung des Fernrohrs und des inSern Spiegeis. Der 
Beobachter kann also, ohne seinen Plats am (kular- 


Okularende sich in demselben befindet, wahrend das 
Objektiv und die andern Teile ganz anberhalb dewel- 
ben liegen und nur gegen die Unbilden der Witterung 
durch eine bewegliche Hitte geschitet sind, die 


Fin dem Equatorial coudé ahnliches Aqustorial ist 
von Grubb konstruiert und auf der Sternwarte in 
| Cambridge (England) aufgestellt worden (Fig. 4). Die 
Polarachse ist ebenfalls auf zwei Pfeilern gelagert. 
An ihrem untern Ende trigt sie die Deklinationsachse, 
and auf dieser dreht sich ein kirzeres Rohr, welches 
das Objektiv trigt. Konzentrisch mit der Deklina- 
tionsachse ist eine zweite Achse angebracht, die einen 


Anwendung eines rechtwinkelig gebrochenen Fern- | Planspiegel trigt, der derart immer gefihrt wird, dab 


rohra vorgeschlagen, Fig, 2 seigt in schematischer 


Darstellang ein derartiges gebrochenes —— 


comlé« (Ellbogen- Aquatorial) der Sternwarte in Niz 

Iie auf zwei Pfeilern gelagerte Polarachse ist hohi 
tnd trigt an ihrem obern Ende das Okular; an ihrer 
untern wirfelfirmigen Krweiterang aber ist recht- 
winkelig der das Objektiv tragende Teil des Fernrobrs 
angesetat, der sich um die Polarachse drehen list, 
und in dem Wirfel selbat befindet «ich, unter 45° 


| er von den Lichtstrahlen, die von einem Stern in das 


Objektiv gelangen, getroffen wird und sie in der Rich- 
tang der Polarachse refiektiert, wodurch das Bild im 
Brennpunkt an dem obern Ende der Polarachse ent- 
steht, Der Beobachter bleibt daher immer in der- 
selben Stellung und sieht ebenso wie beim Equatorial 


coudé immer in der Richtung der Polarachse von oben 
nach unten, Der wesentlichste Unterschied yom Fqua- 
torial coudé besteht darin, dab bei diesem Instrument 


aegen die Achson der beiden Fernrohrhalften geneigt, nur ein Spiegel gebraucht wird. 


Aquatorial I. 


> .#48ef82 


wea: . —— 
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=. p” {Hor 





1. Grosser Refraktor der Sternwarte in Pulkowa. 


Objektiv von Alvan Clark in Cambridgeport (Verein. Staaten), frete Offnung 762 mm, Brennweite 14,12 m. 
Montierung von Gebrdder Repsold in Hamburg. 


Meyers Kony.-Levikon, 6, Aufl. Bibliogr. lastitut in Leipziy Zum Artikel ,Aquatoriat. 


Aquatorial Il. 


—— 


— 
—— 


mee oy 
Wi 


— ney —* 











2. Grosser Refraktor des Astrophysikalischen Observatoriums in Potsdam. 


Soteradie. In nebenitehender Abbaldung ot MM der 
qms Greuutbidden aut fibre mane Unterdau AB 
te Solar: und (D dee Defimanonsadic, Dee ient 
rect Daraut des Feratodt tragt Grogere Acrarvdce 
werden m der Hegel als Aaustoriale eutgeieilt (par 
—— montierte daumt fie der Sewegung der 

Sterme foigen fonmen, umd gewoöhnkch von anem 
qui Hadern oder Nugein beweginhen urpeidad, das 
amen durch Niappen veriblicgbaren Einichnin bat 
(ogl Stermmarte:, aberdedt. Bekbreibung umd Wd 
buidumg der grotzen Netraftoren der Stermmarien in 
Pulfowe und Fotsdam jowie des Equatorial coude 
f. Testbtatt zu berfoigender Tafel. 

« i. Atlantucher Czean 

Saquatorialproviny, Aauatoria 

@aquatorialitrom, cme zu been Seiten des 
Seuatoré auf den Cyeanen pon C. nad BS. gebende 
Stroumung, de, tm 33. auy die Mititen der Nontmente 
tretiend, itch nach den Volen Ju wendet; i. Weer Strd 
mumgen) und AUanticher Tzean. In der Weteo 
tolog eme vom Fol nad dem Aquator gericatete 
Lufntrõmung tj. Bind 

tiquatorialtag, Wakeindett far die Bärme 
menge. dic eta beitrmumter Ort der Erde von der Sonne 
erbalt. Der A. bedeutet Dreyenige Menge Barme. de 
emem Crt unter dem Ygquator an einem Tage pon 
ber Sonne zugeſttabli wird. 

lzone, ſoviel mie Aauinotualʒone. 

i (Equateur), Hauptort des 
Wouatorialiitnits des Nongoitaates, an der Win 
dung des Rui (Ticuapa) m den Rongo, Sg eines 
Nomuitjars und Station der amerilaniſchen Baptiiten. 

& quatre (frany., jor. taser: Ital. a quattro), zu vie 
ren; & quatre a Si pierbandig; a quattro voei. 
— A quatre épingles, »mut vier Nadein<, 
Be ung einer affuraten, geichniegelten Toilette. 

tt (lat. aqua Vitae, »Lebenswäiſer «. 
Branntwan , Lilor. 

Aguaviva, Claudio, qeb. 14. Sept. 1545 aus 
eiater neapolitamiden Fanulie. geit. 31. Jan. 1615 m 
Rom, wurde 1581 General des Jefuitenordens. Wis 
folder ſuchte er dem Crden, den er gewiſſermaßen 

neu beqriindete, nad außen bin Geltung, durch plan 
ert Erziehung der Witgheder, durch fonicauente 
Durdfiibrung einer jtreng einheitlichen Crganiiation 
innere Straft yu vericbatien. A. lich Die » Ratio sta- 
dieram Societatis Jesu« (Rom 1586) und das >» Di- 
rectorium exercitiorum s. Ignatii« ausarbeiten. 

Miquer (Acqui), altital. aderbautreibendes Rolf 
int latinifden Bergland am obern Anio und Tolenus 
(fj. Marte bei Urtifel » Stalia-), fiibrte in Berbindung 
mit Den Bolsfern fiber cin Jabrbundert mut den Hd 
mern Krieg und wurde erit von Camillus (38%) ent 
ſcheidend geſchlagen; femme Beteiligung am jweiten 
Sammnitentrieg endete mit dauernder Unterwerfung; 
feitdem werden mur nod) die Kleinen A. Maquicuty 
im Zale des Himella qenannt. 

MUaquidiftanyen, |. Mufnabme, topographiice. 
Aquifol Ilicineen, ſtehpalmenar 
tige Gewa de), difotyle, etwa 150 Arten umfaſſende 
Bhanjenfamitic aus der Ordnung der Sapindalen, 
immergriine Holzgewächſe nut regelmafigen, vier 
oder fiinfyabligen Bluten und Beerenfriidten. Pre 
W. geboren der troptichen und den angrenyenden Yo 
nen an, finden fic) in Ymerifa am baufigiten, wenige 
im tropiſchen Aſien und in Curopa (Tex aquifolium). 
1. paraguariensis liefert den Baraquaytee. Prinos- 
und [ex-Yirten finden fic) tm Tertiar. Bal. Loeſe 
ner, Monographia Aquifoliacearum, I (Yd. 7 Der 


O47 


»>Acta novac der Seopoliniié Raroluukbhen Alade 
me der Naturforider, Tse Li 

Aquila, Wer; A. alba. der Stem der Benen 

Zaquila, 1) Wi Akdlae aus Pontus, pad Ero 
felt pur Set Hadrians, Seriaier emer grechrchen 
wortgetreuen q des Alzen Teitamente On 

ques mabe decielbe in ſein Bibelwert | Hexapla: ani. 

amd cinjcine Bruditide baben fi bes Dele exbalten 

Diee babolonriden Juden naunten idn C nfelos und 

legten Dieter Ramen einer daldirden Ventateuch 
bet (i. Onfelos:. 

2) Rafpar, Freund und Gebilje Lutders 
7. Aug. 1488 in Mugeburg, geit. 12. Nov. 1560 ju 
Zaalield, 154 Vrediger in Berm, 1515 Feldpredager 
ber Franz von Sedingen. — 
tundigte. ward er 1520 m Dillingen gefangen geſetzt. 
Sieder freigelaijen, ledte er im Wittenderg umd auf 
der Ebermburg. 1524-27 als Vrediger. Lederer und 
Witarbetter an Luthers Bideliiberiegung m Bitten 
berg. Seit 1528 fibrte er als Superintendent m Saal 
feld die Neformanon ein und blied dier. bes thm 1548 
Die Interimswirren vertrieben. Grit 1552 febrte er 
zurück Ex ſchrieb: > Cbriithide Ertlarung des lleinen 
Ratechismus x.« (Mugsd. 1538) und ⸗Kurze Frag 
ſtucke — —— 127 wo.) wa. 

ti Morassi ior. det, ital. Broving 
in der te eee a und Moliſe. grenzt un W 
an die Provinz Ascoli Viceno. im NO. an Teramo. 
im ©. an Chieti, on S. an Campobaſſo und Caſerta. 
un B. an die Brovingen Rom und Verugia und hat 
cin Areal von 6436 gqkm (116.9 OY.) mit usep 
397,645 Cinw. (61 auf I qkm). Die Vrovinz um: 
fakt die vier Rreije VL, Uveyano, Cittaducale und 
Solmona. 

Aguila degli Mbrugyi tive. dea, Houvtitadt der 
gleicbnamtigen tal. Brovin; (i. oben), 734 m a. M. 
am gue des Gran Saijjo, am Aterno und an der 
Eiſenbahn Solmona- Terni maleriidh gelegen, bat 
zahlreiche Kirchen, darunter Me des heil. Bernardin 
von Siena nut dem Warmordenfmal deeſelben und 
die gotiſche Rurche Santa Maria di Collemaggio, 1287 
geqriindet, mebrere Balajte, ſchöne Fontaͤnen, cine 
unter Marl V. 1535 angelegte Zitadelle, cin Stadtbans 
mit Muſeum antiler —— Gemaldeſammnlung 
und Vortratgalerie. lebbafte Induſtrie und bedeuten 
den Safranbau und zahlt aso ca. 16,800 cats We 
meinde 21,188) Emw. A. bat cin Gymnaſium, em 
Lyzeum, cin techniſches Inſtitut, cin Zuchthaus und 
tit Sip eines Biſchofs, eines Appellhofs und einer 
Prafektur. — Es ijt vom Kaiſer Friedrich II. I240 
— 1703 wurde es durch cin Erdbeben, wo 

12000 Menſchen umfamen, fait qany yeritort. 

Aquilaria Lamarck (Adlerbaum), Sattung 
der Thymelaazeen. Baume mit einfachen. lorbeerähn 
lidhen Blattern, in Dolden jtebenden Bliten und bol 
yigen, zweifacherigen. zweiſamigen Kapſeln. 3 4 Vir 
ten in Ojit und Hintermden, China. A. malaccen- 
sis Lam., ein 19 m bober Baum in Hinterindien und 
dem malaniden Gebiet, mit gelben Bhiten, licfert 
ſchmutziggelbes bis grunliches Adlerholz (Ro odi- 
i rDornboly, Mipalatbabols) qu ſemen Tifd- 
lerarbetten, A. Agallocha Rord,, auf dem Himalaja, 
liefert im Nern dew fonft wenhen, ween Holes das 
idbwere, wohlriechende Adlerhol (YWloeboly). 

Wauilege (fat. Aquilex, »Wafferipurer-), Quel⸗ 
lenfinder, d. b. eine Berfon, de unterirdiſche Duellen 
und Waſſerlaufe zu entdeden weiß (vgl. Quelle), 

Aquilegia LAquiteta, Atelei,. Aglen Gat⸗ 
tung der Ranunkulazeen, Stauden in Europa. Nord- 


648 


afien und Nordamerifa, mit großen, doppelt dreitei- 
ligen Blattern, einzeln oder in armbliitiqen Trauben 
jtebenden, langgeſtielten Bliiten, mit fünf gefärbten 
Blättern und fünf geſpornten Honigblättern und auf 
rechten, vielſamigen Kapſeln mit glänzenden, feinen 
Samen. A. vulgaris L. (qemeine Akelei), 60— 
90 cm hod, mit qrofen, blauen, qlodenartig hängen— 
den Blumen, wächſt in Waldern und auf Waldwiejen 


Aquileja — 


in Deutſchland, bejonders auf Ralfboden, und wird | 


mit andern Yirten, wie A. canadensis 1. in Nordame- 
rifa mit braunroten, außen gelblidjen Blüten, A. chry- 
santha Hook. in Kalifornien mit leudjtend gelben, 
jebr fang gefpornten Bliiten, A. Skinneri Hook. in 
Nordamerifa mit fharladroten Bliiten ꝛc., in vielen 
Varietiiten und Baitarden als Sierpflanje in Garten 


gezogen (f. Tafel »Zierpflangen I<, Fig. 20). Die | 


jungen Sprodplinge können im Frühjahr wie Spar 
gelfcime zubereitet und genoſſen werden. 


Aquileja, Stadt im öſterreichiſch illyr. Küſtenland, 
Bezirksh. Gradisca, an einem in das Adriatiſche Meer 
(Lagumen von Grado) miindenden Kanal gelegen, bat | 


einen 1019 — 42 erbauten reftaurierten Dom (roma: 


niſche Bafilifa mit Krypte), cin Baptijternam aus dem 


12. Jahrh. und einen 73 m hohen Glodenturm, Refte 
des Katriarchatspalajtes, ein Altertumsmuſeum (fiir 
die Funde aus der Umgebung) und (isc) 836, als 
Gemeinde (1900) 2319 ital. Einwohner. — A. wurde 
182 v. Chr. 60 Stadien (9 km) vom Weer, nut dem es 
durch die cinit ſchiffbare, jest verfandete Lagune in 
Verbindung ftand, als römiſches Cajtrum angelegt 
und ward bald ebenfo widtig in politiſcher umd jtrate 
giſcher Beziehung wie reid) und blühend durch Handel. 


Uber den nahen niedrigiten Ulpenpak nad) WO. (Dera, 


fpfiter Ulpis Julia) gingen die Straßen nach Rätien, 
Noricũm, Bannonien, Aitrien und Dalmatien; des- 
halb galt YW. fiir ben Schliijjel Jtaliens von der Nord 
oftfeite. Seit Marf Aurel war es eine der erjten Fe— 
ſtungen des Reidhes, an deren Manern 167 n. Chr. dic 
Marfomannen und Quaden ftarfen Wideritand, fpater 
Die Kaiſer Maximinus (238) und Conjtantius (340) 
ihren Tod fanden. Vis Hauptitadt der Provinz Be 
netia und Hijtria war VW. on 4. Jahrh. die viertgrößte 
Stadt Maliens. Bis ing 5. Jahrh. hatte A. femme 
Größe behauptet, als es durch Attila nach dreimona 
tiger Belagerung 452 zerſtört wurde. Die Einwohner 
flohen auf die Laguneninſeln nach dem Hafen Gradus 


(Grado). Das alte A. erhob ſich noch einmal. Im 


6. Jahrh. entſtand das aquilejifde Patriarchat, 
das in den Wirren der Zeit eine Macht erlangte, die 
Der des römiſchen Biſchofs qleichfam und ganz Friaul 
nebjt Iſtrien umfaßte. adh dem CEindringen der 
Langobarden refidierten Batriarden auc) in Gradus, 
mit denen Die von A., Die im 7. Jahrh. in Cormons, 
ſpäter in Cividale ibren Sig Hatten, in ftetem Streit 
lebten, bis die Synode von Mantua 827 den Bor 
rang A. zuerkannte und ein Bergleid 1180 die bei 
den zugehörigen Sprengel feſtſetzte. 1451 wurde das 
Patriarchat von A. nad) Venedig verlegt, fam aber 
dodurch in cine fehwierige Stellung, da einerſeits 


ſterreich, andericits Benediq die Ernennung des 


Patriarchen beanſpruchte. Die Zwiſtigleiten wurden 
erſt 1750 durch Vapft Benedift beendet, der an Stelle 
des Patriardats von A. zwei neue Erybistiimer, Udine 
und Görz, erridjtete, die nod) gegenwärtig bejtehen. 


Bal. v. Czoernig, Das Land Görz und Gradisca | 
reithdwert, A., das Emporium | 


(Wien 1873); v. 
an der Adria (Stuttg. 1880). 

Vquilibrigmug (v. lat. aequilibriuam, »Gleich 
Qewidht«), Diejenigqe Form des Indeterminismus (jf. d.), 


Aquinoftium. 


nad der Freiheit des menſchlichen Handelns nur bei 
völligem Geicgewidte der Beſtimmungsgründe ob- 
walten foll, wabrend fonit das jtarfer wirfende Motiw 
den Willen beſtimme. 

Raquilibriften (v. lat. aequilibrium, »Gleid- 
qewidt«), gymnaſtiſche Künſtler, die in Den verfdjie- 
denſten Stellungen und Bewegungen ſowohl ibren 
Körper als die von ihnen balancierten Gegenitinde 
im Gleidhqewidht zu erhalten veritehen, worm beſon⸗ 
ders indiſche, chineſiſche und japaniſche Künſtler Er- 
ſtaunliches leiſten. 

Aquilifer (lat.), Adlerträger in der römiſchen 
Legion; vgl. Adler, S. 112 (fymbol. Bedeutung). 

Aquilinae (%d1 er), Gruppe aus der Unterfamilie 
der Bufjarde und der Familie der Fallen. 

Aquiliſche Culpa, j. Culpa. 

Aquilo (lat., qriedh. Boreas), der ſtürmiſche 
Nord-, genaner Nordojtwind; auch perſonifiziert. 
Aquiloniſch, nördlich. 

Aquinas, ſ. Thomas von Uquino. 

Aquincum, rom. Stadt in Bannonien, an der 
, Donan, das jepiqe Ult-Ofen, ijt wohl von den Kelten 
angeleqt, fam ſchon unter Domitian unter römiſche 
Herrſchaft und wurde von Septimius Severus als 
Colonia Septimia A. zur Rolonie erhoben. Seit 1879 
wurden unter der Leitung von Torma, Hampel und 
Kuzſinſzky Ausgrabungen veranjtaltet und ein großes 
| Umpbhitheater (fiir 3000 Perſonen), mehrere Bader, 
cine Wafferteitung, die Valäſtra, der Marftplag, 

mebrere Tempel, Wohnhäuſer und zwei Castra blo}: 
gelegt. Val. Kuzſinſzky, A. und die Ausgrabungen 
(3. Aufl. Budap. 1900). 

Aquino (das Aquinum der Romer), Stadt m 
der ital. Proving Cajerta, Kreis Sora, an der Eiſen⸗ 
babu Rom-Neapel, hat cine auf dem Grundbau eines 
Herkulestempels jtehende Kirche, eine antife Bride, 

Rejte cines Zirkus, Umphitheaters, Cered- und Dianen- 

tempels ꝛc. cine Papierfabrif und (1901) 2672 Ein. 

— A., Geburtsort des Juvenal und des Thomas von 
Aquino, ward im 6. Jahrh. von den Langobarden 
zerſtört, aber wieder aufgebaut. 

MUquinoftialgeqenden, die Tropentinder. 

SHaninottialabe, tropijdes Jahr, ſ. Jahr. 

Mquinoftialfreis (Aquinoktiallinie), ſoviel 
wie Aquator, weil auf ihm dieWquinoftialpuntte legen. 

dquinoftialpunfte , ſ. Äquinoktium. 

Haquinoftialregen, dic qewaltigen, oft mit Ge 
wittern und Stiirmen verbundenen Regengüſſe, die 
‘in tropifdjen Gebieten um die Beit Der Tag~ und 
Nachtgleiche einzutreten pfleqen. 
Aquinoktiaiſtürme, die heftigen Stürme, die, 
oft von Regengüſſen begleitet, zwiſchen den Wende- 

kreiſen, aber auch in den gemäßigten Zonen um die 

Zeit der Tag- und Nachtgleiche eingutreten pflegen. 

RUquinoftialuhr, ſ. Sonnenubr. 

| Mauinoftialjone (Aquatorialzone), die zwi— 

iden Den Wendefreijen auf beiden Seiten des aqua- 
| tors geleqene heiße Bone der Erde. 
quinoktium (lat., »Nachtgleiche⸗), der Zeit— 
punkt, in dem Der Mittelpunkt der Sonne bet ihrem 
idbeinbaren Umlauf um die Erde in den Aquator tritt. 
Yin Diefem Tage bildet der Aquator den Ta gbogen Der 
Sonne, der ebenfo wie der dazu gehörige Nachtbogen 
180° beträgt; es ift Daher an dicjem Tage die Some 
tiberall 12 Stunden fichtbar und 12 Stunden unſicht ⸗ 
bar, Taq und Nacht find von qleider Lange. Es gibt 
aber zwei Aquinoktien, weil der Himmelsaquator von 
der Ekliptik zweimal durdfdnitten wird; 21. Mary 
(Frihlingsdquinoltium) u. 23. Sept. (Herbit- 








Aquipotentialfurven — Aquivalent. 


aquinoftium). Die Puntte de3 Himmelsäquators, 
in denen dies geſchieht, heißen die Uquinoftial-| 
—— (Frühlingspunkt und Herbſtpunkth. 
on dem erſtern aus wird die gerade Aufſteigung 
(Rektaſzenſion) und die Lange gezählt. Beide Aqui— 
nofrialpuntte find einer fortdauernden langſamen Be: 
wegung von O. nad) W. unterworfen; —— 
üquipotentiãlturven u. -flachjen, ſ. Botential. 
Aquisgranum, ſpätlat. Name von Aachen (ſ. d.). 
MAguitanien, urjpriinglich Name des ſüdweſtlichen 
Tiles von Gallien (ſ. Rarte »Germanien rc.«), ins⸗ 
befondere des von iberiſchen Stämmen bewohnten 
Landes zwiſchen den Pyrenäen und der Garonne; 
dann (ſeit Auguſtus) Name einer römiſchen Proving, 
die das Land von den Pyrenäen bis zum Liger (Loire) | 
und vom Atlantiſchen Osean bis gu den Cevennen 
umfaßte. Diefe 275,300 qkm groje, über cin Drittel | 
des Heutigen Frankreich umfaſſende Provinz ward 
im 4. Jahrh. wieder in drei zerteilt: 1) Aquitania 
prima, der nordöſtliche Teil, mit den ſpätern Land- 
ſchaften Berry, Bourbonnais, Uuvergne, Velay, GE 
vaudan, Rouerque, Ulbigesis, Quercy und Marche; 
2) A. secunda, der Nordweſten, mit der Hauptſtadt 
Burdigala (Bordeaur) und den ſpätern Landſchaften 
Bordelais, Poitou, Saintonge, Angoumois und dem 
wejtlidjen Guyenne; 3) A. tertia oder Novempopu- 
Jana, der ſüdlichſte Teil an den Pyrenäen, nut den 
ſpätern Landſchaften Bigorre, Cominge, Armagnac, 
Bearn, Bays de3 Basques, Gascogne u. a. — Die | 
altejten Einwohner Uquitaniens waren Iberer, unter 
denen fich keltiſche Stämme, namentlic) die Bituri- 
get, niederliefen. Den Rimern wurde A. 57 v. Chr. 
durch Cäſars Legaten Craſſus unterworfen. Das 
Land umfaßte damals bloß den ſüdweſtlichſten, über— 
wiegend von Iberern bewohnten Teil Galliens (das 
piitere Vasconia oder Gascogne). Bei der neuen 
rovinzeinteilung unter Octavianus 37 v. Chr. wurde | 
A. nad N. und O. bis zur Loire erwweitert. Yn der 
Volferwanderung liejen fic) die Weftgoten unter | 
Wtaulf in W. nieder und ftifteten unter Wallia, 
Utaulfs Nachfolger, ein Reid) mit der Hauptſtadt 
Toulouje. Durd die Schladt bei Boullon (507) ward 
mit ganz Siidgallien aud A. ein Teil des franti- 
ſchen Reicdhes. Unter den Merowingern bildete VW. 
ein nur dent Namen nad von dem Franfenreid ab 
hingiges Herjogtum. Nad) btutigen Kämpfen zwiſchen 
den Karolingern und den Herzögen Hunold und Wai 
far ward YW. 771 durch Karl dD. Gr. zu ciner Proving | 
des fränkiſchen Reiches gemacht und von Grafen | 
reqiert, bis es Karl d. Gr. zum Königreich erhob und | 
ſeinem Sohn Ludwig dem Frommen verlieh. 814 tiber- 
gab Ludwig YW. nebjt der fpanifden Mark zur Ver— 
waltung feinent Sohn Pippin, der bei der Reichsteilung 
817 gum König von YW. ernannt wurde. Jn dem Ver— 
trag von Verdun (843) wurde YW. gu Karls des Rah: | 
fen Anteil gejdlagen (ſ. das Nebenkärtchen anf der 
Geſchichtslarte von Frankreich). Gegen Ende des 
9. Jahrh. ward U. von neuem an einen Bafallen, 
Rainulf, Grafen von Poitiers, mit dem Herzogstitel 
verliehen. YW. umfakte unter feinem Nachfolger Wil— 
helm Werghaupt (Téte d'étoupes) unt 950 die Graf— 
ſchaften Gascogne, Armagnac, Feézenſae, Rérigord, 
Poitou, Ungouléme und La Marche, während das 
Gebiet der obern Garonne 929 an den Grafen Rai 
numd Bons von Toulouje verliehen worden war. 
Die Ciferfuct der Hauler Poitou und Toulouse ser: 
riittete bas Land und ſchwächte feine politifde Macht. 
Jn diefen Zeiten verſchwand der Name A. und blieb 
nur dem Beſitz der Familie Poitou in der verderbten 








649 


Form Guyenne (jf. d.). Val. Mabille, Le royaume 
d’Aquitaine (Touloufe 1870); Caftaing, Ethno- 
génie de l’Aquitaine primitive (Bar. 1885). 
Aquitanien (ſor. sing, Uquitanifdhe Stufe), 
dem Oligocän zugehörige tertiäre Schidten, ſ. Ter- 
tiärformation. 
Aquitaniſches Meer, der Vizeayiſche Meerbuſen. 
MUaquitas, bei den Römern Perſonifikation von 
Recht und VBilligfeit, häufig auf Kaiſermünzen als 
cine Frau mit Wage oder Fiillhorn dargeftellt. 
Rauivalént (lat.,> gleichgeltend ·) als Hauptwort: 
Gegenjtand von gleichem Wert. — Yn der Chemie 
jind Uquivalente (Aquivalentgewid te) diejenigen 
relativen Mengen chemiſcher Körper, die von einem 
gewiſſen Geſichtspunkt aus gleichwertig erjdeinen und 


in gewijjen Fallen den gleiden Ejfeft ausiiben. Berg- 


man und Kirwan fudten gu Ende des 18. Jahrh. 
diejenigen Mengen verjdiedDener Baſen ju ermitteln, 
die fid) mit einer bejtimmten Menge irgend ciner 
Säure verbinden, und umgekehrt beſtimmte Berg⸗ 
man, in welchen relativen Mengen ein Metall ein 
andres aus den Löſungen ſeiner Salze ausfällt. Auch 
nach Aufſtellung der atomiſtiſchen Theorie durch 
Dalton (1804) zog man für chemiſche Betrachtungen 
die befannten Perbindnngs: oder Miſchungs— 
gewidte vor, fiir die Wollajton 1814 den Namen 
A. einführte. Nach ihm find Aquivalente diejenigen 
relativen Mengen verſchiedener Stoffe, die fid) 3u ein— 
faden und befannten Verbindungen vereinigen. Seit 
Dem brauchte man alle drei Ausdrücke nebeneinander 
und filr diejelben Beqriffe, und erſt Laurent und 
Gerhardt lehrten feit 1846 die Begriffe Atom, Mole- 
fiil und A. ſcharf voneinander unterjdeiden. Atom 
ijt nach jetziger Anſchauung das fleinjte, chemiſch nidt 
weiter jerleqbare Teildhen von Materie, Molekül die 
fleinjte der freien Exiſtenz fähige Menge von Sub- 
jtang, und mit dieſen Begriffen hat der Begriff vom 
A. direlt nidjts gemein. Bon Aquivalenz oder Gleich⸗ 
wertigleit kann nur bei Körpern die Rede fein, die 


von irgend einem dhemifden Geſichtspunkt aus in 


Bezug auf Wirkungswert miteinander verglichen wer- 


den können. So find Chlor, Brom und Jod cinander 
ſehr ähnliche Körper, das Brom farm aber Jod, und 


das Chior fann Brom und Jod aus ihren Verbin- 
dungen austreiben. Dabei werden 127 Teile Jod er- 
fest durch 80 Teile Brom oder 35,5 Teile Chior. Die- 
felben Gewidhtsmengen verbinden fic) mit 23 Teilen 
Natrium oder 108 Teilen Silber oder mit 1 Teil 
Wafferitoff, und von dieſem Geſichtspunkt aus find fie 
gleich⸗ oder ähnlichwertig (aquivalent). Nun fornen 
in ähnlicher Weife 16 Teile Saucritoff, 32 Teile Schwe- 
fel, 79,4 Teile Selen cinander erſetzen, und dieſe Men: 
qen, die alfo einander dquivalent find, verbinden ſich 
mit 2 Teilen Waſſerſtoff. Daraus ijt gu folgern, daß 
3. B. 16 Teile Sauerſtoff äquivalent find mit 2>< 35,5 
oder 71 Teilen Chlor, und in der Tat treiben 71 Teile 
Chlor aus Ralf oder ähnlichen Metalloryden 16 Teile 
Sauerjtoff aus. Die genannten Sahlen jtehen mun 
aber in Beziehungen gu den Atomgewichten, und es 
ergibt ſich, daß vom Chlor, Brom, od, Waſſerſtoff 
ſtets IAtom äquivalent ijt 1 Wtom, ebenſo vom Sauer- 
jtoff, Schwefel, Selen ꝛc., daß aber 1Atom Sauerjtoff, 
Schwefel oder Selen äquivalent ijt 2 Atomen Chlor 
oder 2 Utomen Waſſerſtoff. In ähnlicher Weiſe ijt 
1Atom Sticitoff oder Bhosphor dquivalent 3 Utomen 
Chlor oder Wajferjtoff, und 1 Wtom Kohlenſtoff daui- 
valent 4 Atomen der lestern. 

Alle Äquivalenzbeſtinimungen hat man zur Ver— 
einfachung der chemiſchen Ausdrucksweiſe auf den 


650 


Aquivalentgewidte — Ära. 


Waſſerſtoff als ECinheit bezogen. Diejenige Menge | des Seleufos Nifator bei Gaza 312 v. Chr., wabr 
eines Clements bezeichnet man als 1 ¥W., die aquiva- ſcheinlich mit dem Herbſtäquinoktium dieſes Jahres. 
lent ift mit 1 Utom Waſſerſtoff. Demnad reprijen: | beginnt. Diejelbe blieb bei Juden, Wrabern und 
tieren 1 Utom Chlor, Brom, Jod 1 ¥., 1 Wtom Sauer: | Syrern nod) lange nad Chrijti Geburt im Gebrauch. 
jtoff, Schwefel, Selen 2 Uquivalente, 1 Utom Stid- | Die Juden, die fic) derjelben unter der ſyriſchen Here- 
ſtoff, Phosphor, Arſen 3, 1 Utom Kohlenſtoff, Sili- ſchaft bei allen gerichtlichen Handlungen bedienen 


cium 4 Uquivalente. Dementfprechend nennt man die 
Atome cin-, zwei⸗, drei-, vierwertig und braudht dieſe 


i 


mußten (Daher der Name aera contractuum, A. der 
Verträge), gewöhnten fic) fo ſehr daran, daß die ſpäter 


Ausdrücke auch fiir Atomgruppen, die hinſichtlich ihres eingeführte, mit Der Befreiung Jeruſalems durch den 
chemiſchen Verhaltens die Rolle von Atomen ſpielen. Maktabäer Simon (142 v. Chr.) beginnende A. der 


Ahnlich verfihrt man auch bei den Molefiilen, fiir 
deren Wertigheit ebenfalls das Waſſerſtoffatom als 
Cinheit dient. Säuremoleküle, die durd) Eintritt von 
mur 1 A. Metall im neutrale Salze verwandelt wer- 
den, reprafentieren 191, z. B. die Galpeterjaure, wiih: 
rend 1 Molekül Schwefelſäure 2, und 1 Molekül Phos: 
phorjiure 3 Uquivatente reprijentieren, weil fie mit 
2, refp.3 Uquivalenten Metall neutrale Salje liefern. 
Dasjelbe gilt fiir die Bajen, und als 1 A. eines neu: 
tralen Salzes gilt diejenige Menge, die 1 A. Säure 
entfpricht, die alſo 1 W. irgend eines Metalls enthilt. 
Wie die Atome nennt man auc die Säuren und Baſen 
ein⸗, zwei⸗, Dreiwertig oder braucht haufiger fiir erjtere 
Die Ausdrücke ein-, zwei⸗ dreibaſiſch, fiir letztere ein-, 
zwei⸗, dreiſäurig. — Mechaniſches A.derWärme 

einheit, f. Wärme. — Pfſychiſches A. f. Epilepſie. 

Uanivaléntgewidhte, |. Aquivalent. 

Mquivaléngparitat, Gleichheit der Münzwerte 
und der Wechſelkurſe zweier Plätze. 

Mquivof (lat.), gleichbedeutend; zweideutig, dop⸗ 
pelſinnig; beſonders was eine unanſtändige Deutung 
zuläßt. Aquivoken, dergleichen Zweideutigkeiten. 

Haquivofe Zeugung, . Urzeugung. 

& quoi bon? (fran;.), wozu? zu welchem Nutzen? 
Häufig angeführte Überſetzung von cui bono (jf. d.). 

Aquõs (lat.), wãſſerig; Uquofitat, Wajjeriateit. 

Mr, 1) (fran. Are, ital. Aro, fpan. Area, v. lat. area, 
Fläche) Feldmaß im metrifchen Sytem, — 100 qm; 
100 Wr == 1 Heftar; hinter Zahlen abgefiirst a. - 
2) Gewicht in Chiwa, — “Vs Ser. 

Ar, in der Chemie Seiden fiir 1 Atom Argon. 

A. R., bei Pflanzennamen Abkürzung _ fiir 
Achille Ridard, f. Rich. 





Ara (lat.), Ultar. Auch Name eines Sternbildes, | 


Ara, Schlange, f. Brillenfdlange. 
Ara, Vogel, ſ. Kapageien. 


ſpäter aber als Singularform gebraucht in der Be- 
deutung »Grundjahl, Griundeinheit« bei Rechnun— 
qen und Meffungen; nad Kewitſch urfpriinglid Cra, 
aus Spanien jtammend, mit der Bedeutung Wieder 


7. Altar. 


Hasmonder nidt rest in Aufnahme fam. Andre 
worchriſtliche Uren find die RHilippifde, auch dic 
A. Alexanders oder die von Edeſſa genannt, die 
mit Dent Todesjahr Uleranders d. Gr. oder der 
Thronbejteigung feines Nadfolgers PhilipposAr- 
rhidäos (323 v. Chr.) beginnt; die Aktiſche, nad 
der Schlacht bei Altion genannt, die mit der Erobe- 
rung Agyptens durch Octavianus 30 v. Chr. be: 
— die A. Nabonaffars, die ſich bei Ptolemios, 
Theon u. a. findet und mit dem Regierungsantritt 
des babylonifden Königs Nabonaſſar 747 beqinut, 
fie ijt fiir geſchichtliche A eitbeftimuung jebr wichtig. 
da man mit ibrer Hilfe nad den von Ptolemãos tiber- 
lieferten Regententafeln und nad den angegebenen 
Sunumen der Regierungsjabre die Zeit vieler geſchicht 
lid) Denfiwiirdiger Falta beredynen fann; dieantiode- 
nifde A. beginnt mit der Freierflarung der Stadt 
Untiodia oder mit dem erjten Jahre der Diftatur 
Julius Cäſars, 49 — 48, im Herbft, und wird häufig 
in Den Sehriften Der Kirchenväter gebraydt. Uber 
die Olympiadenära vgl. Olympiade. Uber die in- 
diſche W. Der Viframaditija vgl. Samvat. Für dee 
Jahresrechnung nad) Erbauung der Stadt Rom 
(ab urbe condita, abgefiirst u.c.) haben fic) zwei Aren 

eltend gemadt, nad) der Barronifden A. fir die 
Ferentins Barro eintrat, ijt Ront im Frühling des 
dritten Jahres der ſechſten Olympiade gegriindet, nad 
der Catonifden A., die von Dionyſius Eriquas 
herrührt, der fid) auf W. Porcius Cato ſtützt, cin abr 
ſpäter. Gewöhnlich wird die Zählung nad der Bare 
ronijden A. angefiibrt, die 753 v. Chr. a Die 
romijde Ronfulardra, bei der die Ungabe der 
Sabre nad) den Namen der beiden jährlich neugewähl⸗ 
ten Konſuln, deren Reihenfolge in bejondern Ralen- 
dern (Faſten) verzeichnet wurde, beginnt mit der Ber 


1 treibung der Könige 509 und blieb als bürgerliche 
Mira (v. lat. aes, aljo urfpriinglid) Pluralform, 


fehr), der durch irgend ein merfwiirdiges Creiqnis | 


bezeichnete Beitpunft, von dem an man in der Chro— 


nologie die Jahre zählt; dann jede Zeitrechnung, bei, 


der Die Jahre von einem foldyen Termin an fort 
gezählt werden. In der Bibel finden fic) nur Spu- 
ren einer cigentliden YW. Im Pentateuch ijt bis auf 
Jalob die Chronovlogie ganz mit der Genealogie ver: 
bunden. Nach Cinfiihrung des Königtums rechneten 
die Israeliten nad den Regierungsjahren der Md 
nige und, nachdem fie unter fremdes Joch gekommen, 
nad) denen der fremden Herrider, 3. B. der baby: 
loniſchen und der perſiſchen. Auch im Neuen Tefta 
ment findet jid) an einigen Stellen eine ähnliche Beit 
rechnung. Selten datiert man nach epodemadenden 
Nationalbegebenheiten, wie nad Dem Auszug aus 
Agypten und nad dem Anfang des babylonifden 
Exils. Später nahmen die Juden als fyrifche Unter 


tanen die A. der Seleufiden an, die mit dem Siege | 


Zeitrechnung bis zur Abſchaffung des Konſulats unter 
Kaiſer Qujtinian un Gebrauch. 

Nad) Uusbreitung der chrijtliden Kirche bediente 
man jid) nod lange der früher gebräuchlichen Zat⸗ 
rechnungen; in Alexandria aber fam die Diofletia- 
nifde oder die M. Der Martyrer in Gebrauch, die 
mit der Thronbefteiqung (29. Ylug. 284 n. Chr.) des 
Naifers Diocletianus, unter dem viele Chrijten den 
Märtyrertod erlitten, beqinnt. Sie war in Ugypien 
bis jum Eindringen der Yiraber iiblich, und die chrift 
lichen Kopten bedienen fich ihrer fowie der altäghpti 
iden Monate nod jetst, ebenſo dic äthiopiſchen Chryten, 
mur daß Diefe fie mit Dem Jahre 276 anfangen, weil 
jie Die Geburt Chrijti 8 Jabre fpater als Dionyjius 
ij. unten) fesen. Die chriftliden Urmenter rechnen 
vom Sabre 551 an, in dem Der Patriarch Moſes ihre 
Feſtordnung reformierte. Im römiſchen Reich wurde 
zwar noch geraume Beit nad Erhebung des Chriſten 
tums jur Staatsreliqion die Rechnung nad den Re- 
qierungsjabren der Naijer und Konfuln fortgefii ort, 
allein unter den chrijtliden Völlern madte ſich das 
Bedürfnis einer gemeinfamen A. immer fiblbarer 
und der römiſche Wht Dionyſius zählte in feiner Ofter- 


Araba — 


tafel (525) —— der bei den Alexandrinern gebräuch— 
lichen Diokletianiſchen A. die Jahre zuerſt von der 
Fleiſchwerdung des Herrn (ab incarnatione domini). 


Das erſte Jahr diefer Dionyſiſchen A. lauft vom | 


1. Jan. bis 31. Dex. 754 nach Griindung Roms (nad 
Barro, 4714 der julianifden Beriode). Die Geburt 
Chriſti fete Dionyfius auf den 25. Dez. d. J. indem 
ex nad dem Spradgebraud der Riedenviter unter 
der Incarnatio nidt die Geburt (nativitas), fondern 
die Menfdhwerdung Chrijti im Schoße der Maria oder 
die Verfiindigung der Maria verjtand. Go entjtand 
die gemeineſchriſtliche W., die allmählich weitere 
Verbreitung fand, vornehmlich durch Vedas Cinflus, 
der fie in feiner Ojtertafel gebrauchte, und da3 An— 
jeben Karls d. Gr., der zuerſt Urkunden nad ihr da- 
tierte. Bei ihrer Unwendung pflegte man mebhrere 
Jahrhunderte lang ju dem A abe —* (annus in- 
carnationis, auch a. circumcisionis, mit Bezug auf 
den Jabhresanfang am 1. Jan., wo die Vefdneidung 
Chriſti gefeiert wurde, fowie a. nativitatis, gratiae 
genannt) nod die chronologiſchen Merkmale des Jah- 
re3 hinzuzufügen, wie fie die Oſtertafeln enthielten. 
Im 10. Jahrh. war die chriſtliche W. ſchon ziemlich 
weit verbreitet. In Spanien aber erhielt ſich eine 
eigne YL, die von 716 der Stadt Rom (38 v. Chr.) an 
zählt, in Uragonien bis 1350, in Raftilien bis 1383 
und in Portugal bis 1420. Bon den griechiſchen 
Chrijten haben die Rujfen auf Befehl Peters d. Gr. 
1700 mit bem Jahresanfang im Januar zwar die 
qemeine —— A. — aber den alten 
julianiſchen Kalender beibehalten. 

Auch nad) allgemeiner Annahme dieſer VW. fehlte 
nod cine gleichmäßige Zeitrechnung, denn man hatte 
nod lange Beit febr verjdiedene Jahresanfänge; val. 
RNeujahr. Erſt 1691 feste Papſi Innocenz XI. felt, 
dah bas Dahr mit dem 1. Januar beginnen folle, 
wihrend bis dahin die Päpſte in ihren Bullen und 
Vreven gewöhnlich den 25. Dezember als Dahresan- 
fang gebraud)t batten. Durch neuere Forſchungen ijt 
fejtgeitellt worden, day Dionyfius die Geburt Chrifti 
int 4—6 Jahre ju ſpät angefest hat, denn nad 
Matth.2, 1 ff.; 2,22; Luk. 1, 5 iſt Chrijtus nod unter 
der Regierung Herodes' d. Gr. geboren, der kurz vor 
dem Pajjah des Jahres 750 nad) Roms Erbauung 

ejtorben ijt. Trogdem ijt eine Änderung unfrer 
Relirederune durchaus nicht wünſchenswert, da eine 
fejte Zeitrechnung fiir chronologiſche Orientierung von 
augerordentlid) hohem Wert ijt. 

Eine WH. nad Jahren der Welt war befonders 
bei Den Duden gebräuchlich und den Sehriften ded 


Alten Tejtaments entnommen. Dieſe Weltära ijt | 


Arabesfen. 651 


nopolitanifde Weltära nod üblich, deren Jah— 
reganfang der 1. September und deren 5509. Jahr 
das erjte unfrer Zeitrechnung ijt, aber 4 Monate früher 
anfiingt. — Reben der üblichen Zeitrechnung wurden 
feit Der Mitte des 4. Jahrh.n. Chr. nicht felten, fo aud 
nod) int fpiiterer Reit in den Uften des deutſchen Reichs- 
fanmmergeridts, die Ju diftionen oder die Römer— 
zinszahlen angegeben; vgl. Indiktionenzirkel. 

Um dem Bedurfnis einer die ganze bekannte Ge— 
ſchichte umfaſſenden Zeitrechnung gerecht zu werden, 
bildete Joſeph Scaliger (1629) durch Multiplitation 
der zykliſchen Zahlen 28, 19 und 15 eine Periode von 
7980 Jahren, dieer die julianifdeReriode nannte, 
weil ſie nad) julianifden Jahren zählt. Das 4714. 
Jahr diefer Periode entipridjt dem erjten unjfrer drijt- 
lichen A. oder dem 754. nad) Roms Erbauung. Die 
julianijde Periode wird jest nocd angewendet, wo es 
fich um fcharfe und genaue Zeitangaben handelt, und 
jie hat ohne Frage Licht und Ordnung in die Chrono- 
logie gehracht. 

Die UW. der Mohammedaner beginnt mit dem 
erjten Moharrem des Jahres der He gira (Hedfdyra) 
oder der Flucht Mohammeds von WMeffa nad) Medina, 
15. Juli 622 n. Chr., und ijt bei Tiirfen, Urabern 
und Berfern im Gebrauc und gwar fo, dak nad 
Mondjahren, wovon 33 auf 32 Sonnenjahre qehen, ge 
zählt wird. Die W. der franz dfifden Revolution, 
die am 6. Oft. 1793 in Frankreich eingeführt wurde 
und 22. Sept. 1792 anhob, dem Taq, an dem die 
tags vorher beſchloſſene Einführung der Republif dem 
franzöſiſchen Volf verfiindigt wurde und zugleich (um 
9 Ubr 18 Minuten 30 Sekunden vormittags) das 
Herbſtäquinoktium einfiel. Dieſe W. wurde durch Ge- 
jes vom 8. Sept. 1805 mit dem 1. Jan. 1806 wieder 
abgeſchafft. Bal. Kalender und Wonat. 

raba (arab.), in Zentralaſien und Kleinaſien 
plumpe Karren mit zwei fic) mit der Achſe drehenden 
Rädern; in türkiſchen Städten vierriderige, von Ochſen 
oder Büffeln gezogene Luxuswagen für Frauen mit 
einem Dach von rotem, goldbefranſtem Tuch; im 
Kaukaſus dient der Karren (Arba) zum Transport 
Verwundeter und ju Poſtzwecken. 

Aräba, Wadi el, waſſerleeres unbewohntes, 
ſteilwandiges Felstal in der Grabenſenke zwiſchen dem 
Meerbuſen von Ufaba und dem Toten Meer, zu denen 
e3 nad N. und S. hin abfallt. Es erreicht in der 
— zwiſchen beiden Gewäſſern 195 m Hibe. 

rabaͤt, —— 110 km langer Landſtreifen, 
der das Faule Meer vom Aſowſchen Meer trennt. Am 
Südende desſelben liegen die Trümmer der von den 
Ruſſen 1771 eroberten türkiſchen Feſtung Y., jetzt ein 


aber wenig zweckmäßig, denn man hat mehrere hun- kleines tatariſches Dorf von ca. 300 Einw. 


dert Angaben über den Anfang dieſer A., von denen 
die größte 6984, die kleinſte 3483 Jahre von Erſchaf— 
fung Der Welt bis auf Chrijtus zählt, welche Ver— 
ſchiedenheit befonders daher rithrt, daß der hebräiſche 
und der ſamaritaniſche Bibeltert, die Texte der Septua⸗ 
ginta und der Vulgata 1. Moſ. 5 und 11, rüchkſichtlich 
der Zahlen bis zur Sintflut und von da an bis zum 
70. Jahre Tharahs ſehr voneinander abweichen und 
auch über die ſpätere Chronologie des Alten Teſta— 
ments die Anſichten ſehr guseinander gehen. Daher 
ijt Die gemeine chriſtliche A. jeder Weltara weit vor— 
—— Die äthiopiſchen Chriſten bedienen ſich neben 

Diokletianiſchen A. noch der des ägyptiſchen Mön— 
ches Anianus, welche die Inkarnation 8 Jahre 
ſpäter als Dionyſius ſetzt, ihr 5501. Jahr fällt mit 
dem 9. unſrer chriſtlichen A. zuſammen. Bei den Grie⸗ 
chen iſt im Volle die byzantiniſche oder konſtanti— 





Arabat ef Madfuna, el, Dorf im Diſtrikt Bar- 
did Der digypt. Provinz (Mudirieh) Gerga, 2 Stunden 
vont linten Nilufer, zum Teil auf der Stelle des al- 
ten Abydos (f. d. 2), mit ass2) 6234 Einw. 

Mrabesfen, dic von den Yrabern jur Aus— 
ſchmückung ihrer Urchitettur angewendeten rein geo— 
metriſchen oder geometriſch⸗vegetabiliſchen Vergierun- 
gen, deren Grundformen aus geradlinigen, krumm— 
linigen oder gerad- und frummilinigen, mehr oder 
minder verjdlungenen Figuren bejtehen, und deren 
phantaftifde Bflangengebilde mit ſchlanken, graziöſen 
Stengeln, elajtifden, oft in Spiralen austaufenden 
Ranfen und meiſt ſtreng jtilijierten Blattern, Knoſpen 
und Früchten verfehen jind. Indem fie die Vermitte- 
lung jener ftrengern Linien bewirfen, laſſen fie Durd 
eine immer wiederfehrende Regelmäßigleit und Fär— 
bung iver vielfad) verjdlungenen Teile Liniengrup- 


652 Arabien (Lage und Grenzen, Bodengejtaltung, Mima). 


pen erfermen, die überſichtlich find und fo einen gliid- | Herrſchaft bewahrt. Troy fener Lage zwiſchen den 
lichen Übergang von den größern und jtrengern Yrs ãlteſten Multurvolfern in Agypten, Syrien, Wejopo- 
ditetturformen zu dem oft phantaſtiſchen Linienfpiel | tamien, Berjien und Indien verhielt es ſich ftets ab- 
des arabijden — ——— bilden. Beiſpiele dieſer weiſend gegen jeden von dorther klommenden Einfluß. 
Verzierungskunſt gibt die Tafel »Architeltur VII-, | Wud) die Herrſchaft der Römer hat fic) nicht weit über 
befonders in Partien aus der Ulhambra und dem Al⸗ das Peträiſche A. hinaus erjtredt. Dagegen ijt A. die 
cazar in Sevilla, und die farbige Tafel »OrnamentelI«, Wiege wandernder und erobernder Völler gewefen, 
Fig. 7—12. Moresfle nennt man das der Yrabeste die nad allen Weltgegenden ihre Herrſchaft ausbreite- 
periwandte Ornament der Wauren, wie es ſich vor- ten. Aber auch fie haben nirgends ibre Nationalitat, 
zugsweiſe auf den Kunſtdenkmälern Spaniens und | Sprade und Religion aufgegeben, fondern dem Arem: 
Sijiliens vorjindet. In der modernen Sprache dient | den itberall jid) ebenjo unzugänglich gezeigt wie ibre 
Arabeske mißbräuchlich ohne Riidjicht auf den Ur- | Wiijtenheimat, wo ſich die alte Geterltheit in kleine 
fprung des Wortes als Bezeichnung fiir verfdjicdene Gebiete und das patriarchaliſche Hirtenteben bis auf 
Gattungen von Ornamenten. Sunt Teil ijt das eigent- die Gegenwart erhalten haben. 
lide Renaijjanceornament italieniſchen Stiles, dic [BVodengeftaltung, Geologie.) A. ijt cine im B., 
fogen. Groteske, darunter Pe veritehen, der die Bie S. und O. von Randgebirgen umſäumte Sdolle, die 
raten Der Titusthermen ju Grunde lieqen, und die ſich nad O. zur Sandwiijte Roba el Chali, nad R. 
durd) Raffaels Schüler Giovanni da Udine in den zur Syriſchen Wüſte fenft. Die hichiten Erhebungen 
Loggien des Batifans die glücklichſte Ausbildung fand; mit durchſchnittlich 2600 m Kammhöhe befmden nd 
jum Teil hat man dabei mehr kalligraphiſche Umrah- daher an der Siidfiiite und an der Weſtſeite, ferner 
mungen int Sinne, wie fie den Bilderhandidriften des im O., wo in Oman der Didebel Achdar ju etwa 
Mittelalters entlehnt werden, oder auc) naturalijti: 3000 m Höhe aufiteiqt. Das Hodland Nedſchd m 
jes Blumengeranke mit Tiergejtalten x. Im gee | der nbrdlichen Hälfte Wrabiens mag gleidfalls 1000 m 
wöhnlichen Sinne verjteht man unter A. tiberhaupt Höhe oder mehr erreidhen. Im geologijden Bau 
jede3 Ornament. Die W. müſſen fowohl dem archi ſchließt ſich A. eng an Agypien an, von dent es erit 
teftontiden Charalter des Gebäudes als aud) dem im nadptertidrer Zeit Durd den tiefen Grabeneinbruch 
bejondern Sweet der Räumlichkeit entipreden, wobei | des Roten Meeres qetrennt worden iit. Wie in Ygyp- 
fie angewendet werden, und danach cine ſchwerere oder ten, fo tritt aud) in A. das kriſtalliniſche Grundgebirge 
leid)tere Form annehmen. Ferner müſſen fie fid) nad) aus Gneiſen und Schiefern mehrfach gu Tage, an 
Art, Maß und Form der Bauteile oder Uusitattungs: | vielen Orten find alte Eruptivgeſteine, Granit, Diorrt 
——— richten, Die fie ſchmücken ſollen. Auch und Porphyr, emporgequollen, jo an der nördlichen 
Material, aus dem fie bejtehen, bedingt den Cha- Küſte des Moten Weeres, ferner norddjtlid) vor Weffa 
ralter ihrer Formen. Treten jie als emrahmendes Or- und Medina und in der Wüſte Nefud, an der Südküſte 
nantent auf, fo müſſen fie fich Dem umrahmten Kunſt- und in Oman, wo zum Granit und Diorit jid nod 
gebilde nicht nur unterordnen, fondern aud) in For: | grüne gabbroartige Gejteine qefellen. Das Grund. 
men und Farben dieſem anpajjen. Hauptforderung gebirge wird bededt von einer Dem nubiſchen Sand: 
fiir die Rompofition der Yrabeste ijt Einheit des zu jtein vergleidbaren Sandjteinbdildung, die ſich im R. 
Wrunde lieqenden Motivs, wonad in der ganzen Ara— | von der Sinaihalbiniel bis zum Perſiſchen Golf und 
besde die qleiden Formelemente fejtqehalten werden | im SW. bis yu den Churian-Murian-Inſeln erjtredt, 
und der Rei; der Mannigfaltigfeit nur durch ihre ver- | ferner im N. und O. fowie im S. von Areideſchichten 
ſchiedene Nombination erzielt wird. Bal. Heffemer, und alttertiarem, an der Südküſte und in Oman vor- 
Arabiſche und altitalienijdhe Bauverzierungen (Berl. züglich entwideltent Nummulitentalt. Nur auf der 
1842); Collinot undBeaumont,Ornementsara- Sinaibalbinjel find unter dem nubiſchen Sandſtein 
bes (Bar. 1882); Briffe  Wvennes, La décora- nod farbonifde Nalfiteme und Sandjteine nadge 
tion arabe (Daj. 1889). wieſen; ſonſt ruben ſtets Kreideſchichten und jüngere 
Arabien, die große Halbinſel des ſüdweſtlichen Sedimente, nahezu horizontal gelagert, unmittelbar 
Aſien, zwiſchen 12° 40° und etwa 34" nördl. Br., auf dem Grundgebirge. Jungpvullaniſche Geſteine 
zwiſchen 32° BO’ und 59° 48° öſtl. L., hat mit Sinai (Baſalte, Andeſite, Trachyte) lennt man in größe— 
cinen Fladenraum von 3,094,700 qkm (die cingelnen | rer Verbreitung im N. als Ausläufer des vulfaniiden 
Gebiete f. unten, S. 654). Die Oſtgrenze bilden der Haurangebirges, dann swifden Alaba, Medina und 
Perſiſche Golf und das Eupbratland; den Südrand Wetfa und zwiſchen Berim und Wden. Abgeſehen von 
beſpült Der Andifde Ozean (Arabiſches Meer), den Midian, das im Altertum im Ruf eines reichen Gold: 
Wejtrand das Rote Meer, wahrend im RW. die Land- landes ftand, tit A. arm an nugbaren Mineralien; 
enge von Suez A. mit Afrika verbindet. Gegen N. bemerfensiwert ijt nur das Vorlommen von Achat, 
ijt Die Grenze weder natürlich nocd) politiſch beſtimm- Jaſpis und Narneol fowie das von Tiirfis tm Vor— 
bar. WW. gehört zu den unbefanntejten Landern (ſ. phyr der Sinaibalbinfel. Die Bewafferung tit 
Aſien Entdeckungsgeſch.). A. iit nach Lage und Na- dujerit Diirftig; fein Land in Aſien, Ojt- Iran aud: 
turbefdaffenbert das tiberqangs- und Bindeglicd ywi- | genommen, it fo troden wie A. Eigentliche Aiife 
ſchen Aſien und Afrila. Wis Hochplateau mut wüſten- und Landjcen fcheinen gänzlich zu feblen; man fennt 
artigem Innern und meiſt jteil abfallenden Rand- | blog tief eingeſchnittene Talrinnen (Wadis, Fuldid), 
ebirgen tetlt es aim Uferſaum und im ©. die trodne die, monatelang troden liegend, nur zur Regenzeit 
lijtennatur Afrilas, während das nördliche Innere Wafer fiibren. Die Riijtenebene (Tehama) fowie der 
ſich mehr dem Charafter der wejtafiatifden Hochebe- größte Teil des Innern find waſſerlos, afrilaniſch 
nen ju nähern fdeint. Dieſe VBejdaffenheit, verbun- | diirr und einformig. 
den mit der Umgebung von Wiijten und gefabrvollen | [Klima, Pflangen: und Tierwelt.] Das Klima 
Meeren, verlieh A. von jeher die größte Abgeſchloſſen- Arabiens ijt, ähnlich dem der Sahara, ausgezeichnet 
eit. Es lag dem friegerijdyen und friedlidjen Ver- durd) große Trodenheit und ftarfe Hige. Der un- 
febr fern und blieb vor aller Vermiſchung nut Frem⸗ bewölkle Himmel verbreitet brennende Glut, die act 
den (abgefeben von Regern im YW.) und vor deren Monate hindurd alles verbrennt und felbjt im Sdat- 











Arabien (Bflangen- und Tierwelt, Bevd{ferung). 


ten 45° crreicht. Freundlicher ijt die Nacht mit ihrem 
die ſpärliche Vegetation tabenden Tau. Wegen der 
jtarfen nächtlichen Wärmeausſtrahlung ijt auf der 
Hochebene Reifbildung nicht jelten. Wahrend im äußer— 
jten Norden bereits Tpatlidhe Winterregen vorfom- 
men, haben die Gebirgsgegenden im äußerſten Süd— 
weſten reidhliche tropijde Sommerregen in Begleitung 
fajt täglicher Gewittererſcheinungen, fo daß ſich bier 
das Klima dem des Sudan nähert. Charakteriſtiſch 
iſt die Tatſache, daß überall nördlich vom 16. Brei— 
tengrad »Regengebete« gebräuchlich ſind, dagegen ſüd— 
lid) davon ganglic) fehlen. Im ganzen ijt das Klima 
Arabiens gleich allen Trockenräumen geſund. Der 
gefährliche Glutwind Samum iſt auf die Monate Juni 
bis September beſchränkt. Bei ſolcher Beſchaffenheit 
der Natur und des Bodens kann A. nur auf einzel— 
nen günſtigen Strichen (beſonders in den Stufen— 
geländen) eine üppige Vegetation erzeugen und keine 
reiche Tierwelt und dichte Bevölkerung ernähren. 

Pflanzengeographiſch bildet der größte Teil 
Arabiens die Fortſetzung der Sahara, charatteriſiert 
durch cine artenarme Steppen- und Wüſtenflora. Wo 
qeniigende Bewäſſerung vorhanden, erheben ſich Ge- 
büſche und felbit kleine Wäldchen aus Mimoſen, Ta- 
marisfen und Ginjtergeftriipp (Alhagi Camelorum), 
während Salfoleen, Rapparideen, Rubiageen u. Zygo— 
phylleen auch iiber die waſſerarmen Gegenden verteilt 
jind und auf dem nactten FelSboden die eßbare Manna— 
flechte (Lecanora esculenta) cin befdjeidenes Dafein 
frijtet. Nur durd die Meerenge von Aden vom afri- 
faniidjen Subddn getrennt, zeigt die Südweſtecke des 
Küſtenſaumes ein jenem entipredendes Pflanzenbild 
ae wächſt der Kathſtrauch (Catha edulis), und der 

affeebau erreidjt in Semen eine hohe Blüte. Die 
Walder beftehen ebenfalls aus Akazien und weifen 
auerdem an afrifanijden Typen Syfomoren, Dorn- 
ſträucher und die blattlofe Ustlepiadee Leptadenia auf. 
Die Suffulenten vertritt die Aloe und cine Euphorbie 
(Euphorbia Schimperi). Auf dem Gebirge von Semen 
jinden fic) Gehölze cines baumartigen Wadolders, 
die Riijte von Hadramaut zieren madtige Drachen- 
bäume. Cine der merhwiirdigiten Pflanzen des tropi- 
fen A. ijt Adenium obesum. Das öſtliche Gebiet | 
von Masfat zeigt eine Miſchung afrifanijder und oft- 
indiſcher Typen, Balſamſträucher, Myrrha (Balsa- 
modendron Myrrha), Weihrauchbaum (Boswellia 
serrata), dazu blattarme Strauchgewächſe (dornige 
Solanazeen), Suffulenten, Dracinen und Ulocarten. 
Die Dattelpatine ijt der Charafterbaum der Dafen. 

Die Tierwelt gehört zwei Regionen an: der Nor- 
den der mediterranen Subregion der paläarktiſchen 
Region, der Siiden der athiopiichen Region. Cha: 
rakteriſtiſch für erjtern ijt Der wilde Maulefel; in den 
Wiijten des Innern finden ſich Lowe, Hyäne, Scha— 
fal, Springmaus und Strauj. Qn Sitdarabien tebt | 
der Wantelpavian. Unter den Hausticren nimmt die 
erjte Stelle Das ‘Bferd, dann das Dromedar cin; außer— 
dem werden Rinder, Ziegen und Sdafe gehalten. Die 
Vogelfauna jest ſich aus mediterranen und athivpi- 
iden Formen zuſammen. A. ijt reid) an Giftſchlangen, 
z. B. Hornviper und Kleopatraotter. Heuſchrecken ſind 
oft Landplage. Sforpione und Spinnen finden ſich 
häufig. Am Berjijden Meerbujen wird Perlenfifde- 
ret qetrieben. 

{Vevilterung.] Obwohl über viermal groper als 
Deutidland, hat A. nur 3,5 Mill. Einw. Yn ſtärkſten 
iit Die Vollsdichte in Oman, El Haja und Yemen, aljo 
auf der Oſt⸗ und Weſtküſte, unverhältnismäßig diin- 
ner in Nedſchd und auf der Sinaihalbinfel, wahrend | 














653 


die Wiijten des Innern gang unbewohnt find und nur 
in den fruchtbaren Tallandſchaften feſte Kulturſtellen 
haben. Daher bejteht die arabijde Bevdlferung der 
Mehrzahl und dem Kerne nad aus Beduinen(}.Ta- 
fel »Aſiatiſche Bolter II«, Fig. 10, und Tafel -Afrila— 
niſche Völler [«, 3 u. 4), Die nomadijd von Viehzucht 


leben und in zahlreiche zerſtreute Stämme serfallen; der 


fleinere Teil find Hadefi (Anſäſſige), die als Acker— 
bauer oder Handler in Stidten und Landgemeinden 
wohnen. Die Vewohner des Südens und Ojtens find 
in Ubjtanunung wie Sprade von denen des Nordeng 
verſchieden, wenn auch beide dent grofen femitijden 
Stamm angehiren. CErjtere find die Joftaniden 


| (Die Sabder oder Himjariten des WUltertums, von 
deren Sprade cin altertitmlider Reſt im heutigen 
Echkili erhalten ijt), waihrend die Bewobhner des Nor- 


dens Die JS macliten find, deren Sprache ſich gum 
Koran-Arabiſch entwidelte. Wie Urabiens Boden 
leichartiq und ſtetig ijt, fo gleicht aud) der heutige 
lraber dem aus Hiobs Zeit. Cr tft von mittlerm, 
hagerm, aber mustuldfem und ebenmäßigem Kör— 
perbau. Sein Bediirfnis an Speife und Trant ijt ge— 
ring; um fo mebr ijt er befähigt, qroke Strapagen, 
Hunger und Durjt zu ertragen. Habſüchtig und be- 
trügeriſch, aber tapfer und freigebig, voll Stols, Mut 
und Freiheitsliebe, danfbar und gaſtfrei, beredt und 
voll dichteriſcher Phantaſie, ein warmer Verteidiger 
jeiner Ere, hat der heutige Beduine nod alle die 
Vorzüge und Mangel des Charafters feiner Urahnen. 
Seine Wohnung ijt das Belt; fein Gerät Kamel fattel 
und Wajjeridlaud; feine Kleidung wollenes Hemd 
und Mantel; feine Waffen Speer und Sdpwert ; feine 
Speife Mild, ungeſäuertes Brot, Butter, Datteln; 
jein Reidhtum das Kamel und das Pferd. Induſtrie 
ijt faum entwidelt, bedeutender der Handel. Bor 
Jahrtauſenden ſchon liefen die ägyptiſchen und per- 


ſiſchen Handelsſchiffe in die Hafen von Katif (Gerrha), 


Yden (Wdana) und Moda (Muza) cin; Dfchidda war 
und ijt jept nod) Der Landungsplatz der nad) Miefia 
beſtimmten Handels- und Pilgerfarawanen. Giid- 
arabien (Semen) liefert jährlich zwiſchen 50,000 und 
100,000 Bentner Rajfee (Moklakaffee), außerdem 
Pferde, Datteln, Gummi, Raucherwert, Häute; es 
bezieht Stoffe, Gewürze und Zucker aus Indien und 
Perſien, Sflaven, Gummi, Weihrauch aus UWfrifa, 
Wetallwaren aus Amerika und Lurusartifel aus 
Europa. Cinen cingigen Staat hat A. nie gebildet; 
es bejtand ju allen Seiten wie nocd jest aus einer An—⸗ 
zahl einzelner Staaten. Bei den Nomadenſtämmen 
finden wir nod) die patriarchaliſche Regierungsform 
der bibliſchen Welt. Wn der Spike cines Stammes 


ſteht gewöhnlich cin Fürſt, der Imam (Oberpricjter), 


Scherif (Edler), Emir (Befehlshaber), Sultan (Kö— 
nig) oder Scheich (Alteſter) heißt, aber leineswegs mit 
orientaliſchem Deſpotismus herrſcht, vielmehr in der 
Ausübung ſeiner Macht durch den Koran, mehr noch 
durch Sitte und Herkommen beſchränkt iſt. Religion 
iſt der Islam, der in A. entſtand und von hier aus 
im Verein mit ſeiner Sprache über drei Weltteile ſich 
ausbreitete. Der größte Teil der Einwohner gehört 


zu den Sunniten (j. d.); am der Oſtküſte gibt es 


viele Schiiten (j. d.). Das Wahhabitentum (cin re— 
formierter Islam) in Nedſchd ijt unlängſt zu Grunde 
gegangen. Der Mann darf vier Frauen haben, bat 
aber gewöhnlich nur cine; die Heirat ijt ein Rauf. Jn 
—— Gegendeun, z. B. in Ontdn und im öſtlichen 


Nedſchd, betreiben die Weiber allein die Wirtſchaft. 


Leſen und Schreiben iſt unter den Beduinen eine ſel— 
tene Kunſt. Allgemein aber ijt die Neigung und Fähig— 


654 


feit gum Dichter; viele Geſänge pflangen fid) von Mund 
ju Mund fort, und Erzählen von Marden und Ge- 
ſchichten bildet die liebjte Unterhaltung. 

Weld- und Maßweſen. Die Uraber — 
wöhnlich nad ſpaniſchen Piaſtern (Rrujd oder Mo— 
grebi) zu 40 Diwani = 4,351 Mark oder nad) Waria- 
therejientalern (Franji) — 4,21 Mt. Silber, gegen 
weldje Die tiirfijden und fonjtigen fremden Münzen, 
aud) althollainbdifde Dufaten und venegianifde Zechi— 
nen Kurs haben. Rechnungsmünze in Mocha ijt ein Sil 
berpiajter (Talaro) = 3,523 Wet. Silber mit Cintei- 
lung in 80 Nabir 45 Kommaſſih, einer Kupfermünze; 
102 Rabir bilden ein Haraff, und 100 Real oder The- 
refientaler werden — 121,5 Modataler geſetzt. Wis 
Längenmaß dienen in Yemen der Cobido von rund 
48 und der Göß von 63,5 cm. Edelmetallgewidt 
ift das Bihk gu 10 Mistal von 24 Rirat — 46,54 g, 
2Biht — 3 Waleia; die Handelsqewidte find ungleid. 
1 Rattel von Dididda hat 15 Wakeia oder 144 Der- 
bem = 415,23 g. 

Die cingeluen Gebiete Arabiens. 

Die alten Geographen unterfdieden das Wii jte U. 
(Arabia deserta), das die Sandſtriche ſüdlich von Pal⸗ 
myra und Thapjatos umfakte, und das Glückliche 
A. (Arabia felix), D. h. dad ganze tibrige A., das fie 
irrtümlich fiir ein durchweg reiches und fruchtbares 
Land hielten; vorzüglich aber verſtand man unter 
letzterm Namen die Küſtenländer am Arabiſchen Meer— 
buſen. Seit Ptolemäos unterſchied man das Glück— 
lide, Wüſte und Peträiſche UW. (Arabia Petraea); 
letzteres, nad der Stadt Petra im Edomiterland be- 
nannt, umfafte die Sinaibalbinfel und das Gebirge 
im D. des Wadi el Uraba. Heute zerlegt man A. in 
die cingelnen Küſtenlandſchaften: Hidſchaz, Yemen, 
Hadramaut, Oman (Masfat), El Hafa und die 
innere Plateaulandſchaft Nedſchd. Die Türkei be- 
anjprudt gwar die Oberherrjdaft fiber U., übt jie 
aber nur auf einem beſchränkten Gebiete tatſächlich aus. 

Das türkiſche Gebiet (abgefehen vom Sandjdat 
El Haja am Perſiſchen Meerbufen) zerfällt in die 
Wilajets Hidſchaz, Aſir, Hodeidah, Sana und Ta'is 
und erjtredt ſich längs des Roten Meeres (f. Karte 
Agypien« unddie Geſchichtskarte -Türkiſches Reid) «), 
etwa 200- -300 km breit. Birmenwirts find die Gren- 
gen unbejtinunt und wedfelnd. Man ſchätzt das Areal 
auf 441,000 qkm, feine Bevblferung auf 1,050,000 
Cinw. Die nördliche Halfte, die Landſchaft Hidf daz, 
umfaßt in wedfelnder Breite die Weſtküſte vom Meer- 
bujen von Alaba bis ſüdlich von e'-Lid. Hinter dem 
25-40 km breiten fandigen und ditrren Uferland 
(Tehama) erheben fich bis 2000 m hohe Kebirge : Dide- 
bel e'-Sdhafah, Dicebel Radhwa, Ejjub u. a., öſtlich 
von ihnen dehnen fic weite Lavafelder (Harras) aus, 
zwiſchen denen dic Pilgeritrake nad) Medina u. Melfa 
zieht. Nur in den Wadis findet fic) Pflanzenwuchs. 

Der fiidliche Teil der arabiſchen Weſtküſte, von 20° 











Arabien (Geld- und Maßweſen, die einzelnen Gebiete). 


in der Umgegend von Moda) und in Südabeſſinien 
(Raffa) feine Heimat hat. Im engſten Sinne wird 
unter Yemen nur der fiidlidje Teil Der Weſtküſte, das 
Gebiet von Gana, verjtanden, wo der tropijde Cha- 
rafter des Landes am entſchiedenſten ausgepriigt iit. 

Hadramaut umfaft die Sildfiijte von Uden bis 
jum Ras Madrak unter 19° ndrdl. Br. Auf ebenes 
Küſtenland folgt mittleres Bergland, dann Hodebe- 
nen oder Hochgebirge, die fich gu einem Tiefland abe 
fenfen, das als Unfang der großen Binnenebene gilt. 
Politiſch zerfällt das Land in viele fleine Staaten mit 
den Stadten Mafalla und Mirbat an der Küſte, Schi- 
bam, Terim, Norein im Innern. 

Die weit in den Perſiſchen Golf voripringende Halb- 
infel bildet das ſelbſtändige Reid) Oman (j. d.), ein 


| weites Gebirgsland. Faſt unmittelbar vom Meer an 


erheben fid) Bergrei binter Bergreiben, die tm 
Dſchebel Achdar eine Höhe von iiber 3000 m erreiden. 
Urtalf bildet den Kern der hohen Gebirgsfette; an ihr 
lagern in den Vorbergen und am Fuße der niedern 
Hoͤhenzüge Glimmers und Tonjdiefer, oft von Bor- 
phyrmaſſen durdbroden. Ym BW. wird die iy 
landjdjaft von der grofen Sandwüſte begrenzt. Die 
rößte Breite des bewohnten Landes betragt im 
rchſchnitt 200, die ganze Lange 550 km. an 
hat an den Küſten afrikaniſche Hige, auf Dem Achdar 
find während de3 Winters Schnee und Eis nicht fel- 
ten. Die Nordoftmonjune bringen pear a 
die Regengeit wahrt vom Oltober bis sum März, der 
jährliche Niederſchlag betragt in Wasfat 156 mm. 
Gleichwohl find die Berghöhen meiſt fahl, die Berg: 
ſtröme trodnen im Sommer ein, und die Kultur fann 
jid) Daber nur auf einzelne Daſen erjtreden, wo Dat- 
tel, lee, Mais, Indigo, tropifde 7 te und Ge- 
müſe gedeiben. Die vorhandenen Erze (Kupfer, Eifen, 
Blei) werden nicht ausgebeutet. hmt find die 
Dromedare von Oman. Das Meer ijt aukerordent- 
lich reich an Fiſchen, die ausgefiihrt und felbjt zum 
Diingen verwendet werden. 

Langs des Perſiſchen Meerbujens erjtredt fid end. 
lid) die Landfdaft C1 Hafa (Ahſa), eine überaus 
heiße Tehama, ebenfalls durd cine Bergfette vom 
Innern getrennt. Sie zeichnet fic) infolge zahlreicher, 
meiſt heißer Ouellen durch Frudtbarfeit und mannig- 
fache Erzeugniſſe, namentlich vortreffliche Dattetn, 


aus. Hauptorte find Ratif und Hofhuf. Politiſch ſteht 


Haſa ebenfo wie die ndrdlid) gelegene fleine Republif 


Kueit unter titrtifder Botmäßigkeit und bildet ein 
Sandidaf des Wilajets Basra (mit 150,000 Einw. 


auf 80,600 qkm). Der Küſte von Haſa gegeniiber 


nördl. Br. bis zur Meerenge Bab ef Mandeb, ijt die 


Landſchaft Jemen oder das Glückliche A. mit reid 
lidern Niederſchlägen und demygufolge aud üppi 
gerer Vegetation als der Norden. Uber einem flachen, 
jandigen Küſtenſaum, der nur an einigen bewäſſerten 
Stellen fruchtbar ijt und vorzüglich Durrabhirje und 
Palmen hervorbringt, erhebt fic) das Bergland bis 
ju 2800 m. Bradtige, im nördlichen YW. unbefannte 
BWaldungen mit bohen Baumen (darunter ausgezeich 
nete Feigenarten) bededen die Berghänge, wabrend 
die Gipfel meiſt nat bhervortreten und auf den ter: 
raſſenförmigen Abhängen bis hod) binauf die Kultur 


Des Kaffeebaums betrieben wird, der Hier (namentlic | 


liegt Die durch Perlenfiſcherei berühmte, unter britt- 
idem Schutze ftehende Inſelgruppe Bahrein (f. d.). 
Im Innern ift jest Der madtigite Staat das Eun 

rat Hail, naddem Mohammed ibn Rafdid 1891 dre 
vereinigten Stämme des Nedſchd geidlagen hatte; doch 
beginnt es nach ſeinem Tode 1897 unter ſeinem Ref- 
fen Abd ul Aſis gu zerbröckeln. Das einſt madtige 
Riad ijt (mit kurzer Unterbredung Unfang 1902) 
Hail tributir. Nad) S. gegen Hadramaut und Oman 
jowie nordwiirts geqen den Euphrat bin dehnen fid 
große Wiijten aus. Die Hammada nördlich vor 
Redichd it die Heimat der bejten arabiſchen Boll- 
blutpferde. Nedſchd, von nordwwejtlich jtreichenden 
Gebirgen durchzogen, liegt wm mebrere 100 m höher 
als Die angrenjgenden Lander und ijt Dadurd gefiinder 
und anbaufibiger als dieſe. Die bedeutendern Stadte 
find: Haul, Riad, Houtah, Oneife, Schakra, Bereide, 
Chaͤrfa, Sadit, Seddus, Wifateh, Dſchof. Bon der 
ndrdlidjen Wüſte ijt der djtliche Teil nod) am bekann⸗ 


Arabien (Gefdidte). 


teften, weil bie Rarawanen von Bagdad nad) Basra 
fie Durdfdjreiten. In der Nähe des Euphrat ijt das 
Vand gut bewäſſert, fruchtbar und verliert allmählich 
den Charafter der Wüſte. 
Geſchichte Arabiens. 

Die ältere Geſchichte Arabiens iſt noch ziemlich dun— 
fel. Es ſcheint der Urſitz der Semiten geweſen gu fein 
und wiederbolt feine Menſchenmaſſen iiber Borderajien 


und nad Afrika ergoſſen ju haben. In der älteſten 


hiſtoriſchen Zeit bejtand feine Bevdlferung aus zwei 
Hauptgruppen, den ndrdlid) wohnenden Ismaeliten 
und den fiidlidjen Joftaniden (Kahtaniden), die beide 
als Nachtommen Sems gelten. Den nordiwejtliden 
Teil, Arabia Peträa (nad der Stadt Petra), bewohn⸗ 
ten die Idumäer (Cdomiter), Nabatäer und Midia- 
niter; das Wüſte A. die eigentliden Ismaeliten; in 
Siidarabien bejtanden die Reide der Minäer und 
Sabäer; dag legtere, mit der glänzenden Hauptitadt 
WMariaba, wurde durd) das der Homeriten (Himja 
riten) mit den Hauptitidten Taphar, fpater Sfan'a, 
abgelijt. Un der Siidfiijte ſaßen die Ehatramotiten 
mit der Hauptitadt Sabota, endlid) an der Südoſt— 
fiijte die Maken und am Perſiſchen Meerbuſen die 
Gerrhäer. Much in den ſüdlichen Teilen Syriens, Me- 
jopotamiens und Babyloniens finden wir fdon früh 
arabiſche Stämme. Wahrend die Raubsiige der Ara— 
ber gcitweife Die Radjbargebiete gefährdeten, wurden 
jie felbjt von den Croberungssiigen der babylonifden 
und ajjyrifden, ägyptiſchen und perfifden Herrſcher 
nur vorilbergehend und meijt nur im Norden ihres 
Landes berührt. Werander d. Gr. riiftete fid) zu einem 
Zuge gegen fie, ward aber durch ſeinen Tod an dejjen 
Uusfiihrung verhindert. Cine hervorragende Stellung 
nabm int legten Jahrhundert v. Chr. das durd) den 
Karawanenhandel reid) gewordene nabatäiſche Betra 
an der Grenze der Sinaihalbinjel ein. Im Silden 
beherridjten feit Jabrhunderten die Sabäer die Han- 
delswege, die hier von Indien über Siidarabien nad 
dem Nordiweften führten. Auguſtus faßte den Plan, 
ihnen dieſe Stellung gu entreigen; aber der Bug des 
Geotucatves von Yqypten, Wins Gallus, in dag In— 
nere von Giidarabien (25 v. Chr.) mikgliidte gänz— 
lid. Das Reich der Nabatier ward 105 n. Chr. durch 
Trajan eingezogen. Geit dieſer eit verſcholl das 
verwiijtete Ketra, und an feiner Stelle ward Boſtra 
Pauptlig des Handels fiir dieſe Bezirle. Cinige nörd— 
lide Stämme blieben in ciner gewijjen Ubhangigfeit 
von den römiſchen Naifern, und ihre Fiirjten wurden 
alg deren Statthalter angefehen, die das Reich nad 
Diten hin gu decen Hatten. Inzwiſchen war es den 
Römern gelungen, den indijden Handel auf dem 
Seeweg an A. vorbeizuleiten; dadurch wurde die bis- 
herige Biiite Siidarabiens gebrochen. Das Land ver- 
bdete, die Bewohner wurden gendtigt, 3. T. nad) dent 
Rorden auszuwandern, und Seater fajt überall auf 
die Stufe des Nomadentums guriid. Dazu famen 
immer gefährlichere übergriffe der äthiopiſchen (abeſ— 
ſiniſchen) Könige von Axum, die ſeit dem 4. Jahrh. 
n. Chr. mehrfach arabiſche Bezirke eroberten. Damit 
verwickelten ſich innere Swijtigfeiten, da an einigen 
Stellen, namentlich durch den Einfluß der Abeſſi— 
nier, das Chriſtentum eingedrungen war, dem andre, 
z. T. vom Judentum beeinflußte Kreiſe widerſtrebten. 

ide Religionen faßten auch an verſchiedenen Stellen 
des nördlichen A. neben dem hier zum Fetiſchismus, 
dort zum Sterndienſt neigenden Heidentum Wurzel. 
Um 570 entriſſen die Perſer den Abeſſiniern Süd— 
arabien. Überall aber blieben die arabiſchen Völker 
zerſpalten und zerfleiſchten einander Jahrhunderte 


655 


hindurch in innern Kämpfen, während der beſonders 
das mittlere Hochland (Nedſchd) der Schauplatz jener 
von den arabiſchen Dichtern vielfach beſungenen Feh— 
den war. Mur felten fam es zu vorübergehender Ver— 
cinigung groferer Stämme ju befondern Sweden, 
wie un 5. und 6. Jahrh. in Sentralarabien unter der 
Vorherrſchaft des Fürſtenhauſes derRinditen. Dauernd 
bildete nur die Stadt Meffa mit dem alten Heiligtum 
der Naaba (f. d.) Den religidjen Mittelpunkt einer Art 
von Stammfonfoderation, die den ungeftirten Han- 
delsbetrieb fiir das Hidſchäs (Nordweftarabien) zu 
jichern bejtimmt war. | 
Die nene und große Ära der arabiſchen Geſchichte 
beginnt mit der Stiftung und —— des isla⸗ 
miſchen Glaubens. Mohammed (f. d.), der Stifter 
, Desfelben, ſchweißt die arabiſchen Stänme zum Staat 
zuſammen, und fo iiberninunt dies Volk auf ein paar 
Jahrhunderte cine fehr bedeutungsvolle Miſſion in 
der Weltgeſchichte (f. Ralifen). Jn den cingelnen Land- 
| ſchaften Arabiens felbjt famen während der Herrſchaft 
der Kalifen, die das ſchwer jugiin lide Land ſchon 
feit etwa 800 nicht mehr feft in der Hand batten, eine 
ganze Anzahl fleiner Dynajtien auf. Meiſt waren es 
Scherife, d. h. Nachkommen Wis (7. Ali 1); gu ihnen 
gehörten insbef. die in Meffa regierenden Hafdimiten 
(1063—1200) und die Radhfonumen des Katãda (1200 
bis jet), Die unter türliſcher Oberhobheit, doch ziemlich 
jelbjtandig find. Yn Jemen herrſchten nad: oder ne- 
beneinander feit dem 9. Jahrh. bejonders die Dynajtien 
Der Sijaditen, Nedſchahiten und Soleibiten, bis 1173 
die Ejjubiden Siidarabien eroberten. Auf fie folgten 
die Refuliden (1231) und dann die Tabiriten, die fid 
bis auf die osmaniſche Eroberung (1517) bielten. 
Wabhrend ſich im Norden Urabiens die tiirtifde Macht 
intnter weiter ausbreitete, behaupteten fich die Heinen 
alidijden Jmame (Fiirjten) aus dem Geſchlechte der 
Seiditen in den Gebirgen Jemens; wm fie ſammelten 
jid) die mit der tiirtifden Hervichaft Ungufriedenen. 
Nad) zahlreichen fleinern Aufſtänden brad 1567 cine 
allgemeine Empörung aus. Cin türkiſches Heer unter: 
warf gwar 1570 Semen wieder; aber mit dem 1574 
erfolgten Tode Sultan Selims IT. beqann die Kraft 
der osmanifden Dynajtie su erlahmen, und die Tiir- 
fen muften Semen 1633 gänzlich den feiditifden Mein- 
fiirjten überlaſſen. Um 1740 erhob fic) tm Innern 
Arabiens die Sefte der Wahhabiten (ſ. d.). Mit gro- 
per Rajchheit verbreitete fic) die Bewegung fiber ganz 
Sentralarabien ; 1803 nahmen die Wahhabiten fogar 
Weffa ei, und bald erjtrectte fich ihr Einfluß im Sü— 
den bis Onin, wabrend fie im Norden in die Bro- 
ving —— einfallen und einen Angriff auf Syrien 
planen konnten. Die Türken mußten Mehemed Ali 
(j. d.), dem Vizekönig von Ägypten, den Krieg gegen 
die Wahhabiten iibertragen. Jn der Tat wurden bis 
1819 die Empörer in das Innere zurückgedrängt; im 
Namen des Sultand gebot Mehemed Wit iiber Nord: 
wejtarabien, von wo aus er ſeine Macht nad) Semen 
ausdehnte. WIS aber fein Verſuch, fid) von den Tiir- 
fen oe machen, durch die Yntervention der 
europäiſchen Mächte qefcheitert war, mußte er 1841 
aud) die arabiſchen Gebiete an die Pforte wieder aus- 
licfern. Cin türkiſcher Paſcha rejidiert wieder neben 
dem Scherif in Wella, cin andrer in Sana in Je— 
men; dod) ijt letztere Proving auch jest cin fehr un- 
fidherer Bejis, wie fortwaibhrende Warmnadridten 
aus Siidarabien beweifen. Jn Bentralarabien herr 
ſchen die Nachkonimen der Wahbhabiten, die Anfang 
1902 fogar Riad auf kurze Zeit guriideroberten; in 
Oman (Waslat) fist ſchon feit Jahrhunderten eine 














656 


alidiſche Dynajtie (Amame), die Stämme des übrigen 
Südarabien (Hadramaut x.) ſtehen frei unter ihren 
Héuptlingen; nur Uden halten die Englander befept. 
Val. aud Wjien (Entdeckungsgeſchichte). 
[Qiteratur.] Val. Nie buhr, Befdreibung von A. 
(Ropenh. 1772), und deſſen -Reiſebeſchreibung nad 
A.« (Daf. 1774—78, 2 Bode.); die Berichte von Bur d- 
hardt (Deutid, Weim. 1830), Laborde (Par. 1830), 
Wellſted (deutſch, Halle 1842), Tamifier (Rar. 
1839, 2 Bode.), R. Burton (Lond. 1855 u. 6.), 
Malgan (⸗Meine Wallfabrt nad Meffa«, Leipz. 
1865, 2 Bde.; »Reife nad) Siidarabien«, Braunſchw. 
1873), W. G. Palgrave (deutſch, Leip;. 1867— 68, 
2 Bde.), Sadlier (Bombay 1866); v. Wrede, Reife 
in Hadramaut (Braunfdw. 1873); Vandenberg, | 
Le Hadramont (Batavia 1886); Manzoni, El Ye- 
men (om 1885); Anne Blunt, A pilgrimage to 
Nejd (Lond. 1881, 2 Bde.); Doughty, Travels in 
Arabia Deserta (Cambridge 1888, 2 Bde.); Charles | 
Huber, Journal d'un voyage en Arabie (Bar. 1891); 
v. Nolde, Reiſe nad Annerarabien xc. (Braunfdw. 
1895); Euting, Tagebuch ciner Reife in Innerara⸗ 
bien (Leiden 1896, Bd. 1); L. Hirfd, Reijen in Siide | 
arabten x. (Daj.1897); Bent, Southern Arabia (Yond. 
1900); 3wemer, Arabia, the cradle of Islam (Cbi- | 
cago 1900); Hull, Geology and geography of Ara- 
bia Petraea, etc. (Qond. 1886); Zehme, A. und 
die Araber feit 100 Qabren (Halle 1875). — Die 
vorislamiſche Geſchichte Arabiens bearbeiteten Cauſ⸗ 
fin De Perceval, Essai sur l'histoire des Arabes 
(Bar. 1847—48, 3 Bde.); NHL dele, Gefdhichte der 
Berjer und Araber zur Beit der Safaniden (Leiden 
1879); Derjelbe, Die ghaſſäniſchen Fürſten (Berl. 
1887); Rothitein, Die Dynaſtie der Lachmiden (daſ. 
1899); Windler im 3. Bande von Helmolts » Welt- 
ejdhidite<« (Leips. 1899). Beitriige jut einer kritiſchen 
rarbeitung des Materials finden ſich bei Forſter, 
Historical geography of Arabia (ond. 1844, 2 Bde.); 
Sprenger, Alte Geographic Urabiens (Bern 1875). 
In den Bearbeitungen der fiidarabifden Inſchriften 
dburd D. H. Willer, J. H. Mordtmann, Ed. Glafer, 
H. Windler und Fr. Hommel find die betreffenden 
hiſtoriſchen Verhältniſſe vielfach berückſichtigt, und 
Glaſer hat eine Bearbeitung des Ganzen begonnen 
(> Sfigze Der Geſchichte und Geographie Arabiens«, 
bisher nur Bd. 2, Berl. 1890). Für die nachislamiſche 
Beit ſ. Kalifen und Wahhabiten; außerdem Snoud 
Hurgronje, Meffa, Bd. 1 (Haag 1888); Wüſten 
feld, Semen im 11.(17.) Jahrhundert (Götting. 1884). 
Arabin, Hauptbeftandteil des Gummiarabikum, 
das Calcium: und Kaliſalz der Urabinfadure 
(Gummifaure), (CgH,0.), + HO, die ſich aud 
in Der Sucerriibe und vielleidht ganz allgemein ver 
breitet im Pflanzenreich, aud) im Mailäfer, in der 
Seidenraupe und im Flußkrebs findet. Arabinſäure 
wird aus der Löſung von Gummiarabikum nad Zu— 
fas von etwas Salzſäure durch Wifohol qefallt, ijt 
amorph, farb-, geruch- und geſchmacklos, löſt ſich feucht 
in kaltem Waſſer, quillt getrocknet froſchlaichartig und 
löſt ſich nur bet Gegenwart ciner Baſe, fie iſt unlös— 
lic) in Allohol, reagiert ſauer, bildet meiſt lösliche 
Salze, gibt beim Kochen mit verdünnter Schwefelſäure 
Galaktoſe, mit Salpeterſäure Schleimſäure. Im Orga 
nismus werden vom Gummiarabikum etwa 46 Proz. 
verdaut, vielleicht nach Umwandlung in Zucker durch 
Magen und Vankreasſaft. 
Arabinöſe Pektinoſe) CHO, od.C,H,(OH),. 
CHO entſteht beim Kochen von Kirſchgummi mit ver 
diinnter Schwefelſäure, bildet farblofe Rrijtalle, ſchmeckt 








Arabin — Arabiſche Literatur. 


weniger ſüß als Rohrzucker, löſt fid) in Waſſer, nicht 
in Ulfohol, polarifiert nad) redjts, ſchmilzt bet 160°, 
ibt bei Orydation Urabonfiure C. HaO, umd 
Teiictgiuiertiscee, mit Galsfaure erbigt Furfurol, 
mit Natriumamalgam Yra bit C,H,,0,, einen fiinf- 
wertigen Witohoi, der farblofe Mrijtalle bildet, ſuß 
ſchmeckt, im Wifohol löslich ijt und bei 102° ſchmilzt 
Arabi Pafda (Achmed °.), Unfiibrer der na- 
tional-dgypt. Militãrpartei 1882, Sobn eines Fellabs 
aus Unterägypten, wurde unter Said Paſcha Offizier, 
nahm 18. Febr. 1879 an der Rebellion gegen Nubar 
teil und ward von Tewfik Paſcha zum Oberiten be- 
fordert. A. ftellte fid) an die Spige Der Rationalpartei, 
erzwang 1881 die Berufung einer Notabelnfammer 
und ward im Februar 1882 ſelbſt Kriegsminiſter. 
Durd die Schwache des Chedive und die Uncinigteit 


. 


der Mächte ermutigt, trat A. als Herr in Agypten auf, 


befeitigte die europaifde Finanzfontrolle und veriangte 
Agypten fiir die Ugupters. Er widerfeste fic) dem 
CEinfdreiten der Englander, was 11. Juli zur Be: 
ſchießung von Werandria fiibrte, und fammelte cin 
Heer, wurde aber 13. Sept. 1882 bei Tell el Kebit ge- 
idjlagen und ergab fid) 14. Sept. in Rairo den Eng 
ländern. Bon diefen nad Ceylon verbannt, wurde 
er im Dezember 1900 beqnadigt und durfte im Mai 
1901 nad) Ägypten zurücklehren. 

Arabis L. Gänſekreſſe, Ganfefobl), Gat- 


tung Der Rrugiferen, einjährige und ausdauernde rau: 


ter mit einfachen, büſchel- oder roſettenſtändigen Biat- 
tern, meiſt weißen Blüten und linealen Schoten. Uber 
100 Arten, meiſt im Norden der Alten und Neucn 


| Welt und im perry sage Cinige, wie A. albida 


Stev. in den Gebirgen des Wittelmeergebietes und 
A. alpina Z. in Aſien und Nordeuropa, auf den Wi 
per, rajenbildend, mit grauweißlichen, fat filzigen 
Blattern, werden als Zierpflanzen benugt. 

Arabiſche Kunft, dicjenige Richtung der Kunſt. 
die fid) mit der gunehmenden Herridaft der Araber 
und des slam über Nordafrifa, Borderafien, In— 
Dien, Sizilien und Spanien verbreitete. Die a. K. 
in ibrer höchſten Entwidelung äußerte ſich nur in 
Schdpfungen der Baukunſt und in dantit verbundener 
plajtijder und ornamentaler Deforation. Zu höchſter 
Bliite gedieh die a. KR. während der Herricaft der 
WMauren in Spanien. Näheres ſ. Urdhiteftur, S.714f., 
und Yrt. »Bauſtile« nebjt Tafeln. 

Arabifde Literatur. Dic a. L. ijt nicht blog 


“wegen ihres überaus reidjen Inhalts von höchſter Be 


deutung int geijtigen Entwickelungsprozeß der Menſch 
heit, fondern fie gewinnt insbe). Dadurd cin cigen- 
tümliches Intereſſe, Dah ihre Blüte in cine Beit fallt, 
Da in gang Europa nod tiefes Dunlel herrjdte. Da- 


mals fanden viele Wiffenfdhaften nur in ihr gedeihliche 


Pflege, deren Reſultate dann auf die Anfänge der 
abendländiſchen Wiſſenſchaft nachdrücklichen Einfluß 
übten. Ihre Geſchichte beginnt erſt ein Jahrhundert 
vor Mohammed. Den ganzen Zeitraum vor Moham- 
med nennen die Uraber felbjt »Barbarei«. Dak in 
Yrabien indes ſchon frühzeitig die Poeſie geübt wor- 
den fei, läßt ſchon der Genius ded Bolfes erwarten 
Die in Urabien anſäſſigen Stämme hatten alles, was 
die Naturpoefie begiinitiqt, lebbafte Auffaſſungsgabe 


und leidenſchaftliche Empfindung. Aber aud) das mit 
Gefahren und Beſchwerden verbundene Leben in ditr- 


ren Sandwüſten unter fteten Fehden mußle cine mann 
lide Dichtfunft weeten, die einen ritterlichen Geiſt at 
mete. So entitand cine Poeſie, die in hervorragender 
Weiſe Sache des ganzen Bolfes war. Das WUnfeben, 


das den erfolgreiden Dichter belohnte, regte den 


Arabifce Literatur (geſchichtliche Entwickelung). 


Wetteifer zwiſchen Stämmen und Cingelnen an. Wer 
fic) begeijtert genug fühlte, andre Didter gu befiegen, 
ping (nad ciner fpaterfundenen, aber dharafterijtifden 

age) zu Mella fein Gedicht als Herausforderung an 
die Wand der Kaaba. Der Dichter mufte feinen Geg- 
nern Rede ftehen, und nur, wenn er die Tadler be- 
fieqte, fonnte das aufgehangene Gedicht die Ehrenſtelle 
an der Wand der Raaba behaupten. Auf folde Preis- 
gedichte Deutete man die Namen Moallakät (»auf- 

ehingte«) und Mudjahhabat (»vergoldete<, weil 
t mit goldenen Buchſtaben auf Byſſus geſchrieben 
ſeien). Man bezeichnete mit dieſen Namen ſieben Ge— 
dichte der vorniohammedaniſchen Dichter Umvrilfats 
(j.d.), Tarafa (f.d.), Soheir (ſ. d.), Lebid (ſ. d.), Antara 
(j. d.), Amr ibn Kulthum und Harith (vgl. Arnold, 
Septem Mo'allaküt, Leipz. 1850; »Tibrizi, a com- 
mentary on 10 ancient Arabic poems«, hréq. von 
Ch. Lyall, Kalfutta 1891—93, 2 Tle.; Bh. Wolff, 


657 


Heit geniigt, Wiſſenszweige ins Leben zu rufen, fiir 
die innerhalb des ftrengen Islam eigentlich fein Play 
war: die Raturwifjentharten und die Philoſophie. 
Beide waren bis dahin ausſchließlich von Syrern ge- 
pflegt worden, welche die Schriften griechiſcher Philo— 
fophen und Ürzte fannten und ftudierten (7. Syrifde 
Niteratur). Unter den Ubbafiden mun fing man an, 
Diefe Werke aus dem Syrifden in das Arabiſche ju 
überſetzen. Gleichzeitig wurden durch perſiſche Ver— 
mittelung Verbindungen mit Indien angefniipft, und 
dem Cifer, mit dem man dem Fremden ingang ver⸗ 
ſchaffte, entſprach die Energie der eignen Tätigkeit, die 
bei den ältern Abbaſiden, vor allen bei el Marin 
(813—833), die wirkſamſte Förderung fand. Er grün— 
dete eine grofe Bibliothef und eine Grernwarte und 
unterſtützte im jeder Weife die wiſſenſchaftlichen Be- 
jtrebungen, die i an jene Überſetzungen antniipften. 

Cin gweites Baterland hatte die arabiſche Kultur 


Mu'allatit, ins Deutſche übertragen, Rottweil 1857). | in Spanien gefunden. Hier wetteiferten die newen 


Außer diefen Gedichten find aus der Zeit vor Moham⸗ 
mcd nod) viele in den Diwanen (f. unten) eingelner 
Didter und Stämme und in fonjtigen Unthologien 


erhalten, obgleid) die meijten Gedidte diefer Samm | 


lungen erſt dent 1. und 2. Jahrh. nad) Mohammed 
angehiren. Bejonders berühmt find bier die Diwane 
der Didhter Nabiqha, Untara, Térafa, Soheir, Ultama 


| verfitat gu Cordoba fiir den Wejten. 
aus verbreitete fid) der wiſſenſchaftliche Ruhm der 


omaijadiſchen Kalifen mit den Abbaſiden im Orient. 


Durch ihre Bemühungen begannen Ackerbau, Kunſt⸗ 
fleiß und Handel gu bliiben, und Spanien wurde cin 
Hauptſitz der arabifden Literatur. Was Bagdad fiir 
Aſien, war die von Hafent IT. (961) geſtiftete Uni- 
on Spanien 


ef Fahl, Amrilkais (hrsg. von Ahlwardt, Lond. 1870); | Uraber fiber das chrijtlidje Europa, und bald nad 


der Diwan der Hudfetliten (hrsg. von Koſegarten, 
daſ. 1854, und Wellhaufen, Skizzen und Borarbei- 
ten, 1. Heft, Berl. 1887). Wlle diefe Dichtungen, die 
erjt im 2. und 3. Jahrb. der Hedſchra ſchriftlich fixiert 
wurden, ſetzen ein siemlich reid) entwideltes Leben und 
einen feinen Formenfinn voraus (vgl. Ahlwardt, Über 
Poefie und Poetif der Uraber, Gotha 1856). Neben 
und mit der Dichtkunſt, gleichwie dieje aber mur durch 
mündliche Überlieferung fortgepflangt, blühten das 
Sprichwort und die Sagengeſchichte der Stämme. 
Eine andre Richtung nahm das Geiſtesleben der 
Araber durch Mohammed. Sein Rordn (jf. d.) 
ftcllte fid) in mehr als einer Beziehung in direften 


Gegenſatz gu den bisherigen Anſchauungen der Uraber. | 


Alles wurde num theokratiſch religiöſen Gefidhtspunt- 
ten unterqeordnet; Der Koran erjeugte und bedingte 
zunächſt ausſchließlich die Entwidelung der wiſſen— 
ſchaftlichen Triebe. Er durfte in feine fremde Spradhe 
fiberjegt werden; ihn gu veriteben, mußte der per- 
fiide 2c. Mohammmedaner Arabiſch lernen. Seine dun⸗ 
feln Stellen und Anſpielungen fonnte man nur in 
ihrem rictiqen Sinn erfafjen, wenn man fid an die 
Gefährten de3 Rropheten wandte, deren Berichte über 
Handlungen und Ausſagen Mohammeds nun eifrig 
qejammelt und geſichtet wurden. So entftanden die 
Koran wifjenjdaften und die Traditionsliteratur, aus 
denen dann die geſamte iibrige wiſſenſchaftliche Litera- 
tur hervorging, indem die Traditionsliteratur die hei- 
lige Geſchichte entwidelte und diefe allmählich die Pro— 
fangeſchichte ind Leben rief, die Koranerllärung Gram- 
matif und Lerifographie erzeugte und fid) sur Dog- 
matik einerjeits, zur Rechtswiſſenſchaft anderfeits 
erweiterte. 

Nicht allzulange aber ließ das geiſtige Leben der 
unterworfenen Volker ſich in fo enge Grenzen ein⸗ 
ſchließen. Die Erhebung der Abbaſiden zur Ka— 
lifenwürde und das Aufblühen Bagdads gab das 
Signal ju einer geiſtigen Emangipation der natio— 
nalen und freifinnigen Elemente, die befonders in 
Perjien zahlreich vertreten waren. Gelang es aud 
Einnen kurzem der orthodoren Reaftion, die Bewe— 
ging zurückzudämmen, fo hatte dod) die kurze Frei— 

Meyers Konv.-Lerifon, 6. Aufl., L Bo. 








900 reijte man aus europäiſchen Landern dabin, wm 
bei den Urabern hauptſächlich Mathematif und Me- 
dizin gu ftudieren. Gebrochen wurde die Bliite der 
arabijden Literatur in Europa mit dem Fall Cordo- 
bas 1236. Bal. v. Schad, Poeſie und Kunſt der 
Araber in Spanien und Sijilien (2. Aufl., Stuttg. 
1877, 2 Bde.). 

Nachdem die abbajidijden Kalifen im Orient gu 
bloken Pontifices herabgefunten waren, betatigten 
ſich Dod) in manden Fallen die Griinder der auffom- 
menden einzelnen Dynajtien, in die dads Kalifat fic 
auflijte, als Befirderer der Wiſſenſchaften. So die 
Samaniden in Bodara (ca. 900); Wiis, der Fatimide 
(975 —996), Der Stifter der Univerjitit in Rairo; 
Mahmud, der Ghasnawide (997 —1030), u. a. Be— 
merfensipert ijt, daß das eiqentlide Arabien von 
dieſem wijjenfdaftliden Leben wenig oder gar nidt 
beriihrt ward. Die unvermijfdten Rellanslazaber, 
die dort, von dem Berfehr mit den unterworfenen 
Volferfdaften durch ihre Wüſten abgeſchnitten, ihren 
Sitten und Gewohnheiten treu blicben, haben ibre 
alte Unwiſſenheit dDurd) das ganze Mittelalter bei- 
behalten, und es ijt niemals aus den Augen zu Lajjen, 
dak die a. L. feit Der Abbaſidenzeit keineswegs Die 


| Literatur der Uraber, fondern die Literatur der mo— 
hammedaniſchen Völler ijt. Wit dem 14. und 15. 


Jahrh. geht die Bliite der arabiſchen Literatur zu Ende, 
und das Studium der neucren Araber umfaßt auger 
dem Koran faft nur die Grammatik (Nahu), die Tra- 
dition (Hadith) und das Recht (Filh). Indes läßt 
Der europäiſche Einfluß und die Einführung der Buch— 
druderfunft in verfdiedene mohammedanijde Rultur- 
freife ein neues Literaturleben erwarten, und in Agyp⸗ 
ten, Syrien und Andien zeigt fid) bereits cine regere 
litevarifthe Tätigkeit. 
Poctifhe Literatur. 

Die erjte Bliite der arabifden Poeſie (Schi'r) fällt 
in die Beit fur; vor Mohammed (j. oben). Sie ijt ly— 
riſch, infofern fie von Haus aus fiir den Gejang be- 
jtimmt war, bringt aber, im Gegenſatze jum lyriſchen 
Liede, Das Gefühlsleben des Didhters nur teilweife 
zum Unsdrud. In der Altern Poefie herrfden viel- 

42 


658 Arabiſche Literatur (Poefie, Geſchichtſchreibung). 


mehr Schilderungen (von Kämpfen, Jagden, Tieren | ften Bücher und in viele abendlindifde Sprachen 
und Waffen), Lob, Selbjtlob, —— und überſetzt; aus dem Pehlewi ins Arabiſche von dem 
Totenflagen vor. Die ſpätere Poeſie halt dieſe The- Perſer on el Mokaffa (geſt. etwa 760; der arabiſche 
mata zwar feſt, ſchlägt aber daneben, beſonders in Text hrsg. von de Sacy, Par. 1816; mehrfach aud) 
Liebes⸗, Wein- und religiöſen Liedern, Tine an, die ſeit 1835 tm Orient gedrudt). Die andre Sammlung 
jtirfer an das melos der Griedjen (die meliſche Dicht: | fiihrt den Namen Lokmäns (jf. d.). Wusfchlieflicher 
funjt) crinnern. Die Form der arabifden Poeſie hat | der VolfSliteratur | der Roman an. Hauptiad- 
mit den abendländiſchen Formen nidts Gemeinſchaft- lid) wählte man Ritter- und Heldengefdidten sum 
lidjes. Jeder Bers (Beit) zerfällt in zwei Halbverje | Gegenſtande der Darjtellumg, wobci mande Stoffe 
von gleidem Metrum, die Verſe haben alle denjelben | aud) aus dent Perſiſchen entlehnt wurden. Die drei 
Endreim, und auch das Versmaß geht ohne Ubwedfe- | umfangreiditen und zugleich beliebtefter Romane 
lung durch das gange Gedidt hindurd. Strophen- | find: Die »Siret Antar« (j. Untara), die »Siret Beni 
bildung zeigt fic) im der jiingern Poeſie, hat aber die Hilal« (teilweife in Beirut und Kairo gedruct) und 
hergebradte Form nicht ju —— vermocht. »Das Leben des Sultans Bibars«, das in den Kreuz: 
Der Einteilungsgrund der arabijden Gedichte ijt die | zügen fpielt. Marden gehdren nod heutzutage zu 
Lange. Bon den kürzern heißen die 7—14 Beit langen | den belicbtejten Unterhaltungen des Bolfes, an der 
Ghaſele; fie find jiingern Urſprungs und meijt ero- | Spige derfelben »Taujendundeine Nacht« (jf. d.). 
tiſch. Gedidjte von mehr als 30, dod) felten iiber 100 Geſchichtſchreibung. Geographic. 
Beit heißen Kaſſide (f. d.). Eine Sammlung von| Die hijtorifde Literatur fallt zunächſt mit der 
Gedichten Eines Verfaſſers heist Diwan (»Regijter, | Traditionswiffenfdaft, 3. T. auch mit der philologi- 
Aufzeichnung«). ſchen Erflirung der alten Poeſie (Stammſagen u. dal.) 
Mit dent Koran fam ein religiöſes Element in die | und der Genealogie zuſammen. Allmählich entwidelt 
alte Poeſie, das ihrer freien Entwidelung hinderlid) | fie fid) felbjtindiger, zunächſt im Anſchluß an die 
war; tropdem erjtanden unter den altnational und | Berfon und Taten ded Propheten re alteften und 
profan gejinnten Dmaijaden nod eine ganze Zahl her- | widtigiten Darjtellungen von Jon Ishäk, bez. Ibn 
vorragender Didter, die den Geijt der vorislamifden | Hifdam, ſ. d., und Wafidi, ſ. d.), bejonders aber feit 
Poejie fortpflanzten. So der berühmte Liebesdidhter | dem 3. Jahrh. der Hedfdra, nach dem Belanntwerden 
Omar ibn abi Rebi'a (geft.719; Diwan gedruct Kairo mit der perjifden überlieferung umd der drijtlicden 
1893, hrsg. von Schwarz, Leip. 1901, Bd. 1), el Achtal Chronologie. Ihr Verfahren ijt jahrhundertelang 
(get. ungefähr 710, Diwan hrsg. von Salhani, Beirut annaliftit, ohne hiſtoriſchen Pragmatismus, aber 
1891—92), das feindlidje Didjterpaar Dſcherir und | in der guten Zeit nie ohne Angabe der Quellen. Unet- 
Feresdalk (beide gejt. 728, des erftern Diwan gedrudt dotiſche Details lieben die Gefdhichtichreiber befonders ; 
Rairo 1895, 2Tle. des letztern hrsg. und fiberjestvon | bei Den meiſten findet fich fbertreibung und Leicht 
Boucher, Par. 1870 ff., unvolljtindig, fortgelest von | qliubigfeit, aus vielen fpridt cine theofratijde Yn- 
Hell, Münch. 1900—1901, 2 Bde.) u. a. Cine ge- Bot der Weltbegebenheiten. Seit dem 10. Jahrb. 
wiſſe Wiedergeburt der Dichtkunſt fallt in die Epoche ſchrieb man aud) Univerſalgeſchichtswerle, und Be- 
der Ubbajiden. Sie wird jest muslimifd und ſtädtiſch runi (973 —1048), ein höchſt bedeutender Kopf, ver- 
und nimmt nun immer mehr den Charafter einer höfi⸗ fate cine widhtige »Chronologie orientaliſcher Bolfer« 
iden Kunſtpoeſie an, die unter perfifdhem Cinfluf | (hrsg. von Sachau, Leip;. 1878; engl. von demſelben. 
durd) Eleganz und geiſtreiches Wefen, aber aud) durd) | Lond. 1879). Die Sprache diefer Hiftorifer ijt meiſt 
Schwulſt erfest, was fie an männlicher Kraft verliert. | cinfad und ſchmucklos, bei vielen felbft vernadlaffigt, 
Die beriihmtejten Dichter dieſer Periode find: Abu bei andern umgefehrt ſchwülſtig; inmerhin feblt es 
Ruwais (f.d.), Yon Dorefd (7. d.), Martanabbi (ſ. d.), | manden nidt an Erzählertalent. Jedenfalls ijt die 
Abul Wid (f. d.), Toghrai (ſ. d.), Ibn ef Färidh arabiſche Geſchichtſchreibung ſchon durd den Inhalt 
(f. d.), Bupiri (ſ. Burda) u. a. Der Poejie fehr innig | äußerſt widtig; fiir viele geſchichtliche Partien ijt fie 
verwandt find die Makamen (ſ. d.). Da es, befons | die Hauptquelle, fiir andre, ſelbſt abendlandijde, bietet 
ders nad) ſpäterer arabifder Anſicht, das Merfmal | fie widtige Ergänzungen. Die erſten umfaſſenden 
eines guten Gedichts iſt, daß es mit Weisheitsſprüchen Geſchichtſchreiber ſind Perſer. Unter ihnen ragt durch 
(Gilma) durchwebt iſt, fo nehmen Sprichwörter gewaltigen Fleiß hervor Tabari (j. d.), mit ſeiner fiir 
und Gnomen in dieſer Literatur eine hohe Stelle die Geſchichte des Orients unvergleichlich wichtigen 
cin. Nicht geringer ijt die Bedeutung der ſprich- Weltgeſchichte. Allgemeinere Geſchichtswerke lieferten 
wörtlichen Redensarten. Die größtenteils apo- | außerdem: Jon Wadih (qejtorben nad) 905; »His- 
fryphifden je 100 Spriide Wis, Ubu Bekrs, Omars | toriae«, hrsg. von Houtsma, Leiden 1883, 2 Bde.); 
und Othmans hat der perſiſche Dichter Watwat (geſt. der ausgezeichnete Mas udi (j.d.); Vor ef Athir (f.d.); 
1115) geſammelt (Wis Spriiche allein hrsg. und iiber- | Abul Faradſch, gewöhnlich Bar - Hebriius (ſ. d.) ge- 
fest von Fleiſcher, Leipz. 1837). Andre Sammlungen | nannt; Abul Feda (jf. d.). Cin wirtlid genialer Ril⸗ 
jind von Meidani (geſt. 1124; hrsg. und iiberjest turhiſtoriker von philofophifder Bildung und großen 
von Freytag, Bonn 1838 ff., 2 Bde.; Bulal 1867, Geſichtspunkten ijt der Spanier Yon Chaldiin (jf. d.». 
Teheran 1873), Samadjidjari (jf. d.) u. a. Die Ge | Die dltere eit des Aslam behandeln die Croberungs- 
wohnheit, Sittenlehren und Lebensregeln in Fabeln geſchichten, fo die von Beladjori (qejtorben um 82; 
und Parabeln cingufleiden, ijt fdpon aus dev Bibel | hrsg. von de Goeje, Leiden 1866). Einen Ulberbtid 
befannt und im Orient heimiſch. Die a. L. beſitzt der Gefdhichte des Kalifats lieferte Yon ct Tiftafa 
zwei Sammlungen diefer Urt. Die eine, aus Indien (friiber als Fachreddin bezeichnet; hrsg. von H. Deren- 
Jtaurmend, in Der aus Dem Mittelperſiſchen gefloſſe bourg, Bar. 1895). Die ſpezielle Geſchichte Mrabiens 
nen arabifdjen Uberſetzung »Kalila wa-Dimnae ge | wurde befonders eingehend behandelt in Bezug auf 
nannt, enthalt Klugheitsregeln fiir cinen Monardjen, | die heiligen Stadte, vorzüglich Mella (vgl. Wijten- 
in Tierfabeln cingefleidet, und ijt unter verſchiedenen feld, Chronifen der Stadt Wetta, Leipz. 1857 — 61, 
Ramen: »Fabeln Bidpais«, ~Humajiin Ramé« (⸗Kai- 4 VBde.). Mit Agypten in ſeiner mohammedaniſchen 
ſerliches Buch⸗) u. a., eins der im Orient verbreitet: | Zeit beſchäftigten fid) Abd ef Latif (ſ. d.), Makrii 











Arabiſche Literatur (Geographic, Philofophie, Mathematif). 


(geft. 1442; »Gefdichte Der Mamlukenſultane«, tiber- 
jest von Quatremere, Bar. 1837—45, 2 Bde.; »Ge- 
ſchichte der Noptenc, Hrsg. und iiberjest von Wiijten- 
feld, Gdtting. 1845; »Chitat«, gedrudt Bulaf 1853, 
2 Bde.); mit den Berbern Jon Chaldiin (ſ. d.); mit 
dem maurijden Spanien Maffari (gejt. 1631; ge 
drudt Bulaf 1862 und Kairo 1885—-87, 4 Bde.; 
hrsg. zur Hälfte von Dozy u.a., Leiden 1855—61, 


2 Bde.; auszugsweiſe ing Englifde iiberfegt von | 


Pascual de @Wayangos, Lond. 1840-—43, 2 Bde.) und 
zahlreiche andre (3. T. hrsg. von Codera y Zaydin in 
der » Bibliotheca arabico-hispana«, Madr. 1883 ff.). 
Außerordentlich reid) ijt die a. L. an Biographien, 
ſowohl an einzelnen als aud) an Gammelwerfen, von 
denen wir namentlid) das von Ibn Challifain (f. d.) 
anfiibren. Als Probe nenerer Gejdhidtidreibung feien 

enannt des Agypters Dichabarti (gejt. 1822) Fort: 


etzung von Wafrijis »Chitat« bis in das 19. Jahrb. | 


(Gulaf 1880, 4 Bde.; 1884; franz. Überſetzung, daf. 
1888—89, Bd. 1—38) und Ahmed ibn Zenis Geſchichte 


Meklas fowie desfelben Biographie Mohammeds. 
vendes) oder Mutakallimſin (»Dialeftifers). Bu 


Val. Wiiftenfeld, Die Gefdhichtidreiber der Uraber 
(@itting. 1882). 

Wud) die Geographic haben die Uraber fleißig 
bearbeitet, ja fie jtehen in dieſer Beziehung über allen 
Völkern ded Mittelalters. Ihre Eroberungen, die Han- 
delsbeziehungen, die feit den Wbbajiden viele Rauf. 
leute nad) Indien, ind Innere von Ufrifa, ja bis 
nad) China fiihrten, nicht weniger die als Religions- 


pflidt vorgefdriebene Pilgerfahrt gaben Anlaß zur 


Ubfajjung von Stinerarien und Reifebefdhreibungen. 
Yn der mathematijden Geographic find aber die 


Uraber nidt über Ptolemaos hinausgefommmen. Bon | 


den Verfaſſern von Reijeberidten, die durch oft reiches 
kulturgeſchichtliches Material nod) heute widtig find, 
nennen wir: Ibn FadHlin (gejt. 921; »Nachridten 
liber die Wolga- Bulgaren«, hrsg. und überſetzt von 
Frähn, Petersb. 1832), Berumt (f. oben; »India«, 
hrég. von Sadau, Lond. 1887; engl. Uberjepung, 
baj. 1888, 2 Bde.), Yon Djchobeir (1145 — 1217; 
hrsq. von Wright, Leiden 1852), Yon Batuta (geft. 
1377, bis China vordringend; Hrsg. und überſetzt 
pon Defrémery und Sanguinetti, Kar. 1853—59, 
4 Bde.; gedruct Kairo 1871). Uns folden fon: 
treten Beobachtungen wie den durd) die Bediirfniffe 
der Staatsverwaltung erforderten Aufzeichnungen 
mußten in Verbindung mit der griechiſchen Aſtro— 
nomic bald geographiſche Lehrbücher entſtehen. Die 


erſten Routenverzeichniſſe genügten nicht mehr, und 
ſo entſtanden die umfaſſendern Werke von Iſtachri, 
deſſen um 950 gemachte Umarbeitung von Valdis | 
(geſt. 934) Werk durch Jon Haukal wm 976 erweitert 


wurde, Mukaddaſi (ridjtiger Mafdifi, 988), Ibn el 
Fatih (um 903), Yon Chordadbeh (um 880), Jon 
Rojteh (um 900) und Mas'udi (f. oben; diefe fieben 
hrsg. von de Goeje, »Biblioth. geogr. arab.«, Lci- 
den 1870 —94, 8 Boe.), Cdrift (ſ. d.), Kaswini (Fgeſt. 
1283; deſſen Nosmographie hat Wiiftenfeld, Gitting. 
1848—49, 2 Bde., herausgegeben und Ethé gu itber- 
jesen beqonnen, Leip;. 1868, Teil 1), Abul Feda (jf. d.). 
Bekri (qejt. 1094) fried cin geographiſches Worter- 
bud (hrsg. von Wüſtenfeld, Godtting. 1876—77, 
2 Bde.); umfaffender ijt das von Yafiit (jf. d.). 
Vhiloſophiſche Literatur. 

Das Studium der BPHilofophie ging bei den 
Arabern teils von den natiirlicen Dogmatijden Zwei⸗ 
feln und den nie gang getilgten Rejten des Heiden- 
tums (bejonders des perſiſchen), teils pon den Uber- 
ſetzungen der griechifdjen Werke aus. Sie hielten ſich 





659 


vornehmlich an die Urijtotelifde und nebenher an dic 
Platonijde Philoſophie. Da fie insbej. die neupla- 
tonijden Erflarungsjdriften ju Ariſtoteles benugten, 
erſcheint ihre Auffaſſung der Ariſtoteliſchen Lehre 
durd) neuplatonifde Butaten modifiziert. Zu einer 
ſchöpferiſchen philofophijden Forſchung erhoben ſich 
zwar die Araber nicht; aber ſie haben das große Ver— 
dienſt, der Philoſophie eine Freiſtätte geboten, insbeſ. 
auch die Logik als eine einheitliche Wiſſenſchaft dar— 
geſtellt zu haben. Durch die Autorität des Korans 
wurde die Stellung der arabiſchen Philoſophen zum 
Islam eine ähnliche wie die der Philoſophie zum 
Chriſtentum, und es bildete ſich neben einer von der 
Religion ziemlich unabhängigen Kommentierung der 

roßen griechiſchen Philoſophen eine niohammedaniſche 
Scholaſtik (vgl. Ritter, über unſre Kenntnis der ara— 
biſchen — @itting. 1844). Man kann inner⸗ 
halb beider gwei Ridtungen unterjdeiden: die gu der 


einen, jablreichern Klaſſe Gehörenden fudten durd) 


cine Dialeftijde Methode zur Erfenntnis der Wahrheit 
zu gelangen und hießen Mubahithin (»Disputie- 


ihnen gehören die orthodoren Aſch'ariten (vgl. Spitta, 
Bur Gefdidte Abul Hafan el Aſch'aris, Leip3. 1876) 
und die rationalijtijden Mu'taſiliten (vgl. Steiner, 
Die Mu'taziliten, daf. 1865). Die zweite Klaſſe find 
die Iſchrakijun (⸗Illuminaten«, Idealiſten), die 
vorzüglich auf die Läuterung der Seele hinarbeiteten, 
wobei fie mehr das Gefiihl in Unfprud nahmen und 
weniger orthodor waren. Bu ihnen gehörten in ge- 
wifjer Weije die Sufi (f. d.). Die beriihmteften unter 
den cigentliden arabijden Philofophen find: Mindi 
(f. d.) und Farabi (geſt. 950, f. d.), der Durd) feine Er— 
Flarungsfdriften der Lehrer aller Spätern wurde. 
Das 10. Jahrh. war überhaupt ein philofophijdh be- 
ie: ihm gehdren die fogen. »lautern Briider« (7. d.) 
in Basra an, die cinen halb philofophifdhen, halb 
maurerijden Orden darjtellen wollten. Qn den bei- 
den folgenden Jahrhunderten wirkten: Avicenna (ſ. d.), 
Ghaſſali(ſ. d.) Jon Bädſchſcha (Avempace, geft. 1138), 
Verfaſſer verſchiedener kleinerer, aber bedeutender Ab⸗ 
handlungen; Ibn ct Tofeil (ſ. d.), Averroes (f. d.). 
Spiiter verflacht ſich die philoſophiſche Tätigleit zu einer 
bloßen Produktion ſcholaſtiſcher Kompendien. Einen 
ſehr bedeutenden Einfluß hat die arabiſche Philoſophie 
beſonders in Spanien auf die Juden geübt und durch 
dieſe wieder auf die Scholaſtik: ſo iſt der tiefſinnige 
Avicebron der jüdiſche Dichter Jon Gabirol; Moſe ben 
Maimun oder Maimonides (ſ. d.) wirkt mehr in die 
Breite. Vgl. Schmölders, Essai sur les écoles 
philosophiques chez les Arabes, etc. (Bar. 1842); 
Munt, Mélanges de philosophie juive et arabe (daj. 
1859); De Boer, Geſchichte der Philoſophie im Islam 
(Stuttg. 1901) und die Schriften F. H. Dietericis (f.d.). 

Mathematifhe Wiffenfdaften, Wjtronomie. 

Die Uraber rechnen ju den philoſophiſchen Wiſſen— 
ſchaften aud die mathematifden. Jn dieſen waren 
jie ebenfalls die Schüler der Griechen, jedod) haben 
jie Das Empfangene mit neuen Entdedungen vielfad) 
bereichert. Sn der Writhmetil fiibrten fle aus In— 
dien Den Gebrauch der (jest fogen. arabiſchen) Ziffern 
ein, die Dann auf zwei Wegen, einem ndrdlidjen und 
einem ſüdlichen (ägyptiſch-berberiſchen), gu den Euro- 
päern gelangt find. Die Wi gebra ijt durch die Araber 
zu den Abendländern gefommen, obwohl fdon dic 
Griechen (Diophantos) diejen Wiſſenszweig fultiviert 
hatter. In ihm zeichneten fic) aus: Mohammed ibn 
Muſa ef Charesmi (um 820; jein Lehrbud Hrsg. 
und überſetzt von Rojen, Lond. 1831), Thabit ibn 

42* 


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Aradne — Arago. 


Araͤchne (»>Spinne<), im gried. Mythus Todter 
des Purpurfirbers Idmon juHypapa in Lydien, for- 
derte, iibermiitig gemad)t durch die Bewunderung ihrer 
Webekunſt, Uthene gum Wettfampf heraus. Die Got- 
tin zerriß Das Gewebe der A., das Die Liebesabenteuer 
der Götter darjtellte. A. will fic) erhiingen; Uthene 
verwandelt fie in eine Spinne, fo dak fie hängend ihre 
Kunſt weiter üben muß. 

Arachuiden, ſ. Spinnentiere. 

Arachnitis (gried).), Entzündung der Arachnoi- 
dea (bei Meningitis). 

Arachnoideéa (qricd.), die ⸗Spinnwebenhaut⸗ 
Des Gehirns und Rückenmarks. 

Arachuologie (Araneologie, griech., »Spin- 
nenlehre«), die Naturgefdichte der Spinnen; dann 
die Kunſt, aus dem Verhalten der Spinnen die Wit— 
terung vorber gu bejtimmen. Schon Plinius gedentt 
der Spinnen als Wetterpropheten, und der Glaube 
an eine foldje Gabe hat fid) bis auf unjre Beit erbal- 
ten. Quatremere jtellte feine Erfahrungen in der 
Araneologie⸗ zuſammen (Par. 1797 ; deutid, Frankf. 
a. M. 1798), und der Meteorologifde Verein ju Briinn 
jammelte 1818 die Rejultate dlterer und neuerer For- 
ſcher und gab eine Unteitung zum Studion der YW. 

Arachojien, Proving ded altperj. Reiches, umfaßte 
das Mebiet des Fluſſes Etymander (Hilmend) oder den 
Siiden des heutigen Afghanijtan. Jn A. qritndete 
Alexander d. Gr. Wlerandreia Arachoton, das jetzige 
Kandahar. S. Karte »Reid) Wieranders de3 Großen«. 

Ardchowa, woh habende Stadt im griech. Nomos 
Böotien, 942 m hod, unmittelbar unter ciner ſchrof⸗ 
fen FelSwand des Parnaß (Liakura) gelegen, berühmt 
durch geſunde Luft, Weinbau und Teppichweberei, mit 
(1896) 3224 Einw.; wahrſcheinlich das ſchon von Ho- 
mer eriwibnte Unemoreia. — Hier vernicdtete 1826 
der Epirote Georg Karaistafis 5000 Tiirfen, aus de- | 
ren Köpfen er eine Byramide erbaute. Ctwa 7 km 
weftlid) Davon die Ruinen von Delphi. 

Arachthos, Fluß, ſ. Urta 1). 

Arad, ungar. Komitat längs der Maros und ſtö— 
rös, grenzt an die Komitate Bihar, Bets, Cſanäd, 
Temes, Kraſſö- Szöreny, Hunyad und Torda-Ara— 
nyos, umfaßt 6443 qkm (117 OW) und hat avon 
329,840 Cinw. (Rumänen, Ungarn, Deutfde und 
Slawen), 51 auf 1 qkm. Haupiort ijt Arad. 

Arad, finigliche Freiftadt und Sig des qleidnami- 
gen ungar. Komitats (ſ. oben), am rechten Marosufer, 
116 m it. M. und Knotenpunkt an der Eiſenbahn Bu- 
dapejt-Cjaba-Rarisburg, beſitzt in der innern Stadt 
(Alt⸗A.) einen breiten Strafengug mit palajtartigen 
Neubauten (Rathaus, Eiſenbahn-, Finany-, Veridts- 
palais, Theater famt Stadtginshaus ꝛtch, nicht minder 
ftattlidhe in dem Stadtteil geqen die Maros zu (das 
Lyzeum, das römiſche Bad, dad Yndujtriepalais, die 
Handelsafadentie rc.). A. zählt (901) 56,260 Cinw. 
(wovon 60 Proz. Magyaren) und hat die größten 
Spiritusfabrifen des Landes, Dampfmühlen, Fabri- 
fen fiir Stirfe, Leder, Maſchinen, Waggonbau, Zie— 
gel, Holzindujtrie ꝛc., 8 Geldinftitute, ut Sig eines 

riechiſch-orientaliſchen Biſchofs und zahlreicher Bee 
Barber (Finangdireftion, Gerichtshof, Hauptzollamt, 
Tabafeinldfungsamt, Handels- und Gewerbekam— 
mer 2¢.) und hat 2 Präparandien, ein Seminar, Ober: 
gymnaſium, Oberrealſchule, Muſeumꝛe. mehrere Bark 
anlagen (Stadtwäldchen) und drei hiſtoriſche Monu— 
mente: Das 1890 enthüllte Freiheitsdenkmal von Zala 
am Freiheitsplatz, cin fleineres Denfmal ju Ehren der 
1849 gefallenen Honvdds auf der Promenade und 
einen Granitobelist zur Erinnerung an die in demſel— 








663 


ben Jahr hingeridteten —— Generale (ſ. unten) 
auf der Richtſtätte ſüdlich der Feſtung WU. Am linken 
Marosufer (im Komitat Temes) befindet ſich die 1752 
neu erbaute Fejtung A. und unfern hiervon der 
Markt Neu-A. (Uj-W.) mit 901) 6139 überwiegend 
deutfden Cinwohnern. — Die Fejtung wurde in den 
Kriegen des 17. Jabhrh. mehrmals von den Türken 
erobert und zuletzt zerſtört, aber feit 1752 wiederher- 


| gejtellt und ſpielte 1849 eine widtige Rolle; der öſter— 


reichiſche General Berger verteidigte fie lange gegen 
die Ungarn. Anfang Auguſt fliidteten dic Muͤglie— 
Der Des ungarifden Reichstags von Szegedin nach 
A., wo Koſſuth die Proflamation vom 11. Aug. 1849 
erließ. Sogleich nad) der Rataftrophe von Vildgos, 
17. Uug., wurde U. auf Anordnung Görgeis den die 
Stadt belagernden Ruſſen tibergeben. Auf Haynaus 
Befehl wurden hier 6. Oft. 1849 dreizehn ungarifde 
Generale (⸗Arader Märtyrer«) hingeridtet. Val. La- 
fatos, Geſchichte Arads (ungar., Arad 1881). 

Arados, phinif. Stadt, ſ. Amrit. 

Araf (arab. a'rif), dad »Feqfeuer« des Islam 
(j. d.), Die Scheidewand swifden dem Paradies umd 
der Hille. Auf ihr ftehen diejenigen, die etme end- 


gititige — ee ce Schickſals nicht erlangt ha- 


en und in dieſem Mittelzuſtand swifden Verdamm— 
nis und Geligfeit bis zum Tage des allgemeinen Ge- 
richts verbarren miljjen. Den —* »Al A.« führt die 
ſiebente Sure des Korans, die (Vers 44 — 45) dieſe 
Zwiſchenſtation zwiſchen Himmel und Hölle beſchreibt. 

Arafale, Küſtenplatz in der ital. Kolonie Eritrea, 
an der Annesleybucht des Roten Meeres, ſeit 1885 
von Italien beſetzt. 

Arafät, 80 m hoher heiliger Berg bei Mekla in 
Arabien, wo Mohammed gebetet haben ſoll, und wo 
jährlich am neunten Tage des Monats Silhidfde den 
verfanmmelten Pilgern eme Predigt gehalten wird. 

Arafura-See (Harafora-See), Meeresteil, den 
Die Nordfiijte de3 aujtralifden Nordterritoriums im 
S., die Siidwejtfiijte von Nenguinea, die Aruinſeln 
und Timorlaut tm N., die Torresſtraße im O. und 
die Timorjee im BW. begrenzen, eins der Verbindungs— 
glieder gwifden dem Indiſchen und dem Großen Ozean. 

Aragh (Lentecoftinfel), Inſel der Reuen He- 
briden in der Sildſee, 743 qkm gro}, mit 500 Cinw., 
von ciner bis 610 m hohen Bergkette durchzogen, mit 
frudjtbaren, bewaldeten Siijtencbenen und dem Dorfe 
Waumarama int äußerſten Norden. 

Ardgo, 1) Dominique Francois, Phyſiker, 
geb. 26. Febr. 1786 in Ejtagel bei Perpignan, geſt. 
2. Oft. 1853 in Paris, trat 1804 in die polytechniſche 
Schule, wurde 1805 Sefretiir des Bureau des longi- 
tudes und fete mit Biot die von Delambre und Mé— 
chain zwiſchen Diinfirden und Barcelona begonnene 
Gradnieffung bis Formentera fort. Bei Beginn des 
ſpaniſchen Aufſtandes wurde er verhaftet, entfloh, qe- 
riet aber in Die Hande der Barbaresfen und erbielt 
erjt 1809 feine Freiheit wieder. Cr wurde bald dar 
auf Brofejfor an der polytechniſchen Schule in Pa— 
rig und 1830 Direftor der Sternwarte. Er arbeitete 
(bid 1816 mit Biot) fiber die Theorie des Lidhtes, fiber 
die Polariſation desfelben, tiber Galvanismus und 
Maqnetismus. Vit Gay -Luffac leitete er feit 1809 
die Nedaftion der »Annales de physique et de chi- 
mies, und als Mitglied des Längenbureaus hatte er 
teil an der Redaftion de3 »Annuaire« und an der 
»Connaissance de temps«. Auch ſchrieb er: » Astro- 
nomie populaire« (Par. 1834-— 35, 4 Bde.). Seit 
1831 Mitglied der Deputiertenfammer, gehörte cv zur 
DOppojition. Die Februarvevolution von 1848 ricf ihn 


664 


als Mitglied in die provijorifde Regierung, in der er | 
24. Febr. das Minijterium des Innern, kurz darauf 
aud) das des Krieges fibernahm. Wis die Regierung 
ihre Gewalt niederlegte, ernannte thn die Verjamm- 
lung jum Mitgliede der Exefutivfommifjion, in wel- 
cher Stellung er feinen Mut während des Juniauf— 
jtandes von 1848 glänzend bewährte. Nad) diefer 
Natajtrophe war A. m der Nationalverjanmilung als 
Mitglied des Kriegskomitees tatig. Cine volljtandige 
Sanunlung feiner Schriften erjdien unter Leitung 
Barrals (Par. 1854—62, 17 Bde. ; 2. Aufl. 1865 ff.), 
in deutſcher Ubderfegung von Hanfel (Leipz. 1854—60, 
16 Bde.). In feinem Geburtsort Perpignan wurde 
ibm 1879, in Baris 1893 ein Standbild erridtet. Bal. 
Wudiganne, Frangois A., son génie et son in- 
fluence (2. Aufl. 1869). 

2) Jacques, franz. Schriftiteller, Bruder de3 vo- 
rigen, geb. 10. März 1790 in Ejtagel (Oſtpyrenäen), 
geft. im Januar 1855 auf einer Reiſe nad Braſilien, 
begleitete als Zeidner die von Freycinet befehligte Ex- 
pebition. die auf den Schiffen Uranie und Ph Seas 
1817 —20 eine Reife um die Welt machte, übernahm 
1835 die Direftion de3 Theaters zu Rouen, mupte 
aber fdjon 1837 infolge ſeiner Erblindung vom Ddie- 
jer Stellung juriidtreten. Seine Weltreije gab ihm 
Veranlaſſung yu den interejjanten Werfen: »Prome- 
nade autour du monde« (Bar. 1822, 2 Bde., mit 
Atlas) und »Souvenir d'un aveugle. Voyage autour 
du monde« (1838, 2 Bde., illujtriert; neue Tertaus- 
Lg 1884). 1849 reijte er trog ſeiner Blindheit an | 

ex Spite einer Gefellidhaft von Spefulanten nad | 
Raliformien, wm dort das Goldjuden im grofen 31 | 
betreiben, ward aber in Balparaijo von Li 
fährten verlajjen und kehrte 1850 nad) Frantreid) | 
zurück, wo er jeine Erfahrungen in dem Werle »Une 
Vie agitée< (1853, 3 Bde.) verdjfentlicdte. 

3) Etienne, Sdpriftiteller, Bruder des vorigen 
geb. 9. Febr. 1802 in Perpiqnan, gejt. 5. März 1892 
in Paris, wurde unter der Hejtauration Préparateur | 
der Chemie an der polytecnijden Schule ju Baris. | 
Diefe Stellung gab er jedod) bald auf, um ſich den 
Liberalen anjufdlieRen, und ſchrieb meijt im Verein 
mit andern (3. B. Balzac) Lujtfpiele und Baude- 
villes, gab mebrere fleinere belletrijtijde Journale 
heraus und madte fich auch als Feuilletonijt befannt. 
Yn der Julirevolution beteiligte er fid) mit großem 
Cifer. Wis Direftor de3 Théatre du Vaudeville ju 
Paris fallierte er 1840 mit Vs Mill Frank Sdulden, 
die er bis 1872 abjabhlte. Yn der Februarrevolution 
von 1848 erbielt er die Direftion der Pojten. Bei 
Dem Juniaufitand fompromittiert, entging er der Ver- 
haftung durch die Flucht nad) Belgien, wo er »Spa, 
son origine, son histoire, ses eaux, ses environs et 
ses jeux« (Brüſſel 1851) fdrieb, ein chines Gedicht 
in fieben Gefiingen. Bon Turin aus febrte er, 1859 
beqnadigt, nad Karis zurück. Seine nächſten Bubli- 
fationen waren: » Une voix de Lexile, cin Gedidt 
(Senf 1860), und »Les Bleus et les Blanes« (Par. 
1862), ein hijtorijder Roman über die Kriege in der 
Vendée. Rach dent Sturze des Kaiſerreichs (4. Sept. 
1870) beteiligte er fid) nur voriibergehend am politi- | 
ſchen Leben (vgl. feine Schrift »L’Hotel de ville de 
Paris au 4 septembre et pendant le siége«, Bar. 
IN74), bis er 1878 Die Stelle als Archivar der Ecole 
des beaux-arts annahm. 

4)Emanuel, älteſter Sohn von A. 1), qeb. 6. Juni 
1812 in Paris, geſt. dafelbjt 26. Nov. 1896, ward 
1837 Udvofat dajelbjt. Als Republifaner nahm er 
1845 eifrigen Unteil an der Februarrevolution. Bom 


Aragon — 








1 











Aragonien. 


25. Mai 1848 bis zum Januar 1849 war er Geſandter 
in Berlin, trat Dann in die Nationalverſammlung cin 
und befampfte den Präſidenten Ludwig — 
Nad) deſſen Staatsſtreich machte er ſich als Verteidi⸗ 
er mm politiſchen und Preßprozeſſen (fo 1867 fiir den 
Bolen Berezowſti, dec auf den Kaiſer von Rufland 
eſchoſſen hatte) cinen Ramen, war als Mitglied des 
Hejepqebenden Körpers feit 1869 dem Naijertum feimd- 
lich, ears in der Sitzung vom 15. Juli 1870 gegen 
die beabſichtigte Kriegserllärung und wurde nad dem 
4, Sept. 1870 als provijorijder Juſtizminiſter Ma- 
gi der Regierung dev nationalen Verteidiqung. 
Lis Mitglied der Nationalverſammlung und feit 1876 
des Senats ſchloß er fic) der Partei der gemãßigten Re- 
publifaner an und war 1880 —94 franzoſiſcher Bot- 
ſchafter in Bern. — Sein jiingerer Bruder, Ul fred, 
geb. ee or 5. Febr. 1892, bildete fid) bei Dela- 
rode jum Daler aus und madhte fic) befonders durch 
das Gemälde Karl V. im Kloſter San Yuſte befannt. 

Aragon, linfer Nebenfluß de3 Ebro in Spanien, 
—— Col de Somport, mündet nach 192 km 
langem Lauf unterhalb Milagro. Nad ihm ijt Ara— 
gonten benannt. 

Aragona, Stadt in der ital. Provinz Girgenti 

(Sizilien), Knotenpunft an der Eiſenbahn Palermo- 
Porto Empedocle, mit einem alten Schloß, Mandel⸗ 
fultur und (1901) 14,215 Einw. Jn der Umgegend von 
U. finden ſich bedeutende Schwefelgruben und der 
Sdhlammovulfan Maccalubi. 
— Aragonien (Aragon), einſt ſelbſtändiges jpan. 
Königreich, welded den ganzen norddjtliden Teil der 
Halbinfel einnahm und die fogen. aragonifden Pro- 
vinjen Aragon, Ratalonien und Balencia nebjt der 
Balearengruppe umfafte; jest ſpaniſche Landſchaft 
mit Dem Litel eines Königreichs, 47,391 qkm (860,9 
OM.) groß mit (900) 912,711 Cinw., wird gegen R. 
von Sranfreid, gegen W. von Navarra, Wit- und 
Neufajtilien, gegen S. und O. von Valencia und ata- 
lonien begrenjt. Der Aragoneſe hat alles Fremde 
und jeidjnet ſich durch cin jinjteres, rachſüchtiges, Da 
bet bigottes Wefen aus. Zugleich aber beſitzt er Pa— 
triotismus, Freibeitsjinn, perfintiden Mut, Energie 
und Enthaltjamfeit. Die Manner find meijt grok 
Hager und ſehr gebräunt, qute Soldaten und Jager; 
die Frauen ſchön gewadjen, mit fdwarjen Augen 
und reichem Lodenhaar. Der urfpriinglidje rauhe 
Dialeft der Uragonejen hat fid) allmahlid) mit dem 
taſtiliſchen verſchmolzen. A. zerfällt in die Provin— 
jen Saragoſſa, Huesca und Teruel (ſ. dieſe Artilel). 
Hauptſtadt des Landes iſt Saragoſſa. 

Geſchichte. Das jetzige A. fam nad Aufhören 
der römiſchen Herrſchaft in den Beſitz der Weſtgoten. 
ſeit dem 8. Jahrh. in den der Araber, Anfang des 
9. Jahrh. nebſt Katalonien teilweiſe unter fränkiſche 
Herrſchaft. Die Grafſchaft A., als deren erſter Graf 
Azenar, cin Sohn des aquitaniſchen Herzogs Eudo, 

enannt wird, fam nad Erlöſchen des gräflichen Hau⸗ 
* um 1000 durch Erbrecht an König Sando d. Gr. 
von Navarra (970-1035), der bet jeinem Tode A. 
jeinent natiirlidjen Sohn Ramiro I. zuwies. Diefer 
erwarb Ribagorja und Sobrarbe hinzu, lämpfte gliid- 
lid) gegen Die WMauren und nahm den Königstitel 
an. Seine Nachfolger Sando Ramire; (1063—94) 
und Pedro (1094 —1104) ſetzten den — en die 
Mauren mit Erfolg fort; endlich eroberte trond 1. 
(1104-34) Saragoſſa 1118 und erbob es zur Haupt⸗ 
jtadt Uragoniens. Sein Bruder Ramiro IL. verlodte 
feine Tochter Petronella (1137) mit dem Grafen Rai- 
mund Berengar J., Grafen von Barcelona, der den 


Aragonien — Aragonit. 


Grund zur Vereinigung Kataloniens mit A. legte, 
indem fein älterer Sohn, Alfons II. (116296), ihm 
1162 in Katalonien, 1163 aud) in YW. folgte. Unter 
ihm und feinen Nachfolgern ward A., durd) die Er- 
werbung Roujfjillons, Montpelliers, Cerdagnes, Car- 
caffonnes und andrer Pyrenäenlandſchaften, Valen: 
cias und der Balearen vergrößert, die zweite chriſtliche 
Macht Spaniens neben Kajtilien. Pedro IT. (1196— 
1213) nahm jeine Krone vom Bapft ju Lehen. Die 
von König Jakob J. (1213—76), von weldem die 
Ronjtitution Uragoniens herriibrt, beabjidjtigte Tei- 
lung des Landes fam nidt sur Ausführung, da deſſen 
älteſter Sohn, Peter LIL. (1276—85), feinem Bruder 
Jakob Il., welder die Balearen, Rouffillon, Cer- 
dagne xc. befommen hatte, die Lehnspflidtigheit auf. 
gwang. ‘Beter IT. erwarb ſpäter (1282) Sixilien, 
ward aber infolge davon mit Frankreich in Krieg ver- 
widelt. Als die hierdDurd und durd fonjtige Fehden 
hervorgerufenc finanjielle Not ihn zur Musfhreibun 
Driicender Steuern bewog, traten die Stände von A. 
gu Tarragona 1283 zur erjten Union zuſammen und 
wangen dem König das Generalprivilegium von 
ragoffa ab, das die monarchiſche Gewalt betridt- 
lid) verminderte. Ihm folgte 1285 fein altejter Sohn, 
Alfons IIT. (1285—91), m den fpanifden Reiden, 
der jiingere, Jafob, in Sizilien. Nach Alfons' fin- 
derlofem Tode folgte ihm fein Bruder Jafob I. (1291 
bis 1327), der Sardinien erwarb und 1319 die Un- 
teilbarteit des aragoniſchen Reiches feſtſetzte; dod) be- 
tag W., Katalonien und Valencia eiqne Cortes. 
uf Jakob folgte 1327 jein Sohn Alfons IV. (geſt. 
1336), der gegen die Genueſen und mit feinem Schwie⸗ 
ervater Ulfons XL. von Rajtilien glücklich gegen die 
auren fodt. Sein ong 2 Peter IV. (gejt. 1387) 
beendete den dem Handel Aragoniens nadteiligen 
Krieg nit Gerua, opty Majorca (1344) wieder 
mit A. und befeftigte die fonigliche Gewalt durch den 
Sieg über den unbotmafigen Wdel bei Cpila (1348). 
Sein Sohn Johann (1387—95) verlor Sardinien 
an Leonore Visconti. Nach deffen und feines Bru— 
ders Martin (13895—1410) finderlofem Tod ent- 
ftanden in A. heftige Thronjtreitigfeiten, aus denen 
endlich Der Infant R erbinand von Kaſtilien, ein Neffe 
Johanns, als König hervorging. Dieſer, Ferdinand I. 
(1412—16), wirfte eifriq mit e Vefeitigung des 
groben firchlicen Schismas. Ihm folgte fein Sohn 
{fons V. (1416—58), der die Regierung feiner Ge- 
mahlin Maria von Rajtilien überließ, wm friegeri- 
ſchen Abenteuern ju folgen. Er vereinigte Neapel 
und Sizilien mit W., hinterlief aber nur einen natiir- 
liden, vom Papjt legitimierten Sohn, Ferdinand, der 
in Neapel folgte. Die fpanifden Reiche nebſt Sar- 
dinien, Sijilien und den Valearen erbte fein Bruder 
Sohann IL. (1458 —79), durd feine Gemahlin Blanca 
aud König von Navarra. Yohanns Regierung war 
hart und willkürlich. Ihm folqte fein Sohn Ferdt- 
nand IT., feit 1469 Gemahl Jjabellas, der Thron- 
erbin von Kaſtilien, wodurd A. mit Raftilien zu 
Einem Reiche vereinigt ward (jf. Spanien, Geſchichte). 
Von befonderm Intereſſe ijt die Verfaſſungs— 
geſchichte Aragoniens. Die Cortes von A. verfiig- 
ten über Strieq und Frieden, Bündniſſe und Vertriige, 
Stenern, Muͤnze, Rechtiprechung und Berwaltung. 
Sie ernannten die Rite des Königs und genoſſen per- 
fonliche Unverleglicfeit. König Wifons LIT. mute die 


jabrlide Berufung der Cortes nach Saragojfa (1287) | 


als Grundgefets anerfennen und ihnen das Rect des 
pflicht⸗ und verfaſſungsmäßigen Widerjtandes gegen 
willfiirlide Verletzung der ſtändiſchen Mitglieder ein— 





665 


räumen. Peter IV. erzwang 1348 die Wufhebung 
dieſer Satzungen, bewilligte aber die Cinfegung einer 
Behörde, die, zwiſchen Regierung und Volk jtehend, 
die Rechte ded legtern gegen Ubergriffe der erjtern 
ſchützen follte. Un ihrer Spige ftand der vom König 
aus der Ritterfdhaft auf Lebenszeit gewählte, aber 
lediglich Den Cortes gegenitber sur Rechenſchaft ver- 
pflichtete Jufticia. Die allgemeinen Reichsſtände, feit 
1307 alle2 Jahre von SW iaceacbecten Aragoniens, 
Kataloniens und Valencias gebildet, zerfielen in die 
vier Ubteilungen(brazos, Arme, estamentos, Bänke) 
der Geiſtlichkeit, des hohen (brazo de nobles) und niz- 
dern Adels (brazo de caballeros y hijos dalgo) und 
der Stadtgemeinden (brazo de universidades). Für 
die Giiltigteit eines Cortesbeſchluſſes war Cinjtimmig- 
fett Der Krone und aller Mitglieder notwendig. Ein 
jtindiger Ausſchuß von acht Mitgliedern blieb zur 
Wahrung der Vollsrechte ſtets zuſammen. Wud) nad 
der Vereiniqung mit Kaftilien (1516) bebielt A. feine 
alten Freihetten. Wis die Uragonier fid) zu gunſten 
des von Philipp IT. verfolgten Untonio Peres (jf. d.) 
erhoben, wurde dieſer Aufſtand gewaltjam unter: 
driidt und der Jufticia Mayor Juan de Lanuja ent: 
hauptet. Im iibrigen blieben die alten Ynjtitutionen 
im wejentliden unangetajtet. Nur follte fiirderhin 
der Konig nicht mehr gehalten fein, den Cortes per- 
jonlid) anzuwohnen, und die Bedingung der Stim— 
meneinheit bei Cortesbefdliijjen ward aufgehoben 
1591). Die aragonifden Freiheiten vernidtete erjt 

hilipp V. zur Strafe fiir die Unhanglidfeit der Pro— 
ving an die öſterreichiſche Herrſchaft. 1808 — 1809 
com die Uragonier ihren Mut in der hartnäckigen 
p — Saragoſſas gegen die Franzoſen. Sn 
den Karlijtentriegen wurde VW. cin Hauptidhauplag de3 
Rampfes. Wahrend Obcraragonien entidieden der 
Königin anhing, hielt Niederaragonien ju Don Karlos. 
Val. E. A. Schmidt, Gedichte Uragoniens im Mit- 
telalter (Leip;. 1828); Bidal, Historia de las altera- 
ciones de Aragon en el reinado de Felipe IT (Madr. 
1862—63, 3 Bde.); De la Fuente, Estudios cri- 
ticos sobre la historia y el derecho de Aragon (daſ. 
1884 — 86, 3 Bde.). 

Aragonit, nad) dem BVorfommen in Aragonien 
benanntes Mineral, bejteht wie Kalffpat aus foblen- 
faurem Ralf CaCO,, bisweilen mit 0,5—4 Bro}. fohlen- 
ſaurem Strontian und etwas fohlenfjaurer Magneſia, 
frijtallijiert rhombiſch, bildet meiſt ſäulenförmige oder 
ſpießige Srijtalle, häufig Rwillinge oder Drillinge in 
Form Hheragonaler Säulen, aber aud) jtengelige und 
fajerige Aggregate, die letztern 3. T. radialfajerig in 
RKugein (Er bfenjtein, Sprudelftein, Kalkoolith, 
j. Tafel »>Mineralien«, Fig. 23), Kruſten (Wragonit- 
finter) oder Stalaftiten mit oft verajtelten Baden 
(Cifenbliite). . Er ijt farblos, gelblich, rötlich, griin, 
blau, grau, glasglänzend, durchſichtig bis durchſchei— 
nend, Parte 4, ſpez. Gew. 2,0—3. Nalffpat und A. bilden 
ein ausgezeichnetes Beiſpiel von Dimorphismus. Wel- 
chen Umſtanden die cine oder andre Formbildung zuzu— 
ſchreiben iſt, weiß man nicht. Nach Many ſoll cine Bei— 
miſchung von kohlenſaurem Strontian die rhombiſche 
Form bedingen, doch kennt man auch ſtrontianfreien 
A. Nach G. Roſe kriſtalliſiert aus heifer Löſung A., 
aus falter Kalkſpat; doch trifft dies nicht allgemein gu. 
Auch die Konzentration der Löſung kommt dabei in 
Betradht. Durd Glühen erhält U. da3 niedrigere ſpe— 
zifiiche Gewicht des Kalkſpats; aud) fennt man Yre- 
gonitfiulen, die zu einem Wggreqat von Kallſpat⸗ 
friftallen umgewandelt find. YU. findet fid) in Ton 
und Wips (ſchöne Krijtalle zu Molina in Uragonien, 


666 Araguay — YAraliazeen. 


aud) in den Schwefelqruben Siziliens), auf Erjlager-| Arafanga, ſ. Bapageien. 
jiiitten (Herrengrund in Ungarn, Leogang in Salj-| Arakan-Joma (YWralan-Roma), Gebirge auf 
burg), bejonders häufig in Hohlräumen vulfanifder | der Grenze der britiſch ind. Proving Bengalen und 
Wejteine (Horſchenz in Böhmen), die ſpießigen Varie- der Divijion Urafan der Proving Birma, das, von 
tiiten aud) auf Kalkſtein- und Brauneifenerslagern. | dem großen Gebirgsmaffiv im Lande der Naga und 

Aragiay, Fup, ſ. Pilcomayo. in Manipur ausgehend, fid) in mebhreren bewaldeten, 

Araguaya (Rio Grande), Fup in Brajilien, | nod) unerforfdten Ketten durd) Tipperah, Tſchitta— 
entipringt auf der Serra Cayapé unter 18°30’ fiidl. Br. gong und Nordarafan hingieht, dann als ein eingiger, 
und vereinigt fid) unter 6° 5’ ſüdl. Br. nad) nord: | beffer befannter Gebirgsjug als Arakan-Joma— 
Daung fildwarts ſtreicht und bet Rap Negrais ſteil 
in Meer abfallt. Die größten Erhebungen finden 
fie) an der Grenge von Manipur, dann wird das Ge 
birge niedriger, erhebt fic) aber tm nördlichſten Teil 
von Yrafan im Blue Mountain wieder ju 2164 m 
und fendet nach allen Ridjtungen didjtbewaldete Ketten 
aus. Das fteile Gebirge ijt nur in wenigen Paſſen 
iiberjdreitbar, 3. B. dem DaletpaR im äußerſten Nor- 
den, Dem 1420 m hohen, vielbeqangenen Bak von Yn 
(Weng) nad Minbun und Sinbyuqyun am Irawadi. 

Araki (perj.), ſ. Arrak. 

Arafil Vane, Dorf und Wallfahrisflojter in 
Ruſſiſch-Armenien, amt Fuk des Yirarat, wo Roa 
nad der Sintflut geopfert und gewohnt baben joil, 
und wo aud) die Gebeine der Apoſtel Andreas und 
Matthäus gefunden worden fein follen. 

A „Alexej Andrejewitſch, Graf 
von, ruſſ. General, geb. 4. Oft. 1769, geſt. 3. Mar 
1834, organifierte 1792 die Urtillerie und ward 17946 
Kommandant von Petersburg. Wegen feiner Harte 
A. fteht an der Stelle des libyfden Lir, dem geqen- im März 1798 als Generalleutnant verabjdiedet, 
fiber auf dem rechten Ufer ded Rhus das punifde Lix | wurde er 1799 wieder gum Militdirqouverneur von 
lag (jest Ruinen von Tidement3, arabiſch Teſchmes). Petersburg ernannt. 1807 zum General der Artillerie 
Die Umgegend war ihrer Weinberge wegen berühmt. und 1810 jum Mitgliede des Reichsrats befirdert, 
Die Stadt gehdrte im 17. Nahrh. den Portugieſen, madjte er fic) um Vervolltonmmung Der ruſſiſchen 
die fie 1711 an den Sultan Mulei Ismail verloren. | YUrtillerie verdient. Um wüſt lieqende Landereten ur- 

Arak, ſ. Yrrat. | Bar gu machen, gründete er Milttarfolonien, veran- 

Arafan (Urrafan, Rafhaing), nbrdlichite Di- | late aber durd) feine Roheit qegen die Bauern Auf— 
vijion der britifd-ind. Proving Nieder-Birma, an der | ſtände, die blutig unterdriidt werden mute. In der 
Oſtſeite des Bengalifden Golfs, swifden 18°—21° 33‘ | legten Beit Alexanders J. hatte A. großen Einfluß auf 
nördl. Br. und 92° 10’—94° 50° öſtl. V., 37,621 qkm | alle innern Angelegenheiten, wurde aber 1825 vom 
mit (1891) 671,899 Einw., worunter etwa zwei Drit- Zaren Nifolaus verabjdhiedet und zog fich auf fem 
tel Buddhiſten, 100,000 Mohammedaner. Der öſt— | Yandqut Grufino zurück. 1833 ftiftete cr ein Napital, 
liche Teil ift qebirgig (bis 2490 m) und dicht bewal- | das, durch Verjinfung bis jum Jahre 1925 auf2 Mill. 
det, die Küſte flach, ſumpfig und ungefund. Yur | Rubel angewadfen, als Preis fitr die bejte Biographie 
2131 qkmm find unter Kultur. Haupterzeugniſſe find: | Weranders J. ausgezahlt werden foll. Das übrige 
Reis, Indigo (in Menge wild wadjend), Pfeffer, | Vermögen beftinumte A. zur Erridjtung eines Nadet- 
Zuckerrohr, Früchte und das wertvolle Tiefhols. Den | tenhauſes in Nowgorod. 

Brumdjtod der Bevölkerung bilden die Rafhaing| NArafynthos, birge, ſ. Griedhenland (Alt⸗G.). 
oder Mug, nahe Verwandte der Birmanen: breites Aralia L., Gattung der Araliazeen, oft ſtachelige 
Geſicht, fleiner, kräftiger Bau, platte Rafe, {chief | Sträucher oder kleine Baume mit gefiederten oder 
jtehende Mugen. Sie find gajtfrei, qutartig, unvetn> | doppelt- und dreifach gefiederten, feltener dreizähligen 
lid). Für ihre einfilbige Sprache haben fie cine nad | Blattern, Bliitendolden in anſehnlichen Rifpen umd 
dem Dewanagari qebildete Schrift von 36 Buchſtaben meiſt faſt fugeliqer Steinfrudt. Ctwa 25 Urten, merit 
und eine ciqne Literatur, Darunter die »>Radfawenge, | im wärmern Nordamerifa und fiidditlicden Vijten. A. 
dic Geſchichte der Könige. Lefen fonnen als Schiiler | spinosa LV. ngelifabaum), in Nordamerifa, Ja— 
dee Klöſter (Mjaung) fart alle. — Die älteſte Gefdhichte | pan, Norddhina, mit baumartigem, dornigem, 3 m 
ijt fagenhaft. 639 n. Chr. (Beqinn der tra von A.) hohem Stamm, großen, mehrfach zuſammengeſetzten 
wurde hier aus Ceylon der Buddhismus eingefiihrt. | Blättern, eine unjrer ſchönſten Blattpflanyen. A. 
Zwiſchen 900 und 1000 fällt die Glanzzeit des Reiches edulis Sieh. et Zucc. wird in Japan als Gemiife, Die 
von A. Das weſtliche Birmareid) wurde vorüber- Wuryel von A. nudicaulis L., einer Staude mit dret⸗ 
chend unterworfen. 1679 ging die Nordproving | zählig yufammengefesten Grumdblattern und blatt- 
jdhittagong an den Großmogul Aurangzeb verloren; loſem Blütenſtengel, als nordamerifanijde Saf- 
1783 wurde A. durch Bhodan Kora von Birma, 1826 | japarillen wur sel, ähnlich wie die ehteSajjaparrile, 
durch England erworben. Hauptort ijt jest Wyab | benutzt. Uber A. japonica oder Sieboldii j. Fatsia, 
(7. d.), ehemals das landeinwärts gelegene A. oder über A. papyrifera j. Tetrapanax. 
Wrobaung, das Triglyphon des Ptolemäos, das Araltageen, difotyle, etwa 400 Arten umfaſſende 
früher 100,000, 1881 nur nod) 3065 Einw. hatte. | Bflangenfamilie der warmen und gemäßigten Bone, 
Bgl. Phayre, History of Burma (Lond, 1883); Hay, | aus der Ordnung der Umbellifloren, mit regelmaki- 
A., campaigns for its development (daſ. 1892). | gen, oberſtändigen, oft fünfzähligen, diskustragen den 


warts gerichtetem, 2200 km langem Lauf bei Sao 
Soda mit dem weit weniger madtigen Tofantins 
(f. d.). Unter 13° ſüdl. Br. fpaltet fic) Der A. im zwei 
Yrme, Braco Maior und Braco Menor, und bildet 
die 340 km lange, 130 km breite, flace, unbewohnte 
Inſel Bananal oder Santa Una. Bon Santa Leo- 
potdina unter 150ſüdl. Br. bis gum Prezidio de Santa 
Maria wird der U. feit 1869 mit Dampfern befahren. 
Aragwa (Aragos der Ulten), Nebenfluß der Kura 
in Transfaufajien, deſſen Tal die militarijd -qru- 
ſiniſche Straße, Hauptverkehrsſtraße zwiſchen Tiflis 
und dem europäiſchen Rußland, durchzieht. 
Araiſch (El A. »Weinberg<, bet den Europäern 
Larache), Stadt in Marokko, an der Mündung des 
Lled ef Khus in den Atlantiſchen Ozean, mit verfallenen 
Mauern, hiner Mofdhee (früher Jefuitenfirdye) und 
etwa 10,000 Einw., worunter 800 Yuden und 200 
Europäer. Die Einfuhr (vornehmlid Bucter) betru 
1890 fiber 3, die Ausfuhr (Bohnen, Wolle) 2,7 Mell. 
Frank. Es liefen 346 Schiffe mit 56,869 Ton. ein. 








Aralfee — Wranda. 


Bliiten (ſ. Ubbildung) und Beerenfriicdten. Hierber 
gehört der Efeu. Die Wurzel von Panax Ginseng 
Nees wird arzneilich 
benutzt. Wrten von 
Aralia, Panax, He- 
dera u. a. find aus 
Tertiärſchichten be— 
kannt. 

Aralſee (Inſel— 
fee, Ural-Den- 
gis, d. h. Inſel— 
meer, der Kirgiſen, 
Blaues Meer der 
Ruſſen, der See 
Oriana des Altertums, Meer von Khowaresm 
oder Khuarism des Mittelalters), nächſt dem Kaſpi— 
ſchen Meer der größte Binnenſee Aſiens (ſ. Karte 
„Zentralaſien«), zwiſchen 76 — 79° öſtl. L. und 
43° 30‘— 46° 50 nördl. Br. Seine Lange beträgt 
874, feine Breite 309 km, fein Flächeninhalt einſchließ⸗ 
lich Der in ihm lieqenden, 2517 qkm mejjenden Inſeln 
67,769 qkm. Die Küſte ijt niedrig, fandig, unfrucht⸗ 
bar; die eingigen Flüſſe, die er aufrimmt, find Yom 
Darja und Sir Darja. Der Waſſerſpiegel liegt 48 m 
it. M., 74 m itber dem Rajpifden Meer, dod) verliert 
er jährlich 5 Nubiffilometer Waſſer, feine Hohe muß 
alfo jahriid) um 7 cm abnehmen. Dak er früher ein 
15,5 m höheres Niveau gehabt hat, zeigen die alten 
Wajjermarfen. Bon den zahlreichen ae eln find die 
Zareninfeln, deren größte Nifolaiinfel heißt, 
die widtigiten. Das Wafer ijt ſchwach falzhaltig 
(1,08 Broz.) und wird von Untilopen und den Haus— 
tieren der firgifiidjen Nomaden getrunfen. Die Tiefe 
beträgt in der Mitte 27 m. Im SW. geht der A. in 
den Sunpfſee Laudan oder Aibugir iiber, im N. 





Blite von Aralia japonica, 


fcheidet die Inſel Kug-Aral den großen fildliden 


Teil, das »> Grohe Meer« (Ulu-Dengis), von dem mur 
5500 qkm großen »Kleinen Meer⸗ (Kitſchkine⸗ Dengis). 
Im Winter ſoll der See nicht ſelten ganz mit Eis be— 
deckt ſein; — 20° find nicht ſelten. Befahren wird 
der ſehr fiſchreiche See nur von kleinen Regierungs— 
dampfern. Unt die Kenntnis des Sees und ſeiner Ufer— 


| die Sprache des babs 
| Dem 4. C 


667 


Land zwiſchen Euphrat und Chabur als Aram Na— 
haraim (⸗Syrien der beiden Flüſſe«) bezeichnet wird. 
Als der mächtigſte der aramäiſchen Staaten erſcheint 
unter Saul und David Aram Zoba, ſüdlich von 
Damaskus, den David glücklich bekämpfte. 

Aramaer, |. Semiten. 

Aramäiſche Sprachen, benannt nad dem Land 
Uram, worunter im Wten Tejtament Gegenden in 
Syrien und Mefopotantien verjtanden werden, bil: 

deten zuſammen mit dem Hebräiſch-Phönikiſchen den 
nordweſtlichen Zweig des femitiidyen Sprachſtammes, 
jind aber bis auf einige geringe Uberrejte bei Damas: 
fus, am Urmiafee, bet Moful und im Gebirge Tür 
abbdin in Mefopotamien völlig ausgeitorben. Schon 
in dem altbabylonifden und aſſyriſchen Reiche wa- 
ren a. S. ftarf verbreitet, und in den Zeiten des Per— 
ferreiches galt Aramäiſch ald die offiziclle Sprache fiir 
die Provinzen weftlid) vom Euphrat bis nad Kleine 
ajien und YUgqypten hinein. Aus diefer Epoche ſtam— 
men aramäiſche Inſchriften auf Steinmonumenten, 
Siegeln und Gemmen, aus der perſiſchen Beit viel- 
leicht auch ſchon Stücke des Efra. Schon frith näm— 
lid) ſetzte ſich das Aramäiſche aud) in Paläſtina feft, 
wo es das Hebräiſche verdrängte, und kommt daher 
ſchon im Alten Teſtament (im Eſra- und im Daniel- 
bude) vor, namentlid) aber in den jüdiſchen Targums, 
d. h. Den Baraphrafen der beim Gottesdienjt verleſe— 
nen Vibelterte, deren hebräiſchen Wortlaut man nicht 
mehr verſtand, fowie aud) in einer famaritanijden 
Uberfesung des Pentateuch. Die übliche Bezeichnung 
dieſer paläſtiniſchen Sprache als Chaldäiſch beruht 
auf der irrigen Anſicht, daß die Hebräer ſie nach der 
babyloniſchen Gefangenſchaft aus Chaldäa mitgebracht 
hätten. Sie iſt vielmehr als Weſtara mäiſch au be— 
zeichnen, zuſammen mit der aus zahlreichen Inſchrif— 
ten von furs vor Chriſtus bis zum Ende des 3. Jahrh. 
befannten Spradje von Palmyra und mit dent eben- 





falls nur aus Inſchriften befannten Schriftdialekt des 
arabiſchen Stammes der Nabatäer. Die ojtara: 


mäiſchen Dialette umfaſſen 1) das Syrifde, 2) 
lonifden Talmuds aus 


6. Jahrh. n. Chr. und 8) die etwas jiingere 


landſchaften machten fid) verdient: Vturawiew 1819, Sprache der chriſtlich-heidniſchen Sette der Mandaer 


Negri und Meyendorff 1820 —21, Berg 1825 — 26, 


Helmerſen 1833 —35, Perowſtij 1839, Shemtufhni- | 


fow 1840, Untow 1840 —41, Danilewffij 1842 —43, 
Schulz und Lemm 1843, Butjafow und Makſchejew 
1848. Geit 1849 befegten die Ruſſen mehrere Inſeln, 
dod) gelangten fie at 1873 durch den Frieden mit 
Chiwa (f. d.) in den unbeftrittenen Beſitz des Sees. 
Die widtigiten Plage find im O. Kaſalinsk, im S. 
Tidhimbai. Bal. Roster, Die Uraljecfrage (Wien 
¥873); Wood, The shores of the Aral-Lake (Lond. 

Aram, Land, ſ. Aramäa. [ 1876). 

Aram (jor. dco), Eugene, Held eines Bulwerjden 
Romans, geb. 1704 zu Ramsaill in Yortihire, Sohn 
eines Gärtners, gelehrter Sdhulteheer, avbeitete an 
einem keltiſch-engliſch-lateiniſch-griechiſch-hebräiſchen 
Wörterbuch und wurde wegen eines aus Eiferſucht 
verübten Mordes an dem Schuhmacher Clark 3. Aug. 
1759 gehenkt. Sein Schickſal lieferte auch den Stoff zu 
Thomas Hoods Gedicht »The dream of Eugene A.« 

Aramäa (Aram), im Alten Tejtament das ganze 
Gebiet zwiſchen Phönikien, Paläſtina, Arabien, dem 
Tigris und Armenien, in welchem die aramäiſche 
(ſyriſche) Sprache geredet ward, mithin Syrien und 
das Meſopotamien der Griechen. Vorzugsweiſe iſt 
aber A. das eigentliche Syrien mit der Hauptitadt 
Damasfus Uram Damaſel), dem gegeniiber das 


| (einemt andern Teil Babyloniens angehirend). Seit 
dem Aufkommen des Islam wurde fajt das ganze ara- 
mäiſche Sprachgebiet allmählich durch das Arabiſche 
eingenommen. Vgl. Nöldeke, Die ſemitiſchen Spra- 
chen (2. Aufl. Leipz. 1899), und die Artikel: ⸗Chal⸗ 
däiſche Sprache, Mandiier, Syriſche Sprache« u. a. 

Aramidae (Hühnerrallen), Familie der Wat— 
vögel. 

Arancini (ital., for. ſchini), in Scheiben zerſchnit— 
tene und in Zucker eingemachte Pomeranzenſchalen; 
auch kleine, unreife, in Zucker eingemachte bittere 
Pomeranzen, dienen als magenſtärkendes Mittel. 

Aranda, Pedro Pablo Ubaraca de Bolea, 
Graf von, ſpan. Staatsmann, geb. 21. Dez. 1718 
in Saragoſſa, geſt. 1799, widmete ſich anfangs dem 
Militärdienſt, bereiſte dann Italien, Deutſchland und 
Frankreich und widmete fic) auf ſeinen Gütern wijjen- 
ſchaftlichen Studien. Während des Siebenjährigen 
Krieges war er Geſandter am polniſchen Hofe, 1762 
bewaͤhrte er im Kampfe gegen Portugal militäriſches 
Talent. 1766, nach dem Aufſtande des Madrider Volkes 
gegen die Reformen Karls III., ernannte diefer den 
aufgeflarten und tatfraftiqen YW. zum Präſidenten des 
Hates von Kaſtilien und Generaljtatthalter diefer Pro— 
ving und erhob ibn inden Grafenitand. Als begeijterter 





Anhänger der franzöſiſchen Aufklärung ſchaffle er eine 


168 


Menge firdlider DikSraudhe ab, unterwart die Cr-- 
densgeijtlichteit dem Staat, pigelte die Inauiñtion und 
bewirfte Die Bertreibung der Jeiuiten cus Spanien 
Wud um Kimite und Siſſenichaf⸗ 
ten ecwarh er fich groke Berdienite. In Der ãußern 
VLolitit war er ern lerdenichaftltcher 6 Englands. 
Auf jeme eigne Gate ſchidte der Rong A. 1773 als 
Geiandten an den franjoitiden Hof. 1* in dieſer 
Stellung zeigte ſich A. Guperit rührig; dem Bartier 
Frieden ( 1755) brachte er unerwartet glücklich zu ſtande. 
1787 puriidgerufen, befampite er eiterfiichtig den Mi⸗ 
niiter Floridablanca, bis die xonigm Marte Lurie A. 
im Februar 1792 wieder an die Sige Der Geichafte 
ie ge da —— ihrem Giinitling Godoy — 

ec hielt als jenen. Wm 15. Rov. 1792 

i —* als Kremierminiſter Durch Godoy er⸗ 

ſetzt und, alg ex dejjen ausmartige Polit? befampfte, 
im Mai 1793 nad Jaen in Undalujien verwiejen. 
Erjt nad dem Bajeler Frieden durfte er 1795 auf ſeine G 
Wiiter in Uragonien geben, wo er jtarb. 

Aranda de Duero, Be jicfshauptitadt in der jpan. 
Provin; Burgos, am Duero und an der Eiſenbahn 
Balladotid-¥ rija, = (1900) 5736 Emw., die Wein: 
bau und BWeinhandel tretben. [nentiere. 


Araneina, edjte Spinnen, Crdnung der Spin- . Petdji 


Araneo griech.), ſ. Arachnologie. 

Araninſein Arraninſeln), drei Inſeln an der 
pegs bpd Galwaybai( jriand), zuſammen 47qkm 
(0,45 ODM.) grok mit 3163 Bewohnern. Die gropte 
Dericlben (Qnifhmore oder Aranmore) iit 108m 

od), fallt nad) dem Atlantiſchen Ozean ju in jtetlen 
elfen ab und ijt reid) an feltifchen Altertümern. Bet 
bellem Wetter ijt von hier aus die Zauberinfel Hy 
Brviail fidtbar, das Paradies der heidniſchen Iren. 
Auf alten Karten erjdjeint diefe fabelhafte Inſel un: 
ter Den Ramen Brafil oder O'Brafil. S. aud Arran. 

Mranjues cir. duce), Stadt in der fpan. Proving 
Madrid, Bezirt Chindén, am Tajo, Rnotenpunft an 
der Siidbahn, 519 m fi. M., ein regelmäßig gebauter 
Ort mit (900) 12,670 Einw. Das ſchöne Schloß von 
W., die? pice laa des ſpaniſchen Hofes, wurde 
unter Philipp LL. durch Herrera begonnen und unter 
Sarl IIL. vollendet, enthalt Gemalde von Giordano, 

ridtige Tapeten, viele Kunſtſchätze und ijt von gro- 
i mit Marmorfontinen geſchmückten Garten und 
a edehnten Barf- und Waldanlagen voll herrlicher 
holsbejtinde umgeben. Innerhalb des Barfes, 
ber Durd) Den Tajo und Jarama bewäſſert wird, liegt 
bie Cafa del Gabrabdor (Bauernhiitte), eine von 
Karl LV. aufgeführte Billa. Die Umgebung bildet die 
foniglihe Domaine YW. mit —— Waldbeſtänden 
und Wieſen. A. verſorgt Madrid mit Gemüſe und 
Erdbeeren. - Yn WU. brad) jene Verſchwörung aus, 
un deren Modoy 18, März 1808 geſtürzt wurde 
und König Karl TV. zu gunſten Ferdinands abdantte. 
Uranfcher Uther, {. Uthylchlorid. 

Mrantal (Valle dWran), fined Pyreniental 
in Der fpan. Proving Lerida, das fic) an die Ojtieite 
der Maladettagruppe anlehnt und, vow der obern Wa- 
ronne durchſtromt, gegen Frankreich öffnet. Es wird 
von etwa 14,000 Menſchen bewohnt, die tn ſehr ärm— 
lichen Verhältniſſen leben, Holzhandel und Maultier— 
zucht treiben, und hat Biella (mit 705 Einw.) faſt 
HO m it, M. zum Hauptort. 4 km unterhalb Bo— 
ſoſt liegt der Badcort Yes, mit 681 Cinw., altem 
Schlo und einer Schwefeltherme (39°). Das A. 
ſteht durch den Port de Viella (mit einem Hoſpiz 
in 2505 m Hohe) mit dem ſüdlicher qeleqenen Tal des 
Noguera Ribagorjana in Verbindung. 


Aranda be Duero — Mrdometer. 


Arany (ioc. srex. 1) Jdwos (JoG§ann), bervor 


zum zweit 
teriſchen Talent verſchaffte er mit einem S 
erfennung. als er mut dem perdi 
fomiiden Epos »Die veriorene Hung (1845) 
einen Preis der Misfaludygefellidaft errang. Gleich 
itarfen Erfolg batten femme nachiten beiden 
Dichtungen, — — Toldi · und 
> Die « (bewe deutid von 
t , Leip, 1851). Babrend der ungariſchen 
Revolution befleidete A. cine Ronsipiitenitelle im ve 
nijtertum Sjemere, lebte Dann mebrere Jahre ann 
und gedriidt im ſeinem , DS er 1854 die 
—— der — —— Sprache und Lrteratur om 
von Nagy Koros erhtelt, von wo er dann 
1860 als Pirettor ——— ft nach Buda: 
pejt berufen wurde. Seit 1859 ordentliches Mitglied 
der ungarifdjen Wlademtie, wurde er 1865 jum in: 


_ digen Sefretar derjelben ernannt, legte aber 1878 dieje 


Stelle aus Geſundheitsrückſichten mieder. A. ijt mit 
der bedeutendjte ungariſche Nationaldidter der 
Neuzeit. Seine Darjtellung ijt männlich kräftig, ſeine 
Form einfach⸗ melodiſch, dabei von dem Bilderreich 


tum der magyhariſchen Vollsſprache aufs glücklichſte ge- 


tur ibre glänzendſten epiſchen Dichtung 

große Unjabl klaſſiſcher Balladen geſchentt. Bon ipa 
tern Dichtungen find nod ju erwahnen »atharina 

| (1850), » Die Zigeuner von Groß Ida ⸗ (1852), Tol. 








tragen. A. bat unter anderm der ungariſchen Litera: 


Dt en und cine 


dis Abend «( 1854; deutich von Kolbenheyer, Peſt 1856), 
Budas Tod<( 1864, preisgefrint ; deutid von Sturn, 
Leipz. 1879), endlid) »Toldis vebe (1879; deutſch 
von Kolbenheyer, Peſt 1884), das Mittelglied der ge 
—*— —— Aranys » Geſammielte 
erſchienen 1885 in 8 Banden. > Wusgewablte —* 
en von A.« überſetzte Sponer (Leipz. 1880), »Bal- 
aden« Brud (Wien 1886). Jn Budapeſt wurde dem 
Didter 1893 ei Denfmal (von Strobl) geſetzt. 

2) Lafzl6 (Ladislaus), ungar. Didter, Soba 

des vorigen, geb. 24. Mar; 1844 mn Grok-Sjalonta, 

ejt. 1. Uug. 1898 in Budapeſt, ſchrieb: »Der Held 
sig agate ssa (2A délibabok hése«), ein durch 
ſcharfe pſycho 2* Analyſe hervorragendes Cha 
ralterbild in Ve 

ieaupibta, Dorf im ungar. Romitat Wau} 
Torna, mit Gold- und Silberqruben und 635 Einm 

Aranyos (fpr. aranjoſch lat. Crisola, dann Aranus), 

oldfiihrender, 130 km langer Fluß in Ungarn, ent 
i pringt im Biharer Gebirge und miindet im Komitat 
Torda-Aranyos in die Maros. 

Aranyosgebirge (pr. aranjojs»), Zweig der Sad 
farpathen, f. Narpathen. 

Aranyos: Maroth, ungar. Markt, ſ. Bard. 

Aranjada, jpan. — on —— — = 400 
OCEjtadales, meijtens — 44,719 Ar. 

Ardometer (gried., Fiuffigteinsmeſſ ere, Senl⸗ 
wage, Schwimmwage, Gravimeter), Inſtru— 
ment zur idee bes ſpezifiſchen Gewidts, grin: 
det fich auf das Geſetz, daß die von Dem ——— 
Teil eines ſchwimmenden Körpers verdrängle I 
leitsmenge ſo viel wiegt wie der ganze ſchwim 
Körper. Ein Skalenaräometer (Fig. 1) beſteht 
aus einem hohlen Glasfirper, der unten in cine mut 
Queckſilber gefiillte i endigt, nad) oben aber in 
die Spindel austiuft. Wan fenft das Inſtrument in 


Aradopyfnometer — Mrar. 


669 


Waſſer cin, in dem es lotredt ſchwimmt, bezeichnet den oben auf dünnem, mit Marfe c bezeichnetem Hal ein 
Punkt der Spindel, bis gu dem es einfinft, mit 100 | Schälchen d. Um das Ynjtrument bis zur Marte in 
und teilt die Spindel derart ein, daß der zwiſchen zwei Waſſer etnjinfen zu maden, muß auf das Schälchen 


Teilſtrichen enthaltene Raumteil cin Hundertitel be- 
trigt von dem in Waſſer untergetaudten Rauminhalt. 
Sinlt nun das A. in einer Flüſſigkeit bis zum Teil- 
jtrid) 80 ein, fo heißt das, daß 80 Raumteile dieſer 
Flüſſigkeit fo viel wiegen wie 100 Raumteile satan: 
und als ſpezifiſches Gewidht der unterfudten Fliijjig- 
feit ergibt fid) 100:80— 1,25. Sinkt dagegen in einer 
Flüſſigleit das A. bis gum Teilſtrich 110, fo ijt ihr 
ſpezifiſches Gewicht 100: 110 —0,909. Damit die Spin- 


del nidjt unbequem lang ausfalle, fonjtruiert man ein | 
U. fiir Fliiffigteiten, die ſpezifiſch ſchwerer find als | liert nun fo viel von feinem Gewidt, 
Wafer, und fegt den Teiljtrid) 100 (den Wafferpuntt) als das von ihm verdriingte Wafer 
an das obere Ende der Spindel und cin zweites für wiegt. Die Gewidte, die man auf dem 
fferpuntt Schälchen zulegen mug, um das In— 
am untern Ende der Spindel. Cin A. mit ſtrument wieder bis zur Marke eingu- 
Der befdjriebenen, von Yay - Luffac angege: | fenfen, geben denmad dad Gewidt 
ei | eines mit dem Körper gleiden Bolu- 
den Denfimetern gibt die Sfala unmit- | mens Wafer an, mit dem man nur 


Sfala immer näher gufammen. Andre W. ſpezifiſches Gewidt zu erfabhren. 


leidjtere Flüſſigkeiten mit dem 
Oe. 1. chtere Flüſſig 


benen Einteilung heißt Volumeter. 


telbar die ſpezifiſchen Gewichte an; die Teil- 
ftridje riiden nad) dem untern Ende der 


geben Direft den Dem ſpezifiſchen Gewicht 
entipredjenden Prozentgehalt an denjenigen 
Bejtandteilen an, die ihren Kaufwert bedin- 
en, z. B. den Wifoholgehalt im Spiritus. 
iefe Brogentaradometer find als Alko— 
holometer, Wifalimeter, Säuremeſſer, Salz— 
fpindein, Mildwagen, Moftwagen rc. im 
Webraud. Die U. von Baumé, Ved, Brir, 
Cartier u. a. beſitzen cine willfirlide 
Stala, deren Teiljtride man »Grade« 
nennt ; fie geben unmittelbar weder fiber das 
ſpezifiſche Gewicht nod) iiber den Prozent⸗ 
gehalt der Flüſſigkeiten Uustunft; erjteres 
entnintmt man aus einer Tabelle. 

Da das fpegififdhe Gewicht der Flüſſigleiten 
mit der Temperatur fic) dndert, fo find die 
Ungaben der W. nur bei der Temperatur 
ridjtig, für die fie verfertigt find, und die Daher auf 
dem Inſtrument angegeben fein mu. Um zugleich 
Die Temperatur der Flüſſigkeit —— und danach 


Sktalen⸗ 
ardo= 
meter. 


bie Ungabe des Aräometers verbeſſern gu können, ijt 
cin Thermometer in dasfelbe eingeſchmolzen, bet 
fen Kugel zugleich diejenige des Aräometers bildet 
(Thermoaraometer). 
Gewidtsardometer werden durch Uuflegen von 
Gewichten immer bis zu derjelben Marve eingetaucht. 
Fahrenheits Gewichtsaräometer befitt einen 
diinnen Hals mit Marke, der oben ein zur Aufnahme 
von Gewidten bejtimmtes Schaldentraigt. Man muß 
nun, dantit das Inſtrument bis zur Marfe in Wafer 
cinfintt, cin gewiffes Gewicht auflegen, fo gibt dieſes 
Gewidht, zu Dent vorher beſtimmten Gewidt des gan— 


3 


zen Inſtruments hinzugezählt, das Gewidt des von | 


nun dent gu unterfudenden Körper, der leidjter fein 





dem untergetaudten Teil verdriingten Wafers an. 


Um das YW. in einer andern Flüſſigkeit bis gu der- 
felben Marke einfinfen gu maden, muß man ein an: 
dered Gewidt auflegen, das, mit demjenigen des In— 
{truments vereinigt, dad Gewidt eines gleichen Bo- 
lumens dieſer Flüſſigkeit angibt, deren ſpezifiſches 
Gewidt fonad) gefunden wird, wenn man die legtere 
Zahl durch) dic erjtere dividiert. Das Nid olfonfde 
Gewidhtsardometer(Hydrometer, Fig. 2) dient 
gur Vejtimmung des ſpezifiſchen Gewidts feſter Kör— 
per. Cin oben und unten fegelfirmig zulaufender 
Hohlzylinder aus Blech a tragt unten ein Körbchen b, 


d cin gewijjes Gewidt aufgelegt werden. Bringt man 


muß als das vorhin erforderlidje Gewidt, auf das 
Schälchen, ſo muß man nod) Gewwidt- 
jtiice auflegen, um abermals das Cin- 
tauchen bis zur Marke gu ergielen; 
jieht man dieſe von jenem Gewicht ab, 
jo erfabrt man das Gewidt des Kör— 
pers. Dieſer wird dann in das Körb⸗ 
den b unter Waſſer gebradjt und ver- 


fig. 2. 


das vorher ermittelte Gewid)t des Kör⸗ 
pers au dividieren braucht, um fein 
; liber 
Musſchenbroeks A. ſ. Spegififches 
Gewicht. Vgl. Meißner, Die Aräo— 
metrie (Nurnb. 1816, 2 Bde.); Gerlach, Gegenſei—⸗ 
tiger Vergleich der Aräometerſtalen (Dinglers ⸗Poly⸗ 
techniſches Journal·, 1865 und 1871); Weinſtein, 
ber die Vejtinmumg von Aräometern (Berl. 1890). 
Ardopyfuométer , Inſtrument jur VBejtimmung 
ded ſpezifiſchen Gewidts von Flüſſigkeiten, bildet eine 
Verbindung de3 Urdometers mit dem Pyfnometer. 
Der Hohlraum ec (jf. Abbildung) nimmt 
etwa 10cem Der zu wägenden lüſſigleit 
auf und wird mit dent Stöpſel d verſchloſ⸗ 
fen, während ein Knöpfchen e letzterm 
das Gleichgewicht halt. Dic Erweiterung 
an der Sige des Inſtruments ent- 
halt etwas Quechſilber; b ijt eine tcere 
Sdhwinunfugel, a die Sfala. Beim Ge- 
braud) fiillt man die Kugel c, fest den 
Stöpſel, ohne Bildung emer Lujtblafe, 
ein, fpiilt das Inſtrument mit Waſſer ab, 
taucht es in Dejtilliertes Waſſer von be- 
jtimmter Temperatur und lieſt dad ſpezi⸗ 
fiſche Gewicht unter dem Wafferfpiege! an 
der Sfalaab. Eine bejonders tleine Forme 
des Inſtruments, die nur weniger Kubit- 
gentimeter Flüſſigleit bedarf, dient zur 
Unterjudung von Frauenmild u. Harn. 
MArdofacchariméter, ſ. Harn (Unterſuchung). 
Arapahoes (Arapahu), Indianerſtamm der 
Algonkin (f. d.) im Quellgebiete des Kanſas, von den 
Franzoſen »gros ventres des prairies« genannt. 
Arapaima (Pirarucu, Arapaima gigas Cuv.), 
Edelfiſch aus der Familie der Knochenzüngler (Osteo- 
glossidae), bis 5 m lang, mit febr gejtredtent, ſeitlich 
jufammengedriidtem Leib, grofen, mojfaifartigen 
Schuppen, flanger, beſchuppter, ſchwanzſtändiger 
Rücken- und Afierfloſſe und abgerundeter Schwanz— 
floſſe. Schuppen und Floſſen glänzen in allen Über⸗ 
a von Dunfelgrau, Rot und Bläulichrot. Der 
. bewohnt die Strome Brafiliens und Guayanas. 
Sein Fleiſch bildet cinen bedeutenden Handelsartifel. 
Clrar, Fluß, ſ. Sadne. 
Mirar (Ararium, v. lat. aes, Geld), bei den Rö— 
mern die Schatzlammer und der Staatsſchatz im 
Tempel des Saturn, beftehend aus zwei Teilen, von 





Gewidts- 
ardometer. 





Ardopotno- 
meter. 


670 


denen der eine die regelmäßigen Abgaben aufnahm 
und die laufenden Ausgaben bejtritt, der andre fiir 
Den Fall Der Not dienen follte. Die Verfügung über 
das 4. lag in den Händen de3 Senats, die Verwal- 
tung wabrend der Republif in den Handen der Dua- 
ftoren; fpdter wechſelten die Beamten. Daneben be- 
jtand unter ben Raijern das von ibnen gan; abhän— 


ige aerarium militare , das von Auguſtus jur Be 


treitung militdriider Bediirfnifje begriindet und 
durch zwei neue Steuern, die Erbidafts- und Kon— 
jumtionsiteucr, ausgeftattet ward. Allmählich trat 
das A. immer mehr hinter den Fistus (7. d.), den 
faijerlidhen Schatz, juriid und verſchwand Anfang 
des 3. Jahrh. Heutzutage bezeichnet A. entweder die 
Staatsfajje im allgemeinen oder (in Zuſammen— 
fepungen, wie Zollarar, Domanendrar) einzelne Cin- 
nahmesweige. 

Ararag (Uras), ſ. Papageien. 

Ararat, alter Name der Hodebene am mittlern 
Urares in Urmenien (j. Karte ⸗-Kaulaſien«), Haupt- 
fig eines alten, ſchon im Alten Tejtament erwabnten 
Reiches A. Dieſe Hochebene ijt auch in der Geſchichte 
von ber Sintflut gemeint, weldje die > Berge von A.« 
alS RettungSort Noahs angibt. Nad armeniſchem 
Glauben jollen die Refte der Arche nod) auf dem 
Gipfel vorhanden fein. Dod) tibertrugen ſchon die 
alteiten Bibelerflarer Den Namen A. auf den höchſten 
der armenifden Berge, egen Die Urmenier den 
UW. nur unter dem Namen Mafis, die Tiirfen als 
Agri Dagh (rfteiler Berge), die Perfer als Rubi 
Nuh (> Noahs Berg<) fennen. Der Berg A. bildet 
eine ausgedehnte, majeſtätiſche Gebirgsmaſſe, die fid 
am Siidrande der 985 m hohen Sonim von Eri- 
wan bis in die Sdyneeregion erhebt und in zwei 
Hauptgipfeln, dem Groen (5165 m) und Kieinen 
YU. (4030 m), endet, beide in den Spifen 13 km von- 
einanbder entfernt und Ddurd einen fdymalen Hdhen- 

ug verbunden, den ein 2687 m hober Paß iiber- 
34 Der Große W, ein leicht abgerundeter, mit 
ewigem Schnee bededter Rieſenlegel mit drei Gipfein, 

tam Fuge 40 km Durdmejjer, Schneefelder und 

letſcher reichen 1000 m tief binab. Das Geſtein ijt 
durchaus vulfanifd, und der Ausbruch vom 2. Juli 
1840, wobei das Dorf Urguri und das St. Yatobs- 
flofter vernichtet wurden, hat bewiejen, dak der Feuer⸗ 
herd in feinem Innern trog vielleidht jahrtauſend⸗ 
langer Untatigteit (es liegt von vulfaniiden Aus— 
briiden aus hijtorijder Zeit bid dahin fein Zeugnis 


vor) nod) feineswegs erloichen ijt. Wud der Kleine | 


UW. ijt durchaus vulfanifd; fein Gipfel bildet dad ab- 
geſtutzte Ende einer vieredigen Pyramide. Die Vege 
tation am YL. ift febr diirftig. D iſt nirgends ju 
feben, nur zwiſchen Dem Groen und Kleinen A. fin- 
det fic) einiges Virten-, Wadholder- und Zwergmiſpel⸗ 
eftriipp. In der Nahe des ewigen Sdnees, dejfen 
Yrenze zwiſchen 3000 und 4000 m Höhe liegt, brei- 
ten fic) bier und da qriine Matten aus, welche die 
Rurden tm Sommer mit ihren Herden beziehen. Der 
Wipfel des YW. wurde zum erjtenmal 27. Sept. 1824 
von dem Dorpater Naturforfder Parrot, ſpäter 
von Abich und We. Wagner erjtieqen. Die wichtigſte 
Beſteigung wurde 1450 zum Zwecke der kaukaſiſchen 
Triangulation vom ruſſiſchen Oberſt Chodzko aus- 
greet, der beide Gipfel erllomm und auf dent ded 

roßen A. faſt eine Woche (6.-- 12. ug.) mit Mef- 
fungen zubrachte. Am A. ſcheiden ſich Türkiſch-, 
Ruſfiſch und Perſiſch⸗Armenien; am Oſtfuße des 
Kleinen YL beginnt das perſiſche Gebiet (Aſerbeidſchän), 
Die Nordſeite der ganzen Maſſe mit den Gipfeln ge- 


Araras — Aratos. 


‘hort dem ruſſiſchen. die Siidfette Dem titrfifden Reich 
an. Bgl Parrot, Reiſe jum A. (Berl. 1834, 2 Te}; 
M. Wagner, Reiſe nak dem A. (Stuttg. 1848); die 
Reifewerfe von Barmelee (Boft. 1868), Bryce (4. Aufl. 
Yond. 1897), Rowalewifi] und Warfow (Petersb. 
| 1889) und Leclere (Far. 1892); Jwanows li, Der 
A. (ruff., Betersb. 1897). 
Ararat, Stadt im britijdh-anitral. Staat Bic 
| toria, durch Erjenbahnen nut Welbourne, Portland, 
‘ Cajtlemaine und Wdelade verbunden, mut Srren- 
‘anjtalt, Sranfenbaus, Handwerferinititut mut 4500 
‘Banden, Beindau, Aderbau, Handel, alten Gold: 
gruben in der Umgebung (1666 YUrbeiter) und aoem 
4084 Cinw. 
| Wraroba (Mrarobin), f. Chryjarobin. 

Aras (bei den Ulten Mrares, armen. Jeraf a), 
Hauptitrom Armeniens, entiteht im türk. Wilajet 
Erjerum zwiſchen den beiden Euphratarmen aus dent 
ſüdlichen, in 2050 m Hohe am Vingol Dagh ent: 
ipringenden aiid es Su und dem nordlicden mn O. 
von Erzerum entipringenden Rale Su. Rach ihrer 
Vereinigung durchfließt der A. die 1550—1700 m 
hobe Hodebene Kajin und tritt dann ins ruſſiſche 
Yrmenien über. Bei Eriwan fic ſüdöſtlich wendend, 
dann nad O. und NO. umlenfend und in die Ebene 

ban cintretend, bildet er auf eine weite Stree 
die Grenze zwiſchen Berjien und Rugland und miin- 
det endlich in Den Kur, der hierdurch erjt fiir grö 
Schiffe fabrbar wird. Hauptnebenflitije de3 VL ſind 
lints: Urpa-Tidai und Berguſchet, rechts: Al-Tſchai 
und Kara⸗Tſchai. 

Arator, chriſtlicher Dichter des 6. Jahrh., aus 
Ligurien, hauptiadlic in Maitland ausgebildet, wid- 
mete fid) unter Theoderid) der jurijtiiden Laufbahn 
und wurde unter Uthalarid) in den Staatsdienjt ge- 
zogen, trat aber um 540 gu Rom in den geijtliden 
Stand. Mls Subdiafon verfafte er um 544 eine dem 
Papſt Vigilius gewidmete VBearbeitung der Apoſtel⸗ 
geſchichte in Herametern (»De actibus apostolarum«, 
2 Bücher; hrsg. von Migne, »Patrologie latines, 
Bd. 68, und von Hübner, Neiße 1850), die wegen 
ibrer myſtiſch- allegoriſchen Auslegung bei den Heit 
genojjen großen Beifall fand und aud) tm WMittelalter 
auf Den ulen gelejen wurde. 

ratos, 1) Y%. aus Soloi inMilifien, griech. Did- 
ter, um 315 — 245 v. Chr., lebte meiſt am Hofe des 
Yntigonos Gonatas von Mafedonien, in dejjen Auf⸗ 
traq er fein Hauptwerf, das ajtronomijde Gedicht 
» Phaenomenas, iiber Sternerſcheinungen, obne eigne 
Nenntnis, nad den Werfen des Cuboros abjante 
Obwohl der Originalität und des poetiſchen Schwun⸗ 
ges entbehrend, fand das in einfachem, erhabenem 
Tone gehaltene, in bündiger, klarer Sprache und lor⸗ 
pero ya geſchriebene Gedicht im Altertum größte 
Anerlennung. Cicero, Cäſar Germanicus und Abie⸗ 
nus überſetzten es. Von den zahlreichen griechiſchen 
Kommentaren (vgl. Maaß, Commentariorum in 
Aratum reliquiae, Berl. 1898) beſitzen wir nament⸗ 
lich Den Des Hippardhos (ſ. D. 2). Neuere Ausgaben 
von Beffer (Berl. 1828) und Maak (daf. 1893); tiber- 
ſetzung von J. H. Voß (Heidelb. 1824). Bgl. Maak 
Aratea (Qerl. 1892). 

2) Strateg des Achäiſchen Bundes (f. Udder), S 
271 v. Chr. in Sifyon, geft. 213, ward nad der Er 
mordung feines Baters Meinias durd den Tyrannen 
Ubantidas vom fiebenten Jahr an in Argos erzogen. 
20 Jahre alt, vereinigte er fid) mit andern Fliidt- 
lingen aus Gifyon, um feine Vaterſtadt von der Dy 
rannenberrfdaft zu befreien. Der Plan gelang ; dod 











Arauan — Araujo Porto Alegre. 


begeqnete die Herjtellung des innern Friedens fehr 
vielen Schwierigfeiten, daher lie er Sifyon in den 
Bund der Udder aufnehmen (251) und wurde 245 
ju deffen Strategen erwählt. Gliiclid) in der Aus— 
dehnung des Bundes, formte er, ein befferer Politiker 
al8 Feldherr, den Spartanern, ſeinen Hauptfeinden, 
im Kampfe nit ftandhalten und entſchloß fich gu dem 
von feinen Geqnern ihm ge ſchwerem Vorwurfe ge 
madten Sdritt, 224 den Antigonos Doſon aur Hilfe 
gegen fie berbeigurufen und fo den Bund unter 
maledoniſche Herrſchaft zu bringen. Des Antigonos 
Nachfolger, Philipp LIL, lies thn wegen Mißhellig— 
feiten vergiften. Die Achäer aber feierten ſein An— 
denfen gleich dem eines Heros. Auch in der Litera- 
turgeſchichte machte fic) YU. einen Ramen als Ber- 
fajjer von (verlornen) »Denfwiirdigteiten«, die in 
mehr als 30 Büchern die Geſchichte feiner Beit und 
jeines Lebens enthielten, von Bolybios wegen ihrer 
Klarheit und Wahrheitsliebe fehr gerithmt und die 
Hauptquelle der Plutarchiſchen Biographie des A. 

Aranan, Dafenjtidtden in der wejtliden Sahara, 
unter 19° nördl. Br. und 3° weftl. Li, ohne alle Ve— 
qetation, daber fiir feine LebenSbediirfnijje ganz von 
Dem 200 km fiidlid) gelegenen Timbuttu abhängi 
bildet aber wegen ſeines Waſſerreichtums cine mid 
tige Rarawanenjtation. Die 1500 Bewohner (Uraber 
und freie Reger) find faft ausſchließlich Raufleute mit 
ihren Dienern, die aus dem Bermicten ihrer Kamele 
an die Rarawanen fowie aus dem von jedem belade- 
nen Kamel erhobenen Zoll hohen Gewinn ziehen. Jn 
U. wurde Laing 1826 ermordet. 

Araucaria Juss. (Undentanne), Gattung der 
Koniferen, immergriine, hohe Baume mit regelmäßig 
wirteljtindigen Ujten, ſchuppen- oder kurznadelförmi⸗ 
qen Blättern, am Ende gleich oder abmweidend be- 
blatterter verfiirster Laubsweige ftehenden Bliiten, 
von denen die männlichen Zäpfchen eingeln oder zu 

weien, die weibliden cingeln jtehen. Die Zapfen 
—* groß, kugelig, die Samen ungeflügelt. Zehn 
Arten in Siidamerifa, Auſtralien und Ozeanien. A. 
brasiliensis Rich. (Binheiro, ſ. Tafel »Roniferen«, 
Fig. 6), ein bis 50 m Hoher Baum mit langen Zwei- 
qen und lanjettlidjen, fpipen, ca. 8 cm langen Na— 
deln, bildet in der Bergregion des mittlern und fiid- 
lidhen Brajilien Wilder und trägt eßbare Gamen 
(Binhoes) in fehr großen Zapfen, deren fic) an 





einem Baum 50—80 finden. 100 Teile geſchälte Sa- 
men enthalten 31,6 Starfe, 2,35 Eiweiß, 8,3 Gummi, 
putes, Extraftivjtoff, 1,19 Fett, 13,3 Faſern ꝛc. Der | 
Baum liefert auch atherifdes OL, hellfarbiges Harz 
und Nutzholz. A. imbricata Pav. (Chilifidte, f. | 
Tafel »Nahrungspflanzen I<, Fig. 9, und Tafel » Koz | 
niferen«, Fig. 5), mit wageredt stackcaben Zweigen 
und dunkelgrünen, dicht dachziegelartig geordneten, 
eilanzettlichen, ſpitzen Blättern, bildet im ſüdlichen 
Chile Wälder. Die Zapfen, von denen ein Baum 
20—30 trägt, haben die Größe eines Menſchenkopfes, 
die Samen, von der doppelten Größe einer Mandel, 
ſind von größter Bedeutung für die Ernährung der 
Bevölkerung. Der Stamm gibt gutes Bauholz. Der 
Baum gedeiht in England und in den Rheingegen— 
den im Freien, bet fehr quter Bedectung felbjt in ge⸗ 
idiigten Lagen von Norddeutidland. Auſtraliſche 
Yrten find folgende: A. Bidwilli Hook. (Bunya- 
Bunya), bis 50m hoher Baum mit flachen, eilan- | 
zettlichen, jtechenden Nadeln, ovalen, fajt fugeligen, 
24 —30 cm langen Sapfen, deren Samen von den 
Eingebornen gegefjer werden. Das Hol; ijt febr 
Dauerhaft. A. columnaris Hook. (Sdulenjypreffe), 





671 


von fandelaberartigem Wuchs, mit gekrümmten oder 
gewölbten Nadeln und elliptijd)-ciforntigen Rapfen. 
Yus den Zapfen ſchwitzt Harz aus. A. excelsa R. 
Br. (Rorfolftanne), bis 60 m hoher Baum mit 
meiſt Finfaaibtigen Quirläſten, pfriemenformigen, 
vierfantigen Radeln, die an unfrudtbharen Sweigen 
ſichelförmig, an den frudtbaren dreiecig lanjettlic) 
find, fugeligen Zapfen von 16cm Durchmeſſer, wächſt 
auf der Norfoltinjel. Das rote, fehr fejte Wurzelhoſz 
wird gu Möbeln rc. verarbeitet. Die Samen find nicht 
ekbar. A. Cunninghami Ait, der vorigen ſehr abu- 
lid), bildet an der Ojttiijte von Neuholland grofe 
Walder und liefert gutes Nutzholz. Wile Arten wer- 
den bei uns in Gewächshäuſern fultiviert. 

————— ſ. Kordaitazeen. 

Arauco, chilen. Proving, begrenzt im W. und N. 
vom Stillen Ozean, im übrigen von den Provinzen 
Concepcién, Bio Bio, Malleco und Cautin, umfaßt 
11,000 qkm und (1895) 59,713 Einw., ohne die un- 
givilifierten, nod nidjt unterworfenen Uraufaner (f.d.). 
Die Proving, an deren Oftgrenge die 1500 m hohe 
Kordillere von Rahuelbuta verlauft, gehört ſchon gum 
regenreidjen Teil Chiles, hat im Gebirge ſchöne Arau— 
farienwalber, erjeugt in den von der Regicrung ge- 

riindeten Rolonien viel Korn, Wein und Sdladtvich, 
bt an der Miindung ded Lebufluſſes fowie im Gruben- 

ezirk von Quilanquin, wohin vom Hafen Laraqucte 
cine 40 kin lange Bahn fiihrt, ergiebige Kohlenfelder 
und wird in drei Departements eingeteilt. Hauptort 
ijt Qebu (fj. d.). Die Stadt W., an der Bai von A., 
hat eine offene Reede und (1885) 3458 Einw. 

Aranjo (jpr. arinfgu), Joaquim de, portug. Ly- 
vifer, geb. 22. Juli 1858, fchrieb » Lira intima«, »Occi- 
dentaes«, »Poetas mortos«, »A estatua do pocta« ; 
»Intermezzo« (Nachbildungen Heinefder Poefien), 
Dichtungen, die fid) Durd) Wohllaut der Spradje und 
natiirlide Empfindung auszeichnen. A. madte fic 
aud) al8 Herausgeber mehrerer Zeitſchriften befannt. 
Er lebt in Genua al8 Bijetonful. 

Araujo e Azevedo (jpr. ariufgu), Untonio de, 
Graf von Barca, portug. Staatsmann, geb. 14. 
Mai 1754 in Ponte de Lima, geſt. 21. Juni 1817. 
Er jtiftete in feinem Geburtgort eme Ofonomijde Ge- 
fellichaft und ward Mitglied der Utademie der Wiſ— 
ſenſchaften in Lijfabon; 1789 wurde er Gejandter im 
Haag, und 1797 follte er in Paris den Frieden mit 
Frankreich verniitteln. Als YW. gu diefem Bwede das 
Direftorium ju beftechen fuchte, ward er cingefertert. 
Nad) mehreren Monaten entlajjen, ging ev als Ge- 
jandter nach Berlin und Petersburg, von wo er 1803 
an der Stelle Ulmeidas alS Minijter der auswärti— 
gen Angelegenheiten und des Krieges nad) Portugal 
juriidgerufen wurde. Bei der Perwidelung mit 
Frankreich (1807) zeigte fic) A. aber villig unfibig. 
Er folgte dem Hofe nach Brafilien und erbielt dort 
1814 das Minijterium der Marine und der Kolonien, 
1815 den Titel eines Grafen von Barea. Beweiſe 
feiner literariſchen Tatigteit jind zwei ungedrudte 
Trauerjpicle, die Uberjegung der Horaziſchen Oden 
und mebrerer Gedichte von Gray, Dryden u. a. 

Araujo Porto Alegre (jor. ardufgw, Manoel de, 
brafil. Dichter, geb. 29. Nov. 1806 gu Rio Bardo in 
der Proving Sao Pedro, geſt. 1879, beſuchte feit 1826 
Die Kunjtafademie in Rio de Janeiro, begab ſich 1831 


| au weitern Studien nach Karis, veriveilte 1834—35 


in Stalien und fehrte nad) Ausbruch der brafilifden 
Revolution 1837 in die Heimat zurück. Hier erhielt 
er eine Profeſſur an der Kunſtakademie, ſpäter eine 


672 Araufaner 


foldje an der Militarjdjule und entwidelte eine außer⸗ 
ordentlicje Tätigleit. So entwarf er die Plaine jur 
Sirdhe Santa Una und zur Bant in Rio de Janeiro 
(dem damals ſchönſten Gebäude der Stadt) und 
ſchenlte nidt geringere Uufmerffamfeit dem Theater, 
far dad er eine Reihe meijt ungedrudter Stiide (3. B. 
O espiio de Bonaparte<, »0 sapateiro politic&o« 2.) 
ſchrieb, die vielen Beifall fanden. Jn dieſen wie in 


feinen fibrigen Didjtungen befundete er fic) als her- 


vorragenden Bertreter der nationalen Bejtrebungen, 
welche Die brafiliide Poeſie der 1850er Jahre charafte- 
rifieren. Als feine Hauptwerfe gelten das Epos »Co- 
lombo« (in 40 Gefangen!), über bie Entdedung Ame⸗ 
rifas; fowie cin Zyllus durd pradtvolle Naturſchil⸗ 
Derungen ausgeseidneter Dichtungen unter dem Ti- 
tel ———— (Wien 1863), von denen »A de- 
struicio das florestas« (Mio de Janeiro 1845) und 
»0 corcovados (> Der Bucklige⸗, 1847) bejonders er- 
fdienen. A. war 1859— 65 brafilifder Generalfon- 
fulin Stettin, lebte aber meift in Berlin, dann in Liſſa⸗ 
bon. Bgl. Wolf, Le Brésil littéraire (Berl. 1863). 
Araufaner (Aucaes, »Rebellen« ; ihr einheimi⸗ 
ſcher Name ijt Moluche, »Krieger<), indian. Bolfs- 
jtamm in Chile, fiidlid) vom 30.° ſüdl. Br. (7. Tafel 
»Umerifanifde Biller II«, Fig. 15). Sie untericheiden 
fid) von den fibrigen Indianern Siidamerifas durch 
rößere phyfifde und moralifde Kraft, find durch— 
chnittlich 1,6 m grok, von hellbrauner Farbe, haben 
flanged, ſtarles, Bele Haar und jerfallen in Pi- 
cunde(>RNordmanner«) im RBW., Rehuendhe( > Fid- 
tenméanner«), die Riiftenbewohner von Santiago de 
Chile bis gegen Valdivia, und Huillide (»Siid- 
manner«) int S. ded Landes. Auch die argentinijden 
Puelden (> Ojtmanner<) find A., vielfach gemiſcht 
mit Bampasvilfern. Die A. waren Uderbauer, die, 
wie bie Reruaner, Mais, Bohnen, Quinoa, Kartof— 
feln anpflangten, ihre Felder diingten und durd) Ka— 
nile bewafjerten und das Lama züchteten, um deſſen 
Wolle und Fleiſch ju verwerten. Seit Einführung 
ded Pferdes find fie ein fiihnes Reitervolf qeworden, 


das in der Handhabung jeiner langen Lanzen, des | 


Lajjo (f. d.) und der Bolas (f. d.) ungemeine Geſchich 
lidjfeit befigt. Bon dem Joch der Qnfa haben fie fic 
ebenfo freizuhalten gewußt wie von dem der Spanier. 
Seit lestere unter Valdivia 1558 nad) Südchile vor- 
drangen, hat zwiſchen ibnen und den Uraufanern der 
Krieg nicht — der in Dem Epos » Araucania< 
von Ulfonfo de Ercilla und in »Curen Indomito« von 
Wivares de Toledo fogar cine poetiſche Verherrlidung 
fand. — gehört das Gebiet der A. zu Chile, 
das den kleinern nördlichen Teil zur Provinz Val— 
divia ſchlug und aus dem größern ſüdlichen die Pro— 
ving Arauco bildete. Die Bahl der chileniſchen A., 
im 18. Jahrh. auf 150,000 geſchätzt, iſt infolge inne- 
rer Fehden und durch Beteiligung an den Revolu— 
tionslämpfen ſehr juriidgegangen und beträgt jetzt 
faum 40,000. Troy ihrer politiſchen Zugehdrigkeit 
gu Chile leben die A. immer nod in faſt völliger Frei: 
Heit und wohnen teils ſeßhaft in Dirfern, teils ziehen 
fie nomabdifierend umber. Cigentlide Geſetze haben 
die A. nidjt, Dod) werden alte Gebräuche und tiber- 
lieferungen beiliq qehalten. Belehrungsverfudhe der 
fatholifdyen Kirche hatten geringe Erfolge. Val. Smith, 
The Araucanians (New 
aborijenes de Chile (Santiago 1882); Leng, Arau— 


laniſche Marden und Erzählungen (Balparaifo 1896); | 


Derfetbe, Estudios Araucanos (in den »Anales de 
la Universidad de Chiles, 1895 —- 97) 
In neuerer Beit hat das Land die Uufmerffamfeit 


orf 1855); Medina, Los. 


— Arazeen. 


durch das Uuftreten eines 30 Abenteurers 

auf ſich gezogen, der es fiber Nacht in em >fonintu- 
| tionelles Königreich· umwandelte. Dieſer, em Advo 
lat Namens Tounens, geb. um 1820 in Chourgnac 
bet Perigueur, war vor den chileniſchen Behorden m 
das Gebtet der unabbangigen A. geflohen und batte 
ſich das Bertrauen der Stämme und de Freund- 
ſchaft mehrerer Toquis gewonnen und war bei Aus 
brud eines Krieges mit Chile felbjt zum Grogtoani 
erwãhlt worden. Er umgab fic mit emem Wintite- 
rium, erließ Geſetze und cine Ronjtitution nad fran: 
‘sbitidem Sujdmitt und liek fic) felbit als Crelio 

ntonio I. jum König Der A. erflaren (1861). 
Allein ſchon im folgenden Jahre geriet er m die Ge- 
“walt der Chilenen, die ibn als Berriidten an Frant- 
reich austieferten. Die A. wählten unterdeyen einen 
neuen Großtoqui, der ſofort den Krieg gegen Chile 
wieder aufnabm, nad wiederholten Niederlagen aber 
eben im Begriff ftand, mit Chile Frieden zu ſchließen. 
alg ⸗König Drelio< von Urgentimien her durch emen 
Der fiidliden Andenpäſſe nad) Mraufanien zurücklam 
und von Mula aus fein Reid wieder einridtete. Der 
Krieg begann aufé neue, dod) mit feinem günſtigern 
Erfolg fiir die U. als zuvor. Orelio begab fid nad 
atantreid) guriid, um Napoleon III. fiir ſeine Plane 
zu gewinnen, fab fid) aber durch den dDeutid -fran- 
eres Oe um alle Do en betrogen. Cr ge 
riet bald in Not und ftarb 19. t. 1878 in Tour- 
toirac (Dordogne). Vol. feine Schriften: »Orélie An- 
toine I, roid’Araucanie et de Patagonie, son avéne- 
ment au tréne et sa captivité au Chili« (1863) und 
»L'Araucanie« (Bordeaur 1878). 

Araufio, Stadt in der rim. Provincia Narbo- 
nensis, jetzt Drange (j.d.), mit beriibmten Altertümern; 
bier ſchlugen die Cimbern und Teutonen 105 v. Cr. 
cin rdmifdes Heer unter Quintus Servilius Capio 
und Gnius Manlius. — J. 529. 

Aravali Uravalli), irgslette in Radſchpu⸗ 
tana, im weſtlichen Teil Britiſch- Indiens, 500 km 
lang, 10—100 km breit, erreidt tm iſolierten Mount 
Ubu 1714 m. Die Eingebornen hüten den 
| Reidjtum des Gebirges an Marmor, Gold, Silber, 
- Mupfer, Blei, Zinn, Bergkriſtallen, Amethyſt, Grana- 
ten und Smaragden vor den Europäern etferfiidtig, 
beuten ihn aber telbit faſt gar nicht aus. 

Araxes, Fluß, ſ. Uras und Chabur. 

Aragzeen (Uroidecn, Urongewadfe, arum— 
artige Gewächſe, Rolbenbliitler, hierzu Tafel 
»Urajeen«), vielgeſtaltige monolotyle Pflanzenfamilie 
aus der Ordnung der Spathifloren, Stauden, 
mit Milchſaft, kriechendem oder knolligem Wurzelſtoch 
oder ſtrauchartige, anſehnliche Gewächſe. Die wechſel⸗ 
ſtändigen Blätter ſind ſelten lang und ſchmal ſchwert⸗ 
förmig (Kalmus), meiſt haben A einen am Grunde 
ſcheidenförmigen Stiel und cine breite, meiſt ſehr große. 
pfeil⸗ herz⸗, ſchildförmige, ſelten gefiederte Fläche nut 
hand⸗ oder fußförmigen Nerven, zwiſchen denen bet 
einigen die Blattmaſſe durchbrochen ijt. Die Blüten⸗ 
ſtände (ſ. Tafel ⸗Blütenſtände«, 1) bilden Kolben 





uit großem, oft eigentiimlid) gefärbtem Hüllblatt 
(Spatha). Die einzelnen Bliiten find unanfehnlid, 
gay oder cingeidlertig. Die ca. 900 Arten der 

. find 3. T. charatterijtijde Pflanzen der tropifden 
Urwälder Afrilas, Ujiens, Umerifas; einige gehören 
Nordamerifa und den Ländern des Weittelmeers, we- 
nige dem fibrigen Europa an. Cinige haben eßbare 
| Rnollen (Colocasia antiquorum xc.). Kalmus (Aco- 
rus Calamus) wird argneilid) benutzt. Sebr viele Ur- 
ten find Sierpflangen (Philodendron, Anthuriam, 








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Arazzi — Arbeit. 


Caladium ⁊c.). Die Tafel zeigt eine Anzahl daratte- 
riſtiſcher Formen aus den wichtigſten Gruppen der 
Familie. Vgl. Sdott, Genera Aroidearum (Wien 
1858); Engler, Vergleidende Unterjudungen über 
die morphologifden Verhältniſſe der VW. (Leipz. 1877). 

Arazzi, ſ. Arrazzi. 

Arba, Wagen, Araba. 

Arba, Kantonshauptort in der Proving Algier 
(Algerien), nahe am Fuß des Atlas und dem Wadi 
Dſchemma, mit so: 7742 Einw. (995 Franzoſen, 
5646 Eingeborne), Gips-, Zink⸗ und Bleigruben. 

Arbakaufos (hebr., »Bier-Eden<), cin auf der 
Brift von allen männlichen Jsracliten ju tragendes 
Kleidungsſtück, an deſſen Eden die von der Schrift 
(4. Mof. 15, 38 jf.) befohlenen Schaufäden (jf. Zizit) 
angebradt find. 

rbalista, j. Armbruſt. 

Arbe (ferbotroat. K ab), Sfterreid). Jnfel im Adria⸗ 
tifdyen Meer, zur dalmatinijden Bezirksh. Zara ge: 
horig, wird vom froatijden Fejtlande durd) den Ca- 
nale della Morlacca, von der ſüdlich gelegenen Inſel 
Pago durd) den Kanal von Pago getrennt und wejt- 
lid) vom OQuarnerolo begrengt, hat cine Fläche von 
87,5 qkm (1,6 OW.), ijt großenteils qebirgig (Tiqna- 
roſſa 408 m), fruchtbar, teilweife mit Eichenwäldern 
bedeckt und gute (1900) 4441 meiſt ferbofroat. Ein— 
wobner, die Ackerbau, Wein- und Olbau, Schafzucht 
jowie Fiſcherei und Seeſalzgewinnung treiben. Die 
Stadt A. liegt, von Mauern umgeben, an der Siid- 
wejifiifte, hat cinen Dom aus dem 13. Jahrh. mit 
ſchönem Glockenturm, cin Begirfsqeridt und815Cinw. 

rbedo, Dorf im jdweizer. Ranton Tefjin, bei 
Bellinzona, hat mit Cajtione (900) 1043 Einw. Am 
BO. Juni 1422 heldenmiitiger, aber erfolglofer Kampf 
von 3000 Schweizern gegen 18,000 Mgiländer. 

Arbeit, die von einer Kraft bei Überwindung 
cines Widerftandes betitigte Leiſtung. Die geleijtete 
A. ijt um fo qriper, je größer der überwundene Wider- 
jtand oder die ihm gleide, gu feiner Uberwindiung 
au ———— Kraft und je größer der Weg iſt, der 
hierbei in der Richtung der Kraft zurüchgelegt wurde. 
Das Produtt : Kraft < Weg in der Kraftridtung wird 
alg medanifde A. bezeichnet. Diejenige U., die 
cine Kraft von 1 kg (die Rrafteinheit) leijtet, in 
dem fie einen ihr gleichen Widerjtand durd) eine Weg- 
lange von 1 m (die Längeneinheit) tiberwindet, 
gilt als Yrbeitscinheit und wird Meterfilogramm 
(Milogram meter) genannt. Das Meterfilogramm 
Dient als Urbeitseinheit vorzugsweiſe in der Technilk. 
In der Phyſik und Elektrotechnik redynet man nad) der 
Arbeitseinheit des abfoluten Maßſyſtems, dem Erg. 
Nad) Meterfilogrammen wird aud die Duantitat 
medanifder A., die in einer bejtimmten Zeit ge 
leijtet wird, die Urbeitsleiftung oder der Cf fett, 

emeſſen. Wählt man als Heiteinheit die Sefunde, 
— bildet die Maßeinheit für die Arbeitsleiſtung das 
Sekundenmeterkilogramm. Iſt ein Menſch im 
ſtande, während einer längern Zeit in der Sekunde 
10 kg 0,6 m bod) zu heben, jo betragt ſeine Leijtungs- 
fähigkeit 10.0,6 — 6 Sekundennieterkilogramm. Be 
der in der Sefunde zurückgelegte Weg, vorausgeſetzt, 
dap die Bewegung eine gleidhformige ijt, Geſchwin— 
digkeit beift, fo erhalt man die Arbeitsleiſtung fiir 
cine Sefunde durch das Broduft: Kraft < Gefdwin- 
pa Es ijt hiernach die in einer bejtimmten Beit 
ge eiftete UW. — Rraft < Geſchwindigleit Zeit in 
Sekunden. Als Arbeitseinheit fiir größere Leiſtungen 
(von Maſchinen) dient die Pferdekraft (j. d.) — 75 
Sefundenmeterfilogramm. Bgl. Belebte Motoren. 

Meyers Ronv.-Lerifon, 6. Aufl., L Bod. 


eee 2. 


673 


Innere U., die W., die beim Erwärmen eines Kör— 
pers geleijtet wird, um die Geſchwindigleit der Mole- 
fille gu vergrößern und dieſelben, entgegen Der Wire 
fung der Violefularfrifte, voncinander ju entfernen, 
eventuell gujpalten. Uber CleftrifdeUrbeit f.d.— 
Jin Rennſport ijt A. die während des Training eines 
Rennpferdes von dem legtern verridtete Bewegung. 
Man unterfdeidet Sdritt-, Trab-, Galopparbeit, aud) 
ſchnelle und langfame A. 

Arbeit (mittelhodd. arebeit, ·Mühſal, Not«), im 
Ginne der Nationalifonomie jede auf Wert- 
ſchaffung gerichtete menſchliche —“ im gewöhn⸗ 
lichen Leben wird mit dem Wort A. nicht allein der 
Alt der Leiſtung, ſondern oft auch ihr Ergebnis be— 
zeichnet. Den Begriff A. auf körperliche Tätigleit zu 

ſchränlen, ſcheitert ſchon an der Unmöglichkeil, die 
getitige und phyfifde A. überhaupt ſcharf voneinan: 

ex gu trennen. Die einfadjte Handarbeit bedarf 

eijtiger Überlegung, und die Kopfarbeit kann den 

örper ebenſoſehr ermüden wie ſchwere Handarbeit. 
Jedoch iſt es üblich geworden, den Begriff Arbeiter 
etwas enger zu faſſen, indem man (ſo insbeſ. die So— 
errant darunter die Klaſſe der Lohnarbeiter (ar- 

citende Rlaffen, Urbeiterftand) tm Gegenjage 
gu den Unternehmern und Rapitalijten verjteht umd 
von ciner Urbeiterfrage (jf. d.) fpridt. 

Die Bedeutung der A. ift cine doppelte. Zu— 
nächſt ijt fie ein widtiger Faftor der Produftion und 
damit aud) aller Kultur. Es bedarf der ftetigen, ſtu— 
fenweife fortidreitenden A. vieler Generationen, von 
denen die vorbergehende der folgenden die unentbehr- 
lichen geijtigen und materiellen Hilfsmittel fiir weitere 
Vervollfommnung iibertiefert, um gu höherer gefell- 
ſchaftlicher Entwidelung gu gelangen. Uber die YW. 
ſchafft nicht allein = are Werte, fie ijt aud) das 
wertvolljte Mittel der Vervolllommnung, Stählung 
und Ubhartung des Kirpers und der qe tig-fittliden 
Veredelung. Dieſer qute Cinflug der VW. tritt freilid 
nur unter der Vorausſetzung ein, daß die A. in quan- 
titativer und qualitativer Besiehung gewijje Grengen 
nicht überſchreite. Uberarbeitung, zumal erzwungene, 
führt ebenſo wie ununterbrochene, eintönige A. zu 
geiſtiger und körperlicher Abſtumpfung cab tects 
merung. Ruhepaujen find darum unerläßlich gur Er: 
holung, Zerjtreuung, Bildung, fitr allfeitige Erregung 
Der Geijtes- und Körpervermögen und das Familien⸗ 
leben. Darum hat aud) neben der Nachtruhe die Sonn: 
— eine hohe wirtſchaftliche Bedeutung. 

Der Erfolg der A. des Einzelnen und der Ge— 
ſamtheit wird bedingt teils durch Kräfte und Triebe 
des Arbeiters, teils durch äußere Umſtände, wie Be— 
ſchaffenheit der anzuwendenden Hilfsmittel, ſoziale 
Verhältniſſe ꝛc. Der Trieb zur A. iſt um ſo größer, 
je mannigfaltiger und zahlreicher die Bedürfniſſe ſind, 
die nur durch A. befriedigt werden können, und je 
mehr dem Arbeiter die Früchte beſondern Eifers ge— 
ſichert ſind. Daher erklärt es ſich, daß die unfreie A. 
des Sklaven und Hörigen, weil die Früchte vermehrier 
Anſtrengung ihr in der Regel nicht zu teil werden, 
gewöhnlich weniger erzeugt als die freie, bei welcher 
der Lohn ſich nach der Leiſtung richtet. So kann der 
Erfolg der A. vergrößert werden durch Ubergang vom 
Zeitlohn zum Stücklohn und von dieſem zur Betei— 
ligung des Arbeiters am Gewinn (ſ. Arbeitslohn). 

Aber der Trieb zur A. iſt für ſich allein nicht ge— 
nügend. Es muß ihm auch ein hinreichender Fonds 
von Arbeitskraft entſprechen, und zwar nicht allein 
der rohen Körperkraft, ſondern auch der intellektuellen 
und moraliſchen Fähigleiten. Umſicht, Raſchheit der 

43 


674 Arbeiter — Arbeiterausſchuß. 


Auffaſſung, ——— Anpafſungsvermögen, Ma- | hat gar keine A. in dieſer Weiſe gelernt, ſondern übt 
pigteit, Unsdauer, Redlichkeit, Zuverläſſigkeit, Ge- | jede einfache, gewöhnliche, nur aus leicht erlernbaren 
wiſſenhaftigleit fpiclen eine groke Rolle. Die Urbeits- | Handgriffen bejtehende A., die fid) im darbietet. Ex 
fraft de einzelnen Menfdjen iſt bedingt durch den | heißt DeShalb auch »>Gelegenbheitsarbeiter«. Wilerdings 
Stand der Gefamtfultur, und gwar kommen nicht | ijt es fehr ſchwierig, zwiſchen dieſen beiden Gruppen 
allein die natiirlidjen Uniagen, die er von Geburt aus | von Arbeitern eine fejte Grenze au ziehen. Fitr die 
mitbringt, fondern aud) die während feines Lebens auf | moderne Vollswirlſchaft ift die relative Zunahme der 
ibn jtatthabenden äußern Cinwirfungen in Sdule, | ungelernten Arbeiter, ihre Anhäufung in den In— 
Haus, fodann Mima, religidje Anſchauungen, Rafjen- buftriemittelpuntten die gunehmende Verdraingung 
unterſchiede, die Urt der Beſchäftigung, der Ernährung, | der gelernten Urbeiter durch fie charakteriſtiſch. Sie 
Wohnung wie die ganze —— in Betracht. wurzelt in der modernen Arbeitsteilung, dem Streben, 
Die geſamte Urbeitsfahigheit eines Volles ijt auger: | ſchwierigere Urbeiten in zablreide, cinfad auszufüh— 
dem abbingig von der Ulterstlaffenverteilung, | rende Teilarbeiten gu jerlegen oder Arbeitsmaſchinen 
Mortalitat, Morbiditat und Verteilung der Gefchlech- | zu iiberweijen. Die wirtſchaftliche und foziale Lage 
ter. Nur die Perfonen gwifden dem 15.— 20. und | gerade diejer Urbeitergruppe ijt vielfad eme nicht be 
Dem 60.—70. Lebensjahr finnen als arbeitsfähig be- | friedigende (ſ. Urbeiterfrage). 
zeichnet werden. Das find in Deutfdland etwa 55| Cine weitere widtige Scheidung Der Arten der A. 
roz. der Bevölkerung (f. d.). Wher aud) hiervon | ijt die in ſelbſtändige A. und Lohnarbeit oder 
find die jeweils Kranken, die gum Militärdienſt Cin- | abbangi ge U. Selbſtändige U. ijt dann vorhanden, 
berufenen, ein großer Teil des weiblidjen Geſchlechts wenn der Urbeitende in der eignen Wirtſchaft fiir fic) 
in Abzug ju bringen, fo daß höchſtens 35—40 Pro}. | felbjt oder wenigitens als verantwortlider und felb- 
ber Bevodlferung mit der Herſtellung von Sachgütern ſtändiger Leiter einer, wenn aud ihm nidt ju Cigen- 
bejdhiftigt find, und diefe nicht mur fiir fic), fondern | tum jguftehenden Unternehmung titig ijt; Lohnarbei— 
aud) fiir den andern Teil der Bevöllerung den Unter: | ter ift derjenige, der in einem fremden Betrieb gegen 
haltsbedarf zu beſchaffen haben. Lohn beſchäftigt ijt. Diefe Unterfdeidung kreuzt ſich 
Yon großem Einfluß auf den Erfolg der A. find | mit der vorigen. Die leitende A. fann ſowohl felb- 
ferner Die Intenſität und Dauer der Beſchäfti- ſtändige als Lohnarbeit fein, die ausfiihrende dag en 
guna. liberanjtrenqung und A. ohne gentigende Er: | ijt in Der modernen Vollswirtſchaft tiberwiegend 2* 
olungspauſen können trop Ausdehnung der Arbeits⸗ arbeit. Da die letztere aud) überwiegend Handarbeit 
zeit die Leiſtung erheblich vermindern. Durch die iſt, ſo bezeichnet man gerade ſie als Handarbeit oder 
Erfahrung ijt hinlänglich beſtätigt, daß durch eine | Lohnarbeit. Charakteriſtiſch für die heutige Volls 
Verkürzung der Arbeilszeit nicht felten die —— wirtſchaft iſt der quobe Umfang und die sais adda 
erhöht worden find. Der Erfolg der U. ijt weiter be: | der abhängigen A. gegeniiber der felbjtindigen als 
dingt dDurd) die Hilfsmittel der A., und zwar fo- | Folge des fnvitatiftifcner Grofbetriebs. Es betrug dic 
wobl durch die künſtlichen (f. Kapital) als aud) durd) Zahl der Urbeiter einſchließlich der Ungejtellten (nicht 
Diejenigen, weldje Die Natur uns bietet mit ihren ver- | leitende Beamte, Aufſichts- und Verwaltungsperjo 
ſchieden verteilten Rraftquellen, ihrer ungleiden Bo- | nal xc.) 1882: 11,012,620, 1895: 13,438,377 oder in 
denergiebigteit rc. Endlich ijt von Widtigheit die gange | Projzenten aller Erwerbstatigen 1882: 67,97, 1895: 
Organiſation der ., ibve vollswiriſchaftliche wie 71,6. Uber das Verhältnis der Fraucnarbeit und 
privatwirtidhaftlide Gliederumg (j. Urbeitsteilung), | der Rinderarbeit zur A. der erwadfenen mann 
insbeſ. aber auch die Gejtaltung der geſellſchaftlichen lichen Arbeiter f. die betreffenden Urtifel. 
Verfaſſungszuſtände, die Urt der Rechtsordnung und Arbeiten des Schiffes, das heftige Stampfen 
des qefamten Staatsiebens. Politiſch-religiöſer Drud, | und Schlingern eines Schiffes. A. des Höl zes, Aus 
extreme Verteilung von Beſitz und Einkommen, Ge⸗ dehnung und Zuſammenziehung, Werfen, Reißen 2. 
bundenheit an die Scholle, Beſchränkungen in der infolge der Aufnahme oder Abgabe von Feuchtigkeit 
Wahl der Beſchäftigung rc. können die Arbeitskraft | aus der Luft. 
außerordentlich labimen und ibre Erfolge beeintrid- | Arbeitendbe Rlaffen, ſ. Arbeit, S. 673. 
tigen, während dieſe bei günſtiger Lebenslage und) Arbeiter (bei —— — ¥ ), f. Hautfliigler. 
Zufriedenheit der untern Klaſſen, bei religidjer und! Arbeiterabteilungen, Wbteilungen von Militar. 
politiſcher Friedfertighcit und tüchtiger Staatsverwal- pflichtigen, die fid) durch Selbſtverſtümmelung jum 
tung das beſte Gedeiben verſpricht. — Uber Recht | aftiven Dienjt untauglic) gemadt haben, aber arbeits: 
auf Urbeit ſ. Sozialismus. fähig find, oder die, mit zettiger Unterfaqung der Uus- 
Arten Der WU. Als wertſchaffende, zwecbbewußte übung der biirgerlichen Ehrenrechte bejtraft, tm vier- 
Täligkeit ijt die A. ftets eine Verbindung von Denfen | ten Pflichtjahr nod) unter diejer Strafe ftehen, endlich 
und Tum; die beliebte Gegenüberſtellung von geijtiger | von Soldaten zweiter Kaffe, bei denen fid) Dissipli 
und medanifder oder Kopf: und Handarbeit eridemt narſtrafen frudtlos erwiejen haben, legtere auf An— 
Daher nicht angebradt. Beſſer unterfdeidet man lei- ordnung des Generalfommandos. A. bejteben ju 
ten de (ſchöpferiſche, dispofitive) und ausfiihrende Magdeburg, Ehrenbreititein, RKonigitein, Königsberg, 
A. Die erjtere tiberwiegend geiftiger, Die lestere tiber- | Mammy, Dresden, Yngoljtadt und Oberhaus bei 
wiegend mechaniſcher Yirt. Die leitende VW. it entweder Paſſau. Die preußiſchen U. find dem Inſpekteur der 
allgemeine wirtſchaftliche oder rein techniſche, die aus- militäriſchen Strafanjtalten unterjtellt und werden 
führende ijt entweder qelernte oder ungelernte U. | fiir militäriſche Swede beſchäftigt. 1. Dienjtvor- 
Der qelernte Urbeiter hat cine befondere fachmäßige ſchrift fiir die MW. vom 31. Aug. 1881. Auch Frankreich 
Ausbildung und Sdulung teilS im längerer oder | hat Straf- und Rufland Bejjerungstompagnien. 
türzerer Lehrzeit, tetls in gewerbliden Fortbildungs: | UArbeiteransfduk (Habrifrat, (tejtenfol- 
ſchulen u. dgl. Durdgemadt, wie 3. B. der Klein- legium), aus Vertrauensperjonen der Arbeiter eines 
meiſter, Gejelle, Werkführer, Mafdinenbauer oder | gewerblicden Unternehmens zuſammengeſetztes Ber- 
Buchdrucker; er übt infolgedeſſen immer die U. aus, | mittelungsorgan zwiſchen Arbeitgebern und Virbei- 
die er erlernt hat. Der ungelernte Arbeiter dagegen | tern, aud) Verwaltungsorgan. Die Verantaffung sur 








Arbeiterbildungsvereine - 


~ Urbeiterfrage. 675 


Erridjtung von Arbeiterausſchüſſen boten die au er- | weiblicen Perjonen, erjdien. Seit den 30er Jahren 


ridtenden Wohlfahriseinridtungen, Krankenkaſſen, 
Fabrifordnungen. Sie jind fafultative Cinridtungen, 
find aber in Deutfdland durch die Novelle gur Ge- 
werbeordDnung vom 1. Juni 1891 dadurd) gefirdert 
worden, daß nad) diefer in Fabrifen mit ee alg 20 
Arbeitern cine Fabrifordnung (ſ. d.) erlaſſen werden 
muß, die vor Erlaß den gropiabrigen Arbeitern, be3. 
einem etwa bejtehenden ftandigen A. sur Erklärungs— 
abgabe vorzulegen ijt (§ 134d). Als ſolche Urbeiter- 
ausſchüſſe anerkennt die Gewerbeordnung (§ 134n) 
die in ihrer Mehrheit von Arbeitern gewählten Vor— 
ſtände von gy i die Knappſchaftsälteſten, dic 
bereits vor Dem 1. Yan. 1891 erridjteten, in ihrer 
Mehrzahl von den Urbeitern aus ihrer Mitte befegten 
ſtändigen Arbeiterausſchüſſe, endlid) foldhe Vertre- 


tungen, deren Mitglieder in * Mehrzahl von den 
den erſt im letzten Jahrhundert mit der Fabrikindu⸗ 


volljährigen Arbeilern aus ihrer Mitte in unmittel— 
barer und geheimer Wahl — werden. Mit Zu 
ſtimmung eines ſtändigen Arbeiterausſchuſſes können 
in die Arbeitsordnung Vorſchriften über das Ver— 
halten der Arbeiter bei Benutzung der zu ihrem Beſten 
getroffenen, mit der Fabrik verbundenen Einrichtun— 
en ſowie Vorſchriften über das Verhalten der min— 

rjährigen Arbeiter außerhalb des Betriebes auf— 
genommen werden. 

Arbeiterbildungsvereine, ſ. Arbeitervereine 
und Bildungsvereine. 

Arbeiterfahrkarten, ſ. Eiſenbahnfahrkarten. 

Arbeiterfrage. Dic A. die ſogen.ſozialeFrage, 
hat zu ihrem enſtande die Lage der von Unterneh⸗ 
mern namentlid) in den großen Unternehmungen be- 
ſchäftigten Lohnarbeiter in ökonomiſcher, moralifder, 
josialer und politifder Hinficht. Da der Lohnarbeiter 
jtand erjt um die Wende de3 18. Jahrb. feit der Er 
Ramen Der Maſchinen und dem Aufkommen der 
Pabrifindujtrie feine Ausbildung erfahren hat, fo ijt 
die A. auch erſt feit diefer Beit in Fluß gekommen. 
Soziale Bewegungen hat es ſchon im Witertum ge: 
geben, cine A. im obigen Sinne gibt es erjt in der 
neuejten Zeit. Zwar Hatten ſchon dic Hausindujtrien 
und die wenigen größern Wanufafturen (Fabrifen) 
vor dem 19. Jahrb. abliingige, muir auf Lohn gejtellte 
Arbeiter gefannt, allein da ihre Bahl gering und die 





des 19. Jahrh., nantentlich feit der Barlamentsreform 
von 1832 und der Chartijtenbemegung (j. Chartis 
mus), verjdwanden diefe Forderungen nicht mehr 
anus der Disfufjion und wurden aud) trotz des Wider 
jtandeS des Fabrifantentums und der herridenden 
Mandhefterdoftrin in einer Reihe von Fabrifgefesen 
durdgefiihrt. Die A. Hat mit der Wusbreitung der 
Fabrifindujtrie in Frankreich, Deutſchland und andern 
Staaten aud) dieſe ergriffen. Zugleich ijt fie, vor 
allem unter dem Einfluß des Sogialismus, aus ciner 


Frage der Fabrifarbeiter gu einer alle Lohnarbeiter 
und von einer weſentlich wirtſchaftlichen zu einer dic 


qejamte wirtſchaftliche, ſoziale, moraliſche und poli- 
tiſche Lage der Urbeiter umfajjenden Frage geworden. 
Für ihre ridtige hijtorifdhe Wiirdiqung ijt aber gu be- 
adten, dag, wenn aud) die Mehrzahl von Übelſtän— 


jtrie und der Maſchinenbenutzung, dem Grokbetrich 


| und der WUrbeitSfreiheit entitanden ijt, das große Pro- 





lem dod) dadurch bejonders in die Erſcheinung trat, 
daß man fic) heute in Staat und Gefellidaft fiir dic 


Verbeſſerung des Loſes der arbeitenden Klaſſen viel 


—— Aufgaben ſtellt als früher. 
In der Beurteilung der A. und in der Stellung 
zu ihr gehen in der —5— die Meinungen ſehr 
auseinander. Es laſſen ſich jedoch drei Hauptrichtun 
gen unterſcheiden. Die erjte, die individualiſtiſche oder 
mancheſterliche, fieht die üͤbelſtände, ſoweit fle diefe zu— 
gibt, als etwas mit der modernen Entwidelung not- 
wendig BVerbundenes an, führt fie teilweiſe auf dic 
Schuld der Urbeiter felbjt xirück und will jedenfalls 
von einem Eingreifen des Staates nichts wiſſen, in- 
dem ſie annimmt, daß ein Eingreifen des Staates 
wieder nach andern Richtungen hin Nachteile mit ſich 
bringen müſſe. Die zweite, die ſozialiſtiſche, behauptet, 
daß die vorhandenen Übelſtände, weil auf dem Gegen 
ſatz von Kapital und Arbeit beruhend, ohne Beſeiti— 
gung Der fapitalijtifchen Produktionsmethode nicht 
aa 8 werden finnten; fie empfiehlt deshalb cine 
Aufhebung des bejtehenden Eigentums an den Pro- 


duktionsmitteln, Reqehing der gefamten Produktion 


und Berteilung des 


Löhne meijt hod waren, fo traten Mißſtände nicht her⸗ 


vor. Dagegen entitand mit der ge sg hed Fabrik⸗ 
t 


induſtrie eme neue Urbeiterflajfe. In der Fabrif fonn- 
tern aud) Minder, pugendlide und weibliche Berfonen 
Verwendung finden; gleidseitiq nahm die Zahl der 
Arbeiter devart ju, daß ein Selbſtändigwerden nahezu 
ausgeſchloſſen war, zumal die neue Form des In 


waren die Arbeiter perſönlich frei, das Arbeitsverhält 
nis beruhte auf einem juriſtiſch völlig freien Vertrag, 
aber den rechtlichen Verhältniſſen entſprachen dic tat- 





faichlichen feineswegs. Denn die wirtſchaftliche UÜber 


legenheit Der Unternehmer führte im Verein mit dem 
Verbote der Urbeiterfoalitionen zur tatſächlichen Ab— 
Hangigfeit und zur Ausnutzung der Urbeiter durch 
— Arbeitszeit, übermäßige Verwendung von 

indern und weiblichen Perſonen und ſchlechte Löhne. 
Dabei wurden auch die einfachſten Vorkehrungen gegen 
Die aus der Fabrifarbeit flichenden Gefahren fiir Leben, 
Gefundheit, Sittlichfeit ze. der Arbeiter unterlafjen. 
Naturgemäß traten diefe Übelſtände am früheſten und 
Heftigiten in Dem Lande hervor, dad in der indujtriel 
len Entwickelung alle andern itbertraf, in England. 
Hier entitand zuerſt cine A., als deren Anhalt zunächſt 
der Schutz der Fabrifarbeiter, insbeſ. der Kinder und 


rtrags durch die Geſellſchaft (ſ. 
Sozialismus). Die dritte, die ſozialreformatoriſche 
Richtung, gibt das Vorhandenſein von Übelſtänden 
zu und hält ein Eingreifen des Staates zu ihrer Be— 
ſeitigung für notwendig und berechtigt, will jedoch die 
Reformen auf dem Boden der beſtehenden Wirtſchafts 
ordnung, alſo unter Wahrung des Privateigentums 
und des freien Arbeitsvertrags, und unter Mifſwirkung 


sgeſchloſſenen der arbeitenden Klaſſen ſelbſt durchführen. Dieſe letz 
duſtriebetriebes immer mehr Kapital erforderte. Zwar 


tere Richtung, die zuerſt vom Verein fiir Sozialpolitik 
(j. d.) vertreten wurde, hat je linger je mehr in den 
Parlamenten Eingang gefunden und die Geſetzgebung 
der letzten Jahrzehnte mächtig beeinfluyt. 

Die A. iſt nun trotz gemeinſamer Grundzüge in— 
haltlich fein einheitliches, ſondern cin nad Arbeiter— 


klaſſen verſchiedenes ſozialpolitiſches Problem. Cs 


gewerblichen, Bergwerfs- und andern auf die 





ſind insbeſ. drei Gruppen von Lohnarbeitern zu un— 
terſcheiden: 1) Die landwirtſchaftlichen Lohnarbeiter 
(landwirtſchaftliche A.), 2) die Lohnarbeiter in Grobe 
Seivin: 

mung von Rohſtoffen qeridjteten Unternehurungen (in 
Dujtrielle A.), und endlich 3) die Lohnarbeiter im Klein⸗ 
ewerbe, die fogen. Handwerksgeſellen (Gefellenfrage). 
an jeder dieſer Gruppen find die Übelſtände, die Ziel— 
punfte der fosialen Reform und die Heilmittel im cin: 
zelnen verjdiedener Art, und daber ijt aud) die A. fiir 
jede derſelben cine verſchiedene. Die Verhältniſſe der 

43* 


676 


werk8gefellen find jedod) mur in geringerm Grad 

nlaß und Gegen{tand eines fozialen Problems, die 

Bejellenfrage tritt an Inhalt und Bedeutung weit 

hinter den beiden andern zurück (ſ. über dieje Frage 

den Vrtifel »Gefellen«). Wir beſchränken uns hier auf 

cine allgemeine Darjtellung der indujtriellen und der 
landwirtſchaftlichen A. 

Die induftrielle Urbeiterfrage. 

Diefe Frage umfaßt vier Klaſſen von Lohnarbeitern : 

1) die eigentlichen Fabritarbeiter, d. h. die Lohnarbei- 

ter in gewerblichen Unjtalten, in Denen gleichzeitig und 

regelniäßig eine größere Anzahl von Yrbeitern aujer- 

halb ihrer Wohnung in geſchloſſenen Arbeitsräumen 


Arbeiterfrage (indujtrielle), 


gaben fiir Spirituofen, Ausgaben unverheirateter 
weiblidjer Urbeiter fiir Pus re. 

Die fiir die U. wefentliden moralifden Miß— 
ſtän de bei induſtriellen Lohnarbeitern find teils ſolche. 
die in Arbeiterfamilien vorkommen, teils ſolche, die 
bei verheirateten und unverheirateten Arbeitern ſich 


zeigen, teils ſolche, welche die unverheirateten weib 


lichen Arbeiter betreffen. Unter den Mißſtänden m 
Arbeiterfamilien iſt vor allem zu erwähnen eine 
ſchlechte Hauslichkeit und ein ſchlechtes Familienleben 
der Arbeiter, herbeigeführt nicht nur durch geringes 
Einkommen oder übermäßige Beſchäftigung der Fanti⸗ 
lienglieder, ſondern häufig auch durch leichtſinnige, 
frühzeitige Eheſchließungen, durch die Roheit und Un— 





beſchäftigt und in der Regel Maſchinen benutzt wer- 
ben; 2) Sie hausindujtricllen Arbeiter, d. h. gewerb⸗ 
liche Lohnarbeiter, die in ihren eignen Räumen auf 
Beſtellung eines größern Unternehmers für den Ver— 
trieb im großen arbeiten; 3) die Lohnarbeiter in Berg⸗, 
Hüttenwerlen, Salinen und größern über Tage be— 
triebenen Gruben und Brüchen; 4) die Lohnarbeiter 
in größern andern gewerblichen, namentlich bau— 
gewerblichen Unternehmungen. 

Die reformbedürftigen Mißſtände bei den induſtriel⸗ 
len Arbeitern ſcheiden ſich in wirtſchaftliche und mora- 
liſche. Die wirtſchaftlichen Mißſtän de liegen vor- 
zugsweiſe in den Einkommens⸗, Urbeits-, Wohnungs⸗ 
und Ausgabenverhältniſſen der Arbeiter. Die Ein— 
kommensverhältniſſe find keineswegs allgemein un: 

ünſtig, aber fie kimnen es fein: *88 der Unſicher⸗ 
Beit des Cinfommens (herbeigefiihrt durd) dic Natur des 
Gropbetriebs und der Abſatzverhältniſſe induſtrieller 
Unternehmungen mit den seitiveifen Uberproduftionen 
und darauffolgenden Abſatzſtockungen und durch dic 
Gefährlichkeit eines Teiles der induftriellen Urbeits- 
leiftungen fiir Gefundheit und Leben); 2) wegen der 
Niedrigleit des Lohnes (bei ungelernten Urbeitern, wo 
der Lohn —** Der geringen Urbeitsfabigteit und 
ded regelmiapig die Nachfrage überſteigenden Angebots 
den niedrigſten Stand zeigt, und der Lohn eines er: 
wachſenen Arbeiters einer mittelftarfen Familie mur | 
die Befriediqung der dringendjten Lebensbediirfniffe | 
ermöglicht, ferner bei finderreiden Familien, wenn 
fiir Diefe Der Lohn des Fantilienhauptes das eingige | 
Einfommen ijt, und bei ijolierten Urbeitern, wenn 
infolge der Übermacht des Urbeitgebers an fic) be- 
redhtiqte Lohnerhihungen — oder unberech⸗ 
tigte Lohnreduftionen erfolgen), und 3) wegen Man: 
els an Ausſicht auf eine Steiqerung des Yirbeitsein- 
‘aimmens mit der Beit, weil nur ein kleiner Teil der 
indujtricllen Arbeiter zu der Stellung cines Vorarbei 
ters, Aufſehers, Werkmeiſters r., geſchweige gar eines 
Unternehmers gelangen fann. Gaeitere Übelſtände 
lonnen beſtehen in übermäßiger Ausdehnung der tig: 
lichen Arbeilszeit, in der regelmäßigen Vornahme 
von Sonntags- und Nachtarbeit, ferner darin, daß 
die Beſchäftigung an ſich oder wegen des Zuſtandes 
der Urbeitsraume geſundheitsſchädlich oder lebens 
efährlich ijt. Als Übelſtände der Yrbeiterwohnungen 
ind hervorzuheben: ungefunde Lage, ſchlechte bauliche 
hältniſſe, Uberfüllung der Wohnhäuſer und der 
einzelnen Wohnungen, zu hohe Mietpreiſe, Unſicher— 
heit der Mietsdauer und häufiger Wohnungswechſel, 
zu weite Entfernung von der Arbeitsſtelle ꝛc. Bezüg— 
lid) der Ausgabenwirtſchaft lommen in Betracht: * 
Preiſe fiir oft ſchlechte Waren durch Einkauf in klei— 
nen Laden oder in unſoliden Geſchäften, die Ausbeu— 
tung der Arbeiter durch direlte oder indirefte Ablöh— 
mung mit Waren (ſ. Trudfyftem), übermäßig lange 
Lohnzahlungstermine, ſchlechte Koſt, übermäßige Aus— 


keit. 
ſtände kommen aud) in den Kreiſen der Arbeitgeber 


moralitat der Eheleute und Eltern, durch den ſchlech 
ten Zuſtand der Wohnungen, durch die ſchlechte Er— 
ziehung und Unwirtſchaftlichkeit der Hausfrauen, durch 
eine regelmäßige Beſchäftigung der letztern außerhalb 
de Hauſes ꝛtc., ferner die mangelhafte Ausbildung der 
Kinder in moraliſcher Hinſicht, die Größe der Familie 
bei unzureichendem Cinfommen, die regelmäßige Kin— 
derarbeit ꝛc. Weitere Übelſtände bei männlichen 
Arbeitern find: geringer Arbeitsfleiß, mangelnder 
Sparſinn, auch wo die Lohnhöhe an ſich ein Sparen 
geſtatten würde, Unwirtſchaftlichkeit in der Verwen⸗ 
dung des Einlommens, Trunkſucht, Irreligioſität. 
Mißtrauen gegen Arbeitgeber, Mißachtung der Ver— 
träge, Ubertretung der Geſetze, Mißbrauch der Koa— 
litionsfreiheit, Haß gegen die beſitzenden Klaſſen x. 
Bei unverheirateten weiblichen Arbeitern treten als 
beſondere Mißſtände hervor: die mangelnde Gelegen⸗ 


heit, ſich die fiir Den künftigen Beruf als Hausfrauen 
notwendigen Cigenidaften und Fabigfeiten anzu— 


eignen, cine ungünſtige Wirfung der indujtricllen Be- 
ieiftiguing auf ibre Moral, geſchlechtliche Unſittlich⸗ 
[ber moraliſche, fiir die A. weſentliche Miß— 


vor, fo namentlich, wenn dieſe ihr Verhältnis zu ihren 


| Urbeitern lediglid) als cm reines Vertragsverhaltnis, 


nicht aud) als ein moraliſches auffaſſen und die ihnen 
obliegende fittliche Pflicht, fiir die moraliſche und gei— 


ſtige Hebung ibrer Arbeiter nad) bejten Kräften zu 


jorgen, nicht erfiillen und fic) iiberhaupt mibrem Ber- 
halten gu ihren Yrbeitern ausſchließlich vom Tried des 
rückſichtsloſen Egoismus bebherriden laſſen, oder wenn 
ſie ihren Urbeitern in ihrem eignen privaten und ge 
ſchäftlichen Leben durch cin ummoralijdes Berhalten 
cin ſchlechtes Vorbild find. 
Dic notwendigen und zweckmäßigen Reformmaß— 
regeln find teils obrigfeitliche, teils private. Die 
obrigkeitlichen Magregein find auger der Sorge 
flir cme gute Yirbeitsitatijtif und fiir cinen den In— 
terejjen der induſtriellen Arbeiter entiprechenden Schule 
unterrid)t im weſentlichen geſegeberiſche oder admi— 
nijtrative, Die tells den Arbeiterſchutz, teils Die Ar— 
beiterverficherung betrejjen. Die Sorge fiir cine qute 
Arbeitsſiatiſtit, d. h. fiir eine qenaue Feſtſtellung und 
Klarlegung aller auf die matericile und ſoziale Lage 
dev induftriellen Arbeiter bezüglichen und gu deren 
ridjtiger Beurteilung weſentlichen Verhältniſſe, cine der 
wichtigſten und dringlidjten Aufgaben der Staats- 
qewalt, erfordert teils cimmalige, allgemeine Enqueten 
liber beſtimmte Suftinde und Verhältniſſe, die ganze 
Induſtriezweige, refp. Urbeiterverbaltniffe des ganzen 

Landes betreffen, teils fortlaufende Fejtitellungen der 
einzelnen Verhältniſſe und ibrer Veränderungen im den 
einzelnen Induſtriebezirken. Dieſe letztern Feſtſtellun⸗ 
gen müſſen den induſtriellen Arbeitsinſpeltoren (ſ. un⸗ 
| ten) übertragen werden; beſſer nocd werden dafür be— 


Arbeiterfrage (induſtrielle). 


fondere arbeitsſtatiſtiſche Bureaus (Urbeitsintter, ſ. d.) 
errichtet. Bezüglich des Schulunterrichts iſt hier der 
obligatoriſche Unterricht bis zum 14. Jahr, aber auch 
die ——— der obrigkeitlichen Anordnung eines 
obligatoriſchen Fortbildungsunterrichts für die jugend⸗ 
lichen: Arbeiter bis gum 18. Jahre (ſ. Fortbildungs⸗ 
ſchulen) zu fordern, und für die Art des Unterrichts in 
den Elementar ⸗ und Fortbildungsſchulen muß es vom 
Standpuntte der Sozialpolitik als eine Hauptaufgabe 
desſelben hingeſtellt werden, daß in den Schulen auch 
i bie Uusbildung der Schiller in moralijder Hin- 
idt geforgt wird, da die Schule in dieſen Kreijen 
häufig das einzige Mittel religiöſer und moralijder 
Erziehung iſt. 

Die notwendigen Maßregeln der Arbeiterſchutz— 
geſetzgebung ſind folgende: 1) Die Gewährung ded 
Noalitionsredts, d. h. Des Rechtes der freien Vereini 
gung der Lohnarbeiter zur Wahrung ihrer beredtig: 
ten — * zur Beſſerung ihrer Lage, alſo auch 

ur gemeinſamen Regelung der —— ihrer 
rbeitsverträge, aber mit der Einſchränkung, daß die 


677 


Schutzvorſchriften durd) Strafbejtimmungen und 
obrigfeitlidhe Rontrolle. Mindeſtens muh diejer Schutz 
| den Berjonen unter 16 Jahren qewabrt werden. Für 
weibliche Arbeiter (weibliche — über 18 Jahre) 
rechtfertigen ſich die gleichen Schutzbeſtimmungen wie 
für jugendliche Arbeiter, aber außerdem iſt hier noch 
ein Saree Schutz fiir Schwangere umd Widyne- 
rinnen (Verbot gewijfer Urbeiten, Sdongeit nach der 
mttaer: Alper fiir Frauen, die ein Hauswefen zu 
bejorgen haben (längere Mittagspaufe, früherer Schluß 
der Urbeit an Vorabenden von Sonn: und Feiertagen), 
geboten. 3) Die Regelung der Arbeit von erwachſenen 
männlichen Urbeitern. Die Beſtimmung der Dauer der 
tiglichen Arbeitszeit ijt bet Der Roalitionsfreiheit den 
Beteiligten (Arbeitgebern und Urbeitern) gu überlaſ— 
jen, nur ausnahmsweiſe ijt fiir cingelne Jndujtrie- 
zweige, in denen nachweislich durch übermäßige Dauer 
jener Zeit die Geſundheit der Arbeiter geführdet wird, 
cine gejegliche oder adminijtrative Normierung der: 
felben gu rechtfertiqen. Dagegen jollte die Gonntags- 
| und Nadjtarbeit ace lich auf das unvermeidlide Maß 











Vereins- und gitationsfreiheit micht gu einer wider: | beſchränkt und ebenjo durd gefeplice und admini- 
redtlichen Freiheitsbeſchränkung Dritter ausartet oder | {trative Beſtimmungen die Verhinderung einer an ſich 
den gewaltjamen Umſturz der bejtehenden Staats und geſundheitsſchädlichen oder fonjt gefibrliden Urbeit 
Geſellſchaftsordnung beswedt, nod) in gemeingefibr lunlichſt erſtrebt werden. 4) Die Regelung der Ar⸗ 
licher Weiſe den öffentlichen, reſp. ſozialen Frieden ſtört beitsordnungen (Fabrikordnungen) fiir die einzelnen 
(jf. Roalition). Die ſozialpolitiſche Bedeutung und Be⸗ größern induſtriellen Betriebe durch die Vorſchriften 
rechtigung des ſo begrenzten Koalitionsrechtes liegt des obligatoriſchen Erlaſſes derſelben und ihrer Mit⸗ 
darin, daß es die ungünſtige Stellung des einzelnen teilung an die Arbeiter, durch geſetzliche Beſtimmungen 
Lohnarbeiters gegenüber dem großen Unternehmer in | über die Form, den notwendigen und den zuläſſigen 
der vertragsmaͤßigen Fejtitellung der Bedingungen | Inhalt und durd die Vorſchrift einer obrigteitlidjen 
des Urbeitsvertrags und der ganjen Gejtaltung feines | Prüfung derjelben, damit Durd) diefe Ordnungen den 
Urbeitsverhaltnijjes bejeitiqen und die rechtliche Frei- | Streitigfeiten zwiſchen Arbeitgebern und Arbeitern 
heit und Gleichberechtigung des Arbeiters beim Ab⸗ vorgebeugt und zugleich der ſoziale Friede befördert 
ſchluß des Arbeitsvertrags auch zu einer wirklichen — 5) Obrigkeitliche Maßregeln bezüglich der Lohn⸗ 
machen kann. Wher die Gewährung dieſes Rechtes er- zahlung, insbej.: ſtrenge Vorſchriften zur Verhinde⸗ 


fordert zum Schutze der Arbeitgeber und im öffent— 
lichen Intereſſe als Korrelat auch Maßnahmen zur 
Verhinderung und Erſchwerung des Vertragsbruchs 


. Vertragsbruch). 2) Die Regelung der Arbeit von | 


Kindern, jugendlichen und weibliden YUrbeitern. Diefe 
drei Klaſſen find abjolut ſchutzbedürftig. Für Kinder 
(Perjonen unter 14 Jahren) ijt, weil die regelmäßige 
induſtrielle Beſchäftigung die körperliche, techniſche und 
moraliſche Ausbiſdun —8* grundſätzlich das ge⸗ 
ſetzliche Verbot dieſer Beſchäftigung zu fordern; jeden- 
falls ſollte die Sonntags- und Nachtarbeit ſowie jede 
direkt geſundheitsſchädliche oder für Kinder ſonſt ge— 
fährliche Arbeit verboten und zu dieſem Swed die Be. 
ſchäftigung nur auf Grind eines Atteſtes autorifierter 
Arzte geſtattet, ferner ein Minimalalter der Beſchäf— 
tigung, eine Maximalarbeitszeit mit Arbeitspauſen 


und die Gewährung eines regelmäßigen Unterridts | 


neben der indujtriellen Beſchäftigung vorgeidrieben, 
zugleich aber durch wirffame Strafbejtimmungen und 


obrigfeitlide Kontrollorgane fiir die Durchführung 


diefer Vorſchriften qeforgt werden. Die Regelung muy 
fic) auch auf die Hausinduſtrie, aber mit mannigfachen, 
den einzelnen Arten und lofalen Verhältniſſen ſich an: 
pafjenden Modijifationen, erjtreden. Für jugendlide 
Arbeiter (Perſonen von 14 bis unter 18 Jahren) be- 
Darf ¢8 ebenfalls des Berbots der Gonntags- und 
Nadhtarbeit, der geſetzlichen Beſtimmung der Maximal: 
arbeitszeit (nicht itber 10 Stunden) und der Arbeits— 
paujen, des Verbots der gefundheits- und moralſchäd⸗ 
licen oder fonjt gefährlichen Arbeit, der Ein- und 
Durchführung cines obliqatorifden Fortbildungs- 
unterridts, wo er nad den lofalen Verhältniſſen aus- 
fithrbar ijt, und der Sicherung der Durchführung der 


rung des Truckſyſtems (}. d.), Verbot der Auszahlung 
der Qsbne in Wirtshaujern und Sdanflofalen, Ber- 
bot von Lohnabzügen und Lohneinbehaltungen, die 
nicht in der YUrbeitsordnung vorgejehen find, und ge- 
ſetzliche Beſchränkung der Höhe der zuläſſigen Lohn⸗ 
einbehaltungen zur Sicherung von Entſchädigungs— 
anſprüchen des Arbeitgebers gegen — —— 
kontraktbrüchige Arbeiter, eee geſetzliche Bejtim- 
mungen, die entweder die Arbeitgeber ermadtigen, 
in der Urbeitsordnung die Auszahlung der Löhne an 
—— unverheiratete Arbeiter nur mit Ge⸗ 
nehmigung der Eltern, bez. des Vormundes vorzu⸗ 
ſchreiben, oder die Befugnis zu einer ſolchen Vor— 
ſchrift Den Gemeinden und größern Kommunalver— 
bänden erteilen. 6) Die Regelung der Organiſation 
von Gewerbegerichten zur gerichtſichen Entſcheidung 
von Rechtsſtreitigkeiten zwiſchen gewerblichen Unter⸗ 
nehmern und ihren Arbeitern über Forderungen und 
Verbindlichkeiten aus dem abgeſchloſſenen Arbeits— 
vertrag (ſ. Gewerbegerichte). 7) Normativbeſtimmun⸗ 
gen für Einigungsämter, deren Aufgabe es ijt, bei 
entitebenden Streitiqteiten der Urbeitgeber und Ar— 
beiter, bei denen es A um Wnderungen des bisheri- 

en Urbeitsvertrags, reſp. um die Bedingungen, den 
Inhalt eines neu abzuſchließenden (Dauer der Ar— 
beitszeit, Lohnhöhe, allgemeine Beſtimmungen der 
Arbeitsordnung x.) handelt, einen friedlichen Mus- 
gleich herbeizufuͤhren, event. einen fiir beide Teile bin: 
| denden Ganedsfprud) zu fällen und durch ihre Wirt: 
ſamleit ſchweren Konflikten und Arbeitseinſtellungen 
vorzubeugen (ſ. Einigungsämter). 8) Die Urbeiter- 
wohnungsgeſetzgebung als dffentlich - rechtliche Rege- 
lung der Benutzung von Wohnungen (Magtichee 





678 


obrigleitlichen Verbots der Benutzung gejundbheits- | nur ihre Betriebsfoften dedt und den Urbeitern die 
ſchãdlicher Wohnungen, Expropriationsredt, refp. Ex- Waren eT aca. refp. Herjtellungs reis mit dem 
propriationspflidt der Gemeinden jur VBefeitiqung | sur Decung der Gefdhaftsuntoften notwendigen Auf- 
ungejunder Wohnungen, Verwendung der einjelnen ſchlag verfauft werden, oder als Genoſſenſchaften der 
Gebiiudeteile nur nad) Makgabe der baupolizeilichen Arbeiter, fogen. Ronfumvereine (ſ. Genoſſenſchaften); 
Genehmigung, Unordnung eines geſetzlichen Mini- 6) die Firderung des Sparfinns durch befondere, ent: 
malluftraums für jeden Bewohner, Cinjegung bejon- | weder von den Virbeitern oder von den Urbeitgebern 
derer Inſpektionsorgane rc.) und Seleggetung iiber errichtete Fabriffpartafjen, in welde die Arbeiter ſich 
Mietvertriige, um die Urbeiter gegen die Übermacht | freiwillig verpflidjten, regelmiifig bei jeder Lohnzah— 
und Ausbeutung der Vermicter ju ſchützen (jf. Urbei- lung einen Betrag einjulegen, augerdem aber jeder- 
terwohmungen). 9) Die Organijation einer befondern | zeit Betriige einlegen können, und deren niigliche 


Arbeiterfrage (indujtrielle), 


Urbeitsinjpeftion zur Beobadtung und Feſtſtellung 
dev tatſächlichen Zuſtände, zur Sicherung einer ge— 
nauen Durchführung der Arbeiterſchutzbeſtimmungen, 
zur Weiterbildung der ſozialpolitiſchen Geſetzgebung 
und zur —— privater, für die Verbeſſerung der 
Arbeiterverhältniſſe und für die Förderung des ſozia⸗ 


len Friedens nützlicher ~~ * Fabrilinſpeltion). 


Inwieweit dieſe prinzipiellen Forderungen in der Ge⸗ 


ſetzgebung erfüllt ſind, darüber ſ. Fabrikgeſetzgebung 


Wirkung geſteigert werden kann durch Gewährung 
von Praͤmien zu den Spareinlagen ſeitens der Arbeit⸗ 
eber oder gemeinnütziger Geſellſchaften oder durch 
Bewilligung eines höhern Zinsfußes; 7) andre Wohl⸗ 
fahrtseinri — der Yrbeitgeber mannigfaltigiter 
Yirt, Deven zweckmäßigſte Durdfiihrung und jegens- 
reiche Wirkfamfeit in zahlreichen Unternehmungen er- 
probt ijt, wie 3. B. Rranfenfafjen (auch fiir Familien⸗ 
angehbrige der Urbeiter), Jnvaliden:, Alters-, BWit- 


und Gewerbegejepgebung. wen und BWaifenfafjen, event. als Ergdinymgs: und 
Die obrigteitliden Urbeiterverfiderungs- | Zufdhublaffen der gefegliden obligatoriiden Kaſſen 
maßregeln betreffen, entipredjend den einzelnen | diefer Art, Boridup: und Unterjttigungstafjen (bet 
Arten diefer Verfiderung: 1) die Regelung der Un | unverjduldeten Ungliidsfillen und andern aufer- 
fallentſchädigung entweder durch ig oe elung gewöhnlichen unvermeidliden Ausgaben, bei Befcdaf: 
der Haftpflidht der Unternehmer und Normativbejtim: | fung von Wintervorriiten x.), Soldatentajjen, Ar— 
mungen fiir private Unfallverſicherungsanſtalten oder beiterſpeiſeſäle, Umkleideräume, Waſch- und Badeein- 
durch die Einführung der Hffentlich - rechtlidjen Un— | ridjtungen, Meinfinderbewahranjtalten und -jdjulen, 
fallverfidjerung (f. d.); 2) die Reqelung der Rranfen: | Lefezimmer, Bibliothefen, Handfertigfeitsunterridts- 
verfiderung auf der Grundlage des Recfidjerunge. anjtalten, Handarbeits- und Haushaltungsidulen, 
zwanges und der teilweifen Beitragspflicht der Urbeit- | Mädchenheime, Fortbildungsjdulen, Turnanjtalten re. 
eber (j. Rranfenfafjen) ; 3) die Regelung der Ulters- u. | (ſ. Dariiber die Bufantmenjtellung bei G. Meining— 
nvalidenverfiderung entweder mur Hea) Norma: | haus, Die ſozialen Wufgaben der indujtricllen Ar⸗ 
tivbejtimmungen fiir private Verjiderungsanjtalten | beitgeber, Tilbing. 1889); 8) die Schajfung von Ar⸗ 
oder durd) eine öffentlich-rechtliche Regelung aud beiterausſchüſſen als befondern Organen in großen 
dieſes Verjicherungssweiges (wie in Deutſchland) mit induſtriellen Unternehmungen, zur Bertretumg der 
Verſicherungszwang, teilweifer Beitragspflicht der Mr- | Urbeiterinterefjfen, zur Siderung eines quten Verhalt- 
beitgeber, ftaatlidjer Organijation der Verficherungs- niſſes zwiſchen den Urbeitgebern und ihren Arbeitern 
anftalten, Staatszuſchuß rc. (ſ. Invaliditätsverſiche umd jur Herbeifiihrimg eines guten Berhaltens der 
rung); 4) die normative Regelung der privaten Wit leptern; 9) Maßregeln zur Befampfung der Trunt- 
wen und Waiſen⸗, Lebens- und Begrabnisgeldver- ſucht (f.d.); 10) Vereine für unverheiratete induftrielle 
ſicherung (ſ. die betr. Artikel). Uber eine Verſicherung Arbeiterinnen, die fic) der —— für dieſe Per— 
gegen Arbeitsloſigkeit ſ. d. ſonen hingeben, fiir eine ordentliche Wohnung, event. 
Zu den privaten Maßregeln gehören: 1) die auch für eine gute Verpflegung derſelben ſorgen, ihr 
Steigerung des Arbeitseinkomniens durch eine ratio: moraliſches Verhalten überwächen, ihre allgemeine 
nelle, den Arbeitsfleiß ſteigernde Art der Löhnung oder Bildung fördern und ihnen Gelegenheit geben. ſich in 
durch die, freilich nur ausnahmsweiſe in einem kleinen | den freien Stunden in Handarbeiten und in dem, was 
Teil von indujtriellen Unternehmungen mit Erfolg | fonft cine tüchtige Hausfrau wiffen foll, auszubilden ; 
anwendbare Beteiliqung der Urbeiter am Gewinn; 11) Kod): und Haushaltungsfdulen fiir Fabrikmäd— 
2) die —— von J in| chen; 12) Kleinkinderbewahranſtalten fiir ſolche Rin- 
den fehr engen Grenjen, in denen dieſe Unterneh- | der, deren Mütter in induftriellen Unternehmungen 
mungsform anwendbar ift (|. Genoſſenſchaften); 3) dic | auger Dem Hause beſchäftigt find; 138) Bereine zur 
Organijation der Urbeiter in Berufsverbänden (Ge | Unterjtiigung der Wöchnerinnen in ihrer Haushal- 
werfvereinen) jur Wahrung ihrer beredtigten Juter- | tung; 14) Urbeiterdbildungsvereine ju dem Swed, die 
ejjen und Verbeſſerung ihrer Gefamtlage, Fas Haupt: | allgemeine Bildung, die Berufskenntniſſe, die gute 
mittel aud) zur — des Problems einer richtigen Sitte, die Moral, die Religioſität und den Patriotis 
Verteilung des Ertrags der Unternehmungen zwiſchen mus unter ihren Mitgliedern gu fordern, aber ard 
Kapital und Arbeit und einer gerechten Lohnbildung | zur Erheiterung und Rerfchinerung ihres Lebens bei- 
(f. Gewerfvereine); 4) die Herjtellung quter, gefunder | zutragen und auf ihe Familienteben cinen veredeln- 
und billiger YUrbeiterwohnungen durch Urbeitgeber, | den —* auszullben. Su den wichtigſten privaten 
Baugeſellſchaften, Baugenoſſenſchaften (ſ. Urbeiter- | Maßregeln gehört ferner nod) 15) die individuelle 
wohnungen); 5) die Gründung von Konſumanſtalten, Einwirkung der induſtriellen Arbeitgeber auf die Beſſe⸗ 
um den Arbeitern Nahrungsmittel und andre Ge- | rung der Lage ihrer Arbeiter (außer durch die oben 
brauchsgegenſtände beſſer und billiger ju liefern, als | erwähnten Wohlfabriseinridtungen) durd thr perſön⸗ 
jie diefelben fich in andern Laden veridatfen, entweder | fides Berhalten und dadurd), dak fie fic aud) um dad 
als Unjtalten größerer WUrbeitgeber, die auf deren | Familienteben ihrer Urbeiter befiimmern und dasfelbe 
Rechnung und unter deren ——— betrieben zu beſſern ſich bemühen. Unentbehrlich ijt aber auch 
werden und derart organiſiert ſind, daß die Anſtalt bie die ſoziale Reform yur Forderung von Moral und 
feinen Gewinn fiir den WUrbeitgeber erjielt, fondern | Sittlichfert bei den einzelnen Arbeilern und in den 








Arbeiter frage (andwirtſchaftliche). 


Arbeiterfamilien die energiſche Mitwirkung der Kirche 
und Geiſtlichkeit. 
Die landwirtſchaftliche Urbeiterfrage. 

Cine landwirtſchaftliche U. exiſtiert als ein großes 
ſoziales Broblem cigentlid) nur da, wo die großen 
Wiiter und der landwirtſchaftliche Gropbetried fiber- 
wiegen, und wo die auf diejen Giitern iy he 
Urbeiter reine Lohnarbeiter find und feine Möglich⸗ 
feit haben, in den Beſitz eines fleinen Gutes al3 Cigen- 
timer oder Pachter gu kommen, in Deutſchland daher 
wefentlid) mur tm Rordojten. Der Stand der land- 
wirtjdaftlidjen UW. ijt in verjdiedenen Landern 
durd) die großen Unterjdjiede in der BVerteilung des 
Grundbeſitzes und der gangen Art des landwirtſchaft 
lichen Betriebes ſehr verſchieden; auf dieſe Unterſchiede 
in den einzelnen Ländern, für welche überdies nur 
lückenhaftes Material vorliegt, kann hier nicht ein⸗ 
gegangen werden. Die folgende Darſtellung muß ſich 
deshalb auf eine kurze Erdrterung der landwirtſchaft⸗ 
lichen A. in Deutſchland beſchränken. 

In Deutſchland find vier Klaſſen landwirtſchaft— 
licher Lohnarbeiter gu unterſcheiden: 1) die Gutstage- 
löhner (Dienjtleute, Inſtleute ꝛc.), fontraftlid) auf 
längere Zeit, mindeftens auf 1 Jahr, gebundene Lohn- 
arbeiter ohne Grundbefig, die auf dem Gute de3 Ar— 
beitgebers wohnen, eigne Hauswirtidaft haben und 
verpflichtet find, ihre Urbeitstraft, in manchen Gegen- 
den aud) noch eine zweite jiingere (Scharwerker, Hof⸗ 
gänger) dem Dienſtherrn zur Verfiigung gu ftellen; 
ſie befommen als Entgelt Raturalemolumente (auger 
Wohmmg Land jum Unbau, Weidenutzung, Depu- 
tatforn ꝛtc.), die m der Regel den größern Teil des 
Cinfommens bilden, und etnen Jahreslohn in Geld; 
2) Cinlieger, Lohnarbeiter ohne ———— feſten 
Wohnſitz, die in Dörfern oder auch auf Gütern zur 
Miete wohnen, immer nur auf kürzere Zeit den Ar— 
beitsvertrag ſchließen und einen Lagelohn, im der 
Regel mur m Geld, erhalten; 3) bejigende Ur- 
beiter, die etwas Land, in der Hegel aud) ein Haus 
beſitzen, deren Beſitz aber nicht groß gemug ijt, fid 
und ibre Familie gu erhalten, und die deshalb nod als 
Tagelipner, aber nicht ſtändig gegen Geldlohn ar- 
beiten; 4) Dienjtboten, Gejinde, Lohnarbeiter, die 
aud) auf —— Zeit gedungen werden, ſich gu be- 
ſtimmten landwirtſchaftlichen Dienſtleiſtungen ver- 
— und dafiir auger einem fejten, auf längere 

ermine vereinbarten Geldlohn volle Raturalverpfle- 
gung in bem Hauſe ihres Dienftherrn erhalten. 

In der Lage der landwirt{daftlidjen Urbeiter be- 
fteht im allgemeinen ein großer Unterſchied zwiſchen 
Süddeutſchland und dem wejtlidjen Teil von Nord⸗ 
deutſchland einerſeits und dem djtliden Teil von Nord- 
deutſchland anderſeits. Die Lage der Urbeiter dort ijt 
im allgemeinen eine gitnjtigere. Ihr Einkommen und 
ihre Lebenshaltung iſt höher; fie können durch Fleif, 
Sparjamfeit, Wirtſchaftlichleit es aud) zu einem kleinen 
Grundbeſitz bringen, und ein großer Teil von ihnen 
hat einen ſolchen. Das Familienleben, das moraliſche 
Verhalten dieſer Vollsklaſſen ijt ein beſſeres, fie haben 
meiſt das Streben, vorwärts zu fommen, ihre Bil- 
dung ijt eine höhere. Die Tatſache der bejjern Lage 
dieſer Urbeiter hat zum Teil ihre Urſache in der gitnfti- 
gern Gefdichte diefer Klaſſen feit bem Mittelalter, aber 
vorzugsweiſe beruht fie bod) auf großen Unterfdieden 
in heutigen allgemeinen Verhältniſſen zwiſchen diefen 
beiden Leilen von Deutidland. Hier, im norddjtlichen 
Teil, überwiegen weitaus die großen Gilter, dort 
ebenfo die fleinern und mittlern. Die Lohnarbeiter 
find bier gum größten Teil Urbeiter auf großen Giitern, 


679 


eine fiir Die Urbeiter et eaten Kluft trennt fie 
von den Urbeitgebern; dort find fie gum größten Teil 
Urbeiter auf mittlern Giitern, gu einem erhebliden 
Teil felbjt fleine Beſitzer, der ſoziale Unterſchied zwi— 
ſchen Urbeitgebern und Urbeitnehmern ijt in der Regel 
fein fo großer, die pane ſoziale Stellung der letztern 
ift eine andre, viel freiere. Dazu fommt, dak bier 
die Urbeiter viel mehr von der ſtädtiſchen Bevilferung 
geſchieden find. Weit auseinander liegen die Stadte 
und Dörfer, dagwijdjen die groken Giiter. Der Ver- 
kehr der ländlichen Urbeiter m Städten und mit der 
ſtädtiſchen Bevdlferung ijt ein geringer. Anders dort: 
die Guts- und Gemeindebegirfe ſind viel fleiner, die 
Städte sahlreider. Eng beieinander find Dörfer und 
fleine Stadte. Auf engem Raunt nebeneinander wer- 
den Landwirtſchaft Gewerbe betrieben. Die land- 
wirtſchaftliche Bevdlferung verfehrt viel mehr nuit der 
ſtädtiſchen und lebt zumeiſt in Dörfern, der Inhalt 
ihres Lebens wird dadurd ein viel mamnigfaltigerer. 
Den ländlichen Urbeitern bieten fic) gur Beſchäftigung 
nicht bloß landwirtidaftlide Urbeitgeber, und dieſe in 
—* Zahl, ſondern ſie finden leicht auch andre 
rbeitsgelegenheit. Dadurch werden ſie ebenfalls viel 
weniger abhängig von dem einzelnen Arbeitgeber und 
eſtalten ſich die Bedingungen des Arbeitsvertrags 
ſie günſtiger. Sehr weſentlich iſt aber endlich noch, 
daß es tm Nordoſten, wo nur große Güter und größere 
Bauernhöfe exiſtieren, fiir die große Mehrzahl der 
Arbeiter völlig unmöglich iſt, zu einer eignen kleinen 
Gutswirtſchaft als Eigentümer oder Pachter zu ge 
langen. Das iſt aber dort jedem Arbeiter möglich durch 
Fleiß, Sparjamfeit und ——— nd dieſe 
Moglichteit wird für viele der kräftigſte Antrieb, fleißig, 
ſparſam und wirtſchaftlich zu ſein, um jenes Ziel zu 
errei belſtände moraliſcher und ölonomiſcher 
Art gibt es auch dort, aber ſie ſind viel geringer an 
Zahl und Ausdehnung, ihre Beſeitigung bildet keine 
große ſoziale Reformfrage. 

Eine Poche ijt aber fiir die landwirtſchaftlichen Ar— 
beiter im norbddjtliden Deutidland vorhanden. Die- 
felben find gum weitaus größten Teil Gutstagelbhner 
oder Cinlieger, jene bilden die große Mehrzahl. Der 
Hauptiibelftand ijt fiir beide Klaſſen von Urbeitern 
die ———— ſelbſtändige kleine Landwirte zu 
werden. Bei den Gutstagelöhnern ijt die Stonomifdye 
Lage fehr verfdieden, je nad) dem Berhalten der Ur- 
beitgeber. Ihre Einlommensverhältniſſe find in der Re- 
gel nicht gerade ungitn{tig, wenn ihnen die vertrags- 
magigen Naturalemolumente rechtzeitig und gut ge 
liefert werden. Dies ijt jedod) nicht fiberall der Fall, 
und nidjt felter find namentlid) aud) die ihnen iiber- 
wiejenen —— ſchlecht und fiir das Familien⸗ 
leben ſchädigend. Andre Stonomijdhe Übelſtunde find: 
eine übermaͤßige Arbeitszeit im Sommer an Wochen⸗ 
tagen, Beſchäftigung aud an Sonntagen, übermäßige 
Beſchäftigung der Frauen im herridhatttichen Dien 
auger dem Haufe, eine fiir die Urbeiter ſchädliche Ab⸗ 
banpigteit von den Urbeitgebern, unwirtidaftliche Ver- 

ung de3 Einfommensrc. Und dazu kommen nod) 

bei ſehr vielen Urbeiterfamilien als moraliſche Mip- 
ſtände: frithzeitige, leichtſinnige Eheſchließungen und 
ein ſchlechtes Familienleben, ——— Erziehung 
und —— ende Schulbildung der Kinder, Der mo- 
ralſchãädliche erdienſt in fremden Familien, 
— Unfjittlicteit der Mädchen, geringer Ar⸗ 
itsfleiß, Trunkſucht 2. Die —S Lage der 
Einlieger ijt im Sommer günſtig, wo fie leicht Urbeit 
und guten Lohn finden; aber im Winter wird ihre 
Lage ungünſtiger al8 die Der GutStageldhner, und 


680 


viele bleiben ohne Urbeit und Verdienft. Die mora: | 
lifchen Mißſtände find bei ihnen der gleichen rt. 

Für die ſoziale Reform ijt bezüglich beider Klaſſen 
die Hauptaufgabe, den Arbeitern die Möglichkeit zu 
eröffnen, felbjtindige Landwirte auf cinem Heinen 
Gut, gqrundbejigende Urbeiter gu werden. Dadurd 
wird zugleich Der Gefabr, daß die ſozialdemokratiſche 
Ugitation aud) die landwirtſchaftlichen Urbeiter der 
Sozialdemofratic zuführt, vorgebeugt. Es follte fiir 
eit Angebot ſolcher Heinen Beſitzungen geforgt, aber 
zugleich erwerbstujtigen, tiidjtigen Yirbeitern, denen | 
Die Mittel zur Bezahlung des Raufpreifes und bas | 
weiter ndtige Uniage- und Betriebsfapital fehlen, der 
Erwerb ermöglicht werden. Die Erfiillung diejer For- 
derung ijt feine leichte Aufgabe; fie fann in verſchie— 
Dener Weise erfolgen, ſowohl hinjidtlich der rechtlichen 
Natur der Beſitzungen (gemeinrechtliche Cigentums- 
qtiter, Rentengiiter, Erbpadtgiiter, event. aud) Zeit- 
padtgiiter) als der Perjonen, welche die Reform durd- 
führen (größere Grundbeſi 5 beſondere Geſellſchaften 
nach Art der engliſchen Landbaugeſellſchaften, der 
Staat oder kommunale Verbände). Die Anſiedelun 
von Arbeitern in größerer Zahl ſollte aber möglichſt 
im Anſchluß an Sirter und bauerlidje Gemeinden, 
nicht in ifolierten Urbeiterfolonien ftattjinden, weil 
jolche Kolonien nicht den Wnforderungen an ein ge 
jundes Memeindeleben genügen können. 

Für die Gutstageldhner find weitere Maßregeln zur 
Verbeſſerung ihrer Lage: 1) die Einwirfung der land- 
wirtidaftlichen Bereine auf eine redhtzecitiqe und qute | 
ieferung der Naturalemolumente (durch Rontrolle, | 
event. Verwarnung und dffentlide Befanntmadung 
der betreffenden Urbeitqeber); 2) das geſetzliche Ver 
bot von Yirbeiterwohnungen, die fiir Die Geſundheit 
oder fiir Das Familienleben ſchädlich find, und die 
jtrenge Durdfiihrung de3 Verbots; 3) die Verhinde— 
rung einer inbumanen, übermäßigen Beſchäftigung 
durd) den Einfluß der landwirtidaftliden Bereine, | 
event. durch obrigfeitliche Beitimmumgen und Einfüh— 
rung einer bejondern Entſchädigung bei der Beſchäf— 
tigung fiber eine beſtimmte Beit hinaus; 4) die Stet- 
gerung des Arbeitsfleißes und Lohneinkommens durd 
Einführung des Akkordlohns, wo dieſe Lohnart mög 
lich iſt, event. durch Gewährung von Prämien zum 
Zeitlohn; 5) die Gründung von Konſumanſtalten 
großer Arbeitgeber für ihre Arbeiter; 6) die Grün— 
dung von Gutsſparkaſſen, mit Gewährung von Prä— 
utien fiir Spareinlagen; 7) die Einſchraͤnkung der 
herridaftlidjen Urbeit der Chefrauen und Miitter zur 
ordentliden Beſorgung ibrer Hauswirtidaft und 
Pflege ihrer Minder; 8) die individuelle perſönliche 
Eimwirfung des Dienſtherrn und feiner Familie auf 
das Familienleben und die Hauswirtidaft fener Ar— 
beiter; 9) die Griindung von Heinen gegenfeitigen | 
Viehverjidherungsanjtalten (durch landwiriſchaftliche 
Vereine); 10) die Gründung beſonderer Feuerver 
ſicherungskaſſen für das Mobiliar und die Vorräte, 
deren Verſicherung die beſtehenden Geſellſchaften nicht, 
jedenfalls in der Regel nicht übernehmen. 

Der auch für die landwirtſchaftlichen Lohnarbeiter 
berechtigten Forderung einer öffentlich-rechtlichen Re 
gelung der Unfall- und Kranken- ſowie der Invalidi 
tits und Altersverſicherung hat die Reichsgeſetzgebung 
entſprochen (j. die betr. Artikel); eine wefentlice Muf- | 
gabe fiir die Reform ijt aber nod) die Hebung der | 
geijtigen und jittliden Bildung durch die obrigfeitliche 
Sorge fitr eine geniigende Schulbildung der Jugend 
(hinreichende Bahl von Elementarfduten in nicht zu 
weiter drtlider Cntferming voneinander, Giderung | 


Arbeitergilden — 





Arbeiterfolonien. 


deS regelmapigen Schulbeſuchs, rechte Urt des Unter- 
richts, namentlich auch sur Wusbildung der moralifden 
Eigenſchaften und ded religiöſen Sinnes), durch die 
Einrichtung von Kleinkinderſchulen, wo die Miitter 
vegelmiifig im Sommer auf Lobnarbeit zu gehen pile 
gen, und Durd) die Organifation von Fortbildungs- 
jdulen, wo dies ausführbar ijt. Mud gute Bolfs- 
bibliotheten, die Einrichtung katechetiſcher Gottesdienjte 
fiir die fonfirmicrte Jugend, die Erleichterung und 
Förderung des Kirchenbeſuchs der Urbeiter feitens der 
Urbeitgeber fommen fiir jenen Bwee in Betracht. At⸗ 
beiterbuldbungsvereine werden Dagegen nur ausnahins 
weife, nur in folden Gegenden anwendbar fein, wo 
in größern Gemeinden eine größere Bahl ſtändiger 
Cinlieger wohnt und aud die Wohnungen von Guts- 
tageldbnern in größerer gant in der Nähe liegen. 
Die fehr umfangreide Literatur iiber die A. tm 
allgemeinen ſ. im Art. »Arbeiter- von G. Sdhin- 
berg im »Handwirterbud der Staatswijfenfdafien -, 
Bd. 1 (2. Aufl., Jena 1898) und im rt. » Virbeiter: 
jrage< von F. Hige im »Staatstexifon« der Gorres- 
Geſellſchaft, Bd. 1 (2. Uufl., Freiburg 1900); über die 
indujtrielle UM. vgl. Schonberg in dejfen »Hand- 
buch der politiſchen Olonomie⸗, Bd. 2 (4. Uufl., Tab. 
1896 — 98); Derfner, Die Y., eine Einführung (3. 
umgearb. Aufl. Berl. 1902). Uber die landwirtidaft- 
liche A. in Deutidland ijt das Hauptwerf: Th. von 
der Golg, Die ländliche A. und ihre Löſung (2. Mufl., 
Dany. 1874); vgl. aud) » Die Landarbeiter in den evan- 
geliſchen Gebieten Norddeutidlands, in Cinjeldar- 
\tellungen nad den Erhebungen des evang.-jojialen 
Kongreſſes⸗, hrsg. von M. Weber (Tiibing. 1899 fj-). 
Urbeitergilden , ſ. Gewertvereine. 
Arbe ygiene, ſ. Gewerbehygiene. 
Arbeiterkammern, ſtaatlich organiſierte Stan— 
desvertretungen der Arbeiter, analog den Handels- 
und Gewerbefammern, mit der Uufgabe, der Regie 
rung beratend und bequtadtend in Urbeiterfragen 
yur Seite gu ftehen. wierig ijt ihre Sujaunmen- 
jebung. Im Deutſchen Reiche haben die auf die Er- 
richtung von A. abzielenden Anträge der Sozialdemo 
fraten im Reidstag 1881, 1885, 1890 und des Hen- 
trums 1899 feinen Erfolg gehabt. 
Arbeiterfolonien, wm allgemeinen Riederiaj- 
jungen fiir Urbeiter und Urbeiterfamilien. Diejelben 
fonnen den Swed haben, Urbeiter ſeßhaft su machen, 
indem ihnen auf einer Unfiedelung der allmablicde 
Erwerb von Grundjtiiden Rr freiem Cigentum er- 
möglicht wird (Daher aud Uderbaulolonien ge- 


| nannt); im engern Sinne ländliche Niederlaffungen, 


die dazu beſtimmt find, Arbeitsfähigen und Urberts- 
willigen, Die augenblidtic feinen Erwerb finden und 
daher dem Wanderbettel anheimfallen oder anbenn- 
jufallen drohen, Beſchäftigung zu gewähren. Die 
Beseidymung YU. gehört der neuern Zeit an, friiber 


war mebr die Benennung Urmenfolonien üblich. 


womit freilic) Der Gedanfe nabhegelegt ijt, als ob es 
ſich nur um dDauernde Verpflequng Verarmter handle. 
Verjude der gedadhten Art wurden int Heinen gemacht 
von dem Freiherrn v. Boght m Flottbed bet Ham— 


burg und vom Herzog von Larodefoucauld in Lian- 


court (Franfreid)), in größerm Maßſtabe 1818 von 
Weneral van den Bod), unter deſſen Leitung ſich in 
Holland die Maatschappij van Weldadigheed (Ge. 
jellichaft Der Wohltätigkeit) bildete, Die brotlofe, ar- 
beitsfähige und arbeitswillige Leute in A. anſiedeln. 
Findelfinder in Erziehung nehmen und Gewohnheits- 
bettler gwangsweije zur Vrbeit anbalten wollte. Es 
wurden Die freien Kolonien Frederifsoord, Wubelme- 


Urbeiterfontrollapparate — Arbeiterjdug. 


oord und Wilhelmina8oord u. a. gegriindet, die fpa- 
ter vom Staat itbernommen wurden. 

Im Anſchluß an die holländiſchen Berjude wurde 
Ende der BOer Jahre de3 19. Jahrh. vom Pajtor 
Heldring, Direftor Jahn u. a. auch fiir Preußen die 
Griindung von YW. zur Einſchräntung der Wander: 


bettelei angeregt, jedoch ohne Erfolg. Später verfud): | 


ten Dann Die evangelijden Herbergen sur Heimat (jf. 
Herberge) und die katholiſchen Gejellenvereine (f. d.) 
fowie die Vereine gegen Hausbettel (ſ. Bettelwejen) 
die Wanderunterftiigung zweckmäßiger zu geftalten. 
Ullein die Erfolge waren nicht erheblich, teils weil es 
an einer cinheitliden, ein größeres Gebiet umfaffen- 
den Organijation feblte, tetls weil die vorhandenen 
ee mehr gegen dupere Erfdeinungen als 
gegen die Urſachen Des UÜbels ankämpften. Als zu 

nde der 70er Jahre der Wanderbettel in Deutſch— 
land neuerdings in bedrohlicher Weiſe um ſich gegrif⸗ 
fen hatte, fam man wieder auf die frühern Beſtre— 
bungen juriid. Paſtor v. Bodelfdwingh, der das 
Elend der armen Wanderer in Wejtfalen fennen ge- 
lernt hatte, verbreitete foldye deen und rief, unter- 
jtiigt von Freunden der innern Miſſion, in einzelnen 
preufijden Brovingen Vereine zur Belämpfung der 
Vagabundenplage und zur Erridtung von A. und 
BVerpflequngsjtationen (ſ. Raturatverpegunge|tatio- 
nen) ing Leben. Nachdem er ſchon längere Zeit hilfs- 
bediirftiqen und wiirdigen Wanderern in der Unftalt 
Bethel gegen Arbeit dDauernde Unterfunft gewährt 
hatte, griindete er die erjte deutſche Wrbeiterfolonic 





681 


vingen und Rreife) aufgebracht. — Alle A. haben 
eine — Hausordnung. Die Vergütung für 
die Arbeit der Koloniſten, die als Notgroſchen und 
ur Beſchaffung einer anſtändigen Kleidung dienen 
bt, betragt nicht iiber 25 ‘Bf. tm Winter, 40 Pf. im 
Sommer. Die Beſchäftigung befteht in der Regel in 
fand- und forjtwirtidaftliden, nur ausnahmsweiſe 
in gewerbliden Urbeiten. Die Grundlage der A. ijt 
eine chriſtliche. Sede Kolonie fann Kolonijten ohne 
Unterjchied der Heimat aufnehmen, folange der Raum 
reicht; doch follen die in Den betreffenden Landesteilen 
Heimat= oder Unterſtützungswohnſitz⸗ Berechtigten be- 
vorzugt werden. — Neben den eigentlidjen v gibt 
es es Abarten: Sweiglolonien als Filialen der 
Hauptfolonien, ferner die Deimatsfolonien. Die 
letztern haben den Swed, denjenigen Rolonijten, dic 
ſich als tüchtig erwiefen haben, die Möglichkeit gu ge- 
waren, fic) ſeßhaft gu machen und durd eigne land- 
wirtfdaftliche Urbeit thr Brot gu verdienen. Die erjte 
Derartige Kolonie war Friedrich -Wilhelmsdorf bet 
Geejtemiinde; ihr folgten Schäferhof bei Pinne 
und die Moorfolonie Freijtatt in Hannover. Au 
Trinferheiljtitten und Straffolonien fiir rückfällige 
Rolonijten (Kolonienbummler«) hat man mit den 
A. gu verbinden geſucht. Durd Paſtor Iſermeyer 
in Hildesheim u. a. wurde die Bewegung fiir A. aud 
auf die Erridtung weiblicer A. ausgedehnt, von 
Denen zur Heit zehn beſtehen, nämlich: Clberfeld-Bar- 
men, Lippſpringe in Weſtfalen, Großſalza in der Pro— 
vinz Sachſen, Himmelsthür bei Hildesheim, Borsdorf 


Wilhelmsdorf (1882) zu dem Zwecke: 1) arbeits⸗ | bei Leipzig, Tobiasmühle bei Radeberg, Steglitz bet 


luſtige und arbeitslofe Manner jeder Konfeſſion und 
jeden Standes fo lange in landliden und andern Ar⸗ 
beiten gu beſchäftigen, bis es möglich geworDden ijt, 





Berlin, Köſtritz bei Gera, Edenheim bei Fran: 
furt. a. M., Plötzenſee bei Berlin. Vgl. Stursberg, 
liber A. und Raturalverpjlequng x. (Gotha 1883); 


ihnen anderweit lohbnende Urbeit gu beſchaffen und v. Bodelſchwingh, Die Uderbaufolonie Wilhelms- 


ihnen jo die Hand zu bieten, vom Vagabundenteben los⸗ 
zukommen; 2) arbeitsjdeuen Vagabunden jede Ent- 
Euldigung abzuſchneiden, daj fie feine Arbeit hatten. 
In den folgenden Jahren grijf die Bewegung fiir VW. 
unt fid), fo daß gur Zeit (nad) der Beit der Griindung 
eordnet) folgende 29 A. bejtehen: Wilhelmsdorf in 
itfalen, Berlin mit Reinicendorf, Käſtorf in Han- 
nover, Vicking in Scleswig-Holjtein, Friedridswille 
in Brandenburg, Dornahof in Wiirttemberg, Senda 
in der Proving Sachſen, Dauelsberg in Oldenburg, 
Wunſcha in Sdlejien, Meieret in Pommern, Karls- 
hof in Ojtpreufen, Unfenbuc in Baden, Neu-Ulirid- 


jtein in Heffen, Liihlerhein in der Rheinproving | 


— Schneckengrün im Königrei Sachſen, 
lklenroth in der Rheinprovinz (katholiſch), Simons⸗ 
hof in Bayern, Maria-Veen in Weſtfalen (fatholifd), 
Yit-Lagiq in Poſen, Magdeburg in der Proving 
Sachjen, Gailsdorf in Thüringen, Erlach in Wiirttem- 
berg, Hamburg, Hohenhof in Seblejien (fatholijd), 
Hilmarshof in Weſtpreußen, Herzogſägmühle im 
Bayern, lirft in der Rheinprovinz (fatholijdh), Lieste 
im Königreich Sachſen, Schernau in der Pfalz. Der 
Geſamtbeſtand der belegbaren Plätze betrug Ende No— 
vember 1900: 3489, Der Der Koloniſten 2899; im 
ganzen waren feit 1882: 119,078 Rolonijten aufge- 
nommen, 116,325 entlaffen worden. Der Grund- 
bejis Der VY. beträgt ca. 4000 Heftar. Die 24 Vereine, 
von Denen dieſe A. erhalten werden, unterjtehen dem 
Zentralverband deutſcher A. dejjen Vorſitzender 
zur Beit Geheimrat v. Maſſow (Potsdam) und deſſen 
Organ » Der Wanderer ⸗ (Bethel bei Bielefeld) ijt. Die 
Wittel sur Unterhaltung werden durd) Beitrage der 
Mitglieder, freie Liebesgaben, Legate r., 3. T. aud) 
durch Zuſchüſſe öffentlicher Körper (insbef. der Pro— 





dorf (Bielef. 1882); Derſelbe, Vorſchläge zur Ver— 
einigung aller deutſchen A. (2. Aufl., Daj. 1884); 
Berthold: Dic Entwickelung der deutſchen A. (Leipz. 
1887 ; fortgeſetzt Berl. 1889 u. 1893), Statijtif der dent 
ſchen A. (Verl. 1891), Die deutſchen A., ihre Entſtehung 
und Entwidelung 1882 1895 (daſ. 1897); Marfer, 
Vagabundennot, A. und Verpflegsſtationen (Heilb -. 
1887); Urtifel ⸗A.« im ⸗Handwörterbuch der Staats⸗ 
wifjenfdhaften«, Bd. 1 (2. Wujl., Jena 1898); »Bro- 
tofolle der ordentlichen Verſammlungen des Sentral. 
voritands deutidher YL. in Den Jahren 1884 ff. « (Verl.); 


| Berichte der Bereine filr A. 


Urbeiterfontrollapparate, |. Rontrollapparate. 
Arbeitermarſeillaiſe, |. Marjeillaije. 
— ſ. Einigungsämter. 
Arbeiterſchutz (grbeiterſchutzgeſetze), der be- 
ſondere geſetzliche Schutz der Lohnarbeiter, insbeſ. der 
gewerblichen, gegen gewiſſe Gefahren und Nachteile, 
die für ſie aus dem — Arbeitsvertrag oder ſonſt 
aus ihrem Arbeitsverhältnis entſtehen können und 
ohne den A. ſehr häufig entſtehen, und gegen die der 
einzelne Arbeiter ſich nicht zu ſchützen vermag. Es 
handelt ſich hier insbeſ. um geſetzliche Beſtimmungen 
gegen eine übermäßige Urbeitsdauer, gegen Sonntags- 
und Nachtarbeit, gegen ſonſtige geſundheitsſchädliche 
oder lebensgefährliche oder moralſchädliche Beſchäfti— 
gungen, gegen Schädigung des Familienlebens durch 
die po eg re gegen Benadteiliqung der Yr- 
beiter durch die Art Der Lohnregelung und der Lohn- 
jahlung, gegen unwürdige Behandlung derfelben durch 
Yrbeitgeber oder Aufſeher, gegen ſchlechte Wohnun- 
gen x. (vgl. Arbeiterfrage, bef. S. 676). Freilich ijt 
bei allen —— des Arbeiterſchutzes auch dafür 
zu ſorgen, daß darüber nicht andre gleichberechtigte 


682 


private und djfentlidje Intereſſen verletzt werden, Daj | 
insbeſ. der rubige, ungejtirte Fortgang der Produk— 
tion und des ehrs geſichert, die internationale | 
Konlurrenzkraft der inländiſchen Produltion nidt ge- 
ſchãdigt werde. Der tatſächliche UW. erjtredt ſich bisher 
wejentlid) nur auf gewerblidje Yobnarbeiter (vgl. Fa⸗ 
brilgeſetzgebung und ———— Seit 1897 
beſteht eine Internationale Vereinigung fiir 
geſetzlichen A. mit der Aufgabe, für Fortbildung 
des Arbeiterſchutzes aud) tim Sinn einer internatio- 
nalen Unndherung und Ausgleichung ju wirfen, und 
mit Seftionen tn Deutidland, Ojterreid), Italien, 
Atantreid), Belgien und der Schweiz. Cin Kongreß 
dieſer Vereiniqung, 25.—29. Juli 1900 in Paris ab- 
qehalten, genehmigte ein eignes Statut und die Er- 
ridtung eines internationalen Urbeitsamtes, 
das am 1. Mai 1901 in Baſel ins Leben trat (ſ. aud 
Geſellſchaft fiir foziale Reform). Bal. A. Schäffle, 
Zur Theorie und Politif des Arbeiterſchutzes (ZJeit⸗ 
idjrift fitr die geſamte Staatswiffenfdaft«, Bd. 46,47, 
Tiibing. 1890 u. 1891); F. Hive, Schutz dem Arbeiter 
(din 1890); Rulemann, Der W. fonjt und jest 
Leipz. 1893); Franfenftein, Der A. (daſ. 1896); 
Evert, Handbuch des gewerbliden Arbeiterſchutzes 
(2. Ausg., Berl. 1900); H. van Zanten, Die Ur- 
beiterſchutzgeſetzgebung in den europdijden Ländern 
(Jena 1902). » Bulletin de3 internationalen Arbeits⸗ 
amtS« (Daf., feit 1902). 
Arbeiterſchutzkonferenz, Internationale, 
in Berlin. Wei dem großen Einfluß der Arbeiter— 
Nat und Arbeiterverſicherungsgeſetzgebung auf die 
BroduftionSfojten der rane a8 ijt es wuͤnſchens⸗ 
wert, daß die Staaten durch internationale Berhand- 
{ungen mindejtens auf eine annähernde Gleichmäßig⸗ 
feit in der Arbeiterſchutzgeſetzgebung fiir indujtrielle 
Yrbeiter der miteinander auf dem BWeltmarft fonfur- 
rierenden Staaten binwirfen, um ohne Gefährdung 
oder Schadiqung der eignen Induſtrie in dem cignen 
Vande die notwendige Arbeiterſchutzgeſetzgebung durd)- 
fithren gu fonnen. Die Sujtiinde der —— Lane | 
der bedingen naturgemäß aud) mand Unterſchiede 
der pp co der eingelnen Staaten, | 
aber die Verjtandigung der Staaten und ein gemein: | 
james Vorgehen derjelben auf dieſem Gebiet ermög— 
licht erjt jedDem Staate die volle Durdfithrung Feiner | 
Aufgabe. Die Frage der Notwendigfeit und Möglich⸗ 
feit einer foldjen internationalen Verſtändigung fand | 
in der Wiſſenſchaft feit den 1870er Jahren ihre Pertei 
diger. Der Bundesrat verfudjte 1881 eine Konferenz 
der europäiſchen Induſtrieſtaaten gu diejem Swed 
zu ftande gu bringen; aber die StaatSregicrungen, 
an Die er die Unfrage ridtete, verhielten fid) mehr 
oder minder ablehnend. Dagegen war die auf die 
Jnitiative des deutſchen Kaiſers Wilhelm IL. in Ber: 
lin in Der Beit vom 15.—29. März 1890 veranlafte 
internationale A. von 15 Staaten befdidt, nämlich 
Beigien, Dinemarf, Deutidland, Franfreid, Groh 
britannien, Holland, Dtalien, Luremburg, Nor: 
wegen, Ojterreid), Portugal, Sdweden, Schweiz, 
Spanien, Ungarn. Die Delegierten der Staaten wa: 
ren hervorragende Sachverſtändige in den der Bera 
tung zu unterjtellenden Fragen. Die Konferenz hatte | 
den Eharafter einer freien Konferenz, ihre Beſchlilſſe 
jind fiir die beteiliqten Staaten nicht bindend. Dore | 
Wiinfde erjtrecten ſich auf: Regelung der Arbeit in 
Verqwerfen (Ausſchluß weiblider Berfonen von Ur 
beiten unter Tage und von Rindern unter 14, in fiid- | 
lichen Landern unter 12 Jahren), der Sonntagsarbeit 
(Sonntag als Rubetag), der Urbeit von Kindern (WUus- | 











Arbeiterſchutzkonferenz — Arbeiterverjiderung. 


ſchluß der Minder unter 12, in ſüdlichen Ländern unter 
10 Jahren von gewerblidjen Betrieben, Berbot der 
Nadt- und Sonntagsarbeit fiir Kinder unter 14 Jah— 
ren und der Uberjdjreitung einer tigliden Yrbeits- 
dauer von 6 Stunden), von jugendlicen Urbetterm 
und Frauen (Verbot der Radt- und Sonntagsarbeit, 
Feſtſetzung einer tiglichen Marimalarbeitsdauer auf 
10, be3. 11 Stunden). Cine von der Schweiz 1895 
beabjichtiqte UW. fam micht zu jtande (ſ. auch Arbeiter⸗ 
ſchutz) Bgl. die »Protofolle der Ynternationalen UW. < 
(Leip;. 1890). 

Urbeiterfefretariate, teils von Gemeinden, teils 
von Yirbeiterorganijationen eingeridtete Unstunfts- 
jteflen, um den minder bentittelten Klaſſen, nament- 
lid) Det Arbeitern, fojtenloje Mustunft in Rechts- und 
VBerufsangelgenheiten (qewerblide Streitiqfeiten aus 
dem Arbeitsverhältnis, WUrbeiterverjiderung, Arbei⸗ 
terſchutz, Prozeß⸗ und Steuerfachen, Urmenredt x.) 


zu geben. Ste find alſo Vollsbureaus (f. d.). Die 


erjte dDerartige Einrichtung wurde 1887 in Zürich ins 
Leben qerufen, die erjte in Deutidland 1897 in Stutt- 
gart. Zur Zeit beitehen in Deutidland 33 A. 
Arbeiterſparkaſſen, ſ. Fabrifiparfajjen u. Spar- 
Arbe ſ. Arbeitsãmter. taſſen. 
Arbeitervereine, Vereine. die ausſchließlich oder 
dod) vornehmlich aus Lohnarbeitern beſtehen und die 
nicht einen Spezialzweck (wie Konſumvereine, Bau- 
genoſſenſchaften, Rranfenfafjen ꝛxc.), ſondern allge— 
meine Zwecke im Intereſſe ihrer Mitglieder verfolgen. 
Die Hauptarten dieſer W. find: 1) Bildungsver— 
cine. Diefe U. umfaſſen Urbeiter verjcdiedener Bro- 
pices und befdjriinfen fid) darauf, die all- 
gemeine — und die gute Sitte unter ihren Mit- 
qliedern durch Vorträge, prechungen, Unterricht. 
Bibliothet, Leſezimmer, geſelligen Verkehr zu befördern 
und durch geſellige Zuſammenkünfte und gemeinſame 
Vergnügungen, an denen auch die Angehörigen der 
Mitglieder teilnehmen, zur Erheiterung und chö 
nerung des Lebens der Arbeiter beizutragen. Solche 
Vereine find in den letzten Jahrzehnten in allen sul- 
turjtaaten, namentlid) aud) in Deutidland, in groper 
Bahl entitanden. Zu ihnen gehören aud) die fatho- 
liſchen » Gefellenvereine« (f. d.). Weiteres ſ. Bildungs 
vereine. 2)Gewerfoereine, die Lobnarbeiter eines 
bejtimmten Gewerfs zur Fdrderung ihrer gejamten 
dfonomifden und foztalen Intereſſen bilden (ſ. Ge- 
werfvereine). 3) Bolitifde VW, die als Ugitations- 
vereine fiir politifde Forderungen der Yirbeiterflajje 
eintreten, wie der 1863 von Laffalle (jf. d.) geqriin- 
dete Ullgemeine deutſche Urbeiterverein. Bon Ber- 
einen Diefer Art haber heute lediqlid) die fozialdemo- 
fratifdyen A. Bedeutung (j. Sogzialdemofratic). 4) Ber- 
cine, Die teils Bildungszwecke verfolgen, teils einen 
gemifdt firdjlid) -fonfejfionellen und politiiden Cba- 
rafter haben. Hierher zählen die dhrijtlich - josialen, 
die evangelifden und fatholijden U., von denen die 
evangelijden, die in einen Verband vereiniqt find, zur 
Reit ca. 70,000, die fatholifden, gleichfalls in einen 
Verband vereinigten, ca. 50,000 Mitglieder sablen. 
WUrbeite cherung, die Berjiderung, durd 
die vomt Arbeiter und feiner Familie die aus tetlweijemt 
oder gänzlichem Verluſte der Erwerbsfähigleit erwad- 
fenden Gefabren dadurd) abgewandt werden, daß in 
Seiten des Erwerbs gezahlte Beiträge zur Auszahlung 
an die Unterſtützungsbedürftigen gelangen. Jene Ge⸗ 
fahren können erwachſen durch Tod, der den hinter⸗ 
bliebenen Witwen und Waiſen ihren Ernährer ent- 
sieht und größere Ausgaben (Begräbniskoſten) ver- 
urſacht, Dann durch Kranfheit, die Lohnausfall zur 


Arbeiterverficherung (geſchichtliche Entwidelung). 


Folge hat, ferner durch Invalidität he von Al⸗ 
tersſchwäche, Rriinflicdfeit oder Unfall. Außerdem 
fann aud) Hilfsbediirftigfeit infolge von Arbeitsloſig⸗ 
feit eintreten. Der eingelne Arbeiter ijt nun nidt om 
jtande, durch Erjparnijje fid) gegen diefe Gefahren 
augsreidjend ju fidern. Wenn aud), was aber nidt 
immer der Fall ijt, der Urbeitslohn fo hod) jteht, dak 
bei einem den Rulturanforderungen entipredenden 
Leben Eriibrigungen möglich find, und wenn aud 
wirklich Der Urbeiter, was nicht bei allen gu erwarten, 
fid) gu den mit dem Sparen verfnitpften Entiagun- 
gen entſchließt, fo vermag er dod) nicht immer fo viel 
rechtzeitig zurückzulegen, daß die bei Eintritt de3 To- 
des oder der Yirbeitsunfaibhigleit vorhandene Summe 
genügt. Iſt hiernach nicht jeder Einzelne, wenn auf 
ſich allein angewieſen, im ſtande, ſeinen vollen Un— 
terhaltsbedarf ju decken, fo muß der Weg der wechſel⸗ 
feitiqen Unterjtiigung, der fozialen Hilfe beſchritten 
werden. Golde Hilfe wird emmal durch geſetzliche 
YUnerfennung von Unterjtiigungspflidten bet Familie, 
der Gemeinde, des Staates gewährt, neben denen 
die Privatwohltätigleit ergänzend wirfen fann. Nun 
jind aber die Unterjtiigungen, die ald unentgeltlidje 
Suwendungen den Charafter der Urmenpflege tragen, 
fitr fic) allein weder gureidjend nod) empfeblenswert ; 
jie fonnen nie in der Art und in dem Mahe gewährt 
werden, daß fie tiberall wirflidem Bedarf geniigen. 
Außerdem wirft die —— leicht demoraliſie⸗ 
rend, indent fie bei ſchwachem Charafter Arbeitsſcheu 
und Reigung jum Vettel großzieht. Aus diefem 
Grunde joll man ſuchen, diefe nur auf folde Faille 
zu beſchränken, in denen fie unentbebriid ijt, in an: 
dern aber Cinridjtungen zu ſchaffen, in denen bei wohl⸗ 
organifierter Hilfe der Trieb gur Urbeit und menfd- 
ridge Wiirde gewahrt wird. Hiergu erweijt ſich die 
Verfiderung als fehr zweckmäßig, die überdies das 
Gefühl einer Durd) cigne Urbeit und Sparfamfeit er- 
möglichten Selbjtindigteit wad erhält. Auf die Sum- 
men, die dem verjidjerten Urbeiter gu sahlen find, hat 
diefer ein Recht, fie-find nicht etwa Ulmofen. Nah 
obigem wire alſo ndtig eine Kranken⸗, Begribnis-, 
Unfatl-, Ulters:, Ynvaliden-, Witwen-, Waifen- und 
Arbeitsloſenverſicherung. 

In Deutſchland und andern Ländern finden ſich 
bie erſten Anfänge der modernen AU. im dem Unter- 
ſtützungsweſen der mittelalterliden Genoffenfdaften, 
namentlid) in den Zünften und Gejellenverbainden. 
Das Hauptgebiet der Fürſorge war die Unterjtiigung 
in Rranfheits- (weſentlich Naturalverpflequng in 
Kranfenhiufern) und Sterbefaillen (Sterbegelder). 
Die Mittel wurden durd) obligatorifde Beitrage der 
Mitglieder aufgebracht; aber der Zwang war ein fta- 
tutarifdjer, fein gefeplidjer. Für die an die Scholle 
gebundene, abbiingige bäuerliche Bevdlferung hatte 
in Notfällen die Gutsherrfdaft gu forgen. Eine neue 
Epoche in der Geſchichte der A. beginnt mit der Ent- 
widelung des abſolutiſtiſchen Staates: an die Stelle 
der ftatutarifden Unterjtiipungspflidt beginnt die ge- 
ſetzliche zu treten; es entitehen die mit gefeplidem 
Beitrittszwang ausgeftatteten und unter ftaatlider 
Rontrolle ſtehenden Genoſſenſchaften fiir einzelne Be- 
rufe, insbej. im Bergwerksweſen und in der Schiff: 
fart. Dem BWefen der neuejten Wirtidhaftsordnung 
mit Gewerbe- und Roalitionsfreiheit, Freigiigigfeit 
hatte eine Auflöſung der altern Einrichtungen ent: 
fproden; und in der Tat entfprachen die aus dem 
Uffogiationswejen Gropbritanniens erwadfenden 
freien Hilfskaſſen (ſ. d. und Friendly Societies), die 
fic) meiſt auf die Kranken und Begräbnisverſicherung 





683 


befdhriinfen, und die mit den Gewerfvereinen (j. d.) 
verbundenen verfdiedenen Zweige der A., wie die 
analogen Bildungen in —— und Belgien, dem 
Syſtem der wirtſchaftlichen Freiheit. Indeſſen blieb 
in den deutſchen Staaten, namentlich in Preußen, 
nad einer vorübergehenden Lockerung des gewerb⸗ 
lichen Unterſtützungsweſens, das Syſtem der Zwangs— 
kaſſen in ar i Umfang aufredt erhalten. Da- 
neben nahm infolge der Geſetzgebung iiber das Hilfs- 
laſſenweſen auch das freie Hilfskaſſenweſen einen be- 
merfenswerten Aufſchwung, namentlich in den Zen— 
tralfajjen der Gewerkſchaften. 

Cine villige Neugejtaltung hat die W. in Deutſch— 
land feit Beginn der 1880er Jahre erhalten: jie ijt gu 
einer auf Swang berubenden Verſicherung der Lohn⸗ 
arbeiter und der dieſen wirtſchaftlich und ſozial nahe— 
—— Klaſſen geworden. Die A. des Deutſchen 

eiches trägt weſentliche Züge ded Hilfskaſſenweſens 
wie des Geſetzes vom 7. Juni 1871 über die Haft- 
pflicht (j. dD.) der Eiſenbahnen und indujtrieflen Un- 
ternehmer fiir die Folgen von Betriebsunfällen an 
fich, ijt aber in der Hauptfade völlig neuſchöpferiſch. 
Man faßte bei der Ungeniigendheit der bisherigen 
Cinridtungen und namentlich des — — 
den Entſchluß, zunächſt eine öffentlich-rechtliche Unfall- 
verſicherung (erſter Geſetzentwurf vom 8. März 1881) 
einzuführen, womit der entſcheidende Schritt getan 
war, der auf die Bahn der großen Urbeitervectidhe- 
run Sgqefepgebung rte. Dabei war wejentlid) aud 
die Ubjicht mitbeſtimmend, durd) die in dieſer A. gu 
Tage tretende pofitive Filrjorge fiir die arbeitenden 
@atien die damaligen reprefftven Maßregeln gegen 

e Sozialdemofratie gu ergänzen und cine innerliche 

indung Dderfelben angubahnen. Es wurde als 
Aufgabe des Staated begeidynet, fic) in hdherm Mah 
als bisher feiner bilfsbediirftigen Mitglieder anju- 
nehmen und den befiglojen Klaſſen der Bevdlterung 
durch erfennbare direfte Borteile die UÜberzeugung 
nabejulegen, daß der Staat ihnen ebenjo diene wie 
den bentttelten Klaſſen. Rod) in demſelben Jahre 
(17. Nov. 1881) erſchien die berithmte faiferlide Bot- 
ſchaft, die eine planmiégige Organijation nicht nur der 
Unfall-, fondern aud) der Rranfen- und Jnvaliditits- 
und Altersverſicherung in Uusfidt ftellte. Die Ver- 
wirflidung dieſes Programms begann indeſſen nicht 
nuit der Unfall-, fondern mit der Kranfenverjiderung 
in dem Geſetz vom 15. Juni 1883 mit der Novelle 
vont 10, Upril 1892. Ihr folgte die Unfallverjiche- 
rung in Dem Sauptacies vom 6. Yuli 1884 und den 
Geſetzen vom 28. Mai 1885 (Ausdehnungsgeſetz), 
vom 5. Mai 1886 (Rranfens und Unfallverjiderung 
fiir land- und forjtwirtidaftliche Urbeiter), vom 11. 
und 13. Juli 1887 (Unfallverſicherung der Bauar- 
beiter und Seeleute) mit Novelle vom 30. Juni 1900 
und Geſetz vom felben Tage, betreffend Unfallfiirjorge 
fiir Gefangene. Die Invaliditäts- und Altersver- 
jicherung wurde geregelt durch Geſetz vom 22. Juni 
1889 mit Novelle vom 13. Juni 1899 (Invaliden⸗ 
verſicherungsgeſetz). 

Das Weſeniliche in dieſer neuen Geſetzgebung liegt 
in der Durdfiihrung de3 Verfiderungsjwanges, 
dem iibrigens nidjt nur die Yirbeiter, fondern aud 
die Urbeitgeber unterworfen find. Die Organi- 
fation ijt in den einjelnen Zweigen der A. vere 
ichieden : Triiger der Verſicherung find bei der Kranken⸗ 
verſicherung oͤrtlich qegliederte Bereiniqungen der ver- 
ficherten Urbeiter, die Kranfenfajjen und unter Um- 
—— die Gemeindekrankenverſicherung, bei der 
Infallverſicherung die Berufsgenoſſenſchaflen der Un- 


684 


ternehmer, bei der Jnvalidenverjiderung dic räumlich 
abgegrensten Landesverſicherungsanſtalten. Un Stelle 
und neben Ddiefe Cinridtungen treten als Traiger der 
Verſicherung, insbeſ. bei der Unjfallverjicerung, die 
Hffentliden Körper (Reich, Staat, Gemeindeverbande) 
fiir Die von ihnen betriebenen Unternehmungen und 
BVerwaltungszweige fowie einige große Cijenbahn- 
penjionsfajjen und ähnliche bejondere Kaſſeneinrich— 
tungen fiir Die Invalidenverſicherung. Der Gegen- 
jtand der Verſicherung ijt 1) bei der Strantenverjidje- 
rung Die Gewahrung freier ärztlicher Behandlung, 
unter Umſtänden Verpflequng in einem Stranfenhauje, 
und eines Rranfengeldes an Erwerbsunfähige und 
Widnerinnen auf die Dauer von 13 Woden, even- 
tuell aud) linger, fowie eines Sterbegeldes an die 
Hinterbliebenen; 2) bei der Unfallverjicherung die 
Fürſorge fiir die Durch Betriebsunfälle Verletzten und 
deren Hinterbliebene (Heilverfahren von der 14. Wode 
ab; Rente an die Verungliidten nad Maßgabe der 
durch den Unfall bewirften Erwerbsbeſchränktheit, 
im Todesfall Begrabnisgeld und eine Rente an die 
Hinterbliebenen); 3) bet der Invalidenverſicherung 
eine Ynvalidenrente nad) Maßgabe der Erwerbsun- 
fabigteit, bes. cine Ultersrente nad) zurückgelegtem 
70, Sebensiabt. Der Kreis der verſicherungspflichtigen 
Perjonen ijt verfdieden. Uber Cinjelheiten ſ. die Ar— 
tifel »Sranfenfajjen, Dnvaliditatsverjiderung, Un- 
fallverficerungs. Die auferordentliche Bedeutung 
Der A. in Deutidland erhellt daraus, dak von den 
56 Mill. Einwohnern des Deutſchen Reiches mit rund 
16 Mill. Yrbeitern 9 Mill. gegen Rranfheit, 17 Weill. 
gegen Unfall, 13 Mill. gegen Jnvaliditat und Rot 
des Alters verjicjert jind. Uber 2 Milliarden We. 
find bis 1. Yan. 1900 den Urbeitern in 40 Mill. 


Fallen an Entſchädigungen ju teil geworden. Wn der | 


Uufbringung diejer Summe find die Urbeiter mit 
1164 Mill. Me., die Unternehmer mit 1099 Mill. Me, 
das Reid) mit 150 Mill. Me. beteiligt. Nahezu 1 VTL. 
Me. gelangte an jedem Urbeitstag als Entſchädigung 
an jahrlid) rund 4 Mill. Urbeiter zur Auszahlung. 

Der frither vielfach geqen die swangsiweije A. er- 
hobene Borwurf der Unzuläſſigkeit und Ünwirkſamleit 
ijt angeſichts ihrer Exfolge jo ziemlich verſtummt. 
Auch die Befürchtung, daß durch die Laſten, die fie 


bedingt, die Konkurrenzfähigleit der deutſchen Pro— 
duktion gegenüber dem Auslande leiden werde, hat 
fic) nicht bewahrheitet. Im einzelnen mag fie nod | 


verbejjerungsbediirftig fein, im ganzen tit ſie eine be- 
wundernswerte Leijtung, die von den feqensreidjten 
Folgen fiir die arbeitenden Klaſſen beqleitet ijt. Da 
jie fic) auf das VWilernotwendigite beſchränkt, fo er- 
wächſt den freien Organijationen auch heute nod cin 
reidjes Gebiet ergänzender Tiitigfeit. Auch ijt die 
deutiche A. noch keineswegs abgeſchloſſen: es feblt ihr 
die Witwen- und Wailenverficherung (vgl. Witwen 
fajjen) fowie die Verſicherung gegen Arbeitsloſigleit 
(jf. d.). Dod) hat von der Inangriffnahme diejer 
Bweige der A. bisher teils die Schwierigkeit Der Auf— 


bringung Der erforderlichen Wittel, teils die Schiwie | 


rigfeit der praltiſchen Durchführung abgehalten. 


Die deutſche Urbeitverjiderungsgeiesqebung hat | 


Nachahmung gefunden in Oſterreich (Unfallver— 
ſicherungsgeſetze vom 28. Dez. 1887 und Novelle vom 
20. Juli 1894), Ungarn (Krankenverſicherungsgeſetz 
vom 9. April 1891) und Norwegen (Anfallverſiche 
rungsgeſetz vom 23. Yuli 1894). Qn den andern 
Staaten hat man fic) mit dem allgemeinen direften 
Verſicherungszwang nod nicht befreunden können. 
In der Schweiz wurde die geplante obliqatorifde 


Arbeiterverjiderung — Arbeiterwobl. 


| Kranfen- und Unfallverfiderung durd Volfsabitini- 
——— 20. Mai 1900 verworfen. Bal. Schmitz. 
Die U., Handbud) fiir die Berufsqenofjenidaften, 
Vorſtände rc. (Berl. 1888); Rofin, Das Recht der VL. 
(daj. 1890 —93, Bd. 1); Bödiker, Die A. in den 
eurvpiijden Staaten (Leip3. 1895); Derjelbe, Die 
Reichsverſicherungsgeſetzgebung (daf. 1898); van der 
Borght, Die foziale Bedeutung der deutiden A. 
(Sena 1898); Weng ler, Das deutjiche Urbeiterrecht 2c. 
(Leipz. 1899); Lagu. Rahn, Einridtung und Wer - 
fung der deutſchen UW. (2 Wusg., Berl. 1902); F. Hoff - 
mann, Die pean ae ig des Deut 
ſchen Reiches (Daf. 1902); Artikel (von van der 
Borght, Honiqmann, Verfauf u. a.) im »Handwir- 
terbud) der Staatdwiffenfdaften«, Bd. 1 (2. Mufl., 
Jena 1898); Menzel, Die W. nach öſterreichiſchem 
Recht (Leipz. 1893); Mataja, Grundriff des djter- 
reichiſchen Gewerberedjts und der A. (Daf. 1899); 
Hasbad, Das engliſche Urbciterverjiderungswejen 
‘tat 1883); von ber Often, Die W. in Franfreich 





(Daj. 1884); Bader, Die A. im Auslande (Bert. 

1898 ff.). Zeitſchrift: » Die Urbeiterverforgung<, Zen⸗ 
| tralorgan fiir die A. (Berl. 1884 ff.) 
| UArbeiterwoh{, Name, unter dem fic) Vereine 
von Ungehorigen der beſitzenden Klaſſen zu dem Zwecke 
gebildet haben, um auf dent Boden der bejtehenden 
Staat3- und Geſellſchaftsordnung das Wohl der ar- 
beitenden Klaſſen in wirtidaftlicher, fittlicder und re- 
ligidjer —— gu befördern, fiir ein gutes Ver 
haͤltnis zwiſchen Arbeitgebern und Arbeitern zu wirlen 
und dagegen auftretende Beſtrebungen ju befampfen. 
Der erjte Verein dieſer Urt war die 1827 begründete 
Induſtrielle Gefelljdhaft von Mülhauſen i. E. Dor 
folgten 1844 der Zentralvercin fiir das Wohl der 
arbeitenden Klaſſen in Berlin, zunächſt für Preußen, 
ſeit 1872 für ganz Deutſchland, der Verein Vollswohl 
in Halle a. S. (1874), der Verein Concordia zur 
Förderung des Wohles der Arbeiter (in Mainz 1879), 
der Dortmunder Wohltätigkeitsverein (1879), VW, 
Verband katholiſcher Induſtrieller und Arbeiter 

freunde (in M.-Gladbach 1881), Verein fiir VBolls 
wohl in Leipzig (1882), Verein der Anhaltiſchen 
Arbeitgeber (in Deſſau 1887), Verein für das Wohl 
der Arbeiterbevöllerung in more (1888), Ber⸗ 
giſcher Berein fiir Gemeinwohl (Clberfeld 1886), 
Vinfsrheinifder Berein fiir Gemeinwohl (in M- 
Gladbach 1888), Verein Volkswohl (in Dresden 1888), 
| Berein fiir bas Wohl der arbeitenden Klaſſen in Stutt- 
gart und jablreice andre. Doren Sweet ſuchen dieſe 
Vereine vornehmlich durch Griindung und Unter: 
ſtützung von Wohlfabrtscinrid@tungen gu er 
reichen. Bon mebhreren Vereinen wird cin eiqnes Ver 
| eingorgan herausgegeben, fo vom Hentralverein fir 
das Wohl der arbeitenden Klaſſen »Der Arbeiter 
freund· (Berlin) und die Zeitſchrift ⸗Vollswohl· 
vom Verband Concordia die Zeitſchrift »Concordia« 
(Mains), vom Verband A. die Zeitſchrift We (M.- 
‘Mladbat), vom Bergifden und Linksrheiniſchen 
Verein fiir Gemeinwohl die Zeitſchrift Gemeinwohl⸗ 
(Elberfeld), vom Verein Bolfswohl in Dresden das 
Monatsblatt«. Bon der von veridiedenen Vereinen 
‘fiir A. geqriindeten und vom Reich und Preußen 
unterjtiipten Bentralftelle fiir Urbeiterwohl- 
fahrtseinrichtungen (Berlin) werden feit No— 
‘vember 1891 die »Wobhlfabrts-RKorrefpondeny« und 
andre auf dad A. bezügliche Schriften herausgegeben. 
Bal. auch sHandbuch der Virbciterwohlfahrt« (bréq- 
von O. Dammer, Stuttg. 1902); Kellen, Die Tre 
| beiterwoblfabrtseinridtungen (Leips. 1902). 











= ~~. 


——e ee. Vee 


Arbeiterwohnhauser I. 


9 K 
jee Aviv 





Se — 


—_ —= 2. Einfamilienhaus der 3. Zweifamilienhaus der Kolonie Alfreds- 
1. Einfamilienhaus der Kolonie Altenhof Héchster Farbwerke. hof der GuBstahlfabrik von Fried. Krupp 
von Fried. Krupp in Essen. ErdgeschoB. in Essen. 





4. Zweifamilienhaus der Militirfiskalischen Werkstitten Erdgeachod, 
| in Spandau. 5. Doppelhaus von Fried. Krupp in Essen. Obergeschod. 





| 6. Vierfamilienhaus der Torpedowerkstatt 
in Friedrichsort. 





7, Mehrstickige Reihenhauser der Kéin- 
Nippeser Bau- u. Spargenossenschaft. 












11. 
| Arbeiterwohn- \ 
| hausbauten der 
+H, J,Meyerschen 
‘Stiftung in Leip- 
zig - Eutritzsch. 


Erdgeschod. 
8 u. 9. Einfamilienhaus der | 
Arbeiteransiedelung der 
10. "Reihenhiuser der Bremer Gemein- Augsburger Maschinen- 
niitzigen Baugesellschaft. fabrik. 








— — 


12. Hausergruppe der Arbeiteransiedelung der Vereinigten Maschinenfabrik —— und —— 


gesellschaft Niirnberg in Gustavsburg in Hessen, 





Meyers Konv.- Lexikon, 6. Aufl. Bibliogr. Institut in Leipzig. Zum Artikel ,Arbeiterwohnungen’. 















Arbeiterwohnhauser Il. 











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1. Lageplan der Arbeiterwohnhiuser des Berliner Spar- und Bauvereins 
(Proskauer Strafeh 


1 Hane mit Vereineriames im Ertreech td. — 2 Erkhace mit Laden des 
Keooeamver-inen. — 3 a. 6 Normalhiceer mic 1 Wo bervrareca. — § Eckhaus 21 


Lagepian cer tH. J Meyerschen 
mit Restagrant. — 4 Haas mit Genveernechafisbdckere: im bLrdgesch Stittunc tn Leipzig -Eutritzs » 
t g i ipzi -utritzsch. 











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4. Arbeiterwohnhduser des Berliner Spar- und Bauvereins (Proskauer Strafe). 


Arbeiterwohnhauser Ill. 





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2. Arbeiterwohnhduser des Berliner Spar- und Bauvereins (Proskauer Strabe). 


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L Wohnhausgruppe des Hamburger Bau- und Sparvereins in Eimsbittel. Drittes J viertes — 





Meyers Aunv.-Levikon, 6, Aufl Bibliogt. Institut in Leipzix Zum Artikel ,Arbciterwohnungen 


Zu den Tafeln ,Arbeiterwohnhiuser J—-III. 


Die gemetnniitzige Bautéitigkc it ist daranf gerichtet, 
ohne die Nebenabsicht des Erwerbs die Wohnungs- 
verhiltnisse durch den Bau von Kleinwohnungen zu 
verbessern, 
eine grofe Mannigfaltigkeit der Organisationsformen 
auf. Zunichst die Form der Aktiengesellschaft mit Be- 
sthrinkung der Dividende agf einen miibigen Pro- 
zentsatz und Verwendung etwaiger Uberschiisse za 
Riicklagen oder yur Erweiterung des Unternehmens, 
Hierher gehéren von deutschen Gesellschaften die be- 
reits 1853 ins Leben gerafene, vor karzem in Liqui- 
dation getretene Milhausener Gesellschaft fiir Ar- 
beiterwohnungen, die Gladbacher Aktienbaugesell- 
schaft in M.-Gladbach, die Barmer Baugesellschaft 
fir Arbeiterwohnungen, die siimtlich Häuser zum Er- 
werb durch die Arbeiter bauen; ferner von Gesell- 
schaften, die ausschlieblich Hiiuser zum Vermiecten 
herstellen: die iilteste unter allen augenblicklich in 
Deutschland bestehenden Baugesellschaften, die 1548 
ins Leben getretene Berliner gemeinniitzige Baugesell- 
schaft, der gemeinnitzige Bauverein in Dreaden, die 
Aktienbaugesellschaft fiir kleine W ohnungen in Frank- 
furt a, M. und andre. Ahnliche Organisationsformen 


hat die gemeinniitzige Bautiitigkeit unter andern in | 
England, Frankreich, Belgien, den nordischen Lindern | 


angenommen. Weniger Bedeutung hat in Deutsch- 
land die Form der Ciesellschaft mit beschriinkter 
Haftang gewonnen, Beide Organisationsformen ar- 
beiten geschiiftsmifig, insofern sie eine, wenn auch 
mabige Kapitalverzinsung anstreben, aber ihre Ak- 
tien, bez. Geschiftsanteile sind nur ausnahmxweise 
marktgiingige Effekten geworden, sondern durch- 
gehends in den Hiinden gemeinniitzig denkender Ka- 
pitalisten, woraus sich fir alle diese Gesellschaften 
mehr oder weniger der Charakter von W ohltitigkeits- 
anstalten ergibt. Noch mehr ist dies der Fall bei 
einer Reihe von Vereinen und Stiftangen, die den 
Ban von Kleinwohnungen bezwecken. Diese letztern 
finden ihren Hauptrepriisentanten in der Millionen- 
stiftang des Amerikaners Peabody, aus deren Mitteln 


in London iber 30,000 Wohnungen gebaut sind. Die | 


durch die Vermietung der letztern aufgebrachten Ka- 
pitalzinsen werden stets von neuem dem gemeinniitzi- 
gen Zweek zugefuihrt, ein Grandsatz, derauch von eini- 
gen deutschen Stiftungen, so yon der des Verlagsbuch- 
hiindlers H.J, Meyer in Leipzig, der Adersschen W oh- 
nungsstiftang in Disseldorf u. a., iibernommen ist. 

Von diesen Veranstaltungen mehr oder weniger 
firsorglichen Charakters heben sich die von den W oh- 
nangsbediirfiigen selbst organisierten Genossenschaf- 
ten ab, unter denen zwei wesentlich verschiedene 
Arten zu unterscheiden sind, einmal die altern, in 
England, den Vereinigten Staaten von Nordamerika 
und Relgien heimischen, die nicht selbst bauen, son- 
dern ihren Mitgliedern Vorschiisse zam Erwerb eines 
Hanses gewiihren, und die nevern, von Dianemark 
auagehenden und jetzt vor allem in Deutschland zur 
Entwickelung gekommenen Bangenossenschaften im 
engern Sinne, die selbst bauen, Unter diesen letztern 
sind wieder, wie bei den gemeinniitzigen (resel lsc haf- 
ten, zwei Richtungen zu unterscheiden, diejenigen 
Genossenschaften, die hauptsichlich Erwerbshiiuser 
bauen (Flensburger Arbeiterbaaverein, Berliner Bau- 
genossenschaft, Arbeiterbunverein fir Gaarden, Kiel 
und Umgegend, Spar- und Baaverein in Blumenthal 
a. d. Weser:, und diejenigen, die sich cin dauerndes 
Eigentum an den von ihnen erbauten Häuæern vor- 


Diese gemeinnlitzige Bautiitigkeit weist | 


' behalten und die darin befindlichen Wohnungen ans- 
schlieblich an ihre Mitglieder vermieten: Hannover- 
scher Spar- und Bauverein, Berliner Spar- und Ban- 
verein, Bau- and Sparverein in Hamburg und viele 
andre. In den Baugenossenschaften, deren in den 
letzten zchn Jahren iber 400 in Deutschland entstan- 
den sind, haben wir wohl zur Zeit die wichtigsten 
Organisationsformen der ginzen gemeinnitzigen Bao- 
| titigkeit zu erblicken, wobei vor allem auch der so- 
zial-ethische Gesichtspunkt ins Gewicht fillt, dab in 
der Mitwirkung der Arbeiter selbst bei der Verwal- 
tung ein erziehlicher Faktor za erblicken ist. 

In letzter Linie sind nun noch eine Reihe von Ma6- 
nahmen in Betracht m xiehen, die durauf abzielen, 
den Bau kleiner Wohnungen, inshesondere die Bun- 
titigkeit der gemeinniitzigen Gesellschaften und Ge- 
' nossenschaften za erleichtern and zu férdern. Diese 
| Aufgabe erfiillen einmal cine Reihe yon Vereinigun- 

gen und Verbinden, indem sie, wie die Zentralstelle 
fir Arbeiterwohlfahrtseinrichtangen, der Kheinische 
Verein zur Fiérderung des Arbeiterwohnungswesens, 
| cine Anzahl yon Genossenschaftsverbiinden u. a., die 
| Begriindung von Bauvereinigungen anregen und die 
bestehenden durch Uberweisung yon Mausterstatuten, 
Baupliinen ete. anterstitzen und die ordnungsmaLige 
Geschiftsfihrang iberwachen. Eine weitere Reibe 
hierher gehériger Aufgaben liegt auf dem Gebicte der 
Baupolizcigesetzgebung, der Steuergesetzgebung und 
der Bodenpolitik der Gemeinden. In letzterer Be 
wiehung ist namentlich der bereits mehrfach bese hrit- 
tene Weg von Bedeutung, secitens der Gemeinden 
preiswertes Bauland, sei es durch Verkauf, sei «& 
unter der Form des durch das Biirgerliche Gesetzbuch 
neu formulierten Erbbauvertrags, fiir den Bau kleiner 
Wohnungen zur Verfigung zustellen (Frankfurt a. M. 
Halle a. S., Leipzig). Am bedeutungsvollsten fir die 
ganze Frage ist aber die in einer Reihe von Landern 
iEngland, Belgien, Frankreich) getibte Unterstitzang 
der gemeinniitzigen Bautitigkeit durch Gewihrung 
von Darlehen aus dffentlichen Mitteln geworden. Fir 
‘Deutschland kommt in dieser Beziehung in erster 
' Linie die durch das Invaliditits- und Altersversiche- 
' rungsgesetz den Versicherungsanstalten erteilte Er- 
miichtigung in Betracht, einen Teil ihrer angesam- 
melten Kapitalien za mibigen Zinsen far den Bau 
von Arbeiterwohnungen herzuleihen. Die Gesamt- 
summe, die in dieser Form bis sam Schlub des Jahres 
1900 zur Verwendung gelangt war, betrug bereits 
rand 70 Mill, Mark, Aus Anleihemitteln des Reichs 
and der Bundesstaaten PreuGen und Bayern waren 
bis zu dem gleichen Zeitpunkte weitere 26 Millionen 
Mark bereitgestellt, am Wohnungen zum Vermicten 
an in Staatsbetrichen beschiftigte Arbeiter und gering 
besoldete Beamte zu bauen oder an Bangenossense haf- 
ten leihweise zu begeben, deren Mitglieder ganz oder 
teilweise aus solchen Beamten oder Arbeitern bestehen. 
Als dringend wiinschenswert, wenn der gemeinnitzige 
Wohnungsbau zu einer wirklich ausschlaggebenden 
Bedeutung gelangen soll, mub es bezeichnet werden, 
dah weitere Geldmittel fir diesen Zweck zur Ver- 
fiigung gestellt werden, etwa in der Form, dab fir 
riumlich begrenste Bezirke, Regierungsbezirk, Pro- 
vin, Staat, staatliche oder kommunale Banken als 
finanzielle Mittel punkte fiir den gemeinniitzigen Wob- 
nongshoun eingerichtet werden, die sich durch Aus- 
gabe von Sifentlich garantierten Pfandbriefen die 
Mittel hesehaffen. 





Arbeiterwohnungen. 


Arbeiterwohnungen (hierzu Tafeln » Vrbeiter- 
wobnbaufer I—U1«). Mit der gunehmenden Did- 
tigfeit der Bevöllerung in Jndujtriebegirfen und qro- 
jen Stadten mit wadjender Bevdlferung ſteigen die 
Wohnungspreije rafder als das Cinfommen ‘att ſämt⸗ 
licher Klaſſen, und die Ausgaben für die Wohnung 
machen daher einen immer größern Prozentſatz der 
ganzen Konſumtion aus. Dieſes trifft die einzelnen 
Klaſſen um fo ſchwerer, je niedriger ihr Einkommen 
ijt, alſo am ſchwerſten die untern, insbeſ. die lohn— 
arbeitenden Klaſſen. Dieſe müſſen nicht nur einen 
= vielfach fiir jie bereits nicht mehr erjdwingliden 

cil ihres Einkommens auf die Wohnung verwenden, 
fondern die Wohnungen, die fie fiir jtets ſteigende 
Preiſe befonunen, find außerdem vielfad in — 
heitlicher und ſittlicher Beziehung unzureichend, und 
ſchließlich kommt es zeitweiſe jo weit, daß fie überhaupt 
leine Wohnungen gu fiir fie erſchwingbaren Preiſen 
bekommen finnen, fo daß an und fiir ſich zahlungs— 
fähige Familien ohne die öffentliche Jntervention der 
Obdariilofigteit anheimfallen. Diefe Unguldnglichfeit 
der Wohnungen der untern Klaſſen in chunbbeitlidher 
und fittlicher Begiehung beſteht bielfadh aud) auf dem 
platten Lande, während die Wohnungsfrage in ihrer 
allgemeinen Form eine weſentlich [tadtiju e Frage ijt. 
Die Urfache diefer Erſcheinung ijt in erjter Linie in 
dent natiirliden Steigen der ſtädtiſchen Grundrente 
infolge der wachſenden Radfrage nad) Wohnungen 
ju fuchen, ae jindet aber auch cine künſtliche Steige- 

der Bodenwertung durd) die gewerbsmäßige 
Spefulation ftatt, welch letzterer oft durch ungeeiqnete 
Bebauungspline und Bauordnungen geradezu Vor- 
ſchub geleijtet wird. Dazu fonunt die Wbneiqung 
des privaten Bauunternehmers, fid) mit dem Bau 
von A. gu befaijen, weil die Verwaltung und Ver— 
mietung der betreffenden Häuſer mit allerlei Unzu— 
träglichteiten verbunden ijt, ferner die Notwendigteit, 
in nicht gu großer Entfernung von der Arbeitsſtätte 
zu wohnen, wodurd) die Anſiedelung in den billigern 

ororten erſchwert wird. 

Die Mafnahmen zur Vefeitiqung, bez. sur 
Herabminderung des Wohnungsnotitandes be- 
zwecken 1) die Beſeitigung mangelbafter Wohnungen 
und 2) den Bau und die Förderung des Baues von 
Wohnungen fiir die minderbemittelten Bevöllerungs— 
flajjen. Die Mangelhajtiqfeit der Wohnungen ijt be- 
* durch die Art und Weiſe des Baues oder durch 
die Art und Weiſe der Benutzung, insbeſ. durch üÜber— 


füllung. Die ———— der baulichen Mängel iſt 
Aufgabe der —* (j. d) und wird bewirkt durch 
die Bauordnung, die verhinderung von Unzuträglich— 


feiten durch die Benutzung geſchieht durch die Woh— 
nungsinſpektion (ſ. d.) und die Beſeitigung der durch 
dieſelben aufgedeckten Mängel (Sanierung). 

Die an den Bau kleiner Wohnungen gu ſtellenden 
Anforderungen ſind je nach den klimatiſchen und 
ſonſtigen örtlichen Verhältniſſen, den Gewohnheiten 


der Bevöllerung rc. verſchieden. Im allgemeinen ijt | 
vom gejundbeitlicjen und ſittlichen Standpunft aus | 


wiinfdenswert, daß eine hinreichende Anzahl geniiqend 
ak Räume vorhanden ijt, um den erwadfenen 

indern verjdiedenen Geſchlechts getrennte Schlaf— 
räume bieten zu fonnen. Dieſe Forderung wird in 
dem fleinern Familienhaufe auf billigem Terrain 
in der Regel erfiillt werden finnen, ohne den Preis 
der Wohnung ins Unerſchwingliche gu jteigern. Qn 
den großen Stadten mit ihrem teucrn Baulande bildet 
die dreiräumige Wohnung bereits das äußerſte Maj 
deS Durd) den gemeinniipigen Wohnungsbau ange- 


685 


jtrebten, unv vielfad) muj man ſich bereits auf zwei 
Raume beidranten. Bei allen Unlagen, die mehr als 
cine Wohnung in ſich vereinigen, follte eine möglichſt 
weitgehende Trennung der cingelnen Dohnungen, 
namentlid) aud) in Bezug auf die Venugung der 
Ubortanlagen durd)gefiihrt werden. Die idealjte Be— 
friediqung des Wohnbedürfniſſes gewährt das frei- 
jtehende Cinfamilienhaus, bes. das durch Uneinander- 
lequng zweier folder cntitehendDe Doppelhaus; diefe 
Bauweije gejtaltet fic) aber zugleich aud) als die 
teuerfte und ijt nur nod) durchführbar, wo der Preis 
des Grund und Vodens nicht ins Gewidt fällt (Tafel I, 
Bi. 1—9). Nächſtdem ijt die horizontale Nebenein- 
an — —— Wohnungen zu Reihen⸗ 
häuſern (Tafel I, Fig. 7 u. 10) der Ubereinander- 
legung der Wohnungen in mehreren Stockwerken vor- 
uziehen. Jn Städten mit hdhern Bodenpreijen läßt 
fe indejjen unter den bejtehenden Verhältniſſen der 
Etagenbau nicht vermeiden, und es erwächſt daraus 
die Aufgabe, denjelben fo ju gejtalten, daß billigen 
Unforderungen in fanitdrer Sesiehung dabei Rech⸗ 
nung getragen wird. Dahin gehört die Anlage ge- 
niigend breiter Straßen und Hife, um Licht und Luft 
ausreidjenden Rutritt gu gewähren, richtige Geftal- 
tung der Entwajferungsanlagen, Anordnung mige 
lichſt zahlreicher Treppenhaufer, um, mit SNidieht auf 
die Feuersgefahr, die Unjahl der Familien, die einen 
Aufgang benugen, nicht gu groß werden gu laſſen, 
Fürſorge fiir Reinlidfeit, wohin aud die Unordnung 
von gemeinfdaftliden Baderäumen gu rechnen ift 2. 
Gerade die lesten Jahre haben unter andern in Ver- 
lin, Hamburg, München, Leipzig, Nürnberg und an 
andern Orten cine Reihe von Muſteranlagen entjtehen 
lajjen, die diejen Unforderungen vole} entipreden 
und die den Beweis erbradt haben, dak aud) mit dem 
Syjtem des Ctagenbaues auf dem Gebiete des Ar— 
beiterwohnungsbaues durchaus befriedigende Ergeb- 
nifje erzielt werden finnen (Tafel I, Fig. 11, und 
Tafel I u. U1). Dn neuerer Zeit tritt hierzu nod 
bas geredjtfertigte Bejtreben, den Anſiedelungen der 
Urbeiter aud) äußerlich den Anſtrich des Behagliden 
und das Uuge Erfreuenden gu geben. Bei der An— 
lage der mehr ländlichen Anſiedelungen werden Ddie 
qeradlinigen, fic) rechtwinfeliq kreuzenden Straßen 
vermieden; durch Anlage von —* lätzen wird das 
Bild belebt. Wn Stelle der Schablone tritt eine grö— 
Reve Mannigfaltigteit in der arditeftonijden Gejtal- 
tung der Einzelbauten (Tafel I, Fig. 1, 8, 4 u. 12). 
Wud) das große ſtädtiſche Maſſenmiethaus verliert 
durd) architeltoniſche Gliederung den Anblick des Ra- 
jernenbhaften (Tafel I, Fig. 4). 
Das Syſtem, bei dem der Urbeiter Cigentiimer des 
von ifm bewohnten Cinfamilienhaujes wird, ver- 
ſpricht Erfolg nur innerhalb eng gezogener Grengen: 
billige Bodenpreiſe, wie fie tn ländlichen und hier und 
da aud) in fleinftadtijden Berhiltnijjen nod) vor- 
handen find; cine hodgelohute Urbeiterdevdlferung 
bei Durdaus jtabilen Arbeitsverhältniſſen. Unter 
anderSartigen Verhältniſſen bleiben auf die Dauer 
Fehlſchläge nicht aus: die anfangs von Arbeitern er— 
}worbenen Häuſer gehen oft ſchon nad kürzeſter Friſt 
in andre Hande iiber, die Spefulation bemächtigt fid 
der Grundjtiice, und die Wohnungen werden dem 
| Swede, dem fie Dienen follten, entfremdet. 
| Wn dem” Bau fleiner Wohnungen mit dem ausge: 
fprodjenen Swe, die Wohnungsverhältniſſe der un- 
bemittelten Klaſſen zu verbeſſern, ſind im weſentlichen 
vier Faktoren beteiligt: 1) die Arbeitgeber; 2) bffent- 
‘fiche Verbände, insbef. die kommunalen Verbände; 








686 


3) gemeinnützige Gefellidaften, Stiftungen x. und 
endlid) 4) die auf der ——— 

ſierten Organiſationen der 
ſelbſt. — Unter den Arbeitgebern haben in erſter 
Linie die ſtaatlichen Großbetriebe auf dieſem Gebiete 
Namhaftes in der einen oder andern Form geleiſtet. 
So hat unter anderm die preußiſche Bergverwaltung 
bereits in einer febr frühen Beriode ein cigenartiges 
Syitem der SeRhaftmadung der Yirbeiter auf eiqnem 
Grund und Boden in grofem Umfange und mit 
dDauerndem Erfolg zur Durdhfiibrung gebradht. BWob- 
nungen zur mietweiſen Überlaſſung an ihre Arbeiter 
und Unterbeamten haben in großem Maßſtabe die 
preußiſche, bayriſche, ſächſiſche und württembergiſche 
Staatseiſenbahnverwaltung, für die Arbeiter der mi— 


litärfiskaliſchen Betriebe das preußiſche Kriegsmini⸗ 


ſterium, fiir ländliche Urbeiter die preußiſche Domanen- 
und Forjtverwaltung gebaut. Von den Reichsbehörden 
jind die Marineverwaltung und die Pojt- und Tele- 
qraphenverwaltung in der gleiden Ridtung tatig 
gewejen. Wie der Staat, haben einzelne Gemeinden 
in ihrer Cigenidaft als Urbeitgeber fiir ihre Unter- 
beamten und Yrbeiter age bergejtellt. In 
der Erivatindujtrie finden wir ebenfalls neben ein: 
gelnen Beifpiclen einer Wohnungsfiirjorge, die darauf 
hinzielt, cingelnen, Dauernd in dem Betricbe tätigen 
Yngeitellten und Urbeitern den Erwerb cines fleinen 
Anweſens A ermigliden (Mansfelder Kupferſchiefer 
bauende Gewerfidaft, Billeroy u. Bod in Mett- 
lad a. S., D. Peters u. Romp. in Reviges bei Elber- 
feld, Fried. Krupp in Efjen, Cornelius Heyl in Worms 
u. a.), vorwiegend bas Syftem der mietweiſen uͤber⸗ 
laſſung der Wohnungen an die Arbeiter. Muſter— 
leiſtungen letzterer Art ſind die Schöpfungen von 
Fried. Krupp in Eſſen, der Badiſchen Unilin- und 
Sodafabrik in Ludwigshafen, der Farbwerke vorm. 
Meifter, Lucius u. Briining in Höchſt a. M., der Ver— 
einigten Mafdhinenfabrif Augsburg und Maſchinen— 


baugeſellſchaft Niirnberg, der Eleltrizitäts Aktien- 


geſellſchaft vorm. Schu u. Romp. in Nürnberg. 
Von den Beſtrebungen der Gemeinden, in ihrer 
Eigenſchaft als Arbeitgeber an der Verbeſſerung der 
Wohnungsverhältniſſe mitzuwirken, ijt derjenige 
Zweig der kommmunalen Wohnungspolitik zu unter: 
ſcheiden, der die Löſung der Wohnungsfrage im In— 
tereſſe der geſamten minderbemittelten Emwobhner- 
ſchaft durch Herſtellung von Wohnungen in eigner 
Regie der Gemeinde anſtrebt. In dieſer Beziehun 
find die Städte Freiburg i. Br., Ulm, Straßburg i. © 
bahnbredjend vorgegangen, und in neuerer Zeit haben 
neben cinigen befdeidencren Berjuden namentlid 


Magdeburg, und vor allem Dilfjeldorf mit erheb- | 


lichern Witteln diefen Weg befdritten. Auch einzelne 
Kreisverbande find in gleicher Weiſe tätig geweſen. 
Was in dieſer letztern Beziehung bisher in Deutſch— 


land geſchehen tit, wird indeſſen weit in Den Schatten | 


geſtellt durch Das Borgehen ciner Reihe engliſcher 
Monumunalverwaltungen, in erjter Linte des Lon: 
doner Graffidaftsrats, der in allergréftem Umfange 
neben feinen umfangreichen Sanierungsarbeiten den 
Vau von Wohnungen in ciqner Regie unternommmen 
hat, ferner aud) der Gemeinden Glasgow, Liverpool, 
Vinningham u. a. 

Bal. » Die Wohnungsnot der drmern Klaſſen in 


Arbeiterziige — 


der Seibjthilfe ba: | 
hnungsbedürftigen Berl. 1892); Ulbredht und Meſſel, Das Mrbeiter- 


Arbeitsamter. 


»Die Verbeſſerung der Wohnungen« (Sadriften der 
Sentraljtelle fir Arbeiterwohlfahrtseinrichtungen⸗ 


| wobnbaus (daf. 1896); Weyl, Handbuch der Hygiene, 
Bd. 4 (Jena 1896); ·Aufgaben von Gemeinde und 
Staat in der Wohnungsfrage« (brsq. von einer Rom- 
mifjion des Berbandes Arbeiterwohl, Köln 1897); 
» Die Erleidhterung der Beſchaffung der Geldmittel fitr 
die — Bautãtigkeit · ( Schriften der 83 
tralſtelle fiir Arbeiterwohlfahrtseinrichtungen, Berl 
1900); Liebrecht, Reichshilfe für Errichtung kleiner 
Wohnungen (Götting. 1900); Nu ß ba um, Bau und 
Einrichtung von Kleinwohnungen (Schriften der 
tralſtelle für Arbeiterwohlfahriseinrichtungen, Berl. 
1901); Albrecht, Wohnung und Unterkunft (im 
Handbuch der ſozialen Wohlfahrtspflege in Deutſch 
land«, daſ. 1901); Fuchs, Wohnungsfrage, im 
Handwörterbuch der Staatswiſſenſchaften (2. Aufl 
Jena 1901). 
Ar e, ſ. Eiſenbahnzüge. 
Arbeitsamter (Arbeitsbureaus), ſtaatliche 
Spezialbehörden zur Zentraliſierung der ſozialpoliti 
ſchen Verwaltun —— insbeſ. der Beaufſichti 
gung der — und Fabrilen zur Durchführung 
der Arbeiterſchutzgeſetzgebung, der Geſundheitspflege 
innerhalb der Arbeiterbevölkerung, des Urbeiterbrl 
dungsweſens, der Sentralifierung des Arbeitsnach 
weifes und der Sammlung und Bearbeitung ftatifti 
ſcher, auf das Urbeiterwejen bezüglicher Daten. Je 
doch befdyriinten fic) die meijten der beitehenden A. 
auf Die zuletzt genannte Unfgabe, weshalb fie beffer 
al8 arbeits{tatiitifde Bureaus oder Amter be 
zeichnet werden. A. in dieſem Sinne find zuerſt (dag 
bureau of statistics of labor) in den Vereinigten 
Staaten von RNordamerifa (das erjte 1869 in Marja 
chuſſets) erridtet worden ju dem wed, alles ſtatiſtiſche 
Material su ſammeln, das fic) auf die Verhältniſſe 
der Virbeit und auf die ſoziale Wohlfahrt des Bolfes 
bezieht, und die Staatsgewalt in ihrer ſozialpolitiſchen 
Uufgabe, namentlid durd) Anregung und Vorberei 
tung legislatoriſcher Maßregeln ju unterjtiipen. 1884 
wurde aud cin Arbeitsbureau als Bundesanftalt m 
Waſhington erridtet, das unter Zuweiſung ſehr um 
faſſender Aufgaben 1888 zu einem felbjtindigen Ur 
beitsdepartement (Labor-Department) mit einem 
| Urbeiterfommiffar an der Spike erhoben wurde. Fiir 
die Schweiz wurde 1887 vom Schweiger Urbeiter- 
bunde das a Selbjtverwaltung beruhende Ur beiter- 
fefretariat in Zürich erridtet mit der Aufgabe, dic 
| Urbeiterverhaltnijje zu unterſuchen und die iter 
intereſſen in Geſetz —— und Verwaltungsfragen 
zu vertreten. Die Koſten desſelben trägt zum größten 
eil die Bundesregierung, unter deren Aufſicht es 
ſteht. Jn England wurde 1893 cin Labour-Burean 
als Zweig de3 Board of Trade (Handelgamt) errich 
tet, Dejjen Organ die monatlich erfdjeinende » Labour 
Gazette« ijt, Jn Franfreid wurde durd Gejeg 
vom 21. Yuli 1891 em Office du travail ins Leben 
gerufen, dag feit 1894 monatlicd) cin »Bulletin«e ber 
ausgibt. In Ofterreich ijt 1898 cin Arbeitsſtatiſti 
ſches Amt als befondere Ubteilung tm Handelsmiru 
jterium erridtet worden. Belgien hat feit Herbjt 1894 
ein Urbeitsamt, Dänemark fett Unfang 1896 em ar 
beitsſtatiſtiſches Bureau; ebenſo Spanien feit 1894. 








deutſchen Großſtädten und Vorſchläge gu deren Ab- Jn Italien foll ein Arbeitsamt 1. Juli 1902 ins Le- 
hilfe⸗ (Sebriften des Vereins fiir Sogialpolitif, Bd. ben treten. Jn Deutſchland bejteht feit 1892 eine 
30, 31 u. 33, Leipz. 1886 87) und »Reue Unter: | Reidhsfommiffion fiir Urbetterftatifilt cfd... 
fudhungen iiber die Wohnungsfrage in Deutſchland Val. Schinberg, Urbeitsbureaus und arbeitsftati- 
und im Muslande« (ebenda, Bd. 94-97, daf. 1901); ſtiſche Yanter, im »Handwirterbuch der Staatswiifen - 


Arbeitsbörſe — 


ſchaften⸗, Bd. 1 (2. Wufl., Jena 1898); Dreydorff, 
Cin deutſches Reichsarbeilsamt. Geſchichte und Or- 
anijation der Urbeitsitatijtif (Leip;. 1902). Joadim, 
a nititute für Urbeitsftatijtif in den Vereinigten Staa- 
ten von YWmerifa, England und der Schweiz (Wien 
1890); Scherer, Das ſchweizeriſche Urbeiterjefreta- 
riat (St. Gallen 1888). — Auch Arbeitsnachweiſeſtellen 
werden mandmal als YW. begeidnet; ſ. Urbeitsnad- 
weis. Uber das internationale Urbeitsamt, 
eine Privatvereinigung zur Förderung des Arbeiter⸗ 
apes, ſ. Arbeiterſchutz. 
rbeitsbörſe, ſ. Arbeitsnachweis. 
Arbeitsbuch, von der Polizeibehörde auf die Per— 
fon eines Urbeiters ausgeſtelltes Buch, in das der Ur- 
beitgeber die Beit des Ein⸗ und Uustritts des Urbei- 
ters ſowie die Art der Beſchäftigung desfelben cingu- 
a 8 hat. Das . ijt eine Legitimationsurfunde 
Urbeiters zur Begeugung ſeiner Identität, Dann gur 
Konjtatierung ded Bejtandes wie der Dauer feines 
Urbeitsvertrags. Das W. gibt dem Urbeitgeber über 
die Berjinlicfeit und die bisherigen Urbeitsverhalt- 
niſſe de3 Arbeiters Aufſchluß, dient als unanfedtbare 
Grundlage bei Streitiqtciten über den Urbeitsvertrag, 
erleichtert bei wandernden Urbeitern die Unterſcheidung 
zwiſchen ordentlichen und unordentliden und erſchwert 
den Rontraftbrud. Gegen das A. wird geltend ge- 
macht, daß it dieſer Rontrolle der Beſchäftigung der 
Urbeiter cine Kränkung der perfintiden Ehre der er- 
wachſenen Yrbeiter liege, dak fie die Abhängigleit der 
Urbeiter von den Urbeitgebern befirdere, dak insbef. 
aud) Mißbrauch mit Urbeitsbiichern durd) Reichenver- 
merfe in denjelben feitens der Arbeitgeber getrieben 
werden firme. Obgleich an ſich die Griinde fiir das 
obligatorifche YU. ſchwerer wiegen dürften und ordent⸗ 
liche, jolide Urbeiter bei diefer Einrichtung den ſchlechten 
—— beſſer ſituiert ſind, wird für die Frage der 
Einführung des Arbeitsbuches dod) darauf Rückſicht 
zu nehmen ſein, ob der beſſere Teil der Arbeiterklaſſe 
dagegen iſt oder nicht. Jedenfalls iſt es zweckmäßig, 
dem Arbeiter das Recht zu geben, ein ſolches A. zu 
beſitzen und von ſeinen Arbeitgeber die Einträge über 
Ein- und Austritt gu verlangen (fakultatives A.). 
Obligatoriſche Urbeitsbiicher fiir alle gewerblichen Ur- 
beiter bejtehen in Oſterreich (Gefe 
1885, § 79 ff., Verordnung vom 12. Wai 1885), Un— 
garn Geſetz vom 1. Rov. 1885) und Rufland 
(Gejeg vom 3. Suni 1886) und bejtanden bis vor fur: 
gem in Frankreich und Belgien. In Frantreid 
wurden die Livrets d’ouvrier 1791 aufgeboben, durch 
das Gejes vom 22. Germinal XI (12. Ypril 1803), 
vervollſtändigt durd) Die Arréts vom 9. Frimaire XII 
1. Dez. 1803) und vom 10. Ventöſe XI, fiir alle Ur- 
citer wieder cingefiihrt, aber durd) das Geſetz vom 
2. Juli 1890 neuerdings abgeſchafft; jedoch gab das 
letztere Gefets Dem Arbeiter das Recht, ein Zeugnis gu 
fordern, das ausſchließlich das Datum des Ein- und 
Austritts und Ungaben über die Urt feiner Beſchäfti— 
qung enthilt. Stalien hat fafultative Arbeitsbücher 
(Geſetz vont 20. März 1865, rt. 48, 49). In Deulſch— 
Land hatte die Gewerbeordnung von 1869 das obli— 
—— A. nur jugendliche Urbeiter beibehalten. 
ie Novelle zur Gewerbeordnung vom 17. Juli 1878 
fiibrte dagegen obligatorijde Urbeitsbiider fiir alle 
Urbeiter unter 21 sabren ein (ausgenommen im Haufe 
ihrer Cltern beſchäftigte Kinder und hausindujtrielle 
Urbeiter, § 107 112) mit der Beſtimmung, dak die 
Eintragungen des Urbeitgebers mit feinem Vermerk 
verichen werden diirfen, das den Inhaber des Wrbeits- 
buches giinjtig oder nadteilig su kennzeichnen bes weet. 


vom 8. März 


687 


Zugleich wurden fiir Kinder von 12—-14 Yabren, dic 
in —** und dieſen gleichgeſtellten Betrieben be 
ſchäftigt find, ſtatt des Arbeitsbuches eine Urbeits- 
farte (§ 137) vorgeſchrieben. Das Geſetz vont J. Juni 
1891 hat die Urbeitsfarte wieder befeitigt, dagegen das 
obligatorijde U. fiir minbderjibrige Urbeiter beibehal- 
ten. Bgl. Schriften des Vereins fiir Sogialpolitif, Bd. 7 
(Leips. 1874); Stieda, Urt. W. im sSanbwwbcierinad 
der Siaatswiſſenſchaften⸗, Bd. 1(2. Uufl., Jena 1898). 
Arbeitsdepartementitbeiteamter. 
Arbeitseinheit, ſ. Arbeit, S. 673. 
Arbeitsein ſtellung (Ausſtand, Streif, vom 
engl. Strike, franz. Gréve) ijt die gemeinſam erfolgte, 
freiwillige Niederlegung der Arbeit ſeitens der Arbeiter 
zum Zweck der Erzielung günſtigerer Arbeitsbedin 
gungen. Die meiſten Arbeitseinſtellungen beziehen 
Ra auf die Lohnhöhe, doch können aud andre Ber: 
hältniſſe des — — ju Streifs führen. Nicht 
ſellen veranlafjen die Urbeiter einzelner Induſtrien 
eine A., unt andre feiernde Genoſſen gu —— 
Sympathieſtreiks). Die Streils find entweder Wb- 
wehrſtreiks, um einer beabſichtigten Beridledte- 
rung der Arbeitsbedingungen entgegenzutreten, oder 
Ungriffitrei£s, um felbjtindig vorteilhaftere Be— 
dingungen zu erreidjen. 
ie eſchichte der Streifs reidht, werm man die Auf— 
ſtände unfreier Urbeiter im Altertum außer Betradt 
läßt, bid in’ 14. Jahrh. zurück. Es find aber wohl 
Fragen der Standesehre, die Damals die Gefellen gu- 
nächſt gum Ausſtand fiihrten. Erſt mit dem Auf— 
fominen des kapilaliſtiſchen Betriebes in den Zünften 
mae der dadurch bedingten fozialen Kluft zwiſchen 
Meijter und Gefellen fegten aud rein wirtidaftlice 
Kämpfe zwiſchen dicjen cin. Mißbrauch der Gewalt 
der Meijter, Anwendung des Truckſyſtems (f. d.), Be- 
ſchränkung der Feiertage, übermäßiges Lehrlingshal- 
ten rc. erzeugten bei den Geſellen Verbitterung und 
Gärung und bewirfter deren Zuſammenſchluß gu 
Genoſſenſchaften und Rampforganifjationen. Die al- 
teſte befannte A. in Deutichland ijt die Der Breslauer 
Giirtlergqefellen 1329. Neben den Ausſtänden wurde 
das »Schelten«, d. h. das Unehrlicherklären der Ge- 
jellenbruderfdjaften gegen widerſpenſtige Mitglieder 
wie aud) geqeniiber den Meiſtern, als Rampfinittel ge- 
iibt. Als die Ausſtände immer häufiger wurden und 
immer mehr Auswüchſe im —— hatten, ſuchte das 
Reid) durch verſchiedene Reichsabſchiede, Mandate, 
Polizciordnungen, wie das Zunftweſen iiberhaupt, fo 
das Geſellenweſen zu regeln, freilid) ohne Erfolg. Auch 
das Reidhsqutadten von 1672, das den Handiwer- 
fermt Die Untonomie abjprach, Streifs, Rontraftbrud, 
Verrufserklärungen beftrafen, die Gefellenverbindun: 
gen aufheben wollte, war — gegenüber den 
immer mehr überhandnehmenden Mißſtänden. In 
folge eines großen Aufſtandes der Tuchknappen in 
Liſſa 1723 drang Preußen in Wien auf Ordnung dev 
Verhältniſſe, und nach der heftigen Revolte der Schuh— 
madergejellen in Ungsburg 1727 fam es gu Dem Reichs⸗ 
geſetz von 1731, das wenigitens in Brandenburg und 
Hannover, wo es mit Strenge durchgeführt wurde, 
zum Siecle führte. Wud in England und Franfreid) 
judte man auf dem e der clebgebung die zwi— 
ſchen den Meiſtern und Gejellen ſchwebenden Streitig- 
feiten zu unterdriiden. Cin Geſetz von 1549 hatte 
Roalitionen gan verboten, im 18. Jahrh. wurden 
aber die StreifS wieder häufiger. Jn Frankreich fiihrte 
eine Reihe von Streils im 16.— 18. Jahrh. zu dem 
| Roalitionsverbot von 1791. Allmählich errang überall 


Arbeitseinftellung. 





688 


die polizeiliche Gewalt den Sieg; mit der Herab- 
driidung und Beſeitigung der Zünfte verſchwanden 
aud) die Gefjellenorganijationen. 

Inzwiſchen hatte aber die neuerjtandene und raſch 
ſich ausbreitende Großinduſtrie das Gewerberecht durch⸗ 
brochen umd den Boden fiir neue Arbeiterorganiſatio⸗ 
nen und Yrbeiterfampfe gegeben. 

Die Heimat der modernen A. ijt England. Hier 

hatte die raid) sur Bliite qelangte Großinduſtrie cine 
bedenflicde tiberimadt des Unternehmers iiber die Ar— 
Leiter geſchaffen und dic Arbeitsbedingungen erheblid) 
veridlechtert ; neue techniſche Erfindungen und ſchwan⸗ 
fende Ronjunfturen erjeugten geitweife ee bis dahin 
nicht befannte Arbeitsloſigkeit. Die von den erbitter- 
ten Yirbeitern verurjadten Aufſtände wurden, da alle 
Roalitionen verboten waren, mit Strenge unterdriict. 
Im J. 1824 fielen die Koalitionsverbote, und die 
nächſte Folge war eine raſche Vermehrung der Koa— 
litionen und Streifs. Uber die dem Chartismus (ſ. d.) 
verfallenen Arbeiter fonnten mit thren vielfad) un: 
beſonnenen Yrbeitseinjtellungen und ibrent ungejes- 
lichen Vorgehen feine Erfolge erringen. Erſt als die 
Arbeiter von dem politifchen Radikalismus abjtanden 
und in ernſter Arbeit die qewerfvereinlide Organiſa— 
tion ſchufen (ſ. Gewerfvereine), wurde ihr Vorgeben 
aud) da, wo jie gum Kampfmittel der YW. griffen, ein 
geſchäftsmäßiges und beſonneneres. Die Streifs hör— 
fen gwar nicht auf, aber fie wurden ohne Geſetzesver— 
fepungen und Revolten durdgefiibrt. Jn dem Zeit— 
raum 1870—80 wurden 2352 Cinjtellungen gezählt; 
Der größte Streif fand 1879 unter den Baumwoll— 
arbettern in Lancafbire ftatt, bei Dent 300,000 Arbei⸗ 
ter 9 Wodjen fang feierten. Den Arbeiterverbänden 
ſetzten num die Unternebmer aud) ihrerſeits Verbände 
entgegen. Die gegenfettigen Reibungen und Kraft: | 
proben führten zu größerer Vorſicht in der Anwen— 
dung von Arbeitseinſtellungen und Ausſperrungen 
und ju erfolgreichen Verſuchen, durch Einigungs und | 
Schiedslammern Streitigleiten friedlich zu begleichen. 
Seit Ende der 1880er Jahre, als die engliſche Induſtrie 
mit ſtart ſchwankenden Konjunkturen zu rechnen hatte, 
traten auch die ſogen. ungelernten Arbeiter auf den 
Kampfplatz, und die Streils nahmen an Zahl, Um 
fang und Erbitterung der Parteien wieder erheblich 
u. Erwähnenswert ſind die Ausſtände der 18,000 
Jondoner Dodarbeiter 1889, der jiber 100,000 Rob | 
lenbergleute im Yorkſhire⸗, Lancaſhire und Midland. | 
Kohlendiſtrikt 1890, die A. der 422,000 Kohlengräber 
1893, der Wafdinenbauer 1897. 

In Deutſchland beginnt cine umfangreicere 
Streifbewequng erjt Ende der 8Ocer Jahre. Es feblt 
allerdings aud) in den friibern Jahrzehnten nicht an 
vereingelten Ausſtänden, fie beſchränkten fid) aber auf 
eingelne Branden (Leipziger Buchdrucker 1865). Erjt 
mit der Ausbildung der Gewerfvereine, nod) mebr 
Der fosialdemofratijchen Gewerfidaften, nahmen die 
Streifs wieder zu (Kohlengräberausſtand im Rubr- 
gebiet 1872), genährt durch die Gründungszeit gu Bee | 

inn Der 7Oer Jahre und vor allem durch die Darauf 
folgende ungünſtige Konjunktur. In das Jahrzehnt 
1880 — 90 fallen zahlreiche gewerkſchaftliche Lohn 
lämpfe, im welche die Buchdrucker, die Arbeiter im Bau— 
handwerk und der Metallinduſtrie, ſpäter auch die 
Tiſchler, die Tabakarbeiter, die Textilarbeiter verwidelt 
Waren. Ins Jahr 1889 fällt der erſte große Majjen- 
itvetf, Der Der Rohlenbergleute. Die ungelernten Ar 
beiter find erjt 1896.97 in dem großen Streif der Ham 
burger Hafenarbeiter hervorgetreten. Im allgemeinen 
lind die deutſchen Arbeiter ohne geniigende finangiclle | 








Arbeitseinftellung Geſchichtliches, kritiſche Würdigung). 


Mittel in den Kampf getreten, ſo daß die durch die 
Arbeitseinſtellungen verurſachten Koſten häufig i kei⸗ 
nem Verhalmis ju den Erfolgen ſtanden. 

Auch in Oſterreich tit die Streilbewegung zientlich 
neuen Datums. Schuld hieran ijt die Jugend der ge- 
werkſchaftlichen Organijation und die politifde Ber: 
fahrenheit. Erjt jeit Ende der I880er Jahre entitanden 
jablreide, vom Sozialismus geleitete fampflujtige 

qanijationen. Unter den Streifs find erwabnens 
wert die der Tramwayarbeiter in Wien 1889, der 
Tertilarbeiter tm Neunfirdener Revier (1893 — 96), 
der Bergarbeiter in Bohmen und Mähren (1889, 1896 
und bejonders 1900), 

In Franfreid gibt es ſchon ſeit dem Beginn des 
19. Jahrh. trop des Koalitionsverbotes zahlreiche fo- 

iale Kämpfe; namentlich aber weifen die 80er Jahre 
fait auf allen Gebieten größere Urbeitseinjtellungen 
auf. Bejonders reid) an folden tit das Jahr 1893, 
wo 174,000 Urbeiter in den Ausſtand getreten waren 
(Der bedeutendite war der der Bergwerfsarbeiter un 
Departement de Calais). Das Jahr 1895 bradte ne 
ben jablreiden Streifs in der Tertilindujtric ben Streil 
unter Den Glasarbeitern in Charmaur. Jn der jing: 
jten Seit haben nantentlic) die Streifs der Bergarbeiter 
in Monceaur - les -Mines von ſich reden gemadt. 

jn den Bereiniqten Staaten find Arbeitsein 
jtellungen ziemlich haufig, und fie haben bis sur Ge 
genwart midjt felten einen ungeſetzlichen und gewalt⸗ 
tatigen Charafter, was jum Teil Durd den jtandigen 
Wechſel in der Yirbeiterbevilferung und den dadurch 
bedingten Mangel an Tradition in den Bereinen, die 
größern Lebensanjpriide, das gejteigerie Selbjtbe- 
wußtſein, die fprungweije wirtſchaftliche Entwidelung, 
den ganjen demofratijden Geiſt des Landes erflart 
wird. Wud) die groke Rüchſichtsloſigkleit der Unter- 
nehmer und das von dieſen haufig geübte Mittel der 
Ausſperrung veranlaft zahlreiche Rampfe. So fpie- 
len die Stretfs wegen reiner Madtfragen zwiſchen den 
Arbeiter⸗ und Unternehmerverbanden hier eine be 
deutende Rolle. Befonders reid an Yirbeitseinjtellun 

en war das Jahr 1886, in dem mehr als 500,000 
rbeiter feierten und weitere 100,000 ausgefperrt mur 
den. In den Jahren 1893/94 brad ein allgemeiner 
Vergarbeiterausjtand, veranlaßt durd Lobnreduftio 
nen, aus; zu gleider Beit fam es aud unter den Cijen 
—— ju Unruhen, Streiks und Ausſperrungen. 
eſonders zahlreich und heftig find Urbeitseinitet- 
lungen in Belgien, wo ſolche namentlich in den 
Hiittenwerfen ju Charleroi, in Bergwerlen zu Seraing, 
Mons und im Hennegau, in der Metallindujtrie umd 
andern Brandjen zu Went, bei den Dodarbeitern gu 
Yntwerpen vorgelommen jind. 

Cine fritifde Wiirdiqung der A. hat von dem An— 
erfenttnis aussugeben, dak fiir Den Yirbeiter Die Roa 
lition ein weſentliches Mittel darjtellt, um femme, dem 
Unternehmer —— ungünſtigere Stellung beim 
Abſchluß des Arbeitsvertrags zu verbeſſern. Durch 
die A. als letztes Mittel in dem Nampf um die Arbeits 


| bedingungen, oft aud) nur Durd) die Streifandrohung 


fonnen die Arbeiter unter der Vorausſetzung ftarfer 
Vereiniqungen und einer iiberleqten Führung thre 


Forderungen naddriidlich unterjtiigen und unter giin 


tigen Verhältniſſen zur Anerlennung bringen. Die 
unleugbare Beſſerung in der Lage der Arbeiter iſt ne 
ben andern Urſachen dod zum Teil auf die Wirkung 


| der Roalitionen und ibrer Machtmittel zurückzuführen. 
Freilich find damit aud) Schattenſeiten vertniipft. Für 


die Arbeiter kommt in Betracht, dak die Zahl der 
erfolglojen Yrbeitseinjtellungen in der Regel weit 


Arbeitshäuſer — Arbeitslohn. 


größer iſt, als die der ſiegreichen, daß ſie den Arbeitern 
pfer zumuten und, falls die 
Erfolge nur vorübergehende ſind, ein Schwanken in 
ſeinen Lebensverhältniſſen bewirfen. Für den Urbeit- 
geber bedeuten ſie ſchwere finanzielle Schädigungen 


oft unverhältnismäßige 


und Erſchwerung ſeiner Stellung im Sonfurr 
kampf, die freilich in Jester Linie auf den Arbeiter ſelbſt 
wieder nachteilig zuriickwirlen. Vgl. W.Stieda u.a., 


Art.⸗Arbeitseinſtellungen im »Handwirterbud) der 


Staat8wiffenfdaftens, Bd. 1 (2. Wuff., Jena 1898, 


bier aud) genaue Literaturangaben); Biermer im 


» Worterbud) der Vollswirtſchaft · Bd. 1 (daf. 1898); 
Brentano, Arbeitergilden der Gegenwart (Leipz. 
1872); Sang. Bur Gejdidte der deutſchen Gefellen- 
verbände im Mittelalter (daf. 1876). 


Urbeitshaufer, Unjtalten, welde dem Zwecke 


dienen, ihre Inſaſſen sur Arbeit angubalten. Cie 
finnen insbeſ. fein: 1) Unftalten gur Beſchäftigung 
arbeit8fabiger Armen (workhouses im Ginne des 
englifden & 

Hffentlicjen Urmenpflege, auf dem Gedanfen des mit- 
telbaren Urbeits;wanges infofern berubend, als durd 
Weigerung der Unfprud auf anderiweitige Unter- 
ſtützung verwirft wird. Gie find aud) in cingelnen 
deutſchen Landern, fo insbef. im Königreich Sadfen, 
eingeführt, nehmen aber teilweiſe aud arbeitsunfibige 
Arme auf (Urmenarbeitshaiufer). 2) Unjtalten 
pur —— der Arbeitshausſtrafe, die bis 1871 
in zahlreichen deutſchen Strafgeſetzbüchern (Bayern, 
Sachſen rc.) ſich fand, ſeither aber beſeiligt ijt. 3) An— 
ſtalten zur Verbüßung der forreftionellen Nach— 
haft, d. h. einer Freiheilsentziehung mit Arbeitszwang, 
die ſich an die Verbüßung der eigentlichen Steak 
anfdlieBt und als Swed die Erziehung zur Urbeit 
verfolgt. In diefer Bedeutung finbet fich Das Arbeits⸗ 
haus jdon im preußiſchen Allgemeinen Landredt. 
Nad dem Reidhsitrafgefepbuch ſteht das Urbeitshaus 
in engjter Verbindung mit der fiberweifung an 
die Landespolizeibehörde, einer Rebenjtrafe, 
auf die nad § 361, Nr. 3—8, gegen Landjtreicer, 
Bettler und gegen Frauensperjonen, die gewerbs- 
mäßig Unzucht treiben, erfannt werden fann. Die 
Ilberweifung fann aud gegen fp, pe ausgefpro- 
den werden, der fid) dem Spiel, Trunf oder Müßig— 
gang dergeftalt hingibt, dak er in einen Zuſtand ge- 
rät, in Dem gu ſeinem Unterhalt oder gum Unterbalte 
derjenigen, gu deren Ernährung er verpflidtet ijt, 
durch Vermittelung der Behirde , Rates Hilfe in An—⸗ 
fprud) genommen werden muh. Auch wer, wenn er 
aus odffentliden Urmenmitteln cine Unterjtiipung 
empfangt, fid) aus Urbeitsfdeu weigert, die thm von 
der Behorde angewieſene, feinen Kräften angemeffene 
Arbeit gu verridten, und wer nad Verlujt feines bis- 
herigen Unterfommens binnen der ibm von der zu— 
ſtändigen Behörde bejtimmten Friſt fic) fein ander- 
weites Unterfommen verſchafft hat und auc nicht nach⸗ 
weifen fann, daß er foldje3, der von ihm angewandten 
Bemilhungen ungeadtet, nicht vermodt habe, fann 
durch Ridterfprud) der Landespolizeibehirde tiber- 
wiefen werden. Legere erhält dadurch (§ 362) die 
Befugnis, die verurteilte Perſon entweder bis zu 2 Jah⸗ 
ren in cin Urbeitshaus unterjubringen oder zu ge- 
meinniigigen WUrbeiten gu verwenden. i Aus⸗ 
lander fann die Unterbringung in ein Arbeitshaus 
durch Verweifung aus dem Bundesgebiet erfest wer- 
den. Whnlide Bejtimmungen finden fic im djterreidi- 
fdjen Redjt (Geſetze von 1885). Der Verbleib in einer 


eſetzes von 1834), alfo Anſtalten der 





689 


fann bei Bettlern, Truntenbolden rc. Verbringung 
in cin Urbeitshaus an die Stelle der Haftitrafe treten. 
Die U. als Korrektionsanſtalten entjtanden zuerſt im 
16. Jahr. in Holland und England. Jn Frantreid 
wurden im 17. rag gegen Bettler die hopitaux 
enfermés (1612 in Baris, 1662 in den Brovingen) 
und 1767 Die maisons de correction (depdts de 
mendicité) errichtet, die wie die frühern deutiden A. 
zwiſchen Gefiingnis und Urmenarbeitshaus die Mitte 
hielten. Yn der Revolutionsseit aufgehoben, wurden 
fie von Napoleon I. 1808 wieder eingeführt. Das 
Urbeitshaus, von den Verbredern viel mehr gefürch— 
tet ald felbjt das Zuchthaus, wiirde ausgedehntere 
Unwendung verdienen und fid) insbeſ. ruͤckfälligen 
Cigentumsverbredhern, Zuhältern x. geqeniiber em- 
pfeblen; dann müßte aber aud) zwiſchen befjerungs- 
fahigen und unverbefjerliden Perjonen anders als 
bisher unterfdieden und leptern gegentiber die Sidje- 
rung ber Gefellfdaft als Hauptgwed in den Vorder- 
rund geftellt werden. l. v. Wingingerode- 
norr, Die deutſchen UW. (Halle 1885); v. Hippel, 
Die korreltionelle Nachhaft (Freiburg i. Br. 1889). 
S. aud Art. »Aſyl«. 
Arbeitsinſpektion, ſ. Fabrikinſpektion. 
Arbeitskarte, ſ. Arbeitsbuch. 
Arbeitsfolben, ſ. Heißluftmaſchine. 
Arbeitslohn im weitern Sinn ijt alles be— 
dungene Einkommen aus Arbeit, d. h. dasjenige, 
das der Arbeiter als Vergütung für Überlaſſung der 
Nutzung der Urbeit an einen Dritten von diefem er— 
Halt, im Gegenfage gu dem nidt bedungenen Urbeits- 
cinfommen, d. 5. demjenigen, welded dem in feiner 
eignen Unternehmung mittätigen Unternehmer als 
Entgelt fiir feine Arbeitsleiſtungen zufließt. In die- 
fem weitern Ginn umfaßt der 9 die verſchiedenſten, 
nach Höhe und Sicherheit, wirtſchaftlicher und ſozialer 
Lage der Empfänger ꝛc. mannigfaltig abgeſtuften 
Formen von Arbeitseinkommen, die im praktiſchen 
Leben mit den verſchiedenſten Namen, als Gehalt, Be- 
folbung, Honorar, Gage, Salär, Lohn ꝛc., bezeichnet 
werden. Im engern Sinne verſteht man unter A. 
nur das vertragsmäßige Entgelt für vorwiegend kör— 
perliche Arbeit bei nicht feller Unjtellung. Ym fol- 
genden ijt nur vom A. in dieſem engern Sinn und 
namentlid von dem in Unternehmungen verdienten 
A. bie Rede. Je nad den Mitteln der Lohnzahlung 
und den verfdiedenen Berechnungsweiſen des Ar— 
beitslohnes unterfdeidet man veridiedene Lohnarten. 
1) Naturals und Geldlohn, je naddem der U. 
in natura (Koſt, Kleidung, Wohnung, Feuerung, 
Landnugung 2.) oder in Geld gesahit wird. Der 
erjte herrſcht in Reiten der Naturalwirtidaft mit ihrer 
rößern Gleidhfirmigtkeit in Wirtidaft und Verkehr. 
Wit qriferer Entwidelung des Verfehrs und der Ur- 
beitSteilung und mit der Gewährung der perſönlichen 
Freiheit der arbettenden Klaſſen tritt der Geldlohn an 
die Stelle des erjtern, ohne diefen jedoch völlig zu ver- 
driingen. Wud) heute nod) ijt der Naturallohn da 
von Bedeutung, wo die Natur des Arbeitsverhält— 
nifjed oder andre Umſtände ihn erfordern, jo bei den 
häuslichen und landwirtſchaftlichen Dienjtboten, bei 
den Lohnarbeitern auf großen Giitern, namentlich in 
verfebrsarmen Wegenden (3. B. im Nordoſten Deutſch⸗ 
lands), bei den Lebrlingen und Gebilfen im Hand- 
wert und Handel. Dod) wird er meiſt durch Geld- 
lohn ergãnzt. Seltener tritt der Maturallobn bei den 
indujtriellen Urbeitern auf, obwohl er aud) bier fei- 


Zwangsarbeitsanſtalt darf in Oſterreich umunter- | neswegs überall gang fehlt. Der Raturallohn bietet 
brodjen nicht linger als 3 Jahre dauern. Jn talien | den Vorteil, daß er den Urbeiter unabhängig madt 
4h 


Meyers Ronv.+ Lerifon, 6. Mufl. 1. Bd. 


690 


von ben Schwankungen der Preife der ihm gelieferten 
Gegenſtände; dagegen beſchränkt er ibn in der Ver- 
wendung des Lohnes und macht ihn abbangige: vom 
Urbeitgeber. Das Umngelehrte gut vom Geldlohn. 
Die Naturallöhnung fann durd gewifjentofe Unter- 
nehmer miffbraudt werden, indem fie dem Arbeiter 
ju hohen Preiſen Waren aufdringen, die er nicht 
verwenden fann und mit BVerlujt wieder veräußern 
mu rc. Diefer als Truckſyſtem (f. d.) befannten 
Uusbeutung fudt die moderne Gefepqebung durch 
Verbote vorzubeugen. 

2) Beitlohn, Stiidlohn, Pramien{yftem, 
Gewinnbeteiliqung. Der W. ijt Zeitlohn 
(Tag-, Wodhen-, Jahrestohn), wenn die Arbeitskraft 
fiir cine beftimmte Beit vermietet wird und leptere 
zur Bemeſſung der Lohnhöhe dient, wobei freilid) je 
nad) Leiſtungsfähigkeit und Fleiß Unterfdiede ge— 
madt und Lohnklaſſen gebildet werden können. Der 
reine Beitlohn iſt cinfad) zu bemefjen und bietet, weil 
der Betrag beſtimmt ijt, weniger Verantajjung ju 
Streitigfciten bei der Bemeſſung. Dagegen madt if 
bei ihm der Einfluß individueller Tiichtigfeit und in- 
dividuellen Fleiges nicht itberall genügend geltend: 
der Urbeiter fucht ſeine Arbeitskraft ju fdhonen, der 
Arbeitgeber wünſcht diefelbe möglichſt auszunutzen. 
Dieſer Widerſtreit der Intereſſen iſt in geringerm 
Maße vorhanden bei dem Akkordlohn oder Stück— 
lobhn, Der fic) nad der Leijtung, der abgeliefer- 
ten Stückzahl (Raum-, Gewidhtseinheiten) bemißt. 
Hier ijt der Reiz zur Mehrleiſtung groper, die Lohn- 
benteff urd cine geredjtere. Dod) verleitet er leicht zum 
rafden Uberhinarbeiten und zur Uberarbeitung ; aud) 
fann er bei allgemeiner Einführung leicht Lohnminde- 
rung zur Folge haben (fo atta in ber Haus: 
induſtrie). Aus diefem Grunde wird der Uftordtohn, 
alS nur dem Unternehbmer von Borteil, von vielen 
Urbeitern verworfen. Durdfithrbar ijt der Word- 
lohn nur da, wo die eingelnen Leiftungen geniigend 
gu bemefjen und zu fontroflieren find. Im iibrigen 
iit er nicht am Plage, wenn in erjter Linie die Gite 
der Leiftung in Betradt kommt, wenn häufige, nicht 
durd) den Virbeiter veranlafte Unterbredungen der 
Arbeit vorfommen, wenn die Urbeitstraft nur im 
allgemeinen vermietet wird (Dienjftboten) x. Cine 
felbjtandigere Stellung nimmt der Urbeiter bei Dem 
Gruppenafford cin, bei dem eine Gruppe von 
Yrbeitern gemeinſchaftlich die Ausführung von Ur- 
beiten gegen bejtimmten Preis iibernimmt. Diefer 
bietet jedoch die Gefabr, daß er in die Ufterunter- 
nehmung (fr3. marchandage) augartet, wobei die | 
Urbeiter von cinem Flugen Führer (Ulfordmeijter) | 
ausgebeutet werden fonnen. Kommt es dem Urbeiter | 
bei dem Uffordlohn nur auf die Menge von Leiſtun— 
gen an, fo wird fein Yntereffe bei Dem Prämien— 
unddemGewinnbeteiliqungs{yftem nod enger | 
an den wirtſchaftlichen Erfolg der Arbeit gefeſſelt. Das 
Charafterijtifde des Pramienfyftems bejtehtdarin, 
daß Dem Arbeiter neben dem W. nod) cin befonderes 
Entgelt, cine Prämie, fei ed fiir befondern Fleif (beim | 
Beitlohn) oder fiir befonders gute Leijtungen (beim | 
Stiidlobn) oder fiir Minderverbraud von Werkjeugen, 
Roh⸗- und Hilfsitoffen (Sparprämien) gewährt wird. 
Das Prämienſyſtem ijt, foweit ¢3 überhaupt anwend 
bar ijt (was bezüglich der Sparprémien nur in be- 
ſchränktem Make der Fall ijt), an fich fiir Urbeiter 
und Unternehmer giinjtig. Es befteht aber die Ge- 
fabr, daß bet feiner Berallgemeinerung der tibrige 
Lohn um die Prämie ſinkt; doch fann diefer Gefahr 
dadurd vorgebeugt werden, dah die Prämien nur in 











Arbeitslohn (Lohnarten, Lohnhöhe 2.). 


lingern Seitabjtinden gezahlt oder zu beftimunten 
Zwecken (3. B. Unterſtützungszwecken) verwendet wer 
den Ddiirfen. Die Gewinnbetetligqung kann in 
doppelter Weife erfolgen, entweder fo, daß der Ar— 
beiter neben feinem Lohn einen Unteil am Geſchäfts 
qewinn befommt oder fo, dah er nur Gewinnanteile 
(ohne fejten Lohn) erbalt. Die erfte Urt, das fogqen. 
Tantiemefyftem, fann die Einnahmen der Arbei— 
ter fteigern, ijt aber im wefentliden nur beim Zeit⸗ 
lohn und in folden Unternebmungen anwendbar, 
deren Reinertrige iiberwiegend auf der Leijtung der 
Urbeiter beruhen. Die sweite Urt madt das Arbeits 
einfommen zu einem ſchwankenden und unfidern und 
wird deShalb felten zwechmäßig fein. Beide Arten 
ſehen die Genecigtheit der Urbeitgeber, Einblick in ihre 
Geſchäftsergebniſſe gu gewähren, voraus. 

Das BWejen de Urbeitslohnes ijt nur im Zuſam— 
menbang mit bem Wefen der heutigen auf Brwat- 
eigentum und freiem Arbeitsvertrag berubenden Birt- 
ſchaftsordnung gu verjtehen, nad) welder der Arbeiter 
und Unternebmer getrennte Perfontidfeiten find, pon 
denen der erjtere nur die Urbeitstraft, der letztere die 
Stoffe und Hilfsmittel der Produltion befigt. Nach 
der heutigen Wirtſchaftsordnung fallt dem fapitali- 
ftifdhen Unternehmer das ganze ebnis der Ero- 
duftion gu, und er entſchädigt die Urbeiter fiir ihre 
Mitwirfung mit dem vertragsmapig verabredeten VW. 
So erjdeint der Lohn als die im voraus vereinbarte 
Ubjindung de3 Urbeiters fiir feinen Unteil am Pro 
dukt. Diefe ape beruht nidt auf einer genauen 
Ennittelung diefes Unteils (⸗gerechter Lohn<), fon- 
dern auf dem Marftpreis der Urbeit. Die Urbeit er- 
fcheint demnach als cine Ware, der U. als thr Preis, 
die Bildung der Lohnhöhe als Preisbildung, far 
weld die allgemeinen Preisbejtimmungsgriinde der 
Waren Unwendung finden. Somit wird aud der 
Lohn gwifden zwei Grengen durch dad Berhaltnis 
von Ungebot und Nadfrage bejtimmt, wobei fittlice 
Veweggriinde, perfintide Beziehungen und Rechts 
ordnung die Regelung weſentlich beeinfluffen fonnen. 
Ubweidungen werden dadurd) bedingt, dah der Mr 
beiter feine Arbeitskraft nidt von feiner Perfon los 
löſen fann, mit dem Berfauf feiner Ware Arbeit in 
eine gewifje Abhängigkeit gerit, fic) immer in der 
Bwangstage, verfaufen gu milfjen, befindet, und dak 
endlid) die Uusgleidung von Angebot und Rad 
frage nidt fo raſch und in der Urt erfolgen fann, 
wie bei Waren im engern Sinn. Infolgedeſſen tt 
der Urbeiter im Konkurrenzlampf tm allgemeinen 
ungiinjtiger geftellt als der Unternehuter, der auf 
Grund feines Beſitzes, ſeiner Kenntniſſe, Verkehrs 
beziehungen xc. länger auszuharren vermag als der 
beldaftigungsiote Yirbeiter. Wus diefer Bejonderbeit 
des UrbeitSverhaltnifjes erwächſt die Notwendigkeit 
fiir den Staat, Schutzvorkehrungen zu treffen, wo die 
VPerſönlichkeit bes Arbeiters gefährdet erſcheint. Hier 
handelt es ſich aber zunächſt nur darum, ju unter 
ſuchen, wie ſich die Höhe des Arbeitslohnes im rein 
egoiſtiſchen Preislampf bei freier Konkurrenz regelt- 

Der A. wird alſo zwiſchen zwei Grenzen durch das 
Verhältnis von Angebot und Nachfrage geregelt. Die 
Maximalgrenze des Arbeitslohnes liegt in dem Werte. 
den die Arbeit für den Unternehmer hat; denn dieſer 
wird und kann die Arbeitsleiſtungen auf die Dauer 
nicht höher bezahlen, als fie ihm felbft wert find. Bas 
ihm aber die Arbeitsleiſtungen felbjt wert find, hängt 
ab bon dem, was ibm von den Abnehmern der mit 
Hilfe der Urbeitseijtungen hergejtellten Waren ge- 
zahlt wird. Ob die Löhne diefe Maximalgrenze ex» 


Arbeitslohn (Ricardo -Laffalles »ehernes Lohngeſetz« r¢.). 


reiden, wie weit fie binter ihr zurückbleiben, ijt 
durch dad Verhältnis, in dem Nadfrage und Ungebot 
von Urbeit gueinander jtehen, bedingt. Der A. hat 
aber auch eine Dtinimalgrenge, unter die er Dauernd 


nicht jinfen fann, und diefe liegt in den notwendigen | 


Selbjttojten, und gwar fommt der augenblidlide 
Unterhaltsbedarf als abfolutes Minimum in Vetradt, 
was nidjt felten praltiſche Bedeutung erlangt (Falle 
Der äußerſten Not, in denen fiir die Sufunft nidt 
gciorat werden fann). Für bie Dauer muh jedod der 
ohn ausreiden, um dem Arbeiter während feiner 
ganjen Lebensseit, alfo aud) in Zeiten der Krankheit 
und der Invalidität, den durchſchnittlich ndtigen Un- 
terbalt fiir fic) und feine Familie au gewähren, wm eine 
ſtandesgemäße Ausbildung der Pinder und die ndtige 
Verſorgung der Hinterbliebenen ju —— Nun 
ſind aber dieſe durchſchnittlichen Selbſtkoſten der Ar— 
beit (die durchSitte und Gewohnheit bedingte Lebens⸗ 
haltung, engl. standard of life) nicht in — Zei⸗ 
ten, Ländern und Arbeitszweigen gleich (Anderung 
der Kulturhöhe, Verſchiedenheit der Bedürfniſſe je 
nad Rima, Arbeitsart, Schwierigkleit und Dauer der 
€Erlernung, Unterbredungen der Urbeit ꝛc.). Yns- 
befondere ändern fie fid) aud) mit den Preifen der 
Unterhaltsmittel. Der Einfluß folder Underungen 
auf den Lohn ijt gang verjdjieden, je nachdem Ddie- 
felben dauernd oder voriibergehend find. Cine vor- 
tiberqehende Preisfteigerung wird, weil fie leicht die 
Nachfrage nad) Urbeit mindert und das Wngebot 
von Kräften mehrt, meijt den Lohn driiden, ftatt ihn 
zu fteigern, und umgefehrt. Sinkt der A. unter den 
Saf der üblichen Lebenshaltung, fo wird leicht die 
Sterblichfeit, inSbef. diejenige der Kinder, gunehmen, 
Urbeiter werden auswandern x., und fo wird das 
Angebot von Vrbeitstriften friiher oder ſpäter ſich 
mindern. Sinken dabei Kultur und LebenStraft der 
Urbeiter, fo wird aud) die LebenShaltung felbjt herab- 
gedrückt. Steigt der Lohn iiber jenen Sah hinaus, 
jo fann die Urbeiterjahl wachſen (friihere Heiraten, 
Webhrgeburten, Cinwanderung, Minderung der Sterb- 
lidjfeit); Dod) wird die Sahl feineswegs immer raſch 
bis ju dem Punft zunehmen, dak nun der Lohn auf 
den alten Gab finfen mug. Bis die Neugebornen 
das Angebot erhdhen, fann leidjt aud) eine Underung 
von Technik und Verfehr eine nod) größere Mehrung 
der Urbeitsgeleqenheiten bewirfen. So finnen denn 
aud) mit der Kultur, gumal wenn die Urbeiter Tat- 
fraft und Charatterfeftigheit bewahren, Lebenshaltung 
und A. fteigen. 
Wie bereits erwähnt worden ijt, ijt die Stellung 
des Urbeiters im Preistampf regelmäßig ungiinfti- 
et als die bes Urbettgebers, weil er gezwungen fein 
ann, feine Urbeitstrat aud) gu dem — Lohn 
zu verkaufen, um mur leben ju können. Diefer ſo— 
wie andern Schwächen des Urbeitsangebotes, Denen 
der einzelne Urbeiter, foweit die Geſetzgebung ſich fei- 
ner nidt annimmt, madjtlos gegeniiberjteht, ver- 
mögen Dauernde Organijationen der Yrbeiter, wie 
joldje fic) in den modernen Kulturjtaaten immer mehr 
ſeit Uufhebung der Roalitionsverbote in den fogen. 
Gewerfvereinen (ſ. d.) gebildet haben, weſentlich ab- 
jubelfen, indem fie den Urbeitgebern als gefdloffene 
acht gegeniibertreten und durd) Urbeitseinjtellun- 
gen (f. d.), Unterhaltung der feiernden Arbeiter und 
andre Mittel günſtigere Urbeitsbedingungen und 
befjere Löhne durdjegen. Die gejebgeberifden Maß⸗ 
nahmen richten fid) regelmafig nicht direft auf den 


A., fondern auf die Befdrintung der Frauen und | 


Stinderarbeit, durch weldje die Ronturreng den er- 


691 


wadfenen männlichen Urbeitern erleidtert wird, auf 
die Gewährung der Koalitionsfreibeit, auf die Ver- 
befferung der fonftigen Urbeitsbedingungen (jf. insbef. 
— ) und die Siderung der Arbeiter 

en die wirtſchaftlichen Folgen von Krankheit, Un— 
fi en, Ulter und Ynvaliditat (ſ. Urbeiterverfiderung). 

Der U. ijt von jeher Gegenſtand eingehender theo- 
retifdher Unterfudjungen geworden. Befonders be- 
fannt find Diejenigen Ricardos, Lafjalles und v. Thit- 
nens. Nad) Ricardo fann der Lohn dauernd weder 
fiber die —— des Unterhaltsbedarfs ſteigen, noch 
unter dieſelben ſinken, weil in jenem Fall cine ents 
iprechende Sunahme des Urbeiterangebots, in diefem 
eine Minderung ſtattfinde. Dod) hatte Ricardo felbjt 
jene Roften als mit der Kultur veränderlich bezeichnet, 
wie Denn aud der UW. in Wirklichkeit von Zeit gu Beit 
und von Ort gu Ort verfdieden ijt. Hiernach ver- 
liert bas eherne Lohngeſetz, wie 03 Laffalle 
mit einiger itbertreibung nannte, die ihm beigelegte 
Harte. Das Wahre an demfelben ijt, daß bet jeder 
fogialen Organifation der größte Teil der Menſchheit 
immer auf Erwerb durch Urbeit wird angewiefen 
bleiben. Laffalle gibt die Möglichkeit einer Beſſerung 
aud) fiir eine kapitaliſtiſche Wirtſchaftsverfaſſung gu, 
er rat den Urbeitern, nicht au fparen, fondern ihren 
Lebensbedarf ju erhihen. Demnach könnte nur der 
Urbeiterjtand felbjt fiir feine Lage verantwortlid) ge- 
madt werden. Dagegen wird diefe Verantwortlid- 
feit erheblich —— wenn anzunehmen iſt, daß 
durch wirtſchaftliche und techniſche Verbeſſerungen im⸗ 
mer wieder von neuem eine » YUrbeiterrejerve-Wrinee« 
oder »>Surpluspopulation< (nad K. Marz) geſchaffen 
und erhalten wird, die feine Beſchäftigung findet und 
durd ihr Ungebot den Lohn drückt. 

Cine zweite Theorie Ricardos ijt die friiher befon- 
der3 in England veriretene Lohnfondstheorie, 
nad) der jeweilig ein feſt bejtimmter Rapitalbetra 
zur Lohnzahlung in der Hand der Unternehmer fid 
befindet, : daß bei gegebener Urbeitergahl der U. ein 
fejt bejtimmter ijt und aud) durch Roalitionen nidt 
gejteigert werden fann. Aber aud) diefe ijt nicht zu— 
treffend. Denn in Wirklichfeit ijt die Nachfrage nad 
dem Produfte der Urbeit feitens der zahlungsfähigen 
RKonjumenten das entideidende Moment fiir die Wus- 
dehnung der Produftion und die Größe der Nachfrage 
nad Urbeit. Cinen naturgemäßen UW. fuchte 
v. Thiinen ausfindig gu machen. Indem er von der 
Unnahme ausging, dah ber Lohn dann wabhrhaft in 
der Natur begriindet fei, wenn die Lohnarbeit mit der 
auf Rapitalerzeuqung geridteten Urbeit gleiche Be- 
lohnung erbalte, jtellte er diejen Lohn in der Formel 
Jap dar, im der a den Lebensbedarf eines Yrbei- 
ter8, p das Ergebnis feiner Urbeit bedeutet; dod) 
wurbe die Ridtigfeit diefer Forme! angefodten. 

Sit auch der a in den veridiedenen Arbeitszwei— 
gen ungleich hod, fo hat er dod) das Bejtreben zur 

usgletdung , wobei freilid) die Gleichheit eine rela- 
tive ijt. Ungleichheit in der Schwierigkeit der Er— 
lernung, in den Unforderungen an moralifde Cigen- 
idaften und Geſchick, in der Annehmlichkeit der Be- 
ſchäftigung und in der Sicherheit der Exiſtenz können 
natürliche Unterfdiede bedingen. Aber * inner⸗ 
halb dieſer Grenzen kann die Ausgleichung gehindert 
werden durch den Mangel an Kenntnis des Urbeits- 
markts andrer Orte und Produktionszweige, durch 
ungeniigende Würdigung von Gefahren der Arbeit, 
| Mangel an Tatfraft und Mitten zur Uuswanderung, 
Heimatsliebe, Schwierigheit des Uberganges gu einem 
andern Beruf, die um jo groper ijt, je ausgebildeter 

44* 








692 


die Urbeitsteilung wird x. Biele diefer Hindernifje 
ſchwinden mit fteigender Entwidelung von Kultur 
und Verlehr. 

Val. außer den unter » Virbeiterfrage< angegebenen 
Werfer und den Handbiidern der Vollkswirtſchafts— 
lebre: H. ROSler, Bur Kritif der Lehre vom A. 
(Erlang. 1861); Thornton, Die Urbeit, ihre un- 
—— Anſprüche und ihre berechtigten Forderun⸗ 
gen (a. d. Engl., Leipz. 1870); K. Marx, Das Kapi— 
tal, Bd. 1; Laſſalle, Arbeiterleſebuch (Frankf. a. Ve. 
1863); Brentano, Die Lehre von den Lobhnijteige- 
rungen (im Den » Jahrbiidern fiir Nationalifonomie 
u. Statijtife, Bd. 16, Jena 1871); Derjelbe, Uber das 
Verhältnis von W. und Arbeitszeit zur Urbeitsleijtung 
(Leip;. 1875); F. U. Lange, Die Urbeiterfrage (4. 
Aufl., Winterthur 1879); v. Thiinen, Der ifolierte 
Staat (3. Uufl., Berl. 1875); Böhmert, Die Ge- 
winnbeteiligung (Leipz. 1878, 2 Bde.); »Gutadten 
liber Die iligung der Wrbeit am Unternehmer- 
gewinn« (Sdhriften des Vereins fiir Sogzialpolitif, daf. 
1874); v. Scheel, Zur Geſchichte und Kritik der 
Lehre vom A. (in Hildebrands »Jahrbiidern«, Bd. 9); 
Parſons, Exposition of the principles of partner- 
ship (Lond. 1889); Schmitz, Überſicht der fiir die 
famtlicen deutſchen Bundesſtaaten feſtgeſtellten orts- 
iiblidjen Tageldhne gewöhnlicher Tagearbeiter (2. 
Yufl., Neuwied 1888); W. Menger, Das Recht auf 
den vollen Urbeitsertrag (Stuttg. 1886); Cafjel, Das 
Recht auf den vollen rbeitsertrag (Götting. 1900); 
v. Zwiedinech-Südenhorſt, Lohnpolitif und 
Vobhntheorie mit bejonderer Berückſichtigung des Mi- 
nimallohnes (Leips. 1900); Schonberg, Die allgem. 
Lehre vom A., und Böhmert, Statiftif des Urbeits- 
lohnes im » Handworterbud der Staatswifjenfdaften« 
Bd. 1 (2. Aufl., Jena 1898); Schloß, Methods ot 
industrial remuneration (3. Aufl., Cond. 1899). 

Arbeitsloſenverſicherung, ſ. Arbeitsloſigkeit. 

Arbeitoloſigkeit, Mangel an Beſchäftigung ar- 
beitsfähiger und — Perſonen. VW. hat es 
ſchon im YUltertunt ſowohl in Griechenland als in Rom 
von dem Seitpuntt ab gegeben, da das Wadstum der 
Bevölkerung ju rafd vor fic) ging, um alle Urbeits- 
fabigen in Gewerbe und Landwirtidaft gu beſchäfti— 
gen. Namentlich in den griechiſchen Großſtädten gab 
es im 6. und nod) mehr im 5. und den folgenden 
Jahrhunderten v. Chr. eine mehr oder weniger aus: 
gedehnte A., gegen die teils durch äußere und innere 
Koloniſation, teils durch Vornahme großer öffentlicher 
Bauten und andre Mittel angekämpft wurde. Nod) 
größer war zeitweiſe die U. in Rom gegen Ende der 
Republif und gu Beginn der Kaiſerzeit, veranlaft 
durd die Broletarijierung des Kleinbauernſtandes 
durch den Großgrundbeſitzer und das Leihfapital fo- 
wie die junehmende Verwendung von Sflaven im 
gewerblichen Gropbetrieb. Die gracchiſche Reformbe: 
wegung führte zu nidts, und die von Gajus Gracchus 
veranlaßte Getreideverteilung an das hauptſtädtiſche 
Proletariat trug mur bei, dieſes gu vermehren. J 
Mittelalter gibt es bei der Menge des verfügbaren 
Landes feine Urbeitslofenfrage. Mit dem Begun der 
Neuzeit tritt fie da, und dort zeitweiſe auf, fo in Eng: 
land infolge des Uberganges der Grundherren vom 
Landbau zur Sdhafhaltung, jo auf dem Rontinent in- 
folge der Abſchließung der Zünfte und der Stdrungen 
des Erwerbslebens durd) die vielen Kriege. Die Be- 
lämpfung der A. geſchah durd barbarijde Strafen, 
Verweijung der Arbeitsloſen in Urbeitshaufer u. dgl. 
Die gegen Ende des 18. Jahrh. beginnende Gewäh— 
rung der Freigiigigheit, Gewerbefreiheit x. ware an 





Arbeitslofenverfiderung — Arbeitslofigfeit. 


ſich geeiqnet gewefen, mandje Urſachen der A. zu be- 
feitigen, wenn fie nidt gerade durch die Freibeit Der 
Berufswahl und des Ortswechſels die 

mancher Berufe und Orte begiinjtigt hatte. Nament- 
lich aber Hat die Verdringung der Handarbeit durch 
die Maſchine, die rapide Zunahme der Bevdlferung 
im 19. Jahrh. und die mit den modernen Frodufl- 
tions⸗ und Ubfagverhaltnijfen gufammenhingenden 
zeitweiſen Kriſen und Abſatzſtockungen cine oft erheb⸗ 
liche A. zur Folge. Zeitweilig Arbeitsloſe finden ſich 
aud) in größerer Zahl in den ſogen. Saijongewerben, 
namentlid im Baugewerbe, da bei der Überfüllung 
des Arbeitsmarktes die in folden Gewerben beſchäf⸗ 
tigten Urbeiter mur ſchwer fiir die Heit ihrer RNidht- 
beſchäftigung Urbeit finden fonnen. 

Die Urbcitslofenfrage hat fdon Owen, Louis Blanc 
u. a. beſchäftigt und gehört heute mit gu den meijt- 
erdrterten Broblemen der fozialen Frage. Ym Deut. 
ſchen Reid) hat man fid) genauere Renntnis des Um 
fanges der A. dadurch gu verfdaffen geſucht, dak 
man ſowohl bei der Berufszählung 14. Yumi als ber 
der Vollszählung 1. Dez. 1895 eine Zählung der Ur- 
beitslofen ————— Ermittelt wurden unter Beg- 
faffung der Sranfen im Juni 179,004, im Dezem⸗ 
ber 553,640 Urbeitsloje. Einſchließlich der Kranken 
und nidt erwerbstitigen Ungehdrigen ergaben die 
Zablen 512,543 und 1,474,251. Bon den Urbeits- 
lofen waren 15,5 Proj. weniger als 8 Tage, 28 Bro5. 
8—14 Tage, 17,7 Proj. 14 Tage bid 4 Woden, der 
Reft langer arbeitslos geweſen. 

Aus dem durd) dieſe Zahlen belegten großen Um 
fang der A. in Der Gegenwart erflirt es fid), daß man 
ibe große Mufmertjamfcit zuwendet und fid) nach wirk- 
jamen Mitteln gu ibrer Belämpfung umſieht. Die 
Verweifung der Urbeitslofen an die meijt unguret- 
chende, beſchämende, mit veridiedenen Rechtsnadter- 
fen verfniipfte Armenpflege und die Unterbrin— 
gung in Arbeitshäuſern, weld legtere aud) nur bei 
nidt Urbeitswilligqen — werden fann, fiibrt 
nidt sum Ziele. Die UrbeiterfLolonien (j. d.) fon- 
nen dod) nur cinem kleinen Bruchteil der Urbeitslofen 
eine voriibergebende Unterfunft gewabren. Wirkſamer 
ſchon ijt die Reranftaltung Sffentlider Urbeiten 
feitenS der dffentliden Körper, insbef. de3 Staates 
und der Gemeinde, wie jolde durch das preußiſche 
Miniſterium des Innern 1894 allen Kreiſen und Ge 
meinden nabegelegt und bier und anderwarts aud 
angewendet worden ijt. Von nod größerer Bedeu 
tung ijt die Organijation des Urbeitsnadweijes 
(j. Urbeitsnadweis). Aor Gegenſtück findet dieſe in 
der Organifation der Urbeitslofenverfiderung. 
Dieſe leptere wird ſchon feit längerer Heit ſeitens dec 


engliſchen Gewertvereine, in fleinem Umfang auch fer 


ten8 der deutſchen geiibt, dod) bat die Erfenntnis der 
Unzulänglichkeit diefer Urt der Verſicherung m neue- 
jter Beit immer mehr den Blan ciner ſtaatlichen oder 
fommunalen Organifation dieſer Verſicherung gezei 

tigt, ber auch in der Tat ſchon an einigen Orten zur 


| praftifden Verwirklichung gelangt ijt. Go ijt 1893 


in Bern cine ſtädtiſche Anſtalt sur freiwilligen Ber 

ſicherung gegen A. geqriindet worden; cine andre be 

jtand 1895-97 in St. Gallen. Yn Köln gibt es ſert 
April 1896 eine ſtädtiſche Verſicherungslaſſe gegen A. 
im Winter. Wenn die Arbeitsloſenverſicherung troy 
der Anerkennung ibrer Wichtigkeit heute nod) m den 
Anfängen ftedt, fo liegt dies an der grofen Schwie 

rigfeit der Durchführung: an dem Wangel ſtatiſti— 
ſcher Grimdlagen fiber Umfang und Dauer der jähr— 
lidjen A., ohne weldje die Geſamtſumme des Bedarfs 


Urbeitsmafdinen — Arbeitsfammler. 


fiir diefen Bwed und die Hohe der gu entridten- 
den Prämien nicht feftgeitellt werden fann, an der 
Schwierigleit, die verjdjuldete von der unverſchulde— 
ten A. gu trennen, an den ſchwer gu löſenden Fra- 
gen, wie es mit der durch Arbeitseinſtellungen bewirt- 
ten A. zu Halten fei, ob die Verjiderung auf Freiwil- 
ligfeit oder Bwang gu beruben habe, wie die ae 
der Verfiderun fuliabcinecs jind ꝛe. Bgl. Adler, 
Uber die Aufgaben de8 Staates angeſichts der A. (Tii- 
bingen 1894); Derjelbe, Die Verfidjeramg der Urbei- 
ter gegen A. (Baj. 1895); Schanz: Zur Frage der 
acai oie alle poe, Wem 1895), Neue Bei- 
triige (Berl. 1897) und Dritter Beitrag zur Frage der 
WUrbeitslofenverfiderung (daf. 1901); v. Meyerind, 
Praltiſche Maßregeln zur Bekämpfung der W. (Jena 
1896); Buſchmann, Die A. und die Berufsorga— 
niſation (Berl. 1897); Eyck, Die A. und die Grund- 
fragen der Urbeitslofenverfiderung (Frankf. a. WM. 
1899); Berndt, Die U., ihre Belämpfung und Sta- 
tijtit (Berl. 1899); Udler, Artifel W. im »Hand- 
worterbuc) der Staatswiſſenſchaften⸗, Bd. 1 (2. Aufl., 
Dena 1898); Reh m, Urtifel »YW.« und ⸗Arbeitsloſen⸗ 
verfiderung« im »BWorterbud der BVolfSwirtidaft«, 
Bd. 1 (daf. 1898). 

Urbeitimafdinen, Majdhinen, die ihren Antrieb 
mittelbar oder unmittelbar durch cine Rraftmafdine 
(j. Motoren) erhalten. Zu den A. gehiren 3. B. die 
Werkseuqmafdinen, die Hebemafdinen filr fet und 
jliifjige Körper (Bumpen), die Gebläſe und Nompref- 
foren xc. Biele Mafdinen find Rraft- und Urbeits- 
maſchinen gugleid), 3. B. die Lofomotiven. 

Arbeitsmeffer, ſ. Dynamometer. 

Arbeitsnachweis. Es handelt fic) hierbei fo- 
wohl um den Nachweis von Arbeitskräften als um 
den von Urbeitsgelegenheiten. Dadurd), daß in der 
Neuzeit mit ihrer Freizügigkeit und größern Spegiali- 
fierung der Berufstitigheit 3 fowoht fitr den Arbeit⸗ 
geber als den Urbeitnehmer ſchwieriger geworden ijt, 
die Verhältniſſe des Arbeitsmarktes gu iibe. fehen und 
deshalb die Gefahr nabheliegt, daß aus der Arbeits— 
lofigfeit griferer Maſſen Schädigungen fiir die Ge- 
ſellſchaft erwadhfen, ijt es nötig geworden, wiederum 
cine geciqnete Ordnung des Arbeitsnachweiſes als 
nächſtliegendes Mittel der Abhilfe angujtreben. Es 
find daher, nachdem längere Beit hindurd infolge des 
Verfalls der altern Arbeitsnachweiſe der Gefellenver- 
biinde, Zünfte x. lediglich die individuellen Be- 
mühungen der Yntereffenten und die gewerblid 
betriebenen Arbeitsnachweiſe in Betradt famen, 
mit Denen manche Mißſtände verbunden waren, neuer⸗ 
dings Verſuche qemadt worden, dieje Urten de3 Ar— 
beitsnachweiſes ſchärfer zu beaufſichtigen (Novelle gur 
deutſchen Gewerbeordnung vont 1. Juli 1883, preu- 
ßiſche Vorſchriften vom 10. Aug. 1901) und die Mij- 
bräuche gu befeitigqen, aber aud) den privaten A. durch 
wirffamere Beranjtaltungen gu erjeben. Beſonders 
fommt in diefer Ridtung der A. durch gemein— 
niigpige Veranjftaltungen in Betracht (Stuttgart 
1865, Zentralverein fiir A. in Berlin feit 1883, der 
1900 von 48,432 Geſuchen der Urbeiter 38,303 be- 
riidjidjtigen fonnte, x¢.), die nur niedrige Einſchreib- 
eventuell aud) Vermittelungsgebiihren erheben. Da- 
neben ijt aud) der berufsqenoffenfdaftlide U. 
wiederum belebt. Sowohl Organijationen der Urbeit- 
geber (Innungen u. a.) al8 der Urbeitnehmer (Ge- 
werfidjaften) haben fid) mit ihm befaft, ihn indeſſen 
aud) vielfad) ihren befondern Intereſſen (3. B. durch 
Ausſchluß Mißliebiger) dienjtbar gu maden verfudt. 
Alle diefe Verſuche litten indes an erhebliden Män— 


693 


ae (geringe Wirkfamfeit, mangelnde Unparteilid- 
eit ꝛc.), und man verfuchte dDaber, den A. durch die 
Gemeinden ju organifieren, wodurd auch die Mög— 
lichleit geboten wurde, ihre Wirkſamkeit auf gripere 
Gebiete gu erjtrecen und in diefen die Nachfrage umd 
das Ungebot von Urbeit volljtindi z erfaſſen. Die 
erſten Verſuche in dieſer Richtung fen in Der Schweiz 
emadt (Bern 1888, Baſel 1889). Seit 1891 madte 
eh jedoch aud) in Deutſchland cine Bewegung in glei- 
Gem Girne geltend, die aud) bald prattijde Erfolge 
hatte und feit 1894 befonders dadurch gefirdert ijt, 
dah ver{diedene Minijterien (Wiirttemberg, Bayern, 
Preufen) die Errichtung fommunaler Urbeitsnad- 
weife in Unrequng bradten. Bejonders in fiid- und 
mitteldeutfden Stadten find feitdem eine größere Un- 
gal von fommunalen RNachweifebureaus oder Ar— 
eitsämtern entitanden. Meiſt werden fie durch 
Kommiſſionen aus einer gleiden Rahl von Urbeit- 
ebern und -Mehmern unter Vorſitz eines Unparteit- 
Sten geleitet. Ihre Erfolge find vielfad) bedeutend, 
befonders fiir ungelernte Urbeiter, weil fiir eingelne 
Hauptgewerbe Fachnachweiſe der Urbeitqeber oder 
Nehmer vorhanden find. Die Bewegung, die bes weet, 
die in ben Händen von Gemeinden oder Vereinen be- 
findliden Urbeitsnadhweife gu Landesverbiinden (Zen⸗ 
range vereinigen, wird deren Wirkſamkeit 
ge (in Minden 4. B. lagen der Zentralſtelle fiir 
- 1901: 67,960 Gefude von Arbeitgebern, 88,223 
von Urbeitnehmern vor, und wurde in 65,305 Fallen 
eine Vermittelung ergielt). Golde Verbände beſtehen 
in Wiirttemberg, Baden und Bayern. 1898 ijt auc 
ein —— Verband deutſcher Arbeitsnachweiſe 
gegründet. In Frankreich ſollte durch die Errich— 
tung von Arbeitsbörſen (in der Hauptſache kom— 
munal fubventionierte Geſchäfts- und Klubhäuſer 
der Gewerkſchaften) cine Reform de3 Urbeitsnadwei- 
fed Herbeigefiihrt werden; der pps Her jedod) in: 
olge ded einfeitigen Vorgehens der Gewerkſchaften int 
ergleid) gu den aufgewendeten Mitteln nidt allzu 
grab 3u fein. Durch cin Gejeg von 1898 jind Miß— 
räuche auf dem Gebicte des privaten Vermittelungs- 
wejens bejeitiqt, und die Entwidelung der unent⸗ 
geltlid) arbeitenden Bureaus der Gemeinden, Berufs— 
vereine, Wohltätigkeitsanſtalten x. wird begünſtigt. 
Bal. Freund, Der allgemeine WU. in Deutfdland 
Bec 1896 u. 1897); v. Reigenftein, Der AU, 
ntwidelung und Gejtaltung im In- und Auslande 
(daf. 1897); G. Adler, W. und Arbeitsbörſen im 
»Handworterbud der Staatswiffenfdaften«, Bd. 1 
(2. Aufl. Jena 1898); » Schriften ded Verbands deut- 
ſcher Urbeitsnadweife« (Berl. 1899 ff.); Pelloutier, 
Histoire des bourses du travail (Par. 1902). Reides 
Material findet fic) in Jajtrows Monatsfdrift » Der 
Urbeitsmartt« (Berl., feit 1897) und der Wochenſchrift 
»Soziale Praris<. 
rbeitsordnung, dicjenige Feſtſetzung der Be— 
dingungen des Arbeitsverhältniſſes, die ein einzelner 
Unternehmter trifft. S. Fabrikordnung. 
Wrbeitsrat (Conseil supérieur du travail), eine 
in Frankreich 1891 beſchloſſene, zu je einem Drittel 
aus Urbeitgebern, Urbeitern und Abgeordneten oder 
jonjtigen fadtundigen Perjonen bejtehende, dem Dan: 
delsminiſterium zur Seite ſtehende Körperſchaft, mit 
der Aufgabe, die Arbeitsverhältniſſe zu ſtudieren und 
auf dieſelben bezügliche Geſetzentwürfe vorzubereiten, 
aud) mit Zuſtimmung des Miniſters hierüber Enque- 
ten einzuleiten. 
Arbeitsſammler, von Fick erfundener Upparat 
gum Meſſen der Geſamtgröße der von einem Muskel 


694 Arbeitsſcheu 


Arbeitsteilung. 


bei einer Reihe von Einzelzuckungen geleiſteten Arbeit. begriindet und ſpäter unter E.v Scheudendorfe ra} 


Der Muslel hebt bei je 


wicht; dieſes wird durch eine Sperrvorrichtung ver- | ſammlung 1902 in Mu 
Sachſen (5000 Wt.) 


hindert, bei der Erſchlaffung des Muslels wieder 
guriidjufallen, fo daß alſo jede folgende Budung bei 
ihrem Beginn das Gewidht auf größerer Hohe vor- 
ot Die Hohe, im der die Lajt fic) am Ende der 

erſuchsreihe bejindet, gibt, multipliziert mit Dem Ge- 
wichte derſelben, die Groͤße der gefamten medjanifden 
Urbeit an, die der Mustel bei fermen wiederholten Zu— 
ſammenziehungen geleijtet bat. 

Arbeitss „J. Urbeitshaufer. 

UArbeitsfdulen und Arbeitsunterrict, Un— 
terridtsanftalten oder Unterridtsjtunden, in denen 
Schülern nützliche gewerbliche Fertigeiten beigebracht 
werden. Schon im 18. Jahrhundert ſuchte man in 
England, Deutſchland, Schweiz x. Arbeitsſchulen mit 
der Vollsſchule, beſonders der Armenſchule, gu ver- 
binden und den Schülern damit einen fleinen Ber- 
dienſt gu fidern, um fo zugleich den Schulbeſuch gu 
befordern. Namentlich war in Bdhmen der Pfarrer, 
ſpätere Biſchof Kindermann (f. d.) in diefem Sinne 


tätig. Nad dem Vorgang A. H. Frandes in Halle 


und Hecers in Berlin und im Anſchluß an Lode und 
Rouſſeau nahmen die fogen. Philanthropen aud) fiir 
die Zöglinge höherer Schulen, al8 


engewicht ge⸗ 
en einſeitige Ausbildung des Geiſtes Handwerks— 


bungen in ihren Lehrplan auf. Beſondere Pflege 
fanden dieſe in Schnepfenthal unter Blaſche (ſ. d.). 
So war um 1800 die Verbindung der Urbeits- oder 
Induſtrieſchule mit der Lernfdule ziemlich verbreitet. 
Herjog Peter Friedrid) Ludwig von Holftein-Olden- 
burg ordnete den Urbeitsunterridht fiir feine holſtei 
nifden Befigungen an (1796), und König Friedrich 
Wilhelm IL. von Preußen empfahl fie 1799 in einer 
auf die Reform der Vollsſchule bezüglichen Kabinetts 
order. Indes ijt in Deutſchland nur der Unterridt 
der Mädchen in weibliden Urbeiten wirklid allgemein 
eworden; die Anleitung der Knaben ju Handfertig: 
eiten, obwohl dfter neu angeregt, —S ſich bis 
in die neueſte Zeit faſt ganz auf Internate, wie Wai- 
fen-, Rettungshaufer, Blinden-, Taubſtummenanſtal⸗ 
ten xc., bid etwa fett 1870 im ffandinavifden Norden, 
zuerſt in Finland durd Cygnäus (ſ. d) und dann 
mit größerm Erfolg in Schweden, der Urbeitsunter- 
richt zugleich mit der Pflege des Hand- und Hausflei- 
hes, namentlich der landlidjen Bevdlferung (handa- 
slijd, hemslijd), neuen Aufſchwung nahm Cin fo- 
niglider Erlaß vom 11. Sept. 1877 empfahl allen 
ſchwediſchen Schulbehörden die Einführung des Slöjd⸗ 
unterrichts; an den Seminaren ju Karlſtad und Kal⸗ 
mar wurde dieſer in den Lehrplan aufgenommen, 
und der reiche Menſchenfreund Abrahamſon in Naas 
bei Gotenburg erricdtete cin eignes Sldjdfeminar 
Schon vorber war die Bewegung durch den Rittmeiiter 
v. Clauſon⸗Kaas nad) Danemarf iibertragen und 
hatte durch deſſen Reifevortrage aud) im übrigen 
Europa Mufmerffamfeit erregt. Jn Deutfdland nah 
men einzelne Bereine fiir bas Woh! der arbeitenden 
Klaſſen (Berlin, Waldenburg i. Schl, Leipsig, Gir- 
lig, Osnabriidr.) die Sache auf; bei Befimpfung des 
Notitandes in Oberfdhlejien 1879 — 80 trat ihr auch 
die preußiſche Regierung näher. Dod) haben die ftaat 
liden Schulverwaltungen in Deutfdland, hierin einig 
mit ber Mebhrhert der Lehrerſchaft, allgemein verbind 
lide Einführung abgelehnt und die Sade weſentlich 


freier Bereinstatigfert überlaſſen. Cin allgemeiner | 


Deutfdher Verein fiir Rnabenhandarbeit 
wurde 1881 unter Vorſitz von U. Lammers in Bremen 


Sufammenjiehung ein Ge- | riger Leitung gliidlid) weiter entwidelt (Heupme 


Sburg). Die bes, Sen I 
reufen (32,000 ) tumd dee 
Reid) (5000 Met —— namhafte Beibilfer, eberic 
cine große Anzahl deutider Stadte. Das Semimer te: 
Handfertigfeit in Leipzig bildet jährlich neue Shee 
von YUrbeitslehrern aus. 1900 zählte man tn Denti 
land 838 Handfertigleitsſtätten pddagogtidser Be 
tung, wovon 573 in Preufen. Bon der Geiaretpad 
waren 288 felbjtindige Unjtalten, die Abrigen mx 
Schulen verbunden. en 2200 Lehrer wares *= 
den Werkunterridt eigens ausgebdildet, baven S50 = 
Leipzig, die übrigen an Einjelfurjen tn 33 Seddere 
(23 J———— zwiſchen bat der Sldjd oder Ber’ 
unterridht in Der ganjen jivilifierten Beit Freamde ox 
Förderer gefunden. Cr ijt in Firmland, Sdoweder. 
Frankreich (1882), Norwegen (1891) an den Botts 
ſchulen allgemein eingeführt. Bgl. Blatter far Kee 
benhandarbeit<, Organ des Deutichen Bering (Oreq 
von Babjt, — feit 1887); ferner v. Schené@ee 
dorff, Der praftifde Unterridt (Bresl. LAO); Der 
ſelbe, Der Urbeitsunterridt auf dem Lande (Bers 
| 1891); Salomon, Arbeitsſchule und Bolfeitrate 
(a. d. Schwed., Witten. 1881); Derfelbe, Theorie des 
padagogifden Slojd (deutid) von G. Werner om dee 
»Blattern fiir Knabenhandarbeit«, Leips. 190R). I 
Mevyer, Gejdhidtliche Entwidelung des Handterne 
| feitdunterridts (Berl. 1883); Rigmann, Der Hew? 
arbeitsunterricht der Knaben. Geſchichte und 
waãrtiger Stand ry agp 1896); Schriften pon Ei = 
| (Weim. 1883), Gelbe (Dresd, 1885), Rauleer 
, (Bien 1891); Rom, Praktiſche Cinfiibrung m de 
| Snabenhandarbeit (Leipz. 1889); BW. Gd ge. Ergee 
zung des Schulunterridhts durch praftiidde Beihai 
gung (daf. 1880); Derfelbe, Katechismus des Mnaben 
_ handarbeits-Unterridts (daf. 1892); Nanfe, Hoge 
der Snabenarbeit (Hamb. 1893); Sdrany oat 
Bünker, Die ergiehlihe Nnabenhandarbeit (Ben 
1894); Sderer, Handfertiqfcitsunterridt in Both 
und Fortbildungsfdulen (Gotha 1893). 
Arbeitsſoldaten, die Mannidaften der Arderrrr 
| abtetlun en (j. d.). 
| =Arbeitstatiftijdhe Bureaus, |. UrbeitSimier 
| Arbeitsfteine, ſ. Steinzeit. 
 =Arbeitsftrom, ſ. Telegraph. 
| UArbeitsteifung, in der Raturwiffenfdes: 
| (bier aud) Differengierung genannt) die üder 
nahme verfdiedener Lebenstatigheiten Durch die mevit 
aus gleidartiger Grumdlage hervorgegangenen Ov 
| qane oder (bet Tierjtiden, gefellig oder in Somtrote 
ebenden Tieren) durd die einzelnen Yndividuen. Wie 
| Organismen entitehen aus ciner einzelnen Helle, dar 
| fid) bet weiterer Entwidelung —* in gleicharng⸗ 
Zellen teilt, von denen ſchließlich einzelne Gruppen 
ſich it verſchiedener Weiſe ausbilden und gewiffe. par 
Erhaltung des Organismus erforderliche Letitumern 
ausſchließlich Abernehmen. B. Hautzellen. Senet 
zellen, Blutzellen x. Durch dieſe Beſchränkung fin 
nen fie aber vermöge ihrer auf den idsabeca Hes 
qeridteten Ausbildung ihre Mufgaben vollfourmenrs 
ausfithren und unter der Borausfegung des geord 
neten Qneinandergreifens der Arbeiten ſamilichet 
Sellen den Organismus gu einer volllommenern Le 
bensjtufe erheben. Phyſiologiſche A. und morpholo 
gifde aigerenpierung (Diver gen) des Charal 
ters) bebdingen cinander, und was von den einzelnen 
Zellen gilt, gilt aud von den Organen und vor den 
| Sndividuen der Gefellichaftstiere oder jufanumengefep 








Arbeitstheorie — 


ter Organiémen. Die natilrlidje Ausleſe pflegt die 
höher differensierten Lebewefen su begiinitigen, folange 
die Damit ermiglidten Anpaſſungen nicht zu cinfeitig 
werden und den allgemeinen Lebensbedingungen ent- 
jpredjen. Cigentiimlid) geftaltet fid) die A. bei den 
Tierſtöcken, bei denen eine Anzahl meift durd) Sprof- 
jung aus einem Cinjeltier hervorgegangener Jndivi- 
duen, auf gemeinjantem Stod — .T. ſehr ſtark 
umgebildet, auf gang beſtimmte Funftionen angewie— 
fen und fid) wie Organe eines Ganzen verbalten, 
3. B. bei Shwimmpolypen oder Siphonophoren, bei 
denen befondere Fang-, Freß⸗, Tajt-, Fortpflanjungs- 
und Bewegungspolypen (Lofomotiven) vorhanden 
jind (Bolymorphismus). Äühnliche A. findet fic 
bei höhern gefellig lebenden Lieren, die 3. T., wie 
Bienen, Umeifen und Termiten, Staaten bilden, in 
welden den verfdiedenen Jndividuen gang beſtimmte 
Aufgaben zugewieſen find. Emen ergentiimliden Ge- 

enjag ju fice Bocgene liefert die Vereiniqung ver- 
Poiedenactiger Organismen gu gemeinfamem Haus- 
halt (ſ. Symbiofe). Bgl. Qeudart, Tiber den oly- 
morphismus der Yndividuen oder die Erjdeinung der 
UW. in Der Natur (Gießen 1851); Haedel, Uber A. 
in Naturs und Menfdenteben (in den »Gefammelten 
Bortrigen«, Bonn 1878); Espinas, Die tierijden 
Geſellſchaften (Braunſchw 1879). 

In der Volkswirtſchaft verſteht man unter A. 
ſowohl die Spezialiſierung der Berufsarlen (geſell⸗ 
ſchaftliche A.) ald die Zerlegung wirtſchaftlicher Ver- 
richtungen in verſchiedenartige einfachere Operationen 
(techniſche A.). Die einfachſte A. finden wir ſchon 
im Schoß der Familie ausgebildet, indem ſich die Frau 
der Erziehung der Kinder und dem Haushalte, der 
Mann ſeiner Berufstätigkeit (dem Erwerb) widmet. 
Dit in unentwickelten Kulturepochen des Jager- und 
Hirtenlebens oder auch der —— die Einzelwirt⸗ 
ſchaft inſofern eine mehr ſelbſtändige, als ſie ihren 
Lebensbedarf faſt ganz durch eigne Tätigkeit deckt, fo 
findet auf pri sy airs Stufen eine Sdeidung in 
der Urt ftatt, daß der cine mit der Landwirtfdaft, der 
andre mit bem Gewerbe, der dritte mit dem Handel 
ſich ausſchließlich befaßt. Die A. dehnt fich mit ftei- 
gender Kultur immer weiter aus, indent die —— 
von Gütergattungen ſich in die der einzelnen Arten 
ſpaltet. ließlich entſtehen ſelbſt Gewerbe, die ledig- 
lich einzelne Teile eines ganzen Produfts darſtellen. 
Dieſe letztere Art der A. kann am weiteſten getrieben 
werden, wenn die Teiloperationen einheitlich und plan- 
niagig in einer Unjtalt (Fabrif) zuſammengefaßt wer- 
den. Sobald der Verkehr fich über die eingelnen Län— 
der hinaus erjtredt, bildet fic) cine internationale 
WU. aus, bei der an verfdiedenen Orten ungleide Güter 
erzeugt werden. Letztere ijt bedingt durch drtlidje Eigen⸗ 
tilmlichleiten, ungleiche natürliche Verhältniſſe( Boden⸗ 
beſchaffenheit, Klima ꝛc.) ſowohl als aud) durch Ver— 
ſchiedenheit aller durch Kultur⸗ und Staatsleben ge— 
ſchaffenen Produktionsfaltoren, wie Arbeitstüchtigleit, 
Woralitat, Defepgebung und Verwaltung, Gewohn⸗ 
Heit, geſchichtlich entwidelte Kapitalkraft, Didtigteit 
der Bevdlferung x. Durd) die W. wird eine innige 
Intereſſenverkettung swifden Perſonen und Ländern, 
cine Mehrung der produftiven Kräfte und eine Stei- 

crung ihrer Wirkung hervorgerufen. Durch aus— 
chließliche Beſchäftigung mit einer Urbeitsart und 
ſpezielle Heranbildung fiir diefelbe wird die Leijtungs- 
fähigleit erhöht, die verjdiedenen Mriifte laffen Rs 
zweckmäßig verwenden, die A. re die Unwen- 
dung koſtſpieliger Werlzeuge und Mafdinen x. Hand 
in Hand mit der A., und diefe hierdurd) ju einer orga: 


5 


Arbeitsvertrag. 69 
nifden Urbeitsgliederung geftaltend, muß cine 
ridtige Urbeitsvereiniqung gehen, d. h. die ver- 
ſchiedenen Brodufte und Produktenteile müſſen zu ein- 
ander in richtigem Quantitätsverhältnis ſtehen, wenn 
Vrbeits- und Kapitalvergeudungen vermieden werden 
follen. In einem andern Sime fpridt man von Ar— 
beitsvereinigung, wenn mebhrere Kräfte qemeinfdaft- 
lid) auf cine Operation fic) fongentrieren, werm meh— 
rere Verridjtungen gleider Art von einer Perſon aus- 
geführt werden oder gleide Verridjtungen, die zeitlich 
nadeinander als fontinuierlide Teile eines Ganzen 
vorgenontmen werden, verfdiedenen Perſonen über— 
wiejen find. Wie die Urbeit gum Segen und gum Fluch 
werden fann, fo aud) die U. Wenn fie gewiſſe Gren— 
yen liberjdjreitet, fann fie Geijt und Körper ſchädigen, 

urd Ermöglichung der Anwendung billiger Frauen: 
und Sinderarbeit Familienleben, Bilbung und Mo— 
ralitat untergraben, durch Schwierigleit volljtindiger 
Anpaſſung und Emgliederung unter verjdiedenen 
Verhältniſſen Stirungen, Kriſen und damit Verlujte 
an Stapital und Yirbeit bewirfen x. Im allgemeinen 
witrden die gegen dieſe Gefahren der UW. anguwenden- 
den Mittel weniger gegen die leptere an und fiir fid 
al8 vielmebr gegen ihre ſchädllchen Wirkungen gu rich⸗ 
tenfein (Beſchtankung derirbeits seit, Verwendung der 
Ruhepauſen fiir Erholung, Bildung und Familie x.). 

MUrbeitstheorie, die fosiale Theorie, die das Cigen- 
tum auf die Urbeit als Entitehungsqrund zurückführt 
(vgl. Eigentum und Sogialismus). 

rbeitdiibertragung , |. Kraftübertragung. 

Urbeitevertrag heißt jest jeder Vertrag, nad 
dem jemand Arbeit irgend welder Urt, alſo irgend 
welde Tätigkeit von wirtidaftlidem Wert, einem an- 
dern ju leiſten hat Die Arbeit ſelbſt muß gu leijten 
fein, nicht ihr Erzeugnis oder ſonſtiger Erfolg; ijt 
folded der Fall, fo liegt ein Werfvertrag vor. Das 
| Biirgerliche Gefegbud hat jedod) den Uusdrud A. 
fic) nod) nidt angeeignet, fondern ijt bet Dem alt- 
römiſcher BollSwirtidaft entitammenden Brauche 
ftehen geblicben, von einem entgeltliden UW als 
Dienjtvertrag und von einem unentgeltliden 
UW. als Unftrag gu fpreden; jener findet fic) ge- 
ordnet in den Paragraphen 611— 630, diefer, mit 
Rildverweifungen, in den Paragraphen 662 — 676. 
Int wefentliden ijt hier und in einigen cinfdlagen- 
den Vorſchriften de3 Handelsgefepbuds und Bin— 
nenſchiffahrtsgeſetzes das Folgende bejtimmt: Cine 
Vergütung gilt als ſtillſchweigend vereinbart, wenn 
die Urbeit den Umſtänden nad mur gegen cine Ver— 
gütung ju erwarten ijt. In folchen Umſtänden be- 
findet fic) immer, wer in Ausübung feines Gewerbes 
einem andern Gefdhifte beforgt oder Dienite leijtet. 
Das Mak fiir ſolche Vergittung gt. wenn nicht eine 
Tare, die Ortsitblidfeit. Die Vergiitung ijt regel- 
mipig nad) gefdehener Arbeit zu entrichten, wenn fie 
nad) Zeitabfdnitten bemefjen ijt, je nad) Dem Wblauf 
des einzelnen Abſchnittes; der Gehalt eines Hand- 
lungsgehilfen mug ſpäteſtens je am Schluß eines 
Monats gesahlt werden. Auf Binnenſchiffen und 
Flößen ijt der Lohn im Zweifel alle 2 Woden ju 
zahlen, auf Geefdiffem ju erſt nad) beendig- 
ter Gefamtreife und iibrigens je nad) beendigter Zwi— 
ſchen⸗(Teil⸗)xeiſe, wenn mindeftens 6 Wonate nad 
Beginn der Geſamtreiſe verflojfen find. Ubertrag- 
bar ijt im Rweifel fowenig der Anſpruch auf Arbeit 
als die Verpflichtung gur Urbeit. Der Unfprud auf 
Lohn geht weder verloren, wenn Urbeit nicht nad- 
eye wird, deren rechtzeitige Leijtung durch Verzug 
des Urbeitgebers verhindert war, nod) dann, wenn 





696 


bie Urbeit fiir eine verhältnismäßig nicht erheblicde 
Beit durch einen in der Perjon des Yirbeitnehmers lie- 
genden Grund, 3. B. durd) Kranfheit des Urbeitneh- 
mers, verbindert wurde; letzteres gilt fiir Handlungs- 
gebilfen und Handlungslehrlinge aud) fiir eine mdt 
verhãltnismäßige Zeit bis zu 6 Woden. Der Ar- 
beitqeber hat Raume, Vorrichtungen oder Gerätſchaf⸗ 
ten, die er fiir die Urbeit oder sur Pflege des Urbeit- 
nehmers ju beſchaffen bat, fo einguridjten und eu un: 
terbalten und Urbeiten, die unter ſeiner Anordnun 
oder Leitung vorzunehmen find, fo zu regeln, daß der 
Urbeitnehmer gegen Gefahr fiir Leben und Gefund- 
heit fo weit gett ijt, alS die Natur der Urbeiten es 
gejtattet. Wenn nicht fiir die drgtliche Behandlung 
und ree eines in die ha usliche Gemein- 
{daft des Urbettgebers aufgenommenen VUrbeitneh- 
mers durd cine ————— oder durch cine Ein⸗ 
richtung der öffentlichen —— Vorſorge ge⸗ 
troffen iſt, ſo muß der Arbeitgeber den Erkrankten, 
ſofern nicht von dieſem die Erkrankung mit Vorſatz 
oder grober Fahrläſſigleit herbeigeführt iſt, bis zur 
Dauer von 6 Wochen (indes nicht über die Zeit 
des Arbeitsvertrages hinaus) auf eigne Koſten ver- 
pflegen und ärztlich behandeln laſſen; die Koſten fin- 
nen jedoch mit dem Lohn der Zeit der Krankheit bis 
zu gleichem Betrag aufgerechnet werden. Weiter noch 
gehen die Verpflichtungen des Reeders (ſ. dD.) gegen— 
liber Dem Schiffer (7. dD.) und der Schiffsmann) daft. 
Urbeitsvertrige auf unbejtimmte Zeit fonnen ge- 
fiindigt werden: 1) wenn die Yirbeit ohne Vergiitung 
erfolgt, vom Urbeitgeber jederzeit, vom Arbeitnehmer 
nur ſo, daß jener —* die Beſorgung der Arbeit die 
nötige Fürſorge rechtzeitig treffen fann; 2) wenn die 
Arbeit gegen eine nicht nach Zeitabſchnitten bemeſſene 
Vergütung erfolgt, jederzeit, aber falls ſie die Er— 
werbstitigfeit des Arbeitnehmers vollſtändig oder 
hauptiidlid in Anſpruch nimmt, mit Friſt von 2 Wo- 
chen ; 3) wenn die Urbeit gegen cine Vergiitung erfolgt, 
die nad) Tagen, Worden, Monaten oder Vierteljab- 
ren ꝛc. bemejjen ijt, je von Tag zu Tag, vom erjten 
Werftag ciner Ralenderwode auf deren Schluß, 
vom Füuͤnfzehnten eines Ralendermonats auf dejjen 
Schluß, von 6 Woden vor dem Schluß eines Ralen- 
der vierteljahres auf dieſen Schluß rc. Die letzte Art 
Kündigung gilt ſtets im Fall dauernder Anſtellung für 
Handlungsgehilfen ſowie bei allen »Dienjten höherer 
Art«; als ſolche gelten insbeſ. diejenigen der Lehrer, 
Erzieher, Privatbeamten und Geſellſchafterinnen. — 
Aus »widtigem Grunde« fann jedes Dienſtverhältnis 
ohne Kündigungsfriſt von jedem Teile gelündigt wer- 
den. Der Arbeitnehmer kann nach fünf Jahren 
immer kündigen, aud) wenn längere Vertragszeit ver- 
einbart war. Der Arbeitgeber fann, ohne ju fiindi- 
gen, Die Arbeit fic) jedergett verbitten; damit wird er 
aber von der Pflicht zur Leiſtung des Lohnes u. dal. 
nicht fret. Wnt Ende eines dauernden Dienjtverhilt- 
niſſes kann der Yirbeitnehmer vom Arbeitgeber ein 
ſchriftliches Zeugnis fiber das Dienſtverhältnis und 
Deffen Dauer jowie aud) iiber Leijtungen und Füh— 
rung verlangen, gegen den Willen des Arbeitnehmers 
Darf jedod nur em Seugnis über Beginn und Ende 
fowie Art Der Dienjtleijtung ausgejtellt werden. 
Wenn der Urbeitgeber in Konkurs fommt, werden 
nad) der deutiden Nonfursordnung YUrbeitsvertriige 
entweder fiindbar oder binfalliq, je naddem die Ur- 
beitim Haushalt, Wirtidhaftsbetriebe, Erwerbsgeſchäft 
des Arbeitgebers ju leiſten ijt oder anderswie; Erjag- 
anjpriiche Hind jedoch dadurch nicht ausgeſchloſſen. Be- 
fonderes iſt nod verordnet: 1) zwiſchen Reederei und 


Arbeitsvertragsbrud — Arbitrage. 


Rorrejpondentreeder im Handelsgejepbud, § 496 u. 
498 ff.; 2) awifden Reeder und iffer (Rapitan) 
a. a. O., § 5138 —522, 536, 540, 546; 3) ʒwiſchen 
Schiffseigner und Schiffer im Binnenſchiffahrtsgeſetz. 
§ 7 f.; 4) zwiſchen Schiffer oder Reeder und ffs 
mann in der Seemannsordnung, § 35 f.; 5) zwiſchen 
Pringipal und Handlungsgebhilfen im Biirgerliden 
Gejepbud), § 39-75; 6) zwiſchen Lebrherrn und 
Handlungslehrling a. a. O., § 76 —80; 7) zwiſchen 


G Frachtflößer, bes. Floßeigentümer und Floßfuͤhrer im 


Flößereigeſetz, $3 —8 u. 15f.; 8) swifden jenen und 
einem Floßmann a. a. O., § 17— 23; 9) zwiſchen Ge- 
werbtreibenden und ibren qewerbliden Urbeitern 
verſchiedenſter Urt in der Reichsgewerbeordnung, § 
105 —139 m. — Befonderes und zwar unteremander 
febr Verſchiedenes verordnen gmt en Yrbeitgeber und 
Urbeitnehmer aud die Gejinde - (Dienjtboten -) Ord 

nungen (f. Gejinde). Bal. Brenner, Der gewerd- 
lide UW. nach deutſchem Recht (Mind. 1902); Lot- 
mar, Der U. nad) dem Privatrecht des Deutiden 
Reiches (Leipz. 1902, Bd. 1). 

Arbeitsvertragsbruch, |. Vertragsbrud. 

UArbeitsvieh, j. Landwirtidaftlide Betriedbs- 
erfordernifje. 

Arbeitswechſel, ſ. Funktionswechſel. 

Arbeitszeit, ſ. Fabrikgeſetzgebung und Gewerbe 
geſetzgebung. 

rbeits zoll, bas Maj, um welches rohe Quadern 
wegen des Materialverluſtes bei der Bearbeitung aus 
Steinbrüchen größer als beſtellt, geliefert werden 

Arbẽela ——— »Biergotterjtadt<), be- 
ruhmte Stadt ded alten Ujfyrien, eine Hauptititte des 
Yitar-Rultus und von allen aſſyriſchen Stadten die 
eingige, Die bis Heute, und gwar unter ihrem alten 
Namen (jf. Urbil), exijtiert. Jn ihrer Nahe, bet Gau 
gamela, erfodt Ulerander d. Gr. den entideidenden 
Sieg über Dareios (2. Oft. 331 v. Chr.). 

(Grofer U.), — Berg des BdHmer- 
waldes, in Niederbayern nodrdlid) von Bodenmais, 
swifcen dem Weißen und Schwarzen Regen, ein {teil 
abfallender, abgejtumpfter, fabler Kegel von 1457 m 
Höhe, mit Kapelle und bejonders nad S. bin grof- 
artiger Ausſicht. Im RW. und SD. liegen fajt 
1000 m ii. M. in urwaldartiger Umgebung die beiden 
Urberfeen. Etwa 2 kin wejtlid) vom Groen VW. 
erhebt jid) der 1381 m bobe Kleine U. 

Arbil (Erbil, Ervil, im Wtertum Arbela), ber- 
abgelommene Stadt im afiatijd-tiirt. Wilajet Moful, 
430 m bod) in einer Ebene gelegen, an der Gren der 
arabijden und furdijden Sprade, mit 3757 Einw 

Arbiter (lat.), Sciedsridter. 

Arbith (hebr.), ſ. Maarib. 

Urbitrage (franj., fpr. -aj@’, v. lat. arbitrium, 
Entideidung), tm allgemeinen die Erwagung und 
Entſcheidung tiber die günſtigſten unter den an ver 
ſchiedenen Plätzen fic) bietenden Einfaufs- und Ber 
faufsgelegengeiten, findet insbeſ. Anwendung auf 
Edelmetalle, Geld, Wechſel und Effekten ſowie die 
Cingiehung von Forderungen und die Begleichung 
von Zablungen im Ausland. Jn ihrer einfachſten 
Form kommt fie vor als Geldarbitrage, Die er— 
mtittelt, Durch welche Geldjorten am vorteifhaftejten ar 
andern Orten Zahlung ju leijten ijt oder Forderun 
gen eingesogen werden fonnen. Sind 20-Franfitiicde 
in Berlin fiir 16,40 ME. gu faufen, und ug 20 Wt. 
in Baris auf 24,09 ¥r., fo würde cine von lin nad 
Paris ju leijtende Zahlung vocteilhafter in deutſchem 
alg in Pangpiifdent old qeleijtet werden, wabrend 
cine auf Baris lautende Forderung am beiten dort 


Arbiträr — Arbois de Jubainville. 


in franzöſiſchem Gold einlaſſiert würde. Dieſe Be— 
rechnung wird verwidelter, ſobald nod) verſchieden⸗ 
artige Speſen, Transportkoſten und eine grofere Sahl 
von baad Pinar pe Hiaasen ine 
größere Vedeutung hat heute die Wed felarbitrage, 
die aus den Kursverſchiedenheiten verſchiedener Wed)- 
felplipe dadurch Borteil gu ziehen fudjt, daß fie er- 
mitteli, an weldem Plag ein Wechſel am billigiten 
gu erhalten und am höchſten gu verwerten ijt. Wan 
farm nämlich bei der Zahlung wie bei der Cinfajfie- 
rung dreierlei Wedjel benugen: Wechſel auf den frem- 
ben Bias, Wechſel auf den eignen Platz und Wechſel 
auf einen von beiden verjdjiedenen Plas. Bei ob: 
liegenden Zahlungen wählt man, ob man auf fid 
trajjieren läßt, oder ob man Wechſel (Rimeſſen) cin- 
ſchickt, und in legterm Fall, ob man Rimeſſen auf 
den Zahlungsort oder auf irgend einen andern Ort 
einſchickt. Beim Inkaſſo wahlt man swifden dem Traſ⸗ 
jieren auf den Schuldner und der Aufgabe an den- 
felben, Rimeffen gu machen, die wiederum in Wechſeln 
auf den cignen oder irgend einen fremden Platz be- 
teben können. Die Entidheidung hängt vom Stande 
ct Wedhjelfurje ab, d. h. von dem Preis, der fitr die 
Wechſel auf die verfdiedenen Plage begahlt wird. Hat 
3. B. ein Pariſer Haus nad Umjterdam 100 holland. 
Gulden gu zahlen, und fteht der Kurs von Paris auf 
Amſterdam auf 209 Frant (100 Guld.), der von Paris 
auf London auf 25 Fr. (1 Pfd. Sterl.), von London 
auf Umjterdam auf 12 Guld. (1 Pfd. Sterl.), fo find 
bei direfter Remittierung nad) Umfterdam 209 Fr. 
aufguwenden. Gibt dagegen der Barifer cinem Kom— 
mifjiondr in London Uuftrag, Amſterdamer Papiere 
u faufen, und fendet er ihm als Dedung Londoner 
Rapiere, fo gablt der Kommiſſionär 8'/s Pfd. Sterl. 
fiir 100 Guld. Der Pariſer aber fauft Londoner Pa— 
piere, die auf 8'/s Pfd. Sterl. lauten, für 208s Fr. 
Die indirette Rimeſſe iiber London ijt alfo vorteilhafter 
als die direkte. Ähnlich wird bei der Eingiehung von 
Forderungen verfahren, und zwar wird mit Hilfe der 
teleqrapbitch cingegangenen Kurszettel der verſchieden⸗ 
ſten Wedhjelplage ermittelt, welde der möglichen in- 
direkten Remittierungen die vorteilhaftejte ijt. Werden 
bei der hierbei angejtellten Rednung, der Urbitrage- 
rechnung, die abweidenden Unfojten (Provifion, 
Courtage, Porto) der verjdiedenen Wege beriidjid- 
tigt, fo nennt man fie eine —— ak ae im 
andern Fall cine cinfade A. Zur Erleichterung der 
Rechnung hat man fiir widtigere Plage eigne W ed - 
felarbitragetafeln aufgejtellt, in denen alle praf- 
tijd) modglichen Kurſe in Rechnung gezogen find. Da 
der Disfont an den verſchiedenen Wechſelplätzen meijt 
ein ungleider ijt, fo find aud) die Uufwendungen ver- 
ſchieden, die man maden muß, je nachdem man zur 
Zahlung an einem andern Platz einen dort ty 
kurzſichtigen Wechſel fauft oder einen langfidtigen da- 
felbjt disfontieren läßt. Die gur Vergleidung folder 
Vufwendungen anjuftellende Rechnung nennt man 
die Disfontarbitrage. 

Wud) bet Effetten wird durd A. (WUetien-, Staats. 
papier-, Effeftenarbitrage) ermittelt, welde Plage fiir 
Kauf und Verfauf derjelben am giinjtigiten find. Die- 
jelbe wird infolge davon ſchwierig, daß die Notierungs- 
weije desjelben Bapiers an verſchiedenen Börſen ſehr 
ungleich ijt (bier Rechnung nad Stic, dort nad Pro— 
zenten, hier einſchließlich, dort ausſchließlich der Laufen: 
Den Zinſen rx.). Die genannten Operationen werden 
aber nicht allein ausgeführt, um Zahlungen zu maden 
und Forderungen emjufaffieren, fondern aud, um 
nur aus Kursverſchiedenheiten, 3. B. durch eine hier- 


697 


durch veranlaßte Traffierung, Gewinn gu giehen, in- 
dem fich gu dicfem Zweck mehrere Häufer verfdiede- 
ner Plage miteinander verjtindigen. Die U. verantaft 
am einen Ort eine Hebung, am andern eine Herab- 
dritdung und damit eine Ausgleichung der Kurſe. 
Val. Swoboda, Die kaufmänniſche e (11. a” 
Berl. 1901); Haupt, Arbitrages et parités (8. Aufl., 

r. 1894); Beder, Die prattijde A. (Berl. 1876); 
Stern, DieW. im Bant-u. ee 1900). 

Arbiträr (lat.), nad Gutdiinfen; Urbitration, 
—— nad) Gutdünken und Ermeſſen; ſchieds⸗ 
richterliche Entſcheidung; arbitrieren, nach Er— 
meſſen entſcheiden; eine Arbitragerechnung machen. 

Urbitrator (lat.), der Dritte, deſſen Ermeſſen 
(arbitrium) nach dem Willen der Vertragſchließenden 
oder eines Erblaſſers bezüglich gewiſſer Feſtſtellungen. 
z. B. derjenigen des Wertes emer Sade, der Hobe 
einer Leijtung oder eines Schadens xc., makgebend fein 
joll. In der Megel ijt dabei das billige Ermeſſen (ar- 
bitrium boni viri) entſcheidend. Die von dem A. ge- 
troffene Entſcheidung oder Beſtimmung fann wegen 
offenbarer Unbilligfeit angefodten werden. Der A. 
oder Schiedsmann ijt nicht mit dem Schiedsrichter 
(jf. d.) gu verwedjeln, der an Stelle de3 Ridters einen 
Rechtsjtreit gu entidjeiden hat. 

Arbitrio (ital.), Willfiir, Gutdiinfen; a suo a., 
als mufifalijde Bezeichnung, geftattet die größte Frei- 
heit in Bezug auf Vortrag und Lenrpo (wie ad libitum). 

Arbitrium (lat.), Entfdeidung nad Ermejjen 
oder Gutdiinfen, inSbej. dDurd) einen Dritten (Urbi- 
trator); Sciedsiprud. A. divinum, göttlicher Rat- 
ſchluß; a. judicis, ridjterlides Ermeſſen; a. liberum, 
Willensfreiheit; a. boni viri, f. Urbitrator. 

Arboga, Stadt im ſchwed. Lin Weſtmanland, am 
Fluß Yl, der fid) 15 km weiter in den Malarfee er- 
gießt, und in der Nahe des den Hjelmarjee mit dem 
Mälarſee verbindenden Urbogafanals, an der 
Eiſenbahn Orebro-RKidping, hat 2 Kirden, cine Mittel⸗ 
ſchule und (is09) 5187 Einw., die Schiffabrt, etwas 
Cijenindujtrie und Handel treiben. — Jn A., einem 
der altejten Orte Schwedens, wurden mehrere wich— 
tige Reichstage abgehalten, fo 1561 (j. Erid) XIV.) 
und 1597 (jf. Karl IX.). Bgl. G. Bergſtröm, A. 
Kriénika (Stodh. 1892—95, 2 Bbde.). 

Arbogaft (Urbogajtes), cin Franke von Ab— 
jtammung und Heide, zeichnete fic) ſchon unter dem 
Kaiſer Gratian (867—383) als römiſcher Heerfiihrer 
aus und wurde nad deſſen Ermordung als Magister 
militum die Stütze Balentinians IL. und des weſt— 
römiſchen Reides gegen die Barbaren. Seine Herr- 
ſchaft empfand jedod) der junge Kaiſer als fo driidend, 
daß er, aufer ftande, fid) ihr zu entgiehen, im J. 392 
fi dad Leben nahm, worauf A. den faijerliden Ge- 
heimſchreiber und Kanzler Cugenius mit dem Bur- 
pur befleidete, ald erjter der Söldnerführer, die, ohne 
dieſen ſelbſt zu tragen, tatſächlich herrſchten. Der 
Raijer des Ojten8, Theodofius, erfannte den neuen 
Raijer indes nidt an und befiegte ihn 394 bei Uquileja 
am Frigidus (jet Wippad); nad) Gefangennahme 
deS Cugenius totete fic) A. felbjt. Sa Morpurgo, 
A. e limperio romano 379 — 394 (Zriejt 1883). 

MArbois (pr. ardaa), Stadt im franz. Depart. Jura, 
Yirrond. bgt ee an der Cuijance und der Lyoner 
Bahn, hat cin altes Schloß, ein —* ausgezeich⸗ 
neten Weinbau, Papierfabrikation, Ol» und oO 
ſchneidemühlen und (1901) 3570 Cinw. A. ijt Geburts- 
ort des Generals Pichegru. 

Urbois de Jubainville (pr. arbaa v'fHibingwir), 


Henri d;, in Frantreid) der hervorragendjte Narre. 


698 


der leltiſchen Sprachen, - 5. Dez. 1827 in Nancy, 
war 1852—80 Urdivar des Departement3 Aube und 
erhielt 1882 den neugegriindeten Lehritubl fiir felti- 
ſche Sprachen am College de France. 1884 wurde er 
in die Utademie der Inſchriften aufgenommen, der er 
ſchon feit 1867 als forrejpondier Mitglied an- 
qebirt hatte. Bon feinen Werfen find hervorzuheben: 
» Histoire des ducs et des comtes de Champagne« 
(1859 —69, 7 Bde.); »Les premiers habitants de 
l'Europe« (1877; 2. Uufl. 1889 —94, 2 Bde.); »Le 
cycle mythologique irlandais et la mythologie 
grecque« (1884); »Cours de littérature celtique« 
(bisher 11 Bde., 1883-— 1902); »Recherches sur 
l’origine de la propriété fonciére et des noms de 
lieux habités en France« (mit Dottin, 1890); »Les 
noms gaulois chez César et Hirtius« (1891). 

Arbon , BesirfShauptitadt im fdweizer. Kanton 
Thurgau, am Bodenſee und der Schweiger Nordojt- 
babn, 406 m it. M., lange fiir das Arbor felix der 
Römer ausgegeben, mit einem neuen Hafen, Band- 
weberei, Stideret, Wafdhinenfabrifation und (1900) 
6661 Einw. 

Arbor (lat.), Baum; in der Chemie cin Metall, 
das fic) kriſtalliniſch in ftraud)- oder baumartiger 
Geftalt aus Löſungen ausgefdieden Hat, 3. B. A. 
Dianae (Silberbaum), A. Jovis (Rinnbaum), A. Sa- 
turni(Bleibaum) xc. A. vitae, Lebensbaum, ſ Gebirn. 

Arbor-day (engl., fpr. arber-de, per pe 
tage), durch die Bemithungen von Morton zuerſt 
in Nebrasfa, dann in den meijten Staaten der Union 
eingefiihrter Bolfs-, bes. Sdhulfefttag, der durch An— 
pflanjung von Bäumchen durd Sculfinder begangen 
wird. Jn Uuftralien und Stalien wurde die done 
Sitte nachgeahmt. 

Arboreszenz (lat.), baumartiger Wuchs; arbo- 
resjieren, jum Baum werden. 

rboretum (lat.), zu botanifden Studien; weden 
angepflangte Gehölzſammlung, die das Verhalten 
auslindijder Baume und Straudjer unter gegebenen 
Klima · u. Bodenverbhiltnijjen su beobadten gejtattet. 
Hauptbedingung ijt, daß jede Urt die individuellen 
Merkmale zu voller Entwidelung bringen fann; die 
landidaftlidje Wirfung der Anpflanzung ijt Neben- 
jade. Die UnordDnung gefdhieht meiſt nad wiſſen— 
ſchaftlicher, pflanzengeographiſcher oder fyftematifder 
Einteilung. Wan gruppiert fo, daß die verfdieden 
breiten Wege dic Grengen der einzelnen Gruppen an- 
jeigen. Fite gedeihlide Entwidelung der Unpflan- 
jung ijt die Anordnung nad) den verfdiedenen An— 
ſprüchen der Arten an Boden, Feuchtigkeit, Licht und 
Luftgutritt vorteilhafter, jedod) leidet darunter die 
wiſſenſchaftliche Ubderfichtlichfeit. 

Arbresle, L’ (jvc. tardrir), Stadt im franz. Depart. 
Rhone, Urrond. Lyon, an der Vereinigung der Turdine 
und Brevenne und an der Lyoner Bahn, mit Seiden: 
jabrifen, Stein. und Ralfbriiden und (190193121 Einw. 

Arbroath (joc. arbroh, früher Uberbrothod), 
Seejtadt (royal burgh) in Forfarfhire (Sdottland), 
an ber Nordjee, mit den geringen wai einer 
Abtei aus dem 12. Jahrh., einem Gymnaſium, be- 
deutender Fabrifation von Leinwand, Segeltuch, Che- 
mifalien, Leder, Wiphalt, Fifderei, einigem Handel 
und (1901) 22,372 Cinw.; Sig eines deutſchen Vize 
fonfuls. Den fleinen Hafen ſchützt cin Wellenbreder. 
Es gehören gu demfelben 1901: 10 Seeſchiffe und 
130 Fifderboote. Südöſtlich davon die Inſelklippe 
Bell Roe cj. d.) mit Leuchtturm. 

MArbués, Peter de, fpan. Gnquifitor, qeb. um 
1441 zu Epila in Uragonien, — —— 





Arbon — Are. 


in Saragoſſa, ward 1484 zum erſten Inquiſitor für 
Aragonien berufen und erwarb ſich als ſolcher den 
Ruf eines unermüdlichen Verfolgers der Ketzer. Die 
Freunde und Verwandten feiner jablreiden Opfer 
verſchworen fid) gegen ihn, und er ſtarb 17. Sept. 
1485 infolge eines Attentats, das in der Kirche vor 
dem Altar auf ihn gemadt worden war. UW. wurde 
bald nad feinem Lod cin hodgefeierter Wunder: 
mann. Papſt Wlerander VII. ſprach ibn 1661 felig, 
und Pius IX. nahm ibn 29. Juni 1867 in die Zahl 
der Heiligen auf. W. v. Raulbad hat ihn auf fei- 
nem Bilde: Peter A. von Epila verurteilt eine Ketzer 
familie gum Tode, nad) dem Typus von Schillers 
Gropinquijitor dargejtellt. Val. Zirngiebl, Peter 
W. (3. Uufl., Mind. 1872). 

Arbuſe, ſ. Melone. 

Arbuthnot (prc. arböchnot, John, engl. Schrift⸗ 
ſteller, geb. 1675 in Arbuthnot, geſt. 27. Febr. 1735 
in London, ftudierte in Aberdeen Medizin und ging 
dann nad) London, wo er einige wiſſenſchaftliche Un 
terfudjungen herausgab und 1709 Leibarzt der Königin 
Unna wurde. Sidherm Zeugnis nad hat er die gegen 
Marlborough und die Kriegspartei geridtete » History 
of John Bull« (Qonbd. 1712) verfapt, cin Werk, das 
ign in nabere VerbindDung mit den Hauptfatirifern 
feinerzeit bradte. Dit Pope und Swift vereinigte er 
ſich 1714 gur Herausgabe der fatirijden »Memotrs of 
Martinus Scriblerus«, welche die Stubengelehrſam— 
feit verfpotten. Rad) dem Tode der Königin verfiel ex 
in Schwermut. Unter feinen wiſſenſchaftlichen Schrif— 
ten find nod) geſchätzt die »Tables of ancient coins, 
weights and measures« (Lond. 1707 ; mit Longwiths 
BVerbejjerung 1754). Nad) feinem Tod erſchien etne 
Sammlung fatirijder Schriften: » Miscellaneous 
works of the late Dr. A.« (Gla8q. 1751, 2 Bde.), 
die trop deS Widerfpruds feines Sohnes ihrem 

rößern und widjtigern Teil nad) auf A. zurüchzu 
iipren find. Bgl. Uitfen, Life and works of John 
A. (fond. 1892). 

Arbutin C,,H,,0, findet fid (mit Methylarbutin) 
in den Barentraubenblittern von Arctostaphylas 
uva ursi und in andren Erifazeen, es bildet farbloſe 
Nadeln, ſchmeckt bitterlid), ijt leicht löslich in heißem 
Waſſer und Alkohol, reagiert neutral, ſchmilzt bet 
187° und zerfällt durch Emulſin und durch verdiinnte 
Schwefelfaure in Hydrodinon und Zuder. Es wird 
gegen Blafenfatarrh angewendet. 

Arbitus L. (Sandbeere), Gattung der Erifa 
geen, immergriine Sträucher und niedece Baume mit 

rofen, lederartigen Blittern, Bliitenrijpen an der 
Spite der Bweige, weißen oder blajroten Bliiten und 
tugeliger, fleifdiger, wargiger, mebrjamiger Beere. 
Uber 20 Arten im Mittelmeergebiet und Nordamerita. 
Jn Südeuropa, bejonders in Spanien, und ange 
pflanzt ndrbdlich bis Montreux, Meran, felbit noch bei 
Heidelberg, aud) in Irland, findet ſich A. unedo L. 
(Erdbeerbaum), ein bauntartiger Strauch mit lor 
beerähnlichen Blattern, Hangenden Blüten und 
fcharladfarbenen, erdbeerähnlichen Früchten. Diese 
ſchmecken angenehm ſäuerlich⸗ſüß, follen aber leicht 
beraufdend wirfen und Kopfſchmerz verurjaden und 
werden in Griedenland und Stalien verſchmäht; Bh- 
nius leitet Den Namen unedo ab von »unum tan- 
tum edo« (»nur eine eſſe idj«). Qn Griedenland 
verarbeitet man fie auf Branntwein. Wan fultiviert 
den Erdbeerbaum wie aud) A. Andrachne Z., in 
Griechenland und im Orient, als Zierpflanzen. 

Arc (franj., fpr. art), Bogen; A. de triomphe, 
Triumphbogen (j. Paris). 


Are — Archangel. 


Arc, 1) reifender Gebirgsfluß im ſüdöſtlichen 
Frankreich (Savoyen), redjter Nebenfluß der Iſere, 
entjpringt 2188 m Hod) an der Levanna und miindet 
nad einem Laufe von 150 km Lange bei Chamouſſet. 
Sein infolge Verwiijtung der Walder meijt von ſteilen 
Felfen und Geröllhalden gebildetes Tal (Maurienne) 
ijt falt und rauh; unter der Bevdlferung find Kretins 
und Kröpfe fehr häufig. Hauptort ijt St.-Sean-de- 
Maurienne. Durch das Arctal fiihren die Straße und 
die Eiſenbahn fiber den Mont Cenis. — 2) Küſtenfluß 
im fiidliden Frankreich, Depart. Rhonenttindun en, 
mündet nad 70 km oe Lauf m den Strandfee 
von Berre. — 3) Borftadt von Gray (jf. d.). 

MAre, Jeanne d’, ſ. Jeanne d'Vire. 

Area (lat.), die Urde; auch Name eines Muſchel⸗ 
tierS (f. Muſcheln). 

Arcachon (jr. 4G6ng), Stadt im frang. Depart. 
Gironde, Urrond. Bordeaur, am gleidmamigen 
Meerbufen des Utlantifden Ozeans, welder die 
Leyre aufnimmt und durd) einen offenen Kanal mit 
dem Dzean zuſammenhängt, Station der Südbahn, 
hat große Yujternparte qührlich 300 Mill Stiid 
Wuftern), Seefifderei, ein ſtark befudjtes Seebad 
(ährlich ca. 200,000 Badegijte), fehr mildes Rima 
(mittlere Sahrestemperatur 15°), weshalb e3 auc als 
Winterfurort gilt, und von 7120 Einw. Bgl. La- 
lesque, A., ville d’été, ville d’hiver (ar. 1886). 

readelt, Jakob, niederlind. Komponiſt, geb. 
unt 1514 in den Niederlanden, geft. unt 1557 in Baris, 
wirtte 1639 als Rapellfiinger im Rom und ftand ju- 
letzt in Dienjten des Kardinals Karl von Lothringen 
in Baris. A. ijt befonders berühmt als einer der erjten 
und beliebtejten Madrigqalenfomponijten (1539 —44 
fiinf Biicher 3u vier und eins zu drei Stintmen), gab 
aber aud) cin Bud) 3—7Tjtimmige Meffen heraus. 

Arcadius, Sohn Theodojius’ d. Gr., geb. 377 
in Spanien, wurde nad) dem Tode feines Baters 395 
Kaiſer de oſtrömiſchen Reiches, während fein Bruder 
Honorius da8 wejtrimifde erbhielt. A. entfaltete zwar 

rofartigen Pomp, war aber unfabig zu regieren. An— 
Fangs herrſchte jtatt feiner der Praefectus praetorio 
Rupinus, dann nad deffen a Oberfiim- 
merer, dec Eunuch Eutropius. Nachdem diefer 399 
durch Gainas geſtürzt war, gewann Eudoxia, die Ge- 
mablin des YL., den leitenden Einfluß, durch fie wurde 
aud) der Batriard Johannes Chryfojtomos, der durch 
jeine Freimütigkeit ihren Zorn erregt hatte, geſtürzt. 
YU. ftarb 1 Mat 408 und hatte ſeinen minderjährigen 
Sohn Theodojius If. zum Nadfolger. Bgl. Giul- 
dDenpenning, Geſchichte des oſtrömiſchen Reidjes un- 
ter den Staijern YW. und Theodojius IT. (Halle 1885). 

Arcani disciplina (lat., ⸗Geheimlehre⸗), eine 
erft im 17. Jahrb. in Gebraud gekommene Bezeich— 
nung devin der alten Kirche von den heidniſchen Myſte⸗ 
rien hergenommenen Praxis, Taufe und Abendmahl, 
Salbung, Glaubensbefenntnis und Herrngebet vor 
den nicht Getauften geheimjuhalten. Die Entitehung 
der Sitte hängt zuſammen mit Der Einführung des 
Katechumenats al8 ciner Zeit der Priifung und Vor- 
bereitung der Neubelehrten. Wit Unrecht ſuchten fa- 
tholifde Theologen die A. als Geheimlehre zu deu- 
ten, Durd) welde die unbiblifde Tradition bis auf 
der Upojtel Feit zurüchgeführt werden könne. 

Arcanum (lat., »geheim«), Geheimnis, Geheim— 
mittel, auc) Geheimlehre; insbef. in der Alchimie Be— 


699 


Arcazabo, Scidenbrofatitoff, der in Lyon fiir 
Ubefjinien und Maroffo hergejtellt wird. 

Arcella, Gattung der Wurzelfüßer, mit fugeliger 
oder milgenformiger, braun gefärbter Sdjale, ſehr 
häufig im ſüßen Afer 

Arch (pr. artis), Joſeph, Führer der ländlichen 
Arbeiterbewegung in England, geb. 10. Nov. 1826 
in Barford (Barwidibire, widmete fic) als einfader 
Urbeiter cifrig bem Studium wirtidhaftlider Fragen, 
war einige Jahre lang Methodijtenprediger und trat 
nad) 1867 an die Spige der Bewegung landlider Ur- 
beiter, die Durd) die Reformbill von 1867 hervorge- 
rufen worden war. 1872 begriindete er die »Natio- 
nal Agricultural Labourers Union-, die als Zen— 
tralorgan Die Ynterefjen der ländlichen Urbeiter ver- 
treten jollte. Mit Eifer und Geſchick verfodt A., der 
fic) ebenjo burch Charafterfejtigfeit wie durch Bered- 
jamfeit auszeichnete, die Anerkennung der politifjden 
Rechte der — ————— Nachdem er im Intereſſe 
perſönlicher Orientierung über die Auswanderungs— 
frage eine Reiſe nach Kanada unternommen hatte, 
wurde das von ihm erjtrebte Ziel der politijden Eman: 
jipation der Landarbeiter in der Seffion von 1885 
erreicht. 1885 ſowie 1892 und 1895 wurde er ins 
Unterhaus gewabhlt. Bgl. »Joseph A., the story of 
his life, told by himself« (Lond. 1898). 

Archäiſche Formationsgruppe (Azoiſche 
Formation), umfaßt die laurentiſche (Urgneis-) 
und die huroniſche (Urfdiefer-) Formation. 

Archaĩsmus (qried).), Nadahmung von etwas 
Ultertiimlidem, insbef. veraltete Redeweife, in der 
Dichtung gelegentlid angewendet zur Verdeutlidung 
des Leitfolorits und zur Erhihung des Feierliden 
(Scheffel, Freytag, R. Wagner u.a.). Edt altertiim- 
lide Redeweije nennt man ardaifd, nadgeahmt 
altertiimlide ardaiftifd. Gleicherweiſe unterſchei— 
Det man in der bildenden Kunſt des flaffifden WUlter- 
tum8 und bezeichnet Hier mit ardaijtijdem Stil (7. 
Hiẽratiſcher Stil) die abſichtliche —— der 
Da — ——— der Kunſt, 
sai 3. B. bei den römiſchen Bildhauern der ſpä— 
tern Zeit vielfad) vorkommt. 

Archallei, ſ. Urtilleric. 

Archangel (Urddangel{h, dad ndrdlidjte Gou- 
vernement Rußlands, im RN. vom Eismeer und 
Weiken Meer, im W. von Norwegen und Finnland, 
im G. von den Gouv. Olone; und Wologda, im DO. 
vom fibirifden Gouv. Tobolff begrenzt, Hat mit 
Einſchluß der dazugehörigen Inſel Nowaja Semlja 
einen Flächeninhalt von 858,930 qkm (15,599 OM.). 
Im BW. und RW. ift Der Boden zerklüftet und ge- 
birgig, und im Innern der Halbinfel Rola erheben 
fic) Berge bis zu 1000 m. Der mittlere Teil ijt flac 
und niedrig, nur von der bis zu 400 m anjteigenden 
Timanfette durchzogen. Im O. bildet der ndrdlidjte, 
ebenfalls nicdrige Teil des Urals mit feinem Ausläu— 
fer, dem Bai-Choigebirge, die Grenze gegen Sibirien. 
Meerbufen find: der Randalafidabufjen, die Oneqa-, 
Dwina- und Mefenbai, ſämtlich im Weiken Meer, 
ferner der fleine Rolabufen im NW. und die Tiches: 
ffajabat. Das Gouvernement wird in fiidndrdlider 
Ridtung von zahlreichen Flüſſen durchzogen, wor: 
unter die bedeutendſten: Onega, Dwina, Meſen, 
Petſchora (jf. d.). Landſeen zählt das Gouvernement 
iiber 1100, namentlich im Wejten und Nordiwejten; 


zeichnung fiir den Stein der Weiſen, das große Elizier. | der größte ijt ber Jmandrafee (ſ. d.). Das Mima ijt 


Arcana (Remedia divinia), die von den aldimijti- 
ſchen Ärzten angewandten Arzneimittel. A. duplica- 
tum, alter Name des fchuefelfaurren Kalis. 





rauh. aber mit großen Unterſchieden. Der Winter ijt 
“Tha an ber Nordküſte ber Rolahalbinjel, der fogen. 
urmanffifden Küſte (j. d.), relativ milde: Das 


700 Archangel — 


Meer friert nidt zu. Die mittlere Yahrestemperatur 
betriigt —1°, fiir die Stadt Urdangel +0,4. Die 
Bevdlferung betrug 1897: 347,560 Berjonen, alfo 
etwas über 0,4 auf 1 qkm, und ijt jtarf mit fremden 
Elementen durdhfept. So wohnen auf der Halbinfel 
Rola nomadifierende Lappen, im BW. und bis nad 
Urdhangel hin finnifde Stimme (Marelier, Tiduden), 
im Kreis Mefen und an der Petſchora Syrjanen (f.d.). 
Auf der Hjtliden Tundra zwiſchen Meſen und Ural 
nomadijieren Gamojeden. Die ruſſiſchen Bewohner 
jind Abkömmlinge der alten Nowgoroder Kolonijten 
und gelten heute nod) als befonders intelligent und 
rührig. Der nördlichſte Teil von A. ijt von Tundren, 
d. h. ntit Moo3 bewadjenen, fajt immer gefrornen 
Moriijten, bededt, die jede Kultur unmiglig machen. 
Hier leben daher auch nur die vorerwähnten Noma— 
den, die ſich auf Renntierzucht beſchränken. Der mitt— 
lere und ſüdliche Teil ijt außerordentlich reid) an 
Bildern, deren Uusbeutung die Hauptnabrungs- 
quelle der Bevdlferung bildet. Der Uderbau ijt von 
geringer Bedeutung ; vorherrfdjend ijt dabei die Brand⸗ 
wirtſchaft, bei der aber relativ gute Ernten ergielt 
werden. Gebaut wird Gerjte, Roggen, Hafer, aud 
Fladhs. Die Rindviehsucht ijt im reife Cholmogory 
gui entividelt und die gleidjnamige Rafje wegen ihres 
Rilchreichtums weit geſchätzt. t Fiſchfang ſpielt 
an den Küſten, insbef. an der Murmanſtiſchen Küſte 
eine — Rolle. Namentlich wird viel Stockfiſch, 
im Weißen Meer aud) Lads, Nawaga u. a. gefan- 
gen. Dent reidjen Waldbejtand entipr d befdrintt 
Nd) die Induſtrie auf die Verarbeitung von Hol; und 
die Gewinnung von Teer und . 8 beltehen 
zahlreiche Sägemühlen, darunter die grofen fistali- 
ſchen —— in Kem. Der Bergbau iſt gänzlich 
unentividelt, obwohl im Timangebirge das ortom: 
men von Silberbleierzen und an der Petſchora von 
Naphtha nadgewiejen ijt. Der Handel fonjentriert 
jich fajt gang in der Stadt Urdangel (j.d.). Im Bin | 
nenhandel fpicien geſalzene Fiſche, Renntierfelle und 
Gejliigel cine Rolle. Wdminijtrativ zerfällt das Gou- 
vernement in die neun reife: A., Cholmogory, Kem, 
Kola, Mefen, Nowaja Semija, Betfdora, Pinega, 
Schenfurff. Vgl. B of d mann, Befdreibung des Gou- 
vernement3 von A. (rufj., Urdangel 1874, 2 Bde.). 
Archangel, Hauptitadt de3 gleichnamigen ruff. 
Gouvernements (j. oben), am rechten Ufer der Dwina 
gelegen, Endpuntt der Cifenbahn Jaroflaw-VU., hat 
23 griechiſche, eine lutheriſche, eine katholiſche, 2 angli- 
faniide Kirchen, cin altes Mojter (jum »Erzengel 
{archangelus] Wicacl«, wonad) die Stadt benannt 
iit), einen 1668 — 84 erbauten grofen Kaufhof, eine 
große Schiffswerft, eine bedeutende Meſſe, die Mar 
ast (im September), und (1897) 20,025 Cinw. 
. it Der Hauptfeehafen Rußlands am Cismeer. Im 
Berfehr von A. fpielt die Ausfuhr die bei weitem 
wichtigſte Rolle; ausgeführt wurden 1900; Bretter 
fiir 7,470,000 Rubel, Hafer 7,435,900 metr. 3tr., 
Roggenmehl 2,318,000 metr. Ztr., Leinfaat 1,457,900 
metr. 8tr., Flachs und Heede 915,000 metr. Itr. Der 
Wert der Cinfuhr erreidjte 1900: 9,882,900 Rubel. 
1900 ficfen 562 Schiffe mit 284,197 Reg. - Ton. ein 
und 528 Schiffe mit 281,454 Req. Ton. aus. Außer— 
dem famen 569 Küſtenfahrer an. UW. ijt Sib eines 
——— eines Biſchofs, eines deutſchen 
donſuls und einer Admiralität und beſitzt cin geiſt— 
liches Seminar, 2 Gymnaſien, 16 Mittelſchulen, 
2 geiſtliche Schulen und eine Schiffahrtsſchule. Yn 





Archäologie. 


Fahrwaſſers erbaut. — Schon im 10. Jahrh. hatter 
die Normannen in der Gegend von A. Handels nieder 
laſſungen gegründet; wichtig wurden dieſe, als 1553 
die Englander auf einer von Willoughby und Chan- 
cellor geleiteten Expedition — Entdeckung der nord⸗ 
öſtlichen Durchfahrt den weg nad) der Dwina 
miindung gefunden batten. 1584 wurde ein Fort 
und Stapelplag an der St. Nifolasbudt im Weißen 
Meer angelegt; es entjtand dabei cin Ort, der an- 
fangs Neu-Cholmogory (im ſüdlicher geleqenen 
Cholmogory Hatten die Englinder bis dabin ihre 
Hauptniederlage), ſpäter U. (Midaclsftadt) ge 
nannt wurde. Unter Peter d. Gr. fant Archangels 
Handel fehr und begann erjt unter Katharina IL. fic 
wieder etwas gu eben. Alexander I. gewährte den 
dortigen Raufleuten anſehnliche Freibheiten. 
Archangelica Marim. (Engelwury), Unter: 
— der Gattung Angelica aus der Familie der 
mobelliferen, Hobe Stauden mit mehrfach fiederig zu⸗ 
fammengejepten Blittern und großen, vielftrabligen 
Dolden. Fünf Urten in Nordamerifa und Aſien, eme 
in Europa. A. officinalis Hoffm (Ungelifa-, The 
riat-, Brujtwurjel), in Nordeuropa und Rord- 
afien, an der Discobai in Weſtgrönland, vereinzelt 
nod in den deutiden Mittelgebirgen. Im Handel er 
ſcheint die Wurzel von im Erggebirge (Bodau bei 
Sdwarjenberg), Harz und in Thiiringen kultivierten 
Pflangen; fie jondert eine gelblide Mich ab, ſchmedt 
und riedt ftarf aromatifd, enthalt atherijdes Ot (Mn - 
ede hl f. d.), Harz; (beide zuſammen bilden den 
ngelifabalfam), Ungelifafaure x. und wirft arf 
den BVerdauungsfanal als aromatifdes Reizmittel. 
Sie dient aud) zur Bereitung aromatifder Lifore. Bu 
Cinreibungen bereitet man den Ungelifafpiritus 
(jf. d.). Sm Hohen Norden ijt die Wurzel beliedtes 
Gewürz und Hausmittel, aud) genießt man die Sten 
ef und Blattitiele als Gemiije, bei uns mit Zucker 
andiert al8 Ronfeft. Wngelifa ſcheint erſt feit Dem 15. 
Jahrh. als Gewürzpflanze benugt worden zu fein. 
Archãäolithiſche Periode, ſoviel wie palaotithi- 
ſche Periode, ſ. Anthropozoiſche Formation. 
—— (qried).), im allgemeinen ſoviel mie 
Ultertumstunde; im engern Sinne nad) modernent 
Sprachgebrauch die Wiſſenſchaft, die ſich mit der bit 
denden Kunjt und dem Kunſtgewerbe des klaſſiſchen 
Ultertums beſchäftigt. Als foldhe bildet fie einen Teil 
der Altertumswiſſenſchaft, anderfeits audy einen Teit 
der allgemeinen Kunſtwiſſenſchaft, ift neben dieſer 
aber als befondere Wiſſenſchaft beredhtigt, weil fie ein 
im wejentliden abgefd)loffenes und abgeqrengtes Ge 
biet bearbeitet. Die literarifden Quellen geben thr 
die erjte Richtidnur; weit mehr aber als alle ver: 
wandten Wiſſenſchaften ridtet fie ibre Studien anf 
die aus Dem Altertum erhaltenen Denkmäler felbjt, 
die fie in ihrem ganjen Umfange heranzieht. 
Das Wort A. wurde ſchon von den Griechen häufig 
— vorzugsweiſe aber auf die Erforſchung und 
rſtellung von vergangenen, fiir die Gegenwart nicht 
mehr wirkſamen Dingen, namentlich der älteſten Ge— 
ſchichte, Staatsform und Sitte, angewendet. Mit dem 
WUufbliiben der klaſſiſchen Studien tm 15. Jahrb. bitr- 
gerte fid) der Musdrud Untiquaria fiir die A. ein, 
und nod Leffing handelte in feinen » Untiquarijden 
Briefen« durchaus von der antifen Kunſt. Der jetzige 
Name UW. hat fich erft feit Beqinn des 19. Jahrh. all- 
emeine Geltung verfdafft. Mit archãologiſchen Stu 
ien wurde in Italien zu Anfang des 15. Jahrh. be⸗ 


der Mundung der Dwing liegt die Feſtung Nowo- gonnen, unter dem Einfluß derſelben eiſtigen Rid- 
dwinffaja, 1701 von Peter d. Gr. gum Sdug des | tung, die die Wiederbelebung ded klaſſiſchen, ſpeziell 


Archäologie (geſchichtliche Entwidelung; chriſtliche A.). 


des römiſchen Altertums bezweckte. Man ſammelte, 
zeichnete und ſtudierte mit Hilfe der alten Autoren 
die alten Sfulpturen; die Hallen, Höfe und Treppen 
der Paläſte ſchmückten fid) mit antifen Statuen und 
Büſten; in Florenz machten fick) Lorengo de’ Medici, 
in Rom die Papfte felbft, wie Mifolaus V., Pius IL, 
{pater Julius IT. und Leo X., zum Mittelpuntt diejer 
Vejtrebungen und gaben in dem vatifanijden Bel- 
vedere den gejanunelten Schätzen einen glänzenden 
Raum. Kritif war vorläufig dieſem begeijterten Trei- 
ben fremd. Die Frage nad dem ten, Dem Ur—⸗ 
ſprünglichen fiel dDiefer Generation nod) zuſammen 
mit Der Frage nad dem Schönen, dem Verjtandliden; 
man —— die 3. T. verſtümmelten Statuen, um 
ſie zur Dekoration zu gebrauchen. Arbeiten der Ge— 
lehrten und Kunſttheoretiler ſchloſſen ſich an. Im 17. 
und der erſten Hälfte Des 18. Jahrh. trat der litera- 
riſche Vetried der W. in den Vordergrund. Jn Rom 
freilid) war gu Ddiefer Beit die Sammelluſt nod im 
Steigen, und frembde Fürſten, wie die Königin Chri— 
jtine von Schweden (1668 — 89 in Rom), und Rar- 

inalnepoten, wie Aldobrandini, Borgheje, Ludovifi, 
Barberini, ſchufen ihre herrlichen Sammlungen. Zu 
einer Unffajjung der UW. als einer Geſchichte der an- 
tifen Kunſt gelangte erjt Joh. oad. Bindelmann 
{j.d.), Der Das Wefen der alten Kunſt in feiner »Ge- 
ſchichte Der Kunſt des Ultertums.s darlegte, wie er auch 
in feinen »Monumenti antichi inediti« eine neue Er- 
flarung der Kunſtwerke wenigitens anbahnte. Die von 
Windelmann cingefdlagenen Bahnen wurden von 
Visconti und Zoega weiter verfolgt; Heyne und feine 
Schule bradten die neue Lehre vor das afademijde 
Publikum, Böttiger und Millin traten als Populari- 
fierer auf. Für die weitere Entwidelung der A. in 
dDiefem Jahrhundert find vor allem widtig die reiden 
Entdedungen griechiſcher Originalffulpturen durd die 
Englander, namentlicd die —— der Parthenon⸗ 
gruppen durch Lord Elgin, die von Gottfr. Hermann 
und A. Böchh in verſchiedener Weiſe geförderte Aus— 
bildung der philologiſchen Kritik und Erklärung, die 
auch der A. feſte Geſetze gab und von F. G. Welcker und 
O. Jahn mit dem feinſten Verſtändnis geübt wurde, 
endlich Die 1829 unter Dem Proteltorat Preußens ge- 
ſchehene Griindung des Archäologiſchen Inſtituts (j. 
S. 702) in Rom. Legteres und ſeine Verdjffentlidun- 
gen fowwie in fajt allen europäiſchen Ländern zahlreich 

eqritndete archäologiſche Gefellfdaften (in 
Bertin 1841) bilden die belebenden Mittelpuntte fiir 
Die Studien der Archäologen. Außer den Genannten 
find nod) bervorzubeben: ©. Gerhard, Rok, Beunn, 
Friedrichs, Curtius, Micaclis, Conze, Kelulé, Benn- 
Dorf und Furtwängler in Deutjdland, Newton in 
England, Fiorelli und Lanciani in Italien, Leno-- 
mant, Rayet, Perrot, Reinad und Collignon in Frank⸗ 
reid. Val. O. Miiller, Handbuch der A. der Kunſt 
(3. Aufl. von Welder, Berl. 1848; neuer Abdruck, 
Stuttg. 1878); Brunn, Geſchichte der griechifden 
Künſtler (2. Aufl., Stuttg. 1889, 2 Bde.), auf litera- 
riſchen Quellen beruhend; Overbed: Geſchichte der 
griechiſchen Plajtif (4. Aufl., Leipz. 1892—94, 2 Bde.), 
Die antifen Sdhriftquellen zur Geſchichte der bilden- 
Den Riinjte bei den Griedjen (Daj. 1868) und Griechiſche 
Runjtmythologie (daf. 1871-89, 5 Tle., mit Atlas); 
Welder, Alte Denkmäler, erklärt (Gitting. 1849 — 
1864, 2 Bde.); Starf, Syjtematif und Geſchichte 
Der VL. Der Kunſt (Leipz. 1880); »Denkmäler des klaſ⸗ 
ſiſchen Alterlums«, herausgegeben von Baumeijter 
(lerifalifd), Miind. 1885 —-89);-v. Sybel, Welt- 
geſchichte der Kunſt ( Marb. 1888); Sittl, W. der Kunſt 


701 


(Münch. 1895, Atlas 1897); Brunn-Brudmann, 
Denfmaler griechijder und rdmifder Sfulptur (daſ. 
1888-—-1900); Reber und Bayersdorfer, Klaſ— 
ſiſcher Stulpturenfdjag (daſ. 1897—1900, 4 Bde.); 
Perrot und Chipiez, Histoire de l'art dans l'an- 
tiquité (Par. 1881— 1902, Bd. 1 —8); Rayet, Mo- 
numents de l'art antique (daf. 1883, 2 Bode.); Ba- 
belon, Manuel d’archéologie orientale (Daf. 1889). 
Bon Zeitſchriften find auker den Veröffentlichun— 
en der Archäologiſchen Inſtilute (ſ. d.) nod) anzu— 
ühren: das » Journal of Hellenic studies«(jcit 1879), 
das » American Journal of Archaeology « ({cit 1885), 
die »Revue archéologiques (feit 1844), die »Gazette 
archéologique« , die »Comptes rendus de la Com- 
mission impériale archéologiques (Petersburg), das 
»Bulletino della Commissione municipale archeo- 
logica« und das »Giornale degli scavi« (Rom). 
Seit dem 16. Jahrhundert bildete ſich aud) cine 
chriſtliche A. aus, die ſich aay auf die Er— 
forſchung des geſamten dhriftliden Wertums auj 
Grund der literarijden Quellen ridtete. Eine monu- 
mentale Grundlage gewann fie erſt durch die Wieder- 
auffindDung der römiſchen Ratafomben (1578), deren 
wiffen chat tliche Bearbeitung zuerſt der Staliener Un- 
tonio Bojio in dem Werke > Roma sotterranea« (Rom 
1632) unternommen bat. Dic erjte fyftematijde Dar- 
jtellung der chrijtlichen UW. verjuchte der Straßburger 
Theolog Valthajar Bebel (» Antiquitates ecclesiasti- 
caes, Straßb. 1679, 3Bde.). Dod) wurden jeine und 
ſeiner Nadhfolger Arbeiten tibertroffen durd das nod 
brauchbare Werk des Englanders Joſeph Bingham: 
»Origines ecclesiae, or the Antiquities of Chr. 
Churches (Lond. 1708 —22; neue Unsq., Oxford 1870, 
9 Bde.; lateiniſche Überſehung von Griſchow, Halle 
1724— 30). Ru einer wirklichen Wiſſenſchaft auf fyjte- 
matijder Grundlage, die fic) in erjter Linie auf den 
Denfmilervorrat ſtützte, wurde die chriſtliche A. abec 
erjt im Laufe de3 19. Jahrb. erhoben. Yu Anfang 
dieſer Beſtrebungen ſtehen die Lehrbücher des Leipsiger 
Profeſſor Auguſti, welche die Denkmäler jedoch noch 
wenig berückſichtigten. WIS die Hauptvertreter der 
neuern wiſſenſchaftlichen Richtung find gu nennen: 
H. Otte (f. d.), Fr. Piper (> Mythologie und Symbo- 
Lif Der chriſtlichen Nunjt<«, Weim. 1847—H1), Baudry 
(»Organ fiir drijtlide Runjt«, Köln 1851-— 73), F. 
X. Kraus (⸗Realenzyklopädie dec chriſtlichen Witer- 
tiimer«, Freiburg 1880—86; » Uber Begriff, Umfang. 
Geſchichte der dhriftliden A.«, daf. 1879), Biltor 
Schultze (> W. der altchriftliden Runjt«, Münch. 1895), 
die Staliener G. B. de Roſſi (»Roma sotterranea 
cristianas, Rom 1864—77, 8 Bde.; »Bulletino di 
archeologia cristiana«, Daf. 1863 ff.; »Nuovo Bul- 
letino«, 1895 ff.), Garrucci (*Storia dell’ arte cri- 
stianas, 1884 beendet, 6 Bde. mit 500 Tafeln) und 
E. Meufens in Lowen (> Eléments d'archéologie chré- 
tienne«, 2. Aufl. 1884-86, 2 Bde.). Yn Frankreich 
haben fic) bej. Der Vicomte de Caumont, Didron, der 
die »Annales d’'archéologie chrétienne« (Par. 1844 
bis 1870) beqriindete, und der Abbé Martiqny (+ Dic- 
tionnaire des antiquités chrétiennes«, 2. Wufl., Bar. 
1877) verdient gemadt. Der Belebung der religidjen 
Stunjt in der Gegenwart dient das 1857 von Schnaaſe, 
Griineifen u. Schnorr begriindete »Chrijtlide Kunſt 
blatt fiir Kirche, Schule und Haus« (Stuttg., jetzt 
hrég. von Merz und Zucker). Ausſchließlich wiſſen— 
ſchaftliche Swede verfolgt die IBBS geqriindele » Beit- 
ſchrift fiir chrijtlide Kunſt⸗ (hrsg. von Sdniitgen in 
Köln). — liber Bibliſche A. ſ. d. 
Jn England, Amerila umd Rußland, mitunter 


702 
auch in Teutichlaad wendet max Ser Baddeot & 


ipridit vom emer axtahropo 34: ‘hen. de dom : 


mdtigen Let der 

Ws teefem Some wrrfer = 
geqraeabere Sui-ty of — mm Shortie} 
‘fet 1760) Dee Sentteh Society of Aa 
Itland (fect 17545, Bue Reval Ircsh Academy. = iia 


ragenbioc tinal defer Wirt rt bes Deut’ Geerhio- 


logtide Jnititut Institate di eorrispondenm 
archeologira) in tom, bas 21. Yond 1629 meer dem * 
arwdrd 


iabetidh 12 Tafets @ in — 
— ——— ildlichen Beigaben. 
und die monatlich ausgeg » Balletini«, due ber 
die neuciten E beriditeten. 1872 wurde 


b. * eine —— in — begründen bie jett 
1476 »Mitterlungen«, vierteljabriid ein Heft in deut- 
ſcher oder tier Sprache, verdffentlidt. Seit 
1574 find fünf Stipendien ausg 
flir tpi Urddologie), die von der Reichs 
rung an junge Philologen vergeben werden. 


ſich Studiums halber in Rom oder Uthen pr 
werden unentgeltlich teils archdologifde Bortrage ge- 
halten, teils Beriégejen ber Denfmaler vorgenommen. 
Durch ein Statut vom 9. Upril 1887 erbhielt das In— 
{titut cine neue Berfafjung. Danach wurden die bei- 












































SrGas : sande * panna — 


— 1875), die em 


Initi · und des »Bulletin de correspondance hellé 


mittel unterbalten wird (gegenwartiger Leiter 








Archaeopteryx macrura. 
Tibers secwitither Sarviem traten: 1)» Mntite Dent. 


heal : 2 Zaarrach * i Archãc 
— ericheinend. Die 
at tm bi * 
- —— Ren 
Sete wi - etdeuen —* thingen 


Hagectem pecmmneizt — D 
grrr Denfmileriategonen (etrustricbe Urnen 
—* Zecrafscen. tet, mylem- 


‘ae Saren x - — — — 
— — — » Reper- 
tortie waiversuce deile opere dell’ Institute archeo- 
w@ieo. sezae Remana. dall anno 1874 — 1S85« 
LO. Sec IS) werumitzint ded Dentiche Irſtitat all: 
poring come S ta diemretie durdh Italien fiir je etwa 

Grammar legrer vor Geledrie: 


Regie 
Tung emuerceten Fertenturfe far Gymnaiui- 
legrer Sertat. Bown und 


und irier, bie fpadter auch pon 
Sanern. Sadien. Henen und Baden an a i 
wadiiagem oder rene = enthaltenden Orten 


worden. er — 
Sriitet, defen Leitung be 
wurde. — 


Intituten Frantreich die Keole 
francaise 


gememijames O ia 
der⸗Bibliotheque des écoles francaises d ~Athenes 


et de Rome« iett 1876) baben, woneben mod) dic > Me 


langes d archéologie et d histoire: (Rom 188177.) 
énique« 
(feit 1877) ericheinen (vgl. Radet, L’euvre et lhis- 
toire de [Bec 


item), und fett 1895 cme Sule in Rom, und Rußland 
jett 1894 ein — ang —— — 
pel. 1898 wurde von —— 


eſetzt (darunter eins | cin Archäologiſches Inſtitut in Wien geg 
“unter die Leitung 


von Benndorf geitellt (+ Jabre⸗ 
—— 9 1898). In Gri 


e Urchdologiice Gejellichaft zu 
bungen — Bgl. Ausgrabungen. 


Archaeoptéryx macrtira Ow. (>llrvogel<), 
| foffiler Bogel aus dem zur Juraformation geboren- 





















































den lithoqrapbiiden Saucier pon — (j. Tafel 
den Infſtifute einander foordiniert und jedes unter | >Ju 


raformation III<, Wan fennt mur zwei 


ig. 7). 


bie Yeitung von zwei Sefretiren Fv win die ihren | Cremplare des Tieres von denen das vollſtandigere 


dbauernben Wufenthalt in Rom und 
erite Sefretir in Nom ift gegen 
Athen 43. Dorpfeld. Die 


haben. Der | fid) im Berliner geologiſchen Muſeum, das andre in 
enwartig re Peterien, in | London befindet. Der A. befak die Größe eines fiei- 
— tebe a> nen Huhns. Der Kopf ijt vogelartig, bejigt aber ax 


{titute erhielt unter Teilnahme der Zentraldireltion den Kiefern Zähne. Das Brujtbein zeigt an der Stelle 
ber Meneraljefretir des bra Inſtituts, der | ded Siels eine Verdickung und hat vielleicht ſchon einen 


feinen Dauernden Wohnſitz in 


tlin haben muf | folden befefjen, Ballen und Hinterbeine 


find febr 


(qegenwartig Brofeffor Conje). An die Stelle der | vogelahnlid, und an den vordern Gliedmagen trigt 


Ardhaus — Wrdenhol;. 


jeder von den drei ay bg eine Rralle, mit der fid 
das Tier vielleicht auf Bäumen feſtgehalten bat. 
Der Schwanz iſt ſehr lang und hat 20 Wirbel. Das 
reichliche hg nye bejteht aus Ronturfedern und Dau- 
nen; aud) die Schienbeine find befiedert, und am 
Schwanz weg jeder Wirbel cin Baar Steuerfedern, 
während der Rumpf wohl nur mit Daunen befleidet 
war. Gomit ijt A. fiir cine der Stammformen der 
heutigen Flugvdgel angufehen ; fein flanger Schwanz 
ijt cin Hinweis auf die Abſtammung der Vogel von 
ausgejtorbenen Reptilien. Bgl. Dames, über A. 
(Berl. 1884). [ber Brujtbein, Schulter- und Beden- 
gürtel des A. vgl. Sigungsberidte der Berliner Uta- 

Archäus, ſ. Urdeus. demie, 1892. 

A (A. Noah, hebr. Theba), Kaſten, — 
förmiges Schiff, das nach 1. Moſ. 6, 14ff. von Noah 
auf Befehl Gottes vor der einbrechenden » Siindflut« 
erbaute Schiff, worin er mit feiner Familie und je fieben 
Paaren jeder reinen und cinem Baar jeder unreinen 
(dD. h. geſetzlich é effen nidt erlaubten) Tiergattung 
Dem fiber die Erde verhingten Berderben entrann. 
Die U. war aus Zypreffenhols gefertigt, 300 hebr. 
Ellen lang, 50 breit, 30 hod), dreiſtöckig, vielfamme- 
vig, von innen und außen verpidt, oben mit einem 
ellengrogen Fenſter, in der Mitte an der Seite mit 
einer Tür verfehen; der Kubifinhalt betrug fomit an 
3,600,000 Rubiffug. Cin Mennonit, Peter Janſen in 
Hoorn, Holland, lief 1609 eine nad) der biblifden 
Beſchreibung gebaute UW. vom Stapel laufen, und 
Silberſchlag gg der Heiligen Schrift 2.«, 
Berl. 1780 —83, 3 Bde.) fuchte den mathematifden 
Beweis gu filhren, dah die W. gur Unfnahme aller 
ihrer Bewohner nebft der nötigen Nahrung x. ge- 
eiqnet getwejen wire. — A. hieß aud) cin altes Fluß— 
{diff mit plattem Boden, vorn ſpitz, hinten ſtumpf. 
In Der Fifderei ein an einem Wehr angebradter Ual- 
fang. — Sm BWafferbauwefen ein kurzes, künſtliches 
Gerinne, in manden Gegenden aud) Bezeichnung fiir 
gewiſſe Uferfdugbauten (vgl. Wuhr). 

Archegoniaten, diejenigen Pflanzen, deren weib- 
liches Geſchlechtsorgan ein Archegonium iſt: Mooſe, 
Farne im weiteſten Sinn und Gymnoſpermen. 

Archegonium (griech.), das weibliche Geſchlechts⸗ 
on Der hdhern Kryptogamen (ſ. d. und Moofe). 

ofaurter, Gruppe der Steqofephalen. 

Ardhelaos (> Vollsherrſcher ·), 1) Sohn des Hera- 
fliden Temenos, und der Sage nad Ahnherr des make- 
Donifden Königshauſes, von Euripides in der gleich— 
nantigen (verlornen) Tragödie verherrlicht. 

2) König von Makedonien 413 — 399 v. Chr., na« 
türlicher Sohn des Königs Perdiffas II., bahnte fic 
Den Weg gum Thron durd) den Mord de3 Bruders 
und des Sohnes de3 Perdiffas. Sein Hof, den er von 
Agi nad Pella verlegte, war der Sammelplag der 
beriihmtejten Dichter (Curipide3, Ugathon), Maler 
(Beuris) und Mufiter, aber auch fiir die Wohlfahrt 
des Landes forgte er durch Unlage von Feftungen und 
Strafen. A. ſtarb 399, durch cinen beleidiqten Giinft- 
ling auf der Jagd ermorbdet. 

3) Feldherr Mithradates’ d. Gr., ein Griede von 
Weburt, ward 88 v. Chr. mit 120,000 Mann und einer 
großen Flotte nad) Griechenland gefandt, gewann die 

thener, Spartaner, Archäer und Bdotier fiir Mithra- 
dates, fete ſich im Piräeus feſt und verteidigte ihn auf 
das hartnäckigſte geqen Sulla, den mit der Filhrung 
des Mithradatiſchen Krieges beauftragten römiſchen 
Feldherrn. Als dieſer aber 86 Athen erobert hatte, 
gab A. den Piräeus auf, zog ſich nach Chalkis zurück 
und ſtellte ſich, durch Zuzug verſtärkt, den Römern bei 


703 


Chäroneia; aber dieſe Schlacht fiel fiir ign ebenſo un- 
liidtic) aus, wie ein Jahr ſpäter die bei Orchomenos; 
Past fein —— Heer wurde vernichtet, er ſelbſt rettete 
nur mit Mühe ſein Leben. Darauf ſchloß er tm Wuf- 
trag bes Mithradates mit Sulla zu Delion in Böotien 
einen Waffenjtilljtand und vermittelte 84 den Frieden 
von Dardanos in Troas. Später wurde er dem 
Mithradates verdaidtig und floh 81 zu den Römern. 
4) Sohn des vorigen, wurde 63 v. Chr. durd Pom— 
pejus gum Ober F der Göttin Enyo oder Bellona 
im pontiſchen Komana ernannt, mit welchem Amt 
königliche Würde verbunden war, vermählte fic) 56 
mit Berenile, der Tochter des Königs Ptolemäos 
Auletes, die nach Vertreibung ihres Vaters über 
Agypten herrſchte, und bemiidtigte ſich des aghptifden 
Throne’, verlor aber fdjon nad) 6 Monaten tm Kampf 
egen den rdmifden Profonful U. Gabinius, der zur 
—— des Ptolemãos mit einem Heer in 
gypten eridien, Schlacht und Leben. 

5) Enfel de vorigen, von Untonius um der Reise 
feiner Mutter Glaphyra willen 34 v. Chr. gum König 
von Rappadofien erhoben, jtand Untonius gegen Ofta- 
vian bet, ward trotzdem von legterm in feiner Herrſchaft 
qelafjen und erhielt ſpäter nod) Meinarmenien und 
einen Teil Milifiens und durd) Heirat den Pontus. 
Tiberius, perfinlid) gegen ihn verſtimmt, rächte fid 
an bem altersfdiwaden König, indem er ibn nad 
Rom berief und beim Senat wegen Neuerungen an- 
flagte; A. ftarb nod) wahrend der Berhandlung 17 
n. worauf Kappadokien römiſche Proving wurde. 

6) Diid. Ethnard, folgte ſeinem Vater Herodes d. Gr. 
4 v. Chr. in der Herridaft iiber Judäa. Da er mit 
Aufſtänden der Phariſäer gu kämpfen hatte, ſuchte er 
Hilfe bei Auguſtus; diefer teilte fein Reich fo, daß A. 
mit Dent Titel eines Ethnarden Judäa, Samaria, 
Idumãa und den Küſtenſtrich erhielt, während feine 
Briider Heroded Untipas und Philipp als Tetrarden 
iiber bie andre Halfte gefept wurden. Nach 9 Jahren 
wegen feiner Tyrannet bet Auguſtus verflagt, ward 
er 6 n. Chr. nad) Rom berufen, dort abgefest und 
nad Vienna in Gallien verwiefen. Sein Cand wurde 
gur rdmifden Proving Syrien gefdlagen. 

7) Philofoph der ioniſchen Schule, aus Uthen, nad 
andern aus Dilet, im 5. Jahrh. v. Chr., Schiller des 
Anaxagoras, ſchwächte den von feinem Lehrer betonten 
Gegenſatz zwiſchen Geiſt und Materie (bei ihm Luft) 
ab, indem er diefe beiden al3 gemiſcht annahm. We- 

en Spuren von praktiſcher Philoſophie bei ihm, gilt 
. fiir einen Borlaufer des Sofrates, der ihn aud, frei- 
lich nach unzuverläſſigen Zeugniſſen, qehirt haben fol. 

Archemdros, der unter dicfem Namen bei den 
Nemeijden Spielen verehrte Sohn des Lyfurgos von 
Nemea (f. Opheltes). 

Archemuſcheln, ſ. Muſcheln. 

Archena (jor. artſchena), Badeort in der ſpan. Pro- 
ving Murcia, Bezirk Mula, rechts vom Segura, Sta- 
tion der Gifenbaon Madrid-Cartagena, mit ſchwefel⸗ 
haltigen Salinen von 52° und (1900) 4590 Einw. 

Archenholz, Johann Wilhelm von, deutſcher 
Geſchichtſchreiber, geb. 3. Sept. 1743 in Langfubr 
bei Danzig, geft. 28. Febr. 1812, madhte die legten 
Feldzüge bes Siebenjaibrigen Krieges mit, bereifte, 
1763 al8 Hauptmann verabfdhiedet, den gripten Teil 
Europas, tebte 1769—79 meijt in England und liek 
fidh 1792 dDauernd in Hamburg nieder, in deſſen Nahe 
er den Landſitz Oyendorf anfaufte. Als gewandter 
Schriftſteller betätigte er ſich zunächſt durd die Wo- 
natsfdrift »Literatur- und Völkerkunde« (Leipz. 1782 
bi8 1791); Erfolg hatte auch fein vielfad überſetztes 


704 


Bud »England und Htalien« (daſ. 1785, 5 Bde.), 
fortgeſetzt mn den »Ynnalen der britiſchen Geſchichte« 
von 1788 an (Braunjdw., Hamb. vu. Tiilbing. 1789— 
1798, 20Bde.). Seine »Gefdichte des Siebenjabhrigen 
Rrieges« (zuerſt im » Berliner hiſtoriſchen Taſchenbuch 
für 1789<, Dann erweitert, Berl. 1793, 2 Bde.; 13. 
Aufl., Leipz. 1892) wurde wegen der Anſchaulichleit 
und Friſche der Schilderung und der warmen Begei- 
ſterung fiir Friedrich fehr popular. Von 1792-—1s12 
gab er die Reitidrift »Minerva« heraus. 


Wrchentéron (gried.), Urdarmhöhle, ſ. Entwide- | glingende 


lungsgeſchichte. 

Archer pr. artſchery, Fluh der Yorkhalbinſel im bri⸗ 
tijd) aujtral. Staat Queensland, entiteht aus der Ver⸗ 
cinigung von Bead und Coen, wird bis 500 m breit 
und milndet zwiſchen Berar Head und Kap Turnagain 
(Meer « weer) in den Golf von Carpentaria. Die Mun— 
bung ijt verfandet, ſpäter fonnen den Fluß Sdiffe von 
3m Tiefgang befahren. 

Archer (pr. artiger), 
und Theatertritifer, qeb. 23. Sept. 1856 in Perth, Sohn 
des frühern Ugent- General für Queensland, ſtudierte 
in Edinburg und arbeitete nebenher als Journaliſt. 
1879 fiedelte er nad) London fiber, wurde 1884 Theater⸗ 
fritifer des » World« und Dramaturg. Seine Schriften 
(»English dramatists of today<, 1882; »About the 
theatres, 1886; »Masks or faces? A study in the 
psychology of acting, I88&«; »Life of Macready«, 
1890; »The theatrical world«, 1893— 97; »Study 
and stage, a yearbook of criticism«, 1899) zeugen 
von griinblicen Kenntniſſen und lebbaftem Stil. Seit 
1888 gilt UW. als der bedeutendite englifche Unhanger 
von H. Ibſen, deffen Brojadramen er 1890 — 91 und 
defjen »Peer Gynt« er 1892 mujtergiiltig überſetzte, 
wie aud) Gerhart Hauptmanns »Hannele« (1894). 

Archers (franj., {pr. (a2; lat. Arciarii, v. arcus, 
Bogen), Bogenfdiipen, die fdyon im 11. Jahrh im 
Sinne der heutigen Sdiigentinien verwendet wurden. 
Durd den Gebraud der Armbruſt verloren fie an 
Bedeutung, bis fie als Francs-archers (f. d.), im Ge- 

enfatse zu Den A. ſchwer bewaffnet, wieder auftraten. 
In England famen beriibmte A. nod) 1627 vor. Das 
Wort Hartfdier ijt von A. (bes. vom ital. arciere) 

UArchefpor, ſ Kollen. [abgeleitet. 

Archeftratus, aus Gela, verfaßte um 330 v. Chr. 
cin parodiſches Lehrgedicht -Hedypatheia« (> Wohl⸗ 
leben«) in Form emer gajtronomifden Weltreife. 


Sammlung der Fragmente in Brandts » Poesis epica | 


graeca ludibunda« ( Leipz. 1888). 

Archetypus (coder Urdetypon, gricd.), Urbild; 
Original; Muſter; älteſte Handidrift eines Schrift. 
tellers, die andern als Quelle gedient hat, erjter Drud. 

Archeus (U rd ius, qried., » Urheber, Regierer«), 
nad Paracelſus' das geijtige Urpringip, von dem alle 
Lebens- und Bildungsprojeffe, Ernabrung, Heilung 
in Kranfheiten x. abbangen. Bal. Leffing, Hand- 
bud) der Gefdhichte Der Wedigin (Berl. 1838). 

Archi (vor Volalen, bejonders vor i und y, aud 
bloß U rd), cine aus dem Griechifchen ftammmende Bor- 
filbe vieler Worter, die zunächſt bei Titeln einen höhern 
Grad der Wiirde oder Gewalt bezeichnet und unferm 
daraus im Wittelalter entftandenen Erg-, 3. B. Ur- 
chicancellarius (Erzkanzler), Archiepiſcopus (Erz⸗ 
biſchof) ꝛ⁊c., entſpricht. 

Archiac cipr. aricac, Etienne Jules Adolphe, 
Vicomte d', Geolog, geb. 24. Sept. 1802 in Reims, 

eft. 24. Deg. 1868 in Baris als Profeffor der Ba- 
dontologic am Naturhijtorifden Museum. Er ſchrieb: 
» Histoire des progres de la géologie de 1834 A 1850« 





| vor ibm berriibren, if 





William, engl. Scriftiteller | 


Archenteron — Ardidamos. 


(Par. 1847— 60, 8 Bde.); »Cours de paléontolegic 
stratigraphique« (1862 —64, 2 Bde.); »Paléoote- 
logie de la France« (1868). 

Urchianneliden , {. Ringelwitrmer. 

Archias, Aulus Licinius, griech Dichter ews 
Untiodia, tam 102 v. Chr. nad Kom, wo then feme 
Kunft, befonders im Improviſieren, die Gurrit moment 
lid) Der Quculler verſchaffte. Durd ihren Einflak e 


—— desſelben 62 angeflagt, wurde er auf Dee 


| hielt er um 90 das Biirgerredht. Der widerredytindher 


idigungsrede Ciceros (»Pro Arches 
poeta«) freigelprodyen. Ob die feinen Namen trage=- 
den 35 Epigramme in der griedjtiden Vinthologw 
b oer | 
Urchiater (qried., »Oberarst-), ſchon im vorchree 
lider Seit Titel fiirftlicher Leibarjte, in der Matierpex 


is von Staats oder Gemeinde wegen angeiteliier 


Yirzte. Später unterfdied man archiatri palatine. 
die einen hohen Hofrang cinnehbmenden farferintex 
Leibargte, und populares, Gemeindedrgte, Die auch dee 
Aufſicht fiber die gewöhnlichen Ärzte führten. Bel 
Briau, L'archiatrie romaine (Par. 1877). 

Ardhiblaft (qried).), in der Entwidelung der Ber. 
beltiere der cigentlide Keim (vgl. Barablait). 

Archibutéo, {. Buſſarde. 

Archicancellarius, Archicapellanus, { 
Upocrifiarius und Erzlanzler. 

Archicembalo (ivr. artitigtm-), cin Don Vreentine 
im 16. Jahrh. fonftruiertes Mavierinjtrument mex 
31 Werten innerhalb der Oftaven (mit vierfacder Ta 
lung der fiinf Obertaften und je einer fernern per 
teiligen Obertafte zwiſchen ef und hc), das fir ele 
Tone der dret antifen Tongefdlecter (dratomria, 
chromatiſch und enbarmont{d) bejondere Taſten und 
Saiten zur Verfügung hatte. 

UArcdhiclamydeen (qriecd.), in der Bezeichnungẽ 
weife Englers diejenigen difotylen Pflanzen, ber demen 
die Bliittenhiille gang feblt oder nur aus cimem em 





zenen ——— j 





fachen Blattfreife beiteht oder cinen doppelien Has 


kreis erjeugt, von denen der innere in Der Regel ows 
| getrennten, am Grunde nidt miteinander veridymet 


id zuſammenſetzt. Die W om 


faſſen die alen und Choripetalen. 


rdidameia, Todter des fpartan. Rdnigs Rico 
| Purrtes 


nymos II. bradte, als der Rat vor der Durch By 
drohenden Belagerung der Stadt beidlojjen hatte. 
alle Weiber nad Kreta zu bringen, mit dem Schwert 
in der Hand ibn dabin, feinen Beidhluk yu dndern 
241 v. Chr. wurde fie wegen der Unterjtiigung three 
Enfels, des Königs Agis (f. dD. 4), bingerieptet. 
Ardhidamos, 1) AII. Linig von Sparta, Sohn 
des Jeuridamos, Enfel und Nadfolger des Leotndn 
ded, reqierte 469- 427 v. Ohr., beendete 455 den 
dritten Meſſeniſchen Krieq Durch Cinnabme der bart 
näckig verteidigten Bergfeſte Ithome und erdffnete. 
obwohl eigentlid cin Area gutlichen Ausgleich 
431 den Peloponneſiſchen Krieg durch wiederdolte 
Einfälle an der Spitze der Peloponneſier in Vita 


| (431, 430, 428). Davon wird der erjte Teil des Belo 
ponneſiſchen Krieges (431 


421, bis zum Frieden des 
Rifias) Archidamiſcher Krieg genannt. Jom 
folgte 427 fein Sobn Agis I. 

2) A. UI., Enfel des vorigen, Sohn des Momge 
Ugefilaos, folgte diefem und regierte 361 338 
v. Chr. Schon vor feiner Thronbejteiqung gewann 
er 867 bei Megalopolis gegen die Urfadier und Wr 

cier Die fogen. tränenloſe Schlacht, wo nicht cin Late- 
dimonier, wobl aber 10,000 Aeinde gefallen fein 
follen, und verteidigte 362 Sparto rubmvoll gegen 





Archidiafonus — Ardimedes. 


Epameinondas. Nach einer an friegerifdhem Ruhm 

reidjen Regierung fand er feinen Tod 338 als Bunded- 

genofje der Tarentiner im Kampfe gegen die Lufaner. 
hm folgte fein Sohn Agis IT. 

Urddiatonns ried.), feit bem 5. Jahrh. Amts⸗ 
titel Der Borgefesten der Diafonen und Gebhilfen der 
Biſchöfe bei Verwaltung des Kirchengutes und Hand- 
habung der Jurisdiktion. Wis die größere Ausdeh— 
nung der Bistiimer ihre Cinteilung in Sprengel (Ar— 
dhidiafonate) — machte, wurde einem jeden ein A. 
mit weitgehender Wnitsqewalt — Infolge der 
Tridentiner Beſchlüſſe nahmen die Biſchöfe die den 
Archidialonen überlaſſenen Vorrechte wieder an ſich, 
und es traten an ihre Stelle die biſchöflichen General- 
vifare. In der lutherifdben Kirche ijt der Titel A. 
ftellenweife für Den erjten Diafon an Stadtfirdjen, in 
Der anglifanifden Rirde fiir den Borjteher eines 
Sprengels mit ciqner Geridtsbarteit beibehalten. Val. 
Schröder, Entwidelung de3 Urdidiafonats bis sum 
11. Jahrhundert (Augsb. 1890). 

Urchidiageen(Archidiaceae Schinp. Urmooſe), 
Familie der ſchließfrüchtigen Laubmooſe, einhäuſige, 
ausdauernde Mooſe mit niederliegenden, verzweigten 
Stengeln, mit kugeliger, ungejticlter Büchſe ohne 
Schnabel oder Spike und ohne Columella. Bon den 
vier Urten der einzigen Gattung wächſt Archidium 
phascoides Brid. auf Ycern und Heiden in Europa. 

ArchidGna jor. artigi-), Bezirlshauptſtadt in der 
fpan. Beovin3 Malaga, auf einer Anhöhe im Tal des 
Wuadalhorce, an der Eifenbahn Bobadilla-Granada, 
mit (1900) 8880 Einw., Parmorbriiden und römiſchen 
Witertitmern. 

Archidux (lat.), Erzherzog. 

Archiepiffopat (qried.), Ersbistum. 

Archiérens (gr.), Hobepriejter; in der Cen bd 
orthodoren Kirche iiberhaupt cin höherer Geijtlider. 

Archigénes, gricdh. Wi zt aus Wpameia in Sy— 


rien, Vertreter Der eklektiſchen Schule, lebte unter | 
der Ebenen und zwei von den ſchwimmenden Körpern 


Trajan in Rom. Er war einer der erjten Chirurgen 
ſeiner Zeit und wandte bei der Umputation die pro- 


phylattijde Unterbindung der Hauptblutgefäße an. | 


Bal. Harleß, De Archigene medico (eip3. 1816). 
ae © gira (griech.), ſ. Urzeugung. 
Archil, ſ. Oriecille. 
Archiliũto (or. arti-, ſ. Laute. 


Archilochiſche Verſe heißen zwei auf Archilochos 
ſetzung von Nizze (Stralſ. 1825), franzöſiſche von 


(j.d.) zurückgeführte Metra, dev kleinere, aus 2"/2 Dak 
tylen (+ ~ 4 .~ 4), und Der größere, aus 4 Daftylen und 
3 Trodjien beftehend (+ 4 Ct o42~ | te42040). 
Die Verbindung des erjtern mit folgendent iambiſchen 
Dimeter heifft Elegiambus (tw 2wst| wtotetot), 
mit vorangebhendem iambifden Dimeter Jambelẽgus 
(etotetot|tro4r) Diefe vier Metra werden 
in den vier Archilochiſchen Strophen verwendet: in 
Der erjten wedfelt cin Herameter mit dem kleinern 
Urdhilodijden Vers ab (vgl. Horaz' Oden IV, 7), in der 
zweiten ein Herameter mit dem Dambelequs (Hora;’ 
Epoden 13), in der dritten cin iambifder Trimeter 
mit Dem Clegiambus (Dajelbjt 11), in der vierten der 
rößere Archilochiſche Bers mit dem fataleftifden iam- 
lichen Trimeter (Horas’ Oden I, 4). 
Archilochos, griech. Lyrifer der erjten Hälfte des 
7. Jahrh. v. Chr., aus Paros, begleitete cine Kolonie 
nach der Anfel Thafos, verließ aber dieje bald wieder, 
teils aus Not, teils wegen der Unfeindungen, die er 
fic) durch feine mafitote Spottſucht zugezogen, und 
ſcheint überhaupt ein unſtetes und bewegtes Leben 
—— zu haben. Seinen Tod fand er im Kriege 
urd einen Naxier. Die Alten ſtellten ihn wegen ſei— 
Meyers Konv.⸗Lexikon, 6. Aufl., I. Bd. 








705 


ner Genialitat unmittelbar neben Homer. Er erfand 
cine Fülle neuer metrifder Formen, die er meijter- 
haft handhabte; insbef. brachte er die iambifden und 
trodaifden Maße zur Durdbildung und fduf die 
epodijde Gattung. Die Sprade beherridte er in 
wunderbarer Weije und verjtand es, fiir Die verſchieden⸗ 
artigſten Empfindungen den entſprechenden Ton und 
Ausdruck mit Leichtigteit gu finden. Man hatte von 
ibm Hymnen, Päane, Dithyramben, Elegien, Cpi- 
—— und Jamben, in denen er beſonders ſeiner 
rbitterung über Welt und Menſchen Luft madte, 
felbjt Freunde mit herbem Spott nicht verjdonend, 
Feinde mit erbarmungslofen Schmähungen geißelnd. 
Lylambes, der ihm die früher verlobte Tochter Neobule 
verweigerte, ſoll ſich mit ſeiner Familie in Verzweif— 
lung über ſeine heftigen Angriffe erhängt haben. 
Sammlung der ziemſlich zahlreichen Fragmente in 
Bergks »Poetae lyrici graeci«, Bd. 2; Überſetzung 
von Herder (in den »Zerſtreuten Blättern«) und Har- 
ong (Leip3. 1857). 
rchimandrit (qried).), in der griechiſchen Kirche 
der Vorjteher eines Kloſters, Wht. 

Archimedes, Mathematifer und Phyſiker, unt 287 
bis 212 v. Ehr., aus Syrafus, lebte, abgejehen von 
einem Wufenthalt in Agypten, in ſeiner Vaterſtadt den 
Wiſſenſchaften und ihrer Anwendung auf die Praxis. 
Seine kunſtreichen Kriegsmaſchinen vereitelten 2 Jahre 
lang alle Angriffe der Römer auf Syrakus und brach— 
ten der römiſchen Flotte die ſchwerſten Verluſte; die 
Stadt fiel durd) Uberruntpelung von der Landjeite, 
und bierbei fam A. im 75. Lebensjahr um. Bon fei- 
nen jablreidjen, in doriſchem Dialett verfaßten Sdyrif- 
ten ſind erhalten fiinf geometrijde: sei Biider von 
der Kugel und vom Bylinder, die Kreismeffung, die 
Sehrift über die Spiralen, das Bud) von den Konoi- 
den und Sphdrviden, die Quadratur der Barabel; 
cine arithmetijfdje: die » Sandeszabhl« (» Psammites¢); 
zwei medanifde: zwei Bücher über das Gleichgewicht 


(nur in lateiniſcher Uberfesung vorhanden); zweifel⸗ 
haft find die »>Lemmatas (in lateinifder Uberjegung 
aus dem Arabiſchen) und wohl aud) das jogen. Archi— 
medijde Rinderproblem, ein Ratfel in Diſtichen (über 
die Bahl der Rinder des Helios). Gejamtausgqaben 
von Torelli (Orf. 1792) und Heiberg (mit lateinifder 
Uberfesung, Leipz. 1880-—81, 3 Bde.); deutſche tiber- 


Peyrard (Par. 1808, 2 Bde.). Am meiſten qebraudt 
wurden im Witertumt die beiden erjten geometriſchen 
Schriften und die über das Gleichgewicht der Ebenen, 
au denen wir die Kommentare des Eutokios von Us: 
falon (6. Jahrb. n. Chr.) beſitzen. A. war der genialjte 
Mathematifer des Ultertums und der erfte wirfliche 
Phyſiker. Er erbrachte den Nachweis, daß die Inhalte 
eines Kegels, einer Halbfugel und eines Zylinders von 
leider Baſis und Höhe fid) verhalten wie 1:2:3 (nad 
ſeinem Wunſch wurde auf fein Grabmal cine von 
einem Zylinder umſchriebene Kugel geſetzth, und daß der 
Kreisumfang zwiſchen dem 3'/7- und dent 3fachen 
des Durchmeſſers liegt; auch lieferte er die Quadra- 
tur der Parabel und Cilipje, die Unterſuchung der 
Eigenſchaften der nad) ihm benannten Spirale jowie 
die Rubatur der Kugel, des Sphäroids und der Ko— 
noide. Durd) eine jinnreiche Gliederung des defadi- 
fen Zablenfyftems wird e3 ihm in feiner ⸗Sandes— 
jahl« möglich, ene Sahl anzugeben, welde die An— 
zahl der Sandfirner, welche die Firſternſphäre zu 
fajfen vermag, nod) iibertrifft. A. ſchuf die mathe: 
matijden Grundlagen fiir die Statif der feſten und 
45 


706 


tropfbar fliijfigen Körper; er ftellte dad Gejes fiir | 
das Gleichgewicht am Hebel auf, ermittelte mit Hilfe 
deSfelben Die Schwerpuntte ebener Fladen und ent: | 
deckte Das Gefeg ded hydrojtatijden Auftriebs (Ar— 
chimediſches Pringip). Die beim ECinjteigen in die 
Badewanne gemadte Beobadjtung, daß fv viel Waſſer 
ausfloß, als fein Körper verdriingte, bradte ihn auf 
den ridjtigen Gedanfen, auf den fid) das befannte » Hea- 
rekac (>td hab's gefunden!«) bezieht. Uber die auf 
die Ermittelung der Zuſammenſetzung von Veiidyun- 
qen bezügliche fogen. Rronenrednung val. Alliga 
tionsrechnung. Es wird erzählt, dak er mit ſeinen 
Maſchinen allein ſchwere Sdiffe vom Stapel laffen | 
und ans Land gieben fonnte. Bon dem hohen Ber- 
trauen in die Leijtungsfabigteit ſeiner Hebel zeugt 
aud der ſtolze Ausſpruch: »Gib mir cinen Stand. | 
punft, und id bewege die Erde.< Bon den ihm zuge⸗ 
ſchriebenen 40 mechaniſchen Erfindungen jind uns 
nod) befannt der Brennipiegel (dah er durch Brenn- 
ſpiegel bet der Belagerung von Syrafus die feindlicen 
Schiffe in Brand gefest habe, iit freilich nur Erfin— 
dung ſpäterer Zeiten), die Waſſerſchraube (Archime- 
diſche Schraube), die Schraube ohne Ende, der 
Flaſchenzug und die berühmte Sphära, ein Himmels- 
lobus, Der Durch Umdrehung einer Kurbel den Um— 
auf der Plancten um die Erde darjtellte. 
Archimediſcher Bohrer, |. Bohrer und Bohr: 
Archimediſcher Sats, ſ. Kugel. maſchinen. 
Archimediſche Schraube, Waſſerſchneckle. 
Archimediſches Prinzip, das hydroſtatiſche Ge 
ſetz, nad) Dem ein in cine Flüſſigleit getauchter Körper | 
durch den Drud der umgebenden Fliijfigteit von fei- | 
nem Gewicht fo viel verliert, wie das Gewidt der von 
ihm verdriingten Flüſſigleitsmenge betragt (vgl. Archi⸗ 
medes). Wird cin Körper, 4. B. cin gerader Zylinder 
mit wageredten Endfladen (ABCD, Big. 1), unter 
cine Fluͤſſigkeit getaucht, jo erleidet jedes Teildyen fei- 
ner Oberfläche einen feiner Tiefe unter 
dem HFliljfigteitsipiegel entipredenden 
Drud. Die auf die Seitenflachen wir- 
fenden wageredjten Drucfriifte, die | 
paarweijecinander gleich und entgegen- 
geſetzt find, heben ſich gegenſeitig auf; 
dage en ijt Der Druck, der auf die un 
tere Endfläche nad aufwärts wirkt, 
größer als der Drud, den die obere 
ndjliche nad abwarts erleidet ; jener 
ift nämlich gleich dem Gewidt einer Flüſſigkeitsſäule 
(A BEF), die fic) von der untern, diefer gleid Dem | 
Mewidt einer Saule (DEF), die fic) von der obern 
Endfläche bis zum Spiegel erhebt. Cs bleibt aljo 
cin nad) aufwärts geridteter Drud Muftried) 
librig, Der dent Überſchuß des erjtern Gewichts tiber | 
das leftere oder, was Dasfelbe ijt, dent Gewicht einer 
Flüſſigleitsſäule (ABCD) gleidfonunt, die denſelben 
Raum einnimmt wie der untergetauchte Körper. Die 
jer nad) aufwärts geridjtete Drud wirkt dem Gewichte 
des Körpers entgeqen und läßt denfelben daher um 
jo viel leichter erſcheinen. Um dieſen Sah, der nicht | 
nut fiir zylindriſche, fondern gan; allgemein fiir be: | 
liebig gejtaltete Körper gilt, ju beſtätigen, benutzt 
man Die hydroſtatiſche Wage (Fig. 2), d. b. cine 
Wage, deren cine Scale unten mit einem Halden | 
verfeben und kürzer aufgehängt ift, um ein Gefäß mit 
Flüſſigleit Darunterftellen zu können; an das Halden | 
hängt man mittels eines feinen Drabtes cinen Wetall 
zylinder und ſtellt auf die Wagidale cinen Hoblyylin- | 
ber, ber von jenem majfiven 3ylinder genau ausgefiillt 
wird; während diefer frei im der Luft ſchwebt, bringt | 














Wig. 1. 


Archimediſcher Bohrer — Ardhipelagus. 


man die Wage durd Gewidte, die man auf die andre 
Scale legt, ins Gleichgewicht. Taudt man num den 
Sylinder in das Waſſer eines untergejtellten Gefapes, 
jo verliert er an Gewidt, und die kürzere Wagſchale 
jteigt; das Gleichgewicht jtellt fid) aber vollfommen 
wieder ber, wenn man den auf Der Wagidale ftehen- 
Den Hohlzylinder bis yum Rande mit Waſſer füllt 
Der Gewidtsverlujt des untergetaudten Körpers wird 
durch das Gewicht einer Flüſſigkeitsmenge von glei- 


dem Rauminhalt aufgewogen. Cin untergetauchier 


Körper, deſſen 
Gewicht dem— 
jenigen der 
verdrängten 
Flüſſigleits⸗ 
menge genau 
gleich ijt, ver- 
liert fein gan- 
zes Gewicht 
und ſchwebt 
daher in der 
Flüſſigleit 
ohne ſtre⸗ 
ben, zu ſinken 
oder zu ſtei⸗ 
gen; it fein Gewidt groper, fo wird er unterjinfen, 
ijt ¢8 fleiner als dasjenige der verdriingten Flüſſigkei 
jo fteigt er in die Höhe, taudht teilweije aus der 
fläche empor und jd) wimmt nun an der Oberiläche. 
fobald der Auftrieb von feiten der Flüſſiglkeit, nämlich 
das Gewidt der von feinem untergetaudten Teil ver- 
dringten Fliiffigteitsmenge, dem ganzen Gewicht des 
Körpers gleich und dieſes fonad zu tragenim ftande ijt. 
Das Archimediſche Pringip findet auch Anwendung 
auf Gaſe. Erſetzt man z. B. bei der hydroſtatiſchen 
Wage das Waſſer in dem Beder durd Ätherdampi. 
indem man in bad leere Gefäß etwas Uther cintropit, 
der alsbald verdunjtet, jo wird das Gleichqewidt qeftirt, 
da der Uuftried der größern Didte des Ather dampfes 
halber nunmehr groper ijt als in Luft. Bringt man 
die Wage unter den Regipienten einer Luftpuntpe und 
evafuiert, fo fommt der Uuftrieb der Luft in Wegfall 
Haben die Gewidte gleiches Volumen wie der su wa 
gende Körper, fo wird das Gleichqewidt der Wage 
nicht geitirt, da auf beiden Seiten die ſcheinbare Ru 
nahme des Gewidts dicielbe ijt. Hat aber der Rdrper 
größeres Volumen, fo ſinkt er, und der Zeiger Der Wage 
gibt eine ſcheinbare Zunahme des Gewidts an, gleich 
der Differeng der beiden Uuftriebe, d. h. gleich Dem Ge- 
wicht einer Luftmenge von der Gripe des tiberfdbul- 
jes des Körpervolumens iiber das der Gewichtsſtücke 
Ahnliches tritt ein, wenn Die Wage etwa in einen mit 
Leudtgas erfiillten Raum gebradt wird, oder wenn 
der Barometeritand fintt. Wird der Barometeritand 
hiber, d. h. Die Dichte der Luft größer, fo hebt ſich 





aig. 2. 


Hydroſtatiſche Wage 


der Körper. Man fann aljo eine folde aéroftatifade 


Wage aud zur Beſtimmung des Barometeritandes 
oder des Dichteverhältniſſes zweier Gaje benutzen (vgl 
Daſymeter). Wud) das Aufſteigen eines Luftballons 
ijt eine Folge des Auftriebes, da Diefer qrifer it als 
Die Summe der Gewidte der Fiillung (Leuchtgas oder 
Waſſerſtoff) und der Ballonhiille. Die Differenz gibt 
die Tragtraft des Ballons. Vgl. Bödige, Das Str 


chimediſche Bringip als Grundlage phyjtfalifd - prat- 


tifdher Ubungen (Osnabriid 1901). 
Ardhiogenefis (qriec).), Urzeugung. 
Archipelagus (abdgefiirjt Urdipel, zuerſt im 
13. Jahrh. in der italientiden, aus dem griechiſchen 
Aegaeon pelagos entitandenen Form Arcipelago 


Archipoeta — Ardhiteftur. 


gebraudt), eine inſelreiche Meergegend oder die zahl⸗ 
reichen Inſelgruppen jelbjt, die bald losgetrennte Teile | 
benadbarter Erdteile, bald felbjtindige Bildungen | 
find. Budenerjtern, den fontinentalen Urdipelen, | 
Die meiſt in Der Nähe ſtark gegliederter Küſten liegen 
oder briidenartige, ausgedehnte Waſſerbecken umſchlie⸗ 
ßende Verbindungsglieder zwiſchen größern Kontinen⸗ 
talmaſſen bilden, gehören der A. der Chiloẽ- Inſeln, 
der Patagoniſche U., der Arktiſch-⸗Amerikaniſche W., zu 
Den pelagifden Ardipelen die Inſelwolken des Stillen 
Ozeans. Die pe | Archipele find der Wejtindi- 
ſche, Indiſche und Griechiſche A. (ſ. Karte »Grie- 
chenland⸗). Letzterer wurde zuerſt A. genannt und 
begreift den zwiſchen Kleinaſien, der Balkanhalbinſel 
und Rreta liegenden Teil des öſtlichen Mittelmeers. 
Die Inſeln dieſes A. die fich deutlich als infulare Fort- 
fefungen der oft weit ind Deer hinaus{pringenden 
Gebirgstetten Reinajiens und Griedenlands gu er- 
fennen geben, entitanden durch cinen im Tertiär be- 
innenden und nod) heute andauernden, von Erd- 
ben und vulfanijden Erſcheinungen begleiteten Ver: | 
werfungs und Berſchiebungsprozeß und zerfallen in 
mebhrere Gruppen und Reihen. Zu Thrafien gehiren | 
die Küſteninſeln Thajos, Samothrafe, Jmbros und 
das entferniere Lemnos. An ſie ſchließen ſich die flein- 
aſiatiſchen Küſteninſeln an, deren bedeutendſte Tene- 
dos, Mytilene, Chios, Samos und Rhodos ſind. Die 
nunmehr beginnende Inſelreihe Rhodos, Karpathos, 
Kreta, Antikythera (Cerigotto), Nythera (Cerigo) ſchließt 
in weitem Bogen den A. gegen das inſelfreie ſüdliche 
Meeresbecken ab und ſchlägt die Brücke von Kleinaſien 
um Peloponnes. Als Abgliederungen des griechiſchen 
—*8** ſind das unmittelbar anliegende Euböa 
(f. d.), die nördlichen Sporaden (Sfiathos, Skyros 
u. a.) fowie die in drei nad) SO. geridteten Haupt: 
gliqen vom Rap Kolonnäs und von Euböa ausjtrah- 
fenden Kykladen ju betradten. Diefe gliederreichen 
Inſelletten teilen Den von ihnen durchſetzten A. oder 
das Agäiſche Meer in mehrere Teile. Der nörd— 
liche hieß bei den Alten Thrakiſches Meer, der 
ſüdöſtliche Jtariſches, der ſüdweſtliche zwiſchen den 
Kylladen und dem Peloponnes Myrtoiſches, der 
zwiſchen den Ryfladen und Kreta Kretiſches Meer. | 
Die Inſeln des Griechiſchen W. waren urſprünglich 
teils frei, teils, vornehmlich feit Den Berjerfriegen, von 
Athen oder Sparta beherridt; fpdter wurden fie mit 
dieien Ländern dem Makedoniſchen Reich einverleibt, 
famen dann jum Teil an Agypten und endlich unter 
römiſche Herridaft. Veſpaſian errichtete aus ihnen 
eine ciqne Proving mit der Hauptitadt Rhodos. Nad 
der Teilung des Römiſchen Reidjes jtand der A. unter 
Byzanz, nur 823 —961 wurde er von den Sarazenen 
beherrſcht, die fich auf Kreta — — hatten. Im 
J. 1207 eroberte der Venezianer Mareo Sanudo die 
Inſeln Naxos, Paros, Antiparos, Santorin, Anaphi, 
Milo, Siphno, Polikandro u. a. und nahm als Vaſall 
ded lateiniſchen Kaiſers den Titel eines »Herzogs der 
Dodefanejos« an. Seine Nachtktommen herrjdten als 
Herzöge von Rayos bis 1383, dann die Familie der 
Crisp iiber die meijten jener Inſeln, bis 1566 Sul- 
tan Selim IT. den legten Herzog, Jacopo Crispy, ge: 
fangen feste und die Anfeln dem Quden Dor Joſeph 
Naſi verlieh. Nad) dejjen Tod (1579) wurden fte dem 
Osmaniſchen Reid) einverleibt bis auf Kreta, das erjt 
1669 den Venezianern entrijjen wurde, und blieben 
unter tiirfifder Derridaft bis gur Gründung des Kö— 
nigreichs Griechenland (1830), das die Kykladen und 
Sporaden erbielt, während die thratifden und klein⸗ 
aſiatiſchen Küſteninſeln der Türkei verblieben. Bal. | 








707 


Tojer, The Islands of the Aegean (Orf. 1890); 
UW. PHilippfon, Beitrage zur Renntnis der qriedhi- 
ſchen Inſelwelt ( Ergänzungsheft 134 su» Petermanns 
Geographiſchen Mitteilungen«, 1901). 

rchipoeta (⸗Erzdichter⸗), namenloſer latein. 
Dichter aus der Zeit und wohl auch der Umgebung 
von Friedrich Barbaroſſa; typiſcher Vertreter der Ba- 
gantenpoeſie (j. Baganten). 

eminence nn (griech.), ſ. Erzprieſter. 

Archipteren (qricd).), ſoviel wie Falſchnetzflügler. 

Archipterygium (Urfloſſe), die fiederförmigen 
Floſſen der älteſten Fiſche, von denen die fünffingerige 
Extremität der übrigen Wirbeltiere herzuleiten iſt. 

Archiſpermen, ſoviel wie Gymnoſpermen. 

Urchiteft (griech, Baumeijter), derjenige, der die 
Baukunſt prakliſch ausübt, Entwiirfe und Änſchläge 
(j. Bauanſchlag) zu Gebäuden fertigt und deren Aus— 
führung leitet und beaufſichtigt. Je nachdem ſich der 
A. dem Privat- oder dem Staats-, dem ſtädtiſchen ꝛc. 
Bauweſen widmet, ijt er Privatarchitekt oder Bau- 
beamter. Wit der Cntwidelung des Ingenieurbau— 
wejens haben fich die Aufgaben des Urditeften faſt aus- 
ſchließlich auf den künſtleriſchen Hochbau beſchränkt. 
Hiernach erſtrecken ſich ſeine Studien auf die Cinrid- 
tung und Konſtruktion der Bauwerke des Land- und 
Stadthaues mit Einſchluß ihrer Heigumgs- und LViif- 
tungs⸗, ihrer Beleuchtungs⸗ Be· und Entwäſſerungs⸗ 
anlagen 2¢., auf die Geſchichte der Baukunſt, die Orna⸗ 
mentif und Kompoſitionslehre; ferner auf die Hilfs- 
wiffenjdaften, wie: Bhyfif, Chemie, Mathematif, Sta- 
tif, Darjtellende Geometric und Kerjpeftive, Feldmeſſen, 
VBaunaterialienfunde, Veranidlaqung und Baufüh— 
rung x. Die theoretifde Musbildung wird meijt auf 
den iechniſchen Hochſchulen erworben, worauf der Cin- 
tritt in die Praxis erfolgt. Der Staat macht diefen 
Eintritt von bejondern Priifungen (Vorpriifung, Bau- 
führerprüfung, Baumeijterpriifung) abhängig und 
entnimmt aus der Zahl der gepriiften Architeklen feine 
Baubeamten (Regicrungsbaumeijter ꝛc.). Der Cintritt 
in Die Brivatpraris erfordert eine folde Briifung in 
Deutidland nicht, dod) fann cine Diplompriijung an 
den Hochſchulen abgelegt werden. Yn außerdeutſchen 
Vandern ijt die Musbildung der Urdhiteften meiſt eine 
voriviegend praktiſche und mehr auf die fiinjtlerifde 
Seite des Faches abjiclende. 

Architeften- und Yugenieurvercine, |. Bau- 
wiſſenſchaftliche Bereine. 

ArchiteFtoniF (qried.), die Kunjt der Juſammen— 
fügung der Teile eines Hochbaues zu einem fejten Bau- 
ganzen; aud) im Sinne von Yrditeftur gebraudt (da- 
ber arciteftonifd, die Baufunjt betreffend, den 
Regeln der Baukunſt gem. Bei Rant ijt W. foviel 
wie ſynthetiſche Methode. 

Architektür, im weitern Sinne ſoviel wie Bau- 
funjt, d. h. dic Kunſt, alle Arten von Baulichkeiten 
nad) Zweck und Bedürfnis auszuführen, im engern 
Sinne die Hochbaukunſt, die ſich mit der Errichtung 
und Einridtung von Hochbauten beſchäftigt (weiteres 
iiber Cinteilung und Tedynif ſ. Art. »Baukunſt«). 
Geht der Yirchitelt darauf aus, bei dem Bauwerk in 
erjter Linie künſtleriſche Rückſichten walten zu laſſen, 
ſo betritt er das Gebiet der ſchönen A. Mit den der 
letztern angehörigen Schöpfungen der Baukunſt be— 
ſchäftigt ſich vorzugsweiſe Die auf die Erferntnis der 


Baudenkmäler vergangener Epodjen gericdtete Fore 


ſchung, die Den Zuſammenhang der Entiwicelung der 
YW. feit Den Anfängen der menſchlichen Nultur feft- 
qejtellt hat. Einen Uberblid über dieje Cntwidelung 
gibt die folgende geſchichtliche Darſtellung. 


45* 


708 


Geſchichte der Architektur. 
(Giergu die Tafeln ⸗Architekrur I—XIle« mit der ⸗geittafel 
aur Gefcbicte ber Wc, am Schluß dieſes Bairdes.) 

Die Urgeſchichte der A. ijt, wie die der andern Riinjte, 
in Dunfel geviillt. Ausgegrabene Höhlen, Hiitten aus 
belaubten Biweigen oder Baumſtämmen waren die 
erjten Bauwerfe, die aus Menfdjenhand hervorgingen. 


Cin ſchlichter Stein bildete in jenen früheſten Tagen | 


den Ultar der Gottheit; ein Hiige! von Erde tiirmte 
fic) fiber den Gebeinen des toten Helden empor. Wit 
der Entwidelung des Menſchengeſchlechts nahmen jene 
roben Denkzeichen cin bejtimmtes Gepriige an, fo: 


Architektur Arge{dhichte, Ägypter). 


die Monumente von Theben in Oberiigypten, die faft 
ſämtlich dem 13. Jahrh. v. Chr. angehoren. In diefen 
altägyptiſchen Bauwerten tritt wieder die Pyramide 
alS älteſte Urdhitelturform hervor. Die Umfangs- 
mauern Der Tempel erbielten einen Anlauf und wur- 
den an den Kanten uit Rundſtäben geſchmückt, die 
Decten mit cinem horijontalen Abſchluß und mit emer 
mächtigen Hobhlfehle verjehen (Tafel L, Fig. 19). Meine 
| Henjterdffnung oder Säulenſtellung unterbrad) die 
—— Flächen dieſer Umfangsmauern, die em 
langgeſtrecktes Rechteck umſchloſſen und mit farben 

reicher Bilderſchrift bedect waren. Lange Doppel -· 





die Grabhügel, die ſich in den nördlichen Ländern reihen von koloſſalen Sphinxen oder Widdern führten 
Europas in großer Zahl vorfinden, deren Fuß häufig zu dem hohen, ſchmalen Eingang, der zwiſchen zwei 
durch einen Kreis von Steinen bekränzt, und deren turmartige Pylonen gleichſam eingeſchoben und bis- 
Gipfel durch mächtige Steinplatten gekrönt wird; die weilen von Obelisfen oder folojjalen ſitzenden Herr: 
Steinpfeiler, hohe, ſchlanke, oben ſpitze Steine, | fcherjtatuen flanfiert ward. Die ju beiden Getten 
die einzeln oder in Gruppen beieinander ſtehen und | des Einganges in die Pylonen cingelafjenen Rutten 
befonders häufig im ffandinavifden Norden vorkom— | (Tafel I, Fig. 4) dienten zur Aufnahme hober, bei 
men, wo man jie Bautajteine nennt und fiir Denk: | Fejten mit flatternden Wimpeln geſchmückter Masten. 
miler gefallener Helden hilt, und die fogen. Hiinen- | Die enge Pforte fiihrte in den unbedadten, auf min- 
betten, in der Bretagne Dolmen oder Leds, bei den | deſtens drei Seiten von einer bededten Säulenſtellung 
Britanniern Cromlechs genannt, die ebenfalls fiir | umgebenen Vorhof, der ſich bei cinigen Tempein hinter 
Grabmonumente oder Opferjtatten gelten (gl. Grä- cinemt zweiten Pylonenpaar wiederholt, und von da 
ber, — —— Die rr ag, Wag iteine | in einen oft ebenſo großen Saal, dejjen ſchwere Stein- 
(die Rodingjtones der Englinder und Roffejtene der | baltendede auf Rethen dict gejtellter Säulen ruht. 
Sfandinavier), Felſen, die auf eine oder zwei Unter- Un diefen Saal, der in keinem ägyptiſchen Tempel 
lagen fo aufgejegt find, daß man fie wie den Balfen | fehlt, reihten fid) die übrigen kleinern und diljtern 


einer Wage bewegen fann, fowwie die qeweihte Stitten 
umſchließenden Steinkreiſe finden ſich vorzugsweiſe 
in den keltiſchen Ländern. Das bedeutendſte der kel— 
tiſchen Heiligtümer in Frankreich liegt zu Carnac, bei 
Quiberon in der Bretagne, und bildet ein weites Feld, 
bedeckt mit gegen 4000 obelisfenartigen Steinpfeilern, 
die gum Teil eine Hihe von ungefaibr 10 m erreiden 
und meift auf ihrem dünnern Ende ſtehen. Noch merk 
wiirdiger ijt das vorzüglichſte der alten Heiligtiimer 
in England, das bet Stonehenge (ſ. d.) unfern Sa— 
ligbury befindliche. Als Beiſpiele einer zweiten Ent- 
widelungsftufe treten uns die auf verſchiedenen In— 
feln des Groen Ozeans swifchen Aſien und Ame— 
rifa aufgefundenen einfachen Monumente entgegen, 
die mit jenen des nördlichen Europa zu vergleiden 
find und 3. B. auf der Ojterinfel große Steinbaufen 
von pyramidaler Form oder bei den Morais (heiliqen 
Begräbnisorten) regelmäßig behauene, sum Teil mad 
tige Steine bilden, die zu einem einfachen arditefto 
niſchen Ganjen zuſammengefügt ſind. Andre Beifpiele 
einer friiben Entwidelung der Kunſt finden wir in 
den alten Denfmiilern von Umerifa, die jedoch in 
feinemt nachweisbaren Zuſammenhange mit dem Ent- 
widelungsqang der A. in Wejtafien und Europa ſtehen 
(f. Amerikaniſche WUitertiimer). 
Die Urditettur der orientalifdhen Valter. 

An der Spite dieſes Entwickelungsganges ſteht nad 
ben erhaltenen Baudenkmälern Agypten (Tafel 1. 
Das ganze ſich an den Ufern des Nilſtroms hin— 
ziehende Land enthält nod jest cine Menge von Dent- 
mälern, von denen die älteſten, Die koloſſalen Grab- 
denfmiiler des alten Memphis (Tafel J. Fig. 1 u. 2), 


die Byramiden, die an den Ubbangen der libyichen | 
Vergfette auf einer Strece von 8 Metlen in mehreren | 


Gruppen jeritreut lieqen, wahrſcheinlich bis m das 
4. Jahrtauſend v. Chr. hinaufreichen. In Beziehung 
u ihnen ſteht der Sphinxkoloß, zwiſchen deſſen Tagen 
fe ein Tempelchen erhob. In der auf die Vertrei— 
bung der Hykſos folgenden Bliiteperiode des äghypti 
iden Qebend find die glänzendſten, an den Ufern des 
Nils aufgefiihrien Denfmaler entjtanden, vor allen 


Raume des —— mit der engen, niedrigen Cella, 
die Das Götterbild aufnahm (ſ. den Durchſchnitt und 
den Grundriß Tafel I, Fig. 5 u. 9. Die daqupti- 
ſche Säule (Tafel I, Fig. 12—18, und Tafel »Bau- 
jttle I<, Fig. 1 u. 2) xigt bereits die verſchiedenen 
durch das Weſen der Säule bedingten Elemente in 
geſetzmäßiger Wiederfehr. Uber einer runden Plinthe 
erhebt ſich der runde, ganz unten mehr oder weniger 
eingezogene, nad) oben zu allmählich verjüngle Schaft 
der Säule und ninmi das entweder keſſelförmige. 
unten ausgebauchte, oben eingezogene geſchloſſene 
oder kelchförmige, unten etwas ausgebauchte, oben 
überfallende offene Lotoskapitell mit quadratiſcher 
Platte auf, worüber der aus ſtarlen, von Säule zu 
Säule reidenden Steinbalfen beſtehende Architrav 
ruht. Sowohl die Säulenſchäfte als die Kapitelle er- 
halten bisweilen fonvere und fonfave Längsrippen 
und find teils mit Pflanzengebilden, teils mit Bilder- 
ſchrift bedeckt. Insbeſondere erhalten die offenen Lo- 
tosfapitelle Ornamente aus ſchlanken Pflanzenblät⸗ 
tern oder auf elaftijden Stielen fich wieqenden Bliiten 
(f. Tafel »Ornamente Ie, Fig. 7 u. 8). Yn ſpäterer eit 
fam vorzugsweiſe Das Reldhfapitell (Tafel L, Fig. 12) 
jur Anwendung, an deſſen Stelle fett Der Ptolemäer⸗ 
seit cin mit einer Geſichtsmaske (Bildern der fis oder 
Hathor) geſchmückter Aufſatz trat (Tafel 1, Fig. 17)- 
Bon den einzelnen Monumenten erwahnen wir Me 
Reſte der beiden riefiqen Tempel zu Rarnak (Tafel L 

vig. 12 u. 13) und gu Lukſor (Tafel J, Fig. 4 u. 5), 
die Durd) eine faft 2 km lange Ullee von Spharr: 
loloſſen verbunden werden, den großen Tempelpalaft 
bei Medinet Mbu (Tafel L, Fig. 15 u. 18) und das 
nördlich von dieſem geleqene Trümmerfeld mit vielen 
Bruchſtücken foloffaler Statuen, von denen nod) zwei 
aufrecht figen; eine davon ijt die beriibmte Memnons- 
ſtatue. Der nördlich davon befindlicde Totenpalaſt it 

cin Mauſoleum des Ramfes (Tafel J, Fig. 11). Als 

Werle derjelben friiben Periode find die Denkmäler 

von Abu Simbel (Chfambul, Tafel J. Fig. 6 u. 7), 

Derr, Virfdeh und Uadi Sebua in Unternubien 
zu betradten, Die ganz oder zum Teil in den Felfen 





Architektur (Babylonier, Phdniter, Juden, kleinaſiatiſche Vitter, Perfer). 709 


ehauen jind. Bei den nad Anlage und Form mehr: | feines folofjalen Unterbaues (Tafel I, Fig. 11) hat 
Ph abweidenden Denkmälern der ſpätern Beit, wor- | ſich erhalten, aber von feiner Pracht enthalten die 
unter fic) der pradtvolle Tempel ju Den drabh unter: | biblifdjen Schriften überſchwengliche Sdhilderungen 
halb Theben (Tafel I, Fig. 17), der öſtliche und weft: | (vgl. Tempel). tiber die Detailformen der hebräiſchen 
liche Tempel auf der Inſel Philä (Tafel 1, Fig. 10 u. | W. geben die Felfengraber bei Jerufalem Auf— 
14) und der grofe Tempel gu Edfu (Tafel 1, Fig. 8 ſchluß, unter denen das fogen. Grab des Abſalom 
u. 9) aud der Ptolemäerzeit auszeichnen, ijt die vor- | (Tafel IL, Fig. 14) bejondere Beachtung verdient. 
Dere große Saulenhalle fajt nirgends mehr geſchloſſen, Die Volfsitanume Rieinafiens haben vorjzugs- 
fondern mit offener Säulenſtellung verjehen. Yad) | weife Grabmonumente hinterlajfen, die fid) nod) in 
in den gemeinniigpigen Unternehmungen leijteten die | erheblider Unjahl und mannigfader Formbildung 
Agypter Ausgezeichnetes, befonders im Waſſerbau | vorjinden. Die diltejten und primttiviten jtammen von 
zunt Schutze gegen die jährlichen Üüberſchwemmungen den Lydiern (ca. 700 — 600 v. Chr.) und haben 
des Nils. Yor Privatbau hielt fich dagegen, foweit | meijt die Form eines einfaden Tumulus, der auf 
fic) aus Darjtellungen von Wohnhäuſern auf Wand- | freisrundem Unterbau kegelförmig aufiteigt (Grab des 
gemiilden (Tafel J, Fig. 21) und aus Grundripfpuren | Tantalos bet Smyrna). Donen geqeniiber jtehen die 
(Tafel I, Fig. 20) erfennen läßt, in befcheidenen Gren: | Felsqrottenbauten der Phrygier mit ihren künſtlich 
gen (weiteres ſ. Tafel ⸗Wohnhaus I<). aufgemeifelten Giebelfajjaden (Grab des Midas im 
Die U. der alten Völler des wejtliden Aſien Tal Doghantii), während die Grabmiiler der Lykier 
Diesfeit Des Indus kennen wir nur aus ungeniigenden + (500 — 200 v. Chr.) wieder eine andre, nod) reicher 
Beridten der Schriftiteller des Altertums und verein- | entwicdelte Form darbieten. Man meifelte hier ent- 
zelten Rejten ihrer Denlmäler. Zu den Bauwerken | weder aus dem freien Felsgeitein das Grabmal als 
ded einſt fo mächtigen Reides von Babylonien ge: | einen felbjtindigen monolithen Sarfophag heraus, 
birt der durch die Altejten biblifden Gagen als »Turm | oder man legte die Grabfammer im Felfen an und 
von Babel< befannte Tempel des Belus, cin maf- meißelte dem lestern eine Faſſade auf, in beiden Fallen 
fiver pyramidaler Bau, der an der Baſis etwa 200 m | jedod) mit getreuer Nachahmung einer Holzkonſtruk⸗ 
breit und ebenjfo hod) war und in adt grofen Wb- | tion; Beijpiele finden fic) bei Phellos, Untipheltos 
fagen emporſtieg, und Die alte königliche Burg, deren | (Tafel I, Fig. 12), Myra x. In eingelnen Werken 
Mauern mit bildliden Darſtellungen groper Jagden | macht fich hier aud) griechiſcher Einfluß qeltend, fo bei 
auf wilde Tiere geſchmückt waren. Die iibrigen Tritm- | den Griibern von Telmiffos (Tafel I, Fig. 13). 
mer von Babylon gehiren der jiingern Zeit an, wo!) In der Glanyperiode des perfifden Reides nah⸗ 
nad) dem Sturze des alten Reiches durch das Ein- men die Könige ihr Hoflager beſonders zu Elbatana 
dringen der Chaldäer cin neues, haldidifd-babyloni- | in Medien, Sufa und Perfepolis. Efbatana war 
ſches Reich entitand. Bu diefen ſpätern Werken gehört die Reſidenz des mediſchen Reiches geweſen und ihre 
cin zweiter foniglider Palaſt mit einem prächtigen Burg ſchon beim Beginn der Mederherrfdaft auf 
Garten, der fich terrajjenfirmig erhob und ſpäter un- grofartige Weife angelegt worden. Die in der Nähe 
ter Der Benennung der »hangenden Garten der Se- | des heutigen Hamadan aufgefundenen Rejte, nament- 
miramis« zu den sjieben Wundern der Welt« gezählt tid) Baſis und Schaft einer Säule, ftimmen mit den 
wurde. Der Trümmerberg El Kafr wird fiir den Reſt Formen der perjepolitanijden A. überein. Bon Sufa, 
des Palajtes gehalten. Unter den Ruinenhiigeln von | deſſen Erbauung den erjten perjifden Herrſchern ju- 
Nimrud, die anſcheinend Rejte ded alten Nintwe find, geſchrieben wird, wiſſen wir, daß es in Der Bauweiſe 
haben der beim Dorfe Chorfabad und der mehr | von Babylon angelegt war. Das eigentliche Heilig- 
nördlich geleqene Rujunds hil wertvolle Bruchſtücke tum des perſiſchen Reiches bildete aber der alte Stamm-— 
Tafel 1, Fig. 1 u. 2, und Tafel -Ornamente Ie, | fig der perfifden Herrſcher, urfpeiing lish Pajargada 
Fig. 1—5) enthalten. Das Bawmaterial find Steine | (»Perſerlager⸗), von den Griechen Perfepolis qe 
aus gebranntem Ton, die durd ein Erdharz, 3. T. nannt. Hier ftand die alte Burg des königlichen Ge— 
aud) durch Ralfmirtel, auf fehr feſte Weife verbunden ſchlechts, hier wurden die Gebeine der Könige bejtattet 
wurden. Die Bauten von Rimrud gehiren dem Y., | und ihre Ruheſtätten durd glänzende Denkmäler be- 
die von Chorjabad und Kujundſchik Dem 8. und zeichnet. Hier erhob fic ein neuer, umfangreicer 
7. Jahrh. v. Chr. an. Palaſt (Tafel I, ig. Bu. 4). Das auf der Stitte 
Die Ph dnifer bildeten einen Teil desfelben Volfs- | der alten Reſidenz, in der Gegend von Murghab, 
ſtammes, dem die Babylonier angehirten. Mandherlei | erhaltene Grabmal des Kyros (Tafel I, Fig. 7) 
Tempel und andre Architekturen werden zwar erwahnt, | ijt ein pyramidaler, aus folojjalen weifen Warmor- 
aber was wir darüber wijjen, bezicht fic) meiſt mur | bliden aufgefiihrter Bau, der in ſieben Stufen empor- 
auf die glänzende Ausſchmückung, die fie durch edle | fteigt und auf der obern Fläche cin ſteinernes Häus— 
Metalle erhielten. Zu den berühmteſten Denkmälern | chen trägt, das den goldenen Sarg des Königs ent- 
— die von König Hiram erbauten Tempel gu hielt. Graber der fpatern Könige ſind in den Felſen 
yros. Unter den wenigen erhaltenen find beſon- gearbeitete Kammern mit verſchloſſenem und ver— 
ders eine etwa 5 m hohe Tempelcella und cin etwa borgenem Eingang, die an dem Außern der Felswand 
10 m hohes Grabmal zu Amrit (Tafel I, Fig. 9 durch eine ausgemeifelte Faſſade (Tafel I, Fig. 8) 
u. 10) und die 1901 ausgegrabenen Rejte des Tent | bezeichnet find. Die Halbſäulen der Fajjaden haben 
pels von Sidon bemerfenswert. Rarthago bejaf | cin Kapitell, das aus zwei nad) den Seiten hinaus- 
einen pradtvollen Tempel auf der Burg fowie groß⸗ | ragenden, mit den Leibern zuſammenhängenden Cin- 
artige Hafenbauten und Befeſtigungen, von denen | hörnern (Tafel I, Fig. 5 u. 6) bejteht. Das merf- 
nod) Rejte vorhanden find. würdigſte aller Momumente der perjifden UW. bilden 
An die Bauwerke der Phöniker fchliehen fich die | die Reſte des großen Balaftes von Perjepolis, die 
der Yuden an. Unter der Regierumg Salomos (um | gegenwärtig ben Namen Tſchil Minar (die vier- 
1000 v. Chr.) wurde die alte transportable Stifts- | zig Säulen«) fiihren (Tafel I, Fig. 3). Un babylo- 
hütte durch einen majffiven Tempel auf dem Berge niſche Anlagen erinnernd, erheben ſie fich in mehreren 
Moria ju Jeruſalem erfest. Nur cin geringer Teil | breiten Terraffen auf einer Abdachung des Berges 








710 


Rachmed und umſchließen einen Raum von 440 m 
ange und 280 m Breite. 

Wetrennt von dem BVolferleben de3 weſtlichen Wien | 
entwickelte fic) der Often diejes Weltteils, deſſen vor- 
nehiniter Rulturfig Hindojtan war. Die Yl., die ſich 
Dort ausbildete, jteht aber in feinem nadweisbaren | 
Zuſammenhange nut der A. Vorderajiens, weshalb 
wir fie als eine gefonderte Erſcheinung an andrer Stelle | 
charafterijieren (j. Indiſche Kunſt), ebenfo wie die WL. | 
der Chineſen umd Japaner (fj. China und Japan). | 

Die griehifhe Urditettur. 
Wis das erjte Stadium in der Entwidelung der 
riechiſchen A. (Tafel IM) betradten wir die Schöp 
F en, Dic Dem Heroenzeitalter der griechiſchen Ge- 
fdiante angeboren. Die widhtigiten Außerungen bau: | 
fiinjtlerijdher Tatigfeit finden wir in der Anlage von 
Burgen, deren gewaltige, von der fpatern Sage als 
Kytlopenmauern bezeichnete Ringmauern aus 
polygonen Steinbliden (Tafel IIL, Fg. 1 wu. 3) bee. 
jtanden. Die erhaltenen Mauerreſte, die einen all- 
mahlichen Fortidritt der Technif erfennen lajjen, find 
teils aus roben, folojjalen Blicten aufgebaut, deren | 
Lücken mit kleinern Steinen ausgefiillt wurden (Ta- | 
fel LIT, Fig. 1), teils aus mehr oder weniger forg: | 
faltig bebauenen, mit ihren Ranten und Winkeln ge | 
nau ineinander gefiigten Steinen jufammengelest | 
(Tafel IT, Fig. 3). Das Streben, die Steine in hori- 
zontalen Schichten iibereinander ju legen, führte end- 
lid) gum regelmäßigen Quaderbau. Die Seitenwände 
der tn dieſen Mauern angebradten Tore haben in 
der Regel cine Neigung, die tetls dadurch, daß die 
obern Steine über die untern mebr heranustreten, 
teils durch ſchräg ftehende größere Pfoſten erzeugt 
wird. Auch ihre Bedeckung iſt häufig von giebel— 
förmiger Geſtalt. Das bedeutendſte Werk dieſer Art 





iſt das Löwentor zu Mykenä (Tafel III, Fig. 2), 
deſſen Giebel, cin dreieciger Stein, die Reliefdarſtel— 


lung zweier Lowen zeigt, die fic) gegen eine fande- | 


laberartige Säule emporridjten. Durch tibereinander | 
geſchichtete, vorgefragte Quaderſteine ijt aud) die Be— 
Decung der fiir Verteidigungszwecke beſtimmten Ga- | 
lerien tm der Burg von Tiryns (Tafel III, Fig. 4) 
qebildet, wabrend die Dede des uralten Appolloheilig— 
tums auf Delos (Tafel LIT, Fig. 5) aus ſchräg gegen- 
einander gelehnten Steinplatten bejtebt. über dic 
Beſchaffenheit der Fürſtenhäuſer jener Epode haben 
uns die Uusgrabungen von Sdliemann einige An— 
haltspunkte gelicfert (vgl. Myfeni, Ordomenos, Ti- 
ryns, Troja), ſpäter (jeit 1900) aud) die von dem Eng 
lander Evans auf Kreta veranjtalteten, die in Knoſſos 
einen mit Dem myleniſchen verwandten Herriderpalajt 
zutage forderten. Die dieſer Altejten Zeit angehören— 
den, friiher fogen. Thefauren oder Schatzhäuſer 
haben jid als Graber fiirjtlicder Berjonen heraus- 
citellt, Deren bis jest 15 an verſchiedenen Orten der 
iticite Griechenlands entdectt worden find. Es find 
unterirdijde, freisrunde Raume, die durch kuppel— 
formige, aus borijontalen, allmählich vorgefragten | 
Steinringen bejtebende, oben durch je cine größere 
Platte geſchloſſene Uberbaue bedeckt waren, und unter | 
denen das ſogen. Schatzhaus des Atreus zu My— 
fendi dad merkwürdigſte und am beſten erhallene ijt. 
Sdliemanns Wusgrabungen verdanfen wir ein ſehr 
reichhaltiges Waterial sur Unterjtiigung des Nach— 
weijes, daß die griechiſche A. cin Spripling des Orients 
iit, und Dak der griechiſche Geijt aus den Überliefe 
rungen Aſiens und Agyptens, vermutlich durch die 
Vermittelung der Phöniker, jene Gebilde edeljter Har- 
monie entwidelte, deren herrlichſtes Symbol der grie⸗ 








Architeftur (Ojtajiaten, Grieden). 


chiſche Tempel ijt. Die altejten Göttertempel find 
auch die älteſten Erzeugniſſe nationalgriechiſcher Aunſi. 
Der griechiſche Tempel in ſeiner urſprünglichen Vin 
lage bejtand nur aus der redjtedigen Selle, in Der das 
Gotterbild aufgerichtet war, und aus ciner offenen 
Vorhalle, die cine freie Sdulenjtellung erhielt, die 
man bei größern Anlagen jpiter rings um das Tem: 
pelhaus führte. Als die Yusbildung der Tempelform 
ihren Höhepunkt erreidt hatte, wurde das architet 
tonijde Geriijt aus der Reihe der Säulen gebildet, 


die, auf cinem gemeinjanten, aus mehreren Stufen 


bejtehenden Unterbau erridtet, in geſchloſſener raft 
emporitrebten und den Architrav aufnabmen, der 
durd) feine äußere Form die flache Bedecung der Halle 
und ihre Verbindung mit dent Tempelhaus ausſprach 
Uber dem Architrav erhob fic der fiir Den bildneri 
iden Schmuck bejtimmte Fries, der 3ophoros oder 
Bildtrager<. Uber dem Bildwerk des Frieſes ruhte 
das Kranzgeſims, deſſen Hauptglied, eine ftarf vor: 
tretende Platte, cinen fejten Abſchluß bildete. An der 
Schmalſeite des Tempels und der ihr entipredbenden 
Riidjeite ſtieg über Dem Kranzgeſims noch der Giebel 
empor, dejjen Gejtalt, cin flaches Dreied, durch die 
orm des Tempeldades bedingt war. Jn dem Giebel- 
feld war das bedeutſamſte Bildwerk enthalten, das 
wiederunt im Dem fraftiq vortretenden Giebelgejims 
jeinen Abſchluß fand. Qe nach der einfachern oder 
reidhern Uniwendung einer ecinfaden oder Doppelten 
Säulenſtellung, nur an der Borders und Hinterfeite 
oder auf allen Seiten ded Tempels, unterideidet man 
den Tempel in antis, den Projtylos, Amphiproſtylos, 
Peripteros, Pſeudoperipteros, Dipteros, Pjeudodipte- 
ros. Rad) der wegen des in der Witte liegenden Ein 

ganges ftets geraden Zabl der Säulen an der Border: 
jeite Des Tempels nannte man die Tempel tetraftylos 
(vierſãulig), hexaſtylos (ſechsſãulig), oftajtplos (ade: 
ſäulig), defajtylos (zehnſäulig), dodefajtylos (zwölf 
ſäulig). Näheres ſ. Art. -Tempel · und die einjelnen 
eben genannten Gattungsbezeichnungen. Das ge 

ſchloſſene Tenipelhaus bejtand aus der cigentlichen 
Belle (Naos), die bei den gewöhnlichen Unlagen ferne 
Feniter hatte, und aus der Vorhalle (Pronavs), dic 
mit jener dDurd cine große Tür verbunden war. Bei 


einzelnen Tempeln findet fic) hinter der Belle cin 


abgeſchloſſenes Hinterhaus (Dpijthodom), das wohl 
meiſt als Sdagtammer Diente. Der Amphiproſtylo⸗ 


erhielt gewöhnlich an der Rückſeite cine Dem Pronaos 


entſprechende Halle (Bojticum). Die Einzelform ge 


ſtaltete fic) nad) den Eigentümlichkeiten des dorijchen 


und ionifden Stammes, durd) die die griechiſche W. 
cin zweifaches Gepräge erbiclt, veridieden. Die do- 
rifden Tempel zeigen ſchwere, gedrungene Berhãlt 
niſſe. Su den vollfonmmenjten Schöpfungen des de 
riſchen Stiles gehören das jogen. Thefeion, der Bar 
thenon (Tafel IIT, Fig. 6) zu Wthen, der Tenepel des 
Zeus in Olympia und die Tempel in Päſtum (Tefel 
LIL, Hig. 7) und auf Sigilien. Jn der ionifden 
Bauweiſe erideint die Form des architektoniſchen Ge 
rüſtes reicher qeqliedert und jierlicher ausgebudet. Die 
Verhältniſſe find freier und leichter, das Ganze bat 
das Meprage einer anmutvollen Majeftit. Bon groper 
Feinheit der Form find der Tempel der Athene zu 
Priene und das Eredjtheion (Tafel III, Fig. 8) auf 
der Akropolis ju Athen. 

Vis Bauwerfe von Bedeutung reihen fic den Tem- 
peln die Pradthallen an, die den Zugang ju dem 
aba Bezirk, der die Tempel umgab, bildeten: die 

zrophläen. Beifpiele find in Uthen und Eleuſis 
erhalten. Die fiir andre Swede beſtimmten Saulen- 


Architeftur (Etruster, Romer). 


Hallen wurden teilS mit ringsum offenen Säulen⸗ 
jtellungen, die cine gemeinſame Dede trugen, verjehen, 
teilg auerbalb der Säulen durch Mauern von dem 
allgemeinen Berfehr abgeſchloſſen, teils als oben 
ofjene Säulenhöfe eingeridtet. Hierher gehören die 
fogen. Bafiliten, Geridtshallen, die jedoch erjt in der 
Periode der römiſchen Kunſt ihre Bedeutung erbhielten. 
Auch bei den Gymnajien pflegten die Siulenhallen 


ben widtigiten Schmuck gu bilden, nicht minder in den | 
rivatwohnungen der ſpätern alerandrini: | 


reidjern 
fdjen Beit. Die Hauptantage der Wohngebaiude 
diefer ſpätern Reit ijt folgende: cin Säulenhof (als 
wichtigſter Teil), um den die Räume der Männer⸗ 
wohnung, 3. T. mit pradtvollen Säulenſälen, gelegen 


waren ; weiter zurück die Frauenwohnung, womit har: | 
jig, von dem Hauptbau durd) fleinere Zwiſchenhöfe ge: | 


trennt, beſondere Gaſtwohnungen verbunden waren 


(f. den Grundriß auf Tafel ⸗Wohnhaus I<). — us: | 


gedehnte Bauanlagen waren ferner die fiir die Spiele, 

ymnaſtiſchen und muſiſchen Wettlämpfe bejtinunten, 
Pic die das vollfontmen aufgededte Olympia dads 
großartigſte Beifpiel bietet, und die Theatergebiiude, 
von denen fid) nod) zahlreiche Rejte erhalten haben. 
Ihre Grundform läßt ſich aus einer Refonjtruttion 
des Theaters gu Segeita auf Sijilien (Tafel III, 
Hig. 10) erfennen. Mit den Wettfimpfen im Zuſam⸗ 
menbang ftehen die von den Chorfiihrern fiir ben 
in muſiſchen Spielen errungenen Sieg errichteten 
choragifden Monumente, entweder Säulen oder durch⸗ 
gebildete Urditefturen, auf deren Gipfel ein Dreifuß 
aufgeftellt war, oder tempelartige Bauten (Tafel III, 
Hig. 9). Die Grabmiler waren 3. T. fehr einfach, be- 
jtanden anus ſchlichten Pfeilern, waren mit cinem 
blumigen, den Akroterien der Tempel ähnlichen 
Sdmud gefrint und enthielten an ihrer BVorderfeite 
ein einfaches Bildwert (j. Tafel »>Grabmiiler<, Fig. 2 
u. 3), z. T. waren jie von altarähnlicher Form oder 
bildeten FelSgrotten, deren Faſſade architeftonifd 
deforiert war. Cinjelne Bauten der ſpäteſten Reit 

riechiſcher A., wie Der Turm der Winde (Tafel III, 
Fig. 11), enthalten bereits auslindijde Ronjtrultions- 
formen. Die Gefjamtwirhingen der Schöpfungen der 
griechiſchen A. wurde nod) weſentlich durch mehr oder 





711 


dieſer — seat ior eae: wenbdeter die Etruster be- 
reits Den Gewölbebau (j. Nonjtruftion des Rund- 
bogens, Tafel IV, Fig. 2) mit aus Keiljteinen gebil- 
deten Bogen an, wie ihn die nod) erhaltenen alten 
Tore von Bolterra und Perugia (Tafel IV, Fig. 3 
u. 4) geigen. Cin andrer Gewölbebau findct ſich 
8 Tusculum, wo er als Waſſerbehälter für eine 

aſſerleitung dient (Tafel IV, Fig. 1). Bu den 
mächtigſten etrusfijden Gewölbebauten gehören die 
zur aera a in Den Siimpfen und Seen am 
palatinifden Berg angeſammelten Wajjers beſtimm⸗ 
ten Rloafen gu Rom (Tafel IV, Fig. 5) und der 
um 393 ausgefiihrte, 2500 m lange Entwajferungs- 
fanal des Albaniſchen Sees. Cine hohe Bedeutung 
unter den erbaltenen Monumenten der etrusfijden 
A. haben dic Grabmaler, unter denen drei Gat- 
tungen ju unterjdjeiden find. Die erjte ijt aus der 
orm der rohen Erdbhiigel hervorgegangen. Hierbher 
gebirt dag Monument tn der Refropolis von Bulci, 
das den Ramen der Cucumella fiihrt (Tafel IV, 
Big. 8), das fogen. Grabmal der Horatier und Cue 
riatier bei Rom, das iiber einem vierecigen Unter⸗ 
bau fiinf fegelfirmige Spitzſäulen enthalt (Tafel IV, 
trig. 9). Die zweite Gattung beſteht aus arditeftoni- 
iden Fajjaden, die man aus den Wänden der Felfen 
gemeipelt hat, und die fic) ſehr zahlreich in Den Nekro⸗ 
polen der etrustijden Orte Ordia und Uria (jest 
Cajtel d'Aſſo, Tafel IV, Fig. 10) vorfinden. Die 
dritte Gattung befteht aus folden Grabmilern, die 
unterirdifd in Den Tuffitein eingegraben find. Bon 
etrusliſchen Tempeln (Tafel IV, Fig. 6 u. 7) find 
teine Rejte auf unjre Zeit gelommen; wir fermen aber 
ihre Unlage und arditeftonijde Uusbildung aus der 
Unweifung, die Vitruv sur Aufführung von Tenrpeln 
diejer Gattung, deren Stil von der ſpätern römiſchen 
Architelturſchule als die tosfanifde Ordnung bezeich⸗ 
net wird, binterlajjen bat. Den Ctrusfern ijt aud 
die erjte Uusbildung der von der griechiſchen abwei- 
chenden italijden Hauferanlage zuzuſchreiben. 

Die römiſche Urchitettur. 

Was gu Rom in den erjten Jahrhunderten de3 
Staates an architektoniſchen Kunſtwerken ausgefiihrt 
wurde, verdanfte man wefentlid) den benadbarten 


weniger reidje Bemalung (Polychromie, f. d.) der | Ctrusfern, fet es, dak die Urbeiten von etruskiſchen 


Bauglieder und der ornamentalen Teile gehoben | 


(j. Lafel »Ornamente I+, Fig. 35 — 37). 
Die etruskiſche Architektur. 


Künſtlern ausgeführt wurden, oder daß man ihrer 


Lehre und ihrem Beiſpiel folgte. Als die römiſche 
Kultur ſich mit der 


griechiſchen berührte, gewann letz⸗ 


WIS cin wichtiges Zwiſchenglied in der Geſchichte tere einen ſolchen Einfluß auf jene, daß aud die grie⸗ 


der llaſſiſchen UW. erſcheinen die kilnſtleriſchen 
bungen Italiens, die den Boden vorbereiteten, auf 


dem ſich nachmals die römiſch-griechiſche Kunſt ent⸗ 


falten ſollte. Am beſten erhalten ſind die Bauwerke 
der Etrusler (Tafel IV, Fig. 1—11). Bu den alter- 
tümlichſten Werken altitalijder U. gehiren die Mauern 
der alten Stadte, die häufig in der fyflopifden Bau- 
weife des alten Griedenland aufgeführt find. Bei 
den in Etrurien vorfonnmenden Bauten diefer rt, 
wie bet Den Wauern von Volterra, Fieſole, Cortona, 
Populonia, herrfdt das Bejtreben vor, die Steine 
regelmapiger, in horizontalen Schichten iibercinander 
gu legen. Hieran reihen fid) die Der Struftur. der alt- 
qriedifden Kuppelgräber entfpredenden Anlagen, 
deren Räume durch peln, die aus horizontal vor- 
eee: ringfirmigen Steinjdidten beſtehen, ab- 
gededt find. Unterirdiſche Gemächer diefer Urt, ver- 
ntutlich Graber, finden fid ju Norba, Vulci, Tarquinii; 
ein ähnliches bejigt Rom tn dem untern Gemad) des 
Carcer Mamertinus, dem fogen. Tullianum, am Ab— 
hang des fapitolinifden Berges. Außer und neben 


Bejtre: | 





chiſche Kunſt nad Rom iibertragen wurde und hier 
eine ſchöne Nachbliite erlebte. Die beiden Formprin—⸗ 
zipien, die in der rdmifden A. (Tafel IV und V) au- 
ſammenfließen, find die ded griechiſchen Säulenbaues 
und des italiſchen Gewilbebaucs. Die cinfaden Gat- 
tungen der griechiſchen A., die doriſche und die ionijde, 
werden bei den Römern felten und, wo fie erjdei- 
nen, nur in einer niidternen Ausbildung angewen- 
det. Statt ihrer wird jet die forinthifde Säulen— 
form vorberrfdend, deren volles Blatterfapitell dem 
Streben nad Bradt und Glan; beffer entipridt als 
dic Rapitellformen jener beiden Ordnungen; aud) die 
Gliederungen des Gebilfes werden mannigfaltiger 
und mit reicherm Schmucke verſehen. Die oblonge Halle 
wird durch ein Tonnengewolbe (Tafel IV, Fig. 12) 
iiberfpannt und ſchließt, dem Eingange geqeniiber, 
durch eine Niſche mit halber Kuppel harmonifd ab. 
Uber dem freigrunden (oder adjtedigen) Raum er- 
hebt fich in ftoljer Wolbung die Ruppel, und weiter 
ausgebildet, in Teile geſondert, erſcheint dieſer Raum, 
wenn an den Seiten der zylindriſchen oder prisma⸗ 


712 


tijden Wandung Niſchen mit Halbfuppeln ausgefpart 
werden. Andre Räume werden durd Kreuzgewölbe 
(Tafel IV, Fig. 13) iiberjpannt, und aus der ver- 
ſchiedenartigen Weiſe, wie Haupt- und Seitenraume 
fiberwilbt werden, entſteht das fombinierte Ganze. 
Win Wujern treten Bogendffnungen neben und über 
Bogendffnungen vor. Als freies und felbjtindiges 
* Monument erjdeint der Bogen, der fich itber die Ver— 
fehrdjtrajen hinwölbt. Die gropartigen Bediirfniffe 
und der Lurus der Römer riefen cine Menge neuer 
Unlagen hervor, außer Tempeln Gebäude fiir Zwecke 
des öffentlichen Lebens, darunter beſonders Bajiliten 
in eigentiimlider Uusbildung. Tempel und Staats- 


bauten reihten jid) um das Forum, das, felbft cine | 


befondere architeltoniſche — mit jenen ein im⸗ 
poſantes Ganzes bildete. Der Geſundheit, aber auch 
dem öffentlichen Vergnügen und behaglichen Müßig— 


wie 


für den öffentlichen Nutzen beſtimmten Bauten aus— 
eführt, unter denen die Heerſtraßen, Briiden und 
jjerleitungen mit ihren mächtig geſchwungenen 
Bogen und die Hffentliden Brunnen hervorzuheben 
find. Ebenſo glanzvoll erfdienen dic Ruhmesdenk— 
miler der Cingelnen: Ehrenſäulen, Triumphbogen 
und Grabmonuntente. Dit dem Glanze der öffent— 
liden Anlagen wetteiferten die Privatwohnungen, 
Häuſer, Paläſte, Villen. 

Den lebendigern Aufſchwung der römiſchen A. mit 
Beginn des 3. Jahrh. v. Chr. klennzeichnet der in dieſer 
Zeit beginnende Bau der grojen Heerſtraßen und 

ajjerleitungen (ſ. Aquädukt), unter denen die Bia 
Uppia und der Uquiiduft des Claudius (Tafel V, 
ig. 3) hervorzuheben jind. Einen erneuten Auf— 
ſchwung nahm die rdmifde A. um den Beginn und 
nod mehr unt die Mitte des 2. Jahrh. v. Chr., wo 
grieditide Kunſtwerke und griechiſcher Geſchmack aus 

em eroberten Griechenland nad Rom verpflanzt 
wurden. Die Monumente von Pompeji bezeichnen 
den Übergang von der griechiſchen zur römiſchen A. 
Unter Auguſtus entſtand dann ein ganz neues, präch— 
tigeres Rom. Noch herrlichere Bauten führte Trajan 
aus, beſonders auf dem nach ihm genannten Forum. 
Aber auch die Provinzen wurden nicht vergeſſen, an 
verſchiedenen Orten ſtiegen neue, prächtige Städte 
empor. Bis zur Zeit Hadrians hält ſich der Stil der 
römiſchen A. ziemlich auf gleicher Höhe, und erſt in 
der zweiten Halfte des 2. Jahrh. n. Chr. zeigt ſich all- 
mähliches Sinken des Geſchmacks. Die bedeutend- 
ften nod) vorbandenen Gebäude des römiſchen Ulter- 
tums find das von Agrippa 26 v. Chr. erbaute, unter 
Hadrian erneverte und umgewandelte Bantheon ju 
Rom (Tafel IV, Fig. 14-—16) und der von Hadrian 
135 n. Chr. erbaute Tempel der Venus und Roma 
(Tafel IV, Fig. 17 u. 18). Die Theater, worunter 
das Theater des Marcellus hervorzuheben ijt, wur- 
den zunächſt den griechiſchen nadgebildet, während 


die zu blutiqen Kampfſpielen beſtimmten Unrphithea: | 


ter, wie Das beriihmte Rolofjeum ju Rom, die ju 
Nimes (Tafel V, Fig. 1 u. 2), Arles, Berona und 
Pola, die römiſche A. kennzeichnen. Außerdem ge 
hörten neben den Prachtforen des Julius Cäſar und 
der Kaiſer die Thermen zu den eigentümlichſten und 
großartigſten Anlagen Roms. Die Thermen des Cara 


calla (die refonjtruierte Anſicht eines Saales ſ. Tafel V, 


Fig. 10) aus der frühern Zeit des 8. und des Dio— 
fletian aus dem Anfang des 4. Jahrh. ragten durd 
Gripe und Pradt hervor. Bon groartigen Briicen- 


— die Thermen gewidmet. Rieſige Werke, 
heater, Amphitheater, Naumachien, Zirkuſſe, 
erhoben ſich. Zu unverwüſtlicher Dauer wurden die 


Architektur (Röomier). 


anlagen aus dieſer Zeit find uns erhalten: der ein⸗ 
fachere Pons Aelius (jest Ponte Sant’ Angelo) und 
Der zierlichere Ponte rotto (Pons Palatinus oder Sena- 
torius) zu Rom fowie die ebenfalls zierlich ausgebil- 
dete Briice des Auguſtus ju Rimini. Von den Ehren- 
ſäulen erfdeinen in reidjter Musbildung dic Saulen 
des Trajan und Mart Aurel gu Rom. Der rbmifden 
Kunjt eigentümlich und fie in ihrer gangzen Majejtat 
zeigend find die Ehrenbogen,namentlid die Triumph 
bogen. Unter den erhaltenen find die früheſten Die 
Triumphbogen des Auguſtus zu Rimini und zu Suſa 
in Piemont und der Stegesbogen ju Aoſta, wabrend 
der Bogen der Sergier gu Pola in Iſtrien der beſten 
Zeit der römiſchen Kunſt angebirt. Unter Den gu 
Rom erhaltenen ijt der friibeite Der Des Titus, dem 
fid) Die des Septimius Severus und des Konſtantin 
(Tafel V, Fig. 7) anidliejen. Die Grabmaler ſind 
tells unterirdifd, teils als mebr oder weniger be 
deutjame Werke über der Erde angelegt. Die unter: 
irdiſchen Gräber find entweder in den Fels gearbeitet, 
wie die Ratafomben von Rom, Reapel, Syrafus. 
alta, Alexandria x., oder gemauert und überwolbt. 
berrejte bedeutenderer, fiber der Erde angelegter 
@rabdentmiler find das fogen. Grabmal des Bergi- 
lius am Pojilippo, das fogen. Grabmal der Servilier 
bei Rom, das aus der Heit des Qulins Cajar ber- 
riihrende Grabmal der Cäcilia Metella bei Rom und 
das der Plautier bei Tivoli. Jn riefigem Wak ver 
größert und bereidjert erjdheint die altertiimliche Form 
in dem Maufoleum des Auguſtus auf dem Marsfeld 
| und dem Mauſoleum des Hadrian (Tafel V, Fig. 8 
u. 9, nad der Rejtauration von Borgatti, die fied 
‘auf Uusgrabungen und Unterfudungen in den Jab- 
ren 1888 und 1889 jtiipt), deſſen untere Teile den 
Rern des heutigen Kaſtells Sant’ Ungelo bilden. Die 
Anlage der rimifden Wohnhaiufer, die der pourpe- 
janiſchen verivandt ijt und in Dem Haufe de3 Banja in 
Pompeji (Tafel V, Fig. 4-— 6) einen Reprifentanten 
findet, unterjdjeidet fid) von der griechiſchen dadurch. 
daß in ihr die Frauenwohnung minder beftinumt vor 
der Männerwohnung gefondert war, dann durd die 
Verbindung des italiſchen (etrusfijden) Atriums mit 
den Der griechiſchen A. entſprechenden Riumen. Das 
Atrium bildete den Wittelraum in dem vorderm Teil 
des Gebaudes und diente fiir die Sffentliden Geſchäfte 
des Hauſes, während ſich hinten der Hof mit feimer 
Siulenumgebung anſchloß. Reid) und umfaſſend 
wurden aud die Billen der Vornehmen angelegt. Do- 
mitian griindete einen neuen Raijerpalayt auf dent 
Falatin, und die fpatern Kaiſer bauten daran fort. 
Sehr ausgedehnt war die Billa des Hadrian ju Tivok, 
von der nod) cin Labyrinth von Ruinen brig it. 
Mit dent Beginne des 3. Jahrh. n. Chr. trat in der 
römiſchen A. das Beſtreben hervor, die Maffen auf cine 
mannigfaltiqere Urt zu gliedern, fie reicher gu beleben. 
Mit den Formen des griedijden Saiulenbaues und 
der italijden Gewölbearchiteltur vereinigen ſich nicht 
jelten bunt geſchweiſte, phantaftijdhe Bilbungen, wozu 
cine überreiche, den architeftonifden Rern über— 
wudernde Ornamentif tritt. Aber mitten aus defer 
Auflöſung der Kunſt der alten Welt treten zugleich 
die Pringipien einer neuen Kunſtwelt immer . 
licher hervor, in Der auf cine mehr malerijde Wire 
fung bingearbeitet wird, während fich cine felbjtan- 
dDigere Behandlung des Gewölbe- und Bogenbaues 
erfennen lat. Die Hauptmotive diefer neuen Um— 
wandlung der antifen A. bat man, wie es ſcheint, im 
Drient zu fuden, wo in diefer Zeit verfdjiedene qrofh- 
artige Bauanlagen ausgefilhrt wurden, unter denen 





J 














Architektur (altdrijtlide U., byzantiniſcher Stil). 


Fic die mächtigen Bauten zweier Stidte Syriens 
auszeichnen, von denen bedeutende Rejte bis auf unſre 
Beit getommen find: Palmyra (Tadmor) und Helio- 
—* (Baalbef). Bon dem mächtigen Schloß, das 
id) Kaiſer Diofletian im Unfange des 4. Jahrh. gu 
Salona, dem heutigen Spalato Care V, sig. 11 
a. 12), in Dalmatten erbauen ließ, find ebenfalls 
nod) bedeutende Rejte erhalten. Zu den charalteriſti— 
fdjen Baurejten diefer Reriode in Rom gehiren die 
folojjalen und reidjen Architelturfragmente, die einem 
Tempel des Sonnengottes angehiren, den Yurelian 
an Der aweiten Hälfte ded 3. Jahrh. erbaute, der Tempel 
des Velpafian (fälſchlich der Tempel der Concordia 
enannt) am Forum, der Janus Quadrifrons am 
gyorum Boariunt aus der Zeit Ronjtantins, die Ba- 
filita des Ronjtantin, bei der eine grofartig neue 
4Entfaltung des Gewölbebaues erſcheint und die Art, 
wie Das Kreuzgewölbe des Mittelſchiffs angelegt ijt, 
Hereits das Pringip der mittelalterliden A. zeigt, und 
das Mausoleum der Conjtantia, außerhalb Roms, die 
heutige Rirde Santa Conſtanza. Durd) Ronjtantin, 
Der den Sif der faijerliden Herrjdaft von Rom nad 
Byzanz (Konjtantinopel) verlegte, wurden aud) hier 
mannigfade und anjehnlide Anlagen veranlaßt. 
Die chriſtliche Architektur im friihen Mittelalter. 
Mit dem Siege des —— trat allmählich 
ein Umſchwung in der A. cin. Die erſten gottes- 
dienſtlichen Verſammlungen der Chrijtengemeinden 
fanden wabhrideinlich in den Häuſern reicher Mit⸗ 
glieder jtatt, in den dazu am meijten gecigneten Rau- 
amen bes römiſchen Haufes, und als dann das Chri- 
ftentum in die Offentlichfeit trat, entſprachen den Hallen 
Des Wohnhaujes am meijten die Bafilifen, die inzwi— 
ſchen verödet waren und jet den Kultusbedürfniſſen 
des Chrijtentums angepakt wurden. Die driftlide 
VW. ijt alfo wie die alte chriſtliche Kunſt überhaupt aus 
der rimifden hervorgeqangen, der fie alle fiinjtleri- 
{den Elemente entlehnte (Tafel VI). Gegen das Ende 
des 4. Jahrh. gab fic) jedod) bereits cine eigentiim- 
liche Umgejtaltung der antifen Borbilder fund, in— 
dent fid) Den größern Bajilifen mancherlei Unbau- 
ten anſchloſſen (ſ. Bajilifa). Bu den erjten Bajili- 
fen Roms gehören Santa Maria Maggiore und die 
von Theodoſius aufgefiibrte Kirche St. Paul vor 
Rom (Tafel V1, Fig. 1—3). Wus dieſen und andern 
Slementen, namentlich aber aus dem Pringip des Ge- 
wölbebaues entwidelte fid) tm 5. und vornehmlich tm 
6. Jahrh. im byzantiniſchen Reich ein cigentiimlider 
Baujtil. Der Gewölbebau wurde von dem Zwange, 
den thm frither die griechiſchen Formen auferlegt hat- 
ten, befreit; fraftige Bjeiler jtieqen fret empor, durch 
Bogen verbunden, über denen fic) der Raum gu einer 
leichten Ruppel wölbte. Andre Räume, meift mit 
Halbfuppein oder aud) andern Wölbungen bedeckt, 
an jene Bogen anlehnend, ſchloſſen ſich dem Haupt⸗ 
raum an (Tafel VI, Fig. 6 u. 7), oder es wurden 
Saulenarfaden in mebhreren Reihen iibereinander 
zwiſchen jene grofen Pfeiler und Bogen cingefest. 
Bn Harmonie mit diejen Formen trat die Linie des 
Halbkreiſes auch als freier Abſchluß der Außenwände 
hervor. Aber nod) verharrte die byzantiniſche A. 
in der künſtleriſchen Durchbildung des Gewölbebaues 
auf einer niedrigen Stufe. Jeder Teil des Gebäudes 
blieb in ſich beſchränkt und abgeſchloſſen und wurde 
nur äußerlich an den andern gelehnt oder in ihn ein⸗ 
eſchoben. Beide Bauſyſteme der altchriſtlichen Kunſt, 











8 des Baſililenbaues und das des byzantiniſchen tonj 
Stiles, wurden von ihren beiden Hauptausgangs- | den Namen der fleinen Gophientirde führt und eben- 
puntten, von Rom und Konjtantinopel, hinausgetra- | falls nod) vorhanden ijt, fann als ein Mittelglied 


713 


en, wobei es an manderfei Wechſelwirkungen nidt 
Polen fonnte, wofiir die Bauten zu Ravenna mit 
ihrer eigenartiqen Behandlung der Details, nament- 
lid) mit den als Kämpfer dienenden Aufſätzen fiber 
dem Rapitell der Säulen (Tafel VI, Fig. 10 u. 11), 
befonders merfwiirdig find. Bon den meijten raven- 
natijden Bauwerken, unter denen das Grabmal des 
Theoderich das interejjantejte ijt (TafelVI1, Fig. 4 u. 5), 
das jedoch nod) vdllig unter römiſchem Einflujfe ftedt, 
haben fic) Rejte erhalten; dagegen find Überreſte alt: 
chriſtlicher A. in Frantreid, Deutſchland und England 
nur fparfam vorhanden. In Deutfdland hatte 
fic) Maden, die Hauptreſidenz Karls d. Gr., einer be— 
jondern Gunjt diefes qroffinnigen Förderers der VU. 
zu erfreuen, dem die Bauwerle von Ravenna als Vor— 
bilder fiir feine Bauten gedient haben. Yn der Nähe 
des daſelbſt von Karl ausgeſührten pradjtvollen Pa— 
{ajtes wurde 796 —804 die Durd) einen Portifus mit 
ibm verbundene Münſterkirche erbaut, die nod) fteht 
und bas vorgliglidite Beiſpiel altdrijtlider A. dies⸗ 
ſeit der Alpen iſt. Unter den durch Karl d. Gr. und 
ſeine nächſten Nachfolger an verſchiedenen andern 
Orten erbauten Paläſten und Villen waren der Palaſt 
von Ingelheim am Rhein und der Palaſt gu Nim— 
wegen, wo fid) ein 16eckiges, der Münſterkirche zu 
Aachen ähnliches Baptijtertum erhalten hat, die her- 
vorragendjten. Auf das Aachener Vorbild ijt aud 
die nächſtälteſte der in Deutſchland erhaltenen Rirden 
diefer Art, die Midaclsfirde in Fulda (Tafel VIL, 
Fig. 1), zurückzuführen. Aus der ſpätern Rarolinger- 
zeit ſtammt die Eingangshalle zum Kloſter Lorſch im 
Odenwald (Tafel VIII, Fig. 2), in der nod antife 
Vorbilder nadwirfen. Dem Bajilifenftil gehören die 
erjten dhrijtliden Bauunternehmungen im oftrd mi- 
ſchen Reid) an. Die angeblid) von der Mutter des 
Kaiſers Ronjtantin, der Heil. Helena, erbaute, nod 
jtehende große Rirde zu Bethlehert bildet cine mäch— 
tige fiinfidiffige Bajtlita mit einfachen romifdyen 
Säulen und geraden Webiilfen. Die große Kirche der 
Verklärung auf dem Sinai, eine einfade Bafilifa, ijt 
den Darin vorhandenen Inſchriften und bildliden 
Darjtellungen jufolge ein Werk aus der eit ded 
Sujtinian. Bon den foptifden Kirchen in Agypten 
und Nubien, die die cinface Bafilifenform zeigen, 
weiſen eingelne auf die früheſten Zeiten Des Chrijten- 
tums zurück. 

Nachdem die Sopbhientirde gu Nonjtantinopel 530 
abgebrannt war, ordnete Kaiſer Juftinian den Neu— 
bau an, und an dieſer neuen Sophienkirche (Tafel VI, 
Fig. B u. 9) bildete ſich Der byzantinifde Bauſtil 
in jeiner charaftervolljten Geftalt aus. Der BVollender 
ded Neubaues ijt Unthemius von Tralles, als 
deſſen Gehilfen Iſidorus von Milet und der Bau- 
meijter Jgnatius genannt werden. 537 war der Bau 
vollendet und bat fich, von einzelnen Reftaurationen 
unter den folgenden Kaiſern und geringen Abände— 
rungen feit ſeiner Umwandlung in eine Moſchee ab- 
geſehen, bis heute erhalten. Die altere Bafilitenform 
ijt allerdings nod) zu erfennen, die Uniwendung des 
Syitems der Kuppelwölbungen hat aber der geſamten 
Erſcheinung des Gebäudes ein wefentlid) abweichen— 
des Gepräge gegeben. Die Sophientirde ({. Ronjtan- 
tinopel) blieb das Vorbild der byjantinijden A., und 
ſchon unter Sujtinian wurden thr auger andern die 
VUpojtelfirde in Nonftantinopel und die Rirde des 
Evangelijten Johannes in Ephefos nadgebildet. Die 
Kirche Des Heil. Bafdos zu Konſtantinopel, die aud 


714 


ber Kirche San Bitale in Ravenna (7. Ta- 
AVI, Fig. 10 u. 11, und Tafel »Banitile I<, Fig. 7) 
und der grohen Sopbienfirche betrachtet werden. 
Bon ber byjzantiniſchen tit die ruſſiſche W and 
gegangen. Wladumir d. Gr. (981—1015) baute zabl⸗ 
reidhe Kirchen, zu deren Mustiibrung er byzantiniſche 
Architelten berief. Die bedeutenditen Kirchen waren 
die der Damaligen Reitdenzitadt Riew, und unter dieſen 
ragt die Rirdje Der heil. Sophia hervor, deren Name 
auf bas byzantiniſche Borbild deutet. In Nowgorod 
lic Der Großfürſt Jaroflaw (um 1040) gleidfalls 
unter der Leitung griechiſcher Architelten eme andre 
Sophienkirche erbauen, ebenfalls eme Nadhbildung 
der byzantiniſchen. In Mosfau wurde 1326 auf dem 
Kremi der Grundſtein zur Kirche der Berflarung der 
Mutter Gottes gelegt und in der zweiten Halfte des 14. 
Jahrh. das Schloß des Kremls aufgefiibrt. Swan III. 
Waſiljewitſch (1462—1505) und feme Nadfolger 
ſchmückten thre Reſidenz mit pradtiqen Bauten, und 
im dieſen zeigt ſich Der ruſſiſche Bauſtil zuerſt von 
einer eigenartigen Seite. Zwar find Grundlage, in- 
nere Emteilung und Anordnung der Rirchen ganz 
die des Hy; antinijden Baujtils, doch ijt das Innere 


—— eng und düſter. Deſto größere Pracht 
wurde im AÄußern entwidelt, wo ſich aſiatiſcher Ein⸗ 


fluß zeigt, der teils aus den Zeiten der Mongolen- 
herrſchaft herrühren, teils aber aud) in dem Zuſam⸗ 
menhang Rußlands mit Aſien begründet ſein mag. 
Wo in der byzantiniſchen A. die Raume durch ſchlichte 
Kuppeln bedeckt wurden, da ſteigen hier turmartige 
Bauten, teils in breiter Maſſe, teils ſchlank und fed 
wie die WMinarets der Mobammedaner in die Lüfte 
empor, oben von Kuppeln gekrönt, die bald als Halb- 
fugeln, bald in Ciform, bald in der geſchweiften Form 
einer Birne oder Zwiebel erſcheinen. Das Außere ijt 
mit Ornamenten bededt, unter denen man byjantt- 
niſche, italieniſche aus der Renaiſſancezeit, arabiide 
und andre Formen findet, und die mit grellen, bun— 


ten Farben bemalt ſind, während die Kuppeln meiſt 
in goldenem Glanze funkeln. Auf gleiche Weiſe wur⸗ 


den auch die Paläſte und andre Bauten von Bedeu- 
tung geſchmückt. Diefe Bauweiſe hatte fic) über gan; 
Rufland verbreitet, als Peter d. Gr. tm Unfang des 
18. Jahrh. dort modern europäiſche Kultur einzufüh⸗ 
ren begann, in deren Gefolge denn aud) der modern- 
europaifde Bauſtil allmählich einen überwiegenden 
Einfluß auf die ruſſiſche Kunſt gewann, der aber in 
neuerer Zeit unter Dem Druck nationaler Beſtrebun— 
gen wieder, vornehmlich bei Kirchenbauten, durch den 
alten Bauſtil verdrängt worden iſt. 
Die arabiſche (mohammedaniſche) Architektur. 
Die neue Religion des Islam, die ſich ſeit 610 
unächſt über Arabien verbreitete, brachte eine neue 
Seije der Gottesverehrung, und dieſe bedurfte einer 
cignen Gejtaltung der Kunſt (Tafel VID). Auch die 
VUraber benugten wie die Alteften Chrifter anfangs 
bie Kunſtformen, die fie in den von ihnen beherrſch— 
ten Ländern vorfanden, fiir ihre Zwecke. Dies waren 
vornehmlich die Formen der ſpätern Römerzeit. Hier- 
mit verband fich ein ſpeziell orientaliſches Nunitelement. 
Wereits die Rdmerbauten in Aſien und Wfrifa batten 
cine mehr oder weniger deutliche orientaliſche Fär— 
bung erhalten, und jest trat dies Element durd) die 
unmittelbare Berührung mit den alten Kulturvdlfern 
Aſiens nocd mehr hervor, und wie fid im Verlauf der 
Heit die mohammedanifden Nationen ſelbſtändig ent- 


widelten, fo ging aus diefen Grundelementen auc | 


eine cigentiinliche Richtung der Kunſt hervor. Bei 


den Monumentalbauten, vornehmlid den Mof deen, 


begegnen wir zwei 


Architeftur (ruiftide , arabiſche 


Hauptinpen, von denen Der cine 
dem altdriitliden Bafilifenjtil, der andre Dem byzan⸗ 
timtichen Bauitil nãher fteht. Bei der eritern Haupr 
form bat jedoch das Gebdude der Moſchee in fich keinen 
arduteftoniiden WMittelpunft und feinen Sciuk; 
lit nur ein grofer, vierediger, von mehrfachen hinter⸗ 
emanter hegenden Urfadenreiben umgebener Hol. 
Die einzelnen Schiffe, die Die Arladenreihen bilden, 
ſind voneinander nicht unterfdieden, und das Heilig- 
tum (die Niſche (Mibrab], die nad Mefla hindeutet, 
und wo inggemein Der Noran aufbewahrt wird) tit, 
wenn aud) reich deforiert, dod fiir Die arditeftontide 
Gefamtaniage als fold fein wichtiger, besiehungs- 
reicher Bunft. Yndem die ganje Anlage alfo nur 
die ardhiteftonifche Deforation eines offenen, heitern 
Blakes, der Durd eine ftarfe Mauer von dem Verleht 
abgejondert ijt, Darjtellt, befindet fic) Dabet ſtets am 
mit einer fleinen Quppel überwölbter Brunnen. Dy 
umidliejende Mauer hat im Mugern, mit Ausnabee 
der Bortale und der Zinnen, feine ardyiteftoniide 
Uusbildung, und nur der ſchlanke Turm, der fid an 
ihrer Seite erhebt, und von dem herab der Muezzin 
die Stunden des Gebets vertiindet (Das Winaret), 
gibt dem Gebaude nad aufen bin eine Auszeichnung 
Bei der zweiten Hauptform enthilt der Korper des 
Gebaudes cine in fich geſchloſſene A. indem der Haupt: 
raum durd eine Ruppel überdeckt ijt, Die Nebenraume 
gleichfalls fiberwdlbt und mit jenem auf &bntiche Betic 
verbunden find wie bet den Yinlagen Des byjantini- 
ſchen Stiles. Bor dem Gebäude yt auch hier dure 
weg cin bon gewölbten Portifen umgebener Bor- 
bof. Das Aufere erſcheint hier en Teil in zierlicher 
— insbeſ. bilden die Minarets, die 5u 2, 4, 
6 an den Eden des Gebäudes emporſchießen, gegen 
deſſen tmpofante Hauptmaſſe einen sierlich 1 
Gegenſatz. Ym Detail der mohammedanifden A. zeigt 
ſich tiberall der orientaliſche Geijt, aus dem der Qslam 
hervorgegangen war, und der bei Uberdectung der 
Yrfaden, Titr- und Fenjterdffnungen zu Bogenforme 
fiihrte, die Der Nultur des Ubendlandes neu ware. 
Dem ſchlichten Rundbogen treten der Hufeifen- 
bogen und der Rielbogen (f. Tafel »>Bauitile I<, 
| ig. 9 u. 10) entgegen, die einen größern Abſchnitt ded 
Kreiſes als der Halbfreis bilden. Eine dritte Bogen 
form ijt Der aus zwei Bogenitiiden bejtehende, eben 
falls auf orientalifden Borbildern berubende Spig- 
bogen, defjen fonfequente Unwendung fich zuerſt m 
denjeniqen Baurejten zeigt, die in Berfien aus der 
Zeit der Safaniden (226-651 n. Chr.) erhalten find. 
Wud in Ägypten erſcheint er bereits an Monumenten 
aus der fruheſten Zeit der Herrichaft des Islam, voll: 
fommen ficer aber an foldjen, die Dem Anfang des 
9. Jahrh. angehdren. Ym allgemeinen kommt ex 
mehr an den djtliden Monumenten des Islam vor, 
an weldjen er teils rein und einfach, teils mit bute 
cijenformigem Anſatz, teils oberwarts | gedritdt , tebe 
häufig aud) mit aufwärts geidweifter Spite auftritt. 
Alle weitere Ausbildung des Details der mobham- 
medanijden A. ijt cine ornamentale, da alle Teile 
der A., die nur zur Uufnahme eines fpielend beweg- 
ten Schmuckes geeiqnet waren, mit foldent überdech 
wurden, und in der Tat hat die mobanunedaniide 
Kunſt hierin einen Reidhtum und einen Schönheits 
finn entwidelt, in dem ihre eigentliche Bedeutung fir 
die folgende Zeit wurzelt. Gleidwohl bewegt ſich aud 
dieſe Ornamentbildung in einem beſtimmten und fo- 
gar trog ihres Reichtums ziemlich eng abgegrensten 
Mreife; fajt iberall beruht das Prinzip auf einer exg- 
zelnen ſchematiſchen Regel, die fein Geſetz lebendiger 








Architeftur (arabiſche mauriſche] A., romaniſcher Stil). 


Entwickelung in ſich trägt und durch ihre ſtete Wie⸗ 
derholung zuletzt ermüdet (ſ. Art. »Arabeslen⸗ und 
Tafel »Ornamente II«, Fig. LO—13). Wn den wichtig⸗ 
by Stellen der Räume und der architeltoniſchen Teile, 
ie in dieſer Weife vergiert find, erjdeinen die das 
belebende Bildwerk erjegenden Inſchriften, Stellen 
aus dem Noran oder Verje, die einen befondern Be- 
aug auf das Lofal und feinen Erbauer haben. Die 
Saulenfapitelle find oft ähnlich deforiert (ſ. Tafel 
»Baujtile I<, Fig. 13—16), nicht minder die aus der 
VYntife beibehaltene ſchwere Fläche der Bogenleibung. 
Die legtere wird gern durd fleine Bacenbogen aus- 
qefiillt. Hierher gehört aud) eine auf einzelne Bogen 
oder aud) größere Raume angewandte gellqewebartige 
Wusbildung der Gewölbeform, wobet fic) auch die 
obere Spige des einen Gewölbeſtückes, die Dem andern 
—— Anſatz dient, hängend niederſenkt, fo daß dad 
nze den Eindruck von Tropfſteinbildungen gewährt 
Stalaltitengewölbe, ſ. Tafel VII, Fig. 3, und Tafel 
»Baujtile I«, Fig. 8). 
Die — J—— Bauwerke Spaniens unter— 
ſcheiden ſich von denen der übrigen mohammedani— 
ſchen Völker ebenſo wie die Geſchichte und das Leben 
des Volkes, das ſie errichtet. Kuppeln und Minarets 
finden wir bier nicht; aber die Arladen haben das | 
Gepräge einer Siderheit und Beſtimmtheit, die den 
Bauten des Orients nicht in gleidem Mak eigen ju 
fein pflegt. Für die ältere Bauweije ijt die Moſchee 
von Wordoba (Tafel VIL, Fig. 1), fiir die ſpätere 
Das in der zweiten Halfte des 13. Jahrh. erbaute und 
ſpäter erweiterte Königsſchloß der Alhambra (ſ. d. 
und Tafel VU, Fig. 3 u. 4) bei Granada charafteri- 
ſtiſch, das die leBte Entwidelung der mauriſchen A. in) 
ihrer ganzen romantifden Pract zeigt. Dieſer Spit- | 
eit gehört auch der Allaſar (»fonigliches Schloß«) in 
Sevilla an (Tafel VIL, Fig. 6). 

Der Stil der mobhammedanifden Monumente 
Agyptens fteht ungefähr in der Mitte zwiſchen den 
Stilen der maurifden A. und der oftafiatifchen Län— 
Der. Befonders widtig find die Monumente von 
Nairo, unter ihnen der Nilmeſſer (Mifjas) auf der 
Inſel Roda, ein —— brunnenartiger Bau mit 
Treppen, ſpitzbogigen Niſchen an den Wänden und 
einer großen, reichverzierten Säule in der Mitte, an 
der man das Steigen und Fallen des Waſſers beob 
achtete. Für die älteſte unter den Moſcheen von 
Kairo gilt die 643 geqriindete, nad einem Brande 
897 und fpiiter nod) mehrfad erneute Mojdee Amru, 
deren Saulen antifen Gebäuden entnommen find und 
hohe, breite Spigbogen mit hufeifenfirmigem Anſatz 
tragen. Ungleich merkwürdiger ijt die 885 geqriin- 
dete und — durch einen chriſtlichen Architekten 
vollendete Moſchee Jon Tulũun (Tafel VU, Sig. 2), 
bei der Die den Hof umgebenden Arkaden durd breite 
Pfeiler qebildet find, über denen fic) die cinfadjen, 
ebenfalls breiten Spigbogen erheben. Yn die Eden 
der Pfeiler find fleine Säulen cingelajjen, das früheſte 
Beiſpiel einer ardyiteftonijden Vermittelung der Pfei— 
lerflachen, Die in der romanijden A. des Ofsidents zu 
cigentiimliden Formenbildungen fiihrte. Cm bezeich⸗ 
nendes Beiſpiel fiir den ausgebildeten mohammeda- 
niſchen Moſcheenſtil ijt die um die Mitte des 14. Jahrh. 
erbaute Moſchee des Sultans Hajjan (Tafel VIL | 
Hig. 5). Diejen ägyptiſchen Monumenten reiht ſich 
die groke Moſchee von Damasfus in Syrien an, 
deren Grundriß ebenfalls einen von Säulenhallen 
untgebenen Hof darjtellt. 

Auf Sizilien, das die Uraber 827 eroberten, ha— 
Ben ſich bet Palermo zwei arabijde Schlöſſer, Ziſa 








* 





715 


und Ruba, erhalten, die das Gepriige des arabi- 
ſchen Stiles tragen und hohe, fubijdye Maſſen mit 
Erfertiirmen auf den Seiten bilden, während die 
Außenwände mit fladhen, fpipbogigen Nijden ver- 
fehen find. Yn der Mitte des Innern befindet ſich eine 
reichgeſchmückte Halle (oder Hof). Bei den Moſcheen 
der europäiſchen Türkei, vornehmlich den Pradt- 
bauten von Ronjtantinopel, die Den ſpätern Seiten 
der mohammedanijden Kunſt angehören, ijt der by- 
zantiniſche Kuppelbau vorherridend. Das orienta- 
liſche Gepräge erhalten dieje Moſcheen durch die Mi— 
narets, die den Körper des Gebäudes ſchlank und frei 
umſtehen, durch die mehr oder weniger arabiſche Bil- 
dung des Details und durch die Anwendung von In— 
—** ſtatt des Bildwerkes. 

In Andien ijt das Gebiet des Gangesſtroms vor- 
züglich reid) an den priidtiqiten Monumenten, von 
Denen einige nod) aus der Periode der vom Schluß 
des 12. bis gum Schluß ded 14. Jahrh. bliihenden 
Patanendynajtie herriibren. In Dehli, der Refiden; 
der Herrider dieſes Geſchlechtes, finden fich zur Seite 
der ſpätern Prachtbauten nod) einjelne Monumente 
jenev Zeit, unter denen der fogen. Nutab- Dinar, 
das Dtinaret, das Rutab als die ſtolze Triumphſäule 
des Islam erridtete, Hervorragt. Die Monumente, 
die unter der Herrjdaft des Großmoguls errichtet 
wurden, gehören gu den ſchönſten Erzeugniſſen der 
mohanmmedanijden Runjt und zeigen vorherrſchend 
den Ruppelbau. Die Majje des Gebaudes jteigt in der 
Regel als ein fejter, viereciger Körper empor, deſſen 
Außenſeiten mit, Niſchenwerk oder mit regelmäßig 
wiederfebrenden Offmungen verſehen und mit zierlichen 
Zinnen gefrint find, während der mittlere Teil von 
einer mächtigen Zwiebelkuppel befrint wird. Die auf 
den Eden gewöhnlich angcordneten Minarets reiben 
jid) Dem Ganzen in harmonifder Weije an. Die Por- 
tale bilden gewöhnlich einen Vorbau von betradtlider 
Erhebung und werden durd) cine grofe, fpipbogige 
Niſche gebildet, in deren Grund die verhaltnismakig 
fleine Türöffnung fic) befindet, und deren Seiten 
durd) Minarets eingefaßt gu fein pflegen. Die Bogen- 
fornt ijt durdgdingig die Des Spigbogens. Die be- 
rühmteſten dieſer Bauwerke gehören der Zeit von 
1550-1650 an und finden ſich in Dehli und Agra 
und in deren Umgebung. Schah Jehan ließ zu Dehli 
40 grofe Moſcheen erridten, unter denen die fogen. 
große Moſchee (die Jamna oder Dſchamna) den Stil 
in feiner glangendjten Entwidelung zeigt. Denjelben 
Bauftil ſehen wir gleichzeitig in Perſien verbreitet. 


Im höchſten Glang erjdeinen hier vornehmlid die 
ſtolzen Bauten, mit denen Schah Abbas d. Gr. (1585 


bid 1629) feine Reſidenz Ispahan ſchmückte. 
Die romanifmhe Architektur. 

Als im 10. Jahrb. die alten und die neuen Kultur- 
verhältniſſe fic) voneinander zu ſcheiden begannen, 
neue Staaten fic) bildeten und im Bereich der Künſte 
mit frijder Kraft die Formen, die in den Werken 
der altdrijtliden Kunſt vorlagen, wieder aufgefaßt 
und gu einem lebensvollern Organismus unigebildet 
wurden, entivicelte fid) zunüchſt cine in ihren Haupt: 
sligen übereinſtimmende Ridtung, die nod) unmittel- 
bar auf den Elementen der friihern altchriſtlichen Kunſt 
mit ihren aus der Antike herübergenommenen For- 
men berubte, aber den Geijt der neuen Beit in der 
mehr oder minder freien Umbildung der alten For⸗ 
men ojfenbarte. Indem man dieſen Stil mit dem 
Namen des romanifden (Tafel VIII bezeichnet, 
folgt man dem Borgang der Spradpwijjenjdaft, die 
Die Adiome, die fic) gleichzeitig aus der alten Römer— 


im ¢t ,t an die die 
Stelle einer laden Bededung der Raume das Ge- Hier namentlich auf die Napitelidle und dre Sreu;- 
rãger der Artaden. jetzt gegliederte gãnge ({.d.) tibertragen und jeigt eine glanjende Ext- 
ulen, werden an den Handen des taltung an den Pradtraumen fürjtlicher Palãſte und 
Mitteliduifes bis yur Dede hinauigeführt und dori Burgen. 
durch werte, fiber das Schiff der Kirche himausgeiprengte In reichſter Pract romaniſcher A. ericheinen unt 
Aundbogen mitemander verbunden, wahrend der anderm zunächſt die der eriten Halfte des 13. 
iſchen diefen Bogen enthaltene Raum nicht durch angebdrigen Kloſterhöfe von San 
uppein, fondern Durch Kreuzgewölbe fiberbaut wird, Mauern und von San Giovanmi in 
die cine jufammenhangende, in der Halbfuppel Der Rom, die Bajilifa San Piero in Grado in osfan 
Altartribiine auslauiende Reihe von Gewölben biden der Dom zu Fifa und de Kirche San Winiato ; 
(f. Zafel »Baujtile I<, Fig. 23). Wahrend die nie Floren3. den romaniiden Monumenten von 
dern Seitenſchiffe auf ãhnliche Weiie überwölbt wer Benedig, die eine entidiedene Entwidelung Me- 
den, wird in der Durdidmeidung von Querſchiff und jes Stiles zeigen, dabet aber tm einjeinen mance 
Langſchiff Die Dem byzantiniſchen Syitem ent- Motive der mohammedaniſchen VW enthalten, it be 
fpr nf woo —— die jedoch, Den Kreuz 976 begonnene und 1071 in ihrer urſprünglichen 
gewolben entſprechend, aus einzelnen in der Mitte Anlage vollendete Markuskirche hervorzuheben. Dic 
zuſammenſtoßenden und bier in einem gemeinſamen großartigen und prachwollen Denfmaler, die Die Nor- 
Schlußſtein vereinigten Gewdlbefappen zuſammen- mannen, vornehmlich tm Berlauf des 12. Jabrh_, 
geſetzt zu fein pflegt. Bollig fonfequent finden wir in Sizilien erridhteten, find tm romijd-drijtliden, 
dies Syitem suerjt in Der zweiten Halfte des 11. Jahrh. im byjantinifden oder mohammedantiden Sul aut- 
m der Normandie, wo fid, naddem das germanijde gefiibrt. Das glänzendſte Beiſpiel dieſes normanniid- 
Bolt der Normannen dafelbjt feine Herrichaft qeqriin- ſiziliſchen Baujtils geben der um 1174 beqonnene und 
det, cine eigentümliche Bliite des Lebens entfaltete. | in furjer Frijt beendete Dom von Monreale, unfern 
Jn Stalien fennen wir Bauten dieſes Stiles vornehm- | von Falermo, und die Kathedralen von Meſſing und 
lid) nur in der Lombardei, wo ebenfalls das germa- Palermo. Unter den romanijden Bauten der LY om- 
nifde Element von vorwiegender Bedeutung war. bardei find die Dome von Modena, von Cremona, 
Jn der Bildung und Behandlung des architeftonifden | Piacenza, Rarma und Ferrara zu nennen, wabrend 
tails treten 3. T. fehr bedeutiame Umbildungen das bedeutendite Erzeugnis romanifder A. in Spa- 
der alten orm insbej. an der Bildung der Säulen- nien die Kathedrale von Tarragona ijt. Cins der 
fapitelle hervor. Richt felten zwar, beſonders in den älteſten Monumente der romaniiden A. in Frank- 
Gegenden, wo das antife Element vorwiegt, find die reich ijt die Kirche St.-Front ju Verigueur in Guyenne- 
romanifdjen Mapitelle den antifen mehr oder weniger Zu den Monumenten des ſüdöſtlichen Frankreich, die 
fret nadgebildet; häufiger jedod) und vornehmlich, im einzelnen nod) die Den alten Römerbauten jener 
wo bas germanifde Element das Ubergewidt hat, Gegend entlehnten Motive erfennen lajjen, gebören 
erhalten fre die Form des fogen. Wiirfelfapitells (ſ. Ta- die Kirche Rotre Dame du Port ju Clermont m der 
fel »Bauftile Il, Big. 20), dad fiir die romaniſche U. Auvergne, die Lirden von Iſſoire, Brioude und Euy- 
befonders bezeichnend ijt. Erjt in der ſpätern Zeit des | en-BVelay. Die Monumente tm weſtlichen Frankreich 
romanijden Stiles nähert fid) das Rapitell wieder . find ſchwerer in den Formen, willfiirlicer in der Wom- 
mehr der Kelchform (ſ. Tafel »Baujtile I<, Fig. 24 pofition und überladen mit bildneriidem Sdmaud. 
u. 25). Der Bogen hat vorherridend die Form des | Das hervorragendite Beifpiel einer ſolchen Pracht tit 
Halbfreifes, neben dem fic) als Nebenform der aus die Kirche von Notre Dame fa Grande zu Poitters 
der mohammedaniſchen A. heriibergenommene orien- Weſentlich verſchieden find die Monumente tm ndrd- 
talifdye Spipbogen am häufigſten J findet, wo die lichen Frankreich, wo die Normannen ein ſelbſtändi⸗ 
Runjt des Islam cine unmittelbare Einwirkung auf | ges Stulturleben begriindeten. Ihre Were eigen das 
die romaniſchchriſtliche auszuüben vermodte, wie in Syitem der gewölbten Baſilika, das bier jedod mt 
Sizilien. Der romanifde Bact zeigt ſich zunächſt einer ſchlichten, ſtrengen Konſequenz ausgebildet tit. 
nod) ebenſo ſchwer wie in der alichriſtlichen und römi⸗ fo daß wir Die Normandie wenn aud nicht als der 
jdjen Kunſt, namentlich bei den Bogen der Urfaden, | Ort der Erfindung, fo dod) als das Gebiet der eriter 
die bie Schiffe voneinander trennen (j. Tafel »Bau- | ir iy en Ausbildung dieſes Syitems betrachten 
tile 11+, Fig. 18 u. 19), und bei den breiten Gurt- müſſen. Eins der früheſten Beiſpiele der romaniſchen 
bogen der Dede, zwiſchen die die Kreuzgewölbe ein- Kunſt iſt die zwiſchen 1050 und 1066 erbaute Kirche 
a ete find; wo aber der Bogen die dem Mujern | St.- Georges von Boderville, unfern von Rouen, 
jugewendeten ungen des Gebäudes, befonders während die altern Teile der Rathedrale von Bayeur 
die Portale, tiberdedt, zeigt er fic) von vornberein in | aus der sweiten Halfte des 12. Jabrh. jtammen. Das 
reidjerer und flüſſigerer Geftalt. Das romanijde Or. umfaſſendſte Beijpiel des normannijden Bauſtils, mie 
nament zeigt oft eine phantaftijche, wahrſcheinlich auf er ſich unter der Normannenberridhaft in England 
den urfpriingliden Eigentümlichkeiten der germani- | entfaltete, bietet die 1096 geqriindete und im Laufe 
ſchen Nationalitdt berubhende Richtung, indem Tier- | des 12. Jahrh. ausgqebaute Rathedrale von Norwich. 
und Menſchengeſtalten, fabelhafte Geſichtsmasken. Die älteſten Deut ſchen Gebäude dicfer Periode ge- 
Draden und ungeheuerliche Bilbungen aller Art fid) | hören dem Schluß des 10. Jahrh. an. Eins der erjterr 
nicht felten mit einem vielfad) gefdwungenen und ge- | Denfmiiler des nördlichen Deutidland, weldes die 
wundenen Blattiverf su angiehenden Phantafieipieren widtigiten Zeuqniffe jener Frühzeit der deutſchen Kul · 
vereinigen. Wud) in dem Verhältnis der bildenden | tur bewabrt, ijt die Schloßlirche von Quedlinburg 
SCunft zur A. geigt fic) ein höherer Grad der Ent | deren älteſte Teile der Zeit von 997 —1021 angebdren. 


Aue 





Architeftur (Übergangöſtil, gotiſcher Stil). 717 


Ahnlichen Stil eigen dic {eit 961 errichtete alte Schloß⸗ burg, obgleid) fdjon 1208 oder 1211 begonnen, ift 
Lirde zu Gernrode und die 1014 erbaute Liebfrauen- | dad Element des gotiſchen Stiles bereits überwiegend, 
firde zu Magdeburg. Die hervorragendjten Bauten | ebenjo an eingelnen Kloſtergebäuden der deut{d - ro: 
in den alemannijden und ſchwäbiſchen Landen ge- | manijden A., insbef. an den Kreuzgängen, die die 
Hiren, wie der nach 1052 erbaute Dom gu Konſtanz, Kloſterhöfe umgeben, und den Refeftorien (Tafel VILL, 
Der zweiten Hälfte des 11. Jahrh. und dem Verlauf | Fig. 7). Unter den Denfmalern romanifder A. in 
des —— Jahrhunderts an. Eine Säulenbaſilika den ſtandinaviſchen Ländern ſind die ſelbſtändigſten 
von großartigen Verhältniſſen und ſtrengem Stil ijt | die aus Holz gebauten Rirden Norwegens, in denen 
Die um 1105 erbaute Ktojterfirde von Baulingelle in | das Material den Geſetzen de3 romaniſchen Stiles in 
Thitringen, deren reichgebildetes Portal famt der Vor | eiqenartiger Weije angepapt ijt. Die hervorragend: 
Halle der ſpätern Zeit des 12. Jahrh. angehört. Die ſten dieſer Holzkirchen ſind die von Borgund, Gol 
hierher gehörigen Denkmäler der Stadt Hildesheim | (bei Chriſtiania), Hitterdal und Wang (jest am Fuße 
find die Stiulenbajilifa auf dem Morigberg, der Dom, | des Riefengebirges aufgeſtellt). Bgl. aud) Nordijde 
worin Pfeiler mit je zwei Säulen wedjeln, und die | Kultur (mit Tatel). In Sdhweden, wo teils eng: 
1133 gegründete Stirde St. Godehard. Der Dom | lifde, teils norddeutide Vorbilder maßgebend waren, 
von Trier mit feinen der Antike nadgebildeten Pila- find die älteſten Denkmäler der romanifden A. die 
{tern ijt cin wertvoller Bau der friihromanifden Pe— Rirde von Hujaby und die Ciftercienferfirden zu Al⸗ 
rivde. Die bedeutendjte pee, des Baues ge- | vaftra, Vreta und Nydala. Die reichjte Musbildung 
wilbter Bajilifen finden wir an den drei mittelrheini- | hat die romanifde VW. in Dem Dom gu Lund und in 
ſchen Domen ju Mainz, Worms und Speyer. Cine | den Kirden von Wisby erreidt. Die älteſten Bauten 
cigenartige Uusbildung erfuhr die romanifde UW. in | Dänemarks, von denen wir unde haben, find dem 
ihrer reichern Entwidelung in einer Reihe nieder- Stil der norddeutfden verwandt, fo die Krypte der 
rheinijder, befonders kölniſcher Rirden, deren charal- | Rirde von Viborg in Jütland (um 1133), die Cijter- 
teriſtiſche Eigentümlichleiten im Außern die fogen. | cienferfirdhe von Soroe und die Stiftstirde von Ring: 
Bwerggalerie, eine Urfadenreibe unter dem Dade, | ftad (beide auf Seeland, um 1160 —1170) und der 
undbogenfriefe und cine reidjere Bildung der Chor- | Dom gu Ribe (Diitland). 
partien an. Die Rirden St. Gereon und St. Upo- Die gotiſche Urchitettur, 
{tel in Köln (Tafel VIII, Fig 5 u. 6) und inSdwary-| Der gotifde Bauſtil (j. Tafel IX und die Tafetn 
rheindorf gegenüber von Bonn find typifche Beifpiele | Miner Dome bei Urt. »Köln«), der in der zweiten 
fiir diefe lofale Wandlung des fpatromanifden Stiles. | Hälfte des 12. Jahrh. fid) aus und neben dem ronta- 
Verwandten Stil mit den deutfd)- niederrheinifden | nifden zu entwideln beqann und anfangs aud) in 
Bauten zeigen die romanijden Kirchen der benach- Verbindung mit jenem auftrat, knüpft zunaächſt an das 
barten belgifden Lande, befonders die Rirde St. Ser- | Syjtem der gewölbten Bafilifa, wie es fic) in der ro- 
vatius gu Maajtridt, Notre Dame la Chapelle ju | manifden Periode ausgebildet hatte, an. Der Grund- 
Brüſſel und die Kathedrale von Tournai, während | plan der kirchlichen Monumente, die Hauptdispofition 
der höchſte Glang und Adel romanifder Deforation | der Räume bleiben im wefentlidjen diejelben; aber 
fic) an dem alten Teil, insbej. dem Portal des der entſchiedener als bisher tritt das Gefühl fiir das Ganze 
lesten Beriode des romaniſchen Stiles angehdrenden | des ardhiteftonijden Werkes und fiir das gegenſeitige 
Domes von Freiberg in Sadjen, der fogen. Golde Verhältnis fener Teile hervor, tebendudlier erſcheint 
nen Pforte (Skulpturen derſelben ſ. Tafel⸗Bildhauer- der Organismus, der es durchdringt, wirkſamer ent- 
funjt VII«), entfaltet. Wo bei dieſen und andern | faltet ſich die aufwärts ſtrebende Bewegung, die den 
deutſch⸗romaniſchen Monumenten der Spitzbogen und Geiſt und die Sinne des Beſchauers gum Himmel 
andre Elemente der neuen franzöſiſchen (gotiſchen) emporzuziehen beſtimmt iſt. Die Pfeiler und Halb— 
Bauweiſe auftreten, erſcheinen fie als untergeordnete, ſäulen, die dic Bogen und Gewölbe aufnehmen, ftei- 
faſt zufällige Formen von dekorativer Bedeutung, die gen bei dem gotiſchen Kirchenbau ſelbſtändig und frei 
auf das Konſtruktionsprinzip nod keinen Einfluß ge: | empor, und ihre Bewegung ſetzt ſich in den Linien 
wannen. Van hat diefe Verbindung des Spigbogens | des Gewölbes fort. Die belebte Teilung der Gewölbe— 
mit den Elementen der romaniſchen A. den Über- | maffe, die der romanifde Bauſtil durd die Unwen- 
gangsſtil genannt, der fid) bis gegen die Mitte des | Dung des Kreuzgewölbes gewonnen hatte, wird ent: 
13. Jahrh. erbielt. Bu den früheſten Denkmälern | fdhiedener dadurd) hervorgehoben, da nicht bloß 
dieſer Verbindung find die nod) Dem 12. Qabrh. an- | Guergurte (zur Gonderung der Hauptteile des Ge- 
gehörige Stiftstirde St. Peter gu Friglar in Heſſen, wölbes), ſondern auch Kreuzgurte (zur Bezeichnung 
ferner die als Ruine nod) vorhandene Kirche des Mlo- | der Cingelteile des Gewölbes) eingeführt werden. 
jters Mentleben an der Unjtrut, das Schiff und Quer- | Dieſes Sytem der verfdiedenen Gurtungen bildet 
ſchiff des Domes von Naumburg, der wejtlide Bau | der eigentlidjen feſten Rern des Gewölbes; zwiſchen 
und das Querichiff der Kirche zu Freyburg an der | jie werden nur leichte Gewdlbefappen von dreiectiger 
Unjtrut, der Dom 3u Bamberg (Tafel Vill, ig. 3 | Gejtalt gum Schluß der Dede eingeſetzt. Somit kommt 
u. 4) al8 dad reichſte und glänzendſte Beifpiel und | hier das Gewölbe nicht mehr als eme Maſſe in Be- 
die alten Teile von St. Sebald gu Nitrnberg zu red): | tradt, fondern vorzugsweiſe nur die Struftur feiner 
nen, während unter den Bauten des fiidlidhen Deutſch- Gurte, in die fic) die auffteiqende Bewegung der 
land und der angrenjenden Lander die Pfarrkirche Pfeiler aufldjt, und in der der Gewölbedruck auf 
ju Wiener Neujtadt, die alten Teile an der Wejtfeite | die einzelnen Punkte der Pfeiler, von denen fie aus- 
von St. Stephan zu Wien, der angeblich aus dem | gingen, zurückwirkt. Indem fo die Maſſe des Ge- 
Anfang de3 11. Jahrh. herriibrende Dom gu Bafel, wölbes fich gliedert, qeniigen ju deren Stiipe an der 
Die Kirche zu Gebweiler im Elſaß, dad Querſchiff des äußern Seite des Gebäudes einzelne Strebepfeiler, 
Domes zu Freiburg i. Br., das Querſchiff und dag | die zugleich Teile der Umfangsmauer bilden und im 
Chor des Domes zu Straßburg und die Pfarrkirche Innern als Träger der Gewölbegurte gegliedert ſind, 
zu Gelnhauſen hervorzuheben —* An den ältern während ſie nach außen die feſte, widerſtandsfähige 
eilen, zumal dem Chor des Domes von Magde- Geſtalt des Mauerkörpers bewahren. Die zwiſchen den 





718 


Strebepfeilern geleqenen Teile der Umfangswinde 
bieten fomit die Gelegenheit gu weiter und hohen 
Fenftern, wahrend nur eine leichte Füllmauer und 
untere Briijtung der Fenſter eingefdaltet wird. In— 
dem man fich ferner dem kühner aufſteigenden Spig- 
bogen (jf. Tafel »Baujtile II«, Fig. 32) zuwandte, 
den man bereits vielfad) vorgebildct fand, hatte man 
cine Bogenform gewonnen, die große Abwechſelung 
in Höhe und Weite der Bogen zuließ, ohne ihren Cha- 
rafter gu verdindern. Gurtgewolbe, Strebepfetler und 
Spigbogen bilden fomit charafterijtijde Clemente der 
—* A., die ſich daneben auch des Pfeilers oder 
der Säule bedient, an die ſich leichte Halb- oder Drei- 
viertelfaulden jum Tragen der Gewölbegurte an: 
lehnen. Das Pfeiler- oder Saulenfapitell bildet cine 
leichte, untherlaufende Blatterfrone, die fic) felchformig 
ausweitet und mit wenigen und leichten Dedgliedern 
verjehen ijt (j. Tafel Kölner Dom II«, und Tafel 
»Baujtile II«, Fig. 33 u. 34), wahrend der Fuß nur 
unbedeutend ausladet und mit dem Schafte durd Ber- 
mittelungsglieder verknüpft ijt. Fir Bogen und Gurte 
des Gewoͤlbes wird cine der der Pfeiler ähnliche Glie— 
derung angenommen. Dasſelbe Bildungsgeſetz wie 
an den Gewölbebogen beherrſcht die Einfaſſung der 
Fenſter, während man in die Fenſteröffnung ein Stab- 
werk einfügt, dad in ſchmalen Säulchen beſteht, die 
oben durch Spitzbogen verbunden ſind. Zwiſchen die 
letztern und die großen Spitzbogen der Fenſterein— 
ſaſſung werden kreisförmige und andre geometriſche 
Figuren bildende ſtabartige Glieder, das ſogen. Maß— 
werl, eingeſpannt, die dem Ganzen Halt gewähren 
(ſ. Tafel »Baujtile II«, Fig. 29—31). Unter den 
Fenſtern, die die Obericile Mittelſchiffs cinneh- 
men, pflegt (wenigftens bet dem völlig durchgebil— 
deten Bauwerfen) eine durdbrodene Galerie oder 


cin galerieähnliches Niſchenwerk eingeſchloſſen gu fein. | 


Die Einfajjungen der Tiiren find denen der Fenjter 
ähnlich, nur reidjer gebildet. Die Dächer haben bei 
dem aufftrebenden Charafter, den aud) das Außere 
ausdrückt, bobe, fteile Form. Cin einfacher, um die 
Strebepfeiler und Briijtungsmauern umberlaufender 
Sodel gibt dem Gebäude cine fejte Unterlage. Die 
großartigſte Entfaltung der äußern A. zeigen die Fal- 
jade und die beiden Tiirme, die die Seiten der Faſ— 
jade bilden. Die Bogen der Portale tragen nicht jelten 
reichgeſchmückte, Denen der Fenjter gleichende Giebel, 
die fogen. Wimpergen (j. Tafel ⸗-Kölner Dom III«, 
vig. 6). Zwiſchen den Titrmen und fiber dem Haupt: 
portal wird ein befonderer Zwiſchenbau mit cinem 
roßen Brachifeniter, deſſen Licht im das Mittel— 
diff fallt, angebradht, während die untern quadrati- 
ſchen Tiirme von je zwei Strebepfeilern an den Eden 
umgeben und in mehrere Stodwerfe, deren Wand- 
flächen von ſchlanken, mit Maßwerk ausgefiillten 
Fenſteröffnungen durchbrochen werden, geteilt find 
und gewöhnlich in einen achteckigen, von Fenſtern 
durdbrodenen —** an deſſen Ecken wieder freie 
Türnichen, die fogen. Fialen, emporſteigen, und über 
dem Aufſatz in eine ſchlanke achtſeitige, mit weit aus— 
ladender Kreuzblume gekrönte, vielfach durchbrochene 
Pyramide auslaufen. Kleinere Blumen ſolcher Art, 
Die jogen. Krabben, blühen aus jeder Spitze des Außern 
empor; ebenſo ſind die Kanten Der Giebel, der andern 
pyramidalen Teile und der von dem Mittelſchiff fiber 
Die Seitenidhiffe nad) den Strebepfeilern gefiihrten 
Strebebogen mit Blumen befest (f. Tafel »godtner 
Dom LI«, Fig. 3, 6—&). 
Die erjte Cntwidelung des gotiſchen Bauſtils tritt 
ung in Frankreich, und gwar in deſſen nordöſt— 


Architeftur (gotiſcher Stil: Frantreid), Niederlande, England). 


lichiten Gegenden entgegen, was die zahlreichen Mo- 
numente in Sle de France, Champagne, Burgund 
und in den Nachbardiſtrilten der angrenjenden Yan: 
desteile bejeugen. Das, foweit nacdweislich, Alteite 
Monument ijt das 1140 —44 vom Abt Suger aus. 
geführte Chor der Ubteifirde ju St.- Denis, dem 
die Rathedralen von Sens, Noyon und Senlis und 
jeit 1163 die Notre Dame-Kirche ju Baris folgen. 
Verwandten Stil zeigen: die Rathedrale von Laon, 
die Rirde Notre Dame gu Dijon (1252—1334) und 
die Rathedrale von Wurerre. Wahrend die 1260 ge 
weihte Rathedrale von Chartres nod ſtrenge Formen 
hat, zeigt die 1212 beqonnene, 1250 vollendete Sa- 
thedrale von Reims, eine der glinjendjten Schop 
fungen der — A. (Tafel IX, Fig. 2), die fon- 
jequentejte Durdbildung des friihqotijden Stilts. Bei 
der Rathedrale von Amiens (1220 — 88) nähert fied 
der architektoniſche Charafter bereits der beſonders in 
Deutſchland auftretenden freiern Enhwidelung des 
Stiles. In der Normandie entwicelte ſich der gotiſche 
Baujtil ſpäter gu einer glingenden Bradt, der es 
fretlicy mehr — ein ments leichtes und zierliches mie 
fiihnes und phantaftifdes Spiel der Formen anfonunt. 
Das Palais de Jujtice und das Hotel de Bourgthe— 
roulde in Rouen und da8 Schlok Fontaine le Henri 
bei Caen find dharafterijtifde Beiſpiele der jpatgoti 
ſchen Palaſtarchiteltur. Dasjelbe Syſtem der gotiſchen 
A., das in den nordöſtlichen Gegenden von Frankreich 
auftritt, herrſcht aud) in den Niederlanden ver. 
Indem aber dies Syſtem hier mit der größten Ein 
jeitiqteit aufgefagt wird, erhält aud das Außere oft 
einen ſchweren, nüchternen Charakter, und wo eit 
qriferer Formenreidtum angewendet wird, erſcheint 
er vorherridjend in dem Gepriige ciner äußerlichen, 
mehr oder weniger willfiirliden Deforation. Hier 
her gehören die meiften Kirchen gotiiden Stiles gu 
‘Balenciennes, Tournai, Lille, Courtrai, Ypern. 
Brügge, Gent, Briiffel, Lowen, Mechel, Antwerden. 
Lüttich, Huy, Dinant ꝛc., während die holländiſchen 
Kirchen zu Rotterdam, Delft, im Haag, zu Leiden, 
Haarlem, Amſterdam x. Beiſpiele der nitchterniten 
A. Darbicten, von denen nur die der ſpätern Beriode 
dieſes Stiles angehörigen Rirden, fo die im 14. Jahrb. 
erbaute, Durd) Die Schönheit der Verhältniſſe des Qn 
nern ausgezeichnete Rathedrale gu YUntwerpen, De 
Kirchen St. Peter zu Lowen, St. Martin gu Halle 
(unfern Uriijjel), St. Salvator ju Brügge cine Mus- 
nahme maden. Der Dom St. Gudula zu Briel 
iſt Durd) feine ſchöne Faffade aus dem Anfang des 
16. Jahrh. ausgezeichnet, die fid) in ihren Haupt- 
| motiven der deutfdy- qotijdjen Bauweiſe nabert. Dic 
niederländiſchen Kirchen tragen das Gepriige von 
Offentliden Hallen, neben denen die Stadthaufer, 
Fruchthallen und andre dffentlidhe Bauten der Art 
als wichtige und umfaſſende Anlagen erſcheinen, an 
denen ſich in den letzten Seiten ded gotiſchen Stiles fo- 
gar cine höhere künſtleriſche Ausbildung entfaltet. 
| Das qlangendjte und prachtvollſte Beijpiel folcher 
Bauanlagen ijt das Stadthaus von Lowen (1448— 
1469), Dem ſich die Stadthaufer gu Brüſſel, Gent 
| (der altere Teil qeqriindet 1481), Briigge (13876 ge 
griindet), Dudenaarde, YUrras, Mons und die Tuch— 
halle in Yern (Tafel IX, Fig. 1) anveiben, deren 
Der ſich kühn fiber das Gebäude erhebende ſtädtiſche 
Blodenturm, Belfroy (Veffroi) genannt, zur beſon⸗ 
Dern Hierde gereidt. 
| In England trat der gotiſche Bauſtil fait ebenfo 
früh wie in Franfreicd auf, von wo er durch den Bau⸗ 
| Meijter Wilhelm von Sens eingefiibrt wurde, der zum 





Architeftur (gotijder Stil: Deutſchland). 


Neubau der Rathedrale von Canterbury berufen wor- 
den war. Die gotiſche A. nahm jedoch bald cine cigen- 
titmlide, von der franzöſiſchen Behandlungsweiſe 
völlig abweidende Richtung an, indem jenes Streben 
nad einer reidhern, mannigfaltigern Gliederung und 
— Formen, einer buntern und mehr fpie- 
lenden Ornamentik, das bereits bei den romanijden 
Bauten in England hervorgetreten war, aud den 
Charafter de3 germanijden Stiles bejtimmte. Für den 
Beginn der gotijden W. in England find die Kathe: 
drale von Canterbury und die Templerfirde ju London 
von Bedeutung; der erjten Hälfte de3 13. 34 ge⸗ 
hört die Kathedrale von Salisbury an, die, aus Einem 
Guß, die erſte ſelbſtändige Entwickelung des englijd- 
gotiſchen Bauſtils im ganzen wie in allen ſeinen Cin- 
elbeiten darjtellt. Für eme ftrengere Organifation 
es gotiſchen Baujtils gibt die Kathedrale von Exeter, 
deren wejentlide Teile 1280 —1370 erbaut wurden, 
ein bezeichnendes Beijpiel, wãhrend die 1270 begonnene 
Wejtminjterfirde gu London fic) in der Anordnung 
de Grundrijjes Dem —* der franzöſiſchen Kathe⸗ 
dralen nähert. Die edelſte und reinſte Durchbildung 
des gotiſchen Bauſtils zeigt fic) im Schiff der Kathe— 
drale von Y)ort (1291—1330), deren prächtige Faſſade 
auf Tafel IX, Fig. 6, dargeftellt ijt. Mande ent- 
fprechende Motive finden fic) an den malerifden Rui- 
nen der Ubtei von Tintern (unfern Monmouth), der 
Abtei von Retley (unfern Gouthampton), der Kapelle 
von Holyrood au Edinburg, der Abtei von Melrofe 
(am Tweed, Grafidaft Rorburgh) u.a. Un einzelnen 
Monumenten der letzten Periode des gotiſchen Stiles 
entfaltet ſich in England das eigne deforative Element 
gu nirgends ſonſt erreichtem Glang und Reichtum, be- 
ſonders in der Ausbildung des ſogen. Sterngewölbes. 
VIS die erſten Beiſpiele dieſer zierlichen Behandlungs— 
weiſe ſind der ——— Kathedrale von Glou⸗ 
ceſter (1381), die Lady Chapel (Marienfapelle) der 
Mathedrale von Peterborough und die Napelle des 
Heil. Georg ju Windjor gu nennen. Das edeljte und 
Durd)gebildetite Beijpiel diefer Gewölbebildung ent: 
Halt Die Kapelle des King’s College gu Cambridge (be- 
gonnen 1441, beendet 1530), und bis zur überſchweng⸗ 
lidjen Pracht entfaltet erſcheint fie an der gleichzeitigen 
Begraibnistapelle Heinrichs VIL. an der Wejtminjter- 
abtei gu London. Die Englinder teilen die Entwicde- 
lung ihrer Gotik gewöhnlich in drei Perioden: early 
english (friih englitd. 13. Jahrh.), decorated style 
(der verzierte Stil, 14. Jahrh., Hauptivert die Fajjade 
der Nathedrale zu Yorf) und perpendicular style (15. 
und 16. Sabrb.). 
In Deutſchland fam der gotiſche Bauſtil gwar 
etwas ſpäter als in Frankreich und in England zur 
Entfaltung und allgemeinen Unwendung, jedoc hat 


719 


| und höchſt qrandiofer Entfaltung aber am Dom von 
Köln, 1248 gegriindet, dem vollendetiten Meifter- 
| wert der gotiſchen A. (j. Tafeln »Rilner Dom I uw. We * 
bei Urt. »Köln«). Als unerreichtes Muſter künſtle— 
riſcher Konzeption zeigt ſich uns der Entwurf der 
Faſſade mit den beiden mächtigen Tiirmen; im völ— 
ligen Gegenſatz gegen das zerteilende und trennende 
Galerieweſen des franzöſiſchen Faſſadenbaues ſteigt 
hier das Ganze unendlich gegliedert, aber in durchaus 
ſtetiger Entwickelung und mit ſtetem Bezug auf den 
höchſten Gipfelpuntt empor. Die auf Tatel I und I 
dargejtellte Wejt-, Siid- und Oſtfaſſade und innere 
Wnhedt eben cin Bild diejer ebenſo reichen wie harmo⸗ 
niſchen Gefanttwirfung im Außern und Innern, wäh— 
rend der Querſchnitt (Tafel II, Fig. 4) nicht nur die 
ebenſo ſtatiſch motivierte wie klünſtleriſch durchgebildete 
Übertragung des Druces der Miitelſchiffgewölde durch 
Strebebogen auf die innern und äußern Pfeiler der 
Querſchiffe vorführt, ſondern auch die gegliederte, an 
allen Seiten abgewalmte Dachfonjtruftion der letz— 
tern zeigt, durch die die reiche Gliederung der Wände 
| bea Mittelſchiffs bedingt wird. Die reid) und edel 
durchgeführten Detailformen der Pfeiler, Winrpergen, 
Strebebogen, Rrabben und Rreugblumen find auf 
Tafel 0, Fig. 5—10, dargejtellt. Nahe Verwandt- 
{Gait mit Dem Kölner Dom verrät die Rathedrale von 
eb, und in reid) entwidelter, dod) ſchon beträchtlich 
fpaterer Uusbildung zeigt ſich cine Nachahmung des 
Syjtems des Kilner Domes an der Kollegiatfirde von 
Xanten. Von hidjter Bedeutung fiir die weitere Ent- 
widelung der Stilform der deutſch-gotiſchen A. ift 
ferner die Ratharinentfirde ju Oppenheim, der ſich als 
ein Beijpiel retner und edler Entfaltung des Stiles die 
Rirde von Wimpfen im Tal (1262-78) anreibt. 
Von Bedeutung find ferner das Schiff des Münſters 
gu Freiburg i. Vr. und das de3 Münſters von Strah- 
burg, dejjen Faſſade im wefentliden das Vorbild des 
anzöſiſchen Rathedraljtils befolgt. Zu den frithern 
auten des gotifden Stiles in den ſächſiſchen und 
thiiringijden Gegenden gehdren aufer dem Dom von 
agdeburg das Chor der Kirche von Schulpforta 
(1251—68) und das etwa gleichzeitige Weſtchor de3 
Domes von Naumburg. Ebenfalls um die Witte des 
13. Jahrh. begann der Bau des Domes von Halber- 
—— während der Dom von Meißen erſt im Verlauf 
es 14. und 15. Jahrh. ſeine jetzige Geſtalt erbielt 
und das 1349 —53 erbaute Chor des Domes von 
Erfurt als ein edled Werk jiingerer Zeit zu beseidynen 
ijt. Trejfliche Beifpiele fiir die weitere Gejtaltung der 
deutid) - gotijden W. geben der um den Sehlup der 
otiſchen Beriode in feiner jetzigen Gejtalt beendete 
om von Regensburg, der St. Stephansdom gu 
Wien, der Dom gu Prag (1343 — 85), das Münſter 





er bier fich am herrlichſten durdgebildet und das Ro- | von Ulm, 1377 geqriindet. In Franken find die 
loſſalſte geſchaffen. Die altejten in Deutidland be- | Frauenfirdhe (1355-—61), die Lorenzkirche und das 
fannten Beiſpiele der gotijden A. zeigen uns diejen | Chor der Sebaldusfirde in Niirnberg (1361—77), 
Stil nod) im Kampf mit den Hauptformen des roma: | die Frauentirde von Yngoljtadt (qeqriindet 1425), 
nifden. Als wichtigſte Beiſpiele fiir fein erjtes Auf- die Stadtfirde ju Wimpfen am Verg (qeqriindet 1494) 
treten in Deutidland find das Schiff der Kirche zu gu nennen. Aus dem 14. und 15. Jahrh. ſtammen 
St. Gereon in Köln (1212—-27), der 1208 oder 1211 | die Kirche St. Martin zu Landshut (1432 —78), die 
beqonnene Dom von Magdeburg und die alte Pfarr- | Frauenfirdye zu München (1468 —-94), die Peter- und 


lirche 
mit — ſtatt der Säulen verſehen iſt. In den 
weſtlichen Gegenden von Deutſchland ijt die 1227— 
1244 erbaute Liebfrauentirde gu Trier von groper 
Widhtigteit. Schlichter und klarer geftaltet fic) der go- 
tiſche Bauſtil an der Clijabethfirdhe gu Marburg 
1235 — 83), dem erjten villig gotiſchen Bauwerk in 
utjdland, in vollſtändiger, durchaus harmoniſcher 


u Regensburg zu nennen, die im Innern nod | Paulskirche (1423—97) und die Frauenkirche (1458 — 


1473) zu Görlitz, der Dom ju Freiberg im Erzgebirge 
(nad) 1484), das Schiff des Domes von Merfeburg 
(um 1500), die Warienfirde zu Swidau (1453-— 
1536), die Liebfranentirdje zu Halle (1529), die Nitolai- 
tirche au Serbjt (1446—94) u.a. Für die ſpätere 
Entwickelungszeit des gotiſchen Stiles find ferner jene 
deforativen Architelturen bezeichnend, die, wie Div 


720 


‘hem S&mud oerichen wurden. Unter den ipat- 


— E 


ettner om Dom von Magdeburg (beqonnen 1445), 
im Tom von Halberitadt (beendet 1510) und Der 
“poiteiqang im Tom ju Wiiniter hervorzuheben. 
Hon den Tabernafein tit das in St. Loren; ju Nürn⸗ 
berg das beriibmtcite. Ihre Anordnung, dod meiſt 
in emfacerec Behandlung, wurde fiir Die an 
dffentliden Straken errichteten Heiligenhãuschen. 
wofũur bas in einfach remem Stil gebildete fogen. 
Hochtreuʒ bei Godesberq unfern Bonn ( 1333) und die 
fogen. Spinnerin am ſtreuz bei Bien intereſſante 
Beiipiele darbieten, und bei difentliden Brunnen bei- 
behalten, unter Benen der um 1360 errichtete fogen. 
ſchõne Brunnen ju Nürnberg und der Warftbrunnen 
in Braunfdweig (}. Tafel »Brunnen<, Fig. 3) her 
—— fiir die Dekoration der difentiichen, zu 
ſtãdtiſchen Sweden erriditeten Gebaiude und Privat 
wobnun hat Der deuticd) - gotiſche Bauitil mande 
treijliche en geidaffen, mie dies viele Werle dieſer 
Art zu Regensburg, Ulm, Riirnberg, Franffurt a. M., 
ftoblen;, ter u. a. O. bezeugen. In den an der 
Nordierte des Harzes gelegenen Stadten tit fiir ſolche 
Gebãude meijt em hölzernes Fachwert angewandt, das 
jur Uusbildung einer jierlichen Holzarchiteltur Ber- 


anlaffung geqeben bat, deren bedeutendite Beiſpiele 


man zu Quedlinburg, Braunidweig, Hildesheim, 
Hannover und Halberitadt findet. Verhältnismäßig 
felten find in Deutſchland Rathaujer gotiiden Stiles, 
da die ältern Bauten diefer Art ment wabrend der 
Renaijjance umgejtaltet worden find. Cin hervor⸗ 


ragendes Beiſpiel ijt das Rathaus in Braunidweig . 


(1250 begonnen, die YUrfaden feit 1393 erridtet; | 


Tafel IX, Fig. 5). Der in den Küſtenländern 
der Ditfee und in cinigen an fie angrenjenden Ge— 
enden von Deutidland: in Holſtein, Medlenburg, 
——— den brandenburgiſchen Warten, in Preu 
pen, aud) (wie es fdjcint) m Kurland und Liviand 
jowie in den flandinavifden Landern entwidelte 
otiſche Bauſtil, der fic) vornehmlich im Baciteinbau 
ätigt, unteridjeidet fid) von der Ausbildung des 
Spitems im weitliden Deutſchland durd cine ungleich 


größere Schlidjtheit und Strenge. Während die leb- | 


haft d efiibrte Gliederung des architeftoniidjen 
Manjen, die rhythmiſch bewegte Entwidelung ſeiner 
Teile gegen die Wafjenwirfung juriidtreten, feblt es 
— an künſtleriſchem Sinn, der ſich ſowohl 
in dem kräftigen Ernſt der Hauptformen als in der 
Kühnheit der Verhailtnifie ausipridt. Eins der groß⸗ 
artigſten Werle dieſer Art ijt das Schloß von Marien: 
burg (f. d.), dem die übrigen Burgen des Deutidhen 
Ordens yu Gollub, Thorn, Mewe, Rheden, Lod: 
ftadt u. a. verwandt find. 

In Italien blieb man im wefentliden zunächſt 
bei den Bedingungen des romaniſchen Gewölbebaues 
ſtehen. Was man an Spitzbogen, Giebeln, Spigfiul: 
den und an deforierenden Formen unmittelbar von 
der gotiiden Bauweiſe annahm und mit jenem Ele- 
nent verband, erfdcint nur als cin äußerliches Zu— 
geſtändnis, das man dent allgemeinen Zeitgeſchmack 
madte. Der —— aide it fetal iad Bauſtil bildet 
fein in fic) abgeſchloſſenes Ganze, ijt vielmebr, ob- 
gleich hãufig mut reicher Deforation verfehen, infeinen 
weſentlichen Teilen meiſt unentwidelt. Eins der frühe⸗ 
jten gotiſchen Monumente in Atalien ijt die Kirche 
San Francesco in Uififi, die 1218 — 30 durch einen 
Deutidjen, Meijter Jakob, erbaut fein foll; wenig 








Architeftur (qotiider Stil: Standimavien, alien, Spanien und Poctage!i 
Lertner, Tabernatel u. dgl., zu kirchlichen Zweden im 


gonnen 1231, m thren wetentinden 
endet), in deren 


mifie; Die Ausdudung fit aber im meiemtindem Dee ws 
hientidhe, wabrend der Dom vom OCroeete « low be 
onnen) im Schiff. den Batittien . nb 


undidulen und £ hat. Diciem Sees 
menten find der Campo jante zu Erie, der Dom noe 
Arezzo und die Rirche Santa Rovella gz Air 


ren; (1279) anjureiben. Hochit emfad umd tremg cx. 
icheint Die Kirche Santa Croce yu Aioreny ( 124) ver 
Urnolfo %& Cambio, von dem 1296 auch der Dem 
Santa Maria del Fiore dajelbit angelegt wurbe. der 
eine reichere Durdhbildung des ttaltentiden Spins 
jeigt. Die Kirche San Ketronio ju Vologma deger 
nen 1390) tit ãhnlich ſchwer umd unorgantich m Ao 
men und BSerbhaltnijjen. Das bet wettem groRarngir 
aller kirchlichen Monumente gotriden Stiles tm Males 
ijt Der 1386 geqrimdete und m fermen Hauptierien om 
Schluß des 15. Jahrh. beendete Dom von Warlend. 
neben dem die 1396 — 1499 erbaute, ju Dem reichiten 
und bedentenditen der Lombardei gebdrende Rarcazic 
bei Pavia zu nennen tit. Bie in Detoration der 
Rirdhenfajjaden, fo entwidelt ſich auch an den Babiiter 
und dffentliden Hallen von Italien der gotiſche Baz 
jtil nicht felten in eigentũmlich glanjender Berie und 
zugleich fo harmoniſch, dak dieſe Baumerte als de 
vollendetiten Shipfungen des gotiſchen Stiles = 
Italien zu bejeichnen jind. Wabrend der Siqnoren- 
palaft von Floren; (Palazzo vecchio) umd der dor 
Siena, beide dem 13. und 14. Jahrb. angebdrig. nod 
als ſchwere, burgähnliche Maſſen eridheimen . zeichnet 
ſich die Loggia dei Lanzi in Floren; durch edie, wür 
dige Berhaltnifje aus. Sehr bedeutend ijt ferner de 
Borje (Loggia dei mercanti) zu Bologna. Yn dn 
dffentlicden Ralajten einiger lombardiider Stadte, wir 
Como, Cremona, Piacenza, entiwidelt fich eine an 
ziehende Deforation, bei der romanifde und arabride 

lemente mit Glück benugt find. In reicher Bradt 
moderne Formen ziemlich harmoniſch mit jemem des 

otiſchen Stiles verſchmelzend, erſcheint auch die Rai 
Rabe Des 1456 geqriindeten fogen. großen Hofpitals 
ju Mailand. Bor allem jedoch erhalten die Faſſaden 
der Paläſte von Venedig tn dieſer Periode cine ebenio 
dharafteriftijde wie anmutvolle Gejtalt, unter denen 
als cing der reidjten, aber nod ſchweren und minder 
entwidelten Beifpiele der gegen die Mitte des 1.4. Yabrd. 
— Dogenpalaſt zu nennen ijt. Zierlicher tit cine 

eihe von meiſt aus jüngerer Zeit herrührenden Kri⸗ 
vatpaläſten am Canale 
Foscari, Piſani, Sagre 
zuheben ſind. 

In Spanien und Portugal ſcheint ſich der go 
tiſche Bauſtil im ungleich erer Reinheit erhalten 
ju haben als in Italien, doch fehlt es im einzelnen. 
wie in der ſpaniſch⸗ romaniſchen YW. aud nicht an Ein⸗ 
flüſſen des mauriſchen Bauſtils. Bei der Kathedrate 
von Burgos (1299) finden ſich Pfeiler angewendet. 
die ganz aus Halbſäulen als Gurttriger zuſammen⸗ 
geſetzt find (Tafel IX, Fig. 3). Ein reidjes und glan- 
* Außere entfaltete ſich an der Rathedraie zu 

reelona (angeblich 1217 gegründet), deren Fats 
fade 1442 durch zwei Meiſter von Ridin, Johann und 
Simon, angelegt worden fein foll. Bu den ſpaniſchen 
Kirchen dieier Beriode gehören die Kathedrale vor 
Seqovia, deren Außeres ziemlich maſſenhaft erſcheint. 


De, worunter Die Ralaite 
und die C4 Doro bervor- 


Architeftur (Renaijjance). 


von Sevilla, ———— glänzender Faſſade, die 
Kirche de los Reies gu Toledo (1494 — 98) und die 
Kirche des Dominilkanerkloſters zu Valladolid, deren 
Faſſade aber bereits eine wüſte Ausartung zeigt, in⸗ 
dem die verſchiedenartigſten gotiſchen und mauriſchen 
Formen bunt durcheinander gewürfelt ſind. Unter 
Den Arkaden der Kloſterhöfe finden ſich mehrfache Re- 
miniszenzen an die mauriſche Kunſt. An öffentlichen 
ſtädtiſchen Bauten, wie an dem Rathaus von Barce- 
fona und an der Börſe von Valencia, entwidelt fid 
ein nidjt minder anſprechender Deforationsftil. Dic 
edeljte und regelmäßigſte Ausbildung des gotiſchen 
Bauſtils auf der geſamten Pyrenäiſchen Halbinſel 
tritt uns in der Kirche des Kloſters von Batalha in 
Portugal entgegen, in deren Innerem, den beſten 
deutſch gotiſchen Bauten wenigſtens naheſtehend, ein 
vorzüglich reines Syſtem ſich entwickelt. 

Die Architektur der Menaiſſanee, des Barock⸗ und 

Nokokoſtils. 

Die neuere oder Renaiffancebaufunft, die 
in ihren letzten Uusliufern bis in unjre Tage hinein- 
reidjt (Tafel X, XI u. XID), beruht auf der Wieder- 
aufnahme der antifer, und zwar vorzugsweiſe der 
römiſchen Bauformen, die ſich der erwadjenden hijto- 
rifd)- wiſſenſchaftlichen Richtung zunächſt darboten. 
Die Wiege der neuern A. ijt Italien, deſſen Werke 
faſt ausſchließlich das Vorbild für die übrigen Länder 
blieben. Die erſte Blütezeit dieſer A. beginnt etwa um 
die Mitte des 15. Jahrh. Die Bauten dieſer gewöhn⸗ 
lich als Frührenaiſſance bezeichneten Periode find 
von einem friſchen Lebenshauch beſeelt, der ihnen ein 
eigentümlich anziehendes Gepräge verleiht. Man be- 
milht ſich, mit Selbſtändigkeit die klaſſiſchen Formen 
aufzufaſſen und ſie mit beſonderer Rückſicht auf das 
von den antiken Gebäuden abweichende Ganze aus— 
zubilden, während fic) ſpäter das Ganze vielmehr dem 
als Prinzip aufgenommenen antifen Syſtem fügen 
muß. Ym Vordergrunde dieſer Kunſtperiode ſteht die 
Palaſtarchitektur. Die baulichen Maſſen werden fraf- 
tig und großartig zuſammengehalten, ohne daß ſie ſich 
durch eine aufgeklebte Scheinarchitektur zu etwas an⸗ 
derm geſtalten, als was ſie ſein ſollen; aber da, wo 
die Maſſen ſich naturgemäß in einzelne Teile ſondern, 
namentlich an den Offnungen der Fenſter und Türen, 
entwickelt fid) cine bewegtere Gliederung, wozu die 
Formen der antilen Runjt mit Geijt und Gefdmad 
verivendet werden. Bei den firdliden Monumenten 
fonnten die antifen Borbilder nicht ausreichen, wes- 
halb diefe Bauten weniger Bedeutung erlangten. Die 
beſſern, die der erjten Sailfte des 15. Jabrh. angehi- 
ren, geigen cin Zurückgehen auf die einfache Bafilifen- 
form. Später erfdeinen Gewölbeanlagen nach rimi- 
ſcher Urt mit maſſigen, durd) Pilafter befleideten Pfei— 
fern oder mit Kuppeln in der von den Byjantinern 
erfundenen form. Die Bautitigfeit Italiens im 15 
Jahrh. fam gu befonders charalleriſtiſchem Ausdruck 
in einigen Hauptitddter, von denen Florenz zuerſt 
gu nennen ijt. Als Beqriinder der dortigen VW. tm mo— 
dernen Girne gilt Filippo Brunellesdhi (1875— 
1444), bon dem die koloſſale Ruppel, mit der die Chor- 
partie des Domes von Florenz bededt ijt (ſ. Tafel 
»Baujtile H+, Fig. 40), die beiden Kirchen Gan Lo- 
rengo und Gan Spirito und der Palaft Pitti da- 
jelbjt (deffen Oberbau und Hof aber erjt {pater aus- 

efiihrt wurden) berrithren. Der Burgdarafter die- 
3 Palajtes bleibt fiir geraume Zeit der Typus der 
florentinijden Paläſte. Die folgenden Architelten qa- 
ben der rohen Anlage sugleid) das Gepriige fiinjtle- 
riſcher Würde und Shinbeit, indent fie durch ange 

Meyers Ronv.«Leriton, 6. Aufl., 1. Bd. 


721 


mefjene Geftaltung der großen Werlſtücke (der Boſſa— 
gen), aus denen die Ralajte aufgefiihrt wurden, durch 
ein fraftig abſchließendes und frinendes Hauptgeſims, 
durch jierlidje Füllung der Fenjter cine ebenſo mar- 
fige wie gefillige Gliederung des Außern ergielten, 
wofiir als wichtigſte Beifpiele der Palaſt, den Miche— 
10330 Michelozzi fiir Cofimo Medici baute (jest Balajt 
Riccardi), fowte der von Benedetto da Wajano 1489 
begonnene und von Simone Cronaca 1533 beendete 
Palajt Strogzi zu Floren; (Tafel X, Fig. 1) gu nen: 
nen find. Whrlide Paläſte finden fic) in Siena; be- 
jonders bemerfensiert und den genannten villig ähn⸗ 
lid) ijt unter Diefen der Palaſt Piccolomini (beqonnen 
1469), Der vermutlich von dem Florentiner Bernardo 
Roffellino herrührt. Unter den iibrigen florenti- 
nifden Urdhiteften der Zeit find hervorguheben: Wiu- 
liano Da Majano und Leo Vattijta Ulberti (1398 
bis 1472), der zuerſt mit einem gelehrten Studium 
des klaſſiſchen Altertums hervortrat. 

Die venezianiſchen Paläſte dieſer Zeit zeichnen 
ſich, im Gegenſatze zu dem imponierenden Ernſt jener 
von Tosfana, durch eine eigentümliche Leichtigkeit und 
Eleganz und durd) cine bejondere Weife der Defora- 
tion aus, die, aus byzantiniſchen Vorbildern erwach⸗ 
fen, in einem mufivifden, aus verſchiedenfarbigem 
Stein gebildeten Schmuck bejteht, der in das Mauer- 
wert der Faſſaden eingelaffen ijt. Die firdliden Ge- 
biude, im Innern bedeutend, nehmen in der Gejtal- 
tung ihres Außern an diefen Anordnungen teil. Un— 
ter den venezianiſchen Paläſten dieſer Periode find als 

uptbeijpiele gu nennen: der Palaſt Piſani a San 

olo, die Balajte Ungaran (oder Mangoni) und Da- 
rio, Der als Werf des Pietro Lombardo geltende Pa— 
lajt Vendramin Calergi (1481), der Palajt Corner 
Spinelli, der von Guglielmo Bergamasco 1525 er- 
baute Balajt dei Camerlenghi und die am Markus— 
play gelegenen, von Bartolommeo Buono erbauten 
alten Profurazien. Unter den firdhliden Gebäuden 
find hervorzuheben: San Zaccaria (1457); die Scuola 
di San Marco, erbaut von Martino Lombardo( 1485); 
die Scuola di San Rocco, feit 1517 von Bartolom- 
meo Buono u. a. erbaut. Von dem gelehrten Urdi- 
teften Fra Giocondo aus Verona riihren der Fondaco 
dei Tedeschi gu Venedig und der Ratspalajt (Palazzo 
del Consiglio) gu Verona ber. 

Mit dem Unfang de 16. Jahrh. beginnt in der 
Behandlung der antifen Bauformen eine größere fri- 
tiſche Strenge herrſchend gu werden, verwandt mit den 
zuerſt bei dem Florentiner Wiberti hervorgetretenen 

ejtrebungen, wodurd) zwar jest im allgemeinen eine 
gewiſſe äußere Reinheit des Stiles erreicht, zugleich 
aber jene lebensvollere Phantaſie beſchränkt wurde, 
die Die Mehrzahl der Werke des 15. Jahrh. durch— 
drungen hatte. Rom ward für jetzt der bedeutſamſte 
Mittelpunkt der italieniſchen A. Der erſte für dieſen 
Umſchwung der architektoniſchen Richtung GGoch— 
renaiſſance) vorzüglich tätige Meiſter iſt Bra— 
mante (1444—1514). Seine Mailänder Bauten 
tragen nod) ganz das anmutige Gepräge, das die ober⸗ 
italieniſche A. aus der ſpätern Zeit des 15. Jahrh. 
auszeichnet. Später ging Bramante nad Rom, wo 
ihn die unmittelbare Nähe der altrömiſchen Monu— 
mente zu einer ſtrengern Nachahmung ihrer Formen 
angetrieben zu haben ſcheint. Unter den Werfen der 
Frührenaiſſance nimmt die Faſſade der Kartauſe 
von Pavia von Ambrogio Borgognone eine hervor— 
ragende Stelle ein. Dem Bramante nahe verwandt 
ijt Baldaſſare Peruzzi (1481— 1537), der in Rom 
mehrere Paläſte und Villen erbaute, darunter die 

46 


722 ArchiteFtur 


fogen. Farnefina (j. d.). Bedeutendere Nadhfolger 
Bramantes in Rom waren Untonio da Gangallo 
der jiingere aus Florenz (geft. 1546), der Erbauer des 
Ralajtes Farnefe, und Pirro Lig orio (geft. 1580), 
der bemiiht war, ſich villig in den Geijt des klaſſiſchen 
Altertums gu verjenfen, wovon die in den vatifani- 
iden Garten belegene Villa Pia Zeugnis gibt, die als 
das zierlichſte und anmutvoll{te Beiſpiel antifer Villen⸗ 
arditeftur erjdeint. Cine durdaus abweidende Rid- 
tung entwickelt ſich in der italienifden UW. durch die Be- 
jtrebungen Midelangelo Buonarrotis (1475— 
1564), Der im Gegenfage gu den frühern Meijtern, die 
mit naiver Anmut in den Formen der Untife ſich be- 
wegten, im Gegenjak aud gu feinen Zeitgenoſſen, 
die dieſe Formen mit qewiffenhafter Treue fejthielten, 
fie bei Dem Bau der Peterskirche in Rom (Tafel X, 
Fig. 2—4) nad jeiner genialen Willfiir umjugeftalten 
und fomit den Wusartungen der Folgeseit das Tor gu 
djfnen beginnt. Die Schüler Midelangelos abmten 
Den arditeftonifden Geſchmack ded Meijters mit mehr 
oder weniger Treue nad. Gleichwohl fand diefe will- 
kürliche ortega gare Der UW. in Den nächſten 
Jahrzehnten nad Vichelangelos Tod nod) wenig An— 
hanger. Go bielt unter den jiingern Zeitgenoſſen die- 
ſes Meiſters zunächſt Vignola (1507—73) ftreng 
an Dem Studiunt de klaſſiſchen Ultertums fejt. Gein 
Hauptbauwert ijt das Schloß Caprarola auf dem BW 
von Rom nad) Viterbo. Gleichzeitig mit Vignola un 
im verwandter Richtung mit ihm bildete fich in Rom 
Galeazzo Aleſſi (1500 —1572) aus, dejjen in Genua 
aufgeführte Paläſte weniger durch ihre Faſſaden als 
durch die Anordnung der innern Räume, namentlich 
der Vejtibiile, Höfe und Treppenhallen, ausgezeichnet 
find, woran aud die ſpäter in Genua tätigen Urdi- 
teften, 3. B. B. Bianco (gejt. 1656), in dem Palaſt 
der jebigen Univerſität (Tafel X, Fig. 6) fejthielten. 
Andre 5 ape ig ee gewahrt man bei den Ar⸗ 
chitelten, die im 16. Jahrh. im venezianifden Gebiet 
beſchäftigt waren. Unter den frithern Meiftern find 
Midele Sanmideli von Verona (1484 — 1559) 
und Jacopo Sanfovino (1479—-1570), Erbauer 
der Vibliothef von San Marco in Venedig (Tafel X, 
Fig. 5), gu nennen, deſſen Nachfolger Undrea Pal - 
ladio von Vicenza (1518—80) der gefeiertite und 
cinflupreichjte Meijter der modernen A. war. Wilent- 
halben wurde nod) lange nad) feinen Riſſen gebaut, 
und nod) mehr ficjerte er fid) diefen nachwirfenden 
Einfluß dDurd das von ihm verfaßte Lehrbud der A. 
Die bedeutenditen feiner Nachfolger in Venedig waren 
Vincenzo Scamozzi und Baldaſſare Longhena. Ver— 
wandte, doch nicht zu derſelben Konſequenz geſteigerte 
Beſtrebungen zeigen in jener Zeit: Bartolomimeo Ama— 
nati zu Florenz (1511—92), Bollender des Palaſtes 
Pitti und Erbauer der Briide Santa Trinita, Dome: 
nico Fontana zu Rom (1543 —1607), Erbauer des 
neuen Lateranpalaftes, u. a. 


Der Vegriinder der Ridhtung des architeltoniſchen 


Geſchmacks, die das 17. Jahrb. charafterifiert, war 
Midelangelo. Jom fam es vor allen Dingen dar: 


auf an, durch die Gewalt feiner Werke gu imponieren, | 


Durch kühne und iiberrajdende Rombination den Be- 
ſchauer mit Staunen und Verwunderung ju erfiillen, 
ohne auf die Reinheit, auf die innerlide Notwendig 
feit Der Wittel, die er gu foldhem Zweck anwendete, 
Rückſicht zu nehmen. vies Streben ward in aus 
gedehntem Maß um den Begin des 17. Jahrh. auf 
qenommen; die arditeftonifden Werke diefer Beriode 
haben einen gewiſſen pathetifden Schwung, der oft 
Wrogartigfeit des Sinnes verrit, oft aber aud) in 








(Barodftil). 


abenteuerlidhen und iibertriebenen Formen fic ergeht 
und mit Hoblheit des Gefiihls verbunden iſt Barod 
jtil). Charakteriſtiſch hierfür find die sur Fortiegung 
und gur glänzendern Gejtalting des Baues der Be 
tersfirdhe von Rom ins Werk gefepten Bauten von 
Carlo Maderna (1556—1639) und Lorenzo Ber 
nini (1589—1680). Arbeitete der letztere und jeime 
Mitjtrebenden tm allgemeinen auf Großartigkeit dee 
Eindrucks hin, fo trat thnen eine andre Richtung gegen 
über, die nur durd phantajtifde und launendefte 
Rombinationen ju wirfen ftrebte. Das Haupt Meier 
Partei war Francesco Borromini (1599 — 1667), 
der Nebenbubler Bernini’. Wiles Geradlinige im den 
Grund⸗ und Wufriffen femer A. ward foviel wie mig 
lid) verbannt und durch Kurven der verfdjicdeniten 
Urt, durch Schnörkel, Schnecken u. dql. erjegt; dex 
Hauptjormen entzog er die geſetzmäßige Bedeutung 
während er die untergeordneten, mehr fiir die Defo 
ration bejtimmten Nebenformen mit villiger Willfir 
al8 die wichtigſten Teile des Ganzen behandelte. lin 
ter den Nachfolgern des VBorromini, die im einzelner 
Defjen Willfiir noch zu überbieten wußten, find Ga. 
feppe Sardi und Camillo Guarini (befonders in Tx 
rin tatig) hervorgubeben. Im 18. Jahrh. machen fd 
in der ttalienifden UW. Bejtrebungen bemerklich, dee 
u einer ftrengern Formenbehandlung zurückführen 
od) bereiten jie feine neue geijtige Entwidelung vor. 
Die bedeutendjten Meijter diejer Beit find Filivpe 
Juvara (1685-1735), der unter anderm die Superge 
bei Turin baute, und Luigi Banvitelli (1700 — 1773), 
der Erbauer de3 Schlofjes Caferta bei Neapel 
—— Italiens blieb bei ben chriſtlich olziden 
taliſchen Völlern der gotiſche Bauſtil bis in das 16 
Jahrh. hinein allgemeim in Un ung. Obmobl de 
Renatffance hier ſomit erjt beträchtlich fpater eingeführi 
wurde, fo gibt fid) dod) bereits an den Monumenter 
des gotiſchen Stiles, die Dem 15. und dem Virrfang 
de8 16. Jahrh. angehören, ſehr häufig cine Behand 
lungsweiſe kund, die, ohne ae cine Gemeinidett 
mit dem Formenpringip der Antike gu verraten, alg 
cin Ausdruck de8 neuern Zeitgeiſtes ju betrachten i 
der in der Riidfehr gu einer grdpern Maſſenwirkung 
und gu dem Geſetz der Horigontallinie und den bier 
von abbiingigen iy a ies bejteht. Durd cine 
folde Richtung des künſtleriſchen Gefühls war aud 
hier die Ginfiprung der antifen Formen vorbereitet. 
Die von Stalien aus feit dem Unfang des 16. Jahrt 
erfolgte. Willig und felbjtindigqer ‘Broduftion ent 
jagend, nahm man die Grundjage an, Die die ite 
lieniſchen Meiſter in ihren Werken aufgeſtellt Hatten. 
Beſondere Eigentümlichleiten begegnen uns in der 
neuern A. außerhalb Italiens vornehmlich mur dx. 
wo die antiken Bauformen in den Zeiten ihrer erſten 
Einführung nod in einen gewiſſen Konflikt mit de: 
ältern einheimijden Bauweiſe traten. Hierdurd find 
manche interefjante Schdpfungen entitanden, die zu 
weilen fogar nod) an den Charatfter der italienifden 
Werke des 15. Jahrh. erinnern. Frantreid nament 
lid) beſitzt manche bezeichnende Werke folcher Art in 
der A. verſchiedener Schlöſſer. Die fiinftlerifden Un 
ternehmungen des Königs Franz J. (1515—47) ver 
ſchafften hier dem neuen Stil ſchnellern und leichtern 
Eingang als in andern Ländern. Die vorzüglichſten 
franzöſiſchen Architekten, die in ſeiner und der madhit- 
folgenden Zeit tätig waren, find: Jean Bullant (Saiok 
von Ecouen, um 1540), Pierre Lescot (die Altern Teile 
ded Louvre, vollendet 1548) und Philibert Delorme. 
In der erjten Halfte des 17. Jahrh. trat befonders 
Jacques de Broſſe hervor, von dem der dem floren- 


Architektur (Barod- und Rokoloſtil). 


tiniſchen Palaſtſtil nadgebildete Palaſt Lurembourg 
in Paris herrührt. Derſelben Zeit etwa gehört der 
Beginn der Fortſetzung des Lescotſchen Louvrebaucs 
durch Jacques Lemercier (geſt. 1660) an (Tafel XI, 
Fig. 6). Unter den umfaſſenden Bauten, die in der 
jpatern Zeit des 17. Jahrh. unter Ludwig XIV. ent: 
jtanden, tritt am meijten die von Claude Perrault 
ausgefiibrte Hauptfafjade des Louvre mit emer mäch— 
tigen Säulenhalle vor den obern Geſchoſſen hervor, 
wahrend das von J. H. Manſart, dem Erjinder der 
nad ihm benannten Dadform, gebaute Schloß von 
Verſailles bejonders dadurch von Bedeutung gewor- 
den ijt, daß es auslindifden, namentlid) deutſchen, 
Architelten als Vorbild diente. Die franzöſiſchen Ur- 
dhiteften des 18. Jahrh. erſcheinen durchweg, wie die 
leichzeitigen Staliener, ſehr nüchtern; nur Jacques 
rinain Soujflot(1713— 81), der in feinem Kuppel⸗ 
bau der Kirche Ste.- Genevieve (de3 heutigen Pan— 
theons) ein bei vielen Mängeln dod) grofartiges Werk 
zu ftande bradjte (Tafel , wig. 6) und ſich guerjt 
wieder an Die reinern Formen der Untife anſchloß, 
verdient unter ihnen ausgezeichnet gu werden. Die 
Frangojen nahmen iibrigens die Stilbeqriffe Renaij- 
jance, Barod und Rofofo erjt nad) dem Vorgang der 
Deutiden an. Gewöhnlich bezeichnen fie die Stil: 
wandlungen ifrer neuern A. nad den Regenten 
und unterfdeiden einen Stil Francois I, Henri I, 
Vouis XII, Louis XIV, Style Régence, Louis XV 
und Louis XVI. 
In Spanien fand die Renaiffance ebenfalls be- 
reits im der erjten Hälfte des 16. Jahrh. Cingang. 
Unter Karl V. ward hier unter anderm als cin Ge- 


biude von italienifder Form der (unvollendete) Pa⸗ 


lajt neben der Wihambra von Granada, nad den 
Plinen Maducas, erbaut, dejjen trodner Ernjt gu der 
jpielenden Bradt des maurijden Königsſchloſſes einen 
charalteriſtiſchen Gegenſatz bildet. Bedeutenderes ge: 
ſchah im der zweiten Hilfte de3 16. Jahrh. unter Phi— 
lipp II., der das Escorial (Klojter und Kirche San 
Lorenzo und Palajt zujammen) von 1563—84 durd) 
Quan de Toledo und Juan de Herrera errichten lie}. 

Sn England fam der moderne Bauſtil nidt vor 
dent Unfang des 17. Jahrh. zu einer durdgreifenden 
Anwendung, obwohl feit der Mitte des 16. Jahrh. 
vereingelte Bauwerfe, namentlich Schldjjer und Land- 
jibe, auftreten, an denen die Elemente ded neuen Sti- 
les, wenn aud) mehr deforativ, neben den alten goti- 
ſchen Grundformen erjdeinen. Cin Beiſpiel dafiir ijt 
Cobham Hall (Tafel XI, Fig. 3), deffen Renaiffance- 
teile Dem Ende des 16. Jahrh. angehiren. Der italic: 
niſche Stil wurde vornehmlich durd) Inigo Jones 
(1572 — 1652), einen Nachfolger VPalladios, eingeführt. 
Der königliche Palaſt zu Whitehall, ein Teil —* Ho⸗ 
ſpitals von Greenwich bei London u. v. a. rühren 
vor ihm ber. Der bedeutendſte der modernen eng- 
liſchen Architekten ijt Chrijtopher Wren, der von 
1675—1710 den Neubau der Paulsfirde zu London 
ausfithrte. Wud) in England fpridt man nad den 
Regenten von cinem Elizabethan Style, Jacobean 
Style, Stil der Königin Unna x. In den Rieder: 
landen ijt vornehmlich Jakob van Campen (geit. 
1658), der Erbauer des großen Rathaufes von Am— 
jterdDam, gu nennen. 

In Deutfdland entitanden bereits feit der Mitte 
des 16. Jahrh. manderlei Bauanlagen italienijden 
Stiles, wie der Otto Heinrich-Bau des Heidelberger 
Schloſſes (Tafel XI, Fig. 1). Dod) wußte fid) der 
deutſche Geijt die antife Deforation bald fo vollſtändig 








723 


priige gu geben, dak fid) die deutſche Renaiffance 
als jelbjtandiges Glied aus der allgemeinen Renaif- 
fancebewegung herausldjte und namentlic) in der 
deforativen Gejtaltung der Bauwerfe, die meijt ihre 
gotijdhe Grundform bebielten, und im Kunſtgewerbe 
gu reigvollen und fiinjtlerijd) wertvollen Schöpfun— 
en —— die erſt in neuerer Zeit ihre richtige 
ürdigung gefunden haben. Neben den fürſtlichen 
Schlöſſern erſtanden vorzugsweiſe in einer großen 
Anzahl von Rathäuſern glangende und ſtattliche Denk⸗ 
mäler, die ſich je nach der geiſtigen Richtung ihrer 
Schöpfer bald oe an ttalienijde Vorbilder an- 
jdlojjen, wie 3. B. die elegante Vorhalle des Rathaufes 
ju Köln (Tafel XI, Fig. 2), teils die Formen des 
nationalen Giebelbaues fejthielten und ibnen die 
fremdländiſche Deforation unterordneten, wie 3. B. 
das Rathaus zu Paderborn (Tafel XI, Fig. 5). Bu 
Unfang des 17. Jahrh. erfreute ſich der nad) italie: 
niſchen Muſtern gebildete Elias H oll von Augsburg 
eines befondern Ruhmes; er führte dort 1602 das 
Zeughaus (Tafel XI, Fig. 4) und 1615—20 das 
Rathaus auf. Geidseitig (1616 —19), ebenfalls mit 
Unwendung de3 italienifden Stiles, ward das Rat- 
haus gu Nürnberg durch Eudjarius Karl Holz— 
ſchuher erbaut. Zu den kraftvollſten Bauten aus 
dem Ende des 17. und dem Anfang des 18. Jahrh. 
geboren das wabhrideintid) nad) cinem Blane des 
Franzoſen Blondel 1694 von Nehring angefangene 
und von Joh. de Bodt vollendete Zeughaus ju Ber— 
lin (Tafel XI, Fig. 2) und die Teile des dortigen 
königlichen Schlofjes, die Undreas Schlüter in * 
Jahren 1698—1706 erbaut hat (Tafel XII, Fig. 3). 
Schlüter, der größte Künſtler feines Beitalters, na- 
mentlid) in Der Sfulptur, ſtrebt in feinen Architekturen 
ebenfalls nad) einer lebendig malerijden Wirtung, 
verliert aber dabei ebenjowenig die fraftvolle Ge— 
jtaltung des Cingelnen wie den fejten und maſſen— 
haften — des Ganzen aus dem Auge. Als be— 
deutende Zeitgenoſſen Schlüters ſind Joh. Bernhard 
Fiſcher von Erlach, deſſen Hauptbau die 1716 be— 
gonnene und 1737 beendete Kirche St. Rar! Borro- 
mius gu Wien ift (Tafel XI, Fig. 5), ferner Johann 
Balth. Neumann, der von 1720-—44 Ddie fiirit- 
biſchöfliche Reſidenz zu Würzburg erbaute, und G. BW. 
v. — zu nennen, von dem die bedeu— 
tendſten Bauten, die Friedrich II. König von Preußen, 
in den frühern Jahren ſeiner Regierung zu Berlin 
und Potsdam ausführen ließ, herrühren. 

Die von Schlüter vertretene Richtung der deutſchen 
UW. entſpricht in ihrem Stilcharakter im allgemeinen dem 
italieniſchen Barochſtil, der ſeit der Mitte des 17. Jahrh. 
durch italieniſche Urdhiteften vornehmlich in den katho— 
liſchen Ländern Deutſchlands und in Oſterreich in 
Aufnahme fam. Beſonders reid) an Schöpfungen des 
Barodjtils (Nirden und Paläſten) jind Wien, Brag 
(jf. den Balaft Cyernin auf Tafel XU, Fig. 1), Salz— 
burg, Innsbruck, Bamberg, Miinden und Maing. 
Gegen dieſen italienifden Barodjtil erhob fich feit Dem 
Ende de3 17. Jahrh. mehr und mehr der Einfluß der 
franzöſiſchen A., der ſchon im zweiten Jahrzehnt des 
18. Jahrh. auch in Deutſchland zur Herrſchaft kam 
und zu der unter dem Namen Rokoko bekannten, 
eigenartigen Ausbildung gelangte. Das Rofofo ijt 
fein eigentlicher Architektur⸗, ſondern cin Deforations- 
ſtil. Es ſetzt an die Stelle der prunkvollen Säulen— 
ausſtattung und Gebälkarbeit römiſcher Herkunft ein 
iippiges Geranfe von Muſcheln und Schlinggewäch- 
jen, von Palmen und gebogenen Leijten, fiir deren 


anzueignen und ifr ein fo entſchieden nationales Ge- | Zuſammenſtellung nur leidjtes Geringel und flache 


46* 


724 
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Mernt stiles au — worden, m tenen aber auf 
ber ernen Sete niche eine Autnaboe Ser Auberitch 


fertesr eies Sales, aut der andern Zerte ere Umbil 
bing noth emer mehr tlaittichen Formenwerie erũcht 
Ivh mrt, melrend enyelne deutiche Architeften ſtatt 


ierner zu bem romoaniden Bauinl juridaeqritien ha 
her a ieien veri-trebenen Entwickelungsitufen ber mo: 


bernen MH folate tet ber Mitte Ber IHtwer Sabre, wie 
ber alt Meaftiom geqen ben allmablich zu feerem For: 
menmeien eritarrien Zhintelihen Klaffizismus, eme 
Prrtohe hes Efleftizramus, in der alle Erſcheinungs⸗ 
formen hes Henaimanceituts bid gu fermen legten Mus 


Mecineeftrr: | rene. 


Tacediet gurter. Dalrent im wintextan perder 
Tt ser fray ox manniae ono ponies Slaper 
ut errant retameate. Shed woes reer Efectos 
tu stam et hem Seq der het Jance des 
‘% Senn. me @eqenoeueqng, we amen miieien 


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Ger Roane Semniart Sette. cher tome meter me der 
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hictem moet ok deat vearriaaagedãtde umd Mer. 
Monn canes Se\vnradaes jx icanfen tm ſrande 
wer. Lee dee neuer Siveuserctelboutes Sim: 
fend 2? tes owe Nacdees vot Hau berrijier. 
Yet om Nemcctumer! erbemte Sciedanfem rem 
cher. der (act wpeiet vor At. Thiecſch 
es SDenr*ae Ratwmssuieum vom G. Seidl, mes 
meus Deter inde owe fPrtimaenn wed Yittmern 
mvGreve “clo ae Brus von © Hededer und H. 
Srditel hercocqubeter Uber he wettere architeho 
mv Gatandvuume Yiicuberd, wo fb Der —— 
KStung peers eure sisterme entgegengeitellt gat, 
— Eiienlode set. 1853) bat in ben God. 
im Der beltrden Foerbebr, aomentl) an den 
—“ pon Hadeiderg, ateaburg und Sarizrube. 
Den rowan ool wieder zu erwecen und unjern 
— Hm anqupanen gewußt. wãhrend Hi did 
‘qe. 1553) in Rarigrube, Der m dem Theater ye 
garisrube, der Trinfhalie in Baden: Baden und der 
Runirdule zu Marisrube ieme beiten Letitungen bun 
terichen bat, die altchriftliche und romantide Bauart 
wetter zu entwickeln itredte. Qn neuciter Feit tit Paris 
rube ebenfalls den verichedenen Richtungen gefolgi. 
die etmander tn der Herrſchaft abgeldit baben. Dre 
hervorragenditen Sertreter Der modernen, auj der ita 
lientichen fukenden Rengiſſance jmd J. Durm und 
©. Barth. Cmer freterm Verwendung antiler Fer 
men verdant die Stuttgarter Schule den Fortidbritt 
zu einer edien Renaijjance, wovon der Königsbau und 
die Billa bei Berg von Leins, Egles Polytechmi- 
fum und Stutigaris Frivatbauten Beiſpiele darbreter. 


Tai. 


“eee 





Ardhiteftur (19. Jahrhundert). 


725 


Unter den Leiftungen der neueften Zeit find da3 Poſt- Im Privatbau, befonders dem ländlichen, zu deſſen 


ag von Tritſchler, der Bahnhof von Mor- 
od, das Gefellfdaftsgebiude der Mufeumsgefell- 
idaft von Reinhardt, die Billen und Privathiu- 
fer von Gnauth, das Landesgewerbemufeum von 
Ne delmann, mehrere monumentale Geſchäftshäuſer 
von Eiſenlohr und Weigle und der Olgabau von 
Lambert und Stahl gu nennen. 

Die baulide Cntwidelung Wiens, die bis 1848 
unter dent Drud einer baubureaufratifden Realtion 
geftodt hatte, datiert von dieſem Jahr, in dem der 
Schweizer Urditeft Miller aus Wyl, Zieblands Schü— 
ler, durch den in den italienifd-deutiden Formen des 
romaniſchen Stiles bewirften Bau der Ultlerdhenfelder 
Kirche cine erjte Unrequng gum Fortfdritt gab. Jor 
folgte der Bau der neucn S nagoge im maurifden 
Stu von Forjter und ded ters rtilleriearfenal3, 
das aus den Ronfurrengplinen der Urditeften Han- 
fen, Förſter, Rdsner, Siccardsburg und van der Nüll 
fombiniert war. Von diefen Urchiteften hat bejonders 
Hanſ en (ae. 1891) dDurd) den Renaiffancepalajt Erz— 
herzog Wilhelms, den in dem Heinrichshof vereinigten 
—— Komplex von Miethäuſern, das Parla— 
ag dude und dic Ufademie der bilbenden Künſte 
fiir Wien Epochemachendes geleiſtet. Während das 
von Giccardsburg und van der Rill errichtete neue 
Opernhaus fic) in den Formen der Spiitrenaiffance 
bewegt, hat Heinrid) Ferjtel (gejt. 1883) im der Vo— 
tivfirde cin edles gotiſches Bauwerk, in dem Bank— 
und Borfengebiude und der Univerfitat, imponierende 
Bauten im Stil der florentinijden Paläſte geſchaffen. 
Unter den ftrengern Gotifern ijt vor allen Friedr. 
Sd midt (geft. 1891) mit feiner Lazarijtenfirdye (1860 
bis 1862), ſeinem afademijden Gymnaſium (vollendet 
1867) und dem im Stil italieniſcher Gotif ausgefiihr- 
ten Rathaus i nennen. Auf feinem Gebiet war er 
cin trefflicjer Meijter und neben Stag, der zahlreiche 
Rirchen in den Rheinlanden erbaut hat, das tüchtigſte 
lied der kölniſchen neugotiſchen Schule. Der Bau 
Der Hofmuſeen und des Hofburgtheaters nad Ent- 


wiirferr Semper3 von Hafenauer, der Juſtizpalaſt von 


UW. v. Wielemans und der Neubau der Hofburg, von 
Hafenauer begonnen, von F. Ohmann fortgefest, bil- 
den den monumentalen Abſchluß einer Gruppe von 
Bauten, wie fie großartiger und phantafievoller feine 
sweite moderne Grofitadt beſitzt. Diefer Ara ded 

onumentalbaued ijt feit Beginn der Wer Jahre 
de3 19. Jahrh. eine neue Richtung der A. gefolgt, 
die die Bedeutung der biirgerliden Baukunjt qegen- 
tiber der monumtentalen betont und teils im Anſchluß 
an die bijtorijden Formen, teils in unabbhingiger 
Ausdrucksweiſe wirkt. Das Haupt diefer neuen Schule 
ijt Otto Wagner, dem Wien die Hodbauten der 
Stadtbahn verdant. Näheres über die neueſte archi- 
tektoniſche Entwicelung Wiens f. bei Artikel ⸗Wien«, 
mit Tafel »Wiener Bauten<. 

In Norddeutſchland ijt namentlich die Friedenskirche 
zu Potsdam, von Perſius 1850 vollendet, ein glän— 
zendes Muſter des Baſilikenſtils, der auch im Bad- 
ſteinrohbau in Stülers Jakobilirche zu Berlin zur 
Anwendung kam (1845). Stracks etritirthe ijt als 
erjter Verſuch, die Gotif modernen Kirchenbedürfniſſen 
anjupajjen, wenigitens von bijtorijder Bedeutung. 
@enialer — iſt die im romaniſchen Stil erbaule 
latholiſche St. Michagelskirche von Soller. Bu den 
qropenProfanbauten, mit denen Friedrid WilhelmIV. 
die Stadt ſchmückte, qehdrt das Neue Museum von 
Stiiler. Unter der ro von Strad wurde ein 
andrer Teil der Unlage, die Nationalgaterie, errichtet. 


Ausbildung die Straken am Tiergarten und die rei- 
genden Umgebungen Potsdams aufforderten, haben 
Strad, Knoblauch, Hitzig und befonders Perſius Trejf- 
liches —— Von den öffentlichen Gebäuden dieſer 
Periode find ferner das im Backſteinrohbau aufgeführte 
Rathaus von Wäſemann, die im Renaiſſanceſtil er— 
baute Börſe, das erſte in Hauſteinen aufgeführte Ge— 
bäude Berlins, und die deutſche Reichsbankvon Hibig 
hervorzuheben. Die im mauriſchen Stil aufgeführte 
Synagoge von Knoblauch zeichnet ſich ebenſowohl 
durch meiſterhaften Grundriß wie durch die edlen Ver- 
hältniſſe ihres Innern und ihrer originellen eiſernen 
Kuppel aus. Unter den Kirchen der neueſten Periode 
find die byzantiniſche Thomaskirche von Adler, die 
romaniſche Zionsfirde von Orth, die Heilige Kreuz— 
firde von Open, die Kaiſer Wilhelm-Gedächtniskirche 
von Sdwedten, die Gnadenfirde von Spitta und der 
nach einem Entwurf Kaiſer Friedrids von J. C. Raſch— 
dorff erbaute Dom die künſtleriſch hervorragendjten. 
Befonders zahlreich find die Leijtungen auf dem Ge- 
biete des Eiſenbahnbaues, unter denen der Gorliger 
Bahnhof von Orth, der Lehrter und Potsdamer, der 
Unhalter von Schwechten und die Stadtbahnhöfe von 
Jakobsthal bei zweckmäßiger Unlage und fiinjtlerifder 
Durdbildung cine mehr oder minder qelungene Ver— 
bindDung des Steinbaues mit dem Eiſenbau zeigen. 
Die Privatarditettur weiſt eine Fille von Bauten 
auf, die, in dem Charafter eines Palajtes oder einer 
Villa gehalten, meijt ſowohl in Anlage als in Form 
vortretflic find. Auf dieſem Gebiet haben ſich in 
den letzlen dreißig Jahren des 19. Jahrh. neben den 
Meiſtern der ältern Periode, wie Lucae und Gro- 
pius und Schmieden, beſonders Ende und Böckmann, 
Kayſer und v. Großheim, Kyllmann und Heyden, 
von der Hude, Otzen, Cremer und Wolffenſtein, H. 
Griſebach hervorgetan. Eine Spezialität der Berliner 
A. ijt bas nad) amerikaniſchen und engliſchen Muſtern 
eigenartig ausgebildete Warenhaus geworden, wofür 
A. Meſſel einen mehrfach nachgeahmten Typus auf- 
geſtellt hat. Hervorragendes leiſtet die Berliner A. 
aud) im Landhausbau, der in den Vororten Berlins 
Schöpfungen von hohem künſtleriſchen Wert hervor- 

ebracht bat. Uber die neueſte Entwidelung der A. 
Herling, in Der das von P. Wallot entworjfene und 
ausgeführte Reichstagsgebäude (j. Tafel bei » Reidhs- 
taq«), das Landgeridt I von Otto Schmalz und die 
ftadtifden Neubauten von L. Hoffmann, dem Erbauer 
Des Reichsgerichtsgebãudes in Leipzig, Martiteine bil- 
den, ſ. Näheres bet Urt. »Berlin«, mit Tafel » Berliner 
Bauten I-III«.— Unter den Bauwerfen Dresdens 
find Sempers Theater (1841 vollendet, 1869 ab- 

ebrannt, von neuem nad feinem Blan 1872 —77 er- 
Bout) ausgezeichnet zugleich durch die Fülle bedeuten- 
den Schmuckes, fiir welche Plaſtik und Malerei auf das 
freigebigite aufgeboten wurden, und fein Mujeum, der 
Schlußſtein des mächtigen Swingerbaues, hervorju- 
Heber. Mit dem Jahre 1848 erreichte Sempers Tiitig- 
feit vorerjt in Dresden ihr Ende und fand in der 
Schweiz, wo er im dem eidgenöſſiſchen Rolytednifum 
zu Zürich und in dem Rathaus ju Winterthur Bau- 
werfe in edlem Renaijjancejtil ſchuf, und ſpäter in 
Wien ihre Fortiegung (j. oben). Uber die Bauwerke 
der neuejten Zeit vgl. »Dresden«, mit Tafel »Dres- 
dener Bauter«. Leipzig zeigt im Privatbau die Be— 
vorzugung der Renaifjance unter Dresdener Einfluß 
und erfreut fid) im Mufeum des Miindeners Ludwig 
Lange, das 1858 vollendet und feit 1883 durd Lip- 
find und Licht erweitert wurde, eines feinem Swed 


726 
trefflich entſprechenden Gebäudes. Weiteres iiber die 


Leipziger Bautätigkeit in neuerer Zc ſ. Art.»Leipzig«, 
mit —* »Leipsiqer Bauten«. Braunſchweig hat 
durch Ottmer (1831— 36) ein ſchönes, im Renaif- 
jancejtil mit forinthifden Saulenjtellungen erbautes 
Reſidenzſchloß, das ſpäter, teilweije durd) Feuer jer- 
jtirt, in der alten Gejtalt wiederhergejtellt wurde, und 
durch Raſchdorff einin gotifdem Stil erbautes Pojt- 
gebäude erhalten. Die hervorragendjte Leijtung aus 
neuejter Feit ijt die Wiederherjtellung der Burg Dank- 
warderode durch &. Winter. Hannover hat bei be- 
deutendem Anwachs der Bevilferung eine große Bau- 
tiitigfeit entfaltet. Das 1852 eröffnete Theater von 
Laves ijt cin prachtvoll ausgejtatteter Renaifjance- 
bau im Rundbogenjtil; augerdem find Hafes Mu— 
feum (romaniſch) und Chrijtusfirde (gotiſch), das 
Bahnhofsgebäude und das Mufeum der Proving Han- 
nover (1901) von H. Stier als Bauten von hervor- 
ragender Bedeutung zu erwähnen. Unter den dffent- 
lichen Gebiuden Bremen find die im gotifden Stil 
erbaute Birje von Müller, der Babnbor, das Ge⸗ 
richtsgebãude und die Kunſthalle hervorzuheben. Von 
Köln aus, wo der gotifde Stil durch den wieder 
aufgenomimenen Dombau unter Zwirners Leitun 
trejfliche Pflege fand, verbreitete er fic) wieder * 
durch Deutſchland und rief —— Bauten hervor, 
unter denen die Nifolaifirde gu Hamburg von dem 
Engliinder Gilbert Scott, 1863 eingeweiht, und 
bie Kölner Bauten von Stag gu nennen find. Jn 
Sd werin find durd den von Schinkel beeinfluften 
UW. Demmler mehrere Monumentalbauten entitan- 
den 
e 

B librenaiffance erridjtete, von Stüler vollendete 
Schloß die bedeutendjten find. 

Deutſchland zunächſt hinjidhtlid der Bedeutung des 
neuejten architektoniſchen Schaffens ſtehtFrankreich, 
wo Die provinjiellen Eigentümlichkeiten nicht fo wie 
dort hervortreten, fondern Baris allein den Mittel- 
ee aller Broduftion bildet. Auf die ftreng antifi- 
ierende Richtung eines Percier und Fontaine 
folgte die freiere klaſſiſche sg ag des 1867 ver- 
ftorbenen Hittorf aus Kiln, der die edle Baſilika 
St.Vincent de Raul baute, und dem die Vollendung 
Der Anlage der Place de la Concorde ju danfen ijt. 
Unter den Leijtungen der Gotifer, die fajt durchweg 
den früheſten Formen dieſes Stiles ſich anſchließen, 
find Viollet-le-Dues Kirche in StDenis und die 
Kirche Ste.- Clotilde gu Paris von Gau aus Köln 
hervorjzuheben. Bon größerm Erfolg war der An— 
ſchluß an die Renaijjance, wie er ſich namentlich ſeit 
der Rejtauration und Erweiterung des Hotel de Ville 
(nad) der Zerſtörung durd) die Kommune in ziemlich 
engem Anſchluß an den dltern Bau durch Ballu und 
Deperthes wiederaufgebaut) undin Dubans edler 
Schöpfung, der Ecole des beaux-arts, zeigte. Cine 
Ghnliche Richtung verfolgte Visconti, der ſich als 
Meiſter in der Anlage von Denfmalern, wie der Fon: 
tiine St.- Sulpice, der Fontäne Moliere, der Kaiſer— 


qruft unter dem Invalidendom, bewährte und unter | 


Dem zweiten Kaiſerreich Die Plane gum neuen Louvre: 
bau machte. Die öffentliche wie die Privatarchitektur 
Der neuen Stadtviertel kleidet fic) mehr und mehr in 
Die Formen der üppigſten Spatrenaifjance, fo in 
Garniers Neubau der Grofen Oper, in einigen 
neuen Rirden, St.-VWuguitin am Boulevard Males 
herbes (von Baltard) und in Ste.-Trinité Yur hier 
und da bringt die Brivatarditeftur, namentlid in 
Landhäuſern, Beſſeres ju ftande. Cin Verſuch, durd) 


, unter denen das im florentinifden Balajtitil | 
haltene Arſenal und das im Stil der franzöſiſchen 








Architeftur (Gegenwart; Literatur). 


Verbindung von romanijden, mauriſchen und Re 
naifjance-Clementen einen neuen Stil zu ſchaffen, tit 
in Dem 1877 —— für die Zwecke der Weltaus 
ſtellung vollendeten Trocaderopalaſt von Daviond 
und Bourdais gemacht worden, der durch die für 
Die vem abs | vor 1900 erbauten, ftarf mit 
plajtijdem Schmud iiberladenen Munjtpalajte von 
Girault, Thomas, Louvet und Deglane nicht über 
troffen worden ijt. 

Sn England fithrten feit dem Unfang des 19. 
Jahrh. archäologiſche Forjdungen ju einem nod 
reinern und völlig unvermittelten, dafür aber and 
deſto einfeitigern Anſchluß an flaffijhe Borbilder. 
Mit der Zeit hat man fic) der Spatrenaijjance zu— 
gewendet, die man ſowohl bei palaftartiqen Gebauden 
als bei ſtädtiſchen Wohn- und Gefdiftshaufern an- 
wendet. Dancben wird mit Vorliebe, wo es gebt, me 
Gotif, meijt in ihren fpatejten Formen, angewendet 
(Barrys Parlamentshaufer). Der Schwerpunkt der 
englifden Bautiitigteit unfrer Zeit liegt in der Soli— 
dDitdt des Techniſchen, gu der bisweilen eine gefdymod 
volle Behandlung des Ornaments hingutritt. Grog 
artiges ijt eee auf dem gan; modernen Gebicte des 
Glas- und Cifenbaues geleijtet worden, wo der jest 
nad) Sydenham iibertragene Krijtallpalajt der erjten 
Weltausitellung von Parton hervorzuheben ijt. In 
jiingiter Zeit hat fic) in der Privatarditettur cin eigen 
artiger Stil herausgebildet, Der fic) von der Uber. 
lieferung unabhängig zu maden fudt. Hier ijt Ror: 
man Shaw in erjter Linie zu nennen. Cine gleiche 
Bewegung ijt =e in Belgien ju beobadten, wo 
befonders Victor Horta und P. Hanfar in Brie 
hervorgetreten find. liber die hervorragendjten Bau 
werfe Der neueſten Beit enthalten die den betreifenden 
Hauptitidten xc. gewidmeten Vrtifel (nebſt Tafeln) 
nähere Ungaben. Cine Erglingumg der beifolgen⸗ 
den Tafeln »Urditettur I—XIl« bilden die Tatetn 
»Baujtile I und He und -Geſchichte des Wohnhauſes 
I und Ie, : 

[Literatur.] Wit Uberqehung der veralteten Lite 
ratur ijt in erjter Linie als Filhrer ju erwahnen: B. 
Lübke, Gefdhichte der A. (6. Aufl., Leip;. 1884 —s6, 
2 Bde.), mit reichhaltigen Literaturnadweijen; als 
neueſtes Werk die »>Gefchichte der U.e von D. Joſeph 
(Berl. 1902, 2 Bde.). Daneben find Schna aſe, Ge 
ſchichte Der bildenden Künſte (2. Mufl., Diiffeld. 1865 — 
1879, 8 Bde.), und Kugler, Gefdhichte der Barfunit 
(Stuttg. 1856 —59, Bd. 1 —3; fortgefegt von Burd- 
hardt und Liibfe: »Renaiffance in Italien, Fran. 


| reid) und Deutſchland⸗, und Gurlitt: »Geſchichte des 


Barodjtils, des Rofofo und des Klaſſizismus«), die 
Hauptwerfe. Als Leitfaden find aud W. Libfe, Ab— 
riß der Geſchichte der Baujtile (4. Mufl., Leipz. 1878) 
und v. Gaden, Katechismus der Baujtile (14. Uni, 
Daj. 1901) gu empfehlen. Für die A. des Altertums 
ijt Perrot und Chipies, Histoire de l'art dans 
l'antiquité (1881 ff., bisher 8 Bde.), das am größten 
angelegte und inhaltreichſte Werl. Für die Kennt 
nis der griechiſchen A. hat K. Bötticher, Die Tefto 
nif der Hellenen (2. Wujl., Berl. 1869 ff.), lange Seit 
in hohem Anſehen geitanden, das aber Durd die mene: 
ften Forſchungen erjchiittert worden ift; die beſte bau⸗ 
technifche Briifung aller Überreſte der griechiſchen und 
römiſchen A. enthalten: J. Durm, Die Baukunſt 
der Grieden (2. Uufl., Darmft. 1892) und Baukunſt 
der Etruster und Romer (daf. 1885). Für cine Haupt- 
epoche der italienifden VW. liefert O. Mothes, Die 
Baufunit des Mittelalters in Stalien (Gena 1883), 
reidjes Material. Die ⸗Baukunſt der Renaiffance tm 


Architeftur — 


Stalien« hat J. Durm in hiſtoriſcher und techniſcher 
Entwidelung gejdildert (Stuttg. 1902); weiter fom- 
men in Vetradt: H. Holtzinger, Die altchriſtliche 
und bygantinijde Baukunſt (2. Aufl., daſ. 1899); 
. Otte, Gefdhicte der romanifden Baufunjt in 
Dentidland (Leipz. 1874); G. v. Bezolhd, Die Bau- 
funjt der Renaijfance in Deutſchland, Holland, Bel- 
und Dänemark ya 1900); R. Dohme, 
jdichte der deutſchen Baufunjt bis gum Ende des 
18. Sabrhunderts (Berl. 1887); G. Galland, Ge- 
ſchichte der holländiſchen Baufunft und Bildnerei 
(Srankf. 1889); H. v. Geymüller, Bautunjt der 
Renaijjance in Frankreich (Stuttg. 1898 —1902). 
Das Material an bildliden Darjtellungen ijt 
durch die Monographien und Sammelwerfe jo un- 
geheuer angewadjen, dak wir nur die Gammlungen 
erwahnen, die eine Anſchauung von der gejamten 
Entwickelungsgeſchichte der A. —— und von 
den auf einzelne Gebiete bezüglichen Publikationen 
nur die dem neueſten Stande der Wiſſenſchaft ent- 
ſprechenden. Eine allgemeine Überſicht geben: Gail - 
habaud, Denfmiler der Baufunjt aller Zeiten und 
Minder (a. d. Franz. von Lohde, Hamb. 1842 —50, 
4 Bde.); Lübke und v. Lützow, Denfmialer der Kunſt 
(7. Unfl., Stuttg. 1896; neue Bearbeitung 1902 jf.), 
und Seemanns »Runjtgeididte in Bildern« (Leipz. 
1900 -—1902, 5 Bde.). Die fiir einzelne Epochen wich⸗ 
tigjten Sammelwerfe find: Strad, Baudenkmäler 
de3 alten Rom (Berl. 1890); Schafer, Die mujter- 
gilttigen Kirchenbauten des Mittelalters in Deutſch— 
and (daj.1892—1902); Viollet-lesDuc, Diction- 
naire raisonné de l'architecture frangaise du XI. 
au XVI. siécle (Bar. 1854—68, 10 Bde.); Leta- 
rouilly, Edifices de Rome moderne (daj.1840—57) 
u. als Ergänzung dazu: Strad, Baudenfmiler Roms 
des 15.—17. Jahrhunderts (Berl.1891); Reinhardt 
und Rafddorff, Palajtarditeftur von Oberitalien 
und Tosfana vom 15.—18. Jahrhundert. I. Genua. 
If. Tostana (daf. 1882—-88). ILL. Venedig (daf. 
1896 ff); Steqmann und Geymiiller, Die U. 
der Renaifjance in Stalien (Münch. 1887 ff.); Ort- 
wein u.a., Deutidhe Renaiffance (Leip;. 1871—8s8, 
9 Boe.); Frith, Denfmaler deutider Renaijjance 
(Berl. 1891, 3 Bde.); Lambert und Stahl, Motive 
der deutſchen VW. des 16., 17. und 18. Jahrhunderts 
(Stuttg. 188893); Palujtre, La Renaissance 
en France (Bar. 1879 ff.); Abide be Documents 
classés de l'art dans les Pays-Bas du X. au XVIII. 
siécle (Yintwerp. 1880—89); Ewerbed, Die Renaif- 
jance in Belgien und Holland (mit Neumeijter u. a., 
Leip; 1883 —89, 4 Bde.); Uhde, Baudenfmiiler 
in 


in Dänemark (daſ. 1888); >» Monumentos arquitecto- 
nicos de Espafiae (Madr. 1859—79); Junghän— 
del, Die Baufunjt Spaniens (Dresd. 1889 — 92); 
Ubde, Baudenfmiler in Spanien und Portugal 
(Berl. 1892); Dohme, Baroch und Rofofo-V. (daj. 
1892, 3 Bde.); Licht: Die UW. Berlins (daf. 1877), 
WU. Deutſchlands (daſ. 1879-82, 2 Boe.), U. der 
Gegenwart (daj. 1889 — 1900) und A. des 20. Jahr— 
hunderts (daſ. 1901 ff.). 

Bon Lehrbiidern der AU. find hervorzuheben 
das »Handbuch der Baufunde« (Berl. 1887 ff.), von 
dem dre 2. Abteilung die ⸗Baukunde des Architeklen« 
(4. Uufl., daſ. 1885jf.) bildet, und das umfangreide 
Handbuch der A.« (hrsg. von Durm u. a., Darmſt. 
u. Stuttg. 1881 ff.), beide reich illuſtriert; daneben find 
Mothes, Bllujtriertes Baulerifon (4. Uujl., Leipz. 


Architefturmalerei. 


727 


1881—83, 4 Bde.), das » Dictionnaire raisonné d'ar- 
chitecture« von Bose (Par. 1876—80, 4 Bde.) und 
dad »Hodbau-Lerifon« von Sdhinermart u. Stiis 
ber (Berl. 1902 jf.) gu erwihnen. Zeitſchriften: 
» Sentralblatt der Bauverwaltung« (amtlides Organ 
des preußiſchen Urbeitsminijteriums), » Deutiche Bau- 
jeitunge, »Zeitſchrift fiir Bauweſen«, » Blitter fiir W. 
und Runjtgewerbe<, » Berliner Urditefturwelt« (faimt- 
lid) in Berlin erſcheinend); »Allgemeine Bauzeitung« 
und »Der Urchiteft« (Wien). In Franfreic find die 
»Revue générale de l’'Architecture«, der » Moniteur 
des Architectes« und bie »>Gazette des Architectes 
et du Batiment«, in England »The Architect «, >The 
Builders und »The Building News«, fiir Holland 
das » Bouwkundig Weekblad« und die » Bouwkun- 
dig Tijdschrift«, fiir die Bereinigten Staaten die 
»American Architect and Building News« und 
»The American Builder« die Zentralorgane. 
Architekturmalerei, die Gattung der Malerei, 
die die Werke der Baufunjt an und fiir fid) yum 
Vorwurf ihrer Darjtellung wählt. Bei den Sit. 
fern des Wltertums und des Mittelalters wurde die 
Architeltur nur als Hintergrund oder Umnrahmung 
eines Gemäldes oder aud) als bloße phantajtijde De- 
foration verwendet. Für Wusbildung einer cigent- 
lidjen A. war erjt das Uuftreten der Gebriider van 
Eye (um 1426) entſcheidend, die, mit tiefer Nenninis 
der Linearperfpeftive und der Gefege der Urditettur 
ausgeriijtet, ihre Figuren in reale Baulichleiten hinein- 
ftellten. Ihre Grundjiige verbreiteten ſich über den 
anjen Norden und übten felbjt auf die italienifde 
hunt einen makgebenden Einfluß aus. Zur villigen 
Loslifung der YL. von der firdliden Maleret fam es 
freilich ert im 16. Jahrh., und gwar vor allent in den 
Niederlanden, wo die Anregung der van Eye in voller 
Stirfe fortgedauert hatte. Boran fdritt hier Dan 
Vredeman de Vries (geb. 1527), der Hendrif van 
Steenwyd den Altern untervrichtete, dem wieder fein 
Sohn Hendrif van Steenwyed (geſt. nad) 1649) und 
Peter Reefs der ältere folgten. Den größten Ruhm 
unter ihnen genießt Reefs, der die Linien- und Luft- 
perjpeftive mit Meiſterſchaft beherrſchte; Teniers, 
Franck, rien“ u. a. haben feine Gemälde ftaffiert. 
Bur villigen Befreiung von der harten Vanier die- 
jer ältern Meijter gelangte die A. erft durch Manner 
wie S. van Ehrenberg, Gheringh, P. Neefs den jiin- 
* u. a. in Belgien, de lOrme, van Delen, H. van 
liet, 3. UW. Berdheyde u. a. in Holland, namentlid 
aber dDurd) Emanuel de Witte in Amſterdam, auf den 
Rembrandts malerijdhe Behandlung von größtem 
Einfluß war. Uuc der Landſchaftsmaler J. van Ruis- 


rofbritamnien x. (Berl. 1890—94); Nedel- | dael verftand ſich meijterhaft auf die UW. Uberhaupt 
mann und Meldahl, Denfmiler der Renaijfance 


ijt Die ganze hollandijde Schule des 17. Jahrh. durd 
ihre Ynterieurs, ihre Stadt- und Stragenprojpette, 
in weld) legtern fic) namentlid) J. van der Meer und 
J. van der Heyden auszeichnen, der A. zugewendet. 
In Htalien brachte es die W. nicht gu einem beſondern 
Bweig; bier betradtete man Landfdaft und Urdi- 
teftur als bloßen Hintergrund des Hijtorienbildes. 
Benozzo Gozzoli, Ghirlandajo, Perugino, Rajfael u. a. 
malten wohl Urditeftur, aber nicht ume ihrer felbjt 
willen. Mehr war man in der venezianiſchen Schule 
(Giorgione, Tintoretto, Veronefe) der A. zugewendet, 
obne ee freilid) auch vom Hijtorienbild loszulöſen, 
bis im 18. Jahrh. U. Canale und fein Neffe Bellotto 
(qenannt Canaletto), Guardi u. a. die Schönheit der 
venejianifden Paläſte und Randle um ihrer felbjt 
willen darjtellten und damit fiir Italien erjt die eigent- 
lide A. beqriindeten. 


728 Arditheorie 


Im Beginn der modernen Kunſtentwickelung ijt vor | 
allen Sdyinfel zu nennen, der mit einer flaffifden | 
Richtung einen fein entwidelten Sinn fiir deforative | 
Wirfung verband und neben eiqnen malerijden | 
Schöpfungen aud die Anregung ju den mit wabr- 
haft künſtleriſcher Bollendung ausgefiihrten Theater- 
deforationen fiir Berlin gab. Jn letzterm Fad) lei- 
jtete namentlich Karl Gropius Ausgezeichnetes. Do- 
menico Quaglio erhob die Staffelei- WU. wieder aus 
ihrem Verfall. Ausgezeichnete Urchitefturmaler wa: 
ren ferner Dajenpflug in Halberjtadt, Ainmüller 
und Vermeerſch in Minden. Bulian in Düſſeldorf 
wählte vorzugsweiſe altertiimliche Stragen, alte, ver= | 
fallene Kirchen xc. zur Darjtellung. Nod) verdienen | 
genannt 3u werden: Gartner, Helfft, Dietrid, Kon— 
rad, v. Bayer, Neher, Gerhardt, Mayer und die 
Uquarellijten Karl Werner (Leipzig) und Rudolf und 
Fran; Wit (Wien). Der beriihmtejte deutſche Urdi- 
tefturmater der neuern Zeit war K. Graeb (gejt. 1884) 
in Berlin, meijterbaft in der Berjpeftive und der 
jorgfaltigen, aber immer malerifden Unsfiibrung. 
Neben ihm find Seel (Diijjeldorf), Chr. Wilberg, 
Körner, H. Herrmann, F. Rojjart, Konrad Leſſing 
(Berlin), Choulant (Dresden), L. v. Hagn (Miinden) 
und Lor. Ritter (Nürnberg) gu nennen. Yn Frant- 
reid) war Granet (qejt. 1849) der gefeiertite Urdhitef- 
turmaler der Neuzeit, der feine Gegenjtinde immer 
von Der originelljten und charaktervollſten Seite auf- 
zufaſſen und mit ſehr wirfungsvoller Staffage aus: 
gujtatten verjtand. Yn Franfreid) wendeten viele | 
Miinjtler aud) die Aquarellmalerei mit Erfolg zu ar: | 
chiteftoniiden — an, fo Ouvrié, Garne- 
rey, Rochebrune, Villeret. Dasfelbe geſchah in Eng: 
land von Haghe, Chafe, Howse u.a. Andre in Eng- 
fand geriibmte Architelturmaler find: Brout mit ſei— 
nen ttalienijden, deutiden und andern Profpeften; 
Roberts, der ſpaniſche und orientaliſche Bauwerfe mit | 
feltener Genauigfeit und Wahrheit zur Anſchauung 
zu bringen weiß; ferner Mackenzie, Goodall, Williams, 
der in London anſäſſige Schwede Axel Haig, der ſeine 
Architekturſtücke meiſt radiert. Unter den Italienern 
find Migliara, Biſi, Nerly (Nehrlich, cin Deutſcher), 
L. Bazzani und A. Tavernier, unter den Holländern 
und Belgiern Waldorp, Carſen, Bosboom, van 
Haanen, ten Kate, Springer und Boſſuet, unter den 
Dänen H. Hanjen zu nennen. Ausgezeichnete Dar- 
ftellungen perſiſcher und indifder Bauwerfe haben 
Der Ruſſe Wereſchtſchagin und in neuejter Zeit der 
Amerikaner Edwin Weeks gefdaffen. 

Architheorie (qried.), bei den Uthenern eine der 
fogen. Leilurgien (J. d.), Die Ausrichtung der Heiliqen 
Geſandtſchafien (j. Theorie) gu den vier großen Na— 
tionalfejten, nad) Delos und andern heiligen Orten. 

Architrãv (qried.-fat., das Epijtylion der 
Griechen), der erjte, unmittelbar auf den Napitellen 
der Säulen griechifden und römiſchen Stiles auflie- 
gende Querbalfen, der die übrigen Teile des Gebälks 
und Daches trägt, ijt entweder glatt oder in drei 
bandartig aufeinander folgende Streifen geteilt, die 
jeine Unterfante nuit der Stirnfläche des ganzen Ge- 
Halts vermitteln. Gewöhnlich find die Trennungs— 

lieder dieſer Streifen mit Blattreihen oder Berl 
ſchnüren geſchmückt. Im dorifden Stil ijt der W. qlatt 
und bildet den Trager der Triglyphen (Dreifdlige) 
und Metopen (Zwiſchenfelder) und ded Tympanons 
(Giebels), im ionijden und forinthifden Stil ift er 
Dreitetlig (f. Tafel » Urdhiteftur MT «, Fig. 8) und bildet 
Den unntittelbaren Trager des Bilderjtreifens (Jopho⸗ 
ros). Der Varodjtil, dem das Rofofo folgte, hat ihn 





Schriftſtücke, die als Zeugniſſe der 


— Ardiv. 


wider die Logil der Technil geſchweift und nad aujen 
oderinnen gefriimmt. Sql. Tafel > Saulenordnungen« 

Archiv (qried. archeion, d. h. ſicheres Gebaude, 
lat. archium, archivum, chartarium, tabulariam, 
scrinium), cine Sammeljtatte auf amtlichem Beg er 
wadjener und in amtlidem Intereſſe aufbewahrter 
angenbert sa: 
gleich Duellen der Geidichtswijjenidaft find. G@ne 
den und Romer verwahrten in der altejten Zeit de 


zur Uufbewahrung bejtinmmten Urfunden und Utter 


in Den Tempeln: jo dienten das Heiligtum der De 
meter, das WMetroon, in Uthen, die Tentpel des Sa 
turn, der Ceres u. a. in Rom als Staatsarchive Das 
taiſerliche A. befand fid in Rom auf dem PBalota 
und jpater in Byzanz am kaiſerlichen Hofe; daneben 
bejtanden die Provingialardive der hdhern Beamer 
und Urchive der Stadte. Nach dem Muſter diejer 
römiſchen Archive aus der Kaiſerzeit organiferiea 
die Pãpſte das thrige. Die Altejten zuverläſſigen Nad 
richten über das papjtlicde A. führen tn die Feit de— 
Papjtes Damajus (366 —384); dod ijt uns ans der 
Epode vor dem 13. Jabrh. nur wenig davon erbel 
ten. Unter Baul V. (1605—21) wurde das jepior 
vatifanijcde UL. erbaut, und am Ende des 18. Sabrd 
wurde aud) das YU. der Engelsburg im den Batifan 
gebracht. Wie die Papijte, * forgten aud) Bijdoie 
und Äbte und bald auc) die Städte für qute Ord 


nung ibrer Urdive; dDagegen blieb das Archivweſen 
der weltliden Fürſten hinter dem der geiſtlichen lange 


zurück. Unter Rarl d. Gr. befand fic) cin Ain der 
faijerliden Pfalz gu Aachen; ſpäter fiibrten die Nx 
jer Urfunden und Alten auf ibren Zügen mit ſich 
Mit Uusnahme defjen, was Heinrich VIT. bei femem 
Tode (1313) in Italien zuriidlie® (jest in Turin und 
Piſa aufbewahrt), hat ſich aus alterer Zeit fajt nichts 
von den Beſtänden des ReidSardivs erhalten. Grit 
im 15. Jahrh. ward fiir defjen bejjere Organijation 
qejorgt, und 1495 wurde jum erjtenmal verjucdt. 
ejeplidje Bejtimmungen dariiber ju treffen. Des 
Reichshofarchiv ijt jest in Wien; eben dahin Fmd 1866 
die Rejte des Archivs der Maingifden Reichsfargla 
gebradt worden; das A. des ehemaligen Reichslam 
mergerichts ijt teils unter die einzelnen Bundesjtaaten 
verteilt, teils unter preußiſcher Verwaltung in Bes. 
lar verblieben. Auch die Geſchichte der landesfiiry 
lider Archive Deutidlands gent nidt über das 14. 
Jahrh. zurück; viel friiher dagegen ijt cine zwed 
mapige Ordnung de3 Archivweſens im normannifden 
Unteritalien, in Franfreid) und in England erjolgt 
Das neue Deutfde Reid) bejigt nod fein ag 
nes U. Gn Preußen unterfteht die Urchiwvermal. 
tung dem Präſidenten de3 Staatsminijteriums; an 
ihrer Spige ſteht der Generaldireftor der Staatsar 
chive in Berlin; die 18 Staatsardive in Berlin (Ge- 
heimes Staatsardiv), Uurid, Breslau, ig, 
Diijjeldorf, Hannover, Koblenz, Königsberg i. Br. 
Magdeburg, Marburg, Münſter, Osnabriid, Bojen. 
Schleswig, Siqmaringen, Stettin, Weplar, Wied 
baden werden von Urdivdireltoren oder Staats 
ardivaren geleitet. Das finiglide Hausarchiv in 
Charlottenburg unterjteht dem Hausminijteriam. In 
Bayern gibt es auger dem Wilgemeinen Reichs 
ardiv, dem Geheimen Hausardiv und dem Gehei— 
men Staatsardiv in München Kreisarchive in Am— 
berg, Bamberg, Landshut, Miinden, Neuburg a. d. 
Donau, Nürnberg, Speyer und Wilrgburg. Die 
Staatsardive der iibrigen Bundesftaaten befinden 
fic) mit wenigen Ausnahmen (Rerbjt fiir Anhalt. 
Wolfenbiittel fiir Braunjdweig) in den Hauptſtãdten 


Archiv (Staatsardive, Urdivjdulen, Einridtung der Archive 2c.). 


Elſaß- Lothringen hat nod fein Landesarchiv, aber 
drei Bezirlsarchive in Kolmar, Megs und Straßburg. 
Die Yrdive der größern deutſchen Städte, wie Machen, 
Frankfurt a. M., Koln, Nürnberg, Strakburg u. a., 
fonumen manden Staatsardiven an bijtorifder Be- 
deutung gleid. Jn Ojterreid gibt es neben dem 
f. u. £ Haus⸗, Hof- und Staatsardiv ju Wien, das 
unter dem Vtinijterium der Auswärtigen Ungelegen- 
Heiten fteht, widtige Archive bei dem Kriegs-, Fi- 
nanz- und andern Minijterien und Statthalterei- 
oder Landesardive in den eingelnen Rronlandern, 
Die bedeutendjten in Graz, Junsbrud und Prag. Die 
Schweiz hat außer dem Bundesardhiv in Bern 
Staatsarcdive in allen Nantonen. Jn Franfreid 
ijt das Zentralardiv (Archives nationales) in Baris; 
die Minijterien haben ihre eignen Archive, unter 
Denen die der Auswärtigen Ungelegenheiten und des 
Krieges die widtigiten find; Probingialardhive be- 
jtehen in allen Hauptorten der Departements. Das 
englifde Staatsardiv (Public Record Office) in 
London jteht unter der oberjten Leitung des Master 
of the rolls, eines boben ridterliden ——— mit 
Vorſchlägen für die Ordnung des ſehr mangelhaft 
organiſierten Archivweſens in den Provinzen iſt neuer⸗ 
dings eine königliche Kommiſſion beauftragt worden. 
Ein Public Record Office beſteht aud fiir Irland 
in Dublin; das ſchottiſche Staatsardiv in Edinburg 
Heit General Register House. Jn Italien ijt die 
Urchivverwaltung dem Minijterium des Innern un— 
terjtellt; es gibt 10 Oberbeamte (Sovrintendenti degli 
Archivi) bei den Archiven zu Bologna, Cagliari, 
Florenz, Gera, Mailand, Neapel, Palermo, Rom, 
Turin und BVenedig; auerdem beſtehen Staatsar- 
shive in Brescia, Lucca, Mantua, Maſſa, Modena, 
Barna, Pija, Reggio d'Emilia und Siena. Da- 
neben jind bier außer den ſlädtiſchen aud) dic Urdive 
der Biſchöfe und der Domlapitel, eingelner Klöſter, 
wie Monte Cafjino, und der Notariatsfollegien wid): 
tig. Jn Velqien und den Riederlanden gibt es 
aufer den Zentralardiven in Brüſſel und im Haag 
andre in den Hauptitddten aller Brovingen. Für den 
Norden und Ojten Europas find die Staatsardive 
von Budapeft, Chrijtiania, Helfingfors, Copenhagen, 
Petersburg, Stodholm und Warjdau von bejonderer 
Bedeutung. Das portugiefifde Hauptardiv ijt 
in Lijjabon, das Archivo general fiir Spanien in 
Simancas; aukerdem find fiir Spanien das Archivo 
historico nacional in Madrid und das Archivo ge- 
neral de la corona de Aragon in Barcelona von 
Hhervorragender Wichtigkeit. 

Für die fachmäßige Ausbildung der Archivbeam— 
ten ſorgen in Frankreich die Ecole des chartes in 
Faris, die ihre Ziglinge nad bejtandenem Examen 
mit dem Titel Archiviste-paléographe entlapt, in 
Oſterreich das Inſtitut fiir öſterreichiſche Geſchichts 
forſchung in Wien, in Italien die mit den größern 
Staatsarchiven verbundenen Scuole paleografiche, 
in Rußland das Archäologiſche Inſtitut in Peters— 
burg. In Bayern iſt eine Archivſchule mit dem all— 
gemeinen Reichsarchiv verbunden, für Preußen eine 
ſolche bei der Univerſität Marburg eingerichtet; auch 
in Straßburg finden zu dieſem Zweck an der Univer- 
ſität beſondere Lehrkurſe ſtatt. 

Nach ſeinen Hauptbeſtänden zerfällt jedes A. in ein 
Urkunden- und ein Altenarchiv. Für die Ordnung 
und Regiſtrierung der Urkunden bietet die drono- 
logiidje Reihenfolge den natiirliden Rahmen, bei 
größern Archiven innerhalb der hijtorifd geqebenen 

bteilungen, Fiirjtentiimer, Stifter Stadte x. Neben 





729 


ben Driginalen werden die namentlich in den Ropial- 
büchern tiberlieferten Urkundenabſchriften verzeichnet. 
Orts- und Perſonennamen werden in Regijtern zu— 
jammengeftellt. Die Ordnung der Akten wird in 
jedem YU. cine andre fein. In Staatsardiven gliedern 
ſich Die Wten nad) den BZentral- und Provingialbe- 
hirden, bei Denen jie erwadjen find. Auch bei Stadt- 
ardiven und bei fleinern Yrdiven werden meijt die 
Spuren fritherer Ordnung verfolgt und, wenn — * 
lich, die alten Beſtände wiederhergeſtellt. Spezial— 
repertorien und Sachregiſter erleichtern die Nugbar- 
machung. Mit der Veröffentlichung von Repertorien 
iſt Frankreich durch die von der Regierung heraus- 
gegebenen ⸗Inventaires sommaires«, von denen ſchon 
weit über 200 Bände erſchienen ſind, allen andern 
Staaten vorangegangen. Jn Itlalien haben beſon— 
ders die tostaniſchen Staatsarchive ſich in dieſer Hin— 
ſicht verdient gemacht; in Deutſchland hat ſich nach 
den Stadtarchiven von Köln und Franffurt neuer— 
dings das Staat8ardiv von Karlsruhe diejem Bei- 
fpiel angefdlojjen. Auch viele andre wiſſenſchaft 
lide Veröffentlichungen verdanft man den Archiv— 
verwaltungen, von denen die feit 1878 erſcheinenden 
» Bublifationen aus den königlich preußiſchen Staats: 
ardiven« und die »Calendars of State papers« des 
englijdjen Record Office erwãhnt werden mögen. Als 
Organe der Archivkunde dienen jest namentlich die 
»Archivaliſche Zeitidrifte in München (feit 1876), 
das jeit 1892 in Groningen erfdemende »Neder- 
landsch Archivenblad« und die » Revue internatio- 
nale desarchives, des bibliothéques et des musées« 
in Baris (feit 1895). Dienen die Staatsardive in 
erjter Linie Verwaltungszwecken, fo find fie mit dem 
Wachſen de3 hijtorifden Sinnes immer mehr gu 
Pflegeſtätten hiſtoriſcher Wiſſenſchaft geworden, zu— 
mal in den meiſten Staaten eine liberale Auffaſſung 
in betreff der Benutzung zur Geltung gelangt, viel— 
jad) aud) die Verſendung von Archivalien an Viblio- 
thefen und Behörden gejtattet ijt. 

Val. Battenbad, Das Schriftwefen im Mittel- 
alter (3. Aufl., Leips. 1896); Breflau, Handbuch 
der Urfundenlehre fiir Deutidland und Italien (daf. 
1889, Bd. 1); v. Liber, Urdhivlehre(Paderb. 1890); 
»Reitidrift fiir Urdivfunde, Diplomatif und Ge- 
ſchichte (brsg. von Hofer, Erhard und v. Medem, 
Hamb. 1834 — 36, 2 Bde.); »Seitidhrift fiir die Ur- 
chive Deutidlands« (hr3g. von Friedemann, Hamb. 
und Gotha 1846—53, 2 be): Korreſpondenzblatt 
Der deutſchen Archive⸗ (hrsg. von Burkhardt, Leipz. 
1878 — 80, 3 Bde.); Holtzinger, Katechismus der 
Regijtratur- und Archivkunde (daj. 1883); Memels- 
dorff, Dearchivisimperatorum Romanorum(Verl. 
1890); De Roſſi, De origine, historia, indicibus 
scrinii et bibliothecae sedis apostolicae (Cinleitung 
zu den »Codices palatini latini«, Rom 1886); Lö— 
wenfeld, Gejdichte des päpſtlichen Archivs (»Hijto- 
riſches Taſchenbuch«, 6. Bolge. Bd. 5; Bur neue- 
jten Gejdichte x., ebenda, Bd. 6); Burfhardt, 
Hand- und Adreßbuch der deutſchen Urdhive (2. Aufl., 
Leipz. 1887); (v. Qancizolle) ⸗Denlſchrift iiber die 
preußiſchen Staatsardive« (Berl. 1855); Golimert, 
Die preußiſchen Staatsardive (daj. 1857); v. Weber, 
Uber das Hauptitaatsardiv zu Dresden (im »V. fiir 
ſächſiſche Geſchichte Bd. 2); K. Menzel, Uber Ord- 
nung und Einrichtung der Urdive (in Sybels » Hijto- 
riſcher Zeitſchrift«, So. 22); Wiegand, Begirts- 
und Gemeindeardive tm Elſaß (⸗Jahrbuch de3 Bo- 
qejenflubs«, Bd. 14); »Relazione sugli archivi di 
stato italiani«c (Rom 1883); Mazzatinti, Gli ar- 


730 Archival — Arco. 
chiti della storia d'Italig (Rocca Gan CaSciano | fen, von Kleiſthenes wurde die unter Den Se 
1897 f7.); Bordier, Les archives de la France | werbern eingefiibrt, wabrend der extriege axi 


(Bar. 1854); Laborde, Les archives de la France | Untrag des Urijteides dad bisher nur von Burge 
(dai. 1867); Richou, Traité théorique et pratique der erjten Klaſſe befleidete Unt allen zugãnglich ge 
des archives publiques (daf. 1883); Langlois und madt. Der Verlujt der nationalen Freibert beichriante 
Stein, Les archives de l'histoire de France (Daf. | dad Umt auf die Ehre des Namens. — Im bosre 
1891 —95); Rye, Records and record searching | ranifdjen Reid) Hiegen die Fürſten anfanglub BL 
(Yond. 1886); Bird, A guide to the principal | im byzantiniſchen Reich die gropen Gramdherren. - 
classes of documents preserved in the Record Of- | Urdontat, Wiirde, Untt eines Urchonten. 
fice (Daj. 1891); Cadier, Les archives d'Aragonet| UArdhHtas, qried. Stantsmann, pythagoretide 
de Navarre (»Bibl. de l'Ecole des chartes«, 1888). | Bhilojoph und Mathematifer aus Tarent. Jertqenrie 
rival (qried.), urfundlid); einem Archiv ans | und Freund Platons, um 400—365 v. Chr. Er wer 


ehörig. Urdivalien, einem Archiv entnommence | fiebenmal Strateg femer Vaterſtadt und Feldberr = 
a drei Sriegen. Sein fittlider Charafter galt im gor 
yen Ultertum fiir uniibertroffen. In witjenidat- 
ider Beziehung glänzte U. vorziighid& als Watheme- 
tifer: er löſte zuerſt das Problem der Verdoppeiuny 
Kubus und erfand die analytijde Wethode. th 
den Forſchungen fiber das Verhaltmis der Dome mer 
er hervorragend beteiligt. Wud) wurden ibm megrere 
medjanifde Kunſtwerle gugeidrieben, fo cin Wate 
mat, eine fliegende Taube von Holz. Bor femmes 
Schriften find uns einige mathematijde umd phnitfe- 
liſche Bruchjtiide erhalten (vgl. Blak, De Archywe 
fragmentis mathematicis, in »Mélanges Graux+, 
Par. 1884); die jeinen Ramen tragenden pbhilofaph 
ſchen Fragmente find wabhrideinlid alle unecht. Bel 
Mullad in den »Fragmenta philosophoram grae 
corum:«, Bd. 2 (Par. 1867). 

Arcidae, ſ. Muſcheln. 

Arciere (ital., fpr. artigere), Bogenſchũtze, vol 
Archers. Urcierenleibgarbde bejteht in Ojterrad 
aus grofen, ftattliden Offizieren, die vor Demi Feinde 
oder im Frieden mit Uusjeidnung qedient babex; 
die Huteilung gu dieſer kaiſerlichen Leibgarde gilt al 
hohe Mu. ort dali In Ungarn bejteht unter gle 
den Unufnahmebedingungen eine finigliche Leibgarde 

Wrcis-fur-Aube (pr. agi-plr-009, Wrromdiie 
mentshauptitadt im fran. Depart. Yarbe, an der Ob 
bahn und der Uube, mit Strumpfwirferet und cen 
2774 Cinw. — U. ijt der Geburtsort Dantons, dem 
hier 1886 ein Denfmal errichtet wurde, und geidicd? 
lid) merkwürdig Durd den Steg Schwarzenbergs über 
Napoleon I. 20. und 21. März 1814. Diejer gnif 
mit 20,000 Mann 20. Marz nadmittags die dre» 
fache Übermacht der Berbiindeten bei UW. an. We 
rend der Nacht erhielten die Berbiindeten 30,000 
Mann, die Franjofen 10,000 Mann Unterjtiigung. 
Als Napoleon die Uberlegenheit der Geqner erfannte, 
trat er den Rückzug an; zögernd folgten die Verdin 
deten und erjtiirmten A. [im Dierfrew. 

Wrciténens (lat.), das Zeichen des Schiigen (2) 

Arckalei (Urdallei), ſ. Urtillerie. 

Arco (ital.), der Bogen. 

Arco, Stadt in Siidtirol, Begirfsh. Riva, 91 m 
ti. WM, in fruchtbarer Gegend an der Sarca, nordlich 
vom Wardajee, an der Lokalbahn 
Mori- Riva gelegen, Sig eines 
Bejirtegerihts, hat cine jtatt- 
liche Renaijjancefirde, cine neue 
evang. Stirdye, einen ehemaligen 
Palajt der Grafen von U. (jept 
Stadthaus), zahlreiche Villen 
(darunter die des verjtorbenen 
Erzherzogs Albrecht), Hotels u. 
Penſionen, ein Kurhaus, eine 
Fachſchule für Holzinduſtrie, 
Objt-, Wein- und Olbau, Seidenraupenzucht. Oliven- 
holzſchnitzerei, Steinrdbrenfabrif, eine gute Wafjer 


ftenftiide. Urdivar, Urchivbeamter (ſ. Archiw). 
Archivolte (ital.), durch Glieder verzierter Bogen 
oder Die bandartige Einfajjung eines Bogens an 
Fenſtern, Türen ⁊c., die fid) entweder ftumpf auf 


einem Kämpfergeſims abjept, oder aim Bogenanfang | des 


umgekröpft und als Kämpfergeſims weitergefiihrt ijt. 
Im Sdheitel wird die U. häufig durd einen befon- 
ders ausgebildeten Schlußſtein unterbroden. 
Archivredst, der den ardivalijden Urkunden bei- 
elegte Sorgug hinfichtlid) der Beweistraft. Er red)t- 
—4 ſich durch die Erwägung, daß die in einem 
oͤffentlichen Archiv aufbewahrten Urkunden die Sicher⸗ 
heit gewähren, daß ſie ſeit der degre gr. nicht ge- 
faliqt worden find. Im übrigen wird eine Privat- 
urfunde dadurch, daß fie in einem dffentliden Archiv 
niedergelegt wird, nod) nicht zur öffentlichen Ur— 
funde (vgl. Prozeßordnung, § 415). Landesrechtliche 
Vorſchriften, nad) weldhen die in einem öffentlichen 
Urdiv aufbewahrten Urfunden als ſolche den dffent- 
lichen Urfunden an Beweiskraft gleichſtehen follen, find 
fiir das Gebiet de3 Prozeſſes aufgehoben. 
—— (griech.), Anfangslehre, Grundlehre. 
Archonten (griech. eigentlich ⸗Herrſcher, Anfüh— 
rer«), Bezeichnung der höchſten Beamten in mehreren 
(nicht⸗ doriſchen) Staaten des alten Griechenland, na⸗ 
mentlich in Athen. Hier wurde, wie das Altertum 
überliefert, nach —— des Königtums 1068 
v. Chr. die oberſte Leitung des Staates einem Ar— 
chonten aus dem Königsgeſchlecht übertragen, der 
nach dem Recht der Erbfolge lebenslänglich herrſchte. 
752 ward die Dauer des Archontats auf 10 Jahre 
beſchränkt und 713 der Sutritt allen Cupatriden ge- 
öffnet, endlid) 683 die Amtsdauer auf 1 Jahr ver- 
mindert und die Macht unter neun UW. verteilt. Der 
crite (Urdon Eponymos), nad) dem das Jahr be- 
nannt wurde, nahm etwa die Stellung eines Präſi— 
dDenten der Republif ein; insbef. hatte er die Ober- 
auffidt fiber das ganze Gemeinwefen fowie die Ge- 
richtsbarkeit tiber an Ft und Erbredt; der zweite 
(Vafileus, d. h. König, weil man den Rang des 
den Staat den Göttern gegentiber Vertretenden nicht 
vermindern wollte) die religiöſen Oblieqenheiten, die 
cinjt den Erbfinigen jufamen, Leitung der Opfer: 
Dienfte und Religionsfeſte fowie die Aufſicht über 
Tempel und Heiliqtiimer, der dritte (Bolemard 03) 
die Leitung der Kriegsangelegenheiten. Die andern 
ſechs hieken Thesmotheten —— über⸗ 
wachten genteinjam die Handhabung der Geſetze und 
ſprachen Recht. Auch lag ihnen die Leitung der Ab— 
{timmungen in der Volfsverjammlung ſowie der Ab— 
ſchluß der Verträge mit andern Staaten ob. Die 
Ausbildung der atheniſchen Demofratie ſchwächte die 
Bedeutung dDiefer höchſten Staatswiirde nod weiter: 
nad) der Solonifden Verfaſſung (594) mußten die 
A. die Geſetzgebung und Verwaltung mit dem Rate 
der Vierhundert und mit der Vollsverſammlung tei: | 





Bappen von Arca 


Arco — 


feitung und (1900) 3780 (als Gemeinde 4880) ital. Ein- 
wohner. Hod) iiber dem Ort liegt das 1703 von den 
Franzoſen zerſtörte Schloß U. J wird wegen ſeiner 

eſchützten Lage und ſeines milden Klimas (mittlere 


zintertemperatur 3,7, größte Winterkälte — 3,7°) | 


vielfach als Winterkurort benutzt (2500 Kurgäſte). A. 
ijt Geburtsort des Malers Segantini. Vgl. darüber 
die Schriften von Schreiber (Wien 1878), Ramdohr 
(Leip;. 1886), Kottowitz (2. Aufl. Ureo 1887), Kuntze 
(4. Aufl., daſ. 1898), Gerfe (Wien 1899) u. a. 
Arco, Carlo d, ital. Kunſtſchriftſteller und Hijto- 
rifer, qeb. 8. Sept. 1799 in Mantua, gejt. dafelbjt 
26. Jan. 1873, widmete fich erjt in Florenz, fpater in 
Rom der Valerei und wandte fitch dann dem Studium 
Der Kunſtſchätze feiner Baterjtadt gu. 1838 gab er 
eine Mefchichte Ded Lebens und der Werke Giulio Roma- 
nog (mit 60 Rupfern, 2. Wufl., Mantua 1843) heraus. 
Von größerer Bedeutung war das Werk » Delle arti e 
degli artifici di Mantova« (1857—59, 2 Bde.), das 
Die mantuaniſche Kunſtgeſchichte von den erſten Zeiten 
des Mittelalters an mit Berüchſichtigung der biirger: 
lich-politifchen Verhãltniſſe umfaßt. Ferner veröffent⸗ 
lichte A.: » Della economia politica del municipio di 
Mantova a’ tempi in cui si reggeva a repubblica« 
(2. Aufl. 1846), »Studj intorno al municipio di Man- 
tovac (1871—74, 7 Bde.) und gab ein »Chronicon 
Mantuanum< von 1095 —1299, die mantuanijde 
Chronif des U. Schivenoglia 1445—84 u. a. heraus. 
MArcdle, Flecken in der ital. Proving Verona, Di- 
ftrift San Bonifacio, am Alpone, einem linken Neben- 
flu der Etfch, ſüdöſtlich von Verona in Sitmpfen qe- 
legen, mit (1901) ca. 1700 Cimw., denkwürdig durch die 
Schlacht vom 15.—17. Nov. 1796 awifden Fran⸗ 
zoſen unter Bonaparte und den Öſterreichern. An— 
Jang November erjcien der öſterreichiſche Feldjeug: 
meijter Baron —— in Italien, um den in Man— 
tua eingeſchloſſenen General Wurmſer zu entſetzen 
und ſich mit dem General Davidowitſch gu vereinigen. 
Dies gu hindern, lies Bonaparte das über 25,000 
Mann zählende Heer Alvinezys 6. Nov. durch Muge- 
reau und Maſſena angreifer und 30g, als diefer An— 
griff abgeidlagen war, felbjt mit etwa 20,000 Rann 
den Ojterreichern entgegen. Yin 15. Rov. qriff Auge— 
reau die Alponbrücke bei UW. an, vermochte aber den 
Ubergang nicht zu erzwingen; und Bonaparte felbjt, 





Arcturus. 731 
militaires et politiques sur les fortifications«< 
(1795). 


Arcos de [a Frontéra, Besirfshauptitadt in der 
jpan. Provinz Cadis, malerifd auf einem vom Gua: 
dalete umflojfenen Felfenberg von 166 m Höhe ge 
legen, hat eine ſchöne gotiſche Hauptfirde, ei teil 
weife in Ruinen liegendes Schloß und (ive) 13,926 
Cinw., die Fabrifation von Leder, Hiiten und Eſparto— 
waren, dann Ol-, Wein und Objtbau betreiben. 

Arcosolium (lat.), cigentlid) ein unter einem 
Bogen aufgeitellter Thron oder Sejjel, in den alt- 
rijtliden Natafomben cine von einem Bogen iiber- 
fpannte Niſche, in der die Leiden von Märtyrern 
oder andern vornehmen Chrijten beigeſetzt wurden. 
S. Tafel »Chriſtliche Altertümer I<, Fig. 2. 

Arcot (franyj., fpr. -to), Stück⸗, Gußmeſſing. 

Arctia, Sdnetterting, f. Bar (Bärſpinner). 

Arctitis , der Binturong, f. Bir (Raubtier). 

Arctium ZL. (LappaJuss., Riette), Gattung der 
Rompofjiten, zweijährige Hohe Kräuter mit großen, un- 

eteilten Blattern, mittelqrohen Blütenköpfchen. hafen- 
drmig cinwarts gebogenen Hiillblatidhen, meiſt pur- 
purroten Bliiten und3—4fantiger Frucht. Vier Urten 
in Europa und Aſien, in Nordamerifa eingefdleppt. 
A. tomentosum Schrank, mit doldentraubig gejtell- 
ten, dicht ſpinnenwebig filzigen Köpfchen, A. Lappa L. 
und A. minus Schrank (Lappa glabra Lam.) liefern 
die ſchon im Ultertum arzneilich benutzte Kletten— 
wurzel (Radix Bardanae), die aud) wie die Sproſſen 
al8 Gemüſe genoſſen wird (Lappa edulis Sieb., ja— 
panifde Sforgonere). 

Arctocébus, Halbaffengattung, ſ. Bairenmati. 

Arctoeyon (Bärhund), ſ. Kreodonten. 

Arctémys, Murmeltier. 

Arctophylax, ſ. Bootes. 

Arctopithéci (Rrallenaffen), Familie der 
Ujfen (ſ. d., S. 128). 

Arctostaphylos Adons. (Siirentraube), 
Gattung der Erifageen, niedrige Striuder und Halb- 
ſträucher mit Meinen, ganzen lederartiqen, immer— 
griinen Blittern, fleinen Bliitenrifpen oder Trauben 
an der Spige der Bweige und Steinbecren mit trod: _ 
nem Fruchtfleiſch. 18 Arten in der arftifden Sone, in 
Merifo und Ralifornien. A. uva ursi Spr. (Arbutus 
uva ursi Z.), ein niederlieqender, reichverzweigter 


der, die Fahne in der Hand, den Truppen voran: | Straud) mit glanjenden, länglich verfehrt-cifdrmigen, 


ſtürmte, geriet, von den Fliehenden fortgerifjen und | 


in Den Sumpf geſtürzt, in perſönliche Gefahr. Auch 
der blutige Kampf des 16. Nov. fiihrte gu femem an- 
bern Ergebnis. Uber in der Nacht überſchritten die 
Franzoſen auf einer neugeſchlagenen Briice den Alpon 
unweit ſeiner Mündung. Die Folge dieſer Umgehung 
und eines entſcheidenden Angriffs, den Bonaparte 
am Nachmittag des 17. Nov. unternahm, war der 
Rückzug der Ojterreicher; fie hatten 6200, die Fran- 
ofen 4500 Mann verloren. Damit war der dritte 
zerſuch zur at Mantuas gefcheitert. 
Arcçon Gor. Kong, Lemicau d', Ingenieur, geb. 
1733, geit. 1. Juli 1800, zeichnete fic) bei der Ber- 
teidiqung von Kaſſel 1761 ſowie durch fartographijde 
(eigentümliche Tuſchmanier) und militärwiſſenſchaft— 
liche Arbeiten aus. Von Karl III. 1781 nach Spanien 
berufen, konſtruierte er zur Beſchießung von Gibral— 
tar ſchwimmende Batterien, die jedoch durch die glü— 
henden Kugeln der Engländer zerſtört wurden. 1793 
eichnete ſich A. unter Dumouriez in Holland bei der 
innahme von Breda aus, als Gehilfe Carnots ent- 
warf er die vielbewunderten Ynitruftionen fiir die 
Armeen der Republif. Er ſchrieb: »Considérations 





ftarf geäderten Blattern, rötlichen Bliiten und roter 
Steinfrudt. Der Strauch wächſt auf Heiden, an Fel- 
fen rc. faſt der ganzen nördlichen Hemifphare, in den 
ſüdlichen Gebieten auf Gebirgen. Die herben, etwas 
bittern Blatter (Folia uvae ursi) enthalten Gerbſäure, 
das Gyfofid Urbutin x. und werden bei Blajen- 
franfheiten, auch gum Färben und jum Gerben de3 
Saffianteders gebraudt. Aus den etwas mehligen 
Früchten foll man im Norden Brot bacten. 

Arctotis L. (Bairenohr), Gattung der Kompo- 
ſiten, teils ftengellofe, teil verzweigte Kräuter mit 
einzeln jtebenden, ſchön gefärbten Blütenkörbchen und 
zungenförmigen Strahlblüten. Bon den 58 meiſt fiid- 
——— Arten ijt A. acaulis ZL. an der Küſte 
Portugals verwildert und wird wie andre Arten als 
Zierpflanze fultiviert. 

Urctiirns (Urftur, Bärenhüter), Stern a 
(erjter Größe) im Bootes. Die Alten hielten ihn fiir 
ein Sturm bringendes Gejtirn. In der —— 
Mythe ijt A. der zugleich mit feiner in die Bärin ver- 
wandelten Mutter Palliito an den Himmel verfepte 
Heros Arlas (f. d.), nach andrer Sage der unter dic 


| Sterne verfebte attifdye Ikarios (f. d.). 


732 Arcuatenfalf 

Arcuatenfalf, Shidtengruppe aus der untern 
Abteilung der Buraformation (f. d.). 

Arcue il (fpr. art3j, das alte Arculi), Dorf im frang. 
Depart. Seine, Urrond. Sceaur, an der Bievre und 
der Eifenbahn Paris-Sceaux, hat (1901) 8285 ECinw., 
cine gotiſche Kirche, Bleidereien, Färbereien, Fabrifa- 
tion von Wachsleinwand, Überreſte eines römiſchen 
Uquadults, ferner einen 1624 erbauten Uquaduft von 
24 Bogen und 400 m Lange, der das Wafer von 
Rungis gum Lurembourg fiihrt, tiber den 1872 mit- 
{els einer zweiten Etage die Waſſerleitung von der 
Vanne nad) Montfouris gefiihrt wurde. 

Arcus (lat.), Bogen, 3. B. in der Geometric ein 
Rreisbogen; A.sinus x, gefdrieben are sin x, der Bo- 
qen, befien Sinus — x ijt, entfprechend Are cos x, 
Are tg x 2¢., Der Bogen (oder Winkel), deffen Koſinus 
oder i Tangente rw. = x ijt (opt. Trigonometrie); 
in der Ujtronomie A. diurnus und nocturnus, Tag- 
und Radtbogen. A. triumphalis, Triumphbogen 
(A. Augusti, Severi ⁊c.). 

Arcus senilis, f. Altersring. 

MUrcy-fur-Cure (ipc. arpi-gie-tie>, Dorf im franj. 
Depart. Yonne, Arrond. Auxerre, an der Cure und 
der Lyoner Bahn, mit beriihmten Tropfiteinhihlen 
und (1901) 775 Einw. 

Arda, rechter Nebenflu der Marisa in der Tiirfei, 
entipringt im Roodopegebirge, bildet im Weittellauf auf 
cine Strede die Grenze gegen Oſtrumelien und mün— 
det, 192 km fanq, bei ————— 

Ardahan, befeſtigter Hauptort des gleichnamigen 
Bezirks (5491 qkm mit 65,667 Einw.) in der ruſſiſch⸗ 
faufaf. Proving Kars, an der obern Kura, Knoten- 
punft mehrerer ig, Strafen, 1982 m ii. M. mit 
ais97) 800 Einw. — YU. wurde, von Huffein Sabri 
Paſcha ungentigend verteidigt, 17. Mai 1877 von den 
Ruſſen unter Loris Melifow erjtiirmt und im Ber- 
liner Bertrag 13. Juli 1878 an Rufland abgetreten. 

Ardafan, Stadt, ſ. Urdefan. 

Ardaſchar, Ruinen, ſ. Urtarata. 

Ardaſchir (neuperj. fiir Urtarerres), per]. Kö— 
nigsname: 1) A. I. Rabafan, d. h. Sohn Pabaks, 
eines Perſers, der fid) der Herrſchaft über die Gegend 
von Islachr (Perfepolis) bemiidhtigt, Beqriinder der 
fajanidifden Dynaſtie (ſ. Perſien), befieqte und ti- 
tete 224 den arfafidifden Herrſcher des Partherreichs, 
Urtabin V., und bemächtigte fid) des Throns. Die 
Eroberung Urmeniens gelang ihm nicht, und als er 
die rdmifden Beſitzungen in Meſopotamien bedrobhte, 
zwang ibn Werander Severus gum Weiden (233). 
Er organifierte das Reid) und brach in den Provinzen 
die Macht der unter den Parthern ju felbjtindig qe: 
wordenen Bafallen. Dabei ſtützte er fic) auf bie Who. 
beds, die pricfterlidjen Bertreter des altnationalen 
zoroaſtriſchen Glaubens, den er wieder zur Staats. 
religion erhob. Cr ſtarb 241. 

2) A. II. und 3) A. III. Nachkommen des vorigen, 
reqierten 379 — 383 und 628. 

Ardaͤtow, 1) Kreisjtadt im ruff. Gouv. Nifhnij 
—— am Fluß Lemjeſcha, hat 1897) 3538 Cinw., 
die Uderbau treiben. — 2) Mreisitadt im ruff. Gouv. 
Simbirjf, am Wlatyr, hat Gerbereien, viele Mühlen 
und (1897) 4838 Einw. 

Arda Viraf, Name eines frommen Barfenpric- 
jters, deffen Seele, während er ſchlief, durch Himmel 
und Holle geführt worden fein foll. A. fcheint in Der 
Beit der Safanidendynajtie, etwa im 6. Jabrh. n. Chr., 
gelebt gu haber, aber die in der Pehlewiſprache ab- 
qefakte Sage von A., ein Seitenſtück zu Dantes + Di- 
vina Commedia«, fann nidt vor dem 9. Jahrh. in 


— Ardennen. 


liſche Uberſetzung dieſes Werkes lieferte Haug in Ge 
meinſchaft mit einem Parſenprieſter und dem Eng 
lander Weſt (Bombay 1872ff.) eine franzöſiſche Uber 
ſetzung A. Barthélemy (Rar. 1887). 
Ardéa, Reiher; Ardeidae, Familie der —— 
Wrdéa, uralte, mythiſch berühmte Hauptitadt des 
Rutulerfiniqs Turnus in Latium, fiidlid) vom Rom, 
unfern der Küſte qeleqen, wurde von den Römern 
442 v. Chr. foloniftert, litt fehr in den Biirgerfriegen 
swifden Marius und Sulla und war fdon gegen 
nde der Republif ganz verfallen. Das jetzige W- 
ein unbedeutender Ort, auf einem Hiigel zwiſchen zwei 
| Talern qelegen, war die Burg der alten Stadt. 
| Ardeb, herfinimlices Getreidemaß in Agypten. 
Abeſſinien und Syrien: in Alexandria = '/2 Daribbe 


Perſien entſtanden ſein. Cine Textausgabe und eng~ 


= 6 Unibeh (Wehbih) — 271 Lit.; in Kairo — 6 Ue 
bef und fiir den auswirtigen Handel über Wleran- 
dria — 179, nach dem Innern zu bis 174 L. herab; 
in Rofette und Koſſeir — 12 dortige Rub — 284 & 
Er wird meift nad Gewichtsſätzen bejtimmt: in Kairo 
fitr Weizen auf 100 gewdhnlide Ofen — 123,526 ke 
und fiir Gerjte auf 91'/2 Dfen; in Rofette fiir Getreide 
und Siimereien auf 168, Reis 156 und Sal; 132 Ofen; 
in Ucre fiir Reis auf 254"/s kg. 

Ardebil, Fejtung in der per]. Provinz Aſerbei— 
dſchãn, an einem Quellarm des Raraju(Nebenfluk des 
YUras) auf einer Hodjebene 1300 m ii. M., mit 16,000 
Einw., pradtvollem Maufoleum des Scheichs Sen 
(Wallfahrtsort) und Mineralquellen. Die wertvolle 
Bibliothek der Stadt wurde von den crobernden Rui- 
fer 1827 nad) St. Petersburg entfiihrt. Bgl. Radde. 
Reiſen an der perjifdh-ruffijden Grenge (Leip;. 1886). 

Ardeche (pr. d4(H), rechter Nebenflu der Rhone 
in Frankreich, entipringt in den Bergen von Vivarais. 

| hat fehr maleriſche Uferpartien (Ravé des Géants 
* Straße von Baſaltſäulen, Pont d'Arc, eine na- 
tiirliche Brücke), ijt wegen feiner pliglichen Unfchwel- 
lungen gefiirdtet und miindet oberhalb Bont St- 
Eſprit nad 112 km langem Lauf, wovon nur 11 km 
von St. Martin an ſchiffbar find. 
Ardede, Departement im fidliden Franfreid. 
aus dem Ländchen Bivarais qebildet, grenzt dithid 
an die Departements Iſere und Dréme, nördlich an 
das der Loire, ſüdlich an Gard, wejtlich an Lozere und 
| Dberloire und hat einen Flidenvaum von 5555 qkm 
(100,09 OI.) und (1901) 353,564 Cimw. (63 auf 1 qkm). 
| Das Departement zerfällt in drei Urrondifjements: 
Vrivas, Largenti¢re, Tournon; Hauptitadt ijt Privas 
Ardeck, deutfche fürſtliche Familie, die von dem 
Hauſe Hejfen Poilippsthal- Bardfeld (7. d.) abjtanmnt. 
Des Kringen Wilhelm von Heſſen⸗Philippsthal Bard 
feld (qeb. 3. Oft. 1831, geſt. 17. Jan. 1890) geſchie 
dene Gemabhlin Marie, qeborne Rringeffin von Ganaz, 
Todter des legten Kurfiirften von Heſſen, und deren 
vier Kinder erhielten vom König von Preußen 2s. Jul 
1876 den Titel Pringen und Pringefjinnen von A. 
(Burgruine bet Dies im Unterlahnfreis) mit dem 
Prädikat Durdlaudht. Haupt der Familie ijt Bring 
Karl Wilhelm von W., geb. 18. Mai 1861. 

Ardefan (WU rdalan), befeſtigte Stadt in der pert. 
Proving Jezd, 1120 m it. M., mit Rarawanfjeraien, 
Moſcheen, 8 —9000 Cinw. 

Ardennen (Urdenner Bald, f. Karte » Bel 
gien«), ausgedehntes Waldgebirge im ſüdöſtlichen Bel 
gien, da8 nad) O. mit dem Hohen Berm und der Eifel 
zuſammenhängt, zwiſchen Mojel und Maas ein rauhes 
Bergland bildet und fich jenfeit der Maas an den 
Ufern der Sambre allmählich gum flandriſchen Tref- 








Ardennen — Arduin. 


Land verfladt. Die U. gehören dem Rheiniſchen Sdie- 
Gergebirge (j. d.) an. Sie haben eine mittlere Er- 
Hebung von 550 m, während ibre hidjten Berge 
450 m faum iiberjteigen. Auf ihrem Rücken tragen 
fie anſehnliche Plateaus, in welche durch die Dad Ge— 
birge von Me eres bis Namur durdidneidende Maas 
mit deren Nebenfliijjen Chiers, Semois, Leſſe und 
Durthe und Die Der Mofel zuſtrömenden Flüſſe Orne 
and Sure (Sauer) mit he Eltze) tiefe Tiler und 
Schluchten, oft mit fteilen Whjtiirzen von 200 m Hibhe, 
eingeidnitten find. Der größere Teil der Plateaus 
Hietet nur Heiden (landes) dar, entweder weite ſump— 
fige und der Kultur unzugängliche Strecken (fagnes) 
oder ſchlechte Weideplige, die mur nach einem Zwiſchen⸗ 
raum von 15—20 Jahren und durd) ein beſonderes 
Verfahren zum Anbau ju benugen find. Jn den Tä— 
lern bingegen findet man berrlidje Wiejen und frudt- 
Hares Land. Den Hauptreidtum des Gebirges bilden 
Die Waldungen, die zumeiſt aus Eichen und Buchen 
mit untermijdten Erlen, Birken, Eſchen rc. bejtehen, 
umd Die reich) vorhandenen Montanſchätze, als Cijen, 
Blei (bei Longvilly), Untimon (bei Gösdorf), Kupfer 
{bei Stoljenburg), Mangan (bei Bihain), plajtijder 
‘Ton, namentlich aber die unerſchöpflichen Steinfohlen- 
dager (amt Rordrand von Lüttich bis Valenciennes 
ſich erjtrectend), die Belgiens Metallverarbeitung und 
großartige Induſtrie begriinden. Die W. waren als 
Arduenna Silva ſchon den Rimern befannt. Sie waren 
der Jagd- und Waldgottin Diana heilig, die davon 
den Beinamen Arduenna erhielt, und manderlei 
Denfmiler des Dianendienftes in diejen Gegenden 
finden fic) nod) in Altären, Statuen, Inſchriften. 
Bgl. Montagnac, Les Ardennes illustrées (Rar. 
1875, 2 Boe.); Förſter, Verſuch einer phyſiſchen 
horographie der VW. (Aachen 1882); Goffelet, L'Ar- 
denne (gevlogijd), Bar. 1888); Jean d'Urdenne 
{X%. Dommartin), L’Ardenne. Guide du touriste 
et du cycliste (3. Aufl., Briſſ. 1894—96, 3 Bde.); 
Freimuth, UWrdennenwanderungen (Köln 1895); 
Meyrac, Géographie illustrée-des Ardennes 
<{Ebarleville 1900). 

Ardennen, Departement im norddjtliden Frant- 
reich, erjtrectt fich, in feinem nördlichen Teil von dem 
Ardenner Wald (jf. oben) durchzogen, an beiden Ufern 
der Maas feilformig nad Belgien hinein und grenzt 
weſtlich an das Depart. Wisne, ſüdlich an das Depart. 
Marne und djtlid) an das Depart. Maas. Es bejteht 
aus den nördlichen Teilen der ehemaligen Champagne, 
den Fürſtentümern Sedan und Carignan u. a. und 
hat einen Flächeninhalt von 5252 qkin (95,4 OW.) 
und (1901) 315,589 Einw. (60 auf 1 qkm). Das 
Departement zerfällt in fiinf Yrrondijfements: We 
gieres, Rocroi, Sedan, Rethel und Vouziers, und hat 
Méieres zur Hauptjtadt. 

Urdennenfanal, Kanal im nordöſtlichen Frant- 
reich (Departements Yisne und Urdennen), fiihrt von 
der Maas oberhalb Dom-le-Mesvil fiidwarts zur Bar 
amd über Die Waſſerſcheide bis gur Wisne bei Semuy 
und folgt legterer als Seitenfanal bis Bieug - (23 - Us- 
ald; Lange 100 km. Er wurde 1821—35 angelegt. 

UArdenner Wald, ſ. Urdennen. 

Ardeſchir (Wrtarerres), ſ. Urdafdir. 

Ardey, Vebirge, |. Ruhrfohlengebirge. 

Ardilän, hodgelegene Landſchaft im weſtlichen 
Perſien, Hauptort Sihna, weſtlich von Hamadan. 

Ardis, ſ. Blattweſpen. 

Ardisia Swartz (Spitzblume), Gattung der 
Weyrjinazeen, meijt inmergritne Baume oder Striiu- 
cher mit wedjeljtindigen ganzen Blattern und weißen 


733 


oder rofenroten Bliiten in Rifpen oder doldenfirmigen 
Cymen und meijt lebhaft gefärbten Steinfriidjten. 

ebr als 200 Yrten in Den wärmern Gebieten beider 
Hemifphiren. A. crenata Roxd., mit roten Friidten, 
im tropijden und fubtropijden Ojtajien, wird als 
Warmbhaus- und Zinrmerpflange fultiviert. Der Em- 
bryo entwidelt ſchon an der Mutterpflange fein Würzel⸗ 
chen, dad die Frudtidale durchbricht. 

Arditi, Luigi, Violinijt und Komponiſt, qeb. 22. 
Juli 1822 in CreScentino bei Bercelli, wirfie als 
Theaterfapellmeijter an italieniſchen Bühnen, aud in 
Havana, New Yorf, Ronjtantinopel und London 
(1858), Wien, Petersburg (187 1—73), machte auch mit 
einer cignen Operntruppe Gajtipielreifen in Deutjd)- 
land, nabm aber ſchließlich in London feinen fejten 
Wohnſitz. Von feinen Rompofitionen wurde die Oper 
»Der Spion« (1856) fowie der Geſangswalzer «Il 
bacio« (»Kußwalzer«) befannter. Seine Memoiren 
gab die Baronin v. Zedlitz heraus (»My reminiscen- 
ces«, Yond. 1896). 

Ardmore, Ort im Chicajawlande de3 nordame⸗ 
rikaniſchen Dndianerterritoriums, Bahnſtation und 
Baunuvollmarft mit (900) 5681 Einw. 

Ardois (franz., fpr. ardua), Nachtſignalapparat fiir 
Schiffe mit weißen, roten und grünen Glühlampen. 
Bal. Conz. 

rdove (ſpr. ardua, flim. Ar doie), Flecken in der 
belg. Proving Weſtflandern, Arrond. Rouſelare, Kno- 
tenpunkt an a Staatsbahnlinie Lichtervelde-Thielt, 
mit großen Webereien und (1900) 6104 Einw. 

Ardres (pr. ard), Stadt im fran3. Depart. Pas · de⸗ 
Calais, Arrond. St.-Dmer, am gleichnamigen anal 
und der Nordbahn, mit Zucker⸗ und Tiillfabrifation 
und (1901) 1856 Cinw. — Hier fand 1520 eine Zu— 
ſammenkunft Franz' J. und Heinrichs VIL. von Eng: 
land in einem dicht bei der Stadt aufgeſchlagenen 
Pradtlager ftatt, das durch Wett- und Ringtimpte 
verherrlicht wurde. 

Ardroſſan, Hafenjtadt in Ayrſhire (Schottland), 
dicht bei Saltcoats, hat Eiſenwerke, Kohlenhandel umd 
(1901) 5933 Eimw. 1901 liefen 3490 Schiffe (darunter 
3311 Riijtenfabrer) von 660,110 Ton. cin; Wert der 
Cinfubr 1900: 470,763 Pfd. Stert., der Ausfuhr bri- 
tiſcher Produkte 200,696 Pfd. Sterl. 

Ardſchiſch, 1) (ruman. Curtea de Urges) 
Stadt im rumän. Kreis W. (Waladei), am Fluß W. 
(Urges), der im Fogarajer Gebirge entipringt und 
nad 300 km langem Lauf bei Oltenitza in die Donau 
mündet, und an Der Cifenbahn Pitesci-U., hat 6 Rir- 
den (dDarunter cine prächtige tm byzantiniſchen Stil 
aus dem 16. Jahrh., 1886 rejtauriert) und 4210 Einw. 
A. ijt Biſchofsſitz und hat cin geiſtliches Seminar. Der 
Ort war als Rurte d'Ardſchiſch im 13. Jahrh Reſi— 
deny der walachiſchen Fürſten. — 2) Erdſchiſch, 
Argaeus Der Alten) ifolierter vulfanifder Berg in 
Kleinaſien, auf der Ebene von Kaijarie, 4059 m hod). 

Ar dslety (ivr. ards), 1) Stadt im Weſtbezirk von 
VYorkſhire (England), am Dearne, 4 km ſüdöſtlich von 
Barnsley, mit Kohlengruben, Glasfabrifen und (iver 
6226 Einw. — 2) A. Cajt and We jt, Stadtgemeinde 
im Weſtbezirk von Yorkſhire (England), 5 km nord- 
weſtlich von Watefield, aus zwei Dorfern entitanden, 
mit Kohlen- und Cijengruben, Cijengieferei, Woll- 
warenmanufaftur und (1901) 7477 Einw. 

Arduin, Warfgraf von Dvrea, Sohn de3 Grafen 
Dado, ward von Kaiſer Otto IT. 999 wegen feiner 
revel geächtet, nad) deſſen Tod aber von der deutſch— 
feindliden Bartei 15. Febr. 1002 in Pavia gum König 
Staliens erhoben. Er ſchlug 1003 ein von geintid Le 


734 


nad) Stalien geſchicktes Heer, ward gwar 1004 von 
Heinrich gur Flucht gendtigt, erhob fid) aber wieder 
nad) defjen Abzug und fegte den Widerjtand gegen die 
deutſche Herrſchaft aud) nad) Heinrichs I. zweitem 
Italienzug 1014, der ihn abermals zur Flucht zwang, 
fort. Erſt 1015 war ſeine Kraft gebrochen; er zog ſich 
in das Kloſter Fruttuaria zurüch wo er 14. Dez. 1015 
ſtarb, der letzte einheimiſche Konig Italiens im Mittel— 
alter. Bgl. Provana, Studi storici sopra la storia 
d'Italia ai tempi del re Ardoino (Turin 1844), 

Are (frany.), Flächenmaß, ſ. Ur; das décamétre 
carré = 947,6817 frithern Barifer Ogujp. 

Area (lat.), Ebene, Fiche. 

Aréa Celsi, das Ausfallen der Haare an einer 
oder mebhreren ſcharf umjdriebenen, kreisrund um— 
ren ten Stellen, Die ineinander iibergehen können. 

ie —— iſt dabei go". ohne Sdhuppen, von nor- 
malem Ausſehen. Cin Wiedererjay der Haare findet 
fajt ftet3, wenn auch oft erjt nad) Jahren jtatt. Man 
halt die A. C. fiir eine Störung, die von den die Er: 
nährung der Gewebe vermitteinden Nerven oder von 
den Blutgefäßen ausgeht. 

Areal (lat.), Fladenraum, Fladeninhalt. 

Arealbeftimmung, ſ. Flächenbeſtimmung. 

Arealſteuer, ſ. Fuͤchenſteuer. 

Areb, in Ojtindien 25 Lal Rupien. 

Aréca L. (Urefapalme), Gattung der Palmen, 
niedere und hohe Gewächſe mit ſchlankem, geringeltent 
Stamm, gefiederten Wedeln, weibliden Blüten auf 
der Spindel felbjt oder am Grund ihrer Aſte, die im 
obern Teil mannliche Bliiten tragen. Die einfamige 
Beere befigt eine reichliche Faſerſchicht. 14 Arten von 
Malakka bis Neuguinea. A.Catechu Villd.Katechu⸗ 
palme, Betelnußpalme, Pining) ſ. Tafel »Ge- 
nußmittelpflanzen⸗. Yn unſern Gewächshäuſern wer⸗ 
den einige Areca- Arten kultiviert. Mehrere früher zu 
A gerechnete Arten ſtellt man jetzt zu den Gattungen 
Kentia, Dictyosperma etc. Bgl. Lewin, Uber A. 
Catechu und das Betelfauen (Stuttg. 1889). 

Arecibo, Departement der wejtind. Inſel Buerto 
Rico, mit (sve) 162,308 Cinw. (wovon 23 Pros. 
Farbige) und der gleidmamigen Hauptitadt an der 


Nordfiijte, am Fluß W., mit Heinem Hafen, Bucer- | 


fabrifen, Brennereien, Kalfdfen und Uses) 8008 Einw. 

Aredodeſe, |. Befana. 

Areia (Uria, altperſ. Haraiva), Landſchaft des 
altperſ. Reiches, entſpricht der Umgebung von Herat 
und bat ihren Namen vom Fluß Areios (Herirud). 
S. Karte -Reich Alexanders d. Gr.« 

Areios, int Kalender der Bithynier der zehnte 
Monat, vom 23. Juni bis 24. Juli. 

Wrefapalme, ſ. Areca. 

Arefolin C,H,,NO,, Wialoid, findet fic) in den 
Arelanüſſen, bildet eine farblofe, Hlige Flüſſigkeit, 
miſchbar mit Wafer, Alkohol und Wther, fiedet bei 
220°, reagiert jtart alkaliſch, bildet leicht lösliche, meiſt 
frijtallifierbare Salze und gibt mit Salzſäure bei 150° 
Methyldlorid und Urefaidin (Tetrahydromethyl- 
nifotinjaure) C,H,,CO,H.N, das aud) in der Urefa: 
nuß vorkommt. VU. ijt ſtark giftiq, fein Hydrobromid 
C,H,,NO,.HBr bildet feine, {uflbeftandige Nadeln, 
ſchmilzt bet 167° und wird zum Vertreiben von Wür— 
mern und wie Bilofarpin bei Tieren benutzt. 

Arelat (Arelatiſches Reich), das Reid) Bur- 
qund diesſeit des Yura (Burgundia cisjurana), ge 


riindet von dem durd) die Biſchöfe im ſüdöſtlichen 


Frankreich zum Konig gewählten Grafen Bofo (880) 
und benannt nad der Hauptitadt Arles (relate), 
umfaßte dic Frande Comté, dic Gebiete von Chalons 








Are — Arenberg. 


und Maton, Vienne und Lyon, das fiidojtlide Langue: 
doc, einen Teil von Savoyen und die Provence, ward 
930 von dem Welfen Rudolf I. mit dem transprra- 
niſchen Burgund vereinigt und 1032 von Rudolf IIL 
Dem deutſchen Kaiſer Ronrad I]. vermadt. Seitdem 
gebirte eS gum Deutſchen Reid) (ſ. Burgund). Bgl 
Sternfeld, Das Berhiltnis des Ylrelats ju Kaiſer 
und Reid) (Berl. 1884). 

UAremberg, ſ. Urenberg. 

Wremorica (Urmorica, v. felt. are-mor, »am 
Meer), die nordiwejtlidje Küſte Galliens zwiſchen 
Pas-de-Calais und Liger (Loire), alfo die heutigen 
Landjdaften Normandie und Bretagne. Wis Vöiler 
dieſer Gegenden nennt Cäſar die Veneti, Ojionrit, Cu- 
rioſolites, Redones, Unelli, Lerovii und Caletes, wozu 
nod) die Ubrincatui, Viducafjes und Bajucafſes famen, 
meiſt feeqewohnte Bolter. Au Anfang de3 5. Jahr. 
bildeten Bic Uremorifer zwiſchen Seine und Loire zum 
Schutz wider die Cinfiille der Germanen einen Bund, 
der bis gur Eroberung des Landes durch Chlodwig 
um 500 bejtand. Bald darauf wanderten viele vou 
den Ungelfadjen verdraingte Briten eur, wovon ifr 
Land den Namen Bretagne erbielt. 

Aremorifdy, |. Bretonijde Sprache und Literatur. 

Aréna (lat., >Sand, Sandplan<), der mit Sand 
bejtreute Rampfplag im röõmiſchen Amphitheater (7. d.), 
dann iiberhaupt foviel wie Rampfplag. 

Arenal (jpan., »Sandfläche«), bei Vullanen die 
aus loſen Lapilli, Wide und Gand bejtehende vege 
tationsloje Fläche. 

Arenal, Concepcion, fpan. Sdriftitellerin und 
Surijtin, geb. 1837 m Orenſe, gejt. 4. Febr. 1893 in 
Vigo, ftudierte die Rechte und Sozialdfonomie zwi— 
ſchen 1850 und 1860, als Witwe eines Wdvofaten, 
privatim und auf der Madrider Univerjitat und ge- 
wann 1860 emen von der Academia de las ciencias 
morales y politicas ausgeſetzten Preis durch ihre Crit 
lingSarbeit: »La beneficencia, la filantropia y ls 
caridad« (1861). Gie leitete cin Urmeninjtitut, ward 
zeitweiſe Inſpektor der Gefängniſſe, nahm an natio- 
nalen und internationalen Kongreſſen der Rechtspflege 
teil und war literariſch unermüdlich tätig. In ihren 
Schriften (geſammelt 1894—1901, 20 Bde.) behan⸗ 
delte ſie brennende ſoziale Fragen: Völkerrecht, Krieg 
und Frieden, Volksunterricht, Sonntagsfeier, Bau- 
perismus, Straffolonien, Gefingniswejen, Frauen- 
frage (»La mujer del porvenire, 1877; »La mujer 
de su casa«, 1882). In ihrer Geburtsjtadt wurde thr 
ein Standbild erridtet. Bal. Salitlas, Us;carate 
und Sande; Moguel, A. en la ciencia juridica, 
sociologica y en la literatura (Madr. 1894). 

Arenas, Las, Vorhafen von Bilbao (j. d.). 

Arenberg (Uremberq), ehemals deutſches Her- 
zogtum im furrbeinijden Kreis, zwiſchen Jülich und 
Rodin, jest sum preußiſchen Regbez. Koblenz gehörig, 
umfaßte 413 qkm (7,5 OW?) mit 14,800 Einw. Der 
Flecken W., im Kreis Udenau, am Fuh des Wrem- 
bergs, eines 630m hohen Bafaltfegels, mit der Ruine 
des Stammidlofjes der Herzöge von A., hat 5382 
Cinw. — Die Herren von W. fommen juerjt 1129 
vor, erlöſchen aber ſchon 1280. Ihre Befigungen 
qingen 1298 durch Heirat an den Grafen Engelbert 
von der Mart iiber, deffen jiingerer Sohn, Eberhard, 
das Haus A. von neuem beqriindete. 1547, nad dem 
Tode Roberts III. fam die Vrafidaft an Johann von 
Barbancon aus dem Haus Ligne, der Roberts Tochter 
Margarete qeheiratet hatte. Diefer wurde 1549 yum 
Reichsqrafen, fein Sohn Karl 1576 sum Reichsfürſten 
erhoben. Deſſen Enfel Philipp Frang erhielt 1644 Me 


Arenberg — Avene. 735 


herzogliche Würde. Bm Liineviller Frieden 1801 | Holshandel und Sdiffahrt. W. beſaß 1897: 212 Fahr- 
wurde das Land Frankreich einverleibt, und Herzog | zeuge von 98,745 Ton. Der Wert der Cinfubr betrug 
Ludwig Engelbert erhielt als Entſchädigung die Herr- | 2,962,100 Kronen, der Ausfuhr 2,894,500 Sr. (insbeſ. 
ſchaft Reddlinghaujen und die Grafſchaft Meppen. | Holz). A. ijt Sig eines deutfden Konſuls. 
Ludwig Engelberts Sohn Proſper Ludwig trat 1806| Arende (lat.), ſ. Urrende. 
als fouveriines Mitglied dem Rheinbund bei, 1810; Arends, Leopold, Begriinder cine Stenogra- 
wurde er durd franzöſiſchen Senatsbeſchluß der Lan- | phiefyitems, geb. 4. Deg. 1817 in Rakiſchi (Weſtruß⸗ 
DeShoheit beraubt und fein Land dem Königreich Weft: | land), widmete fid) zu Dorpat dem Studium der Phar— 
falen cinverteibt. Auch erlangte der Herzog ſeine Gou- | magie, wurde dann Hauslehrer und —— 
verãnitãt 1815 nicht wieder; ſeine Beſitzungen wurden | jiedelte 1844 nad) Berlin über, wo er 22. Dez. 1882 
teils unter preupifde, teils unter hanndveride Hoheit jtarb. Unger Dramen und Gedidten ſchrieb er » Uber 
qejtellt. Dem ftandesherrliden Gebiet in Hannover | den ct ap ra der Vorzeit und althebriijde Vo— 
oder Dem Amt Meppen (2195 qkm mit 56,658 Einw.) falmufif« (Vert. 1867). Seine Stenographie erſchien 
wurde vom König Georg IV. 9. Mai 1826 der Name zuerſt 1850, dann etwas gedndert 1860 als »Leitfaden 
Herzogtum U.-Meppen beigelegt. Es fam 1866 | einer rationellen Kurzſchrift« (22. Aufl., Berl. 1896). 
an Preußen. Es umfaht ein Stadtgebiet (PBapen- | Val. darüber Urtifel »Stenographie« (mit Sdrift- 
burg) und 4 Amtsbezirke (Meppen, Hafeliinne, Hitnrm: | probe). Nach W'. Tode qab G. Wendtland 1885 eine 
ling und Aſchendorf) mit 3 Städien und 27 Land- | »Debattenfdprift« (3. Aufl. Leipz. 1888) heraus. Ber- 
—— Ferner beſitzt der Herzog die Grafſchaft einfachungen des Syſtens veröffentlichten 1888, 1890 
ecklinghauſen in Weſtfalen, die den gleidnamigen | und 1898 Hermann Matſchenz, Provinzialſteuer— 
Kreis des Regierungsbezirls Münſter (780 qkm mit | jefretiir in Berlin (geft. dafelbjt 25. Jan. 1901, Vor— 
64,699 Ginw) bildet, u.a. Außerdem hat er großen | figender des > Upollo-Bundes«), fog. Syftem » Urends- 
Grundbefis in Belgien und Frankreich; feine Ein-Matſchenz«, ferner 1894 der Verband Arendsſcher 
künfte follen iiber 14/2 Dill. Me. betragen. 1877 ver- | Stenographenvereine (geqriindet 1867), fogen.Syjtem 
lor ber Herzog gleich den iibriqen Standesherren den | »>RMeform-Urendse. Cin Teil der Arendsſchen Schule 
privilegierten Geridtsjtand. Die Familie befennt fic | trat 1898 der »Rationaljtenographice (f. d.) bei. Die 
zur fatholifden Rirde. Jetziger Standesherr (feit | Arendsſche Schule zählte 1901 im Deutſchen Reiche 
1875) iſt 8338 Engelbert Proſper Ernſt Maria Yo- | 129 Vereine mit 3002 Mitgliedern (darunter Urends- 
feph, geb. 10. Aug. 1872; fein gewöhnlicher Wohnſitz Matſchenz 100, Reform-Arends 8 und Wit - Yrends 
ijt Brüſſel, wo is feine bedeutende Gemaldegalerie | 21 Vereine), auferdem im Uuslande 5 Vereine. Von 
bejindet, oder das Schloß Memenswerth bei Meppen. | den vielen Übertragungen auf fremde Sprachen ijt 
Val. Diepenbrod, Gefchicte des vorm. miinjter- | die ſchwediſche (C. Bergſten) am verbreitetften. l. 
ſchen Amtes Meppen (2. Aufl., Lingen 1886). Groſſe, A.' Werden und Wirken (Berl. 1900); P. 
Arenberg, 1) Leopold Philipp Karl Jo- Hirſch, Geſchichte der Arendsſchen Stenographie (daf. 
feph, HPerzog vonA, AerſchötundCroy, Sohn 1894 u. 1895); Kalender fiir Arendsſche Stenogra- 
des 19. Aug. 1691 bei Slankamen gefallenen Herzogs phen (25. sabres 1902). Neuere Lehrbiider von 
Philipp Karl Franz, geb. 1690 in Brite, gelt. 1754 | Korb (4. Uufl., Elberf. 1899, Reform - Urend3) und 
auf Schloß Héverlé bet Liwen, machte 1706 den Spa- Matſchenz (16. Aufl., Berl. 1901); Hauptzeitſchrift: 
niſchen Erbfolgetrieg, 1716 und 1717 als £. f. General: | »Der Arendsſche Stenograph« (Berlin), Organ des 
major die Feldzüge in Ungarn mit und befehligte bei | Hauptverbandes. 
Belgrad den rechten Fliigel der Jnfanterie. 1719 er-| Arendfee, Stadt im preuß. Regbez. Magdeburg, 
nannte ifn Karl VI. gum Gouverneur von Henne: | Kreis Ojterburg, hat 2 evang. Kirchen, eine landwirt- 
qau und Mons fowie gum niederlindifden Staats. ſchaftliche Winlerſchule, Amtsgericht, Bierbrauerei, 
rat, 1733 gum Yrtilleriegeneral. Nad) Dem Wieder- | Spivitusbrennerei, Raltwafferheilanjtalt und 900) 
ausbruch ded Krieges mit Franfreid) (1733) diente W. | 2184 Einw. Dabei eine königliche Domine mit Re- 
abermals unter dem Prinzen Eugen am Rhein, ward | montedepot und der See gletdhen Namens. — Das 
1737 Feldmarſchall und Sberbefehlshaber der faifer- | hier 1184 gegründete Benediltiner-Nonnenkloſter 
licen Truppen in den Niederlanden, bewirfte 1743 | wurde 1541 em evangelifdes Stift und 1812 auf: 
die Allianz zwiſchen England und Holland, zeichnete gehoben; jest Ruine. 
fid) bei Dettingen aus und wurde 1745 Statthalter| Wrendt, Rudolf, Chemifer, geb. 1. April 1828 
von Hennegau. Cr war ein eifriger Befirderer der | in Franffurt a. O., gejt. 15. Mai 1902 in Leipzig, ſtu— 
Wiſſenſchaflen, ein Freund Voltaires und gab Rouſ- dierte 1853— 57 in Leipzig, wurde Aſſiſtent an der 
feau eine Penſion. landwirtſchaftlichen Verſuchsſtation in Midern, 1861 
2) Frans Ludwig, Bring von, geb. 29. Sept. | Lehrer an der dffentliden Handelslehranjtalt in Leip- 
1849 auf Schloß Héverié in Belgien, jtudterte in Born | ziq und 1880 gum Profeſſor ernannt. Er ſchrieb: 
die Rechte, war Uttadé, dann Legationsfefretar in »Der Unfdhauungsunterridt in der Naturlehree 
Stodholm, London, St. Petersburg und Ronjtanti- | (Leips. 1869); »Technif der Experimentaldemie (daſ. 
nopel. 1882in das preußiſche Ubgeordnetenhaus und | 1881, 2 Bde. ; 3. Wufl. 1900); »Leitfaden fiir den Un- 
1890 in Den Reichstag gewählt, ſchloß er ſich dem terridt in der Chemie« (7. Aufl., daj. 1898); »Grund- 
—— an, trat aber entſchieden fiir die kolonialen züge Der Chemie« (7. Aufl., daſ. 1899); »WMateria- 
trebungen Deutſchlands ein und wurde 1897 gum | lien fiir den Anſchauungsunterricht in der Natur: 
ary re der deutſchen Kolonialgeſellſchaft gewaͤhlt. lehre⸗ (4. Uufl., daf. 1886); »>Methodifder Lehrgang 
3) Fürſt von, ſ. La Mare. der Chentie« (Halle 1887). Seit 1862 redigierte er das 
Arendal, Hafenjtadt im norweg. Amt Nedenes, | »Chemiſche Zentratblatte. 
nabe dem Ausfluß des Nidelvs in eine Meeresbucht. Wreme (or. arin), Paul, franz. Schriftſteller geb. 
der Infel Troms gegentiber qelegen, mit (1900) 11,155 | 26. Juni 1843 in Gifteron, git. 18. Deg. 18K6. in 
Cinw. Die Stadt it nad der Feuersbriunjt von 1868 | Paris, war der ungenannte Mitarbeiter A. Daudets 
3X. auf Felfen, 3. T. lings den ſchönen Rais neu und bei den »Lettres de mon moulin« (1868). Ym Ge- 
regelmifig erbaut. Hauptgewerbe find Schiffbau, | genfage gu feinem Landsmann blieb YW. in Paris der 


736 


Bohẽme und der heimiſchen Provence treu, der er im 
dem Novellenband » Au bon soleil« (1879) und dem 
bejten fener Romane: » La Chévre d’or« (1889), Dent: 
miler fegte. Außerdem fdrieb er cinen Band tief 
poctijder »Contes de Noél«, unter denen »La vraie 
tentation de saint Antoine« (1879) hervorsubeben 
ijt, »Vingt jours en Tunisie, mis og 
(1884), »Le canot des six capitaines« (1888), »Pa- 
ris ingénue (1882), »Contes de Paris et de Pro- 
vence« (1887) u. a. 

Arénenberg (im Mittelalter Narrenberg, ſpä 
ter latinijiert Urenaberg), einer der ſchloßartigen 
und vielbeſuchten Landjige tm ſchweizer. Ranton Thur: 
gau, am Unterfee, war in den 1830er Jahren Cigen- 
tum und Wohnſitz der Königin Hortenje (Gräfin von 
Saint-Leu), die 1837 dafelbjt jtarb, und feit 1855 
der Kaiſerin — 

Arenga Labill. (Quderpalme), Gattung der 
Falmen, Baume mit hohem, didem, ringförmig ge- 
narbtem Stamm, reichlich mit fteifen, ſchwarzen Faſern 
beſetzten, bisweilen ſtacheligen Wedeljticlen und gefie- 
Derten Wedeln. Sie bliihen nur einmal im Leben 
und tragen hingende Ähren mit großen, grünlichen, 
mondzifden Bliiten. Die faftige, qriine, runde Beere 
ijt dreifamig. Sieben Urten auf der Oſtküſte des tro- 
pifden Ufien, den Philippimen, in Hinterindien, im 
Malaiiſchen Archipel und auf der Nordfiijte Auſtra— 
lien’. A. saceharifera Labill. (moluttifdeQuder- 
palme, Saqwire-,Gomutipalme, ſ. Tafel »>Pal- 
men I«, fig. 2), ein 9—12m hoher Baum im öſtlichen 
Indien, wird vielfad) fultiviert und liefert Palmkohl, 
cine ãußerſt widerſtandsfähige, pferdehaarartige Fa— 
ſer zu Tauwerk, zum Dachdecken und auch zu Gewe— 
ben (Goafafern, Gomuti, Ejoo, Kitool Kit— 
tul], Hauptbeſtandteil des Crin végétal), außerdem 

artes, ſpinnwebartiges Material, das unter der grö— 

rm Faſer ſitzt und als Werg und Zunder benutzt 
wird, ferner als Hauptproduft Palmwein oder Toddy. 
Bur Gewinnung desfelben werden die männlichen 
Blittenfolben gepeitidt und damn abgefdnitten. Cin 
Baum liefert jabrelang tiglid) etwa 3 —4 Lit. Saft, 
der leicht gärt, aber pa | aut Sirup, Buder (Saquer- 
zucker) und Urraf verarbeitet wird. Das Mark der 
Palme liefert Sago; die fleifdige dufere Fruchtſchale 
enthalt einen äußerſt ätzenden Saft, den die Cinge- 
bornen der Moluffen in ihren Kriegen gegen die Hol- 
lander benugten; der Same wird von den Chinefen 
cingemadt genojfen. Das Hol; (Kitool) fonumt von 
Ceylon und Kotſchinchina in den Handel, ijt tiefbraun 
mit ſchwarzen und goldglänzenden Langsjtreifen, eins 
der ſchönſten, härteſten und dauerhafteften Palmhölzer. 

Arenicolae (Sanbdfifer), ſ. Blatthorntifer. 

Arensburg, ehemals befejtigte Hauptitadt der 
livländ. Inſel Ofel, hat 2 Kirchen, mehrere Schulen, 
einen Hafen mit 2 Leudttiirmen, cine Seewaſſerheil⸗ 
anjtalt mit Sdlammbad, eine Seemannsfdule und 
(1897) 4621 Einw. Die Cinfubr auslindifder Urtifel 
gent meijt tiber Riga. A. ijt Der Sig eines deutſchen 

igefonfuls. Die Stadt ward 13. Sept. 1710 von 
den Rufjen erobert. Bgl. Holzmayer, Das Bad 
A. auf der Inſel Ofel (Ärensb. 1880). 

Arenffy, Unton Stepanowitsd, ruff. Kom— 
ponijt, geb. 30. Juli 1861 in Nowgorod, erbielt feine 
Ausbildung am Konfervatorium ju Petersburg und 
wurde 1883 als Rompofitionslehrer am Wosfauer 
Konfervatorium angejtellt, 1895 aber als Dirigent der 
DHoffangerfapelle nad) Petersburg berufen. YW. madte 
jid) als Komponiſt durch mehrere Opern, vier Sym- 
phonien, cin Klavierlonzert, befonders aber durch Kam— 


Arenenberg — Areopag. 


mermufitwerfe befannt, aud) gab er eine Harmonie- 
lehre heraus (deutid von Quon, Leips. 1900). 

Arénys de Mar, Bezirkshauptſtadt in der fpan. 
Proving Barcelona, am Mittellaindifden Weer und 
an der Eiſenbahn Barcelona-Matars-Empalme ge 
leqen, mit (1900) 4618 Cinw., einer Schiffahrtsſchule. 
cinem Hafen, Schiffbau, Fabrifen fiir Fil; und Spiper. 
BWollen- und Baunuwollengewebe und Branntwein- 
brennerei. Auf der Dobe im N. liegt Urénys de 
Munt, mit 900) 3003 Einw.; 1 km fidweftlid das 
Titusbad (38°), gegen Rheumatismus und Haut 
franfheiten empfoblen; 2 km weiter die ähnlich wir- 
fenden Thermen von Caldetas d'Ejtrad. 

Arenzano, Stadt in der ital. Proving Venua, an 
der Meeresfiijte und der Cifenbahn Genua-Nizza, mit 
ſchönen BVillen, Seiden: und Baunuvolljpinnereien, 
Papierfabrifation u. 1901) als Gemeinde 3987 Coun. 

Areographie (qried.), Beſchreibung de3 Planeten 
Mars (Wires); areographifd, was ſich auf dieſen 
begieht, 4. B. areographiſche Breite. 

Aréoi, ſ. Gehetme Geſellſchaften. 

Aredia (lat., Verfleinerung von area), der fleine 
Hof, d. b. rote Kreis um die Puiteln der Schupblat- 
| tern; Der Warzenring auf der Bruſt. 

Areopãg (qriecd. Areios pagos, »Ureshiigel«), 
Hügel bet Uther, in der Nähe der Yifropolis, den Ero 
pylaen gegentiber; bier war der Sig Der Erinnyen und 
des beriihinten, uralten gleichnamigen Blutgeridtes, 
defjen Urjprung bis in die miythitche Beit zurückgeführt 
wurde. Er beſtand (ſchon vor Drafon) aus den ge— 
wejenen Urdonten, die ifr Umt tadellos verwaltet 
hatter, alfo den ehrenbaftejten, reichjten und ange: 
fehenjten Männern Uthens. Auf der Hobe feines Ein 
fluſſes wachte der UW. tiber die Uusiibung der Gefege 
durd) die Behdrden, fonnte die Beamten wegen ibrer 
———— vor Gericht ziehen und gegen alle 
Beſchlüſſe des Rates und der Vollsverſammlumg, wenn 
er in ihnen eine Verletzung der Verfaffung oder cine 
Gefahr fiir das Gemetnween erblicte, Einſprache er- 
heben. Er ſchirmte den heiligen Dienſt der Gatter, 
| fiihrte Aufſicht fiber die religidje Gefinnung, den fitt- 
lidjen Wandel und die LebenSweife der Biirger und 
liber die Erziehung der Jugend. Obne eine Anklage 
absuwarten, Durfte Der A. alle Biirger vor Geri 
laden, vernehmen und jtrafen. Die Wiirde der Mi— 
glieder war lebenslinglich, ibre Sahl unbejtimmt. So 
war der A., unabbingig von den Sdwanfungen der 
dffentlicjen Meinung und umgeben von den heiligiter 
Erinnerungen der Porseit, eine vortrefflide Staats- 
einridtung, welde die Entiwidelung des Gemeinweſens 
in fonfervativem Sinne mäßigte. Eben darum rid 
teten fich aber aud) alle Bejtrebungen der demofra 
| tifdjen Bartei auf die Beſchränkung der Macht des 

YUreopags. Schon Drafon war in biefer Ridtung tatig, 
endlich verlor er durch Das Geſetz de3 Ephialtes 460 
alle Befugnifje mit Ausnahme des Blutbannes (Die 
Oberaufſicht tiber die Staatsverwaltung wurde den 
Nomophylafes ee Cine Reattion trat nad 
dem Peloponnefifden Krieg ein; der UW. wurde in 
einen Teil feiner alten Be ugniffe wieder eingefest, 
namentlid) mit der Uuffidt fiber die Beobadtung der 
Geſetze durch die Behdrden von neuem beauftragt und 
qewann fogar mit dem Ginfen der äußern Macht 
| Uthens an influ. Mus Apoſtelgeſchichte 17, 19 u. 22 

erhellt, daß er unter Claudius nod eriftierte; wabr- 
ſcheinlich wurde er unter Vejpafian aufgeboben. Bal. 
¥.W. Ford hammer, De Areopago ete. (Miel 182s); 

Ehilippi, Der UW. und die Epheten (Leipz. 1874); 

Lange, Die Epheten u. der A. vor Solon (das. 1874). 








° 


Aere perennius — Wrefe- Visconti. 7 
Aere perennius (lat.), dauernder als Erz, ſ. Ex- | Die Romer ſetzten A. ihrem Mars (ſ. d.) aleig, Val. 
©gi monumentum x. Miller, Ures (Götting. 1848); Stoll, Uber die 
Arequipa ({pr. -tipa), Kiijtendepartement von Peru, | urjpriinglidje Bedeutung ded W. (Weilb.1855); T ii m- 
im MR. von Uyacudo, Upurimac und Cugco, im O. | pel, A. und Aphrodite (Leip3.1880); B oigt, Beitriige 
von Cujco, Puno und Moquegua, im S. und W. vont | sur Mythologie des W. und der Uthene (»Leipsiger 
Stillen Ryean beqrengt, 56,857 qkm groß mit (1896) | Studiene, Bd. 4, S. 225 ff.). — Die qriechifr,> Kunſt 
229,007 Cinw. Jn den frudtbareren Teilen de3 vom | jtellte ihn als ſchönen, jugendliden Mann oar von 
Bulfan von A. oder ef Miſti (6600 m, f. d.) und dem | traftigem Bau, mit fur; gelodtent Haar, im alten Stil 
W@W had ani (5621 m) iiberragten, nur von fleinen Rii- bärtig, ſpäter unbartig, mit etwas düſterm Gefidts- 
ſtenflüſſen bewafjerten Gebirgslandes wird Landbau | ausdruc. Von feinen Darjtellungen die bedeutendjte 
UND Biehzucht getrieben; der Bergbau ijt trog des | ijt die Statue 
Wielallreichtums unbedeutend, widtiger find Induſtrie | des ſitzenden 
und Handel. Das Departement jerfallt in fieben Pro- | A. in der Bil- 
vinjen. — Die Hauptitadt W., in einem der frudt- | la Ludoviſi 
barjten Tiler von Peru, 90 km von der Kiijte und zu Rom (val. 
2540 m it. D2, ant Fup des Miſti und an der Cifen | Wbbildung) 
babu Mollendo-Puno gelegen, durd) Lage, gefun- | mitdem Eros 
Des Klima und die Tätigkeit der see) 35,000 Eimw. | zu Füßen. 
eine Ber bedeutenditen Städte Siidamerifas, ijt Sig | Der W. Bor- 
eines Biſchofs und cines deutſchen Konſuls, mit Ra- gheſe im Lou⸗ 
thedrale, Präfelturgebäude, —— Univerſität, vre, Den frei— 
2 Nationalfollegien, 4 Mönchs- und 3 Nonnenklöſtern. lid) manche 
Baumwoll- und Wollweberei, Gold- und Silber: | als Udill er- 
indujtrie und Handel find nicht unbedeutend. Seit Er- klären, ftellt 
öffnung der von der Küſte pune Titicacafee fiihrenden | ifn ſtehend 
qrogartigen Eiſenbahn ijt A. ei widtiger Bunt fiir | und mur mit 
Den Tranfithandet mit dem Hinterlande, der fic) meijt | dem Helm be- 


37 


int Den Händen europäiſcher Naufleute befindet. Die kleidet 
Stadt, 1540 gegriindet, ward fehr häufig von Erd- In der römi— 
beben heimgefudt; von 1811—45 zählte man deren 


826. Am ſchwerſten litt fie 1582 und 1784; am 13. 
Aug. 1868 fank jie gum größten Teil in Triimmer, 
wurde aber fofort mieder aufgebaut. 

Ares, der griechiſche Kriegsgott, Sohn des Zeus 
und der Hera, deren ſtreitſüchtiger Sinn nach Homer 
auf ihn übergegangen iſt in dem Maße, daß er nur 
am wilden Toben der Schlacht ſeine Luſt hat. Daher 
ijt er Den Göttern. ang Zeus, befonders aber Uthene 
verhaßt, die vor Troja ſeine Gegnerin ijt und ihn ver- 
wundet, aud von ihr begiinjtigten Helden, wie Dio- 
medes und Herafles, den Sieg iiber ibn verleibt. Da- 
gegen ijt er ſchon bei Homer Freund und Liebhaber 
der Uphrodite. Bald kämpft er ju wu, bald auf dem 
Kriegswagen, den ihm femme Gibne Deimos und 
Phobos (⸗Furcht« und »Sdrecen«) ſchirren, feine 
Schwejter Eris (»Streit«) voran; auch die mordende 


Enyo gehirt zu A.' Gefolge, dex felbjt aud) unter dem | 


Namen Enyalios verehrt und in der Schladt an- 
gerufen wird. Als fein Lieblingsſitz galt das wilde 
Thrakien. Cine Hauptititte feines Rults war Theben, 
wo er und YWphrodite, hier wie anderwirts feine Ge- 
mahlin, von ihm Mutter des Deimos und Phobos, 
Eros und Unteros und der Harmonia, der Gattin des 
Kadmos, als Stammgötter verehrt wurden. Jn Uthen 
war ihm die alte Statte des Blutgeridhts, der Areo— 
vag, geweiht; hier follten ihn einjt die Götter geridtet 
und freigefprodjen haben, als er Poſeidons Sohn Ha- 
lirrhothios, der feiner Todter Allippe Gewalt angetan, 
litete. Natiirlid) hatte er aud) in Sparta befondere 
Verehrung. Im allgemeinen tritt bei der Cinjeitiqfeit 
ſeines Weſens fein Kult nicht fo Hervor wie der der 
Friedensgötter. Er galt als Bater einer Reihe friegeri- 
ſcher Helden 3. T. wildejter Art, wie des Thrafers Dio- 
meded, des Kylnos, Onomaos, auc) des von Kadmos 
erlegten Draden bei Theben. Gein Sinnbild ijt der 
Speer, zugleich Sinnbild der Blutrade und des Blut- 
gerichts, und die brennende Fadel, die nad altem 





Braud zwei den Heeren voranjdreitende Priejter des 
A. den Feinden als Kampfeszeichen zuſchleuderten. 
Neyers Ronv.>Lexifon, 6. Aufl., J. Vd. 


dar. 


ſchen Kunſt 
erſcheint A. 
ſtets vollge⸗ 
rüſtet und 
meiſt ſtehend. 
Sehr beliebt 
war auch die 
Gruppierung 
mit UWpbro- 
dite, ftatuas 
rijd und in 
Wandgenral- 
den. — Val. 
Dilthey in den »Qahrbiidern de3 Vereins von Ul- 
tertumsfreunden im Rheinland«, Heft 53, S. 24 ff.; 
Furtwingler in Roſchers »Lexifon der Mytholo- 
i qies, Bd. 1, S. 487 ff.; Sauer in ⸗Pauly-Wiſſowas 
nzytlopädie⸗, Bd. 2, S. 642 Ff. 
réje-Visconti, Francesco, Graf, ital. 
Staatsmann, geb. 14. Aug. 1805, geft. 25. Mai 1881, 
jtudierte in Bavia die Rechte, beteiliqte fid) 1830 an 
ayinis Erhebung und fand nad deren Mißlingen 
bei Der Königin Hortenje im Schloß Urenenberg Ru 
flucht. 1832 kämpfte A. in der franzöſiſchen Fremden- 
legion in Ulgerien und begleitete 1836 den Sohn der 
Ronigin Hortense, den fpatern Kaiſer Napoleon III., 
nad) Rordamerifa. Die Ummejtie von 1838 gejtattete 
A. Die Riictehr in die Heimat, wo ihn Maſſimo d'Ye- 
lio fiir Die Elane Karl Wiberts qewann. Nach Aus— 
cal der Revolution vor 1848 fimpfte A. gegen die 
Djterreidjer und flüchtete danach nad ‘Piemont, wo er 
ing Parlament gewählt wurde. Aus diejer Zeit da- 
tieren feine geheimen Wiffionen bei Napoleon, mit 
dent er Den Blan faßte, die Ojterreidher aus Jtalien 
zu vertreiben; auch ſpäter bat er infolge feiner alten 
eziehungen wiederbolt Verhandlungen mit dem Kat 
fer geführt, fo 1854 vor dem Rrimfrieg, 1859 nad 
Cavours Riictritt, 1862 vor der Septemberfonvention, 
1866 bei Gelegenbeit des preubijdy-italienifdjen Viind- 
nijjes. 1854 wurde A. Senator, fiedelte nad) Turin 
47 








Ares (Rom, Billa Ludovifl). 





738 


fiber und zãhlte feitdem ju den intimen Ratgebern ' 
Cavours. Rad 1866 309 er fid) von den Staats. | 
qeidajten zurüch, blieb Vizeprafident des Se- 
nats bis 1874. Bgl. Bonfadini, Vita di Francesco 
Arese (Zur. 1894); Grabinffi, Un ami de Napo- 
jéon III. Le comte Arese et la politique italienne 
sous le second empire (Bar. 1897). 

Aresfutan (joc. s-), Berg im ſchwed. Lin Jemt- 
land, zwiſchen den Seen Vire und Kall, 1472 m hod. | 

Aretãos, griech. Arzt, aus Kappadofien, lebte in | 
Rom zu Ende de3 2. Jahrh. n. Chr., Unbhanger der 
elleltiſchen Schule, galt nächſt Hippofrates fiir den | 
bejten Beobadter der KRranfheiten. In zwei im ioni- 
ſchen Dialeft qeidriebenen Werfen bebandelte er die 
Urſachen und Zeichen der afuten und droniiden Krank⸗ 
heiten und deren Heilung (hr3q. von Kühn im den | 
»Medici graeci«, Leipʒ. 1828; Crmerius, ltr. 1848; | 
Adams, Lond. 1856; deutid) von Mann, Halle 1858). 
Val. Loder, A. aus Kappadofien (mit überſetzung, 
Zuͤrich 1847). 

Arete (qried.), Gemabhlin de3 Phaafenfinigs Al⸗ 
finoos (j. d.), Beidiigerin des Odyſſeus. 

Arethiija, Nymphe der beriihmten Ouelle A. auf | 
der Inſel Ortygia bet Syrafus, die einen unterirdi- | 
iden Zufammenhang mit dem Alpheios (f.d.) in Elis 
haben follte. UW. wurde in Syrakus gottlid) verehrt. | 
Den Namen A. fiihrten nod sablreiche andre Quellen, | 
3}. B. eine auf Ithala (jest Lebado). 

Arcthiifa, im Witertum Stadt in Syrien, am | 
DOrontes, zwiſchen Epiphania und Emefa, von Seleutos | 
Nifator neugegriindet; jest Rejtan. 

Mretin, 1) Johann Georg, Freiherr von, | 
geb. 29. Mar; 1766 in Jngoljtadt, gejt. 30. Jan. 1845 
in Mitnden, aus einer Familie, die ihren Urſprung 
von einem armenijden Königsgeſchlecht herleitete (val. | 
»Die Familie A.«, 1825), madte fich feit 1793 als | 
Adminiſtrator des Donaumoosgeridts um Troden- 
legung des Donaumoofes verdient. 1796 wurde er 
jum Hoffanunerrat, 1799 zum Landesdireftor in Am— 
berg und 1806 gum Straßen- und Waſſerbauinſpel— 
tor in Tirol ernannt. Beim Ausbruch de3 Aufſtan— 
des in Tirol 1809 befleidete er die Stelle eines Gene- 
ralfommiffars de3 Cijadfreifes 3u Briren und wurde 
ald djterreidifcher Gefangener nach Ungarn abgefiibrt ; 
freigelafjen, erbielt er 1810 vom König von Bayern 
cin Lehnsqut nebjt einer Penfion. Seme zahlreichen 
Schriften yind qriptenteils prattijden und vaterlin- 
difchen Anhalts. 

2) Johann Udam, Freiherr von, bayr. Di- 
plomat, Bruder des vorigen, qeb. 24. Uug. 1769 in 
Ingolſtadt, geft. 18. Aug. 1822, war unter Montge- 
las Direftor der diplomatifden Seftion und feit 1817 
bayriſcher Bundestagsgefandter gu Frankfurt a. WM. 
A. gehört zu den Stiftern des Vereins fiir dltere deutiche 
Geſchichtslunde. Cin Verzeichnis ſeiner wertvollen 
Kupferſtiche und Gemäldeſammlung gab Brulliot her: 
aus (Münch. 1827, 3 Bde.). 

3) Jobann Chrijtoph, Freiherr von, Bru 
der Der vorigen, geb. 2. Dez. 1773 in Ingolſtadt, geſt. 
24. Dez. 1824 in München, wurde 1799 Landesdirel 
tionsrat, 1803 nad) Aufhebung der Klöſter als Re— 
gierungskommiſſar mit Durchſuchung der Kloſter— 
bibliothefen beauftragt und 1006 zum Oberbibliothekar 
in München ernannt. Durch ſeine Schrift » Die Plaine 
Napoleons und feiner Gegner in Deutidland« (1809), 
worm er gegeniiber einer angebliden antinapoleo— 
niſchen protejtantifden Liga Napoleon als Repriifen- 
tanten Der Deutidheit, d. h. des Kosmopolitismus, 
verberrlidte, geriet er in einen literariſchen Streit mit | 








Yresfutan — Aretino. 


Thierih und andern nad Bayern gezogenen prote- 
jtantijchen Gelebrten, leqte Daber fem Vint als Biblio 


| thefar nieder, ward 1811 Direftor, 1813 Byeprafident 


des Vp ichts zu Neuburg und 1819 Land- 
tagabgeordneter und Prãſident des Appellations 
gerichts zu A Als Landtagsabgeordneter gad 


| ex die freiſinnige ⸗Landtagszeitung· (1619ff.) heraus 


Außer der ſachſenfreundlichen re⸗Sadſen 
und Preußen · (1815) ſchrieb er unter anderm > Daber- 
bücher Der Gerechtigleitspflege in Bahern · (Neub. 1811 
bis 1818, 2 Bde.); » Staatsverfajjung und Ber- 
waltung « (Wind. 1826); »Daritellung der bayriſchen 
Sreditvereinganjtalt« (Mind. 1824); »Staatsredt 
der fonjtitutionellen Monarchie (Altenb. 1824—7, 
2 Bde.; 2. Ausg., vollendet von K. v. Rottect, Lewp; 
1838—40, 3 Bde.). 

4) Rarl Maria, Freiherr von, Geſchichtsfor 
ſcher, altejter Sohn des vorigen, geb. 4. Jult 1796 
in Weglar, geft. 29. Upril 1868 in Bertin, focht m 
— —* 1813—15 mit und diente Damn 
bis 1825 teils im eraljtab, teils in diplomatiider 


| Stellung, wurde 1843 Legationsrat und 1846 Ge. 


heimer Haus: und Staatsardivar, tm März 1847 
der bayriſchen Gejandtidaft in Berlin beiqegeben und 
1848 und 1849 mit diplomatifden Sen em be: 
traut. Im Auftrag König Warimilians richtete er 
ſeit 1855 das bayriſche Nationalmuſeum ein, deſſen 
Vorſtand er 1860 wurde. Seit 1851 Wirklicher Se 
beimer Mat, wurde er 1859 zum lebenstangticden 
Mitgliede Des ReidhSrats ernannt und 1867 m des 
Sollparlament gewählt. Er ſchrieb: » Ehronologtides 
Verzeichnis der bayrifden Staatsvertrãge · (BSafiau 
1838); »Bayern$ auswärtige Verhältniſſe feit dem 
Ynfang de3 16. Jahrhunderts<« (daf. 1839); »Ge 
ſchichte des Kurfürſten Maximilian J.« (Daf. 1849); 
»BWallenjteine (Regensburg 1846) und > Altertũmer 
und Munjtdenfmale des bayriſchen Herrſcherhaufes⸗ 
(Münch. 1854—71, 9 Hefte). Auf funithiftorifdenr 
Gebiet Autodidalt, erwarb er ſich als Hiſtoriker trotz 
partikulariſtiſcher und konfeſſioneller Befangenbert 
Verdienſte durch Erſchließung wichtiger Quellen. 
Aretino, 1) Pietro, ital Dichter, qeb. 20. Apa 
1492 in Arezzo, gejt. 21. Olt. 1556 in Benedig, war 
der Sohn eines armen Sdhujters, Namens Luca, ge- 
nof eine höchſt mangelbafte Erziehung und ging bald 
nad Berugia, wo er zu didten beqann, fodann (1517) 
nad Rom. Hier wurde er danf fener ſcharfen Satiren 
beriihmt und gefiirdtet und trat in Den Dienſt Leos X. 
und de Rardinals Giulio de’ Medici. Unter Hadrian 
verließ er mit letzterm Rom und fehrte erjt zurũck alg 
Diefer als Clemens VII. Papſt geworden war. Rod 
einem Yttentat auf fein Leben verließ er Rout aber- 
mals, beqab fid) zu Johann de’ Medici und wandte 
fid) nach defjen Tod (1527) nad) Venedig, um bier. 
wo er alle Freiheit fiir feime Ausſchweifungen wie fiir 
feine fatirifde Feder fand, mur von dem — der 
letztern zu leben. Sein Ziel war jetzt, Geld zu ge— 
winnen, und bei der Leichtigkeit, nut der er arbeitete. 
und der Schlauheit, womit er die Groen durch un- 
verſchämte Droh- und Sdhmeidelbriefe auszubeuten 
veritand, qelangte er bald ju großem Wobljtand. 
Selbjt Kaiſer Karl V. und Konig ean I. beſchenlten 
ifn mit qoldenen Ketten. Der erjtere bot ibm fogar 
Die Ritterwiirde an, die A. aber ausſchlug. Inzwi⸗ 
ſchen Hatten feine Schriften ihm eine große Anzahl 
von Bewunderern erworben, man nannte ibn »>den 
Mottliden« (il Divino), und nicht nur aus allen Tei- 
len Italiens, fondern felbjt aus dent Ausland emp. 
fing er Beſuche. Stets darauf bedadyt, ſich auf gutem 


Uretinus — Argand. 


Fuße mit dem römiſchen Stuhl zu erhalten, verfaßte 
er abwechſelnd mit den obſzönſten Schriften aud Er- 
bauungsbücher, wie: »Della umanitd di Cristo« 
(1535), »La vita di Maria Virgine« (1540), cine 
Baraphraje der fieben Bußpſalmen u. a. Als Jue 
lius III. den päpſtlichen Stubl beſtieg, beglückwünſchte 
ihn A. mit einem Sonett, wofür er mit 1000 Gold- 
tronen und dem Orden ded Heil. Betrus belohnt 
wurde. A. war unitreitiq ein Mann von bedeuten- 
Dem Talent, den nur fein Mangel an tieferer Bildung 
und feine Sittenlojiqteit hinderten, fich einen ebren- 
vollen Blab in der Literatur feines Vaterlandes ju 
erwerben. Von feinen zahlreichen Werken haben feine 
fiinf Komödien in Proſa: »Il Marescaleo« (1533), 
»La Cortigiana« (1534), »L'Ipocrito« (1542), »La 
Talanta« (1542), »Il Filosofo« (1546; Neuausg. 
Der Komödien, Vail. 1876), die gu den beſten der Feit 
gehören, bedeutendes ſittengeſchichtliches Intereſſe, 
und ijt Die Tragödie »Orazia« in Verſen (Vened. 1546) 
Das bejte. Die meiften übrigen find von der kraſſeſten 


Obſzönität. Yon befanntejten darunter find die be: | 


riidhtigten, Franz 1. gewidmeten »Ragionamenti« 
(1535 —38, 3 Tle., u. ö.; ind Franzöſiſche über— 
jest u. d. T: »Les dialogues du divin P. A.«, Bar. 


1879), ein draſtiſches Gemälde der fittlidjen Berderb- | 


nis in den höhern Stunden Staliens und deShalb 
von unzweifelhaftem kulturgeſchichtlichen Wert. Wich: 


tig fiir die Zeitgeſchichte find aud) feine »Lettere fa- | 


miliari« (Vened. 1537—57; Bar. 1609, 6 Bde.) und 
die »Lettere scritte al sig. P. A.« (Vened. 1551, 
Bologna 1873—-75). Nicht minder widtig fiir die 
Kultur und aud) fiir die Kirchengeſchichte ſind Are— 
tinos auf die Papſtwahl Hadrians VI. bezüglichen 
» Pasquinate« (hrsq. von B. Roffi, Turm 1891) und 
feine ſatiriſchen Prophezeiungen. Val. dazu Luzio, 
Un pronostico satirico di Pietro A. (Bergamo 1900); 
ferner Mazzuchelli, LavitadiP. A. (Padua 1741); 
Ginigaglta, Saggio di uno studio su P. A. (Rom 
1882); Luzio, P. A. nei suoi primi anni etc. (Tu- 
rin 1888); Graf, Attraverso il cinquecento (daſ. 
1888); Bertani, Pietro A. e le sue opere secondo 
nuove indagini (Rom 1902). 

2) Leonardo, Gelehrter, ſ. Bruni. 

UAretinus, ſ. Guido von Arezzo. 

Areus, König von Sparta, Euryjthenide, Sohn 
des Whrotatos, Nachfolger femmes Großvaters Kleo— 
menes II., regierte 309 — 265 v. Chr., rettete, von 
cinem Zug nad Kreta heimfehrend, 272 Sparta vor 
ciner Croberung durch Pyrrhos und leijtete hierauf 
aud) dem von thm bedrohten Argos Beijtand. Er 
jiel, qeqen Mafedonien kämpfend, 265 in der Schlacht 
bet Rorinth. Die Edptheit des im 1. Bud) der Makka— 
bier (12, 20-—23) mitgeteilten Briefes des A. an den 
jüdiſchen Hohenprieſter Onias (ob U. J. und an 
Onias I. ?) ijt sweifelhaft. 

Areuſe Gor. asf), Fluß im ſchweizer. Ranton 
Neuenburg, ſ. Travers, Val de. 

Arezzo, ital. Provinz, die den ſüdöſtlichen Teil 
der Landſchaft Toskana umfaßt, grenzt tm RW. an 
die Provinz Florenz, im N. an aol, im RO. an 
Pefaro- Urbino, im SO. an Perugia, im SW. an 
Siena und hat einen Flächenraum von 3298 qkm 
(59,8 0M.) mit 901) 272,359 Cinw. (82 auf 1 qkm). 
Die Proving bildet einen einzigen Kreis. 

Arezzo, Hauptitadt der gleidnamigen ital. Pro— 
ving (ſ. oben), 277 m ii. M., auf einer Unhihe über 
dem Chianatal gelegen, Knotenpunkt der Cijenbahn 
Florenz ⸗Rom, iſt reid) an bedeutenden Bauwerken 


739 


merkenswerteſten ſind: der gotiſche Dom (1277 begon⸗ 
nen, 1511 vollendet), mit ſchönen Skulpturen über 
dem Hodaltar, Glasgemälden von Marecillac, Terra: 
fotten von Robbia und den Grabmilern Gregors X. 
und des friegerifdjen Biſchofs Tarlati (geſt. 1327); 
die Kirche Santa Maria della Pieve (die älteſte der 15 
Pfarrfirden) mit Glodenturm und beriihmtem Ge: 
mälde von P. Lorengetti; die Rirden San Francesco 
mit Fresfen von Piero degli Franceschi; San Do- 
menico, Santa Unnungiata und. die Badia, ferner die 
ca barre (von BVafari), das Stiftshaus der 
Fraternitä dei aici (aus dem 14. Jahrh.), jest Ge- 
richtshof, und das Stadthaus (von 1333, mit Bildnis 
des Pietro Uretino von Seb. del Piombo). Statuen 
Ferdinands I., Ferdinands III., des Benediftiners 
Guido und des Staatsmannes und Waſſerbaumeiſters 
Foſſombroni ſchmücken die Plätze. Die Stadt zählte 
1901 ca. 15,800 (als Gemeinde 44,316) Einw., die 
fic) mit Seidenraupengudt, Hausweberei, Färberei, 
Gerberei, BVerfertiquug von Teigwaren, landiwirt- 
ſchaftlichen Maſchinen und Hüten beſchäftigen. A. ijt 
der Sitz eines Biſchofs und eines Präfelten und hat ein 
Gymnaſium, ein Lyzeum, eine Alademie der Wiſſen⸗ 
ſchaften und Künſte, cine techniſche Schule, ein tech— 
niſches Inſtitut, cine Gemäldegalerie, ein ſtädtiſches 
Muſeum und eine anſehnliche Bibliothek. — A. hieß 
ehemals Arretium und war nächſt Peruſia die be— 
deutendſte der etruriſchen Zwölfſtädte, berühmt durch 
ſeine Waffen und Tongefäße (vasa arretina). Die 
Stadt ſchloß bereits 308 v. Chr., während des Etrus- 
kiſchen Krieges, ein Biindnis mit den Römern. Sulla 
und ſpäter Auguſtus führten rdmifde Rolonien nad 
W. Im Mittelalter ftand A. meiſt auf feiten der Ghi- 
bellinen; von den guelfiſchen Florentinern wurden 
die Uretiner bei Cantpaldino 1289 gefdlagen. Seit 
dem 14. Jahrb. befaken die Tarlati die Oberherrſchaft 
in A.; im 16. Jahrh. wurde die Stadt durch Cofimo 
| de’ Medici mit Tosfana vereinigt. 
Arfafgebirge, Bergtette in Neuguinea (j. d.). 
Arfe, ſpan. Künſtlerfamilie, von der fic) drei Mit— 
qlieder bejonders befannt gemadt haben: 1) Hen— 


| rique de, ein aus Deutſchland gebiirtiger Gold- 


ſchmied, der fid) 1506 in Leon niederließ und für Kir— 
den in Leon, Cordoba und Toledo Tabernafel in 
gotiſchem Stil ausfiibrte. 

2) Untonio de, Sohn de3 vorigen, arbeitete ihn- 
liche Werke, aber bereits im Stil der Renaijfjance, fiir 
die Kathedrale in Santiago und andre Kirchen. 

8) Juan de, Sohn von A. 1), geb. 1535 in Leon, 
qejt. um 1603 in Madrid, erlernte die Kunſt bei fei 
nem Bater, war dann in Salamanca, Toledo, Balla- 
dolid und als Münzmeiſter in Segovia tatig, bid ihn 
Philipp IT. 1596 nad) Madrid berief, wo er unter 
anderm Bronjejtatuen für den Escorial anfertigte. 
Seine durch Geſchmack der Kompoſition und Feinheit 
der Technik gleich ausgezeichneten Hauptiverfe find 
die Tabernatel fiir die Rathedralen in Sevilla, Uvila, 
Valladolid und fiir San Martin in Madrid. Er gab 
aud) zwei Werke über Kunſt: »Quilatador de oro, 
plata y piedras« und » Varia commensuracion para 
la escultura y arquitecturas (beide 1585), heraus. 

Arfon, ſ. Carnarvonfhire. 

Arfvedſonit (Mineral), natronreiche Horn— 

Argali, ſ. Schaf. [blenbde (j. d.). 

Mrganbaum, ſ. Argania. 

Argand (fpr. «gang, Aimeé, Tedhnifer, qeb. 1755 
in Genf, gejt. 24. Oft. 1803 in England, erfand 1783 
in London die nad ihm benannten Brenner mit dop- 


des 13, und 14. Jahrh. und der Renaiſſanee. Am be⸗ peltem Luftzug, war auch Miterfinder des Stoßhebers 


47* 


740 


und fonftruierte angeblich die Luftpumpe mit Rugel- 
ventil (1776). Er ſchrieb: »Découverte des Jampes 
& courant d'air et a cylindre« (Genf 1785). ©. 
Vampen und Leuchtgas. 

Arganda, Stadt in der fpan. Provinz Madrid, 
Bezirf Chindon, durch eine Lofalbahn mit der Haupt- 
jtadt verbunden, hat (1900) 4053 Einw., die Objt- und 
Weinbau betreiben. 

Argania Sideroxylon R. et S. (Argan— 
baum), Sapotazee, oft Dorniger, intmergriiner Baum 
mit mächtigem, aber niedrigem Stamm und einer 
Krone von bisweilen mehr als 70 m Umfang, deren 
Ujte fid) auf den Boden herabneigen, linealfpatel- 
fi anigen Blattern, in Knäueln ftehenden Bliten und 
langlicjen, 2—4jamigen Beeren. Er bildet in cinigen 
Provinzen Maroffos Walder (vgl. Lens, Timbuftu, 
2. Aufl., Leipz. 1892), liefert fehr hartes, ſchweres 
Hols (Eifenhols), in feinen Friidhten qutes Vieh 
futter und aus den Gamen fette3 OL, das als Speiſeöl 
und Leuchtmaterial benugt wird. 

Argauthonton (heute Samantit-Dagh), Ge 
birge m Bithynien, am Marmarameer, 887 m hod), 
awifden den Meerbujen von Ismid und Gemlik. Hier 
läßt Die Sage während der Argonautenfahrt den 
Hylas durch die Nymphen geraubt werden. 

Argas, ſ. Zecken. 

Argäus, Berg, ſ. Ardſchiſch 2). 

Argeer (lat. Argei), 24 aus Binſen geflodtene 
Menfchengejtalten, die am 15. Mai durd) die Vefta- 
linnen im Beijein der Pontifices, Der Pratoren und 
Vollbiirger von der Pfahlbriide in Rom als Sühn— 
opfer in den Tiber geworfen wurden. Auch gab es 
in Rom 24 A.-Kapellen (argea oder argeorum sa- 
cella), ju denen die Bewohner der betrejfenden Be- 
zirle 16. und 17. März in Projzeffion gogen. Die 
eigentlide Bedeutung des uralten Brauches war ſchon 
friih abbanden gefommen. 

Urgeier (Urgiver), im Altertum die Bewohner 
von Argos im Peloponnes; bei Homer die Grieden 
tiberhaupt. 

Argel (Urjel), fpan. Bezeichnung fiir Algier. 

Urgelander, — Wilhelm Auguſt, 
Aſtronom, geb. 22. März 1799 in Memel, geſt. 17. 
Febr. 1875 m Bonn, ſtudierte feit 1817 in Ridnig’- 
berg die Rechte, wurde jedod) durch Beſſel fiir die 
Wjtronomie gewonnen und ward 1820 Uffijtent an 
der Königsberger Sternwarte. 1823 Direftor der 
Sternwarte in Who, 1828 Profeſſor in Helfingfors, 
wohin 1832 die Aboer Sternwarte verlegt wurde, 
1837 Profejjor und Direftor der neu ju erbauenden 
Sternwarte in Bonn. Gein Hauptwerk ijt die mit 
Schönfeld und Krueger 1852—61 ausgefiibrte Durd- 





Arganda — Argens. 


Bageri« (Qonn 1842); »>Uranometria nova- (Bert. 
1843), 18 Himmelsfarten, weldye die richtigen Größen⸗ 
verhaltnifje der in unfern Gegenden mit blofen Augen 
ſichtbaren Gejtirne Ddarjtellen; »De stella 4 Lyrae 
variabili« (Bonn 1844 u. 1859); »Beobadtungen 
fiber veränderliche Sterne (Daf. 1868 u. 1898). Bon 
den »Wftronomijden Beobadtungen auf der Stern 
warte zu Bonn« gab er 7 Bande (1846—75) berans, 
aus feinen im 1. und 2. Bande derjelben enthaltenen 
Bonenbeobadtungen leiteten Oeltzen (1851 u. 1857) 
und Wei (1890) umfangreidhe Sternfataloge ab. 

MArgeles (ir. arfg'ta), 1) (U.- Gaz ojt) Urrondifie- 
mentshauptitadt im franz. Depart. Oberpyrenden, im 
Tale des Gave de Pau an der Südbahn gelegen, 
466 m ii. M., hat Sdhwefelquellen (L2—14"), cue 
Badeanſtalt und cvo1) 1836 Cinw. — 2) (VW. «fur 
Mer) Stadt im frany. Depart. Ojtpyrenden, Wrrond. 
Céret, 3 km vom Mittelländiſchen Meer an der Siid- 
bahn qelegen, hat Schloßruinen u. (901) 2824 Cow. 
die Fiſcherei, Weinbau, Korffabrifation 2c. betreiben. 

Mrgelftrauc (VU rgbelftraud), j.Solenostemma. 

Argemone L. (Stadelmobn), Gattung der 
Papaverazeen, Kräuter und Stauden mit gelappten 
bis geteilten Blättern, eingeln ftehenden Bliiten und 
länglichen, einfiderigen, vielfamigen Rapjeln. Sechs 
Arten im tropijden Umerifa; mehrere werden als Sier- 
pflangen fultiviert, wie A. mexicana L., aus Werifo 
nad) Nordamerifa und den Tropen der Ulten Welt 
verſchleppt, mit dornig gegabnten, weiß gerippten umd 

eäderten Blittern und gelben Bliiten; A. grandi- 
ora Sw., aus Merifo, mit dornentofen Blattern und 
weißen Blüten 2. 

Argen, Fluß im ſüdlichen Württemberg, fließt aus 
dem Untern und Obern A. zuſammen und mündet nad 
78 km langem Lauf bei Langenargen in den Bodenſee 

Argenau (bis 1878 Gniewlowo), Stadt im 
preuß. Regbez. Bromberg, Kreis Jnowra;law, an der 
Staatsbahnlinie Poſen -Schönſee, hat 2 evangelifde 
und eine fath. Rirde, eine Synagoge, Oberforiterci. 
Mafdhinenbauanjtalt, Holzſchneidemühlen, Dampf 

iegelei und (1900) 3129 meiſt fath. Einwohner. Der 
—* wird ſchon 1185 urkundlich erwahnt und war 
Reſidenz der Herzöge von Rujavien. 

Wrgens (ivr. hang), Jean Baptijte de Boyer. 
Marquis d', philofoph. Sdriftiteller, geb. 24. Jum 
1704 3u Wir in der Provence, geft. 11. San. 1771 
unweit Toulon, trat ſchon friih in den Militärdienſt. 
ward 1734 bei der wag von Kehl verwundet 
und durd) einen Sturz dienſtunfähig, nahm femen 
Abſchied und ging, von feinem Vater enterbt, nad 
Holland. Hier erichienen feine »Lettres chinoises« 
(Haag 1739, 5 Bde.; deutſch, Frankf. a. M. 1768— 


mufterung des ndrdliden Himmels, eine Ortsbeſtim- 1771), »Lettres cabalistiques« (Haag 1741, 6 Bde. ; 


mung aller Sterne desfelben bis zur 9. Gripe, die er 
in Dent »Atlas Des ndrdliden gejtirnten Himmels« 
(Bonn 1857— 63, 40 Karten; 2. Aufl. von Riijtner, 
1899) publizierte. Das zugehörige Sternenverjzeidnis 
(Bonner Durdmufterung) erfdien im 3.—5. Bande 
der »WUjtronomifden Beobachtungen auf der Stern- 
warte 3u Bonne. Wuch knüpften fic) daran im 6. 
und 7. Bande der ⸗Aſtronomiſchen Beobadtungens : 
»Mittlere Orter von 33,811 Sternene (Bonn 1867), 


Sternen« (Daj. 1869) und andre widtige Publifa- 
tionen. Er ſchrieb ferner: ⸗Uber die Bahn des großen 
Someten vom Jahre 18114 (sinigsb. 1822); »DLX 
stellarum inerrantium positiones mediae« (Helfing- 
fors 1835); »Uber die ciqne Bewegung des Sonnen⸗ 
{yftems«< (Petersb. 1837); »De fide Uranometriae 


deutſch, Leipz. 1773—77, 8 
juives« (am bejten Bar. 1766; deutfd, Berl. 1770— 





_spondance entre Frédéric IL et le 
»Unterſuchungen über die Eigenbewequng von 250 | 





de.) und »Lettres 


1783, 6 Bde.), weldhe die Aufmerkſamleit Friedrics I. 
dermafen erregten, daß er den Verfaſſer zu fich ein- 


lud und 1744 zum Direftor der philofophiiden Maffe 
der Ufadentic ie Berlin ernannte. Bald war A. der 


tãgliche Geſellſchafter de3 Königs, der ihn femmes frei- 
muitigen Charalters wegen hochſchätzte; vgl. »Corre- 
marquis d°A.« 
(Mdnigsb. u. Bar. 1798; deutſch, Königsb. 1798). 
1769 fehrte U. nad) Franfreid) zurück ſchrieb in 
der Weiſe der franzöſiſchen —— ſteptiſch. dabei 
witzig und mit Geſchmack, war aber in ſeinen Urteilen 
ſchwankend. Geringen Wert haben ſeine Romane, m 
deren einem (>Mémoires et lettres de Mr. le mar- 
quis d’A.«, 1735) er feine Liebeshändel erzählt. Be- 


Argenfola — Wrgenfon. 


Deutender find ſeine »Mémoires secrets de la ré- 
publique des lettres« (Haag 1737), die Dann ſpäter- Frankreich ſich auf die Staaten zweiten Ranges ig 
bin als » Histoire de l’esprit humaine (Berl. 1765— | und mit deren Beibilfe, ohne Landerwerbungen, den 
1768, 14 Bde.) erjdhienen. Yn andern Schriften zeigte beſtimmenden Einfluß auf die Geſchicke Europas zurück— 
ev ſich als erfahrener Kunſtkenner u. a. Auch tiber- | erobern follte. Allein ein fo hochherziges Verfahren 
ſetzte er Julians Fragmente wider die Chrijten, die erſchien als cin Luftſchloß; ſchon 1747 wurde er ent: 
er ausführlich kommentierte (»>Défense du paga- | lajjen und widmete fich, mit Voltaire befreundet, aus- 


741 


ſuchte ein politiſches Syſtem zu verwirklichen, wonach 





nisme«, Berl. 1764). 


Argenfola, swei der bedeutendjten Lyrifer Spa- 
niens, aus einent urſprünglich italieniſchen Whdels- 
geſchlecht: 1) Lupercio Leonardo de, geb. um (Amſterd. 1764 u. b.); »Essa 
1564 gu Barbajtro in Uragonien, gejt. im Wir; | nistre d'Etat« 


ſchließlich wiſſenſchaftlichen Studien. Aus jeinem Nach. 
| laf} wurden herausgegeben: »Considérations sur le 
| gouvernement ancien et présent de la France« 
is, ou loisirs d'un mi- 
ar. 1787, 2 Bode.), reid) an feinen 


1613, jtudierte gu Huesca, war längere Zeit Geheim- | Bemerkungen, Sdilderungen von Yeitqenoffen und 


ſchreiber der in Gpanien lebenden Raijerin Maria | Unefdoten. Auch feine » 


von O 


emoiren« (hr3g. von Ra⸗ 


ſterreich, Witwe Maximilians IL. ; ſpäter wurde thery, Par. 1860—68, 9 Bde.) find fiir die Beit 


er Kammerherr des Erghergogs Wibert. Bon Phi- | gefdhichte von Wert. Bal. Sevort, Le marquis d’A. 


lipp ILL. jum Hijtoriographen von Aragonien ernannt, 
begleitete er 1610 den fpanijden Vizelönig Grafen 
von Lemos nad Neapel, wo er als Staats- und Kriegs 


et le ministére des affaires étrangéres 1744—1747 
(Par. 1880); De Broglie, Maurice de Saxe et le 
marquis d’A. (daj. 1891, 2 Bde.); Ulem, D’A. éco- 





ſetretär ftarb. A. brachte ſchon als Jüngling drei | nomiste (daſ. 1900). 


Trauerjpicle mit Beifall zur Aufführung (> Isabela« 


»Alejandrac, »Filis«), deren Cervantes im »Don 


8) Marc Pierre, Graf d', Bruder de3 vorigen, 
qeb. 16. Ung. 1696 in Baris, gejt. dajelbjt 22. Aug. 


’ 


Quichotte⸗ rühmend gedenft; dod) war die lyriſche 1764, wurde 1720 Generalleutnant der dortigen Po— 


Poeſie das Feld, auf dem er den meijten Beifa 
tete. Namentlich zeichnen fi 
Rraft und —— 


ern⸗ 
ch ſeine Kanzonen durch Paris und 1743 Kriegsminiſter. Er widmete ſich der 
che Fülle des Stiles aus. Unter Reorganiſation des Heeres und gründete 1751 die 


lizei, aber bald wieder abgeſetzt, 1737 Intendant von 


den Sonetten find Meiſterſtücke; ſeine Epiſteln ſind Ecole militaire. Unter ifm begannen d'Alembert 


edankenreich und formvollendet. Eine gute Ausgabe und Diderot die »Encyclopédiee, deren erſte Vande 
eſorgte der Graf de la Viñaza (Obras sneltas<, | ihm gewidmet waren, wie er aud feinemt Freund Vol- 


Madr. 1889, 2 Bde.), der ſchoͤn einige ungedructe | taire den Stoff gum Siecle de Louis XIV« lieferte. 


Satiren and Lidt g 
satiricas«, Daj. 1887) 
2) Bartolomé Leonardo de, Bruder de3 vori 


qen, geb. 1565, gejt. 26. Febr. 1631 in Saragoſſa, 


ezogen atte (»Algunas obras 


| Durd) die Bompadour 1757 feines Utes enthoben 
| und auf fein Landgut Ormes verwiefen, durfte er erſt 
-| nad Dem Tode der Marquife nach Paris guriiciehren. 
4) Mare Untoine René de Voyer d', Mar- 


trat in den geiſtlichen Stand, ward Kaplan der Kai- quis de PRaulmy (pr. pom, Sohn von A. 2), geb. 
jerin Maria, lebte bis 1610 meijt in Salamanca, be- | 22. Nov. 1722 in Valenciennes, gejt. 13. Aug. 1787 


qleitete Dann ebenfalls den Grafen von Lemos nad 
Reapel und ward nad) dem Tode feines Bruders an 
defien Stelle Hijtoriograph von WUragonien. Seine 
Gedichte haben weniger Kraft, aber größere Anmut 


und eine nod) gefeiltere jtilijtifde Form. Auch ein 
hiſtoriſches Werk iiber die »Eroberung der Molulli— 
iden Inſeln« (Madr. 1609 u. 1891 in der » Bibl. de 
Escritores Aragoneses<) ijt wegen eleqanter Norreft- 
heit und Rundung der Sdhreibart geſchätzt. Bor den 
Uragonifden Annalen«, deren Fortſetzung er über— 
nomen, erfdien nur ein Teil (Sarag. 1630). Cine 
Studie iiber ihn verdffentlichte der Pater Miquel Vir 
(Sarag. 1891). Die Gedichte beider Briider wurden 
erit nad) ibrent Tode vom Sohn des Altern verdffent- 
litt (>Rimas«, Sarag. 1634; neue Aufl. Madr. 1786; 
Ubdrud auch in Rivadeneyras » Biblioteca de auto- 
res espaiioles«, Gd. 42). 

Argenfon (pr. fanghong), 1) Marc René, Mar- 
quis dD’, franz. Staatsmann, geb. 4. Nov. 1652 in 
Venedig, wo fein Vater René franzöſiſcher Geſandter 
war, gejt. 8. Mai 1721, ftellte als Generalleutnant 
der Polizei von Paris feit 1697 Ordnung und Sicher- 
heit dafelbjt her, indem er die politiſche Polizei ſchuf, 
wurde 1718 Brafident des Finanzkonſeils und Siegel: 
bewabrer, leqte aber infolge de3 Scheiterns der anfangs 
von ihm begünſtigten Lawſchen Finanjoperationen 
1720 jeine Amter nieder. Bal. »Rapports inédits du 
lieutenant de police René d’A. 1697—1715« (rq. 
von Cottin, Bar. 1891). 

2) René Louis, Marquis d', Sohn de3 vori- 
gen, geb. 18. Oft. 1694, geft. 26. San. 1757, war von 
1720—24 Yntendant im Henneqau, wurde dann 
Staatsrat und 1744 Miniſter des Wuswartigen. Er 


in Baris, erwarb fich eine Bibliothef von ca. 100,000 
Banden, die 1785 vom Grafen von Artois (nachmals 
Rarl X.) angefauft wurde und den Grundjtod der 
Bibliothéque de l'Arsenal bildete. Zu vielen jeiner 
Bücher ſchrieb er wertvolle Cinleitungen, gedruct 
u.d.Z. »Mélanges tirés d'une grande bibliothéque« 
(1779 — 87, 69 Bde.). Jn dev auf feine Unrequng 
entjtandenen » Bibliothéque universelle des romans« 
(1775—78, 40 Bde., er trat dann von der Redaftion 
suriid) finden fid) Novellen von ibm, die als » Choix 
de petits romans de différents genres« (1782, 2 Bde.) 
aud) befonders erſchienen find. Er war Mitglied der 
franzöſiſchen Aklademie (1748) ſowie der Aiademien 
zu Berlin und Nancy. 

5) Mare René Marie, Marquis d', geb. 10. 
Sept. 1771 in Paris, geſt. dafelbjt 2. Aug. 1842, 
| Enfel von A. 3), wurde nach dent Wusbrud der Re— 
volution Udjutant Lafayettes. Nad der Natajtrophe 
vont 10. Aug. 1792 zog er fic) auf feine Güter in 
Touraine zurück, heiratete die Witwe des Prinzen Vie- 
tor von Broglie und beſchäftigte fich mit der Land- 
wirtſchaft und indujtrieflen Unternehnumgen. Bon 
Napoleon 1809 zum Priifeften des franzöſiſch-belgi— 
ſchen Departements Deur-Néthes ernannt, vertrat er 
entſchieden cine verfaſſungsmäßige Verwaltung und 
nahm 1813 feinen Abſchied, als ihm die Regierung eine 
geſetzwidrige — — Während der Hun— 
dert Tage und nad der Reſtauration 1815 in die Kam: 
mer berufen, bekämpfte er iiberall die Reattion. Eifrig 
widmete er fic) dem Wohl der arbeitenden Klaſſen. 
Seit 1834 lebte er auf ſeinem Landjige gu Ormes. 
Eine Sammlung feiner Reden gab fein Sohn Charles 
Mare Rend, Marquis d'V., 1846 in 2 Banden heraus. 





742 


Argentamin, cine 10pro3. Wthylendiaminfilber- 
pjosphatlijung, dient als reizloſer Erſatz fiir Silber- 
nitrat bei Gonorrhöe, Augenleiden und Magenfatarrh. 

Argentan, foviel wie Neufilber. 

Urgentan (pr. sgangting), Urrondijjementshaupt- 
jtadt im franz. Depart. Orne, an der Orne und der 
Weſtbahn, hat ein altes Schloß (jest Gericht), 2 bemer- 
fendwerte Rirden, ein Denfmal des Geſchichtſchreibers 
Mézeray, Handelsgericht, College, Spigenfabrifation, 
Gerberet und-(1901) 5668 Einw. Ym Arrond. A. liegt 
das Dorf Camembert mit beriihmter Kajefabrifation. 

Argentanfpiben, gegen Ende de 17. Jabrhun- 
derts unter dem Ylamen point d’Alengon (WUlencon- 
ſpitzen, f. d.) in Urgentan genähte Spigen. GS. Tafel 
» Spigen Ile, oe 2. 

Argentaro, Monte (pr. ardf4.), 635 m hoher Verg 
de3 tosfan. Subapennin in der ital. Provinz Grojjeto, 
auf einer mit dem Fejtland nur durch zwei ſchmale 
Landzungen jiingjter Entſtehung (Tombolo und Fe- 
niglia) zuſammenhängenden Halbinfel, weſtlich von 
Orbetello, hie} einſt das Talamonijde Promontorium 
und erbielt den gegenwirtigen Namen (⸗ ——— 
im Mittelalter wegen ſeines Tallſchieferglanzes. r 
durch die Landzungen gebildete, überbrückte Strandſee 





iit reid) an Fiſchen. m Fuk des A. liegt ſüdöſtlich 


die Ortſchaft Porto Ercole, mit Zitadelle, Fort, 
Leuchtturm und kleinem Hafen, nordweſtlich Porto 
Santo Stefano, —— mit einem Hafen und 
Sardinenbereitung. Beide Orte zuſammen bilden eine 
nad dem A. benannte Gemeinde von (1901) 7527 Seelen. 

Argentat (pr. 4cangta), Stadt im franz. Depart. | 
Correje, Urrond. Tulle, an der Dordogne, hat 1901 
1854 Cinw., die Steinfohlenbergbau, Hutfabrifation 
und Sdweinehandel treiben. Jn der Umgegend kel⸗ 
tiſche und römiſche Ultertiimer. 

AUrgentéra, Rocca d’ (pr. ardſch⸗), höchſter Gipfel 
der Secalpen, 3300 m hod), auf ital. Gebiet, Provinz 
Cuneo, zwiſchen den Hodtilern de3 Geſſo und der 
Veſubie gelegen. 

rgentenil (or. -fhangtd), Fleclen im frang. Depart. 
Seine-et-DOije, Urrond. Verfailles, recht an der Seine, | 
liber die cine {chine Briide führt, an der Nord- und 
Weſtbahn und der Parifer Ringbahn, mit einer reftau- 
rierten romanifden Rirdhe, die in einem Reliquienfajt- 
chen einen jogen. heiligen Rod Chrifti bewabhrt, Rejten 
eines Kloſters, in dem Abälards Geliebte Heloife den 
Schleier nahm, Wein- und Gemiifebau, Metallwaren-, 
Bement> u. Ubrenfabrifation und (901) 15,708 Einw. 





Argent haché (jpr. arſchang aſche), ſ- Weiftupfer. 
Argentiera, Inſel, ſ. Kimolos. 


Argentiere dor. 4Hangtjie’), Weiler im franz. Depart. 


Argentamin — Argentiniſche Republik. 


Argeuntin iſche Republif (RepublicaArgentina, 
hierzu die Karte »Urgentinien, Chile, Bolivia x«), 
aud Urgentina oder Urgentinien, frither Ber- 
einigte Staaten de3 Rio de la Plata genannt, 
Bundesrepublif in Siidamerifa, zwiſchen 22— 55° 
ſüdl. Br. und 56° 20’—70° 20’ wejtl. L., grenzt tm O. 
an den Wtlantifden Osean, Uruguay und Braſilien, 
im N. an Paraguay und Bolivia, int W. an Chile, om 
ſchmalen Silden an das chileniſche Patagonien und 
das ſüdliche Polarmeer und hat 2,885,620 qkm Fade. 

Die Republif zerfallt in das Stadtgebiet Der Bum. 
DeShauptitadt Buenos Wires (j. d.), in 14 Proving 
die mit Ausnahme von Entre Rios ſämtlich die Re: 
men ihrer Hauptitadte tragen, und 9 Territorien (Go⸗ 
bernaciones). Die nod) immer ju Streitiqfeiten An 
laf gebende Grenge gegen Chile int ſüdlichen Bate- 
— und im Feuerland wurde 1885, die gegen 

raſilien in den Miſiones 1890 feitgeitellt. Die Be- 
vilferung, die 1895: 4,044,911 Seelen betrug, m̃— 
nad einer Berednung fiir Ende 1900 auf 4,794,149 
Seelen gejtiegen, die ſich auf die einzelnen Gebiets 
teile wie folgt verteilt: 











Quabrate | Bevdlte- 














Au 
filometer rung 1900, 1 gkm 
Hauptitadt Buenos Mires . 186 821291 6 — 
Proving Buenos Mires. . | 305121 | 1140087 te 
e Gatamarea. . . 123 138 99827 | 604 
: Gorboba. . . . 161 036 419072 | 24 
‘ Corrientes. . . 84402 277041 a3 
E Entre Rios. . 74571 | B43 GR4 44 
s ujuy e 49162 4 405 11 
2 La Rioja . . 89 498 W7783 Oo 
s Mendoza 146 378 141431 | Os 
2 Salta 161 099 131 938 Os 
s Gan Juan... 87 345 #991 lt 
3 Gan Quis... 73923 91403 12 
3 Santa He . ' 131906 536 236 4a 
. Santiago . 103 016 180612 Lt 
s Tucuman . . . 23124 249433 104 
Territorien. 1271715 134 935 0.1 
Sufammen: | 2885620 | 4794149 14 


Dazu nod 80,000 wahrideintid) der Zählung ent 
gangené Perjonen und 20,000 Yndianer. 

IVBhyfiſche Verhaltuiffe.] Bodenbeſchaffen— 
Heit. Un der Weſtgrenze gegen Chile, faum 150 km 
vom Groen Ojcan, sieht Das Gebirgsſyſtem der An— 
den Hin, ſchroff nad) W., fanfter nad) O. zur argen« 
tiniſchen Tiefebene abfallend. Wahrend die menten 
Hauptaipfel, wie die Bulfane Tinquivirica (4778 m) 
und San Jofé (5582 m), Tubungato (6710 m), Jun⸗ 
cal (6208 m), Cima del Mercedario (6798 m) u. a, 


Oberjavoyen, Urrond. Bonneville, im Chamonirtal, | auf der gemeinſamen Grenge beider Republifen fied 
1208 m ii. M.; daritber der Glacier d'A. (j. Mont | befinden, gehört der höchſte Berq der Anden, der 
blanc und Chamonir). | Aconcagua (6970 m), Argentinien allein an. Im fid- 

Argentieren (franj., fpr. -fhangt-), verfilbern, fpe- lichen Teil erreidht die Rammhöhe nur 2500 m, erhebt 
siell Eiſengerät mit Neujilber, Silber oder andern | fid) aber gwifden 38 und 32° zu 3000, 4000 und 

etallen uͤberziehen. felbit fiber 6000 m hinaus, um Dann mit Der fächer 

Urgentin, aus ame eng Lary Bink gefall- | artiqen Uusftrahlung des Gebirges in 5—6 Strange 
tes, fein verteiltes Sinn oder der Wbfall von der Fa- auf eine mittlere Hdhe von 4000-—4600 m herabyu- 
brifation unechten Blattfilbers, dient zur Herjtellung | finfen. Die Uberginge liegen famtlich in bedeutenden 
von unedtem Silberpapier und des Silberdruds auf | Höhen, mur zwei fiir Cifenbahnen benugbare Päſſe 
Geweben, da die aufgedructen Muſter unter der Wal- | des mittlern Teiles durdbrechen. den Kamm unter: 


zenpreſſe filberartigen Glanz annehmen; aud se | 
ag 


detes, verjilbertes oder verfupferte3 Porzellan, 

jid) äußerlich von Metall nicht unterſcheidet. 
Argentina, ſ. Argentiniſche Republit. 
Argentine (ipc. ardfgentain), Stadt im nordamerifan. 

Staat Kanſas, Grafidaft Wyandotte, weftlid von 

Kanſas City, mit Schmelzwerk und (900) 5878 Einw. 


halb der mittlern Hohe, der Uspatlatapays (3900 m) 
und der Planchonpaß (8000 m). Schneefälle find 
nur im ſüdlichen Gebiete der Kette reiclich, Gletſcher 
zeigen fic) nur ſüdlich vom 36.° ſüdl. Br. und aud 
fajt allein auf chilenifder Seite. Die öſtlich vom 
Hauptfanum fic hingiehenden Ketten nehmen an Hdbe 
ju, je weiter fie nad MN. vorriiden; die nennenswer- 








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* Brasitien 








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Argentinijdhe Republif Godenbeſchaffenheit r., Flüſſe, Rima, Pflanzen- u. Tierwelt). 


eften find die Sierras de Famatina (6020 m), Be- 
aco, de Umbato, de Uncajte, de Uconquija (4650 m). 
Sie alle find Teile des Undenfyjtems, während die 
is 2350 m hohe Sierra de Cordoba von 3. T. une 
virtlicben ſalzigen Ebenen und Laqunen umgeben 
jt. Den charakteriſtiſchen Hauptzug Urgentiniens bil- 
ven aber ungeheure wafferarme, fandige Steppen 
Pampas, f.d.) mit vielen Salz- und Salpeterjtriden, 
vie die Salinas’ Grandes nördlich von der Sierra 
¢ Cordoba. Cinen befondern Charafter tragt das 
Nebiet gwifden den Flüſſen Parand und Uruguay, 
8 sargentinifde Mefopotamien«, mit feinem frudt- 
aren Boden und feinen fonjt fo jeltenen Waldern. 

Weologifd find tertidre und diluviale Ublage- 
ungen (Merge! und ritlide fandige Tone) bemer- 
enswert, da Re in weiteſter Berbreitung die Pampas 
vom Utlantifden Osean bis gu den Rordilleren, von 
Batagonien bis nad) Brafilien hinein erfiillen; fie be- 
yerbergen eine cigentiimlide Saugetierfauna (Eden- 
aten, Gilrteltiere, Nager, Pferd, Tapir, Maftodon, 
Zama). Die aus der Pampa aufiteiqenden Sierren 
deftehen vorwiegend aus arddifden Gejteinen (Gra- 
vit, Gneis, Glimmerſchiefer); in den weſtlich gelege- 
ten, höhern Sierren (3. B. der von Cordoba) gejellen 
ich gu ihnen nod) Sedimente (Ralfiteine) der Kreide 
ind vulfanijde (andeſitiſche, trachytiſche und bajalti- 
dhe) Hefteine. Wn dem Aufbau der argentinifden An⸗ 
vent —— ſich die zuletzt genannten Geſteine, den 
vrundſtock bilden jedoch kambriſche und ſiluriſche Ton⸗ 
chiefer, Grauwaden und Kallſteine mit eingelager— 
en Felſitporphyren und Porphyrtuffen, ferner riiti- 
he Schichten mit Kohlen und bituminöſen Schiefern 
Mendoza, Famatina), dann etwas Yura. Der gegen: 
virtigen Beriode der Erdgeſchichte gehören die Mee— 
es⸗ und Flupablagerungen an der Küſte, die mäch— 
igen Gerdllanfammlungen an den Gehängen und 
mt Fuh der Gebirge fowie endlich die Salglager der 
Salinas an. Un Mineralien ijt das Land un- 
yemein reid). Jn den gebirgigen Teilen finden fic 
Yold und Silber fasten in den Provinzen Cor- 
yoba, San Luis, Rioja, San Yuan, Mendoza, Cata- 
narca), viel Kupfer (befonders in Catamarca), Eifen 
in San Yuan), Blei und Nickel, in den Ebenen Sal- 
eter, Koch- und Natronfal;, teil in Salsfeen und 
Sitmpfen (Salinas), teils im Boden der Pampas. 
Steinfohlen find in der Miihe des Rio Vermejo nad- 
Jewieſen, aud) Ufphalt und Petroleum, doc ift ihre 
Abbauwiirdigfeit nod) nicht fidergeftellt. Bergwerke 
sejtanden ſchon 1595 in Rioja, feit 1636 in Mendoza 
ind Salta, die Jejuiten hatten Kupfergruben in den 
Mifiones. Jetzt werden hauptfidlid er, Silber 
ind Blei gewonnen. Argentinien ijt reid) an Mine- 
calquellen; Sdhwefelquellen befinden fich befonders 
n der Proving San Quan. Val. A. Stelzner, Bei- 
viige sur Geologie und Paliontologie der Urgentini- 
hen Republif (Kaſſel 1885); G. Steinmann, Bei- 
räge zur Geologie von Siidamerifa (> Reues Yabhr- 
uch für Mineralogie ꝛc.«, 1892— 96); L. Bracke— 
yufd, Mapa geolégico del interior de la Republica 
Argentina (Cordoba 1894 ff.). 

Die Haupt fliffe Urgentiniens find Parand, Ba- 
raquay und Uruguay, die den La Plata bilden, und 
die weſtlichen Nebenfltiffe der beiden erjtern: Rio Pil- 
romano, Bermejo, Salado und Tercero. Wahrend 
die Drei erjten fchiffbare Waſſerſtraßen bilden (See: 
chiffe gehen den Barand aufwärts bis Rofario), find 
rie fibrigen wafferarm; andre verlieren ſich, ohne den 
Dauptitrom ju erreiden, in Lagunen, aud die von 


den ſüdlichen Anden fonrmenden Fliiffe fallen in grofe, | 





743 


durd Kanäle verbundene Salzſeen (Guanacade, Sil- 
vero, BVebedero, Laguna Amarga). Bon geringer Be 
deutung find die gegen D. und SO. dem Ozean gu- 
jtréimenden Flüſſe Rio Colorado, Negro, Chubut. 
Das ganze Gebiet öſtlich von 66° weſtl. L. und nörd— 
lich vor 42° fiidl. Br. - befat mit unzähligen fleinen 
Salz-⸗ und Süßwaſſerlagunen. 

Das Klima iſt in dem weit ausgedehnten Lande 
ſehr verſchieden, im allgemeinen aber geſund. Geringe 
yon igi, zeichnen den Silden und das Innere 
aus, tm RO. nehmen fie jedod) vom Oſtfuß der Anden 
und von Batagonien gegen die Grenze von Brajilien 
und Uruguay ju. Gomit fteht ein trocknes und ge- 
mãßigtes ſüdliches —— das auch die innern 
Hochebenen zwiſchen den Anden und den Antikordil— 
leren umfaßt, einem feuchtern ſubtropiſchen im N. 
—— Der trodne Süden liegt im Wind- und 

egenſchatten der Anden, im N. bringen der Südoſt⸗ 
pafat und die aus dem tropifden Siidamerifa herein: 
webenden Winde mehr Feuchtigfeit mit. Jährliche Re- 
genntengen: Gan Juan 7 cm, Mendoza 20, La Rioja 
30 cm; Provinz Buenos Aires 66 cm (Maximum im 
Sanuar, Minimum im Uuguit), inneves Urgentinien 
52—58 em (Maximum im Januar, Minimum im 
Auguſt), unterer Barand 87 cm (Maximum im De- 
—— Minimum im Auguſt), mittlerer Parand 109 

is 175 cm (Maximum im März, Minimum im Of- 
tober). Jahrestemperatur und mittlere Jahresertreme 
Cag pon Buenos Wires 17,2° (84° und 0°), 

abia Blanca 15,2° (38° und — 3°), Santiago 21,6° 
(31° und — 1°), Tucumdn 19,4°, Cordoba 16,6°. 

Der Charatter der Pflanzenwelt wird beſtimmt 
durd) bauntlofe ———— die von ſalzauswittern⸗ 
dem Boden ohne jede Vegetation oder von Salzſeen 
unterbrochen werden. Unter den endemiſchen Gras— 
arten fallen beſonders Arten mit ſtarren Organen 
auf (Paspalum, Cenchrus, Pappophorum, Stipa, 
Eriocaulon, Eustachys). Alle wachſen in buſcharti— 

en, getrennten Rajen, swifdjen denen nur wenige qe 
ellige Stauden von rotbliibenden Verbenen und Ur- 
ten aus den Gattungen Solanum, Eupatorium, Car- 
duus und Digitalis jid finden. Auffallend ijt die jtarfe 
Verbreitung europäiſcher Pflangenformen. So haben 
fich auf weiten Flüchen Dijteln, Kletten und Fendel an- 

ejiedelt, die Urtijdodendijtel (Cynara Cardunculus) 
Bitbet mcilentueit unburthbringliche Dicticht, wibrend 
Lolium- und Hordeum-Yrten die eigentlichen Bam- 
pasgrafer ſtellenweiſe ganz verdriingen. Die Fluß— 
ufer bededen lidjte Waldungen von Wigqarroben (Pro- 
sopis dulcis, cine Mimoſee), Lorbeerarten, verwilder- 
ten Orangen und Pfirſichen, umwunden von Lianen 
und Epiphyten (Tillandsia), während ſtrauchartige 
Solanazeen und Kompofiten (Baccharis) das Unter- 
hol; bilden. Bor einbeimifden Bäumen wird der 
raſch wachſende, ſchattenſpendende Ombu (die Phytol⸗ 
altazee Pircunia dioica) in der Steppe häufig an— 
gepflanzt. Wo der Pampaston zurücktritt, erheben 
ſich auf dem fandigen Boden Kalteen (Opuntia Dar- 
wini), einzelne Palmenbeſtände (Cocos australis und 
Cocos Yatay) jieren die Buſchwälder am Rarand. 
Eine eigentümliche Charakterpflanze der nordweſt— 
lichen Sieppe iſt der Chañarſtrauch (die Leguminoſe 
Gourliea decorticans), ein zwergbaumartig auftreten⸗ 
des Dorngewidhs. Auch die patagoniſche Steppe mit 
ihrem Kiesgerdli bietet nur Raum fiir armliches Dorn- 
geſtrüpp (Monttea aphylla, Plantago patagonica). 

Tierwelt. Urgentinien bildet zoogeographiſch den 
größten Teil der patagonifden oder dilenifdjen Sub- 
region der neotropifden Region. Bn den Pampas 


744 


lebt die Viscada (Lagostomus trichodactylus) und 
der Pampashaſe, die größern Raubtiere nb durch 
Jaguar und Kuguar vertreten. An den Flüſſen hauſt 
das Waſſerſchwein, der größte lebende Nager; in den 
baumloſen Ebenen leben Gürteltiere. Zu den ein— 
heimiſchen Tieren geſellen fic) Haustiere und in den 
Pampas halbwilde Herden von Rindvieh, ‘Bferden 
und Sdafen. Bon den Vögeln find charafteriftijd 
der ſüdamerikaniſche Strauß (Nandu) und bejtimmte 
Hiihnervigel. Die Reptilien tragen amerifanifdes 
Gepräge; die Süßwaſſerfiſche zeigen Berwandtidaft 
mit neufeelindifchen und auſtraliſchen Formen. Unter 
den Wollusten fallen zahlreiche Bulimus-Arten mit 
gezahnten Wundteilen aus der Gruppe Odontosto- 
mus auf; die Siferfauna der fiidlichen fandigen Teile 
des Landes ijt harafterijtifd) Durd) viele Yirten aus 
der Familie Der Welanofomen. 

[Vevsilferung.}] Die Bevilferung fest fid aus drei 
Beſtandteilen zuſammen, Yndianern, Europäern und 
Afrikanern, die aber, beſonders außerhalb der großen 
Städte, die infolge des beſtändigen Zufluſſes aus 
Europa den Charakter dieſes Erdteils bewahrt haben, 
nieiſt zu einem Bolfe —— ſind. Die kriege— 
riſchen Scharrug, die früher Uruguay bewohnten, 
gins en alg Bejiegte in den Minuane auf, ihren 

we rie in Entre Rios und Santa Fe, und haben 
heute, mit den Spaniern vermijdt, nicht einmal den 
Namen bewahrt. Die Querandi von Buenos Mires, 
von denen die Einwanderer den Gebraucd ded Laſſo 
lernten, wurden nad) S. gedrängt und find in den 
Nomaden Patagoniens aufgeqangen. Die Guarant 
an den fern de3 Barand und die zahlreichen Boller 
qleichen Stammes im heutigen Entre Rios und in 
Corrientes find jest ſeßhafte Vilrger der Republif, 
dod) haben fie in Corrientes ihre Sprache bewahrt. 
Die Calchaqui und die iibrigen Quichuaſtämme, die 
den Grundjtod der Undenbewohner bilden, im RW. 
des Staates, fprechen ihre eigne Sprade. Nod villig 
unjivilijiert find die Stämme de3 Chaco, die Toba, 
die von ihren Nachbarn, den jest ausgeſtorbenen 
Ubiponen, fajt gänzlich vernichteten Mbaya, die 
Mbocobie u. a. Dagegen arbeiten die Mataco 
und Chiriquano ae in den Pflanzungen. Jn 
den Bampas am Salado und femen Zuflüſſen woh— 
nen die zu den Uraufanern gehörigen Rancele und 
Chileno, an dew Flüſſen Neuquen, Colorado und 
Hurique die gu den Puelche gehörigen Divihet und 
Chechahet, ſüdlich von bent Gamal bis zum Feuer⸗ 
land die Tehuelhet oder Patagonier, endlich auf 
dem Feuerland und den umliegenden Inſeln die 
Feuerländer oder Peſchäräh. Seit 1792 kamen zu 
der eingebornen Bevölkerung, den Abkömmlingen der 
ſpaniſchen Eroberer und den Miſchlingen, im S. 
Chino, im RN. Cholo genannt, als neues Element 
die Neger, die al Sflaven eingeführt wurden und 
am Ende des Jahrhunderts ein Sechſtel der Bevilfe 
rung ausmadten, feit der Abſchaffung der Sflaverei 
(1832) aber fic) fo mit den iibrigen Bolfselementen 
vermiſcht haben, daß eine Feftitellung ihrer Bahl un— 
möglich ijt. Die weiße Bevölkerung bejteht aus 
den Nachkommen der ſpaniſchen Eroberer, den Ar— 
qentino, und den feit 1836 hierher ſtrömenden Ita— 
lienern, Basten, Franzoſen. Um eine Entnationali: 
fierung der argentiniſchen Bevöllerung zu verhindern, 
hat die Regierung einen Ausgleich angejtrebt, indem 
jie gegenüber der ftarfen romanifden Cinwanderung 
die germanijde Einwanderung begünſtigte. Diefe 
Cinwanderung ijt feit 1881 aukerordentlich geſtiegen 
und nur in allerlegter Seit infolge der ungiinjtigen 


Argentiniſche Republif (Bevditerung, Wderdbau und Viehzucht). 


wirtidaftliden Lage suriidgegangen bei gleichzeitig 
ſtark zunehmender Uuswanderung. Es betrug die 


Einwanderung Auswanderung 
1889... SC. «260900 1889 . .. . 40649 
18900... . 198407 1990 . . . . S21 
sgl... 75507 wel... 20 e8 
1804 . 80671 184%}. 413% 
1895 . . . . 8O8BS 1895 . 6 S20 
1896 . . . . 135205 1897. . . . 57457 
1897 . . . . 105143 1998 ... . S356 
1898 . . . . 95190 1999. . . . G2 
1809 . . . . 111283 19”0 . . 55417 
1900 105 902 


Bon 1857— 1900 jind 1,732,280 Perſonen mehr em- 
als ausgewandert. Man rechnete auf die (1805) 4,095,000 
Einwohner 2,950,000 Urgentinier, 493,000 Staliener, 
199,000 Spanier, 94,000 Franjofen, 17,000 Deutjche 
75,000 fonjtige Europäer, 118,000 Ymerifaner umd 
149,000 Indianer. Der Religion nach find fait alle 
Weißen und die befehrten Jndianer rõömiſch katholijch 
—— Oberhaupt iſt der Erzbiſchof von Buenos 
ires, unter dem die Biſchöfe von Cordoba, San 
Juan, Mendoza, Salta und Parand ſtehen. Die ede 
mals reiche Rirde ijt wihrend der Revolution aller 
ibrer Giiter beraubt worden; die Biſchöfe erhalten 
ibre fehr mäßigen Einkünfte dDurd den Staat, und de 
Pfarrer find meijt auf die Stolgebühren und die Ein 
fiinfte aus den Rirdenfelten angewiefern. Winds 
orden find nur ſpärlich vertreten ; dagegen gibt es eine 
Anzahl Nonnenfldjter. Berfdiedene Miſſionen be 
jtehen an der Yndianergrenje. Freier Kultus und 
Griindung von Sdulen ijt allen Religionsbefennt 
niſſen gejtattet. Geit 1868 bat das Unterrichts 
weſen eine wefentlice Umgejtaltung erfabren, in 
dem es Der Staat aus den Handen des Klerus in feine 
eignen nahm. Gs beſtehen 2 Univerjititen (Buenos 
Yires und Cordoba), 16 höhere Schulen (in jeder 
Provingialhauptitadt), cine Ingenieurſchule, Han- 
delsſchule, Radettenbaus und Marinefdule, 2 Schu 
len fiir Uderbau, cine fiir Berqbau, cine Seefadetten 
und Matrofenfdule. Yn 3233 Bolfsjdulen wurden 
1891: 249,700 Kinder unterridjtet. Die gelebrien Ge 
ſellſchaften: Academia nacional de Ciencias, Socie- 
dad scientifica Argentina Museo de la Plata, Insti- 
tuto Geografico Argentino, verõffentlichen werwwolle 
Ubhandlungen. Außerdem erſcheinen 513 Zeitſchrif 
ten. Offizielle Sprache ijt die ſpaniſche. 
IAderbau, Viehzucht.) Vis 1877 war Argentinien 
cin Konſument von Brotfrüchten, ſeildem ijt es einer 
der anſehnlichſten Produzenten geworden. Die orn. 
tammer der Republik ijt die Provinz Santa FE, doch 
nimmt der Anbau in allen Provinzen jährlich zu 
Die Anbaufläche, die ſich feit 1888 verdoppelt bat, 
betrug 1895: 48,920 qkm. Auf Weizen famen hiet 
von 20,497, auf Mais 12,442, Ruderrobr 6127, Gerjte 
| 5457, Flachs 3870, Wein 335 qkm. Die Ausfuhr an 
Ackerbauerzeugniſſen betrug 1890: 25,6 Dull. Refos, 
|». bh. 25,4 Brox. der Gefamtausfubr. 1899 wurden 
ausgeführt: 1,713,499 Ton. Weigen, 1,116,276 T. 
Mars, 217,713 T. Flachs. Die Regierung hat zahl 
reidhe Uderbaufolonien qeqriindet, unter denen die von 
Schweigern, Deutichen und Englindern gebildeten am 
bliihendjten find. Es waren 1895 aber erft 1,7 Bro. 
des Areals angebaut. Ungleich gripere Bedeutung 
lals der Landbau befigt Die Viehzucht, auf der ber 
| Den auferordentlich qiinftiqen Raturverhalinifjen des 
Landes hauptſächlich der Rationalwoblitand berubt. 

Samtliche Haustiere find eingeführt; das Pferd 1536, 

Bieqe und Schaf 1550 aus Peru, Rindvieh 1553 

aus Brajilien. Suchttiere aus Europa haben die aus 








Argentinijde Republik (Induſtrie und Handel, Verkehr). 


diejen Stämmen gebildeten Rajjen verbeffert, und | 
der Biehitand hat ſich außerordentlich vermehrt. Es | 
qab 1895: 74,379,562 Safe, 21,701,526 Rin- 
der, 4,446,859 Pferde, 2,748,860 Siegen, 652,766 | 
Schweine, 285,497 Maultiere, 197,882 Efel, 82,497 | 
Strauge und 8,111,322 Stiid Gefliigel im Gefamt- | 
wert von 1650 Will. Mt. Die Maultiere gehen in 
qanjen Herden nad Chile und Peru. Die Haupt: 
nutzung ded Rindviehs beſteht außer fiir den grofen 
eignen Bedarf im Verfauf von Sdlachtvieh fiir die 
Stadte und fiir die Schlachthäuſer (Saladeros), in| 
denen früher jährlich 194 Will. Rinder geſchlachtet 
wurden, um als getrocknetes Salzfleiſch (tasajo) aus- 
jefiibrt zu werden, während kaum cin Viertel des Rind: 
riehs auf Fleiſchextrakt, Fleiſchvepton und Fleiſchkon⸗ 
‘erven verarbeitet wird. Die Ausfuhr von Salzfleiſch 
jat aber neuerdings febr abqenommen. 1895 wur- 
den nod) 695,404 Tiere in 29 Saladeros geſchlachtet, 
darunter 582,168 Rinder und 113,236 Pferde, 1897 
tod) 481,000 Hinder, 1898 bloß 340,100 Stiid. Das 
irgentiniſche Pferd ijt flein, aber gelehrig, ſchnell 
ind ausdauernd; wild kommt es nur noch in kleinen 
Trupps im S. vor. Viele Pferde werden ihrer Haut 
ind ihres Fettes wegen, aus dem man ein Brennöl 
Petro) bereitet, getötet. Auch die Ausfuhr von Ro}: 
jaaren ijt von Bedeutung. Die Schafzucht wird erſt 
eit neuerer Beit (befonders jeit Einführung von Zucht⸗ 
chafen) mit größerm Cifer und foldem Erfolg be— 
rieben, daf fie jetst weitaus den Hauptsweig der volfs- 
virtichaftlichen Tatigkeit bildet. Die Ausfuhr von | 
hiehprodukten iiberragt die aller andern Erzeugniſſe: 
895 fiir 74,629,876 Peſos, davon auf Wolle 28,9, | 
uf Haute 16,8, auf lebendes Vieh 16,8 Mill. Peſos. 
[Yuduftrie, Handel.] Die Induſtrie Urgenti- | 
tiens erjtredt fic) auf die Vewinnung von Ronferven, | 
Mehl, Stärke, Erdnußöl, Nudeln, Dauergebaden, | 
for, Butter u. Käſe, Zucker, Wein, Bier, Sprit, Licht 
ind Seife; 1895 bejtanden 659 Mühlen, 949 Wein | 
ellereien, 61 Bierbraucreien, 161 Spritfabrifen, 51 
zuckerfabriken, neben 13 Gasfabrifen und 17 Eleftri- | 
itditswerfen und 39 Saladeros (10 davon arbeiteten | 
tit). Der Handel, unter der ſpaniſchen Herrjdaft 
urch ſchwere Bolle belajtet, wurde erjt 1778 mit 
em Mutterlande freigeqeben. Seit der Unabhängig— 
citserflirung der La Plata- Staaten fteht er allen 
tationen offen und hat ſich außerordentlich qehoben. 
Ein 1889 erlaſſenes Geſetz befeitiqte alle Ausfuhrzölle 
ind ſetzte ad valorem-Zölle, gewöhnlich zu 25 Proz., 
uf alle Einfuhrartikel feſt; nur Kunſtwerke, Bücher, 
Schiffe, Steinkohlen, Piliige, Telegraphendraht, Fiſche, 
züdfrüchte, Tiere und Eiſenbahnmaterial find zoll— 
rei. Haupiſtapelplatz ijt Buenos Aires; doch haben 
uch Rofario, Corrientes, San Nicolas, Gualequaydu | 
ireften überſeeiſchen Berfehr, und man berechnet die 
andelsbewegung dicfer Hafen auf 30 Bros. von jener 
er Hauptitadt. Die Cinfubr betrug 1901: 114 VAL, | 
te Uusfubr 167,7 Mill. Peſos. Der voriiberqehende 
‘arfe Rückgang des Handels (1897 Cinfubr nur 99, 
lusfuhr 106 Mill. Peſos) hatte jeinen Grund in dent 
890 cingetretenen Staatsbantfrott, hervorgerufen 
urd) cine Reibe von Mißgriffen, unter denen die zu 
arte Eyiffion von Bapiergeld einer der ſchwer⸗ 
rvegenditen war (vgl. unten, S. 748). Die Verlujte, | 
ie England durd den ungeheuern Riidgang argen- 
nifcher Werte erlitt, beziffern fich auf 42,3 Mill. Pfd. 
sterl. Un der Einfuhr ijt Englandam jtirfften, mit 
twa einem Drittel, beteiliqt, Dann folgen Frankreich, 
Jelgien, Deutſches Reich, Nialien, Spanien, die Ber: | 
nigten Staaten, Brajilien ſowie Uruguay, Chile, | 

















den Hölzern ijt von hohem 


745 


ap ae und Bolivia. Eingeführt werden vornehm⸗ 
lid) Etjenbahnmaterial, Baumwollengewebe, Mleider, 
Wollenftoffe, Wein, Zucker, Kohle, Mafdinen und 
Inſtrumente, Holz, Cifenwaren, ferner Chemikalien 
und Drogen, Eiſen, Pack- und Segeltuch, Papier, 
Yerba, Tabak, Holzwaren, Olivenöl, Seidenwaren, 
Reis. Ausgeführt werden die oben genannten Pro- 
dufte Des Ackerbaues, der Viehzucht, der Induſtrie, 
der Forſtwirtſchaft, des Bergbaues, der Jagd. Unter 
te das Quebrachaholz 
(Quebracho colorado von Loxopterigium Lorentzii, 
einer Unafardiajee). Hu Lande geht der Handel 
vorzugsweiſe nad Chile und Bolivia, dann nad Pa- 
raguay und Brajilien; tiber die Rordilleren werden 
Die Waren teils in ſchwerfälligen Ochfenwagen, teils 
auf Saumtieren gefdajft. Unter den Ausfuhrländern 
jteht Frantreid voran, dann folgen Deutjdland und 
England. Un Banken bejtehen die Rationalbant, 
London and River Plate Bank, Britiſh and South 
Ymerican Bank, London and Brazilian Bank, Unglo- 
Yirgentine Bant, cine italieniſche, franzöſiſche, deutſche, 
ſpaniſche, cine neue italienijde, rimifde Bank und 
die Commercial Bank, ſämtlich in Buenos Wires, fo- 
wie fleinere in den größern Provinzialhauptſtädten. 

Geldwefen. Fehlgriffe der Nationalregierung, 
Vejtedlichfeit und Verſchwendungsſucht haben die 
wiederfolten Berfude, cin dauerhaftes Geld- und 
Rreditwefen herzuſtellen, ſcheitern laſſen. Der Peſo 
moneda nacional von 1881 — 4,05 Ml. entſprechend 
5 Frank der franzöſiſchen Doppelwihrung, wurde im 
Januar 1885 durd Noten mit Zwangsturs erſetzt; 
wirflides Gold (Peſo en oro effectwvo), d.h. gegen jene 
Wiihrung im Metallgehalt abgewogene Miingen, ſteht 
hod) im Rurs, der aber beträchtlichen Sd wanfungen 
ausgeſetzt ijt. Zölle diirfen nad) dem Tarife fiir 1893 
ganz in Bapier bezahlt werden, deſſen jeweiliqen Wert 
Die Regierung feſtſetzt. Seit 1887 hat das metrifde 
Syſtem ausfdliehlide Geltung ; indeffen bedient man 
ſich nod) älterer Mage, die aus altipanijdjen ftammen. 
1 Quintal von 4 Yirrobas ju 25 Libras — 45,937 kg. 

[Verkehréverbaltniffe.] Der Schiffsverkehr be 
trug 1898: 1042 Dampfer von 1,825,404 Ton. und 
B47 Segelfdijfe von 282,335 T., zuſammen 1389 


Schiffe von 2,107,739 T. Bon den in argentinijden 


Häfen verfehrenden Dampferlinien find 5 englifde, 


| 3 deutſche, 3 franzöſiſche, 2 italienifde, eine nord. 


amerifanijde; cine argentiniſche verfehrt in den Hafen 
big Rap Horn, drei andre fahren den La Plata auf— 
warts bis Ufuncion, wo brajilifde und paraquayifde 
Dampfer nad) Cuyabd fich anſchließen. Die Handels— 
flotte beftand 1900 aus 110 Dampfern von 40,794 
und 155 Segelidiffen von 40,000 T. Während die 
Landſtraßen nod) viel zu wünſchen fibriglaffen, wird 
an dem Bau von Eiſenbahnen (1900: 16,767 km) 
rüſtig qearbeitet. Die widtigften Linien find Buenos 
Wires-BVilla de Mercedes, Buenos Wires-Sundales, 
Buenos Wires- Bahia Blanca, Villa Maria- San 
Juan, Cordoba-Chilcas. Die transandinifde Bahn, 
welche die Unden tm Uspallatapaß iiberfdreitet, qeht 
von Billa de Mercedes fiber Gan Luis nad Men— 
doza und ſteigt dann bis gu 3140 m Höhe auf, wo cin 
5065 m langer Tunnel das Gebirge durchbricht. Im 

angen find zur Uberwindung des Gipfels ficben 
— mit einer Geſamtlänge von 16km ndtig. Die 
argentinifden Bahnen beforderten 1889: 11,044,000 
Reifende und 6,6 Will. Ton. Giiter. Die Teleqra- 
phenlinien batten 1900 cine Linge von 44,382 kin 
mit 94,377 km Drähten und 1237 Bureaus. Die 
Poſt befirderte 1898 durd) 1788 Yimter im innern 


746 Argentiniſche Republik (Staatsverfaſſung rc., Finanjen, Heer u. Flotte ꝛc.; Geſchichte). 
Verlehr 181,821,945, im internationalen 34,630,234 | Aires und Puerto Belgrano (bei Bahia Blanca). Das 


Briefpojtiendungen. 

[Staatéverfajiung, Verwaltung.] Die Verfaf- 
jung, ju Santa Fé 25. Mai 1853 gegeben (durch⸗ 
geſehen bei der Wiedervereinigung mit Buenos Aires 
II.Nov. 1859) und gang der der Vereinigten Staaten 
von Nordamerifa nadgebildet, will den Kultus der 
römiſch⸗ fatholijden Rirde aufredjt erhalten wiſſen, 
obſchon Freiheit des Belenntniſſes bejteht; fie duldet 
feine Sflaverci und erfermt iiberhaupt feine Bevor- 
zugung des Blutes oder der Geburt, auch feine per: 
jonliden Privilegien und UdelStitel an, fept qleide 
Verteilung der Steuern und öffentlichen Lajten feſt 
und gewährleiſtet Freiheit der Preſſe, der Aſſoziation, 
de3 Kinterridhta. Die geſetzgebende Gewalt üben cm 
auf 9 Jahre indireft gewahlter Senat von 30 Vit- 

liedern, die 30 Jahre alt fein und cin Jahresein— 
onunen von 2000 Bejos haben müſſen, und eine auf 
4 Jahre direft von den Provingen gewählte Abgeord⸗ 
netenfammer (1 auf 20,000 Einw.) von 86 Dittglie- 
dern, die 25 Jahre alt fein miiffen. Genat und Ram- 
mer bilden den Kongreß. Die vollzichende Gewalt 
iibt ein Prafident, dem ein Vizeprafident zur Seite 
jteht. Beide müſſen römiſch-katholiſch und innerhalb 
des argentinifden Gebietes qeboren oder Sohne inner- 
halb deSfelben geborner Biirger fein; fie werden auf 
6 Jahre gewahlt und können erſt nad Ablauf einer 
ebenfo langen Friſt wieder gewählt werden. Unter 
den Prajidenten ſtehen Miniter dem Innern, dem 
Wuswartigen, den Finangen, der Juſtiz nebjt Kultus 
und Unterridt und dem Kriegs- und Marinewefen 
vor. Cin aus fiinf Ridtern und einem Generalpro- 
furator zuſammengeſetzter oberſter Gerichtshof hat in 
der Hauptitadt ſeinen Sig; Bundesuntergerichte fest 
der Kongreß im Gebiete der Ronfoderation cin. Bun- 
deShauptitadt ijt Buenos Wires. 

—— Das Budget fiir 1902 veranſchlagte 
die Uusqaben auf 32,4 Mill. Peſos in Gold und 96,2 
Mill. Pefos in Rapier, die Einnahmen auf 40 Will. 
Pefos in Gold und 64,3 Mill. Peſos in Papier. Die 
Staatsfduld betrug 1901: 553,5 Mill. Pejos. 

Heer und Flotte. Die W. R. hat feit 1901 all- 
qemeine Dienjtpflidt. Das ftehende Heer wird 
100,000 Mann jtarf angenonmmen und bejteht aus 
den Linientruppen und den Staatsbiirgern vom 19. 
bis 35. Jahre; die Referve (Nationale), 33,000 
Mann ftarf, wird gebildet aus den Biirgern vom 
35.—-41. Qabre. Die Landwehr (Territorialgarde) 
bejteht aus den Biirgern von 41—50 Jahren und 
den efiva durd) geſetzliche Beſtimmungen vom Dienjt 
im ftehenden Heere Befreiten. Das ftehende Heer 
befteht aus 3 Armeekorps zu 2 Divijionen mit je 
16,500 Mann. Die Divifion hat 2 Brigaden; jeder 
derfelben werden auger der Gnfanterie und Navalle 
rie eine Schwadron Yrtillerie, 2 Kompagnien Genie- 
truppen und eine Kompagnie Karftrain zugeteilt. Die 


Bewaffnung (Urfenal Zarate) ijt durchaus modern; | 


die Infanterie führt ein 7,65 mm Gewehr (Syſtem 
Mauſer 91), die Urtillerie hat leichte Batterien mit 
75 mm-Sdnellfeuerfanonen und fchwere mit 10,5 cm: 
Haubigen. Die Kanonen find von Krupp gefertigt. 
Die Flotte bejtand 1901 aus 4 großen Panzerkreu 
jern, 3 Küſtenpanzerſchiffen, 2 Banyerfanonenbooten, 
5 fleinen Kreuzern, Torpedobootszerſtörern, 12 Hod)- 
jectorpedobooten, 10 Riiftentorpedobooten, 4 Wadt- 
booten, 1 Wtinenboot, 1 Schulſchiff, 2 Transport: 
Dampfern und etwa 16 Spesialfdiffen, darunter 
3 Seqler. WIS Hilfskreuzer find außerdem verwend- 
bar 5 Handelsdampfer. Rriegshifen find Buenos 





Marineperfonal zählte 1901: 822 Seeoffiziere, 7498 
Unteroffigiere, Matrofen und Heiser, 130 Radetten, 
600 Sdijfsjungen. Das Wappen ijt en von Blau 
iiber Silber quergeteilter Schild, unten zwei ver— 
idlungene Hinde, einen Stab mit der Freiheitsmütze 
hattend. Uber bem Schild cine aufgehende Sonne 
(f. Tafel »Wappen IT«). Die Nationalflagge ijt blaw- 
weiß⸗ blau geftreift (ſ. Tafel »Flaggen I<). 
Geſchichte. 

Die Mündung des La Plata-Stromes wurde zuerſt 
1512 von zwei — portugieſiſchen Seefah- 
rern im Auftrag des Nuno Manoel entdeckt. Doch 
erfolgte, da das Land Schätze nicht zu bergen fdten, 
von Portugal aus feine förmliche Beſitzergreifung, 
fo daß 1515 Diego de Solis es fiir Spanien befegen 
fonnte. Nachdem Magalhaes 1520 die Diindung be 
rührt hatte, fubr Sebajtian Cabot 1527 den La Plata 
hinauf und erbaute unter 34° fiidl. Br. da3 Fort San 
Ejpiritu. Wis erjter Adelantado (Rivil- und Wilitar- 
gouverneur) griindete Pedro de Mendoza 2. Febr. 1535 
Die Stadt Buenos Wires. Der eigentlide Eroberer 
des La Plata- Landes war aber der 1555 zum Wde- 
lantado ernannte Martine; de Jrala. Um 1610 be- 

ann die erfolgreice Tätigkeit der Jeſuiten am obern 
—— (j. Paraguay). 1620 wurden die Lander fid- 
lid) vom Zuſammenfluß des Barand und Paraguay 
als Gobierno del Rio de fa Plata unter cine befondere 
Regierung gejtellt und in drei Provingen, Tucumeén, 
Buenos Uires und Paraquay, qeteilt. Cin driicendes 
Monopolſyſtem machte ein Gedeihen diejer Kolonien 
unmöglich, und ein maflofer Schleichhandel, der be- 
fonders von den Portugicjen betricben wurde, die 
1680 Buenos Aires geqeniiber die Kolonie Sacra- 
mento gegründet batten, bradte Die Spanier um alle 
Handelsvorteile. 1776 wurde aus den La Plata: 
Ländern ein befonderes fpanifdes Vijefdniqreich mit 
der Hauptitadt Buenos Wires gebildet, das außer Ur- 
qentinien nod Uruquay, Raraquay und Bolivia um⸗ 
fate und 1782 in acht Intendanzen qeteilt murde. 
Nach Vertreibung der Portugieſen aus Sacramento 
(1776) nahm man ein liberales Handelsfyitemt an, 
infolgedejjen Buenos Vives rajd) aufbliihte. Wegen 
der Allianz Spaniens mit Frantreid) bemächtigten jid 
die Englander unter Popham 27. Juni 1806 der Stadt 
Buenos Mires, wurden aber 12. Ung. von der Be- 
vilferung wieder vertrieben. Erſt die Berufung eines 
Bonaparte auf den ſpaniſchen Thron (1808) ref etme 
nationale Rreolenpartei ins Leben, an deren Spige 
Mariano Moreno jtand. Der von der ſpaniſchen Zen⸗ 
traljunta qefandte nene Vizekönig Cisneros regrerte 
fo willfiirlich, daß die Kreolen cinen Kongreß zu ſtande 
bradten, der ihn nad Curopa zurückſchickte. Da Spa 
nien alle Vermittelungsvorſchläge hartnadiq zurüd 
wies, fo war damit das Siqnal zum Wbfall qeqeben. 
Der Vizekönig Liniers ward wrederholt geſchlagen 
und endlich in Buenos Wires erfchoffen. 1811 ward 
aud in Baraquay der fpanifche Gouverneur vertrie- 
ben, und die Schladten bei Tucuman (24. Sept. 1812) 
und von Salta (21. Febr. 1813) befreiten das gange 
Gebiet de3 Va Plata von ſpaniſchen Truppen. 

Nun trat 31. Yan. 1813 cine fonjtituierende Ver⸗ 
jammlung zuſammen, dod) entitand fofort Strett 
zwiſchen Buenos Wires und den Provinzen, und es 
machte fic) cin ſcharfer Gegenſatz geltend swifchen der 
europäiſch gebildeten Borteiios (Cinwobnern der 
Hauptitadt) und den rohen, halbwilden Gauchos, de 
von den Rejten der gotifden (ſpaniſchen) Partei anf- 
gereijt wurden. Da die Herrſchſucht der Porteños 


Argentinijde Republif (Gefdidte). 747 


den Abfall der Banda Oriental (Uruguays) und Pa- | Rofas floh nad) Buenos Uires und von da nad Eu- 
raquays zur Folge hatte, aud) Oberperu an die Spa« | ropa; die Hauptitadt unterwarf fic) ebenfo wie dic 
nier verloren ging, gab Buenos Aires nad. Cine | fibrigen Provingen dem Sieger. iiber die Neugeſtal— 
neue Shasguatuertoundune trat in Tucuman ju- | tung der Verfaſſung aber brad) fofort cin neuer Kon— 
ſammen, erflarte 9. Juli 1816 die Unabhängigkeit | flit aus zwiſchen Buenos Wires, dad feine bevorjugte 
der vereinigten Brovingen des Rio de la} Stellung nicht aufgeben wollte, und den Provinzen, 
Plata und beſchloß 3. Dex. 1817 cin proviforifdes | die volle Gleichberechtigung verlangten. Zeitweilig 
Grundgeſetz, das auf einem Kongreß in Buenos Wires | Durd) Verträge gemildert, Dauerte dev Wettytreit an, 
30. April m eine Verfaffung umgewandelt wurde. | bis Buenos Wires nach dem ungünſtigen Treffer von 
Damit war von vornherein der Gegenjag sweier Bar- | Cepeda (11. Nov. 1859) durd) Pectron vom 11. Rov. 
teien gegeben, der Unitarier oder Sentralijten, | 1860 fid) der Urgentinijden Konföderation wieder 
die eine jtarfe Zentralgewalt herjtellen wollten, und | anſchloß und als Hauptitadt gum Sig des Kongreſſes 
der Foderalijten, die für die Unabhingigheit der | und der Bundesregierung beftimmt wurde. Jedoch 
eingelnen Provinzen waren. Beide Parteien befinrpf: | die Anſprüche von Buenos Aires auf die politiſche 
ten ſich hartnäckig und führten einen unaufhirliden | Suprematie riefen ſchon 1861 einen neuen Kampf 
Wechſel der Regierungen herbei, fo daß fid) der Staat | hervor, in dem die Truppen von Buenos Wires unter 
änzlich — drohte. Endlich —— ſich der Führung des Generals Mitre (f. d.) 17. Sept. bei 
Faberalift odriguez mit dem Unitarier Rivadavia | Bavon a ten, worauf fid) der Kongreß von Rarand 
zu einer gemeinfdjaftlichen Regierung, die fid) zunächſt aufldjte. Run wurde Mitre int September 1862 yum 
auf Buenos Uires beſchränkte und fiir diefes 3. Uug. | Brafidenten der Konföderation gewählt. Buenos 
1821 eine Bolfsvertretung berief. Darauf ſchloß Wires wurde für die nadjten 5 Jahre zum Sif der 
Buenos Wires mit den Provingen Corrientes, Entre | Zentralbehirden beſtimmt, aber zugleich der Fort⸗ 
Rios und Santa Fé den fogen. einfeitigen BVertrag —* der autonomen Stellung dieſer Provinz und 
vom 25. Jan. 1822 und lud die übrigen Provinzen | aller ihrer beſondern Rechte geſichert. 
jum Beitritt ein. Diefe fahen ein, daß fie ohne die| Die Bevorzugung von Buenos Aires erregte fort- 
Dauptitadt, die den eingigen Hafen bildete und Handel | gejeBt in andern Provingen Unjufriedenheit. Wud) 
and Berfehr beherridte, nichts bedeuteten, und be: | wurde das Land wiederholt durch Streifsiige der In— 
‘hidten im Dezember 1824 einen Generalfongres in dianerſtämme beläſtigt. Dazu fam die ſchlechte Finany- 
Buenos Mires, der ant 23. Jan. 1825 ein regan lage. Gleichwohl befeltiqte Mitre durch Bank und 
Yrundgefes beſchloß; Buenos Uires ward mit der | Finanzgeſetze, Begünſtigung der europäiſchen Cin 
teitung der auswärtigen Ungelegenheiten betraut. | wanderung u. a. fern Unebert. Mur lie er ſich eben- 
Die Nonjtitution vom 24. Dez. 1826 war ein Sieg | falls auf eme Einmiſchung in die innern Verhältniſſe 
ver Unitarier, indem cine ftarfe Zentralregierung cin: | Uruguays cin und leiftete der aufſtändiſchen Partei 
jeſetzt und Rivadavia als Generalfapitin von Buenos | dafelbjt, den Colorados (Liberalen) unter General 
Hires aur Präſidentſchaft der Foderation qelangte, | Flores, wirlfamen Beijtand, fo daß die fonjervative 
var aber nidt von langer Dauer, da mehrere Pro Regierung geſtürzt und Flores zum Gouverneur von 
vingen fic) weigerten, jie anguerfennen. Rivadavia | Uruquay erhoben wurde. Dieje aud) von Brajilien 
ankte fdjon 7 Muli 1827 wieder ab, und 1829 ver- | unterjtiigte Yntervention in Uruguay reizte den Dik- 
chaffte der Gauchohäuptling Rojas (ſ. d.) den Fö⸗ tator von Paraguay, Lopes, aufs äußerſte. Er ver- 
vevalijten den Sieg. Er wurde gum Gouverneur von | fangte pldglid) von der Argentiniſchen Republif die 
Buenos Uires fowie sum Haupte der Nonfdderation | Erlaubnis de3 Durchmarſches durch die Proving Cor- 
rwablt und im Wugut 1830 mit diftatorifder Gewalt | rientes, um einen Cinfall in Uruguay zu machen, 
vefleidet. Dod) artete Rojas’ Herrſchaft immer mehr | und erflarte, als dies abgelehnt wurde, fofort den 
n grauſamen Terrorigmus aus. Krieg. Nun fam das ſchon vorbereitete Bündnis zwi—⸗ 
ad aujen bin wußte Rofas anfangs feine Wiirde | fdyen der Argentiniſchen Republit, Brajilien und Uru⸗ 
nit Gefdhic gu wahren. Dod) verwidelte er fic) bald | quay 4. Mat 1865 gum Abſchluß, und der Krieg zwi— 
n gefährliche Streitigteiten. Paraguay wollte er nicht ſchen dieſen dret Madten und Paraguay brad) aus. 
18 einen unabbingigen Staat gelten laffen, ebenfo | Unfangs führte Mitre den Oberbefehl, kämpfte aber 
niſchte er fic) in die innern Verhaltniffe Urugquays | in verſchiedenen Gefechten mit mehr Ruhm als Crfolg. 
in und unterjtiigte den Brafidenten Oribe gegen Ri- Dann jtodten die militarijden Unternehmungen, da 
era, fiir den Franfreid) und England eintraten. | Brafilien, das die meiften Streitfriafte ftellte, den 
Diefe Mächte ftellten endlich dem Diftator 23. Juni | Oberbefehl beanfprudte. Erſt Unfang 1868 gejtand 
845 ein Ultimatum, worin fie die Unerfennung der | die A. R. died gu, und Mitre fehrte nad) Buenos 
Inabbingigteit Uruguays forderten. Auf Rojas’ | Uires zurück. Nun wurde der Krieg gegen Lope; vor 
bweiſende —** erflarten fie den Krieg, dem ſich dem Marſchall Caxias, dann dem Grafen d'Eu, plan— 
Saraguay, Uruguay und Braſilien anſchloͤſſen. Das mäßiger und energiſcher geführt und der hartnäckige 
rgentiniſche Geſchwader wurde 2. Aug. 1845 vor Widerſtand des Diltators Lope; 1870 endlich über— 
Nontevideo von der franzöſiſch-engliſchen Flotte ge- | wunden. Der definitive Friede zwiſchen dem gänzlich 
conten und die Riijte Argentiniens blodiert. Zwar erſchöpften Raraquay und der Argentiniſchen Republif 
hloß Rojas 24. Nov. 1849 mit England und 30. Aug. | fam erjt 3. Febr. 1876 gu ſtande und brachte letzterer 
850 mit Frankreich ziemlich gitnjtige Friedensver- | mur unbedeutende Gebietsabtretungen, einen geringen 
räge; aber ingwifden war feine TMhadht erſchüttert Erjag fiir die Opfer, die der Krieg und die durch diejen 
orden. Der Gouverneur von Entre Rios, Urquiza, | ing Land gejdleppte Cholera verurjadt batten. 
el von Roſas ab, ſchloß 29. Mai 1851 mit Brafilien | Rad) Ablauf der Amtsperiode Witres wurde trog 
nd Uruguay einen geheimen Vertrag und überſchritt feiner Ränke 12. Oft. 1868 der gemäßigte Foderalijt 
acy Unterdriidiung Dribed in Uruguay mit 28,000) Sarmiento jum Priifidenten gewählt. Derfelbe 
Rann den Barand. Nachdem der Vortrab der Argen- ſuchte den Volfsunterridt ausjudehnen und ju heben, 
nier von Urquiza gefprengt worden, wurde thre | Uderbau und Handel gu fordern und durch Einwan— 
auptmacht 3. Febr. 1852 bet Monte Caceros bejiegt. | derung dem Lande neue Kriifte zuzuführen. Nad 








748 


deſſen Riidtritt trat Uvellaneda (fj. d.), ebenfalls 
Föderaliſt, das Amt des Prajidenten an. Mitre ver- 
judjte gegen diefen einen Aufſtand, wurde aber 28. 
Rov. 1874 gcidiagen und gefangen genommen. Die 
Regierung Avellanedas war im iibrigen friedlid, und 
das Land machte materiell und geiſtig Fortſchritte. 
Die Cinwanderer aus Europa trugen dazu bei, Uder- 
bau und Yndujtrie, Handel und Gencche ju beleben. | 
Strajen und Cifenbabnen wurden gebaut, Ordnung 
und Ruhe iiberall hergeftellt; aud) der Streit mit 
Chile über die Grengen in Patagonien wurde durd 
Vertrag vom 23. Juli 1881 geſchlichtet. Die Neuwahl 
des Präſidenten 1880 ging nicht ohne Unruben ab. 
Uber trog des anfiinglipen Widerjtandes von Buenos | 
Wires wurde Roca (ſ. d.), der Randidai der Regierung, 
—— und trat 12. Olt. 1880 ſein Amt an. Buenos 
ires wurde zur Hauptitadt der Republif gemadt 
und fOderalifiert, d. h. der Verwaltung der National: 
regierung direkt unterjtellt; gum Sig der Provingial- 
reqierung von Buenos Wires wurde die neue Stadt 
La Plata bejtimmt. Roca verwaltete die Präſident— 
ſchaft die qange ſechsjährige Amtszeit über in unge 
jtdrter Rube und faſt unumſchränkt. Im gangen re- 
ierte er mit Erfolg, nur vermehrte er allzuſehr die 
Sduldentajt des Staates durch viele Anleihen. Sein 
Nachfolger war 1886 fein Schwager Cel man (f. d.), 
der, wie Roca, namentlid auf die Kräftigung der 
Zentralgewalt bedadt war, dejjen Minijter jo alle 
ſtaatswirtſchaftlichen und geſchäftlichen Unterneh— 
mungen fo übereilten, dak die aufgenommenen 
Staatsfdulden die Kräfte des Landes weit überſtiegen 
und die Zahlung der Zinſen immer ſchwieriger wurde. 
Die Regierung lief Daher Heintlic immer mehr Noten 
ausgeben, dazu fam die Unredlichkeit der Beamten 
und die Spefulationswut der herrjdenden Klaſſen; 
öfter ſanken die Pfandbriefe auf weniger als die Halfte 
des Goldwertes, und das Goldaufgeld ſtieg fo bod, 
daß man 300 Peſos Papier fiir 100 Peſos Gold be 
zahlen mute. Gegen diefes Treiben verſuchte 1890 
die Union Civica einen Aufſtand ins Werk zu ſetzen, 
der nad) voriibergehenden ——— zwar blutig un— 
terdrückt wurde, dennoch aber die Abdankung Celmans 
zur Folge hatte. Un ſeine Stelle trat inferimiſtiſch 
der bisherige Vizepräſident Pelegrini, und General 
Roca wurde mit der Bildung eines Kabinetts beauf⸗ 
tragt. Der neue Finanzminiſter beantragte ſofort die 
Ausgabe von 60 Mill. Schagicheinen und die Wuf- 
nahme einer auswärtigen Anleihe von 20 Mill. Peſos 
Bold, um die fälligen Schuldenginjen bis Ende 1891 
voll bezahlen zu fonnen, was aud) vom Kongreß ge— 
nehmigt wurde. Allein der Staatsbantrott war nidt 
mehr aufjubalten, und die Ration fonnte ihre Ber 
pilidtungen 1. Jan. nur durd) Bewilliqung eines 
einjahrigen Aufſchubs der Verzinfung und Amorti 
fation — äußern Schuld ſcheinbar erfüllen. Bei 
der Eröffnung des Nationalkongreſſes 9. Mai 1891 
entrollte der —8* ein trauriges Bild. Er gab 
den Stand der Staatsſchuld auf 157,100,330 Peſos 
Mold an (628,401,320 Mt.) bei einer Seelenzahl von 
etwa 4 Will.; in keinem Lande der Welt habe die 
Spefulation fo ungeheure Verhältniſſe angenommen 
wie dort wahrend der letzten Sabre. Die Staatsbahnen 
ſeien verfauft worden, damit der Erlös zur Tilqung 
der auswärtigen Sdhuld verwendet werde, wuͤrfen 
aber feinen Nutzen ab, und die Regierung bezahle 
nun in Form von Garantien beinabe diejelben Be- | 
trage, die fie frither fiir die betreffenden —— 
anleihen zu entrichten hatte, babe aber feine Bahnen 
mehr. Der zur Unterſuchung der argentinifden Na- | 











Kongreß tm Januar 1895 den 
Amneſtie, aud) fiir die aufſtändiſchen Offiziere, for 


Argentinifde Republik (eſchichte). 


tionalbank niedergeſetzte Ausſchuß förderte die un- 
laublichſten Dinge zu Tage. Alle 14 Banken, deren 
kmiſſionen der —* garantiert hatte, waren rein 
politiſche Anſtalten, über die der jeweilige Präſident 
verfügte. Innerhalb dreier Jahre hatie man das 
Weld der Depoſitoren einfach unter Prafidenten, Go- 
bernadoren u. a. gegen ihre Unterjdriften verteilt. 
Nun ſchuldeten die Nationalbanf und die Brovingial- 
banf von Buenos Wires allein an ihre Depoſitare 
itber 300 Will. und hatten gur Deckung diefer Schuld 
nur wertlofe Unterjdriften. Die Regterung ordnete 
darauf im Einverftindnis mit dem Kongreß die Gin- 
führung de3 Zwangskurſes fiir Papiergeld an, ver- 
fiigte cine Neuausgabe von 45 Will. Bapiergeld, ſetzte 
cine Prämie fiir Gold auf 150 Bros. feſt und ermad- 


tigte zur Cinjtellung der Goldjablungen während 


zweier Jahre. Unter folden Umijtinden wurde ba 
der Neuwahl 1892 Saenz Peña gum Präſidenten er- 
wählt. Bei einer Staatsſchuld von 49 Mill. Doll m 
Papier und 407 Mill. in Gold, dic eine jährliche Ber: 
zinſung von 1/2 Vill. in Papier und 254 Mill. in 
Wold erforderte, war die Wiederaufnahme der Bar 
zahlung unmöglich. Die neue Regierung bemiibte 
* nad Kräften, der Finanznot durch Sparfamfeit 
und —— Ubereinkommen mit den auswärtigen 
Gläubigern abzuhelfen. Zugleich ſuchte fie durch ene 
Verſtändigung mit Chile tiber die patagoniſche Gren;- 
frage Dem Ausbruch eines Krieges mut der Nadhbar- 
republif vorzubeugen. Judes die Rartciverhaltnijfe 
jtirten inumer wieder dieſe Bemühungen. Da me 
herrjdende Bartei ihre Unhanger nidjt mehr, wie 
friiher, bereidbern fonnte, locerte ſich der Zuſammen⸗ 
halt. Schon 1893 fam es zu Aufſtänden, die in einen 
Krieg aller gegen alle ausarteten. Diejen Schwierig: 
feiten zeigte fic) Peña nicht getwadjen. Indem Der 

Erlaß cinec allgemeinen 


derte, — er Den Präſidenten zur Abdankung 
Sein Nachfolger wurde der bisherige Vizepräſident 
Uriburu, der ſchon während des Krieges mit Bare: 
quay Miniſter geweſen, dann 20 Jahre außer Lantes 
in diplomatiſcher Stellung war. Er wählte zu Wi- 
niſtern Männer zumeiſt aus der Nationalpartei. Wit 
Chile wurde 26. April 1896 cin Bertrag abgeſchloſſen. 
der die Entideidung de3 lange ſchwebenden Streites, 
ob die Grenze zwiſchen Urgentinien und Chile in Rata: 
gonien durch die Waſſerſcheide oder die hichiten Er- 
hebungen der Kordilleren qebildet werden folle, dem 
Schiedsiprud der Königin von England unterwarf. 
Nach Ublauf feiner Amtszeit beriefen die Neuwahlen 
fajt einjtimmig den General Roca zum zweitenmal 
an die Spike ded Staates. Er trat 12. Oft. 1898 
ſein Amt an und ernannte cin neues WMinijterium, 
deſſen Zuſammenſetzung die öffentliche inung 
durchaus billigte. In dem Streit mit Chile fiber die 
Grenze in Patagonien entitand cin never Swift der 
die Puna de Atacama, ein ödes Hochland zwiſchen 


dem 23. und 27.° fiidl. Br., dad friiher sur Republit 


Bolivia qehdrte, nad der Bejiequng der Botivianer 
1881 aber von Chile beanſprucht wurde. Dod) trat 
Bolivia die Puna 1894 in einem geheimen Vertrag 
an YUrgentinien ab, was aber Chile nicht zulaſſen 
wollte. Erjt 1898 wurde die Entſcheidung der Froge 
iiber Den Bejig der Buna de Utacama von Argen 
tinien und Chile cinem Schiedsgeridt von fin’ Ro- 
tabeln aus jedem Staat iibertragen, das im Wary 
1899 in Buenos Wires gufammentrat, aber ju feimen: 


gemeinſchaftlichen Spruch fam, und der Beretnbarung 


heider Republilen gemäß fiel mun die endgültige Ent- 


Argentino — Argere Hand. 749 


fcheidung dem Gefandten der BVereinigten Staaten gu. | La République Argentine (Par. 1899); Lix-Klett, 
Diefer ftellte cine Grenge fejt, durch die der weitaus Estudios sobre produccion, comercio, finanzos etc. 
rdpte Teil des ftreitigen Gebiets Argentinien zuge- de la Republica Argentina (Buenos Yires 1900); 


prodjen wurde. Seildem herrſcht, trotz mehrfacher 
Verſtändigungsverſuche, zwiſchen Argentinien und 
Chile eine Spannung, die wiederholt kriegeriſche Be— 
ſorgniſſe hervorgerufen hat. Sie ijt dadurch nicht 
vermindert worden, daß Chile, entgegen den Wünſchen 
Argentiniens, die Teilnahme an dem zweiten pan— 
amerikaniſchen Kongreß in Mexiko, 1901, davon ab⸗ 
hängig machte, daß die argentiniſche Grenzfrage dort 
nicht berührt werde. Die —— Argentiniens wird 
vorwiegend durch die mißliche Finanzlage bedingt. 
Trotz ſteigender Einkünfte ijt an die Wiederaufnahme 
des vollſtändigen Dienſtes der äußern Schuld in den 
nächſten Jahren nod) nicht gu denfen. Verſtändiger— 
weije Hat ſich Brajident Roca bemüht, das Gleich— 
gewidt int Budget nicht nur durch Erjparnifje her: 
onan, fondern ijt durch Förderung gemeinniigiger 

niagen aud) auf Erhdhung der Einnahmen bedacht 
geweſen. Befonders hat er dabei dic Erſchließung der 
reiden fiidlichen Gebiete Durch Cifenbahnen und Land- 
ſtraßen tm Auge; aud) hofft cr durch die Berbindung 
des argentinifden Eiſenbahnnetzes mit dem Stillen 
Osean fiber La Baz und Puerto Peres den Provin- 
gen des Nordiwejtens, Jujuy, Salta und Tucuman, 
einen bequemern Zugang - Weltmartt gu eröff⸗ 
nen und cine rationellere Verwertung ihrer reiden 


natürlichen Schätze gu — Der —— hat 


ihn darin aber nur mangelhaft unterſtützt. Zur Un— 
terſtützung gegen Chile fand Argentinien nähern An— 
ſchluß an Braſilien, Peru und Bolivia, mit denen im 
Herbſt 1900 ein Bündnis gegen die angeblichen Aus— 
dehnungsgelüſte Chiles zu ſtande kam. Auch mit 
Uruguay fam auf ſchiedsgerichtlichem Weg cine Grenz⸗ 
berichtigung zu ftande. Gegen die nordameritanijde 
Vevormundungsjudht regte es fich aud) in Argen— 
tinien. Die Cinladung ju einem ibero-amerifanijden 
Rongre in Madrid 1900 ward bereitwillig ange- 
nommen ; die dort erreidjte Stärkung des Zuſammen— 
gehörigleitsgefühls der fpanifd)-amerifanijden Repu- 
blifen untercinander und gegeniiber dem Wutterland 
ijt nicht gu verlennen. 

[Viteratur.] Bol. Bovio, Geografia de la Repu- 
blica Argentina (Buenos Wires 1888); La Kina, Geo- 
grafia de la Republica Argentina (daſ. 1891); Der- 
felbe, Diccionario geografico argentino (2. Ausg., 
daſ. 1894); Guilaine, La République Argentine 
physique et économique (far. 1889); Burmeiſter, 
Phyſiſche Beſchreibung der Argentiniſchen Republit 
(Bd. 1, Buenos Aires 1875; Bd. franz., Bar. 1876); 
Child, The Spanish-American Republics (New Port 
1891); Turner, Argentina and the Argentines 
(Lond. 1892); Mulhall, Handbook of the River 
Plate Republics (6. Aufl. 1893); Wleman, Bilder 
aus der Argentiniſchen Republif (Buenos Uires 1877) ; 
wriedrid, Die La Plata- Lander (Hamb. 1884); 
Reijewerfe von H. Burmeijter (Halle 1861), Tſchudi 
(oReifen durch Siidamerifae, Bd. 5, Leips. 1869), Zol— 
ler (Stuttg. 1884), Modrid) (Mail. 1890), W. Kreuth 
(Bien 1891); Hudfon, The Naturalist in La Plata 
(3. Unfl., Lond. 1895); Habel, Unfidten aus Siid- 
amerifa (Berl. 1897); Moreno, Apuntas prelimi- 
nares etc. (Qa Plata 1897); Fließ, La produccién 
agricola y ganadera de la Republica Argentina en 
el aũo 1891 (Buenos Wires 1893); Rapeta, Memo- 
ria presentado al Congreso Nacional (daj. 1892 — 95, 
3 Bde.); Martens, Siidamerifa unter befonderer 
Beriidjidhtiqung Urgentiniens (Verl.1899); Wiener, 


Kaerger, Landwirtſchaft und Rolonijation im fpa- 
nijden Giidamerifa, Bd. 1: Die La Plata-Staaten 
(Leipʒz. 1901); Qorini, La Republica Argentina 
ei suoi problemi di economia e di finanza (Rom 
1902); Dtartine3, Les finances de la République 
Argentine (far. 1898); Daireaur, République 
Argentine; les lois et la constitution (daſ. 1889, 
2QYde.); Lehmann, Die Redtsverhaltnifje der Frem- 
den in Urgentinien (Buenos Yires 1889); Bordardt, 
Das argentinifde Handelsgeſetzbuch vom 5. Oft. 1889 
(Berl. 1895); Sdhriften fiir Uuswanderer von Beck— 
Bernard (Leipz. 1883), Greger (Baſel 1884), Lagina 
(Leip3. 1884), Andrießen (Leiden 1889), Heußer, 
Wodon, Schulz. — Rarten vom Instituto geogr. 
Argentino, unter Leitung von Seeljtrang (28 Blatter 
mit Tert, Buenos Wires 1894), Bradebujd (13 Blat- 
ter, Gotha 1891), Duclout (von Argentinien und 
von der Proving Buenos Wires, beide Buenos Wires 
1890); 3. Rohde (1:2,500,000, 4 BL, daſ. 1896); 
Vertehrstarte von Drigalffy und Ludwig (Kar. 1897). 
Bur Gefdhidte: Domingues, Historia Argen- 
tina (Buenos Wires 1861; engl., daſ. 1865); Lopes, 
Historia de la Republica Argentina (daf. 1883, 2 
Bde.); L. Schneider, Der Krieg der Tripelallians 
i gegen die Re ——— Republik Paraguay (Berl. 
1871—75,3 Bde.) ; Mitre, Comprobacion historica 
/acerca de algunos puntos de historia Argentina 
segun nuevos documentos (Buenos Aires 1882); 
Varela, La République Argentine et le Chili. 
Histoire de la démarcation de leurs frontiéres (daſ. 
1899, 2 Bode.); Garcia Merou, Historia de la Re- 
publica Argentina (daf. 1900, 2 Bde.). 
Argentino, Goldmünze in der YUrgentinifden 
Republif, 3u 5 Peſos nacionales, — 20,25 We. 
Argentino, See im argentin. Gouv. Santa Cruz, 
unter 50° 14‘ ſüdl. Br. w. 71°59 weftl. L., 183m i. M.; 
an feinem Ojtufer flieBt aus ihm der Santa Crug ab. 
Urgentit, Mineral, foviel wie Silberglan;. 
Argenton (pc. -Gangtéing), Stadt im fran. Depart. 
Indre, Urrond. Chãteauroux, an der Creufe, Knoten- 
puntt an der Orléansbahn, mit einer Schloßruine und 
(1901) 5640 Cinw., die fid) mit Ralfbrennerei und 
Tuchmanufaktur beſchäftigen. 
Argentorãtum, aud Argentaria, lat. Name 
von Stragburg im Elſaß. 
Argentum, Gilber; A. colloidale, folloidale3 
Silber; A. foliatum, Blattfilber; A. nitricum, ſal— 
peterfaures Gilber; A. nitricum fusum, geſchmolze— 
nes (und in Stängelchen gegoſſenes) ſalpeterſaures 
Silber, Höllenſtein; A. nitricum cum kali nitrico, 
ſalpeterhaltiger Höllenſtein; A. vivum, ſ. Queckſilber. 
uirger, cine Verſtimmung, die entiveder als un— 
| mittelbare Reaftion auf cine erfahrene Widerwartig- 
feit in das Gebiet der normalen Seelenlehre fällt, aber 
auch ohne hinlängliche Begründung vorfommt und 
‘dann als franfhafte Verjtimmung ju den Seclen- 
jtdrungen zählt. Im letzten Fall fann die Urſache 
yum YW. oder gur Ärgerlichkeit durch Darmfatarrhe, 
Stublverjtopfung ꝛc., oder durch Abſpannung infolge 
von fiberanjtrengung mit geiftiger Urbeit bedingt fein, 
oder endlid) kann der YW. eine Äußerung pſfychiſcher 
Erfranfungen fein, wie denn zahlreiche Fälle von 
Hypodjondrie, Melandolie, Hyjterie, Neurajthenie rc. 
mit Ddiefer reigbaren Verjtimmung beginnen. Bal. 
Verjtimmung und Zorn. 
Argere Hand heift nach uraltem Sprachgebrauch 











750 Argernis — 


der unebenbürtige Ehegatte. Die Kinder der oun: | 


gleidjen« Ehe folgen der »argern Hand« im Rang 
und Stand. Da nad) dem gegenwiirtigen deutſchen 
Recht nur der hohe Adel (ſ. Udel) eine sungleide< 
Ehe cingehen fann, find die alten Grundſätze iiber die 
ä. H. auf ein enges Feld befdrantt. 

Argernis ijt die Verlegung des fittlicjen oder 
religidjen Gefühls. Handlungen, die Ä. erregen oder 
dod) zu erregen geeiqnet find, werden von der heutigen 
Geſetzgebung mehrfach unter Strafe geſtellt, ſo unzüch— 
tige Handlungen (j. Sittlichkeitsverbrechen), Konku— 
binat (j.d.), Tierquälerei(ſ. d.), Gottesläſterung (ſ. d.). 

Arges, Fluß, ſ. Ardſchiſch 1). 

Arghelſtrauch, ſ. Solenostemma. 

Argilla, Ton, weißer Bolus. 

Arginufen, wei Inſeln an der Küſte der kleinaſiat. 
Landſchaft Wolis, Lesbos gegeniiber, beriihmt durch 
den Seeſieg der Wthener iiber die Spartaner unter 
RKallifratidas 406 v. Chr. Heute Udi dan. 

Argiver, ſ. Argeier. 

Argo, das 50ruderige Schiff der Argonauten 
(ſ. d.); auch ein Sternbild des ſüdlichen Himmels 
(i. Schiff Argo). 

Argo, deutſche Dampfſchiffahrtsgeſellſchaft, ſ. 
Dampfſchiffahrt (Textbeilage). 

Argölis, Landſchaft, ſoviel wie Argos. Argo— 
liſcher Meerbuſen, Buſen des Ägäiſchen Meeres, 
der zwiſchen Argos und Lakonien in die Oſtküſte des 
Peloponnes einſchneidet (jest Golf von Nauplia). 

Argon (qried)., »untitiq«), qasformiger Bejtand- 
teil der Utmofphéire, wird als Riidjtand erhalten, wenn 
man den Sauerjtojf der Luft durch gliihendes upfer- 
oryd, Waſſer und Kohlenſäure durd) Phosphorſäure 
anbydrid und Natronfalf und den Stichſtoff durd 
qliihendes Magneſium oder Lithium abjorbieren läßt. 
Auch verwandelt man den Stidftoff bei Anweſenheit 
von Sauerjtoff durch den eleltriſchen Funfen in fal- 
petrige Säure, die durch Ralilauge abjorbiert wird. 
Nod) vorhandenen Sauerjtoff entfernt man durd Ver⸗ 
puffen mit Waſſerſtoff. Jn der Utmofphare findet 
ſich fonjtant 0,942 Proz. Y., in der Luft der Udererde 
etwas weniger infolge der Löslichkeit des Argons in 
Waſſer. Entiprechend diefer LHslichfeit findet fic A. 
angereidert in Den Gajen des Regenwaſſers und im 
Meer: und Flußwaſſer. A. findet ſich aud in manchen 
Mineralien u. Mineralquellen; das Gas einer Quelle 
bei Perchtoldsdorf enthalt 1,1, das der Badequelle von 
Vöslau 1,8, das der Quellen von Burton 2 Brox. A. 
A. ijt ein farb- und geruchloſes Gas vom fpe;. Sew. 
1,376, es beſitzt cin glanzendes Spektrum, läßt fic) zu 
einer farbloſen Flüſſiglkeit verdichten, die bei —186,9° 
fiedet und dabei cin ſpezifiſches Gewicht von 1,5 beſitzt. 
Der Schmelzpunkt liegt bei 189,6°, der kritiſche Drud 
ijt 50,6 Utmofpharen, die kritiſche Temperatur ca. 
—121% Dn Wafer lofen fich bet 12°: 3,94 Volum— 
projent (2,5mal joviel wie Sticftoff). YW. ijt ein ein 
atomiges Gas, Molekular- und Wtomgewidt find 
identiſch, und das Atomgewicht ijt 39,02. In demi 
ſcher Hinſicht zeigt ſich YW. höchſt indifferent, es reagiert 
mit keinem Der gewöhnlichen Körper; durch glühendes 
Magneſium wird es langſam und in ſehr geringer 
Menge abjorbiert. Unter dem Einfluß der ftillen ebet- 
triſchen Entladung verbindet fic) A. über Queckſilber 
mit Benzol, Toluol, Schwefelkohlenſtoff x. Aus leg 
terer Verbindung kann VW. wieder abgeſchieden werden. 
A. wurde 1895 von Rayleygh und Ramfar entdectt, 
als fie gefunden batten, da der aus atmoſphäriſcher 
Luft abgeſchiedene » Sticitoff« ftets ſpezifiſch ſchwerer 
war als der aus unzweifelhaft einbeitliden Berbin 














Argonauten. 


dungen erhaltene reine Stichſtoff. Indes hatte bereits 
Cavendiſh das Gas in Handen, von dem er fagt, def; 
es nicht mehr als "/i20 Der unterſuchten phlogtftifierten 
Luft (Stidjtoff) betrage. Val. Mugdan, W und 
Helium (Stuttg. 1896). 

Argonaut, ſ. Papiernautilus. 

Argonanten (⸗Argoſchiffer«), die Teilnehmer an 
dem von Jaſon veranftalteten Zuge nad Kolchis 
(f. Ya). Schon Homer fest die Sage als allgemein be 
fannt voraus. Im Lauf der Zeit hat fie vtelfad Wn- 
derungen und Erweiterungen erfahren; die verſchie 
denen Faffungen ſuchte dann der Didter Apollonius 
von Rhodos gu vereinigen, dem fic) der romifde 


Dichter Valerius Flaccus im wefentliden anſchloß 


Jaſon (f.d.), de3 Aſon Sohn, erbielt von feinem Obeim 
Pelias (ſ. d.) auf Heras Veranlaſſung den Wuftrac, 
das goldene Vlies des Widders, auf dem Phrixos und 


| Helle (f.d.) entflohen waren, aus dem Areshain in Kol: 
chis gu Holen, wo es, an einer Cide aufgebingt, von 
einem Dradjen bewacht ward. Zu diefer Fahrt leg Ja 


jon von Urgos, dem Sohn des Phrixos, die SOrude- 
rige Urg o bauen, das erjte große Schiff; Athene leitere 
den Bau und fiigte am Vorderteil cin Stück von der 


redenden und weisfagenden Eiche zu Dodona cin. Dre 


Teilnehmer an dem Unternehmen waren, wie die Sage 
von den Minyern ausqing, urjpriinglid) Minyer vor 
Joltos, Ordomenos, Pylos u. a. O., wie Urgos, Wd 
metos, Ufajtos, Erginos, Tiphys; im Laufe der Ret 
wurden aud) andre berithmte Helden in die Sage bin 

eingezogen, wie Herafles, Kaſtor und Polydeufes, 
Idas und Lynfeus, Kalais und Fetes, Augias, Pe 


leus, Tydeus, Meleagros, Orpheus, Telamon, Mopſos 


und Idmon, felbjt die Jägerin Utalante. Die eitung 
hatte Jafon, Tiphys (nach deſſen Tode Unfios) wer 


| Steuermann. Die in Pagafai, dem Hafen von Yol- 


fo8, angetretene Fahrt ging an der Stiijte entlang nad 
der Inſel Lemnos, wo die U., von den Frauen, die ibre 
Manner aus Ciferfucht ermordet batten, gaſtlich auj- 


genommen, langere Zeit verweilten, bis Herafles, der 
auf dem Schiff zurückgeblieben war, die Saumigen pum 
Aufbruch tried. Bon dort gelangten fie tiber Samo 


thrafe und durd) den Hellespont zur Inſel Kzikos m 
der Bropontis, wo jie bei den Dolionen qajtlidje Vari 
nabme fanden, aber von den Den andern Teil Der Iriel 
bewobnenden fechsarmigen Giganten angeqriffen wur 


den. Wieder in See geqangen, trieb fie in der Nacht 


ein Sturm zu den Doltonen zurück, von denen fie nicht 
erfannt und als Rauber angeqrijfen werden; in dem 
Kampf tdtet Jafon den König Kyzikos. Als der Morgen 
den Irrtum offenbar madt, tranern die A. Drei Tage 
mit den Dolionen und ftellen den Gefallenen zu Ehren 
Kampfipiele an. Wn der Küſte von Myſien laſſen fie 


| Herafles zurück, der feinen von Nymphen geraubten 
Liebling Hylas (jf. d.) fucht. Wn der Küſte von Bithn 
nien beſteht Rolydeufes einen fieqreidhen Fauſtlampf 


mit dem Bebryferfdnig Amykos (7. d.). Wn die thra 


kiſche Küſte nach Salmydeſſos verſchlagen, erhalten fie 


von dem blinden Seher Phineus (jf. d.), den Malas 


und Hetes von der Blage der Harpyien (ſ. 9.) befreien. 


Belehrung iiber die weitere Reije. Auf feinen Nat 


| Lat Jaſon bei den Symplegaden (ſ. d.), zwei fort und 


fort zuſammenſchlagenden Felfen am Cingang des 
Schwarzen Meeres, eine Taube vorausfliegen und, 
da dieſer nur die Schwanzfedern abgequeticdht werden, 


die Urgo mit YUufbietung aller Ruderfraft losfabren. 
| Mit WUthenes Hilfe fam fie glücklich Durd); nur verlor 


jie bas Steuer. Der Sitdfitjte des Schwarzen Meeres 
folgend, finden fie freundliche Aufnahme bei dem Sd- 


nig Lyto8; aber der erfranfte Steuermann Tiphys 


Argonin — Argos. 


* 


tirbt. Am Amazonenlande vorüber kommen ſie zur 
—* Aretias, wo ſie vier auf der Fahrt nach Grie— 
henland ſchiffbrüchig gewordene Söhne des Phrixos 
aufnehmen. Endlich gelangen fie nad Kolchis. Auf 
Jaſons Forderung verheißt König Äetes, das goldene 
Vlies auszuliefern, wenn Jaſon zwei feuerjdnau- 
dende, erzfüßige Stiere anſchirre, mit ihnen die Flur 
des Ares pflüge, in die Furchen die von Phrixos mit- 
gebrachten Drachenzühne des Kadmos ſäe und die 
daraus entſprießenden, gewappneten Rieſen beſiege. 
Von Aphrodite mit unwiderſtehlicher Liebe zu Jaſon 
rfiillt, gibt ihm Die zauberkundige Medeia, Aetes' 
Todjter, eine Salbe, die ihn gegen Feuer und Eiſen 
chützt. Ex swingt die Sticre ins Joch, acert das Feld, 
Gt Die Drachenzähne und wirft nad Medeias Rat 
inter Die Daraus erwadjenen Riefen einen Stein, 
vorauf fie fic) gegenſeitig titen. Jest aber verwei- 
yert Aetes Dad Vlies. Da fchlafert Medeia, nachdem 
Jaſon gefdworen, fie sur Gemabhlin gu nehmen, in 
rer Nacht den Drachen durd Zaubermittel cin; Jafon 
aubt das BVlies und fährt mit fener Doppelbeute und 
en, Genoſſen von dannen. 

Uber die Heimfahrt der U. weiden die Gagen 
ehr voneinander ab. Nad) einer der älteſten Faſſun— 
jen fahren fie Durd den Phaſis in den Ofeanos und 
urd) Diejen nad Libyen, wo fie ihr Schiff 12 Tage 
ang fiber Qand zum Tritonijden See tragen; aus 
diejem gelangen ſie durch das Mittelmeer in die Hei- 
nat. Andre lafjen fie auf demfelben Wege, den fie 
jefommmen, heimfehren; Dem verfolgenden Hetes ent: 
ommen jie, indem Wedeia ihren mitgenommenen 
leinen Bruder Ubfyrtos zerſtückt und die Glieder ein- 
eln verjtreut, DdDurd) deren Sammlung Aetes anf- 
ichaltert wird. Nach UWpollonios fahren die U. nad 
Bhineus’ Rat durd den Pontus Eurinus in den iter 
Dona), an deffen Ausfluß ins Adriatiſche Meer er- 
varten jie die Kolchier unter Ubfyrtos, der fie auf 
‘inem kürzern Iſterarm überholt hat. Mit ihm knüpft 
Jaſon Unterhandlungen an, ermordet ibn aber meuch— 
ings. An der Ojtfiijte des Adriatiſchen Meeres ſchon 
iber Rerfyra hinausgelangt, verſchlägt fie ein Sturm 
urück nad) Der Inſel Eleftris an der io i 
kridanos (‘Po ?), wo ihnen das redende Brett der Argo 
vertiindet, daß fie die Heimfehr nicht erlangen wiirden, 
vent jie fic) nicht Durch Rirfe vom Morde de3 Wbfyr- 
os entfiindigen lichen. Sie fdiffen den Eridanos 
jinauf in Den Rhodanos und aus diefem in das Mit- 
elmeer zur Inſel der Kirke, der Schweſter des Äetes, 
vie fie entfiihnt, aber, fobald fie weiß, wer fie find, 
vertreibt. Orpheus’ Gefang bradte fie glücklich bei 
ven Sirenen vorbei, Thetis und die Nereiden durd 
Stylla und Charybdis, und fie gelangen gliidlid zur 


Ynjel der Phäaken, wo König Alkinoos fie qajtlic | 


wufnimmt. Hier aber kommen Rolchier, die Medeias 
Nuslieferung fordern. WWinoos als Schiedsridter 
pricht Medeia den Noldiern gu, falls fie nod) nicht 
nit Jaſon vermählt fei. Seine Gattin Urete aber be- 
virft ihre Vermählung, und die Rolchier müſſen ver- 
ichten. Reichbeſchenkt feqeln die A. weiter; aber an- 
jeſichts des Peloponnes verſchlägt fie ein Sturm in 
ie libyichen Syrten. Von Pofeidon gevettet, tragen 
ie Die Argo bis an den Tritoniſchen See, wo Triton 
hnen den Weg in das Mittelmeer zeigt. Uber Kreta 
jelangen fie endlich gliidlid) in den Hafen Pagaſai 
urück. Die Argo foll Jajon dem Pofeidon auf dem 
Ithmos geweiht haben. über feine und der Medeia 
veitere Schictfale ſ. Jaſon. 

Die Argonautenſage ijt vielfach poetiſch bearbeitet 
vorden, ſowohl von epifden als von tragiſchen Did- 





751 


tern. Auch die Kunſt madhte die W. zum Gegenftande 
der Darjtellung. Zu erwähnen iſt namentlic die Dar- 
ſtellung der Beſiegung des Amykos durd) Polydeufes 
auf der fogen. Ficoroniſchen Cijta (j.d.) in Rom. Von 
neuern Darjtellungen verdienen Erwähnung: der Ur- 
gonautenzug von Carftens (hrsg. von Riegel; Leip. 
1884, 24 Tafeln) und der Szenen daraus enthaltentde 
Fries von Schwanthaler in der Reſidenz gu München. 
Bgl. Vater, Der Urgonautensug (1845); Stender, 
De Argonautarum expeditione (Riel 1874); E. 
Meier, Quaestiones Argonauticae (Mains 1882); 
®Wroeger, De Argonauticarum fabularum historia 
(Bresl. 1889). 
onin, cine Rajeinjilberverbindiung, die man 
durch Fallen einer Löſung von Kaſeinnatrium und 
Silbernitrat mit Ulfohol erhält, bildet ein weißes Pul⸗ 
ver, foll die digende Wirkung der Silberſalze (Hdllen- 
tein) auf die Schleimhäute des Körpers verhilten, aber 
ie bafterienfeindlide Kraft der Silberſalze erhalten 
und wird bet Gonorrhie benusgt. 

Argonne, Landjtrid) im nordöſtlichen Frantreich, 
zu beiden Seiten der Ylire, zwiſchen Maas und Wisne. 
In demſelben giehen fic) auf der weftlidjen Seite der 
Wire die Urgonnen oder der Urgonner Wald 

in, der juraſſiſche Weſtrand des Hiigelplateaus von 
‘othringen, Der mit feinem breiten, kahlen Scheitel 
375 m Hohe erreicht und gegen W. in die Tiefebene 
der Champagne, gegen N. in die Urdennen übergeht. 
Trop der geringen Hohe erfdweren die Argonnen 
durch Unwegfamfeit und ftarfe Bewaldung die Rom- 
munifation nidt unerbeblid. 

Argos (Urgolis, Urgeia), Landſchaft des Pe- 
loponnes, begriff urſprünglich nur das Gebiet der 
Stadt A., die rings von Bergen umgebene Talebene 
des Inachos; unter römiſcher perrjdaft verjtand man 
Darunter aud) die ins Vorgebirge Skylläon auslau- 
fende Halbinfel zwiſchen dem Saronijden und Argo— 
liſchen Meerbuſen und die Gebiete von PHlius, Sifyon 
und Rorinth (jf. Karte ⸗Alt⸗Griechenland«). A. ijt der 
am reichſten gegliederte Teil des qangen Peloponnes, 
mit febr age nba und zahlreichen vorgelager- 
ten Ynfeln. IS die bchoutnabien Berge find zu nen— 
nen: der Kreion (jetzt Rtenias, 1599 m), Artemiſion 
(Malevos, 1772 m) und Lyrfeion (1648 m) im W., 
die Verge gegen Phlius (Megalo Vuno, 1270 m) int 
M., der siden (Arna, 1199 m) im O. Küſten⸗ 
ebenen finden fic) nur bei Trizen und an der Mün— 
dung des Inachos bei Argos. Die Bewäſſerung des 
Landes ijt ſehr ungleich, tm ganzen äußerſt diirftiq; 
ſchon Homer redet vom »vieldurſtigen⸗ A. Die zahl— 
reichen in den Bergen entſpringenden Bäche verſiegen 
im Sommer oder verſchwinden bald in Klüften, um 
erſt unweit des Meeres wieder hervorzubrechen. Auch 
die beiden Hauptflüſſe, der Inachos (Panitſa) und ſein 
Zufluß Charadros (Xerias), find die meiſte Zeit des 
Jahre⸗ troden. Ziſternen mußten ſchon im Altertum 
dem Waſſermangel ſteuern. Trotzdem lieferte die 
Küſtenebene von A. Getreide in Überfluß; ſie iſt auch 
heute noch faſt die einzige für Ackerbau verwendete 
Gegend in A. In den gebirgigen Teilen wurde ſtarke 
Viehzucht, auch Bergbau auf Kupfer getrieben. Aus— 
gezeichnet waren die argiviſchen Pferde, ſchon von Ho— 
mer, ſpäter von Strabon und noch jetzt von Reiſenden 
gerühmt. Vor allem aber wurden Handel und Schiff— 
fahrt durch die zahlreichen Buchten und trefflichen 
Ankerplätze begünſtigt, und fie ſtehen heute nod) wie 
im Altertum in Bliite. Ws älteſte Bewohner werden 
Pelasger und Danaer genannt, Cimvanderer aus 
Syrienund Agypten, die ſpäter durd) Griedjen (Achäer 





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Argoulets — Arguzoid. 


ie Lahmen gehen und die Blinden fehen fornten. 
Sie wurden in vier Gruppen: Egypte, Bohéme, A. 
nd Galilée, geteilt. Der Musdrud Galilée fommt 
1 etwas anderm Sinne fdon im Wittelalter vor, wo 
‘alilea fiir Galerie gebraucht wurde. Später faßte 
tan Galilée alg Namen des Landes und bildete da- 
ad die fibrigen, von Denen die beiden erften zunächſt 
uf Die Zigeuner angewendet waren, der dritte (Argot) 
us Arabie entftellt ijt. Viele Argotwörter laſſen fid 
ict erflaren. Manche find dem Stalienifden (méche 
alb, von mezzo) oder Dem Deutſchen (chelinguer 
infen, schloffer ſchlafen) entlebnt. Die meiſten be- 
uben auf franzöſiſchen Wortern, die in ihrer Bedeu- 
ing (boule Kugel, poire Birne, beide im Sinne von 
opf) oder in ibrer Form unkenntlich gemacht find. 
ahin gehört frusquin, frusque oder fripe aus froc 
igentlich Rod), louffe aus fou Narr, Saint-Lago 
us Saint-Lazare (Gefingnis in Baris) wie Urgot 
us Arabie, Pantruche (von der Borjtadt Pantin) 
ir Baris, Arguche fiir Urgot. Mande Argotwörter 
nd int Die gebildete Sprache eingedrungen (lorgne fiir 
orgue, chiquenaude, fripier, fripon), die in neueſter 
eit immer mehr Unleihen beim UM. madt. Das altefte 
. findet fich um 1200 in Jean Bodels Spiel vom 
rit. Nifolaus. Rabelais hat aus dem W. geſchöpft, 
‘illon Darin gedidjtet. Romanfdreiber, wie Balzae, 
ine, Zola, laſſen cingelne Berfonen darin reden. Bal. 
rang. Midel, Etude de philologie comparée sur 
argot (Par. 1856); 2. Rigaud, Dictionnaire d’ar- 
ot moderne (Daj. 1881); Delvau, Dictionnaire 
» la langue verte (3. Wufl., daj. 1889); Larder, 
ictionnaire historique, étymologique et anec- 
ytique de l'argot —— (10. Aufl., daſ. 1887; 
upplement 1889); Villatte, Pariſismen (5. Aufl., 
erl.1899); Timmermans, L'argot parisien (Par. 
392); G. Deleſalle, Dictionnaire argot-fran- 
iis et francais-argot (daſ. 1896); A. Bruant, 
‘Argot au XX. siécle. Dictionnaire francais-argot 
aj. 1901); Schwob in den »Mémoires de la So- 
été de linguistique de Paris<«, Bd. 7; Yve⸗Pleſ⸗ 
8, Bibliographie de l'argot (‘Bar. 1901). 
Argoulets pr. gua, berittene franz. Schützen 
t 16. Jahrh., waren neben der Adelsreiterei weni- 
r geachtet, Daher nod jest »pauvre argoulet«, ar- | 
er Schlucer. Unter Heinrid TT. wurden die A. in 
rabins verwandelt. Bgl. Arkebuſe. 
Arguelles (pr. -qeties), Uquitin de, fpanifder 
faatsmann, geb. 28. Mug. 1778 im Ribadefella 
ljturien), geft. 23. März 1844 in Madrid, ftudierte 
Dviedo die Rechte und erhielt in Madrid bei dem 
efretariat Interpretacion de lenguas cine Unjtel- 
ng. Die Regierung tibertrug ihm wichtige Miffionen 
i Portugal und London. 1808 ſchloß er fic) den 
itrioten an, war in Cadi; Mitglied der Cortes und 
r mit Entwerfung einer Verfafiung beauftragten 
muntiffion und verfaßte den beriihmten Beridt, den 
‘fe bet —— des Entwurfs erſtattete (1812). 
3 nad) dev Rücktehr Ferdinands VIT. (1814) die 














753 


Führer der gemäßigten Partei. Als der König nad 
der franzöſiſchen Intervention 1823 die Verfaſſung 
aufhob, entfloh A. nad) England, wo er bis zu der 
1832 verfiindeten Ammeſtie verweilte. Wis Mitglied 
der Cortes hielt er ſich zur Partei der Liberalen und 
war mehrmals Brifident und Bizepräſident der 
Kammer. 1837 ernannte ihn die Königin sum Mit— 
gliede des neuerrichteten Senats, und 1841 erbielt er 
von den Cortes die Vormundſchaft über die Königin 
Mabella. 1843 leqte er feine Amter nieder. A. war 
das hervorragendjte und beredtejte Mitglied der libe- 
ralen Bartei von 1812. 

Arguieren (lat.), anzeigen; beweijen; überführen. 

Argilus, f. Karpfenlaus. 

Argument (lat.), Beweisgrund, d. h. derjenige 
Teil eines Beweiſes, auf dem deffen Gültigkeit oder 
überzeugende Kraft berubt. Häufig wird jedoch dads 
Wort mit Beweis (ſ. d.) oder VBeweisfiihrung gleid- 
bedeutend gebraudt (Urqumentation). — Im 
Mittelalter hie W. eine a der Cinlettung dra- 
matiſcher Schaujtellungen, in der man Inhalt und 
Abſicht der Darjtellung ju rechtfertigen und gu be: 

riinden fudjte, {pater aber metjt nur andeutete. In 
Spanien ging frither allen Stiiden ein Introito und 
ein Argumento voraus. Das erfte forderte sur Teil- 
nahme auf und endete mit Späßen der lujtigen Per- 
fon, die es vorirug; das andre enthielt cinen Abriß 
der Handlung und diente, vom Schauſpielunterneh— 
mer vorgetragen, dazu, die Zuhörer zur Rube und 
Aufmerfjamfett su bewegen und das Verjtindnis de3 
Stückes zu erleidtern. Beide ſchmolzen in der Loa 
(f. b.) zuſammen. In der ital. Commedia dell’ arte 
(f. d.) bezeichnete A. den Stoff des Stiictes, deffen da- 
nad entworfene Szenen (Scenario) Dann aus dem 
Steqreif ausgeführt wurden. 

Argun (Argunj), Quellfluß des Amur (f. d.). 

Wrgunpalme, |. Medemia. 

Arguri, ehedem großes und ſchönes Dorf in Ruj 
ſiſch-Armenien, an der Nordfeite des Urarat in der 
fogen. Jakobsſchlucht, der Sage nad von Noah ge: 

ritnbdet, mit bliihendem Weindau und nahezu 1600 
Sinus. Wm 2. Aug. 1840 wurde es nebjt dem St. 
Jakobskloſter durd cin mit cinem vulfanifdhen Wus- 
bruch de Yrarat verbundenes Erdbeben vollig ver- 
nichtet, wobet 1100 Menfden umfamen. 

Argudangen, bildlider Ausdruck fiir mißtrauiſch 
qefpannte Wadhjamfeit, der qriedhifdyen Sage vom 
rallfehenden« Argos (jf. d. 1) entlehnt. 

Argudfafan (Arguspfau, Bfauenargus, 
Kuau, Argus giganteus Temm.), Vogel aus dev 
Familie der Bfauen, 1,8 m lang (davon die Wittel- 
ſchwanzfedern 1,2 m), mit fleinemt Kopf, niedrigem 
Ramm, furzem Hals, gejtredtem Schnabel, ſchwachen 
Füßen, kurzen, abgerundeten Flügeln, ſtark verlän— 
gerten, nach der Spitze zu verbreiterten Federn am 
Ober- und Vorderarm und ſehr langem, ſtark abge- 
ſtuftem Schwanz. Das Männchen beſitzt prachtvolle, 
im allgemeinen gelb- und rotbraune Färbung und 


jolutijtijde Reaftion begann, wurde A. 10. Mai Zeichnung. Die Henne ijt bedeutend kleiner und viel 
14 verbaftet und gu zehnjähriger Zuchthausſtrafe einfacher gezeichnet. Der A. lebt auf Malaffa, Su— 
rurteilt, bis ihn die Revolution von 1820 befreite. | matra und Borneo im Urwald und nährt ſich von 
wurde von feinen Anhängern nad Madrid ge- | Anfetten, Schnecken, Wiirmern, Simereien x. Das 
ort und vom König (3. Upril) zum Minijter des | Weibchen foll 7—10 weiße Cier legen. Der Vogel 
mern ernannt; ſeine Verwaltun dauerte aber fein wird des ſehr ſchmackhhaften Fleiſches und der Federn 
ibr, da A. eine gemäßigte Politit verfolgte, die ihn halber gejagt. Wan kennt ihn feit 1780, und feit 
t den Radifalen verfeindete, ohne daß er an dem etwa 1870 fommt er lebend nad) Europa. 

nig einen Rückhalt gewann. Am 1. März 1821) Argutien (lat.), Spigfindigheiten; argutiös, 
ißten UW. und femme Kollegen ibre Entlaffung nebh- ſpitzfindig. 

at; YW. ward num in den Cortes mit Calatrava | Arguzoid, ſ. Nicellegierungen. 


Meyers Konv.-Lexikon, 6. Aufl., T. Bd. 48 


14 
SiegeG we cpt. Gott Wels, Bem Dae y- 
oo eae —— 


re 


1541 
wri »>Th — of A sad the collateral 
of the clan ( ampbell< (@lasg. 1571). Un: 
tex ben Tanhebern bes Trevis regen bervor: 

1, Ar@:beld. Marauis von, ged. 155, get 


- 
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tex 
a 


27. Mar 11. ‘clog Hide 1637 der Cppctinom gegen a 


unter Rontroie, ward aber — 


s durch Cromwell der Republtk mieder an. 
— 
Me —— 
rchiba raf von, = Dorigen, 
entidnedener 


e Sari IL m Sedhottland geletitet, von dieſem den 
gtigien Zeil ber vateritchen Giter und den Grafen- 

ain Den 20 Nabren, die der Neitauration 
Stuarts folqten, blieb er ihmen treu, bewabrte 
aber die von jernem Vater ererbte jtreng presbyterna- 
_, Wis 1681 dex Derjog von Yort 


ENEG 


lebte. Da fafte er mit dem ex300 
onmouth und andern Emigranten den Plan 

in Schottland, um die Regierung zu 

1 1685 landete VL mit emem flemen 
Geſchwader im Diſtrikt pon Lorne und fudjte die An— 
hanger feines Haujes um fic) gu ſammeln. Aber fein 
Unternehmen mißlang; A. wurde, als er fiber den 
por yaad ju entfommen fudjte, gefangen genommen und 
d Der friibern Berurteilung 30. Sumi 1685 
enthauptet. Rad der Umwalzung von 1689 ward 
der Urieilsſpruch zu gunſten ſeines alteſten Sobnes, 
Archibald, kaſſiert und dieſer 1701 zum Herzog 
von A. erhoben 

3) John, Entel von A. 2), qeb. 10. Oft. 1678, 
geft. 1743, folgte 1703 ſeinem Bater als Herzog von 
A. Er fodt 1706— 1709 unter Marlborough in den 
Riederianden, ward 1711 an Lord Stanhopes Stelle 


Aommandeur der britiſchen Truppen in Spanien und 


1712 Cherbefebishaber in Schottland, aber en 
feiner Cppofition gegen die Maßregeln des Hofes ab- 
geſetzt. Rad Georgs I. Thronbejteiqung wieder in 
oniglichem Dienjt, ſchlug er 1715 bet Dumblane die 
Jalobiten unter Dem Grafen War. 1717 beförderte 
er ben Sturz des Winijters Walpole, ward hierauf 
Generalfeldzeugmeiſter und Mitglied des Rabinetts 
Stanhope Sunderland. 

4) George john DouglasCampbell, adter 
Herzog von, geb. 30. Upril 1823, gejt. 24. Upril 
1000, folate feinem Bater 1847, madte fid) früh als 
publiziſtiſcher Schriftiteller über die ſchottiſche Kir— 
chenverfaſſung befannt, indem er namentlich die Ab— 


Brazil — Arapraspben. 


E des Vorepervesss SeFirwercets «+ Pres 
briery examimed«. Cech. Ste. 1556] Burk er 
Saxper ber Uniperiaét —— 
ox ME 


wer. lsv2 wurde c jem eter Oerjog ver A a 
der Seirve bes vereumgien Romgtecks ermannt, wad- 
rend ex bis Dabim mur cmmen Gotten £ 


land« +2. Auil. Bottom 1849;; >» 
housie and Canning<« ‘Yond. 1655); » The reign of 
law: (1566, 19. Aun Is); » History and antiquity 
of Iona« (1870); »>Primeval man« (1566): -The 
eastern question« (1579. 2 Bde); »Seotland a it 
was and is« (1857, 2 Bde); >The unity of natmre« 
(2. Uutl Iss); >The burdens of beliefs (15@2); 
» The philosophy ofbeliet« (1894, » Whatis sciences 
i> evolution cross-examined « ( beade 1566). 
5) Jobnu Douglas Sutberiand Camopdeil 
jWeiter (neunter) Herjog von, Sokm des vers 


gen, geb. 6. Aug. 1545, vermabite nd als Wares 
pon orne 21. Mary 1871 mit dex Erinjzeffin Luce 
(qed. — 1848), vierten Tochter der Ronigm 


land, und war 1878—8&3 General 


: guverncar vou Renabe. Sett 1892 iit er Gouder 


neur des Schloſſes ju Windior; 1895 — 1900 wer er 
Mitglied des Unterhaujes. 1900 exrbte er ben Her- 
joqsttel. Er ſchrieb unter anderm: »A trip to the 
tropics and home through America: ( 1867); »Gaide 
and Lita, a tale of the Riviera« (1875); »The Uni- 
ted States after the ware (1885); »>Canadian life 
and scenery« (1886); »Viscount Palmersten« 
(1892); »Queen Victoria, her life and empire« (191) 
und bat 1878 die Biahmen in engliſche Verſe beriege 
Argylifhire (ive. acgaitigzx, aud Urgqylef sire, 
Land der Galen«), Grafidaft an der Weittiite von 
Schottland, beſteht aus einem fejtlandiiden Teil, der 
nad S. ju in die langgeitredte Halbinfel von Stxx- 
tyre (7. dD.) auslauft, und einer Anzahl von Inſein. 
unter Denen Mull, Jura, Jslay, Jona, Colonian, 
Tiree, Coll und Rum die bedeutenditen jind. Dex 
feſtlãndiſchen Teil zerſchneiden eindringende Lochs und 
tiefe Glens in eine Unjabl von Halbiniedn. RNicdind 
von Lod Sunart dringt die Halbiniel Wrdnanrur- 
dan mit ihrem bafalti Vorgebirge am weiteiter 
in den Utlantifden Ozean vor; ſüdlich von ibr fiegt 
Morvern, norddjtlidh davon Urdqower und jenjcit des 
Lod Linhe die Landſchaft Lorne. Argyll, am oberm 
pes des Lod Fyne, bildet Den Kern der Grafidaft. 
itlidh vom Lod Fyne, zwiſchen ihm und dem Cipde- 
bujen, liegt Die Dreifad gefpaltene Halbiniel Cowal. 
Der Crinanfanal (j. dD.) trennt Lorne von der Land- 
ſchaft Knapdale, die vermittelit des IIthmus von Tar- 
bert mit der Halbinfel von Kintyre jujamumenbangt. 


A. bat ein Ureal von 8430 qkm (153 OY.) mit asep 


73,665 Einw. (nod nidt 9 auf 1 qkm). Saupritadt 


ijt Inverary 
Argynnis , Berlmutterfalter, ſ. Nymphaliden. 
Arghraspiden (gried., »Silberidildtrager<), 


von Ylerander d. Gr. aus den Überreſten der mut ibm 


Argyriaſis — Arianijder Streit. 


iber ben Hellespont gezogenen mafedonijden Hopli- 
en gebildetes Gardetorps, benannt nad den mit in- 
iſchem Silber bejdlagenen Sdhilden. 


Argyriafis rg yrojis, Arg yric), beiliingerm | 


nnerliden Gebraud von jalpeterjaurem Silber ent+ 
tehende Grau- bis Schwarzfärbung der Haut durd 
tiederfdlag von Silber in die Gewebe, ijt unheilbar. 

Arghrodit, Mineral, 4Ag,S.GeS8, nut 76,5 Proz. 


Silber, 64 Germanium und 17,1 Sdpwefel, findet | 


id) in ſehr fleinen, ftablqrauen, regulären Rrijtallen 
ind in warzigen, nierenformigen, zapfenähnlichen 
Iqqregaten, Carte 2,5, ſpez. Gew. 6,1. Das Mine: 
al wurde 1820 bei Freiberg aufgefunden, aber erjt 
886 feiner Zuſammenſetzung nad) richtig erfannt. 
Fin A., in Dem das Germanium fajt ganz durd Zinn 
rſetzt ijt, ijt Der Canfieldit von Bolivia. 


Argyroide (Argyrophan), foviel wie Neufilber | 


der eine neufilberartige Legierung. 
Argyrofajtro (türk. Ergeri), Hauptitadt eines 


Zandſchaks im tiirf. Wilajet Janina, 822 m ii. M. im | 


usgedehnien Drynopolisbecten, bat meijt vereingelte, 


nit Türmen und Schießſcharten verfehene Haufer, | 
duinen einer Sitadelle, Schnupftabaffabrifen und. 


10,000 Einw. (meiſt mohammedan. Wibanefen). 
Argyrofratie (qried.), ſ. Geldherrjdaft. 
Argyronéta, ſ. Spinnentiere. 

Argyrophan , ſ. Reujilber. 

Argyropilos, Joannes, Humanijt, geb. um 
416 in Ronjtantinopel, gejtorben in Rom wabr- 
Heinlid) 1486, lehrte 1434—41 in Padua, erſchien 
ald nad) der Eroberung Ronjtantinopels (1453) 


dieder in Stalien und war bier der talentvolljte Ver⸗ 


vittler griechifdber Bildung. 1456 von Cofimo de’ 
Redici nach Florenz berufen, ging er beim Ausbruch 
er Bejt 1471 nad Rom. Er verfapte — * 
ind Kommentare zu Ariſtoteles. 

Argyrofid (griech.), ſ. Argyriaſis. 

Arheilgen, Dorf in der heſſ. Provinz Starfen- 
urg, Kreis Darmitadt, an der Linie Franffurt a. Vt.- 
deidelberg der Main-Neckarbahn, hat eine evang. 
tirde, cine Oberfiriterei und (1900) 4408 Einw. 


oſes Saugetier aus dem Tertiär bei Parand (Argen— 
inien). Die Nafentnodjen find zu einem eingigen 
tnodjen, der fid) nad) vorn erhebt und verſchmälert, 
im in eine ſcharfe Spige gu enden, verſchmolzen. Von 


en Naſenöffnungen fehlt jede Spur. Die weiten | 


lugenhöhlen, vorjpringenden Jochbogen, die Form 


ier Schneidezähne erinnern an die Halbaffen. Andre 


Sharaftere jind höchſt primitiv, fo daß die ſyſtema— 
iſche Stellung des Tieres ſchwer zu bejtimmen ijt. 

Aria ecattiva (ital.), böſe, verdorbene Luft, na- 
nentlic) die Uusdiinjtungen der Maremmen, Ponti: 
tijden Sümpfe 2c. ; f. Malaria. 


Ariadne, Todter de3 Königs Minos von Rreta | 


ind der Paſiphaë, qab, in Liebe entbrannt, dem The 
cus (f. d.), als er den Minotauros zu töten fam, ein 
efeites Schwert und einen Faden (Daher Ariadne- 
aden), mittelS deſſen er ſich nad) vollbrachter Tat 
ius den Irrgängen des Labyrinths wieder heraus 
and, und entfloh mit ihm, der jedod) auf der Inſel 
Raros die Schlummernde verlich. Da erfcheint Dio 
wos und erhebt fie gu feiner Gemabhlin. Zeus ver 
eiht thr Unjterblichfeit ; ifr Brautgefchenf, eine Rrone, 
in Werk des Hephijtos, verſetzt er unter die Geſtirne. 
Irfpriinglich) cine Gottheit der bald erbliihenden, 
ald abjterbenden Vegetation wurde fie teils mit Ge- 
räuchen der Trauer, teils der ausgelaſſenſten Lujt 
jefeiert. So hatte fie auf Naxos als die Verlaſſene 








755 


ein Traucr-, als die Vermählte cin Freudenfejt. Wud 
in Uther waren dem Jubel der dem Dionysos und 


ihr als Weingdttern gefeierten Oscophorien Trauer- 


gebräuche beigemiſcht. Jor Mythus, namentlich ibre 
Yuffindung durd Dionyjos, ijt häufiger Gegenſtand 
antifer Reliefs und Wandgemälde (vgl. O. Jahn, 
Archäologiſche Beiträge, Berl. 1847, S. 251 ff.). Bee 
fannt ijt Die Statue der ſchlafenden A. im Batifan 
jowie die trauernde A. (friiher Agrippina genannt) in 
Dresden. Danneclers Meijterwerk su Franffurt a. M. 
jtellt U. als Braut des Dionyfos auf dem Panther 
reitend dar. Melodramatiſch behandelte den Viythus 
Georg Benda (⸗A. auf Naxos«). Val. Pallat, De 
fabula Ariadnaea (Berl. 1891). 

Ariana, {cit der Saſanidenzeit Name der Ojt- 
hälfte Des Perſerreichs, welche das heutiqe Perſien, 
Afghaniſtan und Belutſchiſtan bis an den Indus und 
das Gebiet am mittlern Oxus und Jaxartes umfaßte. 
Vom Wort A. kommt das heutige Iran (Eran) her. 

Arianiſcher Streit, der crite große Lehrſtreit in 
der chriſtlichen Kirche. Der in Untiodia gebildete 
aleranbdrinijde Presbyter Arius lehrte feit 318 im 
Gegenſatze zu feinem Biſchof Werander, welder den 
Sohn, als den von Gott von Ewigkeit Gezeugten, 
cines Wejens mit dem Vater und ihm in allem gleich, 
fapte, einen in der Seit vom Vater geſchaffenen, dem 
Weſen (Uſia) des Vaters frembden, aber iiber die andern 
Kreaturen erhabenen Sohn, eine Art von Mittelwejen 
zwiſchen Gottheit und Menſchheit. Auf dem erjten all- 
qemeinen Rongil zu Nicäa (825) wurde diefe Lehre 
(der Arianismus) verworfen und in das Glaubens- 
befenntnis die Formel von der Homoufie (Wefens- 
— urſprünglich Weſenseinheit) aufgenommen, 

rius ſelbſt verbannt. Als der beredteſte Anwalt der 
neuen Forme! erſcheint fortab Athanaſius (ſ. d.). Kai— 
ſer Konſtantin, deſſen Machtſpruch der homouſiani— 


ſchen Anſicht zum Siege verholfen hatte, trat in den 


letzten Jahren feiner Regierung der von den Biſchöfen 
Cufebius von Rifomedien (ſ. d.) und Euſebius von Cé- 
farea (f. d.) geführten Mittelpartei (Semiarianer) 


näher, die Der Aufnahme einer mißverſtändlichen und 
Arhinolemur Scalabrinii Ameghino, najen: | 





durch Die Heiliqe Schrift nicht bezeugten Forme! in 
das Befenntnis dauernden Widerjtand entgegenfette. 
Unter Konſtantins Sihnen ward der Streit fortgeſetzt, 
und auf jablreiden Synoden (vornehmlich 343 zu 
Sarbdica und Ehilippopolis) verfluchten ſich chriſtliche 
Biſchöfe gegenſeitig. Die Herrider des Weſtreiches för— 
derten die nicäiſche Lehre, während Konſtantius, der 
Kaiſer des Oſtreiches, es mit den Semiarianern hielt 
und als Alleinherrſcher (feit 351) den Widerſtand der 
Homoufianer durd) Verbannung der angejebenften 
Führer zu brechen fudte. Die fieqreiche Oppofitions- 
partei gerfiel bald in verſchiedene Gruppen. Dic aria- 
nijierenden Homber, die nur im allqemeinen die 
Ähnlichkeit des Sohnes mit dem Vater betonten, bil- 
Deten Das hoffähige, von Konſtantius begünſtigte Yen: 
trum jwifden den Anombern als den Vertretern 
des ftrengen Arianismus, unter Führung des Biſchofs 
Eunomius von Kyzikos und des Diafons Aëtius, und 
einer aus den Semiarianern hervorgegangenen Bare 
tei Der Hombufianer, die mit dem Stichworte der 
Weſensähnlichkeit die gegen die nicäiſche Forme! be- 
jtehenden Bedenfen befeitiqen zu fonnen qlaubten. 
Die lestern wurden im Laufe der Jahre immer mehr 
qu den Nicäern hiniibergedriingt und auf dieſe Weiſt 
der unter Kaiſer Theodojius auf dent zweiten allge- 
meinen Konzil zu Ronjtantinopel (381) bewerfitelliqte 
Sieq der Homoufie aud) innerlid) vorbereitet. Nur 
die qermanifden Bolter hielten das Chrijtentum nod 
48* 


756 


jabrhunbdertelang in der arianifden Form fejt. Val. 
Harnad, Lehrbud) der Dogmengefdidte, Bd. 2 (3. 
Aufl., Freiburg 1894); Gwatfin, The Arian con- 
troversy (Lond. 1889); Loofs, Urt. »Arianigmus«, 
in der »>Realengyflopadie fiir proteftantijde Theolo- 
gie und Rirdee, Bd. 2 (Leip;. 1897). 

Arianigmus, ſ. Urianijder Streit. 

Ariano di Puglia (vr. patio), Kreishauptſtadt 
in der ital. Proving Uvellino, im Neapolitanifden 
Apennin, auf einem Tuffſteinfelſen 763 m it. M., an 
der Eiſenbahn RNeapel- Foggia, Sig eines Biſchofs, 
hat Rejte von Befejtiqungswerfen, cin Gymnafium, 
Gipsbrennerei, Ol- und Tonwarenfabrifation und 
(1901) 17,650 Ginw. 

Ariarathes, Name von acht tappadofijden Kö— 
nigen awijden 331 und 97 v. Ebr. 

riag, Benedictus, Theolog und Orientalift, 
qeb. 1527 im Gebirge (daher fein lat. Name Mon- 
tanus) der fpanifden Proving Ejtremadura, geft. 
1598 in Sevilla. WIS gelehrter Renner vieler, be- 
fonders der femitifden Sprachen, leitete er ju Ynt- 
werpen die Herausqabe einer Polyqlottenbibel (f. d.), 
bie im Auftrage Konig Philipps II. von Spanien bei 
Chrijtoph Plantin (Untwerp. 1569-—-72, 8 Bde.) er- 
idien. Wegen Aufnahme der Targumim mußte er 
jid) {pater in Rom als der Hinneigung gum Juden 
tum verdidtiq verantworten. Seine Bibliothel wurde 
. der des Escorial cinvertetbt. 

Aribert (Heribert), Erzbiſchof von Mailand, 
aus einem lombardiſchen Rittergeſchlecht jtammend, 
qeit. 16. Jan. 1045, wurde 1018 Erzbiſchof von Mai- 
land. Er war ein Anhänger Raijer Heinrids IL; 
Konrad IL. lud er ein, nad) Stalien ju eilen, da ein 
Teil der Groen das Königreich einem franzöſiſchen 
Prinzen zuwenden wollte, und krönte ihn 1026 in 
Mailand zum König. Konrad belehnte ihn dafiir mit 
der Hoheit über das Bistum Lodi. Jahrelang fdal- 
tete U. in Oberitalien als der erjte Mann des Reiches; 
aber feine Herrſchſucht entfremdete ihn ſchließlich Dem 
Raijer. Wis Ronrad 1037 nad Stalien zog, fam es 
in Mailand ju einer Erhebung, deren Schuld der 


Naijer Dem YL beimaß; und als diefer auf einem 


Reichstag ju Pavia trogig eine Verantwortung ver 
weigerte, lie in Konrad verhaften. Dod) entfam 
A. nad) Matland, wo ihn das Bolf begeiſtert auf- 
nabm und, obwohl er vom Raifer geächtet und ab 
gefett wurde, im bewaffneten Widerjtand unterjtiipte. 
Im erfolgreichen Verteidigungskampf gegen die Deut 





ſchen erjtarfte die Bürgerſchaft Mailands, der A. als 


Abzeichen den Carroccio(Fahnenwagen) verlieh. 1040 
wurde A. von Heinrid) ILL. beqnadigt. 1042 aber fam 
es in Maitland zu nenen Kämpfen awifden Wdel und 
Volk, infoige deren A. die Stadt verlajjen mupte, bis 
ihm königliche peg cog die Rücklehr ermig- 
lichten. Val. Pabſt, De Ariberto I. Mediolanensi 
(Berl. 1864); Unnoni, Monumenti spettanti all’ 
arcivescovo Ariberto (Mail. 1872). 

Aribo, Erzbiſchof von Mains (1021—31), Sohn 
des bayrijden Pfalzgraſen A., ſtrebte nad einer 
epiffopalen, von dem Papſt möglichſt unabhängigen 
“ejtaltung der deutſchen Kirche und trat auf einer 
Synode ju Seligenftadt 1022 mit feinen Suffragan: 
bijchdfen den papftliden Anſprüchen entidieden ent- 
gegen. Als er 1023 die Ehe des Grafen von Hammer 


‘tein mit Irmengard trenyte und dicfe mit Dem Bann | 


belegte, ſchritt Der Papſt gegen ibn cin. Nad) Hein 
richs IT. Tode betrich A. erfolqreid) die Wahl Kon— 
rade II. Der St. Galler Effebard V. fiberarbeitete 
fiir ihn als Mainger Doniſcholaſter das Walthari- 





Arianismus — rie. 


lied. Bgl. R. Miller, Erzbiſchosf MW. von Wainy 
(Leipz. 1881); BW. Derfd, Die Rirchenpolituy des 
Erzbiſchofs YW. von Maing (Marb. 1899). 

Aribocos, ſ. Farbige. 

Arica, Hauptitadt de3 gleidnamigen Departe: 
ments und Hafenjtadt der dilen. Proving Tacne, 
unter 18° 5/ ſüdl. Br., mit der Stadt Tacna dunk 
Cifenbahn verbunden, Dampferjtation, bat ein beijges, 
ungejundes Klima, ijt fajt ganz aus Hols erbaut (me 
gen der Erdbeben), Sig eines deutſchen Nonjular- 
agenten und bat (isco) 3900 Einw. YL, unter ſpa— 
niider Herrſchaft der widtigite Handelsplag Berns, 
mit 30,000 Einw., ijt nod jest cin Hauptbhafen fir 
Bolivia und Siidperu, geſchützt durch den 152 m 
hoben befejtiqten Morro de A. 1888 betruq dic 
Cinfubr 3,266,620, die Uusfubr 5,429,389 Befos, 
darunter Silber und Gilbererje, Kupfer, Sinn und 
Chinarinde. — Die Stadt wurde wiederbolt durd 
Erdbeben zerſtört, namentlich 1868; 1880 wurde fie 
von den Chilenen genommen, die fid) erfolgreich wa 
gerten, fie zurüctzugeben. 

Ariccia (pr. aritti¢a, Fleden in der ital. Broving 
Rom, malerijd auf einer Anhöhe 2 km ſüddſtlich vox 
Albano gelegen, hat eine ſtattliche Rirche (1664 von 
Bernini erbaut), einen Palajt der Chigi mit herr 
lidem Part und civ01) 3945 Cinw. A. ijt cine be 
liebte rimifche Sommerfriſche. Die Strake nach W 
bano fiihrt iiber einen grofartiqen, 58 m boben Sie 
duft. Der Ort nimmt die Stelle Der Burg der alter 
latiniſchen Stadt Aricia cin, die fid) hauptiadlid on 
Rratertal VBallericcia ausbreitete. 3 km ojtwarts 
(betm heutigen Remi, f. d.) war ein heiliger Hain 
mit einem Tempel der aricinifden Diana, deren 
Dienjt mit dem der taurijden Artemis verwandi ge 
wejer ju fein ſcheint (jf. Diana). 

Arici (vr. atiod, Cefare, ital. Didter, geb. 2. juli 
1782 in Brescia, gejt. dajelbjt 2. Quli 1836, wer 
urjpriinglid Redhtsqelehrter und wurde unter Nabo 
leon I. Sefretiir am Departementalgeridtshof ſeiner 
Vaterjtadt. Sein didattifches Gedidt »La coltiva- 
zione degli ulivi« (Brescia 1808) erwarb ibm be 
Freundidaft Montis, die Wufnahme in das Vithendaum 
von Brescia und 1810 die Ernennung jum Brofefor 
der Beredjamfeit, ſpäter der Geſchichte und Literatur 
am Lyzeum daſelbſt. Bon 1824 an befieidete er di: 
Profeſſur der lateinijden Sprache. Weitere quite d- 
daktiſche Gedichte find » La Pastorizia« (Brescia 1814) 
und »L’origine delle fontic«. Auch bat man eine 
Anzahl lyriſcher Gedichte und mebhrere Proſaſchriften 
von ihm. Seine letzte größere Didtung: »Geruse- 
lemme distrutta«, blieb unvollendet. Geme » Opere< 
erichienen zu Brescia 1818, 6 Bde., in neuer Ausgabe 
Padua 1858. Bgl. Zanelli, Della vita e delle 
opere di C. A. (im »Propugnatore<, Bd. 16, 1833) 

MAricia, Stadt, ſ. Ariccia. 

Arid (franj.), diirr, troden; Uriditat, Droden 
heit, Diirre. 

Arie (ital. Aria, franj. u. engl. Air), im all 
qemeinen cine fingbare Melodie von abgeſchloſſener 
Form. Das franzgöſiſche Wort air wird ebenſo far 
Volalſtücke verjdicdener Art wie fiir Inſtrumental 
ſtücke gebraucht, vorausgeſetzt nur, dak deren Haupt 
gehalt cine ſchöne Melodie ijt. Dieje Bedeutung hatte 
im 17.—18. Jahrb. das Wort A. überall, und mean 
ſprach daber ebenſowohl von Spielarien wie ven 
Wefangsarien. Heute nennt man A. nur nod aus 
geführtere — 2— mit Ordefterbeqlettung, 
mögen diefelben Bruchſtücke einer Oper, Kaniate oder 
eines Oratoriums oder für ben Rongertvortrag be 


Ariege — Arifi Paſcha. 


timmte Einzelwerke (Ronjertarien) fein. Bon der 
Ballade, die ebenfalls mit Orcheſterbegleitung vor- 
ommt, unterſcheidet fid) Die A. dadurch, daß fie Lyrifd 
it, d. h. Empfindungen in der erſten Perſon ſchildert, 
vãhrend A ger erzählt (epifd-lyrifd)); vom Lied, von 
vem Die A. nicht immer ftreng gu ſcheiden ijt, dadurch, 
aß fie eine Durd) die Dorausgehende Entwidelung 
id) ergebende Situation dharafterifiert. Der Uus- 
wud fann ſich bis gum Hoddramatifden jteigern, 
penn die Rede aus der einfaden Sdilderung und 
Reflexion zur Form der WUnrede iibergeht. Es gibt 
aber Urien, die in Muſik gefegte Monologe find, 
vährend andre fic) als Teile einer großen Enjemble- 
jene darſtellen. Cine befondere Spezies bildet die 
Jeiſtliche A. (Kirchenarie, aria da chiesa), die ent: 
veder cin Gebet oder eine andächtige Betradtung ijt 
ind die verfdiedenartiqiten Stimmungen gum Aus— 
uct bringen fann (Jerknirſchung, Angſt, Dant, 
Freude x.). Ru einer fejtitehenden Kunſtform von 
joher Bedeutung hat fic) die W. entwidelt in der fogen. 
jroken oder Dacapo-V., die zuerſt von A. Scar- 
atti (in Der Oper » Teodora« 1693) eingefiibrt wurde. 
Diefelbe befteht aus zwei Hauptteilen, die der Stim- 
nung, Bewegungsart und der gefamten künſtleri— 
den Behandlung nad —— kontraſtieren. 
Der erſte Teil gibt dem Sänger Gelegenheit zur Ent- 
altung ſeiner Kehlfertigkeit, ijt reid) an Textwieder⸗ 
jolungen und verarbeitet fein Thema in reichem Maß, 
viibrend der gweite Teil im Geſangspart rubiger ge 
jalten ijt und dafür reidjere harmonijde und fontra- 
minttifde Mittel entfaltet; dem gweiten Teile folgt 
ann das Dacapo, d. h. die getreue, nur vom Sanger 
urch reidere Verzierungen ausgejtattete Wieder- 
jolung des erjten Teiles. Die fpegiell dem Gefangs- 
irtuojentum entgegenfommende Art wird aud) meiſt 
toloraturaric oder Bravourarie qenannt. Die 
Dacapo- VA. bliihte bis geqen Ende des 18. Jahrh.; 
ebt ijt fie auger Gebraud) gekommen und hat einer 
reiern, vielgeftaltiqen Behandlung der A. Platz ge- 
nadt. Das notengetreue Dacapo tit als undramatijd 
mufgegeben, und die thematifde Gliederung der A. 
xingt von den Erfordernifjen des Tertes ab. Arien 
leinern Umfanges, die dem Lied ſehr naheftehen, 
ycifen Ravatinen, Urietten oder aud wirklich 
tieder (Couplet, Chanfon). Die äſthetiſche 
Hedeutung der A. im muſikaliſchen Drama (Oper) 
jt ein Stillftehen der Handlung gu gunſten der brei- 
ern Entfaltung eines lyriſchen Moments; Wagner 
ind feine Sdhule balten cin folded fiir unberedtigt 
ind ftilwidrig, während eine andre ftarfe Partei die 
1. gerade fiir die ſchönſte Blüte der dramatifden Mu 
if anfieht. Es find dies Pringipienfragen, in denen 
ridht eine Verſtändigung, fondern nur Barteinahme 
nöglich ift. Die lediglich gu qunjten des Virtuofen 
ums geſchaffene Bravourarie ift freilich äſthetiſch ver- 
verflich; doch iſt zwiſchen ihe und der großen A. des 
Fidelio ein Unterſchied, groß genug, um zu geſtatten, 
afk Die Verächter jener —* dieſer find. 

Arieège (ivr. Aſch), Fluß im fiidlichen Frankreich, 
nitfpringt in den Pyrenäen am Bie Negre an der 
Frenze von Undorra, flict durch das gleichnamige 
Departement und durch einen Teil des Depart. Ober: 
jaronne und mündet, 150 km lang, fiidlid) von Tou: 
ae in die Garonne. Wichtigſter Nebenfluß rechts: 
"Hers. 

Ariege (jvc. Ate’), Departement im fiidliden Frank 
cid), aus der ehemaligen Grafſchaft Foir und dem 
Souferans gebildet, grenzt gegen S. an Spanien 
md die Republif Undorra, tn W. und N. an das 


757 


Depart. Obergaronne, im O. an ude, im SH. an 
das Depart. Ojtpyrenden und hat einen Flächenraum 
von 4903 qkm (89 OY.) und (1901) 210,527 Einw. 
(43 auf 1 qkm). Das Departement zerfällt in drei 
Urrondijjements: Foir, Pamiers und St. - Girons, 
und bat oir sur Hauptitadt. 

Ariel (hebr., »Liwe, d. h. Streiter, Votted«, »Herd 
Gottes«), Name mehrerer alttejtamentlider Berjonen, 
aud) Jerujalems felbjt als unbegwingbarer Helden: 
jtadt, Dann aud) nad) andrer Etymologic Name des 
oberjten Abſatzes des Brandopferaltars; in ſpäterer 
Dämonologie ein Waſſergeiſt. Auch bei Arabern und 
Perſern wird A. von einem Helden gebraucht. Hier— 
mit kommt Shakeſpeares YW. im »Sturm · (woher ibn 
Goethe in »Fauſt II- übernahm) nur dem Namen 
nach überein. Dieſer, ein Suite war friiber im 
Dienjte der Here Syforar, der Mutter de3 Caliban. 
Bu zart zur Uusridtung ibrer niedrigen Aufträge, 
verweigerte er ifr den Gehorjam und ward von thr 
mit Hilfe mächtigerer Geijter sur Strafe in die Spalte 
einer Fichte qeflemmt, aus welder Marter ihn nad 
12 Jahren Brofpero3 Rauber befreite. Danfbar diente 
nun A. dieſem und kehrte endlich in fein luftiqes Ele- 
ment juriid. Andre Didter fiihren A. alg Unfduld 
ſchützenden Engel vor. — A. ijt aud) der Name eines 
der Uranusmonde. 

Arier (v. fjanstrit. irya, »der Urier, Vornehme«), 
früher vielfad) als Bezeichnung der Yndogermanen 
ebraudt, jetzt aber auf den afiatijden Zweig der- 
jelben, nämlich die Inder und Yranier, eingeſchränkt. 
Die Unnahme, dak der Volksname A. ſchon in der 
Urjprade der nod) ungetrennten Jndogermanen vor- 
gekommen fei und im duperiten Weſten in dem Na- 
men der Inſel Yrland (Erin) fic erhalten habe, bat 
fid) als irrig erwiefen. Dagegen ijt der Name W. bei 
den alten Yndern, Perſern und Sfythen mit Sicjer- 
Heit nachgewieſen und hat fid) bis auf den heutigen 
Tag in Dem Laindernamen Yran und in dem Volfs- 
namen ron der Offjeten im Raufafus erhalten. Die 
Urarier, d. §. Die Borfahren der Ander und Yranier, 
migen etwa an den Abhängen des Hindukuſch, im 
Duellgebicte des Orus, gewohnt und fic) von da aus 
tells fiber Iran, teils itber Kabul nach Yndien aus: 
ebreitet haben. Sowohl in der Sprade als in den 
Sitten, namentlid aber in den religidfen Borjtellun- 
en und Gebräuchen haben fic) bet Den Yndern und 
Iraniern cine Wenge gemeinjamer Züge erhalten. 
Bal. Fid, Vergleidendes Wirterbud der indoger- 
manifden Spradjen, Bd. 1 (4. Uufl., Gitting. 1890); 
Bartholomac, Ariſche Foridungen (Halle 1883 — 
1887, 3 Hefte); Spiegel, Die ariſche Periode und 
ihre Zuſtände (Leipz. 1887). 

Aries (lat.), der Widder, das erjte Zeichen ded 
Tiertreifes: W. Dann im Altertum foviel wie Sturm: 
bod, Wauerbreder, ſ. Kriegsmaſchinen. 

Ariétenfalf, Schidten aus der unterjten Ubtei- 
lung der Yuraformation (jf. d.). 

riette, fleine Arie (7. d.). 

Arifi Paſcha, türk. Staatsmann, qeb. 1830 in 
Ronjtantinopel, geſt. dafelbjt 6. Dez. 1895, beqleitete 
ſeinen Bater Schebif Paſcha 1847 auf einer diplo- 
matifden Miffion nad Rom, darauf nad Wien und 
wurde dann im Winijterium des Auswärtigen an- 
qeftellt; ſpäter ward er erjter Sefretiir der türkiſchen 
Wefandtidaften in Wien und Paris. Wegen feimer 
Kenntnis der fremden Spradjen wurde A. erjter 
Dolmetid des Diwans. 1872 ward er zum Unter: 
ftaatsfefretir im Miniſterium des Auswärtigen, dar- 
auf jum Präſidenten der Zivillammer des Kaſſations⸗ 


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Arimathia, Oct mm Holisiema, der Tredtion nosh 
bas etzege Heme, bad aber evit 716 wm Uber. gegrün⸗ 
bet wurte: piclirdht bas amtife Rama 7. 3.) 

Ariminum , 2:2. . Rew 

Arinos, bedeurend ter Lucius des Tapajo; (i. 
entipringt unter 14° 4)‘ iudl. Gc. quit der Arinos: 
hodebene ba Diemantmo, mo 25 m von den 
Curtin tes Cizaba  Nebenfiuk bes Eeraquan), fo 
bak yur Regen zeit von emem Fluß zum andern Boote 
gebrach: werden fonnen, ilietßzt nah NSS. und nit 
nach Kereinigung mit dem thm unter 10° 30° Imts 
guffichenden Juruena Den Ramen Tapajo; an. 

Arinzen, uriprimetich yu Den Hnperboreern ae 
boneer, jetzi tatarricrter Bolfsttanun m den Saja: 
miden Steppen Seinmibiriens. 

Ariocarpus Scheidw. ( Anhaloniam Lem.), Gat- 
tung ber Maftayeen, mit niedrigem Norver, riiben 
formiger Burzel. Wildiatt führend. id blattartiqen, 
breafetigen Barzen mit um Alter febr undeutliden 
iptwenitandiqen Areolen, die mur am Sdheitel lange 
Holle, aber ferne Stachetn tragen. 4-—5 Arten m 
Werto. A. Lewinii Hennings (Muscale, But 
tons, Mescal, Pelloten in Merifo, enthalt 4 Al— 
faloibe: Yinbalonin(’,.H,.NO,, Mescalm, H,.NO, 
Yinhalonibin (',.H,.NO, und tart qiftiges Lophopho 
rin) .H,,NO,. Die Indianer Mertfos und des Siid- 
weitens ber Keremigten Staaten benugen die Pflanze 
als Heilmittel und als Berauſchungsmittel bet reli— 
qtvien Felten. Beim Kauen der getrodneten Pflanze 
entitehert Entzückungszuſtände, und die Nachwirkun— 
gen ſind wenger fibel ale bet Hafdiid. A. retnsas 
Scheid, (A. prismaticum Lem.), ſ. Tafel »statta 
yeen«, Aig. 2h. 

Mrion Mreion), 1) im griech Mythus das von 
Fofeidon tn Veitalt ees Hengſtes mit der in eine Stute 
verwandelten Demeter (Erinys) gezeugte Roh des 
Adraftos (jf. d.j, bas ihn durch jeine Schnelligkeit vor 


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men omer om SGit5 comes Meptass : eters 

“2 con Der Sires Dederd. bake es feowe tecwerske 

22d o hot. 2b ss ce mer eet 

fire, em torsaer Komen pea germacer Deser. 
Mridies, vu dovico, emer der Pee qrogen exẽ 

Wshend, qed. & Sept. 1474 m Reggio, act 

6 Jatt 1553 mm Aerrere. wer fir tes Seder der 

Rechte berm, mandte ud aber bal? Dem kehanen 

Smen'dotren zu und tried unter Der Yer des hs: 

rim tbustogen Gregorio vou Spoleto unt Efex Lz 

tim, fo Bak er iebr beld wtele femer geiehrten Ser 
qenovien im madnaen Sertaintend der roerrihen Dad 
ter ibertraf. Snjorden itarb fem Sater ( 1500)), und 

Me thmt munmebdr obliegende Sorge fir femme j2¥ 

revhen eibw: ter unterbrad vieltad terme beterar: 

iden Beicheitigungen, obne thn jedoch denieclben wa 
entiremden. Sielmebr fallen im bieie Jeit Die menitea 
jemer Ueinern ttalientichen Gedichte. mebrere femct 
laterntiden und Me beiden Luttipiele: >La Cassaria- 
(15s) und oI Suppesiti« (1509), ertteres dem Plax 
tng nachqcabmt und ems der eriten regelmãſigen Yat 
ipiele der mewern Literatur. Er trat 1503, ſlect be 
yabit, m die Dierite des ungebildeten und unlicdens 
wür digen Rardmals Hippolyt von Ejte, der ſich teoner 
alé Geĩchãftstrãger bediente. So fandte er thn yet 
mal m aebetmer Boticaft an Bapit Julius LL. (1508 
und 1510). A. blieb 14 Sabre um Dienſte des Mar 
dinals und vollendete wabrend Meier Jeit jem beriibm 
tes romantiidhes Epos > Orlando farioso« , bad von 
vornherein beitummt war, das Haus Cite in ber Ber 
jon eines der vornebmiten Helden des Gedichts. Den 
der Dichter yum Stammovater de3 Hanics madt, ya 
verherriidjen. Das Werf erichten in ſeiner eriten Ge 
italt, Dem Kardinal felbit gewidmet. 1516 (mener Wb 
drint Diefer erjten Musg., Ferrara 1875). Die mehe 
als lühle Aufnahme, de es von fetten des Kardinals 
fanbd, verlegte Den Didter, und als einige Heit darauf 

A. fetner geſchwächten Gefundheit wegen es ablehnte. 

ſeinem Gebieter nad Ungarn zu folgen, entließ ibn 

dieſer. A. trat bald (1518) in die Dienſte des Herzogs 

Alfons IL, bei dem er ein ruhigeres Leben führen 

tonnte. Den Reſt fermer Tage verlebte er in Ferrara, 

wo er ſich 1527 ein eignes Hausden baute, mit eimer 


— 


3222 


+4 


Ariovift 


qeliebten Gattin. Yn diefer Muße arbeitete er die »Cas- 
saria« und die »Suppositi« in Verſe um und bradte 
zwei weitere Luſtſpiele: »La Lena« und »Il Negro- 
mante«, zur Aufführung. Cin fiinftes, »Gli stu- 
denti«, hinterließ er unvollendet, und fein Bruder 
Mabriele vollendete es unter Dem Titel »Scolasticac. 
Endlich leqte er Die lebte Hand an fein großes Gedicht, 
das, durch ſechs Geſänge vermehrt, in endgültiger 
Geſtalt 1532 zu Ferrara im Folio erſchien. A. ward 
in Der Venedtttinerfirde yu Ferrara begraben, wo 
ihm 40 Jahre ſpäter ciner feiner Berehrer cin Dent: 
mal und 1612 einer feiner Nachkommen cin nod 
prächtigeres ſetzen Lich, das nod) Heute zu feber ijt. 


Von Charafter war A. rechtſchaffen, fanft, beſcheiden 


und bilfreid), wo er fonnte, dazu liebensiwiirdig tm 
Umgang und einfach in feinen Sitten. Sein unver- 
gänglicher Dichterruhm, der ihm bei feinenLandsleuten 
den Beinamen il Divino (der Godttliche) eingetragen 
hat, beruht vorzugsweiſe auf feinem grofen roman: 


tiſchen Heldengedict » Orlando furiosoe, Das in feinen | 


46 Geſängen die Liebe Orlandos ju der fdinen Ange— 
lifa und feinen hieraus entiprmgenden Wahnſinn 


zum Hauptinbalt hat. Das Gedicht ijt eigentlich eine | 


Fortſetzung des » Orlando innamorato« de3 Bojardo 
(7. d.), und eS ijt gu feinem vollen Verjtindnis die 


Neuntnis dieſes legtern ſehr forderlid. Cin ftreng | 


regelmäßiges Epos ijt der »Orlando« nidt. Biel- 
mehr wird der eigentliche Faden der Erzählung fort 
und fort durch eine Reihe ſcheinbar nur lofe zuſam— 
menhängender, Dennod) aber aufs funjtreicjte mit- 
cinander verbundener Epijoden unterbroden. Gerade 
in dieſem bunten Wedel liegt der eigentümlichſte Reis 
des Gedichts, da er dent Didter Gelegenheit gibt, den 
ganjen Umfang ſeines Genius zu entfalten. Reich— 
tunt Der Boantajie, eine Fülle immer neuer Erfin- 
dungen, Glanz, Mannigfaltigkeit und Naturwahrheit 
der Schilderungen, ein ſtets wohltuender Wechſel von 
Scher; und Ernſt, die Schönheit und ſtete Ungemejjen- 
heit ſeiner Gleicdhnijje, die anmutigite Erzählungsweiſe 
und cin Versbau von wunderbarer Leichtigkeit und 
Harmonie fidern dem »Orlando furioso« den erjten 
Plas unter den romantijden Heldengedidten und 
haben ihm ju allen Zeiten die ungeterlte Bewunde— 
rung der ganzen gebildeten Welt erworben. Cine fiir 
Die erweiterte Ausgabe von 1532 ausgearbeitete Epi- 
fode, Die dann aber nicht verwendet wurde, Hilden die 
ſogen. Cinque canti, die den Wusgaben des » Orlando « 
in Der Regel angehängt find. — Von Arioſtos iibri- 
qen Werfen find bejonders feine fieben Satiren in 

erzinen zu erwabnen (1517—31). Sie gehdren zu 
den vorzüglichſten der italienijden Literatur. Die 
Lujtipiele ſind zu fehr von ihren klaſſiſchen Vorbildern 
abhängig. Die Charatteriitif der Perſonen ijt meijt 
oberflächlich, und der Wik oft unfein. Unter feinen ver- 
miſchten Gedidhten find befonders die Elegien bemer— 
fenswert. Seine lateiniſchen Gedidte zeichnen ſich 
durch große Reinheit der Sprache aus. Ausgaben 


von Arioſtos Werten erſchienen Venedig 1730, 1741, | 


1766, 1772. Bom » Orlando furioso« erſchienen nad 
Der erwähnten erjten Wusgabe (Ferrara 1532) mehr 


als 100 Ausgaben; unter den zahlreichen neuern find 


qut und forreft die von Moralt (Mail. 1818), Cafella 
(Flor. 1877) und Picciola (daj. 1885). Cine neue 
Ausgabe der Luſtſpiele und der lateiniſchen und der flei- 


— Arif. 759 


| Gries, Stredfup, 9. Kurz. Die Satiren überſetzte 
Ahlwardt (Berl. 1794). Die bejte Biographie Arioſtos 

ijt Die von Cappelli in deffen Uusqabe der » Lettere 
| diLod. A.« (3. Mujl., Mail. 1887). 9 l.G.Campori, 
Notizie per la vita di L. A. (3. Aufl., Flor. 1896); 
| Rajna, Le fonti dell’ Orlando furioso (2. Aufl. 
| daſ. 1900); Carducci, Delle poesie latine edite e 

inedite di L. A. (Bologna 1876); Ferrazzi, Biblio- 
| grafia Ariostesca (Baſſano 1881). 

Ariovift, german. Heerfiihrer, fam auf Einla— 
| Dung der Arverner und Sequaner, die mit ihren Nach— 
barn, den Äduern, in Krieg lagen, mit 15,000 Mann 
(um 72 v. Chr.) nach Gallien, befiegte die Wduer (ſ. d.), 
swang fie, ihm Tribut gu zahlen und Geijeln gu jtel- 
len, und ließ ſich Darauf im Gebiete Der Sequaner 
nieder. Hier verjammelten ſich immer mehr Haufen 
germaniſcher Bilfer um ign, fo dak ihre Bahl ſich auf 
120,000 belief und Gallien auf dem Wege war, ger: 
maniſch gu werden. Gelbjt der römiſche Genat er- 
nannte den mächtigen Hauptling gum Freunde des 
römiſchen Volfes und König (59). WIS aber Cajar 
58 in Gallien erſchienen war und die Helvetier befiegt 
hatte, baten ibn die Gallier, jie von den Germanen 
wu befreien. Cäſar verſuchte zuerſt Verhandlungen, 

wies fie jedoch ſtolz zurück; fo begann Cäſar den 
Krieg gegen ihn und kam ihm in der Beſetzung von 
Vejontio (Beſançon) zuvor. Dann ſtanden beide Teile 
am Oſtabhang der Vogeſen in der Gegend der heuti- 
gen Dörfer Cgernay und Rieder-Wjpad eine Zeitlang 
einander gegeniiber; endlich fam es zur Sdladt, in 
ber Die —— nach tapferm Widerſtand völlig 
beſiegt wurden. Die meiſten wurden auf der Flucht 
niedergemacht; nur ein Teil rettete ſich über den 
Rhein, unter ihnen A., deſſen weitere Schickſale un— 
befannt find. Bal. A. v. Göler, Cäſars galliſcher 
Krieg (Freib. 1880); Stoffel, Guerre de César et 
d'Arioviste (Bar. 1890). 

Arisaema Mart., Gattung der Arazeen, Knollen- 
gewächſe mit meijt 1—3fdnittigen und fuj- oder hand- 
formig geteilten Blättern, die Spatha mit vielgeftal- 
tiger Gpreite. 50 Yrten meift in Aſien, wenige in 
Nordamerifa und Ufrifa. Bon A. atrorubens Blume, 
in Nordamerifa, wird die Knolle arzneilich benugt, 
fie liefert Stärlemehl und dient getrocnet (Cupress 
powder) alg Sdjinbeitsmittel. A. praecox (j. Tafel 
»Urazeen«, ig. 5), eine Varietät von A. ringens 
Schott, in Japan, wird als Zierpflanze fultiviert. 

Arisarum Targ.Tozz.(Rappenaron), Gattung 
der Urajeen, Stauden mit zylindriſchem oder eiförmi— 
gem Rhizom, rundlid)-pfeilformrigen oder ſpießförmi— 
gen Blattern, die Spatha mit iibergebogener, jtuntpfer 
oder langgeſchwänzter Spreite. Bon den drei Yirten 
jinden fid) A. vulgare 7'ozz. im Mittelmeergebiet, A. 

roboscideum Savi (j. Tafel »Ylrazeen«, Fig. 6) in 
Stalien. Von erjterm wurde die Wurzel früher argnei 
lid) benugt. 

Ariſch (El W.), 1) ägypt. Gouvernorat auf der 
Sinaihalbinjel, 59,000 qkm mit (ss2) 3923 Cinw., 
worunter 987 nomadijicrende Beduinen. Die gleich— 
namige Hauptftadt, ant Wadi ef W., nabhe dejjen 
Mitndung ins Mittelmeer, ijt Grenzfeſtung gegen Sy- 
rien, bat einen fleinen Hafen und (1882) 2986 Einw. 
| Mier lag das alte Rhinocolura, der Verbannungsort 
Der Bharaonen, wo man den Berbannten die Naſen 











nern italienifden Gedichte beforgte Rolidori (»Opere | abjdnitt. Bur Zeit der Kreuzzüge hieß die Stadt La— 
minori in versi ed in prosa di L. A.«, Flor. 1857, ris. Hier ſtarb Balduin J. von Jeruſalem 22. Mary 
2¥Bode.). Unter den deutiden Überſeßungen des 1118 auf einem Zuge gegen Ägypten. Während des 
»Rafenden Rolande ijt die bejte die von Gildemeijter franzöſiſchen Feldsuges wurde VW. 20. Febr. 1799 von 
(Berl. 1882, 4 Bde.); altere von W. Heinfe (in Proja), | Kleber genommen, bald aber von den Englindern und 


760 


Türken juriiderobert; am 24. Yan. 1800 erlangte 
Kigder im BVertrag von A. vom Großweſir freie Riic- 
fehr nad) Europa, und als die Englander dies ver- 
warfen, antwortete Ridber mit dem Sieg von Helio- 
polis. — 2) Stadt in Maroffo, foviel wie Araiſch. 

- Arista, ſ. Granne. 

wey ess: Tyrann von Milet, war Schwieger- 
ſohn und Better des Hiſtiäos und erbielt nad) deſſen 
Abberufung die oberjte Gewalt in Milet. Aus Furdt 
vor Strafe wegen des Scheiterns eines von ihm gegen 
Naxos gefiihrten Unternehmens reizte er 500 v. Chr. 
durch das Verſprechen einer demokratiſchen Verfaſſung 
die ioniſchen Städte zur Empörung, verſchaffte ſich 
von den Athenern und Eretriern 25 Schiffe und lenkte 
die Geſamtmacht der verbündeten Griechen gegen Sar- 
des, das verbrannt wurde. Dies war aber der einzige 
Erfolg. Nach der Niederlage der Griechen bei Ephe— 
ſos und dem Abzug der Athener 499 v. Chr. führte 
A. eine Kolonie nach Myrkinos im Lande der Edoner, 
und fam bier 497-bei der Belagerung von Ennea 
Hodoi (jpater Amphipolis) um. 

Ariftanétos, angeblicher Verfajjer einer im 5. oder 
6. Jahrh. verfakten Sammlung von 50 erotifden 
Briefen in 2 Biidern, matten Nadahmungen des 
Ulfiphron, deren Stojf hauptſächlich der erotifden 
Elegie der Wlerandriner entlehnt ijt (brsq. von Boif: 
fonade, Par. 1822, und Herder in »Epistolographi 
graeci«, Daj. 1873). 

Ariſtäos, in verjdicdenen Gegenden der gried. 
Welt (Thejjalien, Biotien, Kyrene, Sizilien u. a.) ver- 
ehrter Segensgott der Herde, Jagd, Bienenzucht, des 
Wein-, Ol-, überhaupt alles Landbaues, Schützer von 
Menſchen, Tieren und Vegetation gegen die zerſtörende 
Hike’ der Hundstage. Er heißt rd Sohn des 
Apollon und der thefjalifden 
Pflegling der Horen und der Gia, die ihn gum un: 


jterblidjen Gott madjten. Jn Theben galt er als Bater | 
des Altäon (j.d.). Er gab —— dem Tode 


der Nymphe Eurydike(ſ. d.), die auf der Flucht vor fei 
nen Nachſtellungen von einer Schlange gebiſſen wurde. 
Ariſtarchos, 1) A. aus Samos, griech. Aſtro— 
nom, unt 250 v. Chr., der Hauptvertreter des helio 
zentriſchen Weltſyſtems tm Witertum. Er lebrte, dah 
Sonne und Firjterne unbeweglich, und daß Die Crde, 
die ſich um ihre Achſe drehe, gleichzeitig in einem ge: 
en den Yiquator geneigten Kreis um die Sonne laufe. 
a jeiner allein erhaltenen Sdprift » fiber Größe und 
Entfernung der Sonne und des Mondes« (Hrsg. von 
Wallis, Orf. 1688; deutſch von Noff, Freiburg 1854, 
und von Nizze, Stralj. 1856) gibt er eine Wethode, 


das Verhältnis zwiſchen diejen Entfernungen zu be: | 


jtimmen. Bal. Aſtronomie. 


tynuphe Kyrene und 





Arista — Ariſteides. 


nes u. a.) betrug gegen 800. Über feine Homerifden 
Studien geben namentlid) die grofenteils auf Uus- 
jligen der Schriften der Ariſtarcheer Didymos und Viri- 
jtonifos berubenden BVenediger Sdholien zur ⸗Ilias⸗ 
Runde. Bal. Lehrs, De Aristarchi studiis Homeri- 
cis (3. Aufl. Königsb. 1882); Qudwid, Ariſtarchs 
Homerijde Terttritif (Leipz. 1885, 2 Bde.). — Nad 
ihm nennt man jpridwortlid UW. einen unerbittlicen 
Rritifer. 

Ariftéads, angeblid) Beamter de3 Konig’ Brole- 
mäos II. Philadelphos und Berfaffer eines griech 
Vriefes iiber die Entitehung der Septuaginta (j. d.). 
Das etwa 100 v. Chr. von einem Agyptiden Juden 
gejdjriebene Bud) hat auch in der drijtlichem Kirche 

ropen Beifall gefunden. Wusqabe von P. Wend- 
and (Leipz. 1900). 

Arijteides (lat. Urijtides), 1) athen. Staats. 
mann, Sohn des Lyſimachos, geb. um 530 v. Cbr., aeit 
467, trat zuerſt 509 dffentlid auf, indem er Menthe 
neS bei Reform der Solonifden Verfajfung beiitand. 
Jn der Schlacht von Marathon (490) war er einer 
Der Strategen, wurde fiir 489 gum erjten Vircdorter 
gewählt und galt als Haupt der fonjervativen Bar: 
tei. Als folder fiirchtete er aber, Dak durch die von 
Themijtofles geplante Griindung einer Seemadht die 
feſten Grundlagen des Staates erjciittert umd der 
Kern desfelben, die qrundbefipende Bevdlferung, durd 
die bejigloje Dtenge und Fremde verdrängt werden 
könne, und da der Gegenſatz beider Manner das Ge: 
meinweſen in Verwirrung ju bringen drobte, fo wurde 
beſchloſſen, durd ein Scherbengericht zwiſchen ihnen 
zu entſcheiden. Die Mehrheit ſprach ſich 483 für die 
Verbannung des A. aus. Von der Erlaubnis der 
MRiidfehr, welche die Athener bet Dem Verlaſſen ibrer 
Stadt allen Verbannten gewährten, madte er jwar 
feinen Gebrauch, aber als er von Agina aus, wo er 
ſich aufhielt, vor der Schlacht bei Salamis die Um— 
jingelung der griechiſchen Flotte Durd) Die Berier be- 
uterfte, meldete er Died Dem Themiftofles und bejepte 
wibrend der Schlacht die Inſel Pſyttaleia, wo ex de 
perſiſche Beſatzung niedermadte. Neuen’ Ruhm ge 
wann er 479 als YUnfiibrer der Uthener bei Blatad 
und fiihrte Dann die atheniſche Flotte geqen Me per- 
ſiſche Küſte, wobei es feimer Wilde und Unparteilid 
feit gelang, die Inſeln und Stidte des Agaricden 
Meeres fiir den Anſchluß an den Attiſchen Seebund 
zu gewinnen (477), Den er im Wuftrag des Bolte’, 
jetzt ein Bundesgenoſſe des Themijtofles, felbjt em- 
ridjtete. Go beqriindete er die athenifche Heqemonic 
zur See. Er jtarb, ſchon bei Lebzeiten Der Geredte 
qenannt, auf einer anttlicden Fahrt nad dem Schwaer- 
xen Weer und wurde in WUthen auf Staatstojten be 


2) UM. von Samothrafe, qried. Grammatifer, | jtattet; feine Todter wurden vom Staat ausgeitatter. 
unt 215—143 v. Chr., wirfte zu Wlerandria als Bor- | A.' Leben ijt von Cornelius Nepos und Plutarch be- 
jteber Der Bibliothef und Lehrer. Cr ſtarb in Cypern, | fdrieben worden. Vol. Vom Berg, Das Leben des 
72 Sabre alt, an der Wajferfudt. Sein Name bezeich- A. (Gdtting. 1871). 


net den Höhepunkt philologifcer Kritik und Gelehr 


famfeit im Altertum; an ihn ſchloß fic) eine eigne 


Sdule an, die der Uriftardeecr, die bis über den 


Ynfang der Kaiſerzeit in feinent Sinne fortwirfte. | 


Seine Litigteit war namentlicy Den griechiſchen Dich 
tern zugewandt, vorzugsweiſe Dem Homer; um dieſen 
erwarb er fid) das größte Verdienſt durch feine friti- 
ſche Tertausgqabe und dic ſich anſchließenden, auf aujer- 
ordentlicher Renntnis der Spradje und des fachlichen 
Inhalis der Homerifden Gedichte berubenden Erläu— 
terungsſchriften. Die Sahl jeiner kritiſchen Rommen 
fare ju verſchiedenen Schriftitellern (auger Homer 
Hefiod, Pindar, Urdilodos, die Tragiter, Ariſtopha 





2) A. aus Theben, gried. Maler, Zeitgenoſſe 
des Upelles, war Meijter tm Ausdruck menſchlichet 
Empfindungen und Leidenjdaften. Seine Arbeiten 
jtanden febr hoc) im Preiſe. Genannt werden eme 
Sjene aus der Eroberung einer Stadt (ein Mind nad 
der Brujt der fterbenden Mutter friedhend) und ein 
großes Schlachtenbild von 100 Fiquren. 

3) A., im 2. oder 1. Jabrh. v. Chr., verfaRte ero 
tiſche Novellen, nad ihrem Schauplatz Milet » Mile- 
siaca« (mileſiſche Geſchichten) betitelt, Die als erite 
Anfänge des qriechifden Proſaromans fu betradten 
jind. Die diirftiqen Brudjtiide in Miillers -Frag- 
menta historicorum graec.«, 8d. 4 (Par. 1851). 


Aristida — Wriftobulos, 


4) Chriftlider Upologet des 2. Jahrh. Seine dem 
Kaiſer Hadrian oder Antoninus Pius cingereidte, erjt 
jiingjt wieder aufgefundene Schu icieitt ipfelt in 
einer wertvollen Sdilderung Seitlichen laubens 
und drijtlider Sitten. 

5) Publius Alius A., mit Beinamen Theodo- 
ros, qried). Rhetor, geb. 129 n. Chr. gu Udriani in 
Myfien, qeit. um 189, Schiller des Herodes Atticus, 
machte teils gu feiner Uusbildung, teils zur Unusiibung 
feiner Runjt weite Reifen, ——— in Ägypten, 
und erwarb ſich außerordentlichen Beifall. 155 von 
einer 17 Jahre dauernden Krankheit befallen, fand 
er Heilung durch eine ihm im Asklepiosheiligtum zu 
Pergamon in Traumgeſichten offenbarte Kur, deren 
Geſchichte er in ſeinen ſechs »Heiligen Reden« erzählt. 
Als Smyrna, die Haupiſtätte ſeiner Wirkſamleit, 177 
durch ein Erdbeben zerſtört war, erwirkte er durch 
feine Fürſprache von den Kaiſern Marl Aurel und 
Commodus den Wiederaufbau. Da ihm die Gabe 
freier Rede verſagt war, verlegte er den Schwerpunkt 
ſeiner Tätigkeit auf Abfaſſung ſchriftlicher Reden, 
durch die er den Ruhm des Klaſſilers unter den So— 
phiſten gewann. Erhalten ſind von ihm außer zwei 
theoretiſchen Schriften über politiſche und ſchlichte 
Rede (hrsg. in den ⸗Rhetores graeci« von ror und 
Spengel) und der Krankheitsgeſchichte nod 49 Reden 
(hr8q. von Dindorf, Leip;. 1829, 3 Bde. ; Hauptausg. 
von Keil, Berl. 1898 ff.), teils Lobreden auf Gott- 
beiten und Städte, wie Uther, Rom und Smyrna, 
tei: Deflamationen nad alten Muftern, wie Iſokrates 


(Banathenaifos), und über geſchichtliche Themata aus | 


dec Beit der griechiſchen Freiheit. Seine Darjtellung 
ijt meiſt fret von Schwulſt und Ubertreibung, dDurdaus 
forreft und im Wortſchatz ſehr gewählt, in der Kom— 
pofition meijt von bewundernswitrdiger Gorgfalt; 
aber rhetorijde Tedjnif und äußere Formgewandtheit 
ift ihm Hauptſache, hinter welder der 4 

ſcheinbar tiefer Gelehrjamfeit und gedrungener Be— 
weisführung weit zurückbleibt. Dabei tritt überall 
maflofe Citelfeit und fajt tranfhafte Ruhmfudt her- 
vor. Bal. Baumgart, Wins W. als Repräſentant 
dec ſophiſtiſchen Rhetorif des 2. Jahrhunderts der 
Raifergeit (Leip;. 1874). Ob eine Statue im Vatifan 
mit Redht jeinen Namen trägt, ift zweifelhaft. 

6) U.OQuintilianus, gried. Grammatiter, friihe- 
itens des 3. Jahrh. n. Chr., verfakte eine Schrift (» De 
musica«, hrsg. von A. Jahn, Berl. 1882) in 3 Bü— 
Hen, eine Rompilation, die Harmonif und Rhythmif 
oefonders nad) Ariſtoxenos, den ethiſchen Gehalt der 
Muſil und ihrer Rhythmen und in pythagoreiſch⸗plato⸗ 
nifdyer Weife die Ubereinjtimmung der Yntervallenver- 
paltnifje der Muſik mit der Harmonie des Univerfums 
iehandelt. Val. Cä ſar, Die Grundzüge der griechi— 
‘den Rhythmil im Anſchluß an A. Marburg 1882). 

Aristida L., Gattung der Gramineen, Gräſer 
nit meiſt ausgebreiteter Ritve, etwa 100 Arten in den 
vairmern Regionen beider Erdhalften, im gemafigten 
Europa und Ufien ſpärlich, reichlicher im pemabigter 
Nordamerifa. Bon A. hygrometrica Brown, in 
Aueensland, dringen die eigentümlich geſtalteten 
Früchte durch die Haut der Schafe bis in die Ein— 
ſjeweide und veranlaſſen tödliche Entzündung. A. 
lumosa L.(j. Tafel »Wiiftenpflangen<, Fig. 7), Cha- 
‘afterpflanze der dqyptifd -arabijden Wikjte, kommt 
ils Weidefutter in acht. 

Ariftĩides, ſ. Ariſteides. 

Ariftionſtele, cin 1838 im öſtlichen Uttifa gefun- 
nes marmornes Grabrelief (jest in Wthen, ſ. Tafel 
Grabmiäler⸗, Fig. 2), dad Werk eines Künſtlers Ari— 


Inhalt trop 


761 


ftofle3, nach der Buchſtabenform der Inſchrift etwa der 
2. Halfte des 6. Jahrb. v. Chr. angehörig, jtellt den Ari⸗ 
jtion jtehend in der vollen Bewaffnung cines Schwer— 
bewajfneten dar. Das Denfmal hat doppeltes In— 
terefje, da es einerſeits cine Unfdjauung von der Aus— 
ritjtung der Damaligen attifdjen Krieger gibt, ander- 
ſeits Durd) die ftarfen Farbenrefte fiir die Bemalung 
folder plajtifden Werke geugt. Cine ganz ähnliche 
Stele wurde 1888 gu Sfaria in Attika aufgefunden. 
UAriftippos , qried. Philoſoph, Stifter der Kyre⸗ 
nãiſchen Sdule Ri bd.) oder Der der Hedonifer, wie fie 
aud) heißt, etwas alter als Platon, Sohn eines wohl⸗ 
abenden Raufmanns aus Kyrene an der Nordfiijte 
frifa8, ſuchte in Wthen den Sokrates auf, deſſen 
Schüler er ward, naddem er wahrſcheinlich vorher 
ſchon die Lehre des Protagoras tennen gelernt hatte, 
und trat al3 Lehrer der Lhilofopbie in verjdiedenen 
Orten, namentlid) in feiner Vaterſtadt, auf, zuerſt 
unter allen Gofratifern Geld fiir feinen Unterridt 
nehmend. A. hatte von Sokrates fid) die Richtung 
aufs Praktiſche angeeiqnet und ſtellte cinfeitiq als 
Pringip die aud) fon von Sofrated betonte Lujt auf, 
ſowohl die ſinnliche als die geijtige. Sie ijt Das höchſte 
| Gub und alfo um ihrer felbjt willen gu erjtreben ; jedes 
Mittel, um zu ihr gu gelangen, ijt erlaubt. Die Tu- 
gend bat nur Wert als Weg gur Lujt; ebenfo Klug— 
Beit und Weisheit, indem fie die Lujt beherrfdjen und 
vor Unluſt erzeugendem tibermag bewahren. Das 
höchſte theoretijche Rriterium des Wahren und Fal- 
ſchen ijt die Sinneswahrnehmung. Mande feiner 
fpdtern Anhänger qalten als Gottesleugner, fo Theo- 
Doro’. Von .' Sdhrifterr hat fich feine erhalten; die 
ihm zugeſchriebenen fiinf Briefe find unedt. Wieland 
madte ihn gum Helden eines Romans »Urijtipp und 
einige feiner Zeitgenojjen«. — Gein Enfel von feiner 
philoſophiſch qebildeten Todter Urete, W. Der jiin- 
qere, um 360 v. Chr., war von feiner Mutter unter- 
ridjtet, Daher »WMetrodidaftos« (Mutterzdgling) ge—⸗ 
nannt, und foll das Syjtem feines Großvaters (He- 
donismus, Genuplehre) mehr ſyſtematiſch ausgebildet 
und befannt gemadt haben. 

Ariftobiles, 1) griech. Hiſtoriler, Begleiter 
Uleranders d. Gr., verfaßte, 84jährig, zu Kaſſandreia 
in Thrakien ein durch geographiſche, ethnographiſche 
und naturgeſchichtliche Angaben ausgezeichnetes, we- 
gen ſeiner Zuverläſſigkeit gerühmtes ert liber Wler- 
ander, neben dem des Ptolemaos cine Hauptaquelle 
fiir Urrians »Unabajis«. Sammlung der Brudjtiide 
von ©. Müller in der Didotiden Ausgabe de3 Urria- 
nos (Par. 1846). 

2) Ulerandrinijd-jiid. Peripatetifer gu Alexandria, 
um 180 v. Chr., Verfaſſer eines allegoriſchen Konumen- 
tars iiber die Bücher Mofis, worin gezeigt werden 
jollte, daß alle Weisheit der griechiſchen Schriftſteller 
von Moſes entlehnt fei. Fraqmente dieſes Werkes 
finden fic) bet Clemens Wlerandrinus und bei Cu- 
ſebios. Bal. Valdenaer, Diatribe de Aristobulo 
Judaeo (Leiden 1806). 

Ariftobilos, 1) Juda UL, Fiicit von Judäa, 
Sohn des maktabäiſchen Fiirjten Johannes Hyrfanos 
(105 —104), nahm den Königstitel an, verdriingte 
Mutter und Briider, erweiterte durd Unterwerfung 
der Ituräer fein Reid nad Nordojten und ftarb, 
naddem fein Bruder Untigonos durd Meuchelmord 
— thar. — Ihm folate fein älteſter Bruder, 

lerander Jannai (jf. d., Bd. 1, S. 301). 

2) U. IL., Neffe de3 vorigen, gweiter Sohn Alex— 
ander Jannais, 69 — 40 v. Chr., erzwang während 
der Krankheit ſeiner Mutter Salome Alexandra die 








762 Arijtodemos — 


Regierung, die er 63 dem Altern Bruder Hyrfan IL, | 


Dem Pompejus ju Hilfe gelommen war, wieder ab- 
treten mute. Wit ſeinen Söhnen Wlerander und 
Untigonos und zwei Tidtern nach Rom gefiibrt, 
entfloh er und fudte vergeblid) Die Krone wieder zu 
erringen. Cäſar gab A. 49 zwei Legionen zur Wie- 
Dereroberung Judäas, die jedod) fein m Italien plötz— 
lic) erfolgter Tod vereitelte. — Den Ramen A. füh— 
ren nod) mehrere Sprojjen der hasmonäiſchen und 
herodiiiden Dynajtie. 

Ariftodemod, 1) Sol des Herafliden Ariſto— 
machos, nad) Der lafedantonifden Gage der erjte do— 


riſche Herrider über Sparta und durch feine beiden | 
Sdhne Euryithenes und Prokles Stammovater der | 


beiden fpartaniiden Königsfamilien. 


2) Meſſeniſcher Held und Konig aus dem Gejdledte | 


Der Apytiden, opferte während des erjten Meſſeniſchen 
Strieges (743 —724 v. Chr.) einem Orafeljprud) zu— 
folge feine Tocter, um den Sieg tiber die Spartaner 
gewinnen ju fonnen, wurde nad) Dem Tode des Kö— 


igs Euphaes 731 zu feinem Nadfolger gewählt und! 


verteidigte hartnäckig die Bergfeſte Ithome. Schlimme 
Vorzeichen machten ihn jedoch an der Rettun 
Vaterlandes irre, und fo tötete er ſich ſelbſt pit 
Wrabe feiner Todjter (724). 

UArijtogeiton, ſ. Harmodio3. 

Ariftofratie (qried., »Herrjdaft der Vornehm— 
jten«), im ftaatsphilojophijden Syjtem des Wrijtote- 
les Diejeniqe Staatsform, nad) der eine bevorjzugte 
Klaſſe Der Staatsangehörigen im Beſitz der Staats- 
qewalt ijt. Wrijtoteles teilt Die Beherrjdungsformen 
cin in das Königtum (Monardie), die W. und die 
Demofratie, je naddem die Staatsqewalt in der Hand 
eines Einzelnen ſich befindet oder einer gewiſſen bevor- 
zugten Rlaffe oder der Geſamtheit des Volfes zuſteht. 
Mit Rüchſicht auf die Staatsverhaltnifje der Neuzeit 
pflegt man jedod) meijt nur zwei Grundformen der 
Staatsverfajjung zu unterideiden, die monardijde 
und die republifantide, je nachdem die Staatsgewalt 
von einem Einzelnen oder vor der Gefamtheit der 
Staatsangehirigen durd deren Organe ausgeiibt 
wird. Bet der Republif wird dann allerdings wieder 
zwiſchen A. und Demofratie unterfdieden, infofern 
entiveder eine gewiſſe Klaſſe von Staatsbiirgern die 
Zügel des Staates in Handen hat oder die Geſamt— 
heit des Volkes ohne Standesunteridied als Souverain 
qedadht wird. Die Neuzeit ijt dem arijtofratijden Sy- 


dent 








Des | 


jtem nicht günſtig. Keine der bejtehenden Republiten | 
und bräunlichen, pfeifenfopfartigen Bliiten, wird zu 


hat eine ariſtokratiſche Staatsform, während dieſe im 
Altertum vielfach vertreten war. Wie in Griedhenland 
Athen als Mujter der Demofratie erſchien, fo wurde 
die A. bejonders durch Sparta dargejtellt. Auch die 


altronujde Republif mit ihrer Patrizierherrfdaft war | 


cine U. Ebenſo hat man das frithere Deutiche Reid 


im Der {Feit Des Verfalls der faijerlichen Macht nicht | 


mit Unrecht als eine A. bezeichnet. Auch in Venedig 
hat ſich lange Zeit hindurch die ariſtokratiſche Staats 


form erhalten. Wenn aber auch der Begriff der A. 
heutzutage als Staatsform nicht mehr von praktiſcher 


Bedeutung iſt, ſo ſpricht man doch noch von A. in 
dem Sinne, daß man darunter eine bevorzugte Klaſſe 
der Staatsangehörigen verſteht, ſo vom Adel als 
einer Weburts- oder Geſchlechts⸗ (Standes-, Erb-) A.; 
ferner von einer Beamten- und von einer Weld- 
arijtofratie (Blutofratie) fowie aud) nicht fetten 
von einer A. des Geijtes, der cin befonderer Grad von 
Vildung cine bevorzugte Stellung in der bürgerlichen 
Geſellſchaft verſchafft. Ariſtokrat wird der Zugehö— 
rige oder der Anhänger der A., namentlich der Ge 





Ariſtolochiaʒeen. 


burtsariſtokratie, genannt; Wrijtofratismué iit 
die ausgeſprochene Vorliebe fiir ariſtolkratiſche Boe: 
rechte und Gebräuche. Ariſtokratiſieren d nennt 
man cine Staatsverfaſſung, die, wie die englijſche, 
gwar nidt die A. als Staatsform aufweijt, aber gleich 
wobl einen gewiſſen arijtofratijden Sug und raf 
ter erlennen lift. Als ariſtokratiſche Politik bezeichne 
man bisweilen eine ſolche, die beſonders das Wobi 
genie. namentlid der woblhabendern Kafſen der 
Bevölkerung im Wuge bat. 

Ariftofratismug, ſ. Urijtofratie. 

Ariftol (Dijoddithymol, Dithymoldirjo- 
did, Unnidalin) C,,H,,J,O0, entiteht beim Ber. 
fefen ciner Löſung von Jod m Jodkalium mit alfali- 
jdher Thymolldfung und bildet em anvorphes, Guberit 
artes, rötlichbraunes, geruchloſes Pulver. Es st 
leicht in Uther, aud) in fetten Sten, weniq in Wifohal, 
nicht in Wafer löslich und wird durd Licht, m Le 
jungen auch dDurd) Warme leicht zerſetzt. Wan be 
nugt YW. gegen Hautfranfheiter und als Ecrſatz ds 
Jodoforms. 

Aristolochia Tourn. (Oſterluzei), Gattung 
Der Urijtolodiazeen, Kräuter oder windende, oft baum 
artige Gehölze mit meijt herzförmigen, biswetlen jebr 
großen Blättern und achſelſtändigen, vielgeftaltiqe 
Bliiten mit am Grunde bauchig erweiterter Rohre 
Etwa 180 Arten in den heißen und gemäßigten Ge 
genden der ganzen Erde. A. Clematitis L. (gemeine 
Oſterluzei, Waldrebenhohlwurz), tm Sad 
und Mitteleuropa, mit in den Blattwinkeln zu 5 —7 
jtehenden Bliiten mit ſchmutzig gelbem Beriqon, das 
in cine zungenförmige Platte ausläuft. Die Pflanze 
riecht balſamiſch; ibre Wurzel tit in größern Gabe 
navfotijd ſcharf. A.serpentaria L., in feudten Berg: 
wäldern Nordamerifas, Staude mit fleinen violett 
braunen Bliiten, liefert Die Schlangenwurjel 
(Radix Serpentariae), die aus einem fleinen, rund 
lichen Rhizom und vielen, fehr diinnen, imeinander 
verflodtenen Wurzelfajern bejteht. Sie riedjt baldriam 
artig und ſchmeckt fantpferartig bitter. Die Eingedor: 
nen benugten die Wurjel gegen Schlangenbiß; fect 
1663 famt fie nad Europa und wurde namentlich als 
Fiebermittel angewendet. Auch andre afrikaniſche und 
nordamerifanijde Aristolochia-YUrten werden gegen 
Sdlan — A. Sipho L’ Hérit. (Bfetfen- 
jtraud, f. Tafel »Flieqen- und Scnedenblumen«, 
Fig. 4), aus Nordamerifa, mit windendem Stamm. 
ſehr großen, faſt freigrunbden, herzförmigen Blattern 


Lauben⸗ u. Wandbekleidungen benutzt und dauert ber 
uns im Freien aus. A. grandiflora Swartz (ebenda, 
Fig. 1), auf den Antillen und in Guatemala, wir 
dend, mit 30cm grofen, an der Spige langgeſchwänz⸗ 
ten Blitten. A. Bonplandii Ten. (A. fimbriata Cham. 
et Schlecht. , ebenda, Fig. 3), in Brafilien. 

Mriftolodialen (Aristolochiales), nad Engler 
eine Ordnung (Reihe) der Archichlamydeen mit gleich 
hülligen, regelmäßigen oder zygſomorphen Biiiten, 
deren Hülle fic) meiſt blumenblattartig ausbildet. Dec 
unterſtändige Fruchtknoten ijt 4—6faderigq, mit zen⸗ 
tralwinfeljtandigen Samenleiſten oder auc cinfaderiq 
mit wandſtändigen Plazenten. Die Ordnung umfaßt 
die Familien der Ariſtolochiazeen, Raffleſiazeen und 
Hydnorazeen. 

Ariſtolochiazeen (Oſterluzeigewächſeh dilo— 
tyle, etwa 200 Arten umfaſſende Pflanzenfamilie aus 
der Ordnung der Monochlamydeen, Stauden oder 
meijt windende Sträucher mit blittenartig gefarbtem, 
dreizahligem, ſtrahligem oder zygomorphem Perigon 


Arijtologen — Ariſtophanes. 


(Fig. a), 6—36 bisweilen gynandriſchen Staubblät⸗ 
tern (Fig. b) und einem unterſtändigen, aus 4—6 
Fruchtblättern gebildeter Gynäzeum. Die meiſten 
A. ſind im tropiſchen Amerika, 
wenige im tropiſchen Aſien, 
um das Mittelmeer und in der 
nördlichen gemäßigten Zone 
einheimiſch. Einige werden arz⸗ 
neilich, mehrere als Zierpflan⸗ 
zen benutzt. 

Ariftologen (qried).), voll- 
endete, befonders ſachverſtän— 
Dige Feinſchmecker, benannt | 
nad einem Wortfpiel aus dem | 
griechiſchen ariston (Frith: | 
mahl) und ariston (das Bejte). | 
Val. T. Walfer, Aristology, 
or the art of dining (Yond. | 
1835, nene Ausg. 1881). 

Ariftoménes, der von der 
Sage verherrlichte Held des 
zweiten Meſſeniſchen Rrieges 








Aristolochia Clematitis. 
a Bluͤte, durchſchnitten; 
b Pikil u. Androceum. —— 

königlichen Geſchlechte der ÄApy⸗ 

tiden, ward nach der Schlacht bei Derä (684) wegen 


763 


Ariftophaneds, 1) A. von Athen, der geiſt- und 
witzreichſte qried.Lujtipieldichter, um 450 —385 v. Chr. 
Bon feinem Leben ijt nur wenig befannt. Auf wel- 
den Grund bin der befannte Demagog Rleon den 
Verſuch madte, feine Zugehörigkeit sur athenifden 
Bürgerſchaft anjufedhten, wifjen wir nidt. YW. nahm 
an allen Lebensdiupgerungen feiner Zeit den regſten 
Anteil vom Standpunft eines Friedensfreundes und 
Unhingers der arijtofratijdhen Partei, dem die Herr— 
ſchaft der biirgerliden Emporkömmlinge, wie Kleon, 
und die neue —— rhetoriſch⸗ſophiſtiſchen Bil⸗ 
dung verhaßt war. Mit freier Selbſtändigkeit erhebt 
er ſich über die herrſchenden Modetorheiten, über das 
Treiben politiſcher Parteien und philoſophiſcher Sek— 
ten, bald kriegsluſtige Demagogen, bald ſpitzfindige 
Sophiſten, bald unpraktiſche Ideologen mit der ſchar— 
fen Geißel ſeines Witzes züchtigend. Seine drei erſten 
Stücke brachte er ſeit 427 ſeiner Jugend wegen unter 
fremdem Ramen zur Wuffiibrung. Unter cignent 
Namen trat er guerjt 424 mit den »Rittern« auf. Das 
Ultertum beſaß von ibm 44 Stiide. Außer den Titeln 
und zahlreichen Fragmenten (bei Kod in »Comicoruam 


(685 — 668 v. Chr.), aus Dem | atticorum fragm.«, Bd. 1, Leipz. 1880) bejigen wir 


davon nod) 11, die cingigen vollitindigen Komödien 
aus dem griechiſchen Altertum, in chronologiſcher Ord⸗ 





ſeiner Tapferkeit zum Konig der Meffenier ausgerufen, | 


beqniigte fic aber mit Der Stelle cines unumjdrantten 
Anführers und verbreitete durch eine Reihe der ver- 
wegeniten Taten Furcht und Schrecken unter den 
Latedamoniern, jo daf der Dichter Tyrtäos den Mut | 
der Gefchlagenen durd) jeine Kriegsgeſänge wieder 
beleben mupte. Infolge der Verraterei des arfadi- 
iden Königs Ariſtokrates zog A. fic) mit dem Reit 
jeiner Tapfern in die Bergfeſte Eira zurück. Nach elf- 
jabriger Verteidiqung wanderten auf feinen Rat (668) 
die iibriqgebliebenen Meſſenier nad) Zankle auf Si- 
zilien aus, wo fie den Namen ihrer Heimat in Mef- | 
jana verjiingten. A. beqab fic) nad) Rhodos, wo er 
bei ſeinem Schwiegerfohn Damagetos, dem Beberr- 
ider von Jalyfos, jtarb. 
Ariſton, bei den alten Griechen das zweite, sur 
Mittagszeit eingenommene Frühſtück. — Auch Name 
rines mechanifden Muſikwerkes, ſ. Muſikwerke. 
Ariſton, berühmter griech. Stoifer aus Chios, um 
275 v. Chr., Schüler des Senon, von deffen Syjtem 
r aber weſentlich abwid), indem er fich 3. B. in der 
Frage nad) der Exiſtenz der Gottheit sum Sfeptijis- | 
nus hinneigte, fich mit übergehung der Dialeftif und 
Phyſik vorzugsweiſe an die Ethik hielt und darin alle 
MNittelgrade zwiſchen Tugend und Lajter verwarf, jene 
illein als das einzige, wahre und höchſte Gut an- 
ehend. Bon feinen Schriften find nur nod) Brud- 
tücke übrig. An die populäre Weiſe des Bion (7. d. 1) 
id) anſchließend, hat er nod) auf die Philoſophie der 
daiſerzeit Einfluß ausgeiibt. Die von ihm geftiftete 
Schule (Uriftonecr) rm Kynofarges zu then, den 
tynifern nabhejtehend, ging nad) kurzer Beit wieder ein. | 
Wriftonifos, g 
iia, gegen Ende des 1. Jahrb. v. Chr., namentlid 
ekannt durch feinen wertvollen Kommentar über die 
ron Ariſtarch in ſeiner Homerausgabe angewendeten 
ritiſchen Zeichen, von dem reiche Auszüge in die 
Scholien zur ⸗Ilias · (hrsq. von Friedlander, Götting. 
853), ſpärlichere in die Odyſſeeſcholien (Hrsg. von 
farnuth, Leipz. 1869) iibergegangen find. 
Aristén mén hydör (qried., »das Beſte ijt das 
Baffer«), Zitat aus Pindars »Olympia«, I, 1 (häufig 
Inſchrift in Badern r.). 
Ariftopapier, ſ. Photographiſche Papiere. 


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vied). Grammatiker, aus Alexan⸗ 


nung folgende: 1) ⸗»Die Udarnere, nut denen A. 
425 iiber Kratinos u. Cupolis fiegte (hrsg. von Wolf, 
griech. u. deutſch, Berl. 1811; Elnisley, 2. Aufl. Leips. 
1830; van Leeuwen, Leiden 1901), nad) dem Chor wie 
die meijten iibrigen benannt und beſtimmt, dDurd Dar— 
jtellung der Seqnungen und Geniijje des Friedens die 
Athener fiir diefen gu gewinnen. 2) » Die Rittere, 
von 424 (hrsg. von Sod, 3. Uufl., Berl. 1876; v. Vel- 
jen, 2. Aufl. von Bader, Leipz. 1897; van Leeuwen, 
Leiden 1900), gegen den Demagogen Kleon geridtet. 
3)>Die Wolken«, von 423, wider die metaphyfifden 
Grübeleien und die Sophiſtik der Zeit gerichtet, als de: 
ren Hauptreprijentant Sofrates dargeftellt wird, das 
beriihmtejte Stiid des A. und von ihm ſelbſt fiir fein ge- 
lungenſtes qehalten, obwobl es bei der Aufführung nur 
den Ddritten Preis erhielt; nur in ſpäterer, nicht durd- 
qefiibrter Bearbeitung des Didhters erhalten (hrsq. 
von Hermann, 2. Ausg., Leipz. 1830; Wolf, qried). u. 
deutſch, Berl. 1811; Kod, 3. Aufl. daf. 1876; Teuffel, 
2. Aufl., Leipz. 1863; mit deutſchen Wnmerfungen, 
2. Unfl. von Kabler, 1887). 4) »>Die Weſpen«, von 
422 (hr8g. von van Leeuwen, Leiden 1893), gegen die 
Prozeßſucht der Uthener geridtet. 5) > Der Frieder, 
von 421 (hr8g. von van Herwerden, Leiden 1497), mit 
der Tendenz, den Frieden dem unter der Lajt des 
Krieges feufzenden Bolte zu empfehlen. 6) »> Die Vö— 
gel«, von 414 (hr8q. von Rod, 2. Aufl., Berl. 1894; 
van Leeuwen, Leiden 1898; iiberfest von Fr. Rückert 
im ⸗·Nachlaß«, Leips. 1867), gegen die abenteuerliden 
Hoffnungen geridtet, welche die Athener an die figi- 
lijche Expedition knüpften, unſtreitig die geiſtreichſte 
Schöpfung des Dichters. 7) ⸗»Lyſiſtrate«, von 411 

brég. von Enger, Bonn 1844), Verſchwörung der 
Frauen, um die Männer zum Frieden gu swingen, 
die letzte Der eigentlich politiſchen Komödien des A. 
8) »Die Thesmophoriazuſen«, von 410 (hrsq. 
von Fritzſche, Leipz. 1838; Enger, Bonn 1844; v. Vel- 
jen, Leipz. 1883), gegen den Weiberhaſſer Euripides, 
den die dad Feſt der Thesmophorien feiernden Weiber 
vor Gericht sicher. 9)» Die Frbjde«, 405 aufgefiihrt 
und mit Dem erjten Preis ausgezeichnet, eins der geiſt⸗ 
volliten und wigigiten Stiide, über Den Verfall dev 
tragiſchen Dichtung, der dem fury zuvor gejtorbenen 
| Euripides zur Lajt gelegt wird (hrsg. von Pernice, 





764 Ariftophanijder Vers — Ariſtoteles. 

qried). u. deutſch, Leipz. 1856; v. BVelfen, daf. 1881; | gifer und des A. gehen auf ibn zurüch, 3. T. auch des 
van Leeuwen, Leiden 1896; Rod, 4. Aufl., Berl. 1898). | ‘Blaton. Wit bietcr Latigheit hangt die Wusbildumg 
10) »Die Ekkleſiazuſen«, wohl von 392, Bolks- | ded feitdem allgemein giiltigen Syſtems Der kritiſchen 
verſammlung der Weiber, die einen Staat mit Güter— Reiden und der Zeiden fiir Jnterpunftion und Ero 

und Weibergemeinidaft einridten wollen, eine Sa: | fodie zuſammen. Ebenſo bedeutend war feine lertfo 
tire auf die verfehrien Verſuche, durch ideale Verfaſ— graphiidie Titigteit; von einem umfänglichen, vrel 

ſungsformen dem athenifden Staat aufzuhelfen (hrsq. | —— lerifalijden Werk (»Lexeis«) beſitzen wir 
von v. Belfen, Leip;. 1883). 11) ⸗öPlutos«, worin | nod) betradtliche Fraqmente, ebenfo von ſeiner Trer 

der bisher blinde Gott des Reidhtums fehend gemadt | geſchichte Sammlung der Brudjtiide von Naud 


und damit cine beffere Beit herbeigeführt wird, von 
388, bezeichnet in feiner alles Politijde meidenden 
Weife den Übergang zur fogen. mittlern Komödie 
hrsg. von Semiterfutius, Haart. 1744 u. Leipz. 1811; 
63 daſ. 1830; v. Velſen, daſ. 1881). Das Alter— 
tum erkennt in A. den erſten komiſchen Dichter Grie— 
chenlands. Der Zweck aller ſeiner Stücke ijt nicht bloße 
Unterhaltung und Erheiterung, ſondern Förderung 
der allgemeinen Wohlfahrt in politiſcher wie mora— 
liſcher —* Spott und Scherz des Dichters ſind 
ſtets im Dienſte des Vaterlands, und gern vergißt man 
darüber die oft anſtößige, ſchönungsloſe, aber dem 
damaligen Zeit: und voltsgeiſt entſprechende Form. 
Mit qroher Treue hat WU. öffentliches Leben, Sitten 
und Charafter des Damaligen Uther dargejtellt. Dabei 
ſließt in dem Dichter eine unerjdipflide Quelle des 
Wifes, in der ganjen Unlage der Stücke und der Auf— 
fajjung der Charaftere wie in der Darjtellung des Cin- 
gelnen, in komiſchen Situationen, Einfällen u. dgl., der 
mit allem fein Spiel treibt, manchmal freilic mn eine 
Derbheit ausartend, die mit unfern Begriffen von 
Gitte und Unjtand nicht vereinbar ijt. Was A. nod 
befonders auszeichnet, ijt feine Sprade, ein vollende: 
{e3 Mufter des Attizismus und in den lyriſchen Teilen 
nicht felten von erbabenem Schwung und feierlidem 
Ernjt. Das einzige erhaltene Portrat des W. bietet die 
Doppelbiijte des U. und Menander in Bonn. Aus 
den Schriften der jablreiden alten Nom mentato- 
ren bes Didjters bejigen wir wertvolle Überreſte in 
den vorhandenen Scholienſammlungen (hrsq. von 
W. Dindorf, Orf. 1858, 3 Bde. ; Diibner, ‘Par. 1868; 
Martin, daſ. 1882). Gefamtausgaben nament- 
lid) von Invernizzi, Bet und W. Dindorf (Leips. 
1794 — 1838, 13 Bde.; Tert, Rommentare, Scho— 
lien 2¢.), Beffer (Qond. 1829, 5 Bde.), G. Dindorf 
(Drf. 1835, 1838, 4 Bde.; Bar. 1868, Leipz. 1869), 
Berge (daf. 1857,2 Bde.), Meinefe (daſ. 1860, 2 Bde.), 
Blaydes (Halle 1880 -93, 12 Bde.) Überſetzun 

en von J. H. Bop (Braunſchw. 1821, 3 Bde.), Droy— 
en (3. Mufl., Leipz. 1880, 2 Bde.), Mindwig (Aus 
wahl, Stuttg. 1873), Donner (2. Wufl., Leipz. 1871, 
8 Bde.) u.a. Bal. Ranfe, De Aristophanis vita 
(Leip;. 1830); Roͤtſcher, W. und fein Zeitalter (Berl. 
1827); Müller-Strübing, A. und die hijtorijde 
Kritit (Leipz. 1873); Brentano, Unterſuchungen 
fiber das griechiſche Drama, Teil 1 (Frankf. 1871); 
Zielinſti, Die Gliederung der altattifchen Komödie 
(Leipz. 1885); Blaydes, Adversaria critica (Halle 
1899); Couat, Aristophane et l'ancienne comédie 
attique (3. Wufl., Bar. 1902). 

2) A. von Byzanz, griech. Grammatiker, um 
253 180 v. Chr. fam friih nach Alexandria, wo er 
Schiller des Renodotos und Rallimados war und, 
6O Jahre alt, zum Borfteher der Bibliothef ernannt 
wurde. Er galt im Altertum neben feinem Schiller 
Uriftard) als der größte Philolog. Cine großartige 
Tätigkeit entfaltete er als Herausgeber: er veranjtal- 
tete fritifdhe Uusqaben von Homer, Hefiod, Unafreon, 
Ulfios, Pindar, den Tragifern und Komikern (die 
erhaltenen alten Cinleitungen gu den Stücken der Tra 


(Malle 1848). 
Ariftophanijder Vers, ſ. Unapaijt- 
Ariftotél[es, der cinflupreidhite Philoſo ph und Ne- 
turfundige Griedjenlands, geb. 384 v. Chr. zu Stagira 
in Chalfidife, weshalb er aud häufig Der Stagirit 
qenannt wird, pct 322 in Chalfis auf ECubda, war 
der Sohn von Rifomados, dem Leibarzt und Freund 
des mafedonijden Königs Amyntas II., ging ſchen 
im Alter von 17 Jahren nach Athen, um Paton 
ju hören, und blieb dajelbjt 20 Jahre lang deſſen 
Sthiiler. Dak or feindſelig gegen ſeinen Lehrer aut 
etreten fei, tit eine üble Nachrede. Nach dem Tode 
latons (347) verließ UW. Athen und begab ſich x 
Hermias, dem Beherrſcher von Atarneus tn Myſien. 
konnte ſich aber nach deſſen Hinrichtung auf Befehl des 
Perſerkönigs nur durch die ſchleunigſte Flucht gleicher 
Gefahr entziehen und vermählte fic) 345 mit Boyrhres. 
Der Schweſter oder Richte des Hermrias. Zwei Jabre 
ipiter wurde er vom König Philipp von Makedomen 
jur Erziehung de3 Damals 13jabhrigen Wlerander be 
rufen, auf den er nadbaltigen und wobltatigen Em 





fluß ausiibte. Nad) deſſen Thronbejteiqung fiedelte 
er bald nach Uthen iiber, wo er ſich in Derm nad dem 
benadjbarten Tentpel des Apollon Lyfeios benannten 
Lyzeum, das mit fdattiqen Baumgangen jum Lut 
wandeln umgeben war, emridtete. Weil A. mit feimen 
Schitlern hier auf und ab wandelnd zu philojopbieren 
pjlegte, wurde ihnen der Name Peripatetifer beigelegt 
Es wird erzählt, daß er feine Borlejungen im Wor 
gen- und Abendvorträge geidicden habe, zu deren 
erjtern nur die vertrautern Freunde Zutritt batter. 
Die in Die tiefer gehenden philofophifden Unterfucam 
gen eingefiihrt werden follten. Diefe Vorträge hicken 
safroamatifde« und waren ſtreng wiſſenſchaftlich In 
| den Ubendjtunden wurden exoteriſche Unterſuchungen 
vorgenonunen, die fid) auf Rhetorik und Polit vor: 
nehmlich begogen und verjtindlider gebalten waren. 
In dieſer Beit feines zweiten, 13jährigen Wufenthal- 
tes in Athen verfaßte er ſeine wichtigſten Schriften 
Obgleich die Zuneigung, die Alexander ſeinem Lehret 
bisher bewieſen, in ——— angeblich infolge der 
Toltung des Kalliſthenes (323), eines Neffen und 3da- 
lings des A., erfaltete, galt A. den Feinden des KS 
rigs alg Mafedonierfreund, und als die Athener zu 
Begin des Lamiſchen Krieges alle Unhanger der mate 
doniſchen Herridaft innerhalb der Stadt verfolaten. 
hatte A. befonders darunter ju leiden. Der Gott 
loſigkeit angeflagt, Die man in einem Baan auf Her 
| mias finden wollte, floh A., ohne die gerichtliche Ent 
ſcheidung abzuwarten (322), nad Challis auf Eubda. 
wo er bald darauf ſtarb. Er hinterließ eme unmiin 
dige Todter, Pythias, und feine zweite Frau, Her- 
pyllis, von der ihm der bei des Vaters Tode nod) fede 
junge Nikomachos geboren worden war. Eine ſitzend⸗ 
VPorträtſtatue im Palazzo Spada zu Rom wurde friihec 
fälſchlich für Die Des YW. gehalten. 
Schriften des Ariſtoteles. 
Bon den ſehr zahlreichen Schriften des A. (nad 
einigen in 400, nach andern in 1000 Büchern) fred 
aus Dem Altertum dret Verzeichniſſe auf uns gefom- 








Ariftoteles 


men, vor denen zwei cinander ſehr ähnlich find, wäh— 
rend das dritte nicht unbedeutend von dieſen abweidt. 
Die dialogiſchen Schriften, die Spatere exoteriſche 
aannten, weil fie verjtinbdlicer waren, ebenfo mande 
mbdre in früherer Seit abgefabte, find uns nur nod | 
n Bruchſtücken erhalten, während wir die hauptſäch⸗ 
ichſten Der fogen. efoterifden oder afroamatijden, | 
). h. der ftrenger wiſſenſchaftlichen, Lehrſchriften nod) | 
defigen, wenn aud 3. T. in ſehr mangelhafter Ver- 
‘ajjung. Bon den nod vorhandenen ** logiſchen 
Schriften des A. (hrsg. von Th. Waig, Leipz. 1344 —46, 
2 Bode.) find die wichtigſten die ſogen. »erjte Analy— 
if«, die über den Schluß, und die »zweite Unalytif<, 
die fiber Den Beweis, die Definition und Cinteilung | 
and fiber die Erfenntnis der Pringipien handelt. Die 
Schrift »llber die Kategorien« (Deren Echtheit bejtrit- 


en wird) betrifft Die höchſten Wilgemeinbegriffe, die | 


gleichfalls unſichere) Abhandlung ⸗Über die Aus— 
egung⸗ den Satz und das Urteil, die fogen. » Topif« die 
valeftifden oder Wahrſcheinlichkeitsſchlüſſe und end- 
ich Die Unterſuchung »iiber die loptiitidien Schlüſſe⸗ 
vie Trugſchlüſſe der Sophiſten. Unter dem Namen 
Organon (Werkzeug) find dieje Schriften erjt {pater 
uſammengefaßt worden, weil A. die i 
r fie nennt, »Analytik« als Hilfsmittel zur Erlan- 
yung wiſſenſchaftlicher Crfenntnis betradtet. 

Bu den naturwiffenfdhaftliden Schriften ge- 
jören vor allen die adt Bücher der Phyſik (»Auscul- 
atio physica<, hrsg. von Prantl, Leipz. 1879; gried). | 
1. Deutid von Demfelben, daſ. 1854), worin die all 
yemeinjter Griinde und Verhältniſſe Der gefamten 
Natur dargejtellt werden, und an Die fic) die zwei 
Biidher vom Entſtehen und Vergehen (»De genera- 
ione et corruptione) anſchließen, ſowie die vier Bücher 
De coelo« (qried). u. deutſch von Prantl, Leipz. 1857), 
yon den Geſtirnen und ihren Bewegungen, und dic | 
rier Bücher » Meteorologica« (hrsg. von Ideler, Leipz. 
[834 — 36), von den Lufterjdeinungen handelnd. Die 
Leſetze Der innern Erſcheinungen, die Lehre über das 
Wejen, die Vermigen und die Eigenſchaften der Seele 
eqt A. Dar in Den Drei Büchern fiber die Seele (>De 
inima«, br8g. von Trendelenburg, 2. Aufl., Berl. 
1877; von Torijtrif, daf. 1862; von Biehl, Leipz. 1884; 
reutid von Rolfes, Bonn 1901). Den übergang 
u Der empirijden Lehre von der Seele bilden einige 
Schriften naturwijjenfdaftlich - philofophifden In— 
jalts, Die unter dem gemeinjamen Namen »Parva 
raturalia« zuſammengefaßt werden. Auf dem Gebiete 
ver Naturgeſchichte ſchlug W. den Weg der Empi- 
‘ie cin, indem er die Erſcheinungen der Natur im Cin- 
einen betradhtete. Bon den Werfen über die unorga- 
riſche Natur ijt nicht ein eingiges erhalten. Die »His- 
oria animalium«, deren 10. Buc) unedt, ijt das 
dauptivert des Altertums fiber die Geſchichte der Tiere 
hrsg. vor Sdyneider, Leips. 1812, 4 Bde., und qried). 
t. Deutch von Aubert und Winner, daf. 1868, 2 Bde.) ; | 
yiermit hängen zuſammen: » Uber die Zeugung der 
Tieres (hrsq. qried). u. Deutid) von Mubert und Wim— 
ner, daj. 1860), und die vier Biicher »ilber die Teile 
er Tieres (gried). u. deutfch von = daſ. 1853). 
Den Organismus der Pflanzen hatte A. in einem ver: 
ornen Werf: »De plantis«, dargeftellt. Unecht find 
ie »Physiognomica«, die »Quaestiones mechani- 
ae, Die vielgelejene und {don an die Stoa erinnernde 
eine Schrift »De mundo<. Die 37 Biider »Proble- 
nata« enthalten wenigitens einiges Ariſtoteliſche. Die 
Metaphyfit« (brsgq. von Bonitz, Bonn 1848; qried). 
1. deutſch von Schwegler, Tiibing. 1846-48; in deut- 
cher Überſetzung von Bonitz, 


| 


if oder, wie | 


erl. 1890) verdanft | 


5 


(Schriften). 76 
ihren Namen, der nicht von A. felbjt herrührt, dem 
Umijtande, daß die 14 Biicher, aus denen fie bejteht, 
ohne Titel in Der Reihe der Urijtotelifden Handfdprif- 
ten zunächſt binter den phyfifalifden ftanden. Jn 
ibrer jetzigen Gejtalt, in der fie fic) nidt von A. her: 
idreiben finnen, find mebrere Bücher logifden In— 

alts, andernteils wieder Uberarbeitungen einjelner 

eile, Die nebeneinander geftellt worden find, oder 
Kompilation jelbjtindiger Abhandlungen, die Spä— 
tere ohne innern Zuſammenhang in die Sammlung 
qereiht haben. A. nannte die Witienidvatt, die wir 
als Metaphyfif begeichnen, »Erſte Philofophie«. Die 


moraliſch-politiſche Klaſſe der Schriften des A. 


umfaßt ** ſeiner wichtigſten. Über die Sittenlehre 
exiſtieren u. d. T. »Ethik« drei Werke, von denen die 
jogen. Nikomachiſche Ethik (hrsg. von Zell, Heidelb. 
1820, 2 Bde.; von Grant, mit engl. Ronunentar, 
4. Aufl., Qond. 1885, 2 Bde.; von Ramjauer, Leipz. 
1878; deutſch von Garve, Berl. 1798—1806, 2 Tle.) 
am erjten nod) dem YW. felbjt zugeſchrieben werden 
fann, während die fogen. Eudemiſche cin Werk feines 
Schülers Eudemos und die »Magna moralia« (hr8q. 
von Sujemibl, Leip;. 1883) betitelte kürzeſte Schrift 
cin Auszug aus beiden vorgenannten fein foll. Die 
»*Bolitif« (hrsg. von Stahr, Leipz. 1836—39; Gu- 
ſemihl, daſ. 1872 und, mit Uberjegung von dem- 
ſelben, daſ. 1878; die drei erjten Bücher deutſch von 
| Bernays, Berl. 1872) enthalt in acht Büchern die 
Lehre von dem Zweck und den Elementen des Staatesd, 
cine Darjtellung der verſchiedenen Regierungsformen, 
zuletzt Das deal eines Staated und die Lehre von der 
Erziehung als — wichtigſter Bedingun ber 
das Hausweſen (Ofonomif) exiſtiert ein belonbered 
Werf in zwei Büchern, von denen das erjte Bud 
wahrideinlid) nur in cinem Auszug de3 Theophraft 
auf uns gefommen, das zweite als unecht nachgewie— 
fen ijt. Das fiir die Ultertumsfunde unerfeglidye Werk 
»Bolitien<, cine Sammlung aller bis gu ded A. Beit 
befannt gewordenen 158 oder gar 250 Staats- und 
Geſetzverfaſſungen des Altertums, ijt bis auf wenige 
Bruchſtücke mn Die neuerdings erſt aufqefundene 
» Staatsverfajjung der Uthener« (hrsg. von Raibel u. 
v. BWilamowisg - Wollendorif Berl. 1891 u. ð.; über— 
fegt von Kaibel und Riesling, Straßb. 1891 u. ö.) 
verloren. Die KRhetorif und Poetlik ſchließen fid 
3. T. an die logijden, in der Hauptſache an die ethi- 
ben Sdriften an. Bon den drei Biidern » Rheto- 
rica« (hrsg. von Spengel, Leipz. 1867; deutfd von 
Stabr, Stuttg. 1864) jind die erjten beiden fehr gleid- 





mäßig Durdgefiibrt. Cin andres rhetorifdes Werk 
_»Rhetorica ad Alexandrum«, ijt unedt. Die »Poe- 


tife (hãufig herausgegeben, z. B. von Vahlen, 3. Aufl. 
Berl. 1885, von Überweg, daſ. 1870; griech. u. deutſch 
von Sufemibl, Leipz. 1874, von Schmidt, Jena 1875; 
deutſch von Gomperz, Leip;. 1897, mit einer Abhand⸗ 
lung fiber die Ratharjis- Theorie von A. v. Berger), 
die tiber das Prinzip der Runjt, über die Tragödie 
und epifche Poeſie die wichtigiten Aufſchlüſſe gibt, bat 
trop ihrer febr unvolljtindigen Beſchaffenheit auf 
alle Kunſtbetrachtung (in Deutfdland feit Leffing) 
den wirkſamſten Einfluß ausgeübt. Die vorhandenen 
angeblichen Briefe des A. find teils offenbar unter- 
geſchoben, teils von zweifelhafter Edptheit. 
Gejamtausqaben. Samtlide Werke des A. wur- 
den griechiſch herausgegeben zuerſt von Aldus Manu— 
tius (Vened. 1494-—98, 5 Bde.), dann unter anderm 
unter der Aufſicht des Erasmus und Gryngeus ju 
Baſel (1531, 1538), von Buble (Zweibr. 1791 — 1800, 
5 Bde.; mit lat. Uberjegung). Cine neue Ausgabe be- 





766 


jorgte Beffer im Auftrag ter Akademie der Wiſſen— 
ſchaften ju Berlin (Bd. 1—2 qried). Tert, Bd. 3 tat. 
liberjepung, Bd. 4 Auszüge aus den Scholien, Berl. | 
1831; Bd. 5, die Fraqgmente, Hrsg. von Rofe, und) 
dent Snider, bearbeitet von Bonitz, enthaltend, 1871), 
auf die fid) aud) die Didotſche Ausgabe (Kar. 18484 

1874, 5 Bde.) ſtützt. Uberjegungen von gejammelten 
Werfen des VU. erfchienen in den befannten Stuttgarter 
Klaſſikerſammlungen und, mit Cinleitungen, in Kirch— 
mann’ ⸗Philoſophiſcher VBibliothet«. 

Die Ariftoteliſche Philoſophie. 

A. iſt Schüler Platons und als ſolcher erſt zu 
verſtehen; mehr als man meiſt glaubt, hat er von 
ſeinem Lehrer genommen, namentlich die ganic telev- 
logiſche Weltanſchauung; freilich wendet er ſich den 
Tatfaden mehr zu, läßt ſich aber von hohen fpefula- 
tiven Gedanfen leiten und jteigt zu den letzten Griin- 
den auf, fo daß er fein Realijt im niedern Sinn iit. 
Eine fejte Cinteilung der Philoſophie vermiſſen wir 
bei ibm; meiſt führt man auf ihn die in theoretijde, 
in praftijde und in poetifdhe, aber nicht mit vollem 
Recht, zurück. Die erſte wiirde auf die nur wiſſen— 
ſchaftliche Erfenntnis des Seienden, die zweite auf das 
Handel, die dritte auf das Geftalten cines Stoffes, 
das Bilden, gehen. Die Logik hat er zuerſt wifjen- 
fdjaftlicy begriindet. Die Hauptſache in_der Logit iſt 
ihm der wiſſenſchaftliche Schluß, der Syllogismus, 
der vont Allgemeinen jum Beſondern herabjteigt, im 
Gegenſatze zu der weniger ficern, aber fiir uns deut- 
lidern Qnduftion, und aus gewifjen Pringipien ab- 
leitet, im Gegenſatze zum dialeltiſchen Schluß, der das 
Wahrſcheinliche als Prämiſſen gebraudt, und jum 
jophiftijden, der aus Falſchem ſchließt oder durch die 
Form täuſcht. Die legten Pringipien erfakt die Ver: | 
nunft unmittelbar. Qn der Metaphyſik ijt A. nuit 
Platon darin cinveritanden, dag, wenn es fein All— 
qemeines Ceaett Wattung) an den Dingen gibe, 
aud fein Wiſſen von diejen möglich wire; darin 
weidt er von Platon ab, dak er nicht das Allgemeine, 
die Idee, fondern das Einzelne, die Individuen, als 
das erjte Seiende anerfennt und dem Begriff nicht 
cine Wirflichfeit fiir fid), wie Blaton der Idee, zu— 
ſchreibt, fondern nur in den eingelnen Dingen, 3. B. 
dem Begriff Pferd nur in den eingelnen Pferden (uni- 
versalia in re, nicht ante rem). Der Begriff ijt wirt- 
lid), indem er jum geftaltenden Bringip eines bild- 
ſamen Stoffes wird. An jedem wirklichen Dinge, mit 
Ausnahme cines eingigen, der Gottheit, ijt beides, 
orm und Materie, zu unterideiden, obgleich nie- 
mals gu trennen, indem, mit Ausnahme wieder je- 
nes cingigqen, Form nie ohne Materic, diefe nie ohne 
jene geqeber ijt. Dies find die beiden Grundprin- 
ripien, neben Die A. bisweilen nod zwei weitere, den 
Awed und die bewegende Urſache, jtellt, die er aber 








zuſtrebt. Er ijt Einer, denn 





dod) wieder in die Form oder das Wefen (Begriff) 
aufaehen läßt. Die Ausgeſtaltung des Stoffes durch 
die Form geht niemals plötzlich, ſondern ſtets allmäh— 
lid) vor fic), fo daß das ſchließlich Wirkliche (Aus⸗ 
gebildete) anfainglid) nur als Mögliches (Anlage 
aur Wusbildung, Ungeleqtes), wie das Hühnchen im 
Ci, die Pflanze im Samenforn, erijtierte. Der Uber- 
gang aus der blofen Anlage (Potenzialität, Stoff) 
in Wirklichkeit (Akltualität, Entelechie, weil fie den | 
Swed, griech. telos, in fic) hat) erfolqt durch Bewe⸗ 
qung. Damit diefe cintrete, bedarf es einer Urſache, 
und da fic) bet dieſer Dasfelbe, Ubergang aus Nicht 

wirffamfcit in Wirkſamkeit, alſo Bewegung, wieder: | 
holt, ciner weitern Urfache u. f. f. Da nun die Reihe | 
Diefer Urſachen nicht ins Endloſe gehen fann, ſo muß 


Ariftoteles (die Ariſtoteliſche Philoſophie). 


eine letzte Urſache vorhanden jein; dieſe aber als letzte 
darf in feiner Weife Unlage (Vermigen) yum Tätig 
jein, fondern muß Tätigleit ſchlechthin fein. da fte fort 
jelbjt einer weitern Urſache bedürftig ware, um ans 
der Möglichkeit sur Wirklichleit überzugehen. So musk 
es cine jelbjt unbewegte Urſache aller Bewegung ge 
ben, dies ijt Der erjte Beweger, Gott, der Ausgangs 
puntt aller Bewegung und alles Lebens. Diefer felbit 
ijt feinem Wefen nad) reine Wirflichfeit oder Tat 
(Energie), hat nichts von Möglichkeit oder Waterre, 
Die etwas werden finnte, an ſich. Gott ijt notwendig 
ewig, da die durch ihn bewirtte Bewegung ohne Yin 
fang und Ende ijt, ferner bnmateriell, unverandering, 
leidenlos. Er ijt unbeweglich, obgleich er andres be 


wegt; denn er bewegt nur, wie es Das Schone tat, 


das den nad ihm Begehrenden in Bewegung veriese, 
ohne felbjt in folder ju fein, d. h. Gott bemegt des 
deal, Dem das der bey ci, bediirftige, Die Waterie, 
as der Zahl mach Bele 
hat Materie; rein Form (ohne Sto), von allem 
Seienden das einzige, deffen Tun nicht Geftalien ma 
teriellen Stoffes, nicht praktiſches Handeln, jondern 
(theoretifches) Denfen ijt, keinen Swed auger ſich bet, 
dem alle Materie durch Unterwerfung unter die Xorme 
ſich 3u nahen bejtimmt ijt. Gott ijt Denferr des Den 
fens; fein Tun, da er fic) ſelbſt genügend, feimes von 
ihm verfdiedenen Dinges bediirftiq ijt, Die ſeligſte 
Beſchäftigung. Gott als die ſtoffloſe Form, die mics 


mehr werden fann, und die Materie als der formleſe 
, Stoff, der alles werden fann, find Gegenjage, wor 
ſchen denen alle andern wirfliden Dinge gelegen ſind 


YW. hat mit diefer ausgeführten Theorie von der Gott- 


heit den wiſſenſchaftlichen Theismns beqriindet. 


In der Phyſilk fpielt die Bewequng, die durchau— 
zweckvoll ijt, eine große Rolle, indem fie Den Uber. 
gang bon der Möglichtkeit sur Wirklichfert bildet; je 
hat ihren Grund in Gott als erjtem Beweger. Dee 
Naturgegenjtinde, in denen der Stoff die Form über 
wiegt, maden die lebloje, Die, in Denen das Umge 
fehrte der Fall ijt, die lebendige Natur aus, und zwar 
in Der Art, daß das formlofejte Broduft Der Natur 
die unterite, Der Menſch dDagegen die oberſte Stufe der 
Reihenfolge bildet. ede der höhern Stufen ſetzt die 
frühern, die lebendige Natur felbjt die leblofe umd 
Diefe wieder die allgemeinen Bedingungen alles ne 
tiirliden Dafeins, Raum, Zeit und Bewegung, vor 
aus. Die eit ijt unbeqrengt, der Raunt dagegen be 
grenzt, Da er nichts andres iit als Die Grenze eines 
einſchlieſen den Aörpers gegen den umſchloſſenen. Hier 
nad fann es feinen leeren Raum geben. Stoff und 
Bewegung find fo ewig wie der erjte Beweger, die 
Welt jo ungeſchaffen und jo unvergänglich wie Gott 
jelbjt. Da der Beweger der vollfommenjte tit, fo i 
aud) das Bewegte ein wobhlgeordnetes Syjtem von 
Bewegungen und feiner Gejtalt nad vollendet umd 


abgeſchloſſen. Zwiſchen dem Fixſternhimmel und der 
Erde, die den Mittelpunft des Univerfums bildet, be 


wegen fic) die Planeten{pharen. ener macht dex 


vollkommenſten, weil dem erjten Beweger macditen, 
Die Erde den unvollkommenſten, weil demſelben fern 
ſten Teil des Weltalls aus, daher auf der legtern an 


itatt Der Wandellofiqhcit der Geſtirnwelt unaufhör 
licher Weehfel herrſcht. Dafür zeigt ſich bter cine un- 
endlich grofere Mannigfaltigteit von Formen umd 
Geſtalten der irdifden Phänomene, insbeſ. der orga- 
nifchen. In dieſer diesfeitiqen Welt unter dem Monde 
tritt, Da fie Dem erjten Beweger fo fern ftebt. am 


fo mehr das Vediirfnis eines eiqnen innern Bewe 


qungspringips, der Seele, hervor, wodurd) Die orga- 


Ariftoteles (eſchichte der Ariſtoteliſchen Philoſophie). 


niſche Welt als Sitz einer von ihr ſelbſt (wenigſtens 
relativ) ausgehenden Bewegung dem erſten Beweger 
wieder ähnlich wird. Mit der Phyſik hängt die Pſy— 
chologie unmittelbar zuſammen. Die Seele, welche 
die Entelechie, die Form des Leibes, iſt, im weiteſten 
Sinne gleich Lebenskraft, tritt auf der unterſten Stufe 
des organiſchen Lebens, in der Pflanze, ohne ſicht— 


baren Lebensmittelpunkt, nur als ernährende, auf der 


mittlern Stufe, im Tier, zugleich als empfindende mit 
einem Mittelpunkte des leiblichen (Herz) und zugleich 
einer Einheit des wahrnehmenden, Luſt und Unluſt 
fühlenden, begehrenden und verabſcheuenden pſychi— 
ſchen Lebens auf. Im Menſchen, dem vollfommenjten 
Tier, kommt zu beiden genannten als höchſte Stufe 
die denkende, von den beiden frühern unterſchiedene 
Seele, die Vernunft, der Geiſt (griech. nus), hinzu; jie 
ſtammt nicht aus der Natur, ſondern iſt etwas ⸗Gött— 


A. in nicht ganz klarer Weiſe ein Doppeltes, nämlich 
einen tãtigen und einen leidenden Geiſt (nus poietikos 
und pathetikos), von denen der letztere mit Dem Kör— 
per fic) entwickelt undvergebt, der erftere von »augen«, 
von der Gottheit kommt und in fie guriidfehrt. Cine 
individuelle Unjterblicfeit fann A. folgeridtigqerweife 
nidtannehmen, aber unter ſeinen Anhängern entipann 
fic) ein heftiger Streit um die Unjterblichfeit. Neben 
der theoretijden Denffraft gibt es bei A. nod) eine 
prakliſche, die in Der Ethik erdrtert wird. Die Ethik 


jten Gut, als das A., wie alle griechiſchen Philoſophen 
die Eudämonie (Giidjeligteit) anfieht, und gwar be- 
ſtimmt er dieſe piydologijd nad dem, was dem Men— 
ſchen eigentiimlid) im Gegenfage gu andern Lebeweſen 
zukommt, das ijt aber die Vernunft. Demnad ijt die 
Cudimonie die vernunftgemäße oder, was dasjelbe 
ijt, Die tugendhafte Titigfeit. Die Tugend fann aber 
nidt nad allen Seiten ausgeübt werden ohne gewiſſe 
dufere Vorbedingungen, Reidtum u. dgl., wahrend 
die notwendige Folge der tugendhaften Tatigheit die 
Lujt ijt, fo da aud) diefe in die Gliidjeligfeit auf- 
genommen wird, ohne dod) Das höchſte Biel Des Men— 
ſchen gu fein. Die ethifdye oder Charaftertugend ijt 
eine Dauernde Willensridtung, welde die uns ange: 
meſſene Mitte gwifden zwei Extremen einhalt, und 
beruht auf natiirlider Unlage und ilbung, wozu nod 





767 


gute, Demofratie, Oligardie und Tyrannis verwerf— 
lidje Verfaffungsarten. Die ideale Staatsform ijt die 
aus demofratifder, arijtofratijder und monardiider 
—— im einzelnen Fall iſt die den vorliegenden 

erhältniſſen angemeſſene die beſte. Bei der Kunſt 
unterſcheidet A. eine nützliche und eine nachahmende, 
welch letztere den Zweck der Erholung, der Befreiung 
(Katharſis) von gewiſſen Affekten durch deren An— 
regung verfolgt. Berühmt iſt die Definition der Tra— 
gödie, Die durch Mitleid und Furcht eine Reinigung 
ſolcher Affekte gu ſtande bringen ſoll. 

IGeſchichte der Ariſtoteliſchen Philofophic.] Dic 
Philoſophie des VL. wurde zunächſt durch dejjen Schule, 
Die peripatetifde, die thren Sis im Lykeion hatte, 
fortgepflangt; ihr Einfluß aber erjtredt fic) Durd das 
Ultertum, das Mittelalter bis auf die neuefte Heit 


herab, wo fie namentlid) von Trendelenburg (j.d.) in 
liches«. Bei dem >Geijt« im Menfden unterjdheidet | 





die Einſicht kommen muk. So ijt die Tapferteit die | 


Mitte swifden dem Zuviel der Verwegenheit und dem 
Zuwenig der Feigheit. Wm eingehendften behandelt 
YU. die Gerechtigheit. Neben den ethifden ftehen die 
dianoétifdhen Tugenden, die des Denfens felbjt, 
drei auf das Notwendige fid —— Vernunft, 
d. h. Das Erfaſſen der Prinzipien, 

ſich richtet auf das aus den Prinzipien Erweisbare, 
und Weisheit, die als Philoſophie dies beides zuſam— 
menfaßt, und zwei ſich auf das, was ſich anders ver- 
halten kann, beziehend: die praktiſche und die künſt 
leriſche Einſicht. Der Philoſoph, in dem das Denken 
herrſcht, kommt der Gottheit am nächſten. Den Über— 
gang — Politik bilden die wertvollen Erörterun— 
gen über die Freundſchaft. Der Menſch iſt von Na— 
tur ein politiſches Weſen, da er nur im Staat ſeine 
ſittliche Aufgabe löſen kann. Der Zweck des Staates 
iſt Die Glücſſeligkeit oder das ſittlich gute Leben der 
eingelnen Menſchen, zu dem der Staat die Jugend 
heranbilden muß. Der Unterſchied zwiſchen den treff- 
lidjen und den entarteten Verfajjungen beſteht darin, 


iffenfdaft, Die | 





erneuerter Gejtalt wieder aufgenonmien worden ift. 
Jn den nächſten Jahrhunderten nad) dem Tode des 
U. trieben die Peripatetifer vielfad) mehr gelehrte, d. h. 
naturwifjenfdhaftlide und geſchichtliche Studien als 
eigentliche metaphyfifde. Unmittelbare Schüler des 
UW. waren Theophraftos, der Nachfolger de3 W., 
Eudemos von Rhodos, Wrijtorenos und Dikä— 
archos von Meſſana. Der Schiiler und Nadfolger 
de3 Theophrajto3, Straton von Lanipjafos, ſuchte 
die Erſcheinungen mehr phyſikaliſch als teleologijd zu 


ertlären. Neben ihm ijt Demetrios aus Phaleron 
fragt nad) dem Swed de3 Menſchen, d. h. nad dem höch⸗ 


bei Uthen gu nennen. Die Nachfolger de3 Straton 
im Lyfeion waren der Reihe nad: Lykon aus Troas, 
Ariſton von Keos, Rritolaos aus Phaſelis und 
Diodoros von Tyros, in der aweiten Halfte des 
2. Jahrh. v. Chr. Unter ihnen hat die peripatetifce 
Schule-die Ridtung auf die Ethif qenonunen. Trotz— 
dem fonnte die peripatetifde Schule neben der epifu- 
reiiden und ſtoiſchen Lehre und der der neuen Aka— 
demie in Rom nicht recht auffommen. Die gelehrie 
Beſchäftigung mit den Urijtotelijden Schriften und 
die zahlreichen Rommentatoren, unter denen Alex— 
ander von Aphrodiſias (im 2. Jabrh. n. Chr.) hervor: 
zuheben ijt, unterdriidten das originelle Denfen in der 
peripatetifdjen Schule, gumal die Ariſtoteliſche Lehre 
ſich vielfach mit der Platoniiden und ſtoiſchen ver- 
ſchmolz. Sie erbielt fic) aber bis zu den Byzantinern, 
von welden jie nad dem Fall Nonjtantinopels ins 
Abendland zurückkam, während fie ſchon vorbher in 
ihrem logiſchen Teile durch Boethius auf die Schulen 
des chriſtlichen Mittelalters und durch die arabiſchen 
Überſetzungen, die ſeit Dem 9. Jahrh. die Ralifen an- 
fertigen ließen, auf dag islamijde Worgentand tiber- 
gegangen war. Bon hier wurde fie nad) Spanten ver- 
pflangt und, nadjdem fie Dafelbjt neue Blüte (durch 
Wverrh o€8) erlangt hatte, 5. T. unter jüdiſcher Ver— 
mittelung zu den abenldndijden Chrijten gebradft. 
Um 1220 waren faft ſämtliche Werfe des A. aus 
dem Arabiſchen ing Lateiniſche überſetzt, bald wur— 
den auch, namentlich auf Anlaß des Thomas von 
Aquino, Überſetzungen des griechiſchen Textes direkt 


veranſtaltet. Die ſcholaſtiſche Philoſophie des 13. und 


14. Jahrh., deren Häupter Albertus Magnus und 
Thomas von Aquino waren, ſtand ganz unter dem 


Einfluß des A., der als Norm der Wahrheit in welt— 


lichen Dingen galt. Mit der Wiedererweckung dev klaſ— 
ſiſchen Literatur im 15. Jahrh. begann ein allgemei— 
ner Kampf wider die Scholaſtik, der ſich anfänglich 


nur gegen den entſtellten Text Des W., Dann aber ge— 
daß in den erjtern die Herridenden das Gemeinwobl, | gen dejjen Philofophie felbjt kehrte. Bemerkenswert 
in den legtern ihr befonderes Wohl im Auge haber. ſind hier die beiden Parteien dev Alexandriſten und 
Konigtum, Urijtofratie und Timofratie (Poltteia) find | Averrhoiſten, die fic) in Der Lehre von dev Unſterb— 


768 


lichfeit ber Seele heftig befehdeten, fodann die My— 
jtifer und (meiſt pantbeiftijden) Naturphilofophen, 
die Der Metaphyfif und Phyſik, ferner die fogen. Ra- 
miften und die Verteidiger der empiriſchen Methode 
(Bacon), die der Logif des A. entgegentraten. Mit 
dem Wuffommen der Cartejianiiden Philoſophie er- 
loſch der Beripatetismus mehr und mehr. Dod taucht 
er in Der modifizierten Form des Thomismus (jf. d.) 
bei den fatholijden Theologen und Philoſophen auf 
päpſtlichen Befebl jeit den legten Jahrzehnten gu neuen 
eben wieder auf. 

[Literatur.}] Werivolle Beiträge sum Verſtändnis 
des A. bieten die alien Erflarer, bejonders Alexander 
von Aphrodiſias (f. Wlerander 3, S301), Themiſtios, 
Syrianos, Simplifios, Philoponos u. a., deren Kom— 
mentare neuerdings auf Veranlaſſung der Berliner 
Ulademie herausgegeben werden. Von neuern Wer- 
fern find au nennen, außer Seller, Philofophie der 
Griechen (2. Teil, 2. Ubt.; für die nachariſtoteliſche 
Philoſophie der 3. Teil): Bieſe, Die Philofophie des 
A. (Berl. 1835 — 42, 2 Bode.); Brandis, W. und 
feine afademifden Zeitgenoſſen (Geſchichte der qrie- 
chiſch⸗ römiſchen —— , 2. Teil, 2. Abt. daſ. 
1853—57) und Überſicht über das Ariſtoteliſche Lehr: 
gebäude (cbenda, 3. Teil, 1. Ubt., daf. 1860); Grote, 
Aristotle (2. Uufl., Qond. 1879); U. Grant, Aris- 
totle (2. Uufl., daf. 1898; deutſch, Berl. 1878); Sie- 
bed, Urijtoteles (Stuttg. 1899). Aus der Literatur 


über einzelne Kreiſe der Ariſtoteliſchen Schriften find 


hervorzuheben: Kampe, Die Erkennmistheorie des 
YU. (Leipz. 1870); Lewes, Aristotle, a chapter from 
the history of science (Lond. 1864; deutſch von 
Carus, Leipz. 1865); J. B. Meyer, W.’ Tierfunde 
(Berl. 1855); F. Brentano, Die Pfydologie des A. 
(Maing 1867); Teichmüller, Ariſtoteliſche For— 
ſchungen (Bd. 1 u. 2, Halle 1867—69, die Poetik und 
Kunjftlehre betreffend); Reinfens, W. über Kunſt, 
bejonders iiber Tragödie (Wien 1870). Speziellere 
Literatur bei Uberweg-Heinze, Grundriß der Ge: 
ſchichte der Philofophie, Bd. 1 (9. Mufl., Berl. 1902). 
Aristotelia DC., Gattung der Eläokarpazeen, 
Sträucher undfleine Baume mit gegenſtändigen, gan— 
zen Blattern, meift in Cymen oder Trauben jtehen- 
Den Bliiten und 2-—4 fächerigen Beeren. 6 Urten in 
YWujtralien, A. Maqui L’ Hérit. in Chile, immergriiner 
fleiner Baum, mit fleinen gelblidweifen Bliiten und 
ſchwarzpurpurnen Beeren. Das Hols dient gu muſi— 
falijden Inſtrumenten, die Rinde gibt Bat, die zucker⸗ 
reichen Beeren werden als Objt qegefjen, und auf Wein 
(Tecu)verarbeitet. Jn Frankreich hat man getrodnete 
Maquibeeren gum Farben des Weins benust. 
Ariſtoxenos, griech. Ehilofoph aus Tarent, um 
350 v. Chr., der peripatetijden Schule angebirig, einer 


der älteſten griechiſchen Schriftiteller fiber Muſik, war 


zuerſt Schüler des Pythagoreers Zenophilos, dann zu 
Athen des Ariſtoteles. Epoche machten ſeine Grund⸗ 
ſätze in der Muſik, indem er die bisher allgemein an— 
enommene, auf bloße Zahlenverhältniſſe gegründete 
Theorie der Pythagoreer verließ und die Gehörsemp— 
findungen geltend zu machen ſuchte. Geſchätzt waren 
noch ſeine Biographien von Philoſophen. Die einzige, 
hire aud nur liidenbaft erbaltene Schrift des A. 
ind die »Clemente der Harmonies (»Elementa mu- 
sices«) in drei Biidern, herausgegeben in Meiboms 
»Antiquae musicae scriptores« (Bd. 1, Amſterd. 
1652) und von WMarquard (mit Uberfesung, Berl. 


1869). Bal. A. von Tarent, Melif und Rhythmik des | 


flajjijchen Hellenentums«, überſetzt und erlautert von 
Weſtphal (Leipz. 1883; Bd. 2, hrsg. von Saran, 1893). 


Aristotelia — Arithmetik. 


Ariſtyllos, Ujtronom cus Samos, um 300 v.Clr, 
neben Timodaris der erfte griech. Aſtronom, der Orrs- 
beſtimmungen der Fixſterne verjudte. Sere Beobec 
tungen wurden von Hippard und Ptolemaos bermge. 

Urithmetif (grieh., Zahlentehre), Teil der 
Mathematif, der ſich mit den verſchiedenen Virten umd 

| Verbindungen der Zahlen beſchäftigt, im engern Surar 


| die Lehre vom Redynen mit in Ziffern geſchriebenen 


oder Durd Budjtaben bezeichneten Zahlen. Wan tert 
die U. in Die gemeine (eclementare) A. und im dee 
höhere. Dene umfaft die vier Spezies Der Reden 
funjt in gangen und gebrodenen Sablen und where 
praftifden Unwendungen (faufmannijf hes Reg: 
nen), die Lehre von den Potenzen, das Auszichen 
Der Wurzeln und die Logarithmenredmung. Dre od- 
here A. fpaltet fid) in die Ulgebra oder Lebre von dex 
Gleichungen (. Gleidjung) und in die Sablentheone. 
die Lehre von den Eigenſchaften der ganzen Zablen 
Auch unterſcheidet man die theoretifde W. (allege 
meine A., Arithmetica speciosa, Buchjiabenred- 
nung), welde die Rechenregeln wiſſenſchaftlich be- 
qriindet, von der praftifden (numerif den) A. 
der Rechenfunft jdlechthin, die nur das Rechnen wat 
bejtimmten, in Biffern gefdriebenen Sablen pflect. 
Politifde U. nennt man zuweilen die Anwendung 
der U. auf die in Der Staatsverwaltung vorfommen 





| ben Verhaltnijje, Sterblidfeit, Statijtif, Lotterien 


| Schuldentilqung rc., dod) gehören dieſe Aufgaben mete 
in das Gebiet der Wahrſcheinlichkeitsrechnung. Bel. 
M. Cantor, Politiſche A. (Leip;. 1898) und das gleic 
| fautende Wert von Sdlimbad (Frankf. a. Me. 1902). 
Das älteſte Rechenbuch, das wir fennen, ijt das daqup- 
tiſche des Ahmes von 2000 v. Chr.; es rechnet ſchoa 
mit Brüchen. Die alten Griechen verjtanden unter A 
mehr das, was wir Zablentheorie nennen, die eigen? 
lidhe Zablenredenfunft hieß Logiftif und war (be 
ſonders die Divijion) wegen der Mangelhaftigkeit ibrer 
Zahlenbezeichnungen höchſt geitraubend. Ihr Wiſſen 
von der A. ijt im 7., 8. und 9. Buche der Elemente 
Cullids enthalten. Etwa wm 100 n. Chr. ijt die A des 
Nifomados von Geraja gu fepen, in das 4. Jobers 
n. Chr. fallen die »Yirithmetifas des Diophant, der, 
weit iiber feine Vorgäãnger hinausgebend, vielleicht dem 
YWbendland ſchon indifdes Wijfen iibermittelie. Sche 
friih war die U. bei Den Indern entwidelt, denen wir 
die Erfindung der Null (0) und der dezimalen Sehreid- 
weife der Zahlen verdanfen. Durch Vermittelung der 
Uraber fam dieſes Zahlenfyftem nad dem Abendland 
und wurde bier um 1200 hauptiidlid durch Leonardo 
Fibonacci allgemeiner befannt. Nunmehr entwidelie 
ſich allmablic) die Kunſt des Zahlenrechnens. Qor- 
danus Nemorarius oder Garo, Ordensqeneral der 
Dominifaner, ſchrieb cin Werf fiber U., das 1496 umd 
dann 1514 gedrudt wurde. Im 15. Jahrh. erſchien 
die *Summas« von Luca Bacioli, das erjte Lehrbuch 
der Ulgebra. Wus dem 16. Jahrh. ſtammt das lange 
geſchätzte Rechenbuch des nod heute ſprichwörtlichen 
Adam Riefe. Wn das 16. Jahrh. fallt die Erfindung 
der Desimalbrudrednung durd Stevin und dea 
Schweiger Joſt Biirgi. Im 17. Qabrh. verbreitete 
ſich Durd) die Englander Reper und Briggs die Loga- 
rithmenrechnung. Anderſeiſs entwidelte ſich auch 
theoretijde U., die in Newtons » Arithmetica univer- 
salis« 1707 eine fiir lange Zeit qrundleqende Darſiel 
lung erbielt. Die Zablentheorie als befonderer Zweig 
der VU. ward durd) Fermat begriindet umd durch Euler, 
Legendre, befonders aber durch Gauk zur Bliite ge- 
bradt. Bal. M. Cantor, Vorlefungen ůber Geſchichte 
Der Wathematif (Leipz. 1894 —1901, 3 Bde.). 





Arithmetiſche Reihe — Arfade. 769 


ee —** ſ. Reihen. 24,233. Die Weißen find großenteils ſpaniſch redende 
etiſche Zeichen, ſMaihematiſche Feichen. »Mexifaner<. Schulen gab es 1898: 227, Schul⸗ 
mogriph (griech.), Sablenratfel. finder 15,898. Die Sahl der Zeitungen beträgt 54. 
maton e (griech.), Lehre von den Zahlen. Das —— Eigentum hat (1899) cinen Wert von 

Arithmomantie (griech.) Wahrſagung aus Zah- | 31,5 Will. Doll., die Sffeniliden Cinnahmen belau- 

Arithmometer , |. Rechenmajdinen. ſlen. | fem fic) auf 19,900 Doll., die öffentliche Schuld auf 

Ari Thorgilsfon, der Vater der isländiſchen Li- | 885,758 Doll. Den Statthalter und die Oberbeamten 
teratur, qeb. 1067, gejt. 1148, war der erjte Islander, | fowie die Richter des oberjten Geridjtshofs ernennt 
ber die Mutterſprache su hijtorijden Aufzeichnungen der Unionsprafident. Der Geſetzgebende Körper be- 
benutzte; Dod) ijt uns nur ein Werf von ihm erhalten, | fteht aus einem Rat von 12 und einem Haufe von 
bie fogen. » Islendingabok « (»Libellus Islandorum«), | 24 Mitgliedern. Zum Unionskongreß entjendet A. 
welde die Geſchichte Islands von der VBefiedelung an | einen Delegierten. Die Territorialmilis zählt 898 
(um 870) bis 1120 fur; erzählt, mit befonderer Be- | Mann. AW. zerfällt in 13 Grafſchaften und uümſſchließt 
rildfidtiqung der Verfajjungs- und Rirdengejdidte | aud) die großen Jndianerrejervationen der Navajo-, 
(vollendet zwiſchen 1134 und 1138). Cin Glteres | Moqui-, San Carlos-Indianer u. a. Haupiſtadt ijt 
Bud), das denjelben Stoff ausfiihrlider behandelte, | Phönix. — Das Land, 1687 durd) die Jeſuiten von 
i;t verloren, doch find Teile desjelben in andre Werke | Sonora aus entdedi, war fdon zu Anfang des 18. 
(»Landnamabok«, »Noregs Konungasogur«) auf: | Sabrh. mit zahlreichen Uderbauanfiedelungen (bejon- 
enommen. Wusgaben der »Islendingabok« lieferten | devs im Tal de3 Rio Gila, am Rio Verde, am Sa- 
— Mibius (Leipz. 1869), Finnur Joͤnsſon (Kopenh. linas) bedeckt und mit ausgedehnten Bewäſſerungs- 


2 


1887), W. Golther (Halle 1892) u. a. fanalen verjeben, bis cin Krieg der Wpatidyen gegen 
Arius (griech. Ureios), Stifter der Urianer, f. | die Spanier das Land faſt gänzlich wüſt legte. 1848 
Arianiſcher Streit. mit New Mexico an die Vereinigten Staaten abgetre- 


Arizona (Abkürzung Ariz.), Territorium der | ten, ward es 1863 als Territorium organifiert. Bgl. 
nordamerifan. Union (jf. Karte » Vereinigte Staaten«), | Cozzens, A. and New Mexico (8. Aufl. Bojton 1890); 
zwiſchen 31 und 37° nördl. Br., 109° und 114° 40’ | Hinton, Handbook to A. (San Francisco 1878); 
weſtl. &., —— von Kalifornien, Nevada, Utah, H. vom Rath, Arizona (Heidelb. 1885); H. Ban— 
Rew Mexieo und dem mexilaniſchen Staate Sonora, | croft, History of A.and New Mexico (San Francisco 
292,710 qkm grog und 1863 organifiert. Als Teil | 1889); Bandelier, History of the southwestern 
De3 nordamerifanijden Rordillerengebictes ijt es im | portion of the United Staates (Cambridge 1891). 
RD. ein 1500—2200 m hohes Tafelland, von tiefen| Ark. , Abkürzung fiir den Staat Arkanſas. 
Cañonſchluchten (»Grand Cajion« des Colorado, Ca: | Arkade(v. lat.arcus, »Bogen«), ein durd) mehrere 
ron des Kleinen Colorado, Cation Diablo) durd)- | aneinander oder hintereinander gereibte, auf Saulen, 
furdt und von vulfanijden Bergmaſſen iibertiirmt | Pfeilern oder Saulen und Pfeilern rubende Bogen: 
(San Francisco Mountains 3825 m); im SO. aber | jtellungen gebildeter Gang, der wenigitens nad emer 
ein Stufenland von 300—800 m Habe, in das breite | Längsſeite geöffnet ijt. Wrtaden fommen fdjon in den 
Lalbeden cingreifen (Gila-, Salt River-, Berdetal). | Tempeln und Paläſten der alten Ägypter und in der 
Das Klima ijt wiijtenbaft, nur die höhern Teile (Co- | altindijden Baukunſt vor, weil der Orient vor der 
coninoplateau, White Mountains) haben geniigende | Sonne geſchützte Räume im Freien verlangt. Grie- 
MNiederjdlagsmengen fiir Waldwuds (Gelbfiefern, | hen und Romer gaben ihnen dic weiteſte Anwendung; 
»Redern«). Qulitemperaturen von 50° fommen im die öffentlichen Plage fiir Volfsverjanumlungen und 
SB. vielfad vor, ebenfo im RO. aber Januartem- | Spiele, die Orte, wo ihre Philofophen lehrten, Stra- 
peraturen von — 30°. Ungeheure Streden tragen | fen und Märkte waren haujig mit Bogengdngen unt- 
Daher nur niedriges Gejtriipp von Beifuß, Kreoſot, geben. Die Renaijjance in Italien hat das Arkaden— 
Mormonentee, Opuntien, Puccas, und der Landbau | motiv am weitejten ausgebildet und in den Städten 
fobnt aud) auf dem frudjtbaren Ulluvialboden nur | fo eingebiirgert, daß ſüdlich Der Ulpen fajt jede grö— 
bei —— Bewäſſerung, die neuerdings am Salt | here Stadt einen von Arkaden umſchloſſenen Plats 
River betradtliden Umfang gewonnen hat. 1899 | oder eine Straße mit Bogengängen hat (Hauptbet- 
wurden von 2981 Farmern 74,120 Heftar beriefelt, | fpiel: der Marfusplag in Venediq). Bon Italien ver- 
bavon 1375 Heftar fiir Objt- und Siidfrudt- (aud breitete fic) Die Unwendung der Arladen weiter in dad 
Dliven« und Dattel-)bau und 275 Heftar fiir Wein. | ndrdlidhe Europa. Die größten modernen Anlagen 
Der Weizenbau erjeugte 1900 auf 25,045 Heftar | diefer Art find das Palais Royal und die Rue Rivoli 
365,657 Bufhels. Narnbatter ijt die Viehzucht, und in Paris. Die altdrijtlide Baufunjt trennte das 
Pferde zählte man 1899: 125,063, Maultiere und | Hauptidiff der Bafilifen von ihren Seitenidiffen durd 
Ejel 8702, Rinder 742,635, Schafe 861,761, Biegen | Urfaden (ſ. Tafel -Bauſtile I<, Fig. 17), das Mittel- 
98,403, Schweine 18,103. Der Hauptreidtum beruht alter erweiterte im romaniſchen Stil fie bereits sum 
aber in den Mineralfdagen, vor allem in dem Gebiete | Kreuz qgang(f.d.); die Gotik wie der romanijde und 
des Rio Berde. 1899 forderte A. nidjt weniger als ſchon der römiſche Stil fennt jie aud in fleinerm Maß— 
57 Mill. kg Kupfer und fiir 4,6 Mill. Doll. Edel- | jtab als arditeftonijdhes Ornament. Wenn Bogen 
ntetall, während e3 bis 1898 fiir 8,9 Mill. Doll. Gold | und Stützen zu deforativen Zwecken unmittelbar an 
und für 14,1 Mill. Doll. Silber sur Miinge gefiihrt | cine Mauer angelehnt werden, entiteht die Blend- 
hatte. Auch Blei, Eiſenerz, Kohle, Petroleum, Chal- | arfade, die befonders in der mauriſchen Baukunſt 
cedon finden ſich. Die Siidpacific- u. Santa Fé-Bahn ſehr beliebt war (ſ. Tafel »Banftile I<, Fig. 12). In 
durchziehen das Gebiet mit 2325 km Eijenbahnlinien. | der Stadtearchiteftur des Mittelalters findet man fie 
Die Bevilferung belief fid) 1870 nur auf 9658 | als Laube (f. d.) im Parterregeſchoß der Haujer von 
Seelen, 1890 aber auf 59,620 und 1900 auf 122,961 Städten wie Braunfdweig und Vern ausgebildet und 
(71,795 méannlide, 51,166 weiblide). Indianer | namentlid vor Rathaufern, wie in Bremen und Köln 
qab es 1900 nod) 26,480, darunter 1836 ziviliſierte, (ſogen. Ratslauben), und andern öffentlichen Gebäu— 
Chinefen 1419, Neger 1848, im Ausland Geborne | den (ſ. Tafel »Architeltur IX-, Fig.5; Tafel X, Fig.5, 

Meyers Kony. Lerifon, 6. Aufl., L Bb. 49 





770 


und XI, Fig. 2 u. 5). Befonder3 mannigfaltig ijt die 
Urfadenarditeftur im maurifden Stil (Whambra) 
ausgebildet. Yn Prachtgebäuden werden die durch die | 
Pilajter auf der innern Mauerfläche qebildeten Niſchen⸗ 
räume mit Maleret vergiert; dad ſchönſte Beifpiel ciner 
folden Deforation aus neuejter Zeit find die Arkaden 
des Hofgartens in Miinden. (S. Tafel » WUrditefturV <, 
Fig. 1, 11 u. 12; Tafel VI, Fig. 1; Tafel VIL, Fig. 1). 

rfadenmauern (frenelierte Bogen- 
mauern), frei ſtehende Mauern mit Sdiefidarten 
und überwölbten Strebepfeilern. 

Wrfadien, das von den Didhtern hochgefeierte 
Hirten- und Sdiferland in der Witte des Pelopon— 
nes, ein in ſich und gegen außen abgeſchloſſenes Hoch— 
land, die natiirliche — der Halbinjel (ſ. Karte 
Alt⸗Griechenland⸗«). Yim höchſten ſteigen die A. ein⸗ 
ſchließenden Gebirge im N. auf, wo der Kyllene (jest 
Zyria) 2374 m Hobe erreicht. Wn ihn ſchließt ſich 
weſtlich das Aroaniſche Gebirge (Chelmos 2355 m), 
dann der Erymanthos (Olonos 2224 m). Weniger 

och ſind die Gebirge an der Oſtgrenze, die nur eine 
döhe von 1400 — 1800m erreichen, wahrend die Päſſe 
800 m nicht viel überſchreiten. Darum war und ijt | 
der Verfehr nad) O. viel bedeutender als nad N. Jn 
dieſer Kette liegt, ſchon auf lafonifdem Gebicte, der | 
1937 m hohe “ill (Malevos), deffen Ramen man | 
auf die gange Rette iibertragen hat. Bon S. und be- | 
fonders von W. her ijt W. leicht zugünglich, denn nad | 
W. bahnen fic die Gewäſſer Urfadiens, im Wipheins | 
(jest Ruphias) vereinigt, ihren Weg jum Sigilijden | 
Meer. Auf artadifdem Gebiet entipringen aud der | 
Eurotas, der Hauptfluß Lafoniens, und der Reda im 
SW. Das Innere Urfadiens ijt cin wechſelndes Berg- 
und Talland, unter deſſen Erhebungen der 1981 m 
hohe Mänalos (Hagios Ilias) die bedentendfte ijt. Jn 
Siidarfadien befindet fich ein fruchtbares Becken (alter 
Seeboden), wo alle Feldfriidte, Wein und Oliven in 
Fülle qedeihen. Die von der Oftfette Herabfommen- 
den Bache haben die Cigentiimlidfeit, daß fie im Früh— 
jabr oft pliglid das Land überſchwemmen, im Gom- 
mer aber in Ratabothren (unterirdifden Höhlen) ver- 
ſchwinden, aus denen fie mitunter nad meilenlangem 
Lauf pliglich wieder hervorbreden. Größere Seen 
hat U. nur zwei, der von Pheneos (PHonia) und den 
von Stymphalog, der in der Heraflesfage eine Rolle 
fpielt, beide im NO. Gm Altertum waren fie zur 
Winterzeit mit Waffer angefitllt, im Sommer wurde 
ibr Grund bebaut; auch nod) heute kommt ¢3 vor, dak 
Fiſcher und Uderbauer hier mit ibrer Urbeit wechſeln, 
je nachdem Erdbeben die unterirdifden Abzüge ver- 
dämmen oder fie frei maden. Die griechiſchen Be— 
wohner des alten A. waren äoliſchen Stammes, 
Hirten und ager, daber Kan, der Hirtengott, und 
Artemis von ihnen befonders verehrt wurden. Der 
Name des erjten Königs, Elatos, ded Fichtenheros, 
deutet auf die ausgedehnten wildreiden Walder des 
Landes. Die YUrfadier waren von urfriftiger Natur, 
in Sitter und Gewohnheiten einfad) und gentigfam, 
gaſtfrei und freiheitsliebend, aber ziemlich derb und 
ungivilifiert. Die Mufit pflegten fie wie fein andrer 

riedhifdher Stamm. Als Folge der Ubervilferung 
es Landes, Dad feine ciqnen Kolonien wie die andern 

riechiſchen Staaten ausfandte, finden wir bei den 
Arkadiern, ähnlich wie bei andern Gebirgsvöllkern, die 
Ubung des »Heislanfens«. Wher die alte unverdor- 
bene Sitte und mit ibr Kraft, Wohlſein und Frohſinn 
erhielten fid) und herrſchten nod) in A. ald dad übrige 
Griechenland bereits moralifd) untergeqangen war. 
So fam es, daß die Dichter A. als das Land der Un— | 








Arfadenmauern — Arfadier. 


ſchuld und des ftillen Friedens priefen, nur daß der 
moderne Begriff von arladiſchen Schäfern⸗ dem 
wabren Wejen de3 Bolfes fehr wenig entipridjt. Die 
bedeutendſten Gemeinwefen des alten UW. finden wir 
in den Becenebenen des Ojtens, fo das reiche ariito 
kratiſche Tegea (f.d.), die demotratiſche Handelsſtadt 
Mantineia(ſ. d.) ferner Stymphalos, Pheneos 
(j. d.) und Kleitor (f. d.). Im W. war die einzige 
widtigere Stadt Oerda (jf. d.). Das Zentrum tit 
ohne hiſtoriſches Intereſſe und war nur von Dorie 
beſetzt. Sm obern, frucdtbaren Ulpheiostal qriindeten 
die Thebaner ſpäter die Bundedsjtadt Meqalopolis. 
Die Urfadier zählten gu den altejten Bolfern Gre. 
chenlands, wofiir aud ihr Dialeft fpridt. Paujanias 
nennt fie Uutodthonen, andre Scbriftiteller macben 
fie foqar ju Brofelenen, d. h. alter als der Mond 
Als erjter arfadifder König gilt Pelasgos. Bei der 
Dorifden Banderung bebauptten Die Virfadser 
ihre Unabbaingigfeit. Der Verrat ihres Königs Ariſto 
frates an den Mejjeniern in dem zweiten Krieg war 
die Veranlaſſung zum Sturz de3 Königtums fiber: 
haupt. A. zerfiel jetzt in eine Menge kleiner Fre 
ſtaaten, die alle, nur durch cape ng Kulte miter 
ander verbunden, voran die beiden bedeutenditen, 
Tegea und Mantineia, eiferfiidtiq eimander oe 
genitberftanden und fid) dDadurd zur Unterordrune 
unter die Hegemonie Spartas gendtiqt faber (wm 550). 
Die Gegner Spartas, namentlid Uitibiades, verind- 
ten, die arkadiſchen Städte gu einem peloponneiiicden 
Gegenbund zu vereinigen, dod) endete dieſe Politi? 
zunächſt meijt mit Wiederherjtellumg des Mbergemicté 
von Sparta und mit der Zerſtörun dRantineias (385), 
die überſchüſſige Bevilferung fand in der Fremde als 
Söldner Verwendung. Cinen Umſchwung fibres 
die Siege des Epameinondas herbei ; Durch einen Sy 
noifismos wurde 370 Megalopolis geqritndet und jt 
artadifden Hauptitadt gemacht Indeſſen batten de 
Verſuche, eine politijde Machtitellung Urfadiens w 
beqriinden, feinen Dauernden Erfolg. Die Feindidert 
mit Sparta dauerte fort; auc) die anfängliche Parte: 
nabme für Mafedonien unter Philipp bradte VW wer 
eringen Borteil. Später zerfiel es wieder tn Neinert 
Staaten, die 3. T. im Achäiſchen, 3. T. im Atoliſchen 
Bund, 3. T. in Makedonien ihren Rückhalt ſuchten 
bis es 146 in die Hinde der Rimer fiel. Im Mitel 
alter wanderten Slawen und Albaneſen ein. Be! 
Swab, Urfadien (Stuttg. 1852); Jmmerwade 
Die arfadifden Kulte (Leip;. 1891). — Gegenwartig 
bildet UW. cinen Nom 08 ded Königreichs Griecheniand, 
der 4301 qkm mit (1896) 167,092 Cimw.(39 auf 1 qkm) 
umfagt. Er zerfällt in vier Epardien. Hauptited 
ijt Tripolis. 
dier (arfadifdhe UAfademie, Accademia 
degli Arcadi, fur; Arcadia genannt), poetifd-titera- 
riſche Gefellidaft in Rom, 1690 von dem Literar- 
bijtorifer Crescimbeni und dem Rrititer Gravma yr 
Vefimpfung des verderbten didterifdhen Beidmarcte 
qeqriindet, hatte Gefepe nad Dem Muſter der alt 
römiſchen zwölf Tafeln und fiibrte die mit emem 
Lorbeer- und Fichtenzweig umwundene Syrmnr (Hir- 
tenflite) im Wappen. Dore Mitglieder trugen all- 
griechiſche Schifernamen. Die Gejellfdhaft Hielt jahr 
lid fieben Hauptverfammlungen; ihre Ara war dic 
Olympiadenredhnung; die Olympifdhen Spiele wur 
den alle 4 Jahre als literarifdhes Feſt qefetert, wobe 
jugleid) die neue Präſidentenwahl ftattfand. Die Vr- 
fadia, die bald an vielen Orien »olonien« griindete, 
hat in der erften Zeit ihres Beftehens auf die ttalrem- 
ſche Literatur ſehr wohltätig eingewirft. Sie befteb: 


Arkandisziplin 


übrigens noch jetzt und gibt eine Monatsſchrift, das 
»Giornale arcadico⸗, heraus. Vgl. Carini, L'Ar- 
cadia dal 1690 al 1890« (Rom 1891). 

Urfandissiplin, j. Arcani disciplina. 

Arfanift, friiher cin Chemifer, der in mbduftriel- 
len Betrieben allein mit den Geheimniffen der Fabri- 
fation ꝛc. vertraut war. 

Arkanſas, nächſt Ohio und Miffouri der größte 
Nebenfluß des Miſſiſſippi, entquillt der Sawalchkette 
des Felſengebirges (3600 m ii. M.), durchfließt exit 
in ſüdlicher, Dann in öſtlicher und ſüdöſtlicher Haupt: 
ridjtung, 3. T. in ttefen Cañonſchluchten (Royal 
Gorge), Colorado, Kanſas, Oflaboma, das Jndianer- 
territorium und den Staat A. (f. unten), vom rechts 
verſtärkt Durd) den Cimarron und Canadian, von 
linfs durch Den Neoſho, und mündet, vereinigt mit dem 
White River, oberhalb Arkanſas City in den Miſſiſ— 
fippi. 2410 km lang und mit 469,390 qkm Strom- 
gebict, ijt er bis Fort Smith (690 km) qut, bis Wi- 
dita vieler Untiefen halber nur ſchlecht ſchiffbar. Nod 
weiter aufwarts trodnet er im Sommer auf weite 
Streden aus, befonders feit man in Colorado fein 
Wafer in großem Umfange zur sg ges benutzt. 

Arkanſas (gekürzt Ark.), einer der Südſtaaten 
Der nordamerifanijden Union (ſ. Karte »Vereinigte 
Staaten«), 139,466 qkm grok, zwiſchen 33 und 36° 
B80’ nördl. Br. und 84° 45‘ und 94° 40’ weftl. L., am 
rechten Miſſiſſippiufer, umgrenzt von Teras, dem 





Yndianerterritorium, Miſſouri, Tenneſſee, Miſſiſſippi 


u. Louiſiana und vom re paar Strom (f. oben) 
quer durchfloſſen. Im O. ijt es em fumpf- und feen- 
reidjes, alluviales Niederland, das vom Miffiffippi 
und ſeinen Nebenflilſſen alljährlich weithin iberflutet 
wird, im W. dageqen durd) das von Miſſouri her— 
iibergreifende Djarigebirge teils ſtark welligqes Hiigel- 
fand, teils wirflidjes Bergland (Poteau Mountain 
850 m) und voriviegend aus Schichten der Rreide- 
und Steinfohlenformation zuſammengeſetzt fowie reid 
an Roble, Cijen-, Mangan- und Zinkerz. Als gute 
Schiffahrtsſtraßen bieten fic) auker Miſſiſſippi und 
Arkanſas namentlid) nod White, Francis, Waſhita 
und Red River. Das Klima gilt im höhern Lande 
fiir geſund, in den Niederungen herrſchen Malaria- 
fieber. Die Sommer find lang und heiß, die Winter 
gientlich falt. In Little Rod jteigt die Julitemperatur 
Bfters fiber 40°, wahrend im Januar und Februar 
—25° und an andern Orten fogar —33° verzeichnet 
worden find. Die Reqenhihe carves zwiſchen 1000 
und 1500 mm. Die Bevdlferungsjzahl betrug 1890: 
1,128,179, 1900: 1,311,564 (davon 675,312 mann- 
lich, 636,252 weiblich; 944,580 BWeike, 366,865 Far⸗ 
bige, 66 Jndianer, 62 Chinefen), die gba a 
Didte 9,4 auf 1 qkm. In (4) Stadten von iiber 
4000 Cinw. wohnen nur 5,4 Broz. der Gejamtbevil- 
ferung. Jn verjdicdenen Grafidaften der Riederung 
find Die Neger in groker Uberjzahl. Höhere Schulen 
gab es 1899: 7, mit 99 Lehrern, 1532 Ziglingen, 
110,722 Doll. Cinfommen und 24,718 Bibliothet- 
biinden ; Schullinder 296,785 (76,049 Farbige); Zei- 
tungen 257. 1890 waren 75 Prog. der Farbigen und 
25 Broz. der Weißen Analphabeten. W. ijt im here 
vorragenbder Weiſe cin Ucerbau- und Waldjtaat. Wm 
widtigiten ijt Die Baumwollkultur, die 1899 auf 
750,600 Heftar 919,469 Ballen erntete, und die Mais⸗ 
fultur (1900 von 952,000 Heftar 45,225,947 Buſhels). 
Der Unbau von Weizen (1900: 106,000 Hettar und 
2,689,418 Buſhels) und Hafer (127,000 Hektar und 
7,038,665 Buſhels) tritt wie in andern Gitdjtaaten 
zurück. Der Batatenbau (1890: 7800 Heftar und 


| 8,671,782, die 





— Arkebuſade. 771 


1,822,960 Buſhels) ijt bedeutender als der Kartoffel⸗ 
bau (1890: 5800 Hektar und 1,213,872 Buſhels). 
Die Tabak-, Pfirſich- und ECrdbeerenfultur ijt nam- 
haft. Etwa 60 Broz. der Fläche ijt nod) mit Wald be- 
deckt, Der in Den Riederungen namentlid) aus Sumpf- 
zypreſſen, Rotzedern, Tupelos, im iibrigen aus Ciden, 
Riefern, Hicory- und Walnußbäumen, Robinien, 
Eſchen, Kappeln, Wildfirfchen, Safjafras beſteht. Un 
Bieh zählte man 1899: 234,127 Pferde, 142,594 
Maultiere, 419,422 Rinder, 108,957 Schafe und (seo) 
2,197,837 Schweine. Der Vergbau ijt nod) nicht ſehe 
entiwidelt, die Rohlenfirderung jtieq aber 1882.—99 
von 50,000 quf 913,743 Ton. Berühmt find die 
Wetz- oder Oljteinbriide am obern Wajhita. Ym 
Ozarkgebirge haben an verjdiedenen Orten Mineral— 
quellen beſuchte Rurorte ins Leben gerufen (Hot 
Springs, Eurefa Springs). Die Sägemühlenindu— 
jtrie lieferte 1900 fiir 23,959,983 Doll. Brodutte. 
Eiſenbahnen gab es 1899: 5036 km. Nach der Ver~ 
fajfung von 1868 liegt die Geſetzgebung in den 
Hiinden cines Senats von 32 und eines Repriijen- 
tantenhaujes von 100 Mitgliedern, erjtere auf 4, 
legiere auf 2 Jahre gewählt. Der Gouverneur und 
die übrigen Staatsbeamten werden auf 2, die Richter 
auf 8 Jahre vom Volfe gewählt. Bum Kongreß ent- 
fendet der Staat 6 Ubgeordnete; bei der Wahl des 
Bundesprajidenten hat er 8 Stimmen. Der Wert de3 
jteuerbaren Cigentums betrug 1899; 190 Mill. Doll, 
die Staatsausgaben 1,387,887, die Staatsjdjuld (190) 

Schuld der Grafidaften 1,553,588 Doll. 
Eingeteilt wird UW. in 75 Grafſchaften; Hauptitadt 
ijt Little Rod. — UW. hat feinen Namen von cinem 
Yndianerjtamm. Die erjte Unfiedelung wurde hier 
1685 von franzöſiſchen Ranadiern gebildet ; 1803 fiel 
U. mit Lounifiana an die Vereinigten Staaten von 
Nordamerifa und wurde 1836 als Staat aufgenour- 
men. 1861 trat es der Konföderation der Siidjtaaten 
bet; aber 10. Sept. 1863 wurde Little Rod von den 
Unionstruppen beſetzt. Seit 1868 bildet es wiederum 
einen vollberechtigten Beſtandteil der Union. 

Arkanſas City, 1) Stadt imnordamerifan. Staat 
Kanſas, Grafichaft Cowley, am Arkanſasfluß, Bahn- 
fnotenpuntt, mit 900) 6140 Einw. — 2) Stadt in 
Artkanſas, Grafidaft Defha, am Miſſiſſippi unter- 
halb der Urfanjasmiindung, mit Eifenbahnilbergang, 
Baumwollverſchiffung und (1900) 1091 Einw. 

Mrfanfas PBoft, Ort im nordamerifan. Staat 
Urtanfas, am Urfanjasflug, 80 km vow Miſſiſſippi, 
1685 von den Franjzofen geqriindet. Im Bürger— 
friege wurde das von den Konföderierten erridtete 
Fort durch den Unionsgeneral Mac Clellan 11. Yan. 
1863 erjtitrmt und der fiidjtaatlidje General Churdill 
mit 5000 Mann gefangen genommen. 

Arkanſasſchalen, ſ. Schleifſteine. 

Arkanſit, Mineral, ſ. Broolit. 

Arfas, Stammheros der Arkadier, Sohn des Zeus 
und der Sallijto (ſ. d.), traf auf der Jagd feine in 
cine Barin verwandelte Mutter und verfolgte fie bis 
in den Tempel des Beus Lykäos. Da nun beide nad 
arkadiſchem Geſetz getötet werden ſollten, verſetzte ſie 
Reus unter die Sterne, und zwar A. als Arkturos 
oder Urttophylar (⸗Bärenhüter«). 

Arfebujade (Schußwaſſer, Wundwaſſer, 
Aqua vulneraria spirituosa), über Pfefferminze, 
Rosmarin, Raute, Salbei, Abſinth und Lavendel ab- 
gezogener Weingeiſt, altes Verbandwaſſer. Thedens 
Schule oder Wundwaſſer (Mixtura vulnerariaacida) 
bejteht aus 4 Teilen Weingeift, 1 Teil verdünnter 
Schwefelſäure und 1 Teil Sucter. 

49* 


772 


Arfebufe(Urquebufe, fpr.arreip), eine Rateten- 
boljen ſchießende Urmbrujt, häufig joviel wie Hafen- 
büchſe (niederlind. haakbuse, wallon. harkibuse, 
franzöſiert arquebuse), wird fdon Anfang des 15. 
Jahrh. als Waffe des Fußvolls (Arkebuſiere) ge 
nannt. Mitte des 16. Jabrh. wurde die U. vom Her- 
30g Alba in den Niederlanden, ebenſo bei den Argou— 
lets (j. dD.) alS Reiterwajfe von 1—1,3 m Lange, die 
Kugeln von 29 g ſchoß, eingefiihrt. Sie hatte zuvor 
ein Radſchloß erhalten und eine Stange mit Ring, 
in den cin Federhaken (Rarabinerhafen) des Bande- 
lier8 eingehalt wurde. 

Arfebufieren, foviel wie erſchießen. 

MArefilaos (Arkeſilas), Philofoph, Stifter der 
fogen. mittlern Alademie, geb. unt 316 v. Wor. 3u 
Witane in Wolien, gejt. 241, jtudierte in Uthen zuerſt 
b:i Theophraſtos, dann bei dem Alademiler Rote. 


nion Philoſophie und ward nad) dem Tobe des rae | 


te3 deſſen Nadfolger auf dem Lehrſtuhl der Alademie 
(um 280). Dit ibm beginnt die fteptijde Cpode der 
WU‘ademifer. Er verwarf nämlich die Möglichkeit eines 
philofopbhijden Wifjens iiberhaupt und gab Wahr— 
ſcheinlichleit in höherm oder geringerm Grade gu, die 
ihm auch die Norm fiir das praftijde Verbalten war. 

Arkeſilasſchale, cin beriihmtes kyreniſches Ge- 
ſäß aus der Zeit von 640—450 v. Chr., in Bulci 
(Stalien) gefunden und jest im Cabinet des Médail- 
les in Baris befindlich, enthalt im Innern cin Bild, 
das den Konig Arkeſilas (wahrſcheinlich IL.) auf einem 
Schiff im Hafen von Kyrene zeigt, wie er das Ab— 
wägen und Berfradten von Silphium (ſ. d.) beauf- 
ſichtigt. Der Vajenmaler hat ſich bejtrebt, ein genaues 
ethnographijdes und hiſtoriſches Dolument nut feinen 
Mitteln gu liefern. 

Arkiko (Writ, nach d'abbadie Harqiqaw), gro- 
hes Dorf nit gegen 1000 Cinw. in der ital. Kolonie 
(Eritrea, an der Urfifobudt des Roten Meeres, 
12 km fiidlid) von Mafjaua, mit fleinem, von den 
Agyptern erridjtetem Fort und ttalienifder ——— 
Reſidenz des von den Ägyptern depoſſedierten Naib, 
der von Dem Fiihrer einer hier unter Selim I. be- 
qriindeten Bosniafenfolonie abſtammen foll. 

Arklow (ipr. arto), Seejtadt in der iriſchen Graf- 
ſchaft Widlow, an der Miindung des vielbefudten 
Uvocatals, mit fleinem Hafen, Mujterns und Herings. 
fifcheret und (ise1) 4172 Cimw. 

Arfona, Vorgebirge auf der preuß. Inſel Rügen, 
bie nördlichſte Spige Der Halbinjel Wittow, bildet einen 
46m fiber der Ojtice emporragenden Rveidefelfen. Auf 
der Spige cin 24 m hoher Leudtturm (im Umriß von 
Schinkel entworfen). Hier ftand cinft die qleidmamige 


Belting (flaw. Urfan) und der Tempel des Swan- 
tewit, das größte Heiliqtum der norddeutiden Sla- 


wen. WIS ein Heit der Burg, die 1168 vom Konig 
Waldemar I. von Dänemark erobert und zerſtört ward, 
qilt der fogen. Burgring, cin 18—26 m hoher Wall 
auf der Landfeite des Vorgebirges. 

Arkoſchmelzen, ſ. Meſſing. 

Arkoſe, feldſpatreicher Sandſtein, z. T. gebildet 
aus Granitgrus (regenerierter Granit), nut to— 
nigem oder kieſeligem Bindemittel, findet ſich vielfach 
im Karbon, Rotliegenden, Buntſandſtein ꝛc. 

Arktatoriſche Ladung, ſ. Ladung. 

Arktiker, ſ. Hyperboreer. 

Arktiſch (qried).), was zu den am nördlichen Him— 


mel ſtehenden Sternbildern des Bären (Arktos) ge | 


hört, dann ſoviel wie nördlich, in der Nähe des Nord— 
pols liegend. Arktiſches Meer, Nördliches Eismeer; 
arktiſche Sone, nördliche falte Sone der Erde. 


Arfebufe — Arktiſche Zirfumpolarregion. 


martes una, ſ. Arktiſche Zirfumpolarregion. 
Arktiſche Flora, die Pflanzenwelt der rings um 
den Nordpol gelegenen Lander und Inſeln, deren 
Jahresmittel 3. T. unter —16° liegt. Südwärts bu 
det die Baumgrenge den Abſchluß des Gebietes. Die 
Vegetationszeit beginnt etwa im Juni und erreicht 
bereits im Auguſt ihren Abſchluß. Die nördlichen 
Flachländer Sibiriens und des ndrdliden Umerits 
tragen vorwiegend cine aus Fledjten oder Moojen 
gebildete, nur bier und da von Halbjtraucern und 
| Stauden unterbrodene, artenarme Pflanzendede 
(Tundra). Die Vegetation von Nordfibtrien beitett 
| an trodnern Stellen aus Moospolſtern (Polytricham) 
mit eingemijdten Wollgrajern (Eriophorum) und 
| Blumenfleden von Dryas oder Cassiope; an nafiea 
| Stellen herrſchen Torfmooje (Sphagnum) vor; mur 
| die Abhänge find mit einer farbenprächtigen Flore 
geſchmückt. Auch das ndrdlide Alaska ijt fumpriges 
Moorland, das fiidlid) vom Bolarfreije von cane 
Gebüſchgürtel umidlofjen wird. Auf Spigberger, 
deſſen Flora ca. 120 Arten zählt, läßt fich eine Strand. 
Sumpf- und Mattenformation unterfdeiden; de 
Erilazeenſträucher, die fonjt in der arftijden Hore 
eine große Rolle jpielen, find bier nur ſpärlich ver 
treten. Ahnliches gilt fiir Nowaja Semija (mit 1% 
Yrten), das aus dieſer Pflanzengruppe nur poi 
Vaccinium -Yrten beſitzt. Um reichhaltigſten tit he 
Vegetation Grinlands, wo zwiſchen 60 und 62° ndrdl 
Vr. Birkenbeſtände mit 4H—5 m hohen Stammen aui- 
treten, zwiſchen denen Büſche von Sorbus aucuparia, 
Griinerlen, Hwergwadolder und Weiden eingeitrent 
find. Nördlich vom 62.° wadien Arten von Sax- 
fraga, Dryas, Pedicularis, Cardamine, Campanala. 
Ranunculus, Silene, Polygonum u. a.; die Swerg 
birfe (Betula nana) beginnt bei etwa 62° ndrdi. Br 
und tritt weiter nordwarts mit zunehmender Haxiie- 
feit auf. Heiden mit zahlreichen Erifazeen geben aut 
Sandboden bis 73°; nod) unter 76° wurde Tor 
bildung und eine ausgeiprodene Moorjlora ( Andr- 
meda, Triglochin, Ledum, Vaccinium Oxycocees 
u. a.) beobadtet. Die der alpinen Flora abninhe 
Fieldformation entwidelt fic) an fteilern Berglebnen. 
auf fablen, von den Gletidern der Eiszeit abgeſchlme 
nen Felſen fowie auf den Gipfeln und Hodilades 
der Verge und nimmt den größten Teil der eisfreien 
Oberflaide von Grinland ein. 

Arktiſche Steppe, die Betidorijde Steppe ci. 
Petidora). 

Arktiſche Hirfumpolarregion (hierzu Tofei 
Arkliſche Fauna), tiergeographijde Region, weide 
die ndrdlidjten Teile der Ulten und Neuen Welt um— 
faßt und fiidlich bis sur Nordgrenge de3 Baunupudies 
reicht. Hu iby gehören auger den nördlichſten Tellen 
der Rontinente Europa, Wfien und Amerila and 
Grönland und alle Anjein des Nordlichen Eismeeres 
Der phyfitalijde Charafter dieſer Region ijt ein feb 
gleichmäßiger, und demgemäß find nur relat wemige 
Lierformen vorhanden. Nur wenige Pflanzenfreñer 
vermigen fid) nit der geringen Nahrung zu begnii 
qen, und infolgedefjen find aud) Die auf fie ange 
wiejenen Raubtiere wenig vertreten. Dieſe Trere 
jind bis auf Den Moſchusochſen jirfumpolar ver 
breitet, da Die im Winter paffierbare Beringitrafe 
cine Briide swifden Aſien und Amerila bildet und 
auferdem wohl aud eine Rommunifation durd Ber- 
ntittelung von Cismaffen jtattfindet. Die Saugetiere 
find nur durch zehn Lierarten vertreten, von denen 
ſieben ausſchließlich oder fajt ausſchließlich dieſer Re- 
| gion angehören, während drei aud in Dem nördlich 








Arktische 








& Walrall 9 Sewhur 10 Serotter " Gronlandswal 12 Narwal j vhuhn 4 Neotineeeule 
nn 11 Tordalk 18 Polarmeowe 


r 





Arftos — Arles. 


jten Teil der gemäßigten Bone ſich vorfinden. Die | 


zehn arftijden Tiere find: Renntier, Moſchusochs, 
zwei Urten Lemming, Schneehaſe, Eisbär, Blaufuds, 
Wolf, Vielfraß und Wieſel (Tafel, Fig. 1—7). Die 
fiidlidhe Verbreitungsgqrenje ijt fiir das Renntier die 
Südgrenze des Waldes, fiir Cisfuds, Lemming, Mo- 
ſchusochs, 3. T. auch fiir den Sdynechafen die Rord- 
renze ded Waldes, fiir Eisbär und 3. T. aud) fiir 
iSfud)3 die Grenze des Feſtlandes und die Südgrenze 
der Cisfdolle. Bon Bögeln gehiren eine Reibe a 
Brutvdgel der arftifden Zirfumpolarregion an, von 
denen wir Ciderente (Fig. 15 u. 16), Schnecammer, 


Lerdhenammer, Sdneehuhn, Schnee-Eule (Fig. 13 | 


u. 14) nennen. Spegiell dem Norden und demgemäß 
aie der arftifden Sirfumpolarregion gebiren an 

dwen (Fig. 18), Taudjer und Alken (Fig. 17), die 
meijt in großen Scharen auf einſamen Inſeln und 
am flippenreicen Ufer nijter, und deren Nahrung 
Tiere des Meeres bilden. Entfpredend der Pflangen- 
und Inſektenarmut ded Landes find Körner- und 
Anjettenfrejfer aujerordentlid) ſelten. Die meijten 
arftifdben Vogel ziehen während de3 Polarwinters 
weiter ſüdlich. Reptilien und Amphibien fehlen dem 
arttijden Zirfumpolargebict ganz, Molluslen und 
Inſekten fajt ganz. Das Meer ijt die Heimat gewal- 
tiger Seejdugetiere, wie des Grönlandwals (Fig. 11), 
Finnwals, Narwals (Fig. 12), und bejigt einen aller— 
dings Ddurd die jtindigen Berfolqungen immer 
mehr abnehmenden Reichtum an Robben (Walrok, 
Seebiir, Fig. 8 u. 9); aud) der foftbare Seeotter 
(Hig. 10) gehört diefer Region an. Von Fifden gehen 
bejonders Stockfiſcharten und der Eishai in die nörd— 
lichen WeereSreqionen; von niedern Tieren finden 
fic) charafterijtijde Urten von Kruſtern, Mollusken, 
Cilenteraten und Stadhelhiutern. Val. Ri mer und 
Sdaudinn, Fauna arctica (Ergebnijje der deut- 
fdjen Expedition 1898, Jena 1900 ff.). 

Arktos (qried., »Bärin«), Perfonijifation des 
Sternbildes des Grofen und des Kleinen Bären. Für 
erjteres galt die in eine Bärin verwandelte und von 


Beus unter die Sterne verfegte Kallijto (jf. d.), fiir | S 


letzteres die —— Kynoſura, die Zeus geſäugt 
hatte, oder die Nymphe Phönike, die, von Zeus ver— 


fiibrt, von Urtemis in cine Varin verwandelt wurde. | 
Erſteres Sternbild heißt auch der Wagen oder das | 


Siebengejtirn (Septentriones). 

Arftuation (lat.), bogenformige Krümmung. 

Arktũr, |. Urcturus. 

UArfuballifte, ſ. Armbruſt. 

Arkwright (or. art-cait), Sir Richard, Mechani- 
fer, geb. 23. Dez. 1732 gu Prejton in Lancaſhire, geſt. 
3. Uug. 1792 in Cromford. Uripriinglid) Barbier, 
widmete er fic) unter Beibilfe des Uhrmachers Ray 
in Warrington mechaniſchen Urbeiten und fonjtruierte 
1768, angeregt dDurd eine ErjindDung von Hargraves, 
eine Spinnmajdine. Er begab fic) mit Ray und 
Smalley 1768 nad) Nottingham, wo er durd dic 
Strumpffabrif von Strutt u. Need Geldmittel erbielt. 
Seine erjte Spinnerei in Nottingham wurde durd 
Pferde betrieben, cine zweite großartige Faktorei zu 
Cromford in Derbyſhire aber (1771) durch ein Waſſer⸗ 
rad. Seine Spinnmaſchine war eine Verbindung von 
Whyatts Waljenpaaren sum Streden der Krempel— 
binder mit der viel früher in Deutſchland benugten 
eee ne des Jürgensſchen Flachsſpinnrads, und 


Da ibr UW. die Einridtung zum Betrieb durd Wafjer: | 


fraft — hatte, fo nannte er fie Waterſpinn— 
mafdine und das damit gefponnene und wegen 
jtarferer Fadendrehung haupiſächlich fiir Mette geeig— 











773 


nete Garn Waterqarn (water twist). W. wurde 
von den YUrbeitern, jpater aud) von den Wanufaftu- 
riſten vielfach angefeindet, und 1781 griffen legtere 
die Giiltigteit des Urfwrightiden Patents an. Yn der 
Tat jdeint cin von Kay vor 1768 file Highs odec 
Hayes aus Bolton angefertigtes Modell die Ouelle 
von Arkwrigths Erjindungen gewefen ju fein. 1786 
wurde U. Oberſheriff von Derbyſhire, und bald darauf 
ward ihm Der Adel verlichen. 

Arlane (pr. tang), Stadt im franj. Depart. Puy- 
de-Döme, Urrond. Umbert, an der Dolore und de: 
Lyoner Bahn, 580 m ii. M., hat Mtineralquellen, 
Spigenfabrifation und (1901) 1716 (als Gemeinde 
3247) Cinw. 

Arlberg, 1802 m hoher Alpenpay an der Grenge 
von Tirol und Vorarlberg (dem Land »vor dem W.«), 
Der zugleich Dic Wajferfdjeide awifden dem Rhein und 
der Donau (iwejtlider Abfluß die Alfenz gum Ill, 
öſtlich Die Rofanna jum Inn) und die Grenge zwiſchen 
der frijtallinifden Fervallqruppe der Rätiſchen Alpen 
im S. (Peifchelfopf 2415 m) und der Algãuer Gruppe 
der nördlichen Ralfalpen im N. (Sdindlerfpige 
2636 m) bildet. Nahe der Paßhöhe bejindet fic) das 
Hoſpiz St. Chrijtoph. Uber den YW. fiihrt eine 1824 
vollendete Straße aus Dem Stanjer Tal (Rofanna) 
nad) dent Rlojtertal (Alfenz), die in weiterer Linie 
Landed mit Bludenz verbindet und lange Beit die 
eingige war, die Vorarlberg mit den übrigen Teilen 
der Monardie in direfte Verbindung fegte. Sie ijt 
nun durch die Url bergbahn erjept, die jüngſte de: 

roßen Alpenbahnen, die Ojterreid) in den Stand 
* die Landesprodulte der ſüdlichen Kronländer 
und des ungariſchen Tieflandes ſowie die in Trieſt 
ausgeſchifften Waren des Orients direlt dem Weſten 
Europas zuzuführen. Der Bau der eigentlichen, 
136,6 km langen Arlbergbahn Innsbruck-Bludenz, 
an die ſich Die bereits 1872 eröffnete Staatsbahn- 
linie Bludenz⸗ Bregenz anſchließt, begann 1880 unter 
der Leitung des Oberbaurats Lott mit der Ausfüh— 
ag be großen, 10,250 m langen Tunnels gwifden 
St. Unton und Langen, dejjen Durchſchlag 15. Nov. 
1883 erfolgte. Die Bahn wurde 20. Sept. 1884 dem 
Verkehr fibergeben. Wahrend fie auf der offenen 
Strece ——— wurde, erhielt der Tun— 
nel zwei Gleiſe. Die Baulojten betrugen ca. 83 Mill. 
Kronen. Der höchſte Punkt der Bahn liegt im Tunnel 
1311 m i. M., die größte Höhe, die cin Ulpentunnel 
erreicht; die Maximalſteigung betragt auf derdjtlicen 
Bufabrtitrede Landeck⸗St. Unton 26,4, auf dec weft: 
lichen Rampe Bludeny-Langen 31,4 pro Mille, das 
höchſte mit Wdhajionsbahnen bisher erreidhte Stei- 
qungsverhiltnis (ſ. Tafel »Bergbahnen J«). Anger 
em großen Tunnel hat die Bahn an Kunftbauten 
zahlreiche Viadukte, dDarunter die 195 m lange, 86 m 
hod) iiber die Trijanna führende Brücke. Val. Rod 
von¥Berned, Die Arlbergbahn (Reiſeführer, 4. Aufl , 
Zürich 1890); » Die Arlbergbahn«, Denkſchrift dec EE 
Staatsbabndireftion in Innsbruck (Innsbr. 1896). 

Arlecchino (ital., fpr. Aettino), lomiſche Maste, 
ſ. Harlefin. 

Arles (pr. ar’), 1) Urrondiffementshauptitadt im 
franj. Depart. Rhonemiindungen, linfs an der Rhone, 
von der bier der Ranal Craponne zur Durance und 
Der Ranal nad Port-de-Bouc zum Meere führt, 
Knotenpunkt an der Eiſenbahn von Lyon nad Mar— 
jeille, 28 km vom Weer, ein jett ziemlich der Ort, 
der aber zahlreiche Überreſte antifer Brad beſitzt, dar- 
unter das Umpbhitheater, von 140 und 103 m Durd- 
meſſer, aus zwei Geſchoſſen mit je 60 Arkaden beſtehend 


774 Arlesheere 
und ca. 25,000 Zuſchauern Plas gewährend (jeit 1846 
rejtauriert); das antife Theater, von dem nod) zwei 
forinthijde Säulen, die unterſten Sigreihen u. a. 
übrig jind (hier wurde 1651 die beriihmte »* Venus von 
W« aufgefunden, jest im Louvre in Baris, f. Tafel 
Bildhauerkunſt V«, Fig. 4); ein Granitobelisf von 
15 m Höhe; Rejte vom alten Forum, von antifen 
Thermen, Uquaduften und einem Kalajt Ronjtantins ; 
jablreiche, jest in einem Muſeum vereinigte Stulp- 
turen. Die ehemaliqe Kathedrale St.-Trophime mit 
ſehr ſchönem Portal, aber modernijiertem Innern 
jiammt aus dem 11. und 12. Jahrh.; in dem dazu 
gehörigen Kloſter ift der pradtvolle Kreuzgang be- 
merfenswert. Das hübſche Stadthaus beſitzt einen 
Ubrturm (nit Brongejtatue des Mars von 1565). Jn 
Der ſüdöſtlichen Vorjtadt Wliscans (jf. d.) befindet 
fic) cin merkwürdiger alter Begräbnisplatz. A. hat (1901) 
16,247, alg Gemeinde 29,314 Einw., die Olfabrifation, 
Maſchinen- und Schiffbau, Fiſcherei und in der Um- 
ebung Schafzucht treiben. Es hat cine hydrographi- 
che Saute, ein College, eine Bibliothek, ein Handels- 
gericht und war bis 1801 Erzbiſchofsſitz. Berühmt von 
alters Her ijt bie Schinheit der Frauen von A. Uber 
die Rhone führt cine Kettenbriide zur Vorjtadt Trin- 
quetaille. 6 km nordöſtlich liegt dic alte Abtei Mont⸗ 
majour mit romanifder Rirde, Kreuzgang und unter- 
wdifder Kapelle. — W. hie im Altertum Arelas oder 
Arelate (felt. »>Sumpfort«), wurde von den Galliern 
an Stelle des liqurijden Theline geqriindet und von 
Cajar zur rdmijden Militarfolonie qemadt. Der Ort 
erhob i nun bald gu hoher Bedeutung, wetteiferte 
mit Maſſilia im Handel und erreichte ferme Blütezeit 
unter Ronjtantin, der A. vergrößerte und ausſchmückte 
und unter dem Beinamen Constantina zur Haupt- 
jtadt Galliens madte. UW. ward jest Sig eines Erz⸗ 
biſchofs. In der Folge von Wejtqoten und Sarajenen | 
meh-mals erobert und jerjtirt, behauptete es dennoch 
jeinen Glanz, ward 880 Hauptitadt des burqundijden 
Königreichs Urelat (ſ. d.) und wurde, nachdem es 
fid) 1251 Rarl von Anjou unterworfen hatte, von 
Philipp IT. 1271 Frankreich cinverleibt. Yn A. wur- 
den mehrere widtige (arelatifde) Synoden ab- 
gebalten: fo 314 gegen die Donatijten, 354 gegen 
Vithanafius, 452 zur Reqelung der Kirchen- und Klo— 
jterdissiplin, 475 gegen den Bradejtinatianer Lucidus, 
ua. Bgl. Révetllé de Beaureqard, Promena- 
des dans la ville d’A. (Mir 1890); Fournier, Le 
royaume d’Arles et de Vienne (Bar. 1891). — 2) 
(U.-fur- Ted) Stadtim franz. Depart. Oitpyrenden, 
Yrrond. Céret, am Ted) und der Siidbabn, 277 m 
ii. M., hat eine romaniſche Kirche mit Kreuzgang 
(Rejte einer im 8. Jahrh. qeqriindeten Wbtei), Scho— 
foladefabrif und (901) 1774 Cinw. 
MArlesbeere, foviel wie Eljebeere, |. Sorbus. 
Arlefety (pr. aig, Ort, ſ. Biggleswade. 
Arlesheim, Bezirkshauptort tm ſchweizer. Nanton 
Pajelland, Station der Cifenbahn Bafel-Biel-Lan 
janne, mit (1900) 1599 Einw. Die Kirche, 1680 er: | 
baut, hat ſchöne Frestomalercien. Hier rejidierte 1678 | 
bis 1792 bas Domfapitel des Bistums Vafel. | 
Arlington, Henry Bennet, Graf von, engl. | 
Staatsmann, geb. 1618, geſt. 28. Juli 1685, ging 
nad) der Hinridtung K imig Karls I. nad Frankreich 
und Stalien, ward 1654 Sekretär des Herjogs von 
Yorf und trat dann in die Dienjte Maris IL Nach 
der Reftauration der Stuarts wurde er 1662 Staats 
ſelretär, 1663 Baron A. und war der Berfaffer der 
Indulgengerflarung Karls TT. Wis Mitglied des | 
»>Cabal«minijteriums begünſtigte er den Katholizis⸗ 








Bal. Brat, Histoire d'A. (Arlon 1872 


— rm. 


mus, betrieb die Verbindung mit Ludwig XTV., zu 
dem er 1672 als Gejandter ging, und Den Krieg mit 
Holland und wurde 1672 jum Grafen von VU. erhoben. 
1674 fiel er in Ungnade. Bal. feine »Letters to 
W. Temple from 1664 to 1674« (Qond. 1701, 2Bde.; 
frany., UÜtrecht 1701—1706, 2 Bde.). 

Arloing (or. Aving, Saturnin, Tierarzt, ged. 
3. Jan. 1846 in Cuſſet (Allier), itudierte in Wiort, 
wurde Brofefjor der Ynatomie und Soologie an der 
Tierarzneiſchule in Toulouse, 1875 in Lyon und 1887 
Direltor der dortigen Schule. Cr beſchäftigte ſich 
hauptſächlich mit den anjtedenden Rranfheiten, mit 
den Wirfungen des Chlorals, Chloroforms, Kofains x. 
und fdrieb: »Le charbon bactérien , pathogénie et 
inoculation préventive« (2. Aufl. 1887); »Cours 
élémentaire d’anatomie générale et notions de 
technique histologique«( 1890); » Les Virus « (1891); 
mit Cauveau: »Traité d’anatomie des animaux do- 
mestiques« (4. Aufl. 1890). 

Arlo (fpr. tong, flim. Marlen), Hauptitadt der 
belg. Proving Luremburg, friiher befeftiqt, auf einer 


Anhöhe am Semois, 416 m ü. M., an der Staats- 


babniinie Briifjel-Luremburg, bat cin königliches 
Uthenaum, Unterrichtsmuſeum, Zeidenidule, Lehr- 
anjtalt für Lehrerinnen, Sammlung römiſcher Ulter- 
tiimer, Woll- und Cifeninduftrie und (seo) 10,044 
Einw. — VU. (da3 Orolaunum Vicus des Untoniniden 
Itinerars) ſtammt aus der Römerzeit, wurde im 
10. Jahrh. Grafidaft, dann Marfqrafidaft und 1214 
mit Luxemburg vereinigt. Hier fieqte 19. April 1793 
der franzöſiſche General — über die Oſterreicher. 
74, 3 Bde. 
Arlt, Ferdinand, Ritter von, Augenarzt, 


geb. 18. Upril 1812 in Obergraupen bei Teplig, qeit. 


7. Mir, 1887 in Wien, ftudierte in Brag, wurde 
1849 dajelbjt Brofeffor der Uugenheilfunde und 1856 
in Bien. Er ſchrieb: » Dic Rranfheiten des Auges, 
fir praftifde Urzte qefchildert« (Prag 1851—56, 3 
Vde.; 5. Aufl. 1861 —63); »Die Pflege der Augen 
im gefunden und tranfen Zujtand« (daſ. 1846, 3. Aufl. 
1865); »llber die Beriegungen des Wuges< (Wier 
1875); » Die Urjaden und die Entitehung der Kurz 
fichtigfeit<« (Daf. 1876); »Slinijde Darſtellung der 
Rranfheiten des Wuges« (Daj. 1881); » Zur Lebre pom 
Glaukom« (daf. 1884). Yn dem Handbud) von Grafe 
und Sämiſch bearbeitete er Die Operationsiehre. Nach 
feinem Tod erſchien: »Meine Erlebniſſe- (Wiesbad 
1887). Mit Donders und Gräfe begründete er 1854 
das »Yrdiv fiir Ophthalmologie<. 

Arar, die Vorderglicdmafe des Menſchen und Affen 
im Gegenſatze sum Bein, im erweiterten Sinn Bor 
dergliedmafe Der Wirbeltiere (Flügel, Vorderbem, 


| Brujtilofje). Der W. der Wirbeltiere, durch den 
| Schulterqiirtel am Rumpfe beweglicd, tit bet den 


höhern Klaſſen derjelben durchgängig in iibereinitim 
mender Weiſe gebaut und beſteht aus Oberarm, Un— 


terarm und Hand, von denen ſich der Unterarm typi 


ſcherweiſe aus gwei, die Hand aus ciner größern 
hl von Knoden zuſammenſetzt. Hiervon weicht die 
ruſtfloſſe der Fiſche erheblich ab, ſie beſteht aus viel 
mehr Knochenſtücken. Eine Vermehrung der letztern 
kommt bei den Wirbeltieren von den Aniphibien auf- 
wärts ſelten vor (größere Fingerzahl bei foſſilen Rep- 
tilien, abnormer ſechſter Finger beim Menſchen), da— 
egen häufig eine Verminderung: Verſchmelzung der 
Interarm:, Handwurzel⸗ und Handtnoden bei Am— 
phibien, Vogeln und Saugetieren (befonders bet Den 
Cinhufern). Näheres f. bet den einzelnen Gruppen. 
Bein Menfden beftebt der Oberarm (brachium, 


Armada — Armagnac. 


jf. Tafel »Sfelett I<) aus einem ftarfen Röhren 
tnodjen (Dberarmbein, humerus), defjen Kopf eine 
Gelenfflade zur ung in der Gelenfgrube am 
Schulterblatt befigt, wahrend das Unterende mit einer 
Wölbung zur Emlenfung der beiden Knochen des 
Vorder- oder Unterarmes (antibrachium) ab- 
ſchließt. Dies find die Elle (ulna, cubitus) und die 
Speiche (radius). Die Elle ragt mit dem fogen. Ell- 
bogenfortjag (olecranon, fig. 2) nod) iiber das Un—⸗ 
terende Des Oberarms hinaus und bewegt fic) mit 
ihrer Gelenfflade am Oberarm in einer einzigen 
Ebene, d. h. fie fann nur gebeugt und gejtrect werden. 
Die Spcide hingegen macht nicht nur dieſe Be- 
wequngen mit, fondern fann fid) aud) nod, wenn die 
Elle rubt, um diefe der Lange nad, an ihrem untern 
(Ende um fajt 180° drehen und nimmt Hierbei die 
Hand, die nur an der Speiche befejtigt ijt, mit. Da- 
durd wird die Hand fehr frei beweglidh. Die Mus: 
feln, die fie mit Deut Riiden nad) vorn jtellen, find 
die Pronatoren, die ihnen entgegenwirkenden die | 
Gupinatoren. Das Sdultergelenf, in dem 
fid) Der Oberarm bewegt, wird durd cin befonderes | 
Band (f. Tafel »Bander«) vervollitindigt, geftattet 
aber dem Oberarm eine fehr ausgiebige Bewegung 
nad allen Ridtungen hin (Daher die leidjte Uusrentung 
des Armes). Die Hiergu erforderliden fehr ſtarken 
Musteln (j. Tafel »>Musteln«) entipringen teils von 
Bruft und Riicen, teils vom Schlüſſelbein und Sdul- 
terblatt. Un der vordern Fläche des Oberarms lieqen 
die Musfeln, die den UW. im Ellbogengelenk beu- 
gen, an feiner bintern Fläche die, welche ibn ſtrecken. 
ie Musteln am Borderarm dienen teils zur Bro- 
nation und Supination (jf. oben), teils sur Beugung 
und Stredung der Hand und der Finger. Die qroke 
Armſchlagader (arteria brachialis) geht über die 
erjte Rippe hinweg, tritt unter dem Schlüſſelbein in 
die Udfelhihle und verläuft an der innern Fläche des 
Oberarmes bis zur Cllbogenbeuge, wo fie fic) in ihre 
Enddjte teilt. Die Blutadern (Benen) begleiten 
teilS Die Urterien und miinden in den unter dem 
Schlüſſelbein gelegenen Blutaderjtamm, der fic) in 
die obere Hobhlvene ergießt (ſ. Tafel »Blutgefäße«, 
fig. 2u. 4). Die Urmnerven ftammen von den 
vier untern Halsnervenpaaren ab und bilden nad 
dem Unstritt aus dem Rückenmark das fogen. große 
Urmgefledt (j. Tafel »Rerven I<, Fig. 4). Wm Ell⸗ 
bogengelenf ijt der Nerv relativ wenig geſchützt, da- 
her das beim Stoß dagegen erfolgende ——— 
Gefühl (Mäuschen). — Bildlich nennt man A. den 
Teil eines größern Ganzen, der Gejtalt oder Ver— 
richtung eines Armes hat; z. B. Arme eines Fluſſes 
bei Verteilung desſelben in mehrere Ströme, häufig 
vor der Ausmündung größerer Ströme; Arme eines 
Hebels, der Wage, des Haſpels, der Hebezeuge xe. 
Armada (jpan.), urſprünglich jede bewajfnete 
Macht su Waſſer oder gu Lande, vorzugsweiſe eine 
Kriegsflotte. Namentlich aber verfteht man unter A. 
die Flotte Philipps I. von Spanien, die dad ibm 
vom Bapjt Cirtus V. iiberwiefene England erobern 
follte, und deren Untergang den Berfall der fpanifden | 
Weltmacht einleitete. Sie bejtand aus 130 grojer | 
Kriegs⸗ und 30 Trans8portidiffen und hatte 2000 5. T. 
hochadlige Freiwillige, 19,295 Soldaten, 8450 Ma—⸗ 
trofen, 2088 Sflaven, 2630 Ranonen fowie un: | 
tae Rrieqsmaterialien und Vtundvorrat auf ſechs 
nate an Bord. Oberbefehlshaber war der Herzog 
von Medina Sidonia, ein bewährter Krieger, aber ein 
ſchlechter Seemann, Vizeadmiral Martine, de Re- 
calde. Die A. follte nad) der niederlindifden Küſte 


775 


abgeben, wo Farneſe bei Sluys cin Heer von fait 
30,000 Mann geſammelt, aud) die nötigen Trans- 
portfahrzeuge hergeſtellt hatte; unter dem Schutze der 
A. ſollten dieſe Krieger nad) England überſetzen. Am 
29. Mai 1588 lief die Flotte von Liſſabon aus, wm 
zunächſt in Coruña Truppen und Kriegsvorrat ein— 
ehmen. Indes ein Sturm trieb fie wenige Tage 
pater nad) Coruña guriid. Crjt 22. Yuli 1588 ver- 
lief fie endgiiltig die Küſte Spaniens und fegelte durch 
Den Kanal nad) der flandrifden Küſte. Der Befehls— 
haber der engliſchen Flotte, Lord Howard, beobadtete 
Die A. auf der Hohe von Plymouth. Er umſchwärnite 
mit feinen leichten Schiffen die A. und fiigte durch 
wohlgezielte Kugeln den ſchwerfälligen ſpaniſchen 
Schiffen ſchweren Schaden zu. Als die A. im Hafen 
von Calais vor Anker ging, ſandten die Engländer 
einige Brander gegen ſie, was den Admiral derart 
erſchreckte, daß er ohne weiteres die Ankertaue durch— 
ſchneiden und ſeine Schiffe in die offene See treiben 
ließ. Hier aber wurden fie von einem Siidwejtiturnt 
erfaßt. Nunmehr beſchloß der fpanifde Udmiral, mit 
einem Teil der Flotte nordwarts um Grofbritannien 
herum nad Spanien zurückzukehren. Auf diefer Fahrt 
aber ſcheiterte cin Teil der ſpaniſchen Schiffe an Nor⸗ 
wegens Rlippen, ein andrer an Sdottlands Riijten, 
ein bdritter verjant auf offenem Meer. Ende Septem: 
ber lief Medina Sidonia mit dem Reft feiner Flotte 
in ben Hafen von Santander cin. Die A. hatte vom 
Juli bis September durd) die überlegen geleiteten und 
ut gefdulten Engländer und durd) die Stiirme gu- 
——— 72 große Rie und 10,185 Mann verloren, 
obne die kleinern Fahrzeuge. Dem Admiral dantte 
Philipp I. mit ſcheinbarem Gleichmut: »Ich habe 
meine Flotte nidt gegen Sturm und Wellen aus- 
efandt, fondern gegen Menſchen.« Clijabeth aber 
teh eine Medaille pragen mit der Inſchrift: »Affla- 
vit Deus et dissipati sunt«. Bgl. Fernande; 
Duro, LaA. invencible (Madrid 1884 —85, 2 Bde.); 
Froude, The Spanish story of the A. (ond. 1892); 
Laughton, State papers relating to the defeat of 
the Spanish A. (daj. 1894); Tilton, Die Katajtrophe 
der fpanijden A. (Freiburg 1894). 

Armadill , ſ. Giirteltier. 

Armadilla (jpan., for. adja), kleines Geſchwader. 

Armadille (Dasypodidae), Familie der Zahn— 
liieter (j. d.). 

Armadillo, ſ. Aſſeln. 

Armagh (pr. arma), Grafſchaft der iriſchen Proving 
Ulſter, qrengt im RN. an den Lough Reagh, im O. an die 
Grafidaft Down, im S. an Louth und im W. an Tye 
rone u. Monaghan, umfaft 1328 qk (23,8 OV.) mit 
(1901) 125,238 Einw. (94 auf 1qkm), wovon 45 Ero}. 
Ratholifen find. Hauptitadt ijt Armagh. 

Armagh (pr. arma), Hauptitadt der gleichnamigen 
iriſchen Grafſchaft (f. oben), unfern des Fluſſes Callan, 
liegt am Abhang eines Hiigels, deſſen Gipfel die aus 
dem 12. Yahrh. jtanumende protejtantijde Nathedrale 
frint, und madt mit feinen teilweife aus Marmor 
erbauten Häuſern und mit Marmor gepflajterten 
Straßen einen ftattliden Eindruck. Frither von grö— 
ßerer Bedeutung (beriihmt war vom 5.—9. Jahrh. 
feine Kloſterſchule), ijt YW. immer nod eine widtige 
Stadt von (1991) 7438 Einw., mit bliihender Lein— 
wandinbduftrie, lateiniſcher Schule, latholiſchem Semi- 
nar (St. Patrick's College), qrofer Vibliothef, Stern- 
warte, Gerichtshof und Irrenhaus. U. ijt Sis eines 
fatholifden und eines anglifaniiden Erzbiſchofs. 

ar ———— (fpr. amanja¢, Eau d'A.), dem Roqnat 
ähnliches Getränk aus den Weinen des Depart. Gers 


776 


und eingelnen Gebieten der Depart. Lot-ct-Garonne 
und Landes bereitet, enthilt 52—56 Proz. Alkohol. 

Armaguac (jor. -manjad), Landſchaft im fiidliden 
Franfreid), cin Teil der Gascogne, jest größtenteils 
um Depart. Gers qehdrig, ijt mäßig fruchtbar und 
sonderd betannt durch feinen Weinbau und feine 
Branntweinbrennercien. Das Ländchen fiihrte den 
Titel ciner Grafſchaft und hatte Auch zur Hauptitadt. 
S. die Geſchichtskarte bei »Frankreich«. 

Das gräfliche Geſchlecht der Armagnaes beſaß 
vom 10. bis gegen Ende des 15. Jahrh. die Graf— 
ſchaft A. nebjt mehreren fleinern Herrjdaften in Gas— 
cogne und Wuienne. Der beriihmtejte aller Arma— 

nac3 war Bernhard VII., unter König Karl VI. 
eit 1407 Haupt jener a ee rtei, die 
nad) ihm die Armagnacſche oder aud) die Oriéans- 
AUrmagnacide hie, und deren Kennzeichen err ’ 
jage su der blauen Farbe des Feindes die weiße Urm- 
binde wurde. Nad) dem Frieden von Pontoije (1. Aug. 
1413) zwiſchen der Parijer Biirgeridaft und dem 
Dauphin, der fic) mit den Urmagnacs vereinigt hatte, 
30q Graf Bernhard W. in die Hauptitadt ein, ver- 
teidigte jie gliidlid) gegen die Burgunder, ward nad) 
Der Schlacht bei Azincourt (1415) Connétable und 
erjter Minijter und lenfte fortan den Staatsrat. Durd 
Defpotismus und blutige Harte bradte er aber alle 
gegen jid) auf, was den Herzog von Burgund ver- 
anlaßte, fid) 1418 der Hauptitadt gu bemächtigen. 
A. wurde vom wiitenden Volke grauſam ermordet 
12. Juni 1418). Sein älteſter Sohn, Johann IV., 
* der berüchtigten Söldnerbanden (der Ar— 
magnaken) im franzöſiſch-engliſchen Kriege, ward 
vom Dauphin ——— —— und von 
Karl VII. erſt gegen btretung der Graffdaft Com- 
minges und andrer Giiter freigelaffen. Er ſtarb 1451. 
Sein Sohn Johann V. ſchloß fich 1465 der Ligue 
du bien public gegen Ludwig an, verband fid) aud 
ſpäter mit England sur Croberung Guiennes. 1473 
ward er von dem Fonigliden Heer in Lectoure be- 
lagert und von feinen Soldaten ermordet. Der lepte 
feines Stammes war Rarl von U., des vorigen 
Bruder, nad dejjen 1497 erfolgtem Tode Fran; J. 
die Grafichaft W. jeinem Schwager, dem Herzog Sarl 
vor Alencon, verlieh, durch deſſen Witwe fie an das 
Haus Wibret in Navarra fam. Erſt Heinrid IV. 
bradte fie fiir immer an die Krone von Franfreicd. 
1645 tibertrug Ludwig XIV. den Titel cines Grafen 
von A. auf Heinrid) von Harcourt, deffen Nachfom- 
men ibn bis zur Revolution fiihrten. Cine Neben: 
linte des Haules UW. ftiftete Nafob von A., Enkel 
Vernhards VIL, durch Ludwig XI., Herzog von Ne— 
mours und Bair von Franfreid. Auch dieſer A. trat 
alg einer Der Hauptanfiihrer der Ligue du bien pu- 
blic gegen Ludwig XI. bei, ward aber gefangen, in 
einen etjernen Käfig gejperrt und 1477 enthauptet 
(vgl. Mandrot, Jaeques d'A., duc de Nemours, 
Far. 1890). Mit dem Tode feines Sohnes Ludwig 
von Nemours, der 1503 in Ceriqnola in Stalien gegen 
Die Spanier fiel, erloidh and) dieſe Linie. 


Armagnac 


— Armant. 


reid) um Hilfstruppen bat, ſchickte dicier Die wilden 
Söldnerhaufen an den Rhein, in der Hoffmung, zu— 
gleich Die Lander am linfen Oberrhein in feine & 
walt bringen ju fonnen. Go entitand der Urmag 
nafentrieg (Urmejaden-, Urmeqedentrie 
bellum Armeniacum). Während 10,000 A. in oth. 
ringen fodten, zog der Dauphin Ludwig felbjt mit 
ae alg 30,000 Mann nad) dem Sundgau gegen 
die Schweizer. Bei St. Jatob an der Birs umweit 
Bafel fam es 16. Aug. 1444 zur Schladt. 2000 Man 
nev der Schweizer Vorhut kämpften bier 10 Stunden 
lang gegen die Ubermadt und fielen, nachdem fiz 
6000 Feinde eridlagen, bis auf 16 Flüchtige. Der 
Dauphin 50g fid) nad) dem Elſaß zurück und fagte bald 
| barauf im Frieden von Enfisherm den Eidgenoſſen 
beſtändige Freundſchaft gu (28. Oft. 1444). Im E 
ſaß und in der Pfalz hauſten die A. bid ms nächte 
Frühjahr fort; die Bauern radten fich, indem fie alte 
»Geden«, die fie qefangen nabmen, binridteten. Bo!. 
Barthold in Raumers »Hijtorijdhem Taſchenbuch⸗ 
(1842); Wiilder, Urkunden und Sdreiben, betref- 
fend den Zug der A. (Frankf. 1873); Tuetey, Les 
orcheurs sous Charles VII (Montbéliard 1874, 
2 Bde.); Witte, Die A. im Elſaß 1439 — 1445 
(Strafjb. 1889). 

Armalift, in Ungarn ein privilegierter Birger: 
lider, der Das Recht hat, ein beftimuntes Wappen (lat. 
arma) gu führen (j. Wappengenoffen). 

Armancon (pr. -manghong), Fluß im mittlern 
Frantreid), der in den öſtlichen Verzweigungen des 
Morvanhodlandes in 405 m Hdbe ent}pringt und 
nad) 174 km langem Lauf bei Cheny rechts mm die 
Yonne mündet. Sein Tal enthalt die Eijenbabn von 
Paris nad) Lyon und den anal von Burgund. 

Armand, Sdriftiteller, ſ. Strubberg. 

Armansperg, Joſeph Ludwig, Graf vox, 
bayr. Staatsmann, geb. 28. Febr. 1787 zu Kdgting 
in Miederbayern, gejt. 3. Wpril 1853 im München. 
Sprößling einer alten, feit 1790 gräflichen Familie, 
vertrat Bayern auf dem Wiener Kongreß. 1816 
wurde er Direftor, 1823 Viyeprajident der Regierung 
des Rheinkreiſes; 1825 in die Rammer gewablt, er— 
warb er fic) Durd) ſeine Renntnijje und feinen Fretamt 
großes Anſehen. 1826 übernahm er das Minijtertum 
Der auswärtigen Ungelegenheiten, vertauſchte es aber 
bald mit Dem des Innern und der Finanjen. Seine 
Erjparungsmafregeln bradten ibm den Spottnamen 
»Sparmannsberg« cin. Wegen feiner Hinneiqung 
junt Liberalismus und ju der Politik der Wefhmadte 
jegten Die Mlerifalen 1831 feine Entlafjung durd 
1832 wurde er von der Londoner Konferenz jum 
Prijidenten der Regentſchaft berufen, die wãhrend der 
Minderjahrigteit Konig Ottos Griedenland regieren 
follte, iibernahm bald aud das Finanzweſen, fonnte 
aber bei Der Verarmung des Landes feine Erfolge er 
zielen. Mit feinen Kollegen Maurer und Abel 
ſeiner Abhängigleit von der engliſchen Diplomatie in 
Zwiſt geraten, veranlaßte er 1834 ihre Abberufung 

und wurde 1. Juni 1835, als König Otto volljährig 


Armagnafen (jpc. «manji-; Urmagnacs, auch ward, sum Staatstangler befdrdert. Wis Konig Otto 
Armegeden, von ihrer weißen Armbinde les Ban- | 1836 nad) Deutidland reijte, libertrug er *P die 


des genannth, zügelloſe Soldknechte, die im franzöſi 
iden Viirgerfrieg zwiſchen der Partei des Grafen von 
Urmagnac und der des Herzogs von Burgund dem 
von dem erjtern 1410 gebildeten Heer angehörten. 
Sie wurden durch ihre Roheit und Pliinderungsfucht 
lajtiq und biehen deshalb Ecorcheurs (> Schinder<). 
Als Kaiſer Friedrich III. die Schweiger fic) unter: 
werfen wollte und den Konig Karl VIL. von Frant: 


| Reichsverweferidaft. Nad) der Riidfehr des Konigs 
| erbielt A. 14. Febr. 1837 feine Entlajfung, worauf er 
im März Griechenland verliek und feitdem auf fa 
nem Gut Egg bei Deggendorf lebte. 

Armant (Erment), Ort im Diftrift Salmieh der 
ägypt. Proving (Mudirieh) Esna, am linfen Nlufer. 
Dampferitation, mit fehr bedeutender Zuckerfabrit 
des Chedive und (882) 6886 Einw. — VL. tit das alte 


Armarium — Wrmbruft. 


777 


Hermonthis (agypt. Ber-Montu, »Haus des Gotted | rechten Arm (daher dextrale). Seit dem Ende ded 
Mont«); der hier errichtete berühmte Tempel ift fajt | 12. Jabrh. trugen nur Frauen Armbänder, und feit 
gainalich zerſtört und in die Fabrifanlagen verbaut. | — Hälfte des 16. Jahrh. wurde großer Luxus 


rmarium (lat., davon franz. armoire, fpr. -miidr), | 


Schrank fiir Geritidhaften, aud) Bücherſchrank. Ur- 
marinus, Waffenfdmied; Biideraufieher; Bewahrer 
Der Rirdenbiider und Vorſänger in Klöſtern. 

Armaſcha, Ort in der aſiat. Tiirfei, 26 km nord- 
öſtlich von Ismid, mit 1500 Urmeniern, die Acker— 
bau, Seidenraupenzudt und Rohlenbrennerei tretben. 
Dabei cin beriihmtes, 1611 gegriindetes armenifdes 
Kloſter der Gottesmutter, jährlich von 7000 Pilgern 
befucht, mit Prieſterſeminar. 

Armateur 5* fpr. Adr), ſ. Kaperei. 

Armatslen, dic kriegeriſchen Bewohner der ſogen. 
Armatolien (Waffengebiete) in den nordgriechi— 
ſchen Gebirgen von Makedonien, Epirus und Theſſa— 
lien. WIS Mohammed I. 1460 Griechenland er- 
oberte, fliichteten fid) viele Bewohner in das Gebirge, 
um unter Häuptlingen (Rapitani) den Krieg int klei— 
nen fortjujegen oder als Rauber (Klephthen) gu 
leben. Dem Rapitano verpflidtete ſich eine Scar von 


50 —200 Männern auf Leben und Tod und über 


jiel den Feind auf Landjtrafen und in Stadten. Die 
Paſchas tniipften meiſt Unterhandlungen an: fo er- 
hielten die Mapitani gegen Zuſage friedlichen Betragens 


Sold, Lebensnrittel und die Oberaufſicht in ihrem | 


Bezirt. Diefe Begirfe wurden Urmatolien, ihre Be— 
wobner U. genannt; leptere waren gum kleinſten Teil 
Grieden, meijt aus politifdjen und religidjen Griin- 
den verfolgte, chrijtlid) qewordene Albaneſen. 12,000 
Mann jtarf fampften jie 1820 —22 in Whi Paſchas 
Dienjten gegen die Tiirfen. Dann nahmen fie am 


Shaws ya Freiheitslampf Unteil ; thre Fiibrer waren | 


amals Eujtrates, Gogo (ju YUrta), Georg Zongas, 
Saphafas und Georg Karaistalis (fielen beide 1827 
vor Uthen), Georg Makry, Migo Rondojannis, Yo- 
hannes Panuryas, Kalgodemos (jiel vor Miſſolunghi), 
Odyſſeus (1825 als Überläufer gu Athen getdtet), 
Georg Karataſſo, Chrijtos Mejtenopulos und Mar— 
tos Botjaris an der Spite der Sulioten. 

Armatiir (lat.), veraltete Bezeichnung fiir die 
Unsriijtung der Soldaten; Urmaturfammer, fo- 
viel wie Riijt- oder Waffenlammer. Yn der Ted: 
nif die Gejamtbheit der zur Vervollſtändigung einer 
Maſchine oder cines Upparats dienenden Teile, 4. B. 
Damrpfteffelarmatur (Wusriijtung, Garnitur, Mon— 
tierung). Jn der Phyſik die den Bolen cines na- 
titrliden oder künſtlichen Magnets angelegten wei- 
chen Eiſenſtücke (ſ. Magnetismus); aud der drehbare 
Teil der Dynamomajfdinen und Eleftromotoren. 

Armband (Armgeſchmeide, altdeutid Bouge), 
band oder ringfirmige Sdymudiaden, die am Yrm 

etragen werden. Aus dent Brongeseitalter (jf. die 
vafeln bei Urt. »Metallzeit«) kennt man offene oder 
—— flache oder gewundene, oft aus vielen 

rähten alee a Reifen, auch breite Spiral: 
gewinde zur Bedeckung des ganjen oder halben Unter: 
arm8. Beſondere Vorliebe fiir Armbänder hatte das 
germaniſche Heldenjecitalter; jie wurden felbjt von Krie⸗ 
gern getragen und werden als vorzüglichſter Ehren— 
preis der Tapfern genannt. Im Orient trugen nament: 
lid) die Bornehmen Urmbander, Ringe aus Elfen: 
bein, edlen Metallen u. dql., gewöhnlich oberhalb der 
Handwurzel. Yn neuerer Zeit reidjen fie oft bis an 
Den Ellbogen. Bei den Römern trugen Wanner und 
Frauen das A. (armilla), und als Ehrengeſchenk (gal- 
beus oder galbeum) verlieh e3 Der Ymperator dem 
verdienten Nrieger. Wan trug es in Rom meijt am 








in Gold und Edeliteinen getrieben (ſ. Tafel » Schmuck⸗ 
jadjen J⸗, Fig. 17). 

Armbinde, das durch dic Genfer Ronvention all- 

gemein anerfannte Neutralitätsabzeichen fiir das amt- 

ide und freiwilliqe Sanitätsperſonal im Rriege. Nie— 
mand Darf dieſe weiße Binde mit rotem Kreuz 
aus eiqner Machivollfonumendheit tragen und aniegen. 
Die —— der freiwilligen Krankenpflege erhalten 
die Binde allein durch den kaiſerlichen Kommiſſar 
und Militärinſpelteur. Jede A. muß mit ſeinem 
Stempel verſehen ſein; zum Tragen berechtigt eine 
Ausweiskarte. Cine rote A. tragen die aus der Truppe 
entnonunenen Hilfstranfentrager, die nicht unter dent 
Schutze der Genfer Ronvention ftehen. 

Armbruft (Armborſt, Armſt, Arbroſt, v. lat. 
Arbalista, Arcubalista), aus dem Bfeilbogen ber- 
vorgegangene Schußwaffe des Mittelalters (wahr- 
ſcheinlich war auch die Gajtaphrete der Griecen 






Spannbebel ; 

Vifiertlappe ; 

Spannfaften mit Hafen, der beim 
Herunterflappen bes Spannhe⸗ 
belé nad ridmarts gejogen wi. bd; 
Hebelverſchluß mit Feder; 
Gabel, ywifden deren Saden cine 
fleine Kugel, auf einem Draht 
verſchiebbar, als Rorn beim Zie⸗ 
lent dient. Saft aus Cijen. 


a 
b 
¢ 


= 


e 


Balefter ober Schnäpper aus dem 16. Jahrb. mit Stahl. 
bogen und Doppelfehne (Germanijded Muſeum in Riirnberg). 


eine A.). Sie bejtand aus einem Shaft von Hol; 
(meijt Eibe) mit cinem Bogen aus Stahl oder Fiſch— 
bein, deſſen Enden durch die aus Tierfehnen oder 
Hanffäden gedrehte Sehne verbunden waren. Jn dent 
Schaft lag eine um cine wageredte Welle drehbare 
Nuß, hinter welche die zurückgezogene Sehne qelegt 
und durch eine Abzugsſtange gehalten wurde. Durd) 
einen Druc auf die lettere hob fie in der Nuß aus, 
die Sehne ſchnellte nad) vorn, ſchlug bierbet auf dag 
in der Rinne des Schaftes liegende Geſchoß (Bolzen, 
Pfeil oder Kugel) und ſchoß es ab. Sum Spannen 
diente Der Spanner, bei Reitern der hebelartige 
Geißfuß (Scikfugarmbruft), bei ftarfern Bo- 

en die Handwinde. Bei der Berteidiqung der 
Stiidte jtellte man die große YW. von 7—Y9 m Linge 
(Urfuballijte) auf der Plattform der Tore und 
Tiirme auf, auch nahm man fie auf Wagen als Feld- 
geſchütz mit ins Feld. Wan nannte fie dann Wag- 
arntbruft und dad zugehörige Spannyeng die Wag. 
Der Schnapper (Bate jter; ſ. Abbildung) mit fur- 
zem Stahlbogen hatte cine Vorrichtung, die Sehne 
oder den Spannbebel beim Spannen in den Ein— 
ſchnitt einſchnappen ju lajjen. Zuweilen beſaß die A. 
eine bedeckte Rinne oder einen zylindriſchen eiſernen 
Lauf mit Sehnenſchlitz Kugelſchnäpper) undſchoß 


778 


Rugeln aus gebranntem Ton, Marmor oder Vlei, 
die nod) auf 250 Sehritt einen Banger durdfdlugen. | 
Hieraus erflart fic) aud), weshalb die A. nod) lange 
neben dem Feuergewehr als Schußwaffe bevorzugt 
wurde. Bon einer rafetenartige Bolzen ſchießenden 
A. erbielt vermutlich die Arkebuſe (ſ. d.) ihren Ras | 
men. In Frankreich fannte man die A. fdon im 
9. Jahrh., in Deutſchland wurde fie im 12. Jahrh. 
gebräuchlich und war von fo bedeutender Wirfung, | 
dap ihr Gebrauch gegen Chrijten vom zweiten late- 
ranijden Rongil 1139 verboten wurde. Witte des 
16. Jahrh. verſchwand die YW. aus den Heeren, hat 
ſich aber bei Schützenfeſten x2. nod) lange, vereingelt 
bis heute erhalten. 

Armee (franj., v. mittellat. armata, »bewaffnete 
Macht«), Kriegsheer, bezeichnete frither wie das ſpa— 
niſche armada (f. d.) Deer und Marine, ſpäter nur 
die gejamte Landmadt. Werden Teile der W. fiir 
kriegeriſche Operationen unter einen bejondern Ober- 
befehishaber gejtellt, jo werden jie als 1., 2., 3. A., 


Yrmee — 





oder nad) dem Kriegsſchauplatz (Elbarmee, Nord— 
armee 2¢.), oder nad dem Oberbefehlshaber bezeich⸗ 
net. Gine folche A. gliedert fic) in Urmeeforps und 
Ravalleriedivijionen. Näheres iiber die Urmeen der 
veridjiedenen Lander f. unter den Landerartifeln. 

Armeebar , |. Bärenfelle. 

Armeebiſchof, der latholiſche Feldpropit des preu- 
piidben Heeres. 

Armecdelegicrte, den Armeeoberlommandos 
beigegebene Delegierte des faiferliden Kommiſſars 
dev freiwilligen Krankenpflege. 

Armeedivifion, foviel wie Divifion (ſ. d.). 

Armecfeftungen, große Waffenplätze, dic in ihren 
Befeſtigungen Heere behufs ihrer Wufitellung , Aus— 
riijtung x., oder nad Mißerfolgen zu ihrer Retablie: 
rung aufnehmen und die LandeSverteidigung fon- 
zentrieren, 3. B. Baris. 

Armeegeneralarzt, dem Oberfommando einer 
Armee als Chef des Sanitatswefens beigegebener Arzt. 

Armeeinſpektion, ſ. Inſpektion. 

Armeekorps, der größte Truppenverband, deſſen 
Wirkſamkeit fiir Marſch und Gefecht nod von einer 
Stelle, dem Generalfommando, an defjen Spite 
der fommandierende General fteht, geleitet wird. Das 





A. fet fic) aus allen Waffengattungen gufanunen, | 
unter Zuteilung von Berwaltungsbebirden, Trains | 
und Rolonnen, es ijt Daber gu dauerndem ifolierten | 
und felbjtindigen Auftreten tn allen Kriegslagen be- 

fabigt. Ym Kriege werden in der deutfden Armee 
mehrere UW. und Ravalleriedivifionen unter einem 
Oberfommando zu YUrmeen oder Armeeabteilungen 
vereinigt. Der Yrmeeforps- und Divifionsverband 
ijt von Napoleon I. gefchaffen und von allen euro: 
paifdjen Heeren angenommen. Die WU. find aus 2 Di 

vijionen zuſammengeſetzt, nur Franfreid) hat UW. von 
24 Divifionen. Deutfchland hat 23 A. Jedes A. 
refrutiert aus einer beſtimmten Provinz oder Staat, 
wo es aud) garnijoniert, mur das Gardeforps in 
Berlin, Potsdam, Spandau begieht feinen Erſatz aus 
Preugken und cinigen durch enge Konvention verbun 

denen Fleinern deutiden Staaten. Jn der Friedens- 
qliederung bejteht das A. aus 2 Divijionen und den 
Spejialwaffen (Jäger, Fußartillerie, Rioniere, Melde- 
reiter, Train), in der NriegSqliederung aus 2 In— 
fanteriedivijionen, Nolonnen und Trains. Die Kriegs- 
jtarfe des deutſchen A. beträgt etwa 25 Bataillone 
Infanterie, 12 Estadrons, 24 Batterien. Die Ber- 
pilequngsitarte tm Rriege ijt rund 36,000 Köpfe und 
10 -11,000 Bferde. 





Armenien. 


Armecfranfheiten , ſ. Heeresfranfheiten. 
Armecfanitatswejen, |. Kriegsſanitätsweſen 
Armegeckenkrieg, |. Armagnalen. 

—— meer (Ärmelkanal, franz. la Manche), 
j. Ranal. 

tirmelpatte, rechtecliges Tudjtiid mit drei Me 
tallfnipfen am Armelaufſchlag des Waffenrocks. 

Armenantwalt, ſ. Armenrecht. 

Armenärzte, ſ. Arzt, S. 838. 

Armenbibel, |. Biblia pauperum. 

Armencid, ſ. Urmenredt. 

Armengefesgebung, ſ. Armenweſen. 

Armenhanier, j. Urmenwefen u. Urbeitshauier- 

Armeniaca, ſ. Apriloſenbaum. 

Armenien, Land in Vorderaſien (ſ. Karte Kau 
fafien«), das bis ins Mittelalter zeitweiſe unter eignen 
Königen ſtand, dann feine politiſche Selbſtändigleit 
verlor und gegenwärtig unter Rußland, die Türtei 
und Perſien geteilt ijt. Es umfaßtt das Gebiet zwi⸗ 
ſchen Kleinaſien im W., der Tiefebene des Aras und 
Kur im O., dem Kaukaſus im N. und den Gebirgen 
ſüdlich Des Murad im S. und bildet in dieſem Um 
fang ein in fich geſchloſſenes Naturganzes: etme mad> 
tige, Die umgebenden Länder tiberragende Dodlands- 
maſſe mit fett alters einbheitlider Bevdlferung. Das 
Innere nehmen 800—2000 m ii. M. qeleqene, merde- 
reiche Hodjebenen ein, auf denen fic) iſolierte, bis 


— 


über 5000 m hohe Regelberge, meijt alte rater, und 


lange Gebirgstetten erheben. Unter legtern ijt die 
vom Ararat bis zum Zuſammenfluß der beiden Quell⸗ 
flüſſe Des Euphrat ſich — vielnamige Rette 
die bedeutendſte; ſie teilt Land in cine ſüdliche 
und eine ndrdlidje Hälfte. In der ſüdlichen liegt die 


Talebene des Murad Su oder öſtlichen Cupbhrat, bei 


Muſch etwa 1400 m hod; in der ndrdlichen find die 


Hochebenen von Bajesid, Erzerum (1860 m), Rare, 


Achalzych und Eriwan (985 m). Der Hodebene von 
Eriwan jind aufgefest: der Grofe Ararat (5156 m), 
der Kleine Urarat (4030 m) und der Ulagid; (4180 m). 
Die Rander des Hoclandes fallen geqen N. und S 
jab in tiefer — Landidaften ab, wabhrend der 
tibergang im W. fleinafiatijden, tn O. zum 
iranijden Hodland unmerklich ijt. Zwiſchen dem 
Nordabfall und dem vom armeniſchen Taurus ge: 
bildeten Siidrande ſteigen mehrere Berggruppen zu 
mehr als 3000 m an, 3. B. Bingdl Dagh (3925 m), 
Balandifen (3150 m), Sipan Dagh (3800 m), Wia 
Dagh (3520 m). Südlich vom Taurus folgt eine 
breite Langenjtufe, in welder der Tiqris im der Tal- 
ebene von Diarbefr nach ©., weiter weitlich auch der 
Euphrat auf eine Stree nach W. fließt. Am S. wird 
diefe breite Lingenjtufe von dem von O. nad B. 
jiehenden, iiber 1000 m hohen Tir Ubdin (Mons Ma- 
sius) beqrengt und von der erjten Stufe Wefopota- 
miens —— Um Weſt⸗ und Oftrande ſteigt man 
allmablid) fiber mebrere Stufen in furjen Engpäſſen 
auf die Hodebenen Armeniens hinauf. 

Die Bergketten Urmeniens ähneln im Bau dan 
Rautafus (}. Kaulaſien Geolog.) und befigen im ©. 
dasſelbe Streidjen, das jedod) im BW. mehr nad NO. 
gerichtet ijt. Sie bejteben wie der Kaukaſus aus einem 
altfrijtallinijden Kern (Gneis, kriſtalliniſche Schie- 
fer, Granit) und ausgedehnten Ublagerungen jinae- 
rer Sedimente, namentlid) von Kreide und Tertiar. 
Weite Uusdehnung beſitzen jungvulfanifdje Geſteine 
(Andeſit, Tradyt, Bafalt), die nach der Erhebung der 
armenifden Alpenketten von einer großen Sabl jest 
erloſchener (Ararat, Bingöl, Alagöz) oder im Solfa- 
tarenzuſtand befindlicher (Tanturef) Bulfane gelie⸗ 


Armenien (Klima, Pflanzen 


fert worden find. Thermen und Erdbeben mit dem 
Urarat als Sentrum erinnern an die vullaniſche Tä— 
tigfeit des Gebiets. A. ijt reid) an Mineralſchätzen. 
Berühmt find die Berqwerfe ju Gümüſchchane und 
Kure Baiburt, die Silber, Blei, Eiſen, Arſenik, Kup— 
fer, Ulaun und tertidires Steinfals liefern. — Arme— 
nien8 Flüſſe gehören mit wenigen YWusnahmen zu 
den Hier entipringenden Stromfyjtemen de3 Euphrat⸗ 


Tigris, Urares und Kur. In den Pontus miindet | 
zu ihnen fant, in eigentitmlider Weiſe aufgefaßt und 


der Tſcharuch. An größern Seen enthilt A. den 


779 


finden fid) cigentiimlide Urten. Die niedere Fauna 
der armenifden Alpenſeen ſchließt ſich in ihrer Bue 
ſammenſetzung der Der Schweizer Alpenſeen ar. 
{Wevsilferung.} Die Armenier haben ertrem 
hobe Kurzſchädel, dide, große Naſen, dunkle Haare 
und Augen; ſie ſind intelligent und beſitzen aus der 
Zeit vom 4.—12. nachchriſtl. Jahrh. eine reiche Lite— 
ratur, namentlich in Geſchichte und Theologie. Ebenſo 
haben fie die chriſtliche Religion, die bereits im 2. Jahrh. 


- und Tierwelt; Bevdlferung). 


Wanfee auf tiirfijdent, den Göltſcha auf ruſſiſchem entwicelt und fic) m neuerer Zeit aud) dev evange- 


und den Urmiaſee auf perfijdem Gebiet. 


lifchen Lehre zugänglich gezeigt (ſ. Armeniſche Kirche). 


[Klima, Pflanzen⸗ und Tierwelt.J A. zerfällt in | Sie find arbeitſam, ſparſam und enthaltſam, jedoch 
die drei Klimaregionen des Regens mit ſubtropiſchem ränkeſüchtig und von geringer Moral und beſitzen 
Klima, des veränderlichen Niederſchlags und des ewi- großes Geſchick gu kaufmänniſchen Geſchäften, bei 


en Schnees. Die erſte begreift nur das Kurtal von 

iflis bis zum Kaſpiſchen Weer und die Tallandſchaft 
des obern Tigris, die zweite die Hochebenen, Rand— 
gebirge und Plateaus bis zu 4000 m und bietet viele 
AUbjtufungen dar. Die Hodebenen haben ſehr rauhes 
Klima, lange, ftrenge Winter und furze Sommer 
mit fehr heißen Tagen, aber falten Nächten. Cin da- 
rafterijtifdjer Bug des armenijden Klimas bejteht in 
den ſcharfen Gegenſätzen feuchter Luftididten von 
verfdiedenen Temperaturen und in deren häufiger 
Uusgleidung durd) heftige Entladungen (Schnee— 
ſchauer im Winter, Regen- und Hagelfdauer im Som- 
mer). Die Region des ewigen Schnees begreift die 
höchſten Teile des Verglandes ; am Urarat bei 4000 m 
beginnend, reicht fie mm Innern noc über 800 m 
tiefer herab. Wtittlere Jabrestentperaturen und mitt- 
flere Jahresertreme (cingeflammert): Trapezunt 15,5° 
(30° und —3°), Tiflis 13° (88° und —12°), Wleran- 
dropol 5°, Eriwan 11°, Urarat (Gipfel) unter 0°. 
Regenmengen (ahr): Tiflis 49, Wlerandropol 38, 
Aralich 14 cm (Marimum Mai, Minimum Yanuar- 
Februar); Niederſchlagstage 80 — 120. 

Gin jujammenbhangender Waldbejtand gehört nur 
den äußern Randgebirgen an. Bis 1500 m erbebt 
ſich cin Giirtel immergrüner Geſträucher, Eichen 
(Quercus pubescens), Hainbuchen (Carpinus orien- 
talis), Haſel (Corylus), dagu an jonnigen Stellen 
echter Lorbeer. Hier wadfen aud) pontijde Alpenroſe, 
Ujalee und Kirſchlorbeer. Bis 2000 m treten Laub- 
waldungen aus Eichen, Buden, Uhorn, Linden und 
Erlen auf, gemiſcht mit der orientalifden Fichte (Pi- 
nus orientalis), Najtanien, Obſtbäumen und Bap- 
peln. WMitunter geht der Laubwald unmittelbar in 
die Region fubalpiner Sträucher und Kräuter iiber. 
Vemertenswert find die das Anjeftenpulver liefern- 
den Pyrethrum-rten. Die Baumgrenze fdwantt 
zwiſchen 2300 und 2800 m. Uber 2000 m beginnt 
die Region der Ulpenrofen (Rhododendron cauca- 
sicum). Die reidje Bewäſſerung und die fontinen- 
tale Plateauwärme lafjen die Kulturgewächſe raſch 
reifen. Der Weizenbau reidt bis 1800 m, der Gerjten- 
bau bis 2200 m, die Hodjebene von Erzerum gewährt 
ergiebige Weizenernten. Am Urmiafee werden Baum: 
wolle, Sefam und fogar Reis gebaut, die Feige ge- 
deiht an geſchützten Orten, der Weinbau wird am 
Wanfee bis 1800 m betrieben. Uberall aber, wo die 
—— oder die Durch fie geſpeiſten Flüſſe fehlen, 
herrfdjen Unfrudtbharteit und Verödung. — Die Tier- 
welt zählt gur europäiſchen Subregion der paliart- 
tijden Region. Bon Vierfüßern finden fic) nod) zahl⸗ 
reiche Biren, Luchfe, ferner Lemminge, Murmeltiere ; 
Füchſe, Dachſe und Wolfe werden immer mehr aus- 
gerottet. Unter den Vigeln find an den Seen befon- 
ders Waffervigel reid) vertreten. Unter den Schnecken 





deren Uusiibung ihnen jedes Mittel recht ijt. Yor Er- 
werbsfinn, den jie in der Heimat nidjt geniigend be- 
titigen finnen, führt fie oft in die Fremde, vor allem 
nad) Konjtantinopel, wo fie zahlreiche Beamtenjtellen 
innehaben, damn aud) in die umliegenden Lander bis 
nad Wefteuropa und felbjt Nordamerifa. Wher trotz 
dieſer Zerſtreuung bilden ſie überall geſchloſſene Ge— 
meinweſen, die ihre nationale Eigentümlichkeit zu 
behaupten wiſſen. Man ſchätzt ihre Zahl in A. ſelbſt 
auf höchſtens 1 Mill. (in gang Türkiſch-Aſien auf 
1,144,000), in Perſien und den Landern öſtlich da- 
von auf 43,000, in der Curopiijden Türkei auf 
400,000, in Rußland auf '/s Mill, in Wfrifa auf 5000, 
in Siebenbiirgen, Ungarn und Galizien auf 16,000, 
im itbrigen Europa auf 1000. Die Geſamtzahl dürfte 
2 Mill. wenig überſteigen. In der Heimat find die 
Armenier meijt Hirten und Ackerbauer geblieben. 
Ihre Mleidung gleidjt der tiirfifden, nur dak fie ſtatt 
des Turbans eine hohe Pelzmütze tragen. Die Frauen 
dürfen fid) Sffentlid) nur verbiillt zeigen und ftehen 
auf niedriger Stufe. Um die Hebung der geringen 
geijtigen Bildung des Bolles haben jich evangelijd)- 
amerifanijde Miffionare und frangofifde Jeſuiten 
verdient gemadt. Außer ihren Unjtalten gibt es in 
YW. nur wenige Schulen. Auger Urmeniern wohnen 
im Lande als Cingewanderte die herridenden Tiir- 
fen, Rurden, im SDH. tatarifde Stämme, Ne— 
jtorianer, die einen ſyriſchen Dialeft ſprechen und 
jumeijt die Gebirge an der Grenje von Perſien be- 
wohnen, Georgter und Lajen im N. fowie zer— 
jtreut Griechen, Juden, Zigeuner. Die Wohnungen 
ind mit Rückſicht auf den langen, harten Winter ane 
elegt und haben möglichſt wenige Offnungen. Die 
acter bejtehen aus Lehmbiitten, häufiger aus unters 
irdiſchen Wohnungen. Ummnittelbar neben dem Wohn⸗ 
emach befindet fic) Der Stall und unter der Dach— 
ufe cin 1 m tiefes Lod) tm Boden (Tandur), das als 
Ofen und zur Brotbereitung dient. Sehr bedeutend 
ijt Die Schafzucht. Der im ganzen unbedeutende 
Ackerbau erzeugt Weizen, Gerjte, Spelz und Flachs, 
auf den Ebenen Reis, Baumwolle, Tabaf, Sefam, 
bier und da Hirje. Jn den Ebenen wird aud Seiden- 
raupens, Bienen: und Obſtbaumzucht fleißig betrieben, 
jtellenweije ausgezeichneter Weinbau. Die wenig ent: 
wicelte Induſtrie erzeugt Teppiche, feidene und wol- 
lene Zeuge, Striimpfe, Pferdedecten, Schals, nament- 
lid) aber Treffen, wozu man die Gold- und Silber- 
faden meiſt aus Rupland erhalt. 

Im Ultertunt unterfdied man das meijt ſelbſtän— 
dige Großarmenien (Armenia major), die grofe 
Ojthalfte des Landes, und das rimijde Klein— 
armenien (Armenia minor), das den fleinern Ge- 
bietsteil wejtlid) vom Euphrat umfaßte. Geqenwir- 
tig ijt UW. unter die oben genannten Mächte geteilt. 


" 


780 


Türkiſch-A. umfakt auger dem alten Meinarme- 
rien den weſtlichen Hauptteil von Grogarmenien: die 
Wilajets Wan, Bitlis, Erzerum fowie Teile der Wi- 
lajets Diarbefr und Charput mit den Hauptitadten 
Erzerum, Wan, Bitlis, Muſch. Ruſſiſch-A. (Frither 
im Befits der Perſer) begreift Den Nordojten des alten | 
Großarmenien, die jetzigen Gouvernements Eriwan | 
und Selifjawetpol, das Gebiet von Kars ſowie Teile 
des Gouv. Tiflis mit den Stadten Tiflis, Kars, Eri | 
wan, Wlerandropol, Jeliſſawetpol, Nachitichewan, | 
Schuſcha und den drei altberiihmten Klöſtern Etſch— 
miadſin, Sig des Patriarden von A., Haghpad und 
Sanahine. Der perſiſche Teil von W. wmfakt die 
ſüdöſtlichſte Eee de3 alten Grogarntenien und gebhort 
zur Proving Aſerbeidſchän. 
Geſchichte. 

Das Bergland nördlich von Meſopotamien bezeich— 
neten die alten Babylonier als Gutium oder Kuti; 
es gibt eine Inſchrift aus der Zeit Naram-Sing (um 
8000 v. Chr.), worin ein »König der Kuti⸗ über feine 
an den Gonnentempel ju Sippar gejtiftete Weihung | 
fpridt. Später find Hethiter m das Gebiet rund 
unt den BWanice eingedrungen: die Aſſyrerkönige 
Salmanajfar [. (um 1270) und Tiglath-Pilefar I. | 
(um 1100), Aſſurnaſirpal ITT. (am 880) und Sal- | 
manaffar IT. (857) kämpften wiederholt gegen die | 
hethitiſchen Reiche Nairt und Kirchi, Muͤſſaſſir, 
Man und namentlich gegen Urarthu, das ſich un— 
ter ſeinen durch kürzlich aufgefundene Inſchriften 
mehrfach bezeugten Königen Sarduri, Jipuinis, Ar— 
giſtis und Ruſas mühſam des aſſyriſchen Uberge- 
widhts au erwehren ſuchte, bid es um 650 der Ein— 
wanderung indogermanifder Stämme(der Kim— 
mterier, Dann der Aſhkuza, endlich der Wieder) erlag. 
Am Norden behaupteten fich iberifde, im Süden fur- 
diſche und fyrifde Rejte. Aus der Durchſetzung der 
alten Bevdlferung des Verglandes mit den eingewan— 
dDerten Indogermanen hat jich allmablic das arme— 
niſche Volk entiwidelt, das mit dem Untergange des 
mediſchen Reiches um 550 v. Chr. den Perſern unter- 
tan wurde. Die Yrmenier nannten fich felbjt Hayf | 
(Herren«), Daher ibr Land perſiſch Hajajtan hieß, 
während der Name W. von den Wedern herriihrte. 
In der Bibel wird A. Thogarma genannt. Die ar- 
meniſche Überlieferung verbindet diefe drei Namen, 
indem fie als »YUrdeqeten« des Bolfes Hayf, Sohn 
des Thorgom, nennt und feinen Sohn Armenak erjten 
König des Landes Urarat fein läßt. Mit ganz Ber: | 
fien wurde aud A. von Wlerander d. Gr. ei 
Reid) einverleibt (330 v. Chr.). Nach Wleranders 
Tode fam W. unter die Herridajt der Seleutiden und 
blicb darunter bis auf Antiochos IIT. d. Gr. Ws 
dieſer 190 v. Chr. von den Römern geſchlagen wurde, 
qriindete 189 YUrtarias (Artaſhes) im Araxestale das 
Sealing, 5 »>Mrofarmenien« mit Urtarata, Zaria- 
dres das ebenfalls von den Römern anerfannte » Klein: 
armenien« mit Sophene am Tigris. 

Wrofarmenien mute 166 die Oberhoheit des 
Seleufiden Untiodos IV. Epiphanes anerkennen, fiel 
aber 150 dem parthiſchen Arſakiden Mithradates I. 
ju. Uber obwoh! Mithradates IL. (124—76 v. Chr.) | 
den parthifden Einfluk auf A. feityubalten fudte, | 
libernahm unter Tiqranes J. (94 —56 v. Chr.), der 
Mappadofien und Mefopotamien, 83 aud) Syrien er: 
oberte, A. felbjt, wenn auch nur auf kurze Beit, die 
Führung der iraniſchen Stimme. Wis Schwieger- 
john Withradates’ VI. von Pontus in deſſen Krieg 
mit den Römern verwidelt, wurde er 69 von Lucullus 
bei fetter Hauptitadt Tiqranoferta und 66 von Pom— 











Armenien Geſchichte). 


pejus befiegt. Sein Radfolger Artavazd J. (Arte⸗ 
bazos; 56—30) bradte 53 v. Chr., durch Orodes L 
daran verhindert, dem Romer Crajjus auf deſſen Zug 
gegen die ‘Barther feine Hilfe und ward 30 anf Yin- 
tonins’ Unjtiften gefangen weggeführt. Seitdem blieb 
WU. jahrhundertelang Gegenjtand des Kampfes zwi⸗ 
iden Römern und Barthern: nur voriibergebend 


| ward der parthifde Prinz Tiridates durch Nero mit 


A. belehnt (62 n. Chr.), und fam e3 durch Trajans 
Siege (114—-116) unter römiſche Herridaft; 242 
aber ward ¢3 von Gordian IIL. dem Sajaniden Sha- 
pur I. abgetreten. 286 von Tiridates d. Gr. (Trdat) 
mit römiſcher Hilfe noch einmal befreit, wurde Groß 
armenien damals durd Gregor den Erleudter (Gn. 
gor Lijavorit; 294) dem Chriftentum gewonnen; 
416 in eine römiſche und eine perjifche Halfte zerteilt, 
ward der Ojten 430 von Bararan V. als »Perſa— 
mienas zu ciner Provinz de3 Safanidenreichs gemac’, 
der nad) und nad) aud) der fleinere weftliche Teil an- 
gegliedert wurde. 636 ward Grofarmenien von den 

rabern iiberflutet, hatte unter deren Saimpfen gegen 


Byzanz fewer gu leiden und wurde teils von byzan⸗ 


tiniſchen, teils vom arabiſchen Statthaltern regiert 
Unter der Dynajtie der Vagratiden, die 859 mit 
Dem ⸗Fürſten der Fiirften< Aſhot J. (König« 885, 
geſt. 890) in Abhängigleit von den Kalifen zur 
Herrſchaft qelangte, bliihte das grofarmenifde Rei 
nod) einmal auf, vermodte fic aber, bald von in: 
nern Kämpfen gerrijjen, der Perſer, Tataren und an- 
derer Nachbarn nicht zu erwebren und fiel daher 1089 
jum Teil in die Gewalt der Bysantiner, yum Teil in 
die der feldfdhutifchen Tiirfen. Nur einige einhe 
miſche Fürſten behaupteten ihre Unabhängigkeit, bis 
Mitte des 13. Jahrh. die Mongolen Hulagus, dann 
(1390) die Timurs verwiijtend cindrangen. 1467 
tam Grogarmenien durch Uzun Hafan an die Turt- 
menen vom »Weiken Hammel« (bis 1473); 1507— 
1514 beſaß es der ſchiitiſche Sefewide Ismail. Der 
Osmanenſultan Selim I. aber eroberte 1514 UW. und 
verleibte e3, bis auf das öſtliche Jrwan, das die Fer: 
fer bebielten, dem türkiſchen Reid) cin. Den ndrd- 
lichen Teil des feit 1623 wieder etwas erweiterten 
perſiſchen Grogarmenien mit Eriwan croberten 1828 
Die Muffen, die 1878 aud) den Türken das Gebiet von 
Kars und Batum abnahmen. 

Rleinarmenien, das Land awifden dem Halys, 


dem Rontiichen Gebirge, dem Cuphrat und dem Ei— 


ſiſchen Meerbufen, deffen Hauptitadt anfangs Sophene, 


dann Melitene (Malatia) und Mopſuheſtia (Mis), 


zuletzt Sis war, wurde von Mithradates mit dem 
pontifden Reid) vereinigt und nad deffen Beſiegung 
durd) die Romer dem Dejotarus, Vierfürſten von 
Malatien, verliehen, bis e3 70 n. Chr. durch Veſpa— 
jianus zur römiſchen Proving gemadt wurde. Bei 
der Teilung des römiſchen Reiches (395) fam es yum 
oſtrömiſchen Raifertum, dent 428 aud) der Flemere 
wejtlide Teil Grokarmeniens zugeſchlagen wurde; 
aber 633 wurden die Uraber die Herren Rleinarme- 
nien’. 752 von den Byzantinern wiedererobert, 
juchte es fid) von der Fremdherrſchaft frei yu machen. 
1080 beqriindete Der Bagratide Ruben (Rhupen) 
cin felbjtindiges Reich, dad fic) unter feinen Nadfol- 
qern iiber Riltfien und Rappadofien erjtredte und in 
Den Kreuzzügen eine Rolle fpielte. Daneben gab es 
jedoch kleinere Herridaften in A. Leo IT. erbat ſich 
von dem König von Jerufalem, Grafen Heinrich von 
Champagne, die Königswürde, lief fie ſich durch Rai- 
fer Heinrich VI. und Papſft Colejtin LIT. beſtängen 
und empfing aus den Händen des Mainzer Erzbiſchofe 


Armenierftadt — Armeniſche Rirde. 781 


Konrad von Wittelsbad) (1198) zu Tarſos die Krone. | and Turks (Lond. 1880, 2 Bde.); Tozer, Turkish 
Su Unfang des 13. Jahrh. tam das Land in Wb- | Armeniaand Eastern Asia Minor (daſ. 1881); Frédé, 
hängigkeit von dem Seldidufen-Sultanat von Rum; | Voyage en Arménie’et en Perse (Par. 1885); Chan- 
dann aber wurde es durch Hulagu (1256) den Mion: | tre, A travers l'Arménie russe (daſ. 1893); Wart- 
golen untertinig. Dazu famen {pater Streitigfeiten | worth, Notes from a diary in Asiatic Turkey (Lond. 
mit den Gultanen von YUgqypten, die A. wiederholt | 1898); Lynd, Armenia, travels and studies (Daf. 
verwiijteten, jowie innere Serwiirfuifie, bejonders in- | 1901, 2 Bde.). — Die Gejdidte Urmeniens ijt mehr- 
folge der Cinmijdung der Päpſte in die firdlichen | fac) von armeniſchen Schriftitellern des 5.—7. Jahrh. 
Ungelegenheitern Urmeniens. 1375 erlag es dem | bearbeitet worden (näheres f. Urmenijde Literatur). 
aigyptijden Sultan Schaabin I. Der legie König, | Val. ferner Lufas Indſchidſchean, Ultarmenien 
Leo VI., aus dem Haufe der Lufiqnan von Cypern, | (1822); Dericlbe, Archäologie von A. (Bened. 1836, 
miitterlicerieits von den Rhupentden abjtammend, | 3 Bde.); Riepert, [ber die älteſte Landes u. Volts. 
fiel in ägyptiſche Gefangenjdaft und ſtarb nad ſei- geſchichte von YW. (Monatsberichte der Berliner Aka— 
ner Freilaſſung in Paris 1393; Rleinarmenien wurde | demie, Berl. 1869); Abaſa, Geſchichte Urmeniens 
nun von ägyptiſchen Statihaltern gu Sis regiert. 1403 | (ruff., Betersb. 1888); » Historical sketch of Arme- 
bradjen die Turfmenen vom ⸗Schwarzen Hammel · nia and the Armenians, by an old Indian-(Lond. 
in U. cin; 1467 wurden fie vom ⸗Weißen Hammel< | 1896); Gregor, History of Armenia from early 
abgelijt. Rad) ihrem Sturz madjten fic) die perji- | ages to present times (Daj. 1897); Seth, History 
ſchen Sefewiden gu Herren von Rleinarmenien, wur- | of the Armenians in India (daſ. 1897); Winckler 
den jedod) 1514 (Selim I.) durd die Tiirfen ver- | und Sdurg im 3. Bande von Helmolts »Welt- 
drängt, unter deren Votmapigfeit das Land gum gro: | gefchidte« (Leipz. 1901). 
fen Teil nod) jest jteht. Die oft in erbitterten Uuf-| Wrmenterftadt, ſ. Szamos-Ujpär. 
ſtänden fic) Luft machende Feindſchaft der hrijtliden| Armeniſche Kirche. Nad der Legende hat ſchon 
Armenier gegen die Mohammedaner in A. (Kurden rc.) | der Upojtel Thaddaus das Evangelium in Yirmenien 
bot Ende des 19. Jahrh. mehrmals Anlaß zur Er- | verfiindigt; der wahre Apoſtel Urmeniens ijt der 302 
irterung der armenijden Frage; Ende 1901 | in Cajarea in Kappadofien zum Biſchof geweihte Gre- 
gab es 3. B. im ruſſiſchen Transfaufafien 40,000 | gor der Erleucter (jf. Gregor), der in Verbindung 
armenijde Flüchtlinge. mit Dem König Tiridates die Chrijtianijierung des 
lEutdectungsgeſchichte, Literatur.] Bis zur Be- | Landes planmapig ins Wert fegte. Nerſes (um 370) 
ſitznahme der Proving Eriwan durd Rußland hatte | und Sahak d. Gr. (um B90) machten die a. K. von der 
man von A. nur liidenbafte Runde. Die erjten fliid- fappadofijden Mutterfirde unabhingig. Durd Sa- 
tigen Befdreibungen lieferten Hardin, Tournefort | haf und jeinen Gebhilfen Mesrob erhielt jie Bibeliiber- 
und Olearius im 18. Jahrh., Morier, Ker Porter, | fepung u. Liturgic. Seit der Mitte des 5. Jahrh. hat- 
William Ouſeley zu Anfang de3 19. Jahrh. Erjt als | ten die armenijden Chrijten unter den von den Per— 
die Ruſſen in A. Sicherheit der Straßen hergejtellt | fern begiinitigten Verſuchen, die Feuerreligion wieder 
haiten, fepte die ernjtere Forfdung ein. Parrot be⸗ zu beleben, ſchwer gu leiden, und erjt die Ratajtrophe 
reifte mit jeinen Begleitern Behages und Federow A. | des perſiſchen Reides unter Pero; 484 machte den Ver- 
1829, bejtieg die beiden Araratkegel und veriffent- | folqungen ein Ende. Infoige der Nichtanerfennung 
lichte Das erjte wiffenfdaftliche Werk (>Reife gum Yra- | des Konzils von Chalfedon (451) und der damit zu— 
rate, Berl. 1834, 2 Bde.). Später durchzog der WUr- | ſammenhängenden doqmatifden Annäherung an den 
chäolog und Naturforjder Dubois de Montperreur | Monophyfitismus (ſ. Monophyfiten) geviet die a. K. 
Diejelben Gegenden. Ihm folgten Karl Kod) (» Wan: | in eine kirchliche Sonderſtellung, die durch die poli- 
derungen im Orient«, Vd. 2 u. 3, Weim. 1846—47), tiſche Abgeſchloſſenheit nod) verſtärkt wurde. Die lite- 
Szowitſch, Carteron, Wosfobrinifow, Rolenati, Brojjet rariſche Betriebſamleit erhielt fid) aber, umd ein an- 
(> Voyage archéologique«, Bar. 1849 —51), 3. G. ſehnlicher Teil der altfirdlicjen Litevatur. ijt nur in 
Taylor und Streder (j. d., »Zur Geographie von armeniſcher Sprache auf uns gefommen. Oflere Ver- 
Hodarmenien<, 1869). M. Wagner (⸗Reiſe nad dent | jude, die Union fei es mit der qriechifdjen, fet es mit 
Urarat und dem Hodland A.«, Stuttg. 1848) befudte | der römiſchen Kirche wiederberjzujtellen, miflangen; 
uerjt die Durd) kurdiſche Räuberſtämme äußerſt une | aud der auf dem Konzil gu Floreng (1439) beſchloſ— 
idjere Siidjeite des YUrarat. Sehr bedeutungsvoll find ſenen Union, nad) der die a. K. gwar die Lehre von 
die geologifden Arbeiten Abichs, der feit 1844 den | den zwei Naturen annehmen, aber thre nationalen 
Alagöz und die vulfanifden Gruppen an der Siid- | und ritucllen Cigentiimlicfeiten behalien follte, tra- 
feite des Göklſchaſees bereijte (Geologie des arme- | ten nur die auferhalb YUrmenien zerſtreuten Glieder 
niſchen Hodlandes«, Wien 1882, 1. Halfte). Um die | der armenifden Kirche bei, und cine Spaltung der 
nalurwiſſenſchaftliche Durdhforfdung hat fid) Guſtav Kirche in eine fatholijde oder unierte und cine ſchis— 
Radde, dejfen Sammlungen das Kaukaſiſche Mu- | matifde war die Folge. Beide Parteien jtehen ſich bis 
ſeum in Tiflis birgt, die größten Verdienjte erwor- | auf den heutigen Tag aufs feindlichſte gegeniiber. Bu 
ben. Gin nicht geringer Teil von Türkiſch-⸗A. ijt ane | den unierten Armeniern, deren Zahl etwa 100,000 
läßlich ded letzten Krieges Durd die Rufjen aufgenom: | betragt, gehört der reichſte und gebildetjte Teil der 
men worden. Sehr reidje Ergebniſſe, namentlid) an | Nation, auc) die Mechitariſten (ſ. d.), in deren Hane 
wertvollen Inſchriften und topographijden Wufnah- | den fich fajt die ganze armenijde Literatur befindet. 
men, lieferte die 1898/99 von 3 Bold und &. F. Leh- | Sie unterjtehen emem in Ronjtantinopel refidievenden 
mann ausgeführte Reife. Batriarden. Die Nichtanerkennung der Unfeblbar- 
Bal. auger den angefithrten Reifewerfen: Saint: | teitserflarung durd) den geiſtig hervorragendjten Teil 
Martin, Mémoires historiques et géographiques | der Unierten hatte ein Schisma zur Folge, das 1879 
sur l’Arménie (Bar. 1818, 2 Bde.); Curzon, Ar-| mit Unterwerfung der Renitenten endigte. Leo XIII. 
menia; a residence at Erzeroum (Lond. 1854); Yf- | hat den Unierten durd) die Cngyflifa vom 25. Juli 
ſaverdens, Armenia and the Armenians (Bened. | 1888 die Erhaltung der armenijden Sprade und Li- 
1874 —75, 2 Boe.); Creagh, Armenians, Koords | turgie fitr den Gottesdienjt von neuem gewährleiſtet. 











782 


nier angehort, find denen der alten griechiſchen Kirche 
verwandt. Ten Hauptunteridied im Dogma bildet 


die Lebre von der Bermiidung der — und der das 


menſchlichen Natur im Chriſtus ju emer einzigen. 
Mit der Taufe, bet welcher der Taufting dretmal be⸗ 
fprengt und untergetaudt wird, verbinden die Arme⸗ 
nier Die Firmumg, gebrauchen berm Abendmahl un- 
vermifdten Bein und getduertes Brot, das, in Wein 


—— herumgereicht wird, und nehmen die Letzte 


{ung nur an qetitliden Berfonen vor. Das Ober⸗ 
haupt (Ratholifos) der idismattiden armentiden 
Kirche ijt der Ratriard von Eticnriadjin. dem em 
Rat von Erzbiſchöfen und Biiddfen zur Seite ftebt, 
und Dem die Latriardhen von onjtantinopel und . 
Jerufalem rechtlich untergeordnet find. Tatſãchlich tt 
freitich wenigſtens der eritere von dem Natholifos, zu⸗ 
mal feit diejer unter ruififder Obödienz ſteht, unab⸗ 
hangig. Der Bildungsitand der Geiſilichen tit 
inre Borbecitung eine mebr ãußerliche und pel ang 
Die Pfarrer ziehen ihren Unterhalt aus den firdliden 
Almoſen. 

Seit 1831 haben proteſtantiſche, beſonders ameri⸗ 
ration und englifde Mijfionare evan 

den zu bilden beri und feit der Mitte des Jahr⸗ 
hunderts mance Erfo olge zu verzeichnen; Dod) ſteht 
die Verquickung des religiöſen und des nationalen 
Elements bei den —— der Trennung von der 
Mutterkirche entgegen. In der Türkei hat dad Wert 
der Proteſtanten von dem Übelwollen der Regierung 
viel zu leiden. In den letzien Jahren find die chriſt⸗ 
lichen Armenier blutigſter Verfolgung ausgeſetzt ge⸗ 
weſen, deren Einzelheiten an die grauenhafteſten Sze⸗ 
nen des Mittelalters erinnern. Bgl. Hamachod, 
Chronological succession of Armenian patriarchs | 
(Lond. 1865); Malan, Divine liturgy of the ar- 
menian Church oa. 1870); dell Ay 7 Der Ritus 
Der armenifden Kirche (ruſſ., 1875); Re 


—— —— = und ſonſtigen 





ve, L'Ar- jer<), azar von Bbarp (» 


Armeniſche Literatur. 


Dogma und Ritus der ſchismatiſchen Armenier, ũ 
denen Die weit überwiegende Mehrzabl aller Mrme- die 


irchengeſchichte und die Chrom® des Eufebrus 
Homilien und Kommentare des CUbryi cttoms, 


teledxe. Wabrend — —— gstã tigtert auc im den 
folgenden Jabrounderten bliibte, entwidelte fid man 
aud eine felbjtindige literartide Tãtigkeit, dte aber 
im a Ga cate aoe ia eee 
blieb. Es qebdren hierher jablreiche Rommentare zu 

den bibliſchen Biichern, Streitidriften, Homilien, “A 
den, Briefe, Gebete u. dgl. und eine lange Rethe bitte 
riſcher Werke, die zwar zunãchſt nur die Geſchichte des 
etiſche. armenifden Bolfes behandein, aber bet den mannig- 
fachen ge 7 2s ag desfelben ju andern Bolfern aod 
fiir die Gefchidte der Perjer, Araber. 
Seldſchulen und Mongolen von Wichtigkeit ſind Bon 


liſche Gemein⸗ — Bedeutung iſt die größtenteils erſt 


dem ſpãtern Mittelalter angehõrende 
—— juriſtiſche und mediziniſche Literant 
aud) die dichteriſche Produktion; ne 


ichen Boe. 
men ijt nur etwa die Fabeldidtung 
Mit dem Schluß de3 14. Jahrh. endigh | die 
Der armenijd@en Literatur. Unter den —— 
des 5. und 6. Jahrh. ee eee ee 
Mesrop und Sabaf d. Gr. berv die Hiſto 
rifer Ugathangelos (>Gefdidhte des —5 — des Er: 
leudjters<), —— a oe re chichte Brme- 
niens«; deutſch nm 1879), Eliſchẽ oder 
| Clits (> Gehdidhte Keer e Wardans gegen die Fer- 
ite Armeniens von 


ménie chrétienne et la littérature (Rdwen 1887); | 388 —485<), der Philoſoph David, der Theol 


Ter-Mifelian, Die a. K. in ihren Beziehun —— vor allem aber der dem 5. Ja 


byzantiniſchen (Leipz. 1892); Gelzer, Die Anfänge 
der armeniſchen Kirche (Berichte d. Sächſ. Gefellf 

ber Wiſſenſchaften, daj. 1895); Derfelbe, Urtifel » 
meniene« in der ⸗Real⸗ — ——— 
— und Kirche«, 

Urmenifde Literatur. Die — der Ar⸗ 
menier verdankt ihre Entſtehung dem Chriſtentum, 
das gegen Ende des 3. Jahrh. durch Gregor den Er— 
on ge (f. Greqor) in Armenien eingefiihrt wurde. 

ilt Den —— mit Unrecht dieſer Gregor, 7 

$ der Begründer ihrer Kirche, fo aud) als der 
ln * Literatur. Dieſe iſt vielmehr erſt 
durch Mesrop ermöglicht worden, der im Anfang 
des 5. Jahrh. (etwa 402) auf Grund des riechiſchen 
Alphabets das nationale armeniſche Alphabet ſchuf. 
Er und der Katholifos Sahat (geft.439) wollten ihrem 
Volk cine ciqne Quelle chriſtlicher Bildung ſchaffen, 
um es von Pecfien und Syrien unabbingig zu ma— 
den und von der griechiſchen Mutterkirche nicht gänz— 
lid) abgeſchnitten werden ju laſſen, und fie erreichten, 
von der gei iechifdhen Regierung unterſtützt, ihren Swed 
durch U erfepung der ihnen gecignet erſcheinenden S 
drijtlidjen Werke, voran der Bibel (fritifde Wusq., | j 
Vened. 1805). Zahlreiche Schiller ſetzten ihr Wert 
fort, und fdjon um 500 n. Chr. gab es eine febr reidje 
Literatur von Überſetzungen * dem Griechiſchen 
und, in geringerer Zahl, aus dem Syriſchen. Von 
Scqhriflen die unmittelbar kirchlicher Intereſſen wegen 


angehörende Moſes 
vonChorene, cin Schiller Mesrops, der berithmteite, 
aber zugleich tendenziöſeſte Geſchichtſchreiber Arme 
niens (vgl. A. v. Gutſchmid, über die Glaubwür⸗ 
digleit der armeniſchen Geſchichte des Moſes von Kho⸗ 
ren, Leipz. 1876), unter deſſen Werklen (Gefamtansy., 
BVened. 1865) die ⸗Armeniſche Geſchichte « — von 
Lauer, Regensb. 1869) und eine Rhetorik als echt 
gelten gory wãhrend die ihm zugeſchriebene Beo- 
grapbie t im 7. Jahrh. dhe eh ijt. Aus dem 
Jahrh. find hervorzuheben: Johannes der Wami- 
tonier, Theodoros RKherthenavor, Sahat IT. (Katho- 
litos), Sebéos; aus dem 8.: Johannes Odsnenſis 
ie tpg Stephanus Siuneniis, Levond oder 
eontius; aus dem 10.: Johannes VI. (atholifos), 
Thomas Urtsruni, Chosrow d. Gr., Mesrop der Prie- 
jter, Grigor Narefenjis (Berjafjer vieler theolo- 
gifcber Werte), Moſes Ralanfatuenfis, Stepbanns 
folif; aus Dem 11.: — ——— von Laſtivert ¶Ge 
ſchichte Armeniens⸗, franz., hrsg. von Prudbouune, 
‘Bar. 1864), Tattheoe ber iejter, Grigor Magijtros ; 
aus —— 12: Nerſes Klajetſi mit dem Beinamen 
ali ss und Dichter), Matthéos Urrda 

onti3, erje3 Yambronenfi3; aus dem 13.: Michael 
ber Syrer, Wardan d. Gr., Riratos (Cyriacus) von 
Wandsaf, Malafhia der Mind, Wahram mit dem 
PBeinamen Rabuni, Stephanus Siunenfts der Or- 
belier; aus dem 14. Jahrh. endlich: Sembat. Rach 
einigen Dahrhunderten des Verfalls der armeniſchen 


ry 


Armenifdher Stein — Armenrecht. 


Bildung und der Entartung der Literatur ijt in neue— 
rer Seit namentlid) durch die Wirkſamkeit Mechi— 
tars (1676—1749) und Der von ibm geftifteten 
Rongregation der Medhitarijten in San Lazaro bei 
Venedig (jpiter auch im Wien) Armenien aufs neue 
in Beziehung sur europäiſchen Kultur gelommen und 


zu neuem getjtigen Leben erwacht, vor dem zu erwar⸗ 
ten ijt, daß es trotz der Ungunſt der politiſchen Ver⸗ 


hältniſſe ſeine aufſteigende Richtung fortſetzen werde. 
Um die Erforſchung der armeniſchen Literatur haben 
ſich in der Neuzeit aud) ſchon vor den star 
einige Europäer, befonders Ytaliener und Frangojen, 
verdient gemadt, aber ihre Leijtungen wurden von 
denen der Wechitarijten weit überholt. Diefe haben 
nidt nur Die armenifde Altertumskunde, die poli- 
tiſche und ———— die alte und neue Geo- 
grapbie 2c. in jum Teil ausgezeidneten Werfen be- 
arbeitet, fondern aud) eine große Zahl armenijder 
Handidviften geſammelt ra bance vor dem Unter: 
gans bewahrt und die Hauptwerke der altarmenijden 


iteratur Durd) den Dru allgemein zugänglich ge- | 


macht. So haben fie nidt nur fiir die Hebung der 
Bildung der armenifden Nation felbjt viel getan, 


fondern auch der europäiſchen Wiſſenſchaft widtige | 


Dienjte geleiitet. Ihrem Beifpiel folgten nicht nur 


Urmenier aller Lander, fondern aud) europdifde Ge: | 


lehrte, wie in Frankreich St. Martin, Dulaurier, 
Carriere, in Deutidland ¥etermann, A. v. Gutſchmid, 


De Lagarde, Vetter, Gelzer, in der Schweis Baum: | 


— in England Conybeare. — Um die Samm— 
ungen von Uberfegsungen armenifder Dijtorifer 
hat fic) Vict. Langlois, durch franzöſiſche Überſetzun— 
gen Broſſet, urd) ruſſiſche Katfanean befonders ver- 

ient gemadt. Langlois veriffentlidte » Collection 
des historiens anciens et modernes de l'Arménie« 
(Par. 1867—69, 2 Bde.), wovon Bd. 1: Agathange- 
108, Faujtus von Byzanz, Senob Glaf, Johannes den 
Mamifonier, Bd. 2: Koriun, Leben des Heil. Rerjes, 
Mojes von Chorene, Clifius, Lazar von Pharpu. a. 
enthält. Broffet qab heraus: » Histoire de la Siou- 
nie, par Stéphannos Orbélian« (Petersb. 1864); 
» Histoire chronologique par Mkhithar d’ Airivank« 
(13. Sabrh.; daſ. 1869); »Kiracos de Gantzag« 
(18. Jahrb.) und »Oukhtanés d’Ourha« (10. Jahrb. ; 


daſ. 1870, 2 Bde.); »Collection d’historiens armé- | 


niens« (Yd. 1 u. 2, daf. 1874 —76). 

Val. Somal, Quadro della storia letteraria di 
Armenia (Sened. 1829; deutſch bearbeitet von K. F. 
Neumann als »>Verfucd einer Geſchichte der armeni- 
ſchen Literatur nad den Werken der Mechitariſten«, 
Leipz. 1836); Raretin, Gefdicte der armenifden 
Literatur (in armen. Spradje, 2. Aufl., Bened. 1886); 
$atfanean, Catalogue de la littérature armé- 
nienne (im »Bulletin de l'Académie de St- Péters- 
bourgs, 1860, Teil 2); Derfelbe, Bibliographiſcher 
Umrif der armenifden bijtorijden Literatur (ruff, 
Petersb. 1880); » Bibliographie arménienne« (Vened. 
1883; in armen. Spradje von Rarefin); »Catalogue 
des anciennes traductions arméniennes, siécles IV— 
XIil« (daj. 1889; in armen. Sprache von Rarefin). 

Armeniſcher Stein, ſ. Lafuritein. 

Armeniſche Sprache, Die a. S. gehirt dem 
indogerman. Sprachſtamm an und ijt als ein felb- 
ſtändiger Zweig desfelben ju betradten, nicht, wie 
man frither annahm, gu den iranijden Sprachen ju 
ftellen. Enticheidend fiir die durch Hübſchmann be- 
qritndete neuere Unficht ijt namentlid) der Vokalis— 
mus der armeniſchen Sprache, da dieſer die urindo- 
germaniſche Dreibeit a,e,o, wofitr im Ariſchen unter- 


783 


ſchiedlos a, fejtgebalten bat. Die Anklänge an das 
Perſiſche beruhen darauf, daß ſchon friih viele Lehn 
worter aus dem Ferfifden in die a. S. cingedrungen 
find. Man unterideidet das Ultarmenij dhe, nod 
jeBt Die gelehrte und gottesdienjtlide Sprade, und 
das Neuarmenijfde, dic Vollsſprache, mit fremden, 
befonders perjifden und türkiſchen Beimiſchungen 
und febr veränderter Ausſprache, die in die oft- (ruj- 
ſiſch⸗ und perſiſch-armeniſche) und weft- (türkiſch-, 
ungariſch⸗ u. polniſch⸗)armeniſchen Dialefte zerfällt. 
Die armeniſche Schrift (ſ. die »Schrifttafeln«) bat 
Der heil. Mesrop im 5. Jahrh. n. Chr. erfunden und 
zwar wahrſcheinlich nach dem Muſter der griechiſchen, 
nicht der ſyriſch perſiſchen Schrift. Die beſten Gram—⸗ 
matifen des Altarmeniſchen find die von Petermann 
(»>Grammatica linguae Armeniacae«, Berl. 1837; 
Auszug mit kurzer Chrejtomathie, 2. Wufl., 1872) 
und Die nod) unvollendete von Hübſchmann (⸗Arme⸗ 
nije Grammatif<, 1. Teil, Leipz. 1897). Ein Hand- 
bud) des Neuarmenijden verfaRte Riggs (Smyrna 

1847), ein »Lehrbuch der neuoftarmenijden Litera: 
turſprache⸗ F. N. Find (Wagarjdapat u. Marburg 
1902). Unter den jablreiden Wörterbüchern ijt her- 
vorzubeben bad armenijd -italienifde von Ciafciat: 
»Dizionario armeno-italiano« (Vened. 1837). Bal. 
ferner: fr. Miiller, Ubhandlungen gur armeniſchen 
Grammatik — pre gi der Wiener Alademie, 
1861—65); Lagarde, Urmenifde Studien (Götting. 
1877); Hübſchmann, Grundgiige der armenifden 
Etymologie (Leipz. 1883). Cine überſicht fiber alles 
auf dem Gebiete der altarmenifden Granunatif Gelei- 
ſtete permet das BVorwort von Hübſchmanns Gram- 
matif. Uber die modernen Dialefte, befonders den: 
jenigen der Urmenier Polens, ſchrieb Hanusz (im 1. 
und 2. Bd. der » Wiener Reitidrift fitr die Runde des 
Morgenlandes«, 1887 f.), über die armeniſche Schrift 
Fr. Müller (ebenda, Bd. 2). Seit 1901 erſcheint eine 
»Reitidrift fiir armenifde Philologie- (hrsg. von 
F. N. Fine u. a., Marburg). 

ArmenFaffen, die in eigen deutiden Landern 
zur Beſtreitung der Rojten der Armenpflege von den 
| Ortsarmenverbanden erridteten bejondern Mafjen. 
Den A. find vielfach befondere Fonds, dann aud ge- 
wiſſe Gebühren gugewiefen. Reiden ihre Mittel em- 
ſchließlich der Hee zufließenden freitwilligen Bei- 
träge nidt aus, fo wird der Febhlbetrag in einigen 
Landern durch Erhebung bejonderer Urmenabga 
(Sadjen, Oldenburg), in andern durd Zuſchüſſe aus 
der allgemeinen Gemeindefajje qededt (Wiirttemberg, 
Braunſchweig, Waldec). 

Armenfolonien, |. Urbeiterfolonien. 

Armenpilege, Armenpolisei, ſ. Armenweſen 

Armenredht, dad Recht auf vorläufige Befreiung 
von den Koſten eines bürgerlichen Rechtsitreits wegen 
Armut. Rad) der deutſchen Zivilprozeßordnung (§ 114 
bi8 127) hat darauf Anſpruch, wer außer ſtande ijt, 
ohne Beeintradhtiqung des fiir ibn und feine Familie 
notwendigen Unterhalt8, die Koſten des Prozeſſes ju 
| bejtreiten. Cine weitere Vorausſetzung ijt, bak Dic be- 
abſichtigte Rechtsverfolgung oder Redhtsverteidiqung 
nidt als mutwilliq oder ausſichtslos erſcheint. Yus- 
lander haben auf das A. nur Unfprud, wenn die 
Gegenjeitiqteit verbiirgt ijt. Das Geſuch um Bewil- 
liqung des Urmenredts muß von einem obrigkeitlidjen 
Reugnis (dem bial tg bhi begleitet jein, in 
dem das Unvermigen zur Bejtreitung der Prozeh- 
fojten ausdriidlich bezeugt wird. Eine Berphlidstung, 
die Armut (durd) den fogen. Urmeneid) eidlich gu 
erbiirten, bejteht nidjt mehr. Das A. befreit bis auf 











784 Armenidulen — Armenweſen. 
weitere’ von den Geridaskonen fowie von ber Ser- na der beer ee 
bandlichteit sur Eri von Auslagen. pur Sichet · In einigen Bentiden La e 
hetslentung — hae ot thepen gemiije Ubgaben (3 B. die Humdetrucr in 
der es Gerchtsvell pehers und Sadie und Dalfte m berg), amd Be 
pach —— age nad;ujablen, fo- gaben von difenthiden Luitbarieiten. jodena polt;n- 
dd fie obme Beemtradiqung des fiir fe und thre liche Strafgeider, der Mrmenfaje zu. Auch m Grant: 
Gamilie notwendigen Lebensunterbalts dazu im ſiande reid) werden einige indirelte A ( Steuerm ow 
it. Der zum A zugelaiienen Variei tit pom Gericht Theatervoriteilungen und dnfentlichen Luirberieccs) 
em Gerichtsvoll zicher und mm WmvaltspcoyG (7. d.) ju guniten der Bobita d eboben. Js 
em Redusanwalt (Armenanwalt) beizuordnen einigen Kantonen der SQ wei; beiiehen gewiñe Zon⸗ 
Im Parteiproyes ij. d. Darf der armen Parte: noch derfieuern fiir Wrmen : Uuitbartens: 
tem neuen § 116, fowen ifr nicht auf Gnmd des abgaben und ãhnliches 


§ 34 der Sectsamwalisordmung ein Anwalt beige- 
orduct worden ijt, wenn fie außerhalb des Gerichis 
pur 


3 


{age wie j manchmal 
der — der auf Das Armenweſen (ſ. dD.) bezüg⸗ 
lidjen Rechtsſatze genannt. Bgl Scott, Das AW der a 
deutſchen Zivi hordnung (jena 1900); Derſelbe, 
Uber die Reform des Armenrechts (in der Zeitidrift | j 
Das Recht⸗, 1901, S. 165). 
Armenſchulen, Unterrichtsanſtalten fiir Linder, 
deren Eliern das Schulgeld (jf. dD.) nicht blen grome Rolle, 
fonnen. Die U., verdienjtlid) in Landern und Heiten, heute treten mehr jolde in den Vordergrund, die den 
wo die allgemeine Schulpflicht nod) nicht geſetzlich Anderungen der —— Verhãltniſſe oder der Tech 
feſtſteht, verlieren ihre Berechtigung, wo mit dem nif (Anderung der Vertebrsridjtung, Vernichtung des 
Grundſatz der allgemeinen Schulpflicht aud) die ent- | Handwerfs dDurd die Großinduſtrie x.) entſpringen 
fpredjende Einrichtung der allgemein unentgeltliden Iſt infolge folder allgemein oo ee 
oder wenigitens fiir Urme fojtenfreien Vollsſchule er- | die Zahl der Hilfs igen febr grog, fo bey 
folgt. Geſchichtliches Intereſſe haben vor allen die A. | Tet man einen jolden Zujtand als den Der Majien- 
Deutidlands, die unter A. H. Frandes, und der armut oder Des Fauperismus. 
Schweiz, die unter Peſtalozzis und Fellenbergs (j.d.) Aufgaben und Organifation der Armenpflege. 
Einfluß entitanden, namentlic) die fogen. Wehrli- Rad) ridtiger, auch in Deutſchland anerfannter Auj⸗ 
fdyulen (fj. Wehrli). Auch bejondere Sentinare fiir | fajjung bat der Arme fein Recht auf Armenunter⸗ 
Ucmenjdullehrer entitanden durch Anregung diefer ſtützung durd den Staat oder die Gemeinde, ſondern 
Wanner, unter denen das ju Hofwil und fet 1814 höchſtens einen vor Gericht —— baren Anſpruch 
die Armenſchullehreranſtalt zu Beuggen im ſüdlichen nahe, ee e Numi 
Baden, von Ch. H. Geller (f. —— den weiteſten das Vorhandenſein von fiir cin ganzes Ge 
Ruf erwarben. Die Lumpenſchulen (ragged schools) | meinwejen vont Übel. Schon deshalb erwadit, aud 
in England find durd) cinen befondern wohltätigen wenn von humanen Riidfidjten gany abgeieber wird, 
Verein (Ragged School Union, 1844 gegriindet) | fiir die Geſellſchaft im eignen Sntereye die in den beu⸗ 
unterhaltene Sdjulen und Aſyle fiir arme Kinder. tigen Kulturjtaaten allgemein anerfannte Verpilich 
Armenftenern (Urmentaren), djfentlide Ub- | tung, fiir ihre Armen ju forgen, foweit nidt ander 
aben, die fiir Zwecke der Urmenpilege erhoben werden. | weit idtete Ddafiir aufjufommen haben. Bei 
ie Grundlage der befannten englijden Urmenjteuer | Beantwortung der Grundfragen des Armenweſens 
(poor rate), Die an Stelle der bis dahin erhobenen | ijt Darum cinfad nur mit der Tatjache zu rechnen, 
Mollefien und freiwilliqen Beifteuern trat, tit das Ur | daß überhaupt Urme vorhanden find. rum it 
mengeſetz der big os Ctijabeth von 1601, wonad | aud) nicht Staatsangehirigheit alg Borbedingung der 
flir jedes Kirchſpiel Die betreffenden Behdrden »durd Unterjtiigung Dilflorer au — obſchon es poluiſch 
Abſchätzung eines jeden Einwohners, Pfarrers und — iſt, durch internationale Verträge für die 
von jedem nutzenden Inhaber von Grundſtücken, | billige Durchführung dieſes Grundſatzes ju j 
Häuſern, Zehnten, Kohlenbergwerken, verfaufliden Die deutſche Armengeſetzgebung gewahrt aud 
Waldungen die nad ihrem Ermeſſen nötigen Sum-e | in Not 


titrliche Ereigniije, wie Mikwads, cine 


men aufbringen follen sur arbeitſamen Beſchäftigung 
der Armen, sur Geldunterſtützung der Urbeitsunfaht- 
qen und A Unterbringung armer Kinder als Lebr- 
linge⸗ . Bemefjen wird die Steuer nach dem jährlichen 
Miet- und Padtwerte der bezeichneten Kategorien des 
Mealbejiges nad) Abzug der Hffentlidjen Stenern und 


eratenen Ausländer Unterjtiipung. Ebenjo- 
wenig ift bei der Frage, ob Hilflofe unterſtützt werden 
jollen, die meijt fdwierige, oft unmögliche Unter 
ſcheidung zwiſchen verfduldeter und unverjduldeter 
Armut gu maden. Es geniigt darum aud) midt, 
wie früher die Armut als Notſtand vorwiegend aus 
dem firdlid)-religidjen oder vom friminalijtifden 





Armenwejen (Mufgaben und Organifation der Urmenpflege). 


785 


Stanbdpuntt als Quelle des Verbrechens gu wiirdigen. | gen.) um grobe Aufwendungen handelt. Das Haupt: 


Ebenfo ijt, zumal beim heutigen lebhaften Berfehr, | organ fiir 


ie Yrmenpflege ijt heute die Gemeinde, 


cine ausſchließlich fakultative Urmenpflege, d. h. aber unter der notwendigen Aufſicht des Staated, der 
cine ſolche unzureichend, dic freiwillig durch Private | dad Verhältnis der einzelnen Gemeinden zueinander 


und vorhandene Stiftungen nad) Maßgabe der vor- 
handenen Mittel qeiibt wird. Dementfpredjend ijt 
die Uufftellung von Urmenordnungen durd) die 
geſetzgebenden Gewalten erforderlid, durch welche Ve- 
dingungen und Formen der Urmenpflege beſtimmt 
und geregelt werden. Dice bilden, infofern fie die 
auf das A. bezüglichen Rechtsſätze enthalten, dad 
Urmenredt ¢. dD.) im objeftiven Sinn. Diefe Ord- 
nungen haben iu bejtimmen, wer zur WUrmenpflege 
verpflichtet ijt(obligatorifde —— in wel⸗ 
chem Maße (Minimum, allenfalls auch Maximum) 
und unter welchen Vorausſetzungen 2. Unterſtützun⸗ 
gen zu gewähren ſind. 

Die Uufgaben der Geſellſchaft ſind teils präventive, 
teils repreſſive. Die erſtern, die der Verarmung recht⸗ 
zeitig vorbeugen ſollen, umfaſſen einen großen Teil der 
gejamten Geſetzgebung und Berwaltung (Hebung des 
allgemeinen Wohlſtandes, der Bildung und der Sitt- 
lidjfeit, Darlehnstajjen, Leihämter, Gewahrung von 
Urbeit fiir Urbeitsloje, insbef. aber den widtigen Ver- 
fidjerung3gwang). Sie haben in befondern Fallen mit 
den Mahregein reprefiiver Natur Hand in Hand ju 
geben. Die letztern befafjen fic) mit der Tatfadje der 

rntut und der Befeitiqung ihrer ſchädlichen BWir- 
fungen. Sind fie mit Zwang verbunden, fo bezeichnet 
man fie als Mafregein der Urmenpolizei (Mahe 
regeln gegen Vettler, Vaganten durd) Abſchiebung, 
Verbringung in Urbeitshaujer mit Zwang sur Arbeit, 
Unterbringung fittlid) verwabhrlofter Kinder in Ret- 
tungshäuſern, Cinfdreiten gegen mißbräuchliche Ver- 
ſorgungsanſprüche ꝛc.). Diejelbe ijt mit dem übrigen 
Gebiete des Armenweſens, der Urmenpfleqe, foeng 
verwadjen, daß jie von dieſem nidjt gu fondern ijt. 
Darum hat die in Franfreid — —— Unter⸗ 
—— zwiſchen prévoyance (Prävention), assi- 
stance (Armenpflege) und répression (Unterdriidung 
Der Bettelei) mehr nur eine theoretifche Bedeutung. 

Nächſt dem polizeiliden Zwang hat aud) das Strah. 
recht in Wirkfamleit gu kommen, insbej. gegen die- 
jenigen, die infolge von Spiel, Trunk, Muüßiggang 
unfabig wurden, ibre Angehörigen gu erndbren (fo in 
Deutidland nad) dem Strafgeſetzbuch, § 361, Rr. 5, 
wiibrend in England cine Vejtrafung unter anderm 
aud) bei Entlaufen aus dem UArbeitshaus eintritt). 
Das gejamte Unterjtiipungswejen fann heute nidt 
mehr ausſchließlich durch drtlid) begrengte Verwal- 
tungen und Inſtitute in ausreidender Weiſe beforgt 
werden, gumal dann die Lajten —— verteilt 
fein würden. Die kirchliche Organiſation insbeſ. fann 
heute deswegen nicht mehr zureichen, weil mit den zu— 
nehmenden Wanderungen der VBevilferung die Gren- 
en der ehemals konfeſſionellen Gebiete verwifdt wer- 

. Uber aud) cine gentralijierte Berwaltung fiir 
qroke Gebicte mit befoldeten Beamten würde nidt 
geniigen, da fie leicht unberechtigte Anſprüche fördern 
wiirde, und da eine gevrdnete Urmenpflege ihrer Auf— 
gabe einer ausreidenden und billigen Verforgung 
wirflid) Bediirftiger, durch die Der Erwerbstrieb nicht 
gebemmet werden darf, nur bei geniiqender Kenntnis 
aller drtliden und perſönlichen Verhältniſſe qewadjen 
ijt. Dementiprecdend haben Staat, fommunale Ver- 
bande, Rirde, Brivate und freie Vereine in ihrer Wirk⸗ 
ſamleit fid) gegenfeitig su unterſtützen und su ergänzen. 
Der Staat tritt nur em, wenn es jich bei auferordent- 
lichen Notſtänden (Kriegsſchäden, Überſchwemmun— 

Meyers Konv.-Lexikon, 6. Aufl., J. Bd. 








regeln muß und auch dafür Sorge zu tragen hat, daß 
durch größere, aus mehreren Bezirken gebildete Ver— 
bande (in Deutſchland Landarmenverbände) diejeni- 
gen Leiſtungen übernommen werden, welche die Kräfte 
einzelner Gemeinden überſteigen (vgl. Unterſtützungs⸗ 
wohnſitz). Die Mittel für die Gemeindearmenpflege 
fließen aus allgemeinen Steuern, beſondern Armen— 
ſteuern (ſ. d.) beſondern Fonds und freiwilligen Bei— 
trägen. Qn der Selbſtverwaltung ſollte die Armen— 
pflege möglichſt einen ehrenamtlichen Charakter be— 
haupten (Armendeputationen, Arnienpflegſchaftsräte 
als beſondere fiir Die Armenpflege beſtellte Körper— 
ſchaften). Insbeſondere iſt ein großes Gewicht auf 
die Individualiſierung gu legen, bei der jeder 
Urmenpflegefall nad) feinen Eigentümlichkeiten er— 
mittelt und behandelt wird. Dit giinjtiqem Erfolg 
ijt Diejelbe feit 1853 in Elberfeld durchgeführt, wo je 
cinem Armenpfleger höchſtens vier Pilegepoiten jue 
gewieſen find. Gebt bei dem Elberfelder Syſtem, 
Das ingwifden in vielen Städten Deutidlands und 

terreid)s nachgeahmt wurde, dic Vereinsarmenpflege 
mit der Sffentliden Hand in Hand, fo hat man m 
Gablonz (Nordböhmen) die geſamte Yrmenpflege dem 
Verein gegen BVerarmung und Bettelei iibertragen 
(Gablonzer Syſtem). Die Privatwohltätig— 
feit kann leicht trotz ihres moraliſchen Wertes dann 
Schaden bringen, wenn fie planlos ſich nad augen- 
blicklichen, oft nur der Schwäche und der Bequemlid- 
feit entipringenden Eingebungen betiitigen wollte. Sn 
— Stadten ijt der Cingelne nidjt im ftande, die 

ediirftiqfeit Derjenigen, Die fid) um Almoſen be- 
werben, ju beurteilen oder gu erforjden. Der Ein— 
zelne foll gwar nad) Kräften fiir die Armut fpenden, 
aber in der Regel nicht felbjt austeilen, wo er nicht 
die genaueſte Kenntnis der Bedürftigkeitsgründe ge— 
wonnen Hat, was nur in lündlichen Gemeinden mig- 
lid) ijt. Biel widhtiger ijt es, dak der Cingelne, wie 
beim Elberfelder Syſtem, durd) perſönliche Dienjt- 
leijtung die Swede der — Armenpflege 
fördern ſucht. Neben der Wirkſamkeit der Gemeinde 
finden die freie Vereinstätigleit, die vorzüglich für be— 
ſondere Gebiete der Mildtätigkeit ſich eignet (z. B. durch 
Krippen, Kleinkinderbewahranſtalten, Rettungshäu— 
ſer, Sonntagsſchulen, Aſyle für Obdachloſe, Wärme— 
ſtuben, Suppenanſtalten ꝛc.), dad Genoſſenſchafts— 
weſen (z. B. Hilfs- und Krankenkaſſen), Vereine fiir 
Arbeiterlolonien (ſ. d.), Arbeitsnachweis (ſ. d.) 2c. ein 
weites und nützlich zu bebauendes Tätigkeitsgebiet, 
da die politiſchen Organe die Armenlaſt auf das Maß 
des ſchlechthin Notwendigen einzuſchränken haben. 
Eine beſondere Stellung nimmt der deutſche Verein 
für Armenpflege und Wohltätigkeit ein, der 
ſich mit der —— der Armenpflegemethoden 
befaßt und ſeine Tätigkeit in jährlichen, von Ort zu Ort 
wechſelnden Zuſammenkünften der Mitglieder ſowie 
durch Veröffentlichung von einſchlägigen Schriften, 
Diskuſſionen, Referaten, Statiſtiken ꝛc. ausiibt. Dabei 
bleibt die Kirche vorzüglich zu der Aufgabe berufen, 
den Wohltätigkeitsſinn anzuregen. Die Stiftungs- 
angelegenheiten müſſen, wie in England feit 1853, 
einer regelmäßigen Staatsaufſicht unteritellt werden. 

Die Maßregeln und Unftalten der Urmen- 
pilege find verſchieden, je nachdem es fid) um erwerbs- 
fihige oder um erwerbsunfähige Perſonen handelt. 
Während man gang oder nurteilwerfe erwerbsfahigen 

50 


786 Armenweſen Geſchichte der Urmenpflege). 


Armen in Urbeitshaujern oder auferhalb derjelben | politijden Charalter. Jn Griedhenland fam cine 
Beſchäftigung verfdaffen fann, werden erwerbsun- eigentliche Urmenpflege zuerſt in Uthen nak dem Ke 
fabige ſchon im Intereſſe einer geordneten Verpflegung | loponneſiſchen Kriege zum Vorfdem, die fid anfangs 
in eigne Unjtalten gebradt, jo Waijen (wofern fie | nur auf die im Sriege Verjtiimmelten, [pater auf alle 
nicht, was bei fleiner Zabl aud) zwedmäßig, gegen YUrbeitsunfibigen erjtredte. Außerdem half man fid 
Kojtgeld in Familien gegeben werden) in Waiſen- aud durd genofjenfdaftlidhe Verbande (eranci). Jn 
baufer, alte und franfe Berjonen in Armen- Rom führte gwar die wadfende Vollsmenge fpater 
häuſer, Verforgungsanjtalten, Hofpitaler, | sur Unsteilung von ftaatliden Unterjtiigungen, immer 
Taubjtummen-, Jrrenhaufer xr. Unjtalten die- | aber blieb dieſen Gpenden der Charafter des allge 
jer Urt find je nad ihrem Umfang und nad der Zahl meinen Biirgerredts, von dem die Reider feinen 
Der zu verforgenden Perſonen bald als Gemeinde- | Gebraud madten. Erjt Cajar hob den Charafter der 
oder Bezirfs-, bald als Provingial- oder Staats | Urmenpflege bei den Getreidefpenden mehr Hervor, 
anjtalten gu erridjten und ju unterbalten. Sie find | indem er bejtimmte, daß nur die Urmen jie unent: 
techniſch nad) eigenartigen Geſichtspunkten gu behan⸗ geltlich empfangen follten. Unter Nero und Hadrian 
deln und gu würdigen; von Widtigkeit ijt dabei jedod) famen daneben nod) wirflide, aus dent Erivatver- 
der Grundjag, dak in allen Unjtalten, in denen Arme pet ay der Kaiſer gejtiftete Wobltatigfeitsanjtalten, 
mit Nichtalmoſenempfängern gemeinſchaftlich ver- insbeſ. fiir Kinder vor (Wimentationen), die fic dann 
pilegt werden, die Scheidung zwiſchen unverfdjuldeter | aud) auf die Provingen erjtredten. Wuerdem forgien 
Armut und Vermöglichkeit tunticjt gu befeitigen ijt. | befonders nod die Zünfte für die bediirftigen Kranten, 
Aus diefem Grunde find auc die bejondern Urmen- | Witwen und Waiſen ibrer Mitglieder. 
ſchulen (ſ. d.) fiir Die Kinder der Hilfsbediirftigen| Mit dem Chrijtentum erbielt die Wohltätigken 
pädagogiſch zu verwerfen. Bei voritbergehender &r- wieder einen religidjen, jedod) nidjt, wie bei Den Yuden, 
werbsunfabigkeit, wie Kranfheit des Familienvaters, | national -befdrantten Charafter. Sie wurde dadeci 
oder bei teilweiſer Erwerbsunfähigleit (Witwen) wird | als Gott ——— Wert, mithin als Selbitywet 
in der Regel die agile ie im letztern Fall | angefehen, fo dak es wenig darauf anfam, wem und 
eine ergänzende fein muß, am beſten augerhalb folder | wie man gab. Die Rirde beanfprudte die Armen 
Unjtalten, und gwar meijt durch Gewährung von | pflege als ihr zugehörig, erridtete Urmen- und Kran 
Raturalien, wie Arznei, Rleidung, Bezahlung der | kenhäuſer und gab oft einen Teil ibres Einfommens 
Miete rc., erfolgen (of fene Urmenpflege im Gegen- | fiir die Urmen. Dieſe firdliden Gaben reidten ſeht 
fage gur geſchloſſenen in eigens dazu bejtimmten | bald nicht mehr bin, da fie bei mangelnder O 
Unjtalten). Im iibrigen ijt es ſchwer, das Wefen und | fation der Urmenpflege und bei unridtiger Verteilung 
die Aufgabe der Armengeſetzgebung in eine beſtimmte, (ohne Unterſcheidung von Arbeitsfähigen und Arbeits 
allgemein gitltige Forme! zu faſſen. Die Bedürfniſſe unfiihigen) die Armut forderten, ftatt fie yu mindern 
eines mobdernen Induſtrieſtaates mit dichter Bevdlte- | Gegen den zunehmenden Vettel erließ daher Balen 
rung find weſentlich verſchieden von denjenigen eines | tinian IT. das erjte Bettelverbot. Bald fami die Kirche 
in jetner Entwidelung weniger vorgefdrittenen, nur | (fo auf dem Konzil gu Tours, 567) wie auch die well! 
Ackerbau treibenden Staates mit feinen mehr ſeßhaften lidje Gewalt dabin, die Gemeinden zur Erhaltung ibrer 
Bewohnern. Die Befonderheit der gejamten Kulture | Armen zu verpflidten, fo ein Rapitulare Karis d. Gr 
entwidelung, vorzüglich der allgemeinen religidfen | von 806. Dazu fam die Verpflidjtumg der Grund 
und Redhtsanfdauungen, hat tiberall der praftifden | herren, fiir ihre Leute im Notfall gu forgen, ſowie im 
Yrmenpflege ihr befonderes Gepriige verliehen. ſpãtern Mittelalter die gen oſſen ſchaftliche Armen 
Geſchichte der Urmenpflege. Armengeſetzgebung. unterſtützung von Gilden und Riinfien. Dod war 
Das U. hat ſchon in frither Zeit die Geſetzgebung die Urmenpflege eine zerſplitterte; aud) feblte es an 
beſchäftigt; Dod) war die Urmenpflege meijt keine ge: | einer Bejtimmung dariiber, wer fiberhaupt Anſpruc 
regelte und vorwiegend der Privatwohltitigteit über⸗ auf Unterſtützung habe. Einen Schritt weiter ging 
fayjen. Cine eigentiimlide Stellung nimmt bierbei | man in England, wo Konig Egbert bejtimmite, day 
die moſaiſche Gefegqebung ein, an weld die nur derjenige Unterjtiigung erbalten folle, der nicht 
chriſtliche Kirche vielfach anknüpfte. Getreu dem theo⸗ | im ftande fet, mit feiner Hinde Urbeit fich zu erndbren, 
fratijden Charafter des jüdiſchen Staates, in dem | während erjt in den ffandinavifd@en Staaten, 
alles Cigentum nur als cin Lehen Jehovahs betrad- | vor allem aber in Island (die Graugans), fic ſchon 
tet wird, ijt Dem Urmen ein Teil des Uclerlandes, | im Mittelalter eine geordnete Urmenpflege ausbildete 
die Ackerecke (peah), Die vom Cigentiimer nidt ab-| Die Bahl der Armen, befonders der Bettler unt 
cerntet werden durfte, dann alles, was nad der) Landjtreider, nahm mit der Zeit Dergefialt iiberband, 
rnte auf dem Acker blieh (Nachleſe), ferner jedes daß man allenthalben durd Vettelverordnungen und 
dritte Jabr der zehnte Teil der ganzen Ernte (Armen- die allgemeine Beſtimmung, wer und von wem man 
zehnte) zugewieſen; endlich war in jedem fiebenten | die Unterſtützung gu —— habe, abzuhelfen 
Jahr (Jubeljahr) die ganze Ernte gemeinſchaftlich. ſuchte. Mit der Heit entwidelte ſich cin vollftandigeres 
Das Gejes beſtimmte aud) das Almoſen, das den | Syftem der weltliden Urmenpfleqe, und gwar 
heruntjzichenden Armen gereidt werden mußte. Der zunächſt in denjenigen Landern, in denen die Refor 
Arme hatte alfo einen Unfprud auf Unterjtiigung. | mation eingeführt wurde. Einzelne Reichsſtädte hatten 
Ahnliche Unfchauungen finden wir im Islam ver- | bei der Unjuldnglidfeit der firdliden Armenpflege 
treten. Das Almoſen ijt jedod) nach dem Koran nicht | bereits im 14. und 15. Jahrh. (Eplingen 1384, Fran! 
der von Mott Dem Armen zugewieſene Unteil an den | furt a. M. 1437, Nürnberg, wo 1478 die erfte deutſche 
Gütern des Landes, fondern es ijt die Siihne der Bettlerordnung erlafjen wurde, u. a.) die Fürſorge 
Sünde gegen Gott und wird bald vorgefdrieben, bald | fiir Bediirftige in die Hand genommen. Dazu fam, 
nur empfoblen. Im Gegenſatze zum mofaijden und | daß infolge der Einziehung von Rirdengiltern und 
muslimiſchen Rechte trägt die Geſetzgebung fiber das | Mufhebung von Klöſtern frühere Organifationen fir 
YU. in den Staaten des klaſſiſchen WUltertums einen | die nterftiipung in Wegfall famen und nun auch de 
uit Der Religion nidjt im Zuſammenhang ftehenden | Armenpolizei durd die erftarfende landesherrliche Ge 











‘ 


Armenwefen Geſchichtliches, Geſetzgebung). 


walt wirffamer ausgeübt werden konnte. Bon befon- 
derm Yntereffe iſt der Entwidelungsqang, den das A. 
in England genommen hat. 

{Eugland.]} Die vielen Kriege mit ihren Entlaffun- 
gen von der Urbeit entwbhnten Söldnern ſowie die 
allmähliche Unflifung des —— und der Leib⸗ 
eigenſchaft förderten die Entſtehung einer auf Bettel 
und Raub angewieſenen zahlreichen Menſchenklaſſe, 
während es gleichzeitig an Arbeitern zur Bebauung 
des Landes fehlte. Deshalb ſuchte die engliſche Geſetz⸗ 
gebung die Landſtreicherei durch — (chon ſeit 
1360) zu beſeitigen. Für alle Arten Arbeit wurden 
Taxen geſetzlich feſtgeſtellt, die ländliche Bevölkerung 
(noch bis 1662) an ihre Heimat gebunden; der Über 
gang von der Feldarbeit sur Manufaltur wurde ver- 

oten oder dod) fehr eingeſchränkt x. Heinrid) VIII. 
verpflidjtete zuerſt die Gemeinden zur Unterſtützung, 
dod) erwartete man den Ubergang zur Arbeit Blok 
von der Strenge der Strafgefebe gegen Landjftreidjerei 
und Bettelei (Auspeitſchen geſunder Bettler, im Riid- 
fall Abſchneiden des rechten Ohres und Cinferferung, 
Henlen bei der dritten Zuwiderhandlung). Urbeits- 
unfabige durften nad einem Statut Ridjards I. von 
1338 betteln, während ihr Heimatskirchſpiel fie im 
übrigen aus dem Geineindevermigen ju erhalten hatte. 
Reichte letzteres nicht aus, fo fonnte feit 1530 der 
*riedensridter Bettel briefe (letters of licence) fiir 
andre Gemeinden ausſtellen. Da die Gemeindearmen⸗ 
fafje fic) iiberall als unzulänglich erwies, fo wendet 
ſich die Geſetzgebung aud) an die Mildtitigfeit der 
vermigendern Gemeindemitglicder. Cin Wendepuntt 
trat im englifden UW. unter der Königin Elijabeth mit 
Erlaß des beriihmten Geſetzes von 1601 ein, das in 
jeinen wefentlichen Buntten bid 1834 in Geltung blieb. 
Die widtigften Beftimmungen diefer Ute, dte feine 
Strafandrobungen gegen Pettler enthielt, find fol- 
qende: Die Armenlaſten trägt das Kirchſpiel (parish) ; 
die Urmenpflege wird durch Rirdenvorjteher und meh⸗ 
rere von den Friedensridtern ernannte Urmenauf- 
feber geübt, die dafür su forgen haben, daß Urbeits- 
ſähige befdhaftigt, Urbeitsunfahige unterſtützt, Urmen- 
tinder zur Arbeit erzogen werden; die Mittel werden 
durch ene im Rirdfpiel, event. in andern Kirchſpielen 
derfelben Hundertſchaft und Grafichaft zu erhebende 
Armenſteuer aufgebracdht. Die Settlement Act von 
1662 tniipft wieder an das HeimatSredt als Grund- 
lage der Urmenunteritiipung an, indent fie der Ge- 
meinde das Redht einräumte, jede neu angiehende Per- 
fon, die mutmaplich der Urmenpflege anheimfallen 
fonne, binnen 40 Tagen abjufdieben. 1682 wird 
die Freigiigigteit nod) weiter beſchränkt, der Erwerb 
ciner Heimat nod) mehr erjdwert. Erſt die Ende des 
18. Jahrh. fic) vollziebenden wirtſchaftlichen Umwäl⸗ 
zungen batten 1785 eine Veränderung in der Nieder- 
lajjungsgefebgebung zu gunſten der Freizügigkeit 
zur Folge, nur Hilfsbediirftige fonnten ausgewie- 
a werden. Seit 1795 wurde, zuerſt in Bertfhire, 
das Ullowancefyjtem angewendet, d. h. es wurde 
PBediirftigen gu ihrem Verdienſt ein nad der Höhe 
der Getreidepreife und der Gripe der Familie bemej: 
fener Zuſchuß gewährt. Es fand viele Nachahmung, 
bewirfte aber in Verbindung mit andern Urjaden ein 
jtarfe3 Anſchwellen der Urmenlaft. Die allgemein 
empfundenen Übelſtände (Uberlajtung der fleinern 
lindliden Kirchſpiele, unridtige Verteilung der Unter 
ſtützungen, Zunahme der arbeitsſcheuen Armen) nötig⸗ 
ten zu einer Reform. 1834 erſchien cin neues Geſetz, das 
unter anderm folgende Beſtimmungen enthielt: 1) Se 


ber Arbeitsfahige ſoll zwar von der Gemeinde erhalten, | 








787 


jedod) auch ftreng gur Urbeit angehalten werden. Dies 
ift nur möglich Durd Arbeitshäuſer, die deshalb tiberall 
anzulegen find. Der Unterhalt der Arbeifsſcheuen in 
bieven iuſern foll derart fein, daß fie innerhalb der- 
jelben weniger qut —— als außerhalb. Nur aus: 
nahmsweiſe ſollen Bedürftige außerhalb der Arbeits— 
häuſer unterſtützt werden. 2) Die ganze Armenpflege 
ſteht unter der obern Leitung einer bde 
in London (1867 Poor Law Board genannt, 1871 
zum Local Government Board eriveitert). Cin wei- 
terer Schritt der Gefesqebung war die Poor Removal 
Act bom 26. Aug. 1846, die verordnet, daß cin fitnf- 
jabriger Uufenthalt durdaus vor der Ausweiſung 
aus der Gemeinde ſchützt (irremovability). Dieſe Be— 
jtimmung wurde ſpäter nod) erweitert; heute bildet 
die Unterjtiipung am Wufenthaltsort die Regel. Die 
Folgen diefer Gefepqebung waren ſehr giinjtige, in- 
dem die Rabhl der unterſtützten Armen und der Auf— 
wand der YUrmenpflege fic) verminderten. Seit der 
Union Chargeability Act von 1865 find bie Urmen- 
verbände ftatt ber Kirchſpiele die Träger der Lajt, ſeit 
1879 können mehrere derjelben fiir bejtimmte Zwecke 
—— werden. 1871 ijt zur Entlaſtung der Zen— 
tralbehorbde eine Zwiſchenſtelle zwiſchen bicfer und den 
{ofalen Eingelbeamten geſchaffen worden, nämlich die 
tollegialiſch zuſammengeſetzte Ortsarmenbehirde des 
Board of Guardian, Die freilid) aud) nod) andre als 
Urmenfaden wahrzunehmen hat. Durd) die Local 
Government Act von 1894 wurde das Wahlrecht 
bezüglich diefer Behirde von Zenfus und Gejdledt 
unabhängig gemadt (f. Poor Law). Das charakte— 
riſtiſche Clement der engliſchen Urmenpflege liegt in 
der Bevorguqung der fogen. geſchloſſen en Armen— 
pflege (in- door relief) in den Urbeitshaufern (work- 
houses), deren Cinridjtung mit ihrer Zwangsdisziplin 
darauf berechnet ijt, von der Inanſpruchnahnie öffent⸗ 
lider Hilfe möglichſt abzuſchrecken und durd) ciqnen 
Erwerb die Aufnahme in Arbeitshäuſer zu vermeiden. 
In grofen Stidten kommt jedod mehr die offene 
Yrmenpflege (out-door relief) zur Geltung, fo daß 
jie bereits drei Biertel aller Unterſtützten umfaßt. 
Früher waren Kinder, Arbeitsfähige und UArbeits- 
unfaibige in einem workhouse vereinigt, jest werden 
Kinder, casual - paupers (mittellofe Wanderer), arme 
Rranfe (lestere in infirmaries und sick-asylums) mehr 
voneinander getrennt gebalten. 

[Srantreih.} Jn Franfreich verordnete Franz I. 
1536, dak die Bfarreien ihre Ortsarmen verjorgen 
follen. Die Ordonnany von Moulins (1566) dehnt 
Die bereits 1547 in Baris cingefiihrte Armenſteuer 
auf alle Gemeinden aus. Dod) hatte diejelbe ebenfo- 
wenig Erfolg wie die geqen die Wanderbettelei er: 
lajjenen harten Strafgeſetze. Die Bahl der gens sans 
aveu (Bettler und Landjtreidher) nahm im 17. und 
18. Jahrb. ſtändig gu. Wud die Cdifte Ludwigs XTV. 
(1656, 1693, 1695 und 1705), welche die kirchlichen 
Wohltätigkeitsanſtalten und die Stiftungen der jtaat- 
lichen Aufſicht unterjtellte, änderten nichts an diefen 
Zuſtänden. Die Revolution jtellte den Grundſatz der 
Staatsarmenpilege auf, da nad der Nonjtitution vor 
1793 die Gefellfchaft ihren ungliicliden Mitbürgern 
den Unterhalt ſchuldete. Schon 1789 wurden Rational- 


werkſtätten (ateliers nationaux) eingeridtet, in denen 


jeder gegen die Verpflichtung, zu arbeiten, Unterbalt 


fand, doc) wurden fie wegen ihres Mißerfolges bald 





wieder aufgeldjt. Die Armenpflege wurde unter Ein— 

ziehung der Stiftungen jentralifiert, cine Beſteuerung 

yum Zweck der Urmenpflege eingefiihrt, und aus der 

Staatsfajje wurden fodann ſämtliche im »Bud) der 
50* 


788 


dffentlichen Wobltitigkeite eingetragene Urme ver: | 


Armenwejen Geſchichtliches, Gefesgebung). 


ordnungen von 1701 und 1708 das Edift vom 3x. 


forgt. Die Rejtauration hob dieſe Gejesgebung wieder | Upril 1748, das einer Verbindung weltlicher (land- 
je Das Defret vom 24. Vendémiaire U1 beſtimmte den rätlicher) und geiſtlicher Behörden (Superiniendenten) 


jogen. Unterſtützungswohnſitz (domicile de secours). 
Denjelben beſitzt in einer Gemeinde, wer in derjelben 
1) durch Geburt fein Domizil hat; 2) fic) ein Jahr 
(oder als Lohnarbeiter 2 Jahre) aufhielt oder im Fall 
der BVerheiratung 6 Monate weilte; 3) fic im Augen⸗ 
blick Der Not aufhalt, vorausgeſetzt, dah er als Gol- 
Dat den Krieg mitmadte, oder altersſchwach wurde, 
oder 70 Jahre alt ijt, oder durch Urbeit teilweije er- 
werbsunfähig wurde, oder erfrantte. Dies 1796 be- 
gründete Syſtem vervolljtindigten das Defret vom 
11. Jan. 1811 und das Geſetz vom 5. Mai 1869. 
Danach ijt die drtlidje Urmenpflege eine fafulta- 
tive; fie zerfällt in eine geſchloſſene und eine offene. 
Die geſchloſſene oder Unijtaltspflege, in welder der 
Schwerpunkt des Armenweſens liegt, wird durd eine 
Reihe von Hojpitdlern (hospices et hépitaux) bewert: 
ftelliqt; fiir die offene Urmenpflege Fab Wobhltatig- 
feitsbureaus (bureaux de bienfaisance) bejtimmt; 
beide unterjtehen dem Einfluß der Gemeindeverwal- 
tung. Die Grundlage fiir die Gewahrung von Armen— 
——— bildet der Unterſtützungswohnſitz im 
obigen Umfang. Eine obligatoriſche Armenfür— 
jorge beſteht fiir verwaiſte oder verlaſſene Kinder, fiir 
Irrſinnige und ſeit Geſetz vom 15. Juli 1893 fiir alle 
hilfsbedürftigen Kranken. 

IDeutſchland.J In Deutſchland hatte die Reichs— 
polizeiordnung vom 15. Olt. 1552 die Armenpflege 
als Gemeindejace erflart. Wenn die Gemeinde nicht 
im ftande fei, ihre Armen ju ernähren, fo folle fie die- 
felben mit Bettelpajfen verjehen und in die Fremde 
fenden. Im iibrigen aber wurde durch den Reichs— 
abjdied von 1512 und die Reichspolizeiordnungen 
von 1530, 1548 und 1577 die Bettelet im Intereſſe 
der allgemeinen Wohlfahrt und Sicherheit mit Strafen 
bedroht. Doc fehlten dem Reich wie aud den Landes- 
Herren Handhabe und Mittel gu einer durdgreifenden 
Ordnung von Urmenpflege und Semmcapetioct Da- 
gegen verfuchten e3 die proteftantifden Rirdenord- 
nungen, wie —*— von Wittenberg 1522, Braun- 
ſchweig 1528, Hamburg 1529, Lübeck 1531, Soeſt 
1533, Die von ihnen anerfannte und der weltliden 
Gemeinde zugewieſene Unterjtiipungspflidt unter 

leichzeitiger Unterſagung des Vetielns tm Zuſammen⸗ 
Sang mit den firdlicden Organen und im Anſchluß 
an Dem »gemein Rajten« (Armenkaſſe) zu ordnen, der 
durch weltlidhe Majtenherren mit Unterſtützung durch 
Urmendiafone verwaltet wurde. Insbeſondere er- 
zielte Die reformierte Kirche durch Unterfudung der 
rhältniſſe Der Bediirftiqen und Uberwadung threr 
fittliden Haltung qute Erfolge. Doc fteigerte Heh das 
Maſſenelend im 17. Jahrh., zumal nad) dem Dreißig— 
jabrigen Rriege, erheblich. Die Gemeinden fudten 
ſich ener Mehrung ihrer Lajten durch Erſchwerung 
der Niederlaſſung zu erwehren. So wurden Bettel 
und Vagabundenlum zu einer argen Landplage. Die 
Landesherren begnügten fich damit, diefem übel durch 
Verbot von Ulmofengeben und Bettel gu fteuern. 
Letzterer wird mit ſtrengen Strafen (mod) 1751 in 
Bayern Vrandmarfung der fremden Bettler, Hinrich— 
tung im Wiederholungsfall) bedroht und durd) die 
neugegriindeten Arbeitshäuſer befampft. Cine hu— 
manere Urmenpflege beginnt erjt im 18. Jabrh., fo 
in Dent neuen Armenordnungen von Kurbayern 1713, 
Sachien 1729, ſterreich 1754, Kurmainz 1778, 
Medlenburg 1783, Oldenburg 1787. 





die Verwaltung der von Pfarrern und Ortsobrigferten 
in den Gemeindebesirfen gebildeten Virmenfafien gu- 
wies. Weiterhin wurde dann durd) das allqememe 
Landredt von 1794 dad A. dahin geordnet, dak durch 
fommunale Organe, Gutsbezirke und größere Kom⸗ 
munalverbändẽ die Armenpflege nach Maßgabe der 
Bedürftigleit und der örtlichen Jugehdrigfeitsverhalt- 
nifje unter Zuweiſung von Urbeit an die Urbeitsfit- 
gen geniigend wahrgenommen werde. Durch die ber- 
den Gefege vom 31. Dex. 1842 wird das Niedertai: 
jungswejen geregelt und die Gemeinde, die friiber die 
Aufnahme —— Perſonen, wenn dieſelben 
feinen geſicherten Nahrungsſtand nachwieſen, ablehnen 
fonnte, zur Erhaltung der Armen verpflichtet, ſobald 
dieſelben den Unterſtützungswohnſitz erworben batten. 
Die in dieſen Geſetzen aufgeſtellten Grundſätze ſind 
in die heutige Dent} dhe Geſetzgebung itber Freizügig 
feit, Unterſtützungswohnſitz (. d.) und Wrmenpfieee 
yl und 1870) fibergegangen; nur Bayern und 

ljak-Lothringen haben ihre eigne Geſetzgebung 
Für Bayern ſ. Geſetz iiber Cifentlidhe Urmen- umd 
Sranfenpflege vom 29. Upril 1869 und Novelle vom 
17. Sunt 1896 mit Annäherung an das Prinzip des 
Unterſtützungswohnſitzes (ſ. Hetmatredt). Jn Elia}. 
Lothringen ijt das A. nod nad dem Altern franzöſi 
ſchen Syſtem geregelt, 

IOfterreich.j Qn Oſterreich war die Armenpflege 
urſprünglich eine firdlich - freimillige. Joſeph OL ver 
fuchie unter Benugung der firdliden Unjtalten ftaat- 
lide Einrichtungen gu ſchaffen durd Einführung ber 
(3. T. heute con bejtehenden) Bfarrarmeniniti 
tute, die, auf die Pfarreinteilung gegriindet, vor 
Pfarrern verwaltet und durd Uberwerjung von Fonds 
und freiwilligen Beitraigen dotiert wurden. Dauernd 
Erwerbsunfahige follten von der Heimatsgqemeinde 
unterjtiigt werden; Urme mit Bettelpãſſen yu verjehen 
und in die Frembe gu fenden, wurde verboten. Al 
mählich verwandeln fid) die Bfarrinjtitute in drtlide 
Anſtalten fiir Ortsarme; den Schwerpunkt der Yirmen: 
ordnung bildet das Heimatredt, deſſen Erwerd on 
19. Jahrh. immer mehr erſchwert wird, und das durd 
Gejes vom 3. Dez. 1863 neu geregelt wurde. Dre 
weitere Regelung des Armenweſens wurde 1867 der 
Landesgeſetzgebung iiberlajjen, die 5. T. die Begute 
und Lander fiir gewiſſe Zweige der Urmenverjorgung 
— Durch Novelle zum Heimatgeſetz vom 
5. Dez. 1896 iſt die Erſitzung eines Anſpruchs auf 
Heimawerleihung durch zehnjaͤhrigen Aufenthalt nach 
erlangter Selbſtändigleit eingeführt worden. Gegen 
Urbeitsidheue dienen die bereits 1693 angeordneten 
Bwangsarbeits- und Vefferungsanjtalten, deren eine 
ent{predende Anzahl vorzuſehen die Lander durch Ge 
jes vom 24. Mat 1885 verpflidjtet wurden. 

In Belgien wurde durd Geſetz vom 27. Rov. 
1891 das Pringip de3 Unterjtiigungswohnfiges (Er 
werb nad 3 Jahren) —— In Danemart 
wurde 1849 und 1866 ein Recht der Notleidenden auf 
Unterſtützung (früher nur als Recht jum Betteln) an 
erfannt. Die Urmenpflege ijt Gemeindefache, fiir feite 
Urmenhiuster dienen die Urmenbhiufer, fitr voriiber 
qebende Aufnahme die fiir mehrere Gemeinden ge 
meinſchaftlich beftehenden Urmen- oder Urbeitshdfe. 
Das neue Geſetz vom 9. April 1891 gibt eine Nodi- 
fifation des geltenden Rechts mit einigen humanen 
Erweiterungen. Jn Italien ijt die Urmenpflege 


In Preufen folgte auf die Urmen- und Bettler- | noch cine ungeregelte, durch Stiftungen geiibte. 1865 


Arme Partei — Armfelt. 


wurde cin Bettelverbot erlajjen. Das Geſetz vom 17. 
Juli 1890 über die öffentlichen Wohltätigkeitseinrich— 
tungen ſtellt die milden Stiftungen in den Dienſt des 
Staates und ſchafft einen Unterſtüttzungswohnſitz. Jn 
ber Schweiz ijt dad A. Kantonsſache; meiſt find die 
Gemeinden zur teal tae verpflidtet, Dod) ijt Dem 
Armen fein Recht auf folde zugeſtanden. 
{Riteratur.] Bol. die bezüglichen Abſchnitte in 
Schönbergs »Handbud) der politifden Okonomie« 
und im + Sanbiebeiextund) Der Staatswifjen|daften« 
(2. Unjfl., Bd. 1, Jena 1898); Emminghaus, Das 
VW. und die Urmengefesqebung in curopaifden Staa— 
ten (Berl. 1870); »Schriften des deuiſchen Vereins 
fir Urmenpflege und Wobltitigteit« (Leipz. 1886 ff., 
bisher 61 Hefte); E. Münſterberg, Die deutfche 
Armengeſetzgebung und das Material gu ihrer Reform 
(daſ. 1886); Derjelbe, Die Armenpflege. Einfiihrung 


in die praftijde Pflegetitigheit (Berl. 1897); Rod oll, | 


Sytem des deutiden Armenpflegerechts (daf. 1872); 
Böoöhmert, Die Urmenpflege in 77 deutfden Stadten 
( Dresd. 1886); Kurtz, Die Urmenpflege im preußiſchen 
Staate, Gefege und Verordnungen (Breal. 1896); 
Mifdler, Die Urmenpflege in den öſterreichiſchen 
Städten und ihre Reform (Wien 1890); Reitzen— 
ftcin, Die Urmengefepqebung Frankreichs (Leipz. 
1881); Ufdrott, Das englijde A. (daſ. 1886; eng- 
liſche Ausg. mit Zuſãtzen von Brejton- Thomas, donb. 
1902); Little, Poor Law Statutes (ond. 1901— 
1902, 3 Bde.); Nidolls, History of the English 
Poor Law (2. Aufl., Daf. 1902, 2 Bde.); Lucdhini, 
Le istituzioni pubbliche di beneficenza nella legis- 
Iazione italiana (Flor. 1894); Geiſer, Geſchichte 
des Armenweſens im Nanton Bern (Bern 1894); 
Ra rn er, Geſchichte der kirchlichen Urmenpflege (2. 
Wnjl., dceiburg 1884); Ublborn, Die crijtlice 
Viebestitigfeit (Stuttg. 1882 —90, 3 Bde.; 2. Aufl, 
ohne Unmerfungen, 1895); Miinfterberg, Biblio. 
graphie de3 Urmenwejens (Berl. 1900). 

Arme Partei wird mandmal die Partei genannt, 
der das Armenrecht (ſ. d.) bewilligt ijt. 

Armeria (ital., fpan.), 3eughaus, Riijtfammer, 
— 

Armeria Willd. (Gragnelfe), Gattung der 
Plumbaginazeen, niedrige, rajenbildende, ſchmal— 
blatterige, ausdauernde Kräuter und Halbjtriuder 
mit blattlofem Stengel, der cin Köpfchen kleiner, meiſt 
rofenroter Bliiten trägt. Etwa 50 Urten in der ndrd. 
lidjen gemãßigten Bone und in Siidamerifa. A. vul- 
garis Willd, (Grasnelfe, Grasblume, Sand: 
uelfe), mit rofenroten, aud) weiken Bliiten, wächſt in 
WMitteleuropa. A. maritima Willd. (Meerſtrands— 

rasnelte, Seenelfe, Mecergras), an den Kü— 
jten Mitteleuropas, dient, befonders in der Form 
A. Laucheana, mit leudjtend roten Bliiten, sur Cin- 
fof der Gartenbeete. 
rme Ritter, in Mild und Ci eingeweichte undin 
Butter gebadene Scheiben von Weißbrot, Zwiebach re. 

Armer Konrad (Urmer Rung), Benennung 
verjdiedener Bauernbiinde, die fich wm 1500 bildeten, 
.* bei Bühl in Baden und im wiirttembergijden 

emstal. Die Erhebung des legtgenannten Bundes 
gegen den Herzog Ulric) von Wiirttemberg 1514 ge- 

drt gu den Vorläufern des großen Bauernfriegs (j.d.). 
gl. Schreiber, Der Bundſchuh gu Leben und der 
arme Ronrad gu Bilhl (Freiburg 1824); Heyd, Ul— 
rich, Herzog ju Württemberg, Bd. 1 (Tiibing. 1841). 

Armfeile, ſ. Feile. 

Armfelt, 1) Karl Guſtav, ſchwed. Feldherr, geb. 
9. Nov. 1666 in Ingermanland, geſt. 24. Olt. 1736 








789 


in Finnland, diente 1685—97 mit Auszeichnung im 
franzöſiſchen Heer, tat fid) aud) in Finnland, wo er 
feit 1701 Oberadjutant, feit 1713 Oberbefehlshaber 
der ſchwediſchen Armee war, mehrfach durd) Tapfer- 
feit hervor, mußte aber nad) der Niederlage bei Napo 
(1714) da8 Land den Rujjen preisqeben. Auch fein 
beriihmter Winterfeldjug mit 7500 Mann nad Nor— 
wegen (1718) miflang, und auf dem Rüchkzuge ging 
die Halfte feiner Truppen durd Hunger und Kälte 
gu Grunde. 1731 in den Freiherrnitand erboben, 
ward er 1735 Gencralbefebishaber des in Finnland 
jtationierten Heeres. Val. Sdhenftrim, Armfeltska 
karolinernas sista tig (Stoch. 1890). 

2) Rarl Gujtav, Freiherr, finnlind. Militar 
und Politifer, Sohn des vorigen, geb. 14. Juli 1724 
in Finnland, geft. 5. Jan. 1792 in Malmö, kämpfte 
al8 ſchwediſcher Offizier 1741—42 gegen Rupland, 
1757-59 gegen Preußen, jtand 1745 — 51 und 1753 
bis 1755 in —2 Kriegsdienſten, erhielt, ſeit 
1787 Gouverneur der finnländiſchen Provinz Ny— 
land⸗Tavaſtehus, 1788 beim Ausbruch des ruſſiſchen 
Krrieges als Generalmajor den Oberbefehl über cin 
finnländiſches Armeekorps, nahm jedod) bald den Ab— 
fied und gehirte gu den nambafteiten Mitgliedern 
ded Unjalabundes (fj. d.). 1789 verbhafiet, ward er 
1790 gum Tode verurteilt, aber gu lebenslinglidem * 
a beqnadigt. 

3)GujtavMorig, Graf, finnlind. Staatsmann, 
Urenfel von A. 1), geb. 31. März 1757 in Juuva 
(Finland), geft. 19. Uug. 1814 gu Zarsfoje Selo, 
führte als junger Gardeohiigier in Stodbolm, {pater 
in Petersburg, Berlin und Paris ein ausidweifen- 
deS Leben, ward infolge eines zufälligen Sujammen- 
treffens in Spaa (1780) der erflarte Giinjtling Gu— 
ſtavs III., Dem er während des Krieges 1788 — 90, 
beſonders in den fritifden Tagen des Unjalabundes 
(f. d.), treu zur Seite ftand, lettete 1790, nad) einer 
ſchweren Verwundung jum Generalmajor befordert, 
die Friedensverhandlungen mit Rugland und ward 
vom König 1792 auf feinem Sterbebette teftamenta- 
rij) gum Stodbolmer Oberitatthalter fowie zum Wit- 
gliede der Regentſchaft fiir Pring Gujtav ernannt, 
ging jedoch, da er als Legitimijt die franzoſenfreund— 
lichen Neiqungen de3 Herzog Regenten Karl und ſeines 
Wiinftlings Reuterholm mißbilligte, alg Gefandter 
nad Stalien. Hier plante er, unzufrieden mit der in- 
nern und auswirtigen Politik der Vormundſchafts— 
regierung, mit feinen Landsleuten v. Ehrenſtröm und 
v. Uminoff voriiberqehend cine vorzeitige Miindig- 
feit8erflarung Brin; Guſtavs mit ruſſiſcher Hilfe. Nach 
Entdeckung der ⸗Armfeltſchen Konſpiration« ſollte er 
Anfang Februar 1794 in Neapel verhaftet werden. 
Von fener intimen Freundin, der Kdnigin Karoline, 
qewarnt, erreidjte ex unter vielen romantifden Uben- 
teuern Rufland, wo Katharina II. ihm Kaluga als 
Wufenthaltsort anwies. Seit Ende 1797 lebte er in 
verfdiedenen Landern Europas, 1798 —99 in Berlin. 
Nachdem feine 1794 in contumaciam erfolgte Ver— 
urteilung jum Tod und zur Giiterfonfistation 1799 


| von Guſtav IV. Wdolf aufqehoben war, fehrte er 1801 


nad) Schweden juriid, wo der neue König ihn mit 
Gunſtbezeigungen überhäufte. 1802 — 1804 Botſchaf⸗ 
ter in Wien, fampfte er als OberbefehlShaber in Pom— 
mern (1805 —1807) gegen die Franzoſen, 1808 in 
Norwegen, ward 1809 nad) der Thronrevolution 
Präſident des Rriegsfollegiums, nahm aber ſchon 
1810 feinen Ubjhied und erbielt wegen fener Sym- 
pathien fiir die entthronte Wafadynajtie 1811 einen 
Ausweiſungsbefehl, worauf er in feine 1809 mit Ruj- 


790 


land vereinigte finnländiſche Heimat tiberfiedelte. Wis 
leidenſchaftlicher Gegner Napoleons I. und durd fein 
bejauberndes Wejen wußte ex in Petersburg binnen 
kurzem fejten Fuß ju fajjen. Seit dem von thm mit: 
—— Sturz des ruſſiſchen Reichsſekretärs Spe- 
ranſtij (ſ. d.) war er bis zu ſeinem Tode der allmäch— 
tige Günſtling Alexanders I. 1811 gum Vorſitzen 
den des Petersburger Komitees fiir die finnländiſchen 
Yngelegenheiten, 1812 zum Univerſitätskanzler von 

bo ernannt und in den Grafenjtand erhoben, wirtte 
er bei allen Finnland betreffenden Fragen auf den 
Kaiſer enticdheidend cin. Bor allem war ihm die Wie- 
Dervereinigung der 1721 und 1743 an Rufland ab 

etretenen Teile mit Finnland gu verdanten. Geine 
Selbſtbiographie erſchien in Adlerſparres (jf. d.)» Hand- 
lingar« (Stodh. 1830, Bd. 1u. 2). Bgl. Elof Tegnér, 
Gustaf Mauritz A. (2. Aufl. Stoch. 1883—94, 3 Bde.); 
Hartman, De tre gustavianerna Gustaf Mauritz 
A., J. F. Aminoff och J. A. Ehrenstrim (Qelfingf. 
1899); Jngman, Gustaf Mauritz A. (daſ. 1900). — 


Vordere Klappe 





Hintere Klappe Speiserbhre 


Big. 1. 


Sein Sohn, Graf Alexander U., finnlind. Staats: 
mann, geb. 18. April 1794 in Riga, gejt. 8. Jan. 1876 
in Petersburg, bis 1827 Offiszier, 1842 —76 Minijter- 
jtaatsfefretir fiir Finnland, gehörte gu den vertrauten 
Ratgebern Weranders II. und wußte feine Stellung 
geſchickt im Intereſſe der fonjtitutionellen Entwidelung 
des Groffiiritentums Finnland (f. dD.) gu verwenden. 

Armfloſſer (Pediculati), Familie der Knoden- 
fiche, f. aiidbe. 

Armfiifer (Bradiopoden, Brachiopoda), 
Gruppe von Tieren, wegen ihrer äußern Ähmlichtkeit 
mit Muſcheln früher zu den Weidhtieren geredynet, 
jetzt aber mit den Würmern oder Moostierchen ver 
einigt (Molluskoiden) oder beſſer als eigne Klaſſe auf— 
gefaßt. Ihre den Weichkörper umſchließenden Kall 
idalen find nicht, wie bei den Muſcheln, eine rechte 
und eine linfe, fondern eine obere und eine untere; 
unter ihnen liegen die fie abjondernden Mantellappen, 
dD. h. große Hautfalten, die den Rumpf einhiillen. Die 
untere Schale (Fig. 1), frither als Baudllappe be 
zeichnet, ijt Direft oder mittels eines Stieles feftqemad)- 
jen; meiſt ijt an ihr die obere in cinem Schloß (Schar- 
nier) beweglich und wird durd Musteln ged}fnet und 
geichtoffen. Die Urme find in einer fegelformigen 

pirale aufgerollt, entipringen ju beiden Seiten des 





‘ Oguunygrmushel der Schale 


Anatomie von Waldheimia australis (Seitenanfidt). 








Armflofier — Armida. 


Herbeifdajfung der Nahrung im Waſſer einen Stru 
del hervorrufen. Der Mund fiihrt in den von — 
— Leberflügeln umgebenen Darm. Der After 
ann fehlen. Auf der Rückenfläche des Darmes liegt 
das Herz (es fehlt bei einigen Urten); das Blut grr 
tuliert 3. T. in bejondern Gefapen, 3. T. in großen 
Liiden des Mantels, der Urine rc. Die W. find meiſt 
etrennt ⸗ geſchlechtlich; aus den Eiern geht eine frei 
————— Larve hervor, die in mancher Beziehung 
derjenigen der Ringelwürmer gleicht. — Man leumt 
mehrere Tauſend Arten A., jedoch nur reichlich 100 
lebende; alle hauſen im Meer, z. T. in größern Tie 
fen. Die foſſilen Formen beginnen fdon in Silur. 
nehmen darauf ab, werden im Jura nodmals ſtärter 
und fterben dann wieder langſam aus. Cinige Gat- 
tungen — ſich vom Silur bis F ood Gegenwart er: 
_— an teilt die UW. in gwei Gruppen: 1) Ecar- 
es, mit UWfter, aber ohne Armgerüſt und obne 
Sahlop an der Schale; hierber die mit einem Stiel 
verfebene Lingula, Obolus (j. Tafel »>Rambrifdje For: 


ti SchieLmuskel 








Fig. 2 Rildenfdale von Waldbdeimia 
australis mit bem Armgeraßk 


mation«, Fig. 4), nod) jetzt in den tropiſchen Weeren 
jebr verbreitet; 2) Testicardines, ohne After und mit 
Yrmgeriift und Schloß; hierher Chonetes, Stropho- 
nema, Orthis, Orthisina Atrypa (jf. Tafel » Silurifde 
formation I<), Pentamerus (Tafel I), Stringoce- 
phalus, Merista, Spirifer — Rhynchonella 
(f. Lafel » Devonijde Formation l«, Fig. 13), Spirifer, 
Productus (f. Tafel »Steinfohlenformation I<), Pro- 
ductus, Strophalosia, Camarophoria (f. Tafel » Dyas 

formation«, ig. 13), Terebratula, Retzia (j. Tafel 
»Tria8formation I<), Terebratula f Tafel »Qura 

formation II<, Fig. 4 u. 6), Crania (j. Tafel »Sreide- 
formation II«, Fig. 15). Bgl. Owen, Anatomy of 
the Brachiopoda (Lond. 1835); Hancod, On the 
—— of the Brachiopoda (daſ. 1858); Da⸗ 
vidſon, Monograph of British fossil Brachiopoda 
(daf. 1851—-85) und of recent Brachiopoda (daf. 
1887—88); Lacage-Duthiers, Brachio vi- 
vants de la Méditerranée (Bar. 1861); Morfe, On 
the systematic position of the Brachiopoda (Boſton 
1873); Blodmann, Unterſuchungen iiber den Bau 
der Bradiopoden (Jena 1893). 

echt ls 


, i. Hals. 
Armida, cine der hervorragendften Frauengeftal- 
ten in Taſſos »Befreitem Jerufalem«, Tochter des 


zu 
Mundes von einem Kallgerüſt ig, 2) und find mit | Königs Arbilan von Damaskus, die durch ihre Schön 


dichten und fangen Franjen verfehen, mit denen fie zur 


heit und Zauberfiinjte die Chrijtenbelden beunrubigt 


Wrmidale — Arminianer. 


und namentlid) den tapfern Rinaldo in ihren Rauber: 
arten lodt und in Untatigteit und Wollujt gefeffelt 
Balt, bis die Boten Gottfrieds von Bouillon thn be- 
freien; daher A. tee eit foviel wie verführeriſches 
Weib. Die herrliche Epifode ijt von Gluc und Rof- 
fini al Oper behandelt worden. 
Dale (jpr. armidel), Stadt im britiſch-auſtral. 
Staat Reufiidwales, an der Nordbahn, Sik eines 
fatholifden Bifdofs, mit anglifanifder und fat. 
Rathedrale, Stadthaus, Bibliothef, Yntimon- und 
Goldgruben und (1900) 4000 Einw. 

Armieren (lat.), bewaffnen, in kampffähigen Zu— 
tay verfegen, befonders von Feftungen, Vatterien rc. 
ym Seewefen heist die Geſchütz- und Torpedoaus- 
rüſtung eines ——— ſeine Armierung. 

Armierungsübungen, ſ. Fejtungsmandver. 

Armifer (Urimiger, lat.; neulat. Armigius), 
— Knappe. 

Armilla (lat.), Armband, Armring. 

Armillaria, ſ. Agaricus, S. 162. 

Armillarfphare (lat.-qried)., vonarmilla, »Ring: 
fugel<), ein aus mehreren freisfirmigen Ringen 
(Urmillen) uſammengeſetztes aſtrono⸗ 
miſches Inſtrument, das im Altertum 
und Mittelalter zur Beſtimmung der 
Sternörter diente. Je nachdem man 
mit demſelben Rektaſzenſion und De— 
flination oder Linge und Breite der 
Sterne beſtimmen fonnte, unterfdied 
man Wquatorial-W. und Eklipti— 
fal-(Zodiafal-)U. Näheres f. Ta— 
fel »Alte aftronomifde Jnijtrumente<, 
ig. 3. File Unterrichtszwecke fertigt 
man Urmillarfphiren an, welde die 
widtigiten Kreiſe der Himmelskugel und 
ihre gegenfeitige Lage darjtellen. Cine 
Derartige U. zeigt Die nebenjtehende Ab⸗ 
bildung. 

Armiius, Sennen: einer mythi- 
ſchen Perſon im Mittelalter, angeblich 
Name des Unti- oder Pſeudo⸗Meſſias, 
der zugleich Bekämpfer ded jüdiſchen 
Volles, ſeines Reiches und ſeiner Lehre 
iſt und der Ankunft des wahren Meſſias 
vorangehen ſoll. Das Wort A. ſtammt 
entweder aus dem Griechiſchen und be- 
deutet Vollsverderber, oder es iſt eine 
Nachbildung von »Romulus«, Name 
des Repräſentanten römiſcher Macht 
und ſomit des Erzfeindes ded Juden— 
tums. Die Armilusſage, ficher jüdi— 
ſchen Urſprungs, tritt aud) in drijt- 
lichen Rreifen (Antichriſt, f. d.) auf. 

Armin, ſ. Urminius. 

Arminia, Studentenverbindung,j.Burjden{dhaft. 

Armintaner (Remonjtranten), Partei in der 
reformierten Rirde in den Niederlanden, benannt nad) 
ihrem theologifden Griinder Jafob Urminius (jf. d., 
S. 793). Der Streit über das Dogma von der Pri- 
dejtination zwiſchen diefem und Gomarus blieb feines- 


wegs ein blog theologiſcher, jondern führte, da aud 


bie Maſſe des Volfes hineingezogen wurde und poli: 
tiſche Motive dabei cin bedeutendes Moment abgaben, 
ue Parteibildung. 





791 


anbderm erflirte, daß Gott gwar von Ewigfeit cinen 
Beſchluß wegen der Seligfeit und Verdammmnis der 
Menjden gefaßt habe, aber mit der Bedingung, daß 
alle Diejenigen, die an Chrijtus glauben, felig, dte Un— 
ee Bingen —— ſollten, Youle daß 

hriſtus für alle Menſchen geſtorben ſei, aber nur der 
Gläubige durch ſeinen Tod wirkliche Verſöhnung und 
Vergebung der Sünden erlange. Die Gegner ſtellten 
1611 eine Kontraremonſtranz auf (daher Kontra— 
remonſtranten), und die gegenſeitige Erbitterung 
wuds unter den folgenden BVerhandlungen. Daher 
erließen die Stände von Holland 1614 cin Toleran}- 
ebdift, worin aller weitere Streit verboten ward. Da- 
gegen appellierten aber die Gomarijten an cine Ge— 
neraljynode. Yhre Stiipe war der Statthalter Morig 
von Oranien, der nad) Uusdehnung feiner Gewalt 
ftrebte, während die A. auf feiten feiner politifden 
ee ee von Holland Oldenbarne- 
veldt und Hugo Grotius (j.d.), —— Die General⸗ 
ſymode tagte zu Dordrecht (18. Nov. 1618 bis 9. Mai 
1619) unter dem Vorſitz Joh. Bogermanns, eines 
entfdiedenen Sontraremonjtranten. Um Dderjelben 





Armillarfphdre fiir Unterridrsywede. 


dad Unfehen gu geben, als repriifenticre fie Die ganze 
reformierte Rirde, hatte man nidjt mur aus den Nie— 
derlanden, fondern aud) aus England, Sdottland, 
Deutſchland und der Schweiz eine Schar eifriger Un- 
hanger der unbedingten Bradejtination herbeigezogen. 
Die W. wurden nidt als ſtimmberechtigte Mitglieder, 
fondern nur jum Bebuf ihrer Verantwortung ju- 
seas gro Vergebens war denn aud) ihre Verteidiqung 

urd) den gelehrten Simon Epijcopius; ihre WUrtifel 


Gegen die Unfduldiqungen der | wurden verworfen, die arminianijden Prediger (über 


omarijten, die ete ftaatlidje Unterdriidung der WU. | 200) ey Als orthodore Lehre aber wurde feft- 


forderten, leqten diefe unter Fiihrung des Predigers geſetzt: daß 
Joh. Uytenbogaert 1610 bei den Standen der Pro- | teil der ganz unfä 
ving Holland cine Remonjtrang (remonstrantia, da- folut freien Gnade, 


r feliqmadende Glaube ohne allen An⸗ 
igen Ratur cin Geſchenk der ab- 
ie partifulare Erwahlung zur 


her Remonjtranten) ein, die in fünf Urtifeln unter | Seligfeit alfo in feiner Weife dic Wirkung, fondern 


792 Arminius (Cherusterfiirjt). 


nur die Urſache dedjelben fei, fowie daß die erlifende | mittlern Weſer an den Rhein zurückzukehren, machte 
Wirtung des Todes Jeſu ſich auf die Auserwählten | zur Dämpfung de3 Aufſtandes einen Unuveg durch dex 
beſchränke. Die Generaljtaaten bejtitigten dieje Be- | —— Wald (. d.), den heutigen Osuing 
ſchlüſſe, und man ſchritt fofort sur Wusfiihrung der- | oder, nad Mommſen, das Wiehengebirge mit Fort. 
felben. Oldenbarneveldt, ſchon 29. Aug. 1618 ver: ſetzung bis zur Haaſe, und wurde dort, als ſich fem 
haftet, wurde 13. Mai 1619 hingerichtet, Grotius mit durch Troß und Gepäck beſchwertes Heer durch die 
lebenslänglichem Gefängnis beſtraft. Die vertriebe- | engen, wegloſen, von bewaldeten Höhen eingeſchloſſe 


nen A. fanden Aufnahme beim Herzog Friedrich IV. 
von Sdleswig-Holjtein, aud) in England und Frank—⸗ 
rei. Selbjt mt Holland ward ſeit 1620, als die po- 
litiſche Aufregung fic) gelegt hatte und nicht nur die 
Uften der Dordredjter Synode, fondern aud) die Con- 
fessio des Epiſcopius in 25 Artikeln (1622) nebjt 
ihrer Upologie (1630) und der Katechismus Uyten- 
bogaerts erfcienen waren, die Stimmung eine mil- 
dere. 1636 erhielten die A. fiberhaupt freie Reliqions- 
übung jugejtanden. Un ihrer 1634 geftifteten theo- 


nen Tiler mühſam durdwand, pliglid) von alien 
Seiten durd die Deutiden angefallen. Langfam umd 
unter großen Berlujten fegie er feimen Dari om 
erjten Lage fort; am dritten Tage aber war die Wider 
jtandstraft der Römer villig gebrochen. Barus ſtützie 
jich, verzweifelnd, in fein Schwert, umd bts anf einen 
fleinen Teil, der fic) durch die Flucht rettete, wurden 
feine drei Legionen nebjt Reiteret und Hilfsmannſchaft 
(fiber 20,000 Mann) vernidtet ; die Fejte Aliſo, welde 
die Romer auf deutſchem Gebiet errictet, wurde pon 
der rimijden Befagung verlaſſen. So war Deutid: 





logifchen Schule gu Amſterdam lehrten hervorragende 
Theologen, unter ihnen Epijcopius (geſt. 1643), Lim- | land bis an den Rhein vollſtändig befreit. Die Rad 
bord) (qejt. 1712), Clericus (gejt. 1736), Wettjtein richt von dieſer Niederlage erregte in Rom den größ 
(qejt. 1754). Bon England aus verbreiteten die A. ten Schrecken; man fiirdtete, dak die Deutſchen den 
jich auch nad) Nordamerika, wo fie fic) 3. T. dem Bap: | Rhein überſchreiten und in Gallien den Wufitand ge 
tismus zuwendeten. Auch in Holland jelbjt ijt die an- | gen Rom entziinden möchten. Indeſſen begnügte man 
fangs bliihende Rirdengemeinjdaft in ihrem äußern ſich auf beiden Seiten zunächſt mit der Bebauptung 
Bejtand zurückgegangen; es haben fic) Clemente ver- | der Rheingrengen, bis im J. 14 der Ranupf von Ger- 
ſchiedener Yirt, 5. 3. fozinianifche, mit ihnen vermijdt, | manicus, dem Gobne des Druſus, erneuert wurde, 
und fo entitanden aud) unter ihnen verjdhiedene Spal: | zunächſt durch Cinfalle vom Rhein aus, bei deren 
tungen, 3. B. die antitrinitarijden A. Die bedeutendjte zweitem (15) er Gelegenbeit fand, den Schwiegervater 
Fraftion aber waren die rein independentijtifden | und Gegner de3 A. Segeſtes, der von ML. belaget 
Kollegianten. Yn neueſter Zeit find die W. Hol- | wurde, ju befreien und ihn nebjt feiner Tochter Thus- 
lands mit den dort ſich bildenden Freien Gemeinden | nelda, der mit ihrem Gatten —— Gemablin 
in eine gewiſſe Fühlung getreten. Der Einfluß des | des A., in feine Gewalt zu bringen. Noch im J. 15 
Urmintanismus pi ph pa und Rirde ijt un- | begann er aber nad) einent umfafjenden Blan den 
verhältnismäßig groper als der lL ramps jeinerdufern | Krieg gegen A. als den gefährlichſten Feind der RS 
Gemeinſchaft; durd) die Arbeiten der oben genannten | mer und zog ju Waſſer und ju Land in das Ems: 
Theologen find feine Bejtrebungen vielfad) aud) in | gebiet. Er erreichte das Teutoburger Schlachtjeld und 
die protejtantijde Rirde eingedrungen. Die Unab- | endlid) auch den YL, dem er eine Schlacht lieferie, die 
hängigkeit von einem bindenden Bekenntnis forderte | unenticieden blieb; auf dem Rückwege hatte fein Heer 
unter thnen die Schriftauslequng, die Freiheitslehre | das Geſchick de3 Barus erlitten, wenn die Deuthchen 
trieb 3u einer nähern Betradtung der ethifden Uuf- | dem rubig und ———— YL. anſtatt fe 
aber, H. Grotius bahnte den Weg gu einer neuen | nem ftitrmifden Obcim Inguiomerus gefolgt waren. 
luffajjung der Verſöhnungslehre. Die Verfaſſung ym J. 16 fiegte Germanicus, der diesmal jein gan 
der Vi. tit nach der Kirchenordnung Uytenbogaerts eine zes Heer auf Schijfen an die Emsmündung geſchafft 
febr einfache. Die Leitung der Gemeinſchaft jteht bet der hatte, über A. auf Dent Idiſtaviſofelde (in der 
Synode, die aus den Wbgeordneten jamtlider Ge- | von Minden) und in der Nahe des Steinhuder Mee 
meinden mit den Predigern und einem Profeſſor ded | res, fah fich aber durch große Verlujte sum Rückhzug 
Seminars bejteht; dic laufenden Geſchäfte in der Bwi- | gezwungen und verlor zur See viele Schiffe. Dies 
ſchenzeit bejorgt cin Ausſchuß von fiinf Mitglicdern. | war der letzte Verſuch der Romer, die Grenze vom 
Val. Regenboog, Hijtorie der Remonjtranten (a. d. | Rhein weiter nad) Ojten vorzuſchieben. Germanicus 
Hollind., Lemgo 1781-—84, 2 Bde.). | wurde im Winter 16/17 von dem Kaiſer Tiberius ad 
Arminius (Armin, cin aus deutſchem Stamm | berufen, um den Oberbefehl irr Often zu übernehmen. 
römiſch gebildeter Veiname, dernidt unferm Hermann | und erhielt feinen Nachfolger. Die römiſchen Schrift 
entſpricht), Fürſt der Cheruster, geb. 17 v. Chr. als jteller erfennten den Ruhm des A., Deutſchland befreit 
Sohn des Cherusferfiiriten Sigimer, leijtete nad der | zu haben, bereitwilliq an. Bei feinen Landsteuten 
Weiſe jener Seit mit feinem Bruder Flavus den Rö— | erntete er feinen Danf; denn naddem er den Stuy 
mern als Führer deulſcher Hilfstruppen Krieg sdienjte. | des Marfomannenfinigs Marbod als emes Feinde 
Als er nach cinigen Jahren in die Heimat zurückkehrte, der Freiheit herbeigefiibrt hatte (17), fand er im J 
ſchaltete dort der Oberbefehlshaber des untern Ger- | 19 auf Unjtiften ſeiner Verwandten, die ihn des Stre 
manien, Quintilius Barus, wie ein unumſchränkter | bens nad der Königsherrſchaft befduldigten, den Tod. 
DHerricher und reizte die Deutfden befonders dadurdh, | — Hauptquellen fiir die Geſchichte des A. find Taci— 
daß er unter ihnen wie in ciner Proving Recht ſprach. tus’ » Annales« (I, 55-70; I, 7—-23, 45, 46, 88), 
A., erfiillt von dem Gedanfen der Befreiung feines | Vellejus Baterculus (11, 107-— 120), Florus (TV, 12, 
Vaterlandes, aber einſichtig genug, um auf offene Ge- 9), Cajfius Dio (LVI, 18—24), Gueton (Ang. 23), 
walt su verzichten, ſchien fich ju fiigen; insqeheimaber | Strabon (VIL, 1). Bon neuern Bearbeitungen vgl 
qewann er nicht nur feine Cheruster, jondern aud die Remmer, Urminius (Leips. 1893); F. W. Fif der, 
benachbarten Völker fiir feine Blane und liek num an | Armin und die Römer (Halle 1893). Reich ijt die na- 
Varus die Nachricht gelangen, daß in feinem Riiden | mentlid) durch topoqraphijdes Intereſſe veranlajte 
ein Wufitand ausgebroden jei (Spatjommer 9n. Chr.). | iteratur fiber die Ortlidfeit der von W. geſchlagenen 
Varus, in Begriff, von ſeinem Sommerlager an der Schlachten. Bal. beſonders Mommſen, Die Ort- 


Arminius (Gatos) — WArmftrong. 


fichfeit ber Varusſchlacht (Berl. 1885), und Fr. Rn of e, 
Die Kriegszüge des Germanicus in Deutfdland (daf. 
1887, Nadtrag 1889). Cin foloffales Nationaldent- 
mal de3 U. von E. v. Bandel (ſ. d.), begonnen 1838, 
ſteht jeit 1875 auf der Grotenburg bei Detmold. Als 
Stoff ju dramatifden Dichtungen ijt die Hermanns: 
ſchlacht namentlid) von Rlopitod, H. v. Kleiſt und 
Grabbe behandelt, als Vorlage fiir eine plaſtiſche Dar- 
{telling von Schwanthaler am Giebel der Walhalla 
Henugt worden (j. Tafel ⸗ Bildhauerkunſt XVI-, Fig. I). 

Arminius, Jakob (eigentlich Harmenſen), 
Stifter der Arminianer (ſ. d), geb. 10. Oft. 1560 gu 
DOudewater in Siidholland, ftudierte in Utredht, Mar- 
burg und Leiden, hirte 1582 in Genf Besa und be- 
fudte Stalien (Rom). 1588 ward er in Amſterdam 
als Brediger angejtellt. Der Kirchenvorſtand beauf- 
tragte ihn mit der Widerlequng der Schriften des No— 
tars Coornbert, eines bibelgliubigen Tolerangpredi- 
gers, der gegen Calvin und Beja die bedingte * 
jtination lehrte. Unter der Urbeit wurde aber A. fiir 
Diefe mildere Uuffaffung gewormen und geriet, 1603 
als Brofefjor nad Leiden berufen, mit femem Rolle- 

en Gomarus in Streit durch die Behauptung: Gott 
Babe von Ewigfeit dad Schictial eines jeden beſtimmt, 
weil er Den Glauben des einen und-den Unglauben 
des andern vorhergefehen habe. Cin aniiden den 
Heiden Gegnern 1608 veranjtaltetes Geſpräch legte 
den Streit nicht bei. W. aber ſtarb vor deſſen Ent: 
fdeidung 19. Oft. 1609. Seine Schriften erfdienen 
in Leiden 1629. 

Arminiusquelle, ſ. Tinpioringe. 

UArmiftitium (lat., aud) m der Mehrzahl Armi— 
ftitien), Waffenſtillſtand. 

Armitage (pr. armitedſch 1) Ed ward, engl. Maler, 
geb. 20. Mat 1817 in London, geft. dafelbjt 24. Mai 
1896, trat 1836 in das Utelier von Paul Delarode 
in Baris ein, ftellte 1842 einen qefeffelten Brome- 
theus aus, erbielt 1845 bei der Ronfurreny um die 
Freslen der Londoner Parlamentshäuſer drei Preife 
(fiir: Landung Cäſars in Britannien, Geiſt der Reli- 
gion, Schlacht bet Meanee in Ojtindien), beſchickte 1848 
Die Ausſtellung der Foniglichen Ufademie mit Hein- 
vid) VIII. und Ratharina Barr und malte 1852 fiir 
das Parlament8haus die Themfe mit ihren Neben- 
flüſſen und den Tod Marmions. 1855 bereijte er die 
Krim und Rleinajien, wo er den Stoff gu den Bildern: 
die Garden bei Inkjerman und Kavallerieangriff bei 
Balaflawa fammelte. Bor feinen Werken find nod 
hervorzuheben: die Reue des Judas (Nationalgalerie 
in London), der Heil. Franjisfus vor Papit Reena: 
cenz IIT., Beerdigung dhrijtlider Méartyrer in Rom, 
Hejtmahl der Eſther. Geine Vorlejungen an der Ala— | 
demie erfchienen als »Lectures on painting (1883). 

2) T. R., Arzt und Blindenfreund, geb. 1824 in 
Tilgate- Hall (Suffer), qeft. 23. Nov. 1890 in Lon— 
don, verlebte einen Teil feiner Jugend in Deutſchland 
und Frankreich, wirkte bis 1860 in London als Arzt, 
bis ihn zunehmende Schwäche der Ungen zwang, dem 
ärztlichen Beruf ju entſagen. Seit 1865 jtellte er ſich 
gang in den Dienjt der Blindenſache und begriindete 
den »Britifdhen und auslindifden Blindenvereine ; 
beſonders um die Verbreitung der Brailleſchen Puntt- 
ſchrift 2c. machte er fich verdtent. Er fdrieb: »Edu- 
cation and employment of the Blind«. Bal. Pe— 
ters im »Blindenfreund« 1886; Meder Chee 
1890, Heft 12). 

Armleuchtergewächſe Wrmlendteralgen, 
Characeae), ſ. Algen, S. 317. 








Armlilien, ſ. Haarjterne. | 


793 


Armmolch (Siren lacertina L., ſ. Tafel ⸗Schwanz⸗ 
lurche J«), Schwanzlurch aus der Unterordnung der 
Perennibranchiaten und der Familie der Armmolch⸗ 
(Sirenidae), 70 cm lang, aalartig, mit ſtummelför— 
migen Vorderfiijen, von der Haut bededtten kleinen 
Augen und drei Paar biifdhelfirmigen Riemen, ijt 
ſchwarz, bisweilen weiß gefledt. Er lebt in Siidcaro- 
lina in Sitmpfen unter Baumwurzeln und nährt ſich 
von Umpbhibien, Wiirmern, fleinen Fifden. Unter 
Umſtänden vermag er bei ausſchließlicher Luftatmung 
zu leben. 

Armoracia, Meerrettich, ſ. Nasturtium. 

Armorial (nculat., Urmoriale), Wappenbud; 
Armoriſt, Bappenfermer. 

WArmorica, Vand, ſ. Uremorica. 

Armorifanifhe Alpen (Armorikaniſches 
Dod — ſ. Europa (Geologie) und Tertblatt 
zur »Geologtiden Karte von England<. 

Armring, joviel wie Urmband. 

Armfdienen (Urmjeug, franj. Brassards), ſ. 
Rüſtung. 

Armſchutzplatten, ſ. Bogen. 

Armſpannweite, die Entfernung der Mittel-⸗ 
fingerſpitze der einen Hand von der der andern, wenn 
die Arme, ſenkrecht zur Körperachſe, horizontal aus— 

ejtredt find. Die A. übertrifft die Körperlänge des 
enſchen im Durchſchnitt um O—89%00. Bei den 
Unthropoiden ijt fie größer als beim Menfdjen. 

Armftrong, 1) 55* engl. Dichter, geb. 1709 
gu Caſtleton in der ſchottiſchen Grafſchaft Roxburgh, 
geſt. 7. Sept. 1779, ſtudierte in Edinburg, ließ ſich 
dann als praftijdher Arzt in London nieder, ward 
1749 Hofpitalarst dafelbjt und fungierte 1760 — 63 
als Arzt bei der engliſchen Armee in Deutſchland. Sein 
Lehrgedicht »The art of preserving health« (Lond. 
1744; deutid) von Nöldecke, Brem. 1799) behandelt 
einen wenig poetifden Stojf in niidterner Weiſe, nad 
Art ded Pope, fand aber wegen der Korrektheit der 
Sprache Beifall. Von jeinen übrigen Sdriften ver: 
Dient nod das Gedicht »The economy of love« (1739, 
umgearbeitet 1768) Erwähnung. Cine neue Unsgabe 
feiner Gedidte beforgte Gilfillan (1859). 

2) Sir Billiam George, Ingenieur, geb. 26. 
Nov. 1810 in Neweaftle upon Tyne, gett. 27. Dez. 
1900 in Neweaftle, ftudierte die Rechte, dann Natur: 
wiffenichaft, fonjtruierte die Dampffeffelelettrifier- 
majdine, widmete fid) dann der Technik und baute 
1846 einen hydraulijden Kran, den er anfangs mit 
Wajjerturm, tei 1857 mit Akkumulator betried. Letz⸗ 
terer ijt von grofartiger Bedeutung fiir die Technik ge- 
worden. Yn feiner Maſchinenfabrik zu Elswick wirkte 
er bahnbrechend auf dent Gebiete der Geſchützrohr—⸗ 
fon{truftion. Seine Ranonen wurden aud) in an- 
dern Staaten — Nachdem aber ſeine erſten 
Hinterlader den Erwartungen nicht entſprochen hat— 
ten, lieferte er nur Vorderlader, bis dieſe bei der Auf— 
gabe des Panzerſchießens ſchließlich Dod) von den Hin- 
terladern iibertroffen und allgemein als minderwertiq 
anerfannt wurden. Haupworzug der Armſtrongrohre 
war ibre große Wideritandsteatt gegen die Wirkung 
des Pulvers im Geſchütz, erreicht durc die Herjtellung 
der Rohre aus Stiben, be3. übereinandergezogenen 
Rohren, welches Syjtem dann von Frafer co ildet 
wurde. A. wurde 1859 zum Hauptingenieur fiir das 
gezogene Geſchütz ernannt, als »Baron von Crag: 
ſide« geadelt und Direftor der finigliden Giekeret; 
1887 erbielt er die Peerswürde. Er fchrieb: »Discus- 
sions on the abolition of patents for inventions« 
(ond. 1869). ; 


794 


Armftrongs Mifdung bejteht aus chlorſaurem 
Rali und amorphem Phosphor, erplodiert ungemein 
leicht; dient als Ziindung fiir Bombenrateten. 

Armiire (franj.), feidenes Gewebe, deffen klei— 
nes Muſter durd die Bindung, namentlic) durch ge- 
ſchmückte Roper, hervorgebracht wird (7. 
Abbild.), mit 55 doppelten Kettenfäden u. 
55 doppelten Schußfäden auf lem. Wud 
fleingemufterter wollener Damenfleider- 
ftoff mit 34 Retten- u. 28 Schußfäden auf 
lem. Garne: Kette Rr. 78 zweifach Kamm⸗ 
garn, Schuß Nr. 40 einfach Kammgarn. 

Armut, im gewöhnlichen Sprad- 
gebraud cin Mangel an Beſitz, im ſtren— 

ern Sinne der Mangel an den nötigſten 
Rebensbebdiirfnifjen und den Mitteln, fie 
ju erwerben (vgl. Urmenwefen). — Fret. 
willige A. galt fdon in friihen Zeiten 
der chriſtlichen Kirche für verdienſtlich und 
notwendig zu höherer Vollkommenheit (Matth. 19, 21). 
Spiiter —————— es die Mönche, dieſe über das 
Durchſchnittsmaß der geforderten Sittlichkeit hinaus- 
gehende Seite am chriſtlichen Lebensideal darzuſtellen; 
ſedes in einen geiſtlichen Orden eintretende Mitglied 
mußte demnach durch cin förmliches Armutsgelübde 
fiir ſeine Perſon dem Beſitz aller zeitlichen Güter ent- 
ſagen, und die ſogen. Bettelmönche (ſ. d.) dehnten 
dieſe Verzichtleiſtung ſelbſt auf die Kloſtervereine aus. 

Armutszeugnis (Testimonium paupertatis), 
amtliche Beſcheinigung, dak derjenige, fiir Den das 
Zeugnis ausgeftellt ijt, oder feine Eltern rc. nicht fo 
viel Vermögen befigen, als zur Durdhfithrung eines 
qeivifjen Unternehmen’ erforderlid) ijt; fo bet einer 
projeffierendDen armen Partei (f. Urmenredt), bei 
Studenten und Sdiilern behufs des Erlaſſes des Ho- 
norars fiir den Unterridt u. dgl. — Der Wusdrud 
wird aud) ſpöttiſch in fibertragener Bedeutung ge 
braucht (fich felbjt cin A. ausſtellen). 

Army Cloth (engl., -Armeetuch«), ordinires 
rauhes Rommiftud, wird meijt in Bradford und 
Leeds fiir Kleinaſien, Syrien, Bataitina hergeftellt. 

Arn., bei Pflanzennamen Abkürzung fiir Georg 
Yrnold Walfer Arnott, geb. 6. Febr. 1799 in Edin- 
burg, geft. 15. Juni 1868 als Direftor de3 botanijden 
Wartens in Glasgow. Mooſe und Flora Ojtindiens. 

Arnaboldi, Äleſſandro, ital. Lyrifer, geb. 19. 
Nov. 1827 in Mailand, ftudierte die Rechte, widmete 
jid) Der Beamtenlaufbahn und lebt feit 1873 zurück— 
gesogen bei Mailand. Der Erfolg feiner » Versi« 
(Marl. 1872) war ein außerordentlicher; indeffen rief 
der erſte Enthuſiasmus cine Realtion hervor, und Pro- 
feffor Rondani in Barma ſchrieb eine eiqne Broſchüre 

eqen ihn: » A proposito di un nuovo poeta« (1873). 
— * bleibt A., den aud) cine warme Begeiſte⸗ 
rung fiir deutſche Literatur (namentlich fiir Goethe) 
auszeichnet, cin hodbeqabter Poet voll ernjten Stre— 
bens, edel und gediegen nad Inhalt und Form. Eine 
zweite Sammlung feiner Gedidte erfdhien als » Nuovi 
versi« (Mail. 1888). 

Arnau, Stadt in Bdhmen, Bezirlsh. Hohenelbe, 
351 m it. M. an der Elbe und der Bahnlinie Chlu- 
metz- Parſchnitz gelegen, Sig eines Bezirksgerichts, 
hat eine alte Dechanteifirde, ein Rathaus mit zwei 
jteinernen Riefen, ein Staatsobergymnaſium, qa. 
idinenfabrif, 2 Bapierfabrifen, Flachsgarnſpinnerei, 
Seidenweberei, Starfefabrif, 2 Bierbrauereien, Be: 
ment> und Marmorwarenerzeugung, Leinwandhan- 
Del und (1900) 4193 deutide Cinwohner. In der Um— 
qebung bedeutende Lein- und Baumwollweberei. 





Armilre. 


angeſtellt. 


Armſtrongs Miſchung — Arnault. 


U., ehemals befeſtigt, wurde 1424 von Ziska erfolglos 
belagert und fam nad der Schlacht am Weißen Berg 
in den Beſitz Wallenſteins (qeqenwartiger Beſitzer der 
Herridaft U. Graf Deym). 5 km nordlid) von YW. 
in ſchöner Waldgegend, 423 m, das als Sommerfriſche 
beliebte Forftbad. 

Arnaud (pr. no), Jacques Leroy de Saint, 
fran3. Marfdall, ſ. Saint-Wrnaud. 

audons Griin (pr. arnodéng), aus metapbos- 
phorjaurem Chromoryd bejtehender, wenig lebhafter 
Farbſtoff, wird in der Färberei benugt und erſcheint 
aud) bei künſtlicher Beleuchtung rein grün. 

Arnawld (pr. no), 1) Untoine, beriihmeter fran. 
YWdvotat, geb. 1560 in Paris, geſt. 29. Dex. 1619, 
Spropling einer alten Familie in der Auvergne, trat 
auf die Seite Heinrids IV., deffen Thronrecht er af 
rig verfodt, und wurde von ibm jum Generaladvo- 
faten und StaatSrat ernannt. Er verteidigte 15M 
die Pariſer Univerjitit gegen die Jefuiten in einer 
beriihmten Rede (gedrudt 1594) und ridhtete 1602 
cine Denffdrift an den König (>Mémoire anu roi, 
gedruckt 1602), um die Riidberufung der Jefuiten zu 
verhindern. Geine 22 Stinder bildeten Der: Kern der 
Janſeniſten in Frantreid, die Söhne als Witglieder 
der gelehrien Gefellfdjaft, die THchter als Nonnen des 
von A. gejtifteten Kloſters Port-Royal des Champs. 
Bal. Perrens, L’Eglise et l'Etat en France sous 
le régne de Henri IV (Bar. 1872, 2 Bde.). 

2) Antoine, geb. 6. Febr. 1612, gejt. 8. Mug. 1694 
in Briiffel, jiingfter Sohn des vorigen und cin Bre 
der der heldenmittigen Wbtifjin von Bort-Royal, An- 

elifa A., madte unter Leitung des Ubtes von St 

yran, Jean Duvergier de Hauranne, des Hauptes der 
Janſeniſten (ſ. Janſenismus), theologiide Studien, 
ward 1643 Mitglied der Sorbonne und dann Bort 
führer der Janfenijten in deren Streitigqfeiten mit den 
Jeſuiten, dem Klerus und der Regierung. Aus der 
Sorbonne ausgeſtoßen, trat er nach Abſchluß des fogen. 
Friedens zwiſchen Papſt Clemens IX. und dem Jan 
jenijten in Baris 1668 aus der Verborgenheit wreder 
— und mit dem damals in Paris verweilenden 

eibniz in Verkehr, der ihn vergebens für ſeine die 
Vereinigung der katholiſchen und evangeliſchen Kirche 
betreffenden Pläne zu gewinnen ſuchte. Vor neuen 
Verfolgungen der Jejuiten floh er in die Niederlande. 
wo er Streitidriften gegen Jejuiten und Reformierte 
verfaRte. Seine »>(Euvres« erjdienen Lauſanne 1775 
bis 1783 in 48 Banden; feine Hauptidrift: » Logique 
de Port-Royal« (1662) zuletzt 1879. 

Arnault (pr. -n0), Untoine Vincent, fran. 
Didter, geb. 22. Jan. 1766 in Paris, geſt. 16. Sept. 
1834 in Goderville bet Havre, trat 1791 mit dem 
Trauerfpiel »Marius à Minturnes« auf, das fermen 
Dichterruf begriindete. 1797 wurde ibm von Bona: 
parte die Drganifation der Yonifden Inſeln iibertra- 
gen. Nachdem er 1798 feine beſte Tragodie: » Blanche 
et Montcassin, ou les Vénitiens« , zur Aufführung 
gebradt, wurde er 1800 tim Miniſterium des Innern 
al8 Chef der Ubtetlung des Hffertlichen Unterricts 
Nach Napoleons Stury wurde YW vom 
Inſtitut ausgefdloffen, dent er feit 1799 angebhodrte, 
und deS Landes verwieſen und durfte erit L819 zu⸗ 
riidfebren. Aus der Verbannung hatte er 1817 ſeinen 
*Germanicus« an das Théitre-Francats cingejandt, 
deffen Auffuͤhrung durch Anſpielungen auf den Ver⸗ 
bannten von St. Helena eine ſtürmiſche Demonſtration 
der Liberalen veranlaßte, die das Verbot des Studes 
zur Folge hatte. 1829 wurde er von neuem tm die 
Vifademte aufgenommen und 1833 zu threm beſtan— 


Arnaut — Arndt. 


digen Sefretir ernannt. Als Dramatifer war er ein 
Anhänger der klaſſiſchen Tragödie und Feind der ro- 
mantiſchen Schule, der er jedod) nur mittelmépige 
Stücke entgegenzuſetzen hatte, obgleid) er bei feinem 
Debüt durch fraftige Charakterzeichnung, einfache, 
flare Handlung und elegante, forrefte Sprache große 
Hoffnungen erwedt hatte. Weit hiher ftehen feine 
ſatiriſchen Fabeln und graziöſen Gedichte: »Fables et 
poésies« (1812, vermebhrte Mufl. 1825; allgemein be- 
fannt geworden iſt das Gedicht: » De la tige détache⸗) 
und die »Souvenirs d'un sexagénaire⸗ (18383, 4 Bde.), 
die treffliche Charakterzeichnungen und intereſſante 
Aufſchlüſſe über die — der Zeit bis 1804 ent⸗ 
halten. A. iſt der Verfaſſer einer »Vie politique et 
militaire de Napoléon« (1822, 3 Bde.) wofiir ihm 
Napoleon ein Legat von 100,000 Frank ausfepte. 
Seine »Muvres« erfdienen geſammelt in 8 Binden 
(Bar. 1824— 27). — Gein ailtefter Sohn, Lucien 
(1787 —1863), unter der Julidynaſtie Briifett des 
VUrdededepartements, ijt ——— s als Trauerſpiel⸗ 
dichter aufgetreten, fam dem Vater aber an Talent 
nicht gleich. Seine Dramatifden Werke wurden heraus- 
geqeben von Francois (Par. 1865, 2 Bode.). 

ruaut, der tiirfifde Name fiir Albaneſen. Ar— 
nautifdhe Sprade, albanejijde Sprade; Ur- 
nautluf, Uhbanien. 

Arnaut Daniel (pr. arnaud, Troubadour aus dem 
Ende des 12. Jabrh., ſtammte aus Ribérac (Dordogne) 
und lebte eine Zeitlang am Hofe König Ridards I. 
von England. W. huldigte dem dunfeln und geſuch— 
ten Stil, und feine 18 nod) vorbandenen Lieder bieten 
dem Verjtindnis groke Schwierigleiten Er liebt es, 
die Reime erſt in der folgenden Strophe zu binden, 
und bat in der von ihm erfundenen Seſtine die Kün— 
ftelei auf die S —— Dante und Petrarca 
haben ihn als Fo njtler bewundert und nachge— 
ahmt. Jener hat die Seſtine nach Italien verpflanzt, 
dieſer wahrſcheinlich den Namen von Arnauts Ge— 
liebten Laura, der ſchon dem Provenzalen Gelegen— 
Heit zu Wortſpielen gibt (z. B. mit l'aura, die Luft), 
von dort übernommen. Herausgegeben ſind ſeine 
Gedichte von Canello (Halle 1883). Bai U., wie man 
früher annabm, aud) epijde Dichtungen verfaßt habe, 
bat fic) als cin Irrtum herausgeftellt. 

Arnaut von Mareuil (pr. arnaut, mardp, Trouba- 
dour, f. Provenzaliſche Literatur. 

Arnay-le-Due (pr. arnd-t5-20d, Stadt im franj. 
Depart. Cite-d'Or, Yrrond. Beaune, am Arroux und 
an der Lyoner Bahn, mit Collége und (ivory) 2531 
Cinw., befannt durd den ae der Hugenotten unter 
Coliqny iiber den Marſchall Coſſe (27. Juni 1570). 

ruberg, Johann Wolter, ſchwed. Rational- 
dtonom, geb. 14. Olt. 1832 in Norrfiping, gejt. 20. 
Suni 1900 in Saltſjöbaden bei Stodholm, 1856—65 
als Dozent der Staatswiffenfdaften in Upfala, dann 
dort und in Stodbholm als Banfdireftor tatig. war 
feit 1874 Bevollmadtigter der Schwediſchen Reichs 
banf. Der freibdinblecitehen Richtung angehörig, ver⸗ 
öffentlichte er außer zahlreichen Aufſätzen: »Om upp- 
handlingsdeputationen« (1855); »Om arbetets och 
bytets frihet« (1864). Gein Hauptwerk » Antecknin- 
gar om frihetstidens politiska ekonomi« (Bd. 1, 
Upjala 1868) ijt cin widjtiger Beitrag zur innern Ge- 
ſchichte Schwedens im 18. Jahrb. 

Arndt, 1) (Arn d) Johann, prot. Theolvg, geb. 
27. Dex. 1555 gu Ballenjtedt im Anhaltiſchen, geſt. 
15. Wai 1621 in Celle, ward 1581 Diafonus zu 
Ballenjtedt und 1583 Pfarrer gu Badeborn. Hier 
wegen feines Widerjtanded gegen die Abſchaffung des 


795 


Exorzismus 1590 abgeſetzt, ging er als Pajtor nah 
Ouedlinburg, 1599 nad Vraunidiweig, 1609 nad 
Eisleben, bis ihm 1611 die Generalfuperintendentur 
ju Celle fibertragen wurde. Abgeſtoßen von dem un- 
evangelijden Geijte der meijten Theologen ſeiner Heit, 
führte er Die Religion im Sinne der alten volfstiim- 
lichen Myſtik auf das Hers und das Leben zurück und 
ward cin Lehrer »vom inwendigen Reiche Gottes«. 
Seine astetijden Schriften find nod) jest beliebte 
Erbauungsbilder. Bejonders gilt died von feinen 
»Bier Biidern vom wabhren Chrijtentum« (1605), 
fehr oft im Druck erſchienen und fajt in alle europai- 
ſchen Spradjen überſetzt. Faſt gleiden Ruf erlangten 
fein »Paradiesqirtlein aller Seithichen Tugenden« 

1612), feine »Poftille« (1616), ſeine ⸗Auslegung des 

atechismus Lutheri« (1617). Cine Gefamtausgabe 
feiner Schriften erſchien in Leipzig und Görlitz 1734 
bis 1736, 3 Bode. Mg F. Urndt, J. A. (Berl. 1838), 
und Berg, De Joh. Arndtio (Hannov. 1852). 

2) Ernjt Morig, deutſcher Patriot, wurde 26. 
Dez. 1769 in Schoritz auf der Inſel Riigen geboren, 
die nod) fdhwedifd) war, und ftarb 29. Jan. 1860 in 
Bonn. Sein nod als Leibeigqner geborner Vater, 
damals Inſpeltor auf einem Gute de3 Grafen Malte: 
Putbus, lie ihn die gelehrte Sdule gu Stralfund 
beſuchen. Seit 1789 ftudierte er zuerſt in Greifswald, 
dann in Jena, neben der Theologie mit Vorliebe Ge- 
ſchichte, Erd- und Vilterfunde, Sprachen und Ratur- 
wiſſenſchaften. Nachdem er eine Zeitlang in der Hei- 
mat als Randidat und Hauslebrer zugebracht hatte, 
madte er 1798—99 eine größere Reife nad) Ojter- 
reid), Dberitalien, Frankreich und zurück durch Bel- 
gien und einen Teil von Norddeutſchland, die er in 
den ⸗Reiſen durch einen Teil Deutſchlands, Ungarns, 
Staliens und Frankreichs« (Leipz. 1804, 4 Bde.) be- 
ſchrieb, nachdem er ſchon 1800 eine Schrift » Tiber die 
Freiheit der alten Republifen« herausgegeben hatte. 
Nach feiner Riidtehr habilitierte fid) YW. Ojtern 1800 
in Greifswald al8 Privatdozent der Gejdidte und 
Philologie, verheiratete fid) mit der Tochter des Pro— 
feſſors Quiſtorp, die ihm aber bald wieder durd den 
Tod entriſſen ward, und erbielt, nachdem er fice ein 
Nahr (1803/1804) in Schweden aufgehalten, 1805 
cine augerordentlide Brofeffur. Die 1803 erfdienene 
»Gejdidjte der Leibeigenſchaft in Pommern und Ril- 
ome zog ihm gwar Klagen mehrerer adliger Guts: 

eſitzer gu, beſtimmte aber den Konig von Schweden, 
1806 die Leibeigen{daft und die PRatrimonialgerichte 
in Vorpommern aufgubeben. Aus derfelben Aeit da⸗ 
tiert das Schriflchen ⸗ Germanien und Europa⸗ (1603), 
worin A. die von Frankreich drohenden Gefahren be— 
leuchtete. Andre Schriften aus dieſen Jahren handeln 
über die Sprache und die Erziehung. Unter dem Drud 
der politifdjen Verhältniſſe gab er 1806 den erjten 
Teil ſeines großen Werkes: »Geijt der Zeit« (6. Aufl. 
de3 Ganzen Altona 1877) heraus, der die fommmenden 
Ereignijje prophetiſch voraus verfiindete und das 
deutſche Vol! gum Kampf gegen Napoleon aufrief. 
U. felbjt arbeitete damals in der ſchwediſchen Kanzlei 
zu Stralfund. In jener Zeit hatte er mit einem ſchwe— 
diſchen Offizier, der geringſchätzig von Deutidland 
geſprochen, einen Sweifampf, in dem er ſchwer ver- 
wundet wurde. Nad) der Schlacht bei Jena floh er nad 
Schweden und fand dort eine Unjtellung, die ihm Heit 
lief}, Den zweiten Teil des Werkes »Geijt der Yeit« 
auszuarbeiten, der 1809 in London erſchien und im 
feurigiten patriotifden Schwung auf die Wege hin- 
wies, auf denen allein Deutidland aus der Erniedri- 
gung erldjt werden forme. Der Sturg feines geliebten 


796 


Königs Guſtav IV. bew 
land zurüchzukehren und fid) nach) Berlin gu beqeben. 
In dem patriotiſchen Kreije de3 Buchhändlers Reimer 
empfing er Hier mannigfade Unregung, dod) lebte 
ez, da er von Napoleon geächtet war, nidjt ohne Ge- 
{ahr. 1810 fonnte er gwar nad) dem Friedensſchluß 
zwiſchen Frantceid) und Schweden fein altes Amt in 
Wreifswald wieder antreten, aber ſchon im Januar 
1812 begab er fid) wieder nad) Berlin, Breslau, Prag 
und fniipfte fiberall mit den hervorragendſten preupi- 
ſchen Fatrioten enge Beziehungen an. Er war, erfiillt 
von der Borjtellung, daß Preußen feinen politijden 
und patriotifden Forderungen gerecht werden forme, 
ganz Preuße geworden. Stein berief ihn zur Förde— 
rung ſeiner auf die Vefreiung Deutſchlands geridte- 
ten ‘Blane gu fic) nad) Petersburg, und mit ihm fehrte 
A. nach der Niederlage Napoleons nad) Deutidland 
zurück. Dest beqann erjt eigentlich feine durchgrei— 
fende Wirkfamfleit. In giindenden Worten, in immer 
neuen Gedidten, Stughdhriften und Wufrufen aller 
Art rief er Das Voll su den Waffen. Unermeplich ijt 
der Einfluß, den er auf die Befreiung Deutidlands 
gewann durd): » Was bedeutet Landwehr und Land- 
jturm ?«, den »Deutiden Volkskatechismus«, » Uber 
Entjtehung und Beſtimmung der deutfden Legion«, 
»>Brundlinien einer deutiden Kriegsgordnung« und 
die Schrift »>Der Rhein, Deutidlands Strom, aber 
nicht Deutſchlands Grenze⸗, » Uber Vollshaß und über 
den Gebrauch einer fremden Sprade< (1813), Ȇber 
das Verhaltnis Englands und Frankreichs ju Cu- 
ropa« (1813), ⸗Noch ein Wort iiber die Franjofen 
und iiber unS« (1814). Qn dem Schriftchen » Das 
preußiſche Boll und Heer⸗ (1813) ſchildert er mit be: 


ihn 1809, nad) Deutſch— 


Arndt (Ernjt Morig). 


wurden wegen de vierten Banded des »Geijtes der 
Beit« und wegen Privatiukerungen im September 
1819 Urndts Papiere in rin Sap rman er jelbjt 
im November 1820 von feinem Amt fuspendiert und 
im Februar 1821 die Kriminalunterſuchung wegen 
Demagogiider Umtriebe gegen ibn erdffnet. Ste hatte 
fein Rejultat: Wrndts Forderung einer Chrenerfla 

rung wurde nidt erfiillt, er ward aber auch nicht fiir 
ſchuldig erflart, fein Gebalt im gelajjen, die Erlaub 

nig, an der Univerſität Borlejungen ju halten, jedod 
nicht wieder erteilt. Cine Schilderung des Prozeſſes 
gab A. ſpäter felbjt in dem ——— Bericht 
aus meinem Leben, aus und mit lirfunden der demea- 
gogifdjen und antidemagogifden Unttriebe« (Lew;. 
1847, 2 Bde.). Jn den folgenden Jahren ſchrieb er: 
»Rebenjtunden, Beſchreibung und Geſchichte der Shet⸗ 
landifden Inſeln umd Orfaden« (Leips. 1826); 
»Chrijtlides und Türkiſches- (Stuttg. 1828); » Die 
rage liber die Niederlande« (Leipz. 1831); » Belgien 
und was daran Hingt« (daf. 1834); »Leben G. Aß— 
manns« (Berl. 1834); »Schwediſche Geſchichten unter 
@ujtav IT. und Gujtav IV. UWdolf« (Leip;. 1839); 
oErinnerungen aus dem äußern Leben« (3. Bul, 
daſ. 1842). Cin tiefer Schmerz traf ihn 1834 durd 
den Verluſt feines Sohnes Wilibald, eines bliibenden 
Knaben von 9 Jahren, der in den Fluten des Rheims 
ertranf. Es war ciner der erjten RegierungSatte Fried 

rid) Wilhelms IV., A. wieder in fen Amt eingujeper 
und ihm feine Briefe und Papiere guriidgeben zu 
lajjen. Die Univerjitdt wählte A. 1841 zum NReftor. 
Es erfdienen nun: » Veriud in vergleidenden Völler 
geſchichten⸗ (2. Aufl., Leipz. 1844); » Schriften fir 
und anfeine lieben Deutiden< (dal. 1845—55, 4Bde.), 


redten Worten, wie Preußen aus tiefitem Stury wie- | eine Sammlung feiner kleinen politiſchen Sebriften; 
der auferjtanden fei durch zwei Mittel, welche die | »Rhein- und Uhewanderungen« (Bonn 1846). 1848 


Staatsleiter mit wahrer Umſicht angewendet: »den 
Geijt freigulafjen und das Volk friegsqeiibt ju ma- 
chen«. Seine ſchönen Kriegs⸗ und Baterlandslieder, 
erſchienen in zwei Sammlungen: » Lieder fiir Deutide« 
(1813) und »Rriegs- und Webhrliedere (1815), fadten 
die Begeijterung mächtig an. Sie gingen {pater in 
die volljtandigern Ausgaben feiner » Gedidjte« (zuerſt 
Frankf. 1818, 2 Bde.; Ausgabe lester Hand, Berl. 
1860; 2. Aufl. 1865; Wuswahl 1889) über. Noch 
1813 veröffentlichte er cinen dritten Teil feines Wer: 
fe3 »Geiſt der Zeit⸗, worin er die Grundzüge eines 
neuen, jeitgemajen Verfaſſungszuſtandes in Deutid) 
land gab, die er weiter ausfiibrte in der Schrift » Uber 
fiinftige ſtändiſche Verfaſſungen in Deutidjland« 
(1814). Der Vertretung des Bauernjtandes widmete 
er cine bejondere Schrift (1815). Während die deut- 
ſchen Heere auf franzöſiſchem Boden kämpften, lief 
er Flugblatt auf Flugblatt ausgehen, fo: »tiber Sitte, 
Mode und Kleidertracht«, »Entwurf einer deutiden 
Geſellſchaft«, »Blide aus der Zeit in die Zeit«, »tiber 
die Feier der Leipziger Schlacht«, ſämtlich von 1814, 
dann »Friedrid) Auguſt von Sachſen«, » Die rheini- 
ſche Mark und die deutiden Bundesfeſtungen«, beide 
von 1815. Seine publiziſtiſche Tatigteit fonsentrierte 
ev in Der Zeitſchrift »>Der Wächter«, die er 1815 —16 
ju Rodin Herausgab. 1817 veröffentlichte er feine 
Märchen und Jugenderinnerungen« und den 4. Teil 
vom »Geiſt ber Seite. 1818 wurde er Profeſſor der 
Geſchichte an der neubeqriindeten Univerjitat zu Bonn, 
naddem er 1817 die Schwejter Sdleiermaders, 
Nanna (gejt. 16. Ott. 1869), als sweite Gattin heim: 
geführt hatte. Seine afademifche Wirkſamkeit war in- 
deffen von kurzer Dauer. Nad Beginn der Dema 
gogenverfolgungen infolge von Kotzebues Ermordung 





ward A. von dem 15. rheinpreupiiden Wabhlbesict m 
die deutſche Nationalverjammlung gewählt und bier 
durch feierlide Huldiqung der ganzen Verſammlung 
beqriift. Dod) befdhrantte ſich feine Betetliqung an 
den Verhandlungen auf furge, aber kräftige Reden 
im Ginne der fonjtitutionell -erbtaijerliden Bare; 
er war aud) Mitglied der großen Deputation, die dem 
König von Preugen die deutide Kaiſerkrone anbieten 
jollte. Yin 30. Mai 1849 trat er mit der Gagerniden 
Partei aus der Verſammlung aus und zog ſich wre 
dev in die Stille feines afademifchen Lebens zurud 
Uber den Glauben an eine befjere Zukunft Deutid 
lands verlor er nicht; dieſer Glaube leudtete aus ici 
nen » Blattern der Erinnerung, meijtens um und awe 
der PRaulstirde in Franffurt« (Leipz. 1849), der leg 
ten größern poctifden Gabe von ibm, fowie aus i- 
nem ⸗Mahnruf an alle deutiden Gauen in betrei? 
der ſchleswig⸗ holſteiniſchen Gadje« (1854), Dem Biid> 
lein »Pro populo germanico« (Berl. 1854), der an 
mutigen »Bliitentefe aus Ultem und Neuem ⸗ (Lows. 
1857) und der Schrift »WMeine Wanderungen und 
Wandelungen mit dem Reidsfreiheren H. K. Fr. vom 
Stein« (Berl. 1858, 3. Aufl. 1870). Wegen einer 
angeblich Den General Wrede und das bayrijde M 
litdr beleidigenden Stelle in legterm Werf ward A 
vor das Schwurgericht in Zweibrücken geladen und, 
da er nidjt erſchien, in contumaciam ju Gefangnis 
jtrafe verurteilt. Rod völlig rüſtig, feierte er unter 
allgemeiner Teilnahme 1859 ſeinen 90. Geburtstag. — 
YW. war fein Genie, fein grofer Dichter und Gelehrter, 
aud) fein großer Staatsmann, aber voll Begeijterung 
fiir die erhabenjten Antereffen der Menſchheit umd 
voll edelfter Hingebung fiir die Sade des Bolles, ein 
mannbafter Charafter, der nod) als Greis den Idea 


Arndts — 


len ſeiner Jugend mit Jünglingsfeuer anhing. Wie 
er durch ſeine Schriften und Lieder. die Berceiung 
Deutſchlands von der Fremdberridaft höchſt wirkſam 
unterjtilpt hatte, fo fudjte er in der Zeit der Reaktion 
das BVerlangen und Streben ded Volkes nach dem 
roßen Ziel der nationalen Einheit furdtlos und mit 
uereifer aufredt ju erhalten, »wie ein altes guted 
deutſches Gewiſſen⸗ die Verzagenden ſtärkend, die 
Schwankenden in der Treue befeſtigend, die Feinde 
des Rechten und Guten mit der Wucht ſeines heiligen 
Zornes niederſchmetternd. Daher blieb er, obgleich 
die Zeit viele ſeiner Anſichten überflügelt hatte, gieich— 
ſam das Banner, um das auch die jüngern Genera— 
tionen der Vaterlandsfreunde ſich ſcharten. Sein Inne— 
res und Äußeres ſpiegelte in ſeltener Reinheit dic 
Eigenſchaften, die den deutſchen Mann zieren: eine 
feſte, energiſche Geſtalt, cin reiches, poetiſch geſtimm— 
tes Gemüt, ſittlichen Ernſt und Strenge, heiße Liebe 
zu Freiheit und Vaterland. 1865 wurde ihm in 
onn ein Bronzedenkmal (von Afinger) errichtet; fei- 
trem Andenlen ijt aud) der 21 m hohe Turm auf 
dem Rugard auf der Ynfel Riigen (1873) gewidmet. 
Von ciner Sammlung feiner Hauptidriften eridienen 
6 Bande (Leip; 1892—96). Urndts Biographie 
idricben Langenberg (neue Uusg., Bonn 1869), 
Baur (5. WUujl., Hamb.1882), Re hbein u. Keil (Lahr 
1861), Sdenfel (2. Mufl., Elberf. 1869), Thiele 
(Wiitersl. 1894). Seme » Briefe an eine Freundin⸗ 
{Ebarlotte v. Rather) wurden lg age von Lane 
qenberg (Berl. 1878), die »Briefe W. v. Hinnboldts 
rund Urndt3 an Johanna Motherby« von H. Meisner 
(Leipz. 1892). Bgl. aud »E. M. A., Lebensbild in 
Briefen« (hrsq. von Meisner u. Geerds, Berl. 1898). 
3) Wilhelm, Geſchichtsforſcher, qeb.27.Sept. 1838 
gu Lobjens in Pofen, get. 10. Jan. 1895 in Leipzig, 
war 1862—75 Wtitarbeiter an den »Monumenta 
Germaniae historicae und babilitierte ſich 1875 als 
Dozent der Geſchichte in Leipzig, wo er 1876 aufer- 
ordentlicdjer, 1894 ordentlider — or wurde. Wie 
fein Lehrer Waitz anregender hijtorijder Padagog, 
Hat er namentlic) dad Studium der Entiwidelung 
Der Schrift gefirdert durch feine »Sdhrifttafeln zur 
€rlernung der lateiniſchen Paläographie- (Bert. 
1874, 3. Mufl. 1897—98, 2 Hefte). Außer feinen 
Uusgaben in den »Monumentas gab er beraus: 
» Keine Denfmiler aus der Merowingerseit «(Hannov. 
1874); ⸗-Goethes Briefe an die Gräfin Auguſte ju 
Stolberg« (2. Aufl., Leips. 1881) fowie Goethes Sing: 
fpiel » Seri und Bately in der urfpriingliden Gejtalt« 
(Daj. 1881) und »Die Vögel« (daj. 1886). 
4) Udolf, Rechtslehrer, qeb. 20. Oft. 1848 yu 
Freienwalde in Pommern, ſchied 1879 als Kreisrichter 
aus dem praftifden Juſtizdienſt aus, habilitierte fid 
an der Univerfitit Halle und trat zugleich als Juſtitiar 
beim dortiqen Oberbergamt ein, bei dem er fpater gum 
Geheimen Pergrat ernannt wurde. Seit 1893 —* 
ordentlicher Profeſſor, folgte er 1900 einem Ruf als 
ordentlicher Profeſſor auf den Lehrſtuhl des Staats- 
rechts in Königsberg. Seine frühern Schriften be— 
handeln meiſt Bergrecht und Bergpolitik; hierher ge— 
hören: »Zur Geſchichte und Theorie des Bergregäls 
und der VBergbaufreiheit (Halle 1879); »Das all⸗ 
gemeine Berggeſetz fiir die preußiſchen Staaten« (daf. 
1885, 2 Aufl. 1888, und als ⸗Kurzgefaßter Rommen- 
tar<, Leip3. 1892); »Entwurf eines deutiden Berg: 
geſetzes, nebjt Beqriindung< (Halle 1889); »Bergbau 
und Bergpolitik« (Leip;. 1894). Dod) wandte er fid 
bald aud) dem deutiden Staatsrecht gu. Aus diefem 
Gebiet find gu nennen: ⸗Das Verordnungsredt des 


797 


Deutſchen Reiches« (Berl. 1884); »> Die Verfajjungs- 
urfunde fiir den preußiſchen Staat« (daf. 1886, 4. Aufl. 
1900); »Berfaffung ded Deutſchen Reidjes, mit Ein- 
leitung und Romimentare (daf. 1895, 2. Uufl. 1902); 
»Das Staatsredt des Deutſchen Reiches⸗ (Daj. 1901); 
»Deutſches Landwirtfdaftsredte (Stuttg. 1901); 
»Das felbjtindige Verordnungsredt« (Berl. 1902). 
Zuſammen mit UW. Hellweg gab er Heraus: »Die 
deutſche Strafgeſetzgebung⸗ (2. Wusg., Berl. 1886). 
5) Theodor, prot. Theolog, geb. 1. Juni 1850 in 
Benfendorf (Prov. Sadjen), geſt. 2. Juli 1901 in 
Berlin, 1873—83 Obertehrer am königlichen Semi- 
nar in Dresden, feit 1883 Prediger in Berlin, 1893 
Präſident des Allgemeinen evangelifd-protejtantijden 
Miffionsvereins, deſſen Organ, die Zeitſchrift fiir 
Miffionshinde u. Reliqgionswiffenfdaft«, er 1886 mit- 
beqritndet und bis zu —— herausgegeben hat. 
rudts, Ludwig, Ritter von Arnesberg, 
nambafter Redtslehrer, geb. 19. Aug. 1803 in Urns. 
berg, geſt. 1. März 1878 in Wien, habilitierte fid 
1826 in Bonn, ward dort 1837 auferordentlicher 
Profeſſor, ging 1839 als ordentlider Brofeffor nad 
WMiinden, wo er 1844 gum Mitgliede der Geſetzkom— 
miffion ernannt und mit Entwerfung cine’ biirger- 
lichen Geſetzbuches beauftragt wurde. 1848 in die 
Frankfurter Nationalverjammilung gewählt, ſchloß 
ev ſich der großdeutſchen Partei an und erklärte am 
12. Mai 1849 ſeinen Wustritt. Seit 1855 Profefjor 
des römiſchen Rechts in Wien, wurde er 1867 ing 
öſterreichiſche Herrenhaus berufen, in Dem er21. Mary 
1869 fiir bas Nonfordat ftimmte. Er wurde 1871 
qeadelt und trat 1874 in Den Ruheſtand. Sein Haupt- 
wert ijt Das »Lehrbud) der Pandeften« (Stuttg. 1850; 
14. Aufl. von Pfaff und Hofmann, 1889; in bas 
Stalienifche überſetzt von Serafini). Außerdem ſchrieb 
er: »Qurijtiide Enzyklopädie und Methodologiz« 
(Stuttg. 1843, 9. Aufl. von Grueber, 1895); » Die Lehre 
von den Vermächtniſſen« (Erlang. 1869—75, 3 Bde.); 
⸗Geſammelte sivilijtiide Schriften« (Stuttg. 1874, 
3 Bbde.). Mit — und Pözl gab er die »Striti- 
ſche Uberfchau der deutſchen Geſeßgebung und Rechts 
wiſſenſchaft⸗· (münch. 1854—58, 8 Bode.) heraus, 
aud) bearbeitete er die »Sententiaes des Paullus 
(Bonn 1833) und die »Epitome rerum germanica- 
rum« des Bappus (Wien 1856 — 58, 2 Bde.). 
Arne (ivr. arn), THomas Auguſtine, engl. Rom: 
ponijt, geb. 28. Mai 1710 in London, geft. dajelbjt 
5, Mir; 1778, war urjpriinglic) gum Juriſten be- 
ftimmt, aber durch qute Lehrer früh muſikaliſch qebil- 
det und bradte ſchon 1733 feine erjte Oper » Rosa- 


Arneburg. 


| monde mit Glück heraus und wurde 1738 angeſtell— 


ter Romponijt des Drury Lane- Theaters. 1742— 
1744 wobnte er in Dublin, wurde aber bei feiner 
Rücktehr der gefeierteſte Bühnenkomponiſt Londons. 
Außer 33 Opern und Maskenſpielen ſowie einer Reihe 
Schauſpielmuſiken ſchrieb UW. auc Oratorien und viele 
Glees und Catdes fowie Sonaten. Geine Oper » Al- 
fred« (1740) wurde beriihmt durd ihre Schlußnum⸗ 
mer, dad zum Nationallied gewordene »Rale Bri- 
tannias. Urnes Gattin Cecilia, qeborne Young, 
war eine tüchtige Opernfaingerin. Gein Sohn Mi- 
chael, qeb. 1741, geft. 1786, ſchrieb ebenfalls mit 
Glück fiir die Londoner englifden Theater. 

Arneb, der Stern a (3. Größe) im Hafen. 

MArneburg, Stadt im preuß. Regbez. Magdeburg, 
Kreis Stendal, an der Elbe und der Kleinbahn Sten: 
dal-Y., hat cine evang. Kirche, Korkſchneiderei, Fiſch— 
fang, fiinitliche Fiſchzucht, cine Ofen-, cine Konſer— 
ven⸗ und eine Tomwarenfabrif und (1900) 1893 Cinw. 


798 


Dabei die Triimmer einer von Heinrid I. erbauten 
Burg, in der Kurfiirjt Johann Cicero 1499 jtarb. 

Urnedo, Vezirfshauptitadt in der fpan. Proving 
Logrofio, am Flu Cidacos, mit 900) 4341 Einw. 
11 km wejtlid) der Badeort Urnedillo(1221 Cinw.) 
mit muriatijder Therme von 52°. 

Arneth, 1) Jofeph Calafanga, Ritter von, 
Numismatifer und Gefdidtidreiber, geb. 12. Aug. 
1791 gu Leopoldfdlag in Oberdfterreich, geſt. 31. Ott. 
1863 in Karlsbad, jtudierte feit 1810 in Wien und 
ward 1811 Brattifant, 1813 Kuſtos, 1840 Direftor 
deS £. £. Münz- und Untifenfabinetts dafelbjt. Seit 
1817 war er vermählt nit Untonie Adamberger (j. d.), 
der einjtigen Braut Theodor Körners. Urneths 
Hauptwerke find: »Gefdidte des öſterreichiſchen Kai- 
jertums« (Wien 1827); »Synopsis numorum anti- 
quorum« (daſ. 1837—42, 2 Bde.); »Katalog der 
f. f. Medaillenftempelfammlungs (1839); »Das k. k. 
Münz« und WUntitenfabinett« (1845); »Die Monu- 
mente ded f. f. Wiing- und Untifenfabinetts< (1849— 
1850, 3 Bde.); » Die Cinquecento-Rameen und Urbei- 
ten des Benvenuto Cellini und feiner Zeitqenofjen« 
(1858); »Stubien über Benvenuto Cellini« (1859). 

2) Urthur, Mathematifer und Phyſiker, geb. 19. 
Sept. 1802 in Heidelberg, feit 1838 Profeffor am Ly- 
zeum daſelbſt, geft. 16. Dey. 1858; fdjrieb: »Syjtem 
der Geometrie« (Stuttg. 1840, 2 Bde.); »Die Ge- 
idhichte der reinen Mathematik in ihrer Beziehung zur 
Entwidelung des menfdlidjen Geiftes« (daj. 1852). 

8) Ulfred, Ritter von, Sohn von A. 1), öſter— 
reid). Geſchichtſchreiber, geb. 10. Juli 1819 in Wien, 
geft. dafelbjt 30. Juli 1897, wurde nad) Vollendung 
jeiner juriſtiſchen Studien in der Staatsfanglei und 
{pater tm Ff. Haus, Hof- und Staatsardiv angeftellt. 
1848—49 war er Mitglied ded deutiden Parlaments 
in Frankfurt a. M. und 1861 des niederdfterreidifden 
Landtags. 1869 wurde er zum Mitgliede de3 Herren: 
hauſes ernannt. A. vertrat in der deutſchen Frage 
den großdeutſchen, in der innern Politif den gemäßigt 
liberalen Standpuntt. Seine geſchichtlichen Arbeiten 
bewegen ſich in der Beit von der Regierung Leopolds I. 
bis in Die Gegenwart. Bu erwähnen find: »Leben des 
Feldmarſchalls Grafen Guido Starhemberg« (Wien 
1853); » Bring Eugen von Savoyen« 6 Ausg. daf. 
1864, 3 Ude.); ⸗Geſchichte der Maria Thereſia« (daſ. 
1863--79, 10 Bde.); ⸗Maria Thereſia und Marie 
Yntoinette. Yor Briefwedfel« (2. Aufl., daf. 1866); 
»Marie Antoinette, Jofeph IL. und Leopold I. Aor 
Briefwedfel« (daf. 1866); »Maria Therefia und Yo- 
feph I. Ihre Rorrefpondeny famt Briefen Joſephs an 
feinen Bruder Leopold« (daj.1867, 3 Bde.); » Joſeph IT. 
und Katharina von Rupland. Yor Briefwechſel« (daf. 
1869); ⸗Joſeph IT. und Leopold von Tosfana. Nor 
Briefwediel« (daf. 1872, 2 Bde.); » Briefe der Kai— 
ferin Maria Therefia an ihre Kinder und Freunde« 
(Daf. 1881, 4 Bde.); unter Beteiligung Geffroys: 
»Marie Antoinette. Correspondance secréte entre 
M. Thérése et le comte de Mercy-Argenteau « (Bar. 


1875, 3 Vode.), unter Mitwirfung Flammermonts: 
»Correspondance secréte du comte de Mercy-Ar- | 


genteau avec l‘empereur Joseph I et Kaunitz« 
(Daj. 1889 —91, 2Bde.); »Beaumardis und Sonnen 


feld« (Wien 1X68); » Job. Chrift. Bartenftein und feine | 


Seite (daſ. 1871); »Graf Philipp Cobenzl und feine 
Memoiren« (daf. 1885); »Anton Ritler v. Sdmer- 
ling. Epifoden aus feinem Leben 1835, 1848 - 1849« 
(bat 1895); »Johann Freiherr v. Weffenberg, ein 
Hfterreid). Staatsmann de3 19. Jahrh.« (dal. 1898, 
2 Bde.) und Jugenderinnerungen unter dem Titel 





Arnedo — Arnim. 


»Aus meinem Leben« (daf. 1893, 2 Bde.). Seit 1868 
ftand A. an der Spige ded öſterreichiſchen Staats. 
ardjiv8 und erwarb re in diefer Stellung grofe Ver⸗ 
dienſte um die Ouellenforjdung. Sein Petipiel weit: 
gebender Beriidjidtiqung fachmänniſcher Wünſche 
wurde fiir die meiſten Urdivverwaltungen magebend. 
Bon 1879 an war er Prifident der f. k. Alademie der 
Wiffenfdhaften, feit 1880 Wirklider Geheimer Rat. 

Arnheim (Urnhem), Hauptitadt der niederland. 
Provinz Geldern, in finer Umgebung am Siidab- 
hang der Hiigelfette der Veluwe und am Rhein (Schiff⸗ 
briicde), von dem fic) 2 km oberhalb die Yſel abjon- 
dert, Nnotenpunft der Niederlaindifden Staatsbahu 
und Hollindifden Bahn. Unter den Gebäuden find 
bemerfenswert: die Groote Kerf (1452 vollendet, mit 
dem priidtigen Grabmal des Herzogs Karl von Eq: 
ntond), der Prinzenhof, wo vorzeiten die Herzöge von 
Geldern refidierten, das Stadthaus (wegen ſeiner Ber- 
jierungen »Teufelshaus< genannt) x. A. zählt C90 
57,240 Cinw., darunter zahlreiche Ojtindien Rentiers 
(»>Ruderlords<). Die Stadt hat ein Gymnaſium, eine 
höhere Bürgerſchule, ein Seminar fiir Lebrerinnen, 
eine Run tidule, cin Muſeum, ein Reichsarchiv, Bi- 
bliothef, Fabrifen fiir Tiſchlerwaren, Spiegel Kutſchen, 
mathematijde und phyfifalifde Inſtrumente, Schrift: 
gießereien, zahlreiche Rapiermiihlen in der Untgegend, 
einen Hafen und treibt [ebhaften Getreide-, Bieb «, 
Tabak: u. Speditionshandel, namentlich mit Deutid 
land. In der Umgebung der Stadt liegen zahlreiche 
Landhäuſer mit Parfantagen (berühmt ijt der Kart 
de3 Landgutes SonSbeef). — VW. gilt fiir Das Arena- 
cum der Römer und wird urfundlicdh zuerſt 893 er- 
wibnt; 1233. madte es Graf Otto II. von Geldern 
ju einer Stadt. A. trat 1579 der Utredter Union bet, 
wurde 1672 von den Franjofen erobert und Anfang 
des 18. Jahrh. durd) General Cochoorn von neuem 
befeftigt, 30. Nov. 1813 nahmen die Preufen unter 
Bülow die Stadt mit Sturm. Dest find die ehemali— 
ger Feſtungswerle in Promenaden umgewandelt. 

Arnhemland, fritherer Name de3 nordöſtlichen 
Teils des gum britifd-auftralifden Staat Südauſtra⸗ 
lien gehörigen Nordterritorinums (j. dD.) zwiſchen 
dem Golf von Carpentaria und der Arafuraſee. Die 
nordöſtlichſte Spige bildet RapUrn hem, in die Nord: 
fiijte dringt die Arnhembai ein, ſämtlich 1623 durch 
holländiſche Seefahrer nit dem Schiff Arnhem entdedt. 

Arni (Ricfenbiiffel), ſ. Büffel. 

Arnica Rupp. (Wohlverleih), Gattung der 
RKompofiten, ausdauernde Kräuter mit meijt einfachem 
Stengel, qeqenftindigen ganzen Blattern, großen, em 
zeln endſtändigen, gelbbliitigen Rdpfdhen und 5—. 10 
rippiger Frudt. 18 Urten in Nordamerifa, Europa, 
Nordafien, bejonders in Gebirgen und bis in die art- 
tiſche Sone hinauf. A. montana L. (Bergwohlverleih), 
ſ. Tafel »WArgnetpflangen I<, Fig. 4. 

Arnim (urfundlid aud Arnym, Arnimb, Arn 
heim), märt. WUdelsgqeidledt, nad dem Dorf A. im 
Kreiſe Stendal in der Altmark benannt, das 1204 
zuerſt vorlommt und von dem Mitglieder nach dem 

fande Barnim in der Ufermart iiberfiedelten ; fpater 
liehen ſich Arnims aud in Pommern, Preußen und 
Sachſen nieder. Ihre Hauptſchlöſſer waren Jehdenit, 
Zichow, Gerswalde und Boi ven, bs der llfermart. 
Friedrich Wilhelm v. A. auf Boipenburg wurde 1786 
inden preußiſchen Grafenftand erhoben. Scitengweige 
der Boigenburger Linie find die Haufer Heinridsdoryy, 
Werbelow, Sucow und Kridlendorf. Zu Ehren der 
Familie A., die dem preußiſchen Heere sahlreiche hobe 
Offisiere (1 Generalfeldmarſchall und 7 Generale) gab 


Arnim (Qohann Georg von, Achim und Bettina von). 


wurde das 2. branbenburgijde Dragonerregiment 
Rr. 12 nad ihr benannt. Bemerfenswert find: 

1) Jobann Georg von, Heerfiihrer im Dreifig- 
jabrigen Kriege, geb. 1581 gu Boigenburg in der Ufer- 
marf, gejt. 8. Upril 1641 in Dresden, trat zuerſt in 
ich edie damn in polnifde, 1626 in kaiſerliche Dienſte. 
Von BWallenjtein mit der Velagerumg von Stralfund 
beauftragt, dann nad Bolen gegen die Schweden ent- 
fandt und 1628 gum Feldmarſchall befirdert, zog er 
dod) al’ Protejtant 1631 den kurſächſiſchen Dient m 
kaiſerlichen vor, ſchloß fiir Kurfürſt Johann Georg I. 
das Bündnis mit Gujtav Adolf, befebligte bie Sach⸗ 
jen in der Schlacht bet Breitenfeld (17. Sept. 1631), 
Drang in die Lauſitz und in Böhmen ein, bemadtigte 
fic) Brags und operierte, naddem er Böhmen vor 
Wallenjtein wieder hatte räumen müſſen, glücklich in 
Schleſien. 1633 unterhandelte er mit Wallenjtein, 4 
darn dem Kurfiirjten von Brandenburg ju Hilfe Zs 
belagerte im Winter Frankfurt vergebens. Die von 
ihm 1634 geführten gebeimen Unterhandlungen mit 
Wallenjtein vereitelte deffen Sturz. Danad nahm 
VU. Baugen, jiegte ber Colloredo (Mai 1634) bei Lieg- 
nig, eroberte ‘Sittan und Grofglogau, fiel mit dem 
ſchwediſchen General Banér in Pabmen ein und be- 
feste nad) einem gejdeiterten Anſchlag auf Prag Line 
burg und Königgrätz. Infolge ded esas Friedens 
(1635) nahm —— Abſchied und begab ſich auf ſein 
Gut Boitzenburg. Feindlicher Pläne gegen Schweden 
beſchuldigt, ward er hier 7. a 1637 verhaftet und 
nad) Stodholm gebradt. Bon dort floh U. im No— 
vember 1638, bielt fid) einige Zeit verborgen und trat 
dant als Generallentnant von neuem sugleid in fai- 
ferliche und kurſächſiſche Dienſte. Sgl. Jrmer, Hans 
— U. (Leipz. 1894). 

2) Ludwig Udhim von, Dichter der romantifden 
Schule, qeb. 26. Jan. 1781 in Berlin, geſt. 21. Jan. 
1831 in Wiepersdorf (bei ilterbog), ftudierte in Göt⸗ 
tingen Naturwiffenfdaften und verdjffentlidte cine 
» Theorie der eleftrifden Erſcheinungen · (Halle 1799), 
wendete fid) aber bald ausſchließlich der poetiſchen 
Produftion ju, lies fid) nad langern Reiſen 1806 in 
Heidelberg mieder, wo er, mit Clemens Brentano en 
befreundei, die »Zeitung fiir Cinfiedler« (deren Tite 
Damn in » Trbjt-Cimfantfeite [f. d.] umgewandelt ward; 
nett hrsg. von Pfaff, Heidelb. 1883) herausqab und 
mit Brentano eme Sammlung der altern deutfden 
RolfSlieder: » Des Knaben Wunderhorn« (f. Wunder: 
horn), veranjtaltete (daſ. 1806 —1808, 3 Bde.). Jn 
jeinen Jugendromanen: » Hollins Liebeleben« (Git- 
tingen 1802; neue Ausg. von Minor, Freiburg 1883) 
und »Uriels Offenbarungen⸗ (daſ. 1804), offenbarte 
ſich ſchon die phantaſtiſche Willfiir, die den begabten 
Dichter nie verlaffen follte. Die Novellenſammlung 
» Der Winterqarten« (Berl. 1809) erneuerte vergeffene 
Erzählungen. Hoherjtand der Roman » Urnuit, Reich: 
tum, Sduld und Bue der Griifin Dolores. Cine 
wahre Gedichte, zur lehrreichen Unterhaltung armer 
Fräulein aufgeidrieben« (Berl. 1810, 2 Bde.), worin 
der Dichter den Fall und die Buße einer heißblütigen 
Frauennatur mit ergreifender Wahrheit, wenn aud 
nicht ohne einiged ſtörende Beiwerk fdildert. 1811 
verbeiratete ſich A. mit Brentanos Schweſter Eliſabeth 
(Bettina), lebte von da an teils in Berlin, teils auf 
feinem Gut Wiepersdorf in der Mark, wumterbroden 
poetiſch tätig, überdies durch cine angiehende, im beſten 
Sine ritterliche Perſönlichleit ausgezeichnet. Seine 
Dramen » Halle und Yerujalem. Studentenfpiel und 
Filgerabenteuer« (Heidelb. 1811) und die in feiner 
» Schaubiihne«(Berl.1813) vereinigten Stiide ſchwan⸗ 


799 


fen zwiſchen dem Ton des Ernjtes und bem toller, 
phantajtijder Puppenſpiele in einer Weife, die den 
rechten Eindrud gefährdet. (Vql. Bottermann, Die 
Besiehungen de Dramatifers Achim v. A. zur alte 
deutfden Literatur, Botting. 1896.) Dagegen find 
feine Erzählungen, die teils emyeln in Tafdenbiidern, 
teil gejanumelt unter den Titeln: »Vier Novellen« 
(Berl. 1811), »Landhausleben« (Leipz. 1826) und 
»Sechs Erzihlungen« (Berl. 1835) erſchienen, meiſt 
anſchaulich und anziehend geſchrieben, von Humor 
und warmem Gefühl durchdrungen, aber auch nicht 
frei von barocken Ubfonderlidfeiten. Die beſten find: 
»Iſabella von Ygypten«, »Der tolle Invalid auf dem 
Fort Ratonneau«, » Die Majoratsherren« und ⸗Fürſt 
Ganggott und Singer Halbgott«. Seine Hauptidip- 
fung 6. der hiſtoriſche Roman »Die Kronenwäch⸗ 
ter« werden, deſſen erjter Teil nod) den Titel: »Ber- 
tolds erſtes und zweites Leben« (Berl. 1817) fiibrte, 
während ein zweiter, unfertiger Teil erjt aus Arnims 
Nachlaß hervortrat. »Die Kronenwächter« find ein 
hiſtoriſcher Roman von grofartiger Unlage und mid: 
tiger Unsfiihrung ; die bedeutende Heit, der Ubergang 
vom Mittelalter sur Neuzeit (Beginn des 16. Jahrh.), 
ijt lebensvoll und farbenreich geſchildert, und die aus: 
geführten Epijoden find voll Wärme und Heimats- 
zauber. Arnims ⸗Sämtliche Werfe« mit einer Bor- 
rede von YW. Grinun (Berl. 1839— 46, 19 Bode.; 
1853 —-56, 22 Bde.) fanden nur ungeniigende Ber- 
breitung ; bejjere wurde den »Vusgewahlien Novellen 
und Erzählungen« (daf. 1853, 3 Doe. ju teil. Cine 
Auswahl der Werke Urnims bejorgten Kod) fiir Kürſch⸗ 
ners »Deutide Nationalliteratur« und Dohme fiir 
Meyers Klaſſikerausgaben (Leip. 1892). Arnims Bei- 
triige zum »Gefellfdafter« aus den Jahren 1817— 
1820 gab ne heraus: »Unbefannte Aufſätze und 
Gedichte von A.« (Berl. 1892). Val. ⸗Achim v. A. und 
die ihm nabe ftanden<, hrsg. von R. Steig u. Herm. 
Grimm (Bd. 1, Stuttg. 1894). 

3) Elifabeth von, gewöhnlich Bettina genannt, 
Gattin de3 vorigen, Sdwejter von Klemens Brentano, 
Enfelin der Sophie Larode, geb. 4. Upril 1788 im 
Frankfurt a. M., geft. 20. Jan. 1859 in Berlin, ver- 
lebte ihre Jugend teils in einem Kloſter, teils bei Ver— 
wandten in Offenbach und Marburg, teils in Frant- 
furt felbjt. In ibrer Kindheit ſchon au Sonderbar- 
feiten qeneigt, gab fie fic) feit ihrer Bekanntſchaft mit 
dem Stiftafrdutein v. Günderode (j. d.) franfhafter 
Naturſchwärmerei hin. Später trat fie mit Goethes 
Matter in cin enges Freundidhaftsverhaltnis und faßte 
gu Goethe felbjt, den fie 1807 perſönlich fermen lernte, 
nachdem fie ſchon vorher in Briefwechſel mit ihm ge- 
jtanden hatte, cine Neigung, die Der Didter zwar 
freundlich duldete, jedod) nidjt erwiderte. Nach ihrer 
Verheiratung (1811) lebte fie, naddem fie mit Goethe 
volljtindig gebrodjen, teils in Berlin, teils in Wiepers- 
dorf, dem Gut ihres Gatten. Erſt nach deffen Tode 
trat fie als Schriftitellerin auf; dabei hegte fie leb— 
haftes Intereſſe fiir die fogial - politifden Peiteride. 
nungen, gab ſich in Berlin mit großem Cifer der Sorge 
fiir Arme und Kranke hin und nahin an den Hoffrungen 
und Errequngen de3 Jahres 1848 einen Anteil, der 
ibr in den — Kreiſen ſehr ſchadete. Ihre Werke 
ſind geniale Improviſationen, in einem ſchwunghaf— 
ten und blütenreichen, oft auch verworren jtammeln: 
den und pythijd-dunfeln Stil abgefaßt. Go das be- 
fannte Bud) »>Goethes Briefwedfel mit einem Minde« 
(Berl. 1835, 3 Bde.), das neben viel Echtem manche 
freie Ausſchmückung enthalt; aud) das Bud) » Die 
Giinderode« (Griinb. 1840, 2 Bde.) bietet eine Mi— 


800 


jdhung von Erinnerungen und Phantafien. Später 
erſchienen: »Dies Bud) gehdrt dem König« (Berl. 
1843, 2 Bbe.), worin die Frage des ſozialen Clend3 
au löſen verfudht wird; ⸗Klemens Brentanos Friih- 
ingstranz · (Charlottenb. 1844), dem Wndenfen ihres 
Bruders gewidmet; ferner: »Ilius Pamphilius und 
die Ambroſia · (Berl. 1848, 2Bde.), wieder ein » Brief- 
wedfel<, der eine Art Herzensverhaltnis (jum jungen 
Didter Phil. Nathufius) gum Inhalt hat; endlich die 
dunkeln ⸗Geſpräche mit Dimonen. Des Kinigsbuds 
weiter Teil« (Daf. 1852). Cin Plan, der jie bis m 
ie legten Tage ihres Lebens beſchäftigte, war die Er- 
richtung eines großen Goethe-Denfmals, ju dem fie 
jelber die Zeichnungen entworfen hatte, dod) wurde 
nur ein Teil (Goethe und Pſyche) von Steinhaufer 
(f. d.) ausgefiibrt. Ihre »Samtlidjen Werke« erſchie— 
nen in 11 Banden (Berl. 1853). Bgl. »Goethes Briefe | 
an Sophie Larode und Bettina Brentano« (hrsg. von 
Loeper, Berl. 1879); »Bettina von A. und Friedrid | 
Wilhelm IV. Ungedructe Briefe u. WUttenjtiidee (hrsq. 
von Geiger, Franff. 1902); KR. Ul berti, Bettina v. We. 
(Leip;.1885); Carriere, Bettina v. A. (Bresl.1887); 
L. Geiger, Didter und Frauen (Berl. 1896); Berd- 
row, Frauenbilder aus Der neueren deutſchen Litera- 
turgeſchichte (2. Aufl. Stuttg. 1900). — Ihre jüngſte 
Todter, Gifela, Gattin des gag und 
Didjters Herman Grimm, geb. 30. Aug. 1827, geſt. 
4. Upril 1889 in Florenz, hat fic) als dramatiſche 
Schriftſtellerin verfudt; thre »Dramatifden Werke« 
erjdienen in 4 Banden (Born u. Berl. 1857—75). 

4) Heinrid Friedrid, Graf von A.Hein— 
ridsdorf-BWerbelow, preuj. Staatsmann, geb. 
23. Sept. 1791 gu Werbelow in der Ufermart, geſt. 
18. Upril 1859, madte die Vefretungstriege mit, ward 
dann preußiſcher Legationsfetretir in Stodholm und 
in Paris, 1831 Gelandter in Briijjel, 1841 (i den 
preuhifdenGrafenjtand erhoben) in Baris und 1845— 
1848 in Wien, wo er fic) gang tm Geife der Metter— 
nichſchen Bolitif bewegte. Wim 24. Febr. 1849 gum 
WMinijter des Auswärtigen ernannt, trat er bereits 
8. Mai von diefer Stelle zurück, da er mit der deut- 
ſchen Unionspolitif des WMinijteriums nicht einver— 
jtanden war. Bon 1851— 57 wieder preußiſcher Ge- 
jandter in Wien, fuchte er das gute Cinvernehmen 
mit Ojterreid), in welchem er ftets einen unentbehr- 
lichen Ulliierten Preußens erblidte, gu fordern. 

5) Ulerander Heinrid, Freiherr von, aus 
dem Hauſe U.-Sudow, preuk. Staatsmann, qeb. 
13. Febr. 1798 in Berlin, geft. 5. Jan. 1861 in Diijfel- 
dorf, trat 1814 in Die Landwehrreiterei der Ulermark 
und madte mit fiinf Briidern die Vefreiungstriege 
mit. Im J. 1840 wurde er gum Gefandten in Griifiel, 
1846 in Baris ernannt. Yn dieſen Stellungen erwarb 
er fic) großes Verdienſt namentlid) durch Zujtande- 
bringen des belgifd-preufifden Handelsvertrags vom 
1. Sept. 1844 und durch die Entidiedenheit, mit der 
er ſowohl amtlich al andy in feiner Schrift ⸗Mein 
handelspolitifdes Tejtament« (Berl. 1844) den herr- 
ſchenden ſchutzzöllneriſchen Anſichten entgegentrat. 
Nach dem Sturz des Julikönigtums (Februar 1848) 
eilte er nach Berlin und überreichte dem König 17. März 
cine Denlſchrift, worin er auf liberale Reformen und 
fofortige Berufung eines gum deutſchen Barlament 
ju eriveiternden Landtages fowie auf Befolqung emer 
deutſch nationalen Politi! drang. Bon ibm ging aud) 
bie Manifeftation des Königs fiir die deutſche Sache 
(21. Marg) aus. Wn demfelben Tage trat er als Mi— 
nijter Des Wuswartigen in das auerft vom Grafen 
Arnim Boihenburg, dann von Camphaufen geleitete 











Arnim (preuifde Staatsmänner). 


neue Minijterium, das jedod bereits 20. Juni zurüd⸗ 
trat. Darauf bemiihte ſich U., durch einige Flugſchrif⸗ 
ten (>Frantfurt und Berlin⸗, »Über die Mediatija- 
tionsfrage«) auf eine Ldjung der deutſchen Frage bin- 
suwirfen. 1849-51 Mitglied der Exjten Rammer, 
hielt er gur deutid)-fonjtitutionellen Bartet und be- 
fimpfte energiſch Manteuffels Politif. Nod größern 
Cindrud als jeine Reden und Anträge madte Bie Bere 
öffentlichung einiger »ungebaltenere Reden (> Bur 
Politit der Cpigonen in Preufen«, Berl. 1850; »8ur 
Politif der Contre Revolution in Preujen<, daf.1851). 
Wegen der legtern Hlugidrift wurde A. auf Betreiberr 
der Feudalpartei vor Geridt gejtellt und trog einer 
glangenden, von ihm ſpäter verdjfentlidten Verteidi- 

ung ju einer Geldjtrafe verurteilt. Seitdem lebte er 


in Zurückgezogenheit, bis er nad) dem Sturz des WMi- 


nijteriums Manteuffel 1858 in Berlin sum Landtag3- 
abgeordneten gewählt ward. Kenntniſſe, Welterfah- 
rung u. Freimut verſchafften ihm bedeutendes Unfeben. 
6) Udolf Heinrid, Graf von W.-Boigen- 
burg, preuß. Staatsmann, geb. 10. April 1803 in 
Berlin, gejt. 8. Jan. 1868, trat, nachdem er feine afa- 
demiſchen Studien in Gottingen und Berlin vollendet, 
in den preupifden Staatsdienjt, ward Qandrat in der 
Ufermart und 1833 Regierungsprajident in Stral- 
jund. Später ward er m gleicher Eigenſchaft nad 
Aachen, 1839 nad Merjeburg verſetzt, 1840 sum Cber- 
prafidenten der Proving Poſen und 1842 zum Miniſter 
de3 Innern ernannt. Allein bei der Auffaſſung des 
Königs iiber die Stellung der Minijter, die nur feine 
Befehle ausfiibren follten, und bei der Abſicht Arnims, 
jtets Dem König den Rücken gu decen, vermochte der 
et es Mann wenig auszuführen. Die gemäßigte 
Freiheit der Preſſe, die er erjtrebte, fiihbrte nur ju 
ſchärferer Handhabung der Zenfur; die Plane, die er 
ur Unsbildung der Verfajjung entiwarf, fanden, da 
fi das Recht sur Bewilligung von Anleihen und die 
Periodizitat forderten, die vom König gedadhte fimit- 
liche Vermiſchung der Rechte zwiſchen dem Landtag 
und den BVereinigten Ausſchüſſen ablehnte, nicht die 
Billigung Friedrid) Wilhelms. Die Ausweiſung Itz 
ſteins und Heckers aus Preußen fam hinzu. So nahm 
ſchon 1845 ſeine Entlaſſung, wurde aber in der 
drängenden Not des 19. März 1848 vom König an 
die Spitze eines neuen Kabinetis berufen. Da er aber 
den Eintritt liberaler Oppoſitionsführer in das’ Mi— 
nifterium fiir notwendig bielt, fo jdied er, um dieſen 
gu ermigliden, fdon 29. März aus dem Minifterium 
wieder aus. In einer Brofdiire hat er fiber fern Ber: 
halten in dieſen Tagen felber Nachricht geqeben, in 
einer zweiten Den Sinn der-am 22. Mary zugeſtande 
nen Urwablen erläutert und das Zugeſtändnis der Ber- 
eidigung der Truppen auf die Verfaſſung freimiitig 
e einen Fehler erflart. Sein Mandat zur deutiden 
Rationalverfammlung legte er bald nieder, verteidigte 
bie Jnterefjen des Grundadels gegen die Steuerplane 
des Winijters Hanfemann tm » Junferparlament« und 
wirfte demnächſt in der Sweiten Rammer wefentlid 
fiir Die Umgejtaltung der Dezemberverfaſſung. Seit 
30. Nov. 1854 erbliches Mitglied des Herrenhauses, 
war er bier Führer der von ibm — gemaãßigt 
tonfervativen Fraktion. Während der neuen Bra op- 
ponierte er entidjieden gegen die Grundjteuervorlagen 
des Minijteriums und beftirwortete wabrend der on 
fliftsseit nm Herrenbaus die Annahme der vom Wb- 
geordnetenhaus abgelehnten Budgetvorlage der Re- 
qierung en bloc. Dieſes Verhalten rechtfertigte er tn 
der Schrift: »Das Recht des Herrenhauſes bei Feit- 
fesung des Staatshaushalts« (Bert. 1863). 


Arnim-Paragraph — Arnold. 


801 


7) Harry (Heinrid), Graf von, deutider Di-; mann, Graf A., geb. 20. Juni 1839, Legations- 
plomat, geb. 3. Oft. 1824 zu Moitzelfitz in Pommern, | rat, gulegt bei der Geſandtſchaft in Lifjabon, nabm 


aus dem freiherrliden Haus U.-Sudow, geft. 19. Mai 
1881 in Nizza, trat, nachdem er die Redte ftudiert 
hatte, in den diplomatijden Dienjt und ward 1864 
preufijder, feit 1866 norddeutider Gefandter beim 
päpſtlichen Stubl, fpielte während des vatifanifden 
Ronjils 1869 —70 eine nicht unbedeutende Rolle, in 
dem er die Oppofition der deutfden Bifdife gegen 
das Unjehlbarfeitsdoqma unterjtiigte, und bemiibte 
fic) im September 1870 vergebens, zwiſchen der rö— 
miſchen Rurie und der Regierung des Königreichs 
Stalien gu vermitteln. Wim 28. Juli d. J. in den 
Grafenftand erhoben, erwarb er fid) in Briiffel und 
Frankfurt bei den Friedensverhandlungen mit Frank: 
reid) Verdienjte. Wm 9. Juni 1872 wurde er als Bot- 
fchafter des Deutſchen Reiches bei der franzöſiſchen 
Republif beqlaubigt. Hier mifdte er fic) in die mon- 
ardijden Umtriebe gegen Thiers ein und bemiihte 
ſich wiederholt, durch direkte Borjtellungen beim Raijer 
Vismards Politif zu durchkreuzen, bis Bieter es durch⸗ 
ſetzte, daß UW. 2. April 1874 von Paris abberufen und 
nach Konſtantinopel verſetzt, gleich darauf aber pen⸗ 
ſioniert wurde. Jetzt ſtellte ſich heraus, daß er eine 
Anzahl wichtiger Staatspapiere aus dem Botſchafts— 
archiv an ſich genommen hatte. Er weigerte ſich, ſie 
herauszugeben, er wurde daher 4. Ott. 1874 auf! 
jcinem Gut Naſſeheide bei Stettin verhaftet und in | 
Berlin vor Gericht gejtellt, das ihn 9. Dez. gu 3 Mo- 
naten Gefängnis wegen Vergehens wider die öffent— 
lide Ordnung verurteilte; das Kammergericht ver- 
ſchärfte dieſe Strafe 24. Juni 1875 auf 9 Monate. 
Aud wurde zur Verhiitung ähnlicher Benutzung offi- 
jieller Uftenjtiide cin befonderer Paragraph in das 
Strafgeles aufgenommen (W.- Paragraph, näheres 
im Urtifel ⸗Amtsverbrechen«). YW. hatte fic) der Ber- 
büßung feiner Strafe durch die Reife ins Ausland 
entzogen, von wo er feine Ungrijfe gegen Bismard 
in Der von ihm unterſtützten »Reidsqlode« und in 
einer befondern Broſchüre: »Pro nihilo« (Zürich 
1875), aufs heftigſte fortieste. Der lestern Schrift 
wegen ward er 5. Oft. 1876 vom Staatsgeridtshof 
au 6 Jahren Zudthaus in contumaciam verurteilt. 
Seit 1878 lebte UW. in Ojterreid) und verdffentlidte 
nod) zwei fehr gemäßigte Broſchüren zur Verteidiqung 
feiner Unjichten über die Nirchenpolitif: » Der Nun- 
3ius fonnmt!« (Wien 1878) und » Quid faciamus nos ?« 
(daf. 1879). Der von ibm beabjictiqten Wiederauf 
nahme des Prozeſſes entzog ihn der FO. 
8) Adolf, Graf von UW.-Boikenburg, älteſter 
Sohn von A. 6), geb. 12. Dex. 1832 in Boitzenburg, 
ejt. 15. Dez. 1887 zu Berlin, jtudierte die Rechte in 
Wittingen, onn und Berlin, ward 1862 Regierungs- 
ajjejfor, 1864 Hilfsarbeiter im Miniſterium des In— 
nern und 1868 Landrat des Kreiſes Templin, made 
die Feldzüge 1864 und 1870 als Ordonnanzoffizier des 
3. Urmeeforps mit und ward im März 1873 Prä— 
fident ded Bezirls Lothringen in Megs, im Dexember 
1874 Oberprajident von Schleſien. Nad) der Ver— 
urteilung des Grafen Harry von A. (fj. Arnim 7), 
Der feit 1857 mit feiner Schwefter Sophie vermählt 
war, nahm er 1877 feinen Abſchied und 309 ſich nad 
Boigenburg zurück. Seit 1874 Mitglied des Reids- 








tags, ſchloß er ſich der freifonjervativen Partei an. Dresden ſchon friiher von Spener pictijtifd ange 





1875 feinen Abſchied, beteiligte jid) an den Angriffen 
der Preffe gegen Bismarck und wurde deswegen 1877 
u 3 Monaten Gefängnis verurteilt. Er erwarb die 
b eccidatt Muskau und lich fid) 1887 in den Reicdhs- 
tag wählen, in dem er fic) Der Reichspartei anfdlof. 
Er vertrat mit bejonderm Cifer die agrarifden und 
folonialen Bejtrebungen. 

UArnim- Paragraph, j. Arnim 7) und Wmts- 
verbredjen 9). 

Arnis, Flecen im preuß. Regbez. und Kreis Schles⸗ 
wig, an der ſchmälſten Stelle der Schlei, mit 568 Einw. 
hier 6. Febr. 1864 Schleiübergang der Preußen. 

Arno, Infel, ſ. Marfhalltnfeln. 

Arno (lat. Arnus), nächſt dem Tiber der bedeu- 
tendite Fluß Mittelitaliens, entfpringt 1358 m bod) 
am Monte Falterona, bridt als wilder Bergftrom 
oberhalb des Fleckens Stia hervor und durchfließt 
das frudtbare, nad) SO. gerichtete Tal Cafentino. 
Durd die Ebene von Arezzo, wo der den A. mit dem 
Tiber verbindende Chianafanal cinmiindet, fling! 
ſich dann der Fluß um den Bratomagno herum gegen 
MN. und bildet cin zweites, dem Cafentino paralleled, 
aber nördlich geridtetes Längental, das fruchtbare 
obere Val d'A. (125 —150 m it. M.). Bei Pontaf- 
fieve, wo er die Sieve, feinen bedeutendjten Neben- 
fluß, aufnimmt, wendet er fic pliplic nach W., durch⸗ 
fließt die frudtbare Talebene von Floreng (cinen 
ehemaligen Sec), aus der er fich in Dem engen Durd)- 
brudstal von Golfolina cinen Weg in die Miijten- 
ebene gebabnt hat, der er in fich ftetig verbreiterndem 
Tal suflicht. Die ganze fumpfige, jest funjtvoll ent- 
wäſſerte Ebene um Piſa ijt em vom A. und Serdio 
ausgefüllter Golf. Sämtliche linke (Greve, Peja, Elfa, 
Cra) wie rechte Nebenflüſſe (Bijengio und Ombrone) 
durchfließen dem Urno- und Sievetal parallele Tiler 
und ftehen fenfredt auf dent OQuertal des U. von Pon- 
taffieve bis gur Miindung. Der Canale Imperiale 
verbindet den YW. durch den frühern See von Bien- 
tina (f. d.) mit Dem Serdio bei Lucca; von Piſa führt 
der Kanal Foſſo dei Navicelli nbrdlid) von Livorno 
jum Meere. Die Linge des A. betriigt 248 km, 
ſchiffbar ijt er von Florenz an (106 km). 

Arnobins, Rhetor su Sicca in Numidien, ſchrieb 
nad feinem Übertritt sum Chrijtentum um 300 n. Chr. 


eine Apologie desjelben: »Adversus nationes libri 


Vil« (or8q. von Reifferſcheid, Wien 1875), eine wid)- 
tige Quelle für die Kenntnis des Damaligen Heiden: 
tums und feiner Rulte. 

Arnold, Stadt in Nottinghamihire (England), 
unweit Nottingham, mit Strumpfwirkerei, Spitzen 
fabrifation i (901) 8757 Cinw. 

Arnold, 1) Chrijtoph, alsajtronomifder Beob 
adter befannter Bauer, qeb. 17. Dey. 1650 in Gom- 
merfeld bei Leipzig, geſt. 15. Upril 1695, entdedte den 
Kometen von 1683 und beobadhtete 31. Olt. 1690 den 
Durdgang des Merfur durd die Sonne. Er ſchrieb: 
»Göttliche Gnadenzeichen, in einem Sonnenwunder 
vor Augen geftellt« (Leipz. 1692). 

2) Gottfried, luther. Theolog, qeb. 5. Sept. 1666 
in Unnaberg, gejt. 20. Wai 1714 in Perleberg, ward 
1697 Profeſſor der Geſchichte in Gießen, leqte aber, in 
t, 


Im November 1878 ward er zum erjten Vizepräſi- alsdann in Quedlinburg einem myſtiſchen Separatis 
denten des Herrenhauſes erwahlt und führte aud) mus zugeführt, 1698 femme Profeſſur nieder, um nad 
1879 in der erjten ordentlichen Generalſynode Preu- Ouedlinburg juriicjufehren. Dod) änderte er feine 
fens den Vorſitz. 1880—81 ward er Prafident de3 Anſicht wieder, ward DHofprediger der verwitiveten 


deutſchen Reidhstags. - 
Meyers Konv.«Lerifon, 6. Aufl., L Bo. 


- Sein jiingerer Bruder, Her Herzogin von Sadjen-Cifenad in Wiljtedt, verbeira- 


51 


802 


tete fid) 1701 und wurde 1704 Prediger su Werben, 
1707 in Perleberg. Sein Hauptivert ut die ihrer Zeit 
ſchon Durd die deutſche Darjtellung Aufſehen erreqende 
Unparteiiſche Kirchen⸗ und Kegerhijtorie« (bejte Aus— 
gabe, Schajfhauj. 1740—42, 3 Vde.), worin er den 
i ein Streben nach wahrem Chriſtentum zuſchrieb 
und ihre Beredtigung durd) die Mängel und Wus- 
artung der Rirde nadwies. Val. Dibelius, Gott 
jried YW. (Berl. 1873); Fliring, Gottfried A. als 
Rirdenhijtorifer (Darmijt. 1883). 

3) Georg Daniel, Redtsqelehrter, auc als elſäſſ. 
Dichter befannt, geb. 18. Febr. 1780 in Straßburg, 
geſt. dafelbjt 18. Febr. 1829, ward 1806 Profeffor 
de3 Code civil an der Rechtsſchule zu Koblenz, 1809 
Profeſſor der Geſchichte zu Straßburg, 1811 zugleich 
Rrofejjor der Rechtswiſſenſchaft, 1820 Präfekturrat, 
weldje Stelle er aber wieder aufgab. Er ſchrieb: 
»Elementa juris civilis Justinianei, cum Codice 
Napoleoneo et reliquis legum codicibus collata« 
(Strahb. u. Par. 1812). Bekannt ijt fein Lujtipiel 
» Der Pfingſtmontag« (»Le lundi de la Pentecdte«), 
int Strafburger Dialeft (Stragb. 1816, 2. Aufl. mit 
einer Auswahl von Gedidten und Viographie 1851; 
aud) in Reclams Univerjal-Bibliothef), das Goethes 
befonderes Lob erntete. 

4) Sriedrid, Unatom, geb.8. Jan. 1803 in Cden- 
foben, gejt. 4. Juli 1890 gu Heidelberg, ftudierte feit 
1821 dafelSjt, wurde 1826 Proſeltor an der dorti— 

en Unatomie, 18385 Profeſſor der Unatomie in 
Zürich, 1840 in Freiburg, 1845 in Tiibingen und 
1852 Profefjor der Unatontie und Phyſiologie in Hei- 
delberg. Er bereidjerte die Anatomie veto mehrere 
widtige Entdeckungen und lieferte bedeutungsvolle 
Veitrage zur Unatomie des Zentralnervenfyftems, des 
Wuges, der Gelenfe und Bander fowie Unierſuchun— 

en fiber Gallenabjonderung, Lungenfapagitat x. Er 
—* Über den Ohrknoten« (Heidelb. 1828); »Der 
Kopfteil des vegetativen Nervenſyſtems« (Daf. 1830) ; 
Uber dad Auge des Menſchen⸗ daſ. 1832); ⸗Icones 
nervorum capitis« (2. Aufl., bat 1860); »Phyjiolo- 
gie Des Menſchen⸗ (Sir. 1836—42); »Tabulae ana- 
tomicae« (daf. 1838—42); » Handbuch der Unatomic 
des Menfden« (Freiburg 1844—51, 3 Bde.); > Zur 
Phyſiologie der Galle« (Mannh. 1853); »tiber die 
Atmungsgröße des Menſchen« (Heidelb. 1855) u. a. 

5) Fedor Karlowitſch, ruff. Forjtwirt und 
Staatsmann, geb. 1819 tn St. Petersburg, geft. 
8. März 1902, Sohn des Begriinders der Mosfaucr 
praftifdjen Handelsafademie und Bruder des Kom— 
poniften Georg K. A. Seit 1842 wirfte er theoretiſch 
und praftifd) fiir Ein ührung eines geregelten Forjt: | 
wirtfdaftsbetriebes. Bon 1842—H8 war er Direftor 
des Forftdepartements; daneben hielt er feit 1847 Bor- | 
fefungen an der Forjtafademie und wurde 1858 Pro- 
feffor an der lands und forſtwirtſchaftlichen Alademie 
zu Betrowffoje bei Mosfau, deren Direftor er von 
1876—83 war. 1883 wurde er jum Mitgliede des 
Minijteriums fiir Landwirtidaft und das Rronver- 
mögen ernannt. Er fdrich: »Handbud) der Forſt— 
wirtfdaft«, « Forjttarationen«, » Forſtwiriſchaft inden 
rujfifden Waldern« (1880), »Veranſchlagung der in 
den ruffifden Waldungen arbeitenden Kapitalten und 
deren Refultate und Verzinfung« (1884) und » Der 
ruffifde Wald« (3 Bde). 

6) Wilhelm, Redhtslehrer, qeb. 28. Oft. 1826 zu 
BVorfen in Heſſen, geft. 3. Juli 1883 in Marburg, habi⸗ 
litierte fid) 1850 in Marburg, wurde 1855 Profeffor | 
in Baſel und 1863 in Marburg. Er jdricb: »>BVerfaf- | 
ſungsgeſchichte Der deutſchen Freijtidte im Anſchluß an 











Arnold. 


die Verfaſſungsgeſchichte der Stadt Worms < (Hamb.u. 
Gotha 1854, 2 Bde.); » Zur Gefdidte des Cigentums 
in Den deutſchen Stadten« (Bafel 1861); »Rultur und 
Rechtsleben · (Berl. 1865); ⸗Kultur und Redht der Rd- 
mter« (Daf. 1868); »Unfiedelungen und Wanderungen 
deutſcher Stämme, zumeiſt nach heſſiſchen Crtsnamen« 
(Marb. 1875, 2 Bode.); »Deutſche Urjeit« (3. Uni, 
Gotha 1881); »Friintifde Zeit (Daf. 1882); ⸗Stu⸗ 
Dien gur deutſchen Rulturgefdidte« (Stuttg. 1882). 
7) Julius, Mediziner, Sohn von A. 4), qeb. 19. 
Aug. 1835 in Zürich, ftudierte feit 1854 in Herdel- 
berg, ließ fic) dafelbjt 1861 als Arzt nieder, habili— 
tierte fid) 1863 als Privatdozent und wurde 1870 
Profefjor fiir allgemeine Pathologic und pathologiſche 
Anatomie und Drrettor des pathologifd)-anatomriden 
Inſtituts in Heidelberg. Er fand die nervöſe Spiral- 
fafer und die perizellulären Nervennetze an den fynt- 
pathijden Gangliengellen, aud) gelang thm der Nad 
weis atypifder Rernteilungsfiquren und der plurt- 
polaren Mitoſen in Geſchwülſten; er lieferte Unters 
ſuchungen fiber die Morphologie der extravastuliren 
und intravastuliren Gerinnimg, fiber Blutdriifen, 
Rreislaufitirungen, Geſchwülſte, Mißbildungen x. 
jowie Beitriage gue Morphologie und Biologie der 
Sellen und der Plasmoſomen. Er ſchrieb: »ilber die 
Bindehaut der Hornhaut und den Greijfenbogen« 
(Deidelb. 1860); » Das qlatte Musfelqewebe< (Leips. 
1870); »Wnatomijde Beitrage zur Lehre von den 
Schußwunden« (Heidelb. 1873); »Beiträge zur Ent 
widelungsgefdidte des Uuges« (Daj. 1874); » Unter 
judungen iiber Staubinhalation und Staubmeta- 
jtafe« (eips. 1885); »UÜber den Kampf des menſch⸗ 
lichen Körpers mit den Balterien« (Heidelb. 1888). 
8) Johann, Miller, f. Arnoldſcher Prozeß. S. 804. 
9) Dans, Pſeudonym, f. Bülow (Babette von). 
[Englifhe Muſiker und Sdriftiteller.] 10) Sa- 
muel, engl. Romponijt, geb. 10. Yug. 1740 m Lon- 
don, get. dajelbjt 22. Oft. 1802, wurde in der könig⸗ 
lidjen Bofalfapelle unter Gates und Rares gebil- 
det; 1763 Komponiſt fiir das Coventgarden-Theater, 
1769 —71 felbjt Theaterunternehiner (Marylebone: 
Wardens), 1783 Nadfolger von Nares als löniglicher 
Rapellfomponift, 1793 aud) Organijt der Wejtminiter- 
abtei. Seit 1789 leitete er aud) Die Concerts of ancient 
music, begriindete mit Calcott den Glee-Club, ijt über⸗ 
haupt eine der Damaligen Londoner Muſiknotabili⸗ 
titen. A. hat 48 Opern und Intermezzi gefdyricben, 
ferner 5 Oratorien, aud) Konzerte, Ouvertiiren, So 
naten und firdliche Werke, ſetzte die von Boyce be- 
qonnene Sammlung »Cathedral music« fort (1790, 
4 Bde.) und redigierte cine (fehlerreide) Gejamtand- 
gabe der Werke Hiindels (1786 ff., 86 Bde.). 
11) Thomas, geb. 13. Junt 1795 m Cowes auf 
der Inſel —* geſt. 12. Juni 1842 in Orford, cin 
fiir das firdlide Leben und das Erziehungsweſen 


Englands hodwidtiger Mann, wirkte — als 


Mentor von Privatzöglingen, dann als Vorſteher der 
öffentlichen Schule in Rugby. Seinen Sinn fitr deut- 
fiche Literatur betitigte er als Bearbeiter von Riebubrs 
rimifder Geſchichte (» History of Rome«, 3 Bde., um- 


vollendet, 1846—49 u. b.). Er war emer der älteſten 
und klarſten Bertreter der breitlirchlichen Partei und 


entſchiedener Gegner des Puſeyismus. 1841 über- 


nahm er die Profeſſur der Geſchichte zu Oxford. Bgl. 


Stanley, Life and correspondence of Th. A. zulegt 
1901; deutfd), Botsd. 1846); Zinzow, Thomas U. 
(Stett. 1869); Wuttig, Thomas VW. (Hannov. 1884); 
vith, Th. and Matthew A. and their influence 
on English education (Lond. 1897). 


Arnold von Brescia — 


12) Matthew, engl. Didter und Kritifer, Sohn 
de3 vorigen, geb. 24. Dez. 1822 in Laleham (Middle⸗ 
fer), geft. 15. April 1888 in Liverpool, ftudierte feit 
1840 in Orford, war 1847—61 rivatjefretir des 
Lords Lansdowne und ſpäter Schulinfpeftor. An 
Didjtungen hatte er (anonym) »'The strayed revel- 
ler, and other poems« (Lond. 1848), »Empedocles 
on Etna« (1853, neue Ausg. 1868) und »Poems« 
(1854, 2 Bde.) verdffentlidht. 1857 wurde er Pro- 
feſſor der Boejie in Orford, ftudierte 1859 im Auf— 
iraq der Regierung in Franfreid), Deutſchland und 
Holland das Unterridt3wefen. Seine Unfidten dar- 
liber gab er in »A French Eton, or education and 
the state« (1864) und »Schools and universities on 
the Continent« (1868, 3. umgearbeitete Aufl. 1882). 
Seinen poetifden Formenfinn bewährte er in den 
» New Poems« (2. Aufl. 1868) und in feiner Homer- 
überſetzung in engliſchen Herametern. Dariiber han- 
Delte er theoretifd in Dem Werf: »On translating 
Homers (1861). Died gujammen mit feinen » Essays 
on criticism « (1865, 2. Aufl. 1869; zweite Folge 1888) 
und mit feiner »Celtic literature« (1867) find feine 
fritijden Hauptwerte. 1867 legte er feine Profeſſur 
in Orford nieder. Bu feinen populiir- theologifden 
Schriften gehören: »St. Paul and Protestantism« 





(2. Uufl. 1871); »Literature and dogma« (1873); 
»God and the Bible« (1875); » Last essays on church 


and state« (1877). W., der allmählich von den ortho: | 


Doren Unfidjten der englifden Staatsfirde gu febr | 
freien Uberzeugungen vorſchritt, iſt als Proſailer und 
Kritiler von viel größerm Einfluß geweſen denn als 
Dichter. Er hat als Kritiler durch das Herausfehren 
des perfinliden Elements geradezu reformatorifd | 
qewirtt. Cine volljtindige 
erſchien 1877 in 2 Bänden, 1890 in 1 Band. Seine 
Briefe wurden von peg W. E. Rufjell heraus- 
gegeben: >The letters of Matthew A. 1848 — 1888« 
(ond. 1895, 2 Bde., neue Wusg.1901). Val. Saints: 
bury, Matthew A. (Yond. 1899); H. Baul, M.A. 


usgabe feiner Gedidte | 





(daf. 1902). 

13) Sir Edwin, engl. Didhter, Sprachgelehrter 
und Journalijt, geb. 10. Juni 1832, ftudierte in Ox— 
ford und wurde gum Direftor des Government Sans- 
crit College in ‘Buna ernannt. Bon Jndien 1861 
nad England jurtidgetehrt, leitet er feither den » Daily 
Telegraph«, auf dejjen Soften die Entfendung des 
Aſſyriologen G. Smith nad Niniveh erfolgte, und 
teilweife Die Expedition H. Stanleys zur Auffindung 
Livingjtones. Cr veröffentlichte allgu wörtliche Uber- 
ſetzungen aus dem Griedifden(»The poetsofGreece«, 
1869; »Hero and Leander<, nach Muſäos, 1873) und 
das Drama »Griselda« (1856), »Poems, narrative 





and lyrical« (1853, DdDarunter »A ma future«) und 
als Früchte feiner orientaliſchen Studien: »The book 
of good counsels« (Ausgabe und abgefiirste Uber- 
jebung der »Hilopadeja«, 1861), »The Indian song 
of songs« (1875, neue Wusg. als »Indian poetry«, 
1883). »The light of Asia-, cin großes Gedicht über 
Veben und Lehre des Buddha (1879, in vielen Auf— 
lagen erfdienen; deutfd) von Pfungſt, Leips. 1891), 
iit fein Hauptwerl, dem als ſchwächeres chriſtliches 
Gegenſtück 1891 »The light of the world« folgte. 
Wud) ſchrieb er ene » History of India under the ad- 
ministration of the Earl of Dalhousie« (1864, 2Bde.), 


»India revisited« (1886) und gab eine Sammlung 
| wurde er von der aufgeregten Menge im St. Jafobs- 
flojter vor Waing 24. Juni 1160 verbrannt. 
Mainzer mupten diefe Tat 1163 mit dem Verluſt ihrer 


feiner Reiſebriefe von feiner 1889 unternommenen 
Weltfahrt u. d. T.: »Seas and lands« (1891) heraus 
jowie 1892 »Potiphars Wife and other poems«. 





A. danft feine Erfolge hauptſächlich der glücklichen 


803 


Stoffwabhl. Als Überſetzer ijt er etwas pedantic, und 
als freier Dichter fehlt e3 ibm an guter Technik und 
ſtiliſtiſchem Reiz. 

Arnold von Brescia, der kühnſte und tatkräf- 
tigfte Geqner der Hierardie im 12. Jahrh., qeboren 
umt 1100, gejt. 1155, war ein Schüler Abälards und 
Geiſtlicher in ſeiner Vaterjtadt Brescia. WIS die Quelle 
des Verderbens in der Kirche erfannie er die weltlicde 
Macht und den Reidhtum der Geiſtlichkeit. Demgemäß 
forderte er, daß Die Geijtlicjen auf allen irdiſchen Be- 
ſitz verzichten, fid) mit freiwilliqen Spenden der Gläu— 
bigen beqniigen und fic) die Armut der Apoſtel gum 
Vorbild nehmen follten. Solche Lehren, durch) nüch— 
terne Sittenſtrenge befréftigt und mit hinreißender 
Veredjamfeit verfiindigt, jammelten zahlreiche An— 
Hanger um ihn. Wher auf die Unflage des Biſchofs 
von Brescia hin wurde A. durch die Lateranfynode 
von 1139 ſeines Amtes entſetzt, aus Ftalien verwiefen 
und begab fid) gu Abälard nad) Franfreid), wo er in 
dev Verkündigung feiner Lehren fortfuhr. Wud) von 
bier auf Veranlaſſung Bernhards von Clairvaur ver- 
trieben, floh er 1142 nad) Biirid), gehörte 1143—45 
zum Gefolge de3 Rardinals Guido, Legaten fiir Böh— 
men und Mähren, und fehrte 1145 mit Genehmigung 
Eugens II. nad Italien zurück. Erſt 1147 begann 
ec in Rom, das die päpſtliche Herrſchaft abgeſchüttelt 
hatte, wieder öffentlich gu predigen und wurde das 

eiftige Haupt der römiſchen Republif, während der 

apjt ihn als Reger bannte. Als aber Eugens Nach— 
folger Hadrian IV. 1155 das Ynterdift über Nom ver- 
hängte, wurde YW. durd) ben Senat ausgewiejen. Er 
floh nad) Tuscien, wo ihn Friedrid I. in feine Gewalt 
bradte; dem römiſchen Stadtprafetten ausgeliefert, 
wurde er, nachdem er den Widerruf veriweigert hatte, 
am Galgen hingerictet; fein Leichnam wurde ver: 
brannt und die Ufde in den Tiler gejtrent. Bal. 
Giefebredt, U. von Brescia (Munch. 1873); Cla- 
vel, Arnaud de Brescia et les Romains du XII. 
siécle (Par. 1868); Bonghi, Arnoldo da Brescia 
(Hom 1885); Hausrath, UW. von Brescia (Leips. 
1892). Dramatijd ward Arnolds Sdidjal von Bod— 
mer und Yiccolini bearbeitet. 

Arnold von Lübeck, deutidher Geſchichtſchreiber 
des Wittelalters, Wbt de3 Johannesflojters zu Liibed ; 
jtarb 1212. Er fegte die Slawendronif Helmolds 
(j. d.) unter ſtärkerer Beriidjidtiqung der Univerjal- 
geſchichte feiner Zeit bis 1209 fort. Seine Gewährs— 
manner waren der Biſchof Heinrid) von Liibect und 
der laiſerliche Kanzler Ronrad von Querfurt. Her- 
ausgegeben ijt feine Chronif in den »Monumenta 
Germaniae historicac, Ud. 21, in dDeutider Uber- 
ſetzung von Laurent (Berl. 1853). Bql Damus, 
Die Slawendronif Urnold3 von Lübeck (Liib. 1873). 

Arnold von Selenhofen, Erzbiſchof von Mains, 
aus einem angefehenen Mainzer Dienſtmannen— 
geſchlecht, ſtudierte in Paris, wurde Domberr und erz— 
biſchöflicher Stadtfimmerer, dann Dompropjt in 
Waing, 1151 Kanzler Nonrads ITT. und 1153 Erz- 
biſchof von Maing. Tatkraftig und rückſichtslos in der 
Verwaltung feines Stiftes, rief er die Widerſetzlichkeit 
jeiner Dtinijterialen und der Stadt Maing hervor, die 
während fetner Abweſenheit in Stalien, wo er fiir 


Arnold von Selenhofen. 


Anerkennung de3 faiferlidjen Gegenpapſtes wirkte, in 


offene Rebellton ausbrad. Als er fich, zurückgekehrt, 
mut den Aufſtändiſchen in Unterhbandlungen einließ, 


Die 


Privilegien und der Schleifung ihrer Befeſtigungen 
51* 


204 
SGien Bal Segele. Av. S. (jena 1855); Baum⸗ 
bad, H. Exsbrihot von Mam; (Beri. 1472). 


Gothatide 

i (deren Direftor er 

bis qu ſeinem Tode war), jene 1821, dieie 1829 ge- 
n bebe axf bem Scandia der Gegenicitighe! 
d. Seit 1616 trat A. eifrig fir f 


fremder Baren herbeizuführen. 
— Jollvereins war U. mit Erfolg bemiibt, 
die Heugettaltung der Dt 


fiir Deutidland aus zu⸗ 
nugen. So wurde die : abrifation aus Runtfel- 
riiben vornehnilich durd thn im ndrbdliden Deutſch⸗ 


land juerit eingeführt oder 


Yin 
** Sorgfatt gu. Schon 1817 war daielbjt auf 
ſeine Beraniay das faufmanniide Inſtitut der 
Imungshalle mit —— 9 
Sql. Em minghaus, Ernit Wilhelm A. (Weim. 1878) 

2) Bilbelm, Biſchof von Trier, geb.4. Jan 
in Badem bei Bitburg in der Eifel, gejt.7. Jan. 1864, 
befudjte das ‘Priefterieminar in Trier, empfing 1821 
bie Priefterweihe und erhielt bald darauf eine ef. 
jur am Prieſterſeminar zu Trier, die er jedod) 1826 
mit Der Pfarret gu Laufeld in der Eifel vertauſchte, 
von wo er 1831 als Stadtpfarrer nad Wittlich, 1834 
alé Domprediger und Domfapitular nad Trier be- 
rufen wurde. Seiner Wahl jum Bifdof 1839 ver- 
weigerte bie Regierung die Beſtätigung, weil A. die 
Vereinbarungen fees Vorgängers mit der Regierung 
fiber Die Mitchehen befaimpfte. Doch veridatfte der 
Thronwechſel in Preußen einer sweiten Wahl Urnol- 
dig die fonigliche Bejtatiqung (1842). A. zeigte ſich 
jtreng firdlid) und begiin{tigte die Stiftung von Klö— 
jtern. Großes Aufſehen erregte die von ihm im qutem 
Glauben und bejter Abſicht 1844 veranjtaltete Aus— 
eg Des ungendhten Rodes Chrijti, die weithin 
bie ſchaͤrfſte Erbitterung hervorrief und den Anlaß 
zur deutid-fatholijcden Bewegung gab. Für firdliche 
Stunft zeigte er hohes — Lol J. Kraft, Bil- 
helm A., Biſchof von Trier (Trier 1865). 

Arnoldiften, die Anhänger der Lehren ded hin— 

eridjteten Urnold von Brescia (f. d., S. 803). Bal. 

De artats, Die A. (Leipz. 1895). 

Arnoldſcher Proxzefz, cin merfwilrdiges Beiſpiel 


Wud 


itfem. 1819 


angeregt. den: fi 
enbeiten ſeiner Bateritadt wendete A. fort mitteilte, fonnten 


ndet worden. , Gersd 


. 1798 | 


Atnoldi — Amoldider Lrowek 


gegen Gersdorñ am die Lititriner Regicrung (Dd. §. tos 
¥ ut) umd, vom becier chgemicien, mxit emer 
— ft am den Somig, der ibm 21. Wag 1779 in 
Vots dam zu 


die Ritirrmer Regierung beauttragte. emen 


mid dah Ur- 
nold nidt Unrecht geſchehen; er bielt alles fiir cme 
wiſfentliche R Ba iten der Edelleute 

ff un r ließ die drei an der 


da fie bei ihrer Meinung blieben, ms Gefangnié 
führen; der Großlanzler v. Fiirit erbielt ſeine ibm 
übrigens ſchon vorber in Ausſicht geſtellte Entlaffung 
Der König befahl ce te ae ijter v. Red 
‘lif, die jtrenge Bei der Rate gu forgen. 
Da i dieſer ye wie der ———— des Aam⸗ 
mergerichts deſſen weigerte, verurteilte der König 
1. Jan. 1780 zwei jener Rite, Graun und Friedel, 
und mebrere Mitglieder der Küſtriner Regierung aus 
eigner Madtvollfommenheit jur Kaffation, zu ein⸗ 
| jabrigem Feftungsarrejt fowie sur Sablung des von 
YUrnold erlittenen Schadens und befabl, daß der Wul⸗ 
ler wieder in Beſitz der Mühle geſetzt werde. Die Ber- 
| urteilten blieben bis 5. Sept. 1780, bid fie Arnold 
entſchädigt batten, in Spandau und wurden nicht wie- 
der angettellt. Erſt nad) Friedrichs Tode wurde das 
| Verfahren revidiert, die Beamten fiir unfchuldig er: 
| flart und ibr Berlujt ihnen erjegt. Friedrich I. 
14. Dez. 1779 in der »Speneriden Zeitumg< das am 
11. Dez. von ihm felbft aufgenommene Protokoll pu- 
blizieren und den Qujtizfollegien die ſtrengſte Unpar⸗ 
| tetlichfeit aufs ſchärfſte anempfeblen lafjen, dba Bri 
und Bauer, Bettler und König vor der Juſtiz glei 
feien. So ungerecht Friedrichs Verfahren gegen die 
Beamten war, fiir die das Berliner Publikum offen 





ber Kabinettsjuſtiz Friedrichs IL. von Preuſſen. Der Vartei ergrijf, fo machte dod) dieſes fo entſchiedene 
Miller Johann Urnold beſaß die Krebsmühle bei | Cintreten fiir die niedern Stände großes Auffehen 
Pommerzig in der Neumark, fiir die er dem Beſitzer und verſchaffte ihm im Wuslande den Ruhm des ge- 
ded Gutes, Dem Grafen v. Schmettau, eine jährliche rechteſten Königs. Er felbjt fab fpater ein, dah er ge 
Erbpadt in Rorn ju entridten hatte. Wis num der täuſcht worden war, hielt aber cin abſch des Bei⸗ 
VYandrat v. Gersdorff, dem dad oberhalb der Mühle jpiel gegen die Großen dennod fiir ndtiq. Ubrigen’ 
qeleqene Gut —— 1770 drei Karpfenteiche gab der Fall den Anſtoß gu der Beſchleumni der 
anlegte, erflarte Yrnold, da ibm das Wafer zur neuen Prozeßordnung, die 1781 erſchien, und * 
Wiihle dadurch genommen werde, zahlte von 1773 an | endung des Landredts. Val. Sengebufd, Hijto- 
den Erbfanon nicht mehr und wies anc alle Bergleicds- | rifch - rechtliche Würdigung der Cinmifdung Fred- 
anerbietungen Sdymettaus zurück. Da die Miihle je- | richs d. Gr. in die Rechtsſache des Miillers Urnold 
dod) fortwahrend im Gange geweſen, alſo Waſſer genug (Altona 1829); die Urfunden bei Preuß, Friedrich 
vorhanden war, wurde Arnold von Schmettau ver- | d. Gr., Bd. 3, Anhang (Berl. 1834), und deſſen »Be- 
flagt und 7. Sept. 1778 die Mithle im Rechtsweg ver- ſchichte des Arnold-Gersdorffſchen rozeſſes (in der 
fteigert. Jetzt wendete ſich Arnold mit einer Beſchwerde » eitidrift fiir preuß. Gefdhichte«, 1864); Stölzel, 


Arnoldus Villanovanus — Arnsberg. 


Brandenburg: Preufens Redtsverwaltung u. Rechts- 
verfaffung, Hd. 2 (Berl. 1888), S. 272 ff.; Didel, 
Friedrich D. Gr. und die Brogeffe des Millers Urnold 
(Marb. 1891); Holge, Bum Müller Arnoldſchen 
Pros (Berl. 1902). 

rnoldus Villanovanné, ſ. Villanovanus. 

Arnolfo di Cambio, ital. Architekt und Bild- 
Hauer, geb. unt 1232 gu Colle di Bal d'Eſta im Flo- 
rentinijden, gejt. 1310, war ein Schüler des Niccold 
Piſano. Seine Hauptwerfe find: die gotifde Klo— 
ftertirde Santa Croce; der Plan des Domes Santa 
Maria del Fiore su Floreng, deſſen Bau er von 1294 
bis gu feinem Tode leitete; der Palazzo Vecchio da: 
jelbjt (1298 begonnen), das gotifde Tabernafel in der 
Kirche San Paolo bei Rom (1285) und das Grabmal 
de Kardinals de Braye in Gan Domenico gu Orvieto. 

Arnon, antifer Name des tief in da3 Hochland 
von Moab eingefdhnittenen Wadi Mödſchib, der die 
Nordgrenze des eigentlidjen Moab bildete. 

Arnott, 1) Neill, Arzt, geb. 15. Mai 1788 zu 
Arbroath in Angusſhire, geſt. 2. März 1874, jtudierte 
feit 1801 in UWberdeen und London, wurde Wundar3t 
im Dienjte der Ojtindifden Rompagnie und ließ ſich 
1811 in London nieder. Er hielt Vortrage fiber Phyſik, 
erfand einen Bentilator und Ofen, bas Wafferbett und 
andre Vorrichtungen fiir mediginijde Zwecke und for- 
derle befonders aud) die Hygiene. YL ſchrieb: »Elements 
of physics« (7. Aufl. Lond. 1876); » Treatise on the 
smokeless fireplace« (1855); »A survey of human 
progress towards higher civilization « (2. Aufl. 1862). 

2) Georg Urnold Waller, Botanifer, f. Arn. 

Arnowld (jor. an), Sophie, franz. Schauſpiele— 
rin, geb. 14. Febr. 1744 in Paris, gejt. 1803, fam zu— 
erjt in die königliche Rapelle und 1757 zur Oper, an 
der fie big 1778 der Liebling des Barifer Publikums 
war. Gie glänzte ebenjofehr durch ihren Gefang wie 
durd) ihr ſchönes Spiel. Nicht weniger bezaubernd 
war ihre Liebenswürdigkeit aujerhalb des Theaters. 
Cine zweite Rinon, fab fie die geiſtreichſten und ge 
lehrteſten Männer in ihrem Hauje; d'Alembert, Di- 
derot, Mably, Duclos und J. J. Rouſſeau ehrten fie 
durd) ihre Beſuche. Dorat, Bernard, Marmontel und 
Favart haben fie beſungen. Yor zuweilen fehr beifen: 
der Wi madte fo großes Glück, daß man ihre Bon— 
nots unter dem Titel: »Arnoldianae (Bar. 1813) 
fammelte. Lamotte-Langon gab ihre ⸗Memoiren⸗ 
heraus (Par. 1837, 2 Bode.). Rol. Moncourt, So- 
phie A. (Bar. 1877); Douglas, 8. A., actress and 
wit (Lond. 1898; fran3. UÜberſetzung, Bar. 1898). 

Arupeck, Veit, Geſchichtſchreiber, geb. 1440 in 
Landshut, 
Baterjtadt. Wie Andreas von Regensburg (f.d., Bd. 1, 
S. 502) Borldufer Uventing, bat er in der deutſchen 
Bearbeitung femmes » Chronicon Baivariae « (bis 1495) 
mehr, als es bis dahin üblich war, nach Volkstümlich 
leit geſtrebt. Ausgaben bei Bes, » Thesaurus anecdo- 
torums, Bd. 3, und Freyberg, »> Sammlung hijtori 
ſcher Schriften«, Bd. 1. Val. Joe we, Veit Aernpelch, 
ein Vorläufer Aventins (> Berhandlungen des hijto 
riſchen Bereing fiir Niederbayern«, Bd. 29). 

Aruprior (jpr. érnpraier), Stadt in Ontario (Ka- 
nada), nabe der Viindung des Madawasfa in den Ot- 
tawa, mit Fabrifen, Holjhandel und (1891) 3341 Cinw. 

MArns , Dauptitadt der ehemaligen Grafidaft, 
jetzt des preuß. Regierungsbezirks A. m der Proving 

eſtfalen, auf einem Bergrücken, der auf drei Seiten 
von der Ruhr umfloſſen wird und die Ruinen des al— 
ten Stammſchloſſes der Grafen von A. trägt, und an 
der Staatsbahnlinie Frindenberg-Kajfel, 208 m it. Ve, 


ejt. um 1505, war Geijtlider in feiner | 








805 


ijt Sig der Regierung, eines Land- und cines Amts— 

erichts, ciner Handelskammer rc. und hat 2 fatholi- 
Rie und cine evang. Rirde, Synago e, Gymnaſium, 
Eiſenbahnhauptreparaturwerlſtätte, Papier- und Ba 
pierjtofffabrifen, eine Dampfſägemühle und (900) 
8490 Cinw., Darunter 1622 Cvangelijde. — A. er 
hielt 1237 Stadtredt und wurde fpdter Mitglied der 
Danja; aud) war hier cin »Oberfreijtubl« der Fem 
geridjte. Rad) der Befignahme durd) Köln (1368) 
wurde A. häufig Reſidenz der 
Kölner Kurfürſten ſowie Sitz 
der weſtfäliſchen Kanzlei und der 
Landtage. Die ehemalige Graf⸗ 
ſchaft ü wurde im 11. Jahrh. 
von den Grafen von Werl ver- 
waltet, Die ſich feit 1082 nad 
U. benannten. Unter ihnen ijt 
ant — Friedrich der 








Streitbare (geſt. 1124), ein En- 
fel Ottos von Nordheim; er be- 
leitete 1110 Heinrid V. nad 
Italien, empörte fic) 1114 im 
Bunde mit Kurköln gegen denſelben, unterwarf fic 
dann aber. Wit feinem Sdhwiegervater Graf Gott- 
fried von Cuyl folate die weibliche Linie in Der Graf- 
ſchaft; Gottfried IV. verfaufte fie 1369, da er finder: 
los war, an Rurfdln. Während die Hauptlinie 1371 
erlofd, blühte der Zweig Rietberg (j. d.) bis 1564. 
Die Graffdhaft gehörte fortan sum Kölner Herzogtum 
Wejtfalen, wurde 1802 an Hejjen abgetreten und fam 
1815 an Preufen. Bgl. Féaur de Lacroir, Ge- 
ſchichte Arnsbergs (Arnsb. 1895); Derjelbe, Fiibrer 
durch U. und Umgebung (2. Wufl., daſ. 1902). — Der 
Landgerichtsbezirk A.umfaßt die 20 Amtsgerichte 
u A., Attendorn, Balve, Berleburg, Bigge, Brilon, 

urbach, Förde, Fredeburg, Hilchenbach, Kirchhundem, 
Laasphe, Marsberg, Medebach, Meſchede, Neheim, 
Olpe, Siegen, Warſtein und Werl. — Der Regie: 
rungsbezirk A. (jf. Rarte »Weſtfalen«) zählt (900) 
auf 7696 qkm (139,77 DY.) 1,851,319 Einw. (dar 
unter 1,017,560 Evangeliſche, 810,882 Ratholifen 
und 11,802 Yuden), 241 auf 1 qkm, und beſteht aus 
den 24 Rreifen: 


Wappen ber Stadt 
Urnsberg. 






































Rretfe | Daitom. OMeilen’ Einw. Einw. 
| auf lak 

AA ee | 64 12,06 96 482 145 
Mrngberg . . . 677 12,30 4 898 81 
Bodum (Stadt). . 6 O11 65551 — 
Bodum Candd . | 123 2,23 160649 1308 
Grilon . 2... . 789 14,33 39 640 50 
Dortmund (Stadt). | 238 0,51 142733 | — 
Dortmund (Kand) . 246 4,47 147 047 | 602 
Gelſentirchen (Stadt) | 3 0,05 36935 | — 
Gelfentirden (Wand) = = = 75 | 1,86 | 188033 267 
Hagen (Stadt) . . | 17 0,31 50612, - 
Hagen (Vand) . . 242 4,40 774221 
Hamm (Stadt) . 23 0,42 81371 | 
Hamm (and) 40) 7,41 73874 172 
Hattingen. . . . | 141 2,56 79821) 566 
Horde 2 wk 170 | Boo | 115754) 681 
Merlo . . . 332 6,03 | 85506 | 257 
Rippftadt . . . 500 9,08 41093 82 
Mefede . . . . | TB l4jis | 38194 49 
BUG 6. 6 wise | 618 11,22 41179 67 
Sdhwelm .. ‘ 157 2,45 71627 406 
Siegn. . . . 647 11,75 98511 152 
Goejt ..... 530 9,63 56 420 107 
Witten (Stadt) . . 9 0,16 33517 — 
Wittgenſtein 487 8,84 23318 48 


Über dic acht Reichstagswahlkreiſe des Regierungs- 
bezirks ſ. Karte »Reichstagswahlen«. 


806 


Arnsberger Wald, bewaldete Hodebene in Weſt⸗ 
falen, zwiſchen Ruhr und Möhne, nördlich von Arns— 
berg, bis 414 m bod. 

rusburg, frithere Cijtercienferabtet bei Hungen 
in Oberbefjen, Kreis Gießen, um 1151 geqriindet, 1503 
aufgehoben; jest gum Teil verfallen und im Beſitz des 
Grafen von Solms-Laubad, mit Rettungsanjtalt ver 
wahrloſter Rinder und (1900) 71 Einw. Bgl. Sauer 
und Ebel, Die Ciftercienferabtet A. (Gieß. 1895). 

Arusdorf, 1) Dorf im preuß. Regbez. Liegnitz, 
Kreis Hirfdberg, am Riefengebirge und an der Eiſen 


bahn Zillerthal⸗ A., 435 m ii. M, hat eine evangeli- | 


ide und eine fath. Rirde, cin Schloß, cin Denfmal 
des Kaiſers Friedrich III. ‘Bapier-, Lederpappe⸗ und 
Holzſtofffabrilation, Garnbleicherei und (iv00) 1916 
Einw. — 2) Dorf in Böhmen, ſ. Haida. 

Urn , Dorf und Schloß bei Neujtadt a. d. 
Orla (Sadfen- Weimar), ehemals Sig der Grafen 


von A., deren Beſitzungen swifden Saale und Orla. 


lagen. Das Geſchlecht, dejjen Anfänge ſich bis ins 
12. Jahrh. verfolgen laſſen, teilte ſich in fünf Linien, 
die Arnshaugkſche, Elſterbergſche, Leuchtenburgſche, 
Lobdaburgſche und Burgauſche; 1290 ſtarb es mit 
dem Grafen Otto aus. Deſſen Witwe Elijabeth (Tod 
ter des Vogts Heinrid) ju Plauen) heivatete den Wart 
qrafen Albrecht den Entarteten und ftellte den Frie 
den swifden ihm und feinem Sohn Friedrid) dem 
Freidigen her. Diejer erwarb durch feine Vermablung 
mit Ottos Erbtodter Clijabeth dem Haus Meißen dre 


Grafſchaft A. Durd den Arnshaugker Vertrag 


von 1428 überließ Kurfürſt Friedrich von Sachſen die 
Burggrafſchaft Meißen an Heinrich) von Plauen. VW. 
verblieb bet der Teilung von 1485 der Erneſtiniſchen 
Linie. 1567 fam es als Pfand und 1660 völlig an 
die Ulbertinifde Linie; 1815 fiel es an S. « Weimar. 
Arnftadt, Hauptitadt der ſchwarzburg-ſonders 
haus. Oberberrjdaft, an der Gera, Nnotenpuntt an 
der Linte Neudictendor | - Ylme 


282 m it. M. hat etm fürſtliches 
Schloß mit Porzellan= und We 
mäldeſammlung und grofarti- 
gem Turm der 1560 erbauten, 
1798 zuſammengeſtürzten Hof 





und cine fatholtiche), darunter 
dic cvangelifde reitaurterte Lieb- 
frauenfirde mit romanifdem 
Portal (angeblid) von 970) und 
zwei adjtediqen Tiirmen aus frühgotiſcher Zeit, em 
altes Rathaus (1581 erbaut) und (90) 14,411 ment 
evangeliſche Einwohner. Die Indujtrie erjtredt fid 
auf Eiſen- und WetallgieReret, Fabrifation von 
Handiduben, Leder und Schuhwaren, Feuerſpritzen, 
Gummiwaren, Fleiſcherei- und Schuhmacherartikeln, 
Pavier, Wäſche, Brückenwagen, Geldſchränken ꝛc. Han 
delsmüllerei, Mineralmühlen, Bierbrauerei, Kunſt 
und Handelsqarineret rc. In der Nähe beſinden ſich 
reiche Steinſalzlager (Satine Arnshall) mit Solbad. 
A. tit Sitz eines Landratsamts, eines Auilsgerichts und 
hat cin Gymnaſium und eine Realſchule. In derUm 
gebung ſind der ſchöne Schloßgarten, der Fürſtenberg, 
die Eremitage, dte Alteburg (mit Dent 1902 eröffneten 
Kaiſerturm) und die Reſte derKäfernburg bemerfens 
wert. — Auf dem Reichstag zu VW. 954 unterwarfen 
jid) Die aufſtändiſchen Herzöge Ludolf und Nonrad 
dem König Otto 1. Spiiter gehörte W., das 1266 
Stadtredt erbielt, teils yur Abtei Hersfeld, teils den 


Wappen von Arn— 
ftadt. 


Wrafen von Käfernburg, bis es 1306 durch Kauf an 


nau der Preußiſchen Staatsbahn, 


burg, 5 Kirchen (4 evangeliſche 


Arnsberger Wald — Arnulf. 


die Grafen von Schwarzburg fam, die bis 1716 bier 
refidierten. A. ijt merfiwiirdiq als Wohnort J. S. 
Bachs (f.d.), des Schriftitellers YW. Wleris (W. Haring), 
Der 1871 in A. ſtarb (Denfmal), und der Roman: 
ſchriftſtellerin E. Marlitt (CE. John). Bal. Hejfe, 
Arnſtadts Vorzeit und Gegenwart (Yirnjt. 1842); 
W. Uleris, W., etn Bild aus Thiiringen (1851); 
Glidner, Solbad A. (Arnſt. 1883); —— 
Beiträge zur Heimatkunde von A.« (daſ. 1901 Ff.). 
Arnſtein, Stadt im bayr. Regbez. Unterfranlen. 
Bezirksamt Karlſtadt, an der Wern und der Staau 
bahnlinie Schweinfurt-Gemiinden, bat 2fath. Kirchen. 
eine Synagoge, cine Präparandenſchule, ein Amts 
gericht, Bierbrauerei, Weinbau, Handel mut Getreide, 
Sieh, Hols 2c. und (1900) 1745 meiſt fath. Einwohner. 
Arnftorf, Fleden im bayr. Reqbes. Riederbayern, 
Bezirfsamt Eggenfelden, an der Qotatbabn Landau 
a. aN. hat 3 fath. Rirden, 2 Schlöſſer, emt Bhnts- 
gericht, Viehzucht und (1900) 1415 Einw. 
Arnswalde, sreisjtadt im preuß. Regbez. Frant. 
furt, zwiſchen drei Seen, Rnotenpunft der Staats- 
babniinien Bojen-Stargard und Rallies-W. und 
der Eiſenbahn Glaſow-A., hat eine gotiſche evang. 
Rirde, eine Synagoge, eine woblerhaltene Stadt- 
mauer, Amtsgericht, die Diveftion der Neumärkiſchen 
Landfeuerſozietät, Cifengieherei, Wafdinen- und 
Viirjtenfabritation, Wollſpinnerei, Dampfſaͤgemühle 
und (1900) 8665 meiſt evang. Einwohner. — A. wird 
juerjt 1269 urkundlich erwähnt. Am 12. Jan. 1807 
wurde in A. der franzöſiſche General Victor gefangen 
und ſpãter gegen den gefangenen Blücher ausgeliefert. 
Arnulf, 1) rim. Kaiſer, natiirlider Sohn des oft 
fränkiſchen Ronigs Rarlmann, geboren zwiſchen 845 
bis 853, gejt. 899, erbte nad femmes Vaters Tode (880) 
Pannonien und Kärnten und wurde nad Karls ded 
Dicken Abſetzung (887) König von Ojtfranfen. Er 
ſchlug 891 die Rormannen bet Lowen an der Dyle 
Vom Papſt Formoſus gegen Guido von Spoleto, der 
nad) der Kaiſerwürde tradhtete, zu Hilfe qerufen, machte 
er 894 einen Sug nad Stalien, mußte jedoch infolae 
des Ubfalls der Großen in Piacenza umfebren. Seine 
Macht blie auf Bayern, Franfen und Schwaben be 
ſchränkt. Weniger gliiclid) waren feine Sriege gegen 
Swatopluf von Maͤhren (892—93). 895 aber von 
neuem in Stalien, benutzte er die Streitigfeiten zwi— 
ſchen Dem Herjoq Berengar von Friaul, der fic) zum 
König von Stalten aujgeworfen, und Guidos Sogn 
Lambert um die Kaiſerwürde fo geſchickt, daß ihn For: 
moſus 22. Febr. 896 in Rom, das er im Sturm ge 
nommen hatte, gum Kaiſer krönte. Er wurde in St. 
Enuneran in Regensburg, ſeiner gewöhnlichen Refit: 
denz, beqraben. Dom folgte als König fem Sohn 
Ludwig das Rind (jf. d.). Bon einer Beijdlaferin, 
Holenrada, hatte A. zwei Sohne: der eine, Awenti- 
bold, ward 895 König von Lothringen, der andre, 
Ratold, wird als Ahnherr der Grafen von Weran 
angefehen. Bgl. Dümmler, Gefdichte des oftfrink- 
ſchen Reiches, Wd. 2 (2. Wufl., Berl. 1888). 

2) Bifcdhof von Mes, Ahnherr der Urnulfinger 
und Rarolinger (ſ. d.), geb. um 582, get. 16. Yug. 641, 
unter Theudebert I. auſtraſiſcher Ralaftaufieber, trat 
in Den qeijtliden Stand und wurde 612 Biſchof von 
Mek. Mit dent Majordomus Pippin von Landen, 
deffen Todter Begga an Unfegifel, Arnulfs ehelichen. 
vor Eintritt in den geijtliden Stand erzeugten Sobn, 
verheiratet war, gemeinfam war er als Ratgeber der 

Merowingerlönige Chlotar IT. und Dagobert L ein 
flußreich. 627 leqte er fein Bistum nieder und zog 
jid) nad) Horenberg im Wasgau zurück. Wrnulfs 











Arnulfi — Aromatiſche Mittel. 


807 


Leichnam wurde 642 in der ſeitdem Wrnulfstirde ge- | Sarnau der Preußiſchen Staatsbahn, 272 m ii. M., 


nannten Upoftelfirde in Megs beigeſetzt. 


3) Herzog von Bayern, Sohn de3 Markgrafen 


Luitpold, der 907 gegen die Magyaren fiel, ſchlug 
dieſe 913 am Inn und madte fich gum Herzog. Ge- 
gen Konrad I. wabrte er feine Selbjtindighett; Hein. 
richs I. fonigliche Oberhoheit ertannte er zwar 921 in 
einem Bertrag an, bebielt ſich aber widtige Hobeits- 
redte, auch die Beſetzung der VBistiimer, vor. Er ftarb 
14. Juli 937 in Regensburg. — Sein Sohn Eber- 
hard verlor im Kampf gegen Otto J. 938 das Her- 
zogtum, das 945 Dem Gemahl feiner Todter Judith, 
Heinrich, verliehen wurde. 

4) Pring von Bayern, geb. 6. Juli 1852 in 
Miinden, dritter Sohn des Pring-Regenten Luitpold, 
tratin das bayriſche Jnfanterieleibregiment ein, wurde 


rajd dejfen Nonmandeur, dann Brigadefonunandeur | 


im 1. Urmecforps, Kommandeur der 1. Divijion, 1892 
General der Infanterie und Kommandeur ded 1. bay: 
rijden Armeekorps; er ijt Inhaber de3 bayrifden 
12. Jnfanteriereqiment3 Bring A., Chef de3 preupi- 
iden Infanterieregiments Nr. 52 und Oberjtinhaber 


deS k. u. £. — — Nr. 80. Er iſt ſeit 


12. April 1882 mit der Prinzeſſin Thereſia von und 


zu Liechtenſtein (qeb. 28. Juli 1850) vermählt; ſein ein⸗ 


ziger Sohn, Bring Heinrich, ijt 24. Juni 1884 geboren. 

Arnulfi, Ulberto, piemont. Dialeftdidter, geb. 
13. Juli 1849 in Turin, gejt. 27. März 1888 in Rom; 
verfaßte: »Maciette turineises, cine Sanunlung fa- 
tiriſcher Gonette (unter dem anagramunatijden Pſeu⸗ 
donym Fulberto Alarni, Tur. 1879), und das 
Lujtipiel »Drolarie« (abgedruct mit den »Sonetti e 
poesie in vernacolo piemontese« , Tur. 1889). Jn 
Gemeinſchaft mit Eraldo Baretti (f.d.) dichtete A. das 
politifdje Tendenzdrama »I Duchi di Nemi« (1887). 

Arnus, Fluß, ſ. Arno. 

Aroa, Städtichen der ſüdamerikan. Republik Vene— 
zuela, im fruchtbaren Aroatal, mit dem Hafen Tuca— 
cas durch Eiſenbahn verbunden, unter 10° 80‘ nördl. 
Br., hat in der nahen Sierra de A. reiche Kupferberg— 
wertfe, Die 1886 — 88: 72,6 Will. ke Kupfer lieferten. 

Aroania, antifer Name de3 2355 m hohen, heute 
Chelmos genannten Gebirges im ndrdliden Arka— 

Arogi, ranntwein aus Datteln. ldien. 

Aroideen, ſ. Arazeen. 

rokſzaͤllaͤs (ivr. arotßalaſch, Stadt im ungar. Ko— 
mitat Jaͤsz⸗ Nagy Kun⸗Szolnok, am Cfirjjarfa Kanal, 
mit {diner Fath. Kirche und (1901) 12,067 magyar. 
Cinwobhnern. 

Arolas, Juan, jpan. Didter, geb. 22. Juni 1805 
in Barcelona, gejt. 25. Rov. 1849, trat in Valencia, 
wo er feit 1814 lebte, in Den Orden der Piarijten, war 
1825 —42 dajelbjt als Gymnaſiallehrer feines Or— 
dens tätig, erfranfte 1844 an einem ſchweren Gehirn— 


leiden, das ſpäter in völligen Wahnſinn itberging. | 


Seine Gedichte, meijt erotiſchen Inhalts, zeichnen fid 
durch ſchöne Form und glänzende Bhantajie aus; 
auch in der lyriſch⸗ epiſchen Romanze leijtete er Bor- 


zügliches. Ausgaben feiner poetiſchen Werke in3 Bain: | 


Den erfdienen in Valencia 1860 und 1867 ; neuerdings 
alg »Poesias religiosas, orientales, caballerescas 
y amatorias« (1879, 1883 u. 1890) und » Poesias va- 
rias« (1895). Bgl. Lomba y Pedraja, El P. Aro- 
las, su Vida y sus versos (1898). 

Arole (pr. arow), frang. Name ded Fluſſes Uare (j.d.). 

Arolla, Gletider und Tal, f. Colon. 

Arolsbeere, ſ. Sorbus. 

Arolfen, Haupt> und Reſidenzſtadt de3 Filrjten- 
tums Walded, an der Aar und der Linie Warburg- 








| 





ijt Sig der oberjten Landesbehirden, hat eine evan: 
—— und cine fath. Kirche, Realprogymnaſium, 

{nttSgeridjt und (veo) mit der Garnifon (ein Bat. 
Infanterie Nr. 83) 2734 Einw. 
In dem Schloß (1710 — 20 er- 
baut) bejinden ſich eine Biblio- 
thef mit Manujfripten, cin Kup⸗ 
ferſtichkabinett, pompejaniſche 
Altertümer und eine Gemälde— 
ſammlung. A. ijt Geburtsort 
des Bildhauers Rauch, dem 
hier ein Denkmal errichtet iſt, 
und von dem ſich drei Marmor⸗ 
ſtatuetten in der Stadtkirche be- 
jimden, ferner der Maler W. 
und F. Kaulbach. 

Aroma (lat.), die flüchtige Subſtanz, die Vege 
tabilien und aus dieſen bereiteten Braparaten den ge: 
wiirgigen, aromatiſchen Geruch erteilt, meiſt ein athe- 
riſches OL, bisweilen Cumarin (Waldmeifter) oder 
ein zuſammengeſetzter ather (Wein). — A., Aro— 
matikum, Würzmittel, Gewürz; aromatiſieren, 
aromatiſch machen. 

Aromatiſche Körper (aromatiſche Verbin— 
dungen), kohlenſtoffreiche und waſſerſtoffarme Ver— 
bindungen, von denen viele durch aromatiſchen Ge— 
ruch ausgezeichnet find. Zahlreiche a. K. finden ſich 
im Körper der Pflanzen und Tiere, andre entſtehen 
bei der trocknen Deſtillation organiſcher Subſtanzen. 
Die aromatiſchen Körper leiten ſich nach Kekules Ben— 
joltheorie von dem Kohlenwaſſerſtoff-Benzol C,H, 
ab und enthalten aljo mindeftens 6Stoblenitotfatomes 
Refulé gab dem Benjol nebenjtehende 





Wappen von 
Mrolfen 


Formel, im der Die 6 Utome ded vier- H 
wertigen Kohlenjtoffs ringfirmig (Ben- 7es 
jolrtirg) verbunden find. JndemBen- HCs «CH 
jol, dem einfachſten aromatiſchen Aörper. | 
fonnen H-Ytome erfest werden dDurd) HCs sCH 
Halogene (Chlor-, Brom-, Jodbenjole), Sé4 
durch Nitrogruppen NO, (Mitrobengole), H 


durd) YWmidogruppen NH, (Umidoben- 
zole), durch Hydrorylqruppen OH (‘PBhenole), durd 
Rarborylgruppen COOH (Säuren), durch Aldehyd— 
ruppen CHO (Aldehyde), durch CH,.OH (Alkohole)ꝛc. 
Werden 2 Atome H im Benzol erſetzt, fo können drei 
iſomere Verbindungen entſtehen, je nach den Stel— 
lungen der beiden erſetzten Atome. Zählt man die 
C-YUtome, wie die Zahlen in obiger Formel angeben, 
fo entiteht Durd Vertretung des Waſſerſtoffes an 1 
und 2 eine Orthboverbindung, durch Bertretung 
des Wafferitoffs an 1 und 3 cine Metaverbindung 
und durd) Vertretung des Waſſerſtoffs an 1 und 4 
eine Baraverbindung. Bei den Derivaten, die 
auf ſolche Weiſe entitehen, ijt swifden dem Benzol— 
fern, d. §. der Utomgruppe von 6 ringfdrmig mit: 
cinanbder verbundenen Robhlenjtoffatomen, und den 
Seitentetten gu unterſcheiden. Erſterer ijt fehr be- 
ſtändig und bteitt z. B. bei Orydationen unverandert, 
wihrend fic) die Seitenfetten in Rarborylqruppen ver- 
wandeln. Das Studium der aromatifden Körper hat 
in Den letzten Jahrzehnten cinen grofen Teil der Che- 
miler beſchäftigt und ijt von bedeutendem Einfluß auj 
die Technik gewefen. Val. Refulé, Chemie der Ven: 
jolderivate (Erlang. 1867); Ladenburg, Theorie 
der aromatifden Verbindungen (Braunſchw. 1876). 
Aromatijde Krauter, ſ. Aromatiſche Mitte. 

Aromatiſche Mittel, würzige, cin ätheriſches 
Ol enthaltende Arzneimittel, welche die Abſonderung 


808 


von Speidel und Magenfaft fowie die Magen- und 
Darurbewequng befordern und dabher bei Verdauungs- 
jtdrungen angewendet werden. Auch wirfen fie er- 
regend auf das Blut- und Nervenfyjtem. Am wid- 
ligjten find: Kalmus, Ingwer, Bibernelle, Zimt, 
Hinttfaffie, Lorbeer, Muskatnuß, Rardamomen, Pfef— 
fer, Piment, Gewiirznelfen, Vanille, Safran. Aro— 
matiſche Wäſſer (Kinderbalſam), alkoholhal— 
tiges Deſtillat über Salbei, Rosmarin, Lavendel, Fen- 
chel, Pfefferminze, Zimt; aromatiſche Kräuter, 
re py aus Pfefferminze, Thymian, Quendel, La- 
vendel, Gewürznelken, Rubeben, zu Badern und Ba- 
hungen; aromatifdes Pulver, aus Sint, Rar 
damomen, Jngwer, aromatifde Tinktur, wein- 
geijtiger Auszug aus Zimt, Ingwer, Galgantwurzel, 
Mewiirgnelfen, Kardamomen. 

Aromatifder Eſſig, ſ. Effige, aromatiſche. 

Aromatiſcher Spiritus, |. Karmelitergeiſt. 

Aromatiſche Verbindungen, ſ. Aromatiſche 
Körper. 

Aromia, ſ. Bockkäfer. 

Aromunen (Zinzaren), ſ. Rumänen. 

Aron, Pflanze, ſ. Arum. 

Arona, Stadt in der ital. Provinz Novara, an der 
Siidjpipe des Lago Maggiore, Endpuntt der Cifen- 
babniinien von Novara und Seſto Calende undDampf 
ſchiffſtation, hat cine Hauptfirde (mit ſchönen Ge- 
malden), Theater, Baumwollſpinnerei, Ralfbrennerei, 
Schiffswerft und (1901) 4700 Einw. — A. ijt Geburts- 


ort ded Heil. Carlo Borromeo, dem auf einer Anhöhe 


nidrdlid) der Stadt 1697 cin 22 m hohes Erzſtandbild 
crridtet ward. 

Arongewade, {. Arazeen. 

Aronia, ſ. Amelanchier. 

Arons, Leon, Phyfiter, geb. 15. Febr. 1860 in 
Berlin, jtudierte dajelbjt und in Straßburg, wurde 
Uffijtent von Kundt und fam als folder 1888 nad 
Berlin, wo er fid) 1889 als Privatdojzent an der Uni- 
verſitãt habilitierte. Als A. auf Vorſchlag der philo- 
fophifden Fakultät jum Profeſſor ernannt werden 
follte, lehnte die Unterrichtsverwaltung dies ab, und 
naddem cin Geſetz über die Privatdozenten erlajjen 
worden war, wurde YW. von der Univerſität entfernt, 
weil ev fic) sur Sozialdemofratic befannte. A. arbei- 
tete iiber Interferenzſtreifen im Speltrum, über Ber- 
dünnungswärme und Wairmefapajitit von Salz— 
ldfungen im Hinblic auf dad Energiegeſetz, über Meſ— 
fung der eleftromotorifden Gegenfraft im elektriſchen 
Lidtbogen, über die Cleftrizitatsfonjtanten leiten: 
der Flüſſigleiten, über die Fortpflanzungsgeſchwindig— 
feit elektriſcher Wellen in iſolierenden Flüſſigleiten 
und in einigen feſten Iſolatoren. Eingehende Vebeit 
wandte A. auf die Erforſchung des eleftrijden Licht 
bogens, aud) eriveiterte er die Kenntnis des Kohärers 
durch mifroffopifde Beobachtung. 

Aronsſtab(Aronswurz, Aronsſtärke), ſArum. 

Arope, ſ. Malagawein. 


Aröſa, neu entſtandener, im Sommer und Winter 


ſehr beſuchter Luftkurort in Graubünden, im Quell— 
gebiete der Pleſſur (Aroſerwaſſertal), 1892 m it. M., 
in geſchützter Lage, mit zahlreichen Hotels und (i900) 
1097 Cinw. Meteorologiſche Station. Bal. »Curo- 
padifde Wanderbilder«, Heft 225/226 (Biir. 1894). 
Aronet, Familienname von Voltaire (f. d.) 

_ Arowafen (Arawak, Aruak,»Mehlleute«, weil 
jie Die Tapiofabereitung erfanden), Vollsſtamm in 
Guayana, der frither den ganjen Küſtenſtrich zwiſchen 
dem Umajzonenjtrom und Golf von Paria fowie dic 
benadhbarten Inſeln bewohnte, aber durch die Kariben 


Aromatijdher Eſſig — Wrpino. 


qrijstentetls vernidjtet wurde. Wad) ihm benannte 
v. d. Steinen die grofe Gruppe der Nu-Arual oder 
WMaipure (f.d.), die von der Amajzonasmiindung nad 
Norden bis yur Halbinfel Goajira und ſüdlich bis 
jum obern Paraguay verbreitet ijt. Bgl. Sdom- 
burgk, Reifen in Britijh-Guiana 1840-1844 (mt 
Granmiatif von Quandt, Leip3. 1847—48, 3 Bde.); 
von den Steinen, Unter den Raturvilfern Jen: 
tralbrajiliens (Berl. 1893). 

Arpaͤd, erjter Großfürſt der Magyaren, Sobn des 
Stammeshäuptlings Ulmos (um 890— 907), begrün— 
dete dic Urpadifde Dynaſtie, die zunächſt als 
Großfürſten, von Stephan dem Heiligen (1001) an 
als —— ungariſchen Thron innehatte und mit 

Andreas IT. (geſt. 14. Jan. 1301) in der männlichen 
Linie erlofd. 4 war von den Magyaren zum Haupt 
erwählt worden, als ſie das Land zwiſchen Sereih und 
Dnjepr bewohnten; unter thm eroberten die Ungarn 
ihre neue Heimat. Seine teilweije ſagenhaften Taten 
wurden vielfad) in Kunſt und Poeſie der Ungarn ver⸗ 
Herrlict; als dem »Landeseroberere wurden thm auf 
| der Inſel Cfepel, bei Racateve, auf dem Thebner Burg- 
j berg und amt Czenk (Nronjtadt) Denfmaler gefest. 
Arpeggio (jpr. <odfa0, Arpeggiato, ital., von arpa, 
»Harfe«), mujifal. Bezeichnung, die andeutet, daß 
die Tone eines Uffords nidt gleichzeitig, fondern wie 
auf der Harfe nadeinander gebradt (qebrodyen) wer- 
den follen. Das A. wird entweder durch die wortlicde 
Vorſchrift (auch abgekürzt arp.) oder durch folgende 
Zeichen gefordert: 








* == — — 
caren sere = 


Früher unterjdied man befondere Heiden fiir das A. 
von unten (a) und das von oben (b), heute muß das 
A. von oben durd) fleine Noten (c) angedeutet werden. 


— — = = 
bag es ap 


Die gewöhnliche Ausführung des A. ijt einmalige 
fdnelle Folge der Tine der Reihe nad, einſetzend unt 
Dem Akzent; friiher war. es jedod) üblich, ſich des 
Zeichens des A. als Ubfiirjung fiir allerlei Wfford- 
bredjungen gu bedienen, die natiirlid) vorher einmal 
ausgeſchrieben fein muften. 

Arpeggione (ital., fpr. arpeddfgine, Guitarre- 
Violoncell), cin 1823 von G. Staufer in Wien er 
bautes, jebt vergefjenes, der Gambe ähnliches Streid- 
injtrument, fiir Das Fran3 Schubert cine Sonate ge: 
ſchrieben und V. Schujter cine Schule herausgegeben 
hat. Die feds Saiten waren geſtimmt in EAdghe’. 

Arpent (pr. pang), altfranz. Feldmaß von 100 per- 
ches carrées , hauptſächlich: A. de Paris — 34,199 Vir; 
A. d'ordonnance oder légal — 51,072 Wr fiir Staats 

liter; A. commun == 42,208 Ur fiir viele Provinzen 
In der Schweiz foviel wie Judart. 
| Arpi, altital. Handelsitadt in der apuliſchen Ebene, 
im N. der Heutigen Stadt Foggia, gehörte gu den 
alteiten Städten ——— infolge des Anſchluſſes an 
Hannibal verlor es, nachdem es von Fabius Cuncta- 
tor wieder eingenommen war, ſeine Bedeutung; nur 
geringe Ruinen zeigen nod) feine Lage an. 
Arpicordo (ital.), wie das englijde harpsicord 
foviel wie Klavizimbal (f. Klavier). 
Arpino (das alte Arpinum), Stadt in der ital. 
Proving Caferta, Kreis Sora, an der Eiſenbahn Roc. 
cajecca-Baljorano, hat Tuchfabrifation und (ee) 





Arpino — Arrangement. 


10,607 Einw. — Y., berühmt al3 Baterjtadt de3 Ma- 
riud und Cicero (deren Biijten den Palazzo del Com- 
mune gieren), gehörte urſprünglich den Volsfern, dann 
den Sammiten, denen es die Rimer entrijjen. Nod 
heute erinnern Rejte der alten fyflopifden Mauer, 
cin 6 m breites fyflopijdes Tor und das fogen. Grab- 
mal des Saturn an die alte Stadt. 

Arpino, il Cavaliere d', cigentlid Giuseppe 
Cefari, genannt A., ital. Maler, geb. um 1568 in 
Arpino, gejt. 3. Juli 1640 in Rom, fant mit 13 Jah 
ren nad) Rom und rieb hier zuerſt fiir die im Vatikan 
beſchäftigten Maler Farben. Er fah ihnen ihre Pra: 
rid ab und entwickelte feine Fähigleiten fo ſchnell, dah 
er bald als der erjte Maler Roms galt und von Cle 
mens VIII. gum Ritter und Direltor von San Gio 
vanni in Laterano erhoben wurde. Wit dem Auf— 
treten der Carracci und des Caravaggio ſchlug jedod) 
Die römiſche Schule, die er völlig beherrſcht hatte, 
andre Bahnen ein. A. war ein iiberaus gewandter, 
mit lebbafter Bhantafie beqabter Künſtler; feine Ar— 
beiten find mit Feuer entworfen und von angenehmem 


Kolorit, aber nur fliidtig durdgebildet. Sein Haupt: | 


werl find die Fresfen aus der römiſchen Gejdidte 
im Gaal der Ronjervatoren auf dem Rapitol. 
Arqua Petrarca, Dorf in der ital. Proving Ka: 
dua, Kreis Monfelice, am Fuß der Euganeiſchen Hiigel, 
mit Thermalquellen und (1901) 573 Einw., beriihmt 
alg Uufenthalts- und Sterbeort Petrarcas, dejjen 
Haus mit Reliquien de3 Didhters nod) gezeigt wird; 
fein Grabmal ijt vor der Rirdye. 
Arquebuse, ſ. Arlebuſe; A. à croc, Halenbüchſe. 
Arquerit, Mineral, ſ. Silberamalgam. 
Arques -la- Bataille (pr. artAa⸗batar), Stadt im 
franz. Depart. Riederjeine, Urrond. Dieppe, an der 
Weſtbahn, mit Sdhlokruinen und (1901) 1082 Einw. 
— Am 21. Sept. 1589 Sieg Heinrichs IV. iiber den 
Liquijtenfiihrer Herzog von Mayenne. 
rrabida, Gebirge und Wallfabrtsort, |. Setubal. 
Arrabona, antifer Name der Stadt Raab (j. d.). 
Arracacia Bancr. (Aracacha, Urratat} da), 
Gattung der Umbelliferen, kräftige Stauden nuit Mol- 
liger Wurzel, dreifad) gejiederten oder fiederſchnit— 
tigen Blättern, großen vielſtrahligen Dolden mit bis— 
weilen purpurnen Bliiten und zweiſchnäbelig zu 
eſpitzten Früchten. Etwa 20 wejtlid amerilaniſche 
rten, beſonders in den mexilaniſchen Hochländern. 
A. xanthorhiza Baner. (A. esculenta DC.), in den 


Unden um Santa Fé de Bogota, wird dort, wie einige | 


verwandte Arten im andinen Gebiete des tropifden 
Umterifa, wegen der nahrhaften und wohlſchmeckenden 
Wurzeln angebaut. Unter dem Namen A. verſteht 
man im ndrdliden Sildamerifa aud andre Pflanzen 
mit geniefbaren Wurzeln, 3. B. zwei Oxalis-Urten 
(A. del Pern) und fälſchlich aud die Maniokwurzel. 

Arrah, Hauptort des Dijtrifts Schahabad (Divi 
fion Ratna) in der britiſch ind. Broving Bengalen, an 
der Eaft-Qndia-Cijenbahn und dem mit Dampfern 
befabrenen YUrrabfanal, mit (891) 46,905 Cinw., dar- 
unter etwa */4 Oindu und Mohammedaner. — 
Hier verteidigten fid) wenige Englinder gegen zahl 
reidye Sepoys 27. Juli bis 3, Mug. 1857. 

Arrak (Kal), in Ojtindien jedes gegorne Getränk, 
in Ägypten (Wrali) ein alfoholijdhes Getränk aus 








Palmenfaft, in Turfijtan Branntwein aus Gerijte | 
und Hirſe oder Friidhten, in Perſien foldher aus Ro- | verfehr müſſen die durch Vermittler »per A.« ge: 
jinen, in Schiraz Dattelbranntwein x. Das alfoho- ſchloſſenen Gejdafte dem von dem dortiqen Wiro- und 
liſche Getränk, das in Europa U. qenannt wird, ſtammt Kaſſenverein erridteter Urrangementsbureau 
aus Java, Malabar, Ceylon und Siam. über die | iibertragen werden; hier erfolgt das U. nach den fogen. 
Darjtellung, die in den Händen von Chinefen liegt, | Urrangementsbogen, auf denen Käufe und Verfaufe 


809 


ijt Zuverläſſiges kaum befannt. Auf Ceylon gewinnt 
man aus gequetidten und angefdnittenen Bliiten- 
folben der Rofospaline den Toddy, den man garen 
läßt und dann deſtilliert. Aus Dem zuerſt erbaltenen 
Lutter erhilt man durch Reftififation UW. Auf Java 
bereitet man A. aus Reis mit Melaſſe und Toddy, 
aber aud) aus Reis allein, und in diefem Fall erfordert 
die Heritellung des Reismalzes beſondere Sorgfalt. 
Mande woh! meiſt am Erzeugungsort ſelbſt genoſſene 
Sorten von A. erhalten nod) Zuſätze, welche die be— 
tãubende Kraft des Getranks erhöhen, z. B. den Saft 
von Hanf und einer Stechapfelart. Der Alkoholgehalt 
der Handelsware ijt durdidnittlid 58—60 Volum⸗ 
progent. A. färbt fid) durch Lagerung in Eichenfäſſern 
qelblic), wird aber fiir Den deutſchen Markt mit Kno— 
chenfoble entfarbt. Am beliebtejten und verbreitetiten 
ijt in Europa der A. aus Batavia, neben demfelben 
tommen die fogen. Riijtenarrafs (Cheribon u. a.) vor, 
bie von den Bucterfabrifen erzeugt werden. Unter 
®oa-VU. verjteht der deutſche Handel cine gelblide oder 
sr Sorte, dod) fcheint aus Goa gar fein UW. nad 

utidland zu fommen. Hauptfonjument des Ar—⸗ 
rafg in Europa ijt Sdweden, wo er zur Herjtellung 
des ſchwediſchen Punſches benugt wird. Edter A. 
beſitzt ein charakteriſtiſches feines, durchdringendes 
Aroma, er wird aber ganz allgemein mit Spiritus 
und Waſſer geſtreckt, auch wird Pe viel A. aus Spi: 
ritug mit Sjohannisérot, ee Banille, Reroli- 
il, Uthern rc. hergeitellt. Edjter W. enthalt ſehr wenig 
Fuſelöl, Ertraft und Aſche. Die Echtheit einer Urrak- 
probe ijt durch chemiſche Unalyfe nicht ficher feſtzu— 
jtellen. Uber die Giite cines Urrals enticheidet die 
—— Bunge eines Sachverſtändigen. Bgl. Sell, 

ber Rognaf, Rum und YW. (Berl. 1891). 

Arrakan, |. Arakan. 

Arrakatſcha, ſ. Arracacia. 

Arran (pr. acven), Inſel im Firth of Clyde, zu 
Buteſhire (Schottland) gehörig, 430 qkm (7,5 OW) 
qrof mit (1891) 4824 Einw., von denen die Halfte nod 
qalifd ſpricht, ijt namentlid im N., wo der Goatfell 
(Gaedhidein oder Windberg) zu 876 m anjteigt, fehr 
gebirgig. Im N. herriden Granit und Glimmer— 
chiefer, im S. von Baſalt und Porphyr durdhbrodene 
Sandjteine vor, und die ganze Inſel ijt reich an male— 
riſchen Bartien, Wafferfallen xc. Die Bewohner trei- 
ben Viehzucht, Uderbau, Fiſchfang. An der Oſtküſte 
liegen Brodick, mit altem Schloß, Sitz des Herzogs 
von Hamilton, und Lamlaſh, am großen, durch Holy 
Island geſchützten Hafen; an der Wejtfiijte mündet, 
ſüdlich vom Baſaltvorgebirge Druimodune, das frucht— 
bare Tälchen von Shiskan. Der Sage nach ijt A. 
lester Unfenthaltsort Offians; aud) findet man viele 
Rejte aus der Heit der Druiden. 

Arran, Grafen von, f. Hamilton; feit 1762 
aud) Grafentitel der irijden Familie Gore. 

Arrangement (franj., fpr. angich mang), WUnord- 
nung, Einridtung; Abfindung, Vergleich, gütliche 
Übereinkunft. Blumen-A., Blumengewinde, Blu— 
menforb. — In der Muſit heißt UW. insbeſ. die Be— 
arbeitung eines Tonſtücks für andre Inſtrumente, 
als der Komponiſt es geſchrieben (z. B. der Klavier— 
auszug eines Orcheſterwerls oder umgefehrt die Be— 
arbeitung eines Klavierwerkes fiir Orcheſter u. dal.); 
Rechtliches vgl. Adaption. — Yim Wiener Börſen— 


810 


Arraninſeln — 


Arreſt. 


einander gegenübergeſtellt werden, es iſt alſo eine Seeland, ſeit 1618 Biſchof von Drontheim, wegen an— 


Art Clearing- house fiir Effekten. 

Arraniuſeln, ſ. Araninſeln. 

Arraroba, ſ. Chryſarobin. 

Arrasð (jor. arr oder arraf), Haupiſtadt des franz. 
Depart. Pas-de-Calais, 67 m it. M., an der ſchiffbaren 
Searpe (Nebenfluß dev Schelde), Rnotenpunft an der 
Nordbahn, ijt Feſtung erſten Ranges und regelmäßig, 
bereits in flämiſchen Charafter qebaut. Unter den 
Bauwerken find die neue Rathedrale, die ehemalige 
Benedittinerabtei St. Waaſt und das Rathaus mit 
ſchönem Turm hervorzuheben. A. zählt 901) 25,552 
Einw. Die Induſtrie erſtreckt ſich auf Fabrikation von 
Spitzen, Strumpfwaren, Rübenzucker, landwirtſchaft— 
lichen Maſchinen und auf Bierbrauerei. Der Han— 
Del mit Getreide und Ol ijt anſehnlich. A. iſt Biſchofs— 
fis, hat ein Handelsgericht, ein College, cine Normal: 
ſchule, eine Bibliothef (50,000 Bande) und cin Mu— 
feum. — YL, Die Hauptitadt de feltijden Volkes der 
Ytrebaten, bie Nemetocenna (Nemetacum), {pater 
Atrebatae und ward 407 von den Bandalen 3er- 
jtirt. In der Folge Hauptitadt der Grafſchaft Urtois, 
fam es mit Diefer an Burgund. Hier wurde 4. Sept. 
1414 der Friede zwiſchen Burgundern u. Urmagnacs, 
im Oftober 1419 das Bündnis zwiſchen Konig Hein- 
rid) VI. von England und Herzog ‘Philipp dem Guten 
von Burgund und endlid) 21. Sept. 1435 der Friede 
zwiſchen Dem letztern Fürſten und Rarl VIL. von 
Frankreich, aud) 23. Dex. 1482 der Friede awiiden 
Ludwig XI. und den niederlindijden Standen ge: 
ſchloſſen, in Dem YW. an Frantreid) abgetreten ward. 
1493 fiel jedoch Die Stadt wieder an Ojterreid) und 
blicb im deſſen Beſitz bis 1640, wo die Franjofen A. 
eroberten. Yin 6. Jan. 1579 batten bier die belgiſchen 
Provinzen Urtois, Hennegau und Welfdflandern 
einen Bund zur Verteidiqung der fatholijden Lehre 
geſchloſſen, aus dem die Trennung der ſüdlichen Nie— 
derlande von den nördlichen hervorging. Im Pyre— 
näiſchen Frieden 1659 blieb A. bet Frankreich und 
wurde unter Ludwig XIV. von Vauban als Feſtung 
ausgebaut. UW. ijt der Geburtsort der Brüder Robes: 
pierre. Val. Lecesne, Histoire d'A. jusqu'en 1789 
(Arras 1880, 2 Bde.); Derjelbe, A. sous la Révolu- 
tion (daſ. 1882-—83, 3 Bde.). 


und Silbererze amalgqamiert werden. 
Arratel (Libra A.; Blural: Urrateis), Handels: 


gewidt bis 1868 in Bortugal, bis 1873 in Brajilien | 
zu 16 Oncas — 458,976 g¢; in Goa — Ve Dora, auf | 


Madeira frither 458,55 g. Für Arzneien 12 Oncas. 
Arrazzi (Arazzi, ital.), nach Kartons beriihmter 
Mater zu Arras in Flandern, ſpäter aud) in Brüſſel 
und Gent qewebte Teppiche, befonders die zehn nach 
Raffaels Zeichnungen mit Szenen aus der Upojtel 
eſchichte in farbigen(feidenen, wollenen) und goldenen 
Fäden 1515 —19 von Peter van Welft in Brüſſel fiir 
Die Sirtintiche Kapelle gewebten Teppide (jest im 


Vatifan). Ein zweites Exemplar diefer A. befindet fid | 


im Berliner Muſeum (9 Nununern), ein drittes im 
foniglichen Balajt zu Wadrid. Die fechs in der Dres 
dener Galerie befimdlicen find im 17. Jabrb., wabhr- 


ſcheinlich in England, angefertigqt worden. Bal. van) 


DPrival, Les tapisseries d’Arras (Arras 1864); 
Guiffrey, Miing und Pinchart, Histoire géné- 
rale de la tapisserie (Bar. 1878 85); Mitng, La 
tapisserie (Daj. 1883, mit 105 Tafeln); Farabulini, 
L'arte degli arazzi (Rom 1884). 

Arrebo, Unders, din. Dichter, geb. 1587 in 
Aröstjöbing auf Ärd, geft. 1637 in Bordingborg auf 


ſtößigen LebenSwandels 1622 abgeiept, ſpäter Bre 
diger in Bordingborg. Er führte in der überſetzung 
von Davids Pſalmen den gereimten Herameter und 
in Dem Schdpfungsgedidt »Heracmeron« (Nabil 
dung eines Gedichtes des Franzoſen Du Bartas) den 
YWlerandriner ein und wird daher »Bater der dam 
ſchen Didhttunft« genannt. Seine Biographie ſchrieb 
Rirdam (Sopens. 1857, 2 Bde.). 

Arrebol (portug., meift in der Mehrzahl: Arre— 
böes), Farbenſpiel bei Sonnenaufgang um brafilt- 
iden Urwald. 

Arrecifes, Dijtrittshauptort der argentin. Pro— 
ving Buenos Wires, am Fluß W., Nebenfluß des 
Parand, an der Bahn Lujan - Kergamino, in frucht⸗ 
barer Landſchaft, mit (see) 3100 Einw. 

Arrectores pilorum, ſ. Ganjebaut. 

Arrée, Gebirge von, niedriger, plateauartiger 
Hbhenriiden im franz. Depart. Finistere, der aus 
Wranit befteht und im Mont St.Michel, einem dem 
Granit aufgefesten Gandjteinfeqel, mit 391 m dic 
höchſte Erhebung in Nordweſtfrankreich erreicht. 

Arrénde (Urende, lat.), Pachttontrakt, wodurch 
Die Nutzung einer Sache gegen cine beſtimmte Ab— 
gabe iiberlajjen wird; früher aud) Das Pachtkorn, d.b. 
dasjenige Korn, das nad Abzug der Uusfaat und des 
Wirtidaftstorns als reiner Ertrag iibrigblieb und 
Dem Padter gu Geld angeicdhlagen wurde. Urren- 
dator, Pachter, bejonders in Polen und Rugland; 
arrendicren, ein Gut in Pacht qeben oder nebmen. 

Arrefee, der größte Landjee Danemarts, im nord- 
öſtlichen Teil der Inſel Seeland, im Amt Ferederifs- 
borg, 41 qkm grog, aber von geringer Tiefe, durch 
einen unter Friedrich IV. erbauten Ranal mit dem 
Rosfildefjord (f. Rosfilde) verbunden. 

Arreſt (v. mittellat. arrestum, entitanden aus dem 


fat. ad, gu, an, und restare, bletben, zurückbleiben 





—— im allgemeinen eine gerichtliche henmende. 
beſchränkende Maßregel. 
1) Nad) der deutſchen Zivilprozeßordnung 


($916 —-945) Dient der gemeinjam mit den »einit- 


weiligen Berfiigungenc (j. d.) geregelte W. zur Side 
rung der Bwangsvolljtredung in das bewegliche oder 


_ unbeweglide Vermögen eines Schuldners wegen einer 
Arraͤſtres (ipan.), Kollermühlen, auf denen Gold- | 


Weldforderung oder eines Anſpruchs, der in eine 


Geldforderung übergehen fann. Das Verfahren, in 


dem ein folder YL. ausgewirkt werden fann, wird 


YUrrejtverfahren oder Arreſtprozeß genannt 
Der U. findet ftatt, wenn die Swangsvolljtredung 
nod) nicht möglich, aber gu bejorgen ijt, dak obne 
jeine Verhängung die fiinftige Swangsvolljtredung 
vereitelt oder wefentlich eridwert werden wiirde. Fir 
jeine YUnordming ijt fowohl das Bericht Der Haupt. 
jache als das Umtsgeridt zuſtändig, in deffen Beg 
Der mit A. zu belegende Gegenitand fic) befindet. Der 
Antragſteller muß in dem Arreſtgeſuch den Anſpruch 
und ſeine Gefährdung, den Arreſtgrund, gland 
haft machen und, falls das Gericht dies für nötig er 
achtet, Siderheit wegen der dem Geqner aus der Ar— 


reſtanordnung drohenden Nachteile leijten. Die Ent 





ſcheidung über das Geſuch kann ohne miindliche Ber 
handlung durd Beſchluß (Urrejtbefehl) oder nad 
ſolcher durch Urteil erfolgen. Wird gegen den Be- 
ſchluß Widerſpruch erboben, fo ijt darüber durch 
Endurteil zu entſcheiden, ohne daß dadurch die Boll 
iehung des Arreſtes gehemmt wird. In dringenden 
Fällen darf aud) der Vorſitzende ded Gerichtä Aber 
das Geſuch entſcheiden. Der Schuldner kann durch 
Hinterlegung eines im Arreſtbefehl feſtzuſtellenden 


Arreſt — Arrest of judgment. 


Geldbetrags den A. befeitigen. Die Erhebung der 
Hauptflage fann dem Urrejtantrag nadfolgen, fie 
muß aber birmen geridtlider Friſt erfolgen, wenn 
der Schuldner died beim Arreſtgericht beantragt. Einen 
bejondern Geridtsjtand des Urrejtes fennt die Zivil- 
rozeßordnung nicht. Urreftiaden find Ferien: 
Rn chen. Ungeredtfertigte Erwirkung cines Arreſtes ver- 
pflidtet nad) (dem neuen) § 945 zu Schadenerſatz. Die 
Vollziehung des Arreſtes in beweglides Vermigen 
wird durch Pfändung bewirkt, die ein Pfandrecht (We 
rejtpfandredht) begründet. Verſteigerung der Pfänder 
iſt nur bei Koſtſpieligkeit der Aufbewahrung oder bei 
Gefahr des Verderbens geſtattet. Die Vollziehung des 
Arreſtes in Grundſtücke oder ihnen gleichgeſtellte Be— 
rechtigungen erfolgt nad) § 932 durch Eintragung 
einer Sicherungshypothel fiir die Forderung (Arreſt⸗ 
hypotheh. Außer in das Vermögen des Schuldners 
au vollziehenden ding liden Arreſtes findet aud) ein 
perjinlider Sicherheitsarreſt ſtatt, wenn er erfor— 
Derlich ijt, um die gefährdete Zwangsvollſtreckung in 
Das Vermögen des Schuldners gu ſichern, z. B. um gu 
verhindern, daß der Schuldner ſich durch Flucht dem 
Offenbarungseid entziehe oder fein Vermögen ver- 
fcbleppe. Die Bollyieung des perſönlichen Arreſtes 
—5 entweder mittels Haft oder durch ſonſtige vom 
rreſtgericht zu treffende Maßregeln, wie Beſchlag⸗ 
nahme von Ausweispapieren, Beigeben einer Wache, 
Hausarreſt. Der Gläubiger hat die Koſten vorzu— 
ſchießen. Perſonalarreſt als Vollſtrechungsmittel 
findet nicht mehr ſtatt (ſ. Haft). Bgl. Merkel, Ajund 
einſtweilige Verfügungen (Halle 1880); Dorendorf 
unter dent gleichen Titel (Berl. 1884); Werner, Das 
Recht de3 Urrejtes im Zivilprozeß (Crlang. 1884). 

2) Offener W. nad der deutiden Konkursord— 
nung ($ 110, 111, 118), die bet der Eröffnung des 
Ronturjes vom Geridt gu verfiigende und öffentlich 
befannt zu madjende Anordnung, durd) welde allen 
Perjonen, die cine zur Konkursmaſſe gehörige Sade 
im Beſitz haben oder zur Konkursmaſſe etwas ſchul⸗ 
Dig find, aufgegeben wird, nidts an den Gemein- 
ſchuldner zu verabfolgen oder gu leijten. Dadurd 
wird ihnen zugleich die Verpflichtung auferlegt, von 
Dem Beſitz der Sade und von den Forderungen, we- 
gen deren fie aus der Sache abgejonderte Befriedi- | 
gung in Anſpruch nehmen, dent Rontursverwalter 
innerhalb beſtimmter Friſt Anzeige zu maden. Ubri- 
gens ijt der offene A. nur eine Warnung; die trotz— 
dem an den Gemeinſchuldner bewirften Leiſtungen 
find nad § 8 nicht ohne weiteres ungültig. 

8) Im Strafverfahren wird der Uusdrud A. 
vielfad) qleid)bedeutend mit Haft gebraucht f. Frei⸗ 
heitsſtrafe). Im Militärſtrafrecht insbeſ. ijt A. 
nad) dem Strafenſyſtem des deutſchen Militärſtraf— 

eſetzbuches (§ 16—28, 44, 52, 54) die militäriſche 
—— bis zur Dauer von 6 Wochen (darüber 
hinaus: Gefängnis oder Feſtungshaft). Sie zerfällt 
in Stubenarreſt (gegen Offiziere und obere Mili— 
tärbeamte), Verbot des Verlaſſens der Wohnung und | 
der Annahme von Beſuchen; als geſchärfter Stuben— 
arreſt (gegen Hauptleute, Rittmeiſter und Subaltern⸗ 
offiziere) in einem beſondern Offizierarreſtzimmer zu 
verbüßen. Gelinder YW. (gegen Unteroffiziere, un: 
tere Militärbeamte und Gemeine), Einzelhaft. Mitt— 
lerer A. (gegen Unteroffiziere ohne Portepee und 
Gemeine), Einzelhaft mit harter Lagerſtätte bei Waſ— 
fer und Brot. Die Schärfung fällt am 4., 8., 12. und 
demnächſt an jedem 3. Tage hinweg. Strenger U. 

nur gegen Gemeine), nidt tiber 4 Woden, zu ver- 

üßen wie der mittlere, jedoch in emer dunkeln Ar— 








811 


reſtzelle. Die Scharfungen fallen am 4., 8. und dem: 
nächſt an jedem3. Tage hinweg. Der ftrenge A. ijt mi! 
wenigen Uusnahmen nur gegen den lait, Der we: 
gen militarijder Verbrechen oder Vergehen bereits 
eine Freiheitsſtrafe erlitten hat. Iſt eine in dem Ge- 
ſetz angedrobte bejtimmte Urrejtart gegen den Tater 
nach ſeinem Militärrang nicht ftatthaft, fo wird auj 
die nadjtfolgende nad) feinem Range ftatthafte Wr: 
rejtart erfannt. Nad) § 457 der Militirjtrafgeridts- 


ordnung kann die Volljtredtung des Urrejtes im In— 


terefje Ded Dienjtes auf Unordnung des fommanpdie- 
renden Generals (Mdmirals) aufge}doben werden. — 
Jn Ofterreid fommt der A. aud) als Strafmittet 


im Siviljtrafredht vor, und gwar bei Vergehen und 


Ubertretungen. Man untericheidet einfachen A., wobei 
dem Gefangenen, wenn er fic) felbjt verpflegen kann, 
Die Wahl der Beſchäftigung iiberlaffen bleibt, und 
jtvengen A., wobei der Urrejtant in Begiehung auf 
Verpflegung und Urbeit fo gehalten wird, wie es die 
Cinridtung der Strafanjtalt mit ſich bringt, und ihm 
feinerlei Unterredung ohne Gegenwart des Gefange- 
nenwärters geftattet wird. Die Dauer des Urrejtes 
jhwantt zwiſchen 24 Stunden und 6 Monaten (dod 
aud) 1 Jabr, § 335). Wud) den Hausarreft fennt das 
öſterreichiſche Strafgeſetzbuch (§ 246). 

Arreſt (pr. and, Hetnrid Louis d’, Ujtronom, 
geb. 13. Juli 1822 in Berlin, gejt. 14. Juni 1875 
tm Ropenhagen, ftudierte feit 1839 in Berlin, wurde 
1848 Obfervator an der Stermwarte gu Leipzig, 1857 
Profefjor in Kopenhagen, wo er den Bau der 1861 
vollendeten Sternwarte leitete. Er entdedte iiber 200 
neue Rebelflede und Sternhaufen und 3 Rometen, 


unter Diefen 27. Juni 1851 einen periodijden von 


6,7 Jahren Umlaufszeit (d'Arreſtſcher Kometh. 
Er ſchrieb: »Reſultate aus Beobachtungen der Nebel⸗ 
flecke und Sternhaufen« (Leipz. 1856); »Siderum 
nebulosorum observationes Hafnienses« (Mopenh. 
1867); »Unterjudjungen über die nebulofen Sterne 
in Bezug auf ihre {peftralanalytijden Eigenſchaften · 
(daf. 1872); »Instramentum magnum aequato- 
reum in specula Universitatis Hafniensis erectum« 
(dai. 1860). 

Arreftdant (mittellat.), der Antragſteller (Impe⸗ 
trant) im Arreſtprozeſt (ſ. Arreſt 1); haufiger: cin im 
Arreſt Vejindlider, Verhafteter, Haftling. Urreftat, 
der Smpetrat im Arreſtprozeß; ein Urretierter. Ar— 
rejtatorium, Haftbefehl; dffentlider Aufruf der 
Glaubiger bei einem Konkurs, Gantverfiigung (vgl. 
Yrrejt 2). 

Arreſtbefehl, ſ. Arreſt 1). 

Arreſtbruch Verſtrickungsbruch) liegt nad 
$ 137 des Strafgeſetzbuchs vor, wenn jemand beweg— 
lidje oder unbeweglide Sadjen, die durch die zuſtän— 
digen Behörden oder Beantten gepfindet oder in Be- 
ſchlag genommen worden find, vorſätzlich zerſtört oder 
beifeite geſchafft hat. Die Handlung ridtet ſich gegen 
die Amtsgewalt; daher kann aud) der Cigentiimer der 
verjtridten Sachen fic) des Vergehens ſchuldig madjen. 


— —* ſ. Arreſt 1). 

Arrefthypothek, das durch Vollziehung des Ar— 
reſtes entſtandene Pfandrecht an einem Grundſtüchk. 
S. Arreſt 1). 

Arrest of judgment (engl. jpr. arreſt of dichoddſch⸗), 
im engl. Strafprozeß die —— der Vollſtreckung 
eines gefällten Strafurteils, die dadurch bewirkt wird, 
daß der verurteilte Angeſchuldigte eine nochmalige 
Prüfung des Erfenntnijjes beantragt. Das A. ent- 
ſpricht der Revijion (ſ. d.) im deutſchen Strafverfahren 
und bezweckt die Wufhebung des angefodtenen Urteils. 


812 Arrejtpfandredht — Arrianos. 
Arreftpfandredt JArreſt 1) ein8 der bejten Obergräſer, muß aber als folded 
Arreftprozeh } f. Wereft 1). herrſchend fein, weil es friibere Ernte fordert als an- 


Arrét (fran}., for. ra), in Frankreich ein amtlider | dere Gräſer. C3 ijt weniger nabrhaft als mandes 
Beſcheid oder cin Haftbefehl; im engern Sinne dag | andre Gras, entſchädigt aber durd) großen Ertrag 
Erfenntnis eines Geridtshofes legter Inſtanz, im | und reides, gartes Grunt. Zuſammenſetzung, |. 
BWegenfage su jugement, dem appellabeln Erfermtnis | Tertblatt zu Sutter und Fütterung«. 
eines Untergericts. Arréts d'amour, Wusfpriide der | Arrhenius, 1) Joban, Votanifer und Agro 
Minnehöfe um Veittelalter; A. de réglement hieß ehe: | nom, geb. 27. Sept. 1811 zu Qaereda im Kalmar— 
dem die Verordnung eines Parlaments oder Conseil | Lain, qejt. 5. Sept. 1889, wurde 1848 Borjtand des 
supérieur, die in feinem Reſſort Gefegestraft hatte, | landwirtſchaftlichen Inſtituts zu Ultuna bei Upjala, 
aber aud) vom betreffenden Barlament oder Konſeil war 1862—81 Sefretiir der landwirtſchaftlichen Ala— 
abgeiindert oder aujgeboben werden fonnte. Der | demie in Stodholm und gehörte 1867—72 der Erjten 
König, in dejfen Namen (au bon plaisir) diefe Ver- Kammer an. Hodyverdient um den ſchwediſchen Land- 
ordnungen crlajjen wurden, fonnte jie ebenfalls, wenn | bau, fried er (in ſchwediſcher Sprade): »Lehrbuch 


aud) nur in gewiſſen Formen, annullieren. 

Arrét de prince (fran}., for. arrã d' priingf’), Die | 
vorlãufige Zuriichaltung oder Beſchlagnahme von in | 
den Häfen eines Staates befindliden fremden Han- 
delsfchiffen, insbeſ. Schiffe der neutralen Widte, um | 
fiber gewijfe innere Vorgänge feine Runde ins Wus- 
land gelangen 3u laſſen (1. Embargo). Bgl. v. Lif zt, 
Das Völkerrecht (Berl. 1902). 

Arrété (fran3.), die Entſcheidung einer untern 
Verwaltungsbebhirde, wie des Prafefturrats, des Prä- 
fefter, Marre rc. 

Arretieren (franj.), etwas im Laufe anbhalten, 
hemmien ; verhaften, gefünglich einziehen; in Beſchlag 
nehmen (f. Urreit). 

Arreticrungsflanfel, der Vermert auf der Rück⸗ 
feite einer Wechſelkopie, d. h. einer einfachen, rechtlich 
bedeutungslojen Abſchrift eines Originalwechſels: 
bis hierher Kopie⸗, »von bier ab Originale, oder 
cine ähnliche Bezeichnung. Wird die Wedhjelfopie als. | 
dann nod mit einem Originalindojjament verſehen, 
fo verpflichtet Dasfelbe den Jndoffanten (Wedfelord- 
ming, §70 und 71). Bal. Wedel. 

Arretiniſche Gefafe, nad dem etruskiſchen Arre⸗ 
tiumt (jetzt Arezzo), Dem Hauptfabrifationsort in den 
legten Jahrhunderten der Republif und der drei erjten 
der Kaiſerzeit, benanntes Tafelgeſchirr von forallen: | 
roter Farbe, nut Glajur und sierlichen Reliefs. Noch 
verbreiteter waren im römiſchen Reich die Durd treff 
liche Urbeit und ausgezeichnete Harte beriihmiten »ſa 
mifdjen« Gefäße (benannt nad) der Inſel Samos), | 
worinter man einfades, ebenfalls qlajiertes und mit | 
Reliefs verfehenes Tiſchgerät verjtand; insbeſ. be- | 
zeichnet man die den arretiniſchen ähnlichen, zierlichen 
Reliefbecher von weniger roter Farbe und härterm 
Ton als ſamiſche. Überall, wo Römer geſiedelt haben, 
findet man beide Sorten. Bal. J. v. Hefner, Die 
römiſche Töpferei in Wefterndorf (Münch. 1862); 
Fabroni, Storia degli antichi vasi fittili Aretini 
(Arezzo 1840); Keller, Die rote römiſche Töpfer— 
ware (Heidelb. 1876). 

Arretium, Stadt, ſ. Arezzo. 

Arrha (lat), Angeld, Draufgabe (ſ. d). A. nup- 
tialis oder sponsalitia, Morgengabe (jf. d.); Wider 
lage, d. h. Ausſetzung eines Bermigens jeitens des 
Mannes für die Frau als Aquivalent der dos (ſ. Mit- 
gift), Daher qleidjbedeutend mit donatio propter nup- 
tias; A. poenitentialis, Neugeld. 

Arrhenathérum Beauv. (Glatthafer), Gat- 
tung der Gramineen, drei YUrten von haferähnlichem 
Habitus in Curopa, Nordafrita, Weſtaſien. A. ave- 
naceum Beaue.(hoberGlatt- oder Wieſenhafer, 
gt gh Gr Ratqras, f. Tafel »Gräſer I<, 
vig. 2), in Wittel- und Sildeuropa, in Nordamerifa 
wel angebaut, 60 — 140 em hod, mit nur wabrend 
der Bliite ausgebreiteter, gelblicher, glänzender Rijpe, | 











der Botanif« (5. Mufl. 1882, 2 Bde.); ⸗Handbuch des 
ſchwediſchen Ackerbaues · (6. Uufl. 1893—94, 2 Tie.); 
»Grundzüge der Ackerbaulehre⸗ (4. Aufl. 1890) und 
qab das Sammelwerk »>Smiirre skrifter i landthus- 
hAllningen« (1858 —89, 28 Hefte) beraus. 

2) Svante, Chemifer, geb. 19. Febr. 1859 in 
Wo bei Upſala, ſtudierte feit 1876 in Upfala, wurde 
1884 Privatdozent dafelbjt, arbeitete 1886—89 in 
den Laboratorien von Ojtwald in Riga und Leip: 
zig, Kohlrauſch in Würzburg, van 't Hoff in Umiter- 
dam und Bolpmann in Graz und wurde 1891 Ero- 
fejfor in Stodholm. Yn feiner Jnauguraldijfertation 
»Sur la conductibilité galvanique des électrolytes« 
(Stoch. 1884) ſuchte er die hauptſächlichſten chemi— 
ſchen Eigenſchaften der Cleftrolyte aus ihrer Leit> 
fähigleit zu berechnen. Diefe theoretiſchen Überlegun— 
gen wurden unter dem Einfluß von van 't Hoffs Em—⸗ 
declungen 1887 bedeutend verbejjert, und im Der Ab— 
handlung über die Dijfoziation der in Wafer ge 
lifter Stoffe wurde die Theorie der elektrolytiſchen 
Diſſoziation begründet, nad) der Die Salze, Baſen 
und Säuren in wäſſeriger Löſung mehr oder weni- 
ger in die Jonen jerfallen find. Weitere Arbeiten 
qalten der Ausbildung diefer Theorie, der qalvani- 
iden Leitung der Flammengaſe, dem Cintius der 
Lichtſtrahlen und der eleftrijden Entladungen anf 
den Durdgang des elektriſchen Stromes durch ver- 
diinnte Luft und dem Cinfluk des Sonnenlichtes auf 
die eleftrifden Erjdeinungen in der Erdatmofphare. 
Sein »Lehrbuch der Elektrochemie⸗ (1890) wurde von 
Euler ing Deutſche überſetzt (Leip;. 1901). 

Arrhephoricen , ſ. Errhephorien. 

Arrhythmie (qriec.), Mangel an Rhythms. 

Arria, die heldenmiitige Gattin des Römers Ca- 
cina Pätus. Als diefer, als Teilnehmer an einer Ber 
ſchwörung gegen den Kaiſer Claudius 42 n. Chr. jum 
Tode verurteilt, in dem Entſchluß, fich felbft zu tdten, 
wantte, ſtieß fie fid) Den Dolch in die Brujt und reichte 
ihn dem Gatten mit den Worten: ⸗Pätus, es ſchmerzt 
nicht!« Die gewöhnlich »A. und Pätus« genannte 
ſchöne Marmorgruppe gehört zu der pergameniſchen 
Darſtellung der Gallierkämpfe (ſ. Gallierjtatuen). 

Arrianos, Flavius, griech. Schriftſteller, geb. 
um 95 n. Chr. gu Nikomedia in Bithynien, geſt. 
um 180, Schüler und Freund des Stoikers Epittet, 
ſtand wegen ſeiner —— praktiſchen —— 
feit bei Hadrian in hoher Gunſt und bekleidete ho 
Staatsimter, wie das RKonfulat (um 130) und de 
Statthalterfdaft von Rappadofien (131 —137). Qn 
Uthen, das ihm tn ſpätern Leben eine zweite Heimat 
war, erbielt er das Biirgerredt und war 147 Urehon. 
Jn feinen Schriften zeigt er ſich als Nadahmer feines 
Vorbildes Xenophon, auch in der Wahl feiner Gegen- 
jtinde. Go zeichnete er, um dem Epiftet gu werden, 
was jener Dem Sofrates, nut wortgetrener Genauig- 


Arriaza y Superviela — Arrivabene. 


leit deſſen Vorträge (»Diatribae Epicteti«) in 8 Bü— 
chern auf, von denen Die erſte Hälfte erhalten ijt (hrsg. 
von Schweighäuſer in » Philosophiae Epicteteae mo- 
numentas, Leips. 1799; Sdjenfl, daſ. 1894; deutſch 
von Enf, Wien 1866), und ſchrieb das »Enchiridion 
Epicteti«, cin kurzes Handbud) der Moral (hrsg. mit 
den » Diatribae« zuſammen; deutid von Cong, Stuttg. 
1869). Bon feinen hiſtoriſchen Schriften ijt das Haupt- 
wert die in Uthen verfaßte » Anabasis« (die Geſchichte 
Alexanders d. Gr. in 7 Büchern), nach den bejten Quel⸗ 
len, wie Ptolemäos, Urijtobulos, mit Kritik qearbeitet 
(hrsq. von Krüger, Berl. 1835-— 48, 2 Bde.; Sin: 
tenis, 2. Aufl., daf. 1867; Abicht, Leip;. 1871 —75, 
2 Bde.; deutſch von Clef, Stuttg. 1862—65, 4 Bde. ; 
Hartung, Leipz. 1861). Eine Fortfesung war die 
» Gefchidyte der Nachfolger Alexanders⸗ in 10 Biicdern, 


von der nur Brudjtiice erhalten find (hrsg. von | 


Reitzenſtein, Brest. 1888). Cine Geſchichte Bithyniens 
und der Partherfrieqe unter Trajan ijt verloren. 
Weographifden Jnhalts find die Hadrian gewidmete 
Befdreibung einer 131—132 gemachten Küſtenfahrt 


um das Schwarze Meer und die in ioniſchem Dialett | 


abgefajten »Indicas, ein Exrfurs zur »Anabasis<, 
eine Sdhilderung Yndiens, ſeiner Bewohner rx. nad 
quten Ouellen (betde am bejten in den »Geographi 
graeci minores« von Müller, Bd. 1); fälſchlich bei- 
gelegt ijt thm ein Periplus des Roten Meeres (hrsg. 
von Fabricius, Leipz. 1883). Ferner find erhalten 
»Kynegetika« , eine Xenophon erginjende Abhand— 
lung fiber die Jagd —— Sauppe, Helmſt. 1840), 
und ein — d aktik. Geſamtausgabe von 
Dübner und Müller (Par. 1846; Überſetzung von 
Dörner, Stuttg. 1829—34, 6Bde.), der »Scripta mi- 
nora ——— (2.Aufl. von Eberhard, Leipz. 1885). 

Arriaga y Superviela, Juan Bautijta de, 
jpan. Didter, qeb. 1770 in Madrid, geſt. daſelbſt 1837, 
3u Segovia gebildet, trat in die diplomatifde Lauf- 

abn ein, in der er fid) als cin treuer Anhänger des 
abjoluten Königtums Ferdinands VII. bewahrte. Mit 
feiner politiſchen Tätigleit, deren Pringipien er in den 
»Discursos patrioticos« darlegte, ging die poetiſche 
Hand in Hand. Er war Meifter der Form, weniger 
ausgezeichnet durch Originalitét der Auffaſſung. Bon 
feinen lieblichen Boejien find die wichtigſten: »Las 
primicias« (Madr. 1797; 6. Aufl. 1829—32, 2 Bde.), 
»Emilia«, ein didaktiſch beſchreibendes Gedicht (da. 
1803), und befonders glut- und ſchwungvolle »Can- 
tos patrioticos« (Qond. 1810; 3. Wufl., Madr. 1815), 
weld die fpanifden Guerrillas jum Todestampf qe- 
gen die Franzoſen anfeuerten. Die »Profecia del 
irineo«, eine politifde Ode, kommt an Kraft und 
Wirtung der Marfeillaife qleid. Cine Auswahl aus 
feinen lyriſchen Gedichten findet fic) in Ferd. Wolfs 
»Floresta de rimas modernas castellanas«, Bd. 2 
(Far. 1837) und in Rivadeneyras »Biblioteca de 
autores espaiioles« (Md. 67). 

Arridaods, Sohn des mafedon. Königs Philipp IT. 
und der Tänzerin Philinna aus Lariffa, Halbbruder 
Wleranders d. Gr., ſchwachſinnig, angeblich infolge 
eines Gifttranfes, Den ihm Olympias beigebradt, 
wurde nad) dem Tode Ulerander$ 323 v. Chr. von 
dent Die heimatliche Uberlieferung vertretenden mafe- 
donijden Fußvolk unter dem Namen Philippos zum 
König erhoben. Von dem Reichsverweſer Perdiftas 
mit einer Enfelin Philipps, der herrſchſüchtigen, alle 
feine Handlungen beſtimmenden Eurydike, vermählt, 
—— er jenen auf ſeinem Zuge gegen Ägypten, 
ſchloß ſich nad) deſſen Ermordung (321) dem Anti— 
patros, mit dem er nach Europa zurückkehrte, dann 


813 


dem Kaſſandros an, wurde beim Einfall der Olym- 
pias in Makedonien 317 gefangen genommen und 
auf ihr Geheiß mit Eurydike ums Leben gebracht. 
rrieregarde (fran. arriére-garde, Nad trab, 
Nadhut), Ubteilung einer marjdierenden Truppe, 
Die Dem Gros mit bejtimmtem Wbftand folgt, um 
dasfelbe beim Rückmarſch (j. Rückzug) gegen feind- 
lice Ungriffe zu ſichern und ihm beim Nachdrängen 
Des Feindes Zeit zum Nehmen der Kampfitellung gu 
ſchaffen. Stirfe und Zuſammenſetzung der A. hängen 
von den Verhältniſſen ab. Bei Arrieregarden— 
(Rückzugs-gefechten handelt es ſich meiſt um 
Behauptung von Straßen und Ortlicteiten, wobei 
die Mitwirkung der Artillerie werwoll iſt. Ein ſol— 
ches Gefecht muß zu jeder Zeit abgebrochen werden 
lkönnen. 
Arrighi, Scan Touſſaint UW. de Caſanova, 
Herzog von Padua, franz. General, geb. 8. März 
1778 auf Korſita, geſt. 22. März 1853 in Paris, 





Verwandter Bonapartes, trat 1796 in die Yrmee, be- 
leitete 1797 Joſeph Bonaparte als Geſandiſchafis— 
efretdér nad) Rom und focht dann in fajt allen Rrie- 

| gen Rapoleons. 1808 erbielt er den erbliden Titel 

eines Herzogs von Padua und reide Güter in Deutfd- 
land. 1813 lies er trop des Wajfenjtilljtandes das 

Lützowſche Freiforps durd Fournier bei Rigen über— 

fallen. 1814 zeichnete er fic) nod) bet Nogent und 

Laon und bet der Verteidigung von Paris aus. 

Wabhrend der Hundert Tage 1815 ward er vom Kai— 

fer nach Rorjita gefandt, nad) defen Sturz geächtet, 

aber 1820 antnejtiert. Er lebte feitdem auf ſeinem 

Landſitz Courſon. 1849 wurde er in die Geſetzgebende 

Verfammlung gewählt und gehörte hier zu den Häup— 

tern der bonapartijtijcden RRartel Im Roventber 

bd. J. ward er von Ludwig Napoleon jum General 

Direftor der Pojten, nad dem Staatsjtreid) vom 

2. Dez. 1851 jum Mitgliede der Konſultativlommiſ— 

fion, 1852 gum Genator, endlich jum Gouverneur 

des Invalidenhauſes ernannt. Bgl. Du Caffe, Le 

général A. de Casanova, duc de Padoue (Bar. 1866, 

2¥Bde.). — Sein Sohn Erneft Louis Henri Hya- 

cinthe A. de Cafanova, Herzog von Padua, 
| geb. 26. Sept. 1814, gejt. 28. Marz 1888 in Paris, 
ward 1849 von Ludwig Napoleon gum Präfekten 
von Berjailles, 1852 sum Requetenmeijter im Staats- 
rat, 1853 zum Senator ernannt und fungierte vom 

Mai bis November 1859 als Miniſter des Innern. 

Nach 1870 einer der Führer der bonapartijtifden Par- 

tei, begrüßte er 16. März 1874 den fiir miindig er- 

flirten kaiſerlichen Bringen in Chislehurſt. 
Arrivabenc, Giovanni, Graf, ital. National: 
bfonom, geb. 24. Juni 1787 in Mantua, gejt. da- 
jelbjt 12. San. 1881, wurde 1820 als Rarbonaro ver- 
haftet, jedoch nad) 7 Monaten wieder freigelajfen. 

Bald darauf mute er wegen einer Unterſtützung der 

aufftindifden Piemonteſen fliichtig werden und be- 

qab fid) nad) der Schweiz und von da nad Frank: 
reid) und England, während die öſterreichiſche Regie: 

rung feine Giiter einzog und ihn felbjt 21. Jan. 1824 

in contumaciam jum Tobe verurteilte. Sn London 

widmete ſich A. nationalökonomiſchen Studien, als 
deren Ergebnis fein Werk fiber die englifden Wohl— 
tätigkeitsanſtalten (»Beneficenza della citta di Lon- 
dra«, Lugano 1827—382, 2 Bde.) erfchien. Nach 

Belgien iibergefiedelt (1827) und daſelbſt nationali- 

fiert (1840), beſchäftigte er ſich mit der Lage der ar— 

beitenden Klaſſen. Er veranſtaltete mit andern 1846 

den volkswirtſchaftlichen Kongreß zu Brüſſel, aus dem 

die Belgiſche Ofonomijde Gefeliſchaft hervorging. 





814 


deren Präſident er wurde. 1860 fehrte er nach Fta- 
lin zurück, wo er gum Senator ernannt und von der 
Nationalökonomiſchen Gefellfdaft gu Florenz gum 
Prafidenten erwählt wurde. Seine Hauptidrifien 
gab Dino Carina heraus (+Scritti morali ed eco- 
nomici+ , lor. 1870). A. hat Memoiren ſeines be- 
wegten Sebens (»Intorno ad un epoca della mia 
vita 1820 —1822¢«, Turin 1860; deutſch, Botha 1861) 
un) »Memorie della mia vita, 1795—1859« (Flor. 
1879) veröffentlicht. 

MArrivieren (franj.), ankommen; fic) ereignen. 

Arrö, Inſel, ſ. Aeroe. 

Arroba, 1) früheres ſpaniſches und portug. Han- 
delsgewicht, = '/s Ouintal, dort 25 Libras cajtellanes 
== 11,502 kg, bier 32 Urratets — 14,687 kg; in Yra- | 
gonien 27 und in Barcelona 22°%/s taſtil. Pfund. Am 
Va Plata enthalt die YW. 11,485, auf Cuba 11,5, in| 
Maroffo fiir Gerjte 7.19 kg. — 2) U. métrica in | 
Spanien = 10 kg. — 3) Fritheres fpan. Fliiffig: | 
leitsmaß: die UW. menor fiir Ol — 12,563 Lit. und 
die UW. mayor oder Cantara (jf. d.) fiir Wein und, 
Branntwein — 16,134 L., daneben viele ältere. 

Arroche (pr. rj’), ſ. Atriplex. 

Arrodicren (lat.), annagen, anfrejjen, 3. B. bei 
franthaften Brojejjen im Magen, in der Lunge. 

Arrogant (lat.), anmaßlich; Arroganz, An— 
maßung, Diinfel. 

Arrogation, (lat.), die Annahme einer felbjtin- 
digen Perjon an Kindes Statt; ſ. Unnahme an Kine 
des Statt. 

Arrom, Cecilia de, f. Caballero. 

Arrondiermafdine(W il; maj dine, Finier- 
majfdine), Vorridtung zur genauen Vearbeitung 
der Arbeitsflächen der durch Gintdueiden oder Gießen 
roh vorgebildeten Zähne an namentlicd fiir Uhren be- 
ſtimmten Zahnrädern, um möglichſt vollfommenen 
Eingriff su ſichern. Die W. beſteht aus einer Feile, die 
nad) der Zahnform profiliert und in einem bin und 
her gehenden Rahmen eingefpannt ijt, oder aus einer 
ſchnell umlaufenden, ebenſo profilierten Fräſe. 

Arrondierung (ranz.), Abrundung; daher Ar— 
rondierungspolitit eine ſolche, die cin Staats— 
gebiet auf Koſten der Nachbarſtaaten abzurunden be— 
müht ijt. Wud) wird der Ausdruck A. gleichbedeutend 
mit Zuſammenlegung der Grundſtücke (Separation) 
einer Flurgemarkung gebraucht (ſ. Flurregelung). 
Arrondieren, abrunden, zuſammenlegen. 

Arrondiſſement (franj., jpr. arrongdifmang), Run— 
dung, Wbrundung einer Sade; Unterabteilung (Be- 
jitf) der franzöſiſchen Departements, der ein finter- 
präfelt vorjteht; aud) Benennung der Guartiere, in 
die mehrere franzöſiſche Städte eingeteilt werden, wie 
5. D. Paris. 

Arrosage simple (jran}.), ſ. Bewäſſerung. 

Arrofement (franj., fpr. arcofmang, Wrrofie- 
Lung), Vefeudtung, Anfriſchung; im bildlicen Sinne 
Zahlung der Spielſchulden an die Mitſpielenden; aud 
nadtriglide Zahlung zu dem Swed, um eine friihere 
Sahlung ju ſichern, wie bei Aktien bet Unzulänglich— 
feit des Wrundfapitals und bei Staatsfdulden (}. d.). 

Arroux (pr. arra), rechter Nebenfluß der Loire, 
entfpringt in 449 m Höhe auf der Cite d'Or, fließt 
ſüdlich Durd Das Depart. Sadne-et-Loire und mün— 
det bei Digoin. Seine Linge betrigt 120 km. 

Arrowroot (cngl., for. arro-rat, »Pfeilwurz«), 
meift aus fnolligen Wurgeljticen tropifder und jub- 
tropijder Pflanzen bhergejtellte reine Stärkeſorten, 
hauptſächlich das Stärkemehl mehrerer Maranta- 
Urten, beſonders M. arundinacea, das als weſt— 


Arrivieren — Arrowroot. 


indiſches oder Jamaika-A. von den verſchieden⸗ 
ſten Punkten der Erde in den Handel kommt. Haupt: 
probduftionSort ijt St. Vincent. Die reifen Wurzel⸗ 
ſtöcke werden gewafden, geſchält, wieder gewafden 
und zwiſchen Walzen in Brei verwandelt, der dann 
unter Waſſerzufluß auf Sieben verarbeitet wird, bg 
das Stirfemehl (Fig. a) rein ijt, das möglichſt an 
der Sonne getrodnet wird. Seit Ende des 18. Jahrb. 
wird UW. aus Jamaifa ausgefiihrt, und in Deutid- 
land fand es Anfang des 19. Jabrh. Cingang. Cit- 
indijhesU.(Kurfumaftarfe, Tif, Tifurmedl 
Travancorejtarfe, Fig. b), aus den fultivierten 


@y* 9 ae) ey] 


J ge 


b Rurfumafrarte 





Ge 
0,4 


a Marantaftdrte. 





° 
® 








e Vatatenftarte e Cannaftdrte 


Wurzelſtöcken von Curcuma angustifolia und C. len- 
corrhiza gewonnen, wird befonders in Madras und 
an der Malabartiijte qewonnen. Aus Brajilien umd 
Tahiti fommt das A. von Tahiti (Biamrehl) in den 
Handel, das aus den Wurjeln von Tacca pinnatifida 
gewonnen wird. Sonjt fommt nod Cannajtarte 
(Fig. c) aus Wurzelſtöcken von Canna edulis in Bra- 
ſilien, Beneguela, Martinique, Guadeloupe, Réunion 
und befonders in Queensland (WU. von Oueens- 
land, Toloman), brafilifdes U. aus den nok 
len von Manihot Aipi (jig. d, vgl. Tapiofa), Ba— 
tatenjtdrfe (Fig. e) aus den Knollen von Batatas 
edulis in den Handel. Unreife Bananen werden in 
Franzöſiſch- und Britijd)-Guayana, in Brajilien und 
auf Jamaila an der Sonne getrodnet, gemablen und 
ejiebt. Uns diefem Mehl (Conquintay) wird in 
uropa cin A. (Vananenftarfe) hergeſtellt. Die 
nidt febr reine Yams jtarfe aus Rnollew von Dios 
corea alata liefert Das YU. von Guayana. ns 
Natal kommt ein W. von unbefannter Abſtantmung. 
WU. bildet cin feines weißes Pulver von den Cigen- 





Arrowjmith — Arjen. 


ſchaften des heimiſchen Stirfemehls und gibt mit 
Waſſer einen geruch- und gefdmadlofen Kleiſter. 
Cine fidere —— der Sorten iſt nur mit 
Hilfe des Mikroſtops mig id). A. gilt als leichwer— 
Daulides Nahrungsmittel fiir Kinder und Rrante, 
Ceijtet aber wohl kaum mebr als unſre einheimifden 
Stärkeſorten. Man gibt es mit Mild) oder Bouillon 
mehrmals des Tages. Auch dient es sur Darjtellung 
feiner Spcifen und Backwerke. 


Arrowsmith (pr. arvo-fmits), Aaron, engl. Karto⸗ 
graph und Hydrograph, geb. 14. Juli 1750 ju Wins- 


fon in Durhamſhire, gejt. 23. April 1823 in London, 
war der Sohn eines Pachters und anfangs gu glei- 
chem Beruf bejtinunt, widmete fic) {pater der Mathe- 
miatif und Geographie und gründete 1770 in London 
einen Rartenverlag, aus dem zahlreiche Utlanten und 
Karten hervorgingen, darunter die Weltfarte nad 
Mercators Projeftion 1790, die große Marte von 
Sehottland 1807 und der »General Atlas« 1817. — 
Sein Neffe John, geb. 23. Upril 1790 in Winston, 
gejt. 2. Mat 1873, trat in feines Onkels Geſchäft und 
hat fic) Durch Den »London Atlas of universal geo- 
graphy« (1832—37), durch Schulfarten und Karten 
qu. neuern Reifewerfen ebenfalls einen Namen als 
Startograph erworben. 
Arruinfelu, ſ. Uruinfeln. 


Ars (lat., Mehrz. Artes), Kunſt, Lehrfyftem, Lehr: 


bud); a. amandi, die Kunſt ju lieben (Gedidt von 
Ovid); a. angelica oder spirituum , Magie. 

Mrs, 1) A. an der Mofel (W-fur-Mofelle, 
for. ar-fllr-mofil’), Stadt im deutſchen Bezirk Lothrin- 
gen, Landkreis Mess, an der Moſel und der Cijenbahn 
Stieringen-Novéant, hat eine fath. Rirdye, ein Wmts- 
gerid)t, zwei große Cijenwerte, cine Papierfabrif, Rejte 
einer alten Wafjerleitung und asoo 4081 Einw. — 
2) U-en-RE, franz. Hafenort, ſ. Ré 

Arfa, ſ. Kumys. 

Arſa, Küſtenfluß in Iſtrien, fließt ſüdlich, nimmt 
die Gewaͤffer des ſhlammigen Cepitfees (4 m_ nef, 
600 Heltar groß) auf und mündet, 22 km fang, mit 
dem fdiffbaren fjordartigen Arſakanal in den 

Arfakes, ſ. Urjafiden. Quarnero. 

Arſakiden, 1) Dynaſtie des Partherreichs, durch 
Arſales I. gegründet, herrſchte von 250 v. Chr. bis 
227 n. Chr.; ſ. Barthien. — 2) Urmen. Dynajtie, 
geqriindet durch Valarſes (Walarfhaf), der von ſei— 
nem Bruder, dem aang Arſales VL. Mithra- 
dates L, 147 v. Chr. auf den Thron Armeniens ge- 
hoben wurde. Seine Nachkommen regierten bis 430 
mn. Chr.; f. Urmenien (Gejd.). 

Arfamads, Kreisſtadt im ruff. Gouv. Rifhnij Now- 
gorod, an der Miindung der Urjdja in die Teſcha und 
an der gur Zeit (1901) im Bau befindliden Cifen- 
bahn Romodanowo - Rijhnij, mit 30 fteinernen Rir- 
den (darunter mehrere Kathedralen), 7 Klöſtern, be- 
deutender Leder-, befonders Qujtenfabrifation und 
s97) 10,591 Einw. 

Arjamas, Name einer ruſſ. literarifden Gefell- 
ſchaft, die, von Karamſin 1815 in Petersburg be- 
gründet, cine Anzahl hervorragender ruffifder Schrift⸗ 
ſteller (Graf Bludow, Daſchkow, Shukowſtij, Al. und 
Rik. Turgenjew, Puſchkin, Batjuſchkow, Wiaſemſtij 
u. a.) gu ihren Mitgliedern zählte und in ſatiriſcher 
Weife reaftionaire Tendenjen, wie fie damals nament- 
lid) durch den Staatsſekretär Schiſchlow vertreten 
wurden, belämpfen wollte. Der Verein beftand mur 
bis 1818. Sein Name rithrt von einer fatirijden 
Erzählung des Grafen Bludow her, die in der rujfi- 
ſchen Stadt A. fpielt. 


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Arſchin: a) ruff. Cle, — 70 engl. Yard — 1s 
Saſchehn — 16 Werjdof —71,119cem; 1 OY. —0,5008 
qm ; b) perf. Längenmaß, ſ. Göß; c) friiher türk. Feld⸗ 
mag (Adim) — 2 Radem — 75,774 em. 

Arſchleder, cin am Giirtel der Bergleute befejtig- 
ter Lederlappen gum Schutz beim Sigen in naſſen 
Grubenbauen oder beim Rutſchen auf Stein oder Hol}. 

Arſen (Arſenilh) As, dem. Element, findet ſich 
ree alg Sdherbenfobalt (Napfdentfobalt, 

Fliegenſtein, Cobaltum) namentlid) auf Gängen 
im kriſtalliniſchen Schiefer- und Ubergangsgebirge, 
in feinfornigen bis dichten Uggregaten, derb, einge- 
fprengt, traubig, higeliq, weißlichbleigrau, gräulich— 
ſchwarz angelaufen, im Ersqebirge, bet Undreasberg, 
in Baden x., haufiger mit Eiſen verbunden als Ar— 
jenifalfies FeAs, mit 66,3—72,75 Broz. YL, zuweilen 
— mit Eiſen und Schwefel verbunden als 

rſenkies FeS,.FeAs, mit 46 Proz. A., mit Antimon 
als Antimonarſen, mit Wismut als Arſenglanz, mit 
Robalt- als Tefferalties, mit Nickel als Chloanthit, 
Rots und Weipnicelfies, Nickelarſenkies, mit Kupfer 
als Urjenfupfer, mit Schwefel als Operment und Real: 
gar; ferner in mandjen Eiſen-, Robalt-, Ricel-, Bint-, 
inne, Kupfer⸗ und Silberergen, in fajt allen Schwefel- 
fiefen, Dann oxydiert als arjenige Säure (Arſenit) 
und als Arſenſäureſalz in vielen Mineralien, auc in 
Mineralwaffern (Levico, Roncegno, Guberquelle in 
Bosnien) und deren Abſätzen, in bituminöſem Schiefer, 
Kallkſtein, Udererde, Flußſchlamm, Braun⸗ und Stein- 
| foble, Pflanzenaſche, Rejjeljteinen und im BVerdamp- 

fungsriidjtand von Meerwaſſer, bei Tieren im der 
Schilddrüſe (7,5mg in Lkg menſchlicher Schilddrüſe), 
| im Thymus und im Gebirn, im läuflichen Schwefel, 
| Bhosphor, Zink. 

Man gewinnt W. durd Sublimation von gediegen 
A. oder Durch Erhitzen von Arſenkies oder Urjenifalfies 
in qlajierten Tonrdhren mit rbhrenfdrmigen Vorlagen 
und einent fpiralig aufgerollten Cijenbled) zwiſchen 
beiden. Der Urfenties gibt hierbei Schwefeleijen und 
A., Der Urfenifalfies Werencifen und A. Das. lagert 
ſich in der Bledfpirale in kriſtalliniſchem Zujtand, 
in Den Borlagen als Pulver (qraues A.) ab, weld 
lefteres zu andern Yirjenifalien verarbeitet wird. Auch 
als Nebenprodutt bet der Verarbeitung mander Nicel-, 
Robalt-, Silber- und Kupfererze wird A. gewonnen. 

Reines W., durch Sublimation des käuflichen er- 
halten, iſt grauweiß, ſtark metalliſch qlingend, ſchup— 
pig⸗kriſtalliniſch, ſpez. Gew. 5,727, Atomgewicht 75, 
verflüchtigt ſich beim Erhitzen, ohne zu ſchnielzen (beim 
Erhitzen unter Druck ſchmilzt es bei 480"), und bildet 
farbloſen, knoblauchartig riechenden Dampf. Aus der 
Dampfdichte ergibt ſich, daß das Molekül des Arſens 
4 Atome enthält, doch zerfällt das Molekül bei Weiß— 
glut. A. läuft in feuchter Luft ſchnell an, in lufthalti- 
gem Waſſer und beim Erhitzen an der Luft verwandelt 
es ſich in arſenige Säure. In Sauerſtoff verbrennt 
es mit blendend weißem Licht; es verbindet ſich diveft 
mit Schwefel, Chlor, Brom, Jod und den meiſten 
Metallen und wird von konzentrierter Schwefelſäure, 
Salpeterſäure und von ſchmelzendem Kalihydrat ory- 
diert. Mit chlorſaurem Kali gemiſcht, detoniert es 
durch Stoß. Es löſt ſich in fetten Olen beim Erwärmen. 
WmorphesA. erhalt man als dunkel braunſchwarzes, 
ſpiegelndes Sublimat (Arſenſpiegel), wenn man 
eine geringe Menge A. in einem unten verſchloſſenen 
Glasrohr erhitzt oder Arſenwaſſerſtoffgas durch em 
glühendes Rohr leitet oder in die Flamme des Arſen— 
waſſerſtoffes kaltes Porzellan hält. Dies A. wird bei 
360° unter ſtarker Wärmeentwickelung plötzlich kriſtal⸗ 











816 


liniſch. Uns Arſendampf ſcheidet ſich bei ſchneller Ab— 
tühlung gelbes A. in regulären Kriſtallen ab, das 
äußerſt lichtempfindlich und in Schwefelkohlenſtoff 
löslich iſt. A. bildet mit Phosphor und Antimon eine 
natürliche Gruppe und iſt dreiwertig. Seine wichtigſten 
Oxydationsſtufen ſind arſenige Saure H,AsO,, von 
Der nur das Anhydrid As,O, befannt ijt, und Arſen— 
ſäure H,AsO, mit dem Anhydrid As,O,; mit Waj- 
jerjtoff bildet eS den Arſenwaſſerſtoff AsH,. Wan 
benugt A. zur Schrotfuncifation, zu Kupferzinnlegie⸗ 


rungen (Spiegelmetall), deren Glanz und Politure | 


fähigleit es erhöht, als Flieqengift (da es mit Waffer 


an der Luft arſenige Säure bildet; durchaus verwerj: | 


lid)!), gu Signalen, indem man es in Sauerſtoff 
verbrennt (indifdes Feuer). Die Schwefelverbin— 
dungen des Arſens wurden von den Witen unter dem 
Namen sandarache und arsenikon als Urgneimittel 
und Farbſtoffe benust; Geber jpridt ausfiihrlid von 
der arjenigen Säure, und Lemery jtellte 1675 metal- 
lifes UW. Dar, das Albertus Magnus erwahnt, das 
aber vielleicht ſchon Seber befannt war. 

—— ſ. Seughaus. 

Arfenate, ſ. Urieniate. 

Arfenbafen, ſ. Bafen. 

Arjenblende, gelbe, foviel wie Auripigment, 
rote, foviel wie Realgar. 

Arfenbromid (Urjentribromid, Bromar- 
fen) AsBr, entjteht betm Cintragen von Arſen in 
cine Ldjung von Brom in Schwefellohlenſtoff, bildet 
farbloje, zerfließliche Striftalle, ſpez. Gew. 3,66, ſchmilzt 


bei 25°, ſiedet bei 220° und wird Durd Wafer zerjept ; | 


Dient als Arzneimittel. 

Arſeuchloride Arſentrichlorid, Chlorarſen) 
AsCl, entſteht bet Einwirkung von Chlor auf Arſen, 
aud) beint Behandeln von arſeniger Säure mit Salz— 
ſäure. Farbloſes, an der Luft rauchendes Ol vom 
ſpez. Gew. 2,205, ſiedet bei 134°, erſtarrt bei —-18°, 
ift mit wenig Waffer, Alkohol und Uther mifdbar, 
zerſetzt ſich mit viel Wafjer zu Chlorwaſſerſtoff und 
arjeniger Säure und ijt febr giftig. Beim Roden 
arſenhaltiger Flüſſigleiten mit Salzſäure entiteht A. (1), 


auch iſt Salzſäure, mit arſenhaltiger Schwefelſäure 


bereitet, ſtets arſenhaltig. A. wird arzneilich benutzt. 

Arſendimethyl, ſ. Kalodyl. 

UArfendifulfid, ſ. Arſenſulfide. 

Arſeneiſen, Mineral, ſoviel wie Urfenifalfies. 

Urfencifenjinter, Mineral, ſ. Cijenjinter. 

Arſenfahlerz, Mineral, ſ. Fabler;, 

Ar englad, }. YUrjenjuljide und Arſenige Saute. 

Arſeniate (Urfenate), foviel wie Arſenſäure— 
ſalze, 3. B. Natriumarfeniat, arfenfaures Natron. 

Arsenicum, Arſenik; A. album, arjeniqe Säure 
(Yrfentrioryd); A. flavum, Wuripiqment; A. rubrum, 
Mealqar. 

AUArfentde , fovicl wie Urienmetalle. 

Arſenige Saure (Urfenigfiureanhydrid, 
Urfentrioryd, weikerUrfen, Weißglas, wet- 
hes Urfenglas, Hiittenraud, Rattenpulver, 
Giftmehl) As,O, findet ſich in der Natur in requ- 
liven Rrijtallen (ifomorph, mit Sanarmontit Sb,O,) 
als Urfenit (Wrfenifbliite) auf Gangen bei An— 
dreasberg, Joachimsthal, Schwarzenberg, Martird, 
in monoflinen Krijtallen al8 Claudetit (Bortugal), 
bildet jich beim Erbigen von Arſen oder arjenhaltigen 
Erjen an der Luft und wird meijt als Nebenproduft 
beim Röſten arjenhaltigqer Silber-, Kupfer-, Robalt-, 
Nidel-, Zinnerze, feltener aus gediegen Urfen, aus 
Urienfies FeS,.FeAs, und Urjenifalfies FeAs, auf 
Gifthiitten gewonnen. Die aus dem Röſtgut fid 


Arjenal — Arfenige Saure. 


| entwidelnden Dämpfe leitet man in lange liegende 

Raniile oder in qroke Kammern, die in Gifttürmen 

iibereinander angebradt find. Es fondenjiert fid 

gaues Arſenmehl, das in gußeiſernen Keſſeln durch 

Sublimation raffiniert wird und dann eine ſchwach 

elbliche, glafige, durchſichtige Maſſe mit muſcheligem 
& (Urfenglas) bildet. 

Die außerordentliche Giftigtcit der meiſten Urjen- 
verbindungen erfordert ganz befonders ausgedehnte 
| Unwendung und ftrenge Durdfiibrung von Schut 
maßregeln. Seit Erlaß des Haftpflichtgeſetzes iſt der 
Geſundheitszuſtand der Arbeiter ein befriedigender. 
ja in manchen Fällen cin günſtiger. Die Hiitte ijt 
gegen die Umgebung gut abzuſchließen, Rüchſtände 
und Scherben der Upparate find jorgfaltiq beifeite ju 
ſchaffen. Grubenwäſſer, Mufbercitungswaffer und 
durch Erz- und Berghalden fidernde Meteorwöſſer 
find, wenn ndtig, mit Ralfmild gu miſchen und nad 
Abſetzen des Niederſchlags abzulaſſen. Die Umgebung 
der Arſenhütten ijt meijt bis auf 150 und mebr 
Schritte unbewohnt, die nächſten Bewohner find Ar- 
beiter und Beantte, die an die Mufnahme minimaler 
Urfenmengen gewöhnt find. Sdhadiqungen der Um— 
gebung kommen nidt vor. Qn unimittelbarer Um— 
gebung der Werke wird man weder Gemüſe nod Fut- 
terpflanzen bauen. 

YU. S. ijt farb- und geruchlos, ſchmeckt ſchwach me- 
talliſch ſüßlich. Reguläre Krijtalle entitehen bei ſchneller 
Abkühlung des — und beim Erkalten einer 
warm gefattigten wajferigen Löſung, ſpez. Gew. 3,70. 
Wonofline Krijtalle entitehen biswerlen bet Sublima: 
tion von As,O,, ſpez. Gew. 4,15. Amorphe a. S. entitebt 
bei der Sublimation, wird an der Luft allmablid 
kriſtalliniſch (regulär), porzellanartig, milchweif, ſpez 
Gew. 3,798. Kriſtalliſierte a. S. verflüchtigt ſich beim 
Erhitzen, ohne zu ſchmelzen, ſchmilzt nur bei plötzlichem 
Erhitzen oder unter Druck und erjtarrt dann qlafig. 
Umorphe a. S. ſchmilzt bei 200°. Der Danipf it 
farb- und gerudlos. A. S. loft fic) ſchwer und lang: 
jam in Waffer, doc) weiden die Angaben über he 
LHslichteit ſehr ftarf voneinander ab. Yn Allohol 
ijt a. S. wenig, in Sauren, befonders in Salzſäute, 
leichter löslich. Aus der ſalzſauren Löſung der amor: 
phen arſenigen Säure ſchießen Rrijtalle unter Licht- 
entwidelung an; beim Erbhigen der Ldfung entweidt 
Arſenchlorid. Aus Löſungen in Ammoniat und fob- 
lenſaurem Kali ſcheidet ſich a. S. im freien Zuſtande 
wieder ab. Oxydationsmittel verwandeln a. S. in 
Arſenſäure; Kohle, Metalle, Waſſerſtoff und Cyan 
kalium reduzieren a. S., und beim Erhitzen entwidelt 
ſich Rnoblauchgerud, beim Urbeiten in einem Gias- 
robr entſteht cin Urfenfpiegel (fj. Urien). Die Ldfung 
der arjenigen Säure in Salzſäure entwickelt mit Zint 
Waſſerſtoff und Arſenwaſſerſtoff; alfalifde Erden und 
fohlenfaure Ulfalien geben beim Schmelzen mit arje- 
niger Säure Arſenſäureſalz und Arſen; Scwefel- 
waſſerſtoff fallt aus fauren Ldfungen der arſenigen 
Säure alles Arſen als gelbes Schwefelarfen, das in 
Schwefelammonium löslich ijt. Mit Eſſigſäure und 
überſchüſſigem Kali zur Trocne verdampft, entwidelt 
a. S. beim Glühen tm Glasrohr penctranten Gerud 
nad Rafodyloryd. Die BVerbindung As,O, ijt das 
Anhydrid der eigentlichen arſenigen Saure H,AsO,, 
die in ber Löſung deSfelben vorhanden, aber in fejter 
orm nod nidt erhalten worden ijt. Die Löſung 
reagiert ſchwach fauer und bildet mit Bafen die Ar— 
—— (Urfenite). 
an benugt a. S., welche die Nuance der meiſten 
organiſchen und anorganifden Farbjtoffe erhöht, in 











Arfenighdurejalje — AUrjenifvergiftung. 


der Farbenindujtric, in der Rattundrucerei zur Fixie 
rung der Eiſen- und Tonerdebeizen, sur Darjtellung 
von Sdweinfurtergriin, Ladjarben ꝛc., bei den Ko— 
balt- und Nickelhüttenprozeſſen, gu Robaltultramarin, 
Rinmanns Griin, zum Beizen der Haare in der Hut- 
maderei, zum Reinigen des Glajes während des 
Schmelzens (durch Orydation von Kohle und Cijen- 
orydul), sur Darjtellung eines Cmails, des Uuripig: 
ments und der Arſenſäure, in Natronlauge gelöſt als 
Redultionsmittel, in Salzſäure gelöſt zum Graubeizen 
pon Meſſing und Bronze und zuweilen gum Harten 
von Cijen, zur Vertilgung der Ratten r., zum Kon— 
fervieren ausgejtopfter Ticre und gum Imprägnieren 
des Saatgetretdes (gegen Brand und Ungeziefer), 
aud) als Arzneimittel (}. unten). 

YU. S. ijt, befonders int geldjten Zuftande, höchſt 
giftig. Jn ſehr geringer Doſis (0,002 g) genonmen, 
erregt fie Warmegefiihl in der Magengegend und ge- 
fteigerten Uppetit, bet fortdauerndem Gebraud fann 
fic) Der Organismus unter nod) nidt näher feſtge— 
ftellten Verhältniſſen an das Mittel gewöhnen und 
gedeiht dabei auffallend qut. So herrſcht in Steier- 
mart, Salzburg, Tirol x. die Sitte ded Urfenil- 
eſſens, und Die ihr huldigen, erreiden 3. T. cin hohes 
Ulter, werden bei gleichbleibender Ernährung kräf— 
tiger, oder ihr Körper nimmt an Gewidt bedeutend 
gu, wenn ibre Urbeitstraft nidt in Uniprud genom: | 
mien wird. Die Leute beginnen mit ſehr geringen 
Dojen, nehmen den Arſenik (Hidri) in mehrtägigen 








Faujen und jteigen bis 0,3 g und höher; fie find aber | 
arſenige Säure, jeltener durch arjenigjaures Natron, 


an das Mittel gebunden und verfallen beim Ausſetzen 
desfelben in große Ubgefpanntheit. Auch bei Pferden | 
wird a. S. angewendet, um fie — fett und feurig 
erſcheinen zu laſſen, ebenſo bei Rindern und Schafen 
ur Erhöhung der Maſtfähigkeit. Das Fleiſch folder 
J enthalt nad dem Schlachten unſchädliche Mengen 
von Arſenik. A. S. wird durch lebendes Protoplasma 
zu Arſenſäure oxydiert, die fic) ſchnell wieder in a. S. 
verwandelt und dabei altiven Sauerſtoff abgibt. Dieſe 
Prozeſſe üben einen mäßigen Reiz auf die Gewebe 
aus und fördern die Energie des Wachstums, wirken 
aber bei größerer Intenſität zerſtörend. So vernichtet 
a. S. aud) die geformten Fermente und wirkt daher 
qarungs- und faulniswidrig, während bei Überſchuß 
der Fermente die a. S. gu Arſenwaſſerſtoff redugiert 
wird. Jn Löſung wirten 0,2 g a. S. fajt ſtets tödlich, 
dagegen können größere Stiide von mehreren Gramm 
ohne Schaden verfdludt werden. Wan benugt a. S. 
bet Wechſelfieber, Neurojen, Hautfrantheiten, Bleid- 








fudt, gegen bdsartige Lymphome, äußerlich als Vp: 
mittel. Uber Urfenifvergiftung f. d. A. S. wird 
in Deutſchland hauptſächlich in Freiberq und auf 
cinigen fleinern Werken des Erzgebirges, aud) ju 
Reichenjtein in Schleſien dargejtellt und kommt als 
Pulver und als Glas in den Handel. Sehr viel a. S. 
liefert England. Die Gewinnung der arjenigen Säure 
aus natiirlidemt Schwefelarſen war den Alten befannt. 

Arſenigſäureſalze (Arſenite) entitehen bei 
Neutralijation von arſeniger Säure mit Basen oder 
Durd) Wechſelzerſetzung; fie find bis auf die Allalien 
in Wajfer ſchwer oder nidt, in Säure leidt löslich, 
mande frijtallijieren, alle werden durch verdiinnte 





Sauren (die löslichen fogar durd) Kohlenſäure) zerſetzt, 
und die Löſungen der arjfenigfauren Allaliſalze bilden | 


an der Luft allmählich Arſenſäureſalze. Cine Lifung | 
von arjenigfaurem alt K,AsO, wird argneili 

benupt. Die Löſung de3 Natronſalzes dient in 
der Maganalyfe zur Beſtimmung von unterdloriger 





Säure, Chlor, Jod r-., and) tränkt man Flieqenpapter 
Meyers Ronv.+Lerifon, 6. Aufl., J. Bb. 


817 


damit. Von der Unlslidfeit de3 arfeniqfauren 
Cifenoryds und der arjenigfauren Magnejfia 
madt man bei Yirfenifvergiftungen Gebraud. Cin 
Kupferſalz ijt das Scheelſche Grün, umd aus 
lochender Safung von arjeniger Säure fallt Griinjpan 
Sdweinfurtergriin. 

Arſenik, foviel wie Arjen (ſ. d.) oder arjenige 
Säure (j.d.); gelber W., Auripigment, u. roter W., 
Realgar, ſ. Urjenfulfide; weifer W., arjenige Säure. 

Wrfenifalien, Arſenpräparate, namentlid) auf 
Hiittenwerfen dargejtelltes metalliſches Urjen, arjenige 
Säure, Raujdgelb, Realgar, dann aud Arſenſäure 
und arjenjaures Kali. Transport und Handel mit 
A. unterliegen den Vorſchriften, die den Verlehr mit 
Wiften regeln. 

Arfenifalfies (Arſeneiſen, weidher Gift- 
fies), Mineral, kriſtalliſiert rhombiſch, findet ſich meijt 
derb in fornigen und ſtãngeligen Aggregaten, ijt jilber- 
weiß bis ftablqrau, Härte 5— 5,5, ſpez. Gew. 7,1— 
74. Die meijten Varietäten find nahezu reines Arſen— 
cijen FeAs, mit etwas Schwefel (Lillingit), wie 
die von Lolling in Kärnten, Schladming in Steier- 
marf. UWndre (Leufopyrit) find nahezu Fe,As,, 
wie die von Reidenjtein in Schleſien (hier qoldhaltig), 
Pribram in Böhmen. 

— —— Mineral ſ. Arſenige Säure. 

Arſenikkies, Mineral, ſoviel wie Arſenkies. 

Arſenikrubin, ſ. Arſenſulfide. 

Arſenikvergiftung entſteht am haiufigiten durch 


Schwefelarſen (Opernient, Realgar), Schweinfurter— 
grün ꝛc., und gwar meiſt durch Einverleibung des Ar— 
jenits in Den Magen; aber aud) vom Wajtdarm, von 
Der äußern Haut, von Wunden und Geſchwüren aus 
fann Arſenik in den Körper aufgenommen werden. 
Einatmung von Urfenjtaub und Arſendämpfen kommt 
namentlich bet Hiittenfeuten und andern Yrbeitern 
vor, dod finnen aud) mit arjenbhaltiqen Farben be- 
drudte Tapeten und Gewebe arjenhaltigen Staub 
entwideln, und auf feudjten Tapeten follen arjenbaltige 
Farben Arſenwaſſerſtoff entwideln. A. tritt in ver- 
jdiedenen Formen auf, je nad Menge und Beſchaffen— 
Heit des Giftes, nad) der geldjten oder ungelijten Form 
deSjelben, nad dem Einverleibungsort x. Die atute 
YU. bejteht gewöhnlich in ciner ſehr heftigen Magen- 
entzündung, der fid) Darmentziindung gugefellt. Da- 
her jtellt jid) bald nad) Einführung des Gifted heftiqes 
Erbreden mit Magenſchmerz, Zuſammenſchnüren des 
Halies, Empfindlichkeit der Magengrube bei Berüh— 
rung, brennender Durjt und grofe Angſt ein. Es 
bejtebt fortwabhrendes Wiirgen und Aufſtoßen, aud) 
wohl Blutbreden, dann treten Durchfälle, Leibſchmerz, 
blutige Stühle, Stuhlzwang x. auf, wabrend das 
Geſicht auffallend entitellt, bleid) und kühl, eingefallen, 
die Gliedmaßen falt, der Puls flein und frequent ijt. 
Nicht felten gefellen ſich hierzu Muskelſchwäche, Ohn— 
macht, Krämpfe, Zittern der Glieder, Schluchzen und 
andre nervöſe Symptome, die, zuſammen mit dem 
ſchon erwähnten Erbrechen und Durchfall, das Krank⸗ 


heitsbild der A. höchſt ähnlich einem Choleraanfall 


geſtalten. Bisweilen geſellen ſich auch Utenmot und 
Bluthuſten, mandmal Blaſenſchmerz, Blutharnen xc. 
hinzu. Der Tod tritt bet der aluten A. binnen einem 
oder wenigen Tagen, manchmal ſchon nach wenigen 
Stunden cin. Die chroniſche UW. als Gewerbe— 
krankheit entiteht durch längere Zeit hindurch fort- 
geſetzte Einverleibung kleinerer Mengen von Arſenik 
und kommt bei Bergwerks- und Fabrifarbeitern vor. 
52 


818 


Sie äußert fic) durch ſchleichende Magen- und Darm- 
entzündung, mit Gelbſucht, Leibſchmerzen, Durd)- 
fällen, Sale. Speichelfluß und namentlid) einer zu⸗ 
nehmenden Ubmagerung und Hinfilligfeit, mit Aus— 
ſchlägen und Geſchwüren, Wusfallen der Haare und 
Rigel. Hiermit verbinden ſich Leap lle herum⸗ 
ziehende Schmerzen, Krämpfe, Angſt, Unruhe, Sdlaf- 
loſigkleit, Lähmungen. Der Tod erfolgt beſonders 
durch die ſchleichenden Entyiindungen und Verſchwä⸗ 
rungen des Darnifanals und der Lungen oder durd) 
Entkräftigung, Waſſerſucht und Auszehrung. 
Behandlung. Auf der äußern Haut befindlicher 
Urjenif wird fortgeſchafft, man reinigt die Haut, reibt 
jie mit feuchtem, möglichſt warmem Cifenhydroryd 
oder Magnejiumbhydroryd und wäſcht fie nut effig- 
jaurem Eiſenoxyd. Dit das Gift dem Magen einver- 
leibt worden, fo ſucht man Erbreden i" erregen durch 
Kigeln des Schlundes und ſpült den Magen mit febr 
viel Waffer aus. Die dann nod im Magen verblei- 
benden Rückſtände des Giftes ſucht man durd eine 
friſch bereitete Miſchung von Cifenhydroryd und 
Magnefiumbhydroryd (Antidotum arsenici) zu binden 
(von 10 au 10 Minuten einen Eßlöffel voll). Um 
das in den Darm eingedrungene Gift raſcher ausju- 
fiibren, reicht man Abführmittel, falls nicht ſchon 
Durchfall beſteht. Bei lähmungsartigen und großen 
Schwächezuſtänden empfehlen ſich warme Bäder, 


Hautreize, dabei viel Getränk, Kaffee, Tee. Bei der | 


dronijden A. muß der Kranke zunächſt den frant- 
madenden Cinfliijjen entzogen werden. Die Behand- 
{ung ijt Dann cine rein fymptomatijde. Am wid- 
tigiten ijt qut nabrende, leichtverdauliche Koſt: Milch, 
Schleimjuppen, Fleiſch, Fleiſchbrühen, rohe Cier 2. 
Daneben jind warme Schwefelbäder von Nugen. 

Die Nadweifung des Urfens im Körper de3 
Vergifteten geſchieht mit Hilfe des Marſhſchen Appa— 
rates (jf. Wcenwajferitof und gelingt nod, aud) 
wenn Die Leiche bereits lange in der Erde gelegen Hat. 
Die Empjindlidjfeit der Methode erheiſcht aber große 
Vorſicht, da der Boden ſehr oft Urjen enthalt, das, 
durd) das bei der Fäulnis entwickelte Ammoniak gelöſt, 
zur Leide gelangt fein fann. Arſenleichen find durd 
das Gift bis zu einem gewiſſen Grade gegen Fäulnis 
geidhiigt und trodnen öfters ein (mumifizieren). Der 
Schimmelpilz Penicillium brevicante zerſetzt auf 
verſchiedenen Subſtanzen, auf denen er gu wadjen 
vermtag, namentlid) auf Brotbrei, darin enthaltene 
Yrjenverbindungen unter Bildung ſtark nad) Knob- 
laud) riechender flüchtiger Körper. Dieſe Reaftion ijt 
äußerſt empfindlich; Antimon, Wismut geben ſie nicht. 
Ral. Bunſen und Berthold, Cifenorydhydrat, das 
Gegengift geqen arjeniqe Säure (2. Aufl., Götting. 
1837); Schuchardt, Unterſuchungen iiber die An— 
wendung des Magnejiahydrats als Gegenmittel ge- 
gen arjeniqe Säure (daſ. 1852). 

Arfenit, Mineral, ſ. Arſenige Säure; Urfenite, 
Arſenigſäureſalze, 3. B. Kaliumarſenit, arjenigjaures 
Rali. 

Arſenius, 1) der heilige, vornehmer Romer, 
Erzieher Der Söhne Theodofius' d. Gr., lebte fpater 
als Einſiedler in Agypten, ftarb gegen 450. Gedächt- 
nistag Der 8. Wai (griechiſche), Der 19. Quli (latei- 
niſche Kirche). 

2) Genannt Antorianus, 1255—67 Patriard 
von Konſtantinopel, wozu ihn der Kaiſer Theodoros 
Vasfaris erhoben hatte. Infolge ſeines Widerſtandes 
gegen Den Ufurpator Michael Paläologos, der den 
jungen Johann Lastaris hatte blenden laſſen, nad 
Prolonneſos in der Propontis verbannt, jtarb er hier 


Arjenit — WArjenpraparate. 


1273. Seine Anhänger (die Urfeniten) fohnten fid 
erjt 1312 mit der Regierung aus. 

Arſenjodid (Urjentrijodid, Yodarfen) AsJ, 
entjtebt beim Erbipen von Yrien mit Yod als Subli- 
mat, beim Roden von atherifder Jodlöſung mit Ar⸗ 
ſen und bei Einwirkung von Jodwaſſerſtoff auf Ar— 
ſenchlorid. Es bildet rote Kriſtalle vom ſpez. Gew. 
4,39 und löſt ſich in Allohol und viel Waſſer. Es 
wird arzneilich benutzt. 

Arſeukies (Arſenikkies, Arſenopyrit, Miß— 
pidel, barter Giftkies), Mineral, frijtallifiert 
rhombijd), findet fic) ein- oder aufgewadfen, aud 
derb in fornigen und ftangeligen YUggregaten, ijt 
jilberweif bis licht ftablqrau, Harte 5,5—6, ſpez. Gew. 
5,8—6,2, bejteht aus 46 Arſen, 34,4 Eiſen und 19,6 
Schwefel: FeS,.FeAs,, enthilt bisweilen 6—9 Broz 
Robalt (Robaltarfenfics, Danait), auc Silber 
(Weißerz) und Spuren von Gold. Er findet fid auf 
zahlreichen Erzgängen, aud eingejprengt in viclen 
Gejteinen und wird auf Urjen oder auf Robalt und 
Silber verarbeitet. 

Arfenfobaltfies (Teſſeralkies, Stutteru- 
| Dit), Mineral, Yrjenfobalt CoAs,, mit 20,7 Nobalt, 
| trijtallifiert tejjeral, aber aud) derb in fornigen Aggre 

gaten, ijt zinnweiß oder bunt angelaujen, Harte 6, 
ſpez. Gew. 6,5—6,8. Es findet fic) bei Shutterud in 
Norwegen und wird auf Robalt verarbeitet. 

Arfenfupfer (Domeyfit), Mineral, befteht aus 
Kupfer und Arjen Cu, As mit 71,7 Kupfer, traubig oder 
nierenformig, derb u. eingeſprengt, zinnweiß, oft gelb 
und bunt angelaufen, Harte 3—3,5, ſpez. Gew. 7 —7,s. 
Es findet ſich zu Coquimbo und Copiapo in Chile, aud 
lim Porphyr bei Zwickau. Cin andres A., Cu, As mit 
| 83,5 Kupfer, auf der Grube Algodones bei Coquimbo, 

wird Algodonit genannt. S. auch Weißlupfer. 

Arfenlegierungen, ſ. Urfenmetalle. 

Arfenmetalle (Arſenide, Urfentegierun: 
gen). Verbindungen der Metalle mit Arſen, finden 
ſich 3. T. in der Natur, wie Arſeneiſen (Arienifalfies), 
| Urfennicel (Rupfernidel) x. Urfenflupfer, f. Weiß— 

fupfer. Sie entſtehen 3. T. durd Zuſammenſchmelzen 

Der Metalle mit Urien oder mit arjeniqer Saure und 

Kohle. Sie find fprdde und leichter ſchmelzbar als 

die Metalle, werden beim Erhitzen zerſetzt und geben 
beim an” an ber Luft arfenige Saure und We: 
tall oder Wetalloryd oder bajifd arjenjaures Metall 
oye (Röſtprozeſſe arjenhaltiger Erze). 

rſennickel, ſ. die Urtilel: »Chloanthit, Rotnickel⸗ 
fies und Weißnickellies«. 

Arſennickelglanz, Mineral, ſ. Nicdelarjentics. 

enopyrit, Mineral, ſ. Yirjenfies. 

Arjenpentafulfid, ſ. Arſenſulfide. 

Arſenpentoxyd, ſ. Arſenſäure. 

Arſenpillen, ſ. Aſiatiſche Pillen. 

Arſenpräparate, arzneilich benutzte Priiparate, 
die Arſen als weſentlichen Beſtandteil enthalten, na 
mentlich arſenige Säure (Acidum arsenicosum, Ar- 
senicum album); Liquor kalii arsenicosi, cine 26 
jung von arfenigjaurem Rali in Waffer, Allohol und 
Lavendeljpiritus, mit 1 Proj. arfeniger Säure, tit 
an die Stelle der Solutio arsenicalis Fowleri getre 
ten. Pearjons Urjeniffliiffigteit (Solutio arsenicalis 
Pearsoni) enthält 0,06 arjenjaures Natron in 30 Te 
len Wajjer; ferner Urjentridjlorid, Yrjentribromid, 
Yirjentrijodid, Arſenſäureſalze von Ralium, Ratrium, 
Supfer, Chinin, ein Ätzpulver (Pulvis Cosmi) aus 
arjeniger Säure, Dradenblut, Zinnober und Leder- 
ajde; Pitulae asiaticae, Urjenpillen mit je 1 mg 
arjeniger Säure. Bgl. Arſenikalien. 











Arjenradifale — 


Arfenradifale, Verbindungen de3 Urjens mit 
Wltoholradifalen, zu denen das Kalodyl gehört. 

Urfenrubin, i. Arſenſulfide. 

Arſenſäure H,AsO, findet ſich in zahlreichen 
Mineralien und wird durch Oxydation der arſenigen 
Säure mit Salpeterſäure oder durch Behandeln einer 
Löſung von arſeniger Säure in Salzſäure mit Chlor 
erhalten. Aus ſirupdicker Löſung kriſtalliſiert in der 
Kälte gerfliehlides 2H,AsO,+H,O, das bei 100° 
ſchmilzt und damm HAsO, in kleinen farb- und ge: | 
rudjlofen, leich ldstiden Radetn liefert. W. fehmedt 
ſauer metallifd, — ſauer und bildet mit Baſen 
die Arſenſäureſalze (Arſeniate). Sie löſt Eiſen und 
Zink unter Entwickelung von Arſenwaſſerſtoff, der 
fic) aud) entiwidelt, wenn arſenſäurehaltige Schwefel⸗ 
oder Salzſäure auf jene Metalle wirft. Bon ſchwef— 
liger Säure wird fie in wäſſeriger Löſung gu arſeni— 

er Säure, von Kohle, Metallen, Cyanfaliun beim | 

rhigen unter Entwickelung von Knoblaudgerud zu 
Arjen redusiert. Schwefelwafferjtoff reduziert A. unter | 
Ubfdeidung von Sdwefel und fallt dann Sdhwefel- | 
arjen. Gewöhnliche UW. (Orthoarfenfiure) it) 
dreibafifd) und liefert bet 140—180° unter Uustritt 
von WafferNrijtalle von PB yroarfenfdure H,As,O,, | 
bei 206° unter weiterm YWustritt von Waſſer perl 
mutterglänzende Metaarfenfaiure HAsO,, die bei 
ſtärlerm Erhigen Urfenfaureanhydrid (Urfen: | 
pentoryd) As,O, binterlaft. Dies ijt farb- und 
gerudlos, amorph, bygroffopiid, in Wafer langjam 
ſöslich und gerfallt bet nod) höherer Temperatur in 
Sauerjtoff und Urjeniqfiureanhydrid. Man benugt 
U. als Surrogat der Weinſäure in der Beugdrucerci, 
ihr Natron- und Ammoniakſalz als Arzneimittel. A. 
iſt nicht ſo giftig wie arſenige Säure, das Anhydrid 
erzeugt aber aa der Haut Blajen, und felbjt ſehr ver- 
dünnle Löſungen wirken bei häufigem Cintaudjen der 
Hände nadteilig. Man ſchützt fic) durch häufiges 
Waſchen mit Kallkwaſſer. 

Arſenſäureſalze (Arſeniate) finden ſich viel 
fach in der Natur und werden durch Neutraliſation 
der Säure mit der Baſe oder durch Wechſelzerſetzung 
erhalten; fie haben große Ähnlichkeit mit den Salzen 
der Phosphorſäure, und, wie dieje Säure, bildet aud 
Arſenſäure drei Reihen Salze. Sie find teils frijtal- 
lifierbar, teils amorph, in hober Temperatur fehr be- 
ee qeben aber beim Erhigen mit Kohle metalli- 
hes Arſen. Nur die Salze der Alkalien find in Wafer 
löslich Urfenfaures Natron (Natriumarfe- 
niat) H,NaAsO, wird durch Erhitzen von arfeniq: 
faurem Natron mit Natronfalpeter erhalten und bildet 

fe, farblofe, luftbeftindige, leicht lösliche Kriſtalle. 

13 Nebenproduft qewinnt man das Sal; beim Glühen 
Der gerdjteten Nicelfpeife mit Soda und Chilifalpeter 
behufs der Darjtellung von Nickeloxyd. Es ijt febr 

iftig und dient in der Färberei sur Befeſtigung der | 

eizen und als Surrogat des Kuhkotſalzes; aud 
wird es arzneilich benutzt (vgl. Urjenpraparate). Wr 
fenfaures Rali (Raliumarfeniat) H,KAsO, 
wird wie das Natronfal; erhalten, bildet weihe Rri- 
ftallfrujten, ijt ſehr giftiq und dient in der Seug 
Druderei als Beize. 

Siclestvienst + Mineral, ſ. Rotgiltigers. 

Arfenfpiegel, ſ. Arſenwaſſerſtoff. 

Arſenſulfide (Schwefelarſen), Verbindungen 
des Arſens mit Schwefel. Arſendiſulfid (Arſen 
julfid, Arſenſulfür, rotes Schwefelarſen) 
AsS findet fic) in der Natur als Realgar und wird 
durch Zuſammenſchmelzen der Bejtandteile inrictigem | 
Verhaltnis und Sublimation oder aus Urjenties und | 











Arjenwafferjtoff. 819 


Schwefel und Schwefelties gewonnen. Das erhaltene 
Rohglas wird geſchmolzen, zur Srlangung dunflerer 
Sorten mit Schwefel verfest und nad Entfernung der 
Unreinigfeiten in luftdicht verdedbare Blechgefäße ab- 
geſtochen. Es ijt kriſtalliniſch, rubinrot, unlislic in 
Wafer, leicht ſchmelzbar und verbrennt an der Luft gu 
arfeniger Säure und ſchwefliger Säure. Das Hiitten- 
mãnniſche Broduft ijt amorph und nicht die reine chemi⸗ 
ſche Verbindung, fondern enthalt Arſen und Schwefel 
in foldem Verhaltnis, daß ein ſchön rubinrotes Produkt 
entſteht, Das ein orangegelbes Pulver liefert (Real - 
qar, roter Urfenif, rotes Arſenglas, Arſen— 
oder Urfenifrubin, Rubinſchwefel, Rauſch— 
rot, Rotglas). Es Diente frither als gelbe Farbe, 
jebt als Redultionsmittel des Indigos, als Redul- 
tionSmittel in Der Glasfabrifation, in der Sdhrot- 


| fabrifation (der Schwefel ſcheidet cinen Kupfergehalt 


des Bieies ab, und das Arſen geht ins Blei), m der 
Gerberei zum Enthaaren der elle, mit 12 Teilen 
Salpeter und 3,5 Teilen Schwefel gemifdt, als Weif- 
feuer zu Sigqnallidtern, ju Unjtrichen fiir Schiffs- 
biden (Schutz gegen das Anſetzen von Seetieren). 

Urfentrijulfid Urfenfuperfulfiir, Arfen— 
ſulfid) As,S, findet ſich in der Natur als Uuripig- 
ment (Operment), entjteht bei Sublimation von ar- 
feniger Saure mit Schwefel und wird aus der Ldjung 
der arjenigen Säure durch Schwefelwaſſerſtoff gefällt. 
Es iſt kriſtalliniſch oder amorph, zitronengelb, un— 
durchſichtig, länzend, unldslid) in Waſſer, ſchmilzt 
und verdampft bet 700° und verbrennt wie das vorige. 
Mit baſiſchen Schwefelmetallen bildet es Sulfar- 
fenite (Thivarfenite), von denen die der Allalien 
mit gelber Farbe in Wajfer löslich find. Das Hiitten- 
produft, aus arjeniger Säure und Schwefel zuſam— 
mengeſchmolzen, bejteht wefentlid) aus arjeniger 
Säure mit wenig mehr als 1 Broz. Schwefel (Gelb— 

las, gelber Urfenif, gelbes Arſenglas, 
Rauſchgelb, Königsgelb) und wird als gelbe 
Malerfarbe und, wie das vorige, im Orient, mit 9 Tei 
len gelöſchtem Ralf und Wajfer gemiſcht, als Ent— 
haarungsmittel (RHusma) berugt. Bei der Reini- 
gung der Schwefelſäure mit Schwefelwaſſerſtoff wird 
es al8 Nebenprodutt erhalten. 

Urfenpentafulfid (Urjenfuperfulfid) A,S, 
entiteht beim Zuſammenſchmelzen von Arſen mit 
überſchüſſigem Schwefel und wird aus einer ſchwach 
ſalzſauren erwarmten Lifung von Arſenſäure durch 
Schwefelwaſſerſtoff gefällt. Es ijt ein qelbes, leicht 
ſchmelzbares Pulver und bildet mit baſiſchen Schwefel⸗ 
metallen Sulfarſeniate (Thioarſeniate). 

Arſentribromid, ſ. Arſenbromid. 

—— f. Arſenchlorid. 

Arſentrijodid, |. Arſenjodid. 

Arſeutrioxyd, ſ. Arſenige Säure. 

Arſentriſulfid, ſ. Arſenſulfide. 

Arſenwa ſſerſtoff AsH, entſteht, wenn bei Ent- 


wickelung von Waſſerſtoff aus Schwefelſäure oder 


Salzſäure und Zink eine lösliche Urienverbindung 
jugegen ijt. Urjenhaltiqe Salz- oder Schwefelſäure 
entivicelt mit Zink oder Cifen arſenwaſſerſtoffhaltiges 
Wajferitofiqas. Es foll fid) auch aus arienhaltigen 
Farben an feudten, mit Schimmel bededten Wanden 
entwideln. Rein erhalt man es bei Zerfesung vor 
Yrjennatrium mit Wafer. Farblofes, moblauchartig 
riechendes Gas vom ſpez. Gew. 2,9 wird bei —40° 
jliiffiq und fiedet bet 550, erjtarrt bet —113°, iſt 
wenig löslich in Wafjer und verbrennt mit bläulicher 
Flammie zu arfeniger Saure und Waſſer. Mit Metall 

ſalzen bildet es Arſenmetalle, nit Silbernitrat gelbes 


52* 


820 


Arjine — Art. 


Urjenfilbernitrat Ag,As(NO,),, das durd) Waſſer | Burg beſetzen, die beiden jiingern Sohne der W. er- 
ſchwarz wird. A. ijt ſehr giftig und wirkt höchſt hem- | morden und verbannte dieſe jelbjt nad der Inſel 
tiidijd. Auf faltem Porzellan bildet die Flamme Samothrafe. Bon dort entfloben, vermählte fie ſich 


dunfle Flee von metallijdem Arſen (Urfenfpie- 

el). Diefe Flee entitehen, wenn man A. durd ein 

lasrohr leitet und dies an einer Stelle zum Glühen 
erhigt. Hierauf berubt eine ſehr empfindliche Methode, 
Urjen nachzuweiſen. Man bringt in die Gasentwide- 
lungsflaſche des Marſhſchen Upparates (7. Ab— 
bildung) die gu unterſuchende Flüſſigleit mit reiner 
Schwefelſäure und reinem Zink, trodnet das ent: 
weichende Gas im Chlorcalciumrohr b, erzeugt dann 
in dem Gadleitungsrohr durch Erbhigen den Spiegel 








Marſhſcher Apparat. 


(cd), entgiindet das ausſtrömende Gas, bildet aud ; — In der 





mit ihrem Bruder Ptolemäos IL. Philadelphos von 
Agypien, der deswegen feine erjte Gemablin Arſinoe. 
cine Todjter des thrafijden Königs Lyjimados, ver- 
bannte, und wurde defjen Viitregentin. Schon gu 
ihren Lebzeiten wurde fie mit dem Ramen Poiladel- 
phos, »die ihren Bruder liebt«, zur Gottin erhoben; 
aud) führen mebrere Städte Kleinaſiens und Agyp- 
ten ihren Namen. 

2) Todjter des Ptolemaos III. Euergetes, Gemab- 
lin ihres Bruders Ptolemaos lV. Philopator, Mutier 
des Ptolemäos V. Epiphanes, von Livius 
Kleopatra genannt, half in der Schlacht bei 
Raphia (217 v. Chr.) an der Seite ihres Ge- 
mahls dieſem fiber Yntiodos d. Gr. fiegen, 
ward aber auf Betrieb des Soſibios ermordet. 

8) Tochter des Btolemaios XIII. Auletes, 
ward im fogen. Werandrinijchen riege, waib- 
rend Cäſar ibren Bruder Ptolemäos XIV. 
gefangen bielt, zur Königin ausqerufen umd 
belagerte mit dem Agyptijden Heer Wleran- 
dria. Rad) Beendigung des Krieges nabm 
Cajar U., um ibrer Schweſter Kleopatra den 
Thron ju fidern, mit nad) Rom und fiibrie 
fie tim Triumph auf. Der Triumvir Antonius 
lie jie 41-v. Chr. auf Verlangen der Kleopatra 
ju Ephefos im Tempel der Urtemis ermorden. 

Arſis (qried., »~Hebung<), in der antilen 
Wetrif der beim Slandieren durch Uufheben 
der Hand oder ded Fußes bezeichnete ſchledne 
Taltteil im Gegenſatze zur Thejis, dem durd 
MNiederfdlagen der Hand oder Uujtreten des 
Fußes bezeichneten guten Taltteil; bet den 
Neuern umgefehrt der durd den Akzent her⸗ 
vorgehobene Teil cines Versfußes im —* 
ſatze i dem nidt hervorgehobenen (Zh ef i). 

ufift der leidjte oder ſchlechte Taltteil 


auf Porzellan Spiegel und unterſucht dieje, um fie | (Auftakt) im Gegenfage jum guten (Thefis). Legterer 


vor ähnlichen Antimonſpiegeln, die Untimonwaffer: 
ſtoff unter denſelben Verhältniſſen liefert, gu unter- 


ſcheiden. In dieſer Weise läßt ſich noch 0,01 mg Arſen 


Arſine, ſ. Baſen. nachweiſen. 
Arſindẽ, im Altertum Name mehrerer Städte auf 


Cypern, in Agypten, Äthiopien ꝛc. Die bedeutendſte 


war Die in der Landſchaft Faytim am See Möris; fie 
wurde von Ptolemäos Ebhiladelphos erweitert, der 


feine Schweſter A. zur Stadtgittin erhob; nad ihr 


wurde die Landſchaft Fayiim als »arſinoitiſcher Gau«, 
die Stadt als »Stadt der arjinoitijdhen Gaubewoh 
ner« oder fur; A. bezeichnet. Der alte Name von A. 
war Sdjetet, ihrem Gotte Sobel waren die Krofodile 
Hheiliq; Daher bie U. bet den Griechen aud Rrofo: 
Dilopolis; Ruinen nbrdlich von Medinet ef Fayiim. 

Arſindẽ, 1) Todter des Ptolemäos J. von Agyp— 
ten und der Berenife, zuerſt 299 v. Chr. mit Konig 
Lyſimachos von Thrafien verbheiratet, der ihr Hera: 
fleia und mehrere andre Städte ſchenkte, gerfiel mit 
ihrem Stiefjohn Ugathofles und bewirkte 234 deſſen 
Hinridjtung. Wis in Dem daraus entbrannten Kriege 
Lyſimachos 281 gegen Seleufos von Syrien gefallen 
war, flog fie in das feſte Kaſſandreia in Matedonien 
und madjte von Hier aus ihre Anſprüche gegen ihren 
Halbbruder Ptolemäos Reraunos qeltend, der nad) 
der Ermordung des Seleufos (280) ſich Thratiens 
und Maledoniens bemächtigt hatte. Als fie Reraunos 





| 


wird nämlich beim Taftgeben durd den Riedericdlag 
marfiert, wie aud) die Alten beim Chortang die ſchwere 
Beit durch Uuftreten mit dem Fuge hervorboben. 

Ars longa, vita brevis, »dic Kunſt ijt lang, 
das Leben furge, lat. Form des Anfangs der » Wpho- 
ri8men« des Hippofrates. 

Ars magica (lat.), die Magie. 

Ars memorandi (lat., »dte Kunſt, auswendig 
ju lernen«), Unfang des lateinifden Titels einer im 
15. Jahrh. in Deutidland, Frankreich und den Rieder: 
landen gebraudliden, mit Holzſchnitten verfehenen 
Unleitung, fid) den Inhalt der Evangelien nad Ka 
piteln und Verſen zu merfen. 

Ars moriendi (lat., »die Qunjt, zu fterben«), 
ein im 15. Jahrh. in Deutidland, Frankreich und den 
Niederlanden verbreiteter Zyllus von Holzſchnitlen, 
die, zu einem Buch vereinigqt, eine Ermabnung jum 
bupfertiqen Sterben und den Hinweis auf Himmels 
freuden und Hollenjtrafen enthielten. Eine neve Au— 
gabe beforgte Specht Sa 1878). 

Arſonvaliſation, ſ. Elettrotherapie. 

Ars poetica, ſ. Horatius. 

Ars spiritaum (lat., »Geijterfunjt«), die Magie. 

Arius, Ruinenſtätte im Heutigen Palajtina, f. 
Upollonia 3). 

Art (lat. species) heift in der Logil ein Begriff, 
fofern er cinem höhern Vegriff untergeordnet ijt, der 


binterlijtiq in die Ehe gefithrt hatte, öffnete fie ihm ‘dann fein Gattungsbeqriff (genus) heißt. Go find 
die Love VON Kajjandreia. Sofort lies aber jener die | Tugend, Farbe, Tier Gattungsbegriffe fiir die Arten 


Art — Arta. 


Tapferteit, Rot, Vogel. Cin Urtbegriff lann natiirlid) 
im Verhältnis gu emem nod) miederern felbjt wieder 
Gattungsbegriff fein: fo ift dem Begriff Vogel der des 
Raubvogels als Artbegriff untergevrdnet. 
Im naturgejdhidtliden Ginne hat der Be- 
riff der A. weſentliche Umwandlung im Laufe der 
Seiten erfahren. Im allgemeinen betradjtete man 
urfpriinglid) die durch Ähnlichteit ihrer äußern Er- 
fdeinung und Lbereinjtimmung in allen Hauptkenn⸗ 
zeichen ausgezeichneten Yndividuen als gu derſelben 
A. —— ehörig und vereinigte dann die einzelnen 
Urten, z. B. der Veilchen oder der pferdeartigen Tiere 
gu einer Gattung (genus). Der Begriff wurde erjt 
durch die ſchon friiher angewendeten, aber von Linné 
durchgeführten Doppelnamen (bindre Nomen: 
flatur) einigermaßen feftqelegt, jofern man nun mit 
einem unſern Taufnamen pS i a Beinamen 
die A., mit dem unfern Cigennamen entiprechenden 
und voranjuftellenden Hauptnamen aber die Gattung 
bezeichnete (Viola odorata, das wohlriechende Beil: 
chen, Viola tricolor, das dreifarbige Belden oder 
Stiefmiltterchen). Im übrigen blieb der Begriff der 
A. fowohl wie der Gattung ein fonventioneller, da 
der eine Forjder denfelben Formentreis viclleidt in 
fiinf und der andre in zehn Urten teilte, obwohl fid 
öfter cine gewiſſe qejunde Realtion gegen zu weit 
qetriebene YUrtzeriplitterung geltend madte. Die Be: 
rengung des Urtbeqriffs tt in manden Fällen fehr 
chwierig, und fejte Regeln dafür find faum aufzujtel- 
fen. Linné fagte, daß es fo viele Arten gebe, als ur- 
ſprünglich —588 worden ſeien. Cuvier definierte 
die A. als »die Vereinigung derjenigen —— 
Körper, die voneinander oder von gleichen Eltern ab— 
ſtammen, ſowie derjenigen, die dieſen ebenſo wie 
einander ähnlich jind«. Es wurde alſo als Merkmal 
die Blutsverwandtſchaft oder gleichartige Abſtam— 
mung herbeigezogen, und man behauptete, nur männ⸗ 
liche und weibliche Individuen einer und derſelben 
A. fonnten miteinander fruchtbare Nachkommen er— 
zeugen. Selbſterſtändlich ſchließt dieſe Auffaſſung 
jede weitergehende Veränderung oder Umwandlung 
der Arten aus und fordert die Annahme ded Lehr: | 
beqriffS der Bejtindigfcit oder Konſtanz der 
Arten. Allein man hat nicht nur aus der Bereini- 
ung fiir durchaus verſchieden angejebener Arten 
———— Baſtarde hervorgehen ſehen, die neue Arten 


821 


beſtimmte äußere Verhältniſſe, wie ungewöhnliche 
Hike, Kälte, Feuchtigleit, klimatiſche Einwirlungen, 
Jahreszeitenwechſel ꝛc. hervorgerufen werden und im 
Artbegriff aufzunehmen ſind, wie z. B. die klimati— 
ſchen Abweichungen und die Formen des Saiſon— 
dimorphismus (jf. d.), Die Den Alpenpflanzen ähnlichen 
Bergformen der Riederungspflangen x. Da mit dem 
Dogma von der Unveränderlichkeit der Arten jede 
Unterjudung iiber das Zuſtandekommen des pflang- 
lichen und tieriſchen Formenreidjtums ausgeſchloſſen 
wurde, fo begann die durch beſtimmte Beobadtungs- 
tatſachen ſtutzig gemadte Forſchung einerfeits die 
Wiiltigteit desſelben ju bezweifeln und anderfeits Be— 
lege fiir Die Verän derlichkeit der A. gu ſammeln, 
wobei fid) die Wahrideintidfeit herausitellte, daß die 
Varietäten oft alg beginnende neue Urten ane 
jufehen find, deren Trennung von der Mutterform 
durch Sfolierung begiinjtigt wid, aber aud) ohne die- 
ſelbe eiutritt, wenn durd) weitergehende Divergeng der 
Charaftere das Keimplasma fid) fo verändert, daß 


| eine frudjtbare Rreuzung mit der Mutterform febr 


erſchwert wird (f. Darwinismus). Nicht felten fieht 
man aud) plötzlich durch Heterogeneſis oder Mu— 
tation ganz neue Arten auftreten, die ſich erhalten 
und pe Vermehrung des Formentreijes beitragen 
(vgl. Mutationstheoric), ein Vorgang, der ſich erklären 
wiirde, wenn man dic U. mit de Vries als Miſchung 
beftimmter Gejtaltungseinheiten (Pan gene) betrach— 
ten dürfte, von denen einige plötzlich ausſcheiden kön— 
nen. Falſch ijt tibrigens die Unjidt, als ob nach den 
neuen Unfdauungen von Arten im naturhijtorijden 
Sinne, d. h. von einer wohl trennbaren Gruppe in 
bejtimmten wefentliden Charafteren übereinſtimmen— 
der Individuen, nidt mehr die Rede fein könne; die 
Syjtematif fann ohne eine folde Klaſſifikationsſtufe 
gar nicht ausfommen. Nur der Begriff der natur- 
wiſſenſchaftlichen U. hat qewedjelt. Bal. Rageli, Ent- 
jtebung und Begriff der naturhiſtoriſchen WU. (2. Aufl., 


| Miind). 1865); H. de Vries, Die Mutationstheorie 


(Leips. 1901). 

In Der Mineralogie rednet man alle diejenigen 
fejten und tropfoar fliiffigen anorganijden Natur— 
firper ju ciner A., die in Den wejentlidjten Eigen: 
fchaften, wie Rrijtallform mit der zugehörigen Mole— 
fularjtruftur, Didte, Harte ꝛc. und chemiſcher Zu— 
ſammenſetzung, mitemander iibereinjtimmen; weil 





darſtellten, fondern es treten aud) ab und gu an den 
Nachkommen legitimer Verbindimgen Ubanderungen 
auf, die teils als aus innern Urſachen entitanden, | 
teils als Folge äußerer Einflüſſe, wie Klima, Lidht, 
Nahrung ꝛc, erſcheinen. Treten foldhe an Merfmalen 
auf, die man aus Erfahring fiir ſchwankend und va 
riabel erlannt bat, wie Farbe und Gripe, und erreiden | 
jte feinen folden Grad, dah fie die charalteriſtiſchen 
Merfmale der A. in Frage ftellen, fo fakt man die 
dicfelben darbictenden Individuen unter dem Namen 
einer Barictat, Ubart, Unterart oderSpielart | 
zuſammen, von weldjen Ausdrücken man den letzten 
meijt auf die Abänderungen begieht, die plbgplich und | 
ſcheinbar launenhaft an unweſentlichen Merkmalen 
erſcheinen. Dieſen Varietäten gegenüber, denen oft ein 
dritter lateiniſcher Beiname beigelegt wird, ijt der Will- 
kur des Syftematifers cin weiter Spielraum geſchaffen, 
und man hilft ſich wohl damit, daß man fogen. qute | 
und ſchlechte Urten, d. h. wohlumgrenzte und ſchwan⸗ 
fende, ju Abänderungen (Abarten-Bildung und 
Ausartungen) geneigte Arten unterſcheidet. Von 
den —“ Abarten ſind aber die Nebenfor— 
men zu trennen, die immer in derſelben Weiſe durch 


aber Kriſtallform und chemiſche Zuſammenſetzung 
nicht unlösbar miteinander verbunden erſcheinen, wird 
jeder dieſer Eigenſchaften eine zur Abgrenzung der A. 
genügende Selbſtändigkeit zuerkannt. Als überein 
ſtimmend in der Kriſtallform werden alle diejenigen 
Mineralien angefehen, die in ihren Kriſtallen die gleiche 
geometrijde und phyfifalifde Symmetric beſitzen und 
cine Rrijtallreihe bilden, d. b. auf die gleiche Grund: 
form zurückgeführt werden finnen. Bolymorphe Kör— 
per (ſ. Polymorphismus), wie RKalffpat und Arago— 
nit, Rutil, Anatas und Broofit, find alfo ebenfo viele 
jelbjtindige Yrten. Auch find die amorphen Verbin- 
Dungen von den frijtallijierten als beſondere Urten 
abzuſcheiden. 

Art, altdeutſches Wort für Bebauung, Bearbei— 
tung mit dem Pflug, dann ſoviel wie gepfliigtes Feld; 
nod) jet iiblid) in Den Wortern Artacker, Artfeld, 
Yrtland. Artbar, foviel wie urbar, traqbar. 

Art., bei naturwiſſenſchaftl. Namen Abkürzung 
fiir Beter Urtedi (jf. d.). 

Arta, 1) (türk. Narda) Hauptitadt des gleich- 
namigen gried. Nomos (1390 qkm mut (1896) 89,144 
Einwe, 28 auf 1 qkm) und einer der zwei zugehöri⸗ 





822 


gen Epardien, an der türkiſchen Grenze, am gleich— 
namigen Fluß (dem alten Arachthos), 13 km ober- 
halb ſeiner Mündung in den G ol fv on V., einen Bujen 
des Joniſchen Meeres, Sik eines griechiſchen Metro 
politen, eines Gerichts und eines Staatsgynmajiums, 








Artabad — Artel. 


2) A. IL, Mnemon (der »Gedichtnistarfe<), 
älteſter Sohn und ſeit 404 v. Chr. Nachfolger des 
Königs Dareios Nothos (ſ. Perſien, Geſchichte), be— 
ſiegte und tötete feinen jiingern Bruder, Kyros, der, 
von 10,000 griediiden Sildnern unterjtiigt, gegen 


hat eine mittelalterliche Zitadelle, cine große Kirche ihn gezogen war, in der Schlacht bei Qunara, nord. 
aus dem 9. Jahrh. und (1896) 7582 (Gemeinde 9575) | wejtlid) von Babylon, 401. Yn dem Kriege mit Sparta 
griech. Einwohner, da die Mohammedaner fajt alle | (399—394) rettete fich U. vor dem fiegreidhen Ageſi— 
ausgewandert find. Der friiher bedeutende Handel laos nur durd) Geld, womit er eine Koalition Grie 
ijt jett Dem Anfall an Griedenland (1881) febr gue | chenlands gegen Sparta bewirkte. Die fortdauernde 
riidgegangen. YW. bildete 13875 —1400 ein felbjtan-  Uneinigheit der Griedjen ficherte A. vor weitern An— 
diges Fiirvtentum unter Johann Spata; 1789 wurde | qriffen Durd) dieje, und der Untalfidijde Friede (387) 
es durch Wii Bafcha von Janina erobert. Hier 16. gab ihm die Herridaft iiber die kleinaſiatiſchen Grie- 
Yuli 1822 Sieq Reſchid Paſchas über die Grieden | chen zurück, während im Innern des Reiches die Ber- 


unter Wer. Maurofordatos und dem Württemberger 

vy. Normann. YW. liegt an der Stelle des alten Am— 

brafia. — 2) (Urtd) Stadt auf der fpan. Inſel Mal- 

lorca, Bezirf Manacor, mit Seidenraupengudt und 

(1900) 56831 Einw. Yn den Bergen nördlich von A. 

se jich kyllopiſche Steinbauten undeime gropartige | 
ropfiteingrotte, 

Artabad, da8 perſiſche Trockenmaß von 50 Sche⸗ 
nikas, = 65 Liter. 

Artaban, Name mehrerer parthiſcher Könige aus 
bem Geſchlechte der Arſaliden (ſ. Parthien). 

Artabãzos (Artabazes), 1) perſ. Feldherr, be- 
gleitete nad) der Schlacht bet Salamis Xerxes mit 
60,000 Marm medijder Rerntruppen an den Helles- 
pont, eroberte auf dem Rückweg nad) Griedenland 
Olynth, belagerte aber 3 Monate hindurch vergeblich 
—— Mit Mardonios vereinigt, ergriff er in der 
Schlacht bei Platää mit 40,000 Mann die Flucht. 

2) Perſ. Satrap, empörte ſich als Statthalter von 
Myſien, Phrygien und Bithynien 356 v. Chr. wider 
Yrtarerres Ochos und ſiegte mehrmals über deſſen 
Truppen, bis ihn der pao | ſeiner griechiſchen Bun- 
desgenoſſen zur Flucht nach Makedonien nötigte. Sein 
Schwager, der Rhodier Mentor, wirkte ihm die Er— 
laubnis zur Rückkehr aus. Unter Dareios Kodoman— 
nos befehligte A. in der Schlacht bei Arbela. Nach 
deſſen Ermordung begab er ſich zu Alexander, der 
ihn zum Satrapen von Baktrien ernannte. 

Artal, Mehrzahl von Rotal (jf. d.). 

Artanthe, j. Piper. 

Artaxäta (armen. Urtafdat), Hauptitadt von 
Urmenien, auf emer Inſel des Urares, ward vom 
König Artaxias I. nad) einem Plane Hannibals um 
180 v. Chr. erbaut, von Neros Feldbherrn Corbulo 
50 n. Chr. zerſtört, worauf in der Nähe eime neue 
Hauptitadt, Valarſchapat (beim heutiqen Etſch-— 
miadfin), errichtet wurde, die bis ins 5. Jahrb. ert- 
jtierte. Dest Ruinen Urdaf dir. 

Artaxérxes (altper|. Artachſchatra, hebr. Ar— 
tachſchaſta, neuperſ. Urdafdtr), perſ. Königs 
name, ſoviel wie großer König. Bemerkenswert ſind: 
1) UL, Longtmanus (griech. Makrocheir, » Lang: | 
hand«), Sohn des Xerres, folgte diefem 465 v. Chr. 
Bet Beginn femer Regierung hatte er in Baltrien 
mit Unruben zu kämpfen. In Agypten wurde der 
Wnfitand des Inaros 455 trotz der atheniichen Hilfe | 
unterdriidt. Gegen die Athener ſelbſt erlag feine Streit: | 
macht in Der Doppelſchlacht bet Kypros 449, wodurd | 
die Fleinafiatijden Griechen tatfachlic) fret wurden. | 
Eine Empirung de3 ſyriſchen Satrapen Megabyzos 
wurde durch Unterhandlungen gedämpft. Rad ſei— 
nen Lobrednern foll YW. ſich durch Abſchaffung von 
Mißbräuchen Verdienſte erworben haben; aber feſt 
ſteht nur, daß er von Weibern und Günſtlingen ab 
hängig war. Cr ſtarb 425 (j. Perſien, eidhidyte). | 








zur 
Zwecken verbinden. Die Organiſation der Artelle tit 


rüttung mehr und mehr zunahm. Die Satrapen em— 


pörten ſich einer nad) dem andern; beſonders gefabr- 


lid) waren die Aufſtände des Ariobarzanes von Phry⸗ 


gien und des Datames von Kappadofien (368 —362), 
Die mur Durd) Ermordung des erjtern und verviite 


rijde Gefangennahme des legtern beendigt wurden. 


A. ward volljtandig von feiner abſcheulichen Mutter 


Paryſatis beherridt. Er ftarb in hohem Alter 358. 
Unter YW. fiibrte Esra feine Rolonie nad Paläſtina 
und wirfte Nehemia zu Jeruſalem. 

3) A. IIL, Ochos (perj. Vahuku, der »Wagen 
fabrer<), Sohn und feit 358 v. Chr. Nachfolger des 
vorigen, Wiederheriteller des zerrütteten Reiches, be- 
fiegte Die aufſtändiſchen Satrapen Artabazos (j. dD. 2) 
und DOrontes und zerſtörte Sidon. Langer dauerte 
der —— Agypten, das erſt gegen 345 durch den 
Rhodier Mentor bewältigt ward. Um ſich vor dem 
maledoniſchen König Philipp zu ſichern, unterſtützte 
A. 340 das von jenem belagerte Perinthos. Er ſtarb 
337, vergiftet durch den Eunuchen Bagoas, der 335 
aud) den ſtatt ded Vaters eingeſetzten juͤngſten Sohn 
des A., Arſes, beſeitigte. 

4) UW. IV., ſ. Beſſos. — S. auch Ardaſchir. 

Artaxias (Artaſhẽs), erſter König von Gro} 
armenien (189 —159 v. Chr.), ſ. Armenien, Geſchichte. 

Artedi (Arctädius), Peter, Zoolog, geb. 22. 
Febr. 1705 in Angermanland, geſt. 25. Sept. 1735 
in Amſterdam. Er ſchrieb: » Bibliotheca ichthyolo- 
gica« (hrsg. von Linné, Leiden 1738, 5 Bde.; new 
hrsq. von Walbaum, Greifsw. 1789, 2 Bde.). 

rtefaft (lat.), Kunſterzeugnis. 

Artel (Urtjel), Name der ſchon feit alter Zeit in 
Rufland bejtehenden, friiher »Drufhina« oder »Wa- 
taga« genannten, auf patriardalijd - genoſſenſchaft 
lidher rundlage rubenden Vereiniqungen von meb- 
reren Berfonen, die fich unter folidarijdem Eintreten 
mit Kapital und Arbeit oder nur mit Urbeit allem 
bernahme von Arbeiten oder ju wirtſchaftlichen 


ſehr verſchieden. Meiſt wird das Bringip der gleichen 
Veredtiqung aller Genojjen (Urtelfahtf Hilt) ftreng 
aufredt erhalten (qleiche Urbeit, gleicer Lohn), viel- 
jad) im Intereſſe der Vertrauenswiirdigfeit die Er- 
füllung beſtimmter Aufnahmebedingungen verlangt re. 
Die Artelle bildeten ſich ſchon tm 13. und 14. Jahrb. 
zunächſt sur qemeinfdaftliden Uusitbung der Jagd 
und des Fiſchfanges. Neu angeregt durd) die Schulze 
Deligiche Genoſſenſchaftsbewegung in Deutfdland, 
haben fie ſich auf die verſchiedenſten Gebiete wirtſchaft⸗ 
licher Berufstätigkeit ausgedehnt. Man unterfdeidet 

ewerbliche, Ronjum-, Kredit⸗, Verſicherungsartelle. 
Die Konſumartelle bezwecken die Beſchaffung gemein- 
ſamer Koſt und Wohnung, die Kreditartelle die Ber— 
mittelung von Berjonal- und Reallredit; die Ber- 
jicherungsartetle betreiben Spar-, Hilfs- und Ben- 


Artemia —- 


ſionskaſſen, Feuer-, Hagel-, Viehverjiderung auf 
Gegenfeitigfeit x. Die widtigiten find die qewerb- 
lidjen Yrtelle, die Handwerfer- und Börſenartelle. 
Die Mitglieder der Handwerferartelle liefern außer 
der Urbett aud) Kapitaleinlagen, um —— 
auszuführen oder ihre Erzeugniſſe durch einen Ge— 
noſſen vertreiben gu laſſen. Die Börſenartelle der 
Hafenſtädte, insbeſ. diejenigen von Petersburg, die 
1712 dadurch entſtanden, dak Peter d. Gr. zur För— 
derung der Schiffahrt Löſchmannſchaften aus Alt— 
rußland lommen ließ, beſorgen den Transport der 
Schiffsgüter von und nach dem Lande, die beim Zoll- 
amt vorfommenden Urbeiten fowie verſchiedene Ron- 
torarbeiten. Gie refrutieren fich nur aus bejtinnnten 
LandeSteilen, erheben ein Eintrittsgeld von neuen Mit- 
gliedern, haben fejte Taren fiir ihre Urbeiten xc. und 
genießen durch ihre Pünktlichkeit und Zuverläſſigkeit 
einen guten Ruf. Die bisher erwähnten Artelle ſind 
ſelbſtändige, d. h. fie arbeiten auf eigne Rechnung und 
Gefahr. Daneben gibt es unſelbſtändige, im Dienſte 
Dritter ſtehende Artelle (Arbeiterartelle), bei denen 
ein Teil des Ertrags an dieſe abgeliefert, der Reſt an 
die Genoſſen verteilt wird. Viele Artelle ſind wan— 
dernde Vereinigungen, die Arbeiten an verſchiedenen 
Orten ausführen. Vgl. Grünwaldt, Das Artel— 
weſen und die Hausinduſtrie in Rußland (Petersb. 
1877); Stähr, Urſprung, Geſchichte, Weſen und Be- 
deutung der ruſſiſchen Artels (Dorpat 1890— 91); 
Tidernjawfli, Das ruſſiſche A. (Leipz. 1896); 
Apoſtol, Das Artjel (Stuttg. 1898). 

Artemia, ſ. Kiemenfuß. 

Artemidsros, 1) griech. Geograph aus Epheſos, 
um 100 v. Chr., bereijte die Küſtenländer des Weittel- 
meers und eines Teils des Utlantifden Ozeans und 
berichtete dDariiber in cinem von Strabon u. a. viel- 
benutzten Werke von elf Büchern (wahrſcheinlich »Geo- 
graphumena« betitelt), wovon nur Bruchſtücke und 
cin diirftiger Auszug (in Müllers »Geographi graeci 
minores«, ‘Bar. 1837) erhalten find. 

2) U. (qenannt der Daldianer, nach der lydiſchen 
Stadt Daldis, dem GeburtSort feiner Mutter) aus 
Epheſos, im 2. Jahrh. n. Chr., verfaßte »Oneirokri- 
tika« (Traumpdeutungen) in fiinf Biidern, eine Theo- 
rie der Traumdeu tung nebjt praftifder Unwendung an 
Veifpielen und einer Sammlung von erfiillten Träu— 
nen, fulturgefdidtlid) von Wert (hrsg. von Herder, | 
Leipz. 1864; überſetzung von Krauß, Stuttg, 1881). 

Artemis, in der griech. Mythologie die jungfrau: | 





Artemis. 823 


(Riegen, Rinder, Pferde) unteriteht ihrer Obhut (als 
Pflegerin der Rinder heißt fic Tauropolos). Als 
ihr Lieblingswild galt der Hirſch, Daher man ihr im 
Frühjahr das Felt der Claphebolien (GHirſchjagd) 
mit Opfern von Hirjden oder Kuchen in Hirſchgeſtalt 
feierte. Als waffenfiihrende Godttin hatte fte aud) frie- 
geriſche Bedeutung: von den Spartanern ward ibr 
vor der Schladt eine Siege qeopfert, und in Athen 
opferte man ihr im Monat Boedromion (September 
bis Otlober) zur Feier des Sieges von Marathon 
500 Biegen. Wie allem Werden und Wachſen in der 
Natur * Fürſorge gilt, ſo auch im Menſchenleben. 
Sie gehört zu den Hochzeitsgöttern, daher ihr 
Bräute vor der Vermählung eine Locke, den Gürtel, 
das Mädchenkleid u. a. weihten; ferner iſt ſie eine Göttin 
der Entbindung, als die ſie Locheia oder Eilei— 
thyia (f. d.) heißt, vor allem aber aig Paidotro— 
phos oderNurotrophos eine Pflegerin der Jugend, 
insbej. Der weiblicen. Ihr feierte man in Sparta ein 
Ummenfeft, an dem die Ammen die Säuglinge in 
ihren Tempel bradten, opferten, ſchmauſten und tany- 
ten. Bei dem Fejt der Brauronien ju Brauron in 
Wttifa wurden die Madden von 5—10 Jahren in 
frofusfarbenen Gewändern von ihren Müttern in Bro- 
zeſſion der Göttin zugeführt und ihrem Schutz empfoh— 
len. Yn manchen Gegenden wurde ihr am Feſt der 
Upaturien das Haar der Rnaben dargebradt. Faſt 
tiberall verehrien die Mädchen dic jungfräuliche Göt⸗ 
tin als Sdiigerin ihrer Keuſchheit. Auch zum Meer 
ſteht A. in Beziehung, indem fie als glückliche Fahrt 
verleihende Göttin in Häfen und an Vorgebirgen 
vielfach verehrt wurde. Die anfangs wohl nur lo— 
fale Auffaſſung der A. als Mondgötlin (ſ. Selene) ijt 
zu allgemeiner Verbreitung im Volksglauben (weni— 
ger tm Kult) erſt allmählich gelangt, wahrſcheinlich 
ſeit der Gleichſetzung des Apollon mit der Sonne. 
über ihr Verhältnis zu Hekate ſ. d. In alter Zeit 
waren der A. aud) Menſchenopfer dargebradt wor- 
den; an deren Stelle trat in Sparta der Praud, jähr⸗ 
lid) die Rnaben am Altar der WU. Orthia (der »Yuf- 
redjten«, vielleidht von der Haltung des altertiimliden 
Holsbildes) bis aufs Blut gu geißeln. Wie an andern 
Orten (3. B. Brauron) fah man in Sparta das alte Bild 
der Gottin als das durd) Yphigeneia und Orejtes von 
der Taurifden Halbinjel entfiihrte Bild der tauri- 
{den A. an, einer urſprünglich nicht griechiſchen Gott: 


| ett, Die mit Menfdjenopfern verehrt wurde. Bielfad) 


haben die Griedjen die YW. mit fremden Naturgittin- 


lidje Tochter des Reus und der Leto (Latona), nad) | nen gleidgeftellt, wie Unaitis, Bendis, Britomartis- 
der gewöhnlichen Sage auf Delos als ältere Zwillings- Diftynna (j. Britomartis). Diefer Urt ijt namentlich 
ſchweſter de3 Upollon qeboren, neben dem fte an allen | die von den Yoniern Aſiens verebrte WU. von Ephe- 
widtigern Stätten des Upollondientes verehrt ward, | fos, eine Perfonififation der auf Bergen, in Wäldern 


namentlich in Delos auf dem Berge Kynthos (daher | 
Kynthia), Delphi, Didyma, dem Heiliqtum der 
Rwillinge. Wie er führt fie Bogen und Pfeile und 
fendet mit ihren Geſchoſſen pliglichen Tod, nament- 
lich Frauen und Mädchen; neben ihm kämpft fie gegen 
den Draden Python und die Giganten. Wenn a qe: 
wöhnlich als Jagdgöttin gedacht wird, fo ijt das nur | 
ein in ihrem Kult fajt qar nicht hervortretender Neben⸗ 


jug ihres Wejens. Sie ijt cine im der freien Natur | 


mit ihren Bergen und Tälern, Waldern, Wiefen, | 


und im Feudjten wirfenden, die Vegetation, Tiere 
und Menjden nährenden Naturfraft, die nicht jung- 
fräulich, fondern, wie es die vielen Brüſte ihres rohen 
Vildes ausdriidten, miitterlid) und ammenartig qe 
dacht war. Ihr nad) afiatijder Art ekſtatiſcher Dienjt 
wurde auf die Amazonen zurückgeführt. — Die Romer 
jtellten der U. ihre Mondgöttin Diana (ſ. d.) gleid. 

Während die ältere Kunſt in A. mehr die licht- und 
feqenipendende Gittin, die Beſchützerin von Tier und 
Menſchen widergibt, faßt die ſpuͤtere Beit fie mehr als 


Ouellen, Baden, Seen im Verein mit ihren Genoſſin⸗ | die jungfräuliche Jagerin auf. Bogen und Fadel wa- 
nen, den Nymphen, waltende Gottheit. Als thr lieb⸗ ren thre gewöhnlichen Attribute; thre Rleidung war 
ſtes Revier galt das berg- und waldreiche Urfadien. | im altern Stil lang herabwallend und faltenreich, 
Wie die Früchtbarkeit der Vegetation in Wald und fpater kurz geſchürzt und der der Amazonen verwandt. 
Held fördert fie das Gedeihen des Wildes, das fie frei- | Un den Filßen trügt fie häufig Jügerſchuhe. Jor Ge- 
lid) auch al8 feine Herrin jagt (als Jägerin heißt fie ſichtsſchnitt zeigt Herwwandtidart mit Dem des Apol⸗ 
Ugrotera); aber aud) die Viehzudht auf freier Weide | lon, nur find die Formen garter und rundlicer. Als 


824 


Jägerin erjdeint A. häufig in lebhaftem Ausſchritt, 
ae dem amt Riiden hangenden Bogen gretfend, an 
ihrer Seite cin Reh; fo die berithmte A. von Verſailles 
im Qouvre (vgl. die Ubbildung). Wis Hegerin des 
Wildes nit langem Gewand und wallendem Mantel 
zeigt fie die archaiſierende Statue von Gabii in Mün— 
den. Elegante Nachahmung eines altern Kultbildes ijt 
die Statue aus Pompeji in Neapel, mit langem, zier 
lichem Gewand, den Richer auf dem Riicen. Bon gro- 
fer Schinheit ijt auch die ebenfalls in Gabii qefundene, 
als Jãgerin dargejtelite A. im Louvre zu Paris, in der 
wahrſcheinlich die Nachbildung eines Werfes von Pra⸗ 
iteles erhalten ift (j. Taf. »*Bildhauertunijt V «, Fig. 6). 
1. Roſchers »Lerifon der Vtythologie«, Sp. 558 ff. ; 





Artemis (Diana von Berfailles; Louvre, Paris), 


Pauly - Wijfowas » Real -Enjyflopadiec, Bd. 2, Sp. 


1335 ff. In der neuern Munjt wurden Darjtellungen | 


der A. (Diana) und ihres Sagentreijes von den Ita— 
lienern der Renaiffancezeit mit Eifer aufgenommen. 
Tizian hat A. und Akltäon fowie A. und Rallifto meh 
rere Male gemalt (Hauptbilder bei Lord Ellesmere in 


London). Cin Hauptwerk von Domenidino zeigt A. 


nuit ihren Nymphen m einer Landſchaft (in der Galerie 
Borgheſe zu Rom). Am häufigſten hat Rubens VW. 
dargeſtellt, namentlich auf der Jagd, auf der Riidfebr 
von der Jagd und bei der Ruhe nad der Jagd (Haupt: 
bilder: VU. auf der Hirjdjagd, im Muſeum ju Berlin; 
A. auf der Rückkehr von der Jagd, in den Galerien zu 
Darmitadt und Dresden; Rube nad der Jagd, in der 
Pinafothel su Minden; A. und Rallifto im Muſeum 
zu Madrid). Bon plaſtiſchen Werken der neuern Kunſt 
iſt die ruhende YW. von Goujon im Louvre (f. Tafel 
»Bildhauerkunſt XI«, Fig. 2) das hervorragendite. 
Auch fpdter haben die franzöſiſchen Künſtler A. mit 
Vorliebe in Plajtif (Tafel XI, Fig. 3) und Malerei 
Dargeftellt; in neuefter Zeit hat die W. von Falquiere 


Artemisia — Artemifia. 


(Tafel XX, Fig. 9), die in Nachbildungen weit ver 
breitet iit, Den größten Erfolg gehabt. 

Artemisia L., Gattung der Kompoſiten, meiſt 
grau⸗ oder weifhaarige, aromatifd riechende strauter, 
DHalbjtriuder oder Sträucher mit qangrandigen, meiſt 
fiederteiligen Blattern und fleinen Bliitenfopfden in 
einfachen oder rijpigen Trauben oder Ahren. Etwa 
200 meiſt der ndrdliden Erdhalfte angebdrende Ar⸗ 
ten. A. Dracunculus L. (Dragunbetfug, Ejtra- 
gon), mit fablen, lineal -lanjettliben Glattern und 
faſt fugeligen, nidenden Bliiten in Riſpen, in Ruk- 
land und der Mongolet heimifd, wird in Deutidland 
ſeit alter Zeit tultivtert. Die bliihenden Stengelſpitzen 

riechen angenehm gewiirshaft, fdymecten bitterlid und 
dienen als Riidengewiir; und jur Bereitung des 
| Ejtragonefjigs. A. cina Berg, ein Halbjtrand jn 
Turkiſtan, mit fablen, rifpigen Stengeln, fiederfdnitti- 
gen, fajt fablen Glattern, licfert in ihren länglichen. 
qraus oder gelblidbraunen Bliitenfipfden den Zit- 
werfamen (Flores Cinae). Diejer riecht aromatic, 
ſchmeckt widerlich bitter, kühlend und enthalt atheriides 
Ol und 1,5—2 Proz. Santonin. Er wird fiber Rifonij 
Nowgorod in den Handel gebradt. Man benutzt thn 
als kräftiges wurmwidriges Mittel und sur Darſtel 
{ung von Santonin. A. Abrotanum J. (Stabmwury 
Aber- oder Eberraute, Eberreis, Abrand- 
fraut, Dofraute, Zitronelle, Zitronenfraut), 
in Siideuropa, bei uns in Garten und auf Grabern 
(Doffmanns Baum, altdeutfh Hofrun) fulti- 
viert, ijt jtraudartig mit in fadenfirmige WUbfdmitic 
geteilten Blattern und Heinen, gelbliden Blitten, riecht 
gewürzhaft, sitronenartig, ſchmeckt ſchwach bitterlid 
und wird wie Abſinth angewendet. A. vulgaris L. 
(gemeiner Beifuß, Mutterfraut), mit einfad 
fiederteiligen, unterfeits weißfilzigen Blattern, m Eu— 
ropa, Aſien, Nordamerifa, Küchengewürz fiir Gänſe 
und Entenbraten. Die Wurjel wird gegen Epilepfie 
benutzt, wurde frither als WMittel gegen Ermüdung 
an die Füße gelegt (Daher Beifuß), diente auch alé 
Zaubennittel. A. pontica L. (rimifder Beif ug), 
“mit Ddoppelt gejiederten, unterjeits filberqrau filzigen 
Bliattern, von Siideuropa bis zur Songarei, auch in 
Deutfchland, wird als Zierpflange und wie A. arborea 
L. in Griechentand aud als Urzneipflange fultiviert; 
lestere dient zur Herjtellung von Wermutweinen, war 
Der Iſis heilig und wurde bei Aufzügen von den Brie 
jtern getragen. A. Absinthium ZL. (Wermut), mit 
qrauen, fiederſpaltigen Blattern und gelben Bitten, 
findet fich in Nordafrifa, fajt gang Europa und Nord 
aſien, riecht gewürzig, ſchmeckt jtart bitter, entbalt 
ätheriſches OL, Bitterſtoff (Abſinthiin) und wird 
als Bittermittel gu bitterm Likör (Abſinth), Ber 
mutwein und zum Denaturieren von Sal; angewen: 
det, wird nod jest in fatholifden Kirchen geweibt 
(Weihbund an Marie-RKrautweiben) und dann vom 
Landvolf gegen Zauberei benugt. A. Mutellina VikL 
(Edelraute), A. spicata Jacq. u. a., in Den Alpen, 
find als Genipptfrauter beim Bolfe als Arznei⸗ 
mittel ſehr beliebt und werden aud) sur Vereitung ded 
Ubjinths benugt. Cinige Arten, wie A. argentea Ait. 
nuit ſilberweißen und A. Stelleriana Bess. mit weifj- 
qrauen Blättern, werden zu Blattpflanjyengruppen 
und Teppichbeeten benugt. Die feinen, baumwoll⸗ 
ähnlichen Faſern von A. chinensis Z. und A. Moxs 
Bess, dienen ju Brenngylindern (Moren). 

Artemiſia, 1) Todter des Lygdamis, Herrſcherin 
von Halifarnajjos und Ros, folgte ban Perjerfinig 
Xerres 480 v. Chr. mit fiinf Schiffen auf dem Suge 
nad) Griedjentand und zeichnete fid) bei Salamis jo 











Artemifion — Arterienerweiteriung. 


aus, daß XerreS fagte: feine Méinner hitten wie Wei— 
ber, die Weiber wie Manner gefodten. Nach Ptole— 
miéiog endete fie Durd) cinen Sprung vom leufadifden 
Felſen, nachdem fie einem abydenijden Yingling, der 
ihre Liebe verſchmähte, tm Sdlaf die Mugen aus: | 
geſtochen hatte. 

2) Königin von Karien, Todjter des Hekatomnos, 
Schweſter, Gemahlin und Nadfolgerin des Maufo(t)- 
los, berühmt durd) ihre Trauer wm den 352 v. Chr. 
veritorbenen Gemahl. A. miſchte nicht bloß, unt felbjt | 
fein Grab gu fein, die Aſche des Toten unter ihr tig: | 
liches Getraͤnk, fondern lie® ihm aud) durch griechiſche 
Künſtler cin Grabmal (Mauſoleum) erridten, das | 
gu den ſieben Weltwundern gerednet wurde. Cin 
andres merfiwiirdiges Denfmal (ſ. Abaton) fete fie 
auf Rhodos, als dies in ihre Gewalt geraten war. 
A. jtarb 350. 

Artemifion, Heiligtum der Urtemis. Bemerkens— 
wert ijt befonders das YL. an der Nordfiijte von Eubia, 
zwiſchen dem Heutigen Kurbatſi und der Pevlibucht, 
wo 480 v. Chr. das erjte dreitägige, aber unentidie- 
dene Seetreffen zwiſchen den Berjern und den Grie- 
chen unter dem Spartaner Eurybiades geſchlagen 
wurde, dem bald darauf die Schlacht bet Salamis 
folqte. Ruinen Wi Giorgi. 

Netemifios, der fiebente Monat im Kalender der 
Wfianer, vom 24. März bis 23. Upril; auch der fie- 
bente Monat im mafedonijden Kalender. 

MUrtemius, 1) Martyrer unter Diofletian, wahr- 
ſcheinlich 304, Gedächtnistag der 6. Juni. 

2) Rom. Heerfiihrer, unter Qulian Upoftata als 
Chriſt zum Tode verurteilt, geſt. 363. Gedadnistag 
der 30. Oftober. Er wird als römiſcher Soldat dar- 
qeftellt, mit Sdwert und Gidgententpel, den er an- 
zündet, ald Hetligenattributen. 

Artemon (aud Artemas), ſ. Monardianer. 

Artenay (jer. art'nd), Flecen im — Depart. 
Loiret, 20 km nördlich von Orléans, an der Eiſen— 
bahn nad Paris, mit avon 961 Einw., befannt ge- 
worden durch dad ſiegreiche Gefedt des Generals 
v. dD. Tann (10. Oft. 1870) gegen die Lvirearmee, 
worauf Orléans (jf. d.) 11. Oft. von den Deutjden 
bejest wurde; ferner licferte Das 9. deutſche Korps 
3. Dey. bei W. den Franjofen cin ſiegreiches Treffen. 

Arte peritus (lat.), Kunſt-, Sachverſtändiger. 

A ektaſie (griech.), Arterienerweiterung, ſ. 
Aneurysma. 

Arterien(griech, Bul3-,Shlagqadern),Wdern, 
die das Blut aus dem Herzen nach allen Körperteilen 
hinleiten. Durch das Zuſammenziehen der muskulöſen 
Herzwand wird das Blut aus dem Herzen in die A. 
getrieben, lefstere werden hierbet erweitert, fofort aber 
Durd) die Elaſtizität der Urterienwand und der in ihr 
enthaltenen glatten Wustelfajern wieder verengert 
(Bulsſchlag, der den Venen abgeht). Die Haupt- 
arterie beift Morta (j. d.). Die Verteilung der A. 
ijt in Den beiden Körperhälften im allgemeinen die— 
felbe, alſo ſymmetriſch; wegen der Einzelheiten ſ. Blut: 

efäße (mit Tafel, auf der die U. rot gedruckt find). 

aS in den A. fliekende Blut ijt tetls ſauerſtoffreich 
(arteriell), teil fauerjtoffarm (venös), teils (bei den 
niedern Wirbeltieren) gemiſcht, je nachdem es ſchon die 
Utmungsorgane (Rienten, Lungen) paffiert hat oder 
erjt auf Dem Wege zu thnen ijt. Im allgemeinen ver- 
gieigen die A. fic) baumförmig ju numer feinern 

ſten, in denen das Blut langfamer fließt als in den 
ftartern Äſten, und der Pulsſchlag nicht mehr wahr⸗ 
nehmbar ijt (vgl. Unaitomofe). — Die Wande der 
A. beſtehen aus ciner innern, bindegewebigen Sdidt, | 





825 


die nad dem Hohlraum yu von einfaden Bellen aus— 
efleidet wird (ſ. Abbildung, a), einer mittlern, aus 
Sfeln und Vindegewebe bejtchenden (b) und einer 
äußern, ebenfalls bindegewebigen (c) Schicht. Die 
Wand der W. wird von flei- 
nen Aſten andrer Blutgefäße 
verjorgt (vasa vasorum) und 
ebenfo beſitzt fie feine Ner— 
ven, die gu Den Musfelfafern 
hingiehen (j. Gefäßnerven). 
Einfacher qebaut und vielfach 
der Muskulatur ganz entbeh- 
rend find die A. der wirbel- 
loſen Tiere. 
Urterienentziindung 
Arteriitis), nad ihrem 
Sif in Den einzelnen Häuten 
der Urterien und nad ibrer 
Urſache verjdiedene Erfran- 
fung. Sie fann vorwiegend 
die dubere Schicht betreffen 
(Periarteriitis) und ijt 
dann gewöhnlich aus der 
Nachbarſchaftfortgeleitet, wie 
die afute Nabelentziindun 
der Reugebornen, die — 
einer Infektion beruht und 
meiſt tödlich verläuft. Die A. kann ferner vorwiegend 
die mittlere Haut betreffen (Mefarteriitis), oder, 
und gwar im höhern LebenSalter, hauptſächlich die 
innere Lamelle. Sie heißt Dann Endo- oder End- 
arteriitié und erjtredt fic) bald nur auf einige und 
gwar auf die größten, wie die Aorta, bald betrifft fie 
it alle Urterien des Ndrpers, aber in verfdieden 
hohem Grade. Dieſe Prozeſſe verlaufen chroniſch. Die 
Innenhaut der Arterien verdidt fic) diffus oder fled: 
weife, die verdidten Stellen unterlicgen einer fettigen 
Metamorphofe, verlieven dadurch ihre Fejtigteit und 
finnen felbjt ju cinem Brei erweiden (Wtherombrei, 
Daher atheromatifer Prozeß). Werden die er- 
weidten Stellen vom Blut aufgewühlt, fo entſtehen 
atheromatife Gefdhwitre auf der Innenfläche 
der Arterien, Die ſpäter wieder vernarben fonnen. 
Die fettige Entartung erjtredt fic) auch auf die mitt- 
lere Yrterienhaut, und da dieſe hierbei ihre Elajtigi- 
tit verliert und dem Druck de3 Blutes nicht mehr 
den erforderliden Widerjtand entgegenſetzen fann, fo 
werden die erfranften Gefäße verlingert, nehmen einen 
geſchlängelten Verlauf an und erweitern fich teils in 
mehr gleichmäßiger Weije, teils in Form eines Sackes 
oder Uneurysmas. Kleinere Yirterien, die der Sik die 
fer hronifden A. find, zerreißen leicht, und es kommt 
ju Blutungen. Namentlich disponiert dieje A. zu 
Gehirnblutungen oder Sdlagfliijjen. Sehr bauhg 
finden fid) in den entgiindeten Yrterien Ral fein- 
lagerungen, die dann Die Arterie härter und nod) 
unelaſtiſcher machen, als fie bereits Durch die chroniſche 
Entzündung ijt. Ob eine primaire Urterienverfalfung 
obne entzündliche Vorgänge möglich ijt, ijt noc jtrittig. 
Die chroniſch veriaufende UW. (Wrteriofttlerofe) ftellt 
wahrſcheinlich cinen Abnutzungsprozeß dar, fie ijt die 
typiſche Wltersfranfheit der Gefäße. Frühzeitige Ar— 
terioſtleroſe kommt namentlich bei Syphilis und Gicht 
vor. Die Behandlung der Arterioſtleroſe ijt cine vor- 
beugende, infofern als man alles gu vermeiden fudt, 
was ju jtarfen Blutdruciteigerungen und der Gefahr 
de3 Platzens eines Gefäßes Fibeen fann. Außerdem 
ſcheinen die Jodpräparate günſtig ju wirken. 
Arterienerweiterung, ſ. Aneurysma. 





b 


Stid ciner Arterie 
(Start vergrdpert.) 


826 Arteriengeraujde — Arthur. 


Arteriengeranfde Urterientine), Geräuſche ſozialpolitiſchen Krieg mit dem flandrifden Grofen 
und Tone, die bet dem Wufiesen des Horrohres fiber | Ludwig II. von Waele verwidelt war, yum >criter 
Urterien unter veridiedenen Bedingungen gehort wer- | Hauptmann« gewahlt. Nachdem er (3. Mat) den Gra- 
den. In den dem Herzen nabhegelegenen grofen Ge- | fen vor Briigge beftegt und diefe Stadt erobert hatte, 
fäßen Hirt man zwei Tone, die tetls auf de Fort- ſchloß fich fart ganz Flandern freiwillig oder unfree 
pflangung der am Herzen entitandenen ju beziehen, willtg den Gentern an. Auf Antrieb des mit der Tow: 
teils aus Der Spannung der Urterienwand abjuletten | ter des Grafen vermählten burgundiiden H 
jind. Unter pathologitdhen Verhältniſſen hort man | Philipp des Kühnen (ſ. d.) erſchien jedoch ein franzo- 
aud) in entferntern Yrterien Tine, die ſich aus eter | ſiſches Heer unter König Marl VL, das die landriiden 
jtarfen und raider Spannung und Entipannung der | Biirgerwehren bet Roojebefe (27. Nov. 1382) betnabe 
—J erflaren laſſen. Sie lommen beſonders vernichtete. A. fiel in der Schlacht. Bal. Kervyn 
bei Aortentlappeninſuffizienz vor. Auch bet Druch auf de Lettenhove, Jacques d'A. (Gent 1863); Buyl- 
die Urterien, 3. B. mit dem Hörrohr oder dem Finger, | jtefe, Eenige bijzonderheden over de A. (Daf. 1873); 
fommten in der Arterie infolge der veranderten Bint. BVanderfindere, Le siécle des A. (Briiff. 1879); 
ſtrömung Geräuſche zu jtande. Hutton, James and Philip Van A. (Yond. 1882); 

Urterienverfalfung ſ. Urterienentsiin- die gleichlautende Preisſchrift von jh Ley (dai. 1883); 
Arteriitis (gried).) : 5 Pirenne, Geſchichte Belgiens, Bd. 2 (deutſch von 





e (qried.) bung. Arnheim, Gotha 1902). 
Arteriotomie (qricd.), Aderlaß aus einer Schlag⸗ Arth (Wrst), Heden tm ſchweizer. Ranton Shwn; 
aber; veraltete Operation. am uke des Rofberges und am Suger See, an der 


Artern, Siadtim preuß. Regbez. Merieburg, Kreis Gottharddahn und Musgangspuntt der Arther Rigi 
Sangerhaujen, an der Unjtrut, die hier die Helmeauf- bahn (fj. Rigi), mit Kirſchwaſſerfabrikation, Seiden: 
nimmt, Knotenpunft der Staatsbahniinien Sanger- fpinneret, eumniederlagen u. (1900) 4738 Einw 
haufen-Crfurt und Y.-Naumburg, 127 m ii. W., hat | Arthois (pr. artia), Jacques Dd’, flam. Waler, 
eine evang. Kirche, Umtsgeridt, landiwirtidaftlide eb. 1613 in Briiffel, geſt. 1686, bildete ſich nach den 
Winteridule, Saline nebjt Solbad (|. Mineralwäſſer, Landſchaftern aus Rubens’ Sdule, befonders nad 
Labelle IVa), Malz-, Majdhinen-, Zuder- und Schuh: | Wildens. Seine zumeiſt umfangreiden Landſchaften 
warenfabrifation, ene Handelsmühle und (1900) 5092 | find durd fraftvolle Färbung ——— Ta fie 
meijt evang. Einwohner. A. fommmt fdon 760 vor oft mit Fiquren aus der heiligen Geſchichte ftaffiert 
und geborte fett 1448 den Grajen von Mansfeld, die | find, wurden fie gern für Rirden und Klöſter gekauft 
langere Beit hier refidierten. Die Saljquellen wur- | Seine Vorwürfe entnahm er befonders dem Walde 
den fdon im 15. Jabrh. benugt. Aus A. ſtammte | von Soigny. Jn fajt allen Hauptgalerien trifft man 


Goethes Grofvater (|. Goethe). Werke von thm an. 
Arteſiſche Brunnen, ſ. Brunnen. A lgĩe (qried).), Gelenkſchmerz. 
Artes liberales (lat.), ſ. Freie Künſte. ritis (qried., »Gelenfentyiindung<), Gicht. 
Artevelde, Jakob van, berühmter flandr. Volls Lith (qried.), im Gelent Gichttranker auf⸗ 


tribun, geb. unt 1287 als Sohn eines wohlhabenden tretende Konkretionen aus Harnſäure. 
Biirgers, erwarb fic) während einer induftriellen Rrifis | Arthrocãce (qried)., »Gelentverjdwarung:<). f. 
in Flandern das Vertrauen feiner Mitbiirger, die thn | Gelenfentziindung. 
nad) einem —— Aufſtand gegen den flandri-| Arthrodie (qried.), dad Kugelgelenk, ſ. Getent. 
ſchen Grafen Ludwig I. von Nevers (Ende Dezember | Arthrodynie (qriecd.), Gelentidmers. 
1337) jum »Hauptmann« wablten. Nachdem A.(Juni Arthrogastra, Ordnung der Spinnentiere, & 
1338) Frankreich und England sur Unerfenmung der | Gliederjpinnen. 
flandrifden Neutralitat und Handelsfreiheit bewogen Sige Ofe (griech.), Gelentverfriimmung. 
und dadurch den Cinflu Gents innerhalb der Graf-| Wrthro (qried.), Gelenkmaus 
ſchaft gefteigert hatte, bejtimunte er diefe jum Abſchlußß Arthropathia tabidorum, cin Gelenfleiden 
von Handelsvertragen nit Brabant (3. Dey. 1339) und | bei Rückenmarksſchwindſucht, das der deformicrenden 
Hennegau- Holland (April 1340) ſowie zu einem Bünd⸗  Gelenfentziindung ſehr ähnlich ijt. Die Zerſtörun 
mis mit Eduard IT. von England (1340). Die Folge | der Gelenkenden der Knochen des betroffenen Getentes 
hiervon war der offene Übergang Flanderns ing La- vollzieht fich äußerſt ſchnell bei vollfommener Schmetʒ· 
ger der Geqner Frankreichs und des mit diefem ver⸗ | lofigfeit, ohne Fieber und ohne Entzündun chei · 

findeten Grafen Ludwig. Da jedoch die Belagerung nungen bet oft grofer torung, felbit Bruch der 
von Tournai (1340) miflang, erlitt das Anſehen Arte· Knoden. Das Leiden ijt ſtets mit Gelenfwafferfudt 
veldes einen empfindlichen Stoß. Jn mehreren Städ⸗ | und iiberhaupt ftarfen Gelenkſchwellungen verbunden. 
tenFlanderns, das die Oberherridaft Vents nur wi- ppt te Ofis (qriech.), Gelenlentzuͤndung 
derwilliq ertrug, fam es zu blutigen Rampfen. Auch Wethrop (aries »Glied⸗ Gelenfbildung-), 
madte man YW. fiir die unregelmäßige Auszahlung ſ. Refeftion. 
der engliſchen Hilfsgelder verantwortlich. Bor allen Arthropoden, ſ. Gliederfüßer. 
aber erſtand ihm bald in ſeiner Vaterſtadt eine mad | Arthrösis (griech.), Gelenk. 
tige — Wis Opfer einer Verſchwörung der Arthrostraca, ſRingelkrebſe. 

ber fand er, bei ſeiner Rückkehr von einer Zuſam— Arthrozoa, {. Gliedertiere. 

menfunft mit Eduard III., während eines Srrafen-| Arthur, ſ. Artur. 
tumults 24. (7) Juli 1345 den Tod. Sein Leben ijt) Arthur, Chejter Ullan, der 21. Brafident der 
mehrfad) in Dramen (f. Roquette) und in Romanen | Vereinigten Staaten von Rordamerifa, geb. 5. Ott 
(j. Confeience) behandelt worden. Jn Gent ward ihm | 1830 yu Troy im Staate New York, geſt. 18. Aug 
1863 ein prächtiges Standbilderridtet. — Sein Sohn | 1886 in New York, ftudierte die Rechte und ward 1850 
BHiltpp van °., qeb. um 1340 in Gent, lebte feit | Wdvofat in New Pork. Auch an der Volitik nahm er 
1345 einige eit in England und ward 24. Jan. 1382 | eifriq teil und ſchioß ſich den ftrengen Republifanern 
von feiner Baterftadt, die damals in einen erbitterten | an. Wahrend des Biirgertrieges leiitete er als General- 





Articulata — Artillerie. 


quartiermeijter ſchätzbare Diente und ward dafiir 1871 
mit dem eintraglidjen Poſten des Hafenfolleftors in 
New VYork belohnt, von dem ihn aber 1878 dev Prä— 





827 


vortreten lafjen. Daher artifulierte Qaute folde 
Laute, Die m einer irgendiwie grofen Lautverbindung 
unterjdieden werden können. Aus der Unfabhigteit, 


fident Hayes wegen Amtsmißbrauchs entfernte. Als | artifulierte Laute hervorjubringen, entiteht das Lallen. 


einer Der Führer Der » Stalwarts« in New York ward 
er im Juli 1880 auf der republifanifden National- 
fonvention in Chicago zum Vizepräſidenten der Union 
gewählt. Durd) den frühen Tod Garfields 19. Sept. 
1881 Prajident der Union geworden, erwarb er ſich 
als folder gegen alle Erwartung allgemeine Zufrie— 
Denheit. Val. Stoddard, Lifes of Hayes, Garfield 
and A. (Jew York 1889). 

Articulata (Urtifulaten), f. Gliedertiere. 

Articulatio (lat.), Gelent. 

Artifex (lat.), Riinjtler, Werkmeiſter; Wrtifi- 
zium, Kunſtſtück, Kunſtgriff. 

Artifiziell (franj.), künſtlich, kunſtgemäß; arti- 
fiziös (fran3.), kunſtreich, kunſtvoll; Rin, ſchlau. 

Artigas, Departement der ſüdamerikan. Republit 
Uruguay, an der braſiliſchen Grenze, 11,380 qgkm 
mit (1900) 23,334 Einw. Hauptitadt San Eugenio. 

Artikel (lat.), cin Redeteil, den viele Sprachen dem 
Subjtantiv beifiigen, um den Begriff als einen be- 
ſtimmten (der Wann) oder als einen unbejtimmten 
(ein Mann) vorzujtellen. Der Name ſtammt aus dem 
Latein (articulus) und ijt eine Überſetzung des zuerſt 
von Ariſtoteles gebrauchten griechiſchen Ausdrucks 
Arthron (Glied, Gelenk«), d. h. ein Wort, das nur 
gur bejjern Gliederung der Sage dient. Der deutide 
bejtimmete YW. ijt ebenfo wie der A. andrer, alter und 
neuer indogermanifden Spradjen weiter midts als 
das Demonjtrativpronomen, und ¢3 handelt fich über⸗ 
all, wo der fogen. A. auffam, nidjt um Unuvertung 
eines alten Wertes, fondern nur darum, daß eine alt- 
tiberfommene Verwendung de3 Bronontens, die nicht 
obligatorijd war (jo wurde 3. B. »den Manne bei 
Homer ſowohl durd) ror dvdpa als aud) durch dydpa 
allein ausgedriidt), gewohnheitsmäßig durchgeführt 
wurde. Lewtereds ijt nicht geſchehen, alſo fein A. ijt 
entwidelt worden im Latein, Sanskrit und in den 
meijten ſlawiſchen Sprachen. Das franzöſiſche le, la, 
das italientiche lo oder il und la, dag fpanifde el und 
la geben auf das lateiniſche Demonjtrativpronomen 
ille, illa (»jener, jene«) zurück, das Den Sinn »Dder« 
bekommen hatte. In einigen Balfanfpraden, dem 
Albaneſiſchen, Rumäniſchen und Bulgarijden, fowie 
in Den ffandinavijden Idiomen wird der A. nach— 

eftellt. Der unbeſtimmte W. ijt überall cine be- 
ondere Gebrauchsweiſe des Zahlworts fiir eins und 
eine jiingere Entwickelung. — W. nennt man aufer- 
Dem aud) die einzelnen im fic) abgefdlofjenen Ab— 
ſchnitte oder Unterabteilungen einer Schrift, 3. B. 
eines enzyklopädiſchen Werkes, eines Bertrags, eines 
Geſetzes (Raragraph), einer Denk- oder VBefenntnis- 
ſchrift; Daher Fricdend-, Kriegs-, Glaubensartifel. — 
ain der Kaufmannsſprache ijt A. foviel wie Handels- 
— 
rtikelbriefe, Patente, durch welche Kriegsherren 
einen Feldoberſten ermächtigten, ein Regiment auf- 
zurichten. Vgl. Kriegsartikel. 

Artikulaten, ſ. Gliedertiere. 

Artikulation, ſ. Sprache (phyſiologiſch), auch 
Taubſtummenanſtalten. — In der Muſik verſteht man 
unter A. das Binden und Stoßen der Töne, das Le— 
gato, Staccato, und deren Miſchung, wofür manche 
irreleitend die Bezeichnung Phraſierung gebrauchen. 

Artikulieren (lat.), gliedern, etwas Punkt für 
Punkt vortragen; die einzelnen Teile eines Ganzen, 








Artikuliertes Verhör, wn friihern deutſchen 
Strafprozeß das Verhör über Fragen, die nicht eine 
zuſammenhängende Erzählung von ſeiten des Beſchul⸗ 
digten, ſondern nur kurze Antworten bezweckten. Da— 
bet wurde zwiſchen allgemeinen (articuli generales), 
den Lebenswandel, die Verhältniſſe vc. des Inquiſiten 
betreffenden, und beſondern (articuli speciales), ledig- 
lich auf die Unjchuldigungspuntte geridteten Yirtiteln 
unterjdieden. Yn dem neuern Strafverfabren ijt das 
artifulierte Verhör nicht mehr üblich. 

MArtillerie (franj., feit Anfang de3 17. Jahrh. 
Urtolorey, Urdalei, Urdallei, abgeleitet von 
ars und tirare, von arcus und tollere, ars tollendi, 
ars und telum ꝛc.), Dauptiwaffengattung des Heeres 
neben Ynfanterie und RKavallerie, dann das gejamte 
Material an Gefdiipen, Wagen, Munition r., end- 
lid) Die Wiſſenſchaft (ſ. Artilleriewiſſenſchaft). Die 
A. als Waffe zerfällt in mehrere Bweige: die Feld- 
artillerie fampft in BerbindDung mit den beiden 
andern Hauptwaffen im offenen Felde. Sie bedarf 
dazu groper Beweglidfeit in jedem Gelände bei größt⸗ 
—— Wirkung gegen alle vorkommenden Ziele. 
Beide Anforderungen ſtehen in Widerſpruch, denn 
große Wirkung erfordert ſchweres Geſchütz, und dies 
vermag nicht feta zur redten Zeit vom ricdtigen Ort 
aus ju wirfen. Dic Steigerung der Feuerwirfung 
zwingt ferner Die Truppen fid) der Dectungen gu be- 
Dienen, und gegen qut gededte Siecle liefern nur Steil- 
bahngeſchütze Erfolg. Wan halt deshalb allgemein 
die Bewaffnung nit einer rafant ſchießenden Schnell- 
feuerfanone, deren Wirtung durch leichte Feldhaubitzen 
ergänzt wird, fiir die geeignetſte. Die Manövrier— 
fabigteit ijt dadurch, daß alle Bedienungsmannjdaf- 
ten mit den Geſchützen der fabrenden oder reiten- 
den Vatterien befirdert werden, möglichſt gejteigert. 
Batterien lesterer Urt jind nur in folder Sat vor⸗ 
handen, wie es Die Zuteilung ju den Kavalleriedwi— 
ſionen erfordert. Ebenſo richtet ſich die Zahl der Ge— 
Pd beep jes nad) dem Bedarf des Heeres. Die 
Zahl dev Feldbatterien betrug vor Beginn der Neu- 
bewaffnung 1896 in den Grobitaaten: 


Feld⸗ 
batterien 


“Reitende | Gebirge⸗ — 














Batterien | batterien 
Deutfhland . . | 447 47 | — =| 2064 
Frantreidh . 426 52 20 | 8048 
England 198 22 10 ' 1380 
talien . | 186 6 15 | 1042 
erreid-Ungarn | 224 16 i4 | 14 
Rupland 384 44 6 | 3232 


Inzwiſchen fand ſchon durch Bildung neuer Urmee- 
forp3 und Cinjtellung der neuen Geſchütze cine Ber: 
mehrung der A. jtatt. Jn Deutſchland joll die Bahl 
der Batterien auf 574 gebradt werden. Am 1. Oft. 
1901 waren 94 Feldartilleriereqimenter vorhanden 
(mit Den reitenden Batterien und den leichten Feld- 
haubigbatterien). Jn Rußland wurde 189s die Zahl 
der Batterien auf 492 Feld-, reitende, Mörſer- u. Ge- 
birgsbatterien angegeben mit einer Geſchützzahl von 
2888 im Frieden, 3774 im Kriege; ſpätere Angabe: 
537 Batterien mit 4138 Mefdligen. Franfreid 
hatte 1898: 496 Vatterien (430 fabrende, 52 reitende, 
14 Gebirgsbatterien), gußerhalb des Mutterlandes 
nod) 12 Batterien. Ju Oſterreich-Ungarn, Ita— 


indbef. die Laute und Silben der Wörter, deutlich her< | lien rc. iſt über eine Vermehrung der VW. nod) nicht 


828 


entidicden. Jun England hat man eine Vermehrung 
pon 12 Batterien — 72 Geſchützen mit verbejjerten 
Rohrtonftruftionen eintreten laſſen, demnächſt aber 
wurde die Einführung von Schnellfeuergeſchützen be- 
trieben. Zunächſt wurden 15 Batterien aufgeſtellt 
und 1899: 3 neue erridjtet, dann aud) Beſtellungen 
im Auslande gemacht. Auch hier wurden außerdem 
fiir Feldgebrauch beſtimmte 13 cm- (127 mm) Hau- 
bipen bereitgeftellt. Die Vereinigten Staaten 
von Nordamerifa find ebenfalls mit Herjtellung 
vor 200 modernen Feldgeſchützen beſchäftigt. Die 
Gebirgsartillericbefindet fich hinfichtlid iprer Be- 
waffnung nocd im Ubergange zu Sdnellfeuerfanonen 
kleinſten Ralibers oder leidjten Haubitzen, su deren 
Bejpannung Maultiere, Ponys rc. geeignet jind. Die 
Stärke der tm Felde gebraudten W. hat im Laufe der 
Heit vielfad geſchwankt. Cine größere Geſchützzahl 
führte zuerſt Gujtav Adolf (38 —4 auf 1000 Mann); 
die Zabl ſtieg im Siebenjährigen Kriege auf 6 —7'/2, 
fanf unter — auf 3—4, bob ſich aber bald 
wieder, und dic Ruſſen ftellten ihm 6 Geſchütze fiir 
1000 Mann gegenitber. Im Kriege 1870/71 führten 
die Franzoſen 3,5, die Deutſchen 2,7 Gefdiige, und in 
Zukunft werden fid) diefelben vorausſichtlich wieder 
auf 6 fiir 1000 Mann erhdhen. Die Organijation 
der Feldartillerie und ihre Zuteilung zu den Trup- 
pen wird durd) Umbewaffnung und BVermehrung be- 
einflugt. In Deutſchland foll jede der beiden Divi- 
fionen cines Urmeeforps eine Urtilleriebrigade zu 
2 Regimentern erhalten, jedes Regiment ijt aus 2 Ab— 
teilungen mit je 3 Batterien gebildet, einigen Regi- 
mentern ijt etme Abteilung zu 2 reitenden Batterien 
ugeteilt. Hiermit ijt die friihere Cinteilung in Divi- 
ieee und Rorpsartilleric, wie fie andre Heere 
nod) beibehalten, befcitiqt. Jede Divifion fiihrt 72, 
das Armeekorps aljo 144 Geſchütze. Jn Franfreid 
follen nad) dem Reglement von 1902 auf jedes der 
20 Urmecforps 2Reqimenter kommen, von denen das 
cine 12, das andre 6 fahrende Batterien hat. Erjteres 
wird mit je 6 Batterien an die Divijionen verteilt, 
während lepteres, Dem nod) 2 reitende Batterien hin- 
zutreten, das Korpsartillerieregiment bildet. Letzterem 
werden aud) zwei 12 cm-Haubigbatterien angefdlof- 
jen (einſchließlich 2 reitenden und 2 Feldhaubipbatte- 
rien). Dem deutſchen oſtaſiatiſchen Erpeditionsforps 
waren 2 Batterien ſchwerer A. des Feldheeres 
zugeteilt, deren Bedienungsmannſchaft cine Fußartil— 
leriebatterie ſtellte. Dieſe zum erſtenmal auftretende 


A. ijt aus der Notwendigkeit, in Zukunft häufig den 
Kampf um befeſtigte Stellungen aufzunehmen, her⸗ 
vorgegangen. Zur Durchführung eines ſolchen halt | 


man die Wirkung der leichten Feldhaubitzen nicht im 


mer fiir genügend und teilt deshalb der Feldarmee 


unter Umſtänden Steilbahngeſchütze größern Kalibers, 


Artillerie (Organiſation). 


Kanone erhalten, die fiir die Einſtellung in ſchwere 
Batterien des Feldheeres geeignet ijt. wir Daubigen 
hielt man die Raliber von 12—13 cm (127 mm fran 
zöſiſch und engliſch), aud) wohl 15 cm in Deutfdland, 

ſterreich⸗ Ungarn, Frankreich, in England 14 em 

(137 mm), fiir Mörſer allgemein die von 15 cm (ya 
erjt ruſſiſch) entiprechend. Solchen fitr ſchwere Feld- 
batterien gleid)falls geeiqneten Geſchützen ſchloſſen ſich 
fiir leichte —— nod) Kanonen bis 
jum 12 cm: und Steilbahngeſchütz von 15 — 21 cm: 
Raliber (erleichterte Morjer) an, die Dem Bormarid 
einer Feldarmee gu folgen im ftande find. Für dieſe 
A. find verſchiedene Bezeichnungen, wie Fußartille— 
rie mit Beſpannung (dutſch) mobile Belage— 
rungsgruppen Grſterreichiſch-ungariſch), üblich 
Von Sdnellfeuerfeldfanonen und leichten Feldhau—⸗ 
bitzen pflegt man jest allgemein 6 in emer Batterie jx 
vereinigen, Frankreich will jedoch die Geſchützzahl fir 
alle Batterien auf 4 fejtiegen. Der deut chen Krieg⸗ 
batterie von 6 Gefdiiben werden 6 Munitions - und 
2 Vorratswagen jugeteilt, die ruffifden leidten und 
reitenden fiibren 12, die ſchweren Batterien 16 und 
die Mérferbatterien (auger 6 zweiſpännigen Muni⸗ 
tionsfarren) 18 Ptunitionswagen und je cine Referve- 
lafette mit. Die frangdjifde Kriegsbatterie hat 4 Ge— 
ſchütze, 12 Munitionswagen xr. 
Die Belagerungsartillerie fuchte den Anfor— 
derungen gugeniigen, die das Entiteben neuer, großer. 
| mit den ftdrfiter Verteidigungsmitteln verjebener 

Waffenplätze jtetler. Wud) mußte man die Sabl der 

bereitzujtellenden Geſchütze erhöhen und außer dex 

leichten Belagerungsgeſchützen aud) ſchwere Geſchütze 
in Trains zur Verfuͤgung halten. Ebenſo war die 

Vermehrung an Malerial und Perſonal bei der 

Feſtungsartillerie notwendig. Auch hier war 

hauptſächlich Erleichterung des Materials anzuſtreben. 

weil man gegenwärtig zwecks einer aktiven Berteidi- 

qung gendtigt ijt, au Seichitge großen Ralibers im 

Bor- und Swoitdiengelande von Befejtigungen in 

Tätigkeit gu bringen. Ferner mute man die Ein- 

ridtungen fiir ſchnelles Laden möglichſt allen Ge- 

ſchützen geben und bei der gejteigerten Bedeutung des 

Steilfeuers die Bahl entſprechender Geſchütze mog- 

lichft vermehren. Die Fejtungsartillerie, und bejon- 

Ders dic Riijtenartilleric, werden aber unter Umſtänden 

nod) von größern Ralibern (28 cm, 30,5 cm x.), als 

die Belagerungsartillerie mitführen fann, vortetibaft 

Gebraug niaden. 

Belagerungs- und Fejtungsartillerie, die jest als 
Fußartillerie zuſammengefaßt werden, erbhtelten 
auch weſentliche Verbefjerungen der Organifation, die 
leichtern Geſchütze follen der Feldarmee ummittelbar 
folgen, und erforderlichen Falles foll man aud die 
ſchweren fdjnell sur Belagerung heranjieben fonnen. 





ſchwere Feld - (15 cm) Haubitzen und 21 cm-Miérjer | Das Perfonal wurde in größere Verbande (ahnlich 
zu. Schon früher hatte man, namentlich in Ländern, wie bei Feldartillerie) zuſammengefaßt, um in dieſen 
deren beſondere Verhältniſſe dic Verteidiqung von Po- | verwendet zu werden. Die Batterien beſitzen in der 
fitionen zur Hauptaufgabe macht (Schweiz), eine Po- | Regel 6 Geſchütze (Normalbatterie), bei größern Rali- 
fitionsartilleric. Da ed fich bei diefer um Flac: | bern gewöhnlich 4. Panzergeſchütze werden in fleiner 
bahnfanonen von größerm Kaliber als bei der Feld- Zahl, meijt zu jweien oder einzeln, aufgeftellt. Durch 
artillerie tiblid), hauptſächlich aber um Steilbahn- | den Sieg des Hinterladejyitems auch bet den großen Ka 
qeidilbe (Haubitzen und Mörſer) handelte, fo erbhielt | libern und durch Musbildung des Steilfeuers gewann 
man auf diefem Weg cine leichte Belagerungs: | die Leijtungsfabigkeit der Fufartillerie fo an Bedew- 


artilleric. Wn folden Flachbahnkanonen beſaß 
Frankreich bercits die aus der Feldartilleric ausgeſchie 
denen 95 em ⸗Kanonen, ſonſt bediente man ſich der 
Kaliber von 10 cm (engliſch), 10,5 cm (öſterreichiſch 
ungariſch) bis zu den Batteriegeſchützen von 10,7 em 
(rujfifd)). Auch die deutſche A. hat jetzt cine 10 cm 


tung, daß fic) Bermehrung, bez. Neuorganijation, 
Anderungen in der Einteilung und Verwendung auf 
dem Rampffelde daraus erqaben. Deulſchland befigt 
jest 38 Fuhartilleriebataillone gu 4 Rompagnien (im 
18 Regimentern, eine Vermehrung um 6 —10 Kom 





pagnien ſteht bevor), Franfreid) 18 Bataillone mit 


Artillerie (Geſchichtliches, Literatur). 


829 


112 Batterien (davon 8 in Algerien und Tunis), 2 | lehrte zuerſt ihre taktiſche Verwendung, befonders aber, 


Bataillone haben 9, die Mehrzahl 6, einige nur 3 und 
4 Geidiige. Auch in England ijt man der Trennung 
der Fuß von der Feldartillerie gefolgt. Man hat das 
bisherige Regiment (Royal Regiment of Artillery) 
in berittene und unberittene A. geteilt. Bu erjterer ge- 
hören die reitende und Feldartilleric, gu legterer dic 
Gebirgs-, Fejtungs- und Velagerungsartillerie, inner- 
halb der Gruppen werden Regimenter gebildet. Uber 
Rufland find die Nachridten unſicher, dod) wurden 
1898; 57 Fejtungsartillerieregimenter, auferdem Be- 
Jagerungsartilleriebataillone —— In Ojter- 
reich⸗ Ungarn wurden bei der Reorganiſation von 
1890: 6 Feſtungsartillerieregimenter gu 2, bez. 3 Ba- 
taillonen und 3 felbjtindige Bataillone gebildet, fo 
daß Daraus 72 Feldfompagnien und 18 Kadrefom- 
ag gebildet werden können. 
Die Artilleriſten, Mannſchaften der A. zerfallen 
beim Landheer nach dem Zweig der Waffe, in dem ſie 
dienen, in fahrende, reitende und Fuß- (Fejtungs-) 
Artillerie. Schiffs- und meiſt auch die Küſtengeſchütze 
werden von der Matrofenartillerie bedient (ſ. Marine⸗ 
artillerie). Bei der fahrenden und reitenden A. unter- 
ſcheidet man Fabhrer und Bedienungsmannfdaft (les. 
tere bei der reitenden A. beritten). Die Bewaffnung 
beſteht fiir die berittenen Feldartilleriften in dem Ar⸗ 
tilleriefabel, fiir die unberittenen in Dem Ynfanterie- 
jeitengewehr wM, auferdem in dem Revolver 83. 
Die unberittenen Bedienungsmannjdaften der Feld- 
artillerie erbielten friiher nur ausnahmsweiſe Feuer- 
— jetzt Halt man fiir fie einen Revolver erfor- 
erlidh. Die Fuk (frither Fejtungs -) Urtilleric fiihrt 
Dagegen neuerdings ſtets Stugen, Rarabiner oder Ge⸗ 
webre, die deutidje Den Rarabiner 98 und das Seiten- 
gewehr 98/02. 

IGeſchichtliches. J Erſt [eit 1300 hat man unfidere 
Nadhridten über das erjte Auftreten unbeholfener Ge- 
ſchütze (Die faule Grete in der Mark). Die W. war 
zunftmäßig (Meijter, Gefellen, Lehrlinge) eingerichtet. 
— Stiid, wurde von Stiidinedten be- 
Dient und jtand unter einem Büchſen- (Pidjen-) 
Meijter. Ws zu den Kanonen andre (Wurf⸗) Geſchütze 
traten, deren Munition komplizierter war, übertru 
man die Bedienung Feuerwerfern und nannte biete 
wie aud) die Biichjenmeifter feit dem Dreißigjährigen 
Kriege Ronitabler. Uber ihre Pflichten wurden fie 
durch die von Kaiſer und Reid) genehmigten Artikuls— 
briefe belehrt, und die Leiting fiir das Zujammen- 
wirfen von Geſchützen Offizieren itbertragen. Auf 
einem größern Kriegsjuge zeigte fid) die UW. zum erjten- 
mal von Bedeutung, als fe beweglicer geworden, 
von Rarl VII. von Frankreich 1499 nad Stalien mit- 

eführt wurde, dann wieder, als die faiferlide A. bei 

avia 1525 die Gejdwader Franz’ I. von Franfreid) 
vernidtete. Für die Herjtellung einer dem Feld- 
—— entſprechenden leichten A. wirkten dann bahn⸗ 

rechend Guſtav Adolf (lederne Kanonen), von 
dem auch die Einteilung in Batterien herſtammt, und 
um mehr als ein Jahrhundert ſpäter Friedrich d. Gr. 
durch Errichtung der reitenden A. Letzterer war aber 
auch genötigt, * Angriff ſeiner Infanterie durch 
Batterien ſchwerer Geſchütze (GBrummer von Leu— 
then) vorzubereiten. Inzwiſchen entwickelte ſich die 
A. von Zunft zur Waffe, man ſtellte 10 12Geſchütze 
(Batterie) zuſammen, teilte aber aud) der Infanterie 
zur Erhöhung ihrer Feuerfraft ſolche fleinen Kalibers 
Regimentsgeſchütze) gu. Cine neue Periode 
bahnte Napoleon I. an, mdem er die A. in fejte Bat: 
tevien, Divijions: und Referveartillerie qliederte. Cr 


nr ee — — — 


dak Die Maſſenwirkung der WU. (bis 100 Geſchütze) und 
deren Einſetzen zur rechten Zeit am richtigen Orte die 
Schlachtentſcheidung herbeiführen könne. Abgeſehen 
von der neuen Waffe, der reitenden A., die mit Kühn— 
heit und Erfolg beſonders von Preußen und Ruſſen 
1813—15 gebraucht wurde, war die A. aber fiir tak— 
tijche Verwendung ju ſchwerfällig. Es begannen de3- 
halb die Beſtrebungen sur Erleidterung des Feld- 
artilleriematerials (1842), die bis heute fortgefest wur- 
den, denen aber zunächſt der Umſtand hinderlich war, 
daß man wegen der Wirfung neben der fedjspfiindi- 
gen Die zwölfpfündige Kanone und neben deren Voll- 
die Hohltugeln der Haubitzen (zehn- und fiebenpfiin- 
dige Granaten) nicht entbehren fonnte. Um nun Be- 
weglidfeit und Wirfung in Cinflang zu bringen, 
bejtrebte man fid), ein Ein cits g ef dh ii § in der wolf: 
pfiindigen Granatfanone ju ſchaffen. Als man jedod 
mit der Cinfiihrung begann, war dies Geſchütz ſchon 
durd) den preußiſchen Hinterlader (C/59. 61) überholt. 
Diefer zeigte fich auc) den gezogenen Vorderladern 
(oſterreichiſches Syſtem Lenf), die den im italieniſchen 
Sricge 1859 bewährten franzöſiſchen (Syjtem Labitic) 
nadgebildet waren, iiberlegen. 

Obwohl dann nad) dem deutfch - franzöſiſchen Krieg 
alle Heere fic) dem Hinterladefyjtem zuwendeten und 
man nad ——— Verbeſſerungen ſchließlich zur 
Schnellfeuerfeldklanone gelangt war, fo machte te 
aud fiir die Feldartillerie das Bedürfnis geltend, 
neben dem wirkungsvollſten Fladfeuer eine an- 

ung durd) Steilfeuer leichter Haubitzen gu ſchaffen. 
td) die —— der Feuerwirkung wurde aber 
auch eine vermehrte Anwendung der Feldbefeſtigung 
bedingt, und man ſtellte der Feldartillerie nicht mur 
die Aufgabe, den Feind aus den Deckungsmitteln zu 
vertreiben, bez. dieſe zu zerſtören, ſondern fie ſoll aud 
befähigt ſein, beim Erſcheinen vor permanenten Be— 
feſtigungen mit dieſen den erſten Kampf aufzunehmen. 
Dies führte nun zuletzt in allen Armeen zur Auf— 
ſtellung einer ſchweren A. des Feldheeres. Dieſe Ver— 
änderungen im Material, die von der Feld- auch auf 
die Fufartillerie iibertragen wurden, mußten aud 
Einfluß auf Organijation, Fechtart der W., thre Stel- 
—— in der Armeeeinteilung, in Friedends- und Kriegs- 
glicderung haben. 

[iteratur.] Fronsperger, Vom Geſchütz, Feucr- 
wert und Feftungen (1557); v. Decker, Verfuch einer 
Geſchichte des Geſchützweſens (Berl. 1812); Sdarn- 
horft, Handbuch der YW. (Hannov. 1804—14, 3 Bde.); 

immerban3, Essaid'un traité d'artillerie (Briif- 
jel 1339 — 46, 3 Bde.); Scheuerlein, Grundsiige 
der allgemeinen Yrtilleriewiffenfdaft (Berl. 1846); 
v. Sdhirrmann, Berjud gu einem Syſtem der Ar— 
tilleriewiſſenſchaft (daſ. 1860); Witte, Urtillericlehre 

daj. 1878, 3Bde.); Wiebe, Die Urtillerictruppe des 
Feſtungskrieges (Daj. 1888); Bring Kraft gu Hohen: 
lohe-Ingelfingen, Uber Feldartillerie (2. Aufl., 
daſ. 1887); H.v. Miller: Die Entwidelung der Feld- 
artillerie von 1855— 1892 (daf. 1893—94, 3 Bde ), 
Die Entwidelung der deutſchen Fejtungs- und Be- 
lagerunggartillerie von 1875 — 1895 (bat 1896) und 
Die Tätigkeit der deutiden Fejtungsartillerie im 
deutſch⸗ franzöſiſchen Kriege (Daf. 1898 —1901,4 Bde.), 
Witte, Fortidritte und Verinderungen im Waffen: 
wejen (2. Wufl., daf. 1900, mit drei Rachtrdigen), 
Dolleczek, Geſchichte der djterreichifden AW. (Wien 
1887, 2 Bde.). Zeitſchriften: »Archiv fiir die Ofii- 
ziere der königlich preußiſchen Artillerie- und In— 
genieurkorps« (Berl.), »Mitteilungen über Geger: 


830 


jtande des Urtilleric: und Genieweſens⸗ (Wien), » Re- 
vue d'Artillerie« (Bar.), »Seiticdhrift fiir die ſchweize⸗ 
riſche A.« (¥rauenfeld). 
Artilicricafademic, |. Artillerieſchule. 
Artilleriebedeckung (Kartifular-,Spesial- 
bededung), fleine Detadyements der Infanterie oder 


Kavallerie, Die Den Feldbatterien im Gefecht und auf | 


Märſchen gum Schutz gegen feindliche Angriffe bei- 
gegeben wurden. Da die Artillerie jetzt nur in größern 
Verbänden auftritt und dadurch ſelbſtändiger gewor— 
den iſt, fo entfällt meiſt die beſondere Bedectung. 
Artilleriebelagerungspark ꝛc., ſ. Belage- 
rungspark. 
rtilleriedepot, Behörde zur Verwaltung der 
Beſtände an Waffen und Munition für alle — 


pen, ſoweit ſich dieſelben nicht in deren Händen oder 


Verwaltung befinden, ſowie des ſonſtigen Artillerie 
materials. Dem Depotvorſtand (in Feſtungen Ar— 
tillerieoffizier vom Blas) titein Zeugoffizier als 
adminijtratives Witglied iiberwiefen. YW. heißt aud 
das Gebaude, in dem die Behörde ihren Sig hat; der- 
felben find Zeug- und Feuerwerfsoffiziere sur Ver- 
waltung der Bejtinde jugeteilt. Zu jedem A. (in 
Oſterreich Artillerieze ugs depot) gehört ein Labo- 
ratorium (. d.). Wrtillerierevifionsfommif- 
ſionen beitehen aus dem Depotvoritand und einem 
oder mehreren Urtillerie- oder Feucrwerfsoffizieren. 
S. aud) den folgenden Vrtifel. 

Artilleriedepotdircttion , vorgeleste Behörde 
der Virtilleriedepots. Es bejtehen deren in Deutid- 
land fiinf: in Voſen, Stettin, Köln, Straßburg i. E. 
1. Minden. Oberbehirde ijt die Urtilleriedepot- 
infpeftion, die der Feldzeugmeiſterei des Kriegs— 
minifteriums unterjtellt ijt. 

rtilleriedireftor, |. Urtillevicoffijier vom Platz. 

Artilleriegewidt, das vom Landesgqewidt ab 
weidjende Gewicht, das in der Geſchützlunde sur An— 
wendung fant. Bemerfenswert war die Kaliberbexeidh- 
nung der Haubiben und Mörſer nad) dem Gewidt 
jteinerner Bollfugeln (7°, 10+, 25-Pfünder ꝛc.). 

Artillerichandwerfer, zu militäriſch techniſchen 
Inſtituten kommandierte Handwerker. Yn Deutſch— 
land kommen, nachdem die frühern Artilleriehand— 
werlskompagnien (in Preußen 1863) aufgelöſt wur- 
den, nur noch Zivilhandwerker in Betracht. 
ß Artilleriekomitee, ſ. Artillerieprüfungskommiſ 
ion. 

Artilleriekonſtruktionsbureau, ſ. Techniſche 
Inſtitute der Artillerie. 

Artilleriemafitab (Kalibermaßſtab), In— 
ſtrument zum Meſſen von Gegenſtänden des Artille— 


riematerials. Man bedient fic) dabei des Meterſyſtems, 


nur Robr-, Seelens und Geſchoßlängen werden aud 
nad) Ralibern (f. Raliber) beſtimmt. 
Urtillericoffizier vom Platz (Artillerie— 
direftor), ein Offizier, der alle auf die Verteidigungs- 
fabigfeit der Feſtung bezüglichen artilleriſtiſchen Ein— 
richftungen gu überwachen und im Kriege die artille— 
riſtiſche Verteidigung ju leiten hat. Er ijt Vorſtand 
des Artilleriedepots (ſ. d.), in großen Feſtungen ijt 
ihm ein zweiter A. zugeteilt, der dieſen Dienſt verſieht 
und der Yirtillerierevijionsfonuniffion präſidiert. 
Artillerieparf, jede Vereinigung von Artillerie⸗ 


material ſowie der Ort, wo ſich dieſes befindet; ge⸗ 


wöhnlich der artilleriſtiſche Teil des Belagerungsparks. 
Artillerieprüfungskommiſſion, cine aus Offi— 
zieren der Artillerie und Marine zuſammengeſetzte 
Behörde (Berlin), die alle das Artilleriematerial be— | 
treffende Fragen zu bequtadten hat. Sie bejteht aus | 


Artillerieafademie — MArtillerietednif. 


einem Brafidium und zwei Ubteilungen, eme fiir die 
Feld-, cine fiir die Fuß- (Fejtungs-, Velagerungs, 
Küſten- und Warine-) artillerie. Gine Reriuchsabter- 
lung (mit Depotverwaltung) laRt durd thre auf Dem 
Schießplatz Kummersdorf (45 km von Berlin an der 
Milita reifenbahn) fafernierte Veriuchhsfompagnie nebit 
Marinedetachement die bezüglichen Verſuche aushih 

ren. In Ojterreich heißt die gleiche Behörde Wrtil- 
leriefomitee. ‘Depot. 

Artillerierevifionsfommiffion, ſ. Artillerie⸗ 

— — ſ. Schiehitbungen. 

Artillerieſchiefiſchulen zur Ausbildung von 
Lehrern fiir die Artillerietruppen, zur Erweilerung 
der Kenntniſſe in der Schießkunſt und im Gebraugd 
und der Behandlung der —— beſtehen eine für 
Feld-, eine fiir Fußartillerie in Jüterbog. Sie ſind 
einem —— und zwei Regimentskomman⸗ 
deuren unlerſtellt. Für die Feldartillerie tit cin Leht⸗ 
regiment (8 Batterien in 3 Abteilungen), fiir Die Fuß⸗ 
artillerie ein Lehrbataillon(3 Rompaqnien) vorhanden, 
Bu den zwei Kurſen im Jahr werden jiingere Offiziere 
fommanbdiert, mitunter werden aud Stabsofiizierfurie 
angeordnet und höhern Truppenfithrern Gelegenbeit 
geboten, fid) über die Fortidritte der Waffe zu unter 
ridten. 

Artillerieſchiff (Artillerieſchulſchiff), em 
Kriegsſchiff, das als Geſchütz, Exerzier⸗ und Schich 
ſchule der Flotte dient, um einheitliche Bedienung der 
Schiffsgeſchütze gu ſichern; aud) dient das A. zur Eri 
fung neuer Ronjtruftionen in der Schiffsarttllerie. 

Artillerieſchule, Unjtalt zur fadlicen Bildung 
von Offizieren der Urtillerie, haufig mit den Yngenieur- 
ſchulen verbunden. Deutidland bejigt ſeit 1816 cine 
» Vereinigte Urtilleries und Yngenieuridule< in Ber- 
lin (Charlottenburg) und eine in München. Die Leut- 
nants der Yrtillerie und des Pionierforps werden nag 
2— djahriger praftijdher Dienjtleijtung zur A. fom: 
mandiert. Ein Teil derfelben wird ju einem obern 
Lehrgang jugelajjen, in defjen Verlauf auch große 
Induſtriewerke (Krupp, Grujon u.a.) beſucht werden. 
Ym Schluß der Lehrgänge finden Priifungen fratt. 
| Der Unterricht findet vom 1. Oft. bis Ende Juni, bey 
Ende Juli fiir den untern, bez. obern Lehrgang ftatt. 
In Oſterreich befteht der ⸗Höhere Urtilleriefurs« in 
Wien, in Franfreid die Ecole d'application de 
lartillerie et du génie in Fontainebleau und die 
Ecole militaire de l'artillerie et du génie in Ber- 
jailles, in England die Militdrafademie zu Wool- 
wich mit halbjährlichem Anſchlußlkurfus bei der Shieh: 
fdjule in ShoeburyneR, in Rußland die Midacl- 
| Urtillericafademie ju Petersburg, in Ytalien die 
WMilitdrafademie gu Turin mit Anſchlußkurſus bei der 
| Upplifationsfdule fiir Urtilleric und Genie. Seit An⸗ 
fang des 16. Jahrh. werden ſchon Artillerieſchulen ex- 
wibnt: in Benedig, in Burgos in Spanien und in 
Sigilien; ferner 1675 in Frankreich gu Monteijon eine 
UÜbungsſchule im Schießen und Werfen, die 1679 zu 
einer theoretifdjen A. in Druay umgeſtaltet wurde; 
Sachſen erbhielt 1766 cine A. 

Artillerieſchulſchiff, |. Artillerieſchiff. 

UArtillerietechuik beſchäftigt ſich mit der Heritel- 
lung des Yirtillertematerials, des Pulvers, der Lafet- 
ten, Brogen und Wagen, des Geſchützubehörs und 
Der Urtilleriemunition. Außer in Erivatfabrifen, wie 
Krupp ꝛc., gefdieht die Herjtellung im dem techni— 
ſchen Inſtituten (ſ. Dd.) Der Artillerie, deren In- 
ſpeltion der Feldzeugmeiſterei unterſtellt ijt. Die Offi 
ziere der techniſchen Artillerie tragen die Uniform 
der Regimenter, bei denen ſie la suite geführt werden. 








Artillerieverjudsfommando — Arton. 


Artillerieverſuchskommando, cine Marine: 
behirde, die sur Inſpeltion der Marineartillerie ge- 
hort und dem Reichsmarincamt unterftellt ijt, um 
neue Erfindungen und Cinridtungen der Schiffs— 
artillerie ju priifen und Verſuche damit anjujtellen. 
Dem A. fteht cin befonderes Urtillerieverfuds- 
ſchiff sur Verfügung, das ſoviel wie miglid) aud) als 
Artillerieſchulſchiff dient. 

Artillericwerfitatten, in Deutſchland unter mi- 
litäriſcher Direftion ftehende Fabrifen, in denen die 
Artilleriefahrzeuge und Urtilleriegeriite angefertigt 
werden. Colder U. gibt es in Spandau, Denk, Dan- 
zig, Strafburg i. €., Dresden und München; Ojter- 
reid): in Wien. Val. Techniſche Inſtitute der Urtillerie. 

Artilleriewiſſenſchaft, die Lehre von dem ge- 
famten Artillerieweſen, umfaßt die Urtillerietecdnif 
(Lehre vom Material), die Artillerieſchießkunſt (Bal- 
lijtif) und Urtillerietaftif (Gebraud der Geſchütze). 

Artilleriezengsdepot, ſ. Artilleriedepot. 

Artilleriſt, ſ. Artillerie, S. 829. 

Artilleriftenmaat, ſ. Marineartillerie. 

teen die Raargcher, f. Huftiere. 

Artiſchocke (ital. articiocco, aus dem Arab.), 
Fylanjengattung, ſ. Cynara. 

Artift (frany.), Künſtler, insbeſ. Geſamtbezeichnung 
für Kunſtreiter, UWfrobaten, Gymnojtifer, Clowns, 
Tierbindiger (Dompteurs) 2. Yn Leipzig wurde 
neuerdings die \nternationale Urtijtengenos- 
fenfdaft beqriindet, die durch Hilfs- und Sterbe- 


fafjen, Engagementsvermittelung rx. zur Hebung des 
ganzen Standes der »fabrenden Leute« beizutragen 


ucht. Jn Berlin erjdeint eine »Internationale Ar⸗ 
tiſtenzeitung· (ſeit 1896), in Leipziq »Die Artiſten⸗ 
tribiine« (jeit 1895), in Düſſeldorf »Der Urtijt« 
(feit 1883) und der »Ynternationale Urtijtenfalender< 
(5. Jabrg. 1901). Cin »rtiftenterifon< gab H. W. | 
Otto (Siqnor Saltarino) heraus (2. Aufl., Düſſeld. 
1895). Artiste dramatique oder Artiste ſchlecht— 
weg, in Frankreich: Schaujpieler, Opernſänger. Wr- 
tijtifd, künſtleriſch, auf Kunſt bezüglich. 

Urtiftenfafultat, bei den Univerſitäten ehemals 
bie Fafultat der freien Künſte, jest philoſophiſche Fa- 
fultat; f. Univerſitäten. 

Artium liberalium magister, {. Magijter. | 

Artjel (rujj.), ſ. Urtel. 

Artocarpus Forst.(Brotbaum, Vrotfrudt- 
baum), Gattung der Morajeen, Bäume mit großen 
lederartigen, ungeteilten oder fiederlappigen, felten 
gefiederten Blattern, monöziſchen Bliiten auf fuge- 
liqent oder feulenfirmigem, bisweilen langem Bliiten- 
boden und einer die Uchenen einſchließenden Schein: 
frudt. Etwa 40 Arten, von Ceylon durd) den Indi— 
ſchen Archipel bis China. A. incisa L. fil. (qemeiner 
Brotfrudtbaum, ſ. Tafel »Nahrungspflanjen II«, 
Fig. 8), 12—-18m hod, mit eingefdnittenen Blattern, | 
aut den Sundainjeln heimiſch, aber iiberall in den | 
Tropen, hefonders auf den Inſeln des Stillen Ozeans, 
fultiviert, tragt 40cm lange und 24cm Dide, fletichige | 
Früchte. Dieſe enthalten unveif weißes, mehliges Mark | 
und bilden fiir Die Siidjeeinfulaner das vorzüglichſte 
Nahrungsmittel. Sie werden roh und geröſtet qenof- 
fen. Drei Baume ernahren einen Menſchen jahraus 
jahrein, Denn während der drei Monate, wo der Baum 
eine Friidte hat, leben die Jnfulaner qrofenteils von 
der cingemadten Frudt. Die villig reife Frucht mit 
breiigem, gelbem Mark ſchmeckt unangenehm. Ward) | 
Die Hliqen Samen find genießbar. Auf Martinique, 
Réunion, in Guayana und Braſilien bereitet man aus 
den Früchten Stärkemehl. Der Stamm gibt gutes 








831 


Nutzholz. Aus dem Bajt junger Zweige fertigen dic 
Ynfjulaner Reider. A.integrifolia Forst.(indifder 
Brotbaum, Jack-tree, Jaqueira), in Djtindien, aber 
iiberall in den Tropen fultiviert, mit verfehrt-cifirmi- 
gen Blittern, trägi an den dicen Ujten und am Stamm 
bisweilen bis jur Erde herabhängende, bis 15 ky 
ſchwere Früchte (afta), die auc im reifen Buftand 
— ſind. Auf Ceylon dienen ſie einen großen 
eil Des Jahres über als Nahrung. Der indiſche Brot- 
baum liefert Kautſchuk und hartes Holz (Jakholz, 
Jaqueiraholz, Orangeholz), das wie Maha: 
oni benugt wird; die Rinde dient zum Gerben und 
— A. pubescens Willd., ein anſehnlicher Baum 
in Oftindien, deſſen Hol; fehr hart, inwendig rotlid 
ijt. Die Frucht ijt fauſtgroß, weichſtachelig, dem Stech— 
apfel ähnlich, febr mobltdinedend : übermäßiger Ge⸗ 
nuß bewirkt Durchfall, den jedoch Wurzel und Rinde 
des Baumes heilen. Das Holz wird zu Kiſten und 
Kähnen verwendet. Bal. Forſter, Geſchichte und 
Beſchreibung des Brotbaumes (Kaſſel 1784). 
Artois (jpr. artũa, deutſch Atrech t), ehemalige Pro⸗ 
vinz (Grafſchaft) im nordweſtlichen Frankreich, gehört 
jetzt größtenteils zum Depart. Pas-de-Calais . d.). 
Haupiſtadt iſt Arras. — A., das Land der Atreba— 
ten, wurde erſt von den Rimern, im 5. Jahrh. von 
den Franfen erobert und fam durd die Heirat von 
Karls de3 Kahlen Todter Judith mit dem Grafen 
Balduin Eifenarm 863 an Flandern. Philipp, Graf 
von Flandern, gab A. 1180 feiner Nichte Iſabella von 
Hennegau, der Gattin Philipps IT. Auguſt von Frank⸗ 
reid), zur Mitgift. 1237 erhob Ludwig IX. W. gu einer 
Braff daft fiir feinen jiingern Bruder, Robert. Spä⸗ 
ter fam YW. durd Heirat an das Herzogtum Burgund. 
Nach dent Tode Karls des Kühnen (1477) nahm Lud- 


wig XI. von Frantreid) auch A. in Unfprud und er- 


bielt ¢3 im Frieden von Arras (1482) zugeſprochen. 


Allein im Frieden zu Senlis (1493) fiel es nebſt der 


librigen Mitgift Margqaretas von Ojterreid) (Tochter 


Kaiſer Marintilians) an Ojterveid) zurück und teilte 
'pon da an die Sdhicfiale der öſterreichiſch-ſpaniſchen 


MNiederlande. Jim Pyrenäiſchen Frieden (1659) mufte 
Spanien fajt gang A. an Franfreich abtreten. Yn der 
Folge ward durd) die Friedensfdliiffe von Nimuwegen, 
Rijswijf und Utrecht Frankreich der Beſitz der ganzen 
Grafſchaft A. beſtätigt und diefe mit der Picardie zu 
einem Generalgouvernement vereinigt. Ludwig XV. 
verlich ſeinem dritten Enfel, Karl Philipp, den Titel 
cine3 Grafen von A. den derfelbe bis zu ſeiner Thron- 
bejteiqung alg Karl X. (1824) führte. 

Artofarpoideen(Urtofarpeen, Brotfrudt- 
bäumey), Unterfamilie der Morazeen, milchſaftfüh— 
rende Holzpflanzen der Tropenzone, die ſich von den 
Moroideen durch die meiſt ſtengelumfaſſenden Neben— 
blätter und die gerollte Knoſpenlage der Laubblätter 
unterſcheiden. Die fleiſchigen Fruchtſtände einiger 
Artocarpus-Urten (Brotfruchtbaum) ſind eßbar, 
ebenſo die der Feigenbäume. Der Milchſaft von An- 
tiaris toxicaria liefert Pfeilgift, der Milchſaft des 
Kuhbaumes wird genoſſen. 

Artolatrie (qried., »Brotdienft<), Anbetung der 
Hojtie; Urtolatrift, Brotanbeter. 

Artoloreh, ſ. Artillerie. 

Arton (eigentlich Aron), Leopold Emil, Ban— 
fier, geb. 1849 in Straßburg, ſeit 1871 m Baris, ver 
teilte hauptſächlich die Beſtechungsgelder der Panama— 
gelellicvatt an Staat8manner und folitifer, um die 

enehmigung der Kammern für die Finanjoperatio- 
nen Der Geſellſchaft ju erlangen. Er floh 1892 ing 
Ausland und wurde erjt Ende 1895 in London ver- 


832 


hajtet und ausgelicfert, worauf er 1896 wegen Be: | 
trugs gegen cine Dynamitgeſellſchaft zu 6 Jahren 
Bwangsarbeit verurteilt wurde. 

Artopton, j. Wieurometer. 

ArtHt (pr. arts), Déjirde, eigentlic Montagney, 
Opernfingerin, geb. 21. Juli 1835 in Paris, Todter 
des Hornvirtuofen Jean Defiré ep ely | e 
nannt A. (geb. 1803 in Brüſſel, geſt. 1887), und ‘Ste 
des Biolinijten J of eph A. (qeb.1815, qejt.1845), wurde 
von Frau BViardot-arcia fiir die Biilhne ausgebildet 
und debiitierte 1858 auf Meyerbeers Veranlaſſung an 
der Pariſer Groen Oper als Fides mit glänzendem 
Erfolg, gab aber jdon nad) furjer Zeit das Cngage- 
nent Ay um fortan nur nod) in gang Europa ju 

ajtieren und gu fonzertieren. 1860 fam fie nut der 
‘orinifdjen Geſellſchaft nad) Berlin, wo fie ebenfalls 
ga bei ihrem erſten Auftreten (im » Barbier von 


Artoptou 


villa«) den entfdiedenften Erfolg hatte. Frau A. 
ehirt su den wiirdigiten Vertreterinnen ded italient- | 


den Kunſtgeſanges, ſowohl im Konzertſaal als auf 


der Biihne. Seit 1869 ift fie mit dem ſpaniſchen Bari- | 
tonijien Padilla y Ramos (geb. 1842 in Murcia) | 
verheiratet. Beide nahmen 1884 ihren Wohnſitz in 


Berlin, verlegten ihm aber 1889 nad Baris. 


Artotypie, in Umerifa foviel wie Lichtdrud (f.d.). | 


Art poétique (franj., for. a pottit), Unieitung 
zur Didtfunft, ſ. Boileau - Despréaur. 

Artur (Artus), brit. Held, der um 500 gelebt 
haben foll und den Mittelpunft cines ausgedehnten 
Sagentreifes bildet. Die Didter des Miittelalters, die 
in Den Urturromanen das Ideal de ritterliden 
Lebens zur Darjtellung bradten, haben die Stoffe mit 


einer oft an Willfiir grengenden Freiheit behandelt | 


und dem Elemente des Wunderbaren vollen Eingang 
verjtattet. Die Dichtungen, durd) die dieſe Gagen 
jum Gemeingut der abendlaindifden Volker wurden, 
ehiren der altfranzöſiſchen Literatur an. Uber die 
Scant ob ihre Quellen in Wales oder in der Bretagne 
jut fuchen find, ijt unter den Gelehrten cin Streit ent- 
brannt, in dem fich Rhys und Gajton Paris ju gun— 
jten von Wales, H. Zimmer und W. Förſter, auf ſtär⸗ 
fere und fadlidjere Griinde geftiist als ihre Geqner, 
fiir Die Bretagne entſchieden any In der Literatur 
fommt YW. zuerſt bei Dem Englander Nennius vor, 
deſſen lateinifdje Chronik ing Ende des 8. Jahrh. ge— 
feBt wird. Hier wird er als Feldherr (dux bellorum) 
bezeichnet und fiegt fiber die Sachſen und Pilten in 
zwölf Sdladten, von denen die größte und lebte in 
Monte Badonis (wabricdeinlid) Boudenhill am Yvon) 
qcidlagen wurde. Die welf de Urturfage tritt uns 
ungetriibt nur in der fymrifden Erzählung von 
»Kilhwe und Olwen« oder »Arturs Eberjagd«, aus 
Deut 12. Jahrh., entgegen. Hier ift A. nod) ein tap- 
ferer Held, der überall at Hand anlegt, wabrend er 
in Den bretonifden Sagen zwar Mittelpuntt der Er— 
zählungen geblieben, aber ju einem untatigen Zu— 
ſchauer, einem bloßen Statijten, geworden ijt. Wud 
in Der Bretagne nuijfen Sagen iiber U. früh verbreitet 
gewefen fein, da fdjon in der Mitte des 9. Jahrh. Ur- 
tur als Berfonenname dort gang gewöhnlich ijt. Diefe 
Sagen haben fid) mündlich verbreitet, nod) ehe fie 
ſchriftlich fixiert wurden; in Italien kommt der Name 
A. ſchon gu Ende des 11. Jahrh. vor. Qn der latei— 
niſchen Literatur ijt das Hauptwerk iiber A. die » Histo- 
ria regum Britanniae« des Gaufrid (oder Gottfried) 
von Monmouth, um 1136 (brsg. von San Marte, 
Halle 1854), welche die fagenhafte Geſchichte Britan- | 
niens von dem Stanmuater Brutus bis auf Cadwal- 


fader (geft. 689) erzählt. Hier ijt U. ein mächtiger Jondbloct, Haag 1850, und von | 


— Artur. 


König und Beqriinder eines großen wefteuropariden 
Reiches. Auf die Nomantiteratur hat es geringen 
Einfluß geiibt, ijt aber haufig in die mittelalterlider 
Sprachen iiberjest worden (ins Franzöſiſche von Wace 
1155, ins Englijde von Layamon um 1204, zwermal 
ing Kymriſche ꝛc.). Gaufrid gibt mit Benugung des 
Nennius hauptſächlich dic welfde Ubertieferung, bat 
jedod) allerlei Züge aus der bretonijden Sage ein- 
gefügt. 

Nad) Bimmer unterſcheidet ſich die bretoniſche 
Arturſage von der welſchen durch folgende Punlte. 
Mur die bretoniſche Sage fennt Arturs Schweſter, die 
yee Morgan (vgl. Fata Morgana), und ihren Wobn- 
jit, die Inſel Abalon (ſ. d.); Die Verſetzung des ver- 
wundeten A. auf diefe Inſel nad feiner letzten Schlacht; 
den im Mittelalter als bretonifde Hoffnung fpric- 
wörtlichen Glauben (ſhon 1113 bezeugt), dah VW. nicht 

ejtorben fei und dereinſt zurückkehren werde, um fein 
Reid) im alten Glange herjujtellen (um dieſen Glau— 
ben zu zerſtören, liek Heinrid) IT. 1189 die Gebeine 
Arturs m Glaftonbury auffinden, das man mit Ava— 
{on identifizierte); die Tafelrunde (zuerſt bei Bace) 
mit ihren zwölf Sigen als Nachahmung der Kairs 
| Rarls d. Gr. Rei, in der welfden Sage ein tapferer 
Ritter, ijt in Der bretoniſchen gu einer lomiſchen Figur 
geworden. A. rejidiert urjpriinglich zu Carduel, dem 
heutigen Carlisle in Cumberland: fo in den bretoni- 
ſchen Sagen; in den welſchen ijt feine Rejidens weiter 
ſüdlich, nad) Carleon am Usk, verlegt, wahrſcheinlich 
weil die bis ins 10. Jahrh. hinein in immer neuen 
Scharen vor den Angeln flüchtenden Cumberlander 
die Arturſage in ihrer neuen Heimat lokaliſierten. 
Owein und Peredur find nad) der welſchen Auffaffung 
Helden einer ſpätern Zeit und erſt von den Bretonen 
in Zeitgenoſſen Arturs verwandelt worden. Auch 
Cornwall war an der Sagenbildung beteiligt: Arturs 
Geburt in Tintagel iſt ein Zug corniſcher Sage, und 
der Name Modred (Arturs Neffe, der ihn tödlich ver⸗ 
wundet) hat cornifde Form. 

Die franzöſiſchen Urturromane jerfallen in zwei 
@ruppen, indem fie teils in Verſen, teils in Proſa ge: 
jdrieben find. Bon jenen find die älteſten der nod 
ungedrudte »\der« und die Romane de3 Chriftian vor 
Troyes (zwiſchen 1160 u. 1180): »>Erece, »Lancelot«, 
»Main«, »Perceval«. Wlle diefe Romane haben bre 
toniſche Traditionen benutzt. Einen echt keltiſchen Ra- 
men führt Urturs Neffe Walwain (Gauvain). Andre 
Ramen find vielfad lateinifden Uriprungs. Der 
Name W. (altfranz. Urtus) entipridt wahrideinlid 
cinem lateinifden Artorius. Y)vain ijt die bretonifce, 
Owen die welfde Form des Namens Eagenius. Sein 
Bater Urien heißt bei Nennius Urbgen (lat. Urbi- 
genus). Eree hieß cin Graf von Nantes (981); im Wel 
ſchen wird er Geraint qenannt (von Gerontiog, einem 
Feldherrn Nonftantins, mit Gerennius verſchmolzen). 
Lancelot iſt vielleicht Lantbert, ein Marlgraf der Bre— 
tagne aus der Zeit Ludwigs des Frommen. Lancelot 
befreit Guenievre, Arturs Gattin, aus der Unterwelt, 
wobin fic Meleaquant oder Maheloas entfiihrt bat, 
alfo ein mythifder Stoff. Nn Perceval (Peredur) tit 
die Urturfage mit der Gralſage fombiniert. Schon 
die Namensformen zeigen, dafy » Ader (welſch Edern) 
und die Romane Chritians auf bretoniſche Quellen 
zurückgehen; die Verbreitung der Sagen haben die 
romaniſierten Bretonen in der öſtlichen Bretagne bee 
wirft. Unter den Brofaromanen ijt der verbreitetite 
der »Lancelot«, der cinen Zyllus von 5—6 Romanen 
zuſammenfaßt und nur in Teilen gedrudt iit (von 
mivall, »La 








Artursfig — Aruinfeln. 


Queste del saint Graal«, ond. 1864). Dante hat 
ihm in der Epifode von » Francesca da Rimini« eine 
bedeutende Rolle zugewieſen. Cinen Teil dieſes Ro- 
mans fdreiben Me Handfdriften dem Balter Map 
(jf. d.) gu. Die welfden Romane ftehen in dent fogen. 
»Roten Bud)« von Hergeft, einer Handfdrift des 14. 
Jahrh. Man nennt fie gewöhnlich Mabinogion, 
obwohl dice Benennung eigentlid) vier andern Er- 
zählungen derſelben Handfdrift zulommt. Da fie 
ihrem wefentliden Anhalt nad ‘an den franzöſiſchen 
Darftellungen de3 Chriftian von Troyes beruhen, fo 
haben fie feinen originellen Wert. Es find: ⸗Owen⸗ 
— ·Geraint · (Erec), »Beredur« (Perceval). Sie 
ind ins Franzöſiſche überſetzt von Loth (»Les Mabi- 
nogion«, Bar. 1889, 2 Bde., wo aud »RMilhwee und 
»Oiwen« überſetzt ift). Uber die Wirtursege baben M6 
legt gehandelt O. Simmer in den »Gottinger Ge⸗ 
lebrten Wnyeigen«, 1890, Rr. 12 und 20, und in der 
»Seitidhrift fiir franzöſiſche Sprade und Literature, 
Bd. 12 und 13 (Oppeln 1890 u. 1891); BW. Förſter 
in ben Cinleitungen Qe Chrijtian von Troyes; G. 
Faris im 30. Bande der »Histoire littéraire de la 
France« (Bar. 1888); Rhy 8, der oft miythiſche Grund⸗ 
lagen vermutet, in den »Studies on the Arthurian 
legends (Orford 1891). Die altfranjdfifden Proſa 
romane find überſetzt von P. Paris (»>Les Romans | 
de la table rondee, Bar. 1868 77, 6 Bde.). 

Jn Die deutſche Literatur wurde der Artur— 
roman durch Hartmann von Aue (f. d.) eingeführt, 
der bald nad 1191 den »Erece und vor 1202 den 
Iwein · (Liwenritter) Corésiens von Troyes poetiſch 
bearbeitete. Schnell fanden andre franzöſiſche Artur— 
dichungen in deutiden Rachahmungen Cingang. Dem 
— bald der »Lanzelet⸗ des Schweizers Ul 
rid) von Sagifhoven, dem ⸗Iwein · der » Wigalois« 
des Oftfranfen Wirnt von Grafenberg und der ⸗Par⸗ 
gival« Wolframs von Eſchenbach, durch den zuerſt die | 
Wralfage in Berbindung mit der Arturſage in Deutid: | 
land verbreitet wurde. Richt mur dem Stil, fondern 
aud) dem Ynbhalt nad wurden die Epen Hartmann, 
Wirnts und BWolframs vorbildlich far die fpatern 
deutſchen Virturdidter. Schon der Kärntner Heinrich 





von Tiirlin (1215 20) entlehnt ihnen in feinem um- Bq 


faingliden Roman von Mrturs und Gaweins Aben 
teuern, den er » Die Mrone« nannte, mande Motive 
neben der ing oy franzöſiſcher Quellen; bei jin 
gern Dichtern tritt die franzöſiſche Tradition gegen 
i¢ eigne —— und Nachahmung der — 
Arfurromane allmaͤhlich ganz guriid; fo in Strickers 
» Daniel vom blithenden Tale, in dem ⸗Wigamur« 
eines bayriſch ðſterreichiſchen Fahrenden, dem · Garel · 
Tandarois·Meleranz · des Pleiers, dem »Gauriel 
von Muntabel« des Konrad von Stoffeln. Mit dem 
14. Jahrh. erlahmte die Broduftion auf diefem Ge— 
biet, bis um 1490 Ulrich Füetrer Den ganzen Syflus 
der Virtur- und Ccalfage in feinem » Bud) der Yiben- 
teucre nod cinmal nod) den dltern deutſchen Epen 
firopbifd) bearbeitete. Qn die reiche Brofaliteratur, 
die fett dem 15. Jahrh. die epiſche Dichtung verdrangte. 
fand aus der Arturſage mur der »Vanjelet« und in 
einer Uufldfung aus Wirnts Gedicht der » Wigalois« 
Eingang, der nod) 1664 neu gedrudt wurde. 

Mrtursfig (Arthur's Seat), Berg, ſ. Edinburg 

Mrtus, |. Yrtur. 

Artushof (hunferhof, Tafelrunde), ur-, 

runglich eine tm 13. und 14. Jahrh in den ritter 
ichen und fiirftliden Kreiſen mit Vorliebe gefeierte 
—— dann die Raͤumlichteiten, tm denen die 
Gelage und Turniere ſtattfanden. Jn Koſtum und! 


Megers Konv.- vezifon, G Aufl, L Be. 


833 


Zeremoniell wurde dabei cine Nadbildung der in den 
Damaligen Rittergedidten gejdilderten Tafelrunden, 
befonders der des fagenhaften Königs Artus oder 
Urtur (f. d.), angeftrebt. Golde Urtushife find nad- 
weislid in England, Deutidland und den Niederlan- 
den, Franfreid) und Spanien gehalten worden; am 
meijten und glänzendſten in Frantreid unter Karl VI, 
defien Gemahlin Iſabella von Bayern fie sur Zer— 
ftreuung ihres in Melandolie verfunfenen Gatten ver- 
anftaltete, und in England, wo fie in Beziehung sum 
heil. Georg geſetzt und Nationalfefte wurden, aud 
innerhalb Bes Slifterorbens vom Hofenband nod heute 
fortbejtehen. Eigentlich auf den Ritterftand befdrintt, 
haben fie auch in reidjen und vornehmen Biirgertrei- 
fen Eingang gefunden; daber rühren die hier und da 
nod) vorbandenen, ballenarti rer VUrtushofe, 
— B. in Danzig, Thorn ꝛc. virſch, Über den 
Irfprung der preußiſchen Artushöfe (⸗Zeitſchrift fiir 
preußiſche Geſchichte und Landesfunde«, 1864). 

Artufi, Giovanni Maria, ital. Mufitidrift- 
ftefler, um 1600 Ranonifus in Bologna, ef. da⸗ 
ſelbſt 18. Aug. 1613, vertrat als Theoretifer p >» L’arte 
del contrappunto«, Bened. 1586 -- 89; »L'Artusi, 
ovvero delle imperfezioni della moderna musica«, 
daf. 1600) einen fonfervativen Standpunft gegen: 
fiber den Neucrungen der mufifalifden Dromatifer 
und Ynjtrumentalfomponijten. 

Artwin, Hauptitadt des Bezirls A. (3906 qkm 
mit 56,456 Ginw.) im ruffifeh-transtautas. Gouv. Sit- 
tais, am Tſcharuch, mit 3 armenifd-fathol. Kirchen, 
einer armeniſch⸗gregorian. Rirde, 6 Moſcheen und 
(1897) 7000 Einw., die Obitbau, Lederfabrifation und 
Bienelbrennerei betreiben. 

Artynia, See, ſ. Rhyndalos. 

Arual, Indianerſtamm, f. Wrowafen. 

Aruba, niederländiſch-weſtind. Inſel, vor dem 
Molfe von Maracaibo, 30 km von der Riljte von Ve 
nejuela, 165 qkm mit (1899) 9349 Einw. (meiſt fatho- 
liſche Mifdlinge). Die bid 183 m hohe, aus Diorit 
und Storallenfalf beftebende Ynfel ijt wafjerarm und 
wenig frudtbar, veridifft aber Phosphat, Dividivi, 
Pindanilffe rc. im Werte von (1898) 163,783 Gulden. 
1. Martin, Bericht tiber cine Reiſe nad Nieder- 
ländiſch - Weftindien (Leiden 1886 - RS, 2 Vde.). 

Aeriigo (lat.), Griinfpan; A. nobilis, die Batina 
auf aah oder Bronye; A. crystallisata, frijtalli- 
— effigfaures Supfer; druginieren, Griinipan 
anfegen. 

ruinſeln (Arruinſeln), sur niederlind. Refi- 


dentjchaft Amboina geborige Inſelgruppe des Indi⸗ 


ſchen Archipels (ſ. Marte »Hinterindien«), 1875 von 
Veccari durcdhforidt, zwiſchen 5 und 7° ſüdl. Br. be- 
jtebt aus einer 125 km langen, 82 km breiten Haupt- 
infel (malaiih Tanna Beſar, sqrofes Land«), die 
durch zwei flußähnliche, unfdiffbare Randle in drei 
Inſeln: Wofan, Robrur und Trangan, geteilt 
wird, und 80 kleinern, meiit unbewohnten Eilanden. 
inégefamt 8614 qkm mit (es) 21,599 Finw. Dre Vb 
find niedrig und haben ſchwer zugängliche, im O. von 
Norallenritfen cingefahte Steilluſten. Der Boden iſt 
Morallentalf, aber frudtbar und mit fippiger Bege- 
tation bededt. Wuffallend tit der Reichtum an Treren, 
befonders an Rogeln, die großenteils mut denen von 


Neuguinea fibereinftimmen, Auch die Bewohner 


lei⸗ 

chen mehr denen Neugumeas als denen —— 

Wallace hat daraus geſchloſſen, daß die VW. urſprung— 

lich ein Teil von Neuguinea waren. Der ganz in den 

Handen der Chineſen, Malaſſaren und Buggiſen be 

findliche lebhafte Handel mit Trepang, Schildpatt, efj- 
53 


— 


834 Arum — Arundo. 


baren Schwalbenneftern und Paradiesvigeln fonjen- | Kanaren bis Trapezunt, wird die Wurzel auf Starfe- 
triert fic) im Hafen Dobbo auf der Inſel Wamar. | mehl (Wrrowroot) verarbeitet. A. dracunculus L. 
Val. Riedel, Der Uruardipel und ſeine Bewohner (Dracunculus vulgaris Schott. Sdlangenfraut, 
(Berl. 1885); Ribbe, Die W. (Dresd. 1888). Drachenwurz, ſ. Abbildung), mit ſchlangenartig 

Arum ZL. (Aron, Alajlronswurz, Ulalrons- geflecktem eyo fupformigen Blattern, innen dDun- 
jtab, Zehrwurz), Gattung der Urazeen, Kräuter | fel braunroter Kolbenſcheide, ftinfendem, braunrotent 
mit {ugeliger oder eiförmiger Knolle, großen, qrund- | Kolben und roten Friidten, im ganzen Mittelmeer- 
ftindigen, gejtielten ſpieß- oder pfeilförmigen Blattern gebiet, wurde im Altertum arzneilich benutzt und gilt 
und furjent, blattlofem Stengel, an deſſen Spite eine | als Schutzmittel gegen Schlangenbiß. Blatt und Blůte 
einblitterige Spatha (Hiillblatt) einen feulenformigen | wurden frühzeitig als Motiv gu einem Ornament 
Kolben umgibt, der an der Basis mit weibliden, dar- | benugt, das nod) heute fehr gebräuchlich ijt (j. Tafel 
iiber mit manntichen Bliiten, oft mur mit Fruchtkno- »Pflanjenornamente Ie, Fig. 3, 9—14). Die Pflanze 
ten und Staubgefäßen und über diefen mit rudimen- wird, wie auc) andre Yirten, als Sierpflange fultiviert. 
tiren Blittenanlagen bejegt ijt (fj. Tafel »Bliiten- | A. palaestinum Boiss. (A. sanctum hort.), mit Dun- 
ftdinde«, Fig. 1) und fich in einen blütenloſen Anhang fel purpurjamtiger Scheide, in Paläſtina, wird als 
verlingert. Während der Bliite ijt in der Blumenfdeide | Trauerfalla in Gärten fultiviert. 
eine Warmeentiwidelung bemerfbar; die Frucht ijteine| Arumartige Gewadfe, |. Urazeen. 

Aruncus Kostel, Gattung der Roſazeen, ftattlice 
Stauden mit zwei⸗ bis dreimal fiederjdnittigen Blat- 
tern und aus — traubigen Äſtchen zuſammen · 
geſetzten Blütenſtänden. Bon den zwei Arten ijt A 
silvester Kostel (j. Tafel »Zierpflangen I<, Fig. 16) 
in mebhreren Unterarten fajt Durd die ganze nördliche 
gemäßigte Zone verbreitet und wird als Zierpflanze 
in Garten fultiviert. 

Arundel (pr. arrindey, Stadt (municipal borough) 
in der engl. Grafidaft Suffer, am Arun, der 7 km 
unterhalb in den Kanal miindet, aber fleinen Küſten— 
fahrern den Sutritt sur Stadt gejtattet. A. bat em 
großartiges Schloß des Herzog von Norfolf mit ſchõ— 
nem Barf, eine Bfarrfirde, St. Nicholas (von 1380), 
eine Dom 353 1873 geſtiftete, prachtvolle katholiſche 
Kirche im Stil des 14. Jahrh. und (1901) 2738 Cinw. 

Arundel (pr. arröndeh, THomas, Graf von A. 
und Surrey, geb. 7. Juli 1586, get. 4. Oft. 1646, 
legte gu Beginn des 17. Jahrb. eine der erften Samm- 
lungen altgriedifder Kunſtdenkmäler an, die er be- 
fonders in Griedenland und in der Levante felbjt 
oder durch feine Ugenten zuſammengebracht hatte. Die 
teil weife in J. Selden Werk » Marmora Arundetiana« 
(1628) publizierten Runjtwerfe famen ſpäter in ver- 
ichiedene Orte, die bedeutenditen an die Univerfitat 
Orford. Am berühmteſten davon iit die von Paros 
oder eos ſtammende Arundelſche Warmortafel 
(Marmordronif), mit einer (angefodtenen) Chro⸗ 
nologie der hellenifden Geſchichte; ihre Ungaben rei- 
| chen bis 264 v. Chr., erflirt von Bodh im zweiten 
Bande de3 »Corpus inscriptionum« (Berl. 1843). 

Arundel -Gefellfdjaft (Arundel Society for pro- 
verkehrt- eiförmige Beere. Etwa 15 Urten im Mittel- | moting the knowledge of art), cine 1848 in Lon: 
meergebiet und in Mitteleuropa. A. maculatum L. don gegriindete und nad dem Grafen Thomas von 
(gemeiner Aronsſtab, See Deutfdher Arundel und Surrey (j. oben) benannte Geſellſchaft 
Sugwer, Efelsohr, Masblume, f. Tafel »Gift- zur Förderung der Kunjtfenninis. Sie verdjfentlichte 
pflanzen Ie, Fig. 9), in ſchattigen Wäldern Mittel- | Stiche, Chromolithographien, Photograpbhien und an- 
und Siideuropas, mit pfeilformigen, in manden Ge- dere Nachbildungen von Werfen alter Meriter, aufer- 
genden braun gefledion Blittern, hellgriiner, innen | dem aud) kunſtgeſchichtliche Monograpbien. Bal. 
weiher Spatha, feulenformigem, oben purpurrotem Maynard, Twenty years of the Arundel Society 
Nolben und ſcharlachroten, erbjengrofen Friidten. | (Lond. 1869); Derjelbe, Descriptive notice of the 
ile Teile der Pflanze find fcharf, ätzend, giftig, bejon- _ drawings and publications ete. (daſ. 1870). 
ders Die Ueeren, die heftiqes Brennen, wre ſpaniſcher Arundo L. (Robr, Schilf), Gattung der Gra- 
Efeffer, und Blaſen im Mund verantafjen. Die! mineen, hohe Rohrgräſer mit fajt holsigem Stengel 
Knolle Qlronswurjel, Magenwurzel) enthalt | und breiten, fladen Blattern. 6 Arten m den war: 
cinen fcharfen Milchſaft, der fic) beim Trodnen und | mern Ländern. A. Donax L. (Spanifdes, Ita— 
Rojten zerſetzt; fie liefert auch qetrocnet und gekocht ein lieniſches Rohr, Schalmeienrohr, Clarinet: 
qejundes Nahrungsmittel u. qibt 25 Pros. Starfemehl tenrohr, Bfahlrohr), in den Mittelmeerländern, 
(Uronsjtarfe, Wrrowroot). Bon A. italicum L. dort und in Siidamerifa hultiviert, bis 5 m bod, mit 
(f. Tafel »Fliegen- und Schneckenblumen⸗, Fig. 12), ‘Im langer, vivlettgelber, ſilberglänzender Rijpe. Es 
mit pfeilfirmigen, weiß qeaderten Vlattern und30cm | wird als Bierpflange an Teichen fultiviert. Die hol: 
flanger Spatha, im ganjen Mittelmeergebiet, von den | zigen, bis 2,5 m Ddiden Halme dienen gu Pfadlen, 











Arum dracunculus (S @langenfraut). 


en 
. . Ay — ye 
Da se 


wey 


pe ate 





Arve oder Zirbelkiefer (Pinus Cembra) 


MAicyers Aonv.-Lesikan, & Aull Kiblogr Institut in Lenpsig Zum Artikel Aeoe 








1. Zweijilriger Trieb der Arve (Pinus Cembra) mit Zapfen und einem weiblichen Blitenzipfchen. — 2. Mann- 
licher, 3, weiblicher Bliitenstand. — 4, Reifer Zapfen, — 5. Zapfenschuppe, AuBenseite. — 6. Innenseite mit den , 
2 Samen, — 7. Seitenansicht. — 8. Keimpflanze. — 9. Stammknospe cerselben. | 





Aruns — Arjneidofis. 835 


Gartenzãunen, Spazieritiden xc. Im WUltertum lie | den Zapfen und ungefliigelten, eilänglichen, ſtumpf 
ferten jie Pfeile und Scbreibfedern. dreifantigen, 1 cm langen Nüſſen Girbelnüſſe, 
Aruns, etruskiſches Wort, das den jiingern Sohn | Piniolen). Sie findet ſich in den Alpen zwiſchen 
bezeichnet. Von den Rodmern werden jo genannt ein | 1500—2500 m, in den Karpathen bei 1130 —1400m, 
Bruder des römiſchen Königs Tarquinius Priscus, bildet in den deutſchen Alpen kleinen zuſammenhãängen⸗ 
ferner ein Sohn des Tarquinius Superbus, der in der | den Waldgürtel, ſondern tritt nur an einzelnen Stel: 
Schladt am Wald Arjia im Zweikampf mit Brutus | len maffenhaft auf und verſchwindet unter den Schä— 
fiel, und einer des etrusfiiden Königs Porſena. digungen der Jungwüchſe durd das Weidevieh mehr 
Aruraharz, |. Spondias. und mehr. Das Hols wird zu Schnibereien und Haus: 
Aruſſi, Stamm der Galla in Ojtafrifa, ſchon ge- | gerat benugt, es ijt, da die Jahresringe wenig her- 
gen Ende des 1. Jahrb. auf der berühmten Inſchrift vortreten, jebr fein und gleichmäßig und wird aud 
von Adulis als Rhauſi erwahnt, im dem vom 39.° | zu Reſonanzböden gefudt. Wis Sierbaum eignet ſich 
öſtl. L. und 8.° ſüdl. Vr. durchſchnittenen, mit Durra, | die A. nur fiir fan agen, ihren grotesfen Charal- 
Sorghum und andern Kornfrüchten wobhlbejtellten | ter erreidht jie erjt im hohen Ulter. Bol. BW odit{ dla, 
ebenen Gebiete. Die Birbe und ihre Kultur (Wien 1900). 
Aruwimi, rechtsicitiger Nebenfluß des Kongo, ent- Arve, Gebirgsfluß in Savoyen, entipringt auf dem 
fpringt in jablreiden Quellflüſſen in den Blauen | Col de Balme, durdjtrimt das Chamonirtal, tritt, 
Bergen am Wejtufer des Albertſees, heißt nad Ver- nachdem er mehrere Bergflüſſe (Gijfre, Menoge u. a.) 
einiqung Dderfelben Ituri und tritt unter 30° dftl. L. | aufgenommen, in den Kanton Genf und mündet nad) 
im Das ausgedehnte, bis zum Kongo ſich erjtredende | 100 km langem Lauf unterhalb Genf in die Rhone. 
Waldgebiet, nimmet rechts den Nepofo auf, fest jeinen Wrvérner (Arverni), felt. Völkerſchaft in Uquita- 
ftromidnellenreiden, mit jeinen jablreiden Windun- | nien, am Cevernagebirge (in der jetzigen a 
en fiber 1300 kin, in Luftlinie nur 520 km fangen | geboten einjt über fajt ganz Siidgallien; 121 v. Chr. 
auf als Novelle, Subali, Bijerre fort und miindet | wurden fie von Domitius Whenobarbus und Fabius 
unter 1°30‘ und 23° 50’ dtl. L. in Den Kongo. Von der | Maximus geidlagen, ibr Konig Bituitus gefangen. 
Mündung ijt er bis Jambuja (25° 18’ Hjtl. L.) ftveden- | Gegen Cajar leifteten fie unter Vercingetorir hart- 
weife ſchiffbar. Stanley entdedte 1883 die Miindung des | nädigen Widerjtand in ihrer Feſte Gergovia. Ihre 
A. und verfolgte jeinen Lauf 1887 bis zum Wlbertfee. | Hauptitadt war Nemoſſus oder Auguſtoneme— 
Der Kongojtaat leqte 1884 an der Miindung die Aru- tum (Clermont-Ferrand im Depart. Puy-de-Dinre). 
wimijtation, Stanley 1887 die Station Jambujaan.| Arvevron (jpr. avaring, Name dreier in die Arve 
rba, nördlichſtes ungar. Komitat, wird von Gali- | miindender Wildbäche im Chamonirtal, die den Wb- 
zien und den Nomitaten Trentidin, Thuröcz undLip- | fluß der Montblancgletider le Tour, d'Argentiere 
tau begrenjt, hat 2018 qkm und (1901p) 84,950 Cinw. | und Mer de Glace bilden und den Beinamen hiernad) 
(meijt Slowafen). Sik ded Komitats ijt AlſoKu—- | fiihren. 
bin, Marft mit asoh 1674 Einw., Finangdireftion| Arvicdla(lat.), Wiihlmaus; Arvicolidae (Wühl⸗ 
und Bezirksgericht. Bei dem Ort W.-Bdralya jtehen | mäuſe), Familie der Nagetiere (ſ. d.). 
auf hobem Kegelfelſen die Ruinen der alten Feſte a.  Uryballos, bei den Griechen cin kugelförmiges 
Arvalbriider (Fratres arvales), in Rom eine ur- | Olfläſchchen, das man zur Paläſtra mit einem Riemen 
alte Bricjterjdaft, fiir Den Kult der Flurgdttin Dea | am Handgelenf trug. 
Dia, deren Hain und Tempel univeit von Rom am! Arysgs, Stadt im preuk. Regbez. Gumbinnen, Kreis 
rechten Tiberufer lagen. Die dort feit 1570 bis in| Johannisburg, am fanalijierten Abfluß de3 Arys— 
die neuejte Zeit gemachten injdriftliden Funde geben | fees, Hat eine evang. Kirche, Amtsgericht, einen 
Protofolle über die Umtshandlungen der Priejter- | Truppeniibungsplag und (1900) 1617 Einw. Yn der 
ſchaft von 14—241 n. Chr., nebjt dem uralten Feſt- Nahe Hiinengriber. W. ijt feit 1725 Stadt. 
lied (Arvale carmen), dad zu unjern friibejten Denft-| Argberg, Stadt im bayr. Regbez. Oberfranten, 
malern der lateiniſchen Sprache — Das drei⸗ Bezirksamt Wunſiedel, an der Rosla, dem Fichtel— 
tãgige Hauptfeſt der Göttin Ende Mai war mit einem | gebirge und der Staatsbahnlinie Nürnberg-Eger, 
bint verwidelten Seremoniell verbunden (vgl. Am- 480 m ü. M., hat eine evangelijde und eme fath. 
barvalia). Die Anzahl der A. war in der Regel zwölf, Kirde, ein Forjtamt, 3 Borzellanfabrifen, Eiſenerz— 
ihre Wiirde lebenslänglich, ihr Abzeichen ein Ahren- bergbau, Spinnerei, Nagelſchmiederei, Gerberei und 
fran; nut weiker Kopfbinde. Der Borjteher (magi- | (1900) 2588 meijt evang. Einwohner. Im nahen Wei- 
ster) ward jährlich am zweiten Tage des Hauptfejted | ler Eliſenfels Baunuwolljpinnerci. Y., das ſchon tm 
von den übrigen gewählt; die Wahl neuer Mitglieder | 15. Jahrh. Stadtredt erbielt, wurde 1876 wieder zur 
geſchah durch Rooptation. Yn der Kaiſerzeit qebirten Stadt erhoben. 
der Bruderfdhaft die angeſehenſten Manner, aud) die] Arzen, Hafenſtadt in der alger. Provinz Oran, 
Kaijer an. Val. Marint, Atti e monumenti de’ fra- | am grofen Golf von A. Kopfſtation der Bahn nad 
telli Arvali (Rom 1795); »Acta Fratrum Arvalium< | Min Gefra, mit (1901) 5555 Einw., worunter 2257 
(hrsg. von Henjen, Berl. 1874); Birt im Rofders | Franzoſen und 2353 andre Europäer, hat einen aus- 
»Lerifon der Mythologie-, Vd. 1, Sp. 964 ff.; gezeichneten Hafen und führt namentlid) Halfa und 
Wiſſowa in Paulys »Realenzyklopädie«, Bd. 2, Sal; aus dem 14 km ſüdlich qelegenen See von A. 
Sp. 1463 jf. aus. Yn der Nähe Muinen des alten Arsenaria. 
Arve (Zirbelkiefer, Pinus Cembra L., hierzu Arzignano (pr. sinjano), Dijtriftshauptort in der 
Tafel »Arve Lu. II«), cin bis 20 m hoher Baum mit | ital. Proving Vicenza, mit altem Schloß, Weinbau, 
anfangs pyramidenfirmiger, ſpäter unregelmapiger | Seidenfpinnereien, Gerbereien und (1901) ca. 5000 
Srone, qraubrauner, querriffiger Rinde, fein braun: | (als Gememde 10,312) Einw. 
wolligen Sweigen, 5—8 cm langen, ju fiinf ftehen-| Arzneibuch fiir das Dentſche Reich, ſ. Bhar- 
den Nadeln mit zwei bläulich-weißen Streifen auf der | makopbe. 
Unterfeite, 5—8 cm langen, eirunden, ſchmutzig vio- — *—— die vom Arzt vorgeſchriebene Menge 
letten, zuletzt zimtbraunen, tm zweiten Jahr abfallen- eines Arzneimittels, die auf einmal genommen wer— 
53* 








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den foll. Bei ftart wirfenden Gadjen erhält der 


tient die Urgneiform in einzelnen Doſen (Pillen, * 


bletten, abgeteilte Pulver), bet flüſſigen Arzneimitteln 
wird eine beſtimmte Tropfenzahl verordnet, und man 
rechnet von Waſſer, Säuxen xc. 16, von Tinkturen, 
Allohol, Olen 25, von Äther 50 Tropfen auf 1 g. 
Bon nicht abgeteilten Pulvern wird eine Meſſerſpitze 
(2 g) oder ein Teeldffel (qebrannte Magneſia 0,5, 
Pilangenpulver 1—1,5, Buder und leidte Salze 2, 
ſchwere Salze 2,5—3 g) verordnet. Bon Flüſſigleiten 


(Mixturen) rednet man auf einen Teeldjfel 4, einen | 
Rinderliffel 8, cinen Eßlöffel 15, ein Wemaglas oder 


Taffenfopf 120, einen Mineralwafjerbeder 180 g. 
Arzneiformen, die Formen, in welche die Arznei— 
mittel fiir ihre Verwendung gebradt werden. Wan 
unterjdeidet fete Formen: Leegemijde (Species) aus 
zerfleinerten Pflanzenteilen, Pulver, Tabletten, Pil- 
len, Bijjen(Boli, veraltet), Granula, Gelatinefapjeln, 
Gelatineblättchen, Cupediae (Zucterwerfsformen, Pa⸗ 
jtillen, Trochisci), SGuppojitorien (Stubljapfden, Ba- 
inalfugeln), Bacilli medicati (Cereoli oder Wund- 
täbchen, Antrophore oder — pment Ätzſtifte, 
Quellſtifte. Weiche A. ſind Latwergen, Gallerten, 
Paſten, Pflaſter, Salben und Linimente. Flüſſige A.: 
Löſungen, Mixturen (Saturationen, Sdiittelmirtu- 
ren, Tropfen), Aufgüſſe (Infusa), Abkochungen (De- 
cocta) und Emulfionen. GS. die einzelnen Artilel. 
Argneifapfelu (Capsulae), Heine Behälter aus 
Gelatine zur Uufnahme übelſchmeckender Arzneimit⸗ 
tel, wie Kopaivabalſam, Farnextrakt, Rizinusöl 2. 
Arzueikunde, ſ. Pharmalologie. 
Arzueimittel (Medicamenta), chemiſch wirklſame 
Stoffe, die zur Heilung von Krankheiten benutzt wer- 








den. Als A. dienen Pflanzen und Pflanzenteile, 


auch einige tieriſche Subſtanzen, aus Pflanzen dar— 

eſtellte Körper und zahlreiche chemiſche Präparate. 

etztere und die iſolierten Pflanzenbeſtandteile wer 
den in chemiſchen Fabriken oder in Apotheken her— 
geſtellt und für den Gebrauch nach der Verordnung 
des Arztes in geeignete Form gebracht. Die jedesmal 
zu gebrauchende Menge heißt Doſis; für eine An— 
zahl A. iſt geſetzlich eine höchſte zuläſſige Gabe (Ma— 
rimaldojis) vorgeſchrieben, die nur ausnahms- 
weiſe überſchritten werden darf; der Arzt hat dieſe 
Überſchreitung durch ein! auf dem Rezept gu ver⸗ 
merfen. Die Prieſterärzte der alten Agypter, & ben, 


Griechen und Inder hatten neben diätetiſchen Mitteln | 


viele Arzneiſtoffe, bejonders aus dem Pflanjenreid, 
im Gebraud), deren heilſame Wirkung durd Er: 
fabrung fejtgeitellt worden war. Cine große Bereiche— 
rung des Arzneiſchatzes trat Durd) die alerandrinijde 
Schule ein (300 v. Chr.), aber erſt durch den römi 
fen Arzt Claudius Salenus Ende des 2. Jahrh. 
n. Chr. erhielt die Lehre von den Arzneimitteln ein 
mehr wiffenfdhaftlides Gepräge, indem er die Wir- 
fung der A., 3. T. durch Erperimente an Gefunden, 
fejtgujteflen und bejtimmte rationelle Indikationen 
fiir die Uniwendung der A. ju geben verſuchte. Wäh— 
rend des Wittelalters fam man iiber Galen nicht hin— 
aus, erſt im 16. Jahrh. dDrang Paracelfus darauf, 
daß die in der prattifden Medizin herrſchende ſchola— 
ſtiſche Michtung verlaffen werde, und daß man fid) 


wieder der Natur zuwenden folle. Baracelfus fiihrte | 


die Metallfalse in den Arzneiſchatz cin, deren Be 


war. Yn den folgenden drei Jabrhunderten gab man 
der Lehre von den Arzneimitteln je nad) der herrſchen— 
den Richtung in der Medizin bald mehr eine meda- 


niſche, bald mehr eine chemiſche, oft auch cine Dyna: | Gaben das Organ beeinflujjen. 


seg sr sol von den Alchimiſten gefunden worden | 





Arzneiformen — Arzneimittel. 


a⸗miſtiſche oder geradezu myſtiſche Grundlage. Im 19. 


Jahrh. wechſelte mit den ältern Schulen die Honwo- 
pathie Hahnemanns und die »verſtandesgerechte Er 
fabrungsheillehre« Hademaders,und ſchließlich wurde 
ein günzlicher Nihilismus, die vollftandigite Gering 
ſchäßung fajt aller A. tultiviert. Jn den letzten fünf 
Jahrzehnten etwa ging man daran, obne alle Bor- 
ausfegungen und Borurteile die A. nach ibren chemi 
iden und phyfifaliiden Beziehungen gu ftudieren und 
ihre Wirtungen fowohl auf den — als den 
franfen Organismus zu prüfen. Bei der Fülle alter 
überlieferter Mittel, die dieſe Feuerprobe der de- 
miſchen, experimentellen und therapeutiſchen For: 
ſchung zu beſtehen hatten, bei der Unſicherheit unfrer 
Kennlniſſe über die feinern chemiſch-phyſiologiſchen 
Vorgänge des Stoffwechſels an Geſunden und Rran- 
fen, bei Der Schwierigfeit, die Einwirkung der Arz— 
neien auf das Nervenfyftem gu deuten, fonnte dieler 
Wiffensaweig nod nidt gu groken abgeſchloſſenen 
und fejtitehenden Lehren gelangen. Wenn ſich im 
Magen durd abnorme Prozeſſe cine große Menge 
Sure gebildet hat und man Magnejia oder Doppelt- 
foblenfaures Natron einfiihrt, fo ijt die Bejeitiqung 
der Saure leichtverſtändlich, da fid) diefelbe mit der 
Magnefia oder dem Natron ju einem neutralen Sal; 
verbindet. Es gibt aber nur fehr wenige Fälle dicier 
Art, und fiir die Mehrzahl der A. —* uns die 
Einſicht in die chemiſchen Prozeſſe, die ſich zwiſchen 
denſelben und gewiſſen Beſtandteilen der Gewebe 
abſpielen, und auf welche die Wirlung der W in 
lester Reihe zurückzuführen ijt. Ebenfo fennen wir 
aud) nur von wenigen Urgneimitteln die Schicfate, 


Die fie im Körper erleiden. Viele A. unterlieqen der 


Cinwirtung der Verdauungsſäfte und der die Gewebe 
durchtränkenden Flüſſigleilen. Hieraus ertlärt fid 
3. T. die Tatſache, daß manche A. bei direfter Ein⸗ 
— ins Blut ſehr energiſch wirfen, vom Magen 
aus aber gar nidt oder nur ſchwach wirffam eridei- 
nen. Bedeutungsvoll filr die phyfiologiide Wirkung 
ijt häufig die demiidhe RKonftitution der A., daher 
fann oft cine geringfügige Underung derfelben (etwa 
durd Einfügung an fic) indifferenter Moletiilqrappen 
in die urfpriinglide Verbindimg) die Wirkungsweiſe 
cines Urgneimittels völlig verindern. Hierauf gritmdet 


ſich Die in neueſter Beit jebr lebhaft betriebene Syn- 


theje von Subjtanjen, die als A. benutzt werden follen, 
und unter denen fid) mance wertvolle A. befinden. 

Die Unwendung der W. ijt entweder cine Srt- 
lide, wie 3. B. die der faulniswidrigen Arzneien umd 
der Ubmittel, oder die Wirtung ijt eme all gemeine, 
d. h. fie wird durch die Aufnahme der UW. ins Blut 


bervorgebradt. Um die legtere zu erzielen, werden 


die Mittel dem Blut entweder unmittelbar beigebradt 
oder unter die Haut ecingefprigt (jubfutane oder 
hHypodermatifde Anjeltion) oder auf der Haut 
verrieben (Qnunftion), oder fie werden durch den 
Magen und Darm aufgenommen in Form von Wir- 
turen, Bulvern, Billen, Paſtillen, Tropfen, Latwer- 

en, Aufgüſſen, Abkochungen r., oder endlich) werden 
fe durd) Die Lungen eingefiibrt in Form von Dämpfen 
und Zerſtäubungen (Ynhalation). Qn allen Fäl— 
len kommt alſo der wirffame Beftandteil entweder 
einfach gelijt oder bereits durch die Verdauungsſäfte 
und das Blut chemiſch verändert in Berührung mit 
allen Geweben des Körpers, und der Arzt muß wiſ⸗ 
fen, auf welche Organe dad einzelne U. vornehmlich 
eine Rae ausiibt (fpezififde Wirkung), und 
in welcher Weise Heine und in weld andrer Art große 
Die meiſten A. 


{Zum Artikel Arzncipflansen.} 


Zur Tafel ,Arzneipflanzen I.“ 


Fig. 1. Smilax ornata Lem., cine car Familie der 


Liliazeen gehrende Schlingpflanze anus der Gattang | 


Smilax Tourn., von der mehrere meist noch nicht 
sicher festgeatellte Arten, die durch etwa 30 Breiten- 
grade fiber das nérdliche Sidamerika (wie es scheint, 
mit Ausnahme der Westkiste) verbreitet sind, anch 


in Zentralamerika und in den sidlichen Kiistenlin- | 


dern Mexikos wachsen, die arzneilich benutzte Sar- 
saparillewurzel (von Zarza oder Salsa, stachelige 
Schlingpflanze, and Parilla, dem Diminutivam von 
Parra, Rebe}. Diese Pflanzen finden sich im dichtesten 
Walde tropischer Flabufer u. Simpfe, wo ihre stache- 
ligen, verworrenen Stengel an den Baumen empor- 
klettern, In den Handel gelangen nor die Wurzeln 
oline Stengel und Blatter, und ex ist daher sechwer zu 
sagen, von welchen Arten die anatomisch recht gut an- 
terascheidbaren Sorten abstammen, 8S. medica Schlecht. 
et Cham, gilt als Stammpflanze der ostmexikanischen 
oder Veracruzsarsaparille, S. officinalis H. B. K. resp. 


S.ornata Lem. als die der Wurzel, welche von Jamaika | 


verschifft wird, von S. papyracea Duham, in Guayana 
und Brasilien wird die Parasarsaparilie abgeleitet, 
wihrend die Abstammung der im deutschen Arznei- 
bach vorgeschriebenen Hondurassarsaparille nicht 
bekannt ist. Die Warzeln sind bis 2m lang, 7-—-S mm 
dick, gelbbraun bis dunkelbraun, langsfaltig und 
zeigen auf dem Querschnitt cine michtig entwickelte, 
wie das sentrale Mark meist weile, seltener blabrit- 
liche Rinde und einen gelblichen, Rinde und Mark von- 
einander trennenden, in letzteres bogig einspringenden 
Holzring. Sie sind fast geruchlos, schmecken suerst 
schleimig, dann kratzend und enthalten auber den 
gewShnlichen Bestandteilen, anter denen sehr viel 
Starkemehl, drei Saponinsubstanzen, niimlich Ptri- 
glin (Smilacin), ein dem Saponin verwandtes kristal- 
lisierbares Gilykosid, Sarsasaponin und Smilasaponin. 
Die Warzel kam 1536 oder 1545 durch die Spanier 
nach Europa und gelangte bald xa grobem Raf als 
Mittel gegen konstitutionelle Syphilis and Merkuria- 
lismus, Man gibt sie als eins der starksten schweib- 
und harntreibenden und alle tbrigen Sekretionen an- 
regenden Mittel in Abkochung mit andern Mitteln 
als Zittmannsches Dekokt. 

Fig. 2. Uragega (Psychotria) Ipecacaanha Bail!. 
fechte Brechwureel, Hrecheetilchen), cine krautige 
Pilange aus der Familic der Rabiageen mit anterinliseh 
kriechender Achse, aufsteigendem, 10—U em hohem 
Stengel, lunglich-ovalen Blattern, serechlissenen 
Nebenblattern, weifen Bliiten und erbsengrofen 
blanen Heeren, in den dichten W aldern und Talsechlach- 
ten Westhrasiliens von Bahia bis Rie de Janeiro, Die 
eigentimlich knotig gegliederte geiblicherane Wurzel 
ist etwa 5S mm dick, mit geringelter, oft bis auf den 
Holzkérper cingveschnirter Rinde, riecht dampf, 
schmeckt widerlich bitter und enthalt neben einer 
Spar ekelhaft rieehenden Atherischen Oles amorphe, 
bitter schmeckende Jpehaktwanhamivre CIE}, 
und drei Alkaloide: farbloses, amorphes Aiactin 
CEE GN, O,, das bei 65° ehmilzt, an der Luft gelb 
wird und leicht losliche, Kristallicierbare Salze bil- 
det, Cephaelin COHN O,, das dem Fimetin ahotich 
ist, aber bei Lu’ echeilet, and Paychetrrn, Thos 
Emetin wirkt besonders expektorierend, Cephaclin 
dagercen brechenerregend, Die meiste Ipekakuanha 
liefert die brusilisehe Proving Mato tiresse im Quell- 


Meyers Kyov.- Letikon, 6. 4qd., Beilage, 


gebiet des Paraguay (Rio-Ipekakuanha), eine andre 
Sorte (Karthagena-Ipekakuanha} von unbekannter 
Abstammung kommt aus Neugranada in den Handel, 
Sie enthilt ebenfalls Psychotrin, ebensoviel Emetin 
wie die Riowurzel, aber doppelt soviel Cephaelin, Ipe- 
kakuanha wird als Brechmittel und in kleinen Dosen 
bei Bronchial- und Darmkatarrh benutzt. Als Brech- 
mittel hat sie vor Brechweinstein (mit dem sie meist 
zusammen gegeben wird} voraus, dab das Wirgen ge- 
ringer ist, das Erbrechen selbst sich nicht so oft wie- 
derholt, der nachfolgende Kollapsua viel unbedeuten- 
der ist und nor selten Darchfall eintritt. Bei Ruhr 
benutzt man eine vom Emetin befreite Wurzel. Die 
Ipekakuanha wurde zuerst von einem portagiesischen 
Ménch, Michael Tristram, der 1570—100 in Brasilien 
lebte, erwihnt, aber erst 1644 durch Piso und Mare- 
graf in Europa genauer bekannt. Der Arat Helvetius 
in Reims gab sie 1656 als Spezifikam gegen Ruhr and 
verkaufte dieses sein Geheimnis fiir 1000 Lonisdor an 
Ladwig XIV. Die botanischeA bstammung wurde L500 
durch den portugiesischen Arzt Gomez festgeste)|t, 
Vel. Jacquemet, Etude des ipécacaanhas (Par. 1848). 

Fig. 3. Orchi smilitaris 1. (Knabenkraut), eine etwa 
20 em hohe Orchidee mit saftiggriinen Blittern and 
roten Bliiten, schmickt bei uns mit mehreren andern 
Arten die Wiesen. Sie besitzen cur Blitezeit zwei 
Knollen, eine derbe, vollsaftige, die an der Spitze 
das Knéspehen zeigt, aus dem sich im niichsten 
Jahre der neve Stengel entwickelt, and eine ver- 
welkte Knolle, auf deren Kosten sich der blihende 
Stengel entwickelt hat. Man sammelt die Knollen 
nach der Hlitezeit, briht sie nach dem Reinigen and 
Abreiben der lockern braunen Anfenhant und trock- 
net sie, Sie bilden den Salep ts. d.). Orchis maculata 
L., ©. latifolia Z. u. a, haben handférmig geteilte 
Knollen, die im Volksaberglauben als Johannis- oder 
(iliickaliindchen (Radix palmae Christi) eine grobe 
Rolle spiclen, 

Fig. 4. Arnica montana /.. (Bergiwoklverteih, Faltl-, 
Engel-, Johannistlumenkraut, Monchs-, Mutterwurt), 
eine Komposite, die aaf Wiesen der siid- und mittel- 
europiischen Gebirge, in Norddeutechland in der 
Ebene, auch auf Labrador wichst, einen schief in der 
Erde liegenden Warzeletock, einfachen , 30 — 0 em 
hohen, drisig-kurzhaarigen Stengel, sitzende, ober- 
seits kurzhaarive, unten kahle Blatter und grobe, 
dunkel goldgelbe Blatenkérbchen besitat, Die Wurvel 
riecht schwach aromatiseh, sehmeckt scharf sewdrz- 
haft, etwas hitterlich: sie enthalt Gerbstalf, Arnicin 
und atherisches Ol, Arntéadd, das aus dem Dimethyl- 
ither des Thymehvdrochinens mit etwas [sobatter- 
saurephlorylather besteht, und wirkt in grobern (in- 
ben brechenerregend, Die Bliiten, die eigentimlich 
echwach, nicht unangenehm riechen, enthalten neben 
Arnicin ein kamillenartig riechendes atherisches Ol, 
Die Arnika scheint als Volksmitte] seit langem in 
Gebrauch ga sein, gu allgemeiner melizinischer An- 
wendang kam sie aber erst im 14. Jahrh.; sie genab 
einen auberordentlichen Raf, geriet aber sehr bald 
wieder in Vergessenheit. Arnitutinktur, ale Volks- 
hetimitte! dlarch Anepreseen der ganzen blahenden 
Pilanze und Mischen des Saftes mit Spiritus, in den 
Apetheken durch Digerieren von t Teil Bliten mit 
10 Teilen Spiritus gewennen, wird als zerteilendes 
und ale Wandmittel eeruhat, 


Arzneipi 











Fracht. $ ar 
at 2. Uragoga (Psychotria) Ipecacuanha 
(Brechwurzel). 


1. Smilax ornata (Sarsaparille). 








6. Cinnamomum Camphora. 7. Althaea officinalis (Eibisch), a Karpell der Frucht. 8. Aloe soce 


anzen I. 


— aS 


- —*— 
— 3— * 
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S. 
1 (Aloeh 9 Rheum officinale (Rhabarber). 10 Toluifera Peretrae (Balsambaum: 


netitut im Leiprig. 


V370O(¢ IQ L 


Zur Tafel ,Arzneipflanzen I’. 








Fig. 5. Citrullus Colocynthis Arnolt (Kologuinte, 
Pomaquinte, Alhandal), eine ausdauernde Kukur- 
bitazee mit dinnem, krautartigem, scharf behaartem 
Stengel, zerstrenten, gestielten, fiinfteiligen, steif be- 
haarten Blittern, deren Zipfel buehtig fiederspaltig 
sind, gelben, griin geiiderten Bliiten und kahler, auben 
gelber Frucht, deren diinne, zerbrechliche Rinde ein 
weibes, schwammiges, sehr bitteres, leichtes Fleisch 
einschlieit, in dem sechs Gruppen eiliinglicher 
Samen eingebettet liegen. Die Koloquinte wachst, 
vielfach kultiviert und z. T. verwildert, von der Siid- 
kiste des Kaspischen Meeres durch ganz Persien 
bis zum Persischen Golf, in Mesopotamien, auf Melos, 
im Gebiete des Roten Meeres und des Nils, durch die 
Sahara bis Marokko und tief nach dem Sudan, in Ost- 
indien, auf Ceylon, wird auch auf Cypern und in Spa- 
nien angebaut. Die getrockneten, geschilten Friichte 
von Apfelgrife (Fractus Colocynthidis) kommen aus 
Marokko, Spanien, Syrien, Cypern, komprimiert aus 
Persien in den Handel; sie enthalten einen heftig ab- 
fiihrend wirkenden, schwer kristallisierbaren Bitter- 
stoff, Kolocynthin (in dem schwammigen Fleisch 


0,6 Proz.), der durch Siuren in Zucker und harz- | 


artiges Kolocynthein gespalten wird. Das Pulver, mit 
einem Fiinftel Gummiarabikum zu einer Paste an- 
gestohen, liefert die Masse zu den Trochisci Alhandal 
(priparierten Koloquinten), Die Wirkung der Kolo- 
quinte gleicht derjenigen der Aloe, ist aber ungleich 
stiirker. Man benutzt sie als Arzneimittel, namentlich 
bei hydropischen Zustinden, auch zur Vertreibung 


des Ungeziefers, indem man mit der Abkochung Bett- | 


stellen wiischt und Tinche und Tapetenkleister damit 
vermischt. Die gertsteten Samen werden von der 
armern Bevilkerung der Sahara gegessen. Die Kolo- 


quinte war schon den Alten bekannt, bei den Arabern | 


unter dem Namen Handal. Was Karl d. Gr. anzu- 
bauen gebot, war wohl Momordica Elaterium Rich. ; 
auch andre Kukurbitazeen sind als Surrogat der Ko- 


loquinte in Anwendung gekommen, so die brasilische | 


Luffa purgans Mart, und L. drastica Mart. ; in Siid- 
europa Cucurbita aurantiaca Willd. 
Fig. 6. Cinnamomam Camphora Nees et Eberm. 


(Kampferbaum), ein lindeniihnlicher, 8—10 m hoher | 
Baum aus der Familie der Laurazeen, mit brauner, | 


runzeliger Rinde, wechselstandigen, gestielten, eiftr- 
migen bis oblongen Bliittern, kleinen, weifen Bliiten 
und dunkelroten, erbsengrofen Beeren mit pfeffer- 
kornihnlichem Samen, in Kotschinchina und den 
sidlichen Provinzen Chinas bis nérdlich vom Amur 
und durch Japan sehr verbreitet, in gréfiter Menge 
im Kiistenland zwischen Schanghai und Amoy und 
auf Formosa dichte Walder bildend, auch auf Ceylon 
und in einigen Gegenden Ostindiens, auf Madagaskar 
und in den siidlichen Staaten Nordamerikas einge- 
burgert und hier und da mit Erfolg angebaut, ist die 
Stammpflanze des echten Kampfers (s. d.), wonach 
auch alle Teile des Baumes, besonders die Wurzel, 
riechen und schmecken. Der Kampferbaum gedeiht 
in allen tropischen und subtropischen Landern, sogar 
in gunz Italien, schon beiGenua und in der Provence, 
mub aber bei uns im Kalthaus iiberwintert werden. 
Das harte, fein gemaserte, etwas rétliche Holz wird 
in China und Japan als feines M6belholz benutzt und 
auch fir Insektensammlungen nach Europa gebracht, 
da es den Kampfergeruch dauernd bewahrt. 

Fig. 7. Althaea officinalis 7. (gemeiner Eibisch, 
weihe Pappel), eine zur Familie der Malvazeen gehd- 
rende Staude mit starkem Rhivom, 1—1,95 m hohen, 


filzig -zottigen Stengeln, eiférmig spitzen, schwach 
drei- bis fiinflappigen, weichfilzigen Blattern und gro- 
fen, fleischfarbigen Bliten, wichst auf feuchtem, am 
liebsten salzigem Boden in Siid-, auch in Mitteleuropa 
bis zur Ostsee, im gemiifigten West- und Nordasien, 
in Nordamerika und Australien, wird besonders bei 
Bamberg, Nirnberg und Schweinfurt, in Frankreich 
und Belgien wegen der als Radix Althaeae offizinellen 
Wurzel kultiviert. Diese wird im Herbst von der zwei- 
jahrigen Pflanze gesammelt und frisch geschalt, ist 
weibgelblich, riecht siiflich, schmeckt fade schleimig 
und enthilt viel Asparagin, Schleim, Pektinstoffe, 
Starke (30 Proz.), Zucker, Salze ete, Sie dient zu 
Brusttee, zur Bereitung von Altheesirup (Altheesaft, 
wiisseriger Auszug der Wurzel mit Zucker aufge- 
kocht), Lederzucker (Pasta gummosa), bei der Ap- 
pretur ete. und wurde schon von den alten Griechen 
arzneilich benutzt. Auch die geruchlosen, schleimig 
schmeckenden Blitter werden arzneilich benutzt. 

Fig. 8, Aloe socotrina Lam, (Aloe), cine Liliazee 
mit 1—1,75 m hohem, meist einmal gabelistigem 
Stamm, blaulichgriinen, unterseits weii gefleckten 
Blittern mit weifen Stachelzihnen, reichblitiger 
Traube und purpurroten, an der Spitze grinlichen 
| Blitten, wiichst im Kiistengebiet Ostafrikas und am 
Kap, nicht auf der Insel Sokotora, wo vielmehr Aloe 
Perryi Baker vorkommt. Ihre Blitter werden auf 
Aloe (s. d. verarbeitet. 

Fig. 9. Kheum officinale Baillon (Rhabarber), eine 
zur Familie der Polygonazeen gehdrende, bis 2 m 
hohe Staude mit 15—20 cm tiber den Boden hervor- 
ragendem, mehrképfigem Rhizom, sehr grofen, hell- 
griinen, rundlichen, eingeschnittenen Blittern und 
dichten, traubigen, zu grofen, terminalen Rispen ver- 
einigten Blitenstiinden, wurde 1867 im stdéstlichen 
| Tibet entdeckt, wird dort auch kultiviert und findet 
sich auferdem wahrscheinlich im westlichen und nord- 
westlichen China, Sie wichst auf den Weiden der 
Hochebene in den chinesischen Provinzen Petschili, 
Schansi, Schensi, Honan, Kansu, die sich bis zar Gobi- 
wiiste und der Grenze Tibets erstreckt, in Tsinghai 
und in den Gebirgen yon Setschuan und liefert in 
ihrer Wurzel den Kantonrhabarber, der jedoch zum 
Teil auch von andern Arten stammt. Die Warzel 
wird wohl von sechs- bis achtjahrigen Pflanzen ge- 
sammelt, alsbald geschilt (mundiert)}, durchbohrt, 
auf Faden gereiht, getrocknet,spiiter dann noch auf 
| verschiedene Weise zubereitet. Die Sticke des Han- 

dels sind von unregelmiibiger Gestalt, etwa 10 em 
Jang, auben gelb, mit weiben, kérnig-kristallinischen 
Feldern, von gliinzenden, gelben bis dunkel brann- 
roten Adern durchzogen. Weiteres s. Rheum, 

Fig. 10. Toluifera Pereirae Klotzsch ( Balsambaum), 
ein bis 17 m hoher Baum aus der Familie der Legu- 
minosen, mit 2—3m itberdem Boden sich entwickeln- 
den aufstrebenden Asten, unpaarig gefiederten Blat- 
tern, mit zahlreichen Olraumen durchsetzten Bliatt- 
then, lockern Bliitentrauben und bis 10 em langen, 
3 em breiten Hiilsen, in denen ein ansehnlicher 
Same zwischen zwei mit dickflissigem, schwach gelb- 
lichem Balsam gefiillten Hohlriiumen liegt. Der Baum 
wiichst im ganzen nérdlichen Sidamerika bis Mexiko, 
wird seit 1868 auch in Singapur kultiviert, aber nur 
in dem Kiistenstrich (Costa del Balsamo) der Repu- 
blik San Salvador zwischen Acajutla und dem Coma- 
lapa wird aus der Rinde des Baumes Perubalsam is. d. 
gewonnen. Die Hiilsen liefern den weifen Perubalsam 

| (Balaamito), der aber nicht in den Handel kommt. 





{Zum Artikel Arsneipfansen.) 


Lur Tafel ,Arzneipflanzen I’. 


Fig. 1. Piper Cubeba Z. fl. (Aubechenpfeticr), ein 
bis 6 m hoher Strauch aus der Familie der Pipera- 
zeen, mit kurzgestielten, linglich- bis eif6rmig-ellip- 
tischen, zugespitzten Blattern, schlank walzenformi- 
gen minnlichen Bliitendhren, dickern weiblichen 
Ahren und gestielten, fast kugeligen Beeren, in Sud- 
bornes, aufJava und Sumatra heimisch, wird auf den 
beiden letztern Inseln und in Westindien (haufig in 
Kafleeplantagen) kultiviert a. liefert dieKubebents.d.), 

Fig. 2. Tamarindas indica 1, ( Tamerinde), ein bis 
25m hoher, immergriiner Baum aus der Familie der 
Leguminosen, oft yon & m Stammumfang, mit weit 
ausgebreiteter Krone, abwechselnden, paarig gefie- 
derten, vieljochigen Bittern, lineal - inglichen 
Blattchen, wenigblitigen, endatiindigen Blitentrau- 
ben, gelblichen, purpurn geiiderten Bliten und ge- 
stielten, bis 15 cm langen, 2,5 em breiten, Linglichen 
oder lineal - Minglichen, meist etwas gcekriminten, 
mibig gasammengedriickten Hilsen, die in dunner, 
zerbrechlicher, gelbbrauner, rauher Schale ein schwar- 
ges oder braunes Mus und in diesem rundlich vier- 
eckige, glinzend rotbranne Samen enthalten, Die 
Tamarinde ist wahrecheinlich im tropischen Afrika, 
sidwarts bis zum Sambesi, heimisch, in den Tropen 
beider Weltteile weit verbreitet, aber wohl meist nur 
angepflanzt. Die Frocht ist fur die trocknen, vegeta- 
tionsarmen Hinnenlinder Afrikas von héichster Be- 
deutung; man geniefit sie als Obst, macht sie auch ein 
und bereitet darnus erfrischende, gesunde Nahrung, 
kiihlende Getrinke und durch Zusammenkneten der 
entrindeten, von Gefifstriingen und Samen befreiten 
Friichte, besonders in Gudscharat, im Dek han, auch in 
Konkan, das Jumartndenmus, das besonders aus Kal- 
kutta in den Hande] kommt. Tamuarindenmus ist 
dunkelbraun, riecht siuerlich weinartig, schmeckt 
sublichsauger und enthalt Zucker, Weinsaure, Pektin- 
saure, (summi ete, Es dient als leicht abfubrendes 
Mittel and zu Tabaksaneen. Westindien und Fenailor 
hefern hellbraunes, schicimiges, weniger siuerliches 
Mus, dasin England bevorzuvt wird, Das feste, harte, 
yelbliche Helz des Raumes wird von Wurmern nicht 
angegrifies und daher vielfach benutet, Pie alien 
Agvpter, Grieehen und Koémer erwahnen die Taima- 
rinde nicht, im alten Indien diente die Froacht 2am 
Wethsieden dee Silber, Die miltelalterlichen Schrift- 
steller der Araber ond Perser erwahnen die Tama- 
rinden al» incdisehe Datteln (tamr hindi: 

FP Cinehona Ledgeriana Youens.)CAcnariaden- 
fetum,, ein Taom aus der Familie der Raloageen, 
wird aoeh als Form von (.Caliava Weide. betrachtet, 
Letetere bildet einen hohen, dickstammicen Baum 
mit auegebreiteter, reichbelaubter Krone, verkedhrt- 
eiformig-langliehen, &--1% 0m langen Plattern, mit 
baewelen rotlichen Matietielen and rotlohen Mittel- 
rippen, evformigen oder faet doldentrauligen Hhiten- 
riepen iu. feisehroten, weiehhaangen, wohl riechenden 
Hliuten. 
Enoquisivi, Yoougas, Lareeaja, Canupelicean and in des 


Sie wachst in den boliviantiehen Provinzen 


peruaniachen Proving Carnbava gviechen tl and 
tis) mm Seehohe, €. Laigerians stammt ane Sanien, 
dhe am Tio Mamere in Bolivia gesatumelt warden 
und durch Leiger nach Javea karen. 
elliptische, unterseits pote, fast ledlerartige, kable 
Blatter, kleine, gethliche, nicketle Hluten und fast 
kreasfirmige Kayenta. Jhre Kinele ist che bed weiter 
Sthalnidteichete Chinarigde, ae enthalt bie 11,4 Prog, 
Vel. 


Megers Kone 


Sie hat «hmal- 


(hii. CC enchoned, 


lastivs, & dud , Heal ase 


Fig. 4. Exegenium Parga Benth, (Jalapenwinde), 
eine Staude aus der Familie der Kukurbitazeen, mit 
windendem Stengel, herzfirmigen, zugespitzten, ganz- 
randigen Blittern und grofen, stieltellerfirmigen, 
purpurroten Bliiten zu 1—-3 auf achselstindigen 
Sticlen, wichst am Setlichen Abhang der mexikani- 
when Anden in einer Hohe von 1800 m und wird 
in tropiachen Gegenden, 2. B. aach in Jomaika, kul- 
tiviert. Die ausdauernde Knolle, die knollig ver- 
dickte Ausliufer treibt, wird in cinem Netz tber 
Feuer getrocknet and nach Jalapa gebracht, von wo 
sie üher Veracruz in den Ilandel kommt. Sie bildet 
die Julape (dulaperacurzel, Purqierwurzel, schwar- 
zer Rhabarber, Tubera Jalapae; des Handels, ist ge 
trocknet birniérmig, von weniger als 1 em Durch- 
messer bis liber fnustgeroG, sehwer, fest und hart, 
dunkelbraun, auf dem Bruch gleichmabig hornartig 
oder im Innern mehlig. Sie rieeht schwach nach 
Rauch, sehmeckt erst fade, dann ekelhaft, kratzend, 
enthalt Starkemehl (bis 16 Proz.i, unkristallisier- 
baren Zucker (his 19 Proz.i, Gummi, Farbsteff und 
Harz (10--17 Prov. Letzteres besteht im wesent- 
lichen aus Avarofrulin C)H,O,,. Dies ist farb-, 
geruch- und geschmacklos, amorph, wenig lslich in 
Wasser, nicht in Ather, s«chmilat bei 150’, lost sich 
in Alkalien, zerfillt beim BKehandeln mit Salzsiure 
in Zucker, Methvlithylessigaiure and Oxypentade- 
evisiure, Das Konvolvulin ist der wirksame Bestand- 
tei) der Jalape. Letztere wirkt stark purgierend, lin- 
gerer Gebrauch beeintrichtigt nicht ihre Wirksam- 
keit, und es bleibt keine Neigung zur Verstopfung 
vuruck; sie reizt aber stark und erzeugt in eréhern 
Dosen Entzindung. Jalape oder andre dbnliche, 
gleich wirkende Wurzeln verwandter Pflanzen wur- 
den gegen Ende des 16. Jahrh, den Spaniern be- 
kannt; die Wurzel von Exogoniam Purga war bald 
nach 1600 in Frankreich und Deutschland verbreitet 
und 1604 ihr Hare i Kesina Jalupaec, durch Ausziehen 
der Wurze!l mit Spiritus gewonnen: allgemein im (ie 
brauch. Tie Mutterpfangze lernte man aber erst [> 24 
durch Cox in Philadelphia kennen, 

Fig. 5. Copaifera Langsdorffii ©. Ktre. (Kopaira- 
ban), cin Haum aus der Familie der Leguminosen, 
mit paarig gefivlerten, helerigen, Sldrusenreichen 
Blattern, kleinen Bluten in endstandigen, rispig xa- 
~wiminengesetzten Nlutenstanden und geetielten, leder- 
artigen, zweiklappigen Hlulsen, wachst in Brasilien 
und jiefert mit anders Arten den Kopuivabnlsam 
¥ vl. Cigna ruil, 

Fig. 6. Cassia sentifolia Jorelife ¢Senneshldtter- 
struuchiein cit bem beher Stmach aus der Familie 
der Leguininesen, tit etwas lelerortiven, ovalen, ang · 
lichen oder lanylich-Jangettfrmigen, kurr stachel- 
spitvigen, mehr ler weniger cart behaarten Blatt- 
chen, tchselstandicen Blutentrauben, gelhen Riiten 
and pergamentartigen, faehen bHluleen mit zusamimen- 
gedruckten samen, wachet im mittlern Nilgehiet von 
Aesnan durch Dongols bie Kordofan, liefert im we 
a nuichen die alexandrinischen Senneshlatter «a. d.i 

hig. 7. Valeriana officinalis J.) fiildrian, Theriak- 
eine Stnode aue der Pamulie der 
Valenanaveen, out kurvem, aufrechtem, bie f cm 
‘lekem, oft Auslaufer trebendem Rhisom ond rahl- 
reichen duonen, stielrutlen Nebenworsein, 0 

(tem hohem, oben verusteliom Stenzel, anpaarig 
fiedertesligen BLattern, doldenraprgen Hlutenstanden 
und tlessehroten, wohlnechenden Hiuten, variiert 


wurst, Aciltemwurt 










1. Piper Cubeba (Kubeben- 
plefier). 


* Copaifera Langsdorffii 
(Kopaivabaum). 


Durchechnittene 
Prueht. 


—— — — — 






a ' } Nes y 
ee : 4 ia’ 
os 2 v — 


7. Valeriana officinalis (Baldrian). 8. Strychnos nux vomica (Kriihenaugenbaum), 9. Ricinus con 


" Bibliographis< 


iby Google 
4 


anzen Il. 


3. Cinchona Ledgeriana\ 
(Chinarindenbaum) 


Kite, 
LAngsschaitt 


6. Cassia acutifolia 
(Sennesblatterstrauch) 


_ Rome 


—* = a ” 
dete » a fi ’ . 
— ire PES: . we "7. Oy se 
—p ta * — — — — — 


4s (Wunderbaum). 1. Crocus sativus (Safran), a eine der 3 Narben. 11, Olycyrrhiza glabra (Sdssholz). 





— 





autut im Leipzig. 


Zur Tafel ,Arzneipflanzen IT’. 








— 


stark, wiichst in ganz Mittel- und Nordeuropa, Nord- 
asien, Japan und liefert die Baldrianwurzel, eins der 
wichtigsten Arzneimittel, mit brauner Aubenrinde, 
nach dem Trocknen eigentimlich kampferartigem 
unangenehmen (von den Katzen sehr geliebten) Ge- 


ruch und siiflich-bitterlich gewirzhaftem Geschmack, | 


Die trockne Waurzel enthilt '/s—2 Proz. itherisches 
Baldrianél. Sie war als Nardus gallicus schon den 
Alten bekannt und seitdem stets viel im Gebrauch. 
Der Name dirfte mit valere, gesund sein, zusamimen- 
hiingen. Im deutschen Mittelalter hiefi die Pflanze 
Denemarcha, noch friher Tenemarg, wie noch heute 
in einem Teil der Schweiz. Man bereitet aus der 
Raldrianwurzel ein Atherisches Ol (s. Baldriandl), 
eine alkoholische und eine atherische Tinktur (#atl- 
driantinktur) und ein Extrakt und benutzt sie als 
krampfstillendes und nervenstiirkendes Mittel beson- 
ders bei hysterischen Zustiinden. 

Fig. S. Strychnos nux vomica L. (Kridhenaugen- 
baum, Brechnufbaum), ein Baum aus der Familie 


der Loganiazeen, mit karzem, dickem Stamm, breit- | 


eiférmigen, kahlen Blittern, endstiindigen Trugdol- 
den und grober, kugeliger, orangefarbener Beere, in 


deren weiber, gallertartiger Pulpa 1—38 Saimen lie- | 


gen, wiichst in ganz Indien, auch auf der Malabar- 
kiiste, in Siam und Kotschinchina und liefert in den 
Samen die argneilich benutzten Ardhenaugen ( Brech- 
niisse, Semen Strychni, Nux vomica), Diese sind 
flach kreisrund, bis 3 cm breit und 0,5 em dick, 
graugelb, anliegend behaart und dadurch glinzend, 
mit warzenférmig erhéhtem Mittelpunkt, schwer zu 


pulvern und zu schneiden, schmecken sehr stark and | 


anhaltend bitter und wirken héchst giftig. Sie ent- 
halten etwa 1,5 Proz. Strychnin und etwas mehr Bru- 


cin, gebunden an organische Siuren, und werden | 
hanptsichlich als Stomachikum bei Dyspepsie, Diar-— 


rhée und Obstipation, auch gegen Liihmungen be- 
nutzt. In den Argzneischatz wurden sie vielleicht 
durch die Araber eingefiihrt und in Deutschland 
durch Valerius Cordus, Banhin und Gebner im 16. 
Jahrh. nither bekannt. Die sehwiirzlich aschgraue 
Rinde des Baumes kam zu Anfang des 1%. Jahrh., 
der Angosturarinde beigemischt, in den Handel (falsche 
Angosturarinde), ist jetzt aber wieder verschwunden. 

Fig, 9, Ricinus communis J. (Wunderbaum), ein 
einjibriges hohes Kraut aus der Familie der Eu- 
phorbiazeen, das sich in den wirmern Gegenden 
strauchartig entwickelt, kahl, oft blau bereift, mit 


wechselstiindigen, sehr grofen, handformigen, sieben- , 
his viellappigen Blittern und gesiigten Abschnitten, | 


Die anseliniichen Bliten bilden einen fast rispigen, 


endstiindigen Bliitenstand, in dem die obern Blä- 


ten minnlich, die untern weiblich sind. Die glat- 
ten oder stacheligen Kapseln enthalten drei grofe, 


eifirmige, marmorierte Samen. Der Ricinus stammt | 


wohl aus Afrika, ist aber jedenfalls sehr früh als Kul- 
turpflanze weit verbreitet worden und ist so akkom- 


modationsfahig, da& cr noch bei Christiania seine | 


Samen reift. Er wird bei uns als Zierpflanze in meh- 
reren Varietiten kultiviert (17 verschiedene Typen, 
Unterarten| and bildet eine der schénsten Blattptlan- 
zen fiir den Rasen. Die Bliitter des Ricinus dienen 
der bengalischen Seidenraupe (Bombyx Cynthia) als 
Futter und werden auf den Antillen und am Senegal 
gegen Migriine und zur Beforderang der Milehabson- 
derung benutzt. In Italien wird die Pflanze beson- 
ders hochgeschiitzt (Palma Christi, rfmische oder 
tndische Bohne, Tfilenfeige, Sonnenkorn, Schaflaus, 
Olkagice, Pomadenbohne), und man kultiviert sie zu 





Florenz in Glashiiusern, um auch im Winter Blitter 
davon mm haben, Die Samen (Purgier-, BrechkGrner} 
schmecken herb und beifend scharf, sind giftig und 
enthalten Ricin und gegen 40 Proz. fettes Ol (s. Ri- 
zinusdl), das in Indien, Italien, Frankreich, Nord- 
amerika durch Pressen gewonnen wird, Man benutzt 
‘es als mildes Abfubrmittel. Der Ricinus war schon 
dem Herodot bekannt, zu dessen Zeiten das O1 in 
Agypten als Brennél und zu Salben benutzt wurde; 
der ,Kirbis‘ yor Jonas’ Hutte (Jonas 4, 6), den ein 
Wurm stach, dab er verdorrte, scheint ein Ricinus 
gewesen zu sein, der in der Tat gegen Verletzungen 
sehr empfindlich ist; auch in Griechenland wurde die 
Pilanze, wie noch jetzt, unter dem Namen Aisi kul- 
tiviert; Theophrast nannte sie Croton, Dioskorides 
| wandte die Samen als Abfahrmittel, das Ol au bertich 
an, Auch Albertus Magnus kultivierte den Ricinus, 
und im 16. Jahrh, erscheint er als Gartenpfianze 
unter dem Namen Ricinus oder Kik. Spiiter kam die 
Pflanze in Vergessenheit, und erst in der zweiten 
Hiilfte des 18, Jahrh, wurde das Ol von Westindien 
aus wieder als Abfiihrmittel empfohlen, um bald dar- 
auf allgemeine Anerkennung zu finden. 

Fig. 10. Crocus sativus L. (echier Safran, Herbst- 
safran), ein Knollengewiichs aus der Familie der 
lridayeen, mit niedergedrickt kugeligen Knollen, 
| sehr schmalen, linienférmigen, am Rand umgerollten, 
, dunkelgriinen Blittern und kurzgestielten, lilafarbe- 
‘nen Bliiten, deren Narben yon der Lange des Peri- 
gons, spiter herabhangend, fast flach, nach oben all- 
mihlich und wenig erweitert, fein gekerbt sind. Der 
Safran stammt wahrscheinlich aus Kleinasien und 
Persien und wird in Asien und Europa seit vorchrist- 
| licher Zeit vielfach kultiviert. Keine wilde Form 
von ©, sativus ist mit der kultivierten Pflanze 
identisch. Diese ist stets steril und kann nur mit 
dem Pollen einer wilden Form befruchtet werden. 

Auch ist sie sebr konstant, wibrend die natérlichen 
Arten stark variieren. Die Pilanze gedeiht in leich- 
tem, humusreichem Boden in warmen Gegenden, be- 
sonders auf siidlichen sanften Abdachungen, so weit, 
wie der Weinstock noch sũbe Frichte bringt. Die 
Ernte beginnt im Herbst, wenn die Bliten vollkom- 
men entwickelt sind, wobei man aus den gepflickten 
| Bliten die drei Narben ohne den gelben Griffel aus- 
| list. Sie bilden getrocknet den Safran (s, d.) des 
Handels. Auf der Balkanhalbinsel werden die Knol- 
len roh und geréstet gogessen. 

Fig. 11. Glycyrrhiza glabra Z. (SiiGholz), eine 
Staude aus der Familie der Leguminosen, mit zahl- 
reichen langen Wurzeln und weithin kriechenden 
Ausliiufern, fast 2m hohen, meist einfachen, kleberig- 
-driisigen Stengeln, zerstreut stehenden, fiinf- bis 

achtjochigen, kurz behaarten, drisig punktierten, 
bis 20 em Jangen Blittern, langgestielten Bliten- 
ihren mit weib- und Jilafarbenen Bliten und lang- 
| Jich - linienférmiger Hiilse, ist in Siideuropa, von 
Spanien bis Ungarn und SidruGland, auch im Kau- 
kasus, in Kleinasien bis nach Persien und in Nord- 
afrika cinheimiseh, wird besonders in Spanien und 
Italien im grobken kultiviert, auch in Deutschland 
‘Bamberg), Siidfrankreich, Mahren, Ungarn und Eng- 
land, und liefert in dem sehr entwickelten Wurzel- 
system das SiiSholz (Sifholzwurrel, Lakritzenwurzel, 
Radix Glycyrrhizae s. Liguiritiae), Eine Varietiit, 
‘Glyeyrrhiza glabra glandulifera, wiichst in Ungarn, 
Siidrufiland, Kleinasien und in Mittelasien bis China 
und liefert das offizinetle russische Sibholz, Naheres 
8, Glycyrrhiza, 





[Zum Artikel Arsneipsfanzen,] 





baum, Eisenveilchenbaum), ein Baum aus der Fami- 
lie der Myrtazeen, wiichst in Australien und Tasma- 
nia, erreicht eine HShe von 110 m und einen Stamm- 
umfang von 30 m, er besitxt bliulichgriine, lanzett- 
formige, in der Jugend breitere gegenstindige, spilter 
wechselstindige, bleibende Blitter, kurzgestielte 
Bliten, deren xu ciner Mitze verwachsene Blumen- 
blitter gemeinsam abfallen, und vielsamige Kapseln. 
Wegen seiner Schnellwiichsigkeit und der aromati- 
when Ausdiinstungen seiner Blatter hat man ange- 
fangen, den Baum in sumpfigen Gegenden angupflan- 
zen, um eine Luftverbesserung herbeizufihren. Man 
findet ihn jetzt flr diesen Zweck angepflanzt in Süd- 
frankreich, Spanien, Portugal, Griechenland, Italien, 
Valistina, in dem Hochland Indiens, in Nord- und 
Siidamerika, in Sidafrika, auf Cuba, St. Helena, in 
Agypten, Korsika, Algerien. Er soll auch in Siid- 
england ausdavern und bis Girz gedeihen, Uherall 
hat sich bestiitigt, dab er vermige seines auberordent- 
lichen Verdunstungavermigens das Klima verbessert 


Fig. 1. Eucalyptus globulus Latill.( Blauer Gummi: | 


Zur Tafel ,Arzneipflanzen III. 


and Sumpfficber beseitigt. Die Blitter sind ungemein - 


reich an fitherischem ©) (frisehe Bitter lefern 0,7, 
trockne 1,.6— 3 Proz.). Das Holg ist sehr fest und 
hart und eignet sich unter anderm vorziiglich zu 
Schifanhols, Eisenbahnschw ellen, Wasserbauten etc. 
Aus der Rinde wird Papier bereitét, auch werden 
Rinde, Blatter und das fitherische O) gegen Fieber 
benutzt. Der Baum wurde 1792 von Labillardiére 
auf Tasmania entdeckt und 1856 durch Ramel in 
Europa eingefiihrt, das O1 ist seit etwa 20 Jahren 
regelmibiger Handeleartikel, Vgl. Bentley, On the 
characters, properties and oases of Eucalyptus glotn- 
los | Lond.1854); Hamm, Der Fieberheilbaam (2.Aati,, 
Wien 1578 

Fig. 2. Pedophyllam peltatam /. (Fufhlatt, En- 
tenfub, wilde Zitrone, Maiapfel, Mandrake), eine 
Staude aus der Familie der Berberidareen, mit krie- 
chendem Wurzelstock, finf- bis neunlappigen Blat- 
tern, groben, weiben, nickenden Bliten und cifirmi- 
gen, gelblichen, etwa einer kleinen Zitrone dihnlichen 
fleischigen, vielxamigen Frichten, wichst an feuch- 
ten, schattigen Stellen in Waldern des atlantischen 
Nordamerika. [hr Kraut ist narketieh, giflig, das 
siuerliche Fleisch der Fracht aber genichhar, wie 
wohl yon ekelhaftetn Geruch. Der Wurtreletock lie- 
fert cin harziges, bitteres Fatrakt /dophyllin, 
Vegetable calomel, ein Gemenge von Harz mit einem 
Colykosid, das als Verlaunung befirderndes und als 
Abfibrmittel, daberlich ale hautreizendes Mittel an- 
gewendet wird, Man bereitet es aus einem alkohwli- 
echen Ausrug der Wureel durch Fallen mit Wasser, 

rig. 4. Filecarpus pinnatifelius Lem. (destesret ied }, 
ein cor Familie der Rutazeen gehtrender Straach mit 
iieht retgelbhaarigen Zu cigen, lederigen, kurzgestiel- 
ten, cin- bis dreipechigen, unterseite korzhaarigen 
Kiattern, lineal-oblongen, stumpfen,am Rand amgeto- 
genen Hlattehen and endetandigen, dichten Tranhen 
mit kleinen grinen Bluten and einsamigen Kapseln, 
liefert, wie auch P. Selloanas Engl. in Sudbrasitien, 
Pareguay und Uroguay und P. paucitlorus S¢, 2th! 
in Brasilien, die Jaborandr)laitter, die heim Zerreiten 
aromatisch riechen, echarf echmecken and Jiloborpia 
enthalten, Letzteres wind ale harn- ond ec hweibtrei- 
bendes Mittel bei flassigen Exeudaten, Nierenenteun- 
dung, cu ablenkenler Wassetergiebung nach anuben, 
bei Bronchitis, Prurige, Dnabeter benutet, Andre J abw- 


Meyrra Koa... Lerilon, 6. dud , Hesiage. 





randisorten liefern verschiedene Piperazeen (Piper 
mollicomam Ath. ete.), Skrofulariazeen (Herpestis 
gratioloides Ath. etc.) sowle Zanthoxylon elegans 
Engl. and Monnieria trifoliata L. 

Fig. 4. Hagenia abyssinica Willd, (Kussobaum, 
KXussala), ein Baum aus der Familie der Rosazeen, 
der in der abessinischen Bergregion heimisch ist, bis 
20 m hoch wird, gottig behaarte Zweige, wechsel- 
stiindige, unpaarig gefiederte Blitter, achselstindige, 
grofe Blitenrispen, weibe Bliten und kurzgesehnii- 
belte, eif6rmige Niifechen besitzt. Die weiblichen, 
bereits abgeblihten Rispen, bei denen die ausgewach- 
senen Kelchblitter dunkel parpurrot geworden sind, 
bilden das offizinelle Ausso (Avseso, Flores Koso). 
Sie schmecken schleimig, dann kratzend, bitter und 
adstringierend, riechen sechwach holunderartig und 
enthalten wenig fAtherisches Ol, Kosoin und Koso- 
toxin, ein starkes Muskelgift, Kusso ist in Abessinien 
seit langer Zeit bei Menschen und Schafen gegen den 
Bandwurm im Gebraach; durch den franzdsischen 
Arzt Braver kam es nach Paris, and seit 1542 fand 
es allgemeine Verwendung als Bandwurmmittel. 
Frische Bliten wirken ebenso rasch and sicher wie 
Wurmfarn and Granatrinde, machen auch dieselben 
Nebenerscheinungen wie diese. 

Fig. 5. Marsdenia Condarange Rehb. fl., eine 
samtartig behaarte Liane aus der Familie der As- 
klepiadazeen, mit gegenstindigen, breiten Blattern 
und in der Regel gepaarten korymbdsen Blitenris- 
pen, die meist cinachselig sind, kleinen Bliten und 
dicken, sugespitryten, glatten Follikeln, wichst in 
Eeuador und Columbia und liefert die Condurango- 
rinde (Geierrinde). Diese bildet etwa 10 em lange 
und 1—7 mm dicke verbogene Rohren oder rinnen- 
formige Stiicke, ist auf der Oberflache briiunlich oder 
branngrau, langsruncelig und hickerig, auf der Innen- 
seite hellgrau, derb, langsstreifig. Sie «chmeckt bitter- 
lich, scharf, kratzend und riecht eigentiimlich »chwach 
aromatiseh, Man gibt sie bei Magenleiden, am Appe- 
tit, Verdauung und Allgemeinbefinden zu heben, 
namentlich such bei Verdacht auf Krebs des Magens 
und der Speiserfhre. Die Rinde enthalt ein Glyko- 
sid, Condurangin, ein gelbliches Pulver, das sich 
durch Lixungamitte! in zwei Korper zerlegen last. 
Die LAung des wasserlislichen Kérpers trabt sich 
beim Erwarmen, und eine 2 prox. LAsang erstarrt 
gallertartig weit unter dem Siedepunkt, 1571 kam 
eine Condurangorinde nach Europa, die von det Askle- 
pindazee Gonolohus Condarange Triana abgeleitet 
wurde, Vel. Jukna, Cher Condurangin | Dorpat 18%). 

Fiy. 6. Physostigma venenosem Maly, ( Aulubar- 
bohne), eine mebrjahrige Kletterpfianze aus der Fa- 
milie der Legumineen, mit helzigem Stamm von 
fem Dicke, der mehr als 15 m emporsteigt, eete- 
derten Hiattern mit drei groben Blattehen, achselstan- 
digen, hangenden Blitentranben, groben purpurreten 
Bluten und etwa 14 em langen, breit-lnealischen, 
etwas zusammengedrickten Iluleen, die 1 oder 3 
nierenformige, schokoladenbraane Samen mit einer 
tiefen, von ethabenen Handern umgebenen Hinne 
enthalten. Ite I'flange wachet in Westafrika vor 
Kap I’'simas his Kamerun und ist auch in Indien 
and Hrasilien vingefubrt worden, De Kingehornen 
henuteen die fast geruch- and geechmarkloern, aber 
hiehst gifticen Kohnen vu einer Art Cottesurteil, 
d. ho man gilt sie den der Hexerei Reechuldigten sum 
Verchlucken, und Frbrechen oder Nichterbreehen 




















Bitite, 
Fracht._ Langeschnitt. 
1. ——— globulus 
(Blauer Gummibaum). 
ao Junger, nicht blihbender 

Zweig. 






Stempel, 
Lingeachnitt, 





Fruchtknoten, 


—J— 


Same, 


Stempel. 


lanzen T. 


geſundheitspolizeilichen An 
—* Kreidargt ſteht das Recht 
dlicher als in den übrigen 
Aj die Borfdriften, die von 
rin die Brivatirren: 

¢, die als Bertrauens 

» mgdgefellidajten fungic: 

—» ber ausjuftellen, ob der 
\ vinlichfett bat, die nor 
yer. In Der deutſchen 

. Sung werden ſeit 1. Jan. 
Echiedsgerichten fiir 
wiwiblt. Ws Sad 
Gericht ift der A. be 
yern, fobald er fürch 
seimmnis ju verlepen, 


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‘iefe Verlegung ein⸗ 

: ich § 52 der Straf 
7 ungeieplich, fo 
Verſchwiegenheit 
nicht beamteten 
tide Tätig— 
tragen werden. 
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‘™ 18538 und 
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Arztelkammern — Arztliche Vereine, 


gemifen Ermeſſen 


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839 


| Arztekammern, durd) Verordnung vom 25. Mai 
1887 etngefithrte Standesvertretumgen der Ärzte in 
vreußen Bayern, Baden, Sachſen, Württemberg, 
Hejfen, Oldenburg, Hamburg, Vraunidweig, Elſaß 
Lotbringen und den thiiringtiden Staaten zur Er 
drterung aller Fragen und Angelegenheiten, die den 
ärztlichen Beruf oder die dffentlide Geſundheitspflege 
betreffen. Sede Proving wabhlt cine Arztelammer aus 
mindeftens zwölf Mitglieder. Die Witglieder wer 
den auf 3 Jahre gewahlt und gwar auf 50 Wahl 
beredtigte cin Mitglied. Wahlberedtigt und wabhlbar 
ijt jeder approbierte Arzt, der im Wahlbezirk wohnt. 
| Ders Vorſtand beſteht aus mindeſtens fünf Migliedern. 
Die A. haben Vorſiellungen und Anträg⸗ an die 
Staaltsbehörden zu richten und wablen Vertreter, die 
an wichtigen Sitzungen der Brovinzialmedizinal 
lollegien und der Wiſſenſchaftlichen Deputation fiir 
| Das Medisinalweien tetlnebnien. Nady Verordnung 
vom 6. Jan. 1896 bilden Delequerte der VL. (je emer) 
fiir Die Dauer der Wahlperiode der Kammier einen 
Arzteklammerausſchuß mit dem Sp in Berlin 
und der Aufgabe, vermittelnd zu wirken zwiſchen dem 
Miniſter und den Sammern und zwiſchen letztern unter 
einander. Der Vorſitzende des Ausſchuſſes beruft ihn 
in Der Regel jährlich einmal. Nach Geſeg vom 25. Nov. 
1899 ijt Die Arztelammer befugt, von den wahlberech 
tigten Yrgten des Kammerbezirls einen von thr feſt 
zuſetzenden Beitrag sur Deckung des Rafjenbedarfs yu 
erheben. Rach demfelber Geſetz wird im Breuhen fir 
den Bezirk jeder Arztelammer em ärztliches Ehren 
eridt und fiir den ganzen Staat cin Ehrengerichts 
bot gebildet. Criteres hat yu erkennen fiber Die Ber 
letzung der arztlichen Standespflichten durch De ap 
probierten Arzie. Auf Antrag eines Yirqtes muß cine 
ehrengeridtlice Entſcheidung fiber ſein Verhalten 
herbeigefuhrt werden. Bolitticdde, wiſſenſchaftliche und 
| religidje Wnfidten oder Handlungen bilden nicht 
den Gegenftand chrengeridtlidien Berfabrens. Als 
Ebrenrat bat das Ebrengericht bie Beilegung von 
Streitigheiten su vermitteln. Beamtete Arzte, Wiki 
tir- und Marineärzte unterſtehen nicht dem Chren 
| gericht. Gegen die Entſcheidungen des Chrengeridts 
Berufung an den Ebrengeridtebor sulaitig 
Dicier beſteht aus dem Leiter der Mediginalabteilung 
des Minijteriums, vier gewablten Mugliedern des 
rptefammeraudsiduffes und zwei pom Konig et 
—— Arzten. Bgl. Altmann, Arztliche Ehren 
ichte und ärztliche Standesorganiſation im Preu 
(Berl. 1900). 
Arztetag, ſArztliche Bereine 
Arniqhe Ehrengerichte, Arztelammern 
Mrgtlides —— —— Dic Abſicht, 





a Dem praftisterenden Arzien Die Fortſchrille Der Wen 




















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veya ( Melonenbess:: 


* lentitut im Letpese 





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leithter zuganglich zu maden, bat pir Einrichtung 
HOR alljabriid ftattfindenden Kurien an den Univer 
titen und an grofen gemeindlichen Sranfenanjtal 
&%. B. Hamburg, Dresden) geführt. in denen na 
i auch die Erningenidatten der Spewalfader 
figung finden. In Preußen beſteht ein 
titer für Dads ärztliche Foribldungeweſen. 
ng, bes. Einrichtung und Abhaltung 
Milither Murie fiir Uryte durch Holpitallerter, 
inyie x. ſich gur Aufgabe madt. Bal. tut 


B Arptliche Fortbildungsweien in Breufen 
Ww 


Wereine dienen namentlid wiſſen⸗ 
M Oder wirtidaftlidben und Standesinterei- 

4 age ded frei organſierten Arytlichen 
dl bildet Der 1875 in Leipsig gegrundete 


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1. Piper Cubeba (Kubeben- 
piefier). 


5 Copsitera Langsdorffii 
(Kopaivabaum). 
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a. Durchechnittene 
— — Fracht. 


Digitized by Google 


lanzen Il. 


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(Chinarindenbeum) 


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& underbaum: i Crocus sativus ySatran), @ cine der J — 11 Gisavertuzea glatea (Sdssholz}, 


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| zed by Goog 


Zur Tafel Arzneiptlanzen It’. 








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stark, wiichst in ganz Mittel- und — Nord- , 
asien, Japan und Jiefert die Baldrianwurzel, eins der 
wichtigsten Arzneimittel, mit brauner Aufenrinde, 
nach dem Trocknen ecigentiimlich kampferartigem 
unangenechmen (von den Katzen sehr geliebten) Ge- 
ruch und siiblich-bitterlich gewiirzhaftem Geschmack. 
Die trockne Wurzel enthiilt '/2—2 Proz. iitherisches 
Baldriand), Sie war als Nardus gallicus schon den 
Alten bekannt und seitdem stets viel im Gebrauch. 
Der Name dirfte mit valere, gesund sein, zusamimen- 
hiingen. Im dentschen Mittelalter hieb die Pflanze 
Denemarcha, noch früher Tenemarg, wie noch heute 
in einem Teil der Schweiz. Man bereitet aus der 
Baldrianwurzel ein iitherisches Ol (s. Baldriandl), 
eine alkoholische und eine fitherische Tinktur (Jal- 
driantinktur) und ein Extrakt und benutzt sie als. 
krampfstillendes und nervenstirkendes Mitte] beson- | 
ders bei hysterischen Zustiinden. 

Fig. 8. Strychnos nux vomica L. (Arithenaugen- 
baum, Brechnufbaum), cin Baum aus der Familie ! 
der Loganiazeen, mit karzem, dickem Stamm, breit- 
eiférmigen, kahlen Blittern, endstéindigen Tragdol- | 
den und grober, kugeliger, orangefarbener Beere, in 
deren weiber, gallertartiger Pulpa 1—8 Samen lie- 
gen, wiichst in ganz Indien, auch auf der Malabar- 
kiiste, in Siam und Kotschinchina und liefert in den 
Samen die arzneilich benutzten Ariihenaugen | Brech- 
niisse, Semen Strychni, Nux yomica). Diese sind 
flach kreisrund, bis 3 cm breit und 0,5 em dick, 
graugelb, anliegend behaart und dadurch gliinzend, 
mit warzenformig erhéhtem Mittelpankt, schwer zu 
pulvern und zu schneiden, sehmecken sehr stark und | 
anhaltend bitter und wirken héchst giflig. Sie ent- 
halten ctwa 1,5 Proz. Strychnin und etwas mehr Bru- 
cin, gebunden an organische Siuren, und werden 
hauptsiichlich als Stomachikum bei Dyspepsie, Diar- 
rhie und Obstipation, auch gegen Liihmungen be- 
natzt. In den Arzneischatz wurden sie vielleicht 
durch die Araber eingefiihrt und in Deutschland 
dureh Valerius Cordus, Bauhin und Gebner im 16. 
Jahrh. niher bekannt. Die schwiirzlich asehgraue | 
Rinde des Baumes kam zu Anfang des 19. Jahrh., 
der Angosturarinde beigemischt, in den Handel (faleche 
Angosturarinde), ist jetzt aber wieder verschwunden. 

Fig. 9. Ricinus communis 1. (Wunderbaum), ein 
einjihriges hohes Kraut aus der Familie der Eu- | 
phorbiazeen, das sich in den wiirmern Gegenden ! 
strauchartig entwickelt, kahl, oft blau bereift, mit 
wechselstindigen, sehr groben, handfirmigen, sieben- 
bis viellappigen Blattern und gesigten Abschnitten, | 
Die ansehnlichen Bliiten bilden einen fast rispigen, | 

1 
! 
! 











endstindigen Blitenstand, in dem die obern Blu- 
ten miinnlich, die untern weiblich sind. Die glat- 
ten oder stacheligen Kapseln enthalten drei grobe, 
eiformige, marmorierte Samen. Der Ricinus stammt ! 
wohl aus Afrika, ist aber jedenfalls sehr früh als Kul- 
turpHanze weit verbreitet worden und ist so akkom- | 
modationsfihig, dal er noch bei Christiania seine 
Samen reift. Er wird bei ans als Zierpflanze in meh- 
reren Varictiiten kultiviert (17 versehiedene Typen, 
Unterarten) und bildet cine der schénsten Blattpflan- | 
zen fiir den Rasen, Die Bhitter des Ricinus dienen 
der bengalischen Seidenraupe (Bombyx Cynthia) als 
Futter und werden auf den Antillen und am Senegal 
gegen Migriine und zur Beftrderung der Milchabson- | 
derung benntzt. In Italien wird die Pflanze beson- 
ders hochgeschitzt (Palma Christi, rémische oder 
indische Bohne, Tfillenfeige, Sonnenkor n, Schaflaus, 
Olkafice, Pomadenbohne), und man kultiviert sie zu ! 


-schmecken herb und beiBend scharf, sind 


Florenz in Glashiusern, um auch im Winter Blitter 
dayon gu haben, Die Samen (Purgier-, Brechkdrner) 
giftig und 
enthalten Ricin und gegen 40 Proz. fettes Ol (s. Réi- 
zinusél), das in Indien, Italien, Frankreich, Nord- 
amerika durch Pressen gewonnen wird. Man benutzt 
es als mildes Abfiihrmittel, Der Ricinus war schon 
dem Herodot bekannt, zu dessen Zeiten das O1 in 
Agypten als Brennél und zu Salben benutzt warde; 
der ,Kurbis‘ vor Jonas’ Hiitte (Jonas 4, 6), den ein 
Wurm stach, dal er verdorrte, scheint cin Ricinus 
gewesen zu sein, der in der Tat gegen Verletzungen 
sehr empfindlich ist; auch in Griechenland wurde die 
Pflanze, wie noch jetzt, unter dem Namen Avdi kul- 
tiviert; Theophrast nannte sie Croton, Dioskorides 
wandte die Samen als Abfihrmittel, das Ol auBerlich 
an. Auch Albertus Magnus kultivierte den Ricinus, 
und im 16. Jahrh. erscheint er als Gartenpflanze 
unter dem Namen Ricinus oder Kik, Spiiter kam die 
Pflanze in Vergessenheit, und erst in der zweiten 
Hiilfte des 18. Jahrh. wurde das Ol von Westindien 
aus wieder als Abfuhrmittel empfohlen, um bald dar- 
auf allgemeine Anerkennung zu finden. 

Fig. 10. Crocus sativus 1. (echter Safran, Herbet- 
safran), ein Knollengewiichs aus der Familie der 





' Iridaveen, mit niedergedriickt kugeligen Knollen, 


sehr schmalen, linienférmigen, am Rand umgerollten, 
dunkelgriinen Blittern und kurzgestielten, lilafarbe- 
nen Bliiten, deren Narben von der Linge des Peri- 
gons, spiter herabhangend, fast flach, nach oben all- 
mihlich und wenig erweitert, fein gekerbt sind. Der 
Safran stammt wahrscheinlich aus Kleinasien und 
Persien und wird in Asien und Europa seit vorchrist- 
licher Zeit vielfach kultiviert. Keine wilde Form 
von C, sativus ist mit der kultivierten Pftlanze 
identisch. Diese ist stets steri] und kann nur mit 
dem Pollen einer wilden Form befruchtet werden. 
Auch ist sie sehr konstant, wihrend die natiirlichen 
Arten stark variieren. Die Pflanze gedeiht in leich- 


| tem, humusreichem Boden in warmen Gegenden, be- 


sonders auf sudlichen sanften Abdachungen, so weit, 
wie der Weinstock noch siibe Friichte bringt. Die 
Ernte beginnt im Herbst, wenn die Bliiten vollkom- 
men entwickelt sind, wobei man aus den gepflackten 
Bliten die drei Narben ohne den gelben Griffel aus- 
list. Sie bilden getrocknet den Safran (s. d.) des 
Hiandels. Auf der Balkanhalbinsel werden die Knol- 


len roh und gerdstet gegessen. 


Fig. 11. Glycyrrhiza glabra ZL. (Siifholz), eine 
Staude aus der Familie der Leguminosen, mit zahl- 
reichen langen Wurzeln und weithin kriechenden 
Ausldufern, fast 2m hohen, meist einfachen, kleberig- 
driisigen Stengeln, zerstreut stehenden, fiinf- bis 
achtjochigen, kurz behaarten, driisig punktierten, 
bis 20 em langen Blittern, langgesticlten Bliten- 


_ahren mit weib- und lilafarbenen Bliten und lane- 


lich - linienférmiger Hiilse, ist in Siidenropa, von 
Spanien bis Ungarn und SidruGland, auch im Kan- 
kasus, in Kleinasien bis nach Persien and in Nord- 
afrika einheimisch, wird besonders in Spanien und 
Italien im grofien kultiviert, auch in Dentschland 
(Bamberg), Stidfrankreich, MAhren, Ungarn und Eng- 
land, und liefert in dem sehr entwickelten Wurzel- 
system das SiiGholz (SiiSholewurzel, Lakritzenwurzel, 
Radix Glyeyrrhizae s, Liquirttiae), Eine Varietit, 
Glycyrrhiza glabra glandulifera, wiichst in Ungarn, 
SiidruBland, Kleinasien und in Mittelasien bis China 
nnd liefert das offizinelle russische Sibholsz, Niheres 
s. Glycyrrhiza, 


[Zam Artikel Arzneipjlansen.} 


Zur Tafel ,Arzneipflanzen III. 


Fig. 1, Eucalyptus globulas Labill. (Blauer Gummi- | 


baum, Eisenveilchenbaum), ein Baum aus der Fami- 


lie der Myrtazeen, wiich»t in Australien und Tasma- 


nia, erreicht eine Héhe von 110 m und einen Stamm- 


umfang von 30 m, er besitzt blaulichgriine, lanzett- | 


formige, in der Jugend breitere gegenstindige, spiiter 
wechselstindige, bleibende Bliitter, kurzgestielte 
Bliiten, deren zu einer Mitze verwachsene Blumen- 
blitter gemeinsam abfallen, und vielsamige Kapseln, 
Wegen seiner Schnellwiichsigkeit und der aromati- 
schen Ausdiinstungen seiner Blitter hat man ange- 
fangen, den Baum in sumpfigen Gegenden anzupflan- 
zen, um eine Luftverbesserung herbcizufiihren, Man 
findet ihn jetzt fir diesen Zweck angepflanzt in Sid- 
frankreich, Spanien, Portugal, Griechenland, Italien, 


Palastina, in dem Hochland Indiens, in Nord- und | 
Siidamerika, in Sidafrika, auf Cuba, St. Helena, in 


Agypten, Korsika, Algerien, Er soll auch in Sid- 
england ausdauern und bis Gorz gedeihen, Uberall 
hat sich bestatigt, dab er vermége seines auberordent- 
lichen Verdunstungsvermégens das Klima verbessert 
und Sumpffieber beseitigt. Die Blatter sind ungemein 
reich an itherischem O1 (frische Blatter liefern 0,7, 
trockne 1,6—3 Proz.). Das Holz ist sehr fest und 
hart und cignet sich unter anderm yorziglich zu 
Schiffbauholz, Eisenbahnschwellen, Wasserbauten etc, 
Aus der Rinde wird Papier bereitéet, auch werden 
Rinde, Blatter und das dtherische Ol gegen Fieber 
benutzt. Der Baum wurde 17%2 von Labillardiére 
auf Tasmania entdeckt und 1856 durch Ramel in 
Europa eingefihrt, das Ol ist seit etwa 20 Jahren 
regelmAbiger Handelsartikel. Vgl. Bentley, On the 
characters, properties and ases of Eucalyptus globu- 
lus | Lond.1854); Hamm, Der Fieberheilbaum | 2.Autl., 
Wien 18784 

Fig. 2, Podophyllam peltatam J. (/uéb/att, En- 
tenfuh, wilde Zitrone, Maiapfel, Mandrake), cine 
Staude aus der Familie der Berberidazeen, mit krie- 
chendem Wurzelstock, finf- bis neunlappigen Bliat- 
tern, groben, weiben, nickenden Bliten and ecifirmi- 
gen, gelblichen, etwa einer kleinen Zitrone dhniichen 
fleischigen, vielxamigen Friichten, wiichst an feuch- 
ten, schattigen Stellen in Waldern des atlantischen 
Nordamerika, Ihr Kraut ist narkotisch, giftig, das 
sinerliche Fleisch der Fracht aber geniebbar, wie- 
wohl von ekelhaftem Gerach, Der Wurzelstock lie- 
fert ein harziges, bitteres Extrakt (Podophyllin, 
Vegetable calomel, cin Gemenge von Harz mit einem 
Glykosid, das als Verdauung bef®rderndes und als 
Abfihrmittel, duberlich als hautreizendes Mittel an- 
gewendet wird. Man bereitet es aus einem alkoholi- 
when Ausrug der Wurzel durch Fallen mit Wasser. 

Fig. 4, Pilecarpus pinnatifolins Lem. (Joborand®), 
ein cur Familie der Rutareen gehérender Strauch mit 
dieht rotgelbhaarigen Zweigen, lederigen, kurrgestiel- 
ten, ein- bis dreijochigen, anterseits karzhaarigen 
Blattern, lineal-oblongen, stum pfen,am Rand amgeho- 
genen Blattehen and endstandigen, dichten Trauben 
mit kleinen grinen Bliten und einsamigen Kapeein, 
liefert, wie auch P. Selloanus Engl. in Sudbrasilien, 
Pareguay und Uruguay und P. pauciflorus St J/ill. 
in Brasilien, die Jaborandihiitter, die beim Zerreiben 
aromatisch riechen, scharf schmecken and /i/okurpin 
enthalten, Letzteres wird als harn- und schweibtrei- 
bendes Mittel bei fliissigen Exsudaten, Nierenentzin- 
dung, zu ablenkender Wasserergiebung nach auben, 


bei Bronchitis, Prurige, Diabetes benatzt, AndreJabo- 


Meyers Konr.-Leriton, €. Aufl , Heilage. 


randisorten liefern verschiedene Piperazeen (Piper 
mollicomum Ath, ete.), Skrofulariazeen (Herpestis 
gratioloides Ath, ete.) sowie Zanthoxylon elegans 
Engl. und Monnieria trifoliata L. 
Fig. 4. Hagenia abyssinica Willd. (Kussobaum, 
fussala), ein Baum aus der Familie der Rosazeen, 
der in der abessinischen Bergregion heimisch ist, bis 
20 m hoch wird, zottig behaarte Zweige, wechsel- 
stindige, unpaarig gefiederte Blatter, achselstindige, 
grofe Bliitenrispen, weife Bliten und kurzgeschnii- 
belte, eiférmige Nibchen besitzt. Die weiblichen, 
bereits abgeblihten Rispen, bei denen die ausgewach- 
senen Kelchblitter dunkel purpurrot geworden sind, 
bilden das offizinelle Ausso (Kosso, Flores Koso), 
Sie schmecken schleimig, dann kratzend, bitter und 
adstringierend, riechen schwach holunderartig und 
enthalten wenig Atherisches O1, Kosoin und Koso- 
toxin, ein starkes Muskelgift. Kusso ist in Abessinien 
seit langer Zeit bei Menschen und Schafen gegen den 
Bandwurm im Gebrauch; durch den franzdsischen 
Arzt Braver kam es nach Paris, and seit 1842 fand 
es allgemeine Verwendung als Bandwurmmittel. 
Frische Bliten wirken ebenso rasch und sicher wie 
Wurmfarn und Granatrinde, machen auch dieselben 
Nebenerscheinungen wie dicse. 

Fig. 5. Marsdenia Condurange Rehb. fil., eine 
samtartig behaarte Liane aus der Familie der As- 
klepiadazeen, mit gegenstindigen, breiten Blittern 
und in der Regel gepaarten korymbdsen Bliitenris- 
pen, die meist cinachselig sind, kleinen Bliiten und 
dicken, zugespitzten, glatten Follikeln, wachst in 
Ecuador und Columbia und liefert die Condurango- 
rinde (Geierrinde). Diese bildet etwa 10 em lange 
und 1—7 mm dicke verbogene Réhren oder rinnen- 
MWrmige Sticke, ist auf der Oberflache briunlich oder 
braungran, langsrunzelig und héckerig, auf der Innen- 
seite hellgrau, derb, langsstreifig. Sie sehmeckt bitter- 
lich, scharf, kratzend und riecht eigentiimlich,schwach 
aromatisch. Man gibt sie bei Magenleiden, am Appe- 
tit, Verdauung und Allgemeinbefinden zu heben, 
namentlich auch bei Verdacht auf Krebs des Magens 
und der Speiserdhre. Die Rinde enthalt ein Glyko- 
sid, Condurangin, ein gelbliches Pulver, das sich 
durch Lésungsmittel in zwei Korper zerlegen 1abt. 
Die Lisung des wasserlislichen Korpers tribt sich 
beim Erwirmen, und eine 2 proz, Lésung erstarrt 
gallertartig weit unter dem Siedepunkt. 1571 kam 
eine Condurangorinde nach Europa, die von der Askle- 
piadazee Gonolobus Condarango Triana abgeleitet 
wurde, Vel. Juéna, Cher Condurangin : Dorpat 1554)). 

Fig. 6. Physostigma venenosum aly, ( Kulabar- 
bohne), eine mebrjahrige Kletterpflanze aus der Fa- 
milie der Leguminosen, mit bolzigem Stamm von 
4em Dicke, der mehr als 15 m emporsteigt, gefie- 
derten Blattern mit drei groben Blattchen, achselstan- 
digen, hangenden Blitentrauben, groben purpurroten 
Bldten und etwa 14 em langen, breit-linealischen, 
etwas susammengedriickten Hileen, die 1 oder 3 
nierenformige, schokoladenbraune Samen mit einer 
tiefen, von erhabenen Randern umgebenen Rinne 
enthalten. Die Pflanze wachst in Westafrika vom 
Kap Palmas bie Kamerun and ist auch in Indien 
und Hrasilien eingefuhrt worden. Die Eingebornen 
benutzen die fast gerach- und geschmacklosen, aber 
hochst giftigen Bohnen su ciner Art Gottesurteil, 
d. ho man gibt sie den der Hexerei Beechuldigten com 
Verschlucken, und Erbrechen oder Niehterbrechen 


a 


” 


Arzneipt 


Fruchtknoten, 
Lingsechnitt. 





Frucht. Langesebuitt, 


1. Eucalyptus globulus 

(Blauer Gummibaum). 

a Junoger, nicht blubender 
Zweig. 








. Frucht. 
= — 
— 






| 6. Phyrostigns venenosum (Kalabarbohne). . 7. Strophanthus hispidus. 8 Carica Pap 





Bibliographisches * 


lanzen Ill. 





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Proebt 


5. Marsdenia Condu- 





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So. the  » iu 
4 Aspidosperma Que bracho Precbt, Qeerechkait. Prechte. — 


#)2 (Melonenbaum). blanco, 10. Mallotus philippinensis (Kamalabaum), 


institut in Leipzig. 








entscheidet über die Schuld des Individuums. Die 
Pflanze wurde 1840 durch Daniell bekannt, 1859 
beschrieb sie Balfour, und wenige Jahre spiiter ent- 
deckte Fraser ihre eigentiimliche arzneilicheWirkung. 
Diese beruht auf dem Gehalt an cinem Alkaloid, 
Physostigmin(Eserin) C,,H,,N,O,, das farb-, geruch- 
und geschmacklose, in Alkohol und Ather leicht, in 
Wasser etwas schwierig lisliche, alkalisch reagierende, 
bei 105° sechmelzende Kristalle und mit Siuren leicht 
xersetzliche Salze bildet. Es wirkt direkt lihmend 
auf das zentrale Nervensystem, auf das Gehirn friiher 
als auf das Riickenmark, und bewirkt ganz bedeu- 
tende Pupillenkontraktion. Man benutzt salizyl- 


saures Physostigmin besonders bei Untersuchung der : 


Augen, um die nach Atropineintriiufelung entstan- 
dene Pupillenerweiterung zu beseitigen, auch als Heil- 
mittel bei Augenkrankheiten, bei Erschlaffang des 
Darmes mit Kotstauung und gasiger Auftreibung des 
Bauches, bei Tetanus, Neuralgien, Epilepsie ete. In 
der Tierheilkunde gibt man schwefelsaures Physo- 
stigmin in subkutaner Einspritazung als Abftihrmittel 
bei Kolik und Anfblihung des Darmes. Neben 
Physostigmin sol] in den Kalabarbohnen noch ein 
dem Strychnin ähnlieh wirkendes Alkaloid, Calaba- 
rin, und indifferentes Physosterin yorkommen. 

Fig. 7. Strophanthus hispidas DC., ein holziger 


Kletterstraach aus der Familie der Apocynazeen, in | 


Oberguinea, mit kreuzgegenstiindigen, ganzen, rauh- 
haarigen Blittern, endstiindigen, reichblitigen Dicha- 
sien und geschwiinzten Blumenkronenzipfeln, windet 
sich an den hichsten Biumen empor und trügt paar- 
weise stchende, 30cm lange Kapseln, die bis 200 Samen 
enthalten. Die 2 em langen, schmalen und flachen, 
braunen, seidenglinzend behaarten Samen tragen an 
der fein ausgezogenen Spitze einen fast 9 cm langen 
Stiel mit zartem Pappus. 8. Kombé Oliver, mit arm- 
blitigen Bliitenstiinden an kurzen, wenig beblitterten 
Seiteniisten, am Sambesi, liefert 17 mm lange, bis 
5 mm breite, hell griinlichbraune, glinzend behaarte 
Samen, auch benutzen die Eingebornen die Pflanze 
zur Bereitung eines Pfeilgiftes (Komb¢, Ince, Onage). 
Die Samen enthalten als wirksamen Bestandteil Stro- 
phantin C,,11,,0,,, ein weibes, kristallinisches stick- 
stofffreies Glykosid, das sehr bitter sehmeckt, in Was- 
ser und Alkohol leicht léslich ist und bei 185°schmilzt. 
Es steigert die Kontraktilitiit der Muskeln, besonders 


des Herzmuskels, ohne Verdauungsstérungen oder | 


kumulative Wirkungen zu zeigen. Man benutzt es 
deshalb wie'Digitalis bei Herzkrankheiten und asthma- 
tischen Anfillen. In gréfern Dosen fiihrt es schnell 
tédliche Muskelstarre herbei. Offizinell ist eine ans 
1 Teil Samen u. 10 Teilen Weingeist bereitete Tinktur. 

Fig. 8. Carica Papaya L. (Melonenbaum, Papay 


oder Mammona), ein astloser, 6 m hoher Baum aus , 


der Familie der Passiflorazeen, mit schwammigem 
Holz, gedriingten, langgestielten, handférmigen Bliit- 
tern, monézischen, achselstindigen, blaigelben Bli- 
ten, von denen die miinnlichen in langen Trauben 
stehen, und linglichen, gefurehten, melonenartigen, 


oft gegen 7,5 kg schweren, gelben Friichten. Er ist | 


im wilden Zustand nicht bekannt und wahrscheinlich 
ein Bastard aus mehreren in Mexiko heimischen Arten. 
Bald nach der Entdeckung Amerikas wurde er als 
Obsthaum üher alle Tropenliinder verbreitet. Er 
schieit ungemein schnell aus dem Samen auf, bliiht 
und trigt das ganze Jahr hindureh, stirbt aber 
schon im vierten Jahr ab. Das Holz strotzt von 
gelbem, bitterm Milchsaft, der verdiinnt als Wurm- 
mittel benutzt wird. Die Friichte haben ein wohl- 


Zur Tafel ,Arzneipflanzen TT’. 





schmeckendes, zuckerreiches Fleisch mit milchigem 
Saft und vielen, etwas scharf, kresseartig schmecken- 
den Samen. Sie werden yon den Eingebornen roh 
und frisch, mit Zucker oder Salz und Essig genossen. 
Die unreifen salzt man entweder wie bei uns die 
Gurken ein, oder kocht sie, in Stiicke geschnitten, 
als Gemiise. Der Milchsaft des Melonenbaums macht 
das ziiheste Fleisch miirbe, wenn man es damit ¢in- 
reibt oder eine kleine Quantitit Saft dem Wasser, in 
dem das Fleisch gekocht werden soll, zusetzt. Er 
bringt auch durch ein Ferment Milch zum Gerinnen. 
Die Benutzung der Blitter des Melonenbaums xar 
Zubereitung alten Fleisches soll in der Heimat des 
Baumes sehr alt sein. Der getrocknete Saft dient 
wie das daraus dargestellte Pipayotin (Papatn) gegen 
Diphtheritis und Dyspepsie. Es kommen verschie- 
dene Priiparate yon sehr ungleicher Beschaffenheit 
im Handel vor. In den Bittern findet sich ein Alka- 
loid Carpain C,,H,,NO,, das als teilweiser Ersatz 
der Digitalis empfohlen wurde. Bei uns kultiviert 
man den Melonenbaum hiinfig in Gewichshdusern. 
Fig. 9. Aspidosperma Quebracho blanco Scht., 
ein Baum oder Strauch aus der Familie der Apocy- 
nazeen, mit sehr hartem Holz, dinnen, hiingenden 
Zweigen, quirlstiindigen, kleinen, elliptisch - lanzeti- 
lichen, stachelig zugespitzten, blaulichgriinen, gelb- 
gerandeten Blittern, achselstiindigen, gelben Bliiten 
und grofen, holzigen, randlichen Kapseln, wachst 
in Argentinien und liefert die Quebrachorinde, welche 
sechs Alkaloide, Aspidospermin C,,H,,N,O etc. ent- 
‘halt, die der Zusammensetzung nach verschiedenen 
Chinaalkaloiden dhneln. Die Rindegelangte 1878 nach 

| Europa und wurde als Ersatz der Chinarinde gegen 
| Fieber empfohlen, Jetzt wird sie noch bei Asthma be- 
nutzt. Vgl. Hansen, Die Quebrachorinde (Berl, 1850). 
Fig. 10. Mallotus philippinensis Miill.-Arg. | Rott- 
lera tinctoria Rorb., Kamalabaum), ein Strauch oder 
kleiner Baum aus der Familie der Euphorbiazeen, 
mit abwechselnden, gestielten, ganzen eifénnigen, 
zugespitzten, unterseits filzig behaarten und mit roten 
Driisen besetzten Blittern, innen rotdrisigen Blites 
in achselstiindigen Bliitenstiinden und mit scharlach- 
roten Driisen dicht besetzten, kirschgroben Kapseln, 
wiichst in mehreren Varietiten auf Cevlon, in Vor- 
derindien, Assam, Hinterindien, auf den Sundainseln, 
Philippinen, im siidéstlichen China und in Nord- und 
Ostaustralien und liefert in den Drüsen der Kapseln 
die Kamala und aus den Samen ein fettes Ol, das 
gam Brennen und als Abführmittel benutzt wird. 
Die Kamala gewinnt man in Indien durch Schiitteln 
oder Abreiben der Frichte. Sie ist geruch- und ge- 
schmacklos, enthalt auber den unregelmiifig kugeli- 
gen, ziegelroten Driisen als Beimengungen Biischel- 
haare, Bruchstiickchen der Friichte und Biliitter, 
Staub ete. Sie wird von Wasser kaum angegriffen, 
gibt an Alkohol, Ather und Kalilauge ein rotes Harz 
ab, enthalt Spuren yon atherischem Ol, Zitronen- 
und Oxalsiure, im wesentlichen aber Harze (Kama- 
larot) und Rottlerin C,,H,,O,. Letzteres bildet gelbe 
Kristalle, lést sich in Wasser, Alkohol und Ather, in 
wiisserigen Alkalien mit tiefroter Farbe, ist nicht 
fliichtig und entsteht auch bei Behandlung von Aloin 
mit Salzsiure. Kamala (Werrus) dient in Indien 
| seit alter Zeit zum Fiirben der Seide and gibt ein 
schönes Orangebraun; seit der Mitte dea 19. Jahrh. 
' wurde es in Europa als Bandwarmmittel benutzt. Vor 
Kusso hat es den Vorzug, dab es weniger leicht Ubel- 
keit u. Erbrechen erregt und zugleich abfiihrend wirkt. 








_Auch gegen Hautkrankheiten ist es benutzt worden. 


Argzneimitteltrager — Arzt. 


werden im Laufe von 1—3 Tagen durch den Darm 
und Die Nieren wieder ausgefdieden, und es bedarf 
erneuter Einfuhr, wenn ihre Wirfung fortdauern foll; 
eingelne Stojfe Dagegen, 3. B. Digitalis, wirfen nod 
— Tage nad, und dieſe Wirkung ſteigert ſich 
bei andauerndem Gebrauch bis zu bedrohlichen Ver— 
gc nine, (fumulative Wirfung). 
is zu einem gewijfen Grad find die Folgen, die em 
UW. hervorrufen wird, wenn man es in Diefer oder 
jener Menge gibt, mit Beſtimmtheit vorauszujagen; 
wenn es trotzdem Schwankungen gibt, wenn cine er- 
wartete Wirfung ausbleibt oder eine andre unerwar— 
tete Nebenwirfung cintritt, fo fann cine mangel- 
hafte Bejdajfenheit der Arznei die Schuld daran 
tragen, oder es fan cine gewifje abnorme Realtion 
Des Körpers, eine — ju Grunde liegen. — 
Der Grohvertehr mit Urgneimitteln ijt das eigent— 
liche Objeft des Drogenhandels, die Whgabe an die 
Ronfumenten fällt den Wpothefern ju, dod) treiben 
jehr viele Drogijten aud) Handverfauf. Cine faifer- 
lide Verordnung vom 22. Olt. 1901 regelt den Ver— 
fehr mit Arzneimitteln im Deutſchen Reid) und fest feſt, 
welche Bubereitungen, Drogen und chemifden Prä— 
parate nur in Apotheken feilgehalten werden diirfen. 
Bal. die Hand- und Lehrbiider der Urgneimittellehre 
von Huſemann (3. Mufl., Berl. 1892); Noth- 
nagel und Roßbach (7. Aufl., daj. 1894); Ra- 
bow und Bourget (daj. 1897); Bing (Grund— 
züge«, 13. Uufl., daf. 1901); Cloetta-Filehne 
(10. Wufl., Freiburg 1901); Tappeiner (4. Aufl., 
Leipz. 1901); Sd miedeberg (Grundriß«, 4. 
Aufl., daſ. 1902); Bing, Vorleſungen über Phar- 
makologie (3. Aufl., Berl. 1891); Fiſcher, Die 
neuern A. (6. Aufl., daſ. 1894); Peters, Die neue- 
ſten A. und ihre Doſierung (3. Aufl., Leipz. 1902); 
Lewin, Die Nebenwirkungen der A. (3. Aufl., Berl. 
1899); Fränkel, Die Urgneimittelfynthefe (daf. 
1901); Dolfert, Volfstiimlidhe Arzneimittelnamen 
(2. Aufl. 1898); Hand- und Lehrbiider der Urgnei- 
verordnungslehre von Ewald (13. Aufl., Berl. 
1897; Ergänzungsheft 1901), Liebreid und Lang: 
gaard (5. Aufl., daf. 1902); Bittqer, Die reidhs- 
geſetzlichen Beſtimmungen über den Verfehr mit Arz— 
neimitteln (4. Aufl. daſ. 1902); Lebbin, Verkehr nt 
Heilmitteln u. Giften im Deutſchen Reich (daſ. 1900). 
Arzneimittelträger, ſ. Arzneiſtäbchen. 
Arzneipflanzen ſhierzu Tare Arzneipflanzen I 
bis IiL« mit Lert), die zur Bereitung von Arzneimit⸗ 
teln dienenden Pflanzen. Seit den erſten Anfängen 
der Heilkunde wurden zahlreiche Pflanzen wegen ihrer 
wirklichen oder vermeintlichen Heilkraft verwendet, 
und Roſenthal zählt in ſeiner Synopſis über 8000 YU. 
auf, ohne damit irgendwie Vollſtändigkeit zu erreichen. 
Unter dieſen Pflanzen gibt es aber ſehr viele von ge— 
ringer oder keiner mediziniſchen Wirkſamkeit, und die 
neuere Medizin, deren Streben auf Vereinfachung 
der ärztlichen Verordnungen gerichtet iſt, hat ſehr viele 
früher geſchätzte W. fallen laſſen, während neuere Ein— 
führungen, beſonders wieder in der jüngſten Zeit, 
—— auftauchen, aber nur ſelten als wirkliche Be— 
reicherung des Arzneiſchatzes ſich dauernde Geltung 
verſchaffen. Seit 1870 find mur etwa zwölf neue Dro- 
— das deutſche Arzneibuch aufgenommen worden. 
deutſche Arzneibuch von 1900 führt im ganzen 
etwa 140 Pflanzen auf, von denen cine Anzahl gar 
nicht als A. gu bezeichnen find und andre faum nod 
von Arzten angewendet werden. Bon den A. gehört 
etwa der vierte Teil den Kryptogamen und Monoto- 
tylen an. Die meijten Drogen liefern Kompoſiten, 











837 


Labiaten, Umbelliferen, Solanazeen und Papiliona— 
zeen. Nach ihrem Vaterland verteilen ſich die A. ſehr 
ungleich. Schon Theophraſt ſuchte 1588 zu beweiſen, 
He die im cignen Land gewadjenen A. den Bewoh— 
nern beilfamer feien als frembde, upd. dementipredend 
gehört aud) bei uns die Mehrzahl der A. Europa an, 
ebenſo bevorzugen Indien, Mexiko und Nordamerifa, 
ausgejproden jeit etwa 60 Jahren, vereingelt auch 
idjon erbeblich friiher, ihre heimifchen Gerwiidhye. Unſer 
Arzneiſchatz enthält nächſt europäiſchen beſonders aſia 
tiſche, afrilaniſche und amerilaniſche A. Einige der 
wichtigſten A. find auf beifolgenden Tafeln abgebil— 
det und beſchrieben. Die A. werden meiſt an den Or— 
ten geſammelt, wo ſie wild wachſen, viele werden auch 
kultiviert, in größtem Maßſtabe beſonders der China— 
rindenbaum und der das Opium liefernde Mohn. In 
Deutſchland nahm die Kultur der A. ihren Ausgang 
von dem »Capitulare de villis et hortis« Karls d. Gr. 
Gegenwärtig blüht fie an wenigen Orten. Feldmiapige 
Kultur findet fid) befonders bei Kölleda, wo WUngelifa, 
Levijtifunt, Wermut, Pfeffer⸗ und Kraufeminge, Bal— 
drian 2. — werden. Erfurt liefert Kümmel, Ko— 
riander, Anis, Foenum graecum, Mohn, Senf; 
Schneeberg im Erzgebirge: Ungelita, Baldrian, 
Meum; Schweinfurt und Iiirnberg bauen Withaa 
und Stoctrofe; Ufen a. E.: Königskerze, Minze, Wer- 
mut, Melijje x. Jenalöbnitz reprifentiert den Typus 
der Gartenfultur, die fehr zahlreiche A. liefert, in ge- 
ringerm Umfang aud) bei Duedlinburg und andern 
— vertreten iſt. 

rzueiſtäbchen Wundſtäbchen, Cereoli), 
meiſt biegſame oder elaſtiſche runde Stäbchen, die in 
ihrer ganzen Maſſe oder nur in der äußern Schicht 
—— enthalten und zur Einführung in Ka— 
nile des Körpers beſtimmt nd, Untrophore be- 
fiben eine Metallfpirale als Traiger der bei Körper— 
tentperatur ſchmelzenden, den Arzneiſtoff enthalten- 
den Maſſe aus Gelatine, Glyzerin und Wafer. 

Araneitabletten , ſ. Tabletten. 

Arzneitaxe, die von den Regierungen feſtgeſtell— 
ten Preisbeſtimmungen für Arzneimittel und fiir die 
bei Unfertiqung von Arzneien vorlommenden Urbei- 
ten, an weldje die Upothefer bei Verabreichung der 
Arzneien gebunden find. Geit cag garg: Se: 
werbeordnung von 1869 wird die A. als Maximal: 
tare betradjtet und nur ihre Überſchreitung mit Strafe 
bedroht. Vielen Urjneitaren liegt das Prinzip gu 
Wrunde, fiir billige Waren einen hohen, fiir teure 
einen geringen Aufſchlag zu gewähren, und die da: 
durch hervorgebradten hohen Greife der billigen Wa: 
ren haben den Wpothefer in den Verruf der hohen 
Prozente gebracht. Von Feit ju Heit wird die A. nad 
den laufenden Drogenpreiien revidiert. 

Arzt (altdeutſch arzait, v. qried. archiiter, »Ober⸗ 
ar3t«; lat. Medicus), em Wann, der fic) berufs: 
—* mit der Behandlung von Krankheiten beſchäf 
tigt. Nach der deutſchen Gewerbeordnung iſt 
die Ausübung der Heilkunde ohne Nachweis der Be— 
fähigung jedem geſtattet. Das frühere Verbot der 
Kurpfuſcherei (Medilaſterei) iſt weggefallen, und der 
U. ijt lediglich dem allgemeinen Strafgeſetz unterſtellt, 
das fahrläſſige Tdtung und Körperverletzung mit 
Strafe bedroht. Dabei gilt es aber als ein jtraferhohen- 
des Moment, wenn der Titer vermige ſeines Berufs 
oder Gewerbes gu der Aufmerkſamleit, die er aus den 
Augen fete, bejonders verpflidtet war, wie dies bei 
einem A. der Fall ijt. Die frühern Beſchränkungen 
Der praftizierenden Arzte hinfidtlid) der Wahl Bes 
Wohnſitzes, eben⸗ — Zwang zur ärztlichen 


838 


Hilfeleijtung find durd die Gewerbeordnun 
worden. Es beſteht nur die allgemeine ſtrafrechtliche 
Vorſchrift, wonad der bet Ungliidsfallen oder ge- 
meiner Gefahr oder Not von der Polizeibehörde zur 
Hilfe Aufgeforderte dicfer Uufforderung Folge zu 
leijten hat, wofern er der letztern ohne erheblide eigne 
Gefahr geniigen fann. Die Beſtimmung ded ärzt— 
lidjen Honorars unterliegt der freien Vereinbarung. 
Nur fiir ftreitige Falle fonnen aud) fiir die Ärzte 
Taren von den Zentralbehirden feſtgeſtellt werden, 
die mangelS einer Vereinbarung fiber das Honorar 
mafgebend find. Durd) Verträge mit den Nachbar⸗ 
jtaaten wurde fiir die Grengbesirfe den Medizinal— 
perjonen die wechſelſeitige Freie — e⸗ 
ſichert. Die Ungeigepslidt des Arztes erj a 
auf Geburten, wenn der ehelidje Bater oder die Heb- 
anuine an der Ungeige verhindert, bes. nidt vorhanden 
war, und auf die in der Praxis vorlommenden Faille 
widhtiqer und dent Gemeinwejen gefahrdrohenden 
— ſowie von plötzlich eingetretenen verdäch⸗ 
tigen Erfranfungs- und Todesfällen. Dagegen ijt 
der A. (nicht aber Berfonen, die ohne Approbation 
Strante behandeln) durch § 300 des Strafgeſetzbuchs 
verpflichtet, Tatſachen, die ifm in Wusiibung feines 
Berufes befannt qeworden find, als Berufsgeheimmnis 
ju bewahren. Eine jtaatlide Upprobation ijt 
fiir alle diejenigen Berjonen nitig, die fic) als Ärzte 
(Wund-, Uugen-, Zahn⸗, Tierärzte, Geburtshelfer) 
oder mit gleidjbedeutenden Titeln bezeichnen wollen. 
Die Priifungsordnung fiir Ärzte ijt durch Bundes- 
ratsbeſchluß vom 28. Mai 1901 geregelt. Zur Uppro- 
bationsertetlung find die Bentralbehirden (Minijte- 
rien) derjenigen Bundesjtaaten befugt, die eine oder 
mehrere Candesuniverjitdten haben. Die Wpprobation 
gilt fiir Das ganze Reichsgebiet. Diefelbe fest voraus 
Reifezeugnis eines deutſchen humaniſtiſchen oder 
Realgymnaſiums, ein Studium von zehn Semeſtern 
an einer deutſchen Univerſität, Ablegung der ärzt— 
lichen Vorprüfung (tentamen physicum) nad) dem 
fiinften Semejter und der ärztlichen Prüfung (Staats- 
examen) nach dem zehnten Semeſter, endlich (ſeit J. 
Ott. 1903) die hierauf folgende einjährige Beſchäfti— 
gung an einer Univerjititsflinif, “Boliflinif, an einem 
mediziniſchen, nicht kliniſchen Univerfitdtsin{titut, an 
einem größern, mindeſtens 60 Betten zählenden 
Krankenhaus, das von der zuſtändigen Zentralbehörde 
als geeignet anerkannt iſt, oder an einem medizini— 
ſchen wiſſenſchaftlichen Inſtitut innerhalb des Deut- 
chen Reiches. Die Approbation iſt (in der Regel) 
Vorausſetzung für die Sulafjung zur mediziniſchen 
Doftorpromotion (preußiſcher Miniſterialerlaß vom 
31. Marz 1898), doc) wird letztere mur fiir die Zulaſ— 
fung sur Kreisarztprüfung gefordert. Die Upprobation 
fann bei Aberkennung der bitrgerlidjen Chrenredte 
fiir Die Dauner des Ehrverluſtes aufqehoben werden, 
ferner dann, wenn die Unrichtigkeit der Nachweiſe dar: 
qetan wird, auf Grund deren fe erteilt wurde. Nicht: 
approbierten ijt die Unsiibung der Heilfunde im Um— 
herziehen verboten. Derjenige, der fic), ohne hierzu 
approbiert ju fein, als A. (Wund-, Uugen-, Zahn-, 
Tierarst, Neburtshelfer) bezeichnet oder einen ähn— 
liden Titel dba ot durch den der Glaube erivedt 
wird, der Inhaber desfelben fei cine gepriifte Medi- 
— hat Geldſtrafe bis zu 300 We. und im 
Invermigensfall Haft bis zus Woden verwirft. Cin 
A. der cin unrichtiges Zeugnis iiber den Gefundheits- 
zuſtand cines Menſchen jum Gebraud) bei einer Be— 
pdrde oder Verſicherungsgeſellſchaft wider befferes 
Wiſſen ausftellt, wird mit Gefingnis von 1 Monat 


Arzt (Pilidhten, ſtaat 


lide Upprobation ꝛc). 


befeitigt | bid zu 2 Jahren bejtraft; auch farm auf Verluſt der 


biirgerliden Ehrenrechte erfannt werden. Ebenſo 
trijft Denjenigen, ber unter der thm nicht suitebenden 
Bezeichnung als A. cin Geſundheitszeu ausſtellt. 
clings bis au 1 Jahr. — Wis beamtete 
Arzte bezeichnet man Urgte, die im Intereſſe Der Sffent- 
lichen GefundbeitSpflege und zur Durdfiibrung der 
Medizinalgefegqebung vom Staat auf Grund ciner 
beſondern Průfung angeitellt find Kreisarzt. Be- 
zirlsarzt) — Qn Ojterreich fept die Berechtigung sur 
usiibung des ärztlichen Berufs im allgemeinen die 
Erlangqung des medizinifden Doftorgrades an einer 
inlandifden Univerjitdt voraus (§ 1 der Rigoroſen⸗ 
——— die mediziniſche Falultät von 15. April 
1872). Wundärztliche Diplome werden ſeit 1875 nicht 
mehr erteilt. —* Vorleg — Doftordiploms 
an die politijde Behirde tt i r graduierte A. be- 
rechtigt, an einem beliebigen Orte jich niederzulaſſen 
und jeine Kun jt auszuüben. Der ärztliche Beruf zahlt 
nämlich in Ojterreid) nicht unter die Gewerbe, ſon— 
dern unter die fogen. freien Beſchäftigungen, wabrend 
Der A. in Deuticsland als Gewerbtreibender gilt. 
Frauen fonnen im Deutiden Reid sur ärztlichen 
Prüfung zugelaſſen werden, wenn fie die ſchulwiſſen— 
ſchaftliche Vorbildung nachweiſen und (aud ohne Im— 
matrifulation) einen ſachlich ordnungsmäßigen afa- 
demifchen Studiengang gemadt haben. In Djter- 
reid) können Frauen bet den mediziniſchen Fafultaten 
immatrifuliert werden. Vorausfepung bildet die djter- 
reichiſche Staatsangebhirigfeit und das Reifezeugnis 
eines Gymnafiums. Es jind vorzugsweiſe Ruſſin— 
nen, UWmerifanerinnen und Franzöſinnen, die fich 
teils auf den Univerſitäten und Fachſchulen ihrer Her- 
‘mat, tells auf Schweiger und deutidjen Univerjitaten 
dem Studium der Medizin, insbeſ. der Geburtsbilfe, 
| Frauenfranfheiten und umern Medizin, widmen und 
öfters aud) den Doltorgrad erwerben. Die hobe Wus- 
bildung der Medizin hat zur Folge gebabt, daß cim- 
zelne Ärzte als Spezialärzte fid) der Behandlung 
einer bejondern Klaſſe von Rranfheiten widen. Ge- 
winnen Diefe Arzte auf ihrem Gebiete tiefere Cinficht, 
größere Erfahrung und Geſchiclichkeit, fo fest ihre 

a Dod) eine Unusbildung fiir das ganze Gebtet 
der Medizin voraus, da bei jeder Erkrankung der Zu⸗ 

jtand des gefamten Organismus in Betradt lommt. 

In allen größern Stadten find von der Gemeinde 
bezahlte Armenärzte bejtellt, die erfranften Yrnten 
unentgeltlich Hilfe leijten. Die Kranlenverſicherungs 
pflicht der Yrbeiter, geregelt durch Reichsgeſetze von 
1883 und 1892, hat den Krankenkaſſenarzt ge— 
ſchaffen. Während in den meiſten Kleinſtädten die 
Krankenlaſſen beſondere Kaſſenärzte angeſtellt haben, 
die cin jährliches Honorar meiſt nad) der Kopfzahl 
der Kaſſenmitglieder beziehen, hat ſich in vielen Groj- 
ſtädten das Syftem der freien Arztewahl durd- 
gerungen, das dem erfranften Kaſſenmitglied gejtat 

tet, Den YW. ſeines BVertrauens zu Rate zu jiehen, Die 
Kaſſen liefern cine bejtimmte Summe an den Arzte⸗ 
| verein ab, die diefer nad) cinem Bon: oder Pointſyſtem 
ant die behandeinden Ärzte verteilt. Bei bef drant- 
ter Arztwahl ſchließt die Kaſſe mit einzelnen Urzterr 
Vertriige ab. Yn etwas weniger ausgiebtger Weise hat 
der UW. aud) bei Der Unfall- und Invaliditäts— 
verfidjerung der Arbeiter mitzuwirken. 

Der U. als Leiter cines Privatfranfenhau- 
ſes bedarf der Konzeſſion der höhern Verwaltungsd« 
behörden. Die Konzeſſion kann verweigert werden 
1) wenn der Unternehmer in ſeinem Vorleben Be— 
weiſe von Unzuverläſſigkeit gegeben bat, 2) wenn das 














Arztekammern — 


Unternehmen nicht den gefundheitspolizeiliden Un- | 
forderungen entjpridjt. Dem Kreisargt fteht das Redht 
der Revifion gu. Umſtändlicher als in den iibrigen 
Privatkrankenhäuſern find die Vorſchriften, die von 
der Aufnahme Geijtesfranter in die Privatirren- 
—— — Ärzte, die alg Vertrauens— 
ärzte für Lebensverſicherungsgeſellſchaften fungie— 
ren, haben Gutachten darüber auszuſtellen, ob der 
Aufzunehmende die Wahrſcheinlichkeit hat, die nor: | 
male LebenSdaucr gu erreidjen. In der deutſchen 
Unfall- und Jnvalidenverfiderung werden ſeit 1. Jan. 
1900 Vertrauensärzte bet den Sdhiedsgeridten fiir 
Urbeiterverfiderung jährlich gewählt. Wis Sach— 
verſtändiger und Zeuge vor Gericht iſt der A. be— 
rechtigt, fein Zeugnis zu verweigern, ſobald er fürch-⸗ 
tet, durch dasſelbe cin Berufsgeheimnis zu verletzen, 
und es iſt ſeinem — pflichtgemäßen Ermeſſen 
iiberlajjen, wann er glaubt, daß dieſe Verletzung ein⸗ 
tritt; allein dieſe iy Be ijt nad) § 52 der Straf- | 
prozeßordnung vom 1. Febr. 1877 ungefeplid), fo- 
bald ev von der Verpflichtung zur Verſchwiegenheit 
entbunden worden ijt. Auch einem nidjt beamteten 
U. fann jedergeit cine gerichtsärztliche Tatig- 
Feit, 4. g cine Leidhendffnung, iibertragen werden. 
Bei der Abfaſſung von Uttejten foll aud) der | 
nicht beamtete A. ſich möglichſt an die durch die preu— 
ßiſche Zirkularverfügung vom 20. Yan. 1853 und 
11. Febr. 1856 fiir die Tebiginalbearaten vorgeſchrie⸗ 
bene Form halten. Es ſoll jedes ärztliche Atteſt näm— 
lich enthalten: 1) die beſtimmte Angabe der Veran— 
laſſung zur Ausſtellung des Atteſtes, des Zweckes, zu 
dem es gebraucht, und der Behörde, der es vorgelegt 
werden joll; 2) die etwaigen Angaben des Kranken 
oder feiner Angehörigen; 3) die eignen tatſächlichen 
Wahrnehmungen des Beamten; 4) die aufgefundenen 
wirfliden Krankheitserſcheinungen; 5) das motivierte 
Urteil über die Krankheit, oder über die fonjt geſtell— 
ten Fragen; 6) die dienſteidliche Verjicherung, daf | 
das Atteſt der Wahrheit entipridt. Cin Ret au 
irgtliden Eingriffen befteht als ſolches nicht 
(Entſcheidung des ReidhSgericdhts vom 31. Wai 1894), 
jondern nur Der Wille des Kranken legitimiert den | 
U. gu Cingriffen, die fonft als Körperverletzungen 
ball ae Delifte bilden wiirden. — Die Zabl der Ärzte 
betrug 1901 in Deutjdland 27,347; auf 100 qkm - 
famen im Deutiden Reid) 5,06 Ärzie. Auf 10,000 
Einw. famen in Deutidland 5,24, in Preußen 5,18, | 
Bayern 5,22, Sadjjen 5,41, Wiirttemberg 4,23, Ba- 
den 6,30, Heffen 6,57, Mecklenburg-Schwerin 4,52, 
Medlenburg-Strelig 3,55, Sachſen Weimar 6,13, im | 
Stadttreis Berlin 14,07, Charlottenburg 26,06, Bre- 
men 7,18, Hamburg 8,58 Ärzte. Vol. Ziemßen, Der 
YU. und die Unfgaben des ärztlichen Berufes (Leips. 
1888); Guttſtadt, Deutidlands Gefundbheitswefen | 
(daj.1892); Rapmrund u. Dietrich, Arztliche Rechts: 
und Geſetzeskunde (Daf. 1899); Beder, Lehrbuch der | 
ärztlichen Sachverſtändigentätigleit (4. Aufl., Berl. | 
1900); Schwalbe, Beſtimmungen über die Bulaf- | 
jung sur ärztlichen Praxis tm Auslande (Leip. 1899) ; | 
Peters, Der A. und die Heilfunjt in der deutfden | 
Vergangenheit (daj. 1900); Placzet, Das Berufs: | 
eheimnis des Arztes (2. Wufl., Berl. 1898); Moll, 
rztliche Ethif (Stuttg. 1902); Bagel, Biographi- 
ſches Lerifon hervorragender Arzte des 19. Jahrhun— 
derts (Wien 1901, 5 Tle.); Wehmer, Die neuen 
Medizinalgefese Preußens (Berl. 1902); Birners 
»ReidSsmedizinalfalender« (Leip;.); Sdiirer von 
Waldheim und Kafka, Arzte-Koder (Sammlung 
Der öſterreich. Geſetze ꝛc., 2. Aufl., Wien 1897). 


' 





= 


Arztliche Vereine, 839 


Arztekammern, durd Verordnung vom 25. Mai 
1887 eingefiihrte Standesvertretungen der Ärzte in 
Preufen, Bayern, Baden, Sachſen, Wiirttemberg, 
Hejfen, Oldenburg, Hamburg, Braunſchweig, Elſaß— 
Lothringen und den thiiringifden Staaten zur Er: 
drterung aller Fragen und Angelegenheiten, die den 
ärztlichen Beruf oder die öffentliche Geſundheitspflege 
betreffen. Sede Proving wählt eine Arztekammer aus 
mindeftens zwölf Mitgliedern. Die Mitglieder wer- 
den auf 3 Jahre gewahlt und gwar auf 50 Wabhl- 
beredhtigte cin Mitglied. Wahlberechtigt und wählbar 
ijt jeder approbierte Arzt, der im Wahlbezirk wohnt. 
Der Vorjtand bejteht aus mindejtens fiinf Mitgliedern. 
Die W. haben Vorſtellungen und Anträge an die 
Staatsbehirden gu ridten und wählen Vertreter, die 
an widtigen Sipungen der Provingialmedizinal- 
follegien und der Wiſſenſchaftlichen Deputation fiir 
das Wedizinalwefen teilnehHmen. Rad BVerordnung 
vom 6. Jan. 1896 bilden Delegierte der A. (je einer) 
fiir Die Dauer der Wabhlperiode der Kammer cinen 
Ärztekammerausſchuß mit dem Sig in Berlin 
und Der Aufgabe, vermittelnd gu wirfen zwiſchen dem 
Minijter und den Kanrmern und zwiſchen letztern unter- 
einander. Der Vorſitzende des Ausſchuſſes beruft ihn 
in Der Regel jährlich einmal. Nach Geſetz vom 25. Nov. 
1899 ijt die Arztelammer befugt, vor den wahlberech— 
tigten Ärzten des Kammerbesirts einen von ihr fejt- 
zuſetzenden Beitrag zur Decung des Kaſſenbedarfs zu 
erheben. Nach demfelben Gejeg wird in Breuken fiir 
den Bezirk jeder Ärztelammer ein ärztliches Eh ren- 
geridjt und fiir den ganzen Staat cin Chrengeridts- 
hof gebildet. Crjteres hat zu erkennen über die Ver- 
lefung der ärztlichen Standespflichten durch die ap- 
probierten Arzte. Auf Untrag eines Arztes muy eine 
sGoneniciaitioe Entideidung iiber fein Verhalten 
herbeigefiihrt werden. Politiſche, wiſſenſchaftliche und 
religiöſe Unfidten oder Handlungen Hilden nidt 
den Gegenjtand ehrengeridtlicen Berfahrens. Als 
Ehrenrat hat das Ehrengeridt die Beilequng von 
Streitigfeiten zu vermitteln. Beamtete Ärzte, Mili- 
tiir> und warinelirate unteritehen nicht Dem Ehren— 

ericht. Gegen die Entideidungen des Ehrengerichts 
it Berufung an den Ehrengerichtshof zuläſſig. 
Dieſer befteht aus dem Leiter der Medizinalabteilung 
de3 Minijteriums, vier gewählten Mitgliedern des 
AÄrztekammerausſchuſſes und zwei vom König er— 
nannten Ärzten. Vgl. Altmann, Äürztliche Ehren— 
gerichte und ärztliche Standesorganiſation in Preu— 
pen (Berl. 1900). 

Mrgtetag, ſ. Ärztliche Vereine. 

Arztliche Ehreugerichte, ſ. Ärztekammern. 

Arztliches Fortbildungsweſen. Die Abſicht, 
den praktizierenden Arzten die Fortſchritte Der Medi— 
zin leichter zugänglich zu machen, hat zur Einrichtung 
von alljährlich ſtattfindenden Kurſen an den Univer— 
ſitäten und an großen gemeindlichen Nranfenanjtal- 
ten (3. B. Hamburg, Dresden) geführt, in denen na- 
mentlich aud) die rrungenfdaften der Spesialfader 
Berückſichtigung finden. In VPreußen bejteht ein 
Rentralfomitee fiir das ärztliche Fortbildungsweſen, 
das die Förderung, bez. Emridtung und Ubhaltung 
| unentgeltlicjer Kurſe fiir Ärzte durch Hofpitalteiter, 
Spezialärzte rc. ſich zur Aufgabe macht. Bal. Kut— 
mer, Das ärztliche Fortbildungsweſen in Preußen 
| (Leip;. 1902). 

« Mrgtliche Vereine dienen namentlich wiſſen— 
ſchaftlichen oder wirtidaftliden und Standesintere)- 
jen. Die Grundlage des frei organijierten ärztlichen 
Vereinswejens bildet der 1873 in Leipzig geqriindete 





840 


Ärztevereinsbund, der zur Beit aus 279 ärzt⸗ 
liden Bereinen mit iiber 15,000 Mitgliedern bejteht, 
einen 21köpfigen Geſchäftsausſchuß beſitzt, das »Argt- 
liche Vereinsblatt· fiir Deutſchland herausgibt und all- 
jährlich einen Ar ztetag veranſtaltet. Ein vom Ärzte— 
vereinsbund errichtetes Syndikat mit dem Sig in 
Berlin ſoll bei Schaffung neuer Gejege die Wünſche 
und Bejtrebungen der Ärzte jum Uusdrud bringen. 
Während diefer Verein alle oben bezeichneten Inter— 
eſſen gu fordern bejtinuntt ijt, hat ſich unter dDemt Drud 
der veridlecterten Erijtensbedingungen der Ärzte 
neben ifm cin Wirtſchaftlicher Verband orga— 
nifiert, der fid) mit großem Cifer der materiellen ärzt⸗ 
liden Standesintereſſen annimmt. Wratlide Un- 
terjtiipungstaffen beſtehen sur Zeit 82 in Deutid- 
land, die größte ijt bie Zentralhilfskaſſe fiir die 

rjte Deutſchlands, in die jeder gejunde, nod) 
nidjt 50jährige deutſche Arzt fiir 10 We. cintreten 
fann, und aus der er cintretenden Falls eine Inva— 
liden= oder Altersrente von 500 —1500 We. erhält. 
Ral. Rapmund u. Dietrich, Ärztliche Rechts- und 
Geſetzeskunde (Leipz. 1899); Graf, Das ärztliche Ver- 
einsweſen (da}. 1890); Berger, Gefchidte des ärzt— 
lichen Vereinswefens in Deutidland (Frankf. 1896). 

As, in der Chemie Zeichen fiir cin Utom Arſen. 

AS, in der Muſik das durd) > erniedrigte A (Lap, 
ital. La bemolle, franj. La bémol, engl. A flat). 

Ws, die Eins im Karten und Fiirfelfpiel, in vielen 
Rartenfpiclen das höchſte Blatt. 

As (lat.), bei Den Römern die Cinheit im Gewichts 
und Münzweſen. Wis Gewidt (Libra, Pfund ge- 
nannt) wurde das As zwölfmal geteilt, und ‘ie As 
madjte eine Uncia (Unze) aus. Geine Teile waren: 


As Unjen As Unjen 
as... «== 1 ober 12} quincunx . = 5/12 ober 5 
deunx . . == Mig + 11/ triens . . = Ys 4 
dextans. . — 5 10 quadrans.— Ye « 8 
dodrans. — Ms 2 9 | soxtans = Nig s 2 
bes . . . = 3% 06s) Bf uneia . w= he ee 1 
septunx . — thea « 7! semuncia. = 44 « Me 
semis . — Ye = 6] sextula ='ha + We 


1 As war nad) Bidh — 32745 g. WIS Kupfer— 
münze (Die zuerſt unter Servius Tullius mit Bil- 
dern von Tieren [Daher pecunia, von pecus] bezeich— 
net wurde) wog 1 As urjpriinglid) 12 Unjen; tat- 
fiichlid) aber batten die Miingen nur 10 Unzen und 
waren jtart mit Zinn und Blei legiert. Bon Teil- 
miingen hatte man den Semis, Triens, Quadrans, 
Sextans und Die Uncia. Beide Seiten der Münzen 


wurden feit 500 v. Chr. durd) Bilder bezeichnet, die | 


cine Seite fpater gewöhnlich durch einen Schijfidnabel 
und die Wertbezeichnung in Miigelden, die andre Seite 
durch Götterlöpfe (Whbildung }. Tafel »Wiingen I<). 
Die altejten, uns erhaltenen Stiide gehen jedod) nicht 
liber 300 v. Chr. hinaus. Auf dem As erfcheint der 
Doppelfdpjige Janus, auf dent Semis Dupiter, auf 
dem Triens Viinerva, auf dem Quadrans Herfules, 
auf dent Sextans Mercurius, auf der Uncia wieder 
Winerva oder die als Göttin perjonijigierte Noma. 
Dieſe Münzen waren das geſetzliche und ausſchließ— 
liche Kurant von den Dezemvirn (451 v. Chr.) an bis 


As — Aſaky. 


(2. Bearb., daj. 1882). — Geit dem Mittelalter diente 
befonders das holländiſche As sur Grundlage fiir ge- 
naue Bejtimmungen der Gold-, Silber- und Münz⸗ 
gewichte. Die Amſterdamer Troismark enthielt 
5120 Aſen, das alte Pariſer Pfund ihrer 10,184,62, 
woraus 1 g — 20,s80592 Us und 1 US — 48, /6324 mg 
berechnet ijt. Die alte Kdlner Mark von 233,s123 g 
wurde in 4020 Kilner US (deutide Dulatenas), 60 
auf das Rauhgewidht des Dulatens, fowie in 4332 
Kölner Eßchen und im 4422 ſächſiſche Dulatenas, 66 
auf den Dufaten, und die Wiener Markl von 2s0,e0g 
in 4824 Peta pa eingeteilt. Jn Preuken nabm 
man die Kölner Wark von 233,855 g — 4864 bollan- 
diſche US an, teilte jedod) das Grin 1831 in Sech— 
Ce und nannte Ddiefe 1854 »preukifde US<, die 

uünzmark = 4608; feit 1857 war das neue Miiny- 
pfund von 500 g in 1000 Tauſendſtel gu 10 Us geteilt, 
bis das metrijde Sytem dem cin Ende madte. 

8, Singular von Wf ar (j. d.). 

Aes (lat.), Erg, befonders antife Bronze; A. Co- 
rinthium, forinthifdes Erz; A. cyprium, Kupfer, 
das im VWitertum von Cypern fant. 

Aſa (Uj ja), Konig des Reiches Quda, Sohn und 
Nachfolger Ubias, Urenfel Salomos, 955—914, nach 
andern 909—869 v. Chr., bob die Webrfraft des 
Landed, bejiegte im 11. Regierungsjabre die Agypter 
bei Marefa, reinigte den Kultus von heidnifden Zu- 
taten und Klug mit Hilfe Syriens Baeja von Israel. 

Aſaba, f. Aſſaba. 

Asa duleis, ſoviel wie Benzoe. 

Asa foetida (Ufant, Stinfafant, Teufels: 
dred), der erhartete Milchſaft der Wurzel von Ferula 
Assa foetida L., im Steppengebiet Berjiens und in 
Turfijtan, die aud in einigen Gegenden fultiviert 
wird, und von Ferula Narthex Bovss., in Afghani— 
jtan und Tibet. Man gewinnt die A. durch Abſchnei 
den der Stengel und des Kopfes der ſehr ftarfen Wur— 
zel und Einſammeln ded erbairteten Saftes. A. in 
granis bildet fleine, gelblidje oder braune Korner, A. 
in massis, eine fornige Grundmaffe, in der neben 
erdigen Veimengungen Körner —— liegen. A. 
ijt anfangs milchweiß, wird an der Luft zart rot, dann 
violett, endlich braun. Sie ijt weich wie Wachs, flebend, 
in Der Kälte ſpröde und leidt pulverifierbar; fie riecht 
höchſt unangenehm noblaudartig, ſchmeckt widerlich, 
icharf bitter und aromatijd, befteht aus Harz (Ferula⸗ 
ſäure-Aſareſinotannoleſter), Gummi und ſchwefel⸗ 
haltigem ätheriſchen Ol. Die A. ijt weder in Ällohol 
nod in Wafer vollandig löslich, gibt aber mit letzterm 
leicht cine Emulfion. Die A. ijt im Orient feit langem 
gebräuchlich und war der Salerner Schule ſchon im 
| 11. Jahrb. befannt. Jest benugt man fie bei Hyſterie 

und habituellem Wbortus. Jn Perjien und Yndien 
| (angeblid) auch in der feinern franzöſiſchen Ride) 
dient A. gur Würze von Speijen und Getränlen. 
| Asagraea, {. Schoenocaulon. 
we ivi (tiirf.), Die Truppen, das Heer. 
| Aſaky, Georges, rumän. Schriftiteller, 

1. März 1788, geft. 24. Nov. 1869 in Jaſſy, erbielt 
in Deut}dland und Italien eine forgfaltige Erziehung 


1860); Hultſch, Griechiſche und römiſche Metrologie 





kurz vor Anfang des erſten Puniſchen Krieges. Der | und ſtudierte zu Wien höhere Mathematik und Aſtro 
Wert dieſes As iſt 47 Pf. Bei Einführung des Silber nomie. Yn die Heimat guriidgefehrt und jum Mi 
geldes (268 v. Chr.) wurden 3 As, fpiiter fogar 6 As nijterialrat ernannt, jtellte er fic) die Wiederdelebung 
aus cinem Bfund Kupfer gepriigt, wonad) fid) der | und Reinigung der rumäniſchen Sprade und die Zi— 
Nurswert de3 As entipredend bis zulegt auf 4 Pf. | vilifation ſeines Baterlandes zur Lebensaufgabe, 
reduzierte. Urſprünglich hatte das altrdmifche Bfund ſchrieb Schulbiicher in rumäniſcher Sprade, ridtete 
Rupfer einen Wert von 1 Wie. 94 PF. Val. Momm: | die erjte rumäniſche Drucerei cin und qriindete das 
jen, Geſchichte des römiſchen Muünzweſens (Berl. | erjte rumäniſche Journal, da er 30 Jahre lang re- 


jam — Asben. 


digierte. WIS Chef des Minijteriums fiir öffentlichen 
Unterridt (jeit 1856) madhte er jid) Durd) Griindung 
zahlreicher Elementarfdulen und höherer Bildungs- 
anjtalter und der rumäniſchen Wtademie verdient. 
Unter feinen »Gedichten« (2. Aufl. Jaffy 1854) ftan- 
den befonder3 die Oden in Anſehen; auch überſetzte 
er cine Anzahl deutſcher und franzöſiſcher Theater: 
tiie inS Rumiinifde und ſchrieb eine -Geſchichte 
uflands« in zwei Banden. 

Aſam, bayr. Künſtlerfamilie de3 17. u. 18. Jahrh., 
deren Haupt, Hans Georg A. (gejt. 1696), Wand- 
malereien in der Stiftstirde gu Hall und in der Kirche 
i Benediltbeuern ausgefithrt hat und als Lehrer der 

aufunjt in Brag tätig war. Seine Sine, der Ma— 
fer Cosmas Damian A. (1680 —1742) und der 
Vildhauer und Stulfateur Egid Quirin A. (geft. 
nad 1746), batten in Rom jtudiert und ließen fid 
1715 in München nieder, von wo aus fie zahlreiche 
Rirchen und Klöſter mit malerifdem und plajtifdem 
Schmuck im itppigen Stile de3 rimifden Baro ver: 
ſahen. Sie arbeiteten im Dom gu Freiſing, in den ſtlö— 
jtern Maria-Cinjiedein und gu Metten, m der Stifts- 
firde St. Emmeran gu Regensburg, in der Rirde auf 
dem Weißen Berge zu Prag u. a. O. Dbre felbjtin: 
digen Hauptiverte frp die NohanneSfirde und ihr 
eignes Haus in München und der Rongregationsfaal 
in Ingolſtadt. Vgl. Halim, Die Künſtlerfamilie der 
A. tind. 1896). 

Aſanen (Uffanen), cin urfpriinglid) gu den 

yperboreern gehoriger, jest tatarijierter dhrijtlider 

ollsſtamm, bis Ende des 18. Jahrh. am Jeniffei, 
im Streis Kraſſnojarſk, jest am Uſſolka wohnhaft und 
teil mit Ruſſen, teils nut Katſchinzen verſchmolzen. 

Aſant, jtinfender, foviel wie Asa foetida, 
wohlriechender, foviel wie Benzoe. 

Afante, Negerreich, ſ. Aſchanti. 

Aſautſchewſky, Michael von, ruſſ. Romponift, 

eb. 1839 in Mosfau, geſt. 24. (12.) Jan. 1881 in 
Retersburg, madte 1861—62 unter Hauptmann und 
Richter in Leipgig feine Studien, lebte 1866 —69 in 
Baris und war 1871—76 Direftor de3 Konſerva— 
toriums der Muſik gu Petersburg, dem er feine reiche 
Muſikbibliothek vermadhte. Wis Komponiſt trat er 
nur mit wenigen Inſtrumentalkompoſitionen hervor. 

Asaphus , Gattung dev Trilobiten aus dem un- 
tern Silur, enthalt die größten Formen der Trilobiten. 

Aſapröl (Ubrajtol), naphtholmonofulfojaurer 
Ralf, weißes Pulver, ſchmeckt bitterſüßlich, ijt löslich 
in Waſſer, wird als antiſeptiſches Mittel, gegen Neur— 
algien, Gelenkrheumatismus und ſtatt des Gipſes 
gum Konſervieren von Wein benust. 

Aſar (jdwed., fpr. sjar, Plural von V8, »Bergrücken, 
Grat«), Gebilde der Eiszeit in Schweden, wallartige, 
bis 60 m hohe Gerdll- u. Gandbiigel, die ſich mehrere 
Kilometer lang durd dad Land hinziehen (f. Cisseit). 

Ujarhaddon, König von Ujjyrien, Sohn Gan- 
heribs, noch bei Lebseiten feines BVaters jum Regen- 
ten liber Babylonien bejtellt, wurde gegen Ende des 
Jahres 681 auch feines Vaters Nachfolger auf dem 
aſſyriſchen Throne, nachdem er eines in Aſſyrien aus- 
—— Aufſtandes Herr geworden war. Er ließ 

as von ſeinem Vater dem Erdboden gleich gemachte 
Babylon aus ſeinen Trümmern neu erſtehen. 677 
beſtrafte er Sidon durch Zerſtörung und begann hier⸗ 
auf ſeine Unternehmungen wider Agypten, wo Tir- 
hata (agypt. Tahara), der »König von Wthiopien, 
feit 691(?) auf dem Thron fak. 675/674 gogen feine 
Deere gegen Agypten, aber der Hauptidlag erfolgte 
erjt 671, in weldem Jahr A. Memphis erjtiirmte und | 








841 


ganz Ägypten gu einer aſſyriſchen Proving made, 
regiert von aſſyriſchen Statthaltern, an ihrer Spige 
Neco, der Statthalter von Sais und Memphis. Zur 
Verherrlichung feines Sieges liek UW. an der Veiindung 
des Sundsftutfes bei Beirut eine Gedenftafel an der 
Felſenwand anbringen und in der nordfyrifden, jest 

indfdirli (Sendſchirli) genannten Ortſchaft jene rie- 
ige Stele mit Aſarhaddons Rolojjalbild in Relief und 
einer langen Keilinſchrift aufridten, die jeBt dank den 
Uusgrabungen des Berliner Orientfonutees im Ber— 
liner Muſeum aufgeſtellt ijt. Der qrokartige fogen. 
Siidweftpalajt, den A. in Kelach (Nimrud) erbaute, 
blieb unvollendet. A. ftarb am 10. Mardesvan 669. 
Sein Nachfolger war fein Sohn Aſurbanipal (j. d.). 

Wfarja, ſ. Drei Männer im Feuerofen. 

As&érum Tourn. GGaſelwurz), Gattung der 
Urijtolodiageen, ausdauernde Krauter mit lang: 
Qejtielten nieren-, herz- oder fajt pfeilformigen Blät— 
tern und endjtindigen Blüten. 13 Arten in der ge: 
mäßigten Bone der nördlichen Halbfugel. A. euro- 
paeum L. (wilde Narde, Leberfraut), mit frie- 
dhendem, gegliedertem Wurjeljtod, nierenformigen, 
weichhaarigen Blittern und bor furggejtielter, aupjen 
jottiger, grünroter, innen dunfelroter Bliite, in Eu— 
ropa und Gibirien. Die Wurzel riedjt fampfer- und 
pfejferartig (friſch unangenehm baldrianartiq), ſchmedt 
ſcharf, widerlich bitter und enthält ätheriſches Ol, das 
aus Pinen, Methyleugenol und Aſaron (Haſelwurz— 
fampfer) C,,H,,O, beſteht. Letzteres, ein Propenyl⸗ 
trimethoxybenzol, das ſich aud) im Kalmusöl findet, 
bildet farb-, geruch⸗ und geſchmackloſe Kriſtalle, ſchmilzt 
bet 67° und iſt nicht flüchtig. Der Staub der Wurzel 
erregt Nieſen, die Wurzel wirkt bredenerregend und 
purgierend; fie dient aud) als Niesmittel. Bon dem 
nordamerifanifdjen A. arifolium Michx. (wilder 
Ingwer) ſchmeckt die Wurgel ſchwach ingiwerartig. 
Die wohlriedhhende Wurzel von A. canadense L. wird 
argneilid) angewendet, aud) dem Wein zugeſetzt. Das 
daraus gewonnene ätheriſche Ol benugt man m Nord- 
amerifa in der Parfiimerie. 

Asas Na das durch bb dDoppelt erniedrigte A. 

Aſaſel, nad einigen jüdiſchen Schrifterflarern 
fälſchlich ein böſer Geitt der Wiijte, Den man jahrlid 
ant großen Verſöhnungstag zugleich mit Gott durd 
einen Bod verſöhnte; nach andern hat das Wort, das 
ſich nur bei der Beſchreibung de3 Sühnealts am Ber: 
fdhnungstag findet (3. Moſ. 16, 8. 10. 26), die Bedeu- 
tung » weit wegfontmende«, vielleidt aud) »Cinddec. 
Uber zwei vom Bolf dargebracdte Böcke warf der 
Hobhepriejter das Los, unt zu entſcheiden, welder Bot 
fiir Gott, welcher fiir A. fei. Nachdem hierauf der 
Gott gugefallene als Sitndopfer fiir das Volk ge- 
ſchlachtet und die Verſöhnung von diefer Seite voll- 
bracht war, ließ der Hoheprieſter den fiir UW. beſtimm— 
ten Bod herbeibringen, legte fee Hande und damit 
alle Siinden YSrael3 auf den Kopf des Tieres und 
fandte dasſelbe durch einen Mann in die Wiijte, da- 
mit es fid) und alle Miffetat des Bolles weit wegtrage 
(Daher der Uusdrud Siindenbod). Sferigerweile 
veritanden die Rirdenvater, die Vulgata, Luther u. a. 
unter A. den in die Wiijte geſandten Boe felbjt (caper 
emissarius, lediger Bort), darin cin Symbol der Weg: 
nahme und Bergebung der Siinden durd Gott er- 
blictend. 

Asbach, Dorf im preuß. Regbez. Koblenz, Kreis 
Neuwied, an den Linien Honnef-A. der Brölthaler 


Eiſenbahn, hat eine evangeliſche und eine kath. Kirche, 


Amtsgericht, Seidenweberei und (1900) 460 Einw. 
Asben, Landſchaft, ſ. Wir. 


842 Usberg — 
Asberg, Stadt, ſ. . 
Nivel (v. gried). —— »unverbrenntlid«), 


Wineralien, die dick- oder feinfajerige, elaſtiſch bieg- 
jame Aggregate von weiflider, grünlicher oder braun: 
licher Farbe daritellen, oft feidenartiqen Glanz zeigen, 
teild fettiq, teils mager angufiiblen find oor Horn: 
biende und Serpentin in enger genetifder Beziehung 
jiehen. Sie finden fic) daher mia meiſt in Geſellſchaft 
dieſer Mineralien, die bisweilen ſo allmählich in A. 
lübergehen, daß cine beſtimmte Grenze nicht anzugeben 
iſt. Die chemiſche Zuſammenſetzung des Aſbeſtes iſt 
ſehr ſchwankend; der Hornblendeaſbeſt ijt waſſerfrei, 
dev Serpentinaſbeſt aber enthält Waſſer. Man unter— 
ſcheidet: Amiant (v. gried). amianthos, »unbefleckt-, 
Bergflachs, Byſſolith) oft ſehr lange, feine und 
biegſame, weiße bis grünliche Faſern mit ſeidenartigem 
Schiller, ijt ein dew Aktinolith gleich zuſammengeſetzter 
Hornblendeaſbeſt und kommt beſonders in Horn: 
blendegeſteinen in Geſtalt von Schnüren, in Talk— 
und Chloritſchiefer, aud) in Kalkſtein vor und ijt zu— 
weilen in Bergkriſtallen und Ralffpat —— 
Gr findet fic) auf Korſika, in Steiermark, Tirol, Pie— 
mont, Savoyen, am St. Gotthard, zu Dijans in der 
Dauphiné und im Gouv. Perm, wo er bei Newjanit 
einen ganjen Berg bildet. Schillernder A. Nh By 
fotil, v.gried). chrysos, »Gold«, und tilos, »yaler«) 
ijt ein weicher, in feinen Fafern bieqfamer Serpentin- 
ajbejt mit lebhaftem bellmetallijden Seidenglanz, 
meijt faud)- umd digriin, wenig durchſcheinend, durd)- 
jept in Platten und Schnüren in parallelfaferiger Zu— 
ſammenſetzung den gewöhnlichen Serpentin, mit dem 
ec in chemiſcher Hinſicht vollklommen tibereinjtinumt; 
er findet fic) befonders bei Reichenſtein, Zöblitz (Sad: 
fen), in Den Alpen rc. Eine Abart dieſes fehillernden 
VUjbejtes ijt der weiße oder hellgriine Leukotil (v. 
qvied). leukos, »weiß«) von ſilberähnlichem Seiden- 
glanz. Unveinere Barietiten find der gemeine A. 
mit grobern, weniger biegfamen Faſern fowie der 
Bergkort (Vergleder, Vergpapier), bei dem 
ſich Die filzartig ineinander gewobenen Fafern ſchwer 
voneinander trennen laffen. Legterer ijt matt oder 
wenig ſchimmernd, undurdjidtiq, grau, qriin, braun 
und kommt in Serpentin und Hornblende fiihrenden 
Gejteinen vor, am St. Gotthard, in Tirol und Spa- 
nien, aud) auf Erzlagern in Schweden. Beim Berg - 
hols (Sterzing in Tirol, Ranada) find braune Tetle 
zu einer Holjartiqen Maſſe feſt verbunden. — Italie— 
niſcher und griechiſcher Amiant wurde von den Alten 
yu unverbrennlichen Tafel- und Leichentüchern (as- 
bestinum) verarbeitet. Rad) Pauſanias beſaß die 
goldene Laterne der Minerva in Athen einen Docht 
aus taryſtiſchem Flachs. Iroleſen und Huronen ha— 
bern ans M. Kleider hergeſtellt, und in Urug fertigen 
die Eingebornen aus A. Gefäße. In Sibirien trägt 
man Handſchuhe, in den Pyrenäen und in Como fer— 
tigt man mittelfeine Spigen aus A. Die neue Aſbeſt— 
indujtrie verarbeitet UW. aus den Gruben von Que— 
bec, Die 1878 entdecit wurden und neun Sehntel des 
in Der ganjen Welt verbraudjten Aſbeſtes liefern, 
1898: 15,892 Ton. Rupland, Sdweden, Tirol, Un— 
garn, Stalien, Korſila, Sibirien, Siidamerifa, Siid- 
afrifa, Auſtralien liefern weniger A. Kurzfaſeriger A. 
(Afſbeſtolith) wird in Sall Mountain in Georgia 
gewonnen, Jn der Hegel find die Faſern glatt und 
jeiDenartig, die fanadifden gekräuſelt, 5 —6 em lang, 
ipes. Sew. 2,5. Der blaue UW. vont Kap ijt linger, 
feinfajeriger, viel leichter als ttalientider und fana- 
diſcher. Die durd) Sprengarbeit gewonnenen Blide 
werden auf Kollergängen oder Walzmühlen zerklei 


— 
— — — — — — — — — — — — — 


Asbjörnſen. 


nert und durch Maſchinen in lang⸗ und kurzfaſerige 
Ware geſondert. Die langen Faſern werden zu Garn, 
gu Seilen und Schnüren meiſt mit etwas Baum- 
wolle verſponnen (12,000 m feiner Aſbeſtfaden wiegen 
1kg). Seile aus VU. vom Rap ſind etwas leichter als 
Hanffeile und —— zwei Drittel ihrer Haltbarkeit, 
während jie durch ————— leiden. Afbeſt⸗ 
gewebe werden aus reinem Aſbeſtgarn oder mit Kette 
aus Baumwolle, Wolle, Seide, Draht hergeſtellt und 
überall benutzt, wo Feuerſicherheit in Betracht komutt. 
Schürzen und Gewänder aus Aſbeſtkautſchuk die— 
nen in Hüttenwerken zum Schutz gegen ſpri 

Metallguß und ſtrahlende Hitze. Aſbeſtſchnüre t 
man in der chemiſchen Technik und zum Befeſtigen 
der Glühſtrümpfe. Kurzfaſeriger A. wird mit Papier⸗ 
brei oder einem andern Bindemittel gemiſcht und ju 
Papier, Pappe verarbeitet. Das Papier dient zu 
Dokumenten, Theaterdeforationen; Aſbeſtpappe als 
Wärmeſchutzmittel, zur Erhöhung der Feuerſicherheit 
(Türen, Vorhänge rc.), zu Dichtungen an Damvf- 
maſchinen ꝛc. pate Seyniire), zu Fiillungen in Geld- 
ſchränken, als Einlegeſohlen, als Dfoliermaterial in 
der Eleftrotednif xc. In Bulverform mit Waſſerglas 
und Mineralfarben gemijdt, liefert A. contin 


- | Unjtrid (Aſbeſtemail). Aus kurzfaſerigem UW ge- 


winnt man durch Druck und Brennen bei boher Tem- 
peratur eine porjellanartiqe Maſſe. Sehr ausqedebhnte 
Verwendung hat A. in den petdlicheniuen tecemen 
im Baufad gefunden, namentlid wn Bauteile der 
Cinwirtung de3 Feuers zu entziehen, sur Errichtung 
von Sdeunen, Urbeiterhaujern, Baracten, Ravillons, 
Tropenhiujern x. Vol. Luſchin, W., deffen Bor: 
fommen und Berarbeitung in Ojterreid) - Ungarn 
(Wien 1890); Jones, Asbestos, its properties, oc- 
currence and uses (ond. 1890); Roll, Der A. umd 
feine Verwendung (Geejtemiinde 1901). 

Afbeſtik, der kurzfaſerige und pulverförmige Teil 
des Aſbeſtes, der nad) dem Ausziehen der langern 
Ufbeftfafern verbleibt und zur Herjtellung von Wj- 
beſtmörtel (ſ. d.) benugt wird. 

fbeftmirtel, Möriel aus Aſbeſtik mit wenig 
Ralf, Gips oder Bement und Wafer, wird wie ge- 
wihnlider Wandputz behandelt. Er zeichnet ſich durch 
Glätte, Beſtändigleit und große Feuerſchutzwirtung 
aus. In den Vereinigten Staaten von Nordamerita 
ijt bet jtaatlidjen Bauten die Verwendung von WL. in 
ewifjem Umfange vorgefdrieben, und die Feuerver- 
icherungsgeſellſchaften gewähren ſolchen Haufern ge- 
ringere Prämienſätze. Yt ijt ein fcbledter Wanne- 
leiter, dämpft den Schall und bildet einen Walgrund, 
auf dem die Farben Beſtändigleit zeigen. 

Ufbeftolith, ſ. Aſbeſt. 

Asbjöruſen, Peter Chriſtian, norweg. Foll⸗ 
loriſt und Naturforſcher, geb. 15. Jan. 1812 in Chri⸗ 
ſtiania als Sohn eines Glaſers, geſt. 6. Jan. 1885, 
ſtudierte ſeit 1333 Medizin und Naturwiſſenſchaften 
und begann während eines vierjährigen Landaufent- 
haltes als Hauslehrer und auf Reiſen zuſammen mit 
ſeinem Freund Moe norwegiſchen Vollsſagen ju 
ſammeln. 1849-—50 war er mit cinem norwegiſchen 
Krieg schiff in Kleinaſien und Äghpten, ftudierte dann 
Forſtwiſſenſchaft, wurde 1860 Forjtmeifter und zeich⸗ 
nete auf feinen Dienjtreifen Sagen und Warden ge- 
nau auf. Er ſchrieb cine »Naturhistorie for Ung- 
dommen« (1839-49, 6 Bde.) und den Tert fiir 
Tönsbergs »Norge i Tegninger« (1855) und gab 
» Norske Folke-Eventyr« (mit Moe, 1842—43; ver⸗ 
mehrte Ausg. 1852 u. 1866, allen), ferner » Norske 
Huldre-Eventyr og Folkesagn« (allein, 1. Samm: 














Asbolan — Aſchaffenburg. 


lung 1845, vermehrt 1859; 2. Sammlung 1848, 


vermehrt 1866) mit lebensfrifden echten Natur- und 
Bolfslebensbildern aus den Landesteilen, wo er fie 
—— heraus. Deutſch erſchienen: »Norwegiſche 

ollsmärchen· (Berl. 1847) und »Wuswahl norwegi⸗ 
fcher Vollsmärchen u. Waldgeifterjagen« (Leips. 1881). 

Asbolan, Mineral, foviel wie Robaltmanganers. 

Asbury Park, Stadt und Seebad im nordamert- 
fanifdjen Staat New Jerſey, ſüdlich von Long Brand, 
mit (1900) 4118 Cinw. 

UAscalingium, ſ. Lingen. 

Ascalobatae, ſ. Geconen. 

Ascan., bei Tiernamen Ubfiirgung fiir Peter 
Uscanius, geb. 1723, geft. 1803 als Arzt in Kopen— 
ge Vearbeitete die nordiſche Naturgefdidte und 
gab namentlid) Abbildungen von Tieren. ; 

Uscanius (gried. Us fanios), Sohn des Äneas 
und der Rréufa, aud) Jullus (ulus) genannt, an- 
geblidjer Griinder von Alba Longa (vgl. Aneas) und 
Stammvater der Yulier. 

Ascaridae, Ascaris, {. Spulwiirmer. 

UAfeendenten, Ajcenfion zc. , ſ. Aſzendenten x. 

Wseenfianus, ſ. Badius. 

Ascensio Domini, ſ. Himmelfahrisfeſt. 

Aſcenſion (engl., jpr. afennig’n, Him melfahrt3- 
infel), 88 qkin große, 5u Ufrifa gerednete britiſche 
Infel im Utlantijden Ozean, unter 7° 55’ fiidl. Br. 
und 14°23' weſtl. L., ward am Himmelfahrtstag 1501 
von dem Portugiejen Juan de Nova Gallego entdectt 
und daber A. benannt. Gie bejteht durchaus aus 
jungvulkaniſchem, fajt vegetationsloſem Geftein. Nur 
am Green Mountain (835 m), mit der eingigen, aber 
febr ergiebigen Quelle der Inſel, findet ſich üppige 
Vegetation. — W. wurde 1815 von den Briten bejest, 
um den auf St. Helena gefangen gehaltenen Napo- 
leon I. gu bewachen; pe paßte Die Inſel als Pro— 
viantdepot für das zur Unterdrückung des Sklaven 
handels beſtimmte Geſchwader, und da das Klima 
alle Stufen vom heiß tropiſchen bis zum kühl ge— 
mäßigten in den höhern Teilen aufweiſt, fo wurde 
* eine Geſundheitsſtation angelegt. Seit 1881 ijt 

nur nod Kohlenſtation. Der einzige Ort, George⸗ 
town, an der Mordiwejtfeite, hat (sso) 140 Einw., 
bejtehend aus der Garnijfon, cinigen Frauen und 
afrifanifden Dienern, die England 8000 Pfd. Steril. 
Jahresausgabe verurjaden. 

Aſcẽſe (Aſzeſe), ſ. Asleſe. 

Aſch, ſ. Bar (Sternbild). 

Aſch, Stadt in Böhmen, nördlich von Eger, 633 m 
i. M., am Fuße de3 Hainberges, nabe der bayrifden 
und ſächſiſchen Grenge, an der bayrifden Staats: 
babniinie Eger-Hof gelegen, Sig einer BVegirfshaupt- 
mannſchaft, eines Bezirlsgerichts, Hauptgollamts und 
einer evangelijden Superintendentur, bat eine pro- 
teſtantiſche und cine fath. Pfarrfirde, cin Kaiſer Jo— 


feph- und cin Luther-Denfmal, eine Fachſchule für 


Weberei und Wirkerei, bedeutende Fabrifation von 
Reiderjtoffen und Wirkwaren, Bleicherei, Färberei 
und Uppretur, Spitzenerzeugung, cine Maſchinen— 
fabrif, Dampfziegelei, Dampfbrettſäge, Bierbrauerei, 
Was- und Elektrizitätswerk und (1900) 18,675 deutſche 
Einwohner (12,462 Cvangelijdje). 

Wid, Adolf, Freiherr von UW. gu Aſch auf 
Oberndorff, bayr. Kriegsminiſter, qeb. 30. Ott. 
1839, trat 1858 in die bayriſche Urmee, madjte den 
Feldzug von 1866 als Leutnant, den deutfd- fran- 
zöſiſchen Krieg als Udjutant v. d. Tanns mit, war 
mehrere Jahre zur kriegsgeſchichtlichen Ubteilung de3 
Großen Generalſtabs in Berlin kommandiert, um den 





843 
Anteil der bayriſchen Truppen ant ſtriege von 1870/71 
zu bearbeiten, wurde darauf in den Generalſtab der 
2. bayriſchen Divifion verſetzt und 1885 jum Chef 
der Perſonalabteilung im Kriegsminiſterium ernannt. 
Hierauf wurde er Rommandeur de3 1. Ynfanterie- 
regiment3, 1889 der 7. Jnfanteriebriqade und 1893 
der 2. Divijion in Augsburg und 6. Juni 1893 zum 
Kriegsminiſter ernannt. 

jd), ſchweizer. Ort, ſ. Klauſenpaß. 

Aschabad, Hauptitadt des Transkaſpiſchen Ge— 
biets und des Kreiſes A. (früher Achal Tekke) in Ruf- 
ſiſch Zentralaſien, an der Transkaſpiſchen Eiſenbahn, 
ijt Hauptquartier Der Truppen des Transtafpijden 
Gebiets, Si des Gouverneurs, hat cine Eiſenbahn— 
ſchule, Seidenbau, ſchnell wachſenden Handel und 
(1897) 19,428 Cinw. (2260 Ruffen, 5800 Perſer). Vor 
der Croberung durd) die Ruſſen 1881 war W. Haupt: 
ort ber Achal Teffe-Dafe. 

Aſchach, Marktflecten in Oberdjterreid), Bezirksh. 
Wels, am redten Ufer der Donau, an der Lokalbahn 
WelS-W., hat ein graflid) Harrachſches Schloß mit 
Part, Granitbritde, Dampfſäge und (1900) 1433 (als 
Gemeinde 1598) Einw. Weytlid) die Burgruinen 
Stauf und Sdauenburg, öſtlich jenjeit der Donau das 
Vad Mithlladen mit erdig-alfatifdyer Cijenquelle. 

Aſchaffeuburg, chemaliges Fiirjtentum, am 
Main, jest ein Teil des bayr. Regierungsbezirks Un— 
terfranfen, ca. 1700 qkm (30,88 So.) gro, wurde 
1803 meijt aus furmaingijdem Gebiet gebuldet und 
dem Surerszfangler von Dalberg als Dotation ver: 
liehen. Geit 1806 gum Großherzogtum Franffurt 
gehörig, fam das Fiirftentum 1814 nad) dem Verzicht 
des Großherzogs auf feine Staaten an Ojterreid), 
wurde aber jogleid) an Bayern gegen Wbtretungen 
in Tirol und Salsburg vertauſcht. 

Aſchaffenburg, unmittelbare Stadt im bayr. 
Regbez. Unterfranfen, an der Widhajf und am Wain, 
141 m ii. M., ijt Rnotenpuntt der Staatsbahniinien 
Treudtlingen-U., W.-WUmorbad u. a. Das Schloß 
S ofannisburg), von dem Kurfürſten von Mainz, 
Johann Schweikard von Rronberg, 1605—14 im 
Stil der Renaifjance erbaut, enthalt eine Gemälde— 

alerie, eine Kupferſtichſammlung und cine Bibliothet. 
Inter den gottesdienjtliden Gebduden (eine evange- 
liſche, 9 Fath. Rirden, cine Synagoge) ijt die Stifts- 
firdje zu St. Peter und Wlerander hervorzuheben, eine 
romanijde Kreuzbaſilila mit unregelmäßigem Grund- 
rig, mit dem Grabmal des Rardinals Albrecht von 
Brandenburg von Peter Viſcher (j. Tafel »Grab- 
mäler«, Fig. 13), um 976 geqriindet und 1870—81 
reſtauriert. Andre bemerfenswerte Gebäude find: 
der Schönborner, Baſſenheimer und Dalberger Hof, 
das ſogen. pompejaniſche Haus, die getreue Nach— 
bildung der in Pompeji ausgegrabenen Casa del 
questore, die König Ludwig I. von Bayern 1842— 
1849 ausfiihren ließ. YW. zählt (900) mit der Garni- 
jon (ein Jägerbataillon ir. 2) 22,184 Einw. (dar: 
unter 2779 Evangelifde und 604 Quden), die Fabri- 
fation von Buntpapier, Rellulofe und Papier, Hols. 
jtoff, Farben, Lad, Cisfdriinfen, Kochherden, Zigar— 
ren, Leim, Lifdr re. betreiben ; ferner gibt es anjehnlide 
Bierbrauereien, eine Gamenflenganjtalt, Steinhaue- 
ret, Schiffahrt ꝛc. Der Handel, unterjtiigt durch die 
Kettenſchiffahrt auf dem Main fowie durd) die Aſchaf— 
fenburger VolfSbanf und mehrere Banfinjtitute, be- 
fast fid) vorgugSweife mit Holz, Vieh, Wein, Wald- 
jamen, Sand- und Ralffteinen ꝛc. Wn Anſtalten beſitzt 
A. cine Forjtlehranjtalt, cin Gymnaſium mit Latein- 
ſchule, cin Studienjeminar, eine Realfdule, ein Leh— 


844 


rerinnenfeminar, eine Muſikſchule x. A. ijt Sig cined | 
Bezirlsamts und eines Landgeridts (fiir die zehn 
UnitSqeridte zu Alzenau, Amorbach, A. Llingenberg, 
Lohr, Maritheidenfeld, Miltenberg, Obernburg, Schöll 
frippen und esa Beluſtigungsorte und 
Spaziergänge in der Umgebung der Stadt ſind das 
»ſchöne Tal«, partihnlide Anlagen, die ſich faſt rings 
um A. ziehen; die Faſanerie und der vielbeſuchte 
ſchöne Buſch⸗, ein großer Park mit Seen, Irrgarten, 
Reſtauration ꝛc. Auf dem Friedhof ruhen W. Heinſe, 
der Verfaſſer des »Urdinghello«, dem Konig Ludwig I. | 
an der Mauer einen Denfitein ſetzen ließ, und der | 
Didter Klemens Brentano. — YL, im Weittelalter 
Aſchafaburg, aud Askenburg genannt, bejtand als 
Rajtell ſchon zur Römerzeit. a 10. Jahrb. fam A., 
das bereits im 8, Jahrh. als Stadt genannt wird, 
an den Herzog Otto von Sdwaben, der 974 dafelbjt 
das Stift der Heiligen Peter und Alexander griindete. 
Das Stiftsqebiet fam bald an Kurmainz, dad bis 
1558 die Bropjtei A. bejtehen lich. Auf dem Fürſtentag 
eu YW. ſetzte Enea Silvio tm Juli 1447 die Losfaqung 

r deuiſchen Fürſten vont Bafeler Konzil und die 
Unerfermung des Papjtes Nifolaus V. durch und} 
bereitete Das Wiener Ronfordat vor, das deshalb auch 
Aſchaffenburger Konkordat benannt wird. Im 
Dreißigjährigen Kriege wurde YW. von beiden Par— 
teien wiederholt eingenommen. Rach Auflöſung des 
Erzſtifts Mainz (1803) ward A. Hauptitadt des gleich— 
namigen Fürſtentums (ſ. oben) und fam mit dieſem 
1814 an Bayern. Bei A. wurde 14. Juli 1866 die 
öſterreichiſche Diviſion Neipperg von der preußiſchen 
Diviſion Goeben geſchlagen und die Stadt von dieſer 
erſtürmt. Vgl. Schober, Führer durch VL x. (4. Aufl., 
Aſchaffenb. 1902). 

Aſchaffit, Geſtein, ſ. Kerſantit. 

Aſcham (jvc. agtim), Roger, engl. Gelehrter, geb. 
1515 in Rirby-Wiste (York hire), geſt. 30. Dex. 1568, 
{tudierte in Cambridge, wurde Profeſſor des Griedi- 
ſchen und 1548 gum Lehrer der ſpätern Königin Eli- 
jabeth berufen. Die Jahre 1550-—53 bradte er als 
Sekretär des Gejandten Moryfine am Hofe Karis V. 
in Deutſchland gu; über feine hier angejtellten Beob- 
achtungen beridjtete er in Dem » Report and discourse 
of the affairs and state in Germany« (1553). Dann 
wurde er, obwohl Proteſtant, lateiniſcher Sefretir der 
Königin Maria und nad deren Tode (1558) der Kö— 
nigin Clijabeth. Seine »Epistolae familiares« waren 
als Wuiter des lateiniſchen Briefjtils berühmt. Cr 
war jettlebens und mit Erfolq bemiiht, England fiir 
die antiken, beſonders die hellenifdjen Ideale zu er: 
ziehen; hierzu ſchrieb er fein Hauptwerf: » The school- 
master, or the plain way of teaching children to | 
the latin tongues (hrsg. von Arber in Den » English 
reprints«, 1870). Qn einem eignen Bud (> Toxo- 
philus«) empfabhl er das YUrmbrujticdieken. Cine Ge— 











jamtausgabe feiner Werke bejorgte Wiles (Lond. 1864 | 
bis 1865, 4 Bde.). Val. Kiriten, Uber Aschams 


Leben und Schriften (Gotha 1874); Natterfeld, 
Roger °., fein Leber und feine Werke (Strajb. 1879); 
BWeidemann, W als Pädagog (Berl. 1900). 
Aſchangokette, waldiges Gebirge im Hinterland 
von Franzoöſiſch Kongo, das von NW. nad) SO. quer 
liber Dem 2.° ſüdl. Br. sieht und im Olomba 783 m 
Höhe erreicht (ſ. Karte -Aquatorialafrika«). Zahl— 
reiche Flüſſe ſtrömen von ihm zum Ogowe und Kuilu. 


Unter den Aſchango an der Weſtſeite fand Du 
Dentjera trotz ſeiner holländiſchen Kanonen beſiegte; 


Chaillu 1858 das Zwergvolf der Obongo (ſ. d.). Bal. 
Du Chaillu, A journey to Ashango land (Lond. 





1867). 


Aſchaffit — Aſchanti. 


Aſchanti (Aſante, engl. Ashantee), ehemaliges 
Negerreich in Weſtafrila (}. Rarte bei »>Guinea«), um 
18. Jahrb. entitanden, jest sur brit. Rolonic Goldlüſte 
gehörig, bat 27,500 qkm nit 500,000 Einw., wab- 
rend es früher bis an Dic Küſte reidhte und 193,000 qkm 
mah. Das Land ijt voriviegend eine frudtbare, wald 
reidhe Ebene, die gegen N. terrajjenformig aufiteigt 
und vom Bra, Ofe und Dra bewäſſert wird. Das 
Udanfigebirge im S. und die Wduarifenniberge im M. 
jind von geringer Erhebung. Das Klima ijt gemäßigt. 
e3 gibt zwei Regenzeiten, Ende Mai und Ende Of 
tober. Die Walder enthalten Balinen, Gummibaãume, 
Baumwollbiume, Gununi-, Farb- und Luxushölzer. 
Kultiviert werden Yams, Durra, Mais, Hirje, Reis, 
Tabak, Kürbiſſe. Von wilden Tieren finden fide Ele 


| fanten, Biiffel, Untilopen, Affen, Lowen, Leoparden, 


Schatale, Eber. Schlangen kommen iiberall vor, von 


der kleinen Hausjdlange bis zur Boa Constrictor. 


Die Viehzucht beſchränkt fic) auf lleine Rinder und 
Schafe mut haarartiger Wolle. Hunde (die haarloſen, 
nicht bellenden Guineahunde) werden der Jagd wegen 

chalten, ihc Fleiſch gehört gu den Liebling sipeiien. 

ahmes Gefliigel gibt es in allen Ortſchafien. Die 
A. find Suddnneger, welde die Tſchiſprache fprecen 
und ſehr geſchickte Farber, Töpfer, Gerber, Sinnner- 
leute, Teppichweber und Goldarbeiter find. Das Land 
ijt das eigentlide Goldland von Guinea und Gold, 
das teilS aus den Flupbetten gewafden, teils aus 
ruben gewonnen wird, fajt das einzige Geld, daz 
hier in Fleinen Stangen von bejtimmtem Gewidt im 
Umlauf ijt. Nur im Mleinhandel zahlt man auch mit 
Raurintutdeln. Der Handel hat eine große Aus— 
dehnung gewonnen, der Warentransport wird, da es 
an Lajttieren fehlt, durch Trigerfarawanen beforgt. 
Ausfuhrartikel find Gold, Palmöl, Elfenbein, Gummi 
und Farbhiljer. Die Einfuhr bejteht in Gewehren, 
Sdichpulver, Metallen, Spirituofen, Webwaren. 
Durd diefen Handel herrſcht in A. ein fiir Neger un- 


erwarteter Luxus in Mleidern und Hausgeriiten. 


Die Verfajfung von W. war monardijd-arijto- 
fratiid, indem den König cine Urt Reichsverſamm- 
tung der Vornehmen umgab, ohne deren Rat in Krieg 
und Frieden feine wichtige Entſcheidung erfolgte. Die 
Broken, die man mit einem verderbten portugieſiſchen 
Wort Caboſir nennt, beanſpruchten auch einen An— 
teil an den Tributen und haben mehr als einmal 
einen König entthront. Überhaupt bildete A. weni 
einen einzigen Staat als eine i mebr 
weniger feibstandiger Landjdaften, die 3. T. neben 
ciqnen Fürſten ihre eiqnen Verfaffungen beibebalten 
Hatten und meijt mur tribut- und heerespflichtig waren. 
Die bei den A. gebräuchliche Vielweiberet war bei 
dem König auf die höchſte Spitze getrieben; er hatte 
3333 Weiber, welche Zahl wegen ihrer myſtiſchen Be- 
Deutung bejtindig voll erhalten wurde. Die Made 
des Staates berubte auf den reidjen Cinnabmen, die 
der Sflavenhandel brachte; nad) deſſen CErldfden 
wurden die geraubten Bewohner der Nachbarländer 


meiſt als Menſchenopfer hingeſchlachtet. Die harten, 


rohen Sitten jind aber feit Dem ungliidliden Sriege 
mit England gemildert, aud die Menſchenopfer wur- 
den abgeſchafft. Die Religion ijt Fetiſchdienſt, dag 
Chriſtentum ſuchen wesleyanifde Miſſionare zu ver- 
breiten. Hauptſtadt ijt Kumaſſi (f. d.). 
Geſchichtliches. Für den Gründer des Aſchanti 
reichs gilt Oſai Tutu, der 1719 den Fürſten von 


auf dem eroberten Gebiete wurde von ihm Kumaſſi 
erbaut. 1807 wurde den ſtammverwandten Fanti durch 


Aſchbach — Aſche. 


Oſai Kwamena die Küſte entriſſen. Den Engländern 
wegen des Verbotes des Sklavenhandels grollend, 
ſchlugen die A. den einen Tribut verweigernden Gou— | 
verneur von Sierra Leone 21. Jan. 1824, und erſt 

1826 gelang e3 dem Gouverneur Campbell, die A. 
Hinter den Prahfluß guriidgutreiben. 1863 brad 
abermals Krieg mit A. aus, der ungliidlid) fiir die 
Briten verlief; es qelang nur, die W. von der Küſte 
abzufdneiden. Als Kofi Karikari (Kalkalli) von neuen 
Anſpruch auf die Herrſchaft über Axim, Elminaꝛc. und 
die Fanti erhob, wurden die A. 1873 über den Prah 
zurückgetrieben. Oberſt Wolſeley rückte 4. Febr. 1874 
int Kumaſſi cin; Kalkalli zahlte 50,000 Unzen Gold 
als Kriegsentſchädigung, räumte alle Küſtenpunkte 
und verſprach Abſchaffung der Menſchenopfer. 1895 
mußte der 1894 zum König ernannte Häuptling von 
A. wieder gedemütigt werden. Seitdem iſt A. bri— 
tiſches Proteltorat. Doch noch 1900 brachte ein Auf— 
ſtand den Gouverneur Hodgſon in große Not (ſ. Gold- 
fiijte). Bal. Bowdid, Mission from Cape Coast 
Castle to Ashantee (Lond. 1819, neue Uusg. 1873; 
deutid, Weintar 1820); Dupuis, Journal of a resi- 
dence in Ashantee (Lond. 1824); Reade, Story of 
the Ashantee campaign (Daf. 1874); »Ashantee 
war, by the Daily News correspondent « (Daf. 1874) ; 
Gundert, Vier Jahre in Ujante. Tagebücher der 
Miffionare Ramſeyer und Kühne (Baſel 1875); Hay, 
Ashanti and the Gold Coast (fond. 1874; deutſch, 
Berl. 1874); Weithbredt, Four years in Ashantee 
(Mond. 1875); Freeman, Travels and life in A. 
and Jaman (daf. 1898); Urmitage und Monta- 
naro, Ashanti Campaign of 1900 (daf. 1901) und 
die Literatur bei Yrt. y sae 

Aſchbach, Joſeph, deuticher Geſchichtsforſcher, 

eb. 29. April 1801 in Höchſt am Main, geſt. 25. 

ril 1882 in Wien, ſtudierte in Heidelberg Theologie 

und Philoſophie, dann Geſchichte, lehrte fet 1823 am 
Gymmaſium ju Franffurt, wurde 1842 als Profej- 
jor der Geſchichte nad) Bonn und 1853 nad) Wien be- 
rufen, wo er bis gu feiner Verſetzung in den Ruhe⸗ 
ftand 1872 wirfte. Wud) ward er 1856 Mitglied dev , 
dortigen Ufademie und 1870 in den Ritterjtand er⸗ 
hoben. Seine Hauptiverfe find: »Geſchichte der Weft | 

oten« ( Frankf. 1827); »Geidicte der Omajjaden in 

panien« (daſ. 1829—30, 2Bde.; neue Ausg., Wien | 
1860); »Geſchichte Spanien und Portugqals zur Zeit 
der Herricdaft der Wimorawiden und Almohaden— 
(daf. 183337, 2 Bde.); »Gefchichte der Heruler und. 
Mepiden« (Frankf. 1835); »Geldichte Kaiſer Sigis 
munds« (Hamb. 1838 —45, 4 Bde.); »Urkundliche 
Mefdidjte der Grafen von Wertheim« (Franff. 1843, 
2 Bde.); »Wllgemeines Rirdhenlerifon« (daſ. 1846 
1850, 4 Bde.); »Gejdichte der Wiener Univerjitite | 
(Wien 1865—77, 2 Bde.; Bd. 3 aus feinem Nachlaß 
1889, bis 1565 reidjend), als Feſtſchrift gu ihrer 
500jährigen Gritndungsfeier. Aufſehen ervegte die | 
Schrift »Roswitha und Konrad Celtes« (2. Aufl., 
Wien 1868), worin A. nachzuweiſen ſuchte, daß der 
bisher der GanderSheimer Nonne zugefdriebene Pa: | 
negyrikus auf Raijer Otto d. Gr. von Konrad Celtes, 
alfo aus dem 16. Jahrh., ftamme. Dod) wurde dieſe 
Unfit von Köpke und Waitz widerlegt. 

Aſche, der bei der Verbrennung von Pflanzen— 
und Tierjtoffen erhaltene feuerbejtindige Riidjtand. 
Wile Organismen beditrfen zu ihrer Entwidelung und 
Erhaltung mineralifder Stoffe, die im Körper be- 
ftimmtte Funttionen ausiiben und daber auch in den 
einzelnen Organen in ungleider Menge und Mijdung 
vorhanden find. Yn Knollen und flei}digen Friidten 











845 


iiberwiegt ſtets Nali, in Blattern Ralf und Silifate, 
in Samen Ehosphate, Kali, Magnejia. Beim Ver- 
brennen werden die ingen Spl der Or⸗ 
qani8men in Kohlenſäure, Waffer rc. verwandelt, und 
die mineraliſchen Stoffe bleiben als A. zurück. Indes 
find dieſe großenteils nicht in der Form, wie fie in der 
A. vorliegen, in den Orqanismen enthalten geweſen. 
Die Salje der Kilangenfiuren 3. B. evideinen in der 
A. al8 Kohlenſäureſalze. Auch cin Teil der Schwefel- 
ſäure- und Phosphorſäureſalze entiteht erit bei der 
Verbrennung, indent thr Schwefel- und Bhosphor- 
ehalt in der lebenden Pflanze und im Tier als Bee 
ttandteil von Eiweiß und ähnlichen Körpern au denfer 
ift. Alle grünen Pflanzen enthalten ſtets Phosphor, 
Schwefel, Kalium, Calcium, Magneſium, Eiſen, faſt 
immer Chlor, Kieſelſäure, Natrium, Being Sob, Fluor, 
Mangan, ſelten oder äußerſt ſparſam Bor, Brom, 
Lithium, Rubidium, Baryum, Strontium, Alumi— 
nium, Zink, Kobalt, Nickel, Kupfer. Bei derſelben 
Pflanze ſchwankt der Gehalt an A. und die quantita: 
tive Zuſammenſetzung derjelben in gewiffen Grengen 
nad) der Befdhajfenhert des Bodens, dem Witer und 
EntwidelungSszujtand der Pflanze und vielleidt aud 
nad) klimatiſchen Verhältniſſen. Die W. der meijten 
Pflanzen reagiert alfalifdh, nur wenige Pflanzenteile, 
—— proteinreiche Samen liefern eine durch 
Überwiegen der Phosphorſäure ſaure A. Gute Durch— 
ſchnittszahlen gibt die Tabelle auf S. 846. Die Zah— 
len beziehen 34 auf Reinafde, d.h. auf Rohaſche, 
wie fie bei der Einäſcherung gewornen wird, absiig- 
lich Kohleteilchen, Gand und Kohlenſäure. Tierijde 
W. ijt durchweg reider an Phosphorſäure, am mei- 
ten Phosphorſäure enthalt Rnodenafde; blutfreies 
Fleiſch licfert falirciche, Blut natronreide A. Pflan— 
zenaſche gibt an Waſſer fohlenfaures, ſchwefelſaures, 
fiefelfaures Wifali, Chlorfalium, Chlornatrium und 
etwaige Jod⸗ und Bromverbindungen ab, wiihrend 
Kieſelſäure⸗, Kohlenſäure- umd Phosphorſäureſalze 
von Ralf, Magneſia, Eifenoryd und Manganoxyd 
ungelöſt zurückbleiben. Strandpflangen geben natron- 
reide, Landpflangen kalireiche A. Die W. von Tangen 
ift reid) an. Jodverbindungen. 

Man benutzte die A. friiher sur Pottafde- und 
Sodabereitung ; auferdem dient A. gu pordfen Herden 
fiir hüttenmänniſche Prozeſſe, als Diinger, ju Ba: 
der, als ſchlechter Warmeleiter zur Wusfiitterung 
feuerfeſter Schränke, Steinkohlenaſche zur Darjtellung 
von Zement, Braunkohlenaſche zur Ziegelfabrilation, 
Seetangaſche (Kelp, Varech) zur Gewinnung von 
Jod- und Alkaliſalzen, Knochenaſche zur Gewinnung 
von Phosphorſäure und Phosphor x. Val. Wolff, 
Aſchenanalyſen von landwirtſchaftlichen Produkten xc. 
(Berl. 1871—80, 2 Tle.); Bunſen, Anleitung zur 
Analyſe der Aſchen- und Mineralwaſſer (2. Aufl., 
Heidelb. 1887). — Die A. ijt fait bet allen Völkern 
Symbol der Verginglidfeit. Das Beſtreuen des 
Hauptes nit W. war bet den Israeliten ein Heiden 
der Bufe, Reue und Trauer. Auch in der alten cdhrijt- 
lichen Kirche gehirte das »Gehen in Sad und A.« 
zur Rirdenbuye. 

Aſche, Metallafde, veralteter Name fiir Metall: 
a 3. B. Bleialde foviel wie Bleioryd. 

ſche (qeolog.), feinfandiger, jtaubartiger Dolo- 
mit der Dyasformation. — BVulfanifde ., feinite, 
jtaubartige Eruptionsprodutte der Vulfane, ijt etme 
zu Staub erplodierte Lava, die vom Vulfan hod 
emporgejdleudert und durch Luftſtrömungen oft in 
ſehr große Entfernungen getragen wird. Wit dem 
Mifroftop laſſen fic) in der mieiſt hellfarbigen A. 


846 








Aſche — Aſchehoug. 


Aſchenanalyſen (jum Artifel »Aidee, S. 845). 

















Biejengras 1,2 
Rotfle. . . . . 04 
Rugerme. . wwe 1 
Futterbafer 0,2 
Buchweijzen 0,5 
GriimrapS . 2... 2,2 
@riumaig. 2. 1... 0,3 
Welwyn. 2. wee 0,4 
Moggen. . . . - - 0,4 
Gerjte . 2... se 0,5 
pS 0,4 
Mais... . ws 0,1 
Girfe «ww we 0. 
Buchweizen 0,2 
Reis, geſchalt * 
MOOG 6 ck ae % 1,3 
Belem. sw ew te te 0,4 
WOH cS Gas <e S* a, % 0,1 
Mohn . . . - ee 1,0 
Grbjen .. ww we 0,8 
Widen. 2. we 0,9 
os), a re — 
Rupimen 2 wt 2,3 
Gigen. 2 | Os 
Roftaftanien. . . . | O2 
Budden. . 2... 0,6 
Traubenferne. . 0,0 
Mpfel 2... 2. 0,3 
Birmen. . 2. we 0,2 
RisiGen. 2. we es 0,3 
Pflaumen. 2... . 0,3 
Stadelbeeren. . . 02 
Rartoffel 2. . . . 0,6 
Topinambur . . . . | 03 
Runtelrilbe .| Of 
Weife Rilbe . . . . | Of 
Grofoblrabt . 0,8 
tL ae 0,6 
Ridorienwurjyel . . . | Lo 
SRartoffelblatter . . . | Oe 
Suderriibenblitter . . | 1,4 
Weiffraut. 2 2. Lt 
Leinpflange 1,6 
Hanfpflanje . . | 0,8 
Hopjenvflanye 4,8 
ra a 7,7 
Heidefraut. 2 2... 1,6 | 
BWinterweisenftroh . 1 
Winterroggenftroh . 0,8 
Commerroggenftroh 1,2 
Geritenftroh . 1o 
Haferftroh. . . . . | 1s 
Waisftroh. . 2. . . | 2,6 | 
Erbſenſtroh | 2,8 
Bucdweiyenftroh., . 2 | 27 
Vuchenblitter. . | 2,1 
Riefernnadeln . OS 
Mpfelbaumboly . 2 . | 0,3 
Noptajtanienbol; i | 
Buchenboly . 0,1 
Cidenbols. . . | On 
Zannenboly . . ' O01 
Kiefernholy OO; 
Virfenrinde 0,2 
Tannenrinde . 0,5 
Fidtenrinde . . | 02 | 
Schwerer, didjter Torf | 8,65) 
Leichter, foderer Torf | 5,09) 
Braune f von Artern . | O17) 
foble | von Cbeleny (12,35) 
— aus Wales 3. 4 
kohle | aus Schottland 8,38 








17,5 
16,4 
8,8 
7,9 
5,2 
8,7 
1,6 
2,7 
5,6 
5,9 
0,6 
0,5 
1,1 
0,4 
0,7 
1,4 
1,6 
11 
1a 
1a 
11 
1,5 
0,6 
1,3 
2,0 
14 
3,3 
9,0 
7,1 
18 
2,3 
1,0 
3,1 
lo 
1,8 
3,8 
3,8 


fan 


2,4 
1,3 
0.8 
5,9 


| O 


0,3 


OO) 
j 0,3 


0,8 
0,7 
0,8 
3,58 
1,13 


0,2 
0,3 
0. 
2,26/0,64 
1,03|0,29 
3,12) — 


— |86,01/1,66 
0,40)59,27) — 
1,15/61,66 
’ Bon bier an Gifenoryd und Tonerde 





0,2 
0,2 
0,2 
0,1 


0,5 
04 
0,3 
0,4 [0,6 
2,3 |0,0 
1,3 lo 
0,55) — 


3,1 


73,1 





3,1 








64. 
4,6 | 


4,4) 


3,3 
3,6 
5,0 
18,6 
9,5 
25,8 





| 26 


7,4 


| 3, 
i 1a 
13 
5,2 


19,6 | 


l4,0 





45,75 


14,3 
3,1 | 


0,20/0,44 33,29, 


0,99/1,72)20,56 
2,38 /0,38 





15,62 
6,08 
2,62 


0,6 











2,4 


11,3 
28,1 
23,9 
7,78° 
26,06 
62,28 
28,75 
29,09 
24,43 


diefelben Beftandteile wie in den Laven, 
nämlich Glasteilden, Magneteifen, Frag 
mente von Augit⸗, Feldfpat- oder Leucit- 
friftallen 2¢., erfennen (f. Bulfane, Bulfa- 
nijde Geſteine). 
che (Thymallus C.), Gattung der 
Lachſe (Salmonidae), gejtredt qebaute Fi— 
ſche mit fleinem Ropf, enger Mundſpalte, 
hober und langer Rückenfloſſe und mittel- 
groper Sduppen. Die W.(Sprengling, 
ota, ehativas widaoat te Niis., 


ſ. Tafel ⸗Künſtliche Fiſchzucht I<, Fig. 1), 
bis 60 cm lang und 1,5 kg ſchwer, mut 
jehrgrofer, purpurroter Riidenflofje, grau- 


riinem Riiden, filberweiffen Seiten und 
chwarzen Längsſtreifen, bewohnt Mittel⸗ 
und Oſteuropa und Nordamerifa, bevor⸗ 
ug! are, ſchnell flichendDe Bache und 
ei fie mit kieſigem Grimbde, ſchwimmt ſehr 
ſchnell, nährt jich von Inſelten, Schnecken, 
Würmern, Fiſchbrut und laicht im Mary 
und April, ohne ihren Wohnort ju ver⸗ 
laſſen. Dabei erhalt das Mann cin 
goldgriin ſchimmerndes Hochzeitskleid und 
wühlt mit bem Schwanz im ſandigen Grund 
eine Grube aus, in die das Weibchen die 
Eier legt, die nach der chtung mit 
Sand bedeckt werden. Die A. wird gean— 
elt oder mit Grundnetzen gefangen. Das 

a —— oi inter e ae 

berg, Dorf im preuß. Regbez 
Miinjter, Kreis Liidinghaufen, bat cine 
fath. Stirdhe, ————— Dampf⸗ 
mühlen und (900) 3137 Einw. Dabei 
Schloß Romberg. 

A , Rutger, Graf von, 
ſchwed. Feldherr, yo. 2. Juni 1621 in 
Kurland, gejt. 17. Upril 1693 in Goten- 
burg, kämpfte auf ſchwediſcher Seite mit 
Auszeichnung im Dreifigiibrigen Rriege, 
1655 — 60 im Nordiſchen Krieg, 1665 
1666 im Bremifden Krieg ſowie nament- 
lid) 1675 —79 im Krieg gegen Danemart. 
Bon feinem Gönner Karl XL. 1678 zum 
Feldmarſchall, 1681 zum Reichsrat er- 
nannt und 1687 in den Grafenſtand er- 
hoben, ward er 1680 Generalgouverncur 
der —— Sdonen, Halland und 
Gotenbu ohus, die er vorzüglich ver- 
waltete. Seine Biographie ſchrieb Lager- 
bring (Lund 1751, 2. Wufl. 1805). 

Aſchehoug, Torfel Halvorfen, 
norweg. Jurijt und Folitifer, geb. 27. 
Juni 1822 in Jd (Smaalenene), rit 1862 
Profeffor der Rechtswiſſenſchaft in Chri- 
jtiania, fpielte als Mitglied des ſchwediſch⸗ 
norweqifden Unionsfomitees 1865 —67 
cine beſonders einflußreiche Rolle, gehörte 
als Vertreter der norwegiſchen Hauptſtadt 
im Storthing (186382) ununterbrochen 
dem Lagthing an und galt ſeit dem Tode 
Profeſſor weigaards (1870) alg un⸗ 
beftrittener Führer der Sonfervativen. 
Außer dem epodemadenden Werk »Nor- 
ges offentlige ret« (1. Ubt.: »Statsfor- 
fatning i Norge og Danmark indtil 
1814+, Chrift. 1866; 2. Abt.: »Norges 
nuvaerende statsforfatning«, 1874—81, 
3 Bde. ; 2. verbefjerte Aufl. 1891 — 93) ver⸗ 


Aſch-Ejektor — Aſcherſon. 


öffentlichte er ein kurzgefaßtes Kompendium: »Den | 
nordiske statsret« ( Aopenh. 1885), in Marquardjens 
Handbuch des Hffentlichen Rechts die Monographie 
»Das Staatsrecht der vereinigten Königreiche Schwe— 
den und Norwegen« (Freib. i. Br. 1886) fowie in 
ffandinavifchen und ausländiſchen Zeitſchriften zahl⸗ 
reiche Aufſätze. Sein politiſches Glaubensbekenntnis 
bat er in der Abhandlung »Om Unionskomiteens 
udkast til en ny foreningsakt« (Chriſt. 1870) nie 
dDergelegt. Hier, wie in feinen iibrigen Werfen, zeigt 
er ſich alS ein warmer Anhänger der Union und des 
ſtandinaviſchen Cinheitsqedanfens, ohne jedod) die 
Selbjtindigkcit der verſchiedenen Bolter preisgeben 
ju wollen. Seine nenejte Verdffentlidung ijt die 
»Socialikonomik« (Cbhrijt. 1902). 

Nj - Ejeftor (Uj dhenauswurf), ein Dampf- 
ftrablapparat jum Hinauswerfen der Aſche aus Schif- 

Aſchenbad, ſ. Bad. fen. 

Aſchenbrödel (eigentlich »ſchmutziger Küchen— 
junge⸗), Hauptperſon eines bekannten Vollsmär— 
chens, ein Mädchen, das von ſeinen hochmütigen Stief— 
ſchweſtern auf das erniedrigendſte behandelt wird, 
bis ſeine Tugend und Schönheit ihm Herz und Hand 
eines Königsſohnes gewinnt. Das Märchen bildet 
den Stoff von Platens ſatiriſcher Komödie »Der glä⸗ 
ſerne Pantoffel- und den Opern: »Cendrillon« von | 
Iſouard und »Cenerentolae von Roffini; aud der 
bildenden Kunſt diente es vielfach zum Gegenjtand 
(jo Vt. v. Schwind). Bal. M. R. Cox, Cinderella 
(Lond. 1893). 

Aſchendorf, Dorf und Kreishauptort im preuf. 
Regbez. Osnabriict, unweit der Ems, an der Staats- 
bahnlinie Miinjter-Emden, hat eine fath. Kirche, Syn- 
agoge, Senfenfabrifation und (1900) 2264 Einw. 

ſchenkegel, ſ. Bulfane. 

Aſchenkiften, etruskiſche, ſ. Ciſta. 

Aſchenkraut (Cineraria), ſ. Senecio. 

Aſchenkrüge (Aſchenurnen), ſ. Gefäße, vor⸗ 
geſchichtliche. 

Aſchenpaſte, ſ. Plaſtiſche Maſſen. 

Aſchenpflanze (Cineraria), ſ. Senecio. 

Aſchenregen, das Niederfallen oft groper Quan⸗ 
titäten vulkaniſcher Aſche (ſ. d.), die bet vulkaniſchen 
Ausbrüchen bis zu bedeutender Höhe emporgeſchleu—⸗ 
dert war. Ein durch den Veſuv hervorgebrachter A. 
zerſtörte 79 n. Chr. die beiden Städte Herculaneum 
und Pompeji, und 1835 warf der Vulkan Cofimina | 
in Guatemala ungeheure Aſchenmaſſen aus, die durch 
den obern Paſſat bis nad Jamaita (ca. 1500 km). 
fortgefiihrt wurden. Der Krafatau in der Sunda— 
ſtraße ſchleuderte nad) 200jabriger Rube 20. Mai 1883 
ungeheure Aſchenmengen in Form einer mächtigen 
Säule bis ca. 10,400 m empor, die fic) dann aus- 
breitete und cinen A. zur Folge hatte, der bis 22. Mai 
fajt ununterbrodjen anbielt. Nad) dem Hauptaus- 
brud) (27. Aug.) trat den Tag fiber ftarfe Finjternis 
ein, und der A. Dauerte ununterbroden bis 29. Mug. 
Mande Vulfane, jo die indiſchen, liefern bei Erup- 
tionen iiberhaupt feine zuſammenhängenden Lava- | 
ſtröme, fondern jtets nur A. 

Aſchenſtröme, vulfanifche Aſche (7. Wiehe), die bei 
Regengiijjen von den Bergabhängen fic) abwarts | 
ergießt; aud) foviel wie Schlammſtröme (j. Bulfane). | 

Aſchenzieher, Mineral, foviel wie Turmalin. 

Aſcher (Aſſer, hebr., »der Gliidlicdee), Sohn | 
Jakobs von Silpa, Stammvater eines der zwölf is: | 
raclitifchen Stämme. Diefer erbhielt bei der Vertei— 
lung Kangans einen ſchmalen Landjtrid) längs der 
Nordfiijte vom Karmel bis Sidon. 











847 
Hider, Mijdung von Holjajde oder Vottaſche 


mit Wpfalf zur Bereitung von Lauge; ein Brei aus 
Ygtalf zum CEnthaaren der Helle, aud wohl die 
Grube, im der die Helle gefalft werden; Miſchung 
von Holj-, Knochenaſche 2c. zur Herjtellung poröſer 


| Ubtreibherde; Miſchung von Blei- und Jinnoxyd jur 


Herftellung emailartiger Glajuren auf Fayence. 

Aſchera, Bezeichnung der geweihten »heilbringen- 
den« Pfähle oder Baume, welche die Kanganäer neben 
den Altären eingufenfen oder aufzuſtellen pfleqten; 
fie glaubten, daß jid) Die Gottheit, wie in Steinen, fo 
pei in Baumen bejonders gern offenbare. Sm Alten 
Teſtament findet fic) Dann A. auc) als Göttin gefaft 
und mit Aſtarte (f. d.) identifiziert. 

Aſcheraden, Schloß, ſ. Friedrichſtadt 2). 

Aſchermittwoch (VM jdhertag), der Mittwoch nog 
dem Sonntag Eſtomihi, der erſte Tag der großen 
Faſten, ſo genannt, weil an dieſem Tag in der ka— 
tholiſchen Kirche die Häupter der niederknieenden Gläu⸗ 
bigen zum Zeichen der Buſſe mit geweihter Palmen— 
aſche beſtreut werden. Dabei ſpricht der Prieſter: 
»Memento quia pulvis es ctin pulverem reverteris« 
(»Wedenfe, daß Du Aſche bijt und wieder ju Aſche 
werden wirjt<). 

UAfchersteben (fat. Ascania), Stadt (Stadtfreis) 
im preuß. Regbez. Magdeburg, an der Eine, Knoten— 
punft der Staatsbahnlinien Halle-Sellerfeld und U.- 
Rodthen und der Kleinbahn Nien⸗ 
hagen-U., hat 4 evangelifde und 
cine fath. Rirde, eine Synagoge, 
cin ſchönes Rathaus von 1518, 
Gyninajium mit Realfdyule, 
Amtsgericht, Reichsbankneben⸗ 
ſtelle, ein bedeutendes Kaliſalz— 
bergwerk, Braunkohlengruben, 
Maichinenfabritation, Cifengie- 
ßerei, Zuckerfabrik, Fabrifen fiir 
Papier-, Blech- und Wollen: 
waren, Dampffejiel, hemijden 
Diinger ꝛc., Vierbraucrei, Sa» 
menzucht, Gerberei und (1900) 27,245 Einw., davon 
974 Katholifen. Yn der Nähe cine Solquelle mit Bad 
(Wilbelmsbad) und anf dem Wolfsberg die fogen. 
Vite Burg, cine Burgruine mit Anlagen und dem 
Bismarckſtein. — A. (urfpriinglic) UScegerestebe) ijt 
zuerſt um 1130 nachzuweiſen, erbielt 1266 Stadtredt, 
qehirte bis 1315 dem Haus Anhalt, deffen Stamm— 
burg Askanien (j. d.) bet A. lag, und wurde 1322 
nebjt der Grafſchaft dem Bistum Halberjtadt einver- 
leibt. 1648 fam A. an Brandenburg und gehörte 
1807—18 gum Königreich Westfalen, worauf es wie- 
der preufife ward. Val. (Drofihn) W. im 19. Jahr⸗ 
hundert (Widerst. 1900). 

Aſcherſon, Raul, Botanifer, geb. 4. Juni 1834 
in Berlin, ftudierte dafelbjt 1850 — 55 Wedizin und 
Naturwiſſenſchaft, wurde 1860 Wifijtent am botani- 
iden Garten, 1865 aud am foniglichen Herbarium, 
habilitierte fic) an der Univerfitat und ward 1873 
zum Brofejjor ernannt. A. begleitete Rohlfs 1873 
1874 während feiner Erpedition nach der Libyſchen 
Wüſte und ging 1876 allein nach der Kleinen Daje 
dDajelbjt, 1887 nad der ägyptiſchen Tothmaswüſte. 
Er ſchrieb: » Flora der Proving Brandenburg« (Berl. 
1864, in der das Braunſche Syſtem mitgeteilt wurde; 
2. Aufl., gemeinfam mit Grabner, als »Flora des 
nordoſtdeutſchen Flachlande3<, daj. 1899); ⸗Nordoſt⸗ 
deutſche Schulfloras (mit Gräbner und Beyer, dof. 
1902); »Synopfis der mitteleuropäiſchen Flora⸗ (mit 
Gräbner, Leip;. 1896 ff.). Er beteiligte ſich auc) an 





Wappen von 
Afdersleben. 


848 Aſcherudſchud 


Schweinfurths⸗Beitrag zur Flora Wthiopiens« (Berl. | 
1867), bearbeitete fiir Rohlfs' »Reife von Tripolis | 
nad) der Dafe Kufra« (Leipz. 1881) die Pflanzen 
des mittlern Nordafrifa fowie die Botanif von Ojt- | 
afrifa in v. d. Dedens Reifewert (mit Kuhn u. a.,, 
daſ. 1879) und gab mit Ranig den »Catalogus cor- 
mophytorum etc. Serbiae, Bosniae etc.« (Mlaufenb. 
1877) fowie mit Schweinfurth die » Illustration de la 
flore d'Egypte« (Rairo 1887, Suppl. 1889) heraus. | 

Aſcherubſchud (Dirhem), Silbermiinge in Ma- 
roffo, = 10 Mufunas — 31 Ff. Talerwährung. 

Aſchhuhn, ſ. Ralle. 

Aſchines, 1) A., genannt der Sokratiker, war 
einer der treueſten Schüler des Sokrates. Er lebte 
eine Zeitlang zu Syrakus am Hof des Dionyſios und 
verfaßte ſieben Geſpräche moraliſchen Inhalts, in 
denen er den Sokrates möglichſt getreu darſtellte. Es 
ſind nur unbedeutende Fragmente davon übrig, wäh— 
rend drei noch unter dem Namen des A. erhaltene 
Geſpräche unecht find. Bgl. K. Fr. Hermann, De 
Aeschinis Socratici reliquiis (Götting. 1850). 

2) A. der fechjte unter den zehn attiſchen Rednern, 
geb. 389 v. Chr. in Uthen aus niederm Stande, geſt. 
314, war in jiingern Jahren Gebilfe in der Elemen— 
tarjdule feines Vaters, dann Schreiber und {pater | 
Schauſpieler in dritten Rollen. Wusgeftattet mit 
großem Rednertalent, wobhlflingender Stimme und 
Der Fähigkeit, fid) mit Wiirde zu bewegen, trat er 
356 als Redner auf und war bald cine angeſehene 
Perſönlichkeit. Wis Mitglied der 347 an Philipp von | 
Mafedonien gefdicten Friedensgejandtidaft von dem 
König gang in ſein Intereſſe gezogen, förderte er 
deſſen fuͤr Athen ſo verderblichen Pläne. Deshalb 
345 von Demoſthenes und Timarchos des Hochver⸗ 
rats angeklagt, entging er der Gefahr durch eine 
Gegenflage gegen letztern. Auch als Demoſthenes, 
der ihn alg Haupt der mafedonifdjen Partei fo bitter 
hafte, wie er von ihm gehaßt wurde, 342 die durch 
die Rede von der Truggeſandtſchaft unterſtützte An— 
flage erncuerte, wußte A. den Angriff durch feine 

leichbetitelte Rede abzuwehren. Nur das Intereſſe 
Boitipps im Auge, veranlafte er 339 ben zweiten 
Heiligen Krieg gegen Lofris und die Ubertraqung des 
Dberbefebls an den König und damit den Krieg, der 
gur Riederlage Uthens und Thebens bei Charoneia 
und gur Vollendung der mafedonifden Oberherridaft | 
führte. Sein Hak gegen Demofthenes führte feinen | 
Sturz herbei. Als er 330 Ktefiphon, der fiir Demo- 
fthenes als Lohn fiir feine Verdienjte cinen qoldenen | 
Kranz beantragt hatte, wegen Geſetzwidrigkeit ver- | 
flagte, verlor er infolge der Meijterrede des Demo: | 
ftheneS »vom Stranj« den Prozeß vollſtändig und 
ging in die Verbannung nad) Rhodos, wo er eine 
Rednerſchule qriindete. er jtarb auf der Inſel Sa— 
mos. Die drei Reden gegen Timardjos, über die | 





— Aſchylos. 


Charakteriſtik des Redners A. (Jena 1876); Caſtets. 
Eschine, étude (Par. 1875). 

Ufdinow, Rifolat Iwanowitſch, der »freie 
Rofat«, cin friiherer ruff. Hauptmann, wollte Wbef- 
finten fiir Rußland und die griechiſch katholiſche Rirche 
gewinnen und begab fid) 1883 nad) Ubeijinien, wo 


| ihm der Negus Johannes Verfpredungen made, die 


durd) eine Abordnung des abeffinifden Klerus bei 
dem Rirdenjubildum tm Kiew (1888) bekräftigt wur- 
den. 1889 unternabm er eine bewajfnete Expedition 
nad Ubefjinien, um den Plänen der Englander und 


| Staliener dort entgegenjutreten; der franzöſiſche Ad 


miral Obry zwang thr jedod) zur Ergebung. Die 
Expedition wurde nad) Rugland juriidgeidatft und 
A. 1891 polizeilich ins innere Rupland verwiefen. Bal. 
Conjftantin, L'archimandrite Paisi et l'ataman 
Achinoff (Bar. 1891). 

Aſchkenas (Wsfenas), nad der Völlertafel 
(1. Mof. 10, 8) Eigenname eines nordafiat. Bolfed, 
das in Urmenien oder in der Nachbarſchaft desielben 


zu fudjen ijt. Die fpatern Yuden bezeichneten mit Wt 


Deutidland. Minhag ., der gottesdienftliche Ri- 
tus der Juden in den meijten Gemeinden Deutid- 
lands im Gegenfage zu dem ihn entitammenden pol- 
niſchen und gum ſephardiſchen (paniſch-portugieſi⸗ 


ſchen) Ritus. 


Aſchkuchen, ſ. Napfkuchen. 

Aſchmum, Hauptitadt des gleichnamigen Diſtrilts 
der ägypt. Provinz Menufieh am Südende des Deltas, 
42 km nordweſtlich von Kairo, mit (882) 6752 Einw. 

Aſchmunẽn (Uj hmunein), Dorf in Oberagyy- 
ten, gwifdjen Dem Nil und dem Yofephsfanal, mit 
Ruinen de alten Chmunu (foptijd) Schmun), der 
Hermopolis magna, der Hauptfultusjtitte des Thoth. 
A.Chmunu war von alters her die Hauptitadt eines 
Gaues, bis Kaiſer Hadrian das von thm 122 n. Chr. 
am redjten Nilufer geqriindete Untinoopolis (f.d.) 
dazu madte. 

Aeschna, f. Wafjerjungfer. 

Aſchref, Stadt in der perſ. Proving Maszenderan, 


—— Sari und Aſtrabad, unweit des Kaſpiſchen 


eeres, war einſt cine prachtvolle Stadt nuit 300 Bä— 
dern und mehr als 20,000 Einw., Lieblingsſitz des 
Schah Abbas, der hier glänzenden Hof hielt; jetzt ein 
unbedeutender Ort von 840 Häuſern. Unter den 
qrofartigen Trümmern, die denfelben umgeben, er: 
regen die des Suffiabad (»>Sternwarte«) und cin 
Grabqewilbe Unufmerffamfcit. In A. wurde 3. Oft. 
1727 Friede zwiſchen Tiirfen und Perfern gejdlofien. 
Aſchtarchaniden, transoran. Herrſcherhaus, be- 
riindet um 1466 durch Rafim, einen Enfel Rutidut 
WMohanuneds (um 1425) und Radfonunen Timur 
Rutlufs (f. d.) aus dem Haus Ordas, des Begriin- 
ders der »Weißen Horde« von Oſtkiptſchal, zogen fic 
an die untere Wolga in das Chanat von Aſtrachan 


Truggejandtidaft und gegen Kteſiphon, von den Al- (»Aſchtarchan⸗) zurück. Uber durch das Wachstum 
ten als Die drei Grazien bezeichnet, qehiren nächſt des Gropfiiritentums Mosfau 1554 gum Auswan— 
den Reden des Demoſthenes zu den vorzüglichſten Lei- dern gezwungen, fanden fie bei dem Schaibaniden 
ftungen der griechiſchen Beredſamkeit (hrsq. auger in Qsfander Chan von Gamarfand Wufnahme und 
den Sammlungen der attifden Redner von Bremi, herridten, nad Didan, dem Stifter dieſer neuen, 
Zürich 1823, 2 Bde.; Franke, 3. Aufl. von Blak, | die Schaibaniden ablifenden Dynajtie, Di daniden 
Leipz. 1896; Schultz, das. 1865; Weidner, Berl. 1872; genannt, 1599— 1785 fiber Trangoranien. Ihre 
die Rede gegen Kteſiphon von lesterm, Leipz. 1872 | Nachfolger waren die Mangiten (1785-—1868). 


u. Berl. 1878; überſetzt von Benjeler, Leipz. 1855— | 
1860, 3 Yde.; Wortinder von Preuß, daj. 1896). | 
Die unter des A. Namen vorhandenen zwölf Briefe 
(in Herchers »Epistolographi graeci«, Bar. 1873) | 
jind ohne Zweifel unedht. Val. Blah, Attiſche Be— 
redjamfeit, Bd. 8 (2. Ausg. Leip;. 1898); Mardand, | 


Aſchur, ſ. Calotropis. 

rl wurzel, ſ. Dictamnus. 

HjdHlos, dev älteſte der drei großen griech Tra 
qifer, 525 — 456. Chr., geboren ju Cleufis in Attika, 
Sohn des Cuphorion aus einem Eupatridengeſchlecht. 
Mittampfer der Schlachten von Marathon, Salamis 


Aſchynit — Asclepias. 
und Platää, trat als Didter zuerſt 500 auf, qewann | 


aber den erjten Sieg erjt 484. Um 475 bielt er fic) 
in Sijilien bet Hieron von Syrafus auf, wo er zur 
age der von dem König — Stadt 

tna die ⸗Atnäerinnen- dichtete. Nad) einem zwei— 
ten Aufenthalt in Syrakus um 470 nad Athen zu— 
rückgekehrt, erlag er 468 dem jungen Sophokles 


gleid bei defjen erſtem Wuftreten, ſiegte aber bereits 
wieder im folgenden Jahr. Nach Aufführung feiner 
Rar er 


»Orejtiee (459) wieder nach Sizilien gereijt, 
in Gela. Die Athener ehrten —* fein Andenken 
durch den Vollksbeſchluß, daß ihm bei jeder Auffüh— 
rung ſeiner Stücke wie einem Lebenden der Sieges— 
kranz geweiht werde. W. ijt der eigentliche Begrün⸗ 
der der attiſchen Tragödie, indem er durch Einfüh— 
rung eines zweiten Schauſpielers den eigentlichen 
dramatiſchen Dialog ſchuf und dieſen durch allmäh— 
liche Beſchränkung der lyriſchen Chorpartien zum 
Hauptteil der Dichtung machte. Auch den ſzeniſchen 
Apparat vervollkommte er teils, teils ſchuf er ihn 
neu: er ſorgte für die Ausſtattung der Bühne durch 
Dekorationsmalerei und Maſchinerie, führte für die 
Schauſpieler die Charaktermasken ein und gab ihnen 
durch reiche Koſtümierung, den hohen Kothurn, Haar- 
aufſätze und andre Mittel ein über das Gewöhnliche 
hinausgehendes Anſehen. Wud) die trilogiſche Kom— 
poſition hat er vervolllommt, wo nicht geſchaffen. 
Sein Hauptcharakter liegt im Pathos und in der Er— 
habenheit, die fic) nicht felten bis zum Furdtbaren 
und Sdredlichen fteigert. Der Plan feiner fajt aus- 
nahmslos Homerijde Stoffe behandelnden Dramen 
ijt durchweg einfach; von einer Schürzung und 
Löſung des tragiſchen Knotens ijt faum die Rede. 
Die Charattere find mit wenigen kühnen und ftarfen 
Biigen entworfen: lauter rieſengroße Gejtalten. Dem 
—— iſt auch die Sprache groß und ſtreng, 
voll majeſtätiſchen Wortpompes, nicht ſelten ſchwer 
verſtändlich. — Die Zahl der von W. gedichieten 
Stiide wird auf 90 angegeben, die Bahl fener Siege 
auf mindeſtens 13. Erhalten find nur die folgenden 
7 Stiice: 1) die »Perfere, von 472, ein hiſtoriſches 
Stück, Xerxes’ Niederlage bei Salamis behandeind 
(hrsg. von Merkel, Leipz. 1869; Schiller, 2. Aufl. 
von Conradt, Berl. 1888; Teujfel, 3. Wufl. von Weed: 
lein, Leipz. 1886; überſetzt von Köchly, 2. Aufl., 
Heidelb. 1900); 2) die ⸗Schutzflehen den«, die Auf—⸗ 
nahme des fliidtiqen Danaos und ſeiner Töchter in 
Argos, aus derfelben Heit wie die »Perſer« (hrsq. 
von Schwerdt, Berl. 1858; Oberdid, daf. 1869); 
3) die »>Sieben gegen Theben<, von 467, bilde- 
ten mit »Laios« und »Odipus« und dem Gatyr- 
drama »Sphinr« eine Tetralogie (hrsg. von Ritſchl, 
2. Ausg., Leipz. 1875); 4) der -Gefeffelte Rro- 
metheus«, um 475, cine der tieffinnigiten und 
— — Dichtungen des Altertums (hrsg. von 

dimann, mit überſetzung, Greifsw. 1844; Weck 
lein, 2. Mufl., Leipz. 1878); 5—-7) die »Oreſteia«, 
die eingige aus dem Wltertum erhaltene Trilogie, 458 
quigefiifrt (br8q. von Weelein, Berl. 1888; mit 

berjesung von Wilamowitz, daf. 1885 ff.); cine der 
erhabenjten Dichtungen, ju denen fic) je menſchliche 
Phantaſie emporgeſchwungen hat: fie bejteht aus dem 
»Agamemnon« (hrsq. von Sdneidewin, 2. Wufl. von 
Henſe, daf. 1883; Enger, 3. Aufl. von Plüß, Leip;. 
1895; überſetzt von YW. v. Humboldt, daf. 1816), den 
»Choephoren« (hr3q. von Bamberger, Botting. 1840; 
de Jongh, Utrecht 1856) und den »>Cumeniden« (hrsg. 
von ©. Willer, mit Uberſetung Götting. 1833; 
Merkel, Gotha 1857; überſetzt von Schömann, Greifs— 

Meyers Konv.-Lerifon, 6. Aufl., L Bo. 





849 


wald 1845) und behandelt Agamemnons Tod und 
Orefte3’ Rade und Sühnung. Neuere Gefamt- 
ausgaben von BW. Dindorf (julest Leipz. 1865 u. 
1869}, G. Hermann (2. Aufl., Berl. 1859), Weil 
Gießen 1858 —67, Leipz. 1884), Mertel (Oxf. 1871), 
Kirchhoff (Berl. 1880), Weelein (day. 1885 u. Wthen 
1891); Sammlung der Fraqmente bei Naud: »Tra- 
gicorum graecorum fragmenta« (2. Aufl., Leipz. 
1889). Uberfegungen von Bok (Heidelb. 1827), 
Droyjen (4. Aufl., Berl. 1884), Donner (2. Mufl., 
Stuttg. 1887), Bruch (Vresl. 1881), Marbach (Leips. 
1882). »Lexicon Aeschyleum« von Wellauer (Leipz. 
1831) und Dindorf (daj. 1876). Val. Blay des, Ad- 
versaria in Aeschylum (alle 1895). 

Mfehynit, Mincral, nivbtitanjaures Cer mit Thor- 
ſäure, Lanthan und Didym, Yttrium, Calcium und 
Eiſen, findet fid) in rhombifden Rrijtallen von cifen- 
ſchwarzer Farbe, metallqlingend, Harte 5, ſpez. Gew. 5, 
eingewadjen in granitijden Geſteinen vorzüglich in 
Norwegen und gu Miaſt am Ural. 

Aeschynomene L. (Herminiera Guill. et Perr., 
Aedemone Kotschy), Gattung der Leguminoſen, Kräu⸗ 
ter, Halbſträucher oder Straucher mit gefiederten Blat- 
tern, meijt kleinen Bliiten in meiſt acdjeljtandigenTrau- 
ben und gejtielten, mehr oder weniger lincalijden Hül⸗ 
jen. Uber 50 Urten in den Tropen der ganzen Welt, 
befonders in Ufrifa und Siidamerifa. A. elaphroxylon 
Taub. (Am bak, Ambatſch), bis 7 m hober, über— 
aus ſchnellwüchſiger, dicht weichſtacheliger, reichblühen⸗ 
der Strauch, Charalterpflanze an und in den Gewäſ⸗ 
fern de tropifden Ufrifa, deren leichtes, ſchwammiges 
und dod) dauerhaftes Hol; zu Flößen dient. A. aspera 
L. wird in China fultiviert, aus den fdwammigen 
Stengeln wird eine Art Papier hergejtellt. 

Aſciano (jpr. aſchano), Dorf in der ital. Broving 
Siena, am Ombrone, KRnotenpuntt an der Cifenbahn 
Empoli-Chiuji, hat mehrere Rirden mit quien Ge- 
mälden, Mineralquellen und (1901) ca. 3600 (als Ge- 
meinde 7618) Einw. Sildlid) davon liegt auf waldi- 
er Felshöhen des Berges Acona die Abtei Monte 

liveto, die Pflanzſtätte der Olivetaner (f. d.), mit 
berühmten Fresfen aus dem Leben des Heil. Bencdift, 
von Soddoma und L. Siqnorellt. 

Ascidiae (U3 ;idien), ſ. Seeſcheiden. 

Ascidium (lat., Blattſchlauch), eine 5. B. dem 
Rannenjtraud (Nepenthes) eigentümliche Blattform, 
die bei den Inſektenfreſſenden Pflanzen (j. d.) bejon- 
dere biologifde Bedeutung gewinnt. 

Aſcii (lat.), ſ. Umphiicii. 

Ascites (lat.), ſ. Bauchwaſſerſucht. 

Asclepias L. (Sd watbenwur 3), Gattung der 
Usflepiadageen, Milchſaft fiihrende Stauden mit freuj- 
gegenſtändigen, quirlig oder fpiral gejtellten Blattern, 
vielbliitiqen Dolden, dicen, zugeſpitzten Balgfrüchten 
und zahlreichen, mit langen, ſeidenglänzenden Haaren 
verfehenen Samen. Etwa 80 meiſt nordamerifanijde 
Yirten. A. Cornuti Decsne. (A. syriaca L., Seiden: 
pflange), in Nordamerifa, den Mittelmeerländern, 
Oberöſterreich, Deutidland und Siidrupland ver- 
wildert, 1,5 m hod, mit qegenftindigen, unten weif: 
grauen Blättern, rötlichen Blitten und 10—13 cm 
langen Fruchtkapſeln, wurde wegen des weiken, jeiden- 
glänzenden, bis 2,8 cm [angen Samenbhaars (vege: 
tabilifdhe Geide) und des Baltes gum Anbau 
empfoblen, aber ohne Erfolg. Dagegen ijt die Pflanze 
vortreffliches Bienenfutter. Sie 3 von ſcharfem 
weißen, Milchſaft. Die Samen enthalten 25 Proz. 
fettes OF Qn Nordamerifa gilt die Wurzelrinde als 
Heilmittel, und die sarten Sproſſe werden wie Spargel 

54 


850 
qenofjen. Bgl. Meitzen, Über den Wert der A. Cor- 


Ascoli — Wfemie. 


Ascoli Satriano, Stadt in der ital. Proving 


nuti(Gotting. 1862). Wis Faſerpflanzen kommen aud | Foggia, Kreis VBovino, an der Cijenbahn Foggia - 
in Betradt A. curassavica L. und A. volubilis L., Polenza, Biſchofsſitz, hat 90n als Gemeinde 8550 
beide in Wejtindien und Siidamerifa. Undre Urten | Einw. Das alte Ausculum Apulum oder A. Satria- 
wie A. incarnata L., A. tuberosa L., beide in Nord- | num, beriihmt durd) den Sieg des Eyrrhos fiber die 
amerifa, find Zierpflangen. A. gigantea, ſ. Calotro- | Römer (279 v. Chr.). 


pis; A. acida, f. Sarcostemma. 
ASeoli, Graziadio Iſaia, ital. Spradforjder, 
cb. 16. Juli 1829 in Görz, wurde zum Kaufmann 
Beitimmet wandte fic) aber Dem Sprachſtudium zu und 


bradte es ohne Unleitung fo weit, dak er ſchon im | 


16, Lebensjahr cine vortreffliche Urbeit über das Friau- 
life verijjentlidjen fonnte. Das Hauptſammelwerk 
ſeiner friibern Urbeiten bilden die »Studj orientali e 
linguistici« (Gir, 1854f.). 1860 an dic Akademie zu 
Maitland berufen, hat W. durch Wort und Schrift das 
Intereſſe an Spradvergleidung, romanijder Sprad- 
forjdung und SanSfritjtudien unter Den Italienern 
bedeutend — die namhafteſten jiingern Gelehr⸗ 
ten ſeines Vaterlandes nennen fic) ſeine Schüler. Viele 
neue Entdeckungen hat A. beſonders in dem Bereich der 
Lautlehre gemacht, auch in Deutſchland iſt er als einer 


der erſten Renner und ſchärfſten Beobachter des Laut⸗ 
wechſels in den indogermaniſchen Sprachen und als | 


einer der bedeutendſten Romaniſten anerkannt. Sein 
Hauptwerk ijt ſeine »Fonologia comparata del sans- 
crito, del greco e del latinos (Zurin 1870; deutſch, 
Halle 1872); aud) die »Studj critici« (Flor. 1861— 
1877 ; deutſch, Weim. 1878) enthalten meijt lautliche 
Unterſuchungen, ebenfo die gehaltreichen »Lettere 
glottologiche« (Xurin 1886; deutſch, Leipz. 1887). 
Seit 1873 gibt A. das in Mailand erjdeinende » Ar- 
chivio glottologico« heraus, defjen erjter Band feine 
höchſt wichtigen »Saggi ladini« enthilt, und in defjen 
iibrigen (bis jetzt 15) Banden A. ebenfalls fehr wert- 
volle und 3. T. qrundlegende Forſchungen tiber ladi- 
nifde und italienifde Dialeftologie veröffentlicht hat. 
Von der fdniglichen Akademie der Wiſſenſchaften gu 
Berlin wurde A. 1887 zum forrejpondierenden Mit- 
glied, von der italienifdjen Regierung 1889 zum Se- 
nator des Königreichs ernannt. 1902 trat er in den 
Ruhejtand. Bal. »Miscellanea di linguistica in 
onore di Graziadio A.« (Zurin 1902). 


Wseoli Piceno (pr. -tigeno), cine zur Landfdaft | 


der Marfen gehörige Proving Mittelitaliens, grenzt 
im O. an das Adriatiſche Meer, im S. an die Proving 
Teramo, im SW. an Uquila, im W. an Perugia, im 
RW. und N. an Macerata und hat einen Fladenraum 
von 2056 qkm (37,3 OW?.) mit (1901) 245,883 Einw. 
(119 auflqkm). Die Proving jerfallt in zwei Kreife: 
Yl. und Fermo. 

Ascoli Piceno, Hauptitadt der gleidnamigen 
ital. Broving (jf. oben), auf einem Hiigel über dem 
Tronto, 166 m ii. M., an der Fliigelbahn U-Sam- 
benedetto gelegen, hat cin antifes romifdes Tor, cine 
{chine Rathedrale(an derStelle eines Herfulestempels), 
cin Gymnaſium, Lyzeum, eine techniſche und eine Acker⸗ 
bauſchule und (1901) als Gemeinde 28,882 Eimw., die 
Seide, OL, Papier, Wagen rc. herjtellen. Die Stadt 
ift Sik cines Bifdyofs und eines Präfekten. — A. hieß 
im Altertum Asculum und war die Hauptitadt der 
Picentiner (Daher Asculum Picenum), unter den Rö— 
mern cin Munizipium. 90 v. Chr. gab A. durch die 
Ermordung des Prokonſuls O. Servilius das Signal 

um Bundesgenoſſenkrieg und wurde deshalb durch 
en Konſul Pompejus Strabo (89 niedergebrannt, 
erholte ſich aber bald wieder. Das mittelalierliche A. 
wurde 1242 von Friedrich I. eingenommen und ge— 
pliindert und fam ſpäter unter papjtlidje Herrſchaft. 


UMseonius, Quintus A. Pedianus, rim. 
Grammatifer, wabrideinlid) aus Padua, um 3—88 
n. Chr., verfafte unter Claudius und Nero fiir feine 
Set at Sohne auf damals nod vorhandenen Alten⸗ 
ſtücken beruhende wertvolle hijtorifde Nontmentare ju 


Ciceros Reden, von denen nod) die ju fiinf Reden (mm 











ſehr verjtiimmeltem Sujtand) erhalten find. Beite Aus— 
gabe pon —— und Schöll (Berl. 1875). Halide 
id) tragen feinen Ramen die Sdolien zu Ciceros Ver⸗ 
rinifdjen Reden. Val. Madvig, De Asconii Pediani 
commentariis (Ropenh. 1828). 

Ascotaͤn, Ort in der dilen. Proving Untofagaita, 
an der Grenge gegen Volivia und der Cijenbabn A— 
Huandaca, 8750 m ii. M., am Siidufer des Salz— 
jee3 U., mit Borarwerf, anfehnlicdem Handel und 
(1889) 421 Einw. 

Aseot Heath (pr. astott sith, große Heideebene in 
Berkſhire (England), 7 km von Windjor, wo alljahr- 
lid) tm Juni berithmte Wettrennen (Ascot races) 


| jtattfinden. 


Usculapius, ſ. Astlepios. 

Aesculinae, ſ. ÄAskulinen. 

Aescũlus, ſ. Roffajtanienbaunt. 

Aseus (lat.), ſ. Sporenſchlauch. 

Asdingen, Königsgeſchlecht der Vandalen, das 
mit Hraus und Hraptus (um 171 n. Chr.) auftrat 
und mit Gelimer, Tzazo und Ammatas (533) endete; 
das befanntejte Glied ijt der Eroberer Nordafrifas, 
Geiferid. Bal. L. Schmidt, Gedichte der Wan- 
Dalen (Leipz. 1901). 

Asdod (qried). Azotos), die erjte der fiinf Für— 
ſtenſtädte der Philiſtäer, Sit des Dagondienjtes. Dem 
Stamm Juda zugeteilt, erſcheint es nod ju Nehemias 
Beit als philiſtäiſche Stadt. Die Aſſyrer croberten A. 
um 715 v. Chr., 100 Qabhre ſpäter Pſammetich von 
Agypten nad) 29 jabriger Belagerung ; der Maftabaer 
Judas und nad thm jein Bruder Jonathan nabmen 
es ein, und legterer gerjtirte es; doch ftellte Der römi⸗ 
iche Feldherr Gabinius den Ort 55 v. Chr. wieder her. 
Jn chriſtlicher Zeit war A. Biſchofsſitz; jest ES dud. 

Afebie (qried).), Gottlojigkeit, Frevel. 

Afebotozin, ſ. AUndromedotorin. 

Aſebu, j. Andromeda. 

Aſega, der bei den alten Frieſen vom Bolle ge- 
wiiblte, neben dem Richter und der Gerichtsgemeinde 
funttionierende Redtipreder oder Urteilfinder, welcher 
der entideidenden Geridtsgemeinde das Urteil über 
den verhandelten Redtsfall vorfdlug. Bgl. Recht- 
fpredher. 

Wfegabuch, Sammlung der alten frie]. Geſetze mit 
dem Landredjte der Riiftinger, aus dem Anfang des 
13. Jabrh., in altfrieſiſcher und plattdeutidher Sprache 
geidrieben. Vogl. Wiarda, Ujeqabuc (Berl. 1805); 
v. Richthofen, Frieſiſche Rechtsquellen (das. 1840). 

WUfeitat (neulat.), Selbjtwejenheit, Selbjtindigkert, 
in Der ſcholaſtiſchen —— die abſolute Unab⸗ 
argaten Gottes, vermöge deren er den Grund fei- 
ner Exiſtenz lediglich in fic) felbjt hat. 

Aſeleniſch (qriech.), mondlos. 

Asellus, f. Aſſeln. 

MAfemie (Aſymbolie, qried.), dad Unvermigen, 
fid) Durd) Worte, Gebärden, Schriftzeichen xc. mit der 
Umgebung gu verjtiindigen. Bgl. Aphaſie. 


Nien — Wfeptol. 


Aſen (altnord. Aesir, im Sing. Ass), in der nord. 
Mythologie das miidtighte Göttergeſchlecht, das jedoch 
nicht von Ewigkeit her beſteht, ſondern den Rieſen 
ſeinen Urſprung verdankt. Die erſten A. waren die 
drei Söhne des Rieſen Bur, Odin, Wili und We, 
von denen aber die beiden letztern, nachdem ſie ſich an 
der Schöpfung der Welt (ſ. Nordiſche Mythologie) be- 
teiligt Hatten, ganz zurücktreten, obwohl von threr 
eigentliden Abſetzung nirgends die Rede ijt. Als Be- 
herrſcher des Alls und als Stammvater der re 
Gittergeneration (daher fein Name Ullvater[alfadir}) 
gilt vielmehr Odin allein. Mit Jord (der Erde) 
zeugte er den Donnergott Thor, mit Frigg Bal- 
der und Bragi. Odins Söhne find ferner Tyr, 
Hod, Heimdall, Bali, Bidar, Hermod. Und 
Hönir, Ull, Forſeti gehiren gu den A. (ſ. die ein- 
zelnen Urtifel). Bon den weibliden Gottheiten, den 
Wfinnen(altnord. asynjur), find neben Frigg Idun 
und Saga die befanntejten. Die W. find dem Ein— 
fluf der Zeit unterworfen ; die Sage erzählt von ihrer 
Jugend fowie von ihrem Untergang. Die Kindheit 
der A. verfloß in forglofer Rube, in fortdauerndem 
Frieden und unter frohem Wiirfelfpiel auf dem ſchö— 
nen Ydagefilde; das Ende dieſes goldenen Reitalters 
wurde dadurd herbeiqefiihrt, dak aus Yotunheim drei 
Rieſenmädchen (die Nornen) erſchienen, die Lenfe- 
rinnen des Schickſals, das ſelbſt die Witter nidt zu 
wenden vermigen. Durd die Fügung der Nornen 
fam es ju Dem erſten Weltfriege gwifden den A. und 
cinem zweiten Göttergeſchlechte, Den Wanen (f. d.). 
Durd cinen Vertrag wurde er beigelegt, nad) welchem 
von den Wanen der mächtige Njord mit feinen Kin— 


dern Freyr und Freyja als Geifeln ju den A. fa- | 
men, wahrend jenen dafiir Hönir gu teil ward. Um | 
ſich gegen fernere Ungriffe fidjerzujtellen, beauftrag: | 


ten die A. einen Ricjen mit der Befeſtigung ihres 
Wobhnfifes US qgard(f.d.); da jedod) dem 


den Beſitz von Freyja, von Sonne und Mond aus: 


und den Riejen aus, der bid zum Ende der Welt dauern 
wird. Yn jenen find die dem Menſchen niiglidjen und 
wohltätigen Mächte der Natur, in diefen dic zerſtören— 
den und ſchädlichen Elemente perfonifigiert. Der er- 
bittertite Feind der Rieſen ijt Thor, der deshalb fort: 
während gen Ojten sieht, wo die Riefen hauſen, um 
fie gu befampfen und gu toten; er wird aud von den 
Riejen amt meiften gefiirdtet. Go fehr die W. den 
Rieſen überlegen find, fo haben die lestern dod) durch 
Rauberei cine gewiſſe Gewalt iiber die U.; vorzüglich 
tradjten fie nad) Iduns verjiingenden Äpfeln, durch 
deren Genuß die A. fic) jung erbielten. Auch Frevja, 
die Schinjte in Asgard, fuden die Rieſen zu gewin- 
nen fowie überhaupt ſchöne Frauen gu entfiihren, wm 
felbft Die Vater ſchöner Minder zu werden. Der all- 

emeine Weltbrand aber wird endlich nicht nur alle 
Schipfungen der A., fondern dieſe ſelbſt vernidten 
(ſ. sitter aig — Den UW. wurden Opfer und 
Gebete dargebradt. Bei bevoritehendem Krieg opferte 
man befonders dem Odin; wenn Peſt und Hungers- 
not bevorjtanden, dem Thor als dem Reiniger der 
Luft und Wettergott, und wenn Hochzeiten gefeiert 
werden follten, dem Freyr; Freyja wurde in Liebes: 
—— —— Neben Odins Minne 
(o>Medaidjtnis<) wurde Thors und Freyrs Minne ge: 
trunfen, Odins Beder wm Sieq und Macht, Freyrs 
Horn um qutes Jahr und Frieden. — Nach Cinfiih- 
rung des Chriftentums deutete man die Mythen von 
den YU. euhemeriſtiſch und betradjtete fie al8 ein aus 





aumeijter | 
der verſprochene Lohn vorenthalten ward (er hatte ſich 
| Wafden mit Seife und warmem Wafer, Wifohol und 
bedungen), fo brad) cin neuer Krieg gwifden den A. 





851 


Ufien eingewandertes, ia alae chlecht 
(Snorri Sturluſon, Garo Grammatikus; vgl. Nor— 
diſche Mythologie). Daß die Verehrung der A. auch 
den übrigen germaniſchen Völkern nicht fremd war, 
beweiſt fiir die Goten Jordanis, der im 13. Kapitel 
erzählt, daß das Boll feine als Halbgdtter angeſehe— 
nen Ahnen mit dem Namen Anſis (d. h. anseis) be- 
eidynet habe; fitr die Wejtgermanen das häufige Vor- 

munen des Wortes in Cigennamen (Wnsgar, Os— 
wald x.). Bei den —— hieß auch noch eine 
Rune Os, und cine Zauberformel erwähnt cine Krank⸗ 
Heit »Aſenſchuß⸗ (ésa gescot). 

Liſen, das Freſſen des Eldy-, Rot-, Dam- und Reh— 
wildes und de3 Hafen. Aſung, dad Futter dieſer Tiere. 

Aſepſis (griech, Ufeptif, afeptifde Wund- 
behandlung), eine Operations: und Wundbehand- 
{ungSmethode, die zielbewußt alle Jnfeftionserreger 
von der Wunde fern gu halten ſucht. Sie wurde vor 
Der v. ef ayy Schule cingefiihrt und trat an 
Stelle der Untifepfis (ſ. d.). Die W. will in erſter Linie 
die Gefahren der Ynfeftion, dic der Wunde durch Be— 
riifrung mit den Handen ded Operateurs, mit In— 
jtrumenten, Nahmaterial, Schwämmen, Tupfern und 
Verband eventuell erwachſen, möglichſt fernhalten. 
Daher die Forderung: alle Gegenſtände, die mit der 


Wunde in Kontakt kommen, müſſen fteril, d.h. abjolut 


feintfrei fein. Beim Verbanditoff, Ynftrumenten 2. 
läßt fid) Durch Erhitzung im gefpannten ſtrömenden 
Dampf oder durd) einfaches Kochen vollſtändige Keim— 
freiheit erreichen, dagegen nicht im idealen Sinne bei 
der Haut. Die Frage, ob die Hände des Operateurs 
mit annähernder Sicherheit keimfrei gemacht werden 
finnen, haben vereinzelte Autoren auf Grund ein— 
gebender balteriologiſcher Unterfudung bejahen zu 
dürfen geqlaubt, die Mehrzahl der Operateure ver- 
neint fie, um freilid) zuzugeben, daß diejenigen Mifro- 
organismen der Haut, die ſich bei der ſorgfältigen 
Desinfeftion der Hand (Methode von Fiirbringer: 


Sublimat) nidt entfernen lajjen, relativ gutartig find 
und nur in feltenen Fällen cine gefährliche Entzün— 
dung und Citerung hervorrufen. Die betreffenden 
Keime find in den natiirliden Boren der Haut (Haut- 
driijen, Haarbälgen) enthalten und werden wäh— 
rend des Operationsaftes medanifd oder durch den 
Schweiß an die Oberfläche befirdert. Um auch diefe 
Reime der tiefen Hautfdidten von der Wunde fern- 
jubalten, empfeblen einige Chirurgen das Tragen 
von Handfduben; die hiermit verbundene Einbuße 
an Feinfühligkeit und Bewegungsfreiheit der Hand ijt 
nur gering; bon andern Operateuren wird freilid 
die Zweckmäßigkeit der Handſchuhe ftarf angezweifelt. 
Weitere Forderungen der A., wie die ftrengtte Des: 
infeftion des Operationszimmers, de3 Operations: 
tiſches, Der Reider ded gu Operierenden wie des Ope- 
rateur8, ergeben fid) nad) dem Gejagten von felbjt. 
Sql. Shimmelbufdh, Unleitung zur afeptijden 
ations omapen, (2. Aufl., Berl. 1893); Braag, 
Grundlagen der Wfeptif (Stuttg. 1893). 

Aſeptik, Aſeptiſch, ſ. Aſepſis. 

Aſeptin, ſ. Borfiure. 

Aſeptöl (Sozolſäure, Sulfofarbol) C,H,SO,, 
cine 33,33 pro3. Löſung von Orthophenolſulfoſäure, 
wird aus Phenol und fonjzentrierter Schwefelſäure 
erhalten, bildet cine ſchwach ritliche Flüſſigkeit, ſchmeckt 
ſauer, riecht ſchwach phenolartig, ijt nicht giftig, miſch⸗ 
bar mit Waſſer, Allohol und Glyzerin, färbt ſich am 


Licht dunkler und geht mit der Zeit in Paraphenolſulfo— 


ſäure über. A. wird als antijeptijdes Mittel benutzt. 
54* 


852 Aferbeidfdan — Ajhland. 


Aſerbeidſchan (Aderbeidſchan, da alte Atro- 
patene, f. Karte »Perſien«), nordweſtlichſte Proving 
Perjiens, grenzt an die Türkei und Ruſſiſch-Kauka— 
fien. A. ijt cin gerflitftetes, grohartiges Alpenland: 
jtrengjter Winter mit 9 Monate lieqendem Schnee 
neben ſchönſtem Friihling und beifiqtem Sonuner ; 
unerſteigliche Bergriefen neben tiefen, wohl befiedel- 
ten Talern. Unter den Gipfeln erreiden der Sehend 
ſüdlich von Tebriz 3680, der tote Bulfan Sawalan 
bei Urdebil 4820, der Kleine Ararat an der Rord- 
weſtgrenze 4030 m. Hauptgewäſſer find die Gren}: 
flüſſe Aras und Kiſil-Uſen und der Urmiſee (ſ. d.). 
A. iſt reich an Tuff, Marmor, Alabaſter, Salz. Die 
Pflanzen- und Tierwelt iſt teils dem alpinen Gebirge, 
teils dem Salzboden der Niederung angepaßt, die 
Alpenflora ſpärlicher als in der Schweiz. Die Be— 
wohner (etwa 2 Mill.) find im NO. Tiirfen, im SW. 
Rurden, im SO. Berfer, am Urmiſee Aramäer; die 
beiden erjten find Romaden, in den Tälern auch Acker⸗ 
bauer u. Baumzüchter. A. gehört zu den reidjten Ge- 
bieten Perjiens, die Städte find gewerbtätig. Die Aus— 


fubr (getrodnete Früchte, Teppidje) betrug 1898/99: | 


64 Mill., die Cinfuhr (Baumwollen- und Wollen- 


zeuge, Zucker, Tee, Seide) 13,6 Mill. ME, wovon 5,9 | 


till. Mt. auf England fielen. 

Liſernia, Stadt, ſ. Iſernia. 

Wsgard (Asgardhr), das im Himmel gedachte 
Reich, in dem die Aſen (ſ. d.) wohnen. Dede Gottheit 
hatte dort ihren eignen Bezirk, in dem der prächtig 
ausgeſtattete Palaſt ſich erhob (wie die irdiſchen Gotter- 
tempel innerhalb cines Haines ju ftehen pflegten). 
Durd die Ynterpolationen in dem eddiſchen Gedicht 
Grimnismal find uns die Namen von 13 folder 
Witterfige erhalten, von denen jedod) Odin zwei zu- 
—— werden, während andre Götter (z. B. Tyr, 

ragi, Idun) leer ausgehen, nämlich: 1) Thrud— 
Heim oder Thrudwang ( Welt oder Gefilde der 
Stärke«), das Reid) des Donnergottes Thor; 2) Y)da- 
lir (»Cibental«), der Wohnort des treffliden Bogen: 
ſchützen Ullz 8) UL FHeim(>Clbenwelt<), der Sig des 
Freyr; 4) Walajfjalf (> Rundfig< ?), die cine von 
Odins Wohnungen, in der aud feine »Fenſterbank« 
Hlidfſtkjalf fid) befindet, von der er die ganze Welt 
überſchauen fann; 5) Söktwabekk(Gder tief liegende 
Sitz«), wo Saga wohnt, die dort Odin täglich in gol- 
dener Scale den Trunk reidt; 6) Gladsheim 
(Freudenwelt«), die andre von Odin’ Wohnungen, 
in welder Der herrlide Saal Walholl (»Halle der 
Wefallenen«) fich befindet, wo die im Kampf um- 
—— Helden (die Einherier) bei Odin ſelige 
Tage verleben; ) T hry mbheim(> Welt des Lärms«), 
der Wohnſitz von Skadi, Njords Gemablin, der Toch— 
ter des Rieſen Thiagi, der ehemals dort haujte (daher 
Thrymheim mit Unrecht in die Reihe der himmliſchen 
Räume geraten ijt); 8) Breidablik (Breitglanz«), 
Valders Heimſtätte; 9) Himinbjorg (> Hummels: 
berg<), der Sig des Götterwächters Hermdall, am 
Mande des Hinnnels g 
Brücke Bifroſt (der Regenbogen) vom Himmel zur 
Erde nieder; 10) Folkwang (Volksgefilde«), der 
Freyja zugehörig, die in dem Saale Sefsrhmnir 
(viele Sitze habend«) die ihr zukommende Halfte der 
in Der Schlacht Gefallenen aufnimmt; 11) Glitnir 
(der Glänzende«), Die Dalle des Forfeti; 12) Noatun 
(> Schijfsjtatte<), die Wohnung de3 Njord; 13) Widi 
(»Weites), der Landfig des Widar. 

UAsha (> Finger<), perf. Längenmaß, == 6 oder 
aud) 7 Dieho; 24 W. = 1 Berajid. 

Ufhantee, Negerreich, ſ. Aſchanti. 


elegen; von hier aus geht die 


Ajfhberrys Metall, ſ. Britanniametall. 
Aſhbourne (Aſhborne, fpr. aſchbörn), Stadt in 
Derbyſhire (England), 20 km nordweſtlich von Derby, 
an der Mündung des malerifchen Dovedale, hat cine 
alte Kirche (aus dem 13. Jahrh.) mit 64 m bobem 


| Turm, Lateinfdule, Handel in Rafe, Wolle und orn, 


orellenfifderet und (1901) 4039 Einw. 

Aſhburton (pr. afgsire’'n), Fluß int Nordweijtteil 
des Staates Wejtaujtralien, der aus vier Ouellflif- 
fen beiderfeits des Wendefreifes entiteht, nordweſt 
lich fließt und unter 21° 40° fiidl. Br., nördlich vont 
Exmouth Golf, in den Yndifden Osean fallt. Ein 
echter Steppenfluß, ſchwillt er zuweilen zu 300 m 
Breite bei 2O m Tiefe an und ſchrumpft dann wieder 
zu einer Reihe von Wafferbecten jufammen. Seinen 
Unterlauf erforjdte Sholl 1866, fein Ouellgebiet 
Wiles 1876. ‘ 

Sigey be la Goes, ſ. Baring. 

Aſhby de la Zouch (pr. ajgdi de (4 faim), Stadt in 
Leicejterfhire (England), mit Schloßruine (15.3abrbh.), 
gotiſcher Kirche, Strumpfiweberei, Roblengruben, Mi— 
neralbad (Jranhoe Bath) und (001 4722 Einw. 
In Der Mahe Ruine des Nonnenflojters Grace Dieu 
(1286 gegriindet, 1539 aufgehoben). 

Aſher, Udolf, Budhandler und VBibliograph, 
geb. 23. Uug. 1800 zu Kammin in Pommern, get. 
1. Sept. 1853 in Venedig, verweilte, jum Raufmanns- 
ſtand bejtinumt, mehrere Jahre in England, fpater in 
Petersburg und wandte ſich dem Bud, infonderbeit 
dem Untiquariatshandel gu, den er erjt in Petersburg 
und feit 1830 mit grofem Erfolg in Berlin betrieb. 
WIS Bibliograph bewährte fid) A. durd die Schriften: 
» Bibliographical essay on the collection of voyages 
and travels published 1598 — 1600 by L. Hulsius« 
(Berl. 1839), » Bibliographical essay on the Scrip- 
tores rerum germanicarume« (daj. 1843) und die mit 
Uberjepung und Anmerkungen verjehene Ausgabe des 
»Itinerary of Rabbi B. Benjamin of Tudela« (daf. 
1840). Das Verlags- und (vorwiegend internatio- 
nale) Sortimentsgeſchäft A. u. Romp. ijt gegenwärtig 
im Beſitz von Wd. Behrend und Cug. Goldjtiicer. 

Afheville (or. Aaqwim, Hauptitadt der Grafſchaft 
Buncombe in Nordcarolina, am Frend Broadfluß 
und zwiſchen den höchſten Uppalacdentetten ſchön ge- 
legen, mit bedeutendem Fremdenverkehr und Tabak: 

handel und (1900) 14,694 Einw. 
Af hford cpr. ajafor), Stadt in der engl. Grafſchaft 
| Rent, am obern Stour, mit gotijder Kirche (Turm 
aus der Beit EduardsIV.), großen Werkſtätten der 
Siidojtbahn und (1901) 12,808 Einw. 

pit — Lord, ſ. Albemarle. 

Aſhingdon (jor. debingd’n, früher Aſſan dumn), Ort 
in der engl. Grafſchaft Cfjer, berühmt durch die Schlacht 
von 1016, in ber König Edmund Cifenfeite von Knut 

d. Gr. von Dänemark durd) Verrat befiegt wurde. 

Ufhington (vr. ajaingr'm, Stadtgemeinde in der 
engl. Grafidaft Northumberland, 5 km öſtlich von 
Morpeth, mit Kohlengruben und avon 13,956 Eimw. 

Aſhland (pr. aſch Name mehrerer Stadte in den 
| Vereinigqten Staaten, darunter: 1) Hauptitadt der 
Grafſchaft A. in Wisconfin, mit trefflidhem Hafen am 
Obern See, Bahnfnotenpuntt, mit Hochöfen, ftarfer 
Cijener;-, Holz⸗ und Sandjteinveridiffung und (190m 
13,074 Einw. — 2) Stadt in Kennfylvanien, Graf- 
{daft Schuyllill, inmitten eines ergiebigen Steinfoh- 
lenbezirks, mit (1900) 6438 Einw. — 3) Stadt in Ken⸗ 
tudy, Grafidaft Boyd, am Obio, Vahnftation, mit 
Hochöfen, Walzwerk, ftarfer Eiſenerz-, Roheifen- und 
Soblenverfradtung und (i900) 6800 Einw. — 4) Stadt 











Aſhley — Aſiatiſche Gefellfchajten. 853 


in Oregon, Grafſchaft Jadfon, am Bahniibergang| Aſiatiſche Baniſe, Name eines ſeiner Zeit viel— 
fiber die Siffiyou Mountains, mit 2634 Cinw. gelefenen Romans von H. W. v. Ziegler (ſ. » Ziegler 
Wfhley (or. ajo, 1) Unthony Evelyn Mel- | und Kliphauſen«). 
bourne, engl. Scriftiteller und Politifer, qeb. 24.) Afiatifae Briider, den Roſenkreuzern verwand- 
Juli 1836 als jiingerer Sohn des Grafen von Shaftes: | ter Geheimbund, der 1780 in Ojterreid) entitand und 
bury, wurde 1863 Sadwalter in London und war | fid) von da fiber Deutſchland verbreitete. 
1858— 65 Privatſekretär Lord Palmerftons. Im Aſiatiſche Cifenbahn, dic von Tſcheljabinſk im 
Mai 1874 wurde er ins Unterhaus gewählt. Er ſchloß duferjten Ojten des europ. Rußland nad Wladiwojtot 
fid) der liberalen Bartei an, wurde im Upril 1880 (oſtchineſiſche) und die nach Port Arthur abgweigende 
Sefretiir des Handelsamtes und im Mai 1882 Unter- | (ſüdmandſchur.) Cifenbahn, wurde 1901 fiir provifori- 
ſtaatsſekretär im Rolonialminifterium. Im Juni 1885 ſchen Verkehr erdffnet. Näheres ſ. Sibiriſche Eiſenbahn. 
trat A. mit dem Miniſterium Gladſtone zurück und Aſiatiſche Geſellſchaften, Vereinigungen von 
verlor bei den Neuwahlen Ende des Jahres ſeinen Sitz Gelehrten zur Erforſchung der Geographie und Ge— 
im Unterhaus. Er ſchrieb als Fortſetzung der Vio- ſchichte, ber Religion, der Sitten, Sprachen und Lite— 
raphie von Lord Dalling and Bulwer: »Life of | raturen Ufiens. Die älteſten derartigen Geſellſchaften 
fenry John Temple, Viscount Palmerston, 1846— | haben fid) in Ufien felbjt unter den Unrequngen euro- 


1865« (Lond. 1876, 2 Bde.). paifder Rolonifation qebildet. Voran jteht die Bata- 
2) Unthony, Lord, ſ. Shaftesbury 2). viansch Genootschap van Kunsten en Weteuschap- 


Aſhmole (or. sjomo0, Elias, engl. Ultertums- | pen, gu Batavia 1779 gegriindet, die »Verhande- 
bie und Heraldifer, geb. 23. Mai 1617 gu Litdh- | lingen« (feit 1779, mit ſchäßenswerten Beiträgen zur 
ield in Staffordihire, gejt. 18. Mai 1692 in Windjor, | Kenntnis der fiidafiatifden Inſelwelt) herausgibt, 
praltizierte zuerſt als Hbvotat, lich fid) 1649 in Lon- friiher aud) cine »Tijdschrift voor Nederlandsch 
don meder, erbielt nad Karls I. Thronbejteiqung die | Indié« (feit 1842) erſcheinen lies, an deren Stelle 1853 
Stelle eines löniglichen Heraldifers gu Windjor und | die »'Tijdschrift yoor Indische Taal-, Land- en Vol- 
wurde ſpäter Mitglied der Royal Society. Beriihmt | kenkunde« trat. Wenig jiinger ijt die Asiatic So- 
find fein »Theatrum chymicum britannicum« (1652) | ciety of Bengal, die 1784 von W. Jones begründet 
und feine »Gefdidte des Hojenbandordens<«. Seine wurde und die beriihmten » Asiatic Researches« (Kal- 
reide Sammlung von antiquarifden, numismatifden | futta 1788 —1836, 20 Bde.) herausgqab, an deren 
und literarifden —— ward 1679 größtenteils cin | Stelle ſeit 1832 das » Journal of the Asiatic Society « 
Raub der Flammen. Den Rejt vermadte WU. der Uni- | erfcheint, feit 1865 in zwei Seftionen (eine natur- 
verfitit Orford, wo fie im UfHmolean Mufeum wiſſenſchaftliche und cine philoſophiſch-hiſtoriſche) ge— 
— iſt. teilt und von den Sitzungsberichten (Proceedings«) 
priest Park pr. ſchridſch), ſ. Berfhampitead. | begleitet. Unter Aufſicht diefer Geſellſchaft erſcheint 
Aſhtabula, Stadt im nordamerifan. Staat Ohio, | feit 1846 in Ralfutta die » Bibliotheca indica«, cine 
Grafſchaft A., am Erieſee, Bahnfnotenpunkt und | Sanunlung widtiger Quellenfdriften zur Kenntnis 
Hafenplag mit ftarfer Erz- und Kohlenverſchiffung, des Orients. Im 19. Jabrh. wurden viele derartige 
Mafdhinenbau, Gerberei und (1900) 12,949 Einw. Geſellſchaften in Europa, namentlicd) in England und 
Ashton in Makerfield (vr. aioe nin metecfi), Stadt | Frantreid), gegründet, als deren bedeutend}te die fol- 
in Lancaſhire (England), 6 km ſüdlich von Wigan, | genden zu nennen find: Die Société asiatique ju 
mit Rohlengruben, Fabrifation von Sdlofferarbeiten ris, Die, 1821 von S. de Sach, Klaproth, W. Wému- 
und (1901) 18,695 Cinw. fat, Chezy u. a. geqriindet, ein reiches Muſeum beſitzt, 
Afhton under Lyne (jpr. afape'n Snder tain), cine der | feit 1822 das »Journal asiatique« herausgibt und 
filtejten Städte Lancafhires, 8km von Mandhejter, | orientalijde Werke veröffentlichte, 3. B. die wichtige 
mit (1901) 43,890 Einw., die mit den nahe dabei ge- | »Collection des auteurs orientaux« u.a. Die Royal 
leqenen Städten Stalybridge und Dufinfield einen der Asiatic Society of Great Britain and Ireland ju 
amt dichteſten bevilferten Bezirke der Graffdaft ein- London, 1823 eröffnet, beſtätigt 1824, verfiigt eben- 
nimmt. Baumwoll- und Wolljpinneret ijt Haupt: falls tiber cin bedeutendes Muſeum und eine reiche 
induftriezweig. In der Nähe find ergiebige Kohlen- Bibliothef. Wn die Stelle ihrer » Transactions« (Lond. 
g ben. Dabei der Fabrifort Hurſt (7145 Cinw.). — | 1824-34, 3 Bde.) trat feit 1833 das ungemein reid 
-, feit Dem 14. Jahrb. im Beſitz der Familie Aſſhe- haltige »Journal of the Royal Asiatic Society«. Mit 
ton, gehört jest dem Lord Stamford. thr verbunden wirfte feit 1828 ein Oriental Trans- 
Aſia, im qried. Mythus Todjter des Ofeanos und | lation Committee durch Herausgabe von Überſetzun— 
der Tethys, Gemahlin des Prometheus, nad) der Aſien | gen orientalifder Werke. Hierauf erfolgte die Grün— 
genannt fein follte. dung der American Oriental Society ju Vojton 1842, 
MAfiago, Dijtriftshauptort in der ital. Provinz Vi- deren »Journal« feit 1850 in New Yorf und Rew 
cenga, 990 m it. M., Hauptort der fogen. Settecomuni | Haven erjdeint ; aud) fie gibt » Proceedings« heraus. 
(j. Comuni), mit altem Wergidlok, Tabatbau, hedeu- Die Deutſche Morgenlindifde Geſellſchaft, 
tendem Viehhandel u. (1901) als Gemeinde 6128 Einw. 1845 gegründet, halt mit den Philologen und Schul 
MAfianer, bei den Chronologen dic Bewohner ioni- | mannern Verjammlungen und gibt feit 1846 eine 
ſcher Stadte im ehemaligen Heiche des Uttalos (Der Zeitſchrift nebjt »Whhandlungen jur Runde de3 Mor- 
römiſchen Asia proconsularis). enlandes« heraus; aud) bat fie viele 3. T. ſehr um: 
Aſiarchen (qriech.), wabhrideinlid) die Ubgeord- | —— orientaliſche Werke drucken laſſen und die 
neten der einzelnen Städte zum Landtage der römi- von W. Weber herausgegebenen »Indiſchen Studien« 
iden Proving Aſien, die 4. von dem Yandtag zur (Berl. 1849 ff., 17 Bde.) unterjtiigt. Die Societa 
Wahrnehmung der Geſchäfte an den dem Naijerfult Asiatica Italiana gibt feit L887ein » Giornale. heraus. 
—— Provinzialtempeln gewählt wurden. Das Einen beſchränktern Kreis haben die Société orientale 
mt qalt als eine hohe Ehre. de France zu Paris 1842, weldje die »Revne de 
Asiatic Researches (pr. rifsrtiia), ſ. Aſiatiſche l'Orient, de l'Algérie et des colonies« herausgibt, 
Geſellſchaften. und das 1859 in Alexandria gegründete Institut 





854 


égyptien, von dem feit 1862 »Bulletins« und »Mé- 
moires« erjdeinen. Die Literary Society of Jeru- 
salem, zur Erforjdung de3 Heiligen Landes 1850 
geſtiftet, ijt feit mebreren Jahren eingegangen. Da— 
gegen wurde im November 1870 in London durch 
S. Bird und J. Bononi die Society of Biblical Ar- 
chaeology geqriindet, in der feit 1871 mehrere friihere 
Geſellſchaften ähnlichen Swedes, nämlich das Anglo- 
Biblical Institute, die Syro- Egyptian Society, das 
Chronological Institute und die Palestine Archaeo- 
logical Association, aufgeqangen find. Gie ver- 
Difentlidjt wertvolle » Transactions« (feit 1872) und 
nod) wichtigere »Proceedings«. Für die Erforſchung 
Palijtinas ijt feit 1865 der English Palestine Ex- 
ploration Fund titiq, der »Quarterly Statements<« 
herausgibt. Cine gleidnamige amerifanifde Gefell- 
ſchaft verfolgt denfelben Zweck Seit 1877 bejteht aud 
ein Deutidher Verein sur Erforjdung Palajtinas, der 
eine Zeitſchrift herausgibt (Leipz. 1878 ff.), Wus- 
grabungen bei Jerufalem (1881) veranjtaltet hat und 
Spiifenichafttidye Reiſen unterjtiigt. Noch find gu er- 
wähnen: die Wiffenfdaftliche orientalijde Geſellſchaft 
gu Beirut (feit 1882 bejtehend, die Nadfolgerin der 
1847 von Thomſon dajelbjt —— Geſellſchaft 
der Wiſſenſchaften) und die iffenſchaftliche maroni⸗ 
tiſche Geſellſchaft ebendaſelbſt, die beide 1882 ihre 
erſten Schriften veröffentlichten; ferner das Kon. In- 
stitut voor de Taal-, Land- en Volkenkunde van 
Nederlandsch Indié zu Amſterdam, das feit 1853 
»Bijdragen« verdjfentlidt; die Société orientale ju 
Ronftantinopel, die 1852 geqriindet wurde, fic) aber 
bald wieder auflijte; das Athénée oriental in Löwen; 
die Asiatic Society of Japan in Tofio, die »Trans- 
actions« herausgibt; die Pali Text Society in Indien, 
die Baliterte und cin »Journal« erjcheinen läßt; die 
Société Académique Indo-chinoise zu Baris (mit 
»Bulletins«); die neugegriindete, aber durch den jüng⸗ 
jten Krieg ernſtlich gefibrdete Peking Oriental Society, 
mit cinem »Journale; die Société sinico-japonaise 
in Baris, die »>Mémoires« herausgibt (»Le Lotuss); 
die Societa d'Italia, die ein »Bullettino« herausgibt. 
Geqemwartig ijt in Ronftantinopel ein türkiſcher Ver— 
ein, Eschschark, neben der faiferliden WUfadentie, dem 
Endschiimenidanisch von 1851, entjtanden. Auch die 
Alademie der Wifjenfchaften gu St. Petersburg gibt 
feit 1849 aus ihrem »Bulletin« die das Morgenland 
betrejfenden Stiide als » Mélanges asiatiques« (philo— 
logiſchen Inhalts) nod) befonders heraus. Yn der 
Kaiſerlich ruſſiſchen archäologiſchen Geſellſchaft beſteht 
eine eigne morgenländiſche Abteilung, die wichtige 
» Trudy « (Urbeiten) veröffentlicht. Im Orient bildeten 
fich außerdem die Madras Literary Society (1827) und 
die Literary Society of Bombay (+*Transactions«, 
ond. 1819 
1828 und 1829 mit der Royal Asiatic Society ju 


London und fiihren feitdem die Namen Bombay, be3. | 


Madras Branches of the Royal Asiatic Society; von 
erſterm erſcheint cin befonderes »Journal« feit 1841, 
von dem andern feit 1833. Wud) auf Ceylon und in 
Singapur bejtehen foldhe Zweige; befonders widtig 
ijt Der China Branch of the Royal Asiatic Society 
ju Dongfong und Schanghai (North China Branch), 
Der cin »Journale herausgibt. 

Aſiatiſche Pillen MW rfenpillen, Pilulae asia- 
ticae), Billen aus arjeniger Säure mit Pfeffer- und 
Süßholzpulver, enthalten je 1 mg arſenige Saure. 

Aſiatiſches Departement, cine Ubteilung des 
ru ſiſchen Miniſteriums de3 Außern fiir politifde und 
Pandelsangelegenheiten in der Levante und in Aſien. 


23, 3 Bde.); beide aber verbanden fic | 


Aſiatiſche Pillen — Aſien. i 


—22 Sprachen, ſ. Aſien, S. 863. 

Aſiati Tiirkei, |. Türkiſches Reich. 
Aſiderite, Meteorjteine, die fein gediegen Eiſen 
enthalten. 

Aſien (hierzu swei Karten: »Aſien, Fluj- und Ge⸗ 
birgsſyſteme⸗ und »Politijde Überſicht⸗), der größte. 
höchſte und nad feiner geſchichtlichen Cntwidelung 
älteſte Erdteil. Der Name ſtammt von dem affyre 
ſchen ⸗·Aszu⸗ — Aufgang (Der Sonne), tn Gegen— 
jae gu Ereb (dem Dunkel oder Gonnenuntergang), 
wovon Europa (vgl. Erdteil). Uberjicht des Inhalis: 
Lage, Grépe, Geftalt S. 854) Bevdlterung. . . S. 863 


Bobengeftaltung . . . 854 Überſicht ber Spraden . set 
Inſeln, Fliffe unb Seen 856 | Sosiale Verhältnifſe. st 
Geologiſche Verhaltniffe. 857 | Religionen . . . . . Net 
Nutzbare Mineralien. . 859) Erwerbs zweige, Berfebr. 865 
RANG eS ar Sew 860  Gnibedungsgejdidte . . 865 
Pflanjenwelt . . 860 | Geſchichte Aſiens feit 1884 #74 
aierwelt . 2. 2 2 we 862 | Literatur, Rarten. . . #75 


Lage, Grofre und Geftalt. 

Die Ausdehnung des Fejtlandes beträgt vom Rap 
Ticheljuftin (77° 34 nördl. Br.) bis Rap Buru in 
Malakfa (1'/s° nördl. Br.) 8620 km, vom sap Baba 
in Rleinajien (26° 4° öſtl. L.) bis gum Ojtfap an der 
Beringſtraße (169° 44’ weſtl. L.) 9646 km. Der 
Pladeninhalt ijt auf 44,179,400 qkm berechnet 
worden, wovon 41,499,700 qkm auf das Fejtland, 
2,679,700 qkm auf die Inſeln entfallen. Rund drei 
BViertel gehören der ndrdliden gemagigten Bone an, 
j¢ cin Uchtel der falten und der heißen Zone. 

Die Grengen find: im N. das Nördliche Eismeer; 
im ©. der Große Ozean, der längs der Küſte von A. 
die Namen Ochotſtiſches, Japanijdes, Gelbes, Chine 
ſiſches Meer trägt; im GS. der Indiſche Ozean als 
Bengaliſches und Arabiſches Meer; im W. das Rote 
Meer, die Landenge von Suez, das Mittelländiſche 
und Schwarze Weer, beide verbunden durch die Dar— 
sr geal a das Marmarameer und den Bospo 
rug, und innerhalb des Feftlandes ferner etwa der 
Raufafus, der Uralfluk und das Uralgebirge. Der 
Rumpf Aſiens gleidt einem Trapes, defjen vier Eden 
in die —— von Suez, den Golf von Tonafing, 
das Kariſche Meer und den Anadyr-Buſen (fidlicd 
vom Ojtfap) fallen. Die Nordjeite des Trapezes ijt 
mit 4450 km Die fiirjefte, die Weſtſeite mißt 4570, 
die Ojticite 6820, die Siidfeite 7550 km. Yn Diefen 
Rumpf jind weit vorjpringende Halbinfeln an: 
gegliedert: im N. die Tichuttidenhalbinfel, tm O 
Kamtſchatka und Korea, im S. Hinterindien mit dem 
langgejtredten WMalaffa, Borderindien und YUrabien, 
im W. Rleinafien, zuſammen etwa ein Filnftel des 
Sefamtareals. Im Reidhtum der Gliederung ſteht A. 
| hinter Europa bedeutend zurück; m A. fommen auf 


eine Küſtenmeile 105 OM. Nontinent, in Europa nur 


87. Dagegen ijt A. der infelreichfte Erdteil, auch haben 
die Inſeln (ſ. S. 856) meiſt eine auffallend felbjtan 
dige Stellung gum Fejtlande. Die Glieder, Inſeln 
und Halbinieln zuſammengenommen, verhalten ſich 
zum Rumpf des Rontinents wie 1:3. 
Vodengeftaltung. 

Das Tiefland nimmt in A. etwa 17,340,000 qkm 
cin, d. h. nur etwa 37 Brox. der Geſamtfläche, wad. 
rend das Verhältnis in Nordamerifa 45, in Süd 
amerifa 55, in Europa 68 Proj. betragt. Bom Tief 
land fallt cin Fünftel auf Rentralofien, faft die Halfte 
(8 Mill. qkm) auf Sibirien und nur etwas über 
3 Will. qkm auf die peripherifden Gebiete: China 
(1,1 Mill. qkm), die indogangetifde Niederung Vor 
derindiens, Wefopotamien und da8 fleine Tiefland 
(von Siam. All diefe Niederungen ordnen fid) im 





ASIEN 
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2000-4000 6000 BOO 
4000-6000 Gler SOO 





Hithen tiber 6000 Meter sind wet gelassen 


— Senkeungen des fheten Landes 
an unter dem Mrerecapicgel 





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POLITISCHE UBERSICHT 
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EUROPAISCHE BESITZUNGEN: 
(Ez Britische CEO Franz, Qe Niederl 


CE Deutsche TH) Portud. URE) Tark. 
— Liar pterrenien == Aabel 
Schang hai -Chinasiache, Japan.u Kernan Fertrigs hafin 


Meyers Konr-Lexikon 6 Aufl 


— 

















—— — L ae AUSTRAEIEN. 
@ + Greenwich mo" to" tz0" 0 ua 





« laststut tn Leipzig Zum Artikel Aston 


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Aſien (Bodengeftaltung). 


Kreis um das jentrale Hodland. Der feiten Beſiede 

find nicht alle günſtig, wurden aber andernfalls 
die Schauplige der — Vollerverſchiebungen 
in ſich und nad S. und W. 

[Gebirge.}] Yn Kettengebirgen und Hodplateaus 
beſitzt A. den größten Rompler von Maſſenerhe— 
bung auf der Erde; über zwei Fünftel (etwa 18,72 
Wall. qkm) des Erdteils entfallen auf dieſe Maſſen— 
erbebung einſchließlich Der Stufenlinder. Drei Hoch⸗ 
gebirgsipiteme: Himalaja, Kwenlun und Tienſchan, 
verfnoten fic) unter 75° djtl. L., wo von NO. her nod) 
die Ausläufer des Ultaifyjtems, von BW. der Hmdu- 
tuich —— Der Himalaja (f. überall die be 
ſondern Artikel), dad höchſte Gebirge der Erde, bildet 
die Grenye zwiſchen dem reichen Indien und dem öden 
Sentralatien; cine ftattlide Zahl von Gipfeln erreidt 
iiber 8000 m (Gaurifanfar 8840 m; Die mittlere Paß 
bdbe 5340 m). Parallel dem wejtliden Himalaja bil- 


det der ebenjo hobe Raraforum (Godwin Aujten: | 


Pik 8620; mittlere Rakhdhe 5610 m) die Grenze ge: 
gen Turfijtan. Das von W. nad O. —* dehnte 
wenlungebirge vollendet auf der Nor ** die 
Umgrenzung des Hochlandes Tibet in einem Mauer 
abfall, der nad ©. an Hobe abnimmt. Wabrend im 
Himalaja tippiger fubtropifder Pflanzenwuchs bis 
3000 m hinaufiteigt, iit Tibet Steinwiijte oder Steppe. 
Die hodchiten Unfiedelungen liegen im Himalaja bei 
2700 m, in Tibet bet 3500 m (Mlofter Hanle fogar 
4606 m mit 2,3° mittlerer Jabrestemperatur), tm 
Kwenlun bei 3600 m (Rarafaidtal). Das Kwen 
lunſyſtem beitebt aus vielen veridieden benannten 
Barallelfetten, die das Hochland von Tibet faſt in 
= Vreite durchſetzen. nah O. aber an Zahl und 
te jufammenidrumpfen, io dah nad Chima mur 
nod cine Mette (Tfinlingichan mit der dĩtlichen Fort 
fepung Funiuſchan bis 113° dit. 2.) quer binermraat 
Nim ſudoſtlichen Tibet entwidelt ſich dag meridionale 
Dinterindi fhe Gebirgsinitem, das im zahlteichen 
Hochletten von etwa 30° ndrdl. Br. nat der benter 
indiiden Halbiniel ausitrablt. Das ubrige China 
wird von dem Diagonalen (+ SH.--HO.» Sime 
ſchen Gebirgsſyſtem beberrict. deifem Kerten tm fd 
licen China in ein fait regelloies Hu rliand auf zeloit 
find, mit der Annaherung an den Titnln:itan und 
Die hinterindiſchen Retten aber immet ar ivre D. ben 
erreichen. Auch der Gebtrasmell nerd! + oon Ke! 14, 
auf der Grenze gegen Bie Wormer, art. ct jem St 
niſchen Syitem, wabrend Nertwett ra an yrtut 
teS Tafelland darſtellt Hetecctisot ot bee neuciters 
durch v. Hicbthoten maters ene ferccrun tate, 
Die von Der Mandichurer an -iti ed eo ot 


RRC. nad Sth mm t~ ere gt ovr PE 4 etter 
durdbsiebt. etn Oithit wrferes * — erent ‘a+ teen 


Ge biet ſcheidend cn NPS wt! tee te eh hoe 4 ord 
qtenye Chinas eritret: 4 be cee Fo unt Steppe 
erfiillte mwelliae Gotesete toa Cert ton yer pee 
Mongolei. degrees KPA ee Toe 4 we 
Wltat, tm C. burt bes: 7 
meriMonale Ubtrcenm ee oe 
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Die veridiedenen Retten des Ultai (Alatau, Tarbe 
gatai xc.) mit 4800 m mittlerer Gipfelhöhe preter 

| ſich nad O. teils in die Mongolet hinein, teris bilden 
ſie Deren Grenze gegen das fibtrtidje Tieflamd ( ditische 
ee ae als Sajaniſches Gebirge) 

| Rad) W. feblieGt ſich dem Tienſchan das Hla: 


| 


‘fyftem an, dad tm Trangalai 7000 m (Bet Raut 
mann) erreidht und Ben Nordrand des über 4a) m 
hohen Bamirplateaus bildet, das femeriests om C 


— 
— 
* 


vom Saryk Rol (Muſtagata 7444 m). on 


Laralorum und deſſen weitlicher Fortjiegung, dem 
Hindukuſch, eingeſchloſſen wird. Tas Ptadataſa 
| ebirge (Tiratichmit 7740 m on C , fibet moh 


itafien hinüber, indem es bad ndcdlidke Wichem 
jtan durchſetzt und mut ſeinen weſtlichen Aocchiges 
den Nordrand des iraniſchen Hodlambdes bel det. 

Das Hodland von Weitafrem zerfällt a den 
Teile: Jran, Armenien mit Rurdriten und Klemuiies. 
Iran wird im R. durch dee gewaltige Geber pomauer 
des Elburz (Demamwend 5) m) gegen Das Raipriche 


Weer begrenst. Der Weitrand itent gegem ee mee 
potamiſche Ebene tm Elwend zu 3453 m om aed peor 


bei \spaban in den Sudrand des rom er Hodis 
des mit dem SIM) m hobem Rube Tema ike ier 
Citrand bilden das Suleomerseher ye Ne HA. m., 
Em ſchmaler Kuitenitr · mc Mer ext len Cer 
Uleranders d Gir. verderzi fem Ste om “Sete oet 
trennt Iran vom Wer Qa Oere ¢icemer capt 
die Bergzüge Be See me Sher be Ther emper 
weitwarts bet des Ferean 1 ee) me Ee Let bet 
waldreichen Gebtrjeren? tom Sener be. mmr gt 
den Blateaufichen HDoéecmecrems. bee Sper 
1625 mi von mittee Mercer eet Oooeer st 
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anber octrenmt. Den wero fem Saict bes Qodecs 
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von Miederunien umicut. vom bemes beece Tk 
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n iden Bergland beremmretende Geberge fag bes 
4m aut Langs der Nordtulte pericott bas bes 
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hem Stloriten Clomp ber Brutia (2>9) m> umd 
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ve) muy be Lo siertte  yoriden Cupbrat und 
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856 


das Lãngsial von Bafan (Roleiyrien) in den Libanon | 
mm 38. (3067 m) und den Antilibanon im ©. (Grofer 
on 2769 m) geſchieden. Daran idliest Nich ſũd 
lich die merfwiirdige Jordanipalte mit dem Tiberias 
fee (205 m unter dem Weer) und dem Toten Meer 
(204 m unter dem Weer), als Bod ef Mraba fort: 
fepend, dann vom Buſen von Alaba durd eine Boden 
ſchwelle (250m i. WR.) getrennt. Im B. dieſer Spalte 
liegen die Plateaus von Galilda ( Tabor 561 m), Sa: 
maria (Garizim 63 m) und Judãa (800 m mittlerer 
dhe). Die mm FS. anidliekende Wüſte Tih, bis yum 
Sinai (2602 m) ausgedehnt, iteigt bis ber 1400 m 
an. Die Plateaus von Palditina fallen nad B. in 
Stufen zur Küſte (Karmel 465 m) yu den Ebenen 
von Sephela, Saron und Alla ab, nad ©. jteiler zum 
breiten Jordantal, auf defjen ditlicer Sette Das Berg- 
land Hauran wieder bis 1439 m aniteigt, um ſich 
dann in Die arabijd -fpriide Büſte zu verflachen. 

Bon den Gliedern des Feitlandes wird das tm 
Innern wenig befannte Arabien von Plateau 
abjtiirzen umrandet, die im S. von Alaba Gipfel von 
270 m, die hichite Erhebung Dichebel Ufhdar3018m), 
in Oman haben. Die Borderindifdhe Halbiniel 
wird als Plateau durd die Bindhya- und Sat- 
puratette von der indogangetiidhen Niederung, durd 
die Ojt« und We jtghats (Milgiri 2630 m) von den 
Riijten —“ 

1IJIuſeln.J Bon den Inſeln tm S. und O. find die 
Malediven und Laffadiven niedere, in der Senfung | 

riffene Koralleninſeln, alle übrigen fajt Durdaus | 
gebirgig (Cenfon bis 2540 m). Der große oſtaſia⸗ 
tifdhe Ynfelbogen von Sumatra tiber Java, die 
Meinen Sunda-Jnfein, Molukten, Celebes und Phi⸗ 
lippinen nad den Japanifden Inſeln und weiter | 
fiber die Kurilen ijt eine großartige Reihe tatiger Bul: | 
fane mit 3. T. hohen Wipteln (aut Sumatra bis 3736, | 
auf Java bis 3666, auf Bali bis 3200, auf Lombok | 
bis 4200, auf Sumbaiwa bis 3090, auf Ojtcelebes | 
bis 2019, auf Nippon bis 3750, auf Iturup in den | 
Rurilen bis 1631 m). Auf Borneo, der größten In— 
fel Der Erde (bis 4175 m), find nur fleime tatige Bul- 
fane, auf Formoſa (bis 3290 m) gar feine befannt. 

wliiffe und Seen. 

Der mridtigen Entwidelung Aſiens entfpridt die 
Fülle und Größe feiner Gewafer. Unter den Strö— 
rien ragen in Sibirien drei hervor: Ob, Jeniſſei 
und Lena, allerdings weil ind Eismeer miindend, 
nur während des kurzen Sommers ſchiffbar und dann 
nit vielen Meinern Flüſſen Hauptvertehrswege, 3. T- 
mit Danpfern. Dem Groen Ozean ſtrömt ju Der | 
Anadyr, un äußerſten Nordoſten, der Amur, dem 
Uſſuri und Sungari aus der Mandſchurei ju 
flieRen. Unter den zahlreichen Küſtenflüſſen zwiſchen 
Amur und Hwangho iſt nur der on Unterlauf ſchiff 
bare Peiho von Widhtigteit, der den Zugang ju 
Yeking crdjfnet. Hwangho (4100 km fang) und 
Jangtſekiang (ctwa5100km lang), die gewaltigen 
chineſiſchen Zwillingsſtröme, entipringen im Kwenlun 
in Nachbarſchaft und entfernen ſich dann in entgegen— 
geſetzter Richtung, um ſich im Mündungsgebiet wie 





der enge ju beriibren. 

Ins Südchineſiſche Meer miindet bei Kanton mit 
nod) zwei andern Flüſſen der Sifiang, in Tong: 
fing Der Songfoi, an der breiten Siidfpike von 
Hinterindien Der aus Tibet fommmende Mefhong, 
der trog grofer Waſſermenge feiner Stromſchnellen 
wegen wenig Wert fiir Die Schiffahrt hat. Die wid 
tigtten Ströme Hinterindiens find ferner der Menam 
in Siam, der Salwen, der, auch in Tibet entſprin⸗ 


Afien (jniein, Flüſſe und Seen). 


gend, in den Baien von Begu mi=det. az? der ra: 
wadiin Birma 
Som Himalaja flichen dem Yate Ogeaz e 
Brahmaputra, Ganges und Jndas. Brehucsvatre 
und In dus entipringen m Tite ond 
fajjen, entgegengeiest laufend (der Judes mad NE. 
der Tiangpo, der Cueilfiug des Grobmepatra. mod 
SE.), fait die gene Hrmalajafette met des nPrhiebes 
Ganges: und Dj iden tec. Der I⁊ 
dus empfangt linfs den Satledid ma femmes Se 
flüſſen Tidenab, Dſchelam und Ravt., recdes bez 
Rabul und miindet nad 2916 km langem Yauf oe 
Arabiſche Meer. Der Brabmaputra verinri den 
Namen Tiangpo berm Mustritt aus Tibet, bese maz 
Dibong, m Aſſam Brabmaputra und itroet dee 
oe — jen ju. Der zuflußteiche Gar 
es (2460 km ) entipringt am —— de⸗ 
——— etwas weſtlich Die Didamna; bei - 
habad vereinigt fliehen fie Bengalen ju. Schon ber 
der Züdbiegung des Fluſſes begmmt die Deltabridung, 
deren widdtigiter Urm der Hugli it. Aulege ver- 
einigen fid es und und miinden 
in zahlloſen Kanalen in den Bengaliſchen Weerbaier. 
Im = Siidplateau Indiens flichen RNarbada and 
Tapti nach B., alle andern größern Mie (Mabe. 
nabdi, Godaweri, Rijtna, Raweri) oſtwarte 
In Wejtafien find Cuphrat und Tiqris Ne en- 
jigen bedeutenden Zuflüſſe des Indiſchen Dzeans Der 
Tigris entipringt aus zwei Armen, auf der Nord- 
, Kurdijtans, bez. nordweſtlich von Diarbett 
Euphrat entſteht auf den Hochebenen Arme- 
niens. Bon der Grenze der Syriſchen Wüſte an wm. 
idlichen beide Strime das obere Mefopotamicn 
und münden vereimigt als Scatt ef Arab in den Ber- 
ſiſchen Golf. Ura bien hat feinen bedeutenden Flak. — 
Von den abflußloſen Binnengebieten hat das groste 
Stromipitem Ojtturfijtan, wo der Tarim den Kho 
tan, Jarfand und Kaſchgarfluß aufninunt und in der 
Vob- Nor miindet. Im wejtliden Afghaniſtan tit 
Setitan Gaminelbeden fiir den Hilmend, deen 
Cuellgebiet bis gum Hindukuſch reidht, und den Ha- 
rud, die beide Dem grofen Sumpf Hamun guitrd 
men. Jin Sande verlaufen Herirud, am Cytrande 
der perjiiden Wiijte, und Murghab im Turfmenen 
land. tiberall werden diefe Fliiyje verwendet yur Be 
wäſſerung der Felder und Obſtgärten. Ins Schwarze 
Meer miinden Safaria und Kiſil Armaf Ha. 


lys), Der am Nordende des Untitaurus entipringt und 
einen madtigen, nad O. geöffneten Bogen 


uid ' bildet ; 
weiter djtlid) Jeſchil Irmak, Tidorul, der Haupt 
fluß Lafijtans, und vom Kaulaſus kommend der fagen- 


reiche Rion (Phaſis) und der Ruban, deſſen Guellen 


am Cibrus liegen. Das Marmarameer empfingt 
mehrere fleinere Sufliijje, deren berühmteſter, der 


Granikos, vom Ida fommt. Ins Agäiſche Meer 


fallen Hermos (Gediz) mit dem goldreichen Valtolos 
und Mäanderz auf der Südküſte Gök-ſu, Seihan 
(Saros) und Djthan (Pyramus). Zum ſyriſchen 
Niiftenlande gehören Orontes (Nahr ef Wii) umd 
Litant, beide in Kolefyrien entfpringend. Unter den 
Küſtenflüſſen Balajtinas ijt der längſte der Kiſon 
Oſtlich in einer tiefen Spalte fließt der Jordan, der, 
am Oſtfuß des Großen Hermon entſpringend, die Seen 
Merom und Tiberias durchfließt und in das Tote 
Meer mündet. Aus dem über 1600 m hohen Gebirgs- 
land Hauran fließen die Bade, meiſt in der Wuͤſte 
verfieqend oder in Seen endend, nach allen Ridtungen. 

{Seen.] Mit 438,688 qkm ijt das Rafpiide 
Meer der größte Binnenſee der Erde. Seine Haupt- 


Aſien (geologiſche Verhältniſſe). 


zuflüſſe ſind Em ba (aus der Kirgiſenſteppe), Ural 
und Wolga (aus dem Innern Rußlands), Teret 
und Kur (aus dem Kaulaſus), Atrek auf der perſi— 
iden Grenge. Das Kaſpiſche Meer liegt um 25,5 m 
tiefer als das Schwarze Deer. Der Lauf de3 Ma— 


ny tſch ftellt cine natiirliche, breite Waſſerverbindung 
zwiſchen dem Rafpifden und dem Aſowſchen Weer dar | 


und wurde nod) im 17. Jahrb. befabren. Der U raljce 
ijt Der zweitgrößte Binnenſee Ufiens mit 67,769 qkm ; 
Der Waſſerſpiegel liegt 76 m hiher als der des Kaſpi— 
ſchen Meeres. Er empfiingt den Amu Darja und 
Sir Darja. Sein Wajfer ijt ſchwach ſalzig. Der 
Tſchu bildet zuletzt den 
(Zaras) den Raratulfee, der Gari Gu ben Tele- 


857 
obern Kreide und de3 Cocins fowie aus eocinen Num⸗ 
mulitenkalken und jungtertiiren Süßwaſſerkalken und 
Meeresbildungen, dazu fommen grope Maſſen jiinge- 
rer Eruptivgeſteine. Im Taurus treten aud Gra: 
nit (an Der Nordſeite des Plateaus des Ardſchiſch), 
Marmor, Tonjfdiefer und paläozoiſche Kalkſteine (mit 
Gijenerslagern und dem Bleiglanjvorfommen von 
Gillet. Boghas) auf. Ungeheure Bulfane, deren be- 
Deutenditer der Grohe Urarat (Undejit) ijt, waren 
bier in der Tertiärzeit (der Urarat nod im 15. Jahrb.) 
tätig, woran nod) jest häufige und ftarfe Erdbeben 
erinnern. In der Mitte ded armenifden Hodlandes 








‘ 


amatfulfee, der Talas | biegen die nordöſtlich ſtreichenden Gebirge nad) SO. 


unt in Die Retten Des perfifden Hodlandes. Die nbrd- 


fulfee, alle tm Stromgebicte des Sir Darja; der | lidjte, der Elburz, hat etwa den gleichen Bau wie 


größte See Turfijtans ijt der Iſſyl-kul (1615 m ii. M.) 
zwiſchen Tienſchan und Alatau. In Armenien liegen 
die hoch gelegenen ſalzigen Binnenſeen von Urmi 
(1330 m ii. M), Goltſcha und Wan (1666mü. M.); 
in Kleinaſien der abflußloſe Tis Tſchöllu (770 m) 
und viele Eleinere, in Syrien der Gee Tiberias und 
das Tote Meer (394 m unter dem Mittelmeer). Zu 
Weſtſibirien gehort der bitterfalzige Balchaſchſee 
(18,432 qkm), deſſen bedeutendjter Zufluß der Ili 
ijt; gu Ojtjibirien der Baifalfee, der größte Süß— 
wajjerfee Der Alten Welt (34,180 qkm), der in 469 m 
Höhe — ſteilen Felswänden mit Schneegipfeln 
liegend von der Angara durchfloſſen wird. Zahlreich 
ſind in den Steppen kleine Salzſeen. In Oſtturkiſtan 
ſammelt die Abflüſſe des weſtlichen Mwenlun und Tien- 
ſchan der große Sumpf Lob-Norz in Oſttibet ijt das 


geſchloſſene Becken des Kuku-Nor (3070 m ii. M.) 


von Hochgebirgen umringt. Im ſüdlichen Tibet iſt 
der größte Salzſee der Tengri⸗-Mor (4630m ii. M.). 
Geologiſche Verhaltniffe. 

A. wird geologiſch in zwei ungleich große Teile von 
verſchiedenem Bau geſchieden. Grier, Arabien und 
Borderindien find Rejte eines alten, feit Schluß der 
paläozoiſchen Beit nidt mehr gefalteten Kontinents 
(Indo⸗Afrikap der einen großen Teil des heutigen 
Indiſchen Ozeans ausfiillte und fajt das ganze Afrika 
untfapte. Das ganze iibrige YW. wird mit Dem nabe 
verwandten Curopa ju Curafta zuſammengefaßt. 
Hier fanden bis in die Tertiärzeit hinein Faltungen 
(Schub meijt gegen S.) ftatt, die befonders im S. 
und auf der Grenze gegen Jrdo-Wfrifa gewaltige 
Kettengebirge aufjtauten und gleichzeitig zur Bildung 
der abjluplofen Gebiete im Innern Anla qaben, die 
in folder Ausdehnung fein andrer Erdteil befits. 

Als divette Fortſetzung des Balfans und fomit aud) 
der Rarpathen und Wipen werden die Gebirge der 
Rrim und des Kaukaſus betradtet. Granite, Gneiſe, 
frijtallinifdje Schiefer, oberfarbonijde Fujulinenfalfe, 
Jura (nuit Flözen trejflider Steinfohle), Rreide und 
Tertiär (bejonders Nummutlitenfalf), aud) ungeheure 
Maſſen tradhytifder und andeſitiſcher Eruptivgeſteine, 
die unter andern die beiden höchſten Gipfel, den Kas— 
bef und den Elbrus, zuſammenſetzen, beteiligen 
ſich an dent Aufbau. Die Faltung erfolgte im Pliocan. 

Urmenien, Rleinafien und das öſtlich an- 
ſtoßende Gebict entſprechen geologijd den Dinarijden 
Alpen, d. Hh. Den Kettengebirgen, dic von der Balkan— 
halbinfel über Griechenland öſtlich ausjtrahlen, aus 
dem Vgiifdyen Meer nur als Inſelreihen (Kreta, Cy 
pern) aufragen und in Rleinajien wieder gripere 
Höhen gewinnen. Sie beftehen aus vielfad ——— 
und aufgerichteten kriſtalliniſchen Schiefern, die ein 
jugendliches Alter (Kreide) beſitzen ſollen, und aus 
Hippuritenkalken und flyſchähnlichen Geſteinen der 


der Taurus; Paläozoikum, Jura (mit Kohlen), Kreide 
und: Nummulitenkalk bilden das gefaltete Gebirge, 
das von dem nod) nidt vollftindig erlofdenen Bul- 
fan Demawend iiberragt wird. Jn Belutſchiſtan 
und an der indifden Grenge ändert fid) wiederum 
das Streidjen der Ketten; fle biegen zuerſt nad) O., 
dann nad RO. bis N. um und vereinigen fid) gu dem 
ewaltigen Syſtem de3 Hindulufd, an defjen 
ufenrand, {don im Pandſchab, die verwidelt ge- 
baute Salzfette (Salt Range) lagert, mit roten Gand- 
jteinen und feit uralter Zeit abgebauten falghaltigen 
Schichten, zu unterjt (Paläozoikum), dariiber Rohlen- 
falf, Perm, Trias, Jura, ältere Kreide und mächtiges 
Tertiär. Das mächtige Kettengebirge des Hindukuſch 
(bejonders frijtallinijde Gejteme) dringt nad MO. 
gegen die nod gewaltigern Ketten des Himalaja und 
Rwenlun vor, fest fic) aber nad) der Begegnung mit 
dieſen Gebirgen ohne Unterbredung in dte Ketten des 
Bamix fort und dann in den Tienfdan. Paläo— 
zoikum, mariner und pflanzenführender Jura, febr 
Piiitresehe obere Kreide (Rudiſtenkalke) und unteres 
Tertiär (Nummulitenkalk) find hier die hauptſächlich— 
ſten Sedimentbildungen; daneben kommen Granit 
und Syenit und vielleicht vullaniſche Gejteine vor. . 
Während die bis jest erwihnten Gebirge etwa das 
Alter der Alpen haben, fällt die Aufſtauung des Hi- 
malaja und des Rwenlun, der höchſten Gebirge 
der Erde, die bis auf die nad) S. geſchobene Faltung 
den Alpen ähnlich gebaut jind, tn eine viel ſpätere 
Beit. Im Himalaja find nod) jungtertiäre Wblage- 
rungen mit Rejten von Elefanten, Majtodonten, Nas- 
hirnern, Hippopotamen und Rindern von der Fal- 
tung mitbetrojfen. Außer den jungtertiaren Süß— 
wajjerbildungen von bisiweilen fiber 1000m Mächtig— 
feit (Sivalifidichten), die den äußerſten Saum des 
Gebirges gegen die indiſche Ebene cinnehmen, beteili- 
gen ſich an dem Aufbau des Himalaja nod viele andre 
foſſilreiche Schichten (vom Silur bis zum eocänen 
Nummulitenkalk, Triasablagerungen von alpinem 
Charafter und gewiſſen nordiſchen [ruffijdhen] Vor— 
kommniſſen ähnliche Jurabildungen), dann vor allen 
triſtalliniſche Geſteine, aus denen gerade die höchſten 





Ketten und Gipfel bejtehen. Auch im Kwenlun find 


frijtallinijdje Gejteine, Triaskalke, obere Rreide ent- 
wictelt. 

Von den hinterindifdhen Gebirgen meridio- 
naler Richtung ijt die wejtlicjte am Kap Negrais en: 
Dende Kette innerhalb Birmas qut erforfdt. Sie be- 
ſteht aus Trias von alpinem Charafter, madtigen, 
dem Flyſch und Maeigno der Wlpen ähnlichen Sand- 
ſteinen und Sdhiefertonen mit maffenbaften Serpen- 
tineinlagerungen, eigentümlichen kriſtalliniſchen Schie- 
fern, denen Griechenlands und Kleinajiens ähnlich, 
und Nummulitenkalk. Die Uhnlicfeit des geologiſchen 





858 


Afien (geologiſche Verhältniſſe). 


Baues mit den Dinariſchen Alpen iſt auffallend. Das breitet find ferner pflanzenführender Jura an einzel⸗ 


Gebirge fest fic) qleichbleibend iiber Die Undama- | 
nen und Nifobaren, dann in den großen Oſt- 
ajiatifden Inſelbogen fort. Diefer jerfallt in| 


nen Stellen, 3. B. Rertſchinſt, tm OQuellgebdiete* des 
Amur, am Mittellauf de3 Wiluiflujjes, auch marmer 
Jura und Kreide. Ym Ultai herricden kriſtalliniſche 


mebrere einzelne Bogen, entipredend den von ihnen | Schiefer und Granit vor; auc find Tonichiefer mit 


eingeſchloſſenen Binnenmeeren (Senfungsfeldern) : 
Siid- und Oſichineſiſches, Japaniſches, Schotſtiſches 
Meer; die zugehörigen Inſelbogen ſind: Sundainſeln 
mit Moluklen und Philippinen, Riufiuinfeln, Japa⸗ 
niſche Inſeln, Kurilen mit Kamtſchatka, ſämtlich von 
Vulkanen beſetzt, die gu den höchſten und tätigſten der 
Erde gebdren (Musbruch der Krafatau 1883). Die 
vullaniſche Tätigkeit auf Dem Inſelgürtel ijt durch das 
Vorwalten von Schlammſtrömen und Aſchenregen 
gegenüber den Lavaergiifjen ausgezeichnet. Geologiſch 
am beſten befannt ſind Java (alte Formationen durch 
mãchtige Miocänablagerungen bedeckt) und die Ja— 
paniſchen Inſeln, die in der Längsrichtung von 
einem ſchmalen Urgebirgsſtreifen mit angelagerten 
efalteten Sedimenten des Devon, Kohlenkalk, Jura, 
Streide und des Tertiär erfiillt find. Die Vulkane 
Japans (31 erlofdene, 19 tätige) find in parallelen 
Ketten angeordnet. Die innern Kettengebirge Hinter- 
indiens fepen ſich durch Malaffa nad Bangla und nad 
Borneo x. fort. Sie beitehen vielfad) aus alten fri- 
ſtalliniſchen Schiefern und Granit (darin die Zinn— 
lager von Malaffa und Bangka) und aus paläozoiſchen 
Sedimenten; die Riederungen zwiſchen den Ketten ent- 








halien Tertidrablagerungen (beriihinte Fundjtelle fiir | 


Säugetierknochen am Jrawadi), die große Ähnlichkeit 
Wahrſcheinlich lag die große nordajiatijdhe Niederung 
des Himalaja aufweifen und aud) in Java und Ja-— 


mit den pliocinen Süßwaſſerbildungen am Südfuß 


pan auftreten. 

Die geologiſchen Verhältniſſe von China find 
hauptſächlich durch v. Richthofen in ihren weſentlichen 
Zügen aufgetlart worden. Der öſtliche Kwenlun (Tſin— 
lingſchan), der das Land quer durchſetzt, beſteht aus 
zwei eng verſchweißten Längszonen, von denen die 
nördliche höher ijt und den Urgebirgsfern enthält, 
während in der ſüdlichen die paläozoiſchen Sedimente 
vorwalten. Im nordchineſiſchen Gebirgsroſt über— 
wiegt neben Urgeſtein die Siniſche Formation (etwa 
— Kambrium). Das Plateau der Provinz Schanſi ijt 
aus den Schichten der Steinkohlenformation zuſam— 
mengeſetzt, die ſich nach W. durch Schenſi und Kanſu 
fortſetzt. Das ganze nördliche China ijt überſchüttet 
mit einer mächtigen Decke von Löß, die das Tafelland 
einhüllt und hod in die Gebirge hinaufſteigt. Auf die 
Erforidung der unvergleidlich großartigen Lößver— 
breitung in China qriindete v. Richthofen feine be- 
riihinte Theorie von deffen Erzeugung durd den Wind 
(Staubjtiirme). Die Lößdecke erſtreck ſich auch auf die 
Mandidurei, Mongolet und das nordajtliche Tibet. 
Das Hiigetland des ſüdlichen China ijt geologifd nod 
fehr wentg erforidht; Urgeftein tritt an der Küſte und 
in eingelnen Zügen des Annern auf, bedeutende Ver— 
breitung haben paläozoiſche (finifde) und meſozoiſche 
Sedimente, die befonders großartig im »Roten Becken« 
von Setſchuan auftreten. 

Uber die Veologic de3 Unturlandes und Nord. 
oftfibiriens und zumal der Gebirge, welde die Bla- 
teaus Ynnerajiens vom fibirifden Tiefland trennen, 
haben erjt die Arbeiten der ruffifdjen Geologen im An— 
ſchluß an den Bau der Transjibirifden Citenbabr in 
nenejter Beit genauere Aufklärung geliefert. ym 
Unturland bis zum Baifalfee fesen kriſtalliniſche Schie- 
fer in ungemem grofer Ausdehnung fowie Ablage— 
rungen der Steinfohlenformation mit Porphyr und 








Einlagerungen von Ouarzit, Hornftein und Sand- 
jtein fowie Ralfiteine der Silur⸗ Devon: und Rarbon- 
formation recht verbreitet. Brodultives Steinfoblen- 
gebirge findet jid) am Nordabhang; aud wge⸗ 
ſteine, Porphyr und jiingere ſerpentinartige Gejterne 
werden — Für die Goldgewinnung wichtig 
ſind die diluvialen und alluvialen Schuttmaſſen am 
Fuß des Gebirges. Jüngere Eruptivgeſteine treten 
als Decken an der untern Tunguſta auf. 

Die Tiefebene Sibiriens und Turkiſtans iit 
noch wenig durchforſcht. An einzelnen Stellen iſt die 
Steinkohlenformation (Kohlenkalk) nachgewieſen von 
der gleichen Entwickelung wie auf Nowaja Semlja und 
—— Verſteinerungsführende untere Trias, 
reich an Ammoniten, lennt man von der Wiindu 
des Olenek. Bis an die Ufer des Stillen Ozeans find 
allenthalben, wo die fibirifden Strime ti 
eingeſchnitten find, marine Schichten der fogen. Boigas 
jtufe (oberer Yura und untere Rreide) bloßgelegt. 
durd jahlreidhe Ummoniten und befonders Durd Die 
Muſchelgattung Aucella dharafterifiert. Auch find im 
ſüdlichen Teil de3 qroken Fladlandes, in Turan, febr 
Neheheckicnatediee Schichten der obern ſtreide, gleich 
falls mariner Entſtehung, aufgefunden, wibrend obere 
Kreide im eigentlichen Sibirien in befannt ijt. 


in der obern Jurazeit vollſtändig unter dem Weer, 
am Ende der Kreidescit aber, als das Meer nod das 
ganze jentrale A. bededte, bereits gum größten Teile 


trocken. Qn der Diluvialjeit war die weite fibirifde 


Tiefebene cine ähnliche Steppe, wie jest em großer 
Teil des Annern des Rontinents vielfad von 
Flüſſen durchſchnitten, an deren Randern ein reid: 
lider Baunt- und Graswudhs den fie bevdlfernden 
Siugetieren Nahrung lieferte. Der Steppenboden 
entitand durch Sandjtiirme. Es bildeten ſich Moräſie 
und Salzſeen, wie ſie noch jetzt in den ausg 
an Salzausblühungen reichen abflußloſen Depref- 
ſionsgebieten im weſtlichen und mittlern A. vorlom 
men NRaſpiſee, Aralſee, Hamunſee im perſiſchen Hoch 
land, Balchaſchſee, Lob-Nor rx. in der Wüſte Gobi, 
Tengrifee ꝛc. in Tibet). Aus den morajtartigen Bil- 
dungen der Diluvialjeit bildete fic) in der Eiszeit der 
Cisboden, ohne ſpäter wieder volljtindig aufzutauen; 
ev beherbergt in qrofer Sahl Skelette des Mammuts 
und andrer Steppentiere, zumal im N. an der Mün 
dung der Lena, die damals das nbrdlide Sibirien in 
—* Herden bevilferten. Man ſchätzt die Zahl der 
ammutindividuen, die in Den letzten 200 Jahren 
durd) Tauen ded Bodens, oft nod lebendfriſch, mit 
Fleiſch, Haut und Haaren, bloßgelegt oder Durd) die 
Gewäſſer ausgewaſchen wurden, auf 20,000; etwa 
der Dritte Teil des in Den Handel gebradten Elfen- 
beings ſtammt von deren Stoßzähnen. Dak das ſibi— 
riſche Flachland in der Diluvialzeit von Gletſchern 
bededt gewefen fei, hat Nanſen wenigſtens für die 
Nordfiijte Aſiens nachgewieſen. Mud in den gebirgi- 
gen Teilen swifchen Baitalfee und Ochotſtiſchem Meer 
finden fic) deutliche Spuren der Vereifung; fie feblen 
aber dem Altai trog feiner bedeutenden Hobe mangels 
= ender Niederidlige. Wud im Kaukaſus, im 
ienſchan, tm Himalaja und im Ural find Spuren 
einer bedeutenden alten Vergletſcherung beobadjtet 


Melaphyr die Gebirge und Plateaus zuſammen. Ver⸗ worden. 


Aſien (Gupbave Mineratien). 


Die feit dem Schluß der paläozoiſchen eit nicht 
mehr gefalteten Gebiete von Borderindien, YWrabien 
und Syrien zeigen in ihrem Bau grofe Ähnlichkeit 
mit Ufrifa. Die vorderindifde Halbinfel, fiid- 
lid) von den weiten Alluvialebenen des Yndus und 
Des Ganges, ſetzt ſich, zumal in ihrem ndrdliden, djt- 
lichen und ſüdlichen Teil, aus Gneis, trijtallinen Sdie- 
fern, Marmor zuſammen; aud Granit und Syenit 
treten bedeutjam auf. Yn der Windhyakette liegen 
auf dem gefalteten Grundgebirge in ziemlich flader 
Nagerung verſteinerungsleere Sandjteine, Schiefer 
und Malfiteine, die wohl paläozoiſchen Alters find. 
Dann folgen die Gondwanajdidten, pflanzen— 
und reptiltenfiibrende Sandjteine (zuweilen mit ab- 
bauwürdigen Rohlenflizen), ausſchließlich Binnen- 
ablagerungen von der Mitte der Steinfoblenforma- 
tion bis Ende der Trias. Wn ihrer Baſis liegen die 
Taldhiridhidten, tarbone Tone und ——— 
Sandſteine nut eingeſtreuten größern Blöcken und Ge— 
ſchieben fremdartiger Geſteine, anſcheinend unter der 
Mitwirkung von Cis ebildet, entſprechend den Ecca- 
Ronglomeraten — Die ältern Ablagerun— 

en der Gondwanaſtufe liegen vorzugsweiſe in Ver— 
sr ei der dltern Formationen, wahrend die obern 
Gondwanaſchichten ſich ziemlich gleichmäßig bis in die 
Mitte des Landes erſtrecken. Jüngere Meeresablage— 
rungen finden ſich nur an den flachen Küſtenſäumen. 
Man kennt im NW. an der Indusmündung Jura— 
bildungen in auffallender Überei nſtimmung mit denen 
Curopas, ferner verjteinerungsreidhe Rreidegefteine 
bei Ponditſcherri und Madras, nahe verwandt mit den 
Vorkommmiſſen in Siidafrifa, in Japan, tm Amur— 
gebiet und an der Weſtküſte von Rordamerifa. — Wie 
Der Granit dem Silden Defhans feinen Charafter 
aufdrückt, fo Der Basalt im N., wo er in beifpiellofer | 
Ausdehnung auftritt. Bon Malwa bis zur obern 





Kiſtna, von Madras bis zum Lande des Nizam dectt 
er alles Land mit feinen Tujfen und Mandeljteinen 
und bildet das große Plateau Norddefhans. Bon nod 
jiingern Bildungen bejist in Dekhan eine weite Ver— 
breitung der Die Ojtgehange der Weſtghats und fajt 
alle Ebenen Defhans bedecfende iiberaus frudtbare 
Regur (⸗ ſchwarze Erde«). — Ceylon ijt ganz aus 
Granit, Gneis und kriſtalliniſchen Schiefern aufgebaut. 

Jn den befannten Teilen Arabiens bejigen die 
kriſtalliniſchen Sdhiefer eine weite Verbreitung. Am 
Meerbujen von Akabah lagern Gneis und Glimmer— 
fdhiefer an ausgedehnten Granitmaffiven; auch die 
Gebirge ſüdwärts durch Hidſchaz bis Jemen, in Oman 
und Hinter den laden Küſten des Perſiſchen Golfes 
zeigen Denjelben Bau; mur wird im O. das Grund: 
gebirge von Nummulitenkalk, an der Siidfiijte aud 


nod) von der Nreideformation iiberlagert. Spuren | 


vullaniſcher Tatigteit, die an den Küſten des Roten | 
Meeres bis in die neuefte Zeit (1834) fortgedauert hat, 
finden jid) namentlid in der Gegend von Medina und | 
Uden; die Stadt Uden felbjt liegt im mächtigen Kra— | 
ter eines alten Vulfans. Wm Suͤdende der Smaihalb: | 
injel titrmen fid) großkörniger Granit und Syenit su 
Hochgipfeln auf und ſetzen ſich jenfeit der Bucht von | 
Alabah nad) O. bis in die NRähe des Toten Meeres | 
fort, begleitet von Urgebirge, aud) von rotem Bor: | 
phyr und Diorit. Darauf liegt der braune (nubiſche) 
Sandjtein, in feinem obern Teil von cenomanem Alter, 
nad) unten vielletdt bis jum Narbon reidend. Auch 
Diejer Sandjtein erlangt namentlid) an der Ojticite 
des Toten Meeres cine groke Uusdehnung und ſcheint 
in den roten Sandjtein ded Libanon iiberzugehen. 
Auch Kreide und Nummulitenlalle finden fic über dem 


859 


nubifden Sandjftein, auf der Sinaihalbinfel nad Pa— 
Laftina hinüber, weiterhin in den Bergen von Judäa 
bis zum Berge Karmel. Denfeit der Senfe von Jes: 
reel, mit vulkaniſchen Gejteinen, ſetzen fich die Kreide— 
falte mit ſchollenförmig aufgelagerten Nummuliten— 
falfen bis in den Libanon fort. Hier treten aud grün 
liche flyjchartige Gejteine und buntfarbige Sandſteine 
mut mächtigen Kohlenlagern auf; in dunfeln Mergein 
bei Schad) ef Alma, nördlich von Beirut, ijt die be- 
rithmte, wohl eocäne Lagerititte der foffilen Fiſche des 
Libanon. Im Untilibanon ijt alles Kreide. Mreide- 
und Nununulitenfalfe hat man auc) bis in die öſtliche 
Syriſche Wüſte verfolgt, jie herrſchen auf der Oſtſeite 
des Jordans, deſſen Tal in feinem ſüdlichen Teil ciner 
roßen, nod) jugendliden Grabenverjenfung ent— 
pricht. Weiter nad O. hin werden die Sedimente von 
vulfanifden, wefentlid) bajaltijden Maſſen bedect; 
dieſe reichen nördlich bis Wleppo, weſtlich bis in den 
Libanon; im gripten Maßſtab tritt Basalt in Mittel— 
jyrien auf, wo er die mächtige Gebirgsmajje El Hau- 
ran zuſammenſetzt und ausgedehnte Dijtrifte in der 
Ledſcha und nordöſtlich vom Tiberiagsfee bededt. Hiiu- 
fig find Erdbeben und heiße Quellen, deren beriihm: 
tejte Die von Tiberias, Gadara und Kallirrhoé find. 
Die Syrifde Wüſte bis gum Euphrat hin wird von 
einem fladgelagerten Gandjtein eingenommen. 
Rugbare Mineralien. 

Aſiens Schätze an edeln Metallen und Steinen wa: 
ren ſchon im Altertum beriihmt. Gold wurde na 
mentlid) in den vom Hindufujd fid) absweigenden 
Gebirgszügen am Rordrand von Chorajan (Baktrien) 
fowie in den fiidfibirijden Gebirgen, im Kaukaſus 
und ant Bhafis (Sage vom Goldenen Vlies) gewon- 
nen; aus dem Sande der Flüſſe Baftolos und Mäan— 
der wurde Gold gewafden. Wud) der Bergbau auf 
Silber ijt fon alt. Um berühmteſten war dafiir der 
weſtliche Kaukaſus. Auch der Gebrauch der Cdeljteine 
reicht weit über die perſiſchen Zeiten hinauf. Jetzt wird 
Gold vielfach in den Alluvionen des obern Indus, am 
Südweſtabhang der Nilgiri, in Siam, Borneo, Celebes 
und Sumatra, China (Tibet) und Japan fowie am 
Ultai und in den am Oberlauf des Ob, Jeniſſei und 
Der Lena qeleqenen Landern, aud) in Turfijtan undim 
Ural (f.d.) gewonnen. Die geſamte Goldausbeute Si- 
biriens in den letzten 200 Jahren wird auf 1,2 Dill. kg 


veranſchlagt, dod) wird jie durd) die Entdectungen 


von Moldreidtiimern im Often wohl nod bedeutend 
jteigen. Silber-, Blei- und Kupfererze finden 
fic) in Kleinaſien, im kriſtalliniſchen Gebirge Border: 
indiens (Bengalen, Radjdputana), m Hintevindien, 
China, Japan, am Ural, am Altai, wo feit 1743 ein 
reger Vergbau im Betrieb ijt, und tm Nertſchinſtiſchen 
Gebirge. Platin fomme vn Ural und im Edeljand 
von Borneo zuſammen mit andern feltenen Metallen 


der Platingruppe vor; Sinn vornehmlich in Seifen 


auf Malaffa und Bangla. An Eiſenerzen fehr reid 
jind Ural, Rleinajien, Perſien, Indien, Tibet, China 
und Japan; in China finden fic) mächtige und fehr 
gute Eiſenerze in der produftiven Steinkohlenforma— 
tion eingelagert. Steinfohlen bergen in größter 
Menge China, ferner Indien (in Bengalen und in 
den Sentralprovingen fiidlic) von der Narbada), Ker: 
jien, der Ultai und die Tertiarformation von Japan; 
Petroleum fiefern viele Quellen in Urmenien 
(Baki), auch in Perfien, Birma und Japan wird Betro- 
leum qewonnen. Uf phalt findet fic) am Toten Meer, 
Wraphit in den kriſtalliniſchen Schiefern Sibiriens 
und des Urals. Die ſchönſten Edelfteine liefern 
Ceylon und Yndien, erjteres als ſchöne Spinelle, Zir- 


860 


fone, Saphire, Rubine und Granaten; Vorderindien 
licfert die ſchönſten Diamanten, wenn aud jest dic 
Ausbeute mur nod porns ijt, Hinterindien pradt- 
volle Smaragde, Rubine und Saphire; China 
(Tibet), Perjien, Hochajien und der Ural den Lafur- 
ſtein und cine Menge andrer Edeljteine (Topas, Chry- 
oberyll, Rubellit). Der Türkis wird in Niſchapur 
und anderwirts in Perjien, aud am Sinai gefunden, 
Maladit in Ural, RepHhrit in den kriſtalliniſchen 
Sdhiefern des Rwenlun, Marmor in febr verfdie- 
denen Arten namentlich in Kleinaſien. Erwähnt feien 
noch der Meerſchaum aus der Gegend von Eski— 
ſchehr in Kleinaſien, die für die chineſiſche Porzellan— 
induſtrie fo wichtigen Kaolin lager in der chineſiſchen 
Provinz Nganhwei und in dem angrenzenden Kiangſi, 
und die reichen Salzvorräte in den meiſten Ländern 
Aſiens. Steinſalz findet ſich beſonders im Pan— 
dſchab, in Perſien, im Innern Kleinaſiens und Arme— 
niens, vor allem in den Steppen und vielen Seen; 
Salmiak kommt aus der Hohen Bucharei, Borax 
und Salpeter aus Tibet, Schwefel aus Perſien. 
Klima. 

Aſiens klimatiſche Verhältniſſe find bedingt durd 
die große Uusdehnung des Fejtlandes, das im Gom- 
mer eine febr ftarfe Crhigung, im Winter eine ent- 
jprechende Abkühlung erfährt. Daraus ergibt fic, 
daß auf dem Zentrum des Erdteils im Sommer eine 
Region ſtändig niedrigen, im Winter eine folde ſtän— 
diq Hohen Lujtdruds (Kern im N. des Arabiſchen 

cerbujens) lagert, die alle andern Elemente des Kli— 
mas beſtimmt, zunächſt die Windridtung, davon ab- 
hängig wiederum die Niederſchläge. Im Winter fen- 
det Das Gebict hohen Luftdrucs im Innern die Winde 
nod) allen Seiten in die peripherifden Teile des Feſt— 
fandes, im Sommer faugt es fie umgekehrt von allen 
Seiten an. Somit wird der Nontinent tin Winter 


rößtenteils beherrſcht von trodnen, falten Landwine | 


m, im Sonuner von frijden, feuchten Seewinden 
(Monjune). Daraus entipringt die ſegensreiche Tat- 
fade, daß alle peripherifcden Lander von A. (aufer 
Vorderafien) Sommerregen haben, die jedod) in das 
Innere nidt cindringen, weil den feudjten, von S. her⸗ 
kommenden Seewinden der Weg durd) hohe Gebirgs- 
mauern verſperrt wird, an denen fie ihre Feuchtigkeit 

riftenteils abgeben müſſen. Die peripherijden Lan 

r find umgekehrt vor den winterliden Landwinden 
geldhiigt. injowweit fie vom innern YW. durch hobe Ge: 

irge getrennt find, was in Ojtajien nidt genügend 
der Fall ijt. (Vgl. die »Temperaturfarte« bei Urtifel 
»Lufttemperatur«, nit Tertblatt.) 

Im ndrdliden und innern A. muh alfo ein ſcharf 
ausgeſprochenes Kontinentalflima mit großen Gegen- 
jagen jwijdyen Sommer und Winter herriden, den 
jtairfiten auf der Erde iiberhaupt. Mit 63° nördl. Br. 
beqinnt das arftifde Klima; alle hihere Vegetation 
erjtirbt, während in Europa unter qleiden Breiten 
nod) Feldbau gqetrieben wird. Im N. diefer Grenze 
ijt der Sommer nebelig, die Flüſſe nur von Juni bis 


September eisfrei. Der jahreszeitliche Gegenſatz nimmt 


nad) O. bis zur Lena und Jana zu, reicht aber bis 


liber die Oſtküſte weit ins Meer hinaus. Der Kältepol 


Der Erde liegt bei Werchojanſt, nahe der Jana, mit 


— 53° mittlerer Qanuartemperatur; Minima vor) 


— 60° find gewöhnlich, im Winter 1886 famen — 66,5" 
vor. Im Sommer jteigt die Wärme bis 35 und 40°, 


bie Vegetation iit in Oſtſibirien reider als unter glei⸗ 


cher Breite in Deutſchland. Die ftarfen Winde in Sibi 
rien und den ruffiiden Steppen werden Burane ge 
nannt und find im Sommer driicend hei} und jtau 





Ajien (Mima, Pflangenivelt). 


big, im Winter furdtbar falt und mit Schnee beladen. 
Die Winterburane ridten oft ungeheuern Schaden 
unter den Biehberden, aud) an Menfdenteben an. 
Nordtibet wird von Sommerregen reichlich befeuchtet, 
der Winter bringt wenig Schnee, aber, wie aud das 
Frühjahr, viele Stiirme. Die Wiijten Ujiens gehören 
ju den regenärmſten der Erde, indem fie meiſt von 
nördlichen Landiwinden iiberweht werden. Yn der 
Mongolei und Ojtturtijtan ijt dieanhaltende Triibung 
der Luft durch Staub bemerfenswert. Siiddina bat 
Sommerregen (Siidojtmonjun). Japan hat mildern 
Winter, reidlidjere Niederſchläge (Maxima im Frith- 
fommer und Herbjt) als die Oſttüſte Aſiens, wo übri— 
gens der Monſun bis Ochotſt hinaufreidt. Der fiid- 
aſiatiſche Sommermonjun, der die allgemeine Regen: 
zeit bringt, beeinflußt die Umgebungen des Arabiſchen 
Ieeres, Border- und Hinterindien bis gum Himalaja 
und die Inſeln im S. und O. bis gum Aquator und 
etwa 140° öſtl. L. Er fest an der afrifanifden Küſte 
im März ein, erreicht im April Siidperjien, Mitte 
Juni Bombay. Im September hiren mit ihm die 
Regengiijje auf, das Wetter wird dann nur felten 
durch groke Wirbeljtiirme beunrubigt. Ende Oftober 
febt Der Nordojtmonjun ein und weht bis Mar; oder 
April mit großer Beſtändigleit, das Wetter ijt faſt an- 
haltend fdhon, die Temperatur minimal. Im Frühjahr 
hebt fic) die Temperatur raſch und erreicht bis Juni 
den höchſten Wert. Die größte befannte Regen- 
menge der Erde fällt zu Tſcherrapundſchi (Khaſſia 

berge) in 1200 m Seehöhe, nämlich jabrlid 12,090 mm, 
d. h. 17mal mehr als in Deutſchland. Dieſe Regen 

menge tritt indes hier ganz lofal auf, indem der Cid. 
weftmonfun bei hoher Temperatur und gefattigter 
Luft befonders raſch emporjteigt. Sebr große Regen- 
mengen fallen aud) in den Wejtghats (Mahabaleswar 
6630 mm), Binna (Wfyhab 5020 mm), Sandoway 
(5380 mm) und an der Weſtküſte von Ceylon. Witt 
lere Jahresertreme: Halodate 29°, —17°, Tofio 
34°, —7°, Colombo 33°, 21°, Madras 43°, 16°, La 

hore 48°, 0°, Andamanen 35°, 20°, Hongfong 33°, 1°, 
Sifawei 36°, —9°, Batavia 33°, 20°; weiteres f. tm 
Yirtifel »>RMufjifdhes Reich⸗ Gewittertage im Jahre 
(nad) Kuhn): Perfien 25, Tiflis 25, Ultat 19, Rlein- 
ajien 20, Ojtturfijtan fajt 0, Untermefopotamien 12, 
Hindoftan 56, Borneo 54, Sumatra 86, Java 97. 

Schneelinie: Ultai, Siidabhang 2600 m; Kau: 
fajus, W.: Nordabhang 3300, Südabhang 2900, 
D.: Nordabhang 3900, Siidabhang 3500; Tienſchan 
3300, Trangalat 4250, Urarat NY. 4370, Himalaja 
RN. 6300, S. 4920, Naraforum N. 5800, S. 5500 m. 
Untere Gletiderrander: Wunfo-Sardyf (Irkutſth 
$240, Wai 1240, Kaulaſus SW. 1954, RN. 3163, 
Wlaigebirge SW. 2700, Biafaro (Wefttibet) 3012 m. 

Pflanzenwelt. 

Die Pflanzenwelt vereinigt in fich die Gegenſatze der 
Mannigfaltiqfcit und der Cinfirmigfeit. Dene wird 
erzeugt durch die Erhebung breiter Laͤndermaſſen hod 
iiber Das Weer. Lander einer klimatiſchen Zone jer- 
fallen dadurch hinſichtlich ihrer Erzeugniſſe in meb- 
rere Stride, Umgekehrt entiteht Einförmigleit durch 
die grofe Ubereinjtinunung ausgedehuter Lander: 
ſtriche, Die Durd) mehrere flimatijde Zonen reicen. 
Den duperiten Norden Wfiens, im Samojeden-, Ja- 
futen> und Tidhultichenlande fowie auf den polwarts 
qeleqenen Inſeln, beherrſcht die arftifde Flora 
(f. d.) mit thren ausgedehnten Moos- und Fledten- 
bejtinden (Tundren). Die Vegetation an der Nord— 
fiijte Sibiriens, von Der etiva 160 Bliitenpflangen be- 


lannt find, bejteht aus ſpärlichen Moospoljtern, da- 


Aſien (Pflanzenwelt). 


zwiſchen Riedgräſer, Dryas, Cassiope u.a. Auf naſſen 
Stellen treten Torfmooſe, auf Fels zahlreiche Flechten⸗ 
arten auf, nur auf den Abhängen blumenreiche Mat— 
ten. Ym O. der Kolyma ändert ſich durch Auftreten 
eigner Arten, z. B. des Rhododendron kamtschati- 
cum, der florijtifhe Charafter. Südlich der Baum— 
grenze, die im Taimyrland unter 71,5° nördl. Br., 
an der Lena unter 71°, an der Beringſtraße bei 64° 
liegt, beqinnt die fibirifdhe Wal dzone, die bis su 
den Duellgebirgen de3 Ob, Jeniſſei und der Lena Hin- 
aufiteigt; weiter öſtlich qreift fie mit dem Jablonoi— 
gebirge tief in’ mongolifde Steppentand ein und 
reidt bis gum Ochotſtiſchen Meer und gur Halbinfel 
Kamtſchatka. Die Vegetation dieſes weiten Gebietes 
ijt inniq verwandt mit Der nord- und mitteleuropäi— 


ſchen Waldflora und bildet mit ihr das nordifde Flo- | 


renreid) Der Ulten Welt; nur dringen von S. cine 
zelne Steppenpflanjen aus der Mongolei, im W. aus 
Den pontijden und fafpijden Landern, im O. man- 
didurifdhe Formen cin. Jn den nbrdliden Gebieten 
herrſcht der Nadelholzwald mit ſibiriſcher Lärche, Zir— 
belfiefer, Fichte (Picea obovata), im S. die ſibiriſche 
Tanne (Abies Pichta) vor; dazu zaählreiche, auch in 
Nord- u. Mitteleuropa verbreitete Staudengewächſe. 
- Von Laubhiljern bilden nur Virfen, Eſpen, Erlen 
und Weiden größere Beſtände, wahrend Ciden und 
Buden fehlen. Im N. miſcht fich der Lärchenwald 
mit der Tundra. Im W. fommt eine ähnliche Mi— 
ſchung swifden Steppe und Wald als Birkenſteppen⸗ 
region ju ſtande, mit riejigen Doldengewächſen (He- 
racleum) neben charafterijtijden Steppenpflangen 
(Stipa). Im Wai folgt fiber dem Steppengiirtel, der 
ain Siidabhang höher aufiteiqt als an den Nordleh- 
nen, zunächſt (;wifden 300 und 800 m) die Kiefer 
nebjt Birfen und Eſpen, dann die Larche, Fidte, fibi- 
riſche Tanne und Sirbelficfer, welche die Waldgrenjze 
(1360 m an der Nordfeite, 1700 m an der Siidjeite) 
bildet. Die oberhalb der Waldzone beginnende al- 
pine Region (2100 — 2300 m) zeigt floriſtiſch eben⸗ 
falls Unflinge an die europaijden Hodgebirge. Im 
D. vom Baifaljee und vom Jablonoigebirge tritt ein 
auffallender Weehjel der Arten ein. Im nordöſtlichen 
Teil des Gebietes zwiſchen Stanowoigebirge und der 
Küſte madht fich der EinfluR Nordwejtamerifas geltend, 
von dem einzelne Baumarten, wie Picea sitchensis, 
liber das Beringmeer heriibergreifen. Auf Kamtſchatla 
tragen die niedern Landidaften mit Musnahme der 
Weſtküſte herrliden Wald und iippige Grasfluren; 
als Charafterpflange fann cine Birfenart (Betula Er- 
manni) mit gewundenem Stanun und febr riffiger, 
graucr Rinde gelten. 

Wahrend die Zone ded ſibiriſchen Bodeneiſes, deren 
Südgrenze von Samarowſt am Ob oftwarts einen 
tiefqreifenden, bis ſüdlich von Jakutſk reidenden Bo- 
gen beſchreibt, mit einem großen Teil der Waldjone 
zuſammenfällt, ijt Der Getreidebau viel ſchärfer an die 
erwähnte Grenge qebunden ; bei Jakutſk taut der Acker⸗ 
boden faum bis zu einer Tiefe von 1 m auf, während 
er unter qleider Breite in Nordamerifa bis zu 3 m 
cisfrei wird. Die Getreidebaugrenge ſinkt an der Ojt- 
fitjte von A. ſogar bis 53'/s° nördl. Br. herab. 

Die Hauptmaffe Ujiens, nämlich gang Inneraſien 
mit Mongolei, Tibet, Turfijtan und den Kaſpi- und 
Aralſeeländern, ferner das Innere von Kleinaſien, 
Syrien, Perſien, Afghaniſtan und Belutſchiſtan nebjt 
den nördlichen Ketten des Himalaja, bildet den Sit 
einer großartig entwidelten Steppen-und Wüſten— 
flora. Der Steppencharakter erſcheint nur da weni— 
ger ausgeprägt, wo, wie in Der Dattelregion am Per— 








861 


ſiſchen Golf, Schneefälle und Frijte felten, Regenfälle 
häufiger eintreten, oder wo Gebirgserhebungen, wie 
ain Kaſpiſchen Meer oder im nordweſtlichen Himataja 
und in Ofttibet, durch qripere Feudtigfeit das Auf— 
treten zuſammenhängender Waldungen ermöglichen. 
Das Steppengebiet gliedert ſich in einen orientaliſchen 
und inneraſiatiſchen Abſchnitt, von denen erſterer den 
Ubergang zu den nad) Südrußland übergreifenden 
youtitchen: Grasſteppen verimittelt ; die pflanzengeogra⸗ 
phifde Grenze gegen letztere liegt zwiſchen Uralgebirge 
und Rafpifdem Meer. Yn ——— Armeniens 
und Jrans herrſchen halbkugelige Stadel- und Dorn⸗ 
pflanzen vor; viele Arten treiben Zweige, die ganz zu 
Dornen auswachſen, bei andern, wie den Tragant- 
ſträuchern, bleiben nur die Blattrippen als Dornen 
ſtehen, fo daß dichtäſtige Stachelpoljter bis zu 1 m 
Durchmeſſer entitehen. Die Steppenformen gehen im 
Gebirge bis zu 4000 m Höhe und bedingen Fait aus: 
fchlichlid) das landſchaftliche Vegetationsbild. Unter 
den Charafterpflanzen der inneraſiatiſchen Steppen 
ftehen Salſolazeen, Tamaristen, Zwiebelgewächſe und 
hodwiidfige Grafer obenan. In der Steinwüſte Nord- 
tibets liegen gänzlich pflanzenleere Gebicte. Im nord- 
wejtliden Himalaja, deſſen Berglehnen swifden 1200 
und 2500 m mannigfaltige Waldbejtinde tragen, fin- 
det der Übergang zu der örientaliſch-pontiſchen Flora, 
in Ojttibet gur Yecoctation Chinas und Japans ftatt. 

China und Japan bilden das oftajiatijdhe Gebict 
Der immergrünen Gehölze, das die Mandſchurei 
bis gum Amur, Korea, das Hftliche und ſüdliche China 
bis Hongfong fowie Japan mit Ausſchluß des ndrd- 
lichen Sachalin umfaßt. Jn der nördlichen Mandſchu— 
vei herrſchen Laubholzwälder (mit Juglans mandschu- 
rica, Pirus mandschurica, Quercus mongolica u.a.), 
gemiſcht mit Nadelhölzern, Wieſen, Steppen und Mov- 
ren. Dann folgt int öſtlichen China cine Uberqangs: 
zone mit Paulownia imperialis, Gleditschia chinen- 
sis, Ailanthus glandulosa und dem Bapiermaulbecr: 
baum; in Südchina find ausgedehnte, immergriine 
Straudbejtinde (vorivieqend Camellia- und Eurya- 
Arten) an die Stelle der durch die Bevilferung aus- 
qerotteten Wilder qetreten. Auch die Nadelhilzer 
(Gingko, Biota u.a.), unter den Kulturpflangen Tee- 
jtraud) und Ginfeng, fpiclen cine wichtige Rolle. Die 
— Jünnans zeichnet ſich durch eine reiche 
endemiſche Flora mit zahlreichen borealen Gattungen 
aus. Im nördlichen Nippon ſteigt die Laubwald⸗ 
region mit Buchen, Ahornarten, Eſchen bis 2000 m; 
das ſüdliche Nippon und Riufiu werden durch immer— 

riine Sträucher (Magnoliazeen, Laurazeen, Tern- 
Frcdmiageen) dharafterijiert. 

Das tropifde Gebiet von UW. wmfakt die Siid- 
fitjte Arabiens mit einem Gemiſch von ojtafrifanifden, 
abeffinifden und Saharapflanzen (Balſambäume), 
ferner Borders und Hinterindien, die Sundainjeln 
und Philippinen. Die indiſche Wüſte und das Pan— 
dſchab gehören zu der mefopotamifden Dattelzone, 
der gripere Teil Urabiens zum Sabharagebict. Jn 
Vorderindien entwideln fid) tropijde, immergrüne 
Regenwalder (ſ. Tropenwald) vorzugsweiſe an der 
feuchten Malabarküſte und von den Suüdhängen ded 
Himalaja bis zum Brahmaputra und der Ganges: 
miindung. Charafterijtifd find zahlreiche Palmen 
(Corypha, Caryota, Areca, Nipa, viele Urten von 
Calamus), ferner Dipterofarpeen, Kluſiazeen, Ebena: 
zeen, zahlreiche Arten von Ficus. Bon Kulturpflan— 
zen haben Gurken, Melonen, Zitronen, Orangen, das 
Zuckerrohr, die Baumwollenſtaude, die Zimibäume, 
die Pfefferarten, der Ingwer, die Galgantwurzel, der 


862 


Kardamum und die Banane indifden Urfprung, ebenfc 
aud) der Reis, deſſen Vaterland aufer dem ndrdliden 
Indien aud) den Siidwejten Chinas umfaßt. Die Wald. 
vegetation Vorderindiens fest_fid) aus Mangrove- 
bejtinden an der Küſte, aus Gumpfwaldungen auf 
MNiederungen des Innern, ferner aus echten Tropen— 
wãldern mit vorherrjdenden Palen, Pandanus, Lia: 
nen und Bambus fowie aus Hiiqelwaldern mit Eichen, 
Ithododendron zuſammen. Weniger feuchte Gebiete 
werden von ausgedehnten regengrünen Waldungen 
bedeckt; in höhern Lagen treten auch Nadelhölzer auf. 
Jur nordweſtlichen Himalaja ſtehen bis 900 m Tro— 
penwälder mit Bambus, Palmen, Dalbergien u. a.; 
dann folgt ſubtropiſcher Wald (bis 2100 m) mit im: 
mergriinen Eichen, Arten von Rhus u.a., darauf eine 
Waldregion gemapigten Klimas (bis 3600 m) mit 
Viren, Tannen, Eichen, Walnuß, der Himalaja-Reder; 
den oberften Giirtel bis sur Schneelinie (38900 m) bil- 
Det die alpine Region mit Rhododendron und zahl— 
reidjen borealen Staudengewächſen. Auf den Sunda: 
inſeln reicht die tropiſche immergrüne Region durch— 
ſchnittlich bis 300 m, die untere Bergwaldregion mit 
Dipterofarpeen und gahlreiden Farnen bis 1800 m, 
die obere Waldſtufe mit Podocarpus und epiphytiſchen 
Erifageen bis 2700 m. Im JInnern liegen zwiſchen 
1000 und 1800 m häufig ausgedehnte Savannen mit 
didien, mannshohen Gräſern. Wud) die Kaſuarinen 
in Sava und Sumatra bilden eine charafterijtijde, 
wohl aus Auſtralien cingewanderte Vegetationsform. 

Unter den in A. heimiſchen Rulturpflangen neh: 
mien auer den erwähnten indifden Gewächſen die 
Getreidearten die erjte Stelle cin. Die Stanunform 
des Weigens war vermutlich eine orientalifde, mit 
Acgilops nabe verwandte Urt. Das Cinforn (Triti- 
cum monococcum) ftanunt aus Kleinaſien (Mefopo- 
tamien); der Roggen aus dem Mittelmeergebiet und 
Sentralafien, die Gerjte aus denfelben Gebicten; die 
Kultur beider Getreidearten ſcheint von Zentralafien 
——— zu ſein. Orientaliſchen Urſprung haben 
aud) der Granatapfel (von den Küſten des Kaſpiſchen 
Meeres und Perſien), Maulbeerbaum, Feige und 
Quitte. China wird als Heimat von Aprikoſe und 
Pfirſich, die fafpiiden Lander als die der Weinrebe 
und SGauerfirjde betrachtet. Buchweizen und Hanf 
jtammen aus der Mandidurei und Daurien, im 
Indiſchen Archipel find Rofenapfel, Sefam, Betel- 
pfeffer, Betelnuppalme, Brotbaum, Regqurfen, auf 
den Moluffen Musfatnuk und Gewiirznelfe heimiſch. 

Tierwelt. 

A. beherbergt gemäß der bedeutenden Verſchieden⸗ 
heit feiner natiirliden einzelnen Teile cine ſehr ver- 
ſchiedenartige Tierwelt. Es gehirt ju drei tiergeogra- 
phifden Regionen, der arttitehen Zirkumpolarregion, 
der paläarktiſchen Region und der orientaliſchen Re— 

ion. Der nördlichſte, der arktiſchen Zirkumpo— 

arregion angehbrige, ans Eismeer grenzende Teil 
enthält deren Charaktertiere: Lemming, Renntier, 
arltiſchen Fuchs, Eisbär, Vielfraß und, nicht bis an 
die Nordgrenze gehend, Hermelin und Zobel. Die ſüd⸗ 
lich ſich anſchließende ſibiriſche Subregion der palä— 
arktiſchen Region: vom Kaſpiſchen Meer bis nach 
Kanitſchatla und dem Chingangebirge im O., im S. 
bis gum Himalaja, umfaßt den nordajiatijden Wald. 
dijtrift, das Tiefland Weſtſibiriens und die Kirgiſen— 
jteppe, Ojtfibirien, den geſamten Nordrand des ine 
nerafiatifden Hochlandes, die Wüſte Gobi, Tibet und 
den Himalaja. Die Walder des Nordens find reid 
an Pelsticren: Fuds, Marder und Verwandte und 


beſonders Eichhörnchen, deren Felle einen widtigen | 





Aſien (Tierwelt). 


Handelsartifel bilden; in den Steppen hauſen große 
Rudel von Walfen, Dſchiggetais und Wildefein. Vor 
Untilopen fint fiir dieje Region charalteriſtiſch Die 
Chiru- und Vierhornantilope Tibets, der Goral des 
wejtliden Himalaja, die Saiqa-WUntilope der Steppen 
Sibirien3. Das Mofdhustier —* ſich in Tibet, ebenfo 
der Pak, von den Schafen lebt das Argali in Nord- 
afien, von den Ziegen die Kaſchmirziege in Tibet. Be— 
merfenswert ijt bas Vorfonmmen eines Seehundes int 
Baifal-, Rajpi- und Aralſee. Die Vogelwelt nabhert 
fid) fehr der europäiſchen und enthalt wenige darat- 
teriſtiſche Formen (cinige Finken, das Ronigshubn und 
die Flughithner der Steppen). Reptilicn und Amphi— 
bien find felten, darafteriftifde Steppenbewohner find 
Krötenechſen. Die Inſelten diefes Teiles von VW. Ahneln 
denen Curopas. Der öſtlichſte Teil des Kontinents 
nebjt Japan gehört ebenfalls yur paläarktiſchen Re- 
gion und bildet die mandſchuriſche Subregion (j. Kala- 
arftijhe Region). Bemerkenswerte Tiere find bier 
Katzenbär, Marderhund, eigentiinilide Hirjde, haral- 
teriſtiſche Inſeltenfreſſer, Fledermäuſe. Unter den Bo- 
geln treten Die hier heimiſchen Faſanen hervor, von 
den Fleinern Vögeln Sanger, Meiſen und infer. 
Von den Amphibien ijt dae merfwiirdigite Tier der 
Riejenfalamander Japans. Neben der mandfduri- 
ſchen und ſibiriſchen —— greift auch die mittel⸗ 
ländiſche Subregion nad A. hinein, fie zieht ſich von 
Kleinafien, am Kaulaſus ihre Grenze findend und die 
nördliche Hälfte Arabiens einſchließend, durch Per— 
ſien, Afghaniſtan und Belutſchiſtan bis zum Hindu— 
kuſch und Indus. 

Außer einem Teil der Zirklumpolar⸗ und dem größ⸗ 
ten Teil der paläarktiſchen Region umfaßt A. nod die 
gejamte orientalifdhe Region (j.d.), su der außer 
Dem fiidliden Teil ded Feftlandes A. auch nod die 
—— Inſeln und Inſelgruppen zwiſchen A. und 

uſtralien nebſt Nikobaren, Andamanen und Ceylon 
gehören. Vorderindien in ſeinem nördlichen Teil ſtellt 
den ärmern Teil dieſer Region dar, während die Süd—⸗ 
ſpitze mit Ceylon, Birma, Siam, Hinterindien und 
die Inſelwelt an eigentümlichen Tierformen überreich 
find. Unter den charakteriſtiſchen Tieren ſpielen unter 
den —— verſchiedene Familien eine hervor⸗ 
ragende Rolle. Sehr zahlreich find die Affen vertre— 
ten mit — Teil charalteriſtiſchen Arten, wie Orang⸗ 
Utan, Gibbon; außer in Madagaskar und Wfrifa 
haben die Halbaffen, vertreten durch das Gejpenittier, 
hier ihre Heimat, ſehr zahlreich find Fledermauje, die 
Anfettenfrefjer in bemerfenswerten Gattungen, wie 
Flattermaki und Spitzhörnchen. Unter den Raubtteren 
jpielt Der Königstiger die Hauptrolle, augerdem finden 
fic) viele Fornten der Bibetfagen und aus der Familie 
der Marder; die Baren find durd) Malatijden Bar, 
Lippenbir, Bärenmarder vertreten, dent Ganges und 
Indus kommt cin Flukdelphin gu; weniger entwidelt 
jind die Nager und einige Familien der Paarzeher, 
während andre, befonders die Odhfen, in charafteriiti- 
ſchen Urten vertreten find. Wie in Afrika find hier 
Elefanten und Rhinojzeros die größten Landjauger. 
Die Vogel find auferordentlich zahlreich; unter thnen 
ragen die Gonnenvigel, Pittas, Königsfiſcher, Tro- 
gon, Bfauen, Urgusfafanen und das Banfivabubn 
bervor. Sehr reid ijt das fiidliche A. an Reptilien: 
Peitidenidlangen, Clapiden, Waſſerſchlangen, Gru⸗ 
benottern, Baumeidechſen, Agame; der Gavial des 
Ganges. Auch die Amphibien md durch charafterijtt- 
ſche Gruppen vertreten, und die ſüßen Gewäſſer wer- 
den vor zahlreichen Fiſchen verſchiedenſter Familien 
bewohnt. Seiner Mollustenfauna nad zerfällt A. 


Asiatische Volker I. 








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Asiatische Volker II. 





Afien (Bevdiferung, Sprachen). 863 


eme Reihe von Brovingen: Kleinaſien gehört aur raat donot gehirt die Bevöllerung Wiens 
epantijden Proving, Inneraſien zeigt wahrſcheinlich drei veridicdenen Raſſen an: 1) Kaukaſier tm afia 
Wifdung von Ausläufern der paldarttifden | tifdyen Rußland und mn der Tiirfei, Uraber, ein Teil 
na mit foldjen der indiſchen und namentlid) der | der Berfer, Afghanen, Belutiden, Oſtindier und Si— 
tricftidjen ; China beherbergt eine felbjtandige Mol- | birier: ‘10 aller Bewohner; 2) Mong olen (Nord- 
Stenfauna, Border- und Hinterindien find durd | und Mittelafiaten) in China, im ajiatijden Rußland 
en Reidtum an Helix, Nanina und gededelten | und der Tilrfei, cingewanderte Stämme in Perſien, 
Landfdneden fowie den vollitandigen Mangel der Afghaniſtan, Belutſchiſtan, Border: und Hinterindien, 
Wattung Achatina ausgezeichnet. Die Mollusfen- | Japan: 1/10; 3) Malaien (Siidajiaten) in Japan, 
Srikwaiferfauna ijt echt tropijh. Wiens Inſekten | Border: und Hinterindien und auf den hinterindiſchen 
getehnen fic) befonders im tropijden Siiden dDurd ere | Inſeln: No. Europder leben in den europäiſchen 
Jraunlice Mannigfaltigfett und Farbenpradt aus. | Befigungen (Britiſch- und Niederländiſch Yndien) als 
Vevslterung. Beante, Soldaten und Kaufleute, doch mur in febr 
(Séterju die Tafeln oMfiatifdhe Bolter tu. le, mit Ertldrungs- | geringer Bahl, in Ruſſiſch Aſien aber fajt 6 Mill. Da- 
blatt, und »Aſiatiſche Aultur 1, mit Ertlärungebl., u. IL, III«. aca beherrſchen europaãiſche Wiichte V5 des gefamten 
Fur die Bevöllerung Aſiens ijt man meijt nur auf eils und weit ilber *s fermer Bevöllerung. 
Schagungen angewiejen. Zählungen liegen außer Cine Cinteilung nad Sprachen gibt fiir die Be— 
fiir die europäiſchen Rolonien nur fiir Japan und völlerung Wiens ungefibr folgende Gruppen: 
AF Hina (julegt 1894, aber nicht —“ vor. Wag A. Mordafiaten. 
rer und Supan veranfdlagen Aſiens Vollszahl auf | | Jukagiriſch. 
$13,589,000 Seelen, d. . weit iiber die Hailfte fdimt- | Mh Reriakiie, 
Licher Bewobner der Erde (1479,7 Will.). Die Didy- | Ty. Hommel OMjatiie ane Rett iiro). 
tigfeit der Bevdlferung ijt in den einzelnen Gebie B. Wittel- oder Hodahaten. 
ten febr verichieden. eben riefiqen Streden fait 


. : r L. Uralalta Spra is 
unbewohnten Landes finden fic) die | at eae Mebicte a) Gam —5* — — Juratiſch, Tawgn, Cf 








dichteſter Beſiedelung auf der Erde überhaupt. Cine jatijd « Camojedtfh, Nenificiid, Rama finiia. 

ar Sid. und Oſtrande Hodhajiens entlang laufende b) Finniſche Gruppe: Oftjatify, Woguliſch. 

Vinie ſcheidet Die didjtbevblferten von den ſchwach c) Tatarifche Gruppe: 1) Jatutiſch; 2) Tirtife; 
bevidlferten Landern. Auf 1 qkm wohnen in Nord-, » —— —— 4) Tiſchagatarſch, Uiguriſch, 
Sentral. und Weſtaſien nur 2, in Südaſien dagegen | urtmenifd; 5) Rirgifife. 

(4) Einw., genauer: im nördlichen Waldgebiet Ose in| S Pengeliise:Sraeve: 1) Oemengeness 5) 
ben Steppen und Wiijten der jentral-afiatifdyen Hod mongolifd (Ralmidifh); 3) Nordmongolije (Burdtiiao. 


: : > 2” fd; 
lander 1,4, des Aralolaſpiſchen Beckens 2,2 und Vor " — albadet ae — 
Derafiens 5, im Wonfungebiete der tropiiden Wald- u. Qapantia. 
lanbdidaft (Hinterindien und Ojtindifder Urdipel) 14, 1. Loreanifa. 
int Dem Kulturland Borderindiens 67 und China lV. Indochineſtſche Sprachen. 

Japan 95 Cinw. durdidnittlid. Die Bevilferungs a) Tivetife. . 
Dichte Des Erdteils beträgt nur 18 auf 1 qkm. 9 l.! b) Himalajafyftem (Kbven, Zabaing, Singpho, Mrfdnnt, 


Marte »Bevdllerungsdidtigteit der Erdee mit Re | — —————— wae — 
bentarichen von Sudoſtaſien und Tabelle. Nady dev 4 That « — (Ziamefiia, Ean, iss, Beeutl 
politiſchen Cinteilung ergibt fic) folgende Überficht Shem, Ritom). ‘ie 
— — — f — e) Eprade ber Sifan. Miaotic, Lolo und andrce Stamme 
| DRifom. | Ginwobner . *¥f Euddinas. 
— I qkm f) Cbineſijch: Auanhoa (Tialets von Pefing und Ran 
@inbeimifme Staaten: fing), Futian; Ruangtung. 
Chinchiiges Nid. . . | 11 138 RRO —— » V. Modn- Anam» Sprachen. 
Japon. 2 2 ; 417321 4640000 1D C. S&doRafhaten, 
Bflatifge Tirter . . - 1760800 17 12 600 9 L. Drawida: Spramen: 
@erfien . . .. 1 SLL _ 9.000.000 5,6 Tamil, Zeluqu, Tulu, Ranart, Ralajalam, Toda, Gond. 
Qevea. .. . . — 2Ik2m 9 BTNU00 44 IL. Singhalefifte (@iu). | 
Glee ce a es 64 004) 620000 «610, TLL, Malatifas polyneiifhe Gruppe. 
a 8F ae 4550 000 7 | D. SiidweRafiaten, 
a avd (HY S000 on) 19 

Mrabifge Staaten 2. 2 . | 247290 |) DL OBO OOD On | ‘ ——— —— ie. 2 ‘ 

Ginaibalbinie)s =... 59.000 Mow 04 ie gd nated — 7 a: 

— u 38 ⸗ vxre⸗sghiſch Amartig, Sanfumuls.. 
Bouton ™ 6 e} Rita Tuſch. 
Sulammen; © 19166600 428491 Jun 2 d) Toherfetind, Abdali. 
Guropdifage uo amerit. | : Il. Semitiihe Spramhen. 
Gefigungen: a) Rordtide Gruppe: Zoriid, Afortie 
Britiige : . . | 5294499 901472 000 5a , b) Biutlere Gruppe: Meira dD, ( dowiti, 
Miederiandiime 8 . Ce Lh2u62e SetOOOD | oF c) Sudlige Gruppe: Aradvid, atmparis. 
Muffiide. . . . _ Lasetie ebontsee py EL Qudogermanii@e Spraden. 
Frans Ofiicde ‘ F OOO | AS wet | ag ai \ndtf@e Gruppe: Altindr.d «Balt, Codfriny, Rew 
Umerifaniide Plirranen | B81 7 71 intit® (Bengalt, Aflamt, Crija, epats, Rate artes, 
Portugichiise - e+ lve RE) im 43 Zindot, Pandigam madottant, Gudbimaran, Rarethe. 
Deutide (Riauti@enu: ° may | 4 awe 14K bp Arantige Grupove: send. Aleperiind, Bedlewt, 
— — reer Garhi; Reuperfiid mit tetnen Tialeften Murdiie (Mute 
—— eee ae manbdigt, Jayay, Geluchor, Atyoumtid: C fletiom. 
Alten (rumd): 441794 KID SHO Oe t* eo) Armentié. 

© Die in die meifien geographtiden vebrbider xe uderaeqon , Die Nordafiaten zur Gruppe der Virftifer oder 

gene Zahl (625,906,206 Simm.) ft burgaus unjuver larg. . Poperborcer) find merit um Ausſterben begrijfen. Tre 


864 


Jukagiren am äußerſten Nordrand zählen nod etwa 
1000 Seelen, die Tſchultſchen (Tafel I, Fig. 1) tm 
äußerſten norddjtliden Winkel etwa 7000, die Kam— 
tidjadalen (Taf. I, 2) faum 2000, die Jeniſſei⸗Oſtjaken, 
zwiſchen den Stadten Jeniſſeiſt und Turuchanſk, faum 
1000 Köpfe. Die Rotten find bereits ausgejtorben. 
Die Uino (Taf. I, 3) wohnen vornehmlid auf Sacha- 
lin, Jeſo und den Rurilen, als Giljaten (Taf. I, 4) 
aud) auf dem Fejtland fiidlid) vom untern Amur. 
Von den uralaltaifden Völkern jigen die Samo- 
jeden (Taf. I, 5) an den Küſten des Eismeeres, die 
finnif den Ojtjafen in Tobolff und Tomſt (Taf. J, 6), 
die Wogulen tm nördlichen Ural. Die Tataren 
Sala I, 7) wohnen im SW. Sibiriens und in gang 
Inneraſien zwiſchen dem Rafpiiden Weer und der 
Wiijte Gobi. Sie find fajt ſämtlich Mohammedaner. 
Der meijt verbreitete und kräftigſte Zweig der Tata- 
ren find die Rirgifen (Taf. L, 8). Die Tataren und 
die Mongolen 3. T. jind Nomaden, legtere aber 
Buddhijten. Die Suvaten (Zaf. I, 9) wohnen wm den 
Baitaljee, die Kalmücken (Taf. I, 10) im Altai und 
zwiſchen Wolga, Don, Kaukaſus u. Kaſpiſchem Meer, 
die fibrigen Wongolen in China. Die Tungufen 
(Taf. I, 11) wohnen vereingelt als Jäger in den Wal- 
dern Ojtjibiriens, angejiedelt im Amurgebiet neben 
den Giljafen und Ghelganen oder Golden (Taf. 1, 12), 
in der chineſiſchen Mandſchurei und als Soldaten zer— 
jtreut Durd) gang China. Die Japaner (Taf. J, 13 
u. 14) haben Uderbau wie Induſtrie gu hoher Blüte 
ebracht: ihre mehriilbige Sprache ſchließt jich an das 
anbdjdu u. Mongolifde an. Die Koreaner (Taf. 1, 
15) haben erjt jüngſt ibr Land Fremden gedjfnet, 
wogegen die Tibeter fid) nod) ängſtlich abſchließen. 
ym Siacctate gibt es cine große Sahl von Rejten 
ber diltern vorarijden Bewohner, jie ind im W. mehr 
fultiviert, aber auc) weniger rein erhalten. In Hin- 
terinbdien berridt cine große Zahl von Dialekten; 
Thai ijt die Sprache der Schan oder Lao (Taf. J, 16) 
wie der Siamefen. Die Birmenen find gerjtreut in 
ber britifden Proving und im vormaligen Königreich 
Birma; die Kambodſcher, Tongfingeien, Kotſchin— 
dinejen und Unamiten bewohnen den Ojten und 
Siidojten der Halbinfel, Malaien die Südſpitze. 
Reſte der friihern Bewohner Chinas find in den Sifan, 
Miaotſe und Lolos erhalten. Die geqenwirtigen Chi— 
nefen (Taf. I, 17) zeigen in ihren phyſiſchen und in- 
telleftuellen Eigenſchaften große Berjdiedenheiten. 
Bon den Siidajiaten bewohnen die von den Indo— 
ermanen verdriingten Drawida die unzugänglichen 
Mebirgsqeqenden (Tamulen, Telugu, Kanarefen); in 





Aſien (foziale Verhältniſſe, Religionen). 


Rabardiner (Taf. IT, 8, 9) genannt, im nördlichen 
Raufajus fommen. 

Im Innern Vorderajiens bis sum Halus 
herridjte vor alters die altphrygifde Sprache, eine 
Todter der armenifden. Die Nordküſte war qro- 
penteils mit cingewanderten thratif den Stammen 
bejegt. Cine nod) größere Zerfplitterung in Viund- 
arten ſcheint in den gebirgigen Siidlindern der Halb- 
infel (Pijidien, Pamphylien und Rilifien) jtatiqefun- 
den ju haben. Bon der femitifden Gruppe haben 
wir in A. beute nur nod Die Uraber (Taf. 1, 10) und 
die Juden (Taf. II, 11) und von den drei Hauptzweigen 
des femitifchen Sprachſtammes wird heute nur nod der 
arabifche, allerdings in großer Verbreitung, geſprochen 

Die aſiatiſchen umfaſſen neben 
den beiden a der Urier, den Indern und 
Yraniern, noch bedeutende Bruchſtücke des flawijden 
und germanijden Stammes. Die urdijde Familie 
(af. IL, 13, 14) drängte, als fie aus ihrem Urſitz. der 
Pamirhodebene, nad Indien —— Die vor⸗ 

efundene drawidiſche Bevölkerung ins Gebirge nach 
S. Den Grundſtock der iraniſchen Familie bildeten 
im Altertum Meder und Perſer, heute die Tadſchit 
(Taf. I, 15), Parſi, Kurden, Belutſchen (Taf. 11, 16), 
Afghanen, Armenier. Endlich ijt der indogermanijde 
Stamm nod vertreten durch ſlawiſche Bejtandteile, 
wie die Rojafen (Taf. II, 17) im aſiatiſchen Rupiand, 
und durd andre Familien (germaniſche, keltiſche) im 
den von Europäern folonifierten Gebicten. 
Sojiale Verhaltniffe, Religion. 

Die fogialen Verhältniſſe der ajiatijden Bat- 
fer find äußerſt veridieden. Unter den Mohanrme- 
danern und gang allgemein im ſüdlichen A. ijt die 
Vielweiberei gejtattet, tatſächlich freilid auf die Rei- 
chen beſchränkt. Dagegen bejteht Polyandrie auf 
Ceylon, in Indien, Tibet und bei mebreren Stanumen 
im Nilgivigebirge. Die Stellung der Frau ijt ungleid. 
nirgends aber beneidensiwert. Sflaverei beſteht 
iiberall bei Den mohammedanijden Völlern des weſt 
lichen A., die ihren Bedarf nod immer meijt aus 
Afrika beziehen; im Turfmenenland hat die ruſſiſche 
Eroberung dieſen Zuſtand befeitigt. In China ift die 
Sflaverei cine —— Einrichtung; in Britiſch— 
Indien iſt die ähnliche Gebundenheit des Bauern erſt 
in jüngſter Sei gemildert. Während die Hindu in 
— geſchiedene Kaſten zerfallen, beſteht bei andern 

Olfern völlige Gleichſtellung. Die Kultur der Aſia— 
ten iſt ſeit Jahrhunderten auf derſelben Stufe ſtehen 
geblieben, namentlich in China, wo ohne Berũhrung 
mit frembden Völlern eine Reibe wichtiger Erfindun 


Ceylon gehoren su thnen die Weddah (Taf. IL, 12). Die gen gemadt und eine großartige Literatur gefdaffen 
Bewohner von Yndonefien find ju fondernin Rapua wurde. Dagegen fudjen die Japaner in Übereile die 


oder Regrito (Taf. I, 18), im Innern der öſtlichen 
Inſeln, und in Malaien. Lewtere bewohnen die 


europãiſche Kultur anjunchmen, dod) bleibt, wie aud 
in Britifeh-Andien, die Maſſe des Bolfes davon un- 


Philippinen als Tagaten und Vijaya, die Halbinfel | beriihrt. Gleiches gilt von Ruſſiſch-Aſien, wo, wie in 
Malaffa (Malaien im engiten Sinne), die Jnjel Java | Yndien und Japan, aud) Univerjitiiten gegriindet 
als Sundaneſen (Taf. I, 1) den wejtliden, als Ja- worden find. 


vaner (Taf. IT, 2) den öſtlichen Teil, woran ſich die 
Vewohner von Bali (Taj. I, 3) anſchließen; als 


Batta Sumatra (Taf. If, 4), als Dajafen Borneo | jtreng patriardalijd, in Hinterindien, 


Hinſichtlich der ftaatlidenBVerfaffung beftehen 
große Gegenſätze. In China ijt die Regierungsform 
— es nicht 


(Taf. TI, 5), als Makaſſaren und Bugineſen Celebes | unter europäiſcher Verwaltung ſteht, ſowie in Perſien 
(Taf. II, 6). Die malaiiſchen Sprachen zerfallen in und Turan rein deſpotiſch, unter den Malaien ftaat- 
die tagalifde (auf Formoja, den Marianen und| lich zerſplittert. Theokratiſch ift die Regierung von 
Ebilippinen) und in die malaiojavanifde Gruppe. | Tibet, Bhutan und Siffim. Japan hat in neuejter 

Die Naulafier zerfallen der Sprache nach in eine | Zeit eine fonjtitutionelle Verfaſſung nad europäiſchem 
faufajifce, ſemitiſche und indogermanijde Gruppe. | Muſter eingeführt. 


Von erſterer bilden die von SO. eingewanderten 


Die Stifter fiimtlider höherer Religionen: Bo- 


Georgier (Taf. II, 7) im S. des Kautafus den Grund- | roajter, Mofes, Buddha, Chrijtus und Mohammed, 
ſtock, wozu Lesghier, Kiſten und Tſcherkeſſen, auch gehören A., und gwar der fubtropifden Zone an. 


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‘Zum Artikel Asien.) 


Inhalt der Tafel ,Asiatische Kultur FE. 


Kunsterzeugnisse der nordasiatischen Volker. 


1. Zoptschmuck (Dolgan-Jakuten). 18. 
2. Pelzmiitze (Jakuten). 1%. 
3. Pelzmittze (Ob-Samojeden). ' 20, 
4. Mutze (Cheta-Jakuten). 21. 
>. Kinnsehutz (Dolgan-.lakuten). 22, 
6. Brustlatz (Nigidal-Tungusen). 23. 


7. Brustlatz (Taimyr-Tungusen). 24. 
8S. Handschuhe (Nigidal-Tungusen). 23, 
9. Scheide } 26. 

Nigidal- Tumgusen ). J 
10, Messer |" i } 27. 


. Mess 
11. Messer | Jakuten. 


12. Scheide! 38 
13. Tabaksbentel (Sidtungasen). 29 


14. Ledertasclche 


— 
J XNigidal Tungusen. 
15. Arbeitstasche 147 * ne 


16, Pelz | Assja-Svunojeden) 32. 


17. Alitagstrack “Tangasen:. 


Birkenkorb (Ob-Samojeden). 

Stampfkeule . 

Holzmirser | (Jakuten. 

Reisesack yon Quappenhaat. 

Schenkelhose (Tungnsen), 

Franenhose (Samojeden). 

Weiberschuh (Orotschonen). 

Stiefel (Taimyr-Samojeden }. 

Renntieridole. 

Tranflasche (Schwanenfub. Assja- 
Samojeden). 


. Minnerschah (Tungasen). 
. Kumyshumpen (Jakuten). 
30. Korb fiir Teegesehirr } 
31. Birkenkérbchen ' 


(Tunguser. 
Holzerne Hansidole. 


Asiatische Kultur I. 





Asiatische Kultur Il. 


warre’ 


7 
3 


i 
i 


3S 
. s . 


— *8 


—— 


J 
a 
. 





1. Tangstat) der Batta von Sumatra (6 auch 14 2. Ahnentnid von Nias. — 2 Webstab der Aino 

4 Baschkirens bmuck (6 auch 17) 5 Bronzenes Buddhatiid 6. Panzerhelm, 7 Panzerhandschuh der 

Indier aus Bhuj, Katwh (6 auch IS ua 1% 8 Japanisher Feuerkessel, der Deckel in Silber getrieben 
(s auch 2 9. Singhalesen - Maske 


Meyers Kone.-Lewkon, 6. Aufl B.tdorgr. Institut in Leipzig Zum Artikel Auer 


Asiatische Kultur III. 


— 


— 


ror 


a Se. Se es 
sr 


— 


oy Soren. 





10, Tanzstab der Batta von Sumatra (s. auch 1). 


Schuppen des Schuppentiers (Manis), Borneo, 


11. Kopfkérbchen der Ginanen von Luzon. 
16. Kalender (13 


- 12. Hut aus 
13. Pfeife 14. Gerbeschaber, 


15. Riickenschaber, — 

16 Gerite der Samojeden, Tungusen und Jakuten). 17. Baschkirenschmuck (s. auch 4). — 

18. Panzerkleid, 19. Panzerschuh der Indier aus Bhuj, Katsch (s. auch 6 u. 7), — 20. Kécher der Aino, — 
21. Mandarinenstab in rotem Lack 22. Japanische Wasserkanne, Goldlack (s. auch 8). 





Ajien (Ackerbau, Viehzucht, Jndujtrie, Handel u. Verkehr; Entdeckungsgeſchichte). 


Beriprengte Rejte der Unhinger Zoroajters, Gebern 
oder Barfi, haben ſich nod in Borderindien und in 
kleinen Nolonien bet Batu erhalten. Clemente des 
alten Sabäismus, mit mohammedanifden, teil- 
weife aud) drijtliden Ideen verſetzt, finden wir bei 
Der Jeziden am obern Tigris und den Sabiern in 
Deffen Wiindungsland, Anklänge an den altfyri- 
ſchen Gitterdtenft unter den Druſen und Anſa— 
riern in den Gebirgen Nordjyriens. Der Brahma: 
nismus mit feinen zahlreichen Seften herrſcht in 
Borderindien; nad Nordafien, ja bis nad Curopa 


hinein reidht Der BuddHismus, in Tibet und bei 
Derr mongolijden Volfern alg Lamaismus, in| 


China und Japan vermiſcht nit dem urjpriingliden 
Religionsjyjtem beider Bolfer. Yn feiner vorder- 
indijden Heimat ijt er durch das Brahmanentum auf 
faum 200,000 Geelen und auf den Inſeln durd den 
Islam bis auf wenige Refte zuſammengeſchmolzen. 
Ju den leben gerjtreut fiber Den ganzen Wejten, am 
zahlreichſten in der aſiatiſchen Türlei, insbeſ. in Pa— 
läſtina, wo ſich auch noch Reſte der Samaritaner 
finden. Das Chriſtentum hat in ſeiner urſprüng— 
liden Wiege Palijtina trotz des Islam fich bis heute 
erhalten. an Rleinafien und vereingelt in Syrien wie 


Durd das ganje ruſſiſche A. ndrdlid) vom Kaufajus 


herrſcht das griedhifdh-fatholij de Befenntnis. Die | 


armenifde Rirde ijt noch felbjtindig organifiert. 
In Wejtfurdijtan finden wir Rejtorianer, im Li- 


banon Maroniten, in Syrien die fyrifden oder, 
jafobitijden Chrijten (aud) nod) cin Rejt im fiid- | 


weſtlichen Vorderindien als Thomas riften), in 
Mefopotamien und Ferfien die Johannisjünger 
(Sabder). Chrijftlidhe Miſſionare wirten in * 
verſchiedenſten Teilen Aſiens, katholiſche arbeiten ſeit 
langem in Indien, China und den Philippinen mit 
erheblichem Erfolge. Die evangeliſche Miſſion arbeitet 
auf mehr alg 970 Stationen mit 1420 europäiſchen 
Mifjionaren und einer —— von 17,5 Mill. 
Mark. Von Miſſionsgeſellſchaften bejtehen 13 deutſche, 
19 englijdhe, 23 amerifanijde, 11 private englijde, 
12 niederlindijde, 2 däniſche und cine, ſchwediſche. 
Dic fatholifche Miffion zählt in W. 3,076,106, die pro- 
teſtantiſche 1,019,500 Anhänger. Der Is lam herrſcht 
in Vorderaſien, Turkiſtan, im W. Vorderindiens, 
unter den Malaien und im W. Chinas; zerſtreut 
ſitzen Mohammedaner in allen Teilen Aſiens. Die 

ehrzahl ſind Sunniten, nur die Perſer Schiiten. Der 
Konfutſianismus und Taoismus in China und 
den ſüdlich angrenzenden Ländern ſowie der Ahnen— 
fultus (Kamidienſt) auf Japan find praktiſch ge— 
ſtaltete Religionsphiloſophien Der Schamanismus 
oder der Glaube an gute und böſe Geiſter und an 

auberei herrſcht von der Nordküſte bis zur Süd— 
pitze Aſiens. Von den 814 Mill. Einw. entfallen 
höchſtens 15 Mill. auf die (oft nur nominellen) Chri- 
ſten, 80 Dill. auf die Mohanrmedaner, der Reſt, fajt 
die Halfte der ganzen Menſchheit, auf Brahmanismus, 
Buddhismus und Heidentum. 

Erwerbs zweige, Handel, Verkehr. 

Hauptbeſchäftigungen find Uderbau und Vieh— 
zucht. Jn China hat fic) der Landbau gu ftaunens- 
werter, alg Wartenbau fogar zu muſterhafter Stufe 
crboben. Die fiinjtlide Bewäſſerung wird felbjt im 
gentralen A. mit Sorgfalt gepflegt; deren Vernachläſ— 
ſigung unter türkiſcher Herridaft hat frudjtbare Land— 
ſchaften zu Wüſten umgewandelt. Die vornehmiten 
Bodenprodutte find Baumwolle, Reis, Tee, Kaffee, 
Tabaf, Indigo, ye Gewürze, Weizen, während 
die Viehzucht Wolle, Häute und Felle liefert. Hin— 

Meyers Konv.⸗Lexilon, 6. Aufl., J. Bo. 





anders 





865 


ſichtlich der Seidenproduktion ſteht China überhaupt 
an erſter Stelle, dann folgen Japan, Oſtindien, Sy- 
rien und Kaulaſien; hinſichtlich der Teeproduttion 
pag A. vorliufig nod einzig da. Die —— 
er Aſiaten iſt im Vergleich zu der Fülle von Roh— 
materialien wenig bedeutend, doch wird in einigen 
Zweigen Bewundernswertes geleiſtet, namentlich in 
der Seidenweberei der Chineſen, den Baumwolien— 
fabrilaten Vorderindiens und Javas, den Schal— 
webereien Kaſchmirs, den Porzellan-, Lac: und Elfen⸗ 
beinarbeiten Chinas und Japans, den Waffen In— 
diens und Syriens, den Teppichen Indiens, Bocha— 
ras, Perſiens und der Türkei. Jn Britiſch-⸗Indien hat 
ſich unter engliſchem Einfluß cine bedeutende Baum— 
woll · und Jute⸗Induſtrie mit moderner Technil ent: 
wickelt. Gefördert wird das Aufblühen induſtrieller 
Unternehmungen durch große Kohlenlager in Bri— 
tiſch Indien und Japan, während die unermeßlichen 
Kohlenſchätze Chinas nod ſehr ungenügend verwertet 
werden. Kunſterzeugniſſe aſiatiſcher Bolter, Waffen, 
Geräte scigen beifolqende Tafeln. 

Der eanbel jul —8* iſt zum allergrößten Teil in 
den Händen der Eingebornen; Seehandel wird in 
beſchränktem Maße von Arabern, Malaien, Chineſen 
und Japanern, in großem Umfang von Europäern 
und Amerikanern betrieben. In China, Japan und 
Korea iſt jetzt den Fremden eine Anzahl von Häfen 
eröffnet. Griechiſche, öſterreichiſche und franzöſiſche 
Schiffe vermitteln den Verkehr im W., britiſche, 
deutſche und holländiſche im S., chineſiſche und japa— 
niſche nebſt den Schiffen aller Nationen im SO. Unter 
den Handelsplätzen ſind Singapur, Rangun, Yo- 
lohama, Schanghai, Taſchkent, Bombay, salfutta, 
Madras, Karatſchi, Batavia, Tiflis Beiſpiele des Auf— 
ſchwungs; Basra, Bagdad, Aleppo, Trapezunt und 
die Handelsſtädte Chineſiſch-Oſtturkiſtans Beiſpiele 
des Verfalls. Der Welthandel Aſiens, an dem in 
erſter Linie Britiſch⸗ Niederländiſch- und Franzöſiſch— 
Indien, China, Japan, die Philippinen, Siam und 
Perſien ſich beteiligen, überſteigt jährlich 6000 Mill. 
Mark, wovon 2700 Mill. auf die Einfuhr, 3300 Mill. 
auf die Ausfuhr entfallen. 

Der Verkehr wird im Innern vermittelt durch 
Karawanen; Hami, Bodara, Taſchkent, Kiachta find 
Knotenpunkte der Karawanenſtraßen. Jn Sibirien 
dienen Renntiere, Hunde und Pferde, weiter ſüdlich 
Kamele, im Himalaja aud Yaks als Zug- und Laſt— 
tiere. Die neueſte Zeit hat durch europäiſchen Ein— 
fluß Eiſenbahnen entſtehen laſſen, deren Länge 
40,000 kin betragen mag (vgl. Art.⸗Eiſenbahn« nebſt 
ſtatiſtiſcher Tabelle), während die Länge der Tele— 

raphenlinien 107,038 km erreicht. Zu den Haupt— 
— Aſiens führen von Curopa, Amerila und 
Auſtralien Kabellinien und Überlandtelegraphen (vgl. 
die Weltverkehrskarte beim Art. »Dampfſchiffahrt«). 


Entdeckungsgeſchichte. 


(Hiergu bie Karten: »Forfdungsreijen in Aſien und in Zentral⸗ 
afiene, mit Negifterblatt.) 

Die Kenntnis von W. beſchränkte ſich zu Homers 
Beit auf die Weſtküſte Rleinajiens. Hekatäos, Hero- 
dot und Kteſias (540 400) beſchreiben ſchon ziemlich 
genau die 20 Satrapien des perſiſchen Reides, aud 
mandes von Kolchis, Arabien und Yndien. Sehr 
viel eer ur weitern Erfundung die Feldzüge UWler 

: Gr. bei fowie die auf feinen Befebl unter- 
nommenen Seefahrten, insbej. die des Nearchos 
von der Indus- zur Euphratmiindung. Durd die 
Feldzüge und Gefandtidaftsreifen der Diadodengeit 

55 


866 


(Megajthenes, Patroflos) erhielt man weitere Rad: 
ridjten tiber Indien, Taprobane —— den In⸗ 
diſchen Dzean und das Kaſpiſche Meer. Neue Quel— 
fen eröffneten die von den Ptolemäern veranſtalteten 
Fahrten nad Indien fowie die Entitehung griedi- 
ider Königreiche in Baltrien und Indien; Asie die 
Herridaft der Rdmer in Vorderafien und ihre Kriegs 
jlige gener die Barther ſowie dftere Handelsreijen 
nad) Mittelaſien und Andien. 

Die Ulraber fubren tm 8. und 9. Jahrh. durd den 
gangen Indiſchen Ozean bis nad Südchina. Curo- 
paer führte ſeit Dem 10. Jahrh. religidfes Intereſſe 
nad A.; man wallfabrtete nad dem Peiligen Wrabe, 
ſchidte (um 1000) Miſſionen und feit LO96 in Den 
Kreuzzügen bewafinete Heerhaufen nad) Palatina. 
Die dren Neſtorianer gründeten feit Dem 11. 
Jahrh. Gemeinden in allen Daſen der Wiijte Gobi 


und in Turfijtan. Unter den Miſſionen des fpatern 


WMittelalters nad) Ynner> und Ojtajien find ju nen- 
nen: Rubruquis(Ruysbroef), Joh. von Montecor- 
vino und Odorico von Pordenone. Der Venegianer 
Marco Polo bereijte zu Ende des 13. Jahrh. m 25 
Jahren die Mongolei, China, Bengalen und die ent: 
legenſten Zeile Ojtafiens. Der Uraber Jon Batuta 
drang 1324 53 bis Andien und China vor. Auch 
Schiliberger, Ruy Gonzalez Clavigo, Barbaro und 
der Venezianer Niccold Conti, der zuerſt im 15. Jahrh. 
Defhan durdwanderte und nad Hinterindien vor- 
drang, forderten die Kenntnis Aſiens. Nachdem Vasco 
da Gama 1498 cinen Direften Seeweg nad Indien 
gefunden batte und in Kalilut gelandet war, began- 
nen die Entdedungen und Eroberungen feitens Por⸗ 

al8 durch Wlbuquerque und Almeida, Untonio 
d'Abreu (entdedt 1511 —12 die Moluffen), dn 
drade (Malediven), Yodo de Silveira (VBengalen), 
Fernando Peres (1516 Linkininfeln). 

Seit Magathies’ Weltumfegelung (1521 Ent- 


declung der Philippinen) fuhr man teils um die Sid. aſi 


ipige Umerifas nad) Ojtajien, teils unternahm man 
befondere Reifen nad Nordojtafien, um die Frage 
nad dem Zuſammenhang Umerifas mit A. zu löſen 
und an dent ungeheuern Handelsgewinn der Por: 
tugiefen in Ojtindien teilzunehmen. Garcia Henri: 
ques befeste 1525 Celebes, Basco Laure; 1526 Bor: 
neo; Pinto durchzog 1537 - 58 das Innere von China, 
Japan und Yndien. Anton de Woto wurde 1542 
nad Japan veridlagen. WIS Rebenbubler wurden 
den Portugiejen sunddit die Spanier 
die von Umerifa Schiffe nad Andien ſchickten und 
1571 die Philippinen befegten. Die Eroberung Sibi- 
rien3 dDurd Die Ruffen beqinnt mit Jermat Timo 
fiews Bordringen 1580 ff., die Rofafen durchſtreiften 


im 16. und 17. Jahrh. ganz Nordaſien. Die Lena. 


wurde 1628, das Ochotifiide Meer 1639 erreicht. Die 


Hollander gewannen Einfluß und Beſitz in Yndien | 


zu Unfang des 17. Jahrh. Wis eriter Englander 
fam Th. Stephan (1579) nad Qudien; 1600 ſchickte 
die Königin Elifabeth eine Geſandtſchaft an den Grof- 
mogul Albar; nod) in demſelben Jahre wurde die Bri 
tii Oftindiiche Handelsfompagnie gegriindet. Tho 
mas Roe ging 1611 als Mefandter nad) Dehli, def 
fen Herrider den Englandern den Handel in feinem 

anzen Reiche geftattete. Auch die Franzoſen fubren 


eit 1601, als erſter Franz Poyrard, nad Indien, 


Die genauere Kenntnis des Archipels verdanken 
wir den Holländern, die hier den Vortugieſen im 
17. Jahrh cine Beſitzung nach der andern abnahmen 

Im 18. Jabrb. wurde beſonders Nordaſien durch 
die Ruſſen, vor allem (1734 43) durch die große 


gefährlich, 


Aſien (Entdeckungsgeſchichte: allgemeine bis 1800, Sibirien ſeit 1800). 


ruſſiſche Expedition (Gmelin, Steller, Miller, Lap- 
tew, Tideljuffin, Bering, Tidirdow, Prontidnid- 
tidew, WMurawiew, Bawlow u. a.) durdforidt, wo- 
bei Tideljujtin bis sur Nordipige Ufiens vordrang, 
wabrend Bering Die nach ihm benannte, aber ſchon 
1648 von Deſchnew entdedte Strake durchfuhr. Rui- 
ſiſche — entdedten 1745 die Aleuten. Dre unter 
Pallas, Gmelin u. a. 1776 abgefandte Expedition er- 
forfdte Sibirien und die angrenjenden Lander am 
Kaſpiſchen und Aralſee, beſuchte aud) die Tatarei, 
Mandiduret, Chima und Japan. Qames Coot durch 
fubr bet fener Erdumfegelung 1776 79 auch die 
Beringſtraße und beſuchte Kamtſchatla Jean Bitten 
de Tournefort und Gundelsbeimer bereijten 1700 -- 
1712 Rleinafien, Urmenien, Kaulaſus. Chiwa. Buch 
hohz 1714—15 Ruffiidh- Turfijtan, Chr. Burbaum 
1724— 27 Kaulaſien. Perjien und das ſüdliche Sibi 
tien, John Bell 1714 38 Sibirien, Raufafien. Da 
gbeitan, Perjien, Tatarei und China, Hawlins 1742 
i8 1750 von Nordindien nad Perjien. Rleinairen 
und Syrien durdforidten Pocod (1739), Chand 
ler (1764), Niebuhr (1761), Botney (1783) a a; 
Wrabien Riebubr (1761 64); Tibet Deñderi 
(1714ff.), Samuel van den Butte (1719, bis Chena), 
Hallerjtein (1760), Bogle (1773), Turner (1783); 
| China Lord Macartney (1792-94) mit G. Staun. 
ton, Barrow und Hiittner; Japan Thunberg (1772), 
Lapeérouſe (1786) und Larmann (1791). 
Sibirien. 

Auf dererften ruſſiſchen Erdumſegelung unter ru: 
fenjtern 1803 - 1806 wurden die Kijten Citibinens 
— aufgenommen; Sannikow entdeckte 1805 
Neuſibirien; Wrangel bereiſte 1820-25 die Rord. 

fiijte Aſiens und Kamtſchatta, Ledebur die Kirgiſen 
ſteppe; UW. v. Humboldt 1829 mit Ebr und 
Roſe Ural, Ultai, Djaifaniee, Kaſpiſches Meer und gab 
juerjt eine flarere orographiſche Darſtellung Inner⸗ 











iens. Hoffmann unterfudte 1843 die Goldiwaiden 
im djtliden Sibirien, Middendorff 1843—45 das 
Taimyriand und Sibirien bis jum Ochotitriden 
Weer; 1845 49 machte Caftrén linquiittide und 
ethnologiſche Studien, 1855. 58 Wblquijt. 1851 
1854 unterfudte Dittmar Kamtſchatta geologifid. 
Transbaifalien und das Mmurland wurden feit der 
Beſetzung durch die Rujfen (1854) ——— 
(Madde, Meglitzki, L. v. Schrent. Schmidt, Warimo. 
witid, Cotta), durch v. Maidel mit C. v. Neumann 
die Tſchuktſchenhalbinſel. Schwarz bereifte 1864 - 467 
Transbaifalien, ein Netz von meteorologiidhen Sta. 
tionen wurde in Sibirien erridtet. 1868 75 foridte 
in Ojtiibirien Czelanowſti, cin polniicher Verbann 
ter; 1877 wurde cin großes Rivellement bis zum Bai 
falfee vollendet, das 1873 - 76 von Scharnborit und 
Kulberg vorbereitet worden war. 1875 wurde Me 
Triangulation von Transbaifalien begonnen. 1876 
fubr der Schwede Theel den Jeniſſei binab, Botya- 
fow bereijte den Ob und den Irtiſch, den Vltai, Me 
Rirgifenfteppen und das Siebenſtromland, wabrend 
Finſch. Brehm und Graf Waldburg Zeil tm Muftrag 
der Bremer Geographiſchen Mefellichaft Das Vand von 
der chineſiſchen Grenze bis yur Rarabai durcdhforidten. 
1877 ertundete Ublaquift die Oftjafen und Wogulen. 
Ingenieure unter Aminow unterfudten die Wanſer⸗ 
ſcheide zwiſchen Ob und Jeniſſei, Dte qeologtiche Unter. 
ſuchung ded Baifalfees wurde begonnen. Jadringew 
machte Volkerſtudien im Altai; Wichaelis foridte 
1879 ff. am Schwarzen Irtiſch und Saiſanſee; Rune- 
berg ermittelte 1883 Die Woqlichfeit ciner regelmaßi · 
gen Dampfidiffabrt auf der Mngara. 


[Zum Artikel Asien.] 


Register zu den Karten ,Forschungsreisen in Asien 
und in Zentralasien seit 1856‘. 


I. Alphabetisches Register. 


Die Buchstaben und Zahlen zwischen den Linien | E5 





bezeichnen die Gradfelder der Karten. — Die Routen, die auf 


der Karte » Hentralasions dargestellt sind, sind durch ein ninter d den Namen geactztes Z., Amundsen (Z.), kenutlich gemacht. 














ES 
a" — 1512 earner ea L-N® 
Agassin 1901 .......4.-. Hs 
Albaquerque 1507, 1513. 6, F-H7 
Amandsen (Z.) 1898—9... 16 
Andrade 1517 ........-. LM6-8 
Anz 1808 1. wc ccc eee MNS 
Baber (Z.) 18TR 2... ee. Lb 
aikow 1654.......... | H-M3,4 
Isarents 1504—96 ....... B-G1 
Barthélémy 18% 2.0... L7 
Bastion ISGL.. 2... 2 eee K6,7 
Bell (Z.) 1886 2... 6... J-M4, 5 
Renoist nnd Mechin 1883. . N4 
Bering 1728, 1741 i) R-T2, 3 
—e \ q-T3, 4 
Berry 1880-81 ., ..... 81 
Bishop 1896 ......-... L5, 6 
Black 18) .....0=..... Li 
Blukiston 1861 ......... LMS 
Blumentritt 1874 sh Gia Ni 
Blunt 1879 ........... | DES,6 
Bock 1873—80..,....... MB 
Bock 1883 ........ Li 
Hogdanowitseh 1898 2... . og 
Bonin (Z.) 1899-1000 ... G-M4, 5 
Bonvalot, Capus (Z.) 188687 HS 
Bouvalot u. Henri Orleans 
(Z.) 1389—90 . J-L4-6 
Borissow 1800... .. Fl 
ower (Z.) L801. . H-LS 
Bendfoot IBS9 .,. 2... LW -. G 
Bhlicking 1898. ........-. NB 
Burckhardt 1814—15 . DES 
Burroughs 1556... . 72... | A-Fl-1 
Cagni/Exp. d. Hag. d. Ahru-- 
zen) 10. ...... Fla 
Carey {Z.) 188587. ..- H-K4,5 
Carles ISKH. ee N4,5 
Cernik 1872—73...... DES 
Chabarow 1650 Nw, 4 
Chamberlain 1804... .. NOG 
Chariton Laptew 1741. . J-Li 
Cholnoky 1806-98 .. 0... MN# 
Clifford 1895 ,..... ya 18 
David (Z.) 1872-78. ..... 1L.MS 
Deusy (Z.) 1899 . . HJS 
Dechy I897—98 ...... K4 
Deschnew 148 2.2.2.2... R-T1,2 
Desgodin (Z.) IS81-—78 K5, 6 
Diener 1B92 .......04- HI6 
v. Diest 1806, D809, ....,. D445 
Dmitr] Laptew 1749 —41 O-RI 
Doughty 1876—i8. . DEG 
Uyrishenke seit 1897 LS 
lupuis 1869-72 2... 0°... LA 
Dupuis (Z.) I869—T2..... 14 
— aaa 180% —O4 JS 
lias (4) 1872. . | K-M4 
E lings 1868 2... MS 
Elphinstone 1S Pek pie GHS 
Erman 18258, 182. .... G2, Q3 
Pedische nko {Z3 —E GHA 
Fernandez 1511 ...... Li,8 
Forsyth (Z.) 1870, IAT4. . HIS 
Freshfield uy . J6 
Fritsche ISON —72..... : M4 
Fritsche (Z.j 18d8—72 2...) LMd 
v. FuG und Bunge 130. LM4 
Putterer u. Holderer (%.) 1898 H-K4 
(rnedertz INOS... 0... MS 
Gardiner IS9M 2... 00.0. ik 
Crebriider Schlagintweit (Z.; 
IB56 ST 2. tre ws HS 
frenthy LUO), . Bee N4 
Gill (Zp) 1577. .. ee KL5, 6 





(vlaser INSS 1... | a7 
Gods 1603-100 . , G-K4,5 
Goldschmid 1872* PGS 


(rottsche ISS4 .......58. NS 
Grombtishewski (Z.) [S880 H5 
Grueber und W'Orville 1661. | J-M5,6 
Gram Graimailo (Z.) 1890, . | J-LA,S 
dirfinau 1897. ...-..-... N5 
Hatévy ISTO 2... .. B7 


Meyers Konw. + 





llepri d'Orléans — i 1895 . 
Henri d'Orléans 1901 
Hzg. d. Abrozzen 1809—~ 1100 
Hooker 1849 
Hosie (Z.) 1882-84, .... 
Huber 1878—S81 u. 1884 . 
Hue und Gabet 1844—46 
Hubn 1879-81 ...... 
A. ¥. Humboldt 1829 
Ides 1692... 
Iwanow (Z.) 1883 
Jackson 1804—97 
James 1836, 
Joannette-Exped, (de Long) 
1s80—81 
Jermak 1580 
John 1872 
Johnson (Z.) 1868 
Junghubn 1845—64 
Kampfer 1690 —92 
v. Kaulbars (Z.) 1869 
Kaznakow (Kozlovsche Expe- 
dition) (Z.) 1899 
Kbanikoff 1858 
Kiepert 1842 
Konschin [880—85 
Kosaken 1610 ......... 
Kostenko (Z) 1876 
Kotschy 1859 2.00, 
Kozlovsche Expedition @) 
"1899-1900 ....... 
Krishna (Z.) 1879-82... 
Kruyt 186 u. 1899 
Ladyghin (RKozlovsche Exp.) 
(Z.) 1899 


oeuvre veaees 


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Lagrée u. Garnier 1867-64 | 


Lagrée u. Garnier (Z.) [367—t4S 
Lapérouse 1787 
Laptew, Chariton 1741... 

Laptew, Dmitrj 17Su—41 .. 
Leclére I89B~—99 .. . ‘ 

Leod 1887 ........... 
Littledale tz) 15) 


ovreove es 


Littledale (Z.) 1895 
Ljachow 1773 
Logan Jack (Z.) 1) .. 
Lovett 1872 
Lyman 1876—78... 
Lynch 1889 .... 
—— 121. 

. Maltzan 1871 
Malygin u. Skuratow 1736 — 37 
Manzoni 1880 
Marco Polo 1272—85..... 
v. Marignola 1339-53 
Martin 18&3— 85 
Martin 1I891—#2,,..-.... 


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DES, 6 
K-M5 
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E-Hi, 2 
Ei 
B-M4-8 
1l)-M4-8 
L-N8 
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Maunsell 1892 
Menezes 1526 
Meyer 1882.....---++,; 
Middendorff 1843 
Middendorff 1R44 .. . . 
Miles 1884 
v. Méllendorf 1874—7¥... . 
Moolengraff 1893-—04 
Mooreroft 1812 . 

Monnier 1887. ....... 
Moskwitin Ido . 
Munainger IR70 2... 
Nain Singh (4) IS73..... 
Naij 15M 

Nansen 1894---(6 - 
Naumann 1875—85 
Needham a, Mol (Z,) 1885 
Neis 1889 
Nicolo Conti 1430— 35 
Nic. u. Maffeo Polo 1262 


oe ee eee ee 


Ce — 


86 


Niebuhr 1762—™5 ....... 
Nieuwenhuis 1896-07... . 
Nordenskjéld I878—78.... 
Oberhummer 186... 2... 


Obrutschew (Z.) 189b—4 . . 
Odorich ¥. Pordenone 1516— 
1318 , 


L-O8 
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L-O8 
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M4 
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D-M4-9 





,, Oppenheim 1893... 


TES 


Lexikon, 6. Aufl., Betlee. . — 








SS eee —— — — * 


Oschanin (Z.) 1878 ...... 
Osten-Sacken (Z.) 1887. . Ha 
Owzyn 1734—37 2.2... GH1-3 
Palgrave 1862—63....... DE6 
Pallas 1772 ......2. 5.4. LM&, 4 
Pavie 1886—91 ........ ' 16,7 
Payer u. Weybrecht 1873. .° E-Gis 
Peily 1004 | Ke 
Pevisoff (Z.) 1888—00 ., HdJ4, 5 
Pojarkow 1643... ......., N-P2-4 
Polo, Marco 1272-95 .. B-M4-8 
Polo, Nicolo u. Maffeo 1262 D-IA 
Potanin (Z.) 1884-86... | K-M4,5 
Pottinger 1810.. ...... G6 
Prontschischew 1735 u. 1786 | MNI 
Praewalskij (Z.) 1870-—88 .. | K-M4,5 
Putiati u. Bendersky (Z.) 1883 HS 
Radde seit 1863 ........ E4 
Radde und Konschin 1886 . PGS 
Regel (Z.) 1879... ....... Jt 
Regel (Z.) 1881—83 . GHS 
Rein 1878—75 2... 022. . OPS 
vy. Richthofen 1862 ...... Ki 
y. Richthofen (%.) 1870-72 . | LM4-6 
Riedel 1879 ........-. Ng 
Roborovsky u.Kozlov(Z.) 1894 | KLS 
Rockhill (Z.) 1889 ......., KIS 
Ronaldshay-Penton 1901. 6 
Rosenberg 1840—66 ..... N&, 9 
Rosmuis 1768 ......... } Fi 
Rob 1865 ......-.25-% ); G6 
Rubruk 1253-55. ....... » D-L3-5 
Ruy da Cunha ISI] 2... . ! KL7,8 
Saint John 1848—61..... | M8 
Saint - Yves (4) 1890... ., ; HS 
P. und F. Sarasin 1893—95. | N81 
Sarre 1690.. FS 
Sehah Rukbs Gesandtsehaft 

Ce. rr | (MA, * 
Schindler 1877--80 ...... EFS, 
Schischmarew (Z.) 1868 . K- a 
Schlagintweit, Gebr. 1856—5S7 HS 
Schweinfurth 1889 .. . : Ei 
Soqueira 1500... ..-4.. H-LS 
Serrfo 1512. ....... N8, 9 
Sewerzow (Z%.) 1864...... H4 
Sewerzow (Z.) I878...... HS 
Siboga-Exp. 1899 u, 1900. . MNY 
Siebold 1828—80........ OPS 
Sladen 1865 ..... ss a K6 
Smith 1882..... «++.| EFIa 
Sossnofsky (Z.) 1875 eevee JIA. 3 
Stahl 1800—¥4......... EFS 
Stopel 1898......2.... N6 
Sven Hedin (Z.) 1894—97 . . | G-M4,5 
Sven Hedin (Z.) 1899-1902 | H-K4,5 
Swoboda 1802... DS 
Sykes 188—1901....... E-G5, 6 
Széchenyi (Z.) 1879—80 ... | K-M4,5 
Toll 1OW—1901... 0.2.4. I-P1 
Tscheljuskin 1742....-.- J LMI 
Tschichatscheff 1848—58 C-E4, 5 
Turley I898 . 0... ee ee | N4 
Turner 1783 .......-.. ; 6 
Vambéry 184 ......... i G45 
Vasco da Gama 1408 | E-H7-9 
Vaughan 1888 ... ..... | FS 
Veth IS77—79 .....0.2.4. 1 Li, O9 
Volz 1898. ...... Ks 
De Vries 1045 , . N-P4-8 
Wallace 1834—62....... MNB, 9 
Wallin 1848 ...-..-... DES, 6 
Webb 1808 .......26.5. HJS 
Wellby (Z.) 1896 ....... H-M4, 5 
Wellmann 1898—09 ..... E-Gla 
Wellsted 1836... . - Fo 
Wilcox 1826 ..... — K6 
Wilkizki 1894—95.......] H1,2 
Wood 1838 ..........-. HS 
Woodthorpe (Z%.) 1885 KS 
Workman 1899 .......-. H5 
v. Wrede 1848 ........ EFT 
Yamasaki 1806--97 ...... N6 
Younghusband /Z.} 1886--10 | H-K4,5 
Zwemer 1800190] FA 


Register zu den Karton perechua gare isen in Asien ete’ 


Altere Reisen in Gesamtasien ‘uals 
Ausnahme von Sibirien) bis 1700. 


Rubruk... 2... 1253—55 | D-L3-5 
Nicolo und Maffeo | | 

Polo ...... 1262 D-tA 
Maroo Pole .. . 1272—95 BeM48 


Odorich v Pordo- 





MONE 2.65 .-- 1316—18 | 1D-M4-0 
v. Marignola....  133¥—33  D-M4-8 
Sehah Rukhs Ge- | 

sandtechaft . ' 1490--22 | G-M4,5 
Nieolo Conti ... 490—88 D-N5-7 
Vaseo da Gama . 1498 = E- H17-9 
Albuquerque .. 1507, 1513 Fé, FHT 
Sequeira. . 1509 HLS 
Fernandes ..... isl L7,8 
Ray da Cunha, . 1511 KL7,8& 
dAbrea F siz L-NO 
Sermo .... 1512 NSD 
Andrade ...... 1517 LM6-5 
Magalhies . 1521 N-Q7 
Monezes .. 1526 L.-O8 
Gols... 0. 16083 —1605 G-K4,5 
De Vries... ... 1430 | N-P48 
Grneber and d'tr- 

ville ...... 1661 J-MB5, fi 
Kampfer.... 1690—92 | OPS 


Kleinasien, Arablen, Persien, 
Afghanistan u. Tarkistan. 





Niebuhr .. . | 1762—66 | D-H5-7 
Elphinstone .... | 1808 GHS 
Pottinger... ... 1810 Gh 
Hurekhard: 1sl4—15 DEG 
Weillbsted .. 2... 1836 Fé 
Wood... 1848 HS 
Hradfoot . . 1839 GOS 
Klepert. . -| 1842 Cs 
vy. Wrode 1844 EFT 
Wallin ....... 148 | DES, 6 
Twchichatscher?. . | 1S48—-58 | © E45 
Khanikof® ..... ; 3858 FOS 
Kotschy ...... 1859 DS 
Abich. ... 1862 ES 
Palgrave... is62—é3 | DEB 
Hadde... 2... seit 1863 4 
Vainbery . ° 1844 4, 5 
Pollg wc centan 1865 —X 
Hob... . 26 ee | 1885 (HW 
Halévy .....-, 1870 kB? 
Munzinger..... 18700 | sR 
v. Maltzan..... 1871 ET 
Goldschmid ... . 1872 FGS 
John . 1872 FS 
Lovett .. 1872 FS. 6 
Oermpik .... 0. Is72—Ta DES 
Doughty , | 1876—TR DES 
Sebiodler 1877—sU EFS, 6 
Blunt... .. 1879) =| DES, 6 
Heber . 879-8184 DES, 6 
Mangonl .. . 1880 ET 
Konschin . 1880 — 85 P4,5 
Milus ......5. 1ak4 Fé 
Radde u. Konschin | Tang PGS 
(laser . 1 RRS E7 
Vaughan. ..... ; I1Re8 | FS 
Lyneh........! 1889 EFS 
Sehweinfurth . . . 1889 Bi 
Stabl .. 1800—34! EFS 
Maunsell... ... 182 ES 
vy. Oppenheim. , 1KKS | ODES 
Sykes... 2... 1BUS—97 | £45, 6 
Oberhummer ._ . 18960 | CODD 
vw. Diest ...... 11896 a 9) D4 
Dechy lav7—98 | OES 
Sarre .... . isso |S 
cwemer ....., jp POO—— 190) rs 
Ronaldshay-Penton 1001 14 
Swoboda.. . or} ODS 


Vorder- a. Hinterindien, Niederl.- 
Indien, China a. Japan. 


Tarmer ......., 1286 Ka 
laperouse .... , 1387 MPa 
Webb... les JS 


Mooreroft ..... i 
Siebold . . 

Wileox .....6: 
vy. Pui and Bunge 
Junghobn ... . 
Rosenborg... . - 
Hue and Gabet. 
Saint John 
Hooker... ... 
Wallace .... 
Bastian... .. 
Hlakiston . . 

v. Richthofon e 
Lagrée u. Garnier 


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Bluiwentritt . . . 
v. Mollendorf . 
Naumann 

Veth . 
Lyman 
Hiedol 
Meyer. ....... 
Hock . 
Nels . 
Benolst a Mechin 
Gottsche . . 
Carles, 

James 

Pavie . oe 
Martin ..... 
Diener . 
Molengraff 
PF, and FP. Sarasin 
Chamberlain... . 
Clifford 
Bishop . 
Black .. 
Harthelemy .. 
Nieuwenhuis 
Yamasaki 
Cholnoky. .. . 
Krayt,...- 
Monnier 
BOcking .. 
Hiaederts 
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Leclére. .. .. . . 


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Tarley ... 

Workman 
Siboga-Expedition 
Agassiz 
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Henri d'Orieans . 


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II. _ Chronologische | Cbersicht. 





181? 
1823 30 
1826 
—X 
18480 4 
1837 
1440 —60 


144 40 


1848—61 
1849 


1854—62 | 


1861 
1861 
1862 

| 1867—68 


1874 
1874—79 
1875—R85 
invi—i9 


Ik76—78 | 


1K79 


1 RRS 
1883 
1881 
184 
1885 
1886 
Ts86--9] 
1391 —92 
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1803.-14 
1893 — 14 
1894 
1895 
1896 
1806 
1896 
1205-97 
1806—7 
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Sibiriea o. Polarliinder. 


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Moskwitin . . 
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Chariton Laptew 
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Pallas... 


1554 
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154 
1504 
16019 
14699 
1643 
1648 
16d 
1654 
1692 


1728, 1741 
1794-47 
1735 


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1736 
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1741 


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Zentralasien seit 1856, 

Schagintweit, (ie- | 

briider . 1854 —57 113 
—X 1s61—7* ki 4 
Sewernsow . I m4 114 
Osten - Sacken 187 the 
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Schischmarew. . . Lees K M6 
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Fritsche . lkAan—T Ms 
v. Kaulbare . sau ite 
Dapais . {heG— 72 1A 
Forsyth. ; Is7O, 1874 H3> 
v. Richthofen . ist0--72 LMt« 
Preewalski) .... IS70—= K-M4 
Ellas ... 1872 K-M4 
David . 1872-73 LMS 
Oschanin, ..-.. j 1874 (oHé, S 
Nain Singh ..../! L873 H-BA & 
Sosanofsky.. | 1875 4-14.5% 
Kostenka ; 1874 es 
CHL ws 1577 KLA@ 
Baber. . 1878 La. 
Sewertuw 147* aks 
Hegel... ... 1879 44 
Saechenyi .. . . Is7o—sO OK MA. 
Krishua....... isid—ae KIA 8 
Kegel. . IS81--%t 0 GES 
Hosie. . . 188 — 1s 
Iwanow ...... | Rad HS 
Putiati und Ben 

dorsky . | 15s HS 
Potanin : 1ss4—e =K-M4, 5 
w oodthorpe . | 1885 K4 
Needham and Mol, 1 1RRS— Bs KS 
Carey 1SkS—s7 | N-KRGOS 
Rell... 2.2.25. 1 S84 JM4,% 
Bonvalot wu Capus 1886-87 HS 
Younghusband .. I886--e URES 
(jrombtshewski Ja ms HS 
Povtsof . ie—P OHS 
Rockhill ..... sey Kis 
Bonvaiet a. Henri 

@Orieans ..., 1889 -9 J-L4&4 
Gram Greimaiio . | ae J-LA.3 
Littedale . | seme 3 
Hower .. 2.2.68. 181 MIs 
Tratreai) de Khins Inua—oe dKS 
Ubrutechow .... Ievi— bd KA 
Koberorsky andl 

Kouef. . asl} Kis 
Sven Helin . . 1834—97 45 
Henri d‘tirleane . 1-5 AS 
Wellby 2.2... i ne Te 
Putterer a Holderer bata H-RA 
Amundsen. ..., 18%— 30 14 
Katnakow Koslov . 

eche Expelition 1809 KLA 
Ladyghin (Kozler 

sche Rxpedsuion In JK4 
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Henin . (SP) |e a. Wa 
Aogloveche r <p. isy i=: KRLAD 
Svea Iledia ,lsue -ilml HW Ka! 


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FORSCHUNGSREISEN 


ZENTRALASIEN 


seit 1856. 


Wlyrneter 


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Mevers Kony Leatkon 6 Auf? Bibliographisches Institut in Leipzig. Zum Artibet . Asien’ 





: FORSCHUNGSREIS EN 
ASIEN 


MITTELALTER uno NEUZEIT. 

In Zentralasien sind die neueren Reisenmelt 165 . 

lasern, diewelben sind auf einer Spesialkarte dargestellt | 
Mafiatab 1: 56000000 

“Gee eee Kilometer 

die fartigen Linton bescichacn die Rrivereton mit Ange-\ 

te ctor Namen der Reisenden und der Leet Pie verechioden 

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Aſien (neuere Forſchungsreiſen: Turan). 


Die glückliche Fahrt Nordenſtjölds durchs Cismeer 
(1878— 80) erwedte die Hoffnung auf eine regel- 
mäßige Handelsverbindung mit den fibirifden Flüſ⸗ 
fen, aber erjt 1887 gelang dem Rapitin Wiggins 
die Wiederholung der Fahrt, die feitdem jahrlid je 
nad) den Eisverhaltniffen mit mehr oder minder Er- 
folg wiederbolt worden ijt. Die Tidhuttidenhalbinjel 
wurde von Artur und Aurel Krauſe 1881 befudt, 
das Ynnere Kamiſchatkas feit 1879 von Dzybowſti, 
Kettlewell, Bowell und Guillemard. Poljakow unter- 
fudte 1880—81 Sadalin, Gommier madte 1880 
ethnographifde Studien am untern Ob. Nadarow 
bereijte 1882 — 83 den obern Uſſuri, Bergingenieur 
Martin 1882—86 Oſtſibirien, Jacobsen madte 1885 
fiir das Berliner Muſeum fiir Bilferfunde ethno- 

raphijde —— in Oſtſibirien. Vorſtudien 
fic eine Eiſenbahn iiber den nördlichen Ural madte 
1883. -84 Nofjilow, das Obgebict bereijte 1884 Go- 
lodwajtow gum Studium der Produftion und des 
Handels; de Dobbeler nahm an der erjten Dampf- 
ſchiffahrt vom Ob nad) dem Tasbufen teil und fehrte 
auf neuen Landwegen nad Surqut am Ob zurück; 
Dubrow madte ethnographijdhe Foridungen unter 
ben Buräten bei Irkutſt und in Trangbaifalien, Sa- 
wenfow prähiſtoriſche am obern Jeniſſei, wo aud) die 


Entomologen Emberg und Hammerſtröm fammelten. | 


1885—87 unternahmen Bunge und Baron Toll 
ihre widtige Forſchungsreiſe nad der untern Lena, 
der Jana und den Neufibirifden Inſeln. 

Ru archäologiſch- ethnographiiden Sweden reijten 
1886 Jadrinzew in Weſtſibirien, Wargaritow im 
Amurgebiet, Wipelin 1887 am obern Jenijfei. 1888 
339 Stelling erdmagnetiſche Beobachtungen im 
Goud. Irkutſt, Preyn botaniſche im Angaragebiet, 


Makerow geologiſche in den Uferlandſchaften an den 


linken Zuflüſſen des Amur, Katanow 1889 ethnolo- 
giſche und linguiſtiſche unter den Turkſtämmen am 
obern Jeniſſei. Grinewetzli ſtudierte 1887—89 die 
—— der Tſchuktſchen, Jeliſſeſew 1889 die Be— 
wohner des ruſſiſchen Uſſurilandes und von Teilen 
der Mandſchurei. Der Bau der Transſibiriſchen Bahn 
ab ſeit 1893 Veranlaſſung gu umfangreichen For- 

chungen tiber die Landesnatur, namentlich mit Be- 
jug auf Geologie und Mineralſchätze (Bogdanowitſch, 
Rrasnopolfti, Obrutidhew, Inoſtranzew, Wenjufow, 
Iwanow in Weſtſibirien, Transbatfalien und den 
Webieten der Ojttiijte). Der Baikalſee unterliegt feit 
1897 einer auf 5 Jahre beredyneten hydrologiſchen 
Unterſuchung durd) Drifhenfo. Um die Erforidung 
Nordfibiriens erwarben fic) der Geolog Tſcherſti 
1891-92 und befonder3 Baron v. Toll (Neufibirifde 
Inſeln) feit 1893, Dann wieder feit 1900 große Ver: 
dienjte, namentlid) wurden die Mammutreſte unter- 
fudt. Auch Nanſens Fahrt 1893 und Wilkizſtis 
Riijtenaufnahmen swifden Ob und Jeniffei (1894— 
1895) filhrten gu erhebliden Beridtiqungen der Kü— 
ftenfarte. Völkerkundliche Forſchungen betrieben Frau 
Potanin, Katanow, Sjerofdewifi (Jakuten), Chaf- 
fanjon (1896), Huth (1897), Laufer (1898 — 99), 
Labbé, Martin, Graf Ridy (1898—1900), nach dem 
Urfprung der Ungarn in A. fudend, und befonders 
die grabertige ethnologifd -ardaologifde amerifa: 
niſche Jefup-Expedition (jeit 1898). Für die Gebiete 
des OH und Jeniſſei haben die zweijährigen Urbeiten 
von Marfgraf aufflarend gewirtt, fiir das Altaiſyſtem 
Soboljew, Michelis, Peretoltidin und Sapofdnifow. 

Turan, 
Yn den Laindern am Kafpifdhen Meer und 


Aralfee waren tätig: Klaproth 1807 (Kaukaſus), 


867 


Porter 1817-20 (Georgien, Armenien und Ver— 
jien), Murawiew 1819 (VBodara und Chiwa), Negri, 
Eversmann und Meyendorff 1820—21 (Bodjara), 
Eichwald 1825 (Naufajien, Georgien), Baer und Hel- 
merſen feit 1827 (ebenda), Rod) und Thiimmel 1836 
(Raufafus), Lehmann 1841—42 (Bodara und Sa- 
marfand), Bajiner 1842—43 (Chiwa), Harthaujen 
1843 (Transfaulajien), Sdulg 1847-49 und Mel⸗ 
qunow 1863 (Kaſpiſches Meer und Uralfee), Which 
1850 ff. (Naufajus und Armenien), Radde 1864 ff. 
(Raufafus). Die faufafifden Lande bis zum Ara— 
rat wurden ſorgfältig trianguliert (1860—62, Dberit 
Chodzto). Mit der Beſiedelung des Tſcherleſſengebiets 
durch ruſſiſche Einwanderer und der Eroberung des 
Kirgiſenlandes hat hier die Erkundung begonnen. 
Radloff bereiſte feit 1861 wiederholt —*28 die bei⸗ 
den Alatau, das Ilital, 1871 SGamarfand. Yn der Pro— 
ving Turtijtan begann Butafow 1853 Aufnahmen am 
untern Sir; den Tienſchan bereijten Oſten⸗Sacken und 
Sewerzow 1867. Eine nad Perjien und Herat aus- 
gefiibrte politifde Miffion Mhanifows (1857—59) gab 
neue Aufſchlüſſe. Bambéry —* 1863-—64, als Der⸗ 
wiſch verfleidet, von Teheran durch das Turkmenen⸗ 
qebiet nad) Chiwa, Bodara und Gamarfand und 
fehrte tiber Herat nad) Perjien zurück. 1868 ff. drang 
Fedtidento durch Turfijtan ins Pamirplateau ein und 
erforjdte den Serafſchan, v. Raulbars 1869 ff. den 
Tienſchan. Daneben find gu nennen: Sfobelew1871 
und v. Marfofow 1872 in Transkaſpien. Koſtenko 
befuhr 1873 den untern Amu und den Aralſee; 1874 
erforidte die grofe Um Darja- Expedition unter 
Sfoljetow den Strom und fein Delta. 1874—76 
arbeitete Der Geolog Muſchketow im Wlai und Tien- 
ſchan; 1875 ff. Majew im Bergland von Hijjar, Lu- 
pandin nabm den Usboi auf. 1876 folate die große 
Expedition unter Sfobelew bid sum Karatul (Pamir: 
plateau), 1877 die hauptfidlic) ethnographiſche Reife 
Ujfalvys, 1877—78 die naturwiſſenſchaftliche Sewer: 
zows durd) Ferghana bis gum Rangful und den 
Witidur- Pamir; Oſchanin erforfdte 1878 Karategin, 
Byfow nahm den mittlern Amu auf, v. Middendorff 
jtubdierte die landwirtſchaftlichen Berhaltnijje von 
Ferghana, Matwajew ging nad der weftlidjen Dſun—⸗ 
— Romanowſti und Muſchketow erforſchten die 

eologie von Ferghana, Ruffow die des füdlichen 
Sirgebiets und des Serafidanbesirfs. 

Die qropartigite Unternehmung war dieSamara-: 
Expedition unter vig Tia ee 1878 ff. fiir die ge- 
plante Transfajpifde Eiſenbahn und zur Unter— 
ſuchung der Schiffbarfeit des Amu, wobei letzterer 
von ſeinen Quellflüſſen an abwärts befahren wurde. 
Die geplante Wiedereinleitung des Amu int fein ver— 
meintliches früheres Bett (ſ. unten) blieb unaus- 
geführt. Die Unterwerfung der Turkmenen von 
Merw hatte die Reiſen von Leſſar 1881ff., Glady— 
dew, Lukianow und Komarow zur Folge. Balcha— 
ſchin fudjte neben ethnologifden Arbeiten 1880 einen 
Fahrweg durd die Rirgifenfteppe nad) Tajdfent; 
v. Schulz unterfuchte 1880 das Terrain fiir cine Eiſen⸗ 
ban von Orenburg zum Uraljee; Capus und Bon— 
valot bereijten 1881-82 Chiwa, Bodara, Ferghana; 
Muſchketow und Iwanow 1880 die Gletſcher des obern 
Serafidan, Fetijjow 1879 su botanifden Sweden den 
weſtlichen Tienſchan. Das nod) gang unbefannte Dar- 
was am Pandſch befudjte 1881 der Botanifer Smir- 
now, 1881 und 1882 Regel, der aud) das nod) un— 
erforjdte Schugnan und 1883 mit Iwanow und 
Putjäta das Hjtlidhe Bamirplateau durchzog, wobhin 
bisher nur der Pundit Abd ul Gubhan 1878—81 

55* 














$458 
ous war. Ende 1884 
von Jadien aus gefommen & begann 


ene bristic - rstitide 
ber von Aigbentitan 
©. Roker berevite 1565 —469 und 1583 —84 Beit- 
turfiitan. 1544 erforidte A Regel den ditlichen Tel 
der Turantiden Bite von Vodhara zum obern Murg 
bob, Sorotin den ruitiden Tienichan arddolo- 
giih und botantié. Ronidin madte 1S) —86 geo 
logtide Foridungen m der Bitite Karalum, julegt 
als Wrtgiied der groken Raddeidhen Expedition nad 
Transtatpien und Rorddoraian, wobei er nachwies 
bak ber Amu mie Durch en Usboi geflovien iit, aud 
nicht Durch ibn m das Raiptidhe Meer gelettet werden 
form. 1564 Durcdhforidte Grum-Gribimailo Ferghana. 
1885 die weitliden Borlander des Pamir. Dre Fer⸗ 
tigiteflung der 1200 km — — Translaipiſchen Bahu 
li) durchGeneral Annenlow forderte Die Rennt- 
mis febr bedeutend, weil fie bad friiber fo veridlojjene 
Gebiet leicht zugãnglich madte. 1885 lie das rui- 
ſiſche Rriegsminriteram durch Cherit Bjeljawifi den 
Umu von teiner Mimdung bis nach Tihardicdut auf- 
nehmen. Yin der Raddeichen Expedition (1886) nabmen 
aud Walter und Konſchin tel, befonders zu zoolo 
giſchen und botaniſchen Forſchungen. Shwar; führte 
zahlreiche aftronomiſche und hypſometriſche Beſtim 
Se ee ee ſeine Begleiter 
, Rudnew und Glago ow geologridhe und 
topograp ifche Arbeiten; im 
bereitte BWeijelowifi das Tal 7 Serafidan. Die 
Franzoſen Capus, Bonvalot und Pepin gingen vom 
ndrdlicen Berjien fiber Merw nach Tidardidui und 
Samartand, iiberidritten tm Winter den Pamir bet 
—44°, wurden aber in Tiditral fejtgebalten. 1887 
madten Bogdanowitid und Cbirtidew in Bochara 
und Transtatpien geologiide Unterfudungen, Ni⸗ 
folffi in der Umgebung des Balchaſchſees, wabrend 


Lidifi 1888 das 3 bitlide Bodara und Karategin er- 


ihre Firbeiten gur f 


iden Intereſſe 


foridte. Im letzten Jahrzehnt arbeiteten Hier der, 


Ethnolog Bajtian, der Wineralog —— a 
Geologen Undriffow, Nifitin und Walther, der 
tanifer Romarow, die Zoologen Schmidt und v. * 


maſſy, Fedtſchenlo u. a. Die Gletſcher des Alatau 
wurden erforſcht von Leonow und Fedtſchenlo (1897 


bis 1898). 
Oocha ſien. 
Nach Tibet drangen von Indien aus vor: Webb 


(1805), Fraſer (1815), Moorcroft (1822), Stradey | 


(1828), Cſoma (183-4), Dent wir die erjte genaue Gram: 
matif und ein Worterbud) des Tibetiſchen verdanken; 
Cunningham (1846 und 1847), Hodgion (1848, Sit 
fim). 1856-— 58 erforjdjten die Gebriider Schlag: 
intweit Den Kwenlun, der eine (Wdolf) wurde 22. Aug. 
1858 in ſtaſchgar ermordet. Dasjelbe Schidfal hatte 
Hayward in Kafirijtan 1870 ndrdlid von Yaſſin, nad- 
Dem er 1865 --69 mit Forjyth und Shaw Kaſchgar 
erreicht hatte. Dardijtan erforidte 1866 —69 Leitner. 
Shaw madjte 1868 —-74 drei Reifen nod Ojtturfijtan, 
1870 und 187% leitete Forjyth englifde Geſandtſchaf⸗ 
ten Dorthin, Die zweite mit reichen wiſſenſchaftlichen 
Ergebniſſen. Permilin forſchte 1857 am See Koſſo 
gol, Walichanow 1858—.59 am Iſſyl kul und Kaſch⸗ 
Sewerjow 1664 68 im Tienſchan bis zu den 

uellen des Sir, 1867 Drang Oſten-Sacken bis über 
den Südrand des Tienſchan vor. 1870 durchzogen 
Matuſowſti und Pawlinow die weſtliche Mongolei, 
Valladius die Mandſchurei, Prſichewalſtij auf ſeiner 


erſten großen Reiſe durch die Gobi nach Peling und | i 


über den Stufu-RNor bis an den obern Jangtſeliang. 
1872 begaben fid) Raulbars und Scharnborjt nut 





Wfien (meuere Foridungéreiien: Hocatien 


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dem Jeiuiten Gores infang des 1 
Turfan in Citturtiiten. 

Die nordweitlide Mongol 
ging 1879 Potanm an den 
ſudwãrts nad Robdo, 1883 von 
Die ſũdliche retite 
Robdo durd die i nad ĩchõ 
und zurũck uber fe und Ulianſutai 

Fridewalitij ging 1879 ũber Satian und Jaden 
nad dem Quellgebieie des Nangtie und ũber Das Tanie 
gebirge, konnie aber Lhahia nicht erreichen. ge 
ba and exeldteer — — 

aus ert er 1880 das des 
— —— of cera Rt 
nad Sdigatie am Tiangpo gegangen 
pweiter Pundit, N..m..y¥, 1878 77. 
320 kim weiter ditlid i verfogte. ig und Woirs- 
worth 1885—86 und der Pundit R— N— 
dieſe Foridhungen fort, aber erjt der Pundit 
vermodte Die des a one mit 
maputra nachzuweiſen. Jarfand wurde 1879 und 1880 
von Rey Clias, Kaſchgar 1880 von Retrow befucht 
Ausgedehnte Reijen im öſtlichen Tibet und der ſud 
lichen Mongolei machte 1878 —S2 der Eundit Kriidna 
(unter der Chiffer A-- K—), der etm volles Jahr m 
Lhajja verweilte. Bridewaljfij ging auf einer vierten 
Reiſe 1884 — 85 von Kiachta zu den Quellen des 
Hwangho, nach der Salzwüſte Zaidam und dem Mord 
rande des tibetiſchen Hochlandes, wieder zum Lobd- 
Nor, dann über Tſchertſchen nad — und Yiffu 
und fiber den Tienfdhan juriid. Er jtarb beim Yin- 
tritt fener fiinften Expedition nach Tibet in dem nad 
ibm benannten Starafol am sa ful. Sen Unter: 
nehmen fiibrte Oberjt Pjev —— in 
von Prſchewalſtijs treuen itarbeitern R 
und Koslow und des Geologen Bogdanowitid. Sie 
erreichten 1889 Jarfand, gmgen nad Chotan , 
ria, der Daie Rija und drangen in Tibet ein. 
nin erforjdte 1884—87 mit jeer Frau und Bere- 
ſowſti die Mongolet, Drang in die nod) nie von Euro- 
päern betretene tibetiſche Proving Amur cin und kehrte 
iiber Den Rufu-Nor, den Nanſchan und durch die 
Gobi nad) Sibirien guriid. Carey erforſchte mit Dal- 
qleifh (ermorbdet) das Tarimbeden, die Gobi und das 
nördliche Tibet. Grombtſchewſti bejtimmte 1885 die 
Grenze Ferqbanas gegen China, ging dann nag 
Kaſchgar, Jarkand und Chotan, tite 1887 den 
Hindufuld und gelangte bis in Das 1889 aud 
Younghusband befuchte Chanat Kundſchut, 1889-— 90 
foridte er auf dem Pamir, in Wachan, Ojftturfiftan 
und Kundſchut. Grim-Gribimalo forfdte 1886-87 
auf dem Pamir und 1889 90 mit ſeinem Bruder 


Gu 


— 


Dagh. Ignatiew und Krasnow unterſuchten 1886 das 


Gleiſchergebiet des Chantengri im Tienſchan. Die erſte 


Aſien (neuere Forſchungsreiſen: China). 869 


Durchkreuzung Zentralajien3 von O. nad BW. fiihrte | in Japan. 1844 —46 zogen Huc und Gabet durd 
1887 Yjounghusband, und gwar von Peking über Ru- | China, die Mongolei und das Hjtlidje Tibet. Nady der 
fudoto, Chami, Turfan, Kaſchgar und Kafdmir | amerifanijden Expedition unter Perry (1853 — 64) 
nad Yndien, aus. Jn demfelben Jahre durdforfdte | nad) Japan und jeit dent franzöſiſch-engliſchen Krieg 
Bill Ojiturfijtan, verſchiedene ruſſiſche Reifende das gegen China (1858) haben ſich die Reiſen in beiden 
Sajaniſche Gebirge. Im Chin —— arbeiteten Reichen gemehrt. 
1887 die Brüder Harnak und Ruin. uffildTur-| Uber China berichteten die Miffionare Gützlaff, 
fijfan, den Tienſchan, Pamir und Ojtturtijtan durch- Edkins, Eitel und die Mitglieder der ruſſiſchen Miſ— 
wanderte 1888 Duvergne; Natanow ging 1889 gu | fionin Peking fowie der China Inland Mission. Außer 
ethnographiſchen Studien in den öſtlichen S ienidan, den ſchon erwähnten Reijen, deren mehrere das chine: 
Troll von Ruſſiſch-⸗Turkiſtan über Kaſchgar und Jar: ſiſche Gebiet trejfen, find nod anzuführen die Befah— 
fand nad Indien, Martin von R. her über den Kuku- rung und Aufnahme des Yangtfefiang und Sifiang 
Nor. Younghusband unterfudte 1889 die Päſſe 1858 ff. durd) Bullod, Blafijton, Sarel, die gleich— 
iiber den Hindufufd und Karaforum; Bonvalot und zeitigen Forſchungen des Oberften Budogowſti im 
Pring Heinrid) von Orléans gingen 1889 von Kul— Ui anrgebiet und bis Korea hin; die Aufnahmen an 
dſcha über ben Tienſchan gum Lob-Nor, freugten das | den Riijten von Korea (Freqatte Pallas und Guerin) 
Ultyntaggebirge, erreidhten den Tengri-Nor, zogen 1854 und 1856, der Mandſchurei (Hill und Freeman) 
bet Lhajja, das fic nicht betreten fonnten, voriiber | 1855—56, des Golfs von Liautung 1858; die Reijen 
und famen iiber Tatſienlu und Yiinnan 1890 nad | Sdhismarews 1864 und 1868 in der Mongolei; Mi— 
Tongfing. Der Umeritaner Rodhill wollte 1889-— | dies und Pumpellys 1863 ff., des Abbé David For- 
1890 vom Rufu-Nor aus Lhaſſa erreichen, reijte aber | ſchungen in China und Tibet (1861—74); ferner Ney 
an den Quellſeen des Hwangho durd) das djtlide | Elias, Swinhoe, Orenham 1868 ff. Fritide 1868—- 
Tibet gum Oberlauf des Jangtiefiang. Yadrinjew | 1871, Roder, Balladius, Prſchewalſtij 1870 jf. Leg- 
bercijte 1889 und wieder 1890 mit dem Archäologen terer zog mit Pjevjow durch die Gobi nad) Peking 
Clemens und dem Sinologen Rod) die nördliche und über Tibet nad Sibirien zurück. Jünnan wurde 
Mongolei. 1889 erforjdte Younghusband mehrere | 1866—68 von Rotidindina aus durch die Expedi- 
Päſſe zwiſchen Kaſchmir und Oftturfijtan, und Due | tion De Lagrée (mit Garnier) auf dem Mekhongfluß 
vergne madhte eine zweite Reiſe über den Naraforunr | erreidt; Cooper nahm 1868 den Weg von Chinas 
paß gum Pamir, von da über den Hindufujd zurück | Küſte nad) Tibet ; v. Richthofen 40g 1868 jf. von Ranton 
nach Gilgit. Ruſſiſche Forſcher haben aud) im vori- | bis Pefing, bereijte außer der ſüdlichen Mandſchurei in 
en Jahrzehnt die größte Urbeit iibernommen, be- | fieben Reifen die meijten Provinzen Chinas. 1875 reiſte 
—8* die Brüder Grum Grſchimailo (1889— 91 | Margary durch Kweitſchou und Jünnan bis Bhamo, 
Tienidan, Ojtturfijtan, Kufu-Ror); Pjewzow nit | wurde aber auf der Rückreiſe ermordet; ſeit 1875 be- 
Bogdanowitid und Roborowſti (1889—90 Ojtturfi- | reijte auch Grosvenor mit Baber Diinnan und dann 
ftan und Nordtibet), Gronibtidewffi (1889-90 Ba- | Baber 1877 Setſchwan und Jünnan, wobet er die 
mir, Wai), Roborowfi und Koslow (1893-—94 Oſt- unabbingigen Loloſtämme erfundete. Gill erreidte 
turfijtan und Nanjdan, Koslow wieder feit 1899 im | von Tidingtu, der Hauptitadt Setſchwans, über Ta- 
Altai undin der Gobi), Obrutſchew (1892 Nanfdan). | lifuBhamo in Virma. 1878 ging Morrijon von Han- 
Bon groptem Wert jind die Urbeiten des Schweden | fau nad) Ranton und vom Dangticfiang sum Peiho, 
Sven Hedin im Pamir, Ojtturfijtan und Tibet (1894 | Graf Szechenyi jog mit v. Loczy und Kreitner den 
bis 1896 und wieder 1899—1902); er bejtieg Den Mu- Jangtſekiang hinauf, dann gum Kuku⸗Nor, dann fiid- 
ftagata, lifte die Lob-Nor-Frage und durdwanderte | warts nad) Bhamo; jahlreiche Miffionare der China 
A. bis Peking. Wichtige Reiſen durch Tibet unter- | Inland Mission durchwanderten feit 1876 Kanſu, das 
nahmen 1891 —-92 Bower und Thorold (von Yue | wejtlide Setſchwan, Schenſi, Schanſi, Hunan, Honan, 
dien nad China), Rochill 1893-—94, Dutreuil de | Kwangſi, Kweitſchou und Jünnan. Soltau und Ste- 
Rhins (vorher in Ojtturfijtan, in Ojttibet ermordet) | venfon qelangten 1880-—81 zum erſtenmal von Bhamo 
mit Grenard; Littledale mit femer Frau 1893 (Durch⸗ aus * Itſchang am Jangtſekiang. Viele dieſer Rei— 
querung Aſiens von Batum bis Peling) und 1895, | fen bezweckten die Auffindung einer bequemen Uber: 
Wellby und Malcolm, Deafy. Futterer und Holderer | landroute nad) dem ſüdlichen China, fo auc die Reiſe 
gingen 1897 — 98 von Tiflis durch Ojtturfijtan, die von Colquhoun, der 1882 von Nanton aus den Si— 
obi und Nordojttibet sum Oberlauf des Gelben  fiang und Jüliang hinauffuhr, beide Flüſſe aufnahm 
Fluſſes, Dann durd China bis Sdanghai. Ym Par , und dann über Pefe, Kaihua und durd das nod) un— 
mirgebiet betitigten jid) Nafarow (1892), Bower und | erforidte Gebiet des obern Papien iiber Talifu nad 
Younghusband (1892—93), Olufjen (1896 und 1898 | Bhamo ging. Im nördlichen Setſchwan reijte neuer: 
bis 1899), auch die Mitglieder der engliſch-ruſſiſchen dings Parker. Der Dijtrift Hundes im weſtlichen Ti— 
Grenjfommifjion 1895 und verſchiedene cingelne ruf- | bet wurde 1877 durd Ryall 3. T. aufgenonunen. Ju 
fiide Forfder. Jn der Mongolei reijten PButjata | dasfelbe Jahr fallt die Reiſe des Ubbe Desgoding von 
1891 (Hftlidjes Randgebirge: Inſchan, Chingan), der | Batang in Tibet nad) Tatſienlu in Setidwan. 1877 
Ethnolog Chajfanjon 1895 im O. bis in die Man: | bereijte von Möllendorff den nördlich der Grofen 
dſchurei, Monnier 1896, die Archäologen Radloff | Mauer gelegenen Teil von Tihili, und 1878 ging 
(nordlide Mongolei) und Klementz (Djungarei), der | Baber in Setidjwan nad Tatjienlu. 1879 befuchte 
Zoolog Leder (jeit 1899). Riley von der China Inland Mission mit Mollmann 
- China, Korea und Japan. den Oinifdan, den berühmten Gotterberg im weſtlichen 
Uber China gaben dic Aufzeichnungen Marco Polos | Setſchwan; Cajton reijte im äußerſten Nordweſten. 
Die erſten zuverläſſigen Aufklärungen, fpater befonders | Die Mandſchurei durchkreuzten 188 1 de Mailly-Chalon 
die iefuitirchen Miironare, dann die beiden englifden | und Baron Bénoijt -Viédhin von Dingtfe am Weer- 
Gefandtidaftsreifen, die ebenfo wie die Reije Tim: | bufen von Liautung aus. Jn das Annere der Inſel 
lowſtis ſchon erwãhnt wurden. 1830 begleitete Bunge | Hainan drang 1882 zum erjtenmal Henry mit Jere- 
ruſſiſche Miffionare dorthin, 1823 —- V9 weilte Siebold | miaffen. Zu kommerziellen Zwecken bereijte 1883 der 








870 Afien (neuere Forſchungsreiſen 
engliſche Ronful Hofte dad Beden von Setidhwan, den 
f r unbewobnten und neutralen Grenzſtrich zwi⸗ 
iden China und Norea 1884 Webjter und RoR und 
1885 Gardner, die Brovingen Setſchwan, Jünnan, 
Kwangſi und Kweitſchou 1885 — 86 Bourne; 1886 
entdedten James, Younghusband und Fielford die 
Ouellen des Sungari, den Sifiang befubr Schröter, 
die Provinzen Fufién und Kiangſi durdwanderten 
Wey und de Groot, den obern Jangtſeliang befubr 
1887 Little ju Vorjtudien sur Ausdehnung der Dampf—⸗ 
ſchiffahrt. 1892 — 93 reijte Potanin mit Obrutidew 
in China (Setſchwan) und den Gebirgen des nord- 
Ditlichen Tibet, 1894 — 98 hat der Franzoſe Monnier 
ausgedehnte Gebiete Djtajiens von Tongfing bis Korea 
durchwandert und fehrte über Sibirien, Turan und 
Perjien nad 32,000 km langen Streifzügen zurüch, 
1899 der Belgier Fivé die nördlichen Provingen. 
1897 -- 98 unterjudjte Cholnofy die große chineſiſche 


: Korea, Japan, Hinterindien). 


fiber Japan fonnte Pagis 1859 jon 672 Hef 
fape und Werle verzeichnen. Wie erwabnt, eridloties: 
die Umerifaner 1854 das Reid; Ojterreich fandee Er- 
peditionen 1857(Ddie Novara) und, 1868, Breufem 1SSe 
Die Urbeiten v. Scherzer und ſeiner Witarberter be 
reifen den ganzen Ojten Aſiens; Fiore and” 
ai beidrieben Hofmann und Sicbold, welch lew 
terer fic) 1859 wieder auf 3 Jahre nad) Qapam be 
gab. Naumann begann 1879 die Landesaufmabene 
in Bezug auf Topographie, Geologie, agronowsride 
Verhältniſſe, Ery- und Kohlenlagerſtätten x. Cure 
pder und Japaner find bejtrebt gewejen, dad Imel 
reid) gu bereifen und nad allen Ridtungen zu er 
forjden, fo Rein 1874-75, Warfhall, SMmppeng 
1875 ff., v. Draſche 1876, Wojeilow 1876, Yowecn 


1876 ff., Kempermann, Gebauer, BWenjufow 1878 Ff. 
| S Schur. 


Wada, Wagener, Woolley, ’ 


Sdheube 1881, Siebold der jiingere 1882. —— 





Ebene. Bon S. her find mehrere franzöſiſche Forſcher ſetzen die regelmäßigen Aufnahmen der offtsieliee 
nad China gegangen: Madrolle 1893, Pring Hein- | Topographen und Geologen die Forjdjung fort. 

rid) von Ori¢ans 1895, Bonin in zwei grofen Reijen PHinterindien. 

1896 und 1898 -1900, während Wingate 1898 -99| Lange blieb diejer Teil Ujiens den Europdern vSlieg 
von Shanghai nad) Bhamo und Yiinnan jog; ferner verſchloſſen, dod tat Crawfurd feit 1821 und Belle 
die Expedition der Handelslammer von Lyon 1896 —- | qoir feit 1830, 1850 aud) Bowring viel fir die Er 
1897. De Baulferre und Amundſen erforjdten 1898 | fundung. Mac Leod forfdte 1837 zwiſchen Salen 
bis 1899 den mittlern Jan een Die Erwerbung und Mefhong; Heathcote nahm mit Suite und Remmoer 
von Padtgebieten und Cifenbabn ffionen nate den untern Irawadi auf, wo feit 1856 aud Brandes 
die europäiſchen Großmächte hat die Erforfdung der arbeitete. Außerdem bereijten Hintermbdien 
betrejfenden Landesteile und deren Umgebung geför· Moubot (1859 — 61), v. Ridthofen (1861 
dert, ruffjifderfeits in Der Mandſchurei, deutiderfeits Baſtian (1861 — 64), letzterer gu amen 
namentlid) in Schantung (Frangius, Gaederg), durd jtudien. Kambodſcha wurde durd die frangdfiiden 
Frangofen in Südchina (Hainan); verfdiedene Han- Eroberungen, das Grenzgebiet gegen China durch dee 
delslommiſſionen wurden, | oo aud ind Innere, ent- Berſuche der Englander, von Birma fiber Bhamo emen 
fendet. Die friegerijden Operationen der jiingften  Handelsweg nad) China yu eröffnen, Defannt Dor 


Dern 
> 3 


Vergangenheit haben dagegen der weitern Erforidung franzöſiſche tae Mens burdjog 1866 - 67 
faum etwas Nennenswerles eingetragen. (S. übri- das Laosgebiet. Der Verſuch Coopers (1870), ao 
gens aud den vorigen Ubfdnitt: Hodafien.) Irawadi zu gelangen. blieb ofme 


oe nad Junnan 

Die Erweiterung unfrer Kenntnis von Korea haben | Erfolg. Zu nennen find nod: Dupurs’ 
wir hauptſächlich n ju dDanfen, das 1879 die Er⸗ ded Songfoi in Tongfing (1870 ff.) und fein 

öffnung von drei Hafen erlangte, worauf nod andre | Handel mit Junnan anjufniipfen, was 1873 zut Ern 
Staaten (aud Deutidland) Vertrige mit Korea fdlof- — —— fiibrte (Zod Garniers); die Rev- 
fen. Bis sur Poffjetbudt an der Nordgrenze drang fen von Morice in Franzöſiſch Kotſchinchina (1871 
der ruſſiſche Oberſt Barabafd von der Ufjurimiin: | 1876), von Strettel im ndrdlichen Birma (1873-74), 
dung durch nod) unbefannte Teile der Mandſchurei Vifludo- Waclay in Malaffa(1874—-75), wo 1755 


vor. Oppert unternahm 1866 69 drei Fahrten nad 
Korea. 1884 wanderte Bowland von Soul nad Fue 
fan, Bernerfton von Söul nad Bengiang, Gottſche 
unterjudte das Land geologifd. Carles folgte den- 
felben Routen zur Unterſuchung der Brodufte und 
ded Handels, 1885 befudte er auc dieGoldminen von 
Phyonyang; 1485 —-87 bereijten Ralinowsfi und De- 
latfewitid) Das Vand. 1888 madte Barat bier ethno- 
qraphiide Studien, Webel 1889 umfangreiche Wuf- 


aud Daly und 1879 Hervey Aufnahmen machten 
Harmand überſchritt suerjt (1875 --77) die Basler. 
ſcheide gwifchen Dem Welhong und dem Chinefiiden 
Meer von W. her nad Hue. Viele andre 

Reifende, Blanc, Uymonier, Boulangier, Bi 
d'Angis mit Courtin Gautier, Delaporte, Reis, Sep- 
tans, unternabmen von Kotſchinchina aus nad Stam, 
Kambodſcha und Anam Erpeditionen. Auch im weit. 
lichen Hinterindien waren neben engliſchen Forſchern 





nahmen; Chaillé Long beſuchte 1888 die Inſel Quel- Franzoſen tätig, wie Marche und Deloncle in Walakta 
part. Campbell unterſuchte 1889 das nördliche Rorea; Garanger unterſuchte 1882 die wirtſchaftlichen Ber- 
fpater reiften bier der Ethnolog Varas, Brak, Wader, hältniſſe in Oberbirma, Bod die Tierwelt tm nörd 
Gritnauu.a. Turley erforidte dad Grenggebiet gegen | licen Siam; der Pundit A -a nabm 1879-—80 emen 
China. Auf Formosa reijten Bernard, Sdeetelig, noch unbefannten Teil des obern Irawadi bis in fem 
Brooker, Thomfon (1872), Ibis und Beajely (1875), Quellgebiet (26° 8°) auf, wodurd die Wnnahme der 
Corner (1876) und Steere. Seit der Bejigerqreifung  Jdentitit des Sangpo mit dem Irawadi dbefeitagt 
durd die Napaner haben fie auch auf Formoſa (1889 wurde. Mac Carthy fiibrte 1881- 87 cine Aufnahune 
bis 1890 Durdquert von Ede) cine rege Tatigheit ent: der wichtigſten Teile von Siam aus; 1883 fiberfdprrtt 
faltet; der Morrifonberg wurde 1897 und 1898 (dDurd Pater Blanc vom ſüdlichen Tongting and die Waijer- 
Stdpel) eritiegen. Die Liuliuinſeln wurden in ihrem ſcheide des Mefhong nad Tran Nimb, Bater Babel 
nordliden Teil von Döderlein, {pater von Chamber | erforfdte dic Flüſſe Am und Chao m Tong Te 
fain und Furneß Durchforidt. Auf Hainan verweilte | loncle unterſuchte die ſchmälſte Stelle der 

Swinhoe ſchon 1868, ſpäter Stuhlmann, 1881 nabm | Malaffa im Hinblid auf ibre Durchſtechung. Ness 
Carpenter die Weſtluſte auf, Taylor unterfuchte den unterfuchte 1883 84 den Melhong und nabm [ANS - 
Ojten, Warburg madte botanijde Sammiungen. | 1886 an der Fejtiegung der Grenge zwiſchen China 


Aſien (nenere Forſchungsreiſen: Ojtindien, Indonefien). 


und Tongfing teil. Das Gebiet der Sdan unter: | 
fudjten 1883 — 84 Berucca und 1887—88 Jadfon. 
1884 nahm Humann den Oberlauf de3 Langa auf, 
Hardouin reijte int wejtliden Siam, Tenifon Woods 
bejtieg den Gunong Bubu, Naville reijte von Süd— 
anam yum Mefhong, Holt-Hallett in den Grenzſtrichen 
awifden Birma und Siam, Woodthorpe und Mac: 
qregor mit wiffenfdhaftliden Begleitern unteriudten 
von Aſſam aus das Duellgebiet des Yrawadi, den 
1885 Cairns oberhalb Bhamo bis Mogoung aufnahm. 
Im Sultanat Pahang foridten 1885 Cameron, Swel⸗ 
tenbam und T. Woods. Die Stromidnellen des Me- 
fhong itberwanden 1885 Reveilliere und 1886 de Fe: 
figny und gelangten bis zu den obern Rataraften, 
Vaudens unterfudte den Schwarzen Fluß in Tong: 





fing. Die Annexion Birmas durd) die Englander 
1886 get ihren Anlaß gu lebhafter Forfdungstatiq- 
feit. Der Yrawadi wurde 1887 von Rimmer unter: 


fudt und bis 240 km oberhalb Bhamo ſchiffbar be- 
funden ; Gordon unterſuchte die beriihmten Rubinen— 
— von Mogok; Woodthorpe u. a. vermaßen den 
fdhindwin, den größten rechtsſeitigen Zufluß des 
Yrawadi. Pavie verjuchte 1887 eine Verbindung zwi⸗ 
ſchen dem Mefhong und Tongfing zu erdffnen, dod 
elang ihm fein Vorhaben erjt 1888 auf einer dritten 
rpedition. Gauthier befubr 1887— 88 den Mefhong 
von Luang- Prabang bis zur Miindung, Urder reijte 
1888 nad) Sdiengtong und vermittelte die Unter: 
werfung der Schanjtaaten unter engliſche Herrſchaft. 
Archäologiſch tätig waren feit 1887 Tauptin und Four: 
nereauin Kambodſcha und Siam. Cine Unterfuchung 
des obern Songfot dburd Gouin ftellte die Beſchiffung 
bis Laofai als unmöglich dar, wohin aber ein cigens 
ebauter Dampfer 21. Juni 1889 dennod gelangte. 
Für cine Eifenbahnverbindung zwiſchen Wham und 
Birma unterfuchten 1888 Needham und Michell das | 
Land zwiſchen Aſſam und Oberbirma, Roffet madte 
1888 — 90 ethnographijde Reifen am Mefhong und | 
Donnai, Anrep⸗ Elmpt ethnologijde nad Kambodida, 
dann nach Siam, wo er dem Fieber eriag; 1888 —89 
unterfudten Marquis de Mores, Thorel und van Drie: 
fche die Grenze zwiſchen Tongfing und China. 1889 
fonnte Heurtel wiederholt mit fleinen Dampfern die 
Stromfdnellen des Mekhong forcieren; die ndrdlide 
Grenze von Siam im Sdhangebiet nahm Ney Elias 
auf, die ſiameſiſche Grenze gegen Tongting und Anam 
Favie, der aud) 1890 den gangen Schwarzen Fluß 
erforjdte. In Birma madten die Englander feit 1887 | 
ratte Aufnahmen und bahnten feit 1889 eine | 
qenaucre Crforidung des wilden Berglandes zwiſchen 
igalen und Oberbirma an. Die beiden Quellflüſſe 
des Srawadi, den Mehfa und den Mali, erforjdten | 
1890 — 91 Barwid und Hobday. 

Auf Hinterindien bezogen fich 3. T. die S. 870 er⸗ 
wãhnten Reijen des Pringen von Orléans (Aufklärung 
der Jrawadiquelle) und v. Boning. Jn Birma forjd- 
ten Walfer, Needham und Gray 1891 — 97; in Sian 
und Malaffa Wanington Smyth 1891—96, Sfeat 
1899 (naturwiffenichaftlich) befonders in Walaffa; 
in den Schanitaaten der Geolog Ndtling 1891, Wr 
der 1890 91, Lamington 1891, Pavie 1889 — 
1891, Frau Maſſieu 1896 —97, Carey 1899; in 
Franzöſiſch⸗Indochina Capet 1890 — 91(Lavs), Herſin 
1892—-93, Simon 1896 (Mefhongfdiffahrt), Bel 
1896 —97, Barthélemy und Warfay 1899 (ram). 
Stevens erforjdte 1888 — 95 die hinterindifden Na: | 
turvilfer; Otto Ehlers (der 1895 in Neuguinea einen | 
frithen Tod fand) durchzog 1891 --92 9 interinbien 
von Birma bis Tongfing. 








871 
. Oftindien. 
Um die Erforſchung von Britiſch-Indien erwardb 
fic) Die »Aſiatiſche Gefellfdaft von Bengalen« (ge: 
riindet 1874) die größten Verdienſte. Wiffenfdaft- 
ide Reifen madten Moorcroft 1812ff. am Indus 
und in Kaſchmir, 1821— 42 Cſoma in Kaſchmir und 


“und Labor, Wood 1835 —36 am Yndus, v. Hiigel 


1835 — 386, v. Orlid) 1842 ff. in Hindoftan. Im 
Himalaja forſchten Waugh feit 1844, die Botanifer 


Hooler und Thomfon 1847—51. In dreijähriger 
naturwiſſenſchaftlicher Reiſe erforjchten feit 1854 die 


drei Gebriider v. Schlagintweit alle Teile Indiens, 
des Himalaja und fogar nördlich desfelben. Godwin 
Auſten madte 1860 Ff. tm weftlichen Himalaja bis 
nad) Tibet hinein Wufnahmen; Lejean bereijte 1866 
das Indusgebiet bis Kaſchmir; verſchiedene Punditen 
durchzogen Nepal und Ladak fowie das ſüdliche Tibet, 
Biantord, Dechy und Harman befudten den Siffim- 
Himalaja, Woodthorpe machte mit Harman 1877 ff. 
an der Grenze von Aſſam Aufnahmen, wo Baftian 
1882 die Bergvilfer jtudierte. Ujfalvy arbeitete ethno- 
fogifd) 1881— 82 im wejtlichen Himalaja bis gu den 
Indusquellen, der afghanijdhe Miffionar Munſchi 
Synd Schah 1882 und der Feldmeſſer Mac Nair 1883 
in Kafiriſtan. Im Himalaja erjtieg Graham mehrere 
Gipfel; Himalaja, Kafdmir, Hindojtan und Ceylon 
wurden von E. Riebect durchzogen, Ceylon von Haedel, 
wo 1884—86 F. und P. Sarajin gründliche For- 
ſchungen anjtellten. Die Andamanen wurden 1880 
burd) Hobday, die Nifobaren 1886 durd Strahan 
aufgenommen. 1885 gingen Lodhart, Woodthorpe, 
Hiles u. a. nad Gilgit und fiber den Hindufufd in 
das Duell gebiet des Amu und nad Badakidan. Port: 
man wurde 1886 mit der Vermeffung der Küſten be- 
auftragt. 1888 madte Wahab in den Schwarzen 
Bergen wertvolle Uufnahmen, Hartert leqte zoologi⸗ 
ſche Sammlungen in Wifam an, Walther führte geo- 
logiſche Unterjudungen in Siidindien und Ceylon aus. 
E. Schmidt forjdte 1889 unter den Drawida Ojt- 
indiens und Ceylons; ju ethnographifden Sweden 
ging Baſtian 1890 nad Ojtindien. Der Geolog Diener 
madte 1892 bedeutjame Studien im mittlern Hima- 
laja, deſſen Hochſpitzen und Gletſcher nenerdings die 
Alpiniſten angelogt haben (White 1891, Mummery 
1895, Workman und Frejhfield 1899). Bon andern 
MReijenden find zu erwähnen: Ehlers (gl. den Ab— 
fdynitt »Hinterindien«) 1890-91 quer durch Nord: 
indien, night, der damalige Thronfolger von Ruf: 
land mit Radde und Uchtowſti 1890-—91, Jagor und 
Ehrenreid) 1891, Geiger 1895 —96 (Ceylon). 1892 
wurden die Landfdaften Hunza und Nagas, 1893 
Tidhilas von den Englindern eingesogen. 
Yudonefien. 

Auch dieNiederlander find in Erforſchung thres 
Kolonialbeſitzes unermüdlich tätig qewefen, befonders 
durch das Niederländiſche Inſtitul für Sprach-, Land- 
u. Völkerkunde fiir Niederländiſch-Indien (feit 1853). 
Ein wertvolles Werk lieferte 1820 Crawfurd. Jung— 
hubn unterjudte namentlid Java, ebenſo gründlich 
find die Urbeiten von Zollinger und Rofenberg auf 
den Sundainfeln und Moluffen 1840 — 66. Seit 1857 
war aud F. Jagor tätig. Wallace bereifte feit 1854 
Bornes, Celebes und andre Inſeln mit ausgezeich— 
netem Erfolg, Bernjtein 1855 die Moluffen, v. Ridt- 
hofen 1860 Nava, Semper 1858 ff., UW. B. Meyer 
1870—-71Gelebes und die Philippinen, Beccari 1865 ff. 
Borneo, Montano 1879 jf. Borneo und die Philip- 


pinen. Cine qrofe holländiſche Erpedition (Schouw, 


Santwoort, Veth) erforſchte 1877—79 Sumatra, wo 


872 


1879 B. Hagen den Tobafce befudte. Borneo wurde 
dburd) Bod, Tromp und Hager 1879 ff. und durd 
Grabowffi 1881 von S., durd Gerlach 1881 von B. 
,  Witti 1881 Ff. und Hoffyn im RN. erforfdt. 
ethnographifden Zwecken weilte Bajtian 1879 auf 
umatra und Java, Charnay unterſuchte die mad- 
tigen Tempelbauten auf Java. Im nördlichen Borneo 
waren 1478 --87 tätig Dobree, Prettyman, Witti, 
Pryer, v. Donop, Davies, F. Hatton, Treader und 
Dalrymple, Daly, Hendrich, Waller, Beejton, Sefton 
und Little. Forbes arbeitete( 1878 — 83) im weſtlichen 
Java, im ſüdlichen Sumatra, auf Amboina, Timor: 
laut, Buru und Timor. Riedel fdilderte die Uru- 
infeln und bereiſte 1879 das niederländiſche Timor. 
Dietz und Hagen reijten 1883 nach dem Tobafee auf 
Sumatra. Ban Rijn van Wifemade befubr 1885 den 
Siaf in Sumatra. Rapitiin A. Langen madte eine 
Aufnahme der Keyinfeln. 1888 — VO forjdten bier 
Planten und Wertheim. 1886 fiibrte Modigliani For- 
ſchungen auf der Ynfel Nias aus. Das Innere von 


Celebes unterſuchten Frang auf Wetalle, Widmann | 


und Weber 1888 Flores geologifd) und zoologiſch, 
van den Booef qeodatifd. Widmann forjdte 1889 
nod) auf Sumbawa, Roti, Java. Guppy unterfudte 
1888 die Norallenbauten ; Jacobson und Kühn mad: 
ten 1887 —88 ethnologiide Sammlungen auf den 
fleinen Inſeln. Die Battalander in Sumatra durch— 
freugten 1887 v. Brenner und v. Medel, befubren 
aud) den Tobafee, ebenfo Modigliani. Drei Expedi- 
tionen nad) Flores unter van Sdelle 1889 — 90 hat⸗ 
ten mit den Emgebornen fdwer ju fampfen. Dod 
wurde es 1890 von Meersburg durchkreuzt. Jin leg 
ten Jahrzehnt wurde die Erfundung von Borneo febhr 
gefordert durch Dunlop 1890, Hold 1891, Hariland 
1892, van der Willijen 1894 (Durdquerung Südoſt⸗ 
borneos), vor allem aber durch die Expedition Mo— 
lengraaff 1893—94, die naturwiſſenſchaftliche Studien 
bejonders im Gebicte des Napuas madte. Rieuwenhuis 
gelang 1896 die erfte Durdquerung der Inſel in ibrer 
größten Breite. Jizerman durdquerte 1891 mit qrofer 
wiſſenſchaftlicher Ausbeute Sumatra ; außerdem forſch⸗ 
ten bier Claine, Romewinfel, Heyting, Weſtenberg. 
Volz. Die geologiſche Aufnahme von Java und Ma: 
dura beſchloſſen 1896 Verbeel und Fennana durd eine 
qrokartige Urbeit. Qn Celebes find an erjter Stelle 
die Forſchungen der Briider Sarafin 1893 -95 ju 
nennen, Dann die von Kruijt 13893 99 (Poffo: und 
Lindufee). Die Kleinen Sundainſeln unterfudte Ten 
Rate 1891, die Wolulffen Martin 1891 — 92, Külenthal 
1893 94. Größere Musdebnung durch Den ganzen 
Indifden Urchipel batten die Reiten von Pleyte und 
die Hydrologiidh bedeutiame Tieffce Expedition von 
Weber 1899 1900 (Schiff Siboga). Die Mentarwei 
infeln wurden 1897 von A. Waak, die Chrijtmasinfel 
1897 98 von Andrews, dic Malediven u. Lafadiven 
von Gardiner 1899 (Morallenforfidungen) befudt. 

Mnf den Ebilippinen forſchten Warde 1879 ff., 
Schadenberg und Roth 1881 (Manila), Landau und 
Hans Meyer (Luzon) 1882, auf Luzon und Fala: 
wan madte Marche 1879 --80 ethnograpbhifde und 
anthropologiſche Studien, der Geolog Woods ftu- 
Dierte Die Dortigqen Bulfane, Worceſter und Bournes 
1889 M1 Dic Pflanzen- und Bogelwelt. Seit der 
Beſitzergreifung durch die Amerilaner (1898) wird 
die Erfundung der Rbilippinen, die baldige Pazifi— 
gierung vorausgeſetzt, plarmafiger werden. 


ran. 
Die Kenntnis wurde gefördert durch die Geſandt 
ſchaftsreiſen Elphinſtones 1808 — 1809 nad Rabul, 


Aſien (nenere Forſchungsreiſen: Yran). 


Pottingers 1810 nad Relat, Conollys 1829 vem 
Raufafien nad Indien, Stinners 1835 fiber Baby- 
lon nad Perfien, aud) durd Stoddart und Coneiips 
Reife 18407. von Yndien durd Wfgbaniitan noc 
Bodara. Wuf Blaramberg 1837-— 40 folgten om 
Perjien Du Couret 1846 —47, Ubbot 1849¢.. Ser 
YW. Williams of Rars und Loftus 1850f7., Egar- 
notta 1852, der den von Kotſchy 1843 zum eritemment 
wiſſenſchaftlich unteriudten Demawend erjtieg. 1457 
bereijte Blau von Sinope aus einen Teil i 
v. Seidlig 1856; 1859 —-60 begab fic ee preuriche 
Geſandtſchaft unter Minutoli und Brugid nad Ber- 
ſien, wobei abermals der Demawend unteriudyt wurde, 
wabrend eine ruſſiſche Expedition unter Chanpfew 
1858 —59 einen proben Teil Perjiens beretite umd 
aufnabm. Die Yirbeiten der englifden Grenjfommert 
jion 1870-—72 find befonders widtig fiir Den Citen. 
Bellews reijte 1871--72 vom Indus durd Belu- 
tſchiſtan nad dem *— bas nördliche Beriien, ma- 
mentlid) Chorafan, beretjten 1873 Bafer und Gull, 
1874 Napier, 1875 Mac — 1874 beginnen dec 
Ausgrabungen von Undreas bet Buſchir und de ems 
edehnten Reijen des Bhotographen Stolye um weit. 
iden. Perfien. Gleichzeitig gab der Geolog Tiege 
neue Aufſchlüſſe über Elburz uud Demawend. Sect 
1875 madte Houtum + Schindler wertvolle Routen. 
aufnahmen im periiiden Dienjten. Mac Ot er: 
forſchte 1877 mit Lodwood das ndrdlide 
jtan. Der engliſch-afghaniſche Krieg 1878 erweiterte 
die Nenntniffe von Afghaniſtan durch Ruſſen umd 
Englinder. Wn der Grenge von Ufghanijtan umd 
Kaſchmir forfdte der indifde Bundit -Wolla«; am 
andrer, Abd ul Subban, ging vom Kabul fiber den 
Hindukuſch nad Faijabad. An Perfien beretite Ste- 
wart 1880 ff, Chorafan und Daragez, Gafteiger Chan 
1880 die Grenze gegen Belutſchiſtan, eine wiitentaft- 
liche djterreidhifche Crpedition unter Bolaf, Wabner a 
Prehler feit 1882 den Wejten, Lovett 1881 den Norden. 
Jn Afghaniſtan wurde die Rordgrenye 1884 - 
1888 durch cine britiſch- ruſſiſche Nommuiifion feit. 
geſetzt. Die englifchen Delegierten nabmen daber dee 
— Provinz Herat, faſt ganz Afghaniſtan⸗-Turti⸗ 
tan ſowie große Teile Des Hazaralandes und der 
perſiſchen Provinz Choraſan auf. Eine 1884 vom 
dſchab unternommene militäriſche Expedition 
“flibrte sur Mufnahme der Tiler Zhob und Bort m 
Oſtafghaniſtan, fpiter von Holdich —— Rey 
Elias bereijte 1885 die Grenggebiete von Ufghantitan 
und chineſiſchen Befis. Griesbad erforidte 1887 - 
1889 Ufghaniftan auf ſeine Mineralfchage und unter- 
fudte Dann mit Oldfield ebenfo Belutidijtan. Dos 
franzöſiſche Minijterium entfandte Develay und Bei- 
fon nad Berfien und Afghaniſtan, die britiſch indiſche 
Aufnahme wurde auch auf Belutſchiſtan ausgedehat. 
Aus den legten Jahren find befonders die Forſchum 
gen von Mac Mahon und Holdich an der mdrichen 
hrenze von Afghaniſtan und Belutſchiſtan gu nennen, 
auferdem die von Leontiew und Katrin in der Waite 
von Belutfdijtan. In Perſien madte Preece rm 
Auftrag der engliſch indiſchen Telegraphengeſell ſchaft 
1884 topographiſche Aufnahmen von Sdray bes 
Dſchaſt am Arabiſchen Meer, Oberſt Bell durchreiſte 
das ſudweſtliche Verſien, 1888 89 Belutſchiſtan und 
Verſien. Dieulafoy unternahm 1885 Ausgrabungen 
in den Ruinen des alten Suſa, Reed Durdwanderte 
das unbefannte Gebiet zwiſchen Ragwim und Hama- 
ban. 1886 befudte Radde Chorajan, das Bogdano- 
witid 1886. -87 geologiid unterjuchte, Gore reijte 
iiber Herat durd die Wuſte Lut nad Bender Abbas 








Aſien (neuere Forjdhungsreifen: Vorderaſien). 


Rodler unternahm eine geologiſche Reife in das Bad- 
tijarengebirge und gum obern Karun, wo 1889-—90 
aud) Curzon reijte; Lynd erforfdte das Badtijaren- 
qebiet, Baughan die innere Wiijte. Hedin. bejtieg 
1890 den Demawend, Stahl madte 1890 —-94 um: | 
fajjende Reiſen durch Perſien, ebenjo wicder der Eng: 
Linder Houtumt-Sdhindler. Umfangreiche Forſchun— 
gen unternahmen ferner Curzon 1889-—-91, Biddulph 
1891, de Morgan 1891-—92 und 1897—98 (archäo⸗ 
logiſch) Maunfell 1892, Sawyer, Syfes 1893-97, 
Garre 1897-— 98, %. Stahl 1890—94. Die ardiio- 
logiſche und cthnologijde Erfundung von Armenien 
hat durch Beld und Lehmann (Rudolf Virdow-Stif- 
tung) grofe Fortſchritie gemacht. 

Vordrerafien. 

Urabien, das im 18. Jahrh. trotz Niebuhrs Reife 
fajt unbefannt blieb, wurde im Norden von Seegen 
1807, Burdhardt 1812 und Sadlier 1817 ff. durd)- 

ogen, Burdhardt fonnte 1814 jf. fogar Meffa und 
edina beſuchen, Welljtedt bereifte 1834 die Siid- 
und Siidojtfiijte, Brede 1843 Hadramaut, Du Couret 





und Wallin aud das Innere, Burton durfte 1853 
gleichfalls die heiligen Orte Arabiens betreten. Pal— 
rave drang 1862—63 durd das Innere bis gum 
Berfiiden olf vor, ¢8 folgten Guarmani (1864), 
Belly (1865), Germain (1867), v. Maltzan (1865 
und 1870). Seit 1870, wo Halévy feine archäolo— 
gild widtige Reife von Hodeida tiber Sana nad 
edfdran ausfiilhrte, Munginger und Miles Hadra- 
maut, v. Malgan die Umgegend von Aden erfun- 
dete, rubte die Erforfdung, bis 1876 Peters die 
heißen Ouellen von Beſcheir und Miles Birema, 
beides in Oman, beſuchte. 1877 reijte Doughty durd) 
Hidſchas und Kaſim und erreidjte als erjter die Rui— 
nenjtadt El Hidſchr (f. d.).  Fajt diefelben Gegenden 
durchzog Huber (1884 auf einer neuen Reife ermor- 
det); Manzoni beſuchte 1877-80 dreimal Gana. 
Eine Forjdungsreife durd) Siidweftarabien fojtete 
Langer 1882 das Leben. Sein Nachfolger wurde 
hier 1883 —84 Glafer. Blunt reijte 1878—79 mit 
feiner Frau von Damaskus nad) Didof und durd 
die Sandwwiijte Refud nad Schammar. Den Nord— 
wejten bereijte zu epigraphiſchen Zwecken 1883 — 84 
Euting unter Lebensgefahr. Snouck Hurgronje be- 
fudjte 1885 unter Der Mase eines Schriftgelehrten 
Meffa, Glaſer unternahm feine zweite und 1887—88 
jeine dritte Forſchungsreiſe nach Yemen, wobei er 
viele alte Inſchriften auffand. Hierher reijte 1887 
aud) der Botanifer Deflers, im fiidliden Yemen 
madte Schweinfurth 1888 reide botanifde Gamm- 
lungen. Glajer febte 1892 feine Forſchungen zwiſchen 
Hadramaut und Meffa fort. Als wichtigſte Reiſen 
der letzten Jahre find ferner zu nennen Rie von L. 
Hirſch 1893 (HMadramaut), Bent mit Frau 1893—94 
und 1897 (Fadhli und Yafei), H. Müller mit Jahn 
und Burg 1899 (Siidarabien und Sofotora). 
Syrien, Palaftina und Sinaibalbinfel. 
Ym Oſtjordanland und auf der Sinaihalbinfel forjd- 
ten 1802 Leafe, 1803—1807 Seefen, 1808 — 12 
Vurdhardt, 1831f. Midaud. Jn Paläſtina begann 
1835 Titus Tobler feine über 30 Jahre verteilten 
Forſchungen, 1838 Robinjon die feinigen. Weitere 
Falajtinareijende find: 1837 Schubert, Moore und 
Bele, 1841 Symonds, 1850 —51 Sauley, 1851 van 
der Velde und Midon, 1852 Smith u. a. Bon Be- 
deutung find ferner die Hdhenmeffungen von Roth 
(feit 1857), die Expeditionen Grahams (1857) und 
Wetzſteins (1858) in den Hauran und die djtlide 
Wiijte, Gudring (1863 und 1870 —71) in Samaria | 








873 


und Galildia, Garovaglios und Vigonis (1869), Kie— 
perts (1870) im Transjordanland, befonders aber 
die von Tyrwhitt Drafe 1871 erdjfnete volljtindige 
Vermefjung von Palajtina im Auftrag des Palestine 
Exploration Fund, während Steever im Auftrag 
einer aimerifanijden Gefellfdaft und 1881 Conder 
die Aufnahme des Transjordanlandes in Angriff 
nahmen. 1880 forſchte Lortet am Gee Tiberias, 
Langer 1881 im Trangjordanland, Hall am Toten 
Weer und im Wadi ef Uraba; 1885 fiihrte Sdu- 
mader cine Aufnahme der vulfanifden Landſchaft 
Didolan aus. Die Sinaihalbinjel wurde 1868 von 
Wilſon und Balmer aufgenommen, Midian 1877—- 
1878 von Burton erforjdt. Syrien bereijten Seiff 
1871-72, Fraas 1875, Blunt 1877—79, Cahun und 
Sadau 1879— 80, Hartmann mit Sdhumadper, 
Euting, der 1883 bei Palmyra Inſchriften fammelte, 
und Stiibel bis gum Hauran. Der 1883 aufgetaudte 
Plan, den —— mit Dem Wadi ef Araba zu ver—⸗ 
binden, erivies fic) al8 unmiglid. Huil machte hier 
eologijde und topographifde Aufnahmen, Walther 
tudierte 1887 Fragen der dDynamifden Geologic; 
Moris war 1884 und 1885 gwifden Damasfus und 
dem Cuphrat und in Mejopotamien titig und bereijte 
1885 mit Diener Mittelfyrien. Wuf Syrien und 


Nordarabien erjtrectte fich die Reife von Baron Nolde 


1893. v. Oppenheim madte 1893 und 1899 in Sy- 
rien widtige arddologifde Entdeckungen. Zimmerer 
und Oberhummer gingen gu gleichen Sweden 1896 
von Mordfyrien nad Rleinafien. Jn Paläſtina 
madte Blandenhorn 1894 geologijde Studien, Ker— 
jten ridjtete meteorologijde Stationen ein. Blij- 
Macalijter decte bei Tell-es-Safi (Judäa) Rejte eines 
fanaanitijden Tempels auf. Rothpletz unterſuchte 
1891 die Weſtküſte der Sinaihalbinjel geologi{d. 
In den Euphrat-Tigrislandern unterjudte 
Chesney 1835 f. das Cuphratbett behufs Herjtellung 
einer Pojtverbindung mit Jndien, und 1872—73 
vermaß Gernif cine bier gu erbauende Eiſenbahn. 
Um Erforjdung der Ruinen in Mefopotamien mad: 
ten ſich namentlich verdient (feit 1843): Botta, der 
Entdeder der Ruinen von Ninive, Layard, Place, 
Grant, Perfins, Shiel, Rid), Lynch, Ainsworth, 
Sulgence, Fresnel, Oppert, Spiegel, Rawlinjon, 
Smith u. a. WMefopotamien und Armenien 
wurden 1849 von Walpole, 1853 von Langlois und 


Petermann, 1855 ff. von Seidligp, Blau, Tidida- 


tidew, Rotidy und Abich, lepterer durch Kurdiſtan 
bis Perſien, 1880 von Cahun und Raſſam beſucht. 
Wud) Moltfe, Schaefli, John Taylor, Floyer 1875, 
Joſefowitſch 1882, Puchſtein und Sejter, Wünſch 
1882 gaben Nachrichten über Rurdijtan. 1885—s86 
madte Oberjt Bell cine militdrifche Meife in Meſo— 
potamien und YUrmenien, Moris und Roldewey mach— 
ten 1887 Wusqrabungen in den Rumen des ſüd— 
lichen Babylonien. Der Ceolog Naumann ging 
1890 nad) dem Quellgebiete des Cuphrat jweds Stu⸗ 
dien für die geplante Euphratbahn. Wundervolle 
Ergebniſſe haben die 1888—96 betriebenen Ausgra— 
bungen der Umerifaner Beters und Haynes in den 
Ruinen von Nippur gebradht, die feit 1899 nod) fort- 
geſetzt werden; fett 1898 forfdjte Noldewey in den 
Ruinen des alten Babylon. 

Kleinafien durdforfdten 1800 Wittmann, Leake 
und Beauchamps, 1802 Browne und Seeger, 1809 
bid 1815 Burdhardt, 1810 Clarfe, 1816 v. VProkeſch— 
Oſten, 1823 Parthey, 1830 Midaud, 1834 ff. Texier, 
1835 Hamilton (bis nad) Unmenien), 1835 ff. Ruſ— 
feqger und Kotſchy, 1838 Fellows, 1839 Winsworth, 


B74 


1841 {. Micpert (im Rordweiten). Unter den fpatern 
Crioridern ſtehen Ticuchatichew (iechs Retien, 1447 
bis 155* und Kotichy. Der auc Copern, den Tau 
rué, Syrien und Murdriten unterfudte (1840 -62), 
in eriter Reihe. Wud foridten Hier Wordtmann 
(18%) «5%, Loftus 1444. 52), Barth (1858 - 59), 
Yejean (1465 67). Virchdologriche Unteriucungen 
unternahmen Curtius und Hirichfeld 1871 f7., Ranet 
und Thomas 1472ff7., Baumeriter, Eqgert, Favre, 
Wandrot 1X74, Schliemann 1579 ff., VBirchow 1479, 
Humann und Clarfe (die legtern in den alten Land⸗ 
fchaften von Troas und Pergamon, Humann 1882 
aud) bei Vingora); ferner: Biſchoff 1451 und Benn- 
bor? ISK] «KZ im Rilifien. Sen 1880 läßt England 
bie ganye aftatiide Türlei aufnehmen. Seit 1881 
war ber Ethnolog v. Luſchan bier fait alljabriid 
tatig (188 90 mit oldewey) bei Ausgrabungen m 
Sindſcherli im nördlichen Syrien. Der Umerifaner 
Sterrett madte 1484 ~-85 archäologiſche Reiſen, 
Ramſay beſuchte 1444 mit Smith, 1490 nut Hogarth | 
mebrere Landſchaften, H. Miepert fete 1886 und, 
1H8H feine Reiſen im Weſten fort, 1486 3. T. mit, 
Schuchardt, der 1447 die lange geſuchten Ruinen von 
Kolophon auffand, 1884 mut Fabricius, der fpater 
bas Imolusgebirge relognoszierte. v. Dieſt nahm 
1886 die Umgebung von Pergamon auf und machte 
dann eine Reife gum Schwarzen Meer. Der Ruſſe 
Cliffejew verfolgte 1486 von WUlerandrette nad) Sam. 
fun anthropologifde 4wede, de Launay madte geo 
logiſche Forſchungen in Lesbos, Thafos und Samo- 
thrafe, Die Briider v. Quaſt geographiſche und ar- 
chaologiſche im Nordwwejten. Geologiid tätig war im 
Welten 1890 v. Burtowſti. im lepten Jahrzehnt 
forſchten in Meinaſien arddologifd) 1890 -- 91 und 
wieder 1498 Munro, Hogarth, Underjon, 1895 Sarre, 
IHW Gebr. Norte (Gordium); botanifd) Bornmiiller 
ISK . 90; geologiſch Schaffer 1900 (Rilifien); an- 
thropologiid) Ramſay; geographifd) Märler 1893, 
Wunro 1k4, Bureſch RSS 95 (Lydien), v. Dieft 
1816, Leonhard 1800 1900(Aladagh), Figner 1900 
(Bithynifche Halbinfel). 

Kaukaſien bereiiten im Unfang ded 19. Jahrb. 
Slaproth, IN11 Engelhardt, 1817 Porter, 1826 Schulz, 
Ik2 Barrot. Sie drangen bis nach Armenien vor, 
wo 1838ff. aud) Terier, Ya Guiche und Labourdon. 
nave tatig waren, I5.44 52 Morig Wagner. 1836 ff. 
forſchte Der Botaniker Rod, 1843 der Nationalifo 
nom v. Harthaufen in Transfanfajien, wo 1850 
Chod;to, Chanyfow u. a. gelegentlid) der Triangu- 
lation ben Ararat beſtiegen. 1864 begann Radde in | 
Tiflis ſeine verdienftvollen Forſchungen in Trans | 
faufafien, Hocharmenien und im Siiden vom Kafpi- 
ſchen Weer. Kaukaſien befucten 1875 O. Schneider, 
Nov. Seidlip, Zagurſti, Prof. Miller, Romarow; 
Yrmenien Deyrotle 1870, Tozer 1879, Clayton 1881. 
Naturwiſſenſchaftliche Forſchungen unternahmen, be 
fonders an den Wletidern, Dinnik, Roffifow (zuletzt 
IMSH) UND Simirnow. 1887 führte Fürſt Maſſalfti 
ethnographrſche und botaniſche Forſchungen in Trans. | 
faufajien aus, “raf Bobririft eryelte cme reiche ar: 
chaologiſche Ausbeute aus alten Rurganen, Tulatow | 
erllomm IS8S Den Kasbel. Baron v. Ungern-Stern 
berg erreichte die Spipe Des Elbrus, während am | 
felben Tage Warfow, Bopow und WManufow den 
Ararat eritiegen. Wummery bezwang den Koſchtan 
tau, Holder, Codin und Wolley aud die benacbar | 
ten Bitsy am Bezingigletſcher, wabrend Donkin und 
vor bier thr Leben embiiften, Kunezow madte 1888 | 
bid IRKY botaniide Beobachtungen auf der Nord 





Afien (widstige Ereigniife feit 1884). 


fette des Maufains, und im 
1589 tatig Areibfield, Bowell. 
Maltener 8. und €. Sella. Neucrdings rit 
faius mel von Alpiniſten erfundet 
Sella 1590, Merzbacher und Burticdeiicr 1691 (Ei 
brug, Masbef) und 1592 ( 
v. Dechy 1897—G8. Der 
eritieg 1890 -- 91 mebrere Gipfel (1893 —94 amd Dem 
Vrarat, den 1894 Arzruni geologii® umteriandtri 
Radde bat feine Erforidung atiens alydibrts 
fortgeiegt. Buſch ftudterte 1896 die Gleticher des 
Saufaius, Levier mt Sragnow 1890, Albew 1A, 
Seiditg 1894 deſſen Elanyenwelt. Nwancwik ond 
Wartow befucdten 1893, bey 1894 den Gotricherice. 
1895 foridten tm Saufafus der Geolog Undreiies 
und der Botanifer Kußne zow 
Wichtige Ereignifie der Geſchichte Aliens feit SNE. 
ISS4. 31. Jan.: Die Mevw-: Turfmenen unteveeriee BS 
Begirte: und Here, er 


britiſche Norbborneo Kompagnie erwirht bas 
Putatanfluſſes. — 6. Quni: Anam erlennt 
Protettorat ber Anam und Tongfing an. — 146. Jpeni- 
Tranébaifalien, bas Amurgebdiet, bas Kiftengebiet 
Wladiwoftot und Sachalin aus der Cocrverwaltang OS 
fibiriens lodgetrennt und dem nenen Generalgowverne- 
ment des Amur unterjtellt. — November: Der Babes 
diftrift auf Borneo von der britijden Nordbormes . Ge: 
fellidjaft erworben. 

1885, Chinas Bertrag mit Franfreid fiber die 
bon Tongfling. Aus den weftliden Teilen vom Pavia, 
den Gebieten von Hami und Tidenti, den Nord ond 
GSild - Tienfdhanlindern und dem dhinetiichen C¥trerfihas 
wird bie mene Proving Cintfiang mit der Hampeieds 
Urumtfi gebildet. — 7. Mary: Ldercinfommen goridee 
England, Deutidland und Spanien: Die Juſeln Beles 
bang, Banguey, Matarwalli 2. an der Nordipige vom Ger 
neo ju Britiſch⸗ Nordborneo geidlagen, dem am 1. 
April aud) die Mantiinfeln cinverteibt werden. 

1886. 1. Qan.: Oberbirma bem indiſchen Kaiſerreich 
vericibt. — Im Staate Qolebu auf der Halbiniei We 
latta britiſche Verivaltung eingeführt. — China und Rep- 
land vereinbaren die Grenge an ber Bucht vow Wiedore 
ſtol. — Die Keelinginſeln dem Gouverneur der Streca 
Settlements unterjtellt. — Qn Tirtiid=Armenien fai 
neue Wilajets: Derjim, Ma Muret il-Asig, Deardetr, 
Bitlis und Wan. 

1887, 1. Jan.: Das Generalgouvernement Turfiftan enge- 
begrengt und in drei Provingen geteilt: Str Darje (ded 
Gebiet Sonu Darja mit dem Diftrift Sir Derja:, Ge 
martand (friiher Serafidan) und Ferghana. — Der Zapema 
Sten in Jentral= Nippon (Qapan) von Iſankawa abye- 
zweigt. — 2. Juni: Das Generalgouvernement von OF 
fibirien aufgeboben und die Gouveruements Demijew! 
und Yrfutit nebſt der a cot Jakutſt zu cinem Gene. 
ralgouvernement Jaku veretitigt. — 1, Ju: Gag 
land und Rufland jcliehen in St. Petersdurg cimen Ber: 
trag liber die Nordweſtgrenze Don Afghaniſtan. — 24. Yutt: 
Formoſa, bisher sur Proving Fultan gehörig, ga emer 
ſelbſtändigen Provinz mit ber Hauptitadt Taweifu ex 
hoben. — 1. Rov.: Die Grenje zwiſchen Sind amd Bex 
luticifian qenauer beftimmt und die Landſchaften Sho 
rarud, Piſchin, Mas Mawas, Harnai, Thal, Chortalt wad 
Sibi gu einem Verwaltungobe zirk alse Bnitridh. Belatan 
ftan vereinigt. Die dftlicen Schanftacten unter britides 
Schuß geſtelli — 4. Dez.: Der Staat Pabang anf bx 
Halbiniel Malaffa ſchließl mit England einen Fremnd 
ichaftevertrag. 

ISNS, 1. Jan.: Tad neue BWilajet Beirut gebildet, Belta 
großtentels jum Wuteifariflit Jeruſalem geſchlagen amd 
das Wilajet Damastus auf Damattus, Hama un) 
Hauran befdrinft, — Vt. Marg: Tre Cirhalfre ded Ge 
bieté der Mara: Nogater vom Gouvernement Stawrep<! 
qetrenut und dem Terefgediet cimvericibt. — 12. Wei 


o? 


Aſien (wichtige Ereigniſſe feit 1884; 


Nordborneo unabhingigerStaat unter engliſchem Shug. — 
6. Juni: Die Chriftmasinfel den Straits Settlements un- 
terjtellt. — 9. Juni: Der Sif der Regierung der ruffifd- 
jibixvijden Küſtenprovinz von Chabarowla nad Wladi- 
woſtok verlegt. — Britiſch-Belutſchiſtan durd) Khetran 
nebft den Barthantilern vergrößert. — Pahang anf der 
Halbinjel Malatta erhilt einen britiſchen Rejidenten. — 
17. Sept.: Englands Proteftorat iiber das Sultanat von 
Brunei und iiber Sarawak. — 3. Dex. : Auf der japanifden 
Inſel Shifofu das Ken Kagawa von Ehima und auf 
Kiuſhiu Meyaſali von Ragofhima abgetrennt. 

1889. Das transfajpijdhe Gebiet nad Bollendung der 
Transtajpifden Eijendahn von Raufafien abgetrennt und 
dem Generalgouvernent bon Turliſtan unterjtellt. 

1890. 1. Qan.: Die Verwaltung der britiſchen Kolonie La= 
buan der britijdjen Nordborneo-Kompagnie iibertragen. — 
Die Nordgrenge von Kaſchmir bis an die Langstiler 
des Narafaid) und Rastem Darja vorgejdoben. — 17. 
März: Bertrag gu Kalkutta: China erfennt das englijde 
Proteftorat fiber Sittim an. 

1891. Qanuar: Britiſche Truppen riiden von Kohat in die 
Tiiler des Sefid Koh, um den Miranzai die britiſche Schutz— 
herrſchaft aufzuzwingen. 

1892. Die Landſchaften Hunza und Nagos dem indiſchen 
Kaiſerreich einverleibt. 

1893. 1. Oft.: Siam verzichtet auf dads linle Ufer ded 
Mekhong gu gunſten der franzöſiſchen Schutzſtaaten Anam 
und Kambodſcha. — 24. Nov.: Rußland tauſcht mit Per= 
fiert die Gebiete von Hiſſar und Abaffabad gegen den 
Landſtrich Firiuſe in Chorofan aus, — Aus dem nord- 
öſtlichen Sibirien zwiſchen 62 und 70° nördl. Br. und 
134 und 166° öſtl. L. die nene Proving Anadyr gebildet. 

1894. Afghaniſtan erkennt die Beſetzung von Tidaman 
burd) die indijde Regierung an. — 1. Mai: Yatung in 
Tibet als Vertragsmarft den Ausländern geöffnet. 

1895. 11. März: Engliſch-ruſſiſche Verſtändigung über den 
Pamir: Die Landſchaften Roſchan und Schugnan an Rub- 
land iiberlafien, dafiir an Afghaniſtan Wadan und Teile 
ber Landjdhaft Darwas. — 17. April: Friede von Simo- 
noſeti. China tritt an Yapan die Inſel Formoja und die 
Pescadoresinieln ab; Korea fiir unabhängig erflirt. — 
20. Juni: Frantreid) und China vereinbaren die Grenzen 
des Tongting und der din. Broving Jünnan. — Augquit: 
Spanien und Japan verjtindigen fic) fiber die Grenj- 
linien jivifden den Philippinen und den Pescadores- 
inſeln. — Afghaniſche Truppen erobern Kafiriſtan. — 
Tidhitral bem indijden Kaiſerreich einverleibt. 

1896. 1. Quni: Teile der arabijden Halbinjel Ratar am 
Perſiſchen Meerbuſen unter britiiden Schuß geftellt. — 
Die malaiijdhen Staaten anf der Halbinjel Malatta: Pe— 
rat, Selangor, Negri Sembilan und Pahang, Staaten: 
bund unter britijder Oberhoheit. 

1897. Aufſtand der Afridi und Aralzai an der indijden 
Nordweſtgrenze. — 4, Juni: Der Unterlanf des Sitiang 
in China fiir fremden Handelsverfehr freiqegeben. — 12. 
Juni: Frantreid) erhalt von China die Erlaubnis jum 
Bau einer Eiſenbahn von der Grenze Kotidhindinas nad 
der Haupt{tadt von Yiinnan. — 3. Juli: Reorganifation 
ber Serwaltung in Franzöſiſch-Indochina. — 14. Nov. : 
Deutſche Marinetruppen bejepen die Kiautſchoubucht. 

1898, 6. März: Bertrag zwiſchen Deutſchland und China: 
bie Kiautſchoubucht auf 99 Jahre mit allen Hoheitsred)- 
ten an Denticdland überlaſſen. — Unter ähnlichen Bedin— 
qungen ertverben Rupland Porth Arthur und Talienwan 
(auf 25 Jahre vorldufig), England 1. Juli (auf 99 Jahre) 
den Hafen Wei-hai= wei. — 10. April: China fidjert die 
Hergabe des VBodens fiir die Cijenbahn von Franzöſiſch— 
Kotſchinchina nad Jünnan gu. — 27. April: Das Padht= 
gebiet von Kiautſchou durch faijerlide Berordnung deut- 
ſches Schutzgebiet; Sig des Gouvernenrs in Tjintau. — 
10. Deg.: Friede zwiſchen Spanien und den Vereinigten 
Staaten in Paris: Spanien tritt feine Hoheitsredte fiber 
die Philippinien und Suluinjeln gegen 20 Mill. Doll. 
an die Sereinigten Staaten ab. 

1899, 20. Juni: Spanien vertanft die Rarolinen, die 
Balan und die Marianen (ohne Guam, das die Ameri— 
taner bejegten) fiir 16,750,000 Wt. an Deutſchland, das 


den neuen Beſitz unterm 18, Juli gu deutſchen Saupe | 








geographiſche Literatur und Karten), 875 


gebieten erfliirt. — Ottober und November: Talſächliche 

Beligerqreifung der Karolinen durch den deutſchen Gou- 

verneur v. Bennigſen (auf Yap 6. Nov.). — Ottober: 

Beginn de3 Winterfeldzugs de3 amerifanifden Generals 

Otis gegen die Filipinos unter Aguinaldo. 

1900, 13. Quni: Beginn der Boxerunruhen in Peking; 
17. Juni: Erjtiirmung der Tatuforts; 13. und 14. Quit: 
Kämpfe um Tientſin; 26. Yuli: der ruſſiſche Vizeadmiral 
Mlerejew bejeBt den Hafen von Niutſchwang; 16. Ang. : 
Entjag derin Peling belagerten Geſandtſchaften; 27.Gept. : 
Graf Walderjce trifft als OberbefehlShaber der internatio- 
nalen Streittriifte in Tientſin ein; 1. Nov.: ruſſiſch— 
chineſiſches Abfommen über die Nordprovingen Chinas; 
18. Dej. : Wiedererdffnung der Eiſenbahn Tientſin-Peling. 

1901, 3. Jan.: Sturm der Deutiden unter Obert Pavel 
auf die Befeſtigungen von Go-phu nördlich von Pefing. — 
11. Jan.: Ofterreich-Ungarn ficert fic eine Riederlaffung 
in Tientſin; Fengtin=Abfommen swifden Rupland und 
China fiber die provijorijde Serwaltung der Mandſchurei; 
20. Febr.: Gefechte der Deutſchen unter Hoffmeifter bei 
Kwang-tſchang und am An⸗-tſu-ling; Ende Februar: Aus— 
lieferung der Eiſenbahn Beling-Shan-hai-Rwan an die 
Englinder; 4. April: Rußland läßt den Abſchluß des 
Mandfdurei=Abfommens mit China vorläufig fallen; 
9. April: Eröffnung der Eiſenbahn Tſingtau-Kiautſchon; 
23. und 24. April: Kampf der Deutfden unter General 
von Stettler bei Ku⸗Kuan gegen den chineſiſchen General 
Lin; 25. Mai: Auflöſung des Oſtaſiatiſchen Expeditione⸗ 
forp3; 3. Juni: Abreiſe Walderjeeds aus Peling. — 7. 
April: Aufhebung aller Binnenzölle in Perjien. — 7. Gept. : 
Unterzeichnung des Friedensprotofolls gu Pefing. — 
13. Oft.: Gutſchein fiber 450 Dull. Taëls von China an die 
europ. Vertretung geqeben. — 6. Nov.: Lihungtidang q-= 
ftorben, — 14. Dey. : Rückkehr des chineſ. Hofs nad Tſchili; 
Aidingwanteds dem internation. HandelSvertehr geoffnet. 
[Literatur.] Spezialdarjtellungen über gang A. 

ſind nur in geringer Zahl vorhanden. Die Berichte 

Der Forſchungsreiſenden bleiben daher die Haupt- 

quellen fiir deſſen Renntnis. Von zuſammenfaſſen— 

den Werken find hervorjuheben: YW. v. Humboldt: 

Fragments de géologie et climatologie asiatique 

(Par. 1832; deutid) von Lowenberg, Berl. 1832), 

Asie centrale, recherches sur les chaines de mon- 

nes et la climatologie comparée (Bar. 1843, 

3 Bde.; deutſch von Mahlmann, Berl. 1844, 2 Bde.), 

Die Beragfetten und Bulfane Jnnerafiens (in Poggen— 

dorffs »Yinnalen der Phyſik«, Bd. 94, 1830); Rit 

ter, Erdfunde von A. (2. Aufl., Berl. 1832 —59, 

20 Boe.); Brauer und Plath in Stein-Hörſchel— 

mann »Handbud) der Geographie und Statijtif«, 

Bd. 2 (Leip;. 1858-64); Keane, Asia, with ethno- 

logical appendix (Lond. 1896, 2 Bde); E. Reclus, 

Nouvelle géographie universelle, Bd. 6— 9 (Par. 

1881 ff.); W. Sievers, A. Cine allgemeine Landes: 

funde (Leipz. 1892). 

{ftarten.] dD'Unville, Carte de l'Asie (Par. 1751 
bis 1753, 6 große Blitter); Ritter, Wtlas von VW. 
(zu feiner » Crdfunde< gehörig, bearbeitet von Grimm, 
Wahlinann und Riepert, Berl. 1833 — 54, 20 Bl.); 
Klaproth, Tableaux historiques de l'Asie (Par. 
u. Stuttg. 1824); v. Spruner, Utlas sur Geſchichte 
Ufiens (2. Aufl. Gotha 1855, 10 Bl.); v. Spruner- 
Sieqlin, Atlas antiquus (im Crjdeinen begriffen, 
34 Bl., davon 1 —-14 auf A. Bezug nehmend); Grunde- 
mann, WMiffionsatlas von VW. (daf. 1868 —70, 28 
Karten); Kiepert, Phyſilkaliſche Wandfarte von A. 
(1: 4,000,000, 4. Aufl., Berl. 1889); Johnſton, 
General Map of Asia (4 Bl., 1: 9,218,000, Lond. 
1889); Sydow-Habenidt, Wandfarte von A. 
(1: 6,000,000, Gotha); v. Haardt, Überſichtskarte 
der ethnographiſchen Verhialtnijje von W.(1 : 8,000,000, 
Wien 1887); »Rarte der fiidlichen Grenggebiete des 
aſiatiſchen Rußlands« (1 : 1,680,000, Petersb. 1894, 


876 


Zi BL;; €. Roverifi, Rarte des añatijchen Rug: 
fand und ieiner Radbarlander (1: 8 A0),000, dan 
1 Gd. Eriduterungen, Petersburg, Alademie der 
Bijenidaiten, 140)); Carte d Asie< (1: 1,000,000, 
Paint woe ara eat ti tm Erjcheinen 


m 
ber Ritite von Sarbimien den Golf von AW Die 
Made von 50,9 qkm mit etwa 500 


Afingo (Ujingo), See in Franjifid- Rongo 
(BeEtafrita), ndrdtih vom Unterlaut des Ogowe, durch 
den er geipetit wird, und in den er wieder abiließt. 
wodurd cine um den ganjen See ftarfe Str: 
— exyeugt wird. Der A. umidlieft cine pa 

rde 1882 von Espinaijy aufgenommen. 

—— — Pollio, Gajus, rom. Feldherr und 
Staatsmann, Hedner, Geidichtidretber und Dichter, 

. 76 v. — Py eit. 4n. Chr., ſchloß fic im Bürger⸗ 

aſar und Pompejus an erſtern an, 

—* mit ihm 49 den Rubico, nahm ſodann an 
Kriege Curios in Afrila teil, nad deſſen Nieder 
lage durch König Juba er die überreſte des Heeres 
rettete, wohnte der Schlacht bei Pharſalos, dem Afri— 
laniſchen und Spaniſchen Kriege bei, war 47 Bolts: 
tribun, 45 Prator und bierauf Statthalter im jen- 
feiti Spanien. Rad Cajars Ermordung nahm 
rtei fiir Antonius und fiir Die Triumvirn, ver- 
waltete als Legat das transpadaniſche Gallien, wo er 
fic) des durch Die ilungen bedriingten Bergil 
hilfreid) annahm, befleidete 40 das Konſulat und 
führte 39 strieg gegen t die Parthiner in Illyrien, wobei 
er aud die Stadt Salona in Dalmatien eroberte. 
Seitdem widmete er fic, mit Antonius zerfallen und 
als ———— jut ſtolz, um auf die Verſuche Octa⸗ 
vians, ihn in das öffentliche Leben zurückzuziehen, 
einzugehen, hauptſächlich literariſchen ——— und 
Beſtrebungen und übte als ſcharfer Kritikler und als 
Beſchützer junger Talente einen großen Einfluß aus. 
Ferner gründete er aus der dalmatiſchen Beute die 
erſte difentlide Bibliothel zu Rom im Vorhof ded | 
Tempels der Freiheit auf dem Uventinifden Berg | 
und feqte eine allgemein zugängliche reiche Kunſt⸗ 
jammiung an. Bon feinen zahlreichen Werlen hat 
ſich leins erhalten. Den meiſten Ruf genoſſen ſeine 
Reden, die nad) Quintilian durch Reinheit und Be⸗ 
ſtimmtheit des Ausdrucks, Gedankenreichtum und Leb- 
ftigleit ſich auszeichneten, aber ohne ciceronianiſche 
nmut waren (Fragmente in H. Meyers Oratorum 
roman. fragmentas, S. 487/f., Bir. 1842). Ferner 
fdjrieb er cine Geſchich⸗ der Bürgerkriege vom erſten 
Triumvirat (60) an, vielleicht bis 42 reichend, denen 
Tüchtigleit der Geſinnung. Selbſtändigleit des Urteils 
und kerniger Ausdruck nachgerühmt wird ( Fragmente | 
bei Peter, Histor. roman. fragmenta, S. 262 ff.). Mud 
verfafte er Tragödien u. Epigramme. Val. Thorbede, | 
De Asinii vita et scriptis (Leiden 1820); Wulard. 


Hi 


Anento — 


Askenas. 


unter gleihem 3 intel (Far. ea — Die 


E. (Vem, 1996). 
Asiaus (ct). Ciel ———— oder Gil sem 


Logie 
Embla (> >ilime<?) die Stammmutter; ſ. —— 


Muthologie. 
Astaion (jept UStalan), eine der fim? Haum- 
ftadte der alten Ehuiiter am Wittetmerr, nõrdlich Dor 


en juriideroberte = auf Saladins Befebl ge 
idleift ; Richard Lowenbher; wollte fie wieder 
befeſtigen. aber tm Baifenitillitand mit den Woslems 
wurde beſtimmt. daß A. wilt bleiben ſollte. Bibars 
lic® 1270 die Jeritorumg vollenden. Anſehnliche Rejte 
beim beutigen Dorf C1 Didora 
Astalonijde Jwiebel (Sdhalotte), i. Laud. 
AStania (jest Isnit Gol), See im bellespont. 
Phrygien, deijen Waier durch den Fluß Askanios ſich 
in Ben Meerbuſen von Kios (Gemlif) ergießt. An 
ſeinem —— lag einſt Hifaia (Rita), * Isnil 
Astauien (Aſcharien), alte deutidhe Grafidaft, 
das Stammiand des — ROBES espana 
führte den Ramen von der — Bur 
Aſchersleben. Stammovater der Askanier ijt be 
Adalbert von Ballenſtedt (um 1000, ſ. Anhaut 
ſchichte ä Sein lUrenfel Otto nannte ſich juerit * 
von WU. Deſſen Sohn, Graf Albrecht, erhielt 1134 
die Mart Brandenburg, die fein Geſchlecht bis 1319 
beberridite. Der zweite Sohn Albrechts, Bernhard, 
belam 1180 das — Sachſen, das ſich unter 


den Nachfo —— ſeines ältern Sobnes, Albrecht, in 


die Linien Wittenberg und Lauenburg teilte; jene er 
warb die —— und erloſch 1423, dieie erloid 
1689. Der jiingere Sohn Bernhards, Heinrich L. 
begründete das anhaltiſche Fürſtenhaus (ſ. Unbalt). 
Naͤch einer zweiten Zeritdrung (1140) bald wieder: 
| bergeftellt, wurde die Burg W. 1252 die Rejideny emer 


| Seitentinie des aslaniſchen Fürſtenhauſes. der Grafen 


von A. oder Aſchersleben, die 1315 erloſch. Die Graj⸗ 
idaft fam darauf an das Bistum Halberjtadt. Die 
Burg wurde 1444 an die Stadt Aſchersleben verfauft. 
die fie abbredjen ließ. Mit der Safularijation des Bis 
tums Halberjtadt fam die ehemalige Grafidaft YW ax: 
Brandenburg; dod) fiihren die Fitrjten und Herzöge 


| von Anhalt nod) heute den Titel »Grajen von We 


Wsfanios, ſ. Ascanius. 
Askariden, ſ. Spulwürmer. 
UAstenads, i. Aſchlenas. 


Askerfund — Asklepiadiſche Verfe. 


MSerfund, Gafenjtadt im ſchwed. Lin Orebro, 
int ſchöner Gegend an der ndrdlidjten Bucht des Wet- 
terjee3, durch Zweigbahn mit der Linie Orebro- 
Mijölby verbunden, mit (1g09) 1723 Cinw. 

. Mskefe (griech. Askeſis; Aszeſe), eigentlid 
Llbung; insbe}. die enthaltjame, miifige Lebensweife 
Der qriedifden Athleten zur Aneignung und Erhal- 
tung Der forperlidjen Kraft und Gewandtheit wih 
rend der Vorbereitung auf die Nampfipicle; auf das 
Jittliche Gebict iibertragen, das zur Erlangung höherer 
Vollfommenheit auf Entſinnlichung geridtete Han- 
Deln, ſowohl die freiwillige Enthaltung von finntliden 
Geniijjen als die Crtdtung der finnliden Empfin— 
Dungen und des Fleiſches iiberhaupt; im weitern 
Sinn alles Handein, das die Erwerbung fittlider 
Fertigkeit rein als folder gum Zweck hat. Die As— 
Fetif bildet als Theorie der A. einen Teil der Etbit. 
Bei fortidreitender Sittlichkeit wird ftatt einzelner 
asketiſcher Handlungsweiſen (Tugendmittel) mehr nur 
eine asletiſche Tendenz dic fittlide Pflichterfüllung be- 
gleiten. Als Mittel, deren ſich die A. zur Erlangung 
religiöſer und ſittlicher Volllommenheit bedient, gel: 
tem, was die religiöſe Seite betrifft: 1) die Andacht, 
weldje die Meditation und die Rontemplation in fid 
ſchließt, und der fich als Hilfsmittel dic asletiſche oder 
Erbauungsliteratur darbietet ; 2) die Bibelforſchung; 
3) das Gebet; 4) djfentlide Gottesverehrung, Haus- 
qottesdienjt, Erbauungsjtunden und NKenventifel; 
5) der Gebraud der Saframente. YWuf der fittlicen 
Seite ftehen: 1) die Selbjtpriifung und Selbjtbeurtei- 
lung, gefordert durch Einſamkeit; 2) Umgang mit fitt- 
lic) gereiften und vorbildlich wirfenden Perſönlich— 
feiten. Herkömmlicherweiſe find es beſonders drei 
Grundformen, in denen fic) die YW. in den Dienſt der 
fittlichen Arbeit gu ſtellen unternimmt: 1) die formate 
ibung der Willensfraft zur Beherridung unvillfiir- 
licher Empfindungen, 3. B. des Ekels oder des Ab— 
fdyeues; 2) das Entjagen, deſſen —— und na- 
tiirlichjte Urt das Fajten ijt; aber aud) Eheloſigkeit 
(Zölibat), freiwillige Armut und Gebhorjam, welde 
drei Bunfte in der fatholifden Kirche als Consilia 
evangelica empfoblen werden ; 3) die eigentliche Selbſt⸗ 
peinigung. Das Mönchtum, in dent die fatholifche 
Kirche eine hihere Stufe des fittlidhen Lebens fieht, ijt 
nichts andres als die durchgeführte, entwidelte und 
organifjierte UW. in diefem engern Sinn, und das Wort 
A., asketiſches Leben, gilt hier als gleichbedeutend mit 


Mönchtum (Frankf. 1897, 2 Bde.). 


Askẽt (griech.), ein der Wstele jid) Widmender, | 


Büßer. Asketen (continentes, agonistici) werden 
feit Witte des 2. Jahrh. diejeniqen Chrijten genannt, 
Die fid) de3 Genuſſes von Speiſen durch häufiges Fajten 
enthielten, nicht ehelichten oder den ehelichen Umgang 
aufgaben, ihr Vermögen an die Armen verſchenkten. 
Seit dem 3. und 4. Jahrh. haftet der Name an denen, 
die al8 Unadoreten (f. d.) und Eremiten (7. d.) fid 
von der Welt zurückzogen oder im Kloſter fid) ver- 
cinigten. Asketik, Lehre von der Askeſe (7. d.). 
soklepiadazeen (Seidenpflanzen, Schwal— 
benwurzpflanzen) difotyle Familie aus der Ord- 
nung der Kontorten, meift idlingende Pflanzen mit 
groenitinbigen Blattern, vier⸗ oder fünfzähligen 
litten (Fig. 1) und öfters zu einem frangformigen 
Gebilde verwachſenen Anhängſeln der Staubblitter. 
Der Bliitenftaub der A. bildet cine zufammenhangende 
Majfe (Pollinien, f. Bliitenbejtiubung). Der Griffel— 
fopf (ig. 2) ijt et grofer, oft fiinfedigqer Körper, 
der Den beiden getrennten, oberjtindigen Frudttnoten 








877 


—— iſt und unterſeits die Narben trägt. 
ie Samen beſitzen am Nabel einen Haarſchopf. Von 
den etwa 1500 Arten iſt die Mehrzahl in der warmen 
Zone, beſon⸗ 
ders in Süd⸗ 
afrifa einhei⸗ 
miſch. Alle 









enthalten bit- / 

ter = fcharfen, a4. 

nicht ſeiten WS“ f 
ätzend —— — 0 
gen ilch⸗ — Sf \ 
ſaft. Die Bajt- i / \ \ 


fajern einiger sig 1. Bate von Fig. 2 Diefelbe Biite 
Arten dienen Asclepias Cornuti. vergrdpert. Durchfemitt. 
zu Geweben. 

Asklepiaden, die angeblidjen Nachkommen des 
Sohnes des Usflepios Machaon, die zunächſt berufen 
waren, in den Heiligtiimern des Gottes als Priejter 
und Vermittler de3 Heilverfahrens zu wirfen. Die 
im Laufe der Zeit durch Erfahrung gewonnenen me- 
diziniſchen Kenntniſſe erbten von ater auf Sohn 
fort und wurden lange feinem Fremden mitgeteilt. 
Bejondern Ruf genoſſen die U. von Epidauros, Knidos 
und Ros; zu den foifden W. gehörte Hippofrateds 
(f.d.). USflepiospriefter hießen nod) bis in die ſpäteſten 
Zeiten W., und es ijt bekannt, daß dieje oft, ohne ärzt⸗ 
lide Kenntniſſe, mur bemüht waren, ihren Cinfluj 
auf das Volk mit allen Mitteln, die ihnen der Uber: 
glaube darbot, gu erhalten. Bal. Welder, Kleine 
Schriften, Bd. 3, S. 8977. (Bonn 1850); Uffel- 
mann, Die Entwidelung der altgriedijden Heil- 
funde (Berl. 1883). 

AsFlepiades, 1) qricch. Dichter aus Samos, um 
270 v. Chr., Verfaſſer von BY meijt erotifdhen, durd 
Zartheit der Empjindung und Formſchönheit ausge— 
zeichneten Epigrammen in der griechiſchen Unthologie. 

2) Arzt aus Pruſa in Bithynien, lebte in der erjten 
Hälfte des 1. Qahrh. v. Chr. in Rom, anfangs als 
Rhetor. Er verwarf den Gebrauch anaqreifender und 
fompligierter Yrsneimittel und empfahl als Haupt- 
mittel Didt, bald Wein, bald faltes Waſſer, Frottie- 
ren, fdrperlide Bewegung x. Ob ihm die Erfindung 
des Luftrihrenjdnittes mit Recht zugeſchrieben wird, 
ijt sweifelhaft. Mit feinem Anhänger Themiſon galt 
ev für den Stifter der methodiiden Schule. Die er- 


( haltenen Fragmente feiner Sdjriften gab Gumpert 
Mönchs- und RKlojterleben. Val. Zöckler, A. und 


heraus (Weim. 1794). Vgl. Raynaud, De Ascle- 
piade Bithyno, medico ac philosopho (Bar. 1862). 

UAslleptadifde Verfe, swei antife Metra, der 
Eleine, gebildet von zwei durch Zäſur getrennten 
kataleltiſchen trochäiſch- daftylijden Tripodien, von 
Denen Die erjte den Daktylus an zweiter, die zweite 
an erjter Stelle hat: 


* 
wet lfuvws wu 


und der groke, bei dem zwiſchen dieſe beiden Hälften 
nod cin Choriambus eingeſchaltet ift. Nad) ihnen find 
benannt die fünf asflepiadifden Strophen, von denen 
die erjte von dem wiederholten Heinen, die fiinfte von 
Dem wiederholten großen asflepiadijden Vers, die 
zweite von dem dreimal wiederholten Fleinen und cinem 
Glykoneus, die dritte von dem abwechſelnden Glyko— 
neus und fleinen aSflepiadifchen Vers, die vierte von 
dieſem zweimal wiederholten Bers, dem Pherefratens 
und Glyfonens gebildet wird. Beiſpiel lesterer Art: 
Sahin ift, Mutter Natur, deiner Erfindung Pradt, 
Muf bie Fluren jerftreut, ſchöner cin froh Gefidt, 
Das den grofen Gedanten 
Deiner Schöpfung nod cinmal denkt. 


878 


Usklepicen Gries. Ustlepieia), Feſt su Chren | gi 


des Usflepios, bejonders in Epidauros alle 5 Jahre, 
7 Tage nad) den Iſthmiſchen Spielen, mit Prozeſſio— 
nen, —— und muſiſchen Wettlämpfen gefeiert. 

We lepicion, cin Heiligtum ded Asklepios (ſ. d.). 

ASflepioddtos, griech Schriftſteller des 1. Jahrh. 
v. Chr., heißt Verfaſſer eines Abriſſes der qriedifd- 
mafedonijden Taftif (taktika kephalaia), Der indes 
aud) feinem Lehrer, dem Philoſophen Poſeidonios 
(j. d.), zugeſchrieben wird (Hrsg. v. Köchly-Rüſtow, 
»Griechiſche Kriegsſchriftſteller · Bd. 2, Leipz. 1855). 

Asklepios (lat. Asculapius), der griech. Gott 
der Heilfunde, nad) der gewöhnlichen Sage Sohn des 





Asklepios (Paris, Louvre). 


Apollon und der Roronis, der Todjter des Phlegyas 
u Lafereia oder Triffa in Theffatien, der Wiege fener 

erehrung. Als Koronis, von Urtemis wegen threr 
Untreue getitet, auf dem Scheiterhaufen verbrannt 
werden follte, rettete YUpollon das Kind aus den Flam— 
men und lich eS Dom Kentauren Cheiron aufziehen, 
der es befonders in der Heilfunde unterridtete. Da 
ex fogar Berjtorbene erweckte, erſchlug ihn Zeus in 
der Befiirdtung, die Menſchen möchten durd A. ganz 
dem Tod entzogen werden, oder auf Beidwerde des 
Hades mit dem Blitz. Bei Homer ijt W., deſſen Söhne 


Madjaon und Podaleiriog die Arzte des Griechenheeres | 


find, cinfacher Heros, ebenfo bet Bindar; feine Ver— 
gottlidung bat eben erjt allmählich allgemeine An— 
erfermung gefunden. Als jeine Gemahlin galt Epione 
(> die Lindernde«), als jeine Kinder namentlid) Hy— 


Asflepieen — Aslaug. 


cia und Telesphoros (ſ. d.). Sein Kult war 
liber Die ganze Griechenwelt verbreitet; als Borort 
galt Epidaurogs, wo ihm das berühmteſte Feſt (ſ. Us- 
flepieen) gefetert und von wo aus eine Rethe vor 
Todterjtatten begriindet wurden, wie Ros, Perga- 
non, Rom it. a. Mit den gewöhnlich in Hainen, bet 
Heilquellen oder auf Bergen erridjteten Tempeln 
des UW. (WSflepicien), in Denen zunächſt das Geſchlecht 
der USflepiaden (jf. d.) den Dienjt verſah, waren Kur- 
anjtalten verbunden. Vielfad) wurde die Inkubation 
(j- d.) angewendet, das Schlafen int oder am Tenrpel, 
um im Sdlaf von dem Gott unmittelbare Heilung 
oder die Offenbarung des Heilmittels zu erhalten. 
Die Gebheilten hangten im Tempel Botivtafein auf 
mit Dem Bericht iiber die Mur. Cine größere Sahl 





folder haben die neueſten Ausgrabungen zu Gi 
dauros zu Tage gefördert. Das übliche Opfer Ge- 
neſener war ein 84 Stehendes Symbol des A. 
iſt die Schlange; daher wurden vielfach in ſeinen 
empeln Schlangen gehalten. Solche verſendete man 
zut Begründung neuer Kultſtätten, ſo von Epidauros 
nad Rom, als dort der Dienſt 203 v. Chr. bei einer 
Pejt auf Befehl der Sibylliniſchen Bücher cingefiihrt 
wurde. Yn Rom ftand der Tempel auf der Tiberiniel. 
Val. Thramer in Roſchers »Lerifon der Mytholo- 
a Bd. 1, Sp. 615ff.; Pietſchmann in Pauly⸗ 
iffowas »Realengyflopaidie«, Bd. 1, Sp. 1642 FF. — 
A. gehdrt 3u den von der alten Kunſt am haufigiten 
dargejtellten Gottheiten. Der gewdhnlide Ydealtypus 
| acigt Den Gott bärtig, im Geſichtsausdruck ähnlich dent 
Reus, nur milder und jugendlider. Die erhaltenen 
Statuen zeigen ihn meiſt ftehend, im langen, die Bruft 
frei lajjendDen Mantel, mit der redjten Achſel geftiipt 
auf einen —— von der Schlange umwun⸗ 
denen Stab, den linken, vom Mantel verhüllten Arm 
an die Seite geſtemmt, häufig auch gruppiert mit Hy- 
gieia. Der ſchönſte Kopf (aud als Zeus erflart), aug 
elo3 ſtammend, ijt im Britijden Muſeum, eine 
—— angelegte Statue im Louvre zu Baris (ſ. 
bildung). Bgl. v. Sallet, UW. und Hygieia (Pert. 
1878); ©. Qiwe, De Aesculapi figura (Strajb. 
1887); Brunn, Griechifche Götterideale (Münch. 

Asfogon , ſ. Pilze. [ 1893). 

MAsfoltn (Glycerinum sulfurosum), fonjentrierte 
Löſung von fdwefliger Säure in Glyzerin, wird 
äußerlich und innerlich als Arzneimittel benutzt. 

Aſskomyzẽten, Ordnung der Pilze (. d.). 

Askoſpore (griech.), ſ. Sporen und Pilze. 

Askr, ſ. Wst. 

Ustulap (Asculapius), ſ. Asklepios. 

Dotulapſchlange, ſ. Nattern. 

Ustulapftab, von ciner Schlange umwundener 
Stab, Uttribut des Asklepios (ſ. d.), Symbol der Heil⸗ 
funde; Ubseichen an den Achſelſtücken der Militärärzte. 

Mstulin, ſ. Roffajtanienbawm. 

MUsfulinen (Aesculinae), difotyle Bilanyenord- 
nung, darafterifiert durch vier bis fiinfgliederige 
Bliitenfreije, zwei oft durch Ubortus unvollzählige 
Staubblattfreije und zwei- bis vierfächerige Frucht⸗ 
tnoten; fie beqreift die Familien i Ace⸗ 
razeen, Sapindazeen, Hippolaſtanazeen, Vochyſiazeen, 
Erythroxylazeen und Polygalazeen. 

Aslarer Erde, cin at USlarer Hiitte bei Wetz⸗ 
lar dargeſtelltes Englifdrot. 

Aslaug, nad der Ragnarsjaga Todter Sigurds 
| und Der Brynhild, die Stammmutter der norwegiſchen 
Könige. Sie wuchs als cine Urt Aſchenbrödel eran, 

bis ber däniſche König Ragnar Lodbrof, der fury zu⸗ 
vor Witwer geworden war, fie fand und gu feiner Ge- 








ASmanit 


malin erhob. Ihre Enfelin Ragnhild wurde die Mut- 
ter Harald Schönhaars, des erjten Alleinherrſchers 
von gan; Norwegen. Un slau ace Ivar, der die 
Stadt Yorf geqriindet haben ſoll, hat ſich die befannte 
Sage von der Odjenhaut (Didojage) angefniipft. 
Smanit, Viineral, von Maskelyne im Weteor- 
teint von Breitenbad in Böhmen entdedt und wegen 
ieſes Vorkommens nad dem indijden Wort A-Sman 
(Donnerfeil) benannt, bildet Körnchen, die anſcheinend 
rhombijd find, im iibrigen aber dem Tridymit, aud 
in chemiſcher Hinjicht, entſprechen. 

MAsmara, Ortidaft am Ojtabfall de3 abeffin. Hoch⸗ 
landed, 90 km fiidweftlid von Maffaua, 2327 m ii. M., 
1888 von Stalien befept, befejtiqt und mit einer Gar- 
nifon belegt; A. ijt ſtrategiſch widhtig, da es die Haupt- 
ſtraßen vom Meere nad) dem Hodland beherrſcht. 

AS modi (qried). USmodaios, im talmud. Idiom 
Aſchmedai, »Verderber, Dämon«), in den Apokry— 
phen (Zob. 3, 8) der Cheteufel, Stirer der Che. Das 

ort ent{pringt der Zendſprache (aeschma-daeva — 
Aẽeſchma⸗Dämon) und bezeichnet den wolliijtiqen Kö— 
nig der Damonen, der in der talmudifden Salomons- 
fage cine große Rolle fpielt. 

Wane, 1) Geor . 

27. Nov. 1830 in Giehen, geſt. 1. Mai 1892 zu Bonn, 
jtudierte in Gießen und Freiburg, war 1854—62 als 
Ingenieur titig, übernahm dann bergbaulidhe Ar— 
beiten in der Region des Obern Sees in Nordamerifa, 
ließ fich in New York nieder und qing 1884 nad Curopa 
zurück, wo er Lingern Mufenthalt in Berlin nahn. 
Großen Erfolg hatte unter den Deutfden Amerikas 
fein »>Wmerifanifches Skizzebüchelche⸗ in oberheſſiſcher 
Mundart, cine Epijtel in Verfen von fojtlidem Humor 
(1875). Cine zweite Epijtel erfchien im nächſten Jahre 
(neue Ausg. in 1 Bd., Leipz. 1891); ferner die Novelle 
»Camp Paradise (daf. 1877) und das »Gedichtbüchel⸗ 
chen⸗ (daf. 1891, mit zwei einaltigen Luftfpielen). 

2) Pfeudonym fiir Matth. Claudius (7. d.). 

MsSnieres (jor. anir’, W.-fur-Seine), Dorf im 
franz. Depart. Seine, YUrrond. St.-Denis, 5km nord⸗ 
wejtlich von Karis, links an der Seine und der Weſt— 
bahn, ijt der Mittelpuntt der Parifer Bootfahrten, 
mit Bauwerfititten fiir Boote, Fabrifation von Reiſe— 
artifeln, Starfe, Rarfum, cinem ſchönen Schloß nebjt 
arf, zahlreichen Villen und (1901 31,836 Einw. In 
der Mahe der 1900 eröffnete Pariſer Haustier-Fried- 
hof (fiir Hunde, Ragen und Vogel). 

MsnyF, Udam, poln. Didter, qeb. 11. Sept. 1838 
in Kaliſch, geft. 2. Aug. 1897 in Rrafau, jtudierte in 
Warſchau, Prestau und in Heidelberg, wo er 1866 
als Doftor der Philofophie promovierte, feit 1870 
lebte cr in Rrafau. Die zahlreichen lyriſchen Gedichte, 
die UW. feit 1865 in polniſchen Feitidriften unter dem 
Pſeudonym El... y verdjfentlidte (zuerſt qefammelt 
Lemberg 1869, jest Krafau 1894, 4 Bde.; in Aus— 
wahl deutſch von 
hören zu den zierlichſten Erſcheinungen auf dieſem 
Gebiet. Seine erſten dramatiſchen Verſuche, die Luſt— 
ſpiele » Der Heliotropenzweig · (Lemb. 1869) und » Der 
Kampf der Barteien« (Mrafau 1869), ferner das 
Drama »Cola Rienzi« (daſ. 1874), auc) das mit Er- 
folg aufgefiihrte Drama »Der Jude« (Daf. 1875) hal- 
ten cine jtrenge Prüfung nicht aus. Bedeutend da- 
gegen ijt das mit Dem Fredroprets gekrönte hiſtoriſche 
Traueripiel -Kiejſtut · (Rrafau 1878; deutid von We. 
v. Reden, Poſen 1880), das den tragifden Tod des 
litauiſchen Großfürſten diefes Namens fdildert, nod 
hervorragender die Luftfpiele ⸗Gebrüder Lerde« und 
die »Konkurskomödie« (beide Rrafau 1888). 


deutidamerifan. Dichter, geb. 


. Gumplowic;, Wien 1887), ge: | 


— Aſow. 879 
Aſodiſch (griech.), mit Ekel oder Angſt verbunden. 
Aſoka, |. Äcota. 


Aſolo (pr. aßolo), Diſtriktshauptort in der ital. Pro⸗ 
vinz Treviſo, auf einer Höhe über dem Muſone, mit 
Ringmauern, einem alten Schloß, worin Caterina 
Cornaro (Königin von Cypern) 1489—1510 einen 
literariſch glänzenden Hof hielt, und (von ca. 2750 
(al8 Gemeinde 5847) Einw. Auch Rejte antifer Bader 
und cine Wafferleitung find vorhanden. 

Aſomaͤtiſch (qriedh.), unkörperlich, forperlos; 
Ujomaton, ein unforperlides Wejen, Gott. 

Mfon (Wifon), Bater de3 Jaſon (j. d.). 

& son aise (fran}., fpr. a fonn A), nach feiner Be— 
quemlichkeit, Gemächlichkeit; davon ſtammt das ſcherz⸗ 
haft⸗ vulgare: »in ſeinem Esse fein<. 

à son gout (franz., fpr. a pong gi), nach ſeinem Ge⸗ 

Asopia, {. Zünsler. ſſchmack. 

Aſõpos, antiker Name des Fluſſes von Hagios 

| Weorgios tm Peloponnes, entipringt weftlid) von 
Phlius, durchſtrömt die Ebene von Srfyon und mün— 
det in Den Korinthiſchen Meerbuſen. Cin andrer A. 
(jest Vuriendi) entfpringt im ſüdlichen Böotien un- 
fern von Platää, durchſtrömt öſtlich die Landſchaft 
Paraſopia und mündet auf attiſchem Gebiet unfern 
Oropos ins Meer. Nach beiden find Flußgötter be— 
nannt. Der böotiſche A. ijt Vater der Antiope (ſ. d. 1), 
der fifyonifche der Ygina (ſ. Aakos). IS dieſer nad 
deren Entfiihrung durd) Zeus auf Anraten des Si- 
fyphos den Olymp ſtürmen wollte, wetterte ihn Zeus 
in fein Bett zurück, wo man ſeitdem Kohlen findet. 
Mfopos, der beriihmte Fabeldichter, dem die im 
gangen Ultertum beliebte Kunſt, praftijde Lehren der 
| ebensweisheit in jinnbildliche Erzählungen (Fabeln, 
| Gleichniſſe) einzukleiden, ihre Wusbildung verdantt, 
lebte um 550 v. Chr. Bon feinem Leben ijt als ſicher 
nur befannt, daß er Der Sflave des Samtiers Jadmon 
war und in Delphi eridlagen wurde. Dak er am 
Hofe des Krdjos gelebt habe und mit den jieben Weifen 
zufanunengefommen fei, ijt ſpätere Erdidjtung, ebenſo 
| was Don feiner Haplidfeit und Eulenſpiegelhaftigkeit 
| gemeldet wird. Cinen vollftindigen Roman fiber ſein 
| eben haben wir aus dem Veittelalter fälſchlich unter 
dem Namen de3 Planudes (Hrsg. von Eberhard in 
»Fabulae Romanenses«, Bd. 1, Leipz. 1872). Sein 
Name ward in der Folgeseit gleichſam Gattungsname 
fiir Die Fabeldichtung iiberhaupt. Seine in projaijder 
| orm gehaltenen Fabeln beftanden lange nur durd) 
Tradition im Volfsmund; eine Sammlung foll zu— 
erjt Demetrios Phalereus um 300 v. Chr. veranftaltet 
haben. Aus dem Wltertum erhalten find uns nur die 
| poetifdjen Bearbeitungen de3 Babrios, Phädros und 
Avianus (f. d.). Wus dem Mittelalter ſtammen pro- 
ſaiſche Metaphrafen äſopiſcher Fabeln (Gejamtausqabe 
von Korais, Rar. 1810, und Halm, Leipz. 1863; tiber- 
ſetzung von Binder, Stuttg. 1869). Bal. Grauert, 
De Aesopo et fabulis Aesopicis (Bonn 1825); 
Welder, Reine Schriften, Bd. 2 (Daf. 1847); ©. 
Keller, Unterjuchungen über die Geſchichte der grie— 
chiſchen Fabel (Leips. 1862). 

Aſöt (griech.), Wiijtling, Schlemmer; Wfotie, 
Wüſtlingsleben. 

Afow, Flecken im Doniſchen Gebiet (Rufland), 
am Don, unweit deſſen Miindung in das Aſowſche 
Meer, war früher eine wichtige Feſtung und eine blü— 
hende Handelsſtadt, iſt aber infolge der Verſandung 
des Hafens in Verfall geraten. Es zählt (1885) 16,581 
Einw., die vornehmlich Fiſchſalzerei treiben. Etwa 
15km nördlich fag im Altertum die griechiſche Kolonie 
Tanais, die im 4. Jahrh. n. Chr. von den Hunnen 








Biow (i. — vit en Buen des Séwaryen 


Rubangebiet 
imbalt von 37,605 qkim (653 C§ ), woven 106 — 
auf bie Inſeln entiallen. Es nimmtt aus dem ĩĩudlichen 
Ruhland ben aniehnliden, nichteiden Ton und ie 


bas —— (f. —— —— 
durch die gelangt. Der 
reichtum bes Ufowichen Meeres ijt ſehr qrok und lie: 
—— bedeutende Cuantitaten Leim. Ravtar, ge 
und gefalyene Fiſche Seine größte Tiefe 
tragt nur 15 m und finft auf der Reede von Tagan- 
rog auf 3,5 m herab. Dieſe Seichtigleit, verbunden 
mit dem U daß es vom Rovember bis Upril 
meiit mit Gis bededt und ftetS von beftigen Stiirmen 
heimgeſucht ijt, fegt ber Schiffahrt und dem Handel 
roße Gefabren und Beidrantungen entgegen. Seine 
Hextretyaaetie find bie Hafen von Berdjanif, Mariupol 
und befonbders Taganrog (7. die einzelnen Vrtifel). 
Leider madt ſich bei legterm Hafen eine auffallende 
Ubnahme des Meeres bemerflid, fo dak qrofere Schiffe 
jest bis 30 km vom Lande entfernt anfern miifjen. 
Genaue Meffun _ haben ergeben, da das Niveau 
des Aſowſchen Meeres bei der Weerenge von Stertid) 
um 1,451 höher liegt als das des Schwarjen Meeres. 


zr. Gr: 


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berm Roden mut Wifaiien oder Saure= Lizlsaize 
Teqimiaure, Wmdobcrmirmiaure. «Hi, art 


fommt aud fuzidymedendes Recht saiparegi a oe 


das ñch von jenem nur durch die Lage der 
iden Sriitalliadhen + Rechts mad Vote 
aiparaginiaure fic) zu emer cpt meal 
tipen Vit a bat WL. arzneilich bea 

——— (Spargel), —— der Vas 
yen, Krãuter oder Halbitrauder mit untertrdcher 


Grumbadie, von der die oberirdiiden. mehr oder 
—— verzweigten. — —— 
ee Achſeln — Wite oder Bade! 


von ſterilen, Imealifcben lem, bidweilen aud 
ein zelne blattartig verbreiterte — 
iteben, neben denen einzeln Blůtenjtiele oder Dolden 


oder Trauben auftreten. Die Frucht ijt cine 
einſamige Beere. Etwa 100 Yirten m der Alten 
bejonders in regenarmen Gebieten. Son mebreren 
Vrten, bei uns von A. officinalis L., werden die jungen 
Zchoſſe gegefien (jf. Spargel). Wndre Yirtem, mee A 
decumbens Jacq. vom Sap, mit unſcheinbaren. fit 
lich —— Bliiten, A. Sprengeri Rgi. aus den 
bergen, A. plumosus Bak., ein fa 


rnãhnlicher 
| Halbitraud) Siidafrifas, A.acutifolius L. und A. ten- 


Im Wittelalter hatten Venezianer, Genueſen und 


Viſaner bedeutende Riederlajjungen an ſeinen Siljten 


—— unter denen Tana (i. Aſow) die größte 


andelsberuhmtheit erlangte. 
friegs wurde im Wai 1855 von den Weſtmächten eme 
Erpedition unter Lyons und Canrobert nad Kertſch 
und dem Aſowſchen Meer unternommen, wobei viele 
ruſſiſche Sdhiffe und mehrere Küſtenplätze zerſtört 
wurden. 

Aſowſche Steppen, die diirren, unfrudtbaren, 
höchſtens als Biehweiden ju benugenden Ebenen am 
untern Manytid) (f.d.) und Don bis an das Aſowſche 


Während des Krim⸗ 





nifolius Lam. aus Siideuropa, A.medeoloides Thue. 
(Medeola oder Myrsiphyllum asparag cides), mit bin 
und ber gebogenen verjweigten Stengeln und eiform 
ger. fpipen Boyllofladien, vom Sap, find beliebte 
— ——— und Zimmerpflanzen und idee Ga treff- 
liches Bindegriin. Val. Harms, Flieder und A. Lebr- 
bud) der Anzucht, Kultur und Treiberei (Erfurt 1897). 
Ufpafia, beriihmte Frau de3 Ultertums, Todpter 
des Axiochos, fiedelte aus ihrer Geburtsjtadt Wilet 
mit ihrem Vater nach Athen über und entzückte bier 
alle Manner durd) ihre feine Bildung und thre an- 
mutige, geiſtreiche — ſelbſi Sofrates ſuchte 


Weer. Der Woden, offenbar früher Meeresgrund, auf, um ihrer Rede zuzuhören. Eine bedeutendere 


unter deſſen Oberfliiche ſandige 
en, ate te mit Diirftiger Vegetation, von tief ein⸗ 
chneidenden, triage dahinſchleichenden Bächen durd)- 
ſchnitlen. Dem Acerbau faſt gang unzugänglich, bie- 


Kalfiteinfdichten lies Stellung erlan 





te fie durch die Belanntſchaft mit 
Perifles, der fic) von feiner Gattin trennte und wm 
445 v. Chr. mit A. verheiratete; da Ddiefelbe jedoch 
eine Ausländerin war, fo war die Ehe nidt rechtlich 


Afpafiolith — Aſpern. 


vollgültig. Bald von den Gegnern des Perikles in den 
Komödien als die Hera des olympiſchen Zeus, als die 
neue Omphale oder Deianeira, die den Herakles ge— 
bändigt, verſpottet und ſogar von Ariſtophanes die Ur⸗ 
heberin des Peloponneſiſchen Krieges genannt, wurde 
fie furs vor deſſen Beginn 432 von dem Komödien— 
Didter Hermippos der Gottloſigleit und der Verfup- 
pelung freigeborner Frauen an Perifles angeflagt, 
Der fie felbjt unter Tränen verteidiqte und ibre Frei- 
fpredjung erreidjte. Nach Perifles Tode vermiablte fie 
fich mit dem reidjen Lyfifleds, einent feiner Freunde, 
verlor ibn aber ſchon ein Jahr darauf, bat dann in 
Vitifa weiter gelebt und ijt dort aud) gejtorben. Die 
ihren Namen tragende Biifte in Batifan ijt nidt ihr 
Portrait. Val. Beeq de Fouquitres, Aspasie de 
Milet 1 son 1872). R. Hamerling hat U. zur Heldin 
eines Romans (1876) gemacht. — Cine jiingere W., 
ihrer blithenden Gefichtsfarbe wegen urfpriinglid 
Milto (die Geſchminkle«) qenannt, die Tochter des 
Hermotimos aus Phokäa in Yonien, war die cinflup- 
reiche Freundin des jiingern Kyros und fam nad 
Dejjen Tode bei Kunaxa, 401 v. Chr., in den Harem 
Des Perjerfinigs Urtarerres, der fie ebenfalls ſehr 
auszeidnete. Später (um 362) wurde fie die Ber: 
anlafjung ju einer Empirung von deſſen älteſtem 
Sohn Dareios, der dabei ums Leben fam. 

Ajpafiolith, Mineral, Zerjegungsprodult de3 
Cordierit (f. d.). 

Aſpe, jovicl wie Efpe, ſ. Pappel. 

Ajpe, 1) (Vallée d'.) ein romantifde3 Tal der 
weſtlichen Pyrenäen, das, vom Gave d'V. durd): 
flojjen, am 2707 m hohen Bic dU. auf der jpanifden 
Grenje beginnt und ſich in nördlicher Richtung 50 km 
bis Oloron erjtredt. Die Sahl der Bewohner beträgt 
etwa 9000. Unter legtern befindet fic) im Dörfchen 
Djfe feit Jahrhunderten cine protejtantifde Gemeinde 
vow etwa 150 Berjonen. Bei Urdos liegt die merk— 
wiirdige Felfenfejte Bortalet. Das Aſpetal war friiher 
ene Hepublif unter dem Schutz der Fiirjten von 
Béarn. Aus dem Tal führt iiber den 1640 m hobhen 
Col de Somport(Summus portus) eine alte Rimmer: 
jtrake nad —— — 2) Stadt in der ſpan. Pro— 
ving Wlicante, Bezirk Novelda, mit Objt- und Wein- 
bau, Marmorbrüchen, Branntweinbrennereien und 
(1900) 7927 Einw. 

Aſpekten, die gegenſeitigen Hauptitellungen der 
Planeten, der Sonne und des Mondes im Tterfreis 
Die bemerfensiwertejten find: vangenunterſchied 

4 ber Geftirne 


Sonjunttion (Qufammenfunft) . 4 oe 
Dppofition (Gegenjdeinm) . . . 8 180° 
Trigonals (Gebdritt-) Schein . A 120° 
Quadrats (Gevierts) Sein 2 . J 90" 
Serxtil- (Gejedft-) Sdein. 2 . 60° 


Abgeſehen von den beiden erjten, haben die A. wenig 
Bedeutung fiir die Wijjenfdaft. Um die AW. anju- 
geben, werden die ſymboliſchen Zeiden der Blaneten 
zu denen der A. felbjt gefest; 3. B. Ato bedeutet: 
Jupiter und Mars in Konjunttion. Befindet fic) der 
Mond mit der Sonne oder die Sonne mit den obern 
Planeten im Quadratidein, fo gebraucht man dafiir 
den Undsdrud Quadratur. Yn der Uftrologie haben 
die A. ihre bejondere Bedeutung; die Ronjunttion des 
Jupiter und Saturn 3. B. heist die große und, wenn 
fie in Dem Zeichen des Widders erfolgt, die größte. 

Wfpele, ſ. Mespilus. 

Mspelt, ſ. Keter von Wspelt. 

Aspen City, Bergbauftadt im nordamerifan. 
Staat Colorado, Grafſchaft Pitkin, (goo) 3303 Einw. 

Meyers Ronv.- Lezifon, 6. Mufl., L Bo. 











881 


Aſpendos, im Witertum durd Handel bliihende 
Stadt in Pampbhylien, am Eurymedon, 12 km von 
deſſen Minding, Kolonie der Urgiver. Unter ihren 
der Kaiſerzeit angehdrigen Triimmern (beim Dorf 
Bally) befinden fich cin gut erhaltenes römiſches Thea- 
ter mit pradjtvoller Szenenwand, cin Nymphäum, 
cine Bajilifa und eine grofartige Waſſerleitung. 

Asper (lat.), rauh; Spiritus a., ſ. Spiritus. 

Wfper (neugriedh. UWspre), vormaliger Weiß— 
pf pose! in Den Landern der ottomanijden Pforte, 
mit Dem Tugra auf ciner friiber hohlen Seite, Grimd- 
lage der Redynung; 1 Bara —= 3 gemeine UW. Das 
Ditinggeleg von 1843 teilte den Bara der Goldvaluta 
in 2,5 UW. (oder Mina), der Silbervaluta in 3 U. Jn 
Vgypten hat der Piajter 100 gute oder 120 Kurant— 
U., in Raivo aber 80 Kurant⸗A. von 0,2 PF. Wert. 
In Tunis hatte der Piafter 52 A. zu 2 Flus, in Al—⸗ 
gier der Karub 14 fupferne W. (Drahem fegar). 

Asper, Hans, Maler, geb. 1499 in Zürich, geſt. 
dajelbjt 1571, war in feiner Vaterſtadt viclfad als 
Fajfaden:, Fahnen- und Wappenmatler, als Zeichner 
fiir den Holzſchnitt, vornehmlid) aber als Bildnis- 
maler titig. Bon feinen Portriiten, die ihn als tüch— 
tigen Riinjtler mittlern Ranges ausweiſen, befinden 
ſich cinige, darunter das Zwinglis, in Zürich. 

Asperg (Usberg), Stadt mm wwiirttemb. Necar- 
freis, Oberamt Ludwigsburg, an der Staatsbahulinic 
Bretten - Friedridshafen, 270 m it. M., hat cine 
evang. Rirdhe, Cisfdrantfabrifation, eine chemiſche 
Fabrik, Gipswerk und (1900) 2609 Cinw. Dabei die 
ehemalige Bergfejtung Hohenasperg (f. d.). 

—— (lat, beiprengen. 

Aſpergillum (lat.), der Weihwedel. 

Aspergillus Micheli, Pilzgattung aus der Ord- 
nung der Askomyzeten. Die Sporenſchläuche entitehen 
im Innern kleiner fugeliger, rings geſchloſſener Frudt: 
forper (Perithezien) und werden bei der Reife durch 
Rerfall der Frudjtfirperwand (Peridie) frei. Die 
Perithesienbildung tritt verhältnismäßig felten ein 
und ijt fiir manche Urten nod) unbefannt. Cine reid: 
lidere Vermehrung erfolgt durd) Konidien, die an 
zahlreichen, von dem blaſenförmig aufgetriebenen 

nde aufredter Aſte ausftrahlenden kurzen Stielzellen 
(Steriqmen) in langen Ketten abgeſchnürt werden. 
Die A.-Urten bilden meiftens auf toten organifden 
Körpern, namentlid) Objt, Brot, Mist, ſchimmelartige 
Ubersiige und werden wegen der Gejtalt der Konidien— 
träger als Kolbenſchimmel bezeichnet. A. herba- 
riorum Fisch. (qraugriiner Rolben{dimmel 
bildet qraugriine bis olivgriine Überzüge auf feudt 
lieqenden Pylangenteilen, bejonders auf eingemachten 
Früchten. A. fumigatus de By. bildet ſchmutzig 
braungriine Raſen und veruriadt auf feimender 
Gerſte cine Erhigung derjelben bis auf 60°. A. ory- 
zae Cohn wird in Japan bei der Herjtellung des Reis- 
weines (Safé) und der Sojafauce techniſch verwendet. 
Viele Urten von A. können bei Menſchen und Tieren, 
wenn ihre Sporen in den Atmungsorganen oder int 
Gehörgang zur Keimung gelangen, CErfranfungen 
(Aſpergillusmykoſen) hervorrufen. Vgl. Weh— 
mer, Die Pilzgattung A. in morphologiſcher, phyjio- 
logiſcher und yſtemaliſcher Beziehung (Genf 1901). 

Afperifoliageen, joviel wie Borraginazeen. 

Aſpermãtiſch (griech.), famentos; Wj permatis- 
mus, Samenloſigkeit bei Mannern; manntide Un- 
frudtbarfeit wegen Mange! an Gamen. 

Aſpern, Dorf in Niederdjterreich, Bezirlsh. Grof- 
Engersdorf, an cinem linfen Seitenarm der Donau, 
an der Dampfitrakenbahn Wien - Gro} - Enjersdorf 

56 


882 


elegen, bat cine Zünderfabrik und ose egy ne n 
5 —* liegt das Dorf Eßling (7. d.). Oſtlich 
und ndrdlid) brettet fi das Marchfel d ans, das im 
BW. vom Biiamberg begrenzt wird. Bei dieſem frand 
feit 16. Mai 1809 die Armee des Er, $ Sari. 
der fid) nad) den ungliidlichen Kämpfen bei Regens- 
burg auf dem Umweg über Bobmen wieder nad der 
Donan juriidge,ogen hatte, entidlotjen, den ftrateqtid 
— be wo ſich Die Straßen * —— en. 
ahren un arn vereinigen. gegen Napoleon zu 
verteidigen. Die jen waren 13. Mai in Bien 
eingeriidt und ftanden. etwa 90,000 Mann jtart, auj 
bem rechten Ufer der Donan, die fie zu iiberidreiten 
entidlojjen waren (vgl. nebenitebendes Tertfartden 





‘, — 
ſRärtchen der Schlacht bet Aſpern (A. Mai 1309). 


ber Schlacht bei A.). Zum —** wãhlte 
Napoleon die Stelle, wo, etwa eine Meile unterhalb 
Wien, die Inſel Lobau von zwei Armen der Donau 
umſchloſſen wurde. Am Mittag des 20. Mai began: 
nen die Franzoſen den uͤbergang über den nördlichen 
ſchmälern Flußarm und beſetzten die Dörfer A. und 
Eßling; ſie hatten bis zum Nachmittag des 21. etwa 
32,000 Mann auf das linte Donauufer geſchafft, und 
zwar fo, daß Maſſena bei A., Cannes bet Eßling und 
wifden beiden die Reiteret unter Napoleon ſelbſt 
fonben, als Erzherzog Karl mit feiner ganzen Armee 
(87,000 Mann) jum Angriff febritt. Erſt nad ftun- 
denlangem Kampf in den Straken und tn den Häu— 
fern, und nadjdem der franzöſiſche Reiterangrijf an 
der Kaltblütigleit der öſterreichiſchen Infanterie ge— 
ſcheitert war, gelang es dem Erzherzog Karl, die Fran— 
zoſen aus A. hinauszudrängen; ihre Verſuche, das 
Dorf wieder zu nehmen, mißlangen. Dagegen ſchei— 
terten die Angriffe der Oſterreicher auf Eßling, und 
die Franzoſen behaupteten ſich zwiſchen den beiden 


ſeitigen Verluſte ſchwanlen. 
Mann fiir die franzöſiſche. 26—27,000 Wann fiir die 
öſterreichiſche Armee an; die öſterreichiſchen Schlach 


weit größer als der ſtrategiſche, der 
| Fegberfett bed big babin Unde 








Afperfion — Afpbalt. 


ibre volle Kraft zur Ausnũtzung des Sieges i 
aud den Rüchzug Napoleons nicht gejtdrt. Dre 
jache ari ii 


der Suriidbaltung des 
art. Darans leicte ugujt Menge 
alle 


(i uten) bad Sted ab, dem Erzherzog alle Feldhertn 


aben abjuipreden. Die aben uber Die beider- 


ier8 gibt 15——16,000 


berichte jprechen von 30 — 45,000 Wann, die Rapo- 
leon an Toten, Berwundeten und enen ber 
toren habe. Der moraliſche Erfolg des Sieg 


ganjen Welt den größten Eindruck. Die zweite Er 
Lace der Tiroler und da3 Aufflammen der Sri 
luſt in Norddeutidland bangt damit zuſammen. VJ 
A.Strobl, W und ram (Wien 1897); G. Sme- 
fal, Die Schlacht bei W. und Eplingen (daf. 1899); 
Sasti, Campagne de 1809 en Allemagne et en 
Autriche (Bar. 1899 —1900, 2 Bde.); Menge, Die 
Schlacht bet A. (Berl. 1900). 

Psd pe (lat.), Beiprenquna. 

Aſperſorium (lat.), das Weihbeden. 

Asperila L. (B8aldmeijter), Gattung der Ru- 
biazeen. Rrauter oder Halbjtrauder mit quirlförmig 
geſtellten Blattern, meiſt weigen Bliiten in lodern 
oder fopfig zuſammengezogenen Dichaſien und zwei⸗ 
tnöpfiger, trodner Frucht. Etwa 80 Arten, bejonders 
im Wittelmeergebiet und Wejtafien. A. odorata L. 
(qemeiner Baldmeifter, Mf ch), mit kriechendem 

hijom, lanzettlichen Blattern und weißen, wobdl- 
riechenden Blumen in lodern Dichaſien, wächſt in 
Europa, Vorderaſien, Nordafrila in Laubwaldern, 
enthalt Kumarin und riecht getrocknet angenebin ge⸗ 
würzhaft; dient zur Bereitung des Maitranles 

Aſphaleia, Name eines Sicherheitsſyſtems im 
neuern Theaterbau, ſ. Theater. 

Aſphalt (griech, Erdpech), Mineral, ſchwarz bis 
ſchwarzbraun, fettglänzend, undurchſichtig, Harte 2, 
ſpez. Gew. 1,1—1,2, riecht, zumal gerieben, ſtart bitu- 
minds, ijt brennbar, ſchmilzt bet 100°, löſt ſich in 
Terpentin, Petroleum und Benzin. Es findet ſich 
derb, eingeſprengt, in Hohlräumen verſchiedenartiger 
Geſteine, auch als Kluftausfüllung und auf 
gen, als Imprägnation von — und Kall⸗ 
ſteinen, ſelten lagerartig, wie bei Avlona in Alba 


Aſphaltdachfilz — Asphodelus. 


nien. Unf Trinidad erfiillt es das Becten cines Sees 
(Afphaltfee), der mehr als 1000 Schritt fang und > 
120 Sehritt breit ijt; aud) auf Cuba findet es fich maf- 
ſenhaft (merifanifder YF), enthalt aber an bei- 
Den Fundjtitten erdige Beimengungen (bis 35 Proz.). 
Venezuela hat zwei fiir den Welthandel widtige Fund- 
— nahe der Mündung des Orinoko. Auch im 
oten Meer findet ſich U., von dem oft Stücke durch 
Erdbeben vom Boden des Meeres losgeriſſen und 
ans Ufer getrieben werden. A. beſteht ans Roblen- 
Loft. Waſſerſtoff und Sauerſtoff und ijt meiſt durd 
ufnahme von Sauerjtoff aus Erdöl entitanden. 
Erdðl orydiert fic) in den der Luft zugänglichen obern 
Gebirgslagen fehr bald, verliert feine fliidtiqen Be— 
ftandteile, wird braun, dickflüſſiger, ſpezifiſch — 
und verwandelt ſich fcblieflid) in Bergteer, vondem | 
man einige Barietiiten als Ulbertit, Grahamit 
und Giljonit unterfcieden hat. Dieſer findet fid 
beſonders in fandigen Sdidten und lodern Sand— 
fteinen in Der Nähe der meijten Erdölquellen, wie 
bei Palembang in Ojtjumatra und wird durch Wa— 
ſchen oder Rochen mit Wajfer abgeſchieden. Der Rück— 
ei ijt cin zähes, glangend ſchwarzes Bed), das in 
ex Technik als Goudron minéral benugt wird. Wie 
Den Sand, durddringt Bergteer aud) Kallſtein und 
bildet fo den Aſphaltſtein, der fich unter anderm 
im Bal de Travers, bei Seyſſel an der Rhone, in der 
Auvergne, bei Raguſa in Sizilien, Lobfann im Elſaß 
und Limmer in Hannover findet. Aſphaltſtein von 
Seyſſel enthalt 6—8, der von Limmer 14, der aus 
Dem Val de Traver3 11—12 Pro3. A. Der Bergteer, 
Der dad Gejtein — iſt eine Miſchung ver— 
ſchiedenartiger Körper. Beim Erhitzen deſtillieren 
unter 2000 Kohlenwaſſerſtoffe über, die noch als Pe— 
troleum bezeichnet werden können; zwiſchen 200 und 
250° deſtilliert Petrolen, und als Rückſtand bleibt | 
ſauerſtoffhaltiges Aſphalten, das ſchwerer als Waj- 
fer, im der Kaͤlte briidig, in Äther unlöslich, aber 
löslich in Terpentinöl und Erdot ijt. F 
A. dient als braunſchwarze Farbe in der Olmalerei 
(j. Aſphaltmalerei), aud) zu ſchwarzen Firniſſen und 
Laden, als ÄAhgrund fiir Kupferſtecher, zu Kitten, Sal- | 
ben, Pflaſtern ꝛc. Eine dünne Aſphaltſchicht wird durd 
Einwirtung des Lichted in Äther unlöslich, und hier: | 
auf berubt die Benutzung des Aſphalts beim photogra: | 
phifden Steindruck (ſ. Ujphaltverfahren). Im Alter— 
tum diente A. zum Einbalſamieren von Leichen und 
als Baumaterial (Babylon, Ninive). 1712 erhielt der | 
riechiſche Arzt Eirinis eine Konzeſſion fiir die Wiphalt> | 
agerjtitter um Bal de Travers, aber obwohl er die 
günſtigſten Refultate ergzielte, qeriet die Gade in Bere | 
eſſenheit. 1802 wurde das Gictouuca vor A. bei 
eyſſel entdectt und 1832 die Uiphaltindujtrie durch 
Saſſenay neu beqriindet. Man benutzte A. gu den 
verichiedenartiqiten Sweden, ju denen man jest viel | 











883 


benugt. Cine nene Cpodhe fiir die Wiphaltindujtrie 
wurde durch Merian in Bajel angebabnt, der zuerſt 
erwärmtes Ujphaltpulver auf die Strae ſchüttete 
und fiinjtlid) zuſammendrückte. Derartig hergefteltte 
Strafen werden feit 1868 mit dem A. des Bal de Tra- 
vers, von Seyſſel (Depart. Wisnes) und Raguſa (Si- 
zilien) qebaut. Der Verwendung des Wiphalts ijt die 
Unterjdiebung von SGurrogaten aus cingefodtem 
Steinfohlenteer fehr nachteiliq qewefen. Zum Nach: 
weis einer Verfälſchung von WU. mit Teer wird cin 
auf etwa 200° erbigtes Stic der Maſſe von etwa 1 g 
nad dem Abkühlen und ‘Bulvern mit etwa 5 cem Al— 
fohol von 80° in einem Reagensglas behandelt. Bei 
nur 2 Proz. Gehalt an Ped erhalt der Alkohol eine 
deutlich gelbe Farbung mit qriinblauer Fluoreszenz 
von oben geſehen. Farbung und Fluoreszenz nehmen 
an Intenſität mit Erhdhung des Pedhgehalts gu und 

eben endlid) ing Duntelweingelbe mit qriingelbcr 
Fluoreszenz über. Bal. Jeep, Der A. und feine 


Anwendung in der Technik (2. Aufl., Weim. 1898); 


Meyn, Der A. undfeine Spare i den Straßen⸗ 
bau (Halle 1872); Shubarth, Uber Aſphaltſtraßen 
(Berl. 1881); Dietridh, Die Aſphaltſtraßen (dal. 
1882); Malo, L’Asphalte (3. Aufl., Bar. 1898); 
Rovacs, Uber U., fem Borfommen, feine Verwen— 
dung 2. (Budap. 1901); »A.- und Teerindujtrie- 
geitung« (Berl., feit 1901). 

Siphaltdachs, |. Daiiparpe 

Aſphaltflechte, cin Flechtwerk aus Baumwolle re. 
mit geſchmolzenem Aſphalt imprigniert, wird als 
Iſoliermittel bei Bauten benugt. 

Afphaltmatlerei. Wis dunfelbraune Laiurfarbe 
hat der Wiphalt ſchon lange in der Malerei, befonders 
in Der altniederländiſchen, qedient; da er aber im na— 
türlichen Sujtand in der Olmalerei auswächſt und 
ſchmutziggrau wird, fo löſte man ihn in Weingeiſt, 
um ihn haltbarer zu machen. In neuerer Zeit iſt die 
A. wegen ihrer Unzuverläſſigleit jedoch aufgegeben 
worden. 

— — das Tote Meer. 

Aſphaltſtrafen, |. Straßenbau. 

Aſphaltverfahren, von Niepce um 1816 erfun— 
denes Reproduftionsverfabren, nach dem man cine 
Binfplatte mit einer Aſphaltlöſung überzieht und unter 
cinemt Regativ belidtet. Da der Aſphalt durd) die 
Velichtung unlöslich wird, fann man das Bild durd 
Walden mit Terpentinöl entwideln und die Platte 
sur Benutzung fiir den Dru agen. Cin nach farbiger 

orlage geſchaffenes Halbtonnegativ liefert, mit Ter- 
pentindl entwicelt, die veridiedenen Tonabjtufungen 
in ſehr feiner Aörnung, und cine auf Stein hergeſtellte 
Kopie läßt fic) wie eine lithoqraphierte Kreidezeichnung 
behandein. Val. Ul bert, Verſchiedene Reproduftions- 
verfabren (Halle 1900). 

Asphodélus ZL. (Aſphodill, Uffodilh, Gat: 


vortei{hafter Bement verwendet; aber uniibertrojfen tung der Liliazeen, Stauden oder einjährige Nrauter 
ijt Die Brauchbarkeit des Wiphalts fiir Straßen, Trot- | mit grundjtindigen, linealen Blattern, blattlofem 
toirs und Terrajjen iiber niedrigen Stocwerten oder | Blütenſchaft, qroken, meijt weißen Bliiten in Trau— 
Kellerbauten. Aſphaltmaſtix Wiphaltfitt), der ben und fajt fugeliqen Kapſeln mit meiſt einfamigen 
in Broten von 26h kg in den Handel kommt, ijt ein Fächern. Sieben Yirten in den Mittelmeerländern. 
maharong lage gra Gemiſch von Uiphaltitein und | Bon A. luteus L., mit gelben, woblriedenden Blü— 

ergteer oder jtatt des legtern einer Miſchung von | ten, in Sizilien und Griechenland, werden die jungen 
Trinidadajphalt mit Erdöl. Dieſe Miſchung bildet | Stengel wie Spargel gegeſſen. Die Wurzel war friiber 


den Goudron. Aſphaltmaſtix dient als Mörtel bet 
Wajjerbauten, sum Bekleiden der Wände von Waſſer 
behiiltern, feuchten Kellern, Wbtrittsqruben. Er wird 
aud) mit etwa 5—6 Broz. Bergteer und 60 Pro}. 
grobem Sand zuſammengeſchmolzen und als Guß— | 
afphalt zu Fußböden, Dachflächen, Iſolierſchichten re. | 


arzneilich und als Amulett im Gebrauch. Von MA. alhus 

Willd. (A. ramosus LZ. 3. T., ſ. Abbildung, S. 884). 

nit weißen Bliiten, in Siideuropa oft in qroker Zahl 

die Wielen ſchmückend, wurde die aufen ſchwarze, 

ſcharfe, bittere, an Stirfemehl und Zucker ſehr reide 

Wurzel gegeſſen (ſchon von den Pelasgern). Wan 
56 * 


884 
— ee ee ee ee 
in ®ranfreih ‘Languedoc, Ment fe pur Spiritus 


fabrifation. 100 Sit. Sait geben & 2. angenchm rie 
chenden Spiritus von 86". Ger den Griechen war 
diefe Art Der Beriephone (aud der Demeter) che ; 
man ſchtieb ibr - 
frafte zu und pilanyzte fie 
au? Graber. In dex Conic! 
wird bautig ber Aipbo- 
deluswieſen gedacht als 
bãlt. Wud die Javaner 
pilanyen und ĩtellen weißen 
Anm̃ odill auf Graber und m 
Beqrabrishallen. Der febr 
ſchieimreiche  Burzelitod 
von A. Kotschii (?) om Li⸗ 
banon und Antilibanon 
wurde unter dem Namen 
Nourtoali¥erugummt) 
alg Surrogat des Salep 
und als Klebemittel emp- 
foblen. Schwach gerditet 
(Bafforabin) wirderals 
Verdidungsmittel imZeug- 
drud benugt. Die Wurzel⸗ 
tnoflen von A. albus L., 
A. neglectus Schult., aud 
Die gan; verſchieden gebil⸗ 
dete Zwiebel von Lilium 
Martagon L(AAffodill-,Affolder-,Goldlilien- 
und Dredliltenwurjel) wurden frither als Arz— 
neimittel benützt. — — 

Afphyzie (qricch.), Pulsloſigleit, daher Schein— 
tod. Man nennt Sdeintote, namentlich wenn jie es 
durch Erjtidung wurden, Aſphyktiſche. A. der. 
Reugebornen, der Zujtand des Scheintodes, der | 
durch vorzeitiges Utmen des Rindes vor der Geburt be⸗ 
dingt ijt. Das alphyftiiche Rind bietet außer dem Her;- 
ſchlag fein Lebenszeichen, fann aber durd) geeignete 
Behandlung jum Leben juriidgerufen werden. Bei | 
ber — Form geniigen nach jofortiger Abnabelung 
Hautreize, Frottieren, faite übergießungen tm war- 
men Bade, bei der ſchweren Form tit vor allem künſt— 
lide Utmung anguwenden, Ausſaugen veridludten 
Waſſers aus der Luftrdhre und Cinblafen von Luft. | 

Aspidistra Gawi., Gattung der Liliajeen, Ge- 
wächſe mit auf der Erde auflieqendem Rhizom, qropen, | 
qeitielten, lanzettlichen, langdauernden Blattern, ein 
zelnen, 3. T. im Boden ftecdenden Bliiten und großen, 
fleiſchigen Beeren. Drei Arten im öſtlichen Aſien, von 
denen A. elatior Blume (Plectogyne variegata Link, | 
f. Tafel ⸗Blattpflanzen I+) int ſüdlichen Japan vine 
ſehr dauerhafte Zimmerpilanze iit. 

Aspidium Swartz (Schil dfarn), Farngattung 
aus der Familie der Polypodiazeen, über die ganze 
Erde verbreitete Gewächſe mit meiſt gedrungenem, 
ſtodartigem Rhizom, cin» und mehrfach gefiederten 
Wedeln und auf dem Rücken der Nerven ſtehenden 
Fruchthäufchen mit oberſtändigem, rundem, ſchildför⸗ 
migent, nur im Wittelpuntt angeheftetem oder nieren⸗ 
förmigem Schleierchen (ſ. Tafel »Farne I<, Fig. 10). | 
Von dew etiva 200 Arten find die meijten in den, 
Tropen heimiſch und nur & in Deutidland. A. Filix 
mas Swartz (minnlides Farnfraut, Farn- 
frautmadunden, Surmfarn, Baldfarn, Teu: | 
felstlane, Johanniswuryel), in Nordeuropa, | 
Aſien, Amerila, in feudten Waldern, mit groper, gee | 





bing —— 
Asphodelus albus. a Olite, 
b 


Vise reas Phe Einidaltung eines 


Aivborie — Aipirationzinjtrumente. 


* Redein. 3 Aoioni — 
Rethen von Arudthiuiden mut 
Sdlewr tragen. Dos Nhtjom ‘ Rhizoma Filicés) mm 
* Bedeibaten enthalt Hipwdei (_H,.0 
\farblote Sriitallblatden, lõstich in Wilfobol und 
Sther, imilʒt bet 136.5"), Filtriaure und Filicin. und 
ders Bandwirmer, angemendet. Webrere Arten von 
A. werden als 3 tim Sannbauiern kalti⸗ 
tert. A. Wallichii. 7. Tafel »>Farme I<, Fis 15. 
—— mat hel erage 

Aspi art. et Zucc., Gattung der 
Upocynazeen 


febr bartes Rughol; (Cuebrado), doch itammt des 
ide Cuebradhobol; von Schinopsis Balansae. 
45 Quebracho Schlecht. ſ. Tafel »Yirgncipfien- 
«, rig. 9. 
Aſpik (Fran;. Gelée d'aspic), Fleiih-, Fiidsiul; 
oder -Siilje; Aspic de volaille, de homard, Gefliigel, 
Hummer in Sul; oder Gallert. {mame}. 
Ajpinwall (oc. tirin-aas0, {. Colon (Stadt in Be- 
Aſpiraut (lat.), Bewerbder (um ein Mmt x); ¢. 
Cifijeraipiranten. 
Aſpirata (lat.), ein Laut, auf den ein Hanc folgt. 
3. B. das griechiſche ph (vgl. Lautlebre). Afpira 
sit Uusiprade; Hoffnung auf, Streben 


nad ; 

UAjpirationsinftrumente, Thermometer, Ho- 
eter und Pindrometer, die durch einen krãftigen 
‘uftitrom vor dem Cinflug ftrablender Wärme und 
vor der —— Wärme andrer Körper als 

der Luft geſchützt ſind. Cin unzurei⸗ 
chendes Aſpirationspſhhrometer fon: 
ſtruierte John Welſh 1852. Unabhan⸗ 
ig davon veröf— 
entlichte Aßmann 
1887 ein Qnitru- 
ment mit weientliden Vorzugen, das 
1892 unter Mitwirfung von Bartid 
von Sigsfeld und Fueß feine jesige 
Gejtalt erbielt. Die beiden Thermo» 
metergefäße des Pindrometers (). Ab⸗ 
bildung) fteden jum Schutze gegen 
ftrahlende Warme in je zwei zleich— 
adjigen, vernidelten Wejjingrobren 
cc, die augen und innen Hodglany 
politur beſitzen. Um die Wärmezufuhr 
moöglichſt zu verringern, erhalten dieſe 
Rohren ſowohl tunlichſt lleine Ware 
und Oberfläche, als auch thermiſche 







ſchlechten Wärmeleiters. Sie ind in 
die Elfenbeinringe dil eingeſchraubt 
und ſtehen durch Die Roͤhren ff, durch 
welche die Thermometer hindurch— 
gehen, mit Dem Rohr ¢ mr Verbin— 
dung. Auf diefem fist cin Zentrifu— 
qalajpirator t, bei dem die zwiſchen 
zwei fdjnell roticrenden Scheiben be- 
findliche Luft an deren Peripherie aus⸗ 
geſchleudert und aus ciner gentralen, 
die Drehungsachſe umgebenden Offnung der Scheibe 
die enttpeedzenbe Luftmenge nadgejaugt wird. Die 
Vipirationsideiben erhalten durch ein Laufwerk eme 
mittlere Gefdhwindigfeit von 20 Umbdrehungen in der 


Nfpirations: 
plodrometer. 


Afpirationsmajdine — Aſpirator. 


885 


Sekunde, und dadurch wird erreicht, daß jede horizon: | Zuflußrohr b eingeſchmolzen oder mittels eines durch— 


tale Luftſchicht des innern Umhüllungsrohres nur 
wiihrend 'z7 Sefunbde mit der Oberfläche desſelben in 
Berührung bleibt, fo daß die Erwärmung der Lujt 
durch die Maſſe des innern Rohres nur eine ganz un- 
bedeutende fein fann. Die Erwärmung des äußern 
Rohres durch direfte Sonnenjtrahlung überſteigt bei im 
Gange befindlicher Ufpiration in feinem Falle die Tem— 
peratur der umgebenden Luft um 3°, was ohne Cin: 
fluß auf den Stand des Thermometergefäßes iſt. Die 
Umdrehungsgeſchwindigkeit der Aſpirationsſcheiben 
von 20 in der Sefunde entſpricht fiir die Bewegung der 
Luft in den Umhüllungsröhren der Thermometer- 
gefihe einer mittlern Geſchwindigkeit von 2,3 m in 

r Sefunde. Cine Gefdhwindigfeit von 2 m in der 
Sefunde ijt ausreidend, wim dem Apparat ungefähr 
ebenſoviel Wärme zu entziehen, wie ihm durch Strah— 
lung in derſelben Rit zugeführt wird, während eine 
Verringerung der Geſchwindigkeit unter 1,7 m in der 
Sefunde fiir ftarfe Sonnenſtrahlung nicht mehr ge: 
niigt. Da die gewöhnlichen Pſychrometertafeln fic 
eine Luftbewequng von 0,8 m in der Sefunde bered)- 
net find, müſſen we flix das Aſpirationspſychrometer 
umgerechnet werden. 

Ujpirationsmafdine, ſ. Dampfmaſchine. 

Aſpirationsmeteorograph, von Aßmann fon: 
ſtruierter Apparat, der Luftdruck, Lufttemperatur und 
Luftfeuchtigkeit fortlaufend aufzeichnet, und deſſen 
empfindliche Teile, meiſt durch Seaiferantrieh aſpi⸗ 
riert find (f. Aſpirationsinſtrumente). 

Ajpirationsfyftem, ſ. Ventilation. 

Ajpirationswinde, Winde, die von dem in Ge- 
bieten niedrigen Luftdruds aufiteigenden Lujtitrom 
— werden. 

fpirator, Apparat zur Erzeugung eines Luft: 

ftromes oder eines luftverdiinnten Raumes. Der cin- 
fachſte A. bejteht aus einer grofen, am Boden mit 
einer ſeitlichen Offnung verſehenen Flajde, die nit 
Wafer gefiillt und oben mit einem Kork verſchloſſen 
wird, in dem ein knieförmig gebogenes Glasrohr ſteckt. 
Fließt Das Wajfer unten ab, fo tritt an deſſen Stelle 
durd das knieförmige Rohr 
Luft in die Flafde; wenn man 
aber mit dem Rohr Trocken— 
oder Ubdantpfapperate verbin- 
det, fo muß die Luft zunächſt 
durch diefe Apparate ſtrömen. 
Vorteilhafter benutzt man zwei 
Flaſchen (Fig. 1), von denen 
jede mit einem dicht unter Dem 
Kork endenden und einem bis 
auf den Boden der Flaſche rei- 
chenden Knierohr verſehen ijt. 
Man ſtellt die eine Flaſche hö— 
her als die andre, verbindet die 
beiden langen Röhren durch einen Kautſchukſchlauch 
und läßt die obere Flaſche ſich durch Heberwirkung in 
die untere entleeren. Vertauſcht man rechtzeitig die 
Plätze der beiden Flaſchen, fo wirkt der YW. ununter- 
brochen. Bei dem Dreh- oder Reverfionsafpi- 
rator find zwei durch Röhren miteinander verbun: 
dene Gefäße in cinemt drehbaren Geftell dDerartiq an: 
qebradt, daß das untere Gefäß leicht gum obern und 
das obere gum untern gemadt werden fann. Der 
Tropfajptrator (Fig. 2) bejteht aus einem ca. 
2 cm weiten, in eine Spige ausgesogenen Rohr a, 
das unten in eine 3—4 mm weite Rodbhre f auslauft. 
Yn dieje wird das gleidhweite Fallrohr angefest. In 
bas obere Ende von a ijt das mit f eta gleidweite 





Cinfader 


Fig. 1. 
Afpirator. 





bobrten Korks luftdicht und derartig eingeſetzt, daß 


i feine Achſe mit der von f mbglidjt zuſammenfällt. 


Das Seitenrohr d dient jum Anfügen 
eines Apparats, aus dem der Luft: 
jtrom in der Ridtung von e in den 
A. tritt, Man läßt durch b Waſſer 
einfließen, und zwar ſo langſam, daß 
es in geſonderten Tropfen e in den 
engen Teil des äußern Robhres tritt. 
Seder Tropfen befördert nun eine 
Quantität Luft aus dem Apparat, 
und durd d wird um fo fraftiqer cin 
Luftſtrom angejogen, je tiefer ſich das 
am YW. befeſtigte Fallrohr fortſetzt. 
Kräftiger wir bie Bunfenfde 
Waſſerluftpumpe (Fig. 3). Dieſe 
bejteht aus zwei ineinander ſtecken— 
den Glasrihren, von denen, die in- 
nere e unten in eine feine Ojinung 
ausläuft, Dagegen die dujere c dieſer 
Offnung gegeniiber einen furjen, ca. 
8 mim weiten Anſatz d und außerdem 
oben cin kurzes Zweigrohr w befigt. 
Wn erjtern wird das als Fallrohr dienende, 8 mm 
weite Bleirohr angefiigt, das, wenn eine möglichſt 
ſchnelle u. weitgehende Luftverdünnung ergielt werden 
foll, cine Höhe haben muß, 
welde die Des Waſſerba— 
rometers erbeblich über— 
trifft. Das feitlide Zweig⸗ 
rohr wird mit einem 
Wafjerleitungshahn ver: 
bunden. Das innere Rohr 
e fteht mit dem Mano— 
meter f und dem Gefäßeh 
in Verbindung, an weld) 
letzteres mittels des Gum⸗ 
miſchlauches gk der Ap⸗ 
parat iangeſchloſſen wird, 
deſſen —*9 

verdünnt 
werden ſoll. 
Die Ouetid- 
hähne a und 
b Dienen jur 
Regulierung 
des Waſſer— 
zufluſſes. Be- 
itzt das in den 
Apparat ein⸗ 

ſtrömende 
Waſſer den 

richtigen 
Grad von Ge⸗ 
ſchwindigkeit, 
ſo ſaugt es 
durch das von 
ihm umſpül—⸗ 
te Saugrohr 
Maſſen von 
Luft ein, und 
ſelbſt große 
Gefäße wer— 
den ſchnell bis 
zum erreich— 
baren Maximum evakuiert. Uber Wajjerjtrahtluft- 
pumpen f. Strahlapparate. — In der Medizin wen- 
det man Wipiration an, um franfhafte Fliiffigkeits- 





Fig. 2. Tropf⸗ 
ajpirator. 
















Fig. 3. Bunfens Mafferluftpumpe. 


886 


anjammlungen aus Körper 
Brujthdhle, zu entfernen. 1 


hle mittels einer Gohlnadel ein, die durch einen 
Schlauch mit einer Saugpumpe oder beſſer mit einer 


Flaſche verbunden iſt. Bei letzterer wird die Saugkraft 
durch Heberwirtung mittels Tiefitellen der Flaſche 
oder durch Schajfung eines Luftverdiinnten Raumes 
in der pertijlotienen Blaldee erzielt. 

Aſpirieren (lat.), hauchen, mit einem Hauch ſpre— 
chen; anſaugen; beim Rezitieren, Singen ꝛc. an un⸗ 
gehöriger Stelle Atem holen; nad) etwas jtreben. 

Aspirin (Acetylſalizylſäure) CLH,O, oder 


Afpirieren — Ajfabbai. 


Hhlen, bejonders aus der | pagna, Cujtojja und Volta bei; am 13. Aug Sffmese 
an ſticht in die betreffende | ihmt Brescia die Tore. Ynfang, 1849 jum 


mieiſter ernannt, erwarb er durch bie Critirmung vem 
Mortara (21. Marz) und m der Schladt bet Rowers 


(23. Mary) neue Lorbeeren. Wis Militarfomrmandext - 


in Parma vereinigte er fid) zur Yntervention tx Tos 
fana 10. Mai 1849 mit den andern diterreideieex 


| Truppen und nahm Livorno mit Sturnt. —— Chote: 
| 1849 erbielt er Das Rommando fiber Das 6. Vermeer 


CIL,CO.0.C,H,.CO,H, flee, weiße Kriſtallnadeln. 
Meſſina endigt. Das Gebirge tit raub und itarf be- 


idymect fdywady faiuerlidy, löſt ſich ſchwer in faltemt, 
leicht in heißem Waſſer und in Alkohol, ſchmilzt bet 
128° und wird durch Roden mit Natronlauge in ſeine 
Bejtandteile gefpatten. Wan benugt 
mittel bet Gelenfrheumatisnus, sfelrheumatis 
mus, Gicht, Ischias, Hexenſchuß, Bruſtfellentzün⸗ 
dung. Da es den Magen na 
und erſt tm alkaliſchen Darmſaft xc. geſpalten wird, 
ſo ee es nicht Den Appetit. 

Aspis, ſ. Brillenidlange 

—— romiſcher Rund child, j. Schild. 

Asp fee, ſ. Gdtafanal. 


Asplenium L. (Streifenfarn, Stridfarn, . 


Milzfarn), Farngattung aus der Familie der Poly: 
podiayeen, ſehr formenreide, fiber die ganze Erde ver- 
breitete Gewächſe mit efiederten oder ganzen Wedein 
(j. Tafel »Farne I<, aig. 17 u. 18), in abgebrodjenen, 
geraden Linien Raherbes Fruchthäufchen und jeit- 
warts mit dem ganzen dujern Rande dem Rerv an: 
gewachſenen Schleierchen (j. Tafel »Farne [1 «, Fig. 11). 
A. trichomanes L. (Athon, roter Widerton, 
rotes Frauenhaar), in ganz Europa an Feljen 
wadfender sierlider Farn nut dunfelbraunen Wedel- 
jtielen, an denen Die runden, kleinen Fiederabſchnitte rub 
m einiger Entfernung voneinander fipen. A. ruta 
muraria ZL. (Wauerraute), in Europa und Aſien an 
alten Mauern und in Felsrisen wachſend, mit fleinen 
Wedeln, von denen die untern cinfad) oder doppelt 

efiedert find, und wimperartig zerſchlitzten Schleiern. 


A. als Arznei⸗ herrl 


forps in Padua. 

Afprino, Weinſorte, ſ. Uverja. 

Afpromonte, der Vebirgsitod, mit dem der tado- 
briſche kriſtalliniſche Apennin an der owe 


waldet, reid an prächtigen Raturbildern umd beetet 
von ſeinem Gipfel, Dem 1958 m hohen Wortalte, ex 
ides Panorama dar. — Hier wurde Vo. ag. 


1862 Garibaldi vom italientiden Oberiten Ballere- 


u unzerſetzt paſſiert gq 





8 unfrer gemeiniten Farnkräuter, A. Filix fe- | 


bery tm Juni 1895 nahm A. feine Braris als Reches- 


mina Bernh. (weiblider Streifenfarn,falfaer 
Burmfarn), hat 0,3 - 1,25 m hohe Wedel mit ſpitz 
gezahnten Abſchnitten und hufeifenformig gekrümm— 


ten Schleierchen. A. negléctum Arst. und A. nidus 


Arset., das epiphytiſch auf Bäumen wächſt, ſ. Tafel 
W I<, Fig. 7 u. 18. 

Aſpre, Konſtantin, Baron OV. und Hoo- 
breud, öſterreich. General, geb. 18. Dey. 1789 in 
Vriijfel, geit. 24. Mai 1850 in'Babua, 2 Sobn des aus 
Ment ftammenden FeldDmaridallleutnants Karl dV. 
(qejt. 1NO9), trat L806 ins öſterreichiſche Heer, madte 
den Held ju pon 1809 mit, focht 1813 15 in Illy 
rien und Italien und bahnte bier 1815 durch den 
fiitnen Lberfall des neapolitanifden Lagers bet Mi 
guano den Weg ‘nad Reapel. 1820 machte er die Ex- 
pedition nad Heapel und 1830 als Oberit Die nach der 
Romagna nut; 1833 ward er als General nad Boh: 
men, 1X35 nad) Innsbruct, 1840 als Feldmarſchall 
leutnant nad Italien verſetzt und im Auguſt 1846 
jum Qonumandanten des 2. Yirmeeforps in Padua 
ernannt. Einen Streit zwiſchen Wilitdr und Studen 
ten unterdriidte er ftreng. Der Musbruc der Revo 
lution zwang ibn jum Rüchzug nad) Verona und von 
da nad Brescia. Wis Radesly die Offenſive ergriff, 
rite UW. 28. Wai 1844 in Wantua cit, befetite 10. Junt 


Vicenza und trug ju den Siegen bei Sommacam geſchüßten Hafen und fteht durch 


cini nad kurzem Gefecht mit ſeiner Scar gefanges 
enommen. 

Aſproniſi, Inſel, ſ. Santorin. 

Aſpropotãmos, Hauptfluß N 

—— Grensgebrrge 
nad) 185 kin langent, wad) &. 3S. 
liber Rephallinia in das Joniſche 
auf des A. und fein 3uiluz Dey dova entipredden 8 
ſammen dem Acheloos (j. d.) Alten. 

Aspull, Stadt in Lancaſhire (England), 4 km 
norddjtlid von Wigan, bat Baumwollfpmmeret, Rod 
lenbergbau und (1901) 8387 Einw. 

Asquith, Herbert Henry, engl. Politifer, ged. 
12, Sept. 1852 zu Morley, wurde 1876 Redtsarmalt 
in London. 1886 wurde er ing Un qewmabit, 
wo er fid) der liberalen Partei anidlo® und durch ber> 
vorragende Rednergabe auszeichnete. In dem 1s 
—— Proʒeß gegen die Fuhrer der iriſchen Bome 

rtei fungierte A. als Verteidiger Varnells umd 
tat ſich dabei — in ‘ber Wahibewequng von 188 
jo febr hervor, daß Gladſtone ibm, der bisher mie emm 
Staatsamt befleidet hatte, im Auguſt 1892 das Ir 
nifterium des Innern anvertraute, nachdem auf ſernen 
Antrag 12. Mug. das Mißtrauensvotum gegen dee 
fonfervative Regierung vom Unterhaus angenommeern 
worden war. Rad) dem Sturs des Miniſteriums Rote- 


anwalt wieder auf, blicb aber im Barlament einer ber 
nambaftejten Führer der liberaten Cypofition. 

Asra, arab. Volfsitamm, ſ. Beni Usra. 

Aſrak, Bahr el, ſ. Ril. 

UAffab, ſ. Aſſabbai. 

Aſſaba (Ujaba), militäriſches Hauptauarticr der 
Royal Niger Company, am rechten Nigerufer, mrt 
engliſcher proteſtantiſcher Miffionsitation. 

ſſabbai, Bucht an der Siidweitfiijte des Noten 
Weeres, unter 12° 50° nordl. Br. und 3x° Lor tL LL 
(f. Marte ⸗Agypten x.“), an der 1870 die italienside 
Danrpfergefellidaft Rubattino einen Memen Miiften- 
jtrid erwarb und ibn 18800 an Die ttalieniide Regie- 
rung abtrat. Diefe nahm von der Bai, den vorliegen⸗ 
den Inſelchen Omm ef Bachar und Nas er Ramil und 
einem 4 km langen Küſtenſtrich Befig und beqritndete 
damit Die Kolonie Eritrea, nachdem 1884 Die Ridite 
bis Nas Dermab, 1885 bis Maſſaua und 1889 nord- 
wirts bid Ras Rafar, 18° 2 ndrdi. Br., von Ntalien 


‘erworben war. Der Ort Aſſab mit Sdn) Cin. (Ara · 


bern, Afar, Somal, Juden, wenigen Italienern im 
Oder, völlig wafferlofer Gegend. bat ber dem | km fad- 
licher qelegenen Dorfe Buia einen —— wobl- 

gyptiſche und ua · 


————egg 


Aſſagai — Aſſam. 


lieniſche Dampfer mit Maſſaua und andern Häfen des 
Roten Meeres, durch Rabel mit Maſſaua und Perim 
in Verbindung. Die Einfuhr (Mehl, Salz, Seife, 
Zucker, Baumwolle, Gewebe, Tabak) betrug 1892: 
2,7 Dill. Me, die Ausfuhr (Perlen, Perlmutter, 
Elfenbein, Goldjtaub, Haute und Felle) 3,4 Mill. Me. 
1. Licata, Assab e i Danachili (Wail. 1885). 

flagai(Zagai), Waffe der Hottentotten, Kaffern 
und Bet}djuanen, mit einem 1,25—2 m langen Shaft 
aus Daffagatenso'g (von der Kornazee Curtisia fagi- 
nea), der an der Spige fingerdied ijt, nad) unten bis 
ju Federkielſtärke verlauft und cine 16—48 cm lange, 
* am Sdaft3—6 cm breite, zweiſchneidige eijerne Klinge 
trägt, die meijt Durch Pflanzenſtoffe vergiftet wird. De 
Waiie wird auf Entfermungen von 30 —40 m gewor- 
fer. Die Klingen dienen aud) als Dolce, Meſſer und 
Tauſchmittel. 

Assai (ital. »geniigend, ſehr«), wird ber Tempo— 
bezeichnung von Tonſtůcken als Verſtärkung beigefügt: 
Adagioa., —— langſam; Allegro a., ſehr ſchnell. 

ai, Beerenmus, |. Euterpe (Kohlpalme). 

Affal (Aſal), ſalziger Kraterſee im Land Adäal, 
14 km von Der Tadſchurrabai, 14 km fang, 6 km 
breit, 174m unter dem Meer. Aus feinem tiefblauen 
Spiegel erhebt fic) bet niedrigem Wafferjtand ein flei- 
ner tiongfegel. Wn feinen Ufern gewinnt man 
bedeutende Salzmaſſen fitr ben Handel mit Abeſſinien. 

Assala, ſ. Tigerjdlange. 

Affam, Proving des britifd)-ind. Kaiſerreichs 
(f. Karte »Ojtindien«), begrengt von Bengaten, Bhu- 
tan, Tibet, Oberbirma und Manipur, zwiſchen 24— 
28° 17’ nördl. Br. und 89° 45‘—97° 5’ dtl. V., um⸗ 
faßt mit Lufhai 189,200 qkm. Wn der Nordgrenje 
zieht fic) das ungefunde Waldgebict des Tarat hin, 
dann folgt der Brahmaputra, defjen breites Tal den 
norbdliden Teil in qo er Lange durchzieht und meijt 
erjt in bedeutender Entfernung von dent vielverzweig⸗ 
ten, —— Flußbett bewohnbar iſt. Unter ſeinen 
—— ebenflüſſen ſind 62 ſchiffbar. Die von 

. nad) O. ziehenden Garo⸗ und Khaſiberge (Schil— 
long Peak 1970 m) bilden die Waſſerſcheide gegen die 
Surmah und den Barak, die der Megna zugehen. Im 
MO. bildet das Patkoi- oder Poagebirge die Grenze 

egen Oberbirma. Kriſtalliniſches Urgebirge, obere 
eide und Tertiär ſowie in der breilen Ebene des 
Brahmaputra quartäre Bildungen ſetzen den Boden 
von A. zuſammen. Das Klima iſt bis auf die fumpfi- 
gen Riederungen nicht ungefund; die ntittlere Jahres- 
temperatur ijt 23—24° (Minimum Januar 15—17°, 
Maximum Auguſt 28-— 29°, mittlere Jahresextreme 
36 und 8°). YW. hat regelmagiqe Gommermonfun- 
regen, aud Frithlingsregen. Die jährliche Regenmenge 
beträgt im Mittel 3690 mm, Minimum 1750 mm bei 
Wauhati, Maximum 12,090 mm bei Tſcherrapundſchi 
im MKhaffiagebirge, lestered ijt die größte befannte 
Regemmenge überhaupt; oft fallen dort an einem Tage 
über 500 mm Regen (etwa drei Viertel der Jahres— 
menge in Deutfdland). Dieſe Regenmaffen verdanfen 
ihren Urſprung dem auffteiqenden, mit Wafferdampf 
reid) beladenen Monſun. WU. ift vielleicht die pflan- 
zenreichſte Gegend Indiens. Ausgedehnte Walder 
von tropiſcher uͤppigkeit bedecken die Berghänge. Ym 
häufigſten iſt der Salbaum (Shorea robusta), dann 
die Geſpinſtpflanze Careya (Myrtazee), zahlreiche Aka⸗ 
zien, der Gummibaum (Ficus elastica), der Siſſoo 
(Dalbergia Sissoo) und der Tielbaum (Tectona gran- 
dis). fommt didjtes Unterhol; von Lorbeer- 
büſchen und Maqnolien, wahrend Rotangarten (Cala- 
mus) die tropifdjen Lianen vertreten. Wud) ijt hier der 


887 


Teeſtrauch wild gefunden worden. Viele Waldbäume 
verlieren in den heißen Monaten ihr Laub. Die Pal- 
men find mur vertreten durch Caryota urens, Walli- 
chia, Calamus, Phoenix silvestris und humilis. Sei- 
ner Fauna nad gehört W. zur orientalijden Region. 
Walder und Didangeln find lohnende Ja dgriinde. 
Zu nennen find Tiger, Leoparden, Biiffel, Hirſche, 
Rhinozeroſſe, Clefanten (deren Fang Regierungs- 
monopol ijt), Gazellen, Bwerghiride, wilde Pfauen 
und Hühner. Un Mineralien, vornehmlich Eiſen, 
Rohle (Lager auf 40 Mill. Ton. geſchätzt) u. Kalkſtein, 
ijt Das Land reid). Zur Uusbeutung der Kohlenlager 
im NO. find Eiſenbahnen von Dibrugarh (wo aud) Pe- 
troleum vorfommt) nad Sadya und Dſchaipur erbaut 
worden. Wud) findet man etwas Gold im Schwemm— 
land. Die Bevölkerung betrug 1901: 6,122,201 
Cinw., wovon etwa 3 Vill. Hindu, 11/2 Mill. Mo- 
hammedaner, 17,000 Chrijten, 9000 Buddhijten und 
1 Mill. Heiden. Bon den zahlreichen, ziemlich rohen 
Stimmen find die Katſchari, Naga, Khafi, Garo und 
Mifir die bedeutendjien. Das Außere der Bewohner 
von A. erinnert durch das platte Geſicht, die hervor- 
tretenden Backenknochen, die fleine, ſtämmige Geftalt 
an die Chinefen, doc) ijt die Sprache der bengali- 
fchen verwandt. Die jet ſehr geförderte Bodenfultur 
hat eine jtarfe Urbeiterbevilferung aus Bengalen ins 
Land gejogen. Für die Uusbreitung de3 Chrijten- 
tums jorgen englifde und amerifanijde protejtanti- 
ſche Gefellfchaften fowie die fatholifche Miſſion. Die 
Volksbildung fteht nocd auf niedriger Stufe. Rach 
dem Renfus von 1891 fonnten leſen und fdreiben 
162,553 Manner und 5761 Frauen; zugleich wurden 
2641 Schulen von 68,315 Schiilern und 4680 Schüle⸗ 
rinnen befucht. Es erfdeinen vier Zeitungen in A. 
Der Ackerbau erzeugt hauptſächlich Reis, dann Senf, 
Hülſenfrüchte, Zuckerrohr, Mais, Kartoffeln, Tabak, 
Baumwolle, Tee. 1890 waren 92,415 Heftar mit Tee 
—— die jährliche Ausfuhr überſteigt gegenwär— 
tig 3 Mill. Pfd. Sterl. Die In duſtrie liefert nur 
grobe Seidenzeuge aus heimiſcher Seide, Baumwollen⸗ 
eug, Meffing- und Töpferwaren, Elfenbeinſchmuck⸗ 
aes u. a. r Handel mit Bengalen benutzt faft 
allein die Wafferwege; die jährliche Ausfuhr (Tee, 
Genf- und Leinfamen, Bauholz, Baunuvolle, Kalk— 
fteine und Ralf, Reis, Lad, —88 Jute) überſteigt 
3,6, die Einfuhr (Induſtrieerzeugniſſe, Salz, Zucker, 
Eiſen, Meſſing, Kupfer u. a.) 1,7 Mill. Pfd. Sterl. 
Dem Verkehr dienen gute Straßen, jene wenigen 
Eiſenbahnen und die Dampfſchiffahrt auf dem Brah— 
maputra. Die Verwaltung liegt in den Handen 
eines Chief-Commtiffioner, unter|tiigt dDurd cine Po⸗ 
lizeitruppe von 1529 Mann und 4 Regimenter Infan⸗ 
terie. Die Cinfiinfte betrugen 1899/1900: 14,644,426, 
die Uusgaben 10,083,450 Rupien. Regierungsfig iſt 
Shillong. — A., in der alten Geſchichte Indiens 
RKRamaripa genannt, bildete im 7. Jahrh. n. Chr. 
ein brahmanijdes Königreich; im 15. Jahrh. zerfiel 
es in zwölf fleine Staaten, und trog innerer Kämpfe 
leijtete e3 den Wngrijfen der Mogulfultane von Hin- 
doſtan Widerjtand. Anarchie veranlafte 1815 Radſcha 
Tidandrafanta, die Birmanen, die unter Schembuan 
fon einmal (um 1770) YL. beſetzt batten, gu Hilfe gu 
rufen; diefe festen ihn wieder cin. Wher 1824 wur- 
den die Birmanen durd die Englander vertrieben, die 
fic) im Frieden von Ava 24. Febr. 1826 W. abtreten 
ließen. Seit 1874 ijt A. von der Präſidentſchaft Ben— 
galen abgetrennt und ſteht unmittel bar unter dem Vises 
fonig. Bgl. Fler, Pflanzerleben in Indien (2. Aufl., 
Berl. 1875); Bif hop, Sketches in A. (Malfutta 1885); 


888 


Hunter, Statistical account of A. (Lond. 1880, 
2 Bde.); »Census of India 1891. Assam« (Sdillong 
1892, 2 Bde.) und namentlich die jetzt jährlich ver- 
dffentlidten » Reports of the Administration« (Daf.). 

Uffamar fred pat ap der jedenfalls nidt ein⸗ 
heitlide Stoff, der beim Röſten und Braten der Nah— 
rungsmittel pie ae denfelben den angenehmen 
Rditgeidmad veri 

ami, —5 ant Aſſam, 1881 von 1,361,759 
Menſchen geiprocen, cine Tochterſprache des Sans- 
frit mit cigner, aber Diirftiger Literatur. Grammatif 
von Brown (1848), Worterbud von Bronjon (1877). 

Affaudun, Schlachtort, ſ. Aſhingdon. 

tear Aſanen. 

Aſſanieren (aſſainieren, fran}., for. affan-), nach 
den Regeln der Hygiene einrichten, geſund machen, 
z. B. ia⸗ Eigenſchaften des Bodens durch Drai 
none befeitigen. 

Haph, Sang: und Mufitmeifter Davids, dem bei 
der Sammlung der Pſalmen Pſ. 50 und 73 - 83 zu⸗ 
geſchrieben wurden. 

MAffaffin (frany., jor. fing), um Geld ——— 
Meuchelmörder; Uffaffinat, Meucelmord 
ditenmord; Uffaffinator, Unitifter zu einem Meu—⸗ 
chelmord. Das Wort, im Franzöſiſchen des 12. Jahrh. 

uerft gebraucht, ſtammt aus dem Arabiſchen (j. Aſ— 
* 

Affaffinen (Aſſaſſiden, Aſſaniten, Haſſe— 
finen), politiſch-religiöſe Selte der Mohammedaner, 
die während der Kreuzzüge zwei Jahrhunderte lang 


in Vorderaſien eine furchtbare Rolle ſpielte. Sie ſind 


cin Ableger der Ismaeliten (ſ. d.); ihe Stifter war 
pes) ein fanatifder Schiite aus Rai (beim jetzi 





Aſſamar — Ajjeln. 


anzuknũpfen; bald sete zeigle fich die Unvertrisinh 
feit Der beiderſeiti en, und 1152 marke 
erg enw w *  Tripotis, von den & cruzer 
In Perjien trat 1162 Haſſan IL am bir Spege 
bea ex tat 1164 den gefährlichen Scbrett, feeb mete 
mehr als Rertreter des verbo orgenen Imam⸗ (Set 
gionShauptes), fondern als Imam felbit ja pretic 
mieren und gleichzeitig die Lehre von der 
ded islamiſchen Geſetzes offenbar yu machen 
gutglãubige Anhãnger wurden dadurch trre; Dowd Star 
ben die Mimmer nod furdtbar. 1256 madre dex 
—— Hulagu dem Treiben der VW. in Berieew ox 
In Syrien hatte feit 1169 der Bertreter des 
—— Räſchid ud-din Sindn, feo > 


ſtãndig gemadt ; in Kriege mit Moslems und Cherie 


wußte er fid) betden furdtbar 3 maden, fo dek iibe 








en Teheran), der feit 1081 in Perjien eine Anzahl 
trägt Die Ruinen der 1258 jeritdrten Uffeburg, des 


Glaubenseifriger Jünglinge um fich fammelte, die er 
u ſchwärmeriſcher Begeiſterun 
shang Fidäwi (rein fid Deleaterct, cin Name, 
der ihre — 9% andeutet, fiir die Ausführung 
der ihnen erteilten Befehle ihr Leben einzuſe 

Crden jerfiel in mehrere Grade; an der Spitze ‘ftand 
der Scheich ul Didi bal, was die Ubendlander mit 
Vetulus de montanis oder der Ulte vom Berge 
liberfepten. Lehre und Organijation waren die der 
Ismaeliten; nur hatte Hajjan, wm die Unterwürfigkeit 
der Genoſſen unter die Obern yu blindem Gehorjam 
ju fteigern, cin teufliſches Mittel erfonnen. Aus den 
Blattern der Haſchiſchpflanze (des Hanfes) wurde nam 
lid) cin ftarfer Tranf bereitet, um damit die Jüng— 


linge yu betduben, Die in dieſem Zuſtand an einen 


Crt, wo alle Reise des Sinnengenuſſes threr warteten, 
gebracht, nad) wenigen Tagen aber auf dieſelbe Weife 
wieder von Dort entfernt worden fein follen. 
glaubten dann bereits Die Freuden des Paradieſes ge: 
noſſen zu haben, und, von Sehnſucht nad ähnlichen 
Meniijien getrieben, gaben fie gern ibr irdiſches Da 
fein Dabin. So waren fie die willenlofen Werlzeuge 
ihrer Obern und veriibten jede blutige Tat auf deren 
Befebl. Wis »Hanfeljer« nannte man den Fidäwi 
aud Hafdichafdt; daraus haben die Franfen Aſſaſſin 
gemacht. 1090 iiberrumpelte Haffan das Schloß Wla- 
mut tn Berfien, von wo aus er nad und nad eine 
Wenge Fejtungen in Farfijtan, Chorafan, Syrien 
und bejonders tm Libanon in feine Gewalt bradhte. 
Die VW. yablten bereits 60,000 Köpfe; vergebens be 
fimpfte fie Sultan Melikſchah. Hafan ftarb Ende 
Auguſt L124 finderlogs. Unter feinen Nachfolgern tru- 
gen die A. Durch fortgefepte Kriege und 
jum Berfall des Seldichufenreiches bei. Mit den Für 
ſten der Kreuzfahrer ſuchten fie anfangs Besiehungen 


ordtaten | 


zu erregen wußte, die | 





= 
Sie | 


Saladin ihn 


ulegt gewahren lies. Er frard Lise. 
nad feinent 


ode wurden die A. m Soren meeder 
von den perſiſchen Oberhauptern abbangrg. 


| Die Mongolen hielten fic) einige ihrer —— 


dem ãgyptiſchen Mamelucenſultan Baibars dera 


| ten fie nicht zu widerjtehen, 1273 fiel thre lepre Aefte 


Sore bis jetzt in Syrien, Berfien und bis Indien an. 
ter Dem Ramen der Ismaeliten erhaltenen Rete jexd 
harmlofe Seftierer. ‘Bgl. Defrémery im »-Joursal 
asiatiques (1554 —60); Guyard (ebenda, 1877} 
Die A. find im Abendland —X vicler Sages 
und Romane geworden; ſſaſſin 
Sidhe, Flecen in ce belg. Brovin, Brabext. 
Yrrond. Brüſſel, an der Staatsbabniime Sraiict- 
Dendermonde, hat (1900) 7883 Cimuw., die lebboften 
Handel mit Getreide, Hopfen x. tretber. 
Wife, bewaldete Hiigelfette im Braunichweigiiden. 
ſüdöſtlich von Wolfenbiittel, 224 m hoch. Erne sMuppe 


Stammobaufes des ——— — jest nee ter 
ſchlechts. Auf der A. cin Bisma 

Aſſekurant, Verjicerer, ſ. Verjicherung. 

bos hl a (fat.), — d.). 

Aſſekurat, Verjicerter, f icherun 

Affeturationseid, Der Huldiqungsetd ) oe 
Uuslander, die im Inland Grundvermögen erparder 
(Landfafjen, Forenfen), dent Landeshervn zu lerſten 
batten. 

Affel, Kirchſpiel im preuß. Reghe;. Stade, reat 
Mehdingen, in der Elbmarid, an der Kehdinger Krewe 
bahn, hat eine evang. Mirde, ein Nebenjollamt L 
Biegelbrenneret und (1900) 2854 Einw. 

Aſſeln (Iſopoden, Isopoda, »Gleichfiaer<). 
Gruppe der Ringelkrebſe. Ihr Leib rit m der Reget 
von oben nad) unten zuſammengedrückt (7. Zatet 
»Mrebstiere I<). Die Beine des Brujtabidnitts be 


‘Jigen Rrallen, find alfo jum Gehen eingerichtet, dec 


ahnliche Umgeftaltung erfabren. 





Beine des Hinterleibes find breit, dienen alfo gam 
Schwimmen, auferdem find leptere mit Remenandan 
gen verichen, Die bet Den Landaijeln eine belomdere, 
fiir Das Leben in (feudter) Luft — lungen 

Inter Den jabirn 
chen Familien find die widhtigiten: be Sderen: 
affetn(Tanaidae) mit ftarfer Schere am eriten Brault 
beinpaar; die Fif dh yeden(Cymothoidac), Berafiten 
auf Der Haut oder in Der Wundhdbhle von Ariden, 
witterig, unter ibnen die griften Vt. ( Bathynomes, 
aus 2000 m Tiefe, wird ber 20 cm lang und 10 ee 
breit); Die Rugelaffeln(Sphaeromidac) formen fied 
wie Jae! zuſammenrollen; die Wafferaffelm (Asel- 
lidae); Die Binnenaffeln (Entoniscidac), dard 
Paraſitismus in Krebſen bis yur Unkenntlichkeit ent. 


ſtellte W.; endlich Die Qandafieln (Oniscidac). Su 





Aſſeln — Aſſertion. 


den Waſſeraſſeln, die meiſt im Meer wohnen, ge: | 


889 


Assemblée (franz., fpr. aſſangble), Verſammlung, 


hört die Bohraſſel (Limnoria lignorum), höchſtens Geſellſchaft, insbef. eine glänzende Abendgeſellſchaft, 


4mm lang, erſt ſeit 1797 bekannt, richtet an den bol: 
ländiſchen und —— Küſten durch Benagen des 
aber unter Waſſer Schaden an. Die gemeine 

afferaffel(Asellusaquaticus L.,j. Tafel »Mrebs- 
tiere I1<), fiber 10 mm fang, mit gang flachem Kör— 
per, griinlidgrau, lebt in Teichen und Landfeen und 
flettert an Wafjerpflangen herum. Die Landaſſeln 
leben meijt an feudjten, Duntpfigen Orten, voriviegend 
auperhalb der Wendefreife, aber 3. T. durch Verſchlep— 
pung faſt fosmopolitijd. Die Relleraffel (Meller: 
eſel, Oniscus scaber Latr., ſ. Tafel »MrebStiere II«), 
iiber 10 mm lang, mit eiförmigem, flad gewölbtem 
Körper, matter, grauer Haut, lebt in Kellern, an 
Mauern, in Gewächshäuſern, unter Brettern, Stei- 


nen 2¢., meiſt gejellig und wird durch Benagen von | 
Objt, Wurzeljtiden, Keimlingen und Bliitenteilen | 


ſchädlich. Man fängt fie durch Auslegen von Kartof- 
fel-, Mohren-, Kürbisſchnitten, hohlen Stengeln rc. 
Sie wird als BVolfsheilmittel benutzt. Die Rollaffel 
(Armadillo officinalis Brandt), 20 mm fang, mit 
zuſammenrollbarem Körper, glatt, olivenbräunlich, 
gelb gefleckt, in Südeuropa und im Orient, war frü— 
her ein vielgebrauchtes Arzneimittel (Millepedes). 
Aſſeln, Dorf im preuß. Regbez. Arnsberg, Land- 
kreis Duisburg, an der Staatsbahnlinie Welver-Duis- 
burg, hat eine evangeliſche und eine fath. Kirche, Stein: 
fohlenbergbau und (1900) 5032 Cimp. 
MUffelfpinnen (Pantopoda), ſ. Bantopoden. 
Affeltyr cpr. stain), Jan, wegen feiner verwachſe 
nen Hand Crabbetje (kleine Krabbe«) genannt, 


hollind. Maler, geb. 1610 zu Dieppe in Franfreid, | 


eft. 1652 in Unijterdam, Schiiler des Efaias van de 
Velde, hielt fi lange in Rom auf, wo Peter van Laar 
jein Borbild in Behandlung der Figuren und Claude 
Lorrain in der Landſchaft wurden. 1651 lie} er fic 
in Umjterdam als Biirger aufnehmen. Cr war na: 
mentlid) Landſchaftsmaler, pflegte aber aud) Die 
Schlachten- und Tiermalerei. Seine Landfdjaften, 


zumeiſt Motive aus Atalien, zeichnen fic) durch cine | 


reidje Kompoſition, flare und ſcharfe Beleuctung und 
eine vortreffliche Staffage aus. Werke von A. beſitzen 
bas Louvre in Baris, die Muſeen in Brüſſel, Dresden, 
Amſterdam, Miinden und namentlich die Akademie 
3u Wien. Rembrandt hat fein Portrait radiert. 
Aſſemani, 1) Joſeph Simon, beriihmter Orien- 
talijt, geb. 1687 3u Tripoli in Syrien aus einer Ma- 
ronitenfamilic, jtudierte in Rom, unternahm dann 
Reijen durd Lignpten und Syrien, auf denen er zahl⸗ 
reiche orientalijde Handſchriften xc. fiir die vatifani 
ſche Bibliothef jammelte, und jtarb 14. Jan. 1768 





in Frankreich Bezeichnung für die Volfsvertretung, 
3. B. A. nationale constituante 1789 bis September 
1791, A. législative 1791— 92. A. nationale wird 
in der franzöſiſchen Verfaſſung von 1875 die Ver: 
einigung der Deputiertenkammer und des Senats ge- 
nannt. A. galante bie} die von Richelieu unter Lud- 
wig XIV. au Rueil erridtete Ufademice der Liebe. 
fren, Dauptitadt der niederlind. Proving Drenthe, 
an der Staatsbahnlinie Meppel-Groningen und ant 
Drentidhe Hoofd-Ranal, der durch die Schmilde nad 


| Meppel führt, hat ein Gymmafium, eine höhere Bür— 
geridule, Bezirtsgeridt, Handelstammer, Muſeum 


(Witertiimer) und (i900) 11,329 Einw., die Landbau, 
Handel und Torfgräberei treiben. In der Nabe find 
die fogen. »Hiinenbetten von A.«, Refte vorgeididt- 
licher, aus gewaltigen Steinblicen erbauter Graber, 
die einſt mit Erde bedectt waren. 

Affenheim, Stadt in derheff. Provinz Oberhefjen, 
Rreis ——— am Zuſammenfluß der Wetter und 
Nidda und an der Linie Friedberg-Hanau der Preu— 
ßiſchen Staatsbahn, hat eine evang. Kirde, eine Syn⸗ 
agoge, ein Schloß des Grafen Solms-Rödelheim, 
eine große Kunſtmühle und (900) 970 Einw. 

Aſſens, Hafenjtadt auf der din. Inſel Fiinen, Unt! 
Odenfe, am Kleinen Belt und an der Staatsbahniinie 


| Tommerup-VW., mit (901) 4665 Einw. und einer Deut: 


ſchen Ronfularagentur. — Am nabelieqenden Orne- 


bjärg (> Dchienberg«) 11. Juni 1535 Sieg des Danen- 
fonigs Chrijtian III. über Die Unhanger Chrijtians IL. 
und die Liibecter unter Graf Chrijtoph von Oldenburg. 

Affentieren (lat.), zuſtimmen, militäriſch foviel 


“wie tauglich erflaren; UWifentierung, in Oſterreich 
| Refrutenaushebung. 





als Rujtos der lestern. Sein Hauptiwerf ijt » Biblio- | 
theca orientalis Clementino-Vaticana« (Rom 1719 
bis 1728, 4 Bde.), die orientalijden Manuftripte der 


genannten Bibliothek behandeind (deutider Auszug 


von Pfeiffer, Erlang. 1776, 2 Bde.). — Sein Neffe 


Stephan Evodius A., feit 1768 Kuſtos der Vati— 
cana und Ersbifdof von Apamea, jtarb 24. Nov. 1782. 
— Gin andrer Neffe von W., Jofeph Aloyſius °A., 
ward Profejjor der orientaliſchen Spraden in Rom 
und jtarb daſelbſt 9. Febr. 1782. 


2) Simon, Berwandter der vorigen, gleicfalls | 


hervorragender Orientalijt, geb. 20. Febr. 1752 in 
Tripoli, jtudierte in Rom, ward 1785 Profeſſor der 
orientaliſchen Sprachen in Badua und jtarb dafelbjt 
8. Upril 1821. YW. ſchrieb namentlich: »Catalogo dei 
codici orientali della biblioteca Naniana« (Padua 
1787— 92, 4 Tle.). 





| 


Aſſer, israclit. Stamm, f. Wider. 

Affer, 1) (Aſſerius Menevenfis) Brite aus 
Wales, fam 885 an den Hof Wifreds d. Gr., deſſen 
Lehrer er wurde, war Abt mehrerer Klöſter, zuletzt 
Biſchof von Sherborne, wo er 910 ftarb. YW. ſchrieb 
Alfreds Leben: » Annales rerum gestarum Aelfredi 
magni« (in den » Monum. histor. brit.«, Yond. 1848). 

2) Tobias Midact Carel, niederlind. Staats: 
mann, geb. 28. Upril 1838 in Amſterdam, wurde 
1862 Brofejjor der Rechte am Athenäum, 1876 an 
Der Univerſität Amſterdam (bis 1893). 1875 wurde 
er Minifteriatrat im Auswärtigen Amt und bewahrte 
fid) hier alS Nenner des internationalen Rechts, na: 
mentlich ded privaten. Seit 1893 ijt er Mitglied des 
niederlandifchen Staatsrats. Die niederländiſche Re- 
qierung ordnete ihn wiederholt zu imternationalen 
Diplomatifden Konferenzen ab: 1899 zur Haager 
Hriedensfonferens, 1900 jum Urbitragebof im Haag ; 
auch ausländiſche Mächte erbaten bei mternationalen 
Dijferengen wiederholt feinen Rat. Er ſchrieb: »Le 
duché de Limbourg et la Confédération Germa- 
nique< (Haag 1863); »Schets van het nederlandsche 
handelsrecht« (9. Ausg., Paarl. 1901); »Schets van 
het internationaal privaatregt« (Daf. 1879; deutid), 
Berl. 1880; auch in mebhrere andre Spraden tiber: 
jest); »Studién op het gebied van recht en staat« 
(Haart. 1889); »La codification du droit internatio- 
nal privé« (Bd. 1, Daj. 1901). —— 

Aſſerieren (lat.), mit Beſtimmtheit ausſagen, be- 

Aſſermentieren (franj., fpr. anangt-), eidlich in 
Pflicht nehmen, vereidigen. 

Uffertion (lat.), Behauptung, Rerjiderung ; ins 
befondere im römiſchen Redht in Bezug darauf, ob 
jemand cin Sflave oder freier Warn fet. 


99 


BhertoriiG Sc 
‘ectorsig@er E:b. 
om 


. veradernd. Hi 


WMierpat (at), en Ghegemitand, be 
foubers im ber Geridnsiprade in Simliaden eme zu 
ben Vitten aAberreicne lirfunde ober en bem eric: 


fibrung ober em fonitiger 
Vmslingien vorgefunbener Gegenitand, 
ridfshanben genommen worden tit. 


, Regierungs , Mreis-, Gerichts, Bergamts-, 
Medyinal-, Polixer , Magritrats , Fyoritaijeworen x. 
Had bem preußiſchen Geiey vom 6. Wat 14% und 
bem Lorain deat omagog pom 22. Aug. 1579 wird 
ber Heferendar, nach bem er cine vierjabrige Borberei 
lungs zeit im praftiidhen Dienit bet den Gerichten eriter 
und zweiter Inſtanz, bei ber Staatsanwaltidaft und 
bei ben Rechtsanwalten und Notaren guriidgeleqt bat, 
yur zweiten, fogen. großen Staatépriifung (Uieffor: 
eramen) sugelaijen. Nad) beftandener Priifung wird 
cr jum téaffelfor ernannt. In der Berwaltung 
erfolgt die Ernennung jum Regierungsafjeijor gemay 
tt et “na Mefes vom 11. Mars 1879, nachdem 
ber Wetreffende die erſte jurijtifde Prüfung beitan 
ben, giver Jahre bei ben Gerichtsbehörden gearbeitet | 

t, fobann sum Reqierungsreferendar ernannt, zwei 
Jahre in ber Berwaltung tatiq geweſen ijt und als 
dann das zweite Cramen ——— hat. 

Aſſibilation (lat.), die Verwandlung eines Gut⸗ 
turals, auf den i oder j folgt oder folgte, in einen | 
Ziſchlaut. Seiner Natur nad berubt diefer Laut. 
wechſel auf Aſſimilation (f. d.). Cin Beifpiel bietet | 
lateiniſch faciat (bis in die Kaiſerzeit fakiat qeiproden), | 
woraus italienifd) faccia (co wre tech), portugieſiſch 
faca (fassa geiprodien) franzbſiſch fasse. — Wifi- | 
bilieren, ziſchend ausipreden. 

Wifidieren (lat.), beijigen. 

Aſſiduität (lat.), Ausdauer, Beharrlichkeit. 

Aſſiento (ſpan. asiento), »BVertrag, Aklord⸗, be 
ſonders der Vertrag, durch den fremden Staaten von 
der ſpaniſchen Regierung auf eine beſtimmte Anzahl 
von Jahren gegen eine gewiſſe Abgabe der alleinige 
Handel mit Negerſtlaven aus Afrika nad) den ſpani 
ſchen Kolonien in Amerila zugeſtanden wurde. Mart V.“ 


erteilte flamiſchen Schifſern 1517 das Vrivilegium, 


allſaͤhrlich 4000 Reger in Amerika einzuführen, 1580 | 
erhielten Dasfelbe Die Genueſen, Die es Durd cine bri 
tifdhe Handelsgeſellſchaft ausbeuten lichen, 1702 die 
frangdfifche Guinealompagnie auf 10 Jahre, 1713 die 
engliſche Siidfeefompagnie fiir 40 Qabre. Der von 
derfelben in Berbindung mit diefem Handel betriebene 
Schmuggel fiibrte yum Kriege zwiſchen England und 
Spanien (1740). 1750 wurde der Bertrag gegen Ent 
ſchadigung vor 100,000 Pfd. Stert. *— ehoben. 

ffiette (frany.), Teller, Meine flache Schüſſel; 
aud) Memiltojtimmung, Faſſung; in der Reitkunſt 
ſoviel wre fefte Haltung, 





Werth — 





Aimilatien 


nach und ned far 45.575 Will ensgrorten. eee 
nod viele gcfalidte famen. Wan bette A pom 5 is 
zu 
von weijem, geibem. bianem, 
Die pucrit fitbrten Me Wuficorri: 
maines nationaux«. Kurze Set turiterten 
gleich barem Gelde ; dod fant the Murs trog Saeerns- 
regiment und Guillotine jofort gegen Wetall. cls & 
in idrantentoier Betie vermebrt wurden. 1795 gales 
he faum nocd 1 Bro}, io da Die Waren zu 
€reiien in Eapier verfauft wurden. obne dak der 
fepliche Anor dnung nicht zu dbericdbrettender Warrmat 
pretie hiergegen helfen konnte. Im Xvoxus⸗ 17 
wurben jie auger Murs gejegt und gu ‘os, fpdter gt 
‘ioe thres Nominalwerts 

— 

bie felbit wieder nach wenigen Monaten auf farm 
3 Proz. zurückgingen, nachdem fiir 2400 Will Yoores 


* 


¥. 


a 


‘mit Zwangskurs ausgegeben worden waren. fo 


21. Wat 1797 wurden a 
nod nicht gegen Mandaten ausgetauſcht waren. Bis 


| der 3wangsturs der leftern im Februar 1797 axt 


ehoben wurde und die öffentlichen Kaſſen Der Wen 
— jum Tagespreis annahmen, ftand der lepeere 
auf ‘soo thres Nominalbetrags. | Stours 
Les finances de l'ancien régime et de la Révolativa 
(Par. 1885, 2 Bde). 

Affiguation (lat.), Anweiſung (i. d.); Wifre- 
nant, der Uniwerjende; Usfiqnatar, der Wnmwe 
jungsempfinger; Usfiqnat, der Angewieſene 

ffiguationsbanf, Name der von der Ratieren 
Satharina IL. in Petersburg erridteten Staateyettet- 
banf, Die 1848 anfgeboben wurde. Dic von 
ausgegebenen Noten (Vantaffiqnationem) bride 
ten feit 1780 das Hauptyablmittel Rußlande Qe 
allzu qrofer Menge — fant ibr Aurs. bs 
1839 durch Geſetz 34's Rubel Rapier gleich 1 Rubel 
Silber qefegt wurden. Sie wurden {pater gegen cin 
neucs Sapiergelb, die Reichskreditbillets, umgetawict. 

Aſſignieren (lat.), anweiſen. 

Aſſimilation (lat., »Verdibulidung<), der Ber- 
gana, durch den Beſtandteile der Nahrung mnerbalb 

lebenden Wefen zu Bejtandteilen von deren Roeper 
werden. Hierbin ijt bet den Tieren gu rechnen Me 
Verwandlung der im Verdauungslanal aus den ge 
nojjenen Eiweißlörpern entitandenen Eeptone im or- 
qanifiertes Eiweiß (Sellprotoplasma), die Budung 
Der in der Veber fic) aufſpeichernden tieriſchen Stare 
(Glykogen) aus dem Suter der Rabrung, die Ent- 
jtebung des Blutfarbftoffes ua. In der Botan! 
veritebt man unter A. die Bildung von Soblebydraten 
aus Roblenfiure und Waffer unter Abicheidung ver 
Sauerſtoff. Legterer Vorgang ijt auf dad chlorophail- 
haltige Aſſimilationsſyſtem (Mifimilationdee- 
webe) befdranft und an de Mitwirtung des Sonnen- 


Affimilationsfyftem — Aſſireten. 


lichtes gebunden. Das Aſſimilationsſyſtem tritt nur 
in grünen Blättern und Stengelteilen auf und beſteht 
in der Regel aus ſchlauchförmigen Zellen, die zur 
Oberfläche des tragenden Pflanzenteils ſenkrecht ge- 
ſtellt ſind (ſogen. J———— und deren 
zahlreiche Chlorophylltörner der beſſern Durchleuch— 
tung wegen an den Seitenwandungen der Zellen an- 
gebauft Jind, während fie in den vielarmigen, durch 
zahlreiche Luftginge unterbrodenen Schwamm— 
parenchymzellen ihre Stellung je nad) der Licht— 
intenſität ändern. Das Wijimilationsgewebe nimmt 
ferner, um die günſtigſten Durchleuchtungsbedingun— 
gen gu erhalten, jtets cine möglichſt peripherifde Lage 
an der Pflanze ein und ijt deshalb an apes 
Organen alljeitig im Umkreiſe derjelben, bei cinfeitig 


beleucteten borigontalen Blattern dagegen nur an 


der Oberſeite entwicelt. Vertifal geftellte, ache Blatt: 
organe haben eine an beiden Seiten gleichmäßig aus- 
— chlorophyllführende Schicht. — In der 
rammatik bezeichnet A. die ausgleichende, nivel- 
lierende Wirkung, die benachbarte Laute aufeinander 
ausüben. Progreſſive, d. h. vorwärts wirkende, 
A. liegt z. B. vor in dumm, dummes aus mittel— 
fochbeut ch tump tumbes und in Iateinijd) anatem 
(>Gan8<) fiir anitem. Nod) häufiger ift die regreſ— 
five, d. h. rückwärts wirfende, U. Beifpiele fiir die- 
felbe find auf dem Gebiete der Bofale im Deutichen 
Der Untlaut (f. d.) und die nrg A d.), im Grie- 
chiſchen die Epenthefe (ſ. d.) ded i. Regreffive YW. der 
Konſonanten zeigt fid) 3. B. im italieniſchen sette, 
fatto au3 lateiniſch septem, factus, im lateinifden 
summus fiir sup-mus x. WIS gegenfeitige U. 
farm man ¢3 bezeichnen, wenn durch Verſchmelzung 
weier benadbarter Laute ein dritter, in Der Mitte 
ieqender, entiteht, 3. B. ai gue, au gu o im Fran 
zöſiſchen und Sanstrit. 
Affimilationdsfyftem Wj fimilationsge- 
webe), f. Uffimilation. 
Mffimilieren (lat.), verähnlichen, anarten. 
Affing, Ludmilla, Schriftitellerin, geb. 22. Febr. 
1827 in Hamburg, Todter der Dichterin Roja Ma— 
ria W. (1783 -—1840), gejt. 25. März 1880 in Flo- 


reng. Rad) dem Tod ihres Vaters (1842) zog fie gu | 


ihrem Oheim Varnhagen von Enje nad Berlin, durd) 
den fie aud) in freundſchaftliche Beziehungen gu A. 


v. Humboldt, Bettina v. Urnim u. a. fam. Ihre eviten | 


größern Werke waren die Biographien: »Gräfin Clife 
von Ahlefeldt« (Berl. 1857) und »Sopbhie von La 
Rode, die Freundin Wielands« (daſ. 1859), denen 


fic) ſpäter »Piero Cironi, cin Beitrag zur Geſchichte 
der Revolution in Italien« (zuerſt in ital. Sprache, | 


Prato 1865; deutſch, Leip. 1867) und » Fiirjt Her- 


mann von Piidler-WMustau« (Hamb. 1872, 2 Te.) | 


anſchloſſen. Nad dem Tod ihres Oheims mit der Her- 
—— ſeines Nachlaſſes betraut, veröffentlichte ſie 
zunaͤchſt die Aufſehen erregenden »Briefe Alexander 
v. Humboldts an Varnhagen von Enſe⸗ (1.—5. Aufl., 


Leipz. 1860), fodann des letztern »Tagebitdher« (dal. | 
weifel wertvolles, wenn | 


1861—71, 14 Bde.); ohne 
aud) mit größter Vorjidht zu gebrauchendes geſchicht— 
liches und kulturgeſchichtliches Material. Nach dem 


Erſcheinen des 3. und 4 Bandes wurde die A. wegen 


Verletzung der Ehrfurcht vor dem König 1863 zu 
acht Monaten, nach Herausgabe des 5. und 6. Bandes 
1864 zu ati Jahren Gefängnis verurteilt. Sie war 
indejjen bereits 1861 nad Floren iibergefiedelt, wo 
fie aud) nad) der Amneſtie von 1866 blieb. 1873 
heiratete fie einen italieniſchen Offizier, Cavaliere Gri- 
melli, von dem fie 1875 wieder gefdieden ward. Sie 











891 


ftarb geiſteskrank. Aus dem fchier uneridipfliden 
Nachlaß Varnhagens gab fie nod) den »Briefwechſel 
zwiſchen Varnhagen von Enſe und Ol8ner« (Stuttg. 
1865) fowie ⸗Aus Rahels Herzensleben, Briefe und 
Tagebud)blatter« (Leip3. 1877) heraus, ferner: » Brief: 
wedjel und Tagebitder des Fürſten Pückler« (HSamb. 
u. Berl. 1873—76, 9 Bde.). Aus dem Dtalienifden 
iiberjegte fie Cironis »Die nationale Preſſe in Ita— 
lien und die Kunſt Der Rebellen« (Leipz. 1863) und 
die »Schriften von Mazzini (Hamb. 1868, 2 Bde.). 
Aſſini, franz. Schutzgebiet an der Clfenbeintiijte 
(Guineagolf), bejteht aus einem ſchmalen, fladen 
Küſtenſtreifen, Hinter dem fid) die Lagune von 
Tando oſtwärts bis ing anſtoßende britiſche Gebiet 
zieht, und einem — Binnenland. In die La— 
= miindet von NW. der Bia (Rinjabo), der beim 
Lustritt ins Meer VW. heist, mit ſchlechter, ſchwer er- 
fermbarer, nur fiir Fahrzeuge von 1,6 m Tiefqang 
braucbarer Cinfahrt und gefährlicher Mundungs 
barre, an der weſtlich Bort W., öſtlich Fort YW, 
auperdemt mehrere Faktoreien liegen. Nördlich von 
der Lagune liegt cine ausgedehnte franzöſiſche Kaffee— 
pflanzung. Die Bewohner find cin wobhlgebauter, 
reinlicher Menſchenſchlag. Der König, der von Frant- 
reid) cinen Jahresgehalt von 6000 Frank begzicht, 
wohnt in dem lebhaften Handelsplatz Rinjabo am 
Bia mit 2500 Einw. Die Franjofen qriindeten 1840 
in A. eine Niederlajfung, erwedten aber dadurch die 
Feindſeligleit der Cingebornen. 1871 wurde die Bee 


ſatzung aus dem 1853 erbauten Fort Dabu zurück— 


gezogen; in den Mer Jahren überließ aber der König 
ein bedeutendes Areal dem Hauſe Verdier, in deffen 
Auftrag Vrétiqni¢re und Chaper 1882 das Land 
bereijt batten; 1883 fam Rogozinſti hierher. 

Aſſiniboia, Dijtrift von Ranada (ſ. Karte bei 
oRanada«), grengt im W. an Wiberta, im N. an Sas- 
fatdewan, im ©. an Manitoba, im S. an die Unions. 
ftaaten Norddafota und Montana, 233,920 qkm mit 
(1901) 67,385 Einw. Es ijt ein gegen 500 m hobhes, 
eee Prärie- und Steppentand, durchzogen vont 
ſchiffbaren Sitd- Sasfatdewan und dem frudjtbaren 
Tal des Qu'appelle. Das Klima ijt troden, im Som: 
mer fehr heiß (bis 43°), im Winter ſehr falt (bis 
— 655°), die froftfreie Beit beſchränkt fic) auf Mitte 
Suni bis Mitte Auguſt. Der Uderbau begegnet qro- 
fen Schwierigkeiten, dagegen gedeiht die Viehzucht 
qut (1891: 23,449 Pferde, 69,420 Rinder, 44,376 
Schafe, 10,020 Schweine). Jin SO. (am Souris Ri- 
ver) und BW. (bei Medicine Hat) finden ſich große 
Kohlenlager. Hauptverfehrsjtrahe ijt die Kanadiſche 
Pacifiebahn mit ihren Verzweigungen, Hauptitadt 
Regina (j. d.). Wus dem Nordwwejtterritorium, das 
bis 1869 der Hudſonbaigeſellſchaft qehirte, wurde der 
Diftrift 1886 ausgefdieden. 

Aſſiniboine (pr. beam, Fluß im wejtliden Ka— 
nada, vom dem Hiigellande im BW. des Manitobajees, 
nimmt von redts den Qu'appelle und Souris auf 
und mündet nad 7000 km langem Lauf bei Winni- 
peq in Den Red River des Nordens. — Mad) thm be- 
nannt ijt der Indianerſtamm der YL, der nord: 
wejtlidjte Zweig der Dafota (j. d.), von denen fie ſich 
im 17. Jahrb. als erbitterte Feinde trennten. Ihre 
Mefamtzahl betragt etwa 8000; geqen 1700 Leben im 
Staat Montana (Note Stein-Y. und Obere A.), die 
fibrigen in Manitoba (YW. der Walder und YW. der 
Prarien). Ihren Namen (Steinfocher, Steinindia- 
ner) führen fie, weil fie Das Fleiſch mittels glühender 
Steine fochten. 

Aſſireten, Kaſte der Kurden (ſ. d.). 


892 Aſſiſen — Afjos. 


Aſſiſen (franz.). uripriinglich jede feierliche Sitzung der Niederwald (j. d.) mit bem Rationaldenfwea’ px 
(sessio); fpater nur im Sume von Geridtsfigung ge· dem von * cine Zahnradbahn führt 
braucht, in England ſeit dem 12. Jahrh. namentlich er, ſ. Rheinweine 
von der feierlichen Hegung einer ſolchen. In Frank⸗ Asvoctated Press (eng|., for. anoiayem), § Tete 
reid) ordnete Ludwig lige öffentliche Gerichts- | graphenburcaus. 
figungen an, um fowobl Beidwerden der Vaſallenn Association en participation (fran;), | Se 
oder Untertanen fiber ibre Beamten anjubdren als legenheitsgeſellſchaft. 
aud) fiber die Berufungen gegen en Urteile unterer Ge | AFF (fran}., for. Sozius) Rompagnan 
ridjtsitellen zu entſcheiden e Aſſiſengerichte Geſellſchafter, iſt Der Teilhaber einer Hanbdelsgeied - 
befaßten ſich ſowohl mit Zivil⸗ als Kriminalprozeſſen ſchaft, insbeſ. der offenen, der Rommandit wed ber 
und zerfielen in fogen. grandes oder petites assises. ſtillen Geſellſchaft; ſtiller A. wird der Gefeliichater 
W verſteht man unter A. insbeſ. die Sitzungen der genannt, der fic) mur mit ECinidiefung exes Maye 
urgeridte (f. d.), aud) diefe ſelbſt. Ubrigens ver: tals beteiligt. Näheres fiber die —* Strlleng 
ftand man in Frankreich unter Assise auch eme wid) des W. ſ. Handelsgefell daft. 
tigere Verordnung oder Verfiigung, namentlid cine | Wffolement( fran. for. affol' ming), |. ¥elDernterbems, 
von den Aſſiſenverſammlungen erlajjene. Gottfried, Aſſollaut (or. Aang), Ul fred, franz Zéorrininetie:. 
von Bouillon liek, naddem er 1049 Jeruſalem er- geb 20. März 1827 in Aubuſſon (Creufe), geſt _— 
obert hatte, die Statuten fiir feine beiden Geridts 1886 in Baris, verdjfentlidte u. d. T.: sSetmes de 
bife, das Hofgeridt und das Landgericht. in folden | la vie des Etats-Unis. (1858) mebrere Rovellen, de 
Verſammlungen entwerfen, wovon dies Uftenjtiid durch die Lebhaftiqkeit der Darjtellung und der Letet 
»Assises de Jérusalem« genannt wurde (fran. hrsg. farbe Aufſehen erregten. Yn raider eridtence 
von Ya Thomafjiere, Bourges 1690). Selbjt die nun neue Romane, m denen freilich eare qewrije Shea 
von den Aſſiſenverſammlungen bewilligten Steuern | gültigleit gegen Ordrung und Ebenmaß fowie Bor 
nannte man Assisa, und Die von Wififengeridten ju liebe fiir paradore Behauptungen immer jtarfer Ber. 
erfannten Strafen biejen Assises. vortraten. Wir nennen: » Brancas« (1850), » Dees 
Aſſiſi, Stadt in der ital. Provinz Perugia, Kreis amis en 1792« (1859); »Histoire fantastique ée 
Foligno, an der Eifenbahn Terontola- Foligno, am célébre Pierrot« (1860); »>Les aventures de Kart 
Abhang des Subafio 410 m it. WM. gelegen, Meburts Brunner« (1861); »>Marcomir« (2. Aufl 1873); »tke 
ort des beil. Franjisfus von A., der hier 1209 den brielle de Chénevert«( 1865); » Pendragon «( 1881 px 
nad ibm benannten Orden itiftete (f. Avanzistaner). Seine frühern politifden Urtifel ſammelte er umter dex 
Unt weſtlichen Ende der Stadt erhebt fic) die beriihmte | Titeln: »D'heure en heure«( 1862); » Vérité! were *« 
Mofterfirde San Francesco, bejtehend aus einer hoben, | (1863); » Pensées diverses« (1864) u. a. Spater teat 
einſchiffigen Oberlirche, niedriger Unterlirche, beide im er als politiſcher Schriftſteller, mehr und mebe per 
otiſchen Stil 1228-52 erbaut, mit Fresfen von | bittert, nur nod in den Organen der Ronumuneparsn 
imabue, Giotto und deſſen Schiilern u. a., fowie auf, wie er cata cide leant Dentidenbak (+ Le dac- 
einer unter beiden in den Felſen gebauten Rrypte von | teur Judassohn« , 1873) bei jeder Gelegenbert Lat 
1822 mut den Reften des Heiligen. Bemerfenswert | ju madden pjflegte. 
find auferdem: der Dom (von 1140), die gotiſche  Assoltito(ital.), abſolut. | unbedingt ; prima douma 
Kirche Santa Chiara (von 1260), der antife Minerva- | assoluta, erfte(Soloratur:) San —— obne Einchrũn 
tempel, Die mittelalterliche Burg Rocca grande, alte | kung, d. h. die leine Gleichgeſtellte neben ſich bat. 
Stadtmauern, römiſche Baurefte und aujjerhalb der Mifonans (fran , »Ynflang<), Gleichtlang der 
Stadt die dreifchiffiqe Ruppelfirde Santa Waria deqli Volale in * Pe swortern der Serie, ohne Berit 
Angeli (von Vignola, 156%), welche die Rapelle Bor | ſichtigung der Nonjonanten, z. B. Berg - Held, Raden - 
tiuncula, das einſtige Bethaus des bheil. Franjisfus Sdlafen x. Die W. ijt in Spanien heimiſch und ver 
(mit Overbedts Fresto: Das Rofenwunder ded Heil. | mag dafelbjt bet dem Reichtum der Sprache an pedi 
Rranjistus), einſchließzt. A. zählt coon ca. 7100 (als ténenden Auslauten (z. B. daga, alma) eber den Reve 
Wemernde 17,378) Cimw., tit Biſchofsſitz und bildet zu erfegen, zumal da in der ſpaniſchen Romangenpoehee 
das Biel zahlreicher Wallfabrer. Es ijt das alte Asi- ſich Die gleichen Reimvofale durd) cin ganzes Gedecht 
sium, Geburtsort des Eleqifers Proper; (48 v. Chr.) | oder einen ganzen Abſchnitt wiederholen. Buch das 
aud ber Dichter Metaſtaſio wurde in A. geboren. altfranzöſiſche Epos fennt die WU. In Deutidland, 
Aſſiſtent (lat.), Gehilfe, Beijtand, befonders Gehilfe frither nur als unveiner Rem —— wurde 
eines Arztes, eines Melebrten, tm Berwaltungs und, die A. un eitalter der Nomantif in Uberjebunge⸗ 
Rechtsweſen, aud) Geiſtlicher, der bei gottesdienſtlichen ſpaniſcher Dichtungen (Calderon von Schlegel umd 
Handlungen dem Amts oder emem höhern Geiſtlichen von Vries, Romangen von Dies u. a.) wie aud om 
beiſteht (affiftiert). Wifritens, Hilfe, Beiftand, Ge | Originaldictungen (von Tied, Ubtand, Ridert, Bte- 
enwart bei einer Sache, Daber die Bezeichnung Wit | ten, Chamiſſou. a.) eingeführt, obne fic) aber Damernd 
ſtenzrat. Arzt u. dal. Vaſſive Aſſiſtenz nennt die ju halten. 
latholiſche Nirde die bloß zeugenmäßige Gegenwart Affortiment (frany.) oder Sortiment, fadge- 
des fatholifchen Briejters bei der Erklärung der Che mäße Vereiniqung und Anordnung ee 














ichlichung, der die Kirche Den Segen veriagt. ger Sachen, befonders cin nad den veridiedenen Gat 
Affiftieren (lat.), beiſtehen. elfen. tungen und Yirten (Sorten) der Handelsartifet — 
Aſſiut, dquyt. Stadt, ſ. Siut. ‘netes Warenlager. Wjfortieren, dad Yager mit 


Afmannshanjen, > Dorf im preuh. Regbez. Wied verſchiedenen Arten (Sorten) von Waren veriedert, 
baben, Rbeingaufcers, rechts am Rhein und an der bes. vervollftandigen und diefe nad Sorten emterien. 
Staatsbahnlinte Franffurt a. W.-Niederlabnitem, bat Affos, 1) tm Ultertum lesbiſche Kolonie im der 
eine fath. Kirche, cine Lithtonquelle von 35° nebit Bade Troas (Myſien), bod Uber dem Adramyttiſchen Meer · 
und Kurhaus, Reſte römiſcher und mittelalterlicher bufen (Buſen von Edremid), von der nod bedeutende 
Bader, Weinbau (befte rheiniſche Rotweine), Quarzit Reſte beim heutigen Behram ldt brig find. 1881 
britde, Weinhandel und coe L028 Einw. Nabhebci , 1883 veranftaltete das amerilaniſche Inſtitut far We- 


Affoziation — Aſſyrien. 


chãologie in A. Ausgrabungen, durch welche die Agora 
mit Stoa und Buleuterion, ein vierſtöckiges Bad, ein 
Heroon, Theater, Gymnaſium ꝛc. aufgedeckt wurden. 
— 2) Dorf mit venezian. Kaſtell auf Rephallinia (f. d.). 

Aſſoziation (neulat., »BVergefellfchaftung<), im 
weitern Sinne jede Vereiniqung von Kräften und Ka— 
pitalien zur Erfiillung gemeinfdaftlicer Swede. Sind 
Diefe Rwede politifder, religidjer, gemeinnütziger Urt, 
fo nennt man die A. aud kurz Verein. Aſſozia— 
tionSredt bedeutet Dann das Recht zur Vereins— 
bildung unter Beobadtung gewiſſer geſetzlicher Vor— 
ſchriften. Im engern Sinn iſt A. eine freie, zur 
Erreichung eines dauernden Zweckes geſchloſſene Ver- 
einigung im Gegenſatze zu denjenigen Verbindungen 
(Staat, Gemeinde), denen man unter beſtimmten Vor— 
ausfepungen auf Grund eines dffentlich - rechtlicjen 
Bwanges angehirt. Unter denfelben fpielen diejeniqen 
eine widtige Rolle, die Produftions- und Erwerbs— 
alvecten gewidmet find und die auf einem zivilrecht— 
lichen Gefellfchaftsvertrag beruhen (societas) oder, 
wie die Handelsgqefellichaften und Genojjenidaften, 
durch beſondere eſetze geregelt ſind. — Koopera— 





tive A., int engern Sinne ſoviel wie Genoſſenſchaft 


(f. d.), im weitern Sinne jede folleftive, von Unter— 
nehmer und Yrbeitern gemeinſam betricbene Unter- 
nehmungsform (Produktivaſſoziation). 

In der Mineralogie bezeichnet A. die Vergefell- 
fchaftung der Gefteinsgemengteile in einem Gejtein. 
Gewiſſe Gemengteile ſcheinen ſich gegenſeitig auszu⸗ 
ſchließen, ſo Quarz und Nephelin, Sodalith und 
Mustovit, während andre fajt regelmäßig zuſammen 
vortommen, wie Nephelin und Noſean, Diſthen und 
Staurolith. Man hat die Regelmäßigkeiten in der A. 
‘der Geſteinsgemengteile in den ſogen. Aſſoziations 
geſetzen zu formulieren verſucht. Für die tiv⸗ 


geſteine und für die (metamorphiſchen) kriſtalliniſchen 


Schiefer iſt entſprechend ihrer verſchiedenen Bildung 
die A. eine durchaus verſchiedene; für die klaſtiſchen 
Geſteine gibt es natürlich keine geſetzmäßige A. 
Aſſoziation der Ideen, ſ. Ideenaſſoziation. 
Affoziationsfyftem, ſ. Gefängnisweſen. 
Aſſoziationszentren, ſ. Gehirn. 
—— vereinigend, verbindend. Aſſozia— 
tives Geſetz, ſ. Addition und Multiplikation. 
Aſſoziieren (neulat.), vergeſellſchaften, vereini— 
gen; zu einer Handelsgeſellſchaft verbinden. 
po sage Bewegungen, |. Mitbewequngen. 
Affudu (das alte Syene), Stadt in Agypten, 
rechts am Ril, der hier ſeine letzten Katarakte bildet, 
unter 24° 5’ 30” nördl. Br., Endftation der Cifen: 
babn, zwiſchen Palmen- und Akazienhainen gelegen, 
mit (1397) 13,000 Einw. Unter den A. rings umageben- 
den Ultertiimern aus der Bharaonen- und Ptolemäer— 
cit find bemerfenswert dic fiber 6 km fangen Stein- 
bride roten Granits, aus dem jablreide Obelisken 
und Koloſſalſtatuen der ägyptiſchen und athiopifden 
Tempel qebildet wurden. Am linfen Ufer 5* die 
Felſengraͤber, gegenüber und nach S. hin eine Menge 
reizender, fruchtbarer Inſeln, darunter Elephan— 
tine (jf. dD.) und BHila (7.d.) mit berühmten Tempel— 
ruinen. A. hat Poſt- und Telegraphenamt, hübſchen 
Baſar und treibt anfjehnliden Handel mit den Cr- 
zeugniſſen ded Sudan, war aber friiher weit bedeu- 
tender, da einntal bier 20,000 Berfonen an der Peſt 
ejtorben fein follen. Im Witertum zog man durch 
yene irrtiinilid) den Wendefreis des Krebſes. 
Affuay, Proving von Ecuador, f. Azuay. 
Aſſumieren ({at.), annehmen, gelten laſſen; as- 





893 


wodurd) man die einem andern obliegende Pflicht sur 
Vornahme einer Leijtung übernimmt. 
AUffumptioniften (Peres de l'Assomption, Wu- 
—— von der Himmelfahrt Maria), franz. 

ongregation mit der Auguſtinerregel, ſeit 1320, durch 
den Abbé d'Alzon 1847 erneuert. Yu Frankreich ha— 
ben die A. ihre Tätigkeit in neueſter Zeit hauptſächlich 
Der flertfal-ultramontanen ‘Bolitif gugewendet und 
inSbef. eine einflußreiche Preßtätigleit entfaltet (»>La 
Croixe, in 190,000 Exemplaren täglich verbreitet), 
was 24. Jan. 1900 zur Auflöſung der A. führte. Jn 
England widmen fie jich in erjter Linie der Seelforge 
fiir die fatholijdhen Watrofen. In Ronjtantinopel 
leiten fie bas von Leo XIII. geqriindete Inſtitut zur 
Uusbildung orientalijd-fatholiidher Prieſter und and 
die Haupttrager der Unionsbejtrebungen zwiſchen 
Ront und den orientalifchen Kirchen. 

AUffumtion (Wi jumption, lat.; ital. assunzione, 
assunta), Un-, Wufnahme ; Aufnahme in den Himmel ; 
daher aud) Bezeichnung von Genälden der Himmel- 
fabrt Chrijti, der Maria r. 

Aſſunguy, Kolonie im braſil. Staat Parand, 
105 km ndrdlid) von Curitiba, im frudtbaren Ribeira- 
tal, mit Koloniſten der verſchiedenſten Nationalitäten 
beſetzt, die namentlich Tabak bauen. 

Wffur, richtiger Aſur (»der Heilbringende, Hei— 
lige«), Name des aſſyr. Nationalgottes. Die älteſte 
Hauptitadt Aſſyriens, jetzt bezeichnet durch die Rui— 
nenſtätte Kileh —— am rechten Tigrisufer, un- 
gefähr 13 Meilen ſüdlich von Moſul, hieß A. und 
gab zugleich dem ganzen Lande dieſen Namen. 

Aſſurauce (fran}., fpr. aſſurängh'), Sicherheit, Zu— 
verſicht; ſoviel wie Aſſeluranz, Verſicherung (ſ. d.). 

Aſſurbanipal, ſ. Aſurbanipal. 

Aſfſyrien, im engſten und urſprünglichſten Sinne 
der von dem ſemitiſchen Stamm der Aſſyrer be— 
wohnte Landſtrich zwiſchen Tigris, dem untern Zab 
und den kurdiſchen Bergen, der bei den Aſſyrern ſelbſt, 
deren Stammland er war, Aſſur (7. d.) hieß. Spä— 
ter wurde darunter alles Land zu beiden Seiten des 
Tigris und am Fuh der Gebirge bis gum Diala 
ſüdwärts verjtanden, und nod) weitere Ausdehnung 
erhielt der Name durd) die Eroberungen der ajfyri- 
ſchen Könige, die ſchon im 12. Jahrh. v. Chr. unter 
Tiglathpilejer I. voriiberqehend bis an das Wiittel- 
meer reidten und feit Aſurnazirpal (884 — 860) ſich 
iiber Babylonien, Wejtmedien, Armenien, Mefopota- 
mien, Syrien, Paläſtina und Agypten ausdehnten. 
Die Griechen verſtanden unter A. meiſt das ſyriſche 
Küſten- und das untere Euphrat-Tigrisland mit, ja 
beſchränkten zuweilen den Namen auf legteres. Das 
cigentliche A. ijt eine räumlich beſchränkte, fruchtbare, 
durd) viele Gebirgsbäche bewäſſerte Ebene, die von 
niedern Höhenzügen vielfad) Durchichnitten ijt. Der 
Muſchelkalk derjelben und große Tontager lieferten 
qutes Baumaterial, die nahen Gebirge Marmor, Ala— 
bafter, Silber, Kupfer, Blei und Eiſen, wodurch Bau- 
funjt und Sfulptur mächtig gefirdert wurden. Dic 
widtigiten Städte waren Wjjur, Kelach, Ninua oder 
Ninive, ſämtlich am Tigris gelegen, und Yirbailu (Ar— 
bela, heute Erbil) zwiſchen den beiden Zab. 

[Gefchicshte.] Dic griechiſchen Erzählungen von der 
Gründung des aſſyriſchen Reiches und ſeiner Haupt- 
ſtadt Ninive durch Ninos (ſ. d.) und den Erobe— 
rungszügen ſeiner kriegeriſchen Witwe, der Halbgöttin 
Semiramis (j. d.), der weichlichen Herrſchaft ihres 
Nadfolgers Ninyas und weiter der Derfetaden find 
ſpũtere Sagen perjiiden Uriprungs. Die Aſſyrer wa— 


sum(p)sit, »er hat iibernommen«, das Berjpreden, | ren babylonijde Nolonijten (vgl. 1. Moſ. 10, 11 f.). 


894 


Ihre erjte Niederlafjung war, wie es fdeint, die auf 
dem redjten Tigrisufer, 64 km von der Mündung 
des obern Sab ſtromabwärts gelegene Stadt Aſſur 
(f. d.), nach der Das ganze Land Aſſur (zuerſt in ba- | 
bylonifden Briefen um 2250 v. Chr. erwähnt) ge⸗ 
nannt wurde. Aſſur war der älteſte nachweisbare 
Sit aſſyriſcher Herrider, der fogen. Iſſalkus (Pa- 
tejis) oder »Stellvertreter« des Gottes Aſur, unter 
denen die erſten uns befannten Jsme-Dagan (ca. 
1840 v. Chr.) und fem Sohn Gamfi-Ramman 
find. Der Veginn ded affyrifden Königtums mag 
in Die Sabre 1700 —1600 fallen; als älteſter König 
wird Bel-faptapu genannt. Die politijden Beziehun— 
gen Aſſyriens zu Babylonien begannen wm 1480, 
um welde Zeit Whur-bel-nifefu fic) mit dem babylo- 
niſchen König Raraindas L. friedlid) fiber die gegen- 
jeitigen Grenjen einigte. Uber ſchon bald mifdten fid) 
die ajjyriiden Könige in die babylonifden Ungeleqen- 
Heiten, und e3 begann eine faſt ununterbrodene Reihe 
von Kämpfen, in denen die Aſſyrer meift die Ober- 
a bebielten; ſchon Bel-nirart (ca. 1380) entrif den 
abyloniern das —— nördlich vom Fluſſe 
Diala. Salmanaſſar J. (ca. 1330) erweiterte die 
Grenzen Aſſyriens gegen NW. und erbaute eine neue 
Reſidenz, Kelach (ſ. Nimrud). Sein Sohn Tukulti— 
Adar J. brachte nae atin voriibergebend in feine 
Gewalt. Von 1210 ab werden abermals Kriege zwi— 
ſchen Den beiden Reichen beridtet: das Glück wechſelt, 
ijt aber vorzugsweiſe auf aſſyriſcher Seite. Der baby: 
lonijde Rinig Mardul-nadin-ade befiegte (1107) 
— Tiglathpileſer J., doch drang dieſer nachher in 


abylonien cin und eroberte Opis, Sippar, ja Ba- | 


bylon felbjt. Tiglathpilefer I. (ca. 1120) ijt der erjte 
afyeiice Monard, von dem wir größere Schriftdent- 
miler befipen. Ihnen zufolge eroberte er das ſüdliche 
Armenien, befimpfte die aramäiſchen Stimme am 
Euphratufer und bradte zuerft transeuphratifdes 
Gebiet jeitweiliq an UW. Bald nad) Tiglathpilefer 1. 
verjiegen die keilſchriftlichen Ouellen: wo fie wieder 
gu fliegen beqinnen, hören wir wiederum von baby- 
lonifd)-affyrijden Rriegen, zunächſt jolden zwiſchen 
Dem Aſſyrer Adad-nirari IT. (911— 890), mut deſſen 
Regierung der aſſyriſche ⸗Eponymenkanon« anbebt, 
und dem babylonifden König Samas-mudammit 
jowie deſſen Nadfolger. Cinen grofen Aufſchwung 
nahm das Reich unter Ufurnagirpal (884-860), 
der viele Kriegszüge nad allen Seiten, fonderlid) nad 
Den Ufern des mittlern Euphrat, unternahm und be- 
reits Den Phönikern Tribut auferlegte, ferner Kelach 


neu griindete und den fogen. Nordweſtpalaſt dafelbjt | 


erbaute, und feinem Sohne Salmanaffar IL. (860 
bis 824; f. Salmanajjar). Tiglathpilefer UL 
(745 —727) beqriindete die affyriide Weltmadt: er 
eroberte ganz Urmenien und einen großen Teil Me- 


Diens, nahm 741 Yrpad, 732 Damasfus und madte | 


Die Könige von Israel und Juda ju Vaſallenfürſten. 
Vis nad Urabien und der Agyptijden Grenge debhnte | 
er feine Feldzüge aus. Näheres f. Tiglathpilefer. Une 
ter Salmanaffar IV. (727—722) empörten fid 
Die Phöniker und Hofea von Israel; Salmanafjar 
unterdriidte den Aufſtand, belagerte, freilid) vergeb- 
lich, Tyros und ſchloß Samaria ein, das fic) aber erjt 
jenem Nachfolger Sargon ergab(722). Uber die legte | 
aſſyriſche Königsdynaſtie Der Sargoniden, iiber Sar- 
qon (722 —705), feinen Sohn Sanberib (705 — 
681), deffen Sohn Aſarhaddon (681—669), den 
Croberer Agyptens (671), und endlid deſſen Sohn 
Ufurbanipal (669 —625) f. die betreffenden Ar— 
titel. Für Die Jahre 647 — 625, während deren Ufur- 


| 


Affyrien Geſchichte, Kultur). 


| 


banipal unter dem Namen Randalanu (Rineladan) 
den babylonifden Thron innehatte, ſowie fiir die 
librige Zeit bis gur Zerſtörung Rinives mangeln leil- 
ſchriftliche Berichte. Dod) wifjen wir aus andern Duel- 
len, vornehmlich aus Herodot, daß der erjte tödliche 
Stoß gegen W. und das aſſyriſche Weltreid) von Me- 


Dien autging. das fid) unter der Fiihrung des Ge- 
ſchlechts des Dejofes aus vielen fleinen iirjtentitmern 


u einem einbeitliden Reich entwidelt und unter 

braorte3 feine Oberhoheit iiber die Lander ringsum 
zur Geltung gebradt hatte. Phraortes wagte den 
erjten Angriff gegen Ninive, aber die Aſſyrer ſiegten, 
und Phraortes fand mit bem größten Teil ſeines 
Heered den Untergang (ca. 624). Gliidlicher war fein 
Sohn und Nachfolger Kyarares, der zwei Sabre nad» 
her abermals gegen A. vorriidte, die Aſſyrer befiegte 
und Rinive belagerte. Dod) brachten die von Often 
und Nordoſten her eimbredjenden und alle Lander 
von Medien bis nad) Philiſtäa überſchwemmenden 
ſakiſchen Sfythen noch einen letzten Aufſchub fiir das 
aſſyriſche Reid). Diefer Hereinbruch der wilden ſtythi⸗ 
ſchen Reiterfdaren Ddiirfte fic hauptſächlich zur Feit 
von Aſurbanipals Sohn und Nadfolger Uj ur-etrt> 
ilani (-ufinni) volljogen haben. Unter ded letztern 
Nadhfolger Sinfar-istun (»Sin hat den Romig 
bejtellt<), dem Sarafos der Griechen, erfolgte dann 
Aſſyriens Untergang. Wie es fceint, wurden de 
WMeder unter Kyarares zuerſt der ſtythiſchen Bolter: 
bewequng Herr; fie bejiegten und vertrieben Die Bare 
baren aus ihrem Land und verbiindeten fich weiter: 
hin mit dem Chaldder Nabopolajjar (ſ. d.) zum 
Kriege gegen A., der 606 mit der Einnahme Ninives 
und Dem Untergang de8 affyrifden Reiches und Bol- 
ted endete. UW. und Mefopotamien fielen an die We- 
der, Syrien an die Chaldäer. 

{ftultur.}] Wie ſchon bemerft, waren die Aſſyrer 
babylonijde Rolonijten. Ihre Sprade war diendim- 
liche wie die babylonijce, gleich dieſer mit Der hebräi⸗ 
ſchen und arabijden nächſtverwandt. Ihre Sdrift 
, (Reilfdhrift, f. d.) iff aus der babylonifden hervor⸗ 

gegangen und in vielen Stitden ihr gleich. Ihre 
eligion Dect fich ziemlich mit der Der Babylomer 
(. Babylonien), nur trat an die Spite des Ban- 
| theons der affyrifde Nationalgott Aſur. Auch in der 
Baukunſt und den tibrigen Künſten und BWiffen- 
jchaften, obenan der Ujtronomie, zeigen fic die Aſſy— 
rer abhängig von ihren babyloniſchen Alwordern. 
Sie waren ein eminent kriegeriſches Volk, aber in 
geiſtiger Beziehung feine Bahnbrecher, obwobl fie in 
manden Stiicen ihre babylonifden Lehrmeijter über⸗ 
holt haben und ibrerjeits wieder zu Lehrmeiſtern fiir 
die vorderafiatijde Welt qeworden find. Sonderlid 
in Der Architektur und Skulptur haben die Ufforer 
eine hohe Stufe erreicht. Ihre Tempel und Balafte, 
die fic) gleich den babyloniſchen auf künſtlichen Ber: 
qen oder Terraſſen erhoben, waren aus Bachkſteinen 
und Balfen errictet, die Wiinde aber mit großen 
Kalkſtein⸗ oder Wlabajterplatten befleidet, die mit Bild- 
werfen und Inſchriften bedectt waren (ſ. Tafel » Ud 
teftur II«, Fig. 1 und 2, und Tafel »Ornamente I+, 
Fig. 1—5). An den Eingängen der Sale und Hallen 
jtanden gefliigelte Sticre mit Menſchenköpfen, Lowen: 
tolojje, i uren von Göttern und Genien u. dal. 
(fj. Tafel »Bildhauerkunſt IT«, Fig. 1 —4). Da fait 
_ jeder — neue Paläſte erbaute und an ibren Wan- 
den ſeine Taten in Bild und Schrift verherrticte, fo 
vertraten diefe Dionumente die Stelle von Archiv und 
Chronilk des Reidhes. Zugleich lernen wir aus ihnen 
Die gefamte Lebensweiſe und Beſchäftigung der Wy 











Ajfyriologie — Aſt. 


fee in Krieg und Frieden kennen. Der aſſyriſchen 
fulptur ijt ein gewiſſes ftarres, ftereotypes Weſen 
eigentümlich; bejonders fiir Hauptjiguren, wie die 
Ronige, bildeten fid) typifche Formen aus, die Natur 
wird modglidjt genau nadgeabmt, ohne Freiheit und 
Individualität; die Tiergejtalten, befonders die Fi- 
uren von Löwen, find fiinitlerijder als die der Men— 
Pen. Ulles weift auf eine lange geiibte Tedjnif hin, 
bie mit der Zeit in einer bejtimntten Manier erjtarrte. 
Die Könige waren unumſchränkte Herrider, die un- 
ter Dem unmittelbaren Gadus der Gottheiten deren 
Gebote ausfiihrien. Die Bahl der Beamten war be- 
deutend, ihre Rangordnung genau feſtgeſtellt. Das 
Kriegsweſen war wobhlgeordDnet und hod) entiwicelt. 
Das Fupvoll war teils ſchwer, teils leicht bewaffnet. 
uch Reiterei fehlte nicht. Die Aſſyrer verjtanden es, 
ibr Lager gu befejtigen, feindlide Städte mit Ein— 
ſchließungswällen zu umgeben und mit Belagerungs- 
majfdinen gu bejtiirmen. Wenn die Alten viel von 
Dent Wobhlleben der Uffyrer erzählen, fo wird dies 
durd die Monumente beftatigt, wo wir die cingelnen 
Perſonen mit reichen, bunten, fein gewobenen und 
gejtidten Gewändern fowie fojtbarem Schmuck an- 
pact ſehen; das Haar ijt forgfaltig gepflegt, bejon- 
er$ der Bart, der bis auf die Bruit reidt; um den 
Kopf ijt eine geidmiidte Binde gefniipft (f. Tafel 
>Rojtiime Ie, Fig. 3). Die Hausgeriite jmd reid) ver= 
von Metall, Holz, Elfenbein; befonders die 
ffen jind funjtvoll gearbeitet und mit Köpfen von 
Löwen, Widdern ꝛc. als Griff verfehen. Teppide und 
Gewiinder find gut gewebt. Die aſſyriſchen Jndujtrie- 
produfte wurden aud) nad andern Ländern aus. 
geführt; aſſyriſche Urbeiten in Gold und Silber, Glas: 
und Tonwaren, Teppiche und Webereien wurden ſelbſt 
in Griedenland nadgeahmt. Um die Wusgrabun- 
‘= in YW. haben fic), ſeitdem CL. J. Rich, Reſident 
cr Ditindijden Kompagnie in Bagdad, Ninive in den 
beiden — ———— Sujundidi und Nebi Yunus 
(gegeniiber von Moſul) wiederentdedt hatte (1820), 
bejonders verdient gemacht: der franzöſiſche Konſul 
Emil Botta (1842—45) nebjt dem Urchiteften Victor 
Place (1852), welde die Sargonsjtadt ausqruben; 
ferner die Englinder Auſten Henry Layard (1845 — 
1847, 1849—51), Horniuzd Raſſam (1852—54, 
1877— 82) und George Smith (1873, 1874, 1876); 
näheres f. unter Chorjabad, Nimrud, Ninive. 
Literatur. Botta und Flandin, Monument de 
Ninivé (Bar. 1847 —50, 5 Bde.); Victor Place, Ni- 
nivé et l’Assyrie (daf. 1866—69, 3 Bde.); Layard, 
Niniveh and its remains (Lond. 1849; letzte Ausgabe 
1854, 2 Bde.); Derjelbe, Discoveries in the ruins of 
Niniveh and Babylon (daf. 1853), nebjt einem Atlas 
vor 100 (daf. 1849) und 71 Tafel (1853), betitelt: 
»The monuments of Niniveh< ; beide Werfe Layards 
aud) deutſch (Leipz. 1854 u. 1856); G. Smith, Assy- 
rian discoveries (7. Uujl., Lond. 1883); Hormuzd 
Raffam, Excavations and discoveries in Assy- 
ria (daſ. 1879); Derjelbe, Asshur and the land of 
Nimrud (Cincinnati 1897). Zur Geſchichte vgl. M. 
v. Niebuhr, Geſchichte Ujjurs und Babels feit Phul 
(Berl. 1857); Oppert, Histoire des empires de 
Chaldée et d’Assyrie (Berfailles 1865); G. Raw- 
linfon, The five great monarchies of the ancient 
eastern world (4. YWufl., Lond. 1879, 3 Bde.); Le- 
normant, Manuel d’histoire ancienne de lOrient 
0. Aufl., Bar. 1882, 3 Bde.; deutſch bearbeitet von 
uſch, 2. Unjl., Leips. 1873, 2 Bde.); Hommel, Ge— 
ſchichte Babyloniens und Aſſyriens (Berl. 1885); C. 
P. Tiele, Babyloniſch-aſſyriſche Geſchichte (Gotha 





895 


1886 —88, 2 Tle.); Mürdter, Geſchichte Babylo- 
nienS und Aſſyriens (2. Aufl., neubearbeitet von F. 
Delitzſch, Kalw 1891); H. Windler, Geſchichte Ba- 
byloniens und Aſſyriens (Leip;. 1892); F. Kaulen, 
U. und Babylonien (5. Wujl., Freib. i. Br. 1899). 
Ausführliche Literaturiiberjidt bei Friedr. Delis fd, 
Aſſyriſche Grammatif (2. Aufl., Berl. 1902). 

Aſſyriologie, cin Zweig der ſemitiſchen Sprach— 
und Altertumswiſſenſchaft, welcher die Erforſchung 
des aſſyriſch-babyloniſchen Wltertums nad Sprache. 
Geſchichte, Religion und Kultur zur Aufgabe hat, da- 
neben aber aud) die Erforfdung aller in Keilſchrift 
geſchriebenen Sprachdenkmäler, d. h. der elamiti- 
ſchen, armenifden und der auf den Tontafeln von 
el-Umarna erhaltenen nidtbabylonifden Inſchriften 
und Schriftſtücke. Es ijt alfo, vom Witperjifden ab- 
geſehen, das eine Domine der indogermanijden 
Sprachwiſſenſchaft ijt, UW. und Keilſchriftforſchung 
—— das nämliche. Die größten Verdienſte um die 

ründung der A. haben ſich Sir Henry Rawlinſon 
und Jules Oppert erworben. In Deutſchland wurde 
fie eingebiirgert durch Eberhard Schrader, vornehm: 
lid) Durd) deſſen Schrift: »Die affyrifd - babyloni- 
ſchen Keilinſchriften: kritiſche Unterſuchung der Grund- 
lagen ihrer Entgifferung« (Leipz. 1872). Gramma— 
tiſche Werle: Oppert, Eléments de la grammaire 
assyrienne (2. Aufl. Bar. 1868); Ménant, Manuel 
de la langue assyrienne (Daf. 1880); D. G. Lyon, 
An Assyrian manual (Chicago 1886); Fr. Delitzſch, 
Aſſyriſche Grammatif (2. Aufl. Berl. 1902). Wörter⸗ 
bücher: Fr. Delibid, Aſſyriſches Handworterbud 
(Leip;. 1894— 95); Bruno Meißner, Supplement 
gu den affyrifden Worterbiidern (Leiden 1898). Die 
widhtigiter, dem Ausbau der YW. ſpeziell dienenden 
Sammelwerfe find: » Ujjyriologijche VBibliothel <(hrsq. 
von Fr. Delisfd und Baul Haupt, bis jest 17 Bande, 
Leipz. 1881 jf.); »Zeitſchrift fiir Keilſchriftforſchung · 
(hrsg. von K. Bezold und F. Hommel, daſ. 1884 — 
1885, 2 Bde.); ⸗Zeitſchrift für A.« (hrsg. von K. 
Bezold, bis jetzt 16 Bände, daſ. 1886 ff.); »Revue 
d'A. et d’Archéologie orientale« (hrsg. von Oppert 
und Ledrain, ‘Bar. 1884 ff.); »Beiträge sur YW. und 
ſemitiſchen Sprachwiſſenſchaft« (hrsg. von Fr. Delitzſch 
und Haupt, Leipz. 1889ff.). Bal. ferner: ⸗Recueil 
de travaux relatifs à la philologie et a l’archéolo- 
gie égyptiennes et assyriennes« (hr8q. von Maſpero. 
ar. 1879 jf.); »Transactions« und » Proceedings of 
the Society of Biblical Archaeology « (Lond. 1872 ff., 
be3. 1879 }7.); »Mélanges d’archéologie égyptienne 
et assyrienne< (hrsg. von Mariette Vey, Bar. 1872 
bi 1876) u. a. 

Aſt, Pflanzenteil, der aus einem friiher vorhan- 
denen Pflangzenteil nrittels einer Knoſpe entiprungen 
ijt und mit jenem in morphologiider Besiehung als 
ein Organ von gleider Urt und Bedeutung erfdeint. 
Vjte eines Baumes oder Strauches find die unmittel⸗ 
bar aus dem Stamm oder der Hauptivurzel aus: 
gebenden erſten Verteilungen, Zweige aber die wei- 
tern BVerteilungen der Aſte. Der Winkel, den ein Wit 
mit Dem Stamm, ein Zweig mit dem Aſt aufwarts 
bildet, heist Aſtwinkel (Aſtachſel, Ujtgabel, lat. 
ala, axilla). 

Aſt, Georg Anton Friedrid, Philolog und 
Philoſoph, qeb. 29. Dez. 1776 in Gotha, geſt. 31. Ot. 
1841 3u Deiindhen, ftudierte feit 1798 in Sena, ward 
1802 Privatdozent dafelbft, 1805 ordentlicder Bro- 
feffor der Philologie gu Landshut, fiedelte 1826 mit 
der Univerſität nach München über und wurde hier 
jum Mitglied der Alademie der Wiſſenſchaften ernannt. 


896 Aſtaboras 


Ym Geiſte Schellings ſchrieb er: »>Handbuch der Hithe: | 


tif< (Leip;. 1805) ; »>Grumbdrif der Geichichte Der Philo 
fopbie< (2. uf, dai. 1825); »GrumDdDintien der Philo 
fopbie« (2. Anil, dai. 1809) ua Als Philolog wid- 
mete A. feine Tãtigleit dem Paton, indem er emycine 
Schriften desielben bearbeitcte und die jamtlichen Werte 
Piatons mit lateiniſcher Überſetzung und Rommen- 
taren (daj. 1819-32, 11 Bde.) berausgab, aud das 
» Lexicon Platonicum< (dai. 1835—38, 3 Bde.) ver- 
Offentlidte. In femem Werfe »Platons Leben und 


Astacidae, j. Strebje. Astacus, f. Flußkrebs 
Aſtakos (aud Cibia qenannt), alte Stadt in 
Bithynien, am Ojtende de3 Meerbuſens von Ismid, 
bon arern, 3u denen {pater Uthener fich geſellten. 
riindet. Die Bewohner wurden 264 v. Chr. von 
ifomedes IL. von Bithynien in Nifomedeia (Ismid 


— 
ſtaroth (Aſchtaroth), Name von zwei oitjor- 
daniſchen Orten in Baſan, einer, Heft 
Rinigs Og von Baſan, jubenannt Rarnaim, aud 
Beesthra (d. h. Tempel der Ujtarte), im beutigen 
Tellel Ufdtara geſucht wird, während der andre 
füdlicher, beim Ruimenbiigel Tell el Widari, lag. 
Astarte Sow., Muſchelgattung, der Gattung Ve- 
nus ähnlich, aber den Rarditiden naberitebend. Die 
Schale ijt did, lonzentriſch gerippt oder geitreift, mit 
brauner oder ſchwãrzlicher Schalenbaut. Die metiten 
und größten Yirten finden fic) in Den hochnordiſchen 
und nordijden Meeren. Wan fernt 200 foſſile Arten 
vom Lias an (Wjtartenfalfe). A. borealis, ſ. Tafel | 
»Diluvium I+, Fig. 10. | 
Wftarte (qried).; aramäiſch Uttar, tanandijd- | 
bebraiid) Uf dtoreth), größte ſemitiſche Göttin, die 
Gemahlin des Gottes Baal und als ſolche auch Baal⸗ 
tis (Baalat) genannt. Im Gegenſatze ju Baal, | 
tem minnliden, zeugenden Bringtp, dem Herrn der 
Schöpfung, dem Lidjtgott, verforpert im Sonnenball 
(f. Baal), rt A. das werblice, empfangende, gebärende 
Pringip, die Gottin der Ressinoiicalt der Natur, 
die Gottin des Naturlebens in feimem Entjtehen und 
Vergehen. Die Mondſichel, mit der ihr Haupt bis- 
weilen geſchmückt erjdeint, Deutet darauf, daß der 
Mond als ihr Gejtirn — A. iſt die Göttin der Liebe, 
der Fruchtbarkeit und der Zeugung. Ihren Prieſtern 
war Eheloſigkeit, ihren Prieſterinnen ſtrengſte Keuſch⸗ 
heit zur Pflicht gemacht. Dagegen verlangte ihr Kul⸗ 
tus, daß ſich Die Jungfrauen an ihren Feſten preis- 
qaben und ibren Erwerb an das Heiligtum abliefer- | 
ten oder ju Opfern verwendeten, als welche fie am 
liebjten Siegenbddlein darbradten (wie die Hetdren | 
der Uphrodite Pandemos bei den Grieden und die 
BVerehrer der Liebesgöttin in Paphos). Daneben feblte 
es aud) nicht an männlichen Hierodulen. A. war aber 
aud) Gitlin des Krieges; ald ſolche erſcheint fie mit dem | 
Speer bewaffnet und bald auf einem Lowen, bald auf | 
cinem Stiere reitend. — Über die babyloniſch⸗ aſſyri⸗ 
ſche Göttin Iſtar, die mehrfach beſondere Züge auf- | 
weijt, mandje aber aud) mit der weitafiatifden WL teilt 
(ingbej. ben unjiidjtigen Kultus) und in einigen fo- 
a (3. B. Der Tammuz-Mythe) die aujer loni⸗ 
chen Aſtarteſagen beeinflußt haben dürfte, ſ. Iſtar. 
Wie ber den Babylonier-Aſſyrern der Name Iſtar 
auch fiir Gottin überhaupt gebraudt wurde, fo trug 
aud) bet ben Phdnifern und Aramäern jede Baalat, | 
d. h. jede Göttin als Gemablin cines beliebigen Baal 
oder Stanun+, Stadt+, Berggottes rc. (f. Baal), mit | 


Des 


— Aſter. 


Borliebe den Namen Aſchtoreth 
nod der Name ihres Gemabis t werden fonnie; 
B. Midtor des Ramojd in b ſowie die ara- 
maiide Gottin Atargatis, d. h. Uttar des Gottes Hate, 
woraus Derfeto (j. d.) forrmmpiert iſt. 

Aftafie (qriec.), j. Abaſie 

Afratifdy (qrieh., -unitet, leicht beweglich«) heitt 
eine Wagnetnadel, die durch den Erd zmus 
mit ſeht geringer Kraft im der Gleichgewichtslage fen 

ehalten wird; man erreicht Dies, indem man m Der 
abe einen Wagnet derart anbringt, daß er Die Wit 
fung de3 Erdmagnetisnms nahezu aufbebt, oder in⸗ 
dem man zwei Wagnetnadein an derjelben vertifaien 
Achſe fo befeſtigt, daß der Nordpol der obern Radel 
iiber Dem Siidpol der untern liegt. S. Galvanometer. 

Aſtatki, Ruͤccſtand von ber Petrotcumbeltilletion, 
dient als Feucrungsmaterial. 

Aſtegorrhinie —5 die Form des knochernen 
Rajenriidens beim Tier, der im Vergleich zu dem 
menidlicen feinen giebeligen Borjprung bejigt. Bgl. 
Rbyndognatbie. 

Aten, Friedrich Emil von, Aſtronom, ged. 
26. Jan. 1842 in Rodin, geit. 15. Mug. 1878 m St. 
Petersburg, wurde 1871 Wdjunft - Aſtronom an der 
Sternwarte in Bulfowa, lieferte eine Bahnberechnung 
der UranuSstrabanten und Bejtimmung der Uranus. 
maije, Hilfstafein zur Reduftion der Lalandeſchen Fit 
iternbeobadtungen (Leip;. 1868) und zwei Wbband- 
lungen iiber den Endeiden Rometen (St. Petersb 
1871 u. 1877). 

Aftenberg, ſ. Kabler Ujtenberg. 

Aster L. (Sternblume), Gattung der Lompo- 
jiten, meiſt ausdauernde Gewächſe mit einfachen Bia: 
tern, riſpig, ebenſträußig oder einzeln endſtändigen 
Blutenlöpfchen und langliden, zuſammengedrücten 
Achenen mit zwei⸗ oder dreireihigem Pappus. Uber 
200 meiſt Der nördlichen Erdhälfte, Dorgiiglidy Nord- 
amerifa, angehörige Urten. A. alpinus L. (f. Tafel 
Zierpflanzen I<, Fig. 2), mit nur cinfaptigem Sten. 
gel und blauen Randbliiten, im Nordaſien und den 
höhern Gebirgen Mitteleuropas, wird als Zierpflanze 
auf Steinbecten fultiviert; A. Amellus LZ. (Birgils- 
ajter), in Mitteleuropa, auf Bergen und diirren Ha 
geln, bis 50 cm hod, mit blauvioletten Randbliiten; 
A. Tripolium Z. (Sumpf-, Strandajter), mit 
lilafarbigen Bliiten, am Meeresjtrand und auf Sal; 
boden in Europa und Aſien, fowie mehrere andre ans 
dDauernde, namentlich nordamerifanifde Arten ſind 
als Herbſtaſtern in Garten beliebt und z. T. bei 
uns verwildert. A. chinensis, ſ. Callistephus. 

After, 1) Ernſt Ludwig von, preuß General, 


, Uttar, woju dann 


— 5. Ott. 1778 in Dresden als Sohn eines fur 


ächſiſchen Angenicurgenerals, geſt. 10. Febr. 1855 
in Berlin, trat 1794 in das ſächſiſche Angenicurforps, 
madte 1806 den Feldzug gegen die Frangofen mut, 
wurde 1809 zum Kapitän im Generaljtab, 1811 auf 
Napoleons Verantajjung, dem er einen Blan zur Ver 
feftiqung Torgaus vorlegte, jum Major im General 
jtab befordert und zeichnete fid) 1812 im Feldzuge 
egen Rufland aus. 1813 zum Oberjtleutnant und 
des Weneraljtabes Thielemanns in Torgan et 
nannt, ging er nad) der Schladt bet Großgoͤrſchen 
weil tO er fid) an den BVerhandlungen mit dn 
Ulliierten beteiligt hatte, in Deren Hauptquartier, 
fiibrte 1813 an der Spite einer Koſalenabteilung 
mebrere fiihne Handjtreide in der wage wy a und 
focht Dann bei Baugen und Leipsig. Bei Reor- 
qanifation der ſächſiſchen Truppen ward er Cher: 
quartiermeijter, {pater Chef des Generaljtabes beim 


Afterabad 


7. deutſchen Urmeeforp3 und 1814 Oberjt. Bei der 
Teilung der ſächſiſchen Armee 1815 trat er in das 
preußiſche Ingenieurkorps und nahm als Chef des 
Generalſtabes de3 2. Urmeeforp3 an den Schlachten 
bei Ligny und Belle-Wiliance teil, 1821 zum Chef 
Der Ddritten Yngenicurin{peftion ernannt, leitete er die 
Befejtiqung von Kobleng und Ebrenbreitjtein, bei der 
er Dag neue preußiſche Befeſtigungsſyſtem anwendete, 
das in den Feſtungen nicht nur Sicherheitsplätze ſah, 
alle Pedanterie verwarf und frei und vollſtändig das 
gegebene Terrain ausnutzte. 1825 wurde er Feſtungs⸗ 
fourmandant von Koblenz und Ehrenbreititein, 1837 
Mitglied de3 Staatsrats und Generalinjpeftor der 
preupifden Fejtungen, 1838 Chef des Angenieur- 
forps und Rurator der Urtilleries und Yngenieur- 
fdjule gu Berlin, 1842 General der Infanterie und 
erhielt 1844 mit dem Sd warjen Udlerorden den Erb- 
adel. 1849 nahm er feinen Ubfdied. A. war ciner 
Der gelehrteften Offiziere und ein ausgezeichneter Ma- 
thematifer. Seine »Madgelajfenen Sdjriften« erjdie- 
nen Berlin 1856-—61, 5 Bde. (Bd. 1, 2 u.5 in 2. Uufl. 
1878). Bgl. Eilers, Betradtungen und Urteile de3 
Generals v. W. über die politiſche, firchlidje und pädago⸗ 
giſche Parteibewegung unfers Jahrhunderts (Saarbr. 
1859, 2 Bde.); »Kurzer Lebensabriß des Generals 
Ernſt Ludwig v. A.« (mit drei politiſchen Aufſätzen 
Ujters, Berl. 1878); v. Bonin, Gefdidte des In— 
genicurforps in Preußen (daf. 1877—79, 2 Te.). 
2) Karl Heinrid, Bruder des vorigen, Militär— 
fchriftiteller, geb. 4. Febr. 1782 in Dresden, 1796 —- 
1834 ſächſiſcher Urtillericoffizier, geſt. 23. Dez. 1855 
in Dresden. Hauptiwerfe: »Die Lehre vom Fejtungs- 
frieq« (3. Unfl., Dresd. 1835, 2 Bde.); »Schilderung 
der Kriegsereigniſſe in und vor Dresden im Jahr 
1813« (daf. 1844); »Die Gefedhte und Schladten bei 
Leipzig im Oftober 1813« (Leipz. 1852 53, 2 Bde.). 
fterabad, perf. Provinz am Kaſpiſchen Meer, 
im S. vom Elburzgebirge abgeſchloſſen. Sie ijt ſehr 
waldreich; riefige i 
Pterocarya caucasia, Quercus castaneafolia be- 


Deden die Berghänge; der Wein gedeiht wild. Das 


Klima ijt feucht und ungefund; zahlreiche Waldbäche 
ſtürzen Dem Meere zu. Haupttultur tit Reis; die 
Erze (Vlei, Nupfer, Cifen, Silber, Kohle) liegen 
brad. Die Bewohner, teils Sunniten, teils Sdiiten, 
find faul; nur die von den Berfern veradteten Gu- 
daren treiben Acker- und Gartenbau, Seidenraupen- 
und Biehzucht. Das Land ijt ſchwer zugänglich. Im 
Sommer dienen die fandigen Flußbetten als Wege; 
die im 17. Jahrh. von Schah Abbas erbaute grofe 
Strake ijt zerſtört. — Die Hauptitadt W., univeit 
des Kafpif Meeres, 116 m ü. Ve, am Fuh cined 
Baldriidens, ijt Stammſitz der regierenden Kinigd- 
familie Der Kadſcharen und hat 1350 maſſive Hau- 
fer, 395 BVerfaufsliden, 47 Mofdeen. Als Wus- 
qangspuntt der großen Straßen nad Meſchhed-Herat 
und Teheran-Aspahan tried A. einjt lebhaften Han- 
Del, zählt aber jet jtatt Der angeblicd) nocd) 1808 an- 
jaffigen 15,000 Familien nur 20-—30,000 Einw. Wus- 
fubrbafen mit Handelsverbindungen nad Rußland 
(ſeit 1844) ijt Ges, 4km weftlid am Kaſpiſchen Meer. 

MUftéria, im qricd. Mythus Todter des Titanen 
Köos und der Phöbe, Schweſter der Leto, Mutter der 
Hefate, ward, weil fie die Liebe des Reus oder des 
Pofeidon verſchmähte, in eine Wachtel (ortyx) ver- 
wandelt und ftiirste fich ind Meer. Nad) ihr wurde 
die Inſel Delos U. und dann Orty gia genannt, bis 
fie ihren ſpätern Namen erbielt. 

A „ſ. Seeſterne. 

Meyers Konv.=Lezifon, 6. Aufl, L Be. 


rentplare von Parrotia persica, | 


— Aſthetik. 897 
Aſterie, Sternſtein, Sternſaphir, ſ. Korund. 
Asterion, ſ. Schädel. lherrührend. 


Aſtẽriſch (lat.), ſternähnlich; von den Sternen 

Asteriscus, ſ. Odontospermum. 

Aſfteriskos (griech.⸗Sternchen ·), kritiſches, ge⸗ 
wöhnlich rotes Zeichen (* oder X), wodurch die alten 
Philologen Stellen einer Handſchrift vom Verdacht 
der Unechtheit oder Verſetzung freiſprachen oder auch 
fiir ſchön und bemerfensivert erklärten. Entgegen— 
geſetzt war der Obelos (— oder +), gewöhnlich 
ſchwarz, cin Zeichen für Unechtheit und Wertlofigtcit. 
Jetzt verwendet man Sternchen in Schrift und Druck 
als Zeichen bald von Lücken, bald einer Anmerkung, 
bald zur Hervorhebung gewiſſer Mitteilungen 2c. 

Aſterismus (v. lat. aster, »Stern<), die von ber 
Lichtbrechung abhängige Eigenſchaft gewiſſer Mine- 
ralien, nach beſtimmten Richtungen im reflektierten 
oder durchgelaſſenen Licht ſtreifige, freis- oder ſtern⸗ 
förmige Lichtſcheine zu liefern. Bei ben Sternjaphi- 
ren liegen Verwachſungen des Krijtalls mit zahl— 
reichen in aang hain eingeſchalteten Lamellen 
vor, bei andern Mineralien, wie Glimmer, Einlage- 
rungen frembder Krijtalle in regelmapiger Anordnung. 

fterius, 1) fappadof. Sophiſt, Perjaiier ariani⸗ 
ſcher Kommentare und Streitſchriften um 330. 

2) Biſchof von Amaſea in Pontus (geſt. vor 431), 
vor dem fic) 21 Homilien erhalten haben. 

Afteroideen, ſ. Seciterne. 

Afteroiden, ſoviel wie Planetoiden, ſ. Planeten. 

Asterolepis, ſ. Fiſche. 

Afterophijlliten, ſ. Equiſetinen. 

Aſterſtein, Fort, ſ. Ehrenbreitſtein. 

Aſtfäule, ſ. Rotfäule. 

Aſtflechte, ſ. Cladonia. 

Aſthenie (qried., »Kraftlofigteit«), der Zuſtand 
der Erſchöpfung infolge ſchwerer Rrantheiten. With é- 
nifd, kraftlos; aſtheniſches Hieber, mit groper 

Erſchöpfung de3 Kranfen verbundenes Fieber. 
Afthenopte (griech, Geſichts ſchwäche, Augen— 
ſchwäche), Zuſtand leichter Ermüdbarkeit der Augen 
bei Naharbeit, beruht entweder in Störungen des 
Alkommodationsvermögens, namentlich bet gleich— 
zeitig beſtehender Überſichtigkeit Gypermetröpie; 
akkommodative W.), oder auf einer Gleichgewichts— 
ſtörung der innern geraden Augenmuskeln (mus 
kuläre W.), oder ſchließlich auf allgemeiner nervöſer 
Grundlage (nervöſe W.), namentlich bei Hyjterie, 
Neurajthenie u. dgl. Wusruhen der Uugen, Verord- 
nung der ridtigen Brillen, Stirfung des Wil gemein- 
| guftandes befeitigen die Klagen der Kranken. 
UH fthefiologie (qricd.), die Lehre von den Sinnes⸗ 
werkzeugen und deren BVerridtungen. 
| Mfthefiometer (griech.), von Sievefing angege- 
| bene Inſtrument zur Pruͤfung des Raumfinnes Der 
' Haut, befteht aus einem Stab mit Maßteilung, der 
an einem Ende eine furze, redtwinkelig abjtehende 
Elfenbeinſpitze und eine zweite ähnliche, aber auf dem 
Stabe verſchiebbare und durch cine Schraube fejtitell- 
| bare Spige befist. Man ermittelt mit dem W., ähn— 
lid) wie mit Dem Taftergirfel, den Minimalabjtand, 
in bem zwei Reize nocd) deutlich als räumlich verſchie— 
den empfunden werden. Cine bequeme Form hat 
diefem Inſtrument neuerdings Griesbad) gegeben. 
i (qriech., eigentlid) »Empfindungslehre«), 
die Wiffenfdjaft von dem Wefen und den Bedin- 
gungen derjeniqen Eindriide der Wahrnehmung, die 
allein wegen ibres Gefühlswertes der menſchlichen 
Seele anziehend erſcheinen. Gegenſtände äſthetiſcher 
Wahrnehmung finden ſich ſehr zahlreich in der Na—⸗ 
57 








ben mur Burd — — 
mittee: Dw ctterte af ovumg mmerdewet nh 
emteriets Dom Der orteficftucier ond amderiets vow 
ber votumiatiwen: due tmtelt ———⏑ 
gebt ext die Gewormmy Serer 
volte fd pomct exter — 
itrafter Beqrme umd List Dee Arnage. weldie Gevirls- 
eindrũde ĩolche Gedantemproywe berverrufen. gj 
betiette; Dee polantat: de Mxttrvung eg: Sh pM 


loten fam, mi Dem Hurterqrund gedranc. Die &ahe- 
tithe Wuftarung ot daber vom der cuteilefherlien 
eee 
wobl fommen gem-r¢ ebwetsuberGretumgen ber 

beiden Secten dor: abitrafte Gedanfen formen Burd 
das Write der Allegorie m der bildenden Murnt. 
durch dieies und obne dieſes in Der Dichttumit aus 
gedrũck werden; hier verbindet fic alio Die mutefict- 
tuelle Auff mit der Githettidben. Anderiens 
vereinigt die zisſe Kumt das dolumative Ele 
ment mit bem aithetticden : fie bemũtt ih, fir 


zirt der dithettidhen Untfatiung, gelten jedoch als nur 
dbuldende Wb pon Der rem dithetiiden 
Babhrend die intelieftucile und voluntative 
Unufiatiung die Gegenitande tn grogern 3ufammen- 
einordnet, einem Syitem dDienitbar macht, die 
einyeine Erichetnung aber nicht als jolde etner tio- 
herenden ausjeichnenden Betrachtung wiirdigt, wird 
umgefehrt der dithettihe Gegenitand in feiner Jio 
lierthert bloß um ſeines Gefuhlswertes willen geidagt. 
Ter einzelne a oder Borgang wird mit 
Anteil vergeqenwartigt, weil er das Gemut in Bewe- 
qung fet. "Swe Fattoren der ajthettiden Wabrneh- 
mung find zu unterideiden: der objettive Sinnes⸗ 
eindrud emerietts und die fubjeftive Gefiiblsreaftion, 
bie fid) an dieſen Sinneseindrud im Der Seele des 
Auffafſenden anſchließt, anderieits. Hierbet find zwei 
Halle möglich: erjtens, daß das Aithetiiche C djett der- 
art beſchaffen tit, daß es in Der Seele jedes normalen 
Menidhen eme Gefühlsbewegung von bejtimmter Qua⸗ 
lität hervorruft; mecitens ber all, daß fic) an den 


duster ster jemer Nixheung qebemde Bedeutung 
mag ; Don der Hedeztiamfert des Lebensgehal- 
tes bamot der ã Gr exjeers Scene cb. 
Sefenting par Steugerumg des GeribisermBends 
— * ⏑ Sir ben Sieee 
‘emben meu Uf. dee Reabert bidet te poem: Gere 


omenbart: be Steigetung durd Lontrafe & 
Det dee rue Hedeagung Lief emmgresfem in uxer Ge- 
ragisieben femm fermer mur ded, wes univer ject ust 
unirer Nation qemiy it: Der metionel: 
und volfstimlide Gebelt due wierte Be 
dungumg- frermer Duirfen Dee emnjelmen jmecmamber ge 
borqem Sestem des dithetiichen Gebildes insbei_ Xora 
und Inbalt. nicht im Wigverbalns uetmander itehex: 
die Fientte Bedergung der aithetriden Sittecag Ht dabe: 
bee Der Darmontie der juemanbder gehdrigen Teds 


: allju beftiqer Wifett labmt unter Gemuiit und berawle 


Bid arg cars reir andere ag 


Berhaltens ausmacht: als fechite 

daber Die Abtonung des aithetijchen 

tes, Die Damprung und Soenlifierang eller berjemigrs 
Clemente, die, —— heurmend wirlen. dinu 
ſtellen. Wabrend die Einſtreuung i Ete 
mente das aithettide Verhalten ftort, wirft anjdan- 
liche Lebensfülle anregend: als fiebente Bedingung i 
baber die bes fonfreten Qebensgebaltes 

ju machen. Sollen die — — 
des Lebens als idealiſierte Spiegelbilder der Wirfind- 
teit exjdetnen, jo mitijen fle nach Gejegen geftatiet 
jem, die Denjenigen der wirfliden Belt entſprechen: 
als achte Bedingung dithettider Wirkungen tit daber 
bic ber Schenswabrécit — on thr fan 
unter Umſtãnden abgeichen werden, wenn ums der 
Schaifende ausdrüdlich in cine Welt entrückt. in der 
die Naturgeſetze nicht gelten. Will er jedoch Wbbilder 
der Wirklichleit geben, fo muß er aud deren Gejege 
anerfennen. Wag er Neufchdpfungen des wirllichen 


aſthetiſchen Gegenſtand nidt ohne weiteres und fiir Lebens oder Phantaſieſchöpfungen geben, auf alle 


jeden bejtimmte Geflihlsbewegungen anidliesen, fon- 
bern daß fie vielmehr nur dDurd die ciqenartige Auf⸗ 
faſſungsweiſe eines beſtimmten Jndividuums ju dem | 
Gegenſtande hinjugefiigt werden. Die aithetiichen Ge- | 
fühle der erften Art find die objeftiven aithetifcen 


Fälle wird er fic) von den fundamentaten fittlichen An⸗ 
ſchauungen nicht emanjipieren diirfen. Wenn er aud 
m nebenſächlichen Punkten feſt gewurzelten ſittlichen 
Anſchauungen nicht zu genügen braudt, wenn es ibm 
aud frei ſteht, über wichtige Dinge einen Standpuntt 


Wefiihle; hierher gehören: das Schöne im engern _cingunebmen, dent Die Zeitgenoſſen nicht teilen. fo muh 
Sinne ded Wortes, das Erhabene, das Tragiſche und et doch irgendwie eine Regel ded ſittlichen Handeins 
dad objeftiv Komiſche; die Aithetifdhen Gefühle der zwei⸗ fermen und geltend machen: in dieſem Sinn it als 


ten Art find die fubjeftiven ajthetiiden Gefiihle: | 


neunte Bedingung des Ajthetifden Eindrucks die An 


Aſthetik (geſchichtliche Entwicetung). 899 
erfennung einer fo oder fo gearteten moraliſchen der Vernunft. Beide haben das Wahre und Gute 
Anſchauung gu nennen. Endlich dürfen die einzel- oder furg die Vollfonunenheit sum Gegenjtande. Die 
nen eile eines fonrpleren äſthetiſchen Gebildes nicht | Erkenntnis, die aus dem höhern Vermögen fließt, ijt 
obne —— ſein, ſondern ſie müſſen ſich zu die logiſch klare, begriffliche; die ſinnliche Erkenntnis 
einem einheitlichen Ganzen gliedern: als zehnte und dagegen ijt unflar und verworren, mur eine unvoll- 
letzte Bedingung ijt dabher die der Cinheit des Ajthe- | tommene Vorſtufe jener. Mit diefer verworrenen Er- 
tijden Gebildes angufiifren. Wenn alfo unfre Wahr⸗ kenntnis nun wird die äſthetiſche Auffaſſung oder 
nehmungen, die unfrer Erfenninis- und Willens- Vetradtung entijiziert ; und von ihr handelt die A. 
region entriidt find, dieſen zehn Bedingungen entfpre- | Es fehlt bet Baumgarten die Anerlenntnis der Tat- 
den oder annähernd entipredjen, fo werden fie jenen fade, da} der Genuß im Fithlen bejteht, und dap 
lebendigen und leichten Abfluß der Gefiihle ermög- Fühlen etwas andres ijt als (fei es flares, fet es un— 
lichen, der das charalteriſtiſche Merkmal der ajthett- | Hares) Crfennen. Letztere Einſicht tritt bei den fon- 
ſchen Muffaffung ausmadt. Das lebendige Spiel | ftigen Mjthetitern der Wolffſchen Schule, wie Eſchen— 
Der Gefiihle ijt aber nur cin Ungeichen der gu hodjter burg, Eberhardt, Sulzer (»Theorie der ſchönen 
Leidfigteit ejteigerten allgemeinen Seelentatigteit. Ritnjtes), nNendelsſohn, deutlider hervor. An— 
Der Ajthetiide Zujtand ijt derjenige höchſter innerer derſeits madt Leſſing, unbeirrt durch die Schule 
Freiheit. In der äſthetiſchen Anſchauung kommt wei- und ohne eigne Neigung yu allgemeinen Begrijfs- 
terhin das Wefen der Welt gu reinjter Darjtellung: | bejtimmungen, im einzelnen äſthetiſche Entdedungen 
wiihrend der Forſcher fic) in abjtratten Gedanfenope- | von gripter Widtigteit. . 

rationen von der Vergegenwartigung des unmittel- | Einen weitern Fortſchritt in der A. bezeichnet Rant 
bar Gegebenen oft abwenden muß, waͤhrend der prak⸗ (⸗Kritik der Urteilskraft⸗.. Seine Erklärung: ſchön 
tiſch Handelnde nur für das Blick beſitzt, was ſeinen ſei, was in der bloßen Vorſtellung ohne Intereſſe an 
Zwecken dienlich tit, haftet der äſthetiſch Schauende an ſeinem Daſein und ohne Begriff allgemein und not- 
den Bildern der konkreten Wirklichkeit. Ge- wendig gefalle, enthält eine Einſicht von epoche⸗ 
fteigert wird die Bedeutung dieſer äſthetiſchen Un- madender Bedeutung. Zugleic hat aber Kant durch 


ſchauung nod) dadurch, dab fic) an die Gegenſtände der 
Wahrnehmung mannigfaltige Vorjtellungs- und Ge- 
fühlsaſſoziationen anfdlichen, und daß das Gegebene 
äufig als Symbol bedeutjamerer und allgemeinerer 
rideinungen auftritt, die unwillfiirlid) in Der Seele 
deS Uufnehmenden lebendig werden. Trogdem der 
äſthetiſche Gegenjtand ifoliert ijt, jteigert er ſich dod 
durd) derartige Ausſtrahlungen oft gu einer in weite 
gerne hindeutenden Offenbarung tiefiten Seelen- 
lebens (j. Ujthetifche Upperzeptionsformen). Ym ein- 
zelnen find die Schipfungen der veridiedenen Künſte 
in hohem Grad abhangig von den Darjtellungs- 
mitteln, iiber die fie verfiigen. Die einheitlich ge— 
priigte Form, in der fic) die äſthetiſche Gefühlsauffaſ⸗ 
jung de3 Schaffenden unmittelbar fpiegelt, ijt der Stil 
de3 Kunftwerkes. Liegt dem Darjtellenden daran, den 
Lebensgehalt ſtark gu dampfen und absutinen, fo 
ſchafft er in idealiftifdem Stil; läßt er dagegen die 
Befonderheiten der Lebensgebilde ohne tiefer emagrei- 
fende Verinderungen zum Ausdruck gelangen, fo be- 
Dient er fich de3 realijtifden Stils, wahrend endlid 
der Naturalismus nur eine unkünſtleriſche photo- 
graphiſch treue Wiedergabe der Wirklidfeit bezweckt. 
Wis abgegrengte und mit ee ab Namen be- 
—— Wiſſenſchaft beſteht die A. ſeit den von dem 
olffianer A. G. Baumgarten (ſ. d.) 1750 heraus⸗ 
gegebenen ⸗Aesthetica«. Dod finden ſich bemerlens⸗ 
werte äſthetiſche Beſtinmungen ſchon im Altertum. 
Platon bezeichnet im ⸗Phädros« das Schöne, alſo 
den Hauptgegenſtand der W., als Nachbild des allein 
wahrhaft Seienden, d. 6. Der ⸗Ideen«, in deren Reid) 
das Gute die Sonne ijt, beſtimmt anderfeits im » Poi 
leboS« die Freude am Sdinen als die Luft, die durch 


die Wahrnehmung eines Verhaltnis- und Ebemnafi- | 


gen erzeugt wird. Für Wrijtoteles ijt das Schöne 
a8 weder gu Grofe nod) ju Kleine. Im übrigen 
begeqnen wir bei ihm wertvollen Cinjeleinfidten, 
insbej. betreffs poctifder Fragen. Blotinos defi- 
niert das Schöne als die Gegenwart ber Idee im 
Sinnliden, Wlerander Baumgartens Ausſchei— 
bung der Ä. als einer befondern Wiſſenſchaft hängt 
zuſammen mit der Wolffiden Unterjdeidung eines 
doppelten Erfermtnisverntdgens, eines niedern, der 
Sinnlidfeit, und eines höhern, des Verjtandes oder 


die Urt, wie er das »Wobhlgefallen ohne Vegrijf< 
näher bejtimmt, einem das Schöne feines Sinnes 
und Inhaltes beraubenden mit den Tatfaden und 
ſich felbjt in Widerjprud ftehenden abjtraften For— 
malismus Vorſchub qeleijtet, den Darn Herbart (⸗All⸗ 
tne praktiſche Philoſophie⸗ und »Lehrbuch zur 

inleitung in die Philoſophie⸗) und fein Schüler Ro- 
bert Zimmermann( Allgemeine W. als Formwiſſen⸗ 
jdaft«, 1865) zu einem Syſtem der formalijtifden A. 
weitergebildet haben. In jenem Formalismus ijt 
aud OGilter teilweiſe befangen. Aber er geht zu— 
gleich darüber hinaus bis zur Identifizierung des 
Schönen und des Widerſcheins des Sittlichen in den 
Formen. Wenn er doch zugleich die Vernichtung des 
Stoffes durch die Form als Aufgabe des Künſtlers 
bezeichnet, ſo iſt damit ſchließlich nur geſagt, daß es 
nicht auf den Wer! des Stoffes oder des ⸗Sujets« 
al ſolchen ankommt, fondern immer mur auf den 
Wert desjenigen, was aus der Form uns unmittel⸗ 
bar entgegentritt. —— Kant tritt mit nicht überall 
klarer Leidenſchaftlichkeit Herder auf, um (in der 
Kalligone⸗) das Schöne als itberall ausdrudsvoll 
und durd) feinen Inhalt unſre Sympathie wedend 
zu preifen. Die idealijtifde Philoſophie vor allem 
der Hegelſchen Schule bezeichnet dann als Inhalt 
des Schönen allgemein das Abſolute, die Idee, die 
Gottheit, und macht es ſich zur Aufgabe, die Art, wie 
dieſer Inhalt des Schönen in die unmittelbare Er— 
ſcheinung tritt und ſo die verſchiedenen Gattungen 
des Schinen ſich verwirklichen, als denknotwendigen 
Prozeß zu begreifen. Neuere aus dieſer Bewegung 
— — Äſthetiler haben mit den metaphy- 
ſiſchen Grundgedanten derſelben wertvolle, auf ein— 
dringender Kenntnis des Schdnen berubende und 3. T. 
außerordentlich tiefes Verſtändnis verratende Einſich⸗ 
ten im einzelnen zu verbinden gewußt. Hierher ge— 
hört vor allen Friedrich Theodor Viſchers geniale, 
in den allgemeinen Paragraphen vielfach abſtruſe 
und mit Begriffen ſpielende, in den Ausführungen 
vont Geiſt fprithende » Witheftit« (Stuttg. 1846 — 57, 
3 Tle.) famt den das Syjſtem vielfach forrigierenden 
Kritiſchen Gängen«, daneben die ⸗»Aſthetik- von M. 
Carriere (3. Aufl. Leipz. 1885, 2Bde.) und nicht zu⸗ 
letzt die »Gefdhichte der A. in Deutſchland« von Loge 

57* 





900 


(1868), die iiberall fein und geiſtreich mit der Geſchichte 
die Mritif und die Darlequng cigner Unjdauungen 
verbindet. Auf den Standpunft der Erfahrung und 
der induftiven Forfdung Pelt fid) mit Bewuptfein 
Fechner (»Beitrag zur erperimentellen A.«, Leips. 
1871, und »Vorſchule der AÄ.«, daf. 1876, 2. Aufi. 
1897), der den fymbolifden Faltor Lopes als aſſozia— 
tiven dem Diretten oder jinnlichen Faftor der Schön— 
heit entgegenitellt. Für die YL. der Architeklur und der 
techniſchen Künſte find bahnbrechend geworden Bot- 
tidhers »Teftonif der Hellenen« und Sempers ⸗Prak⸗ 
tiſche A. oder der Stil in den techniſchen und teftori- | 
ſchen Künſten«. 

Bgl. auger den ſchon genannten Hauptwerfen: | 
Jean Baul, Vorſchule der WM. (1804), mit vortreff— 
lichen Bemerfungen über Romif und Humor; Sdel- 
ling, Uber das Berhaltnis der bildenden Künſte zur 
Natur (1808); Derfelbe, Vorlefungen über Philofo- 
phic der Runjt (Bd. 5 der ⸗Sänitlichen Werke«, 1859) ; 
Solger, Erwin. Vier Geſpräche über das Schöne und 
die Kunjt (Berl. 1815); Hegel, Borlefjungen über A. 
(daſ. 1835 —38); Sdleiermader, Borlejungen | 
liber YU. (Daj. 1842); Schopenhauer, Die Welt als 
Wille und Borjtellung; K. Chr. F. Krauſe, Abriß 
der YL. (Witting. 1837); Beife, Syitem der W. (Leipz. 
1830); Die »jthetifen« von K. Köſtlin (Tiibing. 
1869), Schasler (Leipz. u. Brag 1886), Lemcke 
(>Poputire W.<, 6. Uufl., Leips. 1890), J. v. Kir dy- 
mann (Berl. 1868), Ev. Hartmann (Leip;. 1887); 
Lotze, Grundgiige der H.(2. Wujl., daf. 1888); Köſtlin, 
Uber den Schinheitsbeqriff (Titbing. 1878); Derjelbe, 
Prolegomena zur W. (daf. 1889); Groos, Einleitung 
im die YL. (ie, 1892); Derſelbe, Der äſthetiſche Ge- 
nuß (Daj. 1902); Elſter, PBringipien der Literatur: 
wiſſenſchaft, Bd. 1 (Halle 1897); Jonas Cohn, All⸗ 
pemeine A. (Leip;. 1901). Eine volljtindige Geſchichte 

r UW. hat zunächſt Rob. Zimmermann gelicfert 
(Wien 1858), dann Sdasler (Berl. 1872); die Ge- 
ſchichte Der U. inDeutidland behandelt Lotze (fj. oben), 
die A. nad) Rant Neudeder econ 1878) und E. 
vb. Hartmann (Berl. 1886), die vor Kant H.v. Stein 
(»Entjtehung der neuern R.«, Stuttg. 1886), die ¥. 
Rants Herm. Cohen (Berl. 1889). 

Aſthetiker, ciner, der über Äſthetik (f. d.) ſchreibt; 
Kunſtforſcher, Kunjtgelehrter (int weitern Sinne). 

LU fthetifeh, auf Ujthetif (j.d.) bezüglich, wohlgefällig. 

Aſthetiſche Upperzeptionsformen heißen be- 
ſtimmte Auffaſſungsweiſen, durch weldye zu einem äſthe-⸗ 
tiſchen Wahrnehmungsinhalt Gefühls- und Vorſtel⸗ 
lungsgebilde —— werden, die deſſen Wert er— 
heblich ſteigern und ihn oft erſt zu eigentlich äſtheti— 
ſcher Bedeutung erheben. Vier Formen deräſthetiſchen 
Apperzeption ſind zu unterſcheiden: 1) die beſeelende 
oder perſonifizierende Apperzeption, 2) die metapho- 
riſche Upperjeption, 3) die antithetifche Apperzeption, 
4) Die ſymboliſche Upperzeption. Die befeelende | 
Apperzeption bejteht darin, daß der Auffaſſende dem 
Gegenſtand feiner Wahrnehmung menſchliches oder 
menſchenähnliches Denken und Fühlen verleiht, insbeſ. 
nicht bejeelten Gegenſtänden Seele ſchenkt. Bor allem 
tritt die beſeelende Apperzeption in dem Naturgefühl 
zu Tage: in dem mythologiſchen Naturgefühl primi— 
tiver Seiten, wonad etiva Berg und Wald, Fluß und 
Hain, Baum und Strauch durch menſchenähnliche 
göttliche Wefen befeelt qedacht werden; in dem fenti- 
mentalen Raturgefiihl der modernen Seit, das am 
mãchtigſten durd Rouſſeau entiwidelt worden ijt, wird 
Die unbejeelte Natur qleichfalls als mit Menſchen— 
(eben ausgeftattet, mitfühlend und teilnehmend ge- 








Aſthetiker — Aſthma. 


dacht. Die Beſeelung kann ſich aber auch auf Ubjtrofis. 
auf künſtliche Gebifbe der Menfdenband und andre 
beziehen. Das Charatteriftijde der gweiten Apper 
jeptionsform, der metaphorifden Apperzeptien 
bejteht Darin, daß Der Muffaffende yu ciner gegebence 
Vorjtellung cine andre nut ihr in Beziehung ſtehende 
oder ibr vergleidjbare hinjufiigt und häufig einfod 
die neue ftatt Der urfpriingliden Borjtellung cinfest 
Durd diefes Hingudenfen einer Barallelvorjtellung 
wird Der jeweilige Inhalt des Bewußtſeins erheblia 
bereichert (ſ. Metapher). Die antithetifde Apper 
zeption, Die von geringerer Wirkung ijt und emer 
mehr verjtandesmagigen Eindruck madt, bereichen 
oder eriveitert Den Ynbalt der Wahrnehmung dard 
Hinzufügung einer Kontrajtvorjtellung (ſ. Antitheſe 
Die bedeutendſte Apperzeptionsform liegt in der 
ſymboliſchen Apperzeption vor, die man bezeich 
nen kann als cine Metapher im verjüngten Wapitabe 
Während nämlich bei der metaphoriſchen Apperzeptien 
gu einer gegebenen Vorſtellung nur eine Analogie 


| vorjtellung bingutritt, ijt es bas Wejen des Symbols. 


dak fid) mit einem unmtittelbaren Wahrnehmungs- 
inbalt von oft nur geringer Bedeutung cine Ang 
logievorjtellung von weit ausfdauender Bedeutung 
vertniipft, fo daß Der Inhalt des Symbols ins lin 
endlide auszuſtrahlen ſcheint und oft wobl tiefſinn⸗ 
er Uhnung, nicht aber mehr dem logiſch erfennenden 
Berjtand erfakbar erjdeint. Viele Symbole find 
fonventioneller Art, wie etwa die Darbietung pou 
Brot und Salz, das Berjdneiden de3 Tifchtucs, das 
Raudhen der Friedenspfeife u. dgl. Daneben bejtehen 
individuelle Symbole, die von Dem eingelnen Künſt⸗ 
fer gefdaffen werden und im Gegenfage ju den fon: 
ventionellen in ihrem a Inhalt nicht immer aus⸗ 
zudeuten find. Die Kraft ſymboliſcher Obergedanten 
ijt fiir die Größe einer künſtleriſchen Berfontlicfeit 
mebr als alles bezeichnend. Das Symbol fest die 
Phantajie des Aufnehmenden in rajtlofe Bewegung 
und läßt in der einzelnen Erjdeinung dad legte 
Ratjel des Lebens ahnen. Das Symbol tommet insbeſ. 
aud) in der Form jum Wusdrud. Gewiſſe Riige der 
dem Auge oder Obr fic) darbietenden Form fonnen 
einen Snbalt abnen lajjen, den der Verfafjer nur im 
leifen Undeutungen vertirpert hat. Übertreibungen 
der fymbolifden Wpperjeption haben fid) bet den 
Symobolijten in der Malerei und Dichtkunſt in nene- 
rer eit oft gezeigt, im der Dichtung bejonders auf- 
fallend in Frankreich. Vol. Elſter, Pringipien der 
Viteraturwijjenfdaft, Bd. 1 (Halle 1897); über das 
Symbol insbej. vgl. Siebed, Das Wefen der äſtheti 
ſchen Anſchauung (Berl. 1875); Volkelt, Der Sym— 


bolbegriff in der neueſten Withetif (Jena 1876), und 


vor allem Fr. Vifder, Das Symbol (im den »Pdi- 
lofophifden Aufſätzen. Ed. Zeller gu ſeinem 50jähri⸗ 
gen Doktorjubiläum gewidmet«, Leipz. 1887). 
Aſthma (griech, Bruſtkrampf, Engbriijtig: 
feit), erſchwertes Atmen, Utenmot. Man unterſchet⸗ 
det das A. cardiacum, Die durch ungenügende Her}: 
tatigfeit bedingte Utemnot (f. d.), und das eigentliche 
A. (A. bronchiale oder nervosum). Letzteres ſtellt 
eine tn Unfallen auftretende Utenmot dar, die man 
gewöhnlich auf einen Rrampf der Brondialmustula 
tur, fiir einzelne Fille auch auf einen Zwerchfell 
frampf juriidfiibrt. Das U. kommt bei fonjt qejunden 
Leuten vor und wird dann wobl merit refleftorifd 
ausqgeldjt; fo fann man es Durch Berührung der Rasen: 
ſchleimhaut hervorrufen, und Leute mit Nafenpolypen 
leiden häufiger an A. Ferner gefellt ſich A. wenn aud 
nidt in typiſcher Form, oft zu chronifder Brondites 





Aſti — Aftiqmatismus. 


und Emphyſem. Der aſthmatiſche Anfall ſtellt eine 
diberaus quälende und beängſtigende Utenmot dar, 
einen Luftmangel, der bei Nacht die Traumvorſtellun 
Des Ulpdriicens erjeugen fann. Die Utempiige find 
Taut pfeifend, giemende Geräuſche und Sdnurren fiber 
Den Lungen find oft auf Entfernung hörbar, die Kran— 
fen werden blaurot, fie ftemmen dite Hinde auf, um 
die Hilfsmusfeln der Atmung beffer benugen gu fon- 
nen (j. Orthopnie), fie fürchten gu erjtiden. Nad eini- 
ger Zeit läßt der Anfall nad, es wird cin überaus 
saber Schleim in ſpärlicher Menge herausbefirdert. 
ieſer Schleim enthalt oft fpiralig zuſammengedrehte, 
mit blokent Wuge wahrnehmbare Gebilde, fogen. 
CurſchmannſcheSpiralen und kleine oktaedriſche 
Kriſtalle (Aſthmakriſtalle). Die Behandlung 
hat zunächſt mit der Erforſchung des Grundes des 
Aſthmas zu beginnen. Naſenpolypen z. B. müſſen 
entfernt, ebenſo Dinge vermieden werden, die bei dem 
einzelnen Kranken erfahrungsmäßig Anfälle auslöſen, 
wie Magenüberladungen, oft aber gang bizarre, ſchein⸗ 
bar gar nicht mögliche Urfaden. Haufig tut cin Klima— 
wedjel gut, außerdem müſſen begleitenbe Bronditiden 
forgjam behandelt werden. Wis Spezifikum gilt der 
lingere Gebrauch von Jodfalium. Gute Dienjte leijtet 
aud) eine Behandlung mit fomprimierter Luft. Der 
Anfall ſelbſt wird häufig mit Erfolg durd Einatmung 
von Salpeterdaimpfen (Salpeterpapier) oder Raud 
von verbrannten Stechapfelblättern bekämpft. Die 
zahlloſen Geheimmittel, Aſthmazigaretten r., enthal- 
ten faſt alle Stechapfel (Stramonium). Bgl. Brii- 
——— , Das A., fein Weſen und ſeine Behand— 
ung (4. Aufl., Wiesbad. 1901). — UW. der Kinder, 
j. Stinunrigenframpf; A.der Pferde, f. Dämpfigkeit. 
Ajti, Kreishauptitadt in der ital. Proving Aleſſan 
dria, 142 m it. M., am Einfluß des Borbore in den 
Tanaro, Knotenpunft der Eiſenbahn Aleſſandria- 
Turin, in frudtbarer Gegend gelegen, hat alte Mauern 
nit Tiirmen, eine ſchöne gotiſche Rathedrale (von 
1220), awet Tauffirden: San Giovanni und Gan 
Pietro (11. Jahrh.), cin Muſeum fiir vaterlindifde 
Denkwürdigkeiten im Palazzo Alfieri, eine Reitesjtatue 
des Kinigs Humbert (von Tabacchi), eine Statue und 
das Geburtshaus des Dichters Alfieri, Weinbau (be- 
riihmter Schaumwein), Seidenfpinnereien, ehemals 
berithmte Budpdrucereien, Fabrifation von Zündhölz— 
den, Weinjtein, Zuckerfrüchten, Gold- und Moſail— 
arbeiten, Fäſſern ꝛc., lebhaften Handel, ein techni— 
ſches Inſtitut, zählt avon ca. 24,000 (als Gemeinde 
38,045) Cinw. und ijt Biſchofsſitz. — W., im Wter- 
tum Hasta, unter den Langobarden Hauptort eines 
Herjogtums, unter den Franfen einer Graffdaft, war 
jeit Dem Ende der Staufer cine der bedeutendjten 
Städte Piemonts. 1313 von Heinrid VIL. an Savoyen 
cidentt, iibergab die Stadt ſich Lieber an Robert von 
eapet, wurde 1339 von Dem Markgrafen von Mont⸗ 
ferrat erobert und 1340 den Visconti von Mailand 
tiberlajjen. Bon diefen fam A. durd Heirat 1387 an 
Die Herzöge von Orléans und nad der Thronbefteiqung 
Ludwigs XI. an die franzöſiſche Krone; 1529 wurde 
es durd) den Frieden von Cambrai an Karl V. ab- 
etreten und von dieſem 1530 an Savoyen überlaſſen. 
% 1. Graffi, Storia della citta d’A. (1890, 2 Bde.). 
mitie, Jean Frédéric, protejtant. Theolog, geb. 
1822 in Neérac (Lot - ct- Garonne), geft. 20. Mar 1894 
in Qaufanne, feit 1856 dafelbjt Brofeffor der Philo- 
jophie und oa wer an Der Fakultät der freien 
Kirche des Nantons Waadt. 1848—53 wirlte er als 


901 


Vorſtand ciner franzöſiſch-ſchweizeriſchen Gemeinde 
in Rew Port. Cr verijjentlidte: »Esprit d’Alexan- 
dre Vinet« (Bar. 1861, 2 Bde.); »L’explication de 
lévangile selon saint Jean« (Genf 1862 —64, 3 Bde.); 
»Histoire de la république des Etats-Unis« (Bar. 
1865, 2 Bde.); »La théologie allemande contem- 
poraine« (Genf 1874); »Mélanges de théologie et de 
philosophie« (Qaujanne 1878); »Le Vinet de la lé— 
gende et celui de l’histoire« (Par. 1882). Geit 1868 
ab er mit Builleumier die »>Revue de Théologie et 
e Philosophie« heraus. 

Aftigmatismus (qried., »Punltloſigkeit«), die 
Eigenſchaft von Linfen, als Bild eines Punktes im 
allgemeinen nidt genau einen Punkt, fondern je nad 
der Entfernung vom Sdirm cine kleine Linie, cine 
Ellipie oder einen Kreis (Kreis der kleinſten Ron- 
fufton) ju geben. Linienfirmige Bilder werden in 
zwei Abſtänden erhalten, und zwar find beide Linien 
gueinander fenfrecht. Nur ein durch die Mitte der 
Linje gehendes Strahlenbiindel ijt anaftig matifd, 
d. h. gibt ein genau punktförmiges Bild und nur dann, 
wenn. die Linfe von genauen Kugelflächen begrenzt 
ijt. — W. heißt aud) eine Sehſtörung, bei der die 
Wegenjtinde verzogen und mit veridhwommenen Kon— 
turen erfdeinen, berubt auf einer Aſymmetrie de3 
lichtbrechenden Upparats im Auge, zunächſt auf einer 
sai ees Krümmung der Hornhautoberflice 
und der Kriſtalllinſe. Auch am gefunden Auge find 
die genannten Teile nidt vollfommen ſymmetriſch ge- 
baut, allein die Aſymmetrie ijt hier fo geringfü ig, daß 
fie fiir gewöhnlich von keiner wahrnehmbaren Stoͤrun 
begleitet iſt. Die Gegenſtände werden verzogen un 
an den Rändern verſchwommen geſehen, ohne ſcharfe 
Grenzen. Ein Lichtpunkt erſcheint als ſenkrechter oder 
wagerechter Lichtſtreifen. Der A. iſt in der Regel, 
wenigſtens in ſeiner Anlage, angeboren und erweiſt 
ſich öfters als erblicher Bujtand. Bei männlichen In— 
dividuen ſcheint er öfter als bei weiblichen vorzukom— 
men. Er betrifft gewöhnlich beide Augen, biete aber 
nicht immer in gleichem Grade. Die den A. charakte 
riſierende Geſichlsſtörung wird gewöhnlich erſt in den 
ſpätern Kinderjahren entdeckt. Solange die Aklkommo— 
dation des Auges noch eine ſehr leichte iſt, macht ſich 
der Fehler weniger fühlbar, wird auch wohl ganz 
überſehen. Sobald aber im reifen Alter die Aklkommo— 
dationsbreite mehr und mehr abnimmt, werden ſelbſt 
ſchwächere Grade des A. unangenehm empfunden. Jit 
nur ein Auge von ſtärkerm A. betroffen, fo vernad)- 
laffigt Der Kranfe gewöhnlich dieſes Auge und ridtet 
feine Aufmerkſamleit nur auf diejenigen Cindriice, 
die ihm das gefunde Auge vermittelt. Der A. fann 
erworben werden durch alle entziindliden Prozeſſe, 
in deren Gefolge dic Hornhaut Hervorwilbungen oder 
Verflachungen erleidet. Bei triiben Flecken oder Nar- 
ben in der Hornhaut ijt der A. faſt immer, nach Stars 
operationen oft in febr fühlbarer Weife vorhanden. 
Der U. fann forrigiert werden durch Glaslinjen, fogen. 
Bylinderglafer, durd) welde die Aſymmetrie de3 
optifden Apparats ausgeglichen werden farm. Dit 
Der A. mit Kurzſichtigkeit oder Überſichtigkeit verbun- 
den, fo werden bs haritdh-shlinbrifche Brillenglifer an- 

ewendet, d. h. lifer, deren zylindriſch geſchliffene 
Riche den YW. forrigiert, während die andre, ſphäriſch 

eſchliffene, zur Rorreftur der Kurzſichtigkeit oder 
Weitfichtigheit bejtimmt ijt, Bal. Donders, Die 
Anomalien der Refraftion und Akkommodation des 
Auges (Deutid von O. Beder, Wien 1866). 


Verzeichnis der Abbildungen im J. Sand. 


Wasen, Ztadtolan ‘mit Regiiserbicts, . F 
Abioaderuug der maiſigen Geiteine, Taiel mt int 


der, Zatel . 


Wen, Tate LI, ILIV, vVI — Bestter 
Pfrita, Marte ber Fluß- und Gebdirgéiviteme . . . 


— politiie Uberũchtstarte 
— Satie von Aguatorialairita . 


— Rarte dex Foridhungéretien «uit —— 
Ajritaniſche Bolter, Tafel L. II in oe (matt ——— Tafel in — 


Ertlaͤrungsblatt 


Ufrifaniidhe Kultur, Tafel lJ in Serbia mit & 


flarungéblait) 
— Tafel Te WW ..... 
Afrilaforider, Portrattafei 1 uw. it 


Afritaniſche Altertiimer, Tafel mut Tert - 
Agypten, Dor Fur und Abeiſinien, Marte . . 
— Altaqyptiide Maleret, Tafel m = 


Ahorn, Tafel Tu. . . 


Aleranders bes Grofen Reid, Sarte ‘ 


Alerandria, Stadtplan . 


Algen, Tafel Lin Jarbendrud . . . 


— Tafel Iu. WI. . 


Mlgerien, Marotto und Tunis, arte 
Alpen, Höhenſchichtenlarte imu Regiiterdlatt) . 


— Ginteilung ber Alpen, Karte 


- Geologiidje Karte (mit Tertblatt) 
Hipenpansen, Tafel in Farbendrud (mit Zextblatt) 


Ameifen, Tafel Lu. II. 


— Tafel IL Ameiſen und vᷣtenen 


Ameiſenpflanzen, Tafel . 


Amerifa: Sarten zur Geſchichte Amerilas 
Amerifanijde Altertiimer, Tafel L in Farbendruck (mit 
(Erflirungeblatt) . . 2... . ; 


— Tafel I u. III 


Amerilaniſche Bolfer, Tafel L u. it i in Sarsentrud 


(mit Erllärungsblatt 
Ammoniter, Tafel 
Amſterdam, Stadtplan . 
Angelgerate, Tafel mit Text .. 
Antilopen, Tafel L und WH. 


Wntwerpen, Stadtplan. . 2. 2. ww we 


Maden, Stadtwappen ; 
Male: Leptocephalus brevirestris 
Aarau, Stadtwappen 


Brilagen. 
Zene tee 
2 Spictiorten, Tafel in jerbenbrat . . . 6722 
54 Appreturmaidizen, Taiel mit Tat a os 
111 Aguarum, Tate 1: Seeweher-A., in — — €35 
123 Textblett: Anhalt der Takei L — Cinricdeurg 
— der Simmer: Aquarion, mit 4 Abbildanaen 6&5 
- 132) — Fate O: tide des Siifwaier-Aguariamée . £43 








134 Aqnatorial, Zaiell u. Ii, Tertblatt zur Tefei me 
Arbeiterwohnhãuſer, Tafel IVIII mit Tet 8 
Argentinien, Chile, oe Uruguay und Feragzay, 
- 14 Rarte. . .. : : . 12 
. 144 Arttiidje Fauna, Tafel in —— a - daa 
. LS Arve, Zofd In II. Se oe: tar ee 
156 Arzneipflanzen, Tafel I-III, drei ‘Blatter mit Zest £37 
iS} Mfiet, Karte der Fluß⸗ und — | 
. 192 — politiide ũberſichtstarte Si 
. 207, — Rarten ber Goridgungéreiten im Siien ‘mdb in Sie 
. 24 tralafien (mit Reqtiterblatt) AS 
. D4 Aflatijdhe Völler, Tafel J u. If in Sachenbrad ( ‘writ 
. B15 Erflirungsblatt: : se 
-. 215 Afiatiide Rultur, Tafel I in Farbendruc mit €: 
. 319 fldrungsblatt) . . . . o 2 owe ww SS 
. Ml — ofl Pa WE... . -.. 
. 362 Am Schluß bes Vandes: 
BHT . Seittafel suc Geſchichte der Architeltur (Tertblatt). 
370 Architeltur, Tafel ITXII, im folgender Anordawaq- 
. 417! L “Aquptifde Bautunft. 


Il, Aſhriſch⸗ Babyloniſche, Perſiſch-Mediſche, Meia- 


———— aſiatiſche Rosnitiicy - Sebraiidhe Bantunie 
. 429 HLL. Griechiſche Bantimnft. 
IV. Etrustijde und Romiſche Baukunſt. 
a . 431) V. Römiſche Baulunſt. 
432) VI. Wtdriftlidhe und Byzantiniſche Bautunit. 
VIL. Arabiſche und Mauriide Baufunft (7.—14. Rabrs.. 
. 435| VOL Romanijde Baufunft (9.—13. Jahrh.). 
- 445! EX. Gotijder Stil 13. und Lh. Qabrh.). 
. 459 X. Italieniſche Renaiffance (15.—17. Nabrh.). 
. B12) XI Deutſche, Franzöſiſche und Engliſche Renaiiiance 
. 577 (16. und 17, Jahrh.). 
. 599! XII. Barod- und Rofotogeit (17. und 18. Yabrb.). 


Abbildungen im Gert. 


Seite | Serte 
. 2) Aargau, Kantonstwappen . 
. &) Abafus (am Mapitell) Sos wee £00 

7 | Mbdampf-Apparate, Fig. Ld. . . . . CL BH 


J 


©. io 


Verzeidhnis der Abbildungen im L Band. 


Mberration beS Liddtes 2. 2... 


Ablauf (Architeltur 
Abrarasgemine . 

Abjegende Raper 

Abtritt (Waſſerlloſett 

Ab zweigmufſe 
Acanthus Bärenllau), mit Bliite . 


Acerazeen: Bliite von Acer Pseudoplatanus . 


Adat, Fig. Lue 2. . 

Achtomatiſche Linſe 
Adansonia digitata (Sfenbrotbaum). 
Addition (mathematiſche — 
Mdclaide, Lageplan 

Adelofrone 

Woden, Lageplau 
Adiantum cuneatum, Bedclabjditt ‘ 
Mdler der rdmijden Legionen, Fig. 1-—-3 


Adler in deutſchen —— a — 


Mdlerpult. . . . 

Agram, Stadtioappen : . 
Ahulichteit — sinus 7 
Mibagemebe . . . . 

A jour - Gewebe 


—— Fig. 1: Gewiditattumuiator 


— Fig. 2: Luftdrudaffumulator 
— eae. Stromjammier) Fig. 1—5 . 
Atroterien, Fig. 1 w. 2 


Mhidon (Marmorgruppe im erie ‘Ruleum) . 


Aluſtiſches Reattionsrad 

A la greeque · Verzierung. 
Mlasta, Marte . . . 
Mlauntrijialle 

Alda, Chorhemd . x an 
Wibegrever, Heinrich : Monogram . 


Albobrandiniithe Hochzeit Freoto im Batifan) 


Aleuronfdruer, Fig. 1—4. 
Alcxandria, Plan ded alten 
Algier, arte der Limaebung . 


Ahnomazeen: Bluͤte von Mem nT 





Alfohotometer, Fig. 1 mw. 2 
Rilianywappen . . 

Alpenpflan zen ( — ais. th u. 
Altar, * 1: Antifer Witar . 


— jig. 2: Helbaltar cined Groktomturs F 


Altborfer, Albrecht: Monogranun 
Uliena, Stadtwappen 

Ritenburg, Stadtipappen 

Ritona, Stadtwappen ‘ 
Aluminium: Apparat von Hérouls . 
Amarvllidajyeen: Vite von Narcissus . 
Amajoue 1 ctatue im Berliner Muſeum 
Mmberg, Stadtwappen 

Mimbo, alichrijtlicher ; 
Ammon und Mut Aguptiide Gottherten) 
Ammoniat: Apparat von Graͤnchera 
Amphion und Zethos (Neltef im Hom: 
Amphioxus lanceolatus . 

Amphora, fig. dw. 2. 

Amfperdain, Stadtwappen . 


Seite | 


BO | Anamorphoien (nad Scift). 
42 | Anastatica (Rofe bon Sevidy) . 
49 | Andalufit (Chiaftolithtrifiall) . 


63 | Anemometer, Jig. 1: Wildſche Windfaline . 


61 


EEEERBEERERE 





— Fig. 2: Schalentreuj- Anemometer . 


| Angola = Merpebe 
| Angfter (Trintgefaf) . F 
| Wufer, Fig. 1—-7: Schiffeanter . 


— Fig. S—I1S: im Bounwefen . 
Mnflam, Staduwappen . 
MAnlafier (elettrijder) . 

Anlauf (Architettur) 

Mnomalie (Aftronontie; . 


2 Anobach, Stadtwappen . 
Anſchovis 


109 | Mntennen bon Snietien . 


- 112} 
113 
Lib 
176 

. 207 
210 

. 216 

: oy 


- 220) 


. 230-231 | 


. 24 | 
235 


Anthrazen, Sublimationsapparat . 
Antimongiangtrijialle . — 
Antinoos (Helief der Silla nidani 
Antipatallel mathematiſche FJigur 
Antwerpen, Stadtwappen. 

Anubis (agnptijder Gott) . 


| Molipile umd Wolipile = Beblijelampe, Sig. \ u. 
| Aphrodite pon Knidos ; 
Wpocynageen: Blute von Vinca — 


Apollon Lyteios (Mapitol) . 
Mpoftelfrmg 2. 2 41 


| Mpoftelloitel . 


Apotheter zeichen 

Appenzell, Kantonewappen 

Aquatorial der Nizzaer Sternwarte 
Atraliazeen: Blute von Aralin japonica 
Ardometer, Fig. 1 wu. 2 . 
Ardopotnometer . 
Ardimediidys Pringip, Fig. i u. 2 . 
Mrco, Stadtivaypen . 

Ares (Mars ber Silla Gudovifl). 


Uriftolodiaseen; Blite von Aristolochia Chea mn · 


titis , 


Sunbruft Vveieher ‘bee 16, “abrbunderte 
Armfußer Waldheimia australia, Jig. 1 a. 2 


Armillarſphare fir Unterrichte zwede 
Armure, Gewebe 

Arusberg. Stadtwappen 

Arnſtadt, Ztadtwappen 

Arohen, Stedtwappen . 
Arrowroot : Stirfe:, 4 Figuren . 
Arienwaticritof: Maribidher Apparat . 
Mrtemis Diana von Seriasles: . 
Arterie . : : 
Arum Drac — 2Fiquren 
Aicheveleben, ctadtwappen 


oe Bluͤne von Asclepins (ornuti, 


wig. 1 u. . . 
Aolleptoe — bes Louvre 
Awpern, Rarichen der Echlacht ber . 


Asphedelus;: Hiate und Frucht von A. albus . 


Aptralone podcomeicz 
Awuator, jig. L—3 


Eeite 


ARS 


414 


. 506 


523 
726 
— 
837 
AO 
ae 
*241 
eM) | 
5 
558 


Verzeichnis der Mitarbeiter 


an der fedften Muflage von Meyers Grofem Konverfations-Lerifon. 


Geſchichtswiſſenſchaft. 


Dr. F. Arnheim, Berlin. 

Prof. Dr. P. J. Blof, Leiden. 

Prof. Dr. H. Breflau, Straßburg. 

Landesardivar Dr. B. Bretholy, 
Vriinn. 

Erof. Dr. H. Brofien, Berlin. 

Prof. Dr. F. Delitzſch, Berlin. 

Prof. Dr. A. Fiſcher, Leipzig. 

KR. ruff. Staatsrat Dr. J. Girgenſohn, 
Treptow. 

Prof. Dr. M. Haebler, Dresden. 

Dr. Hans F. Helmolt, Leipzig. 

Prof. Dr. F. Hirſch, Berlin. 

Prof. Dr. 2B. Mangold, Budapeſt. 

Prof. Dr. W. Oedheli, Zürich. 

Oberfdjulrat Prof. Dr. H. Peter, 
Meißen. 

Prof. Dr. M. Philippſon, Berlin. 

Prof. Dr. L. Riek, Totio. 

Prof. Dr. R. Röhricht, Berlin. 

Dr. S. Salfeld, Maing. 

Prof. Dr. G. Steindorff, Leipsig. 

Dr. Armin Tille, Leipzig. 


Geographic. 


. ©. Braileanu, Stuttgart. 
Prof. Dr. H. Brofien, Berlin. 
Th. Bud, St. Petersburg. 
Kartograph E. Debes, Leipzig. 
Dr. ©. Dedert, Berlin. 

W. Draayer, Leider. 

Dr. R. Fitzner, Roftor. 

Prof. Dr. J. Frith, Zürich. 

Dr. R. Haſenöhrl, Wien. 

Prof. Dr. KR. Haffert, Koln. 

Dr. R. Hermann, München. 

Dr. Emil Jung, Lcipsig. 
Direltor W. Keil, Halberjtadt. 
Dr. R. Riepert, Berlin. 

Prof. Dr. Aurel Krauſe, Berlin. 
Dr. &. Kretidmer, Berlin. 

Prof. Dr. 2. Mangold, Budapest. 
Emil Meyer, Kopenhagen. 

Prof. Dr. Y. Rielfen, Chriftiania. 
Dr. 3. F. Ryſtröm, Upjala. 
Prof. Dr. F. Regel, Würzburg. 
Prof. Dr. A. Sapper, Tiibingen. 
Dr. R. Schoener, Nom. 

H. Sievers, Madrid. 

Dr. &. Tieſſen, Berlin. 

Prof. Dr. W. Polfenhauer, Bremen. 
Hofrat Zander, Liffabon. 


(Daneben zahlreiche Bearbeiter ein— 
zelner Linders und Stidteartifel.) 


Sprachen, Literaturgefdidjte. | 
Prof. Dr. A. Brandl, Berlin. 
©. Braufewetter, Berlin. 
Prof. Dr. Æ. Brugmanu, Leipsig. 
Prof. Dr. U. Conrady, Leipzig. 
Prof. Dr. F. Delitzſch, Berlin. 

Dr. B. Didfy, Budapeit. 

Prof. Dr. G. Eliger, Berlin. 

Prof. Dr. E. Elfter, Marburg. 

A. vom Ende, New Port. 

| Prof. Fr. A. Hilder, Leipzig. 

» Prof. Dr. Rud. Fifer, Innsbrud. 

| Prof. Dr. H. Gering, siel. 

| Prof. Dr. M. Hartmann, Berlin. 

Prof. Dr. J. F Mehr, Gottingen. 

Frau Dr. Rite ſtremnitz, Berlin. 

Prof. Dr. H. Oldenberg, Kiel. 

Dr. P. Rachte, Gamburg. 

Prof. Dr. R. Sholvin, Leipzig. 

Prof. Dr. O. Seyffert, Berlin. 

Prof. Dr. G. Steindorif, Lcipsig. 

Prof. Dr. H. Sudhier, Halle. 

Prof. Dr. A. Thumb, Marburg. 

Frau Dr. Karoline Michaklis de Bad- 
concellos, ‘Porto. 

Prof. Dr. F. Bogt, Breslan. 

Dr. Felix Bogt, Paris. 

Rrof. Dr. B. Wieſe, Halle, 
Philofophie, Theologie, Unter- 
ridjtswefen, Künſte. 

Prof. Dr. M. Heinge, Leipzig. 
Dr. Edm. Rinig, Sondershaujen. 
Prof. Dr. G. Kriiger, Gießen. 














Dr. F. Cohrs, Eſchershauſen. 

| Dr. S. Salfeld, Maing. 

Schulrat F. Sander, Bremen. 

Prof. Dr. H. Stiirenburg, Dresden. 
| Dr. € Johnen, Bierjen. 

Dr. A. Rojenberg, Stuttgart. 

| Prof. Dr. H. Riemann, Leipzig. 


| Rethtswiffenfdjaft, Volkswirt- 

| ſchaft, Derkehrswefen un. a, 

Prof. Dr. H. Albrecht, Berlin. 

Geh. Reg. = Rat KM. Brümer, Berlin. 

O. Biker, Oranienburg. 

Prof. Dr, KR. Th. Eheberg, Erlangen. 

Db.-Landesqer-R. Frande Hannover. 

Oberbibliothefar Dr. R. Heifig, Leipsig. 

Poftrat &K. Hieronymus, Berlin. 

Prof. Dr. Ki, Reuburg, Erlangen. 

Reichsger.-R. a. D. Dr. Peterfen, 
Minden. 

Dr. R. Schwede, Erfurt. 

Prof. Dr. &. Sehling, Erlangen. 

| Dr. H. Th. Soergel, Freilaſſing. 

Eiſenbahndireltor be Terra, Guben. 











Naturwiſſenſchaften, Medizin u. a. 


Prof. Dr. H. Bücking, Straßburg 

Dr. G. Buſchan, Stettin. 

Dr. O. Dammer, Berlin. 

Prof. Dr. F. Engel, Leipzig. 

Prof. Dr. &. Giefenbagen, Minder 

Dr. &. Raffner, Berlin. 

Prof. Dr. E. Korſchelt, Marburg. 

Dr. E. Rraufe, Eberswalde. 

Stabsarzt Dr. Lambertz, Berlin. 

Prof. Dr. O. Langendorff, Roftod. 

Prof. Dr. O. ehmann, Karleruhe. 

Dr. med. §. Lommel, Jena. 

Dr. Lüdeling, Potsdam. 

Prof. Dr. M. Mathes, Nera. 

Oberfiabsarjt Prof. Dr. Pannwik, 
Berlin. 

frof. Dr. R. Schmaltz, Berlin. 

Prof. Dr. R. Shorr, Hamburg. 

Dr. G. Sdhott, Hamburg. 

Prof. Dr. E. Seler, Berlin. 

Prof. Dr. R. Wenle, Leipjig. 


Technik, Kriegsweſen u. a. 


Dr. ©. Dammer, Berlin. 

Prof. Diek, München. 

Prof. Dr. J. M. Eder, Wien. 
Prof. G. Franfe, Berlin. 

Rud. Fried, München. 

Ingenieur BW. Geutſch, Beriin. 
Prof. Dr. Gerland, Klausthal. 
Theodor Goebel, Stuttgart. 

Prof. A. Sorring, Berlin. 
Regierungsrat H. Grundfe, Berlin. 
Mar Heiden, Berlin. 

Geh. Baurat O. Hoßfeld, Berlin. 
Prof. E. v. Hoyer, München. 
Prof. F. Mreuter, Miindhen. 
Prof. R. Lauenſtein, Karlsruhe. 
Dr. Joh. Luther, Berlin. 

Major Mocedebeck, Reife. 
Webſchuldireltor Olbner, Werdau 
Dr. O. Piper, Miindjen. 
Jugenieur W. Trapp, Karlsruhe 
Kap.-Lt. G. Wislicenns, Grofflotthe?. 
Oberft W. Witte, Charlottendurg. 


Land- und Forſtwirtſchaft, 
Jagd, Sport u. a, 
Direttor Dr. B. Blande, Oranienburg 

Dr. v. Butiel-Reepen, Bertin. 
Prof. Dr. Guido Krafft, Wien. 

C. v. Kuhlmann, Berlin. 
Garteninjpettor Fr. Ledien, Dreeden 


| &. v. Otto= Mredwik, Amalienburg 


Forſtmeiſter Sellheim, Minden. 
Oberforjtmeijter W. Weife, Munden. 


Trud vom Bibliographiſchen Inſtitut in Letpsig. 


(Zu den Tafeln Architektur I- XII) 


Zeittafel zur Geschichte der Architektar. 


— — — — — — — — — — — — — — — — 


| Ubersicht des Inhalts: 


| 1. Agyptische, Rabytonisch-Assyrische, Medische und | IV, Mohammedanische Architektur in Syrien, Agypten, 


Persische, Phonikieche und Hebrdiache, Klein- Sisilien, Spanien ete. Russische Architektur. 
Gsiatioche Architektur. V. Christlich-mittelattertiche Archifektur, — Komani- 
Il. Griechische, Etruskische und Romische Architektur. scher wad Gotiacher Hauatil, 
III. Alfchristliche Architektur. — Basilika, — Byzan- VIL Newere Architektur, — Renaissance, Barock- wnd 
tinischer Zentraiban ete. Rokokoetitl. — Architektur im £9. Jahrhundert. 





I. Architektur der afrikanischen und asiatischen Volker. Tafel I u. LI. 


Agyptische Architektur. Tafel I. 
Bis 670 v, Chr, 
Pyramiden: Gizeh (Fig, 1 u. 2); Sarkophag des KOnigs Menkaure aus der Pyramide von Gizeh (Fig. 3), 
4000 —3000 v. Chr, Obelisken (iltester zu Heliopolis, Ende des 3. Jahrtausends v. Chr.}. 
2100 — 1600 v. Chr. unter den Hyksos Stillstand, 


Blitezeit 1600—1200 v. Chr. Denkmiler von Tempeln und Grotten in Theben, Luksor ‘Fig-4. u. 5), 
Fdfa (Fig. 8 u. %), Memphis, Abu Simbel ‘Fig. 6), Phila (Pig. 1), Tempel Ramses’ d. Gr. (Rameaseum, 
Fig. il). Einzelne Stilfermen von Medinet Habu, Dendrah vgl. Fig. 15, 17 u. 18. 


Assyrisch-Babylonische Architektur. Tafel IT. 


Babylon bis um 1000 v. Chr. Ninive bis um 606 v. Chr. Ruinenstéitten von Chorsabad, Kujundschik 
(Fig. 1 a. 2) und Nimrad. 


Persische und Medische Architektur. Tafel IT. 


Ekbatana. Persepolis (Propylien und Halle des Xerxes, Fig, 3—6; Felsengrab des Darius, Fig. 5), 
Pasargada (Grab des Cyrus, Fig. 7) bis 467 v. Chr. 


Dazu gehorend: 
Die sassanidische Architektur. Von 226 --641 n. Chr. 


Ramiach-byzantiniecher Finglu&: Palaste zu Al Hathr, Diarbekr, Firuz Abad, Sarbistan, Ktesiphon ete, 
Felsentore von Takt i Bostan, Takt i Gero, Frueraltare bei Nakech | Rustem. 


Phinikische und Hebriiische Architektur. Tafel IT. 


Phintkiach: Tempel in Sidon und Tyros. Mauern, Hafenanlagen und Gniber von Karthago 873— 144 
vy. Chr, Grabmal und Tempel in Amrit (Fig. 0 a. Ih. 


Heberiiisch; Salomos Tempel in Jerusalem 1014— 1007 v. Chr. (Fig. 11), Konigsgraber in Jerusalem, 
segen. Grab des Absalom (Fig. 14. 
Ruinen von Sendschirli in Nordeyrien (Hethiter: um SOU Tou v. Che. 


Kleinasiatische Architektar. Tafel IT. 


Lydien am T00-—5 CUr. Sogen. Goab des Tantalos, Graber bei Sardes, Grab des Alvattes ‘Herodot:. 
Phrygien, 6. Jahrh, v. Chr. Grab des Midas. 


Lykien. 5.—3. Jahbrh. v. Che. Graber in Myra, Telmiseos (Fig. 13, Antiphellos Fig. 12:, Frelban: 
Nereidendenkmal aus Xanthos sin London), 


Méyere Kany. Leziton, €. Auf., Heilage. 


41 Zeittatel gar Geschichte der Architektar. 


Il. Die griechisch-rémische Architektur. Taf-i ILIVV. 
Die griechische Architektar. Tazl IIL 
Ysieia we wad wack bevtionmicn (poocters cuaptecteeer Sinica ou. 
Vorrrit. 
Maserviruktcr der Pelaager. Kykiopenmaurs Fig.t, Liwester cod Mazer m Mrkend’ Fic. 2 2 3: 
Galere ia Ticyes Fig. 4; Apotobeiligtam aaf Delos Fhy. 5 - 
Osrischer $51 worgcher Sti 
Steongs (sbaundenheit, einfach kiare Gesetumibigten Shlankeres Sveem : Fic anmutiz bewerter Formen: 
io Keestroktioe and Form. Senar! rammelierte Same stumof kaseeiiests Saale mit Basis, verrierter Echimes 
ehne Basis mit E-hioue and Abakes ale Kaptiell mit asliegenden Volasen, reciederser Archi:rar, Fries 
giatier Arciitrat, Tigiyphen und Mewopen am Fries. cane Tragirphen. 
Eres Epoche. 
9) —479 v. Chr., von der Solonischen Zeit bis m den Perserkriegen. 
Tempel in Selinuat, Agrigent ete. Poseidontempel im Tempei der Hera auf Samos. Artemistempel in Epb-- 
Pastam Fig. 7,, Zeastempel m Athen ete. sos um 54) v. Chr... a 











Zorvite E pote. 
470 v. Chr., ron den Perserkriecen bis sur mskedonischen Oberherrschai. 
Parthenon im Athen, 435 v. Chr. (Fig. 6. Propylaen. Tempel der Nike Apteros, 49 v. Chr. Erechtheior 


431 v. Che. Fig. 5, um #8 v. Car. 
Dritte Epoche. 
Von der makedonischen Herrschafi bis sam Untergang Griechenlands« 
Verfall dea ttreng dorischen Stile. Tempei der Athene in Priene, 34) v. Chr. 


Tempel der Athene Alea in Tegea, 3%) v. Chr. 


Korinthischer Sti. 
Spatere spielende Abart der andern Stile; eigentumlbch nur das Kapitell, von schlanker, kelchfarmiger 
Gestalt mit Abanthasbiattern ete. reichverziert, spater Kranzgesims mit Konsolen. 
Denkmal des Lysikrates Fig. @,, 304 v. Chr. umd Turm der Winde ‘Fig. 11) im Athen. Manrsoleun 
in HalikarnaS. 254 ¥. Chr. Apollontempel in Milet. Theater in Segesta Fig. 10). 


Die etruskische Architektur. Tafel IV. 


Erde nachweiabore Anwendung des Bogenbauca. 

Denkmiler pelasgischer Art: die Mauern der Stadt Cossa. Bogenbildung durch Uberkragung hori- 
tontaler Steinschichten: Quelilhaus in Tuseulam ‘Fig. 1) und Spitzbogen des Tors von Arpino. Ge- 
withebaw (Konstruktion des Randbogens, Fig. 2): Tor von Volterra ‘Fig. 3\, Perugia (Fig. 4), Cloaes 
maxima in Rom ‘Fig. 5). Bei dem Tempelbau ‘Fig. 6 u. 7) griechischer EimfluS. Tempelreste fehlen. 
Grabmaler bei Norchia, Castellaccio und Castel d'Asso, Cacumella bei Volei und sogen. Grab der Hora- 
tier und Curiatier bei Albano Fig. 3—11). 


Die rémische Architektur. Tafel IV o. V. 


Verbindung dea Bogenbaues mit dem Sdulenbau. 

Einflué der etruskiechen Bauten um 30 v. Chr. Entwickelung des cdruskischen Bogens rum Tonnea- 

gewilhe (Taf. IV, Fig. 12), Kreuzgewdlbe (Fig. 13), dann Kuppelbau. 

EinfluG gricchischer Bauten nach Unterjochung Griechenlands um 150 vy. Chr. 

Anwendung dea Sdulenbaues der Griechen: Hallen, Markte, Basiliken. 

Bedeutung der rimiechen Architektur: Verbindung der alten Formen des Saulenbaues und des nenen 

Konstruktionsprinzips der Wélbung zu einem neuen Stil. 

1) Glanzepoche zur Zeit des Kaisers Augustus (31 v. Chr. bis 14 n. Chr.:: Pantheon (Taf. IV, Fig. 14 
bis 16), Theater des Marcellus, Mausoleum des Augustus. Aquadukt des Claudius (Taf. V, Fig. 3) 
in Rom. Die Privatgebdude in Pompeji (Taf. V, Fig. 4—6). 

2) Glanzepoche unter den Flaviern, seit 69 n. Chr.: Kolosseum (90 n. Chr.), Triamphbogen des Titus und 
Konstantin ‘Taf. V, Fig. 7), Mausoleum des Hadrian ‘Taf. V, Fig. 8 u. 9), Basilika des Konstantin, 
Tempel der Venus und Roma, 135 n. Chr. (Taf. IV, Fig. 17 u. 15) in Rom. Amphitheater in Nimes 
(Taf. V, Fig. 1 a. 2). 

3) Spdtrimische Bauten: Thermen des Caracalla (Taf. V, Fig. 10) in Rom. Palast des Diokletian in 
Spalato (Taf. V, Fig. 11 u. 12), 305 n. Chr. 


Sdulenordnung (vgi. Tafel »Saulenordnunge bei Art. >Siinle<), 


Doriach, Den Etruskern entlehnt; verziertes Kapitell, Basis; mibbriuchlich toskanische Ordnung ge 
nannt. Tabularium in Rom, Sarkophag des Scipio 250 vy. Chr. (im Vatikan). 

foniach. Fintkleidung des ionischen Stils von seiner zarten, lebensvollen Anmut. Tempel der Fortuna 
Virilis in Rom. 

Korinthiach, Am Sonnentempel Aarelians (sogen. Frontispiz des Nero). Auf den obern Teil des Ka- 
pitells warden an Steile der leichten Spiralstengel breite Voluten samt dem Echinus des ionischen Kapitells 
gelegt, woraus das Komposit- oder rémische Kapitell entstand. Titusbogen 70 n. Chr, (Rom). 


Zeittafel zur Geschichte der Architektur. Til 





Ill. Die altchristliche Architektur. ‘Tafel VI. 


Erste Anfinge: Katakomben (unterirdische Begriibnisstitten). 


Der altchristliche Basilikenbau, ; 
entatunden aus dem rimischen Wohnhanse und der rbmischen Basilika durch Uberhihung und wagerechte 
Deckung dea friiher offenen, unbedeckten Mittelraumsa, Isolierter Glockenturm. Basilika St. Paul vor Rom 
(Fig. 1--3); Sant? Agnese, 6. Jahrhundert. Santa Prassede, 0. Jahrhundert. 
Der bysantinische Zentralbau, 

Verbindung der altrémischen Kuppel mit quadratischem Grundrif (Fig. 6). Griechische Kreuzform (Fig. 7). 
Seit dem 6, Jahrh, San Vitale in Ravenna, 526—547 (Kapitelle aus Ravenna, Fig. 10-12). Sophienkirche 
in Konstantinopel (Fig. 8 u. 9). 532—537. 

Die alichristliche Architektur bei den Germanen. 

Nachahmung spdtriimischer Architektur. 

In Italien: Palast Theoderichs in Ravenna, Grabmal des Theoderich, jetzt Santa Maria della Rotonda in 
Ravenna (Fig. 40.5). Palast della Torre in Torin, 8 Jahrh. Im Norden: Porta nigra und Dom in Trier. — 
Rauten Karla d. Gr.: Palastkapelle in Aachen 796— 804, Eingangshalle sum Kloster Lorsch (Taf. VIII, 
Fig. 2). Michaelskirche in Fulda (Taf. VIII, Fig. 1). 

Dieseg, Bauepoche noch angehérend: Die georgische und armenische Architektur, 


Von byzantinischen Einwirkungen gingen aus: Georgisch: Kirche in Pitzounda, Armenisch: Kathedrale in Ani. 


IV. Die mohammedanische Architektur. Tafel VIL 
Spitzhogen, Hufeisenbogen, Kielbogen, Stalaktitengewilbe, Fliichendekoration. 


Syrien, Agypten und Sizilien. 


Omarmoschee in Jerusalem, um 650—700. Moschee Amru in Alt-Kairo, 643, und Ibn Tulin, 885 
(Pig. 2). Moschee des Sultans Hassan (Fig. 5), 1356, und el Moyed el Aksa in Kairo, 1415. Schloh der 
Kuba bei Palermo, 1180. 

Spanien. 

Moschee in Cordoba (Fig. 1), 786. Minaret Giralda in Sevilla, 1195. Burg Alhambra, gebaut im 

Laufe dea 13, und 14. Jahrh, (Abencerragen-Halle, Fig. 3; Vorhof, Fig. 4). Alkasar in Sevilla (Fig. 6). 


Indien, Persien und Titirkei. 


Anfiinge gegen Ende des 12. Jahrh.; Blatezeit 16.-17. Jahrh. Kutab Minar und Grobe Moschee in 
Dehli. Palast Akbars in Agra. Persien, 8. Jahrh., Bliitezeit 16. Jahrh. Meidan Schahi in Ispahan, Mo- 
schee Achmeds in Konstantinopel, 15. Jahrh. Vel. Jndische Aunet. 


Die russische Architektur. 
(Byzantinischer Pomp mit asiatischer Verwilderung.) 
Uspenskij-Kathedrale (1475—79) und Wassily Blashenny-Kathedrale in Moskau (1554), 
Retspiele in der Walachei: Kirche in Kurtea d’Argyisch. 


V. Die christlich-mittelalterliche Architektur. ‘Tafel VIII u. IX. 
Reginn sur Zeit der Auflieung des karolingischen Reiches, 


Der romanische Stil. Tafel VIII. 
Ausbildung dea Rundbogenbaues, organische Verbindung von Turmbau wnd Kirche. 
Beginn um 1000. Bhitezeit 12, Jahrbandert. Verfall 13, Jahrhundert. 
Die flach gedeckte Basilika. 

Abteikirche in Laach. St. Godehard in Hildesheim. 

Die gewdlbte Basilika. 
Dom in Speyer. Kirche in Hecklingen. 

Der sogen, Chergangsstil, 1175 — 1200. 

Dome in Bamberg (Fig. 3 u. 4) und Mainz. Miinster in Basel. Apostelkirche In Kolm (Fig. 5). 

Abweichende Anlagen. 


Cistercienserkloster Manlbronn (Fig. 7), Palast des Kaisers Harbarossa in Gelnhausen. Holzbau: 
Kirche in Hitterdal ‘ Norwegen). 


Der gotische Stil. Tafel IX and die Tafeln »Kélner Dom« (bei Art. » Kéln«). 
Organische Aushildung dea Spitebogenbanes als Ausdruck dea germaniachen (i cistea, 
Reginn 12. Jahrhundert. Blitegrit 1250-1550, Verfall 1350 — 1450 
Feathaliten der durch diz gewillte Basiliba geqebenen Grendlie, Crundgr ects der Konstreltion: das Npits- 
bogengewrdie mat Sirchepfeilern ; auberdem charakteri#aiech Nirebechogen, Hiinddpfeiler, resvehe Rogengliede- 
rung ou Kreue-, Stern- wad Netagewtihen, Mafwerk, Pialen, Krabben, Kreustlamen. 

Dome in Koln (begonnen * Tafel »>Kotner Dome , Freiburg (15. Jaheh.i, Stragberg (S18), Wien 
t4. Jahrh.;, Reims 1212 —%5, Taf. IX, Fig, 2, Notre Dame in Parie 116) —12%7 , Kathedrale in York 
14) bis um i4io, Taf. IX, Fi 61, —— tbeyennen 1s), Siena ‘Taf. IX, Fig. 4), Burgos :begonnen 
J21, vollendet 1442—7, Taf. fx, Fig. : Toledo ‘hegonnen 127. — Dogenpalast und Palast Casore in 
Venedig, Marienbury, Rathaus in sath Mecho fbegoennen um 12/4), Taf. IX, Fig. 5), Lowen (1445—6i, 
Tuchhalle iu Ypern (Taf, [X, Fig. t 





IV Zeittafel zur Geschichte der Architektur. 





VI. Die neuere Architektur. Tafel X—XIL 


Die Renaissance und der Barockstil in Italien. 


1. Feriode; Frthrenaissance. 1420 —1500, 


Florentinische Schule: Dom und Palazzo Pitti in Florenz von Fil. Brunellesco; Certosa von Pavia, 
1473 von Borgognone begonnen; Palazzo Strozzi in Florenz, 1489 von Ben. da Majano begonnen (Taf. X, Fig. i). 

Venezianische Schule: Palazzo Vendramin Calergi, 1451 von Pietro Lombardo erbaut; Scuola di San 
Marco, 1490 von Martino Lombardo — — Scuola di San Roceo, 1517 unter Bart. Buono begonnen, 
spiter durch A. Searpagnino beendet; Hof des Dogenpalastes, von Ant. Rizzo begonnen; San Zaccaria, 
1457 angeblich von M. Lombardo erbaut. 


2. Periode: Hochrenaissance. 1500 —1590. 


Rémische Schule: Palast der Cancelleria in Rom; Palast Pandolfini in Florenz von Raffael; Peters 
kirehe in Rom, 1506—1667, von Bramante, Raffacl, Peruzzi, Ant. da Sangallo, Michelangelo, Maderaa, 
Bernini (Taf. X, Fig. 2—4). 

Bibliothek von San Marco in Venedig, 1536 von Jac. Sansovino begonnen (Taf. X, Fig. 5); Kirche 
del Redentore in Venedig von A. Palladio, 1576. 


3. Periode: Barockstil, 1580 — 1800, 


Palazzo Barberini in Rom, Kolonnaden des Petersplatzes von Bernini; Sant’ Agnese in Rom von 
Borromini (1599 — 1667); Palazzo Borghese in Rom von Mart. Junghi. Paliiste in Genna (Taf. X, Fig. 6. 


Die Renaissance, der Barock- und Rokokostil in den iibrigen Lindern. 


Frankreich: Schlof in Chambord, 1526 von P. Nepveu begonnen; Hotel de Ville, 1533-1628: Westfassade 
des Louvre von P. Lescot, 1541, Hoffassade des Louvre (Taf. XI, Fig. 6); Pantheon, 1713—81 von Sowfite 
erbant (Taf. XII, Fig 6); Tuilerien in Paris von Phil. Delorme, 1564. (Letste Entwickelung des Stile: Rokoko., 

England: Landsitze und Schlésser (Taf. XI, Fig. 3), Somersethouse in London; Paulskirche in Londen, 
1675—1710 von Christ. Wren erbant. 

Niederlande: Bérse in Antwerpen, 1531; Rathaus in Amsterdam von J. tan Campen. 

Spanien: Neuve Kathedrale in Salamanca, 1512 nach den Plinen von Egas und Kodriguez von Hor- 
tanon erbaut; Kloster Escorial, 1563—84 von Juan de Toledo und Juan de Herrera erbaut. 

Deutschland und Osterreich: Belvedere auf dem Hradschin ond Palais Czernin in Prag (Taf. XII, 
Fig. 1); Heidelberger Schlo& (Otto-Heinrichs-Bau, 1556—59; Taf. XI, Fig. 1); Gewandhaus in Braunschweig, 
1589; Rathduser in Koln (Taf. XI, Fig. 2), Paderborn (Taf. XI, Fig. 5) und Augsburg, 1615—20 von E. Holl 
erbaut; Zeughaus daselbst (Taf. XI, Fig. 4); Zeughaus in Berlin, 1685 von Nehring begonnen, vollendet von 
de Bodt (Taf. XI, by 3 2); Koénigliches Schlof in Berlin von A. Schliiter, 1699—1706 (Taf. XU, Fig. 3); Karls- 
Kirche in Wien von J. B. Fischer v. Erlach, 1716 (Taf. XII, Fig. 5); Zwinger in Dresden, 1711 (Taf. XU, Fig. 4). 


Die Architektur im 19. Jahrhundert. 
Im vorhergehenden Jahrhundert des Zuzammenhanges in sich und mit dem Leben verlustig geworden, folgte 


sie dem allgemeinen, groBen, geistigen Zug. In der griindlichen Durchforschung, im treuen Studium der 

neuentdeckien Werke aus der griechischen Bliitezcit fina die Baukunst Liuterung und schlo& sich spdier 

an die Vorbilder der Renatssance-, Barock- und Rokokozeit an. Im letzten Jahrzchnt des Jahrhunderts 

Geyenbewegung gegen die historischen Stilarten und Ringen nach neuen Kunatformen, die den Geist der 
neuen Zeit zum Ausdruck bringen sollen. 


Deutschland. Berlin: Das Alte Museum, Schauspielhaus und Bauakademie von Schinkel, Petrikirche 
und Nationalgalerie von Strack, Synagoge von Anoblauch, Neues Museum und Markuskirche von Stiler, 
Bérse und Reichsbank von Hitziqg, Michaeliskirche von Soller, Reichstagsgebiiude von Wallot. Minchen: 
Bibliothek von Gértner, Glyptothek und Allerheiligenkapelle von Alenze, Mariahilfkirche yon OkImiiller, 
Bonifaciuskirche von Zichland, Bahnhofsgebiiude von Biirklein, Neue Pinakothek von Voit, Rathaus von 
Hauberrisser, Bayr. Nationalmuseum von G. Seidl. Dresden: Museum und Theater von Semper, Kunst- 
akademie yon Lipsius. Leipzig: Museum von Lange und Lich!, Stuttgart: Kénigl. Villa bei Berg von 
Leins, Wilhelma von v. Zanth, Polytechnikum von Egle, Bahnhof von Morlock. Hannover: Christuskirche 
von Hase. Karlsruhe: Bahnhof von Lisenlohr, Kunstsehule und Theater von Hiihsch. Braunschweig: 
Residenzschlobh von Ottmer. Hamburg: Nikolaikirche von Scott, Kunsthalle von Schirrmacher und Hude. 

Uber die neueste Entwickelung der Architektur in den Hauptstidten Deutschlands s. die Artikel iber 
die ejnzelnen Stidte nebst den dazu gehérigen Tafeln (Berlin, Dresden, Hamburg, Leipzig, Minchen etec.). 

Osterreich. Wien: Altlerchenfelder Kirche von Miller, Arsenal yon Férster und Hansen (Waffen- 
museum), van der Nill und Siccardshurg (Kommandantur); Synagoge von Firster, Kirche der nichtunierten 
Griechen und Friedhofskapelle von Hansen, Votivkirche und Universitit von Feratel, Lazzaristen- und Weib- 
girberkirche von Schmidt, Neues Opernhaus von van der Nill und Siccardsturg, Heinrichshof von Hen- 
sen, Rathaus von Schmidt, Parlamentshaus und Kunstakademie von Hansen, Hofmuseen von Semper und 
Hasenauer, Hofburgtheater von Semper, Justizpalast von v. Wielemans, Neue Hofburg von Jasenaner a. a. 
Vgl. die Tafel »Wiener Bauten« bei Artikel » Wiens. 

Frankreich. Paris: Madeleinekirche yon Vignon, 1808—43; Verbindungsbauten des Louvre und der 
Tuilerien von Vieconté und Lefuel, 1852—57; die Neue Oper von Garnier, 1861—75, St.-Vineent de Paul 
von Hittorf, 1824—44; Ste.-Clotilde von Gaw und Baliu, 1846—57; Bibliothek Ste.-Geneviéve von Labrowste ; 
Trocadéropalast von Davioud und Bourdats. 

Belgien. Briissel: die neue Börse yon Zuys, der Justizpalast von Poelaert. Gent: Justizpalast und 
Universitit von Roelandt. Antwerpen: die neue Bérse, der Justizpalast, das Museum. 

England. London: Parlamentshiuser von Barry, Bankgebiude von John Soane. Coventgarden- 
Theater von Rohert Smirke. 

Raufland. Petersburg: Kathedrale von Waronchin, Isaakskirche von Montferrand. 

Schweiz. Ziirich: Polytechnikum von Semper. Basel: die Elisabethenkirche von Stadler. 

Uber die neueste Entwickelung der Architektur im Auslande s, die Artikel iber die Hauptstddte der 
einzelnen Lander. 





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20. Grundri6 eines Wohnhauses. 


9. Grun 


7. Hathor-Pleiler aus 
Abu Simbel. 


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1K, Pletles aus Medinet Habu. 5. Lingendurchs: 


Meyers Konv.- Lexikon, 6. Aufl. 


ktur I. 


Baukunst. 











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2. Durchschnitt der groben (Cheops -) Pyramide. 16. Palmenkapitell 
von Esneh. 





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in Luksor. (Nach Chipiez.) 





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21. Wohnhduser. (Nach Wandgemalden) 





17. Hathor Saule 
aus Dendrah 


{ des Tempels in Luksor 


Bibliogtaphim bes Inet tut ta Leiprig 


Arch 


Assyrisch - Babvionische. Persisch - Medis<>< 





2. Relief aus Chorsabad 
(Babyion:. Kuinen von Ninive. 








7. Grab des Kyros (Persien). 400 v. Chr. 





Querschnitt 
von a b. 





5. Sdule von Persepolis. 12. Lykisches Grabmal in Antiphellos 14. Sogen. Grab des / 
(Kleinasien). ca. 400—300 v. Chr. bei Jerusalem. (Hebr.) 


Meyers Konv.- Lexikon, 6. Aufl. 


tur Il. 


yasiatische, Phénikisch-Hebraische Baukunst 








i — 
Il. Vom Unterbau des Salomoni- 9. Tempel in Amrit 
schen Tempels. 1000 v. Chr. (Phdnikien). 


Pte 


4 


reepolis. (Rekonstruktion.) & Felsengrab (Grab des Dareios) bet Naksch | Rustem (Persien) 





— — — 





siomim K drontal 1h Lyk.sche Orabtassade in Telmissos (Alernasien: 6 Sdule son Persepolis 
det 2 Jatth v Che 4 Jatrh vy Chr 


Kt ygraphin tes Inst tut in Leipzig 







Bp SS ee 
1. Kyklopische Mauer. 







GrundriB 
zu Il. f — ee — 
pF eM Sill AU SSI 


Vows wae si ——— 
aT eS MAL T TTT TT - 


11. Der Turm der Winde in Athen. 
2. Jahrh. v. Chr. Korinth. Stil. 





LT — 
— = - “" 
— 





8. Das Erechtheion in Athen (Rekonstruktion), Um 410 v. Chr. lonischer Stil. 7. Inneres des groty 


Meyers Konv.- Lexikon, 6. Aufl. 


tektur III. 


sche Baukunst. 









— 


* — 


| 


Grundrib 
zu 9. 





— 
Athen (Rekonstruktion) 

9. Denkmal des Lysikrates in Athen 
8454 438 v. Chr. Dorischer Stl 3M ov. Chr. Korinth. Stil. 





Ser Ge ’ 
weg th. '- 
so5 2h -2 hs 5 =, 4 





Temp ° 
Mpels in Pastum 10 Das Theater in Seygesta (Rekonstruktion gach Strack) 


bibl: yraphin tes Institut in Leipzig 


Digitized by Google 


Architer 


Etruskische und B- 








11. Grabcippus 1, Quellhaus in 
(Seitenansicht). Tusculum. 








3. Tor in Volterra. 6. Etruskischer Temp 


(l—11: Baw 








15. Fassade des Pantheons in Rom. 14. Grundrif des Pantheons in. 


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12. Tonnengewolbe. 
(Rémisch,) 





13. Kreuzgewalbe. 7 ? 
(Rémisch,) 17. Tempel der Venus und Roma in Rom. (Restaury 


Meyers Konv.- Lexikon, 6. Aufl. 


ctur IV. 


Mmische Baukunst. 





10. Etrusk. Grabmal 8. Sdule von der 9. Sog. Grab der Horatier 
in Castel d'Asso. Cucumella in Volci. und Curiatier. 





el nach G. Sempers Rekonstruktion. 
akunst der Etrusker.) 





5. Die Cloaca maxima in Ros 
(6005v. Chr.) 





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Vestibulum Ostiom Liteon — ‘Tablinam Peristylinm Occns 
5. Haus des Pansa. Langendurchschnitt von A nach B. 


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6. Haus des Pansa. Rekonstruierte perspektivische innere Ansicht 
von A nach B des Grundrisses (4). 












8. Grabmal des Hadrianus in R 
Restaurati: 











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| 2. Grundri6 des Amphitheaters in Nimes. 


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n bls aur Hihe der ewelten, C bis sur Hihe der ersten Um- 10. Saal aus den Thermen ¢ 
echiicbong. D Durchechnitt an der Dodenfliche, Rek 


Meyers Konv - Lexikon, 6. Aufl. 


ttur V. 


Baukunst 


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10. Kapitell aus San Vitale in 
Ravenna. (Byzantinisch.) 


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12. Kapitell aus Ravenna. 
(Byzantinisch.) 





6. Konstruktion der byzan- 
tinischen Kuppel. 








3. Querschnitt von St. Paul. 








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2. Grundrif von St. Paul. 1. St. Paul vor Ror 


Meyers Konv.- Lexikon, 6, Aufl. 


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hy zantinischer Stil, Zentralbau). San Vitale in Ravenna. 


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6. Hauptportal des Alkasar in Sevilla. 1369—79. 1. Moschee in © 


Meyers Konv.- Lexikon, 6. Aufl. 


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kunst (7.—14. Jahrhundert). 











ombra bei Granada. 13. -14. Jahrh. 5. Moschee des Sultans Hassan in Kairo. 1356. 





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10. Kapitell aus San Vitale in 
Ravenna. (Byzantinisch.) 





9, Grundri® der Sophienkirche. 





12. Kapitell aus Ravenna. 
(Byzantinisch.) 





7. Griech. Kreuz als Basis 6. Konstruktion der byzan- 
des Zentralbausystems. tinischen Kuppel. 


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2. Grundrif von St. Paul. 1. St. Paul vor Rom 


Meyers Konv.- Lexikon, 6. Aufl. 


‘tur VI. 


rantinische Baukunst. 





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der Sophienkirche in Konstantinopel. 532 . 537. 11. Kapitell und Siulenbasis aus 
i-yrantinischer Stil, Zentralbau). San Vitale in Ravenna, 





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Arabische und Maurische 





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2. Moschee Ibn Tulfin in Kairo. Gegriindet 8&5. 

















6. Hauptportal des Alkasar in Sevilla. 1369 —79. 1. Moschee in © 


Meyers Konv.- Lexikon, 6. Aufl. 


tur VII. 


skunst (7.—14. Jahrhundert). 





ambra bei Granada. 13. -14. Jahrh. 5. Moschee des Sultans Hassan in Kairo. 13%. 





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3. Dom in Bamberg. Ostseite, erbaut 1009 — 1012. 


Meyers Konv,- Lexikon, 6, Aufl. 


Architek 


Romanische Baukuns 





7. Refektorium des Klosters in 





4. Grundrif des Dos 





6. Grundrif der Apos 


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9 —13. Jahrhundert). 


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1. Mittelbau der Michaelskirche in Fulda. 817—82 





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lasibronn, 1215 — 20. 


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la.tche in Kola. 5. Apustelkirche in Koln. Hey: noen um LAD 





Bibliographisches Institul in Leipzig 


Arch 


Gotischer Stil 








5. Altstadt- Ratha 
Begonnen um |. 


3. Kathedrale in Burgos. 2. Kathed: 
Begonnen 1221, vollendet 1442—-87 durch Johann von KOln. Begonnen 1212, vollendet 


Meyers Konv.- Lexikon, 6. Autl. 


»ktur IX. 


und 14. Jahrhundert) 





a Hraunschweig. 
vellendet 1468 





1. Tuchhalle in Ypern. 1201 - 1442. 


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» © Heine 4 Dom in Sena) Begennen um 12) 
> durch Kibert de Coucy Bau det bassade von Giovanni Prsane se.t LOM, fortgesctst tue 1.457 


B.ootiegraphia hes Institut in Le prig 


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Arch 
Italienische Renaissa-. 








4. Grands | 





Hauptfront. 


2. Die Peterskirche in Rom. 








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1. Palazzo Strozzi in Florenz. 





Begonnen 1489. 


Majano. 


Hauptfront von B. da 


Meyers Konv.- Lexikon, 0. Aufl. 


ctur X. 


(15.—17. Jahrhunderf). 


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Peterskirche in Rom. Langsachaitt. 

mnen 19% von Bramante, fortgefahrt von 
. San Gallo und seit 1446 von Michelangelo, 
votlendet 1626 von Maderna 





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Asthusbibliothek in Venedex 6 Patarro Rey a Universita ta Genus 
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Bitiicgraph shes Inst.tut in Leipzig 


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1. Vom Schlos 2 Heidehe- 


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4. Zeogtaus in Augvourg, von El.as H: 


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6. Pavillon de I'Horloge (Sully) des Lo 


1594. 


Hofportal. 


4%. Cobham Hall (Grafschaft Kent). 


Meyers Konv.-Lexikon, 6. Aufl. 


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a‘ssance (14 und 17. Jahrhundert) 








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1614 


5. Rathaus in Paderborn 


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t» Heinrich-Bau. 1556 








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Beyonnen von Lemercier 1624 


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Barock- und Rokokozeit 

















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2. Ehemaliges Zeughaus in Berlin, von Nehring und de Bodt. 1. Palais Czernin in Prag, von G. B 
1694 — 1702. 





Meyers Konv.- Lexikon, 6, Aufl. 


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7. und 18. Jahrhundert). 








Sten, von D. Péppelmann 5. Kariskirche in Wien, von J. B. Fischer von Erlach und 
oer Ostseite. 1711 -— 22 A, E. Martinelli. 1716 37. 


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3. Konighches Schic8S in Bertin 
Hoffassade des Portals Vi von A Schluter Tee 1706 





Bibliographisches Institut in Leipzig 


Verlag des Bibliographischen Instituts in Leipzig. 





ses et tod Werke. 











Meyers Grosses Konversations- testhen: sechste, géinztich 
neubearbeitete und vermehrte Auflage. Mit mehr als 11,000 Abbildungen, Karten 
und Plinen im Text und auf fiber 1400 Illustrationstafeln (darunter etwa 100 Far- | 
bendrucktafeln und 300 Kartenbeilagen) sowie 130 Textbeilagen. (Im Eracheinen.) , 

Gebeftet, in 320 Lieferungen ru je 50 Pf. — Gebunden, in 20 Halblederbinden . . . . Je 


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beitete Auflage. Mit 168 Illustrationstafeln (darunter 26 Farbendrucktafeln und 
56 Karten und Plaine) und 88 Textbeilagen. 
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Brehms Tierleben, dritte, neubcarbeitete Auflage. Mit 1910 Abbildungen 
im Text, 11 Karten und 180 Tafeln in Holzschnitt und Farbendruck. 
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(Ba. 1-111 »Sdugetieree — Bd. 1V—V1 1Voyele — Bd. VII »Kriechtiere und Lurches — 
Bd. Will sFiaches — Bd, IX simacktene — Bd. X »Niedere Trerec.) 


Gesamtregister xu Brehms Tierleben, 3. Auflage. 


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Zweite, von R. Schmidtlein neubeardeitete Auflage. Mit 1179 Abbildungen im 
Text, 1 Karte und 3 Farbendrucktafeln. 

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Die Schipfung der Tierwelt, von Dr. With. Haacke, Er- 
ginzungsband gu >Brehms Tierlebens.) Mit 469 Abbildanyen im Text und auf 
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Der Menach, von Prot. Dr. Joh. Ranke. Ziceite, neubearbeitete Auflage. 
Mit 1398 Abbildungen im Text, 6 Karten und 35 Farbendrucktafeln. 
Gebefiet, in 26 Lieferungen eo je 1 Mk. — Gebnndon, in 2 Halbiederbanden F . je 


Volkerkunde, von Prot. Dr. Friedr. Ratzel. Zweite Auflage. Mit 1103 
Abbildungen im Text, 6 Karten und 56 Tafeln in Holzschnitt und Farbendruck. 
Gohbeftet, in 28 Lieferungen xa jo 1 Mk. — Gebnnden, in ® Walbiederbinden. . . . . je 


Pflanzenleben, von Prot. Dr. A. Kerner von Marilaun, Zweite, 
nenbearbeitete Auflage, Mit 44% Abbildungen im Text, 1 Karte und 64 Tafeln 
in Holzschnitt und Farbendruck. 

Geheftet, in 28 Lieferungen meu fe 1 Mi. — Gebunden, in 2 Halblederbanden 


hichte, you Prot. Dr. Melchior Newmayr. Ziceite, von Prof. 
Dr, V. Uhlig neubearbettete Auflage. Mit 872 Abbildungen im Text, 4 Karten 
und 34 Tafeln in Holzechnitt und Farbendrock, 
Gebefiet, in 28 Lieferungen m jo 1 Mk. — Gebunden, in 2 Halblederbanden 


Daa Weltgebdtude, Fine gemeinverstandliche Himmelekunde. Von Dr, M. 
Wilhelm Meyer. Mit 287 Abbildungen im Text, 10 Karten und 3} Tafela 
in Heliograviire, Holzschnitt tnd Farbendrock. 

Geheftet, in 14 Lieferungen eu je 1 Mk. — Ciebanden, in Malbleder . 





Ausfihrliche Prospekte zu den einzelnen Werken stehen kostenfrei zur Verfigung. 











Die Naturkriifte. Gemeinverstindlich dargestelit yon Dr. M. Wilhelm » 
: Meyer. Mit etwa 500 Abbildungen im Text und 26 Tafeln in Holzschnitt, | 
Atzung und Farbendruck. (In Vorbereitung.) 
Geheftet, in 15 Lieferungen zu je 1 Mk. — Gebanden, in Halbleder 


Bilder-Atlas zur Zoologie der Sttugetiere, yon Professor Dr. 
W. Marshall, Beschreib. Text mit 258 Abbildungen, Gebunden, in Leinwand | | 


Bilder - Atlas zur Zoologie der Vogel, yon Protessor Dr. W. Mar- 
shall. Beschreibender Text mit 238 Abbildungen. Gebunden, in Leinwand . . 

Bilder-Atlas zur Zoologie der Fische, Larche und | 
Kriechtiere, von Prof. Dr. W. Marshall. Beschreibender Text mit | 
208 Abbildungen. Gebunden, in Leinwand . 


Bilder-Atlas zur Zoologie der Niederen Tiere, von Prof. | 
Dr. W. Marshall, Beschreib. Text mit 292 Abbildungen, Gebunden, in Leinw, 


Bilder- Atlas zur Pflanzengeographie, yon Dr. Moritz Kron- 
feld. Beschreibender Text mit 216 Abbildungen, Gebunden, in Leinwand . . . 


Kunstformen der Natur, von Prot. Dr. Ernst Haeckel. 100 Mlu- 
strationstafeln mit beschreibendem Text. In 2 Sammelkasten (im Erscheinen). . je 





Geographische Werke. 


Die Erde und das Leben. Eine vergicichende Frdkunde. Von Prof. 
Dr. Friedrich Ratzel. Mit etwa 500 Abbildungen im Text, 21 Karten- 
beilagen u. 46 Tafeln in Holzschnitt, Tonaitzung u. Farbendruck. (Im Erscheinen.)! | 

Geheftet, in 80 Lieferungen zu je 1 Mk. — Gebunden, in 2 Halblederbinden 17 [= 


Afrika. Zweite, von Prof. Dr. Friedr. Hahn villig umgearbeitete Auflage. | 
Mit 173 Abbildangen im Text, 11 Karten und 21 Tafeln in Holzschnitt, Atzung | 
und Farbendruck. | 
Geheftet, in 15 Lieferungen zu fe 1 Mk. — Gebunden, in Halbleder . . . . 1. ... .17 


Australien, Ozxeanien und Polarldander, yon Prot. Dr. With. 
Stevers und Prof. Dr. W. Kiitkenthal, Zweite, neubcarbeitete Auflage. | 
Mit 198 Abbildungen im Text, 14 Karten und 24 Tafeln in Holzschnitt, Atzung 
und Farbendruck. 
Gebeftet, In 15 Lieferungen eu je 1 Mk. — Gebunden. in Halbleder . . .. 


Asien, von Prot. Dr. With. Severs. Mit 156 Abbildungen im Text, 14 Karten | 
und 22 Tafeln in Holzschnitt und Farbendruck. 
Geheftet, in 13 Lieferungen gu je 1 Mk. — Gebunden, in Halbleder . . . 2 eee ee 


Amerika, in Gemeinschaft mit Dr. E. Deckert und Prof. Dr. W. Kilken- 
thal herausgegeben von Prof. Dr. Wilh, Sievers. Mit 201 Abbildungen im , 
Text, 13 Karten und 20 Tafeln in Holzschnitt und Farbendruck. 

Geheftet, in 18 Lieferungen eu je 1 Mk. — Gebunden, in Halbleder 


Europa, von Dr. A. Philippson und Prof. Dr. L. Neumann. Heraas- | 
gegeben von Prof. Dr. Wilh, Sievers. Mit 166 Abbildungen im Text, | 

14 Karten und 28 Tafeln in Holzschnitt und Farbendruck. 
Geheftet, in 14 Lieferungen zo je 1 Mk. — Gebunden, in Halbleder . . . . 2. 2 we ea! 


Meyers Hand-Atlas. Zweite, neubearbeitete Auflage. Mit 113 Karten- 
blattern, 9 Textbeilagen und Register aller auf den Karten befindlichen Namen. | 
Geheftet, in 38 Lieferungen zu je 80 Pt. — Gebunden, in Halbleder 


Neumanns Orts-Lexikon des Deutschen Reichs. 
neubearbeitete Auflage. Mit 34 Karten und Plinen und 276 Wappenbildern, | 
Geheftet, In 26 Lieferungen mu je 50 Pf. — Gebunden. in Halbleder . , 2. 1. 2 6 © we 8 U5 


























phte von — von Dr. A. Geist- 
— Beschreibender Text mit 233 — 


Bilder - Atlas zur Geographte der aussereuropdischen 


Erdteile, von Dr. A. Geistbeck. Beschreibender Text mit 314 Abbild. 
Gebunden, in Leinwand 


Verkehrs- und Reisekarte von Deutschland nebst — 
stellungen des rheinisch-westfilischen Industriegehiets u. des sid westlichen Sachsens , 
sowie zahireichen Nebenkarten. Von F Krauss. Massstab: 1: 1,500,000. 

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Weltgeschichts- und kulturgeschichtliche — Werke. 





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Das Deutache Volkatum, herausgegeben von Prof. Dr. Hans Meyer. 
Mit 30 Tafeln in Holzschnitt, Atzung und Farbendrack. 
Gebefiet, in 13 Lieferungen en Jo 1 Mk. — Gebunden, tn Halbleder 


Weltgesachichte, unter Mitarbeit hervorragender Fachminner herausgegeben 
von Dr. Hans F. Helmodlt. Mit 51 Karten und 185 Tafeln in Farbendruck, 
Holzschnitt und Atzung. (Im Erscheinen.) 

Geheftet, in 16 Halbbanden su je 4 Mk. — Gebuanden, in 8 Halblederbinden 


Urgeschichte der Kultur, von Dr. Heinrich Schurtz. Mit 434 
Abbildungen im Text, 1 Kartenbeilage und 23 Tafeln in Farbendrack, Holz- ‘ 
schnitt und Tonitzung. 

Gebeftet, in 15 Licferungen tu jo 1 Mk. — Gebunden, in Halbleder 


Meyers Historisch-Geographischer Kalender. Mit 12 Pis- 
netentafeln u. 353 Landschafts- u. Stidteansichten, Portriiten, kalturhistorischen u. 


kunstgeschichtlichen Darstellungen u. einer Jahresiibersicht (auf dem Rickdeckel). 
Zem Aufhingen als Abreiikalender elngerichtet. (Erecheint alljabrlich im August) set 


Literar- und kunstgeschichtliche Werke. 


— —— —— — 


Geschichte — — ILiteratur, von Jakob Mdahly. 


2 Teile in cinem Band. Gebanden, in Leinwand 3,50 Mk. — Gebdunden, in Halbleder 


Geschichte der deutschen LTAiteratur, von Prot. Dr. Friedr. 
Vogt u. Prof. Dr. Max Koch. Mit 126 Abbildungen im Text, 25 Tafeln in, 
Farbendruck, Kupferstich und Holzechnitt und 34 Faksimilebeilagen. 

Gebeftet, in 14 Lieferungen m jo 1 Mk. — Gebunden, in Halbleder . . . 


Geachichte der englischen Literatur, von Prot. Dr. Rich. Wat- 
ker. Mit 162 Abbildungen im Text, 25 Tafeln in Farbendrack, Kupferstich 
und Holeschnitt und 11 Faksimilebellagen, 

Gebeftet, in 14 Licferungen en Je 1 Mk. — Gobdunden, In Halbleder 


Geachichte der ttalienischen Literatur, you Prof. Dr. B. Wiese 
u. Prof. Dr. E. Péreopo. Mit 158 Abbildangen im Text und 31 Tafeln in Far- 
bendrack, Kupferiitzung und Holzsehnoitt und § soe el 

Geheftet, tn 14 Lieferangen su Je 1 Mk. — Gebunden, in Halbleder . 


Geschichte der franzdsiachen Literatur, von Prot. Dr. 
Hermann Suchter und Prof. Dr. Adolf Birch- Hirschfeld. Mis 
143 Abbildungen im Text, 23 Tafeln in Farbendruck, Holzschnits und Kupfer- 
Ateung und 12 Faksimilebeilagen. 
Gebefiet, in 14 Lieferungen su je 1 Mk. — Gebunden, in Halbleder - 


Geachichte der Kunst aller Zeiten und Valker, vou Prof. 
Dr. Karl Woermann, Mit etwa 1300 Abbildungen im Text und 130 Tafeln 


in Farbendrock, Holzchnitt und Tonftgung. (1m Erscheinen.) 
Gebunden, in 3 MMalbledurbandes a a a ae se F 

















Meyers Klassiker -Ausgaben. 


In Leimwand - Einband; fiir feinsten Halbleder- Einband sind die Preise wm die Halfte hoher. 





Deutsche Literatur. 


Arnim, herausg. von J. Dohmke, 1 Band 
Brentano, herausg. von J. Dohmke, 1 Band 
Birger, herausg. von A, Z, Berger, 1 Band) 
Chamisso, herausg. von H. Kurz, 9 Bande 
Eichendorff, herausg. von R. Dietze, 2 Bande 
Gellert, herausg. von A, Schullerus, 1 Band | 
Goethe, heransg. von H. Kurz, 12 Binde . 3 
brag. von XK. Heinemann, 15 Bde., Je) 
Hauff, herausg. von M. Mendheim, 3 Binde| 6, 
Hebbel, herausg. von A. ZeiA, 4 Biinde j 
Heine, herausg. von EZ. Elster, 7 Bande . 
Herder, heransg. von H. Kurs, 4 Bande. 
K.T. A. Hoffmann, — von Vv. — 

8 Bde... 
H. vy. Kleist, herausg. von H. Kurs, ‘2 Bae. . = 
Korner, herausg. von H. Zimmer, 2 Bande 4 — 
Lenau, herausg. von C. Hepp, 2 Bande. .|| 4 — 
Lessing , berausg. von F. Bornmiiller, 5 Bde, 12 — 
0. Ludwig, herausg. v. V. Schweizer, 3 Bande || 6; — 
Novalis u Fouqué, herausg. v. J. Dohmke, 1 Bd.) ꝰ — 
Platen, herausgeg. von G. A. Wolf u. V. | | 

Schweizer, 2 Bande . . 4/- 
Rickert, herausg. ‘von @. Eulinger, 2 Bande | 4} — 
Schiller, herausg. y. L. Bellermann, bleine'| 
Ausgabe in 8 Binden. . . . 1.16 — 
grofe Ausgabe in 14 Banden. ..28 — 
Tieck, bherausg. von G. L. Klee, 3 Bande .| 6 — 
Uhland, herausg. von L. Frankel, 2 Bande | 4 — 
Wieland, berausg. von @. L. Klee, 4 Bande! 8 — 


te Siem morse 


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Englische Literatur. 


Altenglisches Theater, v. Robert Prol4, 2 Bde. | 
Burns, Lieder und Balladen, von K. Bartsch || 
Byron, Werke, Strodtmannsche — “ 
4 Bande .. 
Chaucer, Canterbury - “Geschichten, 
Hertzberg . . 
Defoe, Robinson Crusoe, von x. "Altmiiller « 
Goldsmith, Der Landprediger, von X. Eitner | 
Milton, Das verlorne Paradies, von K. Eitner 
Scott, Das Friulein vom See, von H. Viehof’' 
Rhakespeare, Schleyel-Tiecksche Ubersetzg. 
Bearb. von A. Brandl 10 Bde, 20 
Shelley, Ausgewihite — von Ad. 
Strodtmann . ; 1) 50 
Sterne, Die empfindsame Reise, v. x. Eitner | 1| 2 
‘Tristram Shandy, von #. A. Gelbcke | 2 
Tennyson, Ausgewihite — — 
Ad, Strodtmans e ° 


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Amerikan. Anthologie, von Ad. Strodtmann, 2 





'M.! ‘PE. 


Itallenische Literatur. 


Artost, Der rasende Roland, v. J. D.Gries,2 Bde. | 
Dante, Géttliche Komédie, von A. Eitner .) 


Leopardi, Gedichte, von BR. Hamerling . . 
Manzoni, DieVerlobten,von E. Schroder, 2Bde. 


Spanische und portugiesische 


Literatur. — 


Camoéns, Die Lusiaden, von K. Eitmer. . 

Cervantes, Don Quijote, von E. Zoller, 2Bae. 

Cid, von X. Eitwer. . 

Spanisches Theater, von Rapp, Braunfels 
und Kurs, 3 Bande. ee e 


Franzésische Literatur, 
Beaumarchals, Figaros Hochzeit, von Fr. 
Dingeletedt. . . 
Chateaubriand, Erzihlungen, v. M. v. " Andechs 
La Bruyére, Die Charaktere, von X. Eitner 
Lesage, Der hinkende Teufel, v. L, Schticking 
Mérimée, Ausgewihlte Novellen, v, Ad. Lawn 
Molitre, Charakter-Komédien, von Ad. Laun 


Rabelais, Gargantua, v. F. A. Gelbcke, 2 Bde. 


Racine, Ausgew. Tragédien, von Ad. Laun 
Rousseau, Bekenntnisse, v.L. Schiicking, 2 Bde. 
Ausgewiihlte Briefe, von Wiegand 
Saint-Pierre, Erzihlungen, von K. Eitner . 
Sand, Landliche Erz4hlangen, v. Aug. Cornelius 
Staél, Corinna, von M. Bock, . . 

Topffer, Rosa und Gertrud, vou K. Eitner 


Skandinavische und russische 


Literatur. 
Bjérnsen, Banern-Novellen, von EZ. Lobedans 
Dramatische Werke, v. E. Lobedanz 
Die . Edda, von H.Gering . . 
Holberg, Komédien, von R. Pruts, 2 Bande 
Puschkia , Dichtungen, von M Lowe . a: a 
Tegner, Frithjofs-Sage, von H. Viehof . . 


Orientalische Literatur. 
Kalidasa, Sakuntala, von Z. Meier . 
Morgenlindische Anthologle, von £. Meier 


Literatur des Altertums. 

Anthologle griechischer u. rémischer — 
von Jakob Mdhly . 
Aschylos, Ausgew. Dramen, von A 
Euripides, Ausgewahlte Dramen, v. J. — 
Romer, llias, von F. W. Ehrenthal ° 
Odyssee, vou F. W. Ehrenthal . . 

Sophokles, Tragddien, von H. Viehoff 


Worterbioher. 








Orthographisches Worterbuch der deutschen rn 
vn Dr. Konrad Duden. Siebente — 


Gebunden, in Leinwand . 


Orthographisches ——— — — 
Sprache, von Dr. Konrad Duden. 


Gebunden, in Leinwand . , 


Druck vom Bibliograpbisehen Institut in Leipzig. 


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